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der kais. und ktoigl.
geographischen Gesellschaft
IN WIEN.
XIII. Band (der neuen Fol^ 3. Band)
(»»(«(«Imb in U moiutUchra L>«f«niag«B)
1870.
Redigiert von ihrem Generalsecret&r
M. A. Becker.
Wien 1871
In Committion bei Alfred Holder (Becks UniTerBiUtsbachhandlniig).
Verlag der geographischen Gesellschaft.
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Druck von L. W. Seidel * Sohn in Wien.
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I n ]:\ a 1 1.
Gesellschaftsangelegenheiten : Seite
Jahresbericht (für 1869) desPr&Bidenten Dr. Ferd. v. Höchste tt er 49
Bericht (für 1869) des orientalischen Co mit 6 's der Gesellschaft
(Freih. v. Helfert) 71
Bericht (für 1869) Ober den Zustand der Finanzen der Gesell-
schaft (Dr. Edl. V. Ruthner) • . • 74
Bericht (für 1869) über die inneren Angelegenheiten der Ge-
sellschaft (M. A. Becker) . . .• 78
Bücher und Karten, die der Gesellschaft als Geschenk oder im
Tauschverkehr zukamen und in der Bibliothek aufbe-
wahrt sind 82, 283, 418, 529, 653
Mitglieder der Gesellschaft, nach dem Jahre ihres Eintritts ge-
ordnet 571
Standder Gesellschaft am Schlüsse des Jahres 1870 (Statuten, Ge-
schäftsordnung, Leitung und Mitgliederverzeichnis deÜ: Gesellschaft) 660
Mönatssitzung am 23. Nov. 1869 • 41
Jahresversammlung am 14 Dec. 1869 69
Monatssitzung am 11. Jänner 1870 • . . . . 140
Monatssitzung am 8. Februar 1870 187
Außerordentliche Sitzung am 1. März 1870 235
Monatsitzung am 8. März 1870 287
Monatssitzung am 19. April 1870 336
Monatssitzung am 17. Mai 1870 383
Monatssitzung am 25. October 1870 630
Monatssitzung am 22. Nov. 1870 . . . . - 657
Abhandlon^en : '
Plan der diesjährigen deutschen Nordpolarexpedition.
Von C. W e y p r e c h t , k. u. k. Schiffslieiitenant 1
Die Vorarbeiten zum Bau der türkischen Eisenbahnen. Von
Dr. Ferd. v. Hochstetter... 17
Die Bocche di Cattaro. Vortrag von Dr. J. Descovich (mit
einer Karte) 20
Beise von Serajewo nach dem Dormitor und durch die mittlere
Herzegowina. Von Carl Sax, k. u. k. Vice-Consul. (Mit
einer Karte) . . 97
(Dm VeneichniB der Drnckfehlei 8. Seite 289.)
Der Geograph Mercator. Von A. Steinhauser 115
Die geographischen Arbeiten in der Schweiz, v. J. M. Ziegler 121
Boiokeltische Ortsnamen in Böhmen, vergleichsweise
zusammengestellt v. J. Vinc. Goehlert 145
Eugen V. Guerard australische Landschaften. Besprochen von
Dr. Ferd. v. Hochstetter •. . . 154
Uebersicht der Arbeiten der kais. geographischen Gesellschaft
in St. Petersburg (aus dem Jahresbericht 1867) 158
IV
S«ite
Der westliche Theil von Bosnien. Von J. v. Jaxa-Dembicki^
k. k. Oberlieutenant und Consularagent 162
'^;, Reise durch Rumelienim Sommer 1869. Von Dr. Ferd. v.Hochstetter
1. Das östliche Thracien, von Constantinopel nach Adrianopel 193
2. Adrianopel (mit einer Karte) 350
3. Von Adrianopel über Jamboli nach Burgas 545
4. Von Burgas dem Balkan entlang nach Philippopel . . . 585
Gedanken über die Ursachen des Erdmagnetismus. Von
Otto Spieß 212
'■■ Bosnien, mit Bezug auf seine Mineralschätze. Vom Beig-
ingenieur A. Conrad 219
Die politische Dichtigkeit der türkischen Eisenbahnen.
Von Fr. V. H a u s 1 a b 241
Von D a b b e h nach Omderman, durch die westliche B a j u d a-
Steppe. Von Ernst Marno (mit einer Karte) 244
Die Zuydersee. Von Friedr. v. H e 1 1 w a 1 d .248
Banjaluka und Bihaö in Bosnien. Von A. v. Draganchich 265
Das Becken von I cht im an und der falsche Wid. Von Dr. Ferd.
v. Hochstetter 289
Capt. Johannesen's Fahrt im Karischen Meere 1869 und
Stand der Polarfrage 1870. Von A. Petermann 294
Das Land Turuchan (nach dem Russischen des H. Tretjakow).
VonF. Svöceny 304,358,396
Die „hohe W a n d** bei W. Neustadt. Von Eugen Jos. Matz, k. k.
Oberlieutenant . . . • 311
Die Fregatte Donau im Kampf mit derCyclone 337
Ein Streifzug in's Arnautluk. Von Otto Spieß 385
Aus russischAsien 413
Aus dem Sudan. Von M. H 433
Die Bahnen der europäischen Türkei und der Nachbarländer,
von Rz 438
Klima des salzburgischen Alpenlandes, von Prof. Dr.
Job. N. Woldfich 451
Offenes Schreiben an Dr. Kiepert. Von Jos. v. Sc heda . . . . 475
Die ehemalige Wald-Veste Böhmen. Von J. A. Freiherr v.
H elf ort (mit einer Karte) 489
Der Elfenbeinhandel am Sudan. Von J. M. H 518
Von Famäka nach Fadasi. Von Ernst Marno 537
Von der zweiten deutschen Nordpolexpedition
1. Brief des Dr. Laube an Hochstetter 552
2. Brief des Oberlieutenant P a y e r an Hochstetter 557
3. Mittheilungen des Bremer Comit4^ 560
4. Bericht über die Expedition der „Germania^ (vom Bremer
Comit6) 607
Beobachtungen auf den Kamenen. Vom k. k. Corvetteli-
Capitän Eduard Germonig 633
üeber Boden- und Vegetations Verhältnisse Nord- Ost -Africa's. Von
Ernst Marno (mit einer Karte) 641
Verbindungsproject des persischen Golfs mit dem Mittelmeere. Von
F. Kanitz 648
Geographische Literatur:
a) Bücher.
Die Balearen. In Wort und Bild geschildert. Leipzig, bei Brock-
haus 1860. I. Band : die alten Pityusen .... 27
Die Russen in Gentralasien. Eine geographisch-historische
Studie, von Friedrich von Hellwald. Wien 1869 .... 28
Aus allenWelttheilen. Illustriertes Familienblatt für L&nder-
und Völkerkunde. Redigiert von Dr. Otto Deutsch. Leipzig,
bei R. Lo^ 29
Seite
Wilhelm v. Harnier's Reise am obern Nil. Nach dessen hinter-
lassenen Tagebüchern, heraasgegeben von Adolph Harnier. Mit
einem Vorwort von Petermann. Darmstadt und Leipzig bei
Zernin 1866 29
Gerard M erc a t o r , sa vie et ses oeuvres. Par le Dr. van R ae m d o n c k.
S. Nicolas chez E. Dalschaert-Praet 1869 125
Gerhard Kremer, genannt Mercator, der deutsche Geograph. Von
Dr. Breysing. Duisburg 1869 125
Die Arbeiten der topographischen Landesdurchforschung von
Böhmen 1864—1866. Von Prof. Dr. Carl Koristk». Prag 1869 127
Neae Probleme der vergleichenden Erdkunde als Versuch einer Mor-
phologie der Erdoberfläche. Von Oscar Peschel. Leipzig bei
Duncker und Humblot 1870 129
Protocoll der permanenten Commission fiir europäische Grad-
messung vom 23. bis 29. Sept. 1869 in Florenz 177
Lehrbuch der Erdbeschreibung von A. Zachariae. Achte vermehrte
Auflage, bearbeitet von L. Thomas. Leipzig, bei Fleischer 1868 177
Land und Leute in Africa. Berichte aus den Jahren 1865—70.
Von Gerhard Rohlfs. Bremen bei Ktihtmann 1870 228
Registrande der geograph. statistischen Abtheilung des großen General-
stabs. I. Jahrgang. Berlin 1869 230
Tunis. Ein Bild aus dem nordafHcanischen Leben. Prag 1870 . . 271
Naturwissenschaftliche Reisen im tropischen America. Von
Dr. Moriz Wagner. Stuttgart bei J. G. Cotta 1870 .... 272
L'empire des Tsars, par M. J. H. S c h n i t z 1 e r. Tom. IV.
Paris. V. Berger-Levrault et Fils 1869 275
T o z e r, Researches in the Highlands of T u r k e y. London 1869 . 276
The M ag y a r s , their country aud institutions. By Arthur J. P a 1 1 e r-
80 n. London 1869 324
Da 1 matien und seine Inselwelt. Von H. N o e. Wien bei Hartleben 1870 364
Schriften der historisch-statistischen Section der k. k. mährisch-
8 ch lesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues,
der Natur- und Landeskunde. Von Chr. d'Elvert. Brunn 1870 367
Termeszettudomanyi Köslöny (naturwissenschaftliche Mittheilungen
des naturw. Vereins zu rest) ... 370
Index alphabeticus codicls diplomatici Hungariae per Georgium Fey^r
editi. Concinnavit Maurus Czinär 370
Kleine Literatur 4. . . • 371
Geographie. Länder- und Völkerkunde von Dionys Grün. Wien
bei Beck 1870 423
Memoria por la direcion general de estadistica sobre los trobyas
ejecutados por la misma desde 1. Octobre de 1868 hasta 31. de
Decembre 1869. Madrid 1870 425
Der Golfstrom und Standpunkt der thermometrischen Kenntnis
des atlantischen Oceans und Landgebietes im J. 1870. Von A.
Petermann 477
Bolletino della societä geografica italiaua. Fax. 4. 1870 . . 479
G^rard de Cremer ou Mercator geographe Flamand. Par Dct.
van Raemdonck S. Nicolas 1870 528
Jahrbtlcher der k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetis-
mus. Von Karl Jelinek und Karl F ritsch. Neue Folge. V. Bd.
Jahrg. 1868. Wien 1870 581
An den Nordpol. Schilderungen der arctischen Gegenden und der
Nordpolfahrten — bis zur Gegenwart. Von Hermann Klein. Kreuz-
nach bei Voigtländer 1870 582
Geschichte des europäischen Versicherungsrechtes. Von Dr. C. F.
Reatz. L Bd. Leipzig bei Findol 1870 625
Bestimmung der Seehöhen von Orten auf graphischem Wege, von
Fr. Rath, herausgegeben von J. G. Schoen. Wien 1871 . . 650
Encjclop&die der Landeskunde Galiziens 651
VI
h) Karten. Seite
Administrativ- Karte von Niederösterreich. Herausgegeben vom
Verein für Landeskunde von Niederösterreich 30
Geologische Karte der Provinz Preußen, von Dr. ßerendt.
Berlin bei J. H. Neumann 1867 30
Karte der Umgebungen von Gleichenberg. Von Prof. J.
Wastler. Graz 1869 ....... 31
Umgebungskarte von Rohitsch-S.auerbrunn und Krapina-
Te plitz. Herausgegeben von Dr. J. Burghardt 31
Lithographirte Musterblätter. Von der topographisch -geographi-
schen Anstalt von Wurster, Randegger & Comp. Winter-
thur 1869 31
Karte du Garton de Gen^ve (nach Dufour reduciert und graviert
bei Wurster in Winterthur). Genf bei Briquet et Fils 1868 . 31
Karte der Insel fenerifa, nach verschiedenen Materialien und
eigenen Beobachtungen entworfen, von G. Härtung, Karl v.
F ritsch und W. Reiß, gezeichnet v. Randegger. Winterthur
bei Wurster, Randegger & Comp. 1869 31
Plan von Jerusalem, nach den englischen Aufnahmen (1864/5)
von Wilson reduciert. Winterthur bei Wurster, Randegger & Comp. 32
Mapa de Guatamala la nueva, von Hermann Au. Winterthur
bei Wurster, Randegger & Comp 32
Karte des Cantons Glarus. Winterthur bei Wurster, Randegger
& Comp 32
Umgebung von Triest, nach einem Originale der Generalstabsäb-
iheQung der 7. Truppendivision, photo-lithographiert im k. k.
Militär- geographischen Institute 1868 33
Karte von Ungarn, vom k. k. militär-geographischen Institute 1868 33
Karte der Flussgebiete des Drin und des Wardar, nach den
Beobachtungen von J. G. v. Hahn, von H. Kiepert.
Berlin 1867 34
Generalkarte der europäischen Türkei und von Griechen-
land. Von J. V. Scheda. Wien 1869 89
Kartographische Arbeiten des königl. italienischen General-
stabes 91
Küstenkarte des adriatischen Meeres, von der k. u. k. öster-
reichischen Kriegsmarine Bl. Nr. 4. Wien 1870 270
Karten des hydrographischen Amtes der britischen Ad-
miraliät v. 1860 und 1870 368
Wandkarte der Schweiz, von J. M. Z i e g 1 e r . . 369
Wandkarte, Handkarte und Schulkarte des Kantons Zürich, von J.
M. Ziegler 370
Volksatlas über alle Theile der Erde, von A m t h o r und Iss-
leib, 10. Auflage. Gera 1870 424
Karte der Kirchengemeinden der Evangelischen beider Be-
kenntnisse und Unitarier in den ungarischen Ländern. Von
J. HÄtzek. Ofen 1870 624
Wandkarte der österreichisch-ungarischen Monarchie. Von A. Dole2al.
Gotha bei Perthes 1870 - . 651
Geologische Karte der Schweiz, von B. Studer und Escher v. d,
Linth. 2. Aufl. Winterthur," Wurster etc. 1870 652
l^amen- und Sachregister.
Administrativkarte tod Niederösterreich 30, $6.
Aetna, EmptioDen und Höhe 93.
AlpeoTereiD, der Österreichische 57.
America, Entdeckung durch Chinesen 426.
Amnrland, 191, 232, 282.
Andamanen, die Bewohner der $32.
Angora-Ziege 95.
Antwerpen geographischer Gongress 188. Vorläufiges Programm der Fragen 330,
Beitritt 384, Vorbereitungen und Programm 428, Absage wegen des
Kriegs 526.
Ansternzucht, kflnstliche 1 32.
Anstralien 69, 154.
Auswanderung, von Canada nach den nordamericanischen Staaten 133.
Bajudasteppe 244.
Bakers Expedition 35, 279, 583.
Balearen, die 27.
Bar ab4- Steppe 487.
Baumwollenbau in Makedonien 95.
Bocche di Cattaro 20, 38.
Böhmen, topographische Durchforschungen 57, 127, 141, Ortsnamen 145, die
Waldveste 489.
Bosnien 162, 219, 265.
Brenner Richard, E^petition an die Ostkflste von Africa 48, 94.
Brindisi und der Suezcanal 94.
Bflcher und Karten (Verzeichnis der an die Bibliothek eingelangten) 82,283,
418, 529, 653.
Cabot Sebastian 384.
Galiforniens Reichthnm 382.
Chartnm, ein WaHüahrtsort in 382, Schiffe und Schiffahrt in 534.
Gooper's Reisen in China und Tibet 481.
Dalay-Lama 135.
Dampferprojecte in America 426.
Diamantenfelder in Südafrica 483.
Donau, die Fregatte 337.
Dormitor 97.
Eden (das Paradies^ der Hebräer 627.
Eismeer, die Jaga im 283.
Erdmagnetismus 212.
Fadasi !:37.
Fidschi-Inseln 70.
Forschungsreisen, Preise für 426.
Geographische Gesellschaften 58.
Geologische Reichsanstalt, Arbeiten der — 1869—54.
vm
Gesch&ftBordnang der Gesellschaft 663.
Goldfelder in SQdafnca 484.
Golfstrom, der 477.
Griesbach 66, 236, 650.
Gaerard Eugen v. 154.
Gumpert in Bombay 383.
Hadramaut 628
Hahn Johann, G^rg von 62, 79.
Harnier Wilhelm iS.
Hngl, Globus 336.
Humboldtfeier in Berlin, Bericht Dr. v. Ruthners Ober dieselbe 44.
Indo-europ&ischer Telegraph 95.
Insel, die tönende 485.
Jahresberichte Über das Gesellschaftsjahr 1869, 49.
Johannesen 294. «
Eameele als Transportmittel in Europa 95, für Australien 427.
Karol am schwarzen Meere 381.
Eorinth, der Isthums v. 62, 182.
Kreuzfahrersteine in Dalmatien 34.
Kastenaufnahme des adriatischen Meeres 52.
Laube, Dr. 631.
Leitung der Gesellschaft 1870 6.
Livingstone 48, 65, 178, 235, 381, 481, 482.
London Bevölkerung von 181.
Marine-Handelskammern 374.
Marno Ernst, am blauen Nil 280, 630.
Manch 66.
Mercator 59, 115. 125, 188, 528.
Meeresleuchten 485.
Meerestiefe, Temperatur und Thierleben in der 233.
Meteorologische Stationen in Oesterreich- Ungarn 582.
Metschersky FOrst, Bilder ans Spanien 288.
Militär-geographisches Institut astronomisch - geodätische Arbeiten
1869—50, topographische Aufnahmen 51.
Mitglieder der Gesellschaft 571, 668.
Monatsitzung der Gesellschaft 41, 71, 69, 140, 187, 235, 287, 336, 383»
630, 6.
Mongolei, die Zukunft der 486.
Morea, Korinthenbau auf 382.
Munzinger 180, 535, 628.
Neumayer Dr. G. 62, 380. .
Neu-Seeland 70.
Neusiedlersee, der ehemalige 583.
N e w - Y 0 r k , Museum für Naturgeschichte 535 .
Nigerexpedition 130.
Nil, Lösung der NUfrage 281.
Nordenskjöld 382.
Nordpolexpedition, zweite deutsche 1, 552, 557,560, 607.
Ortelius 188.
Ostasiatische Expedition 134.
Ostindien, Association in 185.
Pacific- Eisenbahn 67, Gentral-Pacific-Bahn 131.
Palästina 64.
Patterson über Ungarn 324.
Payer Julius 631.
Petermann 66, gegen Kiepert 287.
Portugiesen, Karte ihrer ersten Entdeckungen in Africa 626.
Preisfragen der Gesellschaft, für Kunst und Wissenschaft in Utrecht 628.
Richthofen Freiherr von, in China 64.
Bohlfs 67.
Bothes Meer, Sicherheit im 535.
Bua, Höhlenbewohner in 334.
IX
Ramelien 193, 350, 385, 54S, 58S.
Rassland, AusbreitUDg in Ceotralasien 28, Oeschichtsquellen Ober die altem
Perioden von, 138, geographische Arbeiten 158. Expedition in das süd-
östliche — 282, Russlands Eisenbahnen 381, die baltischen Provinzen 382.
Saigonfluss, Einfahrt in denselben 130.
Salzburg, das Klima seines Alpenlandes 451.
Sandwich-Inseln 70.>
Schweinfurt, Dr. 66,
Seeversicherungsrecht 625.
Serajevo 97.
Sibirien 92, 282.
Simony 183, 237.
Spanien, Statistik von 425.
Statistische Gentralcommis sion, Arbeiten 1869 55.
Statuten der Gesellschaft 660.
Straßen, altrömische 332.
Südafrica, Diamantfelder am Vaal Ri?er 48H, Goldfelder 484.
Sfldamerica 68,
Sudan 433, Elfenbeinhandel im 518.
Suezkanal 68, Geschichte des 64.
Temperaturverhältnisse in den österreichischen Seen 183.
Tiefsee- Untersuchungen 378, im Adriameer 426.
Tinne Alexandrine 67, Ermordung des Fräuleins 18 1.
Tozer über die Türkei 276.
Türkei 62, Straßenmangel in der 95, Sttdslaven in der Türkei 138.
Turkestan 63, Karte von 136, Fabriksbetrieb in 137.
Türkische Bahnen 17, 241, 438.
Turuchan 304, 135, 358, 396.
Utrecht, Preisfragen der Gesellschaft für Kunst- und Wissenschaft in 628.
Yarnhagen Chev. de 187.
Yen US, Durchgang der 1874, 380.
Yerein, archeologischer im Wasgau 432.
Yerein für Landeskunde von Niederösterreich, Arbeiten 1859 56.
Yulkan, ein thätiger an den Quellen des Euphrat 93.
Wand, die hohe 311.
Weltkarte vom J. 1489 626.
Werne Ferdinand 488.
Weyprecht 61. Entgegnung an's Bremer-Gomit^ 303.
Wisconsin- und Milwau*kee-Bevölkerung von i34.
Winter im Norden 535.
Wrangel Admiral 488.
Yarkand and die Tatarei 234.
Zuydersee 144, 248.
Plan der diesjährigen deutschen Nordpolarexpedition.
Yon C. Weyprecht, k. k. Schiffslieutenant.
Trau, am 21. Augnst 1869*).
Selten ist wol eine mssenschaftliche Expedition ins Werk gesetzt
worden, die das allgemeine Interesse der gebildeten Welt so sehr in
/jusprach nahm und von der man so große Erwartungen hegt, als die
diesjährige deutsche Polarexpedition, und es ist deshalb interes-
4, ihren Plan im Licht jener Erfahrungen, die auf früheren arctischen
f peditionen gesammelt wurden, näher zu betrachten, umsomehr da
derselbe, wie den mit der Sache vertrauten bekannt ist, im letzten Augen-
blicke ein ganz anderer wurde, als die vorhergegangenen langjährigen
*) Die bisherige Unterbrechung unserer ^Mittheilungen^ während der
Sommermonate, die in der Folge nicht mehr eintreten wird, hat die Yer*
spätnng des vorliegenden Aufsatzes verschuldet, was wir im Interesse des Herrn
Terfassers zu erklären verpflichtet sind. Indem wir femer mit diesem Aufsätze
die Ansichten eines sehr geehrten Mitarbeiters und Fachmamnee über die
deutsche Nordpolarexpedition veröffentlichen, geschieht dies mit der ausdrftck-
lichea Verwahrung, dass wir gegen den Plan dieser Expedition, wie er ins
Werk gesetzt wurde, nicht Opposition machen wollen. Wir haben es seiner
Zeit (s. Mittheilungen 1868 und 1869) an lebhafter Theilnahme für die Unter-
sebmung nicht fehlen lassen, und hegen den nicht minder lebhaften Wunsch^
dass sie zur Ehre des deutschen Namens, zum Ruhm der Wissenschaft und
zur wolverdienten Befriedigung unserer wackern Freunde, die sich daran
unmittelbar mit Leib und Geist betheiligt haben, vom glücklichsten £rf<^g
gekrönt werde. Allein das kann uns nicht hindern, auch abweichenden An-
sichten Raum zu geben, wenn sie in der wissenschaftlichen Erfahrung ihren
Grand suchen und von der reinsten Absicht geleitet sind, der Sache zu
Sätzen. Durch ehrliche Kritik ist noch niemanden ernstlich ein Leid ge-
schehen. A. d. RedactioB.
GtographiBche Hitt&eilnngefi, 1870. 1. 1
internationalen Controversen voraussetzen ließeti. Jedenfalls maßte der-
jenige, der die Entstehungsgeschichte dieser und der vorjährigen deutschen
Expedition aufmerksam verfolgt hat, sehr erstaunt gewesen sein, als das
zu diesem Zweck niedergesetzte Comit^ in Bremen auch dieses Jahr
wieder die ostgrönländische Küste als Basis annahm und dadurch den
eigentlichen Petermannischen Plan fiher Bord warf, der doch seiner
Zeit allein der Agitation zu Gunsten einer Expedition den Anstoß gege-
ben hatte.
Als im Anfang des Jahres 1865 Capitän Sherard Osborne
in der Londoner geographischen Gesellschaft den Vorschlag machte
vom Smith Sund aus mit Schlitten längs Grinnell-Land gegen den
Nordpol vorzudringen, trat Dr. Petermann gegen diesen Plan auf
und wies zum erstenmal auf die Wichtigkeit des großen Beckens
zwischen Spitzbergen und Nowaja-Zemlja hin, in welches
sich der Golfstrom mit seinen Ungeheuern Massen erwärmten Wassers
ergießt *).
Beide Pläne wurden damals sehr gründlich discutiert und es
sprachen sich fast alle jetzt lebenden arctischen Autoritäten, wie
Admiral Ommaney, Sir George Back, Capitän K i c h a r d s, Capit&n
Mc. Clintock, Commander Davis, Capitän Allen Young u. A. m.,
für die Petermannische Route aus. Als sich jedoch trotz d*?ser
gewichtigen Unterstützung wegen der starken Antipatie, die das große
Publicum in England seit dem Untergang Franklins gegen jede arc-
tische Forschung hegt, keine Aussicht zeigte, seinen Plan von eng-
lischer Seite durchzusetzen, schlug Dr. Petermann der Yersammlunjf
deutscher Geographen zu Frankfurt a. M. im August 1865 vor, ihn
im folgenden Jahre mit deutscben Mitteln zur Ausführung zu
bringen. Dieser Vorschlag fand bekanntlich außerordentlichen Anklang
und kaum vier Wochen später gieng ein in der Eile in Liondon gecharte-
ter Dampfer aus der Elbe ab, um vorläufig die Eisverhältnisse des uns
thatsächlich vollkommen unbekannten Meeres, welches die Basis des
Petermannischen Planes bildet, zu untersuchen. Er erlitt jedoch, wie
bekannt, schon beim Auslaufen solche Havarien in der Maschine, dass
die Vorexpedition wegen der mittlerweile vorgerückten Jahreszeit (Ende
September) aufgegeben werden mußte.
Von dieser Zeit an hat nun Dr. Petermann in Schrih und
Wort ununterbrochen für die Ausführung seiner Idee mit deutscheh
*) Die Gründe, welche diese Route als die bei weitem günstigste er-
scheinen lassen, habe ich in einem früheren Aufsatze dargelegt, (s. Mitthei-
lungen 1869.)
Mitteln gewirkt und mit allen GrOnden, die ihm sein reiches Wissen
darbietet, für die Richtigkeit seiner Ansichten gekämpft. Seit 186Ö
finden wir nnr wenig Hefte der von ihm redigierten „geographischen
Hittheilungen^, wo er nicht mit neuen Daten zur Begründung der
Ton ihm vorgeschlagenen Beute hervorgetreten wäre.
Diese Route aber weicht von der im letzten Augenblick beantragten
und wirklich eingeschlagenen fast ebenso sehr ab, alsvonder Osbomeschen,
dam es kommen bei ihr ganz entgegengesetzte Principien zur Geltung.
Die Petermannische Route verwies uns in die hohe See, die
andere führt längs der Küste, in der Voraussetzung hier das sogenannte
Landwasser zu finden. .Die erstere war auf die warmen Gewässer des
Golfstromes und deren Einfluss auf das Clima basiert, während die
jetzige der kalten arctischen Südwestströmung direct in die Zähne läuft.
Wir haben also nicht eine bloße Modification dej* ursprünglich
vorgeschlagenen Route vor uns, sondern eine ganz neue, nach entgegen-
gesetzten Principien aufgestellte. £s müßen sehr gewichtige Gründe
gewesen sein, die das Bremer Comit^ bestimmt haben, den Plan,
für welchen Dr. Petermann schon seit Jahren gekämpft hatte und um
dessentwillen die Expedition überhaupt zu Stande kam, plötzlich als
die Ausführung vor der Thüre stand über Bord zu werfen und an
seiner statt etwas neues, auf keinen Fall aber besseres zu setzen. Es
ist dies eine Inconsequenz, die jedem in die Augen gefallen sein
mnfi, der die Verhandlungen in den letzten Jahren mit Interesse ver-
folgt hat *).
Der Idee, die ostgrönländische Küste als Basis einer arctischen
Expedition dienen zu lassen, begegnen wir zum erstenmal zu Anfang des
vorigen Jahres. Für die Wahl dieser Küste sprachen aber damals
Gründe, die in diesem Jahre ganz wegfallen.
Wie bekannt, hatten Oesterreich und Preußen abgelehnt, eine
Polarexpedition auf Staatskosten auszusenden und man war darauf an-
gewiesen, wenn man das Unternehmen nicht ganz fallen lassen wollte,
die Mittel durch öffentliche Sammlungen in Deutschland aufzubringen.
*) Es ist kaum anzunehmen, dass die Aenderung der Route mit voll-
kommener Zustimmung des intellectuellen Urhebers der Expedition geschehen
ist. Ein Mann von so begründetem europäischen Rufe -wie Dr. Petermann
lann unmöglich eine Idee, die er seit Jahren öffentlich vertritt und f(lr die er
mit allen Waffen der Wissenschaft kämpft, so schnell ohne Grund gegen
eine andere fiist entgegengesetzte vertauschen. Petennanns Abwesenheit bei
allen in der letzten Zeit zu Ehren der Expedition veranstalteten Festlichkeiten
sieht einem stillschweigenden Proteste gegen die Vorgänge im SchoDe des
Bremer Comit^s täuschend ähnlich.
1*
um nun einestheils das allgemeine Interesse an der Sache wach zu
rufen, anderntheils dem großen Publicum den tief eingewurzelten
Wahn zu nehmen , als ob eine arctische Expedition gleich dem
Todesurtheile für die Mitwirkenden sei, wurde beschlossen eine
Sommerexpedition in kleinem Maßstabe auszusenden, um gestützt auf
die von ihr heimgebrachten Resultate die Mittel zur eigentlichen Haupt-
expedition zusammen zu bringen.
Es handelte sich hier weniger um eigentlich wissenschaftliche
Resultate, als um Entdeckungen, die dem großen Publicum möglichst
stark in die Augen fallen.
Diesen Zweck glaubte man aber eher an der vom 75. Grad
aufwärts ganz unbekannten ostgrönländischen Küste, als in dem wegen
des Golfstromes bedeutend wichtigem Meer zwischen Spitzbergen und
Nowaja-Zemlja erreichen zu können, in welchem geographische Ent-
deckungen wenigstens auf niedrigen Breiten problematisch sind. Dies
war der einzige Grund, warum nicht schon im vorigen Jahr die Peter-
mannische Route eingeschlagen wurde.
Was aber das Comit^ veranlasst haben konnte, die ursprüngliche
Route zu verwerfen und an ihrer statt, trotz der im vorigen Jahre
gemachten traurigen Erfahrungen, wieder die ostgrönländische Küste
als Schauplatz für die diesjährige Expedition zu wählen, ist vor
der Hand schwer zu verstehen.
Wer mit den Verhältnissen des arctischen Meeres in jener Rich-
tung bekannt ist, kann diesem Beschluss unter der Voraussetzung,
dass der Hauptzweck solcher Expeditionen die Ge-
winnung hoher Breiten sein muß, nicht das Wort reden.
Schon der einzige Umstand, dass wir bei dem ausgedehnten Walfisch-
fange, der im Südwest von Spitzbergen getrieben wird und bei der
geringen Entfernung von den größten europäischen Häfen noch immer
über die dort herrschenden Verhältnisse so im unklaren sind, wäre
geeignet, gerechtes Bedenken einzuflößen.
Die frühere Gechichte dieser Küste zeigt, welche außer-
ordentlichen Schwierigkeiten sie der Schiffahrt bietet. Bekanntlich be-
fanden sich in alten Zeiten auf Ostgrönland bedeutende norwegische
Niederlassungen, so dass bis zum Jahre 1408 ein Bischof daselbst ein«
gesetzt war und der Peterspfennig erhoben wurde. Seit jenem Jahre
aber fehlen alle Nachrichten von dieser Küste, und von den vielen
Expeditionen, die durch zwei Jahrhunderte von der schwedischen und
dänischen Regierung zu ihrer Aufsuchung ausgerüstet wurden, war nach-
weislich keine einzige mehr im Stand sie zu erreichen. Die letzte»
vergeblichen Versuche wurden in den Jahren 1786 und 1787 von
Capitän Löwenörn und Lieutenant Egede gemacht; allein auch
sie konnten sich dem Lande nicht mehr als bis auf 30 bis 40 Meilen *)
nähern.
Auf der Karte wurde diese Küste zum erstenmal von dem be-
rühmten arctischen Entdecker Henry Hudson fixiert (im Jahre 1607) ;
allein auch ihm war es nie möglich das Land selbst zu erreichen, ob-
wol er es von 67 Vg Grad bis 73 Grad N. ablief. Die einzigen, welche
seit 1-408 nachweislich Ostgrönland betraten, sind der jüngere Scoresby
als Capitän eines Walfischfängers im Jahre 1822 und Capitän Clave-
ring von der englischen Marine, behufs der Untersuchung über Pendel-
schwingungen durch General Sabine im Jahre 1823. Die Expedition
von Graah 1829, der von der grönländischen Westküste aus mit zwei
Weiberbooten in zwei Sommern die Ostküste bis zu 65 Grad er-
forscht«, gehört nicht hieher, da sie in Anbetracht der leicht transpor-
tabeln Mittel eine Landexpedition war, und außerdem, wie gesagt, nie
über 65 Grad N. hinaus gelangte.
Die diesjährige Expedition arbeitet also auf Basis einer Küste,
die trotz der vielfältigsten angestrengten Versuche **) seit A^j^ Jahr-
hnnderten nur zweimal betreten werden konnte.
Hätten wir aber auch nicht diese geschichtlichen Beweise, wie
schwierig die Erreichung und Beschiffung dieser Küste bis zu niedrigeren
Breiten herab ist, so geben uns schon ihre geographischen und hydro-
graphischen Verhältnisse die deutlichsten Fingerzeige für die hier herr-
schenden ungünstigen Zustände.
Bekanntlich zieht zwischen Spitzbergen und Island auf der einen
und Grönland auf der andern Seite ein kalter arctischer Strom als
Ersatz für die durch den Golfstrom dem Polarbecken zugeführten Ge-
wässer gegen SW. Dieser Strom beruht nicht auf Theorie, sondern
ist durch die mannigfaltigsten Beobachtungen seit den ältesten Zeiten
nachgewiesen.
Als schlagende Beweise dafür mögen einige eclatante Beispiele
dienen.
*) So oft hier von Meilen die Rede ist, sind Seen^eilen (4 = 1 geogra-
phische Meile) gemeint.
**) Die geschichtlich nachgewiesenen sind: 1578 Magnus Hennigsen,
1580 — 83 drei Reisen von Martin Frobisher, 1605 und 1606 zwei Reisen
unter Admiral Godske Lindenan, im gleichen Jahre Henry Hudson,
1^7 Capitän Hall, 1620 Karsten Richardson, 1652—53 Capitän
Danen, 1786 Capitän Löwenörn, 1787 Lieutenant Egede. Außerdem
▼iele Versuche von Seite der grönländischen Handelsgesellschaften in Nor-
wegen und Dänemark.
6
Im Jahre 1777 wurde das Schiff Wilhelmine in diesen Ge-
wässern vom Eis besetzt und trieb in 108 Tagen 1300 Meilen gegen SW.»
das gleiche widerfahr Capit&n Scoresby, 100 Meilen in 12 Tagen und end-
lich Capit&n K 0 1 d e w e y im vorigen Jahre, etwa 150 Meilen SSW.
vom 9. bis 22. Jnni. Im Loggbnche des letzteren finden wir während
seines ganzen Aufenthaltes in der Nähe der Efiste eine südwestliche
Strömung von 11 — 12 Meilen täglich *), die durch ihre Regelmäßigkeit
die Grflndlichkeit der Beobachtungen beweist.
CapitänSir Edward Parry mußte seine denkwürdige Schlitten-
expedition von Spitzbergen aus aufgeben, weil ihn der Strom täglich
um fast ebensoviel zurückwarf, als er scheinbar vorrückte. Die mühe-
vollste Anstrengung der Mannschaft vermochte nicht seine beiden Schiffe
Dorothea und Trent auf der Westseite von Spitzbergen in ihrer
Position zu erhalten, wenn die Winde nicht ganz günstig waren. Die
nämliche Stromstärke beobachtete Gontreadmiral Beechey, einer der
gründlichsten Kenner dieses Meeres.
Ebenso wie diese directen Beobachtungen belehren uns die Treib-
holzmassen, die alljährlich auf Spitzbergen, Grönland und Island ab-
gesetzt werden und unverkennbar sibirischen Ursprunges sind. Lord
Mulgrave erwähnt einer auf Spitzbergen beobachteten langen Strecke
von Treibholz, die wenigstens die doppelte Höhe des jetzigen Hoch»
Wassers (8*) erreichte.
Dieser Strom nun bildet den Hauptabzugscanal des ganzen Polar-
beckens, aus dem er alljährlich ungeheure Massen Eis längs der grön-
ländischen Küste gegen Süden führt. Fände diese Eisabfuhr nicht statt,
so müßte bei dem Umstand, dass die Masse des im Winter hinzu-
kommenden Eises größer ist, als des im Sommer schmelzenden, das
Polarbecken schon seit langer Zeit eine starre Eismasse sein.
Es existiert aber ein physikalisches Gesetz, dass um eine be-
stimmte Quantität Eis zu schmelzen ebensoviel Wärme nöthig ist,
als um 28mal die gleiche Quantität Wasser um 1 Grad Fahr, zu erwär-
men. Große Eismassen bedingen also einen enormen Wärmeverlust der
Luft und des Wassers, die in steter Wechselwirkung zu einander
stehen. Diesem Gesetz kann sich die grönländische Küste ebenso wenig
entziehen als irgend ein anderer Ort der Welt und es resultiert daraus»
dass ihr Clima durch die Ungeheuern längs derselben hinziehenden
Eismassen stark herabgedrückt werden muß, wie dies z. B. in Island
erwiesen ist, wo in den seltenen Jahren, in welchen der kalte Strom
*) Siehe Petermanns geograph. Mittheilnngen 1869, Heft 6.
▼iel Eis an der Nord- nnd Westküste absetzt, fOr ein oder zwei Jahre
w^en Mangel an Weiden große Hungersnoth entsteht *).
Die Wirkung eines solchen kalten Stromes sehen wir am dent-
Uchsten in der Baffinsbay nnd der Davisstraße. Während sich anf der
Ostseite derselben im Bereich des schmalen Streifens wärmerer Nord»
Strömung die dänischen Colonien in blühendem Zustand erhalten, ist
die unter dem Einflnss des entgegengesetzten kalten Stromes liegende
Westseite, die Küste von Meta incognita, Cnmberland etc.,
eine trostlose, w^en des Eises ganz unnahbare Einöde, und es werden
hier die Isothermen mehr als an irgend einem andern Punct der
Erde herabgedrückt
Ostgrönland und diese Küste zeigen uns die nämlichen hydro-
graphischen Verhältnisse. Nur genießt ersteres den Yortheil seiner näheren
Lage am Golfstrom, der seinen erwärmenden Einfluss noch weit über
seine Gränzen ausdehnt, bietet aber dafür wieder den großen Nachtheil
dass seine Küste außerordentlich hoch **) und mit Gletschern bedeckt
ist und wegen ihrer zerrissenen fjordreichen Natur, ähnlich der nor-
w^^hen, dem Ansatz des durch die Strömung zugeführten Eises
anfiergewöhnlichen Vorschub leistet.
Das Bremer Gomit^ reflectiert, wie schon erwähnt, auf die Existenz
des Landwassers und stützt seine Ansicht über die Schiffbarkeit dieser
Koste hauptsächlich auf die Erfahrungen von Scoresby und Gl a ve-
rtag. Ersterer hat allerdings an zwei Stellen gelandet und meint am
Schluss der Beschreibung seiner Reise, dass es ihm vielleicht möglich
gewesen wäre in noch drei bis vier Wochen längs der Küste südlich
Iris G. Farewell zu gelangen. Liest man aber das ganze Werk mit
Aofinerksamkeit, so erlangt man die allemngünstigsten Ansichten von den
Eisverbältnissen und der Schiffbarkeit des Meeres.
Es würde zu weit führen diese Behauptung durch Gitate aus den
Angaben über die Eisverhältnisse in der Nähe des Landes beweisen zu
wollen. Meistens wird das Eis als 20 — 30 Meilen zur Küste fest-
liegend und undurchdringlich bezeichnet***). Nur vom 20. bis 28. Juli
sind die Eisverhältnisse in der Nähe des G. Brewster (70 Grad N.)
gflnstig, welche Zeit zur Untersuchung des Sc orcsby- Sundes und der
Biehstliegenden Küste verwendet wurde. Hier trifft er zum ersten und
*) Siehe Dove, Vertheilung der Wärme auf der Erdoberfläche.
**) Nach Scoresby durchschnittlich 3000' auf wenig Meilen von der
Küste entfernt.
•*0 Siehe Scoresby Reise, Seite 106, 116, 117, 118, 139, 150, 20i, 208,
312, 221, 249, 252, 297, 304.
^inzigenmal schiffbares Landwasser. Das zweitemal wurde das Land bei
Davis -Sund (72 Grad N.) angelaufen und betreten, wobei fast das
Schiff und die Boote eingebaßt wurden.
Characteristisch für die Schwierigkeit der Beschiffung ist die
außergewöhnliche Menge von Eisbergen, die Scoresby erwähnt, so
oft er in die Nähe der Küste kam, so (Seite 221) bei C. Brewster,
(Seite 249) eine so außerordentliche Masse, dass er genöthigt war,
30 Meilen weit vom Lande abzustehen (Seite 252), 500 Eisberge vonoi
Marse aus gezählt (Seite 305) etc. etc. Er erklärt, während seiner
langen Dienstzeit als Walfischfänger nirgends noch so viel und so große
Eisberge beisammen gesehen zu haben, als an dieser Küste (Seite 208).
Das Wetter schildert er in diesen Gegenden in den Monaten
Juni und Juli als vorzüglich schön, allein gerade diese zwei Monate
sind für die Schiffahrt im Eise die ungünstigsten, da das frisch aufge«
brochene und noch nicht geschmolzene Eis am meisten in Bewegung ist.
Die günstigsten Monate, d. i. August und September, werden dagegen
durch anhaltend schwere Stürme höchst unsicher gemacht. Scoresby
schreibt hierüber : „Diese Stürme, die wahrscheinlich unmittelbar an der
Küste am heftigsten sind, waren diesmal alle aus Nord, und sie
waren so vorherrschend, dass sie in einer Zeit von 16 Tagen sechs
volle Tage bliesen. Bei solchen Stürmen ist es für menschliche Macht
kaum möglich ein Schiff zwischen dem Eis mit Einiger Sicherheit zn
regieren, selbst nicht am hellen Tag und bei ebenem Wasser, ge-
schweige in der Finsternis der Nacht und bei wogendem Meere. ^ Diese
eigene Erfahrung wurde ihm später in einem Brief von dem Capit&n
eines Walfischfängers, der noch später als er selbst in der Nähe von
Grönland verweilt hatte, vollkommen bestätigt.
Die ganz gleiche Erfahrung hat auch Koldewey im vorigen
Jahr gemacht. Die schwersten Wetter hatte er im August unter dieser
Küste auszuhalten.
Eine weitere Beobachtung, die Scoresby gemacht haben will
und die auch nicht zu Gunsten der Schiffbarkeit spricht, ist das Ab-
und Einströmen der Gewässer von und in die Buchten der Küste.
Ersteres findet nach ihm in den Monaten Juni und Juli, letzteres im
August und September statt Hierdurch wird die große Masse von Eis,
die vorher ostwärts hinausgeschoben war, in den günstigsten Monaten
gegen das Ufer getrieben und dort angehäuft. Dieser Beobachtung kann
man jedoch keinen zu großen Wert beilegen, um Schlüsse für das ganze
Jahr zu ziehen, da er sich viel zu kurze Zeit (nur 8 — 10 Tage) dicht
unter der Küste aufhielt, wo nur eine derartige Strömung bemerkt
werden kann. Außerdem bezeichnet er aber gerade in den ersten
Monaten, bis zur Hälfte Juli, das Eis als festliegend und vollkommen
nndarchdringlich.
Die schöne Schilderung von der Fruchtbarkeit und der großen
Hitze im Scoresby- Sunde, die man mit Vorliebe benutzt hat, um
das Clima dieser (regend zu kennzeichnen *) , wird durch die gleich
darauf folgende Bemerkung, dass während die Temperatur am Lande
70 Grad Fahr, war, das Thermometer an Bord selbst in der Nähe des
Ufers nie Aber 40 Grad stieg**), genügend richtiggestellt. £s ist sehr
leicht denkbar, dass zur Zeit, wo die Sonne wochenlang nicht unter^
geht, bei zufällig anhaltend heiterem Himmel an einzelnen vor Luftzug
geschätzten Stellen eine solche Absorption der Stralen stattfindet , dass
ihr Effect trotz der in der Nähe befindlichen Eismassen, besonders
wegen seiner Ungewohutheit, lästig und drückend werden kaim. Ganz
die nämliche Erscheinung hat Dr. Hayes im Walfischsund, am Ein-
gang des Smith -Sundes beobachtet. Es wird aber gewiss niemanden
einfallen daraus einen günstigen Schluss auf das Clima des Smith-
Sundes zu ziehen, das bekanntlich eines der kältesten ist, oder gar
nach den frühern traurigen Erfahrungen wegen „der schönen grünen
Wiese, der Schmetterlinge und Mücken^ im Walfischsunde eine See-
expedition diesen Weg nehmen zu lassen.
Was hier kurz angeführt wurde genügt, um zu zeigen, dass
die Angaben von Scoresby gewiss nicht zu Gunsten der ostgrönlän-
difichen Route sprechen. Die Resultate, die er erlangt hat, sind so groß,
als man sie unter so ungünstigen Umständen nur erwarten konnte und
es wäre von einem bloß zu Entdeckungszwecken ausgerüstetem Schiff
schwerlich mehr erreicht worden. Ein zweimaliges Anlaufen des Landes
md die k la vue Aufnahme desselben auf eine durchschnittliche Ent-
fernung von 20 Meilen wäre aber für eine so kostspielige Expedition,
wie die diesjährige deutsche, ein vollkommener Mißerfolg.
Außerordentlich zu Gunsten der ostgrönländischen Route spräche
die Expedition von Clavering 1823. Diese fand auf ihrem Wege von
Spitzbergen nach der Pendulum-Insel, ebenso wie während ihres
sechswöchentlichen Aufenthaltes daselbst, fast gar keine SUndemisse von
Belang. Die Erklärung dieses merkwürdigen Umstandes findet man aber
in einem Schreiben des General Sabine vom 12. Februar 1868 an
Dr. Petermann ***), worin er mit Nachdruck hervorhebt, dasa
während der ganzen Reise von Spitzbergßn nach Grönland und längs
*) Siehe Petermanni geograph. Mittheilungen 1868, Heft 6.
**) A. a. 0. Seite 336.
) Petermanns geograph. Mittheiiungen Heft 6, 1868, Seite 18.
10
dieser Küste gar keine Strömnng beobachtet worden sei, obwol drei
oder vier erfahrene Seeofficiere unaasgesetzt Beobachtungen angestellt
hätten. Nun ist aber die arctische Strömung Iftngs Ostgrönland eine
durch die vielfältigsten Beobachtungen so sicher constatierte und über
aUe Zweifel erhobene Thatsache, dass durch das Ausbleiben, oder
wenigstens die geringere Kraft derselben, das Jahr 1823 als ein ganz
anormales hingestellt und zugleich durch die günstigen climatischen und
Eisverhältmsse in diesem Jahre der außerordentlich ungünstige Ein-
fluss dieses kalten Stromes auf seine Umgebung bewiesen wird. Es
müßte sehr interessant sein, wenn man das Verhalten des Golfstromes,
der bekanntlich auch grossen Fluctuationen unterworfen ist, im gleichen
Jahre und die Eisverhältnisse in den Spitzbergischen Gewässern im
folgenden nachträglich untersuchen könnte, da man vorussetzen muß,
dass wegen Mangels an Eisabzug im Jahre 1823 das folgende Jahr ein
außergewöhnlich ungünstiges gewesen ist.
Auf ein Jahr mit so anormalen Witterungsverhältnissen darf man
nicht reflectieren; denn ebenso gut wie dieselben sich anormal günstig,
können' sie sich auch anormal ungünstig gestalten. Es ist immer die-
jenige Route zu wählen, auf welcher sich unter normalen Yerhlätnissen
die günstigsten Erscheinungen am Clima und Eis voraussetzen lassen.
Die Erfahrungen der vorjährigen Expedition sind, wie bekannt, die
allerungünstlgsten und es ist nicht zu begreifen, wie Gapitän Koldewey,
der sich als tüchtiger Seemann und guter Beobachter erwiesen hat,
auf Grund dieser Erfahrungen auf derselben Route bestehen konnte.
Ich muß nämlich annehmen, dass sie ohne seine Befürwortung und seine
vollkommene Zustimmung nicht gewählt worden wäre.
Es war ihm nicht möglich, dem Lande näher als 50 Meilen za
kommen *) und er hat nach seiner Rückkehr öffentlich erklärt, dass das
vorliegende Eis eine zusammenhängende bis zur Küste festliegende
Masse gewesen sei **), unter anderen an der nämlichen Stelle, wo
Clavering 1823 so außergewöhnlich günstige Zustände traf.
Man hat die Schuld dieses Mißerfolges auf die anormalen Wetter-
verhältnisse des vorigen Jahres schieben wollen; allein es hat sich
durch die Zusammenstellungen des Birectors der norddeutschen See-
warte, W. von Freeden, herausgestellt, dass wenigstens die Winde
«nd Strömungen, d. i. die Hauptfactoren der jeweiligen Eisverhältnisse
durchaus normaler Natur waren. Allerdings sind die täglichen mittleren
*) Siehe die Curskarte in Petermanns geograph. Mittheilungen 1869,
Heft 6.
*«) Siehe die Weser Zeitung vom 12. October 1868.
11
Temperaturen um 1*77^ im Mittel zu gering gegen die von Dove für
die gleichen Orte berechneten. Aber erstens hat die Luftwärme bei
weitem nicht den entscheidenden Einfiuss auf die Eiszustände einer
Kflste, wie Wind und Strömung, und zweitens ist zu bedenken, dass
die Doveschen Isothermen fflr diesen Meeresstrich, bei dem absoluten
Mangel an yerlässlichen Beobachtungen, mehr ein Resultat der Theorie
als der directen Beobachtung sind. Man kann sie deshalb, wenigstens
hier, nicht als unfehlbaren Maßstab annehmen. Director Freeden
spricht selbst die Ansicht aus, dass quantitativ nicht mehr Eis vor der
Kflste gestanden habe, als in anderen Jahren, nur scheine es durch die
geringere Sommerwärme härter, fester geblieben und durch häufige
NO. Winde*) compacter zusammengedrängt gewesen zu sein.
Die Erfahrungen des Jahres 1868 hätten dem Bremer Comit6 bei
der Wahl der Route warnend vor den Augen stehen sollen.
Das sogenannte Landwasser, welches von den beiden Schiffen be-
nutzt werden soll, ist der mehr oder weniger breite Streifen schiff-
bareren Wassers, der sich an vielen Küsten zwischen dem festliegenden
Landeise und der in fortwährender Bewegung befindlichen, in See
sehwinmienden Masse findet. Der eigentliche Grund zur Bildung des-
selben ist nicht sicher constatiert, wird aber wahrscheinlich theilweise in
den vorherrschenden Winden, theilweise in dem vom Lande abfließen-
den sOßen Wasser liegen, welches durch das Schmelzen des Schnees
und Eises erzeugt wird.
Dieses Landwasser findet sich aber durchaus nicht an allen
Kästen und nur höchst selten, an den gegen Osten liegenden.
Es muß jedem, der sich mit den geographischen und hydro-
graphischen Verhältnissen des Polarbeckens vertraut gemacht hat, auf-
&llen, welch' außerordentlicher Unterschied zwischen den gegen Osten
imd den gegen Westen offenen Ktlsten in Bezug auf Eis und Clima
herrscht. Im arctischen Gebiete gibt es kein einziges Land und fast
keine Insel, deren Westküste nicht bedeutend günstigere Zustände zeigte,
als die Ostküste. Die Behrings - Straße , die ganze Küste von Sibirien,
Nowaja-Zemlja, Spitzbergen, Grönland, die an der Baffinsbay und
Davis-Straße liegenden Küsten, sie alle lehren uns das gleiche. Sogar
im Inselgewirr des nordamericanischen Archix)els, trotz der großen
localen Einflüsse wiederholt sich die nämliche Thatsache und die meisten
*) „Die Windrichtung kann kaum eine anormale genannt werden.*'
Petermanns geograph. Mittheilungen 1869, Heft 6, Seite 212.
12
der engen Canäle und Straßen desselben sind von Westen aus za*
gänglich, gegen Osten mit Eis verstopft *).
Man studiere irgend eine arctiscbe Expedition und man wird
stets dieselbe Erfahrung bestätigt finden. Am auffallendsten zeigt sich
der Unterschied bei Nowaja-Zemlja, Spitzbergen und in der Davis-
Straße, d. h. dort, wo sich ausgedehntere Meere befinden, deren Ein-
flüsse nicht durch locale Ursachen abgeschwächt werden. An diesen drei
Orten bieten die gegen Westen gelegenen Küsten wenig oder gar
keine Hindemisse, während die gegen Osten gelegenen absolut unnah--
bar sind. Spitzbergen ist im Westen in jedem Jahre ohne die ge-
ringste Schwierigkeit zu erreichen; seine Ostseite dagegen ist nach-
weislich noch nie betreten worden. Das gleiche ist auf Nowaja-Zemlja
der Fall. Die Verhältnisse der Davis-Straße wurden schon oben berührt.
Diese Gleichmäßigkeit der Eisauhäufung auf der einen und des
verhältnißmäßig freieren Fahrwassers auf der anderen Seite unter den
verschiedensten Umständen und an den verschiedensten Küsten kann
aber nicht bloß eine Sache des Zufalles, sondern muß die Wirkung
eines allgemeinen Naturgesetzes sein **).
Jede Strömung, sei es der Luft oder des Wassers, die von Nor-
den gegen Süden zieht, erhält wegen der Kotation der Erde eine
Abweichung gegen Westen, die um so größer wird, in je niedrigere
Breiten sie gelangt. Das Umgekehrte findet bei den von Süden gegen
Norden laufenden Strömungen statt. In Folge dessen müßen im all-
gemeinen die Ostküsten viel mehr von den polaren Strömungen ge-
troffen werden, als die entgegengesetzten, und da jede solche eine
bedeutende Masse Eis mit sich führt , während die äquatoriale frei
davon ist, so muß auch der Absatz desselben in den Ostküsten stär-
ker sein, als an den gegen Westen gelegenen und mehr den äquatorialen
Strömungen ausgesetzten. Wahrscheinlich wird auch der Wind, dessen
•) So z. B. die Banks-Straüe, Mc. Clure-Straße, Delphin- und
Union -Straße, d.h. die äußeren Zugänge von Westen in den americanischen
Archipel. (Expeditionen von Mc. Clure und Collinson.) Im engen Wel-
lington Canal ist die gegen West liegende Küste fahrbar, die entgegen-
gesetzte nicht. (Su: Bete her.)
Es wäre leicht, wenn es der Raum gestattete, durch Aufzählung der
einzelnen Küsten und Wasserstraßen die hier aufgestellte Behauptung bis in
das Detail zu beweisen. Sie muß sich unwillktLrlich jedem aufdrängen, der
verschiedene arctische Reisebeschreibungen mit Aufmerksamkeit gelesen hat.
**) Welches dieses ist^ gehört eigentlich nicht hieher. Die wahrscheinliche
Ursache wird nur kurz angedeutet, um dieses bisher nur wenig beachtete in-
teressante Zusammentreffen auch theoretisch nicht unbegründet zu lassen.
13
allgemeine Richtung in den höheren Breiten mehr östlich als west-
lich zu sein scheint *) , seinen Theil daran haben.
Welches aber auch der Grund sein möge, das Factum existiert
und kann nicht weggeläugnet werden, und ganz demselben entsprechend
findet sich das genannte Landwasser fast immer nur an den West-
küsten der Länder. Es lässt sich voraussetzen, dass Ostgrönland hier-
von keine Ausnahme macht.
Man kann, wenn man auch von den Beobachtungen des jün-
geren Scoresby und der vorjährigen Expedition absieht, auf Grund
dieser Erfahrung Annehmen, dass an dieser Kaste ein eigentliches
Landwasser, wie es unter Westgrönland immer existiert, nicht vorkommt,
sondern dass sich das Eis, den Winden, und dem hier so starken
Strome gehorchend, in fortwährender Bewegung befindet und den Schiffen
zwar zeitweisen Zulass zu der Küste gewährt, sie aber die meiste
Zeit von derselben ausschließt.
Diesen veränderlichen Zustand des Eises erwähnt auch Scoresby.
Er schreibt Seite 326: „Am 12. August konnte man bei C. Moorsom
noch ungehindert an das Ufer kommen, am 15. aber hinderte uns
die Menge des eingedrungenen Eises, der Insel Trai 11 auf 14 Meilen
nahe zn kommen und am 20. waren wir, in dem Eingang zum Davis-
Sunde genöthigt^ uns auf 20 Meilen vom Lande entfernt zu halten.^
Dass diese Küste stellenweise, aber auch nur stellenweise frei
ist, hat sich auch im vorigen Jahr gezeigt. Der schottische Walfisch*
^ Eine Zusammenstellung der von den verschiedenen arctischen Ex-
peditionen beobachteten Winde existiert noch nicht. Die mittlere Windrichtung
der voijährigen Expedition war N. 31 Grad 0., ähnlich der von Parry in dea
Spitzbergischen Gewässern beobachteten , der das Yerhältnis der ostlichen zu
den westlichen Winden wie 46 zu 37 erhielt.
An der Grenze der gemäCigten Zone sind die Ostwinde sicher die vor-
herrschenden. So geben dieSailingDirections des nordatlantischen Oceans
den Segelschiffen zur Ueberfahrt von England nach Nordamerica, um den
großen Umweg bis zum NO. Passat zu vermeiden, als gtlnstigste Route die
hn größten Kreise an, die über GC^Grad N. hinaus führt. U. a. heißt es da*
selbst: „The !k»'York packet ships, vhen making their wmter myages from Liverpool^ kept
m hiqfi latäudcs unlU nearing fiewfoundhnd, Th%s ihry did for Uic twofold objeci of avokUng
tke tempcsluous leealher so generalhj expcrienced to Ute soulhward and of oblaining fairer
wiads ....
The voyage by Ihis roule is ihortened, and allhough bad weathcr mtuit be cxpeclcd U ii
wd sc vkflenl as further South ....
The bcfl passagcs have beett made by pursuing a high northerly courte/*'
{Sailing Direclms of the North- Atlantic ocean,
by John Turdy, improved by A. Finlay,)
14
fahrer David Gray *j hatte mit großen Kosten im vergangenen
Frühjahre einen Dampfer aasgerüstet, um den Walfischfang mit wissen-
schaftlichen Zwecken zu vereinigen. Sein Hauptziel war, sich zu ver-
sichern, ob längs der ostgrönländischen Küste sich ein Weg gegen
den Nordpol bahnen lasse. Zur gleichen Zeit, als sich Koldewey dort
befand, drang er bis zum Land vor, mußte aber wegen des Eises
jede Hoffnung auf weitere Resultate aufgeben.
Trifft die diesjährige Expedition nicht ganz normale Wetter-
verhältnisse, was jedoch jeder wünschen muß, der sich für arctische
Forschung interessiert, so wird das voraussichtliche Resultat sein, dass
sie zwar die Küste an einzelnen Stellen für kurze Zeit berührt,
sich aber im allgemeinen auf größere Distanz halten muß, da
sie das Landwasser, auf welches man rechnet, höchst wahrscheinlich
nicht finden wird. Kann eine Ueberwinterung an dieser Küste effec-
tuiert werden, was vor der Hand noch zweifelhaft ist, so würde sie unter
ungünstigen Umständen, ähnlich denen von Mc. Clure auf Banks-
Land, stattfinden und allerdings sehr schätzbare Resultate ergeben,
da wir dadurch ein durch seine hydrographisch eigenthümlichen Ver-
hältnisse wichtiges Glied mehr in der Kette der Beobachtungsstationen
erhielten.
Eines lässt sich aber fast mit Bestimmtheit voraussagen, d. i.
dass man auf diesem Wege höhere Breiten, als bis
jetzt geschehen, nicht erreichen wird — und dies muß doch
der erste Zweck einer E}'pedition sein, deren Aufgabe die Lösung
der Polarfrage ist **J.
Geographische Detaüforschung und deutsche Nomenclatur ""''*) an
einer Küste, für welche nur die Wissenschaft Interesse hat, müssen
gegen diesen Zweck ganz in den Hintergrund treten und können ihm
nur im Wege stehen. Die geographische Forschung im Großen genügt
in den arctischen Regionen vollkommen, die Detaüforschung nimmt zu
viel Zeit weg. Diese ist bei der Kürze der Jahreszeit, welche die
Schiffahrt erlaubt, kostbar.
*) Siehe dcu Sitzungsbericht der Londoner geograph. Gesellschaft vom
10. Februar 1868.
**) Siehe die Instructionen §. 2 und §. 19.
***) Dass man hieran mit Vorliebe denkt, zeigt die vorjährige Taufe einer
„defiitschen Bucht^ und eines „König Wilhelm-Caps" auf Spitzbergen, die von
den Schweden während ihrer vier letzten Expeditionen wegen ihrer ünbedeu-
tendheit gar nicht beachtet worden waren.
15
Die Uebernsintenuig auf Grönland wfirde zwar, wie gesagt, nicht
zu unterschätzende wissenschaftliche Resultate ergeben ; aber man han-
delt dadurch gegen einen der Hauptgründe, die man früher angeführt
hat, um die Wichtigkeit des Spitzbergischen Meeres für polare For-
schung darzulegen, d. i. die Nähe desselben an den europäischen
Häfen und seine Zugänglichkeit, und die daraus erwachsende Mög-
lichkeit, mit bloßen Sommerexpeditionen die nämlichen Resultate er-
reichen zu können, wie in Meeren, die wegen ihrer großen Entfernung
jedesmal eine Ueberwinterung bedingen. Abgesehen von der größereu
Gefährlichkeit, die in den Augen des die Mittel liefernden großen
Publicums vor allem zu berücksichtigen ist, verlangt eine Ueberwin-
terung unverhältnismäßig größere Auslagen.
Die Yortheile, welche durch eine solche erzielt werden, liegen
außer in den rein wissenschaftlichen Beobachtungen, hauptsächlich in
den Schlittenexpeditionen, die im Herbst und Frühjahr, so lange das
Eis fest ist, unternommen werden könneo. Nun finden sich aber in
dem Kostenanschlage der Expedition nur 210 Thaler *) für Boote nebst
Inventar, für Schlittenausrüstung gar nichts. Diese Summe ist so gering,
das8 man sie entweder bedeutend überschritten haben muß, oder gar
nicht aaf Expeditionen mit Bootsschlitten reflectiert. Auf keinen Fall
kann man mit den für diese Summe gelieferten Mitteln ausgiebige
Schlittenexpeditionen unternehmen, wodurch der Hauptzweck der Ueber-
winterung wegfällt.
Im Falle auf Grönland nicht überwintert werden könnte, hat
man vor, es auf Spitzbergen zu thun. Eine solche Ueberwinterung
ä tout prix wäre absolut zwecklos. Spitzbergen ist uns in jeder Be-
ziehung besser bekannt, als irgend eine andere Insel des aretischen
Gebietes. Die Schweden haben es in den letzten Jahren**) mit be-
kannter Gründlichkeit so durchforscht, dass die diesjährige Expedition
nur die par wissenschaftlichen Brosamen auflesen könnte, die den
Schweden entfallen sind. Hierzu hat man keine 80.000 Thaler nöthig.
Will man Winterbeobachtungen daselbst machen, so genügt es, die
Beobachter im Herbst, mit dem nöthigen versehen, auszusetzen, um
sie im Frühjahr wieder abzuholen.
Die projectlerte Gradmessung halte ich fär ein Ding der Unmög-
lichkeit. Dazu gehört eine nurzudiesem Zwecke ausgerüstete Expe-
dition. Wer den Vorgang bei einer solchen Arbeit kennt, der weiß
recht gut, welche Genauigkeit, Pedanterie und Zeit unter gewöhn-
*) Siehe Mittheilungen des Bremer Comites Nr. III, vom 22. Mai 1869.
•♦) 1858 unter Torell, 1861 vollständige Detailaufnahme, 1864 und
1868 Nordenskjöld.
16
liehen Umständen dazu erforderlich ist und kann sich vorstellen, welche
Schwierigkeiten im hohen Norden zu überwinden sind *). In den
wenigen und kurzen Tagen des Frühjahres und Herbstes, welche die
Arbeit im Freien gestatten, ist es unmöglich, dieselben zu bewältigen*
Der Sommer kann zu dieser Arbeit nicht benützt werden , weil die
Schiffe diese Jahreszeit zur Erreichung ihres Hauptzweckes verwenden
müßen und deshalb nicht stationär bleiben können. Ueberdies bietet die
Ostküste von Grönland wegen ihrer außerordentlichen Steilheit und Zer-
rissenheit ein sehr ungünstiges Terrain für eine Gradmessung. Sibiriea
z. B. wäre weit geeigneter dazu.
Die Expedition ist für ihren speciellen Zweck überhaupt etwas^
zu gelehrt ausgerüstet. Die vielen wissenschaftlichen Begleiter (sechs
Personen) können unmöglich fortwährende Beschäftigung haben und
dürften bei manchem Anlass hindernd im Wege stehen oder zu einer
Beschäftigung bemüßigt werden, die ihrer eigentlichen Mission fremd
ist. Schon das gewöhnliche Leben zur See ist ein so sehr von allem
anderen verschiedenes, dass derjenige, welcher nicht von Jugend anf
dazu erzogen ist, oft Jahre lang braucht, ehe er sich an dasselbe
gewöhnt; wie viel mehr wird dies bei einer so schwierigen Expe-
dition der Fall sein und welche Disonanzen werden aus diesem Um-
stände hervorgehen. Drei Begleiter wären vollkonmien hinreichend ge-
wesen; den Raum für die übrigen hätte man mit wenigstens fünf
Matrosen ausfüllen können, die der Expedition, da sie nur eine ge-
ringe Bemannung hat, bei den Boots- und Schlittenexpeditionen größere*
Dienste leisten konnten.
Die Schiffe scheinen für ihren Zweck practisch gebaut und gut
ausgerüstet zu sein. Um so mehr ist es zu bedauern, dass man die
ursprüngliche Boute, welche weit größere Erfolge versprach, aufgegeben
und dafür eine andere eingeschlagen hat, die, wie gezeigt worden ist^
so ungünstige Verhältnisse bietet.
Welche aber auch immer die Umstände sein mögen, unter denen»
die Expedition abgegangen ist, es muß ihr jeder, der an dem Fort»
schritt der Wissenschaft Theil nimmt, von Herzen Glück bei ihrem
Unternehmen wünschen. Bei Polarexpeditionen spielt der Zufall die größte-
Rolle ; der momentane Zustand des Eises an einem Orte kann manch-
mal für den ganzen Ausgang entscheidend sein. Wir wollen hoffen,,
dass er der diesjährigen Expedition so günstig als möglich ist und
*) Die Schweden haben 1864 auf Spitzbergen einen ganzen Sommer mit
den bloßen Vorarbeiten zu einer Gradmessung zugebracht, ohne sie vollenden
zu können und scheinen den Plan sogar ganz aufgegeben zu haben.
17
dass sie dadurch mehr erreicht, als man jetzt za erwarten be*
rechtigt ist.
Das Bremer Comit^ mag in vielem gefehlt haben, aber ein Ver-
dienst muß auch ihm unbenommen bleiben, nämlich dass es durch
die filr die Unkosten fibemommene Garantie die Expedition in diesem
Jahre überhaupt ermöglicht hat. Mögen die Resultate sein, welche sie
wollen, so werden wir immer, durch den Erfolg wie durch den Miß-
erfolg, vieles lernen. —
Die Vorarbeiten zum Bau der tflrldsclien Eieenbalinen.
Von Prof. Dr. F. v. Hochstetter.
Es sei mir gestattet in diesen Mittheilungen eines großen Unter-
nehmens zn gedenken, das fOr die genauere topographische und geo-
graphische Kenntnis eines Nachbarstaates von der hervorragendsten
Wichtigkeit ist, ich meine den Beginn der Vorarbeiten zum Bau des
tfirkischen Eisenbahnnetzes durch Herrn -Director W. Pres seL
Einer freundlichen Einladung dieses Herrn zu Folge war ich selbst in
der glücklichen Lage, einen großen Theil der Reise durch die europäische
Türkei , welche Herr Pressel diesen Sommer zu dem bezeichneten Zwecke
unternahm, mitzumachen. Ueber die Erlebnisse und Resultate dieser
Reise werde ich mir erlauben später ausführlicher zu berichten; für
diesmal beschränke ich mich darauf, die Routen, die ich selbst mitmachte,
kurz zu skizzieren.
Ich verließ anfangs Juli Wien und machte die Reise Donauabwärts
bis Rnstschuk in der angenehmen und anregenden Gesellschaft der zahl-
reichen Ingenieure , welche Herr Pressel für die Arbeiten in der Türkei
engagiert hatte. Von Rnstschuk brachte uns die Eisenbahn nach Vama
und von hier das Lloyddampfboot nach Constantinopel. Nachdem alle
noch nothwendigen Vorbereitungen getroffen waren, konnten sich Ende
Juli die einzelnen „Ingenieur-Brigaden^, deren jede auch von einem
Topographen begleitet war, auf die verschiedenen Linien bis nach Bosnien
¥ertheilen. Ich selbst schloss mich der sogenannten „Directionsbrigade^
unter Director W. Pressel an, und mit uns waren für topographische
Zwecke noch die Herren v. Bastendorff und Safranski. Wir brachen am
30. Juli von Stambul auf nach Adrianopel und schlugen die Bergstraße
ein über Tschataldsche, Sarai, Vissa, Eir Klissi. Von Adrianopel giengen
wir das Tundschathal aufwärts nach Jamboli und von da nach Burgas
am schwarzen Meer. Director Pressel ließ sich in Burgas von einem
Geographische Mittheilnngen, 1S70. 1. 2
18
Dampfboot abholen and auf dem Seeweg nach Enos bringen; er kam
dann das Maritzathal herauf über Adrianopel nach Philippopel. Da diese
Gegenden dnrch die Arbeiten von Dr. Bon^ und Viquesnel geologisch
hinlänglich bekannt schienen, so schlug ich meinen Weg dem Balkan
entlang ein über Aidos, Kamabat, ,Sliwno, Eski Saara, Kisanlik und
Kalofer und traf Ende August in Philippopel wieder mit meiner Reise*
gesellschaft zusammen.
Aber leider störte nun das Fieber, das meine Reisegefährten sich in
Enos geholt hatten, die gemeinschaftliche Fortsetzung unserer Reise.
Wir giengen noch zusammen über Tatar Bazardschick und Bania nach
Samakov. Die weiteren Touren nach dem Rilo-Gebirge , auf den Gipfel
des Yitosch, nach Dubnitza, Kostendil, Radomir Sofia, und von da über
Trn und das Wlasina-G^birge nach Wraiga machte ich meist allein. In
Wranja erhielt ich am 1. October die Nachricht, dass Director Pressel
von Uesküb über Salonik nach Constantinopel abgereist sei, und da
nun bei der vorgerückten Jahreszeit die Reise durch Bosnien zum Zwecke
geologischer Untersuchungen, wie sie meine Aufgabe waren, nicht mehr
gut durchführbar erschien, so entschloss ich mich zur Rückreise. Ich
gieng das Morawathal abwärts über Leskowatz nach Nisch, und von
da über Alexinatz nach Belgrad und kam Mitte October glücklich wieder
in Wien an.
Als Reisekarte zur Orientierung konnten wir bereits die neue große
Karte der europäischen Türkei und des Königreiches Griechenland in
13 Blättern (1 : 864000) von Herrn Oberst v. Scheda benützen , und
ich freue mich, es hier aussprechen zu können, dass diese schöne Karte,
die mit derselben meisterhaften Technik ausgeführt ist, welche alle
von Herrn von Scheda herausgegebenen Kartenwerke auszeichnet, uns
die wesentlichsten Dienste geleistet hat. Mir speciell war sie zum
Zwecke geologischer Einzeichnungen geradezu unentbehrlich. Allein
ich glaube nicht falsch aufgefasst zu werden, wenn ich bemerke, dass
eine Karte in verhältnismäßig so großem Maßstabe von einem Lande,
dessen Regierung noch keinerlei topographische Aufnahmen ausführen
liess, nicht ohne Fehler sein kann. Das Material, welches zur Heraus-
gabe einer solchen Karte gegenwärtig vorliegt, ist nur ein stückweises
und muß, so weit nicht für einzelne Gegenden französische oder russische
Aufnahmen vorliegen, aus Reisewerken aller Art und in allen Sprachen
zusammengesucht werden. Wir dürfen uns daher nicht wundern, dass
die Karte, die wir in den östlichen Theilen von Rumelien ganz richtig
fanden, mehr und mehr Mängel zeigte, je weiter wir westlich vorrückten,
und uns endlich in den noch ganz unerforschten Balkangegenden
westlich von Kisanlik, sowie im Vitoschgebiet fast ganz im Stiche ließ.
19
Nor wer selbst iu dem Lande gereist ist und während der Bereisang
die Gelegenheit hatte, sämmtliche nennenswerte Karten der Türkei zu
Rathe zu ziehen, kann es glanben, dass es in Europa noch große und
dazu dicht bevölkerte Gebiete gibt mit ansehnlichen Gebirgen, mit
fruchtbaren Ebenen und großen Flüssen, die alle fast so unbekannt
sind, wie das Innere Ton Africa oder Australien. Es ist daher be*
greiflich, dass mit den Yorarbeiten zum Bau der türkischen Eisen-
bahnen nothwendig auch topographische Aufnahmen verbunden werden
maßten, und ich wünsche und hoffe nur, dass das reiche topographische
Materiale, welches w&hrend unserer Reise Herr v. Bastendorff, der unsere
ganze Reiseroute in Karte brachte, gesammelt hat, sowie die Detailauf-
sahme der den einzelnen Ingenieurbrigaden beigegebenen Topographen
der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten bleiben. In den Gegenden, welche
ich im Monat September größtentheils allein bereiste — das Yitosch-
gebiet zwischen Sofia, Samakov, Bubnitza, Kostendil und Radomir, so
wie das Gebirge zwischen Tm und Wranja — war ich zum Zwecke
geologisclier Einzeichnungen, genöthigt, wie seiner Zeit auf Neu-Seeland,
gleichzeitig topographisch zu arbeiten, und ich habe über diese Gegenden
topographische Skizzen mitgebracht, die später veröffentlicht werden sollen.
Es gereicht mir zum Vergnügen, bei dieser Gelegenheit öffent-
lich aussprechen zu können, dass die türkische Regierung in Stambul
den Zwecken dieses großen Unternehmens in jeder Beziehung hilfreich
entgegenkam und uns mit den besten Empfehlungsschreiben versah. In
Folge dessen hatten wir auch überall im Innern uns der voUen Unter-
sttttziing der türkischen Behörden zu erfreuen, und konnten unsere
Arbeiten unbehindert und ungestört durchführen. Zu besonderem Danke
aber flühle ich mich verpflichtet den Repräsentanten und den Vertretern
unserer B^iemng, die uns mit Rath und That auf's kräftigste unter-
stützten, und deren aufopfernde Gastfreundschaft wir in einem Lande,
dessen Wirtshäuser auch nicht den bescheidensten Ansprüchen auf Rein-
lichkeit und Comfort entsprechen, nicht hoch genug schätzen konnten.
Es sei mir gestattet diesen Dank hier öffentlich auszusprechen Sr. Ex-
oelienz, dem Herrn Feldzeugmeister Baron von Prokesch-Osten,
Internuntius und außerordentlichem Gesandten Sr. k. k. apost Majestät
in Constantinopel, femer den Herren Antoine de Le Bidart von
der k. k. Gesandtschaft in Constantinopel, G. W. Ritter von Camer-
loh er, k. k. Viceconsul in Adrianopel, J. v. Hempfling, k. k. Consul
in PhUippopel, Herrn Luteroth, k. k. Gonsularagenten in Sofia, Haupt-
mann Emil 6u6kowi6iQ Alexinatz, und Herrn General-Consul Benjamin
T. Källay in Belgrad.
20
Die Bocche di Cattaro.
Vortrag von Dr. J. Descovich.
Mit einer Karte.
Die gegenwärtigen Ereignisse im südlichsten Theile des König-
reiches Dalmatien im Bezirke von Cattaro (in den sogenannten Bocche
di Cattaro) haben die öffentliche Aufmerksamkeit im hohen Grade in
Anspruch genommen und in verschiedenen Kreisen den Wunsch rege
gemacht, zuverlässige Mittheilungen über dieses Gebiet zu erlangen.
Durch zwei Jahre als k. k. Bezirks- und Lazareth-Arzt in
Castelnuovo angestellt, hatte ich Gelegenheit über Land und Leute
Studien zu pflegen, und aufgefordert, dieselben in dieser hochgeehrten
Versammlung vorzutragen, beehre ich mich heute diesem Wunsche mit
der größten Bereitwilligkeit und Gewissenhaftigkeit zu entsprechen. —
Zur leichteren Uebersicht glaube ich diesen Vortrag in zwei Theile
zu theilen. Im ersten werde ich die Topographie, die Natur- und land*
wirtschaftlichen Verhältnisse; im zweiten die Bewohner, ihre körper-
lichen und geistigen Eigenschaften, theilweise auch ihre Beziehungen za
den Nachbarländern besprechen.
Aus diesen zwei Abschnitten lassen sich Folgerungen ziehen, welche
die Jetzige Lage der Dinge in ein klares Licht setzen.
Als gebomer Dahnatiner denke ich mit Wehmuth bei dieser
Schilderung an mein armes Vaterland, das seit Jahrhunderten nicht zur
nöthigen Ruhe gelangen kann, um seine volkswirtschaftlichen Kräfte
zur gehörigen Entwickelung zu bringen.
Ich ersuche meine freundlichen Zuhörer mit mir Nachsicht zn
üben und meinen Vortrag nicht als einen wissenschaftlichen, sondern
einfach als eine vertrauliche Mittheilung, zu betrachten, die auf meinen
persönlichen Ansichten fußt. —
In südlicher Richtung, ungefähr 28 Miglien (60 per Grad) von
Ragusa, 18 Miglien von Ragusavecchia (dem ehemaligen Epidaurus)
entfernt, findet man an der dalmatinischen Küste die Mündung in einen
16 Miglien langen Canal, welcher vier große Becken und mehrere
kleinere Buchten in sich schließt.
Von der Stadt Cattaro, welche am südl. Ende des Canals liegt, nennt
man ihn Canal von Cattaro; von drei verschiedenen engeren Stellen
desselben, welche als Einmündungen in diese großen Becken anzusehen
sind, nennt man den Canal auch Bocche di Cattaro und die Einwohner
des ganzen ehemaligen Kreises, nunmehrigen Bezirkes, „Bocchesen",
21
obwol diese Benennung im engeren Sinne eigentlich nur den Bewohnern
der Kaste des Canals gebührt. — Der Tiefgang in diesem Canal *ist
sehr beträchtlich und erreicht an vielen Stellen 200 Fuß. Dadurch und
durch den Schutz der umgebenden Küsten und Berge wird er zu einem
natürlichen Hafen, welcher hunderten und hunderten von Hochseeschiffen
ja ganzen Flotten einen sicheren Ankerplatz bietet. — Eine genauere
Beschreibung des Canals werde ich im Verlaufe des Vortrages folgen
lassen. —
Die Grenzen des Bezirkes von Cattaro werden gebildet im Norden
von der türkischen Provinz Herzegowina, im Süden vom adriatischen
Golfe, im Osten von Montenegro und türkisch Albanien, im Westen von
dem schmalen türkischen Gebietstheile Suttorina, welcher denselben vom
Bezirke Hagusa trennt. —
Die Bocche, der Boden oberhalb der beiden Küsten mit einbe-
griffen, haben ein Areale von 10.8 Quadratmeilen. — Die Berge sind
nur Aeste des dinarischen Gebirgsstockes, erreichen eine Höhe von 600
bis 6000 Fuß, sind größtentheils kahl und bestehen aus Kalkstein
älterer und jüngerer Formation, welche auch den dalmatinischen Inseln
eigen ist. Die bekanntesten darunter sind: Sliebi bei Forte Spagnuolo
ober Castelnuovo, Monte Falcon bei Mocrjne, Qerquice in der Crivoscie,
Vueizub ober Ledenizze, Cosman bei Dragalj, dann der Monte Gassone
bei Perasto, Vegli-Mali ober Dobrota, der Berg Sella bei Cattaro,
Giurgevo Sdrielo bei Stagnevich, Crageni^a und Duboi^a knapp an
der dreifachen Grenze (triplice confine), dann an der Küste Baba^
zwischen Budua und St. Stefano, Costagni^a bei Budua und Velika
gora in der Contea Lazzarovich. — Um das Land zu beherrschen ist-
an diesen Bergen eine Reihe von Befestigungen angebracht, welche
viel zu geringfügig wären um sie gegen eine civilisierte Armee zu
behaupten, aber von großer Wichtigkeit sind um die Bevölkerung in
Zaum zu halten, da diese die Artillerie am meisten fürchtet. — Die
älteren Befestigungen sind: Castelnuovo mit dem etwas höher gelegenen
Forte Spagnuolo, Qerquice und Dragalj in der Crivoscie, Fort Santa
Croce bei Perasto, dann Cattaro mit dem Fort St. Giovanni, von Cattaro
in südlicher Richtung das Blockhaus Trinitä, nicht unweit Gorasda,
welche letzteren die Straße nach Budua beherrschen, dann das ehemalige
Kloster Stagnevich (wurde in letzterer Zeit von den Insurgenten in die
Luft gesprengt), endlich an der Küste Budua und mehrere Fortifications-
werke neuester Zeit, welche ich nicht gesehen habe. —
Der Boden besteht meistens aus Thon- und Kalk-Mergel und ist
in den Niederungen besonders mit viel Humus vermengt. Diese Zusam-
mensetzung und das milde Clima der Küste begünstigen außerordent-
22
lieh die Vegetation nnd außer den gewöhnlichen Nutzpflanzen, wie
GAreidearten, Hülsenfrüchte, Gemüse, Weinreben, Oel- und Maulbeer«
bäume, Feigen etc., gedeihen hier vortrefflich im Freien die Agave, die
Myrthe, die Orange und die Limonie, letztere die Größe und Höhe
von stattlichen Bäumen erreichend. Selbst die Palme dürfte im Freien
ihr Fortkommen finden, wie ein Exemplar in der Nähe von Castelnuovo
bei Topla darthut. —
Eigentliche Flüsse sind in den Bocche nicht vorhanden, aber Ge-
birgswässer sind in Massen da, besonders in der Zuppa gegen Budua,
wo sie förmliche Sümpfe bilden und die Gegend ungesund machen. Bei
verständiger Benützung derselben könnten Wunder in landwirtschaftlicher
Beziehung gewirkt werden.
Das Thierreich ist ausgiebig vertreten. Außer den unzähligen
Seeproducten und den gewöhnlichen Hausthieren findet man sehr viel
Kleinwild, besonders Geflügel, wie Steinhühner, Schnepfen, Enten etc. —
Gemsen sind auch hie und da in den Bergen erlegt worden. — Einige
dieser Producte reichen aber nicht hin um die Bedürfnisse der Bevölke-
rung zu decken. Getreide und Wein, und wegen der Verproviantierung
der Schiffe auch frisches und geräuchertes Fleisch (Castradina) werden
aus der Türkei und Montenegro nach Cattaro und Castelnuovo importiert,
dagegen werden Oel und Feigen exportiert — Der Wein von Teodo
(Marzamino) ist ein ausgezeichneter Ausbruch und könnte leicht in
Bezug auf Güte die Concurrenz mit den besten spanischen Weinen
aushalten. Aber leider findet sowol hier als im übrigen Dalmatien
die Bereitung des Weines und des Oeles in höchst primitiver Form
statt. — Die Oliven werden reif und halbreif abgenommen, nicht
gehörig gereiniget und sortiert, bleiben oft wochenlang vor der Pres-
sung an dumpfigen Orten aufbewahrt, es fehlen gute Pressen und so
erhält das Oel einen widrigen, brenzlichen und oft ranzigen Geschmack,
welcher besonders für deutsche Gaumen unerträglich ist. — Der
Weinbau ist durchaus nicht geregelt, allerlei Reben mit einander ver-
mischt , die Bereitung des Weines bei jedem Landwirte verschieden,
Mangel an Fässern von hartem Holze, Mangel an Kellern sind die
Schuld, dass er im Handel die Concurrenz mit anderen Weinen nicht
aushält. Und so, meine Herren, haben wir eine unerschöpfliche Quelle
von Nationalreichthum, ohne sie gehörig auszubeuten. Man ist im Besitze
des Goldes und man verkauft es aus Unkenntnis für Messing I —
Wäre es nicht auch im Interesse der Regierung in Dalmatien
eine practische Schule ad hoc zur Belehrung der Einwohner für die
Ausbeutung dieser Schätze zu errichten ? — Ich bitte mir als Dalmatiner
diese kleine Digression zu verzeihen. —
23
Und nun lade ich sie ein, mit mir im Geiste eine Fahrt in den
Canal von Cattaro zu unternehmen.
Die Haupteinmündung wird gebildet von der Punta d'Ostro auf
einer Seite, von dem kleinen Meerfelsen Zagni^ auf der andern Seite.
Gleich rechts an der inneren Küste des Canals liegt Porto Rose, ein
sicherer Ankerplatz gegenüber dem großen ersten Becken. — Dieses
ist umgeben auf der Seeseite von der Suttorina, am mittleren Ufer von
dem Orte Igallo, auf der Landseite von dem reizenden Dorfe Topla, von
der Vorstadt und Stadt Castelnuovo, welche auf einen Hügel gebaut
sind, — Die ganze Gegend auf dieser Seite ist ein prachtvoller Garten,
welcher sich auch hinter Castelnuovo bis gegen das griechische Kloster
Savina erstreckt, und die Luft ist hier mit dem feinsten Blumendufte
erfüllt. — Setzen wir von Porto Rose aus unsere Fahrt fort, so sehen
wir auf einer Anhöhe die Stadt Castelnuovo, hinter derselben auf einem
grünen Hügel Savina und einige hundert Schritte weiter die Bucht und
das Seelazareth von Megline, während die rechte Seite, die düstere
innere Küste von Lustizza und Cartole, traurig hinüber blickt. Hier
begegnen wir einer, engeren Stelle des Canals, „Bocca Punta di Combur",
die Einmündung in das zweite große Becken. — Dieses bleibt also
dem Reisenden rechts und wird umgeben von der Küste Cartol^s
auf einer Seite, von dem schönen Teodo auf der entgegengesetzten
Seite, während am Ende des Beckens die kleinen Scoglien St. Marco
und Madonna d'Otok und die Küste der Zuppa zu stehen kommen.
An dieser Küste wurde in früherer Zeit Seesalz gewonnen.
Diesem Becken gegenüber liegt die „Bianca^ und ein enger Canal
,,le Catene", eine Wasserstraße von ungefähr 1000 Wiener Fuß Breite,
welche die Poststraße nach Cattaro unterbricht. In der Mitte dieser
Straße liegen Camenari auf der Seite von Castelnuovo und le Petane
auf der Seite von Teodo. Hier muß man sich also überschi£fen
*
lassen um auf dem Landwege nach Cattaro zu gelangen. — Das
Ende dieser Wasserstraße bildet die dritte Einmündung „Bocca le
Catene^, welche in zwei andere große Becken führt — Dieser Bocca
gegenüber liegt der kahle Berg Cassone und an dessen Fuße der
kleine Marktflecken Perasto. Monte Cassone trennt die anderen zwei
großen W^asserbecken, welche auf dem Wege nach Cattaro auf der
linken Seite des Reisenden zu stehen kommen. — In dem ersten dieser
Becken liegt zwei Miglien hinter Perasto der Marktflecken Risano und
in den unwirtlichen Gebirgen oberhalb desselben die Crivoscie, wo
unsere tapferen Soldaten jetzt kämpfen. Es ist als ob sich dieser
von Schwarzem und Hehlern bewohnte Ort den Blicken des Reisenden
absichtlich entziehen wollte. Lo scoglio della Madonna dello Scalpello,
24
Risano gegenüber, ist allein sichtbar. Von dieser Bocca führt der Weg
rechts nach Cattaro. Auf dem Wege entfaltet sich den Augen ein
Bild so majestätisch erhaben, dass keine Feder und keine Worte den
tiefen Eindruck auf den Reisenden zu schildern vermögen. Auf der
linken Seite die zwei großen Becken, umringt von den hohen kahlen
Felsenmassen, im zweiten Becken nahe an Cattaro Dobrota, Wohnort
der meisten Hochseeschiffs-Capitäne ; auf der rechten Seite Ort an Ort,
Haus an Haus, Stolivo mit den Kastanien- Waldungen, Perzagno, Mulla.
Am Ende des Canals liegt die Stadt Cattaro knapp am Fuße eines
hohen Berges. —
Durch die auf dieser Reise beschriebenen Linien kann man sich
die Bocche in zwei Theile getheilt denken. Der eine Theil wird von
dem Gebiete von Castelnuovo, Risano und Dobrota gebildet und ist
durch hohe Berge und den Canal von dem gegenüber liegenden Theile
getrennt. Dieser andere Theil erstreckt sich von Cattaro bis Albanien,
die Zuppa oder die sogenannten Contee (altvenetianische Belehnungen
an verdienstvolle Familien) und das Gebiet von Budua in sich schließend.
Die Contee folgen sich in dieser Ordnung. Nächst Cattaro die Contea
Tuicovich, unterhalb derselben bis hinter Traste die Contea Lazzarevich,
neben der Contea Tuicovich die Contea Gluibanovich, unterhalb derselben
die Contea Boicovich dann Pobori, Braicfai und Pastrovich.
Außer der Poststraße, welche von Ragusa über Castelnuovo bis
Camcuari, dann von le Petane bis Cattaro und von Cattaro, das Thal
von der Zuppa durchschneidend, bis Budua geht, sind nur Wege und
Stege, welche zu den verschiedenen Ortschaften führen, etwas besser
in der Zuppa, sehr schlecht an anderen Puncten, besonders in der
Crivoscie. Hier gehen zwei schmale Wege nach ^erquice und Dragalj,
welche an verschiedenen Stellen von der umliegenden Bergkette voll-
ständig dominirt werden und die größte Gefahr im Kampfe darbieten.
Die Communication zu Wasser ist dagegen sehr bequem und ohne
dieselbe wäre es beinahe unmöglich den Kampf mit den Rebellen fort-
zusetzen. Jetzt kann man. leicht einsehen, von welchem Nutzen die
Kriegs-Marine ist, und wie unklug es wäre, sie zu vernachlässigen.
Die Einwohnerzahl der Bocche beläuft sich auf ungefähr 35.000
Seelen, wovon 2300 in Cattaro, 800 in Castelnuovo und 800 in Budua
leben; die übrigen sind in Marktflecken, kleinen Dörfern und einzeln
stehenden Häusern vertheilt — Kaum ein Drittheil davon ist katho-
lisch über zwei Drittheile gehören der griechisch-nichtunierten Kirche
an ; erstere wohnen größtentheils in Cattaro, Dobrota, Mulla, Perzagno,
Stolivo, Perasto, Castelnuovo und Budua. Die katholische Geistlichkeit
muß die theologischen Studien nachweisen, die meisten griechischen
25
Priester sind kaum des Lesens und Schreibens kundig. Von einer
Gelehrtlieit ist bei ihnen nicht die Rede. Theils die Verschiedenheit
der Erziehung, theils die früher in Oesterreich bestandenen Glaubens-
rerhältnisse zum Nachtheile der Nicht-Katholiken, haben diese Priester
in einen beständigen Streit verwickelt, zum großen Nachtheile der Bevöl-
kerung und der Regierung. Die Intoleranz ist auf beiden Seiten in
der größten Blüthe, und so hat man hier wieder das traurige Beispiel
vor Augen, dass Leute, welche dasselbe heilige Banner tragen, sich
gegenseitig vom Herzen hassen und so die festeste Grundlage der
Christenlehre erschüttern. Es ist der Fall vorgekommen, dass Popen
die Waffe segneten, welche meuchlings das Bruderherz treffen
sollte. —
Der Pope übt großen Einfluss auf die Bevölkerung und gebildete
Geistliche würden am besten das Volk heben. Die Fastenzeit wird mit
einer solchen Strenge eingehalten, dass mancher von der kraftlosen
Kost ernstlich erkranken muß. Wie vortrefflich wäre dieses Gebot der
Kirche für Körper und Geist, wenn man es vernünftig in Vollzug
bringen würde! —
Die Bevölkerung der Gebirgsgegenden und der Zuppa ist ein echter
Morlakenschlag, kräftig gebaut, hochstämmig, sehr mäßig in ihrer Lebens-
weise, an alle Beschwerden gewöhnt, immer mit den Waffen in der Hand,
um feindliche, nachbarliche Invasionen der Montenegriner zu bekämpfen,
oder Gewaltthaten an der Küste auszuüben. Dies gilt hauptsächlich
von den Crivoscianem. Die Bevölkerung der Küste ist auch von
kräftigem Baue und durch ihre Hauptbeschäftigung (die Schiffahrt) so
gestählt, dass sie bei Angriffen der Nachbarn mit seltenem Muthe und
Ausdauer jeder Gefahr trotzt. Die Küstenbewohner geben die besten
Seeleute und die besten und kühnsten Capitäne für die österreichische
Handels-Marine.
Die National-Sprache ist die illyrische, an der Küste wird auch
gebrochen italienisch gesprochen. Der Unterricht in den Bocche liegt
sehr im Argen. Außer in den Städten findet man selten, dass die
Kinder etwas lernen. — Die Vorurtheile, das Mißtrauen, der Neid, die
Rachsucht, die Grausamkeit sind daher gewöhnliche Begleiter der Berg-
bevölkerung. — Wenn sich die Noth dazu gesellt, ist es kein Wunder,
dass sie verkehrte Ansichten über das Mein und Dein haben und die
schensslichsten Verbrechen begehen. Die Folge davon ist die Blutrache
(Kervarina), welche ganze Familien und Ortschaften in steter Unruhe hält.
Mit den Montenegrinern haben die Bergbewohner und die Zuppaner die
Sprache und die Religion gemein; und das ist der Grund, warum sie
Bumchmal in politischer Beziehung mit einander harmonieren.
26
Das Weib ist eine Sclavin ihres Mannes in diesem Lande and
muß wie eine Magd alle Dienste für die Familie verrichten. — Unter
der weiblichen Bevölkerung an der Kflste findet man sehr schöne und
üppige Gestalten, besonders in Dobrota.
Die Trachten sind sehr mannigfaltig und mahlerisch. Fast in
jedem Orte bietet die Kleidung manche Verschiedenheit, so dass man
leicht aus dem Anzüge den Wohnort bestimmen kann. Bei den Wei-
bern unterscheidet sich die Frau von der Jungfrau und diese von der
Braut durch die Tracht. Bei den Bergbewohnern ist die Struka (eine
Gattung langen und schmalen Shawls von grober Wolle) ein National-
Kleidungsstück, welches von den eisigen Winden der Berge und von
dem im Herbste ganze Tage anhaltenden Regen schützen soll. Die
Bergbewohner haben eine besondere Fußbegleidung (Opanke). Die
Beschreibung dieser Trachten bietet ein weites Feld, daher einige
hier ausgestellte Bilder am besten darüber Auskunft ertheilen werden.
Dasselbe gilt für die Waffen. Die Nahrung der Bergbewohner ist
sehr karg und besteht hauptsächlich aus Hülsenfrüchten, schlecht
gebackenem Brote, Erdäpfeln, Gemüse, Speck, geräuchertem Fleisch
(Castradina) ; sehr selten aus frischem Fleische und Eiern. Die gei-
stigen Getränke, wenn auch schlecht und verdorben, sind ihnen am
liebsten. In Mißjahren leiden sie Hungersnoth. Die Krankheiten bei
den Gebirgsbewohnern sind Entzündungen, Hautausschläge, mit einem
Worte Krankheiten acuter Form; nur nach großen Mahlzeiten (bei
Namensfesten, Hochzeiten und Begräbnissen) und in Mißjahren kommen
gastrische Zustände und Tifoiden vor. An der Küste ist die Nahrung
eine geregeltere, daher auch die Gesundheit besser; nur in den Niede-
rungen bei Budua kommen wegen des sumpfigen Bodens Wechselfieber
mit ihren Folge-Krankheiten vor.
Die Wohnungen sind in den Gebirgen nur erbärmliche Hütten, wo
man kaum Schutz vor Regen und Wind findet. Auch an den Küsten
und in den Städten sind sie mit wenigen Ausnahmen schlecht und
schmutzig. Der Reisende hat große Mühe, ohne besondere Empfeh-
lungen eine nur erträgliche Unterkunft zu finden. Für nähere Details
und geschichtliche Daten kann ich das Werk, über das Königreich
Dalmatien von Prof. Franz Petter, im Verlage der Kunsthandlung
H. F. Müller, im Jahre 1841 in Wien erschienen, anempfehlen.
Ich erlaube mir nun einige die jetzigen Verhältnisse betreffende
Schlussworte diesem Vortrage beizufügen. — Für ein Volk, das von
jeher gewohnt war, wenige Staatslasten zu tragen, gibt jede neue Steuer
Grund zur Unzufriedenheit, und es ist möglich, dass die Landwehr-
Gesetze den Impuls zur Empörung gegeben haben; aber hier sind
27
hanptsftchlich theils fremde Agitationen, theils Partei- nnd National-
trämne, die von einer Propaganda immer rege erhalten worden, sicher
mit im blutigen Spiele. Oh! könnte ich meinen Landsleuten begreiflich
machen, dass es jetzt am meisten Noth thut, mit der Regierang zusammen
zu gehen, den Nationalitäten» und Religionshader fallen zu lassen, sich
brüderlich wechselseitig zu unterstützen und sich den Beschlüssen der
Majorität zu fügen, nur im gesetzlichen Wege der Regierung Vor-
stellungen zu machen und fleißig an jeder Quelle von National-Reichthum
zu schöpfen. Dies ist allein die wirkliche Aufklärung, der wahre Fort-
schritt Finsternis und Unglück, ja ein verderbender Abgrund herrschen
in der entgegengesetzten Denkungsweise. Das Vorgehen der Regierung
ist in meinen Augen vollkommen gerechtfertigt; sie muß den Gesetzen um
jeden Preis Achtung verschaffen, sie kann nicht mehr zurücktreten.
Die Hauptaufgaben der bewaffneten Macht sind : 1. die Küste nach
außen und innen strenge bewachen zu lassen, damit ^en Insurgenten
keine Waflfen, Munition und Nahrungsmittel zugeführt werden. — 2. Den-
Aufstand auf den kleinsten Gebietstheil zurückzudrängen, was durch die
Besiegung der Zuppa bereits geschehen ist. — 3. Eine stärkere Be-
satzung in den befestigten Puncten und an der Küste zurückzulassen,
um die unausbleiblichen Folgen des Kampfes, die Rache und Raublust,
möglichst hintan zu halten. —
Mögen aber unsere tapfem Soldaten nie vergessen, dass dieser
Kampf ein Kampf von Brüdern gegen Brüder ist. Mögen sie nie ver-
gessen, dass, wenn sie auch von der Regierung berufen sind verirrte
Landeskinder zur Ordnung zurück zu führen, sie es mit möglichster
Schonung thun mäßen; denn die Züchtigung, welche der Landesvater
notbgedmngen verfügt, thut seinem Herzen nicht weniger weh als dem
armen gezüchtigten Kinde.
Geographische Literatur.
Die Balearen. In Wort und Bild geschildert. Leipzig. Brock-
haus. 1869. 4* 309 Seiten. L Band. Die alten Pityusen.
Vor unseren Augen liegt ein Band seltener Schönheit und Vollkoinmen-
heit. Von Reiselust getrieben und ausgestattet mit einer gründlicben wissen-
scbaftljchen Bildung besuchte im Sommer und Herbste 1867 Erzherzog Ludwig
T. Toscana die wenig gekannte und doch an Naturreizen eigener Art so reiche
Inselgruppe der Balearen, die Spaniens Küsten unweit aus der blauen Flut
des Mittelroeeres emportauchen. In dem vorliegenden Werke — einem Pracht-
bande in des Wortes Tollster Bedeutung — gibt der sich bescheiden in Ano-
nymität hüllende jugendliche Autor eine Monographie jener merkwürdigen
ulande, die auf mehrere Bände berechnet erscheint; denn hier sind bloß
die alten Pitynsen, nemlich Ivi^a und das kleine Formentera abgehandelt.
Nicht zu viel yerspricht das Titelblatt, welches sie in Wort und Bild ge*
28
schildert sein l&sst ; in der That hat der geübte Stift des Prinzen mit rastloser
Emsigkeit Panct um Punct, Scenerie um Scenerie auf das Papier geheftet und
sich alles dessen bemächtigt, was ihm typisch , eigentbümlich erschienen und
zum besseren Verständnis der schriftlichen Darstellung förderlich däucbte.
Diese Zeichnungen, sämmtlich von des Autors eigener Hand entworfen, sind
theils in gelungenen Holzschnitten, theils in chromolithographischen Bildern
reproduciert, welch letztere geradezu zu den besten Leistungen gehören, die
uns jemals zu Gesichte gekommen sind und auch vom künstlerischen Stand-
puncto nichts zu wQnschen Qbrig lassen. Erwähnenswert dünkt uns, dass
viele derselben aus der artistischen Anstalt von Reiffenstein und Rösch in
Wien hervorgegangen sind. Auch im übrigen ist an der wahrhaft überraschen-
den Ausstattung nicht gespart worden. Papier, Druck, Typen und die Hülle
dieses Sr. Majestät dem Kaiser von Oesterreich gewidmeten Werkes, sie alle
tragen den Stempel einfacher, geschmackvoller aber fürstlicher Eleganz.
Es möchte vielleicht sonderlich sich ausnehmen, wenn wir bei der äuße-
ren Erscheinung dieses Buches so lange verweilen, ehe wir den Inhalt einer
näheren Prüfung unterziehen. Allein das ganze Werk tritt so abnorm eben in
seinem äußeren auf, dass unwillkürlich gewiss von jedem dieses früher als der
Inhalt einer eingehenderen Betrachtung gewürdigt wird. Böte das Buch nichts
anderes als die künstlerischen Beilagen, es wäre Verdienst genug. Wer jedoch
mit dem eigentlichen Inhalte selbst nähere Bekanntschaft macht, ist freudig
erstaunt auch hier des Neuen, Interessanten, Wi&senswürdigen so viel zu finden,
als es sich kaum von irgend einer Monographie erwarten läßt. Wir dürfen bei
dieser Gelegenheit betoneu, dass das Inhaltliche dieses Buches in Peter-
mann^s geographischen Mittheilungen eine ebenso anerkennende als schmeichel-
hafte Kritik erfahren hat. In der That wird man auf jeder Seite gewahr, wie
der Autor nach eigener Beobachtung und Anschauung schildert, wie er nach
allen Richtungen hin forschend mühsam die Details zusammengetragen hat zu
seiner umfassenden Arbeit. Die Fauna und Flora, die Eigeuthümlichkeiten des
Bodenrelicfs sowie jene der Sitten und Gebräuche der schlichten Inselbewohner
werden mit gloicher Gewissenhaftigkeit, mit gleicher Liebe und Sorgfalt behandelt,
dem Leser ein nach jeder Beziehung hin erschöpfendes Gemälde jener einsamen
Insellande entrollend, in klar fasslicher, gewandter Sprachweise, nicht ohne einen
gewissen poetischen Hauch, welcher wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Ge-
biete der Erd- und Völkerkunde einen ganz besonderen Reiz zu verleihen
püegt. Mit einem Worte, das Buch ist unbestreitbar das Beste und Vollstän*
digste, was jemals über dieBaleareu überhaupt geschrieben wurde und verdient
nebstdem als Muster einer Monographie aufgestellt zu werden.
Einen Vorwurf können und wollen wir indes dem fürstlichen Autor um
so weniger ersparen, als derselbe indirect einen Wunsch enthält. Das in Rede
stehende Werk, nur in einer kleineu Anzahl Exemplare gedruckt, ist natürlich
nicht im Buchhandel; die Freigebigkeit des Verfassers hat wohl einige Bib-
liotheKen und Institute damit dotiert. Dies ist aber durchaus ungenügend , denn
dem großen Publicum ist und bleibt es dennoch vorenthalten. Wer die
»Balearen« schreiben konnte — und man vergesse es nicht, hiemit ist mit
einem mal der Erzherzog unter die Fachgelehrten getreten und Ludwig von
Toscana wird fürderhin mit Achtung unter den geographischen Schriftstellern
genannt werden müßen — der hätte, meinen wir, auch die Verpflichtung die
Gebildete Welt so wie die Fachgenossen mit seiner Thätigkeit und deren Pro-
ucten vertraut zu machen. Die Veranstaltung einer billigen Ausgabe des Textes
des Balearenwerkes — die schönen Beilagen müßte man freilich weglassen,
weil sonst der hohe Ladenpreis das Buch dem großen Publicum unzugänglich
macht — würde sicherlich von vielen dankbar begrüßt werden und dem Buche
selbst einen weiten Leserkreis gewinnen. Friedrich von Hellwald
Die Russen inCentralasien. Eine geographisch-historische
Studie. Von Friedrich von Hellwald. Mit einer Uebersichtskarte.
Wien 1869.
Die vorliegende Schrift — aus einzelnen Artikeln des Verfassers in den
„Mittheiiungen für Kriegswissenschaften'^ zusammengestellt — behandelt eine
eben so interessante als wichtige Frage der Culturgeschichte mit Geist und ein-
29
gehender Sachkenntnis. Sie dOrfbe manchem, der über die Bewegungen in Central-
asien im unklaren ißt, zur willkommenen Orientierung dienen, lieber den Stand-
poBCt des Verfassers geben die Schlussworte seiner Schrift die bestimmteste
Andeutung: ^Wie man auch^ — sagt er — „das bisherige Vorgehen der
Russen in Asien beurtheilen wolle, eines darf jener nicht vergessen, der wie
wir, allen politischen Absichten femstehend , vom rein wissenschaftlichen und
coHurhistorischen Standpunct die Ereignisse in Central - Asien betrachtet:
Gleichwie an die russischen Fahnen die Forschung der Wissenschaft sich
heftete und wir heute die durch die Kacht der Jahrhunderte bedeckten Land-
schaften im centralen Asien genauer kennen als manche Theile der europäischen
Türkei, so folgt auch unausweichlich die Cultur dem Siegeszug des schwarzen
Aars. Bussland erftlllt in Asien eine wahre Culturmission, indem es auf seine
Weise den orientalischen Völkern den europäischen Ideenkreis vermittelt. Mit
einem Worte: ftir Asien ist Bussland die Cultur, die Civilisation. Wir unbe-
thefligten mtÜ5en aber mindestens erkennen, dass die Erweiterung der mensch-
lichen Kenntnisse, dieses Aufischließen neuer Kreise für das Culturleben der
civilisierten Völkerfamilien der beste Gewinn sei, den die Menschheit von jeher
seit den Zflgen der Osiris und des makedonischen Alexander aus derartigen
Eriegsuntemehmungen gezogen hat.^ B.
Aas allen Welttheilen. Illnstriertes Familienblatt f Qr
Länder- und Völkerkunde. Bedigiert von Dr. Otto Deutsch. Leipzig
bei R. L o e s. (Der Jahrgang, 52 Nammern oder 12 Monatshefte, läuft
von October zu October.)
Die Popularisierung der Erdkunde kann uns nur erwünscht sein. Sie
trifft auch mit der Neigung der Familienglieder und namentlich der Jugend viel
mehr zusammen, als man glaubt, und fördert die Entwicklung des Geistes
intensiver und harmonischer, als alle die sogenannt moralischen Erzählungen,
mit denen man die Jugend füttert.
Die vier Nummern, welche uns von dieser neuen Zeitschrift vorliegen,
lassen die Sachkenntnis und den Takt der Redaction in günstigem Licht wahr-
nehmen, nicht nur was die Wahl und Vertheilung der Stoffes und die Illustra-
tionen anbelangt, sondern auch — und das ist bei einem solchen Unternehmen
fOtt entscheidender Bedeutung — in Bezug auf die stilistische Darstellung, die
bisher den rechten Ton zu treffen weiß. Wenn die Bedactipu sich dessen auch
in der Zukunft befleißen will, so haben wir nicht nöthig, der Zeitschrift eine
große Verbreitung zu wünschen, sie wird sie durch sich selbst finden. B.
Wilhelm von Harnier's Reise am obern Nil. Nach
dessen hinterlasseuen Tagebüchern, herausgegeben von Adolf von Har-
nier. Mit einem Vorwort von Dr. A. Petermano. Nebst einer Special-
karte QDd 27 Originalzeichnnngen Wilhelm v. Hamier's, ansgeftthrt in
Farbendmck von J. liL Bernatz. Darmstadt und Leipzig bei Zernin
1866.
Wir erwähnen dieses Reisewerk, das schon längere Zeit auf dem Bücher-
markt ist, weil wir es — wie wenig andere — zu einem Festgeschenk für die
erwachsene Jugend geeignet finden.
Abgesehen von aen schönen Bildern, — Petermann bezeichnet sie im
Vorwort als weitaus die besten und getreuesten, die über das Nilgebiet zwischen
Chartum und Zansibar bisher erschienen sind — erhält der Leser durch die an-
sprnchsiosea und getreuen Schilderungen ein lebensvolles Bild der Natur im
^ßen und ganzen und lebt sich in dieselbe, da der Verfasser das characte-
ristiscfae interessant vorzuftlhren weiß, während des Lesens gleichsam hinein.
Das Pflanzen- und Thierleben ist nicht in wissenschaftlicher Zusammen«
Stellung, sondern in der Reihenfolge geschildert, wie es sich dem Reisenden
im Verlauf der Reise darbot und von den Anwohnern des bereisten Gebietes
veiß er in Bild und Wort das characterisierende anschaulich zu machen.
Bekanntlich ward W. v. Harnier ein Opfer seiner Expedition, er wurde
am 23. November 1861 nahe der Station Heiligenkreuz bei Gondokoro auf der
Jagd von einem Büffel getötet. B.
30
Admiaistrativkarte von Niederösterreich. Heraas*
gegeben vom Verein für Landeskunde von Nieder-
österreiph.
Zu deD bereits herausgegebenen 12 Sectionen, von welchen 9 einen zu-
sammenhangenden Cvclus der Umgebung von Neustadt bildeten, die 3 übrigen
(YTien, St. Polten, Wolkersdorf). isoliert waren, sind nun die Blatter BoUeim-
kirchen, Neulengbach, Purkersdorf und Baden hinzugekommen,
welche die VerbinduDg der südlichen Blätter mit den nördlichen herstellen,
und nach Vollendung der bereits in Angriff genommenen Sectiouen TulLu,
Stockerau, Komeuburg, Enzersdorf, Altenmarkt, Medling, Fischamend,
Mannersdorf, Brück um Wien herum einen zusammenhängenden Bayon bilden
werden. Auch im Süden wird der Stich der Karte gefördert uud sind die
Sectionen Kirchschlag, Aspang, Neuwald, Reichenau und Schwarzau mehr und
weniger im Stiche vorgerückt. Ueber die Ausführung dieser Karte, die aus
oft erwähnten Gründen vorläufig ohne Terrain bleiben muß, ist in früheren
Artikeln umständlich gesprochen worden ; es genüge dxüier, hier noch auzuführen,
dass V) der vollständigen Karte in Zeichnung fertig sind, und hoffentlich bis
Mitte 1870 ein Drittel im Stiche vollendet vorliegen wird. Kaum braucht ver-
sichert zu werden, dass auch bei den jetzt erschienenen 4 Blättern dieselbe
Sorgfalt auf correcten Inhalt genommen wurde und Behörden und Private bei-
getragen haben, ihn möglichst richtig zu stellen. Der steigende Absatz dOrfte
ein Bürge sein, dass die Karte vielutchen Bedürfhissen entspricht, und zwar
in desto höherem Grade, je mehr ihre Area zunimmt. Verwaltungsämter,
Eisenbahnen, Großgrundbesitzer, Pfarren, Industrielle, Gemeinden etc., be-
nützen sie mit Vortheil; und wird einmal die Heimatkunde in jeder Schule
gelehrt werden, so kann auch das Blatt mit dem Schulorte ein geeignetes
Lehrmittel werden.
Der Verein für Landeskunde von Niederösterreich hat sich durch diese
Arbelt ein Verdienst um das Land erworben, welches nicht hoch genug ange-
schlagen werden kann, wenn man bedenkt, dass ein Unternehmen, welches von
der Regierung jahrelang verfolgt und im Zweifel an die Ausführbarkeit fallen
gelassen wurde, hier mit beschränkten Mitteln, aber ausdauerndem Muthe in
so kurzer Zeit und in so ausgezeichneter Weise vorwärts gebracht wird.
Wenn wir die Einzelheiten dieser ausgezeichneten Karte ins Auge fassen und
der wissenschaftlichen Zwecke gedenken, zu denen sie nach ihrem Maßstab
und ihrer genauen Zeichnung benützt werden kann, so lässt sich kein ähn-
liches Unternehmen bezeichnen, welches den Vergleich mit ihr aushält. Das
Hauptverdienst ihrer Zustandcbringung gebührt unserm verehrten Mitgliede,
dem kais. Rath Anton Steinhaus er, der sich damit ein unvergängliches
Denkmal gesetzt hat. B.
Geologische Karte der Provinz Preußen von Dr.
Deren dt. Berlin 1867 hei J. H. Nenmann. 2 Blätter. Nr. 2 and 7.
Preis für 1 Section = 1 Th. (mit Text k 6 gr.)
Die Ueberzeugung von der Wichtigkeit der genauen Durchforschung der
Bodenverhältnisse der Länder hat mehrorcige geologische Aufnahmen in großem
Maßstabe hervorgerufen, und wir erfreuen uns des schnellen Fortschreitens
auf diesem kartographischen Gebiete. Auch die Provinz Preußen ist nun in
die Reihe eingetreten, und wird auf Kosten der Provinz uud im Auftrage dar
köuigl. physikalisch- ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg, unter Zugrunde-
legung der topographischen Karten des königl. Generalstabes, welche im
Maße von 1 zu iOO.OOO der Natur ausgeführt sind, eine Karte in 41 Blättern
erscheinen, deren Erstlinge vorliegen. Sie unterscheidet sich von den meisten
der analogen Karten durch ein viel tieferes Eingehen in die Quartärbildungen,
in die Schichten des Diluviums und Alluviums, welche in so großer Mäch-
tigkeit in der norddeutschen Tiefebene auftreten, ohne die altern Sediment-
bildungen zu veruachläßigcn. Um die Uebersicht zu erleichtern, sind nicht
die Sectionen der topoji^raphischen Karte, sondern ihr Inhalt zur Grundlage be-
nützt, die Blätter sind grußer im Formate (2^4 Mal größere Area). Das
Tertiärgebirge zeigt 2, das Diluvium 11, das Alluvium lö Farbe nnuancen, so
31
diss die uLoeralogisoh-petrographisclie Vcrschiedcaheit genügend hervortritt,
während andererseits durch aligemeine Grund-Farben die Hauptformations-
glieder erkennbar sind. Der Eindruck dieser Anordnung ist sehr günstig, und
wird die Deatlichkeic selbst dadurch nicht aufgehoben, dass durch dunklere
Zeichen die Untereinandertbige der Schichten angedeutet ist. Die Sec-
nooen föhren ihren Titel nach Gegenden, z. B. Kurisches Haff (ndl. sdl. Theil),
West- und Ost-Samlaud, Memoldelta etc. £s sollen jährlich 2 Blätter er-
scheinen und mehreren Sectioueu zwangslose Erläuterungen beigegeben werden.
— s —
Karte der Umgebungen von Gleicbenberg von Prof.
J. Wastier in Graz 1869. (300« =1 Zoll oder Vgigoo-)
ümgebungskarte von Rohitsch-Sauerbrunu und Kra-
pina-Teplitz. Herausgegeben von Dr. J. Burghardt (800® = 1 Zoll
oder '/5760o)-
heide Karten sind als Begleiter zu balneologischen Werken zu betrach-
ten; beide fußen auf der Catastral- Aufnahme, mit Zuhilfenahme der Mil.
Aufnahme für das Terrain, nebst Beigabe eigener Höhenmessungen; nur Maß-
stab und Ausführung sind verschieden. Auf Wastler's Karte ist das Terrain
in Schraffen ausgeführt, auf der andern in Kreideschummerung. Erstere fasst
etwa IV} Qnadr. Meilen, die zweite gegen 12 Quadr. Meilen. Beide sind Ar-
beiten, die durch verhältnismäßig viele Höhenangaben sich auszeichnen und
die ersten and einzigen, auf welchen diese Landestheile in so großem Maßstabe
erscheinen. Wie sehr willkommen sie den Kurgästen sein werden, bedarf
keiner weitläufigen Erwähnung. — s —
Lithographische Masterblätter gefertigt in der topo-
graphisch-geographischen Anstalt von Wurster, Randegger u. Comp, zu
Wiuterthur in der Schweiz. 1869. 19 Bl. Qaer-Quart.
Obwol bei diesem Hefte die mercantilische Tendenz vorschlägt, geht
doch der Topograph nicht leer aus, indem unter den 19 Blättern auch solche
sich befinden,- die für sich allein ein ganzes bilden, z. B. Ein Plan von Genk
(in VisM»^' Umgebung von Wiuterthur in Schichten (in Vasooo)» Umgebung von
Genf (in Vsdoo«)) °>^^ Schichten von 10 Meter Höhe. Die übrigen Blätter sind
größeren i'ublicationen entnommen, z. B. der topographischen Karte von
St Gallen, von J. M. Ziegler, einer Schul Wandkarte vom Ganton Zürch, einer
diorographischen und geologischen Karte der Schweiz etc. Aus allen geht
hervor, aass das Etablissement Wurster, Randegger & Comp, eine sehr lobens-
werte Ausbildung in der Technik der Lithographie ausweiset, und dass dem-
selben das Vertrauen geschenkt werden kami, jeder Autgabe in diesem Genre
gewachsen zu sein. — s —
Carte da Can ton de Gen^ve (nachDufonr auf ^'^oooo ^^^°'
dert und graviert bei Wurster, Randegger & Comp. Wiuterthur). Genf,
bei Briquet <& fils. 1868. Gr. Folio. Mit einem Plane von Genf in
* isooo <^^r Natur.
Eine genaue, sehr schön gearbeitete Karte von trefflicher Ausführung in
Farbendruck, bei der man außer den (etwa gewünschten) Angaben der Wein-
caltnr nichts vermisst. Sie enthält keine Schichtenlinien, wol aber zahlreiche
Höhencoten in Meter und fein angedeutete Kreisbogen, welche die Entfernung
vom Miiteipuncte der Stadt für 5 und 10 Kilometer angeben. — s —
Karte der Insel Tenerifa, nach vorhandenen Materialien
und eigenen Beobachtungen entworfen von G. Härtung, K. v. F ritsch
und W. Reiß, gezeichnet von J. Randegger. Bei Wurster & Comp, in
Wintertliur. 1869. 1 Blatt gr. Fol. mit Beilagen (durchschnitten Vg).
Obwol für die Insel Tenerifa durch Leopold v. Buches Untersuchungen
and Karte schon eine gute Grundlage vorhanden ist, so gewährt doch die vor-
liegende im Maße von 1 zu 200.000 der Natur gezeichnete Karte durch die vortreff-
32
liehe Gebirgsdarstellung und die dazu gehörigeu Profile eine neue Anscbauang der
volcaDischen Region des Pico de Teyde, mit der großartigen Caldara, aus
der sich der 37 1 1 Meter hohe Krater erhebt. Die vielen Höhencoten, mehrere
hundert an der Zahl, geben der Karte einen besonderen Wert. Ein Vergleich
mit der Karte Leopolds v. Buch lässt die Vorzüge der gegenwärtigen Arbeit leicht
herausfinden. In Wien bewahrt das Schottengymnasium ein Relief der Insel
(nach V. buch) von Dickens, Cocservator der Universität Bonn. — s —
Plan von Jernsalem, nach den englischen Aafnahmen (1864/5)
von Wilson rednciert auf V2oooo' ^^^^^^'** R&ndegger & Comp, in
Winterthur. 1869. Gr. 4.
Dieser ausgezeichnete Plan von Jerusalem und seiner nächsten Um-
gebung erstreckt sich gegen Nord und Ost weiter, als die meisten bisherigen
Darstellungen, bis zu den Gräbern der Richter und dem Kloster des Kreuzes.
£r gewährt ein sehr deutliches Bild der Hochfläche mit ihren tiefen Ein-
schnitten und viele Höhenaogaben in (englischen?) Fuß unterstützen die
Auffassung. Jede Ruine, jede Cisterne, jedes alte Grab ist bezeichnet, lauter
Gegenstände, von welchen frühere Pläne fast nichts enthielten. Wo der Platz,
zur Beschreibung mangelte, helfen Ziffern aus. Derselbe Plan ist in einer
besonderen Ausgabe mit französischem Text und geognostisch coloriert
erschienen. — s —
Mapa de Guatamala la nneva von Hermann A u. 1868.
Dieser in Farbendruck mit großer Sorgfalt bei Wurster, Randegger &.
Comp, in Winterthur ausgeführte btadtplan beruht auf einer Aufnahme und
zeigt die regelmäßige und nach den Hauptweltgegenden orientierte Anlage der
1776 gegründeten nun wichtigsten Stadt von (Central- America, die bald oO.OOO
Einwohner zähKn wird, und in iOOO' Höhe aelegen ist. Der Plan beschränkt
sich auf die Stadt selbst und enthält Ober due nächste Umgebung nur höchst
dürftige Andeutungen. Ein Nivellement scheint mit der Aufnahme nicht ver*
bunden worden zu sein. — 8 —
Karte des Canton 61a rns. Winterthur bei Wurster, Rand-
egger & Comp. 1869. 2 Bl. gr. Folio. Gebirgszeichncng von J. M.
Ziegler. 2. Anflage. Im Maße von 1 zn 50.000 der Natar.
Die zweite Anflage dieser vortrefflichen Karte unterscheidet sich mehr-
fach von der ersten, namentlich durch die Ausführung der Gebirgszeichnung
in Schraffun statt in Kreideschummerung, wodurch weniger das allgemeiue
Bild, als vielmehr die Einzelnhoiten gewonnen haben. Der volle Ton der
Kreide ist dem plastischen Ausdrucke des Reliefs zuweilen lorünstiger als die
Schraffen, jedoch gewähren diese mehr ßestimmtheit und die Characteristik der
Details gewinnt dabei unstreitig. In dieser Characteristik ist Ziegler ein an-
erkaimter Meister, und hat sein Talent hiezu durch sehr zahlreiche Studien
an Ort und Stelle ausgebildet. Der Text zu sciuer Karte von Engadein
liefert die Beweise, wie sehr dieser Kartograph bemüht ist, die Formen des
Terrains nach ihrer geologischen Verschiedenheit, die sich in den äußeren
Umrissen ausprägt, aufzufassen und mit den Mitteln, welche der topogra-
phischen Zeichnuug zu Gebote stehen, entsprechend darzustellen. Die Noth-
wendigkeit, dass der aufnehmende Geometer auch geologische Kenntnisse habe,
ist besonders in der Schweiz früh schon erkannt worden und namentlich war
Ziegler der erste Zeichner, welcher schon in seiner Karte des Kantons St.
Gallen (1 : 2o.00u) versuchte, statt des üblichen allgemeinen Zeichens für Felsen
passende characteristische Modificationen einzuführen. Die jetzige Ausgabe hat
durch mehrfache Berichtigungen benannter Herren Vorzüge vor der älteren
und steht ihr nur in dem einzigen Puncte nach, dass die grCUie Färbung für
Wald ausgefallen ist. Dass dieselbe in Verbindung mit der Schummerung
nicht deuuich vortrat, muß wol zugegeben werden; doch würde eine zarte
Behandlung (ähnlich wie auf der Karte von Engadein) die Schraffierung nicht
beeinträchtigt haben. Die Karte von Glarus ist nebstbei ein Fingerzeig, wie
weit man im Verhältnis zum Maßstabe in der Schichtenhöhe gehen darf.
Wenn bei ^'50000 Schiebten von 30 Meter schon so nahe zusammeorücken, so
33
wird man bei kleinerem Maße im Hochgebirg höhere Schichten von nO und
noch mehr Metern einführen müßen. Die Schichtenlinien setzen bei Fels-
wänden und im Gerolle nicht fort, und ers^^beiiien auf den Gletschern in blauen
Linien. Dass die Karte mit zahlreichen Goten in Metern ausgestattet ist, ver«
steht sich bei einer Schweizerkarte beinahe von selbst. — s —
Umgebung von Triest, nach einem Originale der Gcncral-
stabsabtbeilang der 7. Trappendivision, pbotolithograpbiert im k. k. Militär-
peogr. Institute. 1868. 23 Bl. kl. Fol. 1 Zoll = 200» oder V14400 ^^r
Natnr.
Diese Folge von 23 Blättern, von welchen jedes den vierten Theil einer
österreichischen Quadratmeile umfasst, ist eine Fortsetzung der unlängst be>
gonnenen ümgebungskarten von Hauptstädten österreichischer Kronländer, und
bildet nach Ausfüllung der Lücken zusammengesetzt, ein Tahleau von 2\'^
Meilen Höhe uod Breite, und ein treues Bild des Karstes, der in dieser Re-
gion in seiner abschreckendsten Gestalt erscheint. Auf dieser Fläche von
etwas mehr als 4 Quadratmeileu wimmelt es auf dem Hochplateau von Dol-
lirieo, großen und kleineu Gruben, Hügeln und Steinwällen ohne Spur eines
oberirdischen Wasscrlaufes. Trotz der Unwirtlichkeit dieses fast waldlosen
iiebietes mit seinen dürftigen Culturstellen findet man mehrere Ortschaften,
(darunter Corgoale, wo die berühmte Grotte Trebid, . unter der die Rcka, am
Ansflussc bei Duino Timavo genannt, in unterirdischön Höhlen fließt; Opöina
mit seiner prachtvollen Fernsicht, Sesana, ßassuviza u. a.) Der wichtigste
Hafen Oesterreichs, Triest, ist durch gute Straßen mit Görz, Laibach, Fiume
niid I Strien verbunden, und hoch am Meeresufer, über Miramare vorüber,
läuft die Eisenbahn nach dem Kuotenpunctc Nabresina, um von dort im Bogen
zurückkehrend Üpcina und Sesana zu berühren. Etwa 500 Höhenpuncte (in
Klaftern) sind eingetragen, die genau bestimmten mit Decimalen, und so ist
auch von dieser Seite die Karte wertvoll. Werden die nun noch nicht be-
seitigbaren UnvoUkommenheiten des photolithographischen Verfahrens mit der
Ausbildung der Technik schwinden, so wird auch jener Grad von Heinheit in
der Ausführung erreicht werden können, der zur Zeit noch ein frommer Wunsch
bleiben muß. Möge mau sich vorläufig; zufrieden geben, dass durch diese Art
der Erzeugung die topographischen Karten großen Maßes höchst billig her-
gestellt werden können, und wenn auch nicht in uutadelhafter Schönheit, doch
iiiuruchend zu vielseitiger Brauchbarkeit. — s —
Karte von Ungarn vom k. k. mih geogr. Institut. 1.
und 2. Lieferung. 18G9. 18 Bl.
Die vorliegenden Blätter umfassen den Rayon zwischen Risenstadt,
Trem-iu und Ofen- Pest, so dass der Donaulauf bis Soroksar, das Marchthal
Ins Ostra, das Waagthal bis Illava, das Neutrathal ganz, das Grantbai bis
Kremnit^, das Eipelthal bis Losoncz darin enthalten sind. Was den merito-
rischen Inhalt der Karte anbelangt, so ist in Nr. 7 dieser Mittheilungen (p. 411)
lioreits ausgesprochen, dass keine der bisherigen Karten von Ungarn ähn-
liches leistet, uüd selbst die ausgezeichnete Monarchie karte des Obersten
1». v. Sc heda auf dem sechzehumal kleineren Flächenraume gleiches zu
liieten nicht vermag. 2dau vergleiche auch die aus dem .lahre 1Hl?/4 her-
röhrenden Grünzblätter der Karte von Niederösterreich mit den Gränzblättern
C (5, J) 3 bis D 6 der Karte von Ungarn, um sich zu überzeugen, wie groß
»Kr Abstand in der Ausführung dos Terrains, in der Rechtschreibung der
Ortsnamen, in der Configuration der Flussläufe u. s. f. ist. Wenn ja eine Ke-
iiion dem Stande der Neuzeit nicht entspricht, so ist es das Becken des Neu-
sif dlrrsees, welches wir hier noch gefüllt erblicken, wahrend es seit Jahren
trocken liegt und wir bereits von Ansiedlungcn (Neu-Mcxico) lesen, die auf dem
t-Lmaligcn Seegrunde sich erhoben haben. Merkwürdig bleibt jedenfalls, dass
wir über eine so großartige Erscheinung, wie sie das Verschwinden einer
Wassertliichc von 6 Geviertmcilen bietet, und die wenige Stunden von Wien
irhon seit so langer Zeit eingetreten ist, noch immer ungenügend unterrichtet
Hud und insbesondere eine kartographische Darstellung trotz aller angeb-
G€*^nphisch» Mittlieilungen, 1870. 1. 3
34
liehen Vrx*raessungen noch keiium der einzelnen IJcrichte beigegeben wurde.
Es wird daher um so melir auffallen, wenn die Karte von Ungarn durch die
Ignorierung der bekannten Thalsachc die oft angeregte Neugierde unbi^IViedigt
]&sst. — In Beziehung auf Höhenaugaben befriedigen die auf ulteren Auf-
nahmen beruhenden Blätter selbsivt'rsiiindlich nur wenig, nur stellenweise (z. B.
bei Schemnitz und Kremnitz) findet mau zahlreiche Coteu. — s —
Karte der Flussgebicte des Drin und des Wardar, nach
den Beobachtungen von J. G. v. Hahn, k. k. öst. Gen.-Consuls von
H. Kiepert. Berlin 1867. Maßstab = 1 : 500.000 der Natur.
Fttr die angegebenen Gegenden muß diese Karle, welche auf die Routen
von Ilahu, Zach, Spann, Bo\\6, ^'isquenel, Grisebach und Barth basiert ist, als
Hauptquelle angesehen werden. In so wenig erforschten Regionen muß die
Kenntnis Scbritt für Schritt erkäm])ft werden, und muß mau froh sein, wenn
(wie hier) auf 250 Quadr.-Meilen ein Duzend Orte fällt, deren Lage einiger*
maßen bestimmt ist. Dass die Gebirgsdar-stellung lückenhaft und an vielen
Orten hypothetisch ist, darf nicht Wunder nehmen. Wo die Civilisation noch
60 wenig Boden gefunden hat, wie in den Gebirgsgegenden von Albanien und
Macedouien, bleibten viele Meilen lange Strecken eine terra incognita, «lie oft
auis Hörensagen kaum ausgefiUlt werden kann. Man kann sich nur freuen,
wenn der Fuli wissei:schaftlicb gebildeter Männer solche Regionen betritt und
stellenweise ein Dämmerlicht über sie verbreitet. Solche scheinbar unvollendete
Blätter haben fiir den Kartographen einen höheren Wert, als prachtvolle
Karten über längst im kleinsten Detail bekannte Länder. — s —
Notizen.
Die Kreuzfalirersteine im Innern Ton Dalmatien. Von unser m
Mitgliede Med. Dr. M. K Weiser geht uns nachstehende Notiz zu.
••In den Monaten Jänner, I'ebruar und März des Jahres 18ÖÖ hatte ich als
Mitglied der Militärbefreiungs-Commission Gelegenheit den größeren Theii
Dalmatiens zu bereisen und nebst den großen Inseln Brazza, Lesina und
Lissa, welche mir so wie andere kleinere Eilande von früher her bekannt
waren, namentlich den wenig bereisten, sehr interessanten festländischcu Thcil
dieses eigenthümlicben Landes kennen zu lernen.
Wer es nicht schon ^üsste, dass man auch in Dalmatien sich auf
classischem Boden befindet, der würde Angesichts der zahlreichen Denkmäler,
Alterthtimer und Ueberbleibsel aller Art aus der Römerzeif, so wie aus der
Blütenperiode der venetianischen Herrschaft hieran erinnert. Eingehendere
Forschungen führen auch auf interessante Reste aus der griechischen und vor-
griechischen Zeit zurück, wie mir ciies die reichhaltige Sammlung von Münzen,
Versteinerungen, Katurproducten aus allen drei Reichen etc. des Privatgelehrten
Herrn Machieco, welchen ich auf der Insel Lesina kennen zu lernen das
Vergnügen hatte, in anziehendster Weise zur Anschauung gebracht hat. IJeber-
reste von römischen oder venetianischen Baudenkmälern, wie die des Diocietian-
Palastes zu Spalato — die Ruinen, Bäder und Gräber des benachbarten
Salona, — die noch wolcrhaltene, auf zahlreichen Pfeilern ruhende Steiobrücke
über die Cettina bei Verlicca, — die venetiauische Loggia auf Lesina u. s. w.
u. s. w. sind meines Wissens hinreichend gewürdigt und beschrieben und ich
beabsichtige mit diesen Zeilen bloü auf eine Erscheinung aufmerksam zu
machen, die mir auf der Reise von Verlicca über Syn nach Irooschi aufstieß.
Die Kile der amtlichen Reise gestattete mir nicht ihrer Wesenheit und Bedeu-
tung auf den Grund zu gehen.
Auf der genannten Strecke (der Strada francese) finden sich nämlich zu
beiden Seiten der Straße zahlreiche, nach unregelmäßigen Zwischenräumen
wiederkehrende, bald kleinere, bald aber riesig große, allem Anscheine nach
künstlich hergestellte, theils aus kleineren Steinstücken, iheils durch das Auf-
35
cioandertQrmen größerer, regelmäßig behauener Blöcke gebildete Hügel, welche
gauz den Eindruck von Collectivgrabhügeln machen und auch von den Ein-
wohnern ftir solche gehalten werden. Einzelne ebenfalls regelmäßig bchauene,
der Form unserer jetzt üblichen Grabsteine genau entsprechende, mit ver-
schiodencn Zeichen und kaum mehr lesbaren Inschriften in erhabener Sculptur-
arbeit versehene Steine sind außerdem an verschiedenen Stellen zerstreut und
es ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob dieselben an die vorgefundene
Stelle ursprünglich hin versetzt, oder in späteren Zeiten — den HQgelsteinen
entnommen — dorthin Übertragen wurden.
Von allen Personen, theils einheimischen, theils seit langer Zeit ansäßigen,
welche ich über diese Erscheinung befragte, wurden diese Wahrzeichen als
-Kreuz fahrersteine« bezeichnet. Ueber die Bedeutung derselben herrschen
verschiedene Mutmaßungen und während die eine Ansicht in ihnen einfache
Wegmarken zur Orientierung für die nachkommenden erblickte, bestand die
andere darauf, dass es wirkliche Grabhügel seien. Unentschieden blieb hiebei,
ob hier die durch Krankheit und die Strapazen des Marsches umgekommenen
ihre letzte Buhestätte gefunden, oder ob — hiefÜr sprach sich die Mehrheit
aas — durch diese monumentalen Erinnerungszeichen das Andenken solcher,
die im ritterlichen Kampfe gefallen, verewigt werden sollte. Die Beschaffenheit
der Hügel und der Steine selbst scheint für die letztere Ansicht zu sprechen.
Der Umstand, dass diese Denkmäler gerade dort sich häufen« wo sich eine
kleine (Hoch-) Ebene befindet (welche also ein passendes Terrain für ein
Gefecht abgab), während dieselben dort, wo der Weg bergauf bergab durch die
Felsmasscn sich durchwindet, entweder gar nicht oder nur vereinzelt vorkommen ;
— die, wenn auch rohe Sculpturarbeit an den zubehauenen, in allen n^öglichen
Crabsteinformen sich präsentierenden FeisblÖcken, an denen, derzeit halbver-
wittert, Kj^uze, Wappen und Inschriften zu erkennen, die letzteren wol auch
in den selteneren Fällen zu entziffern sind — welche Sculpturarbeit doch
immerhin einen bestimmten Aufwiind von Zeit voraussetzt ; — endlich die nach
längeren oder kürzeren, vollkommen freien Intervallen wiederkehrenden Massen-
denkmäler sprechen hiei^r, da es nicht leicht anzunehmen ist, dass die Kreuz-
fahrer ihre an ^Krankheiten verstorbenen Kameraden so lange mitgeschleppt,
bis sich die Mühe einer regelrechten, obendrein noch feierlichen Bestattung
dmch größere »Betheiligung der Toten mehr lohnt«. Anderseits erscheint die
Annahme viel ungezwungener, dass die in den jedesmaligen Scharmützeln, an
denen es bekanntlich nicht fehlte, gefallenen an Ort und Stelle mit dem ent-
sprechenden möglichen Pompe beerdigt worden seien; möglich auch, dass die
Collectivgräber einerseits und die Einzeldenkmäler anderseits auch den spätest
nachkommenden Generationen den Beweis liefern sollen, dass Ritter und EdeN
leute auch im Tode noch die Gemeinschaft mit den Knappen, Kriegsknechten
und anderen Leuten unedler Abstammung scheuten. Leider war es mir nicht
gegönnt, mich mit dem interessanten und maßgebenden Orts vielleicht wenig
bekannten Vorkommnis näher bekannt zu macheu, doch glaubte ich für meine
Person an der Bedeutung dieser »Cruciatensteine« als Grabsteinen und der
klafterhoheo Hügel als Grabhügel nicht zweifeln zu sollen.
Ob diese monumentalen Steine etwa mit dem ersten Kreuzzug (Gottfrieds
V. Bouillon aus dem 11. Jahrhdt), welcher zum Theile seine Kidituug nach
Constantinopel durch Dalmatien nahm, iu Zusammenhang stehen, oder ob sie
Bezug haben auf die Kämpfe, welche zwischen Ungarn und Venetiaoem in
Dalmatien ausgefochten wurden und an welchen ums Jahr 1200 auch Kreuz-
ritter (unter Balduin von llandern, dem späteren lateinischen Kaiser und dem
Markgrafen v. Montferrat) werktätigen, ja entscheidenden Antheil nahmen, oder
ob sie ohne Beziehung auf die »Cruciaien«« den ungarischen Eroberungskriegen
aus dem zehnten, vierzehnten (Ludwig d. Gr.) oder fünfzehnten (Sigmund)
Jahrhdt. ihr Entstehen vordanken , bleibe dahingestellt, dürfte aber durch Nach-
forschung an Ort und Stelle nicht unschwer zu ermitteln sein.««
Sir Samuel Baker's Expedition, üeber die E?[pedition Sir Samuel
Baker's wird der Daily News aus Alexandria unterm 20. Juli geschrieben,
dass alles zum Aufbruch bereit sei. Gewaltige Massen von AVareu für den
Handel mit den eingebornen Stämmen sind zusammengebi'acht, um auf zw^ei
36
verschiedenen "Wegen nach Chartum befördert zu Averden. Die schweren Fracht-
güter, Maschinen und eiserne Dampfer mit inbegriflen, gehen den Nil hinauf
von Cairo nach Korosko etwas nordwärts von Derr, wo der Transport durch die
nubische Wüste auf Kameelen beginnt. Die leichteren Artikel werden in Kisten,
welche je zwei eine Kameelsladung von 400 Pfd. bilden, von Suez nach Suakim
verschifft, und von dort auf Kameelen eine Strecke von 270 Meilen durch di&
Wüste nach Berber (18° nördl. Breite) geschafft, um daselbst in Booten nach
Chartum verladen zu werden. Das ganze Material soll am letztern Puncte, wo
der blaue und der weiße Nil ihren Zusammenfluss haben, gegen den 30. Oct.»
vereinigt sein. Die Truppen für die Expedition haben sich bereits in Bewegung
gesetzt. Was die aus 10 Dampfern und 30 Segelfahrzeugen bestehende Flottille
anbelangt, so wird dieselbe in wenigen Tagen den hohen Wasserstand des Nils
benützen, um von Cairo den Fluss hinauf nach Chartum abzugehen. Fünfzig^
Schiifbauleute werden mitgenommen, um bei den zur Beschiffung des Njanza
Sees nöthigen Arbeiten verwendet zu werden. Die Abreise Su: Samuel Baker's,
(fer wieder von seiner Gattin auf diesem Zuge begleitet wird, ist auf dea
10. Sept. anberaumt. — Hinsichtlich der etwa aufzubringenden Sclavenfahr-
zeuge und ihrer Insassen hat mit Bewilligung des Khe'dive Sir Samuel folgen-
den Plan entw^orfeu: Ein fruchtbarer Landstrich auf beiden Ufern des Nils
unterhalb Chartum soll für dieselben angewiesen und ihnen zu bestimmtea
Antheilen steuerfrei eingeräumt werden. Alle aus der Gefangenschaft befreiten
Sclaven werden mit dem Datum und den näheren Umständen bei Wegnahme
des betreffenden Schiffs namentlich und einzeln in besondere Register einge-
tragen, und erhalten einen ^Teskeri* oder Freischein. Man wird ihnen sodann
den Gebrauch und die Vortheile des AVasserrades beibringen, ihnen Sämereien
austheilcn, sie zum Säen anhalten und ihnen schließlich landwirtschaftliche
Geräte liefern, mit welchen sie sich nach Sir Samuels Meinung baÄ befreun-
den dürften. Um alle diese Maßregeln zu leiten, sollen besondere Beamte in
diesem District angestellt werden. Neben euiem thatkräftigen Einschreiten
gegen den Sclavenhandel glaubt Sir Samuel Baker am besten die Civilisation
der Eingebornen zu fördern, indem er ihnen sofort ein gutes Beispiel gibt, und
gleich oberhalb Gondokoro, wo jetzt die Herrscliaft des vicekönigs ihre Gränze
findet, mit der Baumwollcultur beginnt. Die Baumwollpfianze selbst ist in
jenen Gegenden -schon einheimisch, doch sind die Eingebornen noch nicht mit
dem Werte derselben bekannt. Jetst sind Sämereien der feinsten Sorten mit
unter den Vorräthen der Exi)edition, Pflüge und Ackergerätschaften aller Art
fehlen nicht, und wenn der aus der ackerbauenden Bevölkerung ausgehobene
ägyptische Soldat an Ort und Stelle eintrifft, so vertauscht er die Waffen des
Kriegs mit den Werkzeugen des Friedens, und begibt sich an die Bestellung-
des jungfräulichen Bodens, der unter günstigen Regen- und Witterungs Verhält-
nissen unabhängig von der schwierigen künstlichen Bewässerung Aegyptens ist.
Als erstes Erfordernis der Civilisation wird unter den eingebornen' Stammen
der Friede erzwungen, die ägyptische Herrschaft begründet, und jeder Häuptling
angehalten werden die Zahl seiner Leute anzugeben. Um der iieriodisch unter
den Eingebornen wütenden Hungersnoth zu begegnen, soll es ferner den
Häuptlingen zur Pflicht gemacht werden, im Verhältnis zu der Zahl ihrer
Stämme eine gewisse Bodenttäche mit Getreide zu bestellen. Von Gondokoro
wird ein guter Weg i^arallel mit dem Nil bis über den letzten Cataract
(3* 22^ nördl. Breite) gebaut, und an diesem letzteren Puncte das Hauptdepot
angelegt werden. Karreu, Pferde, Kameele, Maulthiere etc. stehen schon bereit,
und in sehr kurzer Zeit wird eine Wagencommunication zwischen Gondokoro
und dem Depot vollendet sein, und den Transport wesentlich erleichtern. Vor-
derhand ist der finanzielle Erfolg der Expedition noch in keiner Weise zu
beurtheilen: allein abgesehen von dem Handel mit Elfenbein, Gummi, Wachs
und sonstigen Producten, hofft Sir Samuel Baker bedeutendes zu erreichen,
und denkt an nichts geringeres als Aegypteu zum ersten Lande der Welt hin-
sichtlich der Baumwollproduction zu machen. Schon jetzt wird von einer Eisen-
bahn von Suakim durch die von Sir Samuel Baker bereits bereisten und
beschriebenen fruchtbaren Districte Oberägyptens nach Chartum und von
(^assala nach dem blauen Nil gesprochon, unä man berechnet schon, dass dann
(iio Banmwoliernte Ober-Nubi^ns in fünf Tnjroii durch den SuezcAnal nach den"*
37
Mittclmeer gebracht werden könnte. Der Vicekönig hat ein Auge für rentable
Unternehmungen, und die Kosten, welche er auf die jetzige Exi^edition ver-
wendet, lassen einen Schluss auf seine Erwartungen zu. Mit dem Telegraphen-
bau wird rüstig fortgeschi'itten, und einige wenige Tagreisen abgerechnet ist
die Streeke bis Chaitum vollendet, so dass Nachrichten, die bis noch vor kurzem
Tolle 40 Tage gebrauchten um von der Hauptstadt von Sudan nach Alexandria
zu gelangen, bald in derselben Zahl ^linuten hinüber und herüber gesandt
werden können.
Die neuesten Nachrichten über die Expedition bezeichnen die Militärmacht,
mit welcher Sir Samuel Baker auszieht und die Instructionen für den Fortgang
der Expedition 2000 Manu lofantfrie, 250 Mann irreguläre Cavallerie (Baschi
ßozuks) und 3 Batterien Artillerie sind dafilr in Bewegung gesetzt Die Infanterie
marschierte zum Thcil schon Endo Juli von Cairo ab und legt die ganze Strecke bis
Chart um zu Fuß zurück, wo sie im Dec. oiutrell'on soll. Kurz daranf gicngen
400 Kamele mit Waren für den Tauschhandel den Weg durch die Wüste von
Korosko ebenfalls nach Chartum. Gegen Mitte Auj^ust verließen darauf 8j große
Barken und 7 große Flussdampfer •• Cairo«, mit dem Auftrage so rasch und s<> weit
ais möglich den Nil hinaufzugehen, um über den Cataracc von Dongola hinaus zu
gelangen, ehe das Wasser wiedi*r fallen würde. Zu diesem Ende hatten die
Falirzeuge fast keinn Ladung am Hord. Anfanjis dieses Monats traf die Nach-
richt ein, dass die Flottille ihren Auftrag erfülle habe, und im gegenwartigeu
.Angenblick wird dieselbe aller Wahrscheinlichkeit nach bereits in Chartum
eingetroffen si^in. Hiermit ist eine wichtige Bedin;:uug erfüllt; denn da die
Gegend von Chartum bis üondokoro morastig und für Trupjieu vollkommen
uDpassierbar ist, so hieng es von dem Eintreffen der Transportschiffe ab, oh die
Expedition sich überhaupt in diesem Jahr auf den Weg machen könne. Noch
zwei Th^ile der Expedition sind weiter zurück. Sir Samuel Buker, der in dem
betreffenden l'erman zum General -Gouverneur aller Provinzen von Central-
Africa ernannt wird, die er etwa fürAegypieu in Besitz nehmen werde, führt
persönlich den einen Theil, bei welchem sich auch seine Gattin und sein per-
sönlicher Stab befindet, und wendet sich zunächst nach Suakim, von dort auf
Dromedaren nach Berber und von diesem Puncto aus mit dem Dampfer nach
Chartum. Die andere letzte Abtheilung steht unter den Befehlen des Inge-
niem's ITiggiubotham, geht den Nil hinauf bis Korosko, und hat die beiden
zerlegbaren eisernen Dampfer, welche die Firma Samuda für die Expedition
gebaut hat, so wie G englische und 40 arabische Handwerker und den Best
des Gepäckes, sowie der zum Tauschhandel bestimmten Waren bei sich. Bei
ihr kommt es darauf an, noch bei hohem Wasserstand über den Cataract von
Assuain hinaus zu kommen. In Korosko findet diese Abtheilung 2000 Kameele
bereit, und .schlägt mit diesen den Weg durch die Wüste nach Alin Hamat
ein, der 1 1 Tagreisen laug ist. Von dort aus kommt man über Berber am
Ufer des Kils entlang in weiteren 16 Tagen nach Chartum. Aiu letzteren
Orte übernimmt Sir bamuel Baker das Commando der ganzen Expedition, und
geht de« Fluss hinauf bis nach Gondokoro, da auf dieser Strecke weder Fälle
noch Stromschnellen von Bedeutung sind. Etwa 1j Meilen südlich von Gon-
dokoro befindcv sich eine bedeutende Hochebene, und dort soll der gesunden
Lage wegen das Ilauptdepot und die erste Station angelegt werden. Wegen
der periodisch eintretenden Regengüsse ist die Expedition mit eisernen Dächern
für diese Station versehen. Von diesem Punct au beginnen die eigentlichen
Schwierigkeiten des Unternehmens ; denn ganz in der Nähe desselben kommt
mau in das Gebiet des äußerst wildeu und kriegerischen Stammes der Bary.
Da durch dasselbe keine gangbaren Wege führen, auch der Nil auf einer
Strecke von IK) Meilen nicht schiffbar ist, so wird es nothwendig seip, eine
Straße anzulegen, eine Arbeit, die dem oben erwähnten lugenieur zufällt, wäh-
rend Sir Samuel auf die eine oder andere Weise mit den Eiugebornen fertig
werden muß. Ist der Punct erreicht, wo (wie man glaubt) die Stromschnellen
aufhören, so soll einer der beiden eisernen Dampfer zusammengesetzt werden,
und Sir Samuel geht den Fluss hinauf bis an die Seen. Erweist sich die
Sache durchführbar, so werden bei seiner RQckhehr auch die anderen Dampfer
zodammcngesetzt, und der Befehlshaber geht mit einer ziemlich ansehnlichen
Mannschaft nach den Seen ab. An günstigen Puncten werden darauf am Ufer
38
befestigte Posten ciagerichtet, und die in der Nähe wohnenden Stämme der
ägyptischen Regierung botmäßig und tributpflichtig gemacht. Inzwischen wer-
den von Cairo aus weitere Iruppensendungen nachgeschoben, wie es das
Bedürfnis bei Besetzung der verschiedenen Stationen erheischt. Bei jeder Sta-
tion wird unter Aufsicht eines Gopten eine Handelsniederlage errichtet, die
sich mit den Eingcborcen behufs Vermittlung des Tauschhandels ins Einver-
nehmen setzt, bämmtliche Soldaten, welche die Expedition begleiten, gehören
der ackerbauenden Glasse an und sollen auch in der Nachbarschaft der Sta-
tionen die Landwirtschaft practisch betreiben
Aus einem Briefe Sir Baker's an einen Freund in England vom 22.
October 1S69 entnehmen wir folgende als Hauptzweck des Unternehmens nelicii
der Vernichtung des Sclarenhandels : 1. Annexierung des äquatorialen Nil-
Beckens an Aegypten, 2. Herstellung einer machtvollen Regierung in allen
einander gegenwärtig bekriegenden Stämmen, 3. EinfQhrung der Baumwollcultur
in umfangreichem Maßstabe, so dass die Eingebornen ein wertvolles Erzeugnis
zum Austausch gegen Baumwollen waaren u. s w. haben, 4. Eröifming der
beiden großen Seen des Nil für die Schiffahrt, 5. Herstellung einer Kette voa
Handelsstationen durch alle zu annectierenden Länder, so dass nach dem von
der Hudsons -Bay-Company angenommenen Systeme der am weitesten südlich,
liegende Punct mit der nördlichen Basis in Verbindung steht.
Die Bocehe di Cattaro. Der -Wanderer« gibt im nachstehenden ein©
auf richtiger Kenntnis beruhende Schilderung jenes interessanten Theiles von
Dalmaticu, der im gegenwärtigen Augenblick der Schauplatz ernster und blutiger
Ereignisse geworden ist.
Die drei Bezirke des Kreises von Gattaro zeichnen sich durch einen
ganz eigenthümlichen Gharucter ans, der sich aus der orographischen Lage
und der historischen Vergangenheit dieses Gebietes herausgebildet, und unter
den absonderlichsten Verhältnissen so tiefe und starke Wurzeln in der dortigen
Bevölkerung gefasst hat, dass es nur einer allmähligen Action wohlthätiger Ein-
ÜQsse hätte gelingen können der modernen Gesittung unter derselben Eingang
zu verschaffen, und einige tüchtige, mit manchen vorzOglicben Eigenschaften
ausgestattete Volksstämme einer zeitgemäßen höheren Gultur zuzufahren. Was
man durch Jahrzehnte versäumt hat, wollte man heute, so zu sagen, mit einem
Schlage bewirken, und zwar durch urplötzliche Einführung einer Neuerung,
welche den wilden, uuabhäugigen Sinn dieser Bevölkerung und ihr urwüchsiges
eiKentliümlichos Wesen am cmpfindlichsren treffen uud den hartnäckigsten
\Viderstand hervorrufen mußte, um die Verkehrtheit des Vorgehens, welches
man hier angewendet hat. richtig beurtheilen zu können, muß man vor allem
ein möglichst getreues Bild dieser Gegend, des Landes und der Leute vor
Augen haben, das in diesem Augenblick die Aufmerksamkeit der ganzen öster-
reichischen Monarchie und das besondere Interesse mancher andern Kreise, für
welche die dortigen Ereignisse eine besondere politische Wichtigkeit haben, auf
sich zieht.
Wir fangen mit der Zuppa an, dem kleinen Landstrich, welcher früher das
venetianische, in neuerer Zeit das österreichische Albanien hieß. Die mächtige
und schroffe Bergmauer von Montenegro läuft in ihrer Hauptrichtung von Nord-
westen nach Südosten gewissermaßen parallel mit der Küste der Adria, zieht sich
bei der Bucht von Gattaro etwas ins innere zurück, und läuft dann von diesem
Ort aus, unter einem sehr spitzen Winkel zur Küste geneigt, längs dieser hin^
bis sie mit ihr bei der Landspitze von Dubowitza zusammentrifft. Hiedurch ent-
steht ein längliches und sehr schmales Dreieck, das im Norden und Osten
von der erwähnten Bergkette, im Westen von der Meeresküste begränzt wird.
Dieses Dreieck hat ungefähr eine Länge von drei, uud an der Basis, im Norden,
eine Breite von drei Meilen. Die Venerlaner, welche frühzii.ig die Wichtigkeit
des Ganais von Gattaro erkannten, gicngen bei der Eroberung dieses Dreiecks
ganz systematisch zu Werk, und bildeten aus demselben ein geographisch-
politisches Gebiet, welches sie das venetianische Albanien nannten, zum Unter>
schied vom türkischen Albanien, das sich jenseits der Berge erstreckt. Harte
Kampfe kostete es den Venetianern, den Türken, die sich auch in diesem
Dreieck festgesetzt hatten, dieses Gebiet zu entreißen. Dasselbe hat ungefähr
39
30 Q.-M. und 40.000 Bewohner, die zwar aus verscliiedonen kleinen Volks-
stämmen mit beso.iüercn Ximen bestoluMi, die aber in Sitten uud Gcbräacbeu
Ticl geraeinsames haben. Es sind im allgemeinen lauter Slaven oder slavisiertö
Albauicr. Auch hat es, unvl zwar noch in der neueren Zeit, Falle gegeben, wo
sich diese Volksstämme als ein poliiisclier Ivörper fftlilten und gemeiuschaftliclio
Acte vornahmen, so z. B. in der Zwischenzeit nach dem Abzüge der Franzosen
and vor der Wiederherstellung der österreichischen Herrschaft, als schon damals
die Küssen unter Mitwirkung der Monteae^riner sich hier festzusetzen ver-
Buchten. Als der englische Admiral Hoste don französischen Gciv^ral Gautier
in Cattaro zur Uebergabe gcnothi^t und die Besatzung auf seinen iSchiffen fort-
gpfulirt hatte, bemächtigten sich die Mont?negrincr der wehrlosen Stadt Cattaro.
Die l?ewohner des Gebiets hielten aber eine Versammlung in Dobrota, um üher
ihre Zukunft zu berathen. Die katholisch*» Partei beschioss, sich Oesterreich, die
griechische aber sich Russland zu unterwerfeu. Der üsterrtMcliische General
3Iihitinovich entschied die Frage mit den Liccaner Gränzern. indem er bis
Cattaro vordrang uud den Vladica zur Capitulatioti nöthigte. Auch bei dieser
(jelegenheit hatte sich die Bevölkerung von Cattaro, von der Znppa und Pastro-
▼ichio zu einem politischeu Körper vereinigt.
Was nun die Zui)pa insbesondere anbelangt, so bildet sie durch die
Größe und Fruchtbarkeit ihres Gebiets gewissermaßen das Hauptglied des
österreichischen Albaniens. Die Bewohner derselben bildeten von jeher einen
sehr kriegerischen, verwegenen, auf seine Unabhängigkeit eifersüchtigen und
sehr widerspünstigüQ Stamm, der besondere Privilegien beanspruchte und sie
aach zu behaupten wusste. Auch im Jahre 1819, als die österreichische Kegie-
rang in den Bocche di Cattaro die l'rincipien der GleichverpÖichtung aller
Völker der Monarchie, Steuern und Recrntierung einföhren wollte, leisteten
die Bewohner der Zuppa den hartnäckigsten Widerstand, uud man war
politisch genug oder unklug genug, ihnen gewisse Concessionftu zu gewäh-
ren. Den Namen Zuppa sucht man von dem slavischen Worte iuppan,
Dorfschulze oder Vorsteher, h«»rzuleitcn, so dass er ungefähr so viel heißen
warde als Bezirk, District. Nach andern soll Zuppa so viel bedeuten als ein
heißer sonniger Landstrich, was auch ganz auf dieses Gebiet passt, das schat-
tenlos den sengenden Stralen der sadlichen Sonne ausgesetzt ist. Diese
ursprünglich albanesische Zuppa ist seit allen Zeiten in vier Knäsenthümer oder
Grafschaften getheilt gewesen, welche unter den Venetianern von Conti ver-
maltet wurden. Jede dieser Grafschaften hatte ihren eigenen, von der Bevölkerung
selbst gewählten, abcT von der Republik Venedig best&tigten Knäs. Größten-
theils wurden diese Knäse oder Conti aus derselben Familie gewählt; giepg
jedoch die Würde auf eine andere Familie über, so suchte die ältere den
Grafentitel zu behalten, so dass man noch heute ziemlich viele Familien in
jeuer Gegend findet, welche jenen Titel beanspruchen.
Das Nationalcostüm der Zuppaner ist ein sehr stattliches und malerisches.
Man sieht sie nie unbewaffnet. Außer Pistolen und Messern im Gürtel tragen
sie, wenn sie in die Stadt nach Cattaro gehen, auch ein gewöhnlich ziemlich
kostbares Gewehr und ein langes Pfeifenrohr mit; doch hindert sie diese Last
Dicht im mindesten mit der größten Leichtigkeit und Gewandtheit Felsen und
Berge zu erklettern und über breite Klüfte zu spricgen. Seine Gattin behandelt
der Zuppaner mit mehr Rücksicht und Freundlichkeit als der Montenegriner,
mehr als seine Gehülfin, denn als seine Magd. Auch sind die Frauen, selbst
bei der gemeinsten Arbeit, vom Kopf bis zum Fuß aufgeputzt. Immer haben
sie ihre Perlenschnur nm den Hals, ihre blinkenden Nadeln im Haar, ihre mit
Steinen besetzten Pojas, d. h. üürtcl um den Leib. Der Gürtel einer reichen
Zuppancrin ist gewöhnlich einen halben Fuß breit, einen Zoll dick, und so
gewichtig wie ein Küras. Zahllose Steine sind in recht hübsche, zierliche und
übergoldete Silberarbeit eingcfasdt, meist rothbraune Achate. Ein solcher Gürtel
kostet bis zwanzig Thaler. Bei den ärmeren Krauen sind statt der Achate
braanrotfa gefärbte Glasstücke oder ähnliche Massen in den Gürtel eingefügt.
Die Häuser der Zuppaner sind meist ziemlich groß, geräumig und reinlich.
Ueberhaupt herrscht unter ihnen bedeutender Wohlstand, und doch ist das
Laod nicht so fruchtbar, als es bei zweckmäßigem Anbau sein könnte; aber die
Leute wissen nicht alle seine Vortheile auszubeuten, und die lange türkische
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Pfeife ist überall wo sie sich einbürgert ein großes Hiudernis anhalteader uad
angestrengter Arbeit. Der Thalboden ist uubewohot, weil er ia der Regenzeit
zu sumpßg und von den Gießbächen überschwemmt ist, für deren Ableitun«^
man nicht sorgt Die Dörfer liegen auf beiden Seiten am Rand der Gebirge
hin, und die Ebene besteht aus ausgedehnten Eukuruzfeldern. In trockenen
Jahren — und diese sind hier vorherrschend — leidet die Cultnr von anhal-
tender Hitze und Dürre, dann verbrennt ihnen der Kukuruz, und die Ernte ist
eine sehr geringe.
Obgleich das österr. Albanien im Vergleich mit dem benachbarten
Montenegro als ein Niederland angesehen wird, so wird es doch von niedrigeren
Höhenrücken durchzogen, deren einige es von den benachbarten Gebieten schei-
den. Auf den Höhenrücken in der Mitte des Bergpasses, auf der Gränze der
Zuppa und des eigentlichen Boccalandes, liegt das Fort Trinitä (slavisch
•Troizu), welches noch von den A'enetianern erbaut worden war, und die ganze
Gegend beherrscht In neuerer Zeit sind noch mehrere ähnliche Forts längs der
Gränze von Montenegro und der Herzegowina erbaut worden, die meistens auf
den wilden Bergspitzen gelegen sind. Vom Fort Trinitä ist eiu sehr guter Weg
quer durch die Zuppa nach Budua augelegt worden.
Eine Seitenbucht des Canals von Cattaro ist die von Risano; sie hat
ihren Namen von dem kleinen Orte Risano. der im Alterthum die vornehmste
Stadt am ganzen Canal war, der auch von ihr den Namen Sinus Rhizonicus
erhielt Der Ort selbst liegt im Hintorgrund dieser Bucht, hart am Ufer, und
ist noch heute ein rühriger Handelsplatz, dessen Bewohner sich durch regen
Unternehmungsgeist, stattliche Körpergestalt und eine reiche Tracht auszeichnen.
Der Erdeinschuitt, welcher den Meerbuien von Risano bildet, setzt sich vom
Ufer aus noch als ein langes, von Felsen eingeschlossenes Thal fort, welches
im Anfang ziemlich bebaut und mit Reben- und anderen Pflanzungen erfüllt
ist, in seinem weiteren Verlauf aber zu einem wilden steinigen Hochthal an-
steigt. Dieses Thal wird von den Crivosciaucrn, einem slavisch en Hirtenvölkchen,
bewohnt, das in diei^c^ Abgeschiedenheit von der Welt ein halbwildes patriar-
chalisches Leben Jmrt. Es zahlt im ganzen etwa lUOO Seelen, unter denen
gegen 400 bewafl^M Männer sind. Die Crivoscianer sind eiu sehr robuster,
großer und ^gj^i0^H^ Menschenschlag und sehr kriegerischer und rauflustiger
Geraüthsart, worüber man sich nicht wundern wird, wenn man bedenkt,
dass sie sich ihre Weiden und wenigen Felder seiner Zeit von den Türkeu
erobern und bis in die neueste Zeit gegen diese und die Montenegriner
behaupten mußten. Sie genossen auch bisher von Seite der Regierung gewisse
Freiheiten, denn sie bildeten eine Art Militärgränze gegen die türkischen,
montenegrinischen und albanesischen Nachbarn. Die Pastrovicsaner sind eiu
anderer Volksstamm, welcher den Küstenstrich bewohnt, der sich vom Caual
von Cattaro bis Budua und Castel Lastua, dem südlichsten Städtchen der
Monarchie, hinzieht. Die Pastrovicsaner sind ebenfalls ein schöner und
tapferer, aber halbwilder Slavenstamm, der in fortwährenden Kämpfen mit
Türken und Montenegrinern seinen Muth und seine Neigung zur Selbsthülfe
geübt hat Der kleine Küstensaum, den sie bewohnen, heißt slavisch Pastro-
vics, italienisch Pastrovichio. ^ie Seelenzahl dieses Stammes 'ut nicht genau
ermittelt, doch können sie /iber tausend Gewehre, wie mau doit sagt, ins
Feld stellen. Auch die Pastrovicsaner haben sich der bewaffneten Renitenz
gegen die Einführung des Wehrgesetzes angeschlossen, und so hat mau drei
tüchtige, wenn auch rohe und wol nicht allein durch ihre Schuld verwilderte
VolksBtämme ins Feindeslager hinübergetrieben.
An Beitralgen für die zweite deutsche Xordpolfahrt giengen bei der
geographischen Gesellschaft weiter ein und wurden an Herrn Dr. A. Peter-
mann in Gotha übermittelt:
von Herrn F. Freiherrn v. Schey lOl) fl.
von - F. Ritter v. Wertheim . . . 20 -
imter der Chiffre G. C. in Pest ö ••
41
MoRatsversammlung
<ier geographiichcn Gesellschaft am 23. November 1869.
Vorsitzender Dr. Ferd. von Hochstetter.
<An§gesteIlt waren an neuen Kartenwerken : 8 Sectionen der Administrativ-
karte von Niederösterreich, herausgegeben vom Verein* für Landes-
konde; die neuesten Verlags werke von Wurster & Comp, in Winterthur.
An geographischen Schriften: Die Balearen in Wort und Schrift, Leipzig
bei Brockhaus. Sodann zur Illustration des Vortrages über die I^ocche
di Cattaro Karten dieses Gebietes aus verschiedener Ztdt, Landschaften und
ethnographische Büder.)
Der Vorsitzende begrüßt die Versammlung, die sich nach mehrrnonat-
licher Unterbrechung zum erstenmal wieder zusummentindet, mit herziichea
Worten, und hebt vor allem hervor, dass die Zwischenzeit, wie sonst nie, für
die Gesellschaft moralisch wie materiell von groiier Bedeutung gewesen sei.
^Kurz vor dem Schluss der letzten Saison hatte sich der Auschuss in
Folge einzelner Anfragen an das hohe Ileichskriegsministerium mit der Ei-
kULrung gewendet, dass es den Statuten der Gesellschaft nicht entgegen sei,
einzelnen Truppenkörpern als solchen den Eintritt als wirkliche Mitglieder zu
gestatten, und dass der Ausschuss in der Lage wäre, solchen Truppeukörpern,
wenn sie als Mitglieder in die Gesellschaft eintreten, gleich wie den Schulen,
die als MitgUeder eingetieten sind, die frühem Pubiicationen der Gesellschaft,
so weit ihr Vorrath reicht, unentgeltlich zuzuwenden.
Seine Excellenz der Herr Reichskriegsminister verständigte den Aus-
schuss mit Zuschrift vom <3. Juli 1869 in der verbindlichsten Weise, dass der
Antrag wegen Begünstigung der in die Gesellschaft eintretenden Truppenkörper
sebilli^ werde und mit allerhöchster Bewilligung Sr. Majestät hicvon alle
Truppenkörper der Armee behufs des Eintrittes in die geographische Gesell-
schaÄ verständigt worden seien.
Dadurch bin ich in der Lage, Ihnen die erfreuliche Mittheilung zu
machen, dass bis auf den heutigen Tag 9o Truppenkörper den Eintritt in die
Gesellschaft angemeldet haben und mit den vorräthigen rublicationen betheili
worden sind.
Dadurch hat unsere Gesellschaft einen unerwartet zahlreichen Zuwachs
von einer Seite erhalten, auf welcher die geogi'aphische Wissenschaft nicht
bloS als ein wichtiges Fachstudium betrieben wird, sondern wo auch jeder
einzelne dui'ch die vielfältigste Veranlassung in der Lage ist, dieselbe njimcnt-
lich in der Kartographie — in hervorragender Weise zu fördern und aus dieser
Fönienxng selbst wieder practischen Kutzen zu ziehen. Ist es ja doch der
Kreis der kaiserlichen Annee, welchem die Koryphäen geographischer Wissen-
schaft in OesteiTeich augehören, so wie wir es der wohlwollenden Theilnahme
Ihrer Excellenzen des Herrn Reichskriegsministers Freiherrn von Kuhn und
des Herrn Feldmarschall - Lieutenants von Fligeiy verdanken, dass die geo-
graphische Gesellschaft in die glückliche Lage kam, "ihre „Mittheilungen- durch
kartographische Beilagen aus dem militär-geographischen Institute bereichert zu
sehen. Mit freudiger Genugthuung begrüUe ich daher im Namen der Gesell-
schaft die unserem Streben zugewandten neuen Mitglieder aus dem öster-
reichischen Heere, und heilte die Vertreter derselben, die etwa heut in unserer
Mitte sind, herzlich willkommen in diesem Saale.^
Generalsecretär M. A. Becker bemerkt, dass während der Sommer-
monate zahlreiche und meist sehr wertvolle Sendungen von Büchern und
Karten zu verzeichnen sind, die theils im Schriftentausch, theils als Geschenk
Ton den Verfassern der Gesellschaft zugewendet wurden. Das vollständige Ver-
zeichnis derselben wird im Decemberheft der „Mittheilungen" bekannt gegeben
werden. Auf ein Geschenk, welches hier zur Ansicht vorliegt, muü ich aber
besBonders aufmerksam machen. Es ist der erste Band einer Monographie
.üher die Balearen'-, deren Verfasser sich zwar nicht genannt hat, aber
wenn Sie die treffliche Gliederung des Stoffes, die eingehende, streng wissen-
42
schaftliche und da'ooi vou dem lebhaftesten Interesse für die Sache bewegte
Schilderung dos Geschauten und Beobachteten und die Schönheit der Illustra-
tionen in Betracht ziehen, die alle nach Zeichnungen von seiner Hand ge-
fertigt sind, gewiss als des geachteten Xaraens in der geographischen Literatur
würdig erkannt werden wird, den er sich mit diesem Werke gemacht hat. Es
ist ein Geschenk Sr. kais. Hoheit des Erzherzogs Ludwig Salvator von
Toscana an die Gesellschaft, und der Ausschuss, der in diesem Geschenke
nicht nur den Wert des hohen Gebeins, sondern auch des verdienten Forschers
auf geoüfraphischem Gebiete ehrt, glaubt im Sinne der Mitglieder zu handeln,
wenn er an den holien Verfasser das Ansuchen gestellt hat, die Wahl zum
Ehrenmitgliede der geographischenGosellschaft genehm zu halten.
Der Antrag des Ausschusses wird mit Acclamation angenommen.
Als neue ordentliche Mitglieder werde n angemeldet und auf-
genommen die nachfolgenden Trupi>enk()rper der k. u. k. Annco:
Ofiicierscorps des k. k. 8. Linien Inf.-Regts. in Ofen.
Officiersrorps des k. k. .*). Pionnier-Feldbataillons inPettau.
OfÄcierscorps des k. k. 7. Linien-Inf.-Regts. Baron Maroicic in Graz.
K. k. (j. Huszaren-Reg. Carl L, König von Württemberg in Khigenfurt.
K. k. '2. Artillerie-Regiment in Comorn.
K. k. 1(). Linien-Inf.-Heg. Freihen* von AVerner in Linz.
K. k. 7. Dragoner-Regiment Herzog von Braunschweig in Stuhl weit?enburg.
K. k. 9. Feldjäger-Bataillon in Marburg.
K. k. 13. Dragoner-Regiment Prinz Eugen von Savoyen in Enns.
Reserve-Comniando dos k. k. Gl. Linien-Inf.-Reg. in Temesvar.
K. k. 1^0. Liuien-Inf.-Reg. Kronprinz Wilhelm von Preuüen in Neu-Sandez.
K. k. 32. Linien-Inf.-Reg. Franz Ferdinand d'Este in Wien.
K. k. 54. Linien-Inf.-Reg. Freiherr von Grueber in Wien.
K. k. 2. Linien-Inf.-Reg. Kaiser Alexander von Russland, Festung Arad.
K. k. Militär-Casino in Temesvar.
K. k. 14. Dragoner-Reg. Fürst Windischgrätz in Wessely.
K. k. Cadeten-Schule der 11. und 24. Truppen- Division in Lemberg.
K. k. 7. Feld-Artillerie-Reg. Luitpold Prinz von Baiern in Laibach.
Ergänzungs-Cadre des k. k. 12. Huszaren-Reg. Gi-af Haller in Gyöngj'ös.
K. k. 67. Linien-Inf.-Reg. Ritter von Schmerling in Wien.
Officierscorps des k. k. 15. Linien-Inf.-Reg. Herzog von Nassau in Prag.
Das 3. Bataillon des k. k. Tiroler Jäger-Reg. Kaiser Franz Josef in Hainburg
K. k. 1. Feld-Artillerie-Reg. Kaiser Franz Josef in Lemberg.
Officieiscorps des k. k. 78. Linien-Inf.-Reg. Baron Sokcevic in Esseg.
Ofticierscorps des k. k. (>. Linien-Inf.-Reg. Graf Coroniui in Temesvar.
Ofiiciers-Bibliothek des k. k. 72. Linien-Inf.-Reg. Baron Raming in AVien.
K. k. 1. Linien-Inf -Reg Kaiser Franz Josef in Prag.
K. k. 4. Dragoner-Reg. Kaiser Fenlinand in N. Karoly.
K. k. 75. Linien-Inf.-Reg. Graf Crenneville in Comorn.
K. k. Zeugs-Arti11erie-(^mmando Nr. 10 zu Stein in Krain.
K. k. Zeugs-Artillerie-Commando Nr. 2 in Graz.
K. k. 70. Linien-Inf.-Reg. Baron Nagy in Krakau.
K. k. ö'S. Linien-Inf.-Reg. Erzherzog Ludwig Salvator in Pest.
K. k. 2G. Linien-Inf.-Reg. Michael, GroÜfüi-st von Russland in Pilsen.
K. k, 8. Huszaren-Reg. Curftlrst von Hesseu-Cassel in Zolkiew.
K. k. 1. Dragoner-Reg. Kaiser Franz Josef in Fünfkirchen.
K. k. 40.Linien-Inf.-Reg. v. Rupprecht in Brunn.
K. k. 18. Linien-Inf.-Reg. Groüfürst Constantin von Russland in Josefstacit.
K. k. 66. Linien-Inf.-Reg. Großherzog von Toscana Ferdinand IV. in Lember]
Reserve-Commando des k. k. 23. Linien-Inf.-Reg. Baron Airoldi in Zombor.
K. k. Sluiner Grenz-Reg. Nr. 4 in Carlstadt.
Reserve-Commando des k. k. 79. Linien-Inf.-Reg. FZM. Graf Iluyn in Nyiregyliazj
Garnisons-Bibl.othek in Peterwardein
K. k. 11. Feld-Artillerie-Reg. Ritter von Jüptner in Wien.
Reserve-Commando des k. k. 80. Linien-Inf.-Reg. Prinz zu Holstein in Zlocseoi
K. k. 4. Huszai-en-Reg. FML. Baron Edelsheim-Gyulai in Klattau.
K. k. 74. Linien-Inf.-Reg. Graf Nobi'i in Olmütz.
4ä
K- k. .'1. LinIt-.i-Iaf.-riej^. Er'.horzojr Cirl Fenlir.in'l in Olmütz.
o:ä.'!erscori>s des R*^-<€^rve-('omnir.u<los di>s k. k. 24. Linien-Iiif.-Re«j:t3. Herzog
\»»fi PaiTiui in Koloiiioa
^y^;'i"^v-'>n>^ «ies k. k. 14. Linien-Inf.-Heg Grolir*!/ »tr von Hessen in Prrssburg.
K. k- -L Felil-Aitillerie-Kejr. Ritter von Haii^lal» in P»*st.
K- k. 1. Genie- Re{^. Kaiser Fninz Josef in Wien.
K^-r-.e-ro-»im:Mi lf> des k. k. 43. Lini'Ml-IIlf.-I^^lr. in Yerseiv:.
(.•ft.->rst*orp^ des k. k. (J. Fel<lj;i^'*r-Hatail!'Mi< in Ka.ulen.
K?>erve-C.'.'iiu;iian lo d^s k. k. "2. Lini.ni-l!ir'-Ur;rts. Kai<:iT Alex, in F«»;,':iras.
F!-^n.e-(.ViTniiian*!o des k. k. 2o. Linien-Inf'-!l»'u:t«^ in Gran.
K- k. 1%:^. I.inien-lnf.-K<v'. Erzherzoi: LeopoM in Wion.
K- k. :io. I-inien-Ini.-lteir Baron Airoi'li in IVterw.mlein.
i- !i. 0. F'Md-Artillerie-itrir. Pichler, Muüitioüs-C )Innnen-(\ilre in Ol!ntttz.
A. k_ r>J. I-inien-Fiif.-Ue^. Hrzherzoi: Fni:\z Carl in Tn«'.st.
K. fc. Ronianen-Hanater 1*3. (irenz-Ki'?. in (jMansebrs.
K. k Wai-a^ liner Kxeuz'^r 5. Grenz- li«% in IN'Iovar.
K. k. I>eutsch-Banator 12. Grenz-Uo.cr in ran<jo\va.
K. k- lif. I^ini**ii-Ini.-U(';r. Plrzher/o;; Wilhelm in KöniL^gräz.
K. k, ;.». Linifn-lnf,-Reg- P>/hprzo;r ^'iirl in Tra^r.
r-rt^rvo-Coiiünainlo des k. k. «J'I. Lini»n-Iiit.-ri»*^'ts. GroJhcrzog PVrJinanil IV.
v<»n Tc*>eaua in I'ngvar.
'>:!i« ier^cori^ des k. k. 17. FeMjäiier-IUtaiilon-? in Stani';lau.
X. k. 24- I^inien-Iiif.-Reff. Herzo^; von Pariüa in Miskolcz.
< T-rn ISO a-j- Bibliothek i:i Krakau.
<^:iciers- Bibliothek dts k. k. 44. Linien-Iiif.-FT'vu'. Erzherzog Albrecht in Cattaro.
K. k. Serbisch-Banater 14. Orenz-I{eg. in \Vei--kirchen.
C>rti«iersc'>riÄ fb^s Reserve-Commando's dos k. k. 41. Linii-n-Inf-Reg. FML.
Barr»n Kellner in CziTnowitz.
K. k- 3. F»'Stnn«^s-Artillerie-ljataillon in Wien.
K, k. 3:^. Keldjäg^er- Bataillon in Pet.*r\vanlein.
<.>ffi<:-iers- Bibliothek iles k. k. Pionni^r-Heg. in Klosternenbnrg.
K- k. 15. Feldja«rer-Hatai]lon in Salzbnrt'.
K- k. 1. Feldjäger-Bataillon in Fttnfkinhen.
< ^fncier5icori>s des Reserve-Comraandos des k. k. 10. Linien-lnf.-Kegts. in Pr/ernyal.
K- k- Pionnier-Cadetenschnle in Hainburg.
K- k. IL F'estangs-Artillerie-Uaiaillon in Inn^^brnek.
K. k. lo. Huszaren-Reg. Fric^d. Wilhelm III., König y. PrcnGen in Wilfleinsdorf.
Ä- k- r>7. Linien-Iiif-Reg. GroUherzog Meklenbini^-Schwerin in Pest,
»rdiierscorps d. k. k. ♦kJ. Lin.-Inf.-Resrts. König d. Nif'dcrlande in Maros-Vasarhely.
Kf^^rre-t'oLfiniando des k. k. 70. Linü'n-Inf.-IK'gts. IJaron Nagy in Nensohl.
ML itär-Lose- Verein in Bistritz (Siebenbürgen).
K. k, Oj^nliner 3. Grenz-Regimcnt in Ognlin.
i k- Otooiiner 2. Grenz-Iiegiment in Otocac.
K, k- 22. Linien-Inf.-Reg. in lUgnsi.
K. k. 30- Keidjiiger-Bataillon in Lemlierg.
Ke^rve-Commando desk.k. 58. Lin.-Inf.-Ilegts. Erzh. T.ndwig Salvat. inStanislau.
A. k. 49- I-inien-Inf.-Reg. Baron Hess in Wien.
«hficierscoriJS des k. k. Tk). Linien-Inf -Regts. (iraf Gondreeonrt in K. Ebersdorf.
Ferner treten als ordentliche Mitgücler ein die Herren:
Mncensc Snetiwy, k. k. Hauptmann in Agram.
Graf Nicolaus Pe jacsevich, k. k. Oberst und Brigadier in Pressbiu^.
Wilhelm v. Pacor, k. k. Oberlieutenant in Prag.
Forst Montennovo, k. k. General der Cavallerie n. Commandirender in Prag.
Ite-. Gustav Heinrich in Pest.
SeibsiÄndige Conimunal-rnterrealschule in Feldkirch.
Hu^o Feifalik, k. k. Hofsecretär in W'ien.
Für 1870.
Aatön Bniszkay, k. k. Actuar in Wien.
Ben^min ▼. Kaillay, k, u. k. Gcneral-Gonsul in Belgrad.
Jc^. V. Hexnpfiing, k. u. k. Consnl in Philippoi)el.
u
Franz Toula, Assistent am k. k. polytechnischen Institute in Wien.
K. k. 19. Linien-Inf.-Reg. Kronprinz Erzherzog Rudolf in ^Vieu.
Josef August Hilgermann, Lehrer in Wien.
Alfred Moering, k. k. Oberlieutenant, zugetheilt beim Generalstabe in Brzezan.
Das k. k. Realgymnasium zu Villach in Kärnten.
Zu correspondierenden Mitgliedern werden gewählt:
Herr Antonio Pascoli, Proprietär zu Tuxpan in Mexico.
Herr A. v. Renard, kais. russischer wirklicher Staatsrath und Secretär det
kais. naturforschenden G esellschaft in Moskau.
Der Vorsitzende bringt folgende Anträge des Ausschusses zurBerathung
und Abstimmung in der Versammlung :
a) Das Gesellschaftsjahr soll für die Zukunft nicht mehr vom October bis zum
October, sondern mit dem Solarjahv vom Jänner bis zum Jänner gerechnet werden.
b) Die Jahresversammlung, in welcher die Jahresberichte vorgelegt werden,
soll im December abgehalten werden und somit vom künftigen Jahre an den
Schluss des Gcsellschaftsjahres bilden. Die diesjährige Jahresversammlung (am
14. December 1869) fällt ausnahmsweise schon in das Gesellschaftsjahr 1870.
c) Die Versammlungen der Gesellschaft werden vom kommenden Jahre
an in den Monaten October bis inclusive Mai stattfinden.
d) Die „Mittheiluugen" der Gesellschaft ei^cheinen von jetzt an in
Monatheften das ganze Jahr hindurch.
Sämmtliche vier Anträge werden von der Vei-sannnlung angenommen.
Der Vorsitzende Prof. v. Hochstetter hält dann folgende Ansprache :
^Ara 14. September dieses Jahres, meine Herren, war seit Alexander v. Hum-
boldt's Gebui't ein Jahrhundert verflossen. Da dieser Tag in eine Zeit fiel, wo
die geographische Gesellschaft nicht versammelt war, so wird es wol keiner
Rechtfertigung bedürfen, dass ich heut die erste Versammlung nach diesem
Datum benütze, das Gedächtnis des (Gefeierten zu ehren, eines Mannes, der
Geograph im eminentesten Sinne des Wortes war, der größte wissenschaftliche
Reisende aller Zeiten. Das Andenken eines solchen Mannes zu feiern, ist vor
allem Pflicht der geographischen Gesellschaften und Vereine. Unsere Gesell-
schaft hat deshalb auch die Einladung des Präsidenten des Vereines für Erd-
kunde zu Berlin, sich an der hundertjährigen Jubelfeier Alexander v. Humboldt
zu betheiligen, mit Freude angenommen und Herr Dr. v. Ruthner hatte es
in Begleitung des Herrn E. Marno freundlich übernonunen, unsere Gesell-
schaft bei dieser Jubelfeier zu vertreten. In welch' glänzender Weise ihm dies
gelang, darüber haben seiner Zeit die öffentlichen Blätter berichtet und ich
darf Herrn Dr. v. Ruthner auffordern über die Ereignisse bei dieser Mission
unserer Versammlung persönlich Bericht zu erstatten."
Dr. V. Ruthner: ^Als die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin den
Beschluss gefasst hatte, am 14. September d. J. den hundertsten Geburtstag
Alexander von Humboldts feierlich zu begehen, ward die k. k. geographische
Gesellschaft in Wien eingeladen, sich an dieser Feier durch Delegierte zu
betheiligen.
Vom Ausschuss unserer Gesellschaft mit dem Auftrage beehrt, sie aus
diesem Anlasse in Berlin zu vertreten, war ich in der Lage, die Annahme des
Mandats sogleich auszusprechen und bald darauf erklärte auch das Gesell-
schaftsmitglied Herr J. C. Marno seine Bereitwilligkeit, mit mir gemeinschaft-
lich als Bevollmächtigter nach Berlin zu reisen. Es wurde jedoch damals auch
die Möglichkeit gleicher Betheiligung noch mehrerer unserer Mitglieder in
Aussicht genommen und ist das Antwortschreiben auf die Einladung an die
Gesellschaft für Erdkunde dai-nach abgefasst worden.
Die Ungewissheit über die Zahl der Theilnehmer an der Deputation
war der Grund, aus welchem ich einen Brief vom 6. September des Vor-
standes der letzteren Gesellschaft an den Vorstand unserer Gesellschaft, worin
lim die Mittheilung der Namen jener Herren, die zum Feste erscheinen wiii-
den und des Tages ihrer Ankunft in Berlin ersucht wurde, für den abwesen-
den Vorstand erst dann beantwortete, als eine weitere Theilnahme nicht mehr zu
erwarten stand; und diese durch die Verhältnisse gebotene Säumnis hat den
Anlass zur ersten Freundlichkeit der Berliner Schwestergesellschaft gegen die
unserige geboten.
45
I
Denn als ich ain 11. September mit HeiTn Marno Wien verlassen hatte,
nm ftbcr Dresden nach Berlin zu fahren, erhielt ich am 12. Früh in der
Station Jüterbog ein an mich gerichtetes Telegramm, das mich und Herrn
Marno einlud, nach unserer Ankunft in Berlin in der Bibliothek de** Ge-
sellschaft für Erdkunde die Auskunft über die uns angewiesenen Wohnungen
«einzuholen.
Dieser ersten Aufmerksiimkeit hat die Aufnahme, welche wir in Berlin
selbst gefunden, im vollsten Maüe entsprochen und ich erfülle wahrlich
nur eine Pflicht, wenn ich -den wärmsten Dank für das der k. k. geo-
graphischen Gesellschaft in unserer Person sowol von Seite der städtischen
liehörden Berlins als der zum Feste zusammengetretenen gelehrten Gesell-
schaften bewiesene auszeichnende und höchst liebenswürdige Entgegenkommen
auszusprechen mir heute erlaube.
Es ist hier nicht der Ort, die Humboldtfeier ausführlicher zu schildern ;
»c war in den öffentlichen Blättern Norddeutschlands und mindestens in
einigen östeiTeichischeu entsprechend beschrieben. Ich beschränke mich auf die
Bemerkung, dass sie in einer des unsterblichen Mannes, dem sie gegolten hat,
vollkommen würdigen Weise stattgefunden hat. Dagegen betrachte ich es als
meine Aufgabe, des Antheils daran, zu welchem die Bevollmächtigten unserer
Geseilschaft berufen wai*en, kurz zu erwähnen.
Die Feier des 14. September begann am Vonnittage mit der Legung
des Grundsteines in dem Ilaume, welchen die Stadt Berlin angekauft hat, um
ihn zu einem öffentlichen, dem Andenken Alexander von Humboldts gewid-
meten Garten, dem Humboldthaine, umzugestalten.
Bei diesem von den städtischen Behörden veranstalteten Theile der Feier
wair nicht bloU der Staat vertreten und nahmen nicht bloU die städtischen Be-
hörden und Stadt -Aeltesten, dann die zahlreichen wissenschaftlichen Vereine
Berlins, die sämmtlichen Bürgerbezirks- und Gewerbsgenossenschaften im Fest-
schmucke mit ihren Bannern Theil, sondern trotz der Ungunst der Witterung,
aach das Volk im großen und ganzen, und, so bedenklich eine Schätzung in
einem ähnlichen Falle ist, so winl doch die Zahl der Anwesenden auf der
Fläche des künftigen Haines und auf den sie umschließenden, in Stufen an-
steigenden und bloü auf der Noixlseite durch die Freitreppe, auf deren Höhe
eine colossale Büste Humboldts in einem wahren Blumenwalde thronte, unter*
brochenen Tribnnen, über welchen rings Masten auf hohen Flaggen wehten,,
mit 50 — 60.000 eher zu tief als zu hoch gegriffen sein.
Uns Abgeordneten der k. k. geographischen Gesellschaft war der Platz
neben den anwesenden Autoritäten auf der Estrade angewiesen, und als nach
der die Grundsteinlegung einleitenden Rede des Oberbürgermeisters der Haupt-
stadt und nach der Verlesung der Stiftungsurkunde die Hammerschläge auf
den Grundstein vorzunehmen waren, wurden auch wir dazu beinifen und so
habe ich für die k. k. geographische Gesellschaft in Wien und hat HerrMarno
fi'ir die in der Stiftungsiu-kunde als mitwirkend aufgeführte, doch durch einen
Zu&ll eben nicht vertretene geographische Gesellschaft in Leipzig den Ham-
meischlag auf den Hnmboldtstein geführt.
Gegenüber diesem öffentlichen Bürger- und Volksfeste gieng am Abend
die eigentliche Feier der gelehrten Gesellschaften vor sich. Sie zerfiel in di»
Gesammtsitzung der wissenschaftlichen Vereine und in das Festmahl.
Bei ersterer, welche, besucht von einer geistigen Elite Berlins, im Con-
rextsaale des k. Schauspielhauses unter dem Vorsitze des Präsidenten des k.
Kammergerichtes, Herrn von Strampf, als des Präsidenten der ältesten natur-
wissenschaftlichen Gesellschaft in Berlin, abgehalten wurde und in welcher uns
wieder Plätze reserviert waren, hielt der Präsident der Gesellschaft für Erd-
kunde, Herr Dr. Bastian die Festrede; und über diese vom tiefsten Wissen ^
Tom icrfindlichsten Eindringen in den Gegenstand und von der unzweifelhaf-
testen Begeisterung für denselben Zeugnis ablegende Rede ist nur die eine
Stimme laut geworden, dass der Festredner seine Aufgabe, so schwierig sie
auch wegen ihrer Größe gewesen, auf die glänzendste Weise gelöst hat.
Das Festbankett fand in Mesers Saale, Caf6 Prince Royal, unter den
Linden unter Betheiligung von 5-GOO Personen statt, so dass der stattliche
Saal die 2^hl der Festgenossen nicht zu fassen vermochte, und noch im Neben-
46
räume serviert werden muL'te, Die Veraiuigung der wissenschaftlich cu Vereine :
nehst dem geographisclien, des mediciuischeu, botanischen, geologischen, poly-
technischen, volkswirtschaftlichen u. s. w. hatte die Theilnahme zu einer so
groOen gestaltet.
Auch hier haben die Delogierten der "Wiener geographischen Gesellschaft
an der Ehrentafel in auszeichnender "Weise ihre Plätze gefunden. Hier aber
hatte ich Gelegenheit meiner Mission noch insbesondere durch eine Ei-wiederuug
auf einen von Herrn Dr. Brehm auf die Elirengäste ausgebrachten Toast
gerecht zu werden und bin so glücklich gewesen, als ich im ersten Theile
derselben das Gefühl der Deutschen in Oesterreich von der Zusammengehörig-
keit mit den Deutschen im Norden des Mains und ihren Wunsch der innigsten
AUiance Oesterreichs mit dem norddeutschen Bunde als meine eigenste,
jedoch von zahlreichen deutschen Männern in Oesterreich getheiltc Anschauung
ausgesprochen und im zweiten unter Berufung auf meine Vollmacht der hohen
Achtung Worte geliehen hatte, welche die k. k. geograpliische Gesellschaft in
Wien für die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin hegt, in beider llichtung
der lebhaftesten Zustimmung der Versammlung theilhaft zu w^erden.
Herr Maruo verlieü bald nach dem Festtage Berlin, während ich noch
einige Tage daselbst zurückblieb, und ich glaube nur im Sinne unserer Gesell-
schaft gehandelt zu haben, indem ich in diesen Tagen dem Hen-u Oberbürger-
meister der Stadt und dem Herrn Syndiker Duncker, dann mehreren Re-
präsentanten der gelehrten Gesellschaften meinen Besuch abstattete, um ihnen
für die hervorragende Rolle, welche sie der k. k. geographischen Gesellschaft
bei der ganzen Feier zugewiesen, Namens derselben Dank zu sagen.
Aliein selbsi abgesehen von dem, ich möchte sagen, ofticiellen Entgegen-
kommen, waren die Vertreter und mehrere Mitglieder der Wissenschaft] ichen
Gesellschaften, vornehmlich die Herren Dr. Bastian, Prof. Dr. Dieterici,
Justizrath Degen, Dr. D ü m i c h e n und Director Lehmann, der Heraus-
geber des geschätzten Magazins für die Litciatur des Auslandes, auf das freund-
lichste bemüht, uns unseru Aufenthalt in Berlin zum angenehmsten zu machen :
es ist ihnen dies vollständig gelungen und ihnen sei hier für ihre. Güte noch
specicll gedankt!
Fürwahr! Die Worte meines Trinkspruches beim Festbankette: ^Die
Ehre, welche die Stadt Berlin heute der geographischen Gesellschaft in Wien
dadurch er\vies, dass sie ihre Vertreter berufen hat, die Hammerschläge auf den
Humboldtstein zu führen, wird, dessen bin ich gewiss, ein neues Bindemittel
sein, welches die Gesellschaft im deutschen Süden mit der Schwester im Nor-
den nur noch fester verbindet", hatten nicht eine bloße Phrase vorzustellen.
Diese innige Verbindung war mir in Berlin an mati«j:ebender Stelle widerholt
als ein reger Wunsch der Gesellschaft für Erdkunde betont worden — wii-
hier in Wien wünschen sie sicher nicht minder lebhaft — und so möge sie
denn zum Frommen der geographischen Wissenschaft die vollste Verwirk-
lichung finden!**
Der Vorsitzende: «Nach dem, was wir aus dem Munde unseres Ver-
treters bei der Humboldtfeier so eben vernommen haben, glaube ich den Vorwurf
der Indolenz in Bezug auf diese Feier, der den wissenschaftlichen Coqiorationeu
in Wien von einem verbreiteten Journale gemacht wurde, von der Wiener
geographischen Gesellschaft mit vollem Grunde abwehren zu können.
Wir aber wollen uns heut in dankbarer Verehrung eines universellen
Genie's, das die deutsche Nation mit vollberechtigten Stolze zu den edeisteu
ihrer Söhne rechnet, an jene Errungenschaften erinnern, welche si)eciell die
geographische Wissenschaft Alexander v. Humboldt verdankt und in Kürze
aufzählen, was sie durch ihn gewonnen hat. Ich kann dies nicht besser als
mit den Worten Bastians sagen, die er in der Festrede aus dem vollen
Bewustsein des Wertes des Geleierten holte.
Als Reisender 1) gibt Humboldt das erste Beispiel wie die Vervollkomm-
nung von Chronometern ziu' Besthumung von geographischen Laugen im Innern
grosser Festlande benutzt werden könne. Von dem zu Höhenbestimmungen
erst kurz von seiner Reise durch de Luc geschickt gemachten, während seiner
Reise durch Ramonds Beobachtungen noch genauer überwachten Barometer,
für welches unmittelbar nach beendigter Reise Laplace seine berühmte Formel
47
schuf, zog Humboldt sogleich für die Wissenschaft dv.n höchsten Nutzen, denn
er entwarf 2) das ci*ste llöhenprofil, >Yelches die Erdkunde kennt, quer über
Spanien. Mit diesem graphischen Hilfsmittel beginnt das exacte Wissen der
iniischen Hohcnkunde. Später. gab er 3i diesem Zweige die höchste Durch-
bildung, indem er die stereometrische Geognosie erdachte, deren Aufgabe es
ist, die mittlere Höhe der Festlande durch llechnung festzustellen. Die ersten
angenäherten Werte, die er für Asien, Europa und America ermittelte, gelten
noch jetzt in der Wissenschaft. Er lehrte 4) bei Gebirgen die Passhöhen und
die Gipfelhöhen untei-scheiden, ein Verfahren, welches uns erlaubt, mit Hilfe
der gefundeneu Zahlen zwei entfernte Gebirge^ wie Alpen und Pyrenäen, streng
mit einander zu vergleichen. Unser Wissen von den Magnetkräften der Erde
veidankt ihm 5) die Entdeckung, dass die Intensität der Magnetkräfte von
den 5fagnetpolen abnimmt gegen den Aequator. Als Maßeinheit, bis Gauß ein
strengeres Verfahren einführte, galt 3l) Jahre lang der von Humboldt in Quito
gefanilene Ausdruck der örtlichen und magnetischen Erdkraft. Wir verdanken
femer 6) seinem groten Genie die unerwartete Entdeckung, dass die meisten
Vulcane (vielleicht allei auf Spalten liegen, d. h. in Reihen geordnet sind,
welche beinahe mit größten Kreisen zusammenfallen. W'ir verehren in Hum-
boldt den Schöpfer 7) der Kunst die Isothermen (Isothercn, Isochimenen) zu
ziehen^ mit denen das Wissen über die Gesetze ungleicher Vertheilung der
Wanne auf der Erde beginnt. Die Meteorologie war vor 1Ö17, wo Humboldt
jenen Meistergrift* that, ein ordnungs- und lichtloscr W'ust von Beobachtungen
and Zahlenwerten. 8) Humboldt ist der erste Baumeister filr den physikali-
schen Theil der Ortskunde der Gewächse, indem er eine Beobachtung Tourne-
forts 1701 am Ararat, dass nämlich mit der senkrechten Höhe die Pflanzenwelt
äch ändere wie in Meeresnähe bei wachsender Polhöhe, unter die streng zu erfor-
schenden Gegenstände erhob, mit andern Worten, er ist der erste Keisende,
der mit dem Höhen bestimmenden Barometer Pflanzen sammelt und dem wir
die Begriffe von Pflanzenclima sowie die Schlagwörter Palmen-, Orangen-
cHma vi. s. w. verdanken. Will man ihm noch eine groüe Entdeckung zuschrei-
ben, so ist es diese, dass die Gebirge Innerasiens nicht von einem Knoten
aosstralen oder gleichsam speichenförmig Asien durchziehen, sondern in Ketten
geordnet ziemlich parallel von Ost nach AVest streichen.
Auf diesen Eroberungen für den Fortschritt geographischer Wissen-
schaften beruht Humboldts unvergänglicher Ruhm. Derselbe Mann hat sich in
seinen Katurschilderungcn, so wie im Kosmos, indem er das Naturwissen seiner
Zeit zasammen zu fassen suchte, als ein Meister der Sprache bewiesen, eben-
bürtig unseren classischen Dichtern. Dass er als Naturforscher ein Freund der
Freiheit und des Lichtes war, versteht sich von selbst. Mit wahrer Rührung
aber gedenke ich der Stunden, welche mir der damals 88jährige Greis widmete,
als ich im Jänner 1^57 vor der Abreise mit der Novara nach Berlin kam, um
mir seine Rathschlägc zu holen. Bleibt doch Humboldt für alle Zeiten das
unerreichte Vorbild eines wissenschaftlichen Reisenden. In der Nacht vom
7. April 1857 schrieb er unter dem Titel ^Physikalische und geognostische
Erinnerungen** jene denkwürdigen Blätter, welche die Novara auf ihrer Reise
mn die Erde begleiteten, oder wie sich Humboldt mit liebenswürdiger Beschei-
denheit ausdrflckte ^von denen einiges vielleicht den Gelehrten, die die
Expedition zu begleiten das Glück haben, von Nutzen sein könnte**.
Auf Aufforderung des Präsidenten erhoben sich die Anwesenden, um
das Andenken Alexander v. Humboldts aus Veranlassung seines 100jährigen
Geburtstages zu ehren, von ihren Sitzen.
Der Generalsecretär berichtet über die geographischen Neuigkeiten,
mit denen die Gesellschaft während der toten Saison in Rückstand geblieben ist.
•.Von der Frage des Tages — der Eröffnung des Suezcanals — brauche
ich nichts zu sagen, sie wird dieser Tage mit einer gröOern Flut von Worten
zn ihnen dringen, als dem Canai vielleicht AVasser zu Gebote steht, um
Schiffe jedes Tonnengehalts vom Mittelmeer in den indischen Ocean zu
befördern, wiewol dies niemand im Interesse der Sache wünschen mag.
Aber in geographischer Beziehung jedenfalls mehr, als die Eröffnung
dieses Crtnals ist die Expedition Sir S. Bakor's in Contral-Africa geeig-
net, unsere Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen, wiewol sie in erster
48
Linio uiiht wissers halilicbe Zwecke verfolirt und auch «üc Devise ihrer Fahne-
-AbschalTuijg des Sclavenhandels-« vor der Haud nur als Illustration des Haupt-
zweckes zu liebmcn ist. "Wenn sio aber peliugt, woran nach deu überaus sorg-
fältigen und von grtuidlicber Sachkenntnis geleiteten Veranstaltungen kaum zu
zweifeln ist, so wird sie einen Umschwung; in der politischen Stellung von
Ontral-At'rica zur Folge halien, der für die Wissenschaft einen unberechrn-
baren Wert hat. (Siehe die Notizen dieses Heftes.)
Hr. Richard Brenner, der Ihnen durch seinen Autheil an der Expe-
«Mtion von der Decken's und durch seine nachherige Erforschung des ost-
africanischen Gebietes in guten Andenken ist, wurde von der Handelskammer
von St. Galleu zur Leitung einer Expedition aufgefordert, die das Anknüpfen von
Handelsbeziehungen an der ostafricanischen Küste zum Gegenstande hat. Bei
diesem Anlass wandte er sich nach Ocsterreich, um wo möglich hier eine Mit-
betheiligung an diesem Unternehmen zu erwirken, da nach seiner Ansicht bei
der eröffneten Durchfahit ins rothe Meer OesteiTeich vor allem darauf hin-
gewiesen sei, sein Interesse in jenen Ländern zur Geltung zu bringen. Soviel
aus denPrivatniittheilungenBrenner's zu entnehmen ist, hat das österreichische
Handelsministerium sich seinem Plane überaus günstig gezeigt und zur Un-
terstützung desselben das mögliche gethau. Von der Handelskammer in Triest
wurde ein Beitrag zur Unternehmung in Geld votiert, von einzelnen Finnen
wurden Probewaren für dieselbe vorbereitet, und wenn ich einer Zeitungs-
notiz in den letzten Tagen folgen darf, ist auch die AViener Handelskammer
mit einer Unterstützung beigetreten. Nach deu letzten Nachrichten soll die
Expedition mit Anfang December unter Segel gehen. Das nähere darüber
so wie die Details über die projectierte Ausführung hoffe ich Ihnen in der
nächsten Versammlung aus einer unmittelbaren Mittheilung Brenner's sagen
zu können, der uns auch Berichte während der Reise zugesagt hat.
Von Seite der kais. geographischen Gesellschaft in St. Petersburg geht
uemnächst eine Expedition nach dem Nordgouvernements und dem weiüeii Meer,
um dieselben genauer zu durchforschen. Zugleich hat diese Gesellschaft den
Archimandriten in Peking beauftragt, sich der Amnrexpedition, die bekannt-
lich die ('olonisatiou des Amurlaudes zur Aufgabe hat, anzuschließen, zum
Zweck ethnologisch er Studien. — Ich führe Ihnen diese Notiz zunächst als
Beleg vor, was eine geogi^aphische Gesellschaft leisten kann, wenn sie — wie
in Kussland — von der Regierung als ihr getreuer Bundesgenosse bei der
Verbreitung der Cultur erkannt und darnach unterstützt wird. —
lieber das Schicksal des Africafoi'schers Livingstone scheinen die
^'ünstigeu Nachrichten ihre volle Bestätigung gefunden zu haben. Mau zweifelte
in der letzten Zeit nicht mehr daran, dass er lebt und wolbehalten in bisher
unbekannten Regionen Africas seinem Forachungseifer obliegt, sondern es
entJ^pann sich eine Controverse darüber, ob die Nachricht, dass er zwischen
10 und 12 Grad südlicher Breite die Quellen des weißen Nil entdeckt habe,
wahr sei. Nun wird auch diese Nachricht in einem Briefe des englischen
<jt}iisuls in Zausibar Dr. Kirk bestätigt. Kirk schreibt nämlich unteiin
7. September an die Regierung in Bonibay, dass er ein Schreiben von Livin g-
stono ddt. 18. Juli ISGH zuRangweloo erhalten habe, in welchem es wört-
lich heilJt: «Ich tlarf' wol sagen, dass ich meines Dafürhaltens die Quellen des.
Nil zwischen lü und 12 Gratl südlich oder nahezu in der von Ptolemaeus
für sie angedeuteten Lage aufgefunden hal)e.** Sie bestehen nach seiner
Angalw aus einer Anzahl großer Seen, auf welche Livingstone wahrschein-
lich durch die nämlichen Araber aufmerksam gemacht wurde, die seinen Brief
nach Zansibar brachten. Bei Absendung des Briefes erfreute er sich der besteu
Gesundheit. Näheres werden unsere „Mittheilungen" aus deu Daten der geogi-a-
phischen Gesellschaft zu London geben. Dabei mu'i bemerkt werden, dass
eine Nachricht vom Cap, jenen Nachrichten widersprechend, den Tod Living-
stone im Innern von Africa als eine Thatsache darstellt.
Hierauf hielt Herr Dr. Descovich einen Vortrag über die Bocclie
di Cattaro. (Siehe unsere ^Mittheilungen*'.)
Die nächste Versammlung, zudoich Jahresversammlung, in welcher die
.Tahre<iberichte erstattet und ein Drittel der Ausschu?smitgliedrr neu gewählt
wirdon, findet am 13. December ISfiO statt.
Jahresbericht
des Prfisidenten der geographischen Gesellschaft Prof. Dr. Ferd. von
Hochstetter für das Jahr 1869.
Hochverehrte Versammlung !
Das dreizehnte Jahr des Bestandes unserer Gesellschaft and das
zweite seit ihrer Reorganisierung liegt hinter uns und ich freue mich
sagen zu können, dass die Hoffnungen und Erwartungen, welchen ich
in meinem vorjährigen Bericht Ausdruck gah, in Erfüllung gegangen
sind. Ich darf den Zustand unserer Gesellschaft als durchaus befriedigend
erklären. Die ersprießliche Th&tigkeit hat sich vermehrt, unsere
timfuiziellen Calamitäten haben ihr Ende erreicht und die Zahl der
Mitglieder ist in erfreulichster Weise gewachsen. Mit froher Hoffnung
können wir daher in die Zukunft blicken. Sind wir auch noch nicht in
der L4&ge, uns an allen nützlichen, in unser Bereich einschlagenden
Unternehmungen ausgiebig zu betheiligen, so sind wir doch auf dem
üHTege dazu und es ist zu erwarten, dass der Geist frischer Thfttigkeit
«md opferwilliger Betheiligung, der uns bis nun erhoben hat, auch
d^uiemd sieb erproben, und uns in die Lage bringen wird, hinter den
Lieistungen anderer weit mehr begünstigten Schwestergesellschaften nicht
zu weit zurückzubleiben.
Wenn Sie den bereits mit einigen Karten ausgestatteten diesjährigen
Band unserer Mittheilungen betrachten im Vergleich zu dem, was wir
iror zwei Jahren zu leisten im Stande waren, wenn Sie bedenken, dass
unser Mitgliederverzeichnis eine Anzahl von ordentlichen Mitgliedern
aufweist, die in früheren Jahren nicht erreicht wurde, wenn Sie gleich-
zeitig aus dem Berichte des Herrn Rechnungsführers entnehmen werden,
dass die finanziellen Verhältnisse unserer Gesellschaft geordnet sind, so
werden Sie Ihre Anerkennung den, das Gedeihen der Gesellschaft mit
aller ihrer Kraft anstrebenden, Bemühungen des Herrn Generalsecretärs
and des Herrn Rechnungsführers, sowie der thätigen Mithilfe des Aus-
schusses gewiss nicht versagen und mit mir übereinstimmen, wenn ich
mir erlaube, den genannten Functionären und allen Ausschussmitgliedem
den wärmsten Dank der Gesellschaft auszudrücken. Ich selbst aber muß
noch insbesondere dem kais. Rath Herrn Steinhäuser dafür danken,
dass er mich bei Abfassung dieses Jahresberichtes aufs freundschaft-
lichste unterstützt hat.
Geofl^nphische Xittheilangen. 1870. 2. 4
50
Ich beginne den Jahresbericht mit den Leistungen des mili-
tär-geographischen ilnstitutes, dem wir für die Ausstattung
unserer Mittheilungen durch Karten zu so großem Danke verpflichtet
sind. In diesem Institute wurden im Jahre 1869 folgende Arbeiten
ausgeführt :
1. Astronomisch-geodätische Arbeiten. Zur Verbindung
des trigonometrischen Netzes in Dalmatien mit jenem des Königreiches
Italien wurden auf den im Sommer 1868 durch die hiezu bestimmten,
beiderseitigen Commißäre gemeinschaftlich gewählten fünf Anschluss-
puncten, n&mlich: 1. Monte Hum auf der Insel Lissa, 2. S. Giorgio
auf Lagosta, 3. Pelagosa Insel, 4. Tremiti Insel, und ö. Giovannicchio
auf dem Gebirge Grargano des italienischen Festlandes die Richtungs-
beobachtungen durch den k. k. österr. Oberlieutenant HarU und den
k. ital. Generalstabshauptmann de Vita und zwar auf jedem Puncto von
beiden Beobachtern gleichzeitig vorgenommen. Zur Signalisierung wurde
nur Heliotropenlicht benützt; auf den größeren Distanzen Hum-
Giovannicchio (16.5 Meilen) wurden größere Spiegel in Anwendung
gebracht, was sich vortrefflich bewährte. In derselben Zeitperiode, als
auf Monte Hum die geodätischen Arbeiten stattgefunden haben, wurde
durch den Obersten Ganahl unter. Mitwirkung des Oberlieutenant Hartl
auf dieser Station die Polhöhe und das Azimuth beobachtet.
Ffir die Aufnahme des albanischen Küstenstriches, welche im
nächsten Frül^ahre durch die k. k. Marine in Angriff genommen
werden wird, wurde das hiezu nöthige Dreiecksnetz im Anschlüsse an
die südlichen Dreiecke Dalmatiens durch die Messung einer Grund-
linie in der Länge von 1600 Klaftern hei Skutari durch Winkelbeob-
achtungen auf 34 Haupt- und Nebenpuncten, endlich durch die Be-
stimmung von Polhöhe und Azimuth auf den trig. Puncten Saseno und
Durazzo festgestellt. An dieser unter der Leitung des Obersten Ganahl
stattgefundenen trig. Vermessung haben mitgewirkt, Major Baron
Zeschwitz des k. k. Generalstabes, Linien-Schiffislieutenant Kalmar,
Oberlieutenant von Sternek, Schiffsfähnrich Paul Pott, Lieutenant
von Gyurkoviö, Docent Tinter des k. k. polytechnischen Institutes,
dann die Kadet^Feuerwerker Seelig und Prikler.
Die Verbindung der verschiedenen astronomischen Observatorien
Wiens, u. zw. 1. k. k. Sternwarte, 2. Observatorium auf dem Laaer-
Berge, 3. Observatorium des k. k. polytechnischen Institutes, 4. Observa-
torium des k. k. militär-geographischen Institutes, 5. Privat-Observato-
rium des Herrn Dr. Oppolzer mit dem Hauptdreiecksnetz geschah durcli
Major Breymann, welcher auch das doppelte Nivellement zum Ver-
gleiche der gewöhnlichen Nivelliermethode mit der trigonometrischen.
51
2wi8clien dem Laaer-Berge , Aich-Kogel und Anninger bei Wien heuer
zum Abschlüsse gebracht hat.
lu Siebenbfirgen ist die Triangulieruag erster, zweiter and dritter
Ordnung für die Militär-Mappierung auf einem Flächenraum von 250D
Meilen fortgesetzt, endlich im deutschbanater G-renz-Regimente für den
Kataster, die Triangulierung zweiter, dritter und vierter Ordnung auf
einem Räume von 25 O Meilen ausgefahrt worden.
2. Topographische Aufnahme. Von 7 Mappierungs-Abthei-
langen wurde die MüitÄr-Aufnahme im Maße 1" = 400« oder 1 : 28.800
in Siebenbürgen ohne Kataster fortgesetzt, und eine Terrainstrecke von
ungefähr 246 D Meilen beendet.
Im südlichen Theile Tirols wurde auf Grundlage der reducierten
Katasterpläne die Aufnahme mit Rücksicht auf die Aufoahme im Nach-
barstaate und auf das einzuführende M^tre-Maß im Maße 1" =
S47.22® oder 1 : 25.000 von drei Mappierungs-Abtheilungen in der un-
gefähren'Ausdehnung von 141 D Meilen bewirkt.
Die Reambulierung des Brucker Lager-Planes, sowie die Neuauf-
nahme eines Theils desselben, wurde durch einen Officier ausgeführt
3. Karten-Arbeiten. Von einigen größeren Gamisonsorten
wurden nach den von den verschiedenen Generalstabs-Abtheilungen ver-
fassten, und eingesendeten Originalien, Umgebungskarten theils graviert,
theils auf photolithographischem Wege erzeugt, und dem Verschleiß über-
geben, und zwar die Umgebung von Graz bis auf 2 Blätter, 8 Blätter
der Umgebung von Brunn, endlich die Umgebung von Triest.
In Folge reichskriegsministeriellen Auftrages wurden Marsch-
rontenkarten im Maßtabe 1" = 4000° oder 1 : 288.000 auf Stein
graviert, autographiert, oder fotolithographiert und zwar:
Ungarn in 20 Blättern
Gralizien „11 „
Böhmen „4 „
Siebenbürg^ ,, 4 „
Groatien, Slavonien und Militär-Grenze „ 7
Steiermark . n 4
Tirol . ... „2
Kärnten, Krain und Görz .... »4
Dalmatien . ... . . » 3 „
Oesterreich und Salzburg „4 ,,
Mähren und Schlesien ..... „4 „
Einige dieser Karten wurden auch im reducierten Maße aufgelegt,
und zwar im Maße 1" = 6000" oder 1 : 432.000, Steiermark (1 Blatt),
Kärnten, Krain und Görz (1 Blatt); im Maße 1" = 8000<^ oder
4*
52
1 : 576.000 — Galizien (3 Blätter), Ungarn (6 Bl&tter), Siebenbürgen
(1 Blatt) nnd Dalmatien (1 Blatt), dann Croatien, Slavonien mit der
Militärgrenze ansgeffthrt, welche Kartenwerke bereits alle dem Ver-
schleiße fibergeben sind. Femer wurde eine Eisenbahn-Instradiernngs-
karte verfaßt nnd veröffentlicht.
Von der Umgebnngskarte von Wien im Maße 1" =r 200® oder
1 : 14.400 sind 14 Sectionen mittelst Umdrnck von den in Farben ge-
druckten, and in 4 Blättern bestehenden Sectionen zu ganzen Sectio*
nen zusammengestellt, nach den neuesten Aufnahmen corrigiert, und die
Cultur-Gattungen durch conventioneile Zeichen ansgedrfickt, publiciert
worden.
Von der im Maße 1" = 600» 4 oder 1:43.200 erscheinenden
Umgebungskarte Wien's wurde das Blatt Neunkirchen vollendet und
wird nach vollendeter Revision veröffentlicht.
Von der Specialkarte Ungarns im Maße 1" = 2000® oder
1 : 144.000 wurden 21 Blätter des n.-w. Theiles von Ungarn veröffent-
licht; 34 Blfttter sind in kürzester Zeit druckreif, gegen 56 Blätter
mehr oder minder der Vollendung nahe, in der Kupferstecherei
in Arbeit.
Von den Comitaten: Oedenburg, Comom, Raab, Neutra und
Wieselburg sind Karten im Maße 1" = 2000® oder 1 : 144.000 unter
dem Titel „Comitatskarten** veröffentlicht worden.
Ffir alle bereits veröffentlichten Special- und Generalkarten
wurden Oleaten Aber die Communications- Veränderungen ausgegeben, um
die £videnthaltung der Karten auch dem Publicum zu ermöglichen.
In der photographischen Abtheilung wurden von verschiedenen
Aufnahms-Sectionen 403 Glas-Negative, 1838 Papier-Positive und zn
verschiedenen Zwecken, 47 Photolithographien erzeugt. Die Versuche in
^er Heliogravüre haben so günstige Resultate geliefert, dass mit Sicher-
heit in nächster Zeit auf die Vervielfältigung der Kartenwerke in dieser
Methode gerechnet werden kann; ein par Proben folgen bei. In der
Militär-Zeichnungs- Abtheilung wurden für die im Jahre 1871 fortzu-
setzende Aufnahme in Tirol nothwendigen Sectionen aus den Kataster-
mappen reduciert.
Theilweise wenigstens im Zusammenhang mit den Arbeiten des
militär-geographischen Institutes steht die neue Aufnahme und Beschrei-
bung des adriatischen Meeres. Die ständige Commission der
kais. Academie der Wissenschaften für die Adria hat im
Jahre 1868 und dem ersten Quartale 1869 die Voreinleitungen und
Anordnungen getroffen, um auf allen Stationen die periodischen Beobach-
tungen beginnen zu lassen. Diese sind Triest, Fiume, Zara, Lesina,
53
EagQsa, Panta d'Otsro, Dorazzo, C!orfii, Pola, Elek. Je nach Lage,
Wichtigkeit and znr Beobachtung tanglicher Personen, sind dieselben
mit mehr oder weniger Instrumenten, versehen, als: wohlverglichenen
Barometern, Psychrometern, Regenmessern, Windfahnen, Anemometern,
Schöpfellipsoiden, Thermometer zu Temparaturinessungen in der Tiefe,
Aräometer. Der im heurigen Jahre erschienene gedruckte Gommissions-
Bericht enth< außer den Instructionen Mittheilungen von Dr. C.
Jellinek ftber die meteorologischen Stationen, von Dr. J. Lorenz
über die Meeresbeobachtungs-Stationen und über Versuche zur Yerbes-
semng der Tauch-Ellipsoide, einen neueren Inspections^Reisebericht des
Prof. Osnaghi und eine Weisung an Dr. Schaub zur Visitation der
Stationen, die wenigstens einmal im Jahre vorzunehmen ist.
Das diesjährige Arbeitsprogramm d e r k. k. Eüstenauf nähme
umfasste die Mappierung und Lotung des Küstengebietes und der Inseln
von Sebenico angefangen bis inclusive Gurzola und Sabioncello, sowie
den Kachtrag der hydrographischen Erhebungen jener Partien, die wegen
Ungunst des Wetters im Vorjahre unvollendet gelassen werden mußten.
Die Expedition verließ mit Beginn des Monates April ihren Winter-
anfenthalt, um die Arbeit im freien wiederauüzunehmen , und es gelang
ihr — Dank der vorzüglichen Leitung und dem Eifer aller Bethei-
ligten — das gestellte Programm in vollem Um&nge zu bewältigen.
Das Hauptschiff — Dampfer Triest — mit zwei kleineren Bei-
schiffen machte den Anfang bei den am meisten exponierten Inseln Lissa,
Pelagosa und Lagosta, deren Aufnahme jedoch eine geraume Zeit in
Anspruch nahm, da der SO.-Wind in jener Saison nur spärlich schönes
Wetter übrig ließ, — während der Dampfer Alnoch als Hauptziel die
Aufarbeitung der vorjährigen Rückstände erhielt und mit dem Ganale
della Morlacca begann. Beide Abtheilungen lösten trotz mancher Stö-
rung durch ungünstige Witterung ihre Aufgabe derart, dass nun die
Aafioahme des adriatischen Meeres über dessen obere Hälfte hinaus als
fertige Arbeit dasteht.
Die Ergebnisse der diesjährigen Küstenaufuahme sind im folgenden
Daten summiert : Mit dem Dampfer Triest wurden vier Linien Tiefsonden
über den ganzen Golf von Ost nach West gelegt, und hiedurch im
Anschluss an die früheren Durchstiche der Adria constatiert, dass bisher
die Tiefe nur eine allmähliche Zunahme von NW. gegen SO. erfährt. Hier-
bei wurde auch die bis nun erreichte größte Tiefe mit 768 Fuß gelotet
«nd zwar etwa 30 Seemeilen westlich von der Insel St. Andrea bei
Lissa. Sowol bei diesen Golfsonden wie bei allen größeren Tiefen in
den Canälen, in der Nähe der Küste und der Inseln wurden die
pfaysicalischen Verhältnisse des Wassers untersucht; außerdem waren
54
am Bord des Hanptschiffes meteorologische Beobachtungen fortwährend
im Gang; femer wurden aus allen Partien der Anfiiahme Proben
des Meeresgrundes gehoben und mit Bezeichnung des Fundortes und der
Tiefe aufbewahrt, um dann der k. k. geologischen Reichsanstalt behufs
näherer Analyse übermittelt zu werden. Ueberhaupt waren die Vor-
gänge bei der Arbeit den in den Vorjahren beobachteten analog.
Das diesjährige Programm erstreckte sich fiber ein Areale von
574 Quadratseemeilen mit einer Kflstenentwickelung von 693 Seemeilen
und enthielt 29 bewohnte und 41ö unbewohnte Inseln. In diesen Raum
wurden 66500 Sonden gelegt und hiebei 126 gefährliche Untiefen and
Riffe sowie 81 Hochgrflnde ausgelotet
Was die Kartographie betrifft;, so ist bis dato die Westküste Istriens
in 5 Blättern im Stiche, und dürften zwei derselben, nämlich jener von
Triest und Pola in kurzer Zeit vollendet sein.
Schließlich sei noch bemerkt, dass sich die Direction der österr.
Eüstenaufhahme mit jener der k. italienischen ins Einvernehmen gesetzt
hat, um eine Gleichartigkeit, vorzüglich aber um gute Anschlüsse der
beiderseitigen Arbeiten zu erzielen.
Die k. k. geologische Reichsanstalt hat am 16. Nov.
d. J. das zweite Decennium ihres Bestehens gefeiert. Mit einem gerech*
ten Gefühle des Stolzes und der Befriedigung kann sie zurückblicken
auf eine lange Reihe von Arbeiten und hervorragenden Leistungen, die
ihr die voUste Anerkennung ^aller Freunde der Wissenschaft und des
Fortschrittes verschafft haben. Die geologischen DetaiiaufDahmen wurden
in drei von einander getrennten Gebieten durchgeführt. Die Section I
(BergrathFötterle, Dr. U. Schlönbach und Hr. R. Knapp) unter-
suchten die südliche Hälfte der Roman-Banater Grenze, das zum Theile
noch mit Urwald bedeckte Gebiet zwischen der Donau, dem Öema-Thal
und der Almas, die Section II (Bergrath Stur, mit den Herrn A. Hampel
und J. Posewitz) führte die Aufnahme der nördlichen Hälfte dieser
Grenze durch. Drei weitere Sectionen waren in den Karpaten im nörd-
lichen Ungarn thätig. Eine derselben (Sectionsgeolog Wolf mit den
Herrn J. Kolbay und Max Gross) besorgte die Aufnahme der Um-
gebungen von Kaschau, die zwei andern Sectionen (Bergrath Stäche
und die Herrn K. M. Paul, Dr. Neumayr und Dr. F. Kreuz)
setzten die Aufnahme der nordungarischen Karpaten ostwärts bis zum
Meridian von Bereghszäsz-Munkäcs fort. Eine sechste Aufnahms-Section
endlich (Dr. E. v. Mojsisovics und Hr. R. Heyd) begann die
Detailuntersuchung von Tirol und zwar in der nördlichsten Ecke
des Landes in der Umgegend von Kufstein und Häring, dann im
Kaisergebirge.
55
Von der darch Herrn Sectionsrath Fr. Ritter y. Haaer bear-
beiteten geologischen Uebersichtskarte der Gresammt-Monarchie sind im
Laufe dee Jahres zwei weitere Bl&tter Nr. I (Titelblatt) und n (Böhmen)
enehienen. Mit Frende begrüßen wir auch den Phw, auf Grrondlage der
von Seite des Vereines ftlr Landeskunde von Niederösterreich in der
Henuisgabe begriffenen Administrativkarte (1 Zoll s= 400 Klafter) die
Bearbeitung einer in's größte Detail gehenden geologischen Karte vor-
xonehmen. Die Herrn Th. Fuchs und Felix Karr er haben zunächst
die Bearbeitung der Section Nr. 65 (Wien) ttbemommen.
Neben unserer Beichsanstalt ist unterdessen durch Organisierung
der königl. nngar. geologischen Anstalt ein Schwesterinstitut
entstanden, mit dessen Leitung Herr Sectionsrath Max v. Hantken
betraut wurde. Die Thfttigkeit dieser neuen geologischen Anstalt hat
auch bereits mit der Detailaufnahme der Umgebungen von Yeszprim
(durch die Herren v. Hantken, J. Bökh und A. Koch) und mit
Untersuchungen im Zsilthale in Siebenbürgen (durch die Herren Dr. K.
Hoffmann und R Winkler) begonnen.
Die k k. statistische Central-Commission ist mit ihrem
ausführenden Organe, der Direction der administrativen Statistik, seit
dem 1. October dem k. k. Handelsministerium eingereiht worden und
mußte schon vor officieller Ausscheidung der Arbeiten für die östliche
Reichshftlfte das statistische Jahrbuch wegen Mangel aller Mittheilungen
auf die im Reichsrathe vertretenen Länder und die Militärgrenze
beschränkt werden, ebenso die Ausweise über den Bergwerksbetrieb;
ond so wird auch das große Tafelwerk über Finanzen, Handel und
Industrie, Justiz und Unterricht von 1866 an seinen Character als
QueUenwerk für die Monarchie leider verlieren müßen. Das Resultat
der Sitzungen und Comit^berathungen waren 14 Berichte, wovon die
wichstigsten die Erhebung der Arbeitelöhne, die Statistik der größeren
Communen, der großen Krankenanstalten, des Warenverkehrs, der Eisen-
bahnen und die Einleitung zu einer Detailerhebung der Wiener Indu-
strie betrafen.
Die Mittheilungen aus der Statistik wurden rasch gefördert und
es erschienen 8 Hefte, welche die Darstellung der Realitätenwerte von
1866, einen Seminarvortrag Dr. Neumann*s über Eisenbahnen, die
speciellen Lehranstalten, die Choleraepidemie v. J. 1866. Dr. Ficker's
Vortrag über die österr. Yölkerstämme, Dr. Neumann*s über statisti-
sche Propädeutik, Yice-Director Schmidt*s über die humanitären
Anstalten für Arbeiter und Vereine, Ausweise über Bergwerksbetrieb
und eine Arbeit über Belastung und Entlastung liegender Oüter ent-
lueiteB. Der stark besuchte Cyclus der statistischen Vorträge wird fort-
56
gesetzt und mit zwei speciellen practischen Corsen vermehrt, einen ffir die
bei der Volkszählung und Industrieerhebung verwendeten Beamten, Ver-
trauensmännern und Agenten. Umfangreiche Arbeiten erwarten die
statistische Gentral-Commission auch fflr die Zwecke der obersten Armee-
leitung; ferner wird den Beschlüssen des internationalen statistischen
Congresses Aufimerksamkeit gewidmet, wie die verbesserte Auflage der
ethnographischen Karte, Ficker's Karten der Völkerstämme, die
Cholerakarte u. s. w. beweisen.
Die Lösung der Organisationsfrage, die glückliche Schöpfung einer
gemeinsamen Statistik wird entscheiden, ob die statistische Gentral-Com-
mission den bisher eingenommenen Platz weiterhin zu behaupten in der
Lage sein ¥rird.
Der Verein für Landeskunde von Niederösterreiah hat
seine Thätigkeit im abgelaufenen Jahre in drei Richtungen entwickelt,
in den Vorträgen an Winterabenden, in dem Jahrbuche und bei der
Herausgabe der Administrativkarte des Kronlandes.
In ersterer Beziehung erwähne ich die Vorträge des Dr. Göhlert
über die keltischen Ortsnamen, des Professors Haselbach über die
Geschichte der Städte Krems und Stein in den Jahren 1452 bis 1700,
des Dr. Reichardt über die Farne Niederösterreichs, des Forstdirec-
tors Newald über die wechselnden südlichen Grenzen des Landes im
V. ü. W. W,, des Dr. Josef Bauer über den Wald und sein Recht.
Das Jahrbuch enthält: eine Geschichte des niederösterr. Land-
tags in den Jahren 1861 — 1866, einen sehr wertvollen Aufsatz des
Dr. Kenner über die Römerorte nebst Karte, eine Schilderung der
niederösterr. Alpen von Dr. Kreisch, der Fortschritte der Bodencultur
von Stth.-Rth. Hofmann, der Fischer'schen Eisenwerke zu St. £gyd
von M. A. Becker, eine historische Skizze des Geschlechts der
Tirna von Ernst v. Franzenshuld, eine Biographie des Bildhauers
Donner von K. Weiss nebst kleineren Aufsätzen.
Die Administrativkarte ist so weit vorgerückt, dass die Viertel
0. und ü. W. W. in Zeichnung fertig und nebst den Blättern, die in
die nördlichen Viertel fallen, von allen III Sectionen schon mehr als
zwei Drittel stichreif sind.
Als neu erschienen wurden in den Vereinsblättem vom Jahre 1869
angekündigt die Sectioneu : Gutenstein, Puchberg, Ebreichsdorf, Lichten-
wörth, Gloggnitz, Neunkirchen, Wisraath, Purkersdorf, Baden, Neuleng-
bach, Böheimkirchen (mit den früher erschienenen 5 in Summa 16
Blätter), wozu nächstens die Blätter Tulln, Stockerau, Aspang, Kirch-
schlag, Enzersdorf sich anreihen werden. Rechnet man jene dazu, deren
Ausgabe sistiert werden muß, weil das zur letzten Rectification nöthige
57
Materuüe eben nicht zu Gebote steht, oder die im Stiche erst begonnen
sind, 80 kann man annehmen, dass in wenigen Monaten ^4 ^^^ Karten
wird vorgelegt werden können.
Der österreichische Alpenverein hat uns mit dem ö. Bande
seines Jahrbuches erfreut. Wie aus dessen reichhaltigem Inhalt"*) zu
ersehen ist, hat er auch in diesem Jahre für die Erforschung und
Kenntnis der vaterländischen Alpen verdienstlich gewirkt und zum
Besuch weniger gekannter Höhenpuncte mit Erfolg angeregt. Sein
Streben wird durch die große Zahl seiner Mitglieder unterstützt. In
der letzten Zeit hat sich neben diesem Vereine eine österreichische
Seetion des deutschen Alpenvereins in Wien constituiert.
Die mit der Landesdurchforschung von Böhmen beauf-
tragten Herren setzten im Sommer und Herbst dieses Jahres ihre
Arbeiten fort, soweit dies bei der Beschränkung der Subvention von
der öconomischen Gesellschaft möglich war. Professor Dr. Koristka
mit seinen Hilfsarbeitern (topographische Abtheilung) bearbeitete das
Adlergebirge und die Umgebungen von Senftenberg, Brandeis, Hohen-
bmck, Königgrftz, Pardubitz und Chlumec. Es wurden nahe an 1200
Höhenmessungen ausgeführt; namentlich wurde die Wasserscheide zwischen
Ostsee, Nordsee und dem schwarzen Meere bis Grulich genau untersucht.
Professor Krej6i mit dem Assistenten Fei stmantel (geolog. Abth.)
begiengen die permische und Steinkohlenformation zwischen Semil und
*) Den Inhalt dieses 5. Bandes bilden nebst zahlreichen Notizen, den
Verhandinngen des Vereine und 4 Kunstbeilagen (die Marmolata, der Lang
Kofel und die Sellagruppe, die Prielgruppe und Panorama vom hohen Barg-
stall in Stubei) folgende Abhandlungen:
Dr. A. Y. Ruthner, der Um'utz am Aachensee.
Wächter, Tour im Adamello Brenta-Gebirge.
J. Trinker, Ausflug auf den Monte Maggiore im Küstenland.
J. Tschandera, Besteigung des Großglockners von Kaiaus.
F. Francisci, die Stengalpe und der Königsstuhl in Kärnten.
Th. Trautwein, kleine Anregungen zur weiteren topographischen
Erforschung einzelner Theile der deutschen Alpen.
J. Stüdl, Ersteigung der Weißkugel.
Dr. H. V. Wittek, zur ästhetischen WtLrdigung der Alpen.
T. Payer, die Bocca di Brenta.
A. ▼. Buthner, die Mttdelergabel in den Algäuer Alpen.
Dr. B. Jülg, die HinterriO.
G. V. Bezold, naturwissenschaftliche Skizzen aus den Alpen von
Berchtesgaden.
A. Schade üb erg, eine Tour durch Kärnten und Tirol.
Dr. A. Pokorny, über den Ursprung der Alpenpflanzen.
Fr. V. He 11 waldydie Elementarereignisse in den Alpen im Herbste 1868.
58
Nachod. Dr. Fri^ (Pal&ontolog) studierte speciell die Weißenberger
Schichten im ganzen Bereiche der Kreideformation, und die pemiische
Formation hei Neapaka und Kalna. Im Rothliegenden von Njrrau wurde
ein neuer Saurier gefunden. Dr. Celakowsky (Botaniker) untersuchte
die Gegenden von Leitomischl, Chmdim und Saaz. Assistent Slavik
(Zoolog) bereiste das sfldliche Böhmen, und beschäftigte sich vorzugs-
weise mit dem Studium der MoUusken und niedern Crustaeeen und mit
der Sammlung der dortigen Diluvial-Gerölle. Das Comit^ ftlr die Landes-
durchforschung hat den ersten 63 Bogen starken Band seines Archivs
veröffentlicht, welcher mehrere Abhandlungen und Berichte Ober einen
großen Theil der in den Jahren 1864 bis 68 ausgeführten Arbeiten
enthält. Auch das Blatt Nr. 2 der hypsometrischen Karte von Böhmen,
von Prof. Koristka (Section Leitmeritz) ist im Stiche vollendet und
harrt der Ausgabe.
Unter den geographischen Oesellschaften £uropa*s,
welche ihre Thätigkeit durch die Herausgabe wertvoller periodischer
Schriften, sowie durch reichliche Unterstfltzung großartiger Unternehmun-
gen beurkunden, nimmt die Royal Geographica! Society zu
London mit 2300 Mitgliedern und 6000 Pfund Einkommen selbstver-
ständlich den ersten Rang ein, und ihre offene Hand macht sich vor-
zugsweise bei der Erforschung Asien*s und AMca*s geltend. Die Founders
Medaille wurde in diesem Jahre Prof. Nordenskiöld in Stockhohn
zuerkannt für die Verdienste, welche sich derselbe bei der letzten
schwedischen Expedition nach Spitzbergen *) erworben ; die Patron's oder
Victoria Medaille der berühmten SchriftsteUerin Mrs. Mary Sommer-
villc für ihre Arbeiten im Gebiet der physicalischen Geographie.
Die Soci6t^ de Geographie zu Paris erfreut sich der Stiftung
eines jährlichen Preises von 10.000 Franken durch die Kaiserin Eugenic für
einen Franzosen, der durch Reisen, Entdeckungen, Schriften und andere
Arbeiten die Wissenschaft der Erdkunde fördert und dieser Aus-
zeichnung würdig erkannt wird. Ihre große goldene Medaille hat diese
Gesellschaft im letzten Jahre anDoudard de laGröe und Francis
Garnier verliehen für die Erforschung von Indo-China bei Gelegenheit
der französischen Expedition auf dem Mekong**); die goldene Medaille
wurde Dr. J. Hayes für seine Reisen nach dem Nordpolarmeer zuer-
kannt, und die ehrenvolle Erwähnung wurde unserem verewigten Ehren-
mitglied J. G. V. Hahn für seine Forschungen in Albanien zu Theil.
Eine der jüngsten Gesellschaften, die Societä Geografica
Italiana zu Florenz, erhebt sich unter der vortrefflichen Leitung
*) Siehe den Jahresbericht für 1868, Mittheiluugen 1869. S. 18.
**) Siehe a. a. 0. S. 21.
59
Christoforo NegrTs rasch, sie zählt seit den 39 Monaten ihres
Bestehens bereits über 800 Mitglieder und veröffentlicht wertvolle
Bulletini von bedeutendem Umfange. Zu den deutscheu Gesellschaften,
unter welchen die Berliner unstreitig den ersten Rang einnimmt, hat
sich jüngst noch eine zu München gesellt; ein weiteres Zeichen neben
vielen andern, dass man allerorten immer mehr Einsicht gewinnt, wie
wichtig und einflussreich die Pflege der geographischen Wissenschaft ist.
Die Realisierung der Idee Dr. Petermann's, der in sich allein das
Wirken einer ganzen geographischen Gesellschaft vereinigt — die Bildung
eines großen deutschen geographischen Centralvereins — wird zwar noch
lange ein frommer Wunsch bleiben müßen, doch hindert der Mangel
einer innigeren Verbindung der einzelnen Gesellschaften nicht, dass sie
sich zu einem gemeinsamen Unternehmen größerer Art vereinigen
könnten.
In ähnlicher Weise wie Dr. Peter mann in Gotha, bildet auch
Dr. Peschel in Augsburg mit dem von ihm so vortrefflich redigierten
„Ausland" einen geographischen Mittelpunct für sich, und ich bedaure
lebhaft, dass die Bemühungen, den geistvollen und ideenreichen Ver-
fa^er der „Neuen Probleme der vergleichenden Erdkunde"*) für eine
inländische Universität zu gewinnen, erfolglos geblieben sind.
Vertreter der deutschen geographischen Vereine, unter ihnen unser ver-
ehrtes Ausschuss-Mitglied Dr. R u t h n e r für unsere Gesellschaft, haben sich
mit vielen andern Repräsentanten in Berlin zur Feier des 100jährigen Ge-
burtstages Alex, von H u m b o Id t's zusammengefunden, dem die dankbare
Mit- und Nachwelt in Anerkennung seiner unschätzbaren Verdienste für
die Naturwissenschaften und Geographie ein würdiges Monument setzen
wird. In anerkennenswerter Weise regt sich überhaupt das Bestreben,
die Verdienste älterer Förderer der geographischen' Wissenschaft zu
ehren; dem Erfinder der nach ihm benannten Projection Gerhard
Kremer (genannt Mercator), will sowol seine Vaterstadt Rupelronde
in Flandern, als die Stadt Duisburg am Niederrhein, wo er fast ein
halbes Jahrhundert seine wichtigsten Werke schuf, und wo er starb,
ein Denkmal errichten. Auch Oesterreich hätte solche Schulden abzu-
tragen und Namen ausgezeichneter Männer der unverdienten Vergessen-
heit zu entreissen, ich erwähne nur Johann Stab (Stabius) [geboren
zu Steier, gestorben 1522 in Graz], Professor der Mathematik in Wien,
Secretär Kaiser Max I., erster Erfinder jener Projectiouen, die später
die Namen Flamstead's und B o n n e's tragen. Selbst in Russland
wird es wol das erstemal sein, dass einem Seefahrer nämlich B e 1 1 i n g-
*) Wir werden auf dieses Werk an anderer JStelle zurückkommeu.
60
hansen seiner Verdienste halber nm die Erforschung der antarctischen '
Regionen ein Ehrendenkmal in Petersburg errichtet werden soll.
Oceanische Reisen. Von unserer ostasiatischen Expe-
dition, von welcher Berichte von geographischem Interesse nor ftnßerst
sparsam einlaufen, kann ich Ihnen so viel mittheilen, dass die Han-
delsverträge mit China und Japan abgeschlossen sind, dass die Expe-
dition in den ersten Tagen des November von Japan nach San Fran-
cisco abgiäng, und in San Francisco glflcklich angekommen ist. Die Mit-
glieder derselben dürfen schon im März dieses Jahres zurückerwartet
werden.
In den arc tischen Regionen sind kaum je so viele gleich-
zeitig wissenschaftlich ausgerüstete Fahrten gemacht worden, als in
diesem Jahre. Am 15. Juni ist, wie Sie wissen, die zweite deutsche
Nordpolar-Expedition , durch Petermann's rastlose Thätigkeit ins
Leben gerufen, unter Capitän Eoldewey's Leitung mit den Grelehrten
an Bord, unter welchen ich. unsere Landsleute Oberlieutenant Payer
und Dr. G. Laube in Erinnerung bringe, aus Bremen unter den
herzlichsten Segenswünschen höchst zahlreicher Zuschauer in See gegan*
gen. Die Schiffe sind zuletzt am 1. August noch immer in dem Bestre-
ben, eine Durchfahrt zwischen den Eismassen zur grönländischen Küste
zu finden, gesehen worden.
Die zwei Dampfer des Rheders Rosenthal, „Bienenkorb" und
„Albert", sind aus dem nördlichen Eismeere schon im September zurück-
gekehrt. Obwol für den Robbenfang bestimmt, haben ihre Fahrten doch
der Wissenschaft genützt, da der Eigenthümer dem Physiker Hr. Dr.
Dorst und dem Zoologen Hr. Dr. B es seTs die Theilnahme gestattete.
Die Lamont'sche Expedition hatte im Mai Nowaja Semlä erreicht
und gieng von da nach Spitzbergen, wo dichtes Eis ein weiteres Vor-
dringen über den 80^ N. B. verhinderte ; sie kam am 6. October nach
Dundee in Schottland zurück.
Dem russischen Kaufoiann Sidoroff dagegen ist die Fahrt um
Nowaja Semlja herum an die sibirische Küste gelungen, derselbe ist
mit seinem Dampfer in die Obimündung eingelaufen.
Eine ähnliche merkwürdige Fahrt ist den Capitänen Palliser
und Carlsen gelungen. Sie haben die See zwischen Spitzbergen und
Nowaja Semlja im August eisfreier gefunden als sie irgend jemals zuvor,
so weit die Geschichte der arctischen Fahrten zurückreicht, gesehen
worden. Der einzige Seefahrer, der Nowaja Semlja umsegelte, war
Willem Barent 1596, während die Russen unter L ü t k e vier Sommer
hinter einander (1821 — 24) nicht einmal Cap Nassau an der Nordseite
von Nowaja Semlja zu erreichen vermochten. Dieses Jahr nun war
61
Palliser 1 Grad nördlich vom Cap Nassau und sah vor sich eine
schiffbare See. Mit seinem norwegischen Dampfer, geführt von Capitän
Carlsen, hätte er die schönste Polarfahrt in nordöstlicher Richtung ans-
zoffihren vermocht, wenn nicht die Pflicht, eine schiffbrüchige Mann-
schaft zu bergen, ihn zur Rückkehr nach Russland genöthigt hätte.
Selbst dann noch gelang dem Capitän Carlsen eine nautisch unerhörte
Fahrt, nämlich durch die Matuschkin-Scheere in die Kara-See, den soge-
nannten Eiskeller des sibirischen Meeres, welche bisher immer von
Treibeis verstopft gefunden wurde. Hier wurde ein reicher Fang an
Walrossen, Seehunden und Eisbären gemacht. Palliser gelangte bis
zur weißen Insel und noch etwas höher, und war im Begriff in den
Obigolf einzulaufen, ein Plan, der jedoch wegen zu geringer Tiefe des
Meeres aufgegeben wurde. Die Rückfahrt geschah durch die Waigatsch-
Straße. Seit Jahrzehnten scheint ein so günstiger Sommer für die ^nord-
östliche Durchfahrt" nicht gewesen zu sein.
Diese Nachrichten sind ganz geeignet, die in dem letzten Heft
unserer Mittheilungen von dem k. k. Schifiislieutenant Herrn C. Wey-
precht ausgesprochenen Ansichten über den Plan der diesjährigen
deutschen Nordpolarexpedition zu bekräftigen; und leider müßen wir
befürchten, dass unsere deutschen Forscher, die, wenn sie das Meeres-
becken zwischen Spitzbergen und Nowaja Sem^a zum Ausgangspunct
ihrer Forschungen gemacht hätten, diese ungewöhnlich günstigen Eisver-
hältnisse vorgefunden hätten, in der Grönland-See um so ungünstigere Ver-
bältnisse getroffen haben. Seit August fehlt jede Nachricht von der deutschen
Nordpolexpedition. Im günstigen Falle haben die Schiffe die Küste von
Ostgrönland erreicht, und liegen jetzt eingefroren in einer Bucht an dieser
£uste, im ungünstigen Falle sind sie mitten in der Grönlandsee vom
Eise eingeschlossen, und müßen ihre Erlösung in Geduld abwarten.
"Wir wollen uns heute unserer Freunde im hohen Norden erinnern, deren
Gedanken in der langen Wintemacht oftmals nach der Heimat gerichtet
sein werden, zumal in einer Zeit, wo wir den Weihnachtsfreuden im
trauten Familien- und Freundeskreis entgegengehen.
Unter den oceanischen Fahrten ist auch zu erwähnen die Fahrt des
^Ligfatning^ in den nördlich von den britischen Inseln gelegenen Meeres-
regionen, welche durch die Untersuchungen Carpenter*s und Thomson^s
zu so interessanten Resultaten über das animalische Leben auf dem
Meeresgrunde geführt hat.
In den südlichen Meeren begegnen wir dem englischen
Capitän Mayne, der neue Aufnahmen in der Magellansstraße durch-
führte. Das wichtigste aber sind die Vorbereitungen, welche alle see-
fahrenden Nationen, Engländer, Russen, Nordamericaner und der nord-
62
deutsche Bund, bereits jetzt treffen, um antarctisclie Expeditionen für
Beobachtungen des Venusdurchgangs in den Jahren 1874 und 1882
auszurüsten. Damit rückt eine neue Epoche für antarctische Entdeckun-
gen und Forschungen näher und näher. Wir wollen uns aus dieser
Veranlassung erinnern, dass es im Juli d. J. gerade hundert Jahre waren,
seit der berühmte Capitän Cook seine zweite so erfolgreiche Reise um
die Erde antrat, und wir wollen wünschen, dass es den Bemühungen
des Herrn Dr. G. Neumayer, des verdienten vieljährigen Directors
des Observatoriums zu Melbourne, gelingen möge, dass auch Oesterreicli
sich an diesen wiciitigen Forschungen betheilige.
Auf die Continente übergehend, beginne ich mit Europa. Man
glaube ja nicht, dass es in diesem bekanntesten aller Welttheile nichts
mehr zu entdecken gebe. Wenn wir nur jene Länder als geographisch
wolbekannt betrachten, über welche topographische Aufnahmen existieren,
so brauche ich nur die Türkei zu nennen, um Tausende von Quadrat-
meilen zu bezeiclmen, welche im Detaile nur oberflächlicli oder fast
gar nicht bekannt sind. Nur nach und nach lichtet sich dieses Dunkel.
Einen sehr wertvollen Beitrag zur näheren Kenntnis dieser Länder
liefert die Reise durch die Gebiete des Drin und Wardar von J. G. v.
Hahn, die vor kurzem in den Denkschriften philos. bist. Classe der
k. Academie der Wissenschaften erschienen ist. Von höchster Wichtig-
keit aber werden die Resultate der neuesten umfassenden Explorationen
des Innern der Türkei aus Veranlassung der Vorarbeiten zum Bau der
türkischen Eisenbahn sein. Ich glaube sagen zu dürfen, dass nie zuvor
so umfassende topographische Studien in den weiten Ländergebieten der
europäischen Türkei gemacht wurden, wie in diesem Jahre, und Herr
Director Pressel, der diese Arbeiten im Auftrage des Herrn Bai'on
M. V. Hirsch ins Werk setzte und leitete, dessen glückliche Rückkehr
von seiner langen mühevollen Reise wir mit Freude begrüßt haben,
wird sich kein geringes allgemeines Verdienst erwerben, wenn er das
reiche topographische Material, das in seinen Händen sich befindet,
auch der geographischen Wissenschaft zugänglich macht.
Aber nicht bloß in halbcivilisierten Ländern, auch in den culti-
viertesten ergeben sich Veränderungen im Gharacter ganzer Gegenden.
Wie lange wird es dauern, so wird durch den Bau des großen hol-
ländischen Canals, der Amsterdam auf dem kürzesten Wege mit der
Nordsee verbindet, das Y von den Karten verschwunden sein, und wenn
die schon von Caesar beschlossene und nun neuerdings angeregte
Durchstechung des Isthmus von Corinth Thatsache wird , welche Ver-
änderungen wird sie im Gefolge haben?
Wir wissen ferner dass die großen topographischen Arbeiten in
G3
nefes Staaten v<hi Europa (Russland, Spanien, Portngal, Italien etc.)
noch nicht vollaidet sind and dass auch, wo dies der Fall ist, wieder
andere, eb^so omfassende ähnliche an ihre Stelle treten. So wird eine
geologische Karte von Frankreich in 256 Bl&ttern in Angriff genommen,
fOD einer von Ostpreußen in 41 Blättern liegen bereits die ersten i^ie-
fenmgen Tor. Bedenkt man, wie viel zur genauen Kenntnis eines
Landes gehört, so ergibt sich leicht, dass es selbst in den vorge-
schiitteDsten Staaten Europas noch genng zu forschen gibt, auch dort,
wo die Karten längst kein^ Lücken mehr zeigen.
In Asien bemahen sich die Russen von Norden, die Engländer
voo Soden her, das nur sehr oberflächlich bekannte Innere des Krd-
theüs zu erforschen. Zum politischen Rivalitätskampf hat sich der e^lle
Wetteifer auf dem Gebiete der Wissenschaft gesellt
Schon erfreuen uns russische Karten, Positions- und Hölienroes-
sBBgoi von Ost-Turkestan bis zum Thian- Schan, und ähnliche neue Auf-
schlfisBe werden uns die Karten geben, die wir von den eingeborueu
indischen Geodäten zu erwarten haben, durch welche Oberst Walker
die Hochebene Pamir, „das Dach der Welt^, begehen lässt Ueber
todere Reiaai in diesen Gegenden hat Herr Hermann Vämb^ry kürz-
lich interessante Daten mitgetheilt (in der Allgem. Zeitung). So ist ein
englischer Theepflanaer Mr. Shaw allerdings zunächst aus specdativen
Abaiefaten, um Thee nach dem von China abgesperrten Ost Turkestan
ti bringen, ins Innere dieses Landes eingedrungen und bei dem jetzigen
Herrscher, bei Jakab Kuschbegi aufs beste aufgenommen worden.
Ein zweiter Engländer Mr. Ha ward (oder Hayward) hielt sich
in derselbe Zeit in Kasgar auf. Dieser^ ist Geograph von Fach, der
isf Kosten der k. geogr. Gesellschaft in London die Reise unternommen
hat, und grofie Entdeckungen gemacht haben solL Mr. Haward hat
<bn Thäler entdeckt, wo unsere Karten Berge zeigen ; Kasgar soll früher
n 200 Meilen von seiner wirklichen Lage entfernt angegeben worden
ttiiL Er wird unsere Kenntnisse von dem südlichen Theil Ost-Turkestans
ußerordentlich berühren. Von seinen bisherigen Erfolgen nicht gesättigt^
ist Mr. Haward gesonnen, noch eine zweite Expedition zu unternehmen.
I^ soll über das Tsing-ling (Gebirge nach dem Plateau von Pamir und
den Oxns-QneUen ihre Richtung einschlagen, von wo aus dieser Geograph
über das russische Turkestan nach Europa zu gehen beabsichtigt Auch
öne russische Gesellschaft ist im Begriff, auf demselben Weg einen Ab-
s^^ nach Indien zu machen.
Im äußersten Norden, im Tschuktschenlande, ist die russische
Spedition unter Bar. Maydell thätig und insbesondere angewiesen,
Iber das von Laing entdeckte Polarland sichere Kunde einzuziehen.
64
Die Enidecknog reicher Kohlenfelder aaf der Halbinsel Mangischlak
ermöglicht die Dampfschiffahrt aaf dem Caspi- und Uralsee.
Der Thfttigkeit Baron Richthofen*s in China habe ich schon in
meinem letzten Jahresbericht Erwähnung gethan. Nach einer erfolg-
reichen Erforschung der Schichtgebirge am Yang-Tse-Kiang, hat dieser
nnermfidliche mathige Forscher sehr bedeutende Reisen im Innern von
China durchgeführt. ^Seit meinem letzten Briefe vom 26. Februar, schreibt
Richthofe n von Peking den 17. Aug. an Herrn von Hauer, bin ich fast
unabläßig gereist, davon fiber 2000 engl. M^es zu Lande. Von Shanghai
gieng ich zu Land nach der Provinz Shantung, deren gebirgigen Tlieil
ich im M&rz und April von Süd nach Nord und von West nach Ost
durchstreifte. Nach kurzem Aufenthalt an dem Hafenplatz Chi-fu setzte
ich nach Niu-chwang am Ausfluss des Liav-Flusses Ober, besuchte die
Westküste von Liav-Tung, dann die SO.-Küste bis zur Grenze von
Korea, reiste dieser entlang gegen Norden, und kam bei Mukden, der
alten Hauptstadt der Mantschurei, wieder in die Ebene. Von dort wandte
ich mich westlich, reiste entlang der Grenze der Mongolei, passierte die
große Mauer bei Shan-hai-Kan und fahr entlang den Südabfällen
der mongolischen Gebirge nach Peking. Seit meiner Ankunft habe ich
auch die Gebirge in den Umgebungen dieser Stadt kennen gelernt.^
Diese Reise würde sich einer Tour von Siebenbürgen über die Kar-
paten und Alpen nach den Pyrenäen vergleichen lassen. Sie gibt uns die
ersten sichern Nachrichten von der ungeheuren Ausdehnung paläozoischer
und vorpaläozoischer Gebilde in diesen Theilen von China, während alle
jüngeren Formationen zu fehlen scheinen.
Ueber die Reise des britischen Consuls Alabaster von Tschi-fu
nach Tsching- Kiang-fu im Sommer 1868, sowie über J. Markham*s
Reise durch die Provinz Shan-tung im Jahre 1869, hat das letzte
Heft der Petermann'schen Mittheilungen Berichte gebracht.
In Palästina schreiten die Aufnahmen des Capitän Wilson
bestens vor und kann nächstens ein neuer Plan von Jerusalems Umge-
bung der Gesellschaft zur Ansicht vorgelegt werden. Ueber Hoch- Armenien
hat der türkische Oberst Strecker eingehende Berichte veröffentlicht.
Ueber den Malaischen Archipel hat Wallace ein epochemachendes
Reisewerk *) erscheinen lassen, auf das wir jeden Freund der Naturkunde
und der Geographie aufmerksam machen. Auch das großartige Unter-
•) Von diesem Werke ist auch eine autorisierte deutsche Ausgabe er-
schienen. „Der Malayscbe Archipel, die Heimat des Orang - ütan und des
Paradiesvogels**, übersetzt von A. B. Mayer, Braunschweig 1869. 2 Bände
mit 51 Original-lllnstrationen und 9 Karten.
63
vielen Staaten von Europa (Rassland, Spanien, Portugal, Italien etc.)
noch nicht vollendet sind und dass auch, wo dies der Fall ist, wieder
andere, ebenso umfassende ähnliche an ihre Stelle treten. So wird eine
geologische Karte von Frankreich in 2Ö6 Blättern in Angriff genommen,
von einer von Ostpreußen in 41 Blättern liegen bereits die ersten Lie-
ferangen vor. Bedenkt man, wie viel zur genauen Kenntnis eines
Landes gehdrt, so ergibt sich leicht, dass es selbst in den vorge-
schrittensten Staaten Europas noch genug zu forschen gibt, auch dort,
wo die Karten längst keincL Lücken mehr zeigen.
In Asien bemflhen sich die Bussen von Norden, die Engländer
von Sfiden hör, das nur sehr oberflächlich bekannte Innere des Erd-
theils zu erforschen. Zum politischen Rivalitätskampf hat sich der edle
Wetteifer auf dem Gebiete der Wissenschaft gesellt
Schon erfreuen uns russische Karten, Positions- und Höhenmes-
songen von Ost-Turkestan bis zum Thian- Schan, und ähnliche neue Auf-
schlüsse werden uns die Karten geben, die wir von den eingeborneu
indischen Geodäten zu erwarten haben, durch welche Oberst Walker
die Hochebene Pamir, „das Dach der Welt", begehen lässt. lieber
andere Reisen in diesen Gegenden hat Herr Hermann Yämb^ry kürz-
lich interessante Daten mitgetheilt (in der AUgem. Zeitung). So ist ein
englischer Theepflanzer Mr. Shaw allerdings zunächst aus speculativen
Absichten, um Theo nach dem von China abgesperrten Ost Turkestan
SU bringen, ins Innere dieses Landes eingedrungen und bei dem jetzigen
Herrscher, bei Jaknb Kuschbegi aufs beste aufgenommen worden.
Ein zweiter Engländer Mr. Ha ward (oder Hayward) hielt sich
m derselben Zeit in Kasgar auf. Dieser^ ist Geograph von Fach, der
aaf Kosten der k. geogr. Gesellschaft in London die Reise unternommen
hat, und grofie Entdeckungen gemacht haben soll. Mr. Haward hat.
dort Thäler entdeckt, wo unsere Karten Berge zeigen ; Kasgar soll früher
am 200 Meilen von seiner wirklichen Lage entfernt angegeben worden
sein. Elr wird unsere Kenntnisse von dem südlichen Theil Ost-Turkestans
anfierordentlich berühren. Von seinen bisherigen Erfolgen nicht gesättigt,
ist Mr. Haward gesonnen, noch eine zweite Expedition zu unternehmen.
Diese aoU Ober das Tsing-ling Gebirge nach dem Plateau von Pamir und
den OxQs-Quellen ihre Richtung einschlagen, von wo aus dieser Geograph
aber das rassische Turkestan nach Europa zu gehen beabsichtigt Auch
eine russische Gesellschaft ist im Begriff, auf demselben Weg einen Ab-
stecher nach Indien zu machen.
Im äußersten Norden, im Tschuktschenlande, ist die russische
ii^pedition unter Bar. May d eil thätig und insbesondere angewiesen,
aber das von Laing entdeckte Polarland sichere Kunde einzuziehen.
66
die durch Flüsse mit einander verbanden sind. Livingstone yermnthet
hier die südlichsten Quellen des Nil. Allein diese Ycrmiithimg bleibt
so lange Hypothese, als nicht die Verbindung dieser Seen mit dem Tanga-
nyika, und dieses mit dem von Baker entdeckten Albert Nyanza nach-
gewiesen ist WSre dies der Fall, so würde die alte Geographie von
Ptolemans bestätigt werden, der das südliche Ende des Nilbeckens
in die von Livingstone durchreisten Gegenden verlegte. Im Mai 1869
war Livingstone in Udschi dschi am Ostufer des Tangany ika.
Ueber das Nilgebiet und die Küstenländer des rothen Meeres
hat Th. V. Heugliu eine zoogeographische Skizze gegeben.
Der durch seine Forschungen in den Nilländem längst wohlbe-
kannte Dr. Schwein für t ist auf dem weifien Flusse, so weit die Nach-
richten gehen, bis Fazokel gekommen. Ueber Abyssinien haben uns die
Berichte und kartographischen Aufnahmen der englischen Expedition
neue Aufschlüsse gebracht. Dr. Brenner beendete sein Werk über die
Reise des Barons van der Decken und rüstet sich zu einer neuen Reise
nach Zanzibar, wo er auch Oesterreichs Handelsinteressen zu vertreten
gedenlrt.
In Südafr i ca hat Manch seine dritte Reise vom Potschefstrom bis
zum Reiche des mittlerweile verstorbenen Häuptlings Motselekatse vollendet,
deren wichtige Resultate Dr. Petermann bereits zu einer neuen Aus-
gabe der Karte von Südafrica im Stieler*schen Atlas benützt hat.
Gegenwärtig reist Manch am Yaal River in der Gegend, wo die neuen
vielversprechenden südafricanischen Diamantfelder *) entdeckt wurden. Die
von Mauch früher aufgefundenen Goldfelder untersuchte eine englische
Expedition unter Ba ine's Leitung. Die Nachrichten von diesen Gold-
feldern lauten immer günstiger. In derselben Region finden wir C. Mohr
mit astronomischen Instrumenten thätig, um durch feste Positionen
die Karten jener Gegenden richtig zu stellen; sowie eine deutsche von
Hamburg aus organisierte Expedition, der sich eines unserer jtüagsten
Mitglieder Herr C. L. Griesbach angeschlossen hat, und von der wir
die ersteh Nachrichten mit Spannung erwarten. Hieher gehört auch die
Erwähnung der Entdeckung der Mündung des Limpopo durch Erski n e.
Unserer Kenntnis vom Mündungsgebiete des Gabum und Ogowany
in Westafrica wird durch die Bemtlhungen der Franzosen zusehends
erweitert und über manche einzelne Stämme, die in Guineara und sttdlich
davon wohnen, eriiaiten wir durch die Missionen Nachrichten. Viel ver-
sprechend ist auch die Reise des Mr. Winwood Read, der von
*) Die Diamanten-Aasbeute im südlichen Theile der Transvaal-Republik
des Vaal-Flusses, soll bereits einen Wert von mehr als 100.000 Pfund Ster-
ling haben.
67
Sierra Leone in Westafrica nach den Quellen des Niger gieng und im
Angast d. J. die Stadt Farabana am oberen Niger erreichte, eine bisher
gftnzlich anbekannte Sf|idt von 10.000 Einwohnern.
Unter den Reisenden in Nordafrica müßen wir vor allen des
mnthigen Dr. Rohlfs gedenken, dessen Reise durch Cyrenaika nach
Aegn>^CQ wir Messungen der lang ausgedehnten Depressionen der Oasen
verdanken, die zwar nicht so bedeutend wie jene des Sees Assal im
Lande der Somaulis sind, doch aber 100 bis 140 Fuß betragen. Dr.
Nacfatigal, der Geschenke des Königs von Preussen an den Sultan
von Bornu zu fiberbringen hat, konnte bei den Tibbu-Reschade-Bewoh-
ner von Tibesti mit genauer Noth sein Leben retten. Er war einen
Monat hindurch (August) in Barday gefangen und entzog sich durch
nichtliehe Flucht dem sicheren Tode. „Nach grausamen Leiden und
qualvollen Gefahren bin ich, schreibt er selbst, halbnackt und ausge-
hungert wieder in Mursuk angekommen.^
Die etwas abenteuerliche Reise des Fräuleins Alex. Tinne hat das
durch Rohlfs derselben {Prophezeite Ende gefunden, indem ,,die Tochter
des Sultans'*, me die Eingebomen sie nannten, in Fezzan der Raublust
der Toareg's zum Opfer fiel. Ihr Tod ist nicht bloß zu bedauern, weil
er uns eine hochherzige Freundin der Wissenschaft raubte, sondern auch,
weil gerade diese Straße nach Bornu außer dem unglücklichen
Dr. Carl Vogel, der in Wadai durch fanatischen Fremdenhaß seinen
Tod fand, noch kein Botaniker betrat. Fräulein Tinne aber, die der
Botanik leidenschaftlich ergeben war, würde reiche Sammlungen zurück-
gebracht haben, und hatte es o£fenbar darauf abgesehen, da von den
70 Kameelen der Caravane eine gute Anzahl Ballen von Fließpapier fiür
die Herbarien trugen. — Betrachten wir Airica im ganzen, so sind
wir dem unbekannten Kerne kaum näher gerückt, und wenn wir vom
Lande der Niam-Niam durch Piaggia, Poncet u. a. nicht Notizen erhalten
hatten, v^rde der weiße Nil noch immer die Gränze unseres Wissens
sein. Erwahren sich Livingstone's angekündigte Entdeckungen, so werden
die Karten von Süden hinauf ein gutes Stück wol vorrücken, jedoch
erst dann angenäherte Richtigkeit erhalten können, wenn hinreichende
feste Anhaltspuncte vorhanden sind, um die kartographische Ausbeute
daran zu knüpfen.
In Nord-America ist das für den Weltverkehr wichtigste
Ereignis die Vollendung der Pacific-Eisenbahn, auf welcher man
3300 englische Meilen in 7 Tagen zurücklegt, um von einem Ocean zum
andern zu gelangen. Sie verbindet St. Francisco mit New-York und über-
steigt drei (jebirgss&ttel, wovon jener am Evanspaß über 8200 Fuß hoch
ist Bald werden sich auf dieser Strecke volksreiche Orte gebildet
5*
68
haben, wo vor Jahren nicht eine Ansiedlang gesehen wnrde. Das gfln-
sdge Fortschreiten der Theecnltnr in Tenessee kann nur erfreulich
sein, da yielleicht anch in andern Staaten der Union der Boden daza
geeignet sein dflrfte. Im britischen Nord-An^erica wird die Auf-
hebung des hundertjährigen Privilegiums der Hndsonsbai-Com-
pagnie*) beitragen, ausgedehnte fruchtbare Ländereien an den beiden
Susquehanna und am rothen Fluße der Oultur zu erschließen, lieber
die große Yancouver Insel hat Rob. Brown ausführliche Mitthei-
lungen und eine Karte geliefert und Aber das fflr 7^8 Millionen Dollar
von Russland an die vereinigten Staaten abgetretene Alaska bringt
Petermann im letzten Hefte seiner Mittheilungen eine Karte nach
den neuesten Vermessungen der Unionsofficiere, sowie eine Berechnung
des Flächeninhaltes von Fr. Hanemann, die 27415 deutsche Quadrat-
meilen ergibt.
Durch Dr. Frantzius erfahren wir, wie unvollkommen noch
unsere Kenntnisse vom Staate Costarica sind, und Qber Mexico beruht
die neuerliche Erweiterung unseres Wissens nur auf der nachträglichen
Ausbeute aus den ¥rissenschaftlichen Ergebnissen der französischen
Expedition.
Sfld-America, nach unsem gewöhnlichen Karten ein scheinbar
vollkommen bekannter Erdtheil, bietet noch genug Stoff zur Exploration
und wenn es auch nicht völlig leere Stellen zeigt, wie das Innere von
Africa, so ist es doch an vielen Stellen so unvollkommen erforscht, dass
die umrisse auf unseren Karten verschoben werden mOßen, so oft
irgendwo im Innern genauere Bestimmungen von Ortslagen gemacht
werden. In diesem Erdtheile ist es die Masse der Entdeckungen im
Kleinen, Richtigstellung einzelner Flflßläufe, Aufnahme einzelner Districte,
Höhenmessungen u. s. w., welche das Materiale zur Vervollständigung
des Bildes liefern. Wir verdanken James Orton barometrische Höhen-
messungen aus der Kette des Andes und dem Amazonenthaie, Chand-
less die Erforschung am Jurua, dem Chev. Durand Nachrichten Aber
die Siera de Capaca in Brasilien etc. Eisenbahnen haben sich von jeher
als Pioniere der Landeserforschung erprobt, so auch in Sfid-America.
*) Diese Handelsgesellschaft erhielt ihr erstes Privilegium 1669 von König
Carl n. und hat also 200 Jahre lang bestanden. Sie bekommt 300.000 Pfand
Sterling haar als Entschädigung, behält ihre Handelsposten und das liegende
und fahrende Eigenthum in denselben und obendrein bleiben ihr beträchtliche
Strecken von Grund und Boden. Aber das ungeheuere Gebiet, welches von
den großen Binnenseen bis zur Nordküste America's reicht, ist an Canada über-
gegangen und wird bis auf weiteres ein Territorium dieses unter britischer
Oberhoheit stehenden Staates bilden.
69
Vff wArden Aber die Höhenlage im Innern der argentinischen
fiepoblik kaum noch etwas erfahren haben, wenn nicht die Nivelle-
■eots für eine Bahn zwischen Cordoba nnd Jnjisi nöthig geworden
Hm. Nicht minder wirkt die Entdeckung nener Fandorte edler Metalle
MerlJch fOr Landeskenntnis, nnd so wird die Spar frischer Goldfelder
fli Osten Yon Bolivia beitragen, über diese wenig bekannten Theile
geflanere Karten zu erhalten. Und wie die Expedition Agassi z*s Aber
da Amazonenstrom ans nenes Licht and eine richtigere Configaration
verschafft hat, so wird die brasilische Expedition zn den Fällen des
Madeira, die ein Canal omgehen soll, ans über diesen Hanptzafluß des
Maranon neae Daten bringen.
Aaf dem Continente Aastralien muß noch anendlich viel
leKhehen, bis wir von einer halbwegs genügenden Kenntnis des Innern
sprechen können. Trotz aller Beisen sind ans nar Streifen Landes be-
lauiDt, die quer durch das einförmige Festland sich erstrecken und die
ganze westliche Hftlfte des Gontinentes ist im Innern noch völlig unbe-
tannt. Monge r*s Reise in West- Aastralien , Goyder's in Nord-
Aostralien, CadelTs in Süd-Australien haben unsere Kenntnisse nur
wenig erweitert und die neue Expediten, die unter Mr. Forresfs
Ffihrung von Perth in nordöstlicher Richtung in das Innere eindrang,
flm noch einmal Leichhard's Spuren aufzusuchen, ist gleichfalls zu-
rflckgekehrt, ohne diesen Zweck erreicht zu haben. Aber schon wieder
erlftsst der unermüdliche Dr. Ferd. von Müller einen neuen Aufruf zu
einer Expedition, welche die gftnzlich unbekannten Strecken zwischen den
Qnellen des Murchison im Westen und dem Golf von Carpentaria im
Xitfden untersuchen soll.
Unterdessen schreitet die Colonisation unaufhaltsam vorw&rts. Die
Districte am Golf von Carpentaria in Nord- Australien wurden erst
Tor drei Jahren von den Yiehzüchtem an den Quellen des Flinders auf-
genommen; jetzt erstrecken sich die Schaf- und Rindviehherden von
dem Lynd und den Ufern des Golfes bis an die Quellen des Cloncurry
und des Gregory und in das südaustralische Nord-Territorium. Die
blühenden Anfänge von drei Städten sind schon gelegt, auf Sweers Island
am unteren Lauf des Albert und an der Mündung des Norman. Eine
Niederlassung soll jetzt am Gilbert gegründet werden. Nach Aussagen
des aifötralischen Geologen W. B. Clark e lassen die Hochebenen und
Gebirge an den Quellen des Cloncurr}% Flinders, Gilbert, Burdekin u. s. w.
auf außerordentlichen Metallreichthum, besonders auf Kupfer und Gold
schließen. Am Cloncurry ist eine Kupfermine entdeckt und in Angriff
genommen, die an M&chtigkeit und Reinheit des Erzes alles bisher in
Australien vorgekommene übertreffen solle.
70
Am Cape River wird der wahrscheinlich südöstliche Auslftofef
der Goldlager jener Gegend gegenwärtig von 1500 Diggem bearbeitet
In Nordost-Australien (Queensland) versprechen die Anstren-
gungen, die im Anbau tropischer Producte gemacht werden, die gün-
stigsten Ergebnisse.
Auf den Fidschi-Inseln sehen wir Engl&nder und Amencaner
festen Fuß fassen, und 200000 Acres im vertragsmässigen Besitze der
Polynesian Company. Die Unionsstaaten streben Brook*s - Island zur
Mittelstation der Dampfer zu machen, die zwischen Californien und China
verkehren, ähnlich wie die Franzosen Oparo occupierten, um im Süden
einen Anhaltspunct zu haben.
Die Sandwich-Inseln werden ihrem Schicksal, von den Ver-
einigten Staaten annectiert zu werden, kaum entgehen, lieber diese
Inseln hat uns unser geehrtes Mitglied Herr Dr. J. Bechtinger
in einem schön ausgestatteten Bande*) eine Reihe höchst anziehender,
lebendig geschriebener Schilderungen gegeben, auf welche ich Sie um
so mehr aufmerksam zu machen die angenehme Pflicht habe, weil der
Verfasser das Werk den Mitgliedern der k. k. geographischen Gesell-
schaft gewidmet hat. £s sei mir gestattet dem verdienten Verfasser da-
für den wärmsten Dank der Gesellschaft auszusprechen.
Von Neu-Seeland erwähne ich das Erscheinen des ersten Ban-
des der Transactions und Proceedings des New-Zealand-Institute is
Wellington im Mai dieses Jahres. Der mannigfaltige und reiche Inhalt
dieses Bandes, der uns so viel Neues über die Geographie, Geologie
und Naturgeschichte Nen-Seelands bringt, und auf den ich bei anderer
Gelegenheit zurückkommen werde, beweist uns, wie rasch in Neu - See>
land wissenschaftliche Bestrebungen Boden gewonnen haben, und be-
rechtigt zu den schönsten Erwartungen.
Im Norden der Nord-Insel in der Provinz Auckland ergeben
die Themse-Goldfelder so überraschende Resultate, dass man wol sagen
darf, die Goldquarzgänge, die hier ausgebeutet werden, gehören xa
den reichsten Goldlagerstücken, die man überhaupt kennt Die Stadt
Shortland, die Hauptstadt des Golddistrictes, geht in Folge dessen
einer glänzenden Zukunft entgegen. Ende 1868 betrug die Bevölke-
rung im Shortland-District 18,000 Seelen , 1200 Bergwerkslicenzen
„Claims^ waren genommen , 27 Pochmaschinen im Gange , und das
Erträgnis wird fQr einen Zeitraum von 17 Monaten auf zwei
*) Dr. J. Bechtinger, ein Jahr auf den Sandwich-Inseln, Land, Leute,
Sitten, und Gebräuche, Import, Export, climatische Verhältnisse, Krankheiten
u. B. w. Wien 1869.
71
Golden berechnet. Man schreibt nur, dass Leute, welche 30
bis 40 Pfnnd Sterling auf diesem Goldfeld aasgelegt haben, in ein-
lebien Fällen 50,000 Pfand Sterling gewonnen haben. Das Gold
kommt in Qoarzgftngen vor, die theÜB im Trachyttaff, theils in
paUozoischem Thonschiefer aaftreten.
Wo man so riesige Fortschritte in allen Theilen der Sfldsee
wahrnimmt, da kann man sich mit Recht wundern, dass es dennoch
in diesem Meere noch ein großes Land gibt, and zahlreiche schöne
Inaehi, die fast unbeachtet heute noch ein jungfräulicher Boden sind
Ar die forschende Wissenschaft, wie fflr die erobernde Colonisation,
ich meine den Papuanischen ArchipeL
Durch ,,deut8che Rufe von den Antipoden" , welche Peter-
H a n n in seinen Mittheilungen veröffentlicht hat, soll die Aufmerk-
samkeit Deutschlands auf Neu-Guinea mit seinem Xnselkranz
gerichtet werden, als das einzige größere Land der Erde, das
noch frei ist fflr die Besitznahme, noch frei fflr europäische
Gdonisation. Wol mag das noch so wenig bekannte Neu-Guinea, ein
Land zweimal so groß als Norddeutschland, ein großes prächtiges
mid firuchtbares Land sein, reich an denjenigen Producten , die Ost-
indien zu dem wertvollsten Besitzthum gemacht haben , wol hat
sich der deutsche Auswanderer in allen Gegenden der Erde als der
beste Colonist bewährt und wol möchten wir wflnschen, dass es der
deutschen Nation nicht gehe, wie dem Poeten bei der „Yertheilung
der Welt^. Aber wo solche Fragen auftauchen, da fflblt jeder Deutsche
nur mit erneuertem Schmerz , dass das Band, welches die ganze
Nadoo umschlang, gewaltsam zerrissen ist Neu-Guinea mit seinem
schönen Inselkranz ist eine geographische terra incognita, auf der
gewiss noch mancher deutsche Forscher sich Lorbeern erringen wird ; aber
em Nea-Deutschland dort entstehen zu sehen, das zu. hoffen sind wir
n wenig Sanguiniker.
Bericht des orientalischen Comitto der geographischen fiesellschafl.
Ueber einen in der November-Sitzung des vergangenen Jahres vom
zweiten Yice-Präsidenten Freiherm von H eifert gestellten Antrag, den
Zuständen und Verhältnissen der Gebiete des illyrischen Dreiecks eine
regelmäßige Aufmerksamkeit zuzuwenden, wurde von Ihrem Ausschusse
beschlossen, die nähere Prflfuug und Formulierung dieses Antrages zu-
vörderst einen aus dem Antragsteller und den Mitgliedern des Ausschusses
72
Regienmgsrath Ritter von Hauer und F. Kanitz zasammengesetsten
Comit^ anheimzngeben. Die vom letzteren vereinbarten und in weiterer
Folge Ton dem Ansschnsse genehmigten Vorschläge znr Erreichung des
erwähnten Zieles bezogen sich im wesentlichen darauf:
1. Dass aus dem Schöße der k. k. geographischen GreseUschaft
ein beständiges Comit6 niedergesetzt werde, welchem jedoch bleibend
auch solche Personen beigezogen werden, die derzeit der genannten Ge-
sellschaft nicht angehören, von denen sich jedoch erwarten lässt, dass
sie sich ftür den vorgesteckten Zweck interessieren und zur Erreichung
desselben behilflich sein könnten. Dem derart zusammengesetzten Comit^
wäre es flbrigens anheimzustellen, vorabergehend auch solche Persönlich-
keiten, sei es aus dem Schöße der GeseUschaft, sei es außerhalb der-
selben beizuziehen , von denen das Comit^ flir einen bestimmten
Zweck! oder in einer bestimmten Frage eine Förderung seiner Thätig-
keit hoffen darf.
2. Die Thätigkeit dieses zunächst zur Erforschung der untern
Donau-Gebiete und des croatisch- dalmatinischen Hinterlandes niederge-
setzten (orientalischen) Comit^s hätte vorzugsweise im folgenden zu
bestehen:
a) Möglichst viele Materialien fttr die Kenntnis der Länder und
Völker, der Verhältnisse und Zustände unserer südöstlichen Nachbar-
schaft zu sammeln, zu diesem Behufe die einschlägige Literatur mit
Aufmerksamkeit zu verfolgen, neue Erfahrungen und Erforschungen auf
diesem Gebiete zu registrieren, die daraus resultierenden Beziehungen
zu den Ländern und Völkern unserer Monarchie klar zu stellen und
namentlich die Lftcken wahrzunehmen, welche durch die biidier ge-
wonnenen Hilfsmittel nicht hinreichend ausgefüllt sind.
b) Sich zu diesem Zwecke mit Persönlichkeiten in Verbindung und
lebendigen Verkehr zu setzen, die in jenen Ländern stationiert sind und
bei denen sich nicht bloß die Kenntnis und Erfahrung, sondern auch
die Neigung voraussetzen lässt, der geographischen Gesellschaft in
der angegebenen Richtung behUflich zu sein, derselben die gewOnschten
Materialien zu liefern, von ihr gestellte Fragen zu beantworten, erbetene
Auskaufte zu ertheilen u. s. w.
c) In jenen (Gebieten, die sich in einer oder der andern Hinsicht
als noch nicht hinreichend durchforscht darstellen, wissenschaftliche
Reisen zu veranlassen oder zu unterstützen, die von dem betreffenden
Reisenden gewonnenen Resultate zu publicieren oder sonst ffir deren
Verwertung förderlich zu sein.
d) Solche Persönlichkeiten, welche die Eignung und den Willen
haben, die Zustände und Verhältnisse unserer südöstlichen Nachbar-
73
linder zum Gegenstände ihres Stndinms zu machen, mit Rath und
That zn unterstützen, ihnen die der geographischen Gesellschaft zur
Verfftgnng stehenden Materialien zag&ngig zn machen, literarische nnd
inderweitige Hilfsmittel zn verschaffen n. s. w.
Nachdem sich anf Gmnd dieser Bestimmungen das vorläufig aus den
Gesellschafts- beziehungsweise Ausschuss- Mitgliedern Dr. Ami Boue,
Hofrath Dr. Adolf Ficker, Sectionsrath Ritter v. Hauer, F.Kanitz
Sectionsrath J. R. Lorenz, Professor Plecha^ek , Professor Polak,
kaiserlicher Rath Anton Steinhäuser und dem Unterzeichneten be-
stehende Comit6 constituiert hatte, wurden die ersten Einleitungen ge-
troffen, um dessen Thfttigkeit zu eröffnen.
Anf die an mehrere in den sfldöstlichen Nachbarländern Oesterreichs
oder in deren Nähe ans&ssige Persönlichkeiten ergangenen Einladungen
erklärten sich folgende Herren in der freundlichsten Weise bereit,
die Abeichten der geographischen Gesellschaft nach Kräften zu unter-
stützen : Franz Bubenik, k. k. Vice-Consul in Rustschuk, Stanislau
Dragan^ic Edler v. Drachenfeld, k. k. Hauptmann und Consular-
Agent in Banyaluka, Wladimir Jakschitsch, Chef der ämtlichen
Statistik im Fflrstenthum Serbien, Julius v. Jaxa-Dembicki, k. k.
Oberlieutenant und Consular-Agent in Livno, Johann Omchikus, k. k.
Mi^or und Consular-Agent in Befcka (Bosnien), Johann Röskiewicz,
k. k. Oberstlieutnant im Generalstabe in Hatzeg, Carl Sax, k. k.
Vice-Consul in Serajevo, M. Dr. Yalenta, Director des Krankenhauses
in Belgrad.
Gleichzeitig wurde an das k. k. Ministerium des Aeußern die Bitte
gestellt, die Zwecke der geographischen Gesellschaft durch Anempfehlung
bei den General-Consulaten, Consulaten und Agentschaften, namentlich
im Orient geneigtest zu unterstützen, welchem Ansuchen von Seite der
genannten hohen Centralstelle im vollen Umfange entsprochen wurde.
Von dem Zeitpuncte der Constituierung des orientalischen Comit^'s an
hat der Wechselverkehr zwischen demselben und den in Beziehungen zu
dem Comit^ getretenen Persönlichkeiten keinen Augenblick geruht und
schon unsere „ Mittheilungen ^ in dem zu Ende gehenden Jahre haben als
erste Frucht dieses Wechselverkehrs einen höchst wertvollen Aufsatz: .Die
geographischen Verhältnisse von Bulgarien betreffend"^ aus der Feder des
Herrn k. k. Vice-Consuls Sax gebracht. Mehrere andere nicht minder
I
wertvolle, zum Theil mit kartographischen und tabellarischen Beilagen
versehene Manuscripte liegen zum Druck bereit, andere sind für die
nächste Zukunft in Aussicht gestellt.
In der jüngsten Zeit hat das orientalische Comit^ auf Antrag
meines Mitgliedes Dr. Ami Bou^ eine Angelegenheit ins Auge gefasst,
74
deren mehrseitige Wichtigkeit and Bedeutimg von niemanden, der eich
in irgend einer Weise mit orientalischen Interessen za beschäftigen hat,
verkannt werden dflrfte. Es ist dies eine Zosammenstellong der ver-
schiedensprachigen Nomenclatur einer nnd derselben topographischen
Oertlichkeit in der eorop&ischen Türkei, eine Zusammenstellimg, die
am so erwünschter erscheinen maß, als die türkische, slavische, ram&-
nische, griechische, albanesische Bezeichnong einer nnd derselben Stadt,
desselben Fleckens, Dorfes etc. mitunter in geradezu unkennbarer Weise
von einander differieren, daher den hieraus möglicherweise entspringenden
Misverst&ndnissen nur durch eine zweckmäßig eingerichtete Synonimik
der angegebenen Art gründlich vorgebeugt werden kann. Allerdings ist
die Aufgabe, welche sich das Comit^ in dieser Richtung gestellt hat,
bei dem Um&ng des geographischen Gebietes, worauf sie sich bezieht,
eine solche, die nicht auf einen Schlag und in kurzer Zeit gelöst wer-
den kann. Allein das Comit4 hat geglaubt jedenfalls einen Anfang
machen zu müßen und sich vorläufig an seine in den türkischen
Nachbar-Provinzen befindlichen (Korrespondenten mit der Bitte gewandt
in dem ihnen zugänglichen Umkreise oder bei Oelegenheit von Ausflügen
und Reisen in andere Gegenden diesbezügliche Daten zu sammeln und
einzusenden.
Wien, am 13. December 1869. J. A. Freiherr von Belfert,
Obmann des Comit^'s.
k
Bericht
über den Zustand der Finanzen der Gesellschaft.
Hochgeehrte Versammlung! In dem heute endigenden Gesellschafts-
jahr 1868/9 stellen sich Einnahme und Ausgabe folgendermaßen:
Einnahme.
Cassarest vom vorigen Jahre fl. 153423^
(darunter 1100 fi. 5% Staatsschuldverschreibungen ö. W.)
Geschenk Sr. Majestät des Kaisers « 100
Geschenke von Mitgliedem des AUerh. Kaiserhauses . . „ 170
Von Herrn A. Artaria erhaltenes Darlehen „ 676.15
Erlös aus dem Verkaufe der Schriften der Gesellschaft . . ^ 114.88
Zinsen von 1100 fl. Obligationen und aus der zeitweiligen
Anlage des Bargeldes in n. ö. Escomptecassenscheinen „ 57.76
Portovergütung durch die Mitglieder „ 289.12
Jahresbeiträge der Mitglieder „ 3140.65
Zusammen 7tL 6082.79^
75
Samme der Einnahmen fl. 6082.79^
Ausgabe.
Beeoidnng des Scriptors fl. 199.92
Diener « 158.50
Neigafargelder ... . / f, 34
Bochbinder-Conto » 26
Fftr eine Heizvorrichtimg in der Bibliothek . „ 37.45
Beitrag zum Grabstein des Br. Theodor Kotschy „ 20
Begieauslagen mit Inbegriff des Porto nnd der
Zahlung an die k. k. Acad. d. Wissensch.
fQr Gas, Reinigung der Localit&ten etc. etc. „ 597.78
FOr Ausfertigung der Diplome ^ 125.75
Druck der Mittheilungen und der Separatab-
drflcke daraus „ 1401.25
Zahlung von Schulden, und zwar:
a) des Bestes der alten aus der Zeit vor 1868
herrührenden Schuld an die Budidruckerei
F. B. Geitier „ 799.60
b)an dieselbe Buchdmckerei fttr das 1869
ausgegebene Jahrbuch fftr 1866 und 1867 „ 788.95
c) Theilrflckzahlung des von Herrn A. Artaria
erhaltenen Darlehens an denselben . . . „ 376.15
Zusammen . . fl. 4565.35
Es erftbngt darnach ein Cassarest von „ 1517.44|
bestehend in 1100 fl. in 5% Staatsschuldverschreibungen ö. W.
100 fl. in einem n. 6. Escomptecassenscheine
und 317 fl. 44^ kr. in Barem
Zusammen obige 1517 fl. 44^ kr.
Zu diesen Daten erlaube ich mir, um den geehrten Mitgliedern
einen klaren Einblick in die diesjährige Geldgebahrung und in den Ver-
m6gensstand der Gesellschaft zu verschaffen, einige Posten, sowol der
Einnahme als der Ausgabe, n&her zu erl&utem.
Bei der SiBJiahBe hat die Post Jahresbeiträge der Mit-
glieder die bedeutende Höhe von 3140 fl. 65 kr. dadurch erreicht, dass
nidit bloß 464 Beiträge für das heute ablaufende Gesellschaftsjahr 1868/9
bezahlt worden sind, sondern dass auch die Eintreibung der Rückstände aus
dem vorigen Gesellschaftsjahre 1867/8, dann aus den Jahren 1866/7 und
1865/6 nach jenem Vorgänge, welchen ich im vorigjährigen Finanzberichte
darzulegen die Ehre hatte, einen sehr günstigen Erfolg gehabt hat.
Es sind n&mlidi aus 1867/8 52, ans 1866/7 33 und aus 1865/6 31
Beiträge auf diese Weise aus Anlass der im Frühjahr 1869 stattgefondenen
76
Hinausgabe des verspäteten Jahrbuches fQr 1866 and 1867 eing&nglich
geworden, also aus jedem der drei Jahre mehr als im erwähnten Finanz-
berichte als eingänglich angenommen worden waren. Dies Resultat ist
der Nachsicht unserer Mitglieder and ihrem Interesse an der Sache za
danken, welche sie bestimmten, sich der Unannehmlichkeit der Zahlung
von zwei oder drei Jahresbeiträgen im Laufe dieses einen Jahres an-
standslos zu unterziehen.
Die Post „Von Herrn A. Artaria erhaltenes Darlehen^
findet ihre Erklärung darin, dass Herr August Artaria, um es der Ge-
sellschaft zu ermöglichen, die Schulden an die Oeitler'sche Buchhandlung,
wovon der erwähnte vorigjährige Finanzbericht ausfohrlicher gesprochen
hat, gänzlich abzuzahlen, ohne zum Verkaufe der 1100 fl. Obligationen
schreiten zu müßen, in grofimflthiger Weise den Betrag von 676 fl. 15 kr.
der Gesellschaftsleitung als ein unverzinsliches Darleihen fibergeben hat.
Was die Aitgabs|posteB betrifft, so gestatte ich mir zuerst die
Posten „Regieauslagen^ und für „Ausfertigung der Diplome"^
zusammen hervorzuheben.
Ueber Antrag des Herrn Generalsecretärs und des Herrn Sections-
chefs Ritter von Streffleur hat der Ausschuss beschlossen, den k. k.
Schulen und Truppenkörpem, welche der Gesellschaft als Mitglieder bei-
treten wflrden, ein Exemplar der sämmtlichen älteren Jahrgänge der
Gesellschaftsschriften, soweit dies der vorhandene Vorrath davon gestattet,
unentgeltlich zu überlassen und an die k. k. Ministerien des Unterrichts
und Krieges die Bitte zu stellen, den Schulen und Truppenkörpem auf
dem amtlichen Wege diese fflr sie günstige Modalität des Eintritts
bekannt zu geben. Die k. k. Ministerien haben dieser Bitte Folge gegeben
und dem ist der so zahlreiche Beitritt neuer Mitglieder in diesem Jahre,
worüber der Herr Generalsecretär in seinem Berichte Mittheilung machen
wird, zu verdanken.
Selbstverständlich hat aber ein so zahlreicher Eintritt in die Ge-
sellschaft die Zahl der auszufertigenden Diplome und damit die Kosten
ihrer Ausfertigung wesentlich gesteigert und hat die Versendung der
durchaus 10 und mehr Bände des Jahrbuches umfassenden Packe au
die Neueingetretenen bedeutende Regiekosten an Porto mit sich ge-
bracht, wie auch die vermehrte Mitgliederzahl und damit größere
Correspondenz, dann die in diesem Jahre wegen der Hereinbringung der
Rückstände die gewöhnliche weit übersteigende Zahl mit Postnachnahme
versendeter Jahreskarten die Portokosten überhaupt beträchtlich erhöht
haben. Da aber laut der Einnahmspost „Portovergütung von Mitgliedern^
289 fl. 12 kr. an Porto von Seite der Adressaten wieder eingegangen
sind, so erübrigt für Regieauslagen bloß der Betrag von 308 fl. 66 kr.
77
Die größte Aiugabspost „Zahlang von Schulden^ mnfasst
zuerst die Zahlung der alten Schuld an die Bnchdruckerei F. B. Geitler
mit 799 fl. 60 kr. Im Torigj&hrigen Finanzberichte ist diese aus einer
Zeit, bevor noch die gegenwärtige Gesch&ftsleitung in die Führung der
Geschäfte eingetreten war, herrührende Schuld ausführlicher besprochen
and es ist daraus ersichtlich, dass sie mit Beginn des GeseUschaftsjahres
1867/8 917 fl. 10 kr. betrug und dass im vorigen Jahre 117 fl. 50 kr.
darauf bezahlt wurden, so dass sie durch die Zahlung von 799 fl. 60 kr.
im heurigen Jahre als vollkommen getilgt erscheint.
Ferner begreift dieselbe Post „Zahlung von Schulden^ in sich, die
Bestreitung der Kosten des erst im heute ablaufenden Jahre ausge-
gebenen Jahrbuches von 1866 und 1867, welche eigentlich aus dem Ein-
kommen der Jahre 186Ö/6 und 1866/7 zu bestreiten gewesen wären, doch
in den heuer und im vorigen Jahre hereingebrachten Ilückständen aus
diesen Jahren ihre Deckung fanden.
Endlich kommt unter der in Frage stehenden Post der Betrag
von 376 fl. 15 kr. vor, indem die Gesellschaft in der angenehmen Lage
gewesen ist, an Herrn A. Artaria von seinem, Ihnen Meine Herren I
bereits bekannten, uns gegebenen Darlehen 376 fl. 15 kr. zurückzuzahlen,
so dass sie an ihn nur mehr 300 fl. 6. W. schuldet.
Dies ist jedoch auch das einzige Passivum der Gesellschaft und wird
ihm das Activum der Gesellschaft entgegengestellt, so ergibt sich daraus
das erfreuliche Resultat^ dass, wenn die 1100 fl. 5% Staatsschuldverschrei-
bungen mit dem wahren Werte selbst nach dem niedem Curse von 59 fl.
50 kr. eingestellt werden, der Cassarest, also noch immer sich auf 1071 fl.
94| kr. und nach Abzug der vielbesprochenen Schuld von 300 fl. das reine
Vermögen der Gesellschaft sich das Activum auf 771 fl. 94| kr. be-
ziffert, wozu noch 15 rückständige Jahresbeiträge aus dem heute
endigenden Jahre, größtentheils außer Gestenreich domicilierender oder
erst ganz neu eingetretener Mitglieder kommen, dann je ein Jahresrück-
stand für 1867/8 und 1866/7 eines gleichfalls im Auslande wohnhaften
Mitgliedes, bei welchem mit der Streichung aus der Mitgliederliste
wegen unterbliebener Zahlung bisher deshalb nicht vorgegangen worden
ist, weil erst in jüngster Zeit eine mittelbare Anfrage wegen Zahlung
seiner Rückstände an die Geschäftsleitung gelangt ist.
Bei diesem Yermögensstande würde es der Gesellschaft nicht schwer
fallen, schon jetzt auch die Restschuld von 300 fl. an Herrn A. Artaria
zu zahlen, wenn es nicht gerathen wäre, einerseits die Obligationen
nicht hintanzugeben und zwar aus dem Grunde, weil sie das Aequivalent
des Loekauls einer Anzahl Mitglieder auf Lebenszeit und zugleich einen
kleinen Fond darstellen, welcher die Gesellschaft in die Lage setzt, ohne
78
neuerlich in Schulden m kommen, in einem außerordentlichen Falle
auch eine größere Ausgabe in Verfolgung ihrer Aufgaben zu machen,
und andererseits sich auch nicht des Bargeldes zu begeben, als der
Deckung der laufenden Ausgaben bis zur Eincassierung der Jahresbei-
träge far das beginnende Gesellschaftsjahr 1870, welche, nachdem viele
Mitglieder erst vor Kurzem rückständige Beiträge gezahlt haben, nicht
vor Februar wird eingeleitet werden können.
Mit dieser Eincassierung der Jahresbeiträge dagegen wird es die Ge-
sellschaft nicht unterlassen, auch diesen Schuldrest und damit ihre letzte
aus einer, hoffentlich nicht wieder kehrenden, Zeit pecuniärer Verlegenheit
herstammende Verpflichtung zu tilgen. Dr. Anton v. Ruthner.
Bericht Ober die Innern Angelegeniieiten der geograpliischen Geseli-
scliaft im Jahre 1869.
Der Schluss der dre^ährigen Wahlperiode des Ausschusses, welcher
mit Ablauf des Jahres 1870 eintritt, wird eine Uebersicht jener Ver-
anstaltungen gestatten, die während dieser Zeit zur Förderung des Ge-
seUschaftszweckes, des regem Verkehrs unter den Mitgliedern, und der
Ausbreitung der wissenschaftlichen Thätigkeit getroffen wurden. Indem
schon im Vorjahr so wie in dem so eben abgelaufenen die Publicationen
monatlich in die Hand unserer Mitglieder kamen, wurden diese in die
Lage versetzt, das wesentliche von den innem Angelegenheiten, die sich
im Laufe des Jahres abgewickelt haben^ unmittelbar aus den Sitzungs-
berichten zu erfahren.
Ich kann mich daher kurz fassen.
Die Zahl der Mitglieder, wie Ihnen aus dem Bericht vom vorigen
Jahre bekannt ist, betrug mit Beginn des Jahres 1869, mit Ausschluss
der Ehren- und correspondierenden Mitglieder 330.
Von diesen fielen im Laufe des Jahres 8 durch den Tod aus, wur-
den 11 in Folge ihres erklärten Austrittes und weitere 8 wegen Nicht-
einhaltung ihrer Verbindlichkeiten nach Beschluss des Ausschusses
gestrichen.
Dagegen traten im Laufe des Jahres 184 neue Mitglieder in die
Gesellschaft.
Der Stand der wirklichen Mitglieder beziffert sich demnach mit
dem heutigen Tage auf 487, also um 157 mehr als im Vorjahre.
Größer als im Vorjahre war aber auch die Zahl jener, die uns
der Tod hinwegnahm und denen wir ein schmerzliches Andenken zu
widmen haben. Es sind dies die Herren:
79
Engen Graf v. Czemin-Chndemtz. — Carl Freiherr v. Hock.
— Dr. Garlmann Hieb er, Abt des Stiftes Admont. — Freiherr von
Skribanek, k. k. Schifblieatenant. — Alois Ritter von Aner,
Director der k. k. Staatsdmckerei. — Leonhard Liebener, k. k.
Oberbau-Director in Innsbruck. — Pasqnale Freiherr v. Revoltella.
— Em. Homoky, Real-Abt zu Lek^r, und der um die Kenntnis des
Orients hochverdiente General-Consul Ritter von Hahn *).
*) Jokami Georg von Hahn geboren den 11. Juli 1811 in Frankfurt a. M.,
Sohn des Land|pr&fl. Hessischen Geheimiath v. Hahn in Homburg; besuchte
von 1823—27 das Gymnasium zu Mainz; 1827—32 die üniversit&ten
Oiefien und Heidelberg, studierte daselbst die Rechtswissenschaft, promovierte
1832 in Heidelberg nach glänzend bestandenen Examen rigorosum und Her-
ansgabe einer Dissertation de pacto de hereditate tertii als doctor juris utri-
nsque , brachte den Winter 1832 - 33 in Paris zu, machte sodann verschie-
dene Reisen, reiste im FrAlgahr 1834 nach Griechenland, wurde dort sofort im
Justizministerium angestellt und bei der Bearbeitung und Einführung der
neuen Gesetzgebung und Gerichtsorganisation verwendet, gieng dann in die
richterliche Garriere über, war Mitglied verschiedener Gerichtshöfe, zuletzt in
Chalkis, verlor durch die September-Revolution 1843 mit den anderen Frem-
den seine Stelle, lebte 1843—47 in Athen privatisierend.
1847 wurde er zum k. k. Consul in Jamaica ernannt, blieb daselbst bis
18oü, bereiste darauf im allerhöchsten Auftrag Albanien, reiste nach Wien
und verlebte die erste Hälfte des Jahres 1851 bei seinem Bruder, Professor in
Jena, an heftigem Fieber leidend.
Im Herbst 1851 trat er seine Stellung als k. k. Consul in Syra an,
machte von dort verschiedene Reisen nach Deutschland und zwei größere
durch die Türkei is. u.) und im Archipel.
1868 Ernennung zum Gteneralconsul, Verleihung des Ordens der eisernen
Krone. Erhebung in den Ritterstand.
1869 Ernennung zum Generalconsul fOr ganz Albanien. Er trat diese
Stelle aber nicht mehr an, da er im Januar erkrankt, in Deutschland Heilung
sachte. Starb am 23. September 1869 in Jena.
Aus Neigung Jurist geworden und in seiner Wissenschaft wol bewan-
dert, suchte Hahn ein ergiebiges Feld für seine Thätigkeit, glaubte dieses im
jungen Königreich Griechenland gefunden zu haben, fand auch dort gute Auf-
nahme durch Staatsrath Maurer, war die Seele der verschiedenen Gerichte,
deren Mitglied er wurde.
Schon während dieser Zeit machte er sich mit den wirtschaftlichen
Interessen des Orients vertraut, besonders aber widmete er sich diesem Studium
w&hrend der Zeit als er in Athen privatisierte. In diese Zeit fällt auch der
Au&ng seiner archäolog. und linguist. Studien.
Sein Uebergang in österreichische Dienste wurde hauptsächlich durch
seinen langjährigen Gönner dem Baron Prokesch-Osten vermittelt.
Den Aufenthalt in Jamaica benutzte er zum Studium Albaniens, seiner
Bewohner und seiner Sprache. Mit riesenhaften Fleiss wari* er sich auf diese
Arbeiten. Die libanesischen Studien^ sind das Produet desselben. Die
80
Lassen Sie uns die Treue, mit der sie zu uns hielten, sowie ihr
Andenken als Förderer der Wissenschaft durch Erhebung von unsem
Sitzen ehren.
erste Abtheilung dieses umfassenden und Bahn brechenden Werks enthält
eine eingehende Beschreibung Albaniens nach der geographischen, ethnogra-
phischen, wirtschaftlichen, rechtlichen, archäologischen, historischen Seite. Fast
alle Thatsachen, auf welchen diese 347 enggednickte Quartseiten umfassende
Darstellung beruht, sind von dem Verfasser selbst beobachtet und gesammelt
worden. Dieser Beschreibung schlieft sich in Abtheilung zwei eine albanesi-
sche Grammatik nebst Sprachproben und in Abtheilung drei ein albanesisch-
deutsches und deutsch-albanesisches Lexicou an.
Auf die Bedeutung der beiden Reisewerke: Reise von Belgrad nach
Salonik, Wien 1861. 2. Aufl. 1868 und der leider in ihrem Frscheinen ver-
zögerten soeben ausgegebenen Reise durch die Gebiete des Drin und
des Wardons für die geographische Erforschung der durchreisten Gegenden,
sowie speciell für die türkische Eisenbahnfrage braucht der sachverständige
nicht aufmerksam gemacht zu werden. Hervorzuheben ist noch, dass beide
Werke auch wertvolle historische und archäologische Notizen enthalten.
Die auf dem Gebiete der Philologie, Archäologie , Mythologie ent-
wickelte Thätigkeit Hahn's ergiebt sich aus den folgenden Titeln seiner
Schriften.
Aphorismen über den Bau der auf uns gekommenen Ausgaben der
llias und Odyssee. Jena 18&6.
Proben homerischer Arithmetik. Jena 1858.
Mythologische Parallelen. Jena 1859.
Motive der jonischen Säule. Wien 1862.
Griechische und Albanesische Märchen zwei Theile. Leipzig 1864.
Ausgrabungen auf der homerischen Peigamos. Leipzig 1865.
Eine Anzahl von Aufsätzen in Zeitschriften meist handelspolitischen
Inhalts.
Außerdem hat Hahn noch zwei druckfertige Manuscripte hinterlassen,
deren Publication in den nächsten Jahren erfolgen wird. Das eine enthält
unter dem Titel: ^Sagwissenschaftliche Studien"" eine Darstellung
der Entstehung und Fortbildung der Sage nebst Belegen aus der vergleichen-
den Mythologie. Das andere ist eine Sammlung griechischer Märchen in den
Dialecten der Fundorte erzählt. (Nur ein Theil derselben ist in der oben er-
wähnten deutschen Ausgabe enthalten.)
Neben diesen wissenschaftlichen Arbeiten ist Hahn's amtliche Berufs-
thätigkeit eine sehr bedeutende und ersprießliche gewesen. Nach allen Rich-
tungen suchte er die Interessen des von ihm vertretenen Landes und seiner
Angehörigen zu fördern. Besonders verdient hat er gich auch um den öster-
reichischen Lloyd gemacht.
Noch in seiner letzten Krankheit beschäftigte er sich lebhaft mit den
türkischen Eisenbahnen und bedauerte namentlich wegen dieser Angelegenheit
jdcht im vollen Besitz seiner Kräfte zu sein. Unter welchem Gesichtspunct er
diese Frage auffaßte und wie er neben dem allgemeinen europäischen auch
das öBteireichisch-ungarische Interesse dabei besonders betonte, findet sich in
81
m
Zu Ehrenmitgliedern wurden im Laafe des Jahres gewählt die
Herren:
Dr. Peter mann in Gotha. — Se. kais. Hoheit der Erzherzog
Leopold. — Se. kais. Hoheit der Erzherzog Ludwig Salvator.
Zn correspondierenden Mitgliedern die Herren:
Professor Gathe in Hannover. — Consul A. Schwegel in
Alexandrien. — Consul A. Schulz in Widdin. — Consul C. Sachs
in Serajewo. — Wladimir Jakschitsch in Belgrad. — Capitän
Koldewey. — Consularkanzler Buhenik in Rustschuk. — Dr.
Valenta in Belgrad. — Stanislaus Draganchicz Edler von Dra-
chenfels in Belgrad. — Julius von Jaxa-Demhicki zu Livno in
Serbien. — Consular- Agent Omchikus zu Bereöka in Bosnien. —
Major Roskiewicz in Agram. — Dr. Adolf Bastian in Berlin. —
Dr. Oscar Peschel in Augsburg. — Professor Celestino Peroglio
in Turin. — Christoforo Negri in Plorenz. — Antonio Pas coli zu
Pnxpan in Mexico. — Dr. v. Renard in Moskau.
Das Decemberheft unserer Mittheilungen wird das vollständige
Verzeichnis jener Gesellschaften und Vereine des In- und Auslandes
bringen, mit denen wir im Tauschverkehr der Publicationen stehen, so
wie die Zusammenstellung jener literarischen Werke, durch welche
unsere Bibliothek im Laufe des Jahres theils durch Tausch, theils durch
Geschenke von Gönnern, Verfassern und Verlegern bereichert worden ist.
Sie sind nicht nur an Zahl, sondern aiich an Wert bedeutend und ver-
pflichten uns zu dem verbindlichsten Dank gegen die Geber, unter
denen wir neben geehrten Mitgliedern manchen theilnehmenden Freund
diesseits und jenseits des Meeres zu verzeichnen haben.
Wenn aber der Tauschverkehr der Gesellschaft und namentlich der
Vertrieb der Publicationen nach außen in diesem Jahre bedeutend zu-
nahm, so danken wir das zunächst der besondem Liberalität des k. k.
der auch separat abgedruckten Einleitung der Reise von Belgrad nach Salonik
(zweite Aufl.) ausgeführt.
Zn erwähnen ist noch sein Project der Durchstechung des Isthmus von
Korinth, welches er mit eingehenden Vorschlägen zur zweckmäßigen Aus-
ffthrung an maügebenden Orten vorgelegt hat.
Seine letzte amtliche Thätigkeit war die Verhandlung mit dem im An-
fange des Jahres 1869 vor Syra liegenden Hobart Pascha in Angelegenheiten
der Enosis. Er entfaltete dabei grolle Thätigkeit, hat sich aber auch bei
dieser Gelegenheit eine heftige Erkältuag zugezogen, welche den Anfang
Beines Leidens bildete. Er suchte in Deutschland vergeblich Heilung, nach
achtmonatlichen oft sehr schmerzhaften Leiden verschied er am 23. September
1869 in Jena bei seinem Bruder, dem Oberappellationsgerichtsrath und o. Ö.
Profe«K>r Dr. Friedrich von Hahn.
6«ocnphiich« MiUheiluagen. 1870. 2. g
82
Ministeriums des Aeußern, welches die Gesellschaft durch nam-
hafte Erleichterungen in der Versendung unterstfltzt hat, und es liegt
schon darin eine große Ermunterung, in Bezug auf innem Wert und
wissenschaftliches Interesse dessen, was wir veröffentlichen, mit unsem
Schwestergesellschaften gleichen Schritt zu halten.
Die neue Aufstellung und Catalogisierung der Gesellschafts.
Bibliothek ist im Gange und wird mit Schluss der Wintermonate
beendet sein.
In der äußern Form unserer „Mittheilungen" ist gegen das Vor-
jahr insofern eine Veränderung eingetreten, als die Bogenzahl um ein
Drittheil vermehrt und die einzelnen Nummern an die Mitglieder monat-
lich versandt wurden.
Ob auch der innere Gehalt gewonnen habe, ob Wahl und Ver-
theilung des Stoffes in jener Weise geschehen sei, wie sie dem Interesse
des Lesers am besten entspricht, darüber steht mir als Redacteur kein
Urtheil zu. Ich kann nur den Wunsch aussprechen, dass ich mit ge-
diegenen Arbeiten für die „Mittheilungen", namentlich von unsem geehr-
ten Mitgliedern so freigebig als möglich unterstützt und auf jene Ver-
besserungen aufmerksam gemacht werde, die unserer Zeitschrift die
freundliche Theilnahme der Leser zu sichern vermögen. Jenen Herren
aber, welche sie im abgelaufenen Jahre durch Beiträge unterstützt haben,
spreche ich aus vollem Herzen und, ich glaube auch im Sinne der ge-
ehrten Versammlung, meinen Dank aus. M. A. Becker.
Bibliothek der k. k. geographischen Geeelischaft in
Verzeichnis der vom 1. Juli bis 30. November 1869 zugemrachsenen
Schriften und Karten.
a) Im Schrift entauBch.
Aitenburg. Mittheilungen der Geschichta- und Alterthumtforachenden
Gesellschaft des Osterlandes. VII. 2. 1869.
Altona. Zeitschrift für popul&re Mittheilungen aus dem Gebiet der
Astronomie, m. 3. 1869.
Ansbach. XXXIV. und XXXV. Jahresbericht des bistor. Vereines von
Mittelfranken. 1866 und 1867.
Augsburg. XX. Bericht des naturhistorischen Vereins in A. 1869.
Das Ausland, Zeitschrift Yon Dr. Oscar Peschel. 1869.
Auxerre. Bulletin de la soci^4 des sciences historiques et naturelles
de l'Yone 1. 2. trimestres. 1869.
Basel. Verhandlungen der Naturforscher > Geaellschait in Basel. V.
2. 1869.
Bayreu^th. Regesten des Grafen v. OrlamOnde vom historischen Verein
ftlr OberfhAken. 1. 1869.
83
Bayreuth. Arcbiv ftlr Oberfranken fftr Geschichte u. Alterthumskunde.
XI. 1. 1869.
, Berlin. General - Bericht über die europäische Gradmessung für das
Jahr 1818.
— Wissenschaftliche Begründung der Rechnungsmethode des Central-
bnreaus der europäischen Gradmessung. 1869.
— Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft XXI. 1. 2. 3. mit
4 Tafeln. 1869.
— Zeitschrift des k. preußischen statistischen Bureaus IX. 1—6. 1869.
— Registrande der geographipch-statist. Abtheilung des großen General-
stabes. 1867-1868. 1869.
— Zeitschrift ftü: die gesammten Naturwissenschaften. XXXIII. 1869.
— Zeitschrift der Gesellschaft der Erdkunde zu B. IV. 2—4 1869.
— Monatsbericht der k. preuß. Academie der W. zu B. 1869.
Bern. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in B. N. 654
bis 683. 1869.
Bologna. Memorie dell' Accademia delle scienze dell instituto di Bol.
Vm. 3-4. 1869.
Bombay. The transactions of the Bombay geographical society. XVIII.
1868.
Bonn. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande.
Heft 46. 1869.
Boston. Proceedings of the B. society of natural history p. 1 bis
272. 1868/9.
— ]h:oceedingB of the American Academie of arte and sciences p. 345
bis 525. 1869.
— Memoires oi the B. society of natural history N. F. I. 4. 1869.
— Occasional papers of the B. society of natural history. Entomological
correspondence of Dr. Harris. 1869.
— Annual report of the trustees of the museum of the comparative
Zoologie. 1869.
Breslau. Codex Diplomaticus Silesiae vom Vereine für Geschichte und
Alterthum Schlesiens. VII. 1. 1869.
— Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens.
IX. 1. 2. 1869.
— Acta publica. Verhandlungen und Correspondenzen der schlesischen
Fürsten u. Stände v. Verein für Geschichte und Alterthum. Jahrg. 19. 1869.
Brunn. Mitth. der k. k. mährisoh-schlesischen Gesellschaft für Acker-
bau, Natur- und Landeskunde. 18 — 47. 1869.
Cambridge (bei Boston). Proceeding of the American association for the
advancement of science. August 1867. 1868.
Carlsruhe. 27 Nach Weisung über den Betrieb der Großherzogl.
Badischen Staats-Eisenbahn. 1869.
Dan zig. Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Neue
Folge, n. 2. 1868.
Darmstadt. Notizblatt des Vereins ftir Elrdkunde. III. Folge. 73
bis 84. 1868.
Dresden. Isis. Drei Sitzungsberichte der naturwissenschaftlichen Gesell-
schaft in D. Jahrg. 1-6. 1869.
— Mittheilungen des k. sächsischen Vereins für Erforschung und Er-
haltung vaterl. Geschichte und Kunstdenkmale. 19. 1869.
Einsiedeln. Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden
Gesellschaft in E. LII. Jahresbericht 1868.
— Der Geschichtsfreund. Mittheilungen des Vereines der fünf Orte
Lucem, Üri, Schwyz, ünterwalden und Zug. XXIV. 1869.
Emden. XXV. Jahresbericht der naturf. Gesellschaft in E. 1868.
Florenz. Bolletino della societä geografica Italiana. 2. 3. 1869.
Frankfurt a. M. Der zoolog. Garten. X. 2—6. 1869.
— Mittheilungen des histor.-statistischen Vereins. 8. 1868.
— Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. IV. 1869.
6*
84
Frankfurt s. M. Mittheilungen an die Mitglieder des Vereini ftr
Geschichte und Alterthumskunde in F. lU. 1—4. 1868.
— Neujahrs- Blatt den Mitgliedern des Vereins fflr Gesch. und Alter*
thumsk. zu F. 1868 und 1869. 2 Hefte. Enth< Dr. Jacob Becker Grab-
schriffc eines römischen Panzerreiterofftciers und G. £. Steitzider Staatsrath
Georg Steitz und der Fürst Primas Carl von Dalberg.
St. Gallen. St. Gallen vor hundert Jahren vom histor. Verein. 1869.
— Mittheilungen zur vaterländischen Geschichte. IX. 1. 1869.
>- Bericht Aber die Th&tigkeit der naturwissenschaftlichen Gesellschaft
w&hrend des Vereinsjahrcs 1867/8.
Genf. Memoires de la soci^t^ de physique et dlxistoire naturelle.
XTCJ 1869
— Le Globe. Vn. 5. 6. 1868. Vm. 1-4 1869.
Genua. Atti della societä Ligure di storia patria. VIÜ. 1. 2. 1868/9.
Gießen. Dreizehnter Bericht der Oberhessischen Gesellschaft fClr Natur
und Heilkunde. 1869.
Görz. Atti e memorie delP i. r. societä agraria. VIII. 8—21. 1869.
Gotha. Petermann, geographische Mittheilungen. 1869.
Graz. Der steirische Landbote. H. 9-23. 1869.
— Mittheilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark,
n. 1. 1869.
Güstrow. Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in
Mecklenburg. XXH. Jahrg. 1869.
Hamburg. Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. lU.
1. 1869.
— Mittheilungen aus der Norddeutschen Sternwarte: die wissenschaft-
lichen Ergebnisse der ersten deutschen Nordpolfahrt. v. 1868. 1869.
Helsingfors. Bidrag tili könnedom of Finlands Natur och Folk von
der Finl&ndischen Gesellschaft. 13. 14. 1868/9.
. — Gedächtnisrede auf Alex. v. Nordmann v. Dr. Hjelt. 1868.
— Oversigt of Finska vetenskaps societens forhandlungar. XI. 1867.
Hildburgshausen. Ergänzungsblätter. IV. 6-11. 1869.
Innsbruck. Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol u. Vorarlberg.
III. Folge. 13. 1869.
Kiel. Jahrbücher für die Landeskunde der Herzogthümer Holstein und
Lauenburg. X. 1. 2. 1869.
Elagenfurt. Mittheilungen über Gegenstände der Land-, Forst- und
Hauswirtschaft. 8-22. 1869.
Köln und Leipzig. Gaea. V. 2-7. 1869.
Kopenhagen. Tilläg of aarboger for nordisk oldkyndighed og
historie 1867.
— Aarboger for nordisk old kyndighed og historie. 1868. 1. 2.
Landshut. Verhandlungen des historischen Vereins für Niederbaiem.
Xm. 1-4. 1868/9.
Lausanne. Bulletin de la soci6t6 Vaudoise des sciences naturelles.
X. 61. 1869.
Lemberg. Rolnik, Zeitschrift. IV. 9-11. V. 5. 1869.
Linz. Landwirtschaftliche Zeitung von und für Oberösterreich. XTIT.
10-11. 1869.
London. The Journal of the royal Asiatic Society. IV. 1. 1869.
— The Journal of the royal geographical society. XXXVm. 1868.
— Proceedings of the royal geographical society. XU. 2. 3. 4. 1868.
xm. 1. 2. 1869.
— Beport on the survey Operations. Abyssinia. 1869.
St. Louis. (Missouri.) The transactions of the Academy of science ot
St. L. vn. 1861-1868.
Lyon-Paris. Annales de la propagation de la foi. Mai 1869. Nr.
244-247.
Mailand. Atti della societä Italiana di scienze naturali. XI. 2-4. 1869.
— Memorie della societä Italiana di scienze naturali. TL 3. 1867. IT.
1. 2. 8. 1868.
85
Mail and. Rendiconti del reale institnto Lombardo di scienze e lettere.
Serien. I. 9-20. U. 1-10. 1868/9.
— Annuario del reale instituto Lombardo. 1868.
— Memorie del reale instituto Lombardo. Glasse di sciense matematiche
e oatnralL XI. 1. 1868.
Mittau. Sitzungsberichte der Eurl&nd. Gesellschaft fOr Literatur und
Kunst aus dem J. 1868.
Mode na. Memorie della regia Accademia di scienze, lettere ed arti.
TL 1869.
MoncallierL Le aurore polari del 1869 del Dir. Denza. Fr. 1869.
Montb^liard. Memoires de lasociM d'dmulation 2 serie. I— IL 1869.
Moskau. Bulletin de la soci^tö Imp. des natural istes de M. 1868.
8. 4. 1869.
Mflnchen. Sitzungsberichte der k. bair. Academie der Wissenschaften
SQ M. 1868 3. 4. 1869 1. 3.
— XXVI. Jahresbericht des historischen Vereines von und für Ober-
baiem 1869
— Oberbaierisches Archiv für vaterländische Geschichte von dem histo-
rischen Verein von und fOr Oberbaiern XXVI. 1. 1869.
— Abhandlungen der mathematisch-physicalischen Classe der k. bair.
Academie der Wissenschaften. X. 2.
— Abhandlungen der philosophisch -philologischen Classe der k. bair.
Academie der Wissenschaften. XL 3. 1868.
— Der Freiherr v. Ickstatt und das ünterrichtswesen in Baiern. Vortrag
von Dr. Elugholm. 1869.
— Abhandlungen der histor. Classe der k. bair. Academie der Wissen-
schaften. XI. 1.
— üeber Entwicklung der Agriculturchemie. Festrede v. Vogel.
— Denkschrift auf Carl Fr. v. Martins v. Prof. Meissner.
-•- Verzeichnis v. 6323 telescop. Sternen. Annalen der M. Sternwarte.
Sapplementband. Vm. 1869.
~ Monatliche und j&hrl. Resultate der an der k. Sternwarte bei M.
angestellten Beobachtungen. VI. und VII. Supplementband. 1868.'
New- York. Annais of the Lyceum of natural history of N. Y. VIII.
15 17. IX. 1 -4. 1867/8.
— Monthly Report of the deputy special commission of the revenue.
März 1869.
Offenbach a. M. Neunter Bericht des Offe nbacher Vereines für Natur-
kunde von Mai 1867 bis Mai 1868.
St. Omer. Soci^t^ des antiquaires de la Morinie. Bulletin historique.
69. 70. 1869.
Orleans. Memoires de la 8oci6t6 d'Agriculture, sciences, belies lettres
et ans. Xn. 3. 4. 1869.
Palermo. Bulletino meteorologico del R. osservatorio di P. V. 1—3. 1869.
Paris. Bulletin de soci6t6 de g^ographie. März bis September 1869.
— Tableaux de population, de culture, de commerce et de navigation
pour l'ann^e 1868.
- Bulletin de la soci^t^ pour la conservation des monuments historiques
d'Alsace. H. Serie VI. 1869.
— Revue maritime et coloniale. XXVH. 1869. 101—105. 1869.
Pas sau. Vn. u. VIII. Jahresbericht des naturhistorischen Vereines in
Passau. 1869.
St. Petersburg. Bulletin de PAcademie Imp. des sdences.
— Untersuchungen über die Constitution der Atmosphäre von Dr. 6yl-
den. xn. 4. 1868.
— Beobachtungen des großen Cometen vom Jahre 1861 von Otto Struve.
xn 5. 1868.
— Entwicklungsgeschichte der Libelluiden von Brandt. Xm. 1.
— Ueber die Halsrippen des Menschen von Dr. Gruber. 2.
— Ueber Linaritkrystalle von Eonkscharow. 3.
— AI Farbi, das arabische Pbilosophenleben von Steinschneider. 4.
86
St. Petersburg. Histoire chronologique per Mekhitar d'Airivank par
Brosset. 5.
— Die Lehre der Gymnospermie von Sperk. 6.
— Beiträge zur Anatomie des Schädelgrundes. XIII. 7. 1869.
Philadelphia. Proceedings of the Philosophical society. X. 79. 80. 1868.
— Letter of the Vice-President of the national Academy of Sciences.
1. 2. Session. 1868.
Prag. Centralblatt fOr die gesammte Landeskunde. XX. 5—11. 1869.
— Sitzungsberichte der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften.
Jahrg. 1868, 1869.
— Abhandlungen der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften
vom Jahre 1868. VI. 2. 1869.
Regensburg. Flora oder allgemeine botanische Zeitung. XXYI. 1868.
Riga. Sitzungsberichte der königl. Gesellschaft für Literatur und Kunst,
aus dem Jahre 1867.
— Correspondenzblatt des Naturforscher- Vereines zu Riga. XVII. 1869.
— Arbeiten des Naturforscher- Vereines zu Riga. Neue Folge. 2. 1869.
Rom. Stazione meteorologica di Roma sul Campidoglio. X. und XI.
1868 und 1869.
— Atti delP Accademia pontifica di nuovi lincei. XXI. 1—5. 1868.
~ Bulletino nautio e geografico in Roma. V. 2. 3. 1869.
Schwerin. Jahrbücher und Jahresbericht des Vereines für mecklen-
burgische Geschichte und Alterthumskunde. XXXIII. 1868.
Stade. Archiv des Vereines für Geschichte und Alterthümer der Her-
zogthümer Bremen und Werden. 3. 1869.
Stadt am Hof. Verhandlungen des histor. Vereines von Oberpfieilz and
Regensburg. XVIII. 1869.
Stockholm. Sveriges geologiska undersökning. 26 — 30. 1868.
— K. Academie der Wissenschaften.
— Meteorologiska Jakttagelser VI- VIII. 1864-1866.
— konigla Svenska Fregatten Eugenies resa omkring Jorden 12. Zoolo-
gie 6. 1869.
— öfversigt of kongl. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar XXII—XXV.
1865-1868.
— Eongliga Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar V. 2. VII. 1. 2.
VU; 1865-1866.
— Leenadsteckningar öfer kongl. Svenska Vetenskaps-Akademiens. I. I.
— On the existence of rocks containing organic substances in the fun-
damental gneiß of Sweden. 1869.
— Sketch of the geology of Spitzbergen by Nordenskiöld. üeber-
setzung aus den Mitth. der k. schwedischen Acad. d. W. 1867.
Stuttgart. Schriften das württemberg'schen Alterthums II. 1. 1869.
Tongres. Bulletin de la soci^t^ scientifique et litt^raire du Limboorg
IX. 1868.
Trier. Jahresbericht der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu T.
von 1865—1869.
Triest. Navigazione nei porti Austriaci 1866 und 1867.
— Movimento della navigazione e commercio in Trieste nelP anno 1868.
1869.
Turin. Bulletino meteorologico delP osservatorio del R. collegio Carlo
Alberto in Moncalieri IV. 8. 1869.
Utrecht. Levensbeschrijving von Rijklof Michael van Goens, heraus-
gegeben von der Provincial Utrechtsch genootschap. 1869.
— Aanteekeningen van sectievergaderingen van het Prov. Utrechtsch
genootschap. 1868.
— Nederlandsch meteorologisch Jaarbock voor 1868. XX. 1. 1868.
— Catalogus der archeologische verzameling van het Provincial Utrechtsch
genootschap. 1869.
— Verslag van het verhandelde in de allgemeeue vergadering van het
Provincial Utrechtsch genootschap. 1866.
Venedig. Atti del reale instituto Veneto. XIV. 5-9. 1868-1869.
87
Venedig. Memorie del regio instituto Yeneto. XIV. 2. 1869.
Washington. Annual repport of the board of regents of the Smith
sonian Institution. 1867: 1868.
— Annual repport of the commissiones of patents for the year 1865. 2. 3.
— Patent office repport 1866. I. II. m. 1867.
Wein sb erg. Württembergisch Franken Zeitschrift. VII. 3. u. VIII. 1.
1869.
Wernigrode. Zeitschrift des Harz- Vereines für Geschichte und Alter-
thiunskunde. n. 1.
Wien. Jahrbuch des Österreichischen Alpen- Vereines. V. Mit 4 Kunst-
beilagen 1869.
— Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erhaltung der Bau-
denkmale. XIV. Mai bis November 1869.
— Jahresbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. XIX. 2. Juli bis
September 1869.
— Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt. 1—14. 1869.
— Mittheilungen aus dem Gebiete der Statistik von der k. k. Statist.
Central-Commission XV. 4. Mi^i Karten. XVI. 1. 2. 1869.
— Tafeln zur Statistik der österreichisch-ungarischen Monarchie. 4. 1869.
- Die feierliche Sitzung der kaiserlichen Academie der Wissenschaften
io Wien, am 31. Mai 1869.
— Kaiserl. Academie der Wissenschaften in Wien. 1869. Sitzungsberichte
10-22.
— Jahrbücher der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmag-
netismus rV. Jahrg. 1867. 1869.
— Blätter des Vereines für Landeskunde von Nieder-Oesterreich. 11.
1. 12. 1868.
— Jahrbuch für Landeskunde von Nieder-Oesterreich. II. 1869.
— Mittheilungen der Handels- und Gewerbekammer in Wien. 1869.
58. 59. 60.
— Verhandl. d. Handels- u. Gewerbekammer in Wien. 333. Sitzung. 1869.
— Verhandlungen und Mittheilungen des nieder-östeiT. Gewerbe- Vereines.
XXX. 21 36. 1869.
— Bericht über den Handel, die Industrie und die Verkehrsverhältnisse
in Nieder-Oesterreich während des Jahres 1868.
— «Austria»* Wochenschrift. XI. 1859 und XXI. 26-40. 1869.
Zürich. Neue Denkwüi'digkeiten der allgem. schweizerischen Gesell-
schaft für die gesammten Naturwissenschaften. XXHI. Mit 26 Tafeln. 1869.
— Vierteljahrschrift der Naturforscher-Gesellschaft in Z. XH. 1867. XIII.
— Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Z. XXXH. Mosaik-
bild von Orbe. 1868.
6) Als Geschenk von den Verfassern, Verlegern oder Vereinen.
Academie der k. k. Wissenschaften. Reise der österr. Fregatte
Novara. Antropol. 1. Tbl. 1868. Zoologischer Theil I. 1869.
— Die Balearen in Bild und Wort. Leipzig bei Brockhaus 1869.
Geschenk Seiner kais. Hoheit des Herrn Erzherzogs Ludwig Salvator von
Toscana.
Becker M. A. Die Fischer'schen Eisenwerke zu St. Egyd am Neuwald.
Wien 1869.
Bon er Charles. Siebenbürgen Land und Leute (deutsche Uebersetzung).
Leipzig 1868.
Bona Am. Dr. Ein freies Wort Über die kaiserl. Academie der Wissen-
schaften. Wien 1869.
Brensing Dr. Gerhard Kremer gen. Mercator der deutsche Geograph.
Duisburg 1869.
Castilho Magno de. Etudes historico-geographiques. I. Lisboa 1869.
Else hing & Ant. Kurzgefasste Anleitung zu barometrischen Nivel-
lierungen mit Quecksilber- und Metallbarometern. Salzburg 1869. Geschenk des
Verlegers.
88
Frauen feld Bitter von. Zoologische Miscellen. Wien 1869.
Haidingers Wilh. Ritter von. Das k. k. montanische Maseum und
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Vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich. Ad-
ministrativkarte von NiederöBterreich. 16 Blätter.
89
Von Se. k. H. dem Herzog Wilhelm v. Württemberg aus dem
Bnreaa des nordamericanischen Kriegs-Departement. New-Tork :
1. Saginaw Bay and part of lake Huron. 1860.
2. Northend of Green-bay, the Island, at the entrance of the lake
Michigan. 1864.
3. West end of Fond da lac (Lake superior) embracing superior St. Louis
tDd AHocT bay. 1861.
1 i^orth east end of lake Michigan including grand and little Traversy
bty. 1868 (doppelt).
5. Genenü Charte of lake Huron. 1860.
6. Straits of ICackinae 1864.
7. North end of lake Michigaa, including the Beayer island group. 1855.
8. Lake Erie. 1861.
9. Harbors of refuge (Lake Huron). 1858.
10. Portage lake and river. 1863.
11. Lower reach of Saginaw rlTer. 1856 (doppelt).
12. Harbors of refuge (Lake Huron). 1858.
18. Portage lake and river. 1863.
14. River of St. Marie. 1857. No. 2 1859.
15. L'Anse portage entry of Lake superior. 1856.
16. Kelley's and Bass islands Erie). 1849.
17. St. Clairs flats. 1857.
18. Mamee bay. 1857.
19. Marquette harbor (Lake sup.). 1859.
20. Eagle river (Lake sup.). 1858.
21. Ontonagon Harbor (Lake sup.). 1860.
22. West end of lake Erie and Detroit river. 1861.
23. Grand Island and its approches (Lake sup.). 1859.
24. East Neebish Rapids (River St. Marie . 1861.
25. Tawas Harbor (Lake Huron). 1856.
26. Buffialo Harbor (Nigarra river i. 1856.
27. Thunder bay (Lake Huron). 1858.
28. South end of lake Huron. 1859.
29. Head of Green Bay and Fox river. 1853.
30. Gopper Harbor.
31. Agate Harbor (Lake sup.). 1861.
Von Herrn Ziegler in Palmgarten bei Winterthur. Plan von
Neu- Guatemala von Fuchs y Donzel (spanisch). Winterthur 1869.
— Plan der Stadt und Umgebung v. Jerusalem nach der englischen
Aufnahme von 1864-65 durch Gapt. Charles Wilson. Winterthur 1869.
— Dieselbe Karte geologisch aufgenommen v. D« Oscar Fr aas. Winter-
thur, Wurster & Comp. 1869.
— Carte du canton de Gen^ve, rednction d'aprte la carte du g^neral
Dnfour. Graf Briquet fils. 1869.
— Tenerim^ entworfen v;^ G. Härtung, v. Fritsch et Weiss mit Er-
kllrungsblatt. Winterthur, Wurster. 1869.
— Karte des Cantons Glarus. 2 Blätter. Winterthur. Wurster. 1869.
Von Herrn Grafen v. Zichy. Karte v. Japan. Orig.-Zeichn. u. Text.
~ North America a working map for illnstrating the geographical distri-
bation of live. Boston 1869.
Geographische Literatur.
Generalkarte der europäischen Türkei und von
Griechenland von Jos. Ritter von S c h e d a, k. k. Oberst In
13 Blättern, worimter ein Plan von Constantinopel. Wien 1869.
Karten der Türkei, d. i. eines Ländercomplexes, der von allen
indem in Europa gelegenen am wenigsten kartographisch feststeht, werden
90
bei jeder Anregung politischer und statistischer Fragen sehnsüchtig begehrt
und halten fast nie mit dem Bedürfnisse Schritt. Das fortwährende tropfen-
weise Auftauchen neuer localer Aufnahmen l&sst die Autoren nicht zum ruhi-
gen Abschluss kommen ; bis zum letzten Momente winl verbessert, und glaubt
man endlich sich am Ziele, so wächst während des Druckes abermal neues Mate*
rialezu, und die mühevolle Arbeit ist auf solche Art, kaum fertig, schon stellen-
weise veraltet. Es ist dies ein Schicksal, das die Kartographen bei Africa stets
verfolgt und in den Regionen der Balkanhalbinsel nicht minder. Diesem Ge-
schicke entgieng auch Oberst R. v.Schieda nicht ; kaum ist der Druck seiner Karte
l)eendet^ so drohen die neuen Recognoscieningen des Innern behufis der Eisen-
bahntracen die Situation an vielen Orten zu verändern, und zwar in namhaftem
Umfange. Gewiss ist, dass der Autor redlich bemüht war, die besten Materialien
zu erlangen, und die erlangten bestens zu benützen; aber in einem Lande,
wo es so wenig Puncte gibt , deren Lage genau festgesellt ist und an welche
man Aufnahmen a la vue und Itinerarien zuversichtlich anknüpfen kann, ist
die Verwertung mancher Zeichnungen und Berichte, wo nicht unthunlich,
doch schwierig und unsicher. Im Innern der Türkei, um den Schardagh und
West-Balkan herum, gibt es nur Routenkarten, hervorgerufen durch Recognos-
cierungsausflüge österreichischer und russischer Officiere, die nur Streifen Lan-
des darstellen, und die dazwischen liegenden Gegenden als leere Räume er-
scheinen lassen. Flussläufe, Bergketten müßen in solchen Lücken nach Er-
messen ergänzt werden, und steht dem Kartographen nur bei Flüssen und
Bächen ein Zeichen zu Gebote, um die bestimmten Umrisse, die er denselben
geben muß, als ungewiss, hypothetisch hinzustellen. Wer je in Bearbei-
tung solcher Karten Erfahrungen gesammelt hat, erhebt nicht leicht einen
Tadel, wenn später Unrichtigkeiten entdeckt werden, da er sehr gut weiß, dass
in gar vielen Fällen weder Unkenntnis, noch Oberflächlichkeit und Mangel an
Kritik die Schuld tragen.
Diese Vorbem erkungen möge man nur als allgemeine Abwehr unbilliger
Zumuthungenbei allen Arbeiten ähnlicher Gattung gelten lassen, wobei noch zu
bedenken ist, dass nicht jeder Autor in der Lageist, alle vorhandenen Behelfe
zur Benützung erhalten zu können, selbst solche, deren Existenz ihm bekannt
geworden. Zur Bearbeitung der vorliegenden Karte dienten alle Materialien aus
dem Bereich des österreichischen Generalstabs , eine Anzahl russischer Aufnah-
men, Consularberichte, endlich Itinerarkarten, z. B. von Hahn, Visquenel, endlich
die bisherigen besten Karten für Griechenland, Kreta, den Archipel und die
angränzenden Länder. Der Plan von Constantinopel ist nach Stolpe sehr genau
reduciert, die Umgebung nach Moltke. Der Maßstab von 1 zu 864,000 der
Natur ( ^=^ demjenigen der Fallon'schen Karte der österreichischen Monarchie)
lässt so viel Detail zu, dass die Karte für viele Zwecke als Specialkarte wird
dienen können Da sie bis zum 35. Grade der Breite hinab reicht, so ent-
hält sie auch Kreta und die übrigen türkischen Inseln des Archipels. (Ghios,
Samos, etc.), die auf vielen Karten der europäischen Türkei fehlen. Die Aus-
führung ist nett; das geschummerte Terrain verliert zwar immer durch den
Umdruck an Schärfe und Weichheit und kann sich überhaupt mit einem meister-
haften Stiche nicht messen, doch genügt es für den Zweck vollkommen. Ent-
spricht es an einigen Stellen nicht, so vergesse man nicht, dass die Zeichner
auf Stein arbeiten und der plastische Ausdruck durch Aetzen und Druck
unliebsame Veränderungen erleiden kann. Ganz verfehlte ZeichnuBg aber ist
in der Regel den unrichtigen oder unverständlichen Originalen auf die Rech-
nung zu schreiben, denn nicht immer findet sich der Kartogranh in der Lage.
Irrthümer der Originale entschieden zu erkennen und nach suojectiver Ueber-
zeugung zu verbessern. Wenn Scheda's Karte als Ganzes aufgefasst wird, so
kann sie nur mit Achtung begrüßt werden; sie wird den Vergleich mit der
nächstens erscheinenden zweitenAuflage von H. Kieperts Karte in vier Blättern
nicht scheuen dürfen, und sonach noch weniger mit einer andern. Gewiss
enthält sie Fehler, vielleicht große Fehler, aber welche andere ist frei davon ?
Man könnte fast eine Wette eingehen, dass andere Karten, die zum Vergleiche
herangezogen werden, stellenweise an richtiger Darstellung die Scheda'sche
Karte überflügeln können, wogegen dieselben ebenfalls wieder stellenweise
gegen diese zurückstehen werden, je nachdem der eine oder der andere Autor
91
80 glücklich war, besseres Materiale benutzen zu können. Jede Karte, welche
bei ihrer Ausarbeitung besondere Schwierigkeiten bietet, sollte von einem
Memoire begleitet sein, welches die Quellen nennt, aus welcher Zeichnung
Angaben, Schreibung der Namen etc. geschöpft wurden; das wäre nöthig, um,
Torschnelle ungerechte Urtheile zu vermeiden, um jene Regionen kennen zu
lernen, wo man noch im Unklaren schwebt und schweben muß, um das kriti-
sche Verdienst des Autor's und den Wert des geleisteten richtig würdigen
zu können.
Die Karte lässt sich zu einem schönen Tableau zusammenfügen, und
würde der Autor sich vielleicht bewogen fühlen, auf zwei Supplementsblättern,
die den Rahmen oben ausfüllen, einen Plan von Athen mit Umgebung (als
Pendent zu Constantinopel) und Pläne von einigen andern wichtigen Städten
und Häfen oder eine Uebersicht des ganzen türkischen Reiches folgen zu lassen,
so würde seine Karte durch zweckmäßige Illustrationen einen neuen Vorzug
bekommen. Die Erhaltung derselben auf dem laufenden darf kaum ange-
zweifelt werden, denn Oberst R. v. Scheda hat noch nie Anstand genommen,
die kostspieligsten Erneuerungen auf den Blättern seiner großen Karten
(Üesterreichische Monarchie, Europa) durchzuführen, wenn das Erscheinen
besserer Materialien das Herausschleifen und Neustechen ganzer Partien
nöthig machte. — s —
Kartographische Arbeiten des kgl. ital. Generalstabs.
Unter dieser Aufschrift findet man im Bolletino 3" der ital.-geograph.
Gesellschaft eine Uebersicht der Arbeiten seit der Bildung des Königreiches
Italien. Sie sind eingetheilt in:
A. Original Arbeiten.
1. Allgemeine Triangulierung der südlichen Provinzen, Sicilien u. Apulien
eingeschlossen (1862 1868).
2. Revision einzelner Theile derselben für die europäische Gradmes-
sung (1865).
3. Wiederaufnahme der Basismessung bei Foggia (1864).
4. Detailtriangulierung für die Militärkarte im großen Maße (1867).
5. Triangulierung zu gleichem Zweck von Alessandria bis Mantua und
Cremona (1863-1865^
6. Schichtenaufnahme von Sicilien in "/»üqüo (1862 — nun vollendet
7. Schichtenaufnahme in Vioooo ^^^ Rayons von Ancona, Bologna, Spezia,
Tarent, Pizzighettone und Verlängerung der analogen Karte von Alessandria
und Casale bis Piacenza und Cremona.
8. Theilweise Terrainaufnahmen zur Verbesserung der österr. Gen.-St.-
Karte der Lombardie (1862-1865).
B. Karten.
9. Fortsetzung der piemontesischen Karte in ^/soooo ^^^ Stein.
10. Karte von Ober-Italien, bis zum Parallel von Neapel, in 6 Blättern,
in */mop<mi als Straßenkarte (1861).
12. Ausdehnung der JECarte der alten Staaten von Vasoooo ^is zur Adria
und Florenz (im Stiche).
13. Reduction mittels Autographie einer Militär-Karte von Central-Ober-
Italien in ^4,200 in 24 Blättern von Brescia bis Vicenza und von Riva am
G«-da-See bis Guastalla (1859).
14. Reproduction der österr. Manövrierkarte des Mincio in ^/jiaoo ™i*
8 neuen Blättern vermehrt im Jahre 1862 (Nun 29 Bl.)
15. Reproduction der österr. Gen. - St. - Karte der Lombardie, Venedig,
Parma, Modena und Mittel-Italien (1859-1865).
16. Zeichnung einer Karte der Gegenden zwischen Po und Donau in
25 Bl. '/ujKooo ^0^ München bis Cremona und von Brescia bis Agram, und
Reproduction derselben mittels Autographie (NB. 14, 15, 16 nur zu militär.
Gebrauche.)
17. Zwei Manövrier karten in \'soooo ^^n Somma in 9 und 11 Bl.
92
Nach den ursprünglich festgestellten Principien wurde bei der Karte
von Sicilien in 45 Bl. das Terrain mit Curven von 10 Meter Abstand aufge-
nommen. Für ein Blatt von 50 X €0 Centimeter (== 875 □ Eilom.) wurden
28 bis 30 gemessene Höhenpuncte für genügend erklärt. Eine Basis wurde nicht
gemessen, sondern die 'Messungen an ein Dreiecksnetz des neapolitanischen Ge-
neralstabs angeknüpft. Die verwendeten Instrumente waren von Gsunbey,
5 Zoll waren bei Visuren , */ioooo der Länge als Fehler geduldet. Von 1863
an wurde eine größere Genauigkeit angewendet. Es wurde eine Basis bei
Catanea gemessen und die Triangulation darauf basiert. Neue Instrumente mit
Mikroskopen kamen in Verwendung. Nur die Provinz Trapani wurde noch
offen gelassen, weil dort versucht werden wird, die Triangulierung bis Africa
fortzusetzen. Bei der im Jahre 1865 beendeten Triangulierung Siciliens wurden
etwa 900 Puncte verschiedener Ordnung gemessen, die Fehler auf ^I^moo ^^
Länge eingeschränkt.
Nach 1866 wurde die Triangulierung über Calabrien fortgesetzt und in
Apulien von der Basis bei Foggia aus begonnen und mit der österr. Messung
in Dalmatien in Verbindung gesetzt.
Mangel an Personale, Kriege Epidemien und die Barbarei der Bevölkerung
hinderten eine rapide Beschleunigung der Arbeiten, doch ist die Karte von
Sicilien fertig geworden. Zur Vervielfältigung wird die Helioj^raphie angewendet,
und hat Oberst Avet damit überraschend gute Erfolge erzielt. Die Karte von
Neapel kann vor 5—6 Jahren nicht fertig werden. Diese Lücke ist vorläufig
durch eine im topographischen Archive aufgefundene Karte ausgefüllt, die
zwar im Gerippe von Zanoni's Karte wenig abweicht, aber ein sehr ausdrucks-
volles Terrain hat, das von österr. Ofücieren in den Jahren 1821 bis 1825 ein-
gezeichnet wurde, lieber ihre Veröffentlichung wird eben berathen.
Im Jahre 1869 wurde:
A. Die Triangulierung in Apulien und Calabrien fortgesetzt und 23 Dreiecke
erster Ordnung für die Gradmessung ausgewählt, das Terrain auf 12.000 D Kil.
vorbereitet, und die Messung über das Meer auf Dalmatien anzuschließen
begonnen.
B. Von Sicilien wurde das restierende Achtel der Aufnahme in Vsoooo
vollendet, besonders wichtige Gegenden in ^35000-
C. Zur Gopierung gelangten 15 Blätter der Karte von Sicilien, und
photographisch vervielfältigt wurden 4 Bl. Das vorletzte Blatt der piemon-
tesifichen Karte (das 90.) wurde auf Stein graviert. .
Das letzte wird die Zeichenerklärung, die Positions- und Höhenbestim-
mungen enthalten. Ein provisorisches Militär-Itinerar ist gedruckt, und an ein
allgemeines definitives für die Behörden bereits Hand angelegt. Endlich wer-
den Platten und Steine der ausgegebenen Kartenblätter bezüglich der Straßen
und Wasserläufe auf dem Laufenden erhalten. — g ~
Notizen.
Aus Sibirien. Unser Mitglied, Hr. Friedrich von Hellwald, hat von
Hrn. Dr. Wilhelm Radi off, Professor an der Bergacademie zu Bamaul in
Westsibirien, ein Schreiben ddo. 26. October,?. November 1869 erhalten, dem
wir nachstehenden Passus entnehmen :
^Doch jetzt will ich zu einer der Fragen übergehen, die Sie veranlaüt
hat sich an mich zu wenden, das ist zu der Civilisationsfähigkeit der von mir
besuchten*) Eingebornen Mittelasiens. Die Frage über die Colonisation will
ich in einem späteren Schreiben beantworten.
Die Völker des nördlichen Theiles von Westasien d. h. des eigentlichen
Sibiriens sind für unsere Civilisation durchaus unzugänglich. Wenigstens in
*) Nach einer Mittheilung desselben Briefes hat Dr. Radi off im Jahre
1868 Turkistan besucht und ist daselbst bis nach Samarkand, Katty Kurgän
und Katyoschv vorgedrungen; 1869 beschuchte er den Tschui und die male-
rischen Ufer des Isuk-Kul Sees.
93
diMem Augenblicke itt es leider so. Ee sind wol in keinehn Lande lo viele Ver-
sehen gegen die nationalOconomischen Forderungen gemacht worden wie in
Sibirien, nnd so sind die eigentlichen Bewohner Sibirien's ebenso zersprengt
and vernichtet worden, wie die Urbewohner America's. Zwar sind die sibirischen
Vdlkerschaften mit Ausnahme der Samojeden, Os^aken und Thungusen weit
leichter ansässig zu machen als die Indianer America 's, aber die Lebenskraft
dieser Völkchen und Stämmchen ist geschwunden, und so sterben sie jetzt
nadi und nach aus. Das konnte ich im Jahre 1864 auf meiner Reise am
mittleren Irtisch d. h. zwischen Tara, Tobolks und Tümen so recht deutlich
beobachten. Die hier eigentlich ansässigen Tartaren, die einst hier die reichen
Waldstrecken bewohnt , haben sich jetzt zu den Ufern der großen Flflße
gezogen, bewohnen hier kleine Dörfchen, Krankheiten und Hunger decimieren
ne, während die umwohnenden russischen Dörfer trotz Viehseuchen und Miü-
wachs der letzten Jahre sehr reich sind. Dabei muß bemerkt werden, dass
die russischen Dörfer viel weniger Land besitzen und meist das Ackerland den
Tartaren pachten. Dasselbe kann ich von den Tartaren, die die Barabinzische
Steppe und die Steppen nördlich vom Altai bis zum Fluße Tom bewohnen,
and von den Tscholyen-Tartaren sagen. Alle diese Stämme sind zersprengt zwi-
schen den Russen. Sie haben sich zwar zum Theil mit den Russen vermischt
und bilden dann einen sehr strebsamen Theil der russischen Bevölkerung in
den sogenannten uxopodreckier yüpabor ^eingebornen Verwaltungs-
ämtern^. Die der Vermischung sich widersetzenden Theile dieser Einge-
bomen sterben aber zusehends aus^ in ihren schmutzigen, theils aus Erdhütten
S bildeten Dörfchen. Die eigentlichen altaischen Bergkalmücken sind meiner
einung nach g&nz unzugänglich für Civilisation; sie ziehen sich, jemehr die
Russen in die Thäler des Altai eindringen, destomehr in die waldigen und
steinigen Berge zurück und verwildern eher durch Berührung mit der Givüi-
lation als sie von der Civilisation ergriffen werden.^
Die Emptionen des Aetna und seine HShe. Im Jahre 1864 wurde
unter Leitung des Oberst De Vecchi, Chefs der technischen Abtheilnng des
italienischen Generalstabs, die Höhe von einigen Puncten des Aetna mit
großer Genauigkeit auf geodätischem Wege festgestellt. Gleich damals war
es die Absicht De Vecchi' s, diese Messungen von Zeit zu Zeit zu wiederholen,
am eine durch die vulcanische Thätigkeit des Berges etwa bewirkte Hebung
oder Senkung constatieren zu können. Schon im Jahre 1865 erfolgte der große
Ausbruch, einer der bedeutendsten, deren die Geschichte erwähnt. Als sich
daher 1868 der Major Pollano, welcher die Arbeiten für die Generalstabs-
Karte von Sicilien leitete, an Ort und Stelle befand, wurden jene Messungen
nut denselben Instrumenten und nach derselben Methode zum zweiten Male
Torgenommen und man fand dabei folgende Resultate
Gemessene Puncto Höhe im J. 1864 Höhe im J. 1868
Boden des Torre del Filosofo . . 2917.24 Meter, 2917.69 Meter,
Thürschwelle der Casa inglese . . 2942.06 „ 2942.89 „
Höchster Punct des Krater-Randes 3313.13 . 3313.32 ^
Diese Differenzen (resp. 0.45, 0.83 und 0.19 Meter) sind so gering, dass
sie nach De Vecchi's ürtheil innerhalb der Fehlergrenze der Messungen liegen,
der Ausbruch von 1865 hat daher eine messbare Veränderung in der Höhe des
Aetna nicht hervorgebracht, obgleich die Meinung, die höchste Spitze habe seit
einigen Jahren merklich an Höhe abgenommen, unter den Ftlhrern verbreitet
ist und auch von Dr. Gemellaro, dem ausgezeichneten Beobachter des Aetna,
getheilt wurde. (Bollettino della Societä geografica italiana, Sept. 1869, p. 67.)
Ein th&tiger Volean an den Quellen des Euplirat *). Seit lange
kennt man die vulcanische Natur des am Nord-Üfer des Wan-See's über
10.000 Fuß sich erhebenden Sipan-Dagh, mehrere Reisende, im Jahre 1857
aach Consul Dr. Blau (s. Geogr. Mittheil. 1863, Tafel 7i, fanden an seinem
Fuße Lava-Stücke und anderes vulcanisches Gestein, er ist aber aller Wahr-
icheinlichkeit nach erloschen. Dagegen entdeckte der Britische Consul zu
*) Nach einem Briefe von T. K. Lynch in den Proceedings of the R.
Geogr. Soc. of London, Vol. XIÜ, Nr. ul., p. 243, aus Petennann's Geogr.
Mittheilungen.
94
Erzenim, J. G. Taylor, in allernenester Zeit nordöstlich vom Wan-See, auf dem
halben Wege zwischen Beigir Kalch, einer alten Armenischen Stadt auf den
Hügeln beim nordöstlichen Ende des See's und Dijadin am Murad-Flu6 , einen
th&tigen Vulcan, Namens Sunderlik-Dagh, d. h. Ofen-Berg, von dessen Exi-
stenz man bisher Nichts wußte. Hauch stieg langsam aus seinem Krater auf
und ein rumpelndes Getöse ließ sich in der Erde hören, an das verhängnis-
volle Stöhnen erinnernd, das dem grossen Ausbruche des Vesuv, der Hercu-
lanum zerstörte, vorausgegangen sein soll.
Ferner fand Taylor das ganze Bett und Thal des Murat in der Gegend
von Dijadin voll thätiger Schwefel-Geyser, die zu heiß fOr die Hand 8 bis
10 Fuß hoch springen und immer wieder eben so schnell verschwinden, wie
sie hervorbrechen.
"Der Suezcanal und Brlndisi. Die große Yerkehrssteigerung, welche in
Folge der Eröffnung des Suezcanals für Brindisi erwartet wird, führte in dieser
zukunftsreichen italienischen Seestadt zu großartigen neuen Hafenanlagen,
welche nunmehr als ziemlich beendigt geschildert werden. Dort wo vor wenigen
Jahren kaum ein Trabfücel landen konnte, werden künftig die größten Schiffe
ankern und der umgestaltete Hafen wird selbst dann auf Jahre hinaus genügen,
falls sich alle an den Suezcanal geknüpften Hoffnungen erfüllen sollen. — Das
indische Supplementar-Postfelleisen via Brindisi legt den Weg von London-
Alexandrien m 145 Stunden, 20 Minuten zurück, wovon auf die Reise London-
Brindisi 63 Stunden, 35 Minuten entfallen. F. K.
Zur Oesehichte des Ganais tob Suez. Eine interessante Hinweisung
auf die Schicksale des Canals finden wir in der circa 1480 gedruckten ^Geo-
graphia di Francesco Berlinghieri fiorentino in terza rima et lingua tos-
cana distincta con le sue tavole in varii siti et provincie secondo la geographia
et distinctione dele tauole di Ptolomeo
Segnita el decto sito de Egypto. Cap. YH.
Nello Arabico seno omai uedrassi
ogni & qualunque sito in dito & degno
se dopo il seno interior trapassi.
Yedi Arsinoe che capo fu del regno
d'arabia nabatea tra il nilo & rosso
golfo arabico posto che hör ne insegno.
Lopera di nechao monstrar ti posso
da foce di pelusio insino al seno
d'arabia inchominciato quel grau fosso.
Et dario re de persi anchor non meno
uolendolo finire funne aduertito
che inunderebbe il mare tutto il terreno.
Sendo piu passo tutto egypto sito
che l'arabico sen lasico lampresa
del fosso incominciato & non finito.
Poi la prefata fossa fu distesa
da ptolemeo il quäl la disiaua
in piu comodo luogho & con piu spesa
Elnume apriua quando nauigaua
usata lochiudeua & ilnome uolle
fusse dallui & insino arsinoe andaua etc.
Brenner's ostafrleanisehe Expedition, deren Zustandekommen nach
Ueberwindung von mancherlei Hindernissen nun doch als gesichert zu betrach-
ten ist, wird am 10. December d. J. unter österreichiBch-unganscher Flagge
von Triest ab in See gehen. Das hiefür gechartete Schiff ist ein Schooner von
120 Tonnen, von einem erfahrenen Capitän geführt und mit auserlesenen
(dalmatinischen) Matrosen bemannt; es hat auch eine kleine Dampf-Barcasse
an Bord, um sich im Rothen Meere nöthigenfalls remorquiren zu lassen. Durch
Yermittelung des Professors Petermann in Gotha sind der Expedition von der
englischen Admiralität die besten und genauesten Karten des Rothen Meeres
und des indischen Oceans übermittelt worden. Im Einvernehmen mit der Han-
delskammer in St. Gallen und in Yerbindung mit österreichischen Industriellen
hat sich Herr Escher in Triest bestimmt gefunden, für diesen ersten Export-
95
Tennch nach Ostafrica eine ansehnliche Menge österreichischer Erzeugnisse
ans dem Hinterlande zu beziehen, damit den eingebomen der africanischen
Ostkttste möglichst vieles angeboten und der Beweis geliefert werden könne,
wie leicht Gestenreich im Stande sei, auf dem Wege des Suez-Canals ihre Be-
dürfnisse um billigen Preis zu decken. Zu diesem Ende führt die Expedition
Waaren aus verschiedenen Theilen der Monarchie mit sich, insbesondere Glas-
perlen und bunte Baumwollwaren aus Böhmen, Wein aus Dalmatien, Stahl
and Eisen aus Steiermark, Mehl aus Görz, Tuche aus Keichenberg, Eisen- und
Messingdraht, Seifen und Kerzen, Kurzwaren und Streichhölzer aus Wien
a. s. w. Ueber den Erfolg der Reise, welche durch Vornahme von Messungen,
Aufnahmen, Lothungen u. dgl. auch dem wissenschaftlichen Interesse dienen
soll, hat Herr Brenner der k. k. Regierung die Vorlage von Berichten zugesagt.
Kameele als TranspoTtnüttel in Europa. Der schlechte Zustand der
Straßen in der Türkei enaubte bisher nui* die Verwendung von Pferde-
caravanen und der altgewohnten schwerfälligen von Büffeln und Ochsen gezo-
genen Holzwä^en, an welchen oft nicht ein Stückchen Eisen zu entdecken ist,
als ausschließliche Transportmittel. Auf der großen Jahresmesse in dem bul-
garischen Flecken Perlepe (6 Stunden von Monastir entfernt) erschienen in
diesem Jahre zum erstenmale Kameelcaravanen, welche nicht geringes Auf-
sehen erregten. F. K.
Banmwollenbau in Maeedonlen. Wie schon früher einmal dürfte auch
dieses Jahr der Baumwollenbedarf die reichen Gebiete am Vardar, die Gouver-
oements von Seres, Drama und Thessalien vor dem öconomischen Ruine retten.
Infolge der übermäßigen 'MJArz- und Aprilregen litten die Cerealien der-
artig, dass die Ernte beinahe um den halben Ertrag gegen früheren Sommer
zarückgeblieben und die Ausfuhr sich auf ein Minimum reducierte. Die Baumwoll-
ernte war jedoch eine äußerst ergiebige und dürfte dem schwergetroffenen
Macedonien und Thessalien wol mit 10—12 Millionen Ghilden zu Hilfe
kommen. F. K.
Strafisenmang«! In der Türkei. Die Handels- und Consulatsberichte
aus der Türkei enthalten eine stehende Klage über die auffallende Vernach-
lässigung der großen Verkehrsstraßen in den türkischen Provinzen. Auf Mithad
Pascha's Anregung ist wol etwas in dieser Richtung in den letzten fünf Jahren
geschehen, das meiste ist aber noch zu thun. Namentlich leidet Oesterreichs
andel und Schiffahrt unter diesen Verhältnissen. Würde z. B. eine fahrbare
Straße von Antivari über Scutari nach Prisrend hergestellt, so könnte diese
bedeutende Handelsstadt und das weiter mit ihr in Verbindung stehende Ver-
kehrsgebiet von Triest aus mit Waren versehen werden, während es jetzt
dieseloen aus englisch - französischen Häfen auf dem weiten Umwege über
Salonjk bezieht. Energisch betriebene StraßenlNiuten sind die erste Bedingung
fär die Rentabilität der projectierten türkischen Bahnen — möchte die tür-
kische Regierung sich dessen bewnsst werden. F. K.
Indo-enropKiseher Telegraph. Die indo- europäische Telegraphenlinie,
Eigenthum einer englisch-deutschen Actiengesellschaft und Werk des berühm-
ten deutschen Technikers Dr. Siemens, soll von Neujahr ab dem Verkehre über-
geben werden. Der Dienstbetrieb der Linie erfolgt von London (via Emden
und Berlin) bis Warschau auf den Staatsleitungen, von hier aber auf den
Drähten der Gompagnie (via Schitomir, Bereditschewsk, Odessa, Nicolayew,
Kertsch , Suchumkale, Tiflis) bis Tauris. Von Tauris besorgt eine indische Gre-
sellschaft die weitere Depeschenbeförderung meist per Marinekabel. Man hofft
jedoch die Leitung später auf dem Landwege nach Indien zu führen; ferner
dass auch ein directer Verkehr der wichtigsten Zwischenstationen mit Indien
ermöglicht werden wird, da nach den abgeschlossenen Verträgen gegenwärtig
nur die beiden Endpuncte der riesigen Linie direct mit einander corre-
spondieren dürfen. F. K.
Die Angora-Ziege. Ueber die Angora-Ziege berichtet Lieutenant
Goldsmid (Transactions of the Bombay geographical society), dass sie eine
kleine Art von Ziege sei, welche in der Umgegend von Angora sehr häufig
vorkömmt. Sie gedeiht nur in einem umschriebenen Umkreis und zwar zwischen
dem westlichen Ufer des Kizil-lrmak und Servi-Hissar. Letzterer bildet den
südlichsten Ponct, während das schwarze Meer als der nördlichste des Vor-
96
kommens gelten kaoD, so dass eine Augdehnung von etwa 500 engl. Quadrat-
Meilen als ihre Heimat angenommen werden kann. Selbst an das östliche
Ufer des KiziMrmak versetzt, degeneriert sie und verkümmert. Diese Ziege
gibt beiläufig 2Va Pfund jährlich Wolle und das 6esanm)terzeugnis wird auf
1 Mil. Pfiond geschätzt, wovon man etwa Vt ^^ cler Heimat zu feinen Geweben
und Filzen verwendet, während die größere Menge in Export meist nach
Holland gelangt. (Auch in vielen Gegenden Persiens gibt es Ziegen mit vor-
trefiflicber Comelot- Wolle, besonders in der Gegend von Homadan, Kirman und
Meschhed, man nennt das Thier dort zu Land Murgus, ein großer Theil der
Wolle wird via Bender-Abbas nach Indien exportirt.) Dr. Polak.
Jahresversammlung
der geographischen Gesellschaft am 14. December 1869.
Der Vorsitzende Dr. Ferdinand von Hochstetter bezeichnet als neu
eintretende Mitglieder die Herren Dr. Ami B o u ^, Mitglied der kais. Academie
der Wissenschaften und bereits Ehrenmitglied unserer Gesellschaft, welcher
auch als beitragendes Mitglied aufgenommen zu werden wünscht. — Dr. J.
Descovich, ausübender Arzt in Wien. — Dr. P er k mann, Prof. an der
Wiener Handelsacademie. — W. Presse!, Director der Südbahn. — Siebek,
Director der Stadtgärten. — Dr. Melchior Neumayr, Geolog.
Da statutenmäßig fünf Mitglieder des Ausschusses auszutreten haben,
so ist heut eine Neuwahl vorzunehmen. Die fünf durch das Los zum Austritt
bestimmten Mitglieder des Ausschusses sind die Herren :
Sectionsrath Ritter v. Hauer. — Feldzeugmeister Ritter v. Hausiab.
— Gustos Ritter von Frauenfeld. — Professor Komb über. — Med. Dr.
Polak. - Nach den Statuten sind diese wieder wählbar.
Der Ausschuss hat jedoch einer frühern Uebung gemäß noch fünf
andere Mitglieder der Gesellschaft als Canditaten für den Ausschuss bezeichnet,
womit er die Wahl erleichtern, doch nicht beschränken will. Es sind die
Herren General Ritter von Pechmann. - Hofrath Ficker. - Freiherr von
Andrian-Werburg. —Hauptmann Du Nord. Professor Woldfich.
Der Vorsitzende ersucht nunmehr die Wahl vorzunehmen, damit während
des Vortrages der Jahresberichte das Scrutinium vorgenommen werden kann.
Bei der Wahl wurden 32 Stimmzettel abgegeben, von denen einer als
ungültig ausgestoßen wurde.
Mit absoluter Majorität erschienen als gewählt die Herren: Dr. Polak.
Ritter von Hauer, Freihen* von Andrian, Ritter von Frauenfeld ona
nach einer engeren Wahl Feldzeugmeister Ritter von Haus lab. Das Scru-
tinium besorgten die Herren: Friedrich von Hellwald und Dr. Polak.
Zu Rechnungsrevisoren wurden bestimmt die Herren: Dr. Josef Bauer,
Hof- und Gterichtsadvocat und J. Voelker, Banquier.
Hierauf folgten die Jahresberichte und zwar:
a) der Jahresbericht des Präsidenten Prof. Dr. Ferd. v. Hochstetter,
b) der Bericht des orientalischen Comit^'s der Gesellschaft J. A. Frei-
herr von H eifert,
c) der Finanzbericht des Rechnungsführers Dr. Ant. Edl. v. Ruth n er,
d) der Bericht über die innem Angelegenheiten' der Gesellschaft von
Generalsecretär M. A. Becker.
(Siehe das Hauptblatt der Mittheilungen.)
Die nächste Monatssitzung der geographischen Gesellschaft findet am
11. Jänner 1870 statt.
Berichtigung. Im letzten Hefte dieser. Mittheilun^en S. 46, 8. Zeüe
von unten soll es statt Bastians heißen: Peschels in einer zu Augsburg
gehaltenen Festrede.
Seite 33, Zeile 20 von oben soll es statt — darunter Gomiale, wo die
berühmte Grotte Trebiff, unter der die Recka u. s. w. -- heißen: darunter
Corgnale, wo die bertüimte Grotte; Trebiö, unter dem die Recka u. s. w.
Reise von Serajewo nach dem Dormttor und durcti die mittlere
Herzegowina.
Von Carl Sax, k. k. Vice-Conaul *).
Mit einer Karte.
Gegen Ende August d. J. unternahm ich von Serajewo aus eine
kleine Rundreise durch die Herzegowina, zum größten Theil in zufäl-
liger Gesellschaft des auch als Geograph bekannten norddeutschen Con-
suis Dr. Blau. Neben speciellen Reisenzwecken verfolgten wir als ein
gemeinsames Ziel die Durchforschung des am wenigsten bekannten
Theiles der nordöstlichen Herzegowina, und den Versuch einer Besteigung
des, außer vielleicht von einheimischen Hirten, noch von niemand
erstiegenen Dormitor, bekanntlich des höchsten Berges auf bosnischem
Boden.
Die nordöstliche Herzegowina war noch vor einem Decennium fast
vollstftndig terra incognita. Damals erst verbreitete Dr. Blau*s Karte
der Herzegowina einiges Licht Aber diese Gegenden, und erst der
k. k. Major Roskiewicz erwarb sich das Verdienst, das innere herze-
gowinische Gebirgsland selbst durchforscht und mit einiger Genauigkeit
dargestellt zu haben. Natflrlich blieb noch vieles zu ergänzen und auch
manche Fehler zu berichtigen, was ich , soweit meine Reise - Ergebnisse
reichen, hiemit versuchen will.
*) Ich habe in diesem Aufsatze die Ortsnamen nach deutscher Orthographie
geschrieben, und nur für den im Deutschen nicht üblichen weichen sch-Laut
^sh^ gesetzt, sowie für den zwischen a, e, i und u schwankenden kurzen Vocai
Tor r den Apostroph angewendet. Die landesübliche Orthographie ist, abge-
sehen von der officiellen türkischen, die cyrillisch -serbische, welche ich hier
natürlich nicht gebrauchen kann; die lateinisch -croatische ist zwar sprachlich
verwandt, aber in Bosnien nur bei den wenigen Katholiken gebräuchlich; sie
wOrde in einem deutsch geschriebenen Aufsatz nur stören und durch ihre
Eigenheiten zu irrthümlicher Aussprache verleiten. (Z. B. Zenica würde man
nicht als Senitza, sondern wie Tzenika, Gacko nicht wie Gatzko, sondern
Gakko lesen u. s. w.) Nur in der Karte, wo die Rücksicht auf den fortlaufen-
den Text nicht vorhanden, dagegen die Raumersparnis anzustreben ist, habe
ich die zu diesem Zwecke sehr dienlichen croatischen Schriftzeichen s, z, t
and c angewendet, weil sie durch ihre Nebenbezeichnung auch von Deutschen
und sonstigen Fremden richtig gelesen werden können, aber die uiibezeichneten
croatischen Buchstaben c, v und z, habe ich in Fällen, wo wir sie wie k, f
und tz aussprechen würden, durch die ihrer wirklichen Aussprache entsprechen-
den Buchstaben tz, w und s ersetzt, dagegen das scharfe croatische s in zwei-
felhaften Fällen (2. B. zwischen zwei Vocalem durch ss ausgedrückt.
QMfnpUscU ][ittii«Uiuig«n. 1870. 9. 7
98
Meine Reise gieng yon Serajewo Ober Trnowa und Erblina nach
Sagoija, von dort Aber den Wntsclga-Berdo und Ober die Qoellbftche
der Narenta nach Gatzko, weiter über Piva bis zum Dormitor, znrflck
über Piva nnd Gatzko, dann Ober Newessii^ nach Mostar, von da durch
das Narenta-Thal Aber Jablanitza nach Konjitza, und Aber die Iwan-
Planina wieder nach Serajewo, — ein Ritt von 92 ttlrk. Standen oder
beil&ufig 64 geogr. Meilen. (1 tfirk. Stande = 07 Meilen beil&afig.)
Die Reisestrecke von Serajewo bis in die Sagorja hat schon Ros-
kiewicz in seinen Stadien Aber Bosnien and Herzegowina (S. 134 — 136)
beschrieben and gezeichnet Es bleibt aber doch noch manches auf dieser
Strecke zu bemerken.
Der Weg, welcher von Fotscha and Oatzko her bisweilen von
Reisenden, and von Lastthier - Treibern auch mit Waren benAtzt wird,
ist sehr schlecht Aach der von Roskiewicz als Fahrstraße bezeichnete
Anfang Aber Lnkawitza ist großentheils an&hrbar; die Fortsetzung
aber von dem anderthalb Standen sAdsAdwestlich von Serajewo ge-
legenen Eobil-Do (Kobildol) an, ist selbst zu Pferd oft schwer
za passieren, namentlich wenn, — wie ich es gerade traf, — Regen-
gAsse den Boden zerrissen und die B&che geschwellt haben.
lieber einen steilen Gebirgspfad gelangt man in einer Stunde von
Kobildol in das hier von SO. nach NW. ziehende Shelesnitza-
Thal, in der Gegend des Tzrweni Klanatz (rother Engpass). Das von
Roskiewicz hier angegebene Jablanitza liegt nicht am Wege, sondern
irgendwo Ostlich im Gebirge; dagegen zeigt sich rechts im Thale das
Dorf Krupatz, and erreicht man von dort in dreiviertel Standen
das von Roskiewicz etwas zu sAdlich verlegte Kiewo. Von hier an
wird das Thal nach oben zu immer felsiger und enger. Bei Medjustienje
(Zwischenfelsen) treten die beiderseitigen, zwar kaum 1(X) Fuß hohen,
aber senkrechten Felswände so nahe zusammen, dass fAr die in kleinen
Katarakten hindurchbrechende Shelesnitza und den hart daneben hin-
ziehenden Weg nur ein etwa zwei Klafter breites Thor Abrig bleibt
Da ändert sich plötzlich die Landschaft und man befindet sich auf
einem weiten ebenen Wiesengrunde, durch den sich die Shelesnitza still
hindurchschlängelt , während im Hintergrunde das mächtige Jahorina-
Gebirg sichtbar wird. In dieser freundlichen kleinen Ebene liegt der
Han (Gasthaus, resp. Unterkunftshütte) von Ilowitza — ungefähr
fAnf Stunden von Serajewo. Dieser Han ist zwar sehr durchsichtig ge-
zimmert, aber wenigstens fAr die Pferde eine entsprechende Raststation.
In der Nähe dieses Ortes Aberschritten wir auf einer kleinen BrAcke
die Shelesnitza. Nachdem sich das Thal wieder verengt und sAdw&rts
gewendet, mAndet von Osten her, etwas sAdücher, als auf der Ros-
99
Idewicz'scheD Karte, die Tzrna Rieka. Eine halbe Stunde südlich
davon liegt in einer schönen Thal - Erweiterung , angesichts des wol
über 7000 Faß hohen Treskavitza-Gtebirges, das Dorf T rn o w a, sechs
Stunden von Serajewo, mit einem schlechten finstem Han, wo wir die
Nacht Zubrachten.
Von Trnowa beabsichtigte ich ursprünglich die noch ganz onbe-
«
kannte Route über das Wratlo einzuschlagen, aber die anhaltenden
B^iengfisse vereitelten diese Gebirgspartie , und so reisten wir weiter
auf dem Roskiewicz'schem Wege. — Das östlich von Trnowa gelegene
Dorf Tos itsch ist ungewöhnlich eng gebaut Von dort stiegen wir durch
schöne Laubw&lder und Waldwiesen auf den wol nahezu 4000 Fuß
hohen Sattel Selenidol, und von dort steil hinab in das zum Strom-
gebiet der Drina gehörige Dobropolje. Nachdem der Weg hier eine
halbe Stunde am gleichnamigen Bache hingezogen, windet er sich plötz-
lich in sehr steilem Aufstiege, — so dass man kaum hinanfreiten
kann — an der südlichen Bergwand hinan, und erreicht über theils
bewaldeten, theils steinigen Boden, das Plateau von Krblina (neun
Standen von Serajewo). Dieses kleine Plateau, bereits zur Herzegowina
gehörig und ungef&hr so hoch wie Selenidol gelegen, hat bereits den
karstartigen Character der Sagorje, welche man von hier fast ganz über-
blickt. Die Sagorje (das Land hinter den Bergen) ist ein ungef&hr
vier Stunden breites und vier bis fOnf Stunden langes, durchschnittlich
3—4000 Fuß hohes wellenförmiges Hochland mit kahler, steiniger
Oberflfiche, kesselartigen Vertiefungen und spitzen Steinhaufen, theil-
weise auch guten Hutweiden. Der Winter ist hier sehr str^g und an-
haltend. Wegen des hohen Schnee's bedienen sich die Bewohner
einer Art Schneeschuhe aus Reifen von ungefähr drei Fuß Durchmesser
bestehend, womit sie über den Schnee hingleiten können, ohne einzu-
sinken. Unter den Bewohnern dieser Crebiigsgegend finden sich weit
mehr Mohammedaner als Christen.
Ein ziemlich guter Weg ftüirt von KVblina südwärts an der
Shiwolska-QueUe und am christlichen Friedhofe von Shiwo^e vor-
über. Nach ungefähr zwei Stunden zeigt sich links vom Wege das Dorf
Jassitsch und eine kleine halbe Stunde später M ossorovitsch
zur rechten Hand, — während nach der Roskiewicz'schen Karte die
Lage umgekehrt erscheint Nach einer weitem halben Stunde erreicht
man Kalinowik. Abseit von unserm Wege liegen in westnordwest-
lieher Richtung von Kalinowik: Meihowina eine viertel Stunde,
Romanj eine Stunde, Hotovlje zwei und Bielemitsch, welches
nieht am linken sondern am rechten Narenta-Ufer liegen soll» angeblich
drei Stunden. Nach Ulok rechnet man von Kalinowik vier, nach
7*
100
F 0 1 8 c h a acht Stunden. Fotscha scheint auf der großen Roskiewicz'schen
Karte am richtigen Platze angegeben zu sein; auf der kleinen Ros-
kiewicz'schen und der Scheda*6chen Karte des österreichischen fiLaiser-
Staates (XYIII. Blatt) li^t Fotscha wenigstens um drei Meilen zu weit
südwestlich, und Ulok ist auf der großen Roskiewicz'schen Karte um
wenigstens anderthalb Meilen zu weit ostsfldöstlich, und auf der
Scheda'schen um fast ebensoviel zu weit sfidsfidwestlich verlegt. Die
Sagoije liegt in Wirklichkeit etwas nördlicher als sie auf jenen beiden
Karten angegeben ist. Diese Resultate haben sich aus dem Vergleiche
mit den späteren Beobachtungen ergeben.
In Kalinowik fand ich zu meiner Verwunderung einen der be-
sten Han's, die ich je in Bosnien gesehen. Die Frequenz ist hier ziem-
lich bedeutend, weil sich die Wege Serajevo - Oatzko und Mostar-
Fotscha hier kreuzen. Kalinowik, wie Überhaupt die Sagorje, gehört
zum Kasä (Verwaltungsbezirk) von Fotscha.
Von Kalinowik schlugen wir einen Weg ein, der bisher noch von
keinem Geographen, wol überhaupt von keinem Ausländer, zurückgelegt
worden sein dürfte, n&mlich südwärts, über den Wutschja B'rdo
(Wolfs-Berg). Dieses Gebirge ist über 40(K) Fuß hoch , hat im Gegen-
satz zur kahlen Sagorje einige schöne Wälder, hie und da aber auch
noch die kesselartigen Vertiefungen des Karstlandes, welche aber hier
von üppiger Vegetation strotzen. Von einem der Gipfel dieses Gebirges
hatten wir eine schöne, weite Rundsicht: im N. die Sagorje mit der
Treskawitza, im W. der felsige Tzrwenj und die übrigen mas-
senhaften Gebirge jenseits der Narenta, unter denen eines im WNW.,
wahrscheinlich eine zum Lipeta- Gebirge gehörige Kuppe über alle
andern hoch, wenigstens bis zu 6000 Fuß emporragt; im SC. schließt
sich unmittelbar an den Wutscfaja-Brdo die 5 — 6000 Fuß hohe weiß-
glänzende Lelia an, wdche als das höchste Gebirge dieser Gegend
gilt, und reich an Gemsen, angeblich auch an Steinböcken sein soll.
Zwischen dem Wutsclga-Brdo und der Lelia breitet sich ein kahles,
steiniges Bergland aus. Hier fand ich rechts vom Wege einen alten
Gottesacker, mit großen, viele Centner schweren, viereckig behauenen
Grabsteinen, ohne Inschriften, in der Form den jüdischen ähnlich,
wahrscheinlich aber altslavischen Ursprunges, wie es deren viele in
Bosnien gibt Deren Anhäufung in dieser unbewohnten, unfruchtbaren
Gegend scheint aber zu beweisen, dass dieselbe Gegend einst cultiviert
gewesen. In der Nähe soll sich im Gebirg aufwärts ein See befinden.
Der Weg führt weiter gegen das Narenta -Thal abwärts, über schöne
Bergwiesen, von Wäldern umsäumt, durch die Gegend Bielawoda,
wo sich eine herrliche kalte Quelle befindet, und an den westlichen
101
AbhAngen des Dum o seh hin, dessen senkrecht gegen die Narenta ab-
stflnende Felsenknppe wol Qber 5000 Fnß emporragt. Nach einem
stundenlangen steilen Abstiege gelangt man am Dorfe Trnowitza
vorbei nnd Aber den Ernpatz-Bach nach Boratsch imNeretwa-
oder Narenta- Thale. Boratsch, sechs Stunden von Kalinowik, ist kein
eigentliches Dorf, sondern eine Gegend mit wenigen zerstrenten H&nsem.
Von Boratsch rechnet man sechs Standen thalabw&rts nach U 1 o k, eine
Stunde thalaufwärts nach Pridworitza, dann weiter östlich zwei
Stunden nach Igra (?), zwei ein halb nach Shipowitza (?), drei
nach Jahnka, vier nach Grab, sechs nach Sntjeska, acht nach
Tjentischta. lieber die Narenta-Qnelle konnte ich nur erfahren, dass
sie mehrere (wahrscheinlich drei) Stünden weit östlich im Gr edel liege.
Wir durchritten die Neretwa und stiegen am jenseitigen steilen
Bergabhang hinauf. In einer halben Stande erreichten wir das etwas
links abseits vom Weg liegende Dorf Mied enik. Von hier Abersahen
wir weithin die Randgebirge des oberen Neretwa-Thales. Gerade gegen-
über liegt die ungeheure steile Felskuppe des Dumosch, links hinter
demselben in der Feme die Spitze der Treskavitza, rechts hinter
dem Domosch die vielleicht gegen 6000 Fnß hohe kegelförmige Fels-
qntze der Towarnitza, wahrscheinlich der sogenannte Sedlo (in-
dem jene Höhe mit der daneben befindlichen niedrem Spitze und der
dazwischen li^nden Einsattlang die Form eines tfirkischen oder unga-
rischen Sattels annähemd darstellt), rechts davon qaer Aber die Thal-
richtong der Gredel und hinter demselben der riesige, wol 6 bis
7000 Fu6 hohe Wolujak. Am linken Ufer zeigt sich als Fortsetzung
des Plateau's, auf welchem Miedenik liegt, die grün bewachsene, wahr-
scheinlich etwas Aber 4000 Fuß hohe Mo r ine, weiterhin der
mothmaßlich 5000 Fnß Aberragende Tzrvanj, und im Hintergrunde
ein noch höheres, wahrscheinlich zur Lipeta gehöriges Gebirge (oder
derWlah?). Nach weiterer fast einstAndiger Steigung gelangten wir zu
dem christlichen Dorfe Kokorina, welches dem Haider Beg Öengic
(Tschengitsch) gehört. Wir Abernachteten dort in einer aus unbehauenen
Steinblöcken erbauten finstem BauemhAtte, und lernten daselbst das
UmdesAbliche Gericht Gmschawina (Eierspeise mit Milch) kennen. Außer-
halb Kokorina fanden wir einen kleinen Han und einen christlichen
Gottesacker mit theils ganz neuen, Aberraschend zierlich gearbeiteten
steinernen Kreuzchen, theils alten massiven Grabsteinen und riesen-
großen abgerundeten Kreuzen mk unleserlich gewordenen altslavischen
Insdiriften.
Von Kokorina fAhrt der Weg, anfangs in einer Höhe von mehr
als vierthalbtansend Fuß, weiter in vorherrschend sAdsAdöstlicher Bich-
102
tong Aber einförmig kahles, steiniges Hügelland. Gegen Sttden zeigen
sieh die sfldwestlichen Randgebirge der Gatzkoer Ebene, n&mlich die
Bielaschitza and die Baba-Planina. In einer kleinen Stunde
erreicht man von Kokorina das Dorf nnd die Gegend Jngowitsch,
wo eine christliche Kirche steht, dann den Shapanj*Bach, welchen
man in einem tiefen Thal-Einschnitte flberschreitet, dann das Wisch*
njowa-Thal, aaf dessen jenseitigem Rande sich das gleichnamige Dorf
mit einem griechischen Pfarrhanse zeigt, endlich das Grat seh an itza-
Thal, wo ein schlossartiges Gebäade auf einem kleinen Felsvorsprung
durch seinen kühnen Ban anfällt, nnd gelangt so in der vierten Stunde
bei Gratschanitza in die Ebene Gatzko, welche eine wohlthuende
9
Abwechslung in die bisher so öde Landschaft bringt. Ostwärts in diese
Ebene einbiegend, gelangt man in einer halben Stunde in den an der
nördlichen Berglehne gelegenen, aus einigen dreifiig steinernen Häusern
bestehenden Hanptort von Gatzko, Metochia, Sitz des Kaimakams,
dann längs der Muschitza fortziehend in drei viertel Stunden in das
Dorf Haptowatz (Aptowatz), wo die Mushitza von Norden herein-
kommt, und diese überschreitend in einer kleinen Viertelstunde in die dem
Döda oder Derwisch Bey Öengic gehörige Kula (d. i. Burg) Lipnik,
am obgenannton Bache. Diese Burg zeigt sich schon von weitem als
eine von einer Mauer umgebene Gruppe glänzend weißer, ziemlich hoher
Häuser. Der genannte Bey, Commandant der herzegowinischen Baschi-
bosuk's (irregulären Truppen) hält daselbst Hof, und richtete sich
einige Gemächer mit orientalischem Luxus ein, der freilich mit unsem
Luxus -Begriffen nicht ganz übereinstimmt Westlich von Lipnik liegt
Mnla, wo eine Gaseme gebaut wird.
Auf der Roskiewicz'schen Karte sind die Entfernungen der Ort-
schaften Gatzko*s unter einander zu groß angegeben. Im allgemeinen
scheint die Lage von Gatzko auf jener Karte ziemlich richtig zu sein,
aber Scheda verlegte es um wenigstens anderthalb Meilen zu weit
nach SW.
Die Ebene von Gatzko mag allerdings 2500 Fuß hoch sein;
sie macht aber nicht den Eindruck einer eigentlichen Hochebene, weil
man, ihr enges westliches Thor abgerechnet, von allen Seiten noch in
selbe hinabsteigen muß. Im S. ist sie von der Somina und der
4—5000 Fuß hohen Baba-Planina, im SW. von der 5—6000 Fuß
hohen Bielaschitza, im N. von den hügelartigen Abhängen des bis
zur Narenta hinreichenden Hochlandes begrenzt; im NNO. ragt weiter
rückwärts der wahrscheinlich 5 — 6000 Fuß hohe kegelförmige Gipfel
desPledshe hervor. Der Leberschnik liegt weit rückwärts im NO.
hinter andern Grebirgen und scheint nicht so hoch zu sein. Der Wog
103
Sieh PiwE fahrt weder tkber den LeberBchnik noch über Lissna, son-
dern sQdlich davon» in ziemlich genau west- östlicher Richtung. £r
hat eine Länge von 5 — 6 Standen und geht an Lipnik über steinige
Hflgel auf die Hochebene Ravno. Vorher begegnet man rechts einem
aitslavischen Friedhofe mit großen, (neistens aber niedrigen Grabsteinen,
deren einer mit einem Schwert oder Kreuz, ein anderer mit einem
ondentlichen , durch vier Ringe characterisierten Wappen und einer
Lanze geziert ist. — Hinter Ravno beginnen die in den letzten Jahren
zur Unterjochung der Piwaner und zur Abwehr der Tzmagortzen von
den Türken erbauten Blockh&user, welche bis an die Piwa hin fast alle
zugänglichen Höhenpnncte krönen. Es zeigt sich nun im N. der ge-
waltige, weißgraue W o 1 u j a k mit seinem östlichen Ausläufer Kruschitshitsh
(?) und genau im 0. der nach der Westseite her steil abfallende D o r-
mitor mit seinen massenhaften verworrenen Yorbergen. Drei Stunden
von Lipnik erreicht man das rechts im Thale liegende Dorf Smrieschno,
wo sich ein griechisches Pfetrrhaus befindet Hier sahen wir die eben
geemteten Feldfrüchte auf eigenthfimlichen Schlitten transportieren. Auch
die Wägen haben hier und in Gatzko eigenthümliche Räder mit je vier
Radspeichen, zwei zu zwei parallel und auf den beiden andern senkrecht.
Nach mehr als einstündigem allmälichem Abstiege gelangt man
zum Fressika-Bache hinab und überschreitet denselben, worauf man
jenseits wieder in die Höhe steigt und in einer halben Stunde das
kleine Plateau vonGoratzka erreicht. Diese größtentheils neugebaute
kleine Ortschaft ist der Sitz des Mudir's oder Kaimakam's und des
Mültär-Commando's von Piwa. Von Goratzka steigt man in südlicher
Hanptrichtung wol drei viertel Stunden lang in steilen Serpentinen zum
Kloster Piwa hinab. Auf der Roskiewicz^schen Karte ist nach Dr. Blau*s
alter Karte der Herzegowina statt des nördlich von Piwa liegenden
Goratzka eine Ortschaft Goranitzka südlich davon angegeben, was natür-
lich ein Irrthum ist.
Das Kloster Piwa liegt nur einige Minuten von der schönen
seeartigen Piwa-Quelle Sinatz entfernt. Der Sinatz-Bach vereinigt sich
eine halbe Stunde nördlich mit der von Südosten kommenden Komar-
nitza, und dadurch entsteht der eigentliche Piwa-Fluss, sowie weiter
durch dessen Vereinigung mit der Tara die Drina gebildet wird. Das
Kloster besteht aus einigen hufeisenförmig gestellten unbedeutenden
Gebäuden mit einem Hofraum, in dessen Mitte die viel höhere, aber
nicht mit den gewöhnlichen Kuppeln und Türmen, sondern nur mit
einem einfachen Dache versehene, geräumige Kirche steht. Die Glocken
sind auf einem hohen hölzernen Gestelle neben der Kirche angebracht
Das Fremdenzimmer, in welchem wir wohnten, ]ag im obem Stockwerke
104
des vorderen Hauses; es führte aber keine Stiege hinauf, sondern eine
Leiter, von deren oberster Sprosse man seitw&rts auf ein Brett springen
mußte, über welches man zur Zimmerthflr gelangte. Die Aufnahme
Seitens der Mönche war eine sehr gute. Derzeit hat das Kloster nur
vier Mönche, einschließlich den Igumen (Abt).
Der nftchste Tag war dem Besuch des Dormitor gewidmet.
Wir brachen bald nach vier Uhr morgens auf. Unser Weg fahrte eine
Viertelstunde am linken Sinatz-Ufer hin, dann durchritten wir den Fluss
und gelangten nach einer halben Stunde anr Komamitza-Brficke, welche
in dem letzten montenegrinischen Kriege von Omer Pascha erbaut woi^
den ist. Jenseits der Brücke zieht der Weg noch eine Viertelstunde
durch waldiges Terrain l&ngs dem Wasser hin, geht aber dann fast
anderthalb Stunden sehr steil über felsigen Boden und durch dichtes
Buschwerk, zuletzt über Wiesengründe, auf die Höhe von Berkowitsh-
Dieser Ort, mit wenigen zerstreuten Hütten, liegt muthmaßlich bei
4000 Fuß hoch, und ist der Sitz eines Popen. Von dort kamen wir
in einer weitem Stunde über kahle Hügel und Hutweiden nach N i k o-
1 i n d 0 1 , ein Dorf, welches aus mehreren Hütten besteht, die s&mmtlich
fensterlos sind und nur ein einziges Gemach darstellen, in dessen Mitte
sich der Herd befindet, um welchen s&mmtliche Hausgenossen herum-
liegen. Dort fanden wir den letzten türkischen Wachtposten gegen
Drobnjak hin, welches wol nominell zu Bosnien gehört, aber factisch
unter montenegrinischem Schutze stKht. Auch den Popen von Berkowitsch
fanden wir in Nikolindol. Derselbe hatte eine für einen Greistlichen
nach unsem Begriffen sehr sonderbare Tracht : einen engen kurzen Rock
aus ungefärbter Schafwolle, eng anliegende Beinkleider aus demselben
schmutzigweißen Stoffe, Bundschuhe, und einen rothen Turban. Ein lan-
ger Vollbart characterisierte nach orientalischer Sitte seinen geistlichen
Stand. Im allgemeinen tragen die Christen jener Gegend enge Jacken
und Beinkleider aus solcher ungefärbter Wolle und darüber häufig einen
rohen weißen Schafpelz. Sie zeichnen sich vor den Bosniaken durch
Frische und Beweglichkeit aus; ein besonderes Geschick zeigen sie in
ihrem springenden Gange auf den steinigen Bergpfaden. — Von Nikolin-
dol, welches ungefähr drei Stunden ostnordöstlich von Piwa über 4000 Fuö
hoch liegt, zogen wir an einem kleinen seeartigen Sumpfgewässer vor-
über, zwei Stunden lang ostwärts, über kahlen steinigen Boden, bald
auf-, bald abwärts, jedoch meistens aufwärts. Bei den Sennhütten von
Pop an wendeten wir uns nordwärts. Hier sahen wir den Dormitor
nahe vor uns ; aber sein Gipfel war in Wolken gehüllt. Wir ritten über
einen ziemlich flachen Wiesengrund eine Zeit lang gerade auf ihn los;
aber es zeigte sich, dass wir hier erst das diesen Berg im Süden wall*
106
artig aragebende steile Felsengebirge tibersteigen maßten, um znm eigent-
lichen Dormitor zn gelangen. Wir wendeten nns daher nach einer halben
Stande wieder ostwärts, nm dieses Gebirge zu umgehen, und kamen so
auf einen abgemähten Wiesengrund, welcher von riesigen, abenteuerlich
geformten Felsmassen umgeben und auf der Ostseite von dem mit
einer steilen kegelförmigen Spitze gekrönten Sedlo begränzt ist Hier
beginnt das Gebiet von Drobnjak. Wir überstiegen nun, nach einer
weitem halben Stunde diesen Sedlo in einer muthmaßlichen Höhe von
mehr als 5000 Fuß, und stiegen auf der andern Seite in eine steinige
Mulde hinab, in deren Mitte zwei kleine, von einsamen Buchen um-
gebene Alpenseen, besonders der eine (Seleno Jesero) von herrlich
smaragdgrüner Farbe, wie Oasen in der Wflste erscheinen. Diese Mulde
ist im Süden von den die Fortsetzung des Sedlo bildenden Felsgebirgen,
im Norden vom südöstlichen Abfalle des Dormitor begränzt, und gegen
Osten zu offen, indem dort das Terrain sich gegen die Tara hinabsenkt.
Wir durchritten in einer halben Stunde diese Mulde und erstiegen jen-
seits in einer viertel Stunde den gewissermaßen den südöstlichen Grund-
pfeiler des Dormitor bildenden Komorastiena, welcher in eine
kegelförmige Spitze endet, und kletterten über die mit Gras und einigen
Alpenkräutem bewachsenen Felsen noch weiter eine viertel Stunde gegen
den Dormitor -Gipfel zu. So erreichten wir um Mittag wol eine Höhe
von mehr als ÖOOO Fuß, vieUeicht ö400— ö«o00 Fuß ; in einer Schlucht
unter unserem Standpuncte lag Schnee; der Wind wehte eisig unge-
achtet der warmen August-Sonne. Gegen Osten zu sahen wir das Gebiet
von Drobigak und Jesero, das mittlere Tara-Gebiet, wie eine Ebene
unter uns; nur verhältnismäßig unbedeutende Berge, wahrscheinlich die
Randgebirge des Lim-Thales, begränzten dort den Horizont. Gegen S.
versperrten uns die wol an 6000 Fuß hinanreichenden nahen Yorberge
die Aussicht. Der im NW\ liegende Gipfel des Dormitor blieb in Wol-
ken gehüllt; er war vermuthlich noch dritthalb bis 3000 Fuß über
anserm Standpuncte und noch zwei bis drei mühsame Stunden entfernt.
Ohne Hoffidung, aus den Wolken eine Aussicht zu genießen und ohne
Zelte, um auf der freien Höhe übernachten zu können, entschlossen wir
uns endlich zur Umkehr. Mein damaliges durch die ungewohnte landes-
übliche Kost entstandenes Unwohlsein war unter diesen Umständen nur
ein nebensächliches Hindernis der weiteren Besteigung. Wir hatten den
Umständen nach das möglichste geleistet. Nur durch rücksichtsloses, un-
aufhaltsames Vordringen, und durch fortwährendes Ankämpfen gegen die
vielen Bedenken unserer Führer und officiell beigegebenen Schutzwachen,
hatten wir noch die Strecke von vier Stunden über Nikolindol hinauf-
kommen können. Ein Reisender, der keine ämtliche Stellung hat, müßtet
106
um den Dormitor besteigen zn können, einen ausdrücklich auf diesen
Zweck lautenden Geleitschein and einen of&ciellen Begleiter bei sich
haben; er mtlßte femer, wenn er den Dormitor, wie wir, von Piwa aus
besteigen will, die Nacht vorher in NikolinddU oder wenigstens in Ber-
kowitsch zubringen, um von dort mit der Morgendämmerung aufzu-
brechen, und müßte sich nicht nur mit Mundvorrath, sondern auch mit
jenen Gegenständen versehen, welche nöthig sind, um im Hochgebirge,
wo sich nicht einmal Holz zum Feuermachen vorfindet, im Freien über-
nachten zu können.
Von Jesero, d. i. von NO. her, dürfte die Besteigung vielleicht
weniger Zeit in Anspruch nehmen; unter den g^enwftrtigen Ver-
hältnissen hätte aber dieses Unternehmen auch seine politischen
Schwierigkeiten, denn die Bevölkerung jener Gegenden ist sehr mis-
trauisch und für Empfehlungsbriefe nicht sehr empfänglich (was der
berühmte Barth in Montenegro und Kanitz am Drin zu erfahren (xe-
legenheit hatten). Die Besteigung des Dormitor ist überdies an und für
sich, wenigstens auf unserem Wege, ziemlich unangenehm und beschwer-
lich. Bisweilen wird das Auge wol durch die Ungeheuern Massen und
die fast schauerlich bizarren Formen der Felsgebirge überrascht, aber
es wird auch ermüdet durch den viele Stunden gleich bleibenden An-
blick der leblosen kahlen Scenerie; das Unangenehmste ist aber die Be-
schaffenheit des Weges; fast ununterbrochen SteingeröUe, oft so weit
das Auge reicht. Die einheimischen Pferde, welche auf solchen Wegen
zu klettern gewohnt sind, kommen wol darüber hinweg, aber mit
vieler Mühe, langsam und stolpernd; an vielen steilen Stellen, wie auf
der ganzen oberen Wegstrecke muß man zu Fuß gehen, und da ist
dieses Steineklettem mindestens so mühsam wie das Waten in tiefem
Schnee. Die Gefahr einer Gletscherpartie ist übrigens mit einer Dor-
mitor-Besteigung nicht verbunden.
Nach einer kurzen Rast am grünen See kehrten wir auf dem-
selben Wege nach Piwa zurück, wo wir nicht ohne Yerirrungsgefahren
erst nach Einbruch der Nacht anlangten. Von dort ritten wir wieder
auf dem alten Wege nach Gatzko. Wir begegneten auf dieser Beise
vielen Christen, welche zum Marien-Feste nach Piwa wallfahrteten. Sie
waren in einer der bosnisch-türkischen Tracht ähnlichen Kleidung, jedoch
bunter und reicher als man bei bosnischen Christen zu sehen pflegt;
ihre Jacken und Westen waren meistens mit Reihen von Süberknöpfen
verziert. Die Weiber hatten die gewöhnliche herzegowinische Tracht:
Kittel aus ungefärbter Schafwolle, dazu bunte, gefranste Schürzen, und
am rothen Feß ein rückwärts herabhängendes Tuch, bisweilen auch eine
dunkle lange Mantille ohne Aermel.
107
Yon Gatzko ritten wir nach Newessinj. Die Haaptrichtong
dieses Weges geht nicht nach NW., wie auf der Roskiewicz'schen und
der Scheda*schen Karte, sondern nach WNW., was bei Nevessinij schon
einen Unterschied von wenigstens, zwei Stunden aasmacht. Aach die
Entfernungen zwischen den auf diesem Wege liegenden Ortschaften
Foinitza und Salom-Palanka sind dort unrichtig ang^eben;
namentlich h^ Salom-Palanka in Wirklichkeit viel östlicher.
Die Ebene von Gratzko endet eine kleine halbe Stunde weltlich
von Gradschanitza. Man tritt dort in ein ziemlich enges, grünes Thal,
welches im Winter ganz von einem Fluss (Salomska Bjeka) bewässert
ist, der im Sommer gewöhnlich nur an einigen unterbrochenen Strecken
lebendig dahinfließt und dann plötzlich im Boden verschwindet, — was
in den dinarischen Alpen keine auffallende Erscheinung ist. Am Anfange
dieses Thaies liegt das Dorf Wratitza, und anderthalb Stunden
weiter das Dorf Foinitza. Zwei Stunden weiter liegt das bisher in
kleinen Schlangenwindungen gegen WNW. ziehende Thal nach NNW.
ab, und der Weg geht eine halbe Stunde steil aufwärts. Auf der Höhe oben,
etwa 2700—2900 Fuß «her dem Meere, liegt Salom-Palanka, ein
kleines altes Fort mit einer Ringmauer und einem hohen Wartturm.
Vor demselben liegt an der Straße ein Han, dann ein Haus mit einem
aaffallenden Säulenbau, unter dessen Bogen sich Kaufläden befinden und
die Ruine einer Moschee, welche vor langer Zeit von den Zemagortzen
soll zerstört worden sein. Den Namen Salom leitet man von Zachlum,
der alten sfldherzegovinischen Grafschaft her. Bald hinter diesem Orte
beginnt ein fast einstündiger Abstieg in die wol um tausend Fuß tiefer
liegende Newessinj sko-Polje oder Newessinjer Ebene. Unter den
Gebirgen , welche diese weit ausgedehnte, angeblich 1800 Fuß hohe Ebene
umschließen, ragt im NW. der Welesh wol noch vierthalb tausend
Fuß über die Ebene empor. Im N. zeigt sich der Porim, im NO. die
Morine. Die Newessinjsko Polje ist größtentheils steinig und wenig an-
gebaut, hat aber schon eine mehr der südeuropäischen Zone angehörige
Üebergangs-Vegetation. Nach ungefähr einer Stunde überschreitet man
auf einer Brücke ein im Sommer trockenes Flussbett, wahrscheinlich
die Fortsetsteng der Salomska-Rieka. Näher gegen Newessii^ zu wird
die Gegend belebter; der Weg zieht zwischen Dörfern und kleinen
Auen dahin. Nachdem man das Dorf Shiljewo passiert, gelangt man
etwa eine Stunde von der Brücke her, in das am Westrande der
Ebene gelegene Städtchen Newessinj, welches größtentheils von
Mohammedanern bewohnt ist, und wo der Kaimakam des gleichnamigen
Kasäs (Bezirks) seinen Sitz hat. Da der einzige Han dieser Ortschaft
zwar einen gaten Stall, aber kein Wohnzimmer hatte, so quartierten wir uns
108
im Bezirksamt ein. Der Kaimakam erwies ans alle mögliclie Aufmerk-
samkeit; das Amtsgeb&ade aber entzieht sich fast aller Beschreibung.
Das Entr^e ist ein finsterer Stallraam; von dort fahrt eine hals-
brecherische hölzerne Stiege in das obere Stockwerk; dort gelangt
man zwischen Bretterwänden, unmittelbar unter dem Dachstal in das
Amtszimmer, wo der Districtsrath seine Sitzungen h<. Dieses Zimmer
hat Wände, deren Farbe ursprünglich weiß gewesen sein mag, jetzt
aber ^zwischen gelb und graubraun variiert, und Fenster, die nur zum
geringem Theil mit Scheiben versehen sind. Von der Einrichtung
des Zimmers will ich schweigen. Uebrigens ließ uns der gastfreund-
liche Kaimakam daselbst ein recht gutes Abendmal (auf türkische
Art) servieren.
Die Ortschaften der Newessinjsko-Polje scheinen von Roskiewicz
nicht in der richtigen Ordnung verzeichnet zu sein, und namentlich
scheint der Weg nach Ulok nicht gegen ONO., sondern NNO. zu
ziehen. Man rechnet von Newessinj nach Salom drei Stunden,
nach Ulok (im NarentarThale) fünf Standen, dann angeblich nach
K r a k o w e (0. ?), nach Grabovatz (SSO. ?), nach üdreshne
(S.?), und nach Mahala (NNW.) je zwei Stunden.
Von Newessinj führt eine theilweise fahrbare Chaussee, anfangs
westlich, dann gegen NW., in das vier Stunden entfernte Blagaj
und weiter nach M o s t a r.
Diese Straße, welche auch Roskiewicz bereist hat, führt in
einigen Windungen auf die westliche niedere Bergkette, dann wol
zwei Stunden lang, über Pakratschuscha durch wellenförmiges,
bewaldetes, dann durch offenes steiniges Terrain, worauf man fast
anderthalb Stunden lang nach Blagaj hinabsteigt.
Hier nimmt die Vegetation plötzlich einen entschieden südlichen
Character an. Man zieht zwischen wilden Weinranken, Feigen und
Granaten dahin (wovon im eigentlichen Bosnien keine Spur vor-
handen ist).
Die Ortschaft Blagaj liegt in der Bischtsche oder untern
Mostarer Ebene, am Fuß eines steilen, einige hundert Fuß hohen
Hügels, welcher die verfallene Burg Blagaj trägt. Diese mächtige
Ruine, einstige Burg der Herzoge von St. Sawa (Herzegowina), könnte
in der That die Ufer der Donau oder des Rheines zieren. Ich hatte
keine Zeit, sie näher zu besichtigen, benützte aber die Gelegenheit, um
die Quelle der B u n a zu sehen, welche man, links von der Straße ab-
liegend, durch das Dorf in einigen Minuten erreicht. Der Buna-Fluss
strömt mit großer Wassermenge aus einer niederen Höhle am Fuß
des erwähnten Hügels hervor, welcher hier eine theils senkrechte, theils
109
fiberbangeikde dunkle Felswand bildet Unmittelbar an der Quelle steht
ein vom Serdar Omer Pascha in ziemlich elegantem Style erbautes, mit
einer Moschee-artigen Betkammer yersehenes Haus, welches von einem
arabischen Derwisch bewohnt wird. Der Platfond und das Dach dieses
Hauses haben mehrere große Löcher, durch welche man aus einigen Gemächern
den freien Himmel sieht. Diese Löcher entstanden durch die vom Aber-
hangenden Felsen herabfallenden Steinblöcke. Da dem besagten Der-
wische noch keiner derselben auf den Kopf fiel, und nach Ausbesse-
rung jener Löcher doch wieder andere geschlagen würden, so bleibt
der Derwisch im Hause, ohne die Löcher auszubessern. So lange es
das Kismet — das Schicksal — nicht will, wird er ja doch nicht er-
schlagen! Uebrigens hat er sein Harem, das ihm nicht fehlt, in einem
noch weiter rfickw&rts fast in den Felsen hineingebauten und so durch
diesen selbst geschützten H&uschen.
Von Blagaj führt eine zwei Stunden lange, ebene und gerade
Fahrstraße durch die baumlose und schlecht bebaute Ebene Bischtsche
nach Mostar.
Mostar dürfte um ein bis anderthalb Meilen südlicher liegen, als
es auf der Roskiewicz'schen und Scheda^schen Karte verzeichnet ist.
Dies ergibt sich sowol aus der Richtung des Weges von Gatzko nach
Mostar, als ans der Entfernung Mostar's von Metkovich, und ebenso
von Jablanitza (im Narenta-Thale).
Mostar, am EinlBuss der Radobo^e in die Neretwa (Narenta),
zwischen den kahlen Bergen Hum und Welesch (Podwelesch) gelegen,
Residenz des dem Wali von Bosnien untergeordneten Mutesarrif's der
fierzegovina, eines griechischen und eines katholischen Bischofs, eines
österreichisch - ungarischen Gonsuls, eines russischen und eines französi-
sischen Yice-Consuls, hat angeblich 2200 mohammedanische, 500 griechisch-
orthodoxe, 398 römisch-katholische, 120 zigeunerische und 18 hebräi-
sche Familien, also ungef&hr 14 — 15.000 Einwohner. Es hat 33 Mo-
scheen, eine alte und eine im Bau begriffene griechische Kirche, eine
eben vollendete große katholische Kirche, eine griechische, eine katho-
lische und 23 türkische Schulen, und über dreihundert Kaufläden. Die
Häuser sind von Stein und mit Schieferplatten gedeckt. Einige Gebäude
— größtentheils dalmatinisches Werk — sind mit mehreren Stock-
werken nach europäischer Weise gebaut, — so auch das neue Hotel
oder Casino. Fast nur die Hauptstraße ist fahrbar; die andern Gassen
sind eng und steil. Die Gärten liegen weniger am äußern Umfang der
Stadt, wie sonst in den türkischen Städten, sondern größtentheils in
der Mitte, am rechten Narenta-Ufer. Ein Theil der mittleren Stadt am
linken Ufer ist von den mit vier Türmen versehenen alten Festungs-
110
mauern ningeben. An diese schließt sich die berflhmte, in einem hohen
Spitzbogen gespannte Brflcke mit ihren Brflckenkopftttrmen. lieber den
Ursprung dieser Brflcke wurde viel gestritten. H&ufig wird sie den
Römern zugeschrieben; die Tflrken nehmen aber die Ehre des Baues
fOr sich in Anspruch und berufen sich hiebei auf eine undeutliche In-
schrift mit einer Jahreszahl, welche ich jedoch nicht gesehen habe. Ffir
die andere Ansicht macht man sowol die Kflhnheit und Solidit&t der
Oonstruction als auch den Namen der Stadt geltend, welcher aus dea
slavischen Wörtern Most-stari entstanden sein, und „alte Brflcke^ be-
deuten soll. Ich bezweifle die Richtigkeit dieser Etymologie, denn in
diesem Fall würde der Name eher Stari-Most lauten, nicht aber um-
gekehrt (So sagt man z. B. Starigrad, nicht Grad-stari, — alte Stadt)
Ich glaube, dass höchstens der Ausdruck Most, d. i. Brflcke, darin
liegt, und dann braucht die Brflcke nicht viel ftlter zu sein, als der
Stadtname, welcher vor ungefähr fflnfhundert Jahren aufgetaucht
sein soll. Was die Ban-Construction betrifft , so hat dieselbe mehr
Byzantinisches oder selbst Gothisches, als Römisches an sich. Der
Erbauer scheint entweder ein byzantinischer, oder ein venetianischer
Eflnstler, — vielleicht aus dem benachbarten Dalmatien gewesen zu
sein. Ein solcher konnte sowol von den slavischen Herrschern
Bosniens , als von den tflrkischen Yesieren nach Mostar gerufen
werden. Wahrscheinlich haben die Tflrken eine hier vorgefundene
ältere Brflcke in der jetzigen Gestalt restauriert.
Von Mostar beschioss ich die Rflckreise nach Serajewo auf
der im Bau begriffenen neuen Straße im Narenta-Thale
zu machen. Diese Straße ist sowol durch die Schönheit der Gegend
als durch ihre kflhne und fflr die Tflrkei ganz außerordentlich
solide Oonstruction (insoweit sie fertig ist) eine wahre Sehenswflrdig-
keit. Sie fflhrt üst drei Stunden durch die Ebene Bielopolje,
dann , nachdem sich die alte Porim-Straße rechts abgezweigt, von
Selakowatz an, am Abhänge der Gebirge , welche das linke
Narenta-Ufer begleiten. Nach einer Stunde erreicht man die Biela-
Brflcke, bis zu welcher man 5 Stunden von Mostar rechnet. Bis
hieher ist die Straße derzeit vollkommen fahrbar. Weiterhin bis
Konjitza ist nur die Trace der Straße als Reitweg hergestellt, und
wird an einigen unzusammenh&ngenden Stellen gearbeitet.
Manche Strecken mflßen aus den Felsen gesprengt und mit
Mauern gestfltzt werden. Anderthalb Stunden hinter der Biela-Brflcke
gelangt man zu der merkwflrdigen Höhlenquelle Tzrni Wrelo
oder Kara Kainak (d. h. schwarze Quelle). Der Name rflhrt
von dem schwarzen Mose her, welches die Steine bedeckt, Aber die
111
sich das Wasser, wenn dayon in der HiUile genug vorhanden ist,
in die Neretwa (Narenta) hinabstürzt. Ich fand den Wasserfall eben
versiegt and die Höhle, welche anter der Straße liegt, zagftnglich,
so dass man in dieselbe, wenn aach mflhsam Aber die Felsblöcke,
hinabsteigen konnte. Die Höhle, von graaweißem (Gestein mit einigen
Sparen von Tropfsteinbildangen ist 30 — 40 Faß hoch and 40—50 Fuß tief.
Der Boden geht anfangs in einem Winkel von etwa 30 Klaftern
abwftrts; zu unterst fand ich aber tiefes Wasser. Zeitweilig fflUt
dieses Wasser die Höhle bis zum Ausgange, stürzt sich dann Aber
eine 2 — 3 Klafter hohe und ebenso breite, schwarz bemoste Fels-
wand in einen offenen Steinkessel von ungefähr drei Klaftern Durch-
messer , and wenn aach dieser Kessel voll ist, noch die weiteren
60 — 70 Fuß in einem Winkel von ungefähr 40 Klaftern Aber viele
Felsblöcke zur Neretwa hinab. — Von hier an wird das Neretwa-
Thal immer romantischer.
Eine halbe Stunde nördlich von Tzmi Wrelo mAndet am jen-
seitigen Ufer, wo der alte, von Roskiewicz znrAckgelegte Weg als
ein schauerlicher Ziegenpfad hinzieht , die Dreschnitza in die
Neretwa , welche Thalspaltung durch kAhn geformte Felsmassen
characterisiert ist. Hier biegt sich der Weg mehr rechts, indem hier
die Neretwa fast von N. herkommt. (Die bisherige Thalrichtung ist
mehr NW. — SO., und^ somit viel weiter nach W. hinausgebogen,
als auf der Roskiewicz^schen Karte.) Hinter jener Biegung steigt
rechts von der Straße wd gegen zweitausend Fuß eine wahre Felsen-
barg hinan , zwischen deren riesigen FlAgeln eine Appige Baum-
gruppe wie ein Garten durch die Schlosspforte erscheint. Bald darauf
zeigt sich links ein hoher Felsenkegel von wunderbarer Regelmäßig-
keit. Unterdessen gewahrt man links unten in den senkrechten
Thalwftnden förmliche Felsenwohnungen, regelmäßige, zum Theil mit
Zäunen verwahrte Höhlen , welche den Hirten zum Aufenthalt
dienen. Mitten in dieser großartigen Felsennatur liegt das herrlich
grAne Thal, dessen Vegetation noch einen ganz sAdlichen Character
bat; von wilden Weinreben umrankte Bäume beschatten den Weg,
tief onten aber fließt die dunkelgrtkne klare Neretwa. Bald hinter
dem kleinen Orte Grabowatz (wo Roskiewicz „Luksa-Grab'' an-
gibt), mAndet auf der Westseite die Divlja (d. h. wilde, nicht
Diva) Grabowitza, und von da an verengt sich die Neretwa
nr Schlucht
Auf beiden Seiten treten die Berge als steile Felswände an
den Fluss heran. Ihre Gipfel weisen die sonderbarsten Formen auf.
Uk sah hier einen Fels von der Gestalt einer auf riesigem Stengel
112
hangenden Riesenblnme; gegenflber eine durchbrochene Feiewand, den
Ruinen eines mit Festnngsmauem und Türmen versehenen Berg-
schlosses gleichend.
Nachdem man n&chst dem Poncte, wo eine eiserne Brücke auf
Steinpfeilern gebaut werden soll, den Fluss mittels einer Ueberfnhrs-
Plätte fibersetzt, gelangt man, nun am rechten Ufer , an eine Stelle,
wo die Neretwa wie durch ein enges Thor durch die Felsen bricht,
und wo die mächtigen Schichten der Kalkstein-Wände , — wie
Roskiewicz richtig bemerkt — mit einer Neigung von 15 — ^20 Klafter
zu Tage treten.
Dies ist nun der eigentliche Narenta-Pass, der K 1 a n a t z ,
jene etwa neun Stunden von Mostar entfernte Stelle, wo die mar-
kierte Grenze zwischen der Herzegovina und dem eigentlichen Bosnien
hindurchzieht. Bald darauf nimmt die ganze Gegend einen anderen
Character an. Nach Ueberschreitung der beiden weithinschimmemden
und schäumend in die Neretwa hinabstfirzenden Gießbäche P ern-
tatz und Proporatz, gelangt man in eine Thal-Erweiterung,
welche mit ihrem saftigen Wiesengrfin uLd ihren zahlreichen Hütten
und Herden einen schönen idyllischen Contrast zu der eben durch-
wanderten wildromantischen Schlucht bildet. Am östlichen Ufer öffnet
sich ein freundliches Seitenthal, in dessen Hintergrund der wol Ober
6000 Fuß hohe Prenj sich in seiner ganzen migestätischen Gestalt dar-
stellt. Seine kahlen felsigen Gipfel schimmerten eben im röthlichen
Glänze der Abendsonne, als wir in Donja- (Unter-) Ja blanitza
anlangten. Hierauf zeigte sich am jenseitigen Ufer, auf einer fast
regelmäßig halbrunden Bodenplatte, das große, eng gebaute Dorf
Lug. Noch eine Viertelstunde weiter erreichten wir diesseit das
Dorf Go rnja-(Ober-) J ablanitza, wo wir übernachteten. So Ueb-
lich die Lage dieses Ortes ist, so schrecklich war das Nachtquartier.
Die Sehnsucht nach einem reinlichen Nachtlager trieb mich am
nächsten Tage bis nach Serajewo, dessen Entfernung von Jablanitza
nicht weniger als 17 Poststunden beträgt.
Eine Viertelstunde östlich von Jablanitza gelangt man wieder
an eine Brücke, welche auf das linke Ufer hinüberführt. Auch diese
Brücke soll eine eiserne werden, nicht lang, aber sehr hoch ge-
spannt. Von den steinernen Uferpfeilern fand ich ungefähr ein Drittel
vollendet. Auf dem linken Ufer, welches zur Herzegovina gehört, geht
nun die Straße bei der Einmündung eines Seitenthaies sogleich bergan,
und fast eine halbe Stunde in ziemlich steilem Zikzak aufwärts,
dann wieder abwärts, indem sie eich in einem fast halbstündige ellip-
tischen Bogen uük eine Thalschlucht windet. Diese Gegend heißt
113
Popraska. Hier erreicht man wieder die Neretwa, deren weite
nordwestliche Abschweifung anf diesem Wege abgeschnitten wurde.
Von da an bleibt die neue Straße, an manchen Poncten erst durch
Holzpfiöcke angedeutet, vier Stunden lang in der Niederung des hier
Ml
ziemlich gut cultivierten Thaies, am linken Ufer der Neretwa, in der
Hauptrichtung von WNW — OSO. Hier passiert man die zerstreut
gebaute Ortschaft Ostroschatz, und am gegenüberliegenden Ufer
bemerkt man die Mfindung der von N. zuströmenden Neretwitza
oder Mala Naretwa (das heißt kleine Narenta) sowie auch ein
Dorf mit einer Moschee, hart am Ufer, — wahrscheinlich Lissitschitsh.
Wie Roskiewicz ffir die Gegend von Jablanitza und Rama bemerkt, dass
die mohammedanischen Frauen daselbst unverschleiert gehen, so fand
ich es von Jablanitza bis gegen Konjitza hin.
Konjitza, fünf Stunden von Jablanitza, liegt wenigstens um
eine Meile westlicher, als auf der Roskiewicz' sehen und der Scheda'schen
Karte. Es ist eine größtentheils von Mohammedanern bewohnte Ortschaft,
und mit dem am rechten Narenta-Ufer gegenüberliegenden, vormals ge-
trennten Orte Neretwa vereinigt, der Hauptort eines größtentheils von
Mohammedanern und Katholiken bewohnten, zur Herzegowina gehörigen
KasA's, in dessen Bereich ziemlich viel Weinbau betrieben wird. Eine
alte steinerne Brücke führt hier über die Neretwa. Dieselbe wäre nach
einer Sage im 10. Jahrhundert von den Dalmatinern , nach einer andern
Ueberlieferung aber erst von den Türken erbaut worden. In Konjitza
ließ ich mein ermüdetes Pferd zurück und ritt mit Postpferden weiter
nach Serajewo. Hier trifft nämlich die neue Straße mit der alten Post-
straße zusammen.
Die Straße zieht nun durch die Schlucht des Teschanitza-
Baches in durchschnittlich NNO. Richtung auf die Iwan-Planina.
Nach zweieinhalb bis drei Stunden erreicht man das aus zerstreuten
Hütten bestehende Dorf Bradina mit einem neu gebauten Han und
von dort in einer halben Stunde in einem schönen Buchenwald den Sattel
der Iwan-Planina, welche wieder zum eigentlichen Bosnien gehört und
die Grenze zwischen der nördlichen und der südlichen oder wenigstens
mittleren Vegetations-Zone bildet.
Die Iwan-Planina (deutsch Johannesberg oder Alpe), auf
der Roskiewicz'schen Karte gar nicht verzeichnet, figurierte auf den
alten Eiepert'schen Karten als der Hauptgebirgsstock zwischen der
Narenta, der Bosna und der Drina. Sie ist aber in Wirklichkeit nur
die kaum 300 Fuß hohe Einsattlung zwischen der Bielaschnitza
(nicht, wie Roskiewicz sagt, Bielastitza), deren südliche Abfälle unter
den Namen Pressnitza, Radobolje (?) und Spadarina (?)
Oeographiflcbe M ittheilangen. 1870. 3. S
114
bekannt sind, und der Bitoynja, respectiye ihrem östlichen, Lissin
oder Lissatz genannten Gipfel (wahrscheinlich demselben, welchen
Ami Bou^ in seinen Ittin^raires für „la grosse t^te de la Radoucha^
hielt). Der westlich von der Straße liegende unbedeutende Gipfel der
Iwan-Planj^a heißt Tmor.
Nur als Uebergangspunct ist die Iwan-Planina von Wichtigkeit.
Auf der Nordseite dieses Gebirges steigt man in einer halben Stunde
zum Iwan Han oder Pod-Iwane, und in einer weitern halben
Stunde nach Tartschin im Quellgebiete der Lepenitza hinab.
Hier übersetzt die Straße die Eortscha und andere kleine Bäche
auf schlechten, niederen Holzbrücken, wird aber von da an vollkommen
fahrbar. (Wenn diese kleinen Brücken repariert sind, kann zur Noth die
ganze Strecke von Serajewo bis Eonjitza befahren werden.) Von Tar-
tschin zieht man an dem westlichen Theile des Bielaschnitza-Gebirges^
nämlich an der (vormals von Dr. Blau und von mir erstiegenen) von
Roskiewicz alsRadoboUe bezeichneten, ungefähr 6000 Fuß hohen Hra-
nitzawa vorüber, und gelangt über eine unbedeutende Anhöhe in das
Sujewina-Thal, und zwar in einer Stunde nach Pasaritsh, wo
sich wieder eine Poststation befindet (im NO. vom Ivan-Uebergange).
Bei diesem letztgenannten Orte, der am westlichen Fuß der
Wlahina, d. i. des nördlichen Theiles der Bielaschnitza gelegen ist,
fließt nicht die Lepenitza — wie auf der Roskiewicz'schen , der
Scheda'schen und selbst auf der in der Zeitschrift der Gesellscliaft für
Erdkunde in Berlin (11. Band 1867) erschienenen kleinen Blau*schen
Karte verzeichnet ist, — sondern die Snjewina, indem. die Lepenitza
schon jenseit der südlichen Hügelkette westwärts abgeschwenkt ist.
Nördlich von Pasaritsh überschreitet man auch nicht mehr den Berg
Balalovic, wie Roskiewicz angibt, sondern zieht im Sujewina-Thale, wo
Baumwuchs und Felspartien anmuthig abwechseln, weiter über Tu-
povtze (nicht Tupove) und Hadshitsh (nicht Haidric) in 3 Stunden
nach Blashni, von wo man, auf der Brooder Straße, die Bosna,
die Sheleshnitza, die Dobrina und die Miljatzka fiberschrei-
tend, in 3 leichten Stunden durch die Serajevsko-Polje (Serajever
Ebene) wieder in die bosnische Hauptstadt gelangt.
Um die noch immer unerforschten Theile der nördlichen Herzego-
vina kennen zu lernen , wären besonders folgende Reisen empfehlens-
wert: Von Serajevo über Tmova und Dobropolje nach Fotscha, and
von dort im Drina- und PiwarThale aufwärts *), dann auf den Wola-
jak, welcher nicht sehr schwierig zu besteigen sein dürfte, nach Tlen-
*) Diese Reise soll unlängst der Botaniker Knapp gemacht haben.
116
tista, Aber Jäbaka an die Narenta-^aeHe, dann im Narenta-Thal über
Glawatidshewo, Lipeta und Porim nach Mostar ; ferner von Serajewo
fiber Tmowa, und Wraüo nach Bielemitsh und von dort über Kali-
Dowik nach Fotscha. Am wenigsten bekannt ist nämlich das obere
Narenta-Thal, namentlich bei Glavatidschewo und Bjelemitsh, und das
zwischen diesem Thale und der alten Mostarer PoststraOe gelegene
Gebirgsland, welches übrigens nur sehr schwach bevölkert sein dürfte.
Serajewo, im Herbst 1869.
Der Geograph Mercator.
Von A. Steinhauser.
Im Literaturberichte finden die Leser dieser Blätter von zwei Lebens-
beschreibungen dieses berühmten Kartographen des 16. Jahrhunderts
eine Anzeige, die von andern Gesichtspuncten ausgehend, keine Aus-
züge im Zusammenhange enthalten kann, um daraus eine Skizze der
Schicksale Mercator's und seines Wirkens zu entnehmen. Da jedoch
vorausgesetzt werden kann, dass eine nähere Kenntnis davt>n einem
großen Theile des Leserkreises gelegen kommen wird, so nimmt der
Obgenannte keinen Anstand, dem Wunsche der Bedaction entsprechend,
einen gedrängten Lebensabriss Mercator's nebst Aufzählung seiner
Arbeiten hier vorauszuschicken.
Gerhard Kremer (unter dem nach der Sitte seiner Zeit lati-
nisierten Namen Mercator weltbekannt geworden) war der jüngste
Sohn Hubert Kremer's, eines armen Schuhmachers, der mit seiner
Gattin Emerentia im Jülicher Lande lebte, und wurde bei Gelegenheit
eines Besuches, den die Aeltern bei dem Bruder des Vaters, Gisbert
Kremer, damals Curat an der Spitalkirche zu St. Niklas in Rupel-
monde (im flandrischen Waas-lande) machten,, am 5. März 1512 ge-
boren. Dieser Onkel Gisbert nahm sich des früh verwaisten Knaben
an und schickte ihn auf eigene Kosten nach Herzogenbusch zu den
Hyeronimitanem, wo er 372 Jabre den Unterricht in den humanisti-
schen Wissenschaften genoss und Macropedius (Langeveld) zum
Lehrer hatte.
Im Alter von 18^2 Jahren kam er an die Universität zu Löwen
(ld30),anwelcher erdie philosophischen Studien begann, dieselben jedoch
nach Erlangung des Baccalaureats verließ, muthmaßlich, weil er die
Lehren des alten griechischen Weltweisen (Aristoteles) mit seiner retigiösen
Ueberzeugung nicht vereinigen konnte. Nachdem er mittlerweile eine
Reise nach Antwerpen gemacht hatte (1534), um zur Ausarbeitung einer
116
Eosmogenie im Sinne der Bibel gegen die Ansichten des Aristoteles
Mnße zu gewinnen, wandte er sich ganz der Mathematik als Brotwissen-
schaft zu, lernte Zeichnen, Gravieren und andere technische Arbeiten
zur Herstellung mathematischer und astronomischer Instrumente, wobei
ihn Rainer Gemma (genannt Frisins, weil er aus Friesland gebürtig
war), der Leibarzt Kaiser Karl V., ein guter Mathematiker und nebstbei
geschickter Mechaniker, mit seinem Rath unterstützte. Im Jahre 1536,
24 Jahre alt, verheiratete er sich mit Barbara Schellekens, die
ihm (noch während seines Aufenthaltes in Löwen) sechs Kinder,
drei Söhne und drei Töchter gebar. Vom Jahre 1537 an finden wir
ihn schon mit der Zeichnung und dem Stich von Karten beschäftigt.
Sein erstes Werk war eine Karte von Palästina (1537), sein zweites
eine Karte von Flandern (1540). Im Jahre 1541 veröffentlichte er ein
Büchlein von wenig Blättern über den Gebrauch der lateinischen Cur-
sivschrift, die er in die Karten einführte. In das nämliche Jahr fällt
die Vollendung eines Erdglobus von 41 Centimeter Durchmesser fQr den
Kanzler Granvella, welcher alle bisherigen Leistungen fibertraf.
Durch Granvella dürfte Mercator dem Kaiser Karl Y. bekannt
geworden sein, der von ihm mehrere Instrumente für sich machen ließ.
Diese Arbeiten hielten ihn nicht ab, nebstbei seinen kosmographischen Stu*
dien sich hinzugeben, und seine Untersuchungen über die Fehlerhaftigkeit der
damaligen Seekarten, die ihn auch (1546) zur Berechnung der Lage des
magnetischen Poles führten, fallen noch in die Zeit seines Aufenthaltes
in Löwen. Im Jahre 1544 begab er sich nach dem Tode des Oheims
Gisbert zur Ordnung der Verlassenschaft nach Rupelmonde, wurde
daselbst als vermeintlicher Flüchtling wegen Verdacht der Ketzerei ver-
haftet und ungeachtet der Verwendung des Pfarrers zu St. Peter in
Löwen, der ihm das beste Zeugnis gab, und der Universität selbst län>
gere Zeit gefangen gehalten, endlich aber trotz aller Chicanen frei-
gelassen. Sehr wahrscheinlich hat dieses Ereignis den stillen Gelehrten
so unangenehm berührt, dass es Mitursache seiner Uebersiedlung nach
Duisburg geworden sein mag, einem Städtchen an der Ruhr und in dar
Nähe des Rheins, das dem Herzog Wilhelm dem Reichen von Jülich,
Cleve und Berg unterthänig war.
Im Jahre 1552 kam er mit Weib und Kindern zu Duisburg an,
nachdem er ein Jahr zuvor noch einen Himmelsglobus für den Fürst-
bischof von Lüttich, Georg von Oesterreich, geliefert hatte. In Duisburg
verlebte er die ganze übrige Zeit seines Lebens, und dort entstanden
jene Werke, welche sein Andenken so lange bewahren werden, als ein
Schiff auf dem Ocean steuert. Im Jahre 1522 reiste Mercator nach
Brüssel, um dem Kai^r Karl V. einen astronomischen Ring und einen
117
sehr netten kleinen Erdglobns mit einem Himmelsglobus von Glas
darüber zu überreichen, auf welchem letztem die Gestirne mit Diamant
eingeschnitten waren. Es geschah dies zum Ersatz fflr die früher erhal-
tenen Instrumente, welche bei der Belagerung von Ingolstadt im Jahre
1546 durch den Brand der Scheune, worin sie sich befiemden, zu Grunde
gegangen waren. Zum Gebrauch der Ringe und Globen verfasste er
auch eine Anleitung, und man schreibt den auf seinem Grabmal erschei-
nenden Titel „domesticus imperatoris^ der erworbenen Zufriedenheit
des Kaisers zu. Im Jahre löö4 erschien die sechsblättrige Karte von
Europa, von welcher 4 Bl&tter noch in Löwen begonnen waren. Sie
machte großes Aufsehen und mußte 1572 eine zweite Ausgabe gemacht
werden; dennoch ist, wie von mehreren anderen Karten Mercator's
kein Exemplar mehr aufzufinden, so dass wir sie nur nach Be-
schreibungen und verkleinerten Abbildern annähernd beurtheilen können.
Diesen zufolge ist sie in einer Projection gezeichnet, die man die äqui-
valente nennen kann, die aber nach ihrem ersten Erfinder, Johajm Stab
(Stabius)*) dieStab^sche heißen sollte, und später in ihrer Anwendung
als Aequatonalprojection die Namen Flamstead'sche und als Hori-
zontaLprojection Bonn^'sche erhalten hat
*) Job. Stab (Stabius) ist wahrscheinlich zu Stadt Steier geboren
(im J. 14 . . ?j, wurde Prof. der Mathematik an der Universität zu Ingolstadt,
dann zu Wien, Historiograph und Secretär des K. Max I., und starb im Ja>
nuar 1522 zu Graz. Unter seinen, von seinem Schüler ThanBtetter*(zu Nürn-
berg 1514) aufgezeichneten Werken sind mehrere Horoskopen, die Albrecht
Dürer in Holz schnitt, und wovon sich Tafeln und Abdrücke in der Wiener
Hofbibliothek befinden. Nach Cuspinian (Spießhammer) soll er Oesterreich
and Kärnten bereist haben, um Karten dieser Länder zu entwerfen, die wahr-
scheinlich unter den „Variae chartae chorographicae propriae peregrinationis de-
pictae*^ begriffen sind, deren Thanstetter erwähnt. Derselbe führt auch an:
Compositiones variorum projectionum nniversalium Ptolomaei pro toto globo,
von welchem Werner, ein anderer seiner Schüler, practische Anwendung machte,
and in der Widmung seines Buches an Pirkheimer (Ptolomaei geogr. Nürn-
berg 1514 ausdrücklich sagt: Dicare tibi constitui libellum hunc, quem de
recentibus quatuor terrarum orbis super piano figurationibus Joanne Stabio,
band vulgari mathematico, earundem figurationum theoriam ac primaria incu-
nabnla mihi suggerente bis proximis diebus componeram. Die k. k. Hofbiblio-
thek besitzt in einem Codex 8 Briefe von Stabius an Geltes. Alle sind aus In-
gdstadt datiert, der erste vom J. 1494, die andern beiden vom J. 1497. Stab
war einer der 4 gekrönten Mathematiker und Poeten, die Max I. als „gelehrte
Donaugesellschaft* an seinem Hofe versammelte. Er wurde von Kaiser Max
in den Adelstand erhoben, sein Wappen (ebenfalls von Albrecht Dürer ge-
schnitten) findet sich auch auf dem, dem Bischof von Guik gewidmeten Imago
Qtlria. 1515.
118
Im Jahre 1559 kam zu Duisburg, vorzugsweise durch die Be-
mahungen Joh. Ghymm*s, Schultheiß daselbst (dem wir auch eine,
den späteren Ausgaben des Atlas vorgedruckte Biographie Mercator's
verdanken), ein Gymnasium zu Stande, an dem sich auch Mercator
als Docent der Mathematik betheiligte. Leiter der Lehranstalt war Ca-
stritins (auch Geldorp genannt), von welchem Mercator, nachdem
jener wegen Untauglichkeit zu solchem Amte dasselbe an Molanus
de Nukerke, den Schwiegersohn Mercator's abtreten mußte, aller-
lei Unbilden zu erleiden hatte. Im Jahre 1560 machte Mercator
eine Reise nach den Niederlanden und Frankreich bis Poitiers und
Bourges. Im Jahre 1563 ernannte ihn der Herzog von Gleve zu sei-
nem Kosmographen mit Gehalt. Im folgenden Jahre stach er nach einer
zugesendeten Zeichnung eine Karte von Britannien und vollendete nach
vorhergegangener mühevoller Aufnahme eine nun verschollene Karte von
Lothringen, wozu ihn der Herzog Carl IL eigens erbeten hatte. Die
ausgestandenen Beschwerlichkeiten warfen ihn aufs Krankenlager, von
dem er sich aber wieder erholte und mit neuem Fleiß an seine Ar-
beiten gieng. So gab er im Jahre 1569 seine im Vorjahre (zugleich
dem Todesjahre seines 28jfthrigen talentierten Sohnes Bartholomäus,
der in Heidelberg Theologie studiert hatte) fertig gewordene — in Rom
auf den Index gesetzte — Chronologie heraus, ein tabellarisches Werk
von ungemeinem Fleiß, das aber durch die im August 1569 erschienene
große Weltkarte in 8 Blättern flberboten wurde. Die Handzeichnung
bewahrt die kais. Bibliothek in Paris und Jomard lieferte ein Fac-
simile davon in seinem Werke „Monuments de la Geographica
(8. Liefg.). Sie liefert den Beweis, dass Mercator practisch seine
Theorie der Projection, wie sie für Seekarten taugt, um die Loxodromie
zur geraden zu machen, ausgeführt hat, wenn auch Wright in London
ein Yierteljahrhundert später Tafeln und Formeln zur Berechnung nach-
lieferte. Die Karte ist 2 Meter lang, P/4 Meter hoch und reicht von
80® N. bis 66 V2® S. Der erste Meridian geht durch die Insel Corvo
(Azoren), weil zu Mercator's Zeit auf diesem Meridian keine Ab-
weichung der Magnetnadel beobachtet wurde. Bezüglich des objec-
tiven Inhalts ' erscheint Mercator's Arbeit an vielen Stellen richtiger
als spätere Karten, und etwas verworren nur dort, wo der Mangel an
Unterscheidung identischer Eigennamen eine Klarheit der Darstellung nicht
aufkommen ließ, oder sein sonstiger Scharfsinn Hypothesen seiner Zeit
(z. B. vom großen Südlande als (Jegengewicht der nordischen Erd-
massen) nicht zu überwinden vermochte. Sehr interessante Legenden
sind auf der Original-Karte angebracht, die man in dem Werke
L e 1 e w e Ts über die Geographie des Mittelalters abgedruckt ünAet
119
Die Fabrication von £rd- und Himmelsgloben scheint eifrig be-
trieben worden zu sein; man findet mehrere Sendungen derselben ver-
zeichnet, die auf Rechnung des Joachim Camerarius 1574 — 78
parweise zur Frankfurter Messe abgiengen.
Im Jahre 1578 und 1&84 erschienen zu Köln die Karten zur
Geographie des Ptolemäus mit Text, die theils in der Vorrede, theils
durch die Mappen selbst ebenfalls den deutlichsten Beweis liefern, dass
Mercator die äquivalente Projection schon kannte und anwendete, und
die Erfindung derselben nicht späteren Ursprungs ist.
Nun kommen wir zu einem neuen Werke von großem Umfang,
der Kartensanmilung in Folioformat, von welcher im Jahre 158ö der
erste Theil, mit dem Separattitel „Tabulae Galliae et Germaniae" zu
Duisburg erschien, aus 51 Karten bestehend und dem Frbprihzen Jo-
hann WUhehn von Jülich-Cleve-Berg gewidmet Fflr das Ganze wählte
Mercator den Namen Atlas, der seither als Kunstausdruck unver-
ändert beibehalten wurde. Aus Rücksicht fflr seinen Freund Ortelius(Oeiiel)
in Amsterdam hatte er mit der Ausgabe zurflckgehalten, bis dessen
„Theatrum Orbis Terrarum" (1570) verbreitet war. Die Karten des Atlas
machen klar, wenn auch Mercator in der vorangehenden admonitio
in usum tabularum nicht ausdrücklich sagte „duos delegi piurallelos,
aequaliter fere a medio et extremis distantes^, dass er zuerst jene ver-
besserte Kegelprojection eingeftthrt habe, die später den Namen de
risle's erhielt oder den eines zweiten Berechners Murdoch.
Ein Jahr nach dem ersten Erscheinen des Atlas verlor Mercator
seine Gattin, im nächsten Jahr darauf (1587) seinen erstgebornen Sohn
Arnold (geb. 1537), der zum Feldmesser und Ingenieur herangebildet,
Gehilfe des Vaters war, derselbe, der im Kloster Werden bei Nürnberg
den berühmten „Codex argenteus^ des Uphilas fand, der nun als
kostbarer Schatz in Upsala verwahrt wird.
Die zweite Partie des Atlas (1590) Italien, Slavonien und Grie-
chenland (23 Karten), dem Herzoge von Töscana, Ferdinand von Medici
gewidmet, wurde noch von Mercator selbst vollendet; an die dritte,
Nord- und Ost-Europa umfassend, konnte er nicht mehr Hand anlegen;
denn im Jahre 1590 traf ihn zuerst ein Schlagfluss, der eine Lähmung
zurückließ, und weil Mercator nicht abgehalten werden konnte, zu
seinem Lieblingswerke, der Kosmogenie zurückzukehren (deren Vorläufer
die Harmonia Evangiliorum 1792 zu Augsburg gedruckt wurde), erneuerte
sich der Schlagfluss, und am 2. December 1594 starb der übereifrige
Gelehrte, nachdem er noch die Freude gehabt hatte, Urenkel zu erleben,
eines ziemlich schmerzvollen Todes im angetretenen 83. Jahre. Er
wurde in der Salvator-Kirche zu Duisburg begraben.
120
Sechs Jahre später (1600) folgte ihm seiu Sohn Rumold, sein
thätigster Gehilfe, in das Grab, nachdem er im Jahre 1595 den dritten
Theil des Atlas (Ostr und Nord-Europa, in 22 Karten) vollendet hatte,
welcher letzten Lieferung auch das posthume Werk Mercator's, „De
mundi oreatione et fabrica^, eine Abhandlung in 22 Capiteln, beigegeben
war. Die Familie verkaufte im Jahre 1604 sämmtliche Platten an
Hon diu 8 in Amsterdam, welcher den Atlas (106 Karten) noch mit
50 neuen Karten (Spanien, £rdtheile etc.) nebst Textzugaben bereicherte.
Seit 1605 folgen nun wiederholte Ausgaben des Atlas, zu dem im Jahre
1631 Wilh. Blaeuw noch einen Appendix lieferte. Von 1640 an aber
verschwindet der Name Mercator auf den Karten , nur seine Erfindung
der Seekarten hat ihn bleibend erhalten und seinem Tr&ger den Dank
der spätesten Nachwelt gesichert.
Mercator war nach der Schilderung seines Freundes Ghy mm
von schwachem Körperbau, aber wol gestaltet, tiefernst in seinen
Studien, doch der Freude zugänglich, friedliebend und gastfreundlich.
Ziemlich wohlhabend, im Besitze einer gewählten Bibliothek, bewohnte
er ein kleines Häuschen, von dem nun kein Stein mehr steht und in
welchem man noch im Jahre 1629 sein Studierzimmer zeigte, wo die
Füße des fleißigen Mannes Spuren auf dem Boden zurückgelassen hatten.
Kein Document meldet, ob er zur evangeliscnen Beligion übergetreten
sei. Als Gelehrter stand er mit Fachgenossen und anderen Literaten in
steter Verbindung und wurde von ihnen hochgeachtet. Die k. k. Hof-
bibliothek in Wien besitzt ein sehr seltenes Exemplar der ersten Aus-
gaben des Atlas und der Geographie des Ptolomäus, bestens erhalten,
mit gemahlten Karten, in einem Bande vereinigt In der k. k. Familien-
Bibliothek befinden sich drei Ausgaben des ganzen Atlas, eine vom
Jahre 1623 mit gemahlten Karten, eine mit französischem Text vom
Jahre 1633 und eine (Atlas minor) in 4. vom Jahre 1634 und etwa
10 Porträte, von denen die meisten Nachstiche eines Originals sind.
Damit schließe ich das kurze Gemälde eines Mannes , von dem sein
Epitaphium mit Recht sagt, er sei „facile princeps mathematicorum sui
temporis^ gewesen. Er verdient die Denkmähler, die ihm seine Geburts-
stadt Rupelmonde, und die Stadt seiner spätem und ununterbrochenen
Wirksamkeit setzen, und es wird weder Deutsche noch Belgier reuen,
zur lebhaften Wiedererweckung des Andenkens an einen Mann beizutra-
gen, dessen Verdienste der ganzen Menschheit zugute konmien , und so
groß sind, dass es nicht befremden darf, wenn zwei Volksstämme um
die Ehre geizen, ihn den ihrigen zu nennen, wie einst 7 griechische
Städte sich um den Vorzug stritten, Homer's Geburtsort zu sein.
121
Die geographischen Arbeiten in der Schweiz.
Bericht von J. M. Z i e g 1 e r , corresp. Mitglied der geogr. Gesellschaft.
Mein vorjähriger Bericht hat über die neuen Maßregeln, welche
die schweizerischen Bnndesbehörden in Bezug auf die Aufnahme des
liandes Ende 1868 gesetzlich angeordnet haben, folgendes bezeichnet:
1. Die Veröffentlichung der Aufnahmsbl&tter.
2. Die Neu- Aufnahme der noch nicht nach dem System des Herrn
General Dufour vermessenen Cantone.
Heute, nachdem die meisten Einleitungen getroffen sind, müßen
die Resultate abgewartet werden.
Die geodätische Commission hat ihre verschiedenen Arbei-
ten fortgesetzt: I. Triangulation im Interesse der internationalen Grad-
messung. Die Schlussrechnung des schweizerischen Netzes wird sich
noch einige Jahre verziehen in Folge der hier oft noihwendigen Beduc-
tion der Winkel auf's Centrum. Ein erstes Heft der schweizerischen
Triangulation wird nichtsdestoweniger baldigst ausgegeben werden.
U. Die astronomischen Arbeiten betreffend berichtet Prof. Plantamour
aber seine Expedition auf den Weißenstein (bei Solothurn). Er erzielte
folgende Resultate: 1. Genaue Lftngenbestimmung jenes (Jura-) Signals
von der Sternwarte in Neuchatel. 2. Bestimmungen des Azimutes der
geodätischen Signale. 3. Breite -Bestimmung des Weißenstein-Signals.
4 Schwere-Bestimmung durch den Pendel. III. Das Nivellement de
pr^cision beschränkte sich im Jahre 1868 auf einige Verificationen an
den befriedigenden Anschluss mit den französischen Stationen; dann
ward die wichtige Linie nach Süden in Angriff genommen um die
Niveao-Differenz des Yier-Waldstätten-See's mit den italienischen Seen
aoszumitteln.
Wenn auf der einen Seite die geodätischen Arbeiten die äußerste
Genauigkeit erstreben und gleichzeitig auf die vollendete topographische
Karte die geologischen Beobachtungen eingetragen werden, so folgt, dass
far Karten von großem Maßstab eine neue Aufgabe entsteht, welcher
die Physiognomik der Gebirgsformen und die Nuance dynamischer Kräfte
zur Untersuchung gegeben ist. Hiezu einen Beitrag zu liefern, ward
die Karte von Ünter-Engadin 1868 ausgeführt und dazu der Text 1869
bearbeitet, welchen ich die Ehre hatte der k. k. geographischen Ge-
sellschaft zu überreichen. Die Fortsetzung der Karte in 4 Blättern ist
begonnen.
Die vollendete topographische Karte der Schweiz von Dufour
1 : 100.000 ist als Grundlage zu weiteren in das Gebiet der Natur-
wissenschaft und Topographie einschlagenden Beobachtungen äußerst
122
nützlich geworden. Seit ein par Jahren ist, unter der centralen Lei-
tung von Herrn Prof. A. Favre in Genf, die genaue Notiznahme und
eine Zeichnung der erratischen Erscheinungen im lebhaften Betriebe;
Eine Arbeit, welche jetzt schon sehr ergiebig ist, aber noch Jahre
beanspruchen wird, bis ein Gesammtbild kartographisch dargestellt
werden kann.
Im Canton A arg au hat sich zum Studium der Eiszeit ein beson-
derer Verein gebildet, welcher die Beobachtungen der verschiedenen Mit-
glieder durch Prof. Mühlberg zusammenstellen und bearbeiten ließ,
in der Schrift, deren Titel wir unten beifügen *). Demselben stehen
Steinsammlungen zu Diensten, welche schon in den 20er Jahren an-
gelegt wurden und die Entzifferung des Herkommens der Blöcke sehr er-
leichtern.
Eine, zum Theil hier einschlagende und schwierigere Frage
hat der bekannte Palftontologe Professor L. Rtitimeyer in Basel in
seiner Festschrift zu Ehren des JubilAums vom Geologie - Professor
und Bathsherrn Peter Merlan behandelt**}. Hierin schreibt
Herr Rütimeyer die Thalbildung wesentlich der Errosion zu, die
Seebildung den Gebirgsfältungen. Das scheint aus besagter Schrift nach-
weisbar, dass während und seit der Gletscherzoit das allgemeine Niveau
der nördlichen Halde der schweizerischen Alpen ihre tiefste Stelle dort
stetig hatte, wo heuer noch Reuß, Aare und Limmat ihr^ vereinten
Wasser dem Rhein zutreiben, ehe noch der letztere Strom seinen Lanf
zwischen Schwarzwald und Vogesen vorwärts gewendet hat. Solches
bestätigen auch die Moränen im Aargau. Rütimeyer nimmt aber
für eine frühere Zeit die Möglichkeit in Betracht, dass die Hauptabflnss-
richtung des dortigen Gewässer eine andere gewesen, in Folge von Dis-
locationen; eine Annahme, die, wie er selber sagt, noch einlässlicberer
Beobachtung bedarf.
Als Uebersicht und klare Zusammenstellung der Elemente des
Reliefs des Schweizcrlandes ist von J. Siegfried eine wertvolle Schrift
erschienen, die für sich und als Einleitung zur Gesammtstatistik der
Schweiz große Bedeutung hat***). Sie zerfällt in drei Abtheilungen,
nämlich: Das Alpengebirge, der Jura, die Flnssläufe. Der letzteren
fügt der . Verfasser noch eine Zusammenstellung der Seen bei, nach geo-
*) üeber die erratischen Bildungen im Aargau und den be-
nachbarten Theilen der angrenzenden Cantone, von F. Mühlberg. IB. 8*^
mit Karten.
**) Ueber Thal- und Seebilduug. Beiträge zum Verständnis der
Oberfläche der Schweiz. 1 B. 4° mit Zeichnungen und Karten.
***) Die Berg- und Flussgebiete der Schweiz, von J. Siegfried.
123
graphischer Ordnung uud schließt das Werk mit einer Tafel, worin er
die Seen nach ihrer Größe aufzählt, aher nur bis zu jenen, welche an
Oberfläche über einen Quadrat-Kilometer messen. £s sind ihrer 26.
Der größte mit 526.« DKil. der Genfer-See, der kleinste mit 1.^ DKil.
der Klönthal-See. Der tiefste Punct der nördl. Schweiz, Nullpunct
vom Rheinpegel in Basel, liegt 248 M. fiber Meer.
Aus dem Gebiete der Geologie bringt der eben veröffentlichte
XXIII. Band der „Neuen Denkschriften der allgemeinen vschweizerischen
Gesellschaft ffir Naturwissenschaften*^ eine wichtige Arbeit des Herrn
V. Gerlach. *)
Die penninischen Alpen sind das bedeutendste Glied der schwei-
zerischen Gebilde südlich der Rhone von Col Feiret bis zum Simplen.
Die dazu gehörende Karte ist in 1 : 200.000 gezeichnet, gibt daher
nicht alle Details, wie das nächstens erscheinende Blatt XXII des
Dufour'schen Atlasses, geolog. coloriert von demselben Verfasser, bie-
ten wird.
lieber Statistisches Iftsst sich aus der Gegenwart, gerade jetzt wo
mehrere Ergebnisse, die Gesammt-Schweiz betreffend, vorliegen, in all-
gemeinen Zügen nur von Zeit zu Zeit berichten. Wir wählen aus dem
reichhaltigen Stoff folgendes:
I.iDie Ende Juli und Anfangs August 1868 eingetretenen Ueber-
schwemmungen der vom Gotthard-Knoten auslaufenden Thftler haben
llBnf Cantone betroffen , nämlich Tessin , St. Gallen , Graubflndten,
Wallis und Uri. — Den erlittenen Schaden hat man auf möglichst genaue
Weise zu ermitteln gesucht. Unter folgenden Titeln hat man die bezüg-
lichen Zahlen geordnet**):
Schaden an Wasserbauten, Straßen, Brücken . fl. 3,528.390. —
„ „ völlig zerstörtem Lande . „ 7,650.559. —
„ „ ganz u. theilweise zerstörten Grebäuden „ 1,505.500. —
„ Mobiüen, Vieh, Vorräthen ... „ 1,058.299.—
„ „ Diversen „ 273.305.—
In Summa üTÜfilbJÜ^,
Der meist geschädigte Canton ist Tessin mit 6^2 Million, der
wenigst geschädigte Uri mit ^2 Million.
Das Unglück zu erleichtern, steuerte man
in der Schweiz . . fl. 2,382.850.—
hn Ausland . . „ 1,027.879.—
Summa . ' fl. 3,410.729.—
*) Beschreibung der penninischen Alpen, von Gerlach. Geolo-
gisehe Beschreibung, mit einer geologischen Karte.
**) Zeitschrift für schweizerische Statistik, 5. Jahrg. 1869.
124
Noch ist die Theilnahme des Auslandes in den entferntesten Gegen-
den nicht ans; bis in die jüngste Zeit kamen Gaben u. a. ans Sieben-
bflrgen zum wiederholtenmal, dann aus Japan und Galifomien. Bei
alledem eine schwer zu tragende Heimsuchung fär die Betroffenen.
IL Dieses Ereignis veranlasst mich über die gegenseiti-
gen Hilfsgesellschaften nach dem Stande von 1865 zu berich-
ten*). Unabhängig von den gesetzlichen Municipal- und kirch-
lichen Wohlth&tigkeits-Cassen, und ohne die Ersparnis-Gassen mitzu-
zählen, bestanden damals 636 solcher Gesellschaften
mit einem Vermögen von fl. 7,872.020
deren Einnahmen jährlich zu Gute kommen „ 1,529.098
„ Ausgaben „ „ Belastung . . „ 1,059.418.
HI. Die eidgenössische Post als Yerkehrs-Anstalt besaß Ende
1868 an Stations- und fahrenden Postbureau 2418 Locale.
Neben den Eisenbahnen bewegen sich öffentliche Postwägen über
Straßen 1. 2. 3. Classe in Länge von 1544 Wegstunden (1 Seh. St. =
4800 Meter).
Der Personen - Verkehr durch Postwagen wird vermittelt auf
438 Postcursen, welche täglich hin und her 1159 Stunden zurücklegen
und 1868 im ganzen 1,030.500 Reisende beförderten (NB. die im Som-
mer frequentierten Curse sind die der Alpenpässe; diese sind oneröse).
Diese Postcurse bilden 76®/o des Gesammt- Verkehrs, weitere 24'Vo
fallen auf die Eisenbahn- und Dampfbot-Curse zur Beförderung von
Briefen und Werten.
In sämmtlichen Bureau's wurden besorgt anno 1868
an Fahrpoststücken . 5,140.409 Stücke
„ Geldanweisungen . 49,316.703 Francs
„ Briefen ... 42,954.081 Stücke (15,^ per Kopf;
„ Drucksachen . . . 9,042.522 „
„ Zeitungen ... . 30,047.975 Nummern.
Der Telegraphenbetrieb hat sich nach Ermäßigung der
einfachen Taxe von 1 Frc. auf ^2 ^^" verdoppelt. Die Zahl der
Telegraphen-Stationen nimmt monatlich zu, so dass binnen einigen Jahren
nahezu jedes Dorf ein eigenes Telegraphen-Bureau haben wird.
Palmgarten bei Winterthur, 9. December 1869.
*) Die gegenseitigen Hülfsgesellschaften der Schweiz 1865. Geordnet
von Dr. H. Einkelin 1868.
125
Geographische Literatur.
66rard Mercator, sa vie et ses oenvres. Par le Dr.
Tan Raemdonck. S. Nicolas chez E. Dalschaert-Praet 1869. gr.8^ XLII.
imd 396 S. mit Portrait, Grabmals-Abbildnng and einer Stammtafel.
Gerhard Kremer, genannt Mercator, der deutsche
Geograph. Vortrag von Dr. Breysing, Director der Steuermanns-
9chole in Bremen, gehalten zu Duisburg am 30. März 1869. Duisburg
1869 in Commission bei E. F. Nieten. 8" 62 Seiten.
Vor drei Jahrhunderten lebte der ausgezeichnete Mathematiker, Geograph
und Kartograph, dessen Andenken und Verdienste seine Geburtsstadt Kupel-
monde in Flandern und die Stadt, wo er im Mannesalter seine ausgezeichnet-
sten Werke schuf und seine wichtigsten Erfindungen machte, Duisburg in
Rheinpreuüen , durch Monumente ehren, und von dem uns bisher trotzdem,
dass ein Freund von ihm, Ghymm, Schultheiß you Duisburg, eine Biographie
Tet&sste, die den sp&tem Auflagen von Mercator's Atlas vorgedruckt ist,
die Literatur nur sehr oberflächliche Nachrichten gebracht hat, so dass sogar der
Ort seiner Geburt verschieden angegeben erscheint.
Wenn die obengenannten Schriften, von welchen die erste zur Zeit des
Vortrags des Dr. Breysing schon im Drucke war, hier unter einem besprochen
werden, so geschieht dies nicht bloß, weil sie denselben Gegenstand behan-
deln, sondern auch, weil die zweite Schrift zur ersten sich tneils ergänzend,
theils berichtigend verhält, und bei einer gesonderten Besprechung Wieder-
holungen unyermeidlich wären.
Dr. Raemdonck theilt sein Werk, die Frucht sechsjähriger Forschun-
g<en, in 4 Abschnitte, welche überschrieben sind : Mercator zu Rupelmonde
(1512 30), Mercator zu Löwen il530-5'2), Mercator zu Duisburg (1552
bis 159i), Mercator's Portrait, Krankheit, Tod und Religion. Die Einleitung
behandelt das Waasland und die bertthmten Männer, die es hervoi^ebracht.
In einem Anhange werden Mercator's Werke nochmals aufgezählt, 13 Briefe
mitgetheilt, die Latinisierung des Namens erläutert, Mercator als Flandern
(rücksichtlich ^Belgien^) angehörig bezeichnet und eine Genealogie seiner Fa-
milie aufgestellt.
Durch zahlreiche Noten unter dem Texte, wo die Stellen der benutzten
Urkunden meistens wörtlich angegeben sind, hat das Werk Raemdonck'seinen
Um&ng erreicht, der jenen der Broschüre Dr. Breising's sechsfach übertriflit.
Dennoch erfährt man durch die letztere in mehr als einer Beziehung mehr. Nicht
nur dass Dr. Breysing einen neu aufgefundenen Brief Mercator's von
groöer Wichtigkeit beibringt, der in der Sammlung Raemdonck's fehlt , geht er
auch als Mathematiker vom Fach viel tiefer und klarer in das Wesen der
Projectionen ein, die wir Mercator verdanken, und selbst wo wegen Gleich-
artigkeit der Quellen, aus denen beide schöpften, beide Schriften sich auf
demselben Felde begegnen, trägt die verschiedene Beleuchtung zur Klarheit
der Tha;tsachen wesentlich bei.
Ist Dr. Raemdonck ausführlicher, wo es belgische Local-Beziehungen
oder geringfügige Privatverhältnisse Mercator's zu erörtern gibt, so gewiQirt
Dr. Breysing's Schilderung mehr Aufschlüsse über die Vorkommnisse in
Deutschland , obwol auch er nicht im Stande ist, manchen Umstand genügend
aufzuhellen, z. B. die Gründe von Mercator's Uebei-siedlung von Löwen nach
Dmsbuig. Es bleibt im dunkeln, ob seine mehrmonatliche Gefangenhaltung wegen
Verdacht der Hinneigung zu ketzerischen Meinungen ihm Flandern verleidet hat,
oder ob ein Ruf nach Duisburg (nicht an die angeblich projectierte Universität,
die viel später erst zur Sprache kam, sondern an's Gynmasium) ihn zum Lan-
deswechsel bewog.
Die Berichtigungen mancher Fehler des Raemdonck'schen Werkes,
die aus der Broschüre Dr. Breysing's entnommen werden können, bestehen
weniger in einer Polemik gegen die l^Eängel und Uebersehen , welche Historiker und
Mathematiker in demselben finden werden, als in der Anführung richtiger That-
sachen. Jene werden im Literarberichte der Dr. Petermann'schen Mittheilungen
(Heft XI, pag. 438) einer eingehenden Kritik unterzogen.
126
Wo beide Autoren den kosmopolitischen Standpunct, von welchem aus
Mercator's Wirken als gelehrter Kosmc^raph beurtheilt werden soll, verlas-
sen und auf den Punct der Nationalität zu sprechen kommen, gehen die An-
sichten' diametral auseinander. Dr. Baemdonck nimmt Mercator vollstän-
dig für Belgien in Anspruch, und Dr. Breysing verficht, nicht minder eifrig and
avJ sehi' triftige Gründe gestützt, das Becht Deutschlands , ihn den seinigen zu
nennen. Unter seine wesentlichen Belege gehören Mercator's eigene Worte,
die in der an die Herzoge von Jülich gerichteten Dedication der ersten Partie
seines Atlas (Tabula Galliae et Germaniae. Duisburg 1585) stehen: „illustrissi-
mis clementissimisque dominis meis et quidem naturalibns, ut sub quo-
rum tutela, in terra Juliacensi et parentibus Juliacensis concei>-
tus, primisque annis cducatus, licet in Flandria natus sum*^. —
Diese Stelle citiert auch Dr. Baemdonck pag. 326, zieht aber nicht
dieselben Schlüsse daraus, insbesondere aus dem ^primisque annis edacataB**.
Hätte Ghymm, wo er von Mercator's Jugend spricht -- cumque pueritiam
egressus esset, primaque rudimenta latinae lii^ae inpatria didicisset — das
Vaterland mit Namen genannt, so wäre ein Misverständnis unmöglich geworden.
Die genealogische Tafel am Schloss von Dr. Raemdonck's Werk
kann gegen eine scharfe historische Kritik nicht Stand halten. Diese weiset
bloße Wahrscheinlichkeiten entschieden ab, sie duldet kein ^11 est probable, neos
admettons etc."^, keine Verwand tschaftsvermuthungeii auf Grund gleicher Fami-
liennamen etc.; auch dürfte es schwer halten, über eine so obscure Familie
(Mercator's Vater war ein armer Schuhmacher.' aus so alter Zeit noch so viel
Documente aufzufinden, um einen unanfechtbaren Stammbaum bis zum Urgroß-
vater daraus aufzubauen. £}rst lange nach Mercator's Geburt wurden Tauf-
und Sterberegister bei den Pfarren eingeführt, und wie viele davon sind durch
Brand, Krieg, Unachtsamkeit vernichtet worden! Auffällig und schwer erklär»
bar bleibt jedenfalls, dass Dr. Baemdonck, der doch die Urkunde anführt,
wo Mercator's Anwesenheit in Bupeimonde im Jahre 1544 durch die Ver-
lassenschaftsabhandlung nach synem oom (patruus in Ghymm's Bio-
graphie) gerechtfertigt ¥rird, den Gisbert Krem er zu einem Großoheim
macht und in der TaSel zw«i Gisbert's aufführt, deren gleiches Todesjahr ihn
auf das Versehen hätte aufmerksam machen sollen.
Bei der Streitfrage um Mercator's Nationalität kann es sich doch nur
um das engere Vaterland, Flandern oder Jülich, handeln, denn im weitern
Sinne ist Mercator in jedem Falle ein Angehöriger des deutschen Beiches,
da im ganzen 16. Jahrhundert, also über Mercators Tod (15d4) hinaus,
Flandern noch ein Theü des burgundischen Kreises war.
In Beziehung auf das Verhältnis der Wissenschaft zu Mercator's Zeit,
. auf die Männer, die ihm vorangiengen, und auf seine Leistungen als Greograph
geht Dr. Baemdonck nicht so ausführlich ein, als man es zum klaren Ver-
ständnisse des Fortschritts wünschen möchte, und Dr. Breysing bewegte
sich in seinem Vortrage in nothgedrungen engen Gränzen, und konnte daher
nicht so weit ausholen; gewiss wird diese Partie später von ihm desto reicher
bedacht werden, je mehr ihn Kenntnisse und Studien zu einer gründlichen
Darstellung dieser Nebenumstände befähigen.
Die wichtigste Erfindung Mercator's ist die nach ihm benannte Entwer-
fungsart der Seekute mit den wachsenden Breitegraden, wodurch die geraden Linien
der Schifi'scurse auch auf den Karten durch gerade dargestellt werden können.
Es ist wahr, Mercator hat die nummerischen Abstände nicht angegeben;
aber Nachmessungen auf dem Original seiner großen Weltkarte (1769), welches
in der kais. Bibliothek zu Paris aufbewahrt wird, haben den Beweis geliefert,
dass die Dimensionen den späteren Berechnungen ^nz gut entsprechen. Sein
Scharfsinn hat die Aufgabe practisch gelöst, die Theorie mit dem genauen
Calcul ist hinterher gekommen.
Auch von derjenigen Art der Kegelprojection , welche die Kugel nicht
in einem Puncte tangiert, sondern, sie durchdringend, in einem Kreise, die nach
ihm nach de l'Isle und Murdoch genannt wurde, ist (nach d'Avezac)
Mercator der erste Erfinder.
Nicht minder gebührt ihm das Verdienst, der erste die Lage des mag-
netischen Pol berechnet zu haben, ja selbst die Einführung der lateinischen
Schrift auf Karten muü ihm zugeschrieben werden.
127
Dem Vernehmen nach ist die Auflage von Dr. Raemdonck's Werk
vergriffen und eine zweite in Vorbereitung. Hoffentlich wird der Autor die
Schwächen und Mangel der ersten zu vermeiden wissen, und die neue Aus-
gäbe vielleicht auch mit Nachträgen bereichern können, wenn (man wage es
zu hoffen) der in weiteren Kreisen erweckte Eifer des Forschens neue Auf-
schlüsse, neue Funde von Briefen und Karten mittlerweile zu Tage gefördert
haben sollte.
Der Vortrag Dr. Breysing's ist auch nur der Vorläufer eines größeren
Werkes, das vielleicht in Jahresfrist seinen Abschluss wird erhalten können. Der
Eifer, welchen Dr. Bre ysing entwickelt, um für diese ausführliche Biographie
dasMateriale zu sammeln, erregt gespannte Erwartungen und gibt gegründete
Hoffnung, dass das eventuelle Werk die gestellte Angabe gründlich erschöpfen,
unserer Literatur und dem deutschen Fleiße Ehre machen werde. — s —
Die Arbeiten der topographischen Abtheilung der
Landesdnrchforschang von Böhmen in den Jahren 1864,
1865, 1866. Von Prof. Dr. Garl Koiistka. Prag 1869, in Commis-
sion bei Fr. ft i v n a ti . 268 Seiten in gr. 8" mit Karte. (Preis 4 fl.
österr. Währ.)
Dieses Heft bildet die erste Abtheilung des I. Bandes des Archives der
naturwissenschaftlichen Landesdurchforschung von Böhmen, während die übri-
gen Hefte die geologische, botanische, zoologische und chemische Abtheilung
nmfiisaen. Es zerf&llt in zwei Theile, deren erster die Schilderung der Ter-
rainverhältnisse des Mittelgebirges, dann des Sandstein- und Schiefergebirges
im nördlichen Böhmen enthält. Der zweite Theil besteht aus dem Verzeich-
nis von 3688 gemessenen, in Metern imit einer Decimale) und Wiener Fufi
angegebenen Höhenpuncten. Die Karte reicht von Osseg und Postelberg im
Westen bis Gablonz und Libau im Osten, von Schluckenau im Norden bis Mel-
nik im Süden, ist im Maüe von 1 zu 200.000 der Natur entworfen, mit Niveau-
knrven von 25 und 50 Meter Abstand versehen und im Farbendruck sehr genau
und nett ausgeführt. Die vortreffliche Arbeit des Ganzen verdient ein nähe-
res Eingehen in alle Abschnitte.
Einer Einleitung, in welcher die Wichtigkeit der genauen Kenntnis der
hypsometrischen Verhältnisse eines Landes in allen Beziehungen auf Agricul-
tur, Handel, Vertheidigung etc. gründlich dargestellt wird, folgt eine allge-
meine Uebersicht der Characteristik des Terrains in dem mittleren nördlichen
Böhmen, wobei der Autor am Schluss seine Meinung über den Mitantheil der
Geologie (als Stratigraphie) an der Topographie ausspricht, die so beachtens-
wot ist , dass ein Resümee (möglichst mit den Worten des Verfassers) hier
am Platze sein dürfte.
„Die Terrainformenlehre'*, schreibt Dr. KoHstka, „als solche, kann
lieh mit der trockenen Beschreibung der wirklich aufgenommenen Formen
nicht begnügen, sie muß vielmehr die Abhängigkeit der Gliederung bis zum
Terrainelemente hinab von gewissen Grundformen aufsuchen und feststellen,
denn nur dann wird die Aufgabe der Terrainlehre erreicht sein, wenn man
aus dem Vorhandensein gewisser Merkmale oder Eigenschaften sichtbarer For-
men auf die unbekannten oder nicht sichtbaren, nut diesen jedoch zusammen-
hängenden wird schließen können. — Die Aggregationsform, die Structur, die
Lageningsverhältnisse sind die. Theile der Geologie, welche für die Terrain-
lel^ von besonderem Interesse sind. Verwitterung, Abspülung hängen in ihrem
Erfolge von dem petrographischen Character und der Lagerung des Bodens
ab, und es dürfen diese letzteren Momente nicht, wie es von vielen Terrain-
lehrem leider geschieht, ignoriert werden. — Da in jeder Formation die Aggre-
gationsform, die Structur und die Lagerungsverhältnisse sehr verschieden sein
können, wird auch die Wirkung der Verwitterung, Abspülung, Ueberflutung
«ne verschiedene sein, und hat der bestimmte Terraincharacter, unter welchem
ein Formationsglied auftritt, immer nur einen localen Wert, welcher jedoch
eine nm so größere Bedeutung erlangen kann, als er sich oft über große Ge-
biete von mehreren hundert Quadratmeilen ausdehnt.^
Im §. 3-6 wird nun das Ijeitmeritzer Mittelgebirge ausführlich in drei
Gruppen geschildert, nach Gestalt, Lage, Profil, Area (nicht bloß der Gesammt-
1«8
fläche y sondern auch der einzelnen Schichten), Thalwege, Gefälle, Vegeta-
tion etc. Im §. 7 kömmt das Duxer und Teplitz-Karbitzer Hecken an die Reihe,
im §. 8 der n.-ö. Theil des Erzgebirges, im §. 9—12 das nord-böhm. Sandstein-
gebirge, im §. 13 das Lausitzergebirge , im §. 14 das Jeschkengebirge, im §. 15
das Iser-Sandsteinplateau, im §. 16 die n.-ö. Ausl&ufer des Zbanwaldes, alle auf
gleiche Weise behandelt. Von Zeichnungen und Profilen unterstützt, auch mit
zwei Ansichten in Farbendruck (Schreckenstein und der Bösig) ausgestattet.
Der §.17 enthält allgemeine Schlussbetrachtungen, mit Zusammenstellung der
analogen Daten und Bemerkungen über das reiche Straßennetz dieser Region
und ihre strategische und tactische Bedeutung für die Wehrhaftigkeit des
Landes'.
Die Einleitung des Höhenyerzeichiiisses macht mit der Methode bekannt,
welche bei den (halb-trigonometrischen, nur ausnahmsweise barometrischen oder
mittels des Aneroids gemachten) Höhenmessungen beobachtet wurde. Auf dem
128 Quadratmeilen umfossenden Terrain wurden circa 50ü() Messungen ausge-
führt (also etwa 40 auf 1 Quadratmeile), au£ photographische Copieu der Mili-
täraufnahme (1 ' = 400") eingetragen, und daraus die Niveaucurveu entwickelt,
die im tieferen Lande von 25 bis 25 Meter, von ^X) Meter an von 50 zu 50
Meter gezogen wurden. Diese Isotypsen wurden dann in die reducierte Karte
übertragen, die jedoch der Kleinheit des Maßes wegen nur mit den Haupt-
puncten coticrt werden konnte. Die Nivellements der Eisenbahnen erforderten
bedeutende positive Correctionen von 7— i2 Klaftern, um einfügbar zu werden.
Das Höhenverzeichnis ist weder alphabetisch, noch nach natürlichen
oder politischen Oränzen geordnet, sondern nach dem Gradnetze, dessen Ma-
schen von 5 Minuten Höhe und Breite zur Orientierung dienen, wodurch das
Aufsuchen auf der Karte wesentlich erleichtert wird. Jedem Trapeze ist eine
Uebersicht des Raumverhältnisses der enthaltenen Schichten vorangeschickt,
welches in Percenten der ganzen mur mit einem Mittelwerte) angegebenen
Area ausgedrückt ist. Da solche Percentualberechnungen auch bei der oro-
graphischen Schilderung, wo sie am besten verwertbar sind, vorkommen, so
scheint ihre Wiederholung in veränderter Anwendung beinahe entbehrlich, ist
es aber aus dem Grunde nicht, weil dadurch ein Vergleich kleinerer Land-
striche unter einander vermittelt wird.
Die Resultate der vielen Vorarbeiten vereinigen sich in der Karte. Sie
ist das alleinige Verdienst des Prof. Kor ist ka's und schon im topographischen
Theile mit solcher Umsicht und Genauigkeit (auch in Beziehung auf die Or-
tographie der Eigennamen) bearbeitet, dass sie dadurch allein einen besondem
V^rt als treuer Repräsentant der Gegenwart hat. Ihr zweiter Vorzug besteht
in den sehr gewissenhaft ansgemittelten Höhencurven, welche in den Niederun-
gen bis 400 Meter von 25 zu 25 Meter, von 400 Meter an von 50 zu 50 Meter
gezogen sind, und zwar mit gut erkennbarer Modification der Linien, so dass
das Bestimmen der absoluten Höhe sehr erleichtert wird. Die fünfzehn
Höhenstufen sind durch Farbentöne unterschieden, die von gelb durch grün,
braun und violet in blau übergehen. Die Gränzschichten, die unterste im Tief-
lande und die obersten in den höchsten Spitzen sind weiß geblieben. Der
dunkelste Ton ist bei jenen Schichten angewendet, welche in dem ausgedehn-
ten Flachlande Böhmens die meisten Höhen bilden. Sicher würde das Ge-
sammtbild bei Anwendung von blasseren Tinten für die Mittelhöhen höchst
monoton erscheinen. Zudem fallen bei Fests^ung einer Scala für den Far-
bendruck auch die finanziellen Rücksichten in die Wagschale und bedingen
oft genug ein Abweichen von ursprünglichen Grundsätzen, um die Druckkosten
nicht zu verzehnfachen. Da die Schichtenlinien allein kein plastisches Ter-
rainbild geben, so wurde durch Kreideschummerung die Schattenseite der Ab-
dachungen angedeutet, damit aber tiuch der Nachtheil herbeigeführt, dass die
mit Zinnober gedruckten feinen Curven stellenweise schwer unterscheidbar, ja
fast unmerklich werden, namentlich dort, wo sie wegen Steile des Abfalls sehr
nahe an einander rücken , z. B. am Elbedurchbruche. Es ist jedoch durch
die Vertheilung der Kartenelemente auf verschiedene Platten die Grelcgenheit
gegeben, Abdrücke ohne die störenden Einflüsse herzustellen, z. B. (i^eripp
und Schrift schwarz, Niveaucurveu roth, oder Niveaucurveu schwarz mit Ter-
rainschattierung und Farbenschichten aber ohne Schrift und Geripp, u. a. m.
129
Anf diese Weise kann nicht bloß das große Publicum seine Befriedigung fin-
den, dem der topographische Theil der Karte der wichtigere ist, sondern auch
die weit kleinere Zahl jener Personen, die sich mit tiefer eingehenden Studien
aber das Terrain beschäftigen.
Ein größerer Maßstab (z. B. ^U^ooo^ würde zur Folge gehabt haben, dass
eine vollständige Cotierung Platz gegriffen hätte, und eine noch größere An-
zahl von Horizontalen ermöglicht worden wäre; allein der 16fache Raum
wQrde auch 16&che Kosten verursacht und die Herausgabe der Karte ver-
zögert oder gar verhindert haben. Begnügen wir uns mit der gegenwärtigen
ausgezeichneten Karte, welche alles leistet, was man in diesem Maße von ihr
fordern kann und die erste Special-Schichtenkarte in Oesterreich ist, die auf
so zahlreichen und so verlässlichen hypsometrischen Daten construiert wurde,
und bei welcher der Autor alle Erfahrungen benützen konnte, die er bei sei-
ner hypsometrischen Karte von Mähren, einer würdigen Vorläuferin der jetzigen,
zu machen Gelegenheit hatte.
Die Karte wird 10 Blätter umfassen und sdiwerlich in weniger als eben
so viel Jahren vollendet werden können. Sie wird im Verein mit den übrigen
Resultaten der Landesdurchfonchung ein schönes Denkmal des patriotischen
Eifers jener Gorporationen in Böhmen sein und bleiben, welche, wie der Land-
tag, das Landesmuseum und die öconomische Gesellschaft diesem Unternehmen
jährlich nicht unbedeutende Summen votierten, und es wäre zu wünschen,
dasB dieses Beispiel auch in anderen Kronländern, deren Durchforschung nicht
minder nöthig ist und gleicher ausgiebiger Nachhilfe bedarf, zu edlem Wett-
eifer anregen würde. A. Steinhauser.
Nene Probleme der vergleichenden Erdkunde als
Versuch einer Morphologie der Erdoberfläche. Von
Oscar Pescbel. Leipzig. Verlag von Duncker & Humblot. 1870.
Gr. Oct. S. 171.
Das unter obigem Titel erschienene, Sr. Majestät dem König Ludwig II.
von Baiem gewidmete Werk, zählt zu den interessantesten neuen Erscheinun-
gen der deutschen Literatur. In glücklicher Aneinanderreihung vereinigt es
13 Abhandlungen, welche der verdienstreiche Herausgeber des ^ Ausland^ in
seiner Zeitschrift in den Jahren 1866 - 1868 veröffentlicht hatte. Bedeutend
erweitert in ihrem Inhalte und trefflich erläutert durch sorgfältig ausgewählte
kartographische Illustrationen, bieten sie in dieser neuen Gestalt einen über-
sichtlichen Blick auf die Resultate und Probleme der vergleichenden Erdkunde
von Ritter bis auf unsere Zeit. Die Ueberschriften der 13 Capitel geben
einen Begriff des behandelten reichen Stoffes. Sie lauten : 1. Das Wesen und
die Aufgaben der vergleichenden Erdkunde. 2. Die Fjordbildungen. 3. lieber
den Ursprung der Inseln. 4. Die Thier- und Ptianzenwelt der Inseln. 5. Geo-
graphische Homologien. 6. Die Abhängigkeit des Flächeninhalts der Festlande
von der mittleren Tiefe der Weltmeere. 7. Das Aufsteigen der Gebirge an den
Festlandsrändem. 8. lieber das Aufsteigen und Sinken der Küsten. 9. lieber
die Verschiebungen der Welttheile seit den tertiären Zeiten. 10. Die Delta-
bildungen der Ströme. 11. üeber den Bau der Ströme in ihrem mittleren
Laufe. 12. Die Thalbildungen. 13. Wüsten, Steppen und Wälder.
Jeder einzelne dieser Abschnitte zeigt, was durch die Wissenschaft zur
Lösung der bezüglichen Probleme gewonnen und was noch zu thun übrig, um
das Hypothetische in festgegründete Principien umzugestalten. PeschePs
Darstellung ist allenthalben klar, anziehend und anregend. Sie wird Überali
getragen durch eine Fülle interessanter Daten und tiefgehender Wahrnehmun-
gen, welche sich dem Verfasser während seiner Vorarbeiten für die Greschichte
der Erdkunde .im Auftrage König Max II. von Baiern) aufgedrängt und die
sich, wie Peschel im Vorworte allzu bescheiden bemerkt, „auch bei jedem
anderen eingestellt hätten, dem die gleiche Aufgabe zu lösen vergönnt gewesen
wäre."^ Wir sind in letzterem Puncte anderer Meinung und wollen hier unsere
üeberzeugung aussprechen, dass solch ein gelungener „Versuch einer Morpho-
logie der Erdoberfläche*^ nur von einem so gründlichen Kenner der gesammten
alten und neueren geographischen Forschung durchgeführt werden konnte,
O«0grsphiMli« Mitth«ilviif«&. 1870. S. Q
130
wie es Oscar Peschel ist. Die Lecture des Werkes wird diesen Aossprack
bekräftigen. Neben den Resultaten der neaen und neuesten Forschung wird
man jene lange vergessener und darunter auch verdienter österreichischer
Geographen verwertet finden.
Der uns hier zugemessene Raum verbietet uns, Einzelnes aus dem Buche
besonders herauszuheben. Wir glauben, es allen Freunden der Elrdkunde nicht
srenug warm empfehlen zu können. F. Kanitz.
„Report of the Delegates of the Shangai General Chamber of
Commerce on the Trade of the Upper Yangtsze and Report of the
Naval Surveyers of the River above Hankow."
Untier diesem Titel veröffentlichte die Handelskammer zn Shangai ein
Werk, welches die Erfahrungen einer Fachcommission, die vom Yangtsze kiaug
aufwärts in die bisher den Fremden verschlossenen westlichen Provinzen China^s
vordrang, allgemein zugänglich macht. Der Geograph und Kaufmann finder iu
dem Werke höchst wertvolles Material Ober jene weiten Districte und deren
schon gegenwärtig sehr bedeutende Handelsbewegung. F. K.
Notizen.
Die Einfahrt In den SalgoBflnss beim Cap St. James wurde durch
die Errichtung eines Leuchtturmes und durch Vorkehrungen an der Koral-
lenbank (der einzigen Untiefe des Flusses i für Schiffe jeden Tiefganges erleich-
tert und liefen schon im Jahre 1868 410 Fahrzeuge von 187.000 Tonnen zu
Saigon ein. Saigon ist ein bedeutender Hafen für lU^is. Im Jahre 1868 betrug
die Ueisausfuhr 137.000 Tonnen. Sie soll sich im letzten Jahre bedeutend ge-
steigert haben. Auch der beinahe gänzlich in den Händen der Chinesen be-
findliche Handel mit Cocosnussöl, Pfeffer, getrockneten Fischen und Baumwolle
ist in Aufschwung begriffen. Durch die Eröffnung des Suezcanals verspricht
man sich einen lebhafteren Verkehr mit Europa und namentlich mit Triest.
F. K.
We diesjfthiige Niger-Expeditlon. Die diesjährige Niger-Expedition,
welche am 21. Juli unter dem Commando des Capitäns East von Lagos
aufgebrochen war, traf am 4. October in Ascension wieder ein, nachdem sie
mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Diese Expeditionen werden
bekanntlich zum Schutze der Handelsinteressen und zur Kräftigung der
Autorität des am Zusammenfluss der beiden großen Flüsse Niger und Tschailda
stationierten englischen Consuls unternommen; in diesem Jahr aber eriangte
sie dadurch eine ungewöhnliche Wichtigkeit, dass Capitän East mit einer be-
sondern Mission an Massaba, den König des Neagi-Landes , dessen Reich
sich von dem fernsten schiffbaren Theile des Niger bis zum Zusammenfluas
der beiden Ströme ausdehnt, betraut worden war. Am 23. Juli wurde die
Barre des Niger passiert, und am 25. begann die Fahrt stromaufwärts. In Folge
der starken Strömung und der vielen Sandbänke konnten nur gegen dO engl.
Meilen täglich zurückgelegt werden, und da die Kriegsschiffe „Lynx^ und
„Pioneer^ die gröüten Fahrzeuge waren, welche je den Strom hinauffuhren
und schweres Geschütz mit sich führten, war die Gefahr aufzustoßen sehr
groU, zumal an vielen Stellen das Senkblei kaum drei Zoll mehr als den Tief-
gang der Fahrzeuge zeigte. Im ganzen lief die Fahrt gut ab, und nachdem
die Schiffe stellenweise angehalten hatten, um die Häuptlinge zu beschenken,
und auch, um sie den Donner der Schiffskanonen hören zu lassen, kam
man nach Lukaja , der Residenz des britischen Consuls am Zusammenflusse
der beiden Ströme. Hier schlössen mehrere Kauffiethrteischiffe sich der Expe-
dition an, und nachdem der englische Bischof, der Gonsul mit seinen Dol-
metschen u. s. w. an Bord genommen waren, gieng's weiter bis nach Egga,
einer groüen, aber schmutzigen und ungesunden Stiuit, dem Centrum des El-
fienbeinhandels. Hier kamen der Expedition Boten des Königs entgegen, wel-
cher die weitten Männer bewillkommte. Massaba ist stets erfreut, die Expe-
131
ditkm zu sehen; diese aber wurde durch die unangenehme Beobachtung über-
rascht, dass der König allen Handel zum Stillstand gebracht hatte, so dass die
der Expedition vorangegangenen Kauffahrteifahrer nichts auszurichten yermoch-
ten. Er hatte nämlich herausgefunden, dass er früher betrogen worden war,
and wollte zuerst die Ankunft des britischen Gonsuls abwarten. Tags darauf
wurde die Reise fortgesetzt, während indessen die früheren Expeditionen den
Fluss Itschontschegga hinauf bis etwa 6 Meilen vor Bidda, der Hauptstadt
Massaba's, gefahren waren, wurde wegen der Gefährlichkeit dieser Route
ein neuer Weg, etwa 40 Meilen weiter den Niger hinauf bis zur Mündung des
Nebenflusses Kadimia eingeschlagen. Das Schiff ^Lynx^ konnte die Weiter-
reise nicht ohne Gefahr antreten, und so machten die Mitglieder der Expedi-
tion sich, mit Ausnsdime des Capitäns East, welcher sich stark unwohl fühlte,
nach Dakomba, 12 Meilen von Kadimia hinauf, auf den Weg. Hier wurden
sie von dem ersten Sclaven des Königs empfangen und mit Hornvieh, Schafen,
Ziegen u. s. w. beschenkt, und als nach Verlauf von 40 Stunden Pferde für
die Expedition beschafft waren, konnten diese die noch übrigen 10 Meilen bis
nach Bidda, die zum Theii durch mannshohe Sümpfe führten, zurücklegen.
Bidda, eine große Stadt von etwa ^.000 Einwohnern, ist mit einem 10 Fuß
hohen Erdwall mit Graben eingefasst. Sofort nach ihrer Ankunft wurden die
Handelsleute nach dem Palast des Königs, einer Anzahl getrennter Häuser
von verschiedenen Dimensionen und Formen, geführt, und von diesem sehr
freundlich empfangen. Am nächsten Morgen kam auch Capitain East an,
nachdem er sich besser gefühlt und den ganzen Weg zu Fuli zurückgelegt
hatte. Auch er wurde vom König sofort empfangen, und verabredete sich mit
ihm, die Botschaft und das Ehrengeschenk der Königin von England Tags
darauf zu überreichen. Diese Ceremouie gicng dann auch mit der nöthigen
Feierlichkeit vor sich, und Mass ab a äußerte zumal sein ungeheures Vergnü-
gen Ober das ihm als Geschenk überreichte prachtvolle Schwert. Er versicherte
den Capitan seiner innigen Freundschaft für die Königin von England und
ihre Regierung. Sechs Tage blieb die Expedition in Bidda, während welcher
sie aufs gastfreundlichste bewirtet wurde; dann kehrte sie nach den Schif-
fen zurück, fand aber hier einen Theil der Mannschaft des ^Lynx^ vom Fie-
ber befallen. Sofort wurde die Rückreise angetreten. Da aber auf dem Niger
die Reise zu Thal wegen der reißenden Strömung bei der großen Seichtigkeit
noch schwieriger ist, als die zu Berg, ist es nicht zu verwundern, wenn der
^Lynx** am Tage nach angetretener Rückfährt auf einer Sandbank auffuhr
and erst nach fünf Tagen wieder flott gemacht werden konnte, indem ein
Theil der Kohlenvorräthe über Bord geworfen wurde. Drei Matrosen starben,
und fast stündlich wurde der eine oder der andere vom Fieber befallen. Wäre
ein großer Theü der Bemannung gestorben, so hätte Capitän East sich ver-
pflichtet gesehen die ganze Bemannung im Pioneer aus dem Flusse zu schicken
and selber mit wenigen Freiwilligen bis nächstes Jahr auf dem „Lynx** aus-
zubauen — was beinahe sicherer Tod gewesen wäre. Glücklicherweise starb
aber niemand mehr; das Schiff wurde am 7. September flott gemacht und
passierte am 13. glücklich wieder die Barre. Der ^Lynx^ fuhr sofort nach
Ascension, obwol seine Mannschaft in sehr erschöpftem Zustande war, und un-,
terwegs das Fieber dermaßen zunahm, dass er und sein erster Lieutenant eine
2^it lang die einzig dienstthuenden Officiere waren. Am 4. October langte
der ^Lynx'^ in Ascension an, und ein par Tage später mußte Capitän East
nebst allen Ofßcieren und Mannschaften — den ersten Lieutenant uud drei
Officiere ausgenommen — nach dem Hospital geschickt werden. Die Nach-
virkungen dieses tötiichen Nigerfiebers scheinen weit schlimmer zu sein als
die auf dem Flusse selber verspürten Symptome.
Ueber die Central-Pacifie-Balm in Nord-America, welche in directer
Linie New-York mit San Sacramento und San Francisco in Califomien vei>
bindet, enthalten die Ergänzungsblätter zu Meyers Gonversationslexicon einen
längeren Artikel von dem Geographen Richard Andree, welcher die Wichtig-
keit dieser Bahn sowol für die Entwicklung der nordamericanischen Union als
auch för den großen Welthandel in ein sehr glänzendes Licht stellt. Die
Vollendung dieser Bahn and die Eröffnung des Suez-Canals werden darin an
9*
im
Bedeatang fflr die Geschicjite des Weluerkelm der VoUendang des engliBcb-
americanischen Kabels gleichgestellt. Man durcheilt die48Breitegi*ade, welche die
Bahn durchschneidet, in 6 Tagen und 17^/, Stunden, während der Weg über die
von Kansas ausgehende Postroute 18 Tage und einen Reiseaufwand von 1000
Dollars erforderte. Auf der Pacific-Bahn beträgt das Fahrgeld nur 140 Dol-
lars. Bekannt ist, dass in Nord-America, umgekehrt wie bei uns, die Städte
gleichsam den Eisenbahnen nachziehen. Dies ist auch bei der Pacific-Bahn
der Fall gewesen. Wie fEibelhaft nahe durch die Pacific-Bahn, man möchte
sagen, die Welt aneinander gerückt wird, erhellt ans folgenden Angaben des
Aufsatzes. Wenn die beabsichtigte Seeroute San Francisco- Wellington i Neu-
seeland )-Sydney im Gang ist, wird die Fahrt von Neuseeland nach San Fran-
cisco in 21 Tagen zurückgelegt, von da nach New- York braucht man 7 Tage,
von da nach Bremen oder Hamburg 11 Tage; mithin erreicht man mittels der
Pacific-Bahn Neuseeland in 39 Tagen. Sieben weitere Tage führen dann nach
Svdney, noch 3 bis Melbourne ; somit reist man von Bremen bis Melbourne in
49 Tagen via Nordamerica. An diesen großen Vorzügen der Pacific-Bahn neh-
men dann in erster Linie die California-Pacific- und die Galifomia-Pacific-Ex-
tension theil. Erstere geht von Sacramento nach San Francisco, letztere durch-
schneidet die fruchtbarsten Provinzen Califomiens und mündet In die Botega-
Bay im stillen Ocean. Abgesehen von den günstigen Chancen, welche diese
beiden califomischen Bahnen in sich selber dadurch haben, dsss sie, wir möch-
ten sagen, den Localv erkehr des Goldlandes vermitteln, nehmen sie auch ganz
unmittelbar an der großen Zukunft theil, welche ohne Zweifel die Central-
Pacific in sich trägt. Die Pacific-Extension ist jetzt schon über die Hälfte
vollendet (55 englische Meilen), und der Bau wird mit aller Energie betrieben,
da man sich die größten Yortheile gerade von dieser Bahn verspricht, weil
sie die fruchtbarsten und reizendsten Thäler nicht allein Califomiens, sondern
geradezu der ganzen Welt durchschneidet. Der treffliche Aufsatz macht femer
nlr die Bedeutung der Central-Pacific-Bahn noch die Thatsache geltend, dass
San Francisco, der Mittelpunct der großen Goldgewinnung, auch die erste
Münzstätte der Vereinigten Staaten geworden ist, in der jährlich für 20 Mil-
lionen Dollars Gold und Silber geprägt werden. Schon geht californiaches
Gold und namentlich Silber mit den Dampfern nach China, um dort die Han-
delsbilanz der europäischen und der americanischen Kaufleute auszugleichen.
Als finanzieller Mittelpunct hebt sich jene Stadt mehr und mehr, und es kann
nicht fehlen, dass sie im Geschäftsverkehr zwischen Asien und Europa noch
eine große Rolle stielen wird, wie ihr denn unzweifelhaft schon die Vermitt-
lung zwischen Amenca einerseits, und Asien undAustralien andererseits zukommt.
Künstliche Anstemziieht. Im Verein für Geographie und Naturwissen-
schaften in Kiel hielt Prof. Möbius im December 1869 einen Vortrag aber
die künstliche Austemzucht, dem wir nach einem Bericht in der -allgemeinen
Zeitung^ folgendes entnehmen: Schon im Herbst des vorigen Jahres hatte
Prof. Möbius eine eingehende Untersuchung der an der Westküste von Holstein
sowol als der einzeln auch an der hannoverischen und der oldenburgischen
Küstenstrecke sich vorfindenden Austembänke unternommen, im Nachsommer
dieses Jahres begleitete er die Regierungs-Commission, welche alle zehn Jahre
mit den Austernpächtem eine Untersuchung der ihnen verpachteten Bänke
contractmäßig vornimmt, auf dieser Inspectionsreise, und gegenwärtig ist er
noch mit eingehenden Forschungen über die noch keineswegs völlig bekannte
Physiologie und Naturgeschichte der Auster beschäftigt. Sobald dieselben
beendet sind, dürfen wir wol auf eine Publication rechnen, welche über diese
auch practiBch wichtige Frage vielfach neues Licht verbreiten möchte. Schon
jetzt hat die Erfahrung bewiesen, dass die anfänglich von so glänaeen-
dem Erfolg begleiteten tjnternehmungen Coste's und andere in Frankreich
angestellte Versuche weit entfernt sind, das zu leisten, was man sich von
ihnen versprochen. Der Bericht, welchen Prof. Möbius über seine in diesem
Frühjahr an den betreffenden Orten gemachten Wahrnehmungen erstattet,
weicht himmelweit ab von den enthusiastischen Schilderungen, welche noch
bis in die neueste Zeit von den Elrfolgen der französischen Austerncnltur ver-
breitet wurden.
133
In der Bucht von St. Brieux, wo Coste zuerst Mutter- Austern aus-
gesäet, und von ihnen in derThat so viel Brut erhalten hatte, dass im ersten
Herbste schon die für dieselbe ausgelegten Steine und Faschinen mit jungen
Austern ganz bedeckt waren, fanden sich kaum noch lebende Spuren mehr von
der gemachten Aussaat vor. In dem Binnen-See von Arcachon, in welchem
auf Coste 's Antrieb durch Privatgesellschaften eine ganze Beihe von
Austemparks angelegt worden und auch eine Muster-Anstalt von der Regie-
rung errichtet war, zeigten sich allerdings die Parks noch mit Austern besetzt ;
allein ihre Unterhaltung verursachte so bedeutende Kosten und Arbeit, sie
waren außerdem durch feindliche Naturkräfte aller Art so vielfachen Angriffen
aasgesetzt, dass der finanzielle Ertrag des Unternehmens mindestens sehr
zweifelhaft erschien. Nur die täglich wiederholte mtLhsame Arbeit des Beini-
gens der Austernlagen von Schlamm, des Aufsuchens der feindlichen Thiere,
das £ntfemen des Seegrases u. s. w. vermochte überhaupt die angelegten
Austembänke gegen das Verderben zu schützen. Auch an den übrigen Plätzen,
wo die Austernzucht in einfacherer Weise betrieben wurde und anfanglich so
günstige Erfolge brachte, dass die Regierung mehrere tausend Concessionen
für diesen Betrieb auszugeben veranlasst wurde, war in der letzten Zeit ein
empfindlicher Rückschlag eingetreten. Auf der Insel Re z. B. waren die zahl-
reichen mit so großem Eifer von der Bevölkerung angelegten Austernparks
beinahe gänzlich wieder aufgegeben. Noch nirgends war es gelungen, die
künstlich angelegten Austembänke so weit zu bringen, dass die auf ihnen
befindlichen Thiere nun selbst wieder fortpflanzungsföhig geworden; vielmehr
war man für die Erzeugung der Brut überall noch auf die Mutterthiere der
natürlichen Bänke angewiesen. Und selbst die allerdings zu Myriaden erzeug-
ten jungen Austern waren vielfach wieder zu Grunde gegangen, ehe sie die
für den menschlichen Verbrauch erforderliche Größe und Ausbildung erlangt
hatten, also marktfähig geworden waren.
Die an den englischen Küsten neuerdings angestellten Versuche sind
noch zu wenig vorgeschritten, um nach der einen oder der andern Seite hin
Beweise zu liefern. Denn in Whitstable und andern seit langer Zeit schon
durch die Austerncultur berühmten Orten der Themse-Mündung werden nicht
etwa Austern gezogen, vielmehr begnügt man sich die auf natürlichen Austern-
bänken gefangenen Austern auf einen für ihre Ausbildung besonders geeig-
neten und mit großer Sorgfalt in gutem Zustand erhaltenen Grund auszulegen
und so zum höchsten Grade der Schmackhaftigkeit zu bringen. In den letzten
Jahren hat sich dagegen eine Gesellschaft gebildet mit einem Actiencapital von
etwa 100.000 Thlm., welche auf der dicht bei Portsmouth gelegenen Insel
Hayling künstliche Austernzucht betreiben will. Es sind hier große Teiche
ausgegraben worden, in welchen man die jungen Austern zu erziehen gedenkt,
om sie, nachdem sie ein Alter von etwa IV^ Jahren erreicht haben, dann an
geeigneten Uferstrecken auszulegen, wo sie ihr Wachsthum vollenden sollen.
Auf Grund aller seiner bis jetzt gemachten Wahrnehmungen sprach
dann Prof. Möbius schließlich seine Ansicht dahin aus, dass wenig Aussicht
Toihanden sei, eine erhebliche Vermehrung der Austernloänke unserer West-
kfiste durch künstliche Pflege derselben zu erzielen. Vielleicht könnte man
nach dem Beispiel Whitstable's die Austern von solchen Bänken, die weniger
schmackhafte Producte liefern, zur Verbesserung nach andern Plätzen ver-
setaen, welche erfahrungsmäßig feinere Qualität hervorbringen.
Mehr Aussicht auf günstigen Erfolg für die Anlegung künstlicher
Austernbänke scheint an der hannoverischen Küstenstrecke zu sein, die gegen-
wärtig der natürlichen Bänke fast gänzlich ermangelt. Nach der Untersuchung
von Prof. Möbius soll namentlich die Umgegend der Insel Juist dazu sich
eignen. Auch ein hannoverischer Naturforscher, Dr. Metzger, der sich mit
diesem G^enstand beschäftigt, luit sich unlängst in der hannoverischen Zeit-
schrift für Landwirtschaft in gleichem Sinne ausgesprochen.
Die Aiuwftndeniiig von Canada nach den Tereinlgteii Staaten nahm
in letzter Zeit so bedeutende Dimtnsioncn an, dass sie die Besorgnis der
Re^erung erregte. Die auf der Landwirtschaft in der Provinz Quebec lasten-
den Zehnten, die Abnahme des Schiffbaues und die lange Winterdaner veran-
134
lassteii dieselbe. Durch Verleihung von Goncessionen für hölzerne Schienenwege
vom St. Lorenzostrome nach Norden zur Ausbeutung der reichen Holzdistricte
suchte man dem Exodus zu steuern. Der letzte außergewöhnlich strenge Win-
ter mit starkem Schneefall unterbrach jedoch den Holzschlag. Er machte die
Zufuhr von Proviant beinahe unmöglich, das Futter für die im Walde
uöthigeu Pferde stieg auf unerhörte Preise, da der vorausgegangene Sommer
eben so heiß wie trocken war. Die Einwanderung nach Canada nimmt der
dortigen ungünstigen Verhältnisse wegen sehr ab. Die Regierung verweigert
die unentgeltliche Brförderung auf ihren Bahnen und mittellose Personen dürf-
ten nach Cousolarberichten künftig in Quebec zurückgewiesen werden. F. K.
IHe BeTfflkenuig tok WImobbIii und Milwankee ist in letzter Zeit
abermals sehr gestiegen. In Wisconsin bildete sich eine Einwand cruugscom-
mission, welche den neuen Ankömmlingen von Staatswegen sehr entgegenkommt.
Der schlechten Getreidecoiguncturen des letzten Jahres ungeachtet, welche auf
alle Handelsverh<nisse l&hmend wirkten, hat sich die Bevölkerung Milwaukee's
auf etwa 92.000 Seelen gehoben. F. K.
Die (foterreiehlsehe' Expedition In Jn|Mui« Z. Jänner. Nach den
letzten Mittheilungen, welche von der k. und k. ost-asiati sehen Expedition
aus Jokohama vom 10. November eingelaufen sind, wird dieselbe uicht,
wie es früher beabsichtigt war , nach San Francisco, sondern direct nach
Central- America segeln. Die Fregatte ••Donau» ist nämlich durch einen jener
entsetzlichen Wirbelstürme, Taifiui genannt, welche die Schrecken der ost-
asiatischen Meere sind, zwischen Osima und Jokohama sehr übel zugerichtet
worden und mit knapper Noth dem Untergang entronnen. Sie lag bei Abgang
des Berichtes noch im Hafen von Jokohama, um ihre bedeutenden Schäden
auszubessern, und wird von dort nach San Jos^ de Guatemala in See ge-
hen, ohne wahrscheinlich die Sandwich-Inseln und irgend einen der Häfen von
West-Mexico zu berühren. Die Corvette -Friedrich«* bleibt in den chinesischen
Gewässern.
Mit der Aufiiahme, welche unsere Landsleute in Japan sowol von Sei-
ten des kaiserlichen Hofs und der Behörden als der fremden Diplomaten und
Handelsherren gefunden, äußern sich die Berichte höchst zufrieden. Die Ver-
handlungen zur Abschliefiuug eines Handelsvertrages, welcher Oesterreich anf
den Fuß der begünstigsten Nationen stellt, konnten innerhalb zehn Tagen ge-
schlossen werden. Der Vertrag wurde am 18. October unterzeichnet, dem Jah-
restag des Abgangs der Expedition von Triest.
Zu den denkwürdigsten Erinnerungen sämmtlicher Mitglieder der österr.
Mission gehörte die feierliche Audienz bei dem Mikado, welcher dem Adminü
bei dieser Gelegenheit einen von ihm eigenhändig geschriebenen Brief an den
Kaiser von Oesterreich überreichen ließ. Dies machte um so größeres Auf*
sehen, weil es das erste Beispiel ist, dass ein japanesischer Herrscher ein
eigenhändiges Schreiben an einen fremden Souverän richtet. In Jeddo wurde der
Gesandtschaft von den japanischen Ministern in einem zu diesem Zweck pracht-
voll ausgestatteten Local ein glänzendes Festmahl gegeben, welchem auch der
Oheim des Mikado, der wirkliche Leiter der Staatsangelegenheiten, beiwohnte.
Da dieser Fürst noch nie mit Europäern gespeist hatte, so ließ er sich bei
dieser Gelegenheit zuvor von Herrn Alexander von Siebold im Gebrauche
von Messer und Gabel unterrichten.
Neben den kostbaren Geschenkeli österreichischer Fabricate, welche dem
Mikado von der Gesandtschaft überreicht wurden, erregten auch die den hohem
Bildungsanstalten in Jeddo übergebenen Prachtexemplare von Publicationen der
Wiener Academie der Wissenschaften aus der k. k. Staatsdruckerei das be-
sondere Interesse sowol der Japanischen Staatsmänner als der Gelehrten. In
der Hafenstadt Jokohama fand gleichzeitig eine Ausstellung der mitiiebrachten
österreichischen Fabricate statt, welche nicht nur von dortigen Kaufieuten und
Industriellen stark besucht wurde, sondern auch bereits einen practisdicn Er-
folg hatte, indem sie zu verschieaenen directcn Bestellungen Anlass gab. Joko-
hama ist bekanntlich das wichtigste Emporium Nippons, in welchem das Haupt»
gescbäft des Import- und Expoithandels abgemadit wird. Mit dem wärmsten
135
#
Dank ervAhnen die Berichte der österreichischeD Mission der auBnehmeuden
Gefälligkeit und Gewandtheit, mit welcher dieselbe in ihrem Verkehr mit den
Hofleuten, StaatsmannerD und Übrigen Behörden von dem britischen Legalioiis-
secretar Hemi Alexander von Siebold unterstützt wurden. Dieser ausge-
zeichnete junge Diplomat, welcher die I^tndessprache mit der vollen Leichtigkeit
und £legaDx eines gebildeten Japaners spricht, ist ein geboruer Bayer aus
WOrzburg, der älteste äohn des berühmten Natur forschfrs, welcher vor einigen
Jahren in München starb.
Herr Hofrath von Scherzer ist von Japan mit dem Post- Dampfer nach
San Francisco gereist und wird in Guatemala mit der Expedition wieder zu-
sammentreffen.
Ueber demDalaJ-Laiiia« Die Zeitschrift der k. russ. geograph. Gesellschaft,
Jahrg. 1869, enthält einen interessanten Bericht über Tibet, welchem wir fol-
gendes entnehmen:
Die Stadt Lassa und Umgebung wimmelt von Klöstern und Lamaneu ;
in des größeren Klöstern Sara und Galdan gibt es deren zu SSOO uud 3000,
zu Potolah (Residenz des Dal^j (oder Guru)-Lama aber 77(^0. Ein Besucher
des Dalig-Lama fand in ihm einen Knaben von 1 3 Jahrea , dessen Rede sich
lediglich auf Fragen nach dem Befinden beschränkte. Im allgemeinen wird er
häiiiig gewechselt, noch bevor er das 30. Lebeiibjahr erreicht hat. Die Dauer
seines Bestehens ist im umgekehrten Verhältnis mit dem Maß seiner 0])po-
sitiou gegen den Regenten — Riga Gialdo. Obwol der Daisg-Lama als Chef
des Landes betrachtet wird, mischt er sich dennoch nicht in Angelegenheiten,
welche in den Händen des Riga Gialdo ruhen. Was die Wahl des Dal^j-Lama
anbelangt, so erfolgt sie durch das Los, das ihn aus der Mitte aller jeuer
Knaben entnimmt, welche im Bereiche der Stadt während des Zeitraums
von 30 Tagen nach dem Tode des letzten Dalaj-Lama geboren wurden. So-
bald der Knabe sich seiner Umgebung verständlich madieu kann, verfügen sich
vier der vornehmsten Regierungs- Personen zu ihm uud richten an ihn die Frage,
welche von den ihm gleichzeitig vorgewiesenen Gegenständen dem abgeschiede-
nen D.-Lama gehorten. Bezeichnet er einige davon als solche, so nehmen die Be-
sucher an, dass er die wirkliche Verkörperung der Seele des D.-Lama sei, uud
geleiten ihn nach Potolah, wo er den Thron besteigt. Im Volke herrscht der
Glaube , dass die Seele des D -Lama sich nur dreizehnmal verkörpert , der
jetzige D.-Lama stelle die letzte dieser Seelen Wanderungen vor. Die haupt-
Bichlichste Bedeutung hat der D.-Lama als Damm gegen China. — c — y
Expedition naeh Tnmeliaii. Aus einem Bericht über eine Expedition
nach Turudian der Zeitschrift der kais. russ. geograph Gesellschaft, Jahrgang
1868, Nr. 1, S. 64, entnehmen wir folgendes:
So wie die Vegetation, besonders der Baumwuchs im Turuchan 'sehen
Gebiete, namentlich an der Polarseite, zurtlckbleibt, so ist auch die physische
EntwickluDg der Einwohner eine kümmerliche. Das Wachsthum des einhei-
miachen Volksstammes bleibt hinter jenem der Nachkommen eingewanderter
Russen und der Südsibirier zurQck, welche auch die eingewanderten Tuugusen
an Größe überragen. Die Russen sind auch in der Arbeitskraft vorau. — Die
Fruchtbarkeit der Weiber als Maßstab der Kraft und Leben sfähigkeil des
Stammes zeigt sich im Turuchan* sehen Gebiete auffallend weniger ergiebig, als
z. B. im südlichen und östlichen Sibirien. Im südlichen Sibirien gebärt das
Weib bis an 24 Kinder; im turuchan'schen Lande bringen die Russinnen
höcbatena 10, 12, selten 15 oder 19, die Weii)er der eingewanderten Ostiaken
8 oder 9, jene der Tuugusen 8, 9 bis 10 Kinder zur Welt. Die besten uud
jüngsten Jahre in den Ehen, gewöhnlich anderwärts durch größere Fruchtbar-
keit aoBgczeichnet, sind bei den Familien der Eingewanderten in Turuchan
durch Kargheit der Geburten bemerkbar. Die größte Anzahl von Ehen werden
hier vor dem Frütgahr und in den Frühlings- und Sommermonaten geschlossen
und von der Empfängnis begleitet — die geringste vor dem Herbste und in
den Herbst- und Wintermonaten. Das Frühjahr uud der Sommer ist der
Empfiüignis und den Geburten am günstigsten. — Die größte Sterblichkeit
herrscht während des strengsten Winters im Jänner und in den unstäten, sehr
136
feuchten, wässerigen Schnee bringenden, von kalten Winden begleiteten Mo-
naten August und September, welche auf den bis zu 30-- 40 Grad heißen
Juli folgen. Die herrschenden Krankheiten sind der Scorbnt, die Blattern, die
Schneeblindheit, das Verkältungsfieber. Dio. Ostiaken sind mehr den Krankhei-
ten der Athmungswerkzeuge unterworfen als die Russen, firstere sind von
schwächerer Constitution und gehen überdies großtentheils ohne Hemden, in ein-
fachen Unterbeinkleidern, mit bloßer Brust. An den ufern des Flusses Jenisey und
an den einmündenden Flüssen, dem Sitze seuchenhafter Dünste, im Bereiche der
Winde des Eismeers und der Lüfte der Morgründe liegen ihre Wohnstätten.
Im Herbst und Winter pflegen die Ostiaken, nachdem sie ihre Suppe einge-
nommen und sich durch den Theetrank bis zum Schweiß erhitzt haben, mit
bloßem Hals und offener Brust aus den Erdhütten in die bis zu 40 Grad
kalte Luft und die eisigen Winde hinauszustürzen. Dem schweren Athmen,
Stechen in der Brust und dem Katarrh der Athemwerkzeuge setzen sie sich
häufig aus durch die entgegenkommenden Schneewehen und das schnelle Schnee-
schuhlaufen in den Wäldern und Morgründen. Herrschend ist insbesondere
bei den aus dem Süden gekommenen Weibern die Schlaflosigkeit. Diese Er-
scheinung pflegt man durch die äußerst kurze Dauer des Tages in der Winters-
zeit und andererseits durch das Ausbleiben der Nacht im Sommer zu erklären.
Bemerkenswert ist die Vermischung der verschiedenen Volksstämme unterein-
ander, wodurch verschiedene Varietäten der Einwohnerschaft herbeigeführt
wurden.
Wie die physische Beschaffenheit, so ist auch der Haushalt der Bevöl-
kerung großen Schwierigkeiten unterworfen. Schon die Ausdehnung des Lan-
des und die große Zerstreuung der erzeugenden Kräfte der Natur auf demsel*
ben erschwert ungemein die öconomische Entwicklung des Landes und den
Wohlstand der Bewohner, deren Anzahl nur 7662 Seelen beträgt. Auch diese
unbedeutende Bevölkerung ist nicht im Vermehren begriffen, sondern geht von
Jahr zu Jahr zurück. Das große Misverhältnis der Anzahl der Einwohner gegen
die Ausdehnung des Landes, und die ungewöhnliche Zerstreung der Ansiedlun-
gen erschweren außerordentlich die Existenz. Selbst in der größten Ortsdiaft
der Stadt Turuchansk wird über gänzlichen Maogel an Arbeitern geklagt. Es
ist eine allbekannte Wahrheit, dass die Gewerbe nur dort emporkommen, wo
eine dichte Bevölkerung vorhanden ist, wo hiernach eine Verschiedenheit der Be-
dürfnisse und des Angebotes besteht. Das Klima ist dem Gedeihen der Ein-
wohnerschaft sehr hinderlich. Die scharfen und unerwarteten meteorologischen
Contraste und Abwechslungen ertöten in der Bevölkerung jeden Unterneh-
mungsgeist im Fach der Landescultur und zerstören jegliche Berechnung im
Anbau nützlicher Gewächse. Der Winter bringt manchmal Fröste von 40 Grad,
auch in den kältesten Monaten werden sie nicht stärker — andererseits
kommen aber im April Fröste zu 30 Grad vor und im Mai schneit es im
Uel)ermaß. Mitte Juli zeigt manchmal das Thermometer 30 Grad Wärme, und
Tags darauf hat man Schnee. Die Versuche im Ackerbau sind großentheils mis-
rathen, oft bleiben die Früchte und selbst das Gras aus. Den herrschenden
Lebensunterhalt bildet die Jagd und der Fischfang. Je näher die Waldungen
dem Norden sind, desto weniger geeignet ist das Holz zum Bauwerke oder
Arbeitsgebrauch Es ist häufig brüchig, dünn, das Mark faul. — Der Zirbel-
baum ist wegen seiner Frucht, einer Gattung Nüsse, für den Haushalt wohl-
thätig. und bildet einen bedeutenden Handelsartikel. In den Niederungen und
Morgegenden bedienen sich die Samojeden, Tungusen, Jakuten und Dolganen
anstatt des Waldholzes des sogenannten Holzes Noab, das aus der Erde als
Ueberbleibsel der erstorbenen uralten Flora zugleich mit Mamuthknochen aus-
gegraben wird. — c — y
Karte von Tnrkestan. Die Zeitschrift der k. russ. geogr. Gesellschaft
enthält in ihrem Jahrgang 1867, Nr. 6, eine wertvolle Beilage — die Land-
karte des südlichen Theiles des Gebietes von Turkestan, eines vor nicht langer
Zeit durch die k. russ. Regierung besetzten Landes Sie wurde durch das
wirkende Mitglied jener Gesellschaft K. B. Struve auf Grundlage der neue-
sten Erhebungen mit Benützung der astronomischen Beobachtungen des Ver-
fassers und des H, Butakoff angefertigt. Die äussere Ausstattung lässt, was
137
Uebereichtiicfakeit und Reinheit der Zeichnung anbelangt, nichts zu wünschen
Qbrig. Das Gebiet ist mit seinen Bergen, Seen, Flüssen, Städten und anderen
Ortschaften, Wegen, Sandsteppen und militärischen Befestigungen auf das aus-
führlichste dargestellt. — c — y
UelKsr den Fabriks- and Handelsbetrieb im Gebiete von Turkestan
(neuer Besitzung Russlands'. In Gegenden, wo sich kein Material zu Porzel-
lan- oder Fayencegeschirr vorfindet, auch die Glaserzeugung fehlt, Übrigens
die Fabrication von hölzernen Geschirren unbekannt ist, stöf3t man in den
Haushaltungen mit jedem Schritt auf irdene Gefälle. Dies kommt namentlich
auch in Syrien, Palästina und Persien vor. In Turkestan findet man statt
Fässern und Kübeln hohe Krüge mit innerer Glasur, die Schüsseln und ähn-
liche Geräthe sind von gleichem Material; sie gleichen dem Fayencegeschirr
unserer Märkte, und sind mit verschiedenen Figuren an der Außenseite ge-
ziert, die Glasur ist zumeist von grüner Farbe und wenig haltbar. Der Man-
gel an Glas ist hier zumal den russischen Einwohnern fühlbar. Zur Zeit der
Regierung des Chan wurde das Einsetzen von Glasfenstem als verbotene Er-
getzlichkeit betrachtet, man behalf sich mit Papierscheiben. Jetzt sind Glas-
gefaße nur zu hohen Preisen käuflich. Beschäftigungen, welche die Auf-
merksamkeit auch des vielgereisten Fremden anregen, sind das Riemer-, Satt-
ler- und Malergewerbe. Auf den Bazaren kann man kaum dem Riemer und
Sattler, wie er zwischen seinen Fabricaten verschanzt ist, beikommen. Das
Innere der Schulen, Bethäuser und Wohnungen einigermaßen bemittelter Leute
fallt in die Augen wegen der mühsamen Ausschmückung der Wände mit mit-
telmäßigen, eine die andere verdrängenden geometrischen Figuren, Blättern,
Blumen u. dgl. Zur Herstellung eines solchen Kaleidoskops waren nicht nur
alle möglichen Farben, sondern auch Flittergold erforderlich. — Bei der vor-
herrschenden Neigung der sogenannten Sarten zum Handelsgeschäfte finden
zahlreiche Capitalien ihre Anlage im inneren Handelsverkehr. Bevor die
Ware in die Hände des Bedürftigen kommt, gibt sie einer Menge Leute Er-
werb, wobei nur die ersten Bedürfnisse auszunehmen sind. Es ist einleuchtend,
dass hiedurch der Preis der Ware zusehends erhöht wird. Dieser Vertheue-
rung weicht man oft durch den Tauschhandel aus, wodurch die einge-
tauschte Ware neuerdings von Hand zu Hand wandert, und wenn der Tausch
nicht sehr gewinnbringend war, zur Quelle von Mühseligkeiten und Zeitver-
lust wird.
Der zweite Theil der Bevölkerung, die N o m a d e n, mongolisch-tartarischen
Ursprungs, fühlt sich nicht nur ungeeignet für den Handel, sondern entledigt
sich seiner Ware sogar zum eigenen Nachtheil, selbst wenn ihn die Noth nicht
druckt, um einen Spottpreis, um nur fertig zu werden ; denn er hält den Han-
del für keine ehrenhafte Beschäftigung und schleppt sich mit der Sache nicht
weit herum, obwol er weiß, dass er sie doppelt so theuer anbringen könnte.
Dies erinnert an den Handel mit den Wilden des stillen Oceans, bei welchen
man Stücke edlen Metalls und Perlen für Glasperlen u. dgl. eintauschen kann.
Was den Einfluss der mohamedanischen Religion auf das Land anbelangt, so
muß zuvörderst des „Israf^ Erwähnung gemacht werden. So heißt das Verbot
des Luxus und Übermäßiger, wenn auch erlaubter Genüsse — ein Verbot,
welches im weitesten Sinne ausgelegt wird. So z. B. ist in Central- Asien
den Muselmännern das Tragen rein seidener Kleider, von Geschmeide und
Gold untersagt. Die üebertretungen wurden in den Gebieten des Chan streng
verfolgt. Nur die Verzierungen der Waffen und Rüstung als Werkzeuge der
Vertilgung der Ungläubigen warep gestattet. In Folge dessen ist das Leben
der Großen des Landes nicht sehr unterschieden von jenem der ünterthanen.
— - Die Religion legt jedem Muselmann die Zahlung des Zakiat auf — einer
geistlichen Steuer zum Besten der Armen und des Staatsschatzes behufs der
Kriegsführung gegen die Ungläubigen. Die muselmännische Bevölkerung fürch-
tete stets die Erhöhung dieser Steuer, welche nachgerade einen bedeutenden
Einfluss auf die Entwickelung des Landes ausübte. Man beobachtete kaum
gewisse Regeln bei der Vertheilung derselben, nicht selten genügte das Vor-
kommen eines größeren Vermögens oder von Gemeindegütern, um die Regie-
rung zur Oonfiscation zu treiben. Wenn auch diese nicht inuner eintrat, so
138
bedrängte man doch den Reichen in anderer Art stufenweise: Der Fflrst beehrte
ihn mit Visiten , die Tausende kosteten ; zur Kriegszeit wun}e ihm empfohlen,
auf eigene Kosten Truppen auszurüsten u. dgl. Das Resultat ist, dass es hier
zur Zeit keinen reichen Mann gibt, denn jeder suchte das Seinige sorgialtig
zu verbergen. Jeder Verkauf im großen erregte die Aufmerksamkeit der Rc-
l^erung. Wenn eine größere Caravane sich in Bewegung setzte, so gehörte sie
jederzeit mehreren Leuten, z. B. dem Machmud, mit den Brüdem Chamid und
Achmed, den Anverwandten Muhamed's und dessen Schwiegersohn Ali — ob-
gleich thatsächlich das gemeinschaftliche Gut nur dem Machmud zu eigen war.
Unter diesen Umstanden hätte der Handel sich seinem Untergange zuwenden
müßen , und dass dieser abgewendet wurde , ist nur der Leidenschaft der S a r-
ten für den Handel und ihrer Gewandtheit zu verdanken, welche ihnen in
ihren stets gespannten Verhältnissen zu der früheren Regierung (des Chan)
hülfreich zur Seite gestanden hat. (Zeitschrift der kais. russ. geographischen
Gesellschaft 1867.) - c — y
Oesehiehtsquellen über die Slteren Perioden Busslands. (Aus dem
Sitzungs- Journal der ethnographischen und statistischen Abtheilung der kais.
russischen geographischen Gesellschaft vom 12. December 1868. — Zeitschrift
dieser Gesellschaft. Jahrgang 1869, S. 24, Nr. 1.)
Jetzt, wo die russischen Archive der wissenschaftlichen Forschung zu-
gänglich geworden, ist es kaum möglich, die ganze Masse der Schriften und
Gränzbeschreibungen zu bewältigen, welche uns das alterthümliche Russland
hinterließ — in der That eine sehr interessante und glaubwürdige Schilderung
seiner Verwaltung und inneren Gestaltung. Dieselben reichen bis in die frü-
hesten Zeiten des Bestandes des russischen Reiches zurück. Man sieht aus
den vorhandenen Vertrags- und anderen Documenten des XU., XÜL, XIV.
und XV. Jahrhunderts, dass schon zur Zeit der kleineren abhängigen Fürsten
Aufschreibungen bestanden haben, worin die Oertlichkeiten ersichtlich gemacht
wurden, aus welchen die fürstlichen Verwalter die Abgaben einhoben, unter
Bezeichnung der Objecto und Gattung derselben, der Dorfschaften, welche als
Reisestationen der Rentbeamten bei deren Rundfahi*ten dienten, dann der
Amtsbezirke und ihrer Begränzung. Die Aufzeichnungen des XVI. und XVII.
Jahrhunderts tragen den Stempel einer genauen und regelrechten Methode der
Beschreibung von Grund una Boden, um auf dieser Basis die Zahl der Leute
für die dienstliche Arbeit und die verschiedenen Gattungen des Einkommens
zu erheben. In jener Periode war die Erweiterung der Gränzen des Reichs
unausgesetzt mit der Entsendung von Schreibern in die neu erworbenen Land-
schaften und Städte verbunden, deren Aufgabe es gewesen, dort ähnliche Ver-
zeichnungen vorzunehmen. Die solchergestalt zustandegebrachten Bücher wer-
den in dem Moskauer Archive des Justizministeriums in einer Anzahl von
beiläufig 3000 Texten für mehr als 100 Städte und Vorstädte und ihren Um-
kreis aufbewahrt. Einige enthalten nur kleinere Grundflächen, der größte
Theü jedoch umfasst vofiständige Beschreibungen der Städte mit ihrem Zuge-
hör und den von der Bevölkerung gelieferten Abgaben. Es liegt am Tage,
welche Bedeutung diese Documente für die geographischen Arbeiten und für
die Kunde über das innere Leben des älteren Russland haben. Man findet
darin eine Masse geographischer Bezeichnungen, viel Detail von städtischen
Bauten, die Beschreibung innerer Ausschmückungen von Kirchen und Klöstern,
zahlreiche Daten über säd tische und bäuerliche Ansiedlungen , die Anführung
ihres Erwerbs und der damit verbundenen Abgaben. Diese Documente erwei-
tem die Kenntnisse des Geographen, des Statistikers, Ethnographen, Archäo-
logen, Rechtsgelehrten und des Finanzmannes. -- c — y
Die Httd-SlftTen In der TürkeL Von Professor Franz Bradaska in
Agram, nebst einer Karte von Dr. A. Petcrma^nn. (Mittbeilungen 1869, XII.)
Es sind jetzt bald neun Jahre verstrichen, seit in einem der Ergänzunga-
hefte zu den »Geographischen Mittheilungen« von Dr A. Petermann die
ethnographische Karte der Türkei von Lejean erschienen ist. Diese Karte und
der knappe Text, welcher derselben beigegeben war, bewährte sich geradezu
als epodiemachend für die Kunde des Völkergewirres auf der BalkanhAlbinsel.
139
Sie hat mehr als irgend eine andere literarische Erscheinung, welche seit De-
cennien auf dem Büchermärkte erschienen ist, dazu beigetragen, die gebildete
Welt des Abendlandes über die wichtigsten Puncto der orientalischen Frage
udisuklären, die Yorgefassten Ideen von der Möglichkeit eines noubyzantiuischen
Griecbenreiches oder eines großserbischen Kaiserthums zu zerstören, die nebel-
haften Vorstellungen der alten diplomatischen und publicistischen Schule Ober
das illyrische Dreieck zu läutern und den Grundsätzen einer gesunden, den
realen Verhältnissen angepassten Politik Bahn zu brechen. Lejean's Kartenwerk
ist bereits seit Jahr und Tag die Hauptstütze der nüchternen Kritik, welche
an den phantastischen Renommistereien von der großen südslavischen Gonflagra-
üon, von der panhellenischen Erhebung und von der Solidarität der arischen Völ-
kerschaften des Dreiecks jahraus, ja^ein angelegt werden muß. Wenn mitun-
ter Diplomaten und Publicisten noch in die äten Sünden zurückfallen und das
Gespenst der orientalischen Grefahr mit den altgewohnten Verschnörkclungen
an die Wand mahlen, so ist das wahrlich nicht die Schuld des französischen
Gelehrten, dessen Studie damals die -geographischen Mittheilungen» veröffent-
licht haben, sondern die ablehnende Haltimg, welche man gewöhnlich an sol-
chen literarischen Erscheinungen beliebt, wenn sie nicht schwerfällig in einem
dicken Band«? auftreten.
Seit dem Erscheinen der Karte von Lejean hat sich die Kenntnis des
illyrischen Dreiecks mannichfach erweitert. Kanitz hat seine Reisen durch Ser-
bien ttnd Bulgarien gemacht ; der leider uns kürzlich entrissene General-Gousul
Hahn auf seiner Fahrt von Belgrad nadi Salonich eine Reihe geographischer
IrrthOmer zu berichtigen und eine Menge ethnographischer Thatsachen festzu-
stellen Gelegenheit gehabt; der erleichterte Verkehr hat manchen früher
unbekannten Winkel erschlossen, und die Vorstudien zum Bau des
großen Eisenbahnnetzes, das über die ganze Halbinsel ausgespannt werden
soll, haben die Terra incognita vollends erschlossen. Der Umschwung
in Serbien, die wiederholten und stets verunglückten Anläufe zu einer Insur-
gierung der Bulgaren, das jämmerliche Fiasco des thessaiischen und epiroti scheu
Anfstands-Comitig's haben einen tieferen Einbli<^ in die betreffenden Provinzen
des Sultans gewährt und uns eine vorurtheilslose Betrachtung derselben näher
gerückt. In jüngster Zeit hat nun vollends der Aufstand in den Bocche von
Gattaro wieder ein eingehenderes Studium der verwickelten und mannichfach
▼erfilzten Volksverhältnisse da hinten in der Türkei nothwendig gemacht.
Diesem Tagesbedürfnisse trägt eine neue Publication in den -geograph.
Mittheilungen-, in welchen die seit dem Erscheinen der Karte Lejean's erweiter-
ten Kenntnisse entsprechend berücksichtigt werden, in ausgiebiger Weise Rech-
nung: ein Essay Über die Slaven in der Türkei von Professor Franz Bradaska
in Agram. Der sehr fleißigen und ausführlichen Arbeit, welche die pitee de
resistance des 12. Heftes der Mittheilungen, mit welchen der Jahrgang 1869
abgeschlossen wird, bildet, ist eine saubere ethnographische Karte des Gebietes
der Südost-Slaven beigegeben. (In einem Zwickel findet man in einem vergrößer-
ten Mafistabe den Kriegsschauplatz in den Bocche.) Professor Bradaska ist
der enthusiastische Slave, unterscheidet sich aber von den gleichgesiun-
ten Stammesgenossen sehr vortheilhaft durch seine wissenschaftliche Ehrlichkeit.
£r sucht nicht auf Kosten der Wahrheit durch Fälschungen statistischer Daten
den Slaven eine Machtstellung zu vindicieren, welche denselben factisch nicht
zukommt. Wo er Zahlen richtig stellt, so geschieht das namentlich gegenüber
SchafaMk und anderen czecbischen Autoren, meistens zum Nacbtheil, selten
zu Gunsten der Serben und Bulgaren, mit denen die Studie sich beschäftigt,
nachdem in der Einleitung einige allgemeine Bemerkungen über dieC'Bevölke-
rungBverhaltnisse vorausgeschickt wurden.
Bradaska schätzt die Gesammtziffer der Einwohner der europäischen
Türkei auf 16 Millionen und nimmt an, dass die Slaven (etwas mehr als die
Hälfte derselben) etwa 8^/. Millionen ausmachen, während die andere Hälfte von
Rumänen, Skipetaren (Albanesen), Griechen uud einigen kleinen zersprengten
Volksbiuchtheileu von Tartaren, Tscherkessen, Zigeunern und endlich von
etwas mehr als Einer Million eigentlicher Türken (Osmaneu) gebildet werden.
Trotz ihres numerischen Uebergcwichtes haben die Slaven außerhalb des Für-
Btenthumes Serbien nirgends eine hervorragende Stellung zu erringen
14D
gewusst ; os Dirgends dabin gebracht, ihre nationale Eigenart geltend zu machen
und sehen sich von allen Seiten durch Nachbarn fremder Race liedräogt.
Den Grund hiefQr erblickt unser Autor in der Leichtigkeit, mit welcher die
Slaven fremde Idiome annehmen und sich einem fremden Volksthume assimi-
lieren und der clauartigen Abgeschlossenheit, in welcher sie in der Tärkei,
überall von der Kaste abgesperrt, in einem serrissenen Gebirgslande, das sich
nach drei verschiedenen Meeren hin abdacht, wohnen ; in dem Unterschiede des
Glaubens-Hekenntnisses, vor allem aber in der Stellung, welche der phanario-
tische griechische Clerus 2u erringen wusste. Die alten Klagen Ober den Druck,
den das griechische Patriarchat und die von ihm entsendeten Bischöfe und
£rzpriester auf die slavische Bevölkerung ausfiben, werden hier eingehend wie-
derholt und mit manchen neuen Belegstellen illustriert. Der Agramer Professor
ist ein entschiedener Gegner der Hellenen, und seine Schrift kann als neues
Oocumont des von uns wiederholt signalisierten Kampfes gelten, der gegenwärtig
zwischen den slavischcn Autonomisten und den Vorkämpfern der grofien helle-
nischen Idee geführt wird, und welchem gegenüber Russland eine so zweideu-
tige Rolle spielt.
Die Zahl der Bulgaren nimmt Bradaska mit Einschluss der Stammes-
genossen mahomedanischen Bekenntnisses auf beiläufig 6 Millionen an, wenn zu
denselben auch die auf f18 Quadratmcilen sitzenden Ansiedler in Bessarabieu
und der Moldau, die beiläufig 70.000 Köpfe stark sind, gezählt werden. Im
Süden von Serbien, längs der Westuränze ihres Gebietes, stoßen die Bulgaren
mit dem Skipetaren zusammen, welche daselbst langsam aber stetig vordringen,
verstärkt durch mahommedanische , namentlich tscherkessische Colonien einen
Keil bildend, der sich zwischen die beiden slavischen Völker der Balkan-Halb-
insel eindrängt und dieselben auseinanderhält. Die strategisch wichtigen Po-
sitionen auf und um das Amsel feld, der eigentliche Knotenpunct der Halbinsel,
befindet sich heute nicht mehr in den Händen der Slaven, und hieraus erklärt
sich die Mächtigkeit, mit welcher die Pascha's stets der großen Confiagration
zu begegnen und jeden Aufstands versuch zu unterdrücken wussten. Die süd-
liche Gräuze Serbiens fällt beinahe vollständig mit der ethnographischen zu-
sammen, die südöstliche greift bereits etwas über dieselbe und in bulgarisches
Gebiet hinüber. Bekanntlich wohnen im Fürstentlium östlich der Morava auch
viele Walachen und es würden nach dem strengen Nationalitäts-Principe mehrere
Kreise, die gegenwärtig unter der liotmäßigkeit der Belgrader Regierung stehen,
zu Rumänien fallen. Das bulgarische Gebiet ist nirgends compact , sondern
überall von fremden Ansiedlungen durchsetzt, während die Serben in Bosnien
und der Herzegowina nur sehr wenig fremde Elemente zählen. Die Mahomme-
daner gehören größtentheils ebenfalls zur serbisch-croatischen Nationalität und
sprechen das Landes- Idiom. Die Gcsammtzahl der Serbo Groaten der Türkei,
mit Inbegriff d«'S Fürstenthumes Serbien und der Gzemagora, werden auf etwas
mehr als 2Vs Millionen geschätzt. Davon entfallen auf Bosnien 78t).00O, auf
die Herzegowina 2^7.000 Slaven, auf das Paschalik Novipazar 120.000. Wie
man sieht, keine Bevölkerungsziffer, welche für die phantastische Großmachts-
politik der Nationalen eine reelle Grundlage bildet.
Monatssitzung
der geographischen Gesellschaft am 1 L. Jänner 1870 unter dem Vorsitz
des Prof. Dr. Ferd. v. Hochstetter.
Als neu eintretende Mitglieder werden angemeldet und angenommen
die Herren Emanuel Freiherr v. Graffenried-Burgenstein in
Wien, Gundakar Graf von Wurrabrand auf Schloss Ankenstein in
Steiermark, Leopold Lieben in Wien , Hugo Pogatschnigg in
Pola and Dr. A. Langer in Wien.
141
Unter den vorgelegten neuen Druckwerken macht der Greneral-
Secretär insbesondere aufmerksam auf das vor kurzem erschienene
Archiv der Landesdnrchforschung von B ö h m e n, in dessen
erstem Theile Prof. Koi istka in Prag seine wertvollen Arbeiten über
das Terrain von Nordböhmen niedergelegt hat (s- unsere Mittheilungen
Nr. 3i. Zur Erläuterung verweiset er auf drei ausgestellte Karten-
blfttter, von denen eines das genannte Terrain in Schichtenlinien mit
Schrift, das andere die Schichten in Farbe ohne Schrift, das dritte die
?ollstfindig ausgefQhrte Karte enthält.
Prof. von Hochstetter bespricht eine sehr gründlich gear-
beitete und objectiv gehaltene Abhandlung des Prof. Bradaska in
Agram aber die Slaven in der Türkei, welche in dem jtlngsten Hefte
von Dr. Petermann's Mittheilungen veröffentlicht wurde und bemerkt
mit Hinweisung auf die trefflich ausgeführte ethnologische Karte, die
der Abhandlung beiliegt, dass der Verfasser nach s e i n e n Erfahrungen
in der Türkei bei der Zahl der Slaven und ihrem Verbreitungsgebiete
eher zu niedrig als zu hoch gegriffen habe.
Er erwähnt ferner narh Mittheilungen von Dr. Petermann
einiger Neuigkeiten auf geographischem Gebiete, insbesondere der Expe-
dition Forest's in Westaustralien, der Reise G. Mauchs zur Auf-
deckung der Goldfelder zwischen dem Limpopo und Zambesi in Südost-
Africa , der Reise Dr. N a c h t i g a 1 1 s zu den Tibbn-Reschade, und
der Expedition des Oesterreichers Dr. Stoliöka im Setledsch-Thal
(Himalaya). Schließlich entschuldigt er die für heute angesagten photo-
graphischen Ansichten aus der Türkei nicht vorgelegt zu haben, da ihm
kurz vor der Sitzung eine interessante Sendung aus Melbourne zuge-
kommen sei, welche er den geehrten Mitgliedern vorerst habe zur An-
schauung bringen wollen, nSmlich eine Serie von 24 Ansichten austra-
lischer Landschaften in Farbendruck nach den Originalien von Eugen
von G u ^ r a r d , einem gebornen Wiener, der als Kind mit seinem
Vater, damals Hofmahler des Kaisers Franz, nach Melbourne kam und
dort als Künstler lebt.
General-Secretftr Becker liest in Verhinderung des k. Rathes
Steinhauser dessen Vortrag über den Geographen Mercator
(s. Mittheilungen 3).
Der k. k. Sectionsrath von Hauer berichtet über die Ein-
leitungen zur Bildung einer anthropologischen Gesellschaft in Wien,
die nunmehr so weit gediehen sind, dass am heutigen Tage der Statuten-
Entwurf dem Vereinsgesetze entsprechend der Regierung zur Bestätigung
vorgelegt werden konnte.
Der erste Impuls zur Bildung dieser neuen Gesellschaft war
durch die Verhandlungen in der anthropologischen Section der dies-
jährigen Versammlung deutscher Aerzte und Naturforscher in Innsbruck,
an welchen von hier aus insbesondere Herr Prof. R. Seligmann
theilgenommen hatte, gegeben worden. Einer Einladung des Freiherrn
von A n d r i a n und des Berichterstatters Folge leistend, vereinigten
sich nun eine Anzahl von Vertretern und Freunden der verschiedenen
zunächst berührten Fachwissenschaften zur Unterzeichnung des nach-
142
stehenden Aufrufes und zur Verfassung des Entwurfes der Statuten.
Der Aufruf lautet:
„Die Unterzeichneten hahen im Anschlüsse an den bei der 43. Ver-
sammlung deutscher Aerzte und Naturforscher in Innsbruck gegebenen
Impuls zur Gründung einer allgemeinen deutsclien Gesellschaft für An-
thropologie , Ethnographie und Urgeschichte dfis Menschen sich zum
Ziel gesetzt, in Wien eine „Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnographie und Urgeschichte des Menschen" in's Leben
zu rufen. Ueber den Modus ihrer Verbindung mit der erstgenannten
Gesellschaft wird eine Willensäußerung der Theilnehmer an unserer Ge-
sellschaft nach deren Constituierung entscheiden.
Sie sind dabei von der Ueberzeugung ausgegangen, dass die Auf-
gabe, die Naturgeschichte des Menschen zu bearbeiten, in ein Stadium
getreten ist, welches die thätige Unterstützung durch Association als
dringend wünschenswert erscheinen Iftsst.
Die Anhäufung des reichen ethnographischen und culturhistorischen
Vergleichungsmateriales aus allen Theilen der Erde, der mächtige Ein-
fluss der neuesten Erfahrungen und Anschauungen auf die Beurtheilung
und Erklärung organischer Typen, die durch glückliche Funde hervor-
gerufene Erweiterung unserer Begriffe von menschlicher Geschichte sind
jene Momente, die einer auf streng inductive Methoden gegründeten anthro-
pologischen Wissenschaft eine große Zukunft sichern — einer Wissenschaft,
welche die Aufgabe hat, in ihrer Doppelstellung zur Naturwissenschaft
und Geschichte bisher getrennt gebliebene Richtungen zu versöhnen,
während doch die verschiedenen Wege ernster Forschung gleiche Be-
rechtigung haben und in ihrem Zusammenwirken allein dauernde Fort-
schritte verbürgen. Um aber ihrer Aufgabe gerecht werden zu können,
bedarf diese jüngste der Erfahrungswissenschaften nicht nur einer festen
Begränzung, sondern auch einer allseitigen Erweiterung und Vertiefung
ihrer Forschung, sowie einer gesunden durch Beherrschung der Specia-
litäten gekräftigten Kritik.
An den Arbeiten in der angedeuteten Richtung mitzuwirken soll
nun die Aufgabe unserer Gesellschaft werden. Sie soll vor allem das
heimische Beobachtungsfeld systematischer und vollständiger ausbeuten
als dies bisher, trotz ruhmvoller Arbeiten einzelner geschehen konnte.
Das Studium der ethnographischen Momente allein schon bietet hier
Stoff zu einer fast unbegränzten Thatigkeit. — Die geographische Lage,
der politische und geistige Einfluss Oesterreichs im Orient legen uns
aber auch außerdem die Verpflichtung auf, bei unseren Arbeiten die
noch so wenig bekannten Länder des Ostens vorwaltend zu berücksich-
tigen.
Es genügt wol ein Hinweis auf diese Forschungsgebiete, um einer
Anspannung der gemeinsamen Kräfte die lohnendsten Resultate in Aus-
sicht zu stellen.
So hoffen wir denn zuversichtlich auf die thätige Mitwirkung der
ausgezeichneten ärztlichen Kräfte unseres Vaterlandes, aller jener, die
sich mit dem Studium der ethnologischen, linguistischen, psychologischen,
143
CDhiir- nnd kanstgeschichtlichen Verhältnisse befassen, der zahlreichen
gebildeten Reisenden, sowie unserer diplomatischen Vertreter im Aus-
lande, denen wir bereits viele wertvolle Einsendungen und Mittheilungen
in andern Richtungen verdanken.
Für die einheitliche Verarbeitung des gesammten Materiales, die
Anregung und Discussion tieferer wissenschaftlicher Fragen, werden die
nahen Beziehungen unserer Gesellschaft zu ähnlichen bereits in Bildung
begriffenen Vereinen Deutschlands befruchtend wirken.
Während wir uns zur Erhaltung eines lebendigen Verkehrs mit
den Mitgliedern die Herausgabe eines Correspondenzblattes und die
Abhaltung periodischer Versammlungen vorbehalten, werden wir bereit
sein, in Cooperation mit der allgemeinen deutschen Gesellschaft das
Archiv für Anthropologie von Ecker und Lindenschmit für Auf-
nahme größerer Publicationen zu einer auch unseren Bedürfhissen ge-
nügenden periodischen Zeitschrift umzugestalten.
Mit Sicherheit glauben wir erwarten zu dürfen, dass die oft er-
probte Theilnahme des gebildeten Publicums sich unseren Bestrebungen
zuwenden werde. In unserer bewegt,en Zeit, welche rastlos nach neuen
Grundlagen sucht, um die gegenseitigen Beziehungen von Völkern und
Individuen festzustellen, kann die Bedeutung einer Wissenschaft nicht
Terkannt werden, welche dem alt«n Spruche zu genügen bestrebt ist :
,,Das wahre Studium des Menschen ist der Mensch."
F. Freih. v. Andrian, Jos. Bergmann, Ami Bou^, Fr.
Foetterle, Freih. v. Grafenried, Prof. Gomperz, W. Ritter v.
Haidinger, Fr. v. Hauer, Friedrich v. Hellwald, Dr. Ferd. v,
Hochstetter, F. Kanitz, C. Langer, Meynert, Friedrich
Müller, Dr. J. E. Pollak, Dr. Edm. Reitlinger, Rokitansky,
E. Freih. v. Sacken, Prof. Scherer, Prof. Seligmann, Dr. G.
Stäche, Ed. Suess, Graf Wilczek, G. Graf Wurmbrand.
Wien, im December 1869.
In dem Statuten-Entwürfe ist ein Jahresbeitrag der Mitglieder
von 5 fl. ö. W. in Aussicht genommen, wogegen denselben der freie
Bezug der von der Gesellschaft herauszugebenden periodischen Druck-
schrift, die Benützung der anzulegenden Bibliothek und Sammlungen,
dann das Stimmrecht in den Plenarversammlungen u. s. w. zusteht.
Bereits wurde in einer der stattgehabten Zusammentretungen ein
wissenschaftlicher Vortrag gehalten, in dem Herr Dr. L e i t n e r aus
Labore gelegentlich seiner Durchreise nach Indien über die verschie-
denen Volksstämme berichtete, die er in den von ihm bereisten Ge-
genden nordwestlich von Eashmir bis Ghilgit kennen gelernt hatte.
Eine lebhafte Discussion, die sich an diesen Vortrag knüpfte, und an
der insbesondere die Herren Fr. Müller und Prof. S c h e r e r An-
theil nahmen, gab Zeugnis von dem Interesse, welches der Gregenstand
erregte.
Kann auch die definitive Constituierung der GeseUschaft und eine
bestinmite Einladung zum Beitritt zu derselben erst nach erfolgter Ge-
144
nehmigung der Statuten erfolgen, so sind doch vorläufig schon weitere
Zusammentretungen für die wissenschaftlichen Vorträge angekündigt und
in Aussicht genommen.
Indem nun schließlich der Vortragende die nun sich bildende
Gesellschaft der allgemeinen Theilqahme wärmstens anempfiehlt, hebt er
noch besonders hervor, dass es speciell im Interesse der k. k. geogra-
phischen Gesellschaft gelegen sein dürfte, mit derselben in die engste
Verbindung zu treten, und in Vereinigung mit ihr die schon so oft be-
vorwortete Gründung eines den gegenwärtigen Anforderungen der Wissen-
schaft entsprechenden ethnographischen Museums in Wien in's Werk
zu setzen.
Hierauf sprach Herr Fried, v. Hellwald über die Zuydersee;
er entwarf zuvörderst eine geographische Schilderung dieses merkwür-
digen Meerbusens, welcher Ö7 geogr. Quadratmeilen bedeckt und über
23 Stunden lang ist, theilte die Beobachtungen mit, welche über das
Relief seines Bodens, sowie über dessen geognostische Beschaffenheit an-
gestellt worden sind, und besprach die Schwierigkeiten, welche die Seich-
tigkeit der Wasserstraßen, die sich durch die zahlreichen Sandbänke
hindurchwinden, der Schiffahrt bereitet. Sodann gieng er über auf die
ganz innerhalb der Zeit unseres historischen Wissens fallende Entstehung
der Zuydersee. Zur Zeit des römischen Alterthumes bestand dieselbe
nicht, vielmehr war Nordholland mit Friesland durch Land ver-
bunden, wol aber existierte ein großer Binnensee Flevo lacus, von dem
uns die Schriftsteller des Alterthums, namentlich Pomponius Mela
erzählen; durch diesen See floss damals ein Arm des Rheines, dessen
Spuren man heute in der Tjssel und dem Vliestrom erkennt. In den
ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung begannen die ungehearen
Wasserüberflutungen die Küste der Nordsee zu benagen und einzelne Theile
davon abzureißen, auf welche Weise die friesischen Inseln gebildet
wurden. Im 13. Jahrhunderte endlich ward das letzte Stück Land
durchbrochen , welches noch das Meer vom Flevo - See trennte
und damit entstand die Zuydersee. Herr v. Hellwald erörterte nun-
mehr noch die in Holland gemachten Projecte zur Austrocknung (Aus-
polderung) der Zuydersee; jenes des Ingenieurs Beijering, welches
sieht auf den südlichen Theil desselben beschränkt und mit einer Linie
£nkhuizen-Urk-Kampen nördlich begränzt würde, hat am meisten Aus-
sich auf Erfolg. Die Auspolderung des Y dagegen ist schon beschlos-
sen, und der Amsterdam direct mit der Nordsee verbindende Canal
schon im Bau begriffen.
Nächste Sitzung am 8. Februar 1870.
Berichtigung Im letzten Hefte der ^Mittheilungen^ ist in der
biographischen Skizze des Generalconsuls v. Hahn zu lesen anstatt : Jamaica
— Janina und statt Wardon — Wardar.
BoiokeKidche Ortsnamen in Böhmen,
vergleichsweise zusammengestellt von J. Yinc. Goehlert.
Wie uns die Geschichte lehrt, sind die Bolen eines der ältesten
Völker Böhmens gewesen nnd hat von ihnen das Land den Namen
(Bovätfiop^ Boihemum, Boioheim, Boierheim, Böheim, Böhmen) erhal*
t6n. Oh sie erobernd in dieses Land eingedrungen, oder ob sie bloß
als Hinterw&ldler-Colonisten in die Thäler der Moldau und Elbe gekom-
men, und ob sie dort auf stammesverwandte oder auf ihnen fremde
Bewohner gestoßen seien, darflber gibt uns die Geschichte keine ge-
nAgenden Aufklärungen.
Jedenfalls sind die Bolen ein großes und mächtiges Volk gewesen
und ihre Sprachgr&nze, und ohne Zweifel auch ihre Herrschaft hat weit
aber die Marken des heutigen Böhmens hinaus gereicht. Die Bolen, als
der am weitesten gegen Nordosten vorgedrungene Zweig des großen
Keltenstammes, welcher in den Vorzeiten, ober die uns keine geschicht-
lichen Ueberlieferungen mehr aufklären, wahrscheinlich eine ähnliche
Rolle wie später die Römer im Süden und Westen Europa's gespielt,
mflßen damals schon eine höhere Cülturstufe als jene der Nomaden*
völker erreicht gehabt haben; denn wir finden sie noch zur Zeit
ihres Verfalles in einem geordneten Staate von Königen regiert, in statt-
lichen Burgen und Stddten, und selbst der mächtige Marbod mit seinen
Marcomanen scheint nicht im Stande gewesen zu sein, die Bolen gänz-
lich zu unterjochen und boiische Sitte und Sprache aus dem Lande
zu verdrängen. Auch die später nach Böhmen eingewanderten
Slaven werden noch boiische Volksreste vorgefonden haben, welche sich
erst im Laufe Zeit mit den Einwanderern amalgamierten ; denn sonst
könnte man es sich nicht erklären, wie es möglich war, dass sich
die boiischen Ortsbenennungen so lange und bis auf die Gegenwart er-
halten haben.
Zwar hat die slavische Etymologie solche Benennungen vorweg
als ihr nationales Eigenthum erklärt, doch bei genauerer Prüfung zer-
reißt das künstliche Gewebe und wir stehen auf einem Boden, welcher
ans unter der Leuchte der wahren Wissenschaft ganz neue Bahnen er-
ö&et. Ohne vorgefasste Meinung wollen wir nun diesen Boden betreten
and Umschau halten, welche Ortsnamen uns noch die älteste Sprache
Boioheims ungezwungen erklären lässt.
Voraus wollen wir jedoch noch die Bemerkung schicken, dass sich
die Bildung der Ortsnamen im allgemeinen nach bestimmten Regeln
GMffnphitch« Mittbrnlmig«]!. 1870.4. \Q
146
vollzieht. Während- die Ortsnamen ans den ältesten Zeiten, in welchen
die Völker noch anf einer niedrigen Cnltorstufe nnd in viel mehr un-
mittelbarer Beziehung zu der äußeren Natur gestanden sind, in den
verschiedenartigen Gestaltungen des Erdbodens anfänglich als allge-
meine Gattungsbegriffe ihren unmittelbaren Ausdruck fanden, später-
hin zur Unterscheidung der Höhen und Niederungen nach deren Lage,
Ausdehnung und äußeren Gestalt mit entsprechenden Beifügungen er-
weitert wurden, tritt in der Folgezeit das persönliche Moment, als Zei-
chen des persönlichen Eigenthums hinzu und der einfache Name gestal-
tet sich zu einem zusammengesetzten, in welchem der Personenname
das Bestimmungswort bildet. Noch später fällt sogar der Gattungs-
begriff, das Grundwort ab und es bleibt bloß der Personenname, zu-
weilen mit eigenen Auslauten, als Bruchstück in den Ortsnamen zurdck.
Unsere Aufgabe ist es hier nicht, die geschichtliche Entwicklung
der Ortsbenennungen in speciellen Beispielen nachzuweisen, solche lassen
sich bei einiger Ortskenntnis, insbesondere in den Alpenländern, leicht
auffinden.
Dass Böhmen einstens mehr als jetzt ein Waldland gewese^n, dafflr
liefern uns nicht nur der von Ptolemaeus dort erwähnte Gabreta- und
^Ünmta-Wald (zu deutsch der Ziegen- oder Gemsenwald und der Hoch-
wald), sondern auch die in den heutigen Ortsnamen noch vorkommenden
alten Ausdrficke fQr Wald vielfache Belege.
Die Kelten hatten für den Begriff Wald zweierlei Ausdrflcke:
Nemet und Chiii; die erstere Bezeichnung scheint mehr den Begriff des
heiligen Waldes, in welchem die Druiden ihre Opfer verrichteten, aus-
zudrflcken, während der Ausdruck Chiit den Wald schlechthin bezeichnet.
Bei diesem Worte, welches weniger als Grund- denn als Bestimmungs-
wort in den heutigen Ortsnamen auftritt, gehen zuweilen die beiden Yo-
cale in einander über, zuweilen wechseln sie aber auch mit verwandten,
so dass wir dieses Wort als Out, Quit (Kit), Cot und Coet vorfinden.
Als Grundwort tritt es auf in Mtris-quid (Waldname), HmUr-kotteu^
Mascha-kotten (auch Kutten); einfach in Coda, Codin^ Cotuti, Gotina
(Bergname bei Schallaun), als Bestimmungswort in Kuttm-am, Kutten-
berg {Mons cutna), Kutten-^orf, Kutten-plan, Kutten-thal, Kud-laia,
Chudo-bin, Cudo-las, Cudo-fles, Cuto-wanka (goth. wangs Wiese),
Kot-au, Kot-kof, Kot'ScMag und Codo-tin; vielleicht gehören hierher
auch die slavisch klingenden Ortsnamen: Kot-mc (im 11. Jahrhundert
Cotuik), Kuto-wic^ Koto-wic, Kotie-wic u. s. w. Zur Vei^leichimg:
wollen wir anreihen aus den Nachb^irländem und zwar Niederöster-
reich : Cuta (Cotiwald, Hlva Ghoutitoaldy jetzt Kottes), Quit (Waldgegend bei
Spitz) ; Kotenreut, Cotolaeh (KöUach), Cotmeh (Göttweih), Kettenlu» (Berg-
147
); OberQflterreicfa : ChH (Praedhtm\ KoU nnd Kotthig ; Baiern : Käthen
od Codemback. Steiermark liefert ans Kut, Kittenbaeh, Kittenberg, Koth-
iedk, Kotberg und Codnna. In weiterer Feme zeigt sich nns Qnetta in
I^L Gude und Gmto in der Ijombardie, Kndath nnd Kutterau im Groß-
kenogthmn Baden, Cutte-coven in Belgien, Kaud-huizen in den Nieder-
iodeD, CMo und Tara-gndo in Spanien and Bally-kötten in Irland*).
Fflr den Begriff eines Waldes von geringerem Umfange, als Hain,
BKffa, gebrauchten die Kelten den Ansdrack Ltlm, welcher in dem alten
Akhhm-nuL, in dem ptolemäischen yiovpa vltf and wahrscheinlich aach in
Ima (jetzt Latin) erscheint. Außerhalb Böhmens finden sich als hier-
Iw fehdrig die Ortsnamen Lnn in Niederösterreich , Lvndorf in Ober-
teneich, Lonnig and Lunaberg in Steiermark, Roverdella Luna (d.
liehbolz in SUdtiroI), Lnino and Arhmo in der I^mbardie, Lumgne and
LmümU {hoüSknd. oe .— u and haut = Gehölz, Wald) in Belgien,
£mm in Spanien, and das alte Nartk-liun-um (nach Förstemann).
Sowie seiner Wälder wegen, so bewahrt Böhmen aach seiner es
imsdilieBenden Gebiiige wegen in geographischer Beziehang eine beson-
<ierp Eigentfallmlichkeit. Was wir heatzatage mit dem allgemeinen Aas-
drvke Berg bezeichnen, benannten die Kelten, als echte Kinder der
Xatir, nach I^age, Aasdehnang, Höhe and der äußeren Gestalt der
Er^bongen ; wir finden daher anch fflr nnser Wort Berg im Keltischen
■fkrfKhe Wortformen, deren genaue Deutung oft große Schwierigkeiten
bietet.
So unterscheiden sich im Keltischen die Bergnamen in Cwn (auch
Cwm) und Bryu (auch Bry, brig, bre, hrent) als Berghöhen, in Cnl
*) Um Wiederholongen zu Termeiden, unterlasse kh jedem eioselnen
Onanamen anch die Quelle anzuftkgen, aus welcher er geschöpft wurde,
od bemerke hier gleich im vorhinein, dass ich es mich bei dem Aufsuchen
As Oitsuamen bis zu den ältesten Formen derselben keiner Mühe verdrießen ließ.
Fir Böhmen benutzte ich vorzugsweise Schaller's topographisches Lexicon,
^UB die einschlägigen Werke von O. Sommer, Heber, Palacky, §em-
kra, Wocel, J. Petters Abhandlung Über die Ortsnamen Böhmens und
Erben'a Begeata Bohemiae u. a. m.; fttr Niederösterreich meine Sammlung
slt€r Ortsnamen aus den Fundations-Urkunden der Klöster Niederösterreiehs;
ft Oberösterreich: Urkundenbuch des Landes ob der Enns; für Baiem: Ba*
ftkr Steiermark: Muchar's Geschichte und Schmutzes topograph.
n; fOr Baden: Beschreibung dieses Großherzogthums von Heunisch;
die Lombardie: Elenco dei comnni della Lombardia; fOr Spanien:
eichiiis aus dem Werke „Censo de la poblacion de Espana^; für
Igien: Kreglinger und Willems: Sur le noms des communes etc.; für
tannien: Glossary to the Population tables (Census of üreat Britain);
em noch Zeuss: Grammatica celtica, Glück: Keltische Namen, Bac-
e ister: Alemanische Wanderungen, Förstemann: Deutsche Ortsnamen etc.
10*
,
148
als Bergrflcken, in MoU (auch Main und Molt) als Bergscheitel (vertex),
in Cruc, (ahd. /fruit) als Bergspitze (cacumen), in Di^um (eogliach
a ridge) als Steilberg, Bergrflcken (aach in der Bedeutung Wald und
Bergwald), in Graup als sich wölbender Berg, in Cnoc als Hflgel und in
Blaen (auch Bkin) als Berg Oberhaupt.
Aus der Reihe der angegebenen Bezeichnungen für Berg werden
die folgenden Ortsnamen Böhmens ihre ungezwungene Erkl&nmg, welche
zugleich auch der Ortslage entsprechen dflrfte, finden können, als : ChttmQ
(jetzt Chlitm), Ohumen^ Kuna, Kuni, Kuno, Kkyn, Kwina (Quinau), Quon
{Kwan), Cumbury, Gumbcry, CAum-hAuser, vielleicht auch Hum und
Humwald (Waldnamen) und Cunowih {Kunowic), Rad-kyn-ie^ sowie
Är-kyn-ie (AQxvvia oQrj) dürften sich hier anreihen. Femer sind Brenna,
Brennet^ Brentenberg, Brennes (Bergname) , Brinks und vielleicht auch
das alte Pariena (statt Briena) ; KuU, Mollischen^ Ualsehen^ Mateschau ;
Kruck, Kmcka, Kruh, vielleicht auch Krukanitz; Drum {Drumium),
MuS'trum, Pos-trum und Wes-trum; Graupen, Krupna; Abs-knoch«n
(Bergname), Ziegen-nock und vielleicht auch Knoglitz; Playn f jetzt
Plavno), Kuttefi-phn, Teufels-plan (Bergname}, Plana (de monte Vüeonis^
Oberplan), vielleicht auch Blanik (Veste) zu erwähnen.
Als sinnverwandt erscheinen in den Nachbarlflndern: duneoberg
(Eaumberg in Niederösterreich), Chuning (Oberösterreich), P^penkum
(Baiern), Bruna^ Bruena^ Brine (Altbrflnn in Mähren), P^^em (Nieder-
österreich}, Bnnnet und Brining (0. Oesterr.); in zusammengesetzten
Namen Prigles^ Breinks^ Preinthal, Prtinkiten \ N. Oesterr.), Prienbacli,
Brinsach und Brentenberg (0. Oesterr.); Gulkn (N. Oesterr), Gult'ch
(Bergname in N. Oesterr.), Molt, Molz und Molzeck (N. Oesterr.),
Chroug (jetzt St. Bernhard in N. Oesterr.), Krücken (N. Oesterr.), Grugen^
Kruglug und. Älkruken (0. Oesterr.), Chroutß (Bergname in Kärnten),
Protes-trnm (N. Oesterr.), Drum (0. Oesterr.); Knag (N. Oesterr.),
Gnagern, Gnagabach und Chnogl (0. Oesterr.); Blain und Bdenplam
(0. Oesterr.) und Pleinfeld (Baiem).
In den entfernteren ehemals keltischen Ländern zeigen sich : dcom
und Cumberg (Steiermark), Gum, Gumberg und Kvmbach (Oroßh. Baden) :
Breinek und Brentenberg (Steiermark), Brennet (Großh. Baden), Brig^
Brun und Lumbrin (Schweiz) , Brenna und Brimna (Lombardie) , Bi-y,
Brie und BreyveUc. (Belgien), Priego, ßrion und Brena i Spanien);
Guk (Steiermark), GulUnen (Hessen), Culla und Gulina (Spanien), Cul-
len (Schottland); Makch und Malschenberg (Großh. Baden), Muig
und Maiser Halde (Schweiz), Meisen (Belgien); Krugenberg, Krugenxoaltf^
Krugbach und Krouglach (Steiermark), Krukenjoch (Tirol), Grougekopf
(Vorarlberg); Nidertrum (Steiermark), Getrum und Drumbigl (Tirol
149
Kalhdrum (Irland) ; Nock (Alpenname), Gr. Nock und GaUemock (Tirol),
Pedergnaga und Pegognaga (Lombardie), Knocke (Belgien), Brecknock
ond Deüynnock (Wales) ; Maria-Plain (b. Salzburg 1, Sessaplan (Berg-
name in Vorarlberg^ Comblain (Belgien), Phn und Blanes (in den
spanischen Pyrenäen).
Hier wollen wir auch des von Schall er angegebenen alten lateini-^
sehen Namens des Riesengebirges mit Riphaei montes gedenken; rheto
bezeichnet im Keltischen Frost, Kälte und das Riesen- (Rifen-)
Gebirge erscheint uns nunmehr als ein Gebirge, in welchem Kälte herrscht
oder Yon welchem Kälte kommt oder Oberhaupt als die kalten Berge.
Als Gegensatz zu dem Berge erscheint das Thal, welches die
Kelten mit Nant (auch Nans) bezeichneten. Wenn wir den ersteren
Ausdruck in den Ortsnamen Böhmens auch nicht nachzuweisen vermögen,
so können wir doch den zweiten unzweifelhaft in Straden (am Straden-
bach), Stradunia und Stradaun, letzteres mit dem dem Keltischen eigen-
thOmlichen Auslaute aun annebmen.
Von fremden Ortsnamen wollen wir hier Nans in Tirol, Nfantwein
in Baiem, Stratreul in Oberösterreich und Straden (im Gleichen-
berger Thale) in Steiermark erwähnen.
Im Zusammenhange mit dem Gebirge steht das Gestein, der Fels,
zu deren Bezeichnung die Kelten die Ausdrflcke Liac und Cor ge-
brauchten. Ob das erstere Wort in Prm-laea (jetzt Pfwlaky\ Zwino-
lag und vielleicht auch in Grtmolacin enthalten sei, erscheint uns zur
Zeit noch zweifelhaft; mit mehr Bestimmtheit können wir dagegen das
letztere Wort in dem alten Caro-dunu-' , in KahTy Kahr-ehuk und
Kar-Stein annehmen. Unter den in diese Kathegorie fallenden anderen
Ortsnamen finden sich Kahr oder Chor vielfach in Nieder- und Ober-
feterreich und Steiermark und in Zusammensetzungen als: Karbach^
Karberg, Karkogl und Steinkahr.
Sowie die Noriker zu Hallein und Hallstatt den Bergbau auf Salz
mit Elfer betrieben und norisches Eisen, wie einstens zu der Römer
Zeiten, auch noch heute als steirisches Eisen allgemein geschätzt wird, so
Verden auch die stammesverwandten Boien sicherlich nicht unter-
lassen haben, die reichen Mineralschätze Böhmens auszubeuten,
wie nicht minder Handel, Gewerbe und Landwirtschaft zu pflegen.
Obwol uns geschichtliche Ueberlieferungen hierüber mangeln, so wissen
wir doch von Ptolemaeus, dass von der Donau aus drei Han-
dels^raßen durch Boiohem (über Brodentia und Mixrobudum, Äbilunum
ond Mediolanum) nach dem Norden geführt haben.
Wenn die Boien, kriegerischer gestimmt als die benachbarten Noriker,
vieileieht weniger die Künste des Friedens übten und im kriegerischen
150
Stolze von ihren gewaltigen Bargen , deren Reste mehr als zwei Jahr-
tausende noch nicht haben zerstören können und noch heute als stamme
Zeugen einer vergangenen Größe angestaunt werden, aaf knechtische
Arbeit herabsahen, so lässt sich doch.wol voraussetzen, dass sie neben
Jagd und Fischerei auch Ackerbau und Viehzucht betrieben habeiL
Bei der heutzutage noch geringen Kenntnis der Sprache der Kel-
ten und insbesondere ihrer vielfachen Dialectfonnen können nur erst
einzelne Wörter nachgewiesen werden, welche hierauf Bezug nehmen; ^
es sind dies die Ausdrücke Maes^ Cluan und Cail fOr Feld, Wiese
und Garten, und wir treten somit aus dem Walde und von den Bergen
in die Ebenen, in welchen der Fleiß des Landmannes reiche Fluren
/schafft.
MaeSy obwol heutzutage im baierischen Dialecte in anderer Be-
deutung, bezeichnet im Keltischen das Feld (campus); wir schließen
uns dieser letzteren Bedeutung vorsichtshalben auch nur dann an, wenn
der Ortsname noch mit einem anderen nachweisbaren keltischen Worte
verbunden ist. Daher stellen wir nur hierher die Ortsnamen aus Böh-
men: Bre-mas (jetzt Brndny), Reif-mas, Zunno-mas, KiUrmes und Mas-
tig und zur Yergleichung aus anderen Ländern: Breitme$ und Latmes
(N. Oesterr.) , Pötmes und Weidmes ' (Baiem) , Gladames und Lautme$
(Steiermark), Colames und Golmes (Spanien).
Für Wiese steht uns der irische Ausdruck Cluan zu Gebote,
welcher sich im Laufe der Zeit wahrscheinlich vielfach in Klein umge-
staltet hat, so dass er jetzt in seiner alten Form in Böhmen nicht mehr
nachweisbar ist. Dagegen finden wir dieses Wort in Älten-gUm (Baiem),
Klan (Hinter-, 0. Oesterr.), Glanadarf (Steiermark), Glaneg (K&mten),
Glane (Schweiz), Glona (Belgien), Glynn (Wales) und in dem alt^
britischen^ Ambo-glanna*
Ebenfalls schwierig ist der keltische Ausdruck Cail (auch Kell)
für Garten nachzuweisen; daher wir auch nicht mit aller Zuversicht
einstehen wollen, ob dieses Wort in Gall, GalUin, Keil (deutsch Metzdorf),
Kell und Kaladey (Kaladin) enthalten sei.
Unter den hierher gehörigen Ortsnamen in andern Ländern finden
sich: Gail und Kail (Steiermark), Gallo (Belgien) und das alte hispa-
nische Cala-bona und Cala-dunum.
Hieran lässt sich der uralte keltische Ausdruck Cae, deutsch Ge-
hege, ahd. Hag anreihen; zu diesem Worte gehören Khaa*)^ und
vielleicht auch Keg und Kan.
*) Wird im Volksmunde die Khaa genannt; auch die rein keltischen
Ortsnamen Prein, Frein, Cfrö und Quitt werden mit dem weiblichen Artikel
gebraucht.
151
Wenn wir auch hier onterlassen wcrilen, dieses interessante Wort
bis zn einer Sanscrit-Worzelform zn verfolgen, so verdient doch die
weite geographische Yerbipeitang dieses Ansdruckes in den Ortsnamen
von Seite der Sprachforscher alle Beachtung. Ohne auf aaßereorop&ische
Ortsnamen einzugehen, wollen wir uns hier nur in dem einmal ange-
nommenen L&nderkreise bewegen, wo wir Kaja (Yeste) in N. Oesterr.,
Kay in Baiem, Gey in Steiermark, Goe (?) in Belgien, Gaya und Gea in
Spanien, dann Gaibach und G€tiloh in Baiem; Ka-gatern in 0. Oesterr.,
Kaiberg, Kathal^ Gtikakr und Gairath in Steiermark, Ketbach und
Gaibtrg im Großh. Baden finden. Auch dflrfte die bei italienischen
Ortsnamen h&ufig vorkommende Yorsübe Ca hierher gehören, welche die
Italiener fftr eine Abkürzung des Wortes casa halten.
Noch wollen wir auch des im Keltischen für das deutsche GrOn-
platz, Anger geltenden Ausdruckes Hurda (auch Gtcyrdd) und Ght
(oder Gleda) erwähnen. Diese beiden Wörter sind in dem alten Lup-
kwdwn^ dann in Gladen, Kladem, Kladma und KladerUs, vielleicht
auch in Glatovia (jetzt Klattau) vertreten. Hiezu finden sich loch die
folgenden Ortsnamen: Hurtenbadi (in Steiermark), Stanzi-Ufurdi
(Bergname in K&mten), vielleicht auch Gurten und Jurten (Bergnamen
in 0. Oesterr. und in der Schweiz), Hurtwn-pasciMLl (in Spanien), dann
Ghdam (in N. Oesterr.), Klett (in 0. Oesterr.), Glattenberg und Gla-
domes (in Steiermark) und das alte* britische Vindo-gladia.
Zwischen dem festen Boden und dem fiassigen Elemente reihen
sich als Mittelglied die SOmpfe und Moore, für deren Bezeichnung im
Keltischen mehrere Ausdrücke, als: ßabar, Llaid (auch Lath, Lautk
und Loth)^ Litoan, Llwch, Pull und Stan vorkommen, deren genaue
Unterscheidung im Deutschen nicht gut möglich ist. Der Bedeutung
dieser Wörter entsprechen die Ortsnamen Böhmens: Haber, Habern,
Baberks, Haberbach ^ Kudlata, Lodin, Liban, Itien (a. d. Moldau),
Lipon, Luka, Luken, Luch, Lt$ha, Stan und Stanoweg. Unter den
Ortsnamen aus anderen Ländern verdienen hervorgehoben zu werden:
]k>am (N. Oesterr.), Ebrach und Ebern (Baiern), Ebera (0. Oesterr.),
Heoer (Belgien), Ebro (Fluss in Spanien), Aber-avan (Wales) und das
alte Bburum; femer Lauern (Steiermark), Laudach-Set (0. Oesterr.),
Lauda (Großh. Baden), Are-late (Lombardie), Bus-loth (Belgien),'^ Louth
(Irland) , das alte norische Ärelate (a. d. Donau) , Luch (N. Oesterr.),
Pidlach (Steiermark und Großh. Baden), Pulle und Poullar (Belgien),
Stanem (Mähren), R-stana (Spanien, mit prosthetischem e, welches im
Spanischen öfter hervortritt) und das alte norische Stan-acum (a. d.
Donau).
Den allgemeinen Ausdruck Wasser enthält das keltische Dowr
152
(aodi Duhr and Dur), welche Bedentong den Ortsnamen Dobom, Dö-
berle und Taubarat innewohnt. Hierher sind auch zu z&hlen: Dobra
(in Nieder- und Ober-Oesterr. und in Baiern), Durra (Bachname in
N. Oesterr.), Tober (Steiermark), Dour (Bachname in Steiermark), Tati-
ber (froher Tuber , Flass im Großh. Baden), Dour (Belgien), Dooera
(Lombardie), Duero (Flnss in Spanien) und Dover (England).
Sowie die deutsche Sprache für fließendes Gewfisser je nach der
Menge und St&rke mehrere graduelle Unterscheidungen macht, so ist
dies auch im Keltischen der Fall, in welchem sich gleich&lls die Be-
zeichnungen Prwydd (Pru>yn\ Ävofi und Ster (zuweilen mit prostheti-
schem t als hier) vom rieselnden Bächlein bis zum wogenden Strom
steigern. Diese Ausdrflcke sind uns erhalten in Yrout-eck, vielleicht auch
in Freudeneck und Frimburg, dann in dem alten fflr die Eger gelten-
den Namen Melink-avon und in dem keltischen Nam-ister-ium,
Zur Vergleichung lassen sich hier anreihen: Freyn (in Nieder-
und Ober-Oesterr. und Steiermark), Frueten (Bach in Steiermark),
Frudertize, Pruznich und Froudenstein (0. Oesterr.), Frutigen (Schweiz),
Freuntina (0. Oesterr.), Ratfreut (Steiermark), Kar-frdth (am Isonzo im
Eflstenlande) , Fruniz (Spanien), Mont-avon (Montafon a. d. 111 in
Vorarlberg), Avion (Spanien), Aber-avon (Wales) und endlich die
Flussnamen El-ster, Ulster und der alte Name Ister fftr die untere
Donau*).
In Verbindung mit dem Gewässer stehen die Seen und Teiche,
deren Bezeichnung im Keltischen die Wörter Llinn und Oucan in sich
schließen. Diese Ausdrflcke können wir in folgenden Ortsnamen Böh-
mens «nachweisen : ZtAn, Kadlin, Radiin, Radolin, Dublin, Xti/ran und
Cugen (Kupenice.) Als hierher gehörig sind auch zu stellen : Linn^ Lina und
Linnet in 0. Oesterr., Linach im Großh. Baden , Kukyn, Gugern, Gugen-
baeh in Steiermark, Gugendorf in 0. Oesterr. und Steiermark, Gugge^
und Gugeneaer in 0. Oesterr. und Cucena in Spanien.
Hier können wir auch des alten lateinischen Ausdruckes Oatium
(Flussmflndung) nicht unerwähnt lassen. Ob Austia der alte Name f&r
Aussig (an der Ausmflndung des Bilaflusses in die Elbe) und ebenso
der alte Name fflr Wildenschwert (an der Ausmflndung des Trflbän-
*) Bei dieser Gelegenheit kann ich die Bemerkung nicht unterdrflcken
dass der älteste Name unsers Bonaustromes eigentlich schlechthin Ister gelau-
\ei habe und mit dem Prädicate Dan {fortia, stark, mächtig) bekleidet gewesen
sei. Ob nun bei dem Eindringen der Homer in die oberen Donaugegenden
vielleicht statt des keltischen later das lateinische Fluvius und abgekürzt uvius
in Aufnahme gekommen und sonach die Donau mit Dan-fluviui^, Dan-uvius
benannt worden sei, will ich nur nebenbd erwähnen.
153
baches in die stille Adler) hierher and zn dem römischen Ostia (an der
Aasmflndang der Tiber) zn stellen sei oder von dem slavischen Worte
usta, usti abgeleitet werden könne, sei vorlänfig dem Urtheile Anderer
überlassen.
Schließlich wollen wir uns noch einigen allgemeinen keltischen
Aasdrficken für Land, Landschaft, Gegend u. s. w. zuwenden; es sind
dies Talam, Lawr^ Beim (auch Born), Pow und Crmi Zur Bezeich-
nung des lateinischen Terra ^ regia hat das keltische Talatn gedient.
Dass den Bestimmungswörtern in Talmherg und Tolknstein diese Be-
deutung zu Grunde liege , lässt sich nicht mit Sicherheit behaupten,
ebensowenig, dass in Schatzlar das keltische Lawr (Lor, terra, solum)
enthalten sei, obwol wir den letzteren Ausdruck in Verbindung mit
anderen keltischen Wörtern finden, wie in Amblar (Südtirol), O^solaro
(Lombardie), Brenlar (Bergname in der Schweiz), Pmllar und Saflar
(Belgien) und in Campolara (Spanien).
Ob femer Pow (pagus) in Colhow und Crwn (rotundus^ cir-
cvmitus) in Boglasgrün, Littengrün und Pasengntne und vielleicht auch
in Lanskroun (Landskron) vertreten sei, darauf wollen wir vorderhand
nicht weiter eingehen.
Zur Vergleichung wollen wir hier noch die folgenden Ortsnamen
aus anderen Ländern anreihen : Beima und Pirhoim (N. Oesterr.), Pyr-
bom (Steiermark), Magerheim (Baiem;, Beimo und Buimo (Lombar-
die) , Eporesbouma (? Förstemann), Nebow (N. Oesterr. und Steiermark).
Hiermit mögen diese Untersuchungen über die Bedeutung der
Ortsnamen Böhmens vorläufig ihren Abschluss finden.
Wenn hie und da mancher Ortsname als zweifelhaften keltischen
Ursprungs eingereiht wurde, so war hierbei der Umstand mit maßgebend,
dass uns die eine oder die andere aus germanischen oder slavischen
Wortwurzeln abgeleitete Erklärung nicht stichhältig genug erschienen ist.
Ueberhaupt müßen wir uns schließlich vor dem Vorwurfe verwah-
ren, dass wir bei diesen Studien über die Ortsnamen Böhmens von
Anti- oder Sympathien ausgegangen seien ; unser Ziel war hierbei zunächst
dahin gerichtet, die Bedeutung der Ortsnamen von einem bis jetzt noch
wenig betretenen Standpuncte unparteiisch zu erörtern. Sollten wir aber
hie und da etwas zu weit gegangen sein, so möge man uns dies zu Gute
halten; denn jeder zuerst betretene Weg ist beschwerlich, ja bisweilen
sogar gefährlich und lässt die Mühe des Suchens den Nachfolgern nicht
ahnen, denen es leichter wird, auf dem einmal betretenen Pfade vor-
wärts zu schreiten und vielleicht auch einen bessern Weg zum vorge-
steckten Ziele ausfindig zu machen.
154
Eugen von Gu^rd's austraüsche Landschaften.
Besprochen von Prof. Dr. Ferd. v. Hochs tett er.
Die letzte australische Post hat ans ein in Melbourne erschienenes
Prachtwerk*) gebracht, das in mehrfacher Beziehung eine Besprechung
in diesen Blättern verdient Ist doch das schöne Bilderwerk, das auf
24 in lithographischem Tondruck vortrefflich ausgeführten Großfolio-
Blättem, die von einem kurzen erläuternden Text begleitet sind, eine
lebendige Anschauung characteristicher australischer Landschaften gibt,
und uns die Vorstellung des eigenthümlichen Naturcharacters, der pit-
toresken Felsscenerien , der merkwürdigen Pflanzen- und Thierformen
des Landes in vollkommen naturgetreuer Weise vermittelt, nicht bloß
ein Kunstwerk, sondern auch recht eigentlich ein geographisches
Werk.
Landschaftsmaler, wie unser Sei Jen y, dessen geniale Skizzen and
Bilder der Novarareise mit Recht die allgemeine Bewunderung erregt
haben, oder wie Thomas Ender, dessen unübertroffene Aquarelle
österreichischer Landschaften schon so häufig das Versammlungslocale der
geogr. Gesellschaft geziert haben, sind Geographen mitdemPinsel.
Zu diesen gehört auch Eugen von G u ^ r ar d , der Autor der „australischen
Landschaften^, und ich darf den liebenswürdigen, hochgeachteten Künst-
ler, den ich 1859 in Melbourne persönlich kennen zu lernen das Glück
hatte, um so mehr in eine Reihe mit unseren hochverehrten Freunden
Ender und Selleny stellen, als wir denselben, sofern er ein gebor-
ner Wiener ist, auch mit zu den Unsrigen zu rechnen berechtigt sind.
Eugen von Gu^rard ist nämlich der Sohn des verstorbenen
Hofmalers Gu^ rar d bei Kaiser Franz L**) und stammt mütterlicher-
seits von der österreichischen Familie Schultz von Lichtenthai
ab. Er verließ mit seinem Vater schon als Knabe Wien und Oester-
reich, um in Italien seine schwache Gesundheit herzustellen und machte
seine ersten Kunststudien in Rom. Später bezog er die Kunstacademie
*) Eugene von Gu6rard's Australian Landscapes, a Series of 24 tinted
Lithographs illustrative of the most striking and picturesque features of the
Landscape Scenery of Victoria, New South Wales, South Australia and Taa-
mania, drawn from Nature and lithographed by the Artist, with Letter Press
Descriptivee of each View, printed and Published by Hamel & Ferguson,
Melbourne Victoria 1869.
**) Der Vater Gu^rard führte als Hofmaler Kaiser Franzi, das erste
Porträt Maria Louisen's fOr den Kaiser der Franzosen aus.
155
von Dflsseidorf, wo sein Vater, der einer lotharingischen Familie ange-
hörte, gehören war. Seit 17 Jahren ist er in Melbourne ansässig, von
wo ans er unter großen Beschwerden und mit dem Aufwand beträcht-
licher Kosten zahlreiche Beisen in's Inne]:e der Colonien Victoria, Sfld-
australien, Neu-Sttd- Wales und Tasmanien unternahm und einen wahren
Schatz von Zeichnungen und Originalskizzen sammelte, welche den Land-
schaftscharacter und die Vegetationsverhältnisse dieser Länder zur Dar-
stellung bringen. Gu6rard ist seines Faches Oelmaler und darf sich
schmeicheln, eine wohlverdiente Anerkennung in diesem Zweige der Kunst
selbst in London gefunden zu haben, wo eine ziemliche Anzahl seiner
Gemälde sich befindet, und wo ihm auch die Ehre zu Theil wurde, dass
sein Name in dem Werke: „Men of the time^' (1865) jenen der besten
Männer unserer Zeit beigefflgt wurde.
Aus dem reichen Schatze seiner Zeichnungen hat nun Gu^rard
24 Ansichten ausgewählt '*') und in lithographischem Tondruck veröf*
fentlicht. Die lithographische Arbeit nahm volle zwei Jahre in Anspruch,
indem 72 Tonplatten und 24 Zeichnungen ausgeführt werden mußten.
Die Blätter sind nur mit drei Farbensteinen gedruckt. Ueber die Aus-
fOhrung schreibt mir der Künstler selbst: „Der Anblick dieser Blätter
wird Sie überzeugen, dass der Druck derselben, trotz der unsäg-
lichsten Mühe, die dabei aufgewendet wurde, nicht so ist, wie er in Eu-
ropa ausgeführt werden kann, und wissend, welchen großen Unterschied
bei solcher Arbeit dieses macht, werden Sie gewiss so gütig sein, kein
zu strenges Urtheil darüber zu fällen. Mein Wunsch war, wenn auch
nicht ein vollendetes Kunstwerk, so doch wenigstens Ansichten aus die-
sem Welttheile dem Publicum vorzulegen, welche den Character der
aastralischen Landschaft treu und naturwahr zur Anschauung bringen.
*) Diese Ansichten sind: 1. Source of the Wannen (Victoria). —
2. The Valley of the Ovens River (Victoria). — 8. Fall of the first Creek near
Glen Osmond (S.-Aostr.^. — 4. North East View from the top of Mount Kos-
ciusko (N.-S.-W.). — 5. Castle Rock Cape Schank. — 6. Hobart Town (Tas-
mania). — 7. Weather board Fall (N.-S.-W.). — 8. Murray-River, Moorundi.
— 9. Junction of the Buchan and Snowy River, Gippsland (Victoria). —
10. Ben Lomond Epping Forest (Tasmania). — 11. Crater of Mount Gambier
(8. A.). — 12. Lake Dlawara (N.-S.-W.) — 13. Femtree Gully, Dandenong Ran-
ges (Victoria). — 14. Southend of Tasman's Island. — 15. Cabbage tree Forest,
American Creek. — 16. Crater of Mount Eccles (Victoria). — 17. Top of
Mount Lofty near Adelaide (S.-A.). ~ 18. Cataracts neu: Launceston (Tas-
mania). — 19. Moroka River Falls, foot of Mount Kent. — 20. Mount Kos-
ciusko, from the North West ',N.-S.-W.). — 21. Reedy Creek Falls, near
Beechworth. — 22. Sydney Heads (N.-S.-W.). - 23. Forest Cape Otway Ran-
ges. — 24. Gonlboum River, near Shepparton.
156
Da die australischen Landschaften znmal in Europa wenig oder gar
nicht bekannt sind, so hoffe ich durch diesen kleinen Auszug meiner
Zeichnungen nach der Natur, welche ich in den vier ftltesten der australi-
schen Colonien gesammelt habe, etwas Interessantes vorlegen zu können,
das durch Neuheit und gewissenhafte Characteristik der Auffassung eini-
gen Wert hat."
„Die Herausgeber dieses Werkes, die Herren Hamel & Fer-
guson in Melbourne mußten darauf achten, den Umfang desselben zu
beschränken, um es für ein größeres Publicum käuflich zu machen.
Meine seit 15 Jahren gesammelten Skizzen sind so zahlreich, dass ich
hunderte davon für Publication geeignet fände."
„Ein Ueberblick der Karten des südöstlichen Australiens wird
Ihnen zeigen, wie weit auseinanderliegend die Puncte der gegebenen
Bilder sind, und wird Ihnen auch eine Idee von den Schwierigkeiten
geben, die ich zu bekämpfen hatte, um diese Sammlung zu erlangen.
Tausende von Meilen zu Pferde, zu Fuß und zur See mußte ich zurück-
legen, Beschwerden aller Art besiegen, viele Monate in den Wildnissen
Entbehrungen erdulden, um jene wenigen Blätter in einen Band zu ver-
einen, welcher jetzt im Salon in wenigen Minuten durchblättert werden
kann."
Gewiss verdient der Künstler die vollste Anerkennung, dessen un-
ermüdlicher Fleiß ein Werk zu Stande gebracht hat, das uns besser
als alle Reisebeschreibungen, eine richtige Vorstellung von dem beson-
deren Naturcharacter Australiens gibt und eine Reihe der schönsten
Landschaftsbilder unmittelbar vor Augen führt.
Man hat Australien das Land des Widerspruches genannt, wo die
Natur es sich ordentlich zum Spaß gemacht zu haben scheine, alles
anders zu gestalten, als in der alten Welt. „Es gibt Vögel ohne Flü-
gel, mit Haren statt den Federn, vierfüßige Thiere mit Vogelschnäbeln,
schwarze Schwäne, weiße Adler, Kirschen mit dem Kern auswendig, Bäume,
die nicht das Laub, sondern die Rinde abwerfen. Die Bienen sind ohne
Stachel, die Vögel singen nicht, die Blumen riechen nicht, die Bäume
geben keinen Schatten, das Holz sinkt im Wasser unter, der Kukuk
schreit bei Nacht, die Eule am Tag."
Nun, wer sich eine Vorstellung von dem merkwürdigen und höchst
eigenthümlichen Character dieses Landes machen will, der betrachte
G u ^ r a r d's Landschaften. Zwei Bilder zeigen uns den Mount Kosziusko,
den höchsten Gipfel der australischen Alpen, 7200 Fuß hoch, in Neu-
Stid-Wales gelegen. Die eine Ansicht führt uns mitten in die Felswild-
nis des Gipfels, wo zwischen den schroffen Syenitfelsmassen noch mitten
im Sommer der Schnee in einzelnen Flecken liegt. Dr. G. Neumeyer
157
war einer der ersten Enropfier, der den Gipfel erstiegen hat.
Auf der zweiten Ansicht sehen wir den riesigen Gebirgsstock in seiner
Totalitfit, mit fast undurchdringlichem Urwald bedeckt bis zu Höhen
über 6000 Fuß. Drei besonders characteristisch ausgeführte Bilder er-
schließen uns die Eigenthfimlichkeiten des australischen ' Waldes. Der
Urwald der Cap Otway-Ketten ist ein Eucalyptuswald mit Riesenst&m-
men von 300 Fuß Höhe; der Kohlpalmenwald des American Creek er-
innert an die Pracht der tropischen Wftlder und das Farnbaumthal in
den Dandenong-Ketten bei Melbourne muthet uns an wie eine Vorwelt-
hindschaft aus der Steinkohlenperiode. Dagegen führen uns die Bilder
vom lUawara-See und von den Sydney Heads liebliche Landschaften vor
das Auge, in welchen die europäische Cultur schon vollständig zur
Herrschaft gelangt ist. Der Castle Rock des Cap Schank an der Küste
von Victoria und der Weatherboard-Fall in den blauen Bergen von Neu-
Sfld-Wales zeigen uns die schroffen Felsformationen der mächtigen hori-
zontal gelagerten Sandsteinschichten des östlichen Theiles des Continen-
tes, während die Ansichten des Mount Gambier in Südaustralien und
des Mount Eccles in Victoria uns einen Blick werfen lassen in die
von kleinen Seen erfüllten Krater der erloschenen Vulcane des südlichen
Australiens. Besonders reizend sind die Ansichten von Tasmanien. Da
liegt Hobart Town, Tasmaniens rasch aufblühende Hauptstadt, am Fuße
des 4000 Fuß hohen Mount Wellington,' und Berg und Häuserreihen
spiegeln sich in dem blauen Wasser des Derwent, eine Lage so prächtig
und so voll Reiz, wie etwa die Lage von Genua oder Rio de Janeiro;
die Cataracte von Launcestoh erinnern an die Naturschönheiten in den
Granitthälern des Schwarzwaldes oder des Riesengebirges, und die schroffen
Felsnadeln und Felsklippen von Säulenbasalt an der Südküste von Tas-
man*s Eiland, gegen die eine wilde Brandung anstürmt, übertreffen an
malerischer Schönheit die Basaltgallerien der Insel Staffa oder des
irischen Riesendammes.
Dies wenige mag genügen, um einen Begriff zu geben von der Man*
nigfaltigkeit der Eindrücke, welche der Beschauer beim Durchblättern des
Prachtalbums empfangt. Auch in der Ausführung gehören diese austra-
lischen Landschaften trotz der Bescheidenheit, mit welcher der Künstler
selbst sein Werk beurtheilt, entschieden zum besten, was in dieser Art
existiert und man muß nur staunen, dass es möglich war, bei unseren
Antipoden ein solches Prachtwerk zur Vollendung zu bringen, das selbst
dem vorgeschrittensten europäischen Kunstinstitut zur Ehre gereichen
würde.
Ich darf hier wohl erwähnen, dass ein Exemplar in grünem Ma-
rokkoleder mit reichem Golddruck, in Melbourne gebunden, von dem
158
EOnetler Sr. Majestät de» Kaiser gewidmet warde. Mit einem zweiten
Exemplar hat der Künstler mich selbst überrascht; die Mappe, in der
die Bilder liegen, zeigt in Golddruck das australische Wappen und das
Werk selbst ist ein glänzender Beweis für das Motto, welches das
Wappen trägt: „Advance Australial"
Uebersicht
der Arbeiten der kais. geographischen Gesellschaft in
St. Petersburg aus dem Jahresbericht von 1867*).
1. Die Expedition in die Gegenden am Azo waschen Meere und an
die Flüsse Kuban und Manitsch, welche im Kampf mit dem
angränzenden festen Lande mancherlei interessante Erscheinungen ver-
ursachen. Die ersten Einleitungen zu dieser Expedition datieren schon
ans einer früheren Periode und sie blieb nicht ohne Resultate, die
theilweise durch den Druck veröffentlicht wurden.
, 2. Die turkestan'sche Expedition, schon in den Jahren 1865
und 1866 vom Kriegsministerium entsendet, wobei die geographische
Gesellschaft unterstützend ins Mittel trat. Sie arbeitete in der Gebirgs-
kette Tian-schan, deren geognostische Beschaffenheit, Höhen, Flora
und Fauna näher durchforscht wurden. Der höchste Gipfel beträgt
12.000 Fuß. In der Ausbeute befinden sich Behelfe zu Landkarten,
30Q Exemplare Gebirgsstufen, 263 größtentheils seltene Vögel,- an Säuge-
thieren 30, zum Theil ganz neue Thierarten.
3. Die Expedition in die westlichen Gebiete des russischen
Reiches, behufs ethnographischer und statistischer Erhebungen. Auffal-
lend sind ihre Daten über die jüdische Bevölkerung gegenüber der
Volkszählung in der Gegend von Wilna. Die Volkszählungsbücher aas
der Periode vom Jahr 1834 — 1859 weisen nämlich eine Herabminderung
dieser Bevölkerung um 20®/« nach. Dieses Sinken zeigte sich nament-
lich um die Zeit des Krimkrieges. Die Aufklärung wird darin gefun-
den, dass die jüdische Bevölkerung Ursache haben mochte, sich damals
der Zählung möglichst zu entziehen, um der Last des Kriegsdienstes zu
*) Der Jahresbericht der kais. nissisch geographischen Gesellschaft vom
Jahre 1867 gibt uns über ihre Thätigkeit ein lebhaftes Bild und enthält neben-
bei manches, was unserer Aufmerksamkeit empfohlen zu werden verdient. Wir
geben ihn daher im Auszuge.
159
efttgdb^ In dieser Periode leigte die m&miliclie Bevölkeriuig gegen die
weibliche einen Bftckgang von öO^/e.
4. Die Expedition zur Erhebung der Verhältnisse des Getreide-
handels in RnBsiand. Diese wurde Ton Seite mehrerer Ministerien reich-
lidi mit Geldmitteln unterstfktzt. Zom Behofe der Arbeiten theilte man
das europäische Rossland in 8 Rayons, deren jeder anter einen beson-
nteren Befehl gestellt wnrde.
Von den Ergebnissen wird nur erw&hnt, welchen Einfloss die Yer-
mitthing des Getreidehandels anf den Wohlstand einzelner Ortschaften
soslkben kann, wovon das Beispiel der Stadt Glazow im Goavemement
Wiatka angefUirt erscheint. Glazow gebe ein Masterbild der St&dte
jenes GkmTemements , deren Erwerb gänzlich von dem Zwischenhandel
■it Getreide nach dem Markt von Archangel abh&ngig sei. Die Uan-
ddaiente in Archangel hätten sich jflngst von dieser Dazwischenkanft
freigemacht, indem sie die Prodncte anmittelbar bei den Landlenten ein-
ksafen. Seit dieser Zeit kommen nan die Wiatker St&dte in Verfall
So viel hiebei die Prodncenten gewinnen, so viel verlieren die Städte.
Die Drnckschriften der Gesellschaft bestehen vorerst
ans den Denkwürdigkeiten — enthaltend größere Abhandlangen.
Baranter befindet sich ein amfassender Artikel aus dem Rechenschafts-
bericht der sibirischen Abtheilang vom Jahre 18ü(i Aber die Resultate
der Expedition w^en Auffindung eines Viehtriebweges in der Gegend
von Olekminak in Sibirien, der interessante Daten ))ietet, ferner eine
Afahandiiing von B. A. Popow Aber die Absiedlungen im Goavemement
WoJogda and mehrere ethnographische Aufsätze. Von den unter dem
Titel Nachrichten erscheinenden Heften sind im Jahre 18ü7 fOnf
henuißgegeben worden. In der Herausgabe begriffen ist das statistische
Wörterbuch dee russischen Reiches, ebenso die russische Bearbeitung
des Ritte raschen Werkes Ober Asien. An Landkarten werden erwähnt:
Karte der Insel Sachalin, eine des südlichen Theiles von Turkestan
eine Vervollständigung der im Jahre 18()2 herausgegebenen Karte
d» eoropäischen Russland sämmt dem kaukasischen Gebiete.
Es folgt nun ein Ueberblick der Thätigkeit verschiedener
Abtheilungen der Gesellschaft außerhalb des Mittel-
pnnctes, und zwar: a) der sibirischen Abtheilung. Erwälmt
werden die entomologischen Arbeiten von M. P. Putzillo und seine
Ansbente im Irkutskischen Gebiete, femer die Excursion von J. S.
Poliakow in die Gegend des Baikalsees behufs natorgeschichtlicher
Forschungen , endlich die Herausgabe einer Beschreibung der Wälder an
Seegestaden durch den Capitfln Budustschew in den Denkwürdig-
keiten der besagten Abtheilung, worin auch eine interessante Bescijhrei-
160
bong der Reise des Forsten Kropotkin in die ümgebmig von Okinsk
sammt Darstellung Tschudkischer Alterthümer vorkommt.
ö. Die kaukasische Abtheilung concentrierte ihre Thfttig-
keit in der Zusammenstellung eines Werkes Aber die statistischen Ver-
hältnisse des kaukasischen Gebietes und in der Herausgabe einer Karte
dieses Landes, in welcher Beziehung schon manches geleistet wurde.
Auch wurde das Augenmerk auf die Herstellung einer schiffbaren Ver-
bindung des Kubanfiusses mit dem Meer gerichtet und fOr dieses Ob-
ject eine eigene Commission aufgestellt.
(). Die Abtheilung für die Gegend von Wilno und Orenburg besteht
dem unter Namen der „nordwestlichen Abtheilung^ seit Anfang
des Jahres 1867. Die Abtheilung zu Wilno säumte nicht, ihre Thätigkeit
durch mehrere nützliche Arbeiten an den Tag zu legen. Von besonderer
Wichtigkeit ist die Einffihrung meteorologischer Stationen in den sechs
nordwestlichen Gouvernements an den Gymnasien. Viele Personen er-
boten sich zur Vornahme meteorologischer Beobachtungen nach erhalte-
nen Instructionen. Diese Abtheilung unterstützte mit Eifer die Mitglie-
der der ethnographischen und statistischen Commission für die westlichen
Länder. *Die Verhandlungen der Abtheilung erscheinen in den „ Nach-
richten^ der Gesellschaft. Die Orenburger Abtheilung erfreut sich der
Begünstigung besonderer Zuschüsse aus dem Staatsschatze.
Der leitende Rath der Gesellschaft ermangelte nicht, außerhalb
seines eigentlichen Wirkungskreises sich wissenschaftlicher Unternehmun-
gen fremder Anstalten durch Parleihung von mathematischen Instrumenten,
durch Erhebungen mittelst ihrer Organe und Mittheilung ihrer Druck-
schriften anzunehmen, worüber im Bericht specielle Fälle angeführt
werden.
Allgemeine Versammlungen wurden acht abgehalten. Von
den darin verlesenen Abhandlungen betreffen fünf die äectionen für Geo-
graphie, Mathematik und Physik, vier die statistische und zwei die
ethnographische Section. Die Objecto derselben waren Sternschnuppen,
hydrographische Erhebungen vom Japanischen, Ochotskischen und Be-
ring'sehen Meere, die Reise von A. J. Gluchowskoi aus Tasch-
kend nach Samarkand und in die Bucharei im Jahre 1865, Bewässe-
rung der Krim, Ergebnisse der Olexmisko-Bitimski'schen Expedition
vom Jahre 18GG behufs Ausmittlung von Viehtriebswegen, Eriminal-
statistik auf Grundlage des Tobolsker Archivs über Verbannte, Bevölke-
rung an der Wolga, Zunahme der Bevölkerung in St. Petersburg, Ar-
beiten der Expedition wegen Erhebung der Verhältnisse über den Ge-
treidehandel, ethnographische Ausstellung , Eigenthümlichkeiten der Sar^
ten und Kirgisen in Turkestan.
161
In Betreff der Arbeiten in den Sectionen wird angefahrt,
dass die Section der physischen Geographie im Jahre 1867
drei Sitzongen abhielt. Als Gegenstände derselben werden genannt:
Expedition nach dem Lande Tarucban, Beschreibung der Reise nach
Wladiwostak und Chnn-Tschun, Notizen Aber Mineralquellen im Lande
am Baykalsee, Vorlage einer neuen Karte von Mittelasien, Aufsuchung
des alten Flussbettes des Amu-dar, der gegenwärtig in den Aralsee sich
ergießt, während die Yermuthung Platz greift, dass sein ehemaliger
Ansiauf nach dem Easpischen Meere gieng.
Die Section ffir Statistik hielt zehn Sitzungen, davon zwei
im Verein mit der ethnographischen Section. Die vereinten Sitzungen
betrafen die Verfassung einer Industriekarte von Russland und die Ent-
sendung einer Expedition in die westlichen Gebiete Russlands. Die
flbrigen Sitzungen hatten zum Gegenstande die Anlegung von Eisenbah-
nen an den südöstlichen und östlichen Gebieten Russlands, dann einer
Pferdeeisenbahn von Orenburg nach Samara. Auch wurde der Beschluss
gefasst, sich an die Eisenbahnverwaltungen mit dem Ersuchen zu wen-
den, im Interesse der Wissenschaft Vormerkungen über die Bewegung
des Waren- und Passagierverkehres der Eisenbahnen zu führen und
ZQ veröffentlichen.
Mehrere Sitzungen' beschäftigten sich mit dem Gretreidehandel in
Raseland, die letzte betraf die Betheilung verdienter Mitglieder und
Fi^mder mit den kleinen Medaillen und die Gewihnung von Steinkohle
im Lande der Don'schen Kosaken.
Von der ethnographischen Section wurden sieben Sitzun-
gen gehalten, fünf gewöhnliche und zwei im Verein mit der statisti-
schen Section. Die eine der letzteren betraf die Entsendung einer
ethnographischen und statistischen Expedition in das westliche Rassland,
die andere den Empfang der slavischen Gelehrten und Literaten als
Gftste der allgemeinen russischen ethnographischen Ausstellung, dann die
Verlesung eines Artikels über die Colonisation des großrussischen Volks-
stammes. Die übrigen Sitzungen befassten sich mit Abhandlungen über
die Bewohner der Ufer am Flusse Ojart, über die Nationaltracht der
Rathenen im Osten Galiziens und Ungarns, über die Secte der Skopzen
in Ramänien, über die Slovaken und die slavischen Gebiete in Ungarn,
über den Bezirk Ura-Tiube in Turkestan, dann ethnographische Notizen
ans Turuchan.
Besondere Leistungen von Mitgliedern der Gesell-
schaft und von fremden Personen im Fache der Geo-
graphie. Dieselben bestehen aus zwei allgemeinen Anerbietungen zur
Mitwirkung, einer Anerbietung für astronomische Leistungen und vier
G^OfnphiMhe Miitkmliuigen. 1870. 4. . H
lest
ffir meteorologische Beobachtnngen. Dann folgen Notizen über einge-
sendete Abhandlungen, und zwar über den schwarzen Irtischflnss, über
die Steinkohle im Sergiopolskischen Kreise and den Graphit im Kokpeks'-
schen Kreise, femer die Schildemng des Zaysanskischen Gebietes, geo-
graphische Notizen über die africanischen Küsten, eine Karte der Mon-
golei, MittheUungen für das geographische Wörterbach, die nene admini-
strative Eintheilung Polens, ein Manoscript über Chaldea und Sosiana,
MittheUungen über heiße Quellen im Tomskischen Gouvernement, über
die Gewerbe und den Handel in Turkestan, über die Verwaltung des
Kaschmir*schen Maharadschah, über das Vorfinden von Steinkohlen und
Gold in Turkestan und über die Bevölkerung in Tschemagora.
Die Betheilung mit Medaillen geschah in der Art, dass
vier kleine goldene Medaillen an Mitglieder der Gesellschaft, drei sil-
berne an Mitglieder der Gesellschaft, eine silberne an einen Fremden
und eine bronzene an einen Fremden als Anerkennung der Verdienste
um di\e Zwecke der Gesellschaft zuerkannt wurden. Unter den Beilagen
des Berichts befinden sich motivierte Anträge für die Betheilungen.
Die Finanzen der Gesellschaft bilden den Schluss des Berichts.
Wir entnehmen aus den bezüglichen Tabellen, dass die Ausgaben
für das Jahr 1867 sich auf 33.855 Rubel beliefen. Unter den Ein-
nahmen stehen 10.000 Rubel als Staatsbeihilfe und 2700 Rubel an Bei-
trägen der Mitglieder. — c — y
Der westliche Theil von Bosnien^).
Ethnographisch -band eis politische Skizze
von Julius V. Jaxa-Dembicki, k. k. Oberlientenant und Gonsularagent.
Die ethnographisch-handelspolitische Beschreibung Westbosniens,
wie überhaupt von ganz Bosna Vilajet gehört unstreitig zu den schwierig-
*) Zur Erzielung einer einheitlichen Orthographie in unseren die euro-
pSdBche Türkei behandelnden Aufs&tzen, beschloss das orientalische Comit^ der
k. k. geograph. Gesellschaft über Antrag des Herrn F. Kanitz in seiner
Sitzung am 10. Februar, für die südslavischen Orts- und Personennamen ao»-
schließlich die croatisch-serbische Schreibweise zu adoptieren. Nach derselben ist
zu lesen:
c = deutsches z s = deutsches seh
c-=„tj v«-w
c =
tsch
z n ^ weiches s (in Rose)
8 =
y, scharfes Q
i ^ französisches j (in jamais)
A. d. Red.
163
sten Aufgaben. Es liegen allerdings einige dahin einschlftgige Werke
vor, insbesondere eine vom bosnischen Franciscaner Franz J u k i ö veröf-
fentlichte „Beschreibung Bosniens und der Hercegovina^, die viel brauch-
bares Material enthält, aber um ein klares Bild der Verhältnisse des
Landes zu geben, ist sie ungenügend. Zu diesem Mangel an Hilfs-
material gesellen sich der Abgang jeden Catasters, die Unzugi^nglichkeit
der von den türkischen Behörden ungenau verfassten und mit Eifersucht
gehüteten Yolkszählungslisten, und die zollämtlichen im höchsten Grade
onklaxen und zweifelhaften Ausweise über die thatsächliche Handels-
hewegung dieser Gegenden. Der Berichterstatter, der seit zehn Jahren in
Livno stationiert ist, hat es sich seit jeher zur speciellen Aufgabe gemacht,
diese Gegenden nach allen Richtungen auszuforschen. Die Aufgabe war
and ist nicht gering. Meist officielle Daten, theilweise aber auch -die
Mitwirkung zwar competenter, immerhin aber sehr unverlässlicher Glieder
der hiesigen Geistlichkeit und des Handelsstandes dienten als Basis, um
eine allgeineine Uebersicht der Verhältnisse zu gewinnen.
Unter „Bosna Viiajet^ sind inbegriffen das eigentliche Bosnien,
Tftrkisch-Croatien (Pokraina) , die Hercegovina und das Mutasariflik
Novipazar. Es wird im Norden von der croatisch-slavonischen Militär-
grenze, gegen Osten von Serbien, gegen Süden theilweise von dem Pa*
schalik Prizren und Albanien, dann von Montenegro, endlich gegen
Westen vom Königreiche Dalmatien und der oberen croatischen Militär-
grenze umschlossen.
Die administrative Eintheilung des Bosna-Vilajet zerfällt in sieben
Mutaisarifiiks (Kreise) und 43 Kaimakamien (Bezirke).
Die Mutasarifliks sind : Serajevo, Zvomik, ßanjalnka, Bijac, Mostar,
Novipazar und Travnik.
Das Travniker Mutasariflik zerfällt in die Bezirke Travnik,
Liivno mit den Dipendenzen Grahovo, Duvno und Suica, Glarooe mit
der Dipendenz Unac, Zenica, Skoplje (Akhissar) mit der Dipendenz
Gomji Skoplji, Bugoino und Rama und Jaice mit der Dipendenz Gttl-
hissar. Diese sechs Bezirke bilden den Amtssprengel der in Livno resi-
dierenden k. k. Consular-Agentie.
lieber die Sitze der anderen hieher gehörenden Kaimakamien
fehlt mir eine sichere Angabe, auch sind in den letzten 3 — 4 Jahren
einige mir nicht genau bekannte Veränderungen vorgefallen.
Der Ausweis über die Volkszahl des Mutasarifliks Travnik, wie
er von mir im März 1868 ämtlich zusammengestellt wurde, wird aus
folgender Tabelle ersichtlich:
11
1
164
K aimakami e
SEELENZAHL
* S IKatho-
griech.-
oriental.
Christen
00
tS3
Znsam-
men
Livno, Snica, Duyiio, Grahovo
Glamoii, Unac
Bama-Prozor
Skoplja-gorni A dolni-Vakup
Ofllhissar o. Jezero . . .
Jaice
5200
4760
2500
5800
2700
5600
Zusammen 26560
19993
328
3290
9924
{4023
37558
4774
14895
8760
10500
12000
14000
180
200
350
280
170
200
64929
30152
20183
14900
26504
14870
i
1380 130434
Die Berechnung der türkischen BeYölkemng ist aher dabei kaum
ann&hemngsweise als richtig zu bezeichnen, weil ein statistisches Bareaa
nicht existiert and die Harems unzugänglich sind. Zur Berechnung der
griechich-orientalischen Christen diente die bestehende H&nserzahl (nach
der Methode Omer Pascha's), die mit der Zahl 7 multipliciert wurde,
und so abgerundet wenigstens ann&hemd die bestehende Bevölkerung
angibt Was die Katholiken anbelangt, so ist die Volkszahl ziemlich
genau ang^eben, indem die bezfiglichen Daten den Schemas der bos-
nisch-heroegOTinischen Minoriten-Ordenspriester entnommen sind. Hiezu
kommen noch bei 150 österreichische Familien aus Dalmatien, welche
die einzigen hier stabil ansässigen Golonisten sind.
Wie gesagt gibt es zur Auffassung der Verhältnisse der Con-
fessionen so wenig Anhaltspuncte, dass kaum ein bestimmtes Resultat
erreicht werden kann. — Das yorstehende Schema weist nach, dass die
griechisch-orientalische Bevölkerung in diesem Sandjakate (sowie auch in
ganz Bosnien) überwiegend ist
Um das Verhältnis der drei Gonfessionen zu einander aufzu-
klären, müßte ich mehr Raum haben, als dieser Bericht gestattet. Es
genüge (jUe Bemerkung, dass das religiöse Princip über das nationale zu
einer so mächtigen Oberherrschaft gelangt ist, dass es in Bosnien eigent-
lich drei sich schroff gegenüberstehende „Nationen^ gibt, u. z. die tür-
kische dominierende, die katholische und die griechich-orientalische.
Unstreitig ist die katholische „Nation^ jene, die am meisten
eine besonderen Würdigung verdient. Obgleich der griechisch-orien-
talischen Nation an Volkszahl bedeutend nachstehend, hat sie an ihrer
aus ihr selbst hervorgegangenen Geistlichkeit eine Führerschaft, welche
die Bevölkerung im ganzen zusammen zu halten versteht. Dieser Um-
stand veranlasste mich schon vor Jahren ein eigenes Schema über die
in diesem Districte befindlichen Pfarren sammt Anzahl der Elostergeist-
lichkeit und Bevölkerung zu verfassen, welches hier folgt:
I ZuMmmen |l7| 18 | M ; 37506 [37658 |
Die griechisch-orieDtfüi sehen Christeu haben bloß eine Kirche in
Livno. Die anderen Pfarren sind in den Dörfern zerstrent. Ihre 6eiBt>
lichkeit steht aaf der niedrigsten Stnfe der Civilisation und es sind
fiele darunter, die gar nicht schreiben können nnd kaum im Stande
sind die gedruckte cyrillische Lithnrgie abzulesen, — daher auch der
griechich-orientalischen Bevalkernng Einheit, Vertretung nnd Fflhmng
ganz abgeht.
Der raahammedaniBche Theil der BevSlkening stammt nach
^Jnkic" von der Nachkommenschaft der noch in geringer Zahl (im
Tnzla-Mntasariflik) vorkommenden patarenischen H&retiker nnd bosni-
sehen Christen beider Confessionen, welche theiU selbst vorzogen, tfaeils
gezwungen waren, die Conserviemng ihres Adels und Besitzes durch
Apostasie zu erkaufen.
Echte Osmanli asiatischer Abstammung findet man nur im Civil
und MilitArstaatsdienste. Da bei dem b<ffinischen Mnhammedaner die Hntter-
Epracbe die serbische ist, versteht er nur selten das ttlrldsche nnd kann
sich mit dem Osmanli schwer verstftndigen. Die im Jahre 1867 einge-
fllhrtea Volksschulen in den Bezirken bezwecken die Verbreitung der
türkiBchen Sprache.
166
Der im 14. Jahrhunderte durch Sultan Muh ammed IL freiwillig
gewordene oder gezwungene Apostat-Türke erwarb sich große Rechte
und Besitzungen. Die dem Glauben ihrer Völker treu blieben, wurden
R a j a h (Herde) und Sclaven. Die üeberlieferung erzählt harsträubende Sagen
von dem was diese Apostattürken mit dem Christenthum trieben. Der
Raum dieses Berichtes erlaubt es nicht, die Grftuelscenen zu schildern,
die in jener Zeit vorfielen und unter einem bequemen Deckmantel auch
wol noch heute üblich sind. Es ist daher ganz natürlich, dass die Apo-
stasie für die größere Zahl der Bevölkerung sehr verlockend war, um-
somehr als Sultan Muhamme d 11. das eroberte Königreich Bosnien in
drei Theile theilte: für sich, die Moscheen und den türkischen Adel
Diese Eintheilung ist noch die Basis der hiesigen Besitzverhältnisse und
wurde nur sehr wenig alteriert.
Die Gerichtsbarkeit war und ist ausschließlich in den Händen
der Türken, die in früheren Zeiten das Recht hatten, über Eigenthcun
und Leben jedes Christen zu verfügen. Dies änderte sich seit beinahe
25 — 30 Jahren, wie ich unten erwähnen werde. Den wichtigsten Be-
standtheil der muhammedanischen Bevölkerung bilden die Bey's, die
Nachkommen des alten Lehcnsadels, dann die Aga*s, Grundbesitzer,
femer die Handel- und Gewerbetreibenden der Städte, schließlich die
Ackerbauer.
Die permanenten Aufstände und Unruhen, die größtentheils von
den Bey's und Aga's provociert wurden, hatten zur Folge, dass die
Pforten-Regierung (im Jahre 1850) durch Omer Pascha den unbot-
mäßigen bosnisch-türkischen Adel aller seiner frühern wirklichen oder
angemaßten Prärogative und Rechte verlustig erklärte, und ihn zwang,
sich der Gerichtsbarkeit der osmanischen — fremden Behörden zu
fügen, an den allgemeinen Lasten (mit Ausnahme der Kopfsteuer,
eigentlich Militär-Befreiungstaxe, die bloß der Christ zahlt) sich zu
betheiligen — und im Jahre 1864 auch Recruten für die Linie zu
stelle«. Die alte Lehenkriegsverfassung, der Ursprung der Macht des
bosnisch- türkischen Adels, hatte somit de jure aufgehört und nur in
Kriegszeiten wird eine Art Miliz (Baschibozuks) aufgeboten. Der bos-
nische Mohammedaner, so durch die Regierung seiner alten durch Jahrhun-
derte genossenen Macht entäußert, erscheint auch materiell zu Grunde
gerichtet. Die viel gerühmte Prunksucht mit Pferden, Waffen, Klei-
dern und Harems ist dahin, weil zu dem materiellen Ruin sich auch
Trägheit und der unausstehlichste Stolz gesellt, die ihm nicht erlauben,
bei der Regierung ein Amt zu beanspruchen, welches er übrigens bei
seiner Ignoranz auch nicht im Stande wäre zu verwalten. Der bos-
nische Muhammedaner ist gegenwärtig bloß auf die Abgaben des Colonen
167
angewiesen, und da letzterer sichtlich mehr dem Verfalle entgegengeht,
80 nähert sich auch die bosnisch-tarkische Herrlichkeit and Pracht
ihrem Ende. Allerdings hat mit dieser Demüthignng des Adels der
bnitale und fanatische Hass gegen Christen viel von seiner Schärfe
verioren.
Nichtsdestoweniger erfreut sich der Christ noch bei weitem nicht
der Gleichberechtigong mit dem Türken. Der TOrke bleibt immer Herr,
der Christ Bajah (Herde) and zwar gerade insbesondere* vor den
Yerwaltongs- und Gerichtsbehörden.
An Sitte, Braach, Lebensweise, Kleidung u. dergl. sind die moham-
medanischen Bosnier im Geiste des Islam orientalisch, und halten die
Vorschriften strenger ein als die Osmanli — obgleich ihnen immer der
christliche Ursprang anzusehen ist So z. B. pflegt der bosnische Türke
(mit höchst seltener Ausnahme) nur ein Weib und keine Beischläferin
zu nehmen, Hochzeiten, Familienfestlichkeiten haben den altslavischen
Character beibehalten, Sklaven und Sklavinnen — wie sie der Osmanli
hat — werden nicht gehalten, die alten christlichen Familiennamen
wurden beibehalten; bei Krankheiten (z. B. Unfruchtbarkeit der
Weiber), „Teufelsbannung^, Annahme von Amuletten als Schutz gegen
Krankheiten und Unglück wird das Gebet und die Intervention eines
Franciscaners oder eines im Gerüche der Heiligkeit stehenden
Christen in Anspruch genommen, obgleich der osmanische Fanatismus
wie früher besteht. Die Muhammedaner haben in diesem Sandjakate
nahezu 1500 Moscheen, von denen vielleicht der zehnte Theil aus
Stein, die andern aus Holz gebaut sind, und welche sammt ihren
Dienern und Hodja's (Priestern) aus den großen von Mahmud II.
herstammenden Moscheengütern (Yakuf; erhalten werden. Diese Vakuf-
guter, an sich groß, wurden durch vier Jahrhunderte durch Schen-
kungen und Vermächtnisse noch beträchtlich vermehrt und bestehen in
liegenden Gütern, Mühlen, Bädern, Wirtshäusern, Markthallen (Bezes-
tans), deren Erträgnis nebstbei zu wohlthätigen Zwecken (immer aber
bloß für Türken) für Kranke, Arme, Schulen, zum Ausbau schadhafter
Brücken, Anlegung von Cesme (Brunnen) und dergl. verwendet werden.
Auch wird daraas Privaten Geld zu mäßigen Zinsen (12^o) vorgestreckt.
Im Jahre 1859 erließ die Pforten-Regierung eine Art Toleranz-
Edict, durch welches jedem Unterthan der Pforte freigestellt ward,
den Glauben zu wechseln. Für den Muhammedaner ist nur die Clausel
eingeschaltet, dass, um Ruhestörungen zu vermeiden, er es dort thun
m6ge, wo keine Muhammedaner sind.
Erst seit dem Jahre 1867 hat die Pforten-Regierung Anläufe gemacht,
sich mit der Schulenorganisierung zu befassen. In den größeren
168
Provincialst&dten des Bosna Yilajets gibt es eine Art von Gemeinde-
oder Volksschulen nach Glaubensbekenntnissen gesondert, Iq welchen
zur Noth Lesen, Schreiben und Rechnen gelehrt wird. Die Lehrer sind
aus den G^meindecassen gezahlt, nicht stabil angestellt und wechseln
jeden Augenblick; Oberhaupt zieht man in christlichen Schulen nur
jene Jugend zum sogenannten Unterrichte, die sich dem geistlichen
oder Handelsstande widmet. Eine 2 — Sjfthrige Schulfrequenz macht
das Um und Auf der pädagogischen Reife eines bosnischen Jünglings
aus, daher es niemandem auffallen darf, wenn das Volk bei seiner an-
gebomen Schlauheit und Raffiniertheit in tiefer Unwissenheit lebt ; kaum
dass auf 500 Seelen ein, höchstens zwei schreibenskundige Individuen
entfallen. Verwahrlosung ist mithin der Grundzug des bosnischen Be-
wohners ohne Unterschied der Nationalität. Mag die Pforten-Regierung
in Schnlangelegenheiten noch so viel und gute Verordnungen erlassen,
dem unparteiischen Beobachter wird doch klar, dass die Regierungs-
organe jede Erweiterung des Wissens über die Grenze des Alphabets
mit ungünstigen Augen ansehen. Sonstige Bildungs-Anstalten welcher
Art immer gibt es im ganzen Bosna-Vilajet nicht.
Bevor ich die Terrainsverhftltnisse bespreche, will ich die größeren
Orte dieses Sanc^jakates wenigstens oberflächlich schildern:
Travnik ist der Hauptort des Kreisdistrictes, Sitz eines Muta-
sarifs, hat circa 15.000 Einwohner, liegt am Fuß des Vlavicgebirges
im schmalen La^vathale. Die Stadt ist von einem alten, im guten Zu-
stande erhaltenen und armierten Castell beherrscht Nach Juki^ soll dort
eine römische Colonie Levsaba (?) bestanden haben.
Jaice, Hauptort des gleichnamigen Bezirkes, liegt am Verbas
und der mittelbaren Einmündung der Pliva und hat circa 3000 Ein-
wohner. Dieser Ort wurde vor beiläufig vier Jahrhunderten vom bos-
nischen Großwoywoden und Herzog von Spalato Hervoja gegründet und
mit Ringmauern (die aber sich ihrem Verfalle nähern) umgeben. Jaice
war einst die Residenz bosnischer Könige.
Livno, Hauptort des gleichnamigen Bezirkes, am Fuß des
Cincer Gebirges, hat beiläufig 7 — 8000 Einwohner und ein Franciscaner-
kloster. Das Innere der Stadt ist mit einer Ringmauer umgeben, die
im Verfalle ist. Vorher stand hier eine römische Militär-Colonie
Haiuno (?). Gedenktafeln mit Römer-Inschriften kamen noch vor Jahren
vor. Det* türkische Vandalismus zerstörte auch diese Erinnerungen, wie
alles, was auf die Vergangenheit Bezug hat. Hie und da werden noch
römische Gräber und Münzen gefanden.
Duvno ist keine Ortschaft, sondern eine Hochebene. Der eigent-
liche Ort 2upagna6 mit circa 400 Einwohnern wird deshalb hier er-
169
wfthnt, weil dort sich die Ruinen eines uralten römischen Castells be-
finden: anch sind bei Duvno (!^upagna) noch hie und da Spuren
einer ebenso alten Römerstraße nach Ljubuski zu sehen.
Kupres, ein kleiner Ort mit circa 150 Einwohnern, ist ein ruinen-
artiges von Türken gebautes Castell und diente in den letzten vier
Jahrhunderten zur Vertheidigung des Kupreser Passes, -, — gegenwärtig
ohne strategische Wichtigkeit.
Glamoc, Hauptort des gleichnamigen Bezirkes, besitzt ein ur-
altes in Ruinen liegendes Castell, welches der Tradition nach in turbu-
lenten Zeiten den bosnischen Königen zum Zufluchtsort diente, hat
circa 1000 Einwohner, meist griechische Christen.
Rama, aus mehreren zerstreuten Dörfern bestehend, wo im Um-
fange ven circa 6—8 Stunden bei 5000 Katholiken und 3000 Türken
ans&ßig sind, war unter bosnischen Königen ein Fürstenthum. Dort
befinden sich Manufacturen von groben Decken und Teppichen.
Vranduk, das hinter Travnik gelegene Bergschloss iat der-
malen eine Ruine.
Ueber die Boden-Production des hier geschilderten Land-
striches lassen sich nach den mir zu Gebot stehenden Quellen nur an-
nähernd richtige Andeutungen geben, aber sie geben immerhin ein treues
Bild der Zustände, mit denen man hier zu rechten hat.
Ueber die Wälder verweise ich auf den von der hiesigen k. k.
Consular-Agentie erstatteten Bericht vom 10. August 1867, der in
dem vom Freiherm von Hohenbruck verfassten und vom k. k.
Ackerbau-Ministerium veröffentlichten Werke über den „Holzexport
Oesterreichs^ abgedruckt wurde.
Nach dem Wald- ist es der Cultur- und Weide-Boden,
welcher im allgemeinen den meisten und etwa zweimal so viel Raum ein-
nimmt, als der nackte, sterile oder bloß mit Gestrüpp bedeckte Felsboden
dieses Districtes. Der gegenwärtig für den Feldbau verwendete Boden-Com-
plex könnte bei besserer Pflege das doppelte tragen. Es gibt überhaupt nichts
Niederdrückenderes für einen practischen Oeconomen, als die hiesigen
agrarischen Verhältnisse, auf die ich seiner Zeit zurückkommen werde.
Es verlautet, dass die türkische Regierung Reformen dieses wichtigen
Zweiges vorbereite. Leider kann nicht eine wenn auch nur approximative
Uebersicht des Areals an Cultur-, Weide-, Wald- und sterilem Boden
▼orgelegt werden, weil die türkische Regierung selbst hierüber nicht in
genauer Kenntnis ist. Das jährliche Ernteerträgnis einiger Bezirke aus
der darch die Consular-Agentie im Jahre 1868 approximativ zusammen-
gestellten Berechnung nach dem Zehent-Erträgnisse ergab:
170
1
Bezirke
' " I
Jährliche Durchschnittsproduction an j
Gerealien
Hen
Zwetsch-
ken
TaUk
in Centnern
Livno sammt Duvno, Suica, GrahoYO
Grlamoc sammt Unac . . • ....
Skoplja sammt Bugoino
Jaice sammt Gülhissar
. Zusammen . .
115.555
78.274
163.000
111.780
170.000
115.700
180.000
162.810
8.000
3.000
48.000
12.000
71.000
30
15
68
42
468.609
628.510
155
1
Von Cerealien ist Gerste und Mais vorwiegend. Getreidevorräthe
sind bloß in Jahren vorhanden, wenn das Exportgeschäft mit Cerealien
stockt. Die Marktpreise der Cerealien und sonstiger Consumartikel sind
ans folgender, im Monate April 1869 zusammengestellten Marktpreis-
tabelle ersichtlich:
Gegenstand
Piast. para U Piast. para
Weizen die Oka
Gerste „
Hafer ... .... „
Korn „
Eukurutz ^
Heu „
Stroh „
Dalmatinischer Tischwein ^
Dalmatinische Oele „
Hercegowinischer Wein ,
Brantwein ^
Honig „
Reis „
Kaffee „
Zucker in Bröseln ,,
yf raffinierter . ....... ,,
Salz „
Getrocknete Zwetschken „
Butter „
Ünschlitt „
Wachs „
3
9
3
4
7
4
12
7
8
1
2
12
8
25
22
20
20
21
20
5
3
20
4
10
3
4
8
4
17
7
8
1
2
14
8
26
24
22
22
23
23
6
3
20
20
•
10
•
20
20
8
10
•
20
171
T
Gegenstand
para
Piast.
35
1
20
4
30
3
600
450
45
24
10
5
7
1
■
10
•
12
•
15
■
4
Pech die Oka
OchsenfleiBch ^
Schöpsenfleisch „
Ein Ochs
Eine Kuh
Ein Schaf
Ein Taiwiti ....
Eine Schöpsenhaut
Ein Lammsfell
Eine Ziegenhaut . .
Tagelohn.
Ein Maurer
„ Zimmermann
„ Tischler .
, Taglöhner
3
2
500
300
40
20
8
5
6
8
9
12
4
20
20
Neben dem Ackerbau ist im Bosna-Yilajet als einem Alpenlande
die Viehzucht eine ergiebige Quelle des Wohlstandes. Aber auch
hier tritt die Indolenz und Ignoranz des Bosniers so prägnant auf, dass
es ein Wunder ist, in diesem an Weideboden gesegneten Land noch
so viel Vieh erzeugt zu sehen.
Das Rindvieh ist in der Regel klein, schwächKch und es kommen
im Bosna-Vilajet Gegenden vor, wo der für die Ackerbaucultur benöthigte
Bedarf nicht gedeckt wird. Die Kühe sind schwächlich, die Milch
spärlich und wird im Haushalte ganz consumiert. Schweinezucht be-
treibt man in diesen Gegenden gar nicht. Das Schaf und die Ziege
sind zwar Gegenstand einer Pflege nach bosnischer Art, die Ra^e wäre
auch nicht schlecht, aber die ungeeignete Zucht und Pflege hindert ihre
besserev Entwicklung. Die Pferdezucht geht ihrem Verfall entgegen.
Schöne Pferde sieht man wol hie und da, aber sie stammen meistens von
den in Dalmatien stationierten ärarischen Zuchthengsten. Die Erträg-
nisse der Viehzucht kommen größtentheils als Rohproduct zur Ausfdhr
nach Triest, der Rest wird im Lande consumiert.
Außer einigen Kohlenlagern und Eisengruben, die aber unbenutzt
liegen, hat Westbosnien keine Mineralgruben aufzuweisen, hingegen
172
Nord- and Centralbosnien sehr viele, welche aber als toter
Schatz im Schöße der Erde liegen^).
Wie erwähnt, ist Westbosnien wie das ganze Bosna-Yilajet ein
bewaldetes Alpenland, and nur die Gegend um Livno eine snmpfige
Hochebene. Die Laft ist ranh, die Winter dauern lange and die Tem-
peratarverhältnisse zeigen sich für eine schwächliche Eörperconstitntion
wenig zaträglich. Aus diesen Gründen and je nach der Lage der ver-
schiedenen Gegenden herrschen auch verschiedene Krankheiten. Im Hoch-
gebirg ist der Typhus heimisch, den sich die Leute in Folge von
Verkühlungen zuziehen, da sie auch im Sommer in Zimmern schlafen,
wo Tag und Nacht Feuer brennt. In Sumpfgegenden, wie z. B. Livno
herrschen intermittierende Fieber, im Frühjahr und Herbst am meisten,
die bei manchen Individuen sechs Monate andauern. Der Typhus dieser
Gegenden hat selten jenen intensiven Character wie sonst wo. £r
kehrt jedoch mit kurzen Intervallen wieder, ohne tötlich zu enden.
Die Fieber stammen meistens von der Gewohnheit her, im Sommer
bei offenem Fenster oder in der freien Luft zu schlafen; dann auch
vom Genuss angesunder Speisen. Per Landmann genießt vom Mai bis
September sauere Milch, Polenta und schlechtes G^rstenbrod, Feldgras
mit Gerstenmehl vermischt, halb roh und ungesalzen. Von Sanitätsvor-
schriften, Aerzten, Apothekern, Spitälern, Medicamenten u. dergl. ist
nicht einmal die Rede. Türken und Christen huldigen dem Fatalismus.
Selbe sagen: „Der uns von der Vorsehung zum Sterben bestimmte Tag
ist unausweichlich, und kein Arzt, keine Medicin kann Abhilfe schaffen."
Es finden sich aber einige ziemlich geschickte Wundärzte, die Salben
aus den verschiedenen Gräsern selbst bereiten.
Eine der gefährlichsten Krankheiten sind die Blatte rn. Da sie-
ansteckend sind, und hier die Gewohnheit herrscht, dass in einem
Zimmer von wenigen Quadratklaftem manchmal zehn Personen
schlafen, so ist es kein Wunder, wenn die Blattern rapid um sich
greifen, und in Orten wie Kupres, Skoplja, Jaice, wo das Impfen
unbekannt ist, in der Regel tötlich werden. Seit 18Ö5 kam hier die
Cholera nicht vor. Während in den Jahren 1864 — 65 diese Krankheit
in Bosna-Vilajet grassierte, blieb Westbosnien beinahe ganz verschont.
Man muß sagen, dass die günstigen Gesundheitsverhältnisse der
Bergluft und dem starken (Eisen) Wasser zuzuschreiben sind. Wenn
man die Art der Häuserbauten, die Qualität und Quantität der ge-
nossenen Speisen (mitunter auch Fleisch von an Pestseuchen und anderen
*) Im nächsten Hefte unserer Mittheilungen werden wir die Ansicht
e ines Montanbeamten über diesen Gegenstand geben.
A. d. Redaci.
173
Krankheiten omgestandenen Hom- und Schafvieh), die Sitte, die Toten
in der Mitte der Stadt zn begaben and bloß mit ein wenig Erde zu-
zudecken and ähnliches in Betracht zieht, so muß man sich eigent-
lich wandern, dass es mit dem Gesundheitszustand noch so gut steht
Totes Vieh aller Art, menschliche und thierische Excremente, alle
möglichen Abfälle, jahrelang liegen gebliebener Mist u. dergl. bedecken
die Straßen, ohne dass es jemandem einfiele, Sorge für die öffentliche
Reinlichkeit zu tragen. Hunde und Krähen in großer Zahl versehen den
Dienst der Reinigungsorgane.
In den Jahren 1864 — 65 wurde der ganze Bezirk von einer hef-
tigen Viehseuche heimgesucht, die der Bevölkerung einen heute noch
nicht verschmerzten Schaden beibrachte. Statt bei dalmatinischen Thier-
ärzten Abhilfe zu suchen oder sanitäre Maßregeln zu treffen, suchten
die hiesigen Einwohner die Seuche bis auf den letzten Augenblick zu
verheimlichen, bis sie furchtbar zum Ausbruch kam. Als sie endlich er-
loschen war, blieb bei den Schafen eine Art Homkrankheit vor, indem
sich Würmer in den Hörnern einnisten und das erkrankte Thier in der
Regel umsteht. Bei der schlechten Wartung der Thiere ist alles das
nicht verwunderlich.
In der Sommerzeit treibt man das Vieh ins Hochgebirge, wo es —
manchmal tagelang kein Wasser bekonunt Im Winter wird es in nie-
deren, dunklen, ungelflfteten Stallungen gehalten, Sumpfheu und trockenes
Stroh dient ihm zur Nahrung. Der Bosniake ist zu faul, um das Thier
regelmäßig abzufüttern, darum geht auch eine große Anzahl in den
Wintermonaten zu Grunde.
Die Vermittlung der hiesigen Handelsbewegung im Großen ge-
schieht durch ,die österreichischen Handelsplätze Wien, Triest und
Spalato. Durch den Transitohandel über Dalmatien nach Bosnien ist
die Linie Triest-Spalato far den westlichen Theil des Bosna-Vilajets
schon jetzt die frequenteste. Die Linie Metkovid-Mostar würde zwar
geographisch nach Central-Bosnien eine kürzere Strecke aufweisen, je-
doch machen Terrain- und sonstige materieUe Hindemisse sie wenig
pracdcabel.
Die vorzüglichsten Gegenstände der Ausfuhr aus Westbosnien
sind Vieh und Cerealien. Diese Ausfuhr-Gegenstände werden in der
Regel auf die Marktplätze Duvno, Livno und Glamo<i gebracht, dort
veräußert und über die Grenze nach dem vieh- und komarmen Dal-
matien und dem Küstenlande verführt. Ein geregelter Handel fand bis
jetzt in diesen Artikehi nicht statt..
Jeder Producent bringt gewöhnlich seinen Ueberschuss kleinweise
•B die Aosfohrs-Scalen, wo sich erst die Speculation derselben be-
174
mächtigt. Ein für Westbosnien rentabler Zweig der Obstcnltar ist die
Dörrung der Zwetschke, welche sich aber bloß anf die frucht-
baren Bezirke von Skoplja und Rama beschränkt. Anstrengungen, die
die türkische Regierung vor 5 — 6 Jahren machte, sie auch in anderen
Bezirken einzuführen, scheiterten an der Indolenz des bosnischen Land-
manns. Die Ausfahr von Producten des Waldes geschieht in Folge des
Ausfuhrs-Verbotes an der Grenze bloß im Schleichwege. Sonstige Waid-
producte als Theer, Pech etc. werden zum Schiffsbau nach Spalato verführt
Die Einfuhr voii Golonial- und Manufacturwaren geschieht von
Wien und Triest, — Wein, Oele, Spirituosen, Liqueure aus Dalmatien
über Spalato nach Livno im Transitowege, wo sodann die Spediemng
in das Innere Bosniens vermittelt wird.
Kaffee und Zucker, höchst wichtige Consum-Artikel in diesen
Gegenden, sind eine Art Monopol der Regierung, indem Eaffeeschänker
selbe vom diesfälligen Pachtuntemehmer beziehen mfißen. Nebst diesen
Artikeln findet Reis den beträchtlichsten Absatz. Der christliche Be-
wohner consumiert armutshalber von diesen Artikeln so gut wie
gar nichts.
Es ist Thatsache, dass der bosnische Handelsmann jede in das
Gebiet der Cottonerien einschlagende Ware als englisches Fabricat aus-
zugeben bemüht ist. Wol kommen hie und da z. B. Baumwollgame,
damascierte Baumwollstoffe als englisches Fabricat vor, aber sie nehmen
kaum den sechsten Theil des Einfuhrquantums &in, und finden auch
wegen der hohen Preise mit Ausnahme des Garns wenig Abnehmer, daher
dieser Artikel der einzige ist, der fast ausschließlich als österreichisches
Einfuhrs-Erzeugnis betrachtet werden kann. Das eingeführte Tuch
ist hauptsächlich venetianisch, in zweiter Linie mährisches Fabricat.
Die vorherrschenden Gattungen sind die mittelfeinen und ordinären
u. z. dunkelblau, blau, krapproth, dunkelgrün, schwarz und taubengrau.
Die Seidenstoffe sind von derselben Qualität mit bunten und grellen
Mustern. Letztere sind venetianische, mailändische und hie und da
österreichische Erzeugnisse. Posamentier-Artikel in Gold, Silber, Seide
und Baumwolle, als Borten, Schnüre, Knöpfe etc. sind österreichisches
Fabricat, und je billiger, d. i. je ordinärer, desto mehr finden selbe
Absatz. — Juwelen nach europäischem Geschmacke finden hier keine
Abnehmer. — Oesterreichisches Fabricat in Teppichen ist ungeachtet
schönen Golorits und gefälliger Muster wegen Dauerlosigkeit nicht ge-
schätzt, jene aus Rumelien mit ihren orientalischen Dessins werden
vorgezogen. — Metallwaren, u. z. rohe in Blei, Zink, Kupfer und
Weißblech und verarbeitete in Schlössern, Hausgerätschaften u. dergl.
finden großen Absatz.
175
unter die Consum-Artikel ist bei dem hier gebränchlichen endlosen
Fasten als eines der sehr zu berücksichtigenden auch Oei zu zählen.
Dieser Artikel wird ansschliefilich ans Dalmatien dnrch Vermittler be-
zogen und ebenso Wein.
Bier zn mäßigen Preisen wfirde Absatz finden; aber in diesen
Gegenden ist mit diesem Artikel nicht einmal ein Versuch gemacht
worden.
Quincaülerie, Glas, Steingut, Holz und Lederwaren ünden bei
dem gegenwärtigen Grade der Bildung der hiesigen Bevölkerung nur'
sehr geringen, Bücher mit Ausnahme von Handelsbüchem gar keinen,
ordinäre auf Leinwand oder Holz gespannte Bilder (Heiligenbilder)
im Hausiergeschäft so ziemlichen Absatz. Gesucht werden die 1 — l^^'
hohen Muttergottas- und sonstigen heiligen Bilder für den griechisch-
orientalischen Ritus in Silber oder in versilberte Rahmen eingefasst, die
gegenwärtig aus Belgrad bezogen werden. Ordinäre Kunstblumen,
Schmucksachen mit österreichischen und türkischen Wappen oder Bild-
nissen Ihrer Majestäten, mit metalleneii Münzstücken, Glas- und Stahl-
perlen als Verzierung würden bei den bosnischen Weibern viel Bei-
fall finden. Ebenso Schwarzwälderuhren mit Schlagwerken und soge-
nanntem Kukuk, silberne, massive, ordinäre Taschenuhren mit starken,
ja mehreren Gehäusen, silberne und vergoldete, lange und kurze Uhr-
ketten, gewöhnliche, jedoch billige Spielwerke, messingene and plattierte
einfache und doppelte (Arm-) Leuchter, billige Kalb- und lackierte
Stiefletten, Ueberschuhe von Leder und Filz, gefütterte Baumwollhand-
schuhe, wollene und gestrickte Baumwollstrümpfe für Männer und Frauen
von der höchsten Nunmier, weiße und gefärbte Hemden und Unterziehhosen
der ordinärsten Gattung für Männer, Packtaschen für Reisende zu
Pferd, Bchafscheren, steinsche Sensen und Sicheln, Schleifsteine der
besten Qualität, ordinäre und halbfeine Petroleumlampen, Petroleum
m
u. dergL wären Artikel, die dem hier bestehenden Gebrauche und Be-
darfe enteprechen und namhaften Absatz finden würden. Salz und Tabak
ist Monopolsgegenstand der Pforten-Regierung.
Das Hauptbeförderungsmittel des Handelsverkehrs ist in ganz Bos-
nien das SaumtlHer. Dieser Umstand ist sehr erschwerend für den
Handel, da die Handelsleute gezwungen sind, eigene Gommissionäre zu
unterhalten, welche di^ gewöhnlich in großen Fässern oder Kisten von
Wien und Triest ankommenden Waren mit nicht geringen Kosten aus-
uid wieder in kleinere für den Transport zu Pferde geeignete Colli
umpacken müßen. Eine Pferdelast (Tovar) ist gewöhnlich 100 Oka
— 252 Pfd. Die Transportspesen sind nicht gleich, sondern variieren
nach der Jahreszeit. Im Sommer pflegt man 8 — 10 para, im Winter
176
10 — 12 para pr. Oka von Livno nach Spalato and vice versa zn zahlen.
Eine Aenderung dieses Uehelstandes ist nicht so geschwind zu hoffen,
weil die hiesigen Einwohner viel auf ihre alten Gewohnheiten halten
und sich nicht so leicht eines bessern belehren lassen.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass zwar der Handel in den
letzten Jahren mit der Zunahme der nummerischen Zahl der BeYöl-
kerung sich vermehrte, jedoch wenig lucrativ wurde. Sehr wenige
Handelsleute haben Kenntnis der europftischen Handelsverhältnisse und
der österreichischen Handelsplätze. Einige größere Kaufleute leiten und
vermitteln entweder selbst oder mittels Commissionären den ganzen
Handel mit österreichischen Handelsplätzen. Nur diese führen eine
leidliche Correspondenz und Geschäftsbnchung, während die den Klein-
verschleiß vermittelnden Handelsleute in Abhängigkeit von jenen stehen.
Der Hauptgrundsatz der hiesigen kaufmännischen Praxis besteht bei
derlei unter dem Patronate der wohlhabenden Kaufleute befindlichen
kleinen Handelsleuten darin, recht viel Credit zu bekommen, zu fallieren,
und mit dem auf solche Art erworbenem Gelde Wucherspeculationen
vorzunehmen.
Das vorzugsweise cursierende Geld sind die k. k. Sovreigns,
Randducaten und das alte Conventions-Silbergeld. Das gebräuchliche
Längenmaß ist der Arschin = 2^^^ und der Pick = 2,^^ W. Fuß.
Das Gewichtsmaß ist die Oka = 2^\^ Pfd., nach welchem die Ge-
tränke und Gegenstände aller Art verkauft werden.
Zur Beschreibung der hiesigen Handelsverhältnisse ist hinzuzu-
fügen, dass das türkische Regierungssystem den Handel bis jetzt
gar nicht förderte , dass die Eisenbahnlinien für diese Gegenden nur
im Projecte bestehen, Straßen und Wege kaum seit 4 — 5 Jahren
im Baue und die Brücken in kaum benutzbarem Zustande, dass die
Telegraphenlinie von Serajevo nicht mit der österreichischen ver-
bunden ist, sondern für Westbosnien in Livno ihren Endpunct findet.
Andererseits aber muß man auch einräumen, dass der österreichische
Handelsstand (und es wird aus Erfahrung gesprochen), erst in den
letzten Jahren und zwar noch viel zu wenig diese Länder in Be-
tracht zu ziehen beginnt. Es wäre für denselben von der größ-
ten Wichtigkeit, sich an den großen Jahresmärkten wenigstens probe-
weise zu betheiligen, die Sitten, Gebräuche und Bedürfoisse der bos-
nischen Bevölkerung zu studieren. Dadurch würde für' die Handels-
beziehungen das beste gethan, um den österreichischen Industrie-Erzeug-
nissen den ihnen schon aus der Natur der geographischen Lage
Westbosniens gebührenden Absatz zu verschaffen.
177
Geographische Literatur.
Protocoll der permanenten Gommission fflr euro-
päische Gradmessung vom 23. bis 29. September 1869 in
Florenz. (Als MS. gedruckt.)
In den sechs Sitzungen der europäischen Gradmessungs-Gommission vom
Jahre 1869, welchen Hr. ^n.-Maj. von Fligely präsidierte, wurde von Herrn
Bruhns ftber die Thätigkeit der permanenten Gommission seit den letzten
nicht beschlussföhigen Sitzungen (October 1868) referiert. Herr Gen. Baeyer
besprach die Organisation des zu gründenden geodätischen Instituts in
Preußen, wozu 23.480 Thlr. einmalig bewilligt wurden, welches für die Dauef
der europäischen Gradmessung . vom Präsidenten des internationalen Gentral-
bureau's geleitet, später die Fortbildung der höheren Geodäsie, Astronomie
and der mathematisch-physikalischen Wissenschaften in Preußen vermitteln
soll. GM. von Fligely legt die Dreiecksverbindung zwi>chen Dalmatien uUd
Italien vor; Schiavoni theilt die Hesultate seines Vergleichs der italienische^
and preußischen Toise mit. Es wird beschlossen, südlich von 52^ NB. unter
Mitwirkung der süddeutschen Staaten eine zusammenhängende Haupt<^
triangulation herzustellen, und auch die dazu bewilligten Geldmittel (pro prae^
terito et futuro) kundzugeben. An den Staatssecretär Gardinal AntonelH
wurde ein Schreiben gerichtet, um die Einbeziehung des Kirchenstaats in das
enropäiBche Gradnetz zu erwirken. E. de Yecchi gab eine üebersicht über
die Triangnlierungsarbeiten in Italien, Ibanez über jene in Spanien, welche
den Beschluss veranlasste die französische Regierung um Verbindung der alr
gierischen Dreiecke mit der spanischen Gradmessung anzugehen. Nach dem
Berichte des Herrn Bruhns sind die Arbeiten in Sachsen bestens vorgeschrit-
ten, und nach Angabe des Hrn. Hirsch ist man in der Schweiz mit der Berechnung
des Netzes beschäftiget, bei welcher Gelegenheit auf die guten Dienste der
Rechenmaschine von Thomas (Preis 500 Franken) hingewiesen wird. Herr
Govi schlägt einen neuen Pendelapparat vor, der zur Erprobung empfohlen
wird. Auch das neue Messrad von Steinheil wird bei Nachmessung einer
Basis zur Anwendung für erwünscht erklärt. Ein Brief des berühmten Mathe-
matikers Gauß über Reduction einer gemessenen Polhöhe auf den Meeres-
horizont wird ins Protocoll aufgenommen. Zur Herstellung eines Meterproto-
tjpB wird die Greierung einer internationalen Gommission angeregt. Zum Orte
der nächsten Versammlung wird Wien bestimmt. — s --
LeJirbuch der Erdbeschreibung in natürlicher Verbindimg
mit Weltgeschichte, Naturgeschichte und Technologie, fflr den Schul- and
Privatgebrauch von A. Zachariae. Achte durchgängig umgearbeitete
imd sehr vermehrte Auflage, herausgegeben von Louis Thomas, Leh-
rer an der 5. Bürgerschule zu Leipzig. I. Theil. Leipzig bei Ernst
Fleischer 1868.
Zachariae's Lehrbuch der Erdbeschreibung war seinerzeit der erste
Versuch, die der Erdkunde verwandten Fächer in den erdkundlichen Unter-
richt mit einzubeziehen. Es fand begreifdch Anklang, und die nachfolgenden
Auflagen des Buches, von der zweiten bis zur sechsten, von Dr. van der
Smissen besorgt, bemühten sich dem oben angedeuteten Zwecke durch eine
immer concisere Fassung des Lehrstoffes gerecht zu werden Der gegenwärtige
Bearbeiter Louis Thomas in Leipzig hat dem Buch, das früher insbesondere
für die weibliche Jugend bestimmt war, einen mehr allgemeinen Gharacter ge-
geben, den Lehrstoff vielfach erweitert, den mittlerweile veränderten Ver-
ähniBsen angepasst und überhaupt dasselbe eiiier durchgängigen gründlichen
Revision unterzogen, die, wie wir nicht anstehen zu bemerken, durchwegs zum
Vortheii des in den Schulen vielverwendeten Leit&dens ausfiel. Dem vorlie-
OMgnphiscb« Mitili«UxingeD. 1870.4. X2
178
genden ersten Theil, der die Geographie in der oben beaeichneten Verbindung
enth<. wird in kurzem ein zweiter mit Schilderungen aus der Länder-
und Völkerkunde folgen. B.
Notizen.
LiTingstone. Wir stellen unsern Lesern in nachfolgendem alles zu-
sammen, was in den letzten vier Wochen über Livingstonein den öffentlichen
Blättern zu lesen war. Ueber das Schicksal des berühmten Reisenden fehlt es
noch immer an sichern Nachrichten. Das Gerücht über seinen Tod, welches in
der jtlngsten Zeit verbreitet war, beruhte auf einer Nachricht des indischen
Amtes, die ihm aus Bombay war telegraphiert worden. Dort war sie mit dem
Zusatz eingetroffen, dasa Livingstone vergiftet worden sei. Eine Vergleichung
des Datums mit dem eines letzten Schreibens zeigte jedoch bald, dass die An-
l^be auf einem Misverständnis beruhe. Neue Briefe von seiner Hand wären
jetzt doppelt erwünscht; denn wenn er seinem Eeiseplan treu blieb, führte ihn
sein Weg durch Stämme arabischer Sciavenhändler, denen weiße Reisende von
Livingstone's Character niemals willkommene Erscheinungen sind und von
denen man sich des Schlimmsten versehen kann.
Dagegen veröffentlichen die Cap-Zeitungen Briefe von Living-
stone an Hm. Gh. Maclear. Der letzte derselben ist datiert aus Cazembe
8. Juli (1869?). Femer einen Brief von Dr. Kirk dd. 7. September 1869 mit
der Meldung, dass Livingstone die Nilquellen in den Seen bei Cazembe
gefunden habe, wie sie von den Portugiesen Cacerda und Monteiro be-
schrieben^ worden seien. Doch sei dieser letzte Brief sehr unvollständig und
gebe keine Einzelheiten.
Die ^Times^ veröffentlicht unterm 2. Februar den folgenden Brief von
Capitän Ernest Cochrane, Commandeur des englischen Kriegsschiffes ^Peterel^
an der westafricanischen Küste, an dessen Schwiegervater:
„9. Jänner 1870. Mein werter Herr! Wenige Zeilen, um Ihnen mit-
zutheilen, dass Livingstone 90 Tagreisen vom Kongo von den Eingebornen
getötet und verbrannt worden ist. Er kam durch eine von Eingebornen be-
wohnte Stadt und war drei Tage auf der Weiterreise, als der König der Stadt
starb. Die Eingebomen erklärten, Livingstone habe ihn bezaubert, schick-
ten ihm nach und sagten ihm, er habe ihren König bezaubert und müße sterben.
Dann töteten und verbrannten sie ihn. Diese Nachricht kommt durch einen
portugiesischen Handelsmann, welcher diesen Weg gereist war. Livingstone
war an den Seen bei der Quelle des Kongo und befand sich auf dem Wege
nach dem Kongo, wo er herauszukommen gedachte. Ich glaube diese Nachricht
ist wahr.*
Die ^Times* vom 3. Febr. enthält nicht weniger als drei Zuschriften über den
Brief des Gapitans Cochrane. Dass dieser die Nachricht so übermittelt hat, wie
er sie von dem portugiesischen Handeismanne bekommen, bezweifelt niemand,
wol aber werden die Aeußerungen des letzteren als höchst unwahrscheinlich,
wenn nicht geradezu unmöglich hingestellt. Zunächst vergleicht Sir Roderick
Murchison, der Präsident der geographischen Gesellschaft in London, die
neue Nachricht mit den letzten Daten, welche über den Aufenthalt Living-
stone's in unserem Besitze sind. Das Argument lautet folgendermaßen: Am
dO. Mai 1869 schrieb Livingstone von Udschidschi nach Zanzibar und bat
um Zusendung von Bootsleuten und Waren, um nach dem Norden des Seea
Tanganyika zu gehen. Die Yorräthe giengen frühestens in der ersten Woche
des October ab, konnten den Reisenden daher nicht vor Mitte December er-
reichen. Wie konnte da Livingstone die Expedition nach dem Norden des
179
See« Tanfanyika organisiert, diesen erreicht und am ihn herum die noch an*
bekannten Seen an der Quelle des Kongo aufgefunden haben? Und selbst,
w&re er unbe^iüicher Weise allein^ ohne Begleiter und Yorräthe abffereist,
er b&tte um die Zeit, wo sein Tod stattsefunden haben soll, die Qaelle des
Kongo nicht erreichen können, da der Tod mindestens 90 Tage vor Eintreffen
der Nachricht an der Küste hätte stattfinden mttßen. Im übrigen an und
ftr sich ganz unmöglich h< Sir B od er ick die Sache doch nicht und er yer-
weist auf eine von ihm der geographischen Gesellschi^t früher mitgetheilte
Yennuthong, der zufolge die Rückkehr Livings tone's, falls seine versuche,
den Tanganyika mit dem Nil zu verbinden, scheiterten, dem Kongo entlang
nach der Westküste möglicher Weise zu erwarten wäre.
Eine auf das gleiche Eesultat hinauslaufende Zeitberechnung stellt ein
anderes namhaftes Mitglied der geographischen Gesellschaft, Mr. Horace Wal-
ler an, weist dann auf die früheren portugiesischen Märchen über Living-
stone's Tod, welche nach den englischen Kriegsschiffen an der ostafricanischen
Kflste gebracht wurden, hin und gibt einem ganz entschiedenen Zweifel an der
Richtigkeit dieser neuen Kunde Ausdruck.
Die mit Africa in Beziehung stehende Firma Grant, Brodle und
Comp, schließlich erklärt, dass die nämliche Geschichte ihnen schon vor meh-
reren Wochen durch ihre Correspondenten in St. Paul de Loanda gemeldet
worden sei, und dass sie bei den vorhandenen Nachrichten über Livingstone,
die zuverl&BUg bis zum Mai und wahrscheinlich sogar bis Juli 1869 führen,
keinerlei Grund zur Besorgnis biete.
Der Bericht des Correspondenten von Grant, Brodie und Comp,
ist interessant genug, um ganz wiedergegeben zu werden. „Nach einer
langwierigen Reise^, schreibt der Portugiese, ^überschritt ich den Kongo,
nahe bei der Stadt des Häuptlings Katende, über eine Baumbrücke,
und drei Tage später wandte ich mich südsüdöstlich, bis ich die Stadt des
Häaptlings Manguangua in 12tägiger Wanderung vom Kongo und in 95-
tägiger von Malange in Angola erreichte. Zwei Monate nach meiner Ankunft
— am 15. Juni 1868 — wurde mir bekannt, dass in der Stadt des Häuptlings
Chinde (Schinte?) auf der anderen Seite des Zambesi eine groüe Gesandt-
schaft vom Muati-Cazembe angekommen sei, die mit Tribut auf dem Wege
zum Muati-Janvo war. Aus Neugierde entbot ich den Gesandten zu mir, und
er kun mit seinem ganzen Gefolge, etwa 500 Mann. Als ich mit ihm über die
Wege nach Mozambique sprach, fiel es mir ein, mich nach Dr. Livingstone
zn erkundigen. Er erwiederte , es sei nicht recht, über einen solchen „Fetish-
mann'^ zu reden. Ich stellte mich beängstigt über diese Antwort und ließ
mehrere Tage vergehen, bevor ich wieder denselben Gegenstand berührte. Da
wir von Tag zu Tag auf freundschaftlicheren Fuß mit einander traten, so lud
ich ihn eines Abends in mein Zelt ein, wo ich zwei Krüge CacoUo — ein aus
Honig bereitetes Getränk — für ihn fertig stehen hatte, und nachdem der
Diener entfernt worden, erzählte er mit vieler Geheimthuerei folgende Ge-
schichte. Der Calunga, d. i. Livingstone, war ein großer Fetishmann (Zau-
berer) gewesen, der jeden Tag mit der Sonne sprach, nie in einem Hause
schlief, die wilden Raubthiere nicht fürchtete, stets , ein Thier in einer Schach-
tel bei sich führte, welches nichts aß und mit dem er immer sprach» um den
Weg von ihm zu erforschen, indem er sich nie bei einem Menschen darüber er-
kundigte. Zuweilen nahm er Papiere vor sich und redete laut mit ihnen;
über Flüsse setzte er, ohne ein Boot zu gebrauchen . und verrichtete manche
ändere Wunder. Bei seiner Rückkehr aus Loanda stand er schon in dem
Rufe eines Hexenmeisters und niemand begegnete ihm gern. Einige Tage
nachdem er vorbeigewandert, starb der Sohn eines Häuptlings, etwa 20 Tage-
reisen von dem Orte dieser Unterhaltung entfernt. Im Glauben, dass Living-
stone seinen Sohn behext habe, verfolgte der Häuptling ihn, holte ihn aber
nicht ein. Als er nach einiger Zeit vernahm, dass Livingstone sich wieder
seinem Gebiete nähere, schickte er Leute zu ihm aus und gab ihm Muan^e zu
trinken, womit die Zauberer geprüft werden , und sobald sich die töthchen
Wirkungen zu zeigen begannen, viertheilten sie ihn und verbrannten seinen
Leichnam. Dies ist die Nachricht, welche Fumo Aicaca, Gesandter des
12*
18Ö
H&aptlings yon Cazembe, mir mittheilte, als ich mit ihm susammen war am
Ufer des Zambeza, vom 15. bis zum 26. Juni 1868.^ Es unterliegt wol keinem
Zweifel, dass diese Erz&hlung dieselbe ist, welche sp&ter zum Capit&n Goch-
rane gelangte, und da Livingstone, wie wir aus seinen eigenen Briefen
wissen, im Juli 1868 in Gazembe's Stadt und im Mai 1869 in Udschidschi war
— oder wenn die arabischen Anniben richtig sind, noch im Juli 1869 — , so
darf man die gestrige schlimme Nachricht auf dieselbe Stufe stellen mit der
bekannten Eidichtung der vor Livingstone entlaufenen Johanna-Leute.
Wie viel von jener Geschichte dem Portu^pesen und wie viel seinen schwai^
zen Oew&hrsm&nnem zuzuschreiben ist, bleibt dabei ziemlich gleichgültig. Wir
bemerken dazu nur, dass die in der Erzählung vorkommenden (htsangaben
nach den besten vorliegenden Karten einander sehr widersprechen, wenn man
nicht annimmt, dass Katende irrthümUch an die Stelle von Manguangua und
umgekehrt gesetzt worden sei. Livingstone wird in jenen Gegenden aller-
dings noch bekannt sein, da er sie vor vierzehn Jahren durchwandert hat.
(K. Z.)
Mmizlnger. lieber die letzten Schicksale Hunzingers, und insbe-
sondere den Mordanfall, der ihn auf ein langes Krankenlager ges(a-eckt hat,
finden sich eingehendere Nachrichten, als die bisher bekannt gewordenen, in
mehreren Briefen des Gonsularagenten Hassen in Massaua an den Missionär
Staiger in Alexandria, aus welchen die Karlsruher ^Warte^ folgendes mit-
heilt: minder abessinischen Provinz Bogos unterstQtzte Munzinger, wie alle
Givilisationsbestrebungen , so auch die dortige katholische Mission der Lazari-
sten mit größter Aufopferung. Er selbst baute sich zu Keren, dem Hauptorte
des Bezirks, ein Wohnhaus, und ließ zum aufinunternden Beispiel für die
Eingebornen allenthalben Gulturarbeiten vornehmen. £Ir erwarb sich dadurch
die Freundschaft des abessiniBclieu Fürsten Welda Mikael, der ihn zu sich
entlud, um ihm Keren als eigen zu geben und zuffleich die Statthalterschaft
über Bogos zu verleihen. In seiner bescheidenen Weise machte Munzinger
wenig Aufsehen damit, gieng sofort an die Organisation der nöthigsten Yer-
waltungseinrichtungen daselbst, und trat am 28. September 1869 die Rückreise
auf seinen Gonsulatsposten nach Massaua an. Etwa drei Stunden von Keren
traf ihn ein Ueberfall von Eingebomen, vier Kugeln verwundeten ihn schwer
am rechten Arm, der rechten Schulter, in der rechten Brust und durch das
Gesäß. Trotzdem besaß der Yarwundete noch die Kraft und die Energie, zu
Pferde in das Keren zunächst gelegene Dorf zurückzukehren, wo er übernach-
tete. Am andern Morgen kamen Leute aus Keren in großer 2iahl, welche das
Mitleid herbeigeführt hatte, und welche den schwer Leidenden mit ungemeiner
Sorg< sozusagen auf den Händen wieder mit sich heimtrugen. Als am
8. October die Nachricht hiervon in Massaua eintraf, schickte der dortige Gou-
verneur sogleich den Dr. Ali Efendi nach Keren. Glücklicherweise gelang es
der Geschicklichkeit dieses Arztes alle vier Kugeln nach und nach herauszuzie-
hen, so dass für das Leben Hunzingers bald keine Gefahr mehr obwalte.
Wenigstens stellte Dr. Ali Efendi, seit dem 7. November zurückgekehrt, in
bestimmte Aussicht, dass Munzinger Ende Decembers im Bette liegend nach
Massaua transportiert werden könne, wenn es auch noch längere Zeit dauern
werde bis er wieder zu gehen oder zu reiten im Stande sei. Dem Attentat
liegt ein Gomplott von Leuten zu Grunde, welche sich durch Verleihung
Kerens an Munzinger in ihren vermeintlichen Rechten auf die Alleinherr-
schaft über Bogos gekränkt glauben. Der sicherste Verdacht ruht auf einem
gedungenen Mörder, welcher seit der That in die Wildnis floh, und deshalb
schwer erreichbjir sein wird.^ Als mutmaßlicher Anstifter des meuchleri-
schen Ueberfalles gilt der abessinische jesuitische Priester Abu Emnetu. Der-
selbe ist auf Befehl des Königs Kossa von Tigre in Eisen geschmiedet und
durch eine Escorte von 400 Soldaten zum Verhör von Keren nach Adoa ge-
bracht worden. Dieselben Vorgänge berührt der Brief eines Badeners aus.
Alexandria unter Ausdrücken der Hochachtung und Theilnahme für Hunzin-
ger, welcher es gewesen, durch dessen Fürsorge den in König Theodoroe' 6e-
mngenschaft gehaltenen deutschen Hissionären trotz der größten Schwierigkei-
ten Briefe, Geld und andere Bedürfnisse in die Hände kamen. Wenn Mnn-
181
Binger sich der völligen Wiederherstellung erfreuen wird, so ist andererseits
auch alle Aussicht yoraanden, dass die englische Regierung, ihren unbewussten
Undank gutmachend, seine &ußeren Lebensumstände durch ein hinreichend
eintrftgUches Amt verbessern wird.
BevVlkeniiig von London. Laut amtlicher Schätzung wird die Bevölkerung
Londons in der Mitte des Jahres 1870 3,210.000 Seelen betragen (Mit Einschluss
der Yorstadte, von Hampstead bis Streatham, von Woolwich bis Hammershmith).
Fär den gleichen Zeitpunct wird geschätzt (in runden Zahlen): Liverpool
öiaOOO, l&nchester 375.000, Birmingham 370.000. Leeds 260.000, Shemeld
247.000, Bristol 171.000, Bradford 143.000, Newcastle upon Tyne 133.000, HuU
13L0OO, Salford und Portsmouth je 122.000, Leicester 97.000, Sunderland
94.000, Nottingham 89.000, Norwich 81.000, Wolverhampton 73.000. Summe
dieser 16 Städte, ohne London, 3,026.000; mit London 6,241.000, d. h. etwa
30 ihrocent der GesammtbevOlkerung Englands ! — Ferner Edinburg mit 179.000,
Glasgow mit 468.(XX), zusammen 647.0(X), also etwa 20 Procent von Schottlands
(resammtbeirölkerung. Endlich Dublin mit 322.000 (Irland im ganzen 5,800.000
Einwohner). — London und alle diese 19 Städte zusammen zählen 7,210.000
Einwohner, d. h. ungefähr 25 Procent der Gesammtbevölkerung von Großbri-
tannien und Irland — gewiss ein sehr bedeutsames Verhältnis. (A. A. Z.)
Die Ermordung des Frl. Tlnne. Heinrich Frhr. v. Maltzan gibt
nach einem Briefe vom österreichischen Gonsul Lnigi Rossi in Tripolis
Attfschlflsse Aber die Ermordung Frl. Tinne's. Aus dem Berichte Rossi's
geht hervor, das Frl. Tinne das Opfer einer Stammeszwistigkeit derTuareggs
Seworilen ist. Sie hatte sich schon gleich bei ihrer Ankunft in Mursuk um
en Schutz des mächtigsten Häuptlings der Tuareggs in der Gegend von Ghat
bew<»rben und von diesem eine Escorte verlangt, um sich zum Lagerplatz sei-
nes Stammes zu begeben, wo sie den Sommer zuzubringen gedachte. Ichnu-
chen, so hieß dieser Häuptling, sagte ihr den Schutz zu und sandte die ver-
langte Escorte ab. Letztere bestand aber leider ans Leuten, welche mit Ich-
nuchen höchst unzufrieden waren, und zwar in Folge eines Friedensschlusses
desselben mit einem anderen Tuaregg-Häuptlinge, bei welcher Gelegenheit ihre
Interessen von Ichnuchen nicht genug berücksichtigt worden waren. Sie wuss-
ten ihre' feindliche Gesinnung gegen ihr Oberhaupt oder ihren Yerbftndeten
(denn viele Leute der Escorte waren nicht Unterthanen Ichnuchen's, sondern
gehörten einem verbündeten Stamme an) zu verbergen, brüteten aber Rache
und f^laubten diese nicht auf eclatantere Weise nehmen zu können, als indem
sie die Schutzbefohlene Ichnuchen's ermordeten. Fräulein Tinne besaß keine
Ahnung von diesen Stammeszwistigkeiten , wol aber hätte der türkische Gou-
verneur von Mursuk davon unterrichtet sein und die Reisende warnen sollen,
sich in ein so unruhiges Gebiet zu begeben. Frl. Tinne vertraute sich deshalb
der Bande, welche sie für eine sichere Escorte hielt, sorglos an und reiste in
deren Begleitung nach Schara, drei bis vier Tagreisen von Mursuk, und von
da nach Birguig, wo sie sich bereits außerhalb des türkischen Gebietes befand.
Dort fand der mörderische Ueberfall statt, und zwar wurden außer Fräulein
Tinne noch zwei Holländer, ein früherer Matrose ihrer jetzt verkauften Yacht
und ein Knabe, Sohn eines anderen Matrosen, die einzigen Europäer, welche
bei ihr geblieben waren, getötet. Ihre sämmtliche fahrende Habe, worunter
auch eine Eameel-Ladung von Maria-Theresienthalern (der gangbarsten Münze
im Innern) wurde unter die Mörder vertheilt.
Nach einem Briefe von Hm. Chapmann, englischen Vicecoosul in Ben-
Ghasi an Rohlfs hätten die Tuareggs, welche die Escorte Fräul. Tinnefs bil-
deten, diese deshalb aus dem Wege schaffen wollen, weil sie einem Raubzuge
hinderlich war, welchen sie gegen den Dschiraffi-Stamm im Süden von Mursuk
beahaichtigten. Der Bruder des Chefs der Escorte war nämlich vom besagten
Stamme ermordet worden, und um seinen Tod zu rächen, machte der Ueberlebende
den Plan, statt mit Frl. Tinne direct an Ichnuchen nach Ghat zu reisen, erst
einen Abstecher von wenigstens einer Monatsreise ge^en Bilma zu unterneh-
men, um den Dschirafft-Stamm durch eine vollständige Razzia zu züchtigen
\S2
und auf diesem Raubzuge die flim auTertrante Beizende mitzniiehmeii. Da sie
sich dem widersetzte, sich auf Ichnnchen berief und mit dessen Zorn drohte,
so wurde ihr geantwortet, dass man sich nicht um Ichnuchen ktünmere , viel*
mehr die triftigsten Gründe zur Unzufriedenheit gegen ihn habe. Der Wunsch,
sich durch die Ermordung der Reisenden an Ichnuchen zu rächen, scheint bei
dieser Grelegenheit zuerst in Anregung gebracht worden zu sein. Aber die
TuareggS hüteten sich wol, ihr schändliches Vorhaben zu verrathen, vielmehr
behandelten sie die Reisende mit aller Aufmerksamkeit, bis sich dieselbe außer-
halb des türkischen Gebietes, belBirguig <4 Tagereisen südwestlich Ton Mursuk
völlig in ihren Händen befand. Am nächsten Morgen nach ihrer Ankunft in
Birguig, als eben die Eameele zur Abreise beladen wurden, führten sie ihren
Moi^plan aus. Ein Streit war unter den Eameeltreibern ausgebrochen, welchen
zu schlichten die beiden Holländer im Dienste Frl. Tinne's herbeieilten und
bei dieser Gelegenheit in der Eile vergaßen, ihre Waffen mitzunehmen. Fr&ul.
Tinne blieb vor ihrem Zelte stehen, nur von den Häuptlingen der Tuareggs
umgeben. Als der Streit jedoch hitziger wurde, wollte sie selbst näher treten
und bewegte sich nach der Richtung der Streitenden hin. Diesen Augenblick
benutzte der Tuaregg-Häuptling , der hinter ihr stand, dazu, sie mit seinem
breiten Schwert niederzuhauen. Sie stieß einen lauten Schrei aus und sank
dann entseelt zu Boden. Auf den Schrei ihrer Herrin stürzten die beiden
Holländer eiligst den Zelten zu, um ihre Waffen zu holen, wurden aber nieder-
gehauen, ehe sie dieselben erfassen konnten. Nun fielen die Mörder über die
Beute her. Zuerst sprengten sie die metallenen Wasserbehälter, mit denen
viele der Kameele beladen waren, in der Meinung, dieselben müßten Gold oder
Silber enthalten, sahen sich aber schwer enttäuscht und schwuren nun, einen
Raubzug nach Mursuk selbst zu unternehmen, um sich auch des dort zurück-
febliebenen Gepäcks der Reisenden zu bemächtigen. Die Neger der Fr&ul.
'inne, etliche 60—70 Mann, wurden nicht alle zu Sclaven gemacht, sondern
nur die jüngsten und von den Negerinnen nur die hübschesten. So wurde auch
die kleine Lieblings-Negerin Frl. Tinne's, ein halbes Kind vom Stamme der
Niam-Niam , Namens Ismina, zur Sclavin cremacht. Die übrigen Neger kehrten
nach Mursuk zurück und hinterbrachten die Todesnachricht.
Der Isthmus von Corinth. In den Jahren 1829-1830 war ich Conur
mandant der Acro-Gorinth. Die damalige griechische Regierung unter dem
Präsidenten Graf Capo d'Istria hatte in ihrer Befürchtung einer Invasion der
romalistischen Truppen, deren Chefs sich gegen die Regierung au&ulehnen
begannen und bereits durch bedrohliche Symptome ihre Abneigung gegen die
Verwaltung des Grafen Capo dl Stria kundgegeben, mich zu diesem Posten
berufen, um im Falle einer Invasion diesen für die Regierung so wichtigen
Dorchgangspunct in den Pelopones zu schützen. Das Jahr indess verstrich
mhig und gab mir Gelegenheit, auf meinen Jagdausflügen den Isthmus von
Corinth in seiner ganzen Ausdehnung kennen zu lernen. Sehr bald stiefi ich
auf die antiken Spuren eines Versuches für die Durchstechung des Isthmos •
für eine Verbindung des aegaenischen Meeres mit dem Golfe von Corinth and
ist seit jener Zeit die Ausführung dieses Werkes für mich ein Gedanke ge-
blieben, den ich mit Vorliebe festgehalten und 'der nach den neuesten Berich-
ten auch jetzt mit Ernst in AngnS genommen wird ! Eine französische Gesell-
schaft hat bereits von der königl. griechischen Regierung die Concession für
den Durchstich des Isthmus von Corinth unter vortheilhaften Bedingungen
erhalten und kann mit den nöthigen Mitteln versehen dieses für die levanti-
nische Schiffahrt und Handel so wichtige Werk auch in wenigen Jahren
ohne große Schwierigkeiten vollenden.
Mein leider zu früh gestorbener Freund, der General-Consul Ritter von
Hahn, hatte diese, besonders für den österreichischen Handel so wichtige
Frage, mit seinem gewohnten Fleiß und Ernst studiert und darüber an maß-
gebender Stelle eingehenden Bericht erstattet. Es ist leider darüber bis jetzt
nichts bekannt geworden und dieses Werk, welches nächst Griechenland haupt-
Bäehlich nur der österreichischen Schiffahrt, dem österreichischen EUmdel und
188
der asterr. IndoBtrie zu gute kommt — wird heute von frauzöBischen Gapita-
listen durchgeführt I Ein Blick auf die Karte genügt, um sich über den im-
mensen Vortheü klar zu werden, den der Durchstich des Isthmus von Corinth
für das Aufblühen des österreichischen Handels nach der Levante zur Folge
haben inuQ. Bei der abgekürzten Fahrzeit können alle österreichischen
Waren auf den levantinischen Märkten billiger geliefert und somit der
dmrch die ungeheure Concurrenz zurückgedrängte österreichische Absatz wieder
zurückerobert werden! Möge man in Wien und besonders in Triest diese
wichtige Frage würdigen und ihr die Aufmerksamkeit schenken, die sie
im woWerstandenen Interesse für das Aufblühen des österreichischen Handels
und seiner Industrie verdient!
Die technischen Vorarbeiten werden bald den Beweis liefern, wie geringe
Schwierigkeiten hier zu überwinden sind und dürfte das begonnene Werk
Nero's schon den Lauf des Durchstiches bezeichnen. Die größte Schwierigkeit
möchte sich in der Anlegung eines sicheren und geräumigen Hafens im Golfe
von Corinth zeigen — doch konnte man bei Port Said die Schwierigkeiten
fiberwinden — so werden sie sich hier mit weniger Mühe und geringerem
Kostenaufwand überwinden lassen. 9
TemperaturTerhKltidsse in den ober^fsterreiehisehen 8eeii. Unser
Mitglied, Herr Prof. Simony, gab in der Sitzung der mathematisch-natur-
wissenschaftlichen Classe der kais. Academie vom 20. Jänner eine vergleichende
Uebersicht der Temperatur- Verhältnisse des Hallstätter Sees, Gmundner
Sees und der beiden Langbath-Seen, in welchen er zu gleichen Zeiten
der Jahre 1868 und 1869 Wärmemessungen durch alle Tiefen voigenommen
hatte, um den Grad des Einflusses des verschiedenen climatischcn Characten
der genannten zwei Jahre auf die Seentemperatur zu ermitteln.
Einige Angaben der zahlreichen Messungsresultate mögen diesen Ein-
fluss ersichtlich machen.
Temperatur in Graden Keaumur.
1
. Tiefe
Gmünd
ner See
Hallstätter See
1
in
i. October
1 i
1 1. Octob«r 1
26. Septemb.
83. Septemb.
Wr.Fuß
1868
1869
1
i 1868
1869
5
18
•00
-!
11-50
11«
'20
10-00
20
12
65
11-30
10"
•45
9-65
40
12
•00
11 -20
9
•40
9- 10
60
9
•85
9- 75
8'
70
8- 70 [
75
9
•00
9 20
7"
85
8 30 1
100
7
•80
7-60
6-
75
6- 20 1
125
6
70
6 10
5
75
500
200
4
45
4-35
4'
00
3-55 '
250
4
05
405
3
80
3-50
300
3
•90
3 95
3
70
3-45
350
8
■80
3-85
3 65
3-45
, 400
3
75
, 3 80
t
500
3
•75
3-80 '
1
604
3
75
i 3 75
1
1
184
Tiefe
in
Wr. Fuß
Vorderer Langbath-See
"Hinterer Langbath-See
S. October
1868
so. Septamb.
1869
1
1 8. October
i 1868
80. Septemb.
1869
5
13 05
12-15
11-90
10 05
10
13
00
11-80
11-70
9-85
15
12
95
11 50
11-40
8-70
30
8
20
8-50
7-65
6-20
40
6
•50
6-05
6-25
5 50
60
4
•80
4-80
5-60
5-20
80
4
•20
4 20
1
110
4
90
4 20
1
Da« Auftreten einer im Vergleiche zum Jahr 1868 relativ höheren Tem-
peratur bei 75 Fuß* Tiefe im Gmundner und Hallstätter See, sowie bei 30 Fuß
im vorderen Langbath-See glaubt Hr. Prof. Simony hauptsächlich auf die hohe
Temperatur des Juli 1869 zurückführen zu dürfen.
Weiter zeigte der Vortragende einen von ihm construierten Apparat vor,
welcher den Zweck hat, die wahren Temperaturen größerer Seetiefen mh
möglichster Genauigkeit zu ermitteln, da bei den Messungen mit dem gebräuch-
lichen Minimumthermometer in Folge des Druckes m&chtiger Wassersaul^i
auf die Thermometerkugel in jedem Falle eine wenn auch geringe Verlänge-
rung der Thermometersäule und damit eine entsprechende Unrichtigkeit in der
Temperatur- Verzeichnung angenommen werden muß.
Der erwähnte Apparat besteht aus einem 14 Zoll hohen, 3^4 Zoll im
Durchmesser und gegen 116 Zoll an kubischem Inhalt messenden, mit einer
konisch geformten Korlqplatte schließbaren Cylinder von dickem Glase, dessen
solide Hülle zwei größere, mit gut passenden Deckeln versehene Büchüsen von
starkem Weißblech bilden. In dem Glascylinder befindet sich ein aus vier
massiven Eisenstäben und zwei dicken Korkplatten bestehendes Gerüste, dessen
Aze ein in Fünftel-Grade getheiltes Quecksilber-Thermometer darsteUt. Die
Kugel des letzteren ist mit Guttaperchastoff und darüber mit einer drei Linien
dicken Schichte Klebwachs umhüllt, um das Instrument gegen die Einwirkung
rascher Temperaturwechsel unempfindlich zu machen. Eine zwischen das Ge-
rüst und den Korkstöpsel eingefügte, feindurchlöcherte Eisenplatte verhindert
ein allzutiefes Eindringen des ersteren in den Cylinder bei starkem Drucke.
Nach einem 4V«stündigen Verbleiben des Apparates in der größten Tiefe
des Gmundner Sees (b04 Fuß) zeigte das Thermometer des ersteren eine Tem-
peratur von 3'6° R. gegenüber 3*75° des Minimumthermometers, welches
gleichzeitig in dieselbe Tiefe versenkt worden war.
Erwähnenswert sind die Wirkungen des Wasserdruckes, welche bei ver-
schiedenen Versuchen an dem Apparate sich einstellten. Nach dem ersten
nur 18 Minuten dauernden Einsenken desselben an der tiefsten Stelle des
Hallstätter Sees (66 Klafter) waren bereits alle drei Gefäße des ganzen, gut
v^^hlossenen Apparates bis zum Rande mit Wasser geftült und das letztere
erschien in dem Glascvlinder von dem ausgepressten Extractivstoff der Kork-
platten weingelb geftrbt. Von den vier SäiSen des Gerüstes (damals nur zwei
Linien dicke Messingstäbe waren zwei durch den schief eingedrungenen Kork-
stöpsel ^nz verbogen und zur Seite gedrückt, der letztere selbst aber so tief
in den ijylinder gepresst, dass er nur mit größter Anstrengung herausgezogen
werden konnte.
185
Nach der früher enrühntea 4V2Btttnd]gen Exposition des nachtr&glich
vcfstfakten Araantes im Gmundner See liefien die von den sonst 2-2^/, Li-
nien afaetehenden Eisenst&ben in der WachshOlle des Thermoters hervorge-
tiraehten Eindrücke entnehmen, dass durch den 19 Atmosphären äquivalenten
Dnack der 604 Fufi mächtigen Wassersäule die Eorkplatten des Apparates
mn mindestens ein Fünftel ihres Durchmessers zusammengepresst worden
waren.
AnoeUtion in Ostiiidleii« Eine eigenthflmliche Gestalt hat die moderne
Frage der Nationalsprache auf indischem Boden angenommen, Dort machen Urdu
und Hindi in amtlichem Gebrauch und in der JoumaliBtik sich den Platz streitig,
jenes von den 25 Mill. Moslim, dieses von einem großen Theil der liO Mill.
anter englischer Herrschaft lebenden Hindu auf die Fidme geschrieben. Und
doch ist nicht genau zu definieren, worin der wesentliche Unterschied beider
liege. Es sind nicht zweierlei Sprachen, nicht zwei Dialecte, sondern dieselbe
Sprache, in verschiedenem Grade mit Fremdwörtern persisch-arabischer Abkunft
verunziert — das Urdu mehr, das Hindi weniger. Das eine wie das andere
heißt gemeinhin Hindnstani, und das einzige wirkliche Kennzeichen des Hindi
ist die indische, des Urdu die arabische Schrift. Der Streit dreht sich also
anscheinend um das Alphabet, im Hintergrund liegen Sanscrit und Arabisch,
Koran und Weda.
Beide Schriftarten sind gleich unbequem für den (Gebrauch einer viel
and rasch schreibenden und lesenden Zeit; die arabische Schrift steht noch
dazu auf der Kindheitsstufe, da ihr die Vocalbezeichnung mangelt. Kein
Wunder also, wenn es in Indien klügere Leute gibt, welche den Nationalen,
die fftr Hindi schwärmen und aus dem Schatze des Sanscrit ihre Bedürfnisse
zn decken suchen , und den Moslim , die in der technischen Sprache der
Araber und in der schwülstigen Poesie moderner Perser ihre feinen Phrasen
Sachen, gleichmäßig zurufen : weder das eine , noch das andere, lernet Eng-
lisch lesen und schreiben; soll es aber Hindnstani sein, so nehmet das euro-
päische Alphabet.
Wir erfahren aus der von Hm. Gar ein deXassy, dem langjährigen
Lehrer des Hindustani an der Pariser Schule ftü* lebende orientalische
Sprachen , zur Eröffiiung seiner Vorlesungen kürzlich gehaltenen Rede *), mit
welchen Gründen von beiden Seiten gekämpft wird, wobei nicht zu verwundem
ist, dass der gelehrte und liebenswürdige Verfasser der ««Histoire de la litt6-
ratnre hindouie et hindoustane« (von welcher eine zweite Auflage sich unter
der Presse befindet) der Anschauung der Moslim sich zuneigt.
Die in Indien nach englischem Vorbilde sehr zahlreich gewordenen ein-
heimischen Zeitungen, soweit sie in den nördlichen Provinzen erscheinen,
schwören vorherrschend zum Urdu und ftkhren arabische Titel, z. B. »Spiegel
der Wissenschaft», »Neuigkeiten der Neuigkeiten«, - (Quelle des Wissens-,
-Stern der Nachrichten» u. dgl. Die meisten der dortigen Leser scheinen
also dem Propheten anzuhängen. Dagegen pflegen die vielen nationalen
Vereine, welche der gelehrige Hindu ebenfalls semen neuesten Herren abge-
sehen hat, und in welchen meist eine Reform der geselligen und religiösen
Zustände erstrebt wird, mit ihren Landsleuten in Hindi zu reden. Hier koQpft
man an das alte an, und holt seine Titel aus dem Sanscrit, z. B. Brahma
dschnan prakash, Anleitung zur Erkenntnis Brahman*s, eine monatliche Revue
vom Vorstand der Brahma Sabha (Brahma Club) herausgegeben; Pap motschan,
die Befteinng vom Uebel, ebenfalls eine Zeitschrift von Reformern in Agra;
Dschagat Samats bar, wie es in der Welt zugeht, eine in Mirat erscheinende
Wocheoschrift, und viele andere.
*) Gonrs d'Hindostani. Discours d'ouverture du 6 Decembre 186^ par
M. Gar ein de fassy, Membre de Tlnstitut. Paris. A. Labitte, Maison-neuve
et ae. 1870.
Der Terbreiletste , euiflcnsreichste und tii&tigste jener Vereioe« schon
lange bestehend, ist ^er erw&hnte Brahma-Clab, mit dem Sitee in Oaicntts^
eine (^ellschafi; von Theisten. Sie spinnen fort an den alten F&den der
Wedanta-Philosophie, und verweben dieselben mit europäischem Rationalinnas.
Sie haben in Theorie und Praxis alles abgethan, was an der religiösen lieber-
lieferung der Väter ihnen unwürdig nnd kindisch erscheint. Es versteht eich,
dass sie einen höhern Standpunct und freiem Gesichtskreis sich zusprechen,
als deijenige der Christen ist. Das Haupt dieser neuen Secte der Babu Ee-
schab Tschandr Sen, der in Galcutta finen Tempel für den neuen Dienst hat
erbauen lassen, wo der eine wahre und heilige Gott -im Geist und in der
Wahrheit angebetet werden soll«, wird von den Anh&ngem derselben mit Be-
geisterung verehrt; ihre alte Gewöhnung zum Götzendienst und zur ünterwer-
ning lasst sie ihm zu Füßen fallen, ihn »guter Meister und Zuflucht der Sün-
der« nennen.
Mit der engem Aufgabe die religiösen Gebräuche der Hindu zu reini-
gen, hat sich ein anderer Verein, unter dem Vorsitze des Radschah Kali
Arischna Bahadur, gleichfalls in Galcutta, gebildet. Wenn er es verstünde
an einfachere und sinnreichere Cultusformen alter Zeit anknüpfend zu refor-
mieren, so könnte es wol gelingen, manche Abgeschmacktheit oder Schändlich-
keit neuerer Erfindung abzusdiaffen. Aber überall wird ihm das Interesse
derer im Wege stehen , in deren Taschen die Früchte der bestehenden Uebung
fallen.
Bei weitem die zahlreichere Gattung von Gesellschaften, welche die letz-
ten Jahre hervorgemfen haben, ist allgemein phü an utopischen oder populär
wissenschaftlichen Characters. Das durch sein merkwürdiges Geschick während
des großen indischen Aufstandes wol überall in Erinnerung stehende Lakhnau
besitzt einen solchen Verein mit Zusammenkünften, Vorträgen und periodischen
Publicationen , welcher Mitglieder jeder Religion und Nationalität aufiiimmt.
Und in Dschaipur (Siegestadt, nach englischer Schreibung Jyepoor oder Djei-
pur), wo die großen Straßen nördlich von- Delhi, östlich vonAgia herkommend
zusammenlaufen, patronisiert der dortige RadschputenfUrst, natürlich Großkönig
benannt, der sich rühmt von Rama abzustammen, also der ältesten Dynastie
auf der Welt — den vielgenannten Mikado nicht ausgenommen — anzugehö-
ren, eine Vereinigung, welche sich Rajputana Social Science Coogress nennt,
und darauf ausgeht Schulen zu gründen, Lehrbücher zu verbreiten, für öffent-
liche Gesundheitspflege und Hebung des Landbaues zu sorgen. Ganz bezeich-
nend beginnt der Verein damit, für junge Leute von angesehener Familie eine
Unterrichtsanstsdt zu Stande zu bringen, wo man Naturwissenschaft und poli-
tische Oeconomie, das Englische neben den einheimischen Sprüchen und die
für den Gavalier erforderlichen Fertigkeiten lehren wird. Die rtadschputen sind
die Feudalherren jener Landstriche, Unterdrücker der Stämme, welche sie jetzt
ihre Unterthanen nennen, angebliche Abkömmlinge der alten sonst erloschenen
Eriegerkaste; es ist also natürlich, dass sie zuerst an die standesgemäße Aus-
bildung der Junker denken.
Unfern davon, in Alighar> ist der Hanptsitz der East India Associa-
tion , mit dem allgemeinen Zweck das Wohl des Volkes zu fördern , welcher
vor kurzem eine Zweiggesellschaft in Maradabad, östlich von Delhi, sich ange-
schlossen hat unter dem Patronat des Sir William Muir, des Gouverneurs der
Nordwestprovinzen, Biographen Mohammeds und Bruders des bekannten Mä-
cens indischer Studien. John Muir, welchem letzteren die Universität Edin-
burg ihren Sanscrit-Lehrstuhl verdankt. Dieser Verein will u. a. Reisen von
Eingeboraen nach Europa unterstützen, nachdem die Schriftgelehrten neuestens
gefunden haben, dass diese Fahrten in ihren Lehrbüchern nicht geradezu ver-
boten seien. Die Regierang bleibt in dieser Richtung ebenfalls nicht ganz on-
thätig. Sie hat für Bildungsreisen nach England Stipendien (scholarships) ge-
gründet, freilich in bescheidenem Maßstab, je neun jährlich, zwei für jede
der drei Präsidentschaften und drei (ür die Übrigen Provinzen.
Für weitere Einzelheiten ähnlicher Art erlauben wir uns den Leser auf
die Zusammenstellung des Discours zu verweisen. Wir sehen, dass eine leb-
hafte geistige Bewegung durch Hindu und Moslim geht. Man strebt auf beiden
Seiten darnach, die Vortheile europäischer Bildung sich anzueignen, zunächst
187
freflieh in der Hofibon^, dem Uebergewicht der Zwingherren wirksamer die
S|rit2e bieten zn können Mit der Verbreitung dieser Bildung wird aber noth*
wendig eine Menge tböricfater Vo:urtheile fallen, die man jetzt nocb für unzer-
trennlich hält von nationaler 8elbBt&ndigkeit. (A. a. Z).
Monatssttzung
der geographischen Gesellschaft am 8. Februai- 1870 unter dem Vorsitz
des Prof. Dr. Ferd. v. Hochstetter.
Als neu eintretende Mitglieder werden bezeichnet und angenommen die
Herren: Isidor Eanitz in Wien, Carl Gerok, Architect in Innspruck, W.
▼on Camerloher, k. und k. Consul in Suez; dann die k. k. Oberreal-
sehule am Schottenfelde in Wien, das k. k. Gymnasium und das
k. k. Franz-Josefsgymnasium in Lemberg, das k. k. Gymasium in
Königgräz, das n.-Ö. Landesrealgymnasium in Waidhofen an der Thaja
und die Officiersbibliothek des k. k. Graf Degen fei d S6. Linien-Infantene-
Regiments in Eöniggr&z.
Der Vorsitzende theilt der Versanunlung mit, dass der Ausschuss in An-
erkennung der Verdienste des kais. brasilianischen Gesandten am Wiener Hofe,
Hm. Chev. de Varnhagen, um die geograph. Wissenschaft, namentlich um
die Geschichte der Erdkunde, den Beschluss gefasst habe, denselben zum cor-
respondierendenMitgliede der geographischen Gesellschaft vorzuschlagen.
Herr von Varnhagen hat sich durch seine „Geschichte von Brasilien*^, durch
seine wertvollen „Forschungen über die Colonisatlon Africa's durch die Portu-
giesen*^, so wie über die ersten Vorgänge bei der Entdeckung America's einen
geachteten Namen in der Literatur gemacht, den seine letzte Arbeit „über
Amerigo Vespucci*^ in der rühmlichsten Weise bekräftigt. Ein Exemplar die-
ses Werkes ans der Hand des Herrn Verfassers liegt der Versammlung heute
vor. £^ enthält das umfassendste, was wir über den Florentiner wissen, von
dem der neue Continent seinen Namen erhalten hat. Es beruht auf gründ-
lichen und sehr kritischen Quellenstudien und eröffnet ganz neue Gesichts-
pnncte Aber die Entdeckungsgeschichte von America, da der Verfasser der
Mndläufigen Anschauung, dass Amerigo Vespucci auf Kosten der Verdienste
des Entdeckers sich als den eigentlichen Finder der neuen Welt darzustellen
bemflht gewesen wäre, scharf entgegentritt und aus unwiderleglichen Quellen
nachweiset, dass Vespucci ein Freund des Columbus, diesem mit inniger Zu-
neigung ergeben war und nichts weniger im Sinne hatte, als seinen Namen in
dieser ungeeigneten Beziehung auf die Nachwelt zu bringen. Das letztere ist
znm gr&bten Theil das Werk eines aufrichtigen Bewunderers, des deutschen
Gymnasiallehrers Martinus Hylacomylus (Waldmüller), der die Schilde-
nmgen Vespucci's in's Publicum brachte. — Der erste Theil des Werkes ist
1865 zu Lima gedruckt und erschienen; es werden darin die Briefe geprüft,
die Vespucci hinterlassen hat oder die ihm zugeschrieben werden. Daran
Khließt sich eine kritische Biographie des Mannes, dessen Ruf zu rehabilitie-
ren der Zweck des Buches ist. Der zweite Theil ist 1869 zu Wien erschienen ;
er befesst sich ausschließlich mit den Reisen des Florentiners und klärt manche
Doch dunkeln Puncte in der Geschichte der Erdkunde auf.
unter diesen Umständen glaubt der Ausschuss Ihrer Zustimmung gewiss
zu sein, dass Herr von Varnhagen unter die correspondierenden Mitglieder
nnserer Gesellschaft aufgenommen werde. — Die Versammlung ertheilt diesem
Beschluss ihre Zustimmung.
Unter den geographischen Mittheilungen bespricht der Vorsitzende
sonichst die vor einigen Tagen verbreitete Nachricht über die Ehmordung des
AiHeareisenden Livingstone, dem nun einmal beschieden sei, in den enre^
188
päiBchen Zeitbl&ttern fortwährend zwischen Tod und Leben su schweben, und
begründet aas den nenerlich zugekommenen Nachrichten die ecfreuliche Yer-
mnthung, dass die Sage von dem Tod des Forschers aus der Yermengnng einer
alten Tradition mit neuen Local- und Zeitangaben entstanden sei. (Siehe die
Notizen unserer heutigen Nummer der Mittheilungen.>
Ein Schreiben des Bremer Comit^'s für die deutsche Nord-
polarfahrt bringt zur Kenntnis, dass es beabsichtige, den Walfischfahrem
von der Weser, die in der zweiten H&lfte Februar nach dem Grönlandsmeere
abgehen, ftkr den möglichen Fall, dass von ihnen die Schiffe der deutschen
Expedition oder eines derselben angetroffen werde, Briefe und Zeitungen fOr
die Expedition mitzugeben und foiäert zur Einsendung von Briefen rar die-
sen Zweck unter der Adresse M. Lindemann, Bremen, Mendestraße 8, und
zwar in je vier Ausfertigungen (nach der Zahl der Walfischfahrer) auf.
Der Vorsitzende bemerkt dazu, dass die Absendung in der kOraesteo
Zeit erfolgen müßte, damit dieser freundlichen Rücksicht gegen unsere wer-
ten Freunde im Polarmeere im Sinne des Comit^'s entsprochen werde.
Aus einer brieflichen Mittheilung des Hm. Prof. Kiepert in Berlin
geht hervor, dass wir bald das Veij^ügen haben werden, Herrn Kiepert in
Wien zu sehen, da er auf seiner wissenschaftlichen Reise in die Türkei einige
Taffe in Wien zu verweüen gedenkt. Sein Brief ist begleitet von zwei wert-
vollen Erzeugnissen seiner rastlosen Th&tigkeit. die der Versammlung zur An-
sicht vorgelegt werden, nämlich a) üebersicht der Höhenverhältnisse der
hellenischen Länder in Europa mit Höhenschichten von 100, 300, 600,
1000, 1500, 2000, 2500^ und b) einen Abdruck der noch nicht publicierten General-
karte der europäischen Türkei. Ueber die letztere bemerkt Herr Kie-
pert commentierend in seinem Briefe: „Sie werden schon aus früheren Ab-
drücken, die ich Herrn Ami B o u ^ gelassen hatte, ersehen haben, wie manches
noch unveröffentlichte (namentlich auch russische) Material ich benutzen
konnte, und dass hier die Hauptquelle liegt, aus der Petermann seine re-
ducierte Karte geschöpft hat, nachdem ich ihm bereits vor zwei Jahren Probedrucke
der beiden untern Blätter mitgetheilt hatte. Ich theile Ihnen dies mit, weü
Sie in dem Briefe, der im 12. Heft der geographischen Mittheilungen 1869 ab-
Jedruckt ist, den Wunsch aussprechen, zu erfahren, woher Petermann das
laterial genommen habe.*^
Der Vorsitzende bemerkt zu den verdienstlichen Arbeiten Kiepert's,
dass er von seinem Standpuncte gerade um so trefflicher kartographischer Kräfte
willen wie Kiepert und Scheda bedauern müße, ihre Arbeiten über die
Türkei so weit vorgeschritten zu sehen, ehe sie das wichtige und vielfach rec-
tificierende Material jener Commission benutzen konnten, welche die Türkei
im letzten Sommer behufs der Eisenbahnen bereiste.
Eine Einladung der Stadt Antwerpen zii einem internationalen Con-
gress im Interesse der geographischen Wissenschaft gibt dem Vorsitzenden An-
lass, der Versammlung folgendes mitzutheilen :
In der letzten Sitzung wurde Ihnen die Lebensskizze des Geographen
Mercator mit dem Bemerken vorgeführt, dass man eben daran sei, ihm so-
wol in seinem Greburtslande (Belgien^, wie in seinem Heimatslande (Deutsch-
land) ein Denkmal zu setzen.
In Belgien, und zwar in Antwerpen soll die Feier dieses bahnbrechen-
den Geographen mit der eines nicht minder berühmten und auf geographischem
Gebiet gleichstrebenden Zeitgenossen Mercator's, des seinerzeit königlichen
Geographen Abraham Ortelius verbunden werden, welchem die rege wissen-
schfSthche Pietät seiner Vaterstadt gleichfalls ein Denkmal zugedacht hat
Ortelius war 1527 in Antwerpen geboren, wo sein Vater (aus einer
Augsburgischen Familie* angesiedelt war. In seiner Jugend hatte der begabte
und sehr empfängliche Knabe das Glück, von unterrichteten Freunden des
väterlichen Hauses auf Reisen mitgenommen zu werden, und so kam er nach
Deutschland, dann nach Frankreich, England und Irland, endlich mehrmal
nach Italien, wo er mit besonderer Vorliebe sich in die KunstschJUze und
Alterthümer vertiefte. .
Die nächste Folge seiner Reisen, die zugleich als seine Bildungssehule
anzunehmen sind — denn von seinen Studien in der Jugend ist nichts belouint
189
mid seine Biographen bemerken attfldrftcklich, das« er dch erst in gereiften
Jahren der gelehrten Arbeit gewidmet habe — war die Gründung eines Mu-
te ams in Antwerpen, worin er die von ihm gesammelten Moiailien, Man-
ien, ethnographischen Gc^nstände und AlterthOmer, fachgem&Ü geordnet cur
Ansicht darbot. Die Sache war neu und so interessant, dass sie die Bewun-
derung aller Gebildeten erregte und neben vielen fremden auch die königlichen
Prinzen (Vfter nach Antwerpen zog. Die Medaillen dieser Sammlung hat Or-
telins in seinem Werke ^De düs Yetemm*^ nicht nur beschrieben, sondern
auch mit dem Chrabetichel meisterhaft gestochen.
Nachdem er einen Theil seines Lebens zur Sammlung von Kenntnissen
nnd merkwürdigen Dingen verwendet hatte, gehörte die übrige Lebenszeit jener
schriftstellerischen Th&tigkeit an. die seinen Ruhm in weite Fernen trug. Sie
war specifisch der Geographie dienstbar und bei dem damaligen Standpunct
der EMkunde geradezu epochemachend. Ich nenne z. B. sein „Reisehandbuch
im belgischen Gallien*^, seinen ^Spiegel des goldenen Zeitalters^, wo Grabstichel
und Feder gleich bemüht waren, Leben, Sitte und Brauch im alten Germanien
inschaulich zu machen; vor allem aber sein großes Werk „Der Schauplatz der
Welt (Theatrum mundi)*^, welches des neuen, merkwürdisen und wissenschaft-
lich begründeten über die Erde so viel enth<, dass der gelehrte Yerfiftsser
darum in ganz Europa gefeiert — der Ptolemaeus seines Jahrhundert, ein
Wunder der Welt genannt wurde.
König Philipp 11. von Spanien beehrte ihn mit dem Titel eines könig-
lichen Geographen, wiewol die Denkweise des Gelehrten durchaus nicht
nach dem königlichen Sinne war. Ortelius, der die Welt nach ihrem wah-
ren Wert beu^eilen gelernt hatte, ließ sich durch diese Gunst nicht beir-
ren, sondern lebte seinem Wahlspruche treu, der auf seinen Werken um eine
Hand, die den Globus h<, geschrieben steht: „Ich verachte — und
schmücke mit Kopf und Hand (Contemno et omo mente et manu)^ und
noch in der Sterbestunde sprach er mehrmal: „Ich lasse nichts in diesem Le-
ben zurück, was ich nicht lassen könnte und wollte (Je ne laisse rien en cette
vie, dont je ne puisse et ne veuille bleu me passert.^
Seine Biographen sagen ihm nach, dass er sein Leben ohne jene Dinge ver-
bracht habe, die andere nicht leicht lassen können, ohne Process, ohne
Unfrieden, ohne Weib und ohne Kinder. Treu seinen Freunden, ein
erkl&rter Freund der Eintracht, geschätzt von allen Gelehrten und Gebildeten,
insbesondere von seinem Fürsten, der mit der Achtung der Menschheit nicht
eben freigebig war, starb er im Juni 1599 in einem Alter von 71 Jahren und
wurde in der Kirche der Praemonstratenser zu St. Michael in seiner Vaterstadt
begraben, wo ihm sein berühmter Zeitgenosse Justus Lipsius nicht nur als
Merkmal seiner innigen Freundschaft, sondern auch im Interesse der Erben
ein Grabmal setzte.
Diesem Manne nun soll zugleich mit Mercator im Sommer dieses
Jahres ein Denkmal gesetzt werden und ich erlaube mir die weiteren Vorbe-
reitungen zu dieser Feier aus einer Zuschrift zu verlesen, welche von Antwer-
pen an den Vorstand der geographischen Gresellschaft gerichtet, vor einigen
Tagen einlangte:
Herr Präsident !
Anlässlich der Errichtung von Standbildern für die beiden berühmten
Geographen Gerhard Mercator und Abraham Qrtelius wurde von einigen
Freunden der Wissenschaft ein Congress von Männern der geographischen
WisBenschaft angeregt, der in Antwerpen zur Zeit der Enthüllung der bezeich-
neten Denkmäler im Laufe des Monats August 1870 tagen und aUes vereinigen
soll, was für die erdkundlichen Beziehungen unter den Völkern thäti^ ist und
durch seine geistigen Arbeiten zur nähern Kenntnis der Eide und ihrer Be-
wohner beiffetzagen hat.
Die Stadt Antwerpen kam diesem Wunsche mit der gißten Bereitwil-
190
Kgkeit entgegen and man cieng sofort an die BesteUung eines Gomit^'s,
welches alle Voranstalten trifft, am diesen ^internationalen Gongress
für Geographie, Cosmographie und Hand eis Wissenschaft^ wflxdig
ins Werk zn setzen.
Nach dar Absicht dieses Comit^'s soll der Gongress znnächst Frsgen in
Yerhandlong nehmen, weiche die Geographie in der weitesten Bedeutang be-
treffen, mithin nicht nur, was im Bereiche des Gosmos, wie er von Merca-
tor nnd Humboldt aufge&sst wurde, zur Discossion erwttnschlich scheint,
sondern auch in weiterer Folge den Handel and die Schiffahrt in ihren Be-
siehungen zur Geographie.
Das Gomit^ hält es für seine Pflicht, Sie von diesem Plan in Kenntnis
za setzen und bittet, ihn der gelehrten Gesellschaft mitzutheilen , deren Vor-
stand Sie sind. Es wird sich glücklich schätzen, wenn derselbe von Ihnen im
Princip gebilligt und von der geographischen Gesellschaft in Wien durch die
Würdigung seines Zweckes unterstützt wird.
Insbesondere wären wir Ihnen zu Dank verbunden, wenn die Gesell-
schaft es auf sich nehmen wollte, einige zur Discussion geeignete Fragen zu
fonnulieren, damit wir sie in unser Programm aufnehmen.
Mit der Versicherung unserer ausgezeichnetsten Hochachtung
J. C. Van Put,
Bürgermeister und Präsident des Comit^s.
Dieser Mittheilung füge ich bei, dass einzelne Mitglieder bereits be-
sondere Einladungen zum Gongress erhalten, und dass vorweg die Herren
von Hauslab, Steinhauser und Becker in Aussicht gestellt haben, per-
sönlich dabei zu erscheinen, Feldzeugmeiiter von H au sl ab insbesondere einen
wertvollen Beitrag zur geographischen Ausstellung beim Gongress liefern wird.
Genendsecretär Becker hat bc«*eits eine Frage zur Discussion an das Gomit^
eingesandt, welche lautet: „Ueber die Bedeutung des geographischen Unter-
richts und wie er an den Schulen ertheilt werden sqII, um einerseits den heu-
tigen Forderungen der allgemeinen Bildung, andererseits dem jetzi-
gen Standpuncte der Wissenschaft zu entsprechen.*^
Jedenfalls ist der Gedanke eines geograph. Gongresses, den die Stadt Ant-
werpen in die Hand nimmt und, wie nicht zu zweifeln ist, mit der vollen Enei^gie
ihres historischen Ruhmes ins Werk setzen wird, ein glücklicher und unserer ein-
fehenden Beachtung würdiger; und dass Oesterreich in einer Versammlung von
lännem, die das Interesse für die von uns gepflegte Wissenschaft zusammen-
bringt, seine Vertreter finde, scheint mir ein so gerechter und einleuchtender
Wunsch, dass ich von seiner nähern Begründung füglich absehen kann. So-
bald das vollständige Programm für den Gongress vorliegen wird, werde ich
dasselbe unverweilt zu Ihrer Kenntnis bringen. Mittlerweile lade ich Sie ein,
dieser Angelegenheit Ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Wer geneigt ist der
Aufforderunff des Gomit^'s durch Bezeichnung geeigneter Fragen für die Dis-
cussion nachzukommen, wolle dieselben entweder durch den Ausschuss der
geographischen Gesellschaft oder unmittelbar an das Gomit^ unter der Adresse
„Gongres international des sciences g^ographiques , cosmographiques et com-
merciales^ nach Antwernen gelaneen lassen.
Der Vorsitzende bringt folgende neue literarische Erscheinungen zur
Vorlage.
Ostafrica, Erinnerungen und Miscellen aus dem abessinischen Feld-
zug. Von Dr. J. Bech tinger als Geschenk des Verfassers an die Gesellschaft.
Geologische Karte der Umgegend von Jerusalem, von Prof Dr. ü.
Fraas, Winterthur 1869.
Aus dem nächst erscheinenden Hefte von Dr. Petermann's geographi-
schen Mittheilungen : Uebersicht der neuesten Reisen und Aufnahmen im See-
gebiete von Geutral- Australien; Karte von GMle in 2 Blättern von Peter-
191
mann; geographiiclie Yerbrdtanff der Hinche ttber die Erde in 2 Bl&ttern,
ft) gegenwftrtiffer Verbreitungsbesdnc, b) Genealogie der Verbreitung.
Hierauf h< Herr Y. Goehlert einen Vortrag über boiokeltische
Ortsnamen in Böhmen. (Siehe die heutige Nummer der Mittheilungen.)
Zorn Schluss bespricht der General-Secretftr M. A. Becker eine Reihe
aoBgestellter Ansichten und Darstellungen ans dem russischen Amurlande,
die, ein Geschenk der kais. geographiscmeD Gesellschaft in St Petersbui^, das
Ergebnis jener Forschungen repftsentiert, welche seiner Zeit die sibirische
Se^on jener Gesellschaft mit Unterstützung der Regierung in jenen Gegenden
angestellt hat.
Bei dem russischen Amur-Gebiet ist das Mündungsland von dem
mittleren Stromland nicht nur nach seiner natürlichen Beschaffenheit,
sondern auch nach der Geschichte des Besitzes zu unterscheiden.
Das Mündungsland, und zwar auch am rechten Ufer den Ussuri entlang
Ggen 60 Meilen nach Süden reichend, gehört seit 1858 Russland an. Zwar
tte man schon im 17. Jahrhundert von Ostsibirien aus Ansiedlungen ver-
sucht, aber sie blieben ohne weiter Folgen, da die überlegene MAcht der
Chinesen sich geltend zu machen wusste. Uebrigens ließ die chinesisehe
Resierung im Lande selbst alles beim Alten, d. h. die tungusischen Fischer^
and Jftgeirvölker, welche dort wohnten, blieben sich selbst überlassen, was sie
waren und das Land Öde trotz der auffallenden Merkzeichen der GulturfiUiig-
keit, die von den russischen Nachbarn nicht ans dem Auge gelassen wurde.
Während China in diese Gegend seine strafbaren Würdentrtoer ins Exil
schickte, sammelte Russland die Materialien zur Kenntnis des Landes, um die
Frage zu ventilieren, ob der Besitz wünschenswert sei.
Im Jahre 1847 schritt der General-Gouverneur Murawief — nachher
hieß er Graf Amurski — zur Action. Von einer wissenschaftlichen Commission
wurde zunächst die Küste erforscht. Im Jahre 1850 fand man die Amur-
Mündung und errichtete sofort 1851 sechs Meilen oberhalb am linken Ufer
einen Militärposten (Nicolaisk), 1852 besetzte man die seit la Perouse
bekannte de Castries Bay, welche durch drei Inseln vom Meere getrennt
wird. Dort entstand Alexandrewsk und einige Meilen landeinwärts rechts am
Strome, etwa 46 Meilen von der Mtlndung, der Posten Marijnsk. Im Jahre
1853 wurde unter 49® n. Br. der Kaiserhafen entdeckt, der zur Station für
eine Kriegsflotte geeignet ist, und hier der Constantinposten, so wie gegen-
über auf der Insel Sachalin der Iglinposten angelegt. Endlich erhielt noch
die schon mit einer japanischen Colonie versehene Aniwa-Bay derselben
Insel zur größern Sicherung den Murawiewposten.
Am 15. Mai 1854 stieb Marawiew mit 50 Booten, zahlreichen Flößen
und einem Dampfschiff von Schilinski Sawod (an der Schüka, die nach
ihrer Vereinigung mit dem Argun den Amur bildet) ab und erschien mit 1000
Mann und einigen Kanonen am 15. Juni am Marienposten. Das war die
factische Besitznahme des Landes, deren diplomatische Schwierigkeiten mit
der chinesischen Regierung sich bis 1858 hinzogen, wo Russland durch den
Vertrag von Tien-tsin die rechtliche Sicherung des Besitzes erlangte. Dies
hinderte aber nicht, in der Zwischenzeit alle Vorbereitungen zu treffen, die
den künftigen Besitz schneller sichern konnten. Der Nikolaiposten wurde zu
ein^ Stadt erweitert (Nikolajewski die schon 1855 an 200 Häuser zählte und
jetzt Regierungssitz für das ostsibirische Küstenland ist. Der
Amur wird jetzt in einer Länge von mehr als 500 deutschen Meilen mit Dampf-
schiffen befahren (1861 verkehrten ihrer 12 regelmäßig auf dem Strome).
Das mittlere und obere Amurland — namentlich das Zwischenland
des Argun und der Schil ka, die den Amur bilden, und das linke Ufer des
Stromes selbst in der Länge von mehr als 100 Meilen war früher schon im
Besitz Russlands. Aber auch auf dieser Strecke wurde der Besitz durch den
Vertrag von Tien-tsin bedeutend erweitert, so dass das ganze seit 1858
erworbene Gebiet am Amur eine Fläche von 11.000 Qaadrat-Meüen beträgt.
Üeber die Naturbeschaffenheit und Culturfilhigkeit des russischen Amur-
landes sind die Acten noch nicht geschlossen. Es darf aber auch nicht wundem,
dass das üferland eines Stromes von 580 Meilen Länge und einem mächtig
gewundenem Laufe an einzelnen Stellen je nach der Position, dem geognosti-
192
sehen Gepräge and der Bodenerhebung venNshiedenartige ErBcbeinnngen dar-
bietet. Das obere und das Mündangsgebiet liegt zwischen dem 53. und
54.° n. Br., während der Strom ün mittleren Gebiet am Einfiuss des Songari
nahe an den 47.® nördl. Breite reicht. Der obere Theil bat noch sibirisches
Clima (strenge Winter und hei&e Sommer, Nachtfröste im späten Frühling and
kalte N&chte im Spätsommer) und in dieser Beziehung dorne sich der gegen-
wärtige Gouveneursitz Blagoweschensk trotz seiner günstigen Lage
am Einfiuss der Dzeja kaum einer großen ciimatischen Annehmlichkeit
erfreuen.
Der mittlere Theil dagegen, so wie ein Theil des unteren mit Aus-
nahme der Mündung selbst, die wieder in der sibirischen Breite liegt, wird
von aUen, die mit der Erforschung des Landes beschäftigt waren, als ein in
jeder Beziehung productives Land mit der besten Aussicht auf Stabilisierung
von Gulturmitteln geschildert. Es hat üppige Vegetationen und neben allen
sibirischen Bäumen herrliche Laubwälder von Eichen, Linden, Ahomarten,
Ulmen, Eschen und Wallnussbäumen. Die Feuchtigkeit ist eine ergiebige; an
Bau- und Brennholz unerschöpflicher Reichthum, die Wiesen besser als die
besten sibirischen, die Zahl der jagdbaren Thiere groß, die Gewässer reich an
Fischen, namentlich an Lachsen und Stören, der Boden wenigstens für Roggen
sehr er^ebig, der Strom durchwegs schiftbar, und wenn Ackerbau und Yieh-
zucht, wofür alle Bedingungen vorhanden sind, zur Blüte gelangen, ein vor-
trefflicher Handelsweg, welcher die Einfuhr von Golonial- und Luxuswarea
nach Sibirien von Osten her leichter zu machen verspricht als von Westen.
Nur ein Hindernis — dass die Zukunft zur Gegenwart werde — ist noch
zu besiegen und zwar ein sehr tie^reifendes. Die Bewohner gehören mit wenig
Ausnahmen dem tnngusischen Stamme an, der nach den in Sibirien gemach-
ten Erfahrungen der Givilisation nicht nur unzugänglich ist, sondern sich ihr
durch Auswanderung entzieht. Dass auch am Amur dieselbe Erscheinung ein-
treten werde, ist mehr als wahrscheinlich und es wird sich dann um die
Golonisation von außen und in grot^em Umfange handeln, wenn man das Land
ergiebig machen will.
vor einigen Jahren las man in russischen Blättern, dass die Regierung
mit dem Gedanken umgehe, die in Nordamerica angesiedelten Slaven namentlich
Cechen) ins Land zu ziehen. Ob es geschah und mit welchem Erfolg, ist mir
nicht bekannt.
Unter den Erforschem des höchst interessanten Stromgebietes sind wir
insbesonders den Herren Middendorf, Usoltzoff, Veniukoff (am Ussuri),
Leopold von Schrenk und Carl Maximowicz zu großem Dank verpflichtet.
Es ist eine Riesenaufgabe, die sie mit dem regsten Eifer für die Wissenschaft
gelöst haben.
Nachdem der Vortragende über die einzelnen Bilder nähere Andeutungen
gegeben hatte, wurde die Sitzung geschlossen.
Nächste Versammlung am 8. März 1870.
Berichtigung. In dem Bericht über die geographischen Arbeiten in
der Schweiz (Nr. 3 d. M.i sind folgende sinnstörende Druckfehler zu verbes-
sern: Seite 121 Zeile 9 von unten soll stehen Spuren statt Nuance; Seite 124
Zeile 11 und 6 von unten soll stehen fl. (Gulden) statt Franc.
Reise durch Rumejien Im Sommer I86d.
Von Prof. Dr. F. v. Hochstetter.
1. Das östliche Thracien, Ton Gonstantinopel nach Adrianopel.
Der Reisende, welcher zum ersten Male die Türkei betritt, wird
einen total verschiedenen Eindruck empfangen, je nachdem er seinen
Weg von Stambol nach Westen oder von der österreichischen Grenze
gegen Osten nimmt; denn Thracien ist der vollste Gegensatz zu Bosnien.
Bosnien ein herrliches Gebirgsland, ein wahres Labyrinth von Bergen^
Felsen und Schluchten, mit Sümpfen und Urwäldern, voll Abwechslung
in der Gestaltung, voll landschaftlichen Reizes, schön in wilder Natur-
pracht. Von Gonstantinopel nach Adrianopel aber kann man reisen,
ohne einen Baum und ohne einen Berg zu sehen; ja man kann hier
fast wie ein Seemann in gerader Richtung nach dem Kompass steuern,
ohne Ge&hr auf den flachen Terrainwellen eines endlos scheinenden
Steppen- und Weidelandes, wo es keinen Weg gibt, weil allies Weg ist,
seinen Weg zu verlieren. Angenehm darf man diesen Anfang freilich
nicht nennen, und ich verhehle es mir nicht : eine wenig dankbare Auf-
gabe ist es, die Eindrücke und Erlebnisse dieser Reise zu schildern,
die größtentheils durch einförmige schwach bevölkerte Landstriche führt,
welche einen doppelt traurigen Eindruck hinterlassen, wenn man sie im
August bei brennender Sonnenhitze durchreist. Allein besser der wenig
versprechende Anfang eines Stückes führt von Act zu Act zu immer
spannenderen reicheren Scenen, als umgekehrt. So und nicht anders ist
es, wenn man von Stambul aus in das Innere der Türkei reist.
Bei dem einförmigen Steppencharakter der Landschaft auf der
thracischen Halbinsel darf es auch nicht verwundem, wenn man in
Gonstantinopel kaum Jemanden trifft, welcher die Reise nach Adrianopel
zu Land zurückgelegt hat und Aufschluss geben kann, wie es landein-
wärts aussieht. Wer von Stambul nach Edim6 (Adrianopel) reisen will,
benützt in der Regel das Dampfboot bis Rodosto an der Küste des
Marmorameeres und f&hrt von da mittels einer türkischen Talika oder
einer russischen Pritschka — ein erst seit dem Krimfeldzug einge-
fOhrtes Fuhrwerk — in 24 Stunden nach der alten Hauptstadt der
Türkei. Die Poststraße über Siliwri und Tschorlu — wenn man eine
Straße so nennen darf, die schon gleich vor den Thoren von Stambul
nicht viel mehr ist, als ein Feldweg, der neben den Resten einer alten
gepflasterten Römerstraße herl&uft und an der sich die Telegraphen-
stangen und Telegraphendr&hte zu beiden Seiten wie ein Anachronismus
ausnehmen, — diese Poststraße wird nur von Ochsenwagen benützt oder
von dem Posttataren, für welchen die dreißig Meilen bis Adrianopel
G«ognp]ii8clie MitiheUaiiKen. 1870. 5. 13
194
eine einzige Station sind, die derselbe in nnunterbTOGhenem Ritt, bloß
mit gewechselten Pferden, in 36 bis 40 Standen zurflcklegt.
Nach der Landseite ist Stambul durch eine gewaltige Mauer
mit alterthümlichen Zinnen und Tflrmen abgeschlossen, ein Werk
Theodosius IL; Stflck fftr Stück ftllt jetzt von ihr, sie dient nur mehr
als Steinbruch fftr den Neubau von Stambul — auch Stambul ist im
Stadium der Stadterweiterung und Stadtverschönerung. Aber diese
Mauer hatte lange die Welt des Bosporus vollständig von Europa
getrennt Was hinter dieser Mauer liegt, ist für die Bewohner voa
Gonstantinopel zumeist eine terra incognita. Wie der Boden von
Constantinopel geologisch noch ein Stttck von Asien ist, so gravitiert hier
auch das ganze Leben nach der asiatischen Seite. Die Seewege sind es,
welche den Menschen- und Güterstrom dem St&dteconglomerat am
Bosporus zuführen. Durch die westlichen Stadtthore sieht man nur
Kalk- und Gemüse- beladene Esel und Packpferde ziehen, welche diese
Producte aus der allernächsten Umgegend bringen.
Man kann sich kaum vorstellen, welchen Umschwung in diese
Verhältnisse eine Eisenbahn bringen wird, welche die Mauer beim Thor
der sieben Türme durchbricht, und die Wagentrains an der Südseite
der Stadt, der Küste des Marmora-Meeres entlang, in einem Tunnel
unt^ den Anhöhen der Seraispitze hindurch, bis an das Ufer
des goldenen Hernes führt, bis vor die Eingangsthore des Besestan.
Der Warenbahnhof soll nämlich — so hörte ich wenigstens in
Stambul — zwischen den beiden Brücken am goldenen Hom zar
Seite des Handelshafens, der Personenbahnhof unterhalb der unteren
Brücke angelegt werden. Die gerade Linie über Ejub nach dem golde-
nen Hom hat technische und andere Schwierigkeiten, namentlich weU
bei Ejub kaiserliche Schlösser und Stiftungen liegen, deren Terrain
man nicht durchschneiden kann. Ein zweiter Schienenstrang, der sich
außerhalb der Stadt abzweigen müsste, wird, so hoffen wir, dann
wohl auch dereinst den europäischen Reifenden bis an seine Quartiere
in Pera bringen, und ihm den mühsamen Weg vom goldenen Hom
bergan ersparen.
Ist es aber einmal so weit, so wird man an noch weitere Pläne denken
dürfen. Denn von Paris über Wien und Constantinopel bis an den
persischen Meerbusen und bis an die Thore von Indien ist die Ent-
fernung nicht viel größer als von New- York nach San Francisco. Und
wo schon vor so und so viel tausend Jahren eine Jo in der Gestalt
einer Kuh herübergeschwommen, da werden doch unsere Ingenieure
wol auch Mittel und Wege finden, mit dem Dampfross hinüber zu
kommen. Erst wenn ein ununterbrochener Schienenstrang vom mo-
195
dernen Babel an der Seine aber den Bospoms bis znm alten Enphrat-
Babel Iftnft nnd die beiden Continente der alten Welt verbindet,
wird sich europäischer Untemehmungssgeist rühmen dfirfen, ein Werk
za Stande gebracht zn haben, das der Rieseneisenbahn der Ameri-
kaner über die Felsengebirge znr Verbindung der beiden Weltmeere
gleichkommt.
Am 30. Juli morgens hatte sich unsere Reisegesellschaft — die
sogenannte Directions-Brigade unter Führung von Herrn Baudirector
W. Pressel — in Jedikule kiöi (oder TachtaliBostani, Brettergärten),
einem kleinen Dorfe vor dem Thor der sieben Thürme das Rendez-vous
gegeben. Hier fanden sich Herren, Diener, Koch, Stallmeister, Pferde-
knechte und Dragomans mit der entsprechenden Anzahl von Reit- und
Packpferden zur bestimmten Stunde zusammen. *) Allein es gab noch so
viel zn ordnen und zu richten, dass sich unsere Karawane erst gegen
2 Uhr nachmittags in Bewegung setzte. Wir waren ausgerüstet, fast als
gälte es eine Expedition in das Innere von Africa oder Australien,
und die Erfahrung zeigte, dass wir sehr recht daran gethan hatten,
uns in unseren Bewegungen völlig unabhängig von Land und Leuten
zu machen.
Das Terrain hinter Stambul ist ein flachwelliges, fast baumloses
Hügelland, das vom Marmorameer gegen Nord allmählich ansteigt zu
der Waldregion längs der Küste des schwarzen Meeres, die der Riesen-
stadt am Bosporus ihren Wasserbedarf sichert. Ausgedehnte Begräbnis-
plätze, Gremüse- und Obstgärten begrenzen die Stadt jenseits der Stadt^
mauern; Weiterhin an der Meeresküste liegt eine Waffen- und Pulver-
Fabrik und auf der das goldene Hörn beherrschenden Anhühe die riesige
Daad Pascha Gaseme. Dann zwischen Makrikiöi und Widos eine lange
Reihe von Steinbrüchen und Kalköfen, die aus jungtertiären (miocänen)
Brack- und Süßwasserschichten das Baumaterial für Stambul liefern,
und endlich St. Stefano, zwei Stunden von Stambul, an den sonnigen
*) Wir waren bei unserem Auszug aus Stambul 10 Reiter mit 15 Pack-
]kferden. Zwei Tage vor uns waren drei Ingenieur-Brigaden mit gegen 50 Pferden
abgereist. Ich hatte mir, um mein Reisegepäck bequem auf ein Pferd laden zu
können, schon in Wien 2 kleine Koffer machen lassen, die dem Packpferd
beiderseits angeschnallt wurden. Dasselbe Pferd, ein Fuchs, der in Pera um
900 Piaster gekauft worden war, trug außer dem Gepäck noch meinen Diener und
hat während der ganzen Reise bis nach Serbien vortrefflich ausgehalten. Mein
Diener Namens Mohl, ein junger Bursche von Hatzfeld im Banat gebürtig, den
ich in Pera für die Reise engagiert hatte, gegen einen Lohn von 4 Francs
täglich bei freier Reise und Verköstignng, war zugleich mein Dolmetsch. Er
sprach türkisch, serbisch und deutsch, und hat mir die besten und treuesten
Dienste geleistet.
13*
196
Gestaden des blauen MarmorarMeeres, ein anfbUkhendes St&dtchen mit
Villen reicher Kauflente. Darüber hinaus yerr&th nichts mehr die Nähe
der Riesenstadt von mehr als einer Million Einwohnern.
Unser Reiseziel für' den ersten Tag .war Jarim Bargas; dahin
wurde unser Gepäcks-Train auf dem n&chsten Wege dirigiert. Wir selbst ritten
entlang der von Herrn Yan der Eist Iftngs der Meereskttste bis 27«
Standen von Stambul in Angriff genommenen Bahnlinie. Dies gab uns
Gelegenheit in Makrikiöi Omer Pascha noch einmal einen Besuch
abzustatten, der mich schon früher sehr gastfreundlich auf seinem Land-
sitze aufgenommen hatte.
Der berühmte General ist einer der begütertsten Großgrundbesitzer
in der Nähe von Constantinopel. Er lebt im Sommer theils in Makrikiöi,
theils in dem benachbarten an der Lagune von Kfitschflk Tschekmedsche
gelegenen Alibeykiöi, einer froheren Besitzung Memehed Alis, die ihm
vom Sultan zum Geschenk gemacht wurde. Wie Garibaldi auf Caprera,
so ist Omer Pascha auf dem Lande ganz Farmer, passionierter Obst- und
Seidenzflchter. Weder Schildwachen, noch Ordonanzen, noch Oberhaupt
irgend eine Uniform verrathen den ländlichen Aufenthalt des Generalis-
simus der türkischen Armee. Der einzige Soldat im Hause war ein aus-
gedienter Arnaute, der einen Harlequin's- Anzug trug und ilh engeren Fami-
lienkreise die Rolle eines Haus- und Hofiiarren zu spielen schien. Omer Pascha,
der per „Hoheit" tituliert wird, ist trotz seiner 64 Jahre und seines weißen
Vollbartes noch fast jugendlich frisch ; dennoch denkt er daran, sich eine
Familiengruft zu bauen und will sein Mausoleum unmittelbar neben der
künftigen Eiaenbahn errichten, ab wünschte er selbst im Tode noch
im Verkehr mit den Lebenden zu bleiben. Was mir an dem Manne des
Schwertes besonders gefiel, war, dass er die Absicht aussprach, seinen
einzigen Sohn, einen munteren Knaben von 4Ys Jahren, in Deutschland
als Landwirt erziehen zu lassen.
Bei Eütschük Tschekmedsche (kleiner Einlaß oder kleine Schub-
lade), drei Stunden von Stambul, einem kleinen von Türken und Griechen
bewohnten, elend aussehenden Orte von ungefähr 60 Häusern mit einer
Moschee, erstreckt sich eine durch eine schmale sumpfige Sand.
bank vom Meer getrennte Brackwasserlagune 1 7« Stunden weit in nörd-
licher Richtung ins Land hinein. '*') An der Westseite der Lagune
bemerkt man ein Gehöfte mit einer im Schweizerstil gebauten Villa, das
ist Alibeykiöi, die Besitzung Omer Pascha*s. Die Brücke, welche Ober
*) Diese Lagune ist reich an Federwild und die Sümpfe ringsum sind
das Jagdgebiet von einer Unzahl von Störchen, die in KQtschflk Tschekmedsche
ihre Nester haben.
197
den Yerlniidiingsami der Lagnne mit dem Meere führt, ist durch ein
Thor geschlossen, Tor dem die Reisenden ihre PSsse vorzeigen mfissen.
Von diesem Thor bis zu dem zweiten Bretterthor bei Alexinatz,
das durch den Holzzaon fahrt, mit welchem Fflrst Milosch sein schönes
Serbien umgrenzen ließ, sind circa 100 deutsche Meilen. Für die Post-
tataren, welche diese Strecke in fflnf Tagen zurücklegen, drei Stationen; *)
fftr uns — freilich mit vielen Kreuz- und Querzügen — eine lange
interessante Reise.
Bei Kütschük Tschekmedsche verließen wir die Poststraße, die
von hier über Siliwri, Tschorlu, Lule Burgas, Eski-Baba und Hafsa
nach Adrianopel führt, durch eine weUenförmige niedere Gegend, die
uns als äußerst steril, als vollkommen baumlos und schlecht bebaut
geschildert wurde. Da diese Linie von einer anderen Ingenieur-Brigade
untersucht wurde, so w&hlten wir die sogenannte Bergstraße über Wisa
und Kirk-Klissi, die tiefer im Innern des Landes und näher den bewaldeten
Küstenketten des schwarzen Meeres führt, eine Straße, die verhältnis-
mäßig selten bereist wird. Dieser Umstand mag es auch rechtfertigen,
dass ich es überhaupt unternommen habe, die Reise nach Adrianopel
zu beschreiben. In der That bietet dieser Weg auch ungleich mehr
Abwechslung, als die südlichere Route. Für die Ausführung einer Bahn
längs der Bergstraße sind die Schwierigkeiten wol kaum größer, als
auf der Linie der Poststraße, wogegen der Yortheile gar manche sind,
welche die untere Linie nicht bietet Schon darin scheint mir ein Yortheil
zu liegen, dass die obere Linie das Land mehr in der Mitte zwischen
schwarzem Meer und Marmorameer durchschneidet, noch mehr aber
darin, dass sie den holzreichen Waldgegenden des Strandscha-Gebirges
näher liegt, und in einem eocänen Kalkstanzug, dem sie folgt, überall
vortreffliches Baumaterial in unmittelbarster Nähe findet. Die Entschei-
dung über/ die Wahl der Linie ist jedoch meines Wissens noch nicht
getroffen.
Wir wandten uns also von Kütschük Tschekmedsche nördlich, dem
Ufer der Lagune entlang und mußten unsere Pferde in Trab setzen, um
Jarim Burgas noch vor Nacht zu erreichen. Da wir keinen Führer mit
hatten, so wären wir bald in einem tiefen Sumpf stecken geblieben,
wenn uns nicht zwei Sapti^-Offiziere, die auf demselben Wege nach-
geritten kamen, wieder auf's Trockene gebracht hätten. Ihnen hatten wir
*) Die vortrefflich organisierte österreichische Post geht nämlich einmal
in der Woche, am Mittwoch abend von Constantinopel nach Belgrad. Der erste
Tatar bringt die Post von Stambul nach Adrianopel, der zweite von da über
Philippopel nach Sofia, und ein dritter vollends bis an die serbische Grenze
nach Alexinatz.
198
es auch zu verdanken, dass wir in Jarim Bnrgas ein Obdach bekamen.
Nach unserer Landkarte n&mlich hatten wir wenigstens ein ansehnliches
Dorf erwartet ; statt dessen fanden wir nnr ein einsames Wachthans mit
einem miserablen Han. Anch h&tte gerade bei unserer Ankunft leicht
noch ein Unglück passieren kdnnen, da unsere Pferde plötzlich in wil-
dem Aufruhr auseinander sprengten, als sie auf einem Stoppelfeld am
Wege eine Eameels-Heerde erblickten. Die Pferde schienen an diesen An-
blick so wenig gewöhnt, dass sie nicht vorwärts zu bringen waren, bis
wir die Kameele hatten wegtreiben lassen.
Das Wachthaus der Sapti^s war uns in zuvorkommendster Weise
zum Nachtquartier eingerftumt worden, und obwol kaum 5 Stunden von
Gonstantinopel entfernt, mußten wir für unser Nachtessen bereits zu
Liebig*schem Fleischextract und Westph&lischem Schinken aus unseren
Vorräthen greifen, so vortrefflich sind türkische StraOenwirtsh&oser
verproviantiert.
Bei Jarim Burgas, das am Nordrand der Lagune liegt, ftnderte
sich der Charakter der bis dahin flachwelligen aus miocftnen Ablagerungen
bestehenden Gegend. Es beginnt ein niederes eocftnes Kalkgebirge mit
steilwandigen, felsigen Thftlem, die der sonst so einförmigen Gegend
mitunter einen recht pittoresken Charakter geben. Omer Pascha hatte mich
auf merkwürdige Höhlen in diesem Kalkgebirge aufmerksam gemacht, die
nach der Yolkssage unter dem Balkan hinweg mit der Donau communicieren.
Wir fanden, als wir am anderen Morgen ausgiengen, eine kleine haXbe
Stunde von dem Wachthaus an der linken Seite des in nördlicher Rich-
tung ziehenden, von kalkigen Bergzügen begränzten Thaies bald die bezeich-
nete Stelle, und waren nicht wenig erstaunt, nicht bloß natürliche Höhlen
anzutreffen, sondern höchst eigenthümliche künstliche Excavationen*
Wenige Fuß über der Thalsoble führt n&mlich ein unterirdischer Gang
schräg aufwärts in das Innere einer geräumigen künstlich ausgehauenen
Felsenkammer, die ungefähr 150 Fuß lang, 35 bis 40 Fuß breit und
25 bis 30 Fuß hoch ist, und sich gegen die Thalseite an einer Fels-
terrasse öffnet Der Boden ist mit dicken Schichten von Lehm und
Schaafsmist bedeckt, da die Höhle gegenwärtig eine Zufluchtstfttte von
Schafherden ist. Seitenwände und Decke sind stellenweise von Rauch
ganz geschwärzt.
In die südliche Seitenwand, dem unterirdischen Eingang gegen-
über, ist eine ganze Reihe von theils viereckigen, theils halbrunden
Nischen verschiedener Größe und Höhe eingehauen. Ueber einer vier-
eckigen Nische unweit von der Oeffnung der Höhle gegen das Thal be-
merkt man ein Kreuz eingemeißelt und eine Reihe von kleinen vier-
eckigen Löchern, als ob hier Balken eingefügt gewesen wären. Die
199
Mhinnde Niscke daneben stellt ein kleinee Amphitheater dar, sie enth<
nAnüich mehrere übereinander liegende steinerne Bänke mit erhöhten Mittel-
sitcen, die fOr ongefiLhr 24 Personen Platz bieten. Im Hintergrund, links
Yom unterirdischen Eingang, ist ein viereckiger Block aosgemeiJQ^t wie
ein Opferaitar, oder wie ein Predigtstahl, zu dem Stufen hinaufführen
und in dessen Hintergrund ein langes enges Loch in den Felsen führt,
dessen Creheimnis wir jedoch nicht weiter erforschen konnten. Außer-
dem bemerkt man an verschiedenen Seiten der Höhle in Fels ausge-
hauene Sitzbänke. Auch an der Decke der Höhle zeigt sich ein vier-
eckig gemeißelter Felsblock. Das (janze macht den Eindruck hohen
Alterthums. Bei genauerer Untersuchung der Außenseite des Felsens
fimden wir auch hier überall die Spuren von menschlicher Arbeit unter
dem den Abhang bedeckenden Gebüsche, nämlich künstlich in den Fel-
sen gehauene Terrassen und die Reste von in Stein gehauenen Stufen.
Den Alterthumsforschem in Constantinopel ist diese Felsgrotte bei Ja-
rira Burgas noch völlig unbekannt, und es ist nichts weiter als eine
Yennuthung, wenn ich die Ansicht ausspreche, dass wir eine Art Felsen-
Tempel vor uns hatten, vielleicht einen geheimen Versammlungsort von
Christen aus einer Zeitperiode, in der diese nur im Geheimen und Verbor-
genen ihren Cnltus ausüben durften. Im weiteren Verlauf unserer Beise haben
wir ähnliche Felsexkavationen in derselben Kalksteinformation bei Indschies
nördlich von Tschadaldsche, und zum dritten Male bei Tatarkiöi nördlich
von Adrianopel angetroffen, deren Charakter mich in jener Ansicht
nur bestätigen kennte. Jedenfalls verdienen diese Localitäten eine ein-
gehende Untersuchung und ich empfehle sie der Aufmerksamkeit der
Alterthnmsforscher. Der oben erwähnte unterirdische Eingang scheint
überdies in eine große natürliche Tropfsteinhöhle zu führen die wir
jedoch aus Mangel an Beleuchtungsapparaten leider nicht weiter unter-
suchen konnten. Höhlen dürften überhaupt in diesen Kalkgebirgen keine
Seltenheit sein, indem die Wässer alle einen unterirdischen Verlauf
nehmen, wie eine prächtige Quelle beweist, die eine kurze Distanz
weiter unterhalb im Thal hervorsprudelt und in ein viereckig aus-
gemauertes Bassin gefasst ist, das als Fischbehälter dient.
Wenige Schritte oberhalb der Felsgrotte erweitert sich das
Thal zu einem malerischen Becken, das wie eine grüne Oase zwischen
den kahlen Kalkbergen liegt Hechts am Abhang sieht man Asadli eine aus-
gedehnte Militär-Colonie mit Pulvermagazinen und einer in steinernen
Bögen gebauten Wasserleitung, höher oben auf den Kalkplateau liegt die
Ortschaft St. Georgia. Durch das Thal zieht eine noch ziemlich gut
erhaltene uralte, mit großen Kalkplatten gepflasterte Straße.
Wir brachen gegen Mittag von Jarim Burgas auf nach Tschataldsche.
200
Der Weg dahin ftkhrte uns durch ein ödes Thal zwischen nakten Ealkfelsen,
in dem nur einzelne Gehöfte liegen, nach Maarli einem kleinen hereits
balgarischen Dorf am oberen Gehänge des Thaies ; von da hatten wir die
Wasserscheide des Kalksplateaas (125 Met.) zu überschreiten und kamen
Aber Muhakiöi durch Landstriche mit dem fruchtbarsten tiefschwarzen
Ackerboden allmfthlich in die sumpfigen Niederungen des Karasu vor
dessen Einfluss in den Meerbusen von Bujuk Tschelonedsche. Eine alte
aus soliden Kalkquadern construierte Römerstraße dient noch heute als
Weg durch die etwa 1 Stunde breiten Sümpfe. Bei delr drückenden
Hitze beneideten wir fast die zahlreichen Büffelherden die da im küh-
len Schlammbad lagen. Eine neue steinerne Brücke führt am jen-
seitigen Ufer der Sümpfe am Fuß der ansteigenden Hügelkette über
den Karasu. Auf einer ungeffthr 200 Fuß hohen Terrasse über dem
Fluss liegt in einem Wald von Obstbäumen versteckt das Städtchen
Tschataldsche.
Mit Freuden begrüßten wir dieses erste türkische Städtchen. Unsere
Erwartungen wurden auch nicht getäuscht, denn wir fanden im Manoil
Han verhältnismäßig gutes Quartier und in dem Caffeehaus vis-a-vis
einen gemüthlichen Caffedschi Namens Apostel, der wie überall in tür-
kischen Landstädten mit seiner Caffeeschank zugleich das Barbierge-
schäft verbindet.
1. August. Tschataldsche (Griechisch Metres) hat eine ge-
mischte Bevölkerung von Türken, Griechen und Bulgaren, es zählt 3öO
Familien ; das kleine «Stfidtchen besitzt nicht weniger als 5 Moscheen
und 8 christliche Kirchen, die freilich nicht alle im' Gebraaeh
sind. Früher soll die Anzahl der Kirchen sogar noch größer gewesen
sein, allein Sultan Soliman ließ mehrere zerstören und aus dem Baa-
materiale die große Brücke von Bujuk Tschekmedsche bauen. Für die
Erziehung der hoffnungsvollen Jugend sorgen 2 griechische und 2 türki-
sche Schulen, doch scheinen das erst neuere Einrichtungen zu sein, in-
dem ich unter den Erwachsenen, mit Ausnahme des vortrefflich gebildeten
griechischen Artztes Dr. Agelastos, Niemanden fand, der lesen oder
schreiben konnte, während die Schulknaben sich förmlich herbeidrängten,
als ich sie aufforderte, zu zeigen, dass sie schreiben können.
Den Vormittag benütze ich zu einem kleinen Ausflug in die
Schlucht Banajedere, welche den Höhenzug hinter dem Städtchen durch-
schneidet. Diese Felsschlucht verdiente eigentlich den Namen „Schild-
kröten>Thal", denn nirgends habe ich diese Thiere so zahlreich ange-
troffen, wie an den einzelnen Wassertümpeln der mit dichtem Gebüsch
bewachsenen Schlucht. Ein Saumweg führt durch die Schlucht auf
die Höhe des Tekelitasch (Genähter Berg) , von dessen kahler
201
Kai^ man eine großartige Fernsicht hat «ber die ganze Gegend
zwischen dem schwarzen Meere und dem Mamora Meer und bis nach
StamboL Wenn man vom Seraskier-Tnrm in Stambul gegen Westen
blickt, so ist es dieser zn einer Höhe von gegen 320 Meter sich erhebende,
nordsUdlich streichende Bergzng, welcher den Horizont abschließt.
Der höhere Bergrflcken besteht ganz aus Urthonschiefer, wfthrend
am östlichen Abhang oberhalb Tschataldsche eoc&ne Kalk- und Con-
glomeratbfinke mit steiler Schichtenstellung angelagert erscheinen.
Nachmittags setzen wir unsere Reise fort, und zogen uns in nörd-
licher Richtung dem Fuße der mit Buschwald bewachsenen Bergkette
entlang. Die ftußerst fruchtbare Löss-Terrasse ist stellenweise von den
pr&cbtigsten Nußbaum Gruppen beschattet. Nach 1 7^ Stunden erreich-
ten wir das von Türken bewohnte Dorf Indschies am Zusammenfiuss des
Teke mit dem Karasu. Alte Römerstraßen kreuzen sich im Orte und
an einer dei-selben, der neuen einen äußerst gef&Uigen Eindruck machen-
den Moschee gegenüber, bemerkt man noch die Ruinen eines alten Ge-
bäudes mit flach spitzbogenförmigen Nischen und Thüren. Jedoch die
größte Merkwürdigkeit von Indschies ist eine alte Felsenkirche am
jenseitigen rechten Ufer des Earasu. Eine schneeweiße ungef&hr löO'
hohe Ealkfelswand tritt hier aus dem waldbedeckten Bergabhang dicht
an den Fluss hervor und spiegelt sich in dem ruhigen Wasserspiegel des
Karasu. Schon von der Entfernung bemerkt man die in 4 Etagen über-
einander liegenden Löcher in dem Felsen. Wir versuchten es auf halsbre-
cherischem Wege durch das dichte Buschwerk wenigstens zu einer dieser Fels-
Gallerien zu gelangen und fanden eine Reihe durch enge Gänge mit
einander verbundener Felsgemächer. In einem derselben war die Decke
klippelförmig ausgemeißelt und Hess noch die Spuren roher Bemalung
erkennen. Die übrigen Gallerien sind nur mit Lebensgefahr zugänglich.
Das feinsandige Ealkmaterial des Felsens ist voll von den Resten aus-
gestorbener Seethiere, es errinnert vollkommen an den Ereidetuff des
berühmten Petersberg in Mastricht und ist zu solchen Excavationen
vorzüglich geeignet. Was wir nun aber aus denselben machen sollten,
darüber waren wir ebenso unklar wie in Jarim Burgas. Das Ganze
errinnert am meisten an Erypten und vielleicht waren es alte christ-
liche Begräbnisplätze. Die Außenseite des Felsens zeigt überdies höchst
ausgezeichnet eine bienenwabenförmige Verwitterung. Etwas thalaufwärts
liegt unter schattigen Bäumen eine ktlhle Quelle, einer der anmuthigsten
Plätze die ich auf der ganzen Reise gesehen.
Von Indschies weg hielten wir uns am linken Ufer des Earasu
auf der ausgedehnten Schotterterraße des Flußes, und steuerten dem
Jannk-Han zu, der sich in der sonst baumlosen Gegend, schon aus gro-
202
ßer Entfernung dnrch eine Baumgnippe bemerkbar maciite. Wir faadeii
jedoch in dem einsamen Han, den wir erst mit sinkender Nacht erreich-
ten, nur einen großen Stall und waren genöthigt auf offenem Felde
zu campieren. Im Mondenschein schlugen wir daher noch unsere Zelte
auf. Beim Nachtessen zeigte sich, dass unser Proviantmeister uns einen
recht unangenehmen Streich gespielt hatte. Wir hatten uns alle auf eine
Tasse guten Thee's gefreut ; der Thee kam, aber was fOr ein Thee I —
Gamillenthee ! Unser Proviantmeister hatte in Pera Camillenthee statt
chinesischen Thee*6 gekauft.
2. August. Eine mit Glockengeläute vorbeiziehende Kameelska-
rawane, und die knarrenden Bflffelwägen bulgarischer Bauern weckten
uns schon vor Tagesanbruch, und mit Sonnenaufgang waren wir wieder
im Sattel. Wir flberschritten den Karasu und erreichten in sanftem
Anstieg bald ein ausgedehntes Plateau. Hier beginnen nun die einförmi-
gen baumlosen von trockenen Wasserrinnen durchfurchten Plateauflftchen
der thracischen Landschaft die ihren Character bis Adrianopei nur
wenig verändert. Der Boden besteht aus Sand, Lehm und eisenschfls-
sigen Geröllmassen, und hebt sich nur ganz allmählich gegen Norden
und Süden zu den niederen Küstengebirgsketten am schwarzen Meer
einerseits und am Marmora-Meer andererseits. Die Wasserläufe fließen
von beiden Seiten nach der Mitte des Beckens und entleeren sich als
Erkene (Agrianes der Alten) gegen Westen zwischenEnos und Adrianopel in
die Maritza. Das Innere desBeckens ist größtentheils Weideland oder zwerg-
haftes Eichengestrflppe. Felder, Wein- und Obstgärten und schattige Bäume
finden sich immer nur in der Nähe der Dörfer und Städte oder der
vereinzelt liegenden Tschiftliks. Die Ansiedlungen liegen weit ausein-
ander, denn die Bevölkerung, vorherrschend Griechisch, aber untermischt
mit Türkisch und Bulgarisch, ist in diesem Theile des Landes ziemlich
spärlich. Einzelne Tscherkessische Niederlassungen sind ganz neuen
Datums. Auf den Feldern wird eine zweijährige Wechselwirtscbaft ge-
trieben. Die ausgedehnten Weiden enthalten eine Vegetation wie sie
dem wannen Clima und dem trockenen Erdreich entspricht, die sich
ebensowenig durch Ueppigkeit als durch Futterreichthum auszeicbnet
Man sieht mehr wilden Senf, Malven, Disteln und Camillen als Gras;
und im Verhältnis zur Ausdehnung der, der Viehzucht gewidmeten Trif-
ten begegnet man nur wenigen Heerden von Schafen, Rindvieh, Büffeln
und Pferden. Schildkröten, Störche, Geier und Krähen sind fast die
einzige lebendige Staffage der öden Landschaft.
Um 9 Uhr erreichton wir den Hassan Han, ein einzelnstehendes
Strassenwirthshaus auf dem mit Eichengestrüpp bewachsenen Platean.
Die Hauptindustrie in diesen Buschwald-Steppen besteht in der Eneu*
308
gong von Holzkohlen. Wir trafen beim Han ganze Karawanen von
Kohlenwagen. Der Han selbst ist ans den Kalkqnadem der berflhmten
Athanaaios' sehen Mauer gebaut, die einst das Dreieck von Byzanz vom
schwarzen Meere bis zum Marmora Meer absperrte. Die Mauer läuft
unmittelbar beim Han vorftber, ist aber hier zum größten Theil abge-
tragen, und nur an einzelnen Ruinen und herumliegenden Quadersteinen
noch erkennbar.
Die Strecke Weg's vom Hassan Han bis zum Bujuk Han, 4 lange
türkische Reit-Stunden über das trostlose, menschenleere Buschwald-
platean, das sich unabsehbar vom schwarzen Meer bis zum Marmora-
Meer zu erstrecken scheint, wird uns allen in unvergesslicher Erinne-
rung bleiben. Dieser Ritt bei einer fast unerträglichen Hitze von
28® R. ohne Schatten und ohne einen Tropfen Wassers, war das unan-
genehmste Stück unserer ganzen türkischen Reise. Und nach diesem
Ritt fanden wir statt des stattlichen „Oroßen Hans^ nur eine Ruine
und einen armselig zerlumpten Handschi mit eiiför Schaar halbwilder
Hunde, die uns heulend anfielen. Wassermelonen waren die einzige Er-
frischung, die uns geboten wurde. Hier konnte unseres Bleibens natür-
lich nicht sein, und so ritten wir gegen 5 Uhr Nachmittags noch
weiter. Bald senkt sich das Plateau nach einer flachen bewaldeten
Thalrinne, die von Nordost gegen Südwest verläuft und von uns freu-
dig begrüßt wurde, weil wir hier endlich Wasser fanden. Am jenseitigen
Abhang, als wir aus dem Buschwald heraustraten, fanden wir uns bei
dem auf einer fruchtbaren Lössterrasse gelegenen Dorfe Jenikiöi (Neu-
dorf), das erste rein bulgarische Dorf, das wir auf unserer Reise an-
trafen. Die schlechten 'Strohhütten mit den grossen Tennplätzen, auf
denen der Weizen in hohen Haufen lag, die geflochtenen Zäune, die
schmutzige Unordnung, die überall herrschte, — Alles erinnerte uns an
ungarische Dörfer.
Den Han, den wir am andern Ende des Dorfes antrafen, und für
den der Pächter jährlich 4000 Piaster zahlen muss, fanden wir in
einem derartigen Zustand , dass wir es vorzogen , unsere Zelte aufzu-
schlagen und zu campieren.
3. Aug. Jenikiöi ist eine Bauernkolonie in einer äußerst spärlich
bevölkerten fiachwelligen Gegend, die, soweit das Auge auf den niederen
von flachen Thabinnen durchzogenen Plateauflächen reicht, den Character
einer mit Gestrüppwald bestandenen Steppe mit theils sandigem, theils
lehmigem Boden hat. Schon eine Viertelstunde vor dem Ort beginnt wieder
das Eichengestrüpp, der Waldweg führt nach einer Stunde jenseits eines
kleinen Thaies an einem im tiefen Schatten hochstämmiger Eichen ge-
legenen Brunnen vorbei („Bunaro^ nennt der bulgarische Bauer diesen
204
Brnnnen) und dann aufwärts aaf eine monotone Plateanfl&che, auf der
einzelne Holzbimbänme, da und dort einzelne Partien hochstämmiger
Eichen und zerstreute Kohlenbrennercolonien, von welchen Rauch aufsteigt,
dem Auge die einzige Abwechslung bieten in dem öden Einerlei des
traurigen Buschwaldes. So geht es fort stunden- und stundenlang. Dann
und wann begegnet man kleinen Karawanen von Bfiffel- oder Ochsen-
wagen, die Holzkohlen aus den besser bewaldeten weiter nördUcfa ge-
legenen Distrikten fahren. Die Ochsen gehören einem kleinen kurz-
hörnigen weißen Schlag an, wie er durch ganz Rnmelien, ja ich glaube,
durch die ganze europäische Türkei yerbreitet ist.
Eine Stunde vor Sarai Aberschreitet man auf einer Holzbrücke in
der Nähe einer Ziegelei den Manuka Deressi (Bou^ schreibt Maruka),
der sich in den lockeren Diluvialschichten ein ziemlich breites und
tiefes Thal ausgewaschen hat lieber eine weitere plateauförmig sich aus-
breitende Anhöhe gelangt man in das Thal des Galata Deressi % an dessen
rechtem Ufer auf einer baumlosen Fläche das gründurchwachsene Städt-
chen Sarai liegt. Die beiden genannten Flüsse sind Zuflüsse des Erkene.
Nach zweitägiger Wanderung durch die einförmigste fast unbe-
wohnte Steppenlandschaft begrüsst man mit Freude auch den kleinsten
Ort, wo Menschen . wohnen Sarai zählt ungefähr 125 Häuser, also
gegen 1000 Einwohner, Griechen und Türken, deren Hauptbeschäfti-
gungen Ackerbau, Viehzucht, Holzhandel und Kohlenbrennerei sind. Ich
sah nur eine Moschee, aber keine griechische Kirche. Man ist bei Sarai
dem waldreichen höheren Küstengebirge, dem Strandschagebirge, bis auf
1 bis 2 Stunden nahegerückt und die Landschaft gewinnt durch die
Aussicht auf die Kuppenreihen des Kara Tepe, des höchsten Punktes
in jenem Gebirge etwas mehr an Reiz. An diesem aus krystallinischen
Gesteinen bestehenden Gebirgsstock, dem Nummulitenkalkzüge vorge-
lagert sind, sollen noch Urwälder vorkommen, Eichenurwälder, die vor-
treffliches Bauholz liefern. Auch an Wild und Wölfen soll dort kein
Mangel sein.
In Sarai hielten wir Mittagsrast und setzten nachmittags unsere
Reise in der Richtung gegen Wise (oder Wisa) fort. Ueber ausge-
dehnte Hutweiden und sterile Schotterfelder, auf welchen Büffelheerden
weideten, kamen wir in die breite Alluvialfläche des Ergh^ne (Erkene).
Dieser ist der Hauptfluss, welcher auf seinem weiteren Laufe die Wässer
vom Küstengebirge des schwarzen wie des Marmora-Meeres her sammelt
*) Im Galata-Thal sollen nach Yiquesnel (II. p. 302) künstliche in Kalk-
fels ausgehauene Grotten und unterirdische Kanäle sich finden, die nach der
Sage einer uralten Wasserleitung, welche bis Constantinopel geführt haben
solly angehören.
205
und sie unterhalb Adrianopel zwischen Demotika and Enos der Maritza
zuführt So lange die Küstenketten noch bewaldet sind, wird der
Ergh^e, der mit seinen Znflflssen das östliche Thracien bewässert,
jederzeit Wasser haben; aber man hflte sich das Strandscha-Gebirge
seiner Wftlder zn berauben!
Eine von rechts in die Ebene vorspringende Anhdhe mit einem
ansehnlichen Tumolns auf der Spitze, eröffnete uns die Aussicht auf
das schöne vortrefflich bebaute und gut bewftsserte Thalbecken von
Wisa. Dieses ^ausgedehnte Alluvialbecken i3t ohne Zweifel die an-
muthigste Partie auf der ganzen Strecke von Stambul bis Adrianopel,
und dass in diesem fruchtbaren Thalbecken die Gultur eine uralte,
das beweisen die zahlreichen Tumuli, die man in der Ebene und auf
den Anhöhen ringsum bemerkt. Es waren dies die ersten Tumuli, die
wir in Thracien antrafen. Näher bei Stambul finden sie sich nur an
der Kfiste des Marmora-Meeres, wo einige auf der Yiquesnerschen Karte
an der Kfiste zwischen Bcyuk Tschekmedsche, Siliwria und Rodosto
verzeichnet sind. Durch die Viquesnersche Karte, auf der rechts von
unserem Wege „Beiles mines antiques^ angegeben waren, ließen wir
uns zu einer kleinen Seitentour veranlassen , um diese Ruinen,
die sich uns von der Entfernung als ein Stück Mauerwerk nebst einer
mächtigen hohen Säule mit Kapital repräsentierten, zu besichtigen«
Wie enttäuscht waren wir aber, als wir näher kamen und plötzlich
einer unserer Begleiter, der vorausgeeilt war, auf der Spitze der ver-
meintlichen Säule erschien. Es war die Ruine einer Grabmoschee, deren
Minaret bis zum Kranz abgebrochen war, ringsum liegt ein alter muhame-
danischer Begräbnisplatz.
Unweit davon kamen wir in das Dorf Tschakali, in welchem wir
uns in Ermanglung eines bewohnbaren Hanes bei einem griechischen Bauern
ein Nachtquartier suchten. Wir fanden dieses bei einem Bauer Namens
Demetri so gut, als wir nur wünschen konnten, und ich konnte mich,
als ich den stattlichen Bauernhof betrat, der mit Geflügel aller Art, mit
Scliweinen, Rindvieh u. s. w. reich besetzt schien, des» Eindrucks nicht er-
wehren, dass man bei uns manche Dörfer durchwandern kann, ohne
desgleichen zu finden. Die Töchter des Hauses, drei frische junge
Mädchen Namen» Sacharmia, Fantia und Jsali machten uns, wiewol
etwas verlegen, die Honneurs und traktierten mich mit vortrefflicher
frischer Büffelmilch. Das Dorf zählt 16 türkische und 80 griechische
Häuser.
4. Aug. Durch eine äußerst fruchtbare Ebene mit den üppigsten
Maisfeldern, zur Rechten eine höher ansteigende, theils aus Nummu-
litenkalk, theils aus Gneiß bestehende Hügelkette, führte uns unser
206
Weg das Ana Dere aufwärts gegen Wisa. Reehts vom Weg, vor der
Mflndnng kleiner Seitenth&ler in die Ebene, liegen die griechischen
Dörfer Ewrenli (am Kastrizibach) nnd Tastadarli (^/^ St. von Visa);
links hatten wir das Dorf Menkere. Ueberall treten hier theils im
Weg, theils an den den Weg begrenzenden Htlgeln die dOnn geplatteten
Kalksteinb&nke der Nammolitenformation, zum Theil voll von Nnmmn-
liten, zu Tage, während die höher ansteigenden Hfigelketten zur Rechten
bereits ans Gneiß nnd zwar ans einem grobkörnigen qnarzreiehen Gneifi
bestehen. Man ist also dicht an der Grenze des Urgebirges nnd der
Eocänformation. Auf einzelnen der Tamali dieser Gegend haben die
Feldwachen, welche den Knkuruz zu boten haben, ihre Hiatten postiert.
Die Stadt Wisa (oder wie die Bewohner sagen „Wise'') hat eine
höchst ausgezeichnete malerische Lage an der vorderen Spitze eines
von einem höheren plateauartig sich ausbreitenden Gebirge in südlicher
Richtung in das Thalbecken vorspringenden Hfigelzuges. Die Hftnser-
reihen liegen terrassenförmig am Abhang über einander nnd verlieren
sich rechts und links in die an die Stadt sich anschließenden Obst-
nnd Weing&rten. Wisa soll gegen 1000 Häuser, also ungefähr 5000
Einwohner zählen, Tflrken und Griechen. Es ist der Sitz eines griechi-
schen Metropoliten und mit großer Zuvorkommenheit zeigte man uns
die in einem hflbschen Stil aus Stein gebaute neue griechische Schule*^).
Hier bemerkten wir auch zum ersten Male Ditmar'sche Petroleum-
lampen, die, wie wir uns später flberzeugten, seit ungefähr 2 Jahren
durch die ganze europäische Tflrkei verbreitet sind und sogar in ganz
abgel^enen bulgarischen Dörfern angetroffen werden. Wisa maß
übrigens in früherer Zeit viel grösser gewesen sein als heutzutage,
und ein interessantes Stück Geschichte hinter sich haben; denn auf
den Anhöhen oberhalb der Stadt bemerkt man sehr ausgedehnte Ruinen,
die wohl eine nähere Untersuchung verdienen würden und vielleicht
manche wertvolle Alterthümer bergen. In den Anhöhen hinter der
Stadt werden auch vortreffliche Werksteine gebrochen, ein weicher
gelber Kalkstein, der dem bd»nnten Mastrichter Kreidetuff ähnlich ist.
In diesen Kalksteinen sollen sich auch Excavationen finden, wie bei
Jarim Burgas.
Die Mittagsrast hielten wir bei der Mühle des türkischen Dorfes
Bazarlik, eine Stunde von Wisa. Am Hügelabhang jenseits des
Ana Deressi liegt das gleichfalls türkische Dorf Serbaskiöi. In allen
*) An der Thürtreppe der alten Schale ist eine Marmorplatte einge-
mauert mit einer Inschrift in griechrschen Lettern, die also lautet: ßaösXf^
XoTVf ßaötXe a^adava. Kcu ßcUSi liöOav no Xcf*Oitfc(tnct totg eoevrov yovoig &§oiq
207
diesen DOrfon war das Aasbringen des Getreides in vollem Gange.
Diess geschieht im ganzen östlichen Thracien anf dieselbe seit den
ältesten Zeiten ttbliche Weise mittelst Feuersteinschlitten, Dnftn genannt.
Diese Schlitten bestehen ans zwei starken Brettern, in deren nntere
Seite der Länge nach scharfkantige Feuersteine eingesetzt sind. Vor-
gespannt sind 2 oder 3 Pferde niid der Kutscher steht oder sitzt auf
dem Schlitten, und nun geht es im Trab oder Galopp im Kreis herum
aber das auf dem Tennplatz ausgebreitete Getreide (Weizen, Roggen
und Gerste werden in gleicher Weise behandelt) bis die Kömer aus-
gefahren und das Stroh zu Häckerling zerschnitten ist *). Die Körner
werden dann durch Werfen vom Häckerling geschieden, und dieser ist
neben Gerste das übliche Pferdefutter. So habe ich es überall von
Constantinopel bis Adrianopel gesehen.
Bei Bazarlik schließt sich das Thalbecken von Wisa ab. Der Bach,
der nordwestlich beim Dorfe aus einer romantischen Kalkfelsschlucht
in das Becken eintritt, wurde mir als Ajasma Deressi bezeichnet. Wir
ließen die Felsschlucht zur Rechten und erstiegen ein ausgedehntes
mit QuarzgeröUe bedecktes Waldplateau (wieder Eichenbuschwald) auf
dem man einen hflbschen Femblick hat in östlicher Richtung nach dem
schönen Thalbecken von Wisa, in nördlicher Richtung auf die bis zu
1000 Meter Meereshöhe ansteigenden waldigen Kuppen des Küsten-
gebirges hinter Saudschak. Wir hatten kurz hintereinander zwei flache
Thalmulden zu flbersetzen, zuerst die des Saudschak, dann die des
Karagadsch oder Teke Deressi, und kamen jenseits des zweiten Thaies
bei Teke wieder auf Nummulitenkalkboden.
Das kleine Dorf Teke liegt in einer flachen Einmuldung des Plateaus,
und ist der ^mmersitz eines türkischen Gutsbesitzers Eskender Bey, der
uns, als wir an seiner Villa vorbeizogen, aufs freundlichste zu einer
Tasse Caffe und einem Tschibuk einlud. Wir leisteten der Einladung
mit Vergnügen Folge und traten in ein kleines hübsch eingerichtetes
Gartenhaus ein, in welchem wir es so angenehm kühl fanden, dass wir
uns erstaunt fragten, durch welches künstliche Mittel der türkische
Fidschi bei der drückenden Hitze eine solche wohlthuende Temperatur
hervorzaubere. Das Räthsel löste sich uns, als wir um ein Glas frischen
Wassers baten, und der Diener mitten im Zimmerboden einen Deckel auf-
hob, und aus der Tiefe das köstlichste frischeste Quellwasser schöpfte.
Der schlaue Türke hat sich sein Gurtenhaus unmittelbar über eine
frisch aus dem Felsen spradelnde Quelle gebaut. In Teke befindet sich
auch eine Grabmoschee des türkischen Generals Achmed, des Eroberers
der Gegend.
*) Dieses Schlittenfahren heißt auf türkisch harman.
208
Wir hatten ans bei dem alten Türken so lange aafgehalten, dass wir
an dem interessanten BonarHissar (Qaellenborg) vorbei eilen mnssten, und
erst mit sinkender Nacht das Städtchen Jena (oder Jene) erreichten. Die Kalk-
felsen werden in der Gegend von Bunar Hissar schneeweiß, vollkommen
kreide&hnlich. Bunar Hissar, eine alte griechische Stadt mit Thnrm- und
Mauerroinen and mit herrlichen kalten Qaellen, die aas Kalkfels ent-
springen, bietet ähnlich wie Wisa einen äußerst romantischen malerischen
Anblick und wir bedauerten, keinen Zeichner bei uns zu haben, der das
interessante Bild fixierte.
5. Aug. Die Nacht im Han von Jena wird mir lange in Erinnerung
bleiben. Es war eine jener schlaflosen Nächte, in einem von Ungeziefer
aller Art inficierten Han, wie sie Jeder Reisende in der Türkei nur zu oft
erlebt und zum Ueberdruss schildert Um so angenehmer war der
Morgen. Neben dem Han trafen wir ein neues hübsches Caffeehaus, in
dem uns ein Canarienvogel mit munterem Morgengesang empfieng. Die in
allen türkischen Caffeehäusem stereotypen Bilder Napoleons III. und seiner
Gemalin, sowie Victor Emanuels fehlten auch hier nicht. Kaum waren wir
eingetreten, so gesellten sich mehrere Bürger des Städtchens zu uns, die sich
mit grosser Freundlichkeit anboten, uns die Merkwürdigkeiten desselben zu
zeigen, was wir gern annahmen. Zu diesen Merkwürdigkeiten gehört
vor allem eine uralte griechische Kirche, welche die Jahreszahl 704 trägt
und ein vielbesuchter Wallfahrtsort sein soU. Das mehr als 1000 Jahre
alte Bauwerk ist noch ziemlich gut erhalten, es stellt ein griechisches
Kreuz dar, in dessen Mitte sich statt einer Kuppel ein niederer runder
Thurm mit kegelförmigem Dach erhebt, auf dem sich ein riesiges
Storchennest mit seinen Insassen gar sonderbar ausnahm. Ob die alten
metallbesetzten Gemälde und Kirchengeräthschaften , die das Innere
schmücken, irgend welchen Kunstwert haben, ließ sich in dem Halb-
dunkel kaum erkennen. Eine und dieselbe Mauer umschließt dieses für
Alterthumsforscher sehr bemerkenswerte Alterthum und die neue griechi-
sche Schule.
Eiae zweite Jena auszeichnende Merkwürdigkeit sind zahlreiche
kalte Qaellen. Das Städtchen liegt nämlich in einer kleinen Mulde des
Nummulitenkalkzuges, und mitten im Ort sprudeln ans dem Kalkfels
zahlreiche krystallklare Quellen mit einer Temperatur von 10 7«^ R-
und von sehr ansehnlicher Stärke hervor, so dass sie mit dem Kaiserbrono
und der Stixensteiner-Quelle rivalisiren könnten. Schon der bloße Anblick
des herrlichen Wassers ist erfrischend und die Türken wissen recht wohl
dieses Geschenk der Natur in einer sonst wasserarmen sonnverbrannten
Gegend zu schätzen. Eine der stärksten Qaellen ist in ein großes
Brunnenbassin gefasst, aus dem durch zwei Durchlässe ein ganzer Bach
209
abfließt, der weiter unten eine Reihe von Mfililen treibt. Andere ent-
springen innerhalb der Umfassungsmauern von Priyath&usem und sind
von den Insassen zu Badebassins hergerichtet, die an heissen Sommer-
tagen viel benatzt werden. Auch hier trafen wir wieder, wie bei Jarim
Bargas die Sage, dass das Wasser von der Donau her unter dem Balkan
durchkomme *). Das am meisten in das Auge fallende Oeb&ude der
Stadt ist ein großes, höchst geschmacklos blau und gelbgrfln ange-
strichenes Fruchtmagazin. Getreide, Bretter und Holzkohlen sind die
Hauptproducte der Gegend, die lö Stunden weit nach Rodosto an*s
Meer geführt werden **). Die Leute waren daher hoch erfreut, als wij:
ihnen sagten, dass die Eisenbahn von Constantinopel nach Adrianopel
wahrscheinlich an Jena vorbei führen werde.
Die Hftuseranzahl wurde mir zu 300 angegeben, darnach durfte
die Stadt ungef&hr 1500 Einwohner haben, die theils Tfirken (25 H&user),
theils Griechen und Bulgaren sind. Ich sah eine Moschee, drei griechi-
sche Kirchen und ein Bad. Nach zahlreichen Mauerruinen zu schließen,
war die Stadt früher befestigt. In der unmittelbaren Nähe der Stadt
liefern muschelreiche eocäne Kalksteinbfinke einen vortrefflichen leicht
bearbeitbaren Baustein. Das Gestein besteht aus lauter Steinkemen
einer Mytilusart,
Von Jena, das wir nachmittags verließen, führte uns der Weg
nach Kirk-Klissi wieder über sterile von nord-südlich laufenden Thal-
fnrchen durchzogene Sand- , Lehm- und Schotterplateaus mit Hutweiden
und Eichenbuschwald. Zur Rechten hatten wir die höheren, zum Theüe
noch dicht bewaldeten krystallinischen Bergketten der Gegend von Suzera,
wo einzelne Gipfel wohl 900 Meter Meereshöhe erreichen. Das erste
Thal, das wir überschritten, das Monastir Deressi, war bis auf einzelne.
*) Zur Erhärtung dieser Sage erzählen die Ijeut% folgende Geschichte.
Ein Hirt ans der Gegend wanderte aus und trieb seine Herden an die Donau.
Er hatte sich einen Stock ausgehöhlt, in dessen Innerem er das bare Geld,
dag er besaß, verbarg. In einem Moment des Zorns warf er den Stock nach
einem seiner Thiere, er fehlte, der Stock fiel in die Donau und sank unter.
Nach einigen Jahren kehrte er in sein Dorf zurück und fand zu seinem grolien
Erstaunen seinen Stock als eine Merkwürdigkeit in einem Caffeehaus ausge-
stellt Auf seine Frage, wie der Stock hierher gekommen, hörte er, dass der-
selbe eines Tages aus einer der Quellen des Ortes hervorgekommen sei. Der
Hirte erklärte, der Stock gehöre ihm, und um das zu beweisen, gab er die
Geldsumme an, die der Stock berge. In der That fand sich das Geld, wie
er gesagt, und der Hirte erhielt seinen Stock wieder zurück. (Viquesnel 11.
p. d03.)
** Ein ZoUzentner Waizen kostet bis Rodosto 10 Piaster Fracht, bis
Constonstinopel im Sommer 20- 2ö P. im Winter 40 P. Fracht.
G«ographisch« Milüieilungen 1S70. 5. 14
210
Wasserlacken, in deren N&he sich Rinderherden heromtrieben , gatts
trocken. Im zweiten durch hohe senkrechte LössabstQrze bemerkens-
werthen Thal ÜskOp Deressi trafen wir eine kleine ans nngefiihr
20 Häusern bestehende Tartarenniederlassnng Tatarkiöi. In der dritten
stellenweise sumpfigen Mulde des Eisirdschik Dere trafen wir grosse
Bfiffelheerden an; hier gibt es auch noch kleine Best&nde hochstämmiger
Eichen. Erst beim vierten Thal beim Bujuk Dere konunt man wieder
in bewohntere und bebaute Gegenden. Eine auf 5 steinernen Pfeilern
ruhende stattliche Holzbrflcke fahrt Aber den Fluss, der das ganze
Jahr hindurch etwas Wasser zu haben scheint Jenseits geht es dann
auf einer breiten Straße aufwärts auf das Plateau, auf welchem Eirk-Klissi
liegt. Die Nähe der Stadt macht sich bald bemerkbar. Weingärten, Obst-
gärten, Tabak- und Maisfelder begrenzen die Straße. Diese war
außerordentlich belebt durch die von der Feldarbeit nach Hause kehrenden
Landleute, die ihre mit Frachten und Gemflse aller Art, namentlich
mit den schönsten Wassermelonen schwer beladenen Esel vor sich her
trieben.
Wir erreichten die Stadt gerade mit Sonnenuntergang und hatten
noch einen weiten unangenehmen Weg durch die gewundenen schlecht
gepflasterten Straßen, bis wir den in der Mitte der Stadt gelegenen
griechischen Han, in dem wir Quartier nahmen, erreichten.
6. Aug. Eirk-Elissi heisst zu deutsch Yierzig-Kirchen, und
soll 12 — 14.000 Einwohner haben*), Türken, Griechen, Bulgaren und
Juden. Der Hauptstock der Bevölkerung scheint griechisch zu sein,
fibrigens mfissen hier auch sehr viele spanische Juden angesiedelt sein;
gerade dem Han gegenflber lag eine Synagoge mit einer Theologen-
schule, die, wie ich mich selbst fiberzeugte, gegen 30 Schfller zählte.
Die Stadt hat 6 Moscheen und mehrere griechische Kirchen. Die
Hauptmoschee ist ein ganz stattlicher Bau, und auf dem Marktplatz
neben der Moschee lagen die schönsten Melonen, Gurken, Bohnen,
Trauben-Früchte und Gemüse aller Art in ganzen Haufen aufgespeichert
Ein Gang durch den Bazar überzeugte uns auch, dass Eirk-Klissi eine
sehr gewerbreiche Stadt ist. Sogar von einem Casino erzählte man uns,
das der Versammlungsort der Kaufleute und Beamten sei.
Leider war unser Aufenthalt hier nur sehr kurz. Wir brachen
zeitlich auf, da wir hofften, Adrianopel heute noch erreichen zu können.
Kirk-Klissi liegt 245 Meter über dem Meere auf einer flachen
aus Kalksteinen bestehenden Anhöhe, die sich über die in südlicher
Richtung in unabsehbare Entfernungen ausdehnenden Plateauflfichen
'') Bou4 (Itin. I. p. 130 gibt 15--16.000 Seelen an.
All
etwas erhebt and rfickwärts gegen Korden an ein höheres aus krystallini-
flchen G^esteinen zusammengesetztes Httgelland anschließt, aus welchem
sidi adiroffe Granit und Gneissfelsen in den bizarsten Formen erheben.
Da uns^ Weg in westsfldwestlicher Richtung lag, so entfernten wir
ims zu meinem grossen Bedauern von dieser in geologischer Beziehung
mehr einladenden G^^id. Eine breite gepflasterte Strasse führt von
der Stadt nach dem eine halbe Stunde entfarnten Dorfe Karad^r. Bis
dahin ist die Gegend schön bebaut. Ueber Earad^r hinaus hört die
Strafie auf und man bandet sich wieder auf einer baumlosen Ebene,
die als Hutweide benutzt wird und über die man ohne eigentlichen
Weg nur der Richtung folgt Nach 3 Stunden kamen wir herab in
das breite Thal des Teke Deressi, zu dem am rechten Ufer des Flusses
liegenden bulgarischen Dorf Novo Selo oder Jenidsche*;. Im Flussbett
stehen noch 3 steinerne Bögen als die Reste einer uralten steinernen
Brflcke. Das Dorf zählt 300 Häuser mit ungefähr 1200 Einwohnern.
Hier erfuhren wir, dass wir bis zum nächsten Dorf nach Haskiöi vier
Stunden haben, und nirgends unterwegs Wasser antreffen worden. Wir
mussten uns daher entschlieBen, Mittagsrast zu halten, und machten
damit sowol dem freundlichen Handschi, als auch dem äußerst zuvor-
kommenden Bürgermeister des Ortes, der uns mit seinem besten Wein
tractierte, ein großes Yergntlgen. Das Dorf soll eine gute, aus Gemeinde-
mittehi erhaltene Schule haben, in der türkisch, bulgarisch und griechisch
gelehrt wird. Denn die Bewohner Thraciens mOssen drei Landessprachen
erlernen.
Die Gegend zwischen Jenidsche und Haskiöi hat wieder einen trost-
losen Oharacter ; die Plateauflächen sind baumlose, sonnverbrannte Gras-
nnd Distelsteppen, und die Thahrinnen sind im Hochsommer wasserlos;
dennoch bin ich überzeugt, dass diese Gegenden , die auf weite Strecken
eine tiefschwarze Humusdecke zeigen, der schönsten Gultur fähig wären.
Das türkische Dorf Haskiöi, das wir gegen Abend erreichten, liegt
an der rechten sanft abdachenden Lehne des Haskiöi Deressi, und
macht mit seinen Lehmhütten und halb verfiallenen kleinen Moscheen,
auf deren Ruinen Störche nisten, einen mehr als ländlichen Eindruck.
Entsprechend war auch der Han, der innerhalb seiner aus Lehm und
Kuhmist fabriderten Wände nur kleine dumpfe gefi&ngnisartige Kammern,
in denen man nicht einmal aufrecht stehen konnte, zum logieren bot
7. Aug. Von Haskiöi bis Adrianopel rechnet man noch 5 Stunden.
Die Sehnsucht, das erste Ziel unserer Reise zu erreichen, trieb uns
*) Das Dorf Toki in der Scheda'gchen Karte existiert nicht, eine halbe
Stande oberhalb Jenidsche liegt ein halb türkisches, halb griechisches Dorf
Koii^or.
14*
212
schon in der D&mmening vom Lager nnd wieder hinaos auf die öden
Heiden, in die bamn-, wasser- und steinlose Gegend. Halbwegs liegt ein
griechisches Banemdorf Iskender kiöi (oder Skender kiöi) von ongefUir
40 Gehöften, in denen die Cretreideschlitten lustig im Gange waren. Etwas
aufwärts im Iskender Dere liegt das Tscbiftlik Kusch&n, und thalab-
wärts bemerkten wir ausgedehnte Maulbeerpflanzungen.
Wir hatten noch eine breite flache Terrainwelle zu aberschreitOD,
bis uns ein tief ausgefahrener Hohlweg endlich in das gelobte Land, hinaus
in das im schönsten grtknen Baumschmuck prangende Maritzathal führte.
Wie mit einem Zauberschlag änderte sich die ganze Scenerie.
Bei einem Brunnenpavillon, Hadschilar-Esane, mit Gaffeeschank, er-
reichten wir die breite gut chaussierte, von Fuhrwerk aller Art, yaa
Reitern und Fussgängem bunt belebte Hauptstraße, die von Rodosto
nach Adrianopel führt *) ; 2 Telegraphenleitungen und nicht weniger
als 7 Drähte führen der schnurgeraden Straße entlang. Was fflr ein
Bild gegenüber den menschenleeren Gegenden, durch die wir in den
letzten Tagen gezogen waren ! Vor uns aber in einer Stunde Entfernung
lag Adrianopel im Glanz der Morgensonne. Kuppeln, Minarets, grüne
Bäume und alles hoch überragend die stolze Moschee des Sultan Selim.
Wir waren in freudigster Erregung und wurden in dieser Stimmung
noch gehoben, als wir eine Reiterschar auf uns zusprengen sahen, in
der wir bald unsere Freunde, die Ingenieure v. Vambüler und Tafel,
sowie den österreichischen Consul y. Camerloher erkannten, die uns
hier vor den Thoren der Stadt freundlich begrüßten. Es war ein fest-
licher Augenblick für uns, als unsere stattliche Reiterschar unter dem
Zusammenströmen der neugierigen Bevölkerung durch die Straßen von
Adrianopel nach dem Gömrük Hau zog, der zu unseren Hauptquartier
ausersehen war, und es war uns fast zu Muthe, als hätten wir nach
einem Zug durch die Wüste das gelobte Land erreicht, in dem Milch
nnd Honig fließt
Gedanken Dber die Ursachen des Erdmagnetismus.
Von Otto Spie SS, Ingenieur.
Das Bestreben einer Magnetnadel sich nach Norden zu richten
führte zuerst auf die Annahme einer dort befindlichen anziehenden Kraft,
die man mit der dem Magnete innewohnenden Kraft identificirte.
*i Diese im großen Stil angelegte Straße ist erst 3 Stunden weit von
Adrianopel in der Richtung gegen Rodosto fertig. Es wurde jedoch im Herbst
1869 mit allem Eifer weiter gebaut.
213
Die Beobachtang, dass galTanische, flberhaupt electrische Ströme
die Nadel ebenfalls afficieren, dass kreisförmige Leiter wie magnetische
Scheiben wiricen, dass das schranbenförmige Solenoid von Ampöre sich
wie ein Magnet verh<, ließen eine innige Verwandschaft zwischen
Electricität,^ Galvanismos und Magnetismus vermuthen and bracjiten
Ampere auf die Idee, im Inneren oder an der Oberfläche der Erde
electrische Ströme anzonehmen, welche die Erde im Sinne von Ost
nsch West omkreisen, in jedem Punkte senkrecht auf dem magnetischen
Meridian stehen und auf die Magnetnadel ebenso wirken, 'wie eine im
Nord- and Sftdpole befindliche Kraft.
Denken wir uns die Erde in der von Ampere angegebenen Weise
mit electrischen Strömen ansgerQstet, so können wir unter Zuziehung
seiner Gesetze Aber die Anziehung paralleler und sich kreuzender Ströme
Torans bestimmen, welche Lage verschiedenartig geformte Leiter ein-
nehmen werden, wenn sie von einem Strom durchflössen dem Erd*
magnetismus ausgesetzt werden und ferner welche Strororichtung durch
den Erdmagnetismus in einem geschlossenen Leiter erzeugt wird, wenn
man denselben aus einer gegebenen Lage in eine andere versetzt.
Mit einer weiteren Annahme, dass die Ampdre'schen Ströme ihre
gegenseitige Lage ändern können, erklärten sich die Variationen der
Magnetnadel ; hingegen bleiben noch mehrere Fragen, wie z. B. die Ab-
nahme des Erdmagnetismus von den Polen nach dem Aequator zu in
Folge der Wärme unerklärbar und hat deshalb die Amp^re'sche Theorie
auch sdion viele Anfechtungen erleiden mttssen.
Modificiren wir aber die Ampöre'sche Theorie in der Art, dass
wir die Ströme nicht in die Erde, sondern über dieselbe in die atmo-
sphärische Hfllle verlegen und im entgegengesetzten Sinne, nämlich von
West nach Ost die Erde umkreisen lassen, so erhalten wir einen Appa-
rat, mittels dessen sich die meisten Erscheinungen des Erdmagnetismus
aof eine einfache und natflrliche Weise erklären lassen.
Denken wir uns die Erde nur rotierend und nicht in ihrer
Bahn fortschreitend, so wird die sie umgebende Luft die Gestalt eines
an den Polen abgeplatteten Sphäroides annehmen, dessen geometrische
Axe mit der Erdaxe zusammenftUt. In Folge der Anziehung von Sonne
■nd Mond, sowie auch der größeren Planeten namentlich, wenn sich
zwei oder mehrere derselben mit der Erde in einer geraden Linie befin-
den, wird eine Ebbe und Flut des Lnftoceanl^ hervorgerufen, welche
homologe Erscheiungen wie die des Meeres zeigt und auf gleiche Weise
zu beurtheiien sind. Nur spielt hier die Wärme der Sonne auch eine
hervorragende Rolle und es wird in Folge der ellyptischen Bahn der
Erde und der damit in Zusammenhang stehenden Aenderung der Rieh-
214
tang and Intensität der Sonnenstrahlen ein wesentlidier Einflnss aus-
geübt. Je nach der Stellung von Sonne and Mond werden wir ein oder
zwei Maxima and Minima von Ebbe and Fiat haben and werden sich
diese in den verschiedenen Jahreszeiten aach verschieden verhalten. Die
Maxima and Minima der Fiat werden erst nach der Colmination von
Sonne and Mond eintreten in Folge der Ze% welche die Loft zom
Nachströmen braacht.
In Folge der Anziehnng and der Wärme der Sonne, bddes Kr&fte
die während der Zeit eines Jahres von wechselnder Intensit&t and Ridi-
tang sind, wird vermöge ihres einseitigen Einflasses aaf die Atmosphäre
das leicht bewegliche Laft-Sphäroid in mehr oder weniger regelmäßig
Oscilationen geratfaen; die geometrische Axe des Laftspfaärcndes wird
zwar die Erdaxe vermathüch stets schneiden, sich aber am dieselbe
herambewegend, die Erzeagangslinie zweier Scheitelkegel sein, deren
gemeinschaftliche Axe die Erdaxe ist and deren Scheitel im Erdmittel*
pankt liegt.
Der Winkel, welchen die Erdaxe mit der des Sphäroides bildet
and welchen wir Axenwinkel nennen wollen, ist variabel and sow<rf
jährlichen als aach sekalären Aenderangen nnterworfen. Das gleidie
gilt aach von seiner Ebene, der Axenebene, and wir werden in der
Folge nachweisen, dass dieselbe ihre geographische Länge Yon Jahr za
Jahr ändert. Das Laftsphäroid , welches wir ans mehr oder weniger
regelmäßig an seine geometrische Axe gelagert denken, wird seine
größte Abplattong in denjenigen Pankten haben, in welchen seine
Axe die Erdoberfläche durchdringt and welche wir vorlAnfig die magne-
tischen Pole nennen wollen; der Aeqnator des Solenoides fSällt mit dem
Erdäqnator nicht zusammen, sondern schließt mit demselben ebenfalls
den Axenwinkel ein, welcher nach obiger Andeutung nichts anderes ist
als der Complementwinkel zur geographischen Breite des Poles, deren
Veränderlichkeit wir bereits erwähnt haben.
Wir haben bis jetzt die Gestalt .und Bewegangsart der atamo-
sphärischen Hfllle als großes Ganzes betrachtet; gehen wir non aach
einmal ins Detail und untersuchen wir, was wol fQr Zustände im
Inneren desselben stattfinden werden. Denken wir uns daher die Erde
sammt der umgebenden Luft durch Ebenen, die dem Aequator parallel
sind, geschnitten; so werden wir in jeder derselben Luftzonen auf-
finden, welche nicht diejenige Rotationsgeschwindigkeit haben, die ihiMm
in Folge ihres senkrechten Abstandes von der Drehongsaxe zakommon
sollte und werden daher auch in jeder Ebene eine Zone antreffen,
welche die Grenze bildet zwischen den Lufttheilchen, die mit der Erde
die gleiche Winkelgeschwindigkeit besitzen und denen, welche eiae kleinere
215
Winkelgafichwindigkeit haben. lieber dem Aeqnator wird die Grenzzone
einen größeren Abstand von der Erdaxe haben, als über irgend welchem
Breitegrad; den Polen wird sogar die ringförmige Grenzzone, die da-
selbst in eine stark abgeplattete Calotte übergeht, sich stark ann&hem,
indem daselbst die Loft größtentheils nur noch mitgeschoben oder
nachgezogen wird. Denken wir uns nun s&mmtliche Grenzzonen unter-
einander verbanden, so werden wir ein Sphftroid erhalten, welches dicht
om die Erde gelagert, einen Theil der Gesammtatmosphftre aasmacht
and sich dadurch characterisiert, dass es mit dem festen Erdkörper die
gleiche Winkelgeschwindigkeit besitzt. Von diesem inneren Sphflroide gelten
nun speciell die vorhin nachgewiesenen eigenthümüchen Schwankungen
ond Flutungen der kegelförmigen Schwingungen der geometrischen Axe.
Zwischen dem inneren Luft-Sphftroide und der dasselbe umge-
benden sphäroidischen Schale wird in Folge der Geschwindigkeits-
differenz Luft-Reibung hervorgerufen, welche ihrerseits wieder auf das
innere Sph&roid verzögernd einwirkt und die Ursache ist, dass die
Axenebene etwas zurückbleibt und zugleich der Axenwinkel verändert
wird. Wir haben somit ein Weiterschreiten des magnetischen Poles von
Ost nach West — sowie Aenderungen nach Nord oder Süd. In Folge
der in der Grenzzone stattfindenden Reibung wird Electricit&t erzeugt
(auf das wie kann ich mich nicht einlassen und weise nur auf die
electrischen Erscheinungen der Wolken hin). Dieses im electj:ischem Zu-
stande befindliche Sphftroid wird sich genau wie das schraubenförmige
Solenoid von Ampere verhalten und wird der polarisirte Zustand des-
selben noch markirter hervortreten in Folge der an den Polen befind-
lichen tellerförmigen Abplattungen, welche wie zwei mächtige electrische
Scheiben wirken. Denken wir uns innerhalb dieses Luftsolenoides eine
Magnetnadel frei anfgehftngt, so wird sie sich in eine Ebene stellen,
welche durch die magnetische Axe des Solenoides und den Aufhänge-
ponkt der Nadel geht und je nach ihrer Entfernung von den Polen
nach Nord oder Süd inclinieren, um an allen Oscillationen und Schwan-
kongen« denen die magnetische Axe ausgesetzt ist, theilzunehmen.
Fassen wir uns nun kurz : der magnetische Pol ist derDurchdringungs-
pankt der magnetischen Axe mit der Erdoberfläche ; derselbe hat die Ten-
denz zu einer Fortschreitung von Ost nach West sowie in meridio-
nalem Sinne und bringt die seculären und jährlichen Schwingungen der
Magnetnadel hervor. Die täglichen Schwingungen stehen mit der Ebbe
und Flut des Luftoceanes in innigem Zusammenhange und die Maxima
und Minima der Schwingung correspondiren mit denen der Ebbe
und Flut. Einen mächtigen Einfluss üben auch unsere größeren Pla-
neten aus, wenn sich dieselben in geeigneter Stellung befinden.
216
In inniger Beziehung mit den Schwingungen und Yolumenände-
rungen des Sphftroides stehen die Winde und der Luftdruck und es
werden demnach gewisse Zust&nde der Luft — von Magnetnadel und
Barometer gleichzeitig angezeigt. Grewitter und die durch Luftströme
hervorgerufene Electricitftt haben nur einen lokalen Einfluss.
Hinsichtlich der Fortbewegung der Erde sei noch bemerkt, dass
so lange sich dieselbe in oder annähernd in der Richtung ihrer Axe
bewegt, ein besserer Zusammenhang der Lufttheilchen existiert, als
wenn ihre Bewegung senkrecht auf diese Richtung erfolgt, was immer
Lostrennungen der Lufttheilchen hervorruft. Dann begegnen sich
Schichten von ungleicher electrischer Spannung und erfolgt ein mit
Lichterscheinungen begleiteter Ausgleich derselben — Nord- und Stld>
licht genannt, und es gestattet das herrliche Ph&nomen sich eine Vor-
stellung von. der Grestalt der nördlichen und südlichen Reibungsflfichen
zu machen.
Stellen wir nun alle bis jetzt einzeln betrachteten Erscheinungen
zu einem Ganzen zusammen , so sehen wir die Erde mit einer sphäroi-
dischen Halle umgeben, die sich mit ihr dreht. Das Sphftroid ist um
eine Axe gelagert, die mit der Erdaxe einen Winkel bildet und sich
um dieselbe herum bewegend die Mantelflftche eines Körpers bildet, der
sich der Form zweier Scheitelkegel nähert In gewissen, ebenfalls sphä-
roidisch angeordneten Schichten der Gesammtluftmaße besteht Reibung
in Gefolge von Electricität und wir schließen, dass diese ringförmig
gelagerten electrischen Schichten in Bezug auf ihre Wirkung ähnlich
wie das schraubenförmige Solenoid von Ampere zu beurtheilen sind.
Die magnetische, oder genauer gesprochen, die electrische Axe des
Luftsolenoides rotiert um die Erdaxe in der gleichen Zeit, in der die
Erde eine Umdrehung macht — desshalb zeigt auch die Nadel stets
nach einem Puncte hin. In Folge des durch die Reibung hervorgerufenen
Widerstandes wird die Axe in ihrer Bewegung etwas verzögert,
bleibt täglich etwas weniges zurück und es werden ihre Durchdringungs-
punkte der Erdoberfläche, die wir der Kürze halber „magnetische Pole^
nannten, in der Richtung von Ost nach West wandern. Die magnetischen
Pole sind demnach nicht an bestimmte Punkte der Erdoberfläche fixiert,
sondern sind mobil und wandern um die Erdpole herum. Hieraus er-
klärt es sich, dass die Magnetnadel, die in Paris im Jahre 1580 eine
Declination von 11^ 30' östlich zeigte (bis zu diesem Jahre reicht die
mir zu Gebote stehende Tabelle), einen Lauf nach Westen nahm — im
Jahre 1663 die Declination Null ergab — also mit der Ebene des
Erdmeridianes zusammenfiel, dass sie bis zum Jahre 1814 stets mehr
und mehr nach Westen ausschlug — hier ihre größte westliche Ab-
217
weicliiuig Yon 22^ 34' erreichte und seit dieser Zeit sich wieder nach
Osten wendet Wenn wir annehmen, dass die Fortschreitang des Poles
eine gleichförmige ist, so entspräche demnach ein Zeitraum von
151 Jahren dem vierten Theile einer Umdrehung. Demnach müßte in
Paris die Declination im Jahre 1965 ebenfalls wieder Null sein und
würde überhaupt eine Umdrehung in einem Zeitraum von 604 Jahren
vollendet. Die Veränderlichkeit in der Lage der Pole ergibt sich auch
aas den Beobachtungen des CapitSn Ross.
Außer diesen seculären Oscillationen der Nadel haben wir auch regel-
mäßig wiederkehrende tägliche Schwankungen, die an den verschiedenen
Tagen des Jahres verschiedene Werte annehmen. Wir schreiben diese täg-
lichen Schwankungen dem Einflüsse der Ebbe und Flut der Luft zu, welche
ihrerseits von der gegenseitigen Stellung der Erde mit Sonne und Mond
und der Sonnenwärme abhängig ist. In Bezug auf den Einfluss der Sonnen-
wärme wollen wir noch hinzufügen, dass derselbe fflr einen bestimmten
Punkt der Erde mit Sonnenaufgang beginnt. Die Erwärmung der Luft
hat eine Ausdehnung zur Folge und es treten Schichten von einer
gewissen Geschwindigkeit in Schichten von größerer Geschwindigkeit
ein — die ersteren werden auf Kosten der letzteren beschleunigt und
es wird während des Ausgleichungsaktes Reibung sowie Electricität er-
zeugt. Da in Folge der Ausdehnung allein nur die Höhe der Luft-
säale, nicht aber ihr Gewicht vermehrt wird — so kann dieser Theil
der Erscheinung nicht von dem Barometer angezeigt werden — sondern
einzig allein von der Magnetnadel, welche die . erzeugte Electricität
empfindet. — Nun tritt aber mit der Ausdehnung der Luft zugleich
eine Verdünnung ein — und mit ihr ein seitliches Zuströmen der
weniger erwärmten Luft. Durch diesen zweiten Theil der Erscheinung
erhält die vergrößerte Luftsäule nun auch ein größeres Gewicht und
dieses wird von dem. Barometer bemerkt werden. Wenn sich die Luft
wieder abkühlt, zusammenzieht und die seitlich aufgenommene Luft
wieder zurückdrängt, so erfolgen selbstverständlich die umgekehrten
Erscheinungen und erklären sich somit die beiderseitigen täglichen
Sdiwankungen der Nadel.
Ich habe die Ueberzeugung, dass die Erscheinungen der Ebbe und
Flut wenig Einfluss auf ^ die mittlere Stellung der Magnetnadel haben
nnd nur eine locale Störung der Gleichgewichtslage hervorrufen. Eine
der Haupthypothesen dieser Theorie bildet das Zurückbleiben der Luft
in den höheren Schichten — man könnte vermuthen, dass, falls diese
Erscheinung einmal existierte, sich die verschiedenen Geschwindigkeiten
im Laufe der Zeit Ifingst ausgeglichen haben müssten. Die Erde sucht
die Atmosphäre gleichzeitig mit sich herumzudrehen und arbeitet auf
218
einen Gleichgewichtsasastand hin — die Anziehung der Sonne und des
Mondes, sowie die Wftrme suchen den Gleichgewichtszustand zu stören
und ich sehe geradezu diese Gombination von Einwirkungen als die
eigentliche Quelle der atmosphärischen Electricitftt an. In dem Durch»
einandermengen von Schichten mit ungleicher electrischer Intensit&t und
dem darauf erfolgenden electrischen Ausgleiche liegt auch die Ursache
eines electrischen Stromes, der sonst nicht entstehen könnte. Die Os-
cillationen der electrischen Axe um die stabile Erdaxe, welche mit
Ausnahme der Wftrme den gleichen Einfltlssen unterworfen ist, kann
man sich annähernd dadurch versinnlichen, dass man eine kleine Eisen-
masse um eine beliebig geneigte Axe rotieren l&sst und dann einen
kräftigen Magneten derart annähert, dass die Eisenmasse aus ihrer
Schwingnngsebene abgelenkt wird. Bei jeder Annfiherung wird ein
Heraustreten aus der Schwingungsebene erfolgen — darauf ein Zurück-
kehren und Ueberschreiten derselben. Die gleiche Erscheinung wflrde
erfolgen, wenn wir beliebig viele kleine Eisenmassen an der Bewegung
theilnehmen ließen, immer jedoch unter der Voraussetzung, dass jede
fflr sich frei und beweglich ist. Von einem festen Stystem gilt dieses nicht
Ueber das vorhin erwähnte innere electrische Lufteolenoid muß
ich noch bemerken, dass ich dasselbe nicht als ein von der Gesammt-
atmosphäre scharf abgesondertes Ganze mir vorstelle, sondern dass das-
selbe eine gedachte Form ist, die entsteht, wenn man die verschie-
denen Stellen gleicher Intensität mit einander verbindet.
Aus der Gestalt des an den Polen stark abgeplatteten und der
Erde naheliegenden, an dem Aequator stark ausgebauchten und der
Erde fem liegenden Luftsphäroides ergibt sich för die Polargegenden die
stärkste, ffir den magnetischen Aequator die geringste Intensität;
denn es Iftsst sich ä priori annehmen, dass sich Aber den Polen, wo
nahezu studierende Luftschichten vorkommen werden, die meiste
Electricität entwickelt werden muss und dass daselbst die electrischen
Schichten näher an der Erdoberfläche liegen und daher eine
grössere Wirkung auf die Nadel haben müssen, als im magnetischen
Aequator, welcher, wie bereits bemerkt, den Erdequator schneidet und
zwischen die Wendekreise fftUt und woselbst die electrischen Schichten
in Folge der größeren Schwungkraft und der größten Wärme auf
der Erde einen bedeutenden Abstand von der Erde und daher eine
schwächere Wirkung haben. Die eigenthömlich lemniscatenartig gelagerten
Punkte der größten Intensität und die damit zusammenhängenden secun-
dären Pole kann ich vorläufig aus dieser Theorie nicht erklären.
Wir sehen femer noch, dass man strenge genommen, nicht von
magnetischen Polen auf der Erde reden darf, sondern dass es sich nur
219
eme Resultante Ton Kr&ften handelt, die an bestimmten Stellen die
ESrdoberflftehe durchdringt
Wenn diese Anslehten riehtig sind, so wAre unter
dem Namen Erdmagnetismus niehts anderes lu verstehen,
ab die Summe der Wirkungen der atmospliftrisehen Rei-
bmigseleetrieitJlt
Indem ich diese Gedanken nur yorl&nfig ausspreche, weiß ich sehr
wohl, dass dieselben noch einer eingehenden Prtlfang and Begründung
durch Beobachtung und Mathematik bedürfen, welche vielleicht die
Zukunft bringen wird. — Jedenfalls werde ich noch meine Kräfte an
dieser Frage versuchen.
Bosnien
mit Bezug auf seine Mineralsch&tze.*)
Vom Bergingenieur A. Conrad.
Bosnien gehört zu den reichsten und gesegnetsten Provinzen des
türkischen Reiches. In ihrem Schöße sind nicht nur unermessliche
Sch&tze von Metallen und anderen nutzbaren Mineralien niedergelegt , son-
dern es werden ihre Höhen und Gebirge auch von den bedeutendsten und
schönsten Waldungen aller Art geschmückt, dürften jedoch bei der
systematischen Yerwfistungslust der Bewohner trotz ihrer ungeheuem
Ausdehnung an den entlegeneren Orten bald ebenso verschwinden, wie
wir es leider schon jetzt in der Nähe der Städte und Flflße wahr*
nehmen, wenn nicht durch eine rationelle Forstbewirtschaftung und
strengere Forstgesetze diesem Unwesen ernstlich Einhalt geboten wird.
Ich erinnere nur an die oft sehr bedeutenden Waldbrände, welche durch
die Bewohner absichtlich angelegt und unterhalten werden und noch vor
2 Monaten in der Gegend von Blainje unfern Serajewo*s an vier ver-
schiedenen Punkten zu sehen waren. Nicht das Einschreiten der Be-
hörden hat diesem höchst frevelhaften Waldbrand ein Ende gesetzt, son-
dern heftige Regengüsse unterdrückten ihn später und verhinderten die
weitere Yerbreitung desselben, wodurch ein unberechenbarer Schaden für
*) In der croatisch-deutschen Schreibweise ist zu lesen :
c = deutsches z s = deutsches seh
c =» ^ tsch z » „ weiches s (in Rose)
s =^ „ scharfes 6 z ^ französisches j (in jamais)
A. d. Red.
220
die znnächstgelegenen Orte, namentlich für die Hauptstadt Serajewo ab-
gewendet worden ist Außer diesen Waldbränden ergeht sich die Zer-
störungswut der Einwohner in dem Anhauen der B&ume, ohne diesel-
ben weiterhin zu Brenn- oder Bauholz zu benützen. So sieht man tau-
send angehauener Baumst&mme mit tausend durch Windbruch ge&l-
lenen am Wege herumliegen. — Wir wollen hoffen, dass durch eine
rationelle und gesetzliche Forstbewirtschaftung dieser National-Reich-
thum der Provinz Bosnien erhalten bleibe, was wol auch das
türkische Gouvernement unter dem Ministerium von Edhem Pascha zu
bezwecken scheint, indem es einen Fachmann, der unter dem Titel
eines Forstdirectors fungiert, ins Land sandte. Indessen nehmen die
Waldverwüstungen doch in erschreckender Weise zu und unsere Erwar-
tungen auf endliches Besserwerden werden vielleicht eben so unerfüllt
bleiben, wie so viele andere.
Der Bergbau, welcher bei dem großen Mineralreichthum eine
unversiegbare Quelle des Wohlstandes fQr Bosnien bilden würde, liegt
gfinzlich darnieder und würde nur dann eine Wichtigkeit erlangen, wenn
durch energisches Vorgehen anderer Männer eine zum Ziele füh-
rende Wendung herbeigefflhrt würde. Der Bergbau würde nicht nur dem
Gouvernement eine reiche Einnahme bringen, sondern er würde auch,
da eben die Regierung durch diese Industrie eine größere Einnahme
erreicht, die Bevölkerung von drückenden Lasten befreien, welche bis
jetzt nur durch die verarmten Bewohner aufgebracht werden mußten.
Außerdem würde der Bergbau einen allgemeinen Wohlstand der Ein-
wohner begründen, wie wir ^ihn in den bergbautreibenden Staaten
Preußens , Sachsens und Belgiens sehen. Der Bergbau, welcher über 400
Jahre darniedergelegen hat, ist bis auf den heutigen Tag sehr schwach und
wird nur auf Eisen betrieben, welche Industrie wegen der Mittellosigkeit
der Besitzer hinter den Fortschritten der Wissenschaft und Technik zu-
rückgeblieben ist und ganz entschiedene Rückschritte gemacht hat.
Die Ursachen des Verfalls liegen in der gfinzlichen Unkenntnis der
Behörden, sowie auch in der Apathie der Einwohner, namentlich aber in
dem drückenden Besteuerungssystem. Die Türken und die meisten Be-
wohner wollen von dem Bergbau durchaus nichts wissen; die erstem
wegen Sorglosigkeit und Unkenntnis, und die andern, weil sie befürchten,
dass die Entdeckung von Erzen ihnen eine neue Quelle von Bedrückung
und obligatorischen Arbeiten sein würde.
Ilold findet sich in Bosnien theilsim gediegenen Zustande, theils
in Verbindung mit andern Metallen, hauptsächlich mit Silber und in
vielen Schwefelmetallen überaus fein eingesprengt vor.
Das Gebirge Radovan enthält mehrere goldhaltige Quarzgänge, die
221
bis jetzt noch ganz unberührt geblieben sind, während in der Gegend
zwischen Gon^i-Yaknf und Gojaica auf den Gebirgen Vranica und Ko-
ziig ein sehr bedeutender Goldbergban zur Zeit der Römer, also vor
löOO — 1600 Jahren betrieben wurde. Aus den Ueberresten dieses
Bergbaues ersieht man deutlich, dass das gediegene Gold in den Zer-
setzungsproducten, nämlich in dem aus dem Schwefelkies entstandenen
Brauneisenstein (Brauneisenerz) und in den Ablagerungen enthalten
war, welche sich aus den zertrümmerten und durch die Flut wegge-
schwemmten Gebirgsmassen gebildet haben. Dies ist hauptsächlich bei
Gervena Zemlja, Zlatna Guvna der Fall, wo ungeheure Waschhalden, die
Ton dem begleitenden Eisen eine ockerrothe Farbe besitzen, sich noch vor-
finden. Man sieht in Gervena Zemlja noch eine Halde, welche eine
Höhe von 80 Fuß, eine Breite von mindestens 150 Fuß und eine Länge
von 400 Fuß hat. Der fromme Sinn der Bewohner behauptet, dass un-
ter dieser Halde eine Kirche sei.
An dem Abhang des Rosinj-Gebirges sind mehrere hundert Ringe
von größerer oder geringerer Tiefe vorhanden, welche unter sich eine
stetige Richtung der dort auftretenden Goldgänge zeigen und eine ungeheure
Thftügkeit auf Goldgräbereien documentieren. Auch hier existiert un-
ter den Bewohnern der Aberglaube, dass die Gottheit das Goldgraben
nicht mehr gestatte und durch starke Regen und Hagel den Nach-
grabungen sofort ein Ziel setze, selbst wenn das schönste Wetter vorher
gewesen sei. Diese Naturerscheinung findet aber in den dortigen klimati-
schen Verhältnissen auf dem ober 8000 Fuß hohen Rosinj-Gebirge ihre
vollständige Erklärung und tritt auch dann ein, wenn keine Nachgrabungen
aaf Gold erfolgen.
Dass der Goldreichthum zu Cervena Zemlja, sowie am Rosinj-
Gebirge sehr bedeutend gewesen sein muß, haben wir aus den Ueber-
resten der einstigen Betriebsamkeit der Römer gesehen, welche jener
Yon Califomien nahe stehen dürfte. Es ist noch heut im dem Munde
der dortigen Bewohner das Sprichwort gang und gäbe „der Ochs kratzt
flieh an dem goldenen Schober, aber die Leute sehen ihn nicht. ** (Vol
se ceSe o zlatni §tog, a Ijudi ne vide.)
Das Gebirge besteht aus Thonschiefer , dessen Schichten auf dem
Gebirgskamm des Rosinj-Gebirges fast in senkrechter Stellung zu Tage
ansgehen. Dieser Thonschiefer ist hie und da von dichtem Kalkstein
aberlagert und wo die Goldgänge sind, von GrOnstein und Quarzgängen
durchsetzt Die große rothgefärbte Halde zu Gervena Zemlja besteht aus
einer rothen Erde mit GreröU von Grünstein, Quarz und Brauneisenerz.
Ein anderer wichtiger Punct, wo die Römer ebenfalls einen groß-
artigen Goldbergbau betrieben hatten, ist zu Zlatnica bei Travnik.
222
Schon Plinias erwähnt dieser Ooldminen nnd man sacht sie an den
Quellen des Flusses La5na Zlatnica , wo in froheren Zeiten eine bedeu-
tende Stadt soll gestanden haben. Allein heut existiert dort keine
Ortschaft, nnd es ist auch keine Spur von Wohnungen anzutreffen. Nur
an mehreren Punkten sieht man noch sehr alte und mit Mos bededcte
Obstbäume, so dass vielleicht daraus auf die ehemalige Stadt ge-
schlossen werden kann. Man sagt, die frflheren Bewohner seien Tor
der Pest, welche im Jahre 1795 die dortige Gegend ffirchterlich heim-
gesucht hat, geflohen und nicht wieder zurflckgekehrt. — Es ist ein
schönes Stttck Land zur neuen Ansiedlung, wo die Cultur wegen der
geschützten Lage und des sehr milden Klimas rasch aufblflhen und
einen bedeutenden Ertrag geben mflßte, zumal wenn die dort befind-
lichen Erze yon Gold und Eisen noch ausgebeutet würden.
Das Gebirge besteht hier ebenfalls aus Thonschiefer mit mäch-
tigen Kalksteinlagem , durchsetzt von Diorit- und Quarzgängen, begleitet
von dem schönsten Eisenglanz. Gerade diese Zone, sowie die, wo die
Conglomerate auftreten, sind die Lagerstätten des Goldes, welche eise
weitere Bearbeitung verdienen.
Das gediegene Gold, wie es sich in dem Sand der Flttsse Bosna
Yerbas und La§va findet, wird von den bereits bekannten primäre
Lagerstätten von Cervena Zemlja, Zlatnica etc. geliefert; aber es mOßte
auch außer diesen noch viele jetzt unbekannte Punkte geben, von denen
aus das Gold in die genannten Flflsse geführt worden.
Sehr häufig findet sich das Gold höchst fein zertheilt in Schwefel-
kies, wovon Bosnien in allen Bergdistricten bedeutende Niederlagen hat,
sowie auch in der Blende, Antimonglanz und Brauneisenerz in der Nähe
von Borovica, Fojnica etc. Das Gold ist in diesen Erzen unsichtbar
und dann erst zu erkennen, wenn die Metalle sich oxydieren, d. h.
Sauerstoff aufnehmen und das Ganze locker wird.
Ueber den Reichthum der Golderze, sowie Aber die Quantität in
einem gewissen Volum Gebii^masse besitzen wir keine sicheren Nach-
richten. Indess muß die Gewinnung nicht unbedeutend gewesen
sein, wenn man noch die vorhandenen Documente über die Goldliefe-
rungen zur Zeit der Römer zu Grunde legt. So hat zu jener Zeit in
Salona ein eigener PraeposUus theMurorum Dalmaitnomm residiert, wei-
cher täglich 50 Pfund (22 Oka) Gold (circa 5500 Zecchinen) nach Bom
zur Schmehsung sandte. Ein anderer Praepoiihu hatte in Sicsia (Siaek)
seinen Sitz und die Aufsicht über die Minen von Pannonien bis an die
bätischen Berge. Von dieser Zeit an bis zur Türkenherrschaft in Bos-
nien fehlen uns alle Nachrichten über die Goldgewiimung, während von
der Zeit, seit die Türken hier existieren, in dieser Beziehung gar nichts
zu berichten ist
223
Silber habe ich in den von mir bereisten Districten weder in
gedi^enem Zastaode, noch in den sogenannten reinen Silbererzen vor-
gefanden, sondern viehnehr und nicht anbedentend in Blei and Kupfer-
erzen. Indess ist es nicht unwahrscheinlich, dass in größeren Tiefen da,
wo die silberhaltigen Blei- und Kupfererze auftreten, auch sehr reiche
Silbererze sich finden werden, wie dies in anderen Ländern bereits con-
statiert ist Nach den uns fiberlieferten Nachrichten hat man in den
Gebirgen des Flussgebietes Drina, also in den östlichen Theilen Bos-
niens vor den Zeiten der Tflrkenherrschaft sehr reiche Silbererze aus-
gebeutet, und die Ortsnamen Srebemik und Srebemica bezeichnen noch
die Punkte, wo ehemals auf Silber gegraben wurde. Der Name der
Franciscaner-Provinz „Provincia Fratrum Minorum Bosnae Argen-
tinae'' constatiert ebenfalls die frühere reiche Ausbeute an Silber. An
dem Berge Srebemica soll noch unter den Sultanen um die Mitte des
16. Jahrhunderts der Silberbergbau betrieben worden sein, aus welchem
die damaligen Herrscher eine sehr bedeutende Einnahme erhielten. Gegen
Ende des 12. Jahrhunderts hat der Ban Kulin einigen Ragusäem
die Erlaubnis zum Bergbaubetrieb in den Gegenden zwischen Serajewo
und Yaresch unter dem Berge Nabosiö, wo die beiden Flüsse Mizo^a
und Zenica beim Dorfe Na2ica sich vereinigen, sowie am Gebirge
Jagodina ertheilt und man erkennt noch heutigen Tages an den da-
selbst zurflckgelassenen Ueberresten, dass zu jener Zeit ein nicht unbe-
deutender Bergbau muß betrieben worden sein. Nach allen Anzeigen
mfißen die Ragusfter gute Bergleute, gleich wie die Portugiesen in
Sfid-America, gewesen sein, indem sie nur da ihre bergmännische
Thfttigkeit entwickelten, wo auf einen reichlohnenden Erfolg mit
Sicherheit gerechnet werden konnte. Gegenwärtig liegt der Silberberg-
bau gänzlich darnieder und dttrfte nur unter gflnstigeren Verhältnissen
eine Wiederauferstehung feiern.
Nach meiner genauen Kenntnis der beiden Hemisphären kann ich
behaupten, dass Bosnien in Betreff seines Silberreichthums die seltenen
glficklichen Bedingungen des Silbervorkommens von Europa und America
In sich vereinigt und eine enorme Silberproduction liefern kann, wenn
der Bergbau mit Kenntnis und ausreichendem Capital betrieben wird.
Bei den nachstehenden Metallen werde ich auf das Silbervorkommen
wieder zurückkommen.
ftipfer findet sich in der Natur theils gediegen, theils in
vielfachen Verbindungen mit andern Körpern, als: Schwefel, Antimon,
Kohlensäure etc. Bosnien ist sehr reich an Kupfererzen, welche fast
dnrchgftngig mehr oder weniger silberhaltig sind. Die Kupfererze
bestehen entweder in Malachiten und Kupferlasuren oder in silberhal-
224
tigen Fahler zen. In den Districten Foinica, EreSevo etc. habe ich
auf einen Flächeninhalt von etjnra 6 Quadratstnnden an 42 verschiedenen
Pnncten die mächtigsten Knpfemiederlagen entdeckt, welche einen loh-
nenden und vielversprechenden Bergbau in Aussicht stellen.
Die Kupfererze finden sich gewöhnlich auf Gängen in Thonschie-
fer und Kalkstein, begleitet von Brauneisenstein, Schwerspath, Kalkspath,
Blende und Bleiglanz ; oft ist das Nebengestein bis auf weite Erstreckun-
gen mit Kupfererz innig imprägniert.
Nach den von mir angestellten Analysen haben die Malachite einen
durchschnittlichen Kupfergehalt von Ö0%, die Fahlerze haben einen
Durchschnittsgehalt von 112 Drachmen Silber und 30 Oka Kupfer in
100 Oka Erz.
Die bisherigen Versuche zur Gewinnung der Kupfererze sind an
der völligen Unkenntnis, auch an der Mittellosigkeit der Unternehmer
gescheitert, so dass gegenwärtig dieser Bergbau ganz damiederliegt.
Ilci findet sich an den verschiedenen Punkten Bosniens nur
als Bleiglanz, welcher mehr oder weniger silberhaltig ist. Der Bergbau
auf Bleiglanz ist seit der TOrkenherrschaft eben so vernachläOigt wie der
Kupferbau. In früheren Zeiten hat man unweit Olovo auf die dort
mächtig auftretenden Bleierze gebaut, was jetzt nur schwach geschieht.
Die in der Umgegend von Kresevo, Priedor und Yares vorkommenden
Bleierze haben einen Bleigehalt bis zu 807u ^^^ etwas Silber; sie
finden sich im Thonschiefer und Kalkstein auf Gängen theils rein, theils
gemengt mit Kupfererzen, Schwerspath, Blende, Schwefelkies etc. Ver-
gleicht man den hohen Blei- und Silbergehalt der hiesigen Bleierze,
welche mitunter auch goldhaltig sind, mit den Gehalten der Bleiglanze
anderer Länder und berficksichtigt man die leichte Grewinnung der
Bleierze, welche in andern Ländern wie in Sachsen, am Harz, in
Preußen etc. unter sehr hohen Kosten aus großen Tiefen zu Tage
gefördert werden, so dflrfte sich auch hier ein lebhafter Bergbau
entwickeln, wenn die Verhältnisse sich später günstiger für derartige
Unternehmungen gestalten werden.
daecksilber findet sich in Bosnien nur als Zinnober, einer
Verbindung aus Quecksilber und Schwefel.
In der Umgegend von Kre§evo hat man an einigen Punkten
Zinnober nachgewiesen und auch theilweise gewonnen. Er kommt auf
Gängen und Lagern in Kalkstein vor, begleitet von Brauneisenstein, Blende,
Kupfererzen, Schwefelkies, Gold etc. Diese Quecksilbemiederlagen zei-
gen einige stetige Richtung, dehnen sich über Kiseljak bis nach VareS
aus und dürften wenn sie vollständiger aufgeschlossen sein werden, einen
bedeutenden Bergbau ins Leben rufen.
225
Der Bergbau auf dieses kostbare Metall wurde bisher nur sehr un-
vollkommen und unrationell betrieben und ist mehr als Raubbau anzu-
sehen. Die Folge war, dass die Gangmittel, in denen der Zinnober bricht,
verloren giengen und nur mit vieler Mühe und Kosten wieder ausge-
'richtet werden können. — Der Quecksilberbergbau in Bosnien dürfte
einst einen bedeutenden Wohlstand der Bevölkerung, sowie eine reiche
Einnahmsquelle ffir die Unternehmer und Regierung bilden, und könnte
mit den andern in dieser Branche bestehenden Werken gut concurrieren,
einmal wegen der Reichhaltigkeit der Erze und wegen der leichten Ge-
winnung des Zinnobers in oberen Teufen.
An Ebea besitzt Bosnien einen Reichthum, wie er kaum sonstwo
wieder angetroffen wird.
Brauneisenstein ist in Bosnien sehr verbreitet und findet sich
in einer Reinheit, wie selten in anderen L&ndem. Sein durchschnitt-
licher Gehalt beträgt 4ö% Eisen. Seine Entstehung kann theils aus
dem Spatheisenstein, theils aus dem Schwefelkies abgeleitet werden, wo
er dann gewissermaßen als Hut andere Metalle, Kupfer, Blei etc. über-
deckt. Er erscheint in verschiedenartigen Structurverhältnissen , und zwar
bald traubig, nierenförmig, kugelig und stalaktitisch von radialfasriger
Textur und krummschaliger Structur, wie bei Foinica, Busovad, bald in
schichtenförmigen Ablagerungen und dicht, wie bei Dusina, Yarei) etc.,
bald als ockriges Brauneisenerz mit locker verbundenen erdigen Theilen,
wie bei Bihaö.
In den Districten von Fojnica und Kreäevo, namentlich aber in
dem District von Vares tritt das Brauneisenerz mit einer Mächtigkeit
auf, welche die Bewunderung über so mächtige Eisensteinlager im
höchsten Grade erwecken. Die Gruben zu Kamenica bei Foinica
liefern für die sämmtlichen in der Umgegend gelegenen Eisenwerke
das Erz, dessen mittlerer Gehalt zu 35^0 Eisen angenonmien werden kann.
Das daraus dargestellte Eisen ist von guter Qualität und wird nament-
lich zur Herstellung von Ackergerätschaften, Hufeisen, Nägeln benützt.
Das Brauneisenerz von Dusina und Slata bei Kre§evo, sowie das
von Busovaö ist von ganz vorzüglicher Reinheit, aus welchem ein aus-
gezeichnetes Stabeisen, welches dem besten schwedischen nicht nachsteht,
produciert wird. Es ist auch sehr gesucht und wird in Barren exporr
tiert. Die Waffenschmiede bedienen sich größtentheils dieses Eisens,
um Klingen daraus zu verfertigen. Außerdem fabriciert man noch
Nägel, Hufeisen und mehrere Utensilien. — Besonders reich an
Brauneisenerz ist die Umgegend von YareS, wo ganze Berge bis zu
400 Fuß Höhe und von noch unerforschter Länge, Breite und Tiefe
aus dem schönsten Erz bestehen.
Q«ognipliMche MittlieiluDgea 1870. 6. 15
226
Der Bei^ Saksido), wo jetzt 10 Oraben in Betrieb stehen, liefert
für die sSmmtlichen in and nm Yares gelegenen Eisenwerke das Erz.
Der Berg Smerka, unweit von ^ksidol, and nar darch das Thal
geschieden, birgt einen eben so ausgezeichneten Eisenstein, wie äaksidol
und dürfte das Eisenerz für eine vergrößerte Eisenindustrie auf mehrere
Jahrhunderte ausreichend liefern. Gegenwärtig wird zu Smerka nur wenig
Eisenerz gewonnen, da Saksidol genug Material zum Betrieb der Eisen-
werke besitzt und gibt. Das Brauneisenerz zu Saksidol hat einen mitt-
leren Gehalt von 40^0 Eisen und man erhält im günstigsten Falle bei
der Verschmelzung nur 15 "/|, Eisen, was seinen Grund in den unvoll-
kommenen Oefen hat. Das Erz ist in seiner Qualität dem von Dusina
und Busova^ gleichzustellen und man erzeugt aus ihm ein ganz vor-
treffliches Eisen. Von den in und um Yares gelegenen 26 Eisenhütten
können immer nur wenige im Betriebe sein, die Schmelzungen erfolgen
daher nach einem unter den Hüttenbesitzern vereinbarten Uebereinkommen
abwechselnd. Der Grund hievon ist, dass die Aufschlagewasser f&r den
Betrieb der Gebläse und Aufwurfhämmer für sämmtliche Werke nicht
ausreichend sind.
Das Eisen wird zu Pflugscharen, Nägeln, Brechstangen, Hufeisen
und zu verschiedenen häuslichen Gerätschaften verarbeitet. Ein nicht
unwichtiger Handel mit Pflugscharen und Hufeisen nach Serbien, wo
man dafür Salz bietet, bringt den dortigen Bewohnern eine lohnende
Beschäftigung und man versicherte mir, dass ein Kaufmann aus Serajewo
nur für den Transport dieser Eisenwaren eine jährliche Abgabe von 70.000
Piastern an das Gouvernement zahle. Außer den Bergen von Sakäidol
und Smerka sind noch die Orte Dubosic, Foikofta, Dro^kovac und
Borovica als wichtige Fundstätten von Eisenerz bei Yareä zu erwähnen,
mit Eisenwerken, die nur zeitweilig betrieben werden.
In der Umgegend von Gromji-Yakuf, Zlatnica und Sebeiiö brechen
ebenfalls ausgezeichnete Brauneisenerze. In früheren Zeiten muß dort
ein schwunghafter Betrieb stattgefunden haben, worüber verlassene
Grubenbaue, sowie ungeheure Schlackenhalden die unzweideutigsten
Beweise liefern. — Der Spatheisenstein besteht wesentlich aus kohlen-
saurem Eisenoxydul mit größeren oder geringeren Mengen von Mangan,
Kalkerde und Magnesia. Sein durchschnittlicher Eisengehalt beträgt
357o* ^A das aus ihm erblasene Eisen vorzugsweise zur Stahlfabri-
cation geeignet ist, so wird der Spatheisenstein von den Hfitten-
leuten auch Stahlstein genannt. In der Umgegend von Sebeiic kommt
er in sehr mächtigen Lagern in Kalkstein vor, hat eine gelbliche Farbe,
ist hauptsächlich derb, zum Theil crystallisiert und in seinen oberen
Lagen durch Einwirkung von Luft und Kohlensäure enthaltendem
^1
Wasser in Brauneisenstein umgewändeU werden. Der Bergbau und das
Eisenhfittenwesen bei Sebezic ist seit ungefähr GO Jahren zum Erliegen
gekommen. Im Thale Ukos sollen 18 Eisenhütten im Betriebe gewesen
sein, was die dortigen Ruinen der Hüttengebäude, und Wasserleitungen
documentieren. Gerade in dieser Gegend soll das beste Eisen produ-
ciert worden sein, von welchem man da, wo die Eisenhütten gestanden
haben, noch vieles vergraben findet. Wegen seiner guten Eigenschaften
ffir gewisse Artikel, als Pflugscharen und Sensen, ist es daher sehr
geschätzt und gesucht, so dass gegenwärtig dort noch Nachgra-
bungen nach diesem Eisen erfolgen. Die Bewohner versichern, die
ans diesem Eisen gefertigten Pflugscharen seien nach einem 9jährigen
Gebrauche noch untadelhaft, während die Pflugscharen aus dem Eisen
von andern Hüttenwerken schon nach 2 Jahren nicht mehr gebraucht
werden können.
Der Eisenglanz findet sich hauptsächlich auf Gängen mit Quarz
Grünstein etc. von blättriger Textur, starkem Metallglanz und eisen-
schwarzer Farbe im Uebergangsgebirge bei Kresevo, Foinica und Trav-
nik und wird bei den dortigen Hüttenwerken als Zuschlag mit Braun-
eisenerz verschmolzen.
Der Magneteisenstein, kommt nur in derben Massen auf Gängen
mit Eisenglanz bei Kresevo vor und hat einen mittleren Gehalt von
65"/(| Eisen. In Bosnien hat man ihn wenig oder fast gar nicht ver-
schmolzen, er dürfte aber später , wo ein rationeller Eisenhüttenbetrieb
stattfinden wird mehr Beachtung erhalten.
Das' Stabeisen von Dusina bei Kresevo, sowie von Busovac und
Yares ist von ganz vorzüglicher Qualität und dürfte den besten
Nummern Eisens anderer Länder, welche darin eine gewisse Berühmt-
heit erhalten haben, nicht nachstehen. Von allen bisher betrachteten
Metallen ist das Eisen das einzige Metall , welches in Bosnien produciert
wird. Indessen ist die Gewinnung und Zugutemachung der Eisenerze
hier auf einer so niedrigen Stufe, dass im allgemeinen nur wenig
gutes hievon berichtet werden kann. Die dabei angewendeten Methoden
sind in technischer Beziehung nicht nur sehr fehlerhaft, sondern auch
kostspielig, so dass man erstaunt, dass aus dieser Production noch ein
Gewinn gezogen wird.
An fttlile birgt Bosnien sehr reiche und mächtige Braunkohlen-
flfitze in seinem Schöße, welche bis jetzt noch schlummern, aber
einstens mit großem Nutzen ausgebeutet werden dürften, wenn Mangel an
Holz eintritt
In der Gegend von Banjaluka, Travnik, Visoka, sowie in der
Hercegovina bei Konjica, Stolac und Livno treten Kohlenflötze zu
lö*
228
Tage, welche mit leichter Mühe abgebaut werden keimen. In dem
Thale der Bosna und in vielen anderen Thälem sieht man die Braun-
kohlenformation mächtig entwickelt und es ist nicht unwahrscheinlich,
dass dieses nfltzliche Fossil in geringer Tiefe anzutreffen sein wird. —
Wegen des Holzreichthums ist die Braunkohle zu häuslichen Zwecken
noch nicht benutzt worden, dürfte aber bei der systematischen Ver-
wüstung der Wälder, sowie bei Errichtung von Eisenbahnen, tech-
nischen und metallurgischen Etablissements etc. eine sehr vortheil-
hafte Verwendung finden. ^
Sali wird bis jetzt in der Gegend von Ober- und Unter-Tuzhi
durch Verdunstung der dort vorkommenden Salzsoolen gewonnen, aber
auf eine so fehlerhafte und unvollkommene Weise, dass die Productions-
kosten eine unmäßige Höhe erreichen.
Die Salinen, welche von der Regierung betrieben werden und
stets mit Mangel an den nöthigen Mitteln zu kämpfen haben, lassen
keinen Gewinn und liefern auch kein reines Kochsalz. Sie sind
eben wegen der zu hohen Fabricationskosten , trotz des bedeutenden
Schutzzolles von 20"/o auf importiertes Salz, nicht im Stande,
mit dem Auslande zu concurrieren , auch nicht das hinreichende Salz
fOr die ganze Provinz zu liefern. Es scheint daher die sehr wich-
tige Aufgabe nahe, andere Punkte zu suchen, wo Steinsalz enthalten
sein könnte. Nach meinen geognostischen Untersuchungen glaube Ich
an 3 verschiedenen Orten gefunden zu haben, was durch Bohrversuche
leicht zu constatieren wäre , da das Steinsalz sehr selten zu Tage austritt.
Aus der betrachteten Reihe von Metallen und Fossüien, an welche
sich noch das Vorkommen von Meerschaum, Marmor, Thon, Asphalt
und anderer nützlicher Mineralien anschließt, wird man erkennen,
welchen Reichthum das Land Bosnien enthält, und welche Zukunft ihm
vorausgesagt werden kann, sobald durch Privatspeculation die bis jetzt
noch schlummernden Schätze gewonnen werden.
Serajewo im November 1866.
Geographische Literatur.
Land und Leute in Africa. Berichte aus den Jahren
186Ö— 1870. Von Gerhard Rebifs. Bremen bei J. Kühtmann 1870.
Wir haben an einem andern Orte hervorgehoben, wie das, was man
anter allgemeiner Bildung fQr das Bedürfnis unserer Zeit ver>
steht, ohne eingehendes Studium der Erdkunde nicht denkbar sei. Der g(*8tei>
gerte und leichtere Verkehr und der Nutzen, den er bringen soll, zwingt zur
Aufmerksamkeit in der Orientierung und die Frage, wie es in der Welt aas-
sieht, bietet au sich so viel anregendes, dass der strebende Geist ihrer nicht
229
entrathen kann. Wenn nur aach die Schalen die angenehme WissencM^haft
so zo fowaen wtkssten, dass die Anregung nicht wieder verpufft ! Jedenfalls
wird es neben der Mflhe, die Schulen zu bessero, eine leichtere sein,
durch den Beiz erdkundlicher Schilderungen, die, wahr und treu, wie sie
der Meister sehrieb, unmittelbar an's große Publicum gelangen, der Bildung
nach dieser Seite Vorschub zu leisten. Und das wünschen wir, dass es sich die
Forscher und Förderer der Erdkunde gesagt sein lassen.
Von unserem Standpunkte mufi das vorliegende Buch als ein erster
Wurf nach diesem Ziele mit ungetheilter Freude begrüßt werden. Es
manifestiert die Einsicht eines, durch Forschungen auf erdkundlichem Gebiete
wie durch seine Darstellungen gleich bewährten Mannes, der dem großen
Publicum das Recht einräumt, die Resultate des wissenschaftlichen Strebens in
einer ihm verständlichen Sprache zu überkommen, wenn man ihm zumuthet,
sieh daraus Bildung zu holen.
Was Gerhard Rohlfis im vorliegenden Bändchen bietet, ist aus Fach-
blättern größtentheils bekannt. Aber wir zweifeln nicht, dass, indem es hier
aus dem mehr oder .minder beschränkten wissenschaftlichen Kreise zum ersten-
mal in die große Welt tritt, ihm erst die volle Würdigung zu Theil werden
wird; so anziehend und lehrreich, so im vollen Maße mundgerecht weiß er
den Stoff zu geben, der schon an sich selbst der Wissbegierde reiche Befriedi-
gung bietet.
Unter den 13 Abschnitten — wir möchten sie am liebsten Cu It Ur-
bild e r nennen — in denen uns der Verfasser das Land unb Volk von Africa
vorführt, wüssten wir keinen, der dem andern an Interesse nachsteht. Berühren
»die Bemerkungen über die Zukunft Algeriens*« eine wichtige politische Frage,
so wird man durch »die große Bodeneinsenkun^ in Nordafnca« in eine scharf-
sinnige Terrainstndie vertieft und wieder durch die »Beobachtung der Wirkungen
des Haschisch- psychologisch und physiologisch angeregt. Reizende Schilde-
rungen begleiten den Leser im Capitel »von Lagos nach Liverpool« längs der
Westküste von Africa durch den atlantischen Ocean nach England, während er in
der "Stadt Kuka* »am Benuä< und in den zwei folgenden Abschnitten sich
tief in das sociale Leben der centralafricanischen Völker versenken lernt.
Drei Capitel sind Abyssinien gewidmet, eines Malta, eines dem seit dem
Mittelalter von Europäern vernachlässigten Damiette. In der Darstellung ist
RohlfB Meister. Wie die Schale von der Orange weiß er den Gelehrtenkram
von seinem Gegenstande abzulösen, und der Leser erhält die süße, erfrischende
Frucht mit zureichender Nahrung für den Geist. Von der köstlichen Laune
aber, womit er seine Schilderungen würzt, mag hier die Erzählung »vom
Consul zu Damiette« eine Probe geben:
-Ich muß Herrn Surur,« so heißt unser Consul, der nebenbei gesagt,
der reichste Mann der Stadt und ein eingewanderter Levantiner ist, »doch
einpn Besuch machen,« dachte ich, und that es. Er wohnt am ganz entgegen-
gesetzten Ende in einer prachtvollen Villa außerhalb der Stadt. Zu meinem
Bedauern fand ich ihn verreist, um eines seiner vielen Güter zu inspicieren,
welche er rechts und links am untern Nil liegen hat. Aber den letzten Tag
abends kam der Kanzler des Consulats und bat mich, doch noch den folgen*
den Tag zu bleiben, Herr Surur wünsche mich auch gern mit dem spanischen
und englichen Consul bekannt zu machen. »Das ist er ja selbst,» erwiderte
ich, wissend, dass Herr Surur auch zugleich England und Spanien vertritt.
»Das ist ganz recht,» erwiderte der Kanzler,« aber da er Ihnen in preußischer
Uniform einen Gegenbesuch machen wird, würde er Sie hernach sehr gern
auch noch in englischer und spanischer Uniform empfangen, er hat auch fQr
jedes Land besondere Empfangszimmer.« Mir kam die Sache so sonderbar
komisch vor, dass ich fast Lust hatte, meine Reisedispositionen zu ändern,
um diesen Sonderling, welcher schon seit 1812 jene drei Länder in Damiette
vertritt, kennen zu lernen ; aber ich dachte, dann kommen noch spanische und
endische Gegenbesuche, die norddeutsche, englische und spanische Diners zur
Folge haben werden, und so ist's besser, gleich abzubrechen. Folglich erklärte
ich dem Herrn Kanzler, ich könne meine Reisepläne nicht mehr umändern,
md bat ihn« mich dem guten Andenken des Herrn Consuls zu empfehlen.
Herr Gu^rin, mein Wirt, erzählte mir nun nodi Folgendes, was mir
230
oacbber von yieJen Seiten bestätigt wurde ; trotzdem flberiasse ich die Yer-
aotwortuiig dieser Erzählung den europäischen Bewohnern Damiette's; sie hat
Aehnlichkeit mit der vou UisDjarck, wenn er in seiner Eigenschaft als Bundes-
kanzler, Ministerpräsident, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Präsi-
dent vou Lauenburg etc. etc. mit sich selbst correspoBdiert. -Herr Surur ist
der älteste Consul auf der ganzen Erde, sehr geizig, aber wenn es darauf an-
kommt, seine respectiven Souv raine zu repräsentieren, dann gebt es bei ihm
im Hause so hoch her, wie nur irgend wo Kur von England gezahlt, hat er
für dieses die grollte Vorliebe, obgleich er alle Abend für die Königin Isat>ella
dreimal zu Gott betet, während Wilhelm und Victoria nur einmal in seinem
Gebet genannt werden, denn Herr Surur ist eifriger Katholik und mufi des-
halb doch der katholischen FQrstin einen kleinen Vorzug geben. Officiell
empfängt er dreimal des Jahres, an welchen Tagen dann auch große Gala-
Dmers bei ihm stattfinden. An einem solchen Tage macht er sich zuerst selbst
die förmlichsten Besuche; wenn z. B. der Königin Victoria Geburtstag ist,
wirft er sich in preußische Consulatsuniform und stattet dem englischen
Empfangssalon, wo inmitten auf einem Di van die groflbritanische Consulatsuniform
prangt, einen Besuch ab, sodann eine, steife Reverenz machend, puppt er sich
in einen spanischen Consul um und widerholt die Visite. Aber damit nicht
zufrieden, -macht er nachmittags als englischer Consul seinen beiden Coliegen
Gegenbesuche, das heißt, er betritt feierlichst in gr an de tenueanglaise
den norddeutschen und spanischen Salon.
Sein stärkstes Stück soll das Danksagungsschreiben gewesen aeuL
welches er an König Wilhelm fQr Ernennung zum norddeutschen Bundesconsnl
geschickt hat und was in so schwülstigen FonAen abgefasst war, dass das
General-Consulat in Alexaudrien, wie man sagt, es nicht hat passieren lassen.
-Schade, erwiderte ich, - unser König ist dadurch um einen heitern Augen-
blick gekommen. Und wissen Sie auch, was er vou Bismarck denkt?» "O ja,
er hat gleich erklärt, da Bismarck nur auf die Vergrößerung Deutschlands
sänne, er auch täglich ein Extragebet bete für die Vergrößerung Deutschlands,
denn als norddeutscher Consul müße er officiele mit den Wünschen des Mini-
steriums des Aeußern über einstimmen.
Doch es würde zu weit führen, hier alle Anecdoteu und Sonderbarkeiten,
die man sich nicht nur in Damiotte, sondern in ganz Aegypten über Consul
Suriu* erzählt, wiederzugeben. Nur so viel noch, dass man andererseits auch
sagt, dass er vollkommen energisch ist und vorkommenden Falls den Türken
schon oft gezeigt hat, dass man keinen seiner Schützlinge ungestraft belei-
digen darf. Sein Sohn ist americanischer Consul und ein Schwiegersohn ver-
tritt andere Länder, so dass fast die ganze Welt von dieser Familie reprä-
sentiert wird.« B.
Registrande der geographisch - statistischen Ab-
theilung des großen Generalstabs. I. Jahrgang (Juli 1867 —
Juli 1868.) 8. 164 Seiten. Berlin bei Siegfried MflUer A Sohn. U. Jahr-
gang (Juli 1868 — Oktober 1869) 8. 286 Seiten, in demselben Ver-
läge; auch unter dem Titel : Neues aus der Geogrphie, Karto-
graphie und Statistik Europa's und seiner Kolonien.
Die vorliegende Publication unterscheidet sich wesentlich von den aeit
länger bestehenden Verzeichnissen, Karten und Werken im Gebiete der
geographischen Literatur. Während die Bibliotheca historica - statistica von
Müldener, die jährlichen Literaturübersichten von Koner in der Berliner Zeit-
schrift für Erdkunde und in Dr. Petermann's geoffraphischen Mittheilungen
mit möglichster Vollständigkeit alle Erscheinungen umfassen, letztere bei wichtigen
und interessanten Werken sich zu kritischen Anzeigen gestalten, hat die Re-
gistrande ein etwas beschränkteres Gebiet auf sich genommen, dieses aber
weiter ausgebildet. Die Körperschaft, von welcher diese Zusammenstellung aus-
geht, hat selbstverständlich den militärischen G^ichtspunkt mit Vorzug berück-
sichtigt, den allgemein wissenschaftlichen jedoch ebenfiedls festgehalten. In
Folge davon wurde der Rahmen in so fem beschränkt, als im specielien Theile
nur die europäischen Staaten mit ihren überseeischen Colonien aui^nommen
231
endieuien; der Stoff erlitt eine zweckgemäße Sichtang, so dass wertlose
ephemere Erzeugnisse aberhaapt ausgescblossen wurden, und die aus nahe 50
hervorragenden Fachschriften gemachten Excerpte sich am ausführlichsten über
solche Gegenstände yerbreiten, die für den Soldaten besonders wichtig sind,
alz: GrenzTerh<nisse, Verkehrswesen (namentlich Eisenbahnen und Straßen^
Heerwesen. Alle Abschnitte zeigen gleichmäßige Gliederung, indem Karten,
Werke und Notizen über das ganze Staatsgebiet vorangehen, und jene über
dessen einzelne Theile folgen. Geben die einzelnen Anmhrungen nur selten
Gelegenheit zu besondern Bemerkungen, so sind die Journal - Auszüge desto
inhaltsriicher, an die sich auch officielle und private MitÜieilungen anreihen,
welche, weil sie sonst nirgends zu finden sind, der Registrande einen ganz
besondem Wert verieihen. Zuerst nur ein Beiheft des Militärwochenblattes,
erscheint sie nun als selbständiges Werk, das mit der Literatur gleichen
Schritt halten soll, damit durch früheres Erscheinen ein theilweise veralteter
Inhalt vermieden werde.
Bei genauer Durchsicht des Ganzen, namentlich des zweiten Theiles
eigibt sich, dass nicht nur der Militär im allgemeinen die gesammten für ihn
wichtigen im In- und Auslande erschienenen Quellen im geographisch-
statistischen Gebiete angegeben findet und von allen Veränderungen des
Materials durch neueste Angaben der Aera, der Volkszählungen, der Fort-
schritt« des Eisenbahn- und Straßenbaues u. s. f. in Kenntnis gesetzt wird,
sondern dass auch der Geograph und Kartograph sehr viel brauchbares Mate-
riale findet und der Mühe überhoben ist, die Excerpte selbst machen zu müßen,
vorausgesetzt, dass ihm alle die Zeitschriften zugänglich sind, aus welchen
die Registrande schöpft.
Der Chef der geographisch-statistischen Abtheilung im großen preußi-
schen Generalstabe, Herr Oberstlieutenant von Sydow, unter dessen Leitung
zweifelsohne die Auswahl und Anordnung des Gesammtinhaltes steht, hat
mit der Registrande seinen Fachgenossen so wie der wissenschaftlichen Welt
einen großen Dienst erwiesen, und man dürfte sich wol der Hoffnung über-
lassen, dass in Folge allgemeiner Erkenntnis des Nutzens das zweckgemäß
begonnene Unternehmen in gleicher Weise fortgesetzt und als literarisches Jahr-
buch seinen Platz ständig behaupten werde. — S^
Vorläiiflge8 Programm der Fragen,
die an das Comite des geographischen Congresses zu
Antwerpen eingesandt wurden.
1. Welche sind die besten Mittel, den Eifer für die Geographie anzuregen
und ihn an den Bildungsanstalten jeder Stufe wach zu erhalten?
2. Wie sollen beim Unterricht in der Geographie gute Karten mit
unserm thatsächlichen Wissen in Beziehung gebracht werden?
3. Die flachen Karten haben für den Schüler große Vortheile, aber sie
setzen zum richtigen Verständnis den klaren Begriff von der Art der Projection
voraus, der im Elementarunterricht schwer zu geben ist. Wäre es nicht
angezeigt beim Elementarunterricht Globen und Karten in Relief zu ver-
wenden ?
4. Wäre es nicht wünschenswert in jenen Karten, die für den Unterricht
bestimmt sind, allgemeine Bezeichnungen der Terrainunterschiede und der
höchsten Erheoungspunkte anzuwenden?
5. Kann der Methode, Karten durch die Schüler zeichnen zu lassen,
ein bedeutender Unterrichtserfolg zugesprochen werden, und in welcher Weise
lässt sich daraus ein erheblicher Vortheil ziehen?
6. Welche von den großen Karten Mercators sind noch im Original
vorhanden und wo befinden sie sich?
:. Einfluss der geographischen Forschungen auf die Wohlfahrt jener
Völker, die sich damit betassen?
232
8. Es gibt Ursachen, welche die Völker gleichgültig gegen geographische
Forschungen sein lassen, und sie an der sorgsamen Pflege des geographischen
Unterrichtes hindern. Sind es nicht diesell^n Ursachen, denen die Apathie
gegen große Handelsantemehmnngen beigemessen werden mu6?
9. Genügt der gegenwärtiffe Stand des geographischen Unterrichts, den
öffentlichen Geist in dem Maße zu wecken, dass er es als eine Bedingung'
der eigenen Wohlfahrt wahrnimmt , seiner Leistungsfähigkeit die möglichste
Spannkraft zu geben?
10. Welche Punkte des Globus wftren zu bezeichnen, die man heut zu
Tage im Interesse der Wissenschaft und des Handels vornehmlich zum
Gegenstande der Forschung machen sollte?
11. Welchen Einfluss haben die großen Eroberungszflge des Alterthums
und Mittelalters auf die Erweiterung der Erdkunde geübt?
12. Die Geographen des 18. Jahrhunderts haben aus der Karte von
Africa Namen gestrichen, welche durch die neuesten Forschungen wieder zu
Ehren kamen. Es fragt sich demnach, ob nicht vielleicht ein aufmerksames
Studium der arabischen Angaben im Mittelalterund der portugiesischen Reisenden
im 16. Jahrhundert zur bessern Kenntnis dieses Theiles der Erde und zur
Orientierung bei neuen Forschungen oder zur Erneuerung alter Entdeckungen
von erheblichem Vortheil wäre?
13. Schilderung der bekannten Erde in den verschiedenen Epochen des
Alterthums.
14. Bezeichnung der im Alterthum bekannten Handelswege.
15. Was lässt sich über die An^be Herodots sagen, dass Africa schon
damals umschifft worden sei, und wie stellt sich die Unternehmung der
Phönizier zu dieser Angabe?
16. Welche Anzeichen sprechen dafür, dass im Anfang der geschicht-
lichen Zeit im atlantischen Ocean ein Festland bestanden habe, von welchem
die Azoren, Madeira, die canarischen Inseln und die Inseln des grünen Vor-
gebirges vielleicht noch Ueberreste sind?
17. Gibt es in dem Haushalt der Natur begründete und in der Geschichte
nachweisbare Gesetze für die Entstehung und Yertheilung des festen Bodens,
für die Vergrößerung und den Verfall der Städte? Last sich eine Reihe von
alten und neuen S^ten anführen, die mit mehr oder weniger Sicherheit
auf das Walten dieser Gesetze hindeuten?
18. Hatten die Alten mehr als eine Art von Stadien? Kann die An-
sicht von Gosselin über die Maße der Griechen als richti^anerkannt werden ?
(Fortsetzung folgt.)
Notizen.
Bas Amurlaiid. Nach dem Bericht desFreih. v. Osten Sacken in der
Sitzung der kais. russischen geographischen Gesellschaft in St. Petersburg
vom 5. Nov. 1869, wird in diesem Frühjahr eine neue Expedition nach dem
Süden der russischen Mantschurei abgehen, um im Vereine mit der von der
Regierung organisierten Commission die öconomischen und administrativen Ver-
hältnisse des Amur- und Ussurilandes zu erforschen. Die Expedition der
geographischen Gesellschaft befasst sich dabei insbesondere mit dem ethnogra-
phischen Theil ^der Aufgabe und geht von nachstehenden Betrachtungen
aus: Die Länder, welche seit 1850 unter russischer Herrschaft stehen und
früher einen Theil der chinesischen Mantschurei gebildet haben, sind seit
dieser Zeit durch wissenschaftliche Expeditionen in mancher Richtung durch-
forscht worden, allein die Umstände waren nicht darnach, um dabei auch
die ethnographischen Verhältnisse eingehend in Betracht zu ziehen, da dies ohne
Kenntnis der Localdialecte oder wenigstens des nachbarlichen Mautschurischen
und Chinesischen wenig Erfolg gehabt oder wenigstens erschwert hätte, die
geschichtlichen und archeologischen Daten in jenen Ländern gebürend auszu-
beuten. Nun wird die ethnographische Expedition vorerst in das obere Gebiet
des Ussuri und Sui-foun abgehen und dort sich insbesondere mit jenem
233
Landstriclie besch&ftigen, der vom Ein ka- See bis an die Grenzen von
China und Korea reicht. Dort leben in einem verhältnismäüig kleinen
Räume Völker verschiedenen Stammes. Abgesehen von den Eingebomen
tangusischer Abstammung, den Orotchen und Golden findet sich dort eine
sehr betr&chtliche Zahl von Chinesen und Koreanern angesiedelt. In derselben
6^[end aber wurden Üeberbleibsel alter Städte, Befestigungen u. s. w. in
großer Anzahl gefunden, wie es der Atlas von D'Anville ausweist. Namen von
Stftdten, die dort noch angefahrt sind z. B. Tschul-ge-hotun, Furdan-Hotun u. a.
bestehen seit langer Zeit nicht mehr. Zum Leiter der Expedition wählte die
geographische Gesellschaft den Archimandriten Falladius, der der russischen
Kirche in Peking vorsteht, und ist mit Vorarbeiten über die Geschichte,
Geographie und Linguistik jener Gegenden aufs beste ausgerüstet. B.
Temperatur und Thierleben in den Meerestlefen. Im Jahresbericht
der norddeutschen Seewarte für 1869 macht Herr W. v. Free den aufmerksam,
dass 88 noch an einem Gesetz über die Temperaturbewegung in größern Tiefen
fehle und die neuesten Messungen der Engländer im J. 1868 eher zu consta-
tieren scheinen, dass man vorläufig nur locale Erscheinungen in dieser Rich-
tung angezogen habe. Eine Expedition der „Lightning"*, Capt. May unter
Fü&ung der englischen Gelehrten Dr. Carpenter und Dr. Wyville
Thompson hatte schon im August und Sept. 1868 auf einer Kreuzfahrt
zwischen Nordschottland und den FarÖem dazu beigetragen, die Nichtigkeit
einer Menge von Voraussetzungen der sogenannten Cabinetsphysik darzuthun,
anter andern der geläufigen Annahme, als ob alles animalische Leben in Tiefen
Über 300 Faden ai^öre, femer die Tiefentemperatur überall 3" Beaumur sei.
Vielmehr existieren zahlreiche Thiere in weit größeren Tiefen und schwankt
die Tiefentemperatur zwischen sehr weit von einander entfernten Grenzen.
Unter einer gleichfönnigen Oberfiächentemperatur von 9° B. fanden sie Boden-
temperaturen von O*' bis 7^ R. in kurzen Entfernungen von nur 10 nautischen
Meilen von einander, und dann war die kalte Bodenfläche gebildet von kahlem
Sandstein gemischt mit altern Felsarten, mit einer ziemlich dürftigen Fauna
arctischen Characters, während in dem angrenzenden warmen Gebiete die
Bodenfläche aus Kreide bestand, und eine zahlreiche Fauna die Charactere der
Simäßigten Zione zeigte. Es würde also eine Erhebung des so beschaffenen
eeresbodens dem Geologen der Zukunft zwei Theile der Erdoberfläche vor-
führen^ die völlig in ihrer Structur verschieden sind, und von denen der
eine aie Kennzeichen einer niedrigen, der andere einer höhern Temperatur
zeigte, und dennoch würden diese Bildungen Nachbarn sein, sowol in Zeit als
im Orte, üeberall wo gleiche Verhältnisse mit dem Festland der Gegenwart
gefunden sind, ist angenommen worden, dass die hohe und niedrige Temperatur,
die Bildung von Kalk und die Bildung von Sandstein von einander durch
lange Zwischenzeilen getrennt waren, und muß so die Entdeckung ihrer gleich-
zeitigen Existenz auf verschiedenen Grundflächen manche der gebräuchlichen
Annahmen über die geologischen Epochen über den Haufen werfen. — Im
Jahre 1869 wurde die „Porcuspine** Capt. C a 1 v e n, schon bekannt in der Ge-
schichte der Küstenaufnahmen Großbritaniens unter der wissenschaftlichen
Begleitung von Mc. G. Jeffries, Dr. Wyville Thompson und Dr. Carpenter,
zu drei Kreuzüa^hrten nach der Porcupine Bank (53^/, n. 14 w. ) und der Rockall
Bank (57- 58' n. 14** w.), sodann nach der Bai von Biscaya, endlich wieder
nach der Faröer-See ausgerüstet. Versehen mit besondern gegen Druck ge-
schützten Thermometern — gewöhnliche Thermometer sollten nach frühern
Erfahrungen Fehler bis zu 10^ Fahr, gezeigt haben, — welche vor der Reise
auf 3 Tons Druck pr. Quadratzoll, entsprechend einer Tiefe von 2400 Faden
geprüft wa^n — und mit Grundschöufern (dredges), halbdurchschnittenen hohlen
Cylindem mit Hebelarmen, wie an den sogenannten Teufelsklauen, von 8 Cent-
nem Gewicht, mit welchen man bis zu VL Centner Schlamm aus Montblanc-
ähnlichen Tiejfen von dritthalbtausend Faden ohne Stockung der Maschinen
aus der Bai von Biscaya heraufholte, haben diese Expeditionen mehr geleistet,
als je bisher erreicht worden ist. Ihren Messungen zufolge variiert die Ober-
fl&ehentemperatur bedeutend, je nach der geographischen Lage und der Jahres-
Mit; war sie hoch, so nahm sie nach unten nach ab und verlor sich der
234
Unterschied in 100 Faden. Von 100 Faden an beobachtete man in dem tiefen
Wasser der spanischen See eine rasche Abnahme bis zu BS** F. (2*7 IL) in
1000 Faden und eine langsame Abnahme von da bis 36*5 F. 2'X) R. in 2435
Faden. Verglichen mit dieser verhältnismäßig hohen Temperatur ist also die
Tiefentemperatur von 30' F. •— 0*^ B.» und darunter im arabischen Golf und
unter dem Aequator sehr niedrig, so dass man die durchschnittliche Tiefentem-
peratur der tropischen Meere für niedriger halten muß, als die des atlantischen
Beckens. Doch sank auch in dem tiefen Einschnitt zwischen Schottland und
den Faröern die Bodentemperatur stellenweise bis zu 30' F. (- 0*^ R.), w&hrend
sie nahe nebenan wieder 43" F. (4*9 R.i betrug. In dem kalten Gebiete nahm
dann die Temperatur zwischen 150 und 300 Faden ab, um von da an constant
zu bleiben, so dass man dort drei übereinandergelagerte Schichten untenoheiden
konnte, eiskaltes Wasser unter 300 Faden, warmes Wasser von der Oberfläche
bis zu 150 Faden und gemischtes Wasser zwischen beiden Tiefen.
Wunderbar groß war der Beichthum an animalischem Leben, am Tcden
selbst der tiefsten oceanischen Schlupfwinkel. Die warmen Gründe zeigten sich
erfüllt mit Ablagerungen von Glob ig erinen d. h. wirklich in der Kalkbil-
dung betheiligten Thierchen, während die kalten Bodenflächen ausschließlich
das Paradies nordischer in vnlcanischen Sand gebetteter Echinodermen
waren. Aus den größten Tiefen wurden noch organisierte Thiere mit vollstän-
digen Augen heraufgeschöpft oder vom harten Boden in besenartigen Schwab-
bern heraufgewunden und so eine große Sammlung von kieselhaltigen Spongien,
Foraminiferen nebst Zoophyten, Echinodermen, Mollusken, Anneliden und
Crustaceen gewonnen ; unter andern erhielt man 127 Species von Molusken,
deren Vorkommen im britischen Meere bisher unbekannt war und die doppelte
Anzahl der bisher beschriebenen Echinodermen. Ueber dem kalten Boden da-
gegen fand sich eine solche Menge von Foraminiferen, welche sich Behausungen
aus den im Nordmeer häufigen vnlcanischen Sandmolekülen zu schaffen ver-
mögen, dass man um Namen für die neuen Varietäten verlegen ist.
Die naheliegende Untersuchung, woher diese Thierwelt die erforderliche
Nahrung bezieht, nihrt zu der einzigen Frage der Ernährung der Globigerinen
oder Ealkthierchen, da direct und indirect alle ihre Nachbarn von ihnen leben
können. Mr. Thompson ist auch dieser Frage nahe getreten und nimmt an,
dass eine im Tiefenwasser massenhaft verbreitete assimilierbare Substanz den
Nahrungsstoff jener ersten Repräsentanten des thierischen Lebens liefert.
Yarkand und die Tartarei. In der Sitzung der geographischen Gesell-
schaft in London v. 28. Febr. gab Herr B. B. Shaw Bericht über seine Reise
in der Tartarei. Die Tartarei enthält nach ihm Städte von mehr als 100,000
Einwohnern, von denen viele die Merkmale der Civilisation an sich tragen. £s
besteht Sicherheit des Lebens und Eigenthums, die Straßen sind voll Leben
und Bewegung und^in den Städten findet man ausgedehnte Bazars mit Reihen
von Kaufläden, wo Waaren jeder Art und aus jeder Landschaft ausgestellt
sind. In Yarkand bestehen sechzig vom Lande dotierte Anstalten für Ausbildung
von junffen Leuten, welche das muselmännische Gesetz und Theologie studie-
ren, und in jeder Straße findet man eine Elementarschule in Verbindung mit
der Moschee. Das blühende Land wurde den Chinesen vor fünf bis sechs Jah-
ren durch Otaligh Ghazu oder wie man ihm früher nannte Jakub^Beg entnssen
und zwar im Interesse der Familie Turas, die ihren Ursprung von Zinghis-chan
herleitet und das ihr ehemals durch die Chinesen entrissene Land wieder
eroberte. Jakub Bey war die Seele des Unternehmens, indem er an der Spitze
der Andijanis von Kokand den Ausschlag gab, als im J. 1864 die chinesischen
Garnisonen überrumpelt und das Land in Besitz genommen ward. Die Andi-
janis sind der herrschende Stamm, in ihrer Hand liegt die Regierung und der
Befehl über die Armee; aber ihre Stellung zu den Eingebomen in Yarkand
ist die freundlichste, und sie betrachten sie als Brüder durch Glauben und Blut,
die sie vom Joch des Heidenthums beireit haben. Die Bewohner von Yarkand
haben sich dem Handel zugewendet, während die Usbeken von Andijan in
der Administration und im Heere thätig sind. Beide Volksstämme sprechen
dieselbe Sprache, die in Wesenheit der türkischen in Constantinopel gleicht
Jakub-Beg machte auf Herrn Shaw den Eindruck eines sehr intelligenten und
236
eseigischeii Mannes. Er ist fünf und viorziff Jahre alt, klein nnd stämmig mit
sehr breiter Stirn. Er begrüßte den Reisenden als den ersten Engländer, der
ins Land gekommen sei, und bemerkte ihm, dass er dies Ereignis, welches
Gott gefügt habe, als ein günstiges Zeichen betrachte. Bei allen spätem Be-
gegnungen gab er dem Wunsche Ausdruck, mit den Engländern m Freund-
schaft zn leben. Die indischen Kaufleute beginnen den Markt in Yarkand zu
besuchen, und dies allein ist bestimmend genug, die wenige n Terrainhinder-
nisse in den uns unterworfenen Landschaften so bald als möglich wegzuräumen.
Es eröffnet sich dort ein Feld für den Handel, dessen Bedeutung nicht unter-
schätzt werden darf. Das ganze Land bildet ein erhöhtes Becken in Central-
uien, auf drei Seiten von schneebedeckten Bergen umgeben, von denen einige
mehr als 20,000 ^Fnß hoch sind. Im Osten geht es in die Sandwüste Gobf
Aber, die es von China scheidet. Alle Flüsse, die aus der Schneeregion der
Berge herabkommen, nehmen ihren Lauf nach Osten und verlaufen im Sande.
Wo dieser gering ist, kann der Boden auch bei Mangel an Regen durch
Caoäle bewässert und fruchtbar gemacht werden. Die dichtbevölkerten Theile
ferdanken diesen Bewässern ngscanälen den vortrefflichen Zustand und die
üeppigkeit des Feldbaues. Man findet aber auch solche Canäle in großer
Zahl und sorgsam gepflegt. B.
liviiigBtone. Das -Athenaeum» vom 5. März bringt einen Brief des
königl. Astronomen Maclear am Cap an den Präsidenten der »Royal society-
Sir Edward Sabine vom 18. Jänner, worin es heißt: »Mit Bangen sehe ich
einer Kachriebt von Dr. Livingstone entgegen. Sein letzter Brief war vom
Mai (1869) aus Udschidschi datiert. Udschidschi liegt nahe am nordöstlichen
Ufer des Taganyika-See*6. Man hatte ihn dort der Unterstützung beraubt, die
ihm von Zanzibar zugekommen war. Der Machthaber des Orts verweigerte
ihm jeden Beistand und ließ auch nicht zu, dass Briefe von ihm nach Zanzi-
bar befördert werden. Er hatte deren während seiner Krankheit, deren er nur
langsam Herr werden konnte, wol vierzig geschrieben, von denen einige ohne
Zweifel die astronomischen Beobachtungen enthielten, die er an einzelneu
Orten gemacht hatte. Er meint, dass die Feindseligkeit der £ingebornen aus
dem Verdacht entspringe, er gehe mit dem Gedanken um. ihren Sclavenhandel
zn unterdrücken. Sein alter Freund, Dr. Kirk, der wirkliche politische Agent
in Zanzibar, wird gewiss alles möglidie zu seiner Rettung aufbieten, aber
leider reicht der Einflnss der Autoritäten von Zanzibar nicht bis in das ferne
Udschidschi.«
In der Sitzung der Londoner geogr. Ges. vom 14. März wnrde durch ein
offideUes Schieiben von Lord Clarendon vom {gleichen Datum die Nachricht
bestätigt, dass die Cholera in Ostafrica. namentlich in Zansibar und der Um-
gebung heftig ausgebrochen sei, was mr das weitere Schicksal Livingstones
gerechte Besorgnis einflöflt, da die Leute, durch welche ihm die Unterstützung
zugeführt werden sollte, von der Seuche befallen wurden. Sir Murchison
hegt zwar die Hoffnung, dass die Calamität sich nicht bis in das Innere nnd
namentlich nicht in jenes Gebiet verbreiten werde, wo LivingBtone die Cara-
vane erwartet; aber das scheint uns mit Rücksicht auf das obige ein schlech-
ter Trost B.
Ausserordentliche Sttzung
der geographischen Gesellschaft am 1. März 1870, unter dem Vorsitz
des Prof. Dr. Ferd. v. Höchste tter.
Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit dem Bemerken, dass er sie
zu Ehren eines lieben Gastes angesagt habe, dessen Ankunft in Wien nach
seinen eigenen Briefen heute mit der größten Wahrscheinlichkeit voraus-
236
bestimmt werden konnte, des Herrn Dr. Heinrich Kiepert aus Bertin. Leider
müße er aber beifügen, dass bis zur Stunde noch nicnt sichergestellt werden
konnte, ob Herr Kiepert wirklich angekommen sei, folglich auch in Frage
stehe, ob er uns mit seiner Gegenwart erfreuen werde.
Uebrigens sei für das Interesse der Sitzung durch die reichhaltige Aus-
stellung von Yeranschaulichuugsmitteln zur physicalischen Geographie gesorgt,
welche Herr Prof. Simony den geehrteu Mitgliedern vor Augen gestellt hat
und durch einen Vortrag zu illustrieren die Freundlichkeit haben wird.
Als neu eingetretene Mitglieder werden angemeldet und angenommen
die Herren Dr. £d. S ach au, Prof. der orientalischen Sprachen in Wien,
R. A. Minz, Banqnier in Wien, Carl Büchelen, Ingenieur in Wien, dann
das k. k. 2. Staatsgymnasium in Graz, das k. k. 2. Obergymnasium in Krakan,
das k. k. Gymnasium in Marburg, das k. k. Set. Annagymnasiom in Kr ak an
und das k. k. Obergymnasium inBfzezany.
Der Generalsecretär theilt mit, dass das erste Verzeichnis von Fragen,
welche am internationalen Congress für die geographischen Wissenschaften zu
Antwerpen zur Discussion kommen sollen, gedruckt vorliegt und nach Beschluss
des Ausschusses im nächsten Heft der Mittheilungen in der üebersetzung ver*
öffentlicht werden wird (siehe vorlieg. Nr. Seite 231).
Der Vorsitzende gibt Nachricht von dem Mitgliede Hrn. C. L. Gries-
bach, der sich einer von Hamburg aus organisierten Expedition zur Erforschung
der Gebiete zwischen dem Limpoppo und Zambesi in Südost- Africa angeschlossen
hat, und da der Dampfer ^Petermann", der für die Flussfahrten bestimmt war,
verunglückt ist, jetzt in D'Urban fNatal) verweilt. Aus seinem Briefe (vom
18. December 1869) hebt er folgendes heraus:
„Unser schöner Dampfer „Petermann", den wir seit Monaten erwarteten,
ist gesunken. Wie ich erfahre, hatte er einen heftigen Sturm zu bestehen und
gieng am 15. Juli in der Nähe von Set. Paul de Loanda (Westküste) unter.
Wahrscheinlich hatte er, wie die englischen Seeleute es nennen, ,,brocken his
back**. Tröstend ist, dass die Mannschaft gerettet wurde. So müßen wir denn
noch lange hier bleiben, bis ein anderer Dampfer heraus kommt.
Ich fühle mich hier sehr wohl. Die Hitze sagt mir weit mehr zu als
unser kaltes unfreundliches Klima. Je heiüer, desto angenehmer, und wahrlich
warm genug hab ichs hier. In meinem kühlsten Zimmer 30" R. Ich bin fort*
während im Abreisen oder Kommen begriffen. Die lange Abwesenheit meines
unglücklichen Dampfers hat mir vollauf Zeit gegeben, Untersuchungen and
Studien zu machen. Ich kenne bereits jeden Winkel von Natal und richte
daher meine Kitte jetzt nach Süden in das Gebiet der Amapongo und
Criquas. Nächste Woche gehe ich wieder dorthin, um das ganze Flossgebiet
des Umzimvooboo (Set. Iskus' und den Theil der Guathlamba-Monn-
tains «9^10,000 Fuß hoch), wo er entspringt, zu untersuchen. Es ist eine
sehr ehrenvolle Aufgabe, da das Gebiet noch als vollkommen unbekannt zu
betrachten ist. Leider bin ich verurtheilt immer allein zu reisen, und die
Distanzen, die man zurücklegen muß, sind colossal. Ich reite selten weniger als
40 '50 englische Meilen per Tag, d. i. 9—13 deutsche Meilen, immer auf dem-
selben Pferd Unsere europäischen Pferde würden das gar nicht aushalten
Ich habe die Zeit über, die ich hier in Africa zubrachte, bereits mehr gesam-
melt, als wir es während der Aufnahme in Oesterreich thun. Sind 40—50
Pfund Gestein beisammen, so lade ich sie auf den Rücken eines Kaffern, und
lasse ihn damit nach D'Urban gehen. Mit einer solchen Last wandert er um
ein par Schillinge 5 600 Meilen weit. Eine solche Kaffernpost ist sehr sicher.
Wenn ich von meinen mehrmonatlichen Ausflügen nach Hause komme, finde
ich alle abgeschickten Pakete vor und kann sicher sein, dass kein Stück
abgeht.
Wo die Kaffern nicht von den Missionären verdorben sind, erweisen sie
sich als verlässliche Leute, sind anstellig , tüchtig in der Arbeit und über alle
Erwartung ehrlich. Man kann jedem Kaffer getrost sein Hab und Gut anver-
trauen, er wird nichts veruntreuen. Nur vor den christlichen Kaffern muß man
auf der Hut sein. Von ihrer Gefälligkeit und Gastfreundschaft habe ich spre-
chende Beweise. Wenn ich in einen Kraal komme, wird mir sogleich eine der
237
besten Hütten aur Verfügung gestellt und das beste vorgesetzt. Ich bin schon
bei allen den 58 Stammen der Küste bekannt. Sie nennen mich Incouca-gos
d. h. Buschbock. Warum ich so heiße, weiß ich nicht. Ein Eafferndorf und
insbesondere die Einzäunung füi* das Vieh wird hier allgemein, wie in den
Reisebeschreibungen Kraal genannt. Merkwürdiger Weise ist das weder ein
Eaffemwort, noch ist es englisch. Kraal kommt aus dem portugiesischen, wo
Coral eine Einzäunung für das Vieh heißt. Die Portugiesen als die Entdecker
der Ostküste von Africa übertrugen das Wort an die Holländer, von denen es
wieder die Engländer nahmen und mundgerecht machten. Die Kaifern selbst
nennen ein Dorf Umuzi und die Einzäunung für das Yieh Isibaya.
Bis jetzt habe ich nicht ein einziges Heft der „Mittheilungen^ erhalten,
jni denen ich doch berechtigt bin. ^Wurden sogleich expediert, als uns die Adresse
desHerm Griesbach bekannt war. Anm. d. Red.). Oft wäre es mir ein Bedürfnis
gewesen sie zu lesen. Ich bin schon sehr im Rückstande mit der laufenden
Literatur. Ich weili noch immer nicht, was wir zunächst thun werden. Man
sagt, es werde eine große Reise in das Innere angetreten. Ich werde vorerst
meine Untersuchung der Quathlamba-Mountains vollenden. Am Zambesi herrscht
blatiger Krieg zwischen Portugiesen und Eingebornen. Schöne Aussichten!'^
In einem zweiten Schreiben von Herrn Griesbach von DTrban (dat. 20.
Jan. 70; heißt es : Seit ich Ihnen das letztemal schrieb, habe ich meinen Plan
für die nächsten Monate gänzlich verändert. Eben liegt ein Herrn Lippert
gehöriges Schiff hier, welches er uns zur Verfügung stellt, und mit dem wir
eine mehrmonatliche Reise nach Madagasgar, Zanzibar u. s. w. unternehmen
wollen. Bis wir zurückkommen, wird wol schon unser neuer Expeditions-
dampfer herausgekommen sein. Die Reise, die wir vorhaben, wird im höchsten
' Grade interessant sein — nur die Jahreszeit ist etwas ungünstig, da die Mo-
nate Januar und Februar an der Ostküste sehr fiebergefährlich sind. Mit gehö-
riger Vorsicht jedoch hoffe ich durchzukonunen.^
Während Herr Prof. Simony hierauf seinen Vortrag hielt, erschien Herr
Kiepert und wurde vom Vorsitzenden wie von der Versammlung lebhaft
begrüßt.
Herr Professor Simony hatte für diese außerordentliche Versammlung
eine Reihe seiner graphischen Tableaux und Landschaftsbilder für physische
Geographie ausgestellt. In einem längeren, der Erläuterung der verschiedenen
Vorlagen gewidmeten Vortrage schickte er vorerst einige allgemeine Bemerkungen
aber die Bedeutung der physischen Geographie als Lehrstoff und über die
Nothwendigkeit bildlicher Veranschaulichungen als Förderungsmittel des
Unterrichtes für diesen Zweig der Erdkunde voraus. Zunächst wurde von ihm
betont, wie bei der bestehenden Schulpraxis die Geographie als eine Art
Anhängsel der Geschichte zu betrachten und zu behandeln, vorwiegend nur
die topische und politische Geographie berücksichtigt werde, wozu der Fach-
lehrer sich auch schon aus dem Grunde genöthigt sieht, weil für den
geographischen Gegenstand als solchen nur eine auf das äußerste beschränkte
Zahl von Stunden zur Verfügung steht. Die vielfachen Beziehungen der Erd-
kunde zu einer Reihe anderer wichtiger Disciplinen, wie der naturhistorischen
Fächer, der Statistik, der Nationalöconomie u. a. m. für welche ein sicheres
Verständnis gleichfalls jedem Studierenden erschlossen werden sollte, müßen
bei einer derartigen, einseitigen Behandlung mehr oder minder vollständig
außer Acht bleiben. Nun scheint es aber gerade in einem Staate, wie Oester-
reich, wo die physisch-geographischen Verhältnisse jeder Art in einer
Mannig<igkeit entwickelt sind, wie nicht bald anderswo auf gleich großem
Raum, doppelt wichtig, den Blick und das Verständnis der Jugend, für diese
Verhältnisse und Beziehungen rechtzeitig zu wecken und zu schärfen.
Allerdings bringt eine derartige Erweiterung des geographischen Unterrichtes
aach erhöhte Anforderungen an die studierende Jugend mit sich, Anforderungen,
welche gegenüber der Zahl und dem Umfange der übrigen, als unerlässlich
erkannte Lehrfächer sich kaum noch rechtfertigen zu lassen scheinen. Der
Begriff jener ^«allgemeinen Bildung^ wdche in den Mittelschulen angestrebt
wird, hat sich allgemach derart erweitert, dass das Maß der geforderten
Leistungen schon Über die mittlere Leistungsfähigkeit der Jugend hinausza-
gehen droht. Die immer bedenklicher anwachsende ZaJil von Augenschwachen,
336
Eopfleidenden und EngbrQstigen ist dafür ein eben So unbestreitbarer als
trauriger Beleg. Darum erscheint es von gröliter Wichtigkeit, aberall dort, wo
durch das Medium directer Yeranschaulichung eine schnellere AufEassung und
eine dauerndere Einprftgung des zu erlernenden Stoffes erzielt werden kann,
dieses Mittel auch in ausgedehntester Weise anzuwenden und zu benutzen.
AuÜer den naturhistorischen Fächern gibt es keine Zweite Disciplin, wo der
Lehrstoff sich zu einer veranschaulichenden Darstellung in so hohem Grade
eignet, wie in der Erdkunde. Nun reichen aber für die letztere die bishw
angewendeten Hilfsmittel noch lange nicht aus, für das weite Gebiet der
physischen Geographie ist auf zweckmäßige, in der Schule brauchbare Ver-
anschaulichungsmittel noch wenig Bedacht genommen worden. Ist aber einmal
für die letzteren derart reichlich vorgesorgt, dass in jedem Lehrzimmer dem
Schüler in entsprechender Reihenfolge neben Illustrationen aus anderen
Gebieten, auch solche aus den verschiedenen Zweigen der Erdkunde
abwechselnd vor das Auge treten, dann wird es dem Lehrer leicht sein, den
geographischen Gegenstand auch nach weiteren, als den bisherigen, vorwiegend
historischen Gesichtspunkten zu behandeln, und eben so wird bei aen SchlSem
das Gehörte durch Gesehenes immer wieder neu unterstützt, sich klar und
Ueibend dem Gedächtnisse einprägen. Dabei darf der Yortheil noch besonders
betont werden, dass in graphischen, überhaupt bildlichen Darstellungen fast
immer mehr&che, gegenseitige Beziehungen gleichzeitig zum Ausdruck
gebracht und dem Verständnis zugänglich gemacht werden können, welche
das bloüe Wort nur neben einander hinzustellen und in mehr oder weniger
unbestimmten, leicht wieder verwischbaren Umrissen anzudeuten vermag.
Schließlich wies der Vortragende noch darauf hin, wie durch einen
zweckmäßig organisierten Zeichenunterricht denjenigen Disci^linen, welche
sich auf Anschauung stützen, also auch speciell der Geographie, eine weitere
Förderung zu Gute kommen kann. Wenn man sich einmal mit dem Princip
befreundet haben wird, dass die Mittelschule keine Kunstschule zu sein hat,
sondern dass an derselben, insbesondere an der Realschule, in welcher eine
so bedeutende Zeit für das Zeichnen in Anspruch genommen wird, das letztere
nicht über Erwerbung der Fertigkeit hinausgenen soU, jeden beliebigen
Gegenstand in klaren und bestimmten, scharf characterisierenden Umrissen
correct darzustellen, und wenn daneben der Zeichenlehrer eine hinlängliche
Uebersicht derjenigen Fächer besitzt, in denen bildliche Darstellungen eine
«nterstützende RoOe spielen, so wird es für jeden Schüler möglich werden,
sich während seines 7-8 jährigen Besuches der Mittelschule einen Schatz
illustrierenden Lehrstoffes in seiner Zeichenmappe anzusammeln, welcher nicht
nur bei dem ersteren selbst immer wieder neue Erinnerungen an einmal
Gelerntes auffrischt, sondern der auch zugleich zu einer Art von Familien-
schatz wird, aus welchem Jung und Alt im Hause Interesse und Belehrung
zu schöpfen vermögen.
Von den verschiedenen graphischen Darstellungen und Landschafts-
bildem, welche der Vortragende hierauf erklärte, mögen hier zur Kenn-
zeichnung des dargebotenen Stoffes nur folgende angeführt werden: Ein
S'oßes in Farben ausgeführtes Wandbild, welches den Zweck hat, alle auf
Ictscher und Erratisches bezüglichen Erscheinungen zu veranschaulichen
(bei der letzten Lond'ner Ausstellung mit der Medaille ausgezeichnet;) Tiefen-
karten und Profile flüpiner Seebecken; Temperaturverhältnisse der See'n des
Traungebietes, die Wärmenertheilung im Wasser nach dessen verschiedenen
Tiefen versinnlichend ; ein Tableau aus der mathematischen Geographie, den
Gang der solaren Beleuchtung und Erwärmung verschiedener geographischer
Breiten erläuternd; Temperaturmittel des Jahres, des kältesten und wärmsten
Monates von 100 verschiedenen Orten der Erde, zur Demonstration des Ein-
flusses der geographischen Breite, der marinen und continentalen Lage
endlich der senärechten Erhebung auf den Spielraum im jährlichen Gange
der Wärme; Darstellung der Temperaturverhältnisse Wiens nach 90-jährigen
Beobachtungen. Unter den von dem Vortragenden nach der Natur gemalten
Landschaftsbildern finden sich Typen verschiedener geologischer Formationen,
Erosionsbildungen, Berg- und Thalformen, Studien aus der Gletscherwelt,
Vegetationserscheinungen u. d. gl. m.
Wir glauben im Interesse des geographischen Unterrichtes den Wunsch
aussprechen zu dürfen, dass das im hohen Grade instructive Veranschaulichungs-
materialy welches der vortragende in dieser Versammlung zur Ansicht brachte,
nicht auf dessen eigene Benatzung an der hiesigen Hochschule beschränkt
bleibe, sondern auch weiteren Kreisen des geographischen Unterrichtes
Kug&nglich gemacht werden möge.
Vom Vorsitzenden aufgefordert, bespricht nun Herr Kiepert in allge-
meinen Zügen den Zweck einer Reise in den Orient, die er so eben in Beglei-
tung seines Sohnes und eines ihm befreundeten jungen Arztes anzutreten im
Bemffe sei. Schon in seiner Jugend habe er sich zur nähern Kenntnis jenes
Bodens angeregt gefühlt, auf welchem sich die Geschicke des classischen Alter-
thums abwickelten und wo die Beste des damals Geschaffenen noch jetzt die
erfrischendste Nahrung für den gebildeten Geist abgeben. Der Wunsch, die
classischen Stellen aus eigener Anschauung kennen zn lernen, und für die
Feststellung der topographischen Daten jenes Bereichs thätig zu sein, sei ihm
d&nals durch verschiäene Umstände verwehrt gewesen und er rechne es sich
zum Glück an, dass ihm jetzt nach einer ziemlich langen Reihe von Jahren,
die er zu Erfahrungen für diesen Zweck benützen konnte, Gelegenheit geboten
sei, die Absicht ins Werk zu setzen. Er verdanke das zunächst der Mnnificenz
der Berliner Academie, die ihn mit den Mitteln zur Ausführung seines Unter-
nehmens unterstützt hat.
Herr Kiepert gedenkt seine Reise, welche Aegypten, Syrien, einen Theil
von Kleinasien und Griechenland umfassen soll, in mehreren Absätzen zu
machen, so dass er nach einer gewissen Zeit wieder heimkehrt, um den unter-
suchten Theil des Terrains zu bearbeiten.
Schließlich übergibt Herr Kiepert der geographischen Gesellschaft
mehrere wertvolle kartographische Arbeiten als Geschenk für die Bibliothek,
darunter eine neue Ausgabe seines historischen Atlas, eine in Höhenschichten
ausgeführte Karte der griechischen Halbinsel und Probeblätter seiner im Ter-
rain noch nicht vollendeten Karte der europäischen Türkei.
Dabei gedenkt Herr Kiepert der Schwierigkeiten, die namentlich eine
solche Arbeit - so unglaublich es in unserer verkehrslustigen Zeit klingen
mag — dem Kartographen bereitet, da er sich trotz der manigfachen Hüfs-
mittel bei jedem Schritte seiner Arbeit die Wahrscheinlichkeit vorhalten muß,
in den wichtigsten Fixierungen des Terrains oder der Localitäten fehlzugreifen.
Es werde bei allem Vertrauen auf die Gewissenhaftigkeit früherer Aufnahmen
und Reiseberichten immer klarer, dass die Türkei wie in mancher andern
Beziehung so insbesondere in Bezug auf das Terrain eine terra incognita
und dass erst jetzt, wo man daran geht die ersten Schienenwege durchzu-
ziehen, eine wirkliche topographische Aufnahme der Gegenden durchgeführt
worden sei, die man bisher nur ans einzelnen Reiseberichten kannte, und diese
Aufnahme seine Karte leider schon heut veraltet erscheinen lasse.
Der Herr k. u. k. Consul C. Sach s in Sen^^wo ersucht uns nachstehende
Berichtigungen in unsere Blätter aufzunehmen:
a) Druckfehler in dem im vorigen Jahrgange 1869, VIII. Heft erschienenen
Aufsatze über Bulgarien.
soll es heisflen
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Atmadscha
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Dörfer Knla ungefähr Vs,
Dolab 1, Bessarbova
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19
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20
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340
Seite
21
23
30
31
32
32
33
Zeile
2
32
38
21
3
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FQtschOk
Aktschaiz
Katalei
(zweimal)
Gropu Tschobanulni
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Gütschflk
Aktschair
Katalui
(zweimal)
Orops Tschobanolmi
Beschoghül
DokusoghOl
Dabnitza
b) Drackfebler in der im laufenden Jahrgange veröffentlichten Reise
Serajewo zum Dormitor und durch die mittlere Herzegowina.
.von
Seite ZeUe
3 3, 6, 9
3 17
3 38
5 3
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8 14, 23
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Anatott
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Irnowitza
Eierspeise mit Milch
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soll ea heieaen
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K'rblina „
Miehowina
T'rnowitza
Milchspeise (ohne Eier!)
Borkowitsh
>»
liegt
300
Blashni
Glawatidsehewo
w
biegt
3000
Blashni
Glawatidahewo
c) Nachträgliche Text-Verbesserungen zu obgenannter herzegowinischen Beise.
Seite Zeile
3 letzte
5 7
12 17
4 18
4 31
7 12
7 15
7 21
9 18
12 18
12 25
14 vorvorletzte
15 16
15 35
16 17
17 1
17 10
17 13, 14
15 35
Anatatt
Ulok
}
Wutschja B'rdo
(Wolfsberg)
Knischitsitsh
Smrieschno
Pressika
Komorastiena
Krakowe
PakratschuBcha
\ Tzmi Wrelo
Grabowatz
und Proporatz
Popraska
Lissitschitsh
KoDJitza
Diva
wftre beaaer
Ulog
Wutsclge B'rdo oder
Wutschja B'rda (Wdfi-
beige)
Krushitsitza .
Smrietschno
Pres^ka
Komorowastiena
Krekowe
Bakratshuscha
Tzemo Wrelo
Grabowitza
(und angeblich Proporatz)
Papratschka
Lissitshitshi
Eoigitz (tOrkisch : Ko-
nitscha)
Diva* Anmerkang: Es
soll dort wol ein „Diva*'
oder Devoika (d. h.
Jungfrau) genanntes, in
Stein gehauenes Marien-
bild geben.
Die politische Wiciitlglceit der turidsclien Cieenbalineii.
Von Fr. v. Haaslab.
Von England und dem westeuropäischen Handelsgebiete ans gestatten
die Naturverhältnisse der Erdoberfläche sehr viele Wege nach Ostindien.
Der geradeste nnd kürzeste nnd darum auch die geringste Zeit fordernde
Yoa allen wflrde der Aber Wien, Constantinopel, durch Eleinasien in
das Thal des Euphrat, an den persischen Meerbusen, dann zu Wasser
nach Bombay sein. Er bedingt auch von dem letzteren Meerbusen bis
an die Kfisten Hollands, Belgiens und Frankreichs im Falle des Baues
einer Eisenbahn durch die Türkei und der Ueberbrflckung des Bos-
porus keine Ueberladung der Waren, während die meisten andern
Linien den Transport zu Land mit jenem zu Wasser wechseln und
daher die für den Handel so lästigen und selben vertheuemden Ueber-
ladnngen unausweichlich machen.
Ununterbrochene Wasserlinien von England aus gehen um das Cap
der guten Hoffiiung, oder durch den Kanal von Suez. Die Transporte
zn Wasser sind zwar wohlfeiler, aber langsamer und mehr Elementar-
£reignis8en unterworfen, als jene auf Eisenbahnen. Daher die schwere,
großen Baum einnehmende, nicht theure Ware die ersteren, die leichte,
in kleinem Raum großen Wert einschließende die zweiten wählt.
Diejenigen Gegenstände, welche ohne Rücksicht auf Kosten die Haupt-
forderung zunächst auf die Schnelligkeit der Beförderung legen, sind
Menschen und Briefe, die Reisenden und die Post.
Nach dieser Verschiedenheit der Waren werden auch die ver-
Bchiedenen Verkehrswege gewählt und benützt werden, so dass eigentlich
keiner davon gänzlich aufgegeben würde.
Betrachtet man nun alle durch die Gestalt des Bodens ermöglichten
Verbindungswege nicht bloß aus den Gesichtspunkten des Handels,
sondern auch aus jenen der Politik und der Strategie, welche oft noch
wichtiger sind, vergleichend untereinander, so sieht man auf den ersten
Blick, dass alle, welche das mittelländische Meer durchziehen, auf jedem
Punkt dort unmittelbar mit der französischen Seemacht in Berührung
kommen können, und dass alle, die nördlich der Karpaten und
des türkischen Reiches laufen, entweder innerhalb die Grenzen von
Bofisland fallen oder von denselben aus leicht erreichbar sind und daher
Yon dieser Macht beherrscht werden.
. Die einzige Linie, welche vom persischen Golf, die Türkei in
ihrer ganzen Länge durchschneidend, durch Ungarn oder Steiermark
nach Wies geht^ ist durch Terrainverhältnisse vor nördlichen nnd
Mldlichen Angriffen geschützt.
OMfnpkiBcbe MittheUungen. 1870. 6. 1(5
242
Mesopotamien, das ist die Hälfte des Thaies des untern Euphrat
auf seinem linken Ufer, wird nördlich im weiten Bogen durch das
unwegsame armenische, kurdische und sfldpersische Hochgebirg umgürtet,
am rechten Ufer dieses Flusses liegen die syrische und arabische
Wüste. Von Biredschik am Euphrat würde sich die Eisenbahn durch
das Taurusgebirge zur Hochflftche in der Mitte Eieinasiens hinanf-
winden müßen. Diese bildet ein großes, flaches ovales Becken mit einer
Wüste und einem See in der Mitte imd ist südlich durch die westliche
Kette des Taurusgebirges vom mittellftndischen Meer, nördlich durch
das pontiscl^e Gebirge vom schwarzen Meer getrennt. Durch die Thftler
des nordwestlichen Kleinasien senkt sich die Eisenbahnlinie, den Bospor
überschreitend, nach ConstantinopeL Diesem Punkte kann man sich
allerdings zu Wasser am meisten nähern, allein er ist durch Befestigungen
in den Dardanellen, im Bospor und an der Küste des schwarzen
Meeres leicht zu schützen und zu vertheidigen. Von Constantinopel
über Adrianopel bis Philippopel wird die Eisenbahnlinie nördMch vom
Balkangebirge und seinen Zweigen, südlich vom Rhodopegebirge be-
gleitet Nachdem sie die Verbindung des Balkan mit dem westlieh
gelegenen Schardagh überstiegen bat, spaltet sie sich unter Ichtiman in
zwei Richtungen, die eine geht über Sophia, Belgrad, Ofen, Pest,
die andere über Kostendil, Uskup, Bosnasarai, Agram nadi Wien.
Erstere, die natürlichere, wird östlich durch den Zweig des Balkan,
welcher sich an die siebenbürgischen Gebirge anschließt, und bei Orsowa
durch die Donau durchbrochen ist, von Bidgarien und der WaUachei,
die letztere, vorzüglich wegen inneren administrativen und Regierungs-
Rücksichten gewählt, ist durch die lK>hen bosniflchen Gebirge von
Dalmatien und dem adriatischen Meere geschiedeo. Beide Ijinien
werden nach dem Ueberschreiten der türkischen Grenze in das große
Becken aufgenommen, welches durch die siebenbürgischen Gelnrge, die
nördlichen Karpaten und die östliche Alpen eingeschlossen isl, wüA
vereinigen sich wieder in Wien.
Bis hieher ist also der ganze Zug dieses Verbindungswegee rechts
und links so gedeckt, dass es bedeutende militärische Operatknieii
und EIrfolge bedürfte, um sich ihm zu nähern öder selben gar absu<>
schneiden. Von Wien aus tritt er in den allgemeinen esroptifichoD
Yerkehr ein und kann verschiedene Richtungen nach England BehBieD.
Hätte dieser Staat ein Zerwürfhiss mit Frankreieh, so gienge sein Yer^
kehr mit Indien ungestört durch Preußen, und im Falk finea sokhen
mit letzterem durch ersteres fort. Der TremungqNmkt dieser Biehtun^en
läge in Sflddeutschland. Feindsdigkeiten mit Russland hättes IfeinerM
Einfluss auf die türkisch-österreichische Linie. Auf dies« Wein hüte
243
England selbst in KriegsaMeD eiae nnnnterbrocliene Verbindung mit
Indien. Aach für Frankreich wäre dieser Weg, wenn auch keine
Lebensfrage, doch von großem Yortheil.
Eine andere Gestalt würden diese Yerhältniße sowol fQr England
als Frankreich bekommen» wenn Sfiddeutschland unter den unmittel-
baren Einfluss Preußens käme. Dann bliebe in einem Kriege mit diesem
nur der längere und beschwerlichere Weg über Italien und zwar erst
nach Vollendung des Tunnels am Mont-Genis offen.
Aus allen diesen Betrachtungen geht als Schluss hervor, dass die
Ausführung einer Eisenbahn von Bassora über Constantinopel nach
Wien in politischer Rücksicht eine innige, feste Allianz zwischen
England, Oesterreich und der TtLrkei zur natürlichen unausbleiblichen
Folge haben müßte; dass das Fortbestehen des letzteren Staates
dadurch wahrscheinlich gesichert wäre; endlich dass Frankreich, aber
besonders auch England den Anschluss der süddeutschen Staaten an
Preußen nicht zugeben könnten.
Wie wichtig auch die Verbindung des stillen Oceans mit dem
atlantischen Meere durch die außerordentlich große Hintemisse besiegende
Pacific-Bahn für Nordamerica ist, die Verbindung des atlantischen mit
dem indischen Meere durch eine gesicherte ungleich minder schwierig
zu bauende Eisenbahn ist für ganz Europa noch bei weitem wichtiger,
denn selbst America würde mit in das Interesse gezogen und man
würde von Newyork nach Bombay über Wien reisen.
Schon jetzt wird die Bedeutung des Suez-Canals von den Nord-
americanem entsprechend gewürdigt.
Bei der Vergleichung der Wege von Newyork nach Bombay
stellen sich folgende Zahlen heraus: Die Entfernung von Newyork
Ober Wien beträgt 1800 geographische Meilen.
, Suez „ 2100
„ Capstadt ^ 2815 ^ „
,, San Francisco 3150 „ „
Der erstere Weg ist also um 300 Meilen kürzer als der zweite,
um 1015 kürzer als der dritte und um 1350 Meilen küerzer als
4er vierte.
Die Dauer der Fahrt vom Bombay nach BnglaBd betrftfo
12 bis 14 Tage, nach Newyork 25 bis 28 Tage.
16
244
*
Von Dabbeh nach Omderman
darch die westliche Bajuda-Steppe.
Von Ernst Marno.
Mit einer Karte.
Chartumy 22. Jänner 1870.
Nach dreitägigem Aufenthalt in Dabbeh war ich mit den Vorbe-
reitungen für die Wüstenreise nach Omderman fertig. — Die Miete für
Eameele und Treiber hatte ich theilweise hier gezahlt und nichts fehlte
als das wichtigste, nämlich die Eameele selbst; schon gestern waren
mir diese vom Schech el gemmal für heute zugesichert; ,,in Schaliah
bukra" hieß es wieder. Heute und morgen war kleiner Bairam, also
ein großer Festtag, an welchem es in diesen Ländern beinahe unmöglich
ist etwas zu beginnen. Aus diesem Grunde zweifelte ich selbst, morgen
meine Reise antraten zu können, wollte aber doch keine Mittel unver-
sucht lassen.
Am Morgen des 4. Jänner war große Fantasia, in Folge dessen
kein Mensch zu sprechen; später labte sich alles nach dem langen
Fasten reichlich mit Speise und Trank. Endlich gegen Mittag traf ich
den lügnerischen Schech el gemmal und schleppte ihn trotz Festgewändern
und Bitten zur obersten Gerichtsperson in Dabbeh, zum Nasr, mit
welchem ich mich schon früher in gutes Einvernehmen zu setzen wusste.
Diesem trug ich nun meine Beschwerde vor und dass ich fest entschlossen
sei, wenn nicht binnen einer Stunde Kameele zur Stelle sind, zu Schiff*),
nach Ambukol zu gehen. Die Folge davon war ein Donnerwetter,
welches der Schech schweigend und zitternd über sich ergehen ließ, und
der Befehl, binnen einer Stunde die Kameele herzuschaffen. Mit einer
Verbeugung und einem unterthänigen „hader^ (zu Befehl) entfernte sich
der Schech.
Da ich geäußert hatte, ich würde meine Beschwerde in Ohartnm
an Jaffar Pascha bringen, so versuchtie der gutmüthige Türke nun
alles, um mich zu besänftigen, ließ auftragen, was im Haas zu finden
war, und überhäufte mich mit Aeußerungen seiner Liebe und Ergebenheit.
Es dauerte nicht lang, so erschien der Schech und meldete, dass
die Kameele beladen und bereit sind aufzubrechen. Vier starke Thiere
und für mich ein guter Hedjin (Reitkameel) standen bereit Aus Freude
und Dankbarkeit schenkte ich meinem freundlichen Helfer zwei Flaschen
griechischen Masticis, wovon ich eine auch sogleich auf eine glückliche
Reise und auf frohes Wiedersehen leeren mußte. Hierauf rief er den
*) So wie ich nie die ganze Mietsumme vorausbezahlte, eben so wenig
entließ ich ein Beförderungsmittel und Leute so lang ich nicht andere hatte, und
ersparte mir auf diese Art unzählige Unannehmlichkeiten.
245
Schech und den Habir anf die Seite nnd flüsterte ihm einige Worte zn,
eine Drohung nnd Empfehlung „fok ras u ain^ (auf Kopf und Augen),
wir nahmen nochmals Abschied, ich bestieg meinen Hedjin und fort
gieng's in die Wfiste hinein.
Wer jemals Wflstenreisen gemacht hat, weiß was es heißt, von
einem Orte fortzukommen. In einem Lande, wo im Gegensatz zu Eng-
land die Zeit gar keinen Wert hat, vergeht ein Tag um den andern,
ohne dass man von der Stelle kommt. „In Schellah bukra^ (mit Gott
morgen) hieß es gestern, heißt es wieder heute, und tritt der Europäer
nicht mit aller Energie auf, auch morgen und noch eine Reihe
von Tagen.
< Ich murmelte also ein ,)Bis millahi^ (Gott sei Dank) und ritt
meinen Lastkameelen scharf voraus, da ich fürchtete, wenn ich heute
nicht weit von Dabbeh wegkomme, morgen weder Diener noch Kameele
zu finden. Erst sp&t in der Nacht lagerten wir.
Am n&chsten Morgen stellte es sich heraus, dass vier Kameele zum
Transport meiner Effecten zu wenig waren, der Habir (Führer) mußte
also noch eines herbeischaffen. Indess entlief einer der Eameeltreiber,
der die Merizzatöpfe von Dabbeh nicht verlassen konnte. Unbeschadet
dieser kleinen Unannehmlichkeit, verließ ich gegen 8 Uhr morgens
meinen Lagerplatz und zog in SSO. Richtung weiter. Gegen 11 Uhr
erreichte ich den Gebel Ajil mit Brunnen, mittags den Gebel Um
Hemm und später den Gebel Tetal, lauter unbedeutende Boden-
erhebungen, welche eigentlich nur die Bezeichnung von kleinen Hügeln
verdienen, und lagerte bei Sonnenuntergang im Chor el Kufri. Da
ich von Dabbeh fünf Schläuche mit Nilwasser mitgenommen hatte,
80 brauchte ich die etwas westlicher liegenden Brunnen nicht zu
buchen und zog am Morgen, den 6. den Gebel el Kufri verlassend
noch einige Zeit durch dessen Chor, überschritt später das Chor
D« e g a und hie rauf über eine freie mit grobem Sand bedeckte, nach NO.
gegen das Chor Mäga sauft abfallende Ebene.
Nachmittag wurde ein von SW. gegen NO. streichender Gebirgszug
sichtbar, dessen östlicher Theil Gebel Selimat heißt. An diesen
schließt sich gegen W. der Gebel el Ardah an (welcher seinen
Namen einem ungefähr in der Mitte stehenden und mit riesigem Bau
der Termite (Ardah) ähnlichen Kegel zu verdanken haben dürfte) ; weiter
gegen Westen ist ein kleiner Theil des Gebel Eleya sichtbar, während
die langgestreckten Züge des Gebel el Gimri im W. an dem Hori-
zonte erscheinen.
Angesichts des mittleren Kegels im Chor el Ardah verbrachte
ich die Nacht vom 6. zum 7. Jänner und zog morgens durch das Chor
246.
el Ardah an dem vorerwähnten Kegel rechts vorbei, durch eine Art
Fase in SW. Richtung gegen den Gebel Sayal.
Sobald man durch den Gebel el Ardah gelangt ist, verändert sich
das früher ebene Terrain ganz nnd gar, indem eine Bergkette in SO.
gegen NW. die Ebene durchzieht, welcher entlang bis zum Gebel el
Gommer, die von ihr kommenden (5hore schneidend, der Weg hinzieht,
der hier über einen Ähnlichen Pass führt. Vormittags überschritten wir
das ChorEleya, in dessen Brunnen wir kein Wasser mehr fanden
(von hier nahm ich die Profile der Gebel el Selimat, Sayal und
Eleya), so dass wir erst mittags an den Brunnen des Chor Sayal die
leeren Wasserschlftuche füllen konnten. lieber die Steinhalden des Chor
Sayal und el Sulud, welche mit Brauneisensteinkugeln*) von verschie-
dener Größe übersäet sind, gieng der Weg über das Chor el Gu lud nnd
eine weite gegen 0. und S. freie Ebene, auf welcher gegen SW. jedoch
immer die erwähnte Bergkette (hier mit den Bergen Gebel Ereschad
und Sit^r) in geringer Entfernung bleibt, und lagerten abends vor einem
kleinen Gohr**), der sich vor dem Chor Ereschad erhebt.
Am 8. überschritten wir letzteres, später das Chor Sit6r und
Chor Gelied (Chor Hegelik Barnims?), passierten nachmittags das
Chor-^Scherba und lagerten nach Sonnenuntergang vor dem Chor
W e b r i , auf einer großen wellenförmigen Ebene, welche gegen N. und SW.
von der erwähnten Bergkette (hier die Gebel el Scherba, Webri,
Ghaschina nnd Um Burra» begrfinzt wird, SO. aber bis auf die
in weiter Feme sichtbaren Gipfel des Gebel el G umher***) frei und
offen ist.
Die Kälte, von welcher ich, noch mehr aber die Eingebor nen
und die Kameele zu leiden hatten, wurde diese Nacht unleidlich
(vor Sonnenaufgang zeigte mein Thermometer -f 4® R). Ein eisiger
Nordost jagte schwere dunkle Wolkenmassen gegen SW., nur auf
wenige Augenblicke den Mond frei lassend und einige Regentropfen
fielen (ein um diese Zeit ein hier unerhörtes Phänomen).
üeber eine hügelige, sandige, baumlose Fläche führte der Marsch
am Vormittag den 9. Jftnner. Später wurde das Chor el Ghaschim,
*) In der nubischen Wüste, im Batn el Hadjar , Dar Mahhass und
Sukkot wurden diese Steinkugeln schon gefunden, meines Wissens jedoch noch
nicht in der B a j u d a.
**) Wellenftirmige, von Flugsand gebildete Hügel.
***) Gern hätte ich diesen Berg, von welchem auch mein Fuhrer sagte,
dass sich dort Ruinen befinden, näher untersucht, leider war dies unmöglich.
Ich hätte dazu ein zweites Reitkameel gebraucht, und da ein solches hier nicht
zu beschaffen war, so mußte ich den Gedanken aufgeben.
247
um Barra, Abnr Oscher, Underal, Kalalei passiert und
abends in dem schönen, breiten Chor el Gammer bei dessen
Bmnnen gelagert.
Bis hieher trftgt die Bajuda den yorherrschenden Charakter der
Wflste; sie zeigt ihr Bild im mildesten Lichte, d. h. mit reicher
Vegetation (gater WAstenvegetation). Die Regenbeete sind mit Mimosen
TerBcbiedener Arten and h&nfig mit hohem Halfer reichlich bewachsen,
während die sandige Ebene oft aaf weite Strecken von den Ranken der
Coloqninte, von deren Fracht man hier viele handert Kameelladangen
sammeln könnte, überzogen sind. Vom Gebel el Gammer an beginnt
die Steppe, die schirmförmige Mimose and der abscheoliche Askimit
a. s. w. treten immer häafiger aaf and leihen der Gregend den
Charakter, den alle ostrafricanischen Steppen aafweisen.
Am Morgen des 10. Jänners verließen wir, nachdem die Wasser-
schlftncbe gefallt waren, den Bir el Gammer and zogen darch
einen ähnlichen von diesem Berge gebildeten Pass in SO. Richtang
weiter. Von nan an tritt der bisher gegen SO. ziehende Gebirgs-
zag gegen W. immer mehr znrfick, nar der Gebel elMeleh
and AbaP Oscher, dessen Chuaer wir an diesem Vormittag passierten,
scheinen gegen 0. vorgerückt, während der Gebel Baerra,
in dessen Chor wir abends gelagert hatten, kanm sichtbar im Westen
verschwindet
üeber eine sandige, freie, vegetationsarme Fläche, welche nar
durch die Chaar Wohad and G^tamtima darchzogen wird, und
von welcher aas man in großer Ferne im Osten die Spitze des Gebel
Gaer, in SSO. die des Gebel Gebra einigemal za Gesicht
bekommt, gieng der Weg am 11. Jänner.
Nachmittags überschritten wir die kleine Chaar Agare b, dann
die große schön bewaldete Chaar Mederir and lagerten abends in
Chor Gebra.
Mit einem Schlag glaubt man sich mitten im Sudan an die Ufer
•
eines großen Flusses versetzt, so üppig ist die Vegetation in diesem
breiten großen Chor, dessen Wasser in regenreichen Jahren .vereinigt
mit sämmtlichen bisher überschrittenen Chaar bei Ambokol in den
Nil fließen sollen.
Erst am Abend den 11. Jänner verließ ich meinen schönen
Lagerplatz und zog bis Mittemacht durch Steppen, die mit hohem
Gras und vielen Bäumen bewachsen sind, und blieb den Rest der Nacht
vmr dem Chor Heschean. Dieses, so wie einen breiten Gohr und
das Chor Schigegeh passierte ich am 13. und gelangte am 14.
248
abends in Omderman, gegenüber von Chartnm nach lOt&giger Wflsten-
reise an.
Ich hatte aaf dieser Strecke Gelegenheit, die Angaben und
Karten von Henglin und Barnim zn vergleichen. Wfthrend die
Karte von Barnim schon am zweiten Tag den Dienst versagte, fand
ich die Angaben der Henglinschen Karte bis auf wenige kleine (Choar?)
Ausnahmen vollkommen übereinstimmend mit den Aussagen meiner
Führer.
Barnim erwähnt, dass er die von Heuglin aufgezählten Chuare
nicht gefunden, dass man ihm von demjenigen, die er passierte, keinen
Namen sagen konnte, und auch dass sie ihm viel zu unbedeutend
schienen, um einer Angabe wert zu sein. Ueber eine solche Aeußemng
kann man eben gar nichts sagen. In Europa dürften diese Berge und
Wasserläufe jedenfalls von Bedeutung sein. Dass sie Hr. Hartmann
(der Herausgeber von Bamim's Reise) hier in Africa keiner Bemerkung
wert fand, ließe sich nur durch unvollständige KenntniSy der Boden-
verhältnisse erklären. Für den Reisenden so wie für die Wissenschaft
ist die Karte der westlichen Bajuda Barnims gleich wertlos.
Auch die starke Biegung gegen SW. der Heuglin'schen Karte,
welche von Herrn Hartmann bestritten wird, dürfte richtig sein, da es
vom Gebel el Gummer aus wirklich einen zweiten westlichen Weg
in der Nähe der Berge gibt, welcher hauptsächlich nach der Regenzeit
wegen der an ihm liegenden Brunnen benützt wird. Der einzige Mangel
der Heuglin^schen Karte, den ich angeben kann, besteht darin, dass
die von SO. nach NW. ziehende Bergkette zu wenig ausgesprochen ist.
Die Zuydersee.
Von Friedrich v. Hellwald.
„Es gibt ein Land, wo die Flüsse sozusagen über den Köpfen der
Einwohner hinweg fließen, wo mächtige Städte sich unter dem Niveau
des Meeres erheben, das sie beherrscht und nahezu erdrückt, wo weite
Strecken bebauten Landes abwechselnd vom Wasser erobert und verloren
wurden, wo der natürliche Lauf der Ströme alte Inseln durch Sand-
bänke mit dem Festlande verbunden hat, wo alte Theile des Continentes,
abgerissen und zerbröckelt, neue Inseln gebildet haben. ^
So beginnt Esquiros seine herrlichen Schilderungen der Niederlande
und ihrer Bewohner.
Wer gewohnt ist, die Sommerferien der Betrachtung der Natur zu
widmen, an den herrlichen mannigfaltigen Scenerien der mitteleuropäischen
249
Gebirgswelt das Aage zu erfreuen, den fahrt der Weg wol nur selten,
wenn nicht anders Gesundheitsrficksichten den Besuch des Nordseestrandes
in Scheveningen erheischen, in die grünen wasserreichen Wiesenlande
Hollands. Und doch als ich im verwichenen Sommer meine Schritte in
jene yon Touristen verhältnismäßig nur sp&rlich besuchten Gegenden
lenkte, lernte ich einsehen, mit wie viel Recht Esquiros behaupten durfte,
dass sich, kaum ein Land wieder am Erdball finde, wo auf so engem
Baume so viel des Beobachtenswerten aufgehäuft ist. In gewaltigem
Ringen stehen Mensch und Natur sich hier gegenüber; es ist ein
beständig Werden, eine ewig lebende, thätige Geologie.
Aus der Fülle dessen, was hier erörtert zu werden verdiente, will
ich heute mich auf einen einzigen Gegenstand beschränken, der der
Anfinerksamkeit des Geographen nicht unwert ist. Die Zuydersee ist's
die ich besprechen will und zwar eben sowol aus dem Grunde, weil im
Ganzen bisher nur wenig Aber sie geschrieben ist, sowie aus jenem,
dass dieses Wenige nur in geringem Maße bekannt ist.
Unter dem Namen Zuydersee (Sfidsee) wird jene tiefe, beinahe
herzförmige Einbuchtung der Nordsee verstanden, welche das Königreich
Holland sozusagen in zwei nahezu gleiche Theile trennt, die nur durch
die schmalen Streifen der sQdlichen Provinzen mit einander verbunden
werden. Sie liegt demnach zwischen den Provinzen Nordholland, Utrecht,
Gelderland, Overijßel und Friesland, und wird von der Nordsee durch
eine im Bogen liegende Inselreihe die sogenannten friesischen Inseln
getrennt, welche auf den ersten Anblick sich als die eigentliche Küste
jenes TheUes von Nordwest-Europa präsentiert und die Zuydersee mehr
als einen großen Binnensee erscheinen lässt. Diese Inseln sind Texel
(berühmt durch die Fabrication eines eigenthfimlichen Käses), Vlieland,
Terschelling, Ameland und endlich imO. und etwas weiter entfernt
Schiermonnikoog. DieSeethore, welche zwischen diesen Eilanden sich
öiEnen, stellen die Verbindung mit der Nordsee her: es sind dies
Helsdenr, zwischen der am Festlande von Nordholland gelegenen Stadt
Helder und der Insel Texel, das Westvlielandergat zwischen Texel und
Vlieland, das Ostvlielandergat zwischen Vlieland und Terschelling, dann
das Amelandergat zwischen Terschelling und Ameland. Eine große Menge
von Sandbänken, die sich meist in diesem nördlichen Theile der Zuyder-
see dicht hinter der Inselreihe ausdehnen, erschweren noch um ein bedeu-
tendes die Aus- und Einfahrt in den holländischen Meerbusen. Einige
dieser Sandbänke, namentlich jene bei Vlieland und Terschelling figurieren
unter dem Namen Waardgronden ^) auf den Karten, andere führen beson-
^) Das Wort „waard'^ heißt Insel und wird in den ältesten Dokumenten
durchgehends „werde, wort, vurdh, wyrd^ geschrieben.
260
dere Namen; die wichtigsten sind der Balgzand, eine Untiefe dicht «m
Ufer der äußersten Spitze von Nordholland, wo man sie am Damme in
Nieuwe Diep stehend weit in das Meer hinein sich erstreckend über-
blicken kann, etwas nordöstlicher der Lntjeswaard, Yogelzand nnd der
große Hengst van Jackijst. Der schmale Meeresstreifen endlich der
zwischen der Nordküste von Friesland und Groningen nnd den Inseln
Ameland, Schiermonnikoog, Rottameroog bis nach dem als Seebad
bekannten Eilande Horkum hin sich ausdehnt und eigentlich nicht mdir
in das Bereich unserer Untersuchungen fällt, bietet ein fast unentwirr-
bares Labyrint von Sandbänken und sie durchziehenden Wasserstraßen
dar. Die wichtigsten Bänke sind hier die FriescheWadden, der Engelsch-
mans plaat, Brakzand, Simonszand, Boschphiat, Groningerwad and
^Uithuizerwad. Zwischen den die Znydersee verschließenden Sandbänken
und Inseln fahren zu den oberwähnten Seethoren Wasserstraßen, deren
zwei bedeutendste jedenfalls der Texel- und der Vliestrom sind, die sieh
auf der Höhe der friesischen Stadt Stavoren vereinigen. Diese zwei Wege
werden von der Schiffahrt fast ausschließlich benutzt, weil sie verhält-
nismäßig am bequemsten zu erreichen sind. Das Westvlielandergat auch
Eijerlandsche Gat genannt und das Amelandergat besitzen hingegen keine
so leichten Seewege und werden daher auch seltener und nur von
geringeren Küstenbooten benutzt. Indess kann man auch die beiden großen
Debouch^s der Znydersee, den Ylie- und den Texelstrom nicht eben
außerordentlich bequem nennen. Besonders der letztere, der zu dem
Helsdeur fährt, wird ebendaselbst in seiner sonst mäßigen Breite durch
eine kleine Sandbank, Onrust op de Haaks genannt, die sich zwischen
Helder und Texel eingeschoben hat, unterbrochen, so dass das Seethor,
welches ohnedies kaum eine Stunde breit ist und vom Damme am Helder
oder besser noch vom Leuchtturme zu K^kduin voUkonmien ikberschaat
werden kann, wieder in zwei Straßen, das Noorder Gat an der Tex^schen
Seite und das eigentliche Helsdeur an der Festlandsseite abgetheilt wird.
Der innere Theil des Texelstromes ist als Marsdiep bekannt. Er hat
eine Tiefe von 14—40 Meter und strömt ganz regelmäßig dem Ylieter
ab und zu. Der Yliestrom, gemeiniglich der Ylie genannt, fließt zuerst
als Zuidoosterrak sfldostwärts und von da längs der friesischen Koste
sädwärts, bis zur Höhe von Stavoren, wo er sich mit dem Texelstrom
vereinigt Schon im Jahre 1100 befahren, hat er doch nur eine Tiefe
von 3 — ^26 Meter, so dass er sich fflr schwerere Schiffe nicht eignet
Aber auch im Innern der Znydersee fehlt es nicht an Untiefen und
dadurch bedingten Fahrwegen. Das Marsdiep hat zwar genug Tiefe fOr
die größeren Schiffe, nemlich nordöstlich längs der Küste von Texel
50 Fuß, von da jedoch gehangen Seefahrer, die nach Amsterdam wdlen
251
•
ösüich um die große Bank Yogelzand biegend, zwischen diesem and dem
Breezand sfldwftrts bei jmr mehr 40' Tiefe bis gegen die Insel Wieringen,
welche an der Nordostküste von Nordholland liegt. Zwischen Enkhnizen
and Friesland trifft man nur 30 and weiter zwischen den Inseln Urk
and Schockland gar nur 15' Tiefe. Sfidlich von Schockland mass der
Cars noch weiter östlich genommen werden, am den großen Enkhnizen-
Zand zn amsegeln, an dessen Spitze die stärkste Tiefe nar 13' beträgt,
die im sogenannten Pampas, der Mündang des T in die Zaydersee,
selbst immer mehr abnimmt and endlich nur noch 9' Fahrwasset bietet.
Von da wächst die Tiefe bis zum Hafen von Amsterdam wieder bis auf
40' *). Andere ähnliche Untiefen sind der Muyderzand, de Knar a. s. w.
Bfan kann dieselben recht gut bei eincK Seefahrt über jdie Zuydersee an
der helleren Farbe und größeren Ruhe des Wassers beobachten. Das
Bodenrelief der Zuydersee ist demnach ein ziemlich wechselvoUes. Von
dem südlichen Theile der Zaydersee besitzen wir vier Profile, die ein
ziemlich deutliches Bild von dem Bodenrelief geben. Das erste derselben
geht vom Pampas Aber die Insel Marken nach Enkhnizen; es zeigt
zwischen -Pampus und Marken eine ziemlich regelmäßig 30 Tiefe im
Darchschnitt haltende und gegen Marken sanft ansteigende Linie, während
sich der Theil Marken-Enkhuizen mehr muldenförmig mit einer größten
Tiefe von 38' präsentiert; dort wo der Enkhuizer-Zand erreicht wird,
steigt der Boden ziemlich rasch zu 20' und weiter nach einer Jähen
Senknng von 28' bis zu 10' Tiefe hinan um dann wieder eben so jäh
zu 47' Tiefe abzustürzen ^). Ruhiger ist das zweite Profil, die Linie
Edam-Harderwijk, welche wellenähnlich verlauft und 44' größte Tiefe
besitzt; bemerkt zu werden verdient, dass an der Edamer Seite das
Ufer sich ganz steil sogleich zu 19' Tiefe absenkt. Wildromantisch wäre
das Profil Enkhuizen-Urk-Kampen, vorzüglich in seinem ersten Theile zu
nennen; hier haben wir ein höchst unruhiges Auf und Nieder von Zacken
and Furchen vor uns, wo Tiefen von 60' und von nur 4 — 5' dicht
nebeneinander liegen. Der Felsen von Urk ragt mauerartig auf aus
einer Tiefe von etwa 50'; gegen Kampen hin ist ein terassenförmiges
Ansteigen zu beobachten. Das vierte Profil endlich, Nijkerkerslois-
Schockland ist das rahigste von allen; es ist eine langsam bis zu
30' Tiefe abfallende schiefe Ebene. Bei den zahlreichen Peilungen, welche
die Holländer in der Zuydersee vorgenommen, ließen sie es sich auch
angelegen sein die Natur des Meeresgrundes zu erforschen; aus diesen
*) A. Wild. Die Niederlande. Leipzig 1862. 8. I. 50-51.
*) Man darf niemals auiJer Acht lassen, dass hier stets bildlich ge-
sprochen wird. Höhenabständc von 40—60' sind geradezu verschwindend
auf der weiten Flache des Zuyderseegrondes.
252
Untersachangen geht hervor, dass derselbe weitaas zum größten Theile
aas Lehmerde besteht, worin inselartig kleine Grebiete von Lehm mit
Torf (Veen) gemischt eingeschlossen sind. Den Uebergang za den eigent-
lichen Sandbänken, die aus reinem Sande bestehen, bildet eine stark mit
Sand vermengte Lehmerde; in größerer Aasdehnang ist diese letztere
an dem südlichen Theile des großen Enkhoizer-Zandes za treffen. Abge-
sehen von den größeren Sandbänken, tritt der reine Sand vorzugsweise
an den Ufern auf, wo er gerne lange schmale Streifen bildet, wie zom
Beispiel längs der Ostkflste von Nijkerk bis nach Kampen; nirgends
indes grenzt er unvermittelt an den Lehm, sondern stets lagert sich
zwischen beiden das oberwähnte sandlehmige Gemenge.
Die Zuydersee bedeckt einen Flächenraum von 60 hell. Geviert-
meilen (nach van der Aa); oder 57 geogr. DM. nach Klöden ^). Sie
ist 23 Stunden lang und in ihrer größten Breite 15 Stunden, zwischen
Stavoren und Enkhuizen jedoch wo sie am schmälsten ist, nur 5'/« Stunden
breit. Verschiedene Flüsse ergießen sich in dieselbe, darunter die Yssel,
das Zwartewater, der Vecht, die Eem und die Kuinder. Das Y, an
welchem Amsterdam erbaut ist, und das sich westwärts tief in das Land
einbuchtet, so dass die Provinz Nordholland nur durch eine schmale
Landenge mit dem übrigen Festlande verknüpft ist, nennen die Holländer
gleichfalls einen Fluss ; es ist indess geographisch nichts anderes als ein
Busen der Zuydersee.
Das Wasser der Zuydersee ist schmutziggelb und trübe, ihr Anblick
von allen Seiten, selbst wenn bei heiterem Sonnenscheine das lichte Blao
des holländischen Himmels über ihr lacht, öde und monoton. Allerw&rts
besitzt sie flache niedrige Ufer, die nur durch gewaltige Steindämme vor
dem Einbrechen ihrer Fluten geschützt sind. Eine Fahrt über diese See,
obgleich sie von zahlreichen Dampfern und anderen Schiffen befahren
wird, gehört nicht zu den Vergnügungsreisen. In kurzer Zeit verliert
man die niedrige Küste aus dem Auge, welches dann keinen Rahepankt
mehr findet und das Auftauchen der wenigen kleinen Inseln die in der
Zuydersee liegen, freudig begrüßt. Auf der Fahrt von Harlingen nach
Amsterdam, wo man vielleicht die See ihrer größten Länge nach durch-
schneidet und die alte, einst als Auslanfhafen für Wallfischfänger bedeu-
tende Stadt Enkhuizen anlauft, weilt der Blick gerne an den ehrwürdigen
Gebäuden dieses Ortes und an dem Leuchtturm des Eilandes Marken,
der ziemlich weit hinein in die See sichtbar bleibt Hiemit aber, and
den weißen, schlanken Seemöven die in großer Zahl in den Lüften kreisen,
sind die Herrlichkeiten der Zuydersee erschöpft. Dem östlichen Ufer
«) Hdbch. d. Erdk. UL Bd. 5. 545.
263
nahe, erheben sich die Felseneilande Urk and Schockland, in nnr geringer
Entfernung von einander. Im Allgemeinen gilt die Znydersee fOr ein
anangenehmes Meer; in Folge des aaßerordentlich kurzen Wellenschlages
ist £ast Jedermann der Seekrankheit unterworfen und alte Matrosen,
welche aof ihren langen und wiederholten Fahrten nach Ostindien dieser
Krankheit spotten, unterliegen ihr gewöhnlich sobald sie in die Znyder-
see einlaufen ^). Dieser kurze Wellenschlag wird durch den Umstand
Teranlasst, dass die in der Znydersee bestehende kreisförmige Strömung,
die sich bei den Seethoren zwischen den vorliegenden friesischen Inseln
einen Ausweg zu bahnen sucht, dort von der mächtigeren einströmenden
Nordsee und ihrer gewaltigen Flut bekämpft und zurückgedrängt wird.
Die Znydersee ist daher meistens bewegt und nicht selten in höherem
Grade unruhig. Bei einem heftigen Sturme, den ich auf derselben
erlebte, glich sie einem schäumenden Ungethflme, das fruchtlos gegen die
Schranken antobt, welche ihr meistens die Hand des Menschen gezogen.
Was der Znydersee ein ungewöhnliches Interesse verleiht, ist der
Umstand dass sie sozusagen ein historisches Meer ist; ihr Entstehen
fällt gänzlich in das Bereich der menschlichen Geschichte. Wir wissen
ans positiven Quellen, dass die niederländischen Küsten einst eine ganz
andere Bildung aufzuweisen hatten und wir vermögen das Entstehen und
die allmähliche Bildung dieses Meerbusens fast Schritt fär Schritt zu
verfolgen, wenn auch einzelne Punkte noch in Dunkel gehüllt oder streitig
sind. Mit einem Worte, es spielte sich hier ein Stflck Erdengeschichte in
historischer Zeit ab. Die Geschichte der Zuydersee ') ist innig
verschlungen mit jener des Niederrheines und ich werde diesen selbst
öfters heranziehen müssen, um verständlich zu bleiben.
Noch zur Römerzeit gab es keine Znydersee]; die heutigen Niederlande
bildeten ein Festland, dessen Küste vielleicht durch die Nordseeufer der
ihnen jetzt vorliegenden Inselreihe bezeichnet wurde, natürlich nicht
genau, denn wir wv^sen zuverlässig, dass in uns viel näher gerückten Epochen,
die Kordsee diese Inselküsten namhaft geschmälert hat Jedenfalls bestanden
im Alterthume jene Inseln nicht, sondern waren mit dem Festlande
vereinigt. Friesland war von Nordholland noch nicht getrennt. Dagegen
*) Dieser mir in Holland oft mitgetheilte Umstand wird auch in einem
jüngst erschienenen aasgezeichneten Werke des gelehrten Leydener Dr. Si-
cherer: „Lorelei. Plaudereien über Holland und seine Bewohner.^ Leiden 1870.
a IL Bd. S. 77 erwähnt.
•) lieber die Geschichte der Zuydersee schrieben:
Jacob Scheltema : „Proeve eener geschiedenis der Zuydersee^ in seinen
Geschied - en letterkundig Mengelwerk. D. VI. St. 2. Utr. 1&S6. 8.
Dr. Othema und D. Tockema Jeder : ,,oyer het ontstaan der Zuydersee,**
beide in der Zeitschrift: de Yrije Fries. D. IV. St 2. Leeuwarden 1815. 8.
264
war das Land damals Tiel reicher an Seen als gegenwirtig; ja noch im
Mittelalter waren in Nord- und Sfldholland zahlreiche Seen die man enA
seit einigen Jahrhunderten anegepoldert und in fmchtbares Ackerland
verwandelt hat So z. B. befand sich in W. des zieriichen Stftdtchens
Alkmaar das Bergermeir, das 1565 ausgetrocknet ward and auf der
1567 erschienenen Karte des Hieronymns Oleatns irrigerweise noch ate
See verzeichnet ist. Die jOngste große Anspoldening war bekanntlich
jene des stnrmreichen Haarlemer Meeres. Wenn wir den trefflichen
Atlas von Mees: Historische Atlas van Noord Nederland van de XVI
eenw tot op heden. Rotterdam 1865. Fol.®, zu Rathe ziehen, der auf
außerordentlich sorgfältigem Quellenstudium beruht und Ober die Geschichte
der Kartographie Hollands die schätzenswertesten Aufschlüsse gewährt, so
sind wir erstaunt zu sehen, wie viel noch im 16. Jahrhunderte vom
heutigen Festlande mit Binnengewässer bedeckt war. In den Zeiten des
Alterthums aber wissen wir besonders von einem See, der alle anderen
wol an Ausdehnung übertroffen haben mag ; es ist dies der Flevolacus,
der sich theilweise wahrscheinlich an der Stelle der heutigen Zaydersee
wenigstens ihres sfidlichen Theiles befand. Seiner erwähnt der Spanier
Pomponius Mela (III, 2r 8), ein Zeitgenosse des Kaiser Claudius, während
der Veroneser PUnius, der zur Zeit des Cornelius Tacitns und Kaiser
Vespasians, also um das Jahr 80 unserer Aera schrieb, nur das Flevum
ostium des Rhenus bekannt. Sicher ist, dass schon damals das Land
außerordentlich wasserreich gewesen sein müsse ; theils durch Einströmen
des Meeres, wie Caesar ^) und Tacitus ^) meinen, theils durch das Aus-
treten des Rhenus und der Scaldis (Scheide) wie an anderen Orten *)
berichtet wird, waren ausgedehnte Sümpfe, besonders in den nordjC^str
liehen Theilen des Landes entstanden, und schon damals suchten die
Römer der weiteren Verbreitui^ derselben sowie den üeberschwem-
mungen überhaupt durch Anhige von Deichen Einhalt zu thun ^% Ebenso
richtig ist die Thatsache, dass in jenen Zeiten der Niederrhein einen
von seinem gegenwärtigen verschiedenen Lauf gehabt und zum mindesten
mit einem sehr mächtigen Arme seine nördliche Richtung beibehaltea
habe, um sich in der Gegend des jetzigen Ylieland in die Nordsee zu
0 De belle gallico VI. 81.
•; Ann. 11, 18.
") Tacitus. bist. Y. 23 und Eumen. Paneg. Const. c. 8.
'•) Die Cassius 60. 30. Tacit. Ann. 11, 20, 13, 53. Eist, ö, 14^ 19. Im
Jahre Roms 742 und 743 ließ Drusus, wahrscheinlich mit Benützung des Bettes
der Yssel, Canäle graben, wovon der eine als Fossa Drusiana bekannt ist.
(Sueton. Claud. 1. Tacit. Ann. 2, 8, 5, 23.) Siehe über den Drususdamm und
Drusus-Canal : Prof. A. Dederich. „Die Feldzüge des Drusus und Tibarius in
das nordwestliche Germanien.'' Köln 1869. 8. S. 8 23.
955
«rgiefieiL Dies ist ftiicb sehr begreiffieh, irenn wir uns gegemr&rtig
httheii, dass die Yssel «nd die Yecht die ttonmehr in die Znydersee
BtndeD, thAts&dilicb gar nichts anderee sind als wahre Rbeinarme mit
Ter&nderten Namea. Dieser eine nördliehe Rheinarm begegnete in seinem
Laufe den oberwfthnten Flevo-See, den er ebenso durchströmte, wie in
seinem oberen, der Qnelle näheren Theile den Bodensee, und demnach mit
dem Meere verband. Tiele Geographen sind der gegründeten Ansicht, dass
der beatige Yliestroom diesem alten Rheinlanf entspricht nnd dass die
Erinnening an den Flevo-See in dem Worte Vlie, Yliestroom erhalten
sei. Höchst wahrscheinlich ist der Yliestroom an der Stelle der alten
Bbeinmündimg. Dass indes dies nicht die einzige Mündung des Rheines
gewesen, bezeugt die Stelle des Plinius (lY. 15) wo er sagt : Im Rheine
BtühsU etwa 100.000 Schritte in der L&nge liegt 'das ausgezeichnete
Eikuid der Bataver und Caninefaten und Anderer, als der Friesen,
Chauken, Frisiabonen, der Storier und Marsaten, die sich ausdehnen
zwiaeben Hellevloet und dem Flie (Helium und Flevum) ; so nennt man,
fhgi der alte Gelehrte hinzu, die Mündungen, durch welche der Rhein
Muströmt und sich im Norden in ein Meer, im Westen in den Fhiss
^die Maas^ ergießt, w&brend mitten zwischen diesen zwei Mündungen
ein mittelmftSiges Fhissbett seinen Namen bekömmt, d. h. also die
Bezeichnung Rhein fortdauert. Daraus geht hervor, dass schon dazumals
gerade so wie heute die Nomenclator des Niederrheines eine verwirrte
«m1 theüweise irrige war, sowie andererseits dass nach Plinius Auf-
ÜMBUig die Niederlande ein Delta, welches er eine Rheininsel nennt,
waren, ähnlich dem Nildeita, und dasselbe von zwei m&chtigen Armen
des Rheines» einer in nördlicher der andere in westlicher Richtung
strömend gebildet worden w&re, indess ein kleinerer, mft6iger Strom das
Delta selbst durchschnitt ^'). Ueber den uns hier vorzugsweise interee*
") Die Genauigkeit der Angaben der alten Geographen wird von Menso
Altuig oanstatiert. Er sebreibt in seiner: ^Descriptlo agri batavi et Frisü.*^
AoMitetodami 1697 Fol. S. 63 wie folgt : „Ostium, per quod Rhenus orientalis
yin Flevum lacom longe lat^ue sparsus, itenimque arctior emissos, Oceane
„taadem affunditur, solos Plinius (H. N. 1. lY. c. 15) Flevum nominavit.
«PtolenuBus (Geogr. n. c 11) a plaga tantum ab aliis distinxit, Rheni orien-
„tale id vocans. Ille inter Flevum et Helium prope C. M. p. numerat. Hie
hinter Orientale et Occidentale LXXXIY tantum. Üterque aeque probe
„ac prop^ de unüs iisdemque ostiis. Si enim circum littus, a Flevolandie» in-
„suis ora orientaU, ad Stalodunum fiat ambitus, deprehendentur G. M. p. pau-
^eia minus. Si, recta binc, inde ducatur LXXXIY paucis amplios. Flevum itaque
„Ostium fnit »täte Plinii et Ptolemsi ubi etiam hodie est inter Flielandiam
«et SceUingiam insulas. Quse enim in priesentia, utrimque ad Tessaliam, conspi-
„ciuQtur oBtiay Oceanus post multa demum secula sibi apemit.**
256
Bierenden nördlichen, nunmehr sozusagen verschwundenen Ann, gibt die
oben citierte Stelle des Pomponias Mela deutlichen Aufscfiluss; nicht
weit von der See, heißt es da, theilt er (der Rhein) sich; aber das
linkseitige Bett behält bis zu seinem Ausfluss den Namen Rhein. Zur
Rechten ist er erst eng und sich selten gleich ; dann, seine Ufer gewaltig
ausdehnend, ist er nicht mehr ein Fluss sondern ein großer See. Hiemit
wäre also der Flevo-See deutlich bezeichnet und auch gesagt dass der
Rhein mit ihm in Verbindung stehe. Nachdem er die Felder bedeckt
hat, fährt Mela fort, wird er Flie genannt, und nachdem er ein £iland
dieses Namens umflossen, fällt er, wieder nunmehr ein Strom geworden,
in die See ^% Aus diesen zwei Stellen wollten Einige entnehmen, dass
zu Tacitus Zeiten die Zuydersee nicht allein ein großer See, sondern
auch schon ein offenes Meer gewesen, das vor seiner Eindeichung von
Zeit zu Zeit seinen Busen vergrößerte und durch das Abnagen der Ufer,
seine Grenzen weit und breit ausgedehnt habe; mir indes scheint aas
dem oben Mitgetheilten nicht mehr hervorzugehen, als dass ein starker
Rheinarm nach Norden gegangen und den Flevo-See duchflossen habe.
Höchstens kann man zugeben, dass der Analogie von heute nach zu
schließen der Flevo-See mit den andern das Land bedeckenden kleineren
Wasserflächen im Zusammenhange gestanden sei. Dieser nördliche Rhein-
arm wird heute durch die Yssel repräsentiert.
Ueber die geographischen Verhältnisse der Niederlande im Mittal-
alter gibt das vorzügliche Werk von L. Ph. G. van den Bergh ^^), der
die Mühe nicht gescheut alle auffindbaren Urkunden und sonstigen Docu-
mente nach dieser Richtung zu sichten, den nöthigen Aufschluss. Historisch
festgestellt, ist dass in dieser Periode das Land unter den Einbrüchen
des Meeres schwer gelitten hat Man hat berechnet, dass vom Jahre 515
unserer Zeitrechnung bis 1825 nicht weniger als 190 Katastrophen statt-
gefunden, dass also im Mittel alle 7 Jahre die Niederlande eine große
Ueberschwemmung auszuhalten haben, wenn man nicht die kleineren und
weniger verhängnisvollen mitzählt '^). Die erste dieser historisch Consta-
tierten Wasserüberflntungen fand 516 statt; genauere Aufschreibnngen
besitzt man über die Ueberschwemmungen von 533 und 584 in Fries-
^*) Diese Stelle wird auch in einem wenig gekannten Werke des Arnol-
dus Montanus : „Leven en bedrijf van Willem Henrik," Amsterdam 1677, 12. ange-
führt, worin sich eine Beschreibung der Zuydersee und einige Worte über ihren
Ursprung befinden.
^') Handboek der Middei-Nederlandsche Geographie, naar de bronnen
bewerkt. Leiden 1862. 8.
'') Elöden. Handb. d. Erdk. U. Bd. S. 545.
257
land '^), die daim in stets größerem Maße sich wiederholten ^^. Was
an Verfaeernngen historisch festgestellt ist, ward dnrch Sturmfluten
veranlasst und besonders waren es Friesland nnd Groningen die damtater
litten. Einem dieser gräßlichen Einbrüche verdankt auch die Zuydersee
ihre Entstehung in ihrer jetzigen Form. Wol berichtet van den 6 e r g h ,
dass die friesischen Eilande schon in frühester Zeit bestanden haben
müßten, nachdem schon die Alten davon einige Kunde besaßen. P 1 i n i u s '^),
der zwischen Texel und Elbe 32 Küsteninseln zfihlt, und Strabo ^^)
erwähnen der Insel Burchana oder Burchanis, welche man für das heutige
Borkum hält und Actania, vielleicht Terschelling *^}.Ptolemäus hebt auf
der Küste drei Punkte hervor unter den Namen Phleum, Tekelia und
Phabiranon ^^ die L. v. Ledebur **), in den heutigen Inseln Vlieland,
Texel nnd Borkum wiederfindet ^^). Die Insel Ameland kommt bei E k k e-
hardus '^) um das Jahr 819 ausdrücklich als insola Ambla vor, als zu
Oosteroog gehörig. Die Existenz von Texel endlich, welches damals viel
größer **) war und mit Vlieland nur Ein Eiland bildete, wird durch
einige documentarische Andeutungen schon im 8. Jahrhundert wahr-
scheinlich gemacht ^^). lieber Vlieland und Terschelling besitzt man hingegen
keine urkundlichen Nachweise vor dem 14. Jahrhundert ^*). Höchst
wahrscheinlich haben schon um jene Zeiten die häufigen Wassereinbrüche
einzelne Strecken Landes losgerissen und zu Inseln umgebildet, deren
Umfang indess ihren heutigen um ein bedeutendes übertraf. Jedenfalls
war das nördlich von Enkhuizen und Stavoren gelegene Gebiet schon
") Wüd, die Niederlande. I. 22.
**) Gewaltige Springfluten fanden statt : 792, 806 , 900, 1014, 1015. 1016,
1017, 1020, 1040, 1042, 1060. 1082, 1101, 1105, 1109, 1112, 1116, 1120, 1128,
1124, 1134^ 1135, 1136, 1164, 1170, 1173, 1175, 1176, 1200, 1212. 1214^ 1219,
1220, 1221, 1222, 1223, 1266, 1277, 1288, 1290 u. s. w.
") Eist. Nat. IV. 13.
*») Geogr. L. VII. F. n.
^') Veigl. Barth. Urgeschichte Teutschlands m. 109 ff. und Wühelm's
Germania. 8. 153.
** Auch die Römer nannten Borkum von der Aehnlichkeit einer dort
wildwachsenden Frucht Fabaria.
'') Das Land und Volk der Bructerer als Versuch einer vergleichenden
Geographie der älteren und mittleren Zeit. Berlin 1827. 8. ^ 324 u. 177 Nol.
'*) Dederich. Feldzüge des Drusus und Tiberius. S. 50.
") Chron. univ. in Pertz. Monnm. Ger. bist. Tom. VIII. P. 170.
**) Dass auch die übrigen deutschen Nordseeinseln ehemals viel größer
waren, sagt auch Dr. 0. Peschel in seinen : „Neuen Problemen der vergleichen-
den Eidkunde.'' Leipzig 1870. 8. S. 102.
'*) Van den Bergh. S. 23 nnd 32.
") Ibid. S. 23.
äMgrapbitche Mittlieilungea 1870. 6. 17
25&
vielfältig vom Wasser dnrchfressen, ehe die totale Umwaodlnng das
Flevo-Sees in einen Meerbusen vor sich gehen konnte. Zwischen diesen
beiden jetzigen Küstenpl&tzen floss einst der m&chtige Yliestroom, darflber
herrscht auch nach van den Bergh kein Zweifel; dafflr sprechen nicht
nur alle historischen Belege sondern auch noch die gegenwärtige
Gestaltung der Küsten. £in Schriftsteller des 9. Jahrhunderte, Altfridoe,
auf dessen Zeugnis indes van den Bergh wenig Gewicht zu legen scheint,
spricht noch von einem Fluvius Fleo, ohne nähere Angaben Aber
denselben mitzutheilen ^''). Auch das Marsdiep will van den Bergh in
den Traditiones Fuldenses gegen Ende des 8. Jahrhunderts schon als
Hafen, also als Meeresdurchbruch erwähnt finden; aus denselben Docu-
menten lässt sich auch die frühere größere Ausdehnung von Tezel
beweisen, welches jedoch zumeist aus Mooi^grOnden bestanden haben soll.
Gegen diese frühe Zerstückelung des nördlichen Theiles der
Zuydersee werden jedoch manche andere Argumente und historische An-
deutungen zu Felde geführt. Vor allem lieB^ sich einwenden, dass die
Andeutungen der Alten in Bezug auf die friesischen Inseln höchst
unsicher sind; sie scheinen uns übrigens mehr die deutschen Nord-
seeinseln zu betreffen, wieBurchana, als eine der letzten gegen Westen
hin gelegen, zu schließen erlaubt. Nichts aber zwingt zur Annahnus
dass die deutschen und die friesischen Eilande zur selben Zeit ent-
standen seien. Wissen wir doch zuverlässig, dass am 12. Jänner 1277
der Einbruch des Dollart stattfand, der gewiss nicht ohne gewaltige
Veränderungen in der Yertheilung des Starren und Flüssigen hervor-
zubringen erfolgte. Dass Ameland und Texel schon im 8. Jahrhundert
Inseln waren, dünkt uns noch nicht zu dem Schlüsse zu berechtigen,
es sei auch damals schon der Einbruch der Zuydersee vollendet ge-
wesen, namentlich da sich fQr die übrigen Eilande historische Doku-
mente erst im 14 Jahrhundert auffinden lassen, in dem nach unserer
Berechnung die Bildung der Zuydersee stattfand. Thatsache ist,
dass die Lex Frisionum Ost- und Westfriesen unterscheidet, je nach-
dem sie auf dem linken oder rechten Ufer des Yliestromes seeshaft
waren; demnach wäre die heutige Provinz Nordholland Jemals ein
Theil von Friesland und auch von Friesen bewohnt gewesen. Dies
wird auch in den Annales Fuldenses bemerkt, wo von Frisiones qui
vocantur occidentales **) die Rede ist, und stimmt ganz gut mit der
Karte überein, welche der Antwerpner Geograph Abraham Ortelius im
Jahre 1584 herausgab und worin er auf historische Angaben gestützt,
«') Ibid. S. 49.
**) Ad ann. 876 bei Pertz. Monnm. Genn. bist. I. 389.
259
die fftographiäche ChSfiftalt des Landies vor Entstehung des Znydersee
ZV reconstniieren versuchte. Auf dieser Karte h&ngt Friesland mit Nord-
holland durch festes Land zusammen, wenn gleich es von mehreren
Seen zerfressen erscheint, daninter der Flevo-See der bedeutendste ist.
In der That lassen sich heute noch einige Anhaltspunkte in den Sitten
der Bewohner fOr diese einstige Znsammengehörigkeit finden. Jedem,
der Friesland bereist hat, fallen die eigenthümlich gestalteten Eopf-
verzienmgen der Friesinen auf, die aus Gk>ld oder Silber im Lande
unter dem Namen oorijzers bekannt sind. In Nordholland und zwar
nur dort, traf ich diese eigenthflmliche Sitte wieder, wenn auch hie und
da die Gestalt dieser Geschmeide eine von jener in Friesland üblichen
etwas abweichende war ^^).
Im allgemeinen wird behauptet, dass man vor dem Jahre 1205
noch keine Zuydersee kannte, dass vielmehr um jene Zeit um den Ylie,
Enkhuizen und den Westen von Friesland noch viel Land und Wald
gelegen haben, unter welch letzteren der Ereilsche oder Ereilerbosch,
wovon noch heute eine Stelle der Zuydersee Ereil genannt wird, der
vomehmlichste gewesen. Der Ort liegt 700 Ruthen westlich von der
Stadt Stavoren und soll mit ihm das alte St. Odulfskloster in den
Fluten begraben sein ^®). Sicher ist, dass 1205 die gegenwärtige Insel
Wieringen noch mit dem Festlande vereiniget war.
Wenn aber auch festgestellt ist, dass in ihrer jetzigen Form die
Zuydersee bis Anfang des 13. Jahrhunderts nicht bestanden habe, so
ist doch zweifellos, dass schon frühere Ereignisse ihre definitive Bildung
vorbereitet hatten. Namentlich gUt dies von der gewaltigen Wasser«
flut des Jahres 1170, die man wahrscheinlich als die erste große
Veränderung der damaligen Zuydersee-Gebiete zu betrachten hat. üeber
Dünen und Deiche hinwegströmend, war nicht bloß alles Land zwischen
Texel, Medemblik und Stavoren überflutet, sondern die salzigen Wellen'
drangen bis nach Utrecht, wo man Ebbe und Flut beobachtete und
Stoekfische vor den Stadtmauern fieng ''). Nach Gottfried, einem Mönche'
von St. Pantaleon zu Cöln, wäre am 3. November dieses Jahr^' ein
»
Theil von Friesland in der Umgegend von Stavoren vom Wasser ver-
'^) Der anonyme Yetfasser (Jean Nicolas de Parival) des interessanten
Büchleins: ^Les D^lices de la Hollande.^ Amsterdam 1685. 12. überschreibt eines
seiner Kapitel: „La Nort-Hollande en partie Septentrionale apell^e
West-Frise en consid^tion de la Frise qui est au Levant, dont eile
est d^tach^e par cette grande mer du midy, qui fnt si Streite, qu' autrefoiS|
(Selon quelques autheurs) on la pouvait passer sur une plancbe." S. 188.
**) Yan den Bergh bemerkt übrigens , dass ihm keine auf diesen Erei-
lerbosch bezügiiche- Urkunden yorgekommen seien. S. 83.
» ') S. Wüd. Die Niederlande I. S. 25.
17*
260
schlnngen worden. Andern zufolge ist dieses Ereignis erst 1173 emge-
treten und alte Lieder lassen sich vernehmen, dass es eine zweite
Sündflut war, welche die ganze Welt überströmte, was auch Yossius
im zweiten seiner Jahrbücher bestätigt. Der oberwähnte Kreilerbosch
soll bei dieser Gelegenheit seinen Untergang gefunden haben *').
Gabbema zufolge schreibt ScriTerius in den Anmerkungen von seinem
Oud Batavia, im Leben von Floris III. Grafen Yon Holland ^'), dass
ein unbekannter Autor einer lateinischen Chronik von Friesland zum
Jahre 1195 erzähle, die Seethore zwischen Ylie und Tezel seien durch
die Kraft des eindringenden Wassers und der hohen Flut eingebrochen
und gleichzeitig das feste Land um Medemblik und Enkhuizen in die
Tiefe versunken. Offenbar hat die See einen Theil dessen, was sie
damals verschlungen, nicht wieder herausgegeben und dadurch beträcht-
liche Veränderungen in der Physiognomie dieser Landschaften hervor-
gebracht, wozu ihr die andauernde Senkung des niederländischen Ge-
bietes '^) nicht wenig behilflich war. Die Verbindung zwischen Nord-
hoUand und Friesland indessen kann damals noch nicht gänzlich unter-
brochen worden sein, weil wir hiefür anderweitige historische Beweis-
stücke in Händen haben.
**) Van Kämpen, Geschichte der Niederlande. I. Bd. S. 112 schreibt:
yfiie Regierung Floris III. liefert einen merkwürdigen Betrag zur G^eschichte
des physischen Zustandes Holland. ISA scheint, dass man, um den Ver-
heerungen der Normanen zu steuern, die wahrscheinlich durch den Flevo-
arm oder die Neda so oft nach der Hauptstadt Dorestad kamen, da wo
die Lek aus diesem Arm fließt, einen Damm gelegt hatte, wodurch er
allmälich ganz vertrocknete, und die Lek jetzt mit dem Rheinwasser über-
laden, häufig ihre niedrigen Ufer überschwemmte. In der Mitte des
XII. Jahrhunderts wiederholten sich die Ueberschwemmungen des Meeres so
oft — (nach den Chroniken konnte man unter den Mauern von Utrecht See-
fische fEiDgen) — dass kräftige Maßregeln dagegen erfordert worden. Kaiser
Friedrich I. gab also 1165 auf dringende Bitte der Grafen von Geldern, Hol-
land und Cleve und des Bischofs von Utrecht Freiheit, das alte Bett der
Neda zu öffnen, um die Wasser abzuleiten. £s scheint aber, dass einge-
tretene Schwierigkeiten — vielleicht der flandrische Krieg — dieses Vorhaben
verhinderten, welches im XIX. Jahrhundert wieder zur Sprache gekommen,
aber bis jetzt nicht ausgeführt ist."
'"; Er starb 1190 auf einer Reise nach dem heiligen Lande. Die Reihen-
folge der uns hier interessierenden Grafen von Holland ist folgende :
Floris m. 1157-1190.
Dietrich VH. 1190—1203.
Wühelm I. 1203'-1222.
Floris IV. 1222 -1234.
Wilhelm H. 1234-1256.
'*) Ose. Peschel. Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde. Leipzig
1870. 8. S. 101.
261
Wol nicht den größten Wert möchte ich anf jene von Vielen nnd
hesonders von Menso Alting hochgehaltene Stelle des Melis Stoke '^)
legen, der in seiner Reimchronik erzfthlt, Graf Wilhelm I. von Holland
sei, als er den Tod seines Bmders Dirk (Dietrich) VII. erfahren, ans
Friesiand, wo er sich eben befand, nach dem nordholländischen Dorfe
Zgpe geritten, was natürlich nicht möglich gewesen wäre, hätte ein
großes Meer wie die Znydersee inzwischen gelegen. Menso Alting '^)
zieht hieraus den Schlnss, dass zn jener Zeit es eine Znyder-
see noch nicht gegeben habe. Dies wäre im Jahre 1203 gewesen, denn
in jenes Jahr wird der Tod des Grafen Dietrich gemeiniglich verlegt,
was aUerdings zu dem obenerwähnten Datum 1205 recht gut stimmt.
Allein die Bedeutung der Stelle lässt sich aus zweierlei Gründen an-
fechten; einmal, weil als Todestag Dirk*s gewönlich der 4. November
genannt wird, es außerdem aber nicht unwahrscheinlich ist, dass er
noch einige Zeit später erst anzunehmen ist ^''). Es war also jeden-
falls Winter uhd da konnte Graf Wilhelm wol über die möglicherweise
zugefrorne Zuydersee, die zwischen beiden Provinzen ohnehin nicht
breit ist, geritten sein. Endlich aber hat das in der Reimchronik ange-
wendete Wort ghereden gar nicht einmal die Bedeutung von reiten.
Im heutigen Holländischen bedeutet das Verbum rijden ebensowol
fahren '^ und hat keineswegs den ausschließlichen Sinn des zu
Pferdedtzens. Es ist uns nicht bekannt, dass dem im Mittelniederländischen
*') Rgmkronijk (uitgeg. door B. Huydecoper). Leyden 1772. 4. Buch III.
Vers 1—5. Die Stelle lautet :
Willem die in Ost Vrieslant was
Heeft nie mare vernommen das
Dat Bijn broeder is hieven doot
Met sericheden herde groot
Es hi ter Zipe comen ghereden.
*^ Descriptio agri batavi et frisii. Amstelodami. Wetstein 1697. Fol.
S. 64.: „Sinus autem Oceani, qui hodie inter Enchusana brevia et Taconis
cataractus (Takezijl) hoc lacu contineatnr, recens est, intra ahnos quingentos
proidmos demum natus.*^
•*) Wagenaar. Vaderländische historie. Amsterdam 1749—1759. 8. II.
295 sagt hierüber: „De oudste schrijvers stellen zynen dood op het jaar 1203.
(Godefrid. Monachus ad ann. 1503. p. 274). Sommigen op den vierden van
Slagtmaand (4. November). (Beka in Theod. n. p. 63. Leon. Monach. Brevic.
p. 155). Doch indien de t^dtekening van het verdrag met Hertog Hendrik I.
(▼an Lotharingen) egt is, moet hij na dien dag overleeden zijn, also hij,
eenigen tyd na hat sluiten van het zelve te Dordrecht ziek gelegen heeft.''
'*) Und zurar heute mit allen möglichen Beförderungsmitteln : Wagen,
Eisenbahn oder Schiff. Das holländische Rijtaig ist demnach die Bezeichnung
für Wagen, Fuhrwerk, nicht etwa fOr Reitzeug, wie die Lautähnlichkeit
▼ennuthen ließe.
262
anders gewesen wftre. Eine andere QaeHe, weldie dasBeH^e Ereignis be-
richtet, gewährt ans denselben Gründen keinen genaueren Anfschlnas **).
Weit wichtiger, weit genauer dankt uns der Bericht des friesi-
schen Chronisten Ubbo Enunins ^®) , der zum Jahre 1222 (dem Todes-
jahre Grafen Wilhehn I.) erzählt, „dass zn jener Zeit im Westen von
Friesland nnd der Mittelsee oder dem Boerdiep, wo gegenwärtig
eine weite See flutet, viele Ländereien lagen. Die Yssel, welche
die Wasser des Rheins durch die Fossa Dmsiana empfängt, ergoss sich
damals nicht so wie jetzt dicht bei der Stadt Kämpen in diesen großm
Meerbusen, Namen und Ufer verlierend; vielmehr behielt sie noch eine
Strecke lang ihr Bett und floss mitten durch Ackerland.^ An einer
anderen Stelle *^) sagt er: „der Ylie, ehemals breit, war um jene Zeit
(1222) zwischen Enkhuizen und Stavoren nicht viel breiter als ein
Bach oder ein Flflsschen; alles flbrige war mit Ackerland und Gehdiz
bedeckt.^ Ganz ähnlich beschreibt Simon Abbes Gubbema die damaligen
Zustände des Landes; auch er betont, dass im Westen „daar nu de
harre zee bruischt^ viel Land gelegen ^^), und erzählt, dem Emmius
beinahe wörtlich nachgeschrieben, dass der Rhein zwischen Stavoren
und Enkhuizen nur die Breite eines gewöhnlichen Flusses (de wijdte
van een gemeene rivier) besessen habe. Seine Uferlandschaften war^
Weide- und Ackergrflnde und viele Waldungen, die, fftgt Gabbema
selbständig hinzu, meistentheüs den Edlen von Gaalema gehörten ^').
Eine zweite große Veränderung fand wahrscheinlich 1237 statt,
wo zufolge der Chronik von Friesland des Winsemius eine neue, schreck-
") Es ist dies die anonyme : „Cronycke van HoUandt, Zeelandt ende
Yrieslant tot 1517,^ die ohne Angabe von Druckort und Jahreszahl 1517 zu
Leyden in Folio erschien. Wir lesen hier, Div. XY. c. 2. Fol. 153 : „Onder
desen vernam grave Willem van OeBtvrieslandt dat grave Dirck sijn broeder
gestorven was, ende quam alst reden gaf harde roawich totter zypen toe, om-
dat hij gaeme tot sijns broeders wtuaert hadde geweest.*^
'*) Rer. frisic. bist. Lugd. Bat. 1616. Fol. S. 130: „At verö contraria
ratione versus Occasum multtun terrarum erat, ubi jam vastum pelagus se
fnndit. Isala namque qoi per Drosianam fossam a Bheno aquas accipit, non
nti nunc, ad Gampos oppidum statim in sinum illum vastum, quem Austri-
num mare vocant, se effondebat, nomenque et ripas perdebat suas, sed alveo
aliqnandin uno servato per medios agroSy'Vidroqae recepto, ubi Cuneram prseter-
vectus erat, in plures se partes scindebat, quarum maxima in sinum Australem
sinistrorsum, caeterae per agmm frisicum ferebantur.*^
*^) Ibid. S. 131. „Flevus autem olim amplior tum riri modum eo loco
qui inter Enchusam et Staveram medius est non multum excedebat; Beliqna
campi aut nemora tenebant.^
**) Yerhaal van de stad Leeuwarden 1190—1573. uitg^. door Tolrias
Ouberleth. Franeker 1700. 4. S. 7.
**) Ibid. S. 8.
263
Kdie Fiat hereiiArach und einen großen Theil des westlichen Friesland
wegspQlte. Die Landschaften von Holcama, deren Bewohner, wie es
scheint, dnrch Ganalgrahongen den Einbrach des Wassers erleichtert
hatten, giengen über Nacht anter. Des nächsten Morgens sahen die
ra^rst Aofgestandenen, dass das ganze Land anter Wasser stehe and
riefen ihren Nachbarn za: Het is al Ylie-landt! Daraas wollen Einige
den Namen der Insel Ylieland ableiten.
Anl&sslich der großen Ueberschwemmang von 1250 ersehen wir
bei (zabbeaia ^^), dass H<dland in diesem Jahre großes Unglück wieder-
fahren, and sein Gommentator Oatberlet glossiert daza : „Ich fin^e noch
„Ton dieser Fiat Erw&hnang gethan in einem alten Bache eines fiiesi-
„sehen Greschichtsschreibers, aaf Papier geschrieben and von mir aaf-
„bewahrt Seine Woilie sind die folgenden: In t' jaer ons Heeren 1250
,,heefl die zee grote scade gedaen an ende om Frieslandt, ende die
„grote meren binnen 't landt , als die zee bij Stayeren ende dat voert
„by Harlingen, ende van Staveren toe Enkhazen, ende toe Campen,
„want dat plach heel lant toe wesen al totter Flee^ (denn bis zom
Ylie war alles damals meist Festland). Demnach wäre 1250 der end-
gültige Darchbrach noch nicht erfolgt, der erst sp&ter 1282, nicht wie
Wüd ^^} angibt 1225, stattfand, nachdem das zwischen den drei Städten
Medemblik, Stavoren and Enkhaizen znrückgebliebene Stück Landes
w&hrend beinahe anderthalb Jahrhanderte Friesland mit Nordholland
verbanden hatte. Zom Jahre 1255, lesen wir noch in der Eron^k van
Friesland, konnte man mit einem Springstocke von Enkhaizen nach
Stavoren gehen and war da ein gates festes Land. Wieringen aber war
1251 schon voilstftndig zar Insel geworden.
Alle diese verschiedenen Angaben sind aber meiner Meinang
nach TtffM gat mit einander in Einklang za bringen. Van den Bergh
führt sehr gewichtige arkandliche Nachweise in's Treffen dafür, dass die
friesischen Inseln schon im 8. Jahrhandert als solche bekannt, dass
Marsdiep and Vliestroom schon damals Meeresdarchbrüche gewesen seien.
Andererseits wird behaaptet, dass vor dem Jahre 1205 es keine Znyder-
see, nftmlich im heatigen Sinne der Bezeichnang gegeben habe. Dies
scheint mir nichts anderes za beweisen, als dass bis zam Jahre, in
welchem der definitive Darchbrach eintrat, noch ein Stück Land Nord-
holland mit Friesland verbanden and den Flevo-See von dem schon in
den verflossenen Jahrhanderten nfther gerückten Meere noch getrennt
^) Naeawkeurige Beschnjving der gedenkwaerdigste watervloeden, med
linede aantgkeningen voorzien door Tobias Gutberlet R. G. S. 81.
**) Die Niederlande I. 26 wahrscheinlich nach Madgabe der langsamen,
aber andaaemden Senkang der Niederlande.
264
habe. Der Yliestrom kann recht wol diese Landenge als einfacher
Floss durchsetzt haben ; wo seine damalige Mündung gelegen, lässt sich
nunmehr freilich nicht bestimmen, allein sie kann recht wol und höchst
wahrscheinlich schon ziemlich tief landeinwärts der jetzigen Yliestroom-
Mündung in die Nordsee gewesen sein. Auf diesem Stück Landes konnte
auch Graf Wilhelm von Friesland nach Nordholland gelangen und sich
ein reger Verkehr zwischen Ost- und Westfriesen erhalten haben. Mit
einem Worte, der Process der Zuydersee-Bildung gieng nur langsam
Schritt für Schritt, wahrscheinlich nach Maßgabe der langsamen aber
andauernden Senkung der Niederlande von statten und in dieser An-
sicht wird man von Yan den Bergh selbst befestigt, welcher auf seiner
Karte' ein zweifelhaftes £iland Ganc verzeichnet, unweit südlich von
Texel-Vlieland gelegen, auf Grund einer Erwähnung in den Tradi-
tiones Fuldenses. Hinter Ambla (Ameland) sehen wir bei ihm eine
Insel Grye gelagert Beide £ilande, wenn sie jemals existierten, sind
heute spurlos verschwunden, wenn nicht anders in den zahlreichen Sand-
bänken ihre Spur zu suchen ist ^%
Wir glauben also nicht, dass schon im 9. Jahrhundert die Zuyder-
see nahezu ihre gegenwärtige Ausdehnung besessen und der großen
Ueberflutung vom 26. Dezember 839 größtentheils ihre Entstehung
verdanke ^^); wir sind vielmehr der Ansicht, dass jede neue Sturm-
flut immer mehr Land von dem nördlich von Enkhuizen-Stavoren gele-
genen Gebiete abgespült habe, dabei Eilande bildend, die von einem
nächsten Einbrüche neuerdings zerrissen oder zum Theile, oder auch
ganz verschlungen wurden, bis endlich im 13. Jahrhundert auch noch
das letzte Stück Land zwischen Enkhuizen und Stavoren weggerissen
und die Nordsee mit dem Flevo-See zur Zuydersee vereinigt wurde.
Wild, der dieses Ereignis 1225 eintreten lässt, während Elöden allerdings
ohne irgend welche Begründung dafür die nach unserer Darlegung
wahrscheinlichere Zahl 1282 angibt, sagt: Wie eine neue Sündflut trat
das Meer aus, um nicht wieder in seine alten Ufer zurückzukehren. Eis
erweiterte den See Flevo zu einem Meere; eine weite blühende Gegend
mit all ihren Dörfern, Menschen und Thieren versank im Abgrunde.
Nur drei kleine Inseln, Marken, Urk und Schokland sind übrig ge-
^'; Die „D^lices de la HoUande*^ 1685 zu Amsterdam erschienen enthalten
eine kleine Karte mit dem Titel : „Comitatus HoUandi» nova descriptio,'' worauf
eine heute nicht mehr bestehende Insel Eyeriand zwischen Texel und Vlieland
verzeichnet erscheint. Der Name hat sich in dem Eijerlandsche Gat er-
halten, womit man häufig das Westvlielandergat bezeichnet, das eben zwischen
Texel und Ylieland durchzieht. Auch die Position von Wieringen erscheint
ganz anders. Und dieses Kärtchen ist kaum 200 Jahre altl
") Van den Bergh. S. 56.
365
bUeben; sie konnten sich von dem Wasser bisher nnr durch die kost-
spieligsten Yertheidigangswerke eine Galgenfrist bis zum völligen Ver-
sdüangenv^erden ertrotzen ^^). Dies war also der Geburtstag der Znyder-
see, welche wahrscheinlich von den Friesen so genannt wurde, weil sie
für Friesland auch in der That südlich liegt. In einer alten overijssel-
sehen Urkunde wird sie Suytvinde genannt^ während der eigentliche
Flevo-See im Mittelalter den deutschen Namen Almari oder Almeri
trog. Willibald in seinem Leben des heil. Bonifaz ^') spricht von
einem stagnum Aelmere, woraus Bergh den Schluss zieht, dass der
Flevo-See damals einen sumpfigen, morastartigen Character gehabt
haben müsse. Durch seine Verbindung mit der Nordsee hat er indessen,
die Untiefen abgerechnet, keine Merkmale dieses einstigen Zustandes
behalten.
Banjaluka und Bihac
in Bosnien.
Skizze von A. v. Draganchich.
Die Bevölkerung Banjalukas wird auf 12 — 15.000 Seelen geschätzt,
welche in circa 1500 Häusern Obdach finden.
Banjaluka ist der Sitz eines Mutesarifs (Civil-Kreis-Gouverneurs)
mit Pascha-Titel, und einer k. und k. österr.-ung. Consular-Agentie, hat
33 Moscheen, 1 röm.-katholisches und 1 ;gr.-orient. Bethaus (als Kirche
ohne Glocken, welche anzubringen noch nicht erlaubt wird).
Die Juden versammeln sich zur Verriclitung ihrer Andacht in
einem hiezu gemietheten Häuschen.
Vorherrschend ist in der Stadt die mohammedanische Bevölkerung,
dieser reiht sich der Anzahl nach die gr.-orientalische, die sich gerne
den aus der Sympathie für Serbien hergeleiteten Titel einer „serbischen"
zutheilt, endlich die katholische an. Einige Juden und eine nicht
unbeträchtliche Menge von Zigeunerfamilien ergänzen die Bevölkerung
von Banjaluka.
Außer einigen türkischen Elementar- und einer höheren Schule
besteht in Banjaluka seit dem Jahre 1867 eine gr.-orient.-theologische
und eine serbische Gemeindeschule. Die Kinder der katholischen
Bevölkerung genießen den Elementarunterricht im katholischen Pfarr-
haose durch einen Franciscaner Kaplan, der jedoch auch die äußere Seel-
^■) Die Niederlande. 1. 26.
**) Bei Pertz. Monom. Germ. bist. IL 349.
266
sorge besorgen miifi, — durch welche der Unterricht crft unterbrochen
wird. Daher ist fQr die Bildung der Jugmid wenig gesorgt
Die Banjalukaer Tscharsdiije (Bazar) zählt nahezu 500 Gewölber
mit Golonial-, Scimitt-, Eäsen- und sonstigen Handelsartikeln. Spirituosen
werden in circa 200 Buden verkauft.
Mitten in der Stadt befindet sich eine dem Verfalle nahe Festung
mit zwei Haupt- und einen Ausfallsthor, welche am linken Yerbas-
Ufer liegt, und in deren Innern die Garnison stets nur 1 Bataälon
Infanterie beherbergt, während 4 Escadronen Gavallerie in der für
diesen Fassungsraum im Jahre 1868 auf dem Bai^alu^kopolje hart
am Verbas erbauten Oaseme liegen.
In der Stadt Banjaluka ffthren 2 hölzerne Brftcken Hber den Verbas,
welche fflr gewöhnliches Fuhrwerk mit 10 Zentner Last practicabel sind
und bisher d^m reißenden Verbas in ihrer Dauerhaftigkeit genfkgenden
Widerstand geboten haben. Die obere Brücke steht bei der Suleiman
Djamie, die untere hart an der Festung, gegen welche das 2. Festungs-
tbor hinausfahrt. Diese beiden Brücken sind 3000 Mdtres von einander
entfernt.
lieber den Verbas führen weiter unten noch bei Elasnice und
Pribrige hölzerne Brücken, welche jedoch, obgleich erstere 1867,
letztere 1869 erbaut, dem reißenden Verbas keinen Wiederstand boten
und schon baufällig geworden sind.
Beide Brücken sind jedoch von großer Wichtigkeit, da sie einzig
die directe Verbindung Banjalukas mit Dervent und dem dortigen
Bezirke vermitteln. Banjaluka als Handelsplatz ist weit mehr als
jede andere Stadt Bosniens im raschen Aufschwung begriffen, und
in keiner derselben werden verhältnismäßig so viele Neubauten ans
solidem Material bemerkt als in Banjaluka, welches auch nach Serajewo
die größte und reichste Stadt Bosniens ist.
Die Stadt Bihaö mit einer baufälligen Feste zählt circa 4 — ÖOOO
Seelen, ist an der Unna gelegen, welche in der Stadt selbst einmal
überbrückt ist. Auch hier sitzt ein Mutesarif (Civil-Kreis-Gouverneur).
Eine Fahrstunde vom österr. Cordons-Commando-Posten in Zavalje
entfernt, steht dieselbe mit der benachbarten Grenzbevölkerung des
Ottocaner Grenz-Regiments ausschließlich in lebhaften Verkehr, welcher
sich im Handel weiter bis an die Seestadt Zengg erstreckt.
Der Baiijalukaer Mutesariflik hat 4 Kadiluks oder Eaimakamien
(Richter- oder Bezirksamtssitze) u. z. in Banjaluka, Gradiska, TeSai^
und Dervent. Der Bihaöer Mutesariflik dahingegen 7 und zwar in
Bihad, Priedor, Eostajnica, Ostroöac, Empa, Stari Migdan und Petrovac.
Jedoch be¥drbt sich die Bevölkerung dieses letzteren Bezirks um die
267
Rüelnrarlegiiiig des Amtsitzes nftch Kaien Yakaf an die Grenze des
Likaner Cordons-Gommaiidos bei Bori^evac "').
Der Fl&cheniDhalt des Biha^er Mntesarifliks beträgt nach der
im Jahre 1859 tflrkischerseits vorgenommenen Eatastral-Anfhahme
119*74 O Meilen, während der Banjalukaer Mutesariflik, welcher noch
nicht vermessen wurde, auf 80.26, sohin beide Mntesariflik auf circa
200 O Meilen veranschlagt werden können.
Der Banjalukaer Mutesariflik zählt circa 20.000, der Biha^er
22.000, beide zusammen sohin 42.000 Häuser. Wenn nun jedes Haus
wie hierlands flblich, durchschnittlich auf 10 Seelen geschätzt wird, so
enthielten diese beiden Mntesarifliks eine Bevölkerung von 420.000 Seelen,
was annähernd das Richtige sein dürfte.
*) üeber die Communicationen in oben genanntem Gebiet lässt sich
in kurzem folgendes sagen:
Von Berbir (türkisch Gradiska) führt eine Dammstraße über Han
Sibid, das Bad Hidje, Secö in 8 türkischen Wegstunden nach Banja-
laka. Die Entfernung wurde von dem Ingenieuren der ottomanischen Eisen-
bahn auf 47.600 Metres (6 deutsche Meilen) berechnet. Längs der Straße ist
die Telegraphenlinie gezogen, welche die Save bei Altgradiska für den inter-
nationalen Verkehr übersetzt. Diese Straße ist durchaus fahrbar und wird in
ziemlich gutem Stande erhalten.
Von Banjaluka führt eine 1865 begonnene Straße, die aber bei
weitem noch nicht durchwegs practicabel ist, über Sitnica, Warcarev-
Vacup, Giölhissar oder Jezero Jaicze und Earaula nach Travnik.
Ihre Länge beträgt 28 türkische Wegstunden, nach den Messungen der Eisen-
bahn-Ingenieure I4V9 deutsche Meilen.
Der ältere Reitweg von Banjaluka, der noch jetzt häufig von Reitenden
und Tragthieren begangen wird, führt über Sk ender und Vacup in IStürki-
achen Wegstunden nach Travnik.
Von Travnik führt ein 27« bis 3^ breiter, im Stand erhaltener Land-
weg über BusoTaöa und Eisseljak in 16 türkischen Wegstunden nach
Serajewo. Längs demselben die Telegraphenlinie.
Theilweise in gutem Stande ist der Landweg, der von Banjaluka
über Ivanska, Bozaraz, Frieder, Kovi und Eruppa in 28 türkischen
Wegstunden nach Bihaö führt. Telegraphenverbindung.
Theilweise gut erhaltener Landweg, theilweise kunstmäßig angelegt ist
der Weg von Banjaluka über Sedo Han, Pernjavor und Derwent in
20 Wegstunden nach Brood und ein zweiter über Seco Han, Hobas in
18 Wegstunden nach Brood, der dem erstem bei trockener Jahreszeit vor-
gezogen wird.
Von Banjaluka nach Tesany führt in 16 Stunden ein gar nicht
erhaltener Reitweg.
Dagegen führt ein wenigstens bei trockener Jahreszeit fahrbarer Land-
weg von Brood über Dervent, Doboi, Zepde, Zenica, Busovaöa
Eisseljak in 44 Wegstunden nach Serajewo und dieser ist die einzige
directe Verbindung.
268
Das ConfeBskms-YerhfiltDis der Berölkemng beider Matesarifliks wird
sich annfthemd durchschnittlich folgendennaßen herausstellen: Mohame-
daner ^/,o, Serben ^/,o, Katholiken ^/^g, Jaden und Zigeuner 7io-
Der Flächeninhalt des Bodens zerfällt beiläufig in folgende Ab-
stafnngen: Cnltarfähiges Acker- und Wiesenland ^/^q, Waldland ^/j^,
Hntweideland ^/,o, steriler Boden ^/^q. Der cnltarföhige Boden ist hin-
sichtlich der Fruchtbarkeit sehr ergiebig, die Bewirtschaftung aber
lässt viel zu wünschen fibrig.
Die Boden-Production deckt nicht nur den inländischen Bedarf,
sondern es kann der dritte Theil derselben ohne Nachtheil des Landes
verwertet und exportiert werden, Mais, Weizen, Gerste und Hafer
werden in allen Gegenden gleich gebaut und bilden nebst Rauchwaren
und den verschiedenartigen Häuten und Fellen der Nutzthiere die Haupt-
ausfuhratikel dieses Landtheiles ; der Weinbau wird nur im katholischen
Dorfe Ivanska, 5 türkische Wegstunden von Banjaluka gegen BihaJS
gelegen, primitiv betrieben und nur schlechter säuerlicher Wein gewonnen.
Seit 2 Jahren begannen einige christliche Gutsbesitzer Banjalukas in der
Nähe der Stadt die Weinrebe zu pflanzen und gewannen bereits vorzüg-
liche Trauben, jedoch noch nicht in zureichender Quantität, um aus
denselben- Wein zu producieren. Damit wird im nächsten Herbst be-
gonnen werden, nachdem, die klimatischen Verhältnisse das Reifen der
Traube daselbst ermöglichen, was im Bihaö'schen weniger der Fall ist,
da die dortige Bodenqualität als Earstland derselben sich nicht an-
passt, und der Herbst zu früh und rauh eintritt, während das Früh-
jahr factisch gar nicht existiert, die Sommerhitze gleich im An&iig
der schönen Jahreszeit unerträglich wird. Der Uebergang der Jahres-
zeiten ist zwar auch in Banjaluka nicht langsam, weil die Stadt
in Süden von Gebirgshöhen eingeschlossen wird, im ganzen jedoch
gestalten sich die klimatischen Verhältnisse für Gerealien, Küchengewächse
und die Weinreben viel günstiger als im Bihaöer Mutesariflik.
Der Haupterwerbszweig der Bevölkerung ist der Handel überhaupt,
und dieser erstreckt sich auf alle einheimischen Producte, welche je
nach der Jahreszeit an jedem Wochenmarkt, der fast in allen mit Tschar-
schijen (Bazars) versehenen Städten und Marktflecken Bosniens an einem
bestimmten Tage jeder Woche abgehalten wird, zum Vorschein kommen.
Diese Producte sind: Weizen, Gerste, Mais, Hafer, Schaffelle, Lamm-
felle, Gaisfelle, Kitzfelle, Schafe, Lämmer, Gaise, Kitze, Pferde, Hom^
vieh, Borstenvieh, UnschUtt, Honig. Der Export nach Oesterreich-Ungam
ist. in allen diesen Artikeln bedeutend, an Mais wurden im Laufe dieses
Jahres aus den hinter der Save liegenden Gebietstheilen über eine
Million Metzen ausgeführt.
269
Ton Hörn- und Borstenvieh wird in der Regel die Hälfte der zu
Markt kommenden Quantität für Oesterreich-Ungam angekauft.
Aach die zu Markt kommenden Felle und Häute gehen mit
geringer Ausnahme nach Oesterreich-Ungam, Rauchwaren größtentheils
nach Leipzig. Der Export dürfte jährlich circa 37a Millionen Gulden
betragen.
Dagegen beziffert sich der Import aus Oesterreich-Ungarn auf circa
Eine Million Gulden Wert jährlich.
Von Mineralien und Erzen *), welche im Banjalukaer Mutesariflik
besonders reichhaltig vorkommen, Eisen, Kupfer, Glanzkohle, Meer-
schaum etc. wird nur Eisen produziert, jedoch mit primitiven Vorgänge.
Die Eisengewinnung aus den Hüttenwerken bei Liubia, Stari
Majdan, Timar und Sratinsko (5, 6-10 türkische Wegstunden von
Banjaluka entfernt geschieht vermittelst einfacher Schmelzöfen, die nur
sogenanntes Wolfseisen in Strutzenform zu Tage fördern, welches sonach
in unregelmäßig breite und dünne circa eine Klafter lange Stangen
gehämmert und so an die hierländigen Eisenarbeiter verkauft wird.
Aus den vorkommenden Erzen, welche nahezu 60% reines Eisen
enthalten, werden nach hierländischem Betriebe kaum 10 bis 12%
gewonnen. Der Reichthum an Erzen ist unerschöpflich. Schon die bei
den Hüttenwerken aufgetürmten Schlacken würden die Errrichtung eines
Hochofens durch Ausnützung in kürzester Zeit auszahlen, jedoch wird
dieser Yortheil von den indolenten Grundbesitzern nicht eingesehen, da
diese jeder Neuerung abgeneigt sind, die ein Opfer kostet, und ihre
Gapitalien nur auf schnell nutzbringende Weise unbekümmert um die
Zukunft oder den Fortschritt verwenden. Einen rationellen Betrieb der
Eisenwerke wird erst die Zeit bringen, wo die Eisenschiene sich an den
Boden legt. Industrielle und Fachmänner werden sich dann schon finden,
die den verborgenen Schatz zu heben wissen. Meerschaum ^ommt
bei Linbiö und Reljevac im Derventaer Bezirk vor. Banjaluka selbst
ruht auf einem unerschöpflichen Lager von Braunkohle, welche wenig
schwefelhaltig ist, und einst die Quelle großen Reichthums werden wird.
Der ganze Waldboden ist türkisches Staats-Eigenthum, und wird von
einem in Constautinopel residierenden Forstrathe, der aus französischen
Forstbeamten besteht, unter der Aufsicht des Finanzministeriums verwirt-
schaftet; da man ihn nur als Handelsgegenstand ohne Bedachtnahme
auf das Bedürfnis einer zweiten Generation betrachtet, von einer B e-
wirtschaftung keine Rede sein. Für Bosnien sind 2 Forstinspectoren
*) S. Bosnien mit Bezug auf seine Mineralschätze, von A. Conrad ,
Mittheilungen S. 219.
270
mit 30 FoTstj&gern zn Pferd und zn Pnß ani^fiteUt, wdehe nur die
Aufgabe haben, die von der Regienmg verkaoften Waldbestandtheile be-
züglich der von den Holzspeculanten und zum Export gelangenden be-
zahlten Quantitäten zn controUieren.
Die Ausbentnng der Waldangen ist der einheimischen Bevölkerang
far den inländischen Bedarf frei gegeben. Größere Holzqnantit&ten fftr
den Export werd^ in öffentlichen Lidtationen bei den Kreisbehörden
unter Mitwirkung des Forstinspectors an Meistbietende per Stamm,
1000 Stflck Fassdauben per 1 Cubik-Fuß, und per eine Wienerklafter
Brennholz überlassen.
Auf diese Art wurden in den letzten 4 Jahren aus den bosnischen
Waldungen schon so bedeutende Nutzholzquantit&ten aosgehauen, dass
man bei solchem Betriebe dort in wenigen Jahren kein Nutzholz mehr
finden wird.
Banjaluka, im November 1869.
Geographische Literatur.
Küstenkarte des adriatischen Meeres, von der k. k.
österr. Kriegsmarine. Bl. N. 4. Wien 1870.
Wenige Jahre fehlen zum halben Jahrhundert, seit durch das Er-
scheinen der Blätter des Atlas des adriatischen Meeres (1822 bis 1824) das Resultat
einer unter französischem Regime begonnenen, unter österreichischer Leitung
vollendeten Kttstenaufnahme veröffentlicht wurde. Zwanzig zusammenhangende
Blätter größten Formates nebst einem Titel und Uebersichtsblatte bildeten
die Schifrahrtskarte (Carta di Cabotaggio) im mittleren Maße von 1 : 175000 der
Natur, an die sich 7 Bl&tter Ansichten der Seehäfen, eine Uebersichtskarte
in 2 riesigen Blättern im Maße von 1 : 500000 der Natur, und ein Heft Erläute-
rungen iPortolano) anschlössen, ungerechnet die zahlreichen Notizen über Winde,
Strömung etc. auf den Blättern selbst, deren disponible Räume über 70 Special-
pläne der Häfen in verschiedenen Maßstäben von s^i^nr bis «^iinr der Natur
enthielten. Die Aufnahme beruhte auf geodätischer Grundlage, die Maße der
Sonderangaben imponierte, die statischen und die nautischen Notizen waren
eine wertvolle Beigabe, die technische Ausführung ausgezeichnet und so er-
freute sich dieses Werk durch Jahrzehende des besten Rufes und gepriesener
Brauchbarkeit.
Das Bessere ist jedoch stets der Feind und Verdränger des Guten,
und da mit der Wissenschaft auch die Anforderungen gleichmäßig fort-
schreiten, so kam die Zeit, wo die damalige Aufnahme nicht mehr genflgte,
auf Anregung S. £x. des Freiherrn von Wüllersdorfein neuer Plan zu einer
genauen vollständigen Durchforschung des adriatischen Meeres entworfen
irarde und die neue Küstenaufoahme unter der Oberleitung des Fregatten-
Gapitäns T. 0 Österreich er und unter Mitwirkung des Majors Skuppa
für den topographischen Theil im J. 1866 den Anfang nahm. Eine hydro-
graphische Abtheilung von 11 Personen, dann von 4 See- und 4 Land^
Mappeurs sind seit dieser Zeit in größter Thädgkeit und die Arbeiten (Maß-
stab der Orig.-Aufhahme 1" = 200«* oder „J^ der Natur) sind bereits bis
Sabioncello und Corzola fortgeschritten. Dass die neue Aufnahme nicht über-
flüssig war, beweisen nicht nur die mit den alten Karten gemachten Erfah-
rungen über manche nicht verzeichnete Klippen und Sandbäncke, sondern auch
die nicht ganz unbedeutenden Abweichungen in den Umrissen der KtMen,
271
ttunentlicli in Dalmatien, noch mehr aber die anzol&ngliche topograpliisehe
DuBtellnng des KOstensaumeB , eines Streifens von 1 bis 2 Seemeilen land-
einvirU. Vergleicht man das jetzt erschienene Blatt Nr. 4 niit dem Blatte 3
der alten Karte, so zeigen sich sehr viele Unterschiede , welche sämmtlich zu
Gunsten der neuen Arbeit sprechen. Der Meridian von Paris hat jenem von
Greenwich Platz gemacht, der frühere Matlstab von Tghns ist auf ^jghns ^^••
höht worden, was eine viel genauere Ausarbeitung des Terrains gestattet.
Dieses zeigt sich meisterhaft schraffiert und mit Niveaucurven von 60 W. Fuß
circa 20 Meter) in der KQstenkarte, von 30 W. Fuß (circa 10 Meter) in den
Special-Nebenkarten versehen. Die Sonden sind in Faden (=== 1 österr. Klafter;
angegeben, statt wie früher in Pariser - Fuß, und zahlreicher, weil der größere
Maßstab mehr Raum gewährt. Die Beschaffenheit des Meeresgrundes ist reich-
licher und umständlicher bezeichnet mit Zeichen und Buchstaben, verschie-
den für Sand, Schlamm, Korallen, Felsengrund etc. Die Hafenansichten sind
nicht abgesondert, sondern auf dem Blatte, zu dem sie gehören. Es erscheinen
die Peilungen jener Leuchtfeuer eingetragen, die auf dem Blatte nicht mehr
vorkommen ; die Angabe der Bojen, die Cotierung der Landhöhen (in Wiener-
Fuß , die Eintragung der Curven von 2% und 5 Faden Tiefe, Angaben der
Strömungen, Hafenzeiten und Fluthöhe machen das Blatt höchst practisch,
selbst wenn ein eigener Portolano später ausführlicheres darüber bringen
würde. Aus dem gesagten erhellt zur Genüge, dass diese kartographische
Arbeit sich den Arbeiten anderer Admiralitäten, z B. den trefHichen Karten
der englichen, französischen, nordamericanischen Küstenaufnahmen würdig
znr Seite stellen kann und den Vergleich nicht zu scheuen braucht. Nach
diesem allgemeinen Ueberblicke der verdienstvollen Leistung mögen noch
einige Worte Über das Areale des Blattes Nr. 4 folgen. Es umfasst^e Küsten-
strecke von Istrien, vom Scoglio Santin, südlich von Rovigno bi^ zum Hafen
Olmo nächst Promontore, mit den Brioni'schen Inseln und dem Cinal Fasana.
Der wichtigste Punkt der Küste ist der Kriegshafen von Pola^ den nicht
weniger als 20 Forts mit 8 Batterien vertheidigen. Eine Nebenkarte links
oben enthält im Maßstabe von jziun den Hafen Yeruda, eine ^dere links
unten die 3 Häfen der westlichen Küste von Brioni. Die hübsch gestochenen
Ansichten am untern Rande zeigen die Einfahrt in den Hafen von Pola^ und
die Insel Passage im Ganal Fasana. Im Titel sind verdientermaßen die Namen
der aufnehmenden Officiere genannt, sowol der hydrographischen als der
topographischen Abtheüung.
Die verhältnismäi3ig schnelle Publication des ersten Blattes lässt ein
rasches Erscheinen der nachten Sectionen hoffen und so wird wahrscheinlich
kein Decennium vergehen, um das schöne Werk, zu einem reichhaltigen und
vollständigen Atlas angewachsen, begrüßen zu können, vorausgesetzt, das nicht
unvorhergesehene Ereignisse die Vollendung unliebsam verzögern, denn nur im
innem und äußern Frieden gedeihen die Werke der Wissenschaft!
Anton Steinhauser.
Tunis. Ein Bild ans dem nordafricanischen Leben. Prag 1870. 8.
Seltsamer ausgestattet als das vorliegende hat wol nicht oft ein Buch
die Presse verlassen. Auf mittelgroßen OctaFseiten steht in scharfen ziemlich
Gompressen Lettern der Text in den Rahmen einer Visitkarte gedrückt, als
Pendant zu den sieben Mignonphotographien, welche dem Buche als Illustration
oder welchen das Buch als Text beigegeben. Sie stellen africaoische Vegetation,
ein tunesisches Mädchen, zwei Oassen in Tunis, die Hasba, die Judenstadt
und die Gistemen von Gu-thago vor, und sind diese Abbildungen Photographien
der Originalskizzen des Verfassers, wie er sie an Ort und Stelle mitten im
Gewfihl der Menge zeichnete. Kein Strich wurde zu Hause daran geändert und
stimmen dieselben daher nur um so besser mit dem ebenfalls in nngeschminkter
ürsprflnglichkeit belassenen Text. Diese Ursprünglichkeit aber ist volle Poesie,
wie üe eine geläuterte Naturanschauuog in Georg Forsten herrlicher, von
Humboldt so oft preisend erwähnten SchOderung der Sfidseeinseln zu erwecken
vermochte. So auch hier; ohne es zu ahnen, vielleicht ohne es zu beab«
sichtigen, reißt der s|Mrachgewandte Auter den Leser in den Strudel des fremd-
artigen nprdafncaaischen Lebeii% venetat er iha in einen Sinaearanflch» aw
272
dem man niir beim ZnUappen dee leider so kareen Bflchleins enraeht Wer
indess des Aators prachtvolles Balearedwerk kennt — denn niemand anderer
als unser fürstlicher Geograph. Erzherzog Ludwig SaWator von Toscana ist der
Verfasser des vorliegenden BQchleins — wird ohne Mohe an diesem geschwnn- '
genen, farbenreichen Styl das Räthsel der Anonymit&t ROgleich gelöst haben.
£r wird aber auch dem Wunsche sich nicht verschließen können, der edle
Prinz möge auch fernerhin dem Zuge seiner Neigung zu größeren Reisen
folgen, damit Oesterreich hoffen darf, in ihm einst seinen Prinzen von Neuwied
zu erblicken. Friedrich von Hellwald.
Naturwissenschaftliche Reisen im tropischen Ame-
rica, ausgeführt auf Veranlassung und mit Unterstützung weil. Seiner
MajestAt des Königs Maximilian II. von Bayern, von Dr. Moriz
Wagner. Stuttgart bei J. G. Cotta 1870.
Einem Werke, dem wir unbedingte Anerkennung zollen müßen, wird es
erlaubt sein, eine Frage vorzuhalten, die uns der Wunsch abnöthigt, dass
Bücher, wie das vorliegende, nicht nur vom Fachmanne, sondern vom
großen gebildeten Publicum gelesen werden. Warum ist keine E^arte beige-
geben? warum sind nicht in einer leicht angelegten Skizze wenigstens jene
Touren fixiert, die der Verfasser im centralamericanischen Isthmuslande zur
Auffindung eines leichtem Ueberganges machte? Seine eigene Karte, die vor
einigen Jahren in Petermann's Mittheilungen erschien, hätte wol leicht dazu
verwendet werden können. Wir sind um Autworten auf diese Frage nicht ver-
legen, aber eine befriedigende - mit Rücksicht auf den oben angeführten
Wunsch — finden wir nicht. Die sonst so libersJe Verlagshandlung hätte doch
am Namen des Verfassers wie des Gönners, der das Werk ins Leben rief,
Impulse genug gehabt, sich diesen Luxus, der Lesewelt diese Bequemlichkeit
zu gestatten.
Aber mit oder ohne Karte, seien wir froh, dass wir das Werk
selbst haben, das uns auf dem für den Weltverkehr bedeutsamsten Continent
theils neue, nie betretene Pfade weiset, theils auf schon betretenen neue
Reize enthüllt, nicht mit der Prätension eines Vielgereisten, der sein«
Abenteuer auskramt, wol aber mit dem Gewicht eines bewährten, der Leite-
zeichen nach jeder Richtung kundigen Führers. Wenn der Verfasser die
Reisen, die er hier schildert, naturwissenschaftliche nennt, so muU
man das Wort in der weitesten Bedeutung nehmen, wo es nicht nur Forschen
und Finden, Bestimmen und Schildern des Einzelnen, sondern auch üeber-
schauen und Gliedern des Ganzen und das Verwenden der gewonnenen E^ah-
rung zu prac tischen Ideen in sich schließt. Dem Reisenden Moriz
Wagner geht der Geolog, Botaniker und Zoolog, wie nicht minder der Geo-
graph und Nationalöconom zur Seite, und indem sich diese alle in seiner Per-
son vereinigen, lässt sich von keinem sagen, dass er dem andern an Sch&rfe
der Auffassung und Gediegenheit des Urtheils nachstehe. Centralamerica bat
an ihm den kundigsten und unbefangensten Biographen, die Wissenschaft
einen Vertreter, dem an Ausdauer in der mühevollsten Arbeit wie an geistiger
Vertiefung in verschiedenen Gebieten, von denen jedes seinen ganzen Mann
in Anspruch nimmt, wenige gleich kommen.
Ueber die Form des vorliegenden Buches citieren wir die Worte des
VerfiEMsers im Vorworte, die wir — natürlich bis auf den Mangel einer Karte —
vollkommen acceptieren. „Auf die Herausgabe eines umfangreichen Werkes in
Großfolio mit vielen kostspieligen Illustrationen, wozu es mir an Material
nicht fehlte, glaubte ich verzichten zu müssen. Der Eitelkeit des Autors mag
ein solches Prachtwerk schmeicheln, und denen, die es durchsehen, ohne es
aufmerksam zu lesen, mögen das stattliche Format und die illustrierten Bei-
gaben nicht weniff imponieren. Die Erfahrung im Buchhandel aber lehrt, dass
solche Werke nicht immer im Verhältnis zu ihrem Umfang gekauft und noch
viel weniger gelesen werden. Mit alP dem breiten Ballast von Zahlen und
Detailbeschreibnngen verfallen sie in der Regel dem nicht sehr beneidenswerten
Geschick als literarische Invaliden im Staube der Bibliotheken zu vermodern.
Statt einer nuammenhängenden Reisebeschreibung habe ich eine Form ge>
273
wtiüt, welche sich in BoassingnaU's „Reisen in den Anden^ (yon J. Acosta
herausgegeben) und A. ▼. Humboldt's wertvollen „Kleineren Schriften*^ am
meisten n&hert. Fär den Mangel an picanter Unterhaltung mochte der reiche
belehrende Inhalt in den „Essays^ dieser berühmten Reiseforscher dem gebil-
deten Leser vollen Ersatz geben. Ich habe in der Auswahl von Beitr&gen,
welche das vorliegende Buch enthalt, nach dem gleichen wenigstens redlich
gestrebt. Einige dieser Aufisätze wurden von mir nach meiner Rückkehr in
verschiedenen geographischen Zeitschriften veröffentlicht. Dieselben erscheinen
jedoch hier vielfach ver&ndert, erweitert und vermehrt.*^
Wer aber nach dieser bescheidenen Verwahrung des Verfassers etwa
meint, dass er des picanten und unterhaltenden im Buch ganz entbehren
müsste, dem rathen wir, um eines besseren belehrt zu werden, Gap. 5 „Eine
Entdeckungsreise in das Innere des Isthmusstaates*^ oder Gap. 16 und 17
„Ueber Bergbesteigungen^ und „Besteigung des Vulcans Gotopaxi** zu lesen.
Freilich liegt das picante und unterhaltende auch hier nicht nur in der Situa-
tion, sondern vornehmlich in dem wissenschaftlichen Geist, der die Erzäh-
lung durchweht und — das scheint uns eben die rechte, menschenwürdige
Unterhaltung.
An wissenschaftlichen Resultaten von bleibendem Wert ist Wagner's
Buch reicher, als so manches von jenen in Großfolio mit Illustrationen, die er
von sich wies. Fassen wir die wichtigsten zusammen:
1. Aus der genauen Beobachtung des Höhensystems im Isthmus-
lande von America ergibt sich die Thatsache „einer deutlichen
Unterbrechung der Gordllleras als Kette und einer Vertre-
tung d ieser Kettenform durch ein von ihr verschie denes For-
mensystem, welches auf ganz veränderte geologische Verhältnisse, bei der
Entstehung dieses Höhenzugs schliellen lässt.^ (S. 71 >. „In der ganzen Ausdeh-
nung dieses Gebietes (8—10 deutsche Meilen Länge) ist das Verschwinden des
Granits und der ihm verwandten plutonischen firuptivgesteine eine auffallende
Thatsache. Ueberall, wo im Isthmus eine wahre Gordillere, eine fortlaufende
Gebirgskette vorhanden ist, bildet in der Regel Granit oder ein von ihm ge-
hobenes krystallinisches Schiefergestein, oft auch als Gneisgranit den Uebergang
in gneisähnliche Textur iverrathend, das in Masse vorwiegende Höhengestein, be-
sonders an dem nördlichen Abfall.^ (S. 73 >. „Diese Veränderung der verticalen
Con£guration, das bestimmte Aufhören der Gordillere zwischen der Li-
monbay und dem Golf von Panama ist aber für die physische Erdkunde
und für die wichtige Frage des heutigen und künftigen Weltverkehrs, die sich
an die Möglichkeit einer Dorchstechung dieser Landenge knüpft, eine eben so
bedeutungsvolle geologische Thatsache, wie der Wechsel in der horizontalen
Gonfignration, wie die plötzliche Einschnürung des Welttheils im Nordwesten
der Provinz Ghoco und wie die eben so plötzliche Aenderung in der Rich-
tung und im ganzen Naturcharacter der Grebirgszüge.^ (S. 74-. „Eine verglei-
chende Betrachtung der horizontalen und verticalen Gonfiguration dieses Welt-
passagelandes zeigt einen vom Gordillerensystem Nord- und Südamericas scharf
abweichenden Bau der Höhenzüge. Die Form des Rundgebirges und die radiale
Gliederung (durch Verbindungsjöcher in den verschiedensten Richtungen) do-
miniert bei der Mehrzahl der Höhengruppen in dieser Landenge eben so be-
stimmt, wie die entgegengesetzte Form des Kettengebirgs in Verbindung mit
transversaler und paralleler Gliederung des ganzen Gebii'gsbaues in den Anden
Shdamericas. Mit dieser wichtiglsn Reliefänderung steht die Verengung des
Festlandes und die Erniedrigung des wasserscheidenden Höhenzuges im innig-
sten Zusammenhang.^ tS. 160 . „Die niedrigste der zwischen den verschie-
denen Hügelgruppen (des Isthmuslaudes; entdeckten Depressionen ist die zwi-
schen den Thälern des Rio Obispo und Rio grande, über welche die
interoceanische Eisenbahn in vielen Krümmungen hinzieht
ond deren Scheitelpunkt am Summit die Höhe von 287 engl. Fuß erreicht.*^
iS. 160j. „Für einen SchleuUencanal quer durch die Landenge dürfte bei un-
befangener Prüfung der hypsometrischen, geognostischen und hydrographischen
Verhältnisse keine Strecke geeigneter befunden werden, als die zwischen der
Limonbay und dem Golf von Panama.'' (S. 163).
Geographisch« If ittheilnagen. 1870. 6. IQ
274
2. Unter allen Gegenden des Istlunmlandes ist die Provinz Ckiriqni
'Oder West-Veragna) zwischen 8° 2' und 9" 42' n. B. und 81* 37' und 83* 5'
w. L. y. Greenwich, für eine Co Ionisation am geeignetsten, und
zwar wird die südliche Seite gegen den pacifischen Ocean hin w^n ihres
gesunderen Climas mehr für Europäer passen, w&hrend die nördliche Seite
gegen den atlantischen Ocean hin am füglichsten durch Negercolonien besetzt
wtürde. Der Verfasser entwirft ein reizendes Bild von diesem bisher noch uner-
forschten Lande, dessen Terrainverhältnisse, Culturiähigkeit und natürlichen
Yortheile für die Verwertung menschlicher Arbeit mit dem Gewicht einer nach
jeder Bichtung eingehenden Beobachtung erörtert werden. Ueber die Bewohner
entnehmen wir seiner Schilderung folgendes: ^Das Departement von Ghi-
riqui hatte nach dem Census von 1855 eine Bevölkerung von 17.279 Indi-
viduen, welche seit der letzten Einwanderung aus Texas und Jamaica in run-
der Zahl auf 18.000 zu schätzen ist. Es kommen also 33 Menschen auf eine
Quadrat-Legua oder 58 auf die deutsche Quadratmeile.''
„Selbst im Vergleich mit dem dünnbevölkerten Mexico, wo durchschnitt-
lich 250 Menschen, und mit dem übrigen Nordamerica, wo im ganzen 282
Menschen auf die Quadratmeile kommen, ist dieses Bevöikerungsverhältnis auf-
fallend ungünstig und findet seine Erklärung theils in der Abgelegenheit der
Provinz Chiriqui, theils in ihrer Armut an edlen Metallen und in der bis-
herigen Unzugänglichkeit des waldbedeckten Gebirges. Von den 18.000 Seelen
kommen schätzungsweise auf die w e i 13 e Bace 2400, auf die americanische
(reine Indianer) 4000, auf Mestizen (Cholos genannt, Mischlinge von India-
nern und Weißen) 11.0(X), auf die africanische Bace (Neger) 200, und auf
die Mulatten und Zambos 400.^
„Die europäische Bace besteht in der Minderzahl aus Abkömmlingen der
castilischen Eroberer und der ältesten spanischen Einwanderer aus AndtJusien ;
die Mehrzahl sind später eingewanderte Hispano-Americaner der verschiedenen
Staaten Central- und Südamericas.^
„Der Buf der gartenähnlichen Schönheit und Fruchtbarkeit des Landes
und besonders der billigen Bodenpreise, so wie die vergleichsweise günstigen
klimatischen Verhältnisse der Binnenlandschafben zogen trotz der hohen Tem-
peratur eine gewisse Zahl von Emigranten an. Nächst den spanischen Creolen
sind die Deutschen gegenwärtig in David und Umgebung am zahl-
reichsten. Sie beschäftigen sich in der Mehrzahl mit Landwirtschaft, vorzüglich
mit Tabakbau. Americaner, Franzosen und Engländer sind nur in geringer Zahl
als Kaufleute und Grundbesitzer angesiedelt. '^
„Obwol das Binnenland dieser Provinz unter allen Tropenländem der
Welt unstreitig eines der gesündesten ist, und namentlich von dem tückischen
und gefährlichen Klima der Landenge von Panama sich vortheilhaft unter-
scheidet, so merkt man doch auch hier dem Typus der europäischen Bevölke-
rung eine gewisse körperliche und geistige Verkümmerung an. Wenn auch die
weiüen Ansiedler im allgemeinen sich wohl befinden, so müssen sie doch wäh-
rend der Hälfte der Tagstunden die Sonne vermeiden und sind durch die Ein-
wirkung des gleichmäßig warmen- Klimas ziemlich träge, bequem, ruheliebend
und denkfaul geworden.^
„Die Eingebornen (Indianer) erscheinen mir etwas größer und
schlanker als die americanische Bace in Peru, Eguador und Guatemala. Ganz
nackte mit Muscheln behängte Indianer fand ich nur einzeln unter den umher-
ziehenden Jägerfamilien. Der sesshiüEte Indianer trägt, wenn er nicht arbeitet,
gewöhnlich ein Hemd von Baumwolle und Hosen von Pita-Faden (einer Brome-
linarT, die wie Flachs gewoben wird). — Sie leben in Polygamie und sind in
der Mehrzahl noch Heiden. Die sesshaften katholischen Indianer beschränken
ihren Cultus ganz auf äußere Formen. Gegen die Weißen benehmen sie sich
zwai' friedlich, aber scheu und zurückgezogen, und selbst als Diener und Träger
leisten sie den Beisenden gewöhnlich schlechte Dienste.^
„Die africanische Bace besteht in der Mehrzahl aus kräftigen Indi-
viduen. Man sieht, dass ihr das feuchtware Klima vor allem zusagt. Der Neger
und Mulatte ist der beste Holzfäller im Urwald, der kräftigste Lastträger im
Hafen, der gewandteste Schiffer in der Lagune ; sicher würde er auch der
geeignetste Arbeiter in den Kohlenbergwerken sein. Zur Jagd im Urwald, zu
275
den mübflamen Fußreisen ftber das Gebirg ist er bei weitem nicht so gat con-
stitniert, wie der Indianer. Für das Klima der beiden Oceanküsten, namentlich
för die Waldzone der atlantischen Seite ist der Neger gewiss seiner ganzen
Natur nadi der passendste Ansiedler.
3. Höchst bedeutsam sind die Belege für die in des Verfassers Schrift:
^Die Darwinsche Theorie und das Migrationsgesetz der Organismen (Leipzig
1868)*^ ausgesprochenen Ansichten über Artenbildung durch räum-
liche Absonderung, die er aus seinen Beobachtungen der Flora und Fauna
Ton Centralamerica holt, und durch welche die Darwinsche Transmatations-
theorie als irrig erwiesen wird. Wir müssen die interessanten Betrachtungen,
die der Verfasser im Cap. 11 und 12, namentlich S. 367—375 darüber ansteUt,
dem Leser überlassen, dem wir überhaupt yersichem können, dass er sich aus
Moriz Wagner's Buch manche genussreiche Stunde holen wird. B.
L'empire des Tsars au point actuel de la science, par
M. J. H. Schnitz 1er. Tome qaatri^me, les int^r^ts mat^ri^Is et
priv^s (Agriculture, industrie et commerce). Paris V. Berger-Levrault
et fils 1869.
Die früheren Bände von Schnitzler's Werk über Russland, dessen
vierter (vorletzter) hier vorliegt, sind bereits von mehreren Seiten als eine höchst
bedeutende Erscheinung in der Literatur gewürdigt worden und die kais.
Petersburger Academie, ein competenter Richter in dieser Sache, erkennt dem
Verfasser ostensibel das Verdienst zu, richtige Angaben über Russ»
land unter den Ausländern verbreitet zu haben (s. Einleitung,
Seite 3, Note unter dem Text).
Der vorliegende Band, der sich mit den materiellen Interessen des
Kaiserreichs beschäftigt, kann das günstige Urtheii über seine Vorgänger nur
bekräftigen. Der Verfasser hat einen Stoff von riesenhaftem Umfang zu
bemeistern, der wol durch die Literatur, die über einzelne Partien besteht, zur
Zusammenfassung vorbereitet, aber ohne die eingehendsten Studien außerhalb
dieser Literatur nicht klar und übersichtlich dargelegt werden kann. Wir
wollen nicht von der begründeten Klage der Russen reden, dass russische
Verhältnisse im Ausland in der Regel irrig aufgefasst und ebenso irrig darge-
stellt werden, und auch die Gründe nicht berühren, warum das in der Regel
geschieht Aber gewiss ist, dass wie bei Menschen, so auch bei Ländern es
Physiognomien gibt, die leichter und andere, die schwerer zu studieren sind ;
und unter diese letzteren gehört Russland, dessen Verhältnisse bis ins Innerste
erkannt sein wollen, wenn man nicht eine voreilige Ansicht darüber aus-
sprechen will.
Dem Verfasser kann man nicht nachsagen, dass er leichtsinnig an seinen
Gegenstand herantritt und ihn von der Oberflache abschöpft. £r verkennt die
Schwierigkeiten seiner Arbeit nicht und verhehlt sie nicht Aber er weiß
ihnen die fassbare Seite abzugewinnen und bemeistert sie durchwegs mit einer
Leichtigkeit, die hewunderungs würdig ist und die volle Beherrschung des
Stoffes nicht verkennen lässt. Wenn der nachhaltige Eindruck, den wir dem
Stadium seines Buches dankon, in der Bemerkung bezeichnet wird, dass uns
selten eine Arbeit vorkam, bei der, wie bei dieser, deutsche Gründ-
lichkeit und französische Eleganz sich die Hand bieten, so hoffen wir,
vor dem Leser, der die geistreichen Auseinandersetzungen des Buches aufmerk-
sam verfolgt, vollkommen gerechtfertigt zu sein.
Der vorliegende Band zerfällt in drei Abtheilungen, yon denen die erste
den Ackerbau in Russland mit seinen Zweigen, der andere die Industrie
in ihrem ganzen Cmfaoge, der dritte den Handel Russlands behandelt, jeden
Gegenstand mit Rücksicht auf seine historische Entwicklung bis zum neuesten
Standpunkte und jeden Gegenstand bis in die kleinsten erreichbaren Daten und
mit Parallelen zu den andern europäischen Staaten. Für die große Masse des
gebildeten Publicums liegt in jedem Abschnitt eine Fülle neuen und interessanten
Materials, sowie in dem äußerst übersichtlichen Bau des Ganzen und in der
Klarheit, mit welcher der Verfasser das fernliegende zu gruppieren weiß, der
Reiz liegt, den statistischen Daten, auch wenn der Gegenstand dem Leser
femer Ifl^e, mit reger Theilnahme zu folgen. Der dritten Abtheiluug ist eine
18 ♦ ^
276
Skizze der Geschichte des ruf Bischen Handels beigefügt, die mit
gedrängten kräftigen Strichen die f ü n f Epochen seiner Entwicklung zeichnet
Tom Beginn des Wäregliersta&tes und der Verlegung des Fürstensitzes nach
Kiew bis zum Beginn der Bedeutung Nowgorods aJs Handelsplatz (881)— 12H8);
die Zeit des Hansebundes ^1238 — io5^); die Zeit der Zarenherrschaft vom
Erscheinen der EngUuder in der Dwina bis zur OrOndung ron 8t.- Peters-
burg (1553 — 1703); von der Orttodung 8t.-Petersburgs bis zur GrOndung von
Odessa, mit welcher der Handel im schwarzen Meer in Aufnahme kam
(1703— 1'!93); endlich von 1793 bis auf die neueste Zeit Der Ueberbiick
schließt mit einer wie uns scheint, sehr berechtigten Betrachtung Ober den
jetzigen Zustand des russischen Handel und seine nächste Zukunft.
„Alexander U., dem Kusslaud die Emancipation der Leibeigenen und
somit das Freiwerden der Arbeit dankt, strebt dahin, allmählich aber im
größten Maßstab die Entfernungen in seinem großen Reiche zu kürzen, welchem
der Besitz des Amurlandes den Handel im pacifischeu Ocean Öifiiet. Ohne
Zweifel bereitet sich dort eine ungeheure Thätigkeit in dieser Richtung vor,
und Russland wird es sein, welches Asien von Norden her in die große
europäische Bewegung zieht, sowie es England durch die Erfolge seiner
Riesenüotte im Süden gethan hat. In Ermanglung von EisenbahDen, die der
nächsten Zukunft vorbehalten sind, setzt vorläufig eine Telegraphenlinie den
äußersten Osten mit den Hauptplätzen des Reickes in unmittelbare Verbindung.
Der Aralsee ist bereits russisch und von da gestattet der Syr-Daria den
Russen bis ins Herz der alten Welu in die Mitte von Hochasien zu dringen,
während der Besitz des sQdlichen Amu-Daria ihnen eine directe Verbindung
des Gaspisees mit der chinesischen Gränze, mit dem noch unabhängigen
Turkestan, ja auch mit Aijghanistan herstellt. Taschkent, einer der Hauptplätze
des asiatischen Handels, ist seit 1866 in ihrer Gewalt, Samarkand hat sie
schon einmal in seine Mauern ziehen sehen, und wer weiß es, ob diese alte
Residenz T^erlans nicht in kurzer Zeit mit der Hauptstadt des Nordens
durch eine Eisenbahn verbunden sein wird, die den Ural übersteigt und ob nicht in
der nächsten Zeit Dampfer die wes< sibirischen Ströme auf und ab tiahren. Bei
den Mitteln, die man anstrengt, werden nicht zwanzig Jahre vergehen, so kann
vom Caspisee zum Aralsee und andererseits zum Asow^schen Busen ins
schwarze Meer eine directe Wasserstraße fUr den Handel gezogen rein.-
Der Index des Bandes gibt nebst einem vollständigen Sachregister das
Verzeichnis der vom Verfasser benatzten Quellen. Die Ausstattung entspricht
dem Wert der gediegenen Arbeit. B
Tozer, Researches in the Highlands of Turkey.
London, 1869.
Lesern, welche den Westen der europäischen Türkei aus den Werken
vonLeake, Pouqueville, Fallmerayer, Bou6. Griesebach, Hahn,
Henzey u. A. kennen, dürften die TozePschen Schilderungen dieser Gebiete
in physikalisch -geographischer und selbst topographischer Beziehung wenig
Neues bieten; denn der englische Reisende, welcher die Sommer 1851, 1861
und 1865 seinen türkisch- griechisch -albanesischen Wanderungen vom Athos
bis zur montenegrinischen Hauptstadt widmete, interessierte sich zunächst für
die alte Geschichte des ehemals makedonisch-illirischen Bodens.
Bevor Tozer diesen betrat, bauchte er von Constantinopel aus die Ruinen
von Troja, welche er, gestützt auf den Essai von Calvert und auf v. Hahn's
„Ausgrabungen auf der homerischen Pergamos^ eingehend schildert. Gelangt
auch Tozer in den „Mount Ida" und „The City and Piain of Troy* überschrie-
benen Gapiteln nicht zu neuen Resultaten, so bewährt er doch überall eine
tüchtige Kenntnis der einschlägigen Literatur und tiefe classische Studien.
Diese treten uns überall entgegen, zunächst bei seinem nun folgenden Besuche
des Athos.
Bei Kavala iThasos gegenüber), dessen Position Tozer mit Cadix ver-
gleich^, verließ er den österreichischen Dampfer. Eavala ist vielfach interessant.
Da ist eine römische Wasserleitung, hier, in dem alten Neapolis, setzte der
Apostel Paulus zuerst seinen Fuß auf europäischen Boden und hier wurde
277
auch der Reformator Egyptens Mehemed AM geboren. Sein Andenken wird
dnrch ein Yon ihm begründetes humanitäres Institut, sowie durch die zahlrei-
chen Abkömmlinge von Ungarn bewahrt, welche er nach Eavala gebracht
hatte. Die Türken bilden jedoch dessen Hauptbevölkerung. Sie sind wie bei-
nahe allerorts arm und herabgekommen. Der Handel ist in den Händen frän-
kischer Juden, Tabak sein Hauptartikel.
Zu Yatopedi, dem reichsten der Athosklöster, betrat Tozer den Monte
Santo, dessen höchste Spitze einst der Architect Dinocrates in eine Statue
Alexanders verwandeln wollte. Seit Falhnerayer's unvergleichlicher Schilderunff
des Athos haben gelehrte und ungelehrte Engländer, Franzosen, Russen und
Deutsche die lautlose Stille des heiligen Berges oft unterbrochen. Wir besitzen
eine ganze Literatur des Athos. Seine Kirchen wurden vielfach beschrieben, die
Fresken der geistlichen Künstler und Nachfolger des Pauselinos aus der Maler-
hochschule von Kares wurden gezeichnet und photographiert , die Kloster-
Bibliotheken durchstöbert und die Nachlese, welche dort nach Didron, Gass,
Fallmerayer, Mueller, Bowen, Curzou u. a. zu halten, kann eine nur spär-
liche sein. Auch Tozer vermochte nur Bekanntes zu wiederholen. Seine Schil-
derungen sind jedoch lebendig. Sie umfassen das geistige und materielle Leben
der dCOOköpfigen Mönchsrepublik. Durchschnittlich ist jedes Kloster von 100
Seelen bevölkert, es gibt aber auch einzelne, welche 000 zählen. Im allgemei-
nen fand auch Tozer, dass der Athos lange nicht mehr ein BrennpunH rein
geistigen Strebens sei. Er bestätigt meine oft ausgesprochene Ansicht, dass
dort, wie in allen Klöstern orientalischer Christenheit, die Physis, die Sorge
um Lebensunterhalt und Bereicherung das ganze Getriebe beherrscht. Es ent-
steht oft erbitterter Streit unter den einzelnen Klöstern, die Einmengung der
türkischen L'ehörden, der fremden Consuln wird aufgerufen, und namentlich
hat der drohende Verlust der grollen Einkünfte aus den von der rumänischen
Regierung sequestrierten Besitzungen die geheiligte Stätte leiblicher Abtödtung
in nicht geringe Aufregung versetzt. Andererseits erscheint auch hier wieder
die tiefe Spaltung zwischen Griechen und Slaven, deren Ursache ich in meinen
«Bulgarischen Fragmenten'^ eingehend zu erklären suchte. Die russischen, bul-
garischen und serbischen Mönche auf dem Athos werden von ihren „griechi-
schen Brüdern'^ als ,,Barbaren^^ vorachtet. Vollständiger geistiger und politischer
Tod alles Bulearentnums ist Cardinalwunsch jedes Griechen! Ohne den fest-
gewurzelten Ubsb zwischen beiden wäre die orientalische Frage wahrscheinlich
längst gelöst. —
In S a 1 0 n i k beschäftigten Tozer dessen römische Rechte, Triumphbögen,
Inschriften, die Via Egnatia n. s. w. , weniger aber dessen byzantinische Bau-
ten, die bereits von Texier mit vollster Sachkenntnis geschildert wurden.
Spanische Juden bilden den reichsten Theil der etwa 40.000 .Seelen zählenden
Bevölkerung Saloniks. Zu seiner ehemaligen Bedeutung wird es sicher gelangen,
sobald das Schienenproject zwischen Orient und Occident eine Wahrheit wird
'— An den sumpfigen Niederungen des Vardar (Axius) angelangt, iBrblickte
Tozer den Olyrapos, des Ossa's konischen Gipfel und den Pelion. Der
Weg des Reisenden führte ihn jedoch nach NW. an den unbedeutenden
Resten von Pella, der Geburtsstadt Alexanders vorüber nach Vardär-
Jenidsche. Das Städtchen ist an und für sich unbedeutend. Im Spätherbst
hält es aber eine Messe, welche ^ wie. Hahn mittheilt , wenig der berühmten
von Seres nachstehen soll.
Nachdem Tozer die Annehmlichkeiten einer sogenannten türkischen
Qauptatraüe und ihrer Gasthöfe (!) kennen gelernt, erreichte er das höchst
malerisch gelegene Vodena. Es erhielt diesen seinen slavischen Namen von
den vielen Wämsern, die es durchströmen. Die nahen Höhen, von welchen sie
herabkommen, gewähren eine entzückende Fernsicht bis nach Salonik, auf das
Meer, den See von Pella und den selbst im August schneebedeckten Gipfel
des Olympos. Vodena, als Edessa einst die Capitale Makedoniens, bis Philipp
sie nach Pella verlegte, war die herrliche Wiege eines herrlichen Königreichs.
Heute liegt seine Bedeutung in seiner wichtigen strategischen Lage, da es den
Eintritt in die Gebirgsregionen Makedoniens sperrt, "fi-otz ihrer stolzen Ver-
gangenlieit birgt die Stadt nur wenige archeologische Gegenstände von Interesse,
Leake and Griesebach beschrieben sie zuerst, v. Hahn copierte einige römische
278
Inschriften, sichere Spuren der Gräberstadt der makedonischen Könige ver-
mochte jedoch weder er noch Tozer aufzufinden.
üeber den See von Ostrovo, an dessen Nordrand die Straße nach
Bitolia führt, und den Hahn bei schlechtem Wetter nur flüchtig streifte, gibt
uns der englische Reisende manch schätzenswerte Aufklärung. So hörte Tozer
von den Anwohnern, dass der See erst vor einem Jahrhundert entstanden sei
und damals viele Ortschaften begraben habe. An dem Ostrovosee, welchen Hahn
das schönste Landschaftsbild dieser Länder nannte, knüpfen sich viele Sagen.
Tozer bringt sie in Verbindung mit griechischen Mythen, so mit der Verfol-
gung der Arethusa durch Alpheius u. s. w.
Bei dem bulgarischen Gorni^ovo kommt Tozer auf die hohen Taxen
zu sprechen, mit welchen die türkische Finanzweisheit die Zucht des
„christlichen Thieres'^ des Schweines bedrückt. Sobald es 3 Monate alt, ist d^
Eigenthümer zum Erlag von 10 Piastern (1 Gulden) verpflichtet. Dies veran-
lasst die Züchter, 50**/. aller Schweine vor dem dritten Monat zu schlachten.
Tozer meint: Der Landmann seufzt in der Türkei unter schweren Lasten und
ich wunderte mich zuletzt nicht mehr auf der großen Heerstraße nur elenden
Karren oder armseligen Saumthiercaravanen zu begegnen.
Herabsteigend von den Gurni^ovoer Höhen erblickte Tozer wiederholt
im N. das schneebedeckte Haupt des Nidze, dessen Höhe er auf 1- 11,000'
schätzt*), während in der Ferne gegen NW. die langgestreckte Nere^ka und
Suchakotta auftauchte, deren zweigipflige Peristera- Kuppe (nach Kiepert
2350 M^tresi die Ebene von Bitolia weithin beherrcht. Es ist dasselbe Ge-
birge, dem Hahn, nächst der Sarkotta, unter allen makedonischen die Palme
der Schönheit zuerkennt.
Monastir oder auch T oli-Monastir ist der türkische Name für
Bitolia. Die Stadt erhielt denselben von dem nahen Kloster (Monastir) Bukova,
zu dessen Kirchweihfest die Bevölkerung der 170 Dörfer des fruchtbaren f erna-
beckens herbeiströmt. Dieses Becken, schon frühzeitig ein Hauptsitz makedoni-
scher Völker, trug den Namen Pelagonia und Heraclea (Bitolia) war ein Haupt-
punkt an der durch dasselbe ziehenden Via Egnatia. In diese reiche Ebene
wird auch die sagenhafte Scene der Gründung des makedonischen Kelches
verlegt, welche Herodot erzählt. Tozer gibt eine anziehende Analyse derselben.
Im Jahre 1830 spielte sich in Bitolia ein wichtiges historisches Ereignis ab.
Auf seinem Paradeplatze fand jene verrätherische Massacre der albanesischen
Begs statt, die zu freundschafäichen Unterhandlungen von Beschid Pascha
nach Bitolia geladen worden waren. Mit ihrem Untergänge und der Besiegung
des rebellischen Mustapha's von Skodra (1832) war das Schicksal Albaniens
entschieden. Erst von diesem Jahre ab bildet es in Wahrheit eine türkische
Provinz.
Hier schneiden sich die Straßen, welche von Salonik, Skopia und Adrianopel
an die Adria führen, und von Bitolia aus kann man am leichtesten in das stets zu
Aufständen geneigte albanesische Bergland einbrechen, sowie die bulgarische
Landbevölkerung im Zaume halten. Im letzten Jahrzehent sind hier wichtige
militärische Bauten enstanden. Die neue große Kaserne kann allein zwei Regi-
menter Infanterie und zwei Cavallerie-Regimenter aufnehmen. Auch in fried-
lichen Zeiten beträgt die Garnison durchschnittlich 4000 Mann. Das Arsenal
ist reich ausgerüstet. Eine Cadettenschule, ein Militärcasino und dei^^leichen
Anstalten erhöhen die militärische Physiognomie der Stadt. Bitolia's Haupt-
bevölkerung besteht aus Türken und Zinzaren, d. s. makedonischen Wa la-
chen, welche hier wie in allen benachbarten Städten den Handel beinahe
monopolistisch betreiben. Im VII. Jahrgang der geographischen Gesellschaft
gab ich eine eingehende Charakteristik dieses durch Vergangenheit und Gegen-
wart höchst merkwürdigen Volkes. Zu Bitolia und auch in dem ns^en, durch
seine Augustmesse commercial sehr bedeutenden Prilip füllen noch österrei-
chische Waren die Bazare. In den südlicheren Städten können sie aber mit
*) In Kiei)ert's neuester Höhenkarte von Griechenland finden wir seine
Höhe mit 1950 M^tres angegeben.
B i 1 0 1 i a ist ein Platz von hervorragend militärisch-commercieller Bedeutung.
279
den Ton der See her eingeführten englisch-französifichen Fabricaten die Con-
Gurrenz nicht bestehen.
Von der türkischen Bevölkerung Monastir's erzählt uns Tozer, dass
sie ebenso indolent als fanatisch sei. Es ist noch gar nicht so lange, dass
selbst christliche Frauen und selbst jene der Gonsuln sich nur verschleiert
auf der Straße zeigen durften. Im Gegensatze zu den Engländern Brophy und
St. Glaire, welche jüngst ein Pamphlet gegen das Bulgarenvolk veröffent-
lichten, beurtheilt Tozer dasselbe mit grobem Wohlwollen. Die Bulgaren nennt
er den ehrlichsten, fleißigsten und zukunftsreichsten Theil der
Bevölkerung der europäischen Türkei. Ihr rascherer geistiger und materieller
Aufschwung werde nur durch das unföhige türkische Regiment und den cor-
rumpierten fanariotisch-griechischen Clerus verhindert. Alles, was er in dieser
Richtung sagt, stimmt vollkommen mit meinen auf vieljährigen Reisen gewon-
nenen Ansichten überein und es gereicht mir zur nicht geringen Genugthuung
meine in den „Bulgarischen Fragmenten^ schon vor Jahren niedergelegten
Studien über das Bulgarenvolk und dessen Beziehungen zu dem herrschenden
türkisch-fanariotischen Element, von einem ebenso gründlichen als vorurtheils-
freien Beobachter, wie es Tozer ist, bekräftigt zu sehen.
Von Bitolia aus besuchte Tozer den See von Ochrida, er berührte
Struga, von dem er einen wahrscheinlich von Hahn übersehenen zweispra-
chigen Inshhriftstein mittheilt und zog von dort über Elbassan, Berat und
Argyro- Castro nach Corfu. In Montenegro verweilte er im J. 1865.
Sehr interessant sind seine Schilderungen des Miriditenlandes und der
Residenz seines Prinzen Prenk Bib Doda, den er zu Oros besuchte. Ueber
Prisrend und Skopia kehrte Tozer wieder nach Salonik zurück, um von
dort aus das classische Hochland Thessaliens vom Olympos bis zum Ache-
rou zu durchwandern. Ihm ist der zweite Band des Werkes gewidmet. Ich
gedenke auf denselben ausführlicher zurückzukommen.
Tozer's Buch ist eine Quelle der Unterhaltung und Belehrung, es ge-
reicht der Gründlichkeit seines Autors zur vollsten Ehre.
F. Eanitz.
Notizen.
Baker's Exi^editton. Aus einem Privatbriefe (Chartum 19. Februar
1870) entnehmen wir folgendes: „Baker's Unternehmung ist abgesehen von
dem wissenschaftlichen Interesse schon des großen Maßstabes wegen, nach
welchem sie durchgeführt werden soll, wichtig ffenug, davon Kenntnis zu
haben. Backer reiste nach einem monatlichen Aufenthalt am 8. Februar mit
dem ersten Train seiner Expedition, bestehend aus 500 Mann Soldaten,
Kanonen, Pferden, 2 Dampfschiffen und ungefähr 30 Nilbarken von hier ab.
Er führt unter andern transportable Häuser, Hängebrücken und drei transpor-
table Damjpfschiffe mit sich, welche letztere in die einzelnen Bestandtheile
zerlegt, jenseits der Gataracte am vierten Grade zusammengestellt und
dann am Fluss und Albert Nyansa verwendet werden sollen. An der Aus-
rüstung geht nichts ab, weil es auch an Geld nicht fehlt. Tausend Mann
regulärer Truppen werden nachfolgen. Die 5 Flussdampfer und 16 Dahabien, die
im Juli 1869 von Cairo abgiengen, und welche Baker hier zu finden hoffte,
haben das Hochwasser verpasst und stecken noch im Phellal von Dongola.
Durch diese Expedition tritt Mittelafrica in eine neue Epoche, es ist dies der
Anfang einer staatsrechtlichen Ordnung und Sicherheit, und nach dem Plane
Baker's auch der Civilisation. Fortan muß eine fortlaufende Communication
zwischen hier und dem Aequator unterhalten werden, wozu 9 Dampf-
schiffe zur Verfügung stehen; die unerforschten Ländergebiete werden
zugänglicher und in Folge dessen auch öconomischer und naturhistorisch
nach und nach ausgebeutet werden. Der Telegraph arbeitet bereits seit
einigen Tagen in der Station Chartum, und wenn es wahr ist, wie wir
280
hören, dass man im Wadi Haifa bereits anftngt die Gatacacte za sprengea,
dann Heil dir mein Sudan !^
Arnst Mamo. Aus Chartom liegen uns Briefe von uiiBerm Consiii Heim
Hansal und von Herrn Ernst Marno vor. Ereterer schreibt unter 19. Februar:
yyUnser Landsmann Ernst Marno, welcher sich nur 14 Tage hier aufhielt, ist,
nachdem sein Wunsch, mit Baker zu gehen, nicht erfüllt wurde, am 31. J&nner
auf dem blauen Fluss abgegangen. Wir hatten das Glück, ihm ein Schiff
um die Bagatelle von 4Vs Thalem bis Earkody zu besorgen. Von dorther
erwarte ich Nachricht von ihm; Er wird versuchen über Fadassi zu den
Galla, oder wenn das nicht möglich ist, über Djebelguli an den So bat yot-
zudringen. Sein Muth und seine Begeisterung übertrifft die meisten der For-
schungsreisenden, die ich in Sudan kennen gelernt habe. Der Generalgouver-
neur und ich haben ihn mit vielen ämtlichen und privaten Empfehlungsbriefen
bis an die Grenze des egyptischen Reiches versehen. Auch habe ich ihm einen
practischen und landeskundigen Diener besorgt, der ihm treu zur Seite stehen
wird."
Herr Marno selbst (Chartum 28. J&nüer 1870) schreibt: Ich gieng von
Cairo mittels Dahabie, den kleinen Schellahl von Assuan passierend nach
Wadi Haifa, von hier mit Eameelen am östlichen Ufer des Nil (jedoch nicht
in der Nähe desselben, sondern einen meines Wissens noch unbekannten Weg)
durch die Butn el Hadjar, Dar Sukkuh und Mahass nach Dongala,
von hier zu Barke nach Dabbeh und durchschnitt von diesem Orte die
westliche Bajuda (seinen Bericht über diese Beise siehe im Hauptblatt).
Am 15. Jänner kam ich in Chartum gesund und wohl an, und wurde von
unserm Gonsul Herrn Hansal auf das liebenswürdigste und freundlichste auf-
genommen.
Baker liegt mit seiner Flotte noch hier und dürfte, wenn er nicht
bald fortkommt, vor der nächsten Regenzeit kaum viel erreichen. Ich wurde
ihm von Herrn Hansal vorgestellt, aber alle Bemühungen, mich an seiner
Exjpedition zu betheiligen, scheiterten. Er wolle durchaus keinen Europäer
auüer seinem Neffen und dem Doctor bei sich haben. Falls ich aber nächstes
Jahr (wenn er in den Landen oberhalb Gondokoro Ordnung gemacht hat) ihm
folgen wolle, so werde er mich mit Vergnügen aufnehmen. Dies seine eigrenen
Worte. Ich werde also meinen schon in Europa gefassten Plan hier weiter
verfolgen und am blauen Nil so weit als möglich nach Süden gehen und von
da nach Osten zu kommen suchen. Man gibt mir hier alle Homung, bis Ben!
Schangol und Fadasi am Jabus gelangen zu können und meint, dass
ich von dort, wenn die Stämme der Gralla nicht im Kriege sind, in ihre Län-
der kommen kann. Ich würde also von Fadasi vielleicht nach Saka oder
Bonga, von da über Ankuber nach Berbera oder Seila am Meerbusen
von Aden gelangen. Ist ein Vordringen nach Südost unmöglich, so gehe ich
nach Gebel Ghule, um zu sehen, ob ich nicht bei Crelegenheit einer Ghazawa,
welche Schech Idris alle Jahre gegen die Dinka macht, zum Sobat und
an den weißen Nil in südwestlicher Richtung gelangen kann. Von hier aus
ist es unmöglich bestimmteres zu sagen, die Umstände und Verhältnisse müssen
meine weitere Reise regeln. Dank der unermüdlichen Freundlichkeit des
Herrn Hansal dürfte ich sehr wahrscheinlich die ersten Tage der nächsten
Woche von hier weggehen, und zwar mittels Barke den blauen Nil aufwärts
bis Karkody (Karlois der Karten). Von dort gehe ich mit Kameelen nach
Rose res. Was weiter geschieht, ist ungewiss. Jedenfalls lasse ich von diesem
Punkt Nachricht nach Europa gelangen, die, wenn ich das Glück haben sollte,
in die Gallaländer einzudringen, wtäirscheinlich auf lange Zeit die letzte sein
wird."
Ble LSsuBg der Nilfnge. unter diesem Titel gibt der bekannte Reisende
Charles Beke im »AthenaeumM (5. März 1870) eine Beleuchtung der bisherigen
Ansichten Ober die Quellen des Nil und macht dabei mit sehr plausibeln
Gründen eine Anschauung geltend, die von allem bisherigen abweicht und
ganz geeignet ist, der i^rschung in der nächsten Zeil eine neue Bahn
su weisen. Wir geben das wesentliche ans seinem längern Auluta mit den
281
Worten der Angab. Allg. Zeitang, die den Gegenstand ans der Feder eines
Fachmannes bespricht.
Nach der Ansicht Beke's liegt die große WaBserscheide von Sttdafrica,
welche die Ströme dem atlantischen und indischen Ocean wie dem Mittelmeer
znsendet, 75 deutsdie Meilen von der Westküste, von Benguela, entfernt im
Innern. Dort dehnen sich über mehrere Grade von Norden nach Süden die
Urwälder von Olo-Vihenda ans, welche die Kibokoe-Gebirge, einen Zweig der
Mossamba-Eette bedecken. Von dort strömen nach allen Seiten die Gewässer
hinab, dort ist das große Hydrophylakion.
Nach Westen dem Atlautischen Ocean zu fließt der Congo oder Zaire,
der Knanza und Kunene ; nach Süden der Cuito-Cubango , der als Okavango
sich verliert; nach Osten der Lungebungo, ein Hauptquellarm des Liambai
oder Sambesi, nach Norden der Kassavi oder Lole. und dieser Kassa vi ist
nach Beke nichts anderes als der Quellstrom des Nils.
Auf unsern jetzigen Karten freilich steht dieser Kassavi mit dem Congo
in Terbindung, gehört also dem System des Atlantischen Oceans au. Allein
diese Verbindung des Kassavi und Congo ist eine höchst problematische, und
keinesfalls ist ein Reisender ihn abwärts gegangen und hat seinen Zusammen-
fluss mit dem Congo constatiert. Ueber den Kassavi berichten zwei Reisende,
Livingstone und der Ungar Ladislaus Magyar. Liviogstone kreuate ihn,
als er aus dem Makololo-Lande kommend, nach Loanda an der portugiesischen
Westküste zog, am 27. Februar 1854, etwa 165 Miles von der Küste entfernt. Er
nimmt an, dass der Fluss, nach einem zunächst nördlichen Lauf, sich nach
Nordwesten umbiege und in westlicher Richtung dem Co.ugo zuströme. Das
war die bisher allgemein gültige Ansicht, die auch auf den Karten «graphisch
dargestellt wurde.
Eine ganz andere Darstellung gibt aber der erwähnte, leider zu früh
verstorbene ungarische Reisende. Ladislaus Magyar folgte dem Kassavi auf
seinem linken Ufer viel weiter nach Norden als Livingstone, bis nach Jah-
Quilem, jenseit des 7. Grads südlicher Breite, und unterhalb dieses Punkts,
sagt er, nimmt der Kassavi eine östliche Richtung an nnd wird, nach den
Berichten der Eingebomen, immer größer und mächtiger, so das er sogar
Wellen schlägt, welche der Schiffiiahrt gefährlich werden. Er erreicht dann
den ausgehnten See Mou va oder Uhanja (Nhanja?).DaB ist die Stelle, worauf
Beke seine Hypothese baut, auf einen von Livingstone's Angaben also voll-
ständig abweichenden , entgegengesetzten Bericht -Wäre der ungarische Rei-
sende am Leben geblieben, und hätte er Bakers Albertsee gekannt, er würde
diesen zum Aufiiahmebecken des Kassavi gemacht nnd so das Nilproblem ger
löat haben, statt mit Hülfe seiner Materialien mir die Lösung zu überlassen.
Aber anch ich würde nicht so glücklich gewesen sein, wäre mir jetzt
nicht Dr. Livingstone's neue Nachricht kund geworden, welche mich ver-
anlasste, seine und anderer Reisenden ürühere Berichte durchzugehen. Ich
finde, dass die Thatsacbeu so liegen: Ladislaus Magyar folgte dem Laufe des
Kassavi nordwärts bis %"* 30' südl. Br. ungefähr unter 2Z^ östl. L. v. Gr. Sir
Samuel Baker lässt seinen Albertsee sich südlich bis etwa 2® südl. Br. und
28® 30' östl. L. erstrecken. Zwischen diesen beiden Punkten ist ein Zwischen-
raum von etwa SOO geographischen *) Meilen in gerader Linie, welcher über-
brückt werden muß. Aber diese Distanz wird von den Forschern auf jedem
Ende selbst abgektlrzt. Dem einen (Magyar) im Süden wurde gesagt, dass der
Kassavi östlich in den »Nhanja» fällt; dem andern (Baker) im Norden wurde
mitgetheilt, dass der «Nyanza« von Westen komme, in welcher Richtung seine
Ausdehnung unbekannt sei« Und nun kommt der Erforscher des Chambeze
(Livingstone) zwischen beide und ersetzt fast alles was noch fehlte, um die
Verbindung des Kassavi und des Albertsees zu einer augenscheinlichen That-
sache zu machen. Zunächst hat Dr. Livingstone darge^an, dass der Chambeze,
dessen Quellen er zwischen 10 und 12® Grad süal. Br. entdeckte, nicht mit
*) Das ist ein Irrthum. Der Zwischenraum beträgt etwa SOG nautische
oder Seemeüen (60 auf 1 Grad). D. £.
282
dem mehr Bttdlichen Sambesi-Fluss im Zasammenhang stehe, sondern einen
eigenen Lauf habe. Ist das der Fall, dann muss der Ghambese entweder der
obere Lauf des Congo oder des Nil sein. £s ist auch eine von dem schot-
tischen Reis- nden festgest-ellte Thatsache, dass das ßett des Ghambeze eine
absolute Höhe von 300 engl. Fuß besitzt. Aber ebenso ist es Thatsache^ dass
die Wasserscheide im Westen, an welcher sowol die Quellen des Gongo als
des Sambesi sich befinden, höher als 3000 engl. Fuß liegt, und da es sich
ferner ergibt, dass diese Wasserscheide nordwärts entlang dem 20. Meridian
oder so herum fortsetzt — so wird es fQr den Ghambeze physisch onmöglicfa
sich mit dem Oongo oder irgend einem andern Fluss der Westküste Africa's
zu vereinigen; er kann also nur in den Nil flit'ßen. Ferner hat Dr. Living*
stone nachgewiesen, dass der Ghambeze, nachdem er durch verschiedene Seen
geflossen, und zuerst den Namen Luapula, dann Lualaba angenommen, sich in
nordwestlicher Richtung nach Ulenge im Lande westlich vom Tangaujika-See
wendet, und dass die Gewässer von Ulenge alle vom Lufira aufgesammelt
werden, einem mächtigen Strome, der mittels verschiedener Zuflüsse die West-
seite der großen Thalebene südlich vom Tanganjika bewässert, wie der Gham-
beze deren östliche Seite; auch wurde er berichtet, dass der Lufira dann in
den Ghowambe-See fließt, welchen er zuerst für Bakers Albert hält, aber
jetzt — wenn ich seinen letzten Brief recht verstehe — für einen noch unbe-
suchten See im Südwesten von Udschidschi betrachtet.««
"Das wahre Haupt des Nils,« schließt Beke, »der Kassavi, liegt zwischen
11° 30' und 12« südl. Br., und in etwa 18*> oder 19« öotl. L. v. Gr. gerade
östlich von Port St. Philip in Benguela an der afiricanischen Westküste und
300 ffeographische (richtiger nautische) Meilen vom Atlantischen Ocean. Dieser
wunderläre Fluss, der längste in der Welt, erstreckt sich demgemäß über
43 Breitengrade, oder, wenn seine Diagonale gemessen wird, über ein Achtel
des ganzen Erdumfangs.» Bestätigt sich Beke's Hypothese, dann wäre aller
dings der Amazonenstrom entthront.
Fllr Sibirien und das Amurland werden wichtige Ver waltun gs reformen
vorbereitet. Das General-Gouvernement von Westsibirien soll aufgelöst werden
und das Gouvernement Tobolsk zu einem selbststäudigen, der unmittelbaren
Aufsicht des Ministeriums unterliegenden Verwaltungsbezirk erhoben, das
Gouvernement Tomsk aber mit dem General-Gouvernement von Gstsibirien
vereinigt werden. In Betreff der beiden ebenfalls zu Westsibirien gehörigen
Eirgisenbezirke ist noch keine definitive Entscheidung getroffen, doch ist ihre
Vereinigung mit dem General-Gouvernement von Urenburg in Aussicht ge-
nommen. Die zum General-Gouvernement von Ostsibirien gehörigen Goaver-
nements Irkutsk. Jeniseysk und Tomsk, sowie der Jakutenbezirk und die Be-
zirke des Baik«u, des Amur und der Meeresküste, sollen zu einem neuen
General-Gouvernement vereinigt werden, zu dessen Sitz Strietensk oder Bla-
gowieschtschensk bestimmt ist. In den Sitz des neuen General-Gouvernements
soll auch die Verwaltung des Militärbezirks von Ostsibirien verlegt werden.
In Bezug auf das Amurland ist endlich die Verlegung des Nikolai-Hafens
nach Wladiwostok projectiert. Man sieht, dass die beabsichtigte Verwaltongs-
reform vorzugsweise die Vereinigung' des Amurlandes mit Gstsibirien beawedkt.
Expedition in das slidSstliehe Rnssland. Nachdem erst in der letzten
(4.) Nummer unserer MittheUungen über die wichtigen Resultatate der rassi-
schen Amur-Expedition berichtet worden ist, erhalten wir soeben Nachricht
von einer neuen großen Expedition der kais. russischen geographischen Gesell-
schaft durch Herrn Dr. Sievers aus St. Petersburg, welcher sich selbst der-
selben anschließen wird. Diese Expedition, welche unter der Fühning des
bekannten Amur - Reisenden Rad de steht, hat zur Aufgabe eine genauere
geographische Durchforschung des Kaucasus und speciell des gegen die
persische Grenze gelegenen armenischen Hochlandes.
Herr Dr. Sievers, welcher während der letzten Jahre sich in Heidelbei^
und Würzburg speciell mit dem Studium der Geologie und der verwandten
Wissenschaften beschäftigt hat, benutzte seinen kurzen Aufenthalt in Wien
auf der Durchreise vor dem Anschluss an jene Expedition, um sich im Museum
283
der k. k. geologischen Reichsanstalt mit den jnteiressanteBten Yorkommnissen
ans jenen Fonnationen des östlichen Theiles unserer Monarchie, deren Analoga
nach Abich's Forschungen in den von dieser Expdition zu berührenden Ge-
bieten vorzugsweise zu erwarten sind, aus eigener Anschauung bekannt zu
BMchen. Es steht also zu hoffen, dass auch diese neue Expedition der Petersburger
geographischen Gesellschaft sowol in geographischer, als in naturwissenschaft-
licher Beziehung zu interressanten und wertvollen Ergebnissen führen wird.
Dr. Schi.
IMe Jagd im Eismeere. Seit einigen Jahren pflegen jährlich von
Hammerfest ans Expeditionen nach Spitzbergen und Nowaja Semlä auf Fang
von Walrossen, Seehunden, weiüen Bären u. s. w. ausgerüstet zu werden.
ürBprünglich beschränkten sie sich auf Spitzbergen. Da jedoch die Zahl der
Jäger stätig zu-, jene der zu jagenden Thiere in demselben Verhältnis ab-
nahm, so verfiel ein Schiffsrheder in Hammerfest darauf, diese Expeditionen
mehr nach Osten hin auszudehnen, wo sich nach Aussage der Russen mehr
Thiere befanden. Der Erfolg rechtfertigte die Erwartungen und munterte zu
neuen Expeditionen auf. Im Jahre 1869 wurden 27 Schiffe mit 407 Commerz-
lasten und 268 Mann Besatzung ausgerüstet, wovon 4 Schiffe verunglückten,
während die Mannschaft gerettet wurde. Die übrigen 23 Fahrzeuge erzielten
eine Beute von
303.064 Pfund Walrosshäuten,
43.834 Kobbenfellen,
1933 Tonnen Thran,
41.760 Pfund gesalzenen Speck,
2625 Pfund Walrosszähnen und
41 weißen Bären,
außer einigen Kleinigkeiten Dunen und Kennthierfleisch , was zusammen auf
44-778 Speciesthaler taxiert wurde.
Da ein Theil der Fahrzeuge, welche im vorigen Jahre zur Bankfischerei
aasgerüstet waren, heuer zu Eismeer-Expeditionen abgesandt wurde, so waren
die erstem nicht zo zahlreich als im Vorjahre und ein Fahrzeug verschwand
spurlos. Die Ausbeute derselben (32 Fahrzeuge mit einer Tra(^ähigkeit von
438 Commerzlasten und 200 Mann Besatzung) belief sich auf 4859 Tonnen
Lieber im Wert von 29.041 Speciesthaler n. Außerdem waren noch 7 Fahrzeuge
mit 72' , Commerzlasten und 36 Mann Besatzung ohne bestimmtes Ziel auf
Fang ausgesandt, welche eine Beute im Wert von 2716 Speciesthalern machten.
Zusammen waren also in diesem Jahre von Hammerfest 66 Fahrzeuge mit
917 Vs Commerzlasten Trag&higkeit und 504 Mann Besatzung ausgesandt,
welche der Rhederei einen Brutto-Ertrag von 76.537 Speciesthalern nach
Hause brachten. (Bremer Handelsblatt.)
Bücher und Karten,
««Ich« thefls lis Geschenk, thells im Wege des Schriftentausches an die !<. k, geographische Gesellschaft
gelangt sind.
Vom 1. October 1869 bis Ende Jänner 1870.
Die Geschenksexemplare sind mit '*' bezeichnet.
Agram. Arkiv za povjestnicu Jugoslavensku IX. X. 1868/9.
— Gospodarsko list, Zeitschrift 1869.
Altona. Zeitschrift für populäre Mittheilungen aus dem Gebiete der
Astronomie ni. 4. 1869.
Amsterdam. Gaarboek van de k. Akademie der Wetenschapen
f&r 1868.
S84
Amsterdam. Yeralagen en mededeelingen der k. Akademie vaa
wetenBchupen. n. 3. 1869.
— PFocessen-verba] van de gewone vergaderinger der k. Akademie Ton
Mai 1868 bis April 1869.
Augsbar g. XXXIII. Jahresbericht des historischen Kreis-YereioB im
Regierungsbezirke von Schwaben und Nenburg. 1867.
Auxerre. Bulletin des sciences historiques et naturelles de PYonne.
XXra. 1869.
Belgrad. Gatalog der UniversiUts-Bibliothek v. J. 1741—1867.
— Petranoviö Boguljub. Serbische Nationallieder aas Bosnien in Her-
zegowina. 1867.
— 1. Serbische Zeitschrift der serb. gelehrten Gesellschaft zn Belgrad.
I-IV. 1865-1868.
— Statistik von Serbien von Jakschitsch serb. 1. und 2. Heft 1857
und ni. 1869.
Berlfn. Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. XXXI. und
XXXn. 1868.
— Zeitschrift des k. preußischen statistischen Bureau's. IX. 7-9. 1869.
— Protokolle der Verhandlungen der permanenten Commission der
europäischen Gradmessung. 1869.
— Zeitschreift der deutschen geologischen Gesellschaft. XXI. 4. 1869.
Bologna. Memorie delP accademia delle scienze. Serie H. IX. 1. 1869.
Bombay. Transactions of the Bombay geographical society! I— XYH
von 1844-1868.
— Index of the first 17 volames of the geographical sodety's trans-
actions. 1869.
Breslau. XL VI. Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vater-
l&ndische Gultur. 1869.
— Abhandlungen der schles. Gesellschaft für vaterl. Gultur (Abtheilung
für Naturwissenschaft und Medicin. - 1868/9. Philos. historische Abth. 1868. 2.
and 1869. 1.
Brunn. Landwirtschaftliche Zeitschrift. 10. IE. 24.
— Mittheiiungen der k. k. mfthr. schles. Gesellschaft fOr Ackerbau.
1869. 50. 52. 1870. 1-5.
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Brüssel. Bulletins de l'academie royale des sciences. XXV und
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— Annales meteorologiques de PObservatoire royale de Bruxelles.
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Gatania. Atti delP accademia Gioenia in scienze naturali di G. II.
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Dresden. Jsis. Jahrgang 1869. 7—9.
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Kremsmünster. Linz 1864.
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Triest 1869.
Görlitz. Neues Lansitzisches Magazin. XLVL 1. 2. 1869.
Görz. Atti e memorie delP i. r. 8ociet4 agraria. VIII. 22. 23. 24.
Graz. Der steirische Landhote. U. 24. 25. in. 1. 2.
Hildbnrgshausen. Ergänzungsblattes IV. 12. 1869. 1-4. 1870.
'^Karte (Generalstabs- ) von Ungarn, Umgebung von Csacza, Sillein und
Pnchow, Trsztenna und Namesto, Rosenberg und Kubin, Neusohl und Bi^s,
Altsohl. 6 Bl&tter. Wien 1869.
*Earte Amsterdam Nordsee-Ganal. Plan van het kanaal door Holland op
zjn smalst met de spoorweg-verbinding van Zandam naar Amsterdam. 1869.
♦Karte zur Reise von Serajevo zum Dormitor von C. Sax, Original. 1869.
Klagenfurt. Mittheilungen über Gegenstand der Land-, Forst- und
Hausirirtschaft. XXVI. 1869. XXVn. 1. 2.
Klausenburg. Mittheüungen der Gegenstände der Land-, Forst-
und Hauswirtschaft. 1869. 23.
♦Kofiska Dr. Prof. Die Arbeiten der topographischen Abtheilung der
Landesbeschreibung von Böhmen. Prag.- 1869.
Köln und Leipzig. Gaea. Y. 8-9. 1869.
Kopenhagen. 0 versigt over det k. danske Videnskabemes Selskabs
forhandlinger. 1867. 6. 7. 1868. 1-4. 1869. 1.
*Külh Ph. H. Bibliothek geographischer Reisen und Entdeckungen
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Laib ach. Mittheilungen des histor. Vereins für Kndn. XXIÜ. 1868.
Lemberg. Rolnik, Zeitschrift. V. 6. 1869. VI. I. 1870.
Linz. Landwirtschaftliche Zeitschrift. XHI. 23. 24. XIV. 1. 2.
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— Proceedings of the royal society of London. XI- XVH. 1860 -1869.
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Mailand. Atti della societä Italiana di scienze naturali. XIII. 1869.
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— Memorie del reale istituto LomlMurdo di scienze e lettere XI.
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Moskau. Bulletin de la societä Imp. des naturalistes de M. 1869. 3.
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Paris. Revue maritime et colonial XXVIL 106. 108. 1869.
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— Jahresbericht der k. russ. geographischen Gesellschaft für das J. 1867.
(russ. 1868).
— Ausweis der kais. russischen geograph. GteseUschaft fOr das Jahr 1867
vom Secretair Baron Osten Sacken, russ. 1867 und 1868.
— Journal der k. russ. geogr. Gesellschaft. TL. 1869.
— Journal der militärisch-topographischen Abtheilung des Generalstabs.
XXIX und XXX. russ. 1868/9.
— Bericht über die sibirische Expedition (phys. Theil;, russisch. 1. 1868.
286
Petermann. Mittheilungen. IX-XH. 1869. 1870. 1.
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Prag. Centralblatt der gesammten Landescultur. 1869. 12. 1870. 1.
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S a 1 zb u rg. Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde.
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Utrecht. Brieven en onuitgeven stukken van Job. Wtenbogaert. II.
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De Oorlogen van hertog Albrecht van Beieren. Neue Serie 8. 1863.
♦Yarnhagen .F. A. de Americo Yespucci. Lima 1865. Le premier
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Yenedig. Atti dell' Atteneo Yencto. Serie II. Y. 4. 1869.
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Yerona. Memorie delP accademia d'agricoltura commercio ed arti.
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♦Yivien de St. Martin. L'ann^e g^ographique. YII. 1869.
Washington. Smithsonan miscellaneous collections. 194. (zoologisch)
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— Annual report of the board of regents of the Smithsoman Institu-
tion. 1868.
Wernigerode. Zeitschrift des Harzvereins ftlr Geschichte und Alter-
thumskunde. IL 4. 1869.
Wien. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. XIX. Jahrg. 1869.
— Yerhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt. 1869. 1—18.
— Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und
Erhaltung der Baudenkmale. 1870.
— Kaiserl. Academie der Wissenschaften. Sitzungsbericht. XXXVI.
XXYII. 1869.
— Anzeige der kais. Academie der Wissenschaften, math.-naturhistor.
Classe. YI. 1869.
- Zeitschrift der österreichischen Gesellschaft fttr Meteorologie. IV.
1869.
— Mittheilungen aus dem Gebiet der Statistik. XYI. 3. 4. 1869.
— Landwirtschaftliches Wochenblatt des k. k. Ackerbauministeriums.
I. 14. n. 1.
— Ausweise Ober den auswärtigen Handel der österreichisch-ungarischen
Monarchie im J. 1868. XXIX. 1870.
— Yerhandlungen und Mittheilungen des n.-ö. Gewerbevereins. ^X^^
36-40. 1869. XXI. 1-6.
*Zachariae A. Lehrbuch der Erdbeschreibung in nattLrl. Yerbindong
mit Weltgeschichte, Naturgeschichte und Technologie. Leipzig 1869.
(Fortsetzung folgt.)
287
Honatssitzung der geographischen Gesellechaft am 8. März 1870.
Vorsitzender: Prof. Dr. Ferd. v. Hochstetter.
Als neue Mitglieder werden angemeldet und angenommen die Herren
Jösef Jire^ek k. k. Ministerialrath in Wien, Friedrich Mandeles Secret&r
der Yersicherangs-Gesellschaft -Donau"^ in Wien und Alois Beinstingel
k. k. Oberlieutenant in der Artülerie.
Von dem Ehrenmitgliede der Gesellschaft Herrn Dr. Peter mann ist
in Bezug auf eine, seine Karte der Türkei betreffende Stelle in den
Mittheiluugen folgende Zuschrift eingelaufen, die der Vorsitzende verliest.
^In der mir eben zugekommenen Nummer der Mittheilungen Ihrer geo-
graphischen Gesellschaft ist auf Seite 188 aus einem Schreiben des Herrn Dr.
Kiepert an Sie folgender Passus mitgetheilt :'^
^Sie werden schon aus früheren Abdrücken, die ich Herrn Ami Bou4
gelassen hatte, ersehen haben, wie manches noch unveröffentlichte (namentlich
auch russische Material ich benutzen konnte, und dass hier die Hauptquelle
liegt, aus der Petermann seine reducierte Karte geschöpft hat, nachdem ich
ihm bereits vor zwei Jahren Probedrucke der beiden unteren Blätter mitgetheilt
hatte. Ich theile Ihnen dies mit, weil Sie in dem Briefe, der im 12. Heft der
geographischen Mittheilungen 1869 abgedruckt ist, den Wunsch aussprechen,
^u erfahren, woher Petermann das Material genommen habe.'^
Es ist wahr, dass mir mein sehr geschätzter Freund Dr. Kiepert am
3. April 1868 Abdrücke von den zwei südlichen Blättern seiner Karte in sehr
liebenswürdiger Weise mitgetheilt hat, nicht ganze Abdrücke, sondern bloü
Stücke davon, auch nicht vollständige Abdrücke, sondern ohne Terrain, ob
corrigiert oder nicht, das weiü ich nicht. — Ich schicke Ihnen dieselben hier-
mit zu. Wh* stehen schon seit einer langen Beihe von Jahren in einem freund-
lichen Austausch der Art.
Wenn aber in dieser brieflichen Mittheiluug die Insinuation gegeben
werden soll, als ob ich meine Karte der europäischen Türkei (Stieler's Hand-
Atlas 38 b) darnach gezeichnet, mein „Material^ daraus ^genommen^ habe, so
ist das vollständig unbegründet. Ich habe aus diesen Kiepert'schen Karten bis
zu diesem Tage nur ein par ganz kleine unbedeutende Einzelheiten im nord-
westlichen Theile von Albanien, sonst aber absolut gar nichts benutzt.
Ich habe nichts benutzen können, weil jene beiden Blätter nicht auf
dem Laufenden und z. B. das wertvolle russische Material nicht benutzt war.
Mein verehrter Freund muü meine Karte nicht näher angesehen oder
geprüft haben, sonst würden ihm die colossalen Unterschiede im ganzen und
im Detail, die zwischen seiner und meiner Karte existieren, sofort in die
Augen gefallen sein.
Ich bitte bloü, Sie auf einige dieser Verschiedenheiten aufmerksam ma-
chen zu dürfen:
die Gegend zwischen Saloniki und Pedritsch;
der ganze lange Fluss Struma;
die Gebirgsgegend zwischen diesem Fluss und der Östlich davon fließen-
den Mesta;
die ganze lange Strecke von Karasu bei Dubnitza über Samakowo^ Tatar
Basardschyk, Philippopel nach Adrianopel, einschließlich des ganzen Maritza-
stromes und seines Thaies;
im Süden die ganze Strecke von Saloniki über Böjük Betschik, Orfani,
Kawala, Jenidscheh, Gümürdschina, Kara Kadschaly, Miri, Feredschik, mit der
ganzen unteren Maritza bis Adrianopel;
das Dreieck zwischen Eski Saghra, Jamboly und Adrianopel, wo bei
Kiepert alle Flüsse nach Osten laufen, bei mir der Hauptstrom querdurch von
von Norden nach Süden;
Ganz Ost-Thrakien zwischen Rodosto, Dimotika, Adrianopel, Jamboly,
Burgas und Constantinopel ; etc. etc. etc.
288
Nicht blo8 dass in allen diesen so ziemlich das ganze östliche BUtt
Kiepert's deckenden Gegenden seine Karte total von der meinigen verschieden
ist, sondern merkwürdigerweise resultieren alle diese umfangreichen Verschieden-
heiten auch daher, dass Kiepert für die Zeichnung derselben die russischen
Karten nicht benutzt hat, während er sich doch rühmt „namentlich auch manches
unveröffentlichte russische Material benutzt zu haben f wogegen ich sie zu Grande
gelegt habe. Ob er das russische Material seit dem 3. April 1868 nachträglich
benutzt hat, weiii ich nicht. Ich kenne von seiner ganzen Arbeit bloü diese
zwei Fragmente, muü aber gestehen, dass er gerade die wichtigste Quelle f&r
die ganze Türkei unbenutzt gelassen hätte, wenn das unterlassen wäre.
Auch zwischen dem westlichen Blatt von Kiepeut und meiner Karte
werden Sie erhebliche Unterschiede im ganzen und einzelnen bemerken. Ich
gehe darauf bei dieser Gelegenheit nicht näher ein.
Es wird Ihnen wol gleich vollständig klar sein, dass die Insinuation,
als hätte ich mein Material aus diesen beiden Kartenfragmenten geschöpft,
vollständig unmotiviert und unberechtigt ist.
Zum Ueberfluss lege ich einen Abdruck meiner kl einem Karte der
Türkei (.Stieier's Hand- Atlas 37c) vom November 1866 bei, auf der Sie erse-
hen werden, dass ich alle diese besprochenen ^Tbeile schon auf meinen Karten
KU der damaligen Zeit, also IVt Jahre ehe ich Einsicht von den Kiepert'schen
Fragmenten erhielt, genau so gezeichnet habe, wie meine größere Karte der
Türkei 38b noch heutzutage gezeichnet ist. Beide lege ich zu Ihrer Einsicht
bei, bitte aber um Rücksendung von 37c, weil ich keinen anderen so alten
Abdruck mehr besitze.
Uebrigens bertlhren alle diese Theile die von Ihnen bereisten Gegenden
fast gar nicht, so dass die Bemerkung von Freund Kiepert die Sache zwischen
Ihnen und mir gar nicht tangiert.
Ich bitte Sie, diese Zeilen in der nächsten Nummer Ihrer ^Mittheilon-
gen^ abzudrucken und dabei die Ansicht aussprechen zu wollen, die Sie sich
selbst bei der Yergleichung meiner beiden Karten mit den beiden Kiepert'schen
Abdrücken gebildet haben. A^ch bitte ich um gef. gelegentliche Rücksen-
dung der beiden letzteren.^
Daran knüpft der Vorsitzende die Bemerkung, dass er nach der vorliegenden
Darlegung wol nicht mehr zweifeln könne, Petermanns reducierte Karte der
Türkei, die sich bei der letzten Expedition in diesem Lande als die relatit
verlässlichste von allen erwiesen habe, sei ohne Hilfe von Kiepertschen
Materialien zu Stande gekommen, womit gewiss dem Verdienste beider um die
Kartographie so ausgezeichneter Männer nicht im mindesten nahe getreten sei
Hierauf hielt der Vorsitzende Prof. v. Hochstetter seinen ersten
Vortrag über seine im Sommer 1869 ausgeführte Reise in die europäischen
Türkei (Siehe Mittheilungen Nr. 6.)
Schlielilich gab der G. S. Becker erläuternde Bemerkungen über
eine im Saal ausgestellte Suite von Bildern aus Spanien, welche nach
Aquarellen des Fürsten Mestschersky und des Malers E i b m e r von ersterem
herausgegeben und in der chromolithographischen Anstalt von Storch und
Krammer in Berlin mit glänzenden ErK)]g ausgeführt wurden.
Abgesehen von der schönen Ausführung dieser B ilder gewähren sie aber
auch noch das besondere Interesse, in den treu wiedergegebenen Denkmälern,
welche die Künstler dem Beschauer vorführen, die ganze Culturgeschichte
Spaniens in ihrer verschiedenen, durch bedeutsame politische Ereignisse
bedingten Epochen fixiert zu sehen, Spanien unter den Römern, unter den
Gothen, unter den Arabern und endlich unter dem hierarchisch katholischen
Einüuss. In den Bildern waren Barcelona, Toledo, Sevilla und Granada durch
eine Reihe von Blättern, Valencia, Valladolid, Burgos, Gorduba, Malaga und
Gibraltar durch je ein Blatt vertreten. Der Erklärung wurden einzelne
historische Daten beigefügt.
Nächste Sitzung am 19. April 1870.
Das Becken von Icbtiman und der falsche Wid.
Von Prof. Dr. F. von Hochstetter.
Einer der größten nnd anfifallendsten Irrthümer, der sich fast in
alle Karten der europäischen Türkei eingeschlichen hat, bezieht sich
auf den Flnss, dessen Quellen in dem schönen Thalbecken von
Ichtiman zwischen Philippopel und Sofia sich sammeln, und der, nachdem
er dieses Becken der L&nge nach von Nordwest nach Sfidost durchflössen,
plötzlich gegen Norden umbiegt und in einer tiefen Grebirgsschlucht,
welche die Richtung gegen den Balkan nimmt, jenem Becken entströmt.
Dieser Fluss, der bei den Bewohnern der Gegend keinen besonderen
Namen hat, sondern einfach das Wasser von Ichtiman „Ichtiman-Dere"
genannt wird, ist nämlich fälschlich fOr den Wid gehalten worden«
Wer sich zuerst dieses Irrthums schuldig gemacht hat, und so zu einer
gänzlich falschen Darstellung des Terrains in der Gegend zwischen
Ichtiman und Slatitza auf den Karten von Weiss, Kiepert (Karte vom
Jahre 1854), Petermann und von S c h e d a *) Veranlassung gegeben hat,
ist mir nicht bekannt. Man hat nämlich dem Wid auf allen diesen Karten
einen Lauf angedichtet, ähnlich dem merkwürdigen Lauf des Isker, der
"bekanntlich aus der Ebene von Sofia gegen das Gebirge fließt, und den
ganzen Balkan in einer tiefen Schlucht quer durchbricht um sich bei
Gigi in die Donau zu ergießen. In ähnlicher Weise sollte der Wid im
Becken von Ichtiman entspringen, und von da an der bulgarisc;^en
Stadt Slatitza (oder Isladi) vorbei durch die Balkankette brechen, um
oberhalb Nikopoli in die Donau zu fließen. So ist die Sache auf den
Karten dargestellt**).
In Folge dessen erscheint nach dem Vorgang der Weiss'schen
Karte noch auf der neuesten Scheda'schen Karte die Hauptwasser-
scheide des Balkans in ihrer westlichen Fortsetzung aus der Gegend
*) Auch Bou6 (vgl. Esq. G^ol. de la'Turquie d'Earope p. 9o} war der
Ansicht, dass sich das Wasser von Ichtiman in den Wid ergieße.
**) Eine der ältesten Karten der europäischen Türkei, die Karte von
Abb^ Schimek, herausgegeben von F. A. Schraembl 1788 in 12 Blättern, hat
schon den bezeichneten Fehler und führt den Wid sogar bis in die Gegend
Yon Köstendil. In der Generalkarte von Rumelien, Morea und Bosnien von
WenzeslaoB Severin Rzewusky, Wien 1792, ist der Wid halb richtig gezeichnet,
indem Ichtiman nicht am Wid liegt, aber Slatitza ist zu weit nördlich an den
Wid gezeichnet. Lapie's Karte vom Jahre 1822 gibt den Wid ganz richtig am
Nordabhang des Balkan an, und (ässt das Wasser von Ichtiman in die Maritza
fließen, aber freUich in gerader östlicher Linie. Damach scheint es fASt, als
ob Abb^ Schimek der Urheber des falschen Wid sei, und dass der Fehler in
die neueren Karten hauptsächlich durch die Karte von Hauptmann Weiss
glommen weL
QmgnsidBoh» Mittheilmigttii. 1870. 7. J^g
290
oberhalb Ealofer in der natarwidrigstra Weise yerrflckt, und sadwest^
lieh gegen Eapndschik oder das Trajansthor gezogen ; der Art, dass bei
Scheda die Stadt Earlowa, sowie die Ortschaften Elissnra and
Eopriwtschitza, die s&mmtlich südlich vom Balkan an Bächen und
Flüssen, die zum Stromgebiet der Maritza gehören, liegen, auf jener
Earte am nördlichen Abhang des Gebirges an Qnellznflüssen der Donaa
erscheinen. Gerade da, wo auf der Scheda'schen Earte zwischen Ear-
lowa und Elissnra die höchsten Gebirgszüge verzeichnet sind, verläuft,
unmittelbar am südlichen Fuße der wie eine Mauer steil aufsteigenden
Gebirgskette, das schöne Längenthal des Giobsa oder 6öb-Su (bei Lejean
Ghioptza), das die Balkankette von dem großen südlich vorliegenden Gebirgs-
stock der Sredna Gora (soviel wie Mittelgebirge) trennt Barth *) hat auf der
seiner Reisebeschreibung beigegebenen Eartenskizze die von Earlowa
aus fast genau ost-westlich verlaufende steil ansteigende Balkanmauer
als Eöpen- oder Boggdan - Balkan ganz richtig angegeben und deutet
auch das Längenthal des „Gök-Su^' wie er den Fluss nennt, an, bezweifelt
aber, dass die Sredna Gora ein höherer Mittelgebirgsstock zwischen
Balkan und Khodope sei, als der östlich vom Akdere-Thal gelegene
Earadscha Dagh, der die Ebene von Eisanlik von der Ebene von
Philippopel scheidet. Ich habe, als ich auf der Reise von Eisanlik nach
Philippopel von den Granithöhen bei Ealofer in die ausgedehnten
Alluvial-Flachen beim Zusammenfluss des Giobsa mit dem Akdere und
dem Wasser von Earlowa kam, bei Lidscha Eiöi in der Gegend von
Earlowa einen ganz wolkenfreien Anblick der Sredna Gora gehabt und
schätze die höchsten plateau-förmig sich ausbreitenden Rücken dieses
Gebirges auf wenigstens 5000 Fuß, während die gegenüberliegenden
Höhen des Balkan (Eotscha-Balkan bei Petermann) wenigstens 6000 Fuß
erreichen, der Earadscha-Dagh aber nirgends 3000 oder 3500 Fuß
übersteigen dürfte. Ich habe damals auch einen schönen Einblick in
das Längenthal des Giobsa — auf der Petermann'schen Earte, die das
Thal richtig angibt, als Ghioptsa oder Raschka bezeichnet — gehabt, and
darüber folgende Erkundigongen eingezogen. In dem äußerst frachtbaren
and gut bebauten Thale, in welchem seit undenklichen Zeiten, man sagte
mir seit mehr als 1000 Jahren, namentlich auch die Rosenkultur zam
Zweck der Erzeugung von Rosenöl, ganz ebenso wie in der Gegend von
Ejsanük betneben wird, liegt 1 Stunde westlich von Earlowa am süd-
lichen Fuße des Balkan das Städtchen Sopot oder Artsche-Elisse (so viel
als Weißkirchen) mit einer Glasfabrik, einem Eloster und einem alten
römischen Castell im Gebirge. Von Sopöt führt ein Saumweg über den
*) H. Barth, Keiso durvh das Inucro der europäischen Türkei, berliu I<i64.
291
Balkan in 8 Stunden nach Trcdan — eine Boate, welche
gemacht hat — am Weg im Gebirge liegt ein Han and zwei
Beklemes. Auch sollen im Trojanbalkan Kupfererze und silberhaltiger
Bleiglanz Yorkommen, an Punkten, die schon von den Römern
ftosgebeutet wurden. Von Sopot an, westlich, macht der sadliche Steil-
abstorz des Balkan eine kleine Biegung gegen Norden, zahlreiche
Ortschaften liegen im Thale zerstreut, und 4 Stunden westlich von Sopot
li^ das Städtchen Klissura mit ungefähr 8000 Einwohnern. Bei
Elissura erreicht das Längenthal des Giobsa sein westliches Ende. Die
Sredna Grora verbindet sich hier durch einen niederen nordsüdlich lau-
fenden Rücken mit dem Balkan. Ueber einen ziemlich niederen Sattel
dieses Rückens führt ein Weg, der den Nainen Prochotpass hat, nach
dem bulgarischen Städtchen Slaütza (türk. Isladi), das jenseits des
verbindenden Rückens wieder am Fuße des Balkan liegt. Slatitza soll
soviel bedeuten wie Goldgrube, weil die Frauen hier in den Gebirgs-
bftdien Gold waschen. Dieses Slatitza ist es, welches auf den Karten an
den mythischen Wid verlegt wird. Ich kam, als ich obige Erkundi«
gnngen einzog, nicht auf den Gedanken, auch nach dem Wid zu fragen,
und wurde an den Wid erst wieder in der Gegend von Sofia erinnert
Auf dem Gipfel des Witosch nämlich und ebenso auf den Höhen des
Brdo-Grebirges an der Straße von Sofia nach Samakov, von wo aus man
die ganze Balkankette von der Gegend von Kalofer bis weit über Sofia
hinaus vollständig überblickt, habe ich mich vergeblich nach der großen
Thalspalte des Wid, in der dieser Fluss den Balkan durchbrechen
sollte, umgesehen; allein da man auch die Iskerspalte wegen eines sich
coulissenartig gerade vor dem Eintritt des Isker in den Balkan vor^
schiebenden Rückens, auf dem das Dorf Korila liegt, von der Ent-
fernung durchaus nicht zu erkennen vermag, so wagte ich dennoch nicht
an der Existenz des Wid diesseits des Balkan zu zweifeln. .
Erst die vom Herrn Prof. Kiepert mir nach meiner Rückkehr nach
Wien freundlichst zugesandten Probeabdrücke seiner neuen Karte der
Türkei, auf welcher, wie mir Herr Kiepert bei seinem Besuch in Wien
mündlich mittheilte, auf die Autorität des um die Geographie der
europäischen Türkei so hochverdienten französischen Reisenden Lejean
hin und nach einer russischen Quelle der Ursprung des Wid auf die
nördliche Abdachung des Balkan nördlich von Klissura und Slatitza
verlegt wird, regten von neuem die Frage nach dem angeblichen Wid
an, der in nördlicher Richtung ans dem Becken von Ichtiman abfließt.
Diesen Fluss hatte nun Herr Kiepert südlich in das Becken von Banja
nach der Maritza abfließen lassen. Da aber aus den genauen topo«
graphischen Aufnahmen der Ingenieure der ottomauischen Bahnen unzwei'
19*
felhaft hervorgieng, dass das Wasser von Ichtiman nördücfa und nicht sAdücli
abfließt, so wandte ich mich, um diese Frage za lOsen, an den k. k.
öster. Ck>nBiil Herrn von Hempfling in PhiHppopel mit der Bitte,
den in Philoppopel wohnenden Balgaren, welche die G^fend kennen,
einige Fragen in Bezug auf den mysteriösen Wid vorzulegen, und sieh
beantworten zu lassen. Darauf hin erhielt ich (de dato 30. M&rz 1870)
Ton Herrn von Hempfling folgende freundliche Antwort:
„Was Ihre erste Frage betrifft, „ob der Fluss, dessen Quellen im
Becken von Ichtiman sich sammeln, und der an der Ostseite des
Beckens, in nördlicher Richtung gegen den Balkan fließt^ der „Wid*
ist,* oder nicht vielmehr ein Fluss, der nach einem großen Bogen gegen
Norden sich wieder südöstlich wendet, und bei Bazardschik in die Maritza
fließt?^ So lauten meine eingezogenen Erkundigungen dahin:
Der kleine Fluss von Ichtiman, auch türkisch „Ichtiman-
Dere^ genannt, ist nicht der Wid, da dieser letztere auf dem
Balkan oberhalb Klissura entspringt, an dem Städtchen Tet^wdn vorbei-
R
fließt, sich gegen Norden wendet und bei Nicopolis in die Donau fUlt;
während das in dem Becken von Ichtiman sich ansam-
melnde Flfisschen bei dem Kloster St Nikolä sich in einen
größeren Fluss, genannt „Topolitza^ wirft, welcher nach Beschreibung
eines größeren Bogens, sich 7« Stunde oberhalb Basardschik in die
Maritza ergießt
Die zweite Frage, ob die Stadt „Jsladi"« am Wid li^ oder
überhaupt an einem Fluss der durch den Balkan in die Donau fließt,
oder nicht vielmehr an einem Wasser das der Maritza zuströmt?"
wurde mir folgendermaßen beantwortet:
Die Stadt „Jsladi^ (oder bulgarisch Slatitza) liegt an dem Fiüss*
chen „Euru-Der^^ (der trockene Fluss), welches sich 3 Stunden davon
bei dem Dorfe „Pirdop^ mit der Topolitza vereinigt, die ihrerseits
in die Maritza sich ergießt.
Sie wissen, hochgeehrter Herr Professor, wie schwer man hierlands
etwas Genaues erfährt, ich liabe aber zur Lösung dieser Fragen nicht
nur alle bekannten Bulgaren, sondern auch 2 Personen, nämlich den
russischen Dollmetscher „Tehaliki^ und den bulgarischen Buchhändler
„Danof^, welche beide aus dieser Gegend sind und dieselbe genau
kennen, in Contribution gesetzt.^
Aus diesen Mittheilungen ergibt sich also zweifellos, dass man aus
der £bene von Tatar Bazardschik dem Thale der Topolitza entlang,
und dann bei dem Kloster St Nikolä in das Thal des Ichtiman-Dere
einbi^nd, in das Becken von Ichtiman gelangen kann, ohne irgend
eine Wasserscheide wie die des Trajansthores überschreiten zu müssen.
293
imd iBM8 Ichltman und Slatitza noch dem Stromgebiet der Maritza
angdiöTen, w&hrend die Quellen des Wid erst an der nördlichen Abda*
chioig des Balkan liegen.
Ich glanbte diese Thatsachen mittheilen zu sollen, anerkenne aber
dabei vollständig die Priorit&t des hochverdienten Lejean, der soviel
mir bekannt, zuerst den kolossalen Irrthum in Bezug auf den Wid
aufgedeckt hat.
Aus einer brieflichen Mittheilung von Herrn Dr. Bou6 (17. M&rz 1870),
entnehme ich femer, „dass im District von Slatitza und zwar westlich
in der Richtung gegen Sofia am südlichen Abhang und am sOdlichen
Fu0e des Balkan, der auf der neuen Kiepert'schen Karte als Striglska
Planina, von Bou4 aber als Oolubetza Planina bezeichnet wird, eine
Reihe von Ortschaften liegen, wie Mirkowo, Bunowo, Dolne und Gome
Komartzy, Strigl u. s. w. Von D. Komartzy bemerkt Bou6, dass es in
einem breiten schönen, wahrhaft idyllischen Becken liege, wo die
schönsten Weiden sind und wo Bevölkerung und Dörfer nicht fehlen.
Dieser Umstand dient zur Bestätigung, dass zwischen Komartzy und dem
ö Stunden davon entfernten Slatitza nur Ebene herrscht, und dass
Komartzy schon zum großen Slatitza oder oberen Topolitza-Becken
gehören, wie Kiepert nach russischen Reisenden angibt.^ Da aber
wenig westlich von Komartzy bei Taschkesen bereits die Quellen der
Flflsse liegen, die in das Becken von Sofia fließen, so dürfte sich die
Yermuthung von Hauslab 's aufs vollständigste bestätigen, dass von
Kariowa Aber Slatitza nach Sofia am Fuße des Balkans sich eine höchst
charakteristische Terrainsenkung hinziehe , deren Wasserscheiden
zwischen Klissura und Slatitza einerseits und zwischen Komartzy und
Taschkesen andererseits kaum höher sein dürften, als die Wasser-
acheiden beim Trajansthor und bei Wakarel an der Straße von Tatar
Bazardschik nach Sofia. Die nähere Untersuchung dieser Linie am Fuße
des Balkan von Klissura über Slatitza bis in das Becken von Sofia
dürfte deshalb für das beabsichtigte £isenbahnuntemehmen nicht un-
wichtig sein, indem sie ein Variante der Linie Philippopel-Sofia bildet,
welche die ansehnlichen Städte Kariowa, und in der Nähe die Fabriks-
stadt Kalofer, dann Sopot, Klissura, Slatitza berühren und ein ))isher
außer allem Verkehr liegendes vielleicht nicht unwichtiges Terrain
erschließen würde.
294
Capltän E. H. Johannewn's Fahrt Im Karlschm Meere I8B9
und Stand der Polarfrage im Jahre 1870.
Von A. Petermann.
Ein einfacher Norwegischer Fischer, Capitän Johannesen, ist im
vorigen Sommer mit seinem kleinen Fischerfahrzeug ungewöhnlich weit
ins Sibirische Eismeer vorgedrungen und hat dadurch einen nicht
unwichtigen Beitrag zu unserer Kenntnis der Geographie der Polar-
Begionen geliefert.
Das Karische Meer galt für den „Eiskeller" des Nordpols. Von
den Bänken Neu-Fundlands viele hundert Meilen weit hinauf, längs der
Küsten Labrador's, der Baffin-Bai, zu beiden Seiten Grönlands, bei
Spitzbergen, Sibirien, Kamtschatka und anderen eisber Ahmten Gegenden
gibt es wahrlich Eis genug, in allen Formen, Eisberge hunderte Fuß
hoch, Packeis hunderte Meilen breit, „Pfannkuchen-Eis" und ähnliche
mildere Abstufungen, — theils kommend, theils wieder verschwindend,
theils aber auch von permanenter oder nahezu permanenter Ansässigkeit.
Allein von allen diesen Gegenden ist das Karisclie Meer seit langer
Zeit von dem berühmten Akademiker K. von Baer mit dem bezeich-
nenden Namen Eiskeller belegt worden, und zwar, wie es schien, aus
guten Gründen. Es bildet nämlich ein ringsum von Land fast ganz
umschlossenes Seebeckeu, welches außer seiner eigenen allwinterlichen
Eisformation das ganze Volumen des Eisganges der beiden größten
Flüsse Sibiriens, Obi und Jenissei, in sicli aufnimmt und die so ange-
häuften Eismassen anscheinend nicht gut wegführen kann, weil es nur
wenige und meist nur ganz schmale Ausgänge hat, in denen sich das
Eis eher anhäufen und stopfen als wegbegeben kann.
Es ist daher nicht bloß auf die hohe Autorität des Herrn von
Baer hin, sondern auch aus diesen naheliegenden triftigen Gründen das
Karische Meer stets als eins der eisreichsten Gebiete, die es gibt,
angesehen worden, und die geographische Entdeckungsgeschichte schien
dies ebenfalls zu bestätigen.
Im Jahre 1760 hatte zwar ein kühner Seefahrer, Sawwa Loschkin,
in dem Entschluss, die Ostküste Nowaja Semlä's zu erforschen, diese
ganz bis zum östlichen Ende der Inselgruppe verfolgt und dieselbe
umfahren, jedoch unter unerhörten Schwierigkeiten, die es nöthig
machten, dass er auf dieser kleinen Fahrt 2 volle Winter und 3 Sommer
zubrachte ^).
Ich habe bereits berichtet, dass zwei andere Expeditionen, CapitSn
Carlsen und Capitän Palliser, im Sommer 1869 das Karische Meer
») Spörer, Geogr. Mitth., Erg.-Heft 21, S. 27.
295
dvrdischiiitten und die Obi-Mfindnng erreicht hatten % und auf das
Ungewöhnliche dieser Fahrten hingewiesen. Sie sind jedoch weit über-
troffen durch Capit&n Johannesen's Fahrt, welcher ohne Schwierigkeit
das Karische Meer zweimal durchschnitt, nach Osten und dann nach
Norden, und seine Ost- und Westküsten verfolgte, ohne von Eis
behelligt zu werden, ja ohne dass er irgendwo im ganzen Meere eine
nennenswerte Quantität Treibeis vorfand. Noch kürzlich hatte ein
namhafter Autor geschrieben, dass die Ostküsten von Nowaja Semlä
„absolut unnahbar*^ seien. „Mit ewigem undurchdringlichen Eis erfüllt**
war die gel&ufige Bezeichnung für das Karische Meer.
Johannesen hat das vermeintliche „unnahbare, unschifibare*' Meer
mit Leichtigkeit durchkreuzt und ist in dem berüchtigten „EiskeUer**
lustig herumgefahren. Das „ewige'* Eis ist zusammengestürzt und mit
ihm ein 'alter Aberglaube.
Ich will nicht bestreiten, dass der Sommer des Jahres 1869 für
die Schiffahrt im Karischen Meere möglicher Weise ein ungewöhnlich
günstiger gewesen sein mag ; allein auf der anderen Seite muß dagegen
zugegeben werden, dass die Befahrung des Karischen Meeres kaum
jemals mit geeigneten Fahrzeugen, guten Seeleuten und unter tüchtiger
Führung ernsthaft versucht worden ist. Die Norwegischen Seeleute
sind jedenfalls in der Eisschiffahrt tüchtig ^). Nach dem schlichten
Bericht war die ganze 3 Monate lange Fahrt in jenen Regionen wie
es scheint zwar leicht genug, allein schon die einfache Thatsache, sich
mit einem kleinen Fischerfahrzeug tief in ein so übel berüchtigtes,
stellenweise noch nie befahrenes Meer hineinzuwagen, erfordert einen
unerschrockenen Mann. Für eine bloße Fischerfahrt ist auch der kurze,
einfache Beriet anerkennenswert, die Positionen und sonstigen Be-
obachtungen passen gut zu den vorhandenen Küsten- Aufnahmen und die
Sondierungen lassen wenigstens so viel erkennen, dass das Karische
Meer durchschnittlii^h eine geringe Tiefe hat.
Seit beinahe 300 Jahren ist kein intelligenter Seefahrer dem Nord-
ostende Nowaja Semlft's, wo der berühmte Holländer Barents im
Jahre 1596/97 überwinterte, so nahe gekommen als Johannesen, denn
von Loschkin wissen wir weiter nichts, als dass er in 3 Sommern und
2 Wintern ganz Nowaja Semlä umfahren habe.
) Geogr. Mitth. 1869, SS. 352 und 391.
^) Herr Bosenthal hat einen seiner beiden Walfischdampfer, den „Bienen-
korb'^, in diesem Jahre nach Norwegen geschickt, um ihn von dort aus, mit
j.orwegiBchen Seeleuten bemannt, auf den Walfischfang und Robbenschlag
ausgehen zu lassen, ein Beweis, dass sie von diesem erfahrenen Mann für
besondere tüchtig angesehen sein müssen.
296
Die Fahrt Johannesen's hat wieder einmal gezeigt, daas man auch
mit kleinen Segelfahrzengen im Eismeere schon etwas aasznrichteB
vermag, and dass die von mir im J. 1868 ins Leben gerufene Nord-
fahrt in der Segel-Jacht „Germania^ (alias „Grönland" mit Idarem
Bewnstsein und gegründeter Hofihnng anf Entdeckungs-Resoltate ansge*
sandt und dabei nach bestem Wissen und Gewissen als Entdeckungs-
fahrt hingestellt wurde und hingestellt werden durfte^).
Das im J. 1868 benutzte Schiff war zwar nur 80 tons groß, allein die
Entdeckungsgeschichte lehrt, dass sogar in noch kleineren Schiffen die
bedeutendsten Entdeckungen gemacht, die größten Besultat'e erzielt
wurden: Baffin entdeckte im Jahre 1616 die ganze Baffin-Bai in einem
Fahrzeuge nur 55 tons groß; Parr}* drang im Jahre 1827 in zwei
offenen Booten, 20 Fuß lang und 7 Fuß breit, von Spitzbergen aus
gegen den Nordpol vor und erreichte die höchste Breite (82^/4 °), zu
der jemals ein gebildeter Seemann gelangt ist; Weddell brach im
Jahre 1823 mit zwei Segelsclüffen nur 160 und 65 tons groß drei
Mal durch die Eisgfirtel des Südpols und erreichte jenseit derselben
*) „Zweck und Ziel der Expedition ist die Erforschung und Entdeckung
der arctischen Central-Region von 76° nördlicher Breite an, auf der Basis der
ostgrönländischen Küste. ~ Das Unternehmen heiflt: Die Deutsche Nordpol-
Expedition von 1868.^ (S. §§. 2 und 3 meiner Instniction vom 6. Mai 1868,
Geögr. Mitth. 1868, S. 214.)
Auch Capitän Koldewey, als er von mir mit der Führung der Expe-
dition betraut wurde, hat sie nicht etwa als eine Orienticrungs- oder Recognos-
cii-rungsfahrt angesehen, sondern als eine Entdeckungsfahrt , wie seine eigenen
Briefe und Mittheilungen^ nachweisen:
„Bergen, 19. Mai 1868. — Ich hoffe zuversichtlich, der Nord-Deutschen
Flagge Ehre zu machen und sie auf einem sehr nördlichen Punkte Grönlands
anpflanzen zu können. ~ Ich befürchte nicht im mindesten einen Miserfolg
und zweifle meinerseits gar nicht mehr daran, mit meinem kleinen, aber
starken Fahrzeuge Sabine-Insel in guter Zeit zu erreichen und wenigstens
einige wertvollere Entdeckungen zu machen.^ (Geogr. Mitth. 1868, SS. 332
u. 383.)
^Bergen, 23. Mai. — Wir haben also in jeder Beziehung begründete
Hoffnung auf einen guten Erfolg dieses ersten von Deutschland ausgehenden
Unternehmens der Art, und ich müsste ganz merkwürdiges Missgeschick haben,
wenn ich nicht die grönländische Küste erreichen sollte. (Ibid. S. 333.)
„Nordmeer, 3. Juni. — Mit dem Schiff bin ich so außerordentlich zu-
frieden in jeder Beziehung, dass ich dreist eine Reise damit ums Cap Hom
unternehmen wollte. — 20. Juni Das Schiff hat sich ausgezeichnet bew&hrt
und ist nach meiner Ansicht reichlich so gut als ein großes Schiff. Ich habe
schon manche gute Erfahrung im Eise gesammelt und sage: es ist nicht so
gef&hrlioh, als dass sich nicht mit Mut und Umsicht gut darin feihren liefie.
Geben Sie also trotz der ungünstigen Eisverh<nisse nicht die Hofibung auf.^
(Ibid. SS. 334 u. 336.)
297
ein voUkommen eisfireies, offenes, schiffbares Meer, wimmelnd von Wal-
fiseben, Tögeln und anderen Thieren; die Schwedische Expedition nach
Spitsbergen im J. 1861 hatte zwei Fahrzeuge, den Aeolns von nur
297si <lie Magdalena von 12 Commerzlasten (59 nnd 24 tons); dieje-
nige im J. 1864 den Axel Thordsen, ein altes Kanonenboot, 12^2 ^'
(25 tons) groß.
Alle diese and ähnliche andere Expeditionen haben mit kleinen
Segelfahrzengen die bedeutendsten Entdeckungen gemacht und wahrhaft
Großartiges geleistet. Johannesen*s Fahrt geschah ebenfalls in einem
kleinen Segel&hrzeug, wahrscheinlich nur etwa 15 Commerzlasten
(30 tons) groß^), und hat auch gezeigt, dass ich von der Expedition
im J. 1868 mit vollem Recht Entdeckungen erwarten durfte.
Solche Thatsachen wiegen schwerer als alle Argumente, und meine
Voraussetzungen sind durch Johannesen*s Fahrt allein vollkommen
gerechtfertigt; sie liegt zwischen 70® und 77^ n. Br. und so recht in
denselben Breiten wie die vielen englischen Franklin-Expeditionen
liegt in größerer Polhöhe als der Schauplatz der Franklin-Katastrophe
und erstreckt sich 5 volle Grade weiter nach Norden als die berühmten
Schlitten-Expeditionen des Admiral Wrangel^).
Die Fahrt von Johannesen ist die letzte Nordfahrt, von der wir
Kunde erhielten, und sie legt es deshalb nahe, auf den gegenwärtigen
Stand der Polarfrage, fUr deren Lösung, sowie für die Geographie und
Erforschung der Polar-Regionen fiberhaupt, ich neuerdings 5 volle Jahre
unablässig arbeite, einen Rückblick zu werfen. Den Wunsch, dass eine
Deutsche Expedition dieses Problem lösen möge, sprach ich öffentlich
zuerst am 3. März 1865^) aus; seitdem sind nicht weniger als 12
Expeditionen, ausgegangen oder«, zurückgekehrt, ohne dass die Polarfrage
um einen namhaften Schritt weiter gefördert wäre, außer durch die
beiden Fischerfahrten von Long und Johannesen. Im J. 1868 giengen
die erste Deutsche Nordfahrt und die Schwedische Expedition unter
Nordenskiöld aus, im J. 1869 die zweite deutsche Expedition und die
des „Albert^ und „Bienenkorb^, also drei Deutsche Unternehmen, die
beiden englischen unter Lamont und Palliser und die beiden norwe-
gischen Fischerfahrten unter Carlsen und Johannesen, die durch bloßen
Zufall interessant für die Sache geworden sind. Von der SidoroCschen
») Das Schiff gehörte zu einer Flotte von nicht weniger als 27 Fahr-
aengen, weiche im Sommer 1869 von Norwegen auf den Thranthierfeng gegen
Nomga Semlä ansgiongen; sie hatten zusammen 407 Commerzlasten, also
durchschnittlich jedes Fahrzeug bloß 15. (Geogr. Mitth. 1870, Heft IV, 8. 162.)
•) S. Geogr. Mitth. 1869, SS. 26 ff. und Tafel 2.
^ Geogr. Mitth. 1865, S. 141.
298
habe ich bis jetzt keine nfthere Runde und z&hle sie nicht mit. Außer-
dem sind die drei Amerikanischen unter Capitftn Long (Bering-StraBe),
Hall und Hayes (Baffin-Bai) nicht unerwähnt zu lassen, zumal sie zwei
von den drei Zagftngen zum Nordpol, jene neun aber den dritten Weg,
von Europa nördlich, einschlugen. Man könnte diesen letzteren, wie es
auch schon vielfach geschehen ist, den deutschen, die Baffin-Bai den
englischen, die Bering-Straße den französischen Weg nennen, da ja
Lambert seit einer Reihe von Jahreli seine große Expedition dorthin
führen will.
Unter diesen 12 Erpeditionen sind mehrere von wissenschaftlicher.
Prätension, aber gerade zwei von denen, die gar keine wissenschaftlichen
Prätensionen hatten, die von Long und Johannesen, haben die Polar-
frage wenigstens berührt und gezeigt, dass da, wo von den höchsten
Autoritäten ewiges undurchdringliches Eis angenommen wurde, keins
vorhanden war, oder nur so wenig, dass es nicht einmal die Segelschiif-
fahrt beeinträchtigte.
Die schwedischen Forscher und Gelehrten, die unbedingt zu den
ersten jetzt lebenden arktischen Autoritäten gehören, sind entschieden
der Ansicht, dass der Nordpolar-Ocean stets mit solchen Eismassen
erfdllt sei, dass in ihm zu Schiff bis zum Nordpol vorzudringen ganz
unmöglich sei. Professor Nordeuskiöld spricht sich dahin aus: „Die
Vorstellung eines offenen * Polarmeeres ist offenbar eine nicht haltbare
Hypothese, welcher eine durch bedeutende Opfer gewonnene Erfahrung
entgegensteht, und der einzige Weg, den man mit der Aussicht, den
Pol zu erreichen, betreten mag, ist : nach einer Ueberwinternng bei den
Sieben Inseln oder im Smith-Sunde im Frühling auf Schlitten nordwärts
vorzudringen** ^).
Sehr komisch bei dieser Ansicht der Schweden ist Folgendes:
Die Schweden führen seit 1808 nicht weniger als fünf tüchtige Expe-
ditionen aus, jedes Mal kommen sie mit der Ueberzeugung als End-
resultat zurück, dass nur zu Schlitten auf dem Eise gegen den Nordpol
vorgedrungen werden könne; sie schleppen Rennthiere und Hunde zum
Ziehen ihrer Schlitten bis nach Spitzbergen und richten alles auf
Schlittenfahrten ein, aber — bis jetzt haben sie bei fünf Expeditionen
noch nie einen einzigen Versuch gemacht, auf diese Weise nach Norden
vorzudringen, sondern alles und jedes, was sie erreicht und geleistet
haben, ist zu Schiff und zu Boot geschehen!
Der schwedischen Annahme entgegen steht die lange und wieder-
holt beiriesene Thatsache, dass längs der ganzen Nordküste Sibiriens
') Die schwedischen Expeditionen nach Spitzbergen, S. 510. Jena,
Costenoble.
299
ein offenes Meer existiert, welche Thatsache nenerdings durch Long*)
und Johannesen bestätigt worden ist. Was der „Eiskeller^, das Earische
Heer, im Kleinen ist — ein zeitweise von Eis befreites oder noch
schiffbares Meer, wenigstens schiffbare Gassen bildend — , das dfirfte
anch beim Central-Polarmeer im Großen möglich sein.
Dass das Eismeer mindestens schiffbarer ist, als die Schweden und
ihre Nachbeter annehmen, ist durch Long und Johannesen unbedingt
ausgemacht. Gegennber solchen Thatsachen kann es wenig wiegen,
wenn gesagt wird: Wir kamen nicht weiter und deshalb geht es nicht.
J. G. Agardh in seiner Abhandlung „lieber den Ursprung des
Spitzbergen'schen Treibholzes^ (in .den schwedischen Akademie-Schriften)
bat jetzt nach genauen und sorgfältigen Untersuchungen mit apodicti-
scher Bestimmtheit nachgewiesen, dass kein einziges Stück der von den
Schweden mitgebrachten Proben einer anderen Holzart angehört als der
sibirischen Larix, also nichCs davon durch den Golfstrom aus süd-
licheren Gegenden dorthin geführt wird, sondern nur Von Sibirien
dahin kommt Es kann nun aber nicht dahin fliegen, sondern vermag
nur durch Schwimmen dahin zu gelangen, folglich muss das Meer
zwischen Spitzbergen und Sibirien zeitweise frei genug werden, um
das Flößen von Treibholz zu gestatten. Unter den Mündungen der
Treibholz führenden Flüsse Sibiriens sind die nächsten, von Spitz-
bergen aus, der Obi und Jenissei 1000, die Leua 1400 nautische
Meilen weit in gerader Linie.
Durch die beiden Expeditionen von De Uaven 1850/51 und
McClintock 1857/58, welche im Eise der Baffin-Bai besetzt wurden,
ist es nachgewiesen, dass dieses Meer nicht fest zufriert, sondern
den ganzen Winter hindurch offen bleibt. Eine Durchschnitts-Tempe-
ratur für die drei Wintermonate December, Jänner und Februar von
nicht weniger als — ^23^3 R. ist nicht im Stande, das Treibeis zu
fester oder auch nur zusammenhängender Masse werden zu lassen,
sondern dasselbe bewegte sich bei beiden Expeditionen sogar noch
in den 3 Winter-Monaten übereinstimmend 400 nautische Meilen nach
Süden. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Baffin-Bai gegen
Süden, gegen die Davis-Straße, keilförmig zuläuft, sich verengt, und
man sollte daraus schließen, dass das Eis gegen Süden sich leicht
zusammenstaue.
Wenn daher in der Baffin-Bai bei einer so großen Kälte keine
Bede von Schlittenfahrten ist, so dürfte das eben so sehr für das
Meer nördlich von Spitzbergen gelten, welches größer und einer
*) Geogr. Mitth. 1869, SS. 26 ff.
300
solchen Winterkälte wahrscheinlieli nicht ausgesetzt ist. Nach den
jetzt bekannt gewordenen ^^) sehr wertvollen Temperatnr-Beobach*
tongen von Sievert Tobiesen anf der in 74Vi^ n. Br. gelegenen
B&ren-Insel bei Spitzbergen beträgt die mittlere Temperatur für den
Winter nur — 8®,7 R. Jene Temperatur von — 23^,3 R. bezieht sich
anf den Theil der Baffin-Bai, der zwischen 74Vs® bis 70^ n. Br. liegt.
Zugegeben aber, dass eine Schlittenreise von Spitzbergen zum
Nordpol als höchst gefährliches Wagstflck noch im Bereich der
Möglichkeit lüge, so würde dieselbe so sehr alle wissenschaftlidien
Arbeiten ausschließen, dass sie wenig oder gar. keinen Wert für
die Wissenschaft haben wArde.
Die M^lichkeit einer Schlittenreise von Spitzbergen 'zum Pol ist
aber eine noch nicht erwiesene Hypothese, wie dies freilich auch mit
einer Erreichung zu Schiffe der Fall ist. Der eine Versuch der Schweden
zu Dampfschiff im Jalire 1868 beweist noch nichts;^ wenn derselbe
auch energisch war, so scheint das Schiff durchaus nicht geeignet
gewesen zu sein; in Norwegen wenigstens hielt man es einstimmig fftr
unzweckmäßig zu einer solchen Expedition *^).
Ich bin aber auch jetzt mehr als je davon Überzeugt, dass Spitz-
bergen, trotzdem es bis Aber den 80. Breitengrad reicht, keinen guten
Ausgangspunkt zum Vordringen in das Nordpolar-Meer bildet, und ich
habe diese Grflnde gegen Spitzbergen aufs Nachdrücklichste schon in
meiner Instruction für die Expedition im J. 1868 ^-), noch mehr aber
bei derjenigen in 1869 geltend zu machen gesucht. Bezflglich des Vor-
dringens auf dem hohen Meere habe ich mich von Anfang an (d. h. seit
5 Jahren) ausdrücklich dahin ausgesprochen, dass nur eine in jeder
Beziehung besonders tfichtige Expedition, ähnlich der von Sir J. C. Ross
gegen den Südpol, daran denken dttrfe, solche Wege einzuschlagen.
Deshalb habe ich es der Expedition in 1868 wie in 1869 zur
ersten Pflicht gemacht, die Ost-Grönländische Kfiste zur Basis des
ganzen Unternehmens zu wählen. In Folge der Berathung, welche am
24 October 1868 von fOnf der damals am nfichsten stehenden Freunde
der Sache: Dr. Breusing, Kapitftn Koldewey, Consul H. H. Meier,
A. Petermann und A. Rosenthal statt fand, stellte ich am 30. Octo-
ber 1868 einen Plan auf, in welchem außerdem als nächstes Hauptziel
bezeichnet wurde, dass, wenn dem Unternehmen zwei ordentliche ScfaüTe
zur Verfdgung standen, das eine östlich von Spitzbergen vorzudringen
'*) Eongl. Vetenskaps Akademiens Hanelingar, 1869, No. 11.
") Geogr. Mitth. 1869, S. 86.
") Geogr. Mitth. 1868, S. 216, S. 14.
801
Tenmehen solle ^*). Bei den norwegischen Seelenten ist die Einweisung
anf das Gebiet östlich von Spitzbergen nicht nnbeachtet geblieben, ond
im vorigen Jahre giengen nicht weniger als 27 Schiffe dahin ab, die
einen sehr gnten Fang machten und dem Erwerbszweig einen neuen
Impuls gaben ^^).
Ich würde jetzt, nach der Erfiahrung des Capitän Johannesen, die
Aufgabe bis jenseit Nowaja Semlfi, ins Earische Meer, ausdehnen und
diesen Weg auch Mr die Lambert'sche Expedition fflr den besten
halten. Der Plan dieser Expedition fufit auf zwei guten Punkten:
1. dass das Meer nördlich der Bering-Straße nachgewiesenermaßen keine
nennenswerten Schwierigkeiten zum Vordringen bietet, 2. dass, falls
die Expedition beim Vordringen zum Pol und der Durchschneidung des
Polarmeeres bis zum Atlantischen Ocean in dichtes Ei» geriete und
darin besetzt würde, es yoraussichtlich mit demselben eben so gut und
ge£ahrlos in südliche Breiten hinausgetrieben würde, wie das in der
Baffin-Bai der Fall ist. Nach meiner Ueberzeugung dürfte man mit
ziemlicher Sicherheit und natürlich sehr viel schneller von Nowaja
Seml& oder dem Karischen Meer aus bis zur Bering-Straße oder einem
Punkte nördlich davon gelangen.
Das Meiste kommt bei diesen Expeditionen wol auf die zweck-
mäßige Bauart des Schiffes und auf gute Führung an, weniger auf die
Größe und Anzahl der Schiffe und vielleicht selbst nicht so sehr viel
aof die Dampfkraft. Die trefflich ausgerüsteten Dampfer-Expeditionen
des „Bienenkorb^, „Albert^ und des Engländers Lamont von resp. 400,
700 und 250 tons Größe haben nicht das ausgerichtet, was man von
ihnen erwartete. Auch der „König Wilhelm^ das größte Panzerschiff
der Welt, würde durch eigene Kraft allein im Polareise wol seinen
Weg nicht zu bahnen vermögen, wenn nicht das Eis selbst Gassen bildet.
In diesen Gkissen aber sind die Fahrzeuge je kleiner, desto besser.
Daher dringen auch die Norweger mit ihren kleinen Fischer&hrzeugen
(15 Ck)mmerzlasten etc.) überall ein. Schließen sich nun diese Gassen
und ger&th ein Schiff zwischen zwei Eismassen, die es zu zerdrücken
drohen, so kommt in der Regel alles darauf an, dass das Schiff so
gebaut ist, dass es nicht zwischen den beiden Eismassen festsitzen,
sondern in die Höhe gehoben wird und so unbeschädigt bleibt. In den
Walfiflchf&nger-Flotten gibt es berühmte Schiffe, die in Folge ihrer
Bauart jeder Gefahr entgiengen, so z. B. das englische Schiff „True-
love^ von Hüll; dasselbe ist nun 106 Jahre im Gebrauch, im Walfisch-
**) Roher ümriss eines Planes für die Deutsche Nordpolar-Ezpedition
18G9, Gotha du. October 1868.
") Geogr. Mitth. 1870, Hefl IV, S. 152.
802
fang von 1784 bis 1867, machte als solches wenigstens 80 Reisen nach
dem grönländischen Meere und der Davis-Strasse, erbeutete 300 bis
400 Walfische, von Seehunden und anderen Thranthieren ganz abge-
sehen, und erlitt nie eine nennenswerte Beschädigung, auch im schwersten
Eise und in den heftigsten Stfirmen nicht ; wenn andere Schiffe in
seiner Nähe zu Grunde giengen, wurde es vom Eise sacht in die Höhe
gehoben und ohne Gefahr umherbewegt, bis es wieder frei wurde ; einmal
lag es so auf dem Eise 6 Wochen lang, ohne irgendwie dabei beschä-
digt zu werden '^).
Anmerkung der Redaction.
Wir haben die vorstehenden höchst interessanten Erläuterungen
Aber die Nordpolfrage auf ausdrücklichen Wunsch Dr. Petermanns
angenommen, der damit theilweise und zwar in der objectivsten Weise
den Ansichten entgegentritt, die in Nr. 1. unserer diesjährigen Mit-
theilungen vom k. k. Schifflieutenant Weyprecht in seiner Abhand*
lung; '„Plan der diesjährigen deutschen Nordpolarexpedition" ausge-
sprochen wurden.
Wir kommen bei dieser Gelegenheit auch dem Wunsche' des
„Bremer Comit6's fflr deutsche Nordpolarexpedition nach, weiches uns
folgende, in der Weserzeitung unterm 2. April 1870 abgedruckte
Entgegnung auf den Weyprechtschen Artikel zusandte:
»Nr. 1 der MittheiliuigeD der geopraphipchen Gesellschaft in Wien enthält
eine Besprechung des Planes der zweiten deutschen Nordpolarexpedition aus
der Feder von C. Weyprecht, k. k. östeir. Marinelicutenant , einem der Theil-
nebmer der angekündigten Sommerexpedition nach Ostspitzbergen. Der Ver^
fasser zollt darin der Hauart der Schiffe und ihrer Ausrüstung seine Aner-
kennung, begründet aber die Ansicht, dass es nicht wohlgethan war, die Ost-
küste Grönlands zur Basis des Unternehmens zu machen. Dabei begeht der-
selbe indess den sehr auffallenden und starken Irrthum, zu behaupten, der
Plan, die Ostküste Grönlands aufzusuchen, sei unter Abänderung der Peter-
mann^schen Absichten im letzten Augeubhck vom Bremer Comite substituiert
worden. Nun stand aber da.^ Ziel der Expedition, wie ja auch bekannt (s. geogr.
Mittheilungen vom 8. März 1869) fest, noch ehe das hiisige Comit^ überhaupt
zusammentrat. Die einzige Aenderung, welche im Einverständnis mit Capt.
Koldewey und unter ausdrücklicher Zustimmung des Herrn Dr. Petermann«
bei dessen persönlicher Anwesenheit in Bremen, erfolgte, betraf die Vertauschung
des zweiten Schifi, der »Grönland», mit einem größeren, eines Theils, weü
man die moralische Verantwortlichkeit, ein so kleines Fahrzeug an die Ostr
küste von Grönland zur Ueberwinterung zu senden, nicht übernehmen wollte,
andemtheils, weil dasselbe nicht hinreichend Kohlen und Proviant aufnehmen
konnte. Die Expedition sollte zu einem längereu Aufenthalt in den arctischen
Regionen befähigt werden. Dies nur zur Berichtigung jenes Artikels. Cnsern
Lesern ist es schon zur Genüge bekannt, dass die TbAtigkeit des Bremer
Comit^s sich lediglich auf Unterstützung und Förderung des Unternehmens
beschränkt, dessen Leiter die Herren Dr. Petermann und Capt. Koldewey sind.
Die von Herrn Dr. Petermann ausgearbeitete, in Form der geogn^bischen
Mittheilungen gedruckte und damals durch Zeitungen und Journale publicierte
Instruction (Gotha, 7. Juni 1869) enthält ja auch den ganzen, sich an die
lö
") lUustrated London News, 5. Februar 1870.
308
lS68er Expedition ▼«^ikonuDeii aDBcbließenden Plan und aus dieaem hat daa
Comitä 8. 2. einzelnes durch seine Mittheilungen veröffentlicht. Bei einer kurzen
Erv&hnnug des obigen Aufsatzes in den geographischen Mittheiluugen bat
Dr. Petermann übrigens schon selbst den Irrthum des Verrfassers, als ob das
Bremer Comite den Plan festgestellt oder entworfen habe, coustatiert Herr
Dr. Petennann erw&hnt zugleich, dass er den Aufsatz des Osterreichischen
llarineofficiers, Herrn Weyprecht, demnächst weiter besprechen werde, und
enthalten wir uns, auf den sachlicbeu Inhalt näher einzugehen ; doch können
wir die Bemerkung nicht unterdrücken, dass mit den Ansichten des Herrn
Weyprecht der Inhalt des Gutachtens des Capitän D. Gray (s S. 340 d. geogr.
Mitth. Y. 1868; in directestem Widerspruch steht und dass auf dieses Gutachten
in dem Autsatz nirgends auch nur Bezug genommen ist Capitän D. Gray hat
viele Jahre an der OstkOste Grönlands Walfischfang getrieben und befindet
sich noch jetzt wieder in jenen Gewässern. Koch einen Irrthiun, der freilich
nur eine Nebensache betrifft, müssen wir berichtigen. Es heißt in einer Note
zu dem Aufsatze: »Petermaun's Abwesenheit bei allen in der letzten Zeit zu
Ehren der Expedition veranstalteten Festlichkeiten sieht einem stillschweigenden
Proteste gegen die Voreäuge im iSchooße des Bremer Ck)niit6s täuschend
ähnlich.« Dieser letzte Punkt ist eben widerlegt, was aber die angeblichen
»Festlichkeiten zu Ehren der Expedition» angeht, so beruht diese Aeußerung
eben£aU8 auf völliger Unkunde. Es ist hier auch ja bekanut, dass, besonders
in der letzten Zeit, das Comite anstrengend gearbeitet und lange Verhand-
langen gepflogen hat, dass aber von Festen auch nicht einmal die Rede war.
£s sei denn, dass man die Abfahrt in Gegenwart des Königs Wilhelm I. als
ein Fest ansehen will. Zu diesem Fest ist Herr Dr. Petermann allerdings
leider nicht gekommen, ohwol er dringend eingeladen war.«
Diese Entgegnung hielten wir uns verpflichtet an Herrn Weyprecht
zu senden and erhielten darauf folgende Zuschrift.
Es thut mir leid, dass mein Aufsatz die Ursache zu einer Berichtigung
von Seite des Breaier Comii^s geworden ist.
Ich hielt mich aus verschiedenen Gründen für berechtigt, das Comite
fikr den Plan der Expedition verantwortlich zu machen. Erstens glaube ich, dass,
wenn sich ein Comit^ zur Förderung eines wissenschaftlichen Unternehmens
constituiert tmd sich nicht ausdrücklich »öammelcomit^- nennt, ein Jeder mit
vollem Rechte annehmen kann, dass der Plan zu demselben in seinem Schöße
grQndiich discutiert, möglicher Weise auch abgeändert worden ist.
Zweitens hatte dieses Comite de facto die ganze Leitung des Unter-
nehmens in der Hand, wie aus den verschiedenen Veröffentlichungen ersichtlich
ist. Eine solche Leitung kann mau ohne Verantwortlichkeit für die Conae*
quenzeu nicht übernehmen.
Drittens heißt es in der Mittheil. Nr. Z des Bremer Comit^s vom 18. Mai,
daas sich am 8. Mai auf Einladung dieses Comit^s 17 Freunde des Unter-
nehmens versammelt haben, um »nochmals eingehende Berathung über Art
und Plan des Unternehmens zu pflegen und an der Hand wahrheitsgetreuer
sachlicher Erörterungen den mehr lauten als begründeten Agitationen etc.«
Wariun ich Herrn Dr. i*etcrmann nicht für den Urheber dieses Planes
ansah , habe ich im Eingange meines Aufsatzes erörtert. Dass die Instruction
Itkr die Expedition von Herrn Or, Petermann verfasst wurde, will gar nichts
heißen. Kür ihn als inteliectuellcn Urheber des Unternehmens war dies ganz
uatflriich. Uebrigens ist er bei der Mittheilung des Comit^s nur als Comit6>
Bitglied unterschrieben. — Dass das Bremer Comitö den Instructionen nicht
ferne gestanden ist, ergibt sich aus der Comitesitzung vom 13, Jimi, in
welcher sie durchgegangen und berathen wurden. Ich muss also den Vorwurf,
diese Instructionen nicht beachtet zu haben, zurückweisen.
Was die Abwesenheit Dr. Petermanns von den Festlichkeiten betrifft,
rechtfertigt mich die Weserzeitung selbst, indem sie dieselbe bedauert.
Schließlich muss ich mich noch wegen des Vorwurfes rechtfertigen, dass
ich die gtLastigen Ansichten des Capt. Gray unerwähnt gelassen habe. Diese
kenne ich nicht, wol aber seinen Versuch hn Jahre 1868, längs der grönländi-
schen Küste gegen Norden vorzudringen und diesen habe ich auch besprochen.
804
Sobald das Breuer CoBiit^ die Aatorsdiaft des PlaneB amdrtlcliich ▼ob
sieh weist und demselben durchaus ferne sa stehen behauptet, mnss kh
natürlich schweigen und kann ich nicht an der Wahrheit dieser Angabe
sweifeln. Idi habe in meinem Aufsatse die Sache in dem Lichte anfge&sst,
in welchem sie jedem erscheinen musste, der Yon den Verhandlungen nicht
mehr erfahren konnte, als öffentlich mitgetheilt wurde« Weyprecht
Da« Land Turuchan *)
im asiatischen Russland nach seiner physikalischen
Beschaffenheit
Von F. Svßcen;^.
Turuchan ist ein Theü des Gouvernements Jenisejsk im asiati-
schen Russland. Es bildet das nördliche (Gebiet dieses Gronvemements
mit einem Fl&chenraum von 29.884 geogr. O Meilen und liegt zwischen
dem 61. and 78. Grad n. Br. Nördlich wird es durch das Eismeer
begr&nzt, östlich lehnt es sich an das Gouvernement Jakutsk, westlich
an das Gouvernement Tobolsk. Der Floss Jenisejsk durchschneidet das
Land, das hiednrch in zwei Theile zerf&llt, den östlichen und doi
westlichen. Der östliche ist nahezu doppelt so groß wie der west-
liche, von Gebirgen durchzogen, im Süden mit W&ldem bedeckt Flflsse
von Bedeutung sind die Podkamenaja Tungnska, die Bachta, die untere
Tunguska und die Eurejka. Diese durchströmen das Gebiet in nörd-
licher Richtung, und bahnen sich vielfältig den Weg durch Felsen-
klüfte. Nach der Meeresküste zu senkt sich der Boden und gestaltet
sich allm&lich als waldlose Fläche. Den westlichen Theü bildet
eine gegen Norden ziehende von kleinen Flüssen belebte Ebene,
deren Einförmigkeit durch mäßige Abhänge unterbrochen wird. Das Gkbirg
besteht aus zusammenhängenden Berggruppen, als deren hervorstechende
Theile genannt werden der Bergrücken Taymnrsk, der große Stein, der
Ijetnische Stein, der Putorama, der Bärenfels, der kleine Stein und der
Bergrücken Birrant. Die Berge überraschen das Auge durch massenhafte
Gruppierung, d. h. steile Abhänge, Schluchten von ansehnlicher L&nge,
Hochebenen, Felspartien, Kesseln und Kratern. Die Höhe derselben
erreicht bei 2200—2800 Fuß. Der Krater in der Nähe des Ajiabara-
flnsses hat eine Länge von 8 Werst, eine Breite von 1 Werst Aus
den an der Oberfläche liegenden Stoffen gewinnen die Einwohner brenn-
bares Harz, In den Gebirgen findet man eine Anzahl von kleineren
und größeren Seen.
*) Nach dem Russischen des Hrn. Tretjakow in den Denkwürdigkeiten
der kais. russischen geographischen Gesellachi^. 2. Band. Seite 215-294.
805
Die geognostische Beschaffenheit der Berggrnppen ist noch wenig
bekannt. Man weiß nar, dass sie aus Thonschiefer, Kalkstein und
Granwacke bestehen. Hie und da kommt Granit mit Basalt gemengt vor.
Seltener ist der Sienit, Diorit nnd Sandstein. An Mineralien findet man
Eisenerz, Steinkohlen, Chalcedon, Gyps, Asbest, Graphit, Bergöl.
Zu den größeren Flächen in Turuchan gehört jene zwischen
dem Jenisej nnd Tas, femer die zwischen dem Jenisej und dem Bache
Tschuntschug, dann das sogenannte niedere Moorland zwischen dem See
Taimyr und den Flossen Boganida und Dupypta, endlich der zwischen
den Flüssen Anabar und Chatanga. Auf diesen Ebenen erheben sich hie
und da ovale Hügel. Einige Ebenen sind wellenförmig, andere haben
kleine Seen in ihrem Umkreise. Zur Winterszeit bieten dieselben einen
unendlich düsteren Anblick dar. Die Bleifarbe, die zahlreichen Furchen
geben ihnen das Ansehen eines im Unwetter wogenden Meeres, besonders
wenn die Stralen des Mondes die Schneefläche beleuchten. Im Mai ist
der Widerschein des Sonnenlichtes von der Schneedecke blendend.
Der Boden im Süden des Landes ist mit schwarzer Erde bis zur
Tiefe von 1 Fuß bedeckt. Gegen Norden sind Bestandtheile des Bodens
Mergel, Sand- und Schlammerde. In tieferen Lagen, besonders am linken
Ufer des Jenisej ist derselbe sehr locker. In der nördlichen Hälfte des
Landes besteht er aus Schutt, Lehm und Sand mit Schlammerde und
Torf gemengt Am 647s ^ n* Br. findet man ihn bis zu einer Tiefe von
1'/^ Arschin bleibend zugefroren. In Turuchansk, wo der Boden zur
Sommerszeit bis zu 37« Fuß aufthaut, geschah es, dass man bei der
Grundlegung einer Kirche auf ein Grab stieß. Bei Aushebung des
Grabes kamen die Füße der Leiche zum Vorschein, woran nicht nur
die Stiefel sondern auch die Haut sammt dem Fleische wohlerhalten
waren. Im Jahre 1859 machte man zu Turuchansk den Versuch, einen
Bronnen anzulegen, um die Stadt mit Wasser zu versorgen. In der
Tiefe von 272 .Arschin fand man bei diesem Anlass unter einer Schichte
Schlammerde und Lehm eine Eiskruste, unter dieser Sand und Lehm,
und tiefer abermals Eis, was sich in weiterer Tiefe inmier wiederholta
Unter dem 667^ Grade n. Br. nimmt die Masse des zugefromen Bodens
stufenweise zu, zumal an der Linie, wo der Baumwuchs aufhört Der
Torfboden erreicht an manchen Stellen die Tiefe von 1 — 3 Arschin. Im
Wurzelgeflecht zeigen sich Spuren von Riedgras, Weiden, Birken,
Erlen und Lärchen. Unter der Oberfläche liegen Eiskrusten von
3 — 4 Fuß Dicke. Steinkohlenlager kommen an vielen Stellen, Vorzugs-
weise im östlichen Gebiete vor. Unter dem 70. Grade n. Br. sind
dieselben besonders mächtig. In der Nähe des Flusses Gore^a (Brand-
fluBs) gab es vor 60 oder 90 Jahren unterirdische Vulkane, woher der
Oeograpbiscbo Mitlheilungeu 1870. 7. 20
306
Fluss seinen Namen hat. Die Tungusen sagen ans, dass noch jetzt unfern
davon ein solcher Vulkan bestehe. In der Entfernung von 80 oder
100 Werst von der Mündung des Flusses Taymur kommt man zu
einer anderen vulkanischen Stätte. Nach Versicherung der Tungusen
hat der Raum, auf welchem dort aus der brennenden Aschendecke der
Rauch aufsteigt, einen Umfang von 250 Klaftern. Es gibt daselbst
ungeheuere von Rauch geschwärzte Steine, während des ganzen Winters
hält sich kein Schnee. Die Tungusen holen aus dem Steingeklflfte
des Flussufers der Tunguska ihr Feuer mittels Stangen, an deren Ende
Zündstoff befestigt ist. Unter dem 71. und 72. Grade n. Br. erhebt
sich in der Nähe des linken Ufers des Jenisej ein ziemlich hoher
Hügel, in welchem Bernstein in Form kleiner Kömer vorkommt. Auch
in den Moorsteppen nächst dem Meere findet man Bernstein. Am Ufer
des Sees Ladonnach östlich von der Taimurischen Landschaft wird eine
Gattung Bernstein von dunkler Färbung aufgelesen.
An den Mündungen der Flüsse Anabara, Chalanta und Jenisej
bedeckt sich das Meer zwischen dem 1. Oktober und 10. November
mit Eis, und thaut erst zwischen dem 10. Juni und 1. Juli wieder
auf. Zu Ende des Jahres werden die Eisschollen durch sudliche Winde
nordwärts getrieben, zuweilen ereignet es sich, dass sie durch die
Gewalt der Nordwinde wieder zurückgedrängt werden ; mit ihnen kommen
dann an den Ufern Seepflanzen mit Blättern von 4 Fuß Breite zum
Vorschein.
Zur Winterszeit ist die Temperatur der See unter Null, im Sommer
steigt sie bei südlichen Winden bis zu 15 Graden.
Die Ufer am festen Lande und an den Inseln erleiden in verschie-
denen Richtungen durch die vom Eise durchsetzten Erdschollen Ein-
risse an der Oberfläche. Wenn diese aufthauen, so bilden sich größere
oder kleinere Rinnsäle für das abfließende Wasser. Die Anhäufung des
Erdreiches bildet an solchen Stellen konisch geformte Erhöhungen. Die
am äußersten Norden gelegenen Landstriche waren ohne Zweifel meistens
Meeresboden. Man findet dort Muscheln von Thieren, wie sie jetzt im
Eismeer vorkommen.
Die Hauptarterie für die Bewässerung des Landes ist der Jenisej.
Die Länge seines Laufes von der Landesgränze bis hinab zur
Seegränze beträgt 1720 Werst. Bei dem Einlaufe stellen sich ihm
Gebirgsgruppen entgegen, deren Constellation ihn zur Zertheilung der
Fluten zwingt. Solchergestalt bildeten sich dort nicht weniger als
77 Inseln verschiedener Größe und Beschaffenheit. Auch in seinem
weiteren Lauf gegen Norden umschlingt der Jenisej viele bedeutende
Inseln. Die Schiffahrt auf demselben ist deshalb und wegen der sich
307
entgegenstellenden Wasserfölle, Klippen und Untiefen keine gefahr-
lose. Die Breite des Bettes wechselt zwischen 4, 7, 15, 24 bis zn
60 Werst, die Tiefe zwischen 3, 5, 9 bis zu 27 Klaftern. Seine zahl-
reichen Buchten begünstigen den Fischfang, der insbesondere durch den
Handel mit Stören, Forellen, Karpfen,, Häringen und Lachsen zur besten
Nahrungsquelle der Einwohner wird. Auch bieten die nahen Inseln
Gelegenheit zum Fang von wilden Gänsen, die gleichfalls Handels-
artikel sind.
Der Eisgang am Jenisej gestaltet sich nach der geographischen
Lage des Flusses verschieden. Beim Einfluss der Podkamenntga
Tunguska beginnt das Steigen des Wassers zwischen dem 10 — 15 April,
der Eisgang selbst zwischen den 26. April und 2. Mai. Das Eis beider
Flüsse vereinigt sich zur dichten Masse und steigt bis zur Höhe von
4 — 5 Arschin. Wäre der Boden des Landes nicht fest gefroren, so
würden die Verwüstungen au den Ufern sehr bedeutend werden. Bei
dem Dorfe Manastyrsk erfolgt der Eisgang zwischen dem 8 — 15. Mai.
Es kam schon vor, dass bei späteren Frösten der enteiste Fluss sich
wieder mit Eis bedeckte. Bei der Mündung ins Meer verzögert sich
der Eisgang bis zum 12 — 20. Juni. Das völlige Freiwerden des
Wassers braucht 18 Tage. An seichten Stellen und in der Nähe
der Inseln staut sich das Eis zu Dämmen auf. Hiebei und wenn diese
Eismassen sich trennen, gehen die Fische in großer Anzahl zu Grunde.
Durch die Wirkung . der Sonnenstralen erfolgt oft ein plötzlicher
Wechsel der Scene, ganze Pyramiden grünen Eises von schillerndem
Glänze sinken zu Höhlen ein. Der Wasserstand wechselt in kurzen
Fristen, der Lauf wird beschleunigt, es schwimmen Massen von Baum-
stämmen, Balken, Kähne, ganze Barken einher, bis sie an den Buchten
und Inseln festsitzen bleiben. Der Lauf des Flusses gegen Norden wird
langsamer, er nimmt au einer Stelle die Form eines Sees an, und scharfe
Winde treiben das Meerwasser in sein Bett, wodurch die Höhe der
Fluten im Juli und August um 1^2 Arschin steigt. Die Farbe des
Wassers ist grün oder dunkelblau, in stürmischer Zeit gelblich. Wird
es ins Gefäß gethan, so setzt sich der Inhalt sehr schnell und es wird
klar. Der Satz enthält Theile von Quarz, Lehm, Schiefer, Kalk und
Mergel, auch Eisentheile. Es ist gesund und von angenehmen Geschmack.
Zur Sommerszeit bietet der Fluss den Anblick einer schön polirten Stahl-
fläcbe; in seinen Wellen spiegelt sich das Wolkengewölbe. Bei der
Abendämmerung nimmt die Spiegelfläche der Fluten einen violetten
Glanz an. Im October beginnen wieder die Fröste, und mit Ende
dieses Monats längstens bis zum 5. November ist der Strom mit Eis
bedeckt. Mit diesem Zeitpunkt sinkt das Wasser um 3 — 7 Fuß. Die
20*
808
üebersicht des Wechsels zwischen der Eisdecke und dem eisfreie
Znstande ist:
Grade der Breite Eisfreier Zustand Eisdecke
587/ 194 Tage 171 Tage
6P 187 fr 178 „
657/ 153 „ 212 „
670 137 ^ 228 „
697/ 126 y, 239 ^
Die größeren Nebenflüsse des Jenisej sind : rechts die Podkamennaja
Tunguska, die Bachta, die untere Tungnska, Knrejka, Chantayka,
Dndinka, Goltschucha, Glnboka und Zyrianka, links der Elognj, Tum-
chan und die Peliatka.
Hievon hat die untere Tunguska eine Länge von 3300 Werst, die
übrigen durchziehen das Land in einer Strecke von 100 — 1500 Werst.
Ebenso wechselt die Breite und Tiefe dieser Flüsse nach der Gestaltung
der Ufer, durch welche sie in Gebirgspartien eingeengt werden, in
offenen Gegenden aber der freien Ausdehnung überlassen bleiben. Sie
entspringen theils im Gebirg, theils kommen sie aus Landseen oder
aus der Mitte der Moorgründe. Bei einigen kommen Wasserfälle vor,
deren z. B. die Bachta 26 hat. Die Ufer sind an manchen Stellen yon
seltener Schönheit. An der unteren Tunguska erblickt man Felsen Ton
ungeheurer Größe, welche hie und da wie gewaltige Schlösser oder
Testen am Rande tiefer Abgründe stehen, an anderen Orten aus niederen
Waldpartien wie Türme empor ragen, einzelne erinnern an die For-
men der Sphinxe. Ungefähr 30 Meilen vor dem Einfluss steht ein Fels
am Ufer, der die Gestalt eines sitzenden Mönches hat. Er galt vor Zeiten
als Gegenstand religiöser Verehrung und die Eingebomen pflegten,
während sie auf ihren leichten Birkennachen herabschifften, mittels ihrer
Pfeile Eichhörnchen und Zobel als fromme Gabe hinauf zu schleudern.
Die Eurejka windet sich an einer Stelle durch steile Felsgruppen
und dicht besetzte Waldungen gleich einem weißen Bande. Aus den
Höhen herabgekommen setzt sie ruhig ihren Lauf fort. Plötzlich bricht
sich der Wasserspiegel wieder an einem Felsen, der sich mitten im
Flusse erhebt. Noch einen Schritt und die Fluten stürzen, wie von
Wuth ergriffen, über den Abhang. Ueberall auf Steinhaufen stoßend und
zwischen felsige Ufer gedrängt, zertheilt sich das Wasser in lichtgrfine
Klumpen und fällt sprungweise herab, die Umgebung in Wasserstaub
einhüllend und durch den Anprall an das Gestein dumpfes Getöse
verbreitend.
Die Geschwindigkeit des Laufes ist bei höherem Wasserstande in
4en Seitenflüssen des Jenisej bedeutend, und namentlich bei der unteren
309
Tnngoska sehr groß, indem «ie stfindlich 25 Werst znrficklegt. Die
Schiffahrt erheischt hier erfahrene Leute. Der letztgenannte Fluss hat
auch seine Seitenflosse wovon die ansehnlichsten die Sjewemaja, die
Banicha» Tischkowa, Gorjelaja, Tnmga, Ljetnaja, Jenochina, Werchnaja
Ljetnaja, der Taimor and die Swjetlaja. Sie hahen eine Länge von 400
Ms 700 Werst, einige davon sind 45 — ^50 Klafter breit und zwischen
IV,— 3 Klafter tief.
Aafier dem Jenisej hat das Land noch nachstehende ins Meer ein-
mllndende Flflsse : den Tas, die I^asina, die Tajmyra, die Chatanga und
den Anabar.
Der Tas entspringt ans einem bedeutenden See, vereinigt sich nach
kurzem Lauf mit dem Njekoltok und ergießt sich nach Zurflcklegung
einer Strecke von 1100 Werst in den Tas'schen Meerbusen. Er nimmt
im Laufe die Breite von 120 — 380 Klaftern, zuletzt von 3 Werst an.
Seine Tiefe ist höchstens 37a Arschin. Die Ufer sind anfangs bergig,
weiterhin flach. Das Wasser ist nicht rein und braucht, in ein Glas
gegossen einige Stunden zur Abkl&rung. Der Satz hat Eisentheile.
Getrunken verursacht es Unbehagen im Halse und Magen. Im October
bedeckt sich der Fluss mit Eis, das erst in^Mai aufthaut. In den Tas
münden die große Schirta, Meso, Tolka, die große Silka und der Pur.
Bei dem Verschwinden des Eises drängen sich bedeutende Haufen von
Seefischen in das Flussbett des Tas sowie in dessen südliche Nebenflflsse.
Mit Ende September ziehen sie sich wieder ins Meer zurfick und die
Flussfische eilen in ihre Winterstandorte in den Nebenflüssen des Südens,
80 dass im Tas kein Fisch mehr zu finden ist
Die Pjasina nimmt ihren Anfang in einem See. Ihre Länge beträgt
1000 Werst, die Breite anfänglich 80 Klafter, weiterhin 3 Werst. Die
einmOndenden Flüsse sind: die Tschornaja, die Dudypta, die Anapa
und Pyra.
Die Tajmyra theilt sich in die obere und untere, je nachdem sie in
den See Tajmyr aufgenommen wird, oder denselben nordwärts verlässt.
Die obere Tajmyra hat ihren Ursprung unter dem 73^ nörd. Breite,
und ergießt sich in den See Tajmyr unterm 73® 59'. Die Breite ist
Vs ^^8 ^'i Werst, die Tiefe 3—5 Klafter. Die untere Tajmyra hat eine
Länge von 100 Werst. Die Mündung liegt unter 75® 35' n. Br.
Die Chatanga kommt aus drei Seen zwischen dem 68 und 69®
n. Br. Die Länge beträgt 600 Werst. Sie hat naoh der Vereinigung mit
der Cheta eine Breite von 530 Klaftern, in der Nähe ihrer Mün-
dung 3—5 Werst. Die Tiefe ist 4—10 Klafter. An der Stelle, wo
der Fluss zwischen den Klüften des Berges Putorama eingeengt ist,
strömt er reißend fort, dort gibt es Wasserwirbel, in welche die nahen
310
Objecte zum Boden gezogen werden, um in einer Entfemong von ftad
Werst verstümmelt zum Vorschein zn kommen. Zwischen dem 72. und
75. Grad n. Br. vermischen sich die Fluten des Flusses schon mit
jenen des chataeskischen Meerbusens. Mitte September bedeckt sich die
Chatanga mit Eis. Doch auf dem Putorama erfolgt kein Zufrieren.
Das Aufthauen der HSisdecke b^innt in der zweiten Hälfte des
Juni. Die Nebenflüsse sind der Popigay, die Cheta, Balaehna und
Nowaja.
Der Ana bar entspringt im Jakutsk'schen Gebiete. Er hat einen
Lauf von 900 Werst, gegen Norden erreicht er eine Breite von
2 — 3Vs Werst Das Wasser ist seicht, die Strömung beschleunigt, die
Ufer zeigen schwarze Erde, Torfgrund, von Baum- und Graswurzeln
durchflochten.
Die Flüsse iu der Polargegend werden im Beginn des Winters
seicht, zu Ende desselben aber bilden sie eine Reihe von Vertiefungen, die
von einander abgesondert liegen; zwischen denselben erblickt man feste
Eisdftmme längs der wasserarmen Flüsse. Dieses Phänomen kömmt bei
den Flüssen Anabar, Pjasina, Chatanga und Cheta jedoch nur in höheren
Gegenden vor. Wären die ^lüsse nicht mit den Seen in Verbindung, so
würden sie zur Winterszeit so versiegen, wie dieß bei andern der Fall
ist. In der Sommerhitze ist die höchste Temperatur der erwähnten
Flüsse 13^ und dieß nur durch einige Tage, im Winter fällt sie bis zum
Gefrierpunkt. Hiebe! bleibt das Wasser einige Fuß tief fließend. Die Flüsse
Anabar, Pjasina und Chatanga enthalten großen Fischreichthum. Kaum
haben dieselben das Eis abgestreift, so scharen sich in ihnen ansehnliche
Gruppen von Seefischen, die bis in die Seitenflüsse vordringen. Mit Ende
August kehren sie wieder in die See zurück. Mit Ende September findet
man nur noch an einzelnen tiefen Stellen spärliche Gruppen von Fischen,
die mehr an das Flusswasser gewöhnt sind. Nur an den Mündungen der
Flüsse Chatanga, Balaehna und Pogpigay kommen allerlei Seefische auch
im Winter vor.
In der westlichen Hälfte des Landes gibt es zahlreiche Seen,
doch sind sie wegen ihrer Unbedeutenheit nicht einer besonderen An-
fOhrnng wert. Sie sind meist fischreich, von waldigen, mitunter felsigen
Ufern umgeben, einige mittels Bächen unter einander verbunden.
Im Westen, vom 63® n. B. bis an das Meer ziehen sich sumpfige
Stellen mit kleinen Seen, deren Wasser süß und klar aber faulig ist
Im Osten kommen dergleichen ebenfalls vor, nur sieht man da auch
Gebirg und Waldung. Diese Sümpfe und seichten Seen geben den
meisten Flüssen ihren Ursprung.
Gegen Norden zwischen den 70. und 74.® n. Br. beginnen die
311
eigentlichen Moorfl&chen, darch kleine Htkgel und Einrisse in ihrer
Einförmigkeit unterbrochen. Sie ziehen sich ttber 80 Werst, ihre Ober-
flftche bestheht ans Snmpfeis. Mit dem 68.^ n. Br. hören die Quellen
aof mit Ausnahme der salzhaltigen. In der südlichen Hftlfte des Landes
kommen zahlreiche eisenhaltige Quellen vor, die salzigen im Osten,
hauptsächlich in der Nähe der Mfisse Sjwema, Chatanga und Anabar.
Tumchan ist wegen seiner Lage nahe am Nordpol bis zum 78.^ n. Br.
ond durch seinen Abhang nach dem Eismeere zu jedes Schutzes
gegen die Nordwinde beraubt, und deshalb von rauher und verändere
lieber klimatischer Beschaffenheit. Schon unter dem 56.^ n. Br.
sinkt das Quecksilber bisweilen im Monat März von -f 14^ R. schnell
auf — 22^ R. herab, zur Sommerszeit steigt es auf -|- 29^, im Winter
flUlt es bis — 40«.
Die mittlere Temperatur zu Turuchansk war in den J. 1859 und
1860 im Winter (December, Jänner und Februar) — 20, 7, im Früh-
jahr (März, April und Mai) — 3, 0, im Sommer (Juni, Juli, August)
+ 9, 8, im Herbst (September, October und November) — 9, 2. Der
Jahresdurchschnitt betrug 5, 8.
In derselben Stadt gestaltete sich die Witterung folgendermaßen:
Die Zahl der heiteren Tage in den Jahren 1858, 1859 und 1860 betrug
durchschnittlich 138, der veränderlichen 85, der trüben 142, der
windigen 167, der regnerischen 31, der Tage mit Schneefall 67, mit
Gewitter 5, mit Staubwehen 32. Die Witterung ist sehr veränderlich,
in einem und demselben Monat wechselt die 'Temperatur bedeutend, am
meisten im Februar, März, Juli und December.
(Schloss folgt.)
Die „Hohe Wand'' bei Wiener Neustadt >)
Von Eugen Joseph Matz, k. k. Oberlieutenant.
Mitglied des österreichischen Alpenvereines«
Das Steinfeld bei Wiener-Neustadt wird im Nordwest
von einer isolierteD, gewaltig sich erhebenden Kalkmasse begrenzt, die
mit steilen Wänden gegen die Ebene fällt und je nach der Beleuchtung
^) Zu lebhaftem Danke bin ich, der freundlichen Unterstützung meines
Vortriges halber, verpflichtet dem Herrn Rath Thomas Ender f(kr die lUu-
Btiierong desselben durch Ausstellung trefflicher Aquarellen, und dem Herrn
k. k. Artillerie-Oberlieutenant Karl Hab er 1, Professor an der Neustädter
Militär-Akademie, ttür die Ueberlassung seines »Beliefs von Wiener Neustadt in
Horizontalschichten ä 10® HOhe«* im Veijflngungs-Yerhältnisse 1 : 28800 (Horizon-
tales) und 1 : ISOOO (Verticales), zum gleichen Zwecke.
312
bald im düsteren Oraa, bald röthlich schimmernd sieb vom Horizonte
abhebt; dies ist die sogenannte Hohe Wand.
Im Sommer 1869 setzte ich es mir znr Aufgabe die Umgegend
von Wiener Neustadt, an deren Akademie ich daznmal als Professor
wirkte, zn dorchforschen.
Die reizenden und romantischen Thftler der Brfihl nnd des Helenen*
thales worden ihrer ganzen Erstrecknng nach durchstreift, die Ruinen
von Ranheneck, Rauhenstein, Merkenstein und Sebenstein besucht
und die Höhen des Badnerberges, des Huszarentempels und des Eisernen
Thores erstiegen.
Ffir den 8. August beschloss ich die Wand zu ersteigen und
selbe der Länge und Quere nach zu durchstreifen. Schon frfther studierte
ich alle darauf sich beziehenden Quellen ^) um darnach meine Reise-
route zu entwerfen und darnach stellte sich ein Zeitbedarf von 12 bis
13 Stunden fAr diese Excursion fest
Tags vorher war ein starkes Gewitter über Neustadt nieder-
gegangen; der Morgen des 8. August war daher rein und frisch.
Um halb 9 Uhr morgens fuhr ich mit einem Freunde ftber
Weikersdorf durch die Prosset Schlucht nach dem am Ostab-
hange der Wand gelegenen Mayersdorf, wo wir um 10 Uhr ankamen
und beim Gemeinde-Vorsteher und Ortswirte Weichselbaum abstiegen.
Ein Blick auf die Karte zeigt, dass die Orte Weikersdorf, Teich-
mühle und Mayersdorf unter demselben Parallel westlich von Wiener-
Neustadt liegen. Zwischen lienstadt und Weikersdorf ist das Terrain
flach und eben, der Boden sehr steinig und gehört noch zum soge-
nannteif Steinfelde, das aus abgerundeten Kalksteinen besteht, die
stellenweise 20 und mehr Klafter') tief geschichtet liegen und eine
Fläche von 6 D Meilen theüweise unfruchtbar machen.
Die Bildung des Steinfeldes Iftsst auf eine durch Wasser bewirkte
Erdrevolution schließen. Die eben geschilderte Strecke ist monoton
und langweilig, und man legt sie am besten zu Wagen zurfick.
In Weikersdorf ändert sich das Bild, der Ort selbst liegt be-
reits auf den Vorstufen des Gebirgs und in einigen Minuten gelangen
wir zu einem Defil^, die Prosset Schlucht
Dieses Belief, eine müheToile äußerst gelangene Arbeit meines einstigen
CoUegen, ist nur im Original -Exemplar vorhanden, ich wünsche im Interesse
der Wissenschaft, es mOge vervielfältigt werden und im Buchhandel erscheinen.
') Dr. Weidmann*8 •• Alpengegenden Niederösterreichs und Obersteier-
marks.« Wien 1862.
Dr. Weidmannes »Tourist auf der Sadbahn«. Wien 1868.
Schanbach's »die deutschen Alpen.« Jena 1865.
') Schuhes »Ausflflge nach dem Schneeberge.«* Wien 1807.
313
Die Prossef Schlacht ist eine yiertelstimde lang und 10 bis
20 Schritte breit, wird von den südlichen Abhängen des Emmer-
berges and den nördlichen Abstürzen des Mitterberges gebildet.
In diesem Defilö tritt der Kalkstein oft zn Tage, erlangt aber in den
Dimensionen nirgends die Höhe and Aasdehnong der Felsen der Brühl
and des Helenenthales.
Die Schlacht wird vom Prosset Bache ^) darchschlichen, denn fließen
kann man dieses stagnierende Wasser nicht nennen ; überhaapt fehlt
diesem Dorchbrach das Romantische and Fesselnde einer schönen
Felspartie.
Am östlichen Aasgange gegen Weikersdorf za befindet sich za
beiden Seiten des Landweges und des Prossetbaches ein englischer
Kalkofen and ein Wirtshaas, ersterer reizend an den rothen Felsen,
die von dankelgrünen Tannen umsäumt werden, situiert ; im Defilö selbst
liegen einige Häuschen zerstreut und knapp an den Fels angebaut,
am dem Bächlein und dem Landwege Raum zu gönnen ; am westlichen
Ausgange, an der Gabel der Theilung des Weges nach Muthmannsdorf
und Mayersdorf, liegt die Teichmühle mit einem Oasthause.
Der Fahrweg nach Mayersdorf führt von der Teichmühle eine
kurze Weile in einem Föhrenwäldchen am westlichen Abhang des
Mitterberges dahin, wendet sich dann rechts, um quer Über den Thal-
boden der Neuen Welt nach Mayersdorf zu führen. — Seine Anlage
von der Teichmühle bis nach Mayersdorf, ist schlecht und trotz der
Wagenfedem verspürten wir jeden Stoß.
Außerhalb des Wäldchens, das hinter der Teicbmühle liegt, erblickt
man vor sich im freundlichen Plane ausgebreitet die Neue Welt in
ihrer ganzen Ausdehnung von Nordost gegen Südwest, oder von Muth-
mannsdorf bis Zweyersdorf prangend im grünen. und gold'nen Schmuck.
Den Hintergrund dieser lieblichen Landschaft bilden die schroff
abstürzenden grau and röthlich schimmernden Felsen der Wand, über
die im äußersten Südwest die kolossale Masse des Schneeberges
empor ragt als würdiger Abschluss der bezaubernden Scenerie.
Nach Weidmann war der Boden der Neuen Welt einst vom
Meere bedeckt, die Wand selbst ein kolossaler Felsenriff, die jetzigen
Vorberge, nämlich der Mitter-, der Emmerberg etc., waren die höchsten
Theile des Felsenriffes, welche durch gewaltige Evolutionen in die Tiefe
geschleudert wurden, und nun die östlichen Thalränder der Neuen Welt
bilden.
*) In der neuen «Ümgebungs-Karte von Wien.- 10 Blätter im
Maßstab 1" ^ 600^, ist dieser Bach unrichtig mit »Prosek« bezeichnet.
314
Aach Schultes sprach diese Ansicht schon viel frflher ans
und bemerkt darüber^ dass die Wand und deren Yorberge die Ufer
eines ausgerissenen See's gewesen zu sein scheinen, der seinen Abfloss
durch die heutige Prosset Schlacht nahm, und begründet diese seine
Annahme mit dem Vorhandensein des analogen Steingerölles im Stein-
felde und der Neuen Welt.
Auch Böheim^) meint, dass nicht nur die Neue Welt, sondern
das ganze Steinfeld einstens unter Wasser gestanden habe, und fQhrt zur
Bekräftigung seiner Behauptung an, dass im Wöllersdorfer Steinbruche,
welcher derzeit hoch über dem Niveau der Neust&dter Ebene liegt, Ver-
steinerungen sich vorfinden, die auf ein einstiges Bedecktsein vom Meere
schließen lassen. Weniger Glauben schenkt er den Erzählungen der
Gebirgsbewohner vom „eisernen Ringe", welcher sich an der Wand
befinde und in grauer Vorzeit den Schüfleuten zur Befestigung ihrer
Fahrzeuge gedient haben soll.
Zur genauem Characterisierung der Wand erlaube ich mir im
nachstehenden die Worte einer Fachautorität ^j anzuführen:
„Die Alpen bestehen aus einer Anzalil parallel mit grosser Regel-
mäßigkeit von der Schweiz her nebeneinander fortstreichender Zonen
von verschiedenen Gesteinsarten, welche gegen Nord wie gegen Sfid
symmetrisch sich aneinander schließen und deren mittlere, unpare
Zone, aus sogenanntem krystaUinischen Gesteine (vorwaltend Gneiß und
Glimmerschiefer) bestehend, die Centralkette genannt wird.
Die Anordnung der Zonen ist folgende:
Nördliche Sandsteinzone.
Nördliche Kalksteinzone.
Nördliche Grauwacken — oder Schieferzone.
Centralkette.
Südliche Grauwacken — oder Schieferzone.
Südliche Kalksteinzone.
Südliche Sandsteinzone.
Die nördlichen dieser Zonen, welche sich, wie gesagt, in großer
Regelmäßigkeit von der Schweiz herziehen, sind in unserer Gegend
plötzlich abgeschnitten durch eine lange, nahezu gerade Bruchlinie,
welche aus der Gegend von Gloggnitz bis weit über Nussdorf hinaus
reicht. Die westlich die Südbahu begleitenden Abhänge bezeichnen diese
Brachlinie, welche eine der auffallendsten Erscheinungen in dem Bau
unseres Welttheiles ist.
^) Bö heim s •• Chronik von Wiener Neustadt.« Wien 1830.
"'i SuesB »der Boden der Stadt Wien.« Wien 1862.
J
315
Die Centralkette erreicht unsere Gegend am Wechsel bei Neon-
kirchen, die Graüwackenzone setzt den Semmering und den vordem
Theil des Thaies von Reichenau zusammen; die sehr breite Kalkzone
nimmt den ganzen Ranm von hier über Enzesfeld, Yöslau, Baden bis
Mauer ein, die Sandsteinzone endlich bildet die waldigen Höhen vom
kaiserlichen Thiergarten bis znm Leopoldsberge.
Die Kichtung und Gesteinsbeschaffenheit des Rosaliengebirges bei
Neustadt Ifisst jedoch in demselben' die unzweifelhafte nach Nordost
gerichtete Fortsetzung der Centralkette erkennen, fflr das Leitha-Gebirge,
die Berge bei Haimburg, und die kleinen Karpathen gilt dasselbe; es
ist demnach die Centralkette der Alpen und der kleinen Karpaten so
miteinander verbunden, dass man in der letzteren nur die unmittelbare
Fortsetzung der ersteron erkennen kann.
Die Kalkzone bricht am steilsten ab; an manchen Stellen, wie an
der Wand bei Neustadt, sind ihre Schichten längs der Bruchlinie
völlig umgestürzt, so dass die jüngeren Kalksteinbildungen unter den
ftheren liegen.
Da sich nun in den Alpen einerseits und in den Karpaten anderer-
seits die einzelnen Gesteinszonen in ihrer Richtung, wie in ihrer
Beschaffenheit so genau entsprechen, dürfen wir es mit Gewissheit aus-
sprechen, dass beide Gebirgszüge einer und derselben geologischen Ein-
heit angehören, und dass sie, durch einerlei Erscheinungen gebildet,
erst später von einander getrennt wurden.
Diese Trennung ist durch einen Einsturz, durch eine gewaltige
Yerwerfong längs der von Gloggnitz bis über Niederkreuzstätten hinaus-
reichenden Bruchlinie erfolgt.
Dieser Einsturz, der zumeist die Kalksteinzone betroffen hat, ein
Naturereignis von überwältigender Großartigkeit, ist es also gewesen,
der vor ungezählten Jahrtausenden die Lücke in die große Gebirgs-
scheide Enropa's riss und die physischen Eigenthünüichkeiten schuf,
die der Donau ihren Lauf vorschreiben.
£r erfolgte zu einer Zeit, welche die Geologen die mittlere Tertiärzeit
nennen. Das Meer, welches damals einen sehr großen Theil des heutigen
Europa überdeckte, trat in die neugebildete Tiefe. Wir finden rings
an den Rändern der Einsenkung die Spuren seines Strandes 1250 bis
1300' über dem heutigen Spiegel des Mittehneeres. Ungefähr 300' über
dem Niveau der Spitze des Stephansturmes schlugen also die Wogen
des Tertiär Meeres aneinander.
So blieb es eine geraume Zeit, dann folgten wiederholte Ver-
änderungen in den physichen Verhältnissen, herbeigeführt durch aus-
gedehnte Erhebungen und Senkungen.
316
Endlich traten die jetzigen Zostände ein. Die seit dem Einsturz
gebildeten Ablagernngen haben ihn zum Theil ausgefüllt und seinen
Boden in eine sanfte Mulde verwandelt, welche die Ränder des Ein-
sturzes ringsum wie großartige Ruinen fiberragen.
Niemand ist im Stande derzeit zu bestimmen, wie tief die Ealk-
steinzone liege, denn die tiefsten Bohrungen, wie die am Getreidemarkt
(65V) haben sie nicht erreicht. —
Die Gesammtheit dieser beckenausfflllenden Massen zerfällt in
drei Schichten Gruppen, nämlich in :
1. die tertiären Bildungen,
2. die diluvialen Bildungen und
3. die Anschwemmungen der Jetztzeit (Alluvium).
Die tertiären Bildungen zerfallen wieder in drei Gruppen, nämlich
die marine Gruppe, die brackische oder von gemischten salzigen und
süßen Wässern gebildete Gruppe, und die Süßwasser-Gruppe.
Die Untersuchungen unserer Geologen haben nämlich gelehrt, dass
nach der Bildung dieses Beckens zuerst salzige Wässer dasselbe erfüllten,
so dass es eine Meeresbucht darstellte, dass nach einem längeren 2^it-
abschnitte dieser ganze heutige Landstrich ziemlich gleichmäßig um
einige 100' gehoben wurde, wodurch der Wasserspiegel im Becken ein
bedeutend kleinerer wurde, und von welchem Zeitpunkte an sich das
Zufließen größerer Mengen von Flusswasser bemerkbar macht; dass
nach einem längeren Zeitabschnitte eine neuerliche Erhebung des ganzen
Landstriches erfolgte, welche ihn über das Meeres-Niveau erhob, so
dass an die Stelle einer Meeresbucht ein Binnensee von süßem Wasser,
und endlich ein großer Fluss trat.
Die marinen Bildungen ziehen sich wie ein Gürtel längs der
alpinen Gesteine * hin , die Nulliporenkalke (Leithakalk) umkränzen,
Korallenriffen nicht unähnlich, die einzelnen niederen Kuppen der
CentraJkette, nämlich das Leitha- und das Rosalien-Gebirge, sie sind in
einer langen Reihe von Steinbrüchen in Wöllersdorf , Brunn am Gebirge, etc.
aufgeschlossen.
Die Grenze zwischen der Tertiär- und Diluvialfbrmation beruht
auf durchgreifenden Veränderungen der physikalischen Verhältnisse, das
Klima war in der Tertiärzeit wärmer als jetzt und die Diluvialbildungen
erfolgten in einer kälteren als jetzt. Zu jener Zeit bildete das Becken
von Wien wieder einen Binnensee, dessen Ufer nun wahrscheinlich
zum Theil mit Nadelholz bedeckt waren, und dessen südliches Ende
Gletscher überschauten, welche von den Höhen des Schneeberg's und
des Wechsers herabhiengen.
3X7
Um diese Zeit wurde auch der gewaltige Schotterkegel vor dem
Tliale von Siesting angehftuft, welcher heute das Steinfeld heißt." —
Soweit unser Gewährsmann; ein Blick auf die geoguostische Karte
von Part seh ^) überzeugt uns vollkommen vom Gesagten.
Die Wand, welche noch zu den österreichischen Alpen somit zu
den nördlichen Kalkalpen zu rechnen ist, wird vom Gebirgsstock des
Schneeberg's durch das Simingthal im Südwesten getrennt, und von
den übrigen Gebirgen Niederösterreich's durch das Piestingthal im
Norden und durch den Steinbach im Nordwest geschieden.
Die Gebirgsaxe liegt in der Richtung von Südwest nach Nordost;
in dieser misst die Wand gegen 4 Stunden und nimmt an Höhe von
Südwest nach Nordost ab; in transversaler Richtung ist sie l^a Stun-
den breit
Die Höhe der Wand wird von den sie beschreibenden Autoren
sehr verschieden angegeben^), sie dürfte aber durchschnittlich gegen
2Ö00' betragen, ihr höchster Punkt, der ganz am Südwestende liegende
Plack 1 es, ist nach der Umgebungskarte von Wien, 3590.8,'*) hoch.
Da ich selbst keine Höhenbestinunungen vornahm, so bin ich nicht
in der Lage die eigentliche Höhe der Wand festzustellen; auch sagen
die verschiedenen Autoren nicht, für welchen Theil die von ihnen
angegebenen Höhequoten passen, und welcher überhaupt der höchste
Punkt der ganzen Wand sei.
Der Name entspricht im eigentlichen Sinne des Wortes nur der
Südostseite, weil hier die H&nge mit überraschender Wildheit steil
gegen den Boden der Neuen Welt abstürzen, dagegen verflachen sich
die Abhfinge auf der Nordwest-Seite allmälich gegen die Gründe des
Dürren- und Miesenbaches.
Betrachtet man die Wand vom Thalboden der Neuen Welt oder der
Südostseite, so besteht sie aus fünf riesigen, nur im Kamm getrennten
Felskomplexen, die mit senkrechten und oft auch überhängenden W&nden
gegen den Thalboden der Neuen Welt schroff abfallen.
Durch die seit undenklichen Zeiten stetige Einwirkung der Natur-
elemente, welche- durch die vielen Wasserrisse Schutt und Gestein
*) Partsch^B -GcognoBtiBche Karte des Beckens von Wien. Wien 1843.
*) Nach •«Schattbach , 111. B. Seite 444, 2500'. »Weidmann», Seite 64,
über 3600. "Gettinger (Weidmann)-, Seite 109,2485'. »Jäger», Das Stahl-
eck, Seite 158, 2486'.
*) Nach "Dr. Eriisch-, Die Alpen im Kreise U.W.W, im Jahrbuch
f&T L&nderkonde von Niederösterreichs, II. Jahrgang (1868—69) Seite 219 ent-
halten, ist die Höhe dieses Berges mit 3590' angegeben, zu bedauern ist es,
dass der YerÜEMser außer dieser Date die Wand in seinem trefflichen Aufsatse
Sar nicht berührt.
318
herabschwemmten , bildeten sich Vorberge am Fuß der Wand, be-
sonders in aasgesprochener F'orm zwischen Mayersdorf und StoUhof:
auf dieser Strecke geht die Bildung dieser Schuttkegeln vor unseren
Augen fort und die Schütten hSngen von den Schluchten und Rissen
bis an den Weg den wir wanderten herab.
Vorgenannte Schütten sind noch nicht wie die ^'orberge, welche
auf dieselbe Weise gebildet sein dürften, mit Graswuchs bedeckt, sie
benehmen aber den Felsen der Wand schon jetzt theilweise ihre Höhe
und es dürfte in nicht ferner Zeit liegen, dass die Wand auch auf
der Südostseite allmülich in den Thalboden der Neu6n Welt über-
geht, wie es schon derzeit auf der Nordwest- Abdachung der Fall ist.
Die Wand kann von der Neuen Welt aus, entweder von Mayers-
dorf oder von Stollhof erstiegen werden, beide Wege lassen sich be-
fahren und vereinigen sich vor Erreichung des Hogeu Grabens '**/, an
dessen Ursprung die Wieser'schen Häuser oder die sogenannten Hütt^ln
liegen.
In Mayersdorf nahmen wir den Knecht. des Gastwirtes, Johann
Bock *'), recte Schneider, als Führer mit.
Der Aufbruch erfolgte um ^/^ll Uhr vormittags. Der Weg führt
östlich über S toll ho f, das tief zu Füßen des Wanderers bleibt,
dem östlichen Fuße der Wand entlang, gegen den über dem Ramhof
gelegenen Hogen Graben.
Auf dieser Wegstrecke wird eine große fensteraitige Ver-
tiefung in den Felsen der Wand gezeigt, welche die Sonnenuhr
heißt, da die umwohnenden Landleute aus der Länge des Schattens
und dessen Fortschreiten in der Nische genau die Tageszeit angeben
können.
Nicht weit von der Sonnenuhr passierten wir die vomerwähnten
Schuttkegel, und lassen eine Schlucht links, die darum unsere Auf-
merksamkeit fesselt, weil vor etwa 14 Tagen ein Mädchen, welches
dem Stollhofner Viehhirten gehörte, ober dieser Schlucht auf der
Wand das Vieh hütete und am Fuß derselben als Leiche von der
Tochter unseres Wirthes aufgefunden ward.
Der Weg windet sich nun in immer kürzeren Serpentinen an den
Felsenhängen hinan; theilweise gelangt man durch prachtvolle Nadel-
hölzer, wo am Wege das im violetten Glänze stralende und fein duftende
Cyclamen europaeum aus dem schattigen Boden heraus lugt; die Aus-
^°) Diese Benennung des Grabens fand ich nur angegeben auf dem Plan
der Gegend -in der Neuen Well". 1"«200^
'^) Der in »Weidmannes Alpengegenden«, Seite 79, anempfohlene
Führer Dorf meist er ist längst verstorben.
319
sieht auf die Neue Welt ist lohnend, wird aber noch durch den
Emmer- und Mitterberg gehemmt, um auch das Steinfeld frei fiber-
sehen zu können ; wir müssen uns ffir jetzt mit dem reizenden Anblick
der Burg Emmerberg begnügen.
Unsere Aufmerksamkeit wird auch in Ansprncli genommen dui-ch
die hier über die Felsen der Wand primär gelegten Holzriesen; 5 bis
6 Föhrenstgmme zusammengefügt, bilden eine lange ununterbrochene
Rinne, welche über die Felsen der Wand gelegt ist und worin das
hineingeworfene Holz zu Thal geht.
Die H ü 1 1 e 1 n oder die W i e s e r 'sehen Häuser sind von Mayersdorf
in einer Stunde erreicht und wir wandeln von hier aus schon am plateau-
artigen breiten Rücken der Wand, größtentheils im Schatten pracht-
voller Tannen und Föhren, welche im saftigsten Grün prangend, unser
Auge erfreuen.
Unser nächstes Ziel ist das Jägerhaus, auf dem Wege zu diesem
machten wir aber einen kleinen Abstechej:, um einige der Höhlen zu
besehen, an welchen die Wand überreich ist.
Sie besitzt deren gegen 30, die wichtigsten und größten darunter
sind das Wind loch und das Gypsloch, die beide von einander nicht
weit entfernt und etwa eine gute Viertelstunde vom Wieser'schen Hause
liegen.
Der Weg führt, um vorerst das Windloch zu besuchen,
im Waldesschatten anmuthig dahin; wenn wir uns aber allzuviel von
der Herrlichkeit der Höhle versprochen haben, so sehen wir uns
in etwas getäuscht, denn die Höhle ist derzeit nicht zugänglich; wir
sahen eine 4 — ö^ breite konisch zulaufende Oeffnung im Boden vor
uns, deren Wände ziemlich steil in die Tiefe abfallen, die aber etwa
3 Klafter unter dem Rande mit Baumstämmen verrammt ist. Der
Name rührt von dem darin herrschenden Luftzuge her, auch
will man das Rauschen von Wasser aus der Tiefe vernommen haben.
Der Gang zu dieser Höhle würde sich nicht lohnen. Interessanter ist
das sogenannte Gypsloch, welches man von hier in einigen Minuten
erreicht. Der Zugang, 1 — IVa^ breit, senkt sich auf einem steilen Pfad
in die Tiefe. Unten angelangt, zündeten wir eine Kerze an und über-
sahen einen domartig gewölbten bei 3^ hohen Raum. An der Innern
Wand führt ein niedriger, etwa 90 Schritt langer Gang in eine wenig
geräumige Zelle, wo sich in einer beckenartigen Aushöhlung durch-
sickerndes Wasser sammelt. Die Leute nennen es Bründl. Vom £in*
gang der Höhle bis zum Bründl zählen wir 130 Schritte. Vom Wieser*-
schen Hanse bis zum Gypsloch bedarf man eine halbe Stunde an Zeit.
Wir lenken nun unsere Schritte fort im Walde dahin schreitend zur
820
langen Wiese, die wir in einer Yiertelstande erreichten and vor der
wir noch eine kleine Matte die sogenannte kurze Wiese fiberschritten
hatten.
Auf der langen Wiese befindet sich beiläufig in der Mitte
eine muldenförmige Bodensenkung, deren oberer Durchmesser 1%^ beträgt,
von der uns der Führer erzählte, dass die Leute einst eine Grans und
Ente hineingetrieben hätten, die bei Fischau wieder zu Tage kamen,
und damit soll die unterirdische Communication der Grewässer con-
statiert sein.
Weidmann erzählt ähnliches nur mit dem Unterschiede, dass
die genannten Thiere in das Windloch hineingejagt wurden.
Die vorgenannte £rdsenkung, auf der langen Wiese, welche die
Form einer Karstdoline hat, ist derzeit beinahe ganz mit £rde aus-
gefüllt, sowie das Windloch mit Baumstämmen; überhaupt klagte der
Wirt in Mayersdorf, dass äußerst selten ein Fremder die Wand
besteigt, deshalb ist auch alles oben vernachlässigt, die interessanten
Höhlen sind zugeworfen, zu ihnen führen keine gebahnten Wege,
nicht einmal Fußsteige bemerkt man dahin und ohne Führer ist dem-
nach die Wand gar nicht zu begehen.
Die Wirte sind des schwachen Gebirgs-Besuches halber nicht auf
Fremdenbesuch eingerichtet und man erhält außer Wein, Brod und £i
keine Lebensmitteln.
Von der langen Wiese kommt man den Pfad aufwärts verfolgend,
an einigen neuen Hütten vorüber und nach ^/^ stündigem Wandern
zur Völler in, einem Aussichtspunkte auf der Ostseite der Wand
gerade über Mayersdorf gelegen, von wo sich dem Touristen eine
überraschend schöne Rundschau eröfi^et. Zuerst wird das Auge von
dem reizenden. Bilde gefesselt, welches der Anblick der zu des Be-
schauers Füßen liegenden Neuen Welt bietet, über die östlichen
Thalränder dieser, darunter den Emmerberg mit der prachtvollen
Ruine, gleitet der Blick in voller Freiheit über das Steinfeld nach
der alten Neustadt, von der die Pfarrkirche und die alte Kaiser-
burg aus der Häusergruppe imposant hervorragen, ebenso freundlich
blicken uns Neunkirchen und noch viele andere Ortschaften, Weiler,
Gehöfte und Kirchen entgegen.
Den Horizont begrenzt im Osten das Rosalien- und Leitha-6e-
birge; nur die Aussicht auf den Schneeberg war unvollständig, weil
ein dichter Nebel im Verlaufe der ganzen Partie sein breitet Haupt
einhüllte, als wollte er uns dessen Anblick grollend entziehen.
Von der Völlerin bis zum Jägerhause braucht man % Stunden«
Der Weg führt über die lange Wiese wieder zurück im Dunkel
321
der Tannen und Föhren meist längs der aus kolossalen Baamst&mmen
heii^estellten Einfriedigung des Hömsteiner Thiergartens '^; dahin. In
dem Rayon dieses Thiergartens, in welchem der Gipfel des Brom-
herges eingeschlossen ist, werden Mooflons and Steinböcke gehegt, die
wir mittels Feldstecher mit Muße betrachten konnten.
Nach ^,'4 stfindigem Marsche gelangten wir zum Jftgerhause, welches
auf der nördlichen Abdachung des Bromberges dicht am Thiergarten
liegt; an dasselbe reiht sich ein kleineres Wirtschaftsgebäude an. Das
Jägerhaus ist im geschmackvollen Schweizerstyle gebaut und an der
Vorderfront mit zahlreichen Jagdemblemen geziert, vor dem Hause
breitet sich eine kleine im saftigsten Grün prangende Alpenmatte aus.
Hier wohnt der im Dienste des Erzherzog Leopold stehende Jäger,
welcher die Jagd auf der Wand besorgt.
Wir nahmen in der Veranda Platz und genossen mit Entzücken
die schöne Aussicht, welche sich von hier auf den 2892' hohen Eressen-
berg und den diesen überragenden 3114' hohen Mandling eröffiiet.
Die Lage dieses Jägerhauses ist jedenfalls idylischer als diejenige des
bei Baden am Wege gegen das Eiserne Thor stehenden.
Nachdem wir uns an den Reizen der Natur gelabt, nahmen
wir die innere Einrichtung des Gebäudes in Augenschein, in der Mitte
beim Eingange die Küche, rechts 2 Zimmer des Försters, an den
Wänden mit einer reichen Auswahl von Gewehren geschmückt, links
ebenfalls 2 Gemächer, davon eines für den Erzherzog, wenn er hier
Jagd hält.
Nach zweistündiger Rast brachen wir auf und erreichten in einer
Viertelstunde die kleine Kanzel, einen Aussichtspunkt im Westen
der Wand ins Miesen- und Dürrenbach-Thal.
Der Schneeberg, der von hier aus sichtbar sein sollte, war voll-
kommen verhüllt. Die Rundschau von der kleinen Kanzel ist nicht so
mannigfaltig, als die, welche man von der Völlerin aus genießt und
mahnte mich sehr an die vom Eisernen Thore bei Baden.
Von der kleineu Kanzel wird der Weg zur großen Kanzel
m einer 7« Stunde zurückgelegt, wir durchstreiften wieder die duftigsten
Nadelholzwaldungen und trafen auf viele Waldparzellen, wo die Stämme
in der Mitte förmlich geknickt, mit der Krone trauernd nieder-
hängend und theilweise schon verdorit waren; auf meine Frage be-
deutete uns der Führer, dass diese Verwüstungen von den im Winter
anfliegenden Schneemassen verursacht werden.
'') Dieses umfangreichen Thiergartens wird iu den von mir durcbgese-
henen und citierten Werken nirgends Erwähnung gethan.
GMCnphiicha MütheUiui^n. 1870. 7. 21
822
Sowie allenthalben auf dem Plateaa der Wand kamen wir aiidi
hier vor Kalköfen und Stellen vorfiber, wo die schönsten Tannen g^lit,
in Masse den Boden bedecken nnd an Ort and Stelle ihrer Binde zam
Behafe der Lohe beraubt werden.
Die große Kanzel, sowie die meisten von ans hier geschildertsen
Punkte, sind in der erst kürzlich herausgegebenen Umgebungskarte von
Wien (l''=()00^) ihrer örtlichen Lage nach nicht bezeichnet, ich
fixierte demnach beflftufig mittels Boussole die Lage der großen Kanzel
auf die Karte und gelangte zum Resultate, dass diese gerade Aber
Zweyersdorf sich befinden müsse, das heißt am äußersten Südostrande
der Wand. Die große Kanzel liegt ihrer örtlichen Lage nach anf
einem schmalen 1" breiten Rücken, welcher konisch zul&uft und an allen
3 Seiten mit mächtigen Abstürzen auf die Vorheize der Wand fiült,
demzufolge befinden sich zu beiden Seiten tiefe Schluchten. Den Namen
erhielt ein mfichtiger Felsblock, welcher dergestalt am Äußersten Ende
des Rückenvorsprunges gelagert ist, dass man bis zur Brust durch
denselben gedeckt wird, und ihn als Armstfltze wie die Brustwände
der Kanzel benutzen kann. Schon die entzückende Aussicht, welche
man von diesem Punkte der Wand genießt, verlohnt den Aufstieg.
Nebst dem Panorama, welches sich unseren Blicken schon von
der YöUerin darbot, sehen wir nun auch die Berge, Gründe und
Orte, die sich an der Südseite der Wand befinden und vor allem äußerst
anmuthig gruppiert die Orte Grünbacb, Ober- und Unter-Höflein und
Kirch-Bügel.
Der Abschied von dieser wundervollen Ausschau wurde uns schwer,
endlich mußten wir uns zum Aufbruche entschließen.
Zwischen zwei Wegen hatten wir die Wahl zum Abstieg, u. z.
entweder nach Grünbach oder nach Mayersdorf über den Lattergraben,
wir wählten letzteren und hatten es nicht zu bereuen.
Um 5 Uhr nachmittags verließen wir die große Kanzel und
wandten unsere Schritte dem Lattergraben zu, wir umgingen dessen
Ursprung an der Nordseite, fort durch wirres und dichtes Riedgras
schreitend. Der Boden ist mit großem scharfkantigen KalkgeröUe über-
säet, dass man der Höhe des überwuchernden Grases wegen nicht aus
sieht aber desto fühlbarer an sein Dasein gemahnt wird; ich machte
den Führer aufmerksam, lieber den Abstieg in der Thalsohle des Grabens
zu versuchen, was auch mit geringeren Beschwerden gelang.
Der Lattergraben ist an seinem Ursprünge ziemlich breit und
verengt sich allmälich, bis zu dieser Verengung ist er des Wald-
schmuckes beraubt und nur mit Gestrüpp bedeckt
828
Ton der Verengiing an tritt aber kahler Fels auf und bildet in
Zickzackform eine kaum P breite Thalschlncht, die mit einem 2®
tiefen beinahe senkrechten Absturz auf eine kleine grünende Matte fällt
and diese erst stfirzt mit schroffen Wänden als eigentliche Wand in
die Neue Welt ab.
Diese Thalschlucht führt seit ab vom Lattergraben, dient zum
Fortschaffen des Holzes und ist für Fußgänger nicht practicabel. Wir
ließen sie rechts liegen und stiegen wieder die Felswände hinan. Rechts
von dem genannten Abstieg findet sich eine geräumige Grotte, von
einem Fels wie Ton einem Schirm überspannt. Sie scheint von den
Hirten als Unterstand während des Wetters benützt zu werden.
Bis hieher war der Abstieg mit kleinen Schwierigkeiten verknüpft
und es kann höchstens auf dem kantigen Kalkgerölle eine kleine Ver-
stauchung eintreten; von der Schlucht aber bis zum Thalboden der
Neuen Welt, also über die eigentliche Wand ist dieser Weg nur dem
gewandten Steiger zu rathen, der vollkommen schwindelfrei ist.
Den Lattergraben fand ich in den, oben citierten Werken nirgends
erwähnt und folglich auch nicht die Beschreibung eines Abstieges in
demselben. Ich halte aus diesem Grunde es für meine Pflicht diesen
interessantesten Theil der Hohen Wand jedem Freunde der Gebirgs-
kunde recht warm zu empfehlen.
Der Lattergraben ist im ferneren Verlauf mit schroffen Felswänden
eingefasst, an welchen hin und wieder eine Tanne oder Föhre den kühnen
Versuch wagt Wurzel zu fassen. Der enge Thalboden und zum Theil
auch die selben einschließenden Wände sind mit Geröll und Schutt von
beinahe gleichen Dimensionen förmlich fibersäet, so dass man in Versuch
käme, zu glauben, dieses Gerolle sei künstlich verkleinert worden um
piT Straßenbeschotterung zu dienen. Wir haben es aber hier mit der
Wirkung der Naturkräfte zu thun, denen auf dieser Welt nichts zu wider-
stehen vermag. Von einem sicheren Abstiege kann unter diesen Umständen
keine Rede sein, mit jedem Schritte, den wir machten, rollte eine
Schattlawine, durch unseren Auftritt in Gang gebracht, im Graben
thalwärts; es war gerathen, dass wir drei, der Führer, ich und mein
Gef&hrte je 15 Schritte von einander entfernt den Weg fortsetzten;
über eine der geföhrlichsten Stellen führt eine aus 10 — 15 hölzernen
Stufen hergestellte Stiege und hierauf hat man einen Ort zu passieren,
wo anbedingte Schwindelfreiheit erforderlich ist, weil es an dem
oberen Rand einer wilden muldenförmigen Schlucht auf kaum fuß-
breiten Steig hinweggeht.
Ueber diese gefährliche Stelle hinaus gelangten wir in unzähligen
Serpentinen die Fölsabsttlrze der Wand hinunter. Jetzt erst vnirden wir
21*
324
gewahr, welche bedeutende Höhe wir erklommen hatten, und welche
schwierige Hindemisse die Wand an der Ostseite der Berg- und Thal-
fahrt entgegengesetzt.
Von unten war hoch oben in der nördlichen Thalwand des Latter-
grabens die Oeffnung einer Höhle sichtbar; etwas unterhalb derselben
am entgegengesetzten Rand des Grabens eine zweite in einer Felsen-
spalte.
Unser Führer, der sich im Verlauf der ganzen Fxcursion als ein
findiger, gewandter Mann bewährt hatte, ließ es sich trotz unseres
Abmahnens nicht nehmen die letztere, die zwei comunicierende Oeff-
nungen hat, zu erklettern, umsomehr als hier Menschengebeine zu finden
sind, wahrscheinlich einstigen Thalbcwohnern angehörend, die sich zur
Zeit der Türkeninvasion hieher geflüchtet hatten.
Am Fuß der Wand fanden wir die ersten Quellwflsser auf der
ganzen Partie.
Um ^1^7 Uhr Abends kamen wir in Mayersdorf wohlbehalten an,
und erreichten von dort zu Fuß weiter wandernd um ^j^ 10 Uhr Nachts
Neustadt.
Geographische Literatur.
The Magyars, their country aud institutions. By Arthur
J. Patterson. 2 Vol. London. Smith, Eider & Cp 1869.
Ein ßuch über Ungani von einem Eugiäuder ist für uns scheu an sich
eine interessante Erscheinung. Bei dem vorliegenden kommt noch hinzu, dass
der Verfasser nicht al» flüchtiger Tourist spricht, sondern die Erfahrung
mehrerer Jahre, die er in Ungarn und im Kreise seiner Bewohner zugebracht,
in seiner Schilderung abspiegelt. Mit welcher Verwahrung dies geschieht, hat
er im Vorworte dargelegt, das uns zur Würdigung seiner Arbeit beachtens-
wert erscheint.
••Es wäre,- sagt er, mehr als Zauberei, behaupten zu wollen, dass icb
nicht unter den Ungarn selbst viele Leser und noch mehr Kritiker erwarte.
Darum mui) ich vor allem bemerken, dass mein Streben dahin gieng, wahr
und unparteiisch zu sein , und wenn ich gelegenheitlich in die Erörterung von
Mängeln eingieug, dies gewiss nicht mit ungünstigem Vorurtheil geschah. Mein
Buch enthält nicht Thatsachen, die vorsätzlich anders dargestellt wurden, wie-
wol es ohne Zweifel manchen unwissentlichen Irrthum enthalten wird. Ich
suche meine Entschuldiguug in den Schwierigkeiten, denen sich auch der
unparteiischeste Beobachter nicht entschlagen kann , wo es sich um die Auf-
fassung und Schilderung eines fremden Volkes handelt
Zugleich bemerke ich, dass das buch nicht iOr -ungarische , sondern flir
englische Leser geschrieben ist. Rücksicht auf den Raum machten es nöthig,
aus dem gesammelten reichen Material eine Auswahl zu treffen. Ich hoffe, dass
sie mit der entsprechenden Rücksicht auf die verschiedenen Klassen englischer
Leser getroffen sei, welche ein Land kennen zu lernen wünschen, das durch
die Ereignisse der neuesten Zeit eine erhöhte Bedeutung gewonnen bat.
Indem das Buch die Ergebnisse von Reisen und sorgfältigem Studien
während eines längern Aufenthalts zusammenfasst, so dürfte es schätzbare
Fingerzeige für den Touristen enthalten und in gleichem Ma0e belehrend fdir
jene sein, welche sich zu Hause mit neuen Formen socialen und politischen
Lebens bekannt machen wollen.
32o
Wo ich nicht aus persönlicher Anschauung und aus der Erfahrung im
Verkehr spreche, sind meine Daten im allgemeinen von vertrauenswerten Ein-
gebomen geschöpft, während ich mich zugleich aus frühem Werken über
Ünffpam» sonrol englischen als fremden, zu orientieren strebte. Der Leser wird
Beziehungen zn den Arbeiten von Paget und Boner finden, theils wo ich
ihnen zustimmen, theils wo ich von ihnen abweichen muß. Eben so wertvoll
waren für mich die Arbeiten von de Gerando und die vorzQgliche Abhand-
lung über den ungarischen Ackerbau von Dr. Ditz. Endlich fühle ich mich
den zahlreichen Freunden in Ungarn zu Dank verpflichtet, die mich theils
gesprächsweise, theils im Briefwechsel bei der Abfassung des Buches unter-
stützt haben.«
Nach dieser Auseinandersetzung des Verfassers glauben wir unseren
Lesern, wenigstens jenen, die Ungarn kennen, am besten zu dienen, wenn
wir anstatt einer kritischen Besprechung das Urtheil folgen lassen, welches
ein Engländer (H. G.) im -Athenaeum vom 15. Jänner« eingehend und für uns
sehr bedeutungsvoll über das Buch seines Landsmanns ausspricht.
»Die Erwägung, dass Ungarn einen wichtigen Gegenstand zu einer
politischen Studie darbietet, veranlasste Herrn Arthur Patterson, das Land
in verschiedenen Zeiträumen dreimal zu bereisen und zuletzt beinahe zwei
Jahre dort zu verweilen. In seinem Buch beschränkte er sich bei weitem
nicht auf die Benützung der gewöhnlichen Quellen, sondern war in vollem
Maße bedacht, seine Angaben aus erster Hand zu erhalten, was natürlich
ohn« Kenntnis der Landessprache, um sich in der Conversation leicht zu be-
wegen, nicht möglich gewesen wäre. In dem Mangel an Kenntnis der Landes-
sprache liegt vornehmlich der Grund zu irrigen Ansichten über ein fremdes
Land. Abhängig von Mittheilungen in einer fremden Sprache kommt der Rei-
sende mehr als einmal in die Lage, seine Erfahrung aus unlauterer Quelle
zu schöpfen. In Ungarn insbesondere gefährdet den Engländer leicht die Be-
rührung mit der deutschen Partei, so wie in der Türkei mit den Griechen und
Levantinern. Herm Patterson war es bei der Erlernung der Localsprache
nicht nur darum zu thun, sich einen Dolmetsch zu ersparen, sondern insbe-
sondere, unter den Eingebornen heimisch zu werden. In weniger besuchten
Ländern wird es dem Fremden ^sehr hoch angerechnet, dass er einen Wert
darauf legt, sich in der Landessprache auszudrücken und man sieht es ihm
gerne nach, wenn er noch so wenig davon kann und versteht. Natürlich, man
will mit ihm plaudern, und wenn er etwas enthusiastisch ist, so lassen seiue
bewundernden Freunde sich die Mühe nicht verdrießen, ihn zu ihren eigenen
Ansichten zu bekehren, wobei nicht selten die politische Opposition auf Kosten
der Wahrheit geltend wird. Jedes Volk hat gleich uns Engländern eine ge-
wisse conventionel.e Weise, seine politischen und socialen Eigenthümlichkeiten
vor dem Fremden in ein günstiges Licht zu stellen, die man nicht anwendet,
wenn er abwesend ist. Darum ist es für ihn auch so schwer, die Wahrheit zu
erfahren, wenn er nicht längere Zeit im Lande wohnt und als ein Bekannter
betrachtet wird oder in die Lage kommt, unerkannt ein zufälliges Gespräch
anzuhören. Versteht er aufzumerken, so hört er im Gespräch oft mehr, als
ihm eine lange und eingehende Erörterung bieten kann.
Herr Patterson erfreut sich offenbar der Vortheile seines Strebens und
kann für seine Beobachtungen den Ausspruch macheu, dass sie nicht nur den
jüngsten Stand der Ereignisse bezeichnen, sondern auch, dass die von ihm
dargelegten Ansichten über die herrsdiende Nation, die Magyaren, aus ihnen
selbst geschöpft sind. Darin liegt zugleich der Vortheil vor seinen Vorgängern
ood dass er in allem Vertrauen erweckt. Herr Bon er ließ in seiner sonst
höchst verdienstlichen Schilderung von Siebenbürgen etwas zu stark den Rath-
geber der Ungam mit deutscher Parteifärbung herausblicken, wiewol auch
zugegeben werden muß, dass seit Boners Buch die ganze politische Lage eine
andere geworden ist. Uebrigens schreibt Herr Patterson durchaus nicht mehr
in magyarischen Sinn als Herr Paget, dessen Buch viele Jahre früher ge-
schrieben wurde.
Mit Recht nimmt Herr Patterson die Aufmerksamkeit für den Umstand
iu Anspruch, dass die Ungarn im Augenblick die herrschende Partei sind, und
dass in iiirer Hand die Geschicke Oesterreichs, vielleicht des Orients liegen.
326
Bei diefler politischen Sitnation ist es von hohem Wert, dieses Volk richtig
and namentlich aus seinen eigenen Aenßerungen zu beortheilen, da mu
Engl&ndern mit ROcksicbt auf Indien ein besonderes Interesse auf die Politik
des Orients hinlenkt. Die Kämpfe in Ungarn bieten zugleich ein wichtiget
Material fbr das Studium des constitutioneflen Regime's.
Ohne Zweifel muß in diesem Augenblick eine Arbeit, wie die HeiTB
Pattersons, die Aufmerksamkeit bedächtiger M&nner auf sich ziehen, and da
sie notbwendig einen Leitfaden abgeben soll, so ist der Wunsch gerechtfertigt,
fiber die Frage ihrer Vertrauenswardigkeit uud in wiefern sie dem Politiker
sichere Anhaltspunkte gibt, im Klaren zu sein.
Herr Patterson bietet qine Masse von authentischem Material, das nat^
besoodern Umständen auf die oben bezeichnete Art gesammelt wurde und
nebenbei viel aus den veröffentlichten Quellen. Das Ganze ist mit Geschick
und Umsicht behandelt, wie es sich bei einem Manne voraussetzen Usst, der
eine wertvolle Erfahrung aus dem Westen von Europa und aus den ver-
einigten Staaten hinter sich hat. Dass wir aber mehr als irgend wer, in
Fragen der hohen Politik des voi sichtigen Urtheils bedürfen, zeigen die An-
sichten über Ungarn, bei denen Herr Pattersou selbst in manchen wichtigen
Punkten nicht ganz im Klaren zu sein gesteht Lassen wir es dahin gestellt,
dass er richtig schildert, ganz gewiss wurde er durch die Uebercinstimmong
vieler Personen geleitet, durch die Ansichten, die zu dieser Zeil allgemein
geltend waren uno eine weite Verbreitung hatten.
Man kann Ungarn gleich der Türkei ~ im jetzigen Augenblick vielleicht
mehr als die Türkei — als eiu großes Ueispiel für das Problem der Natio-
nalitäten aufstellen. Die vornehmste bilden die Magyaren selbst, aber sie
fassen nicht die Hälfte der Bevölkerung. Von den andern sind dieRnm&nen
am zahlreichsten uud sie gränzen mit ihren Brüdern in den Donaufürsten-
thflmern. Im Norden und Süden sitzen die Slaven, wieder zunächst an ihre
Landsleute außer Ungarn gränzend. Zerstreut im Lande wohnen Deutsche
in Städten und Dörfern. Die Slaven stehen jetzt thatsächlich unter der russi-
schen Propaganda, die Rumänen unter der des neu lateinischen Reiches; und
indem die Magyaren ihre Sprache und Einrichtungen zur Geltung zu bringen
streben, sind sie rings von Feinden umgeben. Sie haben den Oesterreichem ihr
Königreich Ungarn abgerungen, aber die Slaven und Rumänen beanspruchen
nationale Unabhängigkeit und stützen sich in ihrem Streben auf die große
Üevölkerung außerhalb der ungarischen Gränzen.
Bei der Behandlung dieser Fragen geht nun Herr Patterson von dem
Gesichtspunkte aus, dass die Nationalität unterdrückt und der Einfluss der
Race so viel wie möglich geschwächt werden mQße. Er lässt sich in dieser
Absicht beinahe bis zur Polemik gegen jene verleiten, die nicht dieser Ansicht
sind; aber man kann es ihm für seine Person nicht als Fehler anrechnen, wo
er irrigen Deductionen das richtige entgegenstellt. Er legt das Hauptgewicht
auf die geographische Lage und die Staatseinrichtung; diese seien
es, welche auf Nationen und Gemeinwesen den größten Einduss üben, während
die Wirkung der Race dabei gar niclit in Betracht komme. Die Art, wie er
sich darüber ausspricht, wird gewiss bei vielen Billigung finden; aber seine
Darlegung ist nicht überall so überzeugend, um andern, und namentiich uns,
den Zweifel an der Richtigkeit zu benehmen. Augenscheinlich ist er von
gewissen Ansichten vorweg eingenommen, und in einem Lande voll von reinen
und gemischten Racen, wie es hier zum Studium vorliegt, mag wol auch die
Schwierigkeit des Gegenstandes oder ein Mangel in der Kenntnis der mensch-
lichen Natur nach ihrer physischen Beschaffenheit einen Irrtham
entschuldigen. Gesteht doch der Verfasser selbst zu, dass er sich auf das
Studium der Rumänen nicht eingelassen habe; offenbar fehlte ihm dazu auch
die Bekanntschaft mit einem andern ethnographischen Beobachtungskreis in
Südeuropa und auf dem westiichen Festland, was zur Klärung der hier vor-
waltenden Verhältnisse driugend notbwendig gewesen wäre.
Der Verfasser leitet seine Darstellung größtentheils von den ethnologi-
schen Erscheinungen auf unsern britischen Inseln ab, wo diese aller-
dings viel Stoff zur Betrachtung darbieten. Allein er beachtet nicht, dass
sie überhaupt noch za wenig erforscht sind und daher verschieden aofgeftnt
327
Verden, so dass sich daraus noch bei weitem nicht ein sicherer Schluss ziehen
läaaL Den Umstand, dass bei uns Wälsche, Iren und Schotten beisammen
wohnen, nimmt er als Beleg für die ADsicht, England habe eine Bevölkerung
von gemischter Race. Darin liegt aber nicht nur ein Yorurtheil an sich,
soDdem die Ethnologie der jüngsten Zeit hat es bei weitem noch nicht als eine
aufgemachte Wahrheit anerkannt, und somit lässt die Anwendung auf unsere
Inseln sich weder historisch noch statistisch und wissenschaftlich vertreten;
and wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, die Verhältnisse zu verwirren, so
scheint es besser, auf seinem Felde von einer Beziehung auf unsere Inseln
ganz abzusehen.
Die Magyaren, soweit man ihrer eigenen Meinung nachgeht, gehören
dem ngrisch-tatarisch en Stamme an und stehen somit in nächster Ver-
wandschaft mit den osmanischen Türken. ludem nun der Verfasser .sich
bemfiht, diese Ansicht durch Gegengründe zu entkräften, widerstrebt ihm
angenscheinlich die Verwandtschaft mit einer Eace, die er nicht aus eigener
Beobachtung kennt und die ihm nicht nur im allgemeinen auf niedriger Stufe
steht, sondern auch insbesondere niedriger als die Magyaren. £r nimmt darum
f&r seine -Begünstigten eine Verwandtschaft mit den Finnen in Anspruch,
die schon darum achtungs würdiger seien, als die Türken, weil sie eine poetische
Literatur haben, und denen man es als ein besonderes Verdienst anrechnen
mflße, dass sie zu den schwedischen Heeren dereinst immer ein beträchtliches
Contingent gestellt haben.
Scharfsinnig erörtert er die für seine Ansicht sprechenden Gründe,
namentlich dass die Magyaren das Bollwerk des Christenthums gewesen seien
und die Türken aus dem Lande geworfen haben, während er zugestehen muß,
dass damals die bedeutendste Kraft der Nation lange Zeit mit den Türken
eng verbunden war und dadurch die Entwicklung des Protestantismus am
meisten gefördert hat. Er ist ofTenbar in Verlegenheit, was er mit dem Tu-
ran'schen Volksstamm in Europa anfangen soll; und wenn er seinen Magyaren
schon den turanischen Ursprung zugestehen muß, so scheint er geneigt,
ihren jetzigen Stand auf Rechnung des großen EiDÜusses zu schreiben, den
das lateinische Christenthum auf die Organisation der Bevölkerung geübt habe.
Indem er die wissenschaftliche Ansicht, dass Europa von Ariern bevölkert sei,
als die richtige festhält^ gehören ihm die Turanier weder nach Europa,
noch haben sie irgend einen Theil an der Civilisation dieses Erdtheils. Aber
wiewol die Türken als Turanier ihm als unfügliche Eindringlinge in Europa
gelten, kann er doch der Wahrheit nicht ganz aus dem Wege gehen , dass
anch die Turanier auf den jetzigen Bcstaud der Völker in Europa einen Ein-
flnss geübt haben.
Unter diesen Umständen wird zunächst die politische Frage zu ent-
scheiden sein, wie es möglich war, dass die iVlagyaren, als ein turanisches Volk,
ihre Eigenthümlichkeit unter civilisiertem treraeinwesen festhielten , und dann
ob sie als Turanier etwa dem Geschick verfallen sollen, vertrieben, unterjocht
und verschlungen zu werden. Unsere Ansicht darüber schöpfen wir aus der
Gegenwart wie aus der Vergangenheit.
Was zunächst die Vergangenheit betrifft, so muß mau von der aner-
kannten Thatsache ausgehen, dass eine der frühesten Givilisationen in Europa
die turanische war, dass diese der arischen vorher gieng und dass
Europa zu einer gewissen Zeit von einer turanischen Bevölkerung
besetzt war, was übrigens den Bestand von andern nicht arischen Stämmen zu
derselben Zeit nicht ausschließt. Die iberische Race kann man in Spanien,
Gallien, Italien, Griechenland und Kleinasien verfolgen. Für das Bestehen von
Turaniem geben die Basken in Frankreich und Spanien, jetzt lateinische
Christen, Zeugnis und ihre alterthümliche Sprache umfasst ein weites Gebiet.
In wiefern baskisches Blut im südwestlichen Europa vorherrsche, lässt sich
zwar nicht sicher entscheiden; aber sehr wahrscheinlich hat es ehemals süd-
lich und nördlich der Pyrenäen ein gutes Stück jenes Raumes eingenommen,
wo man nach der gewöhnlichen Ansicht keltische Bewohner hausen ließ.
Kun wenden wir uns zur großen Frage über die liguri sehen Völker.
Obgleich die Kenntnis dessen, was wir über sie wissen, noch sehr mangelhaft
ist, so nöthigt sie uns doch durchaus nicht, sie für Indo-Europäer zu halten,
82H
sondern gibt vielmehr Oberzeugende Gründe an die H*nd, das« sie Nicht-
Arier seien. Unter allen Umst&nden steht ein weites Hgnrisches Gelnet in
Norditalien, in der Schweiz und iu Sadost- Frankreich außer Zweifel, ond wir
haben sehr wahrscheinlich in Italien noch mehr von diesem Volke als ange-
nommen wird, möglicher Weise auch Abkömmlinge von Lignrem und Iberern
im westlichen Irland, wo sie den typischen Unterachied des Volks bedingen
und vielleicht auch in Wales.
Wenn M. Patterson an den Magyaren wahrnahm, dass sie nichts an
sich haben, was dem indo- europäischen Typus widerspräche oder mit ihm
nicht vereinbarlich wäre, so trifft ganz dasselbe bei den Basken und Li-
gurern zu, und man wird d<'nnoch zugestehen müßeo, dass diese und die
Masyaren wieder unter sich physisch und moralisch in manchem verschieden
sind. Indem Patterson dem magyarischen Volksstamm ein so großes Gebiet
zuweist, scheint er femer von der Ansicht auszugehen, dass die slaviscfa redenden
Bulgaren Turauier und mit den TQrkeu identisch seien. In Wahrheit aber
haben wir nur wenig Türken in Europa, denn die Mohammedaner in der
Türkei sind bei weitem nicht alle Türken, und nur die Türken in Bnlgariea
gehören zu den Turaniern. Im Norden und Nordosten von £uropa ist der
kleine Stamm der Lappen turaiiisch nach der Sprache, ursprünglich im Blnt,
ebenso der große Stamm der Finnen mit den zahlreichen als finnisch aner-
kannten Völkern und vielen andern, die nachgerade in Kuseland tufgiengen.
Im allg emeineu betrachtet, waren die turanischen Völker, indem sie
besiegt und unterworfen wurden, lange Zeit iu derselben Lage, wie die kelti-
schen vor wenig Jahrhunderten, und jetzt, nachdem die Kelten längst um die
Herrschaft gekommen sind, läset sich eine Vergleichung zwischen ihnen und
den jetzt herrschenden Völkern schwer herstollen. Aber man geht nicht fehl,
wenn man sie nach ihrer allgemeinen Fähigkeit jenen Gliedern des indo-enro-
päischen Stammes zuzählt, die in Wales, im schottischen Hochlande, in Irland
und Britanien noch vorhanden sind. Und eben so, scheint uns, werden die
Turanier mit den Basken, den Finnen und M sparen in eine nähere verwandt-
schaftliche Beziehui^ zu bringen sein. Bei den Türken haben wir ««s mit einem
noch herrschenden Volke zu tnun. und die Magyaren besitzen seit Jahrhunderten
eine Constitutionen e Staatsform, in deren Praxis sie mit den Völkern ger-
manischer Race wetteifern und die Völker romanischer Race weit hinter sich
lassen.
Im allgemeinen hat man also keinen Grund, den Turaniern UniUhigkeit
auf politischem Gebiete beizumessen, so dass man sie nicht als Glieder in der
Soßen Gemeinschaft der Nationen anerkennen sollte. Die Zähigkeit, womit die
agyaren, Basken und Finnen ihre constitutionellen Rechte wahrten,
bildet ein interessantes Capitel in ihrer Geschichte, in Bezug auf die Magyaren
hat dies Herr Patterson sehr lebendig dargestellt. Eben so wenig Grund ist
vorhanden, in pbysicalischer Hinsicht die Magyaren oder die Türken im allge-
meinen niedriger zu stellen. Einen wichtigen Beweisgrund bieten die Lappen,
die, wenn ihre Sprache finnisch ist, nothwendig einmal mit den Turaniern
müßen ein Volk gewesen sein. Jedenfalls werden wir am wenigsten fehl-
gehen, wenn wir sie, abgesehen von den Turaniern, zu don frühesten Völkern
zählen. Dann erhalten wir an den Ugro-Tataren einu Völkergmppe von reiner
physikalischer Beschaffenheit.
Mitßezug auf die magyarische Sprache hat Herr Patterson selbst dies mit
den ihm zugänglichen Materialien klar dargelegt. Die Beziehungen des Magyari-
schen zum Finnischen sind in der gelehrten Welt genügend erörtert; aber den
Beziehungen zum Türkischen, die doch die Magyaren selber erkennen, wird zu
wenig Ai&ierksamkeit zugewendet. Die Haupt- tmd gewöhnlichen Wortwurzeln
sind freilich selten gleich, ausgenommen in Wörtern, die bei den frühesten
turco- tatarischen Eindringlingen im Gebrauch waren und noch jetzt in Russland
zu finden sind. Aber der gemeinsame Ursprung und die Zusammengehörigkeit
bedarf keines Beweises, sie zeigt sich insbesondere bei Ausdrücken, die sich
auf das ländliche Leben beziehen. Gelehrte suchen nach Aehnlichkeiten im
Osmanli, im Türkischen und in Wörterbüchern; aber die Verwandtschaft mit
dem Magyarischen wird sich wol füglicher im Anatolisch-türkiBchen
und in all den Sprachen und Mundarten des Ostens finden lassen, die uns
329
noch so weoig bekannt sind. Dieser Gegenstand ist es, dem Professor Y&m-
bery insbesondere seine Forschung widmet und um dessentwillen er sich jetzt
mit den Sprachen der Dschagatai und Uiguren beschäftigt. Ganz gewiß stehen
die Grammatik der Magyaren, der Osmanen und der Turko-Tataren auf einem
ond demselben Gründe.
Damit erklärt sich mauches. Obgleich die Magyaren in keinem directen Ver-
kehr mit den Tfirken stehen, so )<Tnen sie doch leicht türkisch und lernen es nicht
nur sprechen, sondern auch schreiben. Sowol während der letzten Emigration,
wo die TQrkcl den Magyaren Schutz bot, als in frühern Zeiten des innigen
liflndnisses waren magyarische Offiziere in der kürzesten Zeit itlr türkische
Dienste geeignet und relativ behauptet der Magyar, Staatsmaun wie Bauer,
seine öffentliche und sociale Stellung in der Türkei so gut wie in der Heimat.
Dies itkhrt uns zu einer pmctischen Ansicht über diesen Gegenstand. Vielleicht
gehören die Magyaren weder zum ngrischen. noch zum turco-tatarischen Zweig
der ugro-tatarischen Kace, sondern vn treten einen alten, abgesonderten Zweig
dieser Race. Aber ^'\g haben, practisch genommen, so viel Aehnlichkeiten mit
den Osnianli, dass man sie unbedenklich in eine Stamroesbeziebung mit ihnen
setzen kann.
Ueberhaupt ist die ungarische Emigration in der Türkei ein Gegenstand,
den mau genau studieien und dem Verständnis nahe legen sollte, da er ge-
wöhnlich einer irrigen Auffasi^uug anheimfällt. W^ährend die Unterdrückungen
durch die l'ürken und der Kampf der Magyaren für das Ihristeuthum von
magyarischen Schriftstellern weitläufig behandelt wurden, zeigt uns Herr Patter-
son in der Geschichte der Begegnungen zwiscbeu Magyaren imd Türken die
Kehrseite der Frage. Beide Völker sind stolz, lieben die Unabhängigkeit und
sind einem unterthänigeu Verhältnis nicht zugethau, wie man es während der
Emigration zur Genüge wahrnehmen konnte. Aber jedes ist ein Volk von
politischer Fähigkeit, und darin besteht die Kraft, um einmüthig in enger
Verbindung zu handeln.
VtTenn das Großfürsteuthum Siebenbürgen während jeuer Epoche, die
man die protestantische zu nennen pflegt , so oft als Verbündeter gedient hat,
so wird das Königreich Ungarn wol in höherem Maße befähigt sein, einst
dasselbe zu unternehmen.
£he die Magvaren ihre politische Unabhängigkeit erlaugt hatten, richteten
sie ihre Blicke nach Osten. Ihre Flüchtlinge genießen in Constantiuopel eine
große politische Rücksicht und die Pforte begünstigt die ungarischen Pläne
ftr die Bahnen in Rumelien, so wie der Eisenbahnverkehr nach dem Osten
Too den Ungarn eifrig betrieben wird Kür Russland kann Ungarn keine Freund-
schaft fühlen, aber zum Anschluss an die Türkei neigt es stark hin. Kommt
dieser Anschluss zu Stande, so gewinnt Ungarn einen Rückhalt auf seiner
meist bedrohten Seite und auch die Türkei wird stärker. Rumänien, das von
Bussland so viel zu fürchten hat, wird unter dem Schutz von Ungarn uud der
Türkei uud imBündnisse mit diesen sicher oder — man wird es dazu zwingen.
Den slavischen Nationalitäten wird man ihre Autonomie gewähren, wenn sie
anfhören, ihre Blicke nach Kussland zu richten; denn sie sind nur als Feind
der nationalen Unabhängigkeit zu fürchten. Auch die Serben, von Russland
abeeschlossen und von Ungarn und der Türkei in die Mitte genommen, werden
uai an ihrer nationalen Entwicklung gern genügen lassen und ihre Literatur
wird die Sympathie für Russland paralysieren. Was endlich die Bulgaren be-
trifft, so ist unter diesen Umständen mehr als wahrscheinlich, dass sie mit den
TOrken verwachsen.
Auf diese Art würde längs der südlichen Gränze zwischen Russland und
und Persien sich eine polititische Schranke kerstellen imd die Neigung zum
Vorwärtsschreiten erhielte in Persieu einen Vorschub, während in Ungarn, an
der antern Donau uud iu der Türkei die Entwicklung der municipalen Freiheit
und des socialen Fortschrittes am sichersten gefördert wird.
Darin liegt nach unserer Ansicht die mögliche Lösung der orien-
talischen Frage und auch die Aussicht auf die Lösung der gleichschwierigen
Nationalitätenfrage, mit welcher Herr Patterson zwar nicht zurecht kommt,
deren Behandlung aber durch sein Werk unstreitig mit einem wertvollen
Material bereichert worden.« B.
3S0
Vorläufiges Programm der Fragen,
die an das Comit^ des geographischen Oongresses zu
Antwerpen eingesandt wurden.
(Fortsetzung undSchluss.)
Schiffahrt. — Reisen. — Statistik. — Handel.
1. Man hat die Voraussicht ausgesprochen, dass der Ganal von Suez
einen völligen Umschwung in den Beziehungen fSuropa's zum fernen Orient
bewirken werde. Welches sind nun die Bedingungen, unter denen der Handel
von diesem neu eröffneten Wege den gehofften Nutzen ziehen kann?
2. Welche Stelle am Isthmus von America w&re als die günstigste zu
bezeichnen, wo sich ein Canal für große Schiffe durchführen lässt?
3. Unter welchen Umständen lieüc sich eine Colonisation von Nen-
Guinea zum Voi-theil fflr den europäischen Handel bewerkstelligen?
4. Es ist der Einfiuss festzustellen, den die geographische Lage des
indischen Archipels und insbesondere der Insel Java auf den Handel flbt.
Worin liegen die Vortheile für den Handel, die man sich von der Aenderun|
des bisherigen Colonialsystcms dieser niederländischen Besitzung verspricht?
5. Welche Mittel lassen sich in Vorschlag bringen, um Beisenden die
für geographische Forschungen nöthige Vorbildung zu geben. Ware nicht
vielleicht die Gründung besonderer Schulen für Reisende zu empfehlen?
Etwa mit der Einrichtung, dass der junge Mann im Gebrauch von Beobach-
tungsinstrumenten geübt wird, um geodetische und topographische Aufnahmen
zu machen, dass er sich mit den Naturwissenschaften zu diesem besondem
Zwecke befasst, in der Medicin und Chirurgie Kenntnisse sammelt, sich die
Fertigkeit aneignet, Inschriften abzunehmen und die wichtigsten Sprachen, so
wie überhaupt alles, was ihm zum leichtern Verkehr mit Völkern nothwendig
ist, zum Gegenstande des Studiums macht?
6. Wäre es nicht angezeigt, dass die Regierungen, um Forschungsreisen
zur Erweiterung der Erdkunde zu fördern, sich zur Aufstellung eines euro-
päischen Budget vereinigten?
7. Welche sind die besten Mittel, um sich tüchtiger und nützlicher
Arbeiter für die Colonisation zu versichern, und nach welchen Ländern müsste
man sie weisen?
8. Wenn in einigen Ländern die Handelsmarine zurückgeht, was ist die
Ursache? Und lässt sich von einem Volke behaupten, dass es für seine Wol-
fahrt sorgt, wenn es in der Pflege seiner maritimen Beziehungen l&ssig ist?
9. Welche Einrichtungen wären in Belgien wünschenswert, um die
Entwicklung des Handels und der Schiffahrt zu fördern?
10. Es wäre zu untersuchen, in wiefern der Besitz von Colonien und
andern überseeischen Nazionaleinrichtuugen zur Förderung eines st&tigen
Handels und vielleicht auch der Innern Ruhe der Staaten beitrage ?
11. Es wären die Rücksichten zu untersuchen und zu würdigen, die
England allmählich dazu gebracht haben, sein Colonialsystem zu andern und
einzelnen Colonien eine besondere Verwaltung zu geben?
12. Lässt sich daraus, wie dies zuweilen geschah, der Schluss ziehen,
dass es besser sei, keine Colonien zu haben? Welche Gründe sind es, die
man zuweilen gegen das Princip der Colonien geltend macht?
13. Es ist der Einfiuss zu bezeichnen , den die Dampfkraft, der electrische
Telegraph und die wichtigsten Einrichtungen der Neuzeit in der Marine auf
die Stellung der Völker zu einander geübt haben.
14. Wie ließe sich eine gleichmäüige Gesetzgebung fflr den Handel und
die Seefahrt herstellen?
15. Wäre es nicht möglich, dass man sich zu einem gleichen System
in Maß, Gewicht und Münzen vereinigt?
Sind Gründe vorhanden, die den Gebrauch einer einzigen Sprache
für den internationalen Verkehr wünschenswert machen?
Sollte man sich nicht Ober eine Einheit in wissenschaftlichen Maßen
verständigen?
331
16. Wire es bei Schiftihrtskarteii nicht vortheühaft, anstatt der Pro-
Metion Merkators eine Projection anzuwenden, die den Bogen des großen
Kreises durch eine gerade Linie darstellt?
17. Welche Verbesserungen wären an den Schiflfotelescopen ansnbrin^n,
namentlich um die geographische Länge mittels der Trabanten des Jupiter
tu bestimmen?
18. Wie ließe sich die Höhe der Sterne auf der See leichter bestimmen
und namentlich die Beobachtung der Sonnenhöhe bei wenig sichtbarem Horizont
möglich machen?
19. Der Telegraph spielt heut zu Tage eine grol^ Holle bei der Yer-
rieichnng der meteorologischen Beobachtungen und macht es möglich, die
Wahrscheinlichkeit einer Aenderung des Wetters zu bestimmen. Bis zu
welchem Punkt wäre es nützlich, die vom Admiral Fitz-Roy vorgeschlagenen
Signale zu berttcksichtigen ?
20. Haben die Cyclone des atlantischen Oceans einen Einfluss auf die
meteorologischen Verhältnisse des westlichen Europa, und bis wie weit wird
dieser durch das Clima jenes Oceans bedingt?
21. Welche Instrumente lassen sich angeben, die am Bord eines jeden
Schiffes als Inventar vorhanden sein sollen?
22. Welche Mittel lassen sich anwenden, um auf hoher See die Niveau-
unterschiede zu bestimmen, die durch das Spiel der Wellen, durch Strömungen
und Winde bewirkt werden?
23. Uebt der Mond einen Einfluss auf den meteorologischen Zustand
der Erdkugel ans?
24. Welcher Weg lieUe sich als der günstigste bezeichnen, um an den
Kordpol zu gelangen?
25. Es ist der Einfluss zu bezeichnen, den das Consulatswesen auf die
Handelsbeziehungen zwischen den einzelnen Staaten der Erde üben soll?
26. Durch welche Mittel könnte man zu einer allgemeinen Statistik
gelangen?
27. Durch welche Mittel könnte man am besten in den Besitz von
sichern Daten kommen, lim in Karten darzustellen:
1. Die Veränderungen in der Dauer des mittleren Lebensalters
der Menschen in verschiedenen Gegenden der Erde;
2. Die Gegenden, wo gewisse Krankheiten endemisch sind und
bis zu welchem Grade. Diese Karten könnten auch den Gang
der wichtigten Krankheiten anzeigen.
3. Die Veränderungen in der Volksdichtigkeit auf der Erdober-
fläche und vielleicht auch die Bedingungen ^Kosten) des Lebens-
unterhalts.
28. Es ist eine Statistik, namentlich die überseeischen Länder zu ent-
werfen :
1. Ueber das Verhältnis der Ausdehnung des cultivierten und nicht
cultivierten Bodens in den verschiedenen Ländern.
2.. Ueber die Ausdehnung der verschiedenen Arten des Anbaus.
3. Ueber die Ausdehnung der Wälder und zwar so viel als möglich
mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Holzarten und auf
ihren Gubikinhalt, insofern man eine gewisse Wald fläche als
Einheit annimmt.
29. Es sind neue Beobachtungen zu machen, um die Isothermen auf
den Karten, insbesondere auf den Continenten zu vervollständigen. Auf den-
selben Karten sind Linien für die gleiche Stärke des hygrometnsche^ Standes
der Luft auf der Oberfläche des Bodens und für die Kegenmenge in einer
bestimmten Zeit zu ziehen.
30. Es ist mit Rücksicht auf die verschiedenen Länder die Größe der
Arbeit zu bestimmen, die ein Mensch in einer gewissen Zeit leisten kann,
zum Beispiel das Verhältnis der Zahl der Menschen und der Zeit, die zu
einer gewissen Arbeit nöthig ist, im Vergleich mit 1000 Tonnen Kohle, die
man zu Tage fördert, oder mit der Erzeugung einer Tonne Eisen oder des
Maßes irgend einer andern Ware.
31. Um die Vollkommenheit der Maschinen in den verschiedenen Ländern
332
I
ZU beurtheilen, wird man die Menge der verbrannten Kohlen und die mecha-
nische Wirkung in Betracht ziehen müßen, die sich daraus ergibt.
32. Die Veränilening in dem Preise dor Waren zu bestimmen, so wie
sie sich ans der Verschiedenheit des Münzwertes ergibt.
Für alle Länder der Erde die Dichtigkeit der Berufsstände zn ermitteln,
des Militärs, der Marine, der ('ulto, der Kunst, der Verwaltung, der Gesetz-
gebung und Ausführung der Gesetze, des Unterrichts u. s. w.
38. Den Gang der vorzüglichsten europäischen Sprachen in ihrem
Streben zu verfolgen, wie sie allmälith in andern Sprachen aufgehen, sowol
in Eurojia als in den andern Krdth eilen.
C o s m o g r a p h i e.
1. Ließe sich nicht in dor Annahme eines ereten Meridians' eine I'eber-
einsthnmung erzielen?
2. Wi(? sollte man die Untersuchungen über die Meerestiefe, die Tem-
peratur des Wassers in den verschiedenen Tiefen, und über die Bedingungen
des Thierlebens in diesen Tiefen weiter fortführen?
3. Die besten Mittel zur lintersuchung der unterseeischen Strömungen
und die BeobachtungeiL zu bezeichnen, die zu (ii< sem Zweck nöthig sind.
4. Wio lieije sich bewirken, dass die Beobachtung «ier Höhe der Wogen
und der Tiefe, bis zu welcher sich die Bewegung der Meeresoberfläche er-
streckt, mit einem möglichst sichern Erfolg geschehen kann?
5. Es ist der Gang der Wellen im Ocean, insbesondere im pacihschen
und atlantischen Ocean zu l)ezeichuen.
6. Die Grümlo der rnregelmäüigkeit zu untersuchen, weiche die Wellen
insbesondere im pacitiscben Ocean zeigen.
7. Lielie sich nicht eine ^vollständige Schilderung der Bewegung des
Wassers in den vorzjiglichst en grolJen Flüssen geben?
8. -Welche sind die \ eränderungen des Golfs tro ms und was lässt
sich über die Ui-sache dieses Stromes sagen?
9. Gibt es am Nordpol ein eisfreies Meer, und worin besteht der Nutzen, den
die Wissenschaft aus der Erforschung der Polarmeei'e überhaupt ziehen kann?
10. Welches ist die mittlere Mächtigkeit der Schichten in den ver-
schiedenen Terrains nach der geographischen Lage? Wie ermittelt man diese
Schichten auf eine möglichst sichere Art?
11. Was sagt uns die Wissenschaft über die Lage von Torf, die sich
im Untergrund der belgischen und holländischen Küste vorfindet und über
die Senkung des Bodens entlang der Nordsee ?
12. Was wissen wir über die Bildung des Hont westliche Mündung
der Scheide/ und über die ersten Anfänge seiner Beschiifung?
Ethnographie.
1. Welche Ergebnisse haben bisher die wissenschaftlichen Untersuchungen,
die sich auf die Urgeschichte des Menschen beziehen ?
2. Lässt sich eine Stufenfolge in der größern oder geringern geistigen
Begabung der Menschenracen feststellen?
3. Wie steht heute die geographische Vertheilung der Menschenracen
und was lässt sich von dem Streben einzelner Kacen sagen, sich an die Stelle
anderer zu setzen ?
Notizen.
Aitr^^mlsehe Htrassen Im 28. Bericht Ober das Museum Francisco-
Carolinum in Linz (1869) gibt Herr Jos. Gaisberger bei der Beschreibung
von Römerfunden an verschiedenen Orten OberösteiTeichs eine treffliche Skizze
über den Bau der Strai^en bei den Körnern, der wir Folgendes entnehmen:
^Zur Zeit der Republik wie des Kaiserreichs waren es vorzüglich zwei
Einrichtungen, durch welche Rom die 'jüngsterworbenen Provinzen mit nach-
haltigem El folg vertheidigte und ohne Anwendung von Zwang allmälich mit
römischem Wesen befreundete (romanisierte) : Giündung von Colonien und
Anlegung von Heerstraßen.
Die sorgfältige Durchforschung der noch vorhandenen Reste altrömischer
Straßen lehrt, dass man dem StraUenbau große Aufmerksamkeit zugewendet
333
and es darin za einer Vollkommenheit gebracht hatte, die noch heute Stauneu
erregt. Vor allem war es die gerade Richtung, durch welche sich die
römischen Straiien kennzeichnen. Von dieser iieü man sich weder durch Niede-
rungen und Flosse, noch durch Berge und felsigen Boden abwendig machen.
D&mme und Brücken, Sprengen und Durchbohren des widerstrebenden Terrains
räumten die Hindernisse weg. Dazu kam eine Festigkeit des Baues, der durch
die übereinander gelegten compacten Schichten für die Ewigkeit angelegt scheint.
War die Richtung bestimmt , so wurde nämlich die ganze StralJenbreite
abgegraben, bis man anf festen Grund kam. Nachdem dieser noch fester ge-
stampft und geschlagen war, legte man mit Bruchsteinen der Umgegend, hori-
zontal oder auch vertical mit Kalk verbunden, die unterste Steinschichte.
Ueber diese kam eine zweite aus Lehm mit kleinen Steinen, Scherben und
Ziegeltrümmern zusammengeknetet; endlich dai'über eine wenigstens 6 Zoll
hohe Schichte von Sand und Kies, durch ein Cement aufs engste verbunden.
Diese übereinander ruhenden, oft 4 bis 5 Fuli hohen Schichten verliehen der
Stralie, wenn sie £beuen durchschnitt, eine dammartigc Erhöhung, die nicht
nur den Vortheil gewährte, dass der herandringende Feind schon von Ferne
gewahrt und vom höhern Standpunct leichter bekämpft wurde, sondern auch
die Stralie trocken erhielt, da ihre Oberfläche in der Mitte sanft gewölbt wai
und den Wasserabfluss erleichterte.
Die Breite der StraÜe war nicht gleich; sie nahm in der Nähe von
Städten und Orten mit regerem Verkehr zu, dagegen, wo sie durch abgelegene
Landstriche zog, ab. Als mittlere Breite nimmt man gewöhnlich 18 Fuß für
die unterste, 16 FuU für die oberste Lage an.
Solcher StraÜeu Bestimmung war — namentlich in den Gränzprovinzen —
vom Anfang her nicht eine vorwiegend friedliche, sondern vielmehr eine poli-
tisch-militärische; aus den nächsten Lagerplätzen und aus dem Innern des
Reichs wurde den bedrohten Ortschaften durch sie auf dem kürzesten Wege
Hilfe zugeführt. Wegen dieser Sorge für Sicherung des Reiches und seiner
Bestandtheile war bereits im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung das
System dieser HeerstraJJen wie ein Netz über das ganze Gebiet ausgebreitet
und dazu hatten die veränderten Staatsverhältiiisse mächtig gedrängt. Nach
dem Sturz der Republik trat allmälich die unbeschränkte Monarchie ein und
die ganze Verwaltung nahm die Form einer strammen Centralisation an. Die
Statthalter in den Provinzen — früher fast unumschränkte Herrscher - wurden
in strenger Aufsicht gehalten. In ihren Vollmachten beschränkt, waren sie
in wichtigern Fällen, die nicht selten schnelle Abhilfe forderten, an die Ent-
scheidung des Herrschers in Rom angewiesen. Um von solchen Vor^len
schnell Kunde zu haben und in küi-zester Frist die nöthige Anordnung zu
treffen, wurden die Heerstraüen mit Einrichtungen verschen, welche sich
allmälich zu unserm Postwegen ausbildeten.
Den Anfang dazu machte Augustus. „Damit er schnell und auf der
Stelle sich melden lassen und erfahren könne, was in jeder Provinz vorgeht,
stellte er zuerst längs der Heerstratie junge Leute in mäßigen Entfernungen
und später Fuhrwerke zur Veifügung (Siteton. in Üctaciatio 49). Die Bereit-
haltung solcher Fuhrwerke, die Unterbringung und Verpflegung des nöthigen
Dienstpersonales und die Bespannung erforderten Gebäude verschiedener Art
in gewissen Entfernungen an der HeerstraÜe.
Au Orten, wo ohne weitern Aufenthalt nur die Bespannung gewechselt
wurde, errichtete man Wechselstationen (mutationes) \ sie waren zahl-
reich, in einer Tagreise oft 8, nie weniger als 5, und hatten gewöhnlich
2' ) Pferde oder Maulthiere in Bereitschaft. Wo aber die im öffentlichen Dienst
reisenden, Provinzialbeamte , Richter, Befehlshaber mit ihren Truppen ver-
weilen und vejmflegt werden mussten, waren Raststationen (matusiofies).
Sie lagen gewöhnlich 18 Millien eine Tagreise von einander entfernt.
Es ist begreiflich, dass die im öffentlichen Dienste Reisenden eine ge-
naue Kenntnis der Stationen und ihrer Entfernungen, der Natur und Be-
schaffenheit des Landes, durch welches die Straße führte, der Flüsse, Ge-
birge und Pässe nöthig hatten. Dies wurde durch zwei mit dem Stra&enwesen
eng verbundene Einrichtungen ermöglicht, die mit ihren Anfängen in die
Zeit der Republik zurückreichen, durch die Itinerarien und die Aufstellung
von Meilen Säulen.
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Schon nnter Julius Caesar war mit Senatsbeschluss die Venaeaeiiiig
und Catastrierung des römischen Reiches angeordnet worden, nach dem Borger-
kriege wurde sie unter Augustus von M. Yipsanius Agrippa mit
griechischen Geometem in Angriff genommen und vollendet.
Die Ergebnisse dieser Arbeit dienten zum Entwurf einer Karte des
Gesammtreiches, die im Staatsarchiv hinterlegt und bei jeder Gebietsver&nde-
rung ergänzt und vervollständigt wurde. Diese Reichsbeschreibung bot die
Grundlage zu den Reisebüchem (Itinerarien), die man für den practischen
Gebrauch der Heerführer, Beamten u. s. w. zusammenstellte. Es sab zwei
Arten solcher Itinerarien, itineraria picta und itineraria scripta. Die Tetztereo
geben die wichtigsten Oertlichkeiten, die man nach dem Stralienznge berCkhren
musste, mit ihren Entfernungen von einander in römischen Schritten. Ein
solches ist das für das nordwestliche Ufemoricum (Oberösterreich am rechten
Donauufer) wichtige itinerarium Antonini, welches 372 Hauptstraiien des
Reichs mit den an denselben gelegenen bedeutendem Ortschaften enthält,
theilweise mit einer nähern Bezeichnung (viüa privata, victM, civitcu, colonia,
municipium) oder mit Angabe der daselbst aufgestellten Heeresabtheilung (<da,
Uffio). Es wird dem Kaiser AntoninusPius cäer dem Caracalla zugeschrieben,
der auch den Namen Antoninus angenommen hatte. Die itineraria picta enthielten
entweder nur Abbildungen der Ortschaften oder waren damit ausgestattet.
Wahrscheinlich um das Jahr 230 n. Ch. unter Alexander Severus
wurde eine neue berichtigte Weltkarte bearbeitet, von der uns in der
sogenannten Peutingerschen Tafel ein Exemplar zwar nicht im Original,
aber in einer treuen Copie erhalten wurde *). Aber auch diese Weltkarte ist
eigentlich nur eine Weg- und StraÜenkarte, die ohne Rücksicht auf Gestalt,
Größe und geographische Lage der Länder die Heerstraßen mit den an ihnen
gelegenen Orten, Castellen, Städten, theilweise durch Bilderzeichen characteri-
siert, auffährt, so dass sich die größere oder geringere Bedeutung des Otten
auf den ersten Blick erkennen lässt. . Vor dem Antoninischen Reisebuch hat
die Tafel — abgesehen dass uns beide zur gegenseitigen ControÜe dienen —
den Vorzug, dää sie außer den Straßen die daran gelegenen Orte mit ihren
Entfernungen von einander angibt, die angränzenden Wälder, Flüsse, Seen
darstellt und Länder und Völker benennt.
Die Aufstellung von Meilensteinen (lapides, müliaria) fällt noch in die
Zeit der Republik. Unter Augustus waren sie schon allgemein und in ein
gewisses System gebracht. Augustus ließ auf dem Forum in Rom jene ver-
goldete Meilensäule errichten, bei welcher alle Heerstraßen, die durch die
28 Thore in die Stadt führten, wie in einem Mittelpuncte zusammentrafen.
Von hier begann die Zählung und nach jeder römischen Meile, d. i nach
je 1000 Schritten, ward eine Säule gestellt.
H^Menbe'wohner in Bna, In den letzten Briefen Livingstones (so-
wol in jenem, den die »Proceedings of the Royal Geographica!
Society- unterm 8. Kov 1869 veröffentlichen, als in einem zweiten ao Sir
Bartle Frere) erwähnt der Reisende eines großen Volksstammes, den er im
Gebirgslande Roa (nördlich vom See Moero) gefanden habe, der in unter-
irdischen Wohnungen lebt. Einige der bewohnten Höhluogen, wurde ihm
erzählt, seien an 30 Meilen lang, so dass die Bewohner eines ganzen Bezirks
darin eine Belagerung aushalten könnten. Durch die Höhlen rinnt Wasser;
auch sollen Inschriften dort zu sehen sein, da sie aber nur Thierzeichnungen
enthielten und nicht Buchstaben, so habe er es unterlassen, sie aufeusnchen.
Die Einwohner seien sehr dunkel gefärbt, wohlgebaut und haben etwas schräg
stehende Augen.
Mit RQcksicht auf die Andeutungen bringt das Athenäum vom 9. April
aus der Feder Grants, der bekannUich mit Speke Central- Africa bereiset
und so wichtiges Material für die Erforschung der Nilquellen geliefert hat,
nachstehende Mittheilnng:
»Wir haben Aber die Gegend, wo das Gebirge Bua eigentlich zu suchen
*) Diese Copie ist die Arbeit eines Mönches im 18. Jahrhundert, auf
12 Pergamenttafeln. Sie kam später in Besitz des Augsburger Patriziers Conrad
Peutinger, von welchem sie den Namen hat, dann des Prinzen Eugen von
Savoyen, aus dessen Nachlass sie in die Wiener k. k. Hof bibliothek abergieng.
88&
Ist, Imine andere Andeotimg , als dass es der nördlichste Punkt sei, den der
f rofie Forscher bisher erreicht« nnd bis sa welchem er die Oew&sser zwischen
dem 10 und 12® südlicher Breite verfolgt hat. Auf einer Karte» die Cap. Speke
in seinem -What led to the discovony of the Nil« verö£fentlicht hat, ist das
Gebiet von Urnwa, beinahe (ungefähr) lUO Meilen westlich von der Mitte
des Taganyika-Sees verzeichnet £s liegt beinahe in der Mitte des africanischen
Festlandes, und H&ndler mit £lfenbein und Kupfer sind von Zanzibar aus
dahingekommen. Ich bin nun der Ansicht, dass Spekes Uruwa und Dr. Living-
siones Rua auf einem und demselben Platz zu suchen sei; aber es scheint
mir im höchsten Grade auffallend, dass Livingstone unterlassen haben soll,
sich aber so merkwürdige Höhlungen, wie sie dort die llatur zeigt. Gewiss -
heit zu verschaffen, da man von diesem Beisenden voraussetzen kann, dass
er unternehmend genug sei, selbst hinzugehen und über ihre Position und
Erscheinungen sich geuau zu orientieren.
Yorl&ofig will ich erz&hlen, was ich selbst von einer ähnlichen, vielleicht
von derselben Höhlung gehört habe, die sich auf dem Wege zwischen Loowemba
(Lobemba) nnd Ooroongoo (Marungu) nahe dem Taganyika-See befinden soll.
Capt. Speke und ich natten unter unsem Begleitern einen Eingebornen
Kamens Manna, dem die meisten Beuten in Central- Africa schon von
froheren Beisen bekannt waren.
Er war intelligent, uns sehr ergeben, und wusste, abgesehen von seiner
guten Gesellschaft, Ober last alle Pflanzen, die wir trafen, Auskunft in Bezug
auf Namen und Verwendung. Er und ich besprachen uns grofientheils fib^nr
die Gegenst&nde in unserer Umgebung; und w&hrend unsere Abtheilung,
alle auf Kameelen sitzend, durch cUe nubische Wüste zog — es war auf dem
Wege von Abu- Ahmed nach Korosko — war die Gegend so eigenthüm-
lieber Art, dass ich ihn fragte, ob ihn auf seinen verschiedenen Beisen je eine
ähnliche vorgekommen sei.
Ich will im kurzen eine Schilderung von der Landschaft geben.
Es erhoben sich regelmäßig aufeinanderfolgend Höhenrücken wie die
Wogen auf dem Meere; die Höhen waren von Schiefer, die Vertiefungen voU
Sand. Beim Uebergang Über die Bücken schritten die Kameele einzeln über
die Schieferkanten auf einem schmalen und sehr rauhen Pfade. Einmal waren
wir Ton solchen Schieferwänden, wie innerhalb einer Festung, rings umgeben,
de mögen an 400 Fuß hoch gewesen sein, nirgends ein sichtbarer Ausgang und
der Horizont zeigte die gezackten Gipfel.
So war das Thal von Dullah. Wie gesagt, fragte ich Manna, ob ihm
* je eine ähnliche Landschaft vorgekommen sei. Seine Antwort war:
»Diese Landschaft erinnert mich an etwas, das ich in einer Gegend
südlich vom Taganyika-See gesehen habe, als ich mit einer Caravane von
Arabern nach Unjanyembeh reisete. Dort ist ein Fluss, der Kaoma heißt
und in den See fließt Seine Thalwände mit ihrem steilen Absturz haben
große Aehnlichkeit mit dem Felsen hier.« Ich fragte weiter, ob die Eingebomen
den Fluss mit Boten befahren, worauf Manna sagte: 'Nein, sie haben keine
Boote; und wenn sie auch welche hätten, so könnten sie am steilen Ufer
nicht anlegen. Sie gehen unter dem Fluss in einem natürlichen
Tunnel ojder einer Höhlung.«
Er — (Manna) — mit der ganzen Caravane sei durch diese Höhlung
auf dem Wege von Toowemba nach Ooroongoo gezogen und auch wieder
zurOck. Die Länge der Höhlung beschrieb er in der Art, dass sie von Sonnen-
aufgang bis Mittag gebraucht hätten, um durch zu kommen; und von der
Höhe sagte er, dass man audf dem Kameele sitzend die Decke nicht berühren konnte.
Lange Schilfrohre von der Dicke eines Stockes wuchsen iny^endig, der
Grund war mit weißen Kieseln bedeckt und so breit — 400 Yards — dass
man während des Durchziehens den Weg auch in der Tiefe noch ausnehmen
konnte. Das Gestein sah aus, als ob es durch künstliche Hände wäre ausge-
hauen worden. Vom Fluss ober der Höhlung drang kein Wasser hinunter;
daf&r waren gegrabene Brunnen darin.
Manua bemerkte weiter, dass die Bewohner von Wambweh in dieser
Höhlung ihren Zufluchtsort finden und mit Familien und Vieh dort leben, wenn
sie Ton dem kriegerischen Stamm der Watuta aus dem Lande der Zooloo-
Kaffem belästigt werden.
336
Diese Mittheilung Mannas und der fierieht Livingstones stimmen in
wesentlichen Ponktcn übereiu, bis auf die Länge der Höhlung und die Art, wie
das Wasser besorgt wird.
Dr. Liyiug&tones Gewährsmann schätzt die Länge der Höhlung auf
30 Meilen; der mtinige brauchte, um durch dieselbe zu kommen, 6 Stunden,
also 15 Meilen, und sah keinen Bach durchrinnen, was abrigends leidht auf
Rechnung der Jahrzeit zu schreiben wäre.
Ich für meinen Theil hege nicht den geringsten Zweifel, daas ein solcher
Ort wirklich besteht, und dass es keine irgendwie durch Menschenhände
bewerkstelligte Höhlung ist. Die Frage aber, wie Oberhaupt eine solche von so
ungeheurer Ausdehnung entstehen konnte, iässt sich nach meiner Ansicht nur
durch die Schichtungsverbältnisse des Schiefers erldären. Sowie ich dies im
Thal von DuUah beobachtet, mögen sich auch am Taganyka die Schichten
des Schiefers so gelegt haben, dass unter der bchiditung ein natürlicher
Bogen oder Tunnel gebildet wurde.
Mauua erwähnte nichts von Inschriften oder Figuren auf dem Stein;
aber er sagte, dass dieser schwarz oder dunkel und auf der Oberfläche glatt
und lind anzufähleu war, so dass sich mir daraus die Ansicht bildet, es sei
höchst wahrscheinlich Schiefer, wenn nicht Basalt gewesen. Die Kinge-
boruen betrachten die Höhlung als ein M'zimo, d. h. einen geheiligten Ort.-
Monat88ibung der geographiachen Gesellschaft am 19. April 1870.
Vorsitzender: Prof. Dr. Ferd. v. Hochs.tetter.
Als neu eintretende Mi^lieder werden angenommen, die Herren Dr. A.
V. Orges, k. k. Regierungsrath und Alois Krainski, Ritter von Jelita, k. k.
Hauptmann.
Dr. Petermaun (Zuschrift au den Vorsitzenden) wünscht die Aufiiahme
seines demnächst erscheinenden Aufsatzes Über die Expedition des Norwegers
Johanuesen im Karischen Meer, als Entgegnung auf einige jeuer Ansichten,
die Herr Schiffslieuteuant Weyprecht in seiucr Abhandlung über den «Plan
der deutschen Nordpolarexpedition« (Mitthüil. 1870. Nr. 1) ausgesprochen hat
Ebenso wüuscht das Bremer Comite iür die deutsche Nordpolar-
expedition (Zuschrift an den Generalsecretär) die Aufnahme einer Berichtigung
von Angaben, die in Herrn Weyprechts Abhandlung enthalten sind, und sendet
zu diesem Behufe einen Artikel der Weserzeitung ein.
Dieseu Wünschen wird mit Vergnügen entsprochen werden. (Siehe onsere
heutige Nunmier.)
Der Vorsitzende bespricht die kartographischen Unrichtigkeiten in Be-
zug auf das Bestehen und den Lauf des Plusses Vid in Rumelien. (Siehe
unsere heutige Xummer.)
G. Secretär Becker berichtet über die Andeutungen von Höhlen-
bewohnern in Centralafrica, die in den letzten Briefen Livingstones gegeben
werden und über die Ansicht des Africareisenden Graut von diesen Höhlen-
bewohnern. (S. Notizen unserer heutigen Nummer.)
HerrOberlieutenaut M atz bespricht in einem eingehenden Vortrag die Hohe
Wand in Niederösterreich. (Das wichtigste davon s. unsere heutige Nummer.)
Herr Schuldirector Hu gl erläutert die Verwendung des von ihm oon-
struierten Globus zur Lösung von Fragen aus der mathematischen Geographie,
bezeichnet die Wichtigkeit eines solchen Veranschaulichungsmittels zum Ver-
ständnis der täglichen und jahrzeitlichen Erscheinungen , und zeigt , wie ein-
zelne Fragen Über Jahreszeit. Dauer des Tages u. s. w. auf jedem Punkt der
Erde mittels des Globus leicnt un'd sicher beantwortet werden können.
Nächste Versammlung 17. Mai 1»70.
Berichtigung. In der Besprechung des T o z e r *8chen Werkes, Heft 5,
S. 276 u. s. w. soll stehen: f&r Henzey — Heuzey, Ungarn — Negern,
Pauselinos — Panselinos, Gurzou — Gurzon, römische Rechte— römische
Reste, Gomiöovo — Gurniöovo, Suchakotta — Snchakette, Sarkotta ~
äarkette.
Die Fregatte Donau im Kampf mit der Cycione. 0
Die Arbeiten am Bord S. M. Fregatte Donau waren den
13. November 1869 sämmtlich beendet ; ich benutzte diesen Tag, meine
Abschiedsbesuche zu machen und somit stand nichts der Abfahrt für
den 14. morgens im Wege. Um 87j . Uhr a. m. den 14. November
waren Fregatte Donau und Corvette Erzherzog Friedrich
dampfklar; letztere setzte sich zuerst in Bewegung und begrüßte bei
der Trennung vom Flaggenschiffe meine Commandoflagge mit 13 Schüssen,
welche mit der reglementsmSßigen Anzahl Schüsse beantwortet wurden.
Um 8 Uhr a. m. hatte ich einen Abschiedssalut von 13 Schuss,
welchen eine japanische Landbatterie mir gab, Schuss für Schuss beant-
wortet und um 8*/^ Uhr a. m. verließ ich den Hafen von Yokohama.
Ich setzte alle Segel, um aus der günstigen NO.-Brise den möglichsten
Nutzen zu ziehen, doublierte schon um Vgl ^^^ P* ^* ^^^ ^&P Mela
und steuerte nun vorerst in die offene See. Um diese Zeit kam Corvette
Erzherzog Friedrich, welche ihren Curs nach Shanghae genommen
hatte, außer Sicht. Um 2 Uhr p. m. in genügender Entfernung von
der Küste angelangt, setzte ich den Curs 0., mußte beim Anluven
die Segel schließen^) und setzte bei mäßigem NO. meine Fahrt
mit Dampf und Gaffelsegeln fort, da mir daran gelegen sein mußte, die
gefährlichen Gewisser in der unmittelbaren Nähe der japanischen Küsten
bald zu verlassen. Ich hatte die Absicht, die gewöhnliche Segelroute
nach den Westküsten Americas zu verfolgen, da ich mit einiger Sicher-
heit zwischen dem 34. und 40. Grade nördlicher Breite, in welchem
Gürtel diese Route liegt, westliche Winde hoffen durfte, und außerdem
am Beginn dieses Weges vom japanischen Strom begünstigt werden mußte ;
ich wollte daher den O.-Curs so lange beibehalten, bis ich die nördlichen
Winde der americanischen Küste träfe. Im größten Kreise diese
Gewässer erreichen zu wollen, schien nicht zweckmäßig, da die hohen
Breiten, welche ich dann aufzusuchen gezwungen war, in dieser
Jahreszeit mit Recht berüchtigt sind, die dort herrschende große Kälte
die Mannschaft sehr in Anspruch genommen hätte und die geringe
') Wir entnehmen die Schilderung des widerholten Sturmes, den die
österreichische Fregatte Donau in den ostasiatischen Gewässern zu bestehen
hatte, dem amtlichen Bericht des Commaudos der Expedition nach Ostasien
und Sfldamerica.
') Anluven — den Yordortheil des Schiffes näher an den Wind bringen,
d. h. den Winkel kleiner machen, den die Windrichtung und der Cours oder
die L&ngenachse des Schiffes bilden.
Segel schließen — die gespannten Segel einziehen.
eMgnphi«cha MittheUniigeii. 1870. 8. 22
338
Yerkürznng des Weges durch den günstigen Strom der niederen Breiten
reichlich aufgewogen wird.
Den 15. November morgens hatte der NO.-Monsoon etwas
ge räumt *''). Da die in der Batterie und Banjerdeck mitgenommenen
Kohlen verbrannt waren, so ließ ich die Maschine einstellen, die
Schraube hissen und alle Segel setzen. Die Fregatte machte gute Fahrt,
zuerst im Curse, danii bei immer frischendem und schraalenden^)
Winde südöstlich steuernd. Nachts mußte das zweite Reef in die
Marssegel gestochen^) werden und den 16. blies eine frische
O.-K ü h 1 1 e. Um 2^1 ^ Uhr p. m. gieng ich einiger vom liegender Riffe
halber über Halsen®); die Fregatte lag NNO. an, der Wind
räumte noch bis SO. und nahm jetzt, sowie die See, stätig an Stärke
zu. Den 17. hatte das Wetter schon ein sehr drohendes Aussehen ange-
nommen, der S. 0. wurde im Verlauf des Nachmittags zum Sturme;
das Großmarssegel mußte um 3 Uhr p. m., das Großmarssegel um ö Uhr p. m.
geschlossen werden. Da das Fallen des Barometers und die steigende See fQr
den nächsten Tag noch schlimmeres versprachen, so ließ ich die Bram-
stengen streichen^), was, wiewol mit einiger Mühe, noch vor Dunkel-
heit zuwege gebracht wurde. DasSchifflag jetzt unter dicht gereeften
Gaffelsegeln bei, der Sturm hatte nachts etwas abgenommen, das
Barometer fiel jedoch langsam. Um 4 Uhr morgens den 18. begann der
Wind über Süd zu drehen; das dreifach gereefte Vormarssegel ward
gesetzt und wir steuerten wieder im Curse. Um 8 Uhr morgens war
der Wind westlich in der Stärke 8 — 9, die See hoch, der Himmel
heiter, nur im Norden etwas düster, das Barometer fiel noch immer
sehr langsam. Ich wollte eben um 7g 9 Uhr a. m. das Focksegel setzen
lassen, um die günstige Kühlte zu benützen, als in einigen rasch auf-
einander folgenden Böen ®) der West zum wütenden Sturm ward, welcher
schon um 9 Uhr a. m. die unwiderstehliche Gewalt, die riesigen
Dimensionen eines Orcans angenommen hatte. Das Vormarssegel und
') Der Wind hat geräumt — der Wiud hat seine Richtung zum
Cours des Schiffes so geändert, dass er zum Segeln günstiger bläst.
*) Der Wind frischt — er nimmt an Stärke zu. Der Wind schraalt
— er ändert seine Richtung so, dass er der Fahrt des Schiffes ungünstig wird.
^) Ein Reef in ein Segel stechen — das Segel wegen zunehmen-
der Stärke des Windes durch Aufbinden verkürzen.
^) Ueber Halsen gaben -— das Schiff vor dem Winde so wenden,
dass es beinahe in entgegengesetzter Richtung fährt.
^) Bramstangen streichen — die dritte Verlängerung der Masten
herunterlassen. Beiliegen — den Segeln eine Stellung geben, dass sich ihre
Wirkung aufhebt und das Schiff beinahe auf der Stelle stehen bleibt.
') Bö — heftiger, kurz dauernder Windstoß.
339
der Sturmklflver flogen mit kanonendonnerähnlichen Schl&gen in Fetzen
weg, das schnell gehisste Fokstagsegel war in wenigen Secanden ans
den Leiken geblasen®); die Gefieüir, mit der sehr luvgierigen'®)
Fregatte in den Wind zu schießen, war augenscheinlich; das dicht-
gereefte Vorgaffelsegel wurde zwar augenblicklich gesetzt, doch stand
zu befarchten, dass es kein anderes Schicksal als die früher gesetzten
Segel erfahren werde. Die doppelte Gaffelgeerding riss sogleich; das
Segel, in Yokohama neu erzeugt, legte sich jedoch in die Wanten und
hielt vor der Hand; es reichte zusammen mit dem hart in Lee
befindlichen Ruder '^) hin, das Schiff etwas vom Wind zuhalten.
Mittlerweile hatte der Orcan seine volle Stärke erreicht. Es
konnte nicht mehr von Böen die Rede sein; eine einzige zusammen-
hängende, ¥rfltende Böe raste daher. Das Getöse des Windes übertraf
jede Vorstellung; nur mit großer Mühe konnte man sich von Mund zu
Ohr verständlich machen. Die Luft war derart von Gischt und Sprüh-
regen erfüllt, dass zeitweilig vom Quarterdeck aus das Vordercastell
nicht gesehen werden konnte. Die Masten bogen sich wie Gerten, die
Leewanten wehten in Bögen hinaus; das beschlagene, ganz neue Fock-
segel flog in Fetzen weg, den ganzen Mast erschütternd, für welchen
sowie für die Vormarsstenge die emstlichsten Befürchtungen gehegt
wurden.
Die Richtung des Windes veränderte sich langsam gegen Nord
und war um 10 Uhr a. m. WNW. Das Barometer fiel rasch; so
viel man durch den dichten Gischt erkennen konnte, war der Himmel
in nördlicher Richtung viel schwärzer und drohender als gegen Süden,
Alles ebenso viele Anzeichen dafür, dass sich die Fregatte in einer
Cyclone befinde; die ersten Böen hatten die Fregatte nach Backbord
anluven lassen und sie lag jetzt mit Backbordhalsen bei, was verderblich
werden konnte, da sie sich gegen das Centrum der nach unbekannter
Richtung kreisenden Cyclone bewegte, anstatt sich von ihr zu ent-
fernen; gleichzeitig entbehrte man aber ganz und gar der Manövrier-
fähigkeit, denn die vorderen Stagsegel waren weggeblasen, und neue
anzuschlagen war ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Fregatte lag zwar gut bei, arbeitete wie gewöhnlich sehr tief,
') Aus den Leiken geblasen — aus dem Tau gerissen, womit das
Segel eingefasst ist.
") Luvgierig — wenn das Schiff die Neigung hat, sich mit dem Vorder-
theil der Windrichtung zu nähern.
*^) Lee oder Leeseite — die unter dem Winde befindliche, also von
ihm nicht getroffene Seite des Schiffes, daher Buder im Lee das in diese
Richtung gedrehte Steuerruder.
22*
340
aber nicht besonders schwer, wozu wol aach der umstand beitragen
mochte, dass die See dnrch die Gewalt des Orcans niedergedrückt und
verhindert wurde, eine gewisse Höhe zu fiberschreiten; aber es konnte
der Fall eintreten, dass abgefallen werden mußte. Das Barometer fiel,
das Centrum der Cyclone konnte sich, obgleich es sfldöstlich zu gehen
schien, auf uns zu bewegen; das Yorgaffelsegel, welches nach und nach
vom Mäste und theilweise von der Gaffel gerissen war und nur noch in
Fetzen in den Wanten lag, konnte ganz wegfliegen. Der Fockmast oder
wenigstens die Stenge konnte über Bord gehen, und in jedem dieser
Fälle wäre Abfallen unbedingt geboten gewesen. Ich ließ daher alles
bereiten, um den Kreuzmast sogleich kappen zu können, und ein Eabef auf
Deck bringen, um durch Nachschleppen desselben die Wirkung des
Steuers zu unterstfitzen. Dieses war bisher verlässlich gewesen und
ich konnte hoffen, mit Zuhilfenahme der oben erwähnten Maßregeln
jeder Eventualität zu begegnen. Spätere Ereignisse haben an den Tag
gelegt, dass dem nicht so gewesen wäre und dass das Schiff sein Heil
lediglich den zähen Lappen des Vorgaffelsegels zu verdanken hatte.
Es war 11 Uhr a. m. und noch inmier nicht die geringste Abnahme
in der Wut des Orcans zu bemerken. Das Barometer stand seit 10 Uhr
auf 29.17'' (corrigiert) und dessen Schwankungen konnten von Fallen
oder Steigen gefolgt werden. Die Richtung des Windes war NW.,
das Centrum der Cyclone hatte sich also bisher OS. östlich bewegt,
convergierend zwar mit der Richtung des NO. anliegenden Schiffes,
aber bei der viel größeren Geschwindigkeit der Cyclone stand zu hoffen,
dass sich deren Entfernung von der Fregatte stets vergrößern und eine
baldige Abnahme des Windes resultieren werde.
In der That begann das Quecksilber gegen Mittag zuerst langsam,
dann immer rascher zu steigen, das Firmament wurde in der dem
Centrum entgegengesetzten Richtung, im SW. heller, und obzwar noch
immer wfitende Böen die Fregatte auf die Seite warfen, so waren (^ese
doch durch etwas ruhigere Momente getrennt; ein Nachlassen des
Orcans war unverkennbar.
Es war hiezu die höchste Zeit, denn die Bemastung hatte durch
den Ungeheuern Druck gelitten. Obzwar 'das stehende Gut ^^) beinahe
durchgängig aus altem Tau bestand, so hatte sich dieses doch dermaßen
gedehnt, dass die Masten und Stengen als gefährdet erscheinen konnten
und längeren Angriffen kaum mit Erfolg widerstanden hätten. Die
Segel des Großmastes hatten bereits begonnen loszureißen ; zwei Eetten-
^') Stehendes Gut— die unbeweglichen Taue, welche die Hasten
u. 8. w. festhalten.
S41
wassentege waren gebrochen, kürz, das Nachlassen des Orcans war
ein Glfick.
Im Verlauf des Nachmittags gieng der Wind bei immer steigendem
Barometer nach N. und blieb von der Stärke eines gewöhnlichen
Sturmes. Ein neues Vorgaffelsegel ward angeschlagen^ die Fregatte vor
den Wind gelegt, um neue Stagsegel anschlagen zu können, die Wanten
zusammengesorrt und Qberhaupt das Nothwendigste zur Sicherung der
Bemastung sogleich gethan. Abends nahm ich die Steuerbordhalsen und
wahrend der Nacht lag die Fregatte bei immer abnehmenden Winde,
jedoch sehr hoher See mit dem Vorgaffelsegel bei.
Soviel sich aus den Wind- und Barometeraufzeichnungen entnehmen
Ifisst, bildete diese Cyclone zwischen 4 und 8 Uhr morgens ihren
Scheitel und bewegte sich sodann in OS. östlicher Richtung weiter.
Die plötzliche, überraschende Zunahme der Stärke des Windes um
7x9 Uhr a. m. findet ihre Erklärung darin, dass um diese Zeit die
Bahn der Cyclone und der Weg des Schiffes zu convergieren anfiengen,
während sie früher divergierten; dies mußte bei der immer beträcht-
lichen Geschwindigkeit, welche um diese Zeit die Fregatte inne hatte,
eine schnelle Annäherung des Centrums zur Folge haben; die Ge-
schwindigkeit mag während der Scheitelbildung 30, später 24 Meilen
per Stunde betragen haben. Die Fregatte wurde von der Cyclone vom
18. außerhalb der gewöhnlichen Grenze der Tyfoons überfallen, in 34^
20' nördlicher Breite und 148<* 38' östUcher Länge. Soviel mir
bekannt ist, war die Verein-Staaten-Radfregatte M ississippi,
welche im October 1854 beinahe am selben Orte in eine heftige
Cyclone geriet, bisher das einzige Schiff, welches so weit östlich mit
den Wirbelstürmen des chinesischen Meeres zu kämpfen hatte.
Den 19. November war das Wetter schön, die See sehr hoch,
«
Windstille. Die den vorigen Tag zerfetzten Quersegel wurden abge-
schlagen, neue hinaufgegeben und vor einer flauen SW. Brise gesetzt.
Die Havarien des Schiffes beschränkten sich auf die Bemastung
und auf die Boote; der Rumpf hatte kaum gelitten, das Schiff zog
3 — i*' Wasser in der Stunde. Außer den bereits erwähnten Havarien
in der Takelage fand es sich, dass der Top der Vormarsstange derartig
gesprungen war, dass der Topwürfel ab- und ein neuer ausgeschnitten
werden mußte, um wieder die Bramstange hissen zu können. Die
Boote auf" den Erahnen hatten sich während des Orkans sämmtlich zu
widerholten Malen gefüllt und waren nur durch Einschlagen der
Böden zu retten gewesen.
Nachmittags nahm der S. W« an Stärke zu; die hinteren Bram-
Stengen wurden gehisst, Segel gesetzt und die Fregatte legte 10 Meilen
342
per Stunde im 0. Curse zurück. Nachts wurde der Wind böig, die See
war und blieb hoch und den 20. um 4 Uhr morgens hatte ieh wieder
drei Reef in den Marssegeln, steife SW.-Kühlte, mußte schließlich
Groß- und Kreuzmarssegel bergen und lief mit dem dichtgereeften Vor-
marssegel mit 9 — 10 Meilen Fahrt weiter. Um 47» Uhr p. m. sprang
der Wind plötzlich auf NW. Ober, aus welcher Richtung er zuerst
sehr stark, nachts mSßiger wehte; Segel wurden gesetzt und gute
Fahrt gemacht.
Den 21. hatte ich Steifen NW., den 22. veränderliche Winde
aus NW. und SW., abends steife Böen aus N. , stets hohen
Seegang.
Den 23., 24. und 25, war ebenfalls stürmisches Wetter aus
dem 3. und 4. Quadranten, von häufigen Regen- und Hagelböen
begleitet. Die Fahrt gieng rasch von statten, aber die Fregatte verlor
viele Segel und der fortwährende hohe Seegang, die stets überschwemmte
Batteiie und die häufigen und schweren Takelagearbeiten waren für
die Mannschaft äußerst beschwerlich. Nichtsdestoweniger arbeiteten die
Leute eifrig und unverdrossen.
Den 26. sprang ein steifer SO.-Wind auf, welcher, allmälich
schwächer werdend, über 8. nach NW. gieng und den 27. hindurch
mit Begleitung von Regenböen steif blieb, dann wieder bis S. zurückgieng.
Den 28. nahm der Wind wieder zu, die Fregatte passierte den
180. Grad der Länge unter drohenden Anzeichen. Das Barometer fiel,
der Himmel war schwarz, die See wurde von Stunde zu Stunde heftiger.
Das zweite und dritte Reef wurden in die Marssegel gestochen;
abends war der Wind schon zum Sturm angewachsen und schien noch
stärker werden zu wollen, da das Queksilber fortwährend fiel.
Um 9 Uhr p. m. zerriß das Großmarssegel ; die Fetzen desselben
wurden mit großer Mühe beschlagen. Gegen Mitternacht war das
Wetter so schwer geworden, dass man nicht daran denken konnte, im
Curse weiter zu segeln, sondern, da das äußerst luvgierige Schiff nicht
vor dem Winde zu halten war, sich entschließen mußte, beizulegen.
Als das Fock- und Vormarssegel aufgegeit wurden, zerissen beide in
Folge des Reißens der Geitaue in Fetzen; 40 der besten Matrosen
enterten auf und versuchten trotz der äußerst heftigen Bewegungen des
Schiffes die zerissenen, wütend herumschlagenden Segel zu bergen, aber
das durch Nässe und Kälte steif gewordene Segeltuch trotzte ihren
Bemühungen und es mußten diese Segel, wollte man nicht die Leute
aufs höchste gefährden, ihrem Schicksale überlassen werden. Die
Fregatte lag jetzt mit den Vorgaffelsegel allein bei, denn die vorderen
Stagsegel waren kurz nach einander in Fetzen davon geflogen. Der
343
w
Wind nAhm zu, die See war von nngew^^linlicher Höhe und Heftigkeit
und das fiarometer fiel noch immer. Der Wind gieng von Mittemacht
an langsam nach West, es schien also, da er dabei an Heftigkeit nor
zunahm, dass die Fregatte sich wieder in den Girkeln einer
Cyclone befand; da sie jedoch fÄr diesen Fall mit den richtigen
Halsen beilag, so war weiter nichts zu thnn, als das Besserwerden
des Wetters beiliegend abzuwarten.
Das Schiff litt viel von der heftigen See. Eine mächtige Sturzsee
zerschmetterte die blinden Streber des Bugspriet, eine andere riss das
am Heck gehisste erste Gigg weg. Die Boote Nr. 3 und 4 wurden
soweit zerschlagen, als es nach ihren den 18. erlittenen Havarien Aber*
haupt noch möglich war.
Um SVs Uhr a. m. (den 28. Nr. 2) hatte das Barometer seinen
tiefsten Stand von 28.97" (corrigiert) erreicht. Der Wind war westlich
und begann von dieser Stunde ,an mit dem Steigen des Wetterglases
abzunehmen ; nicht so die See, welche jetzt, gekreuzt und maßlos heftig,
sich höher erheben konnte als so lange der Wind noch stärker war.
Um 5 Uhr a. m. gab das Ruder einen mächtigen Ruck. Da das
Schiff noch steuerte, eine genaue Untersuchung aber ergab, dass der
Ruderkopf sich etwas gesenkt hatte und sich fortwährend im Henne-
gatt ^^) von hinten nach vorne bewegte , so war zu vermuthen, dass
einer oder mehrere Fingerlinge'*) abgebrochen seien.
Die Deckluken wurden sofot geschlossen, Spieren als Treibanker
zugetakelt, Kabel und eine Reservemarsstenge nach achter gebracht
und Alles für den unglücklichen Fall, dass man das Ruder verlieren
sollte, bereitet Der Wind war zur Stärke einer steifen Kühlte
herabgesunken und blieb westlich. Die mit Tagesanbruch angestellte
Takelagevisite ergab mannigfache Schäden; der Stuhl des Bugspriets
war gesprungen, die Kettenwuhling gebrochen, die Wasserstage und
das sthehende Gut hatten nachgegeben, ein großer Theil des lau-
fenden Guts war zerissen. Das Schiff machte 6" Wasser pr. Stunde
und es mußte, da die ganze Mannschaft für die Takelagearbeiten
benöthigt wurde, ein Kessel geheizt werden, um lenz zu pumpen ^^).
l)ie Fetzen des Fock- und Vormarssegels wurden abgeschlagen und
^*> Henoegat — die runde Oeffiiung in dem rückwärts vorragenden
Schiffstheile, durch welche der obere Theil des Steuerruders in das Innere des
Schiffes reicht
^*) Fingerlinge — die starken Angelringe, in welchen das Steuerruder
mit seinen Haken hängt und eich wie eine Thüre in ihren Angeln dreht
^^) Lenzpumpen — das im Schiffsraum befindliche Wasser aus-
pumpen.
344
ein dreifach gereeftes Großmarssegel an der Fockraa angeschlagen,
denn die Fregatte besaß kein Segel der zwei erstgenannten Kate-
gorien mehr, sie hatte seit der Abfahrt von Yokohama 26 Segel,
meistens vom Fockmast und Bugspriet, verloren. In Berflcksichtigiug
der Havarien an Schiffskörper, Ruder und Bemastung, des theilweisen
Mangels an Material, hauptsächlich an Segeln und Tan, der außer-
ordentlichen Anstrengungen, zu welchen das fortwährend äußerst
stürmische Wetter der letzten Wochen die Mannschaft gezwungen
hatte, mußte ich mich entschließen, meinen ursprünglichen Plan,
Istapa direct anzulaufen , aufzugeben , und den nächsten Hafen, in
diesem Falle Honolulu, aufzusuchen. Als daher das Großmarssegel an
der Fockraa angeschlagen war, ließ ich es beisetzen, fiel um \}\^ Uhr
p. m. ab und nahm Curs OSO., vor steifem Westwinde mit sehr
hoher See laufend. Die Mannschaft war vollauf mit der Sicherung
der Bemastung beschäftigt und eben im Begriff, ein Kreuzmarssegel
an der Yoimarsraa anzuschlagen, als nach einer heftigen ^ee,
welche das Heck getroffen und die untern Stückpforten aus der
Commandanten- Kajüte mitgerissen hatte, die Fregatte rasch anluvte und
offenbar steuerunföhig war. Der bereitgehaltene Treibanker aus leichten
Spieren, so wie ein Kabel, wurden sogleich über Bord geworfen, die
Raaen vurne scharf angebrasst, und es gelang, die Fregatte auf ca. 8 Strich
vom Winde zu halten. Unterdessen hatte eine Untersuchung ergeben,
dass Ruder und Außensteven etwas unter dem Hennegatt abgebrochen
waren; der Ruderkopf stak noch im Gatt. Das verlorene Ruder war
von einigen Leuten im Augenblicke des Losreißens und Auftauchens
gesehen worden. Mithin war die Fregatte mit einem Schlage der
Steuerung sowie des Gebrauches der Maschine beraubt
worden. Der nächste Hafen Honolulu lag 1500 >eemeilen entfernt;
die nächste Untiefe war eine Bank auf 200 Meilen im SW.
Meine erste Sorge war nun, zu verhindern, dass die Fregatte bei
dem steifen Winde und der hohen See noch weiter in den Wind
laufe '^), was bei ihrer außergewöhnlichen Luvgierigkeit wol geschehen
konnte. Ich ließ also die Stengen und Raaen des Kreuzmastes auf
Deck geben, die Großbramstenge streichen und die Vorbramsteivg^
mittels einer Pferdeleine als ausgiebigen Treibanker zutakeln und über
Bord werfen. Diese Maßregeln hatten den gewünschten Erfolg, indem die
Fregatte bei WNW. Wind nicht weiter als NNO. anluvte. Sie
lag ziemlich stetig und hatte der nachschleppenden Hindemisse 'wegen
nicht viel Fahrt.
'
15
) In den Wind laufen, gleichbedeutend mit anluven (s. 1).
34Ö
Es war constatiert worden, dass nach dem Yerluste des Steners
ODd Stevens ^^) der Wasserzufluss im Sood ^^) nicht zugenommen
hatte, daher man die beruhigende Ueberzengnng hegen konnte, dass der
Steven einfach abgebrochen sei, ohne ein Leck verursacht zu haben.
Unter den verschiedenen, die Herstellung eines Nothsteuers betref-
fenden Projecten, welche ' jetzt in Erwägung gezogen wurden, mußten
besonders drei durch ihre Vorzüge auffallen. Das eine vom Linienschiffs-
ffthnrich Grafen Auersperg vorgeschlagene Nothruder schien leicht
nnd schnell herzustellen und versprach genügende Wirksamkeit und
Sicherheit; da es außerhalb des Hecks '**) angebracht werden sollte, so
hatte es noch den Yortheil, gleich nach seiner Vollendung installiert
werden zu können. Das zweite Nothruder, zu welchem Linienschiffs-
fthnrich Josef P rasch die Idee gegeben und im Verein mit Maschinen-
meister Engerth den Plan entworfen hatte, versprach große Solidit&t
and Wirksamkeit zu vereinen. Es sollten Rappertwdnde an einer Mars-
stenge befestigt, diese durch eiserne Fingerlinge mit einer andern
Marsstenge verbunden und das ganze System durch den Propellerbrunnen
hinnntergegeben und Idngs des Achterstevens installiert werden. Zu diesem
Behufe mußte vorerst der Propeller ausgehoben werden, was, sowie die
Herstellung des Steuers selbst, jedenfalls geraume Zeit erforderte. Ich
entschied mich dafür, das Nothsteuer des Linienschiffsffihnrichs Grafen
Auersperg als dasjenige, welches am ehesten fertig sein konnte,
sogleich in Angriff nehmen zu lassen und es bis zur VoUendung des
P rase haschen, welches wieder auf das vorzüglichste sich als definitives
Ruder empfahl, zu benützen.
Um 8 Uhr p. m. begannen Arbeiter und Matrosen diese Arbeit;
es wurden Spillspaken ''®) an eine Bramstenge gesorrt, darüber
Bretter befestigt und das ganze so solid als möglich mit der Stenge
verbunden. Die zunehmende Erschöpfung der Leute erlaubte jedoch
nicht, dieses Ruder noch in derselben Nacht zu vollenden. Der Wind
war nachts schwächer geworden und spielte zeitweise herum ^^).
Ein solcher Moment wurde durch schneUes Umbrassen benützt und die
^^ Steven — der verticale starke lialkeu, der das Schiff vorn und
hinten seh ließt. An d* m rückwärtigen , Achtersteven , hängt das Steuerruder in
Angeln.
^*} Sood — der niedrigste Ort ina Schiffe, wo die Pumpen stehen
und wo sich das eingedrungene Wasser sammelt.
"; Heck — der über Wasser ragende abgerundete hinterste Theil des
Schiffes.
^} Spillspaken — hölzerne Hebebäume.
^^Herum^pielen— die Richtung wiederholt wechseln und wieder
annehmen.
346
Fregatte anf die andern Halsen ^^) gebracht; sie lag jetzt sfidlich
an. Dieser Zufall muß als ein sehr günstiger betrachtet werden, denn
bei der erwiesenen Unmöglichkeit, das Schiff zu manövrieren, wäre es
mit Backbordhalsen immer nördlicher in die stürmischen Regionen
gerathen, welche wir trachten mußten baldmöglichst zu verlassen; und
da die UmstSnde es mit sich brachten, dass die Fregatte zehn Tage
ohne Steuer herumtreiben mußte, so vermag man zu ermessen, wie
glücklich es war, dass sie diese ganze Zeit südlich anstatt nördlich
segelte.
Den 29. wehte steifer Wind zwischen W. und NW. In der Mor-
genwache war das Ereuzmarssegel an der Yormarsraa angeschlagen und
gesetzt worden, da es die Fregatte Ibei dem hohen Seegange immerhin
etwas stützte und mir außerdem die südliche Fahrt nur erwünscht war;
das erste Nothsteuer ward um Mittag fertig, konnte jedoch wegen der
hohen See nicht installiert werden. Das Wetter sah finster aus, häufige
Regenböen folgten kurz nacheinander. Aus Vorsicht wurde die Bagi^-
raa als Treibanker über Bord geworfen und der erste aus Leesegel-
spieren gebildete eingeholt.
Das zweite definitive Nothsteuer wurde auch schon begonnen. Drei
Kanonenrohre wurden den 29. und 30. von den Rapporten, welche zur
Herstellung des Ruders gebraucht wurden, abgenommen und an der
Bordwand vertftut; diese bei dem hohen Seegange äußerst schvrierige
und geffthrliche Arbeit wurde vom LinienschiMieutenant Freiherm von
Minutillo mit großer Geschicklichkeit ausgeführt Das Schmieden der
schweren Fingerlinge und Bolzen für das Steuer wurde in der Maschine
in Angriff genommen; hiezu wurden zuerst Eisenstützen aus der Batterie,
dann als sich dieses Eisen (englisches) zu spröde erwies, Sonnenzelt-
ständer verwendet.
Um der Bemastung, welche durch die nicht vorherzusehenden Be-
wegungen des steuerlosen Schiffes sehr gefä.hrdet werden konnte, die
größtmöglichste Sicherheit zu geben, wurde nichts versäumt. Trotz des
starken Rollens ^^) wurde das stehende Gut angesetzt, wurden
Borgstage auf Fockmast und Stenge aufgebracht, das Bugspriet gestützt
und überhaupt alles gethan, was nur die Arbeitskraft der Mannschaft
selbst unter diesen außerordentlichen Umständen leisten konnte.
Den 30. war der Westwind schwächer geworden, der Seegang
schien abnehmen zu wollen. Ein mittlerweile repariertes Yormarssegel
wurde angeschlagen und nachmittags, als die See sich wirklich etwas
'*) Auf andere Halsen bringen — das Schiff so wenden, dass ea
beinahe in entgegengesetzter Richtung fährt.
^') Rollen — die wiegende Bewegung des Schiffes nach der Breite.
S47
bemhigt hatte, das Aaersperg'sche Steuer ins Wasser gelassen. Bei
dieser Gelegenheit fand es sich, dass der Rnderstamm etwa fünf Fuß,
der Außensteven etwas weniges unter dem Heck abgebrochen waren. Da
aber dem Anbringen des Nothsteuers die Dunkelheit hereinbrach, so
wurde es noch nicht in Gebrauch genommen; dennoch brach schon
mn 10 Uhr p. m. die Bramstonge, welche den Stamm dieses Ruders
bildete, wahrscheinlich durch den Seegang, und somit war es jetzt
nutzioe. Vielleicht dass es, aus einer Marsstenge gebildet, gute Dienste
geleistet hfttte; man hatte jedoch die Reservemarsstengen für das
definitiTe Nothruder benöthigt und konnte für dieses provisorische
Steuer über keine stärkere Spiere verfügen. Und so trieb die Fregatte
weiter, östlich jetzt, da der Wind südlich geworden war; derselbe
frischte während der Nacht wesentlich auf, so dass der Morgen des
1. December uns mit drei Reefen im Vormarssegel fand; dabei nahm
der ohnedies hohe Seegang noch zu. Das Auerspergsche Steuer
wurde, indem man es durch Nachlassen der Trossen vom Schiffe ent-
fernte, als Treibanker benutzt, und da das Prasch'sche Nothruder
noch mehrerer Tage bis zu seiner Vollendung bedurfte, so wurde so-
gleich der Bau eines Nothsteuers aus Fässern nach dem Plane des
Seecadeten Lahr 6s in Angriff genommen. Der Wind wurde bald süd-
westlich und schwächer, den 2. December war er westlich und wurde
noch flauer; da auch die See ganz abzunehmen schien, so wurde diese
Gelegenheit sogleich benätzt, den Propeller auszuheben. Eine Reserve-
marsstenge wurde als Bock zugetakelt ; das Schwertakel, mittelst welcher
die Schraube gehisst werden sollte, straff gesetzt, und nun begonnen,
den Längsbalken, welcher über dem Schraubenbrunnen liegt, auszu-
stemmen und abzusägen. Dieser Theil der Arbeit war außerordentlich
beschwerlich; hartes Holz mußte spanweise weggemeißelt, Kniebolzen
herausgetrieben, der Propellerkrahn au^elöst werden. Wenn bei der
Construction des Propellerbrunnens auf die immerhin nicht gar sel-
tene Eventualität des Propelleraushebens Bedacht genommen worden
wäre, so hätte dies unsere Arbeit ungemein erleichtert. Als endlich
der ganze Brunnen frei gemacht war, schlug es 9 Uhr abends.
Die 8 Tonnen schwere Schraube über Nacht, bei hohem See-
gange, am Bocke hängen zu lassen, daran war nicht zu denken ; man
mußte sofort an die Arbeit des Aushebens schreiten.
Um 4 Uhr morgens war der Propellerrahroen auf Deck gebracht,
die Schraube auf das gestützte Hüttendeck gelegt und die erschöpfte
Mannschaft wurde schlafen geschickt.
Im Laufe des Vormittags wurde der Bock versetzt und die
Scfaraabe auf Deck gegeben. Der Brunnen war jetzt bereit zur Auf-
348
nähme des Nothsteaers, und das geschwächte Heck des Schiffes von
einer großen Last befreit. Bootsmann Tons ich hatte bei -.der Aus-
führung dieser sehr schwierigen und wegen des starken Rollens der
Fregatte gefährlichen Arbeit unermfldlichen Eifer und große Geschick-
lichkeit an den Tag gelegt.
Das Wetter war den 3. schön geworden; ein m&ßiger NO.
trieb die Fregatte südlich, der Seegang nahm etwas ab, der hohe
Barometerstand ließ fast glauben, dass wir uns im Nordpassat
befänden. Seitdem die fortwährend schnelle Fahrt der ersten Wochen
aufgehört und der Seegang abgenommen hatte, zog die Fregatte viel
weniger Wasser, 2 — 3" pr. Stunde.
Nachmittags wurde das Nothsteuer des Seecadeten Labr6s ins
Wasser gelassen, nachdem zuvor jenes des Linienschiffsfähnrichs Grafen
Auersperg, da es nicht angieng, dasselbe wieder einzuschiffen,
gekappt worden war. Die Voraussetzungen, auf welche die Wirk-
samkeit dieses neuen Ruders basiert war, bestätigten sich jedoch nicht;
die Wand, welche durch an der Kreuzmarsstenge befestigte Fässer
gebildet wurde, nahm im Wasser schwimmend, keine senkrechte Stellung.
Vielleicht trug hieran der Umstand die Schuld, dass die oberste Reihe
absichtlich leer gelassen worden war, was eine beträchtliche Schwimm-
kraft zur Folge hatte. Da nun dieses Ruder nicht steuerte, so wurde
es als Treibanker benützt, indem man von den Trossen, welche es an
Bord hielten, ausstach.
Den 4. und 5. December hatten wir mäßigen Nordost, schönes
Wetter, glatte See, die Fregatte trieb langsam südlich.
Das definitive Nothsteuer war zwar noch nicht ganz fertig, da
aber auf kaum 80 Meilen vorne Philadelphia Rock und andere
Riffe lagen, die Fregatte aber auf keine Weise auf die andere Halsen zu
bringen war, so ließ ich es den 5, nachmittags einsetzen. Um Mitter-
nacht war die Arbeit vollendet und obgleich sehr flaue Brise und etwas
Seegang dem Manöver nicht sehr günstig waren,, so gieng die Fregatte
doch unter dem persönlichen Commando des Herrn Linienschiffscapitäas
von Wipplinger recht gut über Halsen. «
Da den 6. wieder schönes Wetter war und das Schiff mit Steuer-
bordhalsen mit dem östlich wehenden NO.-Passat segelnd nur freies
Fahrwasser vor sich hatte, so wurde das Nothruder wieder aufgehoben,
um vollendet zu werden.
Den 8. morgens endlich war es ganz fertig, um. Mittag eingesetzt
und um 1 Uhr p. m. legte sich die Fregatte mit leichter SO.-Brise
steuerf&hig an den Wind, nachdem sie 10 Tage ohne irgend eine
Steuerung gesegelt und während dieser Zeit 600 Meilen in der beiläu-
349
figen Richtang ihres Zieles zurückgelegt hatte. Sogleich wurden die in
der Zwischenzeit reparierten Mars- und Untersegel gesetzt und man ge-
wann die heMedigende Ueberzeugung, dass das Schiff dem Ruder voll-
kommen gehorche. Yorl&ufig wurde mit einer Pinne gesteuert, die am
Kopfe des Ruders befestigt war; die eigentliche Steuervorrichtung aber,
welche aus zwei Strebern bestand, die aus der Batterie herausragten
and an den Nocken mit Blöcken versehen waren, über welche die
Steuertrossen auf Deck und an zwei Steuerräder liefen, wurde erst den
9. vormittags vollendet und in Gebrauch gesetzt; dieselbe entsprach
Yollkommen und bot der Pinnensteuerung gegenüber den großen Yortheil,
dass die Yerbindungsbolzen zwischen dem Stamm und Blatt des Ruders
von einem beträchtlichen Theile des Wasserdruckes entlastet wurden.
Von diesem Augenblicke an steuerte die Fregatte mit derselben
Leichtigkeit und Genauigkeit, wie jedes andere Schiff. Eine mäßige
S.-Brise erlaubte mir mit allen Segeln und Leesegeln Ost zu steuern;
den 10. wurde die Brise sfldwestlich und frischte auf, so dass die Fre-
gatte 77^ Meilen Fahrt erreichte.
Um 2 Uhr p. m. setzte ich in der Hofibung, dass der Nordost-
passat, welchen wir vom 5. bis 7. December in 30® nördlicher Breite
getroffen hatten, in seine gewöhnlichen Wintergrenzen von 24 — 26®
nördlicher Breite zurückgegangen sei, den Curs OSO. direct auf die
Sandwich-Inseln. Abends war der Wind nördlich, die Fahrt betrug
8 Meilen, ohne dass das Steuer Anlass zu Besorgnissen gegeben hätte.
Den 11. hatten wir NO., welcher im Verlaufe des Tages immer
schraaler wurde, so dass ich um öVg Uhr p. m. über Halsen gieng, da ich,
um eine Beschädigung des Ruders bei etwaigem Deinsen zu vermeiden,
nicht s tagen **) wollte. Während der Nacht räumte die Brise wieder
so weit, dass die Fregatte beinahe im Curse lag. Den 12. wurden zum
ersten Male die Tags vorher wieder aufgetakelten Bramstengen benützt
und ich setzte unter allen Segeln und Leesegeln mit mäßigen veränder-
lichen Winden die Fahrt fort ; der Kreuzmast blieb in Hohl gestrichen,
um das Ruder so wenig als möglich aus der Mitte zu bringen. Den
14. Abends sprang frischer N. auf; alle Segel am Großmaste wurden
beschlagen**) und zwei Reef ins Vormarssegel gestochen. Die
Fregatte lief, bei glatter See, gegen 8 Meilen. Der Wind wurde nachts
^) Deinsen — die BewcguDg des Schiffes nach rückwärts, also mit
dem Steuerruder voran. — Stagen — das Schiff gegen den Wind wenden»
Wenn es bei dieser Gelegenheit mit dem Vordertheile gerade gegen den Wind
steht, so deinst es gewöhnlich eine kurze Zeit.
*') Segel beschlagen — die Segel einziehen, zusammenrollen und
an den Baaen zusammenbinden.
350
N. östlich und schien sich als Passat zu erklären; alle Segel worden
beigesetzt und die Fregatte segelte fortwährend am Winde im Passat
weiter.
Den 17. p. m. kam die zur Sandwich-Gruppe gehörige Insel Haval
in Sicht; der Passat wurde schwächer und den 18. morgens lag die
Fregatte in Sicht der Inseln Haval und Nihau in Windstille; erst gegen
abend nahm ein flauer West allgemach an Stärke zu und ermöglichte,
gegen den 60 Meilen breiten Canal zwischen Haval und Oahu za
steuern, auf welch letzterer Insel unser Bestimmungsort Honolulu liegt
Den 19. morgens kam Oahu in Sicht. Unter allen Segeln lief die
Fregatte ISngs der Kfiste, hatte abends Diamond Point, ein Vorgebirge
in nächster Nähe des Hafens, in Sicht, blieb aber dann in Windstille
liegen, bis den 20. vormittags ein leichter SW. erlaubte, dem Hafen
zuzusteuern.
Um 3V2 P* m. kam ein Lootse an Bord und rief sogleich durch
Signal einen kleinen Schleppdampfer herbei, da die nur 200 Fuß breite,
gewundene, von Corallenbänken umgebene Einfahrt für größere Schife
bei leichter Brise gefährlich ist. Alle Segel wurden beschlagen und am
572 ühr p. m. vertäute der Hafenmeister die Fregatte im engen Hafen
von Honolulu; dieselbe hatte seit dem Bruche des Steuers (300 Meilen
ohne Steuer und 1200 Meilen mit dem Nothsteuer zurückgelegt •
Reise durch Rumeiien im Sommer i869.
Von Prof. Dr. F. v. Hochstetter.
2. Adrianopel.
Mit einer Kartenskizze.
Adrianopel (türkisch Edirnö), einst die Hauptstadt der europäischen
Türkei, und noch unter Mohammed IV. und Soliman IL im 17. Jahr-
hundert die Residenz der Sultane, ist jetzt von seiner einstigen Größe
tief herabgesunken. Aber eine hervorragende Eigenschaft ist ihm ge-
blieben, die Eigenschaft einer höchst ausgezeichneten und zugleich
wundervoll schönen Lage. Dieser Eigenschaft wird es, wenn die
türkischen Eisenbahnen zur Wirklichkeit geworden sind, einen Auf-
schwung verdanken, welcher noch alle vergangene Größe verdunkeln
kann. Die Stadt liegt im Knotenpunkt der ostwestlichen Linie von Con-
stantinopel nach Philippopel und der nordsüdlichen Linie, die Bargas
am schwarzen Meere mit Enos am ägäischen Meere verbinden soll, nnd
da diese Linien zu den ersten gehören, welche in Angriff genonunen
werden, ja theilweise bereits in der Ausführung begriffen sind, so wird
851
sich hier zuerst die neubelebende Wanderkraft des modernen Verkehrs-
mittels zugleich als Culturmittel bei den Alttürkenthum geltend machen,
dessen Sitz die Stadt der alten Sultane noch immer ist. Zwei ansehn-
liche Flflsse, die Arda von . Sfidwesten her, nnd die Tundscha ans dem
Balkan Ton Norden herkommend, vereinigen sich bei der Stadt mit der
Maritza, dem Hanptstrome Thraciens, An ihrem Ziisammenfluss breiten
sich weite frnchtbare Ebenen aus, begrenzt von einem Hügelland, über
dem in blauer Ferne die Gipfel der Gebirge aufragen. Welche Ab-
wechslung in dieser Ebene von Gärten, Maulbeerplantagen, Obstbäumen,
Feldern und Wiesen und wie wird all der Reichthum der Natur in
ein wahres Paradies verwandelt werden können, wenn erst die Bewohner
aus ihrer trägen Ruhe und aus ihrer monopolistischen Glückseligkeit
aufgerüttelt sind und zum vollen Bewustsein eines frischen Lebens-
genusses durch Arbeit kommen!
Die Stadt zählt gegenwärtig höchstens 90.000 Einwohner. Die ge-
wöhnlichen Angaben von 100 bis 150.000 Einwohner sind entschieden zu
hoch gegriffen; ^/^ der Gesammtzahl werden auf Türken, ^/^ auf Bul-
garen und 7& &uf Griechen, Juden und sogenannte Franken gerechnet.
Adrianopel ist der Sitz des Generalgouverneurs des Wilajet's Edimö,
welches die alten Paschaliks von Adrianopel, Philippopel und Galippoli
omfasst, also fast das ganze alte Thracien bis zum Balkan und bis über
Philippopel und Tatar Bazardschik hinaus, ein Gebiet von beiläufig
900 deutschen Quadratmeilen. Neben dem Generalgouvemeur residiert
in Adrianopel auch ein Mutesarif oder Präfekt. Die Besatzung der
Stadt besteht aus einigen Escadronen Gardekosaken und Dragonern,
die zu den beiden einzigen Regimentern gehören, welchen es erlaubt
ist, sich auch aus den christlichen Elementen zu rekrutieren« Die Offi-
ziere dieser Regimenter sind meist Polen. Ein wesentliches Element
der Bevölkerung ist auch der Landadel oder die Bey's, das sind Groß-
grundbesitzer, die ihre Besitzungen im Ardathal und im Maritzathale
haben, aber für gewöhnlich in der Stadt wohnen.
Dem äußeren Ansehen nach ist Adrianopel wie fast alle türkischen
Städte. Eine Straße ist wie die andere, ohne Abwechslung, schlecht
gepflastert, schmutzig, ohne hervorstechende Bauten. Was sich stolz
fiHotel de r£toile" nennt, ist der Zeit nichts anderes als ein ordinärer
türkischer Han, der nicht einmal so viel bietet, als das zweite große
Eankehrwirtshaus der Stadt, das den alttürkischen Namen Gömrük
Ban beibehalten hat. Altes Mauerwerk und dicke halbverfallene Türme,
die zum Theil den Römern, zum Theil den Genuesern zugeschrieben
werden, erinnern an längst vergangene Zeiten. Die Residenz der Sultane,
das alte Serail, außerhalb der Stadt im Tundschathal gelegen, li^ in
352
TrQmmeni. In dem Prachtgemach des ersten Stockwerkes, wo ein Selim,
ein Mohammed, ein Soliman nnd wie sie alle heißen, auf weichem
Divan beim Plätschern eines Springbrunnen, dessen prachtvolles Marmor-
bassin noch gnt erhalten ist, träumten, fanden wir eine Schafheerde
gelagci't, die sich offenbar recht behaglich fohlte an dem kühlen Ort
Der Marmorboden war mit dicken Schichten von Mist bedeckt, dass
einem intelligenten Landwirt das Herz lachen konnte. Es ist fast lebens-
gefährlich, sich die alten Herrlichkeiten, das Schlafzimmer, dessen Wände
mit Majolikaziegeln belegt sind, die Bäder, den alten Harem u s. w.
zu besehen, denn alles, was nicht schon wirklich zusammengebrochen
ist, droht dem Einsturz. Ein par Invaliden leben von den Trink-
geldern, die die alte Pracht noch abwirft.
Nur ein wirklich hervorragendes Bauwerk hat die Stadt, das ist
die Moschee Selims II., die für die prächtigste und größte im ganzen
osmanischen Reiche gilt. Sie erhebt sich auf dem höchsten Punkte der
Stadt» mit ihrer Riesenkuppel und ihren vier schlanken Minarets alles
fiberragend. Der Eindruck, den dieser 300 Jahre alte Prachtbau, der
jedoch vortrefflich erhalten ist, macht, ist selbst, nachdem man die
Aja Sofia, die Achmedje und die Sulimanieh in Stambul gesehen, ein
überwältigend großartiger. Wahrhaftig, ich verdenke es den Türken
nicht, dass sie, nachdem es einmal eine Santa Sofia gab, stationär ge-
blieben sind im Baustil ihrer Moscheen. In den weiten Räumen unter
der Riesenkuppel der Selimieh verspürt man, auch wenn es der Geist
des Islams ist, der auf einen wirkt, mehr von religiöser Weihe, als in
allen Jesuitenkirchen der Welt.
Die Dimensionen des Baues, die ich wenigstens annähernd richtig
angeben kann, sind folgende: Die eigentliche Moschee bedeckt ein
Quadrat von 180 Wiener Fuß Länge. Die Kuppel hat einen Durchmesser
von 102 Fuß, und ist 1 6ö Fuß hoch. Sie ruht auf 8 gemauerten Säulen.
Das Innere der Kuppel ist teppichartig in weiß, roth und blau ausge-
malt, die Wände der Moschee sind mit Goldinschriften (Koransprüchen)
auf grünem Grund ausgeschmückt. Unter der Kuppel führt rings-
herum eine Gallerie und das Licht empfängt der riesige Raum, wie die
Türken sagen, durch 999 Fenster. Das Hauptportal ist aus weißem
krystallinischen Marmor gearbeitet. An den 4 Ecken der Moschee er-
heben sich 4 schlanke, äußerst zierliche, außen canellierte Minarets. Der
Durchmeser eines solchen Minarets beträgt nicht mehr als 12 Fuß, mit
dem Kranz 17 Fuß, die Höhe 220 Fuß. Sie sind aus einem muschel-
reichen Kalkstein, einem tertiären Congerienkalk gebaut, der in der
Nähe von Adrianopel gebrochen wird. Diese Minarets haben eine Eigen-
thümlichkeit, welche ich sonst nirgends angetroffen habe. Sie tragen
353
drei Kränze übereinander und unten beginnen an drei verschiedenen
Seiten der kreisrunden Basis drei Wendeltreppen mit je 250 Stufen,
die, schraubenförmig übereinander laufend, ohne dass man, außer vom
Kranz aus, von einer Treppe auf die andere gelangen könnte, in die
Höhe fahren. Alle drei Treppen führen auf alle drei Kränze; da aber
die oberen Theile der Treppen theilweise durch Beleuchtungsapparate
verstellt sind, so kann man nur eine benutzen, um auf den ersten, die
zweite um auf den zweiten und die dritte, um auf den dritten Kranz
zu gelangen.
An der nordwestlichen Seite schließt sich an die Moschee ein
Vorhof an, den offene Säulenhallen oder Säulengänge, die mit 18 Kuppeln
Überwölbt sind, umschließen. Dieser Vorhof mit den Säulengängen
bildet ein Rechteck von 228 Fuß Länge und 180 Fuß Breite. Die
4 Säulen, welche die Hauptkuppel vor dem Hauptportal der Moschee
tragen, sind 30 Fuß hoch und 4 Fuß dick, Monolithsäulen aus brauu-
rothem egyptischen Oranit, die übrigen kleineren Säulen sind theils
Granit, theils Verde Antico (Ophicalcit) und krystallinischer Kalk. In
der Mitte des Vorhofes steht ein achteckiger aus Marmor gearbeiteter
Brunnen. Der ganze herrliche Bau erhebt sich auf einem freien um-
mauerten Platz, der ein Quadrat von 500' Länge bildet und theilweise
mit Bäumen bepflanzt ist. An die Nordostseite schließen sich zwei
Priesterseminarien an und an die Südwestseite der sehenswerte Schuster-
bazar, ein großes gegen 500 Fuß langes Tonnengewölbe, das mit aller-
hand Emblemen der Schusterznnft ausgeschmückt ist. Noch bis vor
kurzem war das Schusterhandwerk ein ausschließliches Privilegium der
Türken, und erst, seit auch den Chribten gestattet ist, Schuhe zu machen,
stehen in diesem Bazar die Buden mehr und mehr leer.
Adrianopel zählt noch 14 größere Moscheen und 20 kleinere,
aber sehenswert ist außer der Selim-Moschee nur noch die zweite große
Moschee, die Uetsch Scherif^ly (die Moschee mit den 3 Gallerien) mit
einem Prachtportal aus Marmor und großen Säulen aus Verde Antico
im Vorhof.
Erwähne ich nun noch die 5 großen steinernen Brücken *), die
über die verschiedenen Flüsse und Flussarme bei der Stadt führen,
eine große Caseme beim alten Serail, und die neugebaute Militäracademie
hinter der Selimmoschee, so glaube ich alles wesentliche von Bau-
werken in Adrianopel angeführt zu haben.
*) Die Jeni und Eski Köprü (neue und alte Brücke) führen an der Süd-
seite der Stadt, die erstere über die Maritza, die zweite über die Tundscha, die
Michal Köprü über die Tundscha auf der Poststraße nach Philippopel und
die beiden Serailbrücken über Tundschaarme.
Owprftphiicb« Mitiheiliuigen. 1870. 8. 23
354
In Handel, (bewerbe nnd Industrie kann sich Adrianopel weit aas
nicht messen mit Philippopel. Die frflher so blflhende Seidenzocht ist
in Folge der Seidenranpenkrankheit sehr zorfickgegangen. Von einer
größeren Anzahl von Seidenspinnereien arbeitet gegenwärtig nur eine,
die Gocons werden meist als solche auf dem Landweg nach Rodosto
gebracht and von dort nach Marseille verschifft. Der Handel ist in den
Hfinden weniger Monopolisten, die ans Furcht, durch Concnrrenz ihr
Privilegium zu verlieren, dem Eisenbahnuntemehmen wenig gOnstig ge-
stimmt sind. Gerberei, Kuchenbäckerei, Traubenverkauf sind noch heute
ein ausschließliches Vorrecht der £mir*s, die sich durch grOnen Turban
als Nachkommen des Profeten kennzeichnen.
Nichtsdestoweniger hat Adrianopel schon manches von westeuro-
päischer Civilisation und Cultur an- und aufgenommen. Die sogenannte
fränkische Colonie zählt 2ö Familien, zu welchen vor allem die Fami-
lien der fremden Consuln gehören, die sich hier zum Theil zu bedenk
tendem Reichthum und Finfluss aufgeschwungen haben. Im Sommer
leben die Franken in Karagadsch, einem eine Stunde von Adrianopel
am rechten Ufer der Maritza gelegenen Dorfe, das größtentheils aas
Villen besteht. Die Familien Vemazza (italienischer Consul) und Badetti
(norddeutscher Generalconsul) repräsentieren die finanziellen Großmächte,
während der österreichische Consul, Herr v. Camerloher, durch seine
Thatkraft und durch seine gründliche Kenntnis der türkischen Ver-
hältnisse eine der einflussreichsten und angesehensten Persönlichkeiten
Adrianopels, recht eigentlich der geistige Mittelpunkt der Stadt ge-
worden ist.
Herrn von Camerloher verdankt Adrianopel auch den größten
Fortschritt in gesellschaftlicher Beziehung, indem derselbe den glück-
lichen Gedanken hatte, der guten Gesellschaft der Stadt einen Mittel-
punkt zu geselligem Verkehr nach europäischem Geschmack zu schaffen,
und vor 4 Jahren das Adrianopler Casino grfindete, das einen ganz
unerwarteten Erfolg hatte. Dieser Casino-Gesellschaft gehören nicht
bloß s&mmtliche Consule mit ihren Familien und die Mitglieder der
fränkischen Colonie, sondern auch die Spitzen der türkischen Behörden,
— der Pascha ist Ehrenpräsident — und die Honoratioren aller andern
Nationalitäten an, auch spanische Juden sind Mitglieder. Sie hat ein
Winterlokal in der Stadt mit 2 Billards und einem Lesezimmer und
gibt hier im Winter 4 bis 5 große Bälle. Das Sommerlokal in Kara-
gadsch ist verbunden mit einer Kegelbahn und einem Biergarten, wo
Schwechater Bier geschenkt wird, und noch niemals liaben sich die
Herren Türken, Griechen und Bulgaren darüber beschwert, dass sie
auf diese Weise germanisiert werden. So bildet das Casino einen Cultur-
355
mittelpunkt, der als solcher allseitig anerkannt ist und die verschieden-
artigsten Elemente zu freundschaftlichem Verkehr vereinigt.
Aber auch eine Art Prater Bat Adrianopel. Ein prächtiger, von
riesigen Platanen beschatteter Wiesplatz beim alten Serail, der von
zwei Armen der Tnndscha umschlossen ist, also wie unser Prater eine
Insel — Serai Idschi, Serailinsel — bildet, ist durch Anlagen seit einigen
Jahren zu einem Volksgarten umgewandelt. Hier spielt jeden Sonntag
Militfirmusik; wir haben von der Bande der Gardekosaken sogar die
Walzer „an der schönen blauen Donau^ gehört. Der Garten ist das
Rendezvous der schönen Welt, und bietet an Sonntagnachmittagen
ein äußerst mannigfaltiges Bild. Auf den Wiesplätzen gelagert griechische
und bulgarische Familien, die Mädchen bunt aufgeputzt, jedoch alle
ä la franca, die malerische Nationaltracht ist leider verschwunden, da-
zwischen die Equipagen, die türkischen Offiziere in ihrer kleidsamen
Uniform, Damen der fränkischen Colonie zu Pferd, und damit kein
fUement fehlt, finden sich auch die Haremsbewohnerinnen ein; ihre ver-
mummten und verschleierten Gestalten sind es allein, die dem Bild den
orientalischen Anstrich geben.
Zu dem allen wird nun Adrianopel die erste türkische Stadt süd-
lich vom Balkan sein, welche die Eisenbahn bekommt. Der Hauptbahnhof
soll in die Nähe von Earagadschi an's rechte Maritzaufer, an den
Ereutzungspunkt der Philippopler- mit der Enoslinie kommen. Diese
letztere Linie wird jedoch nicht von Enos selbst ausgehen. Das
Mündungsgebiet der Maritza bei Enos bilden nämlich sehr ausgedehnte
Sümpfe, die sich in nordöstlicher Richtung weit in's Land hinein
erstrecken ; sie machen Enos zu einer der gefftrchtetsten Piebergegenden.
Um diese Sümpfe zu vermeiden, muss die Bahnlinie von der Meeres-
küste bei Makri nordwestlich von Enos ausgehen und hält sich
dann bis Adrianopel auf dem westlichen Ufer der Maritza am
Fuße der zum Gebirgsstock der Rhodope oder des Despoto-Dagh
gehörigen Bergketten, die hier wie alle Gebirge in der Türkei „Balkan^
genannt werden. Die Bahn durchschneidet auf dieser Strecke eine
äußerst fruchtbare, gut bebaute Landschaft mit zahlreichen großen
Ortschaften, eine wahre Gartenlandschaft, in welcher den Glanzpunkt
die Stadt Demotika bildet, mit einem malerisch auf einem Felsen ge-
legenen alten Schloss, der Residenz eines griechischen Erzbischofs. Die
Fortsetzung dieser Linie in nördlicher Richtung soll dem Tundscha-
thal folgen und zwar auf dem linken Ufer des Flusses bis Jamboli,
und sich dann östlich nach Burgas wenden. Die Länge der ganzen
Linie von Makri bis Burgas beträgt 38 deutsche Meilen. Terrain-
schwierigkeiten sind, abgesehen von dem Uebergang über das Inunda-
23*
056
tionsgebiet der Maritza bei Adriaoopel, auf dieser Strecke nur zwischen
Adrianopel and Jamboli za überwinden, wo die Tnndscha 3 Meilen
durch ein enges in Gneiß eingerisAnes Felstbal fließt. Indessen ist die
Frage wol berechtigt, ob es nicht zweckmäßiger w&re, Bnrgas anstatt
mit Adrianopel vielmehr mit Philippopel darch eine Bahnlinie zu yer-
binden, welche die Städte Aidos, Kamabad, dann Jamboli oder Sliwoo,
Jeni und Eski-Saghra and endlich Tschirpan berfihren würde. «Die Aus-
führung dieser Linie hstte gar keine nennenswerten Terrainschwierig-
keiten, sie würde die eigentliche Kornkammer Thraciens durchschneiden,
und namentlich die industriereichen Städte und Orte am Fuße des
Balkan*s der Eisenbahn näher bringen. Dadurch würde Philippopel,
das eigentliche Handelsemporium der östlichen Türkei zum Ausgangs-
punkt zweier Linien nach dem Meere, über Adrianopel nach dem
ägäischen Meer, und über Sliwno oder Jamboli nach dem schwarzen
Meer. Das sind auch die beiden Richtungen, in welchen sich der Handel
von Philippopel schon heute hauptsächlich bewegt
Zum Schlttss füge ich ein Verzeichnis von Höhen bei, auf dai
Linien Constantinopel-Adrianopel und Enos-Adrianopel, in welches ich
zur Yergleichung auch die von Viquesnel barometrisch bestimmten
Höhenpunkte aufgenommen habe.
HVhen in Rumelien.
1. Zwischen Constantinopel und Adrianopel*),
Galataria, Dorf bei Efltschflk Tschekmedsche . 33 Meter überdemMeere
Wasserscheide zwischen Maarli und Muhakiöi,
nordw. v. Jarim Burgas 125
Tschataldsche, Stadt .102
Indschies, Dorf am Zusammenfluss des Karasu
und des Teke 74
Janukhan bei Indschies .93
Hassan Han 242
Plateau zwischen Hassan Han und Bujuk Han 260
«-. , « [269
^^'^^^^^ • j 240 Viquesnel
Thal von Jenikiöi 206
Jenikiöi, Dorf 238
Plateau zwischen Jenikiöi und Sarai .... 260
Manuka Deressi, Flussthal 183
*) Wo nichts weiter bemerkt ist, sind die Höbeuangaben die Resaltaie der
Messungen mittels Aueroid, welche von Herrn Ingenieur Safran sky während
der Heise des Herrn Baudirektors W. Fressel ausgeführt wurden.
Sarai, Städtchen
Bnnar Hissar, am Weg oberhalb der Stadt
Jena, St&dtchen
357
r223
\ 200 Viquesnel
Tschakali, Dorf 202
Thalbecken von Wisa ... .190
Wisa, Stadt f^}^
I 200 Viquesnel
Bazarlik, Dorf 225
Plateau zwischen Bazarlik und Teke Deressi 340
Teke Tschiftlik 293
248
200 Viquesnel
jl95
I 210 Viquesnel
Plateau zwischen Jena und Monastir Deressi 260
Plateau zwischen dem Monastir Deressi und
Üsküp 300 Viquesnel
Brücke Aber den Bujuk Dere .169
Plateau östlich von Kirk-Klissi . . . 230
Kirk-Klissi,Han { 2^ Viquesnel
Plateau westlich von Kirk-Klissi . 204 v. Varnbühler Niv.
Plateau zwischen Kirk-Klissi und Jenidsche . 210
Jenidsdie (Novo Selo) Dorf 131
Plateau zwischen Jenidsche und Haskiöi . . 200
Haskiöi, Dorf . .163
Iskender Kiöi, Dorf 147
Brocke über den Tatar Dere (Zufluss des Er-
kene), zwischen Tajakadun und Oglu Pascha 76 v. Varnbühler Niv.
Adrianopel, Innndationsfläche der Maritza . . 32 Tafel Niv.
Dilnvialterrasse über dem Inundationsgebiet • 40 Tafel Niv.
Kuppel der Moschee des Sultan Selim . . . 120.5 v. Vamb.
Spitze der Minarets dieser Moschee .... 137.5 v. Vamb.
Adrianopel, ohne Angabe des Punktes . . 90 Viquesnel
Adrianopel, Gömrük Han 98
Karagadsch (Karahatsch) bei Adrianopel ... 79 Viq.
2. Zwischen Enos und Adrianopel.
(Nach Nivellements vom Herrn Inspector Tafel.)
Niveau der Maritza bei Feredschik 3 Meter
Feredschik, Stadt 40 Viquesnel
Marhamli, Dorf 75
358
Sattel bei Marhamli . ...
Tschomlektschi, Dorf . . . .
Sufli, Dorf am rechten Ufer der Maritza
£influss des Mandra Dere in die Maritza
Mandra, Ort
Salti Kiöi, Dorf .
Karabeli, Dorf
Demotika, Alluvialfläche am rechten Ufer
Chysildere
Demotika, Stadt
Schloss . . ...
Chysüdere-Thal (Risild^ü) . .
Plateau westlich von der Stadt
Laie Bnrgas am rechten Maritzaofer . .
des
»
»
»
43
11
12
13
78 Viqnesnel
15
65 Viquesnel
17
93 Viquesnel
138 Viquesnel
66 Viquesnel
220 Viqnesnel
21
Das Land Turuchan
im asiatischen Russland nach seiner physikalischen
Beschaffenheit.
•
Von F. SvScen^.
(Schluss.)
Im Süden des Landes mit Ende Februar und im März stellen sich
sadöstliche, sfldliche und südwestliche Winde in Begleitung bedeutenden
Schneefalles ein.
Die erste Hälfte des April zeichnet sich durch heitere Witterung
aus; zuweilen erhebt sich die Temperatur bis zu 14^ Wärme. Zuerst
feiern ihren Einzug die Gimpel, nach ihnen kommen die Adler. In der
zweiten Hälfte des April zergeht in den südlichsten Landstrichen der
Schnee in Folge der Regengüsse, die auch den Bächen Zufluss verschaffen.
Es erscheinen nun Schaaren von Schwänen. Das Sonnenlicht wird im
Widerschein von den Schneeflächen blendend. Am reinen und unge-
wöhnlich klaren Luftmeere merkt man das Herannahen des Frühlings.
In den letzten Tagen des April beginnt der Einzug der wilden Gänse,
zugleich mit ihnen zeigt sich zuweilen der Star mit der Möve. Letztere
verkriecht sich bei dem ersten Nordwinde. Rührend ist die Freude, mit
welcher man im Lande das Erscheinen jedes neu ankommenden Vogels
und der Frühlingswässer begrüßt Doch unterbricht oft auch an heiteren
Tagen ein kalter Wind das Wohlbehagen, und lässt Eiskrusten znrflcJc.
Mit Anfang Mai verschwindet die Schneedecke, nachdem sie im Winter
die Dicke von anderthalb Arschin erreicht hat. Auf d^n Grunde der
359
Seen zeigt sich wieder Wasser. Der Untergang der Herrschaft des Eises
datiert erst von der zweiten Hälfte Mai. Anfänglich bringen die West-
oder Nordwestwinde noch immer Schnee und Regen und die Luft ist
feacht and neblicht. Die Witterung ist unbeständig, aber die Wassermenge
nimmt ungeachtet der Fröste schon zu. Gegen den 15. Mai wird der
Jenisej eisfrei, bald darauf auch die untere Tunguska. Wenn sich aber
die schweren Wolken verziehen und die kalten Winde legen, so hat
man das Schauspiel der wiedererstehenden Schöpfung. Der Glanz der fast
nicht untergehenden Sonne nach andauernder ertötender Dämmerung,
das erneuerte Wirken der belebenden Sonnenstralen erfreut des Menschen
Herz, das auf dem Punkte war, in der erstorbenen Natur zu erstarren.
Kaum anderswo auf dem Erdenrande wird die Frühlingsonne
mit solchem Hochgefühl begrüßt, wie am äußersten Rande des Nordens.
Die Nacht mit ihren Sternen verschwindet gänzlich, letztere waren schon
um den 7. Mai unsichtbar geworden. Aus dem erweichten Schnee ent-
springen mit Ende Mai zahlreiche Bächlein. Die Bleifarbe des Wassers
nimmt unter der Einwirkung der Sonnenstralen eine bläuliche Spiegelung
an, die erwärmte Luft erfüllt sich mit gelinder Feuchtigkeit, aus der Erde
steigen Dünste empor, aus den Höhlen kriechen allerlei Mäusegattungen
und die Eichhörnchen eilen nach den erhöhten Stellen. Die Hunde
beginnen ihre Streifungen nach Beute. Das Wasser des Jenisej
tritt aus, sich von 8 auf 12 Klafter erhebend. Der Turuchan entsendet
von seinem Ueberfluss Seitenarme in den Jenisej schon 100 Werst
vor seiner Mündung. Die Waldungen im Umkreise von Turuchansk
stehen bis zu den Gipfeln der Bäume unter Wasser. Das Gras erhebt
sich durch den Einfluss der Wärme zusehends, die Hausthiere zerstreuen
sich um die Wohnungen herum. Schwärme wilder Gänse, Schwäne,
allerlei Gattungen Enten und anderen Vögel kreisen in den Lüften und
ziehen gegen Norden und Nordost um in Nester zu gelangen. Aus
den Höhen vernimmt man unaufhörliches Gebrause und Gezwitscher
neben dem Schwirren des Flugs der Raubvögel. Die ganze Gegeud
erfüllt sich mit tausendfältigen Stimmen. Zu diesem unvergleichlichen
Chor der Vögel gesellt sich das Pfeifen der Eichhörnchen, die an das
Kindergeschrei mahnenden Laute des Hasen, und das Brausen der Bäche
und Wasserfälle, welche sich von den Riffen des Jenisej herabstürzen.
Das Wasser erhebt sich von seichten Stellen immer mehr und mehr, bis
es zwischen Klüfte gedrängt wird, diese mit Toben erfüllend. In kaum
zwei Stunden nimmt der tote Gebirgskessel eine ganz andere Gestalt
an, in seinem Räume drängt ein Eisblock den anderen, die Treibhölzer
brechen sich an einander und sinken unter. Es ist als zeigte der Erdboden
neues Leben nach neunmonatlicher Erstarrung; an tiefer liegenden
360
sandigen Stellen wirft das Wasser Blasen auf, und dringt ans kleinen
runden Oeffnungen hervor, an einigen Punkten bildet es förmliche
Springbrunnen. Zu Turuchansk lebt sogar der graue, morsche, von
zwitschernden Schwalben umschwärmte Glockenturm wieder auf, über-
wölbt vom blauen Himmelsraume, durch den ein buntes in Goldgelb
stralendes Wolkenheer seinen Zug nimmt.
Kommt der Monat Juni, so entkeimen der durchwärmten Erde dichte
Buschen Waldknoblauch, überall drängen sich Gräser hervor. Nach
Turuchansk schwimmen zwei, drei Schiffe, und die bis dahin theilnahms-
losen Einwohner gewinnen neues Interesse. Die Waldungen bekleiden
sich mit Grün, und die Wässer verschwinden. Der Fluss Turuchan
nimmt seinen früheren Lauf, und die Barke mit ärarischem Getreide,
welche um den 20. Juni herbei kommt, erreicht nicht ohne Schwierigkeiten
den Ort. Man pflanzt in die Gerten Rüben, Rettig, Kartoffel und rothe
Rüben. Der Boden thaut bis zur Tiefe eines halben Arschin auf, in
gegen den Nordwind gedeckten Lagen auch tiefer, und ungeacht-et der
Nähe gefroi-ner Erdschichten gedeihen die Früchte. Es gibt Rüben im
Gewicht von 8 Pfund, nur die Kartoffel und rothe Rübe bleibt klein,
und der Kohl entwickelt kaum ein kleines Köpfchen. Mit dem 12. Juni
verschwindet die Sonne nicht mehr vom Horizont, während zwei Mitter-
nachtsstunden verliert sie ihren Glanz und ist nur zur Hälfte sichtbar,
dann erhebt sie sich wieder. Während dieser Zeit ist sie gewöhnlich in
Wolken gehtillt. Mit Ende der ersten Hälfte Juni erreicht die Tages-
hitze 28*^ und darüber. Ohne die Nordwinde wäre die Luft wegen der
großen Ausdünstung des Bodens erstickend und verderblich. Die Vögel
verbergen sich in den Nestern. Es zeigen sich Miriaden von Insekten
und verschiedenen Fliegengattungen. Das Wetter ist überwiegend heiter
Die Nächte gleichen den Morgenstunden, sie sind ruhig und von unaus-
sprechlichem Reize; es scheint als wäre die gesammte Schöpfung nach
fibermäßiger 22-stündiger Thätigkeit auf zwei Stunden in tiefen Schlaf
gesunken. Dieß ist die schöne Jahreszeit in Turuchansk.
Zur selben Zeit, als in dieser Stadt unter dem 65.^ 55' sich
eine durchgreifende Wiedergeburt vollzieht, kommen höher gegen Norden
zwischen dem 71. und 73.® noch keine Anzeichen der Wärme vor,
obwol dort die Sonne vom Beginn des Mai bis zur zweiten Hälfte Juni
nicht untergeht. In diesen Gegenden herrscht während der ersten H&lfte
April heitere Witterung, bei mäßigen und seltenen Nordwinden. Der
Glanz des Schnees in Folge des Anpralls der Sonnenstralen ist uner-
träglich. In der zweiten Hälfte des Monats Mai bricht sich mit dem
Erscheinen der wilden Gänse die Kälte, der Himmel umzieht sich mit
Wolken, es erscheinen die atmosphärischen Veränderungen, welche in
361
Timichansk in der zweiten Hälfte des April vorzukommen pflegen. Hier
wie auch in den nördlicheren kahlen Ebenen herrschen südöstlichei
sfidliche und sfidwestliche Winde besonders stark, diese bringen Schnee
und Yerwehangen, selten aber Regen. Mit Ende Mai lagern sich starke
Nebel wolkenartig über den Erdboden, oder verwandeln sich in Schnee,
Regen, oder in beides zugleich, oder zuweilen in Reif. Diese Witterung
zieht sich bei fortdauernder Feuchtigkeit der Luft durch den ganzen
Monat Juni, besonders in der Nähe der Meeresufer. Mit Ende der
ersten Hälfte des Monats Juni, wenn die Gänse und Schwäne die Nester
beziehen, werden die Flüsse eisfrei, an bergigen Stellen an der Sonnen-
seite zeigt sich schwaches Gras, hervorgelockt durch das einfallende
Licht. Während der wenigen Momente heiteren Himmels wird die Luft
dermaßen durchsichtig, dass selbst entfernte Gegenstände sich der
genauesten Wahrnehmung darbieten. An den Polen und insbesondere in
der Nähe des Meeres wehen während der Sommerszeit sehr veränderliche
Tageswinde, mit augenscheinlichem Localcharakter, so dass deren Rich-
tung an verschiedenen Stellen eine ganz entgegengesetzte ist. Nach
Maßgabe der Meeresnähe werden die Gewitter im Laufe des Jahres
seltener und schwächer, dafür gibt es dort an den warmen Julitagen
reichlichen Reif.
Obwol unter dem 71 — 7H.^ n. B. die Vegetation in der Regel
aufhört, gedeiht doch im Osten des Landes noch unterm 78.^
zumal in den Bergen und Waldungen eine mannigfaltige Flora. So
zeigen sich dort in der zweiten Hälfte des Juni die ersten Blätter, die
Blüten folgen mit Anfang Juli und mit Ende dieses Monats erreicht
das Gras eine Höhe von 1^/^ Arschin. In warmer Sommerszeit reifet
die Himbeere, Johannisbeere, Rauschbeere, Heidelbeere, die Schwarzbeere
und zugleich auch der Same des Lärchenbaumes und der Erle. Der
Wachsthum des Lärchenbaumes ist so langsam, dass er im Verlauf von
10 Jahren nicht höher wird als 2^1^ Arschin. Mit Anfang Juli
kommen Gewitter, begleitet von kleinem Hagel, zu Ende des Monats
treten Regengüsse ein, dann Nebel und Reife, reißende Flüsse und
besonders Bäche werden seieht oder vertrocknen gänzlich. Wenn man in
der günstigsten Sommerszeit sich in der Nähe irgend eines Sees ergeht'
und den ihm umgebenden duftenden dichten Lärchenwald, dann dessen
weißgelben oder weißen Sandgürtel, stellenweise durchbrochen von grünem
Blumenteppich erblickt, und sich in die Betrachtung des die Sonne und
das Wolkenheer wiederspiegelnden Wassers versenkt, wenn man sich
darüber ergetzt, wie die Insektenschwärme träumend herumkreiseu, die
Schnepfe ruhig am Ufer läuft, der Schwan durch die Wellen schwimmt,
sein Gefolge mit unruhiger aber sanfter Stimme herbeirufend, so verglast
362
man, dass die fearigen, rund herum Wärme aasbreitenden Sonnen-
stralen bei dem ersten Wehen des Nord- oder Nordwestwindes aus dem
klaren blanen Himmel sich zurflckziehen oder von der Nebeldecke mit
dflsterer Bleifarbe zurückgeworfen werden, worauf der Regen wie feiner
Staub herabfftUt, die Windsbraut erdröhnt, den der nordischen Natur
fremden bunten Blumenschmuck zerknittert, und den alles organischen
Lebens beraubten Boden fflr lange Zeit mit dem Sterbehemd bedeckt.
Weiter gegen Norden, zwischen dem 73^78.^ am Ufer des
Eismeeres kann man, ungeachtet die Sonne zwischen der Mitte April
bis 15. Juli nicht untergeht, nur 6 bis 10 warme Tage z&hlen. Obwol
um diese Zeit die Nordwinde selten wehen, kommen doch durch die
Sfldwinde keine warmen Lüfte, sondern nur Regen und Feuchtigkeit. Der
Rest des Jahres verl&uft im einförmigen Düster, denn die vom Meere
aufsteigenden dichten Nebel, Regen und Schneewehen verhüllen ganze
Monate hindurch das Himmelsgewölbe, bis endlich eine lange Nacht
mit starrmachenden Frösten hereinbricht, aus der selbst die wilden
Thiere entfliehen. Der Uefoergang aus dem düsteren Norden des Landes
in die (regend von Turnchansk in der Periode des Sommers ist eine
Rückkehr in gesegnete Gefilde. Im Jahre 1859 erreichte dort am
7. und 8. Juli die Tageswärme 32" im Schatten, in der Sonne aber 40".
Die Luft erfüllt sich dann mit Dünsten aus den glühenden Wäldern
und wird unerträglich. In diesem Monate herrschen da kurz andauernde
Gewitter. Es kommen selten Hagelschläge^ auch sind diese unbedeutend.
Mit Ende Juli erreichen die Gräser ihre Keife. Auf den Wiesen werden
sie P/s Arschin hoch, wo Feuchte und Thau herrscht auch 27i Arschin.
Selbst die Nordwinde sind warm. Zu Ende des genannten Monats treten
einzelne Sterne erster Größe sichtbar hervor, die Nächte werden
dunkler; es kommen dichte Nebel, das Gras färbt sich dunkel, zu-
weilen wird die Vegetation vom Thau bedeckt. Mit dem Eintritt der
Morgenfröstc wird aber das Wachsthum gehemmt.
Durch zwei Drittheile des Monats August herrscht fortwährend
trübes Wetter; es wehen starke Winde vom Süden, Nordwesten und
Osten. Zuweilen tritt der Windwechsel oftmal im Tage ein, die
kältesten sind die Nordwinde, die heiteres Wetter bringen. Die Regen*
gösse sind von durchdringender Feuchte begleitet, zu welchen sich
mächtige Nebel gesellen. Schon mit Anfang August verschwinden die
Schwalben, nach ihnen die Ufervögel (Schnepfen u. dei^l.) und die
kleinen Yogelgattungen. Mit 25. August beginnen die Reife und zu
Ende des Monats verschwinden die Gänse.
Der Nomade erwartet mit größtem Gleichmuth die trübselige Herbst-
zeit. Mit dem Herannahen des Septembers verzieht sich der HinuneL
363
Die grauen Wolken hänfen sich in Massen an and senken sich. Die
östlichen und noch mehr die westlichen heftigen nnd kalten Winde
entkleiden schnell die Waldangen, dichte Nebel setzen sich durch
einige Tage fest, Regen and Schnee wechseln mit einander, das mächtige
Gras sinkt zasammen, die Nadeln am Lftrchenbaume werden gelb und
fiüUen ab. In der zweiten Hälfte September zieht der letzte Vogel
von dannen, die Fröste nehmen za and steigen bis zn — 5*'. Oft hört
man ans der Mitte des andurchdringlichen Nebels die klagenden Laute
der Nachzügler der Schwanenscharen. Mit Ende des Monats verstärken
sich die Fröste, aller Verkehr nimmt sein Ende und der Fluss Tarachan
bedeckt sich mit Eis. Aus dem Norden kommen die Rebhühner herbei-
gezogen and der achtmonatliche strenge Winter nimmt seinen Anfang.
In der ersten Hälfte Oktober fällt zuweilen noch Regen, doch den
größten Theil des Monats herrscht Schneefall. Um den 25. bedeckt sich
der Jenisej mit Eis, die Fröste erreichen -)- 24 Grade.
Die erste Hälfte des Monats November bringt aasgiebigen Schnee,
in der zweiten kommen starke Fröste untermengt mit Staubwehen.
Diese anterscheiden sich vom gewöhnlichen Schneegestöber. Dieses ist
nor eine Vorbedeutung für den Wanderer in den offenen Steppen, dass
Schünunes nachfolgen werde. Die Staubwehe (Purga) ist da, wenn der
Schnee im Luftraum und auf der Erdiläche sich in ein staubiges
Chaos verwandelt, wenn dieser Schneestaub in die Augen dringt, den
Athem hemmt, in die leichtere Bekleidung eindringt, und den Menschen
and das Rennthier niederwirft. Alles sucht Schutz, die Raubthiere und
der einzige fiberwinternde Vogel, die Eule, flüchten sich unter
Zäune oder an Uferstellen der Bäche, der Nomade befestigt sich mit
Ledergarten an die Schlitten. Ruhig liegt er durch 24 Stunden und
darftber ohne Nahning zu nehmen, oder selbst den Lieblingsgenuss des
Tabakrauchens zu haben; nur wechselt er von Zeit zu Zeit den Stand-
ort des Schlittens wegen der Fütterung des Rennthiers. Diese Staub-
wehen ereignen sich gewöhnlich zwischen dem 15. November und
15. Jänner. Sie dauern durch volle 24 Stunden, manchmal auch durch
12 Tage. Wird das Wetter heiter, so erblickt man den nördlichen
grauen Himmel mit dem helleuchtenden Monde und den schimmernden
Sternen. An der Nordseite zeigt sich ein kleines blasses lichtes Wölkchen.
In dem Maße, als es sich von dem Erdboden erhebt, wird es lichter und
nimmt die Gestalt einer hellen Wölbung an. Nach zwei Stunden theilt sich
dieselbe in leuchtende Streifen, die vergehen und wieder entstehen, und
ach regenbogenartig färben, auch ganze Feuerbflndel bilden, mitunter
sich in Säulen verwandeln, oder zu blassen Nebelgestalten schwinden.
Je stärker das Nordlicht auftritt, desto dunkler wird der Himmel. Bei
364
ruhigem Wetter dauert dieß Schauspiel durch die ganze Nacht. Selten
geschieht es, dass ein Nordlicht ganz in die Tiefen des Himmels sich
zurückzieht. Gewöhnlich verfolgt es die Richtung des Zeniths.
Im December ist das Wetter in Tumchansk heiter, die Kftlte
steigt bis auf 40*^. Die Luft wird so dicht, dass sie das Athmen
erschwert. Der Boden, die Eisdecke Ober den Gewässern und die B&nme
geben im Krachen einen dumpfen Schall von sich. Der Schlag der Axt ist
weithin hörbar. Das Eisen wird spröde und springt, wenn es anißillt, wie
Glas, das Holz wird hart wie Eisen, das Feuer brennt träge aus der
Holzschichte hervor. In der ersten Hälfte des Monats dauert der Tag
nur 8^2 Stunden; die Sonne erscheint im äußersten Ost«n, um nach
zwei Stunden zu verschwinden. Mit Ende Jänner lassen die Fröste nach,
das Wetter lässt sich sowie auch im folgenden Monate heiter an, und
es wehen zumeist Nord- und Südwind«.
Bei den Nomaden wird das Jahr in 15 Monat« eingetheilt Einige,
wie z. B.S die Samojeden und Tungusen, betrachten den Winter und den
Sommer als zwei verschiedene Jahre, und wissen nichts von Monaten.
Die Tage führen bei ihnen keine Namen. Sie bezeichnen sie mit Zahlen.
Nur bei einigen getauften Jakuten findet man eine Zeitrechnung nach
russischer Art, wobei sie sich eines Instrumentes aus Holz oder Mammnth-
knochen mit verschiedenen Zeichen bedienen.
Im Winter, wo die ganze Gegend einen dftstern öden Charakter
annimmt, und graue oder bleifarbige Nebel sich auf der Erdfläche
lagern, wo in der Luft Schneeflocken kreisen, und alles umher dumpf,
öde und finster ist, erscheint dem Wanderer das Land Turuchan als-
eine einförmige von organischem Leben fast verlassene Wüstenei. Doch
wenn der Sommer zurückgekehrt ist, wenn grüner Pflanzenwuchs und
Blumen die Hügel und Ebenen mit Schmuck versehen, erweckt auch
die Natur am Nordpol im Herzen Erquickung und Wonne.
Geographische Literatur.
Dalmatien und seine Inselwelt, nebst Wanderungen durch die
schwarzen Berge. Von Heinrich Noö. A. Hartlebens Verlag in Wien,
Pest und Leipzig 1870.
"£s ist anmöglich in einem UmfaDse, wie es der mir vorgeschriebene
ist, von seiner Nord- bis zur Südgräuze durch mehr als zwei Breitegrade hin-
dorch allseitig ein Land zu behandeln, dessen Lebensbedingungen sich so
sehr von den Verbältnissen des westlichen Europa unterscheiden. In der Er-
kenntnis dieser Unmöglichkeit habe ich mich bestrebt, die einzelnen aus dem
Gesammtbilde ansgehobencn Profile, Veduten und Scenen mit Genauigkeit und
Fleiß auszumalen, damit durch die Farbenwirkung des deutlich geschilderten
Kleinen sich in der Einbildungskraft des Lesers ein Abbild des Großen er-
hebe. — Aus eben dieser £rwfigttng habe ich mich auch mehrfiach vom bdeh-
365
renden und besehreibeDden Ton des VortragB entfernt nnd die kOnstleriscbe
Form der Erz&hlung erwählt. In dieser werden zahlreiche Erscheinungen, welche
ohne Zosammenhaug aufzuführen ermfldend wäre, dem Leser durch eine Kabel
verknüpft, für welche ich außerdem noch das Verdienst beanspruche, dass sie
sich nur in unwesentlichen Dingen von wirklichen Vorgängen unterscheide.
Auf diese Weise ist es mir vielleicht mehr als durch ein Reisereferat gelungen,
das Wesen der Dinge in diesem Jjandc dem Leser zu einem gewissen Grade
von sinnlicher und greifbarer Wahrnehmung zu bringen.«
Mit diesen Sätzen leitet der Verfasser sein neuestes Buch ein, das den
frühem, wiewol sie ganz andere Himmelsstriche schildern und von ganz andern
Stimmungen getragen sind, an Schärfe der Auffassung und Reiz der Darstellung
nicht nachsteht. Uem vermisst man die Umständlichkeit in den Erlebnissen
des Touristen und alle die Kleinigkeiten, durch welche er deutlich werden
will, wenn die Schilderung darnach angethan ist, dass sie üQr den Gegenstand
erwärmt und den Geist in Spannung erhält. Der Leser wird in dieser Rich-
tung durch das Buch befriedigt werden. Heinrich No€ weiß nicht nur die
Staffagen, sondern auch den Himmel interessant herzurichten und die Erzäh-
long wirkt wie ein guter Roman, d. h. man lässt dahingestellt, ob die Situa-
tionen, die er vorftkhrt und die Personen, die er handeln lässt, nicht vielleicht
erfunden seien, um den Effect zu erzielen, aber man erkennt ihnen willig die
innere Wahrheit zu.
Die Gegenden, die das Buch behandelt, bieten nicht nur viel Eigeu-
thümliches und Ueberraschendes in der Landschaft und den Bewohnern, was
näher gekannt zu sein verdient, sondern haben durch die letzten traurigen
Ereignisse neuerlich die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der Verfasser bringt
demnach einen in mehrfacher Beziehung dankbaren Stoff zur Darstellung, der
noch durch die elegische Stimmung gehoben wird, in die der Anblick eines
kernigen, aber verwahrlosten Volkes versetzt, und die das Buch treffend ab-
spiegelt.
Es ist natürlich, dass bei einer Schilderung der Zustände in Dalmatien
die autonome Wirtschaft der Communitäten , die dem eingebomen Slaven das
Leben verbittert, und die Regierung, die zur Hebung des Volkes nichts thut,
übel wegkommen. Es wäre sogar zu bedauern, wenn der Verfasser nach dem,
was er gesehen und erfahren hat, sich dieser Herzensergicßungen eutschlagen
würde. Man kann die Glocke nicht genug anschlagen, wenn es brennt; und
die Richtigkeit der Angaben im einzelnen wird schwerlich bestreiten, wer das
Land und seine Zustände aus längerer Beobachtung kennt und mit den Ele-
menten, welche dort die Guitorentwicklung hindern, vertraut ist. Uns liegt es
am fernsten den Eindruck seiner Schilderung zu stören, da uns die lebhafte
Sympathie, die sein Buch für den ungekannten Erdwinkel anregen wird, nur
willkommen sein kann. Zwei Bemerkungen aber können wir nicht unterdrücken,
da uns die historische Wahrheit über allem steht
Die eine betrifft die Stelle S. 63, wo der Verfasser von der Übeln Be-
amtenwirtschaft redet und sich so vernehmen* lässt:
"Diejenigen, welche das Land genau kennen, wissen viel von dem Formel-
wesen, der Gedankenlosigkeit und der Faulheit der Beamten zu erzählen,
welche mit dem Volke zu thun haben. Insbesondere die Würdenträger italie-
nischer Zunge lassen den armen slavischen Landbewohner es unaufhörlich
fühlen, dass die Art und Weise, wie regiert wird, in Wirklichkeit kaum anders
als eine unnöthige Quälerei genannt werden dürfe. Vom Volk wollen sie alles:
lästige Steuern, Zölle, Abgs^n jeglicher Art und zuletzt die Söhne. Was für
dasselbe geschieht, das sieht jeder, der sich die Straßen, die Wohnungen und
die Menschen selbst betrachtet.
Wären nicht die Franzosen einige Jahre im Land gewesen, so würde
es Yiel schlimmer aussehen. Von den Schutzwäldern (boschi sacri) an bis zur
Erbauung großer Straßen, von der Abschaffung der Priyilegien bis zur Be-
kämpfung des Hexenglaubens war die kurze Verwaltung des Marschalls Mar-
Bont eine segensreiche. Oesterreich hat seine Heere seit mehr als einem halben
Jahrhundert an der Küste stehen, aber ohne die Dampfschiffe des Loyd konnte
kein (leldbrief unangefochten von einer Stadt zur andern be£l)rdert werden.
366
Fast io jedem Monate hört man : »Die MalTiventi smd vom Gebirge benb-
gestiegen."
Nun können wir die Quälereien, die von den Beamten ansgeheii soUen,
nur mit großer Eiuschränlcung gelten lassen und haben eine mehijahrige Beobach-
tung für uns, die gerade in dieser Richtung von keinem Vorortheil getrfibt war.
Unter einer Masse von Beamten auch solche zu treffen, die xn ihrem Dienst
weder die nöthigen Kenntnisse, noch das Verständnis haben, liegt in der Natur
der Sache ; wir haben aber in Dalmatien auch eine große Zahl töchtiger und
ehrenwerter Männer im Dienste des Staats kernten gelernt, denen das Ver-
ständnis dessen , was bei dem Volke noth thut und der ernste Wille daf&r xa
Wirken, nicht fehlte, und wenn sie im Großen und Ganzen dennoch nichts zu-
stande brachten, darum keinen Vorwurf verdienen. Sie wurden durch die
Fehler der Kegierungsmaschine brach gelegt. Von WQrdenträgera
italienischer Zunge aber, die sich das slavische Landvolk zum Opfer ihrer
Quälerei ausersehen, dürfte der Verfasser selbst abschen, wenn er er&hrt, dass
im Beamtenstaude von Dalmatien nur ein verschwindender Bruchtheil aus
Männern italienischer Zuiige besteht, die übrigen in überwiegender Mehr-
zahl entweder £ingeborne >- also Slaven — oder Deutsche sind und
folglich die Plackereien, wenn sie wirklich stattfinden, so wenig dies uns
Deutschen gefallen mag. entweder den eingebornen oder den deutschen Beamten
müssen iu die Schuhe geschobeu werden.
Dass Dalmatien unter den Franzosen, wenn es länger unter ihrer Herr-
schaft geblieben wäre, eine das Volks wohl mehr berücksichtigende Administration
gefunden hätte, wird dem Verfasser ein gebildeter Daimate, der die Geschichte
jener Occupatiou kennt, schwerlich gelten lassen. Was unter französischer
Herrschaft, mit Ausnahme der Straßen, die von der Strathegie geboten waren,
für das Dalmatinervolk geschah, entsprang nicht dem Hirn Marmonts, wie-
wol er dem Ruhm davon hatte, sondern dem Verstand und wolwolienden Üenea
eines Italieners, des Grafen Vinc. Dandolo, den Napoleon zum Prove-
dittore generale der besetzten Provinz gemacht hatte und der Volkswirt
von Berut war. Und gegen welchen ieiud i-r bei seinen humanen Bestrebungen
zu kämpf n hatte, zeigen am besten die zum Waldschutz bestimmten »boschi
sacri,» nämlich Gehölze, die er mit Heiligenbildern schmücken und mit kirch-
licher Weihe versehen ließ, um sie gegen die Zerstörung durch die Einge-
bornen zu schützen und trotz dieses Appels au die religiöse Scheu dennoch
nicht vor ^Verwüstung bewahren konnte. Und gerade die Schöpfungen Dandolo's
in Bezug auf Weinbau, Seidenzucht und Oelpflanzungen wurden in den ersten
Jahren der österreichischen Herrschaft mit großer Vorliebe gehegt, da zufallig
ein gleichgesinnter Deutscher, Forstdirector Kargel, seine Erfahrung und
Mühe zur Vertagung stellte. £r lebt noch in gutem Andenken bei vielen ; aber
seine guten Absichten sind wie die des Grafen Dandolo an demselben Hemm-
nis zu nichte geworden, welches jeder humanen Idee entgegenwirkt, au der
Verwahrlosung des Volkes von Jugend auf. Für wahre Volksbildung
wurde von den Franzosen nicht mehr gethan, als von den Oesterreichern, nur
mit dem Unterschied, dass die Franzosen kaum Zeit im Lande hatten, die
rechten Mittel dazu zu suchen, die Oesterreicher aber wol Zeit genug gehabt
hätten, sie zu finden.
Eine zweite Bemerkung betrifft die Frage, wie den Dalmatinern^ wenn
man Scheinmittel außer Rechnung stellt, im wahren Sinne des Wortes anfisu-
faelfen wäre. Ein Volk, das an einen Küstenstrich ohne Hinterland ange-
wiesen ist, wäre auch dann, wenn dieser Küstenstrich die Bedingungen zur
agricolen Bewirtschaftung in vollem Maß l)öte, in erster Linie nicht geeignet,
durch ländliche Beschäftigung seine Interessen befriedigt oder gehoben zu finden.
Es hieße den Einfluss der geographischen Lage auf die Natur des Menschen
leugnen, wenn man das glaubte. So weit die Geschichte Kflstenvölker nennt,
bezeichnet sie in den Anfängen ihrer Entwicklung Erwerbszweige, die mit der
Lage am Meer in der nächsten Beziehung stehen , 1' ischfang, Schiffahrt und
Schiffbau, Küstenhandel, aus dem unter günstigen Umständen ein Handel Ober
die Küste hinaus wurde. Man sagt den Dalmatinern ohne Unterschied des
Landstrichs, wo sie wohnen, nach, dass sie geborene Matrosen seien. Wir
Wünschten, dass sie anch erzogene Matrosen wären, dass der Staat ihnen
367
dwch grOndliclie Verbesaeraog der Schulen und namentlich dnrch Begansti-
gnng and Verbreitung jenes Unterrichts, der den Seemann erwerbstücbtig macht,
adion in der Jugend die Bahn ebnete, auf der sie ihre Kraft zu Qbeu vou der
Natur angewiesen sind. Der gebildete Seemann würde bei freien Institutionen
auch die Mittel finden, die er zur Verbesserung seiner heimatlichen Zustände
zu benutzen hat. B.
Schriften der historisch-statistischen Section derk. k. mährisch-
schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der
Natur- und Landeskunde, redigiert von Christian K. d'Elvert.
XIX. Band. Urfinn 1870.
Der vorliegende Band dieser trefflich redigierten Publication enthält
Monographien Ul^r verschiedene Industriezweige in Mähren und Schlesien,
und zwar über die Schafwollenwaren, Leinwaren, Baumwollwaren, Seiden-
zucht und Seidenwaaren, Erzeugung gegorner und gebrannter Flässigkeiten
(Bier-, Branntwein, Essig) und die Kulanz uckeriäbrication, nebst einzelnen die
Industrie dieser Länder betreffenden Rechtsfragen.
Der Leser würde aber irren, wenn er in dem Gebotenen einen statisti-
schen Bericht über diese Industriezweige in der gewohnten Form suchte. Der
Verfosser, in welchem wir den durch seine Verdienste um die Geschichte von
Mähren und Schlesien hochverdienten Kedacteur zu bezeichnen haben, stellt
sich eine höhere, und wie uns dünkt, höchst interessante Aufgabe, indem er
die GesZhichte jedes einzelnen Industriezweiges in seinem Lande bis auf die
Anfinge verfolgt und auf diese Art die gewerbliche Entwicklung in den
Rahmen eines lehrreichen und anziehenden Culturbildes fasst. Damit recht-
fertigt sich auch der besondere Theil dieses Bandes: Zur Culturgeschichte
von Mähren und Schlesien. Er ist der dritte in der Reihe, und soll nicht
der letzte sein. Im ersten Bande wurden die verheerenden Einfalle der Türken,
Tataren und Ungarn von 1663—1709 geschildert und Beiträge zur Geschichte
des Bergbaues und Hüttenwesens, der Gel-, Leuchtgas-, Seifen-, Kerzen-,
Wachswaren-, Leim-, Kunstkaffee-, Ghokolade-, SüÜholzsaft- , Senf-, Käse-,
Stärke-, Harpuder-, Mühlen-, Papier-, Spielkarten-, Tapeten-, Tabak-, Leder-
und Wagenfabrication , der Buch- und Steindruckerei, des Buch-, Kunst- und
Musicalienhandels, der Leihbibliotheken und Zeitschriften geliefert.
Der zweite Band enthielt Mittheilungen zur Geschichte des 17. Jahr-
hunderts in den böhmischen Ländern, einer Zeit^ die auf die Cultur so ver-
nichtend eingewirkt hat, insbesondere der Rebellion, Reformation, des 3üjäh-
rigen Krieges und der Neugestaltung dieser Länder, der eingetreteneu oder
angebahnten gleichförmigen Umgestaltung ihres Rechtslebens.
Es ist sehr glaublich, dass die Quellen, wie der Verfasser im Vorworte
sagt, bei dem gänzlichen Mangel einer Vorarbeit mühsam gesammelt werden
mussten. Er hat sie für die ältere Zeit Urkundenbflchern, Chroniken, geschicht-
lichen und topographischen Werken, vom Jahr 1836 ab gröütentheils Amts-
acten entnommen. Aber er mag sich auch seiner Arbeit freuen , denn sie ist
in der That ein glücklicher Wurf zu jenem Ziele , welches er sich selbst mit
beherzigenswerten Worten vorsteckt.
^Die Berechtigung zur gleichmäßigen Beachtung der materiellen Seite
des VoUmlebens wird kaum in Frage gezogen werden. Zu dem ideellen Fort-
schritte, welchen nach langem Kampfe Wissenschaft, Kunst und religiöse
Ueberzeugung erreicht hat, gesellte sich in der neuen Zeit die Industrie
mit der Macht einer Thatsache, deren Hilf^uellen alle Verhältnisse des Lebens
durchdringen, die nicht den Gedanken erdrücken, nicht allein der Herrschaft
materieller Interessen dienen, nicht allein die Aristokratie des Geldes herbei-
führen soll, sondern auch zur Regelung durch eine sittliche Grundlage auf-
fordert. Nur vereint mit der Humanität und im Dienste derselben soll die
Industrie ihre maülosen Kräfte entwickeln, da sie sonst nur den Umsturz jeder
rein menschlichen Bildung bezwecken müüte.^ B.
368
Karten des hydrographischen Amts der britischen Admiralit&t, yon
April 1869 bis Februar 1870, welche der geographischen Gesellschaft
so eben durch die königl. britische Admiralität zugemittelt wurden.
1. I'ortugiesisch-Bpanische Küste vom Gap. S. Vincent bis Gibraltar.
2. Die Halbinsel von Gibraltar im großen Maßstabe.
3. Port Said in Aegypten in großem Maßstabe
4. Küste Labrador vom Gap St. Gharles bis zur Sandwich-Bai.
Mit 3 Nebenkarten.
5. Kabelkarte des atlantischen Oceans mit sämmtlichen Tiefe-
messungen aller Positionen und zahlreichen Profilen. Größte Tiefe 2760 Fadeo.
6. Insel Trinidad und der Paria-Golf. 2 Blätter mit vielen Höhe-
angaben.
7. Die engl ish na rro WS und anliegende Ankerpl&tze au der Sfidwest-
kttste von Süd- America, mit 2 Probekarten (Magenta-Bai).
8. Häfen der Magellanstraße : Gollant Pt., Tamin Pt., Wood-Bai,
St. Niclas-Bai.
9. Die Goquimbo-Bai und der Hafen Herradura in Ghile.
10. Das Westende der Vancouver Insel mit dem Goleta-Ganal und
den Einfahrten in den König in Gharlotte-Sund.
li. Der Eli sab et- Hafen an der SW.-Küste von Afirica, in der
Allgoa-Bai.
12. Die ^üdwestküste (Kaffer-Küste) von Africa von der Waterloo^
Bai bis zum ß as h e a- Flusse.
13. Karte des indischen Oceans und des westlichen Theiles
des großen Oceans. Mit den Gurven der Misweisung der Magnetnadel
für 1870. Reicht von den Macdouald- und Macguarie-Inscln bis zum Gap Lo-
patka in Kamtschatka und von 10^ bis 160 östl. Länge von Greenwich.
14. Der Kar&chi- Hafen an der Westküste von Ostindien (Sindb) im
Norden der Indusmünduug.
1$. Die Rh io -Straße im chinesischen Meere (Zufahrt nach Singapur).
16. Die Inselgruppe der Philippinen von der MolukkenstraBe bis
Manila. (Nach den Aufoahmen des spanischen Gapitans Montero v. J. 1868.)
17. Die Küste von Gochinchina vom Saigonflnss bis zur Phan-
Rang-Bai.
1 8. Die (flache) Westküste von F o r m o s a mit dem Ganal Pescadores.
19 bis 22. Küstenkarten der Insel Kiusin (Japan.) Sagitsu-no-ura,
Hafen Yobnko, Eingang zur Straße Hirado-no-Seto (Spex-Str.) mit dem
Hafen Yebukuro - no- minato , Küste von Atsusi-no-O-sima bis
Mats-sima.
23. Mandchureiküste vom Flusse Tumen-Ula bis znr Strelski-Bai
(Bai Peter des Großen, Amur- Bai etc. nach mssischen Aufnahmen v. J. 186S.)
24. Hafen von Adelaide in Süd Australien.
25. Hafen Steohcns in Ncu-Süd Wales in Ost- Australien.
26. Küste von Ost- Australien vom Danger Point bis Gap Moreton.
27. 28. Die Moreton -Bai in Ost- Australien. 2 Bl&tter.
29. Marque aas -Inseln mit Hafenplänen.
Außer diesen höchst wertvollen Karten, (mit Ausnahme der Bl&tter
2t 8, 9, II, 19, 20 u. 24 im größten Folioformat) hat die britische Admiraütftt
der k. k. geogr. Gesellschaft auch folgende in derselben Periode veröffentlichte
Druckwerke zum Geschenke gemacht
1. Flutentafeln für die britischen und irländischen Häfen und ftlr die
vorzüglichsten Häfen der £rde für 1870 in 2 Verzeichnissen, sowol geo-
graphisch als alphabetisch geordnet."^)
2. Nordsee-Pilot. (Ostküste von England.)
3. Ganal-Pilot. (Süd und Südwestküste von England.)
4. Segelweisung für den Bristol- Ganal, mit einer Fhitkarte desselben
durch Bereicherung mit so vielen aus Original -Aufnahmen herrührenden See-
karten und practischen Handbüchern wird die Bibliothek der Gesellschaft nicht
*) Die Zahl der Localaugaben übersteigt 3000, wovon circa 7« auf die
brit. Inseln kommen.
369
nur eine hockniscIiftUeDcie Fundgrobe für den Hydrographen von Fach, sondern
auch dordi die auf den Uebersichtskarten und bei andern sich darbietenden
Gelegenheiten enthaltenen Daten aus der physikalischen Geogi'aphie für das
Studium der Erdkunde überhaupt, und ist es nur zu wünschen, dass dieser
angehäufte Schati kein toter bleibe, sondern so sehr benutzt werde, als er
es verdient — s —
Wandkarte der Schweiz von J. M. Ziegler. Neue Ausgabe. 8 Bl.
Gr. Folio im Maße von Voi/oöö* Winterthur bei Wurster und Rand-
egger 1870.
Wenige L&nder in Europa werden sich bezüglich der kartographischen
Darstellung mit der Schweiz messen können, nicht nur was die Masse, sondern
auch die Güte der Arbeiten betrifft. Die Schweiz erfreut sich einer großen
Zahl topographischer Specialkarten, aus guten Aufnahmen hervorgegangen, mit
Höheucurven und höchst zahlreicher Höhencotierung versehen; nicht minder ist
eine ansehnliche Zahl guter Geueralkarten, größeren und kleineren Maßes
hervorgegangen, in mehreren und einem Blatte für die Schule, für Heisende,
f^ andere Zwecke, von welchen sehr viele eine ehrenvolle Erwähnung ver-
dienen. Unter diese muß auch die oben bezeichnete Wandkarte gerechnet
werden, welche schon bei ihrem ersten Erscheinen als ein Muster in dieser
Gattung mit Recht gepriesen wurde, und nun in einer neuen Ausgabe ihren
alten Ruf bewährt. Die jetzige Ausgabe unterscheidet sich von der früheren,
Nachträge an Bahnen, Straßen etc. abgerechnet, durch die Unterstützung der
Wirkung der Schraffen durch Kreideschummerung, wodurch selbstverständlich
die Massen noch kräftiger hervortreten.
Nach Ziegler^s richtigen Gruudsätzeu muß bei einer Generalkarte und
noch mehr bei einer für den Schulgebrauch bestimmten Wandkarte jeder all-
gemeine Charakter der Erhebungen vorzugsweise anschaulich gemacht,
c. B. der steilere Südabfall der Alpen, des Jura, die Pässe etc. Das Detail
muß zurücktreten, um den Typus im Großen erkennen zu machen. In diesem
Geiste ist die Karte gearbeitet und ihre plastische Wirkung unbestreitbar.
Diese ftUt bei einem Vergleich der gleich großen Wandkarte von Keller
(gestochen von Leuzinger in Bern, besonders auf und es gewährt ein Interesse
eigener Art^ beide Arbeiten mit einander vergleichen zu können. Keller's
höchst practische Reisekarte der Schweiz ist in weitesten Preisen bekannt, die
Wandkarte möchte ich die ins Große übersetzte Reisekarte nennen, zu sehr
gleicht sie in ihrem ganzen Verhalten dieser. Das fast überkräftige Marquieren
der Kämme schädigt den Eindruck der Massen, und die blaue Färbung der
Rücken muß genügen, um auf ihre Bedeckung mit Fimfeldern schließen zu können.
Dasa bei solcher principieller Verschiedenheit der Darstellungsweise Ziegler's Karte
der Katur in demselben Grade näher kommt' als Leuzinger's Zeichnung sich von
ihr entfernt, bedarf wol keines Beweises. Erstere vermag schon zufolge der braunen
Fartoe der b elsrippen die Wirkung der andern in schwarz erscheinenden kräftigen
Schattierung nicht zu erreichen, so dass die oft sehr beträchtliche Undulation
in der Eis- und Schneeregion etwas verflacht vor At|gen tritt. Allein wenn auch
das Bild einigermaßen abgeschwächt erscheint, so hat es doch den natur-
gemäßen Ausdruck, während Keller's Karte plastisch ausgeführt ihn verläugnen
würde.*) Jedoch ist dieser Mangel an Natm-wahrheit dem Zwecke der
Keller'schen Karte nicht abträglich, während der Schüler durch dieselbe kaum
eine richtige Vorstellung des Gepräges der Hochgebirgsregion erhalten würde.
Außerdem hat Keller's lüirte manches für sich, das in Beziehung auf bequeme
*) Es ist nicht uninteressant, auch andere Kai-ten besserer Gattiug zum
Vergleiche heranzuziehen, z. B. aie orographische Karte von Groß in 4 Bl.,
die Karte von Graef im Weimarer Atlas, die Karte von C.Vogel im Stieler *schen
Atlas u. a. Es zeigt sich durch die stellenweise mehr und weniger bedeu-
tenden Abweichungen, wie sehr die verschiedene Auffassung der Zeichner die
Darstellung beeinflusst, und welche Schwierigkeiten die Aufgabe der Reduction
ins Kleine, mit anderen Worten, die Generalisierung des Terrains mit
sich bringt.
MittheilaDgeo d. geogr. OmeU. 1870. 8. 24
370
Lesbarkeit der Namen im Gebirge und andere nicht zo untersch&tEende Rfiek-
sichten F^eachtung verdient. Ziegler hat durch Zeichen and Schrift die stark-
bevölkerten Orte ausgezeichnet, auch Pfarr- und andere Dörfer unterschirdeu.
Wandkarte, Handkarte und Schnlkarte des Gantons
Zürich von J. M. Ziegler. Winterthur bei Wurster und Rand-
egger 1870.
Die drei Karten stehen in der innigsten Wechselwirkung zu einander,
sie sind in gleichem Geiste durchgeführt und nur durch die gröbere oder ge-
ringere Ausführlichkeit unterschieden. Die Wandkarte in 6 großen Blättern
im Farbendruck, im Mai5e von 1 zu 40000 der Natur gewährt ein höchst an-
sprechendes und anschauliches Bild aus der Ferne und in der Nähe. Das
Terrain zeigt Schichten, die von lUO zu lOO Meter gezogen sind, von 10 zu
Im Meter durch das Absetzen der Schrafifen unterschieden werden können;
zahlreiche Höheiicoten erleichtern die nnmerische Schätzung der Erbebungeo.
Die ganze Anlage ist klar, und fOr den Zweck wohl berechnet.
Die Handkarte leistet im Foliofbrmat, in kleinerer Schrift nnd feinerer
Ausarbeitung die gleichen Dienste wie die Wandkarte, nnd ist im MtSa von
1 zu 125.000 der Natur entworfen.
Die Schul karte im Maüe von sIoolTö ^^^ natürlich im Inhalte entsprechend
reduciert, und hat auch einen stummen Hegleiter zur S(*ite, um auch auf diese
Weise dem Unterrichte bestens zu dienen. Um sie auch dem Aermstrn zo-
gänglich zu machen, wird sie für fünf Centimen verkauft, was nach unserem
Gelde 2 kr. entspricht. Wohl dem Lande, wo es keines Zwanges der Schuld
behörde bedarf, um durch den reichlichen Absatz so spottbillige Preise zu er-
möglichen. — s —
„Term^szettudomänyi Közlöny". Naturwissenschaftliche
Mittheilungen, Monatsschrift zur Verbreitung allgemein interessanter
Kenntnisse; herausgegeben vom naturwissenschaftlichen Verein zn Pest,
und redigiert vom Vereinssecretär, Koloman Szily. 1. Band. (1. — 9. Heft]
Politische Entwicklung bringt naturgemäß höheres Streben anf wissen-
schaftlichem (iebiete. Auch unsere transleithanischen Nachbarn folgen dieser
Noth wendigkeit. Des vorliegenden Bandes Einleitung hebt hervor, dass in
Bezug auf die Naturwissenschaften in Ungarn erst Bahn gebrochen werden
müsse; dieser zwar schweren aber doch lohnenden Aufgabe sollen die Mitüiei-
lungen des neuen Vereines gerecht werden, und wir müssen dem Beginne, den
wir in dem umfangreichen Bande vor uns sehen, warme Anerkennung zollen
Unter den größeren Artikeln fallen uns zuerst Uebersetzungeu von Arbeiten
eines Brühl, Büchner, Helmboltjs, Kadau und Vogt in die Augen, welche
beweisen, dass die Mitarbeiter des »Termeszettudomänyi Közlöny- in der
Erkenntniss auf der Höhe der heutigen Wissenschaft stehen. *
Doch auch dankenswerte Original-Arbeiten enthalten die Mittiieiluugen,
unter welchen wir als wertvolle Beiträge zur Länderkunde hervorbeben : Der Ein
fluss der Theissregn lierung auf den ungarischen Boden, von
Ladislaus Dapsy; das Karpatenbad Sziuuye-Lip6cz, von Johann
Molnär; und Karpate nbilder von Nikolaus Szontägfa (sie) mit ausfilhr-
licher Schilderung der Karpatenflora. — d.
„Index alphabeticus codicis diplomatici Hungariae per
Georgium Fej^r editi." Concinnavit Maurus Czinär.
Es ist bekannt, wie zeitraubend nnd mQhevoll das Studium der umfang-
reichen, für die Gescnichte Ungarns so außerordentlich wertvollen Urkunden-
Sammlung, von Qeorg Fej^r war, da dieselbe eines Sachregistei-s vollBtäudig
entbehrte.
Die tüchtige Arbeit des gelehrten Benedictinermönches Moriz Csinir,
welche diesen Uebelgtand hebt, liegt in einem stattlichen und hervorragend
correcten Bande von mehr denn öOO Seiten vor uns. Wir machen alle freunde
der Länder- und Völkerkunde auf dieses Register besonders aufmerksam, da
371
ein großer Theil der angeiiQbrten Artikel von bervorri^ndera Interesse für
doii Forscher auf diesc^n (iebieten ist. Das Werk ist im Auftrage der ungari-
schen Academie der Wissenschaften verfasst uud schließt sich auch in der
iufieren Ausstatfnug den PublicaHonen dieses Institutes an. Der Preis ist
3 fl. üst. Währ. * — d.
Kleine Literatur 4.
Repertoriuxn geographischer Aufsätze aus periodischen Schriften.
(Yergl. Jahrg. 1868 und 1869 unserer Mittheilungen.)
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Deutsche Nordpolexpedition vom J. 1869 (Ausland 1869).
Das Relief des Eismeerbodens bei Spitzbergen. Nach den Tiefsee-
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Notizen.
Marine-Huidelskaiiimeni. Die »Neue freie Presse« brachte unter dieseji
Titel einen Gegenstand zur Sprache, der uns in Bezug auf die Entwicklung
des adriatiscben Küstenlandes sehr beachtenswert erscheint.
In einem l&ngeren Correspondenzartikel des -Osserv. TriesUno wird die
Einführung einer Marine-Handelskammer für die quarnerischen Inseln besprochen.
Das einzige Mittel — heißt es dort — wodurch der Reichthum, die WoU-
/ fahrt und die Bedeutung der quarnerischen Inseln (Lussinpiccolo, Lussingrande,
^ Cherso, Veglia etc.) gefördert werden können, ist die Hebung der Handelsmarine,
welche för jene Eiländer die Frage des Seins oder Nichtseins ausmacht Wenn
ii. den letzten Jahren, besonders, wie bekannt, seit dem Krimkriege, in dieser
Beziehung eine Wendung zum Besseren eingetreten, so ist diese der Selbsthilfe
Einzelttcr zuzuschreiben, die übrigens nicht hinreicht, um die Inselgemeinden
aus der traurigen Lage unbemittelter Bauemdörfer emporzuheben. Diesen
Erfolg könnte man aber, nach Ansicht des Gorrespondenten, durch die Smmne
der Thätigkeit der Einzelnen und der gereffelten Wirksamkeit einer für die
Inseln des Quamero eigens einzusetzenden Marine-Handelskammer erreichen,
welche ans Vertretern der einzelnen Zweige der Schiffsrheder, Kauffahrtei-
schiffs-Capit&ne, Matrosen u. s. w. bestehen und unter staatlichem Schutz aos-
schließlicn die Interessen jener Zweige zu wahren berufen sein sollte. Ohne
der Umsicht der Handelskammer in Uovigno, welche auch die Inseln vertritt,
nahezutreten, meint der Verfasser auf seinem Vorschlage umsomehr besteben
zu müssen, weil die erwähnte Kammer nicht nur vermöge der geographischen
Lage Rovignos nicht im Stande ist, die Bedürfhisse der Inseln wahrzunehmen
und zu fördern, sondern auch, weil sie es gar h&ufig unterließ, die bisher
geäußerten Wünsche der letzteren mit gehörigem Nachdruck zu befiGürworten.
£s wird das lebhafte Bedauern ausgedrückt, dass auf diese Weise die Inseln,
welche erwiesenermaßen ein Drittheil der österreichisch-ungarischen Handels-
marine stellen, bei den vielen Anlässen, in welchen es sich um die maritimen
Interessen der Monarchie gehandelt hat, gar nicht berücksichtigt und kein
einzigesmal um ihr Gutachten darüber angegangen wurden, so dass, anstatt
die von den Schi&rhedern, Kauffahrteischiffs- Gapitänen etc. dieser Inseln
während ihrer vieljährigen Seereisen betreffs der allen Seestaaten gemeinsamen
Seegesetzgebung, des Oonsular-, Sanitäts-, Zollwescns etc. mühsam gesammelten
Erfahrungen zum allgemeinen Besten praktisch zu verwerten, dieselben ent-
weder der individuellen Ausbeutung Einzelner überlassen oder gar der Verges-
senheit anheimgegeben wurden. Mit Schmerz wird dann insbesondere hervor-
gehoben, dass dies beispielsweise unlängst der Fall war, als unter dem Vorsitze
des Ministers des Aeußern in Wien eine aus Vertrauensmännern zusammen-
gesetzte Gommission tagte, welche sich mit der Reform dos Consularwesens
befasste; ebenso vor etlichen Jahren, als die Regierung zwei Reisen um die
Welt anordnete, um für den österreichischen Handel neue Absatzgebiete zn
erschließen; ferner wieder, als man die Einführung neuer Seegesetze beriet,
und endlich im vorigen Jahre, wo die Eröffnung des Suez-Canals den Weg
nach Ostindien so bedeutend abgekürzt und dadurch der österreichischen Pro-
duction eben so zahlreiche als wichtige Ablagerungsplätze zugänglich gemacht
hat. Die vorstehenden Ereignisse berührten den eigentlichen Lebensnerv der
einzigen Interessen der Inseln, und dennoch fand man es nicht einmal der
377
Mflhe wert, ihre Wohlmeinong oder ihren Rath darüber einzuholen, ihre
Hofihnngen oder Besorgnisse kennen zu lernen.
Warum aber unterließ man es? Aus keinem anderen Grunde, als weil
es den Inseln an der moralischen StQtze einer ihre See- Angelegenheiten nach-
drficklich und speciell vertretenden Körperschaft, an einer Anstalt gebricht,
die auf Grund ihrer fortgesetzten Borufst'&higkeit, ihrer gediegenen Fachkent-
njsse und ihrer langjährigen Erfahrungen in wirksamer und erfolgreicher Wcmbc
mit Rath und That der Regierungsgewalt beistehe, so oft es sich um diu Kiu-
führung neuer besagte Zweige belastender Steuern handelt, um die Erfüllung
der Heerespflicht, um die Abfassung neuer Handels- und Seegesetze, um die
Organisierung des Gonsular- und Sanit&tswesens, um die Errichtung von nau-
tischen oder technischen Schulen, um die Ausführung von hydraulischen
Arbeiten, um die Aufstellung oder Verlegung von Leuchtürmen, um die
Unternehmung von See- Expeditionen, um die Behebung mancher Geschäfts-
stocimngen u. s. w.
Um einer so grofien, in die wichtigsten Existenz-Bedingungen einschnei-
denden Aufgabe zu entsprechen, reichen die Privat-Unternehmungen Einzelner
natürlich nicht aus ; die Gemeinde- Aemter und Hafen- Agentieu können es eben-
falls nicht, weil dieselben vor allem Administrativ- Behörden sind und als
solche ihre Thätigkeit nur innerhalb gewisser vom Gesetze gezogener Schranken
entfalten; ebensowenig vermögen dieses die Versicberungs -Gesellschaften und
andere bestimmte Privat- Interessen bezweckende Institute. Aus diesen Gründen,
so schließt jene beachtenswerte Anregung, thut es vielmehr noth an einer
»eigenen- vom Staate anerkannten Anstalt, welche -ausschließliclk die
Interessen des Seehandels und Verkehrs der Inseln vertreten und ihre Lebens-
kraft aus den dabei Betheiligteu schöpfen soll.
Wir können diesen Gegenstand nicht berühren, ohne unsererseits in aller
Kürze einige Bemerkungen beizufügen. Die angeregte Einführung einer Marine-
Handelskammer für die quamerischen Inseln wird, wie wir überzeugt sind,
Bowol für den Staat als auch für die Betheiligteu nur von segensreichen Folgen
begleitet sein. Gerade im gegenwärtigen Augenblicke sollte die Regierung
diese Frage beachten und prüfen, weil die Durchstechung des Isthmus von
Suez, der Ausbau der Rudolphbahn, die binnen zwei Jahren zu erwartende
Eröffnung der Zweigbahnen St. Peter-Fiume und Karlstadt- Fiume, die noth-
wendig nachfolgende bedeutende Ermäßigung des Fracbtentarifs auf sämmtlichen
Linien und endlich die Anlegung der projectierten Schienenwege in Istrien und
Dalmatien eine solche Menge von Getreide, Wein, Bier, Vieh, Kohlen, Holz,
Glas und vielen andereren Producten der Monarchie an das Meer schaffen
werden, dass man sich mit Recht einen großartigen Aufschwung der Handels-
marine versprechen darf. Der Bestand einer tüchdgjen Handelsmarine aber,
wozu die Küstengebiete des Kaiserreiches eine vortreiniche Bemannung lipfern.
würde in den entlegensten Ländern das Ansehen unserer Flagge erhöhen und
ihr zugleich einen ausgiebigen Schutz sichern; er würde auch ein wirksames,
höchst empfehlenswertes Mittel sein, um die bisher stark vernachlässigten
Seeprovinzen des Reiches zu heben, ihre vielen zur Unthätigkeit verurtheilten
Bewohner zu beschäftigen und somit dem in diesen Ländern herrschenden
Elende ein Ziel zu setzen; er würde aber außerdem dem Staate in Kriegs-
nöthen ein willkommenes Gontingent an gewandten Matrosen und erfahrenen
Capitänen zuführen, welche auf Kriegschiffen sich besonders verwendbar
erweisen würden.
Der Gegenstand hat, wie man leicht einsieht, nicht allein Bedeutung für
die Inseln des Quamero, sondern auch für das ganze österreichisch-
ungarische Küstenland und dürfte selbst in den von dem Mittelmeere
am meisten entfernten nördlichen Provinzen seine Rückwirkungen üben. Ange-
sichts des zu hoffenden Aufblühens des Seeverkehres unterliegt es keinem
Zweifel, dass der Ruf der Schifisrheder, Kauffahrteischiffs-! apitäne, Matrosen,
Kalfaterer u. s. w. nach einer eigenen, ihre Interessen abgesondert
wahrenden Anstalt einem schon jetzt erkannten Bedürfiiisse entspringt,
welches sich in der nächsten Zukunft nur um so stärker und fühlbarer geltend
machen wird. Oder sollte noch jemand wähnen, dass die gegenwärtigen Han-
delskammern hiezu ausreichen ? Dies wäre wirklich ein Wahn, zumal einerseits
378
ihr schon jetzt so ausgedehnter Wirkungskreis und deren so vielfache ued
heterogene Agenden eine derartige Ueberbürdung an Arbeit und Mühe, wie die
Erweiterung des Seehandels ond Verkehrs in Bälde sie erheischeu wird, kaum
rathsam erscheinen lässt, während sie andererseits schon vermöge ihrer Zu-
sammensetzung keine sichere Gewähr bieten, dass sie in der Lage sein werden,
den maritimen Interessen nach allen Seiten hin gebührende Rechnung zu
tragen. Dazu sind eben besondere Eigenschaften, Vorstudien, Kenntnisse, Er«
fahrungen untentbehrlich ; desshalb also können die maritimen Interessen der
oft erwähnten Zweige nur durch mehrere aus Fachmännern zusammengesetate
Anstalten am besten gewahrt werden.
Es versteht sich von selbst, dass die in Rede stehenden Marine Handels-
kammern, die je nach Bedari' in den wicbtigereu Seestädten eingeführt werden
könnten, unter der Aufsicht und Leitung des Staates stehen müßten, etwa wie
die bei uns schon bestehenden Handels- und Uewerbekammern oder nach Art
der in manchen Staaten so erBprieülich wirkenden Agrarkammeru. Die Grün-
dung und der Bestand der Kammern würde dem Staate keine Opfer auferlegen,
da es ja Sache der Betheiligten wäre, lür die Herbeischaffung der Mittel zu
sorgen. Wir müssen uns aufraffen, uns ermannen! Nichts soll unversucht
bleiben, was einen walirscheinlichen Erfolg verspricht. Mislingt auch mancher
Versuch, so können wir uns immerhin damit trösten, dass wir dort stehen, wo
wir jetzt sind. Freilich ist Stillstand Kückschritt; allein im gegebenen Falle
werden wir gewiss nicht stillestehen, denn wir werden wenigstens ohne Schaden
den Schatz unserer Erfahnuigen bereichern.
Mögen nur die Regieruughbehördeu, insbesondere aber die Statthalterei
ond Ceutrai-Seebehörde in Tiiest diesem hochwichtigen Gegenstande bald ihr
Augenmerk zuwenden, auf dass wir noch rechtzeitig die durch die geographische
Lage unserer Seeprovinzeu uns gebotenen Vortheile zum eigenen Besten mög-
lichst ausbeuten und uns wenigstens diesesmal den bei anderen Anlässen tief-
empfundenen Schmerz ersparen, die gute Gelegenheit verpasst, das Rechte
verkannt und durch die eigene Kurzsichtigkciflf auf unsere Kosten und zu
unserem Nachtheil die zahlreichen Concurrenten des Auslandes begünstigt zu
haben, jene Concurrenten, welche, gespannt lauernd, durch Rührigkeit, Scharf-
blick, Muth und Unternehmungsgeist uns den Vorsprung abzugewinueu streben.
Dr. L. F.
Tiefsee^Untersuehnngeii. Eine neue Art von Untersuchungen über
die Verbreitung thierischen Lebens nimmt gegenwärtig durch einige unerwartete
Resultate und mehr noch durch glänzende Aussichten, die ihre fernere Ent-
wicklung eröffnet, die Aufmerksamkeit weiter Kreise in Anspruch; es sind die
Tiefsee -Forschungen, welche, vor dreißig Jahren noch unbekannt und vor einem
Jahrzehend nur spärlich und einseitig cultiviert, jet^t in so großer Ausdehnung
in verschiedenen Meeren betrieben werden, dass sie in kurzer Zeit reiches
Material zu folgenreichen Schlüssen zu bieten vermochten.
Der englische Geolog Forbes war es, der 1842 im aegäischeu Meere
zuerst eingehende Untersuchungen über das Thierleben in beträchtlichen Tiefen
anstellte; er glanbte durch dieselben nachgewiesen zu haben, dass bei etwa
?30 Faden alles organische Leben fast gänzlich mangele, und schioss, dass
dasselbe in noch größerer Tiefe überhaupt nicht bestehen könne. Diese An-
sicht, durch theorische Erwägungen über die Wirkung hohen Wasserdruckes
auf den lebenden Organismus gestützt, blieb in Gellung, bis man 1<S60 die ein-
schlägigen Arbriten wieder aufnahm; es zeigte sich nun bald, dass die
Forbes'schen Beobachtungen zu beschränkt gewesen waren, um zu wahrheits-
gemäßen Schlüssen hinleiten zu können. Die ersten Thatsachen ergab die
gelegentlich der Kabelleguug ausgeführte Untersuchung des Bodens des atlan-
tischen Meeres zwischen England und Nordamerica; es wurden hier lebende
Thiere noch bei 2500 Faden angetroffen. Gleichzeitig zeigte sich ein Kabel-
Bruchstück, das mehrere Jahre auf dem Boden des mittelländischen Meeres in
etwa 3000 Meter Tiefe geruht hatte, mit einer Menge lebender Korallen,
Muscheln und Würmer bewachsen. T h o r el 1 und M a 1 m g r e n , welche die erste
schwedische Expedition nach Spitzbergen begleiteten, fanden (1861) den Grund
noch bei 1000 Faden mit einer Fülle wolausgebildeter Thiere bedeckt, und
der vortre£Qiche norwegische JNaturtbrBcher M. Sars, durch diese annporegly
379
erhielt in seinen so sehr eriolgreichen Draguntersuchungeu an tiefeu Stellen
der norwegischen Küste ganz ähnliche Resultate. Endlich traten auch Eug-
länder und AmericaniT in den Reigen und gaben der ganzen Sache mit ihren
reicheren Mitteln ungeahnte Bedeutung; jene arbeiteten 1K68 bei den Farör,
1869 im biscayischen Busen, diese untersuchten den Grund in der Region des
Golt'stromes zwischen Florida und Cuba und im letzten Jahre begann eine
schwedische Expedition Draguntersuchungen, die über eine bedeutende Strecke
des atlantischen Oceans ausgedehnt werden sollen, zwischen Lissabon und
den Azoren.
Keben der sehr entschiedenen Berichtigung des Irrthums von dem in
großen Meerestiefeu herrschenden Tode haben die Tiefsee-Forschuugeu eine
große Aufhellung gewisser dunkler Partieen der Schöpfungsgeschichte herbei-
geführt, die früher bis zur Unrichtigkeit schattenhaften, abstracten Vorstellungen
werden durch sie wieder um einen Grad lebendiger und vollkoiunieuer und
nähern sich so der Wahrheit. Unter ihren Resultaten ist in erster Reihe die
Entdeckung einer Anzahl längst sanimt allen ihren Verwandten ausj^cätorbin
geglaubter Organismen zu nennen, welche, bisher nur in versteinertem Zustande
bekannt, nun durch das Schleppnetz lebend aus der Tiefe zum Lichte herauf-
gebracht worden sind; es sind daruiitcr Formen, die große Lücken in unserer
Kenntnis der organischen Welt ausfüllen, da sie die letzten Reste einst mäch-
tig entwickelter Familien darstellen. Von größter Bedeutung ist ferner der
durch sie geführte Nachweis eines Hereingreifens der Vorwelt in die gegen-
wärtige Schöptung, das man in diesem Maße niemals vermuihete, und welches
z. 6. auf dem Grunde des atlantischen Oceans so entschieden an die Zeit
erinnert, in der die Kreidefelsen Rügens und Englands auf nun zu festem
Boden gewordenen Meeresgrunde sich bildeten, dass namhafte englische Natur-
fotscher in den Zuständen jener Tiefe eine directe Fortsetzung der Kreide-
formation sehen; es wird dort ein Schlamm abgesetzt, der durchaus an die
Beschaffenheit der Kreide erinnert und zahlreiche der atlantischen Tiefbe-
wohner sind allernächste Verwandte der Kreidethiere. Früher schon hatte man
die noch vor einigen Jabrzehenden stark vertretene Ansicht von ehicm jeder
Neuschöpüing vorangegangenen totalen Untergange des vorhandenen organischen
Lebens abgethan, aber an ein so entschiedenes li erüberragen einer Epoche in
die andere dachte man nicht, sondern nahm bloß an, dass einzelne begünstigte
Eormen sich durch die Millionen Jahre hindurch erhalten konnten, hielt aber
fest an der Scheidung der Schöpfungsepochen. Wo sich Verschiedenheiten in
Thier- und Pflanzenwelt der Vorzeit zeigten, nahm man Verschiedenheit des
Alters als Ursache an, indem mau stillschweigend unterstellte, dass in jenen
frühen Zeiten unser Planet jeweils eine wesentlich gleichartige Pflanzendecke
und Thierbevölkerung besessen habe, dass die klimatischen und Boden Verschie-
denheiten, die gegenwärtig zu beobachten sind, damals noch nicht vorhanden
oder zum wenigsten nur schwach entwickelt gewesen seien. Neben manchen
anderen Thatsachen, die neuerdings bekannt geworden sind, sprechen auch die
Tiefsee-Forschungen entschieden dafür, dass in den früheren Perioden der
Erdgeschichte die einschlägigen Verhältnisse ähnlich lagen, wie in der gegen-
wärtigen, dass in verschiedenen Gegenden verschiedene, oft sehr stark abwei-
chende Faunen imd Floren sich entwickelt hatten, dass Schöpfungen verschie-
denen Alters sich nebeneinander befanden, so wie heute in Australien eine
Säugethierfanna lebt, welche in der alten Welt lange vor dem Erscheinen des
Menschen ausgestorben ist. Gerade für die Möglichkeit des Nebeneinander-
bestehens abweichender organischer Bevölkerungen haben diese Untersuchungen
einen schönen Beweis erbracht; die englische Expedition entdeckte bei den
Farörn eine kalte Region bei etwa 5(K) Faden Tiefe, die von einer wannen
umgeben war, so dass an nicht gar weit von einander entfernten Punkten die
Temperatur- Differenz bis zu 8 Grad 0. betrug. Diesen Verhältnissen entspre-
chend war die erstere von entschieden arctischen, die letztere von den
gewöhnlichen atlantischen Thieren bewohnt, und da der Boden der einen mit
kreideartigem Schlamme, der der andern mit Sand bedeckt war, so lassen sich
hier Ablagenmgen voraussehen, die trotz gleichzeitiger Entstehung sowöl nach
Gesteins- Beschaffenheit als organischen Einschlüssen grundverschieden sein
werden.
380
VoD Interesse sind auch die NachrichteD über eine massenhaft vorkom-
mende Substanz, welche den Boden des atlantischen Meeres auf weite Strecken
hin bekleidet und ihren Eigensehaften nach mit dem neuerdings so oft genannten
Protoplasma übereinstimmt; wie dieses stellt sie einen sich selbst bewegenden
und ernährenden Schleim dar und hat den Namen Bathybius erhalten. Mau
schreibt ihr, wie es scheint aus guten Gründen, bedeutenden Autheil au der
Bildung des kreideartigen Schlammes und eine wichtige Rolle in der Gesammt-
ökonomie des warmen Tieflebens zu; aber sie ist bis jetzt noch so wenig
eingehend studiert, dass ein gültiger Schluss aus den doch nur als provisorisch
zu betrachtenden bisherigen Nachrichten noch nicht zu gewinnen ist. Auch
über diesen Gegenstand werden die in diesem Jahre in erweitertem Maße
begonnenen Untersuchungen Licht verbreiten, an sie knüpfen sich groüe Erwar-
tungen, die allerdings durch die bisher gewonnenen Resultate berechtigt
erscheinen. In einem uns vorliegenden Berichte des Schweden Maiipgren, der
thätigeu Autheil an den arctiscben Tiefsee- Untersuchungen geuommen hat,
wird von ihnen für die Geschichte der Erde und ihrer Hewohner ein Kinfluss
erwartet, wie die Spectralaualyse iho in Astronomie tmd Chemie geübt hat;
wenn aber auch derselbe sich geringer herausstellte als mau annimmt, so wird
er doch schon darum von hoher Bedeutung sein, weil die Fragen, die er
der Lösung näher bringt, zu den brennendsten gehören, welche die Wissen-
schaft in unserer Zeit beschäftigen. (Köln. Zeit.)
Dr. Nenmayer. In einer außerordentlichen Sitzung unserer Gesellschaft
am 29. März 1870 hielt, wie div A. A. Z. berichtet, Dr. Neumayer aus Frauken-
thal einen Vortrag über seinen der Wiener Academie der Wissenschaften unter-
breiteten und von dieser adoptierten Vorschlag, der Sendung einer österreichischen
Expedition nach dem Südpolarmeer zum Zweck der Beobachtung des Venusdurch-
gangs Äurch die Sonne im Jahre 1874. Es ist bekannt, dass dieses Phänomen die
besten' Bestimmungen zur Berechnung der Sonnenparallaxe bietet, und die
bisherii^c Bestimmung derselben eine Correctur verlangt, für welche in erster
InstaiiJt Oesterreidi engagiert ist. Es war nämlich ein Oesterrcicher, der
Director der Wiener Sternwarte Pater Hell, welcher die Benützung der Er-
gebnisse des letzten Venusdurchganges vom Jahre 1769 durch Fälschung der
vom ihm in Lappland unternommenen Beobachtungen ungenügend, wenn nicht
unbrauchbar gemacht hat. Schon Lalande hatte au der Zuverlässigkeit der auf
speciellen Wunsch des Königs von Dänemark von Pater Hell in Lappland aus>
geführten Beobachtungen gezweifelt, und ein Blick auf die bezüglichen Macu-
Bcripte zeigt, dass jedenfalls die Data corrigiert sind. Pater Hell hat entweder
gar nicht oder schlecht beobachtet, und die Beobachtungen nachträglich nach
einer an).enommenen Parallaxe corrigiert, oder vielleicht ganz combiniert. Mur
die von Green damals in Tahiti gemachten Beobachtungen sind ehrlich, die
des Pater Hell zum mindesten unzuverlässig. Hie Entfernung der Sonne von
der Erde wird darnach aller Wahrscheinlichkeit nach zu groß angegeben.
Dr. Neumayer hat nun die hiesige Academie der Wissenschaften dafUr ge-
wonnen, den Antrag bei der Regierung zu befürworten : dass eine kleine Expe-
dition österreichischer Fachmänner, Marin e-Ofiiciere und Astronomen, nach
der südlichen Hemisphäre, als dem Gebiet, wo der Venusdurchgang vom Jahr
1874- allein beobachtet werden kann, gesendet werde. Dr. Oppolzer hat be-
rechnet, dass der zur Beobachtung des Eintritts uud Austritts der Veuua
günstigste Punkt in der Nähe der Mucdonalds-Inseln (H3° s. B. und 12® ö. L>.
von Greenwich) liege. Dr. Neumayer, welcher diese Gegend befahren, fiihrte
eine Menge Beweise dafür an, dass auch die meteorologischen Verhältnisse
dieser Inseln für das Programm ungewöhnlich günstig seien. (Die Ausläufer des
Agalhas- Stroms erhöhen die Meerestemperatur in dieser Richtung, i Eine kleine
Recognoszierungsexpedition auf einem Holzsegelschiff von wenigen hundert
Tonnen müsste selbstredend zur Voruntersuchung der Verhältnisse der Mac'to-
naid-lnseln vorausgehen. Dieselbe hätte nicht bloß die genaueste Ortsbestim-
mung zur Aufgabe, sondern auch die bezügliche Beobachtung aller physicaii-
schen Erscheinungen. Die Kosten dafür würden nach Dr. Neumayer die Summe
von 35.000 fl. nicht überschreiten. Die Gegenwart des Kriegsministers Frhm.
V. Kuhn und des Admirals v. Tegetthoff, sowie der mit den Mitgliedern der
geographischen Gesellschaft gefüllte Saal sprach für das Interesse, welches
381
der Gegenstand des Vortrages erregte, nnd der allgemeine Beifall am Schlüsse
desselben fikr die Aberans anziehende nnd instmctive Behandlung. Wenn, wie
n hoffen, die Begierung den Antrag der Academie genehmigt, und es öster-
reichischen (lelehrten dadurch ermöglicht wird, sieb au einer Arbeit von höchstem
wissenschaftlichen Interesse far die ganze Menschheit in würdigster Weise zu
betlieiligen, so ist dies vor allem dem bewunderuugswQrdigen £ifer des
Dr. Neumayer zn danken, welcher sich schon als mehrjähriger Director der
Sternwarte zn Melboutne so große Verdienste, namentlich auch um die Kenntnis
der physicaÜschen Verhältnisse Sodaustraliens, erworben hat
Der Mtte Hafem „Kftiol*' mm seliwaneii Meere. Die Ausführung eines
volcombinierten Schienennetzes ist eines der größten Verdienste, das sich der
junge 1 Qrst Knmänicus erworben. In diesem Augenblicke denkt l'Ürst Karl
daran seinem Lande auch einen Seehafen zu geben, den sein Handel bisher
zu dessen großem Narhtheil entbehrte. Das Project entwart' der treffliche
Hartley, Uberingenieur der europäischen Donaucommission bereits im J. 1S64.
Nach demselben soll der neue Hafen l.SOO Metres südöstlich des See^s Kouduk,
nil einer Oberfläche von 11 Hectaren und Raum für etwa 150 Fahrzeuge an-
gel^ werden. Ein Canal wird ihn mit der Kiliamündung und eine Eisenbahn-
linia Ober Kilia, Ismail und Keni mit (ialatz verbinden. Die Gesammtkosten
filr den Hafen, Vorhafen und Canal sin<i mit 13,300,000 Francs berechnet. Seine
in 4 Jahren zu bewerkstelligende Ausführung, sowie die Concessiou der Eisen-
bahnlinie ist dem bekannten Bauunternehmer Strousberg überlassen worden,
bor Hafen wird den Namen »Karolo tragen und das sprechendste Monument
der auf die Förderung der materiellen Interessen seines Landes gerichteten
Tbätigkeit des Fürsten Karl bilden F. K.
JUvlBgstoBe. Li der Sitzuug der geographischen Gesellschaft zu London
.im 9. Mai theilte der Präsident Sir R. Murchison mit, dass in Folge seiner
Verwendung bei Lord Clarendon die Regierung beschlossen habe, zur Unter -
i^fitzuDg des Dr. Livingstones sofort ausgiebige Hülfe von Zanzibar nach
Udschidschi zu senden. (Aetheueum.)
RmsfllaBda EbenhmlmeB. Bekanntlich nimmt Russland ein größeres
Anlehen auf um sein Eisenbahnnetz zu erweiiern. Es möchte daher ein allse-
raeines Interesse bieten, den dermaligen Stand der Eisenbahnbauten daselbst
etwas näher kennen zu lernen. r)er Anfang derselben fällt unseres Wissens in
das Jahr 1838, und bis zum Jahr 18()0 brachte es Russland erst anl 1251
Werst liüige (etwa 7 Werst sind 1 deutsche Meile). Bis zum Jahre 1868 gab
es aber schon 6470 Werst und gegenwärtig dürften 84KO Werst Bahnlänge im
Betrieb sein. Bei der großen Ausdehnung des russischen Reichs wird man es
erklärlich finden, dass überhaupt noch von keinem eigentlichen Bahnuetze die
Rede sein kann, sondern dass vorerst nur die Haupt stränge gezogen sind, an
welche sich sodann die übrigen Verbindungslinien nach und nach anschließen
werden. Anfangs 1869 wurden von den fertigen oder von den im Bau
begriffenen Bahnen 38 CJouvernements des europäischen Russlaud zusammen
mit fast 43 Millionen Einwohnern berührt ; in 36 Gouvernements mit
2V Millionen Seelen fehlt noch jede Bahnverbindung. Die Hauptliuicn sind :
Petersburg- Dünaburg- Warschau zur österreichischen Grenze, Orel-Smolensk-
I)flnaburg-Riga, Moskau-Orel Koursk-Kiew, I'etcrsburg-Moskau, Moskau- Woro-
oesch, Odessa- Bai ta- Elisabethgrad und Moskau-Nowgorod. Im Jahr 1869 suchte
man namentlich die Verbindung Moskau's mit dem Asow'schen und Schwarzen
Meere, sowie mit Galizien zu vervollständigen. In den Jahren 1870 7?. sollen
noch 2044 Werst eröffnet werden, und gegen Ende 1869 war die Goncession
zu Frojectierungsarbeiten bereits für weitere 19,600 Werst von der Regierung
ertheilt. Die meisten Bahnen sind im Besitz von Actiengesellschaften. Auf
den 1868 im Betriebe gestandenen 6470 Werst Bahn wurden etwa 10,4 Millionen
Personen befördert und 127,5 Mill. Centner Güter versandt Mit der Ausführung
der fttr die nächsten Jahre noch zur Betriebserö£fhung in Aussicht genommenen
Lmien wird dann St. Petersburg mittels zweier Linien mit dem Asow'schen
and mit drei Linien mit dem Schwarzen Meere und durch fünf Linien mit
der Wolga in Verbindung kommen; Moskau tritt in directen Verkehr mit
Waraehao nnd Lemberg und mit dem Baltischen und Kaspischen Meere,
382
während yom Handelsplätze Odessa drei Linien nach Moskau ond besiehnngi-
weise St. Petershurg und je eine Linie nai^h Warschan nnd Lemborg
laufen werden. (A. A. Z.)
Die ballischeii ProYlnsrii. Die geographische Gesellschaft in St Peters-
burg beabsichtigt eine wissenschaftliche Expedition in die baltischen Provinzen
zu entsenden. Die Notbwendigkeit einer solchen Expedition sei genügend
dadurch motiviert, dass eine Erforschung der ökonomischen Lage, der
socialen Verhältnisse und der ethnog(aphi8chen Eigetithümlichkeiten der ver-
schiedenen Stände und Nationalitäten dieses Landstrichs in der Gegenwart
nicht allein eine wissenschaftliche, sondern auch eine allgemein staatliche
Bedeutung beanspruchen kann; sie sei schon deshalb nothwendig, um ein- fär
allemal die schon seit längerer Zeit die öffentliche Meinung beschäfiigenden
Streitigkeiten in der ausländischen und in der einheimischen Publicistik über
die allgemein-politisch-national-ökonomischen Verhältnisse der baltischen Lande
zu schlichten. Dieser Vorschlag ward, was den -Golos- in Freude versetzt,
mit Beifall aufgenommen, und sei demnach die baltische Expedition zum
Ruhme der Gesellschaft und zum Nutzen des ganzen Reiches zu erwarten.
Nordfahrt. Dem Vernehmen nach wird für dio. Jahre 1871 und J872
eine größere schwedische Expedition unter Leitung des Professors
Nordenskjöld, des rühmlichst bekannten wissenschaftlichen Führers der
1868er schwedischen Expedition, vorbereitet, die wiederum in Gothenburg
ausgerüstet werden soll. Es soll Parry's Versuch, im Norden Spitzbei'gens zum
Pole durchzudringen, wieder aufgenommen werden, und es ist daher dieses
Mal eine TJeberwinterung in den Plan eingeschlossen, und zwar auf einer der
.Sieben Inseln^ im Norden von Spitzbergen. Man wird sich aber mit Hunden zu
der ge^hrlichen Schlittenfahrt versehen, und um diese anzuschaffen, so wie
zu einer allgemeinen Orientierung in jenen Gegenden, wird Professor Nordens-
kjöld in diesem Sommer eine Reise nach Grönland unternehmen. Ein neuer
Grund für alle Freunde der Erdkunde, um ein dauerndes Interesse an der
Erforschung der arctischen Regionen zu gewinnen.
Korinthenbau auf Patras and Morea. In l'olge der anhaltend starken
Nachfrage nach Korinthen, besonders aus £nglaud, wohin vor kurzem der
letzte Kest der vorjährigen Ernte mit etwa V, Million Pfund (Gewicht) ver-
kauft wurde, widmet sich die Kevölkeiung bei Patras und die der Küste von
Morea in immer ausschließlicherer Weise dem Anbau der FCorintheupQaQze.
Der Körnerbau wird vernachlässigt und auch früher gar nicht bebaut^'. Grund-
stücke werden tu diesem Zweige der Bodenwirtschaft verwendet. K. K.
Ein Wallfahrstort In Giartnm. Der Wiener Geroeinderath Dr. Nat-
terer hat auf dem Grabe seines in Chartuni verstorbenen Bruders, des Consnls
Dr. Josef Nattern r, rin Monument errichten lassen, dessen Spitze mit der
Figur eines Engels gr/iert ist. Die Bestandtheile des Monumentes wurden von
hier aus nach Chartum befördert. Dieser Engel wird nun nach der Mittheilung
des Gonsuls Ilausal in Chartnm von der Negerbevölkerung im weiten Umkreise
als ein Abgott verehrt; ganze Processionen ziehen zu dem Bilde, dem man
Opfer und Geschenke aller Art darbringt. Man stellt ihm Töpfe voll Marissa
hin, behängt seinen Hals mit Glasperlen nnd Muschelketten, und junge Frauen,
deren sehnlicher Wunsch um eine Nachkommenschaft noch nicht in Erfüllnng
Segangeu, setzen ihre einzige Hoffnung auf die Hülfe dieses Engels. Der An-
rang ist so stark, dass ein eigener Wächter hei dem Denkmale aufgestellt
werden mußte, nnd dieser macht bei der abergläubischen Bevölkerung die
besten "Geschäfte.. Denn auch die Neger sind für wunderthätige Bilder sehr
stark eingenommen.
Relehthnm Califomiens. Die Gesammtsumme der Waren-Ausfuhr be-
trug im Jahre 1869 über 21 Mill. Doli., von denen über 17 Millionen anf call-
fornische Producte kommen, außerdem wurden wiedernm über 42 Mill. Doli, in
Gold und Silber ausgeführt Die Production der edlen Metalle wird in diesem
Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach noch bedeutend zunehmen, da die Minen
größere Quantitäten Erz schütten und neuerdings reiche Gänge in verschiedenen
383
Theüen des Landes entdeckt worden sind. Die Yerkäafe von Orandeigenthum
in San Francisco betragen im vorigen Jahr Aber 30 Mill, Doli, bei steigenden
Preisen, und auch im Innern haben bedeutende Ländereien die Hände gewech-
selt, indem man auf größere Einwanderung rechnet. Das Feld des califor-
nischen Ackerbaues erreicht täglich größere Ausdehnung, und da es diesen
Winter nicht au Regen fehlte, sind reichliche £rten zu erwarlen. Nicht zufrieden
mit dem Anbau der bekannten Gerealien (für welche jedoch auch einmal ein
Markt fehlen könnte), des Weinstocks .und der verschiedenen Obstarten, vom
Apfel- und Birnbaum bis zur Orange und Dattel, sind in diesem Jahr große
Strecken der Baumwolle-, Zucker-, Tabak- und Reis-Cultur gewidmet. Auch
mit Kaffee- und Cinchona- Anpflanzungen ist der Versuch gemacht worden, uud
die japanische Colonie, unter der Verwaltung des Deutschen Schnell hat
140,000 Theepflanzen kommen lassen, welche vortrefflich gedeihen; er gedenkt
von den vorjährigen ' Setzlingen schon fQnf Kisten californischen Thees zur
September-Ausstellung fertig zu haben. Die Blätter dieser Pflanze werden im
Juni gepflockt, wodurch indessen Bewässerung des Strauches nöthig wird.
Femer hat Hr. Schnell den japanischen Wachsbaum hier eingefQhrt, welcher
das ausgezeichnete Gummi liefert, dessen sich die Japanesen zu ihren vor-
trefflichen Lackarbeiten bedienen. — Die Seidenzucht ist gleichfalls sehr im
Znnehmen, Hunderttausende von Maulbeerbäumen sind in allen Theilcn des
Landes gcpflaazt worden, und es hat sich bereits eine große Conipagnic hier
gebildet um die Seide abxuhaspeln, zu färben, zu spinnen und zu weben. Die
gleichfalls von Japan eingeführte Eichen-Seidenraupe nimmt ihre Nahrung von
den Blättern der Schwarzeiche; die Raupe ist größer und von lebhafterer
Farbe als die gewöhnliche, und die Eier gleichen schwarzem Zwiebelsamen,
während der Seidenfaden fein und kräftig ist bei glänzender Silberfarbe. —
Bei iinserm außerordentlichen Holzreichtbum ist es doppelt lobenswert, dass
die Anpflanzung von Zierpflanzen und nOtzlichen Baumsorten namentlich in
der Nähe der Städte bedeutend zunimmt, wo in froheren Jahren zu große
Lichtungen gemacht wurden; so sind in der Nähe San Francisco^s (Alameda
("ouDly) 39,000 australische Gummibäume (Eucalyptus) gepflanzt worden, welche
hier sehr rasch wachsen und schon einen ganzen Wald bilden. (A. A. Z.)
Monatssitzung der geographischen Gesellschaft am 17. Mai 1870.
Vorsitzender: Prof. Dr. Ferd. v. Hochstetter.
Als neu eintretende Mitglieder werden angemeldet und angenommen,
die "Herren Franz Weikard, k. k. Oberstlieutenant im General Stabe in Wien,
Franz Rathner, k. k. Postofflzial in Wien und das kön. st. Franz Josefs
Gymnasium in Drohobycz (Galizien).
Der Vorsitzende hebt die Verdienste um die geographische Gesellschaft
hervor, welche sich die Österreich-ungarischen Consuln Hansal in Chartum
and Gumpert in Bombay erworben haben, so wie die Theilnahme für die
Bestrebungen unserer Gesellschaft, die von ihnen auch für die Zukunft zu
erwarten stehe und beantragt im Sinne eines vom Ausschuss gefassten Be-
schlusses die Wahl beider Herrn zu correspondierenden Mitgliedern der
Gesellschaft. Wird angenommen.
Zur Vorlage kamen:
Neue Ausgaben der Uebersichtskarte der Schweiz, der Schul- und
Wandkarte der Schweiz, der Wandkarte des Cantons Zürich von Herrn
J. \M. Z i e g 1 e r , welche im Vergleich mit den gleichfalls ausgestellten früheren
Ausgaben einen erheblichen Fortschritt in der Darstellung des Terrains zeigten
und überhaupt den vorzüglichsten kartographischen Leistungen der Jetztzeit
beizuzählen sind.
Ein vom Hm. Consul Gumpert in Bombay zur Ansicht eingesendetes
Prachtwerk: Architecture in Dharwar and Mysore, photographed by the late
Dr. Pigon, Bombay Medical Service, A. C. B. Neill £sq. and Colonel
384
BiggB, late of the Royal Artillery, witfa a historical and deKripthe Memoir
by Colonel Meadows Taylor and Architectural Notes by James Fe rgnsson,
London 1866, mit 98 Photopraphien in Folio und 12 HolsBchnitten, die Tem-
pelruinen von Belloor, Hullabeed, Hurulhollee, Beezanggur etc. vorstellend.
Der Himmels- und Erdglobos des Hm Carl Schöninger in Wien, an
welchem der Erzeuger die Verwendung beim Unterricht in der mathematischen
Geographie demonstrierte.
Hr. Prof. Woldrich charakterisierte in einem I&ngeren Vortrage die
klimatischen Verhältnisse von Salzburg. (Wird im Auszuge in unseren Mitthei-
lungen abgedruckt werden).
Herr Friedrich v. Hellwald sprach über den Seefahrer Sebastian
Ca bot 1 Gabotto), dessen Leben und außerordentliche Leistungen zu den dun-
kelsten Partien des Zeitalters der Entdeckungen gehören, obwol er zweifels-
ohne nächst Columbus die hervorragendste Peraönlichkeit jener denkwürdigen
Periode gewesen. England und Italien streiten um die Ehre, den großen Mann
den il^igen nennen zu dürfen; seine ersten historisch festgestellten Reisen
fallen in die Jahre 1497 und 1498, wobei er Theile des nönllichen america-
nischen Continents, Neufoundland und Labrador entdeckte und der erste war,
welcher das Festland betrat, 14 Monate früher als Columbus selbst. Redner
schildert nunmehr in eingehende Weise die ferneren Erlebnisse Cabot's, seine
Schicksale in Spanien, seine Reise 1517 zur Auffindung der nordwestlichen
Durchfahrt, seine Theiinahme am Congress zu ßadaj oz, seine Entdeckungs^eüurt
imRiodela Plata und seinen Aufenthalt in jenen Gegenden, C1527— 1531),
endlich die Leistungen seines spätesten Alters, wo er noch, nahezu ein 80jäh-
rigor Greis, 1553, an die Spitze der zu London gegründeten Russischen
Handelsgesellschaft trat. Sein Todesjahr ist unbekannt, wie jenes seiner Geburt.
Redner bedauert, dass England, dem Cabot einen Welttheil geschenkt, nicht
Sorge getragen habe, die wenigen Zoll Erde zu bezeichnen, welche die Asche
seines größten Seefethrers umschlielien.
Vor Schluss der Sitzung machte der Vorsitzende darauf aufnierksam,
dass die Versammlungen der Gesellschaft während der Sommermonate unter-
brochen werden und die nächste Versammlung im October dieses Jahres
stattfindet.
An die P. T. Mitglieder der geographischen Gesellschafl.
Das Comit6 des im August 1870 zu Antwerpen tagenden geogra-
phischen Congresses gibt bekannt, dass gegen Erlag von zehn Francs
die Zusendungen der Verhandlungen des Congresses erfolgen werde und den-
jenigen, welche für diesen Betrag die Legitimationskarte lösen, zugleich die
von den Bahn- und Dampfschiflfahrts-Directionen fdi* die Mitglieder des Con-
gresses zugestandenen Erleichterungen zu gute kommen, wenn sie zur Zeit
persönlich am Congress theilnehmen.
Für die Mitglieder der geographischen Gesellschaft, welche davon
Gebrauch machen wollen, hat Hr. August Artaria (Kunsthandlung, Eohl-
markt 4) aus besonderer Gefälligkeit die Vermittlung übernommen. Doch
können einlangende Beträge zu diesem Zwecke nur bis längstens 31. Mai 1870
übernommen werden.
Berichtigung.
Seite 338. Zeile 15 v. u. statt West 1. Wind.
„ 343. Zeile 19 v. u. statt sofot 1. sofort.
„ 344. Zeile 15 v. u. statt schage 1. schlage.
„ 345. Zeile 7 v. o. statt drei 1. zwei.
y, 351. Zeile 2 v. o. statt in den 1. in dem.
Zeile 16 v. o. statt Einwohner 1. Einwohnern.
Ein Streifzug in's Arnairth*.
Von Otto Spiess,
Ingenieur bei den ottomanischen Bahnen.
Im schönen Lande Steiermark erhielt ich eines Thges im October
1869 den Auftrag, an der Traciemng der Bahnen in der Tflrkei theil-
zonelunen. Es wurde daher verschiedenes in kürzester Zeit vollendet,
von verschiedenen schönen Augen mit tiefer Wehmuth und unge-
theiltem Schmerze Abschied genommen, und bei Nacht der schönen
Steiermark Lebewohl zugerufen. Auf dem höchsten Punkte des
Semmering vergoss ich noch eine Thräne, welche der junge plätschernde
Mtkrzfluss mit sich hinab nach Brück trug und gewissenhaft überbrachte.
Jenseits des Berges musste ich meinen Schmerz unterdrücken, da gab
es fftr mich keine Thrftnenpost mehr, die mir dienen konnte, denn die
Wasserscheide war überschritten. Von Wien giengs per Bahn nach Pest
und per Bampfbot nach Belgrad, hier kaufte ich einen sogenannten
Stdrerwagen nebst zwei Pferden und fuhr landeinwärts. Ueber Serbien
ftllt es mir schwer, mich unparteiisch auszusprechen . und ich könnte
dem jung aufblühenden Staate leicht zu nahe treten, deshalb reisen wir
weiter; nur das wiU ich erwähnen, auf der Hinreise erschien mir das Land
türkisch, auf der Rückreise als ein Canaan. Um rascher, als mit eigenem
Fuhrwerke vorwärts zu kommen, mietete ich die Extrapost. Mein
Doümetscher blieb bei dem eignen Fuhrwerk, gab aber dem Postillion
den Auftrag, mich richtig in Alexinaz abzuliefern, im Gasthofe bei
einer deutschen Wirtin. Leider aber wechselten die Postillione von
Station zu Stadon und wurden mir hierdurch verschiedene kleine Unan-
nehmlichkeiten zu Theil, aus denen mich glücklicherweise Herr Joano-
wic in Alexinaz heransriss; er war durch Herrn Director Pressel von
Nissa aus über meine Ankunft unterrichtet und hatte den Auf-
trag, mir möglichst rasches Reisen anzuempfehlen. Rasch reisen und
Serbien sind zwei Begriffe, die man ja nicht verwechseln darf. — In
einem wohlgeordneten Staate greift alles gut ineinander, so auch hier.
Abends um 5 Uhr war ich in Alexinaz angekommen, konnte schon am
nächsten Morgen meine Ausgangsbewilligung aus Serbien haben, so wie
die für den daselbst aufgenommenen Mietskutscher. Gegen 9 Uhr waren
schon die Pferde einregistriert und deren Ausgangszoll erhoben und gegen
10 Uhr war bereits kein Hindernis mehr vorhanden. An der serbischen
Grenze, die durch einen Bretterzaun^ versinnlicht wird — sein edler
Zweck ist, Diebe aus der Türkei abzuhalten, die natürlich nicht auf
den Gedanken kommen dürfen, darüber hinweg zu steigen, — hat man
am Thore noch einmal seinen Pass vorzuzeigen, den man aber am besten
MitÜMÜVBgen d. geogr. GtMU. 1870. 9. 2Ö
386
in der Hand behftlt, um ihn sofort im tfirkischen Karanle visieren zu
lassen.
Von Belgrad bis Alexinaz geht eine Straße, die sich in ihren
jnngen Tagen den stolzen Namen einer Chaiiss^e beilegen durfte, mir
aber, mit Ausnahme weniger Stellen, den Eindruck von zufälligen
Schotterablagerungen in sumpfigem Boden machte. Bei Alexinaz hört
diese Stein- und Morastcombination ganz auf und der eflende Wagen
sucht sich auf dem weiten Felde diejenigen Stellen, wo es vor ihm
auch andern bereits gelungen war, sich mit mehr oder weniger Mohe
hindurch zu arbeiten. Obgleich zwischen Serbien und der Türkei ein
ziemlich starker Verkehr herrscht und sogar die internationale Post
wöchentlich da verkehrt, existiert auf der Strecke Nissa- Alexinaz dennoch
gar keine Straße ; so viel ich vernommen habe, vermieden es die Nachbar-
staaten bis jetzt auf das ängstlichste durch ein anderes Band als das
der Freundschaft mit einander verbunden zu sein. — Gegen 4 Uhr
nachmittags erreichte ich das schon von weitem sichtbare Nissa und
fiind dort bald Herrn Director Pres sei, sowie Henn Sectionsingenieor
N a g y.
Die erste Nacht auf tarkischem Boden brachte ich in einem Han
zu, das ist ein Karavanserai.
Der Eingang in das Gastzimmer ist direct von der Straße aus;
es ist meistens ein größerer Raum, der außer einer großen hölzernen
Pritsche weiter keine Möbeln enthält; in größeren Localitäten findet
man zuweilen Blechöfen, nie aber fehlt das Kaminfeuer mit einer
Garnitur von kleinen Blechpftnnchen zum Kafifeekochen. Zur Beherber-
gung distinguierter Reisenden gibt es noch Extrazimmer, das heißt leere
Kammern, in denen nichts als das Yorhängschloss mobil ist. Das Gast-
zimmer enthält jetzt meistens Glasfenster, in den Kammern hingegen
präsentieren sich nur mit Papier überklebte Luftlöcher. Im Gastzimmer,
welches zugleich auch Schlafzimmer ist, lagern die müden Wanderer —
auf den Pritschen ruht derjenige, welcher per Nacht IVs Piaster, etwa
15 kr. zahlen kann, während auf dem nackten Fußboden, Mann an
Mann gereiht, diejenigen liegen müssen, deren Schlaf dem Wirt nur
Vs Piaster einträgt. Der Preis der Extrazimmer ergibt sich aas der
Anzahl der Personen, welche darin nebeneinander ausgebreitet liegen
könnten, auf diese Art wurden uns in Pristina die Zimmer berechnet.
Groß war mein Erstaunen in der ersten Nacht, als mich Herr
Nagy in unser Nachtquartier brachte. Mit den Weiten; „Da liegen sie
wie die Büffel rangiert,'^ fährte er mich in das Gastzimmer, schwierig
war die Passage auf dem vollständig mit Menschen bedeckten Lehm-
boden, erhaben der Chor der Schnarcher und undurchsichtig, beinahe
387
greifbar die Atmosphäre, von der uns nur eine kleine schlecht schließende
Thflre absondern sollte. Halb noch im Traume, mit dem Licht in der
Hand, brachte uns der Handschia durch dieses Chaos nach unserer Kammer,
welche nichts enthielt, als unsere eigenen Feldbetten, auf denen wir
in unsere Decken gehüllt bald einschliefen. Der Traum in der ersten
Nacht geht in Erfüllung, sagt der Yolksmund, mir träumte in dieser
denkwürdigen Nacht von unendlichem Jucken und Beißen und mir gieng
der Traum auch herrlich in Erfüllung, jeder Zoll meines Körpers ein
Tummelplatz von sechsbeinigen Säugethieren. — Was man am Aus-
kleiden erspart, gewinnt man an der Morgentoilette, die mit dem An-
ziehen der Stiefel bereits vollendet war. Der Mangel an Waschschüsseln
wird dadurch ersetzt, dass der Diener das Waschwasser uns über Kopf
und Hände goss und dadurch auch dem Fußboden das beim Aufkehren
nöthige Nass zukommen ließ. Um 7 Uhr k la franca waren wir bereits
bei Herrn Director Pressel, um bei seiner Abreise noch die letzten In-
structionen entgegen zu nehmen.
Nach einem formellen Besuch beim Pascha begaben wir uns auf
den Weg nach Sophia und erreichten an demselben Tage noch das
kleine Dorf Ak-Palanka, wo wir ohne Nachtessen zu Bette gehen
mussten, da der an Zerstreuung leidende Diener die Speisen mit In-
sektenpulver eingepfeffert hatte. Auf der nächsten Station mieteten
wir einen Postwagen und, fuhren auf einer gut erhaltenen Chaussee,
welche aber unter den entsetzlichsten Steigungen bergab und bergauf
geht, unserem Ziele zu, welches wir nachts um 10 Uhr unter strömen-
dem Regen erreichten. Die aufgespannten Regenschirme legten wir bei
Seite, als wir nicht mehr nasser werden konnten und verharrten in
einer Art Lethargie, aus welcher uns nur unser bulgarischer Postillion
zeitweise durch ein schakalähnliches Geheul herausriss , wenn er einem
Fuhrwerke begegnete oder sich einer Station näherte. Lenau's lieblicher
Postillion hat wol seinen Ursprung einer anderen Nacht und einem
anderen Posthorn, als dem unsrigen, zu verdanken.
Der Regen wurde immer heftiger, der Wind blies immer stärker,
da kam die Erlösung, der so ziemlich sanft fahrende Wagen fieng an
zu holpern, wir waren in Sophia und fanden die freundlichste Auf-
nahme im Hause des Herrn Ingenieurs Christian, Chefs der vierten
Brigade. Unser Gepäck war noch weit zurück, wir aber durch und
durch nass, mussten fremde Hilfe requirieren und konnten endlich mit
Kleidungsstücken von aller Herren Länder uns lebhaft am dampfen-
den Nachtmal betheiligen. Da am folgenden Tage Jupiter pluvius
immer noch das Regiment führte und somit die Brigade zusammen-
hielt, war die beste Gelegenheit geboten, die Bekanntschaft der ein-
26*
388
zelnen Herrn, so wie diejenige ihrer Freunde in Sophia zn madien,
nnter denen namentlich Herr Consal Lntteroti nnd Dr. Tamain sich
dnrch ihre Anfinerksamkeit viel Verdienste um die Ingenieurcolonie
erworben haben. Mir schien es, als ob sich des Doktors Haus einer
besonderen Frequenz erfreue —
„Es blfihten auf des Doktors Gut
Zwei Lilien unter treuer Hut^
und es war dasselbe ohne Verabredung ein geselliger Concentratioiis-
punkt und mancher der Herren hat unter der Lilien 2^uberduft gelitten.
Wir hatten eines Tages gerade das Mittagsmal beendet, lagen
gleich frisch gefütterten Schlangen auf den verschiedenen Divans und
waren im besten Zuge uns nur mit den allertiefsten Gedanken zu be-
schäftigen, als uns ein Grundtyp der Märchen aus tausend und einer
Nacht, ein fahrender Derwisch, angemeldet wurde. Lang und hager von
Gestalt, trat mit einem Spere bewaffnet der Erhabene vor uns, als
ein Bote des Lichtes und der Wahrheit. Sein Fuß hatte den brennen-
den Sand Aegyptens durcheilt, sein Auge die steinernen Denkmäler
längst begrabener Völker erschaut und sein Ohr hatte den großen
Profeten vernommen, der ihm zurief: „Wandere, unsteter Menschensohn,
wandere.' Feierlich und ernst begann der Jfinger der Wahrheit zu sprechen,
zu uns, die kaum würdig waren , ihm zu nahen ; wie ein Strom quoll
es von seinen Lippen und drang mächtig an uns heran ; wie ein Apostel
seiner Lehre begeisterte er uns für Schätze reichen Wissens und hoher
Weisheit, die in des Orientes brennender Sonne geboren, noch deren
ganzen Gluthauch an sich trug. Niedergebeugt durch die Wucht seiner
Sprache vernahmen wir nur noch das eine , in welchem sich aber alles
gipfelt, was Jahrtausende geschaffen haben : Einjedermusssterben.
Moses ist gestorben, Christus ist gestorben, Mohamed ist gestorben, wir
alle müssen sterben, nur einer ist ewig, der eine ist Allah. Das war mehr,
als wir sonst zu hören gewohnt waren, und sprachlos, dumpf vor sieb
hinbrütend, ergab sich die ganze Gesellschaft dem Eindruck seiner
Worte, nur einer der Herren vermochte sich allmählich zu erheben und an
den Demantschmuck orientalischer Weisheit eine Perle des Abendlandes
anzureihen, dieser eine war Herr Ingenieur Roßmann.
Angefeuert durch das Bewusstsein, dass auch sein Heimatland an
dem großen Berufe des Menschengeschlechtes , die Grundtiefen der
ewigen Wahrheit zu erforschen, mitgewirkt hat, erwiederte er mit feier-
licher Stimme und vollkommen würdig seines Vorgängers : Elin jedes
Ding hat ein Ende, die Sonne hat ein Ende, die Welt hat ein Ende,
nur ein Ding hat zwei Enden: die Wurst.
0 groß ist Allah, erwiederte der Derwisch und begann Geld ein-
389
znsammelii, das ihm reichlich zaströmte. Speisen wollte er keine von
uns annehmen, eben so wenig nnsern wohlgemeinten Rath, sich wenigstens
einmal im Jahr — zu waschen.
Während seiner begeisterten Rede hatten wir die größte Rnhe
beobachtet, am ihn nicht ans dem Concept zn bringen und das Lachen
so meisterhaft and vorschriftsgemäß nnterdrfickt, dass wir jeder Zeit
mit gewissen Herren, die ich ans Pietät nicht nennen wiU, gewissen
Sitzungen beiwohnen dürften.
Sophia theilt mit vielen türkischen Städten das Los anf den
Fremden von der Feme einen gaten Eindrnck za machen, and den-
selben wieder zn zerstören in dem Maße, als man sich ihr nähert Ich
hatte Gelegenheit mehrere ziemlich große Städte za sehen , fand aber
dberall das gleiche. Es genügt daher vollständig, wenn ich einer der-
selben einige Zeilen widme ; dass ich es gerade bei Sophia thae, ist nar
reiner Zafall. Bauen wir daher im Geiste eine Stadt nach echt türki-
schem Master.
Wir wählen womöglich einen lehmhaltigen Boden als Banplatz
einerseits, am das hauptsächliche Baamaterial nicht weit transportieren za
müssen and andererseits, am die Yorbedingangen za dem zukünftigen
obligatorischen Straßenkoth zu erfüllen, ohne welchen eine Stadt nahezu
undenkbar ist Von einem geschickten Gärtner lassen wir uns dann den
Plan eines Irrgartens entwerfen und beginnen mit dem Bazar, den wir
am besten und getreuesten imitieren, wenn wir alte dienstunfähige Mess-
baden auf irgend welchem Jahrmarkte ankaufen, dieselben mit Lehm
anstreichen und dann mit den bekannten Artikeln, 9 und 18 kr. jedes
Stück ausstaffieren. Für die Wohnungen der Unreinen als Christen und
Juden fügen wir unbearbeitetes Holz zu Gerippen zusammen, lassen
Löcher für Thüren und Fenster und flechten die übrigen Flächen mit
Beiserholz aus, um dem Lehm Halt zu bieten. Die Front der Häuser
rücken wir abwechselnd mehr oder weniger nahe an die Straße und
bringen in die Fensterhöhe einige Abwechslung, um das monotone gerad-
linige System europäischer Städte zu umgehen. Die. Wohnungen für die
Türkinnen rücken wir natürlich nicht an die Straße, sondern placieren
dieselben in einen mit einer hohen Mauer umgebenen Hofraum. Nun
errichten wir noch einige Moscheen und stellen die Straßencommunication
für die Fußgänger dadurch her, dass wir an den Kreutzungspunkten
große Steine derart postieren, dass die Wagen einerseits gerade noch
durchschlüpfen können und dass andererseits die Fußgänger in der
edlen Kunst des Balancierens stets in Uebung erhalten werden. Vor der
Stadt eröffiien wir ein weites Feld zum Schlachten der Hausthiere,
inaognrieren eine Straßenreinigungscommission bestehend aus Aasgeiern,
390
Elstern, Raben und räadigen Hunden und fibergeben unser Werk
der Krone der Schöpfung zum bewohnen.
Zum Lobe der türkischen Regierung muss ich fibrigens hinzu-
fügen, dass sich diese Zustände auf dem Weg der Besserung befinden
und dass gewaltige Anstrengungen gemacht werden, den alten Schlendrian
zu verdrängen. In Nissa steht unter andern eine große Caseme nach euro-
päischem Muster, eine sehr schöne griechische Kirche, auch sieht man
namentlich gut gebaute Schulhäuser in modernem Style ; in Sophia werden
ganze Stadttheile zusammengerissen und neu nach einer Bauvorschrift
aufgebaut ; man bemerkt Oberhaupt ein großes Bestreben nach Fortschritt
und muß einer Regierung die vollste Anerkennung zollen, die mit uner-
müdlichem Eifer den alten ßarbarismus bekämpft.
In Sophia hielt ich mich im ganzen drei Tage auf und reiste mit
Herrn Ogledich zurück nach Nissa. Die Herren Schutt und Ceruik tn^fen
etwa zwei Wochen später ein. In Nissa hatten wir Gelegenheit einem
bulgarischen Leichenbegängnisse beizuwohnen und Zeuge eines erbaulichen
Auftrittes zu sein. Während noch der dienstthuende wohlbeleibte griechi-
sche Priester über dem Grabe sein Friede seiner Asche und liebet
Eujeh untereinander predigte, hatte er trotz seiner tiefen Andacht
bemerkt, wie sich einer seiner ehrwürdigen CoUegen über das neben dem
Grabe ausgebreitete Leichenmal hermachte. Mit Thränen auf den Lippen
und Schwertern im Busen betet er weiter — doch plötzlich hält er inne
und fängt an, da der heilige Geist indessen über ihn gekommen war,
sich mit seinem würdigen Bruder herumzuprügeln , und zwar so lange,
bis beide von den Heulweibeni getrennt wurden , denen nach üblicher
Weise die Schlussfeierlichkeit des Begräbnisses übrig blieb.
Der Gang unserer Arbeiten führte uns längs der Nissawa nach der
Morawa, von dieser entlang an die Topliza, welche in dem DefileÄ
bei Kurwingrad einmündet. Kurwingrad, auf deutsch : Fels der Buhlerin,
verdankt seinen Namen einer Legende, welche von einer Brücke er-
zählt, die das Defilee übei-spannend, eine Burg mit einem Kloster soll
verbunden haben, deren beider Ruinen noch sichtbar sind.
Die Topliza fließt, so weit wir sie verfolgten, genau von West
nach Ost, und bespült den Fuß recht malerisch gelegener Städtchen,
wie Prokoplje oder türkisch Usküb und Kurschumlje. Noch vor Pro-
koplje traten wir in das Land der Amanten ein. Die Grenze des
Arnautluks ist genau bezeichnet, aber nicht etwa wie in Serbien mit
einem Bretterzaun, nein, im Gesichte eines jeden Bewohners steht sie
geschrieben; hier der knechtische Bulgare, der unter Peitschenhieben
die gezwungene Arbeit ächzend yollzieht, da der stolze Arnaute, der
keinen anderen Herrn anerkennt als sich selbst; obwol Muselmann und
391
iof tfkrkischem Boden wohnend, bildet er einen Staat im Staate. Sehrofl
wie seine Berge and Felsen ist aach sein Sinn und ehe jene nicht geebnet
werden, wird dieser nicht gebeugt. Gleich einem geladenen Gewehr
zielt sein Blick and verr&th einen Menschen , der jeden Moment bereit
ist, die mörderische Waffe zu ergreifen. Aug am Aoge, Zahn am
Zahn ist der Wahlsprach des Amanten and Blnt der Saft der Ver-
sfihnang. Nor der Amaate vermag eines Amanten Bück zn ertragen.
Zerstreat aaf den Bergen wohnend, führen sie ein patriarchalisches
Leben, wie im Na aber sind sie vereinigt, wenn der fremde Ein-
dringling sich ihren Thälem nähert. Mit lanter Kehle raft der Nach-
bar dem Nachbar, in langgezogenen Tönen schallt es von Berg za
Berge and mit elastischem Gang bis an die Z&hne bewaffnet, kommt
von aOen Seiten her die kampfgewohnte Schar and fixiert mit schwarzem
Ange den fiberraschten Wanderer.
Doch greifen wir onserer Erz&hlnng nicht vor.
In Prokoplje, welches von einem Bergkessel eingeschlossen am
Faß eines HfigeLs liegt, hatten wir anser zweites Hanptqaartier aafge-
schlagen, indem wir von hier aas nach vor and rAckw&rts arbeiteten.
Prokoplje ist eine sehr schön gelegene, ausnahmweise reinliche Stadt
Der Bezirksvorstand (Kaimakan) empfieng ans sehr freandlich and that,
was in seinen Krfiften stand, am ansere Arbeiten zn anterstfltzen and
den Umgang mit den Amanten za erleichtern, welche flberhaapt von
den türkischen Beamten mit aaserw&hlter Höflichkeit aud Gflte be-
handelt werden, als dem einzigen Wege mit ihnen aaszukommen.
Unsere Lebensweise war, obgleich wir im eigentlichen Sinne des
Wortes „zigeunerten^, dennoch ziemlich geregelt and es gelang uns,
wenn aach unter erschwerenden Umständen, ein kleines Familienleben
zu fahren. Morgens ritten wir, umgflrtet mit der rothen Leibbinde und
wohlbewaflbet an die Arbeit, unter dem Schutz von vier berittenen
Gensdarmen, um erst abends in unseren kleinen Zimmern wieder einzu-
treffen, die wir aber mit eigenem Hausrat erst wohnlich herrichten
mossten. Ffir Stfihle fehlte es meistens an Platz und so saßen wir
denn aof den zwei Feldbetten, zwischen welche wir einen kleinen
lisch gerade noch einzwängen konnten, beim einfachen Male. Nach
der Malzeit erhielten wir regelmäßig Besuch von einem unserer
Gensdarmen, der obwol Tflrke, heimlich das Symbol des Fortschrittes,
äne Feldflasche, mit sich führte und sich dieselbe täglich mit Rhum
aofiUlen ließ, was aber heimlich geschehen musste.
Unser Fortschrittsmann, ein Philosoph, war zu der Erkenntnis
gekommen, dass die meisten Fleischspeisen fast durchgängig aus den
^chen chemischen Elementen zusammengesetzt sind und sich nur
392
quantitativ nnterscheiden und dass eine Klassification • derselben in zwei
Sorten, in die kauschem oder Gott wohlgefälligen und die onreiiLen,
deren Gennss den Th&ter .mit Sünden überhäuft, als nicht wissen-
schaftlich vom Fandamente aas za verwerfen sei. Dass die Vorschriften
seiner Religion nicht im Einklänge stehen mit seinen Ansichten ist
nicht sein Fehler, anch kann er nicht dafOr verantwortlich gemacht
werden, dass noch so viele hochgebildete Christen ihren Küchenzettel
dem Gaplan zur Beglaubigung vorlegen. Wer in der Türkei reisen will,
darf an der Religion seines Koches keinen Anstand nehmen, denn Christ-,
Jude und Türke decken abwechselnd die Tafel.
Während unseres Aufenthaltes in Prokop^je begann der türkische
Fastenmonat „Ramasan^, welcher sich dadurch characterisiert, dass am
Tage alles ruht und fastet und schläft, um bei Nacht möglichst viel
zu lärmen. Von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens hatten wir vor
Pfeifen, Trommeln und wildem Gejubel keine Ruhe und wurden durch
unzählige Flintenschüsse aus dem schwer errungenen Schlaf aufgeschreckt
Während des Tages darf der Türke weder arbeiten noch essen, weder
trinken noch rauchen; es fiel demnach unseren türkischen Begleiteni
sehr schwer uns den ganzen Tag mit leerem Magen zu folgen und,
ohne einen Trunk Wasser zu sich zu nehmen, Berg auf und ab zu
steigen. Lange vor Sonnenuntergang zogen sie schon ihre Uhren heraus
und drängten das Wort „sat^ bedeutungsvoll betonend (sat heißt Zeit
und Wegstunde und Uhr) auf die Rückkehr.
Da wir aber erst gegen 6 Uhr Feierabend machten, und dann noch
öfters gegen 2 Stunden bis zum Quartier zu reiten hatten, war es iär
diese eine schwere Zeit. Trotz der eisernen Zähigkeit, mit welcher der
Türke an seiner Religion hält, lässt er dennoch Andersgläubigen ihre
volle Freiheit. Im Hause von Amanten. (es war im Thal der Kostainica),
die doch die fanatischsten aller Türken sind, kochten wir Schweine-
fleisch und tranken Wein, Amanten sahen uns essen zu einer Zeit, da
es . ihnen verboten ist, Amanten schenkten uns von unserem Wein
ein und zündeten unsere Tschibuks an, während sie selbst nicht
rauchen durften.
Wie anders fand ich es in dem hochcultivierten Schottland, wo man
mir sogar im eigenen Hause an einem Sonntag keine warmen Speisen
verabreichen wollte und die Wohnung gekündigt hatte wegen des an
einem Sabath verbotenen Schachspieles.
In Puncto religiöser Duldsamkeit können die civilisierten Schotten
noch sehr viel von den wilden Bergbewohnern lemen.
Verfolgen wir die Topliza weiter in ihrem Lauf, so kommen
wir nach achtstündigem Marsch nach Kurschumlje, einem kleinen
393
StAdtchen am Zasammenflnss der Toplica und Kostainica nnd finden
auf dem Gipfel eines HQgels die gut erhaltenen Reste einer großen
Kirche ans der Zeit der byzantinischen Kaiser. Wir besuchten den
Kaimakan von Knrschomlje und wissen ihm großen Dank fAr die Auf-
merksamkeit, die er fftr uns an den Tag legte, so wie für die guten
Maßregeln, die er efgriff um uns den Eingang in das Thal der
Kostaimca, wo die wildesten der Amanten wohnen, möglich zu machen.
Mit vier tOrkischen Gensdarmen und gegen zehn arnautischen Be-
gleitern, darunter ein Häuptling Halim, der sich bereits seit einer
Woche an uns angeschlossen hatte, traten wir in das Kostainica-Thal
ein und fanden in Ratsch gastliche Aufnahme im Hause eines Amanten,
der durch den Kaimakan von Kurschnmlje darum ersucht worden war.
Die Gewähr des Gastrechtes in einem einzigen arnautischen Hause gilt
nach altem Herkommen für einen Freibrief im ganzen Thale und war
uns daher von größtem Wert. Das mit einem geflochtenen Zaun
umgebene Gehöfte liegt auf einem Hügel in der Nähe einer Moschee und
nmfasst vier Häuser oder genauer gesprochen Lehmhütten. Zwei der-
selben werden von Männem, d. i. dem Vater und den Söhnen, die zwei
andern von den Frauen bewohnt. Für uns waren zwei Häuser, von
jeder Gattung eines eingeräumt worden, indem sich die Hansbewohner
in den beiden andern vertheilten, und noch dazu unsere türkischen
Begleiter aufnahmen. Das von uns bewohnte Harem war eine kleine
Lehmhütte mit Fenstem kaum so groß um den Kopf durchzustecken,
and l^ot gerade so viel Platz um drei Feldbetten und einen Tisch dicht
nebeneinander aufzustellen. Die Diener bewohnten eine größere Hütte,
den einzigen Raum, den sie aber mit den Pferden theilen mussten.
So waren auch die anderen Wohnungen eingerichtet Durch die
Thfir eintretend musste man erst die Pferde passieren um zu den
Hausbewohnern zu gelangen, die um ein großes Feuer herum liegend
rauchten und plauderten. Das Inventar einer gut eingerichteten Wohnung
besteht aus einem frei brennenden Feuer, einigen kleinen Schemeln,
einem runden Brett um die Mahlzeit aufzutragen, einigen 'Wasserkrügen
nnd je nach Bedarf aus zwei oder mehreren im Boden eingerammten
Stöcken, woran in Hängematten gehüllt, der Mütter Theuerstes ge-
schaukelt wird. In den Franenwohnungen trifft man Kamine an, aber
auch nur Fußböden von Lehm und Fensterscheiben von Papier.
Für unsere Verhältnisse aufs beste eingerichtet, verbrachten wir
an diesem Platz etwa 8 Tage in steter Gesellschaft des gastlichen
Wirtes. Abends kam er mit seinen Söhnen nnd den Aeltesten des Thaies^
in unsere Hütte und blieb oft Stunden lang da. Einer der Söhne sang
anwutische Lieder, die er auf einem mandolinartigen Instrumente beglei-
394
tete. Dann kamen die Kinder der Familie schfichtem hereingehascht, um
sich die versprochenen Süßigkeiten ahzoholen. Die Frauen des Hauses
sahen wir nur von weitem, aus halh geöffneter Thür verstohlen heraus-
schauend.
In Ratsch genossen wir ganz ohne unsere Schuld das Renomm^
der Heilkunde und waren oft genöthigt, die Sch&tze unserer Apotheke
armen Heilshedflrftigen zu spenden, unsere Unkenntnis einzugestehen,
gieng nicht an, es wflrde als UngefäUigkeit aufgenommen worden sein,
und so mussten wir nolens-volens den Doctor spielen. Puncto der anzu-
wendenden Medizin lagen wir oft im Streit, da jeder* der Herren fOr
eine andere Mixtur stimmte. Schließlich entschied man sich dann für
ein Seidützpulver, aber nur so lange als der Yorrath reichte.
Von Ratsch weg folgten wir der Kostainica bis zu ihrem kleinen
Nebenflusse Merdar und diesem bis zur Wasserscheide, welche uns
eine wundervolle Aussicht auf den 7 bis 8000 Fuß hohen Lubriatin
darbot. Die Sonne sandte gei-ade ihre letzten Stralen auf die im Win-
terkleid prangenden Berge und verschwand, einen feurigen Gluthauch
auf demselben zurücklassend.
Alpenglühen, du letzter Gruß der sterbenden Sonne, wie wundersam
zauberst du Bilder aus meiner kleinen Heimat hervor und versetzest
mich in trauten Kreis meiner fernen Angehörigen!
Die Berggipfel erblassen und Allfaders nächtliche Leuchte ftogt
schon an uns ernsthaft an den Aufbruch zu mahnen, da erblicken wir
drei nahende Reiter, von denen besonders der eine, ein stattlicher
Mann, in malerisch arnautischem Kostüme uns auffiel, es war Ali
der Häuptling des Labthaies, der von unserer Ankunft unterrichtet,
sich zu unserem Empfang auf den Weg gemacht hatte. Ali hatte
bereits vor einigen Wochen die Bekanntschaft des Herrn Director
Pressel gemacht, und war von diesem für unsere Sache gewonnen
worden. Diesem Umstände hatten wir seine Bekanntschaft zu danken.
Da Ali vom Pferde stieg, musste ich ein gleiches thun, gab ihm aber,
nachdem die türkische Begrüßung erfolgt war, auf echt deutsche
Weiße die Hand. Ali brachte uns nun nach dem Hau zu Podi^ewo,
welchen er nicht verließ so lange wir da waren. Hier übergab ich ihm
einen elegant gearbeiteten Revolver nebst Munition als Geschenk von
Herrn Director Pressel. Allgemeines Staunen rief dieses Prachtexemplar
von Wiener Arbeit hervor. Ali wagte kaum die Waffe aus ihrem Etui
herauszunehmen und zitterte vor Freude. Diese Naturkinder verstehen
es eben nicht ihre Eindrücke zu verbergen. Gleich musste der Revolver
probiert sein, mein Feß auf eine Stange gesetzt, war das Ziel eines
396
Schnellfeners und trfigt heute noch die unvernarbten Wunden vom
16. December 1869.
Zwei Tage später wurde uns ein eigenthümlicher Genuss zu Theil.
Wir hatten gerade das Nachtmal beendet und waren in dem Stadium
angekommen, vor dem definitiven Schlafe provisorisch einzunicken,
indem die allgemeinen abendlichen Themata bereits jeder kannte und
sogar einer dem andern Concurrenz machte. Da vernahmen wir eine
eigenthflmliche Musik, wie von Pfeifen und Tamtam, vermischt mit
verworrenem Geräusch von Menschenstimmen. Ali tritt ein und Iieißt
uns folgen. In unsere Pelze gehüllt, folgten wir ihm und treten hinaus
in die kalte Nacht, die Flur war mit Schnee bedeckt und der Mond
beleuchtete eine große Schar unheimlich aussehender Gestalten, die in
einem großen Kreise um ein helllodemdes Feuer auf dem kalten Boden
lagerten. Bei unserer Ankunft erhob sich der ganze lebende Kreis und
Ali hieß uns Platz nehmen neben den Aeltesten, die sich nach türkischer
Weise auf dem Boden zusammenkauerten. Uns convenierte diese Art zu
sitzen ganz und gar nicht und machte jeder erst die verschiedensten
Stellungen durch, bis er endlich einmal eine passende Lage gefunden hatte.
Die Musik beginnt in den herzzerreißendsten Tönen und ein großer
stattlicher Mann beginnt zu tanzen; erst langsam sich drehend verlftsst
er das Centrum des Tanzplatzcs, folgt dem Umfange desselben und
berührt abwechselnd den einen oder den andern der Zuschauer mit
seinem Fuß. Die Musik wird feuriger, die Bewegungen des Tanzenden
werden rascher und ein Säbel blinkt in seiner Hand. Die Herausfor-
derung zum Kampfe, die durch Anstoßen mit dem Fuß mehr einer
Neckerei glich, wird drohend von dem Säbel gefordert, immer rascher
wird der Tanz, immer drohender zuckt die schneidige Waffe durch die
Lüfte, immer rasender wird die Musik; der Kampf ist eröffnet, der
saumselige Säbel muß der Pistole weichen und ein Schuss fällt dicht
über dem Haupte unseres Nachbars, dieser erwiedert die feurige An-
sprache in gleicher Weise und nun beginnt ein allgemeines Schießen und
Lärmen. Die Hand ermüdet endlich, greift nur noch langsam in die Seiten,
die wilde Wut lässt nach und in zierlichen Wendungen mit friedlicher
Miene verlAsst der kühne Tänzer mit Lob überschüttet den Ringplatz.
Es war Mitternacht, kalt brauste der Wind von den Bergen herab
in die letzte Glut unseres Feuers und drohte es zu vernichten, nachdrücklich
mahnte der Schlaf an sein alt herkömmlich Recht. Lange noch als wir
schon zu Bette waren, drang^das Seitenspiel zu unserem Ohr, als wollt
es uns zum Kampfe rufen, als wollt es mich an meinen ersten Kampf
erinnern — an meinen Kampf ums Erdenbürgerrecht, aus dem aa
diesem Tage ich siegreich hervorgegangen war.
396
In Schnee und Regen abwechselnd führte ans der Lab dnrch sein
Defil6e nach dem längst ersehnten Kossawopolje, das ist das dnrdi
seine Schlacht historisch berflhmt gewordene Amselfeld. Hier besachten
wir das in einer Moschee befindliche Grab des ermordeten Sultans Marat.
Am Abend dieses Tages trafen wir noch in Pristina dem Ziele
anserer Expedition ein. '
Der Rückweg war nicht so leicht wie die Hinreise, ein heftiger
Regen hatte die Gebirgsbftche angefüllt und das Labthal in einen
großen See umgewandelt. Einen ganzen Tag mit der Flut k&mpfend,
erreichten wir abends durch und durch nass den Han in Podujewo, die
ganze Bagage nebst Dienern im Freien lassend. Petroleam auf nasses
Gesträuch gießend, gelang es den Dienern sich ein erwärmendes Feaer
zu verschaffen. Die Bagage und Betten waren vollständig durchnässt und
letztere konnten während 8 Tagen nicht mehr benützt werden. Um
dem Wasser aus dem Wege zu gehen, wählten wir am zweiten Tag
einen Bergpass, auf welchem uns wiederum die Nacht überraschte.
Diener und Wagen blieben im Freien, während wir in Knrschamlje
durch die Güte des Kaimakans einige Decken und ein Nachtessen erhielten.
Der vierte Tag brachte uns nach Prokoplje und der fünfte anter
Schneegestöber nach Nissa, um daselbst den Sylvester 1869 im Kreise
unserer Freunde zu begehen. Von Nissa gelangten wir in vier Tagen
nach Belgrad, wo wir uns trennten, um von Stambul und Wien
von denjenigen Abschied zu nehmen, welche der Erzählung bis zu
diesem Puncto gefolgt sind.
Das Land Tunichan*).
2. Ethnographischer Theil.
Von F. SvScen«^.
Bald nach dem Vorrücken der Kosaken in das Land Torachaa
zeigte sich eine Zunahme der russischen Bevölkerung durch Ankömm-
linge, welche dorch die Gerüchte von dem Reichthum an Thieren waren
angezogen worden. Man nimmt an,* dass um das Jahr 1727 die
rassische Bevölkerung des Landes beiderlei Geschlechts nicht mehr
als 1500 Seelen betrug, die sich zumeist im nördlichen Theile concen-
trierte. Einen Beweis hiefür geben die üeberbleibsel von Wohnstatten
in der Nähe der Flussmündungen des Jenisej, der Chatanga und I^asyna,
mitunter auch an den Gestaden der See. Im Jahre 1782 war die An-
♦) Nach dem Russischen des Hm. Tretjakow in den Denkwürdigkeiten
der kaifl. russischen geographischen Gesellschaft.
397
zahl der Tangnsen 1282, der Juraken and Samojeden 640, der Ostjaken
351, der Jakuten in der N&he von Turuchansk 127 Seelen, wie viel
Einwohner dieser Yolksstämme in den nordöstlichen Landeetheilen sich
befanden, ist anbekannt.
Oberhalb der Stadt Turachausk war die Bevölkerung so spärlich,
dass zur Winterszeit der Verkehr mit dieser Stadt sich äußerst schwer
bewerkstelligen ließ. Zur Beseitigung dieses Uebelstandes beschloss man
im Jahre 1811 von Seite der Regierung der Ansiedlung in jenem Ge-
bietstheile Vorschub zu leisten. Im Jahre 1812 wurden von zwei größeren
Schiffen und^ zwei Barken Ansiedler an's Land gesetzt Man unter-
brachte sie zu drei oder vier Familien, und versah sie mit dem nöthigsten
Hausrat und Getreide, außerdem erhielt jede Familie eine Kuh uAd
ein Pferd. Den unverheirateten Männern wurden Weiber aus den in
hinreichender Anzahl herbeigezogenen weiblichen Ansiedlern beigegeben.
£s ereignete sich wol auch, dass mancher mit der zugewiesenen Lebens-
gefährtin nicht vorlieb nehmen wollte, oder dass umgekehrt der weibliche
Theil an dem männlichen kein Wolgefallen fand und diesen zurAck-
wies; aber man wehrte solchen Ideen durch strenge Maßregeln. Die
solchergestalt improvisierten Paare wurden nach Behändigung einer
schriftlichen Anweisung nnverzfiglich getraut. Unglücklicher Weise hatte
der größere Theil der Ansiedler bei dem Unvermögen, die Wohnung
herzustellen und das hinreichende Futter fQr das Vieh beizuschaffen,
bald darauf dessen Verlust zu beklagen; was flbrig blieb, wurde, weil
es an Brod gebrach, aufgezehrt. Zur Zeit des erstell Winters tötete
die Kälte einige Personen bei Gelegenheit von Ausflügen in die benach-
barten Ansiedlungen. In den Jahren 1813 und 1814 kamen Nachschübe
von Leuten zur Besetzung mehrerer Standorte in der Nähe von Turu-
chansk; auch diesen wurden Aushilfen verabfolgt Doch gieng mehr als
die Hälfte davon zu Grunde, ungeachtet es an. Sorgfalt bei Bestellung
des Hauses und Beschaffung des Unterhalts nicht gebrach. Es war dies
natürlich, denn die früher ungebundenen Leute kamen aus frucht-
baren Gegenden in ein Land, wo sie unter Zwangsverhältnissen inmitten
allerlei Entbehrungen und Anstrengungen ihr Dasein verbringen mussten.
Mit dem Jahre 1817 machte man, nachdem eine Bereisung des Landes
durch den Obersten Kamajew vorausgegangen war, weitere Anstalten
zur Colonisation. Die entsprechende Entwicklung der russischen Ansied-
lungen erfolgte jedoch erst um das Jahr 1820. Damals machten sich
aber auch die Folgen der gewaltsamen Heiraten fühlbar. Die Weiber
giengen den Männern an's Leben und die Männer den Weibern. Es gab
Leute, die ihre eigenen Kinder umbrachten. An die Stelle der bei solchen
Anlässen zur Strafarbeit Verurtheilten oder der mit Tod abgegangenen
S98
Personen kamen neue Colonisten. Da aber der größte Theil derselben
früher Vagabunden waren, so trachteten viele sich Geleitscheine zu ver-
schaffen, mit denen sie verschwanden, um nicht wieder zu kommen.
Andere fQr die schwierige Existenz im Lande nicht Geeignet« wurden
von der Regierung anderweitig unterbracht. Meistens giengen sie unter
die Sectierer, namentlich unter die Duchoborzen, welche Secte später
in's Amurland übersiedelt ist und dort unangefochten geduldet wird.
Der gegenwärtige Bevölkerungsstand stellt sich folgender Maßen:
OD
•
Männlich
Weibl
Erbliche Edelleute
1
^
Vom Personen-Adel
6
G
Angestellte Diißner
2
4
Geistliche Personen
18
17
Elosterleute
5
Klosterdiener
10
7
Btlrgerliche
70
71
Eronbauern
618
490
Verbannte
122
90
Kosaken
73
53
Ostjaken
888
71G
Tungusen
847
640
Samojeden
557
536
Juraken
185
158
Dolganen
303
270
Jakuten
279
289
3982
3347
•§
'S
Im ganzen 7329 Seelen.
Das männliche Geschlecht ist überwiegend, denn auf lOü
männliche werden 86 weibliche Personen gezählt. Speziell herrscht
aber bei den Jakuten das weibliche Geschlecht vor. Auf 1000 Per-
sonen kommen jährlich 48 Geburten und 40 Todesfälle. Der Zu-
wachs stellt sich auf 0.87o» ^^ Süden des Jenisej*schen Gouvernements
beträgt die jährliche Zunahme 1.4% ^^^ darüber. Die Vermehrung der
Population findet bei den russischen Colonisten an dem Mangel ver-
fügbarer Mädchen ein Hindernis, denn bei dem Abgang der Arbeits-
kräfte bleiben die meisten Töchter möglichst lange bei den Aeltem
zurück ; man muss überdies bis auf 300 oder 400 Werst auf die Braut-
schau gehen.
Die Sterblichkeit der Kinder bis zum 4. ja auch bis zum 6 Jahre
ist ungewöhnlich groß. Schon im Mutterleib hat das Kind die Sparen
der drückenden Verhältnisse, der schlechten Kleidung und der hänüg
399
elenden Wohnung in sich aufzunehmen, auch die schlechte Nahrung
und übertriebene Arbeit der Mutter verkUmmert das arme Wesen. Zur
Welt gekommen, liegt es in schmutzigen Fetzen fast unausgesetzt in
einem abgeschiedenen Gemache, und anstatt reiner Luft athmet es
Qualm und Gestank ein, der in den vielen schlechten rauchigen Wohnungen
unausweichlich ist. Mit dem Eintritt des Sommers, wo alles auflebt,
hat es von allen Gattungen Insecten zu leiden. Vergeblich schreit es
nach der Mutter , denn diese vermag vor lauter Geschäftigkeit in der
Zubereitung der Wintervorräthe nicht immer Hilfe zu bringen, und
öfters bleibt d£tö Kind sogar ohne Nahrung.
Das Fieber herrscht allij&hrlich, doch pflegt es bei einiger Sorgfalt
der Behandlung im Verlauf einer Woche zu weichen. Selten zeigen sich
die Masern und der Scharlach, dagegen ist der Rheumatismus, das
Gliederreißen, besonders in den unteren Extremitäten und der Kopf-
schmerz häufig.
In Folge der ünreinlichkeit leiden viele an FuOausschlägen , der
Scorbut, den man zu den climatischen Krankheiten zählen kann, übt
auf die Urbewohner des Landes nur geringen Einfluss, für sie ist er
nicht tötlich. Am verderblichsten ist das Auftreten der Blattern, die
besonders unter den Nichtrussen verheerend zu sein pflegen, ohne dass
das Gegenmittel der Kuhpocke bei ihnen bis jetzt gehörig verfangen
hätte. Von Seite der Regierung gebricht es zwar nicht an ärztlicher
Hilfe, allein diese scheitert an den Ortsverhältnissen. Die große Ent-
fernung vom Sitz der Sanitätsverwaltung, die ungenügende Befolgung
der ärztlichen Anordnungen, bei den Nichtrussen die meist aus Fisch-
fleisch bestehende Nahrung und die Schwierigkeit der Verständigung
des Arztes mit dem des Russischen unkundigen Patienten sind eben so
viele Hindernisse. Bei den Russen schickt man gern den Erkrankten
am dritten Tag nach dem Erscheinen des Uebels in die Badestube;
die Folgen dieses Verfahrens bedürfen keiner Auseinandersetzung.
Die fast in dem Mittelpunkt des Landes gelegene Stadt Turuchan
erhebt sich zwischen Sümpfen und Seen unweit von der Vereinigung
der Flüsse Turuchan und Jenisej in einer Entfernung von 1084 Werst
von der Kreisstadt Jenisejsk. Die Umgebung bildet eine endlose, mit
Gesträuch bedeckte Ebene, nur im Osten sieht man einen Waldsaum
von Nadelholz an den Ufern des Jenisej und im Hintergrunde einiges
Gebirge. Die Stadt Turuchansk war bis zum Jahre 1823 Kreisstadt;
wegen der Verarmung des Landes wurde der Kreissitz nach Jenisejsk
verlegt, seit welcher Zeit sie auch ihren Lebensnerv einbüßte. Bis 1829
war sie eines der Exile der Staatsverbrecher. Gegenwärtig zählt sie
47 Wohngebäude, wovon 2 für die Beamten, 3 für die Geistlichkeit,
4(J(J
13 Atr die BargenchaA, 14 fttr die Kosaken und 15 fttr die Bueni
bestimmt sind.
Die Stadt hat zwei Kirchen des russischen Ritas, davon eine ge-
maoert, die andere von Holz; eine dritte ist fttr die Missionäre be-
stimmt. Ueberdies besteht dort eine hölzerne Capelle. Sieben alte Kauf-
baden, ein Branntwein- and zwei Getreidemagazine, ein Salzladen, eine
Schftnke, ein Schalhaas and ein hölzernes Gefängnis vollenden das Bild.
Nar 8 oder 9 Hftaser sind im gaten Baastand. Im ganzen Lande gibt
es ö Pflanzstftdte mit 36 Höfen in denselben, 54 Weiler mit 247 Höfen,
44 Winterstfltten mit 67 Höfen — zasammen 103 Ortschaften mit 350
Höfen.
Anßerdem zählen die Nichtrnssen 936 Zelte and zeltartige Unter-
kflnfte (66 Jnrten and 870 Tschamen), die rassischen Ansiedlongen
liegen zameist am Jenisej. Im Sflden bestehen die Weiler ans 3, 8 ond
12, im Norden aas 1, 2 höchstens 4 Häusern. Die Winterstätten gegen
Nordosten sind von einander dnrch grofie Strecken getrennt
In den südlichen Gegenden ist die Unterkanft der Rassen ziemlich
gat and geräamig, die Oefen von Backsteinen, die Fenster von Glas.
Das Vieh wird in warmen Ställen unterbracht Aber in den nördlichen
liandestheilen, wo empfindlichere Kälte und Schneewehen herrschen, der
Winter auch länger dauert, entspricht die Einrichtung der Wohnongai
bei weitem nicht den Bedürfnissen der Menschen, welche verurtheilt
sind, den größeren Theil des Jahres darin zu verbringen. Der Reisende
des äußersten Nordens sehnt sich, nach hwger Fahrt, erlahmt dnrch
die liegende Stellung in den engen Wagen, bis an die Beine erfroren,
mit wüstem Kopfe, in krankhafter Empfindlichkeit, nach der Ankunft
in der Winterstätte. Nachdem er sich von dem Fahrzeug mühsam
losgemacht, stellen sich seinen Blicken dunkle Gestalten mit bren-
nenden Fakeln dar. Bei dem Widerschein des Lichtes zeigt sich die
unförmliche, aus Balken gebaute, vop allen Seiten verschneite Hütte.
Eintretend steigt er in eine Vertiefung, und gebückt betritt er das
Innere, mit dem Haupt an die bereifte Decke streifend. An den Seiten-
theilen befinden sich Verschlage, wovon einer Hunde beherbergt, die
auf unreinem Eisboden ruhen, der kaum zur Sommerszeit aufthaut Elin
anderer Verschlag verbirgt den Hausschatz. Der Anblick der hölzernen
Stube, die überall berußt ist, kann nicht reizend genannt werden. Die
Lampe, deren Licht durch Fischthran genährt wird, verbreitet mehr
Gestank als Stralen. Im Vordergrund oder über dem Fenster hängt
ein Bild, dessen Umrisse vom Rauch so angegriffen sind, dass man
die Gestalt des Heiligen kaum zu erkennen vermag. Dem kleinen aas
Lehm errichteten Ofen fehlt die Röhre, rund herum wird Hohs ge-
401
trocknet. An den Fenstern sietit man statt der Einrahmung Eisstflcke,
die im Aofthanen unaufhörlich abtropfen. An den Wänden sind Netze
zum Trocknen ausgespannt. Ein Kessel mit Fischen wird Aber dem
Herdfeuer angebracht, um den Reisenden das Mahl zu bereiten. Die
Stube füllt sich mit Rauch, der sich nur langsam durch die an der
Decke angebrachte Oeihiung hinauszieht. Die ungewohnten Augen füllen
sich mit Thränen; der obere Stubenraum überströmt von W&rme und
Pech tropft mit Ruß von der Stubendecke herab. Will man sich zur
Ruhe legen, so wird man durch die Zugluft aus den schlecht ver-
stopften Wänden gepeinigt.
Bei guter Witterung verliert sich der Rauch bald, aber zur Zeit
der Schneewehen, wo ihn die einstürmenden Luftströmungen zurück-
treiben, kann man in der Hütte kaum athmen. Wol bringt das Oefihen
der Thfire Erleichterung, aber dafür geht alle Wärme verloren. Man
kann unbedenklich die russischen Hütten mit den reinlichen Jakutischen
Jurten vertauschen, welche für die Winterszeit eben so geräumig, wie
bequem eingerichtet sind. Sie bestehen aus vier aufrechten, oberhalb
durch Querbalken verbundenen Säulen, an denen Bretterwände ange-
bracht werden. Das Ganze wird durch Anschüttung von Erde und
Einfügung von Mos vervollständigt. Gleiche Bestandtheile hat auch der
Fußboden. In der Mitte des inneren Raum^ steht der Herd, von welchem
eine Art Rauchfang in die an der oberen Decke angebrachte Oeffimng
mündet. Der Herd erwärmt ohne Rauch zu verbreiten die Jurte derart,
dass man selbst leicht gekleidet sich im Inneren aufhalten kann. An
den Wänden befinden sich mit Erde gefüllte Verschlage, die mit einer
Decke von Zweigen oder Thierbäuten versehen, als Liegerstätte dienen.
Bei manchen Jurten stehen kleine Badeanstalten, als Nachahmung der
russischen Sitte.
Auch bei den Ostjaken findet man Jurten, die gleichwol enger,
leichter gearbeitet und weniger sauber^jsind als jene der Jakuten. Sie
enthalten gleichfalls einen Herd, Schlafstätten und Fenstereinsätze von
Eis. Für den Sommer baut sich der Ostjak ein Obdach von Birken-
rinde, die ausgekocht und dann zu größeren Stücken vereinigt wird.
Aas gleichem Materiale werden abgesonderte stallartige Verschlage ge-
baut, deren Bestimmung ist, die Mücken während des Schlafes abzu-
wehren.
Bei den anderen Volksstämmen dient al^ Obdach der sogenannte
Tschum. Derselbe wird aus einigen gegen einander geneigten Stangen
errichtet, die man von außen mit Rennthierfellen bedeckt. Oberhalb ist
em Rauchloch angebracht Hart an der Erde ist eine äußere Einfassung
von Mos, im Winter von Schnee zu sehen. Im Innern ist der Fuß-
MittlMUiiafleii d. geogr. OeieU. 1870. 9. 26
402
boden mit Zweigen aasgelegt. Auf einer Unterlage von Stein erbebt
sich der Herd, znweilen mht er auf einem eisernen Rost. Rnnd hemm
liegen Bretter and weiter gegen die Wand mit Rennthierbänten bedeckte
Weidengeflechte. Viele dieser Hatten sind von konischer Form. Einige
bedeckt man mit Bockshäaten« andere mit Birkenrinde. Die ohnehin
nicht zahlreichen Nachkommen der Bürger von Turnchansk sind großen-
theils kleinen Wachses, stotternd and mit Scropheln behaftet In ihrem
Wesen ist keine Spar von Selbständigkeit oder Unternehmongsgeist.
Bei großer Faalheit sind sie aach anrein. Anstatt f&r sein Vieh, als
das Haaptmittel des Unterhaltes gehörig za sorgen, bringt der Borger
von Torachansk nicht einmal die Hälfte des n(ythigen Heuvorrals fBr
den langen Winter aaf, weshalb das Vieh gegen das Frühjahr
sich nar von Weidenrinde n&hren und vor Erschöpfong kaam
rühren kann. Unter einer von den Aeltem überkommenen bedeutenden
Schuldenlast fdr Staatsgetreide und sonst nach allen Seiten hin ver-
schuldet, haben diese Bürger ein schweres Fortkommen. Das einzige
Mittel der Verbesserung ihrer Existenz besteht im jährlichen Bezug von
ungefähr 1200 Rubel aus der Staatskasse für Postdienste und ärarischen
Thierfang.
Die Nachkommen der ersten Ansiedler, die häufig Töchter der
Nomaden zur Ehe nahmen, tragen in den Gesichtszügen asiatischen
Ausdruck, und in der Sprache gewisse Fehler, als Folge herkömmlicher
Schwerfälligkeit. Sie sind stampf, sorglos, leichtsinnig, alle den gleichen
Leidenschaften unterworfen und schlan ohne Arglist Dieser Typus ist
allen Bauern in den nördlichen Gegenden eigen. Der klägliche
Nomadenanzug, ihr übelriechendes Hemd zweifelhafter Farbe, der
finstere müde Blick, das gesenkte Haupt, alles dies ist nicht geeignet
für sie einzunehmen.^ Doch wollen wir sie nicht verurtheilen. Als Kind
ist der Bedauernswerte in düsterer Umgebung und kennt kaum, was
Wohlwollen und frenndliches Entgegenkommen ist. In schmutziger,
finsterer rauchgefällter Stube liegt er in irgend einem Winkel. Während
des viele Monate dauernden Winters hört er nur das Heulen des
Windes und das Treiben der Schneewehen. Die unendlich traurige
Schneefläche lässt ihn ohne Theilnahme. Die Strenge des Klimas, die
Abwesenheit der belebenden Sonnenstralen, der Mangel an Nahrung
hält ihn in einem Zustande fortwährender Leiden. Die Einbildungskraft
erstirbt, das Blut verlangsamt seinen Lauf. Mannbar geworden, kennen
diese Menschen kaum das Gefühl der Liebe. Oft bleibt dem Bräutigam
die Braut bis zum Tage der Verehelichung unbekannt. Die kirchliche
Einsegnung wird häufig erst nach Jahren nachgetragen.
Die Bauern des Südens sind im Wohlstande und körperlicher
40S
Krsft weit voraus. Sie sind zwar schlati , listig, neidisch und zur üblen
Nachrede geneigt, jedoch fehlt es ihnen nicht an gesander Einsicht und
Selbständigkeit. Besitzt der Baaer des Sfldens ein gutes Wohngemach,
ein oder zwei Pferde, einige Kilbe und einige Hunde, die erforderlichen
Werkzeuge zum Fischfang und zur Jagd und hat er an den Staat keine
Schulden fftr Getreide, so gilt er ffir wohlhabend.
Das Bauemvolf verbringt die Lebenszeit, ohne sich durch Festlich*
keiten, Instrumental-Musik, oder sonstige Unterhaltungen zu erheitern.
Die vorkommenden Lieder sind inhaltsleer. Bramitwein und Tlkee bilden
den Gegenstand der vorherrschenden Neigung.
Die Nichtrussen sind entweder sesshaft oder» fahren ein No-
maden- oder auch nur ein Landstreicherleben.
Sesshaft sind die Jakuten am Jenisej. Zu den Nomaden gehört der
größere Theil dieses Yolksstammes, welcher die Steppen heimsucht, so^
wie eine Fraction der Dolganen und die ärmeren keine RennthiM*e be-
sitsenden Tungusen, welche sämmtlich ihren Aufenthalt nach Jahres-
zeiten wechseln. Alle Übrigen sind im unaufhOrtichen Herumziehen
begrilßen.
Diese Yolksdtämme bilden eine ganz abgesondeite Einwohner-Klasse.
Sie genießen unumschränkte Religionsfreiheit. Denjenigen unter ihnen,
welche das Christenthum annehmen, wird dreijähriger Eriass der Steuer-
pfiicfat gewährt.
Sie sind sämmtlich vom Kriegsdienst frei und kOnnen nadi
Gutdünken in die gesetzlichen Benifsarten der Bauernschaft oder des
Btrgerthums eintreten.
Jeder Volksstamm zerfällt in besondere Geschlechter, die wieder
/MS einer Anzahl Familien bestehen. Zu Oberhäuptern haben sie er-
fahrne ^ige Mäimer von Ansehen, welche die Mittel besitzen, fflr den
Unterhalt einiger Familien zu sorgen und diesen Schutz zu verschaffen.
Die Regierung bestellt bei den hervorragenden Geschlechtern, hie
und da für mehrere zusammen, nationale Verwaltungsorgane mit Aeltesten
an der Spitze. Das Haupt der Familie behandelt die Gattin als Schivin
imd verAlgt • Über die Kinder. Das fiigenthumsrecht bezieht sich nur
anf das Vieh und den Hansrat, nicht aber auf Grund und Boden
oder andere Nntzungsquellen, die sämmtlich als Gemeingut gelten.
Die Tungusen (in ihrer Sprache Awanki genannt) kamen nach
ihren Ueberlieferungen aus dem Sflden.
Vor der Unterwerfung durch die Russen waren ihre Stämme im
Zostand ununterbrodbener Fehde und kampflustig. Noch jetzt lebt das
Andenken an so manchen Streiter, der den Pfeil im Fluge auüeng, der
ihm bestimmt wai\ Der Kühne verstand es, mit unvergleichlicher Oewandt-
26*
404
heit sich nur eines kleinen Schildes bedienend, die gegen ihn gerichleteD
Greschosse mehrerer Gegner so lange zn parieren, bis sie ans Mangel an
Pfeilen abließen. Zur Zeit der Winteijagden pflegte derselbe seine reidie
Beate an die Gefährten za vertheilen, welche nicht unterließen als Zeichai
ihrer Ergebenheit ihm ihre Töchter zur Ehe anzubieten. Die Tangnsen
sind mittleren Wuchses, untersetzt, von röthlich brauner Hautfarbe, nüt
etwas länglichem Gesicht, breiter wenig flacher Stirn. Die kleinen feurigen
schwarzen oder braunen Augen, die bogenförmigen Augenbrauen, die
hervorstechenden Backeoknochen und breiten Lippen bei fibrigens in-
telligentem und kflhnem Ausdruck, alles dies gibt dem Gresicht ein
characteristisdies Gepräge. Ihre Vermischung mit den Jakute Dolganen
und Kosaken störte einigermaßen den urspranglichen Typus. Die
schwarzen schlichten Haare werden bei M&nnem und Weibern rückwärts
in ein Bfindel zusammenge&sst oder zu einem Zopf geflochtai, die
spärlich wachsenden Barthaare ausgerupft, damit der Frost darin kein
Eis ansetze. Die Gesichtsbildung der Weiber ist in der Jugend an-
muthig, später hässlich.
Mit heftigem Wesen verbinden die Tungusen Unerschrockenheit, Oe-
wandheit, Aufrichti^eit und mitleidiges Benehmen g^en ihre Umgebung.
Leider verlieren sich diese guten Eigenschaften immer mehr und
mehr. Faulheit, Müßiggang und Unredlichkeit, so wie der Hang zum
Genuss des Branntweins greifen um sich, besonders seit die frflheren
wackeren Schutzherren, von welchen mancher fEkr zwei oder drei verarmte
Familien den Unterhalt beigeschaflt hatte, nicht mehr unter den Lebraden
sind. Das Hauswesen ist bei den tungusischen Familien, so wie Ab^rfaaapt
bei den Nomadenvölkern in den Händen der Frauen und durchaas unge-
künstelt. Als unentbehrliches Geräthe betrachtet man einen Kessel, ein
Messer, einige Schmiede Werkzeuge und Werkzeuge zum Zubereiten dtf
Bennthierhäute und zum Fisch- und Thierfang. Die Geburtswehen werden
durch weibliche Mithilfe, in manchen Fällen durch die Herbeiäehung
des Schamanen (Zauberer) zu erleichtern gesucht. Das Emd erhält
seinen Namen erst im dritten oder sechsten Jahre, der Erwachsene
nimmt später noch einen seiner Beschäftigung oder Eigenschaft ange-
messenen Beinamen an. Die Tungusen schreiten in der Begd, sobald
sie im reiferen Alter stehen, zur Ehe, doch konunen auch Ehen zwischen
TQjährigen Greisen und 12jährigen Kindern vor. Auch die zum Christen-
thum bekehrten Tungusen halten die kirchliche Eins^^ung der Ehe
nicht für unumgänglich nothwendig. Die heidnischen Tungusen besitzen
manchmal zwei oder drei Weiber, welche sich ans Eifersucht nuaiif-
hörlich anfeinden und zuweilen den Mann zu unbarmherziger Strenge
herausfordern.
406
Wie arm aach der Tungase sei, so theilt er mit dem Gast seine
letzten Yorräthe. Wenn er einen bekannten rassischen Nachbarn heimsucht,
80 verlangt er mit Trenherzigkeit gleiches Entgegenkommen, findet er
keine gate Aofnahme, so kömmt er nie wieder.
Die Tnngnsen beiderlei Geschlechts anterhalten sich gern mit Tanz
und Gesang, wobei gewöhnlich znftllige Begebenheiten and Reiseaben-
theaer den improYisierten Inhalt bilden. Aach hören sie gern Erz&hlangen,
deren Thema die K&mpfe ihrer alten Helden aasmachen.
Die Behandlang der Krankheiten ist bei ihnen planlos, der Aber-
giaabe ersetzt, was an ärztlicher Kunst abgeht. Der Tote wird in
einer Art Sai^ zwischen Bäumen in Klafterhöhe aufgebahrt. Neben ihn
1^ man einige Habseligkeiten, den Bogen mit zerrissener Sehne, eine
Hacke n. dgl. Das Ganze wird mit einem Verschlag umgeben. Von den
unteren Balken des Vorschlages schält man die Rinde ab und ver-
schmiert die Blöße mit dem Blute eines getöteten Rennthieres; um die
wüden Thiere zu verscheuchen, treibt man spitzige Eisenstücke in
die Wände. — Die weiblichen Leichen werden in eine Rennthierhaut
eingenäht, mit ihren Habseligkeiten auf die Erde gelegt und mit Holz-
werk bedeckt
Die Tungusen christlicher Religion begräbt man unter Grabhügeln
mit Beobachtung der gebührenden Feierlichkeiten,
Die Ostjaken (auch Tundiget genannt) sind mittleren Wuchses,
breiter Brust, flacher Stirn; sie haben lange Beine und Hände, schwache
' Waden, schwarzes Haar. Ihre Gesichtsfarbe ist braun, von kränklichem
Aussehen. Aus den grauen Augen spricht Stumpfheit und Mistrauen.
Das weibliche Antlitz ähnelt dem männlichen, nur ist es aus-
drucksvoller. Sorglosigkeit, Pralsucht, Heftigkeit und Faulheit kenn-
zeichnen den Ostjaken. Die älteren Leute sind voll von Vorurtheilen.
Nur der Nachwuchs, der sich von den Russen nicht mehr absondert,
zeigt sich geneigt, nützliche Neuerungen aufzunehmen, üebrigens ist
an diesem Volksstamm Aufrichtigkeit zu loben. Die Weiber sind faul,
roh und unrein.
Der ärmere Theil hält sich im Winter wegen ungenügender
Kleidung unbeweglich in den Erdhütten am Feuer, am ärarischen Mehl,
Wild und Schweinfleisch zehrend.
Bei den Geburtswehen der Weiber fungieren alte Wehmütter —
zuweilen treibt sich ein Haufe von Männern und Weibern um die Hütte
lärmend herum, um die Gebährende zur Anspannung der Kräfte anzu-
r^en. Im äußersten Fall kömmt der Schamane mit seinen Götzen.
Das Kind bleibt bis zum 4. oder 5. Jahre an der Brust. Sein erstes
Spielzeug Ist der Bogen und Pfeil.
406
Der Ostjak ist wie alle andern Stftmme seinen Kindern sehr
zogethan. Als man zur Zeit der üungersuoth armen Witwen die
Kinder abzunehmen anfieng, um sie in russischen Familien m ver-
pflegen, flüchteten viele mit den Kindern in die Wftlder.
In Folge der alizugroßen Nachsicht der Eltern werden die
Kinder slätzig und übermOtliig. Wenn der Junge nach langer Ab-
wesenheit wieder einmal ins Elternhaus zurückkehrt, nimmt er ohne
ein Wort des Gruttes Platz neben dem Herde und langt nadi den vor-
gelegten Speisen, während die Mutter die R^mUiiere ausspannt Vor
der Ehe ist die Mitgii't Gegenstand ernster Verhandlungen. Ist die
junge Gattin wirtschaftlich, so theilt der Gatte aus Liebe ihre Muhen,
im Gegenfalle behandelt er sie mit Strenge oder Urennt sich von ihr;
manche wechselt den Manu bis fünfmal Die Schwiegertochter spricht
niemals mit den Schwiegeräitem oder Schwägern , sie halt es fttr unschick-
lich ohne Schleier vor sie zu treten , und verkehrt mit ihnen nur durch
ihren Mann. Die Bestattung der Toten geschieht im allgemeinen , wie
bei den Tungusen. Die Leiche eines Schamanen wird in einen Grab-
hflgel, den sechs andere umgeben, beigesetzt, lieber dem Grabe wird
eine in Holz geschnittene Figur aufgestellt, welche den Teufel vorsteUen
soll. Die Götzen des Verstorbenen bindet man auf einen Schlitten fest
und setzt sie in der Nähe bei.
Die Juraken sind von kleiner Gestalt und etwas krummbeinig,
wahrscheinlich wegen der Art ihres Sitzens. Ihre -Gesicbtszfige bewahren
den mongolischen Typus. Ehemals giengen sie gleich den Tartaren'
geschorenen Hauptes. Jetzt lassen sie das Haupthaar in zwei Bfindehi
herabhängen, einige schneiden es ab, nur am Wirbel einen Schopf
zurücklassend.
In geistiger Beziehung geben sie den Tungusen nichts nach, an
Charakterstärke fibertreffen sie dieselben.
Das kreißende Weib wird aufgefordert, ihrem Gatten zu bekennen,
ob sie die eheliche Treue gehalten. ^
Die Offenheit über diesen Punkt wird als Mittel leichter Geburt
angesehen. Ist ein Verführer vorhanden , so dringt man in ihn, eine
Zubuße zum Heiratsgut zu liefern.
Bei der Wahl des Bräutigams richtet sich die Braut in dei* Roge^
nach dem Wunsch der Eltern. Als Brautgeschenk widmet der erstere
im Fall der Vermögenheit bis zu 70 Rennthieren mit Zugabe einiger Fuchs-
felle, einiger Ellen farbigen Tuches und eines kupfernen Kessels. Der Neu-
vermählte erhält von Seite der Gattin das erforderliche Hausgeräte,
erklecklichen Speisevorrat, einen Schlitten mit mehreren Rennthieren
und neue Anzüge. Die Gatten leben gew(Anlich in Eintracht Der Mann
4D7
trennt sich von dem Weibe nur im Fall ihrer Unfrachtbarkeit und
schreitet dann zu einer neuen Wahl.
Die Toten werden in einem nahen Wald beerdigt, oder auch in
in einer Holzverzftumung mit dem Gesichte abwärts beigesetzt. Die
Rennthiere, welche den Leichenschlitten gezogen, schlachtet man sofort
abseits und bedeckt sie sammt dem Schlitten mit Strauchwerk. Zu-
weilen wird der Schamane herbeigerufen, welcher die Hatte mit Feuer-
br&nden umgeben lässt, sodann eine Trommel rührt ^und gesangweise
die abgeschiedene Seele bittet, den Zurückgebliebenen kein Leid anzu-
thun. Die Begleiter werfen nun die Handschuhe, Hacken und andere
Habseligkeiten des Verstorbenen , deren sie habhaft werden können,
ins Feuer.
Im Gespräch macheu sie niemals £rwähnung des Abgeschiedenen,
und wo dies unthunlich, reden sie von ihm nur in Umschreibungen.
Die Juraken begegnen einander mit Höflichkeit. Die jungen Männer
pflegen die älteren nach einer Verbeugung dreimal an die Wangen zu
küssen. In der Gesellschaft befleißigen sie sich eines ununterbrochenen
Redeflusses , oder leihen * ihr Ohr einer £rzählung , den ergözlichen
Redner mit Geschenken belohnend.
Die Samojeden sind ziemlich hoher Statur, stärker und behender
als die Juraken. Ihr Gesicht ist von brauner Farbe und länglich, die
Augen schwarz oder braun, die Nase lang, unterhalb etwas breit mit
großen Naslöchem, die Lippen dick, die Backenknochen wenig
bemerkbai'.
Die langen schwarzen Haare tragen sie gescheitelt; nach dem
starken Knochenbau und strammen Oberleib zu schließen, ist dieser
Volksstamm zur Ertragung von mancherlei Beschwerden geeignet Der
Samojede kann geizig genannt werden; um seine Vermögensumstände
befragt, weist er stets auf drückende Noth hin, obwol er hierüber
eben nicht zu klagen hätte. Der Russe findet bei ihm keine gastliche
Anfiiahme. Unter einander sind die Samojeden zur wechselseitigen Hilfe-
leistung jederzeit bereit Das neugeborne Kind wird zur Abhärtung im
Schnee gewälzt Die Mädchen heiraten um das dreizehnte Jahr. Den
Tag nach dem Beilager übergibt die junge Gattin dem Mann einige
neue Kleidungsstücke, einen Bogen mit Pfeilen; sie salbt sein Haar
mit Rennthierfett, nachdem sie es gekämmt und mit einigem Schmuck
von Blech versehen hat. Derselbe verfügt sioh dann auf die Jagd, um
allenfalls ein wildes Rennthier zu erlegen; wo nicht, so schlachtet
er eines aus seinen Hausthieren zur Bewirtung der Verwandten. Ver-
mögliche Samojeden haben zwei oder vier Weiber, unter denen
Zwistigkeiten nicht selten sind. Das älteste besitzt gewisse Vorrechte.
408
Manchmal vertauscht der Mann sein Weib mit ihrer Schwester oder
einer ihrer Verwandten. Die Ehetrennnngen wegen Unfruchtbarkeit suid
sehr häufig. Der Verblichene wird unter Scenen heftigen Schmerzes in
einer aus Nadelholz erbauten Hütte beigesetzt; die Grabesstätte besucht
man durch drei Jahre um sie hierauf, nachdem die Verwandten in die-
selbe Pfeile abgeschossen, fftr immer zu verlassen.
In ihren Liedern findet man dichterische Spuren ; diese sind meist
dem Andenken ihrer Helden, worunter auch Weiber erwähnt werden,
geweiht
Die Jakuten nennen sich Sakkah. Ihre Gestalt hat wegen der
hohen Schultern kein gutes Ansehen; doch sind sie kräftig gebaut.
Ihre Gesichtszüge erinnern an die Tartaren, sind aber ohne besonderen
Ausdruck. Nur unter dem weiblichen Geschlechte findet man interessante
Physiognomien. »
Die Bräute folgen nicht gern dem Willen des Vaters, wenn ihnen
der Gewählte nicht zusagt. Denn ihr Gemfith ist leidenschaftlich und
lässt sich in der Schwärmerei der Liebe nicht leicht beherrschen. Dies
zeigen ihre Lieder. Hier eine Stelle aus denselben:
Es gleicht dein Wuchs der Säule,
Geliebter Auserkomer,
Dein Blick dem Aug' des Adlers.
So oft ich dein gedenke,
Erfüllt mich süße Freude,
Wenn liebend du mir nahtest,
' Erbebten meine Glieder.
0 kämst du doch mein Liebster!
Doch nein, du weilest ferne
Und fern von dir, verlassen,
Bin ich des Schmerzes Beute.
Du weiüt nicht, was ich leide !
Was ist der Gram der Mutter,
Die sterben sieht ihr Eindiein u. s. w.
Der Gesang ist eintönig, zwischen zwei drei Noten wechselnd, doch
hört man gern die sanften Laute.
Die Dolganen sprechen dieselbe Sprache wie die Jakuten und
haben ihre Sitten. Nach der üeberlieferung stammen sie von den Tun-
gusen. Sie büßten ihre angestammte Sprache ein, seit sie mit den
Jakuten in engeren Verkehr traten und deren Töchter zu Weibern
nahmen. Doch erhielt sich bei ihnen der tungusische Typus. Leider ist
ihre reiche Begabung durch Roheit erditkckt. Unter den Mädchen findet
man Schönheiten. Der Familienvater wendet seine Zärtlichkeit den
Söhnen zu, die Mutter den Töchtern, welche sie nicht selten gegen die
Härte des Vaters in Schutz nimmt.
40B
flhemals pflegte der Vater die Tochter nach Art einer Sache zn
▼erkaufen oder zu vertanschen.
Alle Yolksst&mme von Tamchan lieben geistige Getränke. Der
berauschte Ostjak wird wild, das Leben des Vaters oder der Matter
ist dann nicht gesichert Der Tangase wird durch das Getränk znr
Kriegs- and Streitlast erregt. Wenn der Jarak das feurige Wasser
gekauft; hat, eilt er in seine Hütte, und indem er sich daran labt, ver-
sinkt er in die Welt der Fantasie und Dichtung. Mit ganzer Offen-
herzigkeit gibt er alles preis, was ihm an der Seele liegt Der weich-
herzige gesellige Dolgane umarmt und küsst seine Freunde und schickt
sich zum Tanz an. Nur, der Samojede verläugnet auch im Rausch nicht
seine Ueberlegung und sein arglistiges Wesen.
Das Hauptgewerbe der Urbewohner des Landes ist die Zuberei-
tung der Rennthierhäute. In früheren Zeiten beschäftigten sie sich auch
mit der Anfertigung verschiedener Sachen aus Mammutsknochen.
Es kommen unter ihnen kaum jemals Verbrechen gröberer Art
vor; auch geringere, wie der Diebstal, ereignen sich nur selten.
In ihren Vorstellungen von der Gottheit ist die Annahme eines
guten und eines bösen Princips bemerkbar, zwischen welchen es wie
sie glauben, zuweilen zum Kampfe konmit, wobei das böse sich immer
als das schwächere erweiset. Sonne und Mond, Morgen- und Abendröthe
werden als Gottheiten verehrt. — In Krankheitsfällen rufen sie auch
die Erde und die unterirdischen Geister um Hilfe an. Der Glaube an
Teufel ist ihnen nicht fremd, von welchen sie eine besondere Gruppe
den Russen zutheilen, und worüber sie sich überhaupt die abentheuer-
lichsten Ideen bilden.
Sie sind überzeugt, dass die Seele der Verstorbenen in ein unter-
irdisches Gebiet wandere, wo es auch Thiere gibt. Von dem höchsten
Wesen, das wir als Gott verehren, haben sie keine Vorstellung.
Obgleich die Hälfte der Stämme dem Christenthum zugethan ist,
bleiben sie demselben doch intierlicb fremd. Selbst an das Kreuz-
zeichen denken sie nur, wenn sie in die Wohnung des russischen Vor-
gesetzten kommen, vor welchem sie mit Außerachtlassung der Heiligen-
bilder sich bekreuzen.
Der Glaube der Dolganen und Jakuten ist ein Gemisch christlicher
und heidnischer Begriffe.
Die weissagenden Schamanen der früheren Zeit sind jetzt selten
zu. finden ; am meisten kommen sie bei den Samojeden vor. Sie sind
excentrische Naturen, von feuriger Einbildungskraft, beseelt vom Glauben
an Geister und an den Verkehr mit denselben. Durch Enthaltsamkeit
von Speise und Trank und einsames Leben gerät der Schamane in
410
düstere und aufgeregte StimmuDg. Es folgen Schlaflosigkeit, Schreck-
bilder im Traume, starrer Blick. Für die Umgebung erscheint er als
überirdisches Wesen, sobald er in seine Function tritt.
Zitternd ergreift er die Trommel, rührt sie. und beginnt mit leisem
Tone zu singen, während der Chor der Anwesenden übertäubend eis-
fällt. Bald verdoppeln sich die Trommelschläge , begleitet von der
exstatisch erregten Stimme des Singenden. Hierauf sinkt er von
Krämpfen befallen zu Boden. Das Auge röthet sich, der Athem wird
schwer, und seiner Brust entsteigen abgebrochene geheimnisvolle Laute.
Der Beruf der Schamanen geht in der Regel vom Vater auf den Sohn
über. Mit Ausnahme der Samojeden zollen ihnen die Nomaden-
Völker keine innere Achtung, obwol sie derselben nicht entbehren
können.
Die Schamauen führen stets Götzen mit sich, die aus Holz ge-
schnitzt, oder aus Eisen und Blei geformt und in Kästchen verwahrt
auf dem Schlitten untergebracht werden. Ihr Hauptberuf ist gegen
ansteckende Seuchen gerichtet; nebstbei verlangt man von ihnen die
Herbeischalfung glücklicher Conjunctureu imThierfang und in der Fischerei
Sie sind reich an Zaubermitteln, die ihnen de» Schein heilsamer Wirk-
samkeit geben und ihr Ansehen heben.
Auch die Einwohner haben bei ihren Wohnungen Götzen, die sie
in Schlitten sorgfältig aufbewahren. Auf Reisen wandern diese Ge-
stalten auf eigenen durch weiße Uennthiere gezogenen Schlitten mit,
von Opfergaben an Fett, Tabak, u. dgl. umgeben.
Was die N a h r u n g s ra i 1 1 e 1 der Bewohner anbelangt, so spielt unter
diesen das Getreide eine bedeutende Rolle, wiewol es nur mit Schwierig-
keiten im Wege des Handels und durch die Vorsoi^e der Regierung
herbeigeschafft werden kann. Die im Lande bestehenden vielen Gretreide-
magazine bilden das Auskunftsmittel der Nichtrussen bei eintretendem
Nahrungsmangel, sie ermöglichen es den Nothleidenden , theils gegen
bare Bezahlung, theils auf Borg den erforderlichen Vorrat an Frucht
zu erhalten. Diese Veranstaltung kostet dei* Regierung bedeutenden
Aufwand an Mühe und Geld, da die Erstattung der Getreideschulden
mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. — Der Anbau von Gemüsen
und die Zucht von Hausthieren ist erst seit kurzer Zeit durch die
russischen Ansiedler in Angriff genommen worden und gleichwol viel
versprechend. Selbst im äußersten Norden halten dieselben Kühe, und
es gebricht ihnen zu weiteren Fortschritten nur noch an Arbeitskräften.
Der bedeutende Reichthum des Landes an Fischen (der jährliche Fisch-
fang wird auf 230.000 Pud berechnet) macht auch diesen Artikel
zum ergiebigen JAittel des Unterhalts, sowol bei den Russen wie bei
411
\
den Urfltftmaien. Diesen letzteren ist das Renntkier mit Rücksicht aaf
die MeiHse (bei 27.000' Stftck) so wie aof die vielseitige Verwend-
barkeit ein wahrer Schatz. Wfthrend sein Fleisch und seine Milch den
Hunger stillen, liefert es als schätzenswerte Zngabe Material zur Be-
kleidnng und Ausstattung der Wohnung, sowie dessen Zug- und Trag-
kraft die ausgebreitetste Verwendung findet. FOr alles dies verlangt es
nichts, als freie Bewegung, um kärgliches Moos zu suchen.
Eine große Ausbeute für die Nahrung liefert die Jagd auf allerlei
Thiere des Feldes und des Waldes, darunter insbesondere wilde
Rennthiere, Hasen- und Rebhfihner.
Fflr die Urstämme hat die Jagd auf die Rauhwerk liefernden Thiere
großen Wert, denn durch deren Besitz verschaffen sie sich theils Geld
theils im Wege des Tausches Material zu Kleidern und Hausgeräte.
Mit Eintritt des Wintei*s wendet sich daher die ganze Thätigkeit
der Ureinwohner dem Waidwerk zu. Es dürfte einiges Interesse gewähren,
die solchergestalt gewonnene jährliche Ausbeute annäherungsweise kennen
zu lernen:
Ffichse, besonders der kleineu Gattung 400
Zobel 180^
Hermeline . 4.500
Eichhörnchen 42.000
Steinfüchse, mehrere Gattungen . . . 14.000
Wölfe 100
Bären 45
Hasen 40.000
Wilde Rennthiere 5.000
Vielfraße 50
Wiesel 250
Fischottern ... 15
Elienthiere . .... - 10
Bergwidder ... 50.
Die Haupteinfuhr ins Gebiet von Turuchan kömmt aus der Stadt
Jenisejsk. Mit Eintritt des Frühlings ziehen 4 bis 5 kleinere Schiffe
den Jenisej hinab, und bringen verschiedene Waai*en sammt Getreide
Toruchansk um dagegen Pelzwerk und Fische einzuhandeln. Dieser Ver-
kehr dürfte BOüO bis 20.000 Rubel ausmachen.
Nach diesen folgen die sogenannten Karasinskischen 5 größeren
Fahrzeuge , die weiter abwärts Waaren bis in die Niederungen des
Jenisej verführen. Die Fahrt bis Turuchansk geschieht ununterbrochen,
oar ein oder das andere Schiff landet unterwegs, um Leute zum Waaren-
verkehr mit den Uferbewohnern auszusenden und Fischfang zu betreiben.
412
In der (hegend der jenisejskischen Bucht versehen sie die Anwohoer
mit Material zn Fischerger&ten nnd mit Geld — sich ansbedingoid,
dass die hiednrch entstandene Schuld bei der RttcUehr in Fischen
wieder erstattet wird. Weiter unten kaufen sie Felle, Mamuthknochen
und Pelzwerk ein, die sie dann an geeigneten Orten gegen Fisdie
vertauschen. Der Wert des Pelzwerks, welches auf diesen Fahrten
von jenisejskischen Kauflenten und dortigen Bauern ausgefOhrt wird,
vereint ^ mit dem Wert der nach den benachbarten L&ndein sonst
exportierten Rauhwaren betrftgt bei 40.000 Rubel.
Der Binnenhandel des Landes wird beiläufig mit 9000 Rubel be-
ziffert. Hie und da ist derselbe in den Hftnden der Bauern und der
Kosaken, welche bei den Getreidemagazinen Dienste thun.
Im Sommer bilden die Flüsse das Hauptverkehrsmittel, im Winter
die Schneedecke. Störend sind die Schneeschluchten, welche aus Schnee-
wehen entstanden, der Richtung der Winde folgen und mancherlei Ge-
staltung annehmen.
Man hat leichte und schwere Fahrzeuge mit Hunden oder Renn-
thieren bespannt. Der Reisende, welcher im Winter sich nicht von Kopf
bis zu Fufi sorgfältig in Pelzkleider einzuhüllen weiß, gefilhrdet seine
Gesundheit oder auch sein Leben.
Hie und da nimmt man besondere Führer aus der Umgegend des
Fahrwegs, um nicht abseits zu kommen.
Die Urstämme kennen kein eigentliches Längenmaß. Auf die
Frage nach der Entfernung antworten sie „in einem Tage werden wir
ankommen,^ oder „bis die Pfeife ausgeraucht ist, sind wir da^.
Im Lande gibt es 5 Pfarreien und ein Kloster, dann eine Kirche
fUr Missionäre. Die getauften Einwohner aus der Kategorie der Nichtrussen
tragen, wie erwähnt, eigentlich nur den Namen Christen, ohne sich weiter
um die Pflichten des Glaubens zu kflmmern. Ihre Kinder werden erst im
Alter von 10 Jahren getauft, von anderen Mysterien der Kirche erfidiren
sie nichts Das Schamanenthum hat unter denselben noch nicht aufgehört,
und deren Gesittung ist auf der niedrigsten Stufe zurückgeblieben. Der
Eifer der Geistlichkeit im Punkte der Heranbildung des Volkes kann
nicht hoch veranschlagt werden.
Im Jahre 1859 wurde zwar zu Turuchansk eine Schule errichtet,
worin 11 Kinder Aufnahme fanden und Fortschritte im Lesen, Schreiben,
in der Geschichte und Geographie, den Anfangsgründen des Rechnens,
so wie im Gesang machten. Doch diese wohlthätige Anstalt ^eng theils
wegen Unzulänglichkeit der Mittel, theils wegen schwacher Mitwirkung der
Geistlichkeit wieder ein. Noch früher machte man den Versuch in einem
Kloster zu Turuchansk eine Erziehungsanstalt fOr 5 verwaiste Kind«* zn
41S
was zwar gelang, allein wegen der mangelhaften Leitang
an keinem besondem Erfolge fahrte. Schon nach Verlauf zweier . Jahre
WKfdß auch dieses Institut wieder aufgelassen.
In der Stadt Tnnichansk besteht eine Grouvernementsabtheilung,
die man dort wegen der großen Entlegenheit des Gebiets zu emchten
ftr nöthig hielt Diese Abtheilung befasst sich mit der Ortspolizei, mit
der Einbringung der Steuern, mit der Sorge um das öffentliche Wohl, der
Verwahrung und Verwendung des ftrarischen Getreides, der Beschfltzung
des Handels und mit der Beischaffnng der Lebensmittel.
Die öffentlichen Einkaufte des Landes betragen 2L2Ü0 Rubel, die
Ausgaben 36.145 Rubel. Den Abgang deckt die Staatskasse.
Zu Turuchansk steht eine Kosakenabtheilung mit einem Commandanten;
Erst seit 1860 besitzen die russischen Bauerngemeinden eine Ge-
meinde-Verfassung mit Vorständen und Zehntmännem.
Aus russisch Asien '').
•
Die Sibirische Abtheilung der r. k. geogr. Gesellschaft übertrug
Herrn Czekanowsky die geologische Durchforschung der Boden-
gestaltung im Gouvernement Irkutsk. Sein hierüber in der Sitzung der
Abtheilung vom 29. Oktober 1869 erstatteter Vortrag schildert die
bisherigen Ergebnisse seiner Mission. Er legte der Versammlung eine
reiche Sammlung von Versteinerungen vor, .die in der Gegend des
Dorfes Ust-Balej bei Irkutsk nächst dem Flusse Augara aufgefunden
wurden. Diese Petrefakten sind aus einer Schichte, welche vermöge des
Charakters der zum Vorschein gekommenen Flora und Fauna zur Jura-
Formation gehören dürfte. Da diese Ausbeute als die erste dieser Art
im Gouvemementsgebiete von Irkutsk betrachtet werden muss und sich
durch Mannigfaltigkeit und Schönheit der Exemplare auszeichnet, so-
mit aus derselben ein annäherndes Bild der einstigen Flora und Fauna
des Landes zu entnehmen ist, so wurde beschlossen, hievon 300 Muster
an die k. r. Akademie mit der Bitte einzusenden, sie mit anderen ähn-
lichen, dort verwahrten Stücken aus verschiedenen Gegenden Sibiriejis
zu vergleichen. Da übrigens von den überreichten Petrefakten beinahe
durchgängig Duplikate zu Gebote stehen, so wird mit letzteren der
Anfang einer Sammlung für Irkutsk gemacht werden.
Herr Czekanowsky wies femer eine Karte von Bodendurchschnitten
des Gouvernements mit den Ausgangspunkten vom Flusse Anabar gegen
Westen und vom Baikalsee gegen Osten vor. Auf derselben erscheinen
*) Nachrichten der k. russ. geographischen Gesellschaft. Band IV. Nr. 8.
S. 73-88, 96-106, 115-118. — Petersburg 1870.
414
dreierlei Schichten, die oherste von gelhem Sandeteiii, die mittlere vw
Kalkstein, die an terato von rothem Sandstein. Ee erhellt ans dem Oarcb-
schnitte, dass die zwischen den Flössen Anabar and Lena sieh e^e*
bende Wasserscheide genan die Achse bildet, nach welcher die tiefste
Schichte — der rotlie Sandstein — sich in der Urperiode erhob, an
den Seiten die Kalkschichte and die Schichte gelben Sandsteins, als dk
darflber gelagerte Last abstreifend. Es ist in Folge dieses Zasanunen-
treifens iron dreierlei Bodengebilden erlaubt, anzonehmen, dass, wo der
Kalkstein vorkommt, auch der gelbe and sp&ter der rothe Sandstein 2q
iinden sein wird; das Verhältnis der Schichten ist nun für die wissen-
schaftliche Anschaaong klar geworden. Die Sache hat aooh ihre pno»
tische Seite. Es ist z. B. nach den vom Bencfaterstatter gelieferten Daten
wahrscheinlich, dass das Steinsalz in Schichten rothen Sandsteins vor-
zakommen pflegt. Man könnte jetzt, wo bekannt ist, dass der Kalk-
stein Aber dem rothen Sandstein gelagert ist, sich durch das Vor'
kommen der Kalksteinschichte zu Bohrungen veranlasst sehen und
vielleicht auf Salzlager kommen, welcher 'indirecte Fingerzeig als unbe-
kannt zuvor nicht benfltzt werden konnte.
Ungeachtet die oben angedeutete Wasserscheide an beiden Seiten
des Bergrückens im allgemeinen die gleiche Bodenbildung zeigt, so
fehlt es doch nicht an geologischen Ungleichheiten zwischen dem öst-
lichen and westlichen Abhänge. An der Ostseite findet man nämlich
Gold, wahrend die Westseite Steinkohle und Eisenerz enthält Was
hier den Unterschied begründet, ist wahrscheinlich die Metamorphose
durch Wasserkräfte, welche in den Tiefen Elemente aufnahmen, die sie
dann an die Oberfläche warfen, und damit neue Mineralien in's Dasein
liefen. Diese Metamorphose kann unabhängig von den geologischen
Schichtengruppeu fiberall /ihren Fortgang nehmen , wohin sich das Be-
reich des Wasser-Processes erstreckt.
Die Anzahl der gesammelten Proben aus dem Steinreich beträgt
1200 Stück. Außer der geologischen Ausbeute brachte Herr Czeka-
nowsky bei 6(X) Pflanzengattnngen in 6000 Exemplaren* und befasste
sich während der Expedition mit meteorologischen Beobachtungen.
Aus dem Berichte des Herrn Radlow über seine Excursion im
Sommer 1869 in die Ilinskische Ebene nächst dem See Issik Kul an
der chinesischen Gränze entnehmen wir einiges, was das Interesse des
Lesers anregen dürfte. Es ist dies die Gegend, wo nach dem Dungans-
kischen Aufstaude der Tartaren gegen die chinesische Regierung zahl-
reiche Auswanderer aus diesem Reiche, nämlich die Daurischen MiHtär-
colonisten (Sibo und Solonen) sich niedergelassen haben.
Herr Radlow nahm mit Ende Mai den Weg von der Stadt Ktupei
415
Mif der Postotraße nach dem Altin-Emelskisehen Militftr-Piket. Von da
wandte er sich abseits nach Sfldosten zn dein bei 40 Meilen entfernten
Piket Tegerek, dann nach Osten nach den Piketeu Konguratent nnd
Koyban bis zum rassischen Gränz*Detachement am Flusse Borochsed-
schir, drei Meilen von der ehemals chinesischen Stadt Tjurgen. Auf
dieser Roate liegt die Steppe zwischen der Gebirgskette Altin-Emelsk
and dem Berge Katn-Taa, welche eine nnfmchtbare, großentheils mit Schutt
und Salzmoor bedeckte Flftche bildet, die nur hie und da an bewässerten
Stellen dflrftig bewachsen ist. Die Gipfel der nahen Berge sind mit
ewigem Eis bedeckt, dem sich B&che entwinden, die dann im Sande
verrinnen. Bemerkenswert ist der den Fluss Ken-Terek einschließende
Engpass zwischen den Bergen Katu-Tau und Koybun-Tau, denn hier
verleiht reicher Graswuchs und mannigfaltiges Gesträuche der Gegend
ein reizendes Aussehen. Der Berg Alkali mit seinem schroffen Ab-
hang ist voll großer Salzschichten. An der Westseite breitet sich
eine zur Sommerszeit trockene Steppe mit weichem Lehmboden nnd
vielen Furchen aus, die augenscheinlich durch Frflhjahrswftsser ent-
standen sind.
Das russische Grinsmilit&r ist im Halbkreise von / zerstreuten
Hftaseni und Feldern umgeben, welche den chinesischen Auswanderern
in der Anzahl von 800 Köpfen gehören. Sie bestehen zumeist aus
Danrischen Milit&r-Colonisten unter der Benennung S i b o. Die Coionisten
mit der Benennung So Ionen haben sich weiter gegen Kngutschak nieder-
gelassen. Es halten sich hier auch einige Beamte der früheren Dauri-
schen Colonie auf. Die Lage dieser Leute, insbesondere der Beamten,
ist eine sehr trübselige. Ihrer Familie, Häuslichkeit und Habe beraubt,
haben sie in diesem von der Heimat nicht allzu entfernten Punkt ihre
Wohnsitze gewählt, um doch einigermaßen ihren Kindeni, Weibern und
Anverwandten näher zu sein, welche insgesammt von den Tartaren ge-
raubt worden sind und nun von diesen ihren vormaligen Sclaven be-
drOckt werden.
Der Reisende hielt sich bei dem rassischen Grenzmilitär über zwei
Wochen auf und befasste sich mit Forschungen Aber die Sprache der
Sibo nnd Solonen. Die ersteren haben dieselbe Mundart, welche die
mandschurischen Eroberer China*s einst gesprochen, und die jetzt in China
als tote Schriftsprache besteht. Die Solonen haben dagegen zwei Mund-
arten: die Donor-Solonen reden die mongolische Sprache, die Ongor-
Solonen dagegen einen Tangusischen Dialect. Man ündet bei diesen
Leuten Handschriften, die nicht etwa chinesische Uebersetzungen vor-
stellen, sondern ursprünglich von den Sibo oder Schibuizen in ihrer
Sprache (der Mandschurischen) geschrieben wurden. Im Juni begab sich
416
Herr Radlow in die vierte Solon'sche Stadt Tsehelsch (Ak-Kent). Alle
vier Städte (Tjurgen, Samal, Tschitschchan und Tsehelsch) sind sammt
G&rten und Feldern zerstört. Nicht eine Seele findet man in diesen
früher reichen Gegenden, welche den Gewerbefleiß der Einwohner &B8i
so freigebig belohnt hat. Der ganze Landstrich bis Kuldscha soll sieh
in ähnlicher Lage befinden. Das vordem so gesegnete llinskische Thal
ist jetzt sehr herabgekomm^. Der Fanatismus, zur Zeit des Anfstandes
in voller Flamme, hat sich gelegt, und nun ist man zur Besinnung und
Einsicht gekommen, dass die ganze Kraft nur zum Ruin ausgereicht
habe, nicht aber zum Wiederaufbau. Der Verkehr hat aufgehört, die
Gewerbe sind verfallen und die Entfaltung des militärischen Schutses
muss jetzt zur Niederhaltung der verschiedenen Stämme weit umfassender
sein, als zur Zeit der früheren Verwaltung.
Der Reisende kehrte wieder auf der Piketenlinie zur Altin-Emelski-
schen Station zurück und nahm sofort den W^ nach der Stadt
Wierna. Zur Zeit der Blüte des Chinesischen Handels war die Feste
Wiema ein sehr wichtiger Verkehrs-Punkt. Jetzt, wo das russische
Gebiet un Osten und Süden von Tatarischen Stämmen umgeben wird,
hat sich die Sache geändert. Wenn die HofEhung auf Wiederherstellung
der chinesischen Macht vergeblich sein sollte, bleibt kein anderer Aus-
weg, als das ganze llinskische Thal bis zum, Flusse Kata zu besetzen.
Aus Wierna begab sich Herr Radlow nach der Stadt Tokmak, wo ihn
der Unfall traf, dass man seine Reisetasche, worin neben anderen nöthigen
Dingen auch ein Theil seiner Bücher aufbewahrt war, stahl. Der Dieb
hatte sich einigermaßen betrogen, denn die tatarischen, mongolischen,
türkischen und arabischen Bücher konnten ihn nicht freuen. Alle Nach-
forschungen blieben vergeblich.
Im Tschu-Thale bei Tokmak verlebte der Berichterstatter unge-
fähr einen Monat in den Jurten der Kara-Kirgisen und beschäftigte
sich mit der Sammlung linguistischer Materialien. Die reiche epische
Poesie dieses Volkes lieferte ihm eine ziemliche Ernte, welche nidit
nur den Sprachenkenner interessieren kann, sondern auch wegen des
Mythenschatzes und der Volksdichtung von Belang ist. Bei den schwarzen
Kirgisen blüht das Epos im vollen Sinne des Worts. Dieser Volksstamm
ist weit äimer als jener des Almatinskischen Gebiets. Er befasst sich
weit mehr mit dem Landbau als die nördlichen Nachbarn. Es ist staunens-
wert, wie derselbe sich im Verlaufe von wenig Jahren civilisiert hat,
während er früher die Kaufleute und Reisenden mit Schrecken erfoUte.
Von Tokmak führte der Weg unseren Reisenden nach dem See
Jssik-Kul. Die herrliche Aussicht auf sein Becken winkte dem Wanderer
schon ans der Ferne. Dieser ungeheure See mit hinunelblauer Färbung
411
ist an allen Seiten ton Bergen nmgeben. Die Gestalt seiner Umgebung
ver&ndert sich unaufhörlich. Grüne Wiesenpl&ne, Felsen, kahle Abh&nge
'stehen im Gegensatze mit den am anderen Ufer sich erhebenden fern
liegenden Schneegipfein des Hinmielberges , die gleich leichten durch-
sichtigen Wolkenkränzen in den Lüften schweben.
Vom Fluss Tschu bis zum Fluss Tor-aigyr ist die Nordseite des
Sees fruchtbar und mit zahlreichen Feldern bedeckt. Vom Tor-aigyr
bis zum Bache Ak-su zieht sich hart am Ufer eine steinige Steppe hin,
in welcher man nur bei dem Bftchlein einigen Wachsthum wahrnimmt.
Vom Bache Ak-su erblickt man in den Bergen einzelne mit Tannen-
wald bedeckte Schluchten. Die Niederung nächst dem See bildet ein
weites Gebiet von Wiesen und fruchtbaren Feldern und ist von zahl-
reichen Kirgisenfamilien bewohnt. Am (^stlichen Rande sieht man den
Beginn zur Grundlegung zweier russischer Dörfer. An Waldungen,
Oraswuchs und Fischen ist hier kein Mangel. Auch das Getreide scheint
gut fortzukommen, doch wird es wegen der hohen Lage spät geerntet.
Aus einer Relation des Herrn Kolpakowskoi über die alten Bauten
im See Jssyk-Kul ist zu entnehmen, dass an der Nordseite dieses Sees
zwischen den Einmündungen zweier Bäche in der Tiefe nahe am Ufer
Spuren von Baulichkeiten aus gebrannten Ziegeln vorkommen. Es ist
schwer zu sagen, welche Bestimmung diese Werke haben mochten, da
die Ziegelmauem keine Räumlichkeit umschließen, sondern in paralleler
Richtung von einander in der Entfernung eines Arschin fortlaufen. Jetzt
sieht man nur drei Mauern, welche so weit reichen, dass die Tiefe
des Wassers nicht gestattet, dieselben weiter zu verfolgen. Die Ziegel
werden zur Zeit heftigen Wellenschlages vom See meist in Bruchstücken
an's Ufer geworfen, im Wasser selbst sind sie im unversehrten Zustande.
Die Kirgisen fangen seit einigen Jahren an, die Ziegel aus dem Wasser
zum Bau der Grabhügel zu holen. Am Ufer findet man neben der be-
zeichneten Stelle menschliche Gebeine, auch kam dort ein aus Stein
geformtes menschliches Antlitz zum Vorschein. Nach Angabe eines durch
lange Zeit in der Nähe sesshaften Kirgisen wurden zu verschiedenen
Malen ans dem See* Menschengebeine, Bruchstücke von Gefäßen und
einmal eine Art eiserner Anker herausgeworfen. Derlei Gegenstände
kann man auch jetzt an den Ufern finden.
Noch dürfte eine in dem Berichte über die neuesten geographischen
Arbeiten im Turkestan'schen Gebiete vorkommende Notiz wegen Be-
wässerung der sogenannten Hungersteppe Erwähnung zu verdienen. Der
Berichterstatter Herr Sabotow bemerkt, dass im Lande Turkestan die
kflnstlichen Wasserleitungen von großer Bedeutung sind. Wohin das
Wasser nicht geleitet werden kann, dort besteht kahle Dürre ; im Sonmier
Miukailungeii d. geogr. G«mU. 1870. 9. 27
418
kommt dort kein Pflanzenwnchs vor, und der Mensch mit seinen Herden
kann allda nnr im zeitlichen Frühjahr, im Winter und Spätherbst,
d. h. 3 — 4 Monate bestehen. Der Anblick solcher kahlen Ebenen ist
widerwärtig, nnd falls die Fläche nicht so gelegen ist, dass sie zur
Bewässerung benfltzt werden kann, ist sie fftr die Menschen verloren.
Die Hnngersteppe gehört glflcklicher Weise nicht zu diesen Grebieten.
Man sieht dort deutliche Spuren, dasß hier einst feste Wohnsitze einer
ackerbauenden Bevölkerung bestanden haben. Nach ,der Angabe der
Kirgisen ist diese Zeit keine sehr entfernte, und der dort sichtbare
große Canal in der Länge von 40 Werst soll früher durch die ganze
Steppe bis zur Stadt Nurat gereicht, somit bei 300 Werst in der Länge
gehabt haben. Aus diesem Canal giengen kleine Seitenleitungen und
diese bewässerten die Felder. ^Spuren derselben bestehen noch immer;
derlei Wasserleitungen sind auch an anderen Stellen der Steppe zu
finden. Zur Zeit als der Fluss Syr in hohem Wasserstande war, wurde
der Versuch gemacht, ein Rinnsal mit ihm in Verbindung zu bringen.
Das Wasser flberfiutete sofort die Steppe in der Ausdehnung zweier
Werste und verlor sich dann in dem gleichfalls von Wasser bespahen
Schilfe der Steppe. — c — y.
Bücher und Karten,
welche thells als Geschenk, theils im Wege des Schriftentuisches an die k. k. geographische GeseHsdaft
gelangt sind.
Vom 1. Februar 1870 bis 31. Mai 1870.
Die Qeschenksexemplare sind mit '*' bezeichnet.
Agram. Arkiv za povjestnicu lugoslaveusku VI. VII. IX. X.
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*-- Ansichten, Karten und Pflanzenbilder aus dem russischen Amur-
lande. 37 Blätter mit Titel. (Geschenk der kaiserl. geographischen Gesellschaft
in St. Petersburg. 1861.)
*— Bulletin de Tacademie imp. des sciences XIV. 1. 2. 3. 1870.
— Memoires de PAcademie imp. des sciences XIII. 8. XIV. 1-7.
JODO,9.
— Seances de la societe imp. g^ogi'aphique de Russie. 5. April
8. Oct. 1869.
Prag. Centralblatt für die gesammte Landescultur XXI. 1—5. 1870.
*— Tunis. Ein Bild aus dem nordafricanischen Leben 1870. (Geschenk
S. Höh. des Herrn Erzherzogs Ludwig Salvator.)
— Lotos. Zeitschrift für Naturwissenschaft. XIX. 1869.
Guarnero, das Inselmeer des, und Guarnerolo vom Cap Promontore
bis Zara. Reliefkarte in Rahmen. (Geschenk S. Hoheit des Herrn Erzherzogs
Leopold.)
*Rafn Karl Christ. Renseignements sur les prtoiers habitants de la cote
occidentale du Groeniland (Grönländisch) Nungme 1864.
*Rivett-Carnae Harry Exq. Report on the Gotton departement foi
the year 1868/9. Bombay. CGeschenk vom Consul Gumpert.)
*Rohlfs Gerhard. Land und Leute in Africa. Berichte aus den Jahren
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Rom. Correspondenza scientifica in Roma VIII. I.
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^chnitzler M. J. H. L'empire des tsars au point actuel de la science
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Schwerin. Jahrbücher und Jahresbericht des Vereins für Meklen-
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422
*Segain ain6. Annuaire du CosmoB. 12 ann^e. Paris 1870.
*Septiinaniii) Seconde et nouvelle methode pour determiner 1a
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♦St. Martin^ Vivien de, L'ann^e göographique YIIl. 1870. (Geschenk
des Verfassers.)
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*Trieste. Movimento della navigazione Austriaca all'estero n^li anni
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— L'amica dei campi. Monatsschrift VI. 1870.
— MoTimento commerciale di Trieste nel decennio 1859—1868. Ta-
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— Movimento della navigazione e del commercio in Trieste 1870.
Turin. Bulletino meteorologico dell osservatorio di Moncalieri V. 1. 1870.
— Lo avvenire del Commercio italiano. Per Maria Lascaris 1870.
Utrecht. Aanteekeningen von der Utrechter Provinzial-Genossenschalt
für Künste und Wissenschaft 1869.
— Verslag von derselben Gesellschaft 1869.
— Zur Entwicklungsgeschichte der Piphonophoren von Dr. Ernst H a c k e 1
(Gekrönte Preisschrift.)
Ven dorne. Bulletin de la soci^t^ archeologique de Vendomois VIL 1868
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Wanner Dr. Martin. Das Incamerationsedict Oesterreichs g^en die
Schweiz. Schaffhausen 1869.
Wien. Jahrbuch der k. k. geologischen Gesellschaft XX. Jänner— März
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— Mittheilungen der anthropolog. Gesellschaft in Wien. I. 1. 2.
— Sitzungsberichte der k. Academie der Wissenschaften in Wien 1870.
1-12.
— Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und
Erhaltung der Baudenkmale Jahrg. 7. Heft 2 und XV. März -Juni 1870.
— Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt 1870. 3—7.
— Verhandlungen der k. k. zoologisch botan. Gesellschaft XIX. 1—4
1869.
— MittheiUingen aus dem Gebiete der Statistik. XVII. 1. 1870.
— Oesterreichische Monatsschrift für Forstwesen XIX. und XX. 1869.
— Verhandlungen und Mittheilungeu des n. ö. Gewerbe vereina. XXXL
7-20.
— F ritsch Carl, Phänologische Studien (Sitzungsb. der kais. Academie
der Wiss. 61. Band. 2. Abth. 1870.)
*— Post-Cours Buch II. vom k. k. Handelsministerium 1870.
— - Statistisches Jahrbuch für das Jahr 1868 (k. k. stat. Central-Com-
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— Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich. N. F. II.
1869.
Wiesbaden. Jahrbücher des nassauischen Vereins für Naturkunde.
XXI. u. XXII. Jahrg. 1867-1868.
♦Wolf Heinrich. Die Stadt Oedenburg und ihre Umgebung mit einer
geolog. Karte. Wien 1870. (Geschenk des Verfassers.)
Würzburg. Verzeichnis der Bibliothek der med. physical. Gesell-
schaft 1869.
423
Geographische Literatur.
Geographie. Länder- und Völkerkunde vonDionys Grün,
Professor am k. k. academischen Gymnasium zu Wien. Friedrich
Beck 's Verlagshandlung. 1870,
VoD diesem Buche, das in 6 rasch auf einander folgenden Lieferungen
ron je 10 Bogen erscheinen soll, liegen uns 43 Bogen gedruckt vor.
Bei der Abfassung desselben wurden, wie der Verfasser im Vorwort
ausdrücklich bemerkt, »nicht nur die Bedürfnisse der Schule, soudern auch das
Interesse derjenigen berücksichtigt, welche außerhalb der Schule stehen, aber
mitten in ihren Berufsthätigkeiten nicht aufgehört haben , die Ausbildung ihres
Geistes als eine wichtige Angelegenheit ihres Lebens anzusehen.«
Vorerst gestehen wir, den Gründen, die der Verfasser für die Bearbei-
tung seines Buches in dieser Form in seinem sehr lesenswerten Vorworte dar
legt, so wie der äußerst anregenden Behandlung des Stofl'es, soweit sie uns
Yorliegt, mit ungetheilter Aufmerksamkeit gefolgt zu sein und zwar um des
Interesses willen, das uns der Unterricht in der Erdkunde überhaupt einflößt^
nicht nur wie er gegenwärtig beschaffen ist, sondern auch wie wir ihn zur
Befruchtung der in ihm ruhenden schönen Keime geistbildenden Lebens uns
eingerichtet denken.
Wenn man Wissenschaft als den Inbegriff gleichartiger nach durch>
greifenden Hauptgedanken geordneter £rkenntnisbe definiert, so gibt es sowol
Disciplinen , bei denen diese Ordnung der Erkenntnisse bereits zum Abschluss
gebracht, als auch solche, wo sie noch im Fluss ist, das heißt ältere und
jüngere Wissenschaften. Eine der jüngsten in dieser Beziehung ist die
Erdkunde, und kein Wunder demnach, dass in der didactischen Behandlung
derselben noch heut zu Tage in vielen Fällen eine gewisse üngebundeuheit,
sagen wir Rathlosigkeit, vielleicht sogar Pfuscherei Raum gewinnt. Das große
Areal einer associierenden Wissenschaft ist gar so verlockend zur Abschwei-
ffing auf (iebiete, die nur mittelbar in sie eingreifen, und die Sonderuog der
wesentlichen, unmittelbar ins erdkundliche Bereich gehörigen Erkenntnisse
von jenen, die ihr zur Begründung oder Illustrierung beigesellt werden müßen,
ist iveder an sich eine leichte, noch eines jeden Lehrers Sache.
Ohne den Irrwegen nachzugehen, die auf diesem Gebiete häufig und leider
zum Schaden der Lernenden eingeschlagen werden, wird im allgemeinen doch das
tiefe Bedauern gerechtfertigt sein, dass ein Gegenstand, der nach seiner Natur
so schöne and fruchtbare Elemente für die allgemeine Bildung in sich trägt,
unserer bildungsfähigen, für den Wechsel großartiger Erscheinungen, wie sie
die Erdkunde zu vermitteln hat, so empfänglichen Jugend geradezu ver-
kOmmert wird.
Wenn wir in der Anlage des vorliegenden Buches eine Wendung zum
Bessern sehen, so wird es nothwendig sein, die Bedingungen des erdkund-
lichen Unterrichts, wie er ehedem war und wie er jetzt ist, in kurzem zu
skizzieren.
Zu unserer Zeit — es war dies vor mehr als vierzig Jahren — galt beim
geographischen Unterricht das Buch alles, die Karte nichts. Die Karten
waren aber damals auch darnach, dass sie wenig Geltung in Anspruch nahmen,
womit aber nicht gesagt sein will, dass etwa die damaligen Bücher der Wich-
tigkeit, die man ihnen beilegte, entsprochen hätten. Aber entschieden hatte
der Schüler die Summe des geographischen Wissens, das er aus der Schule
mitbrachte, zanäcüst der Zähigkeit und Ausdauer des Gedächtnisses zu danken,
das an den immer wiederkehrenden Capiteln des Lehrbuchs : Gränzen, Flächen-
inhalt, Einwohnerzahl, Klima, Producte und merkwürdige Orte sattsam gedrillt
war. lieber die Lage, Gonfiguration und Culturfahigkeit der einzelnen Länder,
so wie über die Communicationen, den Handelsverkehr und die politische
Wichtigkeit blieb er begreiflicher Weise in einem heilsamen Dunkel.
Die Zeit ist Gottlob anders geworden und mit ihr auch die Ansicht
über die Methode des geographischen Unterrichts, was aber wieder nicht aus-
schließt, dass heute noch Zöpfe an dem Alten hängen und unberatheue Stürmer
das Neue überstürzen. Der Raum fehlt uns, um das Feld der Einzelnheiten
zu betreten. Ganz gewiss aber ist der Stand der Kartographie heut bis zu dem
424
Punkte der Entwicklang Yorgerflckt, wo man dem Lehrer asomiithen kann, dasa
er neben seinem lebendigen Wort beim Unterricht mit der Karte aus-
reicht, und das Lehrbuch Nebensache bleibt, nämlich ein Lehrbuch, wie wir
deren hunderte, und fast ausschließlich haben, die wenig mehr enthalten, aJs
was eine gute Karte geben kann, und wenn man sie zu behandeln ver-
steht, gewiss auch viel deutlicher und interessanter gibt. Wir sind ketzerisch
genug, auf der untern und mittlem Stufe jenen Unterricht in der Geographie
fOr den besten zu erklären, der seine Doctrin — natürlich mit dem ange-
messenen Ton und der angemessenen Tiefe der Erklärung — ausschließ-
lich aus der Karte holt. Freilich bedingt das eine ungetheilte Sorgfiüt
für die Ausführung jeuer Karten, die für die Schule bestimmt sind, und die
Forderung, dass die bewährten Ergebnisse der Kartographie zunächst der
Schule zu Gute kommen. Zur Fesstellung von geographischen Begriffen,
zur Orientierung in der Lage, im Terrain , in der Coniiguration , in Distanzen
und cosmischen Verhältnissen ksnn auf keine andere Weise mehr geleistet
werden, und das ist eben reine Geographie, während alles andere, was etwa
der Schüler noch zu wissen braucht, gemischte Geographie ist, die er
aus den gewöhnlichen Lehrbüchern eben nur sehr nothdürftig und sehr wenig
eririschend schöpft. Wäre es unter solchen Umständen nicht vortheilLafter,
ihn vom Lehrbuch ganz zu entbinden, dafür aber sein ganzes Interesse auf
das Studium der Karte zu lenken , und , damit dieses Interesse bei jedem An-
lass entsprechend genährt werden kann, ihn auf ein geographisches
Haus- und Nachschlagebuch zu verweisen, das den geographischen
Lehrstoff im anmuthigen Gewände einer Länder- und Völkerkunde eingeherd,
irisch und lebendig zu Gemüthe führt? Es wird nach unserer Ansicht ein sehr
schätzbarer Gewinn für den Unterricht sein , wenn man die Sache so aufiEasst
Die ganie Anordnung des vorliegenden Buches gemahnt uns, dass es sich einem
solchen Zwecke in vorzüglicher Weise anpassen werde, und darum begrüßen
wir es mit einer innern Befriedigung und wünschen, dass es der Aufimerksam-
keit der Lehrerwelt empfohlen sei , abgesehen von der anregenden und be-
lehrenden Lecture, die damit dem bildungsfreundlichen Laien gelx>tcn ist B.
Yolks-Atlas über alle Theile der Erde für Schule und.
Haus, herausgegeben von Dr. E. Amthor und W. Issleib in Gera
10. Auflage 1870.
An einen Atlas für das Volk können nicht, wenigstens derzeit noch nicht,
die strengen Anforderungen gestellt werden, die d<^r heutige Standpunkt der
Kartographie -rechtfertigt. Wenn er durch seine Karten einen GesammtOber-
blick über die Erde und nähere Einsicht in ihre vornehmsten Theile, wenn er
insbesondere eine deutliche AnBchauung der europäischen Länder nach ihren
Terrainverhältnissen, Gommunicatiouen und topographisch wichtigen Punkten
und vor allem des engern Vaterlandes vermittelt und durch einen billigen Preis
der Verbreitung in jenen Kreisen Vorschub leistet, wo der Mangel an erd-
kundlichen Lehrmitteln bisher lebhaft gefühlt wurde, so ist er seiner Aufgabe
zur Genüge gerecht worden.
• Von diesem Standptmkt kann dem vorliegenden Atlas ein erhebliches
Verdienst um die Verbreitung erdkundlichen Wissens und insbesondere eines
eingehenden Kartenstudiums in den Schulen nicht abgesprochen werden. Die
Billigkeit des Preises, der Atlas vollständig, in 24 Karten in Farbendruck
kostet 50 kr., macht es beinahe jedem Schüler der Volksschule möglich, sich
dieses Lehrmittel anzuschaffen, und er erhält damit eine Reihe von Karten,
die ihm auf festen Papier mit deutlicher Schrift und zum Ueberfluss noch in
farbigen Bildern die ganze bekannte Welt versinnlichen.
Dass die Herausgeber auf die Verbesserung ihres gemeinnützigen Werkes
Wert legen, glauben wir an mancher Veränderung zu bemerken, die in die
spätem Auflagen Eingang gefunden hat. Daraus lässt sich der Schluss ziehen,
dass sie auch darauf bedadit sein werden, ihren Karten nach und nach eine
gleichmäßige, den jetzigen Anforderungen entsprechende Terrainzeichnunff zu
verschaffen. B.
425
Memoria por la direccion general de estadistica sobre los trobajas
ejecntados por la misma desde 1. de octobre de 1868 hasta 31. de
I>eeembre de 1869. (Denkschrift der General-Direction für Statistik in
Spanien über ihre Arbeiten seit 1. Oct. 1868 bis 31. Dez, 1869.)
Madrid 1870. 563 Seiten.
Die Aufnahme statistischer Forschungen in den Bereich der Staats-
Pnuds ist eine der erfreulichsten Erscheinungen der Neuzeit. Die Regierungen
gewinnen hiedurch ein ausgezeichnetes Mittel zur Erweiterung ihres Blickes
in das öffentliche Leben und eine reichhaltige Quelle, aus welcher Behelfe
zur Förderung des Volkswohles und zur Regelung ihrer eigenen Angelegen-
heiten entnommen werden können. Die Statistik auf das Gebiet der Admini-
stration versetzt, ist in hohem Grade geeignet, den Wetteifer der Staaten auf
der Bahn des Fortschrittes anzuregen. Zugleich gewinnt die statistische Wissen-
schaft an der Yerlässlichkeit aller jener Daten, deren genaue Erhebung ftkr
Privatkräfte eine unerschwingliche Aufgabe wäre. Die statistische Ziffer hört
auf, ein bloßes Mittel zur Befriedigung der Wissbegierde zu sein, sie behauptet
jetzt den Wert eines bedeutungsvollen Zeugnisses für allerlei Zustände
des socialen Gebahrens und der Phasen der menschlichen Existenz, welchen
ernste Beachtung nicht versagt werden kann.
Das spanische Gouvernement hat laut der vorliegenden Denkschrift seit
1866 sich dem wohlthätigen Einfluss der internationalen Congresse auf das will-
fahrigste gefügt, und seine Thätiffkeit in diesem Fache nach wissenschaftlichen
Regeln eingerichtet: es hat sich lür diese Aufgabe im Centrum durch Creierung
einer Junta und einer General-Direction ausgerüstet, auch mit Aufstellung von
Provinzial-Sectionen im ganzen Königreiche dienstbereite Organe zur Ausführung
der leitenden Anordnungen erworben. Aus der Staatskasse wurden für Statistik
aeither über 20.000.000 Pesetas (im Werte von Francs) angewiesen. Auch der
letzte Staatsvoranschlag bestimmte für diesen Zweig 1.489.550 Pesetas. Für
die Erlernung von Yermessungsarbeiten wurde eine eigene Schule errichtet.
Die oberste statistische Junta wurde des Vorsitzes des Minister-Präsidenten
gewürdigt. Dieser Behörde verdankt das lesende Publikum die Herausgabe
einer bedeutenden Anzahl in der Denkschrift angeführter gedruckter statistischer
Werke und Pläne.
Diese Leistungen sind um so verdienstlicher, als die aufgestellten Or-
gane unter den außerordentlichen Verhältnissen der spanischen Regierung
keineswegs leichtes Spiel hatten, wie dies aus der Denkschrift selbst erhellt.
Es heißt darin: ^Die Statistik Spaniens hatte mehr als irgend ein anderer
Zweig der öffentlichen Verwaltung durch die Folgen der Schwankungen und
die fortwährenden Abänderungen im öffentlichen Dienste zu leiden. Seit ihrer
Einführung vergieng wol kein Jahr, ohne dass radicale Experimente in Wesen
und Form Platz gegriffen hätten. Ohne die Obhut der Junta, welche von Pa-
triotismus getragen, mit anerkannter Tüchtigkeit ihre Wirksamkeit inmitten
des Wechsels zu bethätigen wusste, würden zahlreiche Arbeiten nicht vorliegen,
die nur ihren Anordnungen zu verdanken sind.^
Die Denkschrift beginnt mit dem Ueberblick der organischen Einrich-
tungen für statistische Arbeiten iu Spanien. Sehr umfassend sind dann die
topographischen Operationen behandelt Es folgen darauf aoht Abschnitte der
Auseinandersetzung der eigentlichen Landesstatistik, so weit für sie bis jetzt
Erhebungen vorliegen. Diese Abschnitte umfassen das Territorium, die Bevöl-
kerung, die Bodenerzeugnisse, die Industrie, den Handel, die Landesverwaltung,
die Contabilität und den inneren Dienst.
Der Raum dÜBser Blätter gestattet nicht, das vorliegende reichhaltige
Materiale in der Länge aufzunehmen. Wir beschränken uns vorläufig darauf,
die Aufmerksamkeit des Lesers auf diese wertvolle Arbeit zu lenken. — c - y.
426
Notizen.
Preise fttr Forschani^ri'iseii. In der Jahressitzuag der geographischen
Gesellschaft in London am 23. Mai wurden die Preise für Förderung der geo-
graphischen Wisseoschaft und Entdeckung zuerkannt. Die »Founder's Medal-
erhielt der Reisende der Gesellschaft in Gentralasien Herr G. W. Uayward
für seine Forschungsreise über den Kuen-Lun nach Yarkcnd und Kaschgar und
für die von ihm gearbeitete ^isekarte; die -Victoria Medal** der französische
Marinelieutenaut l*. Garnie4fur seine Expedition von Cambo^ja zum Yaog-tse-
Kiang und für die Keise nach Taii-iu.
TiefmessuigeB im Adriameer. Prof. Oskar Schmidt in Graz begibt
sich in Hegleitung des Keaiscbulprofessors Gobanz nach der atbauesischen
Küste, um am bord des vom LinienschiflFiscapitän Oesierre icber befehligten
iJampfers "Triest.. an den Vermessungsarbeiten der österreichischen Kriegs-
marine theilzunehmen. Es handelt sich vornehmlich um die Tiefseemessuugen
zwischen Albanien und Apulien und um ähnliche Korschuiigeu über das orga-
nische Leben in den Tiefen, wie solche in den letzten Jahren im atlantischen
Ocean angestellt wurden.
Bampferprojeete tauchen in America, seit der Pr&sident in einer Bot-
schaft sich über den Verfall der americanischen Kauffahrteimarine beklagte
und für deren Hebung die Unterstützung des Staates in Anspruch nehmen
wiU, in Unzahl auf. Wir zählen hier einige dieser Projecte auf: «Die Mediter-
ranean and Oriental Steam Navigation Gompany** bezweckt Herstellung einer
Verbindung zwischen den Südstaaten und Port Said, hauptsächlidi zum Zwecke,
indische und chinesische Einwanderung (durch den Suezkanal) anzuregen.
Jeder Staat soll eine bestimmte Summe für jeden Einwanderer zahlen, weldier
ein Jahr innerhalb seines Gebietes . bleibt, ohne den Armenbehörden zur Last
zu fallen. Zu gleicher Zeit beansprucht die Gesellschaft den vollen Betrag des
Portos für die von ihr beförderten Posten — Dann kommt die »Commercial
Navigation Company •<, welche den Congress um einen j&hrlichen, in halbmonat-
lichen Katen zahlbaren Zuschuß von 500,000 D. angeht, für die Beförderung
der Posten zwischen New- York, Bremen und Southampton oder New-Y'ork»
Liverpool und Queenstown. An dritter Stelle kommt die »American Navigation
Company« zur Herstellung einer Linie zwischen New- York und sp&^r zu
bezeichnenden europäischen Hafenplätzen. Dieselbe fordert auf io Jahre lang
die Summe von 20,U()0 Lstr. per Heise für die Beförderung der Posten. Eine
andere Linie ist die -North American Steam Navigation Company , deren Schiffe
von New- York über Plymouth und Gherbourg nach Antwerpen oder Bremen
gehen sollen und welche das ganze Porto für die zu befördernden Postsachen
fordert. Die ««Newyork and Copenhagen Steamship Company« beabsichtigt
wenigstens 25 Reisen per Jahr zu machen (unterwegs in Southampton anzu-
rufen) und verlangt von der Regierung eine Anleihe von 1,500,000 Dollars zum
Bau ihrer Schiffe. Umfangreiclier ist ein von Henrich Washburne befürwortetes
Project zur Errichtung von 4 Linien, deren jede 600,000 jährliche Unterstützung
erhalten, und deren eine zwischen Portland und Boston nach nordeuropäischen
Häfen, eine von Philadelphia und Baltimore nach Southampton und Hamburg
gehen soll. Schließlich bleibt noch ein Plan zu erwähnen, welcher von einigen
Marineoffizieren ausgegangen sein soll und der darin besteht, dass die Regie-
rung einer Gesellschaft anstatt eines jährlichen Zuschusses fünf Kriegsschiffe
für eine Linie zwischen New-York, Southampton und Bremen schenken solle.
Welche von diesen Unternehmungen sich die Gunst des Congresses und der
Regierung verschaffen werden, bleibt abzuwarten.
Die ehinesisehe Entdeekang Ameriea^s Ein californischer Sinologe,
Hanlay genannt, hat San Francisco durch den Nachweis, dass Chinesen tausend
Jahre vor den Spaniern im Lande gewesen seien, in lebhafte Aufregung ver-
setzt, um das deutsche Erstlingsrecht dieser Behauptung zu wahren, wird
427
1
jedoch in Yerschiedenen Blättern darauf hmgewiesen, dasß Professor Neumano
iD München schon vor einem Yierteljahrhuudert aus chinesischen Quellen die
Belege für die Entdeckung America's durch die Chinesen beigebracht hat.
Noch früher hatte Desguigues bekannt gemacht, dass chinesische Bücher von
einem Lande in Osten sprächen, welches kein anderes als America sein könne.
Neumann veröffentlichte sogar den Reisebericht eines chinesisclicn Mönchs
und Glaubensboten über das Reich Fusang. Dass unter Fusaug nur Mexico
eemeint sein könne, folgt aus den Angaben des Mönches über die geographische
Lage und die Producte des Landes. Aus den letzteren nennt er den l<'u8ang>
Baum, dessen Sprosse man esse, dessen Rinde ein Leinen und ein Papier
gebe und dessen Saft zu einem berauschenden Getränke bereitet werde. Der
Fusangbaum ist die Maguey oder große chinesische Aloe, die nodi heute zu
den angegebenen Zwecken dient. Der Berichterstatter gieng im Jahre 499
unserer Zeilrechnung nach Mexico : aber nicht als der erste Glaubeusbote,
denn 4S8 waren S andere Mönche dahin aufgebrochen, um die Lehren Buddha^s
zu verbreiten. Was Hr. Hanlay ferner über die Aehnlichkeit in gewissen Sitten
und Gebräuchen der Azteken und Chinesen, wie über die Einwirkung des
Buddhismus auf die Religion der ersteren sagt, war ebenfalls bereits bekannt,
lieu ist nur die Liste sprachverwandter chinesischer und aztekischer Wörter,
die er aufstellt. Sie spricht übrigens weniger für die Entdeckung America 's
durch die Chinesen, als für den gleichen Ursprung der Indianer, Mongolen
und Chinesen, den Alexander v. Humboldt und andere Naturforscher an-
nehmen.
Kameele für Australien« Bekanntlich hat die 1869 zur Aufsuchung
der Spuren Leichardts unter ' der Führung John Forrests unternommene
Expedition zwar den gewünschten Erfolg nicht gehabt, aber eine bedeutende
Strecke des australischen Festlands der Forschung näher gebracht. Einer
Skizze dieser Expedition, welche die Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
in Berlin nach dem Bericht des Dr F. v. Mueller in Melbourne an den nord-
deutschen Consul Brahe mittheilt, fügt Herr Eawerau, welcher lange Jahre
in Australien gelebt hat und als einstmaliger Regierungsgeometer mit den
dortigen Verhältnissen sehr vertraut ist, nachstehendes hinzu:
^Obgleich Mr. Forrest, ein tüchtiger, erfahrener und umsichtiger Busch-
mann, das ihm anvertraute Werk nach Mai3gabe der ihm zu Gebot stehenden
Mittel so gut es nur möglich war durchgeführt hat, so hätte er doch weit
mehr erreichen können, wenn ihm statt Pferden einige Kameele zur Ver-
fügung gestanden hätten, die sich bereits auf das beste für das Innere von
Australien bewährt haben. Hätte er statt Pferden zwei Satteldromedare auf
seiner weitem Excursion gehabt, so hätte er ohne Mühe dieselbe Strecke in
2^/3 Tagen zurücklegen können, zu der er nunmehr 7 Tage brauchte.
Es gibt in der That keine Entschuldigung mehr dafür, dass man sich
za solchen Expeditionen nicht der Kameele bedient und man könnte es wirk-
lich als strafbar bezeichnen, wenn der Gebrauch von Pferden für solche Zwecke
noch gestattet wird, während die Möglichkeit vorhanden ist, die Gefahr für
Leib und Leben der Reisenden, der sie bei Benützung von Pferden ausgesetzt
sind, durch die Einführung von Kameelen zur Locomotion durch Wüsteneien,
wie Australien aufzuweisen hat, zu beseitigen.
Dass das Kameel zweckmäßig zu längern Reisen als Reit- und Pack-
thier in Australien eben so gut wie in Africa und Asien gebraucht werden
kann, ist längst bewiesen. Nach der „Pastoral Times^ passierte unlängst durch
Wilcannia eine Caravane von B5 Kameelen mit mehr als 30 Jungen, von
16 Arabern geführt, auf ihrem Wege von Adelaide nach dem obern Darling.
Jedes dieser Kameele war mit 6 Zentnern Waare beladen, und nachdem die-
selben auf den betreffenden Stationen abgeliefert worden, sollten sie mit Wolle
beladen wieder nach Adelaide zurückkehren. Dieses sind die 26 Kameele
mit ihrem Nachwuchs, welche für die Burke- und Wills-Expe-
dition vor etwa 7 bis SJahren inMelbourne importiert wurden,
und die so bedeutende Vermehrung beweist, dass ihnen das Klima vollständig
zusagt.
428
Wenn diese TMere erst in hinlängliclier Anzahl vorhanden sein werden,
müssen sie für das Innere von Australien den ganzen Verkehr vermitteln,
nichts anderes kann ihre Stelle ersetzen. Das schwerfällige und langsame
Ochsenfuhrwerk ist für lange Reisen jetzt eine Absurdität, Flusschifiahrt ist
natürlich nur für gewisse Routen anwendbar, und selbst da kann man sich
auf dieselbe wegen der Eigenthümlichkeit der australischen Ströme nicht ver-
lassen. So liest man jetzt wieder in den Inlandzeitungen, dass einer der Flnss-
dampfer in den obern Regionen des Darling festgehalten wird durch den
niedrigen Wasserstand in jenem Flusse, und dass keine Wahrscheinlichkeit
vorhanden ist, denselben vor nächstem Winter flott zu machen. Daraus erklärt
sich die Schwierigkeit, die der Inland-Squatter so oft zu überwinden hat, wenn
er seine Wolle zu Markte bringen will. Oft liegen die Wollenballen am Flusse
aufgestapelt während vieler Monate. Wenn hinreichend Eameele im Land
sein werden, wird eine solche Schwierigkeit nie wieder eintreten, ja selbst
wenn im Verlauf der Zeiten die eisernen Stratien mit ihren dampfschnaubenden
Maschinen sich weiter in das Innere erstrecken werden, wird für den Verkehr
seitwärts derselben das Kameel stets das geeignetste Medium bleiben. In
dieser Voraussicht befürwortet man jetzt von einflussreicher Seite die Anlage
von Kameelgestüten in Australien und wir dürfen uns der Hoffnung hingeben,
das es mittels derselben bald gelingen werde, den großen weißen Fleck in
der Mitte Australiens von unsern Karten verschwinden zu sehen.
GeogTapblseher Gongress In Antwerpen. Laut Schreiben des k. k.
Handelsministeriums vom 22. Mai 1. J. hat der Verwaltungsrath der Dampf-
schiffahrts-Gesellschaft des österreichischen Lloyd den Tbeilnehmern an dem
Mitte August d. J. in Antwerpen abzuhaltenden geographisch-commerziellen
Congresse eine Ermäßigung des Fahrpreises zugestanden, die darin besteht,
dass dieselben für die Benützung des ersten den Preis des zweiten Platzes
zu bezahlen haben werden.
Desgleichen hat die Administration der ersten k. k. pnv. Donau- Dampf-
schiffahrts-Gesellschaft den gehörig legitimierten Besuchern des erwähnten
Congresses eine 50°/oige Fahrpreisermätiigung zugestanden, welche, und zwar
von inclusive 7 Tagen vor Beginn bis inclusive 7 Tage nach Schluss des Con-
gresses für die Hin- und Rückreise zur Benützung der gesellschaftlichen
Dampfer und der Eisenbahnstrecke Mohäcs-Üszög giltig sein wird.
Die Vorbereitungen zum internationalen Congresse sind in vollem Gange.
Nach den Zuschriften des leitenden Commit^s, welche uns vorliegen, wird
mit dem Congresse eine Ausstellung von geographischen Gegenständen
verbunden sein, die sehr interessant zu werden verspricht. Für die besten
Erzeugnisse sind Preismedaillen bestimmt. Der Tag der Enthüllung der
Standbilder von Mercator und Ortelius soll durch ein Bankett zu Rupelmonde
gefeiert werden, zu welchem der Verein für AUerthumskunde die Einladung
ergehen lässt. Wir geben unsern Lesern die Zuschriften im Original.
1. La Commission ex^cutive du Cougr^s international de g^ographie |a
d^cid6 d'ouvrir ä Anvers, dans le courant du mois d*Aoüt prochain , nne Ex-
position destin^e ä constater les progres scientifiques accomplis et ä ^clairer
les d^bats par la pr^sence de documents.
Dans l'espoir que vous poss^dez quelques objets qui m^riteraient d'6tre
ezhib^s, nous recourons ä votre bonne volonte et ä votre zele pour former
cette exposition.
Le but de la commission est surtout d'ouvrir une exposition ponr )a
science; U faut donc ^carter tout ce qui sortirait de ce domaine. A cet effet,
nous prions les personnes qui se proposent de nous taire des envois de vonloir
bieu d'abord nous transmettre une description sommaire des objets qu'elles
nous destinent. Nous nous empresserons de r^pondre en d^signaot cenx qui
rentrent dans le cadre que la Commission s^est trac^.
Les objets, apr^s que le Comit^ special en aura donn^ avis ä Pexp^-
teur, devroDt dtre adresB^s ä M. le President D'Hanne-Steenhuyse, au local de
429
la Citi oü s*oavrira PexpositioD. IIa devront dtre arriv^s k destination le
t5 Juillet dans des caisses marqu^es et pr^c^d^es de lettres d'envoi contenant
les indicatioDS pour les catalogues; tous les soins seront pris pour leur cod-
servatioD et pour lenr renvoi. Des d^marches soiit faites pour obtenir des
r^dnctions siir les prix de transport par les voies ferr^es.
Yu le pen de temps qui nous reste pour le classemeDt et l'arrangement
des objets, il nous serait agr^able d^Stre renseign^s , au plus tard avant la fin
de Juin, sur la uature de ceux que vous tous proposeriez de nous envoyer.
Toutefoie, afin de mieux faire saisir les vues de la Gommissiou, eile
croit devoir, d^s il präsent, pr^ciser les objets qu'elle s'efforce de recueillir.
Nous les diviserons on quatre cat^gories:
I. Produits des peuples.
Parmi ces objets nous dterons surtout:
Les armes des penplades sau^ages: arcs, fleches, boucliers, tomabawks,
boomerangs, lances, etc.
Les armes des Javanais, Ghinois, Cambodgiens, , Japonais, telles que
kris, sabres, mousquets, etc.
Les v^tements, ustensiles, Stoffes, bgoux, tels que costumes de soie de
la Chine, tissus de Tlnde et de la Ferse, porcelaines de la Chine et duJapon,
objets sculpt^s en ivoire, idoles et amulettes, meubles en laque ou en in-
crustations.
Produits de Tart graphique; manuscrits indiens, persans; miniatures,
aquarelles, peintures chinoises, etc.
Tous les objets, en un mot, de provenance lointaine et pouvant donner
une id^e des civilisations d'un autre ordre que la civilisation europ^enne ou
de race blanche.
n. Objets servant & l'histoire et ä Tenselgnement de la Cosmo-
graphie et de la Geographie.
Sphdres Celestes et terrestres, anciennes et modernes.
Plans en relief de differents pays.
Cartes manuscrites. Portulans et routiers de mer.
Collections de cartes gradu^es pour Penseiguement ä tous les degr^s.
Parmi les anciennes cartes, nous citerons:
Les anciennes 4ditions de la cosmographie de Ptol^m^e (14T5): les
cartea ex^ut^es, k Anvers, par G^rard de Jode, J^rome Cock, J. Liesveit,
Hogenberg, etc.
Les atlas de Mercator et d'Ortelius, dans toutes les ^ditions.
Les cartes particuli^res de Mercator et sp^cialement celle de la Lorraine
et de la Flandre.
Cartes de Chr^tien Sgrooten, de Gemma Frisius, de Jacques et de Jean
de Surbon, de Jacques de Deventer, de Henri Pontanus, etc.
Les cartes de Tofficine Plantinienne a Anvers et ä Leyde, telles que
les Pays-Bas de Guicciardini, les Flaumbeaux de la mer de Waghenaer, etc.
Les publications cartographiques de Josse Hondius, de Wackene et de
Pierre ßertius, de Beveren.
Les atlas c^l^bres, publi6s apr^s le XVIL siecle.
Nous recommandons, parmi les cartes modernes, Celles qui donnent la
description la plus r^cente des diff^rentes contr^es, surtout lorsqu'elles r^sultent
de travaux originaux.
Parmi celles-ci, les cartes marines r^ceutes attirent particuli^rement
rattentioD.
430
La commissioD accueillerait auBsi avec plaisir les dessias donnant mie
id6e de la v^g^tation et de l*aspect des contr^es les moins connues.
III. Commerce, Navigation.
Produits naturels anciens ou Douveaux, peu oa pas connus en Europe
et dont Texhibition pourrait Stre utile.
Parmi les iostruments de navigatioD, nous recommandoDS ccux qui, par
leur inspection, peuvent etablir la marche de Part nautique oa Tulganser des
d^couvertes r^centes.
Lochs et v^locimätres de diff^rentes sortes; astrolabes, goniometres,
quartiers, octants, sextaots et cercles de dift^rentes ^poques.
Gompas de route et de relevement.
Cercles gradu^s ou rapporteurs dispos^s pour la Solution graphiqae des
problämes.
iDstruments pour mesurer le tangage, le roulis et les embard^es det
navires.
Les instruments enregistreurs appliqu^s k la navigatioo, et les sondeur^
de diff^rentes esp^ces.
Pour les ^poques ant^rieures au dix-huitiäme siecle, il serait interessant
de r^unir diff^rents exemplaires des trait^s de navigation, des tableaox gra*
phiques pour la Solution des problämes, des instructions nautiques et des
journaux de bord.
Les dessins faits par les anciens navigateurs pour se rappeler le.
att^rages.
IV. Ethnographie.
Types en moulage, en Photographie et en dessin des principales races.
Bace caucasienne, types caract^ris^s d'Europ^ens, type hindou, abyssin,
herbere,
Kace mongolique, chinoise, japonaise.
Race am^ricaine, Tchinonks, Iroquois, Apaches,
Brasiliens, Patagons, Astöqnes,
Race oc^anienne, malaise, de la Nouvelle -Zulande,
Race n^gre.
Esp^rant, Monsieur, que vous voudrez bien nous prSter votre pr^cieas
concours, nous vous pr^sentons Passurance notre parfaite consideration.
Les Secr^taires g^n^raux du Congres, Le Bourgmestre-Pr^sident,
P. G6nard, Ed. Rigel6, Ch. Ruelens, J.-C. Van Put
A. Stessels, Dr. J. Van Raemdonck.
2. Exposlüoii göographique.
Le Comite organisateur du Congres voulant donner plus dHmpulsion i
tout ce qui se rapporte k Tenseignement de la g^ographie, **cctte scieiice dont
Tutilite n^est plus coutest^e, mais dont malheureusement Petude, en certaios
pays, est trop n6glig6e encore,- *) a döcide dMnstituer un concours k Peffet de
laire connaitre les meilleurs objets employ^s' dans Penseignemeot de la geo
graphie, et r^alisant au plus haut point Pexactitude et le bon marche.
Programme du Concours.
Globes terrestres.
t. Une mMaille pour le globe le mieux ex^cut^, Präsentant d'une ma
niere claire le plus d^indicatious scicntifiques, et pouvant dtre employe daD^
les cours sup^neurs, sans conditiou de grandeur ou de prix.
2. Une m^daille pour le meilleur globe destin^ aux ^coles primaires.
Ce globe doit ^tre avoir an moins de 50 centim^tres de diam^tre, 6tre
en mati^re solide et ne pas depasser le prix de 50 francs.
*) Exposition universelle de Paris de 1867. Rapport de M. De WatteviUc
431
3. Une m^daille pour le meilieur globe destin^ k dtre donnö en prix et
formant une Borte d'aide -memoire pour les jeunes ^l^ves.
Dimensions de 2ü k 30 ccntimätres ; prix moyeD, 15 francs.
Gartee en relief.
Une m^daille pour la carte en relief la mieux ex^cut^e, k une Schelle
quiy Sans nuire aux d^tails, permet d'en rendre le prix accessible k tous les
etablissements d'instruction.
Atlas.
1. Une m^daille pour l'atlas universel renfermant et plus grand nombre
de renseignements relatifs ä la g^oj^rapbie ancienne et moderne, pbysique et
statistique, etc., et r^alisant les condttions les plus satisfaisantes d'exactitude
scintifique, d^el^gance et de prix.
2. Une m^daille pour le meilieur atlas g^n^ral destine k Tenseignement
^l^mentaire et r^alisant les conditions les plus satisfaisautes d'exactitude, d'^1^-
gance et de prix.
3. Une m^daille pour le meilieur atlas de cartes particuli^res, repr^sen-
tant les diffi^rentes parties d'un pays quelconque, au cboix de l'exposant.
^. Une mödaille pour nn atlas semblable, repr^sentant la Belgique.
Les deux derniers altas doivent Stre r^diges en vue de l'enseignement
a tous les degr^s.
Cartes murales.
Une m^daille pour les meilleures cartes muettes appliquöes sur mur ou
sur toile et destin^es aux ^coles primaires.
Appareils.
Une m^daille pour le meilieur appareil m^canique destinö k faciliter
Penseignement des diff^rentes parties de la g^ographie et de la cosmographie.
Conditions du Concours.
Les objets destin^s an concours seront envoy^s avani le 15 Juillet
prochain, aux frais, risques et p^rils de l'exp^diteur, au local de la CiU, oü
s'ouvrira TexpositioD. L'adresse portera ces mots: Ȋ M. le bourgmestre d'An-
vers. Pour le concours du Congr^s de sciences g^ographiques etc.« *)
Les globes, cartes murales et atlas nniversels pourront <^tre pr^ent^s
en exemplaire unique; quant aux atlas ^l^mentaires, il devra en dtre remis
six exemplaires au moius, afin de faciliter le travail d'examen du Comit6.
Les exp^diteurs joindront k leur envoi des bordereaux de prie par
pi^ce et par nombre.
Une Instruction et un rapport seront faits par le Comit^ et präsentes
au Congrds. Celui-ci, dans sa premi^re s^auce generale, nommera une com-
missioD internationale cbarg^e de prouoncer d^finitivement.
Le Comit^ croit devoir prevenir Messieurs les concurrents que, vu
l'exignit^ de ses ressources, les m^dailles k distribuer n'auront qu'unc valeur
intrins^que fort modeste. Mais d^cern^es so! ennell erneut par un Congr^s inter-
national auquel prendront part un grand nombre de savants, de voyageurs, de
professeurs, d'bommes comp^tents et int^ress^s au progräs de la science, elles
constitueroDt, pour ceux qui les obtiendront, une recommandation des plus
^levöes. Le Comite espäre qu'un grand nombre de concurrents r^pondront k
*) M. le Ministre des Travaux publics vient d'informer le Comite du
Congres que TAdministration des chemins de fer de T^^tat accordera une r^-
ductiOD de 50^/^ sur les prix de son tarif int^rieur pour le transport des objets
k figurer k TExposition g^ograpbique.
432
8on appei, afin qoe le choix a faire aoit PexpressioD vraie du progr^s de
l'enaeignement g^ographique.
Les Secr^taires Gen^rauz da Congr^a, Le Bonrgme&tre-Pr^dent,
P. G^nard, Ed. RigeU, Gh. Ruelens, J. C. Van Put.
A. Stessels, Dr. «f. van Raemdonck.
Le Tr^sorier g^n^ral, Les Vices^Pr^aidente,
S. E. V. Le Grand de Heulandt. Cfa. d'Hane-Steenhoyse,
J. Cogela-Oay,
G. Metdepenningen.
La Commiasion ap^dale de l'Expo&ition,
G^n^ral A. Chauchet, Dr. L. Delgear, P. Dens, A. Geelhand-Ker-
vyn, E. Geelband-Moretua, Ed. Grandgaignage, G. Guffens,
L. Jacoba- Beeckmana, J. A. Langloia, C. Ommegauck, Th. Schob-
bena, J. Schul, J. Swerta, 0. ?an Ertborn, J, van üayre.
Anvera, le Mai 1870.
3. Gerde Archöologique du Pays de Waas.
Comme il eat dit dana la circiilaire accompagnant le Programme prori-
Boire du Congres intemcdioncU des sciences giographiques, cosmographiquet
et cammerciales, qui a'ouvrira k Anvers au moia d^'aoüt lb7u, lea inaugurationa
dea atatuea de Mercator et d'Orteliua coincideront avec ce Congräa.
L^inauguration du mouument de G^rard Mercator aura lieu ä Rm^el-
monde, le Zi acut prochain, par lea aoina du Cercle archeologique du Pays
de Waas, en pr^aence dea Hauta Dignitairea de TEtat et de la i'rovince, de
membrea de noa Cbambrea L^gialativea, de d^l^gu^a de PAcad^mie Boyale, de
TAcad^mie d'arch^ologie et dea Univerait^a de Belgique, et de tous lea illuBtres
^trangera qui aaaiateront au Congr^a d'Anvera et que le Cercle cnrchMogigue
prie de bien vouloir relever, par leur pr^aence, T^dat de la tete du ueo-
graphe flamand.
A cette occaaion^ un grand banquet aura lieu k Rupelmoude m6me, oü
lea Belgea et lea aavanta de toutea lea contr^ea du monde pourront ae rencon-
trer, ^tablir entr'eux dea liena profitablea aux nationa et k la acience, et rendre
uu hommage commun k la memoire du- prince dea math^maticiens, du chef
dea g^ographea de aon tempa et du reformateur de la g^ographie moderne. -
Dana cette föte fratemelle en Thonneur d'un aavant dont la acience
embraaaait le monde, le Cercle archeologique du Pays de Waas a cru ne
paa pouYoir ^tablir de diatiuctioa entre aes membrea et lea membrea du Con-
gräa qui Tont devenir lea hötea de la m^tropole commerciale Beige. 11 a donc
Fhonneur d'adreaaer, ci-joint, un Bulletin de aouacription pour le banquet,
non-aeulement aux membrea du Cercle, mala auaai k toua ceux qui ont envoy^
leur adb^sion au Congr^a d^Anvera.
Le prix de la aouacription eat fix6 ä 10 franca, vin non compria. Üne
carte d'admiaaion au banquet sera imm^diatement envoy^e et remiae, contre
rembouraement, a ceux qui auront fait parvenir, franco et avant le 15 juiüet
prochain, leur Bulletin aign^ a?ec indication claire de leur adreaae, k Monaieor
Goosaena- de Jaeghere, Vice-pr^aident du Cerle arcMologique du Pays de
Waas, k St. NiCDlaa.
On comprendra que dea n^ceaait^a d'organiaation ne pourront plus per-
mettre d'accepter encore dea aouacriptiona apröa la date indiqu^e.
J. Gooaaena-de Jaeghere, te St. Nikolaaa, Vice-Pr^aident,
F. Lapeer, te Lokeren,
J. Van Raemdonck, te St. Nikolaa, Conaervateur du Mua^e,
J. Van Naemen, •* Tr^sorier,
L. Billiet, » Secr^taire,
T. Percy-HeyndrickXy » Membre de la Commiaaion directrice,
JH. Yerwilghen-Hyde,
JH. Geerta,
Aus dem Sudan.
Chart um, 90. Mai 1870.
Vor aUem meinen verbindlichsten Dank für die Hefte der geo-
graphischen ^Mittheilnngen^ und für die Erinnerungen an die berg-
kfthle Heimat. Könnten mr nnr auf einige Wochen alljährlich unser
Brutofenkiima mit Ihren Bergen vertauschen ! Wir haben jetzt, nachdem
ans die Sonne seit drei Wochen über den Scheitel gieng, eine wahre
Backofenhitze. Ich zähle soeben in meinem Divan — und der ist
kfthl — 31 ^ R. Die Tinte klebt in der Feder ein. Ich muss einen
Stoß Löschpapier unter der Hand haben, um meinen Brief vor
dem in Strömen herabträufelnden Schweiß zu schützen. Eine schöne
Gegend, der Sudan! Aber die Natur ist in allen Zonnen weise ge-
T^ielt : unsere Nächte, gleich lang wie der Tag, sind erquickend kühl,
und die bereits eingetretenen constanten Südwinde bringen aus der
Regenregion des Bahr el äbiad zuweilen eine wohlthuende Frische«
So hat der Himmel auch für die Erträglichkeit unserer Existenz in
diesem Himmelstriche gesorgt. Aber ich möchte doch schon lieber mit
Wien tauschen.
Ich würde recht gern ein fleißiger Mitarbeiter der „Mittheilungen^
sein, wenn auch nur in kleinen Notizen; aber wir Chartumer Europäer
sind ja der Auswurf der Menschheit ; wir müssen uns verkriechen vor der
Oeffentlichkeit, wie die Maulwürfe in ihren finstem Gängen; wir müssen
uns schämen, auch nur unsere Namen zu nennen, geschweige denn in
Person unter ehrlichen Leuten zu erscheinen ; wir gehören dem Abschaum
der menschlichen Creaturen an ; es ist eine Unehre, möchte ich sagen, für
jedermann, mit uns im Verkehr zu stehen. Meines Wissens ist nie
eine Gesellschaft, selbst nicht unter den Wilden, so schmachvoll und
rücksichtslos . classificiert worden , wie es der europäischen Colonie in
Chartum in dem neuesten Reisewerke über Ost-Sudan von Dr. Hart-
mann zu Theil wurde. Wir sind dort mit folgenden Titulationen beehrt :
„Heruntergekommene Subjecte, Sklavenhändler, gesetzlose Aben-
teuerer, angethan mit aller Lasterhaftigkeit des Ostens und des Westens,
verroht in ihren Sitten, dem Trunk und der Wollust ergeben, Gesell-
schaft von Schurken der ungeheuerlichsten Art, moderne Flibustier,
liederliche, wucherische Speculanten, wildes desparates Räuber- und
Mördergesinde] , Barbareien und Schurkenstreiche, elende Convivien,
wilde Oi^en, bei denen der Branntwein in Strömen fließt und der
gesetzlose Abenteuerer seine ganze Bestie loslässt, unflätige Reden,
Menschen ohne Heimat und Gesetz, Huldiger der zügellosesten Demagogie,
Gottesläugner, Mordbrenner, Giftmischer!^'
Mittheilnng^n d. geogr. GeseU. 1870. 10. 28
484
Dixit! Das sind wir Europäer in Chartum. Das große Pabliknm in
Europa, welches Chartum nicht kennt, muss es glauben, weil Dr.
Hartmann, der hier war, es gesagt hat. Man hat gemeint, vir
sollten uns vertheidigen. Aber dem Angeklagten glaubt niemand; wir
würden durch eine Polemik vielmehr den Verdacht erregen, als fohlten
wir uns getroffen. Deswegen besser, wir lassen den Fluch stillschweigend
über uns ergehen und bleiben in den Augen der Welt die verlästerten
Chartumer.
Da Sie gewiss neugierig sein werden, diese saubere Gesellschaft
näher zu kennen, überhaupt eine genauere Einsicht in unsere derzeitigen
Colonieverhältnisse su erhalten, so erlaube ich mir eine Liste der g^n-
wärtig hier ansässigen Europäer beizulegen*). Im Jahre 1864 waren
84 österreichische Unterthanen und Protegierte im amtlichen Berichte
verzeichnet. Sie werden sich wundern, wie unsere Colonie, welche noch
*) VerzeichDis der in Chartum ansässigen Europäer.
A) Deutsche.
Katholische Mission.
1. P. Dismas Stadelmayer aus Tirol, Superior.
2. P. Hilarius aus Tiro), Franziskaner.
3. Fratcr Gerbard Keller ans Tirol, Oekonom
4. Frater Gaetano aus Verona, Sacrystan.
5. August Wischnefsky aus Preuüen, Schmid und Gärtner.
6. Jobann Aibinger aus Vorarlberg, Garteugcbilte.
Protestantische Hisdion.
7. Job. Chris. Blessing aus Württemberg, Pastor.
8. Dessen Gcmalin aus Württemberg, Lehrerin.
9. Franz Klein aus Ungarn, Schneider.
10. M. L. Hansal aus Mähren, Consulatsagent.
B) Italiener.
11. Giacomo Lumbroso aus Livorno, Bottegaio.
12. Michele Pamosso aus Turin, Mechaniker.
13. Pietro Agati aus Pisa, Maurer.
14. Giovanni Miani aus Venedig, Naturforscher.
15. Giovanni Scotto aus Livorno, gewesener Schiffs-Capitän, derzeit
Kaufmann.
16. Lorenzo Cremona aus Malta, Klempner.
17. Carmeno Musu aus Malta, Kaufmann.
18. Tnorato Musu aus Malta, Kaufmann.
C) Franzosen.
19. Musa Peney aus Chartum , Kaufmann, l ^ l j
20. Ibrahim Peney aus Chartum » '
Außer diesen sind noch ein Duzend griechische Bakals ansfissig, welche
ich nicht zu den Europäern rechne.
435
vor einigen Jahren ums vierfache stärker war, so zasammenschmolz.
Ein Theil ist ausgestorben und ein Theil ist ausgewandert. — Nach
langjährigen Beobachtungen und genauen Verzeichnungen kann ich con-
statieren, dass 40% ^on den Europäern im Sudan absterben. Ohne weiter
zurfick zu greifen, haben wir einen schlagenden Beweis vom vorigen
Charif (Regenzeit), wo das Haus des französischen Vice-Consuls Herrn
T h i b a u t innerhalb einiger Monate gänzlich ausstarb : er selbst, seine
Tochter, sein Schwiegersohn und sein Enkel. Thibaut hatte schon
1838 die erste Expedition des Mehmed Ali auf dem weißen Niel mit-
gemacht, und war seither, also fiber vierzig Jahre, ununterbrochen in
Sudan ansässig. Er war im dritten Jahre der Republick den dritten
Veniose (Jänner 1795) zu Paris geboren, und hat sonach das in
Sudan seltene Alter von 75 Jahren erreicht. Seiner Leutseligkeit wegen
war Thibaut bei Türken und Europäern gleich beliebt und deshalb sein
Haus stets frequentiert. So eben wurde ein CoUecte veranstaltet, um diesem
ehrenwerten Senior der Consule und seiner Familie ein Grabdenkmal
zu setzen, wobei sich auch der Generalgouvemeur betheiligte, indem er
die Grabsteine gratis beistellt.
Herr Dr. Ori, Che&rzt im türkischen Sudan und strebsamer Natur-
forscher, reiste anfangs November nach Eadaref, um an den Ufern des
Atbara und Setit fßr die Menagerie des Vice-Königs Thiere einzusammeln.
Drei Tage außerhalb Chartum ereilte den jungen Forscher der Tod in
Abu Harass, Schon vor der Abreise war er von den vorangegangenen
Anstrengungen in den vorbezeichneten Länder stark angegriffen; die
Freunde und selbst der Pascha rieten ihm, sich in der Umgebung von
Chartum einige Zeit zu erholen; er aber, nur seinem Berufe und der
Vollziehung des hoheitlichen Befehles lebend, hat sich für den Vice-
Könl^ geopfert
Teodoro Evangelisti, welcher vor 15 Jahren als Maurer zum
Bau des Missionshauses nach Chartum kam, später die Elefantenjagd
betrieb, und in den letzten Jahren als Leiter der Ziegelöfen in Soba
von der Regierung mit einer bedeutenden Gage angestellt war, starb im
August nach dreitägiger Krankheit. Es ist derselbe Teodoro, welcher
auf einem Jagdzuge in Böseres dem Grafen von Barnim auf dessen
Totenbette die letzten Liebesdienste erwies und dafür noch kurz vor
seinem Tode vom Prinzen Albert von Preußen mit wertvollen Andenken
beehrt wurde.
Der norddeutsche Yice-Consul hat im kurzen Zwischenräume Frau
und Kind verloren.
Einige minder bedeutende Sterbef&lle ungerechnet, ergeben sich die
obigen 40^0 der Mortalität in einem Jahre.
28*
436
Was die Aaswandenmg betrifft, so sind es yomehmlich die
Reicheren, die Großhändler, welche den Sudan seit einem Lostrani so
rasch hinter einander aufgaben, wie z. B. Franz Binder, Andrea Debono,
welcher letztere schon vor mehreren Jahren seine Stahilimenti bis nahe
an den Nyansa ausdehnte und dessen Leute Speke und Grant vom
Aequator nach Chartum begleiteten, John Petherik,die Gebrüder Pon-
cet, die Egyptian Commercial und Trading Company Limited, Angelo
Castelbolognese, Adolfo Antognoli, Theophil Leuvo, Spittler
und Comp, aus Basel, und einige Großgriechen und Syrier. Die Fremden
suchten in früheren Zeiten den Sudan des hohen Gewinnes wegen, welcher
in kurzer Zeit erzielt werden konnte; als aber 1863/64 der gesammte
Gesch&ftsTerkehr ins Stocken geriet, die Verbindung der Caravanen-
wege monatlang abgesperrt war, und die hundertfachen Procente nicht
mehr in der Rechnung erschienen, da war auch die Auflassung der
bedeutendsten Geschäftshäuser eine beschlossene Thatsache. Die Handels-
verhältnisse Chartums blühten hauptsächlich durch die alljährlichen
Elfenbeinfahrten auf dem weißen Fluss. Seit der Freigebung des Gummi-
und Elfenbeinhandels von der ersten Katarakte aufwärts 1851/52
nahmen die Elfenbeinfahrten in die Negerländer alljährlich größere
Dimensionen an, die Eauffahrer beschränkten ihre kostspieligen Expedi-
tionen nicht bloß auf das Einhandeln des Elfenbeins auf der Flusslinie,
sie verlegten sich auf die Elefantenjagd und drangen immer tiefer ins
Innere vor, wodurch die Ausbeute an Elfenbein vermehrt wurde. Durch
diesen regen Verkehr, bei welchen acht bis zehntausend Personen enga-
giert waren, blühte auch der Kleinhandel in Chartum.
Allein der Reformator des Sudan, Hokmdar Musa Pascha seligen
Andenkens, sah diese brillanten Geschäfte der Kaufleute mit neidischen
Augen und fand, dass dieser schöne Gewinn eben so gut in den Re-
gierungssäckel fließen könne. Es kam nun darauf an, den Elfenbeinhandel
auf politische Manier zu monopolisieren, da er den Handel auf dem weißen
Flusse wegen der garantierten Freiheit nicht direct beeinträchtigen konnte ;
er versuchte vorerst die europäischen Kauffahrer über Bord zu werfen,
während er mit den Rajahs leicht fertig ward. Die Fahrten am weißen
Fluss wurden derart erschwert und belastet, dass einige Unternehmer ihre
vollständig ausgerüsteten Expeditionen in Moment der Abfahrt sistiertra
und gegen die Maßregeln der Regierung protestierten. Die Bemannung der
Schiffe wurde mit einer unerhörten Steuer belegt, welche vorhinein erlegt
oder vom Schifibherm garantiert sein musste, um die Erlaubnis zur
Bergfahrt auf dem Fluss zu erhalten. Von dieser Gewaltmaßregel
war sogar die Expedition der armen Alexine Tinne nicht verschont,
welche doch nur eine Lustreise beabsichtigte. Zur Genugthnung habe
437
ich nachtrSglich gehört, dass John Petherick und Andrea Dehono von
der egyptischen Regierung entschädigt worden seien. Seit jener Revoln-
tions- (ich wollte sagen Reformations-) Periode ist das geschäftliche
Leben stets im Abnehmen, und hente schläft der Handel in Chartnm
so zu sagen den ewigen Schlaf. Der jetzige Generalgonvemenr Djafer
Pascha hat, so lange er hier ist, seit 1866 ff\r die Hebung und Be-
lebung des Handels nichts gethan, im Gegentheil zu dessen völligen
Ruin so viel an ihm lag beigetragen. Sein Steckenpferd ist der Bau-
meister; er hat schon vor vier Jahren ein Dutzend ärarischer Bauten
begonnen und bis heute nicht eine vollendet. Ueberdies liebt er Spiel
und Musik, woran es keinen Tag fehlt. Ein Administrator, der nur fOrs
Haus und Vergnügen und nicht fflrs Land sorgt, taugt nicht in einer
so großen Provinz wie der Sudan, wo eine lebenserweckende Kraft
Noih thut
Von Ernst Marno sind Nachrichten vom 8. März d. J. aus Famaka
eingelangt, wo er mit dem Mudir von Sennaar, JbrahimBey, zusammen-
traf. Es ist derselbe in Sudan ergraute grundehrliche Türke, in dessen
gastlichem Hause zu Doka anfangs der Fünfzigerjahre der erste
österreichische Consul Dr. Reitz gestorben ist. Von Famaka gedenkt
Marno mit dem Mudir über Djebel Kuli nach Benisehangoly oder mit
Schech Hodjeli über Kasan dorhin zu gehen, von wo Aussicht ist, auf
Fadassi, und unter Umständen noch weiter vorzudringen. Wie ich den
Mudir kenne, bin ich überzeugt, dass er Herrn Marno den möglichsten
Vorschub leisten wird.
Von der Baker 'sehen Expedition gieng am 29. März unter Leitung
des Oberingenieurs Higginbotham der zweite Train ab, bestehend in
adit Nilbarken und einem Dampfer, einer Truppenabtheilung und einer
Menge Effecten. Bei diesem Nachschub befanden sich auch der Medicinae
Dr. Gedge und vier englische Maschinenarbeiter.
Nach einer mir in diesen Tagen zugekommenen Nachricht bestätigt
es sich, dass in Wadi Haifa die Katarakten gesprengt werden. Man
bat sich also statt Errichtung einer 'Eisenbahn nach Sudan für die
Eröffnung und Sicherung der Wasserstraße entschieden. Einerlei! Wenn
nur endlich einmal eine schnellere und sichere Verbindung zwischen
Egypten und dem schrecklich weit entlegenen Sudan hergestellt wird,
denn die Post braucht bis a data von Gairo nach Chartnm 30 Tage,
gerade so viel wie von Schangai nach Europa.
438
Die Bahnen der europäischen TOrkei und der Nachbarländer.
Von Oberstlieutenant Rz.
Die geographischen nnd physikalischen Verhältnisse unserer Erdober-
fläche, die schon im Urbeginn die Menschen die vortheilhaftesten
Plätze als Wohnorte wählen lehrten, sind es auch, die alle Verbin-
dungen für die Communicationen schufen. Fruchtbare Landstriche und
Thäler, günstig gelegene Hochländer sind am dichtesten bevölkert. Eine
dichte Bevölkerung bedarf vieler Communicationen und Verkehrsmittel,
der Productenaustausch , der Handel, erweitert sie — immer den geo-
graphisch günstigen Oertlichkeiten folgend bis an die äußersten Grenzen
der bewohnten Continente.
Dem Militär bieten industriöse und bevölkerte Landstriche die
nöthigen Kessourcen und sind aus diesem Grunde sehr oft Objecte
kriegerischer Unternehmungen.
Dieser Art fallen gewöhnlich bei Ermittlung der Hauptlinien die
meisten der Vorbedingungen zusammen.
Berücksichtiget man daher die geographischen und Bevölkenings-
Verhältnisse der Länder, die politischen Abgrenzungen der Staaten,
Staats- und Handelsinteressen, so erhält man die resultierenden Factoren,
die für den Ausbau einer Schienenlinie sprechen, wobei natürlich ein-
zelne dieser Erwägungen immer einen vorherrschenden Einfluss ausüben
werden.
Bei dem Ausbau der türkischen Eisenbahnen stehen die Handels-
interessen im Vordergrunde. Da es die ersten Linien des Staates sind,
die Residenz sowol, wie die für den Handels-Verkehr wichtigsten Punkte
mit Central-Europa in Verbindung gebracht werden müssen, so fallen
naturgemäß mit den nicht zu scheidenden commerciellen die Staats-
interessen zusammen.
Man hätte vielleicht noch lange nicht daran gedacht der Türkei
den Bau der Eisenbahnverbindungen in so bedeutender Längenausdeh-
nung anzuempfehlen, dieser Staat selbst würde sie noch eine Zeit lang
ffir entbehrlich gehalten haben, wenn nicht der Bau des Suez-Canals ge-
lungen, die Eröffiiung desselben erfolgt wäre. Der überseeische Handel
wird nun zum größten Theile einem kürzeren Wege folgen, Städte und
Gegenden zur Blüte bringen, die vor zwei Decenien ihr künftiges Ge-
deihen kaum geahnt haben.
Mit Rücksicht auf den Welthandel mnss daher der kürzesten Ver-
bindung zwischen Port-Said und Wien, London, Paris die größte Wich-
tigkeit beigelegt werden.
Die kürzeste Linie führt aber von Salonik der nördlichsten Ein-
439
buchtnng an der Südküste der Türkei über üesküb, Novibazar, Sera*
jevo-Brood oder Gradiska zu den vorgenannten Gentren der Handels-
bewegong, und da an letzterer fast alle west- nnd mittel-europ&ischen
Länder theilnehmen, so erlangt der Ausbau dieser Bahnlinie eine fast
internationale Bedeutung.
Schon Gonsul Hahn belehrte uns, dass dem Bau im Yardarthale
und über den sehr tiefen Sattel zwischen dem Sar- und Kara-Dagh fast
keine Hindemisse entgegenstehen.
Größere Schwierigkeiten dürften von Novibazar an zu überwinden
sein, da bis zu dieser Stadt die Trace im Sitnica-, Ibar- und im Raska-
thale gelegt werden dürfte.
Nach Uebersetzung des Sattels bei Dugopoljana aus dem Ludzka-
in das Stavlja-, oder aus dem Raska- in das Yappathal, könnte von
Sienica an die Bahn vielleicht auch durch das Uvac- in das Lim-, so-
dann Drin- und Pracathal geleitet werden, ohne (bis kurz vor Serajevo
der Yitessattel) Ansteigungen zu erfahren, doch würde auch abgesehen
von dem felsigen Uvacthale die Bahn durch 11 Stunden an der Grenze
Serbiens ziehen und bei auftauchenden Differenzen zwischen dem sou-
verainen und dem souzerainen Staate leicht unterbrochen werden können.
Es dürfte daher der Schienenstrang im Limthale führen. An der Ein-
mündung des Lim und der Praca, femer im Drinathale sind technisch
— manche Schwierigkeiten zu bewältigen.
Mit Ueberschreitung des sehr niederen Yitessattels südöstl. Serajevo
wären für den Schienenweg im Bosnathale nach Brood keine nennens-
werten Hindernisse aufzuzählen, doch dürften diese, sobald die Linie
nach Gradiska geführt wird, von Travnik an bis Banjaluka, im engen
felsigen Yerbasthale bedeutend anwachsen und noch immer die Ent-
wicklung vom Suchasattel in das Thal fraglich machen.
Im Interesse der Türkei liegt es nun, weiter die Hauptstadt des
Reiches durch einen Schienenstrang mit Mittel-Europa in Yerbindung
zu bringen.
Diese zweite Hauptlinie, die wir später im Hauptzuge naher anzu-
geben gedenken, hätte vor Eröffnung des Suez-Canals einen noch größeren
Wert erlangt, als dies gegenwärtig der Fall sein wird, da manche für
Syrien, Egypten und die eigenen Südküsten bestimmten Waarentrans-
porte der Yermittlung Constantinopels nicht mehr bedürfen, und auf der
kürzeren Linie (Salonik) der Bestimmung zugeführt werden. Nur in der
noch sehr fem liegenden Zeit, wo der Schienenstrang Kleinasien durch-
ziehen und über Bagdad an den persischen Meerbusen oder über K a r a-
hissar nach Adalia (circa 90 geogr. Meüen) reichen soll, wird
die Bahn über Constantinopel die größere Bedeutung erlangen und im
440
ToUsten Sinne des Wortes „Weltbahn« werden, auf welchen Namen
yorl&ofig nur die künftige Linie nach Salonik Ansprach mach«! kann.
Constantinopel wird in kolossaler Dimension Kopfstation und Stapel-
platz ftlr die Handelsbewegong in die eigenen europäischen Provinzen
und Aber Kleinasien nach Persien.
Von Constantinopel aus dürfte die Trace über Adrianopel, Filip-
popel, Sofia, sodann über Badomir auf Ueskttb zu gehen und daselbst in
die vorerwähnte Linie einmünden, da nur in dieser Bichtnng Constanti-
nopel in directe Verbindung mit Central-Europa tritt, gleichzeitig aber
auch der Yortheil erreicht wird, das Reich in der diagonalen Ausdeh-
nung zu durchschneiden.
Die Wahl dieser Linie dictiert vorherrschend das Staatsinteresse,
erst in zweiter Linie das Handelsinteresse. Dieser Anschluss ist selbst
unter dem Opfer der bedeutendsten Zinsengarantie zu suchen, da die
Verbindung durch Serbien eventuell illusorisch werden könnte.
Der Ausbau der Linie von Sofia Aber Nissa durch Serbien nach
Belgrad und Basias muß nothwendigerweise folgen, indem das Streben
■
Ungarns und Serbiens naturgemäß nur dahin gerichtet sein kann, den
Anschluss durch das Morava-Thal einerseits über Vranja, Gilan an
Uesküb, andererseits auf der vorerwähnten Route an Nissa zu erreichen,
um sowol mit Salonik wie Constantinopel in Verbindung zu treten. Die
Pforte wird hier durch die Genehmigung zum Ausbau dieser Strecken
auf eigenem Gebiete Gelegenheit finden den Beweis zu liefern, wie
wertvoll ihr das gute Einvemelimen mit dem ungarischen Ministerium,
wie vertrauend sie der serbischen Regierung entgegenzukommen ge-
sonnen sei.
Mit der Coucessions - Ertheilung zum Ausbau der Linie Enos,
Adrianopel, Jambol, Karnabat, Sumla und zur Bahn Rusczuk-Vama
würde eben über Rusczuk, dann Gjurgjevo und Bukarest die Wallachei,
späterhin durch den rotlien Thurm- sodann durch den Vulkanpass von
Petroseny über Krajova, Bukarest-Siebenbürgen, endlich in nordöstlicher
Fortsetzung die Moldau und Südrussland dem Mittelmeere näher rücken,
und Enos zur zweitwichtigsten Hafenstadt am ägäischen Meere empor-
steigen.
Diese 3 Hauptlinien, nämlich jene von Salonik-Brood , die zweite
Constantinopel-Sofia-Uesküb-Brood (oder Gradiska) und die dritte Enos-
Adrianopel-Sumla repräsentieren eine Längenausdehnung von 269 geo-
graphischen Meilen, welche ein Baucapital von circa 161,400.000 fl.
beanspruchen, sobald man in der Durchschn^tsrechnung für den soliden
Ausbau einer Meile — da es größtentheils Gebirgsbahnen sind —
600.000 fl. veranschlagt Die Zinsengarantie, die übrigens nur vielleicht
441
I
in den ersten Jahren des Betriebes im vollen Betrag zu leisten sein
wirdf da die Rentabilität derselben in der Folge außer allem Zweifel
steht, müfite somit mit 5% berechnet 8,070.000 fl. betragen.
Die Strecke Sofia, Nissa, sowie jene von Nissa über Leskovac,
Yranja, Gilan, Uesküb, d. h. die Anschlasstrecken der serbischen Mo-
ravabahn mnfassen in der L&ngenentwicklong 40 geographische Meilen.
Dieserart wfire das tfirkische Reich in 3 Richtungen gegen Nord-
west und Nord durch Bahnen durchzogen, und wenngleich der größere
Nutzen dem Staate selbst verbliebe, ist andererseits nicht zu verkennen,
dass hiedurch dem Welthandel eine bedeutende Concession gemacht
wurde, der sich hieffir bereit findet, durch seine Reprfisentanten die
nöthigen Capitalien in diesem doppelten Interesse herbeizuschaffen.
Soll jedoch Cultur, Leben und Gedeihen in alle Provinzen der
Balkanhalbinsel gebracht werden, so sind zu den vorerwähnten Handels-
hauptarterien noch Zufiusslinien, d. h. Zweigbahnen zu eröffnen, die
in vollem Ausbau nicht nur von localem Werte wären, den Staats-,
Handels- und militärischen Rflcksichten Rechnung tragen würden, son-
dern abermals als Transitlinien dem Weltverkehre dienlich werden
könnten.
Die wichtigste der nun zu erwähnenden Linien wäre jene, welche
das schwarze mit dem adriatischen Meere verbindet. Das Mittel-
glied dieser Transversal oder türkischen Ostwestbahn, nämlich Sofia,
Uesküb, dürfte bereits concessioniert sein. Die geographische Con-
fignration des Staates im innern gestattet zwar — nach der bis
jetzt vorhandenen verhältnismäßig besten Gcneralkarte von Scheda —
auch die Fortsetzung zu den beiden Meeren und den Endpunkten an-
nähernd zu bestimmen, doch müssen wol für das Detail der Anlage
Ortstudien gemacht, und wie schon bei Ermittlung der früher erwähnten
Hauptlinien geschehen, in Rücksicht des absoluten Mangels aller oro-
und topographisch verlässlichen Behelfe — Routenauftiahmen vollführt
werden, die zur verfügbaren Zeit im Verhältnisse stehen und dem
Zwecke entsprechen.
Gibt es schon innerhalb eines Rahmens geodätisch richtig ge-
stellter Punkte Differenzen in der Darstellung des orographischen De-
tails, sobald dieses durch zwei verschiedene Personen geliefert wird, um
wie viel mehr wird nun in jenen Ländern zu corrigieren und festzustellen
sein, wo Details nur mühsam — oft nur nach Beschreibungen — und
im geheimen gesammelt werden konnten.
Von der Hauptlinie Gonstantinopel-Sofia-Belgrad muss die Zweig-
bahn entweder von dem erstgenannten Punkte im Iskra-Thal bis Coma-
kovce, sodann über Pleova auf Sistovo und Rusczuk führen, von wo
442
I
die Bahn bis Yarna bereits besteht. Diese Strecke beträgt 39 — 40
Meilen; oder die Abzweigung wird im Vid-Thale, wenn dasselbe
wirklich so wie es auf den Karten gezeichnet ist existiert, Aber Plevna,
Sistovo in Aassicht genommen, wo dann circa 32 Meilen Schienen zu
legen wären.
Durch diesen Zweig entstünde die Verbindung mit Vama, SistOYO,
Sofia, Vrania, Uesküb, Pristina.
Nach der Scheda'schen Karte sollte man weiter annehmen dfirfen,
dass dem Ausbau einer Bahn von Pristina auf Prisreudi sodann im
Thale des weißen Drin sich keine größeren Schwierigkeiten entgegen-
stellen, als es jene im Verbas-Thale zwischen Jaice und Bai^jaluka, oder
die im Praca- und Drina-Thale sein können.
In der vorerwähnten Strecke über Djakovo nach Skutari würde
die Längenentwicklung 32, die Gesammtlänge der Ergänzungsbahnen
(ohne die Mittelstrecke Sofia Pristina) 64 Meilen betragen, wodurch
das schwarze mit dem adriatischen Meere, Yarna mit Skutari
verbunden erscheint. Nach dem vorangesendeten Calcnl ist hiezu em
Baucapital von 38,400.000 fl. erforderlich.
Wiederholt war ferner von dem Projecte die Rede, die ungarische
Staatsbahn — durch Serbien und Bosnien — bis zum adriatischen
Meere zu verlängern. Der Ausbau eines Schienenweges von Bazias
gegen Südwest zur Adria ist als ein bedeutender Handelsweg im österr.-
serbisch-türkischen Interesse ebenso wichtig und nöthig, als der Ausbau
der großen türkischen Transversalbahn. Als Einbruchsstation auf türkisch
speciell bosnischem Gebiete wird Zwornik genannt. Yon dort ans
wäre die Trace dieser Gebirgsbahn nach Serajevo im Drina- und Jadar-
Thale über Kuslat, Nova-Kasaba, sodann aber im Thale des Zeleni-
Jadar über Drüe auf das Battura und Lissina Gebirge zu suchen, da
die bedeutende Ansteigung diese Entwicklung fordert.
Kusaci, Kuttezero, Merkale, Hannic, Ivan-Polje, Kakovac am Ab-
hänge der Romanja Planina und nordöstl. des Yites-Sattels müssten bei
der Trace-Ermittlung in das Auge gefassst werden, sobald man sich
nicht zu dem Umwege im Drina-Thale über Yisegrad und zum Anschluss
an die Weltbahn an der Lim-Mündung entschließen kann.
Yon Zwornik über N. Kasaba bis zum Yites-Sattel beträgt die
Entfernung 15 grogr. Meilen. Yon Yitez über Serajevo bis Kiseljak
bliebe als Bindeglied die Weltbahu; von Kiseljak aber könnte dieselbe
im Thale der Fojnica und Strasbina (auch Gvosnica) über den sdir
tiefen Progorica-Sattel in das kleine, sodann im großen Narenta-Thale
. über Mostar auf Metkovic und Stagno führen.
Diese Bahn würde die mineralreichsten Gegenden, d. i. die söge-
443
nannte »Srebema^ und das Gebiet von «Fojnica'' durchziehen, bis
Stagno eine Länge von 25 Meilen erreichen, and gleichzeitig den Golf
von Kiek berühren, wodurch die Pforte Truppenlandungen auf eigenem
Gebiete vorzunehmen im Stande wäre.
Mit den früher erwähnten 15 Meilen sind daher fflr diese Trans-
versalbahn die Schienen — ohne die serbische Linie zu rechnen —
auf 40 geogr. Meilen zu legen. Die Meile dürfte jedoch für diese
Strecke auf 800.000, ja sogar vielleicht auf Eine Million Gulden zu
veranschlagen sein, wenn solidere Bauten vor Augen schweben.
Die Weltbahn in Eißeljak durchkreuzend, wird die zweite Hälfte
dieser Bahnstrecke auch für die südwestlichen Provinzen Oesterreichs
wertvoll.
Die beiden Transversalbahnen, resp. die hiezu nöthigen Ergänzungs-
linien, die das türkische Reich von Ost nach West durchziehen sollten,
umfassen eine Länge von 104 Meilen.
Die nächst wichtigste Linie, die zu berücksichtigen ist, wäre
jene von Skutari über Kavaja, dann im Devo-Thale Eastoria und im
Vistrica-Thale über Verla nach Salonik in der Ausdehnung von 64 geo-
graphischen Meilen, für welche Strecke jedoch ausländische Capitalien
voraussichtlich kaum gefunden werden, da diese Bahn mehr localen
und militärischen, als intemazionalen Handelsinteressen dienen würde.
Angenommen nun, dass in den nächsten Decenien auch diese Linie
in's Leben gerufen sei, so stehen dem Staate und dem europäischen
Großhandel 477 Meilen Schienenwege zur Verfügung, der Anlage und
Richtung nach vollkommen geeignet, den Staats- und militärischen An-
forderungen der Türkei zu genügen, das Gedeihen und die Steuerkraft
der Provinzen zu heben und den europäisch-indischen Export und Im-
porthandel zu fördern. Mit alleiniger — (und dies nur theilweise) —
Ausnahme Russlands, werden fast alle europäischen Staaten durch die
zahllosen Fäden des Handels an die Integrität des osmanischen Reiches
gebunden sein, die orientalische Frage eben nicht mehr fraglich machen,
aber auch theilweise das Recht erlangen, rathend, stützend und im ge-
wissen Sinne fordernd mitzusprechen.
Taucht aber diese Frage einmal im Ernst auf,, so ist sie dem
Weltbrande gleichzuachten.
Der Ausbau der Linien von Enos nach Salonik 47 Meilen, von da
über Larissa nach Volo 29, von Larissa, Trikala, Mecovo nach Arta
31, aus dem Arta-Thale über Janina nach Avlona 26, von dort nach
Kavaja 12, die Abzweigung von Kamabat über Aidos nach Burgas 8,
sowie noch manche der Neben- oder Vicinalbahnen müsste der Kosten
wegen einer späteren Zeit aufbewahrt bleiben, umsomehr als manche
444
der vorerwähnten Hafenstädte dorch die Schiffahrt miteinander ver-
bunden sind.
Da femer nach dem practischen Grundsätze der Handelswelt
^Zeit Geld ist,^ die erstere somit durch den rascheren Waarenumsatz
in steigendem Verhältnisse abermals Geld produciert, so sehen wir uns
bemüssigt, die vorerwähnten Bahnlinien auch nach Raum und Zeit
in Vergleich zu bringen, um den Wert der Haupthandelslinien in
dieser Richtung festzustellen, endlich um weitere Reflexionen daran zu
knüpfen.
Bei dem hier folgenden Nachweise wollen wir, um die Entfernungen
auf Zeitstunden zu reducieren, für die Seefahrt 10 Seemeilen, far die
Bahnbeförderung 6 geographische Meilen (£ilzug) gleich einer Stunde
halten.
Es beträgt die Fahrt von Salonik-Wien.
Port-Said nach Salonik ...... 740 S. M. =74 Std.
Salonik-Ueskfib ... . . . . = 28
Uesküb-Pristina , Novibazar , Serajevo,
Brood . . . = 85
Brood, Bares, Wien ... =60
173 M.
:6 —
28V.
102»/, Std.
Port-Said Salonik
. = 740
74 Std.
Salonik, Brood
. = 113
Brood, Sissek, Wien
. = 86
199 M.:
:6 =
33 V,
107»/, Std.
Port-Said Salonik . . ...
. = 740
=
74 Std.
Salonik, Banjalnka, Gradiska .
. = 113
Gradiska, Sissek
12
Sissek, Wien
. = 68
193 M.
:6 =
32'/.
106'/, Std.
Port-Said Salonik
. = 740
—
74 Std.
Salonik, Ueskflb
Ueskflb, Gilan, Yranja, Leskovac, Nissa
Nissa-Belgrad
Belgrad-Esseg, Wien .....
. = 28 )
. = 29/
.= 321
. = .S5 )
Ungerechnet der
Morava
Krümnumgen.
174 M.
:6 =
29
103 Std.
446
Port-Said Salonik . = 740 =74 Std.
SflJonik-Bazias =: 86
Bazias, Wien = 927^
178VaM.: 6:1:1 2^%
103*/6 Std.
Constantinopel-Wien-Calais-Ostende.
Constantinopel , Adrianopel , Filipoppel,
Sofia, Nissa, Belgrad, = 125 M.
Belgrad, Esseg-Wien = 85
210 M. : 6 = 35 Std.
Wien-Calais*) 180 . = 30 Std.
65
Constantinopel, Bazias =r 129
Bazias, Wien .........= 9273
221 VaM. =z 37 Std.
Wien-Calais > . . . 30
'67
Constantinopel, Adrianopel, Sofia, Rado-
niir, Uesküb, Novibazar, Brood-
Barcs, Wien ^ 250 M. = 41^/e Std.
Wien-Calais = 180 ^30
71Ve
Constantinopel , Novibazar , Gradiska,
Sissek-Wien = 270 M. =45 Std.
Wien-Calais — 180 = 30
75 "
Constantinopel, Gradiska, Sissek . . = 202 M.
Sissek, Marburg,y i 1 1 a c h, Lienz, Brüxen,
Rosenheim, Mflnchen, Augsburg . . « 118
Augsburg, Ulm, Heidelberg, Luxemburg,
Namur, Calais**) =123
443 M. : 6 = 73*/^ Std.
Constantinopel, Gradiska, Sissek . . = 202 M.
Sissek, Brück a/m., Enns, Braunau,
München, Augsburg = 112
Augsburg-Ostende . = 114
428 M. : 6 = 71«/^ Std.
Calais 72Ve
*) Nach Ostende circa 9 Meilen, oder IVs Stand, weniger.
*^) Von Augsburg nach Ostende circa lli geogr. Meilen.
Ton Port-Said-SaloDik nach Calais oder Ostende.
Port-Said, Salonik 740 S. M. =74 Std.
Salonik-B r 0 0 d = 113
Brod-Sissek . ... . . . . = 18
Sissek, Marburg, Vi 11 ach, Rosenheim,
München, Augsbnrg . . . . = 118
Augsburg, Heidelberg, Luxemburg, Namur-
Calais . , . = 123
372 = 62
136 Std.
Ostende ly«
134 V,
Port- Said, Adalia circa . . 320 8. M. = 32 Std.
Adalia, Constantinopel = 90 M.
Constantinopel, Wien . ... = 210
300M. = 50 = 82 Std.
Ostende = 170 =28%
110% Std.
Gewinn von 20 Standen.
Port-Said, Salonik 740 S. M. =74 Std.
Banjaluka, Gradiska, Sissek. . .= 125 M.
dann wie oben = 241
366 = 61
135 Std.
Ostende 1337,
Port-Said, Salonik 740 S. M. =74 Std.
Salonik, Brood = 113 M.
Brood, Marburg, Brück, Lietzen,
Braun au, München, Augsburg . = 130
Augsburg, Calais .... . . = 123
366 = 61 Std.
135'
Ostende 13372
Port-Said, Salonik 740 S. M. =74 Std.
Salonik, Banjaluka, Gradiska, Sissek = 125
Sissek, Brück, Enns, München, Augs-
burg = 112
Augsburg, Calais = 123 __^_
360 = 60 Std.
134
Ostende 132'/,
447
Nach Paris.
PortrSaid, Salonik 740 S. M.
— 74 Std.
Salonik, Gradiska, Sissek . . — 125
Sissek, Villach, München, Augsburg — 118
1
Angsburg-Strassburg . . . — 46
Strassburg-Paris . — GO
'341) ~
— 5876 Std.
132V.
Bonlogne ...
36 — 6
'
138V.
üeber Otranto.
Port-Said, Otranto 925 S. M.
— 92 7j Std.
Otranto, Piacenza, Alexandria, Turin — 146
Turin, Mont Cenis *) Ma^on, Dijon,
Paris — 106
m
252
— 42 Std.
134V,
Paris-Boulogne —
36—6
140^/3, std.
Aus der ?orangesendeten Zusammenstellung geht nun hervor, dass
nach den gegenwärtig bestehenden Bahnen, die Fahrt von Port-Said
nach Wien merkwürdigerweise über Bazias am schnellsten bewerkstel-
liget werden könnte, die Abkürzung über Esseg noch eine weitere Stunde
Gewinn brächte.
Der Ober- und Mittellauf der Morava scheint aber auf den Karten
in ziemlich geraden Linien verzeichnet und noch lange nicht so genau
bekannt zu sein, als es die Flussläufe im Nordwesten der Türkei sind.
Es müssen daher zur Fahrt über Bazias noch einige Stunden hinzuge-
rechnet werden, wodurch man mit einiger Sicherheit die Entfernung von
Salonik nach Wien über Gradiska, der vorerwähnten gleichsetzen kann.
Der Weg über B r o 0 d und Bares w&re entschieden der nächste.
Mit Rücksicht auf Calais oder Ostende ist die Linie über Villach
die kürzeste.
Untersuchen wir nun weiter, welchen Nutzen die öster. Provinzen,
speciell der öster. Handel aus dieser neuen Verkehrslinie über Suez
schöpfen könnte.
Die Linie Salonik-Brood oder Gradiska wird vorherrschend dem
Trans ithandel dienen, obschon auch der Local- Verkehr mit der Zeit
nicht unbedeutend wachsen wird. Es ist weiter bekannt, welch be-
*) Nach Beendigung der Bahn.
448
deutenden Aufschwung Hafenstfidte nehmen, wenn sie den Anfongs oder
Endpunkt eines wichtigen Schienenweges bilden. Ohne allen Zweifel
dfirfte im nächsten Decenium die Linie Salonik-Ostende oder Calais die
wichtigste in Europa werden, da sie von England die kürzeste nach
Vorder-Indien, China, Australien ist; ebenso wie es unbestritten bleibt
dass derart situierte Punkte als Stapelplfitze eines immensen Verkehrs
nicht nur rasch emporblühen und sich vergrößern, sondern auch auf
das Gedeihen der angrenzenden Provinz den fördemdsten Einfluss ansahen.
Wenn wir nun auch die Türkei um den so günstig gelegenen
Punkt Salonik beneiden — inmierhin aber auch Befriedigung finden
müssen, an dem Weltverkehre direct und durch den Transithandel
indirecte Theil nehmen zu können, so sollten wir andererseits doch
trachten, einen Theil der großen Yortheile, welchen Stapelplätze ab-
werfen, an uns zu ziehen, umsomehr als die Lage und der südöstliche
Zug der Dalmatiner Küste uns hiezu, wie wir weiter sehen werden,
mit großer Aussicht auf Erfolg einladen.
Wie bekannt, soll der Bau der türkischen Bahnen in 5 Jahren
vollendet sein.
Wenn wir nun im Stande sind, von Carlstadt aus innerhalb zweier
Jahre eine Bahn über Sluin, Knin nach Spalatro auszubauen oder aber
diese Linie bis Stagno auszudehnen, so könnten wir durch die folgen-
den drei Jahre, während welcher Zeit die Weltbahn noch inuner
nicht vollendet sein kann, die ganze Handelsbewcgung nach Central-
Europa über einen dieser Küstenpunkte leiten, dieses ohnehin communi-
cationsarnie Land einem größeren Wohlstande zuführen, und selbst
auch den Staats- und militärischen Interessen entgegenkommen, da die
erstercn die Hebung des Wohlstandes, die Vermehrung der Communi-
cationen und der Steuerkraft, die letzteren eine gesicherte Ver-
bindung in diese excentrisch gelegene Provinz verlangen.
In letzterer Beziehung brauchen wir nur an die Ereignisse des
Jahres 1866 im Süden zu erinnern. Was wäre wol aus Dalmatien
geworden, wenn der Sieg von Lissa nicht uns zugefallen, wenn in
weiterer Folge feindliche Debarcationen bei Zengg stattgefunden hätten,
der nur drei Meilen entfernte Punkt Zutalaqua besetzt, unsere einzige
große Communication oder Hauptverbiudung dahin unterbunden worden
wäre und eben deshalb JTachschübe an Truppen und Material hätten
unterbleiben müssen? Jede einzelne der oben erwähnten drei Schluss-
folgerungen ist wichtig genug, sofort an den Ausbau dieser Bahnstrecke
zu schreiten und selbst die Regierung zu veranlassen, den Bau nöthigen-
falls in eigener Regie durchzufahren, wenn sich, was wol gar nicht
vorauszusetzen ist, eine Privatgesellschaft hiezu nicht bereit finden sollte.
449
Während der 'Ausbau der Strecke Brood, Pleternica, Orahovica
oder Brood-Novska und sodann lUovathal-Barcs speeiell im Interesse
der Sttdbahn li^en dftrfte, fordert die Eröffnung der dalmatinischen
Linie das Gesamtwohl des Staates, das eben durch politische,
militärische und Handels-Rücksichten vorgezeichnet ist.
Selbst Triest und Fiume kann in dem auserwählten Hafenorte
durch Filiale der verschiedenen Fifmen vertreten sein und an der
Handelsbewegung theilnehmen.
Die localen Verhältnisse der Hafenorte werden mitbestimmend
wirken und, wenn einerseits das Seebecken zwischen Trau, Salona, Spa-
latro alle Eigenschaften für die Aufnahme großer Handelsflotten besitzt,
spricht das Handels- und militärische Interesse für die Wahl eines
noch südlicher gelegenen Punktes, weshalb wir hier den Hafen von
Stagno mit in unseren Calcul ziehen, ohne uns in eine Untersuchung
über den Wert der Rhode von Calamota oder den Hafei) von Gravosa
einzulassen, dies Fachmännern überlassend.
Nach Wien.
Es beträgt die Entfernung von (circa):
Port-Said nach Spalatro 1195 S. M. = 120 , Std.
Spalatro, Knin, Sluin, Carlstadt . . •. . 38 M.
Carlstadt, Wien . . . 68 »
106 M. -^ 17% Std.
137% Std.
Nach Ostende und Calais.
Porl^Said, Spalatro 1195 S. M. = 120 Std,
Spalatro-Carlstadt 38 M.
Carlst-Brnck a/M. . . . . ^^3 „
Bnick-Enns, München- Augsburg .... 68 „
Augsburg, Luxemburg, Namur, Ostende . . 114 „
263 M. -^ 43% Std.
163% Std.
Port-Said, Spalatro 1195 S. M. =120 Std.
Spalatro-Carlstadt 38 M.
Carlstadt, Sternberg, Marburg, Yillach,
München, Augsburg .... . 117 „
Augsburg, Luxemburg, Namur, Ostende 114 j^
• 269~m: = 44% Std.
164% Std.
Calais 166% Std.
Mittkailuiigeu d. geogr. GasaU. 1870. 10. 29
450
lieber Stagno nach Wien.
Port-Said, Stagno .... 1110 S. M. =r 111 Std.
Stagno, Mostar, EiBeljak, Jaice, Banja-
Inka, O-radiska, Sisseck 65 M.
Sissek-Wien 68 »
133 M. = 227« Std.
133V. Std.
Port-Said, Stagno 1110 S. M. =111 Std.
Stagno, Mostar, Bares, Wien 109 M. = 187. Std.
129 7e Std.
Port-Said, Stagno 1110 S. M. = 111 Std.
Stagno, MetkoTid, Spalatro .... 20 M.
Spalatro-Carlstadt . .... 38 „
Carlstadt-Wien . 68 „
126 M. = 21 Sti
132 Sti
Nach Ostende.
Port>Said, Stagno '. . 1110 S. M. = 111 Std.
Stagno-Spalatro-Carlstadt 58 M.
Garlstadt-Brnck a/M 43 „
Bmck-Enns, Manchen- Augsburg . 68 „
Augsburg-Lnxembnrg-Ostende 114 „
283 M. = 477, Std.
1587rstd.
Port-Said, Stagno 1110 S. M. = 111 Std.
Stagno-Spalatro-Enin-Carlstadt . ö8 M.
Carlstadt, Steinbrflck, Marburg, Yillach,
Bnxen, Mtlnchen, Augsburg .... 117 „
Augsburg, Luxemburg, Ostende . 114 „
289 M. =z 487e äi
'" " 1597. Sti
Stagno von Triest .... 290 S. M. = 39 Std. Fahrt
Triest-Bruck 55 M.
Bruck-Enns-Ostende .... 182 „
237 : 397e + 140 Std. = 179»/. Std.
über Villach == I8O7. Std.
451
Man benöthiget daher von Port- Said Aber Triest nach Ostende
ISOVs Std.
«her Otranto *) nach Boologne 1407» »
r, Sftlonik-Vfflach nach Ostende 133% „
„ Stagno, ViHach „ „ 1597« ^
Abgesehen von dem militärischen Werte der Linie nach Spalatro nnd
Stagno worden beide Häfen nicht nur den Aasladeplatz der ans Serbien,
Ungarn, Groatien nach Sicilien, Spanien nnd Nordwest- Africa bestimmten
Rohprodncte und KomfrüChte anter allen Umständen bilden, sondern
aach innerhalb des 3., 4. nnd 5. Jahres den ganzen Handel and die
indische Post über Port-Said vermitteln, in immer späteren Perio-
den aber noch viele Handelsschiffe veranlassen an diesen Punkten
and auf österreichischem Gebiete anzulegen, da die Spedition
von hier aas geregelter and verläßlicher betrieben die Fahrt mit größerem
Comfort vollffthrt werden dürfte, als dies aaf der langen 113 Meilen
betragenden Linie Saloniki-Gradiska voraassichtlich der Fall sein wird.
Im December 1869.
Klima des salzburgiscben Alpenlandes.
Von Professor Dr. Job. N. Woldfich.
(Vorgetragen in der Versammlung am 17. Mai.)
In Folge mehrfach an mich ergangener Aafforderangen gebe ich
hier für die Zwecke der Geographie, der Statistik and der Land-
wirtschaft einen Aaszag aus meinem „Versach za einer Elimatographie
des salzbargischen Alpenlandes mit Berttcksichtigang der Vegetations-,
land- and forstwirtschaftlichen Verhältnisse" *♦). Ich mass daher in
Bezug aaf die Detailaasführang aaf die im genannten Werke citierten
Qaellen verweisen, wobei ich bemerke, dass aach noch einzelne seit
1866 von mir in Salzbarg gemachte Beobachtangen, so wie aach die
seither darch Herrn Dr. Lindner vervielfältigten Beobachtangen in
Tamsweg benützt sind, so wie, dass die vorliegende Skizze ihrem Zwecke
entsprechend nach einem andern Plan entworfen warde, als dieses in
meiner Elimatographie der Fall ist.
A. Klima.
Es ist bekannt, dass Salzbarg ein eigenthümliches Klima besitzt,
welches die natürliche Folge seiner geographischen Aasbreitang ist.
Neben der im Süden des Landes verlaufenden Taaemkette, welche an
*) Vorausgesetzt, dass die Bahn Qber den Mont Genis eröffnet sei.
**) Mit Subvention der k. k. Academie der Wissenschaften in Wien
herausgegeben. Leipdg and Heidelberg bei G. F. Winter 1867.
29»
452
der Grenze Langans in einem sfidöstiichen und einem nordwestlichen
Ast abzweigt und das Hochthal Lungans einschließt, nnd neben den
dnrch die Mitte des Landes verlaufenden Kalkalpen beeinflussen das
Klima Salzburgs auch die zahlreichen Gletscher der Tauem und der
Kalkalpen, die 3 Quadratmeilen oder 2*3^ der Gesammtfl&che ein-
nehmenden Gewässer (Salzach, Saale, Enns, Mur, 48 bedeutende Bäche
und 50 Seen) sowie nicht minder die Wälder, welche 32^ der Landes-
fläche bedecken.
Unter den meteorologischen Factoren , welche das Klima eines
Landes bestimmen, stehen bekanntlich die Temperatur, die Nieder-
schläge und die Winde oben an, auf deren allgemeine Auseinander-
setzung ich mich hier beschränken will.
1. Temperatur.
(Nach Reaumür.)
Die Jahrestemperatur der Stadt Salzburg beträgt 6*79^ und jene
von Tamsweg in Lungau 2'57^, woraus sich eine Jahres-Undulation
von 4'22^ ffir das ganze Land ergibt. Die Temperatur der Stadt
Salzburg beträgt um 1*25^ weniger als die Temperatur des Ideeres'
niveaus fßr den Breitegrad der Stadt. Für die Elevation der Stadt
mit 1344 Paris. Fuß beziffert sich die Temperaturabnahme unter
Zugrundelegung des Verhältnisses von 794:1 mit l-ü9^; es wäre also
die Jahreswärme Salzburgs um 044^ günstiger, als ihr vermöge
der Elevation zukäme. Innerhalb der obigen Undulationsgrenzen ist die
Temperatur der übrigen Theile des Landes vertheilt, hängt jedoch nicht
allein von der Elavation ab, da beispielsweise Kremsmünster, welches
um 27 Toisen tiefer liegt als Salzburg, eine etwas tiefere Jahres-
temperatur besitzt (6.22®); das um 13 Toisen höher gelegene Reichen-
hall in Baiern eine etwas höhere Temperatur (7.81®) hat als Salzburg,
da es gegen Norden durch den Staufen geschützt ist. Am auffiedlendsten
ist der Unterschied zwischen dem von gewaltigen Bergkolossen einge-
schlossenen, aber um 28.8 Toisen tiefer gelegenen Tamsweg (2.57*)
und dem höher gelegenen Bad Gast ein mit der Jahrestemperatur von
4.29®. Diese Unterschiede werden vorzüglich bedingt durch die Rich-
tung und Höhe der Gebirgszüge und Joche, welche die Thäler einschließen,
so wie durch die Nähe und den Umfang der Schnee- und Eüsberge.
Nachstehend sind die durchschnittlichen Mittel und Extreme der
für das Klima Salzburgs maßgebenden Stationen verzeichnet. Dieselben
sind zwischen dem 47® 4' und 48® 3' Breitegrade vertheilt and ihrer
Elevation nach folgendermaßen gelegen: Kremsmünster 196'8 Toisen,
Salzburg 2239 T., Reichenhall 236*9 T., Grubhof bei Lofer 218-0 T.,
453
St Johann in Tirol 352-0 T., Tamsweg 457-7 T., Alt-Aussee 4895 T.
and Bad Oastein 506*5 T.
a) Mittel der Temperator des Jahres und der Jahreszeiten.
Jahr
Winter
FrnbliBg
Sommer
Herbst
Kremsmttnster
+6-22
—1-49
+6-39
+13-52
+6'48
Salzburg
6-79
-0.74
6.69
13-97
7-23
Reichenhall
7-81
+0-85
7-75
14-64
8-02
Lofer
6-51
—1-30
6-91
13-27
716
St. Johann L T.
5-46
3-23
5-44
13-48
6-18
Tamsweg
2.57
5-63
2-14
9-99
3-77
Alt-Anssee
5-15
209
4-67
12-32
5-70
Bad Gastein
4-29
+5.60
—2-91
3-69
10-87
5-49
Mittel
-2.03
+5-46
+12-51
+6-25
Es beträgt somit das Jahresmittel der Temperatur fQr das salz-
burgische Gebirgsland +5.60^ , die durchschnittliche Wintertemperatur
— 2*03 <>, die Frühlingstemperatur -|-5:46^, die Sommertemperatur
•{-12*51^ und die Herbsttemperatur -|-6*25^, welche letztere höher ist
als die Frühlingstemperatur und nahezu die H&lfte der Sommer-
temperatur ausmacht.
*b) Temperaturmittel der Monate.
Jänner
A
Februar
März
A
April
A
Uai
Juni
A
Kremsmünster
2-76
-102
+-211 +6-60 +10-45
+ 12-86
Salzburg
—1-75
+■008
2-51
7-09
10-48
13-30
Reichenhall
+0-03
+ 1-54
3-82
8-46
10-97
13-94
Lofer
—3-04
+0-77
3-30
7-04
10-40
12-67
St. Johann i. T.
5-05
2-57
1-19
5-73
9-40
13-23
Tamsweg
6-72
—4-62
1-71
3-11
5-04
9-01
Alt-Aussee
—2-42
1-73
+0-71
4-63
8-68
11-68
Bad Gastein
3-69
2-06
1-50
4-89
7-69
10-42
Mittel
—3-18
1-20
+ 1-30
5-94
9-14
12-14
Juli
August
September
October
Novemb.
Dezemb.
Kremsmünster
+ 14-13
+ 13-58
+ 10-72
+6-69
+-2-04
0-71
Salzburg
14-26
14-36
11-20
7-91
2-58
—0-56
Reichenhall
14-96
15-02
11-74
8-63
3-70
+0-98
Lofer
13-26
13-88
10-44
7-69
3-35
—0-63
St. Johann i. T
. 13-77
13-44
11-02
7-31
0-21
2-07
Tamsweg
10-46
10-51
7-22
4-68
—0-60
5-51
Alt-Aussee
12-63
12-65
9-72
6-90
+0-49
2-13
Bad Gastein
10-99
11-21
9-01
6-50
0-95
2-98
Mittel
13-06
13-08
10-13
7-04
1-59
—1-70
4M
Der k<este Monat Ist demnach der Jftnner, das Mittel Udbt ia
allen drei Wintennonaten anter Nnll, der wArmste Monat ist der
Aagost nnd ihm znn&chst der Jnli.
Winter
0
c) Ttfaximnm der Temperatnr des Jahres and der Jahreszeiten.
Jahr
+23-33 —
24-68 +10-29
8-10
5-10
3-0
7-57
6-54
Erenumflnster
Salzbarg
Lofer
St. Johann
Tamsveg
AltrAossee
Bad Qastein
Mittel
i. T.
23-64
22-17
1610
23-45
22-01
FrOhling
0
+20-52
20-40
18-32
12-9
19-51
18-29
Sommer
0
+24-60
23-64
22-17 .
16-1
23-06
21-92
Herbst
0
+ 19-71
17-80
18-50
14-3
17-92
17-72
2219 6-75 18-32 21-91 17'66
Während also das Mittel der Herbsttemperatar grdfier ist als
das der FrfiUingstemperator, steigt das durchschnittliche Maximum des
Herbstes nicht so hoch als das des Frfihlings, woraus hervorgeht, das
die Temperatnr im Frflhjahre größeren Schwankungen unterworfen ist
als im Herbste.
d) Maximum der Temperatur der Monate.
J&nner Februar
0 "^
M&rz
April
Mai
A
Juni
Kremsmünster
+4-84
+6-96 +10-44 -1-15-01 +20-14 -
+21-76
Salzburg
7-18
9-01
12-66
16-78
20-30
23-17
Lofer
4-46
7-86
12-06
15-01
20-10
22-47
St. Johann i. T.
3-30
4-85
9-25
14-70
17-88
20-63
Tamsweg
1-0
1-5
3-5
9-5
12-9
14-9
Alt-Anssee
5-36
6-60
9-73
13-89
19-00
21-65
Bad Gastein
4-89
4-43
6-49
9-62
15-05
18-14
20-97
Mittel
6-18
9-61
14-28
18-35
20-79
JnU
August
September
October
Novemb.
Desemh.
Kremsmflnster
+22-26
+21-26
+ 18-67
+ 15-26 +10-40 +7-13
Salzburg
23-67
23-07
19-41
16-86
1116
8-06
Lofer
22-61
21-99
17-80
15-36
10-64
5-62
St. Jobann i. T
. 21-88
21-30
18-50
12-95
7-22
4-85
Tamsweg
15-6
16-1
14-3
8-2
5-6
2-6
Alt- Aussee
22-12
22-35
17-84
13-90
9-41
5-52
Bad Gastein
20-67
20-89
17-78
17-76
15-08
13-94
9-44
9-12
3-69
Mittel
21-26
20-99
5-35
Das Maximum der Temperatur ist somit im Monate Juli am
grüßten und im Jänner am kleinsten, nimmt im Herbste viel langsamer
466
Frfliiling sonimint, erreicht abtt* nieht die Höhe des
Monate Mai.
e) Minimwn der Temperatur des Jahres and der Jahreszeiten.
Jahr Winter Frflhling Sommer Herbst
0 0 0 0 0
Kremsmünster — 1502 — — — —
Salzburg —13-30 —13-66 —€-43 +603 —2-59
Lofer —1519 —1519 —3-89 4-87 —5-51
St Johann i. T. —1802 —18-48 —995 697 —1115
Tamsweg —2200 -22-7 —14-0 11 —12-2
Alt-Aussee —1272 —13-30 —7-22 3-92 —730
Bad Gastein —13-66 —13-87 -7-43 3-47 —7-89
Mittel —15-70 —16-20 —8-15 4-44 -7-77
Auch das Minimum der Temperatur f&llt im Frühlinge viel tiefer
als im Herbste und bestätigt den excessiren Charakter des Frühlings
g^ienüber dem Herbst.
f) Minimum der Temperatur der Monat«
).
Janner
Februar
Mirz kptil
Mai
Jani
Kremsmünster
—13-57
11-36
6-88 2-52
+ 1-15
+4-87
Salzburg
1096
9-70
— 6-06 —0-64
2-68
6-76
Lofer
15-19
10-36
3-26 —0-35
1-97
6-35
St. Johann i. T
. 17-15
14-52
9-32 - 1-38
2-00
7-23
Tamsweg
19-7
15-0
lOK) —4.4
1-8
1-4
Alt-Anssee
10-41
10-15
- 7-12 —2-48
+1-45
4-54
Bad Gastein
12-20
11-66
7-31 2-15
1-55
4-22
Mittel
- 14-17
11-82
7-14 1-99
1-29
4-91
Jtüi
Aognst Septemb. Octob. Novemb.
Deaemb.
Kremsmünster
+612
+6-11
+2-59 —0-30
- 4-82
— 8-86
Salzburg
8-19
+ 7-74
+4-66 +0-97 -
- 4.99
— 8-55
Lofer
7-40
6-67
3-81 +1-08 -
- 5-61
—10-15
St. Johann i.
T. 8-95
7-08
2-12 +0-32 -
-11-lS
-14-30
Taibaweg
4-0
3-3
2-0 —4-4 -
-12-0 •
—16-6
Alt-Aossee
5-96
5-70
3-21 —0-75
- 7-30 •
-10-15
Bad Gastein
5-87
4-78
2-81 +0-20 -
- 7-85 ■
11-21
Mittel
6-64
5-91
3-03 —0-41
- 7-67 -
-11-39
Am tiefsten sinkt somit die Temperatur im Monat J&nner, das
höchste Minimum ist im Juli, die Minima der Frühlingsmonate fallen
viel tiefer als die der Herbstmonate. Unter Null sinkt die Temperatur
durchschnittlich in den sieben Monaten: Dezembw, Jftnner, Februar,
M&rz, April, October und November,
46«
g) Ifittlere Yariatioiien der Tempeiatur des Jahres und der Jafaresniteii.
Jahr Winter Frflhling Sommer HertMt
0 0 0 0 0
EremsmOnster 38*35 — — — —
Salzburg 37-98 2386 26*97 18-57 25-00
Lofer 38-83 23-29 2429 18-77 2331
St Johann i. T. 40-19 23-58 2827 15-20 29-65
Tamsweg 38-1 25-7 26-9 14-7 26-5
Alt-Aussee 3617 20-87 2673 1914 25-22
Bad Gastein 3567 2041 25-72 18-43 2557
Mittel \.7-89 2295 2648 1747 2587
Der durchschnittliche Unterschied zwischen der höchsten und
tiefsten Temperatur des ganzen Jahres beträgt somit nahezu 38 Grad,
am geringsten ist diese Variation im Sommer, wo sie aber immerhin
noch über 17 Grad betragt, am größten ist dieselbe im Frflhling und
im Herbst.
h) Mittlere Variation der Temperatur der Monate.
J&nner Februar März April Mai Juni
Kremsmflnster 18-41 18-32 .17-32 17^-53 18''-99 16-89
Salzburg 18-14 18-71 18-66 17-42 17-62 16-41
Lofer 19-65 18-22 15-32 15-36 18-13 17-12
St. Johann i. T. 20-45 19-37 18-57 16-08 15-88 13-40
Tamsweg 20-7 16-5 13-5 13-9 14-7 13-5
Alt-Aussee 15-77 16-75 16-85 16-37 17-55 17-11
Bad Gastein 17-15 18-09 16-93 17-20 16-59 16-75
Mittel 18-61 17-99 16-74 16-27 17-07 15-88
Juli August Septemb. October Novemb. Desemb.
Kremsmflnster 16-14 15-15 16-08 15-56 15-22 15-98
Salzburg 15-48 15-33 14-75 15-89 16-15 16-61
Lofer 15-21 15-32 13-99 14-28 16-25 15-77
St. Johann i. T. 12-93 14-22 16-38 12-63 18-37 19-15
Tamsweg 11-6 12-8 12-3 12-6 17-6 19-1
Alt-Aussee 16-16 16-65 14-63 14-65 16-71 15-67
Bad Gastein 14-80 16-11 14-97 14-88 17-29 14-90
Mittel 14-62 15-08 14-73 14-36 16-79 16-74
Den Monaten nach ist die Temperatur im Jänner und Febmar
am unbeständigsten, im October, Juli, August und September am gleich-
mäßigsten.
Um jedoch das Klima einer Gegend gehörig zu wflrdigen, reichen
die besprochenen durchschnittlichen Extreme, welche beide für klinia-
tologische Untersuchungen und Vergleiche unentbehrlich sind, nicht aus;
457
maa miiss auch besonders fülr die Praxis die absolut höchsten und
tie&ten Werte kennen, bis zn denen die Temperatnr steigen oder fallen
kann. Zn diesem Zwecke eignen sich in der besprochenen Gegend
besonders die langjährigen Beobachtungen in der Stadt Salzburg, welche
nachstehend folgen.
i} Absolute Extreme der Temperatur.
(Stadt Salzburg.)
Absolut höchstes Absolut tiefstes Absolute
"
Maximum
Minimum
Variationen
Jahr
4 28-0
—240
52-0
Winter
+ 141
24-0 .
38-1
Frühling
+25-4
—16-0
41-4
Sommer
+280
— 3-3
24-7
Herbst
+22-6
10-9
33-5
Jänner
+ 13-2
240
37-2
Februar
+ 141
18-7
32-8
M&rz
+ 18-1
16-0
341
April
+20-7
5-2
0
25-9
Mai
+25-4
- 1-1
26-5
Juni
+27-6
+ 3-3
24-3
Juü
+28-0
+ 4-3
23-7
August
+26-3
-H 4-4
21-9
September
+22-2
+ 0-3
21-9
October
+22-6
i-n
24-3
November
+ 15-5
10-9
26-4
Dezember
+ 11-4
17-0
28-4
Die Temperatur der Luft kann somit im Juli bis auf 28 Grad
steigen und im Jänner bis auf 24 Grad unter Null fallen, was eine
absolute ündulation von 52 Grad ergibt; wollte man jedoch die im
selben Jahre in Tamsweg mit — .28 beobachtete Kälte in Rechnung
bringen, so ergibt sich fßr das ganze Land eine absolute Variation von
56 Grad, also nahe zwei Drittel der absoluten Variation der ganaen
Erde mit 93^, zwischen 45^ im Schatten einer Oase der nubischen
Wüste und — -48® im nördlichen Sibirien.
D^ Jahreszeiten nach entfernen sich die Extreme am meisten
im Frühling, wo die Temperatur bis auf 25*4 Grad im Mai steigen
and bis auf — 16*0 Grad im März fallen kann, am wenigsten
entfernen sich dieselben im Sommer, wo die Temperatur nicht unter
3*3 Grad und zwar im Juni herabsinkt. Den Monaten nach )[ia\>eu
Jftnner, Februar und März die größten, August und September die
458
geringsten Extreme. Mit Ausnahme der Sommermonate erhält sicfa das
Minimum der Temperatur nur noch im September tkher Null, kann aber
in allen fibrigen Monaten unter Null fallen. In Tamsweg kann aber die
Temperatur mit Ausnahme des Monates Juli in allen flbrigen Monaten
bis auf Null und tiefer fallen, Oberhaupt ist daselbst das Mininunn im
Winter, Frahling und Herbste nahe um 10 Grad tiefer als in der Stadt
Salzburg.
Was die täglichen Extreme anbelangt, so sind dieselben zu allen
Jahreszeiten sehr bedeutend, besonders im Frühling ; selbst im Sommer
kann die Tagesvariation bis 20^ in der Stadt Salzburg erreichen and
ist im Gebirg noch größer, wo die Temperatur in den engen Thäleni
bei Windstille mittags bis 24® erreichen kann, während das Thermo-
meter vor Sonnenaufgang fast auf Null Grad stand. Reif ist daselbst
besonders häufig im April, Mai, September und October, kann aber auch
in allen drei Sommermonaten eintreffen.
Einem Manuscripte des verstorbenen yerdientdn Beobachters m
Lofer, J. F er Chi, entnehme ich nachstehende Daten Aber die Jahres-
temperatur „nach Beobachtungen^ wie es daselbst heißt. Die mittlere
Jahrestemperatur beträgt fOr Unken -|-7'7<> R., Saalfelden -|-4'5^,
Leogang +4-7o und Falleck -+-4-75<>.
2. Niederschläge. (Regen und Schnee.)
In Bezug auf die messbaren Niederschläge, welche die besprochene
Gegend besonders auszeichnen, soll zunächst die Häufigkeit, dann die
Menge und die sich daraus ergebende Dichtigkeit, der Form nach,
insbesondere die Häufigkeit des Schnees behandelt werden.
a) Häufigkeit der Niederschläge des Jahres und der Jahreszeiten.
Jahr
Winter
Frahling
Sommer
Herta*
Kremsmfinster
128-2
30-9
31-2
38-7
27-8
Salzburg
168-9
38-2
46-7
47-4
36-5
Beidienhall
149-0
30-6
40-5
48-5
29-4
St. Johann i. T.
129-4
23-0
34-5
41-2
30-7
Tamsweg
128-0
—
—
—
Alt*Aii88ee
171-2
38-1
461
53-7
33-3
Bad Gastein
158-4
25-9
37-4
57-8
36-3
Mittel
147-6
31-1
39-4
47-9
32-3
Im Durchschnitt entfallen also auf das salzburgische Gebirgdand
148 Tage mit Niederschlägen (in Wien 144 Tage) ; die 'meisten kommen
in Alt-Aussee und der Stadt Salzburg vor, wo in einem Jahre
224 Niederschlagstage verzeichnet werden; durchschnittlich regßtii es
aber im östlichen Alpoizuge häufiger als bei Salzburg, im Tieigebixse
469
Salzburgs wieder seltener als im Flachlande. Am häufigsten fallen die Nieder-
schlftge in allen Stationen im Sommer (in Wien beträgt die Zahl derselben 37).
b) Häufigkeit der Niederschläge der Monate.
Sremsmiliister
J&nner
0
103
Februar
0
10-2
Mftns
0
11-0
April
0
9-6
Mai
0
10-6
Juni
0
12-8
Salzbnig
12-8
13-7
15-8
16-6
14-7
16-5
Bdehenhall
lOO
103
12-8
12-7
15-0
16-5
St Johann i. T.
5-7
8-3
10-0
11-0
13-5
12-0
Alt-Anssee
121
21-1
16-2
14-3
15-6
18-8
Bad Gastein
8-9
8-1
10-2
11-1
161
18-2
Mittel
lOO
105
12-7
12-6
14-3
15-8
JaU
Augost
Septemb.
October
NoTcmb.
Dezemb.
Kremflmfinster
13-7
12-2
9-3
8-8
9;7
10-4
Salzbarg
16-9
14-0
12-0
11-7
12-8
11-7
Reichenhall
17-0
15-0
10-8
8-7
9-9
10-3
St. Johann i. T.
16-5
12-7
11-0
9-7
10-0
9-0
Alt-Anssee
18-9
16-0
12-8
10-9
9-6
13-9
Bad Gastein
21-6
18-0
15-4
10-7
11-2
8-9
Mittel
17-4
14-7
11-9
10-1
10-5
10-7
Die Häufigkeit der Niederschläge nimmt im Durchschnitt fttr das
ganze Land vom Jänner gleichmäßig zu bis zum Monate Juli, wo die-
selbe am größten ist und von wo sie wieder abnimmt ; in den Monaten
October, November, Dezember, Jänner und Februar sind die Niederschläge
seltener , am häufigsten in den Monaten Mai , Juni , Juli und August
c) Menge der Niederschläge des Jahres und der Jahreszeiten.
Jahr
Winter
Hl
FrOhling
4tl
Sommer
•
94$
Herbst
tu
Kremsmünster
33-89
70-49
90-15
160-62
85-33
Salzburg
40-57
67-75
116-35
200-62
10217
Reichenhall
45-89
86-95
118-14
226-52
114-34
St. Johann i. T.
5101
85-26
187-93
205-47
133-45
Tamsweg
27-22
Alt-Aussee
67-47
182-55
188-48
293-26
145-40
Bad Gastein
31-06
42-44
5967
71-23
136-66
105-19
Mittel
92-08
128-71
203-86
114-31
Die durchschnittliche jährliche Menge der Niederschläge beträgt
für das ganze Land 42*44 Zoll, also mehr als das doppelte der jähr-
lichen Menge in Wien (20*53 Zoll). Am ausgiebigsten sind die Nieder*
schlage in Alt- Aussee, St. Johann in Tirol und in Reichenhall in Baiern.
Im Tiefgebirge Salzburgs ist die Menge der Niederschläge geringer aU
im Flachlande.
460
d) Menge der Niederechläge der Monate.
J&uner
Februar
Mars
Äprii
Hai
Juni
Kremsmflnster
24-18
21-88
26-53
26-80
36-82
52-'36
Salzbarg
23-81
21-99
26-98
29-63
50-^
7a31
Reichenhall
31-08
26-56
30-76
35-37
52-01
74-61
St Johann L T.
61-68
33-14
52-31
56-80
Alt-Anssee
63-59
56-71
60-92
56-56
70-60
92-20
Bad Gastein
22-79
16-9r
14-32
20-19
36-72
39-35
Mittel
37-85
29-54
31-80
36-81
50-53
65-77
Juli
August
Septemb.
Octob«r
Novemb.
Dezemb.
Kremsmflnster
55-88
52-38
33-77
27-26
24-30
24-43
Salzbarg
68-95
61-36
46-92
31-62
23-63
21-95
Reichenhall
77-69
74-22
50-22
36-76
32-36
29-31
St. Johann i. T.
85-38
71-72
69-68
35-64
28-13
30-44
Alt-Anssee
97-02
104-04
56-52
41-92
46-96
62-25
Bad Gastein
52-66
72-93
44-65
68-06
47-31
23-99
33-83
31-54
19-96
Mittel
50-74
32-87
31-39
Der regenreichste Monat ist demnach der Juli und diesem zunächst
der August und Juni, im Februar fallen durchschnittlich die wenigsten
Niederschläge. Aus den vorstehend mitgetheilten Werten fidr die S&a%-
keit und Menge der Niederschläge ergibt sich die Dichtigkeit derselben
wie folgt.
e) Dichtigkeit der Niederschlage des Jahres und der Jahreszeiten.
Jahr
Winter
FrOhling
Sommer
HeriMt
Kremsmfknster
3-17
2-'29
^^8
415
3-04
Salzburg
2-88
1-77
2-49
4-23
2-79
Reichenhall
3-69
2-84
2-88
4-68
4-04
St. Johann i. T.
4-74
3-71
5-45
4-95
4-37
Tansweg
2-55
Alt-Aussee
4-73
4-76
4-09
5-56
4-37
Bad Gastein
2-42
2-30
1-80
2-36
2-89
Mittel
3-45
2-95
3-27
4-32
3-68
Die durchschnittliche Dichtigkeit der Niederschläge mit 3*45 Linien
ist sehr bedeutend, in Wien beträgt dieselbe nur 1*71. Unter den an-
gefflhrten Stationen sind die in St. Johann in Tirol und in Alt-Aussee
am stärksten, im Bad Gastein, Tamsweg und Salzburg am schwächsten
bedacht. Der „Schnürlregen"^ der Stadt Salzburg im Sommer ist welt-
bekannt, dieser Ort muss aber den Stlndeubock abgeben auch fSr
andere Orte; ein Blick auf diese Jahreszeit in vorstehender Zusammen*
Stellung zeigt uns, dass in Alt- Aussee und dem benachbarten Iscfal ein
461
noch gröberer Schnarregen vorkommt und dftss derselbe aach in Beichen-
haU zu Hause ist wie in Kremsmünster; nur Bad Gastein ist in dieser
Beziehung begünstigt.
f) Dichtigkeit der Niederschläge der Monate.
T.
J&nner
"f
2-35
1-87
3-11
3-80
5-26
2-56
Februar
II»
2-14
1-61
2-58
3-99
4-69
2-09
üärz
11»
2-41
1-67
2-40
3-76
1-41
April
II»
2-78
2-38
2-79
4-75
3-98
1-89
Mai
3-47
3-43
3-46
4-21
4-52
2-28
Juni
4-09
4-37
4-52
4-03
4-90
2-16
Kremsmflnster
Salzburg
Reichenhall
St Johann i.
Alt-Aussee
Bad Gastein
Mittel
Eremsmünster
Salzburg
Reichenfaall
St. Johann
Alt-Aussee
Bad Gastein
Mittel 4^29 4.71 3'95 3-29 3-04 2-86
Ajn dichtesten sind die Niederschläge in den Monaten Juni, Juli
und August, am schwächsten im März. Die geringere Dichtigkeit in
den • Wintermonaten bezieht sich selbstverständlich auf den Schnee,
welcher trotz des dichtesten Schneegestöbers, wie es bei Salzburg und
besonders in den Gebirgen vorkommt, doch nicht so viele Quantitäten
Wasser liefert, wie der Regen.
g) Größte Menge der Niederschläge binnen 24 Stunden.
316
2-85
2-33
3-10
3-56
401
JuU
Augnst
Septemb.
Octob.
Movemb.
Dezemb.
»r 4-07
4-29
3-63
3-09
2-40
2-35
4-37
4-38
3-91
2-69
1-84
1-87
4-56
4-95
4-64
4-22
3-27
2-84
L T. 517
5-64
4-01
3-67
2-81
3-38
5-13
6-50
4-41
3-84
4-89
4-49
1 2-44
2-48
3-07
2-24
3-02
2-24
Jahr
18!^34
17-66
3005
15-02
Winter Frühling Sommer Herbst
tu
in
tu
9-90
23-54
1059
11-43
19-44
14-41
15-81
24-82
9-02
12-20
20O5
14-67
Kremsmflnster
Salzbarg
Alt-Aussee
Bad Gastein
Mittel "20-27 1468 15-09 16-5o 1564
Wie abnorm dicht zuweilen die Niederschläge erfolgen können,
sieht man aus vorstehenden Zahlen; es fallen oft in Alt-Aossee an
einem Tage 30 Linien Regen, also mehr als in manchen Jahren im
migarisehen Tieflande im ganzen Sommer; in Salzburg und Krems-
mflnster kommen 18 Linien vor, also mehr als häufig in Wien in
einem ganzen Monate. Bedenkt man noch, dass obige Zahlen Mittd-
werte sind aus den Extremen mehrerer Jahre, so muss man freilieh
462
staunen, wenn man hört, dass es an einem Tage in Alt-Anssee sogar
36 Linien nnd in Salzburg 25 Linien regnen kann. Aehnliche Meder-
) schlage kommen anch im Gebirge Yor und machen die häufigen üeber-
schwemmungen der Salzach in ihrem Ober- und Unterianf, so wie die
verheerenden Wirkungen der Wildbäche begreiflich, welche in der
kflrzesten Zeit zu Flflssen anschwellen und alles mit sich fortrafieo,
was ihnen in den Weg kommt
h) Größte Menge binnen 24 Stunden.
Kremsmflnster
Salzburg
Alt-Aussee
Bad Gastein
Mittel
Eremsmünster
Salzburg
Alt-Aussee
Bad Gastein
Mittel ~~
J&nner
»#»
7-17
8-27
16-54
5-32
9-33
Juli
11-86
12-16
17-74
8-87
Februar
5-31
6-33
15-58
5-94
lUrz
7-22
6-50
18-00
4-04
April
7-00
8-21
13-20
7-15
Mai
»ff
9-75
10-27
12-88
11-06
Juni
12-28
13-09
17-18
7-18
8-29
August
12-36
12-70
22-27
6-33
8-94
Septemb.
11-00
12-67
14-33
10-76
8-89
Octob.
7-83
7-82
12-39
5-60
10-99
NoTemb.
7-31
6-35
13-39
8-55
12-43
Decenb.
6-48
7-31
1204
5-68
8-90 7-88
12-66 13-42 12-19 8-41
Aus yorstehender ZosammensteUaiig , welche fflr die Verglächoi^
mit anderen L&ndern von Wichtigkeit ist, geht aufler d«n bereits oben
gesagten hervor, dass im östlichen Gebirgszuge anch ein sehr dichter nod
ausgiebiger Schneefall vorkommt, welcher den größten Mmgoi des
Regens im Sommer nicht gar so sehr nachsteht. Die SchneefiUle,
auch die minder dichten im Gebirge, sind um so charakteristischer,
als der Schnee liegen bleibt und nicht so schnell in die Erde dringt
oder verdunstet wie der reichliche Regen im Sommer. Groflariige
Schneeverwehungen sind daher im (Gebirge keine Seltenheit.
Was die Häufigkeit des Schneefalles anbelangt, so folgt dieselbe
ans nachfolgender ZusammensteUung.
i) H&ufigkeit des Schnees im Jahre und in den Jahreszeiten.
Jahr
Winter
Frohling
Sommer
Herbst
Kremsmflnster
29-2
18-5
7-5
00
3-2
Salzburg
38-4
20-7
11-5
0-0
6-2
Tamsweg
44-2
.
Alt-Anssee
72-5
37-7
21-8
0-5
12-5
Bad Gastein
48'7
23-9
14-0
0-4
10-4
Mittel
46-6
25-2
13-7
0-2
8-1
463
Es kommen somit im salzburgischen Alpenlande jährlich 47 Schnee-
tage vor; am häufigsten schneit es im Ostlichen Gebirgszuge und häufiger
im südlichen Gebirg als im Flachland. Im Frühjahr schneit es
häufiger als im Herbst, Schneefälle kommen aber auch im Sommer im
Gebirg und selbst in den Thftlem vor.
k) Häufigkeit des Schnees in den Monaten.
J&nner
Februar
Hftrz
April
Mai
Juni
Kremsmflnster
6-7
6-4
5-1
2-3
0-1
0-0
Salzbni^
7-2
8-2
7-9
3-7
0-3
OO
Alt-Aniwee
12-0
11-8
13-8
6-2
1-8
0-5
Bad Oastein
8-8
6-7
6-6
5-6
1-8
0-4
Mittel
8-7
8-3
8-4
4-5
"1-0
0-2
Juli
August
Septemb.
Octob.
NoTcmb.
Dezemb.
Eremsmflnster
OO
0-0
0-0
0-3
2-9
5-4
Salzburg
0-0
0-0
0-1
0-6
5-5
5-3
Alt-Anssee
OO
OO
0-2
2-5
9-8
13-9
Bad Gastein
OK)
0-0
0-6
1-6
8-2
6-6
8-4
Mittel
0-0
0-0
0-2
1-3
8-3
Der schneereichste Monat ist der Jänner und diesem zunächst
der Februar und December; im Flachlande schneit es in den Sommer-
monaten Juni, Juli und August nicht, im südlichen und Östlichen Gebirge
in den Monaten Juli und August nicht, in Lungan kommen aber Schnee-
fille auch in diesen Monaten vor.
3. Feuchtigkeit
Was die Feuchtigkeit der Luft anbelangt, so sind leider nur in
den drei Stationen Kremsmünster, Salzburg und Alt-Aussee längere und
ausführlichere Beobachtungen hierüber angestellt worden, deren Resultate
ans ein annäherndes Bild dieses klimatischen Factors für die besprochene
Gegend liefern.
Feuchtigkeit der Luft in Procenten.
KremsmOnster
Salzburg
Alt-Anssee
Jahr
7,
80-98
79-97
77-15
Winter
92-4
85-85
88-18
Frflhling
7.
76-4
74-67
71-83
Sommer
7.
72-5
75-54
72-82
'73-62'
Herbst
7.
85-5
83-84
79-12
Mittel
79-37
88-81
74-30
82-82
Die Feuchtigkeit der Luft mit 79'4 Procent ist eine bedeutende«
und zwar ist dieselbe im Winter am größten, im Sommer am ge-
ringsten.
464
Feuchtigkeit der Lnft der Monate.
Kremsmünster
J&imer
92-8
Februar
7.
91-6
Mirz
7„
806
April
0/
/o
70-2
Mai
7,
68-5
Jimi
7,
69U
Salzburg
86-3
83-9
77-8
73-3
72-9
76-0
Alt-Aussee
88-2
87-6
78-6
69-4
67-5
731:
Mittel
89-1
87-7
79-0
71-U "
Ö9-6
72-9
Juli
August
Septemb.
Oclob.
Novemb.
Dezemb.
Eremsmünster
72-9
75-0
80-4
85-9
91-3
92-9
Salzburg
73-9
76-7
81-0
83-8
8G-7
87-3
Alt-Aussee
72-2
73-1
74-5
76-6 .
86-2
88-7
Mittel
73-0
74-9
78-G
82-1
88-1
89-6
Unter den einzelnen Monaten ist die Luft im December am feuchtesten,
und im Mai am trockensten; die Feuchtigkeit in der Stadt Salzburg
fiel während des ganzen 25jährigen Zeitraumes nicht unter 21 Prozent
herab. Dieser reichliche Feuchtigkeitsgehalt der Luft erklart auch
die zahlreichen und sehr ausgiebigen Thauniederschläge, wie sie
nicht nur im Flachlande, sondern auch im Gebirg vorkommen.
4. T h a u.
Ffir die Beurtheilung des Klimas einer Gegend ist besonders mit
Rücksicht auf die practischen Zwecke der Landwirtschaft die Häufig-
keit und Menge des Thaues von Wichtigkeit, leider werden an
unseren meteorologischen Stationen hierüber keine Beobachtungen ange-
stellt. Im allgemeinen kann man sagen, dass die Thauniederschläge in
Salzburg sehr häufig und auch sehr dicht sind, was sich schon aus
dem bedeutenden Feuchtigkeit^ehalt der Luft vbrmuthen l&sst.
5. Nebel.
Die durchschnittliche Anzahl der Tage mit Nebel schwankt zwischen
59 in Salzburg und 9 in Lofer; am häufigsten sind dieselben am die
Stadt Salzburg und am seltensten in Niederpinzgau. Im Winter und
Herbste kommen die meisten Nebel im Flachlande, die wenigsten in
den Taurenthälem und Niederpinzgau, dagegen im Sommer die meisten
in den Taurenthälem (IGj vor. Am gleichmäßigsten sind sie im Früh-
jahr, am ungleichmäßigsten im Winter und Herbst vertheilt. Die
Stadt Salzburg hat im Winter 23, im Frühling 7, im Sommer 6, im
Herb^ 23 Tage mit Nebel ; die meisten (10) kommen im November vor.
6. Gewitter.
Die meisten Tage mit Gewittern kommen im Flachlande vor (29),
die wenigsten im östlichen Alpenzuge (9); im Frühjahre sind sie
häufiger als im Herbst, wo sie in Niederpinzgau sehr selten anftreten.
In der Stadt Salzburg kommen Gewitter auch im Winter vor (0.18), das
465
Frfll^jahr zfihlt 6, der Sommer 20 nnd der Herbst 3 Tage mit Ge-
wittern, am hftufigsten im Juni and Joli mit je 7 Tagen.
7. Hagel.
Der Hagel kommt der durchschnittlichen jährlichen Zahl nach am
h&afigsten mit 3*5 Fällen um die Stadt Salzbarg hemm and mit
2*6 Fällen im Tanrengebirge, am seltensten mit OB F&Uen an der
nördlichen Grenze vor. Die Stadt Salzbarg hat im Frflhlinge 1*3, im
Sommer 1*4 und im Herbste 0'7 HagelffiUe, am häofigsten im Jani
mit 0-8.
8. Bewölkung.
Dieselbe ist dem ganzen Jahre nach ' im Flachland and im
östlichen Alpenzage gleich and zwar sind daselbst bedeutend „mehr
trübe" Tage (212) als „heitere** Tage (113); auch in Pinzgau und
Pongau flberwiegen die trüben Tage. Man kann also im allgemeinen
sagen, dass der Himmel im Salzburgischen das ganze Jahr hindurch
mehr als zur Hälfte mit Wolken bedeckt ist. Den Jahreszeiten nach ist
die Bewölkung am geringsten im Flachland während des Sommers, im
Alpengebirge im Herbst und in Niederpinzgau im Winter. Die heitersten
Monate sind im Flachlande der August und September, in den öst-
lichen Alpen der October, im südlichen der December und Jänner.
Die Stadt Salzburg hat „mehr heitere*' Tage, im Winter 32, im
Frühlinge 38, im Sommer 44, im Herbste 39; „mehr trübe" Tage
im Winter 58, im Frühling 54, im Sommer 48 und im Herbst 52;
der bewölkteste Monat ist der December.
Die Wolken ziehen häufig im Gebirg je nach ihrer Höhe gleich-
zeitig nach verschiedenen Richtungen und lassen auf verschiedene Luft-
strömungen schließen. Auch in der Stadt Salzburg beobachtet man
öfters neben der unteren Windrichtung an den Wolken noch zwei
gleichzeitige verschiedene Luftströmungen übereinander.
9. W i n d.
Dass die in einer Gregend herrschende Windrichtung, so wie die
Intensität, mit welcher dieselbe auftritt zu den wesentlichsten Factoren
gehört, welche das Klima dieser Gegend charakterisieren, ist bekannt
Leider sind die Beobachtungen hierüber gewöhnlich ziemlich unvoll-
ständig und ungenau, was eine Yergleichung besonders von Gebirgs-
stationen erschwert. Die allgemeinen Windrichtungen des Polar- und
Aquatorialstromes werden durch die horizontale und verticale Gliede-
rung des die Beobachtungsstation einschließenden Gebirges sehr modificirt
ond der Beobachter erfährt nur aus secundären Erscheinungen des Windes
dessenAbstammung.
MittknluB.fen d. geogr. G«mU. 18T0. iO. 3ü
466
Jedes Gebirgsthal hat neben den oben genannten zwei allgemeinen
Windrichtungen, welche je nach der Lage des Thaies sogar in entg^n-
gesetzter Richtung auftreten können, noch seinen localen Wind, welcher
gleich den localen Winden der Inseln täpglich weht Die kühle Strömung
der Luft von den Eisbergen und Felshöhen gegen das Thal ist be-
sonders morgens und abends bemerkbar und sie allein bewirkt, dass
die Abende im Gebirg selbst im Hochsommer kühl sind und man
im Freien nicht wie in ausgedehnten Flachländern vor Verkühlung
verwahrt ist. So weht beispielsweise in der Stadt Salzburg morgens
und abends sehr häufig ein localer SO. Wind, welcher vom Tannen-
gebirge herabkommt; in derselben Richtung weht auch der unter dem
Namen „Föhn" bekannte Äquatorial wind , der sich durch die ihm vo^
angehende Steigerung der Temperatur und seine Stärke verbunden mit
häufigen Niederschlägen auszeichnet, aber seltener und erträglicher
auftritt als z. B. in Innsbruck. Der SO. und NW. wechseln in der
Stadt Salzburg das ganze Jahr miteinander ab. Stürme zählt die Stadt
jährHch in 34-4 Fällen, davon 8*4 im Winter, 8^0 im Frühling, 107
im Sommer und 7*3 im Herbst; die meisten kommen aus W., zunächst
aus SO. (darunter der Föhn), sonst aus NW.
In Lungau dur<2hziehen die beiden Hanptthäler das Mur- and
Taurachthal vorherrschend der kalte NW. (Tauernwind) und der laoe
SW. (Kärtnerwind). Der NW.-Wind bläst stoßweise, oft mit fürchter-
licher Gewalt aus den Winkeln heraus, eisige Kälte verbreitend; der-
selbe erscheint gewöhnlich nach anhaltendem Regen oder Schnee and
auf ihn folgt heiteres windstilles Wetter mit sehr kalten Nächten. Der
SW.-Wind ist lau, bläst ebenfalls stoßweise und bringt im Sommer
wie im Winter Niederschläge mit sich; das Thermometer steht am
4 bis 5 Grade höher, als wenn der Tauernwind bläst
Der Ostwind (Steirerwind) weht hier gleichmäßig, nie heftig, jedoch
nur selten und ist als Vorbote von Regen und Schnee berüchtigt
Für die Gebirgsthäler und Alpen sind die Winde ebenso wolthatig
als mitunter verheerend und schrecklich. Sie reinigen die Luft von deo
stagnierenden Dünsten sumpfiger Gegenden, wie beispielsweise in Ober-
pinzgau, im Gasteiner Thale, in Lungau, und der Südwind schmelit
den Schnee der Alpen, welcher sonst zum Nachtheile der Landwirt-
schaft viel zu lange liegen bliebe ; derselbe entlockt aber auch oft früh-
zeitig Knospen und Blüten der Pflanzen, um sie den Frösten des
häufigen Nachwinters preiszugeben. Die Stürme schleudern Schneelawinen
herab, stürzen Wälder um und entkleiden die Felsen des Rasens and
der Humusdecke.
467
10. Allgemeiner Charakter des Klimas.
Das Klima des salzburgischen Alpenlandes charakterisieren ünbe*
ständigkeit und rascher Wechsel der Temperatur, hoher Feuchtigkeits-
gehalt der atmosphärischen Luft, starke Bewölkung und bedeutende Dichtig-
keit der Niederschläge, sowie deren Häufigkeit im Sommer.
Den klimatischen Jahreszeiten nach herrschen hier im allgemeinen
lang andauernde Winter oder kürzere Winter mit regelmäßigem Nach-
winter, kurze Frühlinge mit rascher Zunahme der Temperatur, regen-
reiche Sommer mit plötzlichen und bedeutenden Temperaturschwankungen
und schöne, im Flachlande lange andauernde Herbste.
Ueberhaupt ist das Klima des Flachlandes Salzburgs milder als
jenes im Gebirge; während der Winter dort Ende October, meist erst
im November eintritt, beginnt derselbe in den engen von Gletschern
umgebenen Alpenthälern schon anfangs October oder sogar Ende
September ; auf mäßig hohen Terassen verlassen Senner und Sennerinnen
im October die Alpen.
Der Frühling beginnt im flachen Lande gewöhnlich anfangs April
und dauert bis Ende Mai, anfangs Juni; oft sind aber schon im März
Wald und Fluren mit zartem Laub und farbigen Blumen der Erstlinge
der Frnhlingsflora geschmückt, und im Mai steht alles in der schönsten
BlfithenfüUe. Auf mäßigen Höhen beginnt der Frühling anfangs Juni
und ist sehr kurz, auf sehr hohen Alpen und überhaupt auf den Tauem
bildet der Monat Juli den Frühling, der August den Sommer, der
September den Herbst und die übrigen Monate den Winter.
Der Sommer beginnt im Flachlande gewöhnlich anfangs oder Mitte
Juni und dauert bis Ende August, welcher Monat meist der wärmste
ist; auf mäßigen Höhen beginnt er erst im Juli und auf sehr hohen
Alpen bildet, wie schon erwähnt wurde, der Monat August den Sommer
und selbst in diesem Monate geht hier nicht selten der Regen in Schnee
über ; auf manchen Höhen und in vielen Felsschluchten ist der Sommer,
auf wenige etwas wärmere Tage beschränkt und der Winter herrscht
sonst das ganze Jahr hindurch. An sonnigen Gehängen der Hochalpen
«tagt die Temperatur dessenungeachtet oft auf einen viel höheren Grad
als im Flachlande, eine Folge der Insolation, wie auch neuerdings
Mflhry in den Schweizer Alpen nachwies, dass im Sommer zu Mittag
die Temperatur mit der Erhebung des Bodens steigt uud größer ist
als im Flachlande in freier Luft.
Der meistens schöne und weniger niederschlagsreiche Herbst tritt
im Flachlande mit seinen empfindlich, kühlen Abenden im September
ein und dauert; meist bis Mitte November, auf mittleren Alpenhöhen
30*
468
jedoch nur bis Mitte October und aiif den höchsten Alpen und eisigen
Oebirgsthftlem dauert er nur den September hindurch ')•
Auf den Höhen Salzburgs wechseln überhaupt, wie schon Braune
trefflich bemerkt hat, eigentlich nur zwei Jahreszeiten beständig mit
einander ab, nämlich der Winter und der Sommer, welchen Gegensätzen
selbst auch Tag und Nacht, Sonnenschein und Schatten unterliegen.
Während in vielen Thälern der Tag zu jeder Jahreszeit viel kflrzer,
die Nacht dagegen viel länger als auf dem flachen Lande ist, bleibt
auf hohen Alpen der Tag im Sommer viel länger und die Nacht viel
kürzer.
Es gibt auch Schluchten und Bergabhänge, welche in einzelnen
Jahresperioden nie tou der Sonne beleuchtet werden, so gelangt z. B.
in die Gegend der bekannten Marmorkugelmühlen und Marmorbrüche
am Fuße des Untersberges vom October bis zum Februar, also durch
vier Monate, kein directer Sonnenstral. Die Schattenseiten der Berge
(Schattenberge) werden nur selten und auf kurze Zeit von der Sonne
beschienen, iSfnger die Sonnseiten (Sonnenberge).
Aber auch alle vier Jahreszeiten vereinen sich brüderlich auf
andere Alpengefilden, indem da im Juli und August Felsschlünde mit
Schnee gefüllt sind, an deren schmelzendem Rande die Frühlingserstlinge
der Alpenflora (Soldanella alpina, Rhododendron hirsutum etc.) blühen;
unweit davon auf sonnigen Felskuppen die Zierden des Alpensommers
(Azalea procumbens, Cistus alpestris, Aster alpinus, Saxifrageen etc.)
und tiefer unten auf Alpenterassen die Vertreter des Alpenherbstes
(Gentiana asciepiadea, pannonica, Adenostyles alpina u. albifrons, Yera-
trum album, Aconitum-Arteu etc.) den Boden zieren.
So wie die Atmosphäre in Beziehung auf Temperatur und Gehalt
an Feuchtigkeit auf dem flachen Lande, in tiefen Gebirgsthälem, Berg-
Bchluchten und hohen Alpengefilden sehr verschieden ist, so ist auch
der Boden verschieden, der die Sonnenstralen absorbiert oder reflectiert,
der die Niederschläge aufnimmt oder verdunstet und somit auf beide
Factoren von wesentlichem Einflüsse ist; namentlich zeigt derselbe be-
deutende Unterschiede in dem Granit- und Schiefergebirge, d&i Kalk-
alpen und dem Hügel- und Flachlande. Auf den Ealkalpen und in ihrer
nächsten Nähe der Boden sehr trocken und sandig , daher die häufigen
Niederschläge und der hohe Feuchtigkeitsgehalt der Luft der Yegetatios
^) Braune sagt (S. 7.) : Schön ist gfwöhuiich der Herbst und oft, so wie
in Nordamerica lange warm; wirklich kommen auch Pflanzen aus diesem Lande
der neuen Welt in der Umgebung von Salzburg im freien sehr gut fort, z. B.
Galycauthos floridus, Phlox paoicolata PJatanus, occidentalis, Rhas Typhinom,
Bobinia Pseud^Acacia, Kubus odoratus, Thuja occideDtalis etc.
469
am Fnße derselben and auf mäßigen Höhen nicht nur sehr gflnstig,
sondern nothwendig sind; dessenungeachtet ist der Blicken und die
Kuppen derselben sehr wasserarm und die Vegetation daselbst sehr
spärlich, selbst an Cryptogamen (namentlich Lichenen) nicht so reich
wie das Schiefer- nnd Granitgebirge, in dessen Thfilem der Boden mehr
feucht und nass, ja häufig sehr sumpfig ist, wie namentlich in Ober-
pin2gau, zum Theile auch in Pongau und Lungau.
B. Rückwirkung der klimatischen Verhältnisse auf die
Vegetation.
Die besprochenen Eigenschaften des Klimas von Salzburg sind dem
Gredeihen der einheimischen Pflanzen zuträglich, oder besser gesagt,
diesen Eigenschaften entspricht ist auch die Vegetation sowol ihrer
Ausbreitung und ArteuTerschiedenheit, als ihrem periodischen Entwicklungs-
gange nach, während die fremden, größere und constantere Wärme so wie
geringere Feuchtigkeit erheischenden Pflanzen daraus Nachtheil ziehen ^).
Gerade der größere Wechsel der Temperatur der Idealität nach,
die vorherrschende Feuchtigkeit der Luft und ihre diverse Dichtigkeit
in verschiedenen Höhen, verbunden mit der Mannigfaltigkeit der Boden-
bescha£fenheit , je nach der Unterlage, die als Granit, Gneiß und
Glimmerschiefer, als Urthonschiefer , als Kalk, als verschieden zu-
sammengesetzter Sandstein älteren und jüngeren Ursprungs auftritt,
gerade diese Mannigfaltigkeit begründet auch die Ueppigkeit, die Man-
nigfaltigkeit und Fülle des Pflanzenwuchses im SaLzburgischen. Der mildere
Himmel des Flachlandes und das Polarklima des Gebirges bewirken, dass
Pflanzen wärmerer Gegenden, hoher Alpenländer und des kalten Nor-
dens behagliche Standorte finden, so dass in Salzburg die österreichische,
die Schweizer und die skandinavische Hauptvegetation . vertreten sind.
Die periodischen Erscheinungen in der Vegetation, um nach phänolo-
gischen Beobachtungen ^) zu urtheilen, die jedoch noch zu lückenhaft
') Ebenso nacbtheilig erweisen sich diese Eigenthflmlichkeiten des Klimas
auch auf den Menschen, Damentlich auf Fremde; so sind Oicht, rheumatische
Zuatftade und andere chronische Krankheiten in vielen Gegenden, selbst auch
in der Stadt Salzburg zu Hause, wo die Temperatur im Sommer binnen 24 Stunden
oft um 20* differiert und sogar im Winter binnen 6 Tagen um 26* differieren
kann, wie es auch schon z. B. vom 19.— 25. Jänner des Jahres 1810 der Fall war.
*) Solche fortgesetzte eingehende phänologische Beobachtungen, wie sie
Dr. Zillner im Jahre 1847 in Salzburg anstellte (enthalten in Storch *8
Skixsen, Salzburg 1857), würden freilich das erwOnschte Material liefern, leider
sind sie nur auf ein Jahr beschränkt. Der Vice-Director der k. k. Gentral-
Anstalt in Wien, Herr Karl Fritsch, hat bereits durch mehrere Jahre um-
fassende phänologische Beobachtungen um Salzburg in den Sommermonaten
angestellt.
470
sind, mn daraus aUgemein giltige Schlftsse ziehen zu kdnneD, ergebcD
auffallende Unterschiede in Beziehung der einzelnen Entiricklmigs-
phasen der Pflanzen, namentlich im FrOhjahre, wo h&nfig die Tempe-
rator der Lnft in den ersten Wochen dnrch einige Tage eine solclie
Höhe erreicht, wie in den letzten Wochen dieser Jahreszeit, and den Boden
hesonders erwärmt Daher sind es vorzugsweise Bodenpflanzen, welche zeitig
im Frülgahre, oft schon im Fehniar (wie im Jahre 1863) an sonnseitigen
Bergesahhängen ihre Blütenknospen entfalten, während sie in anderen
Jahren an denselben Standorten bei minder günstiger Temperatur- nnd
Feachtigkeitsverhältnissen um mehrere Wochen später blühen. Geringer
ist dieser Unterschied bei Sträuchem, am geringsten bei Bäumen. Auch
ist es begreiflich, dass auf südseitigen Bergabhangen und in Thälem,
die von Ost nach West verlaufen, die Vegetation stets viel weiter
.vorschreitet, als auf nordseitigen Abhängen (Schattenbergen) und in
Thälem, die von Nord nach Süd verlaufen.
Große Verschiedenheit in dieser Beziehung bieten die Höhen-
unterschiede der Standorte der Pflanzen, da die Temperatur nach
oben abnimmt und zwar am Nordabhang der norischen Alpen, nach
Sonnklar bei je 794 P. F. Elevation um 1 Grad der Jahres-
temperatur, *) und da auch die Luft in verschiedenen Höhen verschiedene
Mengen Feuchtigkeit enthält, je nach dem unteren „dampfreichen**
hygrometeorologischen Gürtel, der nach den Untersuchungen in der
Schweiz *) im Winter bis 1800 p', im Sommer aber bis auf 5000 p' Höhe
steigt, oder dem mittlem „hochsaturierten wölken- und regenreichen*
Gürtel, der im Winter zwischen 1800 p' und 2700 p' zu liegen scheint,
im Sommer aber bei 5000 p' Höhe beginnt, oder endlich dem darüber
gelegenen oberen „dampf- und regenarmen" Gürtel, in welchen jedoch
die Vegetation im Sommer schwerlich reichen dürfte.
Im allgemeinen beginnt die Frühlingsflora im Flachlande anfangs
April bei einer Mitteltemperatur von 5 — 6 Grad, einem durchschnitt-
lichen Maximum von 14 und einem solchen Minimum von — 33® und
bei einem durchschnittlichen Feuchtigkeitsgrade von 75® /o', dieser folgt
Ende April und anfangs Mai das Erwachen der übrigen Vegetation,
welche nun rasch ihrer Entwicklung entgegeneilt; im August werden
blühende Pflanzen seltener, im October kommen sie nur vereinzelt vor.
Wird die allgemeine Vegetationszeit in den Tief landen mit 184 Tagen (vom
21. März bis 21. September) und ihre Verkürzung um 12 Tage für je
1000 Fuß Höhe angenommen, so beträgt dieselbe bis 2000' 172 Tage, bis
*) »Ueber die Aenderungen der Temperatur in der Höhe,- Sitaaogsber.
der k. k. Acad. d. W. in Wien, ßXL. 1860. S. 60.
^) A. Mfihry, das Klima der Alpen, Göttingen 1865.
471
300(y 160 Tage, bis 4000' 148 Tage, bis 5000' 136 Tage, bis 6000' 124
Tage, bis 7000' 112 Tage. Die Getreideernte fällt £nde JuU oder
anüangs August bei einer Mitteltemperatur von 14®, einem mittleren
Maximum von 23® und einem mittleren Minimum von 8®; der Hafer
wird im September reif; das Heu wird im Juni bei einer mittleren Tem-
perator von 13®, das Grummet im September bei 11® und mitunter noch
ein zweitesmal in October bei 8® mittlerer Temperatur gemäht. Kirschen
reifen Ende Juni, Zwetschken Ende September und anfangs October;
überhaupt reifen die Culturpflanzen wegen der vielen und dichten Nie-
derschläge im Sommer, die gewöhnlich mit einem bedeutenden Minimum
der Temperatur verbunden sind, später als anderwärts.
Auf den Alpen beginnt die Frühlingsflora erst im Sommer, anfangs
Joiii, und dauert bis Mitte Juli, worauf die Sommerflora folgt und mit
dem August, höchstens anfangs September endet®). Die Frühlingsflora
des Flachlandes verspätet sich der klimatischen Aenderungen wegen mit
steigender Höhe und die der Alpen verspätet sich mit zunehmender
Höhe der Alpei\joche, so dass man Frühlingspflanzen des Flachlandes
auf den Alpen im Sommer blühend findet, und die Frühlingspflanzen
der letzteren spät im Sommer zunächt der Eisregionen, wo sie nicht
nur die mittlere Temperatur des Frühlings der unteren Region zu
dieser Zeit wiederfinden, sondern auch die Extreme derselben.
Den zwei Jahreszeiten der Alpen entsprechend (Winter und Früh-
jahr) kommen übrigens die Pflanzen der Alpen, wie schon Linnö in
seiaer «Philosophia botanica" '') richtig bemerkte, mit den Frühlingspflanzen
überein. Den klimatologischen Verhältnissen der Alpen entsprechend sind
auch die meisten Alpenpflanzen ausdauernd; unter den 3000 Alpen-
Pflanzenarten Salzburgs finden sich nach Saut er kaum mehr als
0*7 Procent ein- und zwe^ährige Gewächse.
Wie das Klima der Alpen durch seine polaren Gegensätze, die
gesteigerte Temperatur im Sommer und eine um so tiefere im Winter,
die gesteigerte Temperatur zu Mittag und eine um so tiefere in der
Nacht, mit dem Klima der Polarländer eine Aehnlichkeit besitzt, so
zeigt auch die Vegetation der Alpen eine Aehnlichkeit mit der Vege-
tation der Polarländer. So schnell daselbst beim Herannahen des
Sonmiers der Schnee verschwindet, eben so schnell, rasch und
fast gleichzeitig sind die Fortschritte der Vegetation und genau sq, wie
*) Die erstere bezeichnen nach Saut er: Weiden, Primalaceen, Sero-
folarineen, Banunculaceen und Gruciferen ; letztere : Gräser , Gompositen , üm-
beliileren, Sazifrageen, Caryophyllaceen und PapUionaceen.
') Vernaies sunt alpinae onmes , cum in alpibus hyems ezcipiat ver vis
gostata aestate adeoque citissime florescant et fructescant.
472
Graf Bray^ von Livland bemerkte, ersetzt auch hier die Natur
auf diese Weise das, was sie an Zeit während der langen Winter ver-
loren. Dies beweisen anter anderm: Alliom sibiricnm, Romex alpinvs,
mehrere Species von Aconitum, Rannncolos aconidfolins, Sonchns
alpinns, Yeratrom album etc., deren Stengel auf Yoralpen vom M<niat
Mai bis Ende Juli, also in drei Monaten, 3 — 4 Fuß hoch werden und
überdies fußlange Aeste treiben. Bluten und Samen tragen, ein Wachsen,
welches sehr schnell vor sich geht, wenn auch nicht so auffallend wie
in den nördlichen Gegenden. ,
Vom größten Belang ist neben der geognostischen Beschaffenheit
der Bodenunterlage und der plastischen Formation derselben, auch die
Beschaffenheit des Klimans ffir die Vertheilung des productiven Bodens
nach den forst- und landwirtschaftlichen Kulturen. Auf der gesammten
productiven Bodenfläche Salzburgs von 1,001.336 n. o. Jochen (worunter
1974 Joch Bauarea begriffen ist) verhält sich das Ackerland zum Wies-
land, Weideland und Waldla^d wie 1.00 zu 2.20 zu 4.45 zu 5.16*).
Den bedeutenden Extremen der Temperatur und der großen Menge und
Dichtigkeit der Niederschläge entsprechend nimmt das Ackerland die
kleinste, das Waldland und dann das Weideland die größte Fläche ein,
indem namentlich durch die letzteren klimatischen Factoren der Gras-
und Holzwuchs befördert wird und die erstere das vorherrschende Wirt-
schaftssystem der Viehzucht begründet '").
Das häufige sehr tiefe Minimum der Temperatur und zum TheOe
auch eine übergroße Feuchtigkeit verbunden mit der oft sehr dttunra
Bodenkrume gestatten nur eine bescheidene Kultur der Getreidearten,
welche nur auf das Flachland, die Thäler und sonnseitigen Abhänge im
Gebirge angewiesen ist. Im Gebirg wird ausgedehnt nur Roggen und
Hafer, weniger Sommerweizen und Gerste angebaut, während der
Anbau von Winterweizen nur dem Flachlande anheimfallt. Von Hfllsen-
fruchten werden nur Bohnen und Fisolen in Lungau angebaut ^'),
Gemüsepflanzen werden in größerem Umfange fast nur um die Stadt Salzburg
') Oraf Bray's Memoiren ■ Sm* la Livonie.« Denkschriften der k. Aca-
demie der W. in Manchen 1813. N. 68. »De cette mani^re la oatnre repare
pour ainsi dire, le temps perdu pendant les longa hivers. -
") Das Ackerland (reines und SO^o Egartland) umfasst 70.707 n. o. Joch,
das Wiesland (reines nnd 507o Egartland) 171.694 Joch, das Weideland (Hot-
weiden und Alpen) 345.809 Joch, das Waldland 401.113 Joch.
^^) Auf eine Quadratmeile entfallen bis 2034 Rinder.
^*) Die klimatischen Factoren würden in Beziehung auf Culturgewädise
wol noch mehr erlauben, wie ich in einem Vortrage bei einer Sitsung der
Filiale Salzburg auseinandersetzte, siehe »Monatsblatt der k. k. Landwirt-
BchafkB-Gesellschaft in Salzburg, Juni 18o5.~
473
kidtiTiert, einzelne mit besonderem Erfolge noch im Oebirg (Karviol in
Longaa). Der Weißkohl gedeiht bis zu einer Seehöhe von 3800' bei einer
mittleren Sommertemperator von nahe 10 Graden. Die Obstcaltnr ist erst
im Werden begriffen, dürfte aber im Oebirge mit manchen klimatischen
Schwierigkeiten zu kämpfen haben, namentlich mit kalten Winden nnd
Frösten zur Blütezeit nnd mit Schnee im Winter, womit jedoch nicht
gemeint ist, dass sie fiberall unmöglich sei, das Gegentheil beweisen
schlagende Beispiele aus Lnngau.
Die Waldung nimmt einen Flächenranm von 40 Qu^ratmeilen,
also 32^/o der Gesammtfiäche des Landes ein, und bildet den Haupt-
charakter der Vegetation; es sind durchgehends Schwarz- oder Nadel-
wälder; Laubhölzer kommen nirgend in größeren Beständen yor. Die
Holzproduction ist im Flachlande (weniger der gflnstigeren klimatischen
Verhältnisse als vielmehr der besseren Forstcultur wegen) am bedeu-
tendsten, pr. Joch l.OG Klafter, in Pinzgau nur 0.98 Klafter, in Pongau
0.99 Klafter und in Lungau nur 0.96 Klafter per Joch. Vorherrschend
werden die Wälder Salzburgs durch die Fichte (Rothtanne, Abies ex-
celsa D. C, Pinus abies L.) gebildet, welche 82% <^6S gesammten Wald-
bodens einnimmt. Schöne geschlossene Fichtenwaldungen gehen im Durch-
schnitt bis zu 5000' Seehöhe, darüber nur vereinzelt oder verkümmert. —
Vor 150 oder 200 Jahren hat noch die Holzvegetationsgrenze höber
an den Bergen hinaufgereicht, denn man findet nicht selten auf Berg-
höhen, die weit Ober der jetzigen Vegetationsgrenze gelegen sind, ver-
einzelte und ganz abgestandene Nadelholzbestände, die wahrscheinlich
wegen zu erschwerter Bringbarkeit des Holzes 'oder vielleicht theil weise
auch als Bauwaldungen mit dem Hiebe verschont wurden. Dieselbe Er-
scheinung bieten auch die benachbarten Alpen länder in Tirol und Kärnten,
was zu der Vermuthung berechtigt, dass eine Aenderung des Klimans
zum Kachtheil stattgefunden habe, w ofür auch noch der Umstand spricht,
dass noch vor 200 Jahren die Zirben (Pinus Gembra L.) in Pinzgau
fiberall ganze Bestände bildeten, was gegenwärtig nur von Lofer bis
Saalfelden der Fall ist, sonst sind sie daselbst nur vereinzelt und spar-
sam ; dass femer die Tanne (Abies pectinata D. C.) daselbst gegenwärtig
rasch abnimmt, da sie jedoch in den Schweizer- Alpen immer um
1000' gegen die Fichte zurückbleibt, so verlangt sie jedenfalls gfinstigere
klimatische Verhältnisse, die sie nun nicht mehr vorfindet. Die Ursache
einer solchen Aenderung des Klimans kann nur in der Devastierung
der Wälder gesucht werden, wozu namentlich der Abtrieb ganzer
zusammenhängender Bestände beitrug, wodurch ausgedehnte kahle
Schläge entstehen, welche bei den Hindernissen, die schon durch die
Natur der Wiederveijfingung hochgelegener Bestände entgegengesetzt
474
werden, abgesehen von den mit derlei Hochgebirgswaldnngen meist
verbundenen Weideservituten, nicht selten 15 bis 20 Jahre ohne allen
Nachwuchs bleiben.
Hierdurch verschlechtert sich besonders bei sfldlicher Lage der abge-
triebenen Bestände der ohne allen Schutz gegen die directen Somieii-
strahlen und Niederschläge verbleibende Waldboden in der Art, da»
in der Folge selbst kfinstliche Culturen erfolglos bleiben und soldie
Holzschläge für immer in Weideland umgewandelt werden mltesen.
So sind größtentheils die Alpen, welche in Salzburg 22% ^^^ Gesammt-
area des Landes einnehmen, und darunter namentlich alle sogenannten
Maisalpen entstanden. Man findet übrigens bei nördlich abgetrie^
benen Beständen, dass sich selbst große und hoch gelegene kahle Schläge
ohne Anwendung künstlicher Kultur in kurzer Zeit vollkommen bestocken,
und es ist kaum zu glauben, welche staunenswerthe Reproductionsknfi
die Natur unter minder günstig scheinenden Verhältnissen äußert
Oft können sich die Alpenbesitzer an ihren schwandrechtigen Alpen-
bloßen des Holzanfluges kaum erwehren, trotzdem jedes Frflhjabr
^geschwendet^ (von den aufwachsenden Holzpflanzen gereinigt) wird Ein
Beweis, mit welcher Barbarei man zu Werke gehen musste, um die Wälder
zu devastieren und auszurotten ^^).
Der Fichte zunächst ist die Lärche (Abies Larix Lam., Pinus LarixL)
die verbreitetste Holzart, indem sie 9^0 d^s Waldbodens einnimmt Sie
kommt theils in Beständen, theils eingesprengt unter Fichtenbeständen
vorzüglich in Lungau, Pongau und Pinzgau vor. Sie reicht noch höher
an den Bergen hinauf als die Fichte und kommt selbst noch bei einer
Seehöhe von 6000' in Baumform vor, wo die Jahrestemperatur höchstens
2 Grad beträgt, weswegen auf diesen Baum die Benennung sibirische
Ceder recht gut passt. In dieser Höhe kommt die Fichte höchstens in
verkrüppelten Zustande vor. Die Güte der Lärche hängt erkläriidier
Weise von ihrem Standorte sehr ab. Als „Steinlärche'' auf einer Höhe
von 3000 bis 6000' und auf trockenem Boden bei sonniger Lage lidert
sie das festeste Holz, das als Werk- und Nutzholz das Eichenholz ersetzt,
als „Rasenlärche^ in Thälem und niedrigen Weidebergen liefert sie ein
grobfaseriges weiches Holz, das weniger brauchbar ist als Fichtenholz. —
Die Buche (Fogus silvatica L.) nimmt 5"/o des Waldbodens ein
und kommt in Baumform höchstens bis 4000' vor ; kleine Bestände bildet
sie nur im Flachlande und in Unterpinzgau. — Die Schwarzeiie, Weiß-
erle und Weidenarten nehmen 2% ^^^ Waldbodens ein und bilden snsr
^^) Aus Pinzgau allein giengen im vorigen Jahrhundert 240.000 Klafter
Zirbenholz zur Salzpfanne nach Hallein. (J. C. Weidmannes Tourist vott
Salzburg.)
475
gedehnte Auen in den Th&lern. Neben den angeführten Holzarten bildet
nur noch die Kiefer (Pinns sylvestris L.) kleinere Bestände bei Saal-
felden, Werfen, Lofer nnd Weitwerth, sie nimmt 1% der Waldfläche
ein and steigt bei Werfen bis 500^ —
Vereinzelt nnd eingesprengt unter den angefahrten Holzarten kom-
men vom Laubholz noch Eichen, Ahome, Uhnen, Eschen, Birken und
Zitterpappeln, vom Nadelholz noch Tannen, Zirben und das Krummholz
vor. Die Eiche wächst jedoch zur Baumform nur im Flachland (beson-
ders um Salbu]^) und auf den Sonnseiten der Gebirgsthäler , in hdher
gelegenen Landestheilen enwickelt sie sich nur zum Strauche. —
Den Schluss der Holzvegetation bildet im allgemeinen die Krumm-
holzkiefer (Pinus Pumilio), welche bei südlicher LAge noch bis gegen
8000' Seehöhe ganze steile Berggehänge bedeckt und so von der größten
klimatischen Wichtigkeit ist, indem sie an diesen steilen (rehängen das
Abrutschen der ge&llenen Schneemassen, so wie auch besonders der nach
eingetretenem Thauwetter locker gewordenen Erdschichten verhindert,
die sich sonst in die Thäler stürzen und als Schnee- und Erdlawinen
die größten Verheerungen anrichten würden.
Offenes Schreiben an Herrn Professor Dr. Kiepert in Berlin.
Vor Jahren bin ich mit Ihnen Herr Professor in freundschaftlicher
Correspondenz gestanden und waren Sie auch so gefällig mir manch
wertvolles Kartenmateriale zukommen zu lassen. Um so größer und un-
angenehmer war daher die Ueberraschnng, als ich aus dem im wissen-
schaftlichen Theile der Beilage zu Nr. 262 der „Neuen Preußischen Zeitung**
ün Auszüge angeführten Berichte über die am 2. October 1869 abge-
haltene Sitzung der geographischen Gesellschaft in Berlin vorläufig Kennt-
nis erhielt von Ihrer in dieser Sitzung über die von mir herausge-
gebene Karte der europäischen Türkei ausgesprochene Ansicht. Ich be-
trachtete Ihre Auslassung jedoch einfach nur als eine, wenn gleich offen
gestanden, von einem Manne der Wissenschaft etwas befremdende Reclame
Utt die von Ihnen selbst zur Herausgabe in Vorbereitung befindliche
Karte der Türkei, weshalb ich in Erinnerung des früheren freundschaft-
lichen Verhältnisses auch glaubte diese Notitz ignorieren zu sollen.
Anders verhält es sich nun, nachdem ich vor wenigen Tagen in
dem Hefte Nr. 27 der „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde in
Berlin** einen, Ihre Namensfertigung tragenden und directe Aufforderungen
an mich enthaltenden Auüsatz fand, welcher mich zu folgender Abfer-
tiigong veranlasst:
476
Es ist wol selbstverst&ndlich, dass jeder, der mit einem Werke
sich vor die Oeifentlichkeit wagt, auf die eingehendste Kritik getest
sein mnss, ja dass sogar die herhste Kritik ihm erwflnschter sein ivird,
als wenn sein Werk mit Stillschweigen übergangen nnd somit einer
kritischen Bearthoilong gar nicht wert gehalten wflrde.
Wem wftre femer nicht bekannt, welch reiche Sch&tze an Wiaen
nnd Erfiahmng Ihnen zn Gebote stehen, Eigenschaften die sohin eben Sie
in erster Linie zam competenten Kritiker Aber kartographische Werke
qnalificieren würden, — wenn Sie eben nicht selbst Produzent w&rea.
Um aber Produzent nnd Kritiker, Partei nnd Richter zugleich, mn
— selbst Partei — doch unparteiisch zu sein, dazu gehören mehr als
gewöhnliche menschliche Tugenden, und dass Sie Herr Professor solcher
Selbstverlängnung nicht fähig sind, dafftr haben Sie in der Sitzung der
geographischen Gesellschaft am 2. October 1869 den Beweis gdiefert,
indem Sie gleich nach Ihrer schonungslosen Kritik über die von mir
herausgegebene Karte der Türkei ein par Blatter Ihrer eigenen
Karte der Türkei vorlegten.
Als einzige Erwiderung auf ihre Kritik kann ich Ihnen daher
nur zurufen t „Etwas mehr Takt Herr Professor und — weniger Leiden-
schaftlichkeit!^ — Zu einerweitern, Mftnnern der Wissenschaft ui^wftr-
digen Polemik, werde ich mich nicht herbeilassen ; überlassen wir solche
Controversen den Fabrikanten des unfehlbaren Malz-Extractes und In-
sectenpulvers.
Einen Punkt Ihrer Besprechung aber, der nicht den Wert meiner
Arbeiten, sondern die mir zur Ausführung derselben zu Gebote stehenden
Mittel betrifft, womach Sie der Ansicht zu sein scheinen, dass ich über
die Arbeitskräfte des k. k. Militär-geographischen-Institutes für meine
Privat-Arbeiten unbeschränkt verfQgen kann, sehe ich mich veranlasst
dahin zu berichtigen, dass mir wol das kartographische Material des In-
stituts zur Verfagung steht, den Individuen gegenüber ich jedoch betreff
meiner Privat-Arbeiten ganz Privatmann bin und selbe mir, selbstver-
ständlich gegen Bezahlung, nur ihre dienstfreie Zeit, und auch diese
nur dann widmen dürfen, wenn nicht das Institut selbst sie mit außer^
dienstlichen besonders zu vergütenden Arbeiten beschäftiget, dass sohin
die von mir als Privatmann herausgegebenen Arbeiten und jene des
Instituts durchaus in keinem weiteren Zusammenhange stehen.
Ich gehe nun zu der eigentlichen Veranlassung dieser meiner Ent-
gegnung über, nämlich zur Anschuldigung unbefugter Ausbeutung noch
unbenutzter neuerer Arbeiten.
Es wird Ihnen Herr Professor wol nicht unbekannt sein, dass das
Hahn 'sehe Unternehmen durch die Munificeuz der hohen k. und k. Re-
477
pienmg nnd mh Snbventioi) der k. Academie der Wissenschaften za Stande
kam, und die Resultate dieses specifisch österreichischen Unter-
nehmens der wissenschaftlichen Welt in der academischen Sitzung vor-
gelegt, hiedurch also Gemeingut derselben wurden.
Nun hatten Sie Herr Professor in Ihrem geschätzten Schreiben vom
18. August 1868 mich auf Ihre Bearbeitung des Hahn' sehen Materials auf-
merksam gemacht und solches zur Benützung empfohlen. Sie hatten dieser
Hinweisung durchaus keine Bedingung betreff des Zeitpunktes beigefügt,
nach welchem erst mir die Verwertung der aus diesem Elaborate zu ent^
nehmenden Daten gestattet wäre, nachdem Sie wol selbst die Möglichkeit
vor Augen haben mussten, dass ich ja auch ohne Ihre Zuvorkommenheit,
welcher ich gewiss alle Anerkennung zolle, mittlerweile von dem Vor-
handensein jener Karte Kenntnis erlangt haben konnte, wo dann die
Benützung hauptsächlich von Herrn von Hahn, dem eigentlichen Autor,
abhieng, welcher Ihnen sein Anrecht auf diese Autorschaft durchaus nicht
eediert hatte.
Da ich durch die Zeitungen im Herbst 1868 in Erfahrung brachte,
dass Herr General-Consul von Hahn sich in Wien befinde, so hatte
ich Gelegenheit durch die besondere Güte des Herrn Autors einen jener
Abdrücke zur Benützung zu erhalten, die demselben von der Academie
waren ausgefolgt worden.
Aus vorstehender Darlegung erhellet wol klar und deutlich, dass
die Anschuldigung unbefugter Benützung der Hahn'schen Karte voll-
kommen unbegründet ist.
Hier sei noch erwähnt, dass ich bei Empfang des Abdruckes zu-
gleich auch Kenntnis erhielt von der Meinungsverschiedenheit bezüglich
der Beschreibung der Karte, welche zwischen Ihnen, Herr Professor
und dem Autor herrschte, so wie von der Verschleppung des Druckes,
wobei ich die Bemerkung nicht unterdrücken kann, dass die Ausführung
dieser Karte eine schon unverhältnismäßig lange Zeit in Anspruch nahm
und es wol schwer zu rechtfertigen sein dürfte, dass selbe erst einige
Jahre nach bereits erfolgter Drucklegung des Textes fertig wurde.
Wien, im Juli 1870. Joseph Ritter von Sehe da
k. und k. Oberst.
Geographische Literatur.
Dr. A. Petermann: der Golfstrom und Standpunkt
der thermometrischen Kenntnis des atlantischen Oceans
und Landgebiets im Jahre 1870. Mit drei Karten.
Dieser im Hefte VI. und VII. der »geographischen Mittheiluogen« ent-
haltene Au&atz (64 8.) gehört in die Keihe jener gründlichen, wissenschaft-
lichen UntersttGhuugen aber Gegenstände der physicalischen Erdkunde, aas
478
welchen eine neue, in allen Theilen gerechtfertigte, karlographlBdie Danlellnf
hervorgeht, auf Grundlage aller vertrauungBwflrdigen Angaben ans alter und
neuer Zeit, mit kritischer Würdigung aller bestehenden Qnellenwerke und
Original karten.
Einer Uebersicht der verschiedenen Ansiebten Über die Aasdefannag d68
Golf Stromes folgen die Erläuterungen über die Construction der zwei nenea
Karten, die eine Reduction aus größereu Handseicfannngen sind, sidi
nur auf einen Theil derselben erstrecken (July, Januar), w&hrend die QiigiBafe
auch die andern Monate umfassen. Das thermometrische Materiale Ober den
atlantischen Ocean (bezüglich Über den Golfstrom) ist glücklicherweise reicldialtig,
Maury's -Wind and Gurrent Chart'sn enthalten fast 27.500 Beobachtmiffen,
Andrau's Tabellen über 44.700 Mittelwerte (20(K)— 5000 für jeden einzeben
Monat), die zahlreichen kleineren und speciellen Beobachtungen ungeredinei
Diese Massen von Zahlen müssen jedoch dem Zwecke erst angepasst werden,
um zum kartographischen Bilde verwendbar zu sein. Der dritte Abschnitt
schildert den Golfstrom und seine Wirkungen, wie sie aus der Anschauung und
dem Vergleich der Karten und Beobachtungen sich ei^eben. Im vierten Ab-
schnitt wird das muthmaßliche Ende des warmen (azurblauen) Gol&troms
besprochen, sein Untertauchen und Verschwinden im (schmutzig grünen) Polar-
strom, und die Kämpfe beider auf der ganzen Linie. Der fünfte Abschnitt ist
den wichtigen Beobachtungen über das Vorkommen des Treibholzes gewidmet,
das die sichersten Beweise liefert, einerseits wie der Golfistrom hoc£ in den
Norden reicht, andererseits dass ein freies Polarmeer existieren muss, welches
das Anschwemmen sibirischer Nadelholzgattungen auf Spitzbergen ennöfflidit
Im sechsten Abschnitte kömmt der Salzgehalt des Meeres zur Sprache, dessea
Bestimmungen ebenfalls Au&chlüsse geben, in so fem ein warmer stark ver-
dunstender Strom mehr, ein kalter wenig verdunstender weniger Salz enthält
Eine auf die Untersuchungen Forchhammer's constrnierte Handzeichnung Peter-
mann's stimmt mit den Resultaten der Temperaturkarten voDkommen Obereiii,
und man kann deren NichtVeröffentlichung nur bedauern. Der achte Abschnitt
enthält einen Rückblick auf das ganze merkwürdig constante üifaiomen aüt
Bemerkungen über gleichzeitige Luft-Temperaturen in den Continenten, über die
noch mangelhaften Untersuchungen seiner Schnelligkeit, endlich über die
vorzugsweise wissenschaftliche Aufgabe der Nordpol-Expeditionen, an denen
Deutschland so spät und, wenn auch ehrenvoll, doch noch lange nicht genügend
sieb betheiligt hat. Sehr treffend nennt Dr. Petermann die deutsche Wissen-
schaft "das Aschenbrödel« in den Staatsbudgets, und es wird leider noch lange
dauern, bis die immensen uuproductiven Auslagen in diesen Budgets solchen
productiven Platz machen.
An die Abhandlung schließt sich ein Aufsatz des dänischen Contreadmiral
G. Irminger über die Temperatur im nördlichen atlantisdien Ooean
und den Golüstrom; daran reihen sich: Tobiesen's meteorologische
Beobachtungen während einer Ueberwinterung auf der Bären-Insel vom
6. August 1865 bis 19. Juni 1866; hieran die ans 31 Paragraphen bestehende
Instruction für die zweite deutsche Nordpolar-£xpedition vom 7. Juni 1869.
Sic weicht von einer im Jahre 1868 entworfenen bedeutend ab, in so fem in
dieser die Erforschung des ganzen Eismeeres bis Nowaja Semlä hin als Auf*
gäbe gestellt war. Ein Glück dass wenigstens die zweite Instruction noch za
rechter Zeit vom Bremer-Comite gutgeheißen wurde und dadurch Petermann's
Einfluss auf die Sache nicht völlig verloren gieng. #
Von höchster Wichtigkeit sind die beigegebenen Karten.
Tafel 12 und 13 bilden Zwillingskarten : der Golfstrom im Sommer
(Juli) und Winter (Januar). Es sind Merkatorkarten von SS** bis 80** nördl.
Breite, von Philadelphia bis Nowaja-Semlä. Zunehmend stärkere Corven von
2* zu 8** B. Meeres-Temperatur und steigende Farbentöne von Blass ins
Dunkelblau, und von 2** zu 2* R. Luft-Temperatur und steigende Farbentöne
Lichtorange in's Zinnoberrothe für die Wärme, Lichtgrau zum Dunkelbituia
für die Kälte, gerechtfertigt durch die an den betreffenden Stellen ein-
getragenen Beobachtungen, versinnlichen aaf höchst deutliche und entsprechende
Weise die Ausdehnung des Golfstroms, seine Richtung und Versweigang; Mine
Gonflicte mit dem Polarstroiae, die gleichzeitige GontinentidwftnBM. Sie bieten
479
eine Fllllo von Belehrnog selbst ohne Yerbindiing mit dem Texte, mit diesem
xinr Seite ein so klares Bild des ganzen Gegenstandes in allen Beleuchtangen,
wie es immer nur gewünscht werden mag.
Die Karte Nr. 14 ist einerseits eine theilweise Uebertragong der beiden
vorigen auf eine Polarprojection, andererseits eine Erweiterung durch Karten
ifir die durchschnittlichen Polar- W&rmeverhältnisse im Sommer und Winter,
and fOr die absoluten Minima. Den Zustand im Januar stellt die mittlere
Karte dar, die den doppelten Maßstab der andern hat, links zur Seite stehen
die Kärtchen für den Sommer und den July, rechts die Kärtchen tQr den
Winter und die Minima. Das Princip der Ausführung ist dasselbe.
Man darf natürlich nicht übersehen, dass die Meerestemperatur und
die Lufttemperatur verschiedene Gurven bedingen, und dass daher ein Zu-
sammenfallen beider nicht stattfinden kann. Es liegt aber gerade darin eine
Haupteigenschaft des Golfstroms, dass nicht er durch die Luftströmungen in
seinem Wärmezustande sichtlich modificiert wird, sondern dass seine Wärme
die Temperatur der Luft wesentlich beeinflusst. Dies unumstößlich darzuthun,
dienen Dr. Petermanu's Karten auf ausgezeichnete Weise und damit ist der
Zweck ihrer mühsamen Construction völlig erreicht. A. Steinhäuser.
Bolletino della societä geografica italiana. Fase. 4
1. Maggie 1870, Firenze 1870. 8. 324 S.
Wenn gleich weniger umfangreich als das dritte Heft enthält auch das vor-
liegende vierte ein reiches Materiad an geographischen Berichten, Abhandlungen,
Gorrespondenzen, Notizen, bibliographischen Anzeigen, Nekrologen etc. Es geht
d&rans hervor, dass die lobenswerte Thätigkeit der jungen Gesellschaft in
irischer Kraft fortwährt, und durch die rasche Vermehrung der Mitglieder (mit
£nde April waren ihrer 1075) auch die Mittel wachsen, diese Thätigkeit in mehr-
fachen Kichtungen zu erproben. Die allseitige Anerkennung der Verdienste des
Präsidenten, Gomm. Ohr. Negri hat audi zu einem noch nicht erledigten An-
trage geführt, den Paragraph der Statuten, der eine Wiederwahl ausschließt,
za verändern.
Es scheint angezeigt, auf den Inhalt des Heftes näher einzugehen. Es
beginnt mit der Inauguralrede des Präsidenten , welche sich nach der Schilde-
rung des Standes der Mitglieder, des Gesellschaftsvermögens und nach Erwäh-
nung der Verluste, welche sowol der Verein als die geographische Wissen-
schaft durch den Tod ausgezeichneter Männer erlitten hat, über die Fort-
schritte der Erdkunde in allen Theilen des Erdballs verbreitet, mit Hinwei-
suog auf die projectierten Expeditionen (Müllerin Australien, die russ. geogr.
Gesellschaft in der Mongolei, ßohlfs nach Adremora, Hayes und Ny ström
zum Nordpol), auf die ersprießlichen Dienste, welche die Gonsulate und Missionen
der geographischen Wissenschaft erweisen können *), auf die Fortschritte der
physischen Wissenschaften, auf die großartigen Unternehmungen der Neuzeit
(Telegraph nach Nubien, Suezkanal) u. s. f. Schließlich übergehend auf die
Notliwendigkeit das BoUettino in 1800 Exemplaren zu drucken, macht Gomm.
Negri aufmerksam, dass in den Bibliotheken Italiens viele unveröffentlichte
Manuscripte von Keisenden aus alter Zeit liegen, welche für das BoUettino
ausgebeutet werden könnten.
Als Beilage folgt der Ausweis über die geodätischen, topographischen
und kartographischen Arbeiten des italienischen Generalstabs und der Marine.
Sie bestehen:
1. in dem Anschluss der italienischen Triangulierung über das adria-
tische Meer an die Österreichische, in der Triangulierung Galabriens, in der
Becognoscierung des Netzes über die anstoßenden Provinzen, in der Detail-
triangulierung der Umgegend von Florenz.
2. In der topographischen Aufnahme von 7662 D Kil. in Apulien
(1 : $0000), in der Fortsetzung der Aufnahme des Festungsvierecks in xvivvi
in der Keambulierung der österreichischen Karte von Neapel.
*) Es bestehen beiläufig 270 katholische und etwa 1000 andere Missionen,
wovon die enteren in runder Summe S'/s> ^® letzteren mehr als 15 Millionen
Frmaken Einkommen haben.
480
3. In der VoUendang ?on 13 filfttteni der Karte von SicOieB imd der
baldigen Fertigung der westlichen iS (in 1 :SOO(K)), in der begonnenen Bedno-
tiou derselben Karte auf ttAvv mittels der Heliographie (fotoinzisione), in der
Vorbereitung zu einer Reduction der österr. Karte von Neapel auf fTAvr«
4. In einer neuen Aufnahme der Lagunen und der Kosten des adiia-
tischen Meeres (bis Pescara gediehen), der Kosten des tyrhenischen MeereSi
Siciliens und der luselu in verschiedenem Mai5e, von Tviinr bis rvim (Yenedip
Lagunen ausnahmsweise in ^^).
In den Sitzungsberichten erscheinen die Namen der gewählten Ehren-
mitglieder, unter denen auch unser Präsident Prof. Hochstetter.
Die erste Abhandlung ist ein lesenswerter populärer Vortrag des Pro£
Donati (gehalten am 10. April 1870 am physicalischen Museum in Flerens)
Ober die historische Ausbildung unserer Kenntnisse von der Erde; die zweite
ein Aufsatz des Dr. Heinrich Oiglioli Ober die Phosphorescens des Meeres,
nach den Beobachtungen auf der Erdumseglung der Magenta; die dritte eine
Untersuchung der maliüco-zoologischen Fauna (Mollusken und Muscheln) des rothea
Meeres von Athur J ssel ; die vierte ein Bericht des Fat Philipp da S egni Ober
seine Reise von Tripoli nach Buren im J. 1850; die A&nfte ein Vorschlag eines
Ungenannten Ober die leichteste Art das innere Afhca der Gultur zu erscUieOoi,
durch Unterwerfung der Schilluk-Neger , des Stammes der Denka, und militi-
rische Expeditionen nach Süd, Ost und West, Gründung von Handelsstationen etc. ;
die sechste eine Schilderung der geologischen Formation der CydopeniiMehi
bei Catania vom Ing. l^aul Mantovani.
Der Abschnitt -Correspondenzen« enthält 1. AbdrOcke der zwischen dem
italienischen Consul, dem Pascha von Tripoli, Dr. Nachtigall und Fräulein
A. Tinn^ gewechselten Briefe, 2. einen Brief des Chefs der französischen Nord-
pol-£bcpedition G. Lambert vom April mit der Au£forderung sich an diesem
Unternehmen zu betheiligen; 3. eine ähnliche Einladung von Seite K. Maliers
in Petersburg an die ital. geogr. Gesellschaft zu einer Expedition nach Turke-
Btan. 4. eine Uebersicht des italienischen Handels im azovischen Meere (Tagas-
rog und Mariampol).
Unter den »Notizen«* findet mau erwähnt: i. Das Gesuch der ital. geogr.
Gesellschaft um Wiederabsendung der aus ErsparungsrOcksichten abbenuenen
italienischen Officiere zur Theilnahme an der österr. Marine-Expedition zur
Untersuchung des adriatischen Meeres, 2. eine AufiEählung aller Gebirgsseen
im Thal von Aosta (wobei auch des Werkes Dr. Hellers Ober die {ßi) Seen
Tirols und ihre Fische erwähnt wird); 3. einen längeren Aufsatz aus dem
Jahrbuche der fraoz. geogr. Gesellschaft Ober Land uud Volk in TOrkisch-Ar-
menien, 4. Andeutungen über Kiepert's eventuelle Keisen in Aegypten und
Palästina, Auszüge aus Rouliiefs Beschreibung von Palästina; 5. Nachricht
von der beabsichtigten Gründung einer internationalen Gesellschaft zur Erfor-
schung des gelobten Landes und von der Reise Palmer's; 6. Winke des mss.
Oberst Pottoratsky über einen Weg im West der transilischen Länder zwischen
dem Iphn uod Byr ; 7. Nachrichten Ober die Steppe von Pamir und die angren-
zende hohe Tartarei, über Livingstone's, Dr. Nachtigall's, Miklucho-MaUay^
(rothes Meer), Mareens (Aegypten) Reisen; 8. Studien des Herrn Pichet Ober
die allgemeine hydrographische Configuration von Gentral-Africa ; 9. Ober Be-
gründung einer rationellen Waldcultur in Mexico, über den Fluss Jpacsuray im
&uern von Paraguay; 10. über den SeeNipigon Ganada, der durch die Unter-
suchungen Beirs viermal größer nachgewiesen wird, als ihn die Karten bisher ange-
geben haben; 11. über Wallace's naturgeschichtliche Reise im malaischen Archipel,
12. über die Gster-Insel (Waihou) mit ihren räthselhaften Denkmalen, die nicht
von den Eingebomen herrühren können; 13. über Hie Golonisation von Neo-
Caledonien; 14. Ober die Insel La Howe bei Neu-Guinea; 15. Ober die Schiff-
brOcke bei den Auckland's Inseln; 16. Kachrichten Ober die schwedischen
Expeditionen in 's nördliche Eismeer; 17. Ober die noch nicht gedeckten Kosten
der deutschen Nordpolexpeditiou ; 18. über Vorbereitungen zu einer englischen
Südpolexpedition bei Gelegenheit der Beobachtung des Venusdurchgangs and
Wahl eines günstigen Observationspunktes ; 19. Handelsberichte, Propwnm des
internationalen, geogr. , cosmogr., Commerz. Congresses in Antwerpen; 20. £r-
theüung des franz. Preises an Lesseps; 4^1. UnuJl des kgl. ital. SchifEes Ye-
481
detta; 22« italieniBche Auswandenuig in di« la Plata*Btaateii und UebuBgs-
nismi der kgl. ital. Marine.
Den Correspondenzartikeln folgen 7 einsehende Anzeigen erschienener
vorzQjglicher Werke. Zeitschriften etc., dann die Nekrologe der verstorbenen
Mitglieder: des Graten Citadella Vigodarzere, des Prof. Fr. Ghibellini di 6am-
bara, des Marchese A. Bnsia-Serbelloni und des Archäologen und Orientalisten
P. £. Botta.
Ein Verzeichnis der Geschenke an BQchem und Karten , dann der Mit-
glieder macht den 8chlns8. Ein Beiblatt gibt Hoffiiung im 5. Hefte die Reise-
ergebnisse der Herren Garovaglia und Yigoni publiciert zu finden. Unier dem
nöthigen Schutze der Behörden giengen sie von Beirut aus nach Balbeh, Da-
maak und zurück nach Beirut , dann nach Sydon, Tyrus, Banias. Später über-
schritten sie den Jordan, kamen nach Umkriss, Irbid, Eerasis, Jagius, Hamman,
wieder zum Jordan und zurück Ober Jericho nach Jerusalem und Jaffa. Sie
waren überrascht durch die Menge hebräischer, griechischer und römischer
Alterthflmer und Inschriften, die sie in großer AnzaU zeichneten und copierten.
«—8—.
Notizen.
Die geographische GeseUsehaft in London schloss im Juni die ordent-
lichen Versammlungen der Session von 1869 auf 1870. In der letzten Sitzung
nahm der Präsident Sir Roderick Murchison Anlass über die Ansichten
der Rückkehr Dr. Livingstones zu sprechen. Er bestätigte, was wir an manchen
Stellen beobachtet haben, dass noch vielfach große Unwissenheit und falsche
Anschauungen über die Lage des Beisenden vorherrschen, woraus dem ent-
sprechend irrige Vorschläge ausgeben. Murchison hat selbst zahlreiche Aner-
bietungen von jungen Leuten erhalten , die sich an einer Expedition zur Auf-
suchung des Vermissteu betheiligen möchten. An eine solche Expedition aber
ist gar nicht zu denken. Livingstone ist nun mehr als 3% Jahr im Herzen
AJHca's, ohne europäischen Begleiter, und Murchison hat gewiss Recht, wenn
er sagt: -Der Anblick eines plötzlich vor ihm auftauchenden jungen Mannes
aus England, der sich dem Klima noch nicht anbequemt haben könnte, würde
wahrscheinlich statt eines guten einen schlimmen Eindruck auf unseren Freund
hervorbringen, weil Livingstone den Ankömmling gleich in die Cur zu nehmen
und voraussichtlich bald zu begraben haben würde. Von einer Expedition ist
daher gar nicht die Rede. Die von der Regierung angewiesenen 1000 Pfd. St.
wird, 80 viel ich weiß, der eben hier anwesende Gonsul von Zaniibar für den
Viceconsul Dr. Kirk mitnehmen, damit dieser dieselbe Expedition ausrüste,
welche bisher durch die jetzt verschwundene Cholera zurückgehalten wurde.
Die einzige Schwierigkeit ist nunmehr, von der Küste nach Üdschidschi zu
gelangen, wo Livingstone die Vorräthe und Diener erwartet.« Die Wanderung
wird wol zwei Monate beanspruchen, und vor Ablauf eines halben Jahres
werden schwerlich eigene Nachrichten von Livingstone oder gar er selbst hier
zu erwarten sein. Darauf hielt Mr. T. T. Cooper einen Vortrag über seine
jüngsten Reisen im westlichen China und östlichen Thibet, welche er in Gesell-
schafifc zweier Dolmetscher und eines Maullhiertreibers unternommen hatte, um
eine Straße f&r den Handelsverkehr zwischen China und den englischen Be-
sitzungen in Indien aufzusuchen. Diese Aufgabe vermochte er ni<£t zu lösen,
da der Weg über das Tassan- Gebirge sich äs äußerst schwierig und gefährlich
herausstellte. Nichtsdestoweniger enuiielt der Vortrag eine Anzahl interessanter
Einzelheiten über Land und Leute und sj^rach die Ansicht aus, dass die
engl. Fluss- und Gebirgskarten von China im wesentlichen correct sind. An
der Debatte, welche dem Vortrage folgte, nahm unter anderen Sir Buther-
ford Alcock, der augenblicklich in London weilende englische G^andte fOr
Cäüna Antheil, indem er seine Hoffnung aussprach, dass sich doch noch eine
gute Verkehrsstraße zwischen Assam und Se Chuen finden lassen werde, und
wenn nicht über das Grebirge, vielleicht dadurch, dass man eine Verbindung
eines der großen Flüsse mit dem Ganges aufsuche. Und eine Entdeckung wie
diese würde jedenfalls mehr Wert haben, wenn nicht gar größeren Ruhm
fanagen, als die Entdeckung der NiUinellen.
HüihaUiiiigtB cL geogr. OeseU. 1870. 10. 31
482
liTliifStdliefl FoTselmiigeii. Im -Athenaenm« Tom 11. Juni wird die toi
Keitk Johnston jiiD. veröffeDtlichte wisseDBchafüiche »Karte derSeeregios
in Ost-Africa mit Bezug auf die vod LivingstODe neuerlich ent-
deckten Nilquellen« in Verbindung mit Dr. Petermanns «Karteoakizse
zur Uebersidit der Forschungen Livingstones (Geogr. Mittheilungen 1870 Heft 5.)
cum Gegendstand einer Besprechung gemacht, die für unsere Leser von Interesse
sein dttrfte.
»Es ist befriedigend« sagt der Berichterstatter, -zu sehen wie ein alter
deutscher Geograph und ein junger englischer Kartograph in der Bewunderung
unseres größten iuricanischen Reisenden übereinstimmen und wie beide, jeder
nach seiner Auffassung, dem Publicum darlegen, was Dr. Livingstone wAlu«cd
der zwanzig Jahren ausgeführt hat, seit er den Wendekreis des Steinbocks
überschritt um den See Nyami zu entdecken. Die Ausführung beider bietet eis
hohes Interesse. Dr. Petermann gibt eine wertvolle Uebersicht von UvingstoaeB
dreißigjährigen Forschungen in Südafrica von 1840 bis 1869 mit einer in seiner
unnachamUdien Weise ausgestatteten Karte, auf weicher des Forschers einzelne
Beisen durch verschiedenurbige Linien unterschieden sind; Mr. Keith John-
ston beschreibt kurz und klar das Feld der neuesten Ergebnisse des Reisen-
den, und stellt die letzten auffallenden Thatsachen in den Vordergrund:- -Der
Flächenraum von Südafxica, den Livingstone bisher erforscht und größtentheils
fenau untersucht hat, beträgt im ganzen fast eine Million (engl.) Quadrat Meilen.
)s ist schwer, sich von diesem lUume einen richtigen Begriff zu machen; aber
annäherungsweise kann man annehmen, dass die 5 größten Reiche von Westeuropa
Frankreich, Oesterreich, Deutschland, Italien und Spanien zusammen die Aus-
dehnung jenes Gebietes bezeichnen, die Livingstone auf seinen Forschunss-
reisen der Welt erschlossen hat» Nach Livingstone zieht die Scheidelinie der
südafricanischen Gewässer, die nach Nord oder Süd fließen, zwischen dem
zehnten und zwölften Grade südlicher Breite. Der See Nyassa und die zahl-
reichen Zuflüsse des großen Flusses Zambesi führen ihre Wässer südwärts,
während der Chambeze, den man bisher für den obern Lauf des Zambesi
hielt, ein ganz verschiedener Strom ist, der seinen Lauf nach Norden nimmt
Dieser wichtige Punkt ist ein für allemal unzweifelhaft festgestellt; es ist aber
auch bei den unvollständigen und schwankenden Nachrichten, die wir von dem
Beisenden haben, ganz erklärlich, dass Geographen und Kartographen nur in
den Hauptlinien seiner Entdeckungen übereinstimmen. Dies zeigt sich auch im
Vergleich der beiden vorliegenden Karten und jener des Dr. B e k e in den
iUustierten Beisen (XV. Theil). Gleichwol kommen die verschiedensten An-
sichten zum Vorschein, sobald es sich um die Folgerungen aus der Entdeckung
des Dr. Livingstone handelt.
Nach dem Bericht unseres Reisenden erhebt sich an der Südseite des
Tanganyika (Sees) ein ausgedehntes Hochland im Flächenraum von 350 Qua-
drat Meilen. Am nördlichen Rande desselben liegt ein kleinerer See, Liemba,
der durch mehrere Flüsse genährt wird und angeblich mit dem Tanganyika
durch eine flussartige Verbindung zusammenhängt. An der Ostseite wird dieses
Hochland durch den großen Fluss Chambeze und dessen zahlreiche Zuflüsse
durchschnitten, welcher nach seinem Lauf durch die Seen Bangweolo und
Moero an der Westseite des Tanganyika nach Norden vordringt und eiuen
dritten See Ul enge ausfCÜlt, der zahlreiche Inseln, vielleicht ein Delta, umfiisst
Aus diesem See strömt er unter den Namen Lufir a weiter und zwar an der west-
lichen Seite des Hochlandes, so wie der Chambezefluss an der östlichen Seite
floss. Die drei Systeme — des Sees Liemba und der Flüsse Chambeze und
Luflira — werden von Dr. Livingstone als die östliche, centrale und westliche
Wasser-Linie bezeichnet.
Der See Liemba, der Chambezefluss, dessen zwei Seen, und viele seiner
Seitenflüsse wurden von dem Reisenden besucht. Den See Ulenge und das
Becken des Luflraflusses kennt er nur nach der Beschreibung. Es wurde ihm
mitgetheilt, dass der Lufira nach Aufnahme der Wasser des Ulenge sich
gegen Nordnordwesten in den See Chowambe ergieße, den er ÜQ^ den
Albert Nyansa Sir Samuel Bakers hält, oder dass er bei Uvira in den
Tanganyika einmünde und dann nordwärts mit dem Loanda in den
Chowambe fließe. Doch die letzte Meinung des Reisenden lautet: »Die Wasser-
488
Bienge, welche nordwftrtB bei dem 12^ 8. fließt, ist go bedentend, daas es mir
scheint, ich habe es mit den QoeUen des Gong o and des Nil sogleich sn thnn.
Tanganyika nnd Nyige Ghwambe (Backers?) sind ein nnd dasselbe Wasser,
und der Ursprung davon (das ist, die östiche Wasserlinie) ist 300 Meilen süd-
lich von hier (d. i. von Udschidschi an der Ostseite, des Tanganyika, wo der
Reisende sich damals befand). Die westlichen und centriden Wasserläafe
fallen in den von mir noch nicht besuchten westlich oder sftdwestlich gelegenen
See. £s ist nun meine Aufgabe zu untersuchen, ob sie dem Congo Sder dem
Kil angehören.« Diese Annahmen gaben bekanntlich zu verschiedenen Behauptungen
Anlass. Man bestritt, dass die östliche Wasserlinie mit dem Nilbecken irgend etwas
gemein habe. £s wird die Einheit der Seen Tanganyika und Albert Nyansa in
Anbetracht der nicht abereinstimmenden Höhe Qber der Meerosfläche bezweifelt.
Dr. Petermann findet die Behauptung Livingtone's in Betreff der Zusam-
mengehörigkeit der Seen Taganyika und Ghowambe wegen einer wider-
sprechenden Anführung des GapitAn Burton zweifelhaft. Was die centrale und
die westliche Linie des Wasserlaufs anbelangt, so wurde in Frage gestellt, db
da» Wasser des Sees Ulenge als Lufira sich nordnordwest in dem See Gho-
wambe wendet, wie Livingstone zuerst anfahrte, oder ob es sich in den noch
nicht besuchten See ergieße, von welchem man noch nicht weiß, ob sein Ans-
floss sich nach dem Googo oder nach dem Nil wendet. Viele Geographen sind
der Ansidit, dass der Cambeze den Ursprung des Gongoflusses bilde. Mr.
Keith Johnston vertheidigt auch diese Meinung, nimmt aber dabei an, dass
der große Fluss Gasaivi oder Kassabi, der au der atlantischen Seite Africa's
entspringt, zuerst gegen Nordost und Norden fließend, hierauf vereinigt mit dem
unteren Ghambexe sich gegen Nordost und West wende, und so der Ursprung
des Gongo wird, während Dr. Bekc ihn den Lauf nach Norden nehmen, und
in den iUbert Nyansa fließen lässt, wodurch er der Ehre theilbaftig wttrde, den
wahren Ursprung des Nil zu bilden. Dr. Petermann wagt es nicht eine
bestimmte Meinung auszusprechen und äußert sich dahin, dass bevor man nickt
aber die Verbindung des Ghowambesees mit dem Nilsystem Qewissheit habe,
auch Dr. Beke*8 sogenannte theoretische Entdeckung der Quellen des Nils in
den Mossambergen und in der WQste Olo Viheuda zwischen dem 12^ sAd. Breite
und dem 19° Ost. Länge nur als eine Hypothese angesehen werden könne.
In der jüngsten Zeit hat die engl. Regierung dem Dr. Livingstone durch
eine Beisteuer von 1000 Pf. die Möglichkeit verschafft, seine Forschungen fort-
zusetzen. Auch Sir. Samuel Baker oder Baker Pascha, wie er in seinem Ferman
als General-Gouverneur aller Provinzen bezeichnet wird, die £gypten in Gen-
traiafirica sich aneigoeu wird, ist so eben daran, den See Albert Nyansa und
die mit ihm in Verbindung stehenden anderen Seen mittels Oampfschiffen zu
durchforschen, die eigens hiefQr in England gebaut wurden. Die Entdeckung
der Nilquellen mittels Dampfers wäre nicht das kleinste Weltwunder des 19«
Jahrhunderts.«
Die PiAmaatfelder am Vaal River in Slldafriea. Einer uns von
Herrn Gonsul Adler in Port-Elisabeih freundlichst zugesendeten Nummer des
"Friend of the Free State and Bloemfontein Gazete« vom 5. Mai 1870 ent-
nehmen wir folgendes: Die Diamantenfelder an den Bftnken des Vaal-
fluBses sind endlich auf den Punkte einen höchst entschiedenen Erfolg zu
haben. Wir erfahren, dass eine regelmäßig organisierte Gesellschaft vonDiggem
gebildet wurde nächs^des Vaal, in geringer Entfernung von der Missionsstation
Pniel und zwar auf der gegenttberliegenden Bank des Flusses. Nicht weniger
als 100 Weiße sind gegenwärtig bei diesen Ausgrabungen tfaätig. Eine Anzahl
Verordnungen wurde sorgfältig entworfen, für deren stricte DurchfQhrung ein
Ueberwachungs-Gomite eingesetzt ist. Gegen 80 Personen haben sich zusammen-
gethan um diese , Verordnungen zu unterzeichnen.
Keine -brandy wagons- (Branntwein wagen) dürien ausspannen oder ver-
kehren innerhalb zweier Meilen des Lagers. Erlaubnisscheine zum Graben oder
Diamantensuchen werden den Bewerbern vom Gomit^ ertheilt, dieselben dürfen
sich aber auf keine großem Flächen als 20 Fuß im Quadrat erstrecken. Jede
Person, die während 3 Tagen von dem ihr zugewiesenen Platze (**claim-) ab-
wesend ist, Krankheit- oder andere gesetzli(£e Fälle ausgenommen, verliert
31»
das Btfcht auf dentelben. Nkmand darf irader Erde noch AbOll« aus
Loch auf den Ort (claim) seines Nachbars werfen.
Die Erde wird wegen WaBsermaagds auf dem Diamantenfeld gewöfanlick
nicht an dem Orte selbst gewaschen, wo sie ausgegraben wurde, sondern ii
Karren oder Wagen an das Ufer des Vaal gebracht, um daselbst gewaacheo
und sorgfältig gesichtet und gesiebt su werden.
Auf diese Art sind schon viele große und wertvolle Edelsteine entdeckt
worden. Auch ist es projectiert, sobald es die Umst&nde erlauben, das Bett da
Vaalflusses durch Baggern zu durchsuchen und den so erhaltenen Sand ss
waschen und zu prüfen. Die Gr&ber haben ihr gegenwärtiges Recht oder die
Erlaubnis zum Diamantensuchen vom Goronna-Gaptam Jan Biomo oder aeinea
Sohn erhalten. ~ Die Goronnas hatten sich vor einiger Zeit in der nnmitfeel*
baren Nachbarschaft niedergelassen; das in Frage stehende Land wird aber
gleichzeitig beansprucht vom Freistaat (Free-state), von der Transvaal-Repahlik,
vom Btalaping H&uptling Yanki und vom Griqua Gapitftn Waterboer.
Diamanten werden an beiden Seiten des Vaalflusses gefiooiden und sind
in beträchtlicher Entfernung vom Orte aufgelesen worden, wo die gegenwärticeD
Ausgrabungen begonnen haben, welche, wie wir hinzufügen können, in des
sogenannten Gampbeü Gründen liegen und früher im Besitz des veratorbenen
Oapitäns Gornelis Kok waren.
Die Transvaal- Regierung macht verzweifelte Anstrengungen um Ansprüche
auf den in Frage stehenden Strich zu erlangen, aber ohne das minderste Recht
Unter andern Plänen lud sie Diggers ein, eine Petition an die Regierung oder
den Rath zu unterzeichnen, um Schutz gegen die Eingeborenen zu veruuageD,
fand dieselben jedoch nicht geneigt dies zu thun. Es lässt sich sicher vorans»
sehen, dass binnen 12 Monaten wenigstens 1000 Leute auf den südafirtcaniaches
Diamantenfeldern thätig sein werden und aller Wahrscheinlichkeit^ nach werden
diese Männer stark genug sein, um ihren eigenen Armen zu vertrauen und
nicht des Schutzes gegen die Eingebomen bedürfen. Die Diamentenf eider sind
von Bloemfontein 2 Tagreisen zu Pferd oder etwas über 100 engl. Medien
entfernt
Ein Diamant in Wert von 500 Pfund Sterling wurde aus einem Loch
in geringer Entfernung vom derzeitigen Aufenthalte unseres Berichterstatters
herausgeholt, und der Goronna, der glückliche Finder, entäußerte sich des-
selben gegen einen Wagen sammt Ocäen im Weite von 120 bis 140 Pfimd
Sterling. Andere Diamanten in Werte von 200 bis 300 Pfund Sterling wurden
gefunden und viele im Werte von 50 bis 60 Pfund Sterling. Die meisten
Digger entäußern sich der kleinen Diamanten, um ihren Lebensbedarf zu be-
zahlen, während sie die großem und wertvolleren aufbewahreo.
Einige unter ihnen werden bereits Di&mantgeizige »diamant misers»
genannt, weil sie ihre Schätze niemanden sehen lassen wollen. Auch einige
schöne Rubine sind gefunden worden, ebenso ein Türkis, von dem wir ein
Stückchen gesehen haben, da er unglflcklicherweiser von dem Finder zerschlagen
wurde, um zu sehen wie er im Innern aussieht. Viele »landloopera- und -bon-
deltragers« (Landstreicher und Müßiggänger) sammeln sich von allen Richtungen
auf den Diamantenfeldern und bauen ihre Hoffnungen darauf; alle die im süd-
lichen Africa ohne Beschäftigung sind, werden nicht säumen dorthin ihren
Weg zu nehmen. Unser Berichterstatter sagt, es sei schon jetzt für Leute,
die lange Zeit in diesem sprichwörtlich langsam voranschreitenden Lande zu-
brachten, ein so seltsamer und belebter Schauplatz, dass^s sich verlohnt aus
100 Meilen Entfernung hinzugehen um ihn in Augenscnein zu nehmen.
Goldfelder. Der Gape Argus 7. Mai 1870 meldet:
Herr Hübner, einer der wissenschaftlichen Forscher, der von ungefiüir
12 Monaten mit Herrn Mohr von Preußen ausgesendet wurde, um die süd-
africanischen Goldfelder zu untersuchen, ist aus dem Innern zurückgekehrt und hat
uns in Bloemfontein einen Besuch abgestattet Herr H. fand das Land im ganzen
nicht interessant vom geologischen Standpunkt aus, und ist überdies der Meinung,
dass das Goldgraben am Tatin kaum einträglich sein dürfte, obschon er sogil^
dass bis jetzt noch kein Versuch gemacht wurde. Herr Hühner gieng über
Natal nach Europa. Herr Mohr ist wahrscheinlich mit Herrn T. Bains noch im
Innern.
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lleerlemeliieii. Die KöId. Zeitnog vom 19. Juni bringt ein Schreiben
ans dem Golf von Siam vom 11. April 1870 folgenden Inhalts : In der ver-
gangenen Nacht zwischen Z und 3 Uhr hatte ich Gelegenheit, eine eigenthOm-
Bche Art von Meerleuchten zu beobachten. — Es war' ganz still geworden,
nachdem zwei Standen vorher der Wind wegen eines am Horizont voraber-
ziehenden Gewitters von Süd nadi Nord-Nord-Ost umaesprungen war. Am west«
liehen Horizont wetterleuchtete es noch stark, der Himmel war mit leichten
Wolken bedeckt, durch die der Mond ziemlich hell hindurchschien. Wir machten
die Segel fest, da die Maschine gleich angehen sollte. Da bemerkte ich im
Wasser helle, große Flocken, die ich anfangs fQr Mondreflexe hielt.
Dieselben hatten etwa einen Faden Durchmesser, erschienen übrigens slanz-
loB and von unbestimmter Form, wie ein Gegenstand, der tief unter Wasser
gesehen wird. Durch die langsam auf- und abwogende Bewegung der Meeres-
ftche verschwammen diese weißen Flecken in kurzer Entfernung vom Schiffe,
ohne dem vom Mond beschienenen Wasserspiegel eine bemerkbar hellere
Färbung mitzutheilen. Gleich darauf dampften wir vorw&rts mit einer Fahrt
von seims bis sieben Knoten, da wurde ein wunderbares Schauspiel bemerkbar.
Auf beiden Seiten schr&g von vorn sah man lange, weiße Lichtwellen
auf das Schiff zufliegen , immer heller und schneller, so dass sie zuletzt fast
verschwammen und man schließlich nur ein schwirrendes weißes Licht ohne
Glanz auf dem Wasser sah. Bei längerem Hinsehen war es nicht mehr möglich,
Wasser, Horizont und Luft zu unterscheiden, was eben noch alles scharf sicht-
bar gewesen; ein dichter Nebel in langen Streifen schien in rasender Ge-
schwindigkeit auf das Schiff zuzutreiben. Die Farben erscbeinuug selbst würde
etwa der ähnlich sein, die entsteht, wenn man eine schwarz und weiß ge-
streifte Engel so rasch dreht, dass die weißen Streifen zu verschwimmen
scheinen. Das Licht war ganz als schienen wir in dichten weißen Nebel gehüllt.
Die Richtung der Lichtwellen auf das Schiff war fortgesetzt beiderseits schräg
von vom.
Die Erscheinung dauerte etwa fünf Minuten und wiederholte sich nach-
her noch einmal auf zwei Minuten. Zweifelsohne waren also Anhäufungen von
kleinen Thieren im Wasser die Ursache, und diese Wellen haben nach meiner
Ueberzeugung auch ihre Ursache in den zuerst beschriebenen weißen Flocken.
Jedoch scheint die mäßige Geschwindigkeit von \% geographischen Meile per
Stunde und das schwache Licht , welches jene Flocken zuerst zeigten, die der
Wasserfläche gar keinen Farbenton mittheiiten, doch so gar nicht danach ange*
ihan, ein Phänomen hervorzurufen von so wunderbar magischem Effect, wie
das beschriebene.
Das gewöhnliche Meerleuchten, das durch eine Bewegung im Wasser,
beim Brechen der Wellen im Kielwasser des Schiffes oder an den Rudern
eines Botes erscheint, ist mit diesem gar nicht zu vergleichen. Da ist das
Licht glanzvoll, grell grün und blau wie Phosphor, oft wunderschön im tiefen
klaren Wasser mit rötblich- weißem Schaum gemischt Eine sehr hübsche Er-
scheinung solcher Art sahen wir in einer Nacht bei vollständig glattem Wasser
in einer kleinen einsamen Bucht Nipon's. Es war stockfinster und ganz still,
da fiel ein schwerer Regen in großen , nicht allzu dichten Tropfen. Jeder in's
Wasser einschlagende Tropfen leuchtete hell auf, kleine Feuertropfen sprangen
in die Höhe und ein kleiner leuchtender Kreis bildete sich. Es sah aus, als
wenn die Bucht plötzlich von kleinen Feuerblumen bedeckt sei. Ein auf-
kommender Luftzug verwischte das Bild gleich darauf.
Die tonende Insel. Der Manitoba-See, welcher nordwestlich vom Fort
Garry liegt und der aus der Red-River-Region unlängst geformten Provinz
seinen Namen gegeben hat, leitet seine Bezeichnung von einer kleinen Insel
ab, von der in der Stille der Nacht eine "geheimnissvolle Stimme« ertönt.
Unter keinen Umständen wollen die anwohnenden Ojibways sich der Insel
nähern oder gar auf derselben landen; sie halten den Ort für den Wohnsitz
von Manitoba, »dem sprechenden Gott.- Die Ursache dieses seltsamen Tones
ist in dem Schlagen der Wellen an die am Ufer liegenden Kiesel zu suchen.
Längs der nördlichen Küste laufen Klippen von feinkörnigem Kalk, die unter
dem Schlage des Hammers wie Stahl ertöneu. Die an dais Ufer schlagenden
Wellen versnachen ein Aneinanderreihen der umherliegenden Fragmente
486
dieser Klippen, was eineD dem KÜDgen entfernter Eircfaenglocken ftlmlicbea
Ton erzeugt. Das Phänomen tritt gewöhnlich ein, wenn der Wind am dem
Norden bläst, und lässt er nach, so machen sich leise, wehklagende Töne,
gleich flüsternden Stimmen, in der Luft hörbar. Reisende schildern den Ein-
druck als höchst wirkungsvoll and versichern, bei Nacht in dem Wahne^
Glockengeläute zu vernehmen, erwacht zu sein.
Die Zukunft der Mon^lei. Jüngst berichteten die Blätter nach Mit-
theilungen aus Irkutsk von einem großen Aufstande, der in der Mongolei aas-
gebrochen sei. Wir geben die Nachricht mit den Bemerkungen, die daran
geknüpft wurden, im Auszuge.
Während im eigentlichen China Revolution auf Revolution folgte, die
Provinz Jünnan sich als selbständiges mohamedanisches Reich Tali constituierte
und auch Easchgar unter Jakub Kuschbegi sich unabhängig machte, blieb die
Mongolei ruhig. Jetzt aber gährt es dort gewaltig und die Russen sind bereits
mit militärischer Macht eingeschritten. Der Correspoudent der russischen
St. Petersburger Zeitung aus Irkutsk vom ?9 März sagt: •*Aus Urga kam die
Nachricht, dass die chinesischen Insurgenten sich ganz in der N&he der Stadt
befinden. Urga aber ist fdr uns von großer Wichtigkeit, da jetzt unser Oon-
sulat sich dort befindet und außerdem Waren für eine ansehnliche Summe
dort augehäuft sind- Daher ordnete die dortige Verwaltung auch sogleich an,
dass eine Eosaken-Abtheilung nach Urga abgehen sollte. Auf unmittelban
Verordnung ist auch der Chef der Artillerie des Militärbezirks nach dem ßaikal
abgesendet worden. Nach einigen Berichten haben die Chefs im urga'achen
Gebiete selbst bei unserer Regierung um Hilfe gebeten. Man beabsichtigt,
die zuerst dahin abgesandte Abtheilung zu verstärken. Man weiß noch
nicht, ob der jetzige Aufstand in der Mongolei ein Theil jenes verbreiteten
und wohlorganisierten Aufstandes ist, welcher schon einige Jahre im 8QdeD von
China herrscht, oder ob eine Fortsetzung des vorjährigen Aufstandes der Sei*
gonen im westlichen China, oder ein Versuch der Mongolen für sich. Jeden-
falls hat ein Aufruhr in der Mongolei für uns eine sehr wichtige Bedeutung,
da er unseren Handel mit dem südlichen China sehr erschweren, ja sogar vdl-
ständig vernichten kann.» Die Augsbiirger allgemeine Zeitung bemerkt hierza:
»Urga liegt etwa 1 Meile nördlich von dem Flüsschen Tolia and 40 Meilen
südlich von der sibirischen Grenze bei Eiachta. Der Name bedeutet Lager,
die Mongolen aber nennen die Stadt — wenn dieser Ausdruck erlaubt —
Euren oder Ta Kuren, d. h. eingefriedigter Raum. Die Bevölkerung, vorzugs-
weise aus Chalkas- Mongolen bestehend, lebt in echten Filzjurten, die wegen
der vielen Diebe mit Pallisaden umgeben sind. Die einzigen ordentlichen
Gebäude sind die Tempel und die Amtshäuser der Chinesen und Russen. Die
Bazare sind reichlich versehen und der Handel mit Pferden, lündvieh, Zelten,
Sätteln, Geschirr, Filz u. s w. ist sehr bedeutend. Noch wichtiger als der
Handel ist aber die religiöse Stellung, welche Urga einnimmt. Euer befindet
sich nämlich das große Lama-Kloster des Guiso-Tamba oder Lama- Königs der
Mongolen, der unsterblich ist und nur eine Seelenwanderung antritt. Alle
Chalkas-Mongolen stehen unter seiner Herrschaft und die chinesische Regierung
überwacht ihn von jeher sehr eilersüchtig. Als in Folge des Zuges der Fran-
zosen und Engländer nach Peking im Jahre 1860 die Russen durch das diplo-
matische Benehmen des Generals Iguatiew die Früchte jenes Feldzages fUr
sich einheimsten, ohne einen Rubel oder einen Tropfen Blut verloren zu haben,
wurde unter anderem auch die Durchreise der Russen durch die Mongolei,
and die Anstellung eines Consuls in Urga von den Chinesen zugeat&ndoL
Russland wusste für diesen wichtigen Posten seinen Mann zu wählen. Heir
Schischmarew rückte gleich mit einer Leibwache von 20 Kosaken and einer
Anzahl russischer Handwerker ein; etwas südlich von Urga wurde an einer
erhöhten Stelle das Consulatsgebäude und die russische Colonie errichtet, welche
nun bald den Ton in Urga angab und die ganze Mongolei von hier aas im
russischen Interesse überwachte. Als im Jahre 1863 der englische Reisende
Alexander Michie durch Urga kam, besuchte er den russischen Consal, dessen
Austeilung dort, wie der Engländer schreibt, mit dem Vordringen der RusBea
nach Innerasien zusammenhängt. W^nn der rechte Augenblick kommt, wird
Rassland auch hier zagreifen, und dei' Wechsel wird ohne große UmfilAiide
487
Tor rieh geben Der Kaiser von China yerlieit ein Land, das ihm mehr kostet
als es wert ist, die Mongolen bekommen den einen Herrscher statt des anderen,
und den chinesischen Kaufleuten ist es einerlei, wer König ist, wenn sie nur
ihre Geschäfte machen können. Bubsland schickt, ohne auch nur einmal in
Peking zu fragen, ohne weiteres seine Kosaken in ein Nachbarland, um einen
Auftt&nd niederzuschlagen, der möglicher Weise dem russischen Handel
ge&hrlich werden könnte. £in einfaches Schreiben des Cousuls Schischmarew
genügt, um eine russische Militärmacht nach Urga zu beordern. Der thätige
Agent hat alles gut vorbereitet und sein Terrain nach allen Seiten im Verlaufe
von zehn Jahren gehörig studiert. Im Jahre 1864 hat er sich nach Nordosten
gewandt und die Quellen des Onon, eines Quellstromes des Amur im dauri-
schen Gebirge erforscht, und 186ä hat er als der erste Europäer Uliassutai in
der westlichen Mongolei, 1 300 Werst von Urga entfernt, besucht, [m Jahre 1S65
sdirieb die •* Nordische Post», damals die officielle Zeitung des Ministeriums,
des Innern, gelegentlich einer Besprechung des russisch- chinesischen Thee-
handels: »Die Mongolei wünscht schon lange in den russischen ünterthanen-
verband zu treten und wartet nur auf eine günstige Gelegenheit.«
BLn gltteklieher Winkel der Erde. Aus der anziehenden Schilderung
der Barabä-Steppe an der Wasserscheide zwischen den Zuflüssen der
Jitysch und dem Oby, die A. y. Mlddendorf in den Schriften der St. Peters-
barger Academie der Wissenschaften jüngst veröffentlich hat, entnehmen wir
folgende bezeichnende Stelle, die sich zunächst an die Betrachtung Ober die
seltene Fülle von Vegetation und die eigenthümliche Fruchtbarkeit des von
ihm durchforschten Gebietes anschließt:
»Mächtig wie mich, den vielgewanderten, gehäbig lebenden, der Anblick
dieser wunderbaren Fruchtbarkeit erregte, ja mächtiger noch regt sich unter
den duldenden Reihen der nieder n Volksciassen die dunkle Nachricht von
diesen durch tansendzüngige Fama mit fabelhaften Berichten aufgeputzten
Wundem. Als dumpfes Geheimnis ki-eist diese Kunde in allen Hütten, die
langen Nächte der dunkeln Jahreshälfte kürzend und prallt mit den äußersten
Wogen dieses geheimnisvollen Murmeins bis an die äußersten Westgränzeu
des oolossalen Reiches. Ja, wenn die lange Landreise nicht ein noch unver-
gleichlich größeres Hindernis wäre als das unsern Welttheil von America
scheidende Weltmeer 1 Mitten iu der Barabä stiel) ich auf manche Züge von
CeberBiedlem aus den gesegneten Strichen des europäischen Russlands ; aus
Woronesk, Simbirsk, ja sogar Samara u. a. und sie machten noch immer nicht
Halt, sondern zogen immer noch weiter ostwärts. Weshalb verließet ihr eure
Heimat? — «Eng (Ijes'no) zu eng ist es bei uns worden,« heißt es dann immer
and sie folgen gleich der Wanderratte dem gebieterischen Drange, dem die
Ao^be geworden den Erdball zu bevölkern. Und verhält es sich denn etwa
anders mit dem Sibiriern selbst, deren Vorfahren in eben derselben Weise aus
dem Far-west zu ihren jetzigen Wohnsitzen heranzogen! Ich traf nur ein
einziges Dörflein, das am Kaode der östlichen Birkensteppe an dem Karasuk-
fluss sehr isoliert gelegene Kotschki, welches durch wahrhaftes Ueberströmen
von Selbstzufriedenheit einzig in seiner Art war. Laut sei es deshalb an diesem
Orte gepriesen als der glücklichste Fleck auf Gottes Erdboden, den ich auf
allen meinen weiten Reisen angetroffen. Sonst überall die alte Leier mensch-
licher Unzufriedenheit.
Voll von dem Anblick endloser prachtvoller Wiesen, bestanden mit alten
muestätischen Birken und von dem Anblicke nicht weniger Üppiger Felder
rief ich den Bewohnern des Dorfes, die mich empfiengen, entgegen, sie seien doch
Überglückliche Menschen, da es ihnen vergönnt sei ein solches Paradies zu
bewohnen. Allerdings, hieß es, und mir antwortete aus ihrem Munde in den
verschiedensten Modulationen das Echo meiner eigenen Anschauung. Bald
waren um mich alle Bewohner versammelt; nichts desto weniger blieben sie
einstimmig dabei, dass ihnen nichts, gar nichts zu ihrem Glück fehle. Als ich
aber zuletzt den Versucher spielte und fragte, ob sie denn einem Beamten keine
Klage irgend welcher Art vorzubringen hätten, so hieß es nar: Das Gebiet
unseres Dorfes hat 25 Werste im Durchmesser, wie könnten wir das alles
jemals unter Pflug und Sense nehmen I Du und dein Sohn, kommt und lasset
euch bei uns nieder l wir wollen euch mit so viel Land austatten als ihr bedüriet.«
488
»Dm ist nun» fiUirt ▼. Middendorf fort» freilich nidit das Lied, dai
man in Sibirien singen hört. Die lausende und aber lausende von Bittfchriftea
die Sr. kais. Hoheit dort ttberall empfiengen, sprachen anders. Sibirien ist
verrufen durch die endlosen Klagen seiner Bewohner — gegründete und nn-
gegrflodete — welche in manchen verwiesenen Federhelden ihre erweriwAch-
tigen Beförderer und Winkeladvocaten finden. Der Mann der Wissenschaft,
der dort reist und im höherem Range steht als die unmittelbarsten Verwal-
tungsbeamten, mag thun was er will, er kann sich den Aberall herandrängendes
Klagen nicht entziehen. Aber, gerechtfertigte oder ungerechtfertigte Klagen, sie
sind doch vollkommen in der Natur jener Verhältnisse begrQndet.
Admlral Wnngell. — Der am 6. Juni zu D orpat gestorbene russische
Admiral Baron v. Wrangell war am 29. December 1796 zn Pleskaa geboren,
erhielt seit 1809 seine Erziehung im See-Cadettencorps zu Petersburg una
wurde 1817 durch Krusenstiem's Vermittlung der Expedition beigeordnet,
die unter Golowin's Leitung die Reise um die Welt machte. Dem Euer, mit
dem er die Resultate derselben nach seiner Bückkehr im Jahre 1819 den
Gelehrten Busslands mittheilte, verdankte er es, dass ihm bereits im folgenden
Jahre jene Expedition angetragen wurde, die den Haaptruhm seines Leben
bildet. Wahrend dreier Jahre, vom November 1820 bis 18£3, ertbrschte Wrsa>
feil die Küsten und das Meer im Norden Sibiriens und suchte das Land an
ttden. dessen Existenz er mutmaßte, ja bewies, bis es erst 1867 von Long
endeckt und von den Engländern in gerechter WQrdisung seiner damaliges
Verdienste -Wrangellsland* benannt wurde. Eine abermalige Reise um die
Welt vollführte er in den Jahren 1825 bis 1827, worauf er als Gouverneur sd
Sitcha für die americanischen Besitzungen Russlands segensreich wirkte und
dabei immer geographischen und ethnographischen ForsMchungen oblag. Zoa
Contre-Admiral erhoben, stand er hierauf längerer Zeit an der Spitze dei
Departements der Marinewaldungen, ward zum General-Acüntanten des Kaisen
Nikolai ernannt, hierauf in den Reichsrath berufen und mit der Leitung dei
Marine-Ministeriums betraut; im Jahre 1847 ward Wrangell Vice- Admiral. Nach-
dem er sich 1849 aus dem Staatsdienste zurückgezogen, übernahm er dasAart
eines Directors der russisch-americanischeu Handels Compagnie.
Ferdinand Werne. Die Kölner Zeitung schreibt ans Westfalen, Mitte JnnL
Indess die gebildete Welt auf die von Jalir zu Jahr fortschreitende Aufhellung
des seit vielen Jahrhunderten über den wahren Ursprung des Nils ruhenden
Dunkels den Blick gerichtet hält und die Namen der ^ücklichen englischen
Entdecker, der Bnrton, Speke, Graut und Baker und vor allen Livingstone's,
von dem nun der letzte Schritt erwartet wird, in aller Munde sind, ist der
Name des deutschen Reisenden fast vergessen, der zuerst auf den -weiflen
Nil- als den eigentlichen Quellfluss des Nils hinwies, im Gegensatze zn dem
bis dahin überschätzten blauen Nil, so zuerst in richtiger Ahnung in jene Rich-
tung wies, in welcher seine Nachfolger seitdem ihre Entdeckungen machten. Es
ist unser westfälische Landsmann Dr. Ferdinand Werne, welcher vor nnn
einem Vierteljahrhundert, bei Gelegenheit einer Expedition Mehemend Ali*s
tief in den Süden, zuerst mit Entschiedenheit die wahren Nilquellen da ver-
mutete, wo auch Ptolomäus und die Araber dieselben hinverlegen, und zwar,
wie er am Schlüsse seines betreffenden Werkchens über die Expedition —
ans Tagebuch-Betrachtungen auf der Insel Schankar — mittheilte, schon mit
der genaueren Bestimmung, dass dieselben sich in der Richtung des Flusses
von den Bari drei Reisemonate aufwärts finden mochten. Ihm war es nicht ver
gönnt, in einer neuen Reise für seine Ahnungen die weitere Bewähmog sa
suchen. Karl Bitter schrieb ihm das Vorwort zu jeoem Expeditionsberichte und
bezeichnete ihn darin als den Entdecker des Quellgebietes des weißen Stromes ;
aber er musste anderen die thatsächliche Durchführung der weiteren Forscher
reisen Überlassen, konnte seit Jahren, schlaggelähmt^ die Berichte dersetben
nur in der engen Stube lesen, und kann jetzt dieselben sich nur voriesen
lassen, da er seit kurzem durch Erblindung am Lesen und Schreiben gehindert
ist. Wir glauben eine Pflicht der nationalen Pietät zu erfüllen, indem wir den
Namen Werners seinen Freunden und den deutschen Freunden der Geographie
in Erinnerung bringen und denselben mittheilen, dass derselbe noch lebt, aber
in drückendster Lage, vereinsamt in einem Dorife Westfislens weilt, in Bemsig-
hausen bei Lippstaat.
Die ehmiaHge WaM-V«cte Böhmen.
Bin Beitrag zur gesohichtlichen LttnderktLDde.'mit besonderem Hinbllük
auif den slidlicben Tbeil des Böhmerw^aldes (äiunava). ^)
Von Joseph Alexander Frhr. t. Helfert.
.(Mit einer Karte.)
1. „Die böhmischen Wälder.^
Wenn man eine der garten von Mitteleuropa ansieht, wie sie
noch bis vor ganz kurzer Zeit aus unseren geographisch-artistischen
Anstalten henrorgiengen, so wird der Blick unwillkürlich von jenem
schiefen Viereck angezogen, das sich, Gebirgszüge bezeichnend, rings
um Böhmen zieht, so dass man meinen könnte, ein ununterbrochener Kranz
von dem umliegenden Tief lande sich abhebender Berge sei es, was einen
naturgeschaffenen Wall um das Land bildet. Das ist nun zu einem
großen Theile allerdings der Fall. Nach Nordost g^en Preußisch-
Schlesien bilden die Höhen des Riesengebirges, nach Nordwest giegen
Sachsen j^e des Erzgebirges eine so natürliche Schutzwehr, dass der
Laie noch heute das Geheimnis eines Kriegsplanes anstaunt, der im
Jahre 1866 den Feind von diesen Seiten ganz unangefochten in^s Land
lallen ließ. In ähnlicher Weise verhält es sich mit der südwestlichen
Granze gegen Bayern. Hier ist es die Sumava, die von der Süd-
^itze Böhmens bis da wo der Ghamb, ein Zufluss des Regen, aus dem
Lande tritt, eine natürliche Scheidewand von durchschnittlich 500 bis
600 Klafter Höhe zwischen den beiderseitigen Gränzgebieten bildet Von
da aber gegen Mittemacht senkt sich das Gebirge und macht in einer
Ausdehnung von beinahe drei Meilen gegen N. W. einem sanft gewellten
Hügellande Platz, das man das böhmisch-bayerische Thor nennen könnte,
als dessen beide Riesenpfeiler zur einen Seite, nächst Neuem, der ge-
waltige phantastisch gezackte Osser, zur andern, oberhalb Taus, der
Öerchov, der Endpunkt des nördlichen Theiles des Böhmerwaldes, dar
stehen. Kann dieser Gegend kaum der Charakter einer natürlichen
Markseheide zwischen Böhmen und seinem Nachbarlande zugesprochen
^) Der Verfasser gegenwärtigen Aoüsataes hat denselben Gegenstand
bereita sweinud behandelt: das erstemal in der k. k. geographischen Gesell»
Schaft, in deren »Mittheiluogen- 1867 der Auüsatz: »Ein geographisches Bild
vom ältesten Böhmen« erschien; ein zweitesmal 1868 in einem im Wiener
Alterthumsverein gehaltenen Vortrage: »Prachatiz und der goldene Steig.« Da
aber der erstere Aufsatz, ohne Verschulden des Verfassers, von Druckfehlern
mitunter bis zur Unkenntlichkeit entstellt ist und der zweite Vortrag das Thema
viellach erweitert und mit Zugaben bereichert hat, da endlich ffir den gegen-
wärtigen Abdruck eine durchgängig neue Durchsicht und nicht unbeträchtliche
Umarbeitung vorgenommen wurde, so glaubt der Verfasser fbr diese abermalige
Bearbeitung eines ohne Frage mannigfaltiges Interesse bietenden Stoffes Ent-
Bcholdigung zu finden.
lOtthBaiugeii d. fMgT. e«MU. 1870. 11. 32
490
werden, so ist dies noch weniger von der stddsltiehen Grftnze gegen
Niederösterreich and Mfthr^ zu behaupten, and die, wie gesagt, bis
noch vor ganz karzer Zeit übliche Kartographie war daher im ent-
schiedenen Unrecht, wenn sie Böhmen anoh nach dieser Seite hin wie
von einem Gebirgswalle umschlossen darstellte. Allein in anderer
Weise hatte das alte Böhmen auch nach dieser und überhaupt ringsum
nach allen Seiten einen natürlichen Schutfl, und es ist ebie Errongen-
sohaft der Geschichtsforschung unserer Tage, diese Thatsache aii*s Licht
gesogen und zur klaren Gewissheit gebracht zu haben *).
Um das alte Böhmen n&mlich zog sich, da wo hohe (Jebii^tsrficken
eine selbstgeschaffene Schutzwehr bildeten, aber auch dort, wo dies
nicht der Fall war, in das Land hinein und jenseits aus dem Lande
h!i!iaus, ein mehrere Stunden, bis zu ganzen Tagreisen breiter Urwald,
gleichsam ein großartiger lebendiger Zaun, von dem das ganze innere
Gebiet umfriedet war. Der Bestand dieser Umwaldung des Landes
Iftsst sich bis in die ältesten geschicbtlichen Zeiten zurflckverfolgen. So
schm&ht der große Cheruskerfürst seinen flüchtigen Gegner Marbod
„den durch die SeMupfwinkel des hercynischen Waldes geschfitztea^
(Hercynise hitebrls defensum). So spricht Vellejus Paterculus von dei
Markomanen, dem einzigen damals noch unbesiegten germanischen Volke,
dass es sich in das Innere seines Landes zurückgezogen habe, wo es
„die vom hercynischen Walde umschlossenen Gefilde*' (incinctos Heffy-
tdä süva campos) bewohne und gegen welches der Kaiser, während er
selbst es von Canrantum aus angreifen wolle, von einer andern Seite dm
Sentius Satuminus ausgeschickt habe,' damit dieser von dem Land der
Katten aus, „die undurchdringlichen hercynischen Wftlder f&llend^ (excisis
continentfbus Hercyni» silvis), sich den Weg nach Bojoh&mum bahne.
Aus dieser eigenthümlichen Beschaffenheit der Umgrftnzung des alten
Böhmen erkl&rt sich die ungemeine Beschwerlidikeit und Gef&hriichkeit
einer kriegerischen Unternehmung gegen dasselbe, die sich begreiflfeb«^
weise an jenen Stellen erhöhte, wo zur Undurchdringlichkeit der Wilder
die Höhe und Steilheit der Berge trat. Darum pflegte auch die Kriegs-
kunst der alten Böhmen, im Gegensatze zu der Strategie von neoesteB
*) y. y. Tomek Ndco o pomezi zem^ 6esk6 za nejstariich dasfi ai do
proBtfedku 13. stoleti. Cas. Cesk. Mus. 18S5 p. 460—475; Dr. Hermenegild
Jiredek Slovansk^ pr4vo v Öecb&ch. Doba nejstarsi: Od prvDich zprir do
konce X. stoleti (s mappou); v Praze, sklad £. ßellmanoa, 1863. Doba druhi:
Od poditku XL do konce XHI. stoleti (s mappdu); tamtöi i86i. Und des-
selben: Das Recht in Böhmen und Mähren, geschichtlich dargestellt; L Bd.
yon den ersten Nachrichten bis zum Schlüsse des XII. Jahrhunderts; Fn§,
Bellmann, 1866.
491
1 Datum, den Feind nicht Torweg mit atter Macht in Lande sich
' bmUfn zu lassen und dann erst ihn anzugreifen, sondern im Gegen-
theile Ton den natürlichen Schutzmitteln ihres Landes besten Gebranch
zn machen , nftmlich die dnrch den Gränzwald fahrenden Wege abzu-
graben oder dnrch Verbane ans gefällten Stimmen zu verlegen. Ton
dieser Art natflrlicher Yertheidigung gegen den ftußem Feind sprechen
die Annales Fuldenses wiederholt. So zum Jahre 849, wo die Kriegs*
scharen Ludwigs des Deutschen in der Gegend Ton Eger durch ein
„Valium in via publica*^ aufgehalten wurden, und zum J. 871, wo die
Böhmen eine eigene Art Yerschanzung angelegt hatten, mit einem sehr
engen Eingang, „ut si forte aliquis illnc veniret, in ipso angusto itinere
nusquam declinare valens occideretur.^ Dietmar von Merseburg beschreibt
am J. 1004 den Zugang von der Bantzener Seite als unsäglich
schwierig („Henricus 11. Milzienos terminos per ineffabilem itineris
düßeultatem adiens'^i; und geradezu unheilvoll wurde seehsunddreißig
Jahre später dem Heere Heinrich III. der Versuch durch das Chamb-
thal in das b^Jhmische Land zu dringen. Herzog Bt^etislav, so erzählt
die Reim-Chronik des Ritters Dalemil, eilte dem Feinde an die Gränze
entgegen, „und als er nach Taus in den Forst kam und erfuhr, dass
sich der Kaiser schon im Walde befinde, da erhob er sich mit all dep
Seinen und befahl ihnen allen in den Wald zu gehen, den Choden aber
den Wald zu verhauen^ '). Mitten im Walde erfolgte dann ein erbitterter
zweitägiger Kampf, und die deutschen Annalisten können nicht genug
v<m den kflnstlichen und natfirlichen Schwierigkeiten erzählen, aus
denen die Böhmen ihren Angreifern gegenüber Nutzen zu ziehen wussten.
Sie schildern ans einen Yerhan als „firmissimam quamdam machinam*^;
sie berichten, wie Graf Wemhar mit der Vorhut auf den engsten Pfaden
an eine Stelle gekommen, die ihm überaus ungünstig, aber für die vom
Feinde gelegten Hinterhalte ganz passend (^sibi nimis infaustnm,
hoetium antem fraudi satis accomodum**) gewesen sei; sie beschreiben,
wie das deutsche Heer, in die Dichte des Forstes verstrickt, weder mit
Maebt sich ausbreiten noch dem Feinde an den Leib habe rücken können
(„densltate saltus irretitis copia non erat feriendi vel manns con-
serendi^), so da^ sie zuletzt mit großem Verluste an Gut und Blut
ihr Heil in der Flucht suchen mußten. Auch zum J. 1108 weiß man
von einem Kampfe „in medio sylvarum commisso^ zwischen Boleslav III.
Schiefinanl von Polen, der die Abwesenheit des Herzogs Svatopluk zu
einem Einfall nach Böhmen benützte,nnd den Landesverwesem Mutina und
').... na ci^safe iede, kdyi do Domaitlic v hvozd viede, vziedie ze
iuz d^aaf v lese, se vsemi vzdviie sie. I k&za hned v§em v les yjiti a cho-
dtar lea zarübiti. ^anka 1851 v. 1997— 1^002.
32*
492
Vftcek, die Svatopl«k mit der GräDSwacht auf dieser Seite des Landes
betrsQl hatte. Gredenken wir noch der schwereo Niederlage, die König
Lothar 1126 gegen Herzog Soblslav bei Kulm im Erzgebirge erlitt, so köianm
wir uns ein beil&nfiges Bild von der St&rke and den gewaltigen Hil&-
mittehi jener natflrlichen Schatzwehr machen, von der das fraheie
Böhmen nach allen Seiten umgeben war, einer Schatzwehr, die von
altersher als eine besondere and beneidenswerte Eigenthfimliclikeit des
Landes galt, wie im Gegensatze hiezu Cosmas von Böhmoos Nachbar
lande Mähren ausdrücklich bemerkt: „dass es von Oesterreich weder dorck
Wftlder, noch Berge, noch darch irgend ein anderes Hindernis getrennt
sei, als die darch ebene Strecken fließende Thiya.^
Biese Eigenthfimlichkeit der Gränzbefestigang Böhmens spricht
sich aach darin aas, dass „die böhmischen W&lder*^ in gewisser Hinsicht
bis anf die Gegenwart sprichwörtlich geblieben sind and im Gebiete
der Romantik and der Schaaer-Literator eine so hervorragende BoUe
spielen. Bleiben wir für's erste noch im Mittelalter, so war „der Böh-
merwald^, „silva bohemica^ keineswegs eine anf den noch beute so
benannten Gebirgszug eingeschränkte Bezeichnung; auch die Glataer
Berge mit dem Riesengebirge galten den nordwärts wohnenden Völkern
%ls „der böhmische Wald.^ Obgleich damals das Innere von Böhmen
nicht weniger als das aller seiner Nachbargebiete mit Wäldern uiigleich
mehr bedeckt war als heutzutage, galt doch der das Land nach inneo
und nach außen umsäumende Gränzwald als „Wald^ schlechthin, als
„silva'^ im auszeichnenden Sinne; der innere Rand dieses „Waldes**,
nach Böhmen hinein, hieß der „Eingang*', der ä u ß e r e , nach d^ Nachbar-
ländern zu, der „Ausgang** desselben. So verfolgt Bofivoj seinen G^^ier
Svatopluk „usque ad introitum silvae.** Ghlumec (Kulm) bezeichnet
Ck>sma8 als eine Burg, gelegen „sub ipso introitu silvae**, und spricht
dagegen zum Jahre 1040 bezüglich Sachsens von dem „exitus de
süva in istam terram.** Wenn ich aber behauptete, dass die „böh-
mische Wälder** zum Theil noch bis auf die Gegenwart herab ihre
eigenthOmliche Bedeutung nicht verloren haben, so gibt es wol niemand
in der deutschen Literatur nur irgend Bewanderten, dem nicht sogleicfa
Schiller's „Räuber** vor den Sinn träten: „Wir wollen uns in den böh-
mischen Wäldern niederlassen, dort eine Räuberbande zusammenziehai
und — was gafft ihr mich an? — ist euer Bisdien Muth schon ver-
dampft?** Und wohin verlegt Friedrich Kind den Schauplatz jener
Dichtung, die Karl Maria von Weber mit der volksthtUnlichsten aller
deutschen Opemmusiken zu überbauen verstand? „Ottokar, böhmischer
Fürst** steht an der Spitze des Personen- Verzeichnisses, und in den
böhmischen Wäldern lebt darum „Kuno der fürstliche Erbförster'' mit
498
dem weichen Max und dem finsteren Kaspar, mit der schwärmerischen
Agathe and dem mnnteren Aennchen, mit dem Eremiten endlich, ohne
den sich ein rechtschaffener Wald der romantischen Zeit gar nicht
denken Iftsst. Wo anders konnte Georges Sand die „Gr&fin Rudolstatf^
ihre phantastischen Abenteuer erlehen lassen, als in dem waldnmnachteten
Lande der Bohömes oder Boh^miens? Denn noch heute wird, trotz der
mehr als hundert Jahre alten Warnung Yoltaire's, der globusfesteste
Franzose stutzen, wenn er darüber Rechenschaft ablegen soUte, ob er
sich in seiner angewohntefi Einbildung Böhmen darum so wild und
phantastisch ausmalt, weil ihn der französische Name der Zigeuner darauf
znrflckführt, oder umgekehrt ob ihm die Zigeuner darum so eigen und
abenteuerlich vorkommen, weil er vonEindsbeinen sie aus dem böhmischen
Fabellande kommend sich vorzustellen pflegte?
2. Landesgränze und Landesthore.
Wenn jemand nach dem Ursprung dieser naturgeschaffenen Grenzbe-
festigung des alten Böhmen fragen wollte, ließe sich ein solcher, eben
weil sie von allem Anfang eine naturgeschaffene war, eigentlich gar
nicht angeben. Die Wälder standen da, so lang überhaupt etwas da
stand, und jeden&Us ohne Vergleich früher, ehe ein menschlicher Fuß
den Boden des Landes, das jetzt Böhmen heißt, betreten oder gar ein
ganzes Volk sich darin ausgebreitet hatte. Es brauchte dasselbe eben
nichts anderes zu thun, als den Wald stehen und wachsen zu lassen,
wie er schon vor ihm gestanden hatte und gewachsen war. Auch ist es
begreiflich, dass, als die erste Besitznahme des heutigen Böhmen statt-
&nd, mit der Nutzbarmachung der inneren, minder rauhen und mehr
ebenen, an befruchtenden Flüssen und Bächen gelegenen Landstriche
brennen wurde, und dass daher die Ureinwohner des Landes lange den
Schutz der noch unberührten äußeren Waldumgränzung genossen, ehe
in ihnen der Gedanke aufkam, worin es liege, dass sie diesen Schutz
genössen, und was daher durch ihr Zuthun, und noch mehr durch ihr'
Unterlassen erfolgen miiße, um diesen wichtigen Vortheil nicht einzu-
büfien. Wann nun den frühesten Bewohnern Böhmens diese Einsicht
gekommen sei ; ob schon die keltischen Bojer, oder ob ihre Nachfolger,
die germanischen Markomanen, oder ob erst die Slaven Cech's jenes
von der Natur ihnen gebotene Yertheidigungsmittel zum bewusten
System gebracht, ja zu einem förmlichen Artikel ihres öffentlichen
Bedites umgestaltet haben: diesen Zweifel aufzuklären werden wol
nnsere geschichtlichen Hilfsmittel niemals ausreichen. Aus den Eingangs
angeführten Stellen des Tacitus und Vellejus geht jedenfalls hervor,
dass die auswärtigen Feinde schon in sehr früher Zeit (lie eigenthüm-
liehdn Schwierigkeiten eines Angriffskrieges gegen Böhmen kaantan,
woraus sich weiter schließen Iftsst, dass anch die Bewohner des Landes
schon damals der die Yertheidigong and Abwehr begOnstigtenden Yortheile
ihrer Lage sich bewnst waren. Das eine ist gewiss, dass za der Zeit,
da die Schicksale der slavischen Böhmen in die Helle der Oeschidite
heraustreten, es schon haben and drflben als aasgemacht galt» dass der
am ihr Land sich hinziehende Wald die politische and mflitarisehe
Scheidewand zwischen ihnen and ihren Nachbarn bilde.
Es galt dieser Wald in frühester Zeit in gewissem Sinne als dne
res nullius oder als eine res communis, durch dessen Mitte fikh, wie
etwa durch einen zwischen zwei Nachbarülndem gelegenen See oder
dahingleitenden Strom, die Gränze ziehe. Es mag darum in aUfersgraoer
Zeit manche Yölkerrechtsstreite ähnlicher Art gegeben haben, wie nm
einer zum Jahre 11 70 vom Chronisten Gerlach erzählt wird, wo die
Böhmen gegen die Oesterreicher behaupteten, der ganze Wald bis za
dessen Ausgang nach Oesterreich gehöre ihnen, während die Oester-
reicher darauf bestanden, nur die gegen das böhmische Land gelegene
Hälfte des Waldes gehöre ihren Nachbarn, die andere gegen sie selber
blickende dagegen den Oesterreichem — »quod ad eos pertineat et
parte sua, sicut ad nos ex nostra^. Dobner Monum. L p. 88 — •
Letzteres galt später auch nach allen andern Seiten als GmndsatB,
d. h. der Gränzwald — „silva finalis, silya liminaris, silva qua BiAenüa
limitatur^ — wurde als getheilt angenommen, so dass die eine, die
inwendige Seite den Böhmen, die andere, auswärtige d&gfigen ihren
anstoßenden Nachbarn gehörte. Die Gränze lief also durch die
Mitte dieses Waldes — daher der Ausdruck: „usque ad median
silvam*' — oder, da der Wald meistens auch hohes Gebirge bededcte,
über den Rücken der höchsten Berge — „usque ad caeomina mon-
tium,* wie es in einer OlmQtzer Urkunde vom J. 1256 heiOt — d. i.
längs der Wasserscheide (pfedöl, pfedöleni vod). Ueberhaupt ist za be-
merken, wie in alter Zeit „Berg"" und „Wald"" gleichsam Wechadifae-
griffe waren; der „Böhmerwald^ ist eigentlich das Gebirge, das
Böhmen von Bayern und Oberösterreich schied, der „Wienerwald*
jenes, das das rechtsufrige Niederösterreich in zwei Hälften theili, wie
der Manhart (Hart = W a I d) das linksufrige ; letztere Benennung ist später
durch „Manhartsberg^ d. i. Man- Wald-Berg erweitert, oder woin man
will, berichtigt worden.
Der Gränzwald hatte überall eine stattliche, an manchen Stellen
sogar eine höchst bedeutende Breite, von der die heutige Physiognomie
mancher Gegenden Böhmens kaum eine Spur mehr aufweist So lag
Leitomyäl nach Gosmas am Saume des Gränzwaldes gegen MährcB.
495
Ja das Städtchen Habern mam sich, da in alter Zeit daselbst eine
Z^-Station bestand, nicht weit yom böhmischen Ausgange des nach
Mfthren hinein Ins in den hentigen Iglaner Kreis sich aasdehnenden
Forstes befanden haben. Am unzugänglichsten scheint die nordöstliche
Seite Böhmens gegen Polen gewesen zu sein, wo freilich auch die
Banheit des Gebirgszuges das ihrige beitrug. Die Gegend von Braunan,
beute eine- der berölkertsten und gewerbreichsten von ganz Böhmen,
wftT noch im dreizehnten Jahrhundert eine der menschenleersten, ja
wildesten und wüstesten; „locum solitarium et desertum, locum vasta
horrentem solitudine^ nennen sie Brevnover Urkunden aus den Jahren
1213 und 1229. Nach dem heutigen Preußisch-Schlesien dehnte sich
auf dieser Seite der Forst bis Landshut Die ganze Grafschaft Glatz
lag im Bereiche des Gränzwaldes. Bei so bewandten Umständen dürfen
wir uns nicht wundem, wenn Martinus Gallus den Kriegszug des pojni«
schien Boleslaus Schiefmaul gegen Böhmen im Jahre 1110, wo er sich
drei Tage und drei Nächte durch die unwirtlichsten Gegenden den
Weg bahnen musste — „tribus diebus et noctibus iter faciens'' — als
überdiemaßen schwierig darstellt, ja dessen Uebergang über das
Rieeengebirge geradezu dem Uebergang Hannibars über die Alpen an
die Seite stellt.
Bis in das dreizehnte Jahrhundert hinein war man auch sorgfältig
darauf bedacht, diese Unwirtlichkeit der Umgränzung Böhmens mög-
lichst aufrecht zu halten. Zwar ließen die spätem premyslidischen
Könige mitten im Gränzwalde einzelne Klöster entstehen, stifteten selbst
solche; allein immer thaten sie es mit der ausdrücklichen Bedingung,
dass aus dem Walde höchstens zum unmittelbaren Dienste des Klosters
Nutzen gezogen, dagegen durchaus keine weitere Ausbeutung oder An-
siedlong zugelassen werde. So machte es König Yladislav n. den
Mönchen von Leitomysl 1167 ausdrücklich zur Pflicht, „ne unquam
aliquibus hominibus villas in ipsa silva ponere aut quippiam operis ad
OBUS proprios elaborare consentiant'', und Premysl Otakar I. bestimmte
1203 bei Gründung des Stiftes Osseg, „ne quis comprovincialium limi«
narem silvam, praedio eorum contignam, ad aliquos usus praesumat
saccidere.'' Am bezeichnendsten findet sich der staatspolizeiliche Zweck,
der bei diesen Anordnungen den Herrschern Böhmens vor Augen
stmd, in einer Urkunde vom Jahre 1221 ausgesprochen, wo dem Stifte
Zwettel gewisse Begünstigungen eingeräumt wurden, unter der Beschrän-
kung jedoch: „dass sie den Wald nicht ansreuten zum Nachtheile
des Landes — ita tarnen, quod ipsam silvam non exstirpent ad terrae
nocumentnm." Noch im sechzehnten Jahrhundert sagte man vom Gränz-
walde, dass er das ganze Land schütze („les kterfi hradi vsecku zemi'').
496
Wie der Wald die Ghrftnzwehr Böhmens bildete md ^eidisttii ak
ein am das Land sich hinziehender Wall angesehen worde, eo gdt
anch jede Stelle, wo dnrch diesen Wall Einlass in das Land und Ans-
lass ans demselben gegönnt war, als Landesthort Landespforie,
„porta terrae'', „regionis janoa'', »porta provinciae'' , »porta L e.
ezitns terrae'', „br&na", „branka", welch letztere Bezeichnong sich
noch bis auf den heutigen Tag in dem Namen einer zwischen Nachod
und Neustadt an der Mettau gelegenen Anhöhe erhalten hat/) Es waren
das nicht Strafien im jetzigen Sinne des Wortes, es waren nicht einmal
eigentliche Wege ; die Chronisten beschreiben sie nur als Pfiide oder
Steige, „angustae semitarum fauces", so schmal und beschwerlidi, dass
sie nur begangen, beritten oder von Säumern betrieben, aber nicht you
Wagen befahren werden konnten. Cosmas schildert zum Jahre 1101 den
Uebergang von der Iglauer Seite „per angustam viam et nimis artan
semitam, qua itur trans silvam ad Gabr" (Habem). Im Deutschen
hießen sie anch Saumwege, wie z. B. der von Linz nach Böhmen
führende Pfad „via antiqua, quae sovmwech dicitur". und wie des
Anwohnern des Böhmerlandes dessen Gränzwald nur einfach der „Böh-
merwald", so hieß ihnen auch ein solcher Pfad oder Steig schlechthin
der „böhmische". So wird der Prachatizer Steig zum Jahre 12Ö0 «via
bohemica", zum Jahre 1256 „böheimischer Steig" genannt So hieß im
Südosten des Landes der Aber Weitra durch den Gränzwald fahrende
Pfad in den früheren Jahrhunderten kurzweg der „Peheimsteich" —
„via quae vocatur Beheimsteich" , „der weg der ter Pehaimersteich ist
genannt" — , vom dreizehnten an, wo er etwas erweitert worden sein
mochte, der „Peheimweg". Diese Pfade liefen steil und krumm abar
Berg und Thal, durch Sumpf und Morast, und, wenn ihnen ein größerer
Bach oder Fluss in die Quere kam, über eine Furt, von welchem Anlasse
unter andern die reiche Stiftung des Hauses Bosenberg im südlichsten
Theile Böhmens, das Stift Hohenfnrt seinen Namen hat. Denn auch an
dieser Stelle öfihete sich eines der ältesten Landesthore nach Böhmen
und die ganze Anlage des Marktes Hohenfnrt weist noch heutzutage
auf die durch dessen Mitte an den Fluss führende Straße zu jener
„oberen Furt" = „vy§§f brod", der zur damaligen Zeit eine etwas
flussabw&rts bei Rosenberg gelegene „untere Furt" entsprochen
haben mochte. Wo der über Moorgrund oder nassen Boden fUuneode
Steig gar zu schlüpfrig und weich war, wurde er mit s. g. PrO^el-
holz ausgelegt, oder es waren Retsbündel über den Momst ge-
*) Jan Karel Rojek Pftsp^vky k d^episu zemö Öesk^. Öas. £esk. Mus.
1845 Str. 52$.
4«t
breitet Nur als ganz besonderen Luxus kannte man schon in sehr
froher Zeit in der Gegend zwischen BOhmisch-Röhren und Wallern eine
Aber die jugendliche Moldan fahrende Brücke; es war dies aber auch
vielleicht der ftlteste, jedenfalls der belebteste und berflhmteste aller
nach Böhmen führenden Pfade, der sogenannte goldene Steig, „aurea
semita, zlatA stezka*', von welchem ich noch n&heres mitzntheilen
gedenke.
Viele dieser P&de bestanden schon in vorhistorischer Zeit , von
einigen lässt sich in der geschichtlichen die Veranlassung und Art ihres
EIntstehens nachweisen. £s gab in altersgrauen Tagen in jenen undurch-
dringlichen Wildnissen besondere Pfadfinder, wie noch jetzt in den Ur-
waldem des nördlichen und südlichen America. Ich habe eingangs des
Zuges König Heinrich III. gegen Böhmen im Jahre 1040 und der
empfindlichen Niederlage gedacht, die ihm Bifetislav in den Forsten von
Taus beigebracht Allein das Jahr darauf war Heinrich glücklicher, alle
Vorsicht und Tapferkeit des „böhmischen Achilles'' war eitel, das
deutsche Heer kam bis vor Prag, wo Bfetislav's Gemalin, die schöne
Judith, den Frieden vermittelte. Wie war das gekommen? Mehr als
dreißig Jahre frlkher hatte ein irommer Mönch aus dem Stifte Nieder-
Altaich, Günther mit Namen , sich i^ die Einsamkeit zurückgezogen,
Iftngere Zeit, etwa 1008—1029, in Rinchnach geweilt, war dann tiefer
in den böhmischen Wald gegangen und hatte im Lauf der Jahre und
nicht ohne Mithilfe von einigen seiner Brüder einen Pfad gefunden und
gebahnt, der südwärts von dem Tauser Pass und nur noch von wenigen
gekannt in's böhmische Land führte, und auf welchem er nun 1041
den deutschen König und dessen Heer dem vor der Landespforte von
Taus harrenden Bfetislav in den Rücken brachte. Seit dieser Begeben-
heit wurde dieser Pfad der St. Günther steig genannt und mit der
Zeit den übrigen Landespforten gleichgestellt. Er durchzog den Gr&nz-
wald etwa in der Gegend des heutigen^ Stubenbach und mündete bei
Bfezniz, später Hartmaniz in*s oifene Land. ^)
') Der Steige, die durch den südlichen Theil des Bdhmerwaldes führten,
waren nach Dr. Herrn. JireSek's Forschungen überhaupt fünf:
1. Der Fass von Taus;
2. Der Pfad von Eisenstein, der, meinem Dafürhalten oacfa, bei
Keuern (Nyrsko) in das böhmisehe Land gemündet haben mochte, da sich in
diesem Orte eine alte Zoll- Station befand;
3. der eben besprochene St. Günthersteig;
« 4. der sogenannte goldene Steig, von dem noch ausführlicher die
Rede sein wird; und
5. der Saumweg von IJnx über Hohenfurt nach Netolis.
4Wp
8. Die Ghoden.
Die Eingänge zn den nach Böhmen fQh^nden Pfaden lieOen ädi
auch darnm mit Landespforten vergleichen, weil sie in Zeiten der Ge-
ftJff durch Verhaue verlegt und geschlossen werden konnten.
Diesen Dienst zn besorgen , sowie Überhaupt die Grftnzpfade tn
bewahren und zu bewachen, waren eigene Leute bestellt, oder viehneiir
es waren die nächsten Anwohner des Granzwaldes — z. B. „homines
de Tepla et in toto circuitu circa silvam commorantes^ — dazu als
zu einem Landesdienste verpflichtet. Ihre landläufige Bezeichnung war
im westlichen und nordwestlichen Böhmen, nächst dem Bdhmerwald und
Erzgebirge: Ghoden — nach Häjek von „choditi'^, weil sie den Wald
zu „begehen^ hatten — , sonst, zumal in den südlichen und östliclieD
(hegenden des Landes, hieß man sie einfach Wachen, str&2e.^)
Die Obliegenheit dieser Ghoden oder Strafen war also : in Frie-.
denszeiten die Gränzpfade, etvf», wie die Wächter an unsem heutigen
Eisenbahnen, zu begehen, zu bewachen, sie zu verzäunen, flberhaupt
für ihren aufrechten Stand zu sorgen; bei herannahender KriegsgeCahr
aber sich bereit zu machen, auf Kundsch^t auszugehen, Verhaue anza-
legal und jedem, der sich nicht mit einem besondem Briefe des Landes-
herm ausweisen konnte, den Eintritt oder Austritt zu verwehren —
»ne cui per eam (viam) sine speciali mandato principis paterct transitiis
terram Boemiae ingrediendo vel exenndo"*. — Ihre Waffe war die Axt,
mit der sie Bäume fällten, die ihnen aber auch, wenn es galt, zu An-
griff und Abwehr dienen musste; im J. 1040 heÜhl Herzog ßfetislav
den Ghoden, wenn seine Edlen feige fliehen wollten, sie niederzumachen.
Zu den Verpflichtungen der Ghoden gehörte femer die Besetzung und
Bewachung der Gränzveston, die böhmisch gleichftdls „Bträ2e^
lateinisch „custodia"* (munitio in custodia) hießen, obgleich diese Aus-
drücke auch a.uf die Landesthore selbst angewendet worden zu sein
soheinen; «usque ad custodiam quod vulganter dicitur ztrasa^, heißt es
im Stiftungsbrief des Klosters Strahov aus dem Jahre 1 143. Vgl. aodi
»porta in custodia«, »custodiae claustra . Diese Gränzvesten waren theils
vereinzelte Burgen, Türme oder Warten, theils größere befestigte Orte,
^urbes terminales *, die in Friedenszeiten als bevorzugte Marktplätze
galten und für deren gute Instandhaltung von vorsichtigen Fürsten, wie
von Sob^slav 1126, gesorgt wurde; solche waren z. B. Taus, Tachan,
Ghlumec (Kulm). Das Andenken an diese uralten Einrichtungen hat sich noch
in vielen bis auf den heutigen Tag üblichen Ortsnamen Böhmens er-
.1 w
*) Siehe die historische Karte zum II. Bande vou H. Jire^ek'a -Blo-
vansk^ pravo v Öecfaadi."
4B6
hatttn« Noeh jetet seigen die Ttoser €lem Frettde& mit Stob ihre die
»Oiodenbiirg« ; noch heute gibt es ein i*Ghoden8ohlos8<<, «Ghedowo • auf
dem Gebiete von Kantb '). Der Marktflecken unterhalb der alten Granit
Teste Pj-imda heifit noch jetzt »Straf« ; es gibt eine Gemeinde »Strääen
(Neustadtl) im Bezirke von Hayd (ehem. Pilsner Kreises), ein -Strft^
2ow« (Drosau) zur Gutsherrschaft Bistritz gehörig, ein »Stria«, deutsch
»Hatz«, im Wittinganer Vieariat, ein »StratiSt^» im ehemaligen Bnnz-
laner, ein »Str&i«, deutsch nXschoschel-, im ehemaligen Saazer Krdse.
Am bezeichnendsten hat sich die Uebereinstimmung des böhmisehen
*sträi« mit dem deutschen «Warte« in dem Orte »StaM »» Hoch-
wartel« auf Kanth erhalten ^). Das Gr&nzschloss Brdo im Glatzischen
Mefi deutsch »Warte«, das Schloss vcm Brflx noch im 13. Jahrhundert
»Landes wart«. Ich erinnere ferner an das gr&flich Hartig'sche Schloss
»Wartenberg« im nördlichen, an »Königswart ^^ KynSyart« und die
Raine »Kunzwarte« im westlichen Böhmen. Ja sollte der Ortsname von
•Kujschwarta«, in dessen unmittelbariBr Nähe die letztgenannte Ruine
Hegt, nicht auf den gleichen Ursprung (Kyn2vart =r Königswart)
zurflckzufUiren sein? Ich werde auf diesen letzten Punkt noch zurflck-
kommen.
Fflr die wichtigen Dienste, welche die Choden im Interesse der
Sicherheit des Landes nach außen zu verrichten hatten, waren sie von
allen abrigen Landesfrohnen, die sonst der Bevölkerung oblagen wie
Heereszug, Straßenbau, Arbeiten an den Landesvesten, befreit und sonst
mit manchen Yortheile^i begnadet. Insbesondere genossen sie verschiedene
BegQnstigungen hinsichtlich des Waldes, in dessen Bereich sie gehörten.
Sie besaßen seit dem XIII. Jahrb. ihre Liegenschaften nach »deutschem
Recht-, das bezfiglich des Uebergangs durch Kauf oder Erbfolge von einem
auf den andern für gfinstiger galt als das einheimische Landesrecht. Die
Choden waren unmittelbare Unterthanen des Landesfürsten und standen
unter dessen Richtern, denen sie Geschwome aus ihrer Mitte zur Seite
gaben. Kein Herr oder Vladyka durfte Herrenrechte Ober sie ausüben,
Haue und Hof in ihren Dörfern haben oder in ihrem Gebiete'' sich an-
siedeln. Andererseits war es ihnen nicht gestattet, Straßen durch ihre
Dörfer zu fahren, damit dadurch den Feinden der Eintritt in das Land
nicht leichter gemacht werde. Wenn der Landesherr in ihr Gebiet kam,
zogen sie vor ihm in ihrer eigenthümlichen Tracht und Bewaflhung auf
und überreichten ihm ein Fftsschen Wald-Honig, zum Zeichen ihrer Er-
') S. auch den Artikel »ChodenOrte» in Watterieh 's Haudwörtar-
buch der Laadeskunde des Königreichs Böhmen (Prag, HUdau, 194i^) S. 482 t
*) 8. weiter Jire66k Slovansk^ pr&vo I. str. 93.
&00
gebenhelt nnd dass sie ihrer Pflkht, den Forst za begehen, fleiBig
kftmen*). Es traf sie aber anch besondere Yerantwortnng, wenn in äner
der ihnen obliegenden Pflichten etwas ▼emachlftßigt worden war. 80 fiel
im J. 1373 unter Carl lY. ein bayerischer Eriegshanfen durch das
Ghamp-Thal in Böhmen ein, wobei dreizehn Dörfer, grOfitentheils den
Ghoden gehörig, nnd die Yorst&dte von Taus niedergebrannt wurden;
der Chronist Bene9 von Weitmile wftlzt die Sdinld dessen ansdrOcklidi
auf die Ghoden, die der ihnen anvertrauten Grftnzbewachung nicht sorg-
Altig genug nachgekommen seien.
Die genauesten Nachrichten haben wir von den Ghoden um
Taus. Sie waren Oberhaupt die mdst genannten unter ihren Bemfs-
genossen, wie denn anch der Pass, der ihnen zu bewachen oblag, bis in
das Dunkel der ältesten Landesgeschichte zurück die große Heer- und
Schlachtenstraße aller von Westen gegen Böhmen gefahrten Kriege
bildete. Denn schon im J. 630 wird Wogastisburg '^) als der Ort jener
EIntseheidungsschlacht genannt, die der Shiven-Fürst Samo dem KCmg
der Franken Dagobert lieferte, und erst die gewaltige Hussiten-Schlacht
im J. 1431 schließt die Reihe jener großartigen Zusammenstöße, die
wiederholt in der Gegend von Taus das Schicksal Böhmens entschieden.
Auch hat sich das Wesentliche der von den Ghoden überhaupt geschil-
derten Eigenthümlichkeiten bei jenen von Taus vergleichsweise am
l&ngsten erhaUen, obwol im Lauf der Jahrhunderte mehr und mdir
*) K. J. Erben D^jiny ChodS od nejstarslch dob ai po v&lky husitsk^
in den »Kvöty- 1868 Nr. 8-11. Die im Text angefahrten EigenthOmlichkeiten
werden zwar ausdrücklich nor von den Ghoden in Taus enihlt; allein es ist
kaum SU zweifeln, dass den Qrftnsw&chterD in andern Laadestheilen gleiche
oder doch ähnliche Begflnatigungen zu Tbeil wurden, wie ihnen ja anch die
gleichen Verpflicbtongen oblagen.
^^) Man war bisher allgemein darüber einig, dass hinter diesem Namen
(Wogastisburg — Togastisburg « Tagosö »» Taugst) das heutige Taus zu
suchen sei. Nenestens ist aber Graf Eugen Cernin in den »PamAtky ardosol.-
1864 II. 8. $6-^58 dieser Ansicht mit der Behauptung entgegengetreten, das
Angel-Thal sei es, das, mochte nun der Feind durch die Enge von St. Katha*
rina über Chndiva oder von Taus über Neugedein und Putz<.ried (Po^inovic)
sich den Weg in die von Neuem beginnende Thalebene gebahnt haben, den
Weg in das Innere von Böhmen öfihete; hier aber sei es nur ein Punkt ge-
wesen, oberhalb äwihau beim Dorfe Roth-Pofia, wo sich der Efai&ll in's Lsnd
mit Srfolg aufhalten ließ : dort heiße ein Hagel »Tuhoät« und auf diesem finde sieb
ein großer Steinblock, der den bezeichnenden Namen Samo-hrd f&hre nnd von
dessen Ober die Waldesgipfel emporragender Spitze man das Tlial der Angel
weitfainab bis zu den bayerischen Grftnsbergen überaehanen könne. — Auch den
Einfiül König Heiwrioh HL vom J. 1041 verlagt Graf Cerain in dieselbe Ge>
gend, da weiter südlich die GrAnzberge zu tief in's Land hinem reichten.
501
abgesohwfteht. So wird gerichtet, dass schon zn des potaiischen YUr
dislav Zeiten die GrAnzbewachaiig nur mehr zu den aaßergew6hnliehen
Yerpflichtungeii der Ghoden gehörte ^^). Andererseits begann die Wahr-
nehmong ihrer Vorrechte nnd Freiheiten zu erblassen, and da sie über
d]0 meisten derselben keine schriftlichen Urkunden aufweisen konnten,
hatten sie gegenüber den Eingriffen nnd Bedrückungen, die sich einer-
seits mächtige Grrundherren, wie die von Schwamberg, andererseits die
Bürger von Taus gegen sie heransnahmen, vor den Gerichten einen
immer schwierigeren Stand« Insbesondere die letzt^en wnssten die Cfao-
den in stets größere Abhängigkeit von sich zu bringen. Purch königL
Mjgestats-Brief v. J. 1585 wurde denen von Taus das Oberamt über
die Choden«*D6rfer übertragen; sie hatten die Schoppen derselben all-
jahrlidi zu erneuern; die Ghoden waren ihnen als ihrer vorgesetzten
Obrigkeit Gehorsam schuldig, durften ohne ihre Erlaubnis keine öSeatr
Udien oder geheimen Tage halten, mussten an sie die G^ldabgaben und
den Getreidezins, wozu sie den böhmischen Königen verpflichtet wareni
abflihren. Von den Tausern wurden mit der Zeit die Ghoden förmlich
als Unterthanen behandelt, obgleich ihre Lage, im Vergleich zu jener
der Landbevölkerung im übrigen Böhmen, immerhin als eine viel gün»
stigere gelten konnte. Sie behielten ihre eigene Gerichtsbarkeit, deren
Tage im Tauser Schloss abgehalten wurden, das ihnen auch, wenn Fein-
desgefahr drohte, als Zuflnchtst&tte für Weib und Kind diente; als geg^
Ende des sechzehnten Jahrhunderts das Geb&nde durch eine Feuers-
braust zerstört wurde, bestanden die Ghoden darauf, dass es ihnen wie-
der hergestellt und in brauchbaren Stand gesetzt werde. Nur -im Handel
und Verkehr wurden sie fast vollständig von den Tausem abh&ngig.
Die Tauser verwehrten ihnen, ihr Vi^ anders wohin als nach Taus auf
den Markt zu treiben. Einzelne Ghoden-Dörfer hatten die Veiflichtung,
ein bestimmtes Ausmaß Holz in die Stadt zu führen. Der Fisch-Handel
wurde ausschließend nach Taus verwiesen; die Ghoden durften Fische
weder in ihren Dörfern verkaufen noch auf einen andern Platz als
Taus zum Verkauf bringen. Ebenso wurde ihnen bei Strafe von 5 Schock
Groschen aufgebunden, kein Getreide über die böhmische Gr&nze zu
verkaufen, ihr Korn auf keinen andern als den städtischen Mühlen ver-
mählen zu lassen u. dgl.
Die Sorge für die Erhaltung des Gränzwaldes bestand bei alledem
dar Form nach immer noch fort; allein es war eine Sorgß schon mehr
*') üeber die Verhältnisse der Tauser Ghoden vom Anfang des 14. bis
g^en die Mitte des 17. Jahrhunderts s. Jos. Emier »Doma^lice a Chodovä
ku kond XVI a na zaöitku v^ku XVII> in den »PamMky arch. a mistop^« 1868
VIII 8. 263—282.
002
In forstmftimischer als, was sie in den frflheren Jahrhunderten ans»
schließend gewesen, in politischer and miHtarischer Richtung, wen
auch letztere noch nicht ganz und gar yemachläfiigt wurde. Mit dem
fiüher erwähnten Majestäts-Brief von 1585 wurde der Stadt 'Taus zu-
gleich die AuÜBicht über di'e königlichen Grftnzforste anheimgegeben;
sie hatte ihr Auge darflber zu halten, dass niemand ungeblHirlich Holz,
sei es zum Brennen oder zum Bauen schlage oder Reutungen ror-
nehme, und dass dergleichen Oberhaupt nur nach erhaltener Eriaubnii
und Erlag einer Schlaggebflhr „und ohne Benachtheiligung und Schaden
der Or&nze^ stattfinde. Unter der Strenge dieser Gebote standen jetzt
auch die Choden, die in frflherer Zeit in der Benutzung des WaUm
vOHig frei gewesen waren. Bei der ungeheuren Ausdehnung der Gitnz-
forste konnten damals die Bewohner der wenigen Dörfer, und wenn sie
noch so rfieksichtslosen Raubbau trieben, verhiltnism&fiig wenig scha-
den; nun aber, wo im Imiem des Landes die Wälder sich zu liditea
und die Ansiedlungen selbst gegen die Grftnze hin sich zu mehren be-
gannen, schien einige Vorsicht geboten. Die Choden durften jetzt
nutzungshalber nicht mehr nach Belieben in den Wald ; sie waren an
Erlaubnis-Scheine gebunden, die sie gegen Entrichtung des vorgpeschrie-
benen Schlaggeldes beim Amte erheben mussten, 1593. Wer die Befugnis
erworben, sollte mit Maß davon Gebrauch machen, kein junges Holt
schlagen, alle Dörrlinge wegräumen, damit der Waldwuchs nicht beein-
trächtigt werde, 1598. Im J. 1608 gieng Herr Peter von Schwamberg
gegen die Tauser die Verpflichtung ein, ihnen, falls einer seiner Unte^
thanen ohne ihre Erlaubnis in den königlichen Forsten schlagen wArde,
zu dessen Handnahme und Bestrafung behilflich zu sein. Linde und
Ahorn durften, ohne besondere Erlaubnis des Bfirgermeisters und der
Rathsherm von Taus, gar nicht gefällt werden. Großen Schaden ver^
ursachten dem Waldbestande die rinnförmigen Einschnitte in die Rmde
gesunder Bäume zur Gewinnung des Harzes. Im Jahre * 1609 wurde
um dieser Schädigung willen den Pechsiedem das Betreten des Waldes
bei Strafe von 20 Seh. Gr. verboten; bloß denen von Prostrekov und
Kramolin, zwei Choden-Dörfem , wurde dies unter der Bedingung ge-
stattet, dass sie das gewonnene Harz nach Taus und nicht irgoid
wohin in*s Ausland verkauften '^).
Noch einmal kam für den Böhmerwald eine Zeit, wo man sich von
Staatswegen der wichtigen Dienste ' erinnerte, die er in den vorans^
gegangenen Jahrhunderten bei Kriegsnöthen dem Lande geleistet. Es
^') Eine ähnliche Erlaubnis erhielten die Bewohner von Myslivsko: »streu-
hati smälu v mistech, kde jest näneck6 plecovini, kdeito vskakujf Nänd a ji
ouUadnö strouhi^i.« Emier a* a. 0.
009
war der Antbrach jener grofiartigen AHflehnimg gegen das fecbtinaMg
regierende Htfns, die mit dem denkwürdigen Fenstersturz ob dem Prager
Sddosee iliren Anfang nahm. Man z&hlte den 23. Mai des Jahres 1618,
bimI eines der in den Bnrggraben hinabgeschleaderten und so wonder«
bar nicht bloß am Leben, sondern auch an der Gesundheit all seiner
Glieder erhaltenen Opfer war Herr Jaroslav Bofita von lifortinic. Nach-
dem er sich glttcklich in seine auf dem Hradschin gelegene Behansm^
gerettet und seiner Gemahlin, die über das bloße Gerttcht des Vor*
falls vor Schrecken noch außer sich war, zum Beweise, dass er
heil und gesund davon gekommen, im Zimmer einige Luftsprünge vor«
gemacht hatte, ließ er sich den Bart abnehmen, warf sich in schlechte
Kleidung und entkam in B^leitang des Baders Peter Tomasoni durck
das Strahover Thor auf den weißen Berg, von wo ihn eine Ealesche
über Tuchlovic am 24. nach Plass und von da am andern Tage über
Tepl nach Tachau in das Kloster der unbeschuhten Franciscaner brachte»
Nicht lang nach Mitternacht am 26. Mai wurde von Tachau anfge^
brocfaen und bald befand man sich in dem „großen Wald an der böhmi*
sehen Granze gegen die Pfalz ^, wo Martinic jenes Abenteuer zu be-
stehen hatte, das sein Fenstersturz-^Jenosse Graf Wilhelm von Slaviata
in seinen Denkwürdigkeiten aosffthrlich beschreibt. Der Führer
nämlich, der vor dem Wagen einhergieng, verfehlte in der Motgen-
dammerung den Weg derart, dass man sich mit einemmai mitten im
Waklesdickicht befand und weder vorwärts noch zurück konnte. Mit
den Schwertern musste man sieh durch Umhauen des Gehölzes Bahn
machen, stellenweise den Wagen über Klötze und liegende Baumstämme
hxnüberheben. Als sich bei einem solchen Anlasse Tomasoni gegen den
Fiflirer in heftigen Worten atusließ und ihm mit Schiftgen drohte, war
dieser onverseheads verschwunden und man fand sich in der unbekannten
Wildnis auf sich selbst angewiesen. Nun wurde nach den verschiedensten
Bichtungen versucht in dias rechte Geleise zu kommen, bis sich nach
tatst dreistündigem Mührai der Kutscher in einen Filz verfuhr, so dass
man alle Kräfte anstrengen musste, Wagen uad Pferdb, Üe bis zum
Bauche im Moraste stackan, wieder auf feslea Grand zu biiogen. Halb
veffaweifeU;, von Müdigkeit übeimannt, von Hunger und Durst gepeinigt
warf sich Martinic auf die Knie und flehte mit seinen Leuten, die
soiaem Beispiele folgten, mit lauter Stimme den Hlmn^ um Beistand
aiu Nach neuerlichem Umherirren war man endlidi aus dem Dickicht
des f^rstee an eine offnere Stelle gelangt^ von wo man einen freien
Bliek über einen weiten zu Füßen des Abhanges liegenden Waldhau
batta »Allein ^ war«, wir lassen jetzt Slavata selbst reden, »nocli
ifluner kein FeU oder Weg zu aehen, sondern man befMud sich wie
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in einer Wflstenei, so das« Omf llariiiiic, nicht mehr wissend was er
weiter beginnen soUe, wie ans göttlicher Eingebung laut in diese dentaeheo
Worte ausbrach: »0 mein Gott, wo sollen wir uns jetzt hinwenden?«
nnd sogleich vernahm er sich g^^enüber eine Stimme, die nichts als
»ha« rief. Von neuem begann Graf Martinic : »0 mein lieber Freund,
sag mir, ob wir uns auf die rechte oder linke Seite begeben soll^?«
Als jedoch auf diese Frage nichts geantwortet wurde, rief der Graf
Martinic abermals laut: «O mein lieber Freund, sollen wir uns auf die
rechte Seite wenden?" worauf sogleich die Stimme antwortete: »Ja*.
Da sich der Graf hiermit nicht begntkgen wollte, rief er neuandings:
»Sollen wir uns auf die! linke Seite begeben?- Als hierauf die Stimme
keine Antwort gab, fragte der Graf sogleich aufs neue: »So sollen wir
uns auf die rechte Seite wenden?« worauf die Stimme sehr Yemehm-
lieh also antwortete: »Ja, ja«. Nichtsdestoweniger rief er um gröfierer
Sicherheit willen laut nochmals: »So werden wir auf die rechte Hand
wohl fahren?« nnd die Stimme gab wieder zur Antwort: '*Ja, ja, ja.«
Auf dieses wandte sich der oftgenannte Graf Martinic in Grottes Namea
aUm&lich nach rechts und kam so bald auf einen grasbewachsenen,
wenig ausgefahrenen Weg*«, der die verirrten Reisenden zuerst in eis
Dorf und dann weiter in das schon in der Pfalz gelegene Stftdtchea
Weithausen brachte. Graf Martinic war außer dem Bereiche seiner
böhmischen Todfeinde.
Ich habe bei dieser gewiss nicht uninteressanten Begebenheit darum
so lange verweilt, weil sie einmal ein Bild gibt, welche Awfldehnung
und welch unwirtliche Schrecknisse noch in der ersten Hftlfte des
siebenzehnten Jahrhunderts der böhmische Gr&nzwald in einer Gasend
hatte, die heutigen Tages nur Merkmale vonCultur und freundlicher Wohn-
lichkeit aufweist, und weil ich zweitens nicht irre zu gehen fürdite,
wenn ich in dem unsichtbar r&tselhaften Trftger jener Stimme, die
zuletzt den Herrn von Martinic und dessen Greffthrten auf den rechtea
Weg leitete, einen Choden zu erkennen meine, der bei seinem Berufe
des „Waldbegehens^ ans der Feme die Noth der armen Verirrten ge-
wahrte nnd ihnen, einsylbig genug, seinen Bath eitheilte. Denn dass
die Bewohner des westlichen Böhmen gerade um diese Zeit gemessene
Weisungen aus Prag erhielten, die Grftnze gegen Bayern auf das
schAr&te zu bewachen, die von dorther fahrenden Wege* durch Yerfcaae
zu sperren u. dgL, ist geschichtlich ebenso erwiesen, als dass die Tanaer
Choden dieser Verbindlichkeit nur nachläßig mit unverhohlenem ¥^de^
streben Geniige leistet^L Darum erfolgte im Jshre 1620 ein neuer
Befehl des Wmterkönigs, der ihnen bei Verlust all ihrer Rechte und
Freiheiten auftrug, ihrer PlSicht getrenlich nachzukommen, die Eintritte-
506
punkte nach Böhmen gegen feindliche Einfalle sorgfaltig zu bewachen
und die festgesetzte Zeit bei denselben zn verweilen ; die Choden wnrden
dazu dörferweise nach einer gewissen Ordnung aufgeboten und mnsste
die Wache Tag und Nacht gehalten werden. Die Weißenberger Schlacht
machte alle dem ein Ende. Jetzt bedurfte es keiner Gr&nzwacht gegen
Bayern mehr, dessen Churfflrst als die vorzflglichste Stütze des Kaisers
galt, und mit den Privilegien der Tauser Choden war es vorbei, weil
sie angeblich an der Rebellion gegen den rechtmäßigen König theüge-
nommen, während sie in Wahriieit den Wünschen Friedrich's von der
P£alz sich ziemlich unfögsam gezeigt hatten.
Die heutigen Choden sind, wie kaum gesagt zu werden braucht,
nichts mehr von dem was sie ehemals waren. Es gibt weit und breit
in der Gegend von Taus keinen Gränzforst mehr, und wer auf dem
Wege vom böhmischen Tachau nach dem bayerischen Waidhaus eine
Stelle entdecken wollte, wo sich heute ein Abenteuer wie das vom
26. Mai 1618 bestehen ließe, der würde irregehen an dem Spruch der
Bibel: Wer sucht der findet. Die altberflhmte Chodenburg von Taus
ist längst modem-practischen Zwecken gewidmet und für solche vielfach
nmgestaltet worden. Die Choden der Umgegend haben gleich der Mehr-
zahl der städtischen Bevölkerung ihren böhmischen Character im allge-
meinen bewahrt. Sie haben gewisse im ganzen böhmischen Lande be*
kannte Eigenthümlichkeiten ihrer Mundart, die ihnen den Beinamen
„Buläci^ — weil sie unter andern „bul* statt „byl" aussprechen —
eingetragen hat Auch heißen sie: „Psohlavci = Hundsköpfler'', weil
sie auf ihrer Fahne einen Hundskopf als Sinnbild der ihnen obliegenden
treuen Gränzwacht führten.
Die Choden sind allen Anzeichen nach ursprüngliche Cechoslaven
and nicht, wie noch bis auf die jüngste Zeit Einige meinten, Abkömm-
linge jener polnischen Bewohner von Gdecz (Giecz), die der siegreiche
Herzog Bfetislav im J. 1039 nach Böhmen übersetzte ''). Wenzig
**) Noch K. J. Erben in seinem o. a. Aufsatz vertritt 8. 78 die alte
mit dem Bemerken, dass den polnischen filnwanderem der große
Wald Cnda '^ Cernin in der Gegend von Taus übergeben wurde, um selben
aoBzurotten und sich in Dörfern anzusiedeln; noch Cosmas kenne in Jener
Gegend »Qed£an6«. S. dagegen H. Jiredek das Recht in Böhmen und
Miliren. I. Bd. 2.. Abth. S. 20 und Bieger Slovnik naudn^ Artikel: -GKecz».
— Wenn Wenzig (Der Böhmerwald. Natur und Mensch. Geschildert von J.
Wenzig und Joh. Krejdi. Mit SS Holzschnitten von Ed. Herold. Prag. Bell-
mann 1860. 8. 164) behauptet, in der Mundart der Tauser Choden fänden sich
noch Ueberreste aus dem polnischen, so bleibt er den Beweis fOr diese Be-
hauptung schuldig; jedenfalls können die ?on ihm gebrachten Dialect-Proben
als solcher nicht gelten.
MitatilttflgM d. gMfff. GaMU. 1870. 11. 33
Ö06
fand bei seinem Besuche d&r Choden-DOrfer zu Ende der AnÜEiger
Jahre, dass ihre Wohnungen „noch hie und da auf die ursprOngUche
kriegerische Bestimmung hindeuten. Sie sehen", versichert er, „kleina
Festungen gleich, indem sie von einer Mauer umgeben sind, durch dk
kein Zimmerfenster nach außen geht." Er beschreibt einige ihrer Sittoi
und Gebrftuche und bringt mehrere ihrer Lieder als „Dialect-Proben"
mit beigeftlgter deutscher Uebertragung, worin er bekanntlich Meister ist ").
4. Der „goldene Steig."
Wenn in dem Vorangegangenen die Umwaldung des böhmischen
Landes ausschließend vom militärisch-politischen Standpunkte
in*s Auge gefasst wurde, so ist es noch eine andere Seite, von wo ihr
eine wichtige Rolle zugewiesen war: die fiscalisch-commercielle.
Der Gr&nzwald, der sich um Böhmen zog, diente nämlich gleichzeitig
als Zollschranke, wobei zu bemerken ist, dass der alte böhmische Grlnz-
zoU nur auf die Ausfuhr, nicht auch auf die Einfuhr von Handels-
gegenständen gelegt war '^). Die bezüglichen Aemter befanden sich aber
nicht, wie etwa heutzutage, hart am Austrittspunkte aus Böhmen in
'*) Wenzig a. a. 0. S. 162—166.
") Dr. Anton Gindely Geschichte der böhraischen Finamsen roD 15!€
bis 1618, Wien 1868 (Akademie-Schriften) S. 42.^ — Der Verfasser, deweo
ArMt die umlusendsten Stadien aller einschlägigen, Acten zu Grunde liegen,
f&hrt S. 41 f. die aus den Aufzeichnungen der Jahre 1550, 1586 und 1612 er-
sichtlichen Zoll-Stationen auf, wovon auf den südlichen Theil des Böhmerw&Ides
folgende entfielen :
1586
Taus.
1650
1612
druckten Namen gehören den verschiedenen Abzweigungen des -goideneB
Steiges- an. Hartmaniz war der alte Ausgangspunkt des St. Günthersteiges,
Neuem, nach meiner Vermuthang (s. oben S. 497 Anm.), jener des Eiseosteiner
Pfades. Plan, Wuldaa und Friedberg mögen Zollwegen angehört haben, die
erst sp&ter eröfEnet wurden; mindestens ist in den ältesten Aofkeichnongen
von ihnen nirgends die Rede.
Nengedein.
Neugedein.
Neugedein.
Neuem (Nyrsko).
Neuern.
. Neuern.
Hartmaniz.
Hartmaniz.
Hartmaniz.
fiergreichenstein.
Bergreichenstein.
Bergreichenstein.
Wtnterberg.
Winterberg.
Winterberg.
Prachatis.
Prachatiz.
Prachatiz.
Wallern (Volary).
^.
Wallern.
Ober-Plan (Planice?).
—
Plan,
Unter-Woldau.
Wuldau.
Ober-Wuldau.
Friedberg.
Friedberg.
Friedberg.
fiohenfort
EkKAtkiiAn A nA<naTiilA«*i*AiKi«««M
Krnmau.
60Z
dftfi Nachbarland, sondern lagen, weil sich der Forst tief in's Land
hineinzog, meist mehrere Standen weit von der durch die Mitte des
Waldes laufenden Gr&nze, wie das schon früher angeführte Beispiel von
Habem zeigt. Die Landespforten und Pfade, die in Kriegszeiten durch
Verhaue abgesperrt wurden, waren im Frieden die ausschließlich gestatteten
Ein- und Ausfnhrlinien : so ausschließlich gestattet, dass am ihretwillen
im Umfange des Gränzgebietes alle andern Wege, die einen leichteren
und bequemeren Verkehr vermitteln konnten, verpönt waren und sjrste»
matisch vernachlässigt worden, so dass Fuhren von den abseits liegen*
den Orten beschwerliche Umwege von mehreren Stunden und Meilen
machen mussten, um zu dem privilegierten Stapelplatz zu gelangen.
Wurde ein Güterwagen oder ein Viehtrieb auf einem jener Seitenwege
angehalten, so war die ganze Ladung oder Herde ver&llen.
Wie in militärischer Hinsicht der P.ass von Taus allen aus Böhmen
und nach Böhmen leitenden Heeresstraßen an Wichtigkeit und geschicht-
licher Berühmtheit weitaus vorangieng, so hatte sich in commerciell-fisca-
lischer keiner eines solchen Rufes und Ansehens zu erfreuen als der
von Passau nach Prachatiz führende sogenannte goldene Steig '*).
Sein Ursprung zieht sich in das Dunkel der Geschichte zurück und
vielleicht geht man nicht irre, wenn man ihn aus den Bojerzeiten her-
leitet. Bojer bewohnten in frühen Jahrhunderten Böhmen, Bojer in
späteren Zeiten Bayern; „Böhmen" und „Bayern" leiten beide ihre
Namen von ihnen her. Sollen die Bewohner des letzteren Landes und
die im ersteren zurückgelassenen Reste des gleichen Volksstammes außer
allem Verkehr miteinander geblieben sein? In der Richtung vom heutigen
Passan zum heutigen Prachatiz führte die nächste Linie aus dem bayeri-
schen Bojerlande in den südwestlichen Theil des alten Bojohämnm, des
reich gesegneten Landes, das nur an einem Lebensbedürfnisse ent-
schiedenen Mangel litt, an Salz. Aber gerade Salz hatte die spätere
Bojerheimat im Ueberflnsse; die Werke von Hall, Hallein, Hallstatt
(Hai im Keltischen = Salz) waren schon in ältester Zeit in Betrieb,
und dieses Salz war in der geschichtlichen Zeit der wichtigste Artikel,
der auf jenem Wege nach Böhmen gebracht wurde, so dass der „gol-
dene" Steig eben so gut der „Salz"* -Steig heißen konnte. Wo der
„via juxta Prachatiz'' urkundlich zum erstenmal Erwähnung geschieht,
1066, war das Zollerträgnis derselben bereits so bedeutend, dass König
Vratislav TL. das Vysehrader Capitel damit bestiften konnte. Das Ver-
hältnis bildete sich später so heraus, dass die eine Hälfte der Zollein-
^*) Zlatä Btezka. Pijspöwek k d^episn desk^ho obchoda w minulosti. Od
Fr. D. Slämy. Öas. Cesk. Mus. 1837.
33*
506
kfinfte dem Propste, die andere den flbrigen Vy§ehrader Capitnlarai
zufiel; im J. 1285 schlössen aber beide Theile einen Vertrag, dass
aach diese andere H&lfte dem Propste, dem reichsten Pfrandner des
Landes, zoiallen sollte, der dafür dem Capitel alle EinkOnfte seiner
Guter 2itenic,' Jinec, Üjezd n. a. mit allen Höfen , Weinbergen, Obst-
gftrten, dem Zehent von Leitmeriz, dem PodyySehrad a. a. abließ. Die
Passauer lörchenfillrsten thaten das ihrige, den Handel auf dem Pn-
chatizer Steige in lebhaftem Schwünge zu erhalten. So bestimmte
Bischof Otto 1256 auf dem Landtage za Niederhaosen, dass den Leaten
aas Waldkirchen, Schafweg und Zwiesel in der Verfrachtung von Salz
und anderem G-ut Aber die Berge nach Böhmen kein Hindernis in den
Weg gelegt werde; ja zu ihrer mehreren Aufinunterung wurde eine
Vergütung von 7 Schilling weniger 10 Pfennige für jedes Pferd fest*
gesetzt, das ein Säumer bei Tag, aber nicht bei Nacht, auf diesem
Wege Terlöre. Ebenso war man von böhmischer Seite darauf bedacht,
den in volkswirtschaftlicher Hinsicht so überaus wichtigen Verkehr auf
dem Prachatizer Steige in jeder Weise und unter allen Umst&nden la
schützen. Selbst in Kriegszeiten, wenn alle andern Granzwege der
Gegend von wo ein Angriff zu fürchten war durch Verhaue vermadit
wurden, blieb der von Prachatiz nach Passau frei und dem Verkehr
geöffnet; ja dies sollte, wie Wenzel IV. und der polnische Vladislav
ausdrücklich bestätigten , sogar dann der Fall sein, „wenn der König
von Böhmen mit dem Bischöfe oder Capitel von Passau selbst in Zwist
geriete und Krieg führte.'' In gleichem Sinne wurde zur Zeit Ferdi*
nand L, als wegen einer großen Hungersnoth alle Getreideausfuhr ans
dem Lande gesperrt wurde, für den Prachatizer Weg eine Ausnahme
gemacht
Die Zeit des fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts war vielleiebt
die des lebhaftesten Verkehrs auf dem goldenen Steige und der Blate
der Stadt Prachatiz. Zwar hatte es auch bis dahin an Rivalen nidit
gefehlt. Schon unter Karl IV. wird einer Straße von Passau über Grwilda
(Außergefild) nach Böhmen und eines 1366 ausgefertigten SchatzbrieGos
gedacht, „dass jede wie immer Namen habende Ware auf der ge-
nannten Straße über Bergreichenstein zu gehen und, welche des Tages
dahin käme, mit der Fuhre, auf der sie gebracht worden, über Nacht
daselbst zu bleiben habe.*^ Ebenso richtete Wimberg (Winterberg), wo-
hin Prachatiz aus alten Zeiten wöchentlich zwölf Reffträger mit Sali
abschickte, sein unablässiges Bemühen dahin, eine Abzweigung des
goldenen Steiges unmittelbar auf seinen Stapelplatz zu führen. Allein
der hierüber zwischen Winterberg und dem Propst zu Vysehrad aosge-
brochene Streit wurde unter König Wenzel 1404 8. Jänner dahin ent-
509
seUedeD, „dass Bicfa Wimberg mit seinen zwOlf Kraxenmännern zn b^
gnügen nnd der P&d, der von Passan über den Wald fährt, wie
bisher nach Prachatiz nnd von da weiter zn gehen habe, znm Frommen
des Landes Böhmen, damit es darin keinen Nachtheil erleide.^ Dessen*
ongeachtet gelangte Winterberg noch im Laofe des 15. Jahrhunderts zn
seinem Ziele nnd galt nnter dem Herrn UenSk Malovec von Cheynov,
1502, schon unangefochten als Stapelplatz ffXr Salz. Allein namhaften
Eintrag machte die Stadt doch den Prachatizem keineswegs, nnd noch
weniger gedieh Bergreichenstein in seiner Eigenschaft als Legestätte
zn größerer Bedentnng, so zwar, dass die Einwohner im 16. Jahr-
hnndert nicht einmal ihren eigenen Bedarf an Salz dnrch unmittelbaren
Bezug decken konnten.
Obgleich der goldene Steig an Wichtigkeit nnd Ansehen vielleicht
den besuchtesten unserer heutigen Straßen den Rang ablief ^'), war er
doch nichts anderes als was sein Name besagte, ein beengter Pfad, auf
welchem die Sftumer im besten Falle zwei beladene Gftule — „equi
honnsti qui dicuntur saumer' — nebeneinander treiben, aber kein Wagen
fahren konnte. Der goldene Steig war seiner ganzen mehrere Meilen
betragenden Länge nach mit geftllten Stämmen ausgelegt, und Ober die
Moldau gieng, wie schon frOher bemerkt, zwischen Böhmisch-Röhren und
Wallern eine Brflcke, die in gutem Stande zu erhalten — „ad reno-
vandum pontem in silya^ — die Pröpste von YySehrad die Verpflich-
tong hatten, so lange die Ertragnisse des Zolles in ihren Sftckel flössen;
später, als dieselben der königlichen Kammer zugute kamen, wurde
diese Verbindlichkeit der Stadtgemeinde Prachatiz aufgebürdet Längs
des goldenen Steiges gab es verschiedene Haltpunkte, namentlich Wasser-
Stationen fflr die beladenen Rosse, worauf viele noch heute bestehende
Ortsnamen hindeuten: so „Röhrenbach' in Bayern und „Böhmisch-
Röhren' (auf der Mü Herrschen Karte Böhmens: „H&usler bey der
böhmischen Röhm') an der Hauptader des goldenen Steiges von Passau
nach Prachatiz; dann „Röhrenberg' (Müller: „Röhrenhftuser') an der
Winierberger Abzweigung; endlich an jener nach Bergreichenstein auf
bayerischem Boden die „Schönbrunner H&user', die Orte „Hohenröhren',
„Heinrichsbrunnen^ .
Bei der bevorzugten Stellung, die der goldene Steig als Handels-
straße einnahm, scheint er grundsätzlich von kriegerischen Unter*
nehmungen gemieden worden zu sein. Der berüchtigte Einfall des
Passaner Kriegsvolkes im J. 1611 geschah nicht von dieser Seite,
sondem von Oberösterreich über Hohenfort und Kruman. Wir wissen
'^) Släma a. a. 0. 8. 15S.
610
▼on einem einzigen Kriegszuge, der seinen Weg Aber den goldenen
Steig nahm, nftmlieh im Winter 1618/9 als der kaiserlidie Genenl
Bonqnoy, im Sflden Böhmens yom Feinde bedrängt und yon Ober- und
Nieder-Oesterreich abgesperrt, sich der Stadt Kmman bem&chtigte nad
2000 Kriegsknechte, die der Kaiser in Yorder-Oesterreich geworben,
von Passaa Aber Freyung und Böhmisch-Röhren in's Land rflcken liei.
Es war das ein kfllmer Streich, der woi nur dämm gelang, weil die
Gegner aaf eine solche Benützung des berühmten Handelsweges niofat
gefasst waren. Die Säumer mit ihren sack- and bfindelbescbwertea
Oäülen, die sich gerade unterwegs befanden, mochten dabei unsanft bd
Seite gedrückt worden und die Lieferungen von Salz, von Getreide, Ton
allerhand Trinkwaren, von Linnenzeug, auf die man einerseits in
Prachatiz andererseits in Passau wartete, durch mehrere Tage arg in's
Stocken geraten sein; denn dies waren die Haupt-Artikel, deren regel-
mäßiger Austausch auf dem goldenen Steige vermittelt wurde. Danebai
liefen aber manche dem Erträgnisse nach geringere, ihrer Bedeutong
nach aber hochwichtige Artikel, nach denen auf dem uralten Wege von
Passau nach Böhmen gesucht wurde. Noch heute lebt im Böhmerwalde
die Ueberliefemng von unbekannten Wälschen, die sich vor Jahiiiun-
derten von Zeit zu Zeit durch Nachfragen nach alten Bäumen bemerk-
bar gemacht hätten. Es brauchten nicht eben aufrechte Stämme zu
sein, es genügte sogenanntes Lagerholz, uralte riesige Bäume, die durdi
ein Elementar-Ereignis gefällt oder gar mit ihrer riesigen Wm*zel aas-
gehoben waren und seither einhundert Jahre und darüber auf deoi
Boden lagen. Die Rinde und die äußern Schichten waren schon dem
Processe des Vermodems verfallen, aber der Kern, aus unendlich feinen
dichten und gleichmäßigen Jahresringen bestehend, war noch vollkoranen
gesund und gab das trefflichste Holz für Resonanz-Böden musikalischer
Instrumente. Und so mögen denn manche der berühmten und heute
mit schwerem Golde aufgewogenen Stradivari und Amati, Guameri und
Ruggieri, die unter den Strichen eines Vieuxtemps und Joachim, eioes
Laub und Hellmesberger ein ausgewähltes Concertpublicum in Entzücken-
versetzen, die hinreißende Macht ihres Tones einer gefallenen oder
gefällten Größe der §umaya verdanken, die ein vor langer Zeit anf
dem goldenen Steige herübergekommener italienischer Händler entdeckt,
erfeilscht und über den Böhmerwald und über die Alpen in das Land«
wo die Goldorange reift, geführt hatte.
Bald nach Anfang des vorigen Jahrhunderts gieng der goldene Steig
ein, und das kam so. Wie das Salz, dieses nach dem Brode, oder viel-
mehr mit dem Brode ausgebrfeitetste, ja unentbehrlichste aller Lebens-
bedürfnisse, den Wachsthum des Prachatizer Handels und Verkehrs ge-
511
fördert, seine Blüte geschaifen hatte, so war es meder das Sals, das
sein aUgemaohes Sinken and zuletzt die vollständige Verödung des
goldenen Steiges herbeiführte. Nämlich das Salz fand andere Wege
in^s Land zu kommen nnd der Aber Praehatiz verlor seinen Wert ; der
Mohr d. i. der goldene Steig hatte seine Schuldigkeit gethan und er
konnte gehen d. h. verfallen. Als die Beherrscher von Gestenreich, die
zugleich Könige von Böhmen waren, selbst in den Besitz reicher
Sahwerke, in Oberösterreich, kamen, brachte es ihr natürliches
Literesse mit sich, die Einführ ans ihren eigenen Salinen nach Böhmen
za begünstigen and dagegen jene aus dem Salzburgischen über Passau
möglichst zu erschweren. Zwar wehrten sich die Prachatizer lange Zeit
tapfer und nicht ohne günstigen Erfolg. Schon von Karl IV. her ge*
no8s Bndweis die Begünstigung, Salz aus Oberösterreich einfahren und
den Süden Böhmens, namentlich Wittingau und Schweiniz, damit versehen
za dürfen, und hatte sich von da bis zu Anfang des siebenzehnten
Jahrhunderts der Salzhandel von Gmunden über Linz ungemein ge*
hoben. Dennoch war Budweis lange Zeit nicht im Stande, denen von
Praehatiz empfindliche Concurrenz zu machen, die noch 1626 über
100.000 Schock Meifinisch jährlich im Salzhandel hatten. Ja die Pra-
chatizer wuBSten sich, um allen Möglichkeiten vorzusehen, das Recht
za erwerben, selbst Salz aus Gmunden zu beziehen, aus welchem An-
lasse 1659 ein gewisser Weißenberger als eine Art Salzgraf aufgestellt
wurde ; die Kufe Salz war um 4 fl. 30 kr. zu verkaufen, wovon 15 kr.
der Stadtgemeinde zu Nutzen kamen. Als aber unter Leopold I. mit
kaiserlichem Patent vom J. 1692 die Einfuhr des bayerischen Salzes, es sei
denn zuvor gewogen und verzollt, untersagt; als auf den Gentner
Gmondner Salzes 39 kr., dagegen auf Halleiner 1 fl. 49 — auf sächsi-
sches gar 3 tf. 9 kr. — gesetzt wurde, da konnte selbst die Gmundner
Salzniederlage in Praehatiz nur ein kümmerliches Dasein fristen, so
dass kaum vieizehn Jahre später, 1706, für gut befanden wurde, die-
selbe geradezu nach Krumau zu übertragen. Die Einfuhr von Salz über
Passau wurde nun unbedingt verboten und der Handelsverkehr auf dem
goldenen Steige, der sich geschichtlich an sieben Jahrhunderte zurück-
verfc^gen Iftsst und voigeschichtlich mehr als dreimal so lang gedauert
haben mochte, nahm ein Ende. „Von dieser Zeit**, sagt Släma ebenso
wahr als schön, „erlosch das Leben des goldenen Steiges ; der Böhmer-
wald schüttelte seine Nadeln auf ihn herab und überspannte sein Grab
mit Moos bis es verwuchs, und die Zeitlaufte haben seinen Namen und
sein Andenken derart weggewischt, dass kaum irgend ein Prachatizer,
geschweige denn ein entfernterer Bewohner des Böhmerwaldes noch zu
ermessen vermögen, welcher Segen von ihm über die ganze Umgegend
der Stadt einstmals gekommen war."
512
In der That kennt man zwar die Haaptrichtong des ehemaligen
goldenen Steiges, die dnrch dessen beide Endpunkte, Prachatiz in Böhinat
und Passan in Bayern, im allgemeinen bezeichnet ist. Aach einige der
vorzüglichsten Bohe- und Haltpnnkte, wie Röhrenbaeh nnd Freynng ii
Bayern, Böhmisch-Röhren und Wallern in Böhmen, dürften wol kaum
in Zweifel kommen. Allein schon gleich über seinen Aas- nnd ESn-
trittsponkt über die Grftnze scheint sich Streit erheben zn woUeiL
Dr. Jireöek in seinem gediegenen Werk über das alte b^Aumsdie
Recht bezeichnet die sogenannten Marchhänser als jene Stelle, von wo
der Passaner Steig auf böhmischen Boden trat and über das heatige
Landstraß anmittelbar anf Böhmisch-Röhren lief; etwas vor Böhoiisdi-
Röhren habe sich dann im XIY. Jahrhandert jener Steig abgeswdgt,
der über Knschwarta am Eabany vorbei nach Winterberg fährte. In
Kaschwarta selbst aber, das ich im Sommer 1868 mit einigen Wandere
genossen, daronter aach Dr. JireSek, besacht, hörten wir die Mei-
nong ansprechen, dass der goldene Steig von der Grfinze bei Land-
straß die gerade Richtung aaf Kaschwarta genommen and erst hintar
diesem Orte einerseits gegen Böhmisch-Röhren, andererseits gegen
Winterberg sich gespalten habe. Wie dem immer sei, so viel dürfte
anßer Zweifel stehen, dass Kaschwarta vom goldenen Steige, sei es in
der arsprünglichen Prachatizer Richtnng, sei es von der spatem Winter-
berger Abzweigang, berührt wnrde. Ein Bekannter eines meiner Rebe-
gefthrten, Herr Rak, der sich vor mehreren Jahren am Aasgange von
Kaschwarta angesiedelt and dort ein Stück Waldes nrbar gemadit,
lieferte ans den Beweis dafbr. Als Herr Rak den Grand übernahm,
zeigte sich im Waldboden in der Richtnng von Bayern her eine etwa
drei Schah breite, mit Gräsern Moos and Flechtwerk überwachsene
Rinne, die stellenweise noch so tief war, dass man aar dem Grande
stehend nnr mit dem Oberleibe hinansragte. Man konnte dies für das
ehemalige Rinnsal eines Gießbaches halten, der seit langer Zeit ver-
trocknet sei oder einen andern Lanf genommen habe, wenn nidit beim
Anf- and Umackern eine immer größere Zahl sehr alter Hafeisen vwi
eigener Form zn Tage gekommen wäre, was augenscheinlich darauf wies,
dass hier vor Zeiten ein stark benutzter Weg bestanden habe. Unser Gewährs-
mann versicherte, aaf der kleinen Strecke von einigen Klaftern in der
Länge mehr als zwanzig solcher Hafeisen in die Hände bekommen zu
haben, die er nach verschiedenen Seiten hin verschenkte; eines bad
er noch anter seinem alten Eisen und gab es Herrn Dr. Jire2ek,
für den es von besonderem Interesse war, mit ^%
^*) Es ist eigenthümlich, dass auf den Landkarten Böhmens, von der
Mfliler'scben angefangen bis anf die von Steinhauser und Mflck, die
513
Mit diesem Thefle des ehemaligen goldenen Steiges, und zwar mit
der Winterberger Abzweigung desselben, mnss anch die schon früher
erwähnte, auf einem Bergvorsprang eine kleine halbe Stunde von Kusch-
warta gelegene Teste in Beziehung gestanden haben. Ohne Zweifel war
sie vom Anfang her nichts anderes, als was heute noch ihre halbver-
fallene Ruine ist; ein einzeln stehender viereckiger Thurm, ein Lugins-
land, bestimmt den Verkehr auf dem Passauer Steige, sowol gegen
Kuschwarta als gegen den Eubany hin zu überwachen. Was diese Yer-
muthung bestärkt, ist der Umstand, dass der Turm in seinen noch
heute erkennbaren drei Geschossen nur nach zwei Seiten , nach jenen
nftmlich die in das tiefere Land hinunterschauen, Fenster hatte, während
die beiden andern Seiten des Geviertes, gegen den im Rücken liegenden
Wald hin, ununterbrochene Mauern bildeten. Diese zwei letztem stehen
noch bis fast an den Rand hinauf aufrecht, während von den beiden
andern die eine bis auf das obere Fenster, die andere bis über das
zweifenstrige Erdgeschoss eingesunken ist. Ihr heutiger Name ist i,Eunz-
warte'', auf der Müll er 'sehen Karte steht „Kuschwarta^; dass beides
auf „Kynivart — Königswart^ hinzudeuten scheint, habe ich bereits
S. 499 bemerkt. Uebrigens geht das denkwürdige Bauwerk sichtlich
raschem Verfalle entgegen; die obem Theile zerbröckeln mehr und
mehr, aus den Mauerklumsen schießen kleine Fichten und Kiefern
empor, dichtes Moos wuchert in den Fensteröfnungen. Das ist ohne
Frage sehr malerisch, befördert aber ebenso zweifellos den um sich
greifenden Verfall. Dazu haben, wie überall so auch hier, steine-
bedürftige Häuserbauer fleißig mitgeholfen ^').
5. Die alte Säumer-Stadt Prachatiz.
Wenn in der geschilderten Weise der goldene Steig der Haupt-
sache nach nur in der Erinnerung und in vereinzelten Gedenkzeichen
noch fortlebt, so hat sein Endpunkt und Stapelplatz in Böhmen, das
altehrwürdige Prachatiz, zwar auch viel von seiner frühem charakteri-
stischen Eigenthümlichkeit eingebüsst, aber doch auch vieles erhalten.
BeseichnuDg -goldener Steig« in den Gegenden der späteren Abzweigungen
desselben nach Bergreichenstein und Winterberg zu finden ist, aber gerade in
der Hauptrichtung von Passau nach Prachatiz fehlt. Siehe auch Krejii 8. S$ f.
und 65, der flbrigens die »goldenen Steige- su einem Gattungsbegriffe erbebt
nnd anch von einem solchen, der über Mader und Pbilippshtttten nach Inner«
gefild gef&hrt habe, wissen will.
'') Die Abbildung bei Wenzig-Krejöi S. 249 ist ganz unrichtig, und
Herr Eduard Herold, der sie gezeichnet, hat die Warte entweder nie gesehen
oder nicht genau angeschaut, sondern ihr Bild aus der Phantasie oder aus
oüTerlABBlicher Erinnerung zu Papier gebracht.
514
Das Alter der Stadt reicht in die älteste Zeit der böhmischen Ge-
schichte hinein. Mit dem wachsenden Verkehr auf dem goldenen Steige
wachs auch sie, der Wohlstand ihrer Bürger hob sich von einem Jahr-
hundert zum andern, wenn sie auch denselben nicht ohne mannigfache
Beschwerde zu erkaufen hatten. Da waren Pascher, die mit Umgehung
des vorgeschriebenen Stapelplatzes Waren in's Land schmuggeln wollten;
da waren Wegelagerer, die den Säumern auflauerten, um sie ihrer La-
dung zu berauben oder sich von ihnen den Durchlass mit schwerem
Oeld abkaufen zu lassen; da waren gap mächtige Schlossherren, wie
die von Hus bei Zablat\ deren ganzes Ritterthum in solch bewaffnetem
Hinterhalt bestand, womit sie die Gegend weit und breit unsicher
machten. Um solcher Umstände willen musste alltäglich eine Anzahl
von Prachatizer Bürgern oder Soldknechten bewaffnet auf den Beinen
oder zu Pferde sein, musste die Gegend durchstreifen um Schleich-
händler, anzuhalten und ihre Ware mit Beschlag zu belegen, musste
Wirtshäuser und Herbergen überfallen um verpöntem Gute nachspüren,
kurz, musste alle die Gehässigkeiten auf sich laden, die mit solcher
Finanz-Spaherei von altersher verbunden waren. Daneben hatten äe
ihre Stadt zu bewachen, Wälle tind Gräben in gutem Stand zu halten —
der Erlös der in Verfall erklärten Schleichwaren wurde hauptsacblidi
darauf verwendet — , bewaffnete Fähnlein bald gegen Winterberg bald
gegen Netoliz, das für Rechnung des Klosters Goldenkron ein Winkel-
lager für Salz hegte, auszuschicken oder sich mit denen von EJenan,
Wodnian, Karlsberg, Klattau vor die Burg Hus zu legen. Letzteres
geschah zum letztenmal 1441. Nach sechsmonatlicher Belagerung wurde
die Veste durch Hunger bezwungen und ihr Besitzer Habart von Lo-
pata zum Abzüge genöthigt, worauf man das Raubnest an vier Ecken
in Flammen setzte, so dass heute kaum die Reste einer verfallenen
Thorwand Zeugnis von dem Dasein einer Burg geben, auf der einst
Nicla£ von Hus, der erste militärische Anführer der Hussiten, gehaast hatte.
Waren die Mühen gi'oß, die den Prachatizem von Zeit zn Zeit
erwuchsen, so waren dagegen auch die Vortheile groß, die jene Mühen
lohnten. Es gab Zeiten, wo nach alten Berichten in der Woche über
1000, also auf den Tag mehr als 140 Saumrosse zu den Thoren der
Stadt herein kamen. Der Haupt-Artikel der Einfuhr blieb immer das
Salz; fast jeder Bürger hatte in seinem Hause Räumlichkeiten zur
Aufstapelung desselben. Außerdem giengen Getreide, Butter, K&se,
Wein, Bier, Meth in Massen durch Prachatiz, theils aus dem Lande
theils in das Land. Als unter den Herren voü Rosenberg die Teichwirt-
schaft im südlichen Böhmen so gewaltigen Aufschwung nahm, za einer
Zeit wo vielleicht ein Drittheil des Jahres Carenz-Tage waren und wo
L B. die viendgtägige Fa^iUiizeit in bDchstäblichem Sinne
nnle, biUeten die Fische einen h) bedeutenden Ausfuhr-Arl
mh m Anfuft des vorigen Jahrhanderts jähriicb au 30.00(
IK KAmen nach Bayern giengen. D^cften kamen von do
LmuBwaren. für die es in der Gefiend von Passaa viel Indn
Aber ucb in Prachatiz selbst war eintrfifilicher GewerbfleiQ.
Kirzä^chEt«n Erwerbzweige war die Bereitung von Weiß- nnd E
mddie Innang der IfDlzer (sladovniköl zählte nicht weniger al
HKen. Später kam die Branlnein-Erzen^oinfc in Blüte ; es gat
Zth 130 Brennereien in der Stadt, nnd der weit nnd breit
Pncitttizer sogenannte Peri-Brantwein bildete noch zo Anfa
/lirkooderts einen gesuchten Artikel in Böhmen, Salzburg, 0(
Biynn.
Neben dieser anfigedehnton Gewerbs- and Handelsthfltiftkeii
ucb die Künste und WissenBc haften nicht leer aus. Die Schule
chaliz, deren alterthümliches Gebünde nächst der Decanat-Kircl
dm arcbäolc^schen Juwelen dieser Stadt Rehdrt, stand Jah
ling im südlichen Böhmen in hohem Rufe, und noch heute lai
pitriotisclie Bürger nicht nehmen, dass einst Hus sowie der bli
lömpfer seiner Lehren ^ifka ihren ersten Unterricht in jenem
snpfiu^fen hatten; von llus ist dies darum niclit unwahrscheii
leaaen Geburtsort Husineit ganz in der Nachbarschaft von Pracb
'ogegen Trocnov, von wo /.i2ka seinen Beinamen trug, zien
lavon entfernt ist. Historisch sind die Namen zweier der grOflte
iCr alten C'arolingischen Hochschule: des Astronomen Christiai]
krztes Wen/el von Prachati;i, sowie die Namen zweier der heri
«iter der Wiener Baubütte, des Aufführers nnd des Vollci
L Stephanstnnnes : Peter und Hans von Prarhatiz, beide
^fauler des Veit HedbivnJ, der zu den Zeiten Curl IV, im südi
beile von Böhmen viele noch heule erhaltene Bauwerke anffühi
in Rosenbergem fand der Alrhymist Leonhard Vychberger in
ae Wohnstätte, und nach dem dreißigjährigen Kriege weilt
hrte Forscher Buhuislav Baibin längere Zeit in rler Stadt. Das
dlicb znr Fördemng der Kirchen-Musik eine sogenannte Litt
IJschaft besaß, brauchte, weil dies üi Böhmen in allen bede
ten der Fall gewesen, nicht erst envShnt zu werden ; es sei dei
ü der letzte „Literaten-Vater", im Besitze der alt«n, zum T
reu für diesen Dienst bestimmten Gesangsbücher, vielleicht b
t and seine Schätze hütbet.
So bat die Stadt Prachatiz im Laufe ihrer Geschichte viel ^
I Freude, sie hat aber daneben, wie mehr oder minder alle n;
516
liehen Stftdte, manch schweres Leid erfiihren. Im fünfiiehnten Jahrhoadert
kamen die wflsten Hussiten-Zeiten ; im November 1430 wurde Piachatiz
von den Taboriten berannt, eretflrmt, verwüstet and verbrannt; 235 Er-
schlagene lagen aaf den Gassen herom, 8ö Gefangene ließ 2ükA in die
engeSacristei derDecanat-Kirche pferchen und Pech mit brennendem Stroh
Aber ihre Häupter gießen, dass sie elendiglich anter jammervolka
Schmerzensgeschrei zu Grande giengenl Nach den Hnssitenstürmen be*
völkerte sich die Stadt von neaem and kam durch ihren Handel und Ge-
werbsfleiß zur früheren Blüte, bis sie 1507 durch einen rasch um sidi
greifenden Brand fast ganz in Asche gelegt wurde. Bald darnach kam
Prachatiz in den Besitz der m&chtigen Herren von der fOnfblatterigen
Rose, und unter ihrem Schutz erhob es sieh zum drittenmale, und wie es
scheint, schöner als je aus seinen Brandstatten. Was in Prachatia, wie
überhaupt im ganzen südlichen Theüe des Böhmerwaldes, an Denkmalen
mittelalterlicher Kunst sich erhalten hat, trägt fast ausnahmslos das
Wappenzeichen jenes berühmten Geschlechtes an der Stirn. Ober dem
Schwibbogen, der das Schiff der Decanat-Kirche vom Presbyterium trennt,
prangen zwei Rosen; an der ganz mit Gemälden überdeckten Stirnwand
des Rathhauses erblickt man den Rosenbergischen Schild mit der Auf-
schrift : „Wilhelmus a Rosenberg'^ ; von der Außenseite des Prager
Doppelthores, dieses prachtvollen Ueberbleibsels der alten Stadtbefesti-
gung die zugleich Stadt zier de gewesen, blinkt das große Reiterbild
Peter*s von Rosenberg ; an einem Privathause auf dem Hauptplatze findet
sich das Bildnis Yok's von Rosenberg zu Pferde u. s. w. Alle diese Bau-
lichkeiten und noch viele andere rühren entweder ganz oder doch in ihrer
bis heute erhaltenen Grestalt aus der Zeit nach dem großen Brande von
1607 her, und doch war dies bekhigenswerte Unglück nicht das letzte,
von dem die gute Stadt Prachatiz heimgesucht worden. Es kam der große
deutsche Religionskrieg, wo die Stadt vom Grafen Bouquoy unter einen
entsetzlichen Blutbad erstürmt wurde, 27. oder 28. September 1620; bei
1500 Einwohner kamen um*s Leben. Den (Gebäuden aber scheint damals
durch Brand oder Verwüstung kein Schaden zugefügt worden zu sein, weil
sich deren so viele in ihrer ein Jahrhundert früher empfangenen Gestalt
bis in das gegenwärtige erhalten haben. Da erst, im Jahre 1832, erhieK
das Aeußere der Stadt seinen letzten empfindlichen Stoß, indem durdi
eine Feuersbrunst 137 Häuser zerstört wurden. Bis zu dieser Katastroi^
muss Prachatiz, wie aus den Beschreibungen der noch so zahlreichen (xe-
denkm&nner hervoi^eht, ganz und gar nicht bloß seinen altstftdt^hen
Charakter — denn diesen besitzt es im allgemeinen noch heute — sondern
auch seine altstftdtische Pracht und Herrlichkeit erhalten haben. Wo jelct
noch auf dem Hauptplatze das ehrwürdige Rathhaus, das Gasthans ,
517
fiierqiielle*, das Brauhaus ihre mit Wandmalereien und Inschriften ans
dem sechzehnten nnd den ersten Jahren des siebenzehnten Jahrhunderts
geschmückte Außenseite aufweisen, da waren bis vor dem letzten groBen
Brande alle Hauser in dieser Weise geschmückt, so dass man sich, auf
den Ring tretend, in einen geschichtlichen Gemftldesaal versetzt denken
konnte «®).
Aber wie sich trotz aller Bedrängnisse und filementar-Zufäile noch
gar vieles von dem alterthflmlichen Gepräge der Stadt bis auf den heutigen
Tag exiialten hat, so war dies auch noch bis auf ganz kurze Zeit mit so
manchen Einrichtungen und Gebräuchen der Fall, die mit längst er-
loschenen Zuständen zusammenhiengen. Noch zu Anfang der zwanziger
Jahre wurde den Prachatizem behördlich allen Ernstes zugemuthet, die
Brücke hinter Wallern — jenen „pons in silva*', von dem Urkunden aus
dem zwölften und dreizehnten Jahrhunderte wiederholt Erwähnung thun —
auf fremdem Grund und Boden auszubessern und in gutem Stand zu halten,
als ob der goldene Steig, an dessen Benützung sich jene Verbindlich-
keit knüpfte, noch in vollem Betriebe stände. Prachatiz war, wie schon
sein Name zeigt, in früheren Zeiten ganz böhmisch ; erst unter Ferdinand II.
und nach der furchtbaren Totenlese unter Bouquoy wurde angefangen,
die behördlichen Erlässe und Ausweise in deutscher Sprache aufzuzeichnen;
heute ist Prachatiz eine vorwiegend deutsche Stadt. Doch noch immer
gieng allnächtlich der Wächter die stillen Straßen ab, und sang, wenn die
Stunde um war, seine uralten böhmischen Weisen wie seit langen Jahr-
hunderten her. Erst vor etwa fünf Jahren hat man das abgeschafft, als
„nicht mehr zeitgemäß'', als „die Gemeinde herabsetzend in den Augen
intelligenter Fremden'', und wol kaum bedacht, dass man damit ein ehr-
würdiges Stück Geschichte, das mit dem blühendsten Flor der Stadt
zusammenhieng, zu Grabe getragen. Demselben Schicksal«veifiel auch, und
ebenso erst vor wenig Jahren, die sogenannte Säumerglocke. Was war
die Säumerglocke? Das war ein Glöcklein, das noch aus den Zeiten her
war, wo alltäglich hunderte von Säumern mit ihren salz- oder linnenbela-
denen Kleppern den Weg von Wallern herabstiegen, abends um zehn
Uhr zn tönen begann und eine volle Viertelstunde fort läutete, um durch
ihren Klang, wie etwa ein Leuchtturm verspäteten Schiffen durch seinen
^^) Der Aufsatz Släma's Über den goldenen Steig, nur fänf Jahre nach
demUnglfick geschrieben, erwähnt dessen wiederholt. So wo er S. 162 erzählt, dass
zwei Drittel der Häuser Salz-Niederlagen hatten, »o 6em2 stawba töch domä
ai do*^ posledigho wyhofenj swöd^^ila. So auch S. 167 : »Neyhoyn^g^' ale u2itky
(ze zlat^ stezky) poijwalo mösto Prachatice, pomohaac si tak ne gii k bo-
halstwj, nybri k hogno8(j, iehoi swödkowö skoro wäecky möstsk^ zdi ni do
posledigho wyhofeoj byly.-
618
Glanz, den noch im Walde sich abmühenden S&nmern ein Zeichen zi
geben, dass sie von dem Ziele ihrer Reise nicht mehr fem seien. Das
w&hrte nun, wie gesagt, bis über die Mitte unseres Jahrhunderts hiBein
fort, obgleich es längst keinen goldenen Steig und keine Säumer mehr gab,
die sich darauf yeriri*en konnten. Und das war den ehrsamen Ehefrauen
von Prachatiz, die zu Hause einsam die Rückkunft ihrer beziehungsweisen
Oemale erwarteten, ganz recht. Denn dieses Glöcklein mit seinem eine
Viertelstunde lang tönenden Geläute war für alle so außer dem Hanse
mit »ihrem Biere'' oder mit einem „sestadvacet"' zu „thun^ hatten, ein
unerbittlicher Mahner, dass die ehegattliche Polizei-Stunde geschlagen
hatte. Aus demselben Grunde aber, warum das Tönen der Säumerig^tocke
den Prachatizer Ehefrauen wie Sphärenmusik klang, war es den Pracha-
tizer Eheherren ein greller Miston, der in ihr geselliges Treiben stör^
hineingriff; und da zuletzt im Prachatizer Stadtrathe wie weiland im römi-
schen Senate nur die Männer gehört werden, so kam es vor wenigen Jahren
dazu ^^), dass das Läuten der Säumerglocke als „nicht mehr zeitgemäße
und „die Gemeinde herabsetzend in den Augen intelligenter Fremden'*
abgeschafft und durch ein unschädliches Ave*Maria-Geläute, das kaum
einige Minuten währt, ersetzt wird. Damit war auch die letzte Erinneiimg,
welche die Bürger der altehrwürdigen Stadt Prachatiz an eine denkwürdige
und segensreiche Vergangenheit gemahnte, dem. Lose alles Irdischen ver-
fallen.
Der Elfenbeinhandel im Sudan.
Von J. E. H.
Die ersten Schiffe der Elfenbeinfahrer auf dem weißen Fluss, welche
im October v J. von hier abgiengen, sind zurückgekehrt. Ich finde
hierin den Anlass, auf die Geschäfte der aUjährlich sich wieder-
holenden Schiffahrten in die obem Regionen näher einzugehen. Der
hiesige oder centralafricanische Elfenbeinhandel beschränkt sich aus-
schließlich auf die Nebenländer des Bahr el abiad, und die
Communication mit den obem Gegenden kann nur durch die Wasser-
straße dieses Flusses vermittelt werden. Nach möglichst genauen und
zuverlässigen Erhebungen habe ich einen beiläufigen Status fiber den
Elfenbeinhandel in den Aequatorialländern zusammen stellen können^
dessen Ergebnis ich im nachstehenden ersichtlich zu machen versuche.
In der letzten Zeit giengen alljährlich nahe an 200 Schiffe von
C bar tum nach dem weißen Fluss. Darunter befanden sich circa
'*) Wen zig und KrejÖi, die ihr Buch ttber den Böhmerwald 1860
herausgaben, haben die Sämnerglocke noch gehört; ebenso Ferdinand Miko-
w e c : Mahlerisch-historische Skizzen aus Böhmen ; Wien und OlmQtz, Höhet,
1860, wo der interessante Aufsatz »Prachatic« S. 431 — 439 nachzulesen ist
519
zwei Drittel sogenannte Jagdschiffe, deren Mannschaft die Elefantenjagd
im Auge hatte, in Wirklichkeit aber auf Sclaven jagte und von dieser
Menschenware meist gute Ladungen aus den Negerläudern nach
Chartnm brachte, wodurch die Spesen gedeckt wurden und noch ein
respectabler Gewinn erübrigte. Erst als der verstorbene Hokmdar
Musa Pascha gegen diese en gros betriebene Sclaven Wirtschaft ener-
gische Maßregeln ergriff und im Sommer 18G4 alle Schiffe ohne Aus-
nahme mit Beschlag belegte (weil alle Sclaven führten), trat eine
Verminderung der Elfenbeinfahrer ein, so dass in den letzten zwei
Jahren nur 49 Schiffe den weißen Fluss bereisten. Das sind eben jene
Händler, welche in verschiedenen Negerdistricten schon seit Jahren
zur Einsammlung des Elfenbeins stabile Ansiedlungen mit 150 bis
200 Mann Besatzung (von der Ra^e der Dongolaui und Berberiner)
unterhalten. Von diesen Schiffen befahren 10 den weißen Fluss bis
Gondokoro, 8 bis Kitsch, 19 den Bahr el Gasall und 12
den Bahr es Saräf. Der Bahr es Sobat wird seit einigen Jahren
nicht mehr befahren wie in früherer Zeit.
Die Abfahrt beginnt mit Eintritt der Nordwinde, October bis
J&nner. Die Fahrt dauert 6 bis 8 Monate, so dass die Schiffe im
Mai, Juni und Juli wieder nach Chart um zurückkehren. In der
Zwischenzeit, d. h. im August, September und October beschäftigen
sich die Leute mit der Ausrüstung für die nächstjährige Expedition,
mit Beparaturen der Barken, Sammlung von Provisionen, Waren etc.
Im ganzen also reisen letzterer Zeit 49 Schiffe al^ährlich einmal
von Chart um den weißen Fluss hinauf. Wer keine eigenen Schiffe
oder deren nicht genug hat, muss andere mieten, wofür er 800 bis
1000 Piaster Tarif Mietzins per Monat ohne Löhnung und Pflege der
Schiffsleute zahlt.
Das Erfordernis der Mannschaft richtet sich nach der Größe der
Schiffe. Diese sind entweder Dahabien mit Kajüte und zwei Segeln,
oder Nöker ohne Kajüte mit einem Segel, die letzteren gewöhnlich
mit einem Nothdach aus Stroh oder Matten, nicht sowol der Sonne
wegen, als vielmehr zum theilweisen Schutz vor den starken Regen-
güssen in den obern Regionen. Eine Dahabia braucht 12 Matrosen,
1 Steuermann, 1 Rais (Capitän) und ein Negerweib als Köchin, also
15 Personen. Für einen Nöker genügen 6 Matrosen, 1 Steuermann,
1 Rais und eine Köchin, also 9 Personen, üeberdies muss bewaffnete
Bedeckung gegen die Anfälle der Neger an Bord sein, wozu sich auf
jedem Schiffe, ob klein oder groß, 30 mit Feuerwaffen versehene Ber-
beriner, sogenannte Ask er i (Soldaten), befinden. Eine Dahabia fasst
demnach 45 Personen, ein Nöker 39 Personen. Rechnet man
520
11 Dahabien zn 45 Personen nnd 38 NOker zu 39 Personen,
80 ergibt sich die Gesammtbemannang aller 49 Schiffe mit 1977 Iiuii-
vidnen, in runder Zahl aasgedrflckt: 50 Schiffe brauchen 2000 Leute.
Die Löhnung der Schiffismannschaft wird per Monat berechnet. Der
Rais hat 100, an manchen Schiffen sogar 150 Piaster Tarif, der
Steuermann von 70 bis 90 P. T., jeder Matrose 60 P. T., die bewaff-
nete Mannschaft per Kopf 45 P. T. Die Löhnung einer Dahabia
mit 45 Personen würde demnach monatlich 2330 P. T. betragen, und za
11 Dahabien angenommen, ergäbe sich ein MonaÜohn von 25*630 P. T.
Die Mannschaft eines Nökers erhält monatlich nach obigem Status
per 39 Personen 1970 P. T. und beträgt sonach die Monatlöhnung
fOr 38 Schiffe 74*860 P. T. Die Oesammtbemannung fOr alle 49 Sdiift
empfängt also eine Monatlöhnung von 100*490 P. T. und belauft
sich für 8 Monate (so lange bleiben die Schiffe jährlich aus) auf
803-920 P. T.
Es bedarf keiner Erwähnung, dass in den Gebieten des Bahr el
abiad nach Ost und West, überhaupt im Centrum von Africa sfldlich
von Chart um keine Münzen cursieren, und daher die auf Elfenbein
ausgehenden Schiffe die nöthigen und entsprechenden Waren als
Tauschmittel mit sich führen müssen. Diese Waren bestehen zuvörderst
in Glasperlen verschiedener Qualität, meistens böhmischen nnd vene-
zianischen. Einige Gattungen werden nach Gewicht (wie z. B. D ant-
raf, Njaut^t, Gondjöl, Eiri, weiße und schwarze etc.), andere
nach Fäden oder Stückzahl berechnet, wie z. B. Taubeneier (B6red),
Mandjur, Gene 1 6 und Uada (kleine weiße Muscheln vom rothen
Meere). Von den ersteren rechnet man durchschnittlich auf ein Schiff
25 Cantar, von letzteren 6000 Stück, von Muscheln 2 Rachl (Kameel-
ladungen); außerdem sind geschmiedete Kupferstangen, theilweise schon
zu Braceletten gefügt, ein sehr beliebter Tauschartikel, wovon jedes
Schiff circa 300 Oka (beiläufig 8 Ctr.) nut sich fahrt. Die meisten
Schiffe nehmen auch etwas Manufacturen, Schuhzeng, Tarbusche, Brant-
wein etc. mit Die letzteren Artikel gehören aber nicht zum Tausch-
handel, weil die Neger keine Kleidung tragen, sondern sind fllr
die in den Stabilimenten bediensteten Berberiner bestimmt, denen sie
zu himmelschreienden Preisen auf Abzug ihres Lohnes abgelassen
werden, z.B. ein Stück Tromba (ordinäres Baumwollenzeug) 200 P. T.
(in Chartum 45 P.), ein Stück Debelan 400 P. T. (m Chartnm
140 P. T.), eine Flasche Brantwein 30 P. T. (in Chartum 6 P. T.),
ein Par Schuhe 50 P. T. (in Chartum 10 P. T.) etc. Selbst-
verständlich muss jedes Schiff seine Provisionen an Bord führen, bestehend
in Salz, Yeka (gedörrte Leamien) und 50 bis 60 Ardeb Dura.
I
521
Wie schon erwähnt, trägt jedes Schiff 30 Mann bewaffnete Be-
deckung gegen die häufigen Ueberfälle der Neger an Bord, jeden Mann
mit einer Flinte und der nöthigen Munition ausgerüstet. Man rechnet
fOr ein Schiff zur Hin- und Rückreise löOO Testa, d. i. 10 Stück
scharfe Patronen per Testa oder Packet. Auch für die Stabilimente
muss jährlich Munition nachgeschafft werden, welche sich für je eines
auf 3000 bis 4000 Testa, also 30 bis 40.000 Patronen, und über-
dies etwas Pulver in Büchsen und Blockblei belauft. In den Stabilimenten
selbst ist jedermann bewaffnet und darf nie, selbst nicht wenige Schritte,
ohne Flinte in der Hand die Station verlassen, weil auch die Neger
nach Landesbrauch nie ohne Lanze, Pfeil und Bogen von ihrer Hütte
sich entfernen, und häufige Meuchelmorde in der unmittelbaren Nähe
der Ansiedelungen Vorsicht gelehrt haben. Jedes Jahr kommen der-
gleichen Hiobsposten nach Chart um.
Aus der vorliegenden Darstellung ergibt sich, dass die vollständige
Ausrüstung eines Nökers beiläufig 80.000 P. T. (4000 Thaler), die
einer Dahabia 100*000 P. T. (5000 Thaler) erreicht
Der hiesige Elfenbeinhandel ist für die Kaufmannschaft überhaupt
noch sehr jung und datiert erst vom Jahre 1851. Nach Eröfbiung des
weißen Flusses unter der Regentschaft Mehmed Ali's hatte die egyptische
Regierung anfangs der Vierzigeqahre Monopol auf den Elfenbeinhandel
gelegt und alljährlich eine Expedition von 6 — 7 Schiffen hinauf geschickt.
Die beiden Hauptartikel des sudanesischen Export-Handels, Gummi und
Elfenbein, hatte ausschließlich die Regierung in der Hand. Und ob-
gleich im Jahre 1849 der Handel „jenseits der Nilkatarakte^ frei er-
klärt wurde, wusste der damalige Hokmdar Ahmed Pascha die
Kauf leute doch durch allerlei Hindernisse und Bedingungen von den
Expeditionen abzuhalten. Erst nach Errichtung des kaiserlich öster-
reichischen Consulates in Chartum gelang es dem klugen und energi-
schen Auftreten des damaligen Agenten Dr. Reitz 1851 die Pforten
des weißen Flusses der Handelswelt zu eröffnen.
Um jene Zeit versuchten einige Kauffahrer die Expedition. Der
Handel beschränkte sich aber auf die Flusslinie; in gewissen Stationen
wurde angelegt, die Neger der Umgegend brachten Zähne, Rhinozeros-
ond Antilopenhörner etc. zum Austausche herbei. Das Ergebnis in der
immittelbaren Nähe des Flusses war bald erschöpft. Der Handel musste
in die Binnenländer ausgedehnt werden. Dazu wurden die Waffen und
die Mannschaft vermehrt. Man drang unter starker Bedeckung ins
Innere vor, 8 bis 10 Tagmärsche. Dort machte man bald die Er-
fahrung, dass das Elfenbein aus der weiten Umgegend nicht in
kurzer Zeit ausgebeutet werden kann, und dass stabile Nieder-
Miitheiloageii d. geogr. G«BeU. 1870. 11. 34
Ö22
lassangen unter gut armierter Be8at2wig notkwendig sind. Einer der
ersten, der eine solche Station, Seriba (Einzäunung) gründete (8 Tag-
reisen im Innern vom Hafenplatz Gaba Schambil im Gebiete der
Kitsch bei den Djnr), war der Franzose Malzac. Er Uieb in
den ersten Jahren in eigener Person an Ort und Stelle imd
sorgte fOr die Einrichtnng and Yergrößernng. Da er anfangs glanzende
Resaltate erzielte, so wnrden bald auch von den übrigen Eaofleaten in
allen Grebieten, auf dem Bahr el Oasall, Bahr es Saraf, and
zoletzt auch in den südlichen Begionen von Gondokoro Stabili-
mente errichtet. Derzeit bestehen solche Handelsniederlassongen 23,
and zwar 6 im Süden von Gondokoro nach Ost and West des
Flnsses bis zam See Nyansa; ö im Gebiete der Kitsch and
Heliab; 9 am Bahr el Gasall; 3 am Bahr es SaraL Diese
Seriben liegen aber dnrchweges weiter vom Flass ab. Einige haben
eine Besatzung von 200 Mann, andere von 150 Mann, je nach der
Sicherheit der Gegend. Anf die Stabilimente ober Gondokoro
kommen je 200 Mann, auf die von Heliab, Abn Kaka oad
Gaba Schambil je 200 Mann, aof die am Bahr el Gasali
iind Saraf je 150 Mann, im ganzen für alle 23 Stabilimente ene
Besatzung von 4000 Mann. Diese Mannschaft wird aas der Ra^ der
Dongolaui und Berberiner rekrutiert. Freie Neger sind nur
wenige darunter.
Der Gapo (Yakil) des Stabilimentes bezieht 500, ja sogar
1000 Piaster MonaÜohn, die Mannschaft 80 bis 100 Piaster. Durch-
schnittlich zu 200 Mann ä 90 P. per Monat für 11 Stationen gerechnet,
betr> die Löhnung monatlich 18.000 P. T. ; 12 Stationen zu 150 Mam
ä 90 P. per Monat macht monatlich 14.500 P. T. Dazu kommen die
Stationschefs (Yakil) durchschnittlich mit 800 P. Monatlohn, macht
jährlich für 23 Stationen 220.800 P. Die Gesammüöhnung aUer Stabili-
mente belauft sich also jährlich auf 610.800 Piaster Tarif.
Hier muss aber ein für allemal bemerkt werden, dass diese Leute
ihren Sold, wie schon oben angedeutet, meist in Waren zu 5- bis
lOfachen Preisen, oder auch in Sclaven erhalten ; nur selten, dass ihnen,
wenn sie nach mehreren Jahren nach Chart um zurück kehren, ein
geringer Theil ihrer Löhnung an Bargeld übrig bleibt. Es darf diese
Bemerkung nicht wundem, denn in den Stabilimenten haben die SclaYen-
gesch<e jetzt wie ehedem ihren Fortgang, und jeder sogenannte SoMat
(Besatzungsmannsohaft) bekommt, wenn er will, um einen gewissen Preis
so yiel Sclaven, als seine Löhnung beträgt Da freilich braucht der
Unternehmer nicht in den Säckel zu greifen.
Die Leute der Seriba haben die Aufgabe, im Verlauf des Jahres
&2S
das Elfenbein bei den nmliegenden Stammen einzusammeln and es nach
Ankunft der Schiffe anf den Flnss zu liefern. Dazu mfissen sie über
einen Monat weite Rundrdsen machen. Sie theilen sich gewöhnlich in
mehrere Partien; ein Theil bleibt zu Hause als Bewachung, ein Theil
reist nach West, ein Theil nach Süd etc. Auf ihren Zügen bleiben sie
oft Ö — 6 Monate aus. Dabei geht es selten ohne Kämpfe mit den
Eingebomen ab, welche den Fremden den Eintritt in ihr Gebiet
nicht gestatten wollen. Es begreift sich, dass sie die nöthigen Tausch-
mittel mit sich nehmen müssen. Es gibt aber nur ein einziges Trans-
portmittel, die Träger aus den Eingebomen selbst. Daher werden
fiEbr solche Excursionen so viel Neger gegen eine Entlohnung von so
und so viel Pfand Glasperlen, etwas Kupfer etc. engagiert, als zur
Fortbringung der Tauschwaren nöthig sind, welche die Neger auf der
Hinreise in kleinen Pftcken bis zu ÖO Pfand auf dem Kopfe tragen,
während sie auf der Rückreise das eingehandelte Elfenbein übernehmen.
Namentlich in den von Gondokoro nach Süden gelegenen Stabili-
menten wurden diese Expeditionen in den letzten Jahren bis zum
Victoria- und Albert-Nyansa ausgedehnt und waren stets vom
bestat Erfolge begleitet Auch die in der Mittelregion bei den Kitsch
und Djnr gelegenen Stabiümente, sowie jene des Bahr el Gasall
müssen, weil in der Nähe schon alles Elfenbein ausgebeutet ist, ihre
Reisen weit nach West und Südwest ins Land der Njam-Njam aus-
ddinen. Einige dieser Leute wollen von den Eingebornen gehört haben,
dass auch von Westen her Kaufleute in jene Gegenden kommen, um
.Elfenbein einzuhandeln, also von der Küste Gabun oder Kongo.
Da die Expeditionen jedes Jahr mehr ausgedehnt werden, ist anzu-
ndunen, dass in nächster Zukunft ein guter Zufall die östlichen und west-
lichen Handelskarawanen zusammenführt. Hierüber wird Dr. Schwein-
furt Aufschluss bringen.
Ich fuge hier die Bemerkung hinzu, dass die 6 Stabiümente
im Aequatprialgebiete (die einträglichsten) vor einigen Jahren durch
den Yicekönig von Schech Ahmed el Akad angekauft wurden,
jedoch bleibt Akad für 3 Jahre Pächter, wofür er einen Pachtschilling
von 600 Beutel per Jahr zahlt Gleichfalls hat Seine Hoheit vor 2 Jahren
das Stabiliment der Gebrüder Poncet inAbuKukaum 3500 Pftmd
Sterling unter derselben Bedingung angekauft, dass die Poncet
3 Jahre Pächter bleiben und dafür jährlich 300 Pftmd Pachtzins zahlen.
Es scheint darauf angelegt, nach und nach alle Handelsniederlassungen
des weißen- Flusses anzukaufen, um eines schönen Tages den Gesammt-
elfenbeinhandel in eigene Regie zu nehmen, ohne denselben monopolisiert
zu haben.
34*
624
Im Dnrchsdinitt betrSgt das Ergebnis des Elfenbeinhandels:
Gnfar
a) von den 6 Stabilimenten im Aeqoatoria^ebiete ... 900
b) von den 5 Stabilimenten der mittleren Regionen ... 500
c) von den 9 Stabilimenten des Bahr el Gasall . . . 1200
d) von den 3 Stabilimenten des Saraf . . . .100
Total Cantar 2700
Man kann also als Norm annehmen, dass alljährlich 2700 Caotar
Elfenbein vom weißen Floss nach Chart am gebracht werden.
Die Elfenbeinzähne werden entweder nach Gewicht oder Qoalit&t
in 5 Classen eingetheilt:
a) Klindj — von 1 bis 7 Botel.
b) Bar — über 7 bis 15 Rotel.
c) Dahr Brindji — über 15 bis 35 Rotel.
d) Brinji — über 35 Rotel aufwärts.
e) Maschmas ch — in diese Glasse gehören die 2iahne aller
vorstehenden Qualitäten, welche verfault, zerbrochen, ler-
Sprüngen, oder sonst irgendwie schadhaft sind.
Hier muss bemerkt werden, dass bei der kleinsten Qualität Klindj
400 Rotel auf einen Cantar, von der Qualität Bar 150 Rotel aaf einen
Cantar, von den großen Zähnen aber 100 Rotel auf einen Cantar ge-
rechnet werden. Es bedarf keiner Erwähnung, dass der Preis von Gairo
rflckschlägig auf den hiesigen Platzpreis einwirkt. Nichtsdestoweniger
kann man als fixe Norm des Lokalpreises von Chartum folgende
Liste annehmen:
a) Klindj ä Ctr. zu 400 Rotel ....... P. T. 3000
b) Bar ä Ctr. zu 150 Rotel „ 2000
c) Dahr Brindji zu 100 Rotel pr. Ctr. . . . „ 1800
d) Brindji ä Ctr. zu 100 Rotel „ 2200
e) „ sehr große .... . „ 2400
f) Maschmusch (Maschemes) ä Ctr. von 60
Rotel aufwärts „ 1500
von 30 bis 60 Rotel „ 1200
von 30 Rotel abwärts „ 1000
Mit dieser letzten Gattung (Maschmusch) werden häufig gute
Speculationen gemacht, insbesondere, wenn es große Zähne sind, indem
man den schadhaften Theil abschabt, den Zahn etwas putzt und ihn
sonach in die erste Qualität (Brindji) steckt, wodurch wenigstens der
doppelte Preis erzielt wird.
Von der jährlichen Elfenbein-Ausbeute entfallen auf jede ein-
zelne Sorte:
J
535
Klindj Cantar ,70
Dahr Brindji ... „ 450
Maschmnsch „ 260
Brindji „ 1600
Znsammen 2700
Nimmt man dieses Ergebnis durchschnittlich per Cantar zu
2200 P. T., so wirft das ein Ertragnis von 5,940.000 P. T. ab. wor-
nach die ganze Unternehmung im Vergleich zu den Spesen pr. 5,554.720
die Bagatelle von 385.280 P. T. als Reinertrftgnis abgeben würde.
Hier mnss aber in Anschlag gebracht werden, dass die dienstthnende
Mannschaft großentheils mit Sclaven nnd Waren unter Anrechnung
des zehnfachen Preises bezahlt wird, wodurch sich die wirklichen
Auslagen an Bargeld auf ein Minimum reducieren, und mithin der
Gewinn ans Licht tritt. Ueberdies führen die Schiffe leider noch
immer Sclaven aus den Negerländem herab, welche, um nicht in
Ghartum gesehen zu werden, in Lahauin oder Woad Schellai
ausgesetzt, zu Lande an ihren Bestimmungsort gelangen, oder auf dem
Markte inMuselemichzu Gleld gemacht werden. Die Sclaven repräsen-
tieren eigentlichen Gewinn, und der Elfenbeinhandel könnte ohne sie
nicht bestehen. Obgleich die Regierung dieses Geschäft mit Menschen-
ware scheinbar zu hintertreiben sucht, so lässt sich im Gegensatze zu-
verlässig sagen, dass die Mudirie in Faschoda von jedem Sclaven-
schiffie 15 Schwarze und außerdem für jeden Sclaven 10 Thaler Tribut
abnimmt und sodann den Schifiahrem einen Freipass ausstellt. Außer-
dem bringen die Barken noch einige andere Kleinigkeiten vom weißen
Flusse, wie unten angedeutet werden wird, die aber für den Gewinn
nicht in die Wage fallen.
In Chartum selbst bleibt von dem ganzen Elfenbein der geringe
Theil von etwa 50 Ctr. aus der Sorte Bar und Dahr Brindji,
welche hier zu Armbändern für das weibliche Geschlecht verarbeitet
werden. Das übrige führt man aus, und zwar Elindj, Bar und
Dahr Brindji auf der Straße über Berber nach Suakim und
von dort zum größten Theile nach Indien ; nur ein kleiner Theil bleibt
in Hedjas; Brindji — die großen Zähne — und auch Dahr
Brindji und etwas Bar gehen nach Cairo via Korosko oder
via Dogola. Maschmusch wird gewöhnlich mit den vorstehenden
Qualitäten untermischt.
Die Transportkosten auf den Landstraßen Sudans sind in den
letzten Jahren bis ins fabelhafte gestiegen. Seit 17 Jahren, so lange
ich den Sudan kenne, war der Transporttarif für die Beute Korosko*
526
Berber anf 90 P. T. (4V8 Thaler) per Euneel festgesetst. Seit
4 Jahren wurde der Mietlohn für ein Kameel auf derselben Strafie Ins
auf 25 Thaler erhöht. Im October 1866 hat man Ton mir seDxt m
Berber 20 Thaler per Kameel bis Eorosko verUmgt, während ein
Kaufmann 25 Thaler far das Kameel bezahlte, und im April 1867
habe ich noch 13 Thaler fOr ein Kameel auf jener Straße bezahlt. Es
wird kaum eine Handelsstraße in der Welt geben , wo die Transport-
spesen so hoch zu stehen kommen. Man hat Mangel an Kameelen wegen
eingerissener Mortalität, man hat Theuerung des Getreides vorgeschützt
Die Regierung verhielt sich neutral, sie hat keinen modificierten, beiden
Parteien entsprechenden Tarif bestimmt, und so waren die Kaafleate
ohne Gnade der Willkühr der Beduinen verfallen. Die Regierung hat
zu ihrem eigenen Gebrauch in jener Zeit bloß 10 Thaler fibr ein Ka-
meel bezahlt, wo die Handelskarawanen 20 und 25 Thaler opfern mnaataL
Derzeit hat sich das Blatt etwas gewendet. Da die Handels-
straße durch die Wfiste von Korosko die am meisten begangene und
kürzeste ist, so ist für unsere Darstellung hauptsächlich diese Route
maßgebend. Man hat neuestens die Transportgebflhr auf 45 P. T. per
Cantar normiert. Da nun ein Rachel (Kameelladung) auf 4 Ctr. be-
rechnet wird, so kommt derzeit ein Kameel auf circa 9 Thaler. Yia
Korosko rechnet man die Spesen bis Gairo auf 100 P. T. per Ctr.,
wozu alle kleineren Auslagen, als Rindshäute (die Elefantenz&hne mftssen
in H&ute eingen&ht werden), Stricke, Diener und Verpflegung, Sdiift-
miete, Aus- und Einladung etc. mit inbegriffen sind. Von Chart um
nach Berber kostet ein Rachel (2 Colli) zu Schiff 30 P. T. Von
Berber nach Suakim kostet der Ctr. 20 P. T. In Suakim aber
zahlt man 2^^% Zollgebühr (Djumruk) für die Elefimtengähne
Via Dongola sind die Elfenbein-Speditionen selten, weil die Spesen
sich höher belaufen und die Reise l&nger diskuert.
Die Kauffahrer bringen außer dem Elfenbein auch einige andere
Gegenst&nde aus den Negerländem herab, die aber wegen ihres Wertes
und ihrer Quantit&t kaum der Erw&hnung wert sind. Sie besteh»! in
Tamarhinde (etwa 40 Ctr.), Honig (15 Ctr.), RhinozeroshOmer
(Hertit), die nach Gewicht im Preise des guten Elfenbeins stehen,
Hippopotamuszfthne zum gleichen Wert, eine Wenigkeit Von Rinda-
häuten, und etwas ethnographische und naturhistorische Gegenstande.
Der ergiebigste Artikel aber, wie schon bemerkt, sind nach dem Elfen-
bein die Sclaven, und obgleich im Gebiete der Schilluk seit mefareicn
Jahren eine Mudirie besteht, wo die vorbeikommenden KaoffahrteiachÜfe
einer Visitation unterzogen werden, so ist das nur eine Fonnalitat;
denn die Auf Sichtsorgane sehen und sehen nicht, aus begreiflichen Gründen.
5»
Die an die Luideffiregiemng zu leistende SchiSssteuer (Agab,
auch Werko genannt) wurde nach der Tragfähigkeit der Schiffe be-
measen und dabei als Maßstab ein Ardeb zu 20 Para per Jahr ange-
nommen. Da manche Schiffe 200 and mehr Ardeb, andere weniger aof-
nehmen, so kann man im Durchmesser 100 P. T. pr. Schiff jährliche
Steuer rechnen. Diese Abgabe hat jedes Schiff zu leisten, einerlei, ob
dasselbe den weißen oder blanen oder yereinigten Nil befährt. Alle
Nilbarken des Sudan kann man auf 300 anschlagen.
Die Werko des Schiffspersonals wurde auf eine Monatlöhnung»
also auf ein Zwölftel des jährlichen Verdienstes bemessen. Damach
beträgt z. B. die Steuer eines Nökers mit 9 Schiffleuten und 30 Soldaten
nach der oben angefahrten Löhnung circa 1950 P. T., eine Dahabia
aber muss nach demelben Maßstabe 2310 P. T. zahlen. Auch die Be-
satzung der Stabilimente am weißen Fluss hat eine Monatlöhnung an
die Regierung abzugeben. Da aber diese Leute jahrelang nicht nach
Chartum kommen, so muss ihr Dienstgeber die entfallende Summe
aDj&hrUch auf Abrechnung von ihrem Solde an die Regierung abliefern.
Das Stabiliment zu 200 Mann ä 90 P. T. berechnet, würde also an
Steuer 18.000 P. T. des Jahres abwerfen.
fiiemit ist der GFegenstand erschöpft. Wenn ich den Versuch wagte,
eine beiläufige, aber immerhin möglichst wahrheitsgetreue Uebersicht
eines der größten sudanischen Handelszweige zusammen zu stellen, so
kann ich nicht verhehlen, dass noch manche Lücken zum Ausfüllen
flhrig bleiben. Es hat hier einige Schwierigkeiten, statistische Daten zu
sammeln, weil das Gubemium keine Statistik führt, und in der Handels-
weit jedermann um seinen eigenen Beutel besorgt ist, ohne sich weiter
um eine Uebersicht oder einen Um&ng der allgemeinen Handelsange-
l^genheiten zu kümmern. Börsen-, Handels- und Gewerbekammem gibt
es keine. In dem gegenseitigen Mistrauen sagen die Eaufleute, um
ihre geschäftlichen Verhältnisse befragt, keiner die Wahrheit, oder sie
weichffli der Auskunft aus. Es ist nur indirecter Weise und durch fort-
gesetzte Beobachtungen möglich, dem wahren Geschäftsgange auf den
Grand zu kommen. Uebrigens geht der in früheren Zeiten so lebhafte
Handel seit wenigen Jahren den Krebsgang, mit Warenvorräten ist
man von Egypten her überhäuft, Verkauf und Consum keiner, Geld,
womit das Land noch vor kurzer Zeit, notabene von Mariatheresien-
thalem, überschemmt war, ist total verschwunden. Wo ist es hinge-
kommen, das früher so reichlich kursierende Gold und Silber? Es darf
nicht wundem, wenn man hört, dass in der Regierungskasse 30.000 ^Beutel
aufgeschobert liegen, wovon kein Piaster angerührt werden darf, weil
dieses Sümmchen an Seine Vicekönigliche Hoheit abgeliefert werden
528
mnss. Die neueren politischen Verhältnisse in Egypten haben auch den
Sndan mit in den Eanf genommen. Wie soll ein Verkehr, ein Handeto-
leben im Lande existieren, wenn die Regierung die (relder einzieht nd
nichts herausgibt, sogar ihre Beamten ein ganzes Jahr lang in der
Hoffiiung aaf den endlichen Empfang ihrer Gage halb verzweifln läsat?
Woher kommt es, dass in neuester Zeit der Mariatheresienthaler y<»
20 auf 23, der Napoleondor von 77 auf 80, die englische Guinea von
97^2 ^"^ 100 Piaster gestiegen sind? Der jetzige Generalgoiivemenr
Djafer Pascha hat sogar die silberne Scheidemttnze steigern wollen;
der Witz ist ihm aber nicht gelungen. Warum kostet derzeit der noth-
wendigste Lebensartikel, die Brotfrucht der Eingebornen, die Dura,
6 P. T. pr. Ruba, während wir früher 60 Para dafttr bezahlt haboi,
da doch keine Misjahre vorhergiengen ? Die Handelswelt ist voll
Schulden und niemand kann zahlen. In einem Lande, wo keine
schnelle und sichere Communication besteht, kann auch kein Handel
blfihen, und wo kein Handel blüht, ist auch kein Geld, zumal
in einer ausschließlichen Handelsstadt wie C bar tum, wo fast gar
keine Industrie betrieben wird. Wie muss es mit dem Handel stehen,
wenn ein Warentransport aus Egypten nach Sudan 6 Monate lang in
Korosko liegt und auf Erlösung, d. h. auf Kameele wartet? Ich will
nicht weiter darauf eingehen, auf wen die Verantwortlichkeit dieser
Uebelst&nde fällt. Es bedarf nicht der Erwähnung, dass der europäische
Handelsstand für das Wohl und Wehe des sudanischen Handels interessiert
ist, weil ja doch die hiesigen Importartikel aus Europa kommen, und
umgekehrt die hierländischen Exportartikel nach Europa gehen. Unsere
Hoffiiung lebt im Gedanken, dass endlich auch, d. h. wenn wir noch
lange leben, die Dampfschiffahrt und die Eisenbahn ihre Wohlthaten audi
über den Sudan ausgießen werden. Wenn es wahr ist, dass die Eisenbahnen
die Gultur und CiviUsation ins Land bringen, dann wird auch für Sudan
das goldene und silberne Zeitalter anbrechen, Handel uud Credit werden
zu neuem Leben erstehen, Industrie und Bildung werden sich ansiedehi
und der productive Boden, der in meilenweitem Umfange seit Jahr-
tausenden des Pfluges harrt, wird dem Lande hundertfUtigen Segen
spenden.
Geographische Literatur.
Gerard de Cremer ou Mercator geographe Flamand.
Reponse a la Conference du Dr. Breusing tenue a Douisbui^ le 30.
Mars 1869, per le Dr. J. van Raemdonck. St Nicolas. J. Edom.
1870, gr. 8. 78 S.
Die verschiedenen Ansichten über die Nationalitat des ber ahmten Geogra-
phen und Erfinders der Projection der Seekarten, welchen die Belgier (deren
529
Yertrdter Ihr. Tan Raemdonck) und Deatschen (mit Dr. ßreming an der Spitze)
als den ihrigen reclamieren, und die in dem größeren Werke ?an Baemdonck's
in Dr. Breasing's gedracktem Vortrage za Doisborg (siehe S. 115 u. ff. unserer
Mittheilnngen) and in der wahrscheinlidi von ihm herrührenden Becension in
Dr. Petermann's Mittheilungen (1869 p. 438) niedergelegt sind, haben von Seite
Dr. Raemdonck's obige Erwiederung hervorgerufen, in welcher derselbe seine
Angaben und Auslegungen wiederholt und insbesondere sich gegen den Vor-
wurf unehrenhafter und absichtlicher Verschweigung oder Aenderung der
Documente verwahrt. In mancher Hinsicht beschränkt sich die Vertheidigung
auf ein fums avons prouvi, was natürlich die historisch angefochtenen That-
aachen in der Schwebe lässt, andererseits werden aber illr die Ansicht, dass
Mercator als Flammländer anzusehen sei, neue Gründe ins Feld geführt,
unter welchen folgende von größerem Belang sind. Im Jahre 1518 bezahlte
der Vater Mercators zu Rupelmonde 6jährige rückständige Interessen an den
Armentisch, woraus Dr. Raemdonck den Schluss zieht, er müsse sich diese Zeit
über in Rupelmonde aufgehalten, also Mercator seine früheren Jugendjahre nicht
im Jfllichschen, sondern in Flandern verlebt haben. Seine Zeitgenossen haben
ihn für einen Flammländer erklärt, z. B. Hondius in seinem großen Atlas von
1607 als eonterraneus meus, und in der Widmung desselben an die Gene-
ralstaaten als homo Belga. Peter Bertius in der Vorrede zu seinem Theatrum
geographiae veteris nennt ihn und den Antwerpner Ortelius „nobile par Bei-
garum.'^ Die Räthe des Herzogs von Jülich nennen ihn (158S, als er schon 33
Jahre zu Duisburg weilte), einen »Unterthan der Niederlande.- Auf dem 7.
Blatte der letzten von Mercators Söhnen besorgten Lieferung des Atlas erscheint
das Epitaphe: Grerardo Mercatori Fl andre Rupelmuntano. Endlich hat Mer-
cator das für Fremde obligate Bürgerrecht zu Duisburg nicht erworben, wol
aber seine Söhne. — Desungeachtet sind die Mitansprüche Deutschlands, in
dem Mercator die zweite Hälfte seines Lebens zubrachte, nicht unberechtigt,
und wenn er auch schon als berühmter Mann nach Duisbnrg kam, hat er doch
seine wichtigste Entdeckung, die Projection der Seekarten daselbst gemacht.
Wird auch der Streit zwischen Flandern und Jülich (Gleve) zu Gunsten des
ersteren entschieden, so darf doch nicht übersehen werden, dass zu Mercators
Lebenszeit der burgundische Kreis noch bestand, mithin beide Länder poli-
tisch zu Deutschland gehörten, also Mercator auch als Flammländer ein
Sohn des deutschen Reiches war. — s —
Bucher und Karten,*)
wslche theils ak G«sch«nki theiis im Wege des Schriflentausches an die k. k. geographische Gesellschaft
gelangt sind.
Tom L Februar 1870 bis Ende August 1870.
Die Geschenksexemplare sind mit * bezeichnet.
Bat a via. Verhandelingen von het Bataviaasch Gtenootschap von Kün-
sten en Wetenschappen. Deel XXXIII 1868.
— liijdschrifl? vor indische Taal- Land- en Volkenkunde , Deel XVI
(Serie 5. Deel H. 2—6)). Deel XVII. (Serie 6 Deel UI. 1—5). Deel XVm.
(Serie 5 Deel IV. 1).
— Notuleu von de algemeene en Bestuurs-Vergaderiugen von het bata-
viaasch Genootschap etc. Deel 4—7. 1867—1869.
— Katalogus der ethnologische Afdeeling von het Museum von het Ba-
taviaasch Genootschap 1868.
— Katalogus der numismatische Afdeeling von het Museun von het
Bataviaasch Genootschap etc. 1869.
Berlin. Zeitschrift der deutschen geologischen Geseilschaft XXIL 1.
und 2. (Berlin 1870).
*) Das erste Verzeichnis s. Seite 283 der diesjährigen Mittheilungen.
530
Boloffna. Memorie delP Acadenda delle acieiifle deU' Istituto di Bo-
logna Serie 2. Tomo 9. Fasdcolo 3. 1870.
Bonn. Verhandlungen des natarhistoriBclien Vereines der preußudbai
Rheinlande und Westphalens. Herausgegeben von Dr. C. J. Andrae XXVL
J. 8. Folge. 6. Jahrgang 1. und 2. H&lfte 1870.
Braunsberg. Zeitschrift für die Geschichte und Alterthumskunde des
Ermlands. IV. Bd. 12. Heft. Jahrg. 1869.
— Monumenta historiae Warmiensis IH. Abtheilnng. 11. und 12. Lie£.
4. Band. Bogen 6—15. 1868 und 1869.
Brflnn. Mittheilungen der m&hr.-schlesisch. Gesellschaft fOr Ackerbao,
Natur- und Landeskunde. 1870.
Brüssel. Annuaire de 1' Academie royale des sciences, des lettres et
des beaux-arts de Belgique. 1870.
— Bulletins de PAcademie royale des sciences, des lettres et des beaux-
arts de Belgique 38. ann^ 2. Serie. T. XXVII. et XXVIH. 1869.
— Q uetetet Ad. Snr les etoiles Filantes du mois d'aoAt 1869 oboerröei
a Bruxelles.
^ „ Note sur PAurore Boröale dn 6. Octobre et les oiageB
de 1869.
^ „ Sur les orales obserres en Belgique pendant P annde 1868
et le'prenuer trimestre de 1869.
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1869 et sur le bolide obserr^ a Bruxelles le 3L Mai de
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Ghur. Jahresbericht der naturforsch. Gesellschaft Granbündens. Nene
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Isis in Dresden. Jahrg. 1870 1. Dresden 1870.
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Gotha. Mittheilungen aus Justus Perthes geographischer Anstalt Ton
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Güstrow. Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in
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— Achtzehnter und neunzehnter Jahrgang der naturhistorischen Ciesdl-
Schaft zu Hannover, von Michaelis 1867 bis dahin 1869. Hannover 1869.
Hermannstadt Programm des ev. Gymnasiums in Sch&ßbnrg 1870.
Hildburg hausen. Eig&nzungsblätter zur Kenntnis der Gegenwart
Band VI. Heft 1. und 2. 1870.
^Karlsruhe. Statistisches Jahrbuch fflr das Großhenogthum Bades.
I. Jahrgang 1868. Karlsruhe 1869. (Geschenk des Ministeriums).
Klagen fürt. Mittheilungen über Gegenstände der Land- Font- und
Hanswirtschaft 1870.
Köln. Gaea. VI. Jahrg. 3. 4. Heft 1870.
Königsberg. Schriften der k. physicalisch-öconomisehen Gesellsdiaft
zu Königsberg. IX. Jahrg. 1. und 2. Abth. X. Jahig. 1. und 2. Abth. 1868
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Kopenhagen. Oversigt over det kongelinge danske Videnskabemet
Sehkabs forhandlingen og dets Medlemmers Arbeider i Aarei 1868, 5 - 1869, 2.
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531
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Tom XIV feuilles 22-33. (Nr. 4-5). 1869.
— Mömoires de l'academie imp. des sciences de St. Petersbuig.
Tom XrV. 8. Studien über die Entwicklung der Echinodermen und Ne-
mertinen v. Dr. El. Metschnikofif 1869.
Tom XIV. 9. Die BarabÄ. Von A. v. Middendorff. 1870.
Tom XV 1. Gteneris AstragaJi species Gerontogaeae. Pars altera. Von
A. Bunge. 1869.
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Tom XV. 3. üeber einige Schwänune des nördl. still. Oceans und des
Eismeers. Von N. Miklucho-Maclay. 1870.
Tom XV. 4 Etudes sur les revenus de publics. Revenue des mines. 1.
Part. Par W. Besobrasof. 1870.
Prag. Abhandlungen der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissen-
idialten vom Jahre 1869. 6. Folge. 3. Bd. 1870.
— Sitzungsberichte der königl. böhm. Gesellschaft der WissenBchaften
in Png. Jahrg. 1869. Juli — December. 1870.
}i
9J
V
»
fi .
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n
n
»
532
Prag. Berpertorinm s&mmtlicher Schriften der königl. böhm. Gesellsdiaft
der Wissenscliaften. Zur Feier des lOOjährigen Bestandes der Gesellschaft^ Ton
Dr. W. R. Weitenweber. 1869.
— Gentralblatt für die gesammte Landescoltur. 1870.
— Neuntes Prc^ramm der k. k. deutschen Oberrealschule in Prag. 1870.
Rom. Romana Corrispondenza scientifica 1870.
Rom. Bulletino nautico e geographico di Roma 1870.
Stockholm. Sveriges geologiska undersökning pa offentlig bekoBtnad
utförd under Ledning afA. Erdmann. 31—35:
Nagra ord tili upplysning om bladet ..üpsaW af M. Stolpe.
„ örbyhus af M. Stolpe.
„ Svenljnnga af Y. Karlsson.
„ Amal af A. £. Törnebohm.
„ Baldersnäs af D. Hummel och K
Erdmann.
Stuttgart. Württembergische naturwissensehaftliche Jahreahefte XXV.
Jahrg. 2. und 3. Heft. 1869.
Turin. Bulletino meteorologico delP osservatorio del r. coUegio Cario
Alberto in Moncalieri. 1870.
Utrecht. Nederlandsch meteorologisch Jaarboek Yoor 1869, oitgegereD
door het k nederlandsch meteorologisch Instituut. 1869.
Venedig. Atti del reale Istituto Yeneto di scienze, lettere ed arti dal
Novembre 1869 alP ottobre 1870. T. XY. Serie 3. 1870.
Wien. Austria, Archiv für Consularwesen etc. 1870.
~ Yerhandlungen und Mittheilungen des n. ö. Gewerbevereins. 1870.
— Sitzungsanzeiger der kais. Academie der Wissenschaften in Wien. 1870.
— Yerhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt. 1870.
— JcJiresbericht der n. ö. Landesoberrealschule in Wiener-Neustadt. 1870.
— Mittheilungen aus dem Gebiete der Statistik. Herausgegeben von der
statistischen Centralcommission. XYU. Jahrg. 3. Wien 1870.
— Administrativkarte von Niederösterreicb. Yom Yerein für Landes-
kunde. Sectionen: Schwarzau, Stockerau, Großenzersdorf. (Wien 1870.)
— Oesterreichische Mouatschrlft für Forstwesen. Herausgegeben von
Jos. Wessely. XX. Jahrg. 1870.
^Zürich. Die Thermen von Bormio— von Dr. Meyer-Ahrens und Dr.
Gr. Brügger. 1869.
Notizen.
Die Bewohner der Andamanen. Aus dem Bericht des Arztes F. Day
über die Bewohner der Andaman entoebmen wir der G. Bombay Gazette vom
21. Juni 1870 Folgendes: Die Bewohner der Andamaueu sind von kleiner Stator.
Einst waren sie als Cannibalen gefürchtet, und noch jetzt traut man ihnen in
Fällen nicht, wo der Scbififbruch jemanden in ihre Nähe bringt. Derlei Yerunglückte
sind das Opfer ihrer Pfeile und Speere oder werden zu Sclaven gemacht. Sie
haben keinen Gefallen an Leuten, welche Kopf- und Barthare tragen und gehen
geschomen Hauptes einher. Früher wurde die Operation des Scherens halb-
jährig von alten Weibern mittels geschärfter Kieselsteine vorgenommen , jetit
werden hiezu Glasscherben verwendet und der Act halbmonatlich in Scene
gesetzt. Sie halten sich für sehr Wohlgestalt. Ihr größter Schimpf ist die Be-
merkung: »Deine Nase ist hässlich,- »dein Mund ist garstig.« Sie gleichen den
Affen oder Kindern, welche sich mit Spielzeug erlustigen. Schenkt man ihnen
einen Kleiderstoff, so winden sie denselben sofort um den Kopf, oder ver-
suchen andere in der Tracht nachzuahmen ; erst wenn das Geschenk schmotsig
geworden ist, wird es auf die gewöhnliche Art getragen. Trägheit ist eine vor-
stehende Eigenschaft. Gibt man ihnen Tabak uder Cigarren, so machen sio
533
aich*8 in einem Sessel bequem und lassen von ihren Dienern Feaer bringen;
es selbst zu holen, halten sie fftr zu mühsam. Sie schneiden große Zweige von
Fruchtbäumen ab, um die Frucht zu erhalten, die sie mit einem Bambusstab
leicht hätten herabschlagen können. In der Wildnis sind sie sehr ungestOm und
lassen den Pfeil los oder greifen zum Messer, wo nur der leiseste Anlass vor-
handen ist. Doch achten sie die Ermahnungen der Alten, welche den Sturm
sogleich beschwichtigen. Sie heulen und weinen, wenn ihnen ein Verlust zu-
stoßt, doch bald ist das Auge trocken und der kleinste Vorfall macht sie auf-
lachen. Das Bemalen and Verzieren des Körpers ist Aufgabe der Weiber.
Man wendet hiezu einen eisenhaltigen Stoff mit fettiger Einreibung oder
Olivensatze an. Dieser Farbenschmuck bildet die ganze Bekleidung der Männer,
die nebstbei allenfalls noch Bänder um die Hüften oder den Kais oder unter-
halb des Knies tragen. Die Weiber winden in die Hüftenbänder noch rothe
Tuchstücke, während an der Vorderseite einige frisch gesammelte Blätter und
rückwärts Anhängsel von Faserstoff angebracht werden. £ine Schnur mit Ge-
beinen der Ahnen oder ein Sack auf dem Rücken mit dem Schädel irgend
eines Anverwandten oder auch ein breites Tragbftnd über die Schultern zur
Unterbringung eines Kindes vollendet die Toilette.
Das Aufschreien ist ein Zeichen der Versöhnung mit dem Feinde oder
der Freude über das Wiedersehen eines alten Freundes. Auf das Schreien
folgt der Tanz. Die Weiber klatschen mit den Händen und begleiten das Fuß-
stampfeu der Männer mit ihrem Gesang. Die Scene endet mit dem Eintreten
beider Parteien in die Tanzproductiou. Auch bei anderen Gelegenheiten
gibt es Tanz Vergnügungen. Wenn ein Stamm den Bereich eines andern besucht,
ohne hiezu eingeladen zu sein, wird dem Häuptling durch einen Tanz bis in
die Nacht hinein die Huldigung dargebracht, worauf er die Ankömmlinge
gastlich aufninmit. Die Kinder erhalten ihren Namen einige Monate vor der
Geburt mit Benützung irgend eines Lieblingsnamens, und da deren Anzahl
kaum über 2U ausmacht, wird ihm d(;r Unterscheidung wegen ein characteristi-
scher Vorname beigefügt. Außer der Chinarinde keniien sie kein Arzneimittel.
Wenn ihnen ein solches durch Fremde geboten wird, so muss der Geber es
früher kosten, ehe sie es nehmeu. Ein Leichnam ist Gegenstand großer Furcht,
eben so ein Begräbnisplatz. Als Jacko der Häuptling des nördlichen Stamms
starb, wurde dessen Hintritt durch einige Tage von dem Volke öffentlich be*
trauert. Zwei Stunden nach dem Verscheiden hüllten ihn die älteren Leute
in Blätter, umwanden ihn mit Biudstoffen. Das zur Aufnahme bestimmte Grab
war nur vier Schuh tief. Der Tote wurde in halb sitzender Stellimg beigesetzt,
mit ostwärts gewendetem Gesichte. Vorerst nahm jedermann durch sanftes
Anblasen des Hauptes und der Stirne von ihm Abschied. Sodann füllte man
das Grab leichthin, beschwerte es mit einigen Steinen, ließ darüber Reiser
verbrennen und stellte an hervorragenden Punkten zum Zeichen der Trauer
Über den Tot des Häuptlings Blumenguirlanden auf. Ein Becher mit Wasser
wurde oberhalb des Grabes angebracht, damit die Seele des Verstorbenen zur
Nachtzeit keinen Durst leide. Durch mehrere Monate wurde von den nächsten
Verwandten das Grab besucht, welche die Gebeine des Abgeschiedenen in dem
Maße als das anhaftende Fleisch geschwunden war, mit sich nahmen, bis die
Reihe an den Schädel kam, welchen der Hauptleidtragende sich an den Hals
Meng, was später auch von den Uebrigen der Reihe nach ins Werk gesetzt
ward. Des Nachts wagen sich diese Leute kaum ins Freie, aus Furcht, Geister
anzutreffen. Wenn es doch geschieht, und dem Einhergehenden der Einfall
kommt, er sehe einen Geist, so schreit er laut auf und schießt einen Pfeil ab
oder verlangt, man möge ein Gewehr abfeuern. Wenn mau darauf anspielt,
dass sie Menschenfresser sind, verlachen sie diese Idee, fragend, wie sie
Menschenfleisch zu essen vermöchten, da dies unfehlbar tötliche Folgen für
sie hätte.
Sie verzehren nichts im rohen Zustand, nicht einmal Früchte. Das Fleisch
braten sie entweder in der Asche oder auf irdenen Unterlagen. Sie haben
keine regelmäßige Esszeit. Wenn der Hunger sich meldet, greifen sie nach der
Nahrung. Sie streifen herum, wo immer sie die Speise zur Sättigung erhoffen
oder wohin sie die Laune führt. Sie kennen kein Gebot als das des Häupt-
lings oder ihrer Laime und hassen jeglichen Zwang. Sie kennen keine Be-
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dflrfbisBe, als Luxus beachten sie etwa nur den Tabak oder Grog. Den Zocker
schätzen sie nicht, wol aber den Honig ; ehedem verzehrten sie aUeriei, Wflrmer,
Raupen, Wurzeln, Nüsse u. dgl., jetzt gehört der Tintenfisch zu ihren Haapt-
Gerichten, nicht aber rohe Austern.
Gegenwärtig legen sie besondem Wert auf den Baumkahn (das Canoe),
welcher bei 20 Personen fasst. Dieser wird mit einer Art Ermnmeisen aus einem
Baume ausgehöhlt, wobei die Arbeiter abwechseln und von andern mit Nahrung
▼ersehen werden. Das Fahrzeug ist sehr gebrechlich und dauert kaum ein Jahr,
denn sie machen es durch fortwährendes Aushöhlen und Zimmern immer dünner.
Es ist mit einem Ballast von Steinen versehen, und dessen Yordertheil hak
die Länge von etwa zwei Fuß, worauf der Fischer seinen Stand hält und den
Meerrochen und Schildkröten nachsetzt. Eine Bambusstange , woran ein leicht
lösbarer Speer angebracht ist, und eine daran befestigte Schnur sind die
Werkzeuge, mit welchen die Beute verfolgt wird. Der Bambus wird nach dem
Fisch geschleudert« der Speer dringt in denselben ein, trennt sich dann vom
Bambus, doch wird die Beute mittels der Schnur festgehalten. Das Auge des
Fischers wendet sich mit Habichtsschärfe unvermerkt nach allen Seiten. Der
Speer trifft sein Ziel mit tötlicher Wirkung. Ist der Fisch zu groß, so tauchen
einige Gefährten unter, die Beute mit Messern und Spießen Yorroigend, während
andere die Leine um dieselbe schlingen. Da die Eingebornen sehr geschidkte
Steinschlenderer sind, so töten sie auf diese Art kleinere Fische. — -c — j.
Seblffe und SehUrahrt In Ckartnm, Die hierländischen Schiffe werden
in 3 Orten verfertigt: in Ghartum, in Karkodj am blauen FlosSy ond in
Lahauin am weißen Fluss. In Ghartum besteht eine der Regiening ge-
hörige Handjera (Schiffswerfte), welche sich aber hauptsächlich mit Repara-
turen beschäftigt, weil in der Nähe kein Schiffisholz existiert, und die Herbei-
schaffnng der großen Baumstämme aus weiter Entfernung mit Schwierif^keitea
verbunden ist. Dagegen schicken die Schiffbauer einen Zimmerer oder Tischler,
auch Schmid mit 2 Sägschneidern (der Sudan hat sich noch nicht bis an einer
Sägmühle empor geschwungen), mit dem erforderlichen Eisen (Nägel und Bänder)
pr. 8 Gantar und den nötigen Werkzeugen in die Urwälder bei Karkodj
oder Lahauin, wo von den Eingebomen gegen Entschädigung einer Baga-
telle fbr die Arbeit die größten Sundbäume ohne irgend welchen Ankaufs-
preis umgehauen, in den nöthigen Größen und Formen zu Brettern ge-
schnitten und zu Schiffen zusammen gezimmert werden. In 4 bis S Monaten
ist der Körper des Schiffes fertig; die Adjustierung: Takelwerk, MasiL Segel
und Segelbaum etc. vrird erst in Ghartum kompletiert. Gewöhnlich aber
nehmen solche halbvollendete Schiffe eine Ladung Simsim (Sesam) oder
Gummi von Karkodj oder Tora el Hadra auf der Straße yon Kordo-
fan mit nach Ghartum, was Aussah leicht möglich ist, und gewinnen dabei
an Transportspesen 2 bis 3000 Piaster, um welche Summe die Anfertigung
des Schiffes billiger zu stehen kommt. Ein solches roh und plump ans dem
eisenharten und eisenschweren Sundholze yerfertigtes Schi^ Nöker, ge-
wöhnlich in der Länge von 18~-23 Ellen und in der Breite von 8—10 EUen
kostet complet mit allem Zugehör circa 17.000 Piaster. Eine Dahabia aber
kommt auf 35— iO.OOO Piaster, und ist 75 Spannen lang.
Die Gommunicationsstraße der sudanesischen Schiffahrt erstreckt sich
auf dem blauen Flusse bis Karkodj, auf dem weißen Flusse bis Gondo-
k oro mit Inbegriff der Nebenflüsse Gasali, Sobat und Saraf ond auf
dem vereinigten Nil bis Berber. Nur selten, dass einzelne Schiffe beim höchsten
Wasserstand Ende August sich Qber die (Cataracten von Dongola bis nach
Gairo wagen. Bei größeren Beisen muss immer der Wasserstand und Wind
berClcksichtigt werden, daher die Wasserstraßen nicht das ganze Jahr hindurch
nach allen Kichtungen hin fshrbar sind; so z. B. fährt man im Mai beim
niedersten Wasserstande mit leerem Schiff nach Karkodj und kommt mit
steigendem Flusse zurück ; im Herbst^ so lang der Fluss noch hinlänglich hoch
ist, unternimmt man meistens eine zweite Reise dahin, um Simsim, Gnmmi
oder Dura zu holen. Nach Berber reisen die meisten Schiffe im August mü
hohem Wasser und ftthren Elfenbein, Gummi, Getreide hinab, kehren aber wä
535
d«B ant^n Nordwindea im October surOck, und briogeD grofieDtbeils, wenn
keine WarttiladaDgen ans Cairo am Platse sind, ans Dam er volle LadimgeQ
Stricke, Binch (Strohmatten), Kofen (Strohkörbe), Hal£a (Schilfgras) lum
Flediten von Stricken, Dombl&tter zu Flechtarbeiten, Salz in S&cken und
Formen, Morhaka (behauenen Granitstein in Iftnglicher Form zum Getreide-
reiben), Doka (Steinplatte znm Brotbacken), und zuweilen auch Zwiebel.
Üeberdies machen einzelne Schiffe das ganze Jahr hindurch ungeachtet des
SdieUal in Rojan die Reise nach und von Berber. Auf den weißen Fluss
findet die Schiffahrt nur einmal im Jahre statt und dauert 6—8 Monate.
Siekerkeit Im rothen Meer Das Journal de Port-Said bespncnt nach
dem ^ligypte*^ die Vorkehrungen, welche man zur Sicherheit der Schiffahrt
jenseit von Suez treffen sollte und beantragt zuvörderst die Herstellung
zweier Leuchtturme, eines mit fixem und eines mit Blickfeuer auf der äußer-
sten Smtze Arabiens und im Süden der Insel Shadwan. Die Distanz dieser
beiden jPunkte beträgt 17 Meilen, und würden somit die beiden Feuer die
Einfahrt in die Enge von Inhal sichern, wo man dann sofort des Leuchtturmes
der Insel Asharafi auf 18 Meilen weit ansichtig wird. Außer Sicht von Ashanü
dienten dann die Spitzen von Seiti als Wegweiser, und könnte auch ein Leucht-
schiff anfgestellt werden außerhalb der Klippen der arabischen Küste zu leich-
teren Direction bis zum Leuchtfeuer von Zafarana. Indessen sind, nach dem
Journal de Port-Said, bereits zwei Leuchten für das rothe Meer bei der Com-
paffnie des „Forges et Ghantiers'* bestellt worden, eine für Baz-Garib und die
andere für Souakim. Letztere wird nach einem besonderen T^us zwei Leucht-
aparate haben, einen auf der Spitze mit einem Leuchtkreise von S2 Meilen
und einen zweiten in der Mitte auf 12 Meilen, um auf diese Art den heran-
kommenden Fahrzeugen die größere Nähe der Mppen anzuzeigen. •— Die von
den .Messag. imp.** im Port-Said errichtete Werkstfttte zur Eisbereitung mittels
Maacninen ist bäneits im Betriebe.
Mmnalnger. Die „Köln. Zte.*^ schreibt: Das seiner Zeit der .Pall Mall
Gazette'' über Kairo gemeldete Gerücht von dem Tode Werner Mnnziger's
bestätigt sich nicht. Es freut uns, mittheilen zu können, dass vielmehr Briefe
Mnnzinger's vom 27. M&rz eingetroffen sind. Leider war seine Ebiuntwunde
nocli nicht operiert; er muss deshalb zu einem englischen Arzte nacn Aden.
Das hat ihn aber nicht gehindert, im Monat Februar einer freundschaftlichen
Einladung des Fürsten Kassa von Tigre zu folgen, den er in seinem Heerlaffer
besacht hkt Kassa übergab ihm die beiden Bösewichte, die den Mordanschlag
gegen ihn unternahmen und Munzinger führte sie in Ketten nach Massaua ab.
Winter im Korden. Auf der letzten Beise nach den nördlichen G^
genden Schwedens und Uleaborg in Finnland hatte der Dampfer „Berzelius'*
mit ungeheuren Treibeismassen zu kämpfen und erreichte nur mit Mühe
üleaboig, wo noch Schnee die Erde deckt und die Bäume nicht ange&ngen
hatten Knospen zu treiben. Am 29. Mai, als die Rückreise angetreten wurde,
war von dem starken Nordwinde das Eis gegen Süden getriel^n und sperrte
beinahe überall bis Holmön und Quarken den Weg mit gewaltigen Eisfeldern,
in welchen mehrere Fahrzeuge mit gerefften Segeln eingeldemmt waren.
,JBerzelins'' musste sich längs der schwedischen Küste einen Weg suchen und
fand erst im bottmschen Meere freies Fahrwasser.
Das Mnsemn für Katnrgeeehlehte in New-York. Wie man mit
fferingem Aufwände an materiellen Mitteln in überraschend schneller Zeitfolge
Bedeutendes erreichen kann, dafilr liefert der Vorgang bei Gründung des
americanisehen Museums für Naturgeschichte den erfreulichsten Beweis.
Am 13. December 1868 unternahm es eine Anzahl wissenschaftlicher Männer, an
das Terwaltnngscomit^ des Gentral-Parks zu New-Tork ein Schreiben zu richten,
in welchem der Wunsch ausgesprochen wurde, in den Bäumen des Parks ein
natnrgeschichüiches Museum aufstellen zu dürfen. Als die zustimmende Antwort
ertolgt war, machte man den weiteren Schritt durch eine Kundmachung, worin
nnler Bjnweisang auf den fühlbaren Mangel eines solchen Instituts in der
&36
Metropole New- York bekannt gegeben wurde, dus eine wertvoHe SammliiBg
natnrhistorischer Gegenstände aus Europa gegen günstige Bedingungen som
Ankauf angeboten worden sei, welche Erwerbung den Kern eines großen
Museums bilden könnte. Es habe sich, heißt es weiter, ein Gomitö gebildet,
um die nöthigen Geldsummen zu beschaffen , die von demselben verwaltet und
entsprechend verwendet werden sollen, während gleichzeitig durch Grfindaag
eines Vereins den ersten Unternehmern ein Zuwachs an Theilnehmem und der
Vortheil bleibender Organisierung des ganzen Unternehmens verschafft werden
würde. — Die staatliche Genehmigung dieses Vereins blieb nicht aus, und in
wenig Wochen war ein Fonds von 44.550 Doli, gesichert. Man erwarb sofort
eine stattliche Sammlung nordamericanischer Vögel von mehr als 3000 StQdcen,
und die Naturalien -Sammlung des verstorbenen Prinzen Maximilian von
Neuwied, so wie einige Pariser Collectionen. Das Park- Comit^ wies zur Auf-
nahme dieser Erwerbungen zwei Stockwerke in dem Arsenalgeb&ude des Parks
an. Der Staat Kew-York, Baron Osten-Sacken, Mr. Goloman Robinson,
Mr. Rawson, General le Gendre und Mr. Lyell Adams beeilten sidi
über das erste Gircular, das von den vereinigten Staaten zu Gunsten der joogeD
Anstalt an alle Gesandte und Consuln in auswärtigen Stationen erlassen wuäe,
schätzbare Beiträge an Duplicaten, Insectensammlungen, Mineralien, Holz-
arten u. dgl. beizusteuern. Auch das Marine-Departement der nordamericaniacfaen
Regiemng begrüßte alle seine auswärts aufgestellten Functionäre zu gleichem
Zwecke. An gelehrte Gesellschaften verwandter Natur, so wie an SchÜbeigei-
thümer und Schiffscapitäne ergiengen Ersuchsschreiben wegen Lieferung tu
Beiträgen. Auch Private der Hauptstadt gaben Beweise ihrer Sympatie und
stellten wertvolle Geschenke in Aussicht. So ist das Museum in kurzer Zeit
nicht nur entstanden, sondern auch zu einer Reichhaltigkeit angewachsen, dtts
es bald zu den größten bestehenden wird gezählt werden. — c— j.
Geographlseher Congress za Antwerpen* V^ir erhielten am 4. Angut
nachfolgende Zuschrift:
A Messieurs les adh^rents au Gougräs international pour le progr^s des
Sciences g^ographiques, cosmographiques et commerciales. Le 15 janvier,
notre Gommission eut Phonnenr de vous inviter au premier Congr^ des
Sciences g6ographiques, cosmographiques et commerciales. Notre appel fat
entendu et les nombreuses adh^sions que nous avons re^ues des prindpsm
pays de PEnrope et de TAm^rique ont prouv^ que notre projet avait obteu
rapprobation generale.
Le 14 aoüt prochain etait le jour desigu^ pour cette solennit^ et nous
avions la certitude qu'un brillant succ^s aurait couronne nos efforts.
Depuis lors, de graves ^v^nements ont surgi et nous avons ^t^ inforaife
que plusieurs des sommit^s scientifiques qui nous avaient promis lenr concoon
se trouvent dans l'impossibilit^ de se rendre au Congr^s; par suite, les d^bats
perdraient consid^rablement de leur importance.
Dans ces conjonctures, la Gommission croit de son devoir de remettre
le Gongr^s a la mi-aoüt 1871.
Les Comit^s institu^s restent en fonctions et le programme public est
maintenu.
Nous espörons, Messieurs, que vous vondrez bleu nous continaer voe
sympathies et que Tann^e prochaine, le Gongr^s de g^ographie sera honor^ de
votre pr^sence.
Agr^ez, Messieurs, Tassurance de notre consideration distingn^. Le
Bourgmestre- President, J.-G. Van Put. etc.
Von Famika liaeh FadAsl.
Von Ernst Marno.
Chart um, am 11. Juni 1870.
In der Hofbang, dass mein letztes Schreiben aas Famäka Ihnen
zukam '), bringe ich Ihnen mit dem vorliegenden meine weitern Schick-
sale zur Kenntnis.
Ibrahim Bei, der Madir von Chartam, machte von Famäka aus
eine Ghazawa (Eriegszng) in die Berge der Bertat und Burum,
am die Tulba (Steuer) einzutreiben. Yon Famäka nSmlich ist nur eine
kleine Strecke mehr am blauen Flusse, ungeftihr bis Ghiri *^) türkisches
Oebiet; was darüber westlich, südlich und östlich hinaus ist, Feindes-
land. In die westlichen Fungiberge machen nun die Türken alljährlich
einen Kriegszug, um die nie gutwillig gezahlten Steuern von diesen
„Rebellen^ einzutreiben. Einzelne Schechs und Mik geben dieselben
manches Jahr freiwillig und nach ihrem Belieben, einige sind der
türkischen Regierung treu ergeben.
Einer von diesen wenigen istHadjeli, Scheck vonBeniSchangol.
Mein Plan war nun, wie ich auch glaube geschrieben zu haben, über
Beni Schangol nach Fadäsi and von dort, so weit es möglich ist, in
die Gala-Lftnder zu gelangen.
Das erstere führte ich aas ; das letztere war unmöglich aas Gründen,
die ich in folgendem flüchtig darlege.
Der erw&bnte Ibrahim Bei, Madir von Senaar, übergab mich dem
Scheck Hadjeli von Beni Schangol and zwar anf seinen Kopf, d. h. dass
er mit seinem Haapte für meines zu haften habe. Mit Hadjeli gieng ich
nun von Famäka nach Beni Schangol, welches außer Rassegger and
Beltram meines Wissens noch kein Europäer gesehen. Ersterer gieng
mit ungeheuerer Macht (3000 Mann), letzterer vertraute sich anf Gnade
and Ungnade dem Vorgänger Hadjeli^s an, der damals noch keinen
Tribut an Aeg^pten zahlte.
Ich muss die Details der Reise einer sp&tern Zeit vorbehalten und
erwähne hier nur, dass die Straße von Famäka nach Beni Schangol
durch die am Ghebel Tabi wohnenden Ingasana unsicher gemacht wird,
welche häufig die Caravanen überfallen, morden und plündern. Deshalb
ist es Gebrauch, in dem noch ziemlich sichern kleinen Dorfe Adäsi,
^) Leider ist dieses Schreiben bis zur Stunde nicht eingelangt. Eine
Besogoalmie darauf verdanken wir einer Gocrespondeoz aus Ghartnro, welche
im 10. Hefte unserer Mittbeilungen Seite 437 ab^edrackt ist. A. d. R.
') Bis hieber kamen Freiherr von Barnim und Hartmann. Die von
diesen aasgeführte Karte von Kaskodrebabu, Rozeres und Famäka taugt aber
eben so wenig wie die der Bajudasteppe. A. d. V.
KitUieilnB^en d. g«ogr. 0«mU. 1870. 12. 35
538
welches angefthr 4 Stunden v<n Fainika eat&rai ist, den Einbrach der
Nacht abzuwarten und so die geföhrliche Strecke von hier bis ObL
Agara unter dem Schutz der Finsternis zurflckzulegen, da die Ingar
sana nachts nicht angreifen. Auch wir, obwol unsere Carayane bei
70 -Köpfe stark war, beobachteten diese Vorsicht Dass es nicht unnöthig
war, sah ich am nächsten Tag, wo wir am Gbl. Agara higerten und
plötzlich drei Hadjeli gehörige Ochsen auf rätselhafte Weise abhanden
gekommen waren. Wir saßen sogleich auf und durchstreiften die Gegend,
aber ohne Erfolg.
In dieser und noch mehr in den südlichen Gegenden können Schwftrme
von 100 und mehr Wilden zwischen den Felsen liegen, man kann an
ihnen knapp vorfiberreiten, ohne sie zu sehen, und plötzlich fli^;e&
die Tarambisch (Holzstöcke zum Werfen, ähnlich denen der Wilden
auf Neuholland) und Culbedas (eiserne sichelförmige Messer, ebenfalls
zum Werfen, wegen ihrer Wirkung, wo sie treffen, allgemein gefürchtet)
um die Köpfe.
Bis auf den genannten Verlust ungefährdet kamen wir nach Beni
Schangol und ich machte von dort kleinere Partien in die Umgegend,
um mich zu orientieren und die £ingebomen kennen zu lernen, was
ich aber, um mein Leben nicht vorzeitig der Gefahr auszusetzen, bald
aufgeben musste.
Ein voller Monat verstrich in Beni Schangol, ehe Hadjeli es zu-
ließ, das ich nach Fadäsi weiter gehe. Alle Vorstellungen von meiner
Seite waren fruchtlos. Ich bot Geschenke, bat und drohte, ich ver-
sprach jedem Manne täglich einen Maria-Theresienthaler Lohn ; keiner
wollte mit mir gehen, alle behaupteten, wir würden sieber umgebracht.
Endlich erklärte ich Hadjeli, er möge mich zu Ibrahim Bei gehen
lassen, der mit seinen 1000 Mann am Gbl. Kehli stand und berief mich
auf meinen Firman JafTar Paschas. Ich wusste wol, dass der Weg nach
dem Gbl. Kehli gerade so gefährlich war, als der nach Fadäsi, ich
wusste, wie mir auch Hadjeli zu verstehen gab, dass mein Firman hier
nur wenig Kraft besitze ; aber ich sah kein anderes Rettungsmittel und
vertraute dem entschiedenen Vorgehen, welches schon in mancher
schlimmen Lage gut anschlug.
Mein Andringen hatte den Erfolg, dass mir Hadjeli die Abreise
für die nächsten Tage zusicherte, jedoch nur unter der Bedingung^ dasB
ich meine Diener und alle Effecten hier zurfleklasse und nur in Beglei-
tung des Mannes reise, den er mir mitgeben werde, der das Land und
die Sprache kenne; zudem wolle er mich mit Briefen an sänuntiiche
Schechs versehen und einen Sclaven mitgehen lassen.
53d
So hart die Bedingmig war, indem sie mir jedes weitere Yor-
dringBD von Fadäsi aas unmöglich machte, so gieng ich sie doch ein,
um wenigstens einen Schritt vorwärts zu machen. Russegger mnsste
trotz seiner 3000 Mann von Beni Schangol umkehren, da die Einge-
bomen allen nicht einheimischen todfeind sind. ^)
Längst schon h&tte die ägyptische Regierung sich des schönen
Landes bemächtigt, wenn sie sich den wilden Bertat gegenüber nicht
zu schwach fühlte. Sie begnügt sich daher mit einzelnen Kriegs- oder
richtiger Raubzügen während der trockenen Jahreszeit, wie ich dies
oben bemerkt habe.
Am 6. AprU gieng ich nun in Begleitung^ eines Arabers und eines
Sclaven von Beni Schangol ab, und zwar, wie man zu sagen pflegt, wie
ich gieng und stand. Ich ritt mein abyssinisches Maulthier, hatte die
allemöthigsten Bedürfnisse in einer kleinen Tasche am Sattelknopf;
keine £sswaren, nichts, um sammeln zu können,- keine Geschenke hatte
ich mitnehmen dürfen, da Hadjeli behauptete, es mache zu viel Auf-
sehen. Dass er recht hatte, ward mir bald klar.
V^on Beni Schangol bis Fadäsi ist die Karte weiß, oder das wenige,
was man angegeben findet, taugt nicht. Ich ritt mit Uhr, Compass und
Notizbuch in der Hand und darf sagen, dass ich nun, so weit es mit
meinen Mitteln möglich war, eine richtigere Karte liefern kann, zumal
ich auch über die südliche Gegenden, nämlich über die Galaländer
und über den Sobat-Jabus interessante Erkundigungen einzog.
Meine liage während der Reise nach Fadäsi und zurück, war
gewiss eine der gefährlichsten, in welche ein Reisender kommen kann.
In jedem Dorfe, wo ich Rast hielt, hieß es: „Was will der Türke
hier? er spioniert das Land aus und bringt dann Soldaten Effendinas.**
Während mein arabischer Begleiter mit den Schechs unterhandelte und
der Sclave die Reitthiere versorgte, saß ich umringt von einer Schar
mit Lanzen und Tarambisch bewaffneter Wüder, die fürchterlich schrieen
und gesticulierten.
Statt zehn Mann Begleitung, wie Hadjeli in seinen Briefen befohlen,
erhielt ich von Dorf zu Dorf nicht einmal einen Führer, wenn ich ihn
nicht theurer, als es meine Barschaft zuließ, bezahlte. So zog ich mit
*i Es wird dies begreiflich, wenn wir bemerken, dass Russegger sich
ier Expedition Mustapha Bey's angeschlossen hatte, die auf dem Wege
nach Beni Schangol durch die eingeschüchterten KachbarstAmme fortwährend
Terstftrkuog an sich zog und neben andern sinnlosen Thaten schließlich das
Dorf Beni Schangol in Brand steckte. Hören wir Russegger selbst (Reisen II.
't. Abth. Seite 588): »Oegen Morgen (nach einem Ckfechte mit den Schangols
i«od der Verbrennung des Dorfes am 16. JAnner i838) rief mich der Bey und
35»
540
zwei Mann einen Weg, welchen die Handelslente nor mit 1 bis 200
Mann Bedeckung zn gehen wagen. Zur selben Zeit warm auch die
Gala's in das Land eingefallen und raubend und mordend bis an den
Gbl. Kasan gelangt. Ich bewegte mich also zwischen zwei Feinden auf
einem nichts weniger als gastlichen Boden.
Der Weg fahrte über Gbl. Bumu, Fassnder, Beledaffa, Belbissu
nach Fadäsi, ein zweiter geht etwas mehr westlich über Bibi. Das Land
ist wundervoll schön, sehr gebirgig, von unzähligen B&chen, die thefls
in den Tumat, theils in den Jahns faUen, durchzogen, und hat eine
herrliche, noch größtentheUs unbekannte Fanna und Flora. Das für das
Land characteristische Gewächs ist die Oanna {Bambusa dbyssimaca
Bich.)y welche hier meilenweite Wälder bildet, 3 bis 4 Klafter hoch
und so dicht, dass nur Elefanten und Büffel durchbrechen können.
Durch diese Wfilder führt ein höchstens zwei Fuß breiter, oft durdi
querliegende Cannastämme kaum passierbarer Pfad. Von Beni Schangol
bis Belbissu ist er so eng, dass nur einer hinter dem andern gehen kann
und man oft kaum zwei Schritte rechts und links sieht. Noch schlimmer
wird es, wenn man die mit echter UrwaldrYogetation eingesäumten
eher au (Plural von Chor, Wasserlauf, Bach) zu passieren hat. Hier moss
man vom Maulthier absteigen, da dieses mit sich selber genug zu tfann
hat, um Aber die Steine und Bäume, durch Schilf und Wasser zu
kommen. Von Beledaffa endlich wird der Weg besser, d. h. ebener nnd
fährt theilweise über Durrahfelder, die mit dem Cannadickicht wech-
seln, bis nahe an Belbissu auch diese schwinden. Hier liegt aber am
Ostabhang des Berges Dorf an Dorf, Haus an Haus. Wenn es unter
machte mir die unangenehme Mittheilung, dass unter den Truppen die £Dt-
muthigung allgemein werde, dass wir unbezweifolt von wenigstens 10.000 (?)
Negern angegriffen werden, dass die Soldaten befürchten, zum Schlüsse des
Festes gefressen zu werden, dass sich auf dieselben durchaus nicht mehr zu
verlassen sei und das somit, um nicht durch eine großartige Desertion derselben
in die größte Gefahr zu kommen — der Rückzug unvermeidlich sei. Kon
war das Wort ausgesprochen, das ich schon lange als das Ende dieses unsin-
nigen Treibens erwartet hatte. Der Gedanke, am interessantesten Punkt der Reise
umkehren su müssen; so nahe dem Terrain, wo die wichtigsten Aufgaben flh-
die Geographie dieses Theiles von Central -Airica durchaus hatten gel(ysl
werden können, war mir drückend, und als daher der ßey von mir ein Zeugnis
begehrte mit meiner Erkl&rung, dass ich den augenblicklichen BQckzug der
großen Gefahr wegen für nothwendig halte, schlug ich ihm dieses Antim«
kurzweg ab und eröffnete ihm, dass ich, wie es Tag geworden, den Geweseli
besteigen werde, um einige geographisch wichtige Punkte aufsanehmen. dass
ich ferner die Goldführuug des nahen Chors untersuchen und dann erat aber-
legen wolle, ob ein RQcbEUg nothwendig sei. Darauf gieng nun der Bej durch-
aus nicht ein u. s. w.m A. d. B.
541
andern Umständen tröstlich ist, nach längerer Wanderung in der Wildnis
an Cnltarstätten zn gelangen, so kann ibh das von mir nicht sagen. In
den Cannawäldem war ich nnbeheUigt, auf dem Wege von Belhissn
nach Fadäd, der beiläufig drei Standen lang ist, mnsste ich zweimal
mein Leben gegen die Angriffe der Bewohner vertheidigen. Nachts, am
? Tage^) nach meiner Abreise von Beni Schangol kam ich in Fadäsi
an, welches nicht, wie die Karten angeben, am Jahns — dieser ist
noch drei Stunden südlicher — sondern an einem kleinen Chor am Ab-
hang des gleichnamigen Berges liegt. ^) Von hier aus ist die Gegend
gegen Osten und Sflden frei und nur in der Ferne gewahrt man in öst-
licher Richtung einen niedrigen Gebirgszug. ^)
Am nächsten Morgen entspannen sich die sehr lebhaft geführten
Verhandlungen darüber, was ich hier wolle und suche ; ich sei ein
Türke, welcher das Land sehen will, um nächstens mit Kriegsmacht
wiederzukommen. Besonders aufgebracht war man gegen den Mann, der
mich begleitete. Die Partei der Bertat schwur, ihn und mich umzu-
biingen. Der Mek wollte sich aus meiner Kopfhaut und den Haren eine
Schürze machen. Auch gegen Hadjeli kehrte sich der Zorn ; man werde
mit Macht nach Beni Schangol gehen, ihn zur Rechenschaft ziehen,
warum er mich hieher gelassen. Dies war meine Lage in Fadäsi. Es
brauchte einen ganzen^ Tag, bis ich die Leute überzeugte, dass ich kein
Türke, sondern ein Franke sei, machte es jedoch damit nicht viel
besser. — „Die Franken haben den Casa (Negus Theodoroe) von Abys-
sinien umgebracht und ich werde gewiss im nächsten Jahr mit Franken
kommen und das Volk des Landes unteijochen und umbringen.^ — Ich
erwiderte, dass die Franken nicht wie die Türken als Feinde, sondern
als Freunde in fremde Länder kommen und dass Casa heute noch
lebte, wenn er nicht Franken in Gefangenschaft gehalten hätte. „Auch
mich,*^ ffigte ich mit Zuversicht hinzu, „werden meine Landsleute be-
freien oder rächen, wenn ich gefangen oder umgebracht würde. ^ So an-
*) Leider ist die Ziffer des Tages im Manuscript nicht bezeichnet;
wahrscheinlich ist gemeint am 3. Tage. A. d. R.
*) Auf der Karte Russeggers ist Fadäsi unmittelbar am linken
Jabiisufer in einem zu beiden Seiten geschlossenen Gebirgsthal, auf der Karte
Hartmanns ist es in einiger EntfemuAg von linken Jabusufer verzeichnet.
Doch muss bemerkt werden, dass sowol Russegger als Hartmann nach Hören-
sagen zeichneten, da keiner von ihnen bis Fadäsi gelangt war. A. d. R.
') Sämmtliche Gala, die ich sah, hatten kaukasischen Gesichtstypus und
häufig hellbraune Hautfarbe, tlberhanpt nichts Aethiopiscbes, wie die Bertat.
Einige nannten mich sogar Bruder und sagten, dass in einer ihrer Landschaften
eben so weide Menschen wohnen, wie ich einer sei. A* d. Y.
542
maßend dies gesprochen war, so kannte ich doch aus frtheren F&llen
die gate Wirkung einer energischen Sprache. Auch hier verfehlte sie
nicht; wenigstens schien der Ausbruch der Wut abgelenkt und es be-
gannen ruhigere, wenn auch nicht im mindesten tröstliche Verhand-
lungen zwischen der arabischen Partei mit Schech Hassan an der
Spitze and den Eingebomen. Die guten Leute waren nicht zur Einsicht
zu bringen, dass ich ihnen ein ganz unschädlicher Gegenstand sei ; sie
blieben bei der Behauptung, ich sei zu ihrem Unglück gekommen. Ob
sie mich nun gehen lassen oder gefangen halten und totschlagen, immer
werde der Schaden sie treffen. Im ersten Fall sei es gewiss, dass ich
nächstens mit Soldaten Effendinas oder gar mit Franken erscheine, im
zweiten Falle kommen, meine Landsleute und wirtschaften wie in Abys-
sinien.
Gegen diese Logik ließ sich vor der Hand nichts einwenden. Aber
was machen? So verzweifelt meine Lage war, so musste ich doch im
stillen über die Angst lächeln, die sie vor mir als einem Euro-
päer zeigten, und über die Naivetat, mit welcher sie dies offen aas-
sprachen. Ich glaube der erste Europäer zu sein, der sein I^ben hier
dem entschiedenen Auftreten der Engländer in Abyssinien verdankt
Ich gab mir alle Mühe, den Leuten begreiflich zu machen, dass ich in
der freundlichsten Absicht gekommen sei, dass iqh das nächste Jahr in
die Galaländer zu gehen gedenke und sie um ihre Hilfe bitte. Dabei
vergaß ich nicht, ihnen die Natur meines Lefeaucheur-Gewehres und
Revolvers zu erklären, wodurch ich ihrer Neugierde willkommenen Stoff
gab und zuletzt ein stummes Grauen verbreitete. Kurz gesagt, die Sadie
wendete sich endlich zu meinen Gunsten. Schech Hassan ließ als Gastr
geschenk ein Schaf schlachten, brachte mir Honig, Durrah und Weizeu-
brod (Weizen wird hier mehr gebaut als Durrah), - versicherte midi
seiner Gunst und Gewogenheit versprach mir, wenn ich ihm das nädiste
Jahr einen Revolver bringe, mich in die Galalftnder zu führen (er ist
mütterlicherseits ein Gala, väterlicherseits ein Araber), warnte mich
aber auch dringend, einen unnöthigen Schritt oder ohne Waffen und
Begleitung aus seinem Tukul zu gehen. Er wolle mich mit seinem Leben
gegen die aufgebrachten Eingebornen schützen und übermorgen mit mir
nach Belbissu zurückgehen.
Dies geschah denn auch. Nach dreitägigem angestrengten Ritt, bei
dem es nicht ohne Lärm und Streit abgieng, gelangten wir nach Beni-
Schangol, wo ich von Ha^jeli freudig empfangen wurde. Man hatte mich
für verloren gehalten.
Ich wollte von dort, um nicht denselben Weg zu machen, llber
Gbl. Kehli nach Famäka zurückgehen. Aber Hadjeli hielt mich so lange
543
zBjrflelEf bis Ihrabim Bei von Gbl. Kehli fortgezogen war. Wie ich sp&ter
erfahr, geschah dies Aber Auftrag; ich sollte nämlich nicht sehen, wie
man bei einem Kriegszng* der TOrken gegen Eingebome verfährt. Also
aneh hier die Farcht vor der europäischen Anschauung dieser Art von
Civiüsation. Ich bin überzeugt, dass in diesem, freilich sehr berechtigten
Mistrauen das größte Hindernis für die Forschungsreisenden liegt; hier
die Türken wie dort die Eingebomen fürchten eine Beschränkung ihrer
soaverainen Wirtschaft, sobald sie vom Europäer mit eigenen Augen ge-
sehen und in Europa bekannt wird.
Auf dem Wege von Beni-Schangol bestanden wir zu guter letzt noch
ein Abenteuer, welches zeigt, mit was für Leuten man es in diesen jungfräu-
lichen Ländern zu thun hat und auf welche Hilfe man angewiesen ist. Die
logasana hatten es auf einen Angriff abgesehen. In drei Scharen, jede
zu mehr als 100 Mann zogen sie, wie uns gesagt wurde, gegen das
Chor Kuba, uns den Weg abzuschneiden. Die Caravane, der ich ange-
hörte, bestand zum größten Theil aus Kaufleuten, welche Goldstaub,
Sclaven und Eisen in Beni-Schangol gegen Salz eingetauscht hatten.
Dieser Wucherseelen bemächtigte sich bei der Kunde von dem, was
uns bevorstand, eine unbeschreibliche Angst Im letzten Augenblick be*
störmten sie mich, ihnen die schlechtbestellten Waffen zu reparieren,
mit Pulver, Feuersteinen, Zündhütchen und Kugeln auszuhelfen. Ich
tfaat, was ich konnte und ließ dann die Caravane halten, während ich
mit meinem Diener, der von Fadäsi mit mir gekommen war und einem
Araber voraosritt, um die Gegend am Chor zu recognoscieren. Wir
fanden den Sand voll Fußspuren und das Wasser des Baches trüb von
der Menge der Füße, die durchgewatet waren, aber keinen Feind. Als
die Caravane uns nachkam und die Spuren sah, da gieng der Lärm erst
recht los. Man bat uns um alles in der Welt, voraus zu reiten, und
sobald wir den Feind erblickten, zurückzukommen, damit man ein Lager
bilden und sich zum Kampfe rüsten könne. Dass wir die ersten gewesen
waren, die vom Feinde niedergemacht werden, fiel keinem der Helden
bei. Aber auch bei der zweiten Streifung ließ sich kein Feind sehen.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass man uns erblickt und die drei gut
berittenen und bewaffneten Männer für den Yortrab einer türkischen
Abtheilung Soldaten gehalten hatte. Nachts gab es noch Streit in dem
Dorfe Adäsi und am nächsten Mittag, am 9. April kam ich, nachdem
wir über den Bahr el azrek gesetzt hatten, wohlbehalten in Famäka an.
Ohne Aufenthalt gieng ich von dort zu Lande über Rozeres und
Karkodsch nach Sennaur und weiter über Waad Medineh na^h C h ar t u m.
Wenn somit auch dieser erste Versuch, auf diesem Wege in die Gala*
länder und durch diese nach Osten ans Meer zu kommen, nicht gelang,
544
so glaube ich doch auf einigen Erfolg hinweisen za können. Zoii&ehflt
ist es die nähere Kenntnis des bisher wenig erforschten Dar Berta,
d.i. des Landes von Famäka südlich bis Bambaschi, dessen Haapt-
ort Fad äs i ist. Durch dieses Land führt der Weg in die Galalaoder
und es herrscht ein lebhafter freundlicher und feindlicher Verkehr
zwisch^ demselben und demGanti Gala. Es gelang mir (mit großer
Mühe) eine kleine Sammlung von Erzeugnissen der Gala znsammenza-
stellen, die auf die Höhe der Cultur bei diesem intei-essanten Volks-
stamme schließen Ifisst. Unmittelbar südlich von Fadäsi wohnen die
Amam- Neger, die aus der Haut der erschlagenen Feinde ihre Schurz-
felle machen und — wie die Araber sagen — eine zwitschernde Sprache
haben, Shnlich dem Gesang der Vögel. Südwestlich von Fadäsi in den
Fungibergen am Gbl. Gumgum, Migmig u. s. w., wohnen die Burum-
Neger, die höchst wahrscheinlich Menschenfresser sind. Wenigstens
gesteht es der 8jährige Burum, den ich besitze, ganz offen.
Hier in Chartum gedenke ich zunächst mein reiches Material zu
ordnen und demnächst wenigstens einzelne Aufsätze nach Europa zu
senden. Im nächsten Jahre, d. i. nach Beendigung des Chanifs (December
oder Jänner) würde ich von neuem auf demselben oder einem mehr
östlichen Wege über Fadäsi vorzudringen suchen, wenn mir dazu die
Unterstützung nicht versagt wird. Und das ist der Punkt, den ich allen
Freunden und Gönnern der Wissenschaft in meinem Vaterlande dringend
zur Würdigung empfehlen möchte. Ich bin der erste Europäer, der bis
nach Fadäsi vordrang. Unter welchen Beschwernissen die Reise gemacht
und warum sie nicht bis zu jenem Ziele, das ich mir selbst gesteckt,
fortgesetzt wurde, wird aus dieser flüchtigen Skizze genügend zu ent-
nehmen sein. Meinem Streben, mich bei den Eingebomen in BeqMCt zu
setzen und ihnen zu zeigen, dass es außer den Türken, vor denen sie
zittern, noch bessei'e weiße Menschen gebe, bin ich treu geblieben und
habe damit aus mancher augenscheinlichen Gefahr mein Leben bewahrt.
Ja, ich kann nach all^n, was ich erlebte, sagen, die Straße nach einen
Lande, welches selbst die ägyptische Macht bisher nicht zu betreten,
geschweige zu occupieren wagte, ist für mich und jeden europäischen
Forscher gebahnt, um zu den uns Weißen verwandten und leichter zu
behandelnden Galavölkern zu gelangen. '') Unter den Verhältnissen, wie
ich reiste, ist es aber nicht möglich, ruhig zu forschen und zu arbeiten, da
die beständige Gefahr des Lebens jede andere Sorge ausschließt. Eine
Ausrüstung von 25 bis 30 Mann, mit welcher das Unternehmen als
gesichert zu betrachten wäre, ist mit meinen Geldmitteln von allem An*
fang kaum durchzuführen gewesen und ist jetzt, da sie durch die Rück-
reise zum größten Theil erschöpft sind, undenkbar. Wenn man aber
&45
am eines wissenschaftlichen Zweckes willen sein Hab und Gut einsetzt^
wie ich es im vorliegenden Falle that, so ist man auch leicht geneigt
zu glauben, derselbe Zweck werde in Anbetracht der Resultate, die er
hoffen Issst, auch andere bewegen, ^-ein Scherflein zum Gelingen beizu-
tragen. In dieser Voraussicht wende ich mich an die k. k. geogra-
phische Gesellschaft, ihren Einfluss für mich geltend zu machen, so weit
dies in ihrem Bereiche möglich ist, und glaube die Versicherung geben
zu können, dass die mir zugewendete Unterstützung der Erforschung
eines Theiles von Africa zu gute kommt, der durch die offene Suez-
straße von einer Seite und durch die Erleichterung der Gommunication
im Nilthale von der andern seine reichen Naturschätze in nicht femer
Zeit zu grofier Bedeutung bringen und, wenn man die Gelegenheit war-
nimmt, auch das österreichische Handelsinteresse mächtig berühren wird.
Reise durch Rumelien im Sommer 1869.
Von Prof. Dr. F. v. Hochstetter.
3. Von Adrianopel Aber Jamboli nach Burgas.
Unter dem gastlichen Dache der Villa des österreichischen Con-
snls in Karagadsch bei Adrianopel hatten wir uns von dem heißen
Ritt durch die thracische Steppe aufs vollständigste erholt und setzten
im 10, August unsere Beise fort und zwar Tundscha aufwärts gegen
Jamboli zu. Unsere Reisegesellschaft hatte sich vermehrt, da sich uns
Herr Ingenieur v. Varnbüler, welcher die Strecke von Adrianopel über
Jamboli nach Burgas zu untersuchen hatte, anschloss. Auch hatten wir
ans als Leibgarde zwei berittene Amanten (Kawassen) mitgenonunen,
die in ihrer schmucken kriegerischen Tracht und Ausrüstung die Spitze
unseres Zuges bildeten. Ds^egen hatten wir uns wenigstens eines Theiles
der lästigen Packpferde entledigt und dafür drei Wagen, sogenannte
TaUkas zur Fortschaffung des Gepäcks gemietet. Ein Theil unserer
Beisegeselischaft war schon mit Tagesanbruch vorausgeritten. In einem
Dorfe, Jenesikiöi vor Adrianopel, sollten wir uns treffen. Durch ein
Misverständnis im Namen, da es ein Jenesikiöi und ein Jenikiöi in
mnmttelbarer Nachbarschaft gibt, kam es, dass die nachziehende Hälfte
der Reisegesellschaft, bei der auch ich mich befand, als sie in Jenikiöi
die andere Partie nicht traf, in der Meinung, diese sei voraus, weiter
eilte. Da überdies die Reiter einen anderen Weg einschlugen als die
Wagen, «so kamen wir ganz auseinander und trafen uns erst am zweiten
Tage in dem Dorfe Srem wieder.
Das Tundscha-Thal ist etwa eine Meile aufwärts von Adrianopel
noch breit und offen und von niederem diluvialen und tertiärem Terrassen-
546
•
land begrenzt. Bei Tatarki^^i macht der Flnss eine größere Biegung
gegen West; das Terrain steigt zu einem beeren GrneiBplateaii an, an
dessen südlichen Rand mächtige Massen von eocänem Kalkstein ange-
lagert sind, und das Tandschathai wird zu einem engen Felsdefil^, das
sich erst etwa 6 Stunden flussaufwärts wieder zu einem kleinen Alluvial-
becken öfihet.
In den steilen Kalkfelswänden, welche bei Tatarkiöi den Eingang
in dieses Defil6 bilden, bemerkt man wieder an beiden Flassufern
künstliche £xcavationen, wie bei Jarim Burgas und bei Judschies. Am
rechten Ufer sieht man viereckige Löcher, die unzugänglich 40 bis 50
Meter über dem Fluss liegen ; am linken Ufer befindet sich eine zn-
gängliche Grotte, 12 bis 15 Meter über dem Fluss, die zahlreiche ein-
gehauene Seitennischen enthält, ganz so wie die früher beschriebene
Felsengrotte von Jarim Burgas bei Constantinopel.
Zu Pferd kann man am linken Tundschaufer noch 3 bis 4 Stunden
aufwärts gelangen, bis Felsen und Gestrüpp jedes weitere Vordringen
unmöglich machen. Für Wagen ist das Defil6 gänzlich unpassierbar. Wir
zogen uns daher von TatarkiOi an einem mit Lehm und grobem Quarz-
geröUe bedeckten Abhang hinauf auf das Plateau am linken Tundscha-
ufer. Hat man die schmale Zone von eocfinem Kalkstein überschritten,
so kommt man alsbald auf Gneiß, dessen Schichtenköpfe mit grofier
Regelmäßigkeit von Ost nach West quer über den Weg streichen nad
der von zahlreichen Quarzgängen durchzogen ist Das Urgebirge breitet
sich östlich vom Tundscha-Defil^ piateauförmig aus und ist thefls mit
Eichenbuschwald bedeckt, theUs bebaut. Westlich aber von der Tundseha
erhebt sich das Urgebirge zu einem ansehnlichen, gegen 900 Meier
hohen, dicht bewaldeten, wahrscheinlich aus Granit bestehenden Gebirgs-
stock, der wegen seiner isolierten Lage weithin die ganze Gegend be-
herrscht. Auf den bisherigen Karten der Türkei ist dieser weithin sicht-
bare Gebirgsbuekel lange nicht characteristisch genug hervoiigehoben.
Der Name wurde mir als Sakarbair oder Sacharbair, von bulgarisGher
Sdte als Kawa Göldschu bezeichnet.
Um 1 Uhr lagerten wir unter schattigen Eichen bei einem Btnuuieii,
eine Viertelstunde westlich von dem Dorfe Demirkiöi. Der VorsMicr
des Dorfes war uns behilflich, reitende Boten zu bekommen, die wir
nach verschiedenen Richtungen aussandten, um die verloren gegan-
gene Partie unserer Reisegesellschaft, bei der sich auch Director Presse!
and v. Varnbüler befanden, aaüusuchen.
Nackte, bizarr gestaltete Felskegel und Felsmauem von Groeifl
und Granit erheben sich in der Umgegend von Denürkiöi und weiter
nördlich steigt das Plateau zu einem bewaldeten, vielkuppigen Höhen-
547
znge an, der in seiner nordöstlichen Fortsetzung die Wasserscheide
zwischen dem schwarzen Meere einerseits nnd dem Tundscha- oder
Maritza-Gebiet andererseits bildet. Der Weg nach Jamboli übei'schreitet
diese Wasserscheide in einer Höhe von 460 Meter zwischen den hoch-
gelegenen Bergdörfern Hamsabeli und ümmbeli. Von der Höhe hat
man eine umfassende, äußerst anziehende Femsicht Gegen Süden
erkennt man noch die schlanken Minarets und die hohe Kuppel der
Moschee des Sultan Selim in Adrianopel. Gegen Nordost überblickt
mau weithin die waldigen Hügel und Bergzüge des Strandscha-Gebirges,
und in blauer Feme erscheinen gegen Norden die Umrisse des Balkans.
In Ummbeli, einem ziemlich bedeutenden bulgarischen Dorfe übernach-
teten wir.
11. August. Die ausgesandten Boten waren zurückgekommen,
ohne eine Spur von unseren Freunden aufgefunden zu haben. Wir ver- ,
muteten nun, dass sie vielleicht am rechten Ufer der Tundscha ihren
Weg genommen haben und suchten so rasch wie möglich das an der
Tundscha gelegene Doif Srem zu erreichen, das sie jedenfalls passieren
mussten. Schon um 8 Uhr morgens kamen wir, nachdem unsere Wagen
mit vieler Mühe auf den schlechtesten, sonst nur von Ochsenwagen
befahrenen Wegen, den Berg herab gebracht waren, in dem in einem
reizenden Thalkessel gelegenen Dorfe an. Niemand hatte Franken ge-
sehen; unsere Gesellschaft musste also noch zurück sein und so be-
schlossen wir hier zu bleiben, bis die andern nachkommen würden. Die
Tundscha abwärts ausgesandten Boten brachten uns auch nachmittags
die erfreuliche Kunde, dass die Verlorenen, welche in Tatarkiöi campiert
hatten, auf dem Wege nach Srem seien, wo sie abends auch wohlbe-
halten ankamen.
Srem, am linken Ufer der Tundscha in einer rings von Bergen
umschlossenen, äußerst fmchtbaren, etwa eine Stunde langen und eint
halbe Stunde breiten Alluvialebene gelegen, ist eines der schönsten
bulgarischen Dörfer, welches ich in der Türkei gesehen habe. Das Dorf
zählt gegen 250 Häuser mit einer Kirche. Die Häuser sind fast alle
neu gebaut, mit Ziegeln gedeckt und mit Veranden versehen und ent-
halten drei bis vier Wohnräume. Ein großer umzäunter Hofraum, der
einen eigens hergerichteten Tennplatz enthält, umgibt jedes Haus. Da
das Ausbringen des Getreides durch Getreideschlitten, die auf den Tenn-
plätzen im Kreise herumfuhren, gerade in vollem Gange war, so hatte
das ganze Doif ein sehr belebtes fröhliches Ansehen. Wir hatten uns
in einem der schönsten und größten Bauernhöfe bei einer töchter-
reichen Wittwe einlogiert, welche die Freundlichkeit und Gntmüthigkeit
in persona war, und ihre Dienstfertigkeit noch verdoppelte, als wir ihr
548
Töchterchen Nidella mittels Zabntinctur aus unserer Reiseapotheke von
einem schmerzhaften Zahnweh befreiten. Freilich hatte die gelungene
Cur zur Folge, dass wir uns bald vor Kranken, die unsere Hilfe
suchten, kaum erwehren konnten. Namentlich schwere Augenkrankheiten
scheinen in der Gegend häufig zu sein.
Weizen, Kukuruz , Hanf, Tabak und Maulbeerbäume machen die
Hauptcultur bei Srem aus ; und die großen abends heimziehenden Herden
von Schweinen, Schafen, Ziegen und Rindvieh, das zahlreiche Geflügel
auf den Höfen, alles das machte den Eindruck von behaglicher Wohl-
habenheit der Bewohner. Ich kann bei dieser Gelegenheit die Bemerkung,
die sich mir auch später öfters aufdrang, nicht unterdrücken, däss die
bulgarischen Bauemwirtschaften in der Türkei in keiner Weise hinter
den besseren ungarischen Dörfern zurückstehen und jedenfalls eine
weit höhere Stufe einnehmen, als die wallachischen Wirtschaften. So
durch und durch elende, schmutzige Dörfer, wie sie z. B. in den wal-
lachischen Districteii des Biharer Comitates die Regel sind, eine so
gftnzlich bedürfnislose halbwüde Bevölkerung, wie sie dort und in
Siebenbürgen zu Hause ist, wird man kaum irgendwo in der Tßrkei
finden.
12. August. Schon mit dem ersten Tagesgrauen waren wir auf
dem Wege. Unmittelbar oberhalb Srem wird das Thal wieder eng und
felsig und der Fluss beschreibt einen großen Bogen gegen Osten. Um
diesen Bogen abzuschneiden, mussten wir bei einer Mühle über den
Fluss setzen. Am rechten Flussufer überschritten wir nun die mit Busch-
wald bedeckten Granit^ und Syenithöhe, welche den nördlichen Fuß
des Sakar Bair bilden, und kamen bei dem bulgarischen Dorfe Scba-
harli in die Ebene. Das Tundschathal stellt von hier bis Jamboli eine
breite, theilweise sumpfige Alluvialfläche dar, die von Diluvialterassen
begrenzt ist, welche in demselben Maße als das Urgebirge des Tundscha-
Massivs zu beiden Seiten zurücktritt, zu ausgedehnten niederen Plateau-
fl&chen sich erweitem. Einer Eisenbahnlinie von Adrianopel nach Jamboli
stehen deshalb keine weiteren Schwierigkeiten im Wege, als diejenigen,
welche das Tundscha-Defil6 zwischen Schaharli und Tatarkiöi bietet
Die Trace wurde am linken Tundschaufer projecUert Jedoch scheint an
die Ausfiihrung dieser Linie vorderhand nicht gedacht zu werden; in
der That w&re dieselbe als Verkehrslinie von sehr untergeordneter Be-
deutung, wie wir schon früher (2. Adrianopel) auseinandergesetzt haben.
Ich vermute, dass es hauptsächlich strategische Rücksichten sind, welche
d^ türkischen Regierung die Ausführung dieser Linie wünschenswert
erscheinen lassen; denn in der Kriegsgeschichte vom Jahre 1829 hat
gerade die Linie Jamboli* Adriaaopel, auf der die Russen nach Ueber-
549
schreitong des Balkans gegen Adrianopel gezogen kamen, eine große
Rolle gespielt.
Kurz Yor Jamboli bei Fendiklü und Karkeki6i passierten wir
tscherkessische Niederlassungen, elende Stroh- und Lehmhütten, aus
welchen eine ganze Schar halbnackter Kinder bettelnd uns entgegen-
stürmte.
Da wir unsere Ankunft in Jamboli hatten vorausmelden lassen,
so wurden wir schon vor der Stadt vom Kaimakam aufs freundlichste
begrfißt und dann in das Haus eines wohlhabenden bulgarischen Kauf-
manns Namens Wasil Dragoif geleitet, wo wir in einem geräumigen
achtfenstrigen Salonzimmer mit Aussicht auf den Fluss und die Brücke
ein recht angenehmes Quartier bekamen.
Jamboli liegt am linken Ufer der Tundscha an der Stelle, wo der
Fluss, nachdem er seine westöstliche Richtung dem Fuße des Balkans
entlang in eine nordsüdliche verändert und den von Osten kommenden
Azmakdere aufgenommen hat, eine niedere Hügelkette durchbricht, welche
das ausgedehnte Alluvialbecken des Flusses am Fuße des Balkans gegen
Süden abschließt. Eine ansehnliche hölzerne Brücke, an deren beiden
Enden Mühlen liegen, verbindet die Stadt mit der am rechten Ufer
gelegenen Vorstadt. Die Stadt scheint hauptsächlich von Bulgaren,
Griechen und spanischen Juden bewohnt zu sein. In der Mitte der Stadt
erhebt sich ein Stadtturm mit einer Uhr, daneben ein großes Magazin
oder ein Bazar mit 4 Kuppeln. Die Straßen sind mit röthlichen Kalk-
schieferplatten gepflastert An Sehenswürdigkeiten ist nichts vorhanden,
dagegen ist die Landschaft nicht ohne Beiz.
Abends brach ein heftiger Gewittersturm vom Balkan her los,
der die Sommerhitze rasch bis auf 12^ R. herabsetzte und einen
völligen Umschlag des bisher so unverwüstlich schönen Wetters herbei-
zuführen schien. Indess war am andern Morgen der Himmel wieder
wolkenlos wie immer. '
Nach einem umständlichen Abschied von unserem liebenswürdigen
Wirt, welcher erklärte, er werde tief beleidigt sein, wenn er hören
sollte, dass irgend jemand von unserer Partie bei einem zweiten Besuch
von Jamboli irgend wo anders als bei ihm einkehre, und in Begleitung
zweier Sapti^s, die uns der Kaimakam mitgegeben hatte, brachen wir
am 13. August in der Früh in der Richtung nach Burgas auf.
Oestlich vor der Stadt erhebt sich etwa 300 Fuß hoch ein iso-
lierter Trachitkegel (ein rothbrauner Porphyritähnlicher andesitischer
Trachit), der Kirkar Bair, den wir bestiegen. Wir, hatten hier eine
überraschend schöne Aussicht über die ganze Gegend. Gegen Norden
and Nordwesten steigt der Balkan wie eine Mauer steil auf aus den
550
aasgedehnten Ebenen an seinem Fofle. In der entgogengeBetsten Bich-
tung gegen Ostsüdost erhebt sich inselförmig aus dem flachweUigeD
HOgelland der Kütschück Bakatschik, der auf seiner gegen 700 Meter
hohen Spitze ein weithin sichtbares Kloster trägt und hinter ihm in
derselben Richtung sind noch andere Inselberge sichtbar, deren regd-
mäßige Kegelform schon auf ihren vulcanischen Ursprung hindeutet.
Diese erloschenen Yulcane, die aus andesitischen und doleritisdien Ge-
steinen zusanmiengesetzt sind, gehören einem sehr ausgedehnten Erup-
tionsgebiete an, welches sich in östlicher Richtung bis Burgas am
schwarzen Meere, in nordösüieher bis Kamabat und Aidos erstreckt und
das kr}'stallinische Tundscha-Massiv von dem Südabfall des Balkan*s
trennt Yulcanische Tuffe bilden am nördlichen Fuße jener Inselberge
niedere, plateauförmig sich ausbreitende Höhen, über welche wir an den
Dörfern Ovlali, Paschakiöi, Esetli u. s. w. vorbei auf Feldwegen unsere
Richtung genau nach Osten nahmen.
Eine äußerst fruchtbare tiefschwarze Ackerkrume bedeckt die
ausgedehnten Flächen und bUdet das schönste Ackerland der Welt, das
jedoch kaum zu einem Drittheil bebaut ist. Unabsehbare Distelfelder,
Quadratmeilen von Gestrüpp und Buschwald harren hier noch der Rodang
und des Pfluges. Die Auswanderer aus dem Banat, welche man in den
öOer Jahren hieherlockte, hatte man ohne allen Schutz von Seiten der
Regierung elendiglich zu Grunde gehen lassen, während dem t8chei>
kessischen Diebsgesindel und den Krimmtataren, die man ansiedelte,
für alle Zeiten Steuerfreiheit bewilligt ist. Man zeigte uns noch die Stelle,
wo das unglückliche Nemzekiöi (Deutschdorf) gegründet wurde.
Gegen 5 Uhr überschritten wir auf einem flachen Rücken die
kaum bemerkbare Wasserscheide zwischen der Tundscha und dem
schwarzen Meere und quartierten uns für die Nacht in Aschlar auf
dem Xschiftlik (Meierhof) eines spanischen Juden Namens Michael
Alfas ein.
In der NAhe von Aschlar, sagte man mir, soll eine Colonie von
Türken existieren, d. h. von Leuten, die türkisch sprechen, aber keine
Muhamedaner, sondern Fetischanbeter seien.
14. August. Schon um 47g Uhr morgens waren wir wieder im
Sattel. Zwischen Karadschilar und Russo Castro kamen wir durch einen
hochstämmigen prächtigen £ichwald, und um 10 Uhr erblickten wir
von den Anhöhen bei Dschan-Kardaach das schwarze Meer. Die Mit-
tagsrast hielten wir in den Tschiftlik bei Dschan Kardasch, das einem
ih Constanünopel lebenden Griechen Namens Sarif Sevoropnlos gehört.
Der Beamte, den wir hier trafen, konnte nicht genug enählen von dem
Reichtum seines Herrn. Alles Land auf. 32 Stunden im Umkreis mit
551
8 Dörfern gehöre seiBem Herrn, mit 10.000 Ochsen, 100 Küh^, 700
Büffeln, IOjOOO Schafen, 250 Ziegen and öOO Schiweinen; aber sie
haben auch große Steuern zu bezahlen, ^s ^^^ Vio ^^^ aUem nehme
die Regierang und einen anderen Bruchtheil die Popen, so dass der
wirkliche £rtrag verhältnismäßig gering sei.
Das Yukanische Plateau fällt bei Dschan Kardasch ziemlich steil
ab gegen die Lagune von. Burgas oder den See von Waiakiöi. Die nörd-
lichen Ufer des Sees sind flach, große Herden von Büffeln mit weißer
Stirn und weißer Nase, und von Pferden weideten auf dem fetten
Maivchboden, auch einzelne Kameele bemerkten wir. Der See soll nur
1 — 4: Fuß tief, aber außerordentlich fischreich und ein ergiebiges Jagd-
gebiet auf Federwild sein. Die Fischerei im See ist von der Regierung
für 40.000 Piaster auf drei Jahre verpachtet. Durch einen künstlichen
Durchlass am öetMehen Ende steht der See jetzt mit dem Meere in
Verbindung; ehe dieser Durchlass von der Regierung gemacht wurde,
soll er manchesmal gSnzlich ausgetrocknet sein.
Wir ritten dem nördlichen Ufer des See's entlang, hatten dann
noch einen niederen Hügel, der mit Windmühlen besetzt ist, zu passieren
und waren um 4 Uhr in Burgas, wo wir in einer griechischen Locanda,
dem »Casino^, das leidlich nach europäischem Stile eingerichtet ist,
abgestiej^en.
Gleich nach unserer Ankunft hörten wir, dass der von Gonstan-
tinopel bestellte Dampfer, welcher unsere Reisegesellschaft nach £nos
am ägäischen Meere bringen sollte, eben einlaufe, und noch am selben
Abend schifften sich meine Reisegefährten ein, um über Constantinopel
nach £nos zu fahren. Ich selbst blieb in Burgas zurück, um von hier
aus längs des Balkans über Sliwno und Kisanlik nach Philippopel zu
reisen, während Director Pressel von Enos das Maritzathal aufwärts
über Adrianopel nach Philippopel kommen wollte. Nach 12 Tagen
hatten wir uns das Rendez-vous in Philippopel gegeben.
Burgas hat 5000 Einwohner, Türken, Griechen, Bulgaren und
Armenier. Man rechnet 150 christliche und 350 türkische Häuser. Es
besitzt 2 Moscheen, eine griechische, eine armenische und eine katho-
lische Kirche. Von fremden Nationen ist nur Italien und Griechenland
durch Consuln, Oesterreich durch einen Consularagenten vertreten;
auch der österreichische Lloyd hat einen Agenten hier, zur Zeit unseres
Besuches Herr Glücklich, der mir manche Gefälligkeiten erwies.
Der Handel von Burgas ist hauptsächlich in Händen der Griechen.
Die Ausfuhr besteht in Getreide und Abah (ein Wollstoff, welcher in
Sliwno fabriciert wird). Der Getreideexport wird auf eine Million öster-
reichischer Metzen jährlich bejechnet, man bringt das Getreide nament-
552
lieh ans den oberen Maritza-Gegenden ; ans den frachtbaren Ebenen von
Jeni und Eski Sagra and von Philippopel. Große Gtetreidemagaziiie
sind za diesem Zweck am Hafen errichtet. Der District Bargas soll
jährlich äOO.OOO Kilo Weizen, 100.000 KUo Gerste and Hafer mid
55.000 Kilo Roggen erzeagen. Hieyon verbleibt ein Viertel im Innlaod,
der Rest wird nach Frankreich, Italien and England veriaden.
Das Clima von Bargas ist nicht gesand, es herrschen Fieber,
ähnlich wie in Enos, wenn aach nicht so staric, and ein großer Uebel-
stand ist der Mangel an Wasser. Das Trinkwasser mass 20 Minaten vor
der Stadt geholt werden vom Rande der Lagone, wo auf der Düne
zwei Ziehbrunnen liegen, welche das einzige trinkbare Wasser liefeiiL
Von der zweiten deutschen Nordpolexfieditioii.
1. Brief des Dr. Laabe (auf der ^HaDsa*") an Prof. ?. Hochstetter.
Hochgeehrter Herr Professor!
So gern ich schriebe: Wir sind auf dem Nordpol gewesen and
haben gewaltige Entdeckungen gemacht, so sehe ich mich doch ge-
taöthiget, Ihnen gegentheilig eine lange Geschichte von MisgeschidK and
und Unheil zu berichten.
Wenn Sie, wie uns bis jetzt noch sehr wahrscheinlich ist, durch
das tiefe Schweigen von uns seit unserm Abgang von Bremen der guten
Ansicht lebten, wir würden mehr erfreuliche Resultate mitzutbeilen
haben, wenn wir plötzlich wieder auftauchten, so wird Sie schon das
Telegramm der „N. Fr. Presse" eines anderen belehrt haben. Das er-
freulichste von unserer Expedition ist: Wir sind mit dem Leben davon
gekommen, das ist auch alles; Schiff — ich meine damit die ^.Hansa*",
der ich zugetheilt war — und alles und jedes haben wir verloren,
mein College Dr. Buchholz sogar den . Verstand, und muss dieser von
Kopenhagen aus . sofort ins Irrenhaus gebracht werden. Ich will Ihnoi,
so weit es der ^gedrängte Raum" gestattet, eine ganz kurze Scizze mit-
theilen.
Nach unserer Ausfahrt von Bremen hatten wir langsame Reise
durch die Nordsee, viel widrigen Wind und schlechtes Wetter. Jan
Mayen wollten wir anlegen, da ward es dickneblig und wir mussten es
aufgeben, hier verloren wir die ,yGermania" aus Sicht, kamen aber nach
8 Tagen mit ihr wieder an derEisgrftnze zusammen. Am 20. Juli giengen wir
in's Eis. Schon in den ersten Standen verloren wir die Germania wieder aas
Sicht und haben sie nie wieder gesehen, sind also über deren Schicksal ganz
im unklaren« Ein, zwei Tage giengs gut, dann wurden wir durch ungün-
sdges Wetter und Strom zu weit Sfld gesetzt. Da wir am VorhandeDsein
553
von KAstenwasser stark zweifeiten , giengen wir ans dem Eise heraus
imd segelten nordwärts auf 75®, um wieder die Fahrt zu beginnen.
Diesmal schien es besser glflcken zu wollen. Zwar war die Mflhe
groß, aber am 18. August kam Kfiste in Sicht, nun giengs langsam
vorwärts und die Kfiste kam immer n&her. Den 22. August waren
wir der Kfiste etwa bis 25 See-Meilen nahe gekommen. Aber wir richteten
mit unseren Segeln wenig aus und mussten viel still liegen. Am 24. August
machte ich mit Capitän Hegemann eine Recognoscierungs&hrt nach der
Kfiste, wir kamen bis etwa 18 Meilen davon ab und sahen ^ die Insel
Pendulum ganz genau, wie wir auch vom Schiffe aus, vom Mast, Cap
Shannon sahen, ohne hingelangen zu können. Kfistenwasser sahen wir
nicht, und so mussten wir immer auf gfinstigen Wind warten, der
das Eis auseinandersetzen sollte. Wir schleppten und bugsierten unser
Schiff nach Kräften weiter, aber das fruchtete nichts. Es fror auch schon
dickes junges Eis. Am 27. August wurden wir hart gepresst, nun
mussten wir daran denken, dass wir unser Schiff auch verlieren könnten,
und machten unsere Boote zur allenfallsigen Flucht klar. Die Hoffnung,
die Küste erreichen zu können, ward immer geringer. Die ersten Tage
im September wehte ein kräftiger Nordweststurm, am 5. konnten wir noch
einmal segeln, der Wind hatte Luft gemacht, wir kamen ein gutes
Stack vorwärts, aber wir hatten nur eingeholt, was wir vorher verloren
hatten, indem wir mit dem Eise östlich absetzten. Mächtige Eisfelder
umgaben uns. Am 5. mussten wir an einem solchen unser Schiff fest
machen. Jenseits desselben sahen wir viel freies Wasser, doch fand sich
kein Kanal zwischen den Eismassen, der unser Schiff durchließ. Es
dauerte nicht lange, so war das freie Wasser wieder weg, und alles um uns
dichtes Eis. Uns däuchte, dass wir, hätten wir die Eisfelder passieren
können, wol die Kfiste erreicht hätten, aber nun war alle Hoffnung
dazu Torflber, ebenso, wie wir auch keine hatten, aus dem Eis heraus-
zukommen. Mitte September waren wir eingefroren und die Ueber-
winterung im Eis uns zur schrecklichen Gewissheit geworden. Wir
mnssten gute Miene zum bösen Spiel machen. Wir legten unser
Schiff so sicher es gieng in einen Einschnitt in der Eisscholle, an der
vrir lagen — sie hatte 3*1 D Seemeilen und war mittelgroß, — nahmen
Segel und Stangen herunter und machten unser Winterquartier zurecht.
Grleichzeitig setzten wir die Boote in guten Stand und um ein erstes
Obdach zu haben, wenn wir unser Schiff verlieren sollten, bauten vrir
aofi Kohlenziegeln ein kleines Haus auf dem Eisfelde. Während dem
setzten wir mit dem Eise immer mehr Sfldwest und kamen dichter und
dichter an die Kfiste. Unser Haus war kaum fertig und das Plankendach
über das Hinterdeck halb voUendet, als heftige Schneestfirme losbrachen.
llittkeilungBn d. geogr. GMell. 1870. 18. 36
554
Gegen Mitte October waren wir bis nach Liverpoolkflste hinunter ge-
trieben auf circa 71^ n. B. und 20^ w. L. Wir waren dem Lande so
nahe, dass wir bei günstiger Gelegenheit noch einmal frei zn kommen
and hier vielleicht noch einen Hafen zn finden hofften. Am 18. October
war das Eis in furchtbarer Bewegung und arbeitete schrecklich
um uns her, doch war es ruhig dabei. Am 19. brach ein Stnrm
los und nun giengs an unser Schiff; es wehrte sich tapfer, wurde circa
14' auf Eis hinaufgeschoben und dann mit der Breitseite in das feste
Eis hineingequetscht. Dieser furchtbaren Gewalt konnte es nicht wider-
stehen. Als der Sturm nachließ, sank es wieder in*s Wasser zurftck, da
das Eis auseinander gieng und bald sahen wir, das es stark leckte.
Die Nacht hielten wir es noch mit den Pumpen. Morgens den 20. sahen
wir ein, dass es nicht zu retten sei. Wir mussten unser Heil auf der
Scholle suchen. Dem glücklichen Umstände, dass wir zufällig allen Pro-
viant aus dem Proviantraum auf Deck hatten, und dass es 20^ kalt war,
also stark fror, sowie dass das Schiff vom noch auf dem Eise aufkf,
verdanken wir es, dass wir soviel auf das Eis retten konnten, am
wenigstens vor dem Hungertode sicher zusein, so lange unser Eisfeld hielt
In der Nacht vom 22. auf den 23. October, nachdem wir Masten,
Tauwerk, Planken und was wir erreichen konnten, vom Schiffe geholt
hatten, versank die „Hansa^. Nun denken Sie sich unsere I^age mitten im
treibenden Eise, ohne Schiff, auf einer gebrechlichen SchoUe zu An&Dg
des arctischen Winters auf dem 70® n. B. I Hoffen war das einzige, was
wir konnten. Wir richteten uns so gut als es gehen wollte ein, und als
unser kleines Haus tüchtig eingeschneit war, hatten wir auch nicht
über Kälte zu klagen. Am Fußboden fror es zwar immer, aber oben
war es behaglich warm. Gegen Zug und Wind schützten wir ans durch
einen Schneevorbau. Wir selbst befanden uns ganz wol, weite Spazier-
gänge, Beschäftigung im Freien, Lesen u. s. w. vertrieb die Zeit.
Lectfire hatten wir sehr viel geborgen. Weihnachten kam. Im Deeember
hatten wir einmal — 27^ R., das war unsere größte Kälte. Den aus Besen-
reisem gefertigten Christbaum besteckten wir mit Wachsstockschnitzän
und erfreuten uns an Ihren freundlichen Weihnachtsgeschenken, die wir
noch aus dem Schiffe gerettet hatten. Namens unser aller sage ich
Ihnen für Ihre Güte unseren herzlichsten Dank und bitte diesen auch
Ihrer verehrten Frau Gemahlin auszudrücken. Mir war es, als ob Sie
uns an jenem Abend mit Ihrem freundlichen Besuch erfreut hätten und
Sie haben uns in unserer trübseligen Lage eine recht frohe Stunde gemacht
Mit einem frohen „Gott sei Dank^ sahen wir das Jahr 1869 scheiden.
Aber der Anfang 1870 schien gleich in den ersten Tagen das Mafi
unserer Leiden voll machen zu wollen. Neujahrstag abends gab es Sturm.
5&5
Wir waren an Egedesland dicht unter Land etwa 67^ NB. Den
2. J&nner hörten wir ans der Scholle heraus ein höchst beängstigendes
Knistern. Der Sturm wehte fort, niemand konnte in's Freie, da hätte
er ohnehin nichts gesehen. Erst den 4. Jänner konnten wir uns umsehen.
Wir waren dicht an der Küste in ekier Bucht Unsere SchoUe rundum
abgehrochen, nicht mehr '/s ^^ vorigen Umfanges. Bis an die Brust fiel
man in den Schnee. Die Boote waren nicht yon der Stelle zu rOcken.
Ein Versuch Hildebrands das Land zu erreichen, musste gleich anf*-
gegeben werden, da Aber die Schollen nicht fortzukommen war. An diesem
Tag sahen wir die Sonne wieder. Am 6. Jämier waren wir circa 66** 47'.
Nun gieng der Sturm wieder los. Am 11. Jänner morgens mussten wir
eiligst das Haus verlassen, da sich das verdächtige Grerausch wieder
hören ließ. Kaum konnten wir uns im. Sturm auf den Ftlßen halten.
Das Gesicht Stack in einer starren Etsmaske. Ringsum war freies
Wasser. Die Scholle schwankte und brach in der Dflnung bis dicht
an's Haus. Die Boote retteten wir mit Mühe. Wir theilten uns in zwei
Partien — denn wii* dachten es sei nun wol bald mn die SchoUe ge*
schehen — zu den Booten ; eines wartete, wie das andere abbrechen sollte,
wie die oder jene versinken würden. Doch es ward wieder besser, weam.
auch der Sturm fortwöhrte. Was um uns in dieser Zeit vorgieng, wer weis
es? in der Nacht vom 14. — 15. Jänner barst das Hans mitten durch, wir
mussten in die Boote fliehen und lagen da im Schnee bis zum 17. Jänner,
wo wir erst ein wenig rein machen konnten. Es wurde etwas besseres
Wetter und so holten wir die Trümmer des Hauses unter dem Sclmee
hervor und bauten ein neues Haus und aus den Dachplanken eine Hütte
über den Kochherd. Da unser Brennholz weggetrieben war, konnten wir
im Hans nur knapp Raum für 6 Mann bekommen. Die anderen logierte
von da ab in den Booten und keiner ward davon krank 1 Vom ersten
Februar an ward das Wetter besser, wie überhaupt dieser Monat still
und schönf wenn auch zu Ende noch recht kalt war. Wir trieben bis
Mitte Februar bis Cap Lövenöm. Die Reise gieng immer dicht der
Küste entlang, am Puisontok und Kohlbergenheidegletscher, den größten,
die ich sah, Süd und Südwest. Am 20. März kamen wir am Cap
Mösting mitten zwischen eine Menge Elisberge, die uns sehr bange
machten. Aber trotzdem wir an einen fest angepresst wurden , geschah
uns gar nichts. Sie brachen glücklich da, wo wir nicht waren. Ueber-
haapt wurde unsere Scholle, nachdem sie am 15. Jänner eintti Umfang
von 3()0 Schritten erhalten hatte, nicht mehr kleiner, bis wir sie ganz
verließen. Von Ende März bis 17. April trieben wir zwischen
Skioldungs Insel und Cap Moltke abwechselnd Nordwest und Südost
(öä«*— G3® 30; n. B.). Hier wurden wir von einem Sturm tüchtig Süd
36 ♦
566
gesetzt. Die ersten Tage im Mai wai^n wir auf 61* 12' n. B. Bisher
hatte sich keine Gelegenheit gefunden an*8 Land zn kommen. Am
7. Mai, nachdem nachts znyor tflchtig Südwest geweht hatte, hatten
wir weite Kanäle dicht bei nns. Um Mittag entschlossen wir ons zu
dem Yersach, das Land zn erreichen und am Lande Sud zn gehen.
Um 4 Uhr waren wir segelfertig, wir kamen den 7. nnd 8. M«
dem Lande bis auf 3 Meilen nfther, konnten aber doch nicht die Eflste
erreichen. Alles war dicht. Nun lagen wir in den Booten nnd der
Proviant ward immer knapper, ohne dass wir yorwftrts kamen. Endlidi
entschlossen wir nns die Boote Ober das Eis weg an*s Land zu ziebeit
Hildebrandt war vorher dagewesen nnd hatte gesehen, dass doch so visl
Wasser sei, um die Boote dnrchbringen zu können. Schlechtes Wetter
nnd das homplige Eis hielt nns anf, wir kamen erst am 4 Jmii an der
Insel Dlnidlek 60** bV n. B. an die Koste. Von hier arbeiteten wir ans
westwärts nnd sfldwftrts dnrch, nnd ein Sadweststarm, der das Eis ab-
setzte, kam nns zn Hilfe. Am 6. Jnni kamen wir an das Sfldcap von Kan-
gerdlnkbay, 7. Jnni Südcap von Patnrsokbay, 8. Jnni Insel Nnniorbik
im linderanQord, am 9. Juni waren wir anf 60® n. B. Wir giengen mm
westlich nnd mnssten uns aufs gute Glück verlassen, da die Graah'sdie
Karte hier ganz ungenau ist Wir glaubten die Einfahrt in Pcinz-
christianB Sund gefunden zn haben. Den 10. Juni aber sahen wir, dass wir
in einem tiefen Fjord auf König Ghristiansinsel waren. Nun giengen
wir Süd nnd kamen den 11. Juni dnrch die Illnastraße bis auf Sedk-
wik. 12. Juni hielten wir Rast 13. Juni gegen 2 Uhr nachmittag
kamen wir glücklich in der deutschen Mission Friedrichsthal an und
wurden von unseren Landslenten herzlich aufgenommen. Nun, nachdem
wir 200 Tage auf einer Eisscholle unter gräßlichen Erlebnissen zuge-
bracht und mit ihr über 300 geographische Meilen Südwest getrieben *),
nachdem wir gehörig ausgehungert waren und alle Schrecknisse einer
Polarreise gekostet hatten bis auf die Hefe — nun waren wir gerettet !
Wir erfuhren hier, das die Brigg ,,Constance^ in Jnlianeshaab erwartet
wird und so eilten wir diese (Gelegenheit zu erreichen. Ueber Nennortalik,
Tydlopait, Lichtenau, Südpröven kamen wir am 21. Juni nach Jnlianes-
haab. Hier lagen wir noch bis 3. Juli, mnssten dann des vieloi Eises
wegen Nord aufgehen bis 63® 11' und hier kamen wir glücklich uns
Eis herum und sind jetzt auf der Heimreise.
Selbstverst&ndlich haben wir mit dem Schiff alles und jedes ver-
loren. Was wir auf die Scholle brachten, mnsste da bleiben, da wir in
*) Vielleicht habe ich hiedurch einigen geologischen Wert erhalteo,
dass ich eiomal als erratischer Block gereist bin — wenn mir sonst schon das
Glück abhold war.
567
imseni kleinen Booten gar nichts anfier dem nothwendigsten mitnehmen
konnten. Von Sammeln konnte aof der Ostkfiste nicht die Rede sein.
In einige leere Fleischdosen hahe ich einige Handstficke gepackt, das
ist alles. Nicht viel besser gieng es auf der Westseite. Ich war ja ohne
alle Mittel nnd hatte anch wenig Gelegenheit. So nahm ich Ctebirgs-
arten, wo ich eben etwas nehmen konnte. Die Formation, Granit und
Syenit, ist ohnehin sehr eintönig. Meine ganze Ansbente in Summa sind
2 kleine Eisten. Dr. Gustav Lanbe.
An Bord der Constance, 2. Aognst 1870.
2. Brief des Herrn Oberlieutenant Jnl. Payer(aaf der „Germania*^)
an Prof. v. Hochstetter.
3. September 1870.
Hochgeehrtester Herr Professor 1
Die telegraphische Nachricht von der Rückkehr der Expedition ist
Ihnen gewiss schon durch die Tagesblätter zugegangen. Mein Brief
ttbrt Sie auf den 3. September zurück, den Tag, an welchem er ge-
schrieben wurde, halbwegs zwischen den FarAer und den Shetlands
Inseln. Wir haben eben einen Sturm überstanden, noch jetzt ist der
Seegang gewaltig, das Schreiben in dem kleinen Schüfe mit einem unaus-
gesetzten Stabilitfttskampf verbunden *).
*) Wir geben hier den Berieht der »Weseneitung« Aber die Heise
der -Germania.« Bremen, ii. September Eine Woche war seit dem Ein-
treilen der UnglQcksbotschaft von dem SchÜTbruch der •< Hansa« verflossen.
Da lief eine neue Kunde ein, diesmal eine freudige. Sie kam uns von
"unserer Kriegsflotte: •Gennanta«, der Nordpoldampfer, ist glücklich ange-
kommen ; an Bord alles wohl I und als das EDtdeckungsschüT mit der stolx
in den Lfiften flatternden jungen deutschen Flagge in den Hafen von
Bremerhaven legte, begrttflt mit Hurrahl von der am Molenkopf harrenden
Menge und einem Bataillon deutscher Landwehr, welches daselbst zum Appell
versammelt war, bewillkommt mit kurzen, kernigen Worten von dem ersten Be-
amten des Ortes: da vernahmen wir weiter, dass ein frenndliches Geschick Ober
der Fahrt der "Germania« gewaltet; dass es den mutigen Männern gelungen
war, dem berflchtigen EisgOrtel, in welchen die »Hansa«« leider festgeriet, mit
Dampfes Hilfe zu durchbrechen nnd nach der OstkOste vorzudringen; dass sie
im Winter allen arctischen Gefahren und Bedrängnissen tapfer und mit voll-
ständigem Erfolg Trotz geboten und dabei unablässig im Dienste der Wissen-
schaft gewirkt ; dass sie im vorigen Herbste sowie im Frühjahre und Sommer
dieses Jahres umfassende Forschungs- und Entdeckungsreisen mit Schlitten und
Schiff unternommen, dabei vielseitige Ergebnisse flkr die gesammten geographi-
schen Wissenschaften gew<mnen und dass es endlich auch gelungen war, unter
der Fflhrung des wackeren Koldewey sich selbst und die mflhsam errungenen
Schätze heim in den sicheren Hafen zu bringen.
In einem Augenblicke, wo ein Feind unsere Ktlsten blokiert, der die Yor-
iiGht tBa den besseren Theil des Mutes erkannt zu haben scheint^ hat die
566
Ich fasse meinen Bericht Qber die Expeditionsergebnisse so kurz
wie dies die Instructionen gebieten:
Mitte Juli definitiver Yeiinst der „Hansa^ im Packeise bei Nebd.
5. August Landung auf der Insel Sabine 74Vg ^\ Reise nach Norden
bis wenige Meilen nördlich von Shannon. Rückkehr nach der Sabine-
tapfere That der -Germania«, die erste nationale See-EDtdeckongsreise eiM
erhöhte fiedeutong. Gerade jetzt ist diese Leistung deutscher i>eefahrer in Yer-
binduDg mit deutschen Gelehrten doppelt ehrenvoll.
FasseD wir die wissenschaftlichen Ergebnisse von Koldewey's Polar-£x-
peditioD, 60 weit sie sich jetzt übersehen lassen, kurz zusammen, so ist eiamal
mit der Landung der »Germania«« in Grönland die neuerdings augezveifelte
Zugftnglicbkeit der Ostküste in jenen Breiten mit Dampfschiffen erwiesen. Es
ist zweitens von den Männern der ««Germania-, in Verbindung mit der Schollen-
fahrt der »Hansan-männer, die Küste auf einer Strecke von 17^ (1ÜÜ0 Seemeilen)
erforscht, betreten und astronomisch festgelegt, respective die Lage rectifidert
durch die »Germania« von 73® bis 77®.
Die Ausführung der bisher noch fraglichen Ueberwinterung in der Polar-
region Ostgrönlands ist geschehen und mit bestem Erfolg. Wichtige Aufklinm-
gen über die Frage der Ann&herung zum Pol zu Wasser, respective zu Schlit-
ten, sind gewonnen, namentlich die Gewissheit, dass ein fahrbares Kflstenwas-
ser weiter im Norden auf der angenommenen Ausdehnung nicht existiert Ein
erheblicher Theil des Innern Grönlands ist entdeckt; gewaltige Gletscher, Berge
bis li.(KK) Fuß Höhe sind aufgefunden. Bisher unbekannte, tief ins Innere
fUu*ende Fjorde sind befahren, Wasserstraßen, deren westliche Erstreknng
zwar noch unbestimmt bleibt, aber die Möglichkeit einer Durchfshzt quer dnidi
Grönland zur Baffinsbai nicht ausschließt. Eine große Fülle neuer landschaft-
licher Bilder von Eis und Land, ein Beichthum des bisher unbekannten Thier-
und Pflanzenlebens; der Kachweis von Arten, welche bisher in Grönland mdit
vermuthet, so z. B. das Antreffen des polar-americanischen MoBchnsochseB;
solche Ergebnisse sind zahlreich vorhanden.
Kunde von dem Bau und der geoguostischen Beschaffenheit der nordost-
grönlandischen Alpenweh ist gewonnen, wobei besonders auch die Keandns
der fossilen Flora und Fauna durch die aufgefundenen und mitgebrachten Stein-
abdrücke eine erhebliche Bereicherung erfahren hat. Der Anschluss an die
classischen magnetischen Beobachtungen von Sabine aus dem Jahre 1823 und
damit die Darlegung der magnetischen Veränderung in diese Periode iat er-
folgt. Eine Anzahl magnetischer Constanten nördlich von Sabine's Beobadi-
tungsstation ist ermittelt. Ein Versuch zu einer Gradmessung von Pendnlun
Island über das Eis ist gelungen. T&gliche Flutbeobachtungen gaben AofiBcfalttne
über die Fortpflanzung der Flutwelle im westlichen Polarmeer. Die meteottrio-
gischen Lücken zwischen den Beobachtungen der Baffinsbai und weiter nörd-
lich einerseits und Spitsbergen anderseits sind ausgefüllt. Zu physikalischen
und astromischen Beobachtungen Fixierung von Nordlichtern und andern Hirn-
melserscheinungen auf der Ueberwintenmgsstation mit Hilfe der trefflichen In-
strumente wurde die Winterzeit in ausgedehntester Weise benutzt. Endlich ist
noch der palaontologiseh interessanten TiefBeelothungen zu gedenken, welche
man von 75Vs^ >>• ^* ^^^ '^^^ ^^^ ^^^ EOste und weiter im Eise westlich von
559
Iflsel. Landesaufnalime^ Schlittenreise nach dem grönländischen Innern
Ueberwinterung auf der Sabine-Insel, 40® C. Kälteextrem, meteorologische
and magnetische Beobachtungen. Bären zudringlich (Herr Borgen eines
Tages fortgeschleppt, dem Thiere mit Noth entrissen worden), im März
große Schlittenreise nach Norden bis etwas über 77® Breite.
Dann Schlittenreise nach der Oedencaple-Bai, bis zum Verlassen
des Hafens unausgesetzt Landesaufnahmen. Ich habe eine Basis gemessen
und Aber ein ungeheures Gebiet an 2000 D Meilen ein trig. Netz mittels
des Theodolits gelegt, eine große Zahl Berghöhen, größter Berg : 14.000',
7000' höchste erstiegene Spitze barometrisch und trig. gemessen, zahl-
reiche geologische Sammlungen gemacht, Gletscher untersucht, wieder
keine Schneegrenze gefunden, viele Zeichnungen gemacht etc. Grön-
land ist keine Schneewflste, sondern ein großartiges Alpenland.
Die geologischen Sammlungen habe ich mit Fleiß nach meinen
schwachen Kräften angelegt, sie dürften an 20 Kisten mittlerer Größe
umfassen. Finden Sie dies zu wenig, dann bitte ich Sie hochgeehrtester
Herr Professor zu erwägen, dass ich fast jeden Stein selbst geschleppt
habe. Fossile Pflanzen sind nicht zahlreich, doch immerhin ziemlich
Jan Mayen YorgenommeD ; auch ist eine Reihe Tiefsee-Temperaturen zwischen
Island und den Faröern gemessen: letztere Ermittlangen sind für die horizon-
tale und verticale Gliederung des Golfstromes von hober Wichtigkeit.
Als gestern in der kleinen Cajüte der •*Germaoia«> Capit&n Koldewey
seinen ersten Beriebt schloss, da wurde allen Anwesenden klar, dass Großes
für deutsche Wissenschaft und deutsches Seewesen geleistet sei; das Hurrah,
das dort ertönte, war gewiss berechtigt. Mittags vereinten sich die anwesenden
Freunde des Unternehmens zu gemeinsamen Male; Herr A. G. Mosle, der
Yorsttaeade des bremischen Comit^s, brachte der <• Germania*«, ihrem Führer,
ihren Gelehrten und Seeleutm den ersten Toast; während seiner Rede traf
plötzlich Capitän Hegemann von der "Hansa*' mit einigen Begleitern ein ; auch
der -Hansa- galt nun der Zuruf der Versammelten, der gesämmten Expedition,
dem Natiocalwerk, das mit so viel Ausdauer und Tüchtigkeit durchgeführt wor-
den sei. Von verschiedenen Seiten trafen ßegrüßungs-Telegramme ein; die Er-
lebnisse geben der Erzählung unerschöpflichen Stoff; dem Bremer Gomite, dem
Dr. Petermann, als Leiter des Unternehmens, der deutschen Flagge, dem Va-
terlande galten weitere TrinksprOche beim' Mittagsmale, wie abends in der
C^Qte des Schiffes.
Morgen mittags wird hier das Comit^ die Gelehrten und OfQciere der
EIxpedition um sich versammeln und die zunächst nöthigen Beschlttose fassen.
Morgen abends gedenkt man eine gesellige Zusammenkunft in den Räumen
des Künstlertereins zu veranstalten, in welcher vom Proviant der Expedition
und von dem selbstgeschossenen Fleische Proben vorgelegt, auch einzelne
Exemplare der mitgebrachten Merkwürdigkeiten gezeigt werden sollen. Die
Mitglieder der Expedition hat man sämmtlich dazu eingeladen, und hiesige
Freunde des Unternehmens werden Gelegenheit finden, sich dabei zu betheiligen.
560
yertreten, sehr reichhaltig ist die Peterfaktensammliing, wie ich glaube«
der Brannkohlenformation angehörend.
Ende Angnst zweite Reise nach Norden, ohne besseren Erfolg (mit
dem Schiffe), Fahrt nach Süd und in der Breite von 73 nach West,
also Fjordwärts ; Glanzpunkt der ganzen Reise. Ich (im Auftrage Peter-
manns) einen großen Gletscher ausgesucht, die Läogenaxe begangen,
einen 7(XX)' hohen Gipfel bestiegen und in das Innere Grönlands
15 Meilen geblickt, colossale Felsbanten, begletscherte GebirgsnuusiYe»
von Wasserstraßen durchschnitten lalso Inseln bildend), in deren unbe-
wegtem Spiegel sich ihre Bilder reflectieren.
Wollte ich Einzelheiten von der Expedition berichten, ich w&re
in Verlegenheit, womit beginnen. Ich freue mich umsomehr, Ihnen binnen
kurzer Zeit jeden gewtknsehten Detailbericht abstatten zu können. In
3 Wochen bin ich in Wien.
3. Mittheilungen des Bremer Gomit^. *)
Bremen, 7. September 1870.
Mitten in die Nachrichten von Schlachten und Siegen flült die
neueste Kunde von unseren Nordpol-Fahrern, die erste seit Jahresfrist;
es ist eine erschütternde Kunde von zahllosen Gefahren, aber auch von
endloser Ausdauer ; von zahllosen Schrecknissen, aber auch von endlosem
Mut. Die Nachricht betrifft das zweite Schiff der Expedition, den Schooner
„Hansa"^, Capitän Hegemann, welcher nach dem am 10. Mai v. J. von
Dr. Petermann, W. v. Freeden, Capitän Koldewey, den Gelehrten der
Expedition und dem Bremer Comit^ festgesetzten Plane bestimmt war,
dem Dampfer „Germania^ als Begleit- und Kohlen-Transportschiff zu dienen.
Die letzte Nachricht von der „Hansa'* war durch den Dampfer
„Bienenkorb'' gebracht, der das Schiff am 21. Juli 1869 gesehen hatte.
Das Comit^ für die zweite deutsche Nordpol-Expedition versammelte
sich gestern in Gegenwart von Herrn Dr. A. Petermann, um die heim-
gekehrten Officiere und Gelehrten der „Hansa^ zu empfangen. Die Be-
satzung des Schiffes hat nach einer Abwesenheit von 443 Tagen ihres
Abgangsort wieder erreicht ; nur eines ihrer Mitglieder, Herr Dr. Buch-
holz, hatte in Hamburg zurückbleiben müssen, da sein Gemütszustand
unter den Erschütterungen der Fahrt zu sehr gelitten hatte.
Es ist bereits gemeldet, dass das Begleitschiff der Nordpol-Expe-
dition im Eise zertrümmert wurde. Nachdem die Heimgekehrten auf
das wärmste begrüßt waren, nahm das Comt^ zunftchst die näheren
Mittheilungen über den Untergang der „ Hansa '^ entgegen. Als die
„Hansa" am 20. Juli 1869 das Hauptschiff der Expedition zum letzten
*) Den aasführlichen Bericht des Bremer Gomit^'s über die Fahrt der
•Germania« tragen wir im n&chsten Hefte nach. A. d. R.
561
Male gesprochen hatte« steuerte sie in Gem&Sheit der Petermann*8chen
lofltraction nach Norden; aber obwol am 39. Juli ein der „Crermania",
Gi^itftn Koldewey, nicht unähnliches Schiff sichtbar ward, wurde die-
selbe Yon der „Hansa^ nicht wieder gesprochen. Der erste Versuch, in*s
Eis zu dringen, scheiterte. Am 10. August begann der zweite Versuch
auf 74® 46 N. und 10® 28 W. Am 24. August war man der Kflste
bis auf ungefähr 24 Seemeilen nahe gekommen. Mit dem Boote drang
die Mannschaft noch etwa acht Seemeilen weiter vor. Obgleich jetzt
nur 16 Seemeilen östlich von der Besbrow-Insel, konnte man doch von
einem hohen Eisblock keine Spur eines Kfistenwassers entdecken, in
welchem eine Fahrt unter dem Lande auszufahren gewesen wftre. Nun
einmal so nahe der Küste, hoffte Capitdn Hegemann auf einen Sturm,
der das Eis auseinander treiben möchte; unverrichteter Sache wollte
niemand den Rückweg antreten. Ein starker Nordwestwind erhob sich
in d^ folgenden Tagen, aber er brachte das Schiff weit nach Südosten
and machte jene Hoffiiung zu Schanden.
Das Schiffsjournal, von dem ein Auszug heute in der Verklarung
beschworen ist, sagt über die nächsten Tage das Folgende:
„Am 7. September sahen wir im Westen viel freies Wasser mit
hohem Wellenschlag, welches sich dem Anscheine nach bis zur Küste
erstreckte; getrennt waren wir von diesem nur durch ein großes Feld,
welches jedoch im Norden und Süden von anderen, nicht minder großen
Eisfeldern begrenzt war. Wir hegten daher die Hoffnung, durch einen
Canal das freie Wasser zu gewinnen und die Küste noch zu erreichen.
Unter solchen Umständen konnten wir die Rückfahrt noch nicht an-
treten, warteten vielmehr auf eine günstige Gelegenheit vorzudringen.
Am 9. September morgens wehte ein voller Sturm aus Nordwesten,
welcher das Eis in starke Bewegung brachte und vollständig dicht zu-
sammenpresste. Gegen Mittag ließ derselbe etwas nach ; doch konnten
wir weder nach Osten, noch nach Westen steuern. Das Eis blieb in
starker Trift, so dass wir öfter Gefahr liefen, starke Pressungen davon
zu erleiden. Wasser war nur selten zu sehen und dann so wenig, dass
das Schiff nicht h&tte darin liegen können. Im Eise gieng kaum eine
Aenderung vor sich ; jedoch wurde das Frostwetter strenge und an-
haltender, so dass am 14. September schon mehrere Zoll dickes Eis
um unser Schiff gefroren war und mr mehr und mehr befürditen
mussten, aus diesem nicht mehr hinaus zu können; auch lag das Eis
so dicht gepackt um uns, dass an eine Möglichkeit, zwischen den
Schollen hindurch zu kommen, nicht zu denken war.
Den 19. September waren wir vollständig eingefroren (73® 6' N.»
19® 18' W.) ; es hatte sich eine dicke Eisdecke um unser Schiff ge-
562
bildet. In dieser Lage verbrachten wir mehrere Wochen. Den 19. October
Morgens fieng das Eis bei dichtem Schneegestöber und hartem Nord-
nordwestwinde, welcher bald zum Stnrm ausartete, in nnserer unmittel-
baren N&he stark an zu schieben, riss einen Theil des uns festhaltenden
und schützenden Eises auf und setzte uns in große Gefahr.
Zuweilen traten in dem Lärmen und Tosen des zusammenpressen
den Eises Pausen ein; wir konnten dann nur sehen, wie sieh das Eu
durch einander wirbelte und große abgebrochene Stflcke unseres Feldes
fortgetrieben wurden. Kurz nach 12 Uhr mittags, den 19. October,
hatten die herannahenden, schon hoch aufgeschrobenen Eismassen das
junge Eis etwa 4 Fuß dick an der Steuerbordseite des Schiffes aufge-
brochen und dr&ngten hart an das Außenbord an. Das Schiff hob sieh
vom etwas und würde sich noch mehr gehoben haben, wenn nicht die
hohen Eisblöcke es daran gehindert hätten; es mnsste daher die •volle
Kraft der Pressungen aushalten. Kurz vor 1 Uhr nachmittags sprangen
die Decksnäthe mittschiffs; doch schien das Schiff noch dicht zu sein.
Eine kurze Pause folgte dieser starken Pressung, die dann aufs neue
und um so stärker begann. Die „Hansa** hob sich anfangs langsam,
stieg dann aber schneller in die Höhe, bis sie etwa 14 Fuß aas ihrer
alten Lage hoch auf das Eis geschroben war. Dann trat abermals eine
Pause im Schieben des Eises ein und das aufgeschrobene Eis trat
zurück, so dass nach Verlauf einer Stunde das Schiff, überliegend nach
Steuerbord, vom Eise hinunter in das nunmehr freie Wasser gleiten
konnte; es blieb aber auf einer Eiszunge unter Wasser in schiefer
Lage liegen.
Die Pumpen wurden gepeilt, im Schiffe befanden sich 11 Zoll
Wasser, gleich darauf 12 Zoll. Die Pumpen wurden zugesetzt und von
i Uhr nachmittags bis abends 7 Uhr gearbeitet, als sie zum zweiten
Male lenz schlugen. Diese Zeit benQtzten wir, um etwas Nahrung zu
uns zu nehmen. Es mochten 10 Minuten verflossen sein, als abennak
die Pumpen gepeilt und zugesetzt wurden. Es befanden sich 2 Faß
4 Zoll Wasser im Schiff. — Sturm und Schneegestöber ließen gegen
9 Uhr abends nach, der Himmel wurde klar und es stellte sich eine
Kälte von — 20 Gr. R. ein. Das Wasser aus den Pumpen sammdte
zwischen dem Proviant sich an, welchen wir am vorigen Tage bei der
Ausräumung des Winterquartiers auf das Hinterdeck gestellt hatten; es
lief theilweise durch die Kajütskappe in den unteren Raum zurück,
während das andere bei dieser niederen Temperatur auf dem Verdeck
fror, die Speigossen verstopfte, so dass wir genöUiigt waren, die Schan-
zungen einzuschlagen. Auch dieses half wenig, da das Eis auf dem Ver-
deck immer dicker wurde.
583
Den 20. October um 6Uhr vonnittags, nachdem wir die ganze Nacht
onanfhaltsam gepumpt hatten, die Pampen aber durqh das anfrierende
£i8 immer dichter wurden nnd das Leck nicht ermittelt werden konnte,
gaben wir das Schiff auf. Es drang das Wasser bereits von unten durch
die Ki^fltslttke in die Eajate hinein. Vorn war der Kabelraum von
Waaser angefftllt. Das Schiff hatte allem Anschein nach den Kiel ge-
brochen und war in allen Nftthen leck geworden.
Was uns auf dem Eise zu unserem Lebensunterhalt von Nutzen
sein konnte, wurde gerettet; wir konnten jedoch nicht allen Proviant
retten, geschweige denn andere Gegenstände, wie Kisten mit Samm-
lungen etc. Am 22. October kappten wir die Masten, bargen einen
großen Theil des Tauwerkes und suchten mittels Leinen und Eisankem
das Schiff zu halten.
Abends vorher hatten wir Anker und Taue gekappt, um das Ab-
brechen des Eises, auf welchem unsere geretteten Gfiter lagen, zu ver-
hindern; da unsere Befestigungen am Eisfelde angebracht waren, liefen
wir (refahr, dass die Wucht des Schiffes das Eis abbrechen werde. Am
23. October, 2 Uhr morgens, ist das Schiff gesunken. Das große Boot,
welches frei auf Deck stand, blieb beim Sinken der „Hansa^ auf der
Oberflftche des Wassers liegen; die beiden anderen Boote hatten wir.
schon früher auf's Eis gebracht.
Der ungefähre Ort des Unterganges der „Hanta*' ist 70® 50' N.
und 21® W.
Die Liverpool-Küste war kaum eine deutsche Meile entfernt; man
sah deutlich ihre Klippen und Berge, die den Kalkalpen bei Manchen
auffallend gleichen; man erkannte die Halloway Bai und die Glasgow
Insel ; aber nirgends war ein Weg durch das Eislabyrinth zu entdecken.
So hat höhere Gewalt der Fahrt der „Hansa^ ein vorzeitiges Ziel
gesetzt; mit entschlossenem, unverdrossenem Sinn war gehandelt, wie
es dem Plane des großen Unternehmens entsprach; der Rendezvous-
Platz an der OstkQste Grönlands war aber nicht erreicht.
Allseitig, besonders auch von Herrn Dr. Petermann, ward gestern
anerkannt, dass das Geschehene, so weit es in Menschenmacht gelegen,
vollständig der Instruction vom 7. Juni v. J. entspreche.
Der Untergang des Schiffes beschließt den ersten Act unserer
arctischen Fahrt (15. Juni bis 19. October 1869, 127 Tage). Am
20. October 1869 standen die 14 Mann, welche die Besatzung der
„Hansa^ gebildet hatten, neben den wenigen geretteten Sachen in weiter
EiswUste hilflos da. Aber sie . verzagten nicht ; sie rechneten darauf,
dass das Eis gegen Sflden treiben, sie nach etwa drei Vierteljahren
in Regionen bringen werde, wo Bettung möglich sei. Am 13. Juni
564
1870 waren die Mflnner in der Thal gerettet, 237 Tage nach Uurem
Schiffbrache. Diese Eisfahrt an der Ostküste Grönlands ist ein Ereigms,
von dem noch sp&te Zeiten reden werden. Die an Schrecknissen und
Gefahren reiche Zeit wirklich beschreiben zu können, bedarf es ena
genanen Verarfoeitnng der verschiedenen Tagebflcher, die gestern dem
Comit^ übergeben wurden. Ausführlich wurde indess in der Sitzong
über diese Fahrt berichtet; verschiedene Zeichnungen und Skizzen ver-
anschanlichten die Situationen.
A^i 20. October legten die Schiffbrüchigen ihre durch die Bergungs-
arbeiten ermüdeten Glieder in einem aus Steinkohlen gebauten Hanse
zur Ruhe, das auf einem gewaltigen Eisfelde von 7 Seemeilen Dm&og
bereits Ende September errichtet war, um Bootsproviant bergen zu
können. Dieser Bau, in dem sie 87 Nächte beim Schein ihrer Petro-
leumlampe zubringen sollten, war verhältnismäßig nicht klein; er war
20' lang, 14' breit und hatte eine Höhe von 4Vt ' an den Wänden und
von 6' in^ der Mitte des aus Spieren und Planken gemachten Daches.
Proviant und Kleidung war in hinreichender Menge gerettet ; der Koch-
ofen war geborgen; Brennmaterial lieferten die gekappten Masten und
sonstigen Schiffstheile , die zu retten gewesen waren; verloren giengea
aber fast alle wissenschaftlichen Instrumente, die angelegten Samm-
lungen von Thieren, Zeichnungen, Photographien etc. etc. Was sollten
auch diese für die Fristung des Lebens entbehrlichen Dinge in dem
engen Hause, das zum Stehen und Gehen nur einen Gang von 2^/,'
Breite bot, was ^llten sie später in den Booten, wo es auf jeden Quadrat-
zoll Platz, auf jedes Pfund Gewicht ankam?
Das Leben in dem Hause glich, was Regelmäßigkeit, Wachtdienst,
Yertheilung der Arbeiten anbelangte, ganz dem auf dem Schiffe; die
Lagerstellen waren wie die Kojen mit einfachen Schlafsäcken ausge-
stattet, neben dem Hause wehte von hoher Stange die schwarz-weiß-
rothe Plagge, welche als treues Symbol der Heimat alle Wechselfllle
überstehen soUte und gestern dem Gomit^ wieder überreicht wurde. Die
Kälte betrug im Durchschnitt nur — 22® R.; aUein einige Male fiel
die Temperatur auf — 25^ R. ; die höchste, bloß während kurzer
Dauer bemerkte Kälte war — 26® R.; die schweren Pelze wurden nur
als Decken für die Pritschen benützt. Die Küste war bei klarem Wetter
fast immer deutlich zu erkennen.
Eisbären und weiße Füchse besuchten die Einsiedler dann und
wann ; wer weiß, woher sie verschlagen waren und welche Irrfahrten
jene schwimmend, diese von Scholle zu Scholle springend, voQfiBhrt
hatten; sie mochten vom Lande kommen, allein Menschen wären
verloren gewesen, wenn sie das Land hätten erreichen wollen. Unter
665
migeheiireii Anstrengimgen and Gefahren w&re es vielleicht möglich ge-
wesen, aber nur nnter Zorflcklassang der Lebensmittel und der Boote
der Rettang! Die Trift nach Sflden gieng anaasgesetzt vor sich. Ende
December befand man sich anf dem 68. Grad. Fast 3 Grade südlicher,
als der Schiffbrach stattgefunden hatte, ward das Weihnachtsfest ge-
feiert lieber dasselbe lesen wir in einem der Tagebflcher wörtlich:
i,Am Weihnachtstage hatten wir Regen. W&hrend wir nachmittags
spazieren giengen, richteten die Stenerleate den Christbaom auf, indem
sie in einen Stab Besenreiser wie Tannenftste einfügten. Für die Lichter
hatte ich einen Wachsstock gespart Papierketten and selbstgebackene
Lebkachen zierten den Baam; die Leate hatten dem Capitän einen
Knappsack and eine Revolvertasche gemacht; wir öffneten die Blech-
kiste von Professor Hochstetter and die andere von der geologischen
Reichsanstalt, deren Inhalt ans viel Spass machte. Dann tranken wir
ein Glftschen Portwein, fielen über die alten Zeitangen her, welche sich
in der Kiste fanden, and verlosten die Geschenke von Hochstetter. In
süDer Weihe gieng das Fest vorüber; welche Gedanken an der Seele
vorbeizogen — sie waren wol bei allen gleich — schreibe ich nicht
nieder. Wenn diese Weihnachten die letzten sind, die wir erleben, so
waren sie immer noch schön genag. Ist ans aber eine glückliche Rück-
kehr beschieden, so werden die nächsten Weihnachten noch ein größeres
Fest sein; das walte Gott!"
Das nene Jahr begrüßte die Eisfahrer sehr anfreandlich; der
Jftnner 1870 brachte ihnen die schwersten Gefahren. Am 2. Jänner
waren sie anf 67^ 47' n. B. and 34® 1 w. L. dicht anter der Küste
in einer Bai, die sie die „Schreckensbncht^ nannten. Ton jenem Tage
erzahlt ans eines der Tagebücher: „Ein plötzliches starkes Dröhnen
unserer Scholle jagte ans alle von nnseren Lagern empor; wir hatten
keine Ahnoii^, was dieses Getöse bedeaten könne; draaßen wütete das
Wetter onanfhaltsam — wäre es hell and klar gewesen, so würden wir
in noch größerer Unrnhe gelebt haben. Obgleich anser Eingang völlig
verschneit, ja das ganze Hans mehr als einen Faß tief im Eise be-
graben war, liefen alle hinaas; aber natürlich konnte man keine
10 Schritt weit sehen and kein anderes Lärmen vernehmen, als das
Wüten des Starmes. Wir legten ans nan im Gange platt nieder, das
Ohr gegen den Boden, and vernahmen ein Geräasch wie das Singen des
Eises, wenn es stark gepresst wird, and wie das Reiben des Eises, wenn
es über Klippen hinweggeht Es war kein Zweifel : wir befanden ans in
sehr gefahrvoller Lage. Angekleidet legten wir ans am 2 ühr nachts
auf unsere Schlafsäcke and erwarteten sehnsüchtig das Tageslicht Das
Wetter ward schlimmer and schlimmer. Etwa am 10 ühr morgens
566
giengen emige von uns, als der Wind etwas abMhete und der SchiMe
nicht so stark gepeitscht wnrde, durch tiefsten Schnee nach dem Platze,
neben dem die „Hansa^ gelegen hatte. Etwa 200 Sehritt yom Haue
entfernt, sahen wir zn unserem größten Entsetzen die anfgetünnte
Grenze unseres Feldes dicht vor ans. So weit wir sehen konnten, war
unser Feld zertrümmert. Dunkle GegenstHnde , welche hin und wieder
in dem dichten Schneegestöber sich erkennen ließen, waren die Eis-
trümmer unserer Scholle. Sie ist in zahlreiche Stücke zerbrochen, Ton
welchen das, auf dem wir wohnen, freilich noch das größte ist, aber
auch bei dem nächsten Schieben zertrümmern kann. Wir machten unsere
Brottaschen fertig, um bei der schnellsten Flucht wenigstens noch anf
kurze Zeit das Leben fristen zu können; aber in diesem Unwetter
sinkt man bei jedem Schritt bis über die Hüften in den Schnee und
eilt vielleicht gerade in die größte Gefahr hinein."
Nach diesem Tage wiederholten sich mehrfach ähnliche Scenen;
die schlimmste Nacht war die vom 11. auf den 12. Jänner, als die
Boote in Gefahr waren, weggebrochen zu werden. Die Mannschaft theüte
sich in zwei Partien und nahm von einander Abschied; jede Partie
stand fertig zum Aufbruch neben einem der Boote — das Grofiboot
war ganz aufgegeben; — bei dem furchtbaren Wetter zog sich eine
Eiskruste über das Gesicht, die mit dem Messer entfernt weiden
musste, wenn man etwas genießen wollte; der Schnee gieng durch alle
Kleider hindurch. Mehreren erfroren einzelne Gliedmaßen und einige
der Tagebücher konnten für l&ngere Zeit nicht weiter geführt werdm,
da die Hände erfroren waren. „Nur durch ein Wunder der Yors^ung
sind wir gerettet", heißt es im Journale des Capitäns.
Am 14. Jänner war das Eisfeld bereits so weit abgebrochen, dass
das Haus verlassen werden musste, fünf Tage hatte man während der
Nacht in den Booten zu campieren, die mit Verdecken vei%ehen waren.
Am 19. Jänner wurde ein neues Haus fertig, das aus den Trümmern
des alten und Schnee als Mörtel erbaut war. Aber es war nur 14 Fuß
lang und 8 Fuß breit, nur sechs Personen konnten in ihm schlafen, die
übrigen mussten in einem kleinen Eochhause und in den Booten üne
Nachtruhe halten. So verbrachten unsere Freunde 108 Tage bis zun
7. Mai. Das große Eisfeld war nur noch eüd Stück Treibeis; als es
verlassen wurde, betrug sein Umfang kaum 200 Schritt. Die Kleinheit
war in der Region der schwimmenden Eisberge ein unverkennbarer
y ortheil; die Scholle wand sich oftmals zwischen die Kolosse hindurch,
als werde sie voa unsichtbarer Hand gesteuert ; sie war bisweilen rings
von gewaltigen Eisbergen umgeben, wie die Sohle eines tiefen Gebiigs-
kessels; dasn öffnete sich wieder die Trift. Manches ergreifende Schau-
567
spiel bot sich den Blicken, so z. B. am 19. März. In einem der Taf(e-
bncher lesen wir: „Soeben hatten wir einen imposanten Anblick, das
groBartigste Schauspiel unserer ganzen Reise. Wie schon erwähnt, sahen
wir in den letzten Tagen große Massen in der Linie unserer Trift lie-
gender Eisberge.
Wir waren gegen Mittag anf einen dieser Kolosse losgetrieben und
befanden uns in seiner unmittelbaren Nähe. Er stauchte den Gang des
Eises auf, somit auch unsere Scholle. Das Eis drängte hart gegen ihn
an und bäumte sich empor. Der Eisberg hatte über Wasser eine IKVhe
von circa lÜO Fuß, eine Länge von circa 3000, eine Breite von drca
800 Fuß, seine Wände erhoben sich steil und senkrecht aus dem Wasser,
jedoch waren auch Stellen vorhanden, wo das Besteigen möglich ge-
wesen wäre. Wir verlangten nicht darnach, denn ohne Unterlass polterte
und rumorte es in der Eismasse. Wenn ein Borst sprang, war es ein
Geräusch wie die Gewehrsalve eines ganzen Bataillons; dann grollte und
murrte es geheimnisvoll in seinem Innern, als ob Geister darin ihr
Wesen trieben. Das Aeußere war zerborsten und zerklüftet und schwarze
Höhlen öffneten ihren Schlund. Um 5 Uhr setzte die gewaltige Masse
sich wieder in Bewegung, von der Sonne prachtvoll beleuchtet.'
Am 7. Mai verließen die unverdrossenen Männer das Eisstäck,
das sie 200 Tage getragen hatte. Es war auf dem 6P 12' N. and
drca 42" W. Die Südspitze Grönlands mit ihrer schweren, der Eis-
scholle GeÜEÜir bringenden Dflnnung, das Gap Farewell mit seinen Stür-
men konnte nicht mehr fem sein; der Proviant war sehr zusammen-
gesehmoken; nach der Küste zu zeigte sich offenes Wasser. Die drei
Boote, die stets segelfertig waren, lagen mit ihrem Zubehör nach Ver-
lauf von vier Stunden in schiffbarem Wasser ; die Mannschaft vertheilte
sich in die Boote; Gapitän Hegemann fahrte die „Hofteung'', Steuer-
mann Hildebrandt den „Bismarck'*, Steuermann Bade den „König Wil-
helm'^ ; so waren die Boote getauft. Ein dreifaches Hurrali und fort
gieng es unter Segel; aber nur zwei Tage sollte die Fahrt dauern.
Bis auf circa 3 Seemeilen hatte man sich der Küste genähert, da
verhinderten undurchdringliche Eisbarrieren jedes Vordringen. Man
mosste sich entschließen, die Boote über das Eis zu ziehen und aufs
neue auf dem Eise zu campieren. Jene Arbeit dauerte vom 10. Mai
bis 4. Juni und diese 25 Tage verlangten bei halben Rationen uner-
hörte Anstrengungen von der Mannschaft; kaum 500 Schritte waren
die Boote in einem Tage aus der Stelle zu bringen ; auf Spirituslampen
musste die Nahrung erwärmt werden; die Schneeblindheit brach aus,
se dass die Blendgläser von den aetronomischen Instrumenten die ver-
loren gegangenen Schneebrillen ersetzen mussten. Am 4. Juni war das
568
Land erreicht, die Öde Felseninsel Idlnitlik auf 61® N. Auf dem Eise
ward gerastet und Pfingsten gefeiert. Yom 6. bis 13. Jiini fahren die
drei Boote der „Hansa^ an der Küste herunter Iftngs der steil ab-
Menden Klippen, die kanm die ersten Anfi&nge einer Vegetation zeigten.
Trotz mancher Hindemisse und heftiger Stürme gelang die Fahrt; am
13. Jnni ö&ete sich eine breite Bucht, es zeigte sich Grrfln; rothe
Haaser wurde sichtbar ; Menschen standen auf den Klippen und sehanten
erstaunt der räthselhaften Fahrt der Boote zu ; ein Kajak eilte,, sicli
ftngstUch an der Küste haltend, vorüber. „Das ist ja uiisere deutsche
Flagge'^ t&nt es vom Lande her über das Wasser. Die Bettung war
da; die ersten Menschen, denen die Geretteten die Hand drücktei,
waren deutsche Landsleute. Die Mission&re von Friedrichsthal Starik
und Gerike nahmen sich der Schiffbrüchigen in freundlichster Weise an,
speisten die Ausgehungerten und pflegten die Ermatteten bis zum 16. JunL
Unter den Eskimos verbreitete sich rasch die Kunde von der uner-
hörten Eisfahrt; sie eilten herbei, die Fremden zu begrüßen und traten
mit denselben in Verkehr.
So ward der Jahrestag der Nordpol-Expedition gefeiert. An diesen
Tage (15. Juni) wussten die Geretteten bereits, dass sie die Heimkehr
bald beginnen könnten ; die königlich dänische Handelsbrigg „Constanoe*'
Capit&n Bang, hatte in kurzer Zeit eine ihrer gewöhnlichen Fahrten
zwischen Grönland und Kopenhagen anzutreten; man musste desshalb
nach Julianshaab zu kommen suchen, dem Abgangsorte jenes Pakete
boots. So b^ann dann der Schlussact des Unternehmens, die Heimkehr.
Die Boote von der „Hansa^ brachten ihre Insassen am 16. Juni nach
Nennortalik, wo der dänische Beamte Rosing, am 17. nach Lichtenau,
wo der Mission&r Spindler sehr entgegenkommend war. \<m Lichtenau
ward ein Bote an den Coloniesteuererheber Kursch in Julianesfaaab ent-
sendet, um die Erlaubnis zur Fahrt mit der „Constance'' zu erbitten.
Fast sollte hier noch ein Misgeschick eintreten, indem das Schiff ana-
gelaufen war; die Dichtigkeit des Eises zwang indess zur Bückkehr und
Capitftn Bang, ein Schleswiger von Geburt, lud freundlichst zur Mit-
fiihrt ein. ,Am 22. Juni verließen wir die Boote von der „Hansa', die
uns so treu gedient hatten ; am 1. September landeten wir in Kopenhagen:
staunend hatten wir von dem dänischen Lootsen die Kunde von dem
großen Kriege, jubelnd die von den herrlichen Siegen vernommen.^
So etwa in kurzen Zügen der Bericht von Capitän Hegemann und
Genossen.
An Bord der Hansa befanden sich:
Capitän: Paul Friedrich August Hegemann, geboren zu Hooksiel,
wohnhaft in Oldenburg.
569
Br. Phil. Gustav Lattbe, Bocent an der Uniyersit&t und poljrtech-
nischen Schule zu Wien, aus Teplitz.
Dr. Med. Reinhold Wilh. Buchholz, Docent an der Universität zu
Greifswalde.
f. Officier: Richard Hildebrand, aus Magdeburg; 2. Officier:
Wilhelm Bade, geboren zu Hohen- Wieschendorf, wohnhaft in Rostock.
Zimmermann: Wilhelm Bowe, geboren zu Groteliste, wohnhaft in Grohn ;
Koch: Johann Wübkes, aus Jourse. Matrosen: Philipp Heyne aus
Helfta, Mansfelder Seekreis; Friedrich Xewell aus Bremen; Bernhard
Gätjen aus St. Magnus; Max Schmidt, geboren zu Beuthen, wohnhaft
in Königsberg ; Paul Tilly, geboren zu ,Brakel, wohnhaft in Pr. Minden ;
H. Büttner aus Bremen ; Konrad Gierke, geboren zu Bromberg, wohn-
haft in Stettin.
Die Erlebnisse der unerschrockenen Nordfahrer, die Ergebnisse
der denkwürdigen Eisfahrt sind so mannigfach und reich, dass die
Ausbeute der Expedition nicht gering anzuschlagen ist. Freilich ist aus
ihr keine Entdeckungsfahrt geworden; aber sie wird außer mehreren
geographischen Resultaten manches wissenschaftlich wertvolle zu Tage
fördern, besonders fflr Meteorologie und Kupde der Meeresströmungen;.
sie erzählt ein Stflck deutschen Seemannslebens, das unserem Seemanns-
stande zu hoher Ehre gereicht.
Gestern war ein Jahr seit dem Tage verflossen, an dem die „Hansa"'
zuerst vom Eise besetzt wurde.
Was die Publicationen anbelangt, so beschloss die gestrige Sitzung
des Comit^, dass zunächst ein Officialbericht vom Capitfin Hegemann,
als dem Führer der Expedition, an Herrn Dr. Petermann erstattet und
veröffentlicht werden solle; alsdann sollen in einer mit Abbildungen
versehenen Broschüre die näheren Details zusammengestellt werden. Für
die weitere wissenschaftliche und nautische Bearbeitung des Materiales
werden später die einzelnen Mitglieder der Fahrt selbständig Sorge tragen..
Die „Hansa"" hat andere Schicksale erfahren, als wir im Juni 1869
voraussehen konnten. Ihre Theilnahme an der Nordpol-Expedition sollte
die eines Begleit- und Transportschiffes für den Dampfer „Germania"
sein; seit dem 19. Juli 1869 ist dieses aber bereits ohne ihre Be-
gleitung; wir sind seitdem über das Schicksal der „Germania^ ohne
alle Nachrichten. Sie hatte 70 Tonnen Kohlen an Bord und Proviant
für zwei Jahre; sie ist für den Fall einer Eisbesetzung wegen ihrer
schlankeren Formen günstiger gebaut; die Männer an Bord stehen an
Mut und Ausdauer denen der „Hansa*" gewiss nicht nach.
Welch' ein Schicksal Koldewey und seine Gefährten getroffen hat,
vermag niemand zu sagen; das Comit^ hat sorgsam die Ansichten der
Mittheilangen d. geogr. GeseU. 1870. 18. 37
570
„Hansa'' M&nner erforscht; sie inigten sich im allgemeinen dahin,
die Wahrscheinlichkeit walte ob, dass die „Germania'' ihr Ziel, die
Ostkfiste Grönlands erreicht habe and in nächster Zeit heimkehren
werde. Das walte Gott !
Aus den Verhandlungen und Beschlüssen der Comit^sitzung theflen
wir zum Schluss noch folgendes mit.
Die Sammlungen für die. Expedition haben, Dank der Theilnahme
unserer Nation, einen Betrag von etwa 70.000 Thlr. Courant aufge-
bracht; davon sind nach Bezahlung der Ausrüstungskosten etc. unge-
ffthr 5000 Thlr. Courant noch zur Verfügung. Die „Hansa'' ist zum
Werte von 10.000 Thlr. Gold versichert und wird diese Summe ohne
Zweifel sofort von den Versicherem entrichtet werden; es ist indess
nicht gelungen, die „Germania"" oder die an Bord beider Schiffe ge-
nommenen Instrumente zu versichern , da die dafür geforderte Prämie
von 20 und 25 pCt. einestheils zu hoch erschien und andemtheils im
vorigen Sommer bei der Höhe der Schulden, die auf dem unternehmen
lasteten, nicht bezahlt werden konnte. Wollte man davon ausgehen, dass
nach dem geltenden Rechte die Mannschaft eines verloren gegangenen
Schiffes nur soweit Anspruch auf Bezahlung ihrer Gkige hat, als ein
Erlös vom Schiffe oder dessen Ladung vorhanden ist , so würde in dem
Falle der „Hansa", da Alles verloren, Capitän wie Mannschaft nicht
allein leer ausgegangen, sondern auch schon von Kopenhagen für Staats-
rechnung zu befördern gewesen sein. Da indess der oben erwähnte
Ueberschuss von den Sammlungen so wie die Assecuranzgelder zur Ver-
fügung sind, beschloss das Comit^ von der Strenge des Gesetzes ganz
abzusehen und sowol die Kosten der Beförderung von Grönland über
Kopenhagen nach Bremen vollständig zd ersetzen, als auch die in der
Musterrolle ausbedungene Gage für die Zeit von vollen 15 Monaten zn
bezahlen ; im Anschluss hieran bewilligte das Comit^ den beiden wissen-
schaftlichen Begleitern ein Honorar. Diese gesammten Kosten belaufen
sich auf circa 7500 Thlr. Courant. Außerdem erhielt die Besatzung
der „Hansa*" aus der bremischen Seemannscasse nach den Normen de^
selben Ersatz für verlorene Effecten. Die verlorenen nautischen Instru-
mente und wissenschaftlichen Apparate konnten den Eigenthfimem
einstweilen nicht ersetzt werden, da das Comit^ den Rest der Mittel
der nach Eingang der Assecuranzgelder noch zur Verfügung steht, fibr
die Rückkunft der „Germania" glaubte bereit halten zu müssen; es
wurde jedoch zugesichert, dass später, falls die Mittel es eriauben
würden, auch jene Verluste gedeckt werden sollten.
Das Comit^ ist der Ueberzeugung, dass diese Beschlüsse dem Sinne
der G«ber entsprechen; es hat deshalb die durch Ausführung derselben
571
erwachsende moralische Verantwortlichkeit nicht gescheut. Unsere braven
Seeleute, deren Ausdauer und Tflchtigkeit in schwerster Prüfung sich
so trefflich bewährt hat, durften wir nicht mit leeren Händen in die
Heimat zurückkehren lassra.
Verzeichnis der ordentlichen Mitglieder der geographiechen
Gesellschaft
nach dem Jahre ihres Eintritts geordnet*).
1856.
Alt, Dr. Alois, Uniyersit&ts-Professor in Er a kau.
Arenstein, Dr. Joseph, Gutsbesitzer in Stuppach.
Bauer, Dr. Alexander, JProfessor an der Handelsacademie in Wien.
Becker Moriz Alois, Kitter v., k. k. Landes-Schnlinspector in Wien.
Beer, Dr. Adolph, k. k. Ministerialrath und Professor am polytechnischen
Institute in Wien.
Beer, J. G., in Wien.
Bergmann Joseph, Ritter v., Begierungsrath und Director am k. k. Münz-
und Antiken-Uftbinete in Wien.
B 1 a h a , Franz P., Consistorialrath und Bezirksdechant in Heraltitz, M&hren.
Boschan, Dr. Friedrich, in Wien.
Braumüller Wilhelm, k. k. Hof-Buchh&ndler in Wien.
(A. M.) B reu ner-£nkevoirth August, Graf v., k. k. Oberst, £rbland-K&mmerer
in Wien.
Burg Adam, Freiherr v., k. k. Hofrath in Wien.
Buterweck Carl . k. k. Hauptmann-Auditor in Maros-Yasarhely.
Conrad Michael, k. k. Ministerialrath in Wien. ^
iA. M.) C Zorn ig Carl, Freiherr von, k. k. wirklicher geheimer Rathin IschU
Egg er Franz, Dr., Hof- und Gerichtsadvocat in Wien.
Parkas von Yucotinovic in Agram.
Felder, Dr. Cajetan, Bürgermeister in Wien.
Fenzel, Dr. Eduard, k. k. Regierungsrath, Professor und Director des k. k.
botanischen Gartens in Wien.
Ficker, Dr. Adolph, k. k. Hofrath und Director des Bureaus für admini-
strative Statistik in Wien.
Figdor Gustav, Großhändler in Wien.
(A. M.) Fligely August, v., k. k. Feldmarschallieutenant, Difector des k. k.
militär-geographischen Instituts in Wien.
Foetterle Franz, k. k. Bergrath in Wien.
Frauenfeld Georg, Ritter von, Custos am k. k. zoologischen Cabinet in Wien.
Friesach, Dr. Carl, k. k. Professor in Graz.
Fritsch Carl, Vicedirector der k. k. Centralanstalt für Meteorologie und
Erdmagnetismus in Wien.
Gigl Alexander, Archivar im k. k. Ministerium des Innern in Wien.
Gmelin, Dr. Otto, Ingenieur der Staatseisenbahngesellschaft in Wien.
Gddel-Lannoy Oscar, Ritter v., Präsident der k. k. Central-Seebehörde
in Tri est.
*) Jene P. T. Mitglieder, welche mehr als den statutenmäßigen Jahres-
beitrag für die Zwecke der Gesellschaft leisten, sind in dem Verzeichnisse als
außerordentliche Mitglieder lA. M.) bezeichnet.
Da bis zur nächsten Jahresversammlung (December 1870) das alpha-
betisch geordnete Verzeichnis der P. T. Mitglieder neu aufgelegt wird,
90 ersucht man, allfällige Irrungen in den Angaben des vorliegenden Ver-
zeichnisses noch zeitig genug an die Kanzlei der Gesellschaft (durch die
Kunsthandlung Artaria & Comp., Wien, Kohlmarkt) gelangen zu lassen.
A. d. R.
37*
672
Gorizutti Franz, Freiherr ▼., k. k. Feldmarschftllieatenant in Marie nliof
(Steiermark).
Gugg von Guggenthal Victor, k. k. ObristUeatenant, Schloss Ponigl
(Steiermark).
Gutmannsthal Ludwig, Kitter v., Wien.
Haidinger Wilhelm, Ritter v., k. k. Hofrath in Wien (zugleich Ebieo-
mitgliedi.
Hammer- Purgstall C, Freiherr v., Schloss Hainfeld in Steiermark.
Hartnigg Paul, Bergwerksbeamter in Feistritz (Steiermark).
Hauer Franz, Kitter v., k. k. Sectionsrath und Director der k k. geologiscl»&
Reichsanstalt in Wien.
Hauer Julius, Ritter von, k. k. Professor in Leoben.
Haus lab Franz, Ritter v. , k. k. wirklich, geh. Rath, Feldzeugmeister in
Wien (zugleich Ehrenmitglied).
Hingenau Otto, Freiherr von, k. k. wirkl. Kämmerer und Ministerialrath in
Wien. '
Hirten feld, Dr., Redacteur der Wehrzeitung in Wien.
Hochstetter, Dr. Ferdinand von, Professor am polytechnischen Institatm
Wien.
Hochstetter Carl, Fabriksbesitzer in Wien.
Hofer Joseph, Professor in Wien.
Hoffer Joseph, Beamter bei der Donau-Dampf schi&hrtsgesellschaft in Wien.
Hoffinger, Dr. Johann, Ritter von, k. k. Ministerialsecret&r in Wien.
Hornig, Dr. Emil, kais. Rath und Professor in Wien.
Kerner, Dr. Anton, Universitätsprofessor in Innsbruck.
Köche 1, Dr. Ludwig, Ritter von, kaiserl. Rath in Wien.
Lerch. Dr. Johann, in Wien.
Lipoid Marcus Yincenz, k. k. Ober-Bergrath in Idria.
(A. M.) Luby Kaspar £., Ingenier und Bauverwalter in Csakvar.
Marschall auf Burghausen August Fridrich, Graf von, k. k. Kämmerer
in Wien.
Miller August von und zu Aichholz in Wien.
Pechmann Eduard, Ritter von, k. k. General-Major in Wien.
Petz Eduard, k. k. Oberstlieutenant in Wien.
Pierre, Dr. Victor, Professor am k. k. polytechnischen Institute in Wie n.
Pino Felix, Freiherr v. Friedenthal, k. k. Statthaltereirath in Gör z.
Plentzner Franz, Ritter von Schar neck, k. k. Hauptmann in Wien.
Pohl, Dr. Joseph, Professor am k. k. polytechnischen Institute in Wien.
Reis Sek, Dr. Siegfried, Gustos am k. k. botanischen Museum in Wien.
Repitsch Johann, Realschulprofessor in Krems.
Reslhuber Augustin, Abt des Benedictinerstiftes in Krems münster.
Ruth n er, Dr. Anton, Edler von, Hof- und Gerichtsadvocat in Wien.
Salm-Reifferscheid-Krautheim Hugo, Fürst von, Wien.
Schall hamm er Johann, Ritter von, k. k. Postcontrollor i. P. in
Brixen (Tirol).
Scherzer, Dr. Carl, Ritter von, k. k. Ministeriab»th in Wien.
Schuberth W., k. k. Schulrath und Gymnasialdirector in Teschen
(Schlesien).
Sedlaczek Ernst, k. k. Hauptmann in Steinamanger (Ungarn).
Seybel Emil, Fabriksbesitzer in Wien.
Simony, Dr. Friedrich^ Universitätsprofessor in Wien.
Sonderleithner Georg, k. k. Ministerialconcipist in Wien.
Sonklar von Instätten Carl, k. k. Oberst in Wiener Neustadt.
Steinhauser Anton, kais. Rath in Wien,
ürlinger Paul, Pfarrer in Scheibs (Niederösterreich).
Werner Joseph^ Freiherr von, k. k. wirklicher geheimer Rath in Graz.
Wilczek Heinnch, Graf von, k. k. Kämmerer in Wien.
Wolf Heinrich, Reichsgeologe in Wien.
Wülle r st orf-Urbair Bernhard, Freiherr von, k. k. wirklicher geheimer Rath
in Graz.
Zhishmann, Dr. Joseph, Universitätsprofessor in Wien.
573
1857.
Antoine Franz, k. k. HoiJsarten-Director in Wien.
(A. M.) Bach, Dr. Alexander, Freiherr von, k. k. wirkl. geheimer Bath
in Wien.
Bruj^la^n Wilhelm, k. k. Berghauptmanu in Ofen (Ungarn).
Costa, Dr. Erwin Heinrich, in Laibach.
Denk Alois in Wien.
Doleial Anton, Revident im statistischen Bureau des Handelsministeriums
in Wien.
Dreer, Dr. Fr. v., in Triest.
Enk von der Burg Carl, k. k. Landesschuleninspector in Wien.
Fa bisch Joseph, k. k. Generalmajor in Graz.
F ritsch Joseph in Zinnwald (Böhmen).
6a nah 1 Johann, k. k. Obrist in Wien.
Goehlert T. V. , Ministerialsecretär im k. k. Ministerium des Innern.
Guislainde Lens Ludwig, Secretär der galizischen Carl-Ludwigs-
Bahn in Wien.
Heine Gustav, Bitter von, in Wien.
Heisler, Dr. Ferdinand von, k. k. wirklich, geh. Bath und Senatspräsident
des obersten Gerichtshofes in Wien.
H e 1 fer t , Dr. Joseph Alexander, Freiherr v., k. k. wirklich, geh. Bath und Präsi-
dent der Gentralcommission für Ek-haltung der Baudenkmale in Wien.
Heller von Hell wald Friedrich, k. k. Lieutenant in Wien.
Eintzl Leopold, k. k. Generalmajor in Wien.
Eofistka, Dr. Carl, Professor am k. k. Polytechnicum in Prag.
Kornhuber, Dr. Gustav, Professor am k. k. Polytechnicum in Wien.
(A. M.), Krasicki Casimir, Graf v., k. k. wirkl. geh. Bath in Lemberg.
Enbinyi Aug. v., k. k. Bath, Director des ungarischen Nationalmuseums
in Pest.
Enbinyi Franz von, Gutsbesitzer in Pest.
Eunesch Albert, Hydrograph an der hydrographischen Anstalt der k. k.
Eriegsmarine in Triest.
Littrow Heinrich, Bitter von, k. k. Fregattencapitän in Fiume.
Matzenauer Joseph, Piaristenordenspriester in Wien.
Miller Vincenz von und zu A ichholz in Wien.
Ozegovic Ludwig, Freiherr v. Barlabasevec, k. Statthalterei-Secretär in
Greutz (Croatien).
Peters, I^. Carl, k. k. Universitätsprofessor in Graz.
Pratobevera-Wiesborn Adolph, Freiherr von, k. k. wirkl. geheimer Bath
in Wien.
Proschko, Dr. Isidor, k. k. Polizei-Obercommissär in Wien.
Ratzesberg Ludwig von, in Wartenberg (Oberösterreich).
(A. M) Sapieha Leon, FOrst von, in Wien.
Schmidt, Dr. Julius, Director der königl. Sternwarte in Athen.
Seidel L. W., Buchändler in Wien.
Seligmann, Dr. F. A., k. k. Fregattenarzt in Triest.
Sness Eduani, k. k. Universitätsprofessor in Wien.
Temple Budolph, Inspector und Bureauchef der k. k. priv. Assicurazione
generale in Pest
Wilczek Johann, Graf von, k. k. Eämmerer in Wien.
Zezschvitz Friedrich Oscar, Freiherr von, k. k. Major im Generalstabe in
Wien.
Zhishmann Anton Eduard, Professor an der Handels- und nautischen Academie
in Triest.
1858.
Andriau'Werburg Ferdinand, Freiherr v., k. k. Bergrath in Wien.
Brunn er v. Watte nwyl Carl, k. k. Telegraphen-Director in Wien.
Bnbics Sigmund, Consistorialrath in Wien.
Et in er Moriz, k. k. Major im Generalstabe.
Filippi Eduard, k. k. Generalmajor in Wien.
Hölzel Eduard, Buch- und Eunsthändler in Olmtltz.
574
KaBtner Leopold, Vorstand der Registrator der Creditanstalt in Wien.
K41er Sigmund von, k. k. Oberstlieutenant im 25. Infanterie -Regiment.
Elun, Dr. Vincenz, k. k. Ministerialrath in Wien.
Kukula Wilhelm, Professor an der k. k. Oberrealschule in Linz.
Lorenz, Dr. Jos. Roman, k. k. Sectionsrath in Wien.
Morel li Hadrian, k. k. Linienschiffscapitän, Insel- und Festungs-Commanduit
in Lissa.
Potyka Theodor, Oberingenieur der k. k. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahji
in Krakau.
Prasch Vincenz, Professor am k. k. Obergymnadium in Brunn.
Rakofsky Stefan von, Gutsbesitzer in Pressburg.
Saffran Emanuel, Freiherr von, k. k. Generalmajor in Lainz.
Scholz, Dr. Anton, Professor in Prag.
Schwartz Carl, Ingenieur der Kaiser Ferdinands-Nordbahn in Mährisch-
Ostrau.
Skuppa 0., k. k. Major in Wien.
Stäche, Dr. Guido, k. k. Bergrath und Assistent der k. k. geoIogiBcben
Reichsanstalt in Wien.
Wilkens C. T., Kaufmann in Wien.
Woldfich, C. Job., Professor in Wien.
1859.
lllek August, k. k. Stabsarzt in Wien.
Kerr Louise in London.
Letocha Anton, k. k. Kriegscommissär in Wien.
Muszynski Carl, k. k. Major in Wr. Neustadt.
(A. M.) Schwarzenberg Johann Adolph, Ffkrst von, Herzog zu Kmaiaa in
Wien.
Schwetz W. August, Piaristenordenspriester and Gymnasialdirector in Hors
(Niederösterreich *.
(A. M.i Seil 1er, Dr. Johann Caspar, Freiherr von, in Wien.
Seligmann, Dr. F. R., k. k. Professor in Wien.
1860.
Berecz Anton, Professor am Piaristen-Obergynuiasium in Pest.
Eckhardt Friedrich, k. k. Hauptmann in Cilli.
Ferenda Ignaz, Rechnungsrath bei der k. k. Marinebuchhaltung in W i e n.
Grohmann Paul in Wien.
Haan Fridrich, Sectionsrath im k. k. Ministerium des Innern in Wien.
K off 1er Johann, k. k. Hauptmann in Wien.
Kompert, Dr. Leopold, Beamter der Credit- Anstalt in Wien.
Lasser Joseph, Freiherr von Zoll he im, k. k. wirklicher geh. Bath in
Innsbruck.
Lederer Carl, Freiherr von, k. k. Gesandter in Washington.
Pipitz, Dr. F. E., in Triest.
Schlesinger, Dr. Eduard, in Wien.
Schmidburg Rudolpf, Freiherr von, k. k. Generalmajor in Graz.
Studnicka Franz, Professor am k. k. Polytechnicum in Prag.
Wärtemberg Wühelm, Herzog von, k. k. Feldmarschall-Lieatenaat in Pzif.
1861.
Beraun Carl, Vorstand des technischen Revisionsamtes bei der Kaiser-Fenli-
nands-Nordbahn in Wien.
Ditmar Rudolph, Fabriksbesitzer in Wien.
Goethe Wolfgang v., k. preußischer Legationsrath.
Hauke Franz, Director der Wiener Hand eis- Academie.
Inkey-Pallin Ferdinand von, k. k. Kämmerer in Rassina (Croatien).
Jacobi Jacob, Generalsecretär der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn in Wien.
Mandl Moriz, Amts-Ingenieur der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn in Wien.
Pasetti Florian, Freiherr von, k. k. Ministerialrath i. P. in Wien.
Poche A., Freiherr von, k. k. wirklicher geheimer Rath.
Pölak, Dr. J. E., in Wien.
S allinger Michael, k. k. Hauptmann in Graz.
575
Schaumburg-Lippe, Prinz von, in Ratibofizbei Nachod (Böhmen).
Skene Alfred, jun., in Wien.
Stochert Franz, Inspector der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn in Wien.
Stochert Carl, Gutsbesitzer in Freudenberg (E&mten).
Suttner Hermann, Professor am k. k. Theresianum in Wien.
T hu n -Hohen stein Leo, Graf von, k. k. wirklicher geheimer Rath in Prag.
1862.
G Opanizza Anton, Domherr in Bagusa.
Feyerfeil Carl, Director des Josefstädter Gymnasiums in Wien.
Hof manu, Dr. Adolph, in Wien.
Hof mann Leopold von, k. k. wirkl. geh. Rath und Sectionschef im Mini-
sterium des Aeußern.
Koke Friedrich, Besitzer einer lithographisch-artistischen Anstalt in Wien.
Leyrer, Dr. E., Hof- und Gerichtsadvocat in Wien.
Mally Carl, k. k. Ministerialbeamter in Wien.
Hertens Carl, Freiherr v., k. k. wirkl. geheimer Rath, Feldzeugmeister, in W i e n.
Sauerl&nder Johann Jacob in Wien.
Schmerling, Dr. Anton, Ritter von, k. k. wirkl. geheimer Rath und Präsi-r
dent des obersten Gerichtshofes in Wien.
Schmerling Josef, Ritter yon, k. k. Feldzeugmeister in Wien.
Türck Josef, k. k. HoQuwelier in Wien.
Turczmanovicz Paul, k. k. Schichtmeister- Ad junct inWieliczka (Galizien).
Yernier de Rougemont et Orchamp, Freihar von, k. h. wirkl. geheimer Rath
und Feldmarschall-Lieutenant in Wien.
Weiß, Dr. Adolph, Universitatsprofessor in Lemberg.
Weiß, Dr. Edmund, Professor und Adjunct der Sternwarte in Wien.
Weißmann, Dr. Johann, k. k. Sectionschef i. P. in Wien.
Wimpfen "^ctor, Graf von, k. k. Corvettencapitän in Wien.
Zaffauk Josef, k. k. Hauptmann und Professor in Wien.
1863.
Arnsburg Louis Friedrich, k. k. Hofschauspieler in Wien.
Artaria August, Kunsthändler in Wien.
Babanek Wenzel, Professor am k. k. Obergymnasium in Pisek (Böhmen).
Bauer, Dr. Josef, Hof- und Gerichtsadvocat und vLandesausschuss in Wien.
Beyer Carl von, Ministerialrath im k. k. Ministerium des Innern in Wien.
Bordini Joseph, Bureauchef des österr. Lloyd in Triest.
Engels Franz, Agent und Buchhalter in Wien.
Gehringer Carl, Freiherr von, k. k. wirkl. geheimer Rath in Wien.
Gröl 1er Gustav, Ritter von, k. k. Fregattencapitän in Klagen fürt.
Heller Carl, Professor am Theresianum in Wien.
Hengelmüller Michael, Präsident des k. Laudesgerichts in Pressburg.
Hoff mann Anton, Sectionsrath und Chef des Post-Cours-Bureaus im k. k.
Handelsministerium.
Ho ff mann Johann, k. k. Major in Wien.
Lewin Joseph, Professor an der Wiener Handels- Academie.
Lindner Carl, k. k. Fregattencapitän in Cilli (Steiermark^.
Müller Robert, Elydrograph der k. k. Kriegsmarine in Triest.
Rettig Andreas, schuldirector zu Nepomuk (Böhmen).
Roslier Franz, Ritter von, Sectionsrath im k. k. Finanzministerium.
Schroeder C. M., Director des österreichischen Lloyd in Triest.
Soboll Franz, k. k. Hauptmann in Ol mutz.
Tettau Otto, Freiherr von, in Berlin.
1864.
Brühl, Dr. Moriz, Professor in Wien.
Doli Eduard, Bealschuldirector in Wien.
Faber, Dr. Carl Maria, Zahnarzt in Wien.
Folkbeer Anton, k. k. Postcontrollor in Wien.
Hütter Eduard in Wien.
Kögler Wilhelm, k. k. Schulrath und Director der Oberrealschule in Prag.
Leschtina Franz, Director der lithographischen Anstalt des Grundsteuer-
Katasters in Wien.
57(>
Morpurgo Elio, FreiherT yon, IHrector des teterr. Lloyd in Tri est.
Poche Eugen, Freiherr von, in Wien.
Seh äffe 1 Joseph, k. k. Oberlieutenant i. P. in Mddling.
Sembera M. M., üniversitätsprofessor in Wien.
Sommaruga, Dr. Guido, Freiherr von, in Wien.
1865.
Schworella Ludwig, Vertreter von Justus Perthes in Gotha in Wien
1866
Du Nord Wilhelm, k. k. Hauptmann in Wien.
Gab lenz Ludwig, Freiherr v. , k. k. wirkl. geheimer Rath und Feldieag*
meister in Ofen.
Gutmann David, Grossh&ndler in Wien.
Kropp Wilhelm, k. k. Linienschiffs -Lieutenant in Poia.
Matz Fugen, k. k. Oberlieutenant iu Wien.
Mislin Jacob, Domherr in Wien.
Rechberg, Graf von, k. k. wirkl. geh. iiath in Kettenhof.
Rittmayer J. von, Grosshändler in Tri est.
Schwartz Gustav, Edler von Mohrenstem in Wien.
Thümen Carl, Freiherr von, in Krems (Niederösterreich).
Vogel Heinrich, k. k. Hauptmann in Wien.
Wöger er H., k. k. Ober-Landesgerichtsrath in Wien.
1867.
Becker Alois, Ritter von, k. k. Schiffslieutenant in Tri est.
Beyer F., k. k. Hauptmann- Auditor in Agram.
B 0 g i s i c , Dr. Balthasar, k. russischer Uni versitäts- Professor in Odessa.
Bro2owsky W., Beamter im k. k. Post- Cours-Bureau in Wien.
Colloredo-Mannsfeld Josef, Fürst von, k. k. wirklicher geheimer Rath
in Wien.
Gatscher A., k. k. Gymnasialdirector bei den Schotten in Wien.
Gigl Johann, Ingenieur in Tri est.
Hugl Leopold, Schuldirector in Wien.
John Fr., Freiherr v., k. k. wirklicher geh. Rath und FeldmarschailLieuteDut
in Graz.
Kleindl Josef, k. k. Hofrath in Wien.
Krummhaar Josef, Secretftr im k. k. Ministerium des Unterrichts.
Singer Josef, k. k. Feldmarschall-Lieutenant i. P. in Wien.
Standhardtner, Dr. C, Primarius im allgemeinen Krankenhause in Wien.
Zschokke, Dr., Hermann, k. k. Universit&tsprofessor in Wien.
1868.
Balogh Peter v., Director einer höheren landwirtschaftlichen Lehranstalt in
Debreczin.
Bengough Job., Ingenieur in Döbling.
Beust Friedrich, Freiherr v., k. k. Ministerialrath in Wien.
Blöchlinger Carl v.j k. k. Rittmeister in Wien.
Bolgar Michael, Piansten-Ordenspriester und Professor in Pest.
Deutsch -D^chyMoriz in Pest.
Eberle Ludwig, Ritter v., k. k. Fregatten- Capitän in Pola.
Ester mann Anton, Dr. der Medicin in Wien.
Fischer, Dr. Josef. Director und Inhaber einer Handelslehranstalt in Pest
Fl och Dr. J. H., Ritter von, k. k. Finamsrath in Pest.
Fried mann, Dr. Sigismund, Badearzt in Vöslau.
Gentilli Amadeo, Ingenieur in Wien.
Griesbach Carl Ludolf, Geolog.
Gymnasium in Görz.
Gymnasium in Keszthely (Ungarn).
Hartner Friedrich, Professor am k. k. polytechnischen Institute in Wien.
Henneberg Edmund, Bitter von, k. k. Schiffislieutenant in Wien.
Kanitz F., Privat in Wien.
Lindheim Alfred von, Fabriksdirector in Wien.
Nord mann Johann, Redacteur in Wien.
0 verbeck Gustav, Ritter v., k. und k. General-Consul in Hongkong.
577
Pazzani Jujiae, Ingenieur in Wien.
Bealgymnasium (Commaual) in der Leopoldstadt in Wien.
Sax Carl, österr.-uugar. Consul in Serajewo.
Sigl Georg, Fabriksbesitzer in Wien.
Valero Cornelius, Ritter von, Fabriksbesitzer in Neurettendorf (Böhmen).
Valero Victor, Fabriksbesitzer in Wien.
Weinling Carl, k. k. Bezirksvorsteher i. P. in Wien.
Weiser, Dr. Moriz, practiscker Arzt in Wien.
Wolf W. P., Reaischulprofessor in Korneuburg.
1869.
Ar th aber Rudolph, £dler v., Kaufmann iu Wien.
Ascher Adolph, k. k. Hofsecretär im Ministerium des Aeußem in Wien.
Bechtinger, Dr. Josef, practischer Arzt in Wien.
Buchwald Eugen Raimund, k. k. Postofficial in Wien.
Czartoryski Constantin, Fürst von, in Wien.
Drathschmiedt Friedrich, Edler von M&hren the im, k. k. General- Auditor
in 'JVien.
Feifalik Hugo, k. k. Hofsecretär in Wien.
Gerok Carl, Architect in Wien.
Gintl Heinrich, Betriebsdirector der Lemberg-Czemowitz-Jassyer Bahn-Gesell-
schaft in Lemberg.
Gftlcher Jacob Theodor, Fabrikant in Wien.
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
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Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
Gymnas
um in Bochnia (Galizien).
um in Bozen.
um in Bregenz (Vorarlberg).
um (deutsches) in Brfinn.
um in Brzezany (Galizien).
um in Cilli.
um in Drohobycz (Galizien).
um in Eger.
um in Graz.
um (zweites Staats-) in Graz.
um in Hall ^Tirol).
um in Hörn.
um in Innsbruck.
um in Klagenfurt.
um in Klattau.
um in Krems.
um in Kremsmünster.
um in Königgräz (Böhmen).
um (St. Anna-) in Krakau.
um (zweites Ober-; in Krakau.
um in Böhmisch-Leipa.
um (academisches) in Lemberg.
um (Franz Josefs-) in Lemberg.
um in Linz
um in Marburg (Steiermark).
um (slavisches) iu Ol mutz.
um (auf der Kleinseite) Prag.
um in Salzburg.
um in Seitenstetten.
um katholisches, in Teschen.
um (theresianisches) in Wien.
um (zu den Schotten) in Wien.
um (in der Jose&tadt) Wien.
um in Znaim.
Heinrich, Dr. Gustav in Pest.
Henke Ernst, Kaufmann in Wien.
Herr, Dr. Jos., k k. Professor am polytechnischen Institut in Wien.
Janker Carl, Ober-Ingenieur in Wien.
Kraft Hermann von, Privat in Wien.
578
Lichtenstadt Johann C. J. in Wien.
Mandel, Dr. Ferdinand, in Wien.
Marno Ernst, in Wien.
Montenuovo, Fürst v., General der GavaUerie, Hauptmann der k. k. Tn-
banten-Leibgarde in Wien.
Nostitz Pauline, Gr&fin v., (auch Ehrenmitglied) in Schöndorf bei Nen-And.
Pacor Wilhelm v., k. k. Oberlieutenant in Prag.
Parmentier Adolf, Ritter von, k. k. Ministerialrath in P. in Wien.
Pa^er Julius, k. k. Oberlieutenant.
Pejacsevich, Graf Nicolaus, k. k. Cieneralmajor in Pressburg.
Presse, die Redaction der -- in Wien.
Realgymnasium (Landes) in Chrudim.
Realgymnasium zu Ung. Hradisch (Mähren\
Realgymnasium (Gommunal-) in Kolomea Galizien^
Realgymnasium zu Leoben (Steiermark).
Realgymnasium (Landes-) in Stockerau.
Realgymnasium in Yillach (Kärnten).
Realgymnasium (Landes-) in Waidhofen an der Thaya.
Realgymnasium zu Wittingau (Böhmen).
Realschule (griechisch-orientalische) zu Czemowits Bukowina .
Realschule in Feldkirch (Vorarlberg).
Realschule (Landes-) zu Graz.
Realschule (Gommunal-) zu Iglau iMähren).
Realschule (Landes-) zu Krems.
Realschule zu Kuttenberg <Böhmen).
Realschule (Gommunal-) zu Laibach (Krain).
Realschule (Landes-) zu Böhmisch-Leipa.
Realschule zu Linz.
Realschule zu Olmütz.
Realschule, k. k. (böhmische in Prag.
Realschule, k. k. (deutsche) in Prag.
Realschule (Gommunal-* zu Rover edo (Tirol).
Realschule zu Salzburg.
Realschule zu Steyer (Oberöeterreich).
Realschule zu Troppau.
Realschule (Landes-) zu Waidhofen a. d. Ins.
Realschule k. k. am Schottenfelde in Wien.
Realschule (Gommunal-i auf der Wieden in Wien.
Realschule (Landes-) zu Wiener Neustadt.
Redlicb Alexis, k. und k. Gonsul zu Bangkok in Slam.
Reicher Josef, k. k. Major im Greneraistab in Wien.
Reinisch, Dr. Leo, k. k. Professor in Wien.
Roesler, Dr. £. Robert, k. k. Üniversitäts-Professor in Lembers.
Schrötter, Dr. Anton Ritter von Kristelli, k. k. Hofrath und Durector dei
Mflnzamtes. Wien.
Schweidler Wilhelm Ritter von, k. k. Oberlieutenant in Prag.
Snötiwy Yincenz, k. k. Hauptmann in Agram.
Trupjpenkörper, k. k.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 1 in P rag.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 2 in der Festung Arad.
Reserve-Gommando des Lin.-Inf.-Reg. Nr. 2 in Fogaras.
Offizierscorps des Lin.-Inft.-Re^pnents Nr. 3 in Prag.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 7 in Graz.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 8 in Znaim.
„ „ 10. Lin.-Inf.-Regt.-Re8erve-Kommando's in Prsemyil.
„ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 6 in Temesv&r.
„ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 12 in Köniffgr&tz.
„ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 14 in Pressburg.
„ Lin.-Inf.-Regiment8 Nr. 15 in Prag.
„ Lin.-Inf. -Regiments Nr. 16 in Linz.
„ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 18 in Josephstadt
»
n
n
n
n
i
679
Trappenkörper, k. k.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regünents Nr. 19 in W i e n.
Reserve-Commaodo des Lin.-Inf -Regiments Nr. 20 inNen-Sandec.
Offizierscorps des Lin. -Inf. -Regiments Nr. 22 in Ragnsa.
„ „ Lin.-Inf. -Regiments Nr. 23 in P e t e r w a r d e i n.
Reserve-Commando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 23inZombor (Galizien).
Offizierscorps des Lin.- Inf. -Regiments Nr. 24 in Miskolcz.
„ „ Reserve-Commandos des Lin. -Inf. -Regiments Nr. 24
in Eolomea.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 26 in Pilsen.
Reserve-Commando des Lin.-Inf. -Regiments Nr. 26 in Gran.
Offiziersbibliothek des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 36 in Königgrätz.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 32 in Krems.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr 40 in Olmatz.
„ „ Reserve-Commandos des Lin.-Inf. Regiments Nr. 41
in Czernowitz.
Reserve-Commando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 43 in Verseez.
Offtziers-Bibliothek des Lin. -Inf. -Regiments Nr. 44 in Zara.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 49 in Wien.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 51 in Ol mutz.
,y „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 52 in Triest.
,, ,, Lin.-Inf.-Regiments Nr. 58 in Wien.
n jf Lin.-Inf.-Regiment8 Nr. 54 in Wien.
„ „ Lin.-Inf -Regiments Nr. 55 in Kaiser-£bersdorf.
,y „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 57 in Pest.
„ yj Lin.-Inf.-Regiments Nr. 58 in P e s t.
Reserve-Commando des LiB.-Inf.-Regiments Nr. 68 in Stanislau.
Reserve-Commando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 61 in Temesvir.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 63 in Maros-Yasarhely.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 66 in Lemberg.
Reserve-Commando des Lin.-Inf -Regiments Nr. 66 in ügvär.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 67 in Wien.
„ yy Lin.-Inf. -Regiments Nr. 70 in Krakau.
Reserve-Commando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 70 in Neu so hl.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 72 in Wien.
,, ,, Lin.-Inf.-Regiments Nr. 74 in Olmtttz.
,, ,, Lin.-Inf.-Regiments Nr. 75 in Komorn.
yy ,y Lin.-Inf. -Regiments Nr. 78 in Esseg.
Reserve-Commando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 79 in Nyiregyhaza.
Reserve-Commando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 80 in Zloczow.
Offizierscorps des 3. Bataillon des Tiroler Jäger-Regiments in Hainburg.
„ y, 1. Feld- Jäger-Bataillons in Fünfkirchen.
,, y, 6. Feld- Jäger-Bataillons in Kaadcn.
» „ 9. Feld-Jäger-Bataillons in Bad na.
M „ 15. Feld- Jäger-Bataillons in Salz barg.
,, ,y 17. Feld-Jäger-Bataillons in Stanislan.
,y „ 30. Feld- Jäger-Bataillons in Lemberg.
„ „ 32. Feld-Jäger-Bataillons in Pettau.
„ „ Feld-Artillerie-Regiments Nr. 1 in Lemberg.
,, ,y Artillerie-Regiments Nr. 2 in Comorn.
„ „ Feld-Artillerie-R^ments Nr. 3. Mnnitions-Kolonnen-
Kadre in 01m fitz.
Offizierscorps des Feld-Artillerie-Regiment Nr. 4 in Pest.
„ „ Feld- Artillerie-Regiments Nr. 7 in Laibach'.
„ „ Feld- Artillerie-Regiments Nr. 11 in Wien.
Zengs-Artillerie-Commando Nr. 2 in Graz.
Zeugs- Artillerie-Commando Nr. 10 in Stein (Krain).
Offizierscorps des Grenz-Regiments Nr. 2 in OtoCac.
„ ,y Grenz-Regiments Nr. 3 in Ogulin.
y, „ Grenz-Regiments Nr. 4 in Carl Stadt.
,, yy Grenz-Regiments Nr. 5 in Belovar.
5Ö0
Truppenkörper, k. k.
OffizierscorpB des Grenz-Regiments Nr. 12 in PancsoTft.
„ ,y Grenz-Regiments Nr. 13 in Caransebes.
„ y, Grenz-Regiments Nr. 14 in Weis kir eben.
„ „ Festungs- Artillerie-Bataillons Nr. 3 in Wien.
,, y Festungs- Artillerie-Bataillons Nr. 9 in Innsbruck
„ „ Pionier-Feld-Bataillons Nr. 3 in Pettan (Steiermark).
Pionnier-Cadetten-Scbule in Hain bürg a. d. Donau.
Gffiziers-Bibliotbeks- Verwaltung des Pionier-Regiments in Kloster-
neuburg.
Milit&r-Lese- Verein in Bist ritz (SiebenbQrgen).
Milit&r-Casino in Temesvär.
Cadetenscbule der 8. und 24. Truppen-Division in Lemberg.
Offizierscorps des Genie-Regiments Nr. 1 in Glmtttz.
Gamisons-Bibliothek in Peterwardein, zu Händen des Festungs-Commao-
do's in Peter war dein.
Gamisons-Bibliotbek in Kr a kau.
Offizierscorps des Dragoner-Regiments Nr. 1 in FQnfkirchen.
,, „ Dragoner-Regiments Nr. 4 in N. Karoly.
„ ,j Dragoner-Regiments Nr. 7 in Stublweissenbnrg.
y, y, Dragoner-Regiments Nr. 13 in Enns.
,, ,, Dragoner-Regiments Nr. 14 in Wessely (M&bren).
,, yy Husaren-Regiments Nr. 4 in Klattau.
y, „ Husaren-Regiments Nr. 6 in Elagenfurt.
„ „ Husaren-Regiments Nr. 8 in Zolkiew (Galizien).
y, „ Husaren-Regiments Nr. 10 in Neuh&usel.
y, yy HusaTeu-R^iments Nr. 12, Eig&uzuDgs-Kadre , is
Gyöngyös lUngam).
Tschermak, Dr. Gustav, Director des k. k. Mineralieacabioetes in Wieo.
Valmagini, Hon. Julius, Privat in Wien.
Voelker George, Banquicr in Wien.
Wiedenhofer Franz. Gymnasial- Lehramtscandidat in Wien.
Zur Helle Alfred, Ritter von, k. k. Rittmeister und Militärattache in Cob-
stantinopel.
1870.
Beinstingel Alois, k. k. Oberlieutenant in Wien.
Beust Ferdinand, Freiherr v., Reichsgeolog in Wien.
Bou4, Dr. Ami, Mitglied der kais. Academie und Ehrenmitglied der geo-
graphischen Gesellschatt.
Brusikay Anton, k. k. Actuar in Kirchberg am Wagram.
BQchelen Carl, Ingenieur in Wien.
Camerloher W. v., k. und k. Consul in Suez.
Czelechovsky Rudolf, k. k. Oberlieutenant.
Descovich, Dr. Josef, practischer Arzt in Wien.
Frieden fels Eugen, Freiherr v.. k. k. Hofrath in Wien.
Graffenried-Burgenstein Em., Freiherr von, Gapitain, Villa Schön-
büchl in der Schweiz.
Hempfling Jos. v., k. und k. Consul in Philippopel.
Hilgermann Jos. August, Lehrer in Wien.
Jireöek Jos., k. k. Ministerialrath in Wien.
Kallay Benjamin v., k. und k. Generalconsul in Belgrad.
Kanitz Isidor, Bureauchef der österreichisch -niederländischen Bank in Wiea
Krainski Alois, Ritter von Jelita, k. k. Hauptmann in Wien.
Langer, Dr. A., in Wien.
Lieben Leopold, Grosshändler in Wien.
Mandeles Frid., Secret&r der Versicherungsgesellschaft »Donau in Wieo.
Minz R. A., Banquier in Wien.
Mojsisowics, Dr. £dmund von, Reichsgeolog in Wien.
Möring Alfred, k. k. Oberlieutenant in Wien.
Nenmayer, Dr. Melchior, Reichsgeolog in Wien.
Orges, Dr. Hermann von, k. k. Regierungsrath in Wien.
Perkmann, Dr. Rochus, Professor an der Wiener Handelsacademie.
I
681
Pfeiffer Rudolf, Bergingenieur in Wien.
Pogatgchnigg Hugo, k. k. Schiffsfähnrich in Pola.
Pressel W., Director der oamanischen Bahnen in Wien.
Rathner Kranz, k. k. Postoffizial in Wien.
Sachau, Dr. £dnard, k. k. Professor iu Wien.
Siebek, Dr. Rudolph. Gartendirector der Stadt Wien.
Tonla Franz, Assistent am k. k. polytechnischen Institut in Wien.
Vivenot Fr. v, Reichsgeologe in Wien.
Weikard Franz, k k. Oberstlieutenant in Wien.
Wnrmhrandt, Graf Gundakar, Schloss Ankenstein (Steiermark).
Im Gesellschafts -Jahre 1869/70 gestorben:
Ankershofe n Theophil, Freiherr von.
An er Alois, Ritter von, k. k. Hofrath.
Bayer Anton, k. k. Major und Director der Milit&r-Schwimmschule in Wien.
Gatti Bertram, k. k. Major.
Hahn, Ritter v., k. und k. General-Consul auf Syra.
Hess Heinrich, Freiherr v., k. k. wirklicher geheimer Rath und Feldmarschall.
Homoky Emerich, Abt zu Lecker.
Mayer Josef, Freiherr von Gravenegg, k. k. wirk!, geh. Rath.
Pfeffer mann, Dr. Peter, Zahnarzt.
£ e V o 1 1 e 1 1 a Pasquale, Freiherr von.
Robert Justiu, Fabrikshesitzer.
Sicherer Maurus, Benedictiu er- Ordenspriester und Dcchant
Streffleur Valentin, Ritter v., k. und k. Geoeral-Kriegscommissär.
Schloeubach, Dr. Urban, Professor in Prag.
Im Gesellschafts- Jahre 1869/70 ausgetreten:
Bil huber, Dr. Hermann.
Fl oder Anton, A^junct der lithographischen Anstalt des Katasters.
F rä n k 1 , Dr. Josef Adam Paul.
Gottschar J., Abt und Eonsistorial-Rath.
Lanckoronski-Brezie Casimir, Graf v., k k. Kämmerer.
Ledochowsky Anton, Graf von, k. k. K&mmerer.
Nemethy Jos^^f von, k. k. Oberst und Director des Kriegsarchivs.
Radonetz Eduard, k. k Fregatten-Capit&n.
Schaub, Dr. Franz, Director der hydrographischen Anstalt in Triest.
Walderdorff Adolph Widerich, Graf von.
Geographische Literatur.
JahrbQcher der k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmag-
netismus von Karl Jeliuek und Karl Fritsch. Neue Folge. Y.
Band. Jahrgang 1868. Wien 1870.
Im Vorworte wird von den Herausgeber hervorgehoben, dass der Plan
des vorliegenden Bandes von dem früheren abweicht, und zwar wesenüich da-
rin, dass der 4. Abschnitt der früheren Bände« Abweichungen der Tagesmittel
des Luftdruckes und der Temperatur von den Normalwerten u. s. f.«« wegfiel
und an dessen Stelle der 1. Abschoitt «Telegraphische Witterungsberichte der
k. k. Centralanstalt» gesetzt wurde. ^
Die Erfahrung hat nämlich gelehrt, dass die Abweichungen der Tages-
miitel von andern Meteorologen nicht benutzt wurden, während die telegra-
pbischen Witterungsberichte, in denen gleichfalls Abweichungen des Luftdruckes
und der Temperatur (jedoch üQr die Stunde 7 morgens) enthalten sind sich
durchwegs einer beifälligen Aufnahme zu erfreuen hatten und die Direction der
Centralanstalt vielfach um Mittheilung derselben angegangen wurde.
Außer den magnetischen Beobachtungen« welche an der Centralanstalt aus-
geführt wurden, sind in einem besonderen Abschnitt auch jene mitgetheill, die der
k. k. Schifblieutenant Schellander an den Küsten des adriatischen Meeres
ausführte.
682
In einem Anhang wurden die meteorologiBche Beobachtongen der Cen-
tralanstalt von 1857—1865 veröffentlicht wodurch die Lttcke die früher zwischen
den alten und neuen Beobachtongen bestand, ausgef&llt ist, da die Beobach-
tungen der Jahre 1852—1856 (eigentlich September 1852 bis Oecember 1865)
im 4.-8. Bande der älteren Reihe der Jahrbücher, jene vom März 1856 aoge^
fangen aber im »Anzeiger der kaiserl. Academie der Wissenschaften- verMFent-
licht sind. Doch beschränkte man sich dabei auf die Mittheilnng der Daten
hb- drei Tagsstnnden (f8l>, 101^, 2^), obgleich die directen Beobachtungen eine
größere Zahl von Stunden omftissen und mittels der Antographen der 2i8tfin-
dige Gang der wichtigsten meteorologischen Elemente abgeleitet wird.
Bei der Bearbeitung der Jalu'bQcher waren außer den beiden Heraus-
gebern, von denen Karl Fritsch insbesondere die Uebersicht der phänolo-
gischen Beobachtungen im Jahre 1868 besorgte, Adjunct Herr Dr. Julius Ha nn
(von ihm sind die magnetischen Bestimmungen mit der darauf bezüglichen Be-
rechnung ausgeführt), der Herr Assistent Fridrich' Gum pol dsb erger, der
sowie nach dessen Abgang von der Gentralanstalt Herr Assistent HansWittek
die Bearbeitung der von den Stationen eingesendeten ßeobachtungstabelle be-
sorgte, betheiligt.
Ueber den wissenschaftlichen Wert der vorliegenden Arbeit dedarf es
keiner weiteren Auseinandersetzung. B.
An den Nordpol. Sehilderong der arctischen Gegenden und
der Nordpolfahrten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart Ton
Hermann Klein. Mit Hlustrationen. Kreuznach bei R. Voigtländer
1870.
In dem Augenblick, wo die zweite deutsche Nordpolexpedition von ihrer
an wichtigen Erfiüiningeu reichen Fahrt zurückkehrt, dürfte es angesagt seia,
die Aufinerksamkeit der Leserwelt auf ein mit Sachkenntnis und Form-
gewandtheit geschriebenes Büchlein zu lenken, das über den Zweck und die
Bedeutung der Nordpolfahrten aufklJUt, die Geschichte derselben in gedräng-
ten Zügen vorführt und den Wert iener Bestrebungen, bei denen bis jetzt
mehr Helden der Wissenschaft begraben wurden, als mit heiler Haut davon
kamen, in lebhafter Schilderung vor Augen stellt. Der Verfasser ist seiner Auf-
gabe in jeder Beziehung gerecht geworden und das Buch verdient die weiteste
Verbreitung. In welcher Beziehung sein Schlusswort zur Wahrheit gewordei
sei — und die kurzen Berichte unserer glücklich zurückgekehrten Nordpd-
fahrer sprechen dafür, dass es zur Wahrheit geworden sei — wird uns die näch-
ste Zukunft lehren. Das Öchlusswort heißt: »Die deutsche Expedition, welcJie
unter Capitän Koldewey's Leitung im Jahre 1868 auslief, hat sich mit Mol
und Hingebung an der Lüsnng dieser Aufgabe versucht und gegenwärtig wei-
len unsere Landsleute bereit abermals in ienen hohen Breiten und zeigen mnt-
voli der Welt, dass der alte Bann gebrochen, dass Deutschland auch zur See
wieder thatkräftig in die Reihe der großen l^ationen eingetreten ist. Hoffen
wir dass es ihnen gelingt, wenn auch nicht der Nordpol zu Übersegeln, so doch
ihren Namen glorreich an irgend eine wichtige Entdeckung zu uiüpfen und
glücklich zurückzukehren aus jenen Regionen des Todes und der Nacht,
schon so manchem kühnen Forscher verderblich geworden sind.» B
Notizen.
MetooiologlMhe Beoteehtuigsstotioii In Oesterreieli-ÜBgftrB tan
J. 1S68. Der vor kurzem erschienene S. Hand (neue Folge) der Jahrbücher der
k. k. Gentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus enthält das Verzeich-
nis der im Jahre 1868 bestandenen Stationen, die sich seither (Juni 1870) bis
auf 153 vermehrt haben. Es waren ihrer in Niederösterreich; Kaikahorg,
Krems, Melk, Neunkirchen, Reichenau, Wien, Wiener- Neustadt ; — in Ober-
üst er reich: 8t. Florian, St. Georgen, Iscbl, (Seehühe 456.30 Mätres), Kirdidoii^
Kremsmflnster, Una, Freinberg, Steyr; -- in Salzburg: Gastein. Salzburg,
(Seehohe 423.80 Mätres), Tamsweg (Seehöhe 1013.70 Mätres); — in Steiei^
583
mark: AdmoDt, Ah-Aussee, Markt- AuBsee, Cilli (8tadt), Cilli (Leisberg), Graz,
8t Lambrecht, Lankovitc, Pettau, KotteDmann, Yorau;— inKärnten: fierg,
Feüach, Gottestbal, iiausdorf, Battenberg, Jaukenberg, Klagenfurt, St. Leonbard,
Loibllba], Lölling, Luggau, Luschariberg, Malteiu, Micbeldorf, Obir I, Obir III
(Hoch-Obir), St. Paul, Perau, St. Peter, Pontafel, KaibI, Sacbsenburg, Saifiiitz,
Tiffen, Tröpo]ach, Yillach, Wttrmlach; — in Krain: Laibach, Rudolfewerth ;
— im KQstenlande: Pola, Triest; — in Tirol und Vorarlberg:Bludenz,
Dornbirn, Innsbruck, (Seehöhe 574.10 M^tres) Lienz, Marienberg, St. Martin,
Heran, Prftgraten, Roveredo; Sterzing, Suldeu, Vent, Wüten; — in Böhmen:
Bodenbach, Caslau, Deatschbrot (Seehöhe 406.86 M^tres), Eger, Krumau, Leipa,
Lobositz, Marienbad, Kepomuk, Oberleitensdorf, Pilsen, Prag, Beichenau, Rei-
chenberg, Senftenberg, Weißwasser; — in Mähreu: Bistritz am Hostein, Brunn,
Datschitz, Hochwald. PHyoz, Bottalowitz, Schönberg; — - in Schlesien: Barz-
dorf (Seehöhe 255.6S M^tres), Teschen, Troppau; — in Galizien: Biala, Dro-
hobycz, Krakan, Lemberg '(Seehöhe 297,86 M^ties), Makow, Rzeszow, Tarno-
pol, Zloczow; — in der Bukowina: Czernowitz; — inDalmatien: Castel-
nuovo (Fort Punta d'Ostro), Curzola, Lesina, Kagusa, Zara; — in Ungarn:
Ungarisch -Altenburg, Alt-Arad, Arvav&r&ya (Seehöhe 181.10 M^tres), Debreziu,
Gross-Kikinda, Comom, Le?a, Losoncz, Neusohl, Neutra, Kyiregyh&za, Über-
schätzen, Oedenburg, Ofen, Oravicza, Pressburg, Rechnit^:, Nagy-Köcze, Rosen-
an Gömör (Seeböhe 298.06 M^trcs), Schemnitz, Steinamanger, Szegedin, Wer-
tchetz, Grofi'Zinkendorf, Zombor (Seehöhe 69.14 M^tres); — in Croatien
ond Slavonien: Agram (Seehöhe iSK.b M^trosi, £ssegg, Fiume; — inSie-
benbOrgen: Bistritz, Gsik-Somljo, Hermannstadt, Klauseuburg, (Seehöhe 383.10
untres), Kronstadt, Sasz-Regen, Sch&ßburg; — in der Milit&rgränze:
Gospiö, Pancsova (Seehöhe 64.60 Mdtres), Ruszkberg. Kerner im Ausland — Corfu,
Dnrazzo, Valonk,
(Der ehemalige Keuaiedlersee.) Ueber den gegenwärtigen Zustand des
ans den Karlen noch immer nicht gestrichenen Neusiedlersees erhalten wir
Dachstehende Mittheilung:
-Die Mulde des vormaligen See's zeigt hie und da fiinsenkungen kleineren
Umfangs. Nur diese bilden nach starkem Regenfall noch Wasserspiegel, welche
bei anhaltend tiockenem Wetter durch Verdunstung und Versickerung auf eben
so Tiele Sumpfstellen reduciert werden. Abgesehen von diesen Vertiefungen ist
die ganze übrige Sohle jederzeit wasserfrei.
Jene Sumpfstellen und stellenweise zu Tage tretende Schotter- und
Sandbänke ausgenommen, eignet sich das übrige Terrain des trocken Heftenden
Seebodens für Zwecke des Feldbaues und der Forstcultur. Gegenwärtig ist erst
der kleinere Theil unter den Pflug genommen, während der größere als Weide
dient. Sumpf- und Schotter machen natürlich, wo sie vorkommen, das Land
nnproductiv. Im Ganzen ist das Ackerland von dem Rand der Mulde aus im
Fortschreiten begriffen.
Die Vertheilung des trocken liegenden Seebodens ist bereits vollzogen.
Die angrenzenden Gemeinden und Großgrundbesitzer haben dabei ihr Eigen-
thumsrecht geltend gemacht.
Unterschiede im Klima der Umgebung seit der Austrocknung könnten nur
dann nachgewiesen werden, wenn Aufzeichnungen über die durchnittliche
Witterung der Vergangenheit vorhanden wären und seit der Austrocknung so
viel Zeit verflossen wäre, um eine Reihe von Jahren hindurch verlässUche
Witterungsbeobachtungen machen zu können. Oberflächliche Schätzung der
Jahreswitterung vor und nach der Abtrocknung dtlrfbe für sich allein zu keinem
haltbaren Schlüsse führen. M.
Baken Expeditioii* Sie haben bereits unlängst durch Mittheilung des
Herrn Marno (leider in jenem Schreiben, das uns nicht zukam. A. d. Red.)
erfahren, dass Sir Samuel Baker vor der Mündung des Bahr el Sarai mit
seiner ganzen Flotte angelegt hat und bis dato an jener Stelle verweilt,
angeblich weil der Flnss ausgetrocknet und für die Schiffe nicht passier-
bar war. Sonderbari Der Unbefangene muss sogleich das Unwahre dieser An-
gabe erkennen, weil der Fluss oberhalb des Sobat gar nie unschiffbar wird
und die Kauffahrer, welche vor und nach Baker abgiengen, ohne Binder-
niase ihre Fahrten fortsetzten. Schon die Position, welche Baker einnimmt,
584
zeigt deutlich, dasB sein (ohne Zweifel freiwilliger) Aufenthalt auf aoden
OrOiideD beruht. Baker muss Yorl&ufig den ersten Theil seiner großen Aufgabe,
die Aufhebung des Sdavenhandels — aum Abschluss bringeo. Dies konnte
nicht geschehen, h&tte Baker seine Fahrt direct nach Gondökoro fortgesetxt.
Kur unter dem Ausflusse des Bahr cl Saraf (Giraffeofluss), wo alle Wtsier-
straßeo vereinigt sind (weil am Sobat keine Schiffahrt betrieben wird), ist eine
General-Revision aller Fahrzeuge möglich die mit Menschenware beladen
heimkehren; dort müssen sie alle zusammenlaufen, dort müssen sie alle
in die Falle gehen. Dass Baker seine Sache von der rechten Seite ao£ust,
beweisen bereits die vorliegenden Facteu, welche auch die vorstehende An-
sicht bestätigen. Von sechs heimgekehrten Schiffen wurden vier gekapert
und nach Freigebung der an Bord vorgefundenen Sclaven mit Maus und Mann
unter Sequester nach Chartum escortiert, wo sie bereits in den Händen
der Regierung sind. Hiebei sind besonders die beiden Großmeister im Elfen-
bein- und Sclavengeschäfte Akad und KutschukAli betroffen — 190Sclaveo
auf einem Schiffe, 150 auf dem andern; die beiden Übrigen führten nur kleine
Ladungen von Menschen wäre. Baker wird seine dermalige Stellung kaum tot
Rückkehr aller Kauffahrer aufgeben, von denen er voraussichtlich die meisten
wird auiheben müssen, um gegen diesen Schaudhandel einen erfolgreichen
Schlag zu fiühren.
Die Sclavenwirtschaft auf dem weißen Flusse hat seit 20 Jahren nor
eismal ein kleines Intermezzo erfahren, als der Generalgouverneur Mosa
Pascha anno 1864 in Faschoda eine Mudirie errichtete und in jener Gegoul
die ohne Argwohn heimkehrenden Schiffer allesammt mit Beschlag belegte.
10.000 Sclavru in runder Zahl wurden damals im Hafen von Chartum ausgesduffi.
Dieser energische Mann starb jedoch im selben Jahre, und seine wolgemeinte
Action hatte keine andere Nachwirkung, als dass die Hauptbescbuldigten Aber
Jahr und Tag im Arreste saßen, die Schiffe, das Elfenbein und die Waren
aber nachträglich den Eigenthümern zurück gegeben wurden. In den letzten
sechs Jahren hat der Scluvenhandel sogar eine Art Legitimation erhalten, indem
die Regierung in Faschoda die Negertransporte nicht nur geschehen ließ,
sondern in so fern selbst Theil daran nahm, als sie eine ordentliche Contribution
darauf legte, und für jeden Sclaven 1() Tbaler bar und extra pr. Schiff
15 Köpfe in natura abverlangte. Dafür erhielt der Schiffscommaudant den
officiellen Passierschein zur Rechtfertigung seiner Unschuld; nur wurden die
Sclaven vor Chartum an's Land gesetzt, um nicht im Hafen vor den Augen
der Welt ausgeladen zu werden. Die Türken sowol als die Kaufherrn werden
daher ihren Groll gegen Bakers Maßregeln, wodurch ihnen ein so einträglicher
Erwerb entzogen wird, schwer unterdrücken können. Um so mehr Festigkeit
und Ausdauer wird Baker entwickeln müssen, soll der Zweck in dieser
Richtung erreicht werden.
Der Secrctär Bakers, ein Engländer, ist krank nach Chartum zurück-
Sekehrt, und begibt sich, ziemlich hergestellt, dieser Tage nach Europa. Von
en Soldaten der Expedition sollen bereits 54 Mann gestorben sein.
Die egyptische Regierung entwickelt allseitig viel Sorgfalt um die armen
Neger — sie hat heuer auch eine Art Mudirie für die obern Ländergebiete
des Bahr el Gasal errichtet und als Oberlteamten für jenen Bezirk einen
hochangesehenen eingebornen Takruri, welcher im vorigen Jahre hierher kam
und sich der Regierung zu Diensten stellte, zum »Mamur von Uofra el Nahäs-
ernannt; er wurde besäbelt und beritten und Befehlshaber von 600 Mann
irregulärer Truppen. Als Militär- Attache wurde ihm ein Sandschak, Anführer
von 200 regulären Amanten, beigegeben und für diese hohe Stelle der oben
genannte türkische Sclavenhändler Kutschuk Ali auserwählt. Diese beiden
Völkerbeglücker haben ihre Sendung schon vor Bakers Expedition aogetreteo,
um auch den westlichen Stämmen die \^ohlthaten der heilbringenden türkischen
Civilisation auszuspenden und das Licht des Halbmondes über den schwarsen
Finsterlingen leuchten zu lassen. Durch die ofiicielle Occupation und miltt&riscbe
Besetzung der obern Nebenländer des Gazellenflusses scheint es nebenher bei
günstigem Winde auch auf einen Coup gegen Darfur abgesehen zu sein. H.
Reise durch Rumelien im Sommer 1869.
Von Prof. Dr. F. v. H ochste tter.
4. YoD Bnrgas am schwarzen Meere dem Balkan entlang nach
Philippopel.
Am 15. Aagast gegen Mittag verließ ich Bnrgas and setzte, da
meine bisherige Reisegesellschaft nach Enos abgefahren war, die Reise
aUein fort. Das Reiten in brennender Sonne hatte ich gründlich satt
bekommen; ich hatte mir daher in Burgas einen Wagen gemietet, den
ich so bequem als möglich einrichtete. Die landesflblichen Pritschka's
sind der ganzen Länge nach gedeckt, vom mit einem Sitz für den
Kutscher und zu beiden Seiten mit einer Oeffnung zum Einsteigen
versehen. Das Innere des Wagens hat dagegen keinen Sitz. Einen
solchen, macht man sich aus irgend einem Gepäcksstücke, wenn
man es nicht vorzieht, nach Art der Türken sich das Bettzeug, das
man in der Türkei, wenn man ordentlich schlafen will, selbst mit-
führen muss, divanartig zusammenzurichten, so dass man halb liegt,
halb sitzt. Wir hatten uns in Adrianopel aus ä Stücken zusammensetz-
bare Matrazen machen lassen, die während der weiteren Reise die
vortrefflichsten Dienste bald als Bett, bald als Wagensitz leisteten.
Das Innere des Wagens ist in der Regel mit rothem Tuche ausge-
schlagen, und durch kleine ovale Spiegelchen verziert. Die 3 Pferde
werden neben einander gespannt und tragen Glocke *). Mein Kutscher
war ein junger freundlicher Tatare, Namens Ali, in der gewöhn-
lichen Kutschertracht, nfimlich weite schwarze Pumphosen, rothe Leib-
binde, bunte Jacke und Fez mit Turban. Ich war außerdem be-
gleitet von meinetn Diener Mohl, der mein Reitpferd ritt, und einem
berittenen Kawassen Namens Ahmed ^), letzterer ein Albanese von Ge-
burt und ein wahrer Rauberhauptmann von Gestalt, mit riesig langem
Schnurrbart, mit einer tiefen Narbe über der Stirn und mit nur einem
Ohr: des anderen war er bei einer hitzigen Räuberaffaire verlustig
geworden. Er trug ein blaues reichgesticktes Nationalcostüm und starrte
in Waffen; den langen krummen Säbel hatte er über die Schulter ge-
hängt und das Gewehr stets schussbereit in der Hand. Trotz seines
martialischen Aussehens war er aber der gutmüthigste Mensch von der
Welt, der mich nicht aus dem Auge ließ, mir nicht von der Seite wich,
wenn ich geologische Abstecher von der Straße machte, und in vollem
*) Fflr einen solchen Wagen bezahlt man in der Türkei 50 bis 80 Piaster
per Tag, i5 bis 8 fl. Oe. W.), wofür aber der Kutscher für sich und seine
Pferde selbst zu sorgen hat.
*) Ein berittener Kawass bekommt 150 Piaster per Monat, muss aber
dann sammt seinem Pferde freigehalten werden.
Kitiheilnngen d. geogr. G«seU. 1870. 13. 38
586-
Galopp fiber die Felder sprengte, wenn ich ihm Auftrag gab, mir toq
einem nahen Felsvorsprange eine Steinprobe zu holen.
Mein nächstes Reiseziel war Aidos. Die breite chaussierte Straße,
auf der ich Burgas verließ, gieng schon wenige Minuten vor der Stadt
wieder in einen Naturweg über. Indessen ist, wie ich mich auf der
weiteren Reise überzeugte, eine Straße von Burgas über Aidos und
Kamabat nach Sliwno wirklich im Bau, und zwar schon seit 4 Jahren.
Die Brflcken waren meist fertig und die Straßengräben auf weite Strecken
ausgehoben. Diese neue Straße folgt einer fast schnurgeraden Richtung,
unbekümmert um Terrainverhältnisse oder um die in der Nähe liegeo-
den Ortschaften, was überhaupt eine £igenthümlichkeit aller ttürldschen
Straßenanlagen zu sein scheint. Dass diese Straßen so lange Zeit brauchen
bis zu ihrer Vollendung und oftmals gar nicht fertig werden, erklärt sich
daraus, dass sie größtentheils mit erzwungener Arbeit gebaut werdeiL
Jeder Bauer ist nämlich verpflichtet, 4 Tage im Jahre an der Straße
zu arbeiten oder 10 Piaster per Tag (im Ganzen also 40 Piaster oder
4 fl. Oe. W.) zur Bezahlung eines Ersatzmannes zu zahlen. Dabei soll
es aber öfters vorkonmien, dass ganze Dörfer, nachdem sie sich mit
20 bis 60.000 Piaster losgekauft haben, und diese Summen in den Taschen
der Machthaber verschwunden sind, von neuem zur Arbeit gezwungen
werden. ,
Der Weg nach Aidos führt über einen flachen niederen Röcken,
welcher die Lagune von Burgas von der Lagune von Athanaskiöi trennt
Nach anderthalb Meilen kommt man an den Fuß eines vielkuppigen
HOgellandes, das ganz aus vulkanischen Gesteinen (Trachyt und Dolerit)
besteht. Hier liegt das Bad Lidscha mit einer warmen Quelle von 32^ B.
Das Wasser ist vollkommen klar, geschmack- und geruchlos und wird
nicht bloß zum Baden, sondern, nachdem man es hat kalt werden
lassen, auch als Trinkwasset benützt. Das Badehaus, welches zwei Bade-
bassins, ein Frauen- und ein Männerbad, enthält, hat keine Räuraüch-
keiten zur Unterkunft von Badegästen. Diese mOssen daher in einem
Tschiftlik in der Nähe des Bades logieren, oder unter miserablen Ba-
raken beim Bade campieren.
Zwischen Lidscha und Aidos wird das Terrain mehr coupiert, die
Wasserscheide, die man hier überschreitet, erreicht aber nur eine Meeres-
höhe von 177 Meter. Die zahlreichen felsigen Kuppen, zwischen welcheo
sich der Weg durchwindet, bestehen aus doleritischem Gestein. Die
höhere vulkanische Kette, die man nördlich zur Seite hat, bildet die
Verberge der östlichsten Ausläufer des Balkans.
Das Städtchen Aidos, welches ich gegen Abend erreichte, hat eine
recht hübsche Lage in der Ebene am südlichen Fuß jener Bergkette,
587
gerade vor dem Ausgange eines Querthaies. Ein Balkanfibergang fthrt
von hier über Boghazdere und Lopu§na nach Schumla. Eine bessere
ÜEthrbare Balkanstraße geht aber weiter westlich von Eamabat fiber
Beikiöi undEomarowa, eine 300 Meter hohe Wasserscheide übersteigend, in
das Thal des Deli Kamtschyk. Von diesem Thale gelangt man über eine
zweite 402 Meter hohe Wasserscheide nach Bairamdere in das Thal
des Kutschfik Kamtschyk und von da über Smedowa und Eöprikiöi
nach Schumla ^).
Aidos zählt 4tf)0 Häuser (150 bulgarisch und griechisch, 300 tür-
kisch), es hat 4 Moscheen und eine christliche Eirche. Ich fand bei
einem Griechen Namens Janaki ein sehr anständiges und reinliches
Quartier. Seine Söhne, die im Lyceum zu Ccmstantinopel studieren und
eben auf Ferien waren, leisteten mir abends freundliche Gesellschaft.
Der eine sprach gut französisch, der andere englisch.
Am andern Morgen (16. August) machte ich noch einen kleinen
Ausflug in Begleitung meines freundlichen Hauswirtes auf den östlich
von der Stadt gelegenen Sersem Bair, an dessen Fuß Werksteine ans
geschichtetem vulkanischem Tuff gebrochen werden, und von dessen
Gipfel man eine hübsche Aussicht fiber die Stadt und Umgegend hat
Von Aidos setzte ich die Reise fiber Eamabat, dem sfidlichen
Fuße des Balkans entlang fort. Earnabat (oder Earinabad) ist ein kleines
Städtchen mit 4 — 5000 Einwohnern, das mich an die Dorfstädte in
den ungarischen Ebenen erinnerte. In colossalen Schobern lag das Ge-
treide rings um die Stadt aufgestappelt und die ganze Bevölkerung
schien mit dem Ausbringen desselben beschäftigt. Die Gegend zwischen
dem Balkan nördlich und der vulkanischen Eette von Jamboli ist flach,
schlecht bebaut und auf weite Strecken sumpfig. Die Wasserscheide
zwischen dem schwarzen und ägäischen Meere, die ich zwischen Aidos
Diid Earnabat passirte, ergab eine Meereshöhe von 302 Metern. In dem
Han an der Straße bei dem Dorfe Sigmeni nahm ich Nachtquartier.
17. August. Von Sigmeni hält sich der Weg fort in der Ebene
am sfidlichen Fuße des Balkans. Das Gebirge erscheint größtentfaeils
kahl. Die interessanten Felsformationen an seinem Abhänge veranlassten
mich zu kleinen Seitentouren ^), so dass ich die Stadt SUwno erst nach-
*) Die Bussen im Jahre 1829 kamen fiber den Nadir-Derbend Pass von
Vama her. Aidos und Earnabat haben bei diesem Feld^sug viel gelitten.
*) In Bezug auf die geologischen Verhältnisse der Balkankette verweile
ich auf den betreffenden Abschnitt in dem Au&atze: ^^üeber die geologischen
Verhältnisse des östlichen Theiles der europäischen Türkei (nebst geologischer
Karte)/' welchen ich im Jahrbuche der k. k. geologischen Beichiianstalt
(III. Heft 1870) veröffentlicht habe.
38*
588
mittags erreichte. Karz vor Sliwno hat man zur Rechten den gro6-
artigen Anblick des Tscbatalkaje, eines gewaltigen Gebirgsstocks von Quarz-
porphyr, der sieb unmittelbar ans der Ebene circa 1100 Meter hoch
erhebt, nnd in nackten wildzerrissenen nnd zerkltlfteten Felspyramideo
ond Felszacken gipfelt — einer der eigenthfimlichsten und großartigsten
Berge der Baikankette.
Eine Stande vor Sliwno begann wieder ein fahrbares Stück der
neuen Straße. Die Stadt selbst sieht man nicht frfiher als bis mio
mitten durch einen ausgedehnten Begr&bnisplatz hindurch, der an ihrer
Süd-Ostseite liegt, von der Hochüflche am Fuß des Gebirges in den
tiefer gelegenen von Bergen ringsumschlossenen Kessel hinabkommt, in
welchem sie am Ausgang mehrerer Balkanschluchten ganz versteekt
liegt. Der Hadschidandschan Han war mein Absteigquartier.
Sliwno (türk. Jslimid oder Jsliwn^) mit ungefähr 24.000 Einwohnen,
(4000 Familien ), ist Hauptstadt eines Liwa mit 7 Kazas ^) nnd Sitz eines
Paschas. Die Bevölkerung besteht aus Bulgaren, Türken, Armenien
und Juden. Zu meiner großen Freude traf ich hier auch einen deutschen
Arzt Dr. Gerhard, der mir aufs freundlichste entgegenkam, und in
dessen Familie ich angenehme Stunden zubrachte, an die ich mich gerne
erinnere. Die von Bäumen grün durchwachsene Stadt hat eine sehr
bedeutende Ausdehnung und Spaziergänge durch die schlecht gepflasterten,
fast zu reichlich von Wasser überrieselten Straßen, auf halsbrecherischen
Trottoirs, gehören .durchaus nicht zu den Annehmlichkeiten. Große, ziem-
lich elegante Raffehftuser und ein Casino, in welchem böhmische Harfe-
nistinen Abendkoncerte veranstalten, sind die Sammelpunkte der besseren
Qassen. Die Stadt hat gegen 30 Moscheen, 3 griechische, 1 armenische
Kirche und 1 Synagoge, ferner türkische, armenische, jüdische und
bulgarische Knabenschulen, neben 2 Mädchenschulen. Berühmt sind
die Büchsenmacher von Sliwno, deren Fabrikate bis nach Arabien
gehen sollen. Die Großindustrie ist vertreten durch eine kaiserliche
Tuchfabrik. Das sehr ansehnliche Fabriksgebäude liegt weithin sichtbar
auf einer Anhöhe am nördlichen Ende der Stadt, unmittelbar vor den
Ausgange einer Selidsche Dere genannten Gebirgsschlucht. Die Fabrik
liefert hauptsächlich blaue Müitärtficher, 100.000 Stück (zu 12 tfirki-
schen Ellen, und etwa ^/4 Wiener Ellen breit) jährlich, und Habas,
eine Art Loden aus gelbbrauner ungefärbter SchafswoUe, wovon dis
Stück 66 bis 90 Piaster (67, = 9 fl. Oe. W.) kostet. An allen Beif-
abhfingen um Sliwno sieht man Schafswolle zum Bleichen aasgelegt
Auch langharige Wolldecken sollen hier besonders gut erzeugt werden.
*) Diese 7 Kazu sind Sliwno, Jamboli, Jeni Saghra, Akhiolu, Aidos,
Kussocastro, Kamabat.
i
589 '
Tabak and Baumwolle gedeihen bei Sliwno nicht, dagegen produ-
ciert die Stadt 5 — 6000 Okka Seide jährlich, und hat viel Weinbau.
Der Gemeindevorstand der bulgarischen Gemeinde, der nebenbei be-
merkt frflher Falschmünzer gewesen sein soll und in Ketten nach
Sliwno k^, brachte mir als Probe einen vortrefflichen süßen Wein,
von dem die Okka 4 Piaster kostet ^) und trug sich mit dem Gedanken
eine Champagnerfabrik zu errichten.
Die Berge, die Sliwno umschließen, bestehen mit Ausnahme des
porphyrischen Tschatalkaje oder Tschatal Bair aus dflnngeschichtetem
lichtem Kalkmergel, der wahrscheinlich der untern Kreideformation ali-
gehört. Den besten Ueberblick fiber die große an beiden Ufern des Koru-
dschu Dere, über welchen eine hölzerne Brücke führt, sich ausdehnende
Stadt hat man von der im Süden gelegenen Baramuk Bair genannten
Anhöhe. Nach der Lage am Fuß des Gebirges sollte man die Stadt
für sehi' gesund halten; ich wundeite mich daher, von Dr. Gerhard
zu hören, dass hier sehr perniciöse Wechselfieber herrschen.
Am 18. August machte ich dem Gouverneur Dschevid Pascha einen
Besuch; derselbe emptieng mich aufs zuvorkommendste und gab mir
zur weitereu Keise zwei berittene Saptie's mit.
Ich hatte, um von Sliwno nach Kisanlik zu kommen, die Wahl
zwischen zwei Routen, dem direkten Weg das Tundschathal aufwärts,
oder dem Umweg über Jeni- und Eski-Saara. Ich zog die letztere Route
vor, weil ich bei dem Uebergange über den Karadscha Dagh zwischen
Eski-Saara und Kisanlik einen wichtigen geologischen Durchschnitt zu
erhalten hoffte.
Gegen 1 Uhr brach ich auf. Nachdem wir das breite Schotterbett
des Korudscha Dere passirt hatten, kamen wir auf die weiten Allu-
vialflächen der Tundscha. Das Flussbett ist Vj^ Stunden von Sliwno ent-
fernt. Wir mussten durchs Wasser fahren, da die Brücke eben erst im
Bau war. Jenseits der Tundscha bemerkt man in der Ebene eine Reihe
kleiner Prophyrkuppen, an einer derselben, zur Rechten bei Tschamorlu,
entspringt eine warme Quelle. Bei dem Dorfe Dschinali erhebt sich das
Terrain allmählich zu einem Aachen niederen Rücken, welcher das mittlere
Tuudscha-Becken, oder das Becken von Jamboli und Sliwno, von dem Becken
von Jeni-Saara trennt. Dieser flache Rücken steigt in westlicher Richtung
höher an und geht in einen vielkuppigen, ost-westlich streichenden Ge-
birgszug über, der den Namen Karadscha Dagh ') führt und ein
*) Von geringeren Sorten Weih kommt die Maß auf ungefähr 4 kr. Oe. W.
0 Der östlichste Theil des Gebirges heißt auch Bair Dagh, der mittlere
TbeU Kara Bair.
590
höchst ausgezeichnetes sftdliches Yorgehirge des Balkans bildet. Die
höchsten Rücken nnd Kuppen erreichen eine Meereshöhe von 800 \m
gegen 1000 Meter. In der Nähe des Dorfes Atlola (der Scheda'schen
Karte) erreicht man die weite baumlose Ebene am südlichen Faß des
Karadscha Dagh, in welcher das Städtchen Jeni-Saara liegt. Die Ebene
erstreckt sich von hier ohne Unterbrechung in südlicher und südwest-
licher Richtung bis zur Maritza; denn ich glaube mich nicht getauscht
zu haben, wenn ich die Höhenzüge , welche ich in dieser Richtung in
blauer Feme am Horizont auftauchen sah, für die Rhodope hielt
Auch der Sacharbair bei Srem ist von Jeni-Saara aus g^^n Südost,
wo sich das krystallinische Plateau westlich von der Tnndscha ungefthr
800 Fuß hoch erhebt, deutlich sichtbar.
Jeni-Saara (oder Jeni-Sagra, d. h. Neu-Saara) ist eine kleine
Dorfstadt mit breiten nicht gepflasterten Straßen, die Gegend ringsnm
von dem Charakter der ungarischen Pusten. Schulhofsche Brunnen
müssten hier, da die Stadt empfindlich an Wassermangel leidet, die
besten Dienste leisten.
19. August/ Von Jeni-Saara bis Eski-Saara (6 türk. Stunden) ist
die Gegend fast topfeben und baumlos. Die Wege, die bei nassem
Wetter grundlos sein müssen, — die Straße ist auch hier wieder erst
im Baue — die endlosen Hutweiden, nnd Stoppel- oder Unkrautfelder,
neben den üppigsten Kukuruzpflanzungen, Alles das erinnert an die
ungarischen Ebenen im Banat; derselbe tie&chwarze Humusboden, dieselbe
Art der Oultur hier wie dort; die unerschöpflichen Kornböden dieser
Ebenen zwischen Balkan und Rhodope machen die Gegend zur Korn-
kammer der Türkei, welche das Getreide zur Ausfuhr nach den Hafai
von Burgas und Enos liefert.
Zur Rechten, d. h. gegen Norden in einer halben Stunde Ent-
fernung vom Wege steigen die runden bewaldeten Kuppen und Rücken
des Karadscha-Daghs an, welcher jene Ebenen vom oberen Tundscha-
becken trennt. Das Gebirge ist mit dem Balkan östlich durch ein
niederes Mittelgebirge verbunden, welches zwischen dem oberen und
mittleren Tundschabecken liegt, und von der Tundscha in einem viei-
gewundenen engen Felsthale durchbrochen ist.
Die zahlreichen Ortschaften zwischen Jeni- und Eski-Saara, welche
unmittelbar am südlichen Abhänge des Karadscha-Dagh liegen, macfaen
sich nur durch ein fast ununterbrochenes grünes Band von Obstwäldeni
bemerkbar, welches den Fuß des Gebirges einsäumt. Nur durch die
wechselnden Landschaftsbilder, welche der Karadscha-Dagh bietet^ ge-
winnt die Fahrt von Jeni- nach Eski-Saara einiges Interesse; denn die
591
Straße vermeidet wieder alle Ortschaften und fahrt schnurgerade über
die Ebene.
£ski-Saara (Alt-Saara) liegt in einem äusserst fruchtbaren, an
drei Seiten von Hügeln umschlossenen und nur gegen Südost offenen
Thalbecken unmittelbar am Fuß des Karadscha-Dagh. Die Landschaft
rings um die Stadt ist ein wahrer Garten. Durch Weingärten und einen
Wald der schönsten Nußbäume koinmt man in die Stadt. Eski - Saara
ist bedeutend größer als Jeni-Saara, man rechnet 15 — 20,000 Ein-
wohner. Die Stadt besitzt 13 Moscheen und 4 christliche Kirchen,
darunter eine ganz neue — ein sehr stattlicher aus feinkörnigem Sand-
stein 1867 aufgeführter Bau mit einer Schule daneben, — 6 Knaben- und
4 Mädchenschulen. Auch ist die Stadt sehr gewerbreich; ich bemerkte
namentlich eine große Menge von Kupferschmieden und hörte auch von
einer Seidenfabrik. Von den Weinberghflgeln an der nordwestlichen
Seite übersieht man die ganze Stadt und das weite Flachland bis zur
Maritza. — Im Hadschi-Bondschu Han, wo ich mich einlogierte,
fand ich wol einen sehr gefalligen Handschi, aber ein sehr miserables
Quartier.
Ich konnte mich desshalb zu einem Aufenthalt in Eski-Saara nicht
entschließen, sondern setzte gleich am andern Morgen (20. August)
meine Reise nach Kisanlik fort. Die Entfernung zwischen beiden Städten
beträgt 6 türkische Stunden. Man hat dabei den Karadscha-Dagh zu
fiberschreiten. Der Weg führt, nachdem man die Gemüse-, Obst- und
Weingärten, welche die Stadt umgeben, hinter sicli hat, in die Schlucht
des Bedek-Dere. Die Felsen zu beiden Seiten der engen Thalschlucht,
durch welche man in da^ Gebirge eintritt, bestehen aus dünnge-
platteten Kaiken und Kalkmergeln, deren Bänke von Ost nach West
quer über das Thal streichen und steil gegen Süd einfallen. Der Weg
führt anfangs mitten im Rinnsale des Baches quer über die Schichtenköpfe,
steigt dann aber später an der linken Thalseite langsam aufwärts und
ist stellenweise ganz in Felsen gehauen. Unten am Bach liegt Mühle an
Mühle. Die Gegend würde nicht ohne romantischen Reiz sein, wenn das
Gebirg nur einigermaßen bewaldet wäre. Die Straße, neben der eine
Telegrafenlinie hinläuft, ist so weit in Stand gehalten, dass man zur Noth
mit einem Wagen durchkommt. In der Nähe der Sapti6station Boas
Kalessi bemerkt man auf einem Felsen im Bette des Gebirgsbaches eine
russische Inschrift.
Bei dem Dorfe Derbend, hinter welchem sich eine schön bewaldete
kegelförmige Bergkuppe, der Bätär Bair, erhebt, erreicht man in einer
Meereshöhe von 500 Meter die Wasserscheide. Die Weinkultur geht
bis auf diese Höhe. Nun eröffnet sich eine reizende Aussicht auf das
592
herrliche von Dörfern and Ortschaften flbersäete Thalbeeken von
Kisanlik oder das obere Tundschabecken und auf die gegenüberliegenden
Höhen des Kirisch- und Michlis-Balkans. Der Abstieg Aber den nörd-
lichen Abhang des Karadscha - Dagh ist ziemlich steil, aber kurz. Un-
mittelbar am Fuß des Gebirges liegt der Bekleme Han, und wenige
Schritte davon das Bad Cemadschi.' £s sind drei warme Quellen, die
hier entspringen, eine mit 38" R. eine zweite mit 37® und eine dritte
mit 36®. Ein neues Badhans zur Benfltzung dieser Quellen, die schwadi
schwefblwasserstoffhaltig sind, war eben im Bau.
Von dem Uebei^ang Aber den Earadscha - Dagh hatte ich die
interessantesten geologischen Aufschlüsse erwartet, meine Hoffnangen
wurden jedoch bei dem gänzlichen Mangel an bezeichnenden Ver-
steinerungen in den Kalk - Sandstein- und Quarzitbftnken, die man durch-
schneidet, nur wenig erfüllt.
Nach kurzer Mittagsrast im Bekleme Han eilte ich, Kisanlik zo
erreichen. Eine sechsbogige steinerne Brücke führt über die Tundscha,
die in einem breiten Schotterbette fließt. Die fruchtbaren Alluvial-
ebenen zu beiden Seiten des Flusses sind aufs beste bebaut ; man ^Uirt
zwischen lauter Weingärten, Tabakspflanzungen, Kukuruzfeldem and
Rosengärten. Um 5 Uhr kam ich in der Stadt Kisanlik an. Auf keine
meiner Reisestationen hatt« ich mich mehr gefreut, als auf diese viel-
gepriesene in der herrlichsten Gegend gelegene Balkanstadt. Meine
hochgespannten Erwartungen wurden auch keineswegs getauscht Ich
hatte von Herrn Wedemayer, dem Chef des Hauses Ihmsen & Cp. in
Stambul, eine Empfehlung an einen Deutschen in Kisanlik, Herrn
Julius Kasselmann, bei dem ich die herzlichste und gastlichste Auf-
nahme fand. Ich darf die Tage, welche ich in Gesellschaft dieses biederen
Mannes, welcher hier eine der angesehensten Firmen des Landes ver-
tritt, zubrachte, zu den angenehmsten während meiner ganzen türkischen
Reise rechnen und spreche Herrii Kasselmann für seine Liebenswürdig-
keit meinen verbindlichsten Dank aus.
Kisanlik — ich schreibe, wie ich den Namen aussprechen hörte —
heißt so viel als Kesselstadt, von Kazan = Kessel; daher man viel-
leicht richtiger Kazanlik schreiben sollte. Andere schreiben K^zanlik. Die
Stadt zählt ungefähr 8000 Einwohner ®) (vorherrschend Bulgaren und
Türken), bat 1 Glockenturm, 16 Moscheen, 4 christliche Kirchen, 4 Knaben-
schulen, eine Mädchenschule und ein bulgarisches Frauenkloster. Im
*) ßarth gibt an, dass von den etwa 2500 Häusern der Stadt 160O bol-
garisch und nur 700 türkisch seien, neben etwa 100 Fremden und ebeiffio
vielen Juden.
593
Sommer hftlt sich hier auch die amerikanische Mission von Eski-Saara
auf. Das Innere der Stadt macht keinen guten Eindruck. Da die Wohn-
häuser fast alle rüc^cwfirts in den GSrten liegen, so hat man in den
schlecht gepflasterten Straßen meist nur den Anblick der elenden Lehm-
manem und Scheunen, welche den Vorhof gegen die Straßenseite ab-
schliessen; durch diesen Yorhof gelangt man in den häufig noch durch
eine zweite Mauer abgeschlossenen Garten mit dem Wohnhaus. Erst
neuerdings hat man angefangen, die Wohnhäuser theilweise an die
Straßenfront zu setzen. Der Hauptplatz fühlt den merkwürdigen Namen
Gülboklük d. h. Blumendreck. Die Bulgaren bewohnen mehr den west-
lichen, die Türken den östlichen Theil der Stadt. So wenig die Stadt
in ihrem Inneren bietet, so reizend ist der Anblick derselben von den
nordöstlich dicht an der Stadt gelegenen Ilöhen, von wo man einen
herrlichen durch Minarets und Kuppeln geschmückten Park zu über-
blicken glaubt. Die niederen einstöckigen Gebäude liegen alle versteckt
unter den saftig grünen Kronen der schönsten Nuss- und Kastanien-
bäume. Und ebenso reizend ist der weitere Blick über die schön be-
baute von zahlreichen in Obstwäldern versteckt liegenden Dörfern besetzte
Ebene, mit dem prachtvollsten Gebirgspanorama ringsum. Kisanlik ge-
hört unstreitig zu den schönst gelegenen StJidten der Türkei und da
das Klima hier vollkommen gesund ist, so müsste die Stadt am Fuß
des Balkans, wenn sie mit europäischem Comfort ausgestattet wäre, ein
wahrhaft paradiesischer Aufenthaltsort genannt werden.
Indessen wird es im Becken von Kisanlik im Hochsommer noch
sehr warm, und viele Stadtbewohner ziehen auf Sommerfrische in die
am Fuß des Balkans gelegenen Dörfer, oder in die in den Balkan-
schluchten versteckten Monastir's (Klöster).
Obstgärten, Weingärten, Tabak-, Kukuruz- und Kornfelder um-
geben die Stadt. Aber, wenn man von Kisanlik spricht, darf man die
Hauptsache nicht vergessen, und das ist die Rosenkultur zur Erzeugung
von Rosenöl. Der schöne Monat Mai ist die Jahreszeit, wo hier die
Rosen in Blüthe kommen, und balsamische Düfte die Luft erfüllen.
Ich habe leider davon nichts verspürt, aber für autentische Infor-
mationen über die Gewinnung des Rosenöls war ich bei Herrn
Kasselmann an der richtigen Quelle und so darf ich wol einiges über
diesen wichtigsten Artikel unter den Producten des oberen Tundscha-
beckens mittheilen.
Das Rosenöl (Oleum rosarum) wird aus den Blüten ungefüll-
ter licht rosarother Rosen gewonnen. Bosa damascena, sempervirens,
tnoschatd und andere werden als die Hauptarten angegeben, welche
cultiviert werden. Die „Rosengärten** oder eigentlich Rosenfelder muss
594
man sich vorstellen nach Art der Weingarten oder Weinberge. Hävfi^
sieht man auch Reben and Rosen gemischt durcheinander gepflanzt Die
Knospen werden im Mai gepflückt, ehe sie» ganz aufgegangen sind, nd
sammt den grünen Kelchblftttem dem Destillationsprozess unterworfen.
Die Gewinnung des Oeles wird nicht fabriksmftßig betrieben, sondern
jeder Bauer oder Grundbesitzer, der Rosenfelder hat, macht das Od
bei sich in seinem Hause. Der Destillationsapparat besteht aus einem auf
einen Feuerherd aufgesetzten verzinnten kupfernen Kessel (4 Fuß hoch
und 2 bis 2^]^ Fuß breit) an dessen Helm eine lange durch einen mit
Wasser gefüllten Kühlpottich laufende Abflussröhre angebracht ist b
einen solchen Kessel kommen ungefähr 50 Okka Wasser und 10 bis
20 Okka Rosen. Diese Masse wird 2 Stunden lang im Sieden erhalten,
und das Destillationsprodukt in gläsernen Flaschen mit sehr breitem
Boden und 1 bis 1 Vs Zoll weitem kurzem Hals aufgefangen. Die ersten
3 — 4 Flaschen voll, welche überdestillieren, werden in den Kessel wieder
zurückgegossen, und erst von dem späteren Destülationsprodukte das
Oel gesammelt. Mit dem ätherischen Oele, welches die Rosenblätter ent-
halten, geht natürlich Wasser über ; das leichtere Oel schwimmt an der
Oberfläche des Wassers und sammelt sich, wenn sich die etwa 7 bis
8 Okka haltende Flasche füllt, als eine fingerdicke Schichte im Hals
der Flasche, aus dem es mittels eines trichterförmigen Abschöpflöffeis, der
unten ein feines Loch hat, durch welches wol das Wasser, nicht aber
das Oel abfliesst, gesammelt und in kleine Fläschchen gefüllt wird. Bei
sorgfältiger Destillation wird aus 10 — 25 Okka Rosen 1 Medioü oder
Museal Oel gewonnen, oder aus 5000 Pfund frischer Rosenblätter etwa
1 Pfund Oel.
Der Preis des Oeles variirt je nach der Ernte von 12 — 25 Piaster
(1 fl. 20 kr^ bis 2 fl. 50 kr. öst. W.) per Medical. In einem guten
Jahr liefert das Becken von Kisanlick bis 500,000 Medical; im Jahre
1869 wurde jedoch das Ergebnis nur auf 200,000 Medical geschätzt,
da die Ernte durch Trockenheit verdorben war. Immerhin aber ver-
anlasst die Rosenölgewinnung im Becken von Kisanlik einen jährlichen
Umsatz von Ya — 1 Million Gulden jährlich *).
Das Rosenöl ist farblos bis gelblich und hat nur in äußerst ver-
dünntem Zustande einen angenehmen Geruch. Beim Erkalten scheiden sich
Krystalle von Stearopten ab und das Oel erstarrt. Jedoch sind die
Oele sehr verschieden in Bezug auf ihren sogenannten Gefrierpunkt,
') Im Oelhandel wird alles nach Medical berechnet: 1 Medical = IV,
Dramm, 400 Dramm «= 1 Okka, oder 312 Dramm == 1 Kilogramm; 117 Me-
dical — 1 Wiener Pfund, 104 Medical = 1 Zollpfund.
595
der zwischen 8 — 16® R. variirt. Für die feinsten Oele gelten die-
jenigen, welche erst bei sehr niedriger Temperatur, also bei 8 — 12^ R.
erstarren. Solche Oele kommen ans den kälteren gebirgigen nnd steinigen
Gegenden, während die Oele aas den wärmeren tieferen Lagen schon
bei 12 — 16® R. gestehen, nnd einen weniger feinen Geruch haben.
Merkwürdigerweise sind nnn aber gerade diese letzteren Sorten als
sogenanntes „starkes Oel" von den Händlern am gesuchtesten, und
daher theurer, als die erst bei niedrigerer Temperatur erstarrenden
Sorten. Wie mir versichert wurde, kommt dies nur davon her, dass die
Händler die Sache nicht verstehen, auf ihre Nase sich nicht verlassen
können, nur auf das Thermometer schauen und sogenannte starke
Oele suchen, die möglichst leicht erstarren. Diese Eigenschaft wird den
Gelen daher vielfach künstlich durch Zusatz von Wallrat gegeben.
Die Oele für Europa werden durch Vermischung von Oel aus der Ebene
und aus dem Gebirge auf 12 V^ 1>18 13® R* gerichtet. Man stellt zur
Probe das Oel mit einem Thermometer in kaltes Wasser, welches in
Kisanlik überall bei der Hand ist, da das gewöhnliche Gstemenwasser
der Stadt eine Temperatur von 10® R. hat.
Zur Verfälschung des Rosenöles, die schon von den Producenten
in den Dörfern vielfach vorgenommen wird, dient Geraniumöl, das von
Alexandrien aus auf den Markt kommt. Dieses Oel nimmt dem Rosenöl,
da es nicht erstarrt, die Stärke, allein es mischt sich mit dem Rosenöl
▼oUkommen, und der Geruch des Geraniumöles wird von dem Rosenöl
▼ollständig übertäubt. Um reine Oele zu bekommen, muss man sich
daher an zuverlässige, bewährte Firmen halten, unter welchen Ihmsen
A Cp. seit Jahrzehnten ohne Zweifel oben an steht.
Das Zollpfnnd Rosenöl kostet an Ort und Stelle circa 120 bis
125 Thlr. Preuß. Ort. Versendet wird das Oel in runden verzinnten
Kupferflaschen (sogenannte Kunkuma's) mit zugelötetem Stöpsel Diese
Flaschen enthalten 5 Zollpfund Oel, sie werden in Flanell eingenäht
und durch die türkische Post versendet. Seine Hauptverwendung findet
das Rosenöl zu Parfümeriezwecken und bei der Schnupftabaksfabrikation.
In Kisanlik besteht ein eigenes Zollamt, auf welchem alles Oel,
welches zur Versendung kommt, angegeben werden muss. Der Ausfuhr-
zoll in der Türkei beträgt 8 Percent des Geldwertes, in's Ausland
10 Percent und überdies nimmt die Regierung nach den Zehnten von
der Production.
Uebrigens ist das Becken von Kisanlik nicht die einzige Gegend,
in welcher Rosenöl gewonnen wird. Auch weiter westlich bei Kariowa,
Sopot und in dem Thalbecken des Göbsu am südlichen Fuße
des Trojan*Balkans spielt die Rosenkultur eine große Rolle, und ebenso
596
wurde dieselbe neuerdings an den nördlichen Gehängen der Rhodope bei
Philippopel eingeführt, Ich bekam in Phiiippopel von Herrn Michaliki-
Bey Proben des von diesem hervorragenden Industriellen und Oekonomen
auf seinen Lftndereien ^®) erzeugten Oeles von bester Qualität.
Die Tage vom 21. August bis 23. August wurden zu Ausflogen
in die Umgegend benützt, auf welchen Herr Kasselmann so liebens-
würdig war, mich zu begleiten. Einmal fuhren wir nach dem Kloster
Michlis (Magalis), das in einer Balkanschlucht 2 Stunden östlich von
Kisanlik bei dem großen Dorf gleichen Namens liegt und im Sommer
vielfach als Gesundheitsstation benutzt wird. In dem Vorstand dieses
Klosters Namens Ghrisanteme lernte ich einen sehr intelligenten Mann
kennen, der sich mit Vorliebe physikalischen und chemischen Studien
hingibt und unter anderem auch ein gewandter Photograph ist.
Einen zweiten Ausflug machte ich nach dem im Balkan 1 Meile
nördlich von Michlis gelegenen Dorfe Seldsche, wo, wie ich in Michlis gehört
hatte, Steinkohlen vorkommen sollten. Wir fanden in der That auch
die Ausbisse von zwei Steinkohlenflötzen , die zu der Hoffnung berech-
tigen, dass durch weitere Nachforschungen vielleicht abbauwürdige Flötze
an günstiger gelegenen Localitftten aufgefunden werden. Bei diesem Aus-
flug bestieg ich eine 1356 Meter hohe Granitkuppe, den Demir Assar
Tepessi südwestlich von Seldsche, von dessen Gipfel sich mir eine groß-
artige Fernsicht über den Balkan, und in südlicher Richtung über den
Karadscha-Dagh hinweg bis zu den Rhodops eröffnete. Auch überzeugte
ich mich hier, dass die höchsten Theile des Balkans in ihren entlege-
neren Thälern und Schluchten noch große zusammenhängende Wald-
masseu bergen, während die südlichen Gehänge alle vollständig ent-
waldet sind.
Ein dritter Ausflug galt dem Dorfe Tschipka, 2 Stunden von
Kisanlik am Fuß des Balkan's gelegen. Von hier führt eine der Haupt-
balkanstraßen über den sogenannten Tschipka-Balkan nach Gabrowa,
und von da weiter über Tirnov nach Rustschuk. Der Aufstieg der Straße
von der Südseite ist übrigens so steil, und die Straße in so schlechtem
Zustand, dass Wagen nur mittels Ochsen auf die Höhe gebracht werden
können. Jenseits der Wasserscheide soll die Straße gut fahrbar sein.
In der Ebene zwischen Kisanlik und Tschipka flelen uns namentlich
die überaus zahlreichen alten Grabhügel auf, die gruppenweise bei-
sammen liegen. ^')
^^} Rosengärten gibt es in der Gegend von Filib^ bei Dermendere, Peru-
schitza und in Pratschik.
'*) Vgl Höchste tter: „Ueber die Verbreitung alter Grabhflgel in der
europäischen Türkei/ Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in
Wien, 1870,' Nr. 4.
i
597
Bei allen diesen Ausfhlgen zeigte sich , wie nnvollständig und wie
unrichtig unsere Karten der europäischen Türkei noch sind. Die große
Gebirgsschlucht z. B. , die sich von Michlis (Magalis der Karte) drei
Stunden weit in nördlicher Richtung in den Balkan zieht, und in welcher
zwei Stunden von Michlis das Dorf Seiice oder Seldsche liegt, ist auf der
Scbeda*schen Karte nicht angedeutet. Die Balkanwasserscheide ist viel zu
weit südlich gerückt; die drei Dörfer Isowa (Jokarki), nämlich Ober-, Mittel-
und Unter-Isowa, nordöstlich von Kisanlik am Fuß des Gebirges fehlen
ganz. Femer tritt auf der Karte nicht hervor, dass zwischen Kisanlik
und Tschipka das Terrain topfeben ist, und dass gerade hier die Ebene
ihre größte Breite von 2^2 Stunden erreicht. Auch habe ich fftr die
Ortschaften bei Kisanlik vielfach ganz andere Namen bekommen , als
auf der Karte stehen, z. B. Janja oder Kidschi dere für Janina, Har-
mankiöi (von Harman = die Tenne) nicht Hermankiöi ; Saltiklar oder
Saltakowo statt Soltikovo, Imitli statt Imeltija, Soflar nicht Sofilar,
Askiöi für Gaskiöj, Senowo statt Sejno, Baisli, nicht Yasl^a u. s. f.
Am 24. August verabschiedete ich mich von meinem liebenswQr-
digen Hauswirt, Herrn Kasselmann. Ich nahm meine Route das Tundscha-
Thal aufwärts über Kalofer nach Philippopel (zwei Tagreisen). Die
L4uidbevölkerung strömte von allen Seiten zur Stadt, da Wochenmarkt
war, die Frauen in der buntfarbigen bulgarischen Nationaltracht und
alle den Spinnrocken in der Hand, das Kind auf dem Rücken.
Barth (Reise durch die europäische Türkei, Berlin 1864 S. 29—42)
hat den Weg von Kisanlik über Kalofer nach Filib^ ausführlich beschrie-
ben. Ich kann mich deshalb kurz fassen, und füge hier einige allge-
meine Bemerkungen über den Balkan ein, dessen Anblick während der
Reise fortwährend das Hauptinteresse in Anspruch nimmt.
Nirgends, liegt der südliche Steüabfall des Balkan's so frei und
offen da, nirgends folgt sein Fuß so characteristisch einer geradlinigen
Richtung, wie westlich von Kisanlik gegen Kalofer und Kariowa zu. Das
Gebirge fällt hier schroff ab in die Ebene und gliedert sich an seinem
Sfldabfall durch kurze, aber tief einschneidende schluchtenartige Quer-
thäler, vor deren Ausgang jedesmal ein größeres Dorf oder eine Stadt
liegt. So passiert man nacheinander Hemikli Dere mit dem Dorfe Hemikli,
das Akdere mit dem Dorfe Soffar, die kesseiförmige Schlucht des Kuru-
Dere und das Mbnastir-Dere mit Bujukowa im Vordergrund (Büjük-Oba
bei Barth). Diesen Schluchten folgen dann weiter westlich die Kloster-
sehlucht von Kalofer und die Schlucht von Kariowa. So sehr aber auch
der Balkan von Süden gesehen den Eindruck einer imposanten Gebirgs-
kette macht , so ist er doch kein eigentliches Kettengebirge , wie man
sich denselben nach der früheren Hypothese von einer die iliyrische
598
Halbinsel in gerader Linie vom adriatischen bis zum schwarzen Meere
dnrchschneidenden zusammenhängenden alpinen Centralkette vorstellte;
er ist vielmehr, wie das Erzgebirge, ein Gebirge mit einseitigem Stäl-
abhänge, das gegen Norden allm&hlig zur Donan hin abdacht, theils in
der Form einer langsam sich senkenden schiefen Ebene, theils in der
Fonn von mehr oder weniger deutlich abgestuften Plateauflächen. Der
Balkan macht deshalb nur von Rumelien aus, dem er seine Steilseite
zukehrt, den Eindruck einer schroffen Gebirgskette.
Dieser steile Südabfall des Balkan*s ist entstanden durch eine
großartige Dislocation, indem die an den Balkan südlich sich anschliefien-
den Gebirgstheile, die das Balkanplateau früher mit den sOdthracischen
Gebirgshöhen, mit derRhodope oder dem Despoto Dagh verbunden haben,
wahrscheinlich erst in jungtertiärer Zeit, während der Periode der ge-
waltigen Trach;fteruptionen im südlichen Thracien, sanken. Die gesunkenen
Gebirgstheile, so weit sie nicht unter den ausgedehnten Flächen der sob-
balkanischen Becken von Sliwno, Eisanlik, Kariowa und Sofia, oder in
dem großen oberthracischen Becken von Philippopel ganz begraben li^n,
bilden jetzt das Mittelgebirge zwischen Balkan und Rhodope,
den Karadscha Dagh und weiter westlich die Sredna Gora ond
und das Ichtimaner Mittelgebirge.
Die Dislocationsspalte selbst lässt sich aufs deutlichste verfolgen vom
Cap Emineh am schwarzen Meere östlich bis in die Gegend von Pirot
oder Scharkiöi nordwestlich von Sofia, also auf eine Erstrecknng von
60 deutschen Meilen. Eine Linie, welche die Städte Misiwn, Aidos, £nr-
nabat, Sliwno, Kisanlik, Kalofer, Kariowa, Slatica (Isladi) und Pirot
verbindet, bezeichnet genau den Südrand des Balkans und zugleich die
Richtung jener Dislocationsspalte, die einen wenig gegen Süd sich aus-
bauchenden Bogen darstellt und sehr verschiedenartige Gesteine und
Formationen durchscheidet.
Vom schwarzen Meere bis Sliwno sind es Glieder der Kreidefor-
mation, welche von Porphyren durchbrochen den Steilrand des Gebirges
oder dessen südlichen Abfall bilden. Westlich von Sliwno, treten Gisnit
und Gneiß, von Tschipka angefangen über Kariowa bis Slatica Glimmer-
schiefer und Urtbonschiefer und endlich am Nordrande des Beckens ?ob
Sofia triassische Sandsteine und Kalke amSüdabhange des Gebirges auf.
Zahlreiche warme Quellen, und ein fast ununterbrochener Zug der man-
nigfaltigsten Eruptivgesteine bezeichnen die Balkanhauptspalte.
Jenseits des oben erwähnten Monastir Deressi bei B^jukowa ytx-
bindet sich der Balkan mit dem gegenüber liegenden Karadscha-Dagh
durch eineq granitischen Höhenzug. Die Tundscha schneidet in diesen
Höhenzug in nordwestlicher Richtung tief ein, und in der felsigen
599
Schlacht liegte langgestreckt zu beiden Seiten des über die Oranitblöcke
dahinrauschenden Gebirgswassers das Fabiikst&dtchen Kalo f er (oder
Kalif er), das ich um Mittag erreichte.
Ich nenne Kalofer eine Fabrikstadt Der Handschi in dem nen-
gebaaten Han am oberen Ende der Stadt, in welchem ich ein-
kehrte, meinte, es gebe 6000 Fabriken in Kalofer. Das war nun
wol übertrieben ; aber fast jedes Hans ist eine kleine Fabrik und
2 — 300 mag man immerhin zählen. Was hier fabridert wird, sind
Schnflre ans blaaem Garn and Posamentierwaren. Die Haaser sind
Aber die stark strömende Tandscha weit yorgebaut and im Flass-
bette sieht man hölzerne Kästen von 4 FoQ Durchmesser ange-
bracht, in welche das Wasser oben ein- and unten ausströmt, und
kleine horizontale Stoßräder oder Stoßturbinen treibt, dbren verticale
Axe direct in den über dem Wasser liegenden Fabriksraum eintritt,
um hier die Spindeln auf den Maschinen, durch welche die Schnüre
gedreht werden, in Bewegung zu setzen. Solche Stoßräder sieht man
wol tausende im Flussbett in Bewegung ; überall hört man es rauschen,
schnurren und surren. Dies gibt der Stadt, die gegen 2500 Häuser
zählen soll, ein ganz eigenthümliches Gepräge.
Das Wasser, welches durch Kalofer fließt, gilt für den Hauptquell-
arm der Tundscha; derselbe kommt aus dem hohen Balkan nördlich
von der Stadt, vom Biliske Poluk, wie man mir sagte. Eine Viertelstunde
westlich von der Stadt, erreicht der den Balkan mit dem Karadscha-
Dagh verbindende Granitrflcken seine höchste Höhe und fällt dann plötz-
lich sehr steil ab in die tief eingeschnittene Thalfurche des Akdere
(Barth schreibt Ab-der6), welcher bereits der Raschka zufließt. Die
Höhe der Wasserscheide an der Straße habe ich zu 690 Meter be-
stimmt, die Brücke über den Fluss unten im Thal zu 505 Meter. Die
Straße überwindet den steilen Abstieg von nahezu 200 Meter Höhe in
zahlreichen Serpentinen. In der Balkanschlucht, aus welcher der Akdere
hervorbricht, liegt ein Kloster, welches Dr. Barth besucht hat (Barth*s
Reise. S. 36). Eine Viertelstunde unterhalb der Brücke über den Akdere,
bei der ein Wachthaus liegt, kommt man aus der Thalschlucht hinaus
in die Ebene von Kariowa, das am südlichen Fuße des Balkans ^^)
unmittelbar vor dem Ausgange einer wilden, durch ihre schönen Wasser-
fäUe berühmten Felsschlucht liegt. Ich ließ die Stadt, deren Minarets
ich deutlich wahrnehmen konnte, rechts liegen, und eilte meiner Nacht-
station, dem kleinen Dorfe Lidschakiöi zu, das in der Ebene südlich
^') Auf der Scheda'schen Karte liegt Karlowa am nördlichen Fuß des
Gebirges.
600
von Kariowa liegt. Mitten in dieser Ebene erhebt sich ein characteristi-
scher Sattelberg aas Granit, der Tschataltep^, und an desseü südlichen
Fuß entspringen in einer sumpfigen Niedemng die wannen Queilen,
denen der anweit davon liegende Ort seinen Namen verdankt. Ich funi
in einem neugebaaten Han ein recht gutes Quartier. Nirgends sind
unsere bisherigen Karten der Türkei (ich nehme nur die neueste, erst
nach meiner Rackkehr erschienene Kiepert 'sehe Karte aus) so unrichtig ^^,
wie in diesen Gegenden. Nach den Karten, die ich bei mir hatte, war
es mir schlechterdings unmöglich mich zu orientieren. Namentlich war
ich flberrascht, südlich vom Balkan ein sehr bedeutendes Vorgebirge zb
finden, die Sredna-Gora, das ich auf keiner meiner Karten in entsprechen-
der Weise angedeutet fand.
Sredn»-Gora (auch Sred- oder SredniarGora) bedeutet so iviel
als Mittelgebirge (ji4ffav oQog). Dieser geographisch, ebenso wie geolo-
gisch bis jetzt noch gänzlich unerforschte Gebirgsstock, der die größte
Erhebung im rumelischen Mittelgebirg darstellt, bildet ein natOrUcb
abgeschlossenes Ganze für sich. Vom Karadscha-Dagh ist er vollständig
getrennt durch das Querthal der Raschka (Strjema oder Göksa der
Kiepert'schen Karte), die sich unterhalb Philippopel in die Maritza er-
gießt. Dieser Fluss wird gebildet durch drei Flüsse, die sich in der
Gegend von Lidschakiöi unterhalb Kariowa vereinigen, nämlich durch den
von der Wasserscheide von Kalofer kommenden Akdere, durch das aus einer
Balkanschlucht hervorbrechende Wasser von Kariowa und durch den ans
einem breiten offenen Längenthal zwischen dem Balkan und der Sredna-Gora
von Westen her fiiessenden Göb-su oder Giobsa ^*) ; die westliche Grenze
bildet der tiefe Thaleinschnitt der Topolnica, die sicli bei Tatar-Bazard-
schik in die Maritza ergießt und deren Quellen in der Gegend östlich
von Statica theils im Balkan, theils in der Sredna-Gora liegen. Die
Sredna-Gora hängt somit nur durch einen nordsüdlich laufenden Rücken,
der die Wasserscheide zwischen den Quellen des Giobsa und der Topol-
nica bildet, mit dem Balkan zusammen, lieber einen ziemlich niederen
Sattel dieses Rückens führt der Prochotpass von Klissura nach Slaüca.
Von den Granithöhen bei Kalofer habe ich einen ganz wolken-
freien Anblick der Sredna-Gora gehabt; ich seh fitze die höchiiten
plateauförmig sich ausbreitenden Rücken dieses Gebirges auf 160Ü-
1700 Meter Meereshöhe, eine Höhe, die jedoch von den höchsten
^') Ich darf bei dieser Gelegenheit auch auf den Aufsatz : „Das Becken
von Ichtiman nnd der falsche Wid^' hinweisen, den ich in einem frühem
Heft dieser Mittheilungen publiciert habe.
^^) Barth, Reise durch das Innere der europ. Türkei, Berlin 1864, schreibt
Gök-su » Blauwasser, Lejean Ghioptsa.
J
601
Pukten des gegenüberliegenden Trojan-Balkans noch am circa 300 Meter
abertroffen werden dflrfte. Der Kösil6r-Bair bei Lidscha-Eiöi, welchen
Barth (a. a. 0. S. 38 und S. 40) fftr den höchsten Pankt der Sredna-
Oora hielt, ist nnr ein Vorberg. Als Barth in dieser Gegend war, moss
das höhere Gebirge gänzlich in Wolken gehüllt gewesen sein '^). Die
Steilseite des Gebildes ist gegen Norden gerichtet, gegen Süden ver-
flicht es sich allmählich in die Ebenen zwischen Philippopel and Tatar-
Bazardschik. Die beiden Hauptorte der Sredna-Gora sind Kopriwschtica
(oder Koprischtica, tflrk. Avraelalan) am nördlichen and Panagjariste
(oder Panaglyurica, türk. Otlukiöi) am südlichen Abhang des Gebirges.
Das Bad von Lidscha-Eiöi liegt eine Viertelstande östlich vom
Orte am sfidlichen Fuß des oben erwähnten Tschataltepe anf der Ebene
zwischen dem Akdere and dem Göbsa. Das Badhaas ist ein einfacher
hanartiger Holzban mit zwei abgesonderten Baderaamen für M&nner
ond Fraaen. In den Badebassins zeigt das Wasser, das einen schwachen
Geruch von Schwefelwasserstoff verbreitet, eine Temperatur von 32^ R*
Rings am das Badhaas sind aasgedehnte sumpfige Niederungen, welche
ganz von heißem Wasser durchtränkt sind. In einzehien Tümpeln, wo
stärkere Quellen aufsteigen, hat das Wasser eine Temperatur von 36 —
40 Grad K
Bedeutender als das Bad von Lidscha-Eiöi, und von Phüippopel
aus viel besucht ist das unweit in den sfidöstlichen Yorbergen der
Sredna-Gora gelegene Hissar-Lidscha, das auch Barth (a. a. 0.
S. 41) als Islär Lüdjä erwähnt. In der Mitte des von einer alten
römischen Mauer umgebenen Ortes entspringen hier 4 warme Quellen,
die sämmtlich zum Baden benützt werden. Die Quelle Hawas eisenhaltig
mit einer Temperatur von 35® R., die Quelle Kislar eisenhaltig mit
35® R., die Quelle Eiptsches schwefelwasserstoffhaltig mit 28® R. und
die QueUe Jndsches mit 24® R. Die Grundmauern und die Kuppeln
dieser Bäder sollen noch aus der Römerzeit (wahrscheinlich aus Justi-
nians Zeit) herrflhren.
So sehr ich gewünscht hätte, meine Reise in westlicher Richtung
fortzusetzen, namentlich um das schöne Längenthal des Göbsu zwischen
dem Balkan und der Sredna-Gora zu untersuchen und dann dieses Balkan-
vorgebirge von Nord nach Süd zu durchqueren — eine Tour, die ohne
Zweifel eine Menge neuer geographischer und geologischer Thatsachen
ergaben hätte — so musste ich diesen Plan doch aufgeben.
'*) Barth meint (S. 40 , dass die Sredna-Gora an Höhe gar nicht zu
vergleichen sei mit dem Karadscha-Dagh, während in Wirklichkeit die Sredna-
Gora das viel höhere und bedeutendere Gebirge ist
XitttMUnBgan d. geogr. OasaU. 1870. 18. 39
602
Zorn ersten Male w&hrend meiner türkischen Reise vereitelte dis
Wetter meine Absicht. Am Morgen des 25. Angost waren alle Beq^
ringsum in schwere Wolken gehüllt and ein Landregen begann, der mir
alle Hoffhang benahm, jene Reise mit Aussicht aaf Erfolg za anter-
nehmen. Zeit, am besseres Wetter abzuwarten, hatte ich nicht, da ich in
Philippopel mit meiner Reisegesellschaft spätestens am 28. August
wieder zusammentreffen sollte, und so blieb nichts anderes übrig, als
die directe Route nach Philippopel einzuschlagen.
Der Weg dahin ist von Lidscha-Kiöi fast vollkommen eben. Das
Wasser von Kariowa, an welchem dieses Dorf liegt, vereinigt sich eine
halbe Stande thalabwärts mit dem viel größeren Göbsu, und eine
weitere Stunde abwSrts bei dem Dorfe Darobasse liegt der Zusammen-
fluss des Akdere mit dem Göbsu. Das Thal verengt sich hier anf
eine kurze Strecke zwischen den granitischen Ausläufern der Sredna-
Oora einerseits und des Earadscha-Dagh andererseits, öfibet sich dann
aber bald zu den weiten Ebenen des oberen Maritza-Beckens. Der
Göbsu bildet bei seinem Austritt in die Ebene einen sehr ansehnlicho.
in einem breiten Schotterbette dahinziehenden Fluss, in dessen Auen, fie
hauptsächlich aus Weiden bestehen, eine Unzahl von Reihern und Wild-
tauben sich aufhalten, auf welche die mich begleitenden Sapti^ erfolg-
reiche Jagd machten.
Beim Eintritt in die Ebene ließen wir den Fluss zur linken, and
steuerten über niedrige Ausläufer der Sredna-Gora in gerader Richtong
südlich auf die Philippsstadt zu, deren Lage schon in einer Entfennmg
von 4 Stunden durch die mitten aus der Ebene sich erhebenden Syenit-
kuppen zu erkennen ist. Um 4 Uhr nachmittags ritt ich über die
Maritza-Brücke in die Stadt ein.
Beim Konak, der am rechten Maritza-Ufer unmittelbar bei der
Brücke liegt, traf ich den Telegtaphendirector , der die Freundlichkeit
hatte, mich zum österreichischen Consul Herrn v. Hempfling zu be-
gleiten. Hier erfuhr ich, dass die Directionsbrigade von ihrer Tour Aber
Enos und Adrianopel erst in 5 bis 6 Tagen eintreffen werde. Dieser
Umstand gab mir die willkommene Gelegenheit zu einem etwas langeies
Aufenthalte in der interessanten Stadt und zu Ausflügen in die Um-
gegend, und mit Vergnügen nahm ich die überaus freundliche Einladosg
unseres Consuls an, in seinem gastlichen Hause auf dem Nepe Tepe a,
wohnen. Was solche Gastfreundschaft in der Türkei wert, is'»,, kann nur
derjeiügen ganz ermessen, der die türkischen Hans kennt.
WSkitm In BnnieUeB **)«
3. Zwischen Adrianopel und Philippopel.
(Nach Nivenements von Herrn Inspector Tafel.)
Adrianopel, Dilnvialterrasse bei Karagadsch . 40.5 Meter fiber dem Meere
Adrianopel, Maritza bei Niederwasser ... 30
Zasammenflnss der Arda nnd Maritza bei
Karagadsch 32
Marasch, Dorf am rechten Ufer der Maritza 58
Ureis Tschiftlik „ „ „ „ „ 48
Maritza-Ufer bei Tschermen 49
Tschermen (oder Tschirmen), Stadt .... 74
Mustafa -Pascha, Stadt, Bracke Aber die
Maritza . . 52
Poststraße bei Ebibdsche 71
Harmanli, Dorf am rechten Ufer der Maritza 87
Maritza-Ufer am unteren Ende des Defil^
von Harmanli 74
Maritza bei Tmowa 79
Tmowa (oder Trnowo), Dorf am rechten Ufer
der Maritza . 92
Maritza bei Umndschik am oberen Anfange des
Defil^s Ton Trnowa und Harmanli ... 87
Eokardsche, Dorf am linken Ufer der Maritza 103.5
Philippopel, Maritzaspiegel 162.5
Philippopel (ohne genaue Angabe des Punktes) 222 Viquesnel
4. Zwischen Adrianopel und Jamboli.
(Nach Nivellements von Herrn Ingenieur von Yarnbüler.)
Adrianopel, Wiese beim alten Serail am linken
Ufer der Tundscha 32
Tatarkiöi, Dorf am linken Ufer der Tundscha 36
Srem, Dorf, Allnvialflftche der Tundscha . . 93
Hamsabeli, Dorf östlich von der Tundscha 365 Hochstetter (Aneroid)
^Wasserscheide zwischen Hamsabeli u. Urumbeli 410 „ „
TTrombeli, Dorf östlich von der Tundscha . 360 „ „
Zasammenfluss des Derbenddere mit der
Tundscha 107
Zasammenfluss des Papasdere mit der
Tundscha 108
^*) Fortsetzung des im 8. Hefte 1870 S. 356 begonnenen Höhenveizeichnisses.
39*
604
Jenidschei oder Eiselagatsch, am linken
Tundscha-Üfer, Brücke 110
Mühle von Beikiöi an der Tundscha . . .116
Ii^jekzarly, Dorf 128
Eokom, Brücke . . . 139
Jamboli, Stadt, Brücke über die Tundscha 130
5. Zwischen Jamboli und Burgas.
(Nach Nivellements von Herrn Ingenieur von Yambfiler.)
Jamboli, Brücke über den Azmakdere . . 134
Bazar Eiöi, im Niveau des Azmakdere . . löO
Wasserscheide zwischen Bazarkiöi and
Aschlar 257
Busso Castro, Thalsohle . . 23
Wasserscheide zwischen Rus80*Gastro und dem
See von Wajakiöi bei Bargas .... 67
6. Balkanstraße von Jamboli nach Schamla.
(Nach Messungen mittels Aneroid vom Herrn Ingenieur von
Vambüler.
Jamboli, Brücke über den Azmakdere'. . . 134
Straldscha, chemische Fabrik 156
Sumpfiges Becken am Fuß des Balkans . .159
Ejreuzung der Straße nach Schumla mit der
Straße von Karnabat nach Sliwno . . . 229
Uebergang über das Thal unterhalb Beikiöi . 193
Thalsohle bei Kumarowa 213
Wasserscheide zwischen Kumarowa und Dobrat 301
Ufer des Deli Kamtschyk oberhalb Magaly
Kamtschyk 180
Wasserscheide zwischen dem Deli und Küt-
schük Kamtschyk 402
Thalsohle des Kütschük Kamtschyk bei Bajram-
Dere 159
Thalebene unterhalb Smedowa 88
Straße in der Thalsohle des Bujuk Kamtschyk 74
Küpri Kiöi, Brücke über den Kamtschyk . . 84 %
Schumla, Thalsohle am unteren Ende der
Stadt 200
Schumla, Hau in der Stadt 257
605
7. Von Bargas Aber Sliwno und Eski-Saara nach
Kisanlik.
(Messungen mittels Aneroid von Prof. Hochstetter.)
Bad Lidscha bei Burgas 40
Wasserscheide zwischen Burgas und Aidos . 177 (247 Yiq.) '^)
Aidos, Stadt, bei der Brücke 143 (224 V.)
Karnabat, Stadt, Han 210
Wasserscheide zwischen Aidos und Earnabat 302
Wasserscheide bei dem Dorf Jreböje am
Fuße des Balkans 266
Han von Sigmeni an der Straße nach Sliwno 228
Sliwno, Brücke Ober den Koi-udscha Dere . 286 (366 V.)
Ebene von Atlola am Wege nach Jeni-Saara 156
Jeni-Saara, Han in der Stadt 158 (380 V.)
Earaul zwischen Jeni- und Eski-Saara . . . 186
Eski-Saara, Han in der Stadt (3 Beob.) . . 239 (406 V.)
Karanl an der Straße von Eski-Saara nach
Kisanlik, am südl. Abhänge des Karadscha-
Dagh unterhalb Derbend 366
Derbend Kiöi, Dorf im. Karadscha Dagh . . 435
Höchster Punkt der Straße von Eski-Saara
nach Kisanlik 505 (700 V.)
Batair Bai, Bergkegel östlich von Derbend-
Kiöi 700
Earaul und Bekleme Han am nördlichen Fuße
desKaradscha-Dagh bei dem Bad Lidscha 377
Kisanlik, Stadt, Hauptplatz (3 Beob.) ... 442 (536 V.)
Ober Isowa, Dorf am südlichen Fuß des
Balkans bei Kisanlik 728
Höchster Punkt des Weges über die süd-
lichste Balkankette zwischen Ober Isowa
und Seldsche 915
Der Michlis-Bach unterhalb Seldsche . . . 669
*') Die in Klammern beigesetzten Höhen sind der ViquesnePschen lieber-
siclitskarte von Thracien (Carte de la Thrace d'une partie de la Macedonie
et de la Moesie, dress^e par Mr. A. Yiquesnel, Paris 1854) entnommen. Die-
selben differieren in höchst auffallender Weise von meinen Resultaten, wahrend
die letzteren, wo sie mit den Nivellements zusammentreffen, recht gut mit
diesen stimmen. Ich mnss daher die Viquesnel'schen Angaben für viel zu hoch
halten.
606
Dorf Seldsche im Balkan nördlich von Michlis,
Niveau des Baches im Dorfe 680
Granitknppe Demir Assar Tepessi südwestlich
von Seldsche 1356
Kalte QneUe (6.3® R.) am Fuß des Demir
Assar Tepessi 1123
Sattel am Wege vom Demir Assar Tepessi nach
Ober Isowa, einer der PSsse in der sfldlichsten
Bergkette des Balkans 1138
8. Von Kisanlik über Kalofer nach PhilippopeL
(Messungen mittels Aneroid von Prof. Hochstetter.
Tundschabrücke, Koprinka Eöprü bei Kisanlik 413
Ebene am Fuße des Balkans bei Kutschnk Owa 589
Höhe der Straße auf dem Granitrücken von
Kalofer vor der Stadt 597
Kalofer, Han am oberen Ende der Stadt . . . 650 (700 V.)
Höchster Punkt der Straße von Kalofer nach Kar-
Iowa, auf der Wasserscheide zwischen der Tund-
schaquelle und dem Akdere 690 (900 V.)
Brücke über den Akdere 505
Dorf Mendescheli bei Kariowa, auf der Hochebene
am südlichen Fuß des Balkan's 418
Lidschakiöi, Dorf in der Ebene südlich von Kariowa 338
Der Göbsu (Ghioptsa) oberhalb Darobasse , nördli-
cher Rand der Ebene von Philippopel . . . 288
Karatopak, Dorf in der Ebene nördlich von Phi-
lippopel 255
Maritza bei Philippopel 163 (200 V.)
Philippopel, österr. Consulat auf dem Nep6-Tep6 190
Phiüppopel, Gipfel des Saha-Tep6 209
„ Tschampas-Tep6 212
„ Toplar-Tep6 214
„ Tschentem-Tep6 . 225
„ Bunardschik-Tep6 234
Kloster Kuklina in der Rhodope südlich von Phi-
lippopel 569
607
Vm der zweiten deutecheo NordpoiexpedHioii.
4. Bericht Aber die Expedition der „Germania.^
(Vom Bremer Comit^.)
Eine Woche war seit dem Eintreffen der Unglücksbotschaft von
dem Schiffbrach der „Hansa^ verflossen. Da lief eine neue Kunde ein,
diesmal eine freudige. Sie kam uns von unserer Kriegsflotte. „Germania,''
der Nordpoldampfer, ist glflcklich angekommen ; an Bord alles wol ! —
Als das Entdeckungsschiff am Abend des 11. September mit der stolz
in den Lflften flatternden jungen deutschen Flagge in den Hafen von
Bremerhafen legte, begrüßt mit Hurrah! von der am Molenkopf harrenden
Menge und einem Bataillon deutscher Landwehr, welches daselbst zum
Appell versammelt war, bewillkommt mit kurzen, kernigen Worten von
dem ersten Beamten des Orts: da vernahmen wir weiter, dass ein
freundliches Geschick über der „Germania*' gewaltet; dass es den mutigen
Männern gelungen war, den berüchtigten Eisgürtel, in welchem die
«Hansa^ leider festgeriet, mit Dampfeshilfe zu durchbrechen und nach
der Ostküste Grönlands vorzudringen ; dass sie im Winter allen arctischen
Gefahren und Bedrängnissen tapfer und mit vollständigem Erfolg Trotz '
geboten und dabei unablässig im Dienste der Wissenschaft gewirkt;
dass sie im vorigen Herbste, sowie im Frühjahr und Sommer dieses
Jahres umfassende Forschungs- und Entdeckungs-Reisen mit Schlitten
und Schiff unternommen, dabei vielseitige Ergebnisse für die gesammten
geographischen Wissenschaften gewonnen und dass es der Expedition
endlich auch gelungen war , unter der Führung von Capitän Koldewey
sich seihst und die mühsam errungenen Schätze heim in den sicheren
Hafen zu bringen.
In einem Augenblicke, wo ein Feind unsere Küsten blockirt, der
die Vorsicht für den besseren Theil des Mutes erkannt zu haben scheint,
hat die tapfere That der „Germania,^ die erste nationale See-Entdeckungs-
reise, eine erhöhete Bedeutung. Gerade jetzt ist diese gemeinsame
Leistung deutscher Seefahrer und deutscher Gelehrter doppelt ehrenvoll.
Der Telegraph meldete die frohe Nachricht überallhin, wo Freunde
des Unternehmens weUten, auch in das große Hauptquartier des in
Frankreich stehenden deutschen Heeres.
Früh am 12. September trafen Vertreter des Bremer Comite's an
Bord der „Germania^ ein, die Freunde zu begrüßen und die ersten
näheren Nachrichten entgegen zu nehmen. Die kleine Kajüte der Ge-
lehrten war bis auf den letzten Platz gefüllt und Capitän Koldewey
erstattete seinen ersten Bericht; als er denselben schloss, da wurde
allen Anwesenden klar, dass Großes für deutsche Wissenschaft und
deutsches Seewesen geleistet sei; das Hurrah, das dort ertönte, war
608
gewiss berechtigt Mittags yereinten sich die anweeendoi Freoiide des
Unternehmens zu gemeinsamen Mahle; Herr A. G. Mosle, der Vor-
sitzer des Bremischen Comit^, brachte der ^Germania,'' ihr^n Fflhrer,
ihren Gelehrten und Seeleaten den ersten Toast. W&hrend seiner Bede
traf unerwartet CapitSn Hegemann von der «Hansa"* mit einigen Be-
gleitern ein; auch der „Hansa^ galt nun der Zorof der Versammelten,
der gesanunten Expedition, dem Nationalwerk, das mit so viel Aus-
dauer und Tüchtigkeit durchgeführt worden sei. Von verachiedenea
Seiten trafen Begrüßnngstelegramme ein. Die Erlebnisse gaben der Er-
zählung unerschöpflichen Stoff; dem Bremer Comit^, Herrn Dr. Peter-
mann, als dem Leiter des Unternehmens, der deutschen Flagge, dem
Vaterlande galten weitere Trinksprüche beim Mittagsmale, wie abendi
in der Kajüte des Schiffes.
Am folgenden Tage wurden die ersten nothwendigen Geschftfte be-
sorgt, die Correspondenzen , die Versorgung der Sammlungen, die Ord-
nung der Bücher u. dergl. mehr.
Gestern empfieng dann das hiesige Comitä für die zweite deutsche
Nordpolarfahrt in Gemeinschaft mit Herrn W. v. Freeden die Officiere
und Gelehrten des Dampfers „Germania''. Nachdem der Vorsitzende,
Herr A. G. Mosle, die glücklich Heimgekehrten begrüßt und sein Be-
dauern darüber ausgesprochen hatte, dass Herr Dr. A. Petermann nicht
anwesend sei, erstattete der Führer der Expedition, Capitän Koldewey,
den in §. 31 der Instruction vom 7. Juni 1869 vorgeschriebenen vor-
läufigen Bericht.
Derselbe lautete:
Am 15. Juni 1869 verließ die Expedition in Gegenwart Sr. Mar
jestät des Königs Bremerhafen. Die Schiffe wurden bis in die Nordsee
von zwei Dampfern des Norddeutschen Lloyd geschleppt und steuerten
dann mit einer Südwestbrise nordwärts. Starke Nordwestwinde hielten
die Fahrt sehr auf, so dass am 15. Juli das erste Eis auf 74^ 49'
N. B. und 10" 50' W. L. (Greenwich) in Sicht kam. Die „Hansa"
war von der „Germania*^ bei Jan Mayen im dichten Nebel getrennt,
wurde aber auf 75" wieder aufgefunden und von der „Germania*' in s
Schlepptau genommen. Während der nächsten Tage war nebeliges
Wetter; die Schiffe kreuzten südwestwärts, wurden indess am 20. Joü
abermals durch Nebel und in Folge eines misverstandenen Signals ge-
trennt. Die „Germania^ traf den Dampfer „Bienenkorb", dem Briefe
nach Deutschland mitgegeben wurden, und drang dann in das Eis ein.
Vergebliche Versuche an verschiedenen Stellen wurden, gröfitentheüs
unter Dampf, bis zum 29. Juli fortgesetzt, an welchem Tage wir aber-
mals den „Bienenkorb" sahen und sprachen, worauf wir dann in nörd-
609
Hcher Richtimg längs der Kante des schweren Eises steuerten, un
etwas weiter nördlich unsere Versuche zu erneuern. Wir fanden überall
das Eis vollständig geschlossen. Erst auf 74® N. Br. zeigte sich hinter
dem Seestrome loses Treibeis, so dass wir durchbrechen konnten und
westwärts in das Eis eindrangen. Es wurde Dampf aufgemacht, da es
im Eise beinahe gänzlich windstill war. Wir dampften 12 Stunden bis
zum 1. August morgens 10 Uhr, ohne auf ein besonderes Hindernis zu
stoßen. Die Schollen lagen hinreichend lose, um bequem hindurch-
steuern zu können. Beinahe 2 Längengrade hatten wir so im Eis zurück-
gelegt; dann stießen wir aber auf vollständig zusammengepacktes Eis.
Die Gruppe der Pendulum-Inseln hatten wir in Sicht und hinter
dem Packeis zeigte sich das ersehnte Landwasser als wirklich vorhanden.
Da das Eis in der letzten Zeit Neigung gezeigt hatte, nach Osten aus-
einander zu brechen, so wurde am Eise festgelegt, um auf eine Aende-
rung zu warten; diese Position war offenbar die günstigste, die wir
bekommen konnten.
In den nSchsten Tagen war dichter Nebel, das Wetter sonst gut.
Am 3. August klärte sich die Luft; wir waren etwas ostwärts getrieben,
das Eis im Westen war aber bedeutend loser geworden. Die „Germania^
dampfte weiter; wir stießen bald auf große Felder, zwischen welchen
sich indess meistens EanSle fanden, die breit genug waren, um dem
Schiffe einen Durchgang zu gestatten; einige Male mussten wir mit
Gewalt durchbrechen. Als der 17. Längen-Grad passiert war, merkten
wir, dass wir aus dem schlimmsten Eise heraus waren ; beinahe unge-
hindert durch Eis konnten wir weiter dampfen und ankerten am
5. August morgens 5 Uhr an der Südseite der zu der Pendulum-Gruppe
gehörenden Sabine- Insel in 3 Faden Wasser. Während der Fahrt im
Eise waren so viel Lothungen und Temperaturmessungen angestellt, wie
die Umstände erlaubten.
In den nächsten Tagen wurde die Sabine- Insel aufgenommen und
ihre geographische Lage in Uebereinstimmung mit den Ermittelungen
Sabine's gefunden; die magnetischen Constanten wurden bestimmt und
überhaupt von den Gelehrten alle nöthigen Arbeiten vorgenommen. Am
10. August konnte weiter nordwärts gedampft werden. Ein Berg bot
uns weite Umschau; der Anblick war allerdings kein erfreulicher, da
nur auf der Südseite der Pendulum-Gruppe das Landeis aufgebrochen
war, nach Norden dagegen zwischen dem Festlande und der Shannon-
Insel ganz fest lag. Von einem eigentlichen Landwasser längs dem
festen Lande nördlich von 74** 32' N. B. war keine Spur erkennbar.
Das feste mehrjährige Eis erstreckte sich ohne Sprung oder Riss sogar
mehrere Seemeilen von den am weitesten östlich vorliegenden Inseln
eio
nach Osten hinaus, nur waren, wie oben erwähnt, die SudkOsten der*
selben theilweise frei ; doch erschien die Fahrt zur Sfidostspitze der
Shannon-Inael und vielleicht weiter ausführbar.
In der That dampften wir ungehindert bis nach Cap PhilippBroke
und fanden auch ostwärts der Insel zwischen dem Landeise, welches n
einer Breite von etwa 4 Seemeilen die Küste umsäumte, und dem Pack-
eise einen fahrbaren Kanal von 1 bis 3 Seemeilen Breite; nur an ein-
zelnen Stellen war derselbe mit dichten Schollen gesperrt, welche wir
aber mit Hilfe der Dampfkraft ohne große Schwierigkeit durchbrechen
konnten. Das Landeis zeigte an der Kante oft eine Höhe bis zu 40 Fofi,
ein warnendes Zeugnis von der ungeheuren Pressung der Felder.
Es wurde 75« 31' N. B. in IV i& W. L. erreicht; aber hier
kam unser Vordringen zu einem plötzlichen Halt. Die Felder hiengen
hier fest mit dem Landeise zusammen ; nach Norden zu war kein Wasser
wahrzunehmen. Das Schiff wurde am Landeise festgelegt, um auf eine
etwaige Aenderung in der Lage des Eises zu warten; es war vergebens;
eine starke Stralenbrechung ließ uns in den nächsten Tagen nur zu
deutlich erkennen, dass im Norden für eine große Strecke kein Wasser
vorhanden war.
Unter solchen Umständen wurde einstimmig der Beschluss gefasst,
wenn möglich, an der Südseite von Shannon zu ankern und die Insel
wissenschaftlich zu erforschen. Man konnte von den Bergen aus immer
auf die Bewegungen des Eises achten und sehen, ob die Felder von
Norden herunter treiben wurden. Bei Cap l'hilipp Broke war das Land-
eis in den letzten Tagen losgebrochen ; dort ankerte die „Germania^ am
16. August, mittags in 3 Faden Wasser. Die Erforschungsarbeiten be-
gannen sofort und wurden in den nächsten Tagen fortgesetzt. Die
Shannoninsel ist bedeutend größer, als auf den Karten angegeben; der
nordöstlicliste Punkt liegt unter 75" 26' N. B. und 18*» 0' W. L. und
geht die We&tküste beinahe gerade nach Norden. Die Insel macht hb
Ganzen einen öden und tristen Eindruck. In den Ebenen an der West-
küste ist indess stellenweise Vegetation genug vorhanden, um Herden
von Moschusochsen, die wir dort antrafen, Nahrung zu gewähren. Du
erste Thier dieser Art wurde gleich bei Cap Philipp Broke am 16. August
geschossen.
Unsere Hoffnung auf bessere Eisverhältnisse gieng nicht in E^
füllung. Das Packeis setzte vielmehr von Osten immer mehr wieder an
die Küste ; selbst der im Anfang August gänzlich eisfreie Theil zwischen
Shannon und Pendulum wurde wieder mit Eis angefüllt. Unser Anker-
platz wurde deshalb mit jedem Tage unsicherer. Als am 26. August
die Arbeiten auf der Insel vollendet waren und niemand eine Möglich-
611
keit sah, aagenblicklich weiter nach Norden vorzudringen, schien es den
Zielen der Expedition am meisten entsprechend, nach den Pendulum-
Inseln znrfick zn dampfen, am anch hier nach allen Seiten fär die
Wissenschaft thätig zu sein und womöglich eine Schlittenreise zur Er-
forschung eines Fjordes zu^ machen. Unsere einzige Hoffnung, noch in
diesem Jahre weiter nordwärts zu kommen, beruhte auf den Herbst-
stQrmen, die möglicher Weise eine Oeffnung reißen konnten.
Am 27. August wurde deshalb wieder südwärts gedampft. In den
letzten Nächten hatte sich so viel junges, bereits Zoll dickes Eis zwischen
den Flarden gebildet, dass wir nur mit voller Dampfkraft bei häufigem
Bfickwärtsgehen und Wiederanrennen uns einen Weg bahnen konnten.
Ein Segelschiff wäre hier vollkommen hilflos gewesen, da wenig oder
gar kein Wind vorhanden war. An dieser Küste ist im Sommer die
Windstille entschieden vorherrschend, wie wir in beiden Sommern zu
beobachten Gelegenheit hatten. Die „Germania" ankerte an der Süd-
seite von Klein-Pendulum, abends 11 Uhr, den 27. August, in 5 Faden
Wasser.
Der erste Theil des September verlief mit Aufnahme des Landes,
der andere mit wissenschaftlichen Untersuchungen, Jagden auf Moschus-
ochsen, Rennthiere etc. Das Eis brach nicht auf; selbst einige heftige
Stürme aus Norden übten keinen Einfluss auf die träge Masse aus.
Das Landeis zwischen Shannon und dein Festlande lag unverändert fest ;
unser Schiff wurde in immer engere Grenzen eingeschlossen, und selbst
ein Versuch, in die Gale Hamkes Bai einzufahren, mislang, da auch
diese bereits mit schwerem Eise angefüllt war. Bei der Windstille bildete
sich immer mehr und mehr junges Eis und obgleich dieses bei jedem
Nordwinde wieder zerschlagen wurde, deuteten doch alle Anzeichen auf
das Herannahen des Winters.
Am 13. September lag die „Germania" wieder in dem kleinen
Hafen an der Südseite der Sabine-Insel, in dem sie zuerst am 5. August
die Anker ausgeworfen hatte. Es wurden Vorbereitungen zu einer
Schlittenreise nach dem Innern getroffen und dieselbe am folgenden
Tage mittags angetreten. In der Nacht hatte sich wieder viel junges
Eis in der Straße und um das Schiff gebildet , so dass wir uns nur
mühsam mit dem Boote bis zum alten Eise hindurcharbeiteten, welches
eine deutsche Meile vom Schiff nach Westen lag. Die Wassertümpel
anf dem Eise waren bereits wieder vollständig gefroren und gieng daher
die Schlittenreise ziemlich rasch und gut von Statten. Wir drangen in
d^n nächsten Tagen in das Innere eines Fjordes ein, der im Sommer
eisfreis gewesen, jetzt aber bereits mit 3 Zoll dickem glatten Eise be-
deckt war. Ein über 4000 Fuß hoher Berg wurde bestiegen und von
612
Oberlientenant Payer eine umfassende kartographische Arbeit gemaeht
Der Berg gewährte einen weiten Ueberblick sowol über die amgebeaden
Gebirge, wie auch nach Nordosten über die See. In letzterer Bicfatong,
über die Nordspitze von Shannon hinweg, konnte das Auge nur Eis er-
kennen. Die Felder hatten sich also doch nicht in Bewegung gesetzt
und waren wahrscheinlich niemals vom Landeise losgebrochen. Es stand
jetzt unumstößlich fest, was wir alle schon Termntet hatten: üebw-
Winterung vor der Sabine-Insel, als dem einzig practischen und sicheren
Winterhafen an der ganzen Küste zwischen 77** und 74^ N. B.
Auf der Rückreise zum Schiff wurden auf einer Insel von Ober-
lieutenannt Payer Braunkohlenlager entdeckt und zahlreiche Petrefacten
gefunden. Auf jener „Kohleninsel* fand sich eine im Vergleich «ir
Sabine-Insel reiche Vegetation, hauptsfichlich Andromeda, große Herden
von Moschusochsen und Rennthieren weideten hier. Wir konnten vom
Zelte aus so viel Wild erlegen, wie wir haben wollten, vermochten
jedoch leider nicht viel an Bord zu bringen, da unser Schlitten schon
überdies stark belastet war.
Am 22. September kamen wir wolbehalten an Bord zurück. Hier
war man in der Zwischenzeit ebenfalls nicht müßig gewesen: es waren
verschiedene Vorbereitungen fflr die Ueberwinterung getroffen ; das Schiff
war etwas weiter in den Hafen gelegt; man hatte mehrere Moschus-
ochsen, Rennthiere, Bfiren, Walrosse geschossen u. s. w. In der Nacht
vom 20. bis 21. September hatte ein heftiger Sturm aus Norden ge-
wfitet, der indess nicht mehr im Stande gewesen war, das junge Eis
zu zerbrechen und wegzutreiben; dasselbe hatte bereits eine Dicke von
mehreren Zoll, so dass wir zu Fuß an Bord geben konnten.
Die Vorbereitungen ffir die Ueberwinterung begannen jetst
im vollsten Umfange. Das Schiff wurde noch weiter in den Hafen hinein
gesSgt, bis wir auf 10 Fuß Wasser in geringer Entfernung vom Lande
lagen. Eine Nacht genügte, um das Schiff fest und unverrückt ein-
frieren zu lassen, so dass wir jetzt weder Anker noch Ketten ndthig
hatten. Sodann wurde der größte Theil des Inventars und des Proviants
von Bord gebracht, die Maschinen auseinandergelegt, die Cajüte ver-
größert und eingerichtet, Rahen und laufendes Tauwerk herunter ge-
nommen und das Deck mit einer vollständigen Ueberdachung yersehen.
Am Lande wurden zwei Observatorien gebaut, das eine fflr magnetische,
das andere für astronomische Beobachtungen und in letzterem die meteo-
rologischen Instrumente angebracht, die jetzt jede Stunde abgelesen
werden sollten. Ferner wurde Moos vom Lande geholt und das Deck
des Schiffes mehrere Zoll hoch damit belegt. Mitte October wurde dann
613
noch eine Eis- und Schneemaaer um das ganze Schiff gebaut. Das Eis
hatte wftlirend dieser Zeit bereits eine Dicke von 15 Zoll erlangt.
Wir konnten jetzt mit Ruhe dem Winter entgegensehen. Unsere
Einrichtungen waren derart, dass wir mit verhältnismäßig wenig Feue-
rung eine große Wärme hervorbringen konnten, und in der That steigerte
sich der ganze Kohlenverbrauch selbst bei der größten Kälte ( — 32® R.),
nie über 7U Pfd. per Tag; die Oefen von Meidinger in Carlsruhe haben
sich ganz vortrefflich bewährt. Im Laufe des Herbstes war über löOO Pfd.
frisches Fleisch durch Jagd eingebracht, so dass wir während des gan-
zen Winters beinahe frischen Rennthier- oder Ochsen - Braten auf dem
Tisch hatten.
Ende October wurde von Oberlieutenant Payer in Begleitung von
Dr. Copeland noch eine Schlittenreise nach Süden unternommen, welche
die Entdeckung eines neuen Fjordes, weitere Landesaufiiahmen und geolo-
gische Sammlungen ergab. Am 4. November kehrte auch diese Partie
wohlbehalten zurück, wenngleich von den ungeheuren Anstrengungen
sehr ermattet Hiermit waren alle größeren Excursionen ffir diese Jah-
reszeit und ffir 18(39 geschlossen.
Am 5. November zeigte sich die Sonne Mittags noch einmal am
Horizont und verschwand dann vollständig, um erst Anfangs Februar
wieder zu erscheinen. Auch die Bären, bis jetzt unsere getreuen Nach-
barn, wurden nicht mehr gesehen ;. Rennthiere und Moschusochsen hatten
sich mehr nach den bessern Weiden im Innern der Fjorde zurückge-
zogen. Starr, öde und ohne Leben lag die Natur um uns her; eine drei
Monate lange Polarnacht stand uns bevor. Die allgemeine Stimmung war
indess eine durchaus heitere und es war Keiner an Bord, der große
Unannehmlichkeiten oder gar Krankheiten befürchtete, da wir in der
Tbat alle erforderlichen Mittel besaßen, um jeder Strenge des Winters
erfolgreichen Widerstand zu leisten. An Beschäftigung und Unterhal-
tODg fehlte es uns ebenfalls nicht; es gab fortwährend zu beobachten,
zu rechnen, zu schreiben, zu zeichnen, und selbst der regelmäßige
SchiffiBdienst, jetzt vielmehr Hausdienst, nahm täglich mehrere Stunden
in Anspruch. Wir hatten durch die Freundlichkeit einiger Bucbhand-
lUDgen eine schöne und ausgesuchte Bibliothek an Bord bekommen, die
wir jetzt fleißig benutzten. Außerdem war eine Navigationsschule errichtet,
die von dem größten Theil der Leute mit Erfolg besucht wurde. Die
Zeit gieng auf diese Weise rasch hin, so dass Weihnachten, die Mitta
der Polarnacht, herankam, ehe sich uns der fortwährende Mangel des
Tageslichtes fühlbar machte. Das einzige Unangenehme waren die häu-
tigen orkanartigen Schneestürme aus Norden, die oft während mehrerer
Tage jede Bewegung im Freien, selbst an Deck unter der Bedachung,
614
vollständig verhinderten. Der Schnee drang in Form eines feinen Stanbes
durch alle Ritzen and Fngen der Yerschanznng nnd des Zelttacbes, so
dass das Deck an manchen Stellen mehrere Fuß hoch mit Schnee ange-
füllt wurde, in den Kajüten gab es dann manchmal störenden RandL
Dor schwerste und am längsten anhaltende Sturm wehte vom 16. bis
20. December mit ununterbrochener Heftigkeit, oft in orkanartigen
Stößen, die das Schiff, obgleich es fest in Eis gebettet war, vom Kiel
bis zum Top erzittern machten.
Dieser Nordsturm brach das Eis, welches bereits eine Di(^ von
einigen Fußen erreicht hatte, 300 Schritt sfidlich vom Schiffe, wie auch
im Osten der Insel, wieder vollständig auf, so dass ein schmaler Streifen
offenen Wassers längs dor Küste in Süden sichtbar war. Wir dankten
Gott, dass die Kleinheit unseres Schiffes uns gestattet hatte, so weit in
den Hafen hineinzuholen; ein größeres Schiff, welches in 16 bis 18
Fuß Wasser hätte liegen müssen, wäre hier unfehlbar mit losgerissen
nnd in Folge dessen unrettbar verloren gewesen, da es sehr bald von
dem durch den Orkan in furchtbaren Aufruhr versetzten Eise zersplit-
tert worden wäre. Nach diesem Sturm trat eine mehrtägige Ruhe im
Wetter ein; es kamen leichte und warme Südwinde und die Tempe-
ratur, die bisweilen schon eine Tiefe von — 22 ® und 23 • R. erreicht
hatte, stieg in den Weihnachtstagen wieder bis — 3", eine Tempe-
ratur, die in den Kajüten wegen der dann viel zu warmen Einrichtmigai
bei weitem unangenehmer, als die strengste Kälte, empfunden wurde. Wir
feierten den Weihnachtsabend bei offenen Thüren und wurde beim Stei^
nenlicht auf dem Eise getanzt. Ein kleiner Christbanm war ans immer-
grüner Andromeda gemacht, die Kjijüte mit Flaggen verziert; anf dem
Tische prangten zur allgemeinen Freude die Geschenke, die von freund-
licher Hand der Expedition für diesen Zweck mitgegeben waren. Jeder
erhielt seinen Theil und allgemeiner Frohsinn herrschte im ganzen Schiffe.
Nach dem Feste trat der Ernst des Lebens nnd der verschiedenea
Aufgaben, die wir zu lösen hatten, wieder mehr und mehr in seine
Rechte. Es wurde jetzt viel über die großen, im Frühjahr zu unter»
nehmenden Schlittenreisen verhandelt und wurden die Leute eifrig mit
Vorbereitungen zu denselben beschäftigt. Zelte, Decken, Fuß- and Kopf-
bekleidungen wurden theils ganz neu gemacht, theils so geändert, wie
es unsere eigenen Erfahrungen im Herbst und die Anderer ans früheren
Reisen als das zweckmäßigste erscheinen ließen; Schlitten worden in
Stand gesetzt, Kochapparate angefertigt, Proviant ward verpackt und
vorbereitet n. s. w.
Am Sylvesterabend sagten wir dem Jahre 1869, das nns bisiier
trotz einiger Misgeschicke günstig gewesen war, in fröhlicher Stimmmg
Lebewol, reich an Hoffnungen für das Jahr 1870.
616
Der Januar brachte meistens schönes und mhiges Wetter, wenn-
gleich wieder strenge KSlte — 20" bis 32" R., so dass hauptsächlich
viel astronomische und magnetische Beobachtungen gemacht werden
konnten. Das Nordlicht zeigte sich in schönster Pracht und wurde von
den Dm. Borgen und Copeland eine Reihe wertvoller Beobachtungen
darüber angestellt.
So vergieng der Januar, die Tagesdämmerung wurde jetzt um
Mittag heller und heller, so dass für einige Stunden des Tages die
metereologischen Instrumente schon ohne Lampe abgelesen werden konnten.
Jeder harrte sehnsuchtsvoll auf das nahe Erscheinen der Sonne , da doch
der Hangel des Tageslichtes allmählich die Stimmung etwas beein-
flnsste. Am 3. Februar sollte die Sonne nach der Berechnung von Dr.
Copeland zum ersten Male Ober dem Horizont erscheinen ; der Himmel
war vollständig wolkenleer, und wir genessen die große Freude, von
einem nahen, etwa 800 Fuß hohen Berge die Sonne in vollem Glänze
um Mittag über dem Horizont aufsteigen zu sehen.
Bei dieser Gelegenheit bekamen wir auch einen U eberblick über
das draußen liegende £is. So weit das Auge reichen konnte, war nur
eine einzige weiße Masse sichtbar, nirgends ein Riss oder Spalt , alles
dicht zusammengefroren ; bloß an der Kfiste war dünnes junges Eis, da
seit dem großem Decembersturm jeder nachfolgende stärkere Wind das
frisch gebildete Eis immer theüweiae aufgerissen hatte.
Mit dem Erscheinen der Sonne trat wieder eine regere Thätigkdt
ein; es wurden große Ausflfige in das Innere der Insel unternommen,
die indess wegen der jetzt wieder mehr umherstreifenden Bären immer
unter Bewaffiiung und mit Vorsicht geschehen mnssten. Trotzdem kamen
einige Ueberfälle vor, die glücklicher Weise, obgleich die betreffen*
den Leute hart bedrängt wurden, gut abliefen; einer der Gelehrten
ward von einem Bären arg am Kopfe verletzt und mehr als 400 Schritt
geschleppt, indess erholte er sich in einigen Wochen. Die Astronomen
begannen die Aufoahme der Basis für die Gradmessung. Die Schnee»
stünne fiengen jetzt wieder mit ungeheurer Wut an zu toben und die
Kälte erreichte am 21. Februar ihren Höhepunkt — 32® R.; doch
hatten wir nicht das Vergnügen, das Quecksilber in gefrorenem Zustande
zu sehen. Der Winter war überhaupt kein so unangenehm strenger und
die Temperatur im allgemeinen ziemlich gleichmäßig, was wol thei|-
weise in dem durch die fortwährenden Stürme inuner wieder offen ge-
rissenen Wasser seine Ursache haben mochte.
Anfangs März waren alle Vorbereitungen für die erste große
Schlittenreise nach Norden fertig, welche wesentlich geographische und
hypsometrische Zwecke verfolgen sollte. Wir verließen am 8. März,
616
9 Uhr morgens mit 2 Schlitten und 12 Mann das Schiff. Der zweite
Schlitten unter Führung des Obersteuermanns Sengstake sollte dazu
dienen, den ersten (Haupt-)Schlitten fflr die ersten 7 — 8 Tage mit Pro-
viant zu versehen, ein kleines Depot zurücklassen und dann an Bord
heimkehren, um für die zweite Schlittenreise der Astronomen zum
Zwecke des beabsichtigten Gradmessungsversuches zur Yerffigung zb
stehen. Anfangs gieng die Reise über das junge einjährige Eis rasch
und ziemlich leicht von Statten ; sobald wir aber das alte Eis erreichten,
wurde der Weg schlechter und schlechter. Die Stürme hatten in dei
Schnee große Löcher gerissen, und obgleich derselbe hart und fest war,
giengen die Schlitten über den sehr unebenen Boden so schwer hinweg,
dass wir schließlich gezwungen waren, mit sämmtlidier Mannschaft erst
den einen Schlitten eine Strecke fortzuziehen und dann den andern
nachzuholen. Nach einem anstrengenden Tagesmarsche hatten wir noch
nicht einmal das Nordost-Ende der Insel erreicht; die Schlitten mussten
erleichtert werden, Proviantstücke wurden am Lande deponiert und die
Zelte fflr die Nacht aufgeschlagen. Am andern Morgen gieng es weiter,
doch mit nicht viel besserem Erfo^e. Demnach wurde beschlossen, den
großen Schlitten noch zwei Mann mehr beizugeben, das Zelt zu ver-
größern und den kleinen Schlitten sofort zurfickzuschicken. Am Nach-
mittag waren alle Arbeiten beendet. Obersteuermann Sengstake trat den
Rflekweg zum Schiffe an; wir schlygen unser Zelt etwa 1 Meile vom
Nordost-Ende der Insel auf. Die Temperatur war mittlerweile auf
— 27^ R. gefallen; unsere Decken gewährten uns indess genügend
Schutz und Wärme. Unsere Einrichtungen ließen noch Manches zu
wtlnschen übrig; vor allen Dingen mussten wir unsere ganze Lebens-
weise noch mehr vereinfachen, wenn wir eioigemiassen gut vordringen
wollten. Das tote Gewicht der Schlitten konnte immerhin noch um
60 — 80 Pfund verringert werden, wenn wir alle Gerätschaften und
Kleider auf das äußerste Maß beschränkten. Als daher am andeni
Morgen die Temperatur noch immer so niedrig war, dass der Schlitten
über den steinharten Schnee nur mit großer Mühe fortgezogen werden
konnte, wurde die Rückkehr zum Schiff beschlossen, um erst die ver-
schiedenen Verbesserungen auszufahren. Wir ließen den Proviant an
einem Berge zurück und kamen am 11. März nachmittags, einige Frost-
beulen abgerechnet, wolbehalten wieder an Bord.
Die Rückkehr war unser Glück. Eine Reihenfolge von heftigai
Stürmen hätte jedes Vordringen gehindert und uns zu beinahe forir
währendem Stillliegen im Zelte gezwungen, das mehr entkräftet, wie
der anstrengendste Marsch. Endlich schien sich das Wetter wieder zum
Bessern zu wenden; neuere einfachere Einrichtungen waren getroffen
617
und am 24. Mftrz wurde abermals die Reise angetreten. Die Temperator-
Yerhältnisse hatten sich in der großen Eiswfiste nördlich von den Pen-
dolnm-Inseln allerdings noch am nichts gebessert; wir fanden abermals
eine Temperatur von — 27° R. ; indess gieng die Reise doch in den
ersten Tagen leidlich von Statten. Eine Strecke von 2 — 27^ Meilen
konnte Ober den holperigen Weg zurück gelegt werden, und wir h&tten
sicher eine weit höhere Breite erreicht, wenn nicht die fortwährenden,
recht aus Norden kommenden Schneestürme ein unüberwindliches Hinder-
nis gewesen w&ren. Zwei bis drei Tage mussten wir mehrmals geduldig,
dicht eingepackt, im Zelte liegen, vielen Beschwerden ausgesetzt. Grlück-
licherweise waren unsere Einrichtungen der Art, dass kein Sturm das
Zelt zu zerstören vermochte; insofern befanden wir uns in völliger
Sicherheit. Doch der feine Schneestaub drang überall durch und alles
im Zelt wurde zolltief mit Schnee bedeckt. Durch das nothwendige
Kochen im Zelte und durch unsere eigene W&rme wurde ein geringer
Theil dieses Schnees geschmolzen; unsere Kleider und Decken wurden
nass, wir fröstelten und unausbleiblich drohte uns Krankheit. Die Kr&fte
nahmen ab und trotz einiger Tage Sonnenschein musste doch reich-
lichere Kost, als berechnet war, verabfolgt und öfter Schnee zur Lö-
schung des Durstes gebraucht werden. Das gute Glück wollte, dass wir
bei Haystack, welches wir am 3. April erreichten, einen Bären erlegten
und somit Material zum Brennen, wie auch etwas Fleisch bekamen.
Haystack ist übrigens keine Insel, wie angenommen ist, sondern mit
dem 'Festlande verbunden.
In 76® 24' N. B. trafen wir auf eine Gegend, in welcher der
Schnee merkwürdiger Weise lose lag, so dass wir bisweilen knietief
hindurch waten mussten ; die Stürme, die sonst überall den Schnee hart
und fest gemacht hatten, schienen ihn hier gar nicht berührt zu haben ;
nur mit äußerster Anstrengung gelang es, täglich etwa 2 Seemeilen
auf dem bodenlosen Wege zurückzulegen, indem wir immer das feste
Land zu unserer Linken festhielten. Bei weiterem Vordringen klärte
sich jener Umstand indessen bald auf. Die Küste von Grönland verläuft
hier in einer großen nach Süden geöffneten Bai, und streckt sich ost-
wärts derselben eine große Landzunge mit südlich vorliegender Insel
nach Süden herunter: das hohe Land nordwärts hatte im Sturm als
Schneefang gewirkt und lag deshalb der Schnee im Lee der Küste so
hoch und weicL Um aus dieser Bai wieder herauszukommen, mussten
wir uns vorerst östlich wenden, und erreichten so endlich eine kleine
Bucht, die nothgedrungen unser nördlichster Schlittenpunkt sein musste.
Die Anstrengungen der letzten Tage, die große Kälte, die noch immer
unter 20^ war, hatten einen raschen Verbrauch unseres Proviants zur
MilUwilungeit d. («ogr. GMeU. 1870. 13. 40
618
Folge gehabt. Dazu hatten uns die Stürme sehr aofgehalten. Alles was
noch geschehen konnte, waren Besteigungen einiger hoher Anssichts-
pankte an der Küste, am einen klaren Ueberblick über Land nnd £äs
zu bekommen.
In den nächsten Tagen tobte wieder ein furchtbarer Schneestnrm
aus Norden, der drei Tage ununterbrochen anhielt; wir mussten uns
Fasten auferlegen, um unseren wenigen Proviant weiter auszanutzea
Die Bergbesteigung war aber unumgänglich nothwendig, da wir ohne
dieselbe an keine Rttckreise denken konnten. Endlich, am Charfreitag
(15. April) wurde das Wetter schöner, die Fußreise konnte angetreten
werden; drei deutsche MeUen wurden gegen Norden zurückgelegt und
dabei ein Berg von ungefähr 1500 Fuß Höhe erstiegen. Der Punkt
liegt unter 77® 1' N. B. und etwa 18® 50' W. L.; von ihm aus er-
streckte sich die feste Küste in fast gerader meridionaler Richtung nach
Norden. Der Anblick über See zeigte, wie zu erwarten war, eine
ununterbrochene Eisfläche bis zu dem Horizont, über dem ein weißer
Eishimmel lag ; das Eis war mit gewaltigen Höckern bedeckt, bei weitem
größeren, als wir sie bei den Pendulum-Inseln gewohnt waren; eise
ebene Strecke Landeis lag bis etwa 4 Seemeilen vor der Koste, dodi
auch dieses Landeis war älteren Datums und hatte augenscheinlicli
schon mehrere Jahre fest gelegen ; das Ganze machte den Eindruck eines
für die Ewigkeit gebauten Bollwerks. Als Oberlieutenant Pajer seine
Messungen beendet hatte, mussten wir eilig unseren Rückzug nach dem
Zelte antreten, da aufs Neue die deutlichsten und sichersten Anzeichen
eines herannahenden Sturmes hervortraten. Kaum war das Zelt erreicht,
da brach der Sturm wieder mit furchtbarer Wut herein. Wir waren fh^,
die wissenschaftlichen Resultate der Reise in Sicherheit zu haben, die immer-
hin nicht ganz unbedeutend waren, nachdem der 77" N. B. erreicht war.
Am Sonnabend, den 16. April, nachmittags konnten wir die Rück-
reise antreten; wir wollten jetzt des Nachts reisen, da dann die Sonne
im Rücken war und wir zudem den Vortheil hatten, des Tages während
der Schlafzeit eine größere Behaglichkeit im Zelte scha£fen zu können.
Eümärsche sollten gemacht werden, um so rasch wie möglich an Bord
zu kommen, da eine zweite Schlittenreise zur Fjorderforschung nnter
Gommando von Oberlieutenant Payer noch ausgeführt werden masste,
bevor Thauwetter eintrat. Die Leute leisteten Tüchtiges; das Mache
Fleisch gab uns gute Nahrung und die Bären, die uns begegneten,
mussten uns Fett zum Brennen liefern. Stürme, wenn sie nicht gar n
heftig waren, förderten jetzt unseren Weg, da wir vor denselben her-
laufen konnten und den Schlitten nicht zu ziehen brauchten, indem wir
ihn unter Segel brachten.
619
Am 27. April nachmittags kamen wir an Bord zurück. Erst jetzt
merkten wir, wie sehr wir doch trotz der guten Nahrung an Kraft ver-
loren hatten. Eine furchtbare Abspannung machte sich geltend; heftige
Krämpfe in den Beinen zeigten sich, doch die gute und frische Kost
an Bord, Ruhe und Pflege stallten die Leute bald wieder her.
Die Schlittenreise zur Erforschung der Ardencaple-Einfahrt konnte
am 8. Mai nachmittags abgehen. !N[ur zwei der Leute, welche die erste
Reise mitgemacht hatten, waren noch immer, wenn auch nicht gerade
dienstnntüchtig, doch für eine größere Reise nicht kräftig genug.
An Bord waren während unserer Abwesenheit von den Astronomen
verschiedene kleinere Schlittenreisen zum Zweck der geodätischen Arbeiten
untemommeh, und ein Theil der Basis war gemessen. Das Schiff hatte
ein anderes Ansehen bekommen und war seines Wintermantels ent-
kleidet. Auch hier waren indess die heftigen Stürme ein großes
Hindernis* gewesen, so dass die Arbeiten nicht so weit vorgeschritten
waren, wie bei günstigeren Verhältnissen erwartet werden konnte. Da-
zu kam noch, dass die Bären das Schiff und dessen Umgebung förmlich
in Belagerungszustand erklärt hatten, so dass die äußerste Vorsicht
gebraucht werden musste, um Unglücksfälle zu verhüten. Mehrere dieser
Thiere wurden geschossen, zu verscheuchen waren dieselben indessen nicht.
AUe diese Hindernisse, mit denen man zu kämpfen hatte, bewirkten,
dass die geodätische Reise der Astronomen nicht vor dem 14. Mai
abends abgehen konnte, reichlich spät für Schlittenreisen, da das Thau-
Wetter ganz plötzlich eintritt und der Schnee mit überraschender Schnellig-
keit lose wird und schmilzt. Die Theinehmer der Fahrt hatten mit den
größten Schwierigkeiten zi^ kämpfen ; Ende Mai musste bereits im Wasser
gewatet werden und Anfang Juni waren die Gletscherbäche am Lande
bereits so reißend geworden, dass sie nur mit Lebensgefahr zu über-
schreiten waren. Die Arbeiten wurden indess zur Befriedigung vollendet.
Auf der Rückreise musste man Schlitten und alles, was nicht fortzu-
tragen war, auf 75° N. B. am Lande stehen lassen, um nur in großen
Elilmärschen das Schiff erreichen zu können.
Oberlieutenant Payer war bereits am 29. Mai, morgens 8 Uhr,
wieder an Bord zurückgekommen. Man war auf unerwartete Schwierig-
keiten gestoßen ; die furchtbaren Stürme, die den Schnee an der Küste
fiberall fest und hart geweht hatten, waren über die Fjorde hinweg-
gerast, und hatten die Ablagerung von so losem und tiefen Schnee be-
gtlnstigt, dass man bis an den Leib einsank und die Schlittenladung
Stück für Stück forttragen musste. Auf diese Weise wurden oft nur
wenige 100 Schritt mit der größten Anstrengung an einem Tage zurück-
gelegt. Die Aussicht, die ein Berg bot, zeigte deutlich, das auf Besse-
40*
620
rang des Weges nicht zu hoffen sei; deshalb mnsste man sich noth-
gedningen zur Rückkehr entschließen. In geographischer, sowie geolo-
gischer Beziehung waren indess die Resultate dieser Reise von großem
Werte, da mehrere hundert Petrefacten und fossile Pflanzen heimge-
bracht wurden.
Die Zeit der Schlittenreisen war jetzt zu Ende; an ausreichende
Ruhe und Erholung von den Strapazen und Anstrengungen der letztai
Monate konnte indess wenig gedacht werden. Nur einige Tage Rast
wurde den Leuten gegönnt. Noch immer mussten kleinere Reisen zor
VervoUst&ndigung der Aufnahmen, zu botanischen und zoologischen
Zwecken unternommen werden; das Schiff war in allen seinen Theiloi
segelfertig zu machen. Da gab es denn für die wenigen Leute, die zur
Yerfflgung standen, reichlich zu thun. Obgleich den Leuten nur dis
beste Zeugnis zu geben ist und alle von gleichem Eifer beseelt waren,
musste doch noch manches Wünschenswerte unterbleiben, da es unmög-
lich war, alle wissenschaftlichen Arbeiten vollständig zu bewältigen.
Der Schmelzprocess gieng jetzt rasch vor sich ; bald hatte die Dicke
des Eises, die im Mai 6* 7" betrug, um einige Fuß abgenommeD:
ostw&rts und südwärts von uns war bereits viel offenes Wasser: das
Landeis brach an den Kanten mehr und mehr ab.
Am 10. Juli abends setzte sich das Eis in unserem Hafen, in
welchen wir noch immer fest eingebettet waren, mit uns in Bewegung;
wir trieben aus dem Hafen hinaus nach Südosten. Die Eissägen wurden
in Thätigkeit gesetzt, um das noch immer drei Fuß dicke Eis zu durch-
schneiden. Am 11. Juli nachmittags hatte der durch die Scholle ge-
sflgte Kanal genügende Breite; unter Hurrarufen dampften wir aus
unserem Eisgeffingnisse heraus, steuerten aber nachher wieder nach
unserem jetzt zum größten Theil eisfreien Hafen, woselbst wir einige
Stunden später ankerten. Es waren noch einige nothwendige Arbeiten
zu vollenden, und dann sollte auch eine Bootreise nach den Eskimo-
hütten der Clavering-Insel unternommen werden, ehe wir unsere Ver-
suche, nordwärts vorzudringen, erneuerten.
Die Booteexpedition segelte am 14. Juli nachmittags ab. Bis Cap
Borlace Warren war die Küste gänzlich eisfrei, in der Gale Hamkes
Bai lag indess das Landeis noch theilweise fest; doch konnten wir lös
Cap Mary vordringen. Die übrigen vier deutschen Meilen nach dea
von Clavering besuchten Eskimodorfe mussten zu Fuß zurückgelegt
werden, ein mühsamer Weg. Wir wurden indess dadurch belohnt, das»
wir das Dorf nach den Angaben der Karte richtig auffanden. Die Hüttea
waren längst verlassen und verfallen, zwei von ihnen, wahrscheinlich
die, welche Clavering noch bewohnt angetroffen hatte, sind offenbAr
621
jüngeren Datums, a]s die übrigen. Wir ontersachten die Hütten, so gut
es bei dem schlechten nnd regnerischen Wetter gehen wollte, und traten
dann anseren Rückweg an. Das Eis in der Bai war im Aufbrechen
begriffen nnd am Lande war das Wasser an den meisten Stellen bereits
eisfrei; sehr viele Schollen von zweijährigem Eise waren darunter, ein
sicheres Zeichen, dass die Bucht im Jahre 1869 nicht ganz eisfrei ge-
wesen war.
Am 18. Juli morgens kamen wir an Bord zurück. Die „Germania*
war jetzt vollkommen segelfertig und dampfte am 22. Juli morgens
nordwärts. Bei Cap Philipp Broke wurde geankert um vorerst vom
Berge aus den Zustand des Eises weiter nordwärts zu recognoscieren.
Ein Kanal längs dem Landeise war wieder vorhanden; er schien sich
ziemlich weit nach Norden zu erstrecken. Leider trat aber jetzt ein
unvermuteter Umstand, der schließlich einen wesentlichen Einfluss auf
die Entdeckungen des Sommers ausgeübt und zum frühzeitigen Rückzuge
ans dem Eise gezwungen hat.
Die Röhren des Dampfkessels fiengen nämlich an bedenklich zu
lecken ; es war klar, dass über kurz oder lang der Kessel gänzlich
unbrauchbar w^erden musste. Ohne Dampfkraft aber — das hatten wir
zur Genüge kennen gelernt — waren an dieser Küste, wo im Sommer
größtentheils Windstille herrscht, nur geringe Entdeckungen in der
kurzen Zeit der Schiffahrt zu machen. Vorläufig wurden die Röhren
wieder repariert und wir dampften weiter. In einem engen Kanal zwischen
dem Landeise und dem Packeise aufwärts fahrend, erreichten wir die
Breite 75* 29' N. B. dicht am Nordostcap der Insel Shannon. Hier
wurde unser weiteres Vordringen durch dieselbe Eisschranke gehindert,
die wir im vorigen Jahre angetroffen hatten. Das schwere Eis, über-
haupt viel höher, als bei den Pendulum-Inseln, hieng jetzt nüt dem Land-
eise zusammen und zeigte auch keine Andeutung eines nahe bevorstehenden
Aufbruchs. Von einem etwa 500 Fuß hohem Berge der nahen Insel
bemerkten wir nach Norden nur festes Eis nnd eine starke Stralen-
brechung ließ uns auch im Osten des vorliegenden hohen Landes (76" N.B.)
nur Eis erkennen. Bloß ein einziger schmaler Wasserstrich war an der
Südseite dieses Landes sichtbar. Wir lagen mehrere Tage am Landeise,
ohne dass sich die geringste Bewegung in demselben zeigte. Unsere Bucht
setzte sich mittlerweile mit einem eingetretenen Südwinde so voll Schollen,
dass wir nahe daran waren, gänzlich vom Eise eingeschlossen zu werden.
Bei Windstille bildete sich bereits wieder junges Eis ; der Sicherheit des
Schiffes wegen, mussten wir zurück. Es wurde deshalb gänzlich von wei-
terem Vordringen nach Norden abgesehen, da wir bis 77^ hätten durch-
arbeiten müss^, ohne eine einzige neue Entdeckung machen zu können, da
622
ferner der Dampfkessel leicht völlig unbrauchbar werden konnte und da-
durcli das Schiif aller Wahrscheinlichkeit nach im Eise gefangen gehalten
worden wöre. Unter solchen Umstanden gieng die einstimmige Meinmig
sämmtlicher Herren der Expedition dahin, dass die fi-nchüosen \er-
suche, nach Norden vorzudringen, aufgegeben werden müssten und lieber
die Jahreszeit auszunutzen wäre, um nach Süden zu vielleicht noch
wertvolle Entdeckungen zu machen. Am 30. Juli dampften wir im dich-
ten Nebel südwärts, immer am Landeise entlang fohlend und bisweilea
einige Ketten von Schollen durchbrechend.
Am 3. August ward südlich von Cap Broer Ruys geankert; neue
Forschungen am Lande begannen und es wurde, da das Eis südlich
und westlich noch fest lag, vorläufig am 6. August eine Bootfahrt unter-
nommen, um die Mackenzie-Einfahrt zu erforschen. Biese Einfahrt
existiert indess nicht, es ist nur ein flaches Thal vorhanden und das auf
der Karte als Insel angegebene Bennet hängt mit dem Lande zusammen.
Auf dem Flachlande waren zahlreiche Rennthiere, die so wenig sehen
waren, dass fünf Stück in kurzer Zeit geschossen wurden. Von einem
Berge aus entdeckten wir südlich und westlich von Bennet eine beträcht-
liche Anzahl schwimmender Eisberge, die aus einem großen Fjorde zu
kommen schienen. Wir fuhren deshalb am nächsten Tage mit dem Boote
um Bennet bis nach Cap Franklin, woselbst das Landeis noch fest lag,
so dass wir lagern mussten. Die Besteigung einer Anhöhe zeigte ans
den vermuteten Fjord und belehrte uns, dass das Innere desselben eis-
frei sei. Es wurde desshalb beschlossen, das Boot am nächsten Morgen
über das Eis zu ziehen und weiter vorzudringen. In der Nacht bracJi
indess alles Eis los und setzte sich nach Osten in Bewegung. Die Be-
steigung eines über 4000 Fuß hohen Berges durch Oberlieutenant Payer
und Dr. Copeland zeigte, dass die Ausdehnung des Fjordes eine viel
zu große sei, um mit Booten denselben auch nur einigermaßen zu erfoi^
sehen. Wir mussten das Schiff selbst hineinbringen; einmal durch das
treibende Eis durchgedrungen, hatten wir dann im Fjord selbst voll-
kommen freies Wasser und konnten unbehindert zwischen den Eisbergen
weiter dampfen. Es wurde demnach sofort an Bord zurückgekehrt und
Dampf aufgemacht. Der Kessel war wieder nothdürftig repariert worden
und wir konnten mit 40'Pfund Druck vorwärts dampfen. Das Landeis
wurde ohne Schwierigkeit durchbrochen und nun zwischen den Eisbergen
immerfort westwärts gedampft. Je weiter wir eindrangen, desto müder
wurde die Temperatur und desto wärmer das Wasser ; die Scenerie war
großartig, wie in den Alpen. Ein unbekanntes Land, das wirkliche Innere
von Grönland, eröffnete sich immer schöner und imposanter unseres
staunenden Augen. Zahlreiche Gletscher, Cascaden, Sturzbäche kamen
623
Yon dem immer höher und höher ansteigenden Gebirg herunter. Weiter
im Norden wurde ein ungeheurer Gletscher entdeckt, der sicher eine
große Anzahl der Eisberge lieferte; wir dampften weiter nach Westen
und Westsüdwesten, da sich hier immer mehr Verzweigungen des Fjordes
zeigten; ein Ende war noch nirgends abzusehen. Der Kessel versagte
nach 24stün'diger Thätigkeit abermals den Dienst, so dass wir gezwungen
waren, unter einem Gletscher, der etwa 1000 Fuß über dem Meeres-
spiegel sein Ende erreichte, zu ankern.
Sofort begannen Gletscherfahrten und Bergbesteigungen; alle zur
Erforschung des Landes nöthigen Arbeiten wurden unternommen; Ober-
lieutenant Payer, Dr. Copeland und Peter EUin^er bestiegen über den
großen Gletscher einen 7000 Fuß hohen Berg. Von hieraus wurde
gesehen , dass die Fjordverzweigung überall noch unbegrenzt fortgieng.
Berge im Innern, die auf etwa 32° W. L. liegen, wurden bis 14000
Faß hoch gemessen; die ganze Umgebung ward gezeichnet und aufge-
nommen, Gletschermessungen wurden angestellt u. s. w.
Der Kessel war während dieser Zeit wieder nothdürftig hergerichtet,
mehrere Röhren wurden durch Verankerung außer Thätigkeit gesetzt
und es war augenscheinlich , dass wir die Darapfkraft in sehr kurzer
Zeit ganz würden entbehren müssen. Unter solchen Umständen und bei
der schon etwas vorgerückten Jahreszeit wäre das ganze Unternehmen
leichtsinnig aufs Spiel gesetzt worden, wenn wir noch weiter hätten
vordringen wollen. Versagte der Kessel im Fjord, über 70 Seemeilen
von der nächsten Außenküste, so würden wir wahrscheinlich gezwungen
worden sein, einen zweiten Winter im Fjord zu verweilen. Mit Segeln
wären wir schwerlich zu rechter Zeit herausgekommen, da im Fjord
während des Sommers größtentheils Windstille herrscht.
Die Rückreise wurde beschlossen, bei Cap Broer Ruys zum letzten
Male geankert, der Kessel noch einmal ordentlich nachgesehen; vom
Berge aus sahen wir, dass das Packeis, obgleich schon wieder näher an
der Küste, doch lose genug lag, um hindurchdampfen zu können. Bis
16 Grad dampften wir ungehindert trotz dichten Nebels zwischen den
Eisfeldern hindurch, stießen hier aber auf dichtes Eis. Wir mussten
durch eine Kette von Schollen brechen, bis das Wasser wieder etwas
freier wurde; dies war die letzte Anstrengung des Kessels. In Strömen
stürzte das Wasser aus den Röhren ; der Dampf musste rasch abge-
lassen werden und das Feuer gieng aus.
Der übrige Theil der Reise war unter Segeln zurückzulegen. Noch
ein schwerer Sturm im Eise, große Anstrengungen für das Schiff, welches
sich hier aufs beste in Bezug auf seine Stärke und Solidität bewährte,
624
einige Gefahren; dann erreichten wir am 24. Angust ahends in 72®
N. B. und 14® W. L. das offene Meer.
In den n&chsten Tagen wurden bei dem windstillen Wetter einige
genaue Tiefseelotungen bis 1300 Faden angestellt; die Absicht war
zwischen Island und Faröer einerseits und den Shetlands-Inseln anderer-
seits durchzugehen, um auf dieser Fahrt noch umfassende Lotungen
und Tiefsee>Temperaturmessungen vorzunehmen. Heftige und anhaltende
Stürme, die bis zur Weser dauerten, verhinderten die Lotungen und
beschränkten die Temperaturmessungen , von denen indess einige sehr
interessante Resultate ergaben.
Vor Helgoland ließen wir vergebens Raketen steigen, um einen
Lootsen zu rufen ; unerklärbar war es uns , dass von anderen Schiffen,
die wir nicht erkennen konnten, mit Raketen geantwortet wurde. Am
11. September früh kam Wangeroge in Sicht; vor Wangeroge war die
Schlüsseltonne, das äußerste Seezeichen fdr die Wesereinfahrt, rätsel-
hafter Weise nicht zu entdecken, das Leichtschiff und die Wangeroger
Barken fehlten. Wir konnten diese Erscheinung nicht deuten; in der
Außeivjade sahen wir die Masten eines großen Schiffes und richteten
dorthin unsem Kurs. Näher kommend gewahrten wir, dass wir die Fahr-
zeuge einer Kriegsflotte vor uns hatten; die Flagge war noch nicht zn
erkennen; wir fürchteten einen Feind vor dem Jadehafen zu finden.
Ein Kanonenschuss zwang zum Beidrehen; Officiere unserer Manne
kamen heran und nun erfuhren wir staunend und jubelnd die großar-
tigen Ereignisse der letzten Monate.
Wir erhielten Dampfer und Lootsen für die Weser und erreichten
abends ßVs Uhr Bremerhafen, das wir vor 453 Tagen verlassen hatten.
Geographische Literatur.
Karte der Kirchengemeinden der Evangelischen beider Bekenntnisse
und Unitarier in den zur ungarischen Krone gehörigen Ländern, tob
J. Hätsek, k. ungar. Kartograph. Ofen 1870. In Commission bei Petrik
G^ in Pest. 4 Bl. gr. Folio.
Eine Beligionskarte von Ungarn unterliegt ähnlichen Schwierigkeiten
wie eine NationaUtätenkarte, weil das Zasammenwohnen verschiedener Bekenner
80 wie verschiedener Yolkastämme graphisch mit gehöriger Deutlichkeit darza-,
stellen, allen Mitteln der Technik trotzt Es ist aus diesem Grunde angeseigt
das fiberreiche Materiale zu zerlegen, und so viel homogene Daten au&D»^
men, als zur klaren Uebersicht noch aufnehmbar sind. Dies hat Hr. Hätsek
mit der vorliegenden Karte genügend erreicht, auf welcher nur die Evangeli-
schen und Unitarier mit ihren Wohnsitzen erscheinen, und zwar die Latberaner
mit rothen Ortszeichen und rother Schrift, die Calviner mit grünen Ortszeichea
und ffrüner Schrift, die Unitarier mit schwarzen Ortszeichen and schwarzer
Schrift. Wo. ein Zusammen wohnen stattfindet, sind Ortszeichen und Schrift ia
der Farbe verschieden und bedeutet die Farbe des Ortszeichens die Ueber-
625
wiegenheit der Gonfessionsyerwandten. Die GruDdlage der Karte beruht auf den
Ergebnissen der Eatastralbemessong, die Eintragung und Rangierung der Orte,
die Grenzen der Snperintendenzen und Seniorate etc. auf den ämtlichen Daten ;
auderdem erscheint das voilst&ndige Straßennetz, die bestehenden, im Hau
befindlichen und concessionierten Eisenbahnen. Die technische Ausarbeitung ist
lobenswert, der Druck mit großer Präcision ausgeftlhrt.
Wenn noch ein Wunsch erübrigte, so wäre es der, dass der Autor auch
die Zahl der Bekenner annähernd auszudrücken versucht hätte, z. B. durch
eine wachsende Größe der Nullen. Da jedoch der Maßstab der Karte klein ist
(1 : 720000, nicht rr^hins ^i^ ^us Versehen angegeben ist), so würden vielleicht
beigesetzte Ziffern, weiche die Hunderte der Bekenner angeben und längere
Zeit richtig bleiben, vorzuziehen gewesen sein. Allein auch ohne diese Steige
rang des Wertes bleibt die Karte mit ihren 3 statistischen Tafeln ein wert-
volles Erzeugniss, das beiden Reichstheil en durch die doppelsprachige Beschrei-
bung gerecht zu werden sucht, und an dem der Oostnrreicher das einzige Be-
fremden finden wird, dass die Grenze zwischen Cis- und Transleithanien als
Staatsgrenze bezeichnet ist. — s —
Geschichte des europäischen Seeversicherungsrech-
tes, von Dr. Carl Ferd. Reatz, Hofgerichtsadvocat in Gießen. 1. Band.
Leipzig, bei J. G. Pindel 1870.
Eine auf dem Bechtsstandpunct fußende Betrachtung Über das Versiche-
rungswesen z 0 r See ist ein drin^rendes Bedürfnis. Der Verfasser hat sich die-
selbe zur emsteu Aufgabe gemacht und zur Krzielung sicherer Resultate, wie
uns scheint, auch den richtigen Weg eingeschlagen.
Von der Ansicht ausgehend, dass der Begriff pines europäischen
Seeversicherungsrechtes nur auf historischem Wege festgestellt
vrerden kann, gibt er im vorliegenden ersten Theile die Entwicklung des euro-
päischen Seeversicherungsrechtes von seinen ersten Anfängen mit den spe-
delien Bestimmungen, wie es zur Zeit des ersten Aufschwunges der SchiffaJirt
in Portugal, in Barcelona (1435), Venedig, Albenza, Savona und Florenz, in
Bnrgos (1S38) und Sevilla (ISS6) geübt wurde. Der zweite Theil wird den Ge-
genstand bis auf die Jetztzeit verfolgen und daraus seine Schlüsse ziehen.
Für das Interesse, das der Gegenstand einflößt, mögen die Worte des
Verfassers (in der Einleit. S. 4) selbst sprechen.
•Wie das allgemein Menschliche ein höheres Interesse zu erwecken ver-
mag , als das Nationale, so übt auch das europäische Seeversicherungsrecht,
als Gemeingut des lange Zeit hindurch allein civilisierten Theiles der Mensch-
heit, eine höhere Anziehungskraft aus , als irgend ein i^echtsinstitut eines ein-
zelnen Volkes. Denn das einzelne Volk arbeitet mit der Bildung seines Gewohn-
heitsrechtes oder mit seiner Gesetzgebung immer nur für sich, es lässt sich
hierbei bestimmen durch seine besondere Interessen und Bedürfnisse, unbe-
kümmert darum, ob sein Recht mit den Interessen und Bedürfnissen der mit
ihm in Berührung kommenden Angehörigen anderer Staaten in Widerspruch
tritt oder nicht. Und auch da, wo es sich nicht um die Befriedigung besonderer
Interessen, sondern um die wissenschaftliche Erforschung des innersten Wesens
eines Rechtsijistituts und die Darstellung der daraus resultierenden Rechtssätze
handelt, pflegen die Gesetzgeber selbst der heutigen Zeit die Wissenschaft,
Gesetzgebung und Praxis des Auslandes, wenn überhaupt, so doch in ungenü-
gender Weise zu Rathe zu ziehen, Anders verhält es sich mit dem europäi-
schen Seeversicherungsrechte. Anfangs zwar und auch hie und da noch später,
sah man die Seeversicherung als ein vorzugsweise nationales Institut an,
nnd gab ihr ein dem entsprechendes juristisches Gewand. Allmählich aber
erkannte man, dass wie der Handel und Verkehr der Menschen überhaupt eine
Unterscheidung der Nationalitäten nicht vertrage, wie es sogar
im Interesse einer jeden Nation liege, ihre Angehörigen vor den Fremden ohne
die zwingendsten Gründe nicht su begünstigen, auch das Seeversicherungsrecht
von einseitig nationalen Elementen zu reinigen, zum Rechte aller seefahrenden
Völker zu erheben und den allgemeinen Bedürfnissen und Anschauungen der
jeweiligen Zeit anzupassen sei. Die zahllosen Berührungen und Verkettungen
der Völker im Seehandel haben sodann bewirkt, dass jedes städtische Gemein-
626
wesen , jedes Volk uod jeder SUat bei der Bildimg aeines Gewohoheitsreckiei
oder seiner Gesetzgebung nicht seiner, auf eigenem Territorium erworbenea
Kenntnis und Erfahrung vertraute, sondern die Gebrauch- Bechtsantchauangea
und gesetzlichen Normen der übrigen Völker sammelte und auf sich einvirken
ließ. Und alles Recht, was ein einzelnes Volk so schuf, erwarb es nicht blofi
sich selbst, sondern zugleich der Gesammtheit der Völker, und seine Satauu-
gen förderten und befestigten zugleich das Recht Europa^s. Es ist nustreitig
hoher Bewunderung wert, dass das Römische Recht, als das Recht eines
einzelnen Volkes, nach Jahrhunderte langem Schlafe von Italien aus einen
Siegeszug durch Europa unternahm , fast alle Völker sich unterwarf und so za
europäischem Rechte wurde. Nicht minder bewunderungswert ist aber die
Thatsaehe, die sich auf unserm (Gebiete vollzogen hat, wo eine Reihe der civüi-
siertesten Völker £uropa*s in stiller geistiger Gemeinschaft gearbeitet und ge-
strebt haben, um unserem Erdtheile ein einheitliches Recht zu geben. Wie dort
ein Recht das Recht vieler Völker wurde, so wurden umgekehrt hier die
Rechte vieler Völker ein Recht.« B.
Notizen.
Weltkarte vom Jahre 1489. In der 2^it8chrift üQr allgemeine Erd-
kunde gibt Dr. J. U. Kohl die Gopie einer Wellkarte vom Jahre 1469
mit interessanten Erläuterungen aber das africanische Festland. Nach seiner
Annahme ist dieselbe Karte einem Manuscrlpt des britischen Museums »Insn-
larium illustratum Henrici M arte 11 i germaui- beigefügt und beruht theih
auf Augenschein, theils auf Denkmälern älterer und neuerer Zeit. Africa ins-
besondere lasse in der ganzen Bearbeitung warnehmeu, dass dabei die Entdeckos-
gen der Portugiesen, namentlich die Forschungen von Diaz (14b7) im Osta
des Caps der guten Hoffnung benützt wurden, was von dem Globus des MaitiD
Behaim (14-92) nicht gesagt werden kann. Bekanntlich gelangte die letzte por-
tugiesische Expedition bis zur "Uhe de fonti.- Dieser Umstand spricht daftr,
dass das Original der genannten Karte unmittelbar nach des Diaz Rückkehr
nach Portugid verfasst worden sei. Aus der Mischsprache, in welcher die Uita-
namen längs der africanischen Küste verzeichnet sind ~~ alles übrige ist latei-
nisch benannt — lässt sich schließen, dass die Gopie durch einen Italiener
übertragen oder das Original von einem Italiener auf dem Schiffe des Dias
zusammengestellt wurde, da nach »»de Barros« die Portugiesen sich bei See*
fahrten gern nahe an den Gestade hielten, um das Land nicht aus dem Auge
zu verlieren, und italienische Scfiiffleute, namentlich Genueser, mitführten.
Die äußersten Gränzen der Entdeckungen des Diaz sind auf der Karte
mit den Ausdrücken Golfo de Pastori • »Padram de S. Georgi* und -Ilha de
fonti- bezeichnet Der erste Name ist die italienische Uebersetzuug des portn-
giesischen »Bahia dos Vaqueiros« (Hirtenbucht), jetst Algoabucht, Migor bemerkt
in seiner kritischen Beleuchtung der Heise des Diaz, dass dieser die letzte
Denksäule in einer der Buchten gesetzt habe, die den Namen -Santa Gruz-
fühit; es sei dies dieselbe, die in der Karte von 148'^ als »Padram de 8. Georgi-
vorkommt, der weitere Name -Penedo das fontes- (Felsen der Quellen), ruhit
von dem daselbst entdeckten (^uellwasser her. Ungeachtet der Weigerung der
Schiffsmannschaft segelte Diaz von diesem Puncto weiter und der letzte Nane
auf seiner Karte lautet »Rio do Infante,- gleichbedeutend mit dem jetsigea
großen Fischfluss.
Die Karte von 1489 zeigt zuerst eine deutliche Begränzung von Africa,
wiewol sie auf Richtigkeit der Angaben nur theilweise Anspruch machen kann.
Wo 08 sich um das der portugiesischen Kttstentbrschung entferntere Innere
handelt, so wie um jenen Rest der Küste (zwischen dem Cap Delgado und d^
Rothen Meer), den die Portugiesen damals nich t kennen lernten, siehi man es
der Karte nur zu deutlich au, dass sie auf die alten Angaben des -Agatho-
dämon- in des Ptolemeus Geographie gebaut sei. Ob aber selbst die Angäbet
des Ptolemeus namentlich über das Innere des Continentes sich auf mehr ab
bloße Vermuthungen gestützt haben , muß man bei dem jetzigen Stande der
Forschung billig in Zweifel setzen. Und wenn heutzutage die zufällige Deb«^
627
eioBtiiDmuiig der Entdeckungen Livingstones mit den Angaben des Ptolemeus
Ober das ifilbecJcen wieder ein Vorurtbeil für den alten Geographen begründen
will, es dürfte dasselbe durch den bevorstehenden genauem Bericht eben so zer-
streut werden, wie ähnliche Vorurtheile durch das Licht der Wahrheit zerstreut
wurden. Mit vernünftigen Gf^nden kann wenigstens nicht behauptet werden, dass
Ptolemeus oder sein Gewährsmann Marinus v. Tyrus zu ihrer Zeit die
Mittel besessen hätten, um sich mehr als eine allgemeine Ansicht über Africa
zu bilden. — c— y.
Der Garten Eden der Hebräer. U. Kawlinson stellt in seiner Schrift :
»Notes on the Site of the terrestrial Paradise«« auf Grundlage seiner For-
schungen Über semitische Altertbümer und die Keilschriften Iiabylonien's eine
neue Hypothese in Betreff des Sitzes des traditionellen Gartens von Eden der
Hebräer auf. Er bemerkt vor Allem, dass in den Ueberlieferungen aller Völker
das himmlische Gebiet, der Göttersitz, als das verbindende Glied der Gottheit und
des Menschengeschlechtes vorkomme und in jene Gegend versetzt werde , wo
dasjenige Volk^ von welchem die Ueberlieferung ausgeht, die erste geistige Bil-
dung erhalten hatte. Man brauche nur auf den Olymp der Griechen und den
Meru der Arianer zu sehen, welch' letzterei* u^ch drei Sitzen verlegt worden
sei, die mit den Wohnplätzen der drei Zweige der arianiscben JSace im Ein-
klänge stünden. Die Perser als westliche Arianer hatten ihre Wohnstätte im
Paropamisus, während die Meru als Gentral-Arianer in Pamir, die östlichen
an den heiligen Seen in Tibet zu finden waren. Man nahm an, dass in jedem
dieser Gebiete vier Flüsse nach dem gemeinschaftlichen Mittelpunct zu-
strömte. — Das Paradies der Hebräer lag hiernach in der Nähe des Ur der
Chaldäer, und sei nach Keiliuschriften an dem unteren Euphrat, dem jetzigen
Mugheir, zu suchen. Auch der Name Hebräer sei von dieser Stelle abzuleiten,
denn die Bucht des augeschwemmten Landes zwischen dem Fluss und der
Tertiärformation trage bei den arabischen Geographen die Benennung Ib r oder
Ufer, so dass Ibri der eigentliche Volksname der Abraham'schen Wanderer
gewesen. Der Verfasser hält dafür, das Gan-eden, welches wir mit Eden über-
setzen, nichts anderes war, als der hebräische Ausdruck eines der alten Namen
von Babylonien, nämlich Gan-duni «in der Wandlung Gana Duniyas , wovon
Gana eine Einfriedung, Duni oder Aduni eine der ältesten Gottheiten des
Landes bedeutete. Auch abgesehen von dieser etymologischen Ableitung legt
der Verfasser ein Gewicht auf die Namen und Attribute der vier Flüsse, welche
den Garten bewässerten, und die offenbar zur genauen geographischen Bezeich-
nung des Eden dienen sollt>n. Diese Flüsse waren bekanntlich der Pison,
Gihun, Hiddekal und Kuphrates. Nun ward das babylonische Gebiet
jederzeit in den Keilschriften durch die Namen der vier Flüsse dargestellt,
wovon zwei dem Tigris und Euphrates, die andern zwei dem Surrapi und
Ukui entsprechen. Die beiden letzteren waren assyrische Bezeichnungen,
und deren babylonische Namen sind noch nicht ermittelt. Der Surrapi
scheint jedoch theil weise dem biblischen Gihon zu bedeuten und' der Ukni den
Pison, und es wäre hiemit der östliche Arm des Tigris und der westliche des
Euphrates gemeint. Was den Pison anbelangt, so sagt die Genesis »der Name
des ersten Flusses ist Pison, welcher das ganze Gebiet von Havilah einschließt,
worin Gold zu finden ist; daselbst kommt auch Bdellium und der Onyzstein
vor.« Das Wort Pison, hebräischen Ursprungs, heiße zerstreuen, eigent-
lich überfließen. Erwägt man, dass der Euphrates seit jeher einen Aus-
läufer oberhalb Babylon hatte, dessen Wasser gegen Südosten strömte, indem
er sowol seinen Lauf wie auch seinen Namen vielfach änderte, und dass
Ukni auch Onyx bedeutet, so kann angenommen werden, dass dieser Fluss
mit dem Pison der Genesis identisch sei. Das Gebiet von Havilah hält der Ver-
fasser für den Wüstengürtei, welcher das arabische Hochland umgibt. Bdellium
bedeutet nach seiner Ansicht Perlen (Bedolat), welche man aus dem persischen
Meerbusen gewann. Rücksicbtlich des Gihon oder des Flusses, -welcher das ganze
Land Kusch umfließt« nimmt der Verfasser an, dass darunter der linke Arm des
Euphrates, welcher das Gihongebiet begränzt, zu verstehen sei. Kusch (Kisch)
»ei eine der ältesten Hauptstädte Babylouiens gewesen, und habe diesen Na-
men aal' das ganze angränzende Land übertragen. Kusija werde als eine der
BesiUimgen des Darius Histaspes in diese Gegend verlegt. Der Fluss Hiddekal
608
sei mit dem Tigris identisch, bo wie Ea^rates mit deo Perat. In den Keil*
Schriften werde dieser Name oft mit dem2!eichen für Wasser angeftlbrt, so wie
derselbe Fluss in der Schrift »der große Kliiss- genannt werde; gewöhnlidi
nennt man den oberen Fiuss Purat, was in den arianiscben und semitischa
Bprachr-n »beirnchten« oder »Ueberfluss« bedeute.% Der untere Fluss werde io
den KeÜFchriften S i p p a r a genannt, von der Stadt gleichen NaiAens — c — y.
Hadramnut. In der Reise in's Innere von Hadramant von M. Werner
Munzinger wird vielfältiger himyaritischer Inschriften und anderer Spores
uralter Gesittung erwähnt. Die Reisenden erreichten zur See Bir-Ali, und
drangen dann iu's Innere, des Landes gegen 300 Meilen bisHabban, 3000 Fuß Aber
der Meeresfläche. Sie nahmen die Reiseroute mittels des Compasses auf» nsd
machten barometrische Höhemessungen. Von Bir-Ali aus bildet das Land ciDen
sanften Abhang, worauf isolierte HQgel und Sar.dsteinbergrQcken mit flachen Höheo
bei löOO Fuß über der Ebene ohne alle Vegetation folgten; sehr schmale Streif»
angeschwemmten Erdreichs, kaum ein Zehntheil des ganzen sei für Anpflan-
zungen geeignet, diese seien jedoch im allgemeinen sorgfältig angebaut nnd
liefern drei bis vier Ernten im Jahre, wenn sie durch Quellwasser befruditet
werden. r)icse Stellen bilden ein^ Anzahl Oasen mit dichter Bevölkerung and
Städten von mehreren tausend Einwohnern. Dieselben worden mit Dattelbäo*
men, Hirse, Weizen und abyssinischer Kernfrucht, Tef, bepflanzt. Wasser
zeigt sich, wenn gegen 50 Fuß tief gebohrt wird. Jenseits dieser Gegend betrat
Munzinger das als granitisch und metamorphisch bezeichnete Land, wo rande
Hügel verschiedene weite Flächen begränzen. Es zeigt sich allda eine reichere
Vegetation, mit edlereu Banmgattungen, wilden Schweinen, Gazellen und
Viehherden. Die Bevölkerung gehört mehreren Ra^en an, und die birnyaii-
tische Sprache war nicht gänzlich verschwunden, ungeachtet der 1200 Jahn
des Islam. Doch ist das arabische allgemein im Gebrauch, obwol io einen
fremdartigen Dialecte; religiöses Leben und geregelte Verwaltung fehlen
gänzlich, auch stt'ht die Civilisation sehr tief, ihr einziges Merkmal besteht hi
Häusern von mehreren Stockwerken, wovon jedes ein abgesondertes Castell
bildet. Die Reisenden fanden wenig Gastfreundschaft, obwol sie sich nicht aber
üble Behandlung zu beklagm hatten. BeiGorab berührten sie die Wüste El-
Akhaf , welche von Wrede beschrieben wurde, dann den See Safi, so genaast
vom König Safl, der bei einer Expedition daselbst mit der ganzen Annee
verschwand. Diese Wüste bildet eine ungeheuere Sandebene, mit zahlloeen
wellenförmigen Hügeln, welche ihr das Ansehen einer wogenden See geben,
1000 Kuß unter dem Granitland. In der Wüste kommen weiße Stellen von feinem
Sand vor, der bis 60 Faden tief ist. in einer dieser Sandwehen fand König
Safl mit seinem Heere den Untergang. Die ganze Gegend von Hadramaui
und Themen ist voll abenteuerlicher Sagen und geographischer und histori-
scher Räthsel von großem Interesse. Der Verfasser bekennt, dass die Excnr-
sion, welche er gemeinschaftlich mit Capitän Miles gemacht, die Kennt-
nisse Über die Geographie Arabiens nur wenig erweitert habe, hofft aber, dass
sie andere Reisende zur Erforschung dieser Gegend aneifern werde.
- c — y.
Preisfragen der Gesellschaft iür Kunst und Wissenschaft zu Utrecht
Questions, mises au concours par la Soci^t^ des Arts et Sciences Stabile a
Utrecht Pays-Bas. 1^70.
(Les (j[uestion8, projjosees pur la iSocietf, qui ont rapport ä des sujeis <f««
intcrtt purement local, ne sont pas comprises dans ce programme.)
1. ün memoire sur les nerfs inhibitoires. On d^sire que Tauteur oe »
borne pas k donner une revue rritique des opinions ^mises sur ce siiyet, roüs
qu'il r^claircisse par de nouvelles exp^riences.
2. Des recherches sur le d^veloppement d'une ou de plusieurs especes
d'animaux invertebr^s dont Phistoire n^est pas encore connue; le tout accoa-
pagn^ des figures n^cessaires pour l'intelligence du texte.
3. Des recherches sur Pinfiuence que de petites variations dans lei
circonstances extörieures exercent sur Tevolution de Tembryon d^une oa de
plusieurs espöces d'animaax vert^br^s.
629
4. La Soci^t^ demande une deBcription aDatomiqae ezacte de la larfe et
de Ja Djuiphe du haDneton, commun (Melolontha vulgaris). Cette description,
en fi'appuyant anr la monograpbie de btraus^Dürckheim aar 1 'insecte k
l'^tat parfait, devra dtre accompagn^e des figures n^cessaires pour l^iutelligence
du teKte.
5. Du ezamen de l'influence, qa'exerce le genre de nourriture sur le
developpement de la forme des diverses paities de Pestomac d'au moins deux
esp^ces de ramiuants. Cet examen devra s'^tecdre sur deux g^nöratioos au
moins.
6. On demande de d^terminer la marche normale de la temp^ature de
▼ingt-cinq lienx au moins de l'h^mispb^re septentrional, situ^s en debors de
l'£urope.
Le moyeunes mensuelles des anciennes observations doivent etre reduites,
de manidre k ce qu'elles se rapporteut aux beures oü les observations se fönt
actuellement.
T. Un apergu bistorique et critique de la litt^rature malaie. On demande
lion seiilement un examen des ouvrages malais imprim^s, mais aussi, autant
qne possible, de ceux qui n'ont pas encore et^ publi^s.
8. Une expositioii ci-itique des principes et des r^sultats de la m^tbode
dont Kiebubr s'est sei vi eu expliquajit l'bistoire romaine et de l'influence
qne Texemple de cet illustre savant a exercee sur les ^tudes bistoriques en
gen^ral.
9. Une ^tttde sur la religion des H6breux avant Molse.
10. Histoire de la mounaie cbez les Grecs.
11. Ud memoire sur les cruches , dites de Gr^s de Flandre, eii usage
dans les Pays-Bas au 16« et au 17« si^cle.
12- Line Hiograpbie de Louis de Beaufort surtout au point de vae
du merite de ses recbercbes dans le domaine de l'bistoire.
13. Un examen de la valeur de VAnabasis de Xenopbon au point de
vue de la g^ograpbie.
14. Disquisitio de T. Livii dictione, qua propietas eins in verborum usu
et ronstructiouf, fxemplis diligenter collectis ordineque dispositis et illustratis,
oxponatur, et quatcnus in ea idifutiößtov^ quem Patavinitatis nomine ei ob-
ji'L'it Asiiiius Pollio, vestigia c^xtare videantur, osteudatur.
16. Vita Cleopatrae ex ipsis fontibus ducta, ratione babita eorum, quae
nuper de bac regina scripta sunt.
16. Disputatio critica de fontibus et auctoritate Polybii.
17. Commutatioues, quas partes iu Senatu Romano extremo Reipnblicae
seculo subicrunt, perspicue exponantur.
18. Disquisitio de loco difüciliore vel controverso, ad disciplinam anti-
quitatis sive graecae seu latinae pertinente.
19. Une 4tude sur Tinfluence du Grand Conseil de Malines sur le droit
ancien des Pays-Bas.
Le prix qui sera deceme ä la reponse jugie satisfaisante, consistera en
une medaille a'or de la valeur de trois cents florins de Hollande
(environ 020 francs) ou de la meme valeur en a^gent. La prix sera double pour les
questions 5 et 10. Les reponses doivent etre ecrites en Frangais, en Hollan-'
dais, et» Allemand (en lettres italiques), en Anglais ou en Latin (pour les
iV*. 14—18 le Latin seul est admis), et remises, franc de port, avant le
accompagnes d'un billet cachete, renfermant le nom et Vadresse de Vauteur.
Les repofMes couronnees serons puhliies dans les Memoires de la Societe.
Les questions 2 et 18 sofU permanentes, On peut y ripondre chaque
annee,
S' adresser pour de plus amples informatiofis an Secritaire M. van
Nooten.
630
Sttzung der geographischen Gesellechaft
am 25. October 1870, unter dem Vorsitz des Prof. Dn Ferd. v. Ho eb-
s t e 1 1 e r.
Der VorBitzende begrößt 'die Mitglieder der Gesellscliaft, welche sich
nach mehrmonatlicher Unterbrechung der Sitzungen zum ersten Male wieder
in der Monatsversammlung zusammengefunden haben. »Die ereignisvollen Monate
des verflossenen Sommers waren auch im Schoß unserer Gesellschaft nicht
ohne schmerzliche, aber auch nicht ohne freudige Ereignisse. Unsere Gesellschift
hat schmerzliche Verluste erlitten durch den Tod des k. k. General- Kriegscoo-
missflrs Val. Bitter von Streffleur, uud des Prof. Dr. U. Schlönback
In S t r e f f 1 e u r verloren wir eines unserer eitrigsten Mitglieder, das der Ge-
sellschaft seit ihrer Gründung angehört hat, und in Dr. Schlönbach betraaen
wir eines unserer jüngsten Mitglieder, das in der voUsteu Blüte des Mann»-
alters w&hrend einer geologischen Reise im Baiiat mitten in seiner Berufa-
erfüUttug plötzlich dahingenät wurde.«
Auf Aufforderung des Vorsitzenden gibt die Gesellschaft ihre ThaJ-
nahme durch Erheben von den Sitzen zu erkennen.
Als neue ordentliche Mitglieder werden angemeldet und aufgenom-
men die* Herrn Richard Dräsche in Wien, £duard Schneider, Ban-
quier in Wien, Dr. Gustav Laube in Prag.
Zum correspondierenden Mitglied wird ernannt
Herr Nathaniel Adler, k. k. Österreich. Gonsularagent zu Port
Elisabeth in Südafrica.
"In meinem Monatsbericht kann ich mich dieses Mal, trotz der 4moiiat-
liehen Pause in unseren Sitzungen , kurz fassen, weil während dieser Zeit 4
Hefte unserei^ Mittheilungen (9. 10, 11 und 12) ausgegeben wurden, welche
alles enthalten, was wfthrend dieser 4 Monate an Neuigkeiten bei uns ein-
gelaufen ist. Nur eines gestatten Sie mir heute besonders hervorzuheben, die
erfreuliche Thatsache n&mlich, dass vier unserer jüngsten Mitglieder im
verflossenen lahre große gefahrvolle Entdeckungs- und Erforschungsreiseii durch-
geführt haben, und in den letzten Monaten glücklich von denselben an dai
Ausgangspunct ihrer Reisen zurückgekehrt sind, ich meine die Herren Gries-
bach, Marno, Laube und Payer.
Herr Griesbach hatte Wien im Frühjahre 1869 verlassen, um sidi
einer Erforschungsexpeditiou der Gegenden zwischen dem Zambesi und lim-
popo in Südafrica anzuschließen. Der ursprOugliche Plan wurde zwar vereitelt,
dagegen hatte Herr Griesbach Gelegenheit von D'Urban (Port Natal) ans
sehr erfolgreiche geologische Excursioneu bis in das Grigualand, an die Guath-
lamba-Gebirge und in das Quellgebiet des St. Johns River oder Umzim vooboo
zu machen, von wo er schöne Suiten prachtvoll erhaltener Tum-Petreiaeten
mitbrachte. Später besuchte er die portugiesischen Niederlassungen an der Ost-
küste Südatrica's und zwar Delagoa Bai, luhambaua, die Bazaruta-loaelu,
Chiloane und Quillimaue, und konnte von der Delagoa Bai uud von Quillimane
aus l&ugere Ausflüge in's Innere des Landes machen. Zu Magaroam Zambezi
traf Griesbach Gap. Faulkners Expedition, die den Nyassa 2aun Ziele
hatte ; die Expedition war furchtbar von Fiebern heimgesucht worden, die sechi
Kameraden des Capitftns waren tot, er der allein überlebende. Auch Gries-
bach hatte in Inhambaoa an heftigen Fieberanfälleu zu leiden, kam aber an-
fangs September wolbehalten nach Europa zurück, und hält sich gegenwärtig
in England auf, von wo er mir in Bälde einen ausführlicheren Bericht übtrr
seine interessanten tmd wichtigen Reisen für unsere Mittheilungen einzosendcB
versprach. Wir senden Herrn Griesbach unsern herzlichsten Gruß und Glück-
wunsch zu seiner glücklichen Rückkehr.
Ernst Marno verließ Wien im Herbst 1869 in der Hoffnung, sich in
Chartum au die großartige Expedition Sir Samuel Baker 's anschließen za
können. Er machte die Reise von Dabbeh am oberen Nil nach Chartum durcb
die westliche Bajuda-Steppe in Nubien. Als in Chartum sein Wunsch ma
Baker zu gehen, nicht erlüllt werden konnte, cutschloss er sich zu einer For-
schungsreise auf eigene Faust, und gieng am 31. Jänner 1670 auf dem blauen
631
Nil ab. In Famaka traf er anfangs März mit dem Madir von Sennaar, Ibra-
him Bey, zusammen, der ihn durch den Schach Hadjeli nach Beni Scbangol
begleiten ließ. Anfang April unternahm er von hier aus die Aberaus kOhne
fieise nach Fad&si, um von dort wo möglich bis in die Gala-L&nder vorzu-
dringen. Der letztere Plan gelang ihm leider nicht. Er musste von Fadisi wieder
die Bückreise nach Ghartum antreten, wo er anfangs Juni eintraf. Von Chartum
SQ8 kam uns der im letzten Hefte abgedrnckte interessante Reisebericht zu,
der ein ruhmvoller Beweis dafür ist, was ein einzelner Mann mit sehr beschränkten
Mitteln durch Mut und Ausdauer zu leisten im Staude ist. Der Österr. Oonsular-
agent Herr Hansa 1 in Chartum gibt ihm auch das rühmende Zeugnis,
dass ihm wenige Forschungsreisen de untergekonmien seien, die Herrn Marno
aa Mut und Ausdauer, so wie an Kenntnis der africanischen Verhältnisse über-
treifen.
Mit der aufrichtigsten Freude muss uns aber die glückliche Wiederkehr
onaerer wackeren Nordpolfahrer, der Herren Dr. Laube und Oberlieutenant
Paycr erfüllen. Von ihnen hatten wir seit ihrer Abreise im Sommer 1869
nichts gehört, und verhehlen wir es nicht, mit bangem GeiÜhle haben wir oft-
mals ihrer gedacht. Da mit einem Male, fast gleichzeitig, sind beide wieder auf-
getaucht. Aber nach welchen Erlebnissen 1 nach was für Gefahren and Müh-
seligkeiten, die sie glücklich überstanden haben 1 Ihre ersten Briefe, welche
w&hrend der Rückfahrt noch zur See geschrieben waren, hat bereits das letzte
Heft unserer Mittheilungen gebracht. Heute sind sie frisch und gesund in unserer
Mitte und herzlich heiße ich sie im Namen unserer Gesellschaft willkommen.
Da sie die Freundlichkeit hatten, sich persönlich hier einzufinden, um uns ihre
Schicksale zu erzählen, so sei es mir wenigstens noch gestattet, ihnen unsere
volle und freudigste Anerkennung auszudrücken für ihre nmtvoUe Ausdauer
and für ihre ausgezeichneten Leistungen, durch welche sie als österreichische
Forscher mit beigetragen haben zum Ruhme eines deutschen Ni^tionaluntemeh-
mens , durch welche sie den Namen Osterreich's ruhmvoll verknjäpft haben mit
den schönen Resultaten und Eriblgen der zweiten deutschen Nöcdpolar-Expe*
dition.
Hierauf berichtete Herr Oberlieutenant Payer über dße Fahrt der
•Germania« und Ober die wissenschaftlichen Resultate, die von derselben zu
erwarten seien. Eine von den landschaftlichen Skizzen aus seiner Mappe war
eigens für diese Verammlung durch Herrn Prof. Lan^l (in dem kurzen Zeit-
raum von 10 Tagen) in einem großen Oelbilde ausgeführt worden, welches die
allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
Schließlich erzählte Hr. Dr. Laube unter der gespanntesten Theilnahme
der Versammelten, unter denen sich viele Damen befanden, die merkwürdigen
Schicksale der Männer der Hansa.«
Nach der Versammlung fand zu Ehren der Zurückgekehrten eine
gesellige Feier im Hotel -Müller« statt, bei welcher des ruhmvollen Unterneh-
mens nach jeder Richtung gedacht wurde. Nachdem Prof. v. Hochstetter ein
Hoch auf S. Majestät den Kaiser ausgebracht hatte, allerhöchst welcher
durch seine großmflthige Unterstützung der deutschen Nordpolfahrt die leb-
haftC'Ste Theilnahme an diesem Unternehmen bewiesen habe, wurde der wissen-
scbaitlicheu Gorporationen gedacht, welche seiner Zeit zur Ausführung
des Unternehmens moralisch uud materiell thätig waren. Dr. v. Ruth n er
feierte die beiden Gäste in folgendem Trinkspruch:
•Als Dr. August Petermann mit dem vollständigen Plane der deutschen
Nordpolfahrt in die Oeffentlichkeit trat, wurde derselbe allgemein als ein ge-
diegene ü Werk deutschen Geistes und deutschen Wissens anerkannt.
£s hieß nun die dem Unternehmen entgegentretenden Hindernisse zu
beseitigen und die materiellen Mittel dazu zu bescha£fen.
Mit Beihilfe gleichffesinnter für die Wissenschaft begeisterter Männer im
Vaterlande ist dies dem Urheber der Expedition gelungen, — gelungen durch
^Ahrhatt deutsche Ausdauer und Beharrlichkeit.
Als es sich' dann um die Ausführung selbst handelte, war es wol nicht
in zweifeln, dass sie eine rühmliche sein werde, denn an thatkräftigen Männern
bt Deutschland nicht arm.
632
Doch PetermaDn hat es verstaodeo, der Thatkräftigstea Einige zu g^
wiDnen I
Was die Expedition geleistet und gelitten, Sie haben es aosiühr-
lich durch die heutigen Vorträge erfahren und ich glaube es kühn aussprechen
zu dürfen: noch wenigen Sterblichen ist die Gefahr in erschrecken-
derer Gestalt entgegengetreten, als unsern deutschen Nordpol-
fahrern; aber auch nur wenigen Sterblichen ist es gegönnt,
ihren Muth und ihre Thatkraft in so hervorragender Weise su
bethätigen als ihnen.
Der Tod drohte ihnen hier im Zertrtkmmern der trügerischen Eisscholle,
welche durch lange Monate ihr Wobnplatz mitten im weiten Eismeere gewesen,
dort durch den Rachen des hungrigen Raubthieres, oder noch furchtbarer
durch das Erhungern in mitten der weiten, keine Nahrungsmittel bietenden
Wüsteneien des unbewohnten frostigen Landes.
Diese Geiahren und hundert andere haben die kQhnen M&nner nihm?oU
besiegt durch deutschen Muth und deutsche Thatkraft.
Ein glückliches Geschick hat sie wolbehalten in die Heimat zar&ck-
gebracht und stolz auf ihre Erfolge sehen wir heute zwei der hervorragendstea
Theilnehmer der gefahrvollen Expedition als liebe (i&ste in unserer Mitte.
Erlauben Sie denn, meine Herren, dass ich ihnen zu Ehren das Glaa er-
hebe und tieudigen Sinnes rufe :
Die Repräsentanten des grofien Werkes, deutschen Geistes
und Wissens, deutscher Ausdauer und Beharrlichkeit, deut-
schen Mutes und deutscher Thatkraft, Dr. Laube und Ober-
lieutenaut Payer — sie leben hoch!**
Friedrich vom Hellwald nahm sich den geistigen Urheber der deut-
schen Expedition zum Gegenstande;
hAus dem Munde der tapferen Reifenden, die wir heute in unserer
Mitte begrüßen, haben wir die Schicksale der zweiten deutschen Nordpolfiahit
vernommen, die bestimmt war zu einer so bedeutenden Erweiterung unserer
räumlichen Kenntnis der arctischen Welt zu führen.
In diesem Augenblicke der Freude drängt sich wol lebhafter denn je
die Erinnerung au ein Mitglied unserer Gesellschait auf, das in der Ferne
weilt und doch unserem heutigen Feste so nahe steht. Nicht zu nenaefi
brauche ich ihn, diesen^ Mann, den Sie alle kennen, meine Herren; Sie wissen,
wen ich meine: den geistigen Urheber der deutschen Nordpolexpedition —
Dr. August Peter mann!
Mit unauslöschl^eh glänzenden Lettern ist sein Name eingemeißelt- in dea
Tafeln, welche die Geschichte der Erdkunde verzeichnen; unlöslich ist er mit
der geographischen Disciplin verknüpft; er ist die Signatur unseres geograplii-
sehen Zeitalters! Wohin den Blick wir wenden, Überall stralt uns sein Nam«
entgegen! Petermaoo, der nach dem treffenden Worte Sir Koderick Murchi-
son^s die Thätigkeit von zehn geographischen Gesellschaften in sich vereinigt f
Wahrlich, kein Volk darf engherzig genug sein, ihn für sich allein zu bean-
spruchen; in jeder Zone, in alleu Li^nden hat er Heimatsrecht gefunden; er
gehört der ganzen Welt!
Die Entschlei(^rung der nördlichen Polarregion hat der große Geogra^
als das Problem bezeichnet, dessen Lösung die gegenwärtige Aufgabe der geo-
graphischen Wissenschaft sei. Mit Aufbietung all seiner Kräfte hat er selbst
daran rastlos gearbeitet. Ist dennoch in jüngster Zeit ein Miston in das har-
monische Zusammenwirken mit den ausführenden Leitern der zweiten deutschen
Nordpolexpeditiou gefallen, so kann ich des Wunsches mich nicht onlscfalagt-c,
meine Worte möchten ans diesem Saale bis an sein Ohr dringen und ihm unser
Aller festes Hoffen verkünden, ihn auch in Zukunft das Banner, das sein Icrüftxger
Arm entfaltet, hochhalten, dem kühnen Unternehmen der weiteren £rscliließu&|
der arctischen Welt seineu werkthätigen Beistand weihen zu sehen.
Daraur hin lassen Sie uns anstoßen, meine Herren! Petermann lebe
hoch !••
Der Abend verlief in gehobener, heiterer Stimmung und nicht oline des
Gedanken Ausdruck zu geben, wie -durch festes treues Zusammenhalten- auch
unter den schwierigsten Verhältnissen ein schöner Erfolg möglich sei. B.
Beobachtungen auf den Kamenen.
Vom k. k. Corvetten-Capitän Eduard Germonig.
(Ende Jum 1870.)
Am 16. Juni näherten wir uns bei frischem Nordostwinde der
hisel Thera oder San torin, welche die seit 1866 neuerdings thätige
Tolcanische Inselgruppe der Eaimeni einschließt
Obwol bei 40 Seemeilen Entfernung die gezackten Linien des
Kammes der Insel nicht sichtbar waren, obwol die Contouren des 1800
Fuß hohen Elias-Berges auf der Insel nicht unterschieden werden konnten,
so ließen sich doch die einzelnen Eruptionen des Yulcans deutlich wahr-
nehmen. Eine hellgraue, kugelförmige Haufen wölke zeigte sich plötzlich
in unserem Course ; dieselbe breitete sich aus, zog längs des Horizontes
hin und verschwand, während frisch ausgestoßene Ausbrüche von Rauch-
and Dampfwolken von 15 zu 15 Minuten dasselbe Spiel wiederholten.
Ein Getöse bei den einzelnen Ausbrüchen wurde der großen Entfernung
wegen nicht gehört.
Wir liefen in den Golf von Santorin bei der Westeinfahrt zwischen
den Inseln Aspro und Thera ein, umfuhren die Südspitze der Neubil-
dungen, wobei die über das Schiff hinwegziehende Rauchwolke sich von
Asche geschwängert zeigte und verankerten uns östlich von Nea-Ea-
meni auf Banco, dem einzigen, eigentlichen Ankerplatz für größere
Schiffe. Die Inselgruppe bietet den kleineren Schiffen außerdem Anker-
plätze im Georgs-Hafen, im Canale und südöstlich der Insel Palaea-
Kameni dar; doch ist die Benützung derselben, so lange der speiende
Vulcan nicht erlischt, sehr gefährlich, da bei starken Ausbrüchen die
Schlacken und Laven im glühenden Zustande bis auf Meilen-Distanz
geschleudert wejden und daselbst verankerte Schiffe Gefahr laufen, ver-
brannt und versenkt zu werden. Erst kürzlich verunglückte auf diese
Art ein griechischer Schooner in der nördlichen Bucht des Canals. Von
ien glühenden Steinen des Auswurfs am 18. April d. J. getroffen, ver-
brannte selber zum Theil und sank. Von der Bemannung war nur ein
Hann am Bord, welcher dabei erschlagen wurde.
Die Lage des Banco hat sich nicht verändert, doch hat eine Senkung
les Grundes stattgefunden, da die Lothungen eine größere Tiefe er-
^ben, als aus der englischen Seekarte ersichtlich ist. Der Banco stellt
iich nach den vorgenommenen Lothungen als ein Conus mit dem Bö-
schungswinkel von 24Y4 nnd 12^/4 Graden dar, dessen Spitze 6 Faden
inter Wasser liegt. Die Grenzen von 6 Faden Ankergrund bezeichnen
i Bojen, welche die griechische Regierung vor kurzem legen ließ und
s dienen dieselben zugleich zur Vertäuung der Schiffe. Diese Bojen
Mittheilungen d. geogr. Gesell. 1870. 14. 41
634
liegen in 7 Faden Wasser an zwei mit je zwei Scheckel-Ketten ver-
sehenen Corvettenankern in Nord-Sfid-Richtung vertäat.
Der Canal zwischen Nea- und Mikra-Kameni , welcher vor 1866
gegen Süd-Ost offen stand, wurde durch^die Neubildung von 1866 gegen
Süden abgeschlossen. Eine nur für Boote geringen Tiefganges pasäer-
bare Einfahrt an der Südspitze von Mikra-Kameni trennt diese Insel von
der neuen Formation. Die Breite des Canals beträgt an der engsta
Stelle (fleur (Teau) 16—18 Fuß , dessen Tiefe 4—5 Ftfß. Seit zwei
Jahren haben an dieser Stelle keinerlei Veränderungen stattgefunden.
Eine geringe Hebung oder Ausbreitung der Neubildung gegen Mikn-
Kameni würde die Schließung dieser Einfahrt, resp. die VereinigQDg
der beiden Inseln Nea und Mikra-Kameni zur Folge haben.
Der Canal hat bei einer Tiefe von 45 Fuß eine Länge von 4 Etbdn
und eine durchschnittliche Breite von einer Kabel. Das Wasser in dem-
selben hat eine schmutziggelbe bis ockergelbe Farbe, salzig zusammen-
ziehenden Geschmack und eine Durchschnittstemperatur von Graden 25* C.
Längs des südlichen Ufers am Fuße des neuen Kraters ziehen sich
die Reste der ehemaligen Ortschaft Vulcano hin. Das Niveau der Ort-
schaft hat sich gegen Osten gesenkt, so dass das dem Banco nächst
liegende Haus die größte Senkung erlitten hat. Dessen Niveau liegt
7 Fuß unter Wasser; die Umfassungs-Mauern ragen 3Vj Fuß fiber
Wasser. Dieses Haus bezeichnet nun den Eingang zu einer kleinen Bucht,
welche sich vom Canal gegen Süden abzweigt. Die Umfassungs-Mauem
der Häuser sind geborsten, theils abgestürzt, letztere von ausgeworfenen
Blöcken durchlöchert, die Fußplatten der östlich gelegenen Häuser
werden vom Wasser bespült. Die vom Ufer entfernteren Gebäude sind
mit Schutt angeffillt und von Asche bedeckt.
Die aus der Aufnahme des Kanonenbootes Dalmat vom Januar 18&^
ersichtlichen südöstlich von der Ortschaft verzeichneten fünf Teiche
wurden nicht vorgefunden. Es bildete sich daselbst durch Senkung des
Bodens eine kleine Bucht, welche zu dem Fuß des neuen Tulcan
führen, wo dem Boden zwei Thermen entspringen. Das Wasser da-
selben hat bei einer Temperatur von 4(i und 47 Grad C. intensiv ocker-
gelbe Farbe, herben zusammenziehenden Geschmack und es fufart
einen eisenhaltigen Schlamm mit sich, welcher dem Seewasser eiae
schmutziggelbe Farbe verleiht. Die Bucht hat bei einer Länge va
G(X) Fuß eine durchschnittliche Breite von 1(K) Fuß und 4— ü Fuß Tiefe.
Nahe dem Ursprung der Thermen stehen die Umfangs - Manen
«
eines Hauses, welches dadurch bemerkenswert wird, dass selbes, o^ i
gleich unmittelbar am Fuß des tbätigen Vulcans gelegen, nur Be
635
Schädigungen zeigt, die durch Hebung und Senkung des Niveaus her-
Yorgerufen wurden.
Der gegen den Saum des Yulcans zu gelegene Theil der Ortschaft
ist, wie bereits erwähnt, vollkommen verschüttet, die Trafen der Ge-
bäude zeichnen sich in der Asche durch die Kronen der Ueberwöl-
bungen und die oberen Ränder der Umfassungsmauern, die von den
Yulcanrändern, der Bucht und der Ortschaft eingeschlossene Figur trägt
eine verhältnismäßig geringe Zahl von ausgeworfenen Steinen. Ein Theil
derselben und zwar der am Ende der kleinen Bucht liegende Theil
scheint vom Kraterrand im bereits abgekühlten Zustande herabgewälzt.
Die Blöcke sind nicht zerklüftet, zeigen sich an der Oberfläche dunkel-
grau und porös. Ein anderer Theil von ausgeworfenen Laven ist in
wenigen Exemplaren gleichmäßig über die Fläche zerstreut. Diese sind
im Sande eingebettet, kuchenförmig, breitgedrückt und radial zerklüftet,
an der Oberfläche glashart und weis.
Die beiden Thermen am Fuß des alten Kraters haben bei 42 Orad
Celsius helles klares Wasser von stark salzigem Geschmacke.
Die Landfesten auf Mikra-Kameni stehen bis auf eine Kanone
mit der Plattform über Wasser.
Eine Uferbaute am Fuß des alten Conus ist vollkonmien ver-
sonken; es ragen nur mehr die Trauben der drei als jLandfesten ein-
gemauerten Kanonen über Wasser. Vier gemauerte Hcdtfesten in der
Bucht nördlich des alten Conus gelegen, ragen mit der Plattform voll-
kommen über Wasser, während eine nahebei befindliche, sowie zwei
der Ortschaft näher liegende Kanonen unbedeutend über Wasser her-
vorragen.
Aus der größeren Tiefe des Canals, welche die Lothungen ergaben,
sowie aus den zum Theil versunkenen Landfesten erhellt, dass der
Boden am Fuß des alten und neuen Conus eine bedeutende Senkung
erfahren hat.
Am nördlichen Ausgang des Canals liegt am Ufer von Nea-Ka-
meni das Wrack des bei der starken Eruption am 18. April 1. J.
zerstörten griechischen Schooners. Bei dieser Eruption wurden die
Schlacken und Laven bis zum Nord-Cap Nea-Kamenis und bis zu zwei
Kabeln über Mikra-Kameni geworfen.
Der Krater von Mikra-Kameni (246 Fuß über Wasser) hat einen
regelmäßig kreisförmigen Rand und läuft trichterförmig zu einer Tiefe
von 100 Fuß. Am Boden desselben liegen in der Tiefe Steinblöcke und
GeröUe zerstreut. Die Abhänge sind mit Asche bedeckt. Einige Klüfte
im Norden sind mit dem Kraterrande concentrisch. Die Krone des
Kraters ist gegen Süd-West etwas abgestürzt.
41*
636
Der Krater des alten Valcans liegt 310 FaB Aber dem Meeres-
spiegel und es dacht sich derselbe gegen Norden ab. Dieser Krater hat
eine ovale Krone; die Ränder sind vollkommen mit Asche bedeckt im
Innern ist er ganz zerklflftet und mit Feisblöcken, GeröUe, Aschen- and
Schlackenhaufen bedeckt. Eine Kluft scheint den ganzen Krater von Ost
nach West zn durchschneiden. Dieselbe scheint an einigen Stellen
zusammengefallen oder von größeren Blöcken Oberbrfickt.
Die großen Felsblöcke, die aus der Mitte des Kraters emporragen,
die Aschen- und Schlackenhfigeln, die dazwischen liegenden tieferen
Partien geben dem Inneren desselben ein htlgeliges Aussehen.
Der Kraterrand hat an seiner Ostseite eine tiefe Einsenkung im
Conus. Von der Spitze des alt«n Conus erschien der neue Georgs-Ynican
um 50 Fuß höher als jener. Vom Krater gegen Nordwest befindet sich,
der Krone des Hauptkraters nahe, eine kleinere muldenförmige Vertiefung
von runder Form, aus deren Innerem große Felsblöcke hervorragen, die
von Aschenkegeln und Schlackenhaufen unterbrochen, die ganze Mulde
ausfüllen. Von diesem Nebenkrater senkt sich ein Höhenrücken gegen
das Nord-Cap ab.
Der neue Vulcan präsentiert sich dem Auge als ein abgestutzter
Kegel von 375 Fuß absoluter Höhe und 32 Grad Böschungswinkel, dessen
Mantelfläche mit Asche bedeckt ist, in welchem größere Felsblöcke
hangen. Nahe der Krone des Vulcans und auf halber Höhe deuten gelb-
grflne Streifen, welche die Asche gleich Moospartien bedecken, an. das
Schwefeldämpfe die Kraterwände durchdringen und sublimieren. Das
Plateau des Kraters dacht sich gegen Süden ab ; das Centrum desselben
ist mit Felsblöcken von weißer Farbe bedeckt, welche von der F«»me
einem großen Steinhaufen gleichen. Die Steinkrone wechselt von Tag zu
Tag ihre Contouren und vergrößert sich fortwährend durch die Aus-
würfe des Kraters. Dieselbe wird gewöhnlich nach 15 bis 20 Tagen
durch einen starken Ausbruch bis auf Meilendistanz auseinanderge-
schleudert. Außer diesem Steinhaufen ist das Plateau des Kraters, welches
einen , Durchmesser gleich der Höhe des Conus haben dürfte, mit Asche.
Schlacken und Gerolle bedeckt. Südöstlich scheint ein Nebenkrater oder
eine größere Kluft zu sein, da sich zeitweise auch in dieser Richtung
compacte Auswürfe zeigen. Am 12. April 1. J. beobachtete man daselbst
den gleichen Auswurf von schwarz-braunen Rauchmaßen begleitet, viie
vom eigentlichen thätigen Krater.
Der Georgs-Hafen wurde 1866 gebildet; indem sich eine westlich
vom Georgs- Vulcan aufgetauchte Klippe vergrößerte und mit der Insel
Nea-Kameni verband. Der Georgs-Hafen scheint sich in seiner Form
auf der nördlichen Seite nicht verhindert zu haben. Eine Senkung des
637
Bodens hat übrigens anch hier bei der alten Formation stattgefunden,
da die Haltfesten bis auf jene bei der Capelle , deren Plattform ober
Wasser ist, nur mit dem Kopf wenig hervorragen. Die Capelle steht
als Raine. Im nördlichsten Theile der Bacht liegt das Wrack eines großen
Bootes am Grande. Die Farbe des Wassers ist bei einer Darchschnitts-
itemperatar von 27 Grad Celsius gelblich, im südlichen Theile des Hafens,
wo Schwefelwasserstoffgase aufsteigen, lichtblau und hell.
Vom Georgs-Hafen aus ist der Georgs- Vulcan minder steil; große
Felsblöcke liefen diesseits auf halber Höhe. Der Georgs-Hafen erstreckt
sich bei einer durchschnittlichen Breite von 70 Klafter 400 Klafter in
Knieform gegen Südost und Nordwest. Durchschnittliche Tiefe 40 Fuß.
In der Bucht südlich des Teiches auf Paläa-Kameni, welcher
unverändert ist und Seewasser enthält, steht eine wolerhaltene Capelle.
In der Bucht südlich dieser Capelle steigen Gase auf, wobei das Wasser
eine Temperatur von 31 Grad Celsius zeigt.
Der Höhenrücken auf Paläa-Kameni erhebt sich bis zu 320 Fuß
über den Meeresspiegel und liegt von Nordwest gegen Süd-Ost. Der-
selbe ist gegen Norden abgedacht, länglich in der Form und stark zer-
klüftet. Ein Spalt, dessen Tiefe wir an mancher Stelle auf 50 Klafter
schätzten, zieht sich von Nord- West gegen Süd-Ost über die ganze
Lange des Kückens, stellenweise auf längere Strecken von vollkommen
parallelen Seitenwänden gebildet. Dieselben zeigten sich ganz weiß und
deren Oberfläche wie mit Mörtel beworfen.
Im Canal zwischen Paläa- und Nea-Kameni befinden sich die
im Mai 1866 entstandenen Inselchen. Dieselben sind von ziemlich gleicher
Größe und erstrecken sich an der Nord-Seite mehrere Klafter noch
anter Wasser fort. An der Südseite fallen dieselben steU ab.
Die Eruptionen des neuen Vulcans wiederholen sich gewöhnlich
nach 6 — 10 Minuten. Die größten Zeitintervallen waren 15 bis 20 Mi-
nuten. In 24 Stunden zählten wir 212 Eruptionen, darunter 105 starke
und 107 schwache, 148 mit Getöse und 64 ohne Lärm. Unter den
Eruptionen waren 8 starke von je 5 Minuten Dauer und 5 so zu sagen
doppelte Ausbrüche, d. i. solche, welche sich ohne Zeitintervalle folgten.
Einmal folgten 9 starke Ausbrüche nacheinander von 3 bis 15 Minuten
Intervallen. Schwache folgten sich 7 als Maximum in kurzen Zeitinter
Valien von wenigen Minuten.
In anderen 24 Stunden wurden 87 starke und 67 schwache Aus-
brüche beobachtet. Einmal folgten sich 13 starke Ausbrüche, der Beihe
nach alle von donnerndem Getöse von mehreren Minuten Dauer be-
gleitet. In weiteren 24 Stunden wurden 128 starke und 67 schwache
Aasbrüche beobachtet. Im allgemeinen kann man die starken Eruptionen
638
als eigentliche von Aaswarf begleitete annehmeif, da die schwächeren
meist ohne Auswarf stattfinden
Es war uns nicht vergönnt, einen großen Ausbruch des Kraters zu
beobachten. Ich muss mich daher beschränken, die Aasbrüche des Valcaos
im Zustande relativer Ruhe za beschreiben. Die Erscheinangen sind bei
den Ausbrachen verschiedenartig. Manchmal kommt der Ausbrach und
das Getöse gleichzeitig vor. Manchmal verkündet sich wol auch ein be-
vorstehender Ausbruch durch ein dumpfes Dröhnen aus dem Inneren
des Vulcans. Hierauf werden Ballen von Rauch und Dampf mit Zischen
and Brausen aus dem Krater herausgestoßen. Das Gerftusch steigert sich
und gleicht dem Geräusch aus engen Mfindungen strömender Dämpfe
von hoher Spannung. Nun werden auch glühende Schlacken empor-
gerissen, welche die Luft gleich Meteoren, durchschneiden and theils
auf das Plateau des Yulcans, theils auf die Mantelfläche des Cona$
zurückfallen und dort die Aschenhaufen und Schlackenhfigel ver-
größern. Bei größeren Ausbrüchen werden glühende Schlacken and La-
ven zu einer beträchtlichen Höhe emporgeschleudert. Dieselben breiten
sich bouquetförmig aus und fallen in einem Umkreis von circa 1(J(I0
Klafter zu Boden. Dabei stößt der Krater um so dunklere, stärkere,
Asche mitführende Rauchwolken mit immer zunehmendem Getöse ans,
welche^ sich zu einem donnerähnlichen Rollen steigert. Besonders starke
Detonationen wurden bei den Ausbrüchen während unserer Anwesenheit
nicht gehört. Bei kleineren Ausbrüchen entströmen dem Krater eigent-
lich nur Dämpfe von weißer Farbe ohne Lärm.
Die unteren Partien der Rauchmaßen sind bei Nacht erleachtet.
Stärkere Eruptionen wurden von bell auflodernden Flammen-Ausbrüchen
begleitet, welche zu einer beträchtlichen Höhe von mehreren Klaftern
die Steinkrone deckend emporschlagen. Die abziehenden Dampfsäolen bei
nicht von Auswürfen begleiteten Ernptionen deuten durch ihre scbnee-
weiße Farbe an, dass Schwefel oder Salzsäure-Dämpfe dieselben begleiten.
Die ausgestoßenen Rauchwolken sind mit einem feinen aschenartigen
Staub geschwängert, welcher unser Deck, als wir bei nördlichem Winde
südlich des Vulcans passierten, mit knirschendem Sand bedeckte. Oft
lässt sich durch das Brausen des Vulcans hindurch ein Zischen and
Pfeifen vernehmen, welches durch das Ablöschen eines glühenden Kohlen-
haufens hervorgebracht scheint. Die Auswürfe hören nun auf, das
Brausen der ausströmenden Dämpfe verstummt und der Vulcan zeigt
sich wieder in seiner früheren Ruhe aus den abziehenden Rauchwolken.
Die ausgestoßenen Rauchsäulen steigen gewöhnlich nicht zu sehr
beträchtlich 3r Höhe, dieselben theilen sich, lösen sich schleierförmig
auf und zerstieben.
639
Als wir den 28. Joni mit südwestlichem Course wieder Santorin
passierten, bemerkten wir um 0 Uhr abends bei circa 20 Seemeilen
£DtfernQng einen starken, rotheu Schein östlich in der Richtung von
Santorin von Minuten-Dauer , welchen wir für einen starken Flammen-
aasbmch des Georgs- Yulcau hielten. Zur Zeit war Neumond, der Himmel
sternhell und heiter. Um 1272 Uhr nachts wurde bei circa 25 See-
meilen £ntfernnng ein dumpfes Getöse von kurzer Dauer aus der Rich-
tang von Santorin gehört. Der Lärm war so auffallend, dass derselbe
von drei an verschiedenen Punkten des Decks stehenden Personen zu-
gleich beobachtet wurde und nur für das Getöse des Vulcans auf San-
torin gehalten werden konnte.
Am 30. Mai d. J. fand ein starker Ausbruch statt, welcher die
gesammte Neubildung in Rauch und Dampfwolken hfiUte. Auf Thei*a
wurde starker Aschenfall bemerkt. Die Sonne von dem dichten schwarz-
braunen Rauch verdeckt, war in Santorin über eine Stunde nicht sicht-
bar. Hafen-Capitäu Vozzis nahm die Höhe der aufsteigenden Rauch-
säule mit 35 Klaftern, was einer absoluten Höhe von 8000 Fuß über
dem Meeresspiegel entspricht.
Die Neubildungen beüudeu sich im süd-östlichen Theile fortwährend
in stiller vulcanischer Thätigkeit. Diese Partien lassen sich von den
ruhigen, durch die duukleie Färbung des Gesteines und das zeitweise
Aufsteigen von leichtem, schwai'z-braunen Rauch unterscheiden.
Die neue Formation stellt sich dem Auge als eine Aneinander-
reihung von zackigen Kämmen und Graten, von steilen Schluchten und
Rissen, von spitzen und schroffen Abhängen dar, welche sich planlos
durchkreuzend und verschneidend ein wildes Chaos von Steinblöcken
und SteingeröUe bilden. Die neue Formation in den noch thätigen
Partien ändert taglich ihre Gestalt. Die einzelnen Spitzen und Kuppen
werden durch die innere vulcanische Thätigkeit langsam emporgeschoben
und stürzen von der Höhe Steinblöcke herab, welche sich zu neuen
Hügeln anhäufen oder in's Meer rollen. Ein AusHuss von Lava wurde
daselbst nicht wahrgenommen, auch stiegen keine weißen Dämpfe auf.
Bei Tage bemerkt man ein Herabkolleru von größeren Blöcken,
welchem Gerolle und Staubmaßen nachfolgen. Dabei steigen leichte
dunkelbraune Rauchwolken auf und es wird ein Geräusch vernommen,
welches herabfallenden Thonscherben gleicht. Bei Nacht konnte man die
vulcanische Thätigkeit besser wahniehmen. £s zeigten sich nun die
Hügeln als zerklüftete, rothglühende Massen, welche von den durch
Abkühlung losgetrennten Steinblöcken bedeckt, durch die dazwischen
bleibenden Spalten hervorleuchteten. Von der erkalteten Hülle springen
mit schwachem Knall kleinere Lavastücke los, welche, die Abhänge herab-
640
kollerud, zerklüften und bersten und das oberwäfante Klingen ver-
ursachen. Zuweilen löst sich wol auch die abgekühlte Hülle stellenveise
vollkommen ab und stürzt mit Gepolter die Lehnen herunter. Die ab-
geworfenen Blöcke kollern bis zum Ufer, wo dieselben in*s Wasser
fallen, mit Zischen ablöschen und Wasserdämpfe erzeugen. Dabei ent-
strömen den Steinblöcken und der nun offenen Spalte, welche den roüh
glühcnden Zustand des darunter befindlichen Gesteines deutlich erkennen
l&sst, die leichten schwarzbraunen Rauchwolken. Aus einer solchen Spalte
kollern wol auch kleinere rothglühende Schlacken heraus, welche manch-
mal ganz zerstieben und das Aussehen von flie^nder Lava haben
Die neue Formation vergrößert sich in diesem Theile nur durch Er-
hebung und Ausbreitung der im Inneren th&tigen Lava.
Die Neu-Bildungen scheinen sich übrigens an mehreren Punkten im
Inneren und an der Südwest-Küste im gleichen Zustand stiller valcani-
scher Thätigkeit zu befinden, da das gleiche Geräusch, so wie das
Aufsteigen von ähnlich gefärbten Rauchwolken an verschiedenen Ponkteo
wahrgenommen wurde. So scheinen sich auch die Neubildungen bei dn
großen Eruption am 30. Mai d. J. in erhöheter Thätigkeit befanden zu
haben, da die gesammte Neu-Formation in dichte Rauchwolken gehüllt war.
Aus einer brieflichen Nachricht des Hafen - Capitans B o z z i s
dto. 3. August entnehme ich noch nachträglich, dass die Neu-Bildnngen
im südöstlichen Theil bedeutend fortgeschritten sind.
Am 29. Juni 7 Uhr 40 M. p. M. fand eine große Eruption unter
den zwar gewöhnlichen, aber sehr großartigen und prachtvollen Erschei-
nungen statt. Die Steine flogen bis Banco, in der Mehrzahl aber auf das
Kraterplateau zurück. Das Gcsammtlicht ^cr glühenden Blöcke war sehr
intensiv und erleuchtete sekundenlang die Insel, welche in Dampf ganz ein-
gehüllt schien. Die See war an der Ostküste der Neubildungen nicht über
24 Grad warm.
Nach der Eruption war die Zunahme der Laven in den südöstlichen
Theilen merklich.
Am 24. Juni 6 Uhr 10 M. abends wurde auf Thera ein Erdbeben
wahrgenommen, welches von Merovigli und bei Athenons Felsen herab-
stürzte und bei Acrotiri Spalten in Nord-Süd-Richtung bildete. Di^
selben waren gerade bei 80 Meter lang um 0*04 Meter breit
Am Bord S. M. Kanonenboot Reka.
Piräus am 27. August 1870.
64i
Ueber Boden- und Vegetations-VerhUtnisse Nord-Ost-Africas.
(Mit einer Karte.)
Von Ernst M a r n o.
Größtentheils unberührt von einer Anzahl jener großartigen, plötz-
lichen Umwälzungen, welche andere Continente erlitten, sehen wir Africa
als das Resultat rein atmosphärischer, durch eine ungeheure Reihe von
Jahren wirkender Kräfte. Hier scheint auf eine Periode, nach welcher
eine ganze Reihe von verändernden Bildungen in anderen Erdtheilen statt-
fand, sogleich eine Alluvialbildung gefolgt zusein, wie wir sie ipi
Kleinen noch heute in gewissen Gegenden beobachten können. Kein anderer
Erdtheil vielleicht zeigt die Folgen jener langsamen, jedoch alltäglich
stattfindenden Umgestaltungen der Erdoberfläche und die Wirkung
atmosphärischer Einflüsse auf die Bodengestaltung und Vegetations-
verhältnisse klarer, ich möchte sagen, in einzelnen Bildern, wie Africa,
besonders das nordöstliche.
Betrachten wir eine Karte von Africa, so sehen wir, wie von einem
größtentheils östlich aequatorischen, hochgelegenen Gebirgsland der Con-
tinent gegen die Küsten zu allmälich abfällt.
Dieses gebirgige Hochland, auf welchem sich die Quellen der großen
africanischen Ströme befinden, zieht in Nord*Ost-Africa, ungefähr zwischen
den 17. und 18.^ n. Br. u. 38." östl. L. v. Grw. beginnend, gegen
SSW, erreicht am 32.** östl. L. den 5." nördl. Br. und zieht von
hier gegen W oder SW in das noch unbekannte Innere. Von dieser
Linie fällt gegen N das Flachland bis an die Meeresküste allmälich
ab. Ersteres, in reichster Abwechslung die mannigfaltigsten Verhältnisse
zeigend, ist hier nicht Gegenstand eingehenderer Betrachtung, sondern
letzteres, in welchem die früher in so raschem Wechsel auftretenden
Gebiete sich in einer gewissen Reihenfolge in viel chrakteristischer
Weise zu zeigen beginnen. Hier treffen wir zunächst
1. die Steppenzone,
welche als Gürtel von sehr verschiedener Breite nördlich des Gebirgs-
landes hinzieht. Eine Linie ungefähr zwischen den 18 — 19." n. Br.
und 37 — 38." Östl. L. v. Grw. beginnend und gegen SW gezogen,
dürfte als nördliche Grenze betrachtet werden, wo diese Zone unmerk-
lich in die nächste fibergeht, wie wir später sehen werden. Sie liegt
zwischen 2<X)0 und 1300 pariser F. Mittelhöhe und zwar findet ihr
Abfall in NO viel rascher statt als in SW.
Je weiter wir von der Linie , welche das hohe Gebirgsland vom
tiefen Flachland scheidet, gegen Norden vorgehen, desto reiner findet
sich der Charakter des flachen Steppenlandes ausgesprochen. Während
642
im Sflden die Berge, allmälich näher und näher rflckend, dea
Uebergang in das Gebirgsland vermitteln, sehen wir nördlich nnr
selten kleine, isolierte Erhebungen, die Reste früherer Gebirge ^). Das-
selbe zeigt auch die Beschaffenheit des Erdreiches, welches in der Nähe
des Gebirgslandes steinig, bald von fruchtbarer Humusschichte über-
lagert erscheint und mit wenigen kaum nennenswerten Ausnahmen ^)
diesen Charakter bis zum Uebergang in die nächste Zone beibehAlt
Ein schon erwähnter Umstand gibt hier Veranlassung zu einer Bildung.
wie wir sie eben nur unter solchen Verhältnissen finden können. Die
allmäliche Bodensenkung hat eine allmäliche Vereinigung der einzelnes
Wasserläufe in einen großen Fluss zur Folge; ja diese kann so weit
gehen, dass die Wässer stellenweise stagnieren und zur Sumpfbildong Ver-
anlassung geben, wie wii- eine solche auch zwischen dem 8 — 10" nördL
Br. und 28 — 32® östl. L. v. Grw. tinden '^). Die schnelle Senkung des
Terrains hat hingegen auch eine raschere Vereinigung der vielen Ge-
birgswässer in einen Wasserlauf zur Folge, und hier finden wir einen
Umstand, welchen wir im Gebirgsland nur ausnahmsweise antreffen,
Regel werden, nämlich das Versiegen selbst bedeutender Wasseradern^
bevor sie in ihren Hauptstrom münden, zur Zeit der Trockenheit**).
M Die auf der Halbinsel (?) Seonar, unweit der Stadt gleichen Naaieas
beginnenden, allmälich gegen Süden häutiger werdenden bewaldeten Gbl. Tuogii
die isolierten größtentheils kahlen Berggruppeu zwischen dem Bahr el azrak und
Atbaron (Gbl. Maudera, Cheli, Nasubele); die einzelnen Berge bei Cassala u. s. w.
') Eben iu der Nähe dieser isolierten Erhebungen.
') Der Bahr el azrak durchläuft die Entfernung von der Grenze des Ge-
birge und Flachlandes (c. 2000 p. F. Mh.) bis Chartum (c. 1431 p. F. Mb.) ia
5 Breitengraden (das Get&ll beträgt also 569 p. F.), während der Bahr el
abiad hiezu 10 Breitengrade braucht. iSein Gefall wird demnach uiu die Uälfie
schwächer sein, als das des erstereu, und da der größte Theil desselben noch auf
die Strecke nördlich der babatmündiing kommt, finden wir sfldlich derselben
die ausgedehnte Sumpfbildnng.
*) An der Grenze des Gebirgs- und Flachlandes finden wir dies an dem
Tumat, welcher kurz vor der Regenzeit (im April) selbst am Gbl. Kasan (in
dem Gebirgsland) kein fließendes Wasser führt, jedoch iu TOmpeln und nnr
wenige Zoll tief im saudigen Beet das ganze Jahr hindurch Wasser hält. Je
weiter man gegen Süden in das Gebirgsland vordringt, desto häufiger findet
man daselbst kleine, das ganze Jahr hindurch Wasser führende Cherau. —
Die in den Bahr el azrak mündenden Rand und D ender erreichen in der
trockenen Jahreszeit diesen nicht und die wenit;en in der Nähe des Gebirges
mündenden führen gegen sonst nnr ein unbedeutendes Wasserqnantnm, wie der
in den Atbara mündende Setit. — In Folge des langsamen Laufes derFlüsae
und der höheren Temperatur dieser Zone wird eine rasche Verdtmstong einer
großen Wassermenge stattfinden; und da auch durch Einsickern dem Kloss
ein bedeutendes Quantum entzogen wird, welche Abgänge alle während der
trockenen Jahresseit nicht ersetzt werden, sehen wir diesen Omstand eintreleo.
643
Um diese Wasserläofe nun, wahre Palsadern des Pflanzenlebens,
drängt sich die Vegetation. Hier gewahrt man so recht anschaulich
den Einfluss dieses Elementes (beziehungsweise der Bodenfeuchtigkeit)
und zwar in solch ausgesprochener Gradation, dass man eine auf die
Flusslinie senkrechte Reihenfolge von Gebieten annehmen kann. Die
üppigste und reichste Pflanzenwelt zeigt der in nächster Nähe des
Flusses anstrebende Urwald; ihm folgt der bei weitem nicht mehr
jene Mannigfaltigkeit der Yegetationsformen bietende Wald, welchem
sich der Steppenwald anschließt, der wieder allmälich in die vom
Flussufer am entferntesten gelegene Grassteppe oder Savanne über-
geht, nur hie und da von einzelnen Baumbeständen oder Busch-
gmppen unterbrochen. Die drei ersteren können wir als Wal d-
region zusammenfassen, die letztere als Steppe nregion im engeren
Sinne bezeichnen. Dieses reihenweise Auftreten, allmälich reicher werden
und endlich «üppige Drängen der Vegetation an den Flussufern gewahrt
man au allen größeren Wasseradern in dieser Zone längs des größten
Theiles ihres Laufes ^), ohne scharfe Abgrenzung der einzelnen Gebiete,
welche ineinander übergehen, jedoch so, dass mit den angeführten Re-
gionen die Hauptmomente der Pflanzenwelt charakterisiert erscheinen.
Das cultivierte Land ist hier schon mehr an die Wasserläufe gebunden,
als im Gebirgsland, da eine Bebauung abseits dieser nur während der
Regenzeit möglich ist. Außer dem an den Flussufern liegenden Cultur-
land finden wir daher dieses im Wald oder in der Steppe, meist in der
Nähe der Dörfer, sehr vereinzelt und zerstreit und auch nur während
einer gewissen Jahreszeit ^),
Wie sich ungefähr das den reichsten Wechsel und die größte
Mannigfaltigkeit in jeder Beziehung zeigende Gebirgsland zu dieser Zone
verhält, so diese zu der folgenden. Eine bedeutende Vereinfachung der
Boden- und Vegetations- Verhältnisse zeigt
*) Die Ausrottung der Wälder ist auch hier, besonders in der Umgebung
von Chartum in ihren Folgen schon fühlbar geworden. Die Uferwälder nördlich
bei Kereri, welche noch vor 8 Jahren standen, existieren heute nicht mehr ;
ebenso die am Bahr el azrak his ungefähr vor Woad Medineh gänzlich ver-
nichtet sind und dürfte dieser Umstand gewiss nicht wenig zu den während
einer Beihe von Jahren gänzlich veränderten Witterungs-Verhältnissen Chartums
(besonders im Charifj beigetragen haben.
*) Als einziges größeres, zusammenhängendes Culturland ist der größte
Theil der Gegend von Chartum bis Woad Medineh auf mehrere Meilen
Entfemnog vom Fluss und vereinzelt bis Sennar zu betrachten. Größere
Gebiete finden sich auch noch am Kand und Dender, kleinere am Atbara
und Gasch.
644
2. die W üsten-Steppenzone,
welchej wie schon der Name sagt, als Bindeglied zwischen der früheren
und der nächsten dasteht, wegen ihrer großen Aasbreitang jedoch als
Zone aufgefasst werden kann. Ihre nördliche Grenze wird ungefähr
darch eine Linie bezeichnet, welche an der Ostkflste zwischen dem 19. and
20.® n. B. beginnt und ähnlich der südlichen nach NW zieht und wirf
mit der äußersten Nordgrenze der tropischen Regen zusammenfallen.
Ihr Grebiet liegt von 0. nach W. zwischen 0 — 1300 p. F. Mh., voq
N. nach S. zwischen 1000 und 1300 p. F. Mh.
Während wir in der früheren Zone nur unbedeutende , vereinzelte
Erhebungen gefunden haben, treffen wir hier solche in großer Zahl,
jedoch sind es nur Gebirgszüge, häufig Randgebirge, welche vielleicht
mit denen der nächsten Zone als letzte Ausläufer des colossalen central-
africanischen Gebirgsstockes angesehen werden können '). Der vorwaltend
steinige oder sandige Boden beschränkt das Culturland auf die nächste
Nähe der Flussnfer und es ist auch dort kaum nennenswert ^).
Die weitere Senkung des Terrains hatte die Vereinigung sämmtlicber
Gewässer in einen Hauptstrom zur Folge, welche jedoch jetzt nur eine
kurze Zeit des Jahres stattfindet, indem während des größeren Theil©
die hier obwaltenden und schon früher erwähnten Einflüsse noch mehr
zur Geltung kommen als in der Steppenzone, so dass wir hier keinen
in den Hauptstrom permanent mündenden Fluss finden %
Die Waldregion *®) treffen wir in dieser Zone nur auf wenige
Pflanzenformen reduciert, längs des Laufs der Flüsse und Cherao.
^) Der Umstand, dass zwischen diesen Gebirgen und dem centnlea
Gebirgsstock heutigen Tages kein Zusammenbang mehr existiert, wäre ds&mit
zu erklären, dass dio Gebirge der Steppenzone, welche denselben ehemali
herstellten, durch die hier viel starkereu atmosphärischen Einflüsse, vielleicht
noch durch andere Umstände, zerstört und so der Zusanunenhaiig onto'-
brochen wurde. Auch heute noch sind die atmosphärischen Niederschlag
hier (im südlicheren Theil der Zone der tropischen Regen) sehr groß« wfthrei^
dieselben nördlich unbedeutend, kaum nennenswert erscheinen.
*) Am Nil, Atbara und Gasch.
*) Dies ist beim Atbara der Fall, während wir am Gasch und Baris
diesen Umstand noch stärker ausgesprochen finden. £rsterer, theilweise aad;
zur Bewässerung des Culturlandes abgeleitet, versiegt gänzlich im Sasde^
vielleicht nur in sehr wasserreichen Jahren gelangt wenig Wasser von ihm ii
den Atbara. Letzterer soll an der Ostküste unweit Suakim gänzlich im Sande
versiegen.
^°) Waldbildend erscheint hier eigentlich nur die Tamariske und £e
Dum pal me, welche in dieser Zone weite Strecken längs der Ufer mi
Gherau bedecken, während in der Ebene und einzelner an den Berghalden Ine
und da emporklimmend nur strauchförmige Mimosen zu erwähnen sind.
645
niederes Bosch werk in grAfieren an<] kleineren Bestanden erscheint
lerstrent in der Ebene nnd klimmt wol anch noch hie nnd da die
Berge hinan. Anch die hier auftretende Steppe ist nur in sehr be-
stbräokler Verbreitung nnd kümmerlicher Form vorhanden; wie ja
Iberhanpt in dieser Zone mit dem AufhOren der Regen ein atlmSliches
Absterben and Anfbören der Vegetation stattfindet, wfthrend immer
ndir and mehr
3. die Wflstenzone
mn Ausdruck gelangt. Diew zieht von der froher erwSbnten tödlichen
Grenze bis an die nArdliche, südliche und we^dicbe Heereskfiste, so
das ganz Nord-Afrir& nnge^r bis zwischen den ]!^ nnd 18* n. Br.
ils TOD ihr eingenommen betrachtet werden kann.
Die auch hier wieder zahlreich anftretenden Gebirgszfi^ zeigen
denselben Charakter nnd sind, wie fichon die meisten in der früheren
^e. von jeder Hnmnsschichte entblCDt, vegetationEloB and gestatten
ilaher einen genauen Einblick in ihren Bau. Sie erscheinen als vielfach
niUflftete Ketten oder Randgebii^e, als schmale langgestreckte Zflge.
nlrbe wenig (iliedcrung, jedoch eine vorwaltende GleichmSfiigkeit
Eeigen. Daher gelingt es oft nnr schwer, eine Partie heranszufinden,
lekhe als eigentlicher Gebirgsstock betrachtet werden kOnnte, der
eüt nur mehr als ein Rest des früheren, über die von ihm atammen-
fcn nnd ihn gröBtentbeils bedeckenden ZerstCningsproducte emporragt,
Sier. wie schon an den meisten Gebirgen der früheren Zone, tSsst sich
mr eine gewisse regelmflilige Sonderung nnd Anordnung dieser Zer-
Unmgsproducte beobachten, welche wol hie und da, durch Neben-
imsUnde beeinflnsst, minder deutlich und charakteristisch erscheinen,
m Gro6en nnd Ganzen jedoch immer einen und denselben Charakter
leransfinden lassen.
Die von den mittleren Theilen, den GebirgskSmmen, zuerst los-
ItlOsten und herabgestürzten Felstriimmer werden nach ihrer Schwere,
jrfiße und Form nnd nach der Beschaffenheit der Abbflnge, in größerer
■der geringerer Feme, diese selbst theilwei'se bedeckend , oder ver-
Mzelt an flacheren Stellen, erst am Fuß des Beides zur Ruhe ge-
ugt sein. Die beim ersten Sturz schon gebildeten kleineren Trümmer,
inrden mit nengcbildctcn von ungefähr gleicher Beschaffenheit wegen
ires geringeren Gewichtes weiter abgelagert nnd bilden die Schutt-
Bd Steiuhslden, welche anf weite Strecken die unteren Partieen der
ibhinge und den Fuß des Berges bedecken. Das nftchst kleinere
ientAmngsprodnct, der Grus, kommt natOrlich in noch grOfierer Feme
II liegen, nnd w&hrend bisher vorherrschend nnr mechanische Kr&fte
646
thätig waren, wird diese Form es sein, an welcher anch eine
chemische Umwandlung eintritt. Der Verwitterang des Gesteins wiri
nachdem die mechanische Zerkleinerung diesen Grad erreicht hat, eis
weiter Spielraum gehoten sein. Natürlich treffen wir GesteinsarteiL
welche einer langsamen, andere, die einer schnellen Zerstörung unter-
worfen sind, hei vielen wird dies auch von den einzelnen Bestandtlieiles
gelten. Aus diesen wird nun eine gleichförmige feine Masse gebildet
werden, während die schwer oder gar nicht verwitterbaren Bestand-
theile einer weiteren mechanischen Zerkleinerung ausgesetzt sein werden.
Diese letzteren werden vorherrschend aus sehr gleichmäßigen Quan-
kömchen bestehen, welche durch Eisengehalt meist eine rötblich gelbe
Färbung zeigen, und wird dieser Sand es sein, der wegen der gleich-
mäßigen Beschaffenheit auch der größten Verbreitung unterworfen ist
und dem Boden hauptsächlich seinen Character aufdrückt In der That
sehen wir ihn auch die ausgebreiteten Sandwflsten büden, von deneD
Nord-Africa größtentheüs überlagert erscheint.
Die Vegetation in dieser Zone ist natürlich eine sehr dürftige und
zwar wird sie da beginnen, wo das herbeigetragene Samenkorn einen
sichern Ruhepunkt, einen, wenn auch nur sehr geringen Grad von
Feuchtigkeit zur Keimung und die junge Pflanze ihre Nahrungsstoffe in
auflösbarer Form findet. Diese Bedingungen treffen wir vereint in jener
Ablagerung der Zerstörungsprodncte , welche ich als Grus bezeichnete,
und in der That kommen auch hier die ersten Spuren einer Vege-
tation in dieser Zone vor. Die beiden letzten Zerstörungsprodncte, der
Sand und die eine gleichförmige Masse bildenden Verwittemngsproducte
erleiden eine Sonderung. Die Wasser der freüich sehr seltenen und
unbedeutenden atmosphärischen Niederschläge (da diese Zone schoi
außerhalb des Bereiches der tropischen Regen liegt) schlämmen' die
feineren Verwittemngsproducte aus dem Sande und lagern sie an gewissen
Stellen auf diesen ab. Wo dies stattfand, da findet man auf einer
sandigen oder grusigen Unterlage eine dünne Schichte abgesetzt
welche meist durch das schnell erfolgte Trocknen zersprungen, auf-
gerollt, von der Unterlage abgelöst erscheint. Diese Schichte kl
vielleicht als die primitivste Sedimentär-Bildung , als der erste Begim
einer Humuslage anzusehen, welche befähigt ist, die ersten Anfänge
einer Vegetation zu tragen. Wo nur eine geringe Spur solcher Zer-
setzungsproducte im Sande vermischt oder aus diesem geschlämmt ab
Schichte erscheint und atmosphärische Niederschläge nicht
gänzlich fehlen, da finden wir Vegetation, wenn auch nur eis
kümmerliches, dürftiges Pflanzenleben. Nur im reinen Quarzsand, ans
647
welchem alle jene Theile entfernt sind, fehlt dieses gänzlich ^ ^ ; seine
Qoantitftt and Qualität wird ein Maßstab fOr die im Sande enthaltenen
Yerwitteningsprodacte sein.
Wir finden deshalb die eigenthümüche Pflanzenwelt dieser Zone
aach hier wieder an die tieferliegenden Landstriche, an Bodensenkungen
und die, durch einen der selten hier stattfindenden Regen gebildeten
Cberan beschränkt. Hier werden wir auch eine Bildung fruchtbaren
Erdreiches in loco, im kleinsten Maßstab gewahren. Die Boden-
unebenheiten und selbst die Vegetation dieser Stellen werden fflr die
von fernher durch Winde herbeigeführten Yegetations-Reste Sammel-
punkte sein ; und da auch die abfließenden Wässer hier immer mehr
und mehr fruchtbares Erdreich (Verwitterungsproduct) anschwemmen,
könnte man eine raschere Zunahme desselben gewahren, wenn nicht auch
der Sand durch dieselben Umstände herbeigeführt würde. Dennoch sammelt
sich hie und da fruchtbares Erdreich in größerer Masse, und es ent-
stehen jene Stellen, die unter dem Namen die Oasen bekannt sind.
Ein ähnlicher Schwamm- Vorgang im Großen ist es, welchem diese
Zone ihr culturfähiges Land verdankt Was wir an jedem unbe-
deutenden ausgetrockneten Regenbeet im kleinen beobachten können,
sehen wir an den Ufern des einzigen diese Zone durchfließenden Stromes
im großartigsten Maßstab. Da wo der Nil von seinem viele 100 Meilen
langem Laufe der geringen Bodensenkung wegen einhält, da schuf er
durch Jahrtausende und noch alljährlich stattfindende Ablagerungen ein
üppiges, fruchtbares Land; er lagerte thatsächlich die von ihm und
seinen Nebenflüssen zur Zeit der Regen aus dem fernen Innern herbei-
geschleppten Schlammmassen auf den nackten Felsen auf und in den
Sand der Wfiste ab und schuf Aegypten.
Sehen wir schließlich, ob andere in der Wfistenzone beobachtete
Vorkommnisse sich nicht auch im Großen wiederfinden und nachweisen
lassen. Nehmen wir einen ehemaligen, colossalen, aequatorial africani-
schen Gebirgsstock an, von welchem der heutige nur mehr ein kleiner
Theil ist. Die höchst gelegenen Partien desselben werden, sobald sie
nicht mehr durch Schnee und Gletscher bedeckt sind, natürlich von den
atmosphärischen Einflüssen zuerst und am meisten zu leiden haben. In
ihren Vertiefungen werden sich die Wasser immer mehr und mehr an-
sammein können (Seen bilden), bis sie endlich durch entstandene Risse
**) Dass das' gäuzlicbe Fehleu der Vegetation nur eine Seltenheit sei,
dartte leicht begreiflich sein und die übertriebenen Begriffe des gänzlichen
Maogela der Vegetation in jenem Gebiet, was man allgemein mit dem Namen
Woate bezeichnet, am besten auf das gehörige Maß reduciereo.
648
oder Schluchten einen Ausweg finden und als Strom, Flnss etc. ab-
fließen. Die an den Abhängen abgelagerten Zerstörangsprodncte werdes
aber Schutthalden, Stein und Grusfelder von ungeheurer Aasdehnung
bilden und hier unter diesen Breiten einer viel schnelleren Zerstömng
ausgesetzt sein, als die kleineren der Wüslenzone, die wir bereits kennen
gelernt haben. Dasselbe wird auch von den iocalan (xebirgen gelten,
von welchen endlich nur wenig Reste als isolierte Klippen aus dem sich
allmftlich abflachenden und ausgleichenden Lande emporragen, dessen
Boden durch Sumpfbildungen und Anschwemmungen im großartigsten
Maßstab sich zu jener Zone umgestalten wird, welche wir als Steppen-
Zone bezeichnet haben.
Die von dem centralen Gebirgsstock stammenden nicht verwitterten
Zerstörungsproducte werden durch Südstürme gegen Norden geführt und,
mit den aus den Gebirgen in loco stammenden als Sand abgelagert,
die Wüste nzone bilden. Zwischen beiden liegt die Wüsten- Steppen-
zone, welche als Bindeglied den Uebergang vermittelt.
Der Boden des nördlichen Africa wurde in das Meer abgelagert
Das Vorkommen von Gebirgen mit maritimen Fossilarten, die Salz-
lager etc. sprechen eher für diese Ansicht, als für die, dass Erhebungen
stattgefunden haben, da wir hier keine Spuren vulcanischer Thäti^eit
finden, welche diese Ansicht unterstützen könnte, wir uns aber aus des
Vorgängen, wie wir sie noch heute im Kleinen sehen, in einer langen
Zeitdauer großartige Umgestaltungen erklären können.
Verbindungsproject des persischen Golfs mit dem Mittelmeere.
Von F. Kanitz.
Die Herstellung eines beschleunigteren Verkehres zwischen dem
persischen Golf und dem Mittelmeer hat in Mithad Pascha, dem
türkischen Gouverneur von Bagdad, einen eifrigen Förderer gefunden.
Mithad Pascha ist unstreitig das tüchtigste organisatorische Talent der
gesammten türkischen Adnünistration. In Bulgarien (Tuna Vilajet) hatte
er in wenigen Jahren für Communikationen und sonstige Civilisations-
mittel mehr gethan, als seine Vorgänger in Jahrhunderten. Sein rück-
sichtsloser übergroßer Reformeifer hatte ihn aber in Constantinopel mis-
liebig gemacht und eines schönen Tages fand er sich in Folge rastloser
Intriguen nach der altberühmten, aber sehr herabgekonunenen Califen-
stadt Bagdad versetzt, wo er namentlich die unbotmüßigen Söhne der
Wüste im Zaum halten sollte. Diese Aufgabe konnte einem Geiste wie
Mithad Pascha — den seine Glaubensgenossen seines rastlosen Arbeitens
649
w^n auch den „Djaur Pascha* (Christen - Pascha) nannten — nicht
genfigen Unter manch anderen Plänen wnrde die Einheziehong von
Bagdad und Bassora in den Weltverkehr eine Liehlingsidee Mithad*8.
Nachrichten ans Beirat vom Mai d. J. zufolge ließ Mithad Pascha
eine Expedition unter Leitung des Belgiers Schmitt (Mashud Beg), be-
stehend aus mehreren kleinen Dampfern von Koma, am Vereinigungs-
punkt des Tigris mit dem Euphrat, letzteren zur Vornahme genauer
Sondierungen seines Bettes stromaufwärts gehen.
Die sorgftltig ausgefQhrten Messungen stellten folgende Resultate
fest: der Euphrat ist bis Balis (befestigtes Städtchen am linken Fluss-
ufer in Syrien) vollkommen schiffbar für Dampfer, deren Tiefgang nicht
10 Fnß übersteigt; denn die Tiefe des Strombettes beträgt abwech-
selnd 12 — 30 Wiener Fuß. Die unbedeutenden Hemmnisse desselben
sind leicht zu beseitigen. Die Fahrt von Bagdad bis Balis wird aufwärts
in 5 — 6, abwärts in 4 — 5 Tagen zurückzulegen sein. Nachdem nun die
Entfernung von Balis, dem Endpunkt der Dampfschiffahrt bis nach
Alexandrette, dem Mittelmeerhafen, nur 30 geographische Meilen
beträgt, so würde nach Herstellung der zwischen diesen beiden Punkten
über Aleppo zu führenden Fahrstraße, der heute noch zwischen Bagdad
und Alexandi*ette 30 — 40 Tage erfordernde Karawanenweg auf 7 — 8 Tage
herabgemindert werden, gewiss ein sehr erfreuliches Resultat, das durch
die Leichtigkeit der Steinkohlenversorgung für Dampfer in Bassora voll-
kommen gesichert erscheint.
Die Arbeiten der von Mithad Pascha entsendeten Expedition waren
sehr umfassend und zeitraubend. Man heizte mit Holz und fuhr nur bei
rage. Wegen der vielfaltigen sorgfältigen Messungen erreichte Herr
Schmitt Balis erst in 40 Tagen, die Rückfahrt stromabwärts bis Rawa
(am Euphrat in gleicher Linie mit Bagdad) betrug aber trotz der
□oancherlei noch zu beseitigenden Hindernisse im Strombett nur 7 Tage ;
fon Rawa bis Bagdad zu Lande 1 Tag, zusammen also von Balis
bis Bagdad etwa 9 Tage.
Ermuntert durch diesen unerwartet günstigen Erfolg befrachtete
man sofort einen Dampfer mit Waren, vorzüglich mit Tumbak-Tabak,
welcher von Rawa stromaufwärts ohne jeden Unfall glücklich nach
3alis gelangte.
Zur Herstellung einer guten Fahrstraße von Balis nach Alexandrette,
lat das türkische Ministerium der öffentlichen Arbeiten einen englischen
[Tigenieur mit 72() Pf. Stlg. Gehalt und 3 Monat Urlaub im Jahre fßr
aleppo angestellt. Der schwierigste Theil der Straße ist auch bereits
irollendet. Schon geht sie mit mäßiger Steigung auf die Höhe des
3«Ilan. Von dort zieht sich in die Ebene hinab eine alte Römerstraße,
JSittheilurigeii d. geogr. (ieeeU. 1870. 14. 42
650
welche nur einiger Ausbesserong bedarf. Die Fortsetzung der Stnfie
dnrch die Ebene von Antiochia bietet nur vor Aleppo, wo felages
Hügelland beginnt, einige Schwierigkeit. Der Straßenbau selbst kostet
die türkische Regierung nur wenig; denn sowol in der asiatischoi
als europäischen Türkei ist die männliche Bevölkerung durch eine be-
stimmte Zahl von Tagen zu unentgeltlicher öffentlicher Arbeit ffir da
Staat verpflichtet. Bei dem Straßenbau von Alexandrette nach Balis
beträgt diese Zwangsarbeit 6 Tage oder eine Ablösung von 36 Piaster
(3 fl. 60 kr.) pr Kopf. Der Staat trägt nur die Kost^ für KuiKt-
bauten, Brücken u. s. w.
Nach den uns gewordenen Mittheilungen lässt die bekannte Eneigie
Mithad Pascha's die rascheste Ausführung eines Projectes hoffen, das
nicht nur auf die seiner Verwaltung anvertraute Provinz, sondern andi
auf den indischen Handel bedeutenden Einfluss nehmen dürfte luui
es erscheint die Einbeziehung der Länder am persischen Golf in dei
Weltverkehr in nicht femer Zeit gesichert.
Geographische Literatur.
Bestimmung der Seehöhen von Orten aufgraphischem
Wege nach beobachteten Barometer- und Thermometerständen vu
(t) Franz Kath, Assistent der meteorologischen Gentralanstalt, Mitr
glied der k. k. geogr. Gesellschaft, neu geprüft und herausgegeben tob
J. G. Schoen. Wien 1871. Beck'sche Univ. Buchhandlung (A. Hölderi.
16 S. Doppel -8. mit 1 Tafel aus 4 Blättern.
Der Eründer der graphischeu Methode zur Bestimmaug der Seehöbo,
Herr Ratb, hat seiuer Tafd folgende Einrichtung gegeben : £in I^ets aus seak-
recht aufeinanderstehenden Parallelen, deren verticale Reihe den Barometo-
ablesungen in Pariserlinien und MiUiinetern und deren horizontale Beihe dei
Höhen in Klaftern und Metern gewidmet ist, wird durch einen StralenbOndii
durchsetzt, welcher der Temperatur der Lutt in R. Graden entspricht. Dadurch
wird das Nachschlagen einer Tafel und die Gorrection wegen der Luftwi«
erspart, indem man mit dem beobachteten und vorher mit flüfe einer kieiaa
Tafel auf 0 reducierteu Barometerstände in die linke Columne eingeht, da
Zug der Parallele zu den Horizontalen bis zur beobachteten Lufttemperats
und nach dem Zusammenstoß aufwärts den Zug der Parallele zu den Yer-
ticalen verfolgt, und am Schnitt der Columnen- Grenze die gesuchte Höhe m
Klaftern oder Metern abliest. Da jedoch die Tafel ihrer Anlage nach vollstäB4|
ausgeführt über 30 Quadrat-Fuß einnehmen würde, so erscheint nur der scfeatf
sie durchschneidende Stralenbündel mit dem ihn umgebenden Theile da
Quadratnetzes herausgezogen, und weil er viel zu lang ist, um als GhuuH
auf einer Platte graviert werden zu können, so erscheint er auf der beige-
gebenen Tafel in 12 getrennten Stücken untereinander, denen noch 6 aadece
angefügt sind, welche eine Erweiterung der Tafel auf Basis eines kleinere
Netzes und reducierter Eingänge bilden. Bei dieser Einrichtung wird der G<-
brauch von Tafeln (mit Ausnahme der kleinen dem Texte beigefügten zur St-
dttction auf 0^ entbehrlich, es steht jedoch dahin, ob nicht die Bequemiidikdl
der Resultatserlangung ohne Nachschlagen und Rechnen, durch die Austra-
gung der Augen und die möglichen Fehler beim Ablesen und Schätzen det
Intervalle aufgewogen wird, wie auch durch den oftmaligen Wechsel der Slreifei?
661
weon ganie Reihen von Messungen xnr Anwendung kommen. Es lAsst sich aneh
mutmaßen, dass, so wie der practische Rechenschieber das logarithmische
Quadrat überflOgelt hat, eine ähnliche Anordnung für Höhenmessungen erfinden
werden könnte, deren Anbringung schon auf dem Barometer denkbar wftre,
wenn die Scala für die Höhen bezQglich der Theilung nicht in so großem Ab*
Stande von jener der Pariserlinien oder Millimeter w&re. — .8—
Wandkarte der österreichisch-angarischen Monar*
chie von A. Dole2al. Gotha bei J. Perthes 1870. 9 Blätter im
Masse von 1 zu 864000. der Natur.
Die bisherigen Wandkarten der österr.-ungar. Monarchie waren ihrer
ganzen Anlage nach vorwiegend politische Uebersichtskarteu , auf weichen
me physischen Verhältnisse, durch möglichst grelles Colorit ged&mpll, nur eine
untergeordnete Rolle spielten. Auf dieser Wandkarte, die bezüglich der Aus-
tohrung des Terrains an die schöne Karte der Schweiz im Stieler'schen Hand-
atlas erinnert, ist ihnen die Hauptrolle zugedacht. Die Bergzeichnung erscheint
in loiiftigen Zogen, in einem befriedigenden allgemeinen Verhältnisse und wird
die Auffassung der Erhabenheit noch durch farbige Töne untersttltzt , mittels
welchen durch licht und dunkelbraun, durchrissen und voll, fiOnf Höhenschichten
markiert werden, von ü bis 500', SOG bis 1000', 1000 bis 2000', 2000 bis SOOO',
5000 bis SOOO'. Diese Stufeuleiter hat ihre Vorzüge und Nachtheile. Da der
dunkelste Ton in die Mitte fallt, gewinnen die Hoch-Gebirge an plastischem
Aasdruck, und im flachen Laude genügt die Steigerung des blassen Tons, um
die Hebung im Großen zu characterisiereu und die Grenzen der Schichten er-
aichtiicU zu macheu. Im höheren Gebirge deckt die kräftige Schridßenuig die
S<dieidelinie von 5000' meistens so sehr, dass sie nur mit Mühe verfolgt werden
kann. Die Schichten treten überhaupt mehr unterstützend auf als unabhängig-;
sie als Hauptobject hinzustellen, lag wahrscheinlich gar nicht in der Abuoht
des Auton. £iue detailliertere Ausführung würde den ganzen Typus der Karte
verändert habeu, da die Schraffen hatten hin wegfallen müssen und die Karte
den Charakter eiuer Schul Wandkarte zur allgemeinen Erkenntnis der
Terrainhauptverhältnisse verloren hätte. Die Ausführung erstreckt sich so
weit über die Staatsgrenzen, dass jedes Gebirge als Ganzes au^efssst werden
kann, jedoch nicht so weit, um noch weiter gehende Wünsche zu erfüllen, die
sich bis zu einer vollen Ausfüllung des Kartenbildes versteigen könnten. Doch
kann man zugeben« dass eine Einbeziehung der bairischen Hochebene das Bild
der Alpen bis zur äußersten Umrandung vor Augen gebracht hätte, und dass
das Abbrechen der Schichten hinter den österreichischeu Alpen störend wirkt.
Auch das Kebenkärtchen, welches den Lauf der Donau bis in's schwarze Meer
ergänzt, verliert viel durch das HinwegLissen der Terrainzeichnung in dar
Dobrutscha und am bulgarischen Ufer.
Trotz dieser Lücken kann man dieses Erzeugnis der rührigen Gothaer
Anstalt als zweckentsprechend für den Gebrauch an Mittelschulen erklären und
es wird denselben desto mehr zu Gute konmien, je weniger die bestehenden
Wandkarten den Anforderungen bezüglich der höchst wichtigen natürlichen Ge-
staltung des Bodens unserer Länder geuügen. — s—-
Encyclopädie zur Landeskunde Galiziens. 3. Heft.
Nach langer Unterbrechung, die uns schon für die Fortsetzung dieser
höchst verdiensdicheu Arbeit besorjgt machte, erscheint das dritte Heft der
Encyclopädie zur Landeskunde Galiziens von A. Schneider, und eslässt sich
somit annehmen, dass die Schwierigkeiten der weitem Herausgabe ^cklich
beseitigt sind, was den zahlreichen Freunden des Werkes nur erwünscht sein
kann.
Das vorliegende Heft setzt den Buchstaben A unter dem Artikel »Archive«
fort und schließt mit der chronolonschen Folge der Erzbischöfe (Arcybiskupi)
Yon Lemberg. Der Verfasser weiß den trockenen Angaben eine interessante
Seite abzugewinnen, die den Leser durch die historisdie Bedeutung fiessdt.
So heißt es S. 169, dass in Polen jede halbwegs angesehene Familie
schon seit alter Zeit für die Verzeichnung der wichtigsten Begebenheiten in
besondem Chroniken Sorge trug, welche von Vater auf Sohn übergehend,
42*
652
stftndiff fortgeführt lud im FamilieDarrJuTe aufbewahrt werdeu. So ezistieile
eine Quroiiik des Geschlechtes Toporczyk, mit dem Anfang Polens begia-
nend, ein prachtToU gebandenes, in lateinischer nnd polnischer Spradie ge-
ehrtes Buch, im Schlosse Szubin in preußisch Polen, wo sie im 16. Jahr-
hundert ein Baub der Flammen wurde. Femer erz&hlt Schneider von eioer
Chronik des Geschlechtes Odrow^z, welche bereits im IS. Jahrhundert in
golnischer Sprache geschrieben wurde. Hiedurch widerlegt sich die Be-
anptung der Geschichtschreiber, als ob der Gebrauch der pomisdien Spradie
in Schrift erst in der H&lfte des i6. Jahrhunderts zur Geltung gekommen
w&re. Die Chronik des berOhmten Heldengesdilechtes Chodkiewics datiert
aus den Zeiten der Kreuzritter und Lithauer, namentlich aus dem Jahre lilfw —
Die chronologische Reihenfolge der Erzbischöfe wQrd^ an sich wenig des
Interessanten bieten, wenn nicht jeder Name und die Zeit, in welche er fäUt,
mit 80 viel wissenswerten und aufklärenden historischen Daten und Skizzeo
zur Darstellung von Zeitbildern und zur Vergegenwftrtigung der jeweiligen biltoi
so viel des Anregenden darböte.
Wir wflnsdien dem gemeinnützigen Werke den besten Fortgang und die
weiteste Verbreitung. A. Sk. — L
Geologische Karte der Schweiz von B. Studer und
A. Eseber von der Linth. 2. Aufl. Maßstab 1:380000- Vertag
von Wurster, Randegger & Comp., Winterthur.
Die Freunde der Naturwissenschaft und Erdkunde und alle TonristeB,
welche sich nicht nur um die äußere Schönheit, sondern auch
um den Innern Bau des Alpenlandes interessieren, werden auf die
Neubearbeitung der geologischen bchweizerkarte von 6. S tud er und A. £ s ch er
?. d. Lintii aufmerluam gemacht. Diese U. Ausgabe ist nach den nenestei
Publicationen der Autoren und der Schweizer-Geologen v. Fritsch, Gil-
lern, Jaccard, Kaufmann, Mösch, Malier, Steppani, TheobaU
von J. Bachmann durchgesehen und vorbessert worden.
Als Karte Oberhaupt gehört sie zu den vorzQglichen Leistimgeii der
Topographen in Winterthur. Sie bietet in der Zeichnung der Plastik, der
Hydrographie, der Topographie und Communicationen alles Weseuft-
licne klar und deutlich trotz der Eintragung der geologischen Bilder. Die schwierige
Bedaction, das gewaltige Material in diesen Rahmen zu bringen, wurde von des
berOhmten Autoreu Hm. Bachmann zu Theil und diesem damit auch ein
Vertrauen und eine Auszeichnung von der oompetentesten Seite« die nns
weiteren Lobes äberhebt Wirklich zeigt die If. Auflage, mit der I. ver^diea,
die enormen Fortschritte der Geologie, dieses wesentlichen und interpretierende
Zweites der physicalischen Geographie. ~ Der Umstand, dass die neoera
Arbeiten in verschiedenen Theilen der Alpen nnd des Jurazuges selbverständ-
lieh in ffößenn Maßstab und einlässlicher ausgeführt sind, musste allerdingi
für die Beduction auf den Maßstab der Zieg 1er 'sehen HI. Karte erschwerend
sein. Damit hängt auch die etwas ungleiche Detaillierung in den verschiedenea
Gebieten zusammen. So finden wir im Aargauer Jura, in den Gebirgen der
Umgebung des Montblanc, in den Kalkalpen zwischen Greverz und Jaun, is
der Beminagrup^e und im Engadin eine viel reichere Gliederung als in da
anstoßenden Theilen, ohne dass desswegen anzunehmen wäre, die rortdauemdea
eifirigen Untersuchungen der gegenwärüff thätigen Geologen werden in des
letzteren Gegenden nicht dieselbe Mannigmltigkeit von Formationen nachweisea.
Sind doch luif der neuen Ausgabe bereits 5l theils paläeontologiach, thedi
petrographisch begrflndete Formationsglieder unterschieden, yon denen aller-
dmgs ein Theil, zumal vulcanischer Gresteine, eine geringe Bedeutung besitzet
und nicht einmal in's politische Gebiet der Schweiz gehören.
Die schöne Karte gewährt einem geflbten Auge ein umfassendes DetaS-
bild von der großen Mannigfaltigkeit in der Zusammensetznngsart des Schweizer-
bodens und von dem Zusammenhang der characteristischen TerraingeataltooK
mit dem geognostischen Substrat. J. S. Gerater.
653
Bücher und Karten, *)
«nidio tiMik als GeMhank) thaib im Wege des Schrtflontausdies an die k. k. geognipiiisclie Gesellschifll
gelangt sind.
Vom 1. September bis Ende November 1870.
Di« Oeeohenkaezemplue nad mit * beseiehBei.
Agram. Bad jagOBlayenske akademiie znanoBti i amjetnosti Enjiga
10, 11, 12. 1870.
Albany. Amend cbaracter of the äiy of A. 1870.
— Annnal report for the relief of nck and woonded soldiers of the
State of New- York.
— Compound and comminuted Gun-shot fractores of the tigh 1864.
— Adjutant general report L n. 1864/5.
— The memory of President Lincoln 18.
— First and second reports of the State Agricoltaral sode^ (Binder-
pest) 1867.
— The comptroller report of the State of New- York 1870.
— Transactions of the New- York State Agricultural society I. n. 1867/8.
— New- York Insurance report Vü. 1^6. Vm. 1867. IX. 1868. X. 1869.
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— Silk and Manufiäctures report 1868.
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~ Lewis Taylor, Prof., A photograph from the mins of andent
Greece 1865.
Bamberg. Dreißigster und ein und dreißigster Bericht aber
das Wirken und den Stand des historischen Vereins zu Bambcog im
Jahre 1866-1868. Bamberg 1868-69.
Basel. Beiträge zur vaterl&ndischen Geschichte, von der historischen
Gesellschaft in Basel. IX. 1870.
Berlin. Generalbericht Aber die europäische Gradmessung für das
Jahr 1869. Berlin 1870.
*-— Karte der Routen Gerhard BohlÜB in Cyrenaica von Richard
Kiepert 1870.
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Kiepert 1870.
— Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Neue Folge.
1870. B. 1.
— Zeitschrift des k. preuü. statistischen Bureaus, redigiert v. Dr. Ernst
Engel. Jahrg. X. 1 und 2. 1870.
Berlin. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. XXn. 3. 1870.
^ Zeitschrift der Gesellschaft f&r ErcSninde zu B. Y. 4. 1870.
]^ern. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern 1869.
Nr. 684—711. Bern 1870.
Bologna. Memorie dell' Academia delle sdenze dell' istituto di Bo-
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Bombay. Transactions of the Bombay Geographical Society, from Jan-
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trischen Kenntnis des atlantischen Oceans und Landgebiets im J. 1870.
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frage im J. 1870. Separatabdruck.
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30. Mai 1870.
— Mittheilungen der k. k. Ceutralcommissiou zur Erforschung und &-
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— Neunzehnter Jahresbericht der k. k. Oberrealschule im 111. Bemfc
(Landstralie) in Wien. 1870.
— Oesterreichische Monatsschrift für Forstwesen. Vom österr. Retchs-
forstverein, red. v. Jos. Wessely. XX. Jahrg. 1870.
*— Reise in Südserbien und Nordbulgarien, ausgeführt im J. 1864, vob
F. Kanitz. 1868.
— Jahrbücher der k. k. Gentralanstalt für Meteorologie und Erdmag-
netismus von Carl Jelinek und Carl Fritsch. Neue Folge. V. B. Jah^
gang 1868, der ganzen Reihe XIII. Band 1870.
*- Höhengr&nzen ftlr die Flora von Niederösterreich, insbesondere des
Schneeberges und der Raz. Bestimmt von Carl Fritsch (Sep. Abd. au d.
Jahrb. d. österr. Alpen- Vereins) 1870.
*~ Mittheilungen der Handels- und Gewerbekammer in Wien Nr. 62— 6i
und Verhandlungen Seite 385—464. 1870.
— Tafeln zur Statistik der österr. ungar. Monarchie. Von der k. k
statistischen Centralcommission, die Jahre 1860 - 1865 umfassend, 7. Heft 18711
— Mittheilungen aus dem Gebiete der Statistik. Von der. k. k. stai
Centralcommission; 17. Jahrg. 4. Heft 1870.
— Summarische Ergebnisse der Volkszählung vom 31. December 19GB-
*— Bestimmung der Seehöhen von Orten auf' graphischem Wege, nad
beobachteten Barometer- und Thermometerstande. Von F. Rath und J. G.
Schoen 1871.
— Mittheilunffen der k. k. Central-Commissiou zur Erforschung ood Er-
haltung der Baudeiucmale. XV. Nov. Dec. 1870.
— Tafeln zur Statistik der österreichisch-ungarischen Monarchie (k. k.
statistische Centralcommission 1876).
657
W i e n. Verhandlungen and Mittheilangen des n. ö. GewerbevereinB. XXXI. 33.
— Verhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesellsdiaft in W.
XX. 1-3. 1870.
— Sitiungsberichte der kais. Academie der Wissenschaften 1870. 23. 24.
— Verhandlungen und Mittheilungen des nieder-österr. Gewerberereins.
XXXI. 35. 36. 1870.
*— S c h e d a (Jos. Ritter v.). Handatlas der neuesten Geographie unter
Mitwirkung des k. k. Rathes Steinhäuser IL 6 Bl&tter. Wien. Artaria 1870.
Supplement xum yorigen : Karte der Wärmeverbreitung auf der Erde,
TOB Steinhauser. Wien, Artaria 1870.
*— Hochstetter Ferdinand v., ffeologische Uebersichtskarte des
östlichen Theiles der europ&ische^ Türkei. 1870.
^Znaim. Elementare und angewandte Terraiulehre, nebst einer Abhand-
lung aber das Situationszeichnen. Von Joseph Zaflhuk, k. k. Hauptmann,
Professor etc. Znaim 1869.
Zürich. Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft. 33. und 116.
AbÜL 2. Heft 4. 1869-71.
Monatsversamiiilaiig der geographischen Gesellechafl
am 22. November 1870.
Vorsitzender : Kais. Rath Steinhauser.
Der Generalsecret&r berichtet über die Vorkommnisse im abgelaufenen
Monat.
Hen- Ernst Marno, von welchem eine Abhandlung ,,über die Boden-
und Vegetationsverh<nisse von Nordost- Africa^ für die Imttheilungen einge-
sandt wurde, hat Privatnachrichten zu Folge Chartum verlassen, ohne dass
über das n&chste Ziel seiner Expedition etwas näheres angedeutet ist.
Herr F. Kanitz, der von seiner längeren Forschungsreise in den
untern Donauländem zurückgekehrt ist, macht eine Mittheilung über die er-
folgreichen Bemühungen des Gouverneurs von Bagdad, Mithad Pascha, um
eine leichtere Verbindunff für den Verkehr zwischen dem persischen Golf und
dem Mittelmeer. (S. Mittheilungen S. 648 u. f.)
Als neu eintretende Mitglieder werden angemeldet und au&enommen
die Herren Christian E ck h o ff , k. k. Lieutenant in Wien. Alfons von E 1 i n g o f-
ström, k. k. Hofrath in Wien und Fräulein Berta Filippi in Wien.
Unter den neuen Erscheinungen in der geographischen Literatur, die
der Gesellschaft im Tauschwege cnäer als Geschenke zukamen — das Ver-
zeichnis s. Mittheilungen S. 653 — macht der Gteneralsecretär besonders auf-
merksam auf die letzten Publicationen des Staates und der wissenschaft-
liclien Vereine in New -York; auf den ersten Band der Beiseerlebnisse
„unter den Tropen^ von C. F. Appun (Venezuela); auf die vom Freiherrn
V. Maltzan besorgte Herausgabe der Reise Adolphs v. Wrede in Hadra-
maut, Beled Beny Yssä und Beled el Hadschar, die nächstens in
den Mittheil unsen besprochen werden, und auf die zweite Lieferung des bei
Artaria in Wien erscheinenden j,Handatla8 der neuesten Geographie^ unter
Mitwirkung des kais. Rathes Steinhauser, von Jos. Ritter von Scheda,
welche die Planigloben und die Karten von Nord- America, Süd- America, Nord-
russland, Frankreich, Schweden und Norwegen enthält.
Von den Supplementkarten zu diesem Atlas, welche in 6 Blättern die
wichtigsten tellurischen Erscheinungen graphisch darstellen sollen, lag das
Blatt Über die Wärmeverbeitung auf der Erde der Versammlung vor.
Die Mitte des BUttes nehmen die Planigloben ein, welche zur Dar-
stellung der mittleren Jahreswärme bestimmt sind. Diese sind von zwölf
kleinen Kärtchen der nördlichen Erdhälfte umgeben, auf welchen von 4 zu
4 Graden R. die mittlere Monatwärme aufigetragen erscheint. Die Kältezonen
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sind in abgestuften Tönen von Blau, die Wärmezonen in abgestuften Tönen
von Rotli gegeben, wodurch eine deutliche Uebersicht des Wechsels zwischen
Sommerhitze und Winterfi-ost hen'orgeht.
Hierauf hält der k. k. Hauptmann Herr Eugen Matz einen Vortrag
über die von ihm benannte »constructiv-scriptive" Methode beim geo-
graphischen Unterricht.
In der Einleitung bezeichnet der Vortragende anter den Methoden beim
geographischen Unterricht die analytische, die synthetische und die
c on 6t ractive als diejenigen, die sich auf didactischem Felde die meiste
Geltung verschafft haben und berührte namentlich die erfolgreichen Bemühungen
Ton Sydow, Deutsch, Klöden u. a., um die Fortbildung der cos-
structiven Methode.
Während nun die constructive Methode sich darauf beschränkt, das
theilweise und je nach den geographischen. «Beziehungen, die eingeübt werden
sollen, unausgefüllte Kartenbild durch den Schüler ergänzen zh
lassen, so dass dieser einmal in die Terrainkarte die Flussläufe, ein andennai
in die Flusskarte das Terrain, ein drittesmal in die stumme Karte die topo-
graphischen Punkte mit mehr oder minderer Ausführlichkeit einzutragen be-
müßigt wird, lege die „constructiv-scriptive'* Methode das größte Ge-
wicht darauf, dass in einer gewissen stufenmäßigen Aufeinanderfolge das
ganze Kartenbild und zwar sogleich mit Rücksicht auf die geographisdie
Position des Objectes vom Schüler entworfen und ausgeführt werde.
Indem der Schüler dabei angehalten wird, einerseits die Contour des Landes,
die Veraderung der Flüsse, die Stellung und Richtung der Gebirge u. s. w.
nach einer bestimmten systematischen Folge zu zeichnen und anderer-
seits jeden topographischen Punkt, den er sich merken soll, in dem Augen-
blick, wo er mit der Zeichnung bei diesem Punct anlangt, durch einen Buch-
staben oder eine Ziffer auf dem Bilde zu fixieren und unter diesem Bucbr
Stäben oder unter dieser Ziffer in einem Nebenheft mit seiner Benen-
nung einzutragen, hafte nach des Vortragenden Ansicht der Name mit den
Bilde leichter im Gedächtnis und werde schneller zum geistigen
Eigenthum des Lernenden. Das Verständnis des Kartenbildes werde
durch die freie Constructiou gefördert und die Hinweisung der Buchstaben
oder Ziffern auf die Benennung der im Kartenbilde markierten topographischen
Punkte geben einen bequemen Schlüssel ab, um dem Gedächtnis in jedem
Augenblick nachzuhelfen.
Zur nähern Erklärung des gesagten weiset der Vortragende Schüler-
hefte vor, die nach dieser „constructiv-scriptiven" Methode unter seiner
Leitung gearbeitet wurden, versichert, dass er in mehijährigem Unterricht
von dieser Methode den besten Erfolg erfahren habe und empfiehlt sie
der besondern Aufimerksamkeit der Lehrer.
Hierauf nimmt Herr Friedrich von Hellwald das Wort, um zur Er-
gänzung des vom Vorredner gesagten einiges zu bemerken. Er weist zu-
förderst auf den großen und bisher, wie es ihm scheine, noch wenig beach-
teten Unterschied zwischen Ortskunde und Erdkunde hin, von denen
die erstcre, obwol die fast ausschließlich gepflegte, nur einen Theil
des letzteren Wissenszweiges bilde. Er tnüsse daher das gründ-
liche Studium der mathematischen Geographie, die allein das richtige
Verständnis der Karten zu vermitteln vermag, so wie der physischen
Geographie, welche das Verständnis der im gewöhnlichen Leben so
wichtigen tellurischen Erscheinungen anbahnt, um so mehr betonen, als eben
auf diesem Grebiete in der Regel zu wenig gethau werde. Aber auch die Ort»-
künde in ihrer weitesten Ausdehnung, worin die genaue Kenntnis der
Länderumrisse inbegriffen sei - ein Wissenszweig, dem der Nachtheil an-
klebe, das Gedächtnis mit Zahlen und Namen zu belasten — werde zumeist
in wenig anregender, oft geradezu geisttötender Weise voi^etragen, und
darum handle es sich eben, so vorzutragen, dass aus den nothwendigen Zahlec
und Namen neben der nothwendigen Anstrengung keine Belästigung des
Lernenden erwachse. Dies werde nach seiner Ansicht nur dadurch erreicht,
dass man den Schüler zum Denken zwinge, auf seinen (reist wirke und
^ÜßB aus dem Unterricht entferne, was das Gegentheil zur Folge hat. Es-
659
fahniogsgemäß präge sich leicht iin(l ohne Mühe dem Gedächtnis jeder
Name, jede Zahl ein, welche man tax mtere'ssante Gegenstände zu knüpfen
Terstanden hat. Redner hofft, (lass diese allgemeinen Bemerkungen durch den
passenden Ort tuid die nicht minder passende Veranlassnng- entschuldigt
werden.
Auf eine Entgegnung des Herrn Hauptmanns Matz, dass er in seinem
Tortrage sowol der analytischen als synthetischen Methode Erwähnung ge-
than und nicht minder die mathematische, wie die physische Geographie bei
seiner Methode bedacht wissen wolle, bemerkt Redner, es sei ihm nicht bei-
gefallen, an dem gehörten Vortrage eine Kritik zu üben, sondern nur, wie er
auBdrücklich betont habe, demselben eine ergänzende Bemerkung beizufügen.
Schließlich constatiert der Generalsecretär das lebhafte Interesse
am Gegenstand, das durch die Discussion über denselben angeregt worden
und wie wünschenswert es sei, solche Discussionen in den Monatsversamm-
langen der GesellBchaft als ein anregendes und klärendes Element fortge-
pflegt zu sehen. Es sei nicht zu verkennen, dass beide Herren, die sich über
die Bedingungen des erdkundlichen Unterrichtes vernehmen ließen, von glei-
chem Interesse für den Gegenstand geleitet werden, wenn auch jeder von
ihnen auf einem andern Standpunkt stehe. Darin aber zeige sich eben
das hochwichtige Interesse, welches das Studium der Erdkunde einflößt, dass
demselben auf jedem Standpuncte neue, geistbildende Elemente können abge-
wonnen werden. "Wenn der eine der Herren Redner einer intensivem Pflege
der mathematischen und physicalischen Geographie das Wort redet, so habe
er gewiss ein wichtiges Feld des Unterrichts in's Auge gefasst, und die Er-
fahrung lehre, dass dieses Feld , auf dem sich so viele Erscheinungen des ge-
wöhnlichen Lebens begegnen, auch auf der elementaren Stufe des
Unterrichts mit Erfolg bearbeitet werdeji kann, wenn der Lehrer die "Welt,
die das Kind umgibt, als Welt des Kindes aufzufassen und zu er-
klären verstehe. Durch den "Vortrag des andern Herrn Redners sei aber
wieder nahe gelegt, wie der Schüler durch eine systematische Anleitung beim
Entwurf und der Ausführung des Kartonbildes zum Merken und Verstehen
einer großen Zahl geographischer Begrift'e und Beziehungen gebracht werden
könne and man müsse anerkennen, das von seinem Standpunkt der geehrte
Herr Redner diesem Zweck mit großer Mühe und ausdauernder Consequenz
gerecht geworden sei. Darin eben besteht der ganz besondere Reiz des erd-
kundlichen Studiums, dass es von so vielen Seiten angefasst werden kann und
auf jeder Seite der interessanten Beziehungen in Fülle bietet, um auf die Ent-
wicklung und Veredlung des Geistes einzuwirken.
Die nächste Versammlung findet am 27. December 1870 statt. Sie ist
zugleich die Jahresversammlung, in welcher der Ausschuss der geogra-
S bischen Gesellschaft seinen Jahresbericht erstattet, die Wahl des Präsi-
en tan und der beiden Vi cepräsidenten für die nächsten drei
Jahre, endlich die Wahl von 5 Ausschussmitgliedern, die zur Auslosung
kommen, vorgenommen wird. Die zum Austritt bestimmten Mitglieder des
Aii88chusse6 sind die Herren : Artaria, Becker, Lorenz, Petz und
der im Laufe des Gesellschaftsjahres verstorbene R. v. Streffleur.
Im Verzeichnis der nach dem Jahre des Eintritts geordneten
Mitglied ex der Gesellschaft ist zu berichtigen:
Herr Artaria August ist Mitglied seit dem Bestände der Ge-
sellschaft 1856 und nicht, wie im Verzeichnis angeführt ist, seit 1863.
Ebenso ist Herr Prof. Cari Heller Mitglied seit 1857 und nicht, wie
im Verzeichnis steht, seit 1868.
660
Stand
der k. k. geograplüseheii GcselbehafI am
Schiasse des Jahres 1870.
1. Siatuteu der k. k. geographiscben Qcsellschaft
Von Sr. k. k. Apost. Miüestftt mit A. h. Entscfaliegsting vom 11. August 1867
genehmigt.
Zweck and Mittel.
§. 1. Der Zweck der Gesellschaft ist, das Interesse für die geo-
graphische Wissenschaft zu beleben, and diese selbst in ihren Ter«
schiedenen Richtungen zu fördern.
§. 2. Die Mittel zar Erreichung dieses Zweckes sind periodisdie
Versammlungen, Herausgabe von Druckschriften and Karten, Unter-
Stützungen, Zuerkennung von Preisen, Sammlung von Bflchem, Karten
und anderen zweckdienlichen Gegenständen.
§. 3. Die Gesellschaft schöpft die Mittel zur Bestreitong ihrer
Aaslagen und Vermehrung ihres Besitzes aus Beiträgen, welche sie er-
hält an Geld und anderen Gegenständen.
Mitglieder.
§. 4. Die Gesellschaft besteht aus: a) ordentlichen MitgUedeni,
b) außerordenlichen Mitgliedern, c) correspondierenden Mit£^edem uod
d) Ehrenmitgliedern.
§. 5. Ordentliche Mitglieder sind diejenigen, welche einen Jahres-
beitrag von 5 fl. ö. W. oder far Lebenszeit die Außgleichssumme
von 70 fl. zahlen.
Außerordentliche Mitglieder sind diejenigen, welche einen jähr-
lichen Beitrag von 10 fl.' ö. W. leisten.
§. 6. Zur Aufnahme als ordentliches oder außerordentliches Mit^
glied wird der Name von einem Mitgliede dem Ausschusse vorgesdüagen,
von diesem der nächsten Gesammtversammlung empfohlen, und durd
absolute Majorität angenommen,
§. 7. Zu correspondierenden Mitgliedern werden jene Personen go*
wählt, welche ohne einen Jahresbeitrag zu leisten, die Interessen der -
geographischen Gesellschaft durch ihre persönliche Thätigkeit förderiL
§. 8. Zu Ehrenmitgliedern werden solche Personen gewählt, dena
die Gesellschaft fOr ihre >usgezeichneten Verdienste um die Förderung
der geographischen Wissenschaft im allgemeinen, oder um die Interessei
dieser Gesellschaft insbesondere, eine Anerkennung darzubriogen wünscht
661
§. 9. Sowol die correspondierenden als die Ehrenmitglieder Werden
Tom Ausschüsse der Gesammtversammlnng voi^eschlagen und mit ab-
soluter Stimmenmehrheit gewählt.
Pflichten und Rechte.
§. 10. Alle Mitglieder haben die Aufgabe, die Zwecke der Gesell-
schaft innerhalb der durch die Statuten gezogenen Grenzen nach Kräften
zu fördern. Die ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder ver-
pflichten sich flberdies auch die jährlich zu entrichtenden Beiträge
regelmäßig zu zahlen.
Wenn ein Mitglied seinen Beitrag durch 3 Jahre nicht entrichtet
und die im Laufe dieser Frist erflossenen Mahnungen unberflcksichtigt
lässt, so wird dasselbe als ausgetreten betrachtet.
§. 11. In den Gesammtversammlungen hat jedes anwesende Mitglied
Eine IStimme, zur BescblussfShigkeit ist die Anwesenheit von wenigstens
21 Mitgliedern nothwendig.
§. 12. Die ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder erhalten
unentgeltlich die periodischen Druckschriften der Gesellschaft Sie be-
nützen die Sammlungen nach den in der Geschäftsordnung bestimmten
Normen.
Geschäftsführung und Leitung.
§. 13. Die Geschäftsführung geschieht: a) in den Gesammtver-
sammlungen durch die versammelten Mitglieder, h) durch die von den-
selben gewählten FuncUonäre.
§. 14 Den Gesammtversammlungen sind vorbehalten: a)Wahl
der Mitglieder, b) Aenderung der Statuten, ffir welche die allerhöchste
Genehmigung einzuholen ist, c) Beschlussfassung über die gestellten
Antrage nach vorangegangener Beratung im Ausschusse. Der Jahres-
Versammlung sind vorbehalten: a) Wahl des Präsidenten, der Yice-
Präsidenten und der Mitglieder des Ausschusses, h) Entgegennahme des
Jahresberichtes über die Thätigkeit der Gesellschaft, c) Prüfung des
Bechnungsberichtes durch die von ihr . in derselben außer dem Aus-
schuss zu wählenden Bechnungsoensoren, d) Beschluss Ober die Auf«*
Utaung der Gesellschaft.
§. 15. In der Regel findet jeden Monat eine Gesammtversammlnng
statt. Der Tag derselben wird in der Wiener-Zeitung bekannt gemacht.
§. 16. Außerordentliche Versai^mlungen mit den Rechten einer
Jaliresversanmilung werden durch den Ansschuss bestimmt und in der
Wiener-Zeitung bekannt gemacht.
662
§. 17. Alle Obrigen Geschäfte besorgt der AQsschass, zu welchem
gehören: der Präsident, zwei Yiceprfisidenten and 15 Ausschnssmitglieder.
§. 18. Die Functionsdauer sämmtlicher Mitglieder der GeseU-
schaftsleitung ist dreijährig, bei dem Aasschusse findet jährlich die
£rneaerang eines Drittels statt.
§. 19. Sammtliche Aastretende sind wieder wählbar.
§. 20. Die Functionäre der Gesellschaft, als: den Generalsecret&r,
Bibliothekar, Cassier und Rechnungsführer wählt der Aasschuss ans
seiner Mitte.
§. 21. Der Präsident leitet die Verhandlungen in den Gesammt-
und Ausschuss-Sitzungen.
§. 22. Die Vicepräsidenten unterstützen den Präsidenten in der
Geschäftsleitung und vertreten denselben im Verhinderungsfalle.
§. 23. Der General-Secretär führt die ProtocoUe in den Sitzungen,
besorgt die Correspondenz, und legt den im Aasschusse beratenen,
jährlich zu legenden Rechenschafts-Bericht der Jahresversammlong vor.
§. 24. Der Bibliothekar fiberwacht die wissenschaftlichen Samm-
lungen.
§. 25. Der Cassier und Rechnungsführer besorgen die Geldange-
legenheiten der Gesellschaft.
§. 26. Sämmtliche Functionäre werden von dem Präsidenten oder
den ihn vertretenden Vicepräsidenten zu Aosschoss-Sit^ongen berufen, in
welchen die Anwesenden Stimmen haben.
§. 27. Jede Abstimmang geschieht mit absolater Majorität der
Stimmen.
Vertretung und Schlichtung von Streitigkeiten.
§. 28. Die Gesellschaft wird dnrch den Präsidenten oder im Falk
seiner Verhinderung durch einen der Vicepräsidenten gemeinschaftlich
mit dem Generalsecretär nach außen und den Behörden gegenaber
vertreten«
§. 29. Verschiedenheiten der Ansichten, die sich auf die Erreichung
der gesellschaftlichen Zwecke beziehen, werden in den Ansschass-Sitzungen
vorgetragen und in Anträge formuliert, in einer G^esammtsitznng zur
Entscheidung vorgelegt.
Auflösung der Gesellschaft
§. 30. lieber die Auflösung der Gesellschaft and die Modalitäten
derselben, dann über die Verfügungen hinsichtUch des Gesellscbafto-
Vermögens beschließt die Jahresversammlnng. In derselben muss
mindestens die Hälfte der in Wien wohnenden Mitglieder anwesend sein
und der Beschluss mit zwei Drittel der Anwesenden gefasst werden.
Der gefas8te Beschluss ist sofort zur Kenntnis der politischen Landes-
Behörde zu bringen.
:2. Geschäftsordnung. \
Der Präsident.
§. 1. Der Präsident ffihrt bei allen Sitzungen den Vorsitz, er-
öffnet dieselben, leitet die Verhandlungen und schliesst sie.
§. 2. Er unterfertigt die Diplome und alle wichtigeren Acte, nament-
lich jene, in welchen die Gesellschaft nach außen und den Behörden
gegenüber repräsentiert ist.
§. 3. £r beruft die Ausschuss-Sitzungen.
§. 4. Er übernimmt vom Cassier die vollständig belegte Rechnung
von drei zu drei Monaten zur Revision und setzt den Ausschuss von
dem Befunde derselben in Kenntnis. Auch ordnet er nach Ermessen eiii
oder mehrmal des Jahres Cassa&contnerungen an.
§. 5. Er weist die von den betreffenden Functionären gegengezeich-
neten Quittungen, Rechnungen, sowie zu berichtigende Beträge oder
Vorschüsse durch den Rechnungsführer zur Auszahlung an den Cassier.
§. 6. Er weißt specielle wissenschaftliche oder administrative Gegen-
stände in vorkommenden Fällen eigenen Referenten aus der Zahl der
Ausschuss- oder der übrigen Mitglieder zu.
§. 7. Er überwacht die Wirksamkeit der Functionäre.
§. 8. Er gibt am Schluss eines jeden Jahres seiner Functions-
daner einen Jahresbericht
Vice-Präsidenten.
§. 9. Die beiden Vice-Präsidenten vertreten den Präsidenten im
Verhinderungsfälle abwechselnd in allen seinen Functionen.
Generalsecretär.
§. 10. Alle an die Gesellschaft gerichteten Zusendungen gehen an
den General-Secretär ; er beantwortet alle Briefe, Anfragen und Acte im
Einverständnis mit dem Präsidenten, und legt sie nöthigenfalls Bericht
erstattend in der Ausschuss-Sitzung vor.
§. 11. Er trägt die in den Ausschuss-Sitzungen formulierten An-
träge in den Gesammtsitzungen zur Entscheidung vor.
664
§. 12. Er legt ferner alle eingegangenen Tausch- oder Gescfaeok-
gegenstände in den Gesammt- Versammlungen, sowie die an die Gesell-
schaft eingesendeten wissenschaftlichen Aufs&tze dem Ansschuss ?or.
§. 13. Er fahrt über die für die Gesammt-Yersammlung ange-
meldeten Vortrage eine eigene Aufschreibung.
§. 14. Er unterfertigt mit dem Präsidenten alle Diplome und alle
Acte, sowie allein die minder wichtigen currenten, administrativen Gegen-
stände der Correspondenz.
§. 15. Er verfasst den am Schluss des Jahres zu Inenden Rechen-
schaftsbericht und legt ihn der Ausschuss-Sitzung und der allgemeinen
Versammlung vor.
»
§. 16. Er führt die Kaiizleidirection.
§. 17. Er fahrt bei allen Sitzungen das Protokoll.
§. 18. Er führt femer über alle an die Gesellschaft gerichteten
Geschaftsstücke und in seinen Wirkungskreis fallenden Gegenstände
eine chronologische Vormerkung und ein eigenes Inventar über die der
Gesellschaft gehörigen Utensilien.
Bibliothekar.
§.19. Der Bibliothekar bewahrt alle an die Gesellschaft einge-
langten Druckschriften und Karten in der Bibliothek.
§. 20. Er führt über dieselben einen gehörigen Gatalog, sowie dn
chronologisches Vormerkbuch der einlangenden Gegenstände und hält die
Bibliothek und Sammlungen in Ordnung. ^
§.21. Gegen jede Entlehnung aus dem Gesellschaftslocale wird eine
Empfangsbestätigung an ihn übergeben.
§. 22. Auch andere an die Gesellschaft eingehende wissenschaftliche
Objecto werden in der Bibliothek aufbewahrt, und vom Bibliothekar ein
eigenes Inventar darüber geführt
Rechnungsführer.
§. 23. Der Rechnungsführer nimmt alle an den Verein geUmgenden
Gelder in Empfang und übergibt sie dem Gassier zur Aufbewahrung,
worüber ein eigenes Vormerkungsbuch zwischen beiden gefährt wird.
Gelder, die an den Cassier gelangen, können von diesem blofi
ziffermäßig zur Evidenzhaltung des Mitgliederverzeichnisses dem Bech-
nungsfQhrer bekannt gegeben werden.
§. 24» Er übenmnmt alle vom Präsidenten zur Zahlung angewiese-
nen Contos und leitet sie mit seiner Gegenzeichnung zum Cassier.
665
§. 25. Er führt über s&mmtliche Einnahmen und Anggaben eine
eigene Geldrechnung and übergibt dem Cassier von drei zu drei Monaten
den Rechnungsabschlass.
§. 26. Er verfasst einen jährlichen Yoranschlag, der dem Ansschuss
vorgelegt, von diesem beraten und darnach genehmigt wird.
§. 27. Er führt ein genaues Mitgliederverzeichnis und h< die
von denselben zu leistenden Zahlungen in Evidenz.
§. 28. Er bereitet alljährlich einen vollständigen Jahresabschlüsse
den er in der Generalversammlung vorlegt.
Cassier.
§. 29. Der Cassier nimmt die ihm vo(p Rechnungsfahrer übei^-
benen Gesellschaftsgelder in Empfang und führt hierüber eine genaue
Anfschreibung. Die an ihn erfolgten Beiträge gibt er dem Rechnungs-
führer zur Evidenzhaltung des Mitgliederverzeichnisses bloß nominell
bekannt.
§. 30. Er zahlt alle vom Präsidenten angewiesenen und vom Rech-
nungsführer gegengezeichneten Contos.
§. 31. Sobald die Barschaft Einhundert Gulden übersteigt, legt er
sie fruchtbringend an.
§. 32. Er übernimmt die vom Rechnungsführer verfassten drei-
monatlichen Rechnungsabschlüsse, und leitet sie vollständig documentiert
an den Präsidenten.
Redactions-Comit^.
§. 33. Dem Redactions-Comit^ liegt die Herausgabe des Jahrbuchs
ob und die Besorgung der Druckangelegenheiten, um die rechtzeitige
Erscheinung desselben zu ermöglichen.
§. 34. Das Jahrbuch hat zu enthalten: a) die Statuten; b) die
Functionäre, sowie die Veränderung im Stande der Mitglieder des be-
treffenden Jahres, und nur alle drei Jahre ein vollständiges Yerzeich-
Bis derselben; c) den Bericht über die Versammlungen sammt den in
denselben gehaltenen Vorträgen, insoweit dieselben nicht in den Abhand-
lungen erscheinen ; d) die selbständigen Abhandlungen. Die Abtheilungen
sind besonders paginiert.
§. 35. Das Redactions-Comit^, dem der General-Secretär jedenfalls
angehört, hat noch aus zwei Mitgliedern zu bestehen, von denen das
eine dem Ausschuss angehören muss, das andere kann der Ausschnss auch
ans seiner Mitte wählen.
§. 36. In Bezug auf die Aufnahme eines Aufsatzes in das Jahrbuch
hat sich das Comit6 unter Umständen mit betreffenden Fachmännern ins
Mittheiliingen d. geogr. Oesell. 1870. 14. 43
666
Einvernehmen zu setzen, nnd erforderlichen Falls ist über das Ergebnis
der Bericht dem Ausschusse vorzulegen.
§. 37. Die Namen der Mitglieder des Redactions-Comit6*s werden
auf dem Titel nicht genannt
§. 38. Der Obmann des Bedactions-Comit^'s legt rechtzeitig Am
Ausschuss den Antrag über das für das bevorstehende Jahr zu ver-
fassende Jahrbuch vor, in welchem hinsichtlich der aufzulegenden Bände-
anzahl als Richtschnur zu gelten hat, dass über die für die Mitglieder
und den Schriftentausch wirklich nöthige Anzahl nur höchstens Ein-
hundert Exemplare als Vorrat gedruckt werden; in Betreff des üm-
fangs, dieser mit der im Voranschlag bewilligten Summe in Einklang zn
bringen ist.
§. 39. Jeder Verfasser erhalt von seiner gelieferten Abhandlang
25 Separatabdracke gratis. Für größere Anzahl und besondere Aus-
stattung derselben sind die Auslagen zu ersetzen.
Oesammt* Versammlungen.
§. 40. Gegenstände der Gesammtsitzungen sind: die wissenschaft-
lichen Vorträge, die die Gesellschaft betreffenden Mittheilungen und die
der Gesammt- Versammlung durch die Statuten vorbehaltenen Geschäfte.
§. 41. Die Vorträge werden von den Mitgliedern der Gesellschaft
gehalten.
§. 42. In besonderen Fällen ladet der Präsident oder der Generai-
Secretär, im Einverständnis mit demselben, zur Abhaltung eines Vor-
trages auch solche Personen ein, welche nicht Mitglider der Gesell-
schaft sind.
§. 43. Wer einen Vortrag zu halten beabsichtigt, wird ersucht, dem
General-Secretär schriftlich oder mündlich, wo möglich zwei Tage Yor
der Versammlung, die Mittheilung zu machen.
§. 44. Zur Beschlussfähigkeit der Gesammt- Versammlung ist die
Anwesenheit von mindestens einundzwanzig Mitgliedern erforderlich.
Jahr es- Versammlung.
§. 45. Die erste Gesammt- Versammlung im Monate December eines
jeden Jahres wird zugleich als Jahres- Versammlung betrachtet, in welcher
der Jahres- und der Rechenschaftsbericht, sowie Rechnungsabschluß
vorgelegt wird und die Wahlen der Functionäre stattfinden.
Ausschuss -Sitzungen.
§. 46. Zu den Ausschuss-Sitzungen werden die Mitglieder des
Ausschusses eingeladen.
667
§. 47. Die Sitzung beginnt mit der Verlesung des Protocolls der
vorhergegangenen Ausschuss-Sitzung.
§. 48. Gegenstände der Ausscbuss-Sitzungen sind: die Berichte des
General-Secretärs über die gefassten Beschlüsse, die wichtigsten die
Gesellschaft betreffenden Einlaufe und die eingegangenen Anträge.
§. 49. Zur Beschlussfähigkeit ist die Anwesenheit von mindestens
fünf Mitgliedern erforderlich.
§. 50. Alle anwesenden Ausschussmitglieder sind stimmfähig; bei
gleicher Stimmenzahl entscheidet der Präsident.
§. 51. Auf Verlangen eines Mitgliedes ist über den Schluss der
Debatte abzustimmen. Sobald der Schluss der Debatte ausgesprochen ist,
hat nur noch der Antragsteller oder Berichterstatter das Recht zum
Worte.
»
§. 52. Bei der Fragestellung ist ein Antrag auf Aussetzung des
Beschlusses auf eine spätere Zeit vor allen materiellen Verbessemngs*
vorschlagen zur Abstimmung zu bringen. Von zwei selbständigen An-
trägen ist derjenige zuerst zur Abstimmung zu bringen, durch dessen
Annahme der andere Antrag von selbst hinwegfällt. Außer diesem
Falle hat der weitergehende Antrag den Vorrang vor den anderen. Im
übrigen gehen Verbesserungs- Vorschläge den Hauptanträgen vor.
Hilfspersonale.
§. 53. Zur weiteren Besorgung der Geschäfte wird ein Scriptor
zur Aushilfe, ein Bibliotheksadjunct und ein Diener gegen voraus-
bestimmte Entschädigung bewüligt.
3. Leitung der k. k. geographischen Gesellschaft.
Präsident: Dr. Ferdinand von H ochste tter.
Vicepräsidenten: Dr. Jos. Alex. Freiherr von H eifert.
Kais. Rath Anton Steinhauser.
Aasschussmitglieder:
Andrian-Werburg Ferdinand, Freiherr von.
Artaria August Cassier der Gesellschaft).
Becker M. A, Ritter von, (Generalsecretär der Gesellfichaft).
Frauen feld Georg, Ritter von.
Hauer Franz, Ritter von.
Hauslab Franz, Ritter von.
Hellwald Friedrich, von.
Kanitz F.
Lorenz, Dr. J. R.
Petz Eduard.
Polak, Dr. J. E. (Bibliothekar der Gesellschaft).
Ruthner, Dr. Anton Edler von, (Rechnungsführer der GeBellscfaaft).
Simony, Dr. Friederich.
Streffleur Valentin, Ritter von, (t im letzten Gesellschaftsjahre).
Türck Joseph.
43*
668
4. Mitglieder der k. k. geographischen Gesellschaft.
a) Ehrenmitglieder.
Seine kais. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Carl Ludwig.
Seine kais. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Alhrecht. '
Seine kais. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Carl Ferdinand.
Seine kais. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Wilhelm.
Seine kais. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Joseph.
Seine kais. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer.
Seine kais. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Leopold.
Seine kais. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Ludwig SaWator.
Se. Majestät der Kaiser von Brasilien Dom Pedro II.
Se. Majestät der König von Schweden und Norwegen Karl XV.
Seine kais. Hoheit der GroIifUrst Constantin v. Russland.
Ahendroth, Heinrich von, in Dresden.
Baer, Dr. Carl Ernst von, Staatsrath und Academiker in St. Petersburg
Baeyer, Dr. J., G. L. u. Abtheilungschef im großen Generalstabe in Berlin.
Beaumont, L. E. de, Senator und beatändiger Secretär der Academie der
Wissenschaften in Paris. ,
Bou^j Dr. Ami, Mitgl. d. Academie der Wissenschaften in Wien.
De Candolle Alfons in Genf.
Daumas Melchior, Generallieutenant in Bordeaux.
Dove H. W., Prof. und Mitglied der Academie in Berlin.
Dupperey Louis Isidor, Admiral in Paris.
Dupin Carl, Baron v., Mitglied des Instituts v. Frankreich, in Paris.
Ehrenberg, Dr. Christian Gottfried, Mitglied der Academie in Berlin.
Ermann, Dr. Adolph, in Berlin.
Fremont John Christ, in Washington.
Fries, Dr. Elias in üpsala.
Grey Sir George Esq. in London.
GrineU Henry in New-York.
Haidinger, Wilhelm von, k. k. Hofrath, Gründer der geographischen Gesell-
schaft in Wien.
Hansteen Christian in Christiania.
Hermann, Dr. Fried. Bened. Wilhelm von, in München.
Ha US lab Franz, Ritter von, in Wien.
Keyserling Alex. Andreowitsch, Graf von, in Reval.
Kuhn, Freiherr von, Reichskriegsminister, in Wien.
L a m 0 n t , Dr. Joh. Ritter von. in München.
L e s 8 e p s , Ferdinand von, in Paris.
L u c a , Cardinal-Erzbischof von Tarsus, in R o m.
L ü t k e , Franz von, kais. russischer Admiral, in St. Petersburg.
Lyell, Sir Charles Bar., in London.
Middendorf, Ad. Theod. v., in St. Petersburg.
Morean de Jonnes Alex, in Paris.
Murchison, Sir Roderich in London.
Nostitz Pauline, Gräfin von, in Schöndorf bei Neu-Arad in Ungarn.
Petermann, Dr. August, in Gotha.
Quetelet, Dr. Ad. Lambert Jacob, in Brüssel.
Rawlinson Sir Henry Creswike in London.
Rohlfs, Dr. Gerhard, in Bremen.
Rose, Dr. Gustav, in Berlin.
Rüppel, Dr. Eduard, in Frankfurt.
Sabine Edward in London.'
Sykes William Henry in London.
Tschihatchef, Peter v., in Paris.
Tegetthoff Wilhelm, Ritter v., in Wien.
Yerneuil Philippe Vicomte de, in Paris.
Zarco de Valle y Huet in Madrid.
669
b) Correspondierende Mitglieder.
Abich Hermann, kais. russischer Staatsrath und Academiker in Tiflis.
Anderson Ch. J. in Stockholm.
Andr^e Dr. Carl in Dresden.
Angelrodt E. J., österr.-ung. Vicecousul in St. Louis «Missouri).
d'Ayezae M. in Paris.
Bastian, Dr. Adolf, in Berlin.
Berghaus, Dr. Heinrich, Proftssor in Berlin.
Bickertsch, Dr., in Capstadt.
Blecker, Dr., in Batavia.
Buben ik Franz, österr.-ung. Consularkanzler in Rustschnk.
Carrasco Don Eduardo in Lima.
Castelneau Graf Francis de, in Capstadt
Dana, Dr. James, in New-Haven (Connecticut j.
Darwin Charles R. in Decon (bei Bromley Kent).
Devine Thomas in Quebec (Canada).
Dragauchicz Stanislaus, Edler v. Drachenfels, österr.-ung. Consul in Ban-
jaluka (Bosnien \
Emory W. E. in Washington.
Engel, Dr. Ch. L. K, in Berlin.
Ewald Ludwig in Darmstadt.
Ferreira, Lagos Dr. Manoclo, in Rio de Janeiro.
Flügel, Dr. Felix Philipp, in Leipzig.
Forchhammer, Dr. Peter in Kiel.
Galton Francis in London.
Gibbon M. Mac Juppes in Capstadt.
Grewinck, Dr. Constantin, in Dorpat.
Griesebach, Dr. August, in Göttingen.
Gnarmani Carl in Jerusalem.
Gumpert, österr. ung. Generalconsul in Bombay.
Haast, Dr. Julius, in Canterbury <Neu-Seeland).*
Rampe Ernst in Blankenbnrg.
Hansal Martin, österr.-ung. Consularagent in Chart um.
Heer, Dr. Oswald, in Zürich.
Helmersen, Georg von, in St. Petersburg.
Henry Joseph in Washington.
Heuglin Theodor, Rifter von, in Stuttgart.
Holding, Dr. J. C, in Capstadt.
Hooker J. Dalton in Kew (England).
Jakschitsch Wladimir in Belgrad.
Jaxa-Dembicki Julius in Livno.
Johnston, Alex Keith, in Edinburg.
Kämtz, Dr. Ludw. Friedr., in Dorpat.
Karsten, Dr. Hermann, in Berlin.
Kiepert, Dr. Heinrich, in Berlin.
Kolbing, Dr. J., zu Gnadenthal im Capland.
Koldewey Capt. Carl in Bremen.
Krem er Alfred, Ritter v., österr.-ung. Generalconsul.
Kützing, Dr. Traugott Friedrich, in Nordhausen.
Lachian, Mr. Mac., zu Stellenbosch in Capland.
Laing, Dr. P., in Capstadt.
Lamansky Eugen in St. Petersburg.
Lange Henry in Dresden.
Layard M. L. in Capstadt.
Legoyt August in Paris.
Livingstone, Dr. David, in London.
Maclear M. in Capstadt.
Mac Millan j. in Melbourne (Australien).
Malte-Brun V. A. in Paris.
Maury Alfred in Paris.
670
Maury Mathew Foutaiue iu London.
Müller, Dr. Ferdinand, zu Melbourne (Außtralien).
Müller, Dr. Carl, in Halle.
Munich J. in Batavia.
Negri Cristoforo in Florenz.
Netscher M. £. in Batavia.
Nenmayer, Dr. Georg, in München.
OmchikuB Nicolaus zu Brdka in Bosnien.
Pappe, Dr. C, in Capstadt.
Pascoli Antonio zu Veracruz in Mexico.
Peroglio Celestino in Turin.
Peschel, Dr. Oskar, in Augsburg.
Peters, Dr. Wilhelm, in Berlin.
Poeppig, Dr. Eduard, in Leipzig.
Prestel, Dr. M. A. T., in Emden.
RawBon J. in Capstadt.
Benard, A. von, in Moskau.
Roser, Dr. E., in Gnadenthal (Capland).
Roskiewicz Jos., k. k. 0))erstlieutonant, in A gram.
Satorius v. Waltershausen, Dr. Wolfgang Freiherr von, iu Göttingen.
Schaw, Dr. Norton, in St. Croix (Westiudien).
Schlag! ntweit, Dr. Hermann v. Sakunlünski, in München.
Seh lagint weit, Dr. Robert v. Sakünlünbki, in München.
Schüch de Gapanema, Dr. Wilhelm, iu Rio de Janeiro.
Scbulz Adolph. Ritter v., k. u. k. öbtcrr.-ung. Consul in Widdin.
Schwarz Wilhelm, Fn'iherr von, östeir.-unjr. General-Consul in Paris.
Schwegel Joseph, Ritter v.,k. u. k. österr.-ungar. Consul in Constantinopel.
Spruner, Carl von. in München.
Straznicky Eduard in New-York.
Sturz Joh. Jakob in Berlin.
Sydow, Ernst von, in Berlin.
Thörner, Dr. Theodor, in St. Peteisburg.
Valenta, Dr. F., in Belgrad.
Versteeg W. E. in Batavia.
Vivien de St. Martin in Paris.
Wappaeus, Dr. Joh. Eduanl, in Göttingen.
Weddel Hugo A. in Paris.
Weitzel A. W. P. in Batavia.
Wyley Mr. G. in Capstadt.
Ziegler W. P. in Palmgarten bei Winterthur (Schweiz).
c) Ordentliche Mitglieder.')
Alt, Dr. Alois, Universitäts-Professor in Krakau.
Andriau-Werburg Ferdinand, Freiherr v., k. k. Bergrath in Wien.
Antoine Franz, k. k. Hofgarten- Di rector in Wien.
Arenstciu, Dr. Joseph. Gutsbesitzer in Stuppach
Ajnsburg IjOuis Friedrich, k. k. Hofschauspieler in Wien.
Artaria August, Kunsthändler in Wien.
Arthaber Rudolph, Edler v., Kaufmann in Wien.
Ascher Adolph, k. k. Regierungsrath im Ministerium des AeuÜern in Wien.
Babanek Wenzel, Professor am k. k. Obergymnasium in Pisek (Böhmen).
(A. M.) Bach, Dr. Alexander, Freiherr von, k. k. wirkl. geheimer Ratb
in Wie n.
Balogh Peter v., Director einer höheren landwirtschaftlichen Lehranstalt io
Debreczin.
*) Jene P. T. Mitglieder, welche mehr als den statutenmäßigen Jahres-
beitrag für die Zwecke der Gesellschaft leisten, sind in dem Verzeischnisse als
aui3crordentliche Mitglieder (A. M.) bezeichnet.
671
Bauer. Dr. Alexaoder, Professor am k. k. polytechnischen Instkate in Wien.
Bauer, Dr. Joseph, Hof- und Gerichtsadvocat und Landesausschuss in Wien.
Bechtinger, Dr. Joseph, practischer Arzt.
Becker Alois, Ritter von, k. k. Schiffslieutenant in Triest.
Becker Moriz Alois, Ritter v., k. k. Landes-Schulinspector in Wien.
Beer, Dr. Adolph, k. k. Minister ialrath und Professor am k. k. polytechnischen
Institute in Wien.
Beer, J. Q., in Wien.
Beinstingel Alois, k. k. Oherlieutenant in Wien.
Bengough Joh., Ingenieur in Döbling.
Beraun Carl, Vorstand des technischen Revisionsamtes bei der Kaiser Ferdi-
nands-Nordbahn in Wien.
Berecz Anton, Professor am Piaristen-Obergymnasium in Pest
Bergmann Joseph, Ritter v., Regierungsrath und Director am k. k. Münz-
und Antiken-Cabinete in Wien.
Beust Ferdinand, Freiherr v., Reichsgeolog in Wien.
Beust Friedrich, Freiherr v., k. k. Ministerialrath in Wien.
Beyer Carl von, Ministerialrath im k. k. Ministerium des Innern in Wien.
Beyer F., k. k. Hauptmann -Auditor in Agram.
U 1 a h a, Franz P., Gonsistorialrath und Bezirksdechaut inHeraltitz, Mähren.
Bloch linger Carl v., k. k. Rittmeister in Wien.
B cgi sie, Dr. Balthasar, k. russischer Universitäts-Professor in Odessa.
Bolgar Michael, Piaristen-Ordenspriester und Professor in Pest.
Bordini Joseph, Bureauchef des österr. Lloyd in Triest.
Bosch an, Dr. Friedrich, in Wien.
BoD^, Dr. Ami, Mitglied der kais. Academie der Wissenschaften und Ehren-
mitglied der geographischen Gesollschaft.
Branmüller Wilhelm, k. k Hof-Buchhändler in Wien.
(A. M.) Brenn er-£nkevoirth August Graf, v., k. k. Oberst-£rbland-Kämmerer
in Wien.
Broiowsky W., Beamter im k. k. Post-Cours-Bureau in Wien.
Brühl, Dr. Moriz, Professor in Wien.
B rujmann Wilhelm, k. k. Berghauptmann in Ofen (Ungarn).
Bruuner v. Wattenwyl Carl, k. k. Telegraphen-Director in Wien.
Bruszkay Anton, k. k. Actuar in Kirchberg am Wagram.
Bubi CS Sigmund, Consistorialrath in Wien.
Büchelen Carl, Ingenieur in Constantinopel.
Bnchwald Eugen Raimund, k. k. Postofficial in Wien.
Burg Adam, Freiherr v., k. k. Hofrathin Wien.
Buterweck Carl, k. k. Hauptmann- Auditor in Maros-Y asarhely.
Camer loher W. v., k. und k. Consul in Suez.
Colloredo-Mannsfeld Joseph, Fürst von, k. k. wirklicher geheimer Rath
in Wien.
Conrad Michael, k. k. Ministerialrath in Wien.
Copanizza Anton, Domherr in Ragusa.
Costa, Dr. Erwin Heinrich, in Laibach.
Czartoryski Constantin, Fürst von, in Wien.
Czelechovsky Rudolph, k. k. Oberlieutenant in Wien.
(A. M.) Czörnig Carl, Freiherr von, k. k. wirklicher geheimer Rath in Ischl.
Denk Alois in Wien.
Descovich, Dr. Joseph, practischer Arzt in Wien.
Deutsch- D^chy Moriz in Pest.
Ditmar Rudolph, Fabriksbesitaer in Wien.
Dolezal Anton, Revident im statistischen Bureau des Handelsministeriums
in Wien.
Dräsche Richard, Ritter v. Wartinberg, in Wien.
Doli Eduard, Realschuldirector in Wien.
Drathschmiedt Friedrich, Edler von Mährentheim, k. k. General-Auditor
in Wien.
Dreer, Dr. Fr. ▼., in Triest.
672
Du Nord Wühelm, k. k. Hauptmann in Wien.
Eberle Ludwig, Ritter v., k. k. LinienschiffB-Capitän in Pola.
Eckhardt Friedrich, k. k. Hauptmann in Gilli.
E c k h 0 f f Christian, k. k. Lieutenant in Wien.
Egg er Franz, Dr., Hof- und Gerichlsadvocat in Wien.
Engels Franz, Agent und Buchhalter in Wien.
Enk von de» Burg Carl. k. k. Lau desschal eninspector in Wien.
Ester mann Anton, Dr. der Medicin in Wien.
Ettner Moritz, k. k. Major im Generalstabe.
Faber, Dr. Carl Maria, Zahnarzt in Wien.
Fa bisch Joseph, k. k. Generalmajor in Graz.
Folkbeer Anton, k. k. Post-Controllor in Wien.
Farkas von VucotinoTic in Agram.
Feifalik Hugo, k. k. Hofsecretftr in Wien.
Felder, Dr. Cajetan, Bürgermeister in Wien.
Fenzel, Dr. Eduard, k. k. Regierungsrath, Professor und Direktor des k. k.
botanischen Gartens in Wien.
Ferenda Ignaz, Rechnungsrath bei der Marine- Section des Reichskriegsmini-
Bteriums in Wien.
Feyerfeil Carl, Director des Josefistädter Gymnasiums in Wien.
F ick er, Dr Adolph, k. k. Miiiisterialrath in Wien.
Figdor Gustav, Großhändler in Wien.
Filippi Eduard, k. k. Generalmajor in Wien.
Filippi Berta in Wien.
Fischer, Dr. Joseph, Director und Inhaber einer Handelslehranstalt in Pest
(A. M.) Fligely August v., k. k. Feldmarschallieutenaot. Director des k. t
militär-geographischen Institutes in Wien.
Floch Dr. J. H., Ritter von, k. k. Finanzrath in Pest.
Foetterle Franz, k. k. Bergrath in Wien.
Frauenfeld Georg, Ritter von, Gustos am k. k zoologischen Cabinet in Wiea
Frieden fels Eugen, Freiherr v., k. k. Hofrath in Wien.
Fried mann, Dr. Sigismund, Badearzt in Yöslau.
Fries ach, Dr. Carl, k. k. Professor in Graz.
F ritsch Carl, Yicedirector der k. k. Centralanstalt ftir Meteorologie mA
Erdmagnetismus in Wien.
F ritsch Joseph, in Zinnwald (Böhmen).
Gablenz Ludwig, Freiherr v., k. k. wir kl. geheimer Rath and Feldzeog-
meister iu Ofen.
Ganahl Johann, k. k. Oberst in Wien.
Gatscher A^ k. k. Gymnasialdirector bei den Schotten in Wien.
Gehringer Carl, Freiherr von, k. k. wu-kl. geheimer Rath in Wien!
Gentilli Amadeo, Ingenieur in Wien.
Gerok Carl, Architect in Constantinopel.
Gigl Alezander, Archivar im k. k. Ministerium des Innern in Wien.
Gigl Johann, Ingenieur in Tri est.
Gintl Heinrich, Betriebsdirector der Lemberg-Czemowitz-Jassyer-Bahn-GeaeU-
Schaft in Lemberg.
Gmelin, Dr. Otto, Ingenieur der Staatseisenbahngeseltschaft in Wien.
Gödel-Lannoy Oskar, Ritter v., Präsident der k. k. Central - Seebehörde ii
Triest.
Goehlert T. Y. Ministerialsccretär im k. k. Ministerium des Innen
Goethe Wolfgang v., k. preußischer Legationsrath.
Gorizutti Franz, Freiherr v., k. k. Feldmarschallieutenant in Marienhof
(Steiermark).
Graffenried-Burgenstein Em., Freiherr von, Capitän, Yilla Schös-
bOchl in der Schweiz.
Griesbach Carl Ludol^ Geolog.
Grohmann Paul in Wien.
Gröl 1er Gustav, Ritter von, k. k. Fregattencapitän in Klagen fürt.
Gugg von Guggenthal Yictor, k. k. Obristlieuteoaut , Schloss Ponigl
(Steiermark).
673
Gülcher Jacob Theodor, Fabrikant in Wien.
GaiBlain de Lens Ludwig, Secretär der galizischen Carl-Ludwigs-
Bahn in Wien.
Gatmann David, Grosshändler in Wien.
Gotmannsthal Ludwig, Ritter v., Wien.
Gymnasium in Bochnia (Galizien).
Gymnasium in Bozen.
Gymnasium in Bregenz (Vorarlberg).
Gymnasium (deutsches) iu Brunn.
Gymnasium in Brzezany (Galizien).
Gymnasium in Cilli.
Gymnasium in Drohobycz (Galizien).
Gymnasium in Eger.
Gymnasium in Görz.
Gymnasium in Graz.
Gymnasium (zweites Staats-) in Graz.
Gymnasium in Hall tXirol).
Gymnasium in Hörn.
Gymnasium in Innsbruck.
Gymnasium in Keszthely (Ungarn).
Gymnasium in Klagenfurt.
Gymnasium in Klattau.
Gymnasium in Krems.
Gymnasium in Kremsmünster.
Gymnasium in Königgr&z (Böhmen).
Gymnasium (St. Anna-) in Krakau.
Gymnasium zweites Ober-» in Krakau.
Gymnasium in Böhmisch-Leipa.
Gymnasium ^academisches) in Lemberg.
Gymnasium (Franz Josefs-) in Lemberg.
Gymnasium in Linz.
Gymnasium in Marburg (Steiermark).
Gymnasium (slavisches) in Ol mutz.
Gymnasium auf der Klßinseite) Prag. •
Gymnasium in Salzburg.
Gymnasium in Seitenstetten.
Gymnasium (katholisches/ in T eschen.
Gymnasium (in der Josephstadt) in Wien.
Gymnasium {zvl den Schotten) in Wien.
Gymnasium (theresianisches) in Wien.
Gymnasium in Znaim.
Haan Friedrich, Sectiousrath im k. k. Ministerium des Innern in Wien.
Hai ding er Wilhelm, Ritter v., k. k. Hofrath in Wien (zugleich Ehren-
mitglied).
Hammer-Purgstall C, Freiherr y., Schloss liainfeld in Steiermark.
Hart n er Friedrich, Professor am k. k. polytechnischen Institute in Wien.
Hartuigg Paul, Bergwerksbeamter in Feistritz (Steiermafk).
Hauer Franz, Ritter t., k. k. Sectiousrath und Directorder k. k. geologischen
Reichsanstalt in Wien.
Hauer Julius, Ritter v., k. k. Professor in Leoben.
Hauke Franz, Director der Wiener Handels- Academie.
Haus lab Franz, Ritter t., k. k. wirklich, geh. Rath, Feldzeugmeister in W i e n
(zugleich Ehrenmitglied).
Heine -Geldern Gustav, Freiherr von, in Wien.
Heinrich, Dr. Gustav, Professor in Pest.
Hei sie r, Dr. Ferdinand von, k. k. wirklich, geh. Rath und Senatspräsideut
des obersten Gerichtshofes in Wien. ,
Helfert, Dr Joseph Alexander, Freiherr v., k. k. wirklich, geh. Rath und
Präsident der Centralcommission für £rhaltung der Baudenkmalein Wien.
Heller von Hellwald Friedrich, k. k. Lieutenant in Wien.
674
Heller Carl, Professor am Theresianum in Wien,
H e m p f 1 i n g Jos. v., k. und k. Consul in Philippopel.
Hengelmüller Michael, Präsident des k. Laudesgerichts in Pressbarg.
Henke Ernst, Kaufmann in Wien.
Henneberg Edmund, Ritter von, k. k. Schiffslieutenant in Wien.
Herr, Dr. Jos., k. k. Professor am polytechnischen Institut in Wien.
Hilgermann Jos. August, Lehrer in Wien.
Hingenau Otto, Freiherr von, k. k. wirkl. Kämmerer und Miuisterialrath io
Wien.
Hirtenfeld, Dr., Redacleurder Wehrzeitnng in Wien.
Hochstetter, Dr. Ferdinand von, Professor am polytechnischen Institut in
Wien.
Hochstetter Carl, Fabriksbesitzer in Wien.
Hoier Joseph, Professor in Wien.
Ho ff er Joseph, Beamter bei der Donau- DampfscbiffahrtsgeBellschaft in Wien
Hoffinger, Dr. Johann, Ritter von, k. k. Ministerialsecret&r in Wien.
Hoffmann Anton, Sectionsrath und Chef des Post-Gours-Bureaus im k. k.
Handelsministerium.
Ho ff mann Johann, k. k. Major in Wien.
Hof mann, Dr. Adolph, in Wien.
Hof mann Leopold von, k. k. virkl. geh. Rath und Sectionschef im Mini-
sterium des Aeußern.
Hölzel Eduard, Buch- und Kunsthändler in Ol mutz.
Hornig, Dr. Emil, kais. Rath und Professor in Wien.
Hugl Leopold, Schuldirector in Wien.
Hütter Eduard in Wien.
Illek August, k. k. Stabsarzt im Wien.
Inkey-Pallin Ferdinand von, k. k. Kämmerer in Rässina (Groatien).
Jak ob i Jakob, Generalsecrotär der Kaiser Ferdinands-Nordbahn in Wien.
J i r e d e k Jos., k. k. Ministerialrath in Wien.
John Fr., Freiherr t.. k. k. wirklicher geh. Rath und Feldmarschall-Lieutenant
in Graz.
Junker Carl, Ober-Ingenieur in Wien.
K a 1 1 a y Benjamin v., k. und k. Generalconsul in Belgrad.
Kanitz F., Privat in Wien.
Kanitz Isidor in Wien.
Kastner Leopold, Vorstand der Registratur der Creditanslalt in Wien.
Keler Sigmund von, k. k. Oberstlieutenaut im 25. Infanterie-Regiment.
Kern er, Dr. Anton, Universitätsprofessor in Innsbruck.
Kerr Louise in London.
Kin.tzl Leopold, k. k. Generalmajor in Wien.
Kleindl Joseph, k. k. Hofrath in Wien.
Klinkow ström Alfons, v., k. k. Hofrath in Wien.
Klun, Dr. Vincenz, k. k. Ministerialrath in Wien.
Köchel, Dr. Ludwig, Ritter von, kaiserl Rath in Wien.
Koffler Johann, k. k. Hauptmann in Wien.
Kögler Wilhelm, k. k. Schulrath und Director der Oberrealschule in Prag.
Koke Friedrich, Besitzer einer lithographisch-artistischen Anstalt in Wien.
Kompert, Dr. Leopold, Beamter der Credit-Anstait in Wien.
Kofis tka, Dr. Carl, Professor am k. k. Polytechnicum in Prag.
Kornhube r, Dr. Gustav, Professor am k. k. Polytechnicum in Wien.
Kraft Hermann von. Privat in Wien.
K r a i n s k i Alois, Ritter von J e 1 i t a , k. k. Hauptmann in Wien.
(A. M.), Krasicki Casimir, Graf v., k. k. wirkl. geb. Rath in L emberg.
Kropp Wilhelm, k. k. Linienschiffs-Lieutenant in Pola.
Krummhaar Josef, Secret&r im k. k. Minsterium des Unterrichts.
Kubinyi Aug. v., k. k. Rath, Director des ungarischen Nationalmnseums in
Pest.
Knbinyi Franz von, Gutsbesitzer in Pest.
Kukula Wilhelm, Professor an der k. k. Oberrealschole in Linz.
675
Euues Albert, Hydrograph an der hydrographischen Anstalt der k. k.
Kriegsmarine in Fiume.
Langer, Dr. A., in Wien.
Lasser Joseph, Freiherr von Zollheim, k. k. wirklicher geh. Rath in
Innsbruck.
Laabe, Dr. Gustav, k. k. Professor.
1/ederer Carl, Freiherr von, k. k. Gesandter in Washington.
Lerch, Dr. Johann, in Wien.
Leschtina Franz, Dircctor der lithogiaphischen Anstalt des Grundsteuer-
Katasters in Wien.
Letocha Anton, k. k Kriegscommissär in Wien.
Lewin Joseph, Professor an der liV^iener Handels- Academie.
Leyrer, Dr. E., Hof- und GBrichtsadvocat in Wien.
Lichten Stadt Johann C. J. in Wien.
Lieben Leopold, Grosshändler in Wien.
Lind he im Alfred von, Fabriksdirector in Wien.
Lindner Carl, k. k. Fregattencapitän in Cilli (Steiermark).
Lipoid Marcus Vinconz, k. k. Ober-Bergrath in Idria.
Littrow Heinrich, Ritter von, k. k. Fregattencapitän in Fiume.
Lorenz, Dr. Jos. Roman, k. k. SectionsratJi in Wien.
(A. M.) Luby Kaspar E., Ingenieur und Hauverwalier in Gsakvär.
Mally Carl, k. k. Ministerialbeamter in Wien.
Mandel, Dr. Ferdinand, in Wien.
M a n d e 1 e s Fried., Secretär der Versicherungsgesellschaft „Donau** in Wien.
Man dl Moriz, Amts- Ingenieur der Kaiser 1 erdinands-Nordbahn in Wien.
Marno Ernst, in Wien.
Marschall auf Burghausen August Friedrich, Graf von, k. k. Kämmerer
in Wien.
Matz Eugen, k. k. Hauptmann in Wien.
Matzen au er Joseph, Piaristcnordenspriester in Wien.
M e r t e n s Carl, Freiherr v., k. k. wirkl. geheimer Rath, Feldzeugmeister, in W i e n.
Miller August von und zu Aichholz in Wien.
Miller Vincenz von und zu Aichholz in Wien.
M i n z R. A., Banquier in Wien.
Mislin Jacob, Domherr in Wien.
Möring Alfred, k. k. Obferlieutenant in Wien.
Mojsisowics, Dr. Edmund vooi, Reichsgeolog in Wien.
Montenuovo, Fürst v., General der Cavallerie, Hauptmann der k. k. Tra-
banten-Leibgarde in Wien.
Morelli Hadrian, k. k. Linienschiffscapitän, Insel- und Festungs-Commandant
in Lissa.
Morpurgo Elio, Freiherr von, Director des österr. Lloyd in Triest.
Müller Robert, Hydrograph der k. k. Kriegsmarine in Triest.
Muszynski Carl, k. k. Major in Wr.-Neüstadt.
Nenmayer, Dr. Melchior, Reichsgeolog in Wien.
Nordmann Johann, Redacteur in Wien.
Nostitz Pauline, Gräfin v. (auch Ehrenmitglied), in Schöndorf bei Neu-Arad.
Orges, Dr. Hermann von, k. k. Regierungsrath in Wien.
Overbeck Gustav, Ritter v., k. und k. General-Consul in Hongkong.
Ozegovic Ludwig, Freiherr v. Barlabasevec, k. Statthalterei- Secretär in
Creutz (Croatien).
Pacor Wilhelm v., k. k. Oberlieutenant in Prag.
Parmentier Adolph, Ritter von, k. k. Ministerialrath in P. in Wien.
Pasetti Florian, Freiherr von, k k. Ministerialrath i. P. in Wien
Payer Julius, k. k. Oberlieutenant.
Pazzani Julius, Ingenieur in Wien.
Pechmann Eduard, Ritter von, k. k. Generalmajor in Wien.
Pejacsevich, Graf Nicolaus, k. k. Generalmajor in Pressburg.
Perkmann, Dr. Rochus, Professor an der Wiener Handelsacademie.
Peters Dr. Carl, k. k. Universitätsprofessor in Graz.
Petz Eduard, k. k. Oberstlieutenant in Wien.
676
Pfeiffer Rudolph, Bergingenieur in Wien. .
Pierre, Dr. Victor, Professor am k. k. polytechnischen Institute in Wien.
Pino Felix, Freiherr v. Friedenthal, k. k. Landespräsident inCzernowi
Pipitz, Dr. F. E, in Triest.
Pleutzner Franz, Ritter von Scharneck, k. k. Lieutenant in lausbrm
Poche A., Freiherr von, k. k. wirklicher geheimer Rath.
Poche Eugen, Freiherr von, in Wien.
Pogatschnigg Hugo, k. k. Schiffsfthnrich in Pola.
Pohl, Dr. Joseph, Professor am k. k. polytechnischen Institute m Wien.
Polak, Dr. J. E., in Wien. ,. . „ .,
Potyka Theodor, Oberingenieur der k. k. priv. Kaiser Ferdinands -Nordto
in Krakau. '
Prasch Vincenz, Professor am k. k. Obergyranasium in Brunn.
Pratobevera-Wiesborn Adolph, Freiherr von, k. k. wirkl. geheimer B
in Wien.
Presse, die Redaction der — in Wien.
Pressel W., Director der osmanischen Bahnen in Wien.
Proschko, Dr. Isidor, k. k. Polizei-Obercommissär in Wien.
Rakofsky Stefan von, Gutsbesitzer in Press bürg.
Rathner Franz, k. k. Postofficial in Wien.
Ratzesberg Ludwig von, in Wartenberg tOberösterreich).
Realgymnasium (Landes-) in Chrudim.
Realgymnasium zu Ung. Hradisch (Mähren).
Realgymnasium (Communal-) in Kolomea (Galizien).
Realgymnasium zu Leoben (Steiermark).
Realgymnasium (Landes-) in Stockerau.
Realgymnasium in Villach (Kärnten).
Realgymnasium (Landes-) in Waidhofen an der Thaya.
Realgymnasium zu Wittingau (Böhmen).
Realgymnasium (Communal) in der Leopoldstadt m Wien.
Realschule (griechisch-orientalische) zu Czernowitz (Bukowina).
Realschule in Feldkirch (Vorarlberg).
Realschule (Landes-) zu Graz.
Realschule (Communal-) zu Iglau (Mähren).
Realschule .Landes-) zu Krems.
Realschule zu Kuttenberg (Böhmen).
Realschule (Communal-) zu Laibach (Krain).
Realschule (Landes-) zu Böhmisch-Leipa.
Realschule zu Linz.
Realschule zu Olmütz.
Realschule, k. k. (böhmische» in Prag.
Realschule, k. k. (deutsche) in Prag.
Realschule (Communal-) zu Roveredo (Tirol).
Realschule zu Salzburg.
Realschule zu Steyer (Oberösterreich .
Realschule zu Troppau.
Realschule (Landes-) zu Waidhofen a. d. Ips.
Realschule, k. k. am Schottenfelde in Wien.
Realschule (Communal-; auf der Wieden in Wien.
Realschule (Landes-) zu Wiener Neustadt.
Rechberg, Graf von, k. k. wirkl. geh. Rath in Kettenhof.
Redlich Alexis, k. und k. Consul zu Bangkok in Siam.
Reicher Joseph, k. k. Major im Generalstab in Wien.
Reinisch, Dr. Leo, k. k. Professor in Wien.
Reissek, Dr. Siegfried, Custos am k. k. botanischen Museum in W len.
Repitsch Johann, Rcalschulprofeasor in Krems.
Reslhuber Augustin, Abt des Benedictinerstiftes in Kremsmünster.
Rettig Andreas, Schuldirector zu Nepomuk (Böhmen).
Rittmayer J. von, Grosshändler in Triest.
Roesler, Dr. E. Robert, k. k. Universitäta-Professor in Lemberg.
Rosner Franz, Ritter von, Sectionsrath im k. k. Finanzministeriam.
I 677
I
Rgther Dr. Anton, Edler ron, Hof- and Gerichtsadvokat in Wien
SifUa, Dr. Eduard, k. k. Professor in Wien.
jüitiran lilmauael, Freiherr vüd, k. k. Gcueralnisgor in Laiuz.
[Sillioger Michael, k. k. Hauptmann iu Graz.
ISiii-Reifferscheid-Krautheim Hugo, Kürst von, Wien.
iA U. Sapiebu Lt;ou, Kürst von, in Wien.
jjflfriänder Johann Jacob in Wien.
StxCari, österr.-ungar. Consul in Sera je wo.
Scbiilhammer Johann, Kitter von, k. k. Postcontroller i. P. in Brizcu
j (Tirol).
ickiambnrg-Lippe, Prinz von, in Ratiboriz bei NachoU (Böhinen>.
Iclierser, Dr. Carl, Rittor von, k. k. Ministerialrath in Wien.
Ickiesinger, Dr. Eduard, tn Wien.
■einer] ing, Dr. AuIdu, Ritter von, k. k. wirkl. geheimer Rath und Präsi-
dent des obersten Gerichtshofes in Wien.
Icliaerling Joseph, Ritter von, k. k. Feldzeugmeister in Wien.
Ickaidburg Rudolph, Freiherr von, k. k. ('eucralm^or iu Graz.
Irkiidt, Dr. Julius, Director der köuigi Sternwarte in Athen.
Sch&eider Eduard, Banquier in Wien,
chöffel Joseph, k. k. Oberlieutenant i. P. in Mödling.
cbiz. Dr. Anton, Profi^ssor in Prag,
ckroeder C. M., Director des österreichischen Lloyd in Tri est.
jkkrötter, Dr. Anton Ritter yon Kristelli, k. k. Hofrath und Director des
Münzamtes in Wien,
kberth W., k. k. Schulrath und Gymnasialdirector in T eschen (Schlesien).
Ivtrtz Carl, Ingenieur der Kaiser Feidinands-Nordbahn iu M&hrisch-
Ostrau.
kvartz Gustav, Edler von Mohrenstern in Wien.
H.) Schwarzenberg Johann Adolph, Kürst von, Herzog zu Krumau in
WieD.
kweidler Wilhelm, Ritter von, k. k. Oberlieutenant in Prag,
vftz W. August, Piaristenordenspriester und Gymnasial director in Hörn
(Nieder österreicb.)
ivorella Ludwig, Vertreter von Justus Perthes in Gotha in Wien.
Uiiczek Ernst, k. k. Hauptmann in Steiuamanger (Ungarn),
idel L. W., Ruchhändler iu Wien.
»M.) Sei Her, Dr Johanu Caspar, Freiherr von, in Wien.
ligmaDD, Dr. F. A., k. k. Fregattenarzt in Triest.
iijtmano, Dr. F. B., k. k. Professor in Wien,
abera Alois Ad., Universitätsprofessor in Wien,
kfbel Emil, Fabriksbesitzer in Wien.
Iibek, Dr. Rudolph, Gartendirector der Stadt Wien.
gi Georg, Fabriksbesitzer in W' i e n.
kony, Dr. Friedrich, L'niversitätsprofessor iu Wien.
iger Joseph, k. k. Feldmarschall-Lieutenant i. P. in Wien.
»ne Alfred, jun., in Wien,
ippa O., k. k. Major in Bozen,
itiwy Vincenz. k. k. Hauptmann in Agram.
\o\ Franz, k. k. Hauptmann in Olmtttz.
pmaruga, Dr. Guido, Freiherr von, in Wien,
raderleithuer Georg, k. k. Mioistenalconcipist in Wien,
iklar von Instätten Carl, k. k. Oberst in WMener-Neustadt.
iche, Dr. Guido, k. k. Bergrath und Assistent der k. k. geologischen
Reicbsanstalt in Wien.
idha rdtner, Dr. C, Primarius im allgemeinen Krankenhause in Wien.
inhanaer Anton, kais. Rath in Wien.
ckert Franz, Inspector der Kaiser Ferdinands-Nordbahn in Wien.
ckert Carl, Gutsbesitzer in Freudenberg (Kärnten),
-doieka Franz, Professor am k. k. Polytechnicum in Prag.
leg 8 Eduard, k. k. Universitätsprofessor in Wien,
ittner Hermann, Professor am k. k. Theresianum in Wien.
678
Tempi e Radolph, Inspector und Bnreauchef der k. k. priv. Assicuraziofll
generale in Pest.
Tettau Otto, Freiherr von, in Berlin.
T hürnen Carl, Freiherr von, in Krems (Niederösterreich). ^
Thun-Hohenstein Leo, Graf von, k. k. wirklicher geheimer Rath in P r t|
Toula Franz, Assistent am k. k. polytechnischen Institut in Wien.
Truppenkörper, k. k.
Offizierscorps des Lin.-Inf. -Regiments Nr. 1 in Prag.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 2 in der Festung Ar ad.
Reserve-Gommando des Lin.-Inf.-Reg. Nr. 2 in Fogaras.
Offfzierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 8 in Prag.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 7 in Graz.
„ ., Lin.-Inf.-Regiments Nr. 8 in Znaim.
„ „ 10. Liii.-Int.-Regt.-Reserve-Kommando's in P r z e m y t
„ „ Lin.-Inf. -Regiments Nr. 6 in Temesvär.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 12 in Eöniggr&tz.
., „ Lin.-Int'.-Regiments Nr. 14 in Pressburg.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 15 in Prag.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 16 in Linz.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 18 in Josephstadt.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 19 in Wien.
Reserve-Commande des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 20 in Neu-Sandec
Offizierscorps des Lin.-Inf. -Regiments Nr. 22 in Ragusa.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 23 in Peterwardein.
Reserve-Gommando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 2dinZombor (Galiziei
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiment8 Nr. 24 in Miskolcz.
„ „ Reserve-Gommandos des Liu.-Inf.-Regimens Nr. 1
in Eolomea.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 26 in Pilsen.
Reserve-Gommando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 26 in Gran.
Offiziersbibliohek des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 36 in Eöniggrätz.
Offizierscorps des Jan.-Inf.-Regiments Nr. 32 in Krems.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 40 in 01m ätz.
„ „ Reserve-Gommandos des Lin.-Inf. Regiments Nr.
in Gzernowitz.
Reserve-Gommando des Lin. -Inf. -Regiments Nr. 43 in Versecz.
Offiziers-Bibliothek des Lin. -Inf. -Regiments Nr. 44 in Zara.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 49 in Wien.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 51 in Olmütz.
„ „ Lin.-Inf.-Regiment8 Nr. 52 in Tri est.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 53 in Wien.
„ „ Lin.-Inf. -Regiments Nr. 54 in Wien.
„ „ Lin.-Inf.- Regiments Nr. 55 in Kaiser-Ebersdo
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 57 in Pest
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 58 in Pest.
Reserve-Gommando des Lin.-Inf. -Regiments Nr. 58 in Stanislaa.
Reserve-Gommando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 61 in Temesvär. .
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 63 in Maros-Yasarhel]
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 66 in Lern her g,
Reserve-Gommando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 66 in ÜDgvär.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 67 in Wien. i
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 70 in Krakau.
Reserve-Gommando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 70 in Neu sohl.
Offizierscorps des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 72 in Wien.
„ „ Lin.-Inf. -Regiments Nr. 74 in Olmütz.
„ „ Lin.-Inf.-Regiments Nr. 75 in Komorn.
„ „ Lin .-Inf. -Regiments Nr. 78 in Esseg.
Reserve-Gommando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 79 in Nyiregyha^
Reserve-Gommando des Lin.-Inf.-Regiments Nr. 80 in Zloc zow. |
Offizierscorps des 3. Bataillon des Tiroler Jäger- Regiments in Hainbaj
„ „ 1. Feld-Jäger-Bataillons in Fünfkirchen.
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679
Trippen kör per, k. k.
Ofifizierecorpe des 6. Feld-Jäger-BataUlons in Kaaden.
„ 9. Feld-Jäger-Bataillons in Budua.
„ 15. Feld-Jäger-Bataillons in Salzburg.
„ 17. Feld-Jäger-Bataillons in S t a n i s 1 a u.
„ 30. Feld- Jäger-Bataillons in Lemberg.
„ 32. Feld- Jäger-Bataillons in Pettau.
„ Feld-Artillerie-Begiments Nr. 1 in Lemberg.
„ Artillerie-Regiments Nr. 2 in Comorn.
„ Feld-Artillerie-Regiments Nr. 3. Munitions-Kolon nen-
Kadre in Olmütz.
Offizierscorpe des Feld- Artillerie-Regiments Nr. 4 in Pest.
„ „ Feld-ArtDlerie-Regiments Nr. 7 in Laibach.
,, „ Feld-Artillerie-Regiments Nr. 11 in Wien.
Zeugs- Artillerie-Commando Nr. 2 in Graz.
Zeugs- Artillerie-Commando Nr. 10 in Stein (Kraini.
Offizierscorps des Grenz-Regiments Nr. 2 in Otoiac.
„ Grenz-Regiments Nr. 3 in Ogulin.
„ Grenz-Regiments Nr. 4 In Gar Uta dt.
„ Grenz-Regiments Nr. 6 in Belovar.
Offizierecorps des Grenz-Regiments Nr. 12 in Pancsova.
„ Grenz-Regiments Nr. 13 in Caransebes.
„ Grenz-Regiments Nr. 14 in Weiskirchen.
„ Festungs- Artillerie-Bataillons Nr. 3 in Wien
„ Festungs- Artillerie-Bataillons Nr. 9 in Innsbruck.
„ Pionnier-Feld-Bataillons Nr. 3 in Pettau (Steiermark).
, Pionnier-Cadetten- Schule in Hainburg a. d. Donau.
' Offiziers-Bibliotheks-Verwaltung des Pionnier-Regiments in Kloster-
neuburg.
Militär-Lese-Yerein in B istritz (Siebenbürgen).
Militär-Casino in Temesvir.
Cadettenschule der 8. und 24. Truppen-Division in Lemberg.
Offizierscorps des Genie-Regiments Nr. 1 in 01m atz.
Gamisons-Bibliothek in Peterwardein, zu Händen des Festungs-Comman-
do^s in Peterwardein.
Gamisons-Bibliothek in Krakau.
Offiizierscorps des Dragoner Regiments Nr. 1 in FOnfkirchen.
„ „ Dragoner-Regiments Nr. 4 in N. Karoly.
„ Dragoner-Regiments Nr. 7 in Stuhlweissenburg.
Dragoner- Regiments Nr. 13 in Enns.
Dragoner-Regiments Nr. 14 in Wessely (Mähren).
Husaren-Regiments Nr. 4 in Klattau.
Husaren-Regiments Nr. 6 in Klagenfurt.
Husaren-Regiments Nr. 8 in Zolkiew (Galizien).
Husaren-Regiments Nr. 10 in Neuhäusel.
Husaren-Regiments Nr. 12, Ergänzungs-Kadre , in
Gyöngyös (Ungarn).
■ehermak, Dr. Gustav, Director des k. k. Mineraliencabinetes in Wien.
Rrck Joseph, k. k. Hof Juwelier in Wien.
«rczmanovicz Paul, k. k. Schichtmeister- Ad junct in Wieliczka (Galizien).
rlinger Paul, Pfarrer in Scheibs (Niederösterreich).
ilero Cornelius, Ritter von, Fabriksbesitzer in Neurettend orf (Böhmen).
liero Victor, Fabriksbesitzer in Wien.
ilmagini, Don. Julius, Privat in Wien.
ernier de Rougemont et Orchamp, Freiherr von, k. k. wirkl. geheimer Rath
and Feldmarschall-Lieutenant in Wien.
ivenot Fr. v., Reichsgeologe in Wien.
lelker George, Banquier in Wien.
Igel Heinrich, k. k. Hauptmann in Wien,
feikard Franz, k. k. Oberstlieutenant in Wien,
feiuling Carl. k. k. Bezirksvorsteher i. P. in Wien.
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Weiser, Dr. Moriz, practischer Arzt in Wien.
Weiü, Dr. Adolph, Universitätsprofessor in Lemberg.
Weiß, Dr. Edmund, Professor und Adjunct der Sternwaite in Wien.
Weißmann, Dr. Johann, k. k. Sectionschef i. P. in Wien.
Werner Joseph. Freiherr von, k. k. wirklicher geheimer Rath in Qrai.
Wiedenhofer Franz, Gymnasial- Lehramtscandidat in Wien.
Wilczek Johann, (iraf von. k. k. Kämmerer iu Wien.
Wilczek Heinrich, Graf von, k. k. Kämniorer in Wien.
Wilkens C. T., Kaufmann in Wien.
Wimpfen Victor, Graf \on, k. k. Corvettencapitän in Wien.
Wöger er H., k. k. Ober-Landesgerichtsrath in Wien.
W 0 1 d f i c h C. Job.. Professor in Wie n.
Wolf Heinrich, Reichsgeologe in W i c ii.
W 0 1 f W. P., Realschulprofessor in Korneuburg.
Wüllerstorf-Urbair Bernhard. Freiherr von,k. k. wirklicher geheimer Bathj
Graz.
Württemberg Wilhelm, Herzog von, k. k. Feldmarschall-Lieutenant in Pri
Wurmbrandt, Graf Gundakar, Schloss Ankenstein (Steiermark\
Zaffauk Joseph, k k. Hauptmann und Professor in Wien.
Zezschvitz triedrich Oscar, Freiherr von, k. k. Major im Generalslabe
Wien.
Zhishmann Anton Eduard, Professor an der Handels- und nautischen Acad(
in Tri est ,
Zhishmann, Dr. Joseph, Universitätsprofessor in Wien.
Zschokke, Dr. Hermann, k. k Üniversitätsprofessor in Wien.
Zar Helle Alfred, Ritter von, k. k. Rittmeister und Militärattache in C
stantinopel.
Im Gesellschafts-Jahre 1869/70 gestorben:
Ankershofen Theophil, Freiherr von,
Auer Alois, Ritter von, k. k. Hofrath
Bayer Anton, k. k. Major und Director der Militär-Schwimmschale ip Wij
Gatti Bertram, k. k. Major.
Hahn, Ritter v., k. und k. General-Consul auf &yra.
Hess Heinrich, Freiherr v., k. k. wirklicher geheimer Rath und Feldi
Homoky £merich, Abt zu Lecker.
Mayer Joseph, Freiherr von Gravenegg, k. k. wirkl. geh. Rath.
Pfeffer mann, Dr. Peter, Zahnarzt.
Revoltella Pasquale, Freiherr von.
Robert Justin, Fabriksbesitzer.
Sie her er Maurus, Benedictiner-Ordensprieater und Dechant.
Streffleur Valentin, Ritter v., k. und k. General-Kriegscommissär.
Schloenbach, Dr. Urban, Professor in Prag.
Im Gesellschafts- Jahre 1869/70 ausgetreten:
Bilhuber, Dr. Hermann.
Fl od er Anton, Adjunct der lithographischen Anstalt des Katasters.
Fränkl, Dr. Joseph Adam Paul.
Gottschar J., Abt und Consistorial-Rath.
Lanckoronski-Brezie Casimir, Graf v., k. k. Kämmerer.
Ledochowsky Anton, Graf von, k. k. Kämmerer.
Nemethy Joseph von, k. k. Oberst und Director des Kriegsarchivs.
Radonetz Eduard, k. k. Fregatten-Capitän.
Seh a üb, Dr. Franz, Director der hydrographischen Anstalt iu Triest.
Walderdorff Adolph Widerich, Graf von.
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