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Full text of "Inhaltsverzeichnis der Veröffentlichungen der K.k. Geographischen Gesellschaft(1857-1907)"

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der  kais.  und  ktoigl. 


geographischen  Gesellschaft 


IN    WIEN. 


XIII.  Band  (der  neuen  Fol^  3.  Band) 

(»»(«(«Imb  in  U  moiutUchra  L>«f«niag«B) 

1870. 


Redigiert  von  ihrem  Generalsecret&r 

M.  A.  Becker. 


Wien  1871 

In  Committion  bei  Alfred  Holder  (Becks  UniTerBiUtsbachhandlniig). 
Verlag  der  geographischen  Gesellschaft. 


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Druck  von  L.  W.  Seidel  *  Sohn  in  Wien. 


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I  n  ]:\  a  1 1. 


Gesellschaftsangelegenheiten :  Seite 

Jahresbericht  (für  1869)  desPr&Bidenten Dr.  Ferd.  v.  Höchste tt  er  49 
Bericht  (für  1869)  des  orientalischen  Co  mit  6 's  der  Gesellschaft 

(Freih.  v.  Helfert) 71 

Bericht  (für  1869)  Ober  den  Zustand  der  Finanzen  der  Gesell- 
schaft (Dr.  Edl.  V.  Ruthner) •  .    • 74 

Bericht  (für  1869)  über  die  inneren  Angelegenheiten  der  Ge- 
sellschaft (M.  A.  Becker)    .   .   .• 78 

Bücher  und  Karten,  die  der  Gesellschaft  als  Geschenk  oder  im 
Tauschverkehr  zukamen  und  in  der  Bibliothek  aufbe- 
wahrt sind 82,  283,  418,  529,  653 

Mitglieder  der  Gesellschaft,  nach  dem  Jahre  ihres  Eintritts  ge- 
ordnet   571 

Standder  Gesellschaft  am  Schlüsse  des  Jahres  1870  (Statuten,  Ge- 
schäftsordnung, Leitung  und  Mitgliederverzeichnis  deÜ:  Gesellschaft)  660 

Mönatssitzung  am  23.  Nov.  1869 • 41 

Jahresversammlung  am  14  Dec.  1869 69 

Monatssitzung  am  11.  Jänner  1870 •  .   .   .   .    140 

Monatssitzung  am  8.  Februar  1870     187 

Außerordentliche  Sitzung  am  1.  März  1870 235 

Monatsitzung  am  8.  März  1870 287 

Monatssitzung  am  19.  April  1870 336 

Monatssitzung  am  17.  Mai  1870 383 

Monatssitzung  am  25.  October  1870 630 

Monatssitzung  am  22.  Nov.  1870  .   .   .   .  - 657 

Abhandlon^en :  ' 

Plan    der  diesjährigen   deutschen  Nordpolarexpedition. 

Von  C.  W  e  y  p  r  e  c  h  t ,  k.  u.  k.  Schiffslieiitenant 1 

Die  Vorarbeiten  zum  Bau  der  türkischen  Eisenbahnen.  Von 

Dr.  Ferd.  v.  Hochstetter...       17 

Die  Bocche  di  Cattaro.  Vortrag  von  Dr.  J.  Descovich  (mit 

einer  Karte) 20 

Beise  von  Serajewo  nach  dem  Dormitor  und  durch  die  mittlere 

Herzegowina.   Von  Carl  Sax,  k.  u.  k.  Vice-Consul.    (Mit 

einer  Karte)  .       .  97 

(Dm  VeneichniB  der  Drnckfehlei  8.  Seite  289.) 

Der  Geograph  Mercator.  Von  A.  Steinhauser 115 

Die  geographischen  Arbeiten  in  der  Schweiz,  v.  J.  M.  Ziegler  121 
Boiokeltische   Ortsnamen  in   Böhmen,    vergleichsweise 

zusammengestellt  v.  J.  Vinc.  Goehlert 145 

Eugen  V.  Guerard  australische  Landschaften.  Besprochen  von 

Dr.  Ferd.  v.  Hochstetter •.   .  .    154 

Uebersicht  der  Arbeiten  der  kais.  geographischen  Gesellschaft 

in  St.  Petersburg  (aus  dem  Jahresbericht  1867) 158 


IV 

S«ite 

Der  westliche  Theil  von  Bosnien.  Von  J.  v.  Jaxa-Dembicki^ 

k.  k.  Oberlieutenant  und  Consularagent  162 

'^;,    Reise  durch Rumelienim  Sommer  1869. Von  Dr.  Ferd.  v.Hochstetter 

1.  Das  östliche  Thracien,  von  Constantinopel  nach  Adrianopel  193 

2.  Adrianopel  (mit  einer  Karte) 350 

3.  Von  Adrianopel  über  Jamboli  nach  Burgas 545 

4.  Von  Burgas  dem  Balkan  entlang  nach  Philippopel  .    .    .    585 
Gedanken  über  die  Ursachen  des  Erdmagnetismus.   Von 

Otto   Spieß 212 

'■■  Bosnien,  mit  Bezug  auf  seine  Mineralschätze.  Vom  Beig- 
ingenieur A.  Conrad       219 

Die    politische  Dichtigkeit  der   türkischen    Eisenbahnen. 

Von  Fr.  V.  H  a  u  s  1  a  b 241 

Von  D  a  b  b  e  h  nach  Omderman,  durch  die  westliche  B  a  j  u  d  a- 

Steppe.  Von  Ernst  Marno  (mit  einer  Karte) 244 

Die  Zuydersee.  Von  Friedr.  v.  H e  1 1  w a  1  d       .248 

Banjaluka  und  Bihaö  in  Bosnien.  Von  A.  v.  Draganchich  265 
Das  Becken  von  I  cht  im  an  und  der  falsche  Wid.  Von  Dr.  Ferd. 

v.  Hochstetter 289 

Capt.   Johannesen's  Fahrt  im   Karischen  Meere  1869  und 

Stand  der  Polarfrage  1870.  Von  A.  Petermann 294 

Das  Land   Turuchan   (nach   dem  Russischen  des  H.  Tretjakow). 

VonF.  Svöceny 304,358,396 

Die  „hohe  W  a  n  d**  bei  W.  Neustadt.  Von  Eugen  Jos.  Matz,  k.  k. 

Oberlieutenant      .   .   .  • 311 

Die  Fregatte  Donau  im  Kampf  mit  derCyclone 337 

Ein  Streifzug  in's  Arnautluk.  Von  Otto  Spieß 385 

Aus  russischAsien 413 

Aus  dem  Sudan.  Von  M.  H 433 

Die  Bahnen  der  europäischen  Türkei  und  der  Nachbarländer, 

von  Rz 438 

Klima  des   salzburgischen   Alpenlandes,   von   Prof.  Dr. 

Job.   N.  Woldfich 451 

Offenes  Schreiben  an  Dr.  Kiepert.  Von  Jos.  v.  Sc  heda  .  .  .  .  475 
Die  ehemalige   Wald-Veste  Böhmen.   Von  J.  A.  Freiherr  v. 

H  elf  ort  (mit  einer  Karte) 489 

Der  Elfenbeinhandel  am  Sudan.  Von  J.  M.  H 518 

Von  Famäka  nach  Fadasi.  Von  Ernst  Marno 537 

Von  der  zweiten  deutschen  Nordpolexpedition 

1.  Brief  des  Dr.  Laube  an  Hochstetter 552 

2.  Brief  des  Oberlieutenant  P  a  y  e  r  an  Hochstetter 557 

3.  Mittheilungen  des  Bremer  Comit4^ 560 

4.  Bericht  über  die  Expedition  der  „Germania^  (vom  Bremer 

Comit6) 607 

Beobachtungen  auf    den    Kamenen.    Vom    k.  k.    Corvetteli- 

Capitän  Eduard  Germonig 633 

üeber  Boden-   und  Vegetations Verhältnisse   Nord- Ost -Africa's.    Von 

Ernst  Marno  (mit  einer  Karte) 641 

Verbindungsproject  des  persischen  Golfs  mit  dem  Mittelmeere.  Von 

F.  Kanitz 648 

Geographische  Literatur: 

a)  Bücher. 

Die  Balearen.  In  Wort  und  Bild  geschildert.  Leipzig,  bei  Brock- 
haus 1860.  I.  Band :  die  alten  Pityusen     ....  27 

Die  Russen  in  Gentralasien.  Eine  geographisch-historische 
Studie,  von  Friedrich  von  Hellwald.  Wien  1869  ....      28 

Aus  allenWelttheilen.  Illustriertes  Familienblatt  für  L&nder- 
und  Völkerkunde.  Redigiert  von  Dr.  Otto  Deutsch.  Leipzig, 
bei  R.  Lo^ 29 


Seite 

Wilhelm  v.  Harnier's  Reise  am  obern  Nil.  Nach  dessen  hinter- 
lassenen  Tagebüchern,  heraasgegeben  von  Adolph  Harnier.  Mit 
einem  Vorwort  von  Petermann.  Darmstadt  und  Leipzig  bei 
Zernin  1866 29 

Gerard  M erc a t  o  r ,  sa  vie  et  ses  oeuvres.  Par  le  Dr.  van  R ae m  d  o  n c k. 

S.  Nicolas  chez  E.  Dalschaert-Praet  1869 125 

Gerhard  Kremer,  genannt  Mercator,  der  deutsche  Geograph.  Von 
Dr.  Breysing.  Duisburg  1869 125 

Die  Arbeiten  der  topographischen  Landesdurchforschung  von 
Böhmen  1864—1866.  Von  Prof.  Dr.  Carl  Koristk».  Prag  1869  127 

Neae  Probleme  der  vergleichenden  Erdkunde  als  Versuch  einer  Mor- 
phologie der  Erdoberfläche.  Von  Oscar  Peschel.  Leipzig  bei 
Duncker  und  Humblot  1870 129 

Protocoll  der  permanenten  Commission  fiir  europäische  Grad- 
messung vom  23.  bis  29.  Sept.  1869  in  Florenz 177 

Lehrbuch  der  Erdbeschreibung  von  A.  Zachariae.  Achte  vermehrte 
Auflage,  bearbeitet  von  L.  Thomas.  Leipzig,  bei  Fleischer  1868  177 

Land  und  Leute  in  Africa.  Berichte  aus  den  Jahren  1865—70. 
Von  Gerhard  Rohlfs.   Bremen  bei  Ktihtmann  1870 228 

Registrande  der  geograph.  statistischen  Abtheilung  des  großen  General- 
stabs. I.  Jahrgang.  Berlin  1869 230 

Tunis.  Ein  Bild  aus  dem  nordafHcanischen  Leben.  Prag  1870  .   .    271 

Naturwissenschaftliche  Reisen  im  tropischen  America.  Von 
Dr.  Moriz  Wagner.  Stuttgart  bei  J.  G.  Cotta  1870  ....    272 

L'empire  des  Tsars,  par  M.  J.  H.  S c h n i t z  1  e r.  Tom.  IV. 
Paris.  V.  Berger-Levrault  et  Fils  1869 275 

T  o  z  e  r,  Researches  in  the  Highlands  of  T  u  r  k  e  y.  London  1869  .    276 

The  M  ag  y  a r  s ,  their  country  aud  institutions.  By  Arthur  J.  P a 1 1 e  r- 
80 n.  London  1869 324 

Da  1  matien  und  seine  Inselwelt.  Von  H.  N  o  e.  Wien  bei  Hartleben  1870  364 

Schriften  der  historisch-statistischen  Section  der  k.  k.  mährisch- 
8 ch lesischen  Gesellschaft  zur  Beförderung  des  Ackerbaues, 
der  Natur-  und  Landeskunde.  Von  Chr.  d'Elvert.  Brunn  1870    367 

Termeszettudomanyi  Köslöny  (naturwissenschaftliche  Mittheilungen 
des  naturw.  Vereins  zu  rest) ...    370 

Index  alphabeticus  codicls  diplomatici  Hungariae  per  Georgium  Fey^r 
editi.  Concinnavit  Maurus  Czinär 370 

Kleine  Literatur  4.  .    .    • 371 

Geographie.  Länder-  und  Völkerkunde  von  Dionys  Grün.  Wien 
bei  Beck  1870 423 

Memoria  por  la  direcion  general  de  estadistica  sobre  los  trobyas 
ejecutados  por  la  misma  desde  1.  Octobre  de  1868  hasta  31.  de 
Decembre  1869.  Madrid  1870 425 

Der  Golfstrom  und  Standpunkt  der  thermometrischen  Kenntnis 
des  atlantischen  Oceans  und  Landgebietes  im  J.  1870.  Von  A. 
Petermann 477 

Bolletino  della  societä  geografica  italiaua.  Fax.  4.  1870    .   .    479 

G^rard  de  Cremer  ou  Mercator  geographe  Flamand.  Par  Dct. 
van  Raemdonck  S.  Nicolas  1870 528 

Jahrbtlcher  der  k.  k.  Centralanstalt  für  Meteorologie  und  Erdmagnetis- 
mus. Von  Karl  Jelinek  und  Karl  F ritsch.  Neue  Folge.  V.  Bd. 
Jahrg.  1868.  Wien  1870 581 

An  den  Nordpol.  Schilderungen  der  arctischen  Gegenden  und  der 
Nordpolfahrten  —  bis  zur  Gegenwart.  Von  Hermann  Klein.  Kreuz- 
nach bei  Voigtländer  1870 582 

Geschichte  des  europäischen  Versicherungsrechtes.  Von  Dr.  C.  F. 
Reatz.  L  Bd.  Leipzig  bei  Findol  1870 625 

Bestimmung  der  Seehöhen  von  Orten  auf  graphischem  Wege,  von 
Fr.  Rath,  herausgegeben  von  J.  G.  Schoen.  Wien  1871     .   .    650 

Encjclop&die  der  Landeskunde  Galiziens      651 


VI 


h)  Karten.  Seite 

Administrativ- Karte  von  Niederösterreich.  Herausgegeben  vom 
Verein  für  Landeskunde  von  Niederösterreich 30 

Geologische  Karte  der  Provinz  Preußen,  von  Dr.  ßerendt. 
Berlin  bei  J.  H.  Neumann  1867 30 

Karte  der  Umgebungen  von  Gleichenberg.  Von  Prof.  J. 
Wastler.  Graz  1869 .......     31 

Umgebungskarte  von  Rohitsch-S.auerbrunn  und  Krapina- 
Te plitz.  Herausgegeben  von  Dr.  J.  Burghardt         31 

Lithographirte  Musterblätter.  Von  der  topographisch -geographi- 
schen Anstalt  von  Wurster,  Randegger  &  Comp.  Winter- 
thur  1869 31 

Karte  du  Garton  de  Gen^ve  (nach  Dufour  reduciert  und  graviert 
bei  Wurster  in  Winterthur).  Genf  bei  Briquet  et  Fils  1868  .     31 

Karte  der  Insel  fenerifa,  nach  verschiedenen  Materialien  und 
eigenen  Beobachtungen  entworfen,  von  G.  Härtung,  Karl  v. 
F ritsch  und  W.  Reiß,  gezeichnet  v.  Randegger.  Winterthur 
bei  Wurster,  Randegger  &  Comp.  1869 31 

Plan  von  Jerusalem,  nach  den  englischen  Aufnahmen  (1864/5) 
von  Wilson  reduciert.  Winterthur  bei  Wurster,  Randegger  &  Comp.    32 

Mapa  de  Guatamala  la  nueva,  von  Hermann  Au.  Winterthur 
bei  Wurster,  Randegger  &  Comp 32 

Karte  des  Cantons  Glarus.  Winterthur  bei  Wurster,  Randegger 
&  Comp 32 

Umgebung  von  Triest,  nach  einem  Originale  der  Generalstabsäb- 
iheQung  der  7.  Truppendivision,  photo-lithographiert  im  k.  k. 
Militär- geographischen  Institute  1868 33 

Karte  von  Ungarn,  vom  k.  k.  militär-geographischen  Institute  1868    33 

Karte  der  Flussgebiete  des  Drin  und  des  Wardar,  nach  den 
Beobachtungen  von  J.  G.  v.  Hahn,  von  H.  Kiepert. 
Berlin  1867 34 

Generalkarte  der  europäischen  Türkei  und  von  Griechen- 
land. Von  J.  V.  Scheda.  Wien  1869 89 

Kartographische  Arbeiten  des  königl.  italienischen  General- 
stabes  91 

Küstenkarte  des  adriatischen  Meeres,  von  der  k.  u.  k.  öster- 
reichischen Kriegsmarine  Bl.  Nr.  4.  Wien  1870 270 

Karten  des  hydrographischen  Amtes  der  britischen  Ad- 
miraliät  v.  1860  und  1870      368 

Wandkarte  der  Schweiz,  von  J.  M.  Z  i  e  g  1  e  r .    .    369 

Wandkarte,  Handkarte  und  Schulkarte  des  Kantons  Zürich,  von  J. 
M.  Ziegler 370 

Volksatlas  über  alle  Theile  der  Erde,  von  A m t h o r  und  Iss- 
leib, 10.  Auflage.  Gera  1870 424 

Karte  der  Kirchengemeinden  der  Evangelischen  beider  Be- 
kenntnisse und  Unitarier  in  den  ungarischen  Ländern.  Von 
J.  HÄtzek.  Ofen  1870       624 

Wandkarte  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie.  Von  A.  Dole2al. 
Gotha  bei  Perthes  1870 -  .    651 

Geologische  Karte  der  Schweiz,  von  B.  Studer  und  Escher  v.  d, 
Linth.  2.  Aufl.  Winterthur,"  Wurster  etc.  1870 652 


l^amen-  und  Sachregister. 


Administrativkarte  tod  Niederösterreich  30,  $6. 

Aetna,  EmptioDen  und  Höhe  93. 

AlpeoTereiD,  der  Österreichische  57. 

America,  Entdeckung  durch  Chinesen  426. 

Amnrland,  191,  232,  282. 

Andamanen,  die  Bewohner  der  $32. 

Angora-Ziege  95. 

Antwerpen  geographischer  Gongress  188.  Vorläufiges  Programm  der  Fragen  330, 

Beitritt   384,    Vorbereitungen   und  Programm  428,    Absage    wegen    des 

Kriegs  526. 
Ansternzucht,  kflnstliche  1 32. 
Anstralien  69,  154. 

Auswanderung,  von  Canada  nach  den  nordamericanischen  Staaten  133. 
Bajudasteppe  244. 
Bakers  Expedition  35,  279,  583. 
Balearen,  die  27. 
Bar ab4- Steppe  487. 
Baumwollenbau  in  Makedonien  95. 
Bocche  di  Cattaro  20,  38. 
Böhmen,  topographische  Durchforschungen  57,  127,   141,  Ortsnamen  145,  die 

Waldveste  489. 
Bosnien  162,  219,  265. 

Brenner  Richard,  E^petition  an  die  Ostkflste  von  Africa  48,  94. 
Brindisi  und  der  Suezcanal  94. 
Bflcher  und  Karten  (Verzeichnis  der  an  die  Bibliothek  eingelangten)  82,283, 

418,  529,  653. 
Cabot  Sebastian  384. 
Galiforniens  Reichthnm  382. 

Chartnm,  ein  WaHüahrtsort  in  382,  Schiffe  und  Schiffahrt  in  534. 
Gooper's  Reisen  in  China  und  Tibet  481. 
Dalay-Lama  135. 
Dampferprojecte  in  America  426. 
Diamantenfelder  in  Südafrica  483. 
Donau,  die  Fregatte  337. 
Dormitor  97. 

Eden  (das  Paradies^  der  Hebräer  627. 
Eismeer,  die  Jaga  im  283. 
Erdmagnetismus  212. 
Fadasi  !:37. 
Fidschi-Inseln  70. 
Forschungsreisen,  Preise  für  426. 
Geographische  Gesellschaften  58. 
Geologische  Reichsanstalt,  Arbeiten  der  —  1869—54. 


vm 

Gesch&ftBordnang  der  Gesellschaft  663. 

Goldfelder  in  SQdafnca  484. 

Golfstrom,  der  477. 

Griesbach  66,  236,  650. 

Gaerard  Eugen  v.  154. 

Gumpert  in  Bombay  383. 

Hadramaut  628 

Hahn  Johann,  G^rg  von  62,  79. 

Harnier  Wilhelm  iS. 

Hngl,  Globus  336. 

Humboldtfeier  in  Berlin,  Bericht  Dr.  v.  Ruthners  Ober  dieselbe  44. 

Indo-europ&ischer  Telegraph  95. 

Insel,  die  tönende  485. 

Jahresberichte  Über  das  Gesellschaftsjahr  1869,  49. 

Johannesen  294.  « 

Eameele  als  Transportmittel  in  Europa  95,  für  Australien  427. 

Karol  am  schwarzen  Meere  381. 

Eorinth,  der  Isthums  v.  62,  182. 

Kreuzfahrersteine  in  Dalmatien  34. 

Kastenaufnahme  des  adriatischen  Meeres  52. 

Laube,  Dr.  631. 

Leitung  der  Gesellschaft  1870  6. 

Livingstone  48,  65,  178,  235,  381,  481,  482. 

London  Bevölkerung  von  181. 

Marine-Handelskammern  374. 

Marno  Ernst,  am  blauen  Nil  280,  630. 

Manch  66. 

Mercator  59,  115.  125,  188,  528. 

Meeresleuchten  485. 

Meerestiefe,  Temperatur  und  Thierleben  in  der  233. 

Meteorologische  Stationen  in  Oesterreich- Ungarn  582. 

Metschersky  FOrst,  Bilder  ans  Spanien  288. 

Militär-geographisches    Institut    astronomisch  -  geodätische    Arbeiten 

1869—50,  topographische  Aufnahmen  51. 
Mitglieder  der  Gesellschaft  571,  668. 
Monatsitzung  der  Gesellschaft  41,  71,  69,  140,   187,   235,    287,    336,   383» 

630,  6. 
Mongolei,  die  Zukunft  der  486. 
Morea,  Korinthenbau  auf  382. 
Munzinger  180,  535,  628. 
Neumayer  Dr.  G.  62,  380.    . 
Neu-Seeland  70. 
Neusiedlersee,  der  ehemalige  583. 
N  e  w  -  Y  0  r  k ,  Museum  für  Naturgeschichte  535 . 
Nigerexpedition  130. 
Nil,  Lösung  der  NUfrage  281. 
Nordenskjöld  382. 
Nordpolexpedition,  zweite  deutsche  1,  552,  557,560,  607. 

Ortelius  188. 

Ostasiatische  Expedition  134. 

Ostindien,  Association  in  185. 

Pacific- Eisenbahn  67,  Gentral-Pacific-Bahn  131. 

Palästina  64. 

Patterson  über  Ungarn  324. 

Payer  Julius  631. 

Petermann  66,  gegen  Kiepert  287. 

Portugiesen,  Karte  ihrer  ersten  Entdeckungen  in  Africa  626. 

Preisfragen  der  Gesellschaft,  für  Kunst  und  Wissenschaft  in  Utrecht  628. 

Richthofen  Freiherr  von,  in  China  64. 

Bohlfs  67. 

Bothes  Meer,  Sicherheit  im  535. 

Bua,  Höhlenbewohner  in  334. 


IX 

Ramelien  193,  350,  385,  54S,  58S. 

Rassland,  AusbreitUDg  in  Ceotralasien  28,  Oeschichtsquellen  Ober  die  altem 
Perioden  von,  138,  geographische  Arbeiten  158.  Expedition  in  das  süd- 
östliche —  282,  Russlands  Eisenbahnen  381,  die  baltischen  Provinzen  382. 

Saigonfluss,  Einfahrt  in  denselben  130. 

Salzburg,  das  Klima  seines  Alpenlandes  451. 

Sandwich-Inseln  70.> 

Schweinfurt,  Dr.  66, 

Seeversicherungsrecht  625. 

Serajevo  97. 

Sibirien  92,  282. 

Simony  183,  237. 

Spanien,  Statistik  von  425. 

Statistische  Gentralcommis  sion,  Arbeiten  1869  55. 

Statuten  der  Gesellschaft  660. 

Straßen,  altrömische  332. 

Südafrica,  Diamantfelder  am  Vaal  Ri?er  48H,  Goldfelder  484. 

Sfldamerica  68, 

Sudan  433,  Elfenbeinhandel  im  518. 

Suezkanal  68,  Geschichte  des  64. 

Temperaturverhältnisse  in  den  österreichischen  Seen  183. 

Tiefsee- Untersuchungen  378,  im  Adriameer  426. 

Tinne  Alexandrine  67,  Ermordung  des  Fräuleins  18 1. 

Tozer  über  die  Türkei  276. 

Türkei  62,  Straßenmangel  in  der  95,  Sttdslaven  in  der  Türkei  138. 

Turkestan  63,  Karte  von  136,  Fabriksbetrieb  in  137. 

Türkische  Bahnen  17,  241,  438. 

Turuchan  304,  135,  358,  396. 

Utrecht,  Preisfragen  der  Gesellschaft   für  Kunst-    und  Wissenschaft  in  628. 

Yarnhagen  Chev.  de  187. 

Yen  US,  Durchgang  der  1874,  380. 

Yerein,  archeologischer  im  Wasgau  432. 

Yerein  für  Landeskunde  von  Niederösterreich,  Arbeiten  1859  56. 

Yulkan,  ein  thätiger  an  den  Quellen  des  Euphrat  93. 

Wand,  die  hohe  311. 

Weltkarte  vom  J.  1489  626. 

Werne  Ferdinand  488. 

Weyprecht  61.  Entgegnung  an's  Bremer-Gomit^  303. 

Wisconsin-  und  Milwau*kee-Bevölkerung  von  i34. 

Winter  im  Norden  535. 

Wrangel  Admiral  488. 

Yarkand  and  die  Tatarei  234. 

Zuydersee  144,  248. 


Plan  der  diesjährigen  deutschen  Nordpolarexpedition. 

Yon  C.  Weyprecht,  k.  k.  Schiffslieutenant. 

Trau,  am  21.  Augnst  1869*). 

Selten  ist  wol  eine  mssenschaftliche  Expedition  ins  Werk  gesetzt 
worden,  die  das  allgemeine  Interesse  der  gebildeten  Welt  so  sehr  in 
/jusprach  nahm  und  von  der  man  so  große  Erwartungen  hegt,  als  die 
diesjährige  deutsche  Polarexpedition,  und  es  ist  deshalb  interes- 
4,  ihren  Plan  im  Licht  jener  Erfahrungen,  die  auf  früheren  arctischen 
f  peditionen  gesammelt  wurden,  näher  zu  betrachten,  umsomehr  da 
derselbe,  wie  den  mit  der  Sache  vertrauten  bekannt  ist,  im  letzten  Augen- 
blicke  ein    ganz  anderer  wurde,  als  die  vorhergegangenen  langjährigen 


*)  Die  bisherige  Unterbrechung  unserer  ^Mittheilungen^  während  der 
Sommermonate,  die  in  der  Folge  nicht  mehr  eintreten  wird,  hat  die  Yer* 
spätnng  des  vorliegenden  Aufsatzes  verschuldet,  was  wir  im  Interesse  des  Herrn 
Terfassers  zu  erklären  verpflichtet  sind.  Indem  wir  femer  mit  diesem  Aufsätze 
die  Ansichten  eines  sehr  geehrten  Mitarbeiters  und  Fachmamnee  über  die 
deutsche  Nordpolarexpedition  veröffentlichen,  geschieht  dies  mit  der  ausdrftck- 
lichea  Verwahrung,  dass  wir  gegen  den  Plan  dieser  Expedition,  wie  er  ins 
Werk  gesetzt  wurde,  nicht  Opposition  machen  wollen.  Wir  haben  es  seiner 
Zeit  (s.  Mittheilungen  1868  und  1869)  an  lebhafter  Theilnahme  für  die  Unter- 
sebmung  nicht  fehlen  lassen,  und  hegen  den  nicht  minder  lebhaften  Wunsch^ 
dass  sie  zur  Ehre  des  deutschen  Namens,  zum  Ruhm  der  Wissenschaft  und 
zur  wolverdienten  Befriedigung  unserer  wackern  Freunde,  die  sich  daran 
unmittelbar  mit  Leib  und  Geist  betheiligt  haben,  vom  glücklichsten  £rf<^g 
gekrönt  werde.  Allein  das  kann  uns  nicht  hindern,  auch  abweichenden  An- 
sichten Raum  zu  geben,  wenn  sie  in  der  wissenschaftlichen  Erfahrung  ihren 
Grand  suchen  und  von  der  reinsten  Absicht  geleitet  sind,  der  Sache  zu 
Sätzen.  Durch  ehrliche  Kritik  ist  noch  niemanden  ernstlich  ein  Leid  ge- 
schehen. A.  d.  RedactioB. 

GtographiBche  Hitt&eilnngefi,  1870.  1.  1 


internationalen  Controversen  voraussetzen  ließeti.  Jedenfalls  maßte  der- 
jenige, der  die  Entstehungsgeschichte  dieser  und  der  vorjährigen  deutschen 
Expedition  aufmerksam  verfolgt  hat,  sehr  erstaunt  gewesen  sein,  als  das 
zu  diesem  Zweck  niedergesetzte  Comit^  in  Bremen  auch  dieses  Jahr 
wieder  die  ostgrönländische  Küste  als  Basis  annahm  und  dadurch  den 
eigentlichen  Petermannischen  Plan  fiher  Bord  warf,  der  doch  seiner 
Zeit  allein  der  Agitation  zu  Gunsten  einer  Expedition  den  Anstoß  gege- 
ben hatte. 

Als  im  Anfang  des  Jahres  1865  Capitän  Sherard  Osborne 
in  der  Londoner  geographischen  Gesellschaft  den  Vorschlag  machte 
vom  Smith  Sund  aus  mit  Schlitten  längs  Grinnell-Land  gegen  den 
Nordpol  vorzudringen,  trat  Dr.  Petermann  gegen  diesen  Plan  auf 
und  wies  zum  erstenmal  auf  die  Wichtigkeit  des  großen  Beckens 
zwischen  Spitzbergen  und  Nowaja-Zemlja  hin,  in  welches 
sich  der  Golfstrom  mit  seinen  Ungeheuern  Massen  erwärmten  Wassers 
ergießt  *). 

Beide  Pläne  wurden  damals  sehr  gründlich  discutiert  und  es 
sprachen  sich  fast  alle  jetzt  lebenden  arctischen  Autoritäten,  wie 
Admiral  Ommaney,  Sir  George  Back,  Capitän K i c h a r d s,  Capit&n 
Mc.  Clintock,  Commander  Davis,  Capitän  Allen  Young  u.  A.  m., 
für  die  Petermannische  Route  aus.  Als  sich  jedoch  trotz  d*?ser 
gewichtigen  Unterstützung  wegen  der  starken  Antipatie,  die  das  große 
Publicum  in  England  seit  dem  Untergang  Franklins  gegen  jede  arc- 
tische  Forschung  hegt,  keine  Aussicht  zeigte,  seinen  Plan  von  eng- 
lischer  Seite  durchzusetzen,  schlug  Dr.  Petermann  der  Yersammlunjf 
deutscher  Geographen  zu  Frankfurt  a.  M.  im  August  1865  vor,  ihn 
im  folgenden  Jahre  mit  deutscben  Mitteln  zur  Ausführung  zu 
bringen.  Dieser  Vorschlag  fand  bekanntlich  außerordentlichen  Anklang 
und  kaum  vier  Wochen  später  gieng  ein  in  der  Eile  in  Liondon  gecharte- 
ter  Dampfer  aus  der  Elbe  ab,  um  vorläufig  die  Eisverhältnisse  des  uns 
thatsächlich  vollkommen  unbekannten  Meeres,  welches  die  Basis  des 
Petermannischen  Planes  bildet,  zu  untersuchen.  Er  erlitt  jedoch,  wie 
bekannt,  schon  beim  Auslaufen  solche  Havarien  in  der  Maschine,  dass 
die  Vorexpedition  wegen  der  mittlerweile  vorgerückten  Jahreszeit  (Ende 
September)  aufgegeben  werden  mußte. 

Von  dieser  Zeit  an  hat  nun  Dr.  Petermann  in  Schrih  und 
Wort    ununterbrochen  für    die  Ausführung   seiner  Idee   mit   deutscheh 


*)  Die  Gründe,  welche  diese  Route  als  die  bei  weitem  günstigste  er- 
scheinen lassen,  habe  ich  in  einem  früheren  Aufsatze  dargelegt,  (s.  Mitthei- 
lungen 1869.) 


Mitteln  gewirkt  und  mit  allen  GrOnden,  die  ihm  sein  reiches  Wissen 
darbietet,  für  die  Richtigkeit  seiner  Ansichten  gekämpft.  Seit  186Ö 
finden  wir  nnr  wenig  Hefte  der  von  ihm  redigierten  „geographischen 
Hittheilungen^,  wo  er  nicht  mit  neuen  Daten  zur  Begründung  der 
Ton  ihm  vorgeschlagenen  Beute  hervorgetreten  wäre. 

Diese  Route  aber  weicht  von  der  im  letzten  Augenblick  beantragten 
und  wirklich  eingeschlagenen  fast  ebenso  sehr  ab,  alsvonder  Osbomeschen, 
dam  es  kommen  bei  ihr  ganz  entgegengesetzte  Principien  zur  Geltung. 

Die  Petermannische  Route  verwies  uns  in  die  hohe  See,  die 
andere  führt  längs  der  Küste,  in  der  Voraussetzung  hier  das  sogenannte 
Landwasser  zu  finden.  .Die  erstere  war  auf  die  warmen  Gewässer  des 
Golfstromes  und  deren  Einfluss  auf  das  Clima  basiert,  während  die 
jetzige  der  kalten  arctischen  Südwestströmung  direct  in  die  Zähne  läuft. 

Wir  haben  also  nicht  eine  bloße  Modification  dej*  ursprünglich 
vorgeschlagenen  Route  vor  uns,  sondern  eine  ganz  neue,  nach  entgegen- 
gesetzten Principien  aufgestellte.  £s  müßen  sehr  gewichtige  Gründe 
gewesen  sein,  die  das  Bremer  Comit^  bestimmt  haben,  den  Plan, 
für  welchen  Dr.  Petermann  schon  seit  Jahren  gekämpft  hatte  und  um 
dessentwillen  die  Expedition  überhaupt  zu  Stande  kam,  plötzlich  als 
die  Ausführung  vor  der  Thüre  stand  über  Bord  zu  werfen  und  an 
seiner  statt  etwas  neues,  auf  keinen  Fall  aber  besseres  zu  setzen.  Es 
ist  dies  eine  Inconsequenz,  die  jedem  in  die  Augen  gefallen  sein 
mnfi,  der  die  Verhandlungen  in  den  letzten  Jahren  mit  Interesse  ver- 
folgt hat  *). 

Der  Idee,  die  ostgrönländische  Küste  als  Basis  einer  arctischen 
Expedition  dienen  zu  lassen,  begegnen  wir  zum  erstenmal  zu  Anfang  des 
vorigen  Jahres.  Für  die  Wahl  dieser  Küste  sprachen  aber  damals 
Gründe,  die  in  diesem  Jahre  ganz  wegfallen. 

Wie  bekannt,  hatten  Oesterreich  und  Preußen  abgelehnt,  eine 
Polarexpedition  auf  Staatskosten  auszusenden  und  man  war  darauf  an- 
gewiesen,  wenn  man  das  Unternehmen  nicht  ganz  fallen  lassen  wollte, 
die  Mittel   durch  öffentliche  Sammlungen  in  Deutschland    aufzubringen. 


*)  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dass  die  Aenderung  der  Route  mit  voll- 
kommener Zustimmung  des  intellectuellen  Urhebers  der  Expedition  geschehen 
ist.  Ein  Mann  von  so  begründetem  europäischen  Rufe  -wie  Dr.  Petermann 
lann  unmöglich  eine  Idee,  die  er  seit  Jahren  öffentlich  vertritt  und  f(lr  die  er 
mit  allen  Waffen  der  Wissenschaft  kämpft,  so  schnell  ohne  Grund  gegen 
eine  andere  fiist  entgegengesetzte  vertauschen.  Petennanns  Abwesenheit  bei 
allen  in  der  letzten  Zeit  zu  Ehren  der  Expedition  veranstalteten  Festlichkeiten 
sieht  einem  stillschweigenden  Proteste  gegen  die  Vorgänge  im  SchoDe  des 
Bremer  Comit^s  täuschend  ähnlich. 

1* 


um  nun  einestheils  das  allgemeine  Interesse  an  der  Sache  wach  zu 
rufen,  anderntheils  dem  großen  Publicum  den  tief  eingewurzelten 
Wahn  zu  nehmen  ,  als  ob  eine  arctische  Expedition  gleich  dem 
Todesurtheile  für  die  Mitwirkenden  sei,  wurde  beschlossen  eine 
Sommerexpedition  in  kleinem  Maßstabe  auszusenden,  um  gestützt  auf 
die  von  ihr  heimgebrachten  Resultate  die  Mittel  zur  eigentlichen  Haupt- 
expedition zusammen  zu  bringen. 

Es  handelte  sich  hier  weniger  um  eigentlich  wissenschaftliche 
Resultate,  als  um  Entdeckungen,  die  dem  großen  Publicum  möglichst 
stark  in  die  Augen  fallen. 

Diesen  Zweck  glaubte  man  aber  eher  an  der  vom  75.  Grad 
aufwärts  ganz  unbekannten  ostgrönländischen  Küste,  als  in  dem  wegen 
des  Golfstromes  bedeutend  wichtigem  Meer  zwischen  Spitzbergen  und 
Nowaja-Zemlja  erreichen  zu  können,  in  welchem  geographische  Ent- 
deckungen wenigstens  auf  niedrigen  Breiten  problematisch  sind.  Dies 
war  der  einzige  Grund,  warum  nicht  schon  im  vorigen  Jahr  die  Peter- 
mannische Route  eingeschlagen  wurde. 

Was  aber  das  Comit^  veranlasst  haben  konnte,  die  ursprüngliche 
Route  zu  verwerfen  und  an  ihrer  statt,  trotz  der  im  vorigen  Jahre 
gemachten  traurigen  Erfahrungen,  wieder  die  ostgrönländische  Küste 
als  Schauplatz  für  die  diesjährige  Expedition  zu  wählen,  ist  vor 
der  Hand  schwer  zu  verstehen. 

Wer  mit  den  Verhältnissen  des  arctischen  Meeres  in  jener  Rich- 
tung bekannt  ist,  kann  diesem  Beschluss  unter  der  Voraussetzung, 
dass  der  Hauptzweck  solcher  Expeditionen  die  Ge- 
winnung hoher  Breiten  sein  muß,  nicht  das  Wort  reden. 
Schon  der  einzige  Umstand,  dass  wir  bei  dem  ausgedehnten  Walfisch- 
fange, der  im  Südwest  von  Spitzbergen  getrieben  wird  und  bei  der 
geringen  Entfernung  von  den  größten  europäischen  Häfen  noch  immer 
über  die  dort  herrschenden  Verhältnisse  so  im  unklaren  sind,  wäre 
geeignet,  gerechtes  Bedenken  einzuflößen. 

Die  frühere  Gechichte  dieser  Küste  zeigt,  welche  außer- 
ordentlichen Schwierigkeiten  sie  der  Schiffahrt  bietet.  Bekanntlich  be- 
fanden sich  in  alten  Zeiten  auf  Ostgrönland  bedeutende  norwegische 
Niederlassungen,  so  dass  bis  zum  Jahre  1408  ein  Bischof  daselbst  ein« 
gesetzt  war  und  der  Peterspfennig  erhoben  wurde.  Seit  jenem  Jahre 
aber  fehlen  alle  Nachrichten  von  dieser  Küste,  und  von  den  vielen 
Expeditionen,  die  durch  zwei  Jahrhunderte  von  der  schwedischen  und 
dänischen  Regierung  zu  ihrer  Aufsuchung  ausgerüstet  wurden,  war  nach- 
weislich keine  einzige  mehr  im  Stand  sie  zu  erreichen.  Die  letzte» 
vergeblichen   Versuche    wurden    in   den    Jahren    1786   und   1787   von 


Capitän  Löwenörn  und  Lieutenant  Egede  gemacht;  allein  auch 
sie  konnten  sich  dem  Lande  nicht  mehr  als  bis  auf  30  bis  40  Meilen  *) 
nähern. 

Auf  der  Karte  wurde  diese  Küste  zum  erstenmal  von  dem  be- 
rühmten arctischen Entdecker  Henry  Hudson  fixiert  (im  Jahre  1607) ; 
allein  auch  ihm  war  es  nie  möglich  das  Land  selbst  zu  erreichen,  ob- 
wol  er  es  von  67  Vg  Grad  bis  73  Grad  N.  ablief.  Die  einzigen,  welche 
seit  1-408  nachweislich  Ostgrönland  betraten,  sind  der  jüngere  Scoresby 
als  Capitän  eines  Walfischfängers  im  Jahre  1822  und  Capitän  Clave- 
ring  von  der  englischen  Marine,  behufs  der  Untersuchung  über  Pendel- 
schwingungen durch  General  Sabine  im  Jahre  1823.  Die  Expedition 
von  Graah  1829,  der  von  der  grönländischen  Westküste  aus  mit  zwei 
Weiberbooten  in  zwei  Sommern  die  Ostküste  bis  zu  65  Grad  er- 
forscht«, gehört  nicht  hieher,  da  sie  in  Anbetracht  der  leicht  transpor- 
tabeln  Mittel  eine  Landexpedition  war,  und  außerdem,  wie  gesagt,  nie 
über  65  Grad  N.  hinaus  gelangte. 

Die  diesjährige  Expedition  arbeitet  also  auf  Basis  einer  Küste, 
die  trotz  der  vielfältigsten  angestrengten  Versuche  **)  seit  A^j^  Jahr- 
hnnderten  nur  zweimal  betreten  werden  konnte. 

Hätten  wir  aber  auch  nicht  diese  geschichtlichen  Beweise,  wie 
schwierig  die  Erreichung  und  Beschiffung  dieser  Küste  bis  zu  niedrigeren 
Breiten  herab  ist,  so  geben  uns  schon  ihre  geographischen  und  hydro- 
graphischen Verhältnisse  die  deutlichsten  Fingerzeige  für  die  hier  herr- 
schenden ungünstigen  Zustände. 

Bekanntlich  zieht  zwischen  Spitzbergen  und  Island  auf  der  einen 
und  Grönland  auf  der  andern  Seite  ein  kalter  arctischer  Strom  als 
Ersatz  für  die  durch  den  Golfstrom  dem  Polarbecken  zugeführten  Ge- 
wässer gegen  SW.  Dieser  Strom  beruht  nicht  auf  Theorie,  sondern 
ist  durch  die  mannigfaltigsten  Beobachtungen  seit  den  ältesten  Zeiten 
nachgewiesen. 

Als  schlagende  Beweise  dafür  mögen  einige  eclatante  Beispiele 
dienen. 


*)  So  oft  hier  von  Meilen  die  Rede  ist,  sind  Seen^eilen  (4  =  1  geogra- 
phische Meile)  gemeint. 

**)  Die  geschichtlich  nachgewiesenen  sind:  1578  Magnus  Hennigsen, 
1580 — 83  drei  Reisen  von  Martin  Frobisher,  1605  und  1606  zwei  Reisen 
unter  Admiral  Godske  Lindenan,  im  gleichen  Jahre  Henry  Hudson, 
1^7  Capitän  Hall,  1620  Karsten  Richardson,  1652—53  Capitän 
Danen,  1786  Capitän  Löwenörn,  1787  Lieutenant  Egede.  Außerdem 
▼iele  Versuche  von  Seite  der  grönländischen  Handelsgesellschaften  in  Nor- 
wegen und  Dänemark. 


6 

Im  Jahre  1777  wurde  das  Schiff  Wilhelmine  in  diesen  Ge- 
wässern vom  Eis  besetzt  und  trieb  in  108  Tagen  1300  Meilen  gegen  SW.» 
das  gleiche  widerfahr  Capit&n  Scoresby,  100  Meilen  in  12  Tagen  und  end- 
lich Capit&n  K  0 1  d  e  w  e  y  im  vorigen  Jahre,  etwa  150  Meilen  SSW. 
vom  9.  bis  22.  Jnni.  Im  Loggbnche  des  letzteren  finden  wir  während 
seines  ganzen  Aufenthaltes  in  der  Nähe  der  Efiste  eine  südwestliche 
Strömung  von  11 — 12  Meilen  täglich  *),  die  durch  ihre  Regelmäßigkeit 
die  Grflndlichkeit  der  Beobachtungen  beweist. 

CapitänSir  Edward  Parry  mußte  seine  denkwürdige  Schlitten- 
expedition von  Spitzbergen  aus  aufgeben,  weil  ihn  der  Strom  täglich 
um  fast  ebensoviel  zurückwarf,  als  er  scheinbar  vorrückte.  Die  mühe- 
vollste Anstrengung  der  Mannschaft  vermochte  nicht  seine  beiden  Schiffe 
Dorothea  und  Trent  auf  der  Westseite  von  Spitzbergen  in  ihrer 
Position  zu  erhalten,  wenn  die  Winde  nicht  ganz  günstig  waren.  Die 
nämliche  Stromstärke  beobachtete  Gontreadmiral  Beechey,  einer  der 
gründlichsten  Kenner  dieses  Meeres. 

Ebenso  wie  diese  directen  Beobachtungen  belehren  uns  die  Treib- 
holzmassen, die  alljährlich  auf  Spitzbergen,  Grönland  und  Island  ab- 
gesetzt werden  und  unverkennbar  sibirischen  Ursprunges  sind.  Lord 
Mulgrave  erwähnt  einer  auf  Spitzbergen  beobachteten  langen  Strecke 
von  Treibholz,  die  wenigstens  die  doppelte  Höhe  des  jetzigen  Hoch» 
Wassers  (8*)  erreichte. 

Dieser  Strom  nun  bildet  den  Hauptabzugscanal  des  ganzen  Polar- 
beckens, aus  dem  er  alljährlich  ungeheure  Massen  Eis  längs  der  grön- 
ländischen Küste  gegen  Süden  führt.  Fände  diese  Eisabfuhr  nicht  statt, 
so  müßte  bei  dem  Umstand,  dass  die  Masse  des  im  Winter  hinzu- 
kommenden Eises  größer  ist,  als  des  im  Sommer  schmelzenden,  das 
Polarbecken  schon  seit  langer  Zeit  eine  starre  Eismasse  sein. 

Es  existiert  aber  ein  physikalisches  Gesetz,  dass  um  eine  be- 
stimmte Quantität  Eis  zu  schmelzen  ebensoviel  Wärme  nöthig  ist, 
als  um  28mal  die  gleiche  Quantität  Wasser  um  1  Grad  Fahr,  zu  erwär- 
men. Große  Eismassen  bedingen  also  einen  enormen  Wärmeverlust  der 
Luft  und  des  Wassers,  die  in  steter  Wechselwirkung  zu  einander 
stehen.  Diesem  Gesetz  kann  sich  die  grönländische  Küste  ebenso  wenig 
entziehen  als  irgend  ein  anderer  Ort  der  Welt  und  es  resultiert  daraus» 
dass  ihr  Clima  durch  die  Ungeheuern  längs  derselben  hinziehenden 
Eismassen  stark  herabgedrückt  werden  muß,  wie  dies  z.  B.  in  Island 
erwiesen  ist,  wo  in  den  seltenen  Jahren,  in   welchen  der  kalte  Strom 


*)  Siehe  Petermanns  geograph.  Mittheilnngen  1869,  Heft  6. 


▼iel  Eis  an  der  Nord-  nnd  Westküste  absetzt,  fOr  ein  oder  zwei  Jahre 
w^en  Mangel  an  Weiden  große  Hungersnoth  entsteht  *). 

Die  Wirkung  eines  solchen  kalten  Stromes  sehen  wir  am  dent- 
Uchsten  in  der  Baffinsbay  nnd  der  Davisstraße.  Während  sich  anf  der 
Ostseite  derselben  im  Bereich  des  schmalen  Streifens  wärmerer  Nord» 
Strömung  die  dänischen  Colonien  in  blühendem  Zustand  erhalten,  ist 
die  unter  dem  Einflnss  des  entgegengesetzten  kalten  Stromes  liegende 
Westseite,  die  Küste  von  Meta  incognita,  Cnmberland  etc., 
eine  trostlose,  w^en  des  Eises  ganz  unnahbare  Einöde,  und  es  werden 
hier  die  Isothermen  mehr  als  an  irgend  einem  andern  Punct  der 
Erde  herabgedrückt 

Ostgrönland  und  diese  Küste  zeigen  uns  die  nämlichen  hydro- 
graphischen Verhältnisse.  Nur  genießt  ersteres  den  Yortheil  seiner  näheren 
Lage  am  Golfstrom,  der  seinen  erwärmenden  Einfluss  noch  weit  über 
seine  Gränzen  ausdehnt,  bietet  aber  dafür  wieder  den  großen  Nachtheil 
dass  seine  Küste  außerordentlich  hoch  **)  und  mit  Gletschern  bedeckt 
ist  und  wegen  ihrer  zerrissenen  fjordreichen  Natur,  ähnlich  der  nor- 
w^^hen,  dem  Ansatz  des  durch  die  Strömung  zugeführten  Eises 
anfiergewöhnlichen  Vorschub  leistet. 

Das  Bremer  Gomit^  reflectiert,  wie  schon  erwähnt,  auf  die  Existenz 
des  Landwassers  und  stützt  seine  Ansicht  über  die  Schiffbarkeit  dieser 
Koste  hauptsächlich  auf  die  Erfahrungen  von  Scoresby  und  Gl a ve- 
rtag. Ersterer  hat  allerdings  an  zwei  Stellen  gelandet  und  meint  am 
Schluss  der  Beschreibung  seiner  Reise,  dass  es  ihm  vielleicht  möglich 
gewesen  wäre  in  noch  drei  bis  vier  Wochen  längs  der  Küste  südlich 
Iris  G.  Farewell  zu  gelangen.  Liest  man  aber  das  ganze  Werk  mit 
Aofinerksamkeit,  so  erlangt  man  die  allemngünstigsten  Ansichten  von  den 
Eisverbältnissen  und  der  Schiffbarkeit  des  Meeres. 

Es  würde  zu  weit  führen  diese  Behauptung  durch  Gitate  aus  den 
Angaben  über  die  Eisverhältnisse  in  der  Nähe  des  Landes  beweisen  zu 
wollen.  Meistens  wird  das  Eis  als  20 — 30  Meilen  zur  Küste  fest- 
liegend und  undurchdringlich  bezeichnet***).  Nur  vom  20.  bis  28.  Juli 
sind  die  Eisverhältnisse  in  der  Nähe  des  G.  Brewster  (70  Grad  N.) 
gflnstig,  welche  Zeit  zur  Untersuchung  des  Sc orcsby- Sundes  und  der 
Biehstliegenden  Küste  verwendet  wurde.   Hier  trifft  er  zum  ersten  und 


*)  Siehe  Dove,  Vertheilung  der  Wärme  auf  der  Erdoberfläche. 

**)  Nach  Scoresby  durchschnittlich  3000'  auf  wenig  Meilen  von  der 
Küste  entfernt. 

•*0  Siehe  Scoresby  Reise,  Seite  106,  116,  117,  118,  139,  150,  20i,  208, 
312,  221,  249,  252,  297,  304. 


^inzigenmal  schiffbares  Landwasser.  Das  zweitemal  wurde  das  Land  bei 
Davis -Sund  (72  Grad  N.)  angelaufen  und  betreten,  wobei  fast  das 
Schiff  und  die  Boote  eingebaßt  wurden. 

Characteristisch  für  die  Schwierigkeit  der  Beschiffung  ist  die 
außergewöhnliche  Menge  von  Eisbergen,  die  Scoresby  erwähnt,  so 
oft  er  in  die  Nähe  der  Küste  kam,  so  (Seite 221)  bei  C.  Brewster, 
(Seite  249)  eine  so  außerordentliche  Masse,  dass  er  genöthigt  war, 
30  Meilen  weit  vom  Lande  abzustehen  (Seite  252),  500  Eisberge  vonoi 
Marse  aus  gezählt  (Seite  305)  etc.  etc.  Er  erklärt,  während  seiner 
langen  Dienstzeit  als  Walfischfänger  nirgends  noch  so  viel  und  so  große 
Eisberge  beisammen  gesehen  zu  haben,  als  an  dieser  Küste  (Seite  208). 

Das  Wetter  schildert  er  in  diesen  Gegenden  in  den  Monaten 
Juni  und  Juli  als  vorzüglich  schön,  allein  gerade  diese  zwei  Monate 
sind  für  die  Schiffahrt  im  Eise  die  ungünstigsten,  da  das  frisch  aufge« 
brochene  und  noch  nicht  geschmolzene  Eis  am  meisten  in  Bewegung  ist. 
Die  günstigsten  Monate,  d.  i.  August  und  September,  werden  dagegen 
durch  anhaltend  schwere  Stürme  höchst  unsicher  gemacht.  Scoresby 
schreibt  hierüber :  „Diese  Stürme,  die  wahrscheinlich  unmittelbar  an  der 
Küste  am  heftigsten  sind,  waren  diesmal  alle  aus  Nord,  und  sie 
waren  so  vorherrschend,  dass  sie  in  einer  Zeit  von  16  Tagen  sechs 
volle  Tage  bliesen.  Bei  solchen  Stürmen  ist  es  für  menschliche  Macht 
kaum  möglich  ein  Schiff  zwischen  dem  Eis  mit  Einiger  Sicherheit  zn 
regieren,  selbst  nicht  am  hellen  Tag  und  bei  ebenem  Wasser,  ge- 
schweige in  der  Finsternis  der  Nacht  und  bei  wogendem  Meere.  ^  Diese 
eigene  Erfahrung  wurde  ihm  später  in  einem  Brief  von  dem  Capit&n 
eines  Walfischfängers,  der  noch  später  als  er  selbst  in  der  Nähe  von 
Grönland  verweilt  hatte,  vollkommen  bestätigt. 

Die  ganz  gleiche  Erfahrung  hat  auch  Koldewey  im  vorigen 
Jahr  gemacht.  Die  schwersten  Wetter  hatte  er  im  August  unter  dieser 
Küste  auszuhalten. 

Eine  weitere  Beobachtung,  die  Scoresby  gemacht  haben  will 
und  die  auch  nicht  zu  Gunsten  der  Schiffbarkeit  spricht,  ist  das  Ab- 
und  Einströmen  der  Gewässer  von  und  in  die  Buchten  der  Küste. 
Ersteres  findet  nach  ihm  in  den  Monaten  Juni  und  Juli,  letzteres  im 
August  und  September  statt  Hierdurch  wird  die  große  Masse  von  Eis, 
die  vorher  ostwärts  hinausgeschoben  war,  in  den  günstigsten  Monaten 
gegen  das  Ufer  getrieben  und  dort  angehäuft.  Dieser  Beobachtung  kann 
man  jedoch  keinen  zu  großen  Wert  beilegen,  um  Schlüsse  für  das  ganze 
Jahr  zu  ziehen,  da  er  sich  viel  zu  kurze  Zeit  (nur  8 — 10  Tage)  dicht 
unter  der  Küste  aufhielt,  wo  nur  eine  derartige  Strömung  bemerkt 
werden   kann.     Außerdem    bezeichnet   er   aber   gerade   in   den   ersten 


Monaten,  bis  zur  Hälfte  Juli,  das  Eis  als  festliegend  und  vollkommen 
nndarchdringlich. 

Die  schöne  Schilderung  von  der  Fruchtbarkeit  und  der  großen 
Hitze  im  Scoresby- Sunde,  die  man  mit  Vorliebe  benutzt  hat,  um 
das  Clima  dieser  (regend  zu  kennzeichnen  *) ,  wird  durch  die  gleich 
darauf  folgende  Bemerkung,  dass  während  die  Temperatur  am  Lande 
70  Grad  Fahr,  war,  das  Thermometer  an  Bord  selbst  in  der  Nähe  des 
Ufers  nie  Aber  40  Grad  stieg**),  genügend  richtiggestellt.  £s  ist  sehr 
leicht  denkbar,  dass  zur  Zeit,  wo  die  Sonne  wochenlang  nicht  unter^ 
geht,  bei  zufällig  anhaltend  heiterem  Himmel  an  einzelnen  vor  Luftzug 
geschätzten  Stellen  eine  solche  Absorption  der  Stralen  stattfindet ,  dass 
ihr  Effect  trotz  der  in  der  Nähe  befindlichen  Eismassen,  besonders 
wegen  seiner  Ungewohutheit,  lästig  und  drückend  werden  kaim.  Ganz 
die  nämliche  Erscheinung  hat  Dr.  Hayes  im  Walfischsund,  am  Ein- 
gang des  Smith -Sundes  beobachtet.  Es  wird  aber  gewiss  niemanden 
einfallen  daraus  einen  günstigen  Schluss  auf  das  Clima  des  Smith- 
Sundes  zu  ziehen,  das  bekanntlich  eines  der  kältesten  ist,  oder  gar 
nach  den  frühern  traurigen  Erfahrungen  wegen  „der  schönen  grünen 
Wiese,  der  Schmetterlinge  und  Mücken^  im  Walfischsunde  eine  See- 
expedition diesen  Weg  nehmen  zu  lassen. 

Was  hier  kurz  angeführt  wurde  genügt,  um  zu  zeigen,  dass 
die  Angaben  von  Scoresby  gewiss  nicht  zu  Gunsten  der  ostgrönlän- 
difichen  Route  sprechen.  Die  Resultate,  die  er  erlangt  hat,  sind  so  groß, 
als  man  sie  unter  so  ungünstigen  Umständen  nur  erwarten  konnte  und 
es  wäre  von  einem  bloß  zu  Entdeckungszwecken  ausgerüstetem  Schiff 
schwerlich  mehr  erreicht  worden.  Ein  zweimaliges  Anlaufen  des  Landes 
md  die  k  la  vue  Aufnahme  desselben  auf  eine  durchschnittliche  Ent- 
fernung von  20  Meilen  wäre  aber  für  eine  so  kostspielige  Expedition, 
wie  die  diesjährige  deutsche,  ein  vollkommener  Mißerfolg. 

Außerordentlich  zu  Gunsten  der  ostgrönländischen  Route  spräche 
die  Expedition  von  Clavering  1823.  Diese  fand  auf  ihrem  Wege  von 
Spitzbergen  nach  der  Pendulum-Insel,  ebenso  wie  während  ihres 
sechswöchentlichen  Aufenthaltes  daselbst,  fast  gar  keine  SUndemisse  von 
Belang.  Die  Erklärung  dieses  merkwürdigen  Umstandes  findet  man  aber 
in  einem  Schreiben  des  General  Sabine  vom  12.  Februar  1868  an 
Dr.  Petermann  ***),  worin  er  mit  Nachdruck  hervorhebt,  dasa 
während   der  ganzen  Reise  von  Spitzbergßn  nach  Grönland    und   längs 


*)  Siehe  Petermanni  geograph.  Mittheilungen  1868,  Heft  6. 
**)  A.  a.  0.  Seite  336. 
)  Petermanns  geograph.  Mittheiiungen  Heft  6,  1868,  Seite  18. 


10 

dieser  Küste  gar  keine  Strömnng  beobachtet  worden  sei,  obwol  drei 
oder  vier  erfahrene  Seeofficiere  unaasgesetzt  Beobachtungen  angestellt 
hätten.  Nun  ist  aber  die  arctische  Strömung  Iftngs  Ostgrönland  eine 
durch  die  vielfältigsten  Beobachtungen  so  sicher  constatierte  und  über 
aUe  Zweifel  erhobene  Thatsache,  dass  durch  das  Ausbleiben,  oder 
wenigstens  die  geringere  Kraft  derselben,  das  Jahr  1823  als  ein  ganz 
anormales  hingestellt  und  zugleich  durch  die  günstigen  climatischen  und 
Eisverhältmsse  in  diesem  Jahre  der  außerordentlich  ungünstige  Ein- 
fluss  dieses  kalten  Stromes  auf  seine  Umgebung  bewiesen  wird.  Es 
müßte  sehr  interessant  sein,  wenn  man  das  Verhalten  des  Golfstromes, 
der  bekanntlich  auch  grossen  Fluctuationen  unterworfen  ist,  im  gleichen 
Jahre  und  die  Eisverhältnisse  in  den  Spitzbergischen  Gewässern  im 
folgenden  nachträglich  untersuchen  könnte,  da  man  vorussetzen  muß, 
dass  wegen  Mangels  an  Eisabzug  im  Jahre  1823  das  folgende  Jahr  ein 
außergewöhnlich  ungünstiges  gewesen  ist. 

Auf  ein  Jahr  mit  so  anormalen  Witterungsverhältnissen  darf  man 
nicht  reflectieren;  denn  ebenso  gut  wie  dieselben  sich  anormal  günstig, 
können'  sie  sich  auch  anormal  ungünstig  gestalten.  Es  ist  immer  die- 
jenige Route  zu  wählen,  auf  welcher  sich  unter  normalen  Yerhlätnissen 
die   günstigsten  Erscheinungen  am  Clima  und   Eis   voraussetzen  lassen. 

Die  Erfahrungen  der  vorjährigen  Expedition  sind,  wie  bekannt,  die 
allerungünstlgsten  und  es  ist  nicht  zu  begreifen,  wie  Gapitän  Koldewey, 
der  sich  als  tüchtiger  Seemann  und  guter  Beobachter  erwiesen  hat, 
auf  Grund  dieser  Erfahrungen  auf  derselben  Route  bestehen  konnte. 
Ich  muß  nämlich  annehmen,  dass  sie  ohne  seine  Befürwortung  und  seine 
vollkommene  Zustimmung  nicht  gewählt  worden  wäre. 

Es  war  ihm  nicht  möglich,  dem  Lande  näher  als  50  Meilen  za 
kommen  *)  und  er  hat  nach  seiner  Rückkehr  öffentlich  erklärt,  dass  das 
vorliegende  Eis  eine  zusammenhängende  bis  zur  Küste  festliegende 
Masse  gewesen  sei  **),  unter  anderen  an  der  nämlichen  Stelle,  wo 
Clavering  1823  so  außergewöhnlich  günstige  Zustände  traf. 

Man  hat  die  Schuld  dieses  Mißerfolges  auf  die  anormalen  Wetter- 
verhältnisse des  vorigen  Jahres  schieben  wollen;  allein  es  hat  sich 
durch  die  Zusammenstellungen  des  Birectors  der  norddeutschen  See- 
warte, W.  von  Freeden,  herausgestellt,  dass  wenigstens  die  Winde 
«nd  Strömungen,  d.  i.  die  Hauptfactoren  der  jeweiligen  Eisverhältnisse 
durchaus  normaler  Natur  waren.  Allerdings  sind  die  täglichen  mittleren 


*)  Siehe  die  Curskarte  in  Petermanns  geograph.  Mittheilungen  1869, 
Heft  6. 

*«)  Siehe   die  Weser  Zeitung  vom  12.  October  1868. 


11 

Temperaturen  um  1*77^  im  Mittel  zu  gering  gegen  die  von  Dove  für 
die  gleichen  Orte  berechneten.  Aber  erstens  hat  die  Luftwärme  bei 
weitem  nicht  den  entscheidenden  Einfiuss  auf  die  Eiszustände  einer 
Kflste,  wie  Wind  und  Strömung,  und  zweitens  ist  zu  bedenken,  dass 
die  Doveschen  Isothermen  fflr  diesen  Meeresstrich,  bei  dem  absoluten 
Mangel  an  yerlässlichen  Beobachtungen,  mehr  ein  Resultat  der  Theorie 
als  der  directen  Beobachtung  sind.  Man  kann  sie  deshalb,  wenigstens 
hier,  nicht  als  unfehlbaren  Maßstab  annehmen.  Director  Freeden 
spricht  selbst  die  Ansicht  aus,  dass  quantitativ  nicht  mehr  Eis  vor  der 
Kflste  gestanden  habe,  als  in  anderen  Jahren,  nur  scheine  es  durch  die 
geringere  Sommerwärme  härter,  fester  geblieben  und  durch  häufige 
NO.  Winde*)  compacter  zusammengedrängt  gewesen  zu  sein. 

Die  Erfahrungen  des  Jahres  1868  hätten  dem  Bremer  Comit6  bei 
der  Wahl  der  Route  warnend  vor  den  Augen  stehen  sollen. 

Das  sogenannte  Landwasser,  welches  von  den  beiden  Schiffen  be- 
nutzt werden  soll,  ist  der  mehr  oder  weniger  breite  Streifen  schiff- 
bareren Wassers,  der  sich  an  vielen  Küsten  zwischen  dem  festliegenden 
Landeise  und  der  in  fortwährender  Bewegung  befindlichen,  in  See 
sehwinmienden  Masse  findet.  Der  eigentliche  Grund  zur  Bildung  des- 
selben ist  nicht  sicher  constatiert,  wird  aber  wahrscheinlich  theilweise  in 
den  vorherrschenden  Winden,  theilweise  in  dem  vom  Lande  abfließen- 
den sOßen  Wasser  liegen,  welches  durch  das  Schmelzen  des  Schnees 
und  Eises  erzeugt  wird. 

Dieses  Landwasser  findet  sich  aber  durchaus  nicht  an  allen 
Kästen  und  nur  höchst  selten,  an  den  gegen  Osten  liegenden. 

Es  muß  jedem,  der  sich  mit  den  geographischen  und  hydro- 
graphischen Verhältnissen  des  Polarbeckens  vertraut  gemacht  hat,  auf- 
&llen,  welch'  außerordentlicher  Unterschied  zwischen  den  gegen  Osten 
imd  den  gegen  Westen  offenen  Ktlsten  in  Bezug  auf  Eis  und  Clima 
herrscht.  Im  arctischen  Gebiete  gibt  es  kein  einziges  Land  und  fast 
keine  Insel,  deren  Westküste  nicht  bedeutend  günstigere  Zustände  zeigte, 
als  die  Ostküste.  Die  Behrings  -  Straße ,  die  ganze  Küste  von  Sibirien, 
Nowaja-Zemlja,  Spitzbergen,  Grönland,  die  an  der  Baffinsbay  und 
Davis-Straße  liegenden  Küsten,  sie  alle  lehren  uns  das  gleiche.  Sogar 
im  Inselgewirr  des  nordamericanischen  Archix)els,  trotz  der  großen 
localen  Einflüsse  wiederholt  sich  die  nämliche  Thatsache  und  die  meisten 


*)  „Die   Windrichtung   kann   kaum   eine  anormale    genannt  werden.*' 
Petermanns  geograph.  Mittheilungen  1869,  Heft  6,  Seite  212. 


12 

der  engen  Canäle  und  Straßen  desselben  sind  von  Westen  aus  za* 
gänglich,  gegen   Osten  mit   Eis   verstopft  *). 

Man  studiere  irgend  eine  arctiscbe  Expedition  und  man  wird 
stets  dieselbe  Erfahrung  bestätigt  finden.  Am  auffallendsten  zeigt  sich 
der  Unterschied  bei  Nowaja-Zemlja,  Spitzbergen  und  in  der  Davis- 
Straße,  d.  h.  dort,  wo  sich  ausgedehntere  Meere  befinden,  deren  Ein- 
flüsse nicht  durch  locale  Ursachen  abgeschwächt  werden.  An  diesen  drei 
Orten  bieten  die  gegen  Westen  gelegenen  Küsten  wenig  oder  gar 
keine  Hindemisse,  während  die  gegen  Osten  gelegenen  absolut  unnah-- 
bar  sind.  Spitzbergen  ist  im  Westen  in  jedem  Jahre  ohne  die  ge- 
ringste Schwierigkeit  zu  erreichen;  seine  Ostseite  dagegen  ist  nach- 
weislich noch  nie  betreten  worden.  Das  gleiche  ist  auf  Nowaja-Zemlja 
der  Fall.   Die  Verhältnisse  der  Davis-Straße  wurden  schon  oben  berührt. 

Diese  Gleichmäßigkeit  der  Eisauhäufung  auf  der  einen  und  des 
verhältnißmäßig  freieren  Fahrwassers  auf  der  anderen  Seite  unter  den 
verschiedensten  Umständen  und  an  den  verschiedensten  Küsten  kann 
aber  nicht  bloß  eine  Sache  des  Zufalles,  sondern  muß  die  Wirkung 
eines  allgemeinen   Naturgesetzes  sein  **). 

Jede  Strömung,  sei  es  der  Luft  oder  des  Wassers,  die  von  Nor- 
den gegen  Süden  zieht,  erhält  wegen  der  Kotation  der  Erde  eine 
Abweichung  gegen  Westen,  die  um  so  größer  wird,  in  je  niedrigere 
Breiten  sie  gelangt.  Das  Umgekehrte  findet  bei  den  von  Süden  gegen 
Norden  laufenden  Strömungen  statt.  In  Folge  dessen  müßen  im  all- 
gemeinen die  Ostküsten  viel  mehr  von  den  polaren  Strömungen  ge- 
troffen werden,  als  die  entgegengesetzten,  und  da  jede  solche  eine 
bedeutende  Masse  Eis  mit  sich  führt ,  während  die  äquatoriale  frei 
davon  ist,  so  muß  auch  der  Absatz  desselben  in  den  Ostküsten  stär- 
ker sein,  als  an  den  gegen  Westen  gelegenen  und  mehr  den  äquatorialen 
Strömungen   ausgesetzten.    Wahrscheinlich   wird   auch  der  Wind,  dessen 


•)  So  z.  B.  die  Banks-Straüe,  Mc.  Clure-Straße,  Delphin-  und 
Union -Straße,  d.h.  die  äußeren  Zugänge  von  Westen  in  den  americanischen 
Archipel.  (Expeditionen  von  Mc.  Clure  und  Collinson.)  Im  engen  Wel- 
lington Canal  ist  die  gegen  West  liegende  Küste  fahrbar,  die  entgegen- 
gesetzte nicht.  (Su:  Bete  her.) 

Es  wäre  leicht,  wenn  es  der  Raum  gestattete,  durch  Aufzählung  der 
einzelnen  Küsten  und  Wasserstraßen  die  hier  aufgestellte  Behauptung  bis  in 
das  Detail  zu  beweisen.  Sie  muß  sich  unwillktLrlich  jedem  aufdrängen,  der 
verschiedene  arctische  Reisebeschreibungen  mit  Aufmerksamkeit  gelesen  hat. 

**)  Welches  dieses  ist^  gehört  eigentlich  nicht  hieher.  Die  wahrscheinliche 
Ursache  wird  nur  kurz  angedeutet,  um  dieses  bisher  nur  wenig  beachtete  in- 
teressante Zusammentreffen  auch  theoretisch  nicht  unbegründet  zu  lassen. 


13 

allgemeine  Richtung  in  den  höheren  Breiten  mehr  östlich  als  west- 
lich   zu    sein   scheint  *) ,   seinen    Theil    daran  haben. 

Welches  aber  auch  der  Grund  sein  möge,  das  Factum  existiert 
und  kann  nicht  weggeläugnet  werden,  und  ganz  demselben  entsprechend 
findet  sich  das  genannte  Landwasser  fast  immer  nur  an  den  West- 
küsten der  Länder.  Es  lässt  sich  voraussetzen,  dass  Ostgrönland  hier- 
von keine   Ausnahme   macht. 

Man  kann,  wenn  man  auch  von  den  Beobachtungen  des  jün- 
geren Scoresby  und  der  vorjährigen  Expedition  absieht,  auf  Grund 
dieser  Erfahrung  Annehmen,  dass  an  dieser  Kaste  ein  eigentliches 
Landwasser,  wie  es  unter  Westgrönland  immer  existiert,  nicht  vorkommt, 
sondern  dass  sich  das  Eis,  den  Winden,  und  dem  hier  so  starken 
Strome  gehorchend,  in  fortwährender  Bewegung  befindet  und  den  Schiffen 
zwar  zeitweisen  Zulass  zu  der  Küste  gewährt,  sie  aber  die  meiste 
Zeit  von   derselben   ausschließt. 

Diesen  veränderlichen  Zustand  des  Eises  erwähnt  auch  Scoresby. 
Er  schreibt  Seite  326:  „Am  12.  August  konnte  man  bei  C.  Moorsom 
noch  ungehindert  an  das  Ufer  kommen,  am  15.  aber  hinderte  uns 
die  Menge  des  eingedrungenen  Eises,  der  Insel  Trai  11  auf  14  Meilen 
nahe  zn  kommen  und  am  20.  waren  wir,  in  dem  Eingang  zum  Davis- 
Sunde   genöthigt^   uns   auf  20  Meilen  vom  Lande   entfernt  zu   halten.^ 

Dass  diese  Küste  stellenweise,  aber  auch  nur  stellenweise  frei 
ist,  hat  sich  auch  im  vorigen  Jahr  gezeigt.    Der  schottische  Walfisch* 


^  Eine  Zusammenstellung  der  von  den  verschiedenen  arctischen  Ex- 
peditionen beobachteten  Winde  existiert  noch  nicht.  Die  mittlere  Windrichtung 
der  voijährigen  Expedition  war  N.  31  Grad  0.,  ähnlich  der  von  Parry  in  dea 
Spitzbergischen  Gewässern  beobachteten ,  der  das  Yerhältnis  der  ostlichen  zu 
den  westlichen  Winden  wie  46  zu  37  erhielt. 

An  der  Grenze  der  gemäCigten  Zone  sind  die  Ostwinde  sicher  die  vor- 
herrschenden. So  geben  dieSailingDirections  des  nordatlantischen  Oceans 
den  Segelschiffen  zur  Ueberfahrt  von  England  nach  Nordamerica,  um  den 
großen  Umweg  bis  zum  NO.  Passat  zu  vermeiden,  als  gtlnstigste  Route  die 
hn  größten  Kreise  an,  die  über  GC^Grad  N.  hinaus  führt.  U.  a.  heißt  es  da* 
selbst:  „The  !k»'York  packet  ships,  vhen  making  their  wmter  myages  from  Liverpool^  kept 
m  hiqfi  latäudcs  unlU  nearing  fiewfoundhnd,  Th%s  ihry  did  for  Uic  twofold  objeci  of  avokUng 
tke  tempcsluous  leealher  so  generalhj  expcrienced  to  Ute  soulhward  and  of  oblaining  fairer 
wiads  .... 

The  voyage  by  Ihis  roule  is  ihortened,  and  allhough  bad  weathcr  mtuit  be  cxpeclcd  U  ii 
wd  sc  vkflenl  as  further  South  .... 

The  bcfl  passagcs  have  beett  made  by  pursuing  a  high  northerly  courte/*' 

{Sailing  Direclms  of  the  North- Atlantic  ocean, 
by  John  Turdy,  improved  by  A.  Finlay,) 


14 

fahrer  David  Gray  *j  hatte  mit  großen  Kosten  im  vergangenen 
Frühjahre  einen  Dampfer  aasgerüstet,  um  den  Walfischfang  mit  wissen- 
schaftlichen Zwecken  zu  vereinigen.  Sein  Hauptziel  war,  sich  zu  ver- 
sichern, ob  längs  der  ostgrönländischen  Küste  sich  ein  Weg  gegen 
den  Nordpol  bahnen  lasse.  Zur  gleichen  Zeit,  als  sich  Koldewey  dort 
befand,  drang  er  bis  zum  Land  vor,  mußte  aber  wegen  des  Eises 
jede    Hoffnung  auf  weitere  Resultate  aufgeben. 

Trifft  die  diesjährige  Expedition  nicht  ganz  normale  Wetter- 
verhältnisse, was  jedoch  jeder  wünschen  muß,  der  sich  für  arctische 
Forschung  interessiert,  so  wird  das  voraussichtliche  Resultat  sein,  dass 
sie  zwar  die  Küste  an  einzelnen  Stellen  für  kurze  Zeit  berührt, 
sich  aber  im  allgemeinen  auf  größere  Distanz  halten  muß,  da 
sie  das  Landwasser,  auf  welches  man  rechnet,  höchst  wahrscheinlich 
nicht  finden  wird.  Kann  eine  Ueberwinterung  an  dieser  Küste  effec- 
tuiert  werden,  was  vor  der  Hand  noch  zweifelhaft  ist,  so  würde  sie  unter 
ungünstigen  Umständen,  ähnlich  denen  von  Mc.  Clure  auf  Banks- 
Land,  stattfinden  und  allerdings  sehr  schätzbare  Resultate  ergeben, 
da  wir  dadurch  ein  durch  seine  hydrographisch  eigenthümlichen  Ver- 
hältnisse wichtiges  Glied  mehr  in  der  Kette  der  Beobachtungsstationen 
erhielten. 

Eines  lässt  sich  aber  fast  mit  Bestimmtheit  voraussagen,  d.  i. 
dass  man  auf  diesem  Wege  höhere  Breiten,  als  bis 
jetzt  geschehen,  nicht  erreichen  wird  — und  dies  muß  doch 
der  erste  Zweck  einer  E}'pedition  sein,  deren  Aufgabe  die  Lösung 
der  Polarfrage  ist  **J. 

Geographische  Detaüforschung  und  deutsche  Nomenclatur  ""''*)  an 
einer  Küste,  für  welche  nur  die  Wissenschaft  Interesse  hat,  müssen 
gegen  diesen  Zweck  ganz  in  den  Hintergrund  treten  und  können  ihm 
nur  im  Wege  stehen.  Die  geographische  Forschung  im  Großen  genügt 
in  den  arctischen  Regionen  vollkommen,  die  Detaüforschung  nimmt  zu 
viel  Zeit  weg.  Diese  ist  bei  der  Kürze  der  Jahreszeit,  welche  die 
Schiffahrt  erlaubt,   kostbar. 


*)  Siehe  dcu  Sitzungsbericht  der  Londoner  geograph.  Gesellschaft  vom 
10.  Februar  1868. 

**)  Siehe  die  Instructionen  §.  2  und  §.  19. 

***)  Dass  man  hieran  mit  Vorliebe  denkt,  zeigt  die  vorjährige  Taufe  einer 
„defiitschen  Bucht^  und  eines  „König  Wilhelm-Caps"  auf  Spitzbergen,  die  von 
den  Schweden  während  ihrer  vier  letzten  Expeditionen  wegen  ihrer  ünbedeu- 
tendheit  gar  nicht  beachtet  worden  waren. 


15 

Die  Uebernsintenuig  auf  Grönland  wfirde  zwar,  wie  gesagt,  nicht 
zu  unterschätzende  wissenschaftliche  Resultate  ergeben ;  aber  man  han- 
delt dadurch  gegen  einen  der  Hauptgründe,  die  man  früher  angeführt 
hat,  um  die  Wichtigkeit  des  Spitzbergischen  Meeres  für  polare  For- 
schung darzulegen,  d.  i.  die  Nähe  desselben  an  den  europäischen 
Häfen  und  seine  Zugänglichkeit,  und  die  daraus  erwachsende  Mög- 
lichkeit, mit  bloßen  Sommerexpeditionen  die  nämlichen  Resultate  er- 
reichen zu  können,  wie  in  Meeren,  die  wegen  ihrer  großen  Entfernung 
jedesmal  eine  Ueberwinterung  bedingen.  Abgesehen  von  der  größereu 
Gefährlichkeit,  die  in  den  Augen  des  die  Mittel  liefernden  großen 
Publicums  vor  allem  zu  berücksichtigen  ist,  verlangt  eine  Ueberwin- 
terung  unverhältnismäßig  größere   Auslagen. 

Die  Yortheile,  welche  durch  eine  solche  erzielt  werden,  liegen 
außer  in  den  rein  wissenschaftlichen  Beobachtungen,  hauptsächlich  in 
den  Schlittenexpeditionen,  die  im  Herbst  und  Frühjahr,  so  lange  das 
Eis  fest  ist,  unternommen  werden  könneo.  Nun  finden  sich  aber  in 
dem  Kostenanschlage  der  Expedition  nur  210  Thaler  *)  für  Boote  nebst 
Inventar,  für  Schlittenausrüstung  gar  nichts.  Diese  Summe  ist  so  gering, 
das8  man  sie  entweder  bedeutend  überschritten  haben  muß,  oder  gar 
nicht  aaf  Expeditionen  mit  Bootsschlitten  reflectiert.  Auf  keinen  Fall 
kann  man  mit  den  für  diese  Summe  gelieferten  Mitteln  ausgiebige 
Schlittenexpeditionen  unternehmen,  wodurch  der  Hauptzweck  der  Ueber- 
winterung  wegfällt. 

Im  Falle  auf  Grönland  nicht  überwintert  werden  könnte,  hat 
man  vor,  es  auf  Spitzbergen  zu  thun.  Eine  solche  Ueberwinterung 
ä  tout  prix  wäre  absolut  zwecklos.  Spitzbergen  ist  uns  in  jeder  Be- 
ziehung besser  bekannt,  als  irgend  eine  andere  Insel  des  aretischen 
Gebietes.  Die  Schweden  haben  es  in  den  letzten  Jahren**)  mit  be- 
kannter Gründlichkeit  so  durchforscht,  dass  die  diesjährige  Expedition 
nur  die  par  wissenschaftlichen  Brosamen  auflesen  könnte,  die  den 
Schweden  entfallen  sind.  Hierzu  hat  man  keine  80.000  Thaler  nöthig. 
Will  man  Winterbeobachtungen  daselbst  machen,  so  genügt  es,  die 
Beobachter  im  Herbst,  mit  dem  nöthigen  versehen,  auszusetzen,  um 
sie  im   Frühjahr  wieder   abzuholen. 

Die  projectlerte  Gradmessung  halte  ich  fär  ein  Ding  der  Unmög- 
lichkeit. Dazu  gehört  eine  nurzudiesem  Zwecke  ausgerüstete  Expe- 
dition. Wer  den  Vorgang  bei  einer  solchen  Arbeit  kennt,  der  weiß 
recht  gut,    welche   Genauigkeit,   Pedanterie   und   Zeit    unter  gewöhn- 


*)  Siehe  Mittheilungen  des  Bremer  Comites  Nr.  III,  vom  22.  Mai  1869. 
•♦)  1858    unter    Torell,    1861  vollständige  Detailaufnahme,    1864  und 
1868  Nordenskjöld. 


16 

liehen  Umständen  dazu  erforderlich  ist  und  kann  sich  vorstellen,  welche 
Schwierigkeiten  im  hohen  Norden  zu  überwinden  sind  *).  In  den 
wenigen  und  kurzen  Tagen  des  Frühjahres  und  Herbstes,  welche  die 
Arbeit  im  Freien  gestatten,  ist  es  unmöglich,  dieselben  zu  bewältigen* 
Der  Sommer  kann  zu  dieser  Arbeit  nicht  benützt  werden ,  weil  die 
Schiffe  diese  Jahreszeit  zur  Erreichung  ihres  Hauptzweckes  verwenden 
müßen  und  deshalb  nicht  stationär  bleiben  können.  Ueberdies  bietet  die 
Ostküste  von  Grönland  wegen  ihrer  außerordentlichen  Steilheit  und  Zer- 
rissenheit ein  sehr  ungünstiges  Terrain  für  eine  Gradmessung.  Sibiriea 
z.   B.   wäre   weit  geeigneter   dazu. 

Die  Expedition  ist  für  ihren  speciellen  Zweck  überhaupt  etwas^ 
zu  gelehrt  ausgerüstet.  Die  vielen  wissenschaftlichen  Begleiter  (sechs 
Personen)  können  unmöglich  fortwährende  Beschäftigung  haben  und 
dürften  bei  manchem  Anlass  hindernd  im  Wege  stehen  oder  zu  einer 
Beschäftigung  bemüßigt  werden,  die  ihrer  eigentlichen  Mission  fremd 
ist.  Schon  das  gewöhnliche  Leben  zur  See  ist  ein  so  sehr  von  allem 
anderen  verschiedenes,  dass  derjenige,  welcher  nicht  von  Jugend  anf 
dazu  erzogen  ist,  oft  Jahre  lang  braucht,  ehe  er  sich  an  dasselbe 
gewöhnt;  wie  viel  mehr  wird  dies  bei  einer  so  schwierigen  Expe- 
dition der  Fall  sein  und  welche  Disonanzen  werden  aus  diesem  Um- 
stände hervorgehen.  Drei  Begleiter  wären  vollkonmien  hinreichend  ge- 
wesen; den  Raum  für  die  übrigen  hätte  man  mit  wenigstens  fünf 
Matrosen  ausfüllen  können,  die  der  Expedition,  da  sie  nur  eine  ge- 
ringe Bemannung  hat,  bei  den  Boots-  und  Schlittenexpeditionen  größere* 
Dienste  leisten  konnten. 

Die  Schiffe  scheinen  für   ihren  Zweck  practisch   gebaut    und  gut 
ausgerüstet  zu  sein.   Um  so  mehr  ist  es  zu  bedauern,   dass  man  die 
ursprüngliche  Boute,  welche  weit  größere  Erfolge  versprach,  aufgegeben 
und  dafür  eine  andere  eingeschlagen  hat,    die,  wie  gezeigt  worden  ist^ 
so   ungünstige  Verhältnisse   bietet. 

Welche  aber  auch  immer  die  Umstände  sein  mögen,  unter  denen» 
die  Expedition  abgegangen  ist,  es  muß  ihr  jeder,  der  an  dem  Fort» 
schritt  der  Wissenschaft  Theil  nimmt,  von  Herzen  Glück  bei  ihrem 
Unternehmen  wünschen.  Bei  Polarexpeditionen  spielt  der  Zufall  die  größte- 
Rolle ;  der  momentane  Zustand  des  Eises  an  einem  Orte  kann  manch- 
mal für  den  ganzen  Ausgang  entscheidend  sein.  Wir  wollen  hoffen,, 
dass   er  der   diesjährigen   Expedition   so  günstig  als  möglich   ist  und 


*)  Die  Schweden  haben  1864  auf  Spitzbergen  einen  ganzen  Sommer  mit 
den  bloßen  Vorarbeiten  zu  einer  Gradmessung  zugebracht,  ohne  sie  vollenden 
zu  können  und  scheinen  den  Plan  sogar  ganz  aufgegeben  zu  haben. 


17 

dass   sie    dadurch    mehr  erreicht,    als  man    jetzt    za    erwarten    be* 
rechtigt  ist. 

Das  Bremer  Comit^  mag  in  vielem  gefehlt  haben,  aber  ein  Ver- 
dienst muß  auch  ihm  unbenommen  bleiben,  nämlich  dass  es  durch 
die  filr  die  Unkosten  fibemommene  Garantie  die  Expedition  in  diesem 
Jahre  überhaupt  ermöglicht  hat.  Mögen  die  Resultate  sein,  welche  sie 
wollen,  so  werden  wir  immer,  durch  den  Erfolg  wie  durch  den  Miß- 
erfolg, vieles  lernen.  — 


Die  Vorarbeiten  zum  Bau  der  tflrldsclien  Eieenbalinen. 

Von  Prof.  Dr.  F.  v.  Hochstetter. 

Es  sei  mir  gestattet  in  diesen  Mittheilungen  eines  großen  Unter- 
nehmens zn  gedenken,  das  fOr  die  genauere  topographische  und  geo- 
graphische Kenntnis  eines  Nachbarstaates  von  der  hervorragendsten 
Wichtigkeit  ist,  ich  meine  den  Beginn  der  Vorarbeiten  zum  Bau  des 
tfirkischen  Eisenbahnnetzes  durch  Herrn -Director  W.  Pres seL 
Einer  freundlichen  Einladung  dieses  Herrn  zu  Folge  war  ich  selbst  in 
der  glücklichen  Lage,  einen  großen  Theil  der  Reise  durch  die  europäische 
Türkei ,  welche  Herr  Pressel  diesen  Sommer  zu  dem  bezeichneten  Zwecke 
unternahm,  mitzumachen.  Ueber  die  Erlebnisse  und  Resultate  dieser 
Reise  werde  ich  mir  erlauben  später  ausführlicher  zu  berichten;  für 
diesmal  beschränke  ich  mich  darauf,  die  Routen,  die  ich  selbst  mitmachte, 
kurz  zu  skizzieren. 

Ich  verließ  anfangs  Juli  Wien  und  machte  die  Reise  Donauabwärts 
bis  Rnstschuk  in  der  angenehmen  und  anregenden  Gesellschaft  der  zahl- 
reichen Ingenieure ,  welche  Herr  Pressel  für  die  Arbeiten  in  der  Türkei 
engagiert  hatte.  Von  Rnstschuk  brachte  uns  die  Eisenbahn  nach  Vama 
und  von  hier  das  Lloyddampfboot  nach  Constantinopel.  Nachdem  alle 
noch  nothwendigen  Vorbereitungen  getroffen  waren,  konnten  sich  Ende 
Juli  die  einzelnen  „Ingenieur-Brigaden^,  deren  jede  auch  von  einem 
Topographen  begleitet  war,  auf  die  verschiedenen  Linien  bis  nach  Bosnien 
¥ertheilen.  Ich  selbst  schloss  mich  der  sogenannten  „Directionsbrigade^ 
unter  Director  W.  Pressel  an,  und  mit  uns  waren  für  topographische 
Zwecke  noch  die  Herren  v.  Bastendorff  und  Safranski.  Wir  brachen  am 
30.  Juli  von  Stambul  auf  nach  Adrianopel  und  schlugen  die  Bergstraße 
ein  über  Tschataldsche,  Sarai,  Vissa,  Eir  Klissi.  Von  Adrianopel  giengen 
wir  das  Tundschathal  aufwärts  nach  Jamboli  und  von  da  nach  Burgas 
am    schwarzen  Meer.  Director  Pressel  ließ   sich  in  Burgas  von  einem 

Geographische  Mittheilnngen,  1S70.  1.  2 


18 

Dampfboot  abholen  and  auf  dem  Seeweg  nach  Enos  bringen;  er  kam 
dann  das  Maritzathal  herauf  über  Adrianopel  nach  Philippopel.  Da  diese 
Gegenden  dnrch  die  Arbeiten  von  Dr.  Bon^  und  Viquesnel  geologisch 
hinlänglich  bekannt  schienen,  so  schlug  ich  meinen  Weg  dem  Balkan 
entlang  ein  über  Aidos,  Kamabat,  ,Sliwno,  Eski  Saara,  Kisanlik  und 
Kalofer  und  traf  Ende  August  in  Philippopel  wieder  mit  meiner  Reise* 
gesellschaft  zusammen. 

Aber  leider  störte  nun  das  Fieber,  das  meine  Reisegefährten  sich  in 
Enos  geholt  hatten,  die  gemeinschaftliche  Fortsetzung  unserer  Reise. 
Wir  giengen  noch  zusammen  über  Tatar  Bazardschick  und  Bania  nach 
Samakov.  Die  weiteren  Touren  nach  dem  Rilo-Gebirge ,  auf  den  Gipfel 
des  Yitosch,  nach  Dubnitza,  Kostendil,  Radomir  Sofia,  und  von  da  über 
Trn  und  das  Wlasina-G^birge  nach  Wraiga  machte  ich  meist  allein.  In 
Wranja  erhielt  ich  am  1.  October  die  Nachricht,  dass  Director  Pressel 
von  Uesküb  über  Salonik  nach  Constantinopel  abgereist  sei,  und  da 
nun  bei  der  vorgerückten  Jahreszeit  die  Reise  durch  Bosnien  zum  Zwecke 
geologischer  Untersuchungen,  wie  sie  meine  Aufgabe  waren,  nicht  mehr 
gut  durchführbar  erschien,  so  entschloss  ich  mich  zur  Rückreise.  Ich 
gieng  das  Morawathal  abwärts  über  Leskowatz  nach  Nisch,  und  von 
da  über  Alexinatz  nach  Belgrad  und  kam  Mitte  October  glücklich  wieder 
in  Wien  an. 

Als  Reisekarte  zur  Orientierung  konnten  wir  bereits  die  neue  große 
Karte  der  europäischen  Türkei  und  des  Königreiches  Griechenland  in 
13  Blättern  (1 :  864000)  von  Herrn  Oberst  v.  Scheda  benützen ,  und 
ich  freue  mich,  es  hier  aussprechen  zu  können,  dass  diese  schöne  Karte, 
die  mit  derselben  meisterhaften  Technik  ausgeführt  ist,  welche  alle 
von  Herrn  von  Scheda  herausgegebenen  Kartenwerke  auszeichnet,  uns 
die  wesentlichsten  Dienste  geleistet  hat.  Mir  speciell  war  sie  zum 
Zwecke  geologischer  Einzeichnungen  geradezu  unentbehrlich.  Allein 
ich  glaube  nicht  falsch  aufgefasst  zu  werden,  wenn  ich  bemerke,  dass 
eine  Karte  in  verhältnismäßig  so  großem  Maßstabe  von  einem  Lande, 
dessen  Regierung  noch  keinerlei  topographische  Aufnahmen  ausführen 
liess,  nicht  ohne  Fehler  sein  kann.  Das  Material,  welches  zur  Heraus- 
gabe einer  solchen  Karte  gegenwärtig  vorliegt,  ist  nur  ein  stückweises 
und  muß,  so  weit  nicht  für  einzelne  Gegenden  französische  oder  russische 
Aufnahmen  vorliegen,  aus  Reisewerken  aller  Art  und  in  allen  Sprachen 
zusammengesucht  werden.  Wir  dürfen  uns  daher  nicht  wundern,  dass 
die  Karte,  die  wir  in  den  östlichen  Theilen  von  Rumelien  ganz  richtig 
fanden,  mehr  und  mehr  Mängel  zeigte,  je  weiter  wir  westlich  vorrückten, 
und  uns  endlich  in  den  noch  ganz  unerforschten  Balkangegenden 
westlich  von  Kisanlik,  sowie  im  Vitoschgebiet  fast  ganz  im  Stiche  ließ. 


19 

Nor  wer  selbst  iu  dem  Lande  gereist  ist  und  während  der  Bereisang 
die  Gelegenheit  hatte,  sämmtliche  nennenswerte  Karten  der  Türkei  zu 
Rathe  zu  ziehen,  kann  es  glanben,  dass  es  in  Europa  noch  große  und 
dazu  dicht  bevölkerte  Gebiete  gibt  mit  ansehnlichen  Gebirgen,  mit 
fruchtbaren  Ebenen  und  großen  Flüssen,  die  alle  fast  so  unbekannt 
sind,  wie  das  Innere  Ton  Africa  oder  Australien.  Es  ist  daher  be* 
greiflich,  dass  mit  den  Yorarbeiten  zum  Bau  der  türkischen  Eisen- 
bahnen nothwendig  auch  topographische  Aufnahmen  verbunden  werden 
maßten,  und  ich  wünsche  und  hoffe  nur,  dass  das  reiche  topographische 
Materiale,  welches  w&hrend  unserer  Reise  Herr  v.  Bastendorff,  der  unsere 
ganze  Reiseroute  in  Karte  brachte,  gesammelt  hat,  sowie  die  Detailauf- 
sahme  der  den  einzelnen  Ingenieurbrigaden  beigegebenen  Topographen 
der  Oeffentlichkeit  nicht  vorenthalten  bleiben.  In  den  Gegenden,  welche 
ich  im  Monat  September  größtentheils  allein  bereiste  —  das  Yitosch- 
gebiet  zwischen  Sofia,  Samakov,  Bubnitza,  Kostendil  und  Radomir,  so 
wie  das  Gebirge  zwischen  Tm  und  Wranja  —  war  ich  zum  Zwecke 
geologisclier  Einzeichnungen,  genöthigt,  wie  seiner  Zeit  auf  Neu-Seeland, 
gleichzeitig  topographisch  zu  arbeiten,  und  ich  habe  über  diese  Gegenden 
topographische  Skizzen  mitgebracht,  die  später  veröffentlicht  werden  sollen. 
Es  gereicht  mir  zum  Vergnügen,  bei  dieser  Gelegenheit  öffent- 
lich aussprechen  zu  können,  dass  die  türkische  Regierung  in  Stambul 
den  Zwecken  dieses  großen  Unternehmens  in  jeder  Beziehung  hilfreich 
entgegenkam  und  uns  mit  den  besten  Empfehlungsschreiben  versah.  In 
Folge  dessen  hatten  wir  auch  überall  im  Innern  uns  der  voUen  Unter- 
sttttziing  der  türkischen  Behörden  zu  erfreuen,  und  konnten  unsere 
Arbeiten  unbehindert  und  ungestört  durchführen.  Zu  besonderem  Danke 
aber  flühle  ich  mich  verpflichtet  den  Repräsentanten  und  den  Vertretern 
unserer  B^iemng,  die  uns  mit  Rath  und  That  auf's  kräftigste  unter- 
stützten, und  deren  aufopfernde  Gastfreundschaft  wir  in  einem  Lande, 
dessen  Wirtshäuser  auch  nicht  den  bescheidensten  Ansprüchen  auf  Rein- 
lichkeit und  Comfort  entsprechen,  nicht  hoch  genug  schätzen  konnten. 
Es  sei  mir  gestattet  diesen  Dank  hier  öffentlich  auszusprechen  Sr.  Ex- 
oelienz,  dem  Herrn  Feldzeugmeister  Baron  von  Prokesch-Osten, 
Internuntius  und  außerordentlichem  Gesandten  Sr.  k.  k.  apost  Majestät 
in  Constantinopel,  femer  den  Herren  Antoine  de  Le  Bidart  von 
der  k.  k.  Gesandtschaft  in  Constantinopel,  G.  W.  Ritter  von  Camer- 
loh  er,  k.  k.  Viceconsul  in  Adrianopel,  J.  v.  Hempfling,  k.  k.  Consul 
in  PhUippopel,  Herrn  Luteroth,  k.  k.  Gonsularagenten  in  Sofia,  Haupt- 
mann Emil  6u6kowi6iQ  Alexinatz,  und  Herrn  General-Consul  Benjamin 
T.  Källay  in  Belgrad. 


20 


Die  Bocche  di  Cattaro. 

Vortrag  von  Dr.  J.  Descovich. 

Mit  einer  Karte. 

Die  gegenwärtigen  Ereignisse  im  südlichsten  Theile  des  König- 
reiches Dalmatien  im  Bezirke  von  Cattaro  (in  den  sogenannten  Bocche 
di  Cattaro)  haben  die  öffentliche  Aufmerksamkeit  im  hohen  Grade  in 
Anspruch  genommen  und  in  verschiedenen  Kreisen  den  Wunsch  rege 
gemacht,  zuverlässige  Mittheilungen  über  dieses  Gebiet  zu  erlangen. 

Durch  zwei  Jahre  als  k.  k.  Bezirks-  und  Lazareth-Arzt  in 
Castelnuovo  angestellt,  hatte  ich  Gelegenheit  über  Land  und  Leute 
Studien  zu  pflegen,  und  aufgefordert,  dieselben  in  dieser  hochgeehrten 
Versammlung  vorzutragen,  beehre  ich  mich  heute  diesem  Wunsche  mit 
der  größten  Bereitwilligkeit   und  Gewissenhaftigkeit  zu  entsprechen.  — 

Zur  leichteren  Uebersicht  glaube  ich  diesen  Vortrag  in  zwei  Theile 
zu  theilen.  Im  ersten  werde  ich  die  Topographie,  die  Natur-  und  land* 
wirtschaftlichen  Verhältnisse;  im  zweiten  die  Bewohner,  ihre  körper- 
lichen und  geistigen  Eigenschaften,  theilweise  auch  ihre  Beziehungen  za 
den  Nachbarländern  besprechen. 

Aus  diesen  zwei  Abschnitten  lassen  sich  Folgerungen  ziehen,  welche 
die  Jetzige  Lage  der  Dinge  in  ein  klares  Licht  setzen. 

Als  gebomer  Dahnatiner  denke  ich  mit  Wehmuth  bei  dieser 
Schilderung  an  mein  armes  Vaterland,  das  seit  Jahrhunderten  nicht  zur 
nöthigen  Ruhe  gelangen  kann,  um  seine  volkswirtschaftlichen  Kräfte 
zur  gehörigen  Entwickelung  zu  bringen. 

Ich  ersuche  meine  freundlichen  Zuhörer  mit  mir  Nachsicht  zn 
üben  und  meinen  Vortrag  nicht  als  einen  wissenschaftlichen,  sondern 
einfach  als  eine  vertrauliche  Mittheilung,  zu  betrachten,  die  auf  meinen 
persönlichen  Ansichten  fußt.  — 

In  südlicher  Richtung,  ungefähr  28  Miglien  (60  per  Grad)  von 
Ragusa,  18  Miglien  von  Ragusavecchia  (dem  ehemaligen  Epidaurus) 
entfernt,  findet  man  an  der  dalmatinischen  Küste  die  Mündung  in  einen 
16  Miglien  langen  Canal,  welcher  vier  große  Becken  und  mehrere 
kleinere  Buchten  in  sich  schließt. 

Von  der  Stadt  Cattaro,  welche  am  südl.  Ende  des  Canals  liegt,  nennt 
man  ihn  Canal  von  Cattaro;  von  drei  verschiedenen  engeren  Stellen 
desselben,  welche  als  Einmündungen  in  diese  großen  Becken  anzusehen 
sind,  nennt  man  den  Canal  auch  Bocche  di  Cattaro  und  die  Einwohner 
des    ganzen    ehemaligen    Kreises,   nunmehrigen  Bezirkes,    „Bocchesen", 


21 

obwol  diese  Benennung  im  engeren  Sinne  eigentlich  nur  den  Bewohnern 
der  Kaste  des  Canals  gebührt.  —  Der  Tiefgang  in  diesem  Canal  *ist 
sehr  beträchtlich  und  erreicht  an  vielen  Stellen  200  Fuß.  Dadurch  und 
durch  den  Schutz  der  umgebenden  Küsten  und  Berge  wird  er  zu  einem 
natürlichen  Hafen,  welcher  hunderten  und  hunderten  von  Hochseeschiffen 
ja  ganzen  Flotten  einen  sicheren  Ankerplatz  bietet.  —  Eine  genauere 
Beschreibung  des  Canals  werde  ich  im  Verlaufe  des  Vortrages  folgen 
lassen.  — 

Die  Grenzen  des  Bezirkes  von  Cattaro  werden  gebildet  im  Norden 
von  der  türkischen  Provinz  Herzegowina,  im  Süden  vom  adriatischen 
Golfe,  im  Osten  von  Montenegro  und  türkisch  Albanien,  im  Westen  von 
dem  schmalen  türkischen  Gebietstheile  Suttorina,  welcher  denselben  vom 
Bezirke  Hagusa  trennt.  — 

Die  Bocche,  der  Boden  oberhalb  der  beiden  Küsten  mit  einbe- 
griffen, haben  ein  Areale  von  10.8  Quadratmeilen.  —  Die  Berge  sind 
nur  Aeste  des  dinarischen  Gebirgsstockes,  erreichen  eine  Höhe  von  600 
bis  6000  Fuß,  sind  größtentheils  kahl  und  bestehen  aus  Kalkstein 
älterer  und  jüngerer  Formation,  welche  auch  den  dalmatinischen  Inseln 
eigen  ist.  Die  bekanntesten  darunter  sind:  Sliebi  bei  Forte  Spagnuolo 
ober  Castelnuovo,  Monte  Falcon  bei  Mocrjne,  Qerquice  in  der  Crivoscie, 
Vueizub  ober  Ledenizze,  Cosman  bei  Dragalj,  dann  der  Monte  Gassone 
bei  Perasto,  Vegli-Mali  ober  Dobrota,  der  Berg  Sella  bei  Cattaro, 
Giurgevo  Sdrielo  bei  Stagnevich,  Crageni^a  und  Duboi^a  knapp  an 
der  dreifachen  Grenze  (triplice  confine),  dann  an  der  Küste  Baba^ 
zwischen  Budua  und  St.  Stefano,  Costagni^a  bei  Budua  und  Velika 
gora  in  der  Contea  Lazzarovich.  —  Um  das  Land  zu  beherrschen  ist- 
an  diesen  Bergen  eine  Reihe  von  Befestigungen  angebracht,  welche 
viel  zu  geringfügig  wären  um  sie  gegen  eine  civilisierte  Armee  zu 
behaupten,  aber  von  großer  Wichtigkeit  sind  um  die  Bevölkerung  in 
Zaum  zu  halten,  da  diese  die  Artillerie  am  meisten  fürchtet.  —  Die 
älteren  Befestigungen  sind:  Castelnuovo  mit  dem  etwas  höher  gelegenen 
Forte  Spagnuolo,  Qerquice  und  Dragalj  in  der  Crivoscie,  Fort  Santa 
Croce  bei  Perasto,  dann  Cattaro  mit  dem  Fort  St.  Giovanni,  von  Cattaro 
in  südlicher  Richtung  das  Blockhaus  Trinitä,  nicht  unweit  Gorasda, 
welche  letzteren  die  Straße  nach  Budua  beherrschen,  dann  das  ehemalige 
Kloster  Stagnevich  (wurde  in  letzterer  Zeit  von  den  Insurgenten  in  die 
Luft  gesprengt),  endlich  an  der  Küste  Budua  und  mehrere  Fortifications- 
werke  neuester  Zeit,  welche  ich  nicht  gesehen  habe.  — 

Der  Boden  besteht  meistens  aus  Thon-  und  Kalk-Mergel  und  ist 
in  den  Niederungen  besonders  mit  viel  Humus  vermengt.  Diese  Zusam- 
mensetzung  und   das    milde  Clima   der  Küste   begünstigen  außerordent- 


22 

lieh  die  Vegetation  nnd  außer  den  gewöhnlichen  Nutzpflanzen,  wie 
GAreidearten,  Hülsenfrüchte,  Gemüse,  Weinreben,  Oel-  und  Maulbeer« 
bäume,  Feigen  etc.,  gedeihen  hier  vortrefflich  im  Freien  die  Agave,  die 
Myrthe,  die  Orange  und  die  Limonie,  letztere  die  Größe  und  Höhe 
von  stattlichen  Bäumen  erreichend.  Selbst  die  Palme  dürfte  im  Freien 
ihr  Fortkommen  finden,  wie  ein  Exemplar  in  der  Nähe  von  Castelnuovo 
bei  Topla  darthut.  — 

Eigentliche  Flüsse  sind  in  den  Bocche  nicht  vorhanden,  aber  Ge- 
birgswässer  sind  in  Massen  da,  besonders  in  der  Zuppa  gegen  Budua, 
wo  sie  förmliche  Sümpfe  bilden  und  die  Gegend  ungesund  machen.  Bei 
verständiger  Benützung  derselben  könnten  Wunder  in  landwirtschaftlicher 
Beziehung  gewirkt  werden. 

Das  Thierreich  ist  ausgiebig  vertreten.  Außer  den  unzähligen 
Seeproducten  und  den  gewöhnlichen  Hausthieren  findet  man  sehr  viel 
Kleinwild,  besonders  Geflügel,  wie  Steinhühner,  Schnepfen,  Enten  etc.  — 
Gemsen  sind  auch  hie  und  da  in  den  Bergen  erlegt  worden.  —  Einige 
dieser  Producte  reichen  aber  nicht  hin  um  die  Bedürfnisse  der  Bevölke- 
rung zu  decken.  Getreide  und  Wein,  und  wegen  der  Verproviantierung 
der  Schiffe  auch  frisches  und  geräuchertes  Fleisch  (Castradina)  werden 
aus  der  Türkei  und  Montenegro  nach  Cattaro  und  Castelnuovo  importiert, 
dagegen  werden  Oel  und  Feigen  exportiert  —  Der  Wein  von  Teodo 
(Marzamino)  ist  ein  ausgezeichneter  Ausbruch  und  könnte  leicht  in 
Bezug  auf  Güte  die  Concurrenz  mit  den  besten  spanischen  Weinen 
aushalten.  Aber  leider  findet  sowol  hier  als  im  übrigen  Dalmatien 
die  Bereitung  des  Weines  und  des  Oeles  in  höchst  primitiver  Form 
statt.  —  Die  Oliven  werden  reif  und  halbreif  abgenommen,  nicht 
gehörig  gereiniget  und  sortiert,  bleiben  oft  wochenlang  vor  der  Pres- 
sung an  dumpfigen  Orten  aufbewahrt,  es  fehlen  gute  Pressen  und  so 
erhält  das  Oel  einen  widrigen,  brenzlichen  und  oft  ranzigen  Geschmack, 
welcher  besonders  für  deutsche  Gaumen  unerträglich  ist.  —  Der 
Weinbau  ist  durchaus  nicht  geregelt,  allerlei  Reben  mit  einander  ver- 
mischt ,  die  Bereitung  des  Weines  bei  jedem  Landwirte  verschieden, 
Mangel  an  Fässern  von  hartem  Holze,  Mangel  an  Kellern  sind  die 
Schuld,  dass  er  im  Handel  die  Concurrenz  mit  anderen  Weinen  nicht 
aushält.  Und  so,  meine  Herren,  haben  wir  eine  unerschöpfliche  Quelle 
von  Nationalreichthum,  ohne  sie  gehörig  auszubeuten.  Man  ist  im  Besitze 
des  Goldes  und  man  verkauft  es  aus  Unkenntnis  für  Messing  I  — 

Wäre  es  nicht  auch  im  Interesse  der  Regierung  in  Dalmatien 
eine  practische  Schule  ad  hoc  zur  Belehrung  der  Einwohner  für  die 
Ausbeutung  dieser  Schätze  zu  errichten  ?  —  Ich  bitte  mir  als  Dalmatiner 
diese  kleine  Digression  zu  verzeihen.  — 


23 

Und  nun  lade  ich  sie  ein,  mit  mir  im  Geiste  eine  Fahrt  in  den 
Canal  von  Cattaro  zu  unternehmen. 

Die  Haupteinmündung  wird  gebildet  von  der  Punta  d'Ostro  auf 
einer  Seite,  von  dem  kleinen  Meerfelsen  Zagni^  auf  der  andern  Seite. 
Gleich  rechts  an  der  inneren  Küste  des  Canals  liegt  Porto  Rose,  ein 
sicherer  Ankerplatz  gegenüber  dem  großen  ersten  Becken.  —  Dieses 
ist  umgeben  auf  der  Seeseite  von  der  Suttorina,  am  mittleren  Ufer  von 
dem  Orte  Igallo,  auf  der  Landseite  von  dem  reizenden  Dorfe  Topla,  von 
der  Vorstadt  und  Stadt  Castelnuovo,  welche  auf  einen  Hügel  gebaut 
sind,  —  Die  ganze  Gegend  auf  dieser  Seite  ist  ein  prachtvoller  Garten, 
welcher  sich  auch  hinter  Castelnuovo  bis  gegen  das  griechische  Kloster 
Savina  erstreckt,  und  die  Luft  ist  hier  mit  dem  feinsten  Blumendufte 
erfüllt.  —  Setzen  wir  von  Porto  Rose  aus  unsere  Fahrt  fort,  so  sehen 
wir  auf  einer  Anhöhe  die  Stadt  Castelnuovo,  hinter  derselben  auf  einem 
grünen  Hügel  Savina  und  einige  hundert  Schritte  weiter  die  Bucht  und 
das  Seelazareth  von  Megline,  während  die  rechte  Seite,  die  düstere 
innere  Küste  von  Lustizza  und  Cartole,  traurig  hinüber  blickt.  Hier 
begegnen  wir  einer,  engeren  Stelle  des  Canals,  „Bocca  Punta  di  Combur", 
die  Einmündung  in  das  zweite  große  Becken.  —  Dieses  bleibt  also 
dem  Reisenden  rechts  und  wird  umgeben  von  der  Küste  Cartol^s 
auf  einer  Seite,  von  dem  schönen  Teodo  auf  der  entgegengesetzten 
Seite,  während  am  Ende  des  Beckens  die  kleinen  Scoglien  St.  Marco 
und  Madonna  d'Otok  und  die  Küste  der  Zuppa  zu  stehen  kommen. 
An  dieser  Küste  wurde  in  früherer  Zeit  Seesalz  gewonnen. 

Diesem  Becken  gegenüber  liegt  die  „Bianca^  und  ein  enger  Canal 
,,le  Catene",  eine  Wasserstraße  von  ungefähr  1000  Wiener  Fuß  Breite, 
welche  die  Poststraße  nach  Cattaro  unterbricht.  In  der  Mitte  dieser 
Straße  liegen  Camenari  auf   der   Seite   von  Castelnuovo    und  le  Petane 

auf    der     Seite    von    Teodo.    Hier    muß    man    sich    also  überschi£fen 

* 

lassen  um  auf  dem  Landwege  nach  Cattaro  zu  gelangen.  —  Das 
Ende  dieser  Wasserstraße  bildet  die  dritte  Einmündung  „Bocca  le 
Catene^,  welche  in  zwei  andere  große  Becken  führt  —  Dieser  Bocca 
gegenüber  liegt  der  kahle  Berg  Cassone  und  an  dessen  Fuße  der 
kleine  Marktflecken  Perasto.  Monte  Cassone  trennt  die  anderen  zwei 
großen  W^asserbecken,  welche  auf  dem  Wege  nach  Cattaro  auf  der 
linken  Seite  des  Reisenden  zu  stehen  kommen.  —  In  dem  ersten  dieser 
Becken  liegt  zwei  Miglien  hinter  Perasto  der  Marktflecken  Risano  und 
in  den  unwirtlichen  Gebirgen  oberhalb  desselben  die  Crivoscie,  wo 
unsere  tapferen  Soldaten  jetzt  kämpfen.  Es  ist  als  ob  sich  dieser 
von  Schwarzem  und  Hehlern  bewohnte  Ort  den  Blicken  des  Reisenden 
absichtlich  entziehen  wollte.    Lo  scoglio   della  Madonna  dello  Scalpello, 


24 

Risano  gegenüber,  ist  allein  sichtbar.  Von  dieser  Bocca  führt  der  Weg 
rechts  nach  Cattaro.  Auf  dem  Wege  entfaltet  sich  den  Augen  ein 
Bild  so  majestätisch  erhaben,  dass  keine  Feder  und  keine  Worte  den 
tiefen  Eindruck  auf  den  Reisenden  zu  schildern  vermögen.  Auf  der 
linken  Seite  die  zwei  großen  Becken,  umringt  von  den  hohen  kahlen 
Felsenmassen,  im  zweiten  Becken  nahe  an  Cattaro  Dobrota,  Wohnort 
der  meisten  Hochseeschiffs-Capitäne ;  auf  der  rechten  Seite  Ort  an  Ort, 
Haus  an  Haus,  Stolivo  mit  den  Kastanien- Waldungen,  Perzagno,  Mulla. 
Am  Ende  des  Canals  liegt  die  Stadt  Cattaro  knapp  am  Fuße  eines 
hohen  Berges.  — 

Durch  die  auf  dieser  Reise  beschriebenen  Linien  kann  man  sich 
die  Bocche  in  zwei  Theile  getheilt  denken.  Der  eine  Theil  wird  von 
dem  Gebiete  von  Castelnuovo,  Risano  und  Dobrota  gebildet  und  ist 
durch  hohe  Berge  und  den  Canal  von  dem  gegenüber  liegenden  Theile 
getrennt.  Dieser  andere  Theil  erstreckt  sich  von  Cattaro  bis  Albanien, 
die  Zuppa  oder  die  sogenannten  Contee  (altvenetianische  Belehnungen 
an  verdienstvolle  Familien)  und  das  Gebiet  von  Budua  in  sich  schließend. 
Die  Contee  folgen  sich  in  dieser  Ordnung.  Nächst  Cattaro  die  Contea 
Tuicovich,  unterhalb  derselben  bis  hinter  Traste  die  Contea  Lazzarevich, 
neben  der  Contea  Tuicovich  die  Contea  Gluibanovich,  unterhalb  derselben 
die  Contea  Boicovich  dann  Pobori,  Braicfai   und  Pastrovich. 

Außer  der  Poststraße,  welche  von  Ragusa  über  Castelnuovo  bis 
Camcuari,  dann  von  le  Petane  bis  Cattaro  und  von  Cattaro,  das  Thal 
von  der  Zuppa  durchschneidend,  bis  Budua  geht,  sind  nur  Wege  und 
Stege,  welche  zu  den  verschiedenen  Ortschaften  führen,  etwas  besser 
in  der  Zuppa,  sehr  schlecht  an  anderen  Puncten,  besonders  in  der 
Crivoscie.  Hier  gehen  zwei  schmale  Wege  nach  ^erquice  und  Dragalj, 
welche  an  verschiedenen  Stellen  von  der  umliegenden  Bergkette  voll- 
ständig dominirt  werden  und  die  größte  Gefahr  im  Kampfe  darbieten. 
Die  Communication  zu  Wasser  ist  dagegen  sehr  bequem  und  ohne 
dieselbe  wäre  es  beinahe  unmöglich  den  Kampf  mit  den  Rebellen  fort- 
zusetzen. Jetzt  kann  man.  leicht  einsehen,  von  welchem  Nutzen  die 
Kriegs-Marine  ist,  und  wie  unklug  es  wäre,  sie  zu  vernachlässigen. 

Die  Einwohnerzahl  der  Bocche  beläuft  sich  auf  ungefähr  35.000 
Seelen,  wovon  2300  in  Cattaro,  800  in  Castelnuovo  und  800  in  Budua 
leben;  die  übrigen  sind  in  Marktflecken,  kleinen  Dörfern  und  einzeln 
stehenden  Häusern  vertheilt  —  Kaum  ein  Drittheil  davon  ist  katho- 
lisch über  zwei  Drittheile  gehören  der  griechisch-nichtunierten  Kirche 
an ;  erstere  wohnen  größtentheils  in  Cattaro,  Dobrota,  Mulla,  Perzagno, 
Stolivo,  Perasto,  Castelnuovo  und  Budua.  Die  katholische  Geistlichkeit 
muß   die   theologischen  Studien    nachweisen,    die  meisten   griechischen 


25 

Priester  sind  kaum  des  Lesens  und  Schreibens  kundig.  Von  einer 
Gelehrtlieit  ist  bei  ihnen  nicht  die  Rede.  Theils  die  Verschiedenheit 
der  Erziehung,  theils  die  früher  in  Oesterreich  bestandenen  Glaubens- 
rerhältnisse  zum  Nachtheile  der  Nicht-Katholiken,  haben  diese  Priester 
in  einen  beständigen  Streit  verwickelt,  zum  großen  Nachtheile  der  Bevöl- 
kerung und  der  Regierung.  Die  Intoleranz  ist  auf  beiden  Seiten  in 
der  größten  Blüthe,  und  so  hat  man  hier  wieder  das  traurige  Beispiel 
vor  Augen,  dass  Leute,  welche  dasselbe  heilige  Banner  tragen,  sich 
gegenseitig  vom  Herzen  hassen  und  so  die  festeste  Grundlage  der 
Christenlehre  erschüttern.  Es  ist  der  Fall  vorgekommen,  dass  Popen 
die  Waffe  segneten,  welche  meuchlings  das  Bruderherz  treffen 
sollte.  — 

Der  Pope  übt  großen  Einfluss  auf  die  Bevölkerung  und  gebildete 
Geistliche  würden  am  besten  das  Volk  heben.  Die  Fastenzeit  wird  mit 
einer  solchen  Strenge  eingehalten,  dass  mancher  von  der  kraftlosen 
Kost  ernstlich  erkranken  muß.  Wie  vortrefflich  wäre  dieses  Gebot  der 
Kirche  für  Körper  und  Geist,  wenn  man  es  vernünftig  in  Vollzug 
bringen  würde!  — 

Die  Bevölkerung  der  Gebirgsgegenden  und  der  Zuppa  ist  ein  echter 
Morlakenschlag,  kräftig  gebaut,  hochstämmig,  sehr  mäßig  in  ihrer  Lebens- 
weise, an  alle  Beschwerden  gewöhnt,  immer  mit  den  Waffen  in  der  Hand, 
um  feindliche,  nachbarliche  Invasionen  der  Montenegriner  zu  bekämpfen, 
oder  Gewaltthaten  an  der  Küste  auszuüben.  Dies  gilt  hauptsächlich 
von  den  Crivoscianem.  Die  Bevölkerung  der  Küste  ist  auch  von 
kräftigem  Baue  und  durch  ihre  Hauptbeschäftigung  (die  Schiffahrt)  so 
gestählt,  dass  sie  bei  Angriffen  der  Nachbarn  mit  seltenem  Muthe  und 
Ausdauer  jeder  Gefahr  trotzt.  Die  Küstenbewohner  geben  die  besten 
Seeleute  und  die  besten  und  kühnsten  Capitäne  für  die  österreichische 
Handels-Marine. 

Die  National-Sprache  ist  die  illyrische,  an  der  Küste  wird  auch 
gebrochen  italienisch  gesprochen.  Der  Unterricht  in  den  Bocche  liegt 
sehr  im  Argen.  Außer  in  den  Städten  findet  man  selten,  dass  die 
Kinder  etwas  lernen.  —  Die  Vorurtheile,  das  Mißtrauen,  der  Neid,  die 
Rachsucht,  die  Grausamkeit  sind  daher  gewöhnliche  Begleiter  der  Berg- 
bevölkerung. —  Wenn  sich  die  Noth  dazu  gesellt,  ist  es  kein  Wunder, 
dass  sie  verkehrte  Ansichten  über  das  Mein  und  Dein  haben  und  die 
schensslichsten  Verbrechen  begehen.  Die  Folge  davon  ist  die  Blutrache 
(Kervarina),  welche  ganze  Familien  und  Ortschaften  in  steter  Unruhe  hält. 
Mit  den  Montenegrinern  haben  die  Bergbewohner  und  die  Zuppaner  die 
Sprache  und  die  Religion  gemein;  und  das  ist  der  Grund,  warum  sie 
Bumchmal  in  politischer  Beziehung  mit  einander  harmonieren. 


26 

Das  Weib  ist  eine  Sclavin  ihres  Mannes  in  diesem  Lande  and 
muß  wie  eine  Magd  alle  Dienste  für  die  Familie  verrichten.  —  Unter 
der  weiblichen  Bevölkerung  an  der  Kflste  findet  man  sehr  schöne  und 
üppige  Gestalten,  besonders  in  Dobrota. 

Die  Trachten  sind  sehr  mannigfaltig  und  mahlerisch.  Fast  in 
jedem  Orte  bietet  die  Kleidung  manche  Verschiedenheit,  so  dass  man 
leicht  aus  dem  Anzüge  den  Wohnort  bestimmen  kann.  Bei  den  Wei- 
bern unterscheidet  sich  die  Frau  von  der  Jungfrau  und  diese  von  der 
Braut  durch  die  Tracht.  Bei  den  Bergbewohnern  ist  die  Struka  (eine 
Gattung  langen  und  schmalen  Shawls  von  grober  Wolle)  ein  National- 
Kleidungsstück,  welches  von  den  eisigen  Winden  der  Berge  und  von 
dem  im  Herbste  ganze  Tage  anhaltenden  Regen  schützen  soll.  Die 
Bergbewohner  haben  eine  besondere  Fußbegleidung  (Opanke).  Die 
Beschreibung  dieser  Trachten  bietet  ein  weites  Feld,  daher  einige 
hier  ausgestellte  Bilder  am  besten  darüber  Auskunft  ertheilen  werden. 
Dasselbe  gilt  für  die  Waffen.  Die  Nahrung  der  Bergbewohner  ist 
sehr  karg  und  besteht  hauptsächlich  aus  Hülsenfrüchten,  schlecht 
gebackenem  Brote,  Erdäpfeln,  Gemüse,  Speck,  geräuchertem  Fleisch 
(Castradina) ;  sehr  selten  aus  frischem  Fleische  und  Eiern.  Die  gei- 
stigen Getränke,  wenn  auch  schlecht  und  verdorben,  sind  ihnen  am 
liebsten.  In  Mißjahren  leiden  sie  Hungersnoth.  Die  Krankheiten  bei 
den  Gebirgsbewohnern  sind  Entzündungen,  Hautausschläge,  mit  einem 
Worte  Krankheiten  acuter  Form;  nur  nach  großen  Mahlzeiten  (bei 
Namensfesten,  Hochzeiten  und  Begräbnissen)  und  in  Mißjahren  kommen 
gastrische  Zustände  und  Tifoiden  vor.  An  der  Küste  ist  die  Nahrung 
eine  geregeltere,  daher  auch  die  Gesundheit  besser;  nur  in  den  Niede- 
rungen bei  Budua  kommen  wegen  des  sumpfigen  Bodens  Wechselfieber 
mit  ihren  Folge-Krankheiten  vor. 

Die  Wohnungen  sind  in  den  Gebirgen  nur  erbärmliche  Hütten,  wo 
man  kaum  Schutz  vor  Regen  und  Wind  findet.  Auch  an  den  Küsten 
und  in  den  Städten  sind  sie  mit  wenigen  Ausnahmen  schlecht  und 
schmutzig.  Der  Reisende  hat  große  Mühe,  ohne  besondere  Empfeh- 
lungen eine  nur  erträgliche  Unterkunft  zu  finden.  Für  nähere  Details 
und  geschichtliche  Daten  kann  ich  das  Werk,  über  das  Königreich 
Dalmatien  von  Prof.  Franz  Petter,  im  Verlage  der  Kunsthandlung 
H.  F.  Müller,  im  Jahre  1841  in  Wien  erschienen,  anempfehlen. 

Ich  erlaube  mir  nun  einige  die  jetzigen  Verhältnisse  betreffende 
Schlussworte  diesem  Vortrage  beizufügen.  —  Für  ein  Volk,  das  von 
jeher  gewohnt  war,  wenige  Staatslasten  zu  tragen,  gibt  jede  neue  Steuer 
Grund  zur  Unzufriedenheit,  und  es  ist  möglich,  dass  die  Landwehr- 
Gesetze   den  Impuls    zur   Empörung    gegeben    haben;    aber    hier    sind 


27 

hanptsftchlich  theils  fremde  Agitationen,  theils  Partei-  nnd  National- 
trämne,  die  von  einer  Propaganda  immer  rege  erhalten  worden,  sicher 
mit  im  blutigen  Spiele.  Oh!  könnte  ich  meinen  Landsleuten  begreiflich 
machen,  dass  es  jetzt  am  meisten  Noth  thut,  mit  der  Regierang  zusammen 
zu  gehen,  den  Nationalitäten»  und  Religionshader  fallen  zu  lassen,  sich 
brüderlich  wechselseitig  zu  unterstützen  und  sich  den  Beschlüssen  der 
Majorität  zu  fügen,  nur  im  gesetzlichen  Wege  der  Regierung  Vor- 
stellungen zu  machen  und  fleißig  an  jeder  Quelle  von  National-Reichthum 
zu  schöpfen.  Dies  ist  allein  die  wirkliche  Aufklärung,  der  wahre  Fort- 
schritt Finsternis  und  Unglück,  ja  ein  verderbender  Abgrund  herrschen 
in  der  entgegengesetzten  Denkungsweise.  Das  Vorgehen  der  Regierung 
ist  in  meinen  Augen  vollkommen  gerechtfertigt;  sie  muß  den  Gesetzen  um 
jeden  Preis  Achtung  verschaffen,  sie  kann  nicht  mehr  zurücktreten. 

Die  Hauptaufgaben  der  bewaffneten  Macht  sind :  1.  die  Küste  nach 
außen  und  innen  strenge  bewachen  zu  lassen,  damit  ^en  Insurgenten 
keine  Waflfen,  Munition  und  Nahrungsmittel  zugeführt  werden.  —  2.  Den- 
Aufstand  auf  den  kleinsten  Gebietstheil  zurückzudrängen,  was  durch  die 
Besiegung  der  Zuppa  bereits  geschehen  ist.  —  3.  Eine  stärkere  Be- 
satzung in  den  befestigten  Puncten  und  an  der  Küste  zurückzulassen, 
um  die  unausbleiblichen  Folgen  des  Kampfes,  die  Rache  und  Raublust, 
möglichst  hintan  zu  halten.  — 

Mögen  aber  unsere  tapfem  Soldaten  nie  vergessen,  dass  dieser 
Kampf  ein  Kampf  von  Brüdern  gegen  Brüder  ist.  Mögen  sie  nie  ver- 
gessen, dass,  wenn  sie  auch  von  der  Regierung  berufen  sind  verirrte 
Landeskinder  zur  Ordnung  zurück  zu  führen,  sie  es  mit  möglichster 
Schonung  thun  mäßen;  denn  die  Züchtigung,  welche  der  Landesvater 
notbgedmngen  verfügt,  thut  seinem  Herzen  nicht  weniger  weh  als  dem 
armen  gezüchtigten  Kinde. 


Geographische  Literatur. 

Die  Balearen.  In  Wort  und  Bild  geschildert.  Leipzig.  Brock- 
haus.  1869.  4*  309  Seiten.  L  Band.  Die  alten  Pityusen. 

Vor  unseren  Augen  liegt  ein  Band  seltener  Schönheit  und  Vollkoinmen- 
heit.  Von  Reiselust  getrieben  und  ausgestattet  mit  einer  gründlicben  wissen- 
scbaftljchen  Bildung  besuchte  im  Sommer  und  Herbste  1867  Erzherzog  Ludwig 
T.  Toscana  die  wenig  gekannte  und  doch  an  Naturreizen  eigener  Art  so  reiche 
Inselgruppe  der  Balearen,  die  Spaniens  Küsten  unweit  aus  der  blauen  Flut 
des  Mittelroeeres  emportauchen.  In  dem  vorliegenden  Werke  —  einem  Pracht- 
bande in  des  Wortes  Tollster  Bedeutung  —  gibt  der  sich  bescheiden  in  Ano- 
nymität hüllende  jugendliche  Autor  eine  Monographie  jener  merkwürdigen 
ulande,  die  auf  mehrere  Bände  berechnet  erscheint;  denn  hier  sind  bloß 
die  alten  Pitynsen,  nemlich  Ivi^a  und  das  kleine  Formentera  abgehandelt. 
Nicht  zu  viel  yerspricht  das  Titelblatt,  welches  sie  in  Wort  und  Bild  ge* 


28 

schildert  sein  l&sst ;  in  der  That  hat  der  geübte  Stift  des  Prinzen  mit  rastloser 
Emsigkeit  Panct  um  Punct,  Scenerie  um  Scenerie  auf  das  Papier  geheftet  und 
sich  alles  dessen  bemächtigt,  was  ihm  typisch ,  eigentbümlich  erschienen  und 
zum  besseren  Verständnis  der  schriftlichen  Darstellung  förderlich  däucbte. 
Diese  Zeichnungen,  sämmtlich  von  des  Autors  eigener  Hand  entworfen,  sind 
theils  in  gelungenen  Holzschnitten,  theils  in  chromolithographischen  Bildern 
reproduciert,  welch  letztere  geradezu  zu  den  besten  Leistungen  gehören,  die 
uns  jemals  zu  Gesichte  gekommen  sind  und  auch  vom  künstlerischen  Stand- 
puncto  nichts  zu  wQnschen  Qbrig  lassen.  Erwähnenswert  dünkt  uns,  dass 
viele  derselben  aus  der  artistischen  Anstalt  von  Reiffenstein  und  Rösch  in 
Wien  hervorgegangen  sind.  Auch  im  übrigen  ist  an  der  wahrhaft  überraschen- 
den Ausstattung  nicht  gespart  worden.  Papier,  Druck,  Typen  und  die  Hülle 
dieses  Sr.  Majestät  dem  Kaiser  von  Oesterreich  gewidmeten  Werkes,  sie  alle 
tragen  den  Stempel  einfacher,  geschmackvoller  aber  fürstlicher  Eleganz. 

Es  möchte  vielleicht  sonderlich  sich  ausnehmen,  wenn  wir  bei  der  äuße- 
ren Erscheinung  dieses  Buches  so  lange  verweilen,  ehe  wir  den  Inhalt  einer 
näheren  Prüfung  unterziehen.  Allein  das  ganze  Werk  tritt  so  abnorm  eben  in 
seinem  äußeren  auf,  dass  unwillkürlich  gewiss  von  jedem  dieses  früher  als  der 
Inhalt  einer  eingehenderen  Betrachtung  gewürdigt  wird.  Böte  das  Buch  nichts 
anderes  als  die  künstlerischen  Beilagen,  es  wäre  Verdienst  genug.  Wer  jedoch 
mit  dem  eigentlichen  Inhalte  selbst  nähere  Bekanntschaft  macht,  ist  freudig 
erstaunt  auch  hier  des  Neuen,  Interessanten,  Wi&senswürdigen  so  viel  zu  finden, 
als  es  sich  kaum  von  irgend  einer  Monographie  erwarten  läßt.  Wir  dürfen  bei 
dieser  Gelegenheit  betoneu,  dass  das  Inhaltliche  dieses  Buches  in  Peter- 
mann^s  geographischen  Mittheilungen  eine  ebenso  anerkennende  als  schmeichel- 
hafte Kritik  erfahren  hat.  In  der  That  wird  man  auf  jeder  Seite  gewahr,  wie 
der  Autor  nach  eigener  Beobachtung  und  Anschauung  schildert,  wie  er  nach 
allen  Richtungen  hin  forschend  mühsam  die  Details  zusammengetragen  hat  zu 
seiner  umfassenden  Arbeit.  Die  Fauna  und  Flora,  die  Eigeuthümlichkeiten  des 
Bodenrelicfs  sowie  jene  der  Sitten  und  Gebräuche  der  schlichten  Inselbewohner 
werden  mit  gloicher  Gewissenhaftigkeit,  mit  gleicher  Liebe  und  Sorgfalt  behandelt, 
dem  Leser  ein  nach  jeder  Beziehung  hin  erschöpfendes  Gemälde  jener  einsamen 
Insellande  entrollend,  in  klar  fasslicher,  gewandter  Sprachweise,  nicht  ohne  einen 
gewissen  poetischen  Hauch,  welcher  wissenschaftlichen  Arbeiten  auf  dem  Ge- 
biete der  Erd-  und  Völkerkunde  einen  ganz  besonderen  Reiz  zu  verleihen 
püegt.  Mit  einem  Worte,  das  Buch  ist  unbestreitbar  das  Beste  und  Vollstän* 
digste,  was  jemals  über  dieBaleareu  überhaupt  geschrieben  wurde  und  verdient 
nebstdem  als  Muster  einer  Monographie  aufgestellt  zu  werden. 

Einen  Vorwurf  können  und  wollen  wir  indes  dem  fürstlichen  Autor  um 
so  weniger  ersparen,  als  derselbe  indirect  einen  Wunsch  enthält.  Das  in  Rede 
stehende  Werk,  nur  in  einer  kleineu  Anzahl  Exemplare  gedruckt,  ist  natürlich 
nicht  im  Buchhandel;  die  Freigebigkeit  des  Verfassers  hat  wohl  einige  Bib- 
liotheKen  und  Institute  damit  dotiert.  Dies  ist  aber  durchaus  ungenügend ,  denn 
dem  großen  Publicum  ist  und  bleibt  es  dennoch  vorenthalten.  Wer  die 
»Balearen«  schreiben  konnte  —  und  man  vergesse  es  nicht,  hiemit  ist  mit 
einem  mal  der  Erzherzog  unter  die  Fachgelehrten  getreten  und  Ludwig  von 
Toscana  wird  fürderhin  mit  Achtung  unter  den  geographischen  Schriftstellern 
genannt  werden  müßen  —  der  hätte,   meinen  wir,   auch  die  Verpflichtung  die 

Gebildete  Welt  so  wie  die  Fachgenossen  mit  seiner  Thätigkeit  und  deren  Pro- 
ucten  vertraut  zu  machen.  Die  Veranstaltung  einer  billigen  Ausgabe  des  Textes 
des  Balearenwerkes  —  die  schönen  Beilagen  müßte  man  freilich  weglassen, 
weil  sonst  der  hohe  Ladenpreis  das  Buch  dem  großen  Publicum  unzugänglich 
macht  —  würde  sicherlich  von  vielen  dankbar  begrüßt  werden  und  dem  Buche 
selbst  einen  weiten  Leserkreis  gewinnen.  Friedrich  von  Hellwald 

Die   Russen   inCentralasien.    Eine   geographisch-historische 

Studie.   Von  Friedrich  von  Hellwald.    Mit  einer  Uebersichtskarte. 

Wien   1869. 

Die  vorliegende  Schrift  —  aus  einzelnen  Artikeln  des  Verfassers  in  den 
„Mittheiiungen  für  Kriegswissenschaften'^  zusammengestellt  —  behandelt  eine 
eben  so  interessante  als  wichtige  Frage  der  Culturgeschichte  mit  Geist  und  ein- 


29 

gehender  Sachkenntnis.  Sie  dOrfbe  manchem,  der  über  die  Bewegungen  in  Central- 
asien  im  unklaren  ißt,  zur  willkommenen  Orientierung  dienen,  lieber  den  Stand- 
poBCt  des  Verfassers  geben  die  Schlussworte  seiner  Schrift  die  bestimmteste 
Andeutung:  ^Wie  man  auch^  —  sagt  er  —  „das  bisherige  Vorgehen  der 
Russen  in  Asien  beurtheilen  wolle,  eines  darf  jener  nicht  vergessen,  der  wie 
wir,  allen  politischen  Absichten  femstehend ,  vom  rein  wissenschaftlichen  und 
coHurhistorischen  Standpunct  die  Ereignisse  in  Central  -  Asien  betrachtet: 
Gleichwie  an  die  russischen  Fahnen  die  Forschung  der  Wissenschaft  sich 
heftete  und  wir  heute  die  durch  die  Kacht  der  Jahrhunderte  bedeckten  Land- 
schaften im  centralen  Asien  genauer  kennen  als  manche  Theile  der  europäischen 
Türkei,  so  folgt  auch  unausweichlich  die  Cultur  dem  Siegeszug  des  schwarzen 
Aars.  Bussland  erftlllt  in  Asien  eine  wahre  Culturmission,  indem  es  auf  seine 
Weise  den  orientalischen  Völkern  den  europäischen  Ideenkreis  vermittelt.  Mit 
einem  Worte:  ftir  Asien  ist  Bussland  die  Cultur,  die  Civilisation.  Wir  unbe- 
thefligten  mtÜ5en  aber  mindestens  erkennen,  dass  die  Erweiterung  der  mensch- 
lichen Kenntnisse,  dieses  Aufischließen  neuer  Kreise  für  das  Culturleben  der 
civilisierten  Völkerfamilien  der  beste  Gewinn  sei,  den  die  Menschheit  von  jeher 
seit  den  Zflgen  der  Osiris  und  des  makedonischen  Alexander  aus  derartigen 
Eriegsuntemehmungen  gezogen  hat.^  B. 

Aas  allen  Welttheilen.  Illnstriertes  Familienblatt  f Qr 
Länder-  und  Völkerkunde.  Bedigiert  von  Dr.  Otto  Deutsch.  Leipzig 
bei  R.  L  o  e  s.  (Der  Jahrgang,  52  Nammern  oder  12  Monatshefte,  läuft 
von  October  zu  October.) 

Die  Popularisierung  der  Erdkunde  kann  uns  nur  erwünscht  sein.  Sie 
trifft  auch  mit  der  Neigung  der  Familienglieder  und  namentlich  der  Jugend  viel 
mehr  zusammen,  als  man  glaubt,  und  fördert  die  Entwicklung  des  Geistes 
intensiver  und  harmonischer,  als  alle  die  sogenannt  moralischen  Erzählungen, 
mit  denen  man  die  Jugend  füttert. 

Die  vier  Nummern,  welche  uns  von  dieser  neuen  Zeitschrift  vorliegen, 
lassen  die  Sachkenntnis  und  den  Takt  der  Redaction  in  günstigem  Licht  wahr- 
nehmen, nicht  nur  was  die  Wahl  und  Vertheilung  der  Stoffes  und  die  Illustra- 
tionen anbelangt,  sondern  auch  —  und  das  ist  bei  einem  solchen  Unternehmen 
fOtt  entscheidender  Bedeutung  —  in  Bezug  auf  die  stilistische  Darstellung,  die 
bisher  den  rechten  Ton  zu  treffen  weiß.  Wenn  die  Bedactipu  sich  dessen  auch 
in  der  Zukunft  befleißen  will,  so  haben  wir  nicht  nöthig,  der  Zeitschrift  eine 
große  Verbreitung  zu  wünschen,  sie  wird  sie  durch  sich  selbst  finden.  B. 

Wilhelm  von  Harnier's  Reise  am  obern  Nil.  Nach 
dessen  hinterlasseuen  Tagebüchern,  herausgegeben  von  Adolf  von  Har- 
nier.  Mit  einem  Vorwort  von  Dr.  A.  Petermano.  Nebst  einer  Special- 
karte QDd  27  Originalzeichnnngen  Wilhelm  v.  Hamier's,  ansgeftthrt  in 
Farbendmck  von  J.  liL  Bernatz.   Darmstadt  und  Leipzig  bei  Zernin 

1866. 

Wir  erwähnen  dieses  Reisewerk,  das  schon  längere  Zeit  auf  dem  Bücher- 
markt ist,  weil  wir  es  —  wie  wenig  andere  —  zu  einem  Festgeschenk  für  die 
erwachsene  Jugend  geeignet  finden. 

Abgesehen  von  aen  schönen  Bildern,  —  Petermann  bezeichnet  sie  im 
Vorwort  als  weitaus  die  besten  und  getreuesten,  die  über  das  Nilgebiet  zwischen 
Chartum  und  Zansibar  bisher  erschienen  sind  —  erhält  der  Leser  durch  die  an- 
sprnchsiosea  und  getreuen  Schilderungen  ein  lebensvolles  Bild  der  Natur  im 
^ßen  und  ganzen  und  lebt  sich  in  dieselbe,  da  der  Verfasser  das  characte- 
ristiscfae  interessant  vorzuftlhren  weiß,  während  des  Lesens  gleichsam  hinein. 

Das  Pflanzen-  und  Thierleben  ist  nicht  in  wissenschaftlicher  Zusammen« 
Stellung,  sondern  in  der  Reihenfolge  geschildert,  wie  es  sich  dem  Reisenden 
im  Verlauf  der  Reise  darbot  und  von  den  Anwohnern  des  bereisten  Gebietes 
veiß  er  in  Bild  und  Wort  das  characterisierende  anschaulich  zu  machen. 

Bekanntlich  ward  W.  v.  Harnier  ein  Opfer  seiner  Expedition,  er  wurde 
am  23.  November  1861  nahe  der  Station  Heiligenkreuz  bei  Gondokoro  auf  der 
Jagd  von  einem  Büffel  getötet.  B. 


30 

Admiaistrativkarte  von  Niederösterreich.  Heraas* 
gegeben  vom  Verein  für  Landeskunde  von  Nieder- 
österreiph. 

Zu  deD  bereits  herausgegebenen  12  Sectionen,  von  welchen  9  einen  zu- 
sammenhangenden Cvclus  der  Umgebung  von  Neustadt  bildeten,  die  3  übrigen 
(YTien,  St.  Polten,  Wolkersdorf).  isoliert  waren,  sind  nun  die  Blatter  BoUeim- 
kirchen,  Neulengbach,  Purkersdorf  und  Baden  hinzugekommen, 
welche  die  VerbinduDg  der  südlichen  Blätter  mit  den  nördlichen  herstellen, 
und  nach  Vollendung  der  bereits  in  Angriff  genommenen  Sectiouen  TulLu, 
Stockerau,  Komeuburg,  Enzersdorf,  Altenmarkt,  Medling,  Fischamend, 
Mannersdorf,  Brück  um  Wien  herum  einen  zusammenhängenden  Bayon  bilden 
werden.  Auch  im  Süden  wird  der  Stich  der  Karte  gefördert  uud  sind  die 
Sectionen  Kirchschlag,  Aspang,  Neuwald,  Reichenau  und  Schwarzau  mehr  und 
weniger  im  Stiche  vorgerückt.  Ueber  die  Ausführung  dieser  Karte,  die  aus 
oft  erwähnten  Gründen  vorläufig  ohne  Terrain  bleiben  muß,  ist  in  früheren 
Artikeln  umständlich  gesprochen  worden ;  es  genüge  dxüier,  hier  noch  auzuführen, 
dass  V)  der  vollständigen  Karte  in  Zeichnung  fertig  sind,  und  hoffentlich  bis 
Mitte  1870  ein  Drittel  im  Stiche  vollendet  vorliegen  wird.  Kaum  braucht  ver- 
sichert zu  werden,  dass  auch  bei  den  jetzt  erschienenen  4  Blättern  dieselbe 
Sorgfalt  auf  correcten  Inhalt  genommen  wurde  und  Behörden  und  Private  bei- 
getragen haben,  ihn  möglichst  richtig  zu  stellen.  Der  steigende  Absatz  dOrfte 
ein  Bürge  sein,  dass  die  Karte  vielutchen  Bedürfhissen  entspricht,  und  zwar 
in  desto  höherem  Grade,  je  mehr  ihre  Area  zunimmt.  Verwaltungsämter, 
Eisenbahnen,  Großgrundbesitzer,  Pfarren,  Industrielle,  Gemeinden  etc.,  be- 
nützen sie  mit  Vortheil;  und  wird  einmal  die  Heimatkunde  in  jeder  Schule 
gelehrt  werden,  so  kann  auch  das  Blatt  mit  dem  Schulorte  ein  geeignetes 
Lehrmittel  werden. 

Der  Verein  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  hat  sich  durch  diese 
Arbelt  ein  Verdienst  um  das  Land  erworben,  welches  nicht  hoch  genug  ange- 
schlagen werden  kann,  wenn  man  bedenkt,  dass  ein  Unternehmen,  welches  von 
der  Regierung  jahrelang  verfolgt  und  im  Zweifel  an  die  Ausführbarkeit  fallen 
gelassen  wurde,  hier  mit  beschränkten  Mitteln,  aber  ausdauerndem  Muthe  in 
so  kurzer  Zeit  und  in  so  ausgezeichneter  Weise  vorwärts  gebracht  wird. 
Wenn  wir  die  Einzelheiten  dieser  ausgezeichneten  Karte  ins  Auge  fassen  und 
der  wissenschaftlichen  Zwecke  gedenken,  zu  denen  sie  nach  ihrem  Maßstab 
und  ihrer  genauen  Zeichnung  benützt  werden  kann,  so  lässt  sich  kein  ähn- 
liches Unternehmen  bezeichnen,  welches  den  Vergleich  mit  ihr  aushält.  Das 
Hauptverdienst  ihrer  Zustandcbringung  gebührt  unserm  verehrten  Mitgliede, 
dem  kais.  Rath  Anton  Steinhaus  er,  der  sich  damit  ein  unvergängliches 
Denkmal  gesetzt  hat.  B. 

Geologische  Karte  der  Provinz  Preußen  von  Dr. 
Deren  dt.  Berlin  1867  hei  J.  H.  Nenmann.  2  Blätter.  Nr.  2  and  7. 
Preis  für  1  Section  =  1  Th.  (mit  Text  k  6  gr.) 

Die  Ueberzeugung  von  der  Wichtigkeit  der  genauen  Durchforschung  der 
Bodenverhältnisse  der  Länder  hat  mehrorcige  geologische  Aufnahmen  in  großem 
Maßstabe  hervorgerufen,  und  wir  erfreuen  uns  des  schnellen  Fortschreitens 
auf  diesem  kartographischen  Gebiete.  Auch  die  Provinz  Preußen  ist  nun  in 
die  Reihe  eingetreten,  und  wird  auf  Kosten  der  Provinz  uud  im  Auftrage  dar 
köuigl.  physikalisch- ökonomischen  Gesellschaft  zu  Königsberg,  unter  Zugrunde- 
legung der  topographischen  Karten  des  königl.  Generalstabes,  welche  im 
Maße  von  1  zu  iOO.OOO  der  Natur  ausgeführt  sind,  eine  Karte  in  41  Blättern 
erscheinen,  deren  Erstlinge  vorliegen.  Sie  unterscheidet  sich  von  den  meisten 
der  analogen  Karten  durch  ein  viel  tieferes  Eingehen  in  die  Quartärbildungen, 
in  die  Schichten  des  Diluviums  und  Alluviums,  welche  in  so  großer  Mäch- 
tigkeit in  der  norddeutschen  Tiefebene  auftreten,  ohne  die  altern  Sediment- 
bildungen zu  veruachläßigcn.  Um  die  Uebersicht  zu  erleichtern,  sind  nicht 
die  Sectionen  der  topoji^raphischen  Karte,  sondern  ihr  Inhalt  zur  Grundlage  be- 
nützt,  die  Blätter  sind  grußer  im  Formate  (2^4  Mal  größere  Area).  Das 
Tertiärgebirge  zeigt  2,  das  Diluvium   11,  das  Alluvium  lö  Farbe nnuancen,  so 


31 

diss  die  uLoeralogisoh-petrographisclie  Vcrschiedcaheit  genügend  hervortritt, 
während  andererseits  durch  aligemeine  Grund-Farben  die  Hauptformations- 
glieder  erkennbar  sind.  Der  Eindruck  dieser  Anordnung  ist  sehr  günstig,  und 
wird  die  Deatlichkeic  selbst  dadurch  nicht  aufgehoben,  dass  durch  dunklere 
Zeichen  die  Untereinandertbige  der  Schichten  angedeutet  ist.  Die  Sec- 
nooen  föhren  ihren  Titel  nach  Gegenden,  z.  B.  Kurisches  Haff  (ndl.  sdl.  Theil), 
West-  und  Ost-Samlaud,  Memoldelta  etc.  £s  sollen  jährlich  2  Blätter  er- 
scheinen und  mehreren  Sectioueu  zwangslose  Erläuterungen  beigegeben  werden. 

—  s  — 

Karte  der  Umgebungen  von  Gleicbenberg  von  Prof. 
J.   Wastier    in    Graz    1869.    (300«  =1  Zoll  oder  Vgigoo-) 

ümgebungskarte  von  Rohitsch-Sauerbrunu  und  Kra- 
pina-Teplitz.  Herausgegeben  von  Dr.  J.  Burghardt  (800®  =  1  Zoll 

oder  '/5760o)- 

heide  Karten  sind  als  Begleiter  zu  balneologischen  Werken  zu  betrach- 
ten; beide  fußen  auf  der  Catastral- Aufnahme,  mit  Zuhilfenahme  der  Mil. 
Aufnahme  für  das  Terrain,  nebst  Beigabe  eigener  Höhenmessungen;  nur  Maß- 
stab und  Ausführung  sind  verschieden.  Auf  Wastler's  Karte  ist  das  Terrain 
in  Schraffen  ausgeführt,  auf  der  andern  in  Kreideschummerung.  Erstere  fasst 
etwa  IV}  Qnadr.  Meilen,  die  zweite  gegen  12  Quadr.  Meilen.  Beide  sind  Ar- 
beiten, die  durch  verhältnismäßig  viele  Höhenangaben  sich  auszeichnen  und 
die  ersten  and  einzigen,  auf  welchen  diese  Landestheile  in  so  großem  Maßstabe 
erscheinen.  Wie  sehr  willkommen  sie  den  Kurgästen  sein  werden,  bedarf 
keiner  weitläufigen  Erwähnung.  —  s  — 

Lithographische  Masterblätter  gefertigt  in  der  topo- 
graphisch-geographischen  Anstalt  von  Wurster,  Randegger  u.  Comp,  zu 
Wiuterthur  in  der  Schweiz.  1869.  19  Bl.  Qaer-Quart. 

Obwol  bei  diesem  Hefte  die  mercantilische  Tendenz  vorschlägt,  geht 
doch  der  Topograph  nicht  leer  aus,  indem  unter  den  19  Blättern  auch  solche 
sich  befinden,-  die  für  sich  allein  ein  ganzes  bilden,  z.  B.  Ein  Plan  von  Genk 
(in  VisM»^'  Umgebung  von  Wiuterthur  in  Schichten  (in  Vasooo)»  Umgebung  von 
Genf  (in  Vsdoo«))  °>^^  Schichten  von  10  Meter  Höhe.  Die  übrigen  Blätter  sind 
größeren  i'ublicationen  entnommen,  z.  B.  der  topographischen  Karte  von 
St  Gallen,  von  J.  M.  Ziegler,  einer  Schul  Wandkarte  vom  Ganton  Zürch,  einer 
diorographischen  und  geologischen  Karte  der  Schweiz  etc.  Aus  allen  geht 
hervor,  aass  das  Etablissement  Wurster,  Randegger  &  Comp,  eine  sehr  lobens- 
werte Ausbildung  in  der  Technik  der  Lithographie  ausweiset,  und  dass  dem- 
selben das  Vertrauen  geschenkt  werden  kami,  jeder  Autgabe  in  diesem  Genre 
gewachsen  zu  sein.  —  s  — 

Carte  da  Can  ton  de  Gen^ve  (nachDufonr  auf  ^'^oooo  ^^^°' 
dert  und  graviert  bei  Wurster,  Randegger  &  Comp.  Wiuterthur).    Genf, 

bei  Briquet  <&  fils.   1868.   Gr.  Folio.  Mit  einem  Plane   von  Genf  in 

*  isooo  <^^r  Natur. 

Eine  genaue,  sehr  schön  gearbeitete  Karte  von  trefflicher  Ausführung  in 
Farbendruck,  bei  der  man  außer  den  (etwa  gewünschten)  Angaben  der  Wein- 
caltnr  nichts  vermisst.  Sie  enthält  keine  Schichtenlinien,  wol  aber  zahlreiche 
Höhencoten  in  Meter  und  fein  angedeutete  Kreisbogen,  welche  die  Entfernung 
vom  Miiteipuncte  der  Stadt  für  5  und  10  Kilometer  angeben.  —  s  — 

Karte  der  Insel  Tenerifa,  nach  vorhandenen  Materialien 
und  eigenen  Beobachtungen  entworfen  von  G.  Härtung,  K.  v.  F ritsch 
und  W.  Reiß,  gezeichnet  von  J.  Randegger.  Bei  Wurster  &  Comp,  in 
Wintertliur.  1869.  1  Blatt  gr.  Fol.  mit  Beilagen  (durchschnitten  Vg). 

Obwol  für  die  Insel  Tenerifa  durch  Leopold  v.  Buches  Untersuchungen 
and  Karte  schon  eine  gute  Grundlage  vorhanden  ist,  so  gewährt  doch  die  vor- 
liegende im  Maße  von  1  zu  200.000  der  Natur  gezeichnete  Karte  durch  die  vortreff- 


32 

liehe  Gebirgsdarstellung  und  die  dazu  gehörigeu  Profile  eine  neue  Anscbauang  der 
volcaDischen  Region  des  Pico  de  Teyde,  mit  der  großartigen  Caldara,  aus 
der  sich  der  37 1 1  Meter  hohe  Krater  erhebt.  Die  vielen  Höhencoten,  mehrere 
hundert  an  der  Zahl,  geben  der  Karte  einen  besonderen  Wert.  Ein  Vergleich 
mit  der  Karte  Leopolds  v.  Buch  lässt  die  Vorzüge  der  gegenwärtigen  Arbeit  leicht 
herausfinden.  In  Wien  bewahrt  das  Schottengymnasium  ein  Relief  der  Insel 
(nach  V.  buch)  von  Dickens,  Cocservator  der  Universität  Bonn.  —  s  — 

Plan  von  Jernsalem,  nach  den  englischen  Aafnahmen (1864/5) 
von  Wilson  rednciert  auf  V2oooo' ^^^^^^'**  R&ndegger  &  Comp,  in 
Winterthur.  1869.    Gr.  4. 

Dieser  ausgezeichnete  Plan  von  Jerusalem  und  seiner  nächsten  Um- 
gebung erstreckt  sich  gegen  Nord  und  Ost  weiter,  als  die  meisten  bisherigen 
Darstellungen,  bis  zu  den  Gräbern  der  Richter  und  dem  Kloster  des  Kreuzes. 
£r  gewährt  ein  sehr  deutliches  Bild  der  Hochfläche  mit  ihren  tiefen  Ein- 
schnitten und  viele  Höhenaogaben  in  (englischen?)  Fuß  unterstützen  die 
Auffassung.  Jede  Ruine,  jede  Cisterne,  jedes  alte  Grab  ist  bezeichnet,  lauter 
Gegenstände,  von  welchen  frühere  Pläne  fast  nichts  enthielten.  Wo  der  Platz, 
zur  Beschreibung  mangelte,  helfen  Ziffern  aus.  Derselbe  Plan  ist  in  einer 
besonderen  Ausgabe  mit  französischem  Text  und  geognostisch  coloriert 
erschienen.  —  s  — 

Mapa  de  Guatamala  la  nneva  von  Hermann  A u.   1868. 

Dieser  in  Farbendruck  mit  großer  Sorgfalt  bei  Wurster,  Randegger  &. 
Comp,  in  Winterthur  ausgeführte  btadtplan  beruht  auf  einer  Aufnahme  und 
zeigt  die  regelmäßige  und  nach  den  Hauptweltgegenden  orientierte  Anlage  der 
1776  gegründeten  nun  wichtigsten  Stadt  von  (Central- America,  die  bald  oO.OOO 
Einwohner  zähKn  wird,  und  in  iOOO'  Höhe  aelegen  ist.  Der  Plan  beschränkt 
sich  auf  die  Stadt  selbst  und  enthält  Ober  due  nächste  Umgebung  nur  höchst 
dürftige  Andeutungen.  Ein  Nivellement  scheint  mit  der  Aufnahme  nicht  ver* 
bunden  worden  zu  sein.  —  8  — 

Karte  des  Canton  61a rns.  Winterthur  bei  Wurster,  Rand- 
egger &    Comp.    1869.   2  Bl.   gr.   Folio.   Gebirgszeichncng  von   J.  M. 

Ziegler.  2.  Anflage.   Im  Maße  von  1  zn  50.000  der  Natar. 

Die  zweite  Anflage  dieser  vortrefflichen  Karte  unterscheidet  sich  mehr- 
fach von  der  ersten,  namentlich  durch  die  Ausführung  der  Gebirgszeichnung 
in  Schraffun  statt  in  Kreideschummerung,  wodurch  weniger  das  allgemeiue 
Bild,  als  vielmehr  die  Einzelnhoiten  gewonnen  haben.  Der  volle  Ton  der 
Kreide  ist  dem  plastischen  Ausdrucke  des  Reliefs  zuweilen  lorünstiger  als  die 
Schraffen,  jedoch  gewähren  diese  mehr  ßestimmtheit  und  die  Characteristik  der 
Details  gewinnt  dabei  unstreitig.  In  dieser  Characteristik  ist  Ziegler  ein  an- 
erkaimter  Meister,  und  hat  sein  Talent  hiezu  durch  sehr  zahlreiche  Studien 
an  Ort  und  Stelle  ausgebildet.  Der  Text  zu  sciuer  Karte  von  Engadein 
liefert  die  Beweise,  wie  sehr  dieser  Kartograph  bemüht  ist,  die  Formen  des 
Terrains  nach  ihrer  geologischen  Verschiedenheit,  die  sich  in  den  äußeren 
Umrissen  ausprägt,  aufzufassen  und  mit  den  Mitteln,  welche  der  topogra- 
phischen Zeichnuug  zu  Gebote  stehen,  entsprechend  darzustellen.  Die  Noth- 
wendigkeit,  dass  der  aufnehmende  Geometer  auch  geologische  Kenntnisse  habe, 
ist  besonders  in  der  Schweiz  früh  schon  erkannt  worden  und  namentlich  war 
Ziegler  der  erste  Zeichner,  welcher  schon  in  seiner  Karte  des  Kantons  St. 
Gallen  (1 :  2o.00u)  versuchte,  statt  des  üblichen  allgemeinen  Zeichens  für  Felsen 
passende  characteristische  Modificationen  einzuführen.  Die  jetzige  Ausgabe  hat 
durch  mehrfache  Berichtigungen  benannter  Herren  Vorzüge  vor  der  älteren 
und  steht  ihr  nur  in  dem  einzigen  Puncte  nach,  dass  die  grCUie  Färbung  für 
Wald  ausgefallen  ist.  Dass  dieselbe  in  Verbindung  mit  der  Schummerung 
nicht  deuuich  vortrat,  muß  wol  zugegeben  werden;  doch  würde  eine  zarte 
Behandlung  (ähnlich  wie  auf  der  Karte  von  Engadein)  die  Schraffierung  nicht 
beeinträchtigt  haben.  Die  Karte  von  Glarus  ist  nebstbei  ein  Fingerzeig,  wie 
weit  man  im  Verhältnis  zum  Maßstabe  in  der  Schichtenhöhe  gehen  darf. 
Wenn  bei  ^'50000  Schiebten  von  30  Meter   schon  so  nahe  zusammeorücken,  so 


33 

wird  man  bei  kleinerem  Maße  im  Hochgebirg  höhere  Schichten  von  nO  und 
noch  mehr  Metern  einführen  müßen.  Die  Schichtenlinien  setzen  bei  Fels- 
wänden und  im  Gerolle  nicht  fort,  und  ers^^beiiien  auf  den  Gletschern  in  blauen 
Linien.  Dass  die  Karte  mit  zahlreichen  Goten  in  Metern  ausgestattet  ist,  ver« 
steht  sich  bei  einer  Schweizerkarte  beinahe  von  selbst.  —  s  — 

Umgebung  von  Triest,  nach  einem  Originale  der  Gcncral- 
stabsabtbeilang  der  7.  Trappendivision,  pbotolithograpbiert  im  k.  k.  Militär- 
peogr.  Institute.  1868.  23  Bl.  kl.  Fol.  1  Zoll  =  200»  oder  V14400  ^^r 
Natnr. 

Diese  Folge  von  23  Blättern,  von  welchen  jedes  den  vierten  Theil  einer 
österreichischen  Quadratmeile  umfasst,  ist  eine  Fortsetzung  der  unlängst  be> 
gonnenen  ümgebungskarten  von  Hauptstädten  österreichischer  Kronländer,  und 
bildet  nach  Ausfüllung  der  Lücken  zusammengesetzt,  ein  Tahleau  von  2\'^ 
Meilen  Höhe  uod  Breite,  und  ein  treues  Bild  des  Karstes,  der  in  dieser  Re- 
gion in  seiner  abschreckendsten  Gestalt  erscheint.  Auf  dieser  Fläche  von 
etwas  mehr  als  4  Quadratmeileu  wimmelt  es  auf  dem  Hochplateau  von  Dol- 
lirieo,  großen  und  kleineu  Gruben,  Hügeln  und  Steinwällen  ohne  Spur  eines 
oberirdischen  Wasscrlaufes.  Trotz  der  Unwirtlichkeit  dieses  fast  waldlosen 
iiebietes  mit  seinen  dürftigen  Culturstellen  findet  man  mehrere  Ortschaften, 
(darunter  Corgoale,  wo  die  berühmte  Grotte  Trebid, .  unter  der  die  Rcka,  am 
Ansflussc  bei  Duino  Timavo  genannt,  in  unterirdischön  Höhlen  fließt;  Opöina 
mit  seiner  prachtvollen  Fernsicht,  Sesana,  ßassuviza  u.  a.)  Der  wichtigste 
Hafen  Oesterreichs,  Triest,  ist  durch  gute  Straßen  mit  Görz,  Laibach,  Fiume 
niid  I Strien  verbunden,  und  hoch  am  Meeresufer,  über  Miramare  vorüber, 
läuft  die  Eisenbahn  nach  dem  Kuotenpunctc  Nabresina,  um  von  dort  im  Bogen 
zurückkehrend  Üpcina  und  Sesana  zu  berühren.  Etwa  500  Höhenpuncte  (in 
Klaftern)  sind  eingetragen,  die  genau  bestimmten  mit  Decimalen,  und  so  ist 
auch  von  dieser  Seite  die  Karte  wertvoll.  Werden  die  nun  noch  nicht  be- 
seitigbaren UnvoUkommenheiten  des  photolithographischen  Verfahrens  mit  der 
Ausbildung  der  Technik  schwinden,  so  wird  auch  jener  Grad  von  Heinheit  in 
der  Ausführung  erreicht  werden  können,  der  zur  Zeit  noch  ein  frommer  Wunsch 
bleiben  muß.  Möge  mau  sich  vorläufig;  zufrieden  geben,  dass  durch  diese  Art 
der  Erzeugung  die  topographischen  Karten  großen  Maßes  höchst  billig  her- 
gestellt werden  können,  und  wenn  auch  nicht  in  uutadelhafter  Schönheit,  doch 
iiiuruchend  zu  vielseitiger  Brauchbarkeit.  —  s  — 

Karte  von  Ungarn  vom  k.  k.  mih  geogr.  Institut.  1. 
und  2.  Lieferung.    18G9.    18  Bl. 

Die  vorliegenden  Blätter  umfassen  den  Rayon  zwischen  Risenstadt, 
Trem-iu  und  Ofen- Pest,  so  dass  der  Donaulauf  bis  Soroksar,  das  Marchthal 
Ins  Ostra,  das  Waagthal  bis  Illava,  das  Neutrathal  ganz,  das  Grantbai  bis 
Kremnit^,  das  Eipelthal  bis  Losoncz  darin  enthalten  sind.  Was  den  merito- 
rischen  Inhalt  der  Karte  anbelangt,  so  ist  in  Nr.  7  dieser  Mittheilungen  (p.  411) 
lioreits  ausgesprochen,  dass  keine  der  bisherigen  Karten  von  Ungarn  ähn- 
liches leistet,  uüd  selbst  die  ausgezeichnete  Monarchie  karte  des  Obersten 
1».  v.  Sc  heda  auf  dem  sechzehumal  kleineren  Flächenraume  gleiches  zu 
liieten  nicht  vermag.  2dau  vergleiche  auch  die  aus  dem  .lahre  1Hl?/4  her- 
röhrenden Grünzblätter  der  Karte  von  Niederösterreich  mit  den  Gränzblättern 
C  (5,  J)  3  bis  D  6  der  Karte  von  Ungarn,  um  sich  zu  überzeugen,  wie  groß 
»Kr  Abstand  in  der  Ausführung  dos  Terrains,  in  der  Rechtschreibung  der 
Ortsnamen,  in  der  Configuration  der  Flussläufe  u.  s.  f.  ist.  Wenn  ja  eine  Ke- 
iiion  dem  Stande  der  Neuzeit  nicht  entspricht,  so  ist  es  das  Becken  des  Neu- 
sif  dlrrsees,  welches  wir  hier  noch  gefüllt  erblicken,  wahrend  es  seit  Jahren 
trocken  liegt  und  wir  bereits  von  Ansiedlungcn  (Neu-Mcxico)  lesen,  die  auf  dem 
t-Lmaligcn  Seegrunde  sich  erhoben  haben.  Merkwürdig  bleibt  jedenfalls,  dass 
wir  über  eine  so  großartige  Erscheinung,  wie  sie  das  Verschwinden  einer 
Wassertliichc  von  6  Geviertmcilen  bietet,  und  die  wenige  Stunden  von  Wien 
irhon  seit  so  langer  Zeit  eingetreten  ist,  noch  immer  ungenügend  unterrichtet 
Hud     und    insbesondere   eine    kartographische    Darstellung  trotz  aller  angeb- 

G€*^nphisch»  Mittlieilungen,  1870. 1.  3 


34 

liehen  Vrx*raessungen  noch  keiium  der  einzelnen  IJcrichte  beigegeben  wurde. 
Es  wird  daher  um  so  melir  auffallen,  wenn  die  Karte  von  Ungarn  durch  die 
Ignorierung  der  bekannten  Thalsachc  die  oft  angeregte  Neugierde  unbi^IViedigt 
]&sst.  —  In  Beziehung  auf  Höhenaugaben  befriedigen  die  auf  ulteren  Auf- 
nahmen beruhenden  Blätter  selbsivt'rsiiindlich  nur  wenig,  nur  stellenweise  (z.  B. 
bei  Schemnitz  und  Kremnitz)  findet  mau  zahlreiche  Coteu.  —  s  — 

Karte  der  Flussgebicte  des  Drin  und  des  Wardar,  nach 
den  Beobachtungen  von  J.  G.  v.  Hahn,  k.  k.  öst.  Gen.-Consuls  von 
H.  Kiepert.   Berlin  1867.  Maßstab  =  1  :  500.000  der  Natur. 

Fttr  die  angegebenen  Gegenden  muß  diese  Karle,  welche  auf  die  Routen 
von  Ilahu,  Zach,  Spann,  Bo\\6,  ^'isquenel,  Grisebach  und  Barth  basiert  ist,  als 
Hauptquelle  angesehen  werden.  In  so  wenig  erforschten  Regionen  muß  die 
Kenntnis  Scbritt  für  Schritt  erkäm])ft  werden,  und  muß  mau  froh  sein,  wenn 
(wie  hier)  auf  250  Quadr.-Meilen  ein  Duzend  Orte  fällt,  deren  Lage  einiger* 
maßen  bestimmt  ist.  Dass  die  Gebirgsdar-stellung  lückenhaft  und  an  vielen 
Orten  hypothetisch  ist,  darf  nicht  Wunder  nehmen.  Wo  die  Civilisation  noch 
60  wenig  Boden  gefunden  hat,  wie  in  den  Gebirgsgegenden  von  Albanien  und 
Macedouien,  bleibten  viele  Meilen  lange  Strecken  eine  terra  incognita,  «lie  oft 
auis  Hörensagen  kaum  ausgefiUlt  werden  kann.  Man  kann  sich  nur  freuen, 
wenn  der  Fuli  wissei:schaftlicb  gebildeter  Männer  solche  Regionen  betritt  und 
stellenweise  ein  Dämmerlicht  über  sie  verbreitet.  Solche  scheinbar  unvollendete 
Blätter  haben  fiir  den  Kartographen  einen  höheren  Wert,  als  prachtvolle 
Karten  über  längst   im  kleinsten  Detail  bekannte  Länder.  —  s  — 


Notizen. 

Die  Kreuzfalirersteine  im  Innern  Ton  Dalmatien.  Von  unser  m 
Mitgliede  Med.  Dr.  M.  K  Weiser  geht  uns  nachstehende  Notiz  zu. 
••In  den  Monaten  Jänner,  I'ebruar  und  März  des  Jahres  18ÖÖ  hatte  ich  als 
Mitglied  der  Militärbefreiungs-Commission  Gelegenheit  den  größeren  Theii 
Dalmatiens  zu  bereisen  und  nebst  den  großen  Inseln  Brazza,  Lesina  und 
Lissa,  welche  mir  so  wie  andere  kleinere  Eilande  von  früher  her  bekannt 
waren,  namentlich  den  wenig  bereisten,  sehr  interessanten  festländischcu  Thcil 
dieses  eigenthümlicben  Landes  kennen  zu  lernen. 

Wer  es  nicht  schon  ^üsste,  dass  man  auch  in  Dalmatien  sich  auf 
classischem  Boden  befindet,  der  würde  Angesichts  der  zahlreichen  Denkmäler, 
Alterthtimer  und  Ueberbleibsel  aller  Art  aus  der  Römerzeif,  so  wie  aus  der 
Blütenperiode  der  venetianischen  Herrschaft  hieran  erinnert.  Eingehendere 
Forschungen  führen  auch  auf  interessante  Reste  aus  der  griechischen  und  vor- 
griechischen Zeit  zurück,  wie  mir  ciies  die  reichhaltige  Sammlung  von  Münzen, 
Versteinerungen,  Katurproducten  aus  allen  drei  Reichen  etc.  des  Privatgelehrten 
Herrn  Machieco,  welchen  ich  auf  der  Insel  Lesina  kennen  zu  lernen  das 
Vergnügen  hatte,  in  anziehendster  Weise  zur  Anschauung  gebracht  hat.  IJeber- 
reste  von  römischen  oder  venetianischen  Baudenkmälern,  wie  die  des  Diocietian- 
Palastes  zu  Spalato  —  die  Ruinen,  Bäder  und  Gräber  des  benachbarten 
Salona,  —  die  noch  wolcrhaltene,  auf  zahlreichen  Pfeilern  ruhende  Steiobrücke 
über  die  Cettina  bei  Verlicca,  —  die  venetiauische  Loggia  auf  Lesina  u.  s.  w. 
u.  s.  w.  sind  meines  Wissens  hinreichend  gewürdigt  und  beschrieben  und  ich 
beabsichtige  mit  diesen  Zeilen  bloü  auf  eine  Erscheinung  aufmerksam  zu 
machen,  die  mir  auf  der  Reise  von  Verlicca  über  Syn  nach  Irooschi  aufstieß. 
Die  Kile  der  amtlichen  Reise  gestattete  mir  nicht  ihrer  Wesenheit  und  Bedeu- 
tung auf  den  Grund  zu  gehen. 

Auf  der  genannten  Strecke  (der  Strada  francese)  finden  sich  nämlich  zu 
beiden  Seiten  der  Straße  zahlreiche,  nach  unregelmäßigen  Zwischenräumen 
wiederkehrende,  bald  kleinere,  bald  aber  riesig  große,  allem  Anscheine  nach 
künstlich  hergestellte,  theils  aus  kleineren  Steinstücken,  iheils  durch  das  Auf- 


35 

cioandertQrmen  größerer,  regelmäßig  behauener  Blöcke  gebildete  Hügel,  welche 
gauz  den  Eindruck  von  Collectivgrabhügeln  machen  und  auch  von  den  Ein- 
wohnern ftir  solche  gehalten  werden.  Einzelne  ebenfalls  regelmäßig  bchauene, 
der  Form  unserer  jetzt  üblichen  Grabsteine  genau  entsprechende,  mit  ver- 
schiodencn  Zeichen  und  kaum  mehr  lesbaren  Inschriften  in  erhabener  Sculptur- 
arbeit  versehene  Steine  sind  außerdem  an  verschiedenen  Stellen  zerstreut  und 
es  ist  nicht  immer  leicht  zu  entscheiden,  ob  dieselben  an  die  vorgefundene 
Stelle  ursprünglich  hin  versetzt,  oder  in  späteren  Zeiten  —  den  HQgelsteinen 
entnommen  —  dorthin  Übertragen  wurden. 

Von  allen  Personen,  theils  einheimischen,  theils  seit  langer  Zeit  ansäßigen, 
welche  ich  über  diese  Erscheinung  befragte,    wurden    diese  Wahrzeichen   als 
-Kreuz fahrersteine«  bezeichnet.  Ueber  die  Bedeutung  derselben  herrschen 
verschiedene  Mutmaßungen  und  während  die  eine  Ansicht   in  ihnen   einfache 
Wegmarken  zur  Orientierung   für  die  nachkommenden    erblickte,    bestand    die 
andere  darauf,  dass  es  wirkliche  Grabhügel  seien.   Unentschieden  blieb  hiebei, 
ob  hier  die  durch  Krankheit   und  die  Strapazen  des  Marsches  umgekommenen 
ihre  letzte  Buhestätte  gefunden,  oder  ob   —   hiefÜr  sprach  sich   die  Mehrheit 
aas  —  durch   diese  monumentalen  Erinnerungszeichen  das  Andenken  solcher, 
die  im  ritterlichen  Kampfe  gefallen,  verewigt  werden  sollte.  Die  Beschaffenheit 
der  Hügel  und  der  Steine  selbst  scheint  für  die  letztere  Ansicht  zu  sprechen. 
Der  Umstand,  dass  diese  Denkmäler  gerade  dort  sich  häufen«   wo  sich   eine 
kleine  (Hoch-)  Ebene   befindet  (welche  also   ein  passendes  Terrain   für   ein 
Gefecht  abgab),  während  dieselben  dort,  wo  der  Weg  bergauf  bergab  durch  die 
Felsmasscn  sich  durchwindet,  entweder  gar  nicht  oder  nur  vereinzelt  vorkommen ; 
—  die,  wenn  auch  rohe  Sculpturarbeit  an  den  zubehauenen,  in  allen  n^öglichen 
Crabsteinformen  sich  präsentierenden   FeisblÖcken,  an  denen,  derzeit  halbver- 
wittert,  Kj^uze,  Wappen  und  Inschriften  zu  erkennen,  die  letzteren  wol  auch 
in  den  selteneren  Fällen   zu  entziffern   sind    —    welche  Sculpturarbeit  doch 
immerhin  einen  bestimmten  Aufwiind  von  Zeit  voraussetzt ;  —  endlich  die  nach 
längeren  oder  kürzeren,  vollkommen  freien  Intervallen  wiederkehrenden  Massen- 
denkmäler sprechen  hiei^r,  da  es  nicht  leicht  anzunehmen  ist,  dass  die  Kreuz- 
fahrer ihre  an  ^Krankheiten  verstorbenen  Kameraden  so  lange  mitgeschleppt, 
bis  sich  die  Mühe  einer  regelrechten,  obendrein  noch  feierlichen  Bestattung 
dmch  größere  »Betheiligung  der  Toten  mehr  lohnt«.   Anderseits  erscheint  die 
Annahme  viel  ungezwungener,  dass  die  in  den  jedesmaligen  Scharmützeln,  an 
denen  es  bekanntlich  nicht  fehlte,   gefallenen  an  Ort  und  Stelle  mit  dem  ent- 
sprechenden möglichen  Pompe  beerdigt  worden  seien;   möglich  auch,  dass  die 
Collectivgräber  einerseits  und  die  Einzeldenkmäler  anderseits  auch  den  spätest 
nachkommenden  Generationen  den  Beweis  liefern  sollen,  dass  Ritter  und  EdeN 
leute  auch  im  Tode  noch  die  Gemeinschaft  mit  den  Knappen,  Kriegsknechten 
und  anderen  Leuten  unedler  Abstammung  scheuten.    Leider  war  es  mir  nicht 
gegönnt,    mich  mit  dem  interessanten  und  maßgebenden  Orts   vielleicht  wenig 
bekannten  Vorkommnis  näher  bekannt  zu  macheu,  doch  glaubte  ich  für  meine 
Person   an  der  Bedeutung  dieser   »Cruciatensteine«  als  Grabsteinen  und  der 
klafterhoheo  Hügel  als  Grabhügel  nicht  zweifeln  zu  sollen. 

Ob  diese  monumentalen  Steine  etwa  mit  dem  ersten  Kreuzzug  (Gottfrieds 
V.  Bouillon  aus  dem  11.  Jahrhdt),  welcher  zum  Theile  seine  Kidituug  nach 
Constantinopel  durch  Dalmatien  nahm,  iu  Zusammenhang  stehen,  oder  ob  sie 
Bezug  haben  auf  die  Kämpfe,  welche  zwischen  Ungarn  und  Venetiaoem  in 
Dalmatien  ausgefochten  wurden  und  an  welchen  ums  Jahr  1200  auch  Kreuz- 
ritter (unter  Balduin  von  llandern,  dem  späteren  lateinischen  Kaiser  und  dem 
Markgrafen  v.  Montferrat)  werktätigen,  ja  entscheidenden  Antheil  nahmen,  oder 
ob  sie  ohne  Beziehung  auf  die  »Cruciaien««  den  ungarischen  Eroberungskriegen 
aus  dem  zehnten,  vierzehnten  (Ludwig  d.  Gr.)  oder  fünfzehnten  (Sigmund) 
Jahrhdt.  ihr  Entstehen  vordanken ,  bleibe  dahingestellt,  dürfte  aber  durch  Nach- 
forschung an  Ort  und  Stelle  nicht  unschwer  zu  ermitteln  sein.«« 

Sir  Samuel  Baker's  Expedition,  üeber  die  E?[pedition  Sir  Samuel 
Baker's  wird  der  Daily  News  aus  Alexandria  unterm  20.  Juli  geschrieben, 
dass  alles  zum  Aufbruch  bereit  sei.  Gewaltige  Massen  von  AVareu  für  den 
Handel  mit  den  eingebornen  Stämmen  sind  zusammengebi'acht,  um  auf  zw^ei 


36 

verschiedenen  "Wegen  nach  Chartum  befördert  zu  Averden.  Die  schweren  Fracht- 
güter, Maschinen  und  eiserne  Dampfer  mit  inbegriflen,  gehen  den  Nil  hinauf 
von  Cairo  nach  Korosko  etwas  nordwärts  von  Derr,  wo  der  Transport  durch  die 
nubische  Wüste  auf  Kameelen  beginnt.  Die  leichteren  Artikel  werden  in  Kisten, 
welche  je  zwei  eine  Kameelsladung  von  400  Pfd.  bilden,  von  Suez  nach  Suakim 
verschifft,  und  von  dort  auf  Kameelen  eine  Strecke  von  270  Meilen  durch  di& 
Wüste  nach  Berber  (18°  nördl.  Breite)  geschafft,  um  daselbst  in  Booten  nach 
Chartum  verladen  zu  werden.  Das  ganze  Material  soll  am  letztern  Puncte,  wo 
der  blaue  und  der  weiße  Nil  ihren  Zusammenfluss  haben,  gegen  den  30.  Oct.» 
vereinigt  sein.  Die  Truppen  für  die  Expedition  haben  sich  bereits  in  Bewegung 
gesetzt.  Was  die  aus  10  Dampfern  und  30  Segelfahrzeugen  bestehende  Flottille 
anbelangt,  so  wird  dieselbe  in  wenigen  Tagen  den  hohen  Wasserstand  des  Nils 
benützen,  um  von  Cairo  den  Fluss  hinauf  nach  Chartum  abzugehen.  Fünfzig^ 
Schiifbauleute  werden  mitgenommen,  um  bei  den  zur  Beschiffung  des  Njanza 
Sees  nöthigen  Arbeiten  verwendet  zu  werden.  Die  Abreise  Su: Samuel  Baker's, 
(fer  wieder  von  seiner  Gattin  auf  diesem  Zuge  begleitet  wird,  ist  auf  dea 
10.  Sept.  anberaumt.  —  Hinsichtlich  der  etwa  aufzubringenden  Sclavenfahr- 
zeuge  und  ihrer  Insassen  hat  mit  Bewilligung  des  Khe'dive  Sir  Samuel  folgen- 
den Plan  entw^orfeu:  Ein  fruchtbarer  Landstrich  auf  beiden  Ufern  des  Nils 
unterhalb  Chartum  soll  für  dieselben  angewiesen  und  ihnen  zu  bestimmtea 
Antheilen  steuerfrei  eingeräumt  werden.  Alle  aus  der  Gefangenschaft  befreiten 
Sclaven  werden  mit  dem  Datum  und  den  näheren  Umständen  bei  Wegnahme 
des  betreffenden  Schiffs  namentlich  und  einzeln  in  besondere  Register  einge- 
tragen, und  erhalten  einen  ^Teskeri*  oder  Freischein.  Man  wird  ihnen  sodann 
den  Gebrauch  und  die  Vortheile  des  AVasserrades  beibringen,  ihnen  Sämereien 
austheilcn,  sie  zum  Säen  anhalten  und  ihnen  schließlich  landwirtschaftliche 
Geräte  liefern,  mit  welchen  sie  sich  nach  Sir  Samuels  Meinung  baÄ  befreun- 
den dürften.  Um  alle  diese  Maßregeln  zu  leiten,  sollen  besondere  Beamte  in 
diesem  District  angestellt  werden.  Neben  euiem  thatkräftigen  Einschreiten 
gegen  den  Sclavenhandel  glaubt  Sir  Samuel  Baker  am  besten  die  Civilisation 
der  Eingebornen  zu  fördern,  indem  er  ihnen  sofort  ein  gutes  Beispiel  gibt,  und 
gleich  oberhalb  Gondokoro,  wo  jetzt  die  Herrscliaft  des  vicekönigs  ihre  Gränze 
findet,  mit  der  Baumwollcultur  beginnt.  Die  Baumwollpfianze  selbst  ist  in 
jenen  Gegenden  -schon  einheimisch,  doch  sind  die  Eingebornen  noch  nicht  mit 
dem  Werte  derselben  bekannt.  Jetst  sind  Sämereien  der  feinsten  Sorten  mit 
unter  den  Vorräthen  der  Exi)edition,  Pflüge  und  Ackergerätschaften  aller  Art 
fehlen  nicht,  und  wenn  der  aus  der  ackerbauenden  Bevölkerung  ausgehobene 
ägyptische  Soldat  an  Ort  und  Stelle  eintrifft,  so  vertauscht  er  die  Waffen  des 
Kriegs  mit  den  Werkzeugen  des  Friedens,  und  begibt  sich  an  die  Bestellung- 
des  jungfräulichen  Bodens,  der  unter  günstigen  Regen-  und  Witterungs Verhält- 
nissen unabhängig  von  der  schwierigen  künstlichen  Bewässerung  Aegyptens  ist. 
Als  erstes  Erfordernis  der  Civilisation  wird  unter  den  eingebornen' Stammen 
der  Friede  erzwungen,  die  ägyptische  Herrschaft  begründet,  und  jeder  Häuptling 
angehalten  werden  die  Zahl  seiner  Leute  anzugeben.  Um  der  iieriodisch  unter 
den  Eingebornen  wütenden  Hungersnoth  zu  begegnen,  soll  es  ferner  den 
Häuptlingen  zur  Pflicht  gemacht  werden,  im  Verhältnis  zu  der  Zahl  ihrer 
Stämme  eine  gewisse  Bodenttäche  mit  Getreide  zu  bestellen.  Von  Gondokoro 
wird  ein  guter  Weg  i^arallel  mit  dem  Nil  bis  über  den  letzten  Cataract 
(3*  22^  nördl.  Breite)  gebaut,  und  an  diesem  letzteren  Puncte  das  Hauptdepot 
angelegt  werden.  Karreu,  Pferde,  Kameele,  Maulthiere  etc.  stehen  schon  bereit, 
und  in  sehr  kurzer  Zeit  wird  eine  Wagencommunication  zwischen  Gondokoro 
und  dem  Depot  vollendet  sein,  und  den  Transport  wesentlich  erleichtern.  Vor- 
derhand ist  der  finanzielle  Erfolg  der  Expedition  noch  in  keiner  Weise  zu 
beurtheilen:  allein  abgesehen  von  dem  Handel  mit  Elfenbein,  Gummi,  Wachs 
und  sonstigen  Producten,  hofft  Sir  Samuel  Baker  bedeutendes  zu  erreichen, 
und  denkt  an  nichts  geringeres  als  Aegypteu  zum  ersten  Lande  der  Welt  hin- 
sichtlich der  Baumwollproduction  zu  machen.  Schon  jetzt  wird  von  einer  Eisen- 
bahn von  Suakim  durch  die  von  Sir  Samuel  Baker  bereits  bereisten  und 
beschriebenen  fruchtbaren  Districte  Oberägyptens  nach  Chartum  und  von 
(^assala  nach  dem  blauen  Nil  gesprochon,  unä  man  berechnet  schon,  dass  dann 
(iio  Banmwoliernte  Ober-Nubi^ns  in  fünf  Tnjroii  durch  den  SuezcAnal  nach  den"* 


37 

Mittclmeer  gebracht  werden  könnte.  Der  Vicekönig  hat  ein  Auge  für  rentable 
Unternehmungen,  und  die  Kosten,  welche  er  auf  die  jetzige  Exi^edition  ver- 
wendet, lassen  einen  Schluss  auf  seine  Erwartungen  zu.  Mit  dem  Telegraphen- 
bau wird  rüstig  fortgeschi'itten,  und  einige  wenige  Tagreisen  abgerechnet  ist 
die  Streeke  bis  Chaitum  vollendet,  so  dass  Nachrichten,  die  bis  noch  vor  kurzem 
Tolle  40  Tage  gebrauchten  um  von  der  Hauptstadt  von  Sudan  nach  Alexandria 
zu  gelangen,  bald  in  derselben  Zahl  ^linuten  hinüber  und  herüber  gesandt 
werden  können. 

Die  neuesten  Nachrichten  über  die  Expedition  bezeichnen  die  Militärmacht, 
mit  welcher  Sir  Samuel  Baker  auszieht  und  die  Instructionen  für  den  Fortgang 
der  Expedition  2000  Manu  lofantfrie,  250  Mann  irreguläre  Cavallerie  (Baschi 
ßozuks)  und  3  Batterien  Artillerie  sind  dafilr  in  Bewegung  gesetzt  Die  Infanterie 
marschierte  zum  Thcil  schon  Endo  Juli  von  Cairo  ab  und  legt  die  ganze  Strecke  bis 
Chart  um  zu  Fuß  zurück,  wo  sie  im  Dec.  oiutrell'on  soll.  Kurz  daranf  gicngen 
400  Kamele  mit  Waren  für  den  Tauschhandel  den  Weg  durch  die  Wüste  von 
Korosko  ebenfalls  nach  Chartum.  Gegen  Mitte  Auj^ust  verließen  darauf  8j  große 
Barken  und  7  große  Flussdampfer  ••  Cairo«,  mit  dem  Auftrage  so  rasch  und  s<>  weit 
ais  möglich  den  Nil  hinaufzugehen,  um  über  den  Cataracc  von  Dongola  hinaus  zu 
gelangen,  ehe  das  Wasser  wiedi*r  fallen  würde.  Zu  diesem  Ende  hatten  die 
Falirzeuge  fast  keinn  Ladung  am  Hord.  Anfanjis  dieses  Monats  traf  die  Nach- 
richt ein,  dass  die  Flottille  ihren  Auftrag  erfülle  habe,  und  im  gegenwartigeu 
.Angenblick  wird  dieselbe  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bereits  in  Chartum 
eingetroffen  si^in.  Hiermit  ist  eine  wichtige  Bedin;:uug  erfüllt;  denn  da  die 
Gegend  von  Chartum  bis  üondokoro  morastig  und  für  Trupjieu  vollkommen 
uDpassierbar  ist,  so  hieng  es  von  dem  Eintreffen  der  Transportschiffe  ab,  oh  die 
Expedition  sich  überhaupt  in  diesem  Jahr  auf  den  Weg  machen  könne.  Noch 
zwei  Th^ile  der  Expedition  sind  weiter  zurück.  Sir  Samuel  Buker,  der  in  dem 
betreffenden  l'erman  zum  General -Gouverneur  aller  Provinzen  von  Central- 
Africa  ernannt  wird,  die  er  etwa  fürAegypieu  in  Besitz  nehmen  werde,  führt 
persönlich  den  einen  Theil,  bei  welchem  sich  auch  seine  Gattin  und  sein  per- 
sönlicher Stab  befindet,  und  wendet  sich  zunächst  nach  Suakim,  von  dort  auf 
Dromedaren  nach  Berber  und  von  diesem  Puncto  aus  mit  dem  Dampfer  nach 
Chartum.  Die  andere  letzte  Abtheilung  steht  unter  den  Befehlen  des  Inge- 
niem's  ITiggiubotham,  geht  den  Nil  hinauf  bis  Korosko,  und  hat  die  beiden 
zerlegbaren  eisernen  Dampfer,  welche  die  Firma  Samuda  für  die  Expedition 
gebaut  hat,  so  wie  G  englische  und  40  arabische  Handwerker  und  den  Best 
des  Gepäckes,  sowie  der  zum  Tauschhandel  bestimmten  Waren  bei  sich.  Bei 
ihr  kommt  es  darauf  an,  noch  bei  hohem  Wasserstand  über  den  Cataract  von 
Assuain  hinaus  zu  kommen.  In  Korosko  findet  diese  Abtheilung  2000  Kameele 
bereit,  und  .schlägt  mit  diesen  den  Weg  durch  die  Wüste  nach  Alin  Hamat 
ein,  der  1 1  Tagreisen  laug  ist.  Von  dort  aus  kommt  man  über  Berber  am 
Ufer  des  Kils  entlang  in  weiteren  16  Tagen  nach  Chartum.  Aiu  letzteren 
Orte  übernimmt  Sir  bamuel  Baker  das  Commando  der  ganzen  Expedition,  und 
geht  de«  Fluss  hinauf  bis  nach  Gondokoro,  da  auf  dieser  Strecke  weder  Fälle 
noch  Stromschnellen  von  Bedeutung  sind.  Etwa  1j  Meilen  südlich  von  Gon- 
dokoro befindcv  sich  eine  bedeutende  Hochebene,  und  dort  soll  der  gesunden 
Lage  wegen  das  Ilauptdepot  und  die  erste  Station  angelegt  werden.  Wegen 
der  periodisch  eintretenden  Regengüsse  ist  die  Expedition  mit  eisernen  Dächern 
für  diese  Station  versehen.  Von  diesem  Punct  au  beginnen  die  eigentlichen 
Schwierigkeiten  des  Unternehmens ;  denn  ganz  in  der  Nähe  desselben  kommt 
mau  in  das  Gebiet  des  äußerst  wildeu  und  kriegerischen  Stammes  der  Bary. 
Da  durch  dasselbe  keine  gangbaren  Wege  führen,  auch  der  Nil  auf  einer 
Strecke  von  IK)  Meilen  nicht  schiffbar  ist,  so  wird  es  nothwendig  seip,  eine 
Straße  anzulegen,  eine  Arbeit,  die  dem  oben  erwähnten  lugenieur  zufällt,  wäh- 
rend Sir  Samuel  auf  die  eine  oder  andere  Weise  mit  den  Eiugebornen  fertig 
werden  muß.  Ist  der  Punct  erreicht,  wo  (wie  man  glaubt)  die  Stromschnellen 
aufhören,  so  soll  einer  der  beiden  eisernen  Dampfer  zusammengesetzt  werden, 
und  Sir  Samuel  geht  den  Fluss  hinauf  bis  an  die  Seen.  Erweist  sich  die 
Sache  durchführbar,  so  werden  bei  seiner  RQckhehr  auch  die  anderen  Dampfer 
zodammcngesetzt,  und  der  Befehlshaber  geht  mit  einer  ziemlich  ansehnlichen 
Mannschaft  nach  den  Seen  ab.    An  günstigen  Puncten  werden  darauf  am  Ufer 


38 

befestigte  Posten  ciagerichtet,  und  die  in  der  Nähe  wohnenden  Stämme  der 
ägyptischen  Regierung  botmäßig  und  tributpflichtig  gemacht.  Inzwischen  wer- 
den von  Cairo  aus  weitere  Iruppensendungen  nachgeschoben,  wie  es  das 
Bedürfnis  bei  Besetzung  der  verschiedenen  Stationen  erheischt.  Bei  jeder  Sta- 
tion wird  unter  Aufsicht  eines  Gopten  eine  Handelsniederlage  errichtet,  die 
sich  mit  den  Eingcborcen  behufs  Vermittlung  des  Tauschhandels  ins  Einver- 
nehmen setzt,  bämmtliche  Soldaten,  welche  die  Expedition  begleiten,  gehören 
der  ackerbauenden  Glasse  an  und  sollen  auch  in  der  Nachbarschaft  der  Sta- 
tionen  die  Landwirtschaft  practisch  betreiben 

Aus  einem  Briefe  Sir  Baker's  an  einen  Freund  in  England  vom  22. 
October  1S69  entnehmen  wir  folgende  als  Hauptzweck  des  Unternehmens  nelicii 
der  Vernichtung  des  Sclarenhandels :  1.  Annexierung  des  äquatorialen  Nil- 
Beckens  an  Aegypten,  2.  Herstellung  einer  machtvollen  Regierung  in  allen 
einander  gegenwärtig  bekriegenden  Stämmen,  3.  EinfQhrung  der  Baumwollcultur 
in  umfangreichem  Maßstabe,  so  dass  die  Eingebornen  ein  wertvolles  Erzeugnis 
zum  Austausch  gegen  Baumwollen waaren  u.  s  w.  haben,  4.  Eröifming  der 
beiden  großen  Seen  des  Nil  für  die  Schiffahrt,  5.  Herstellung  einer  Kette  voa 
Handelsstationen  durch  alle  zu  annectierenden  Länder,  so  dass  nach  dem  von 
der  Hudsons -Bay-Company  angenommenen  Systeme  der  am  weitesten  südlich, 
liegende  Punct  mit  der  nördlichen  Basis  in  Verbindung  steht. 

Die  Bocehe  di  Cattaro.  Der  -Wanderer«  gibt  im  nachstehenden  ein© 
auf  richtiger  Kenntnis  beruhende  Schilderung  jenes  interessanten  Theiles  von 
Dalmaticu,  der  im  gegenwärtigen  Augenblick  der  Schauplatz  ernster  und  blutiger 
Ereignisse  geworden  ist. 

Die  drei  Bezirke  des  Kreises  von  Gattaro  zeichnen  sich  durch  einen 
ganz  eigenthümlichen  Gharucter  ans,  der  sich  aus  der  orographischen  Lage 
und  der  historischen  Vergangenheit  dieses  Gebietes  herausgebildet,  und  unter 
den  absonderlichsten  Verhältnissen  so  tiefe  und  starke  Wurzeln  in  der  dortigen 
Bevölkerung  gefasst  hat,  dass  es  nur  einer  allmähligen  Action  wohlthätiger  Ein- 
ÜQsse  hätte  gelingen  können  der  modernen  Gesittung  unter  derselben  Eingang 
zu  verschaffen,  und  einige  tüchtige,  mit  manchen  vorzOglicben  Eigenschaften 
ausgestattete  Volksstämme  einer  zeitgemäßen  höheren  Gultur  zuzufahren.  Was 
man  durch  Jahrzehnte  versäumt  hat,  wollte  man  heute,  so  zu  sagen,  mit  einem 
Schlage  bewirken,  und  zwar  durch  urplötzliche  Einführung  einer  Neuerung, 
welche  den  wilden,  uuabhäugigen  Sinn  dieser  Bevölkerung  und  ihr  urwüchsiges 
eiKentliümlichos  Wesen  am  cmpfindlichsren  treffen  uud  den  hartnäckigsten 
\Viderstand  hervorrufen  mußte,  um  die  Verkehrtheit  des  Vorgehens,  welches 
man  hier  angewendet  hat.  richtig  beurtheilen  zu  können,  muß  man  vor  allem 
ein  möglichst  getreues  Bild  dieser  Gegend,  des  Landes  und  der  Leute  vor 
Augen  haben,  das  in  diesem  Augenblick  die  Aufmerksamkeit  der  ganzen  öster- 
reichischen Monarchie  und  das  besondere  Interesse  mancher  andern  Kreise,  für 
welche  die  dortigen  Ereignisse  eine  besondere  politische  Wichtigkeit  haben,  auf 
sich  zieht. 

Wir  fangen  mit  der  Zuppa  an,  dem  kleinen  Landstrich,  welcher  früher  das 
venetianische,  in  neuerer  Zeit  das  österreichische  Albanien  hieß.  Die  mächtige 
und  schroffe  Bergmauer  von  Montenegro  läuft  in  ihrer  Hauptrichtung  von  Nord- 
westen nach  Südosten  gewissermaßen  parallel  mit  der  Küste  der  Adria,  zieht  sich 
bei  der  Bucht  von  Gattaro  etwas  ins  innere  zurück,  und  läuft  dann  von  diesem 
Ort  aus,  unter  einem  sehr  spitzen  Winkel  zur  Küste  geneigt,  längs  dieser  hin^ 
bis  sie  mit  ihr  bei  der  Landspitze  von  Dubowitza  zusammentrifft.  Hiedurch  ent- 
steht ein  längliches  und  sehr  schmales  Dreieck,  das  im  Norden  und  Osten 
von  der  erwähnten  Bergkette,  im  Westen  von  der  Meeresküste  begränzt  wird. 
Dieses  Dreieck  hat  ungefähr  eine  Länge  von  drei,  uud  an  der  Basis,  im  Norden, 
eine  Breite  von  drei  Meilen.  Die  Venerlaner,  welche  frühzii.ig  die  Wichtigkeit 
des  Ganais  von  Gattaro  erkannten,  gicngen  bei  der  Eroberung  dieses  Dreiecks 
ganz  systematisch  zu  Werk,  und  bildeten  aus  demselben  ein  geographisch- 
politisches Gebiet,  welches  sie  das  venetianische  Albanien  nannten,  zum  Unter> 
schied  vom  türkischen  Albanien,  das  sich  jenseits  der  Berge  erstreckt.  Harte 
Kampfe  kostete  es  den  Venetianern,  den  Türken,  die  sich  auch  in  diesem 
Dreieck  festgesetzt  hatten,   dieses  Gebiet  zu  entreißen.   Dasselbe  hat  ungefähr 


39 

30  Q.-M.  und  40.000  Bewohner,  die  zwar  aus  verscliiedonen  kleinen  Volks- 
stämmen mit  beso.iüercn  Ximen  bestoluMi,  die  aber  in  Sitten  uud  Gcbräacbeu 
Ticl  geraeinsames  haben.  Es  sind  im  allgemeinen  lauter  Slaven  oder  slavisiertö 
Albauicr.  Auch  hat  es,  unvl  zwar  noch  in  der  neueren  Zeit,  Falle  gegeben,  wo 
sich  diese  Volksstämme  als  ein  poliiisclier  Ivörper  fftlilten  und  gemeiuschaftliclio 
Acte  vornahmen,  so  z.  B.  in  der  Zwischenzeit  nach  dem  Abzüge  der  Franzosen 
and  vor  der  Wiederherstellung  der  österreichischen  Herrschaft,  als  schon  damals 
die  Küssen  unter  Mitwirkung  der  Monteae^riner  sich  hier  festzusetzen  ver- 
Buchten.  Als  der  englische  Admiral  Hoste  don  französischen  Gciv^ral  Gautier 
in  Cattaro  zur  Uebergabe  gcnothi^t  und  die  Besatzung  auf  seinen  iSchiffen  fort- 
gpfulirt  hatte,  bemächtigten  sich  die  Mont?negrincr  der  wehrlosen  Stadt  Cattaro. 
Die  l?ewohner  des  Gebiets  hielten  aber  eine  Versammlung  in  Dobrota,  um  üher 
ihre  Zukunft  zu  berathen.  Die  katholisch*»  Partei  beschioss,  sich  Oesterreich,  die 
griechische  aber  sich  Russland  zu  unterwerfeu.  Der  üsterrtMcliische  General 
3Iihitinovich  entschied  die  Frage  mit  den  Liccaner  Gränzern.  indem  er  bis 
Cattaro  vordrang  uud  den  Vladica  zur  Capitulatioti  nöthigte.  Auch  bei  dieser 
(jelegenheit  hatte  sich  die  Bevölkerung  von  Cattaro,  von  der  Znppa  und  Pastro- 
▼ichio  zu  einem  politischeu  Körper  vereinigt. 

Was  nun  die  Zui)pa  insbesondere  anbelangt,  so  bildet  sie  durch  die 
Größe  und  Fruchtbarkeit  ihres  Gebiets  gewissermaßen  das  Hauptglied  des 
österreichischen  Albaniens.  Die  Bewohner  derselben  bildeten  von  jeher  einen 
sehr  kriegerischen,  verwegenen,  auf  seine  Unabhängigkeit  eifersüchtigen  und 
sehr  widerspünstigüQ  Stamm,  der  besondere  Privilegien  beanspruchte  und  sie 
aach  zu  behaupten  wusste.  Auch  im  Jahre  1819,  als  die  österreichische  Kegie- 
rang  in  den  Bocche  di  Cattaro  die  l'rincipien  der  GleichverpÖichtung  aller 
Völker  der  Monarchie,  Steuern  und  Recrntierung  einföhren  wollte,  leisteten 
die  Bewohner  der  Zuppa  den  hartnäckigsten  Widerstand,  uud  man  war 
politisch  genug  oder  unklug  genug,  ihnen  gewisse  Concessionftu  zu  gewäh- 
ren. Den  Namen  Zuppa  sucht  man  von  dem  slavischen  Worte  iuppan, 
Dorfschulze  oder  Vorsteher,  h«»rzuleitcn,  so  dass  er  ungefähr  so  viel  heißen 
warde  als  Bezirk,  District.  Nach  andern  soll  Zuppa  so  viel  bedeuten  als  ein 
heißer  sonniger  Landstrich,  was  auch  ganz  auf  dieses  Gebiet  passt,  das  schat- 
tenlos den  sengenden  Stralen  der  sadlichen  Sonne  ausgesetzt  ist.  Diese 
ursprünglich  albanesische  Zuppa  ist  seit  allen  Zeiten  in  vier  Knäsenthümer  oder 
Grafschaften  getheilt  gewesen,  welche  unter  den  Venetianern  von  Conti  ver- 
maltet wurden.  Jede  dieser  Grafschaften  hatte  ihren  eigenen,  von  der  Bevölkerung 
selbst  gewählten,  abcT  von  der  Republik  Venedig  best&tigten  Knäs.  Größten- 
theils  wurden  diese  Knäse  oder  Conti  aus  derselben  Familie  gewählt;  giepg 
jedoch  die  Würde  auf  eine  andere  Familie  über,  so  suchte  die  ältere  den 
Grafentitel  zu  behalten,  so  dass  man  noch  heute  ziemlich  viele  Familien  in 
jeuer  Gegend  findet,  welche  jenen  Titel  beanspruchen. 

Das  Nationalcostüm  der  Zuppaner  ist  ein  sehr  stattliches  und  malerisches. 
Man  sieht  sie  nie  unbewaffnet.  Außer  Pistolen  und  Messern  im  Gürtel  tragen 
sie,  wenn  sie  in  die  Stadt  nach  Cattaro  gehen,  auch  ein  gewöhnlich  ziemlich 
kostbares  Gewehr  und  ein  langes  Pfeifenrohr  mit;  doch  hindert  sie  diese  Last 
Dicht  im  mindesten  mit  der  größten  Leichtigkeit  und  Gewandtheit  Felsen  und 
Berge  zu  erklettern  und  über  breite  Klüfte  zu  spricgen.  Seine  Gattin  behandelt 
der  Zuppaner  mit  mehr  Rücksicht  und  Freundlichkeit  als  der  Montenegriner, 
mehr  als  seine  Gehülfin,  denn  als  seine  Magd.  Auch  sind  die  Frauen,  selbst 
bei  der  gemeinsten  Arbeit,  vom  Kopf  bis  zum  Fuß  aufgeputzt.  Immer  haben 
sie  ihre  Perlenschnur  nm  den  Hals,  ihre  blinkenden  Nadeln  im  Haar,  ihre  mit 
Steinen  besetzten  Pojas,  d.  h.  üürtcl  um  den  Leib.  Der  Gürtel  einer  reichen 
Zuppancrin  ist  gewöhnlich  einen  halben  Fuß  breit,  einen  Zoll  dick,  und  so 
gewichtig  wie  ein  Küras.  Zahllose  Steine  sind  in  recht  hübsche,  zierliche  und 
übergoldete  Silberarbeit  eingcfasdt,  meist  rothbraune  Achate.  Ein  solcher  Gürtel 
kostet  bis  zwanzig  Thaler.  Bei  den  ärmeren  Krauen  sind  statt  der  Achate 
braanrotfa  gefärbte  Glasstücke  oder  ähnliche  Massen  in  den  Gürtel  eingefügt. 
Die  Häuser  der  Zuppaner  sind  meist  ziemlich  groß,  geräumig  und  reinlich. 
Ueberhaupt  herrscht  unter  ihnen  bedeutender  Wohlstand,  und  doch  ist  das 
Laod  nicht  so  fruchtbar,  als  es  bei  zweckmäßigem  Anbau  sein  könnte;  aber  die 
Leute  wissen  nicht  alle  seine  Vortheile  auszubeuten,   und    die   lange  türkische 


40 

Pfeife  ist  überall  wo  sie  sich  einbürgert  ein  großes  Hiudernis  anhalteader  uad 
angestrengter  Arbeit.  Der  Thalboden  ist  uubewohot,  weil  er  ia  der  Regenzeit 
zu  sumpßg  und  von  den  Gießbächen  überschwemmt  ist,  für  deren  Ableitun«^ 
man  nicht  sorgt  Die  Dörfer  liegen  auf  beiden  Seiten  am  Rand  der  Gebirge 
hin,  und  die  Ebene  besteht  aus  ausgedehnten  Eukuruzfeldern.  In  trockenen 
Jahren  —  und  diese  sind  hier  vorherrschend  —  leidet  die  Cultnr  von  anhal- 
tender Hitze  und  Dürre,  dann  verbrennt  ihnen  der  Kukuruz,  und  die  Ernte  ist 
eine  sehr  geringe. 

Obgleich  das  österr.  Albanien  im  Vergleich  mit  dem  benachbarten 
Montenegro  als  ein  Niederland  angesehen  wird,  so  wird  es  doch  von  niedrigeren 
Höhenrücken  durchzogen,  deren  einige  es  von  den  benachbarten  Gebieten  schei- 
den. Auf  den  Höhenrücken  in  der  Mitte  des  Bergpasses,  auf  der  Gränze  der 
Zuppa  und  des  eigentlichen  Boccalandes,  liegt  das  Fort  Trinitä  (slavisch 
•Troizu),  welches  noch  von  den  A'enetianern  erbaut  worden  war,  und  die  ganze 
Gegend  beherrscht  In  neuerer  Zeit  sind  noch  mehrere  ähnliche  Forts  längs  der 
Gränze  von  Montenegro  und  der  Herzegowina  erbaut  worden,  die  meistens  auf 
den  wilden  Bergspitzen  gelegen  sind.  Vom  Fort  Trinitä  ist  eiu  sehr  guter  Weg 
quer  durch  die  Zuppa  nach  Budua  augelegt  worden. 

Eine  Seitenbucht  des  Canals  von  Cattaro  ist  die  von  Risano;  sie  hat 
ihren  Namen  von  dem  kleinen  Orte  Risano.  der  im  Alterthum  die  vornehmste 
Stadt  am  ganzen  Canal  war,  der  auch  von  ihr  den  Namen  Sinus  Rhizonicus 
erhielt  Der  Ort  selbst  liegt  im  Hintorgrund  dieser  Bucht,  hart  am  Ufer,  und 
ist  noch  heute  ein  rühriger  Handelsplatz,  dessen  Bewohner  sich  durch  regen 
Unternehmungsgeist,  stattliche  Körpergestalt  und  eine  reiche  Tracht  auszeichnen. 
Der  Erdeinschuitt,  welcher  den  Meerbuien  von  Risano  bildet,  setzt  sich  vom 
Ufer  aus  noch  als  ein  langes,  von  Felsen  eingeschlossenes  Thal  fort,  welches 
im  Anfang  ziemlich  bebaut  und  mit  Reben-  und  anderen  Pflanzungen  erfüllt 
ist,  in  seinem  weiteren  Verlauf  aber  zu  einem  wilden  steinigen  Hochthal  an- 
steigt. Dieses  Thal  wird  von  den  Crivosciaucrn,  einem  slavisch en  Hirtenvölkchen, 
bewohnt,  das  in  diei^c^  Abgeschiedenheit  von  der  Welt  ein  halbwildes  patriar- 
chalisches Leben  Jmrt.  Es  zahlt  im  ganzen  etwa  lUOO  Seelen,  unter  denen 
gegen  400  bewafl^M  Männer  sind.  Die  Crivoscianer  sind  eiu  sehr  robuster, 
großer  und  ^gj^i0^H^  Menschenschlag  und  sehr  kriegerischer  und  rauflustiger 
Geraüthsart,  worüber  man  sich  nicht  wundern  wird,  wenn  man  bedenkt, 
dass  sie  sich  ihre  Weiden  und  wenigen  Felder  seiner  Zeit  von  den  Türkeu 
erobern  und  bis  in  die  neueste  Zeit  gegen  diese  und  die  Montenegriner 
behaupten  mußten.  Sie  genossen  auch  bisher  von  Seite  der  Regierung  gewisse 
Freiheiten,  denn  sie  bildeten  eine  Art  Militärgränze  gegen  die  türkischen, 
montenegrinischen  und  albanesischen  Nachbarn.  Die  Pastrovicsaner  sind  eiu 
anderer  Volksstamm,  welcher  den  Küstenstrich  bewohnt,  der  sich  vom  Caual 
von  Cattaro  bis  Budua  und  Castel  Lastua,  dem  südlichsten  Städtchen  der 
Monarchie,  hinzieht.  Die  Pastrovicsaner  sind  ebenfalls  ein  schöner  und 
tapferer,  aber  halbwilder  Slavenstamm,  der  in  fortwährenden  Kämpfen  mit 
Türken  und  Montenegrinern  seinen  Muth  und  seine  Neigung  zur  Selbsthülfe 
geübt  hat  Der  kleine  Küstensaum,  den  sie  bewohnen,  heißt  slavisch  Pastro- 
vics,  italienisch  Pastrovichio.  ^ie  Seelenzahl  dieses  Stammes  'ut  nicht  genau 
ermittelt,  doch  können  sie  /iber  tausend  Gewehre,  wie  mau  doit  sagt,  ins 
Feld  stellen.  Auch  die  Pastrovicsaner  haben  sich  der  bewaffneten  Renitenz 
gegen  die  Einführung  des  Wehrgesetzes  angeschlossen,  und  so  hat  mau  drei 
tüchtige,  wenn  auch  rohe  und  wol  nicht  allein  durch  ihre  Schuld  verwilderte 
VolksBtämme  ins  Feindeslager  hinübergetrieben. 

An  Beitralgen  für  die  zweite  deutsche  Xordpolfahrt  giengen  bei  der 
geographischen  Gesellschaft  weiter  ein  und  wurden  an  Herrn  Dr.  A.  Peter- 
mann in  Gotha  übermittelt: 

von  Herrn  F.  Freiherrn  v.  Schey lOl)  fl. 

von      -      F.  Ritter  v.  Wertheim     .       .    .    20  - 
imter  der  Chiffre  G.  C.  in  Pest ö  •• 


41 

MoRatsversammlung 

<ier  geographiichcn  Gesellschaft  am  23.  November  1869. 
Vorsitzender  Dr.  Ferd.  von  Hochstetter. 

<An§gesteIlt  waren  an  neuen  Kartenwerken :  8  Sectionen  der  Administrativ- 
karte von  Niederösterreich,  herausgegeben  vom  Verein*  für  Landes- 
konde;  die  neuesten  Verlags  werke  von  Wurster  &  Comp,  in  Winterthur. 
An  geographischen  Schriften:  Die  Balearen  in  Wort  und  Schrift,  Leipzig 
bei  Brockhaus.  Sodann  zur  Illustration  des  Vortrages  über  die  I^ocche 
di  Cattaro   Karten   dieses  Gebietes   aus   verschiedener  Ztdt,  Landschaften  und 

ethnographische  Büder.) 

Der  Vorsitzende  begrüßt  die  Versammlung,  die  sich  nach  mehrrnonat- 
licher  Unterbrechung  zum  erstenmal  wieder  zusummentindet,  mit  herziichea 
Worten,  und  hebt  vor  allem  hervor,  dass  die  Zwischenzeit,  wie  sonst  nie,  für 
die  Gesellschaft  moralisch  wie  materiell  von  groiier  Bedeutung  gewesen  sei. 

^Kurz  vor  dem  Schluss  der  letzten  Saison  hatte  sich  der  Auschuss  in 
Folge  einzelner  Anfragen  an  das  hohe  Ileichskriegsministerium  mit  der  Ei- 
kULrung  gewendet,  dass  es  den  Statuten  der  Gesellschaft  nicht  entgegen  sei, 
einzelnen  Truppenkörpern  als  solchen  den  Eintritt  als  wirkliche  Mitglieder  zu 
gestatten,  und  dass  der  Ausschuss  in  der  Lage  wäre,  solchen  Truppeukörpern, 
wenn  sie  als  Mitglieder  in  die  Gesellschaft  eintreten,  gleich  wie  den  Schulen, 
die  als  MitgUeder  eingetieten  sind,  die  frühem  Pubiicationen  der  Gesellschaft, 
so  weit  ihr  Vorrath  reicht,  unentgeltlich  zuzuwenden. 

Seine  Excellenz  der  Herr  Reichskriegsminister  verständigte  den  Aus- 
schuss mit  Zuschrift  vom  <3.  Juli  1869  in  der  verbindlichsten  Weise,  dass  der 
Antrag  wegen  Begünstigung  der  in  die  Gesellschaft  eintretenden  Truppenkörper 
sebilli^  werde  und  mit  allerhöchster  Bewilligung  Sr.  Majestät  hicvon  alle 
Truppenkörper  der  Armee  behufs  des  Eintrittes  in  die  geographische  Gesell- 
schaÄ  verständigt  worden  seien. 

Dadurch  bin  ich  in  der  Lage,  Ihnen  die  erfreuliche  Mittheilung  zu 
machen,  dass  bis  auf  den  heutigen  Tag  9o  Truppenkörper  den  Eintritt  in  die 
Gesellschaft  angemeldet  haben  und  mit  den  vorräthigen  rublicationen  betheili 
worden  sind. 

Dadurch  hat  unsere  Gesellschaft  einen  unerwartet  zahlreichen  Zuwachs 
von  einer  Seite  erhalten,  auf  welcher  die  geogi'aphische  Wissenschaft  nicht 
bloS  als  ein  wichtiges  Fachstudium  betrieben  wird,  sondern  wo  auch  jeder 
einzelne  dui'ch  die  vielfältigste  Veranlassung  in  der  Lage  ist,  dieselbe  njimcnt- 
lich  in  der  Kartographie  —  in  hervorragender  Weise  zu  fördern  und  aus  dieser 
Fönienxng  selbst  wieder  practischen  Kutzen  zu  ziehen.  Ist  es  ja  doch  der 
Kreis  der  kaiserlichen  Annee,  welchem  die  Koryphäen  geographischer  Wissen- 
schaft in  OesteiTeich  augehören,  so  wie  wir  es  der  wohlwollenden  Theilnahme 
Ihrer  Excellenzen  des  Herrn  Reichskriegsministers  Freiherrn  von  Kuhn  und 
des  Herrn  Feldmarschall  -  Lieutenants  von  Fligeiy  verdanken,  dass  die  geo- 
graphische Gesellschaft  in  die  glückliche  Lage  kam,  "ihre  „Mittheilungen-  durch 
kartographische  Beilagen  aus  dem  militär-geographischen  Institute  bereichert  zu 
sehen.  Mit  freudiger  Genugthuung  begrüUe  ich  daher  im  Namen  der  Gesell- 
schaft die  unserem  Streben  zugewandten  neuen  Mitglieder  aus  dem  öster- 
reichischen Heere,  und  heilte  die  Vertreter  derselben,  die  etwa  heut  in  unserer 
Mitte  sind,  herzlich  willkommen  in  diesem  Saale.^ 

Generalsecretär  M.  A.  Becker  bemerkt,  dass  während  der  Sommer- 
monate zahlreiche  und  meist  sehr  wertvolle  Sendungen  von  Büchern  und 
Karten  zu  verzeichnen  sind,  die  theils  im  Schriftentausch,  theils  als  Geschenk 
Ton  den  Verfassern  der  Gesellschaft  zugewendet  wurden.  Das  vollständige  Ver- 
zeichnis derselben  wird  im  Decemberheft  der  „Mittheilungen"  bekannt  gegeben 
werden.  Auf  ein  Geschenk,  welches  hier  zur  Ansicht  vorliegt,  muü  ich  aber 
besBonders  aufmerksam  machen.  Es  ist  der  erste  Band  einer  Monographie 
.üher  die  Balearen'-,  deren  Verfasser  sich  zwar  nicht  genannt  hat,  aber 
wenn  Sie  die  treffliche  Gliederung  des  Stoffes,  die  eingehende,  streng  wissen- 


42 

schaftliche  und  da'ooi  vou  dem  lebhaftesten  Interesse  für  die  Sache  bewegte 
Schilderung  dos  Geschauten  und  Beobachteten  und  die  Schönheit  der  Illustra- 
tionen in  Betracht  ziehen,  die  alle  nach  Zeichnungen  von  seiner  Hand  ge- 
fertigt sind,  gewiss  als  des  geachteten  Xaraens  in  der  geographischen  Literatur 
würdig  erkannt  werden  wird,  den  er  sich  mit  diesem  Werke  gemacht  hat.  Es 
ist  ein  Geschenk  Sr.  kais.  Hoheit  des  Erzherzogs  Ludwig  Salvator  von 
Toscana  an  die  Gesellschaft,  und  der  Ausschuss,  der  in  diesem  Geschenke 
nicht  nur  den  Wert  des  hohen  Gebeins,  sondern  auch  des  verdienten  Forschers 
auf  geoüfraphischem  Gebiete  ehrt,  glaubt  im  Sinne  der  Mitglieder  zu  handeln, 
wenn  er  an  den  holien  Verfasser  das  Ansuchen  gestellt  hat,  die  Wahl  zum 
Ehrenmitgliede  der  geographischenGosellschaft  genehm  zu  halten. 

Der  Antrag  des  Ausschusses  wird  mit  Acclamation  angenommen. 

Als  neue    ordentliche  Mitglieder    werde n    angemeldet    und    auf- 
genommen die  nachfolgenden  Trupi>enk()rper  der  k.  u.  k.  Annco: 
Ofiicierscorps  des  k.  k.  8.  Linien  Inf.-Regts.  in  Ofen. 
Officiersrorps  des  k.  k.  .*).  Pionnier-Feldbataillons  inPettau. 
OfÄcierscorps  des  k.  k.  7.   Linien-Inf.-Regts.  Baron  Maroicic  in  Graz. 
K.  k.  (j.  Huszaren-Reg.  Carl  L,  König   von  Württemberg  in  Khigenfurt. 
K.  k.  '2.  Artillerie-Regiment  in  Comorn. 
K.  k.  1().  Linien-Inf.-Heg.  Freihen*  von  AVerner  in  Linz. 
K.  k.  7.  Dragoner-Regiment  Herzog  von  Braunschweig  in  Stuhl weit?enburg. 
K.  k.  9.  Feldjäger-Bataillon  in  Marburg. 

K.  k.  13.  Dragoner-Regiment  Prinz  Eugen  von  Savoyen  in  Enns. 
Reserve-Comniando  dos  k.   k.  Gl.  Linien-Inf.-Reg.  in  Temesvar. 
K.  k.  1^0.   Liuien-Inf.-Reg.    Kronprinz  Wilhelm  von    Preuüen   in   Neu-Sandez. 
K.  k.  32.  Linien-Inf.-Reg.  Franz  Ferdinand  d'Este  in  Wien. 
K.  k.  54.  Linien-Inf.-Reg.  Freiherr  von  Grueber  in  Wien. 
K.  k.  2.  Linien-Inf.-Reg.  Kaiser  Alexander   von  Russland,  Festung  Arad. 
K.  k.  Militär-Casino  in  Temesvar. 

K.  k.  14.  Dragoner-Reg.   Fürst  Windischgrätz  in  Wessely. 
K.  k.  Cadeten-Schule  der  11.  und  24.  Truppen- Division  in  Lemberg. 
K.  k.  7.  Feld-Artillerie-Reg.  Luitpold   Prinz  von   Baiern  in  Laibach. 
Ergänzungs-Cadre  des  k.  k.   12.  Huszaren-Reg.  Gi-af  Haller  in  Gyöngj'ös. 
K.  k.  67.  Linien-Inf.-Reg.  Ritter  von  Schmerling  in  Wien. 
Officierscorps  des  k.   k.    15.  Linien-Inf.-Reg.  Herzog   von  Nassau  in  Prag. 
Das  3.  Bataillon  des  k.  k.  Tiroler  Jäger-Reg.  Kaiser  Franz  Josef  in  Hainburg 
K.  k.  1.  Feld-Artillerie-Reg.  Kaiser  Franz  Josef  in  Lemberg. 
Officieiscorps  des  k.  k.  78.  Linien-Inf.-Reg.  Baron  Sokcevic  in  Esseg. 
Ofticierscorps  des  k.  k.  (>.  Linien-Inf.-Reg.  Graf  Coroniui  in  Temesvar. 
Ofiiciers-Bibliothek  des  k.  k.   72.  Linien-Inf.-Reg.   Baron  Raming  in  AVien. 
K.  k.  1.  Linien-Inf -Reg  Kaiser  Franz  Josef  in  Prag. 
K.  k.  4.  Dragoner-Reg.  Kaiser  Fenlinand  in  N.  Karoly. 
K.  k.  75.  Linien-Inf.-Reg.  Graf  Crenneville  in  Comorn. 
K.  k.  Zeugs-Arti11erie-(^mmando  Nr.  10  zu  Stein  in  Krain. 
K.  k.  Zeugs-Artillerie-Commando  Nr.  2  in  Graz. 
K.  k.  70.  Linien-Inf.-Reg.  Baron  Nagy  in  Krakau. 
K.  k.  ö'S.  Linien-Inf.-Reg.  Erzherzog  Ludwig  Salvator  in  Pest. 
K.  k.  2G.  Linien-Inf.-Reg.  Michael,  GroÜfüi-st  von  Russland  in  Pilsen. 
K.  k,  8.  Huszaren-Reg.  Curftlrst  von  Hesseu-Cassel  in  Zolkiew. 
K.  k.  1.  Dragoner-Reg.  Kaiser  Franz  Josef  in  Fünfkirchen. 
K.  k.  40.Linien-Inf.-Reg.  v.  Rupprecht  in  Brunn. 

K.  k.  18.  Linien-Inf.-Reg.  Groüfürst  Constantin   von  Russland  in  Josefstacit. 
K.  k.  66.  Linien-Inf.-Reg.  Großherzog  von  Toscana  Ferdinand  IV.  in  Lember] 
Reserve-Commando  des  k.  k.  23.  Linien-Inf.-Reg.   Baron  Airoldi  in  Zombor. 
K.  k.  Sluiner  Grenz-Reg.  Nr.  4  in  Carlstadt. 

Reserve-Commando  des  k.  k.  79.  Linien-Inf.-Reg.  FZM.  Graf  Iluyn  in  Nyiregyliazj 
Garnisons-Bibl.othek  in  Peterwardein 
K.  k.  11.  Feld-Artillerie-Reg.  Ritter  von  Jüptner  in  Wien. 
Reserve-Commando  des  k.  k.  80.  Linien-Inf.-Reg.  Prinz  zu  Holstein  in  Zlocseoi 
K.  k.  4.  Huszai-en-Reg.  FML.  Baron  Edelsheim-Gyulai  in  Klattau. 
K.  k.  74.  Linien-Inf.-Reg.  Graf  Nobi'i  in  Olmütz. 


4ä 

K-  k.  .'1.    LinIt-.i-Iaf.-riej^.  Er'.horzojr  Cirl  Fenlir.in'l  in  Olmütz. 

o:ä.'!erscori>s    des     R*^-<€^rve-('omnir.u<los  di>s   k.  k.  24.  Linien-Iiif.-Re«j:t3.  Herzog 
\»»fi    PaiTiui   in   Koloiiioa 

^y^;'i"^v-'>n>^   «ies  k.  k.  14.  Linien-Inf.-Heg  Grolir*!/ »tr  von  Hessen  in  Prrssburg. 

K.  k-  -L   Felil-Aitillerie-Kejr.  Ritter  von  Haii^lal»  in  P»*st. 

K-  k.   1.   Genie- Re{^.   Kaiser  Fninz  Josef  in  Wien. 

K^-r-.e-ro-»im:Mi  lf>   des  k.  k.  43.  Lini'Ml-IIlf.-I^^lr.  in  Yerseiv:. 

(.•ft.->rst*orp^  des    k.   k.  (J.  Fel<lj;i^'*r-Hatail!'Mi<  in  Ka.ulen. 

K?>erve-C.'.'iiu;iian  lo   d^s    k.    k.  "2.  Lini.ni-l!ir'-Ur;rts.  Kai<:iT  Alex,  in  F«»;,':iras. 

F!-^n.e-(.ViTniiian*!o   des  k.  k.  2o.  Linien-Inf'-!l»'u:t«^    in  Gran. 

K-  k.  1%:^.    I.inien-lnf.-K<v'.  Erzherzoi:   LeopoM  in  Wion. 

K-  k.  :io.    I-inien-Ini.-lteir  Baron  Airoi'li  in   IVterw.mlein. 

i-  !i.  0.    F'Md-Artillerie-itrir.   Pichler,  Muüitioüs-C  )Innnen-(\ilre  in  Ol!ntttz. 

A.  k_  r>J.    I-inien-Fiif.-Ue^.   Hrzherzoi:  Fni:\z  Carl  in  Tn«'.st. 

K.  fc.   Ronianen-Hanater  1*3.  (irenz-Ki'?.  in  (jMansebrs. 

K.  k    Wai-a^  liner    Kxeuz'^r  5.  Grenz- li«%  in  IN'Iovar. 

K.  k.  I>eutsch-Banator  12.  Grenz-Uo.cr    in  ran<jo\va. 

K.  k-   lif.    I^ini**ii-Ini.-U(';r.  Plrzher/o;;  Wilhelm  in  KöniL^gräz. 

K.  k,  ;.».    Linifn-lnf,-Reg-  P>/hprzo;r  ^'iirl  in  Tra^r. 

r-rt^rvo-Coiiünainlo   des  k.  k.  «J'I.   Lini»n-Iiit.-ri»*^'ts.  GroJhcrzog  PVrJinanil  IV. 
v<»n   Tc*>eaua    in   I'ngvar. 

'>:!i«  ier^cori^   des    k.  k.   17.  FeMjäiier-IUtaiilon-?   in  Stani';lau. 

X.  k.  24-    I^inien-Iiif.-Reff.  Herzo^;  von  Pariüa  in  Miskolcz. 

< T-rn ISO a-j- Bibliothek  i:i  Krakau. 

<^:iciers- Bibliothek   dts  k.  k.  44.  Linien-Iiif.-FT'vu'.  Erzherzog  Albrecht  in  Cattaro. 

K.  k.   Serbisch-Banater  14.  Orenz-I{eg.  in  \Vei--kirchen. 

C>rti«iersc'>riÄ    fb^s    Reserve-Commando's  dos  k.   k.    41.     Linii-n-Inf-Reg.  FML. 

Barr»n    Kellner  in  CziTnowitz. 
K.  k-  3.   F»'Stnn«^s-Artillerie-ljataillon  in  Wien. 
K,  k.  3:^.    Keldjäg^er- Bataillon  in  Pet.*r\vanlein. 
<.>ffi<:-iers- Bibliothek   iles  k.  k.  Pionni^r-Heg.  in  Klosternenbnrg. 
K-  k.    15.    Feldja«rer-Hatai]lon  in  Salzbnrt'. 
K-  k.    1.    Feldjäger-Bataillon  in  Fttnfkinhen. 

<  ^fncier5icori>s  des  Reserve-Comraandos  des  k.  k.  10.  Linien-lnf.-Kegts.  in  Pr/ernyal. 
K-  k-   Pionnier-Cadetenschnle  in  Hainburg. 
K-  k.   IL    F'estangs-Artillerie-Uaiaillon  in  Inn^^brnek. 

K.  k.    lo.  Huszaren-Reg.  Fric^d.  Wilhelm  III.,  König  y.  PrcnGen  in  Wilfleinsdorf. 
Ä-  k-   r>7.    Linien-Iiif-Reg.  GroUherzog  Meklenbini^-Schwerin  in  Pest, 
»rdiierscorps  d.  k.  k.  ♦kJ.  Lin.-Inf.-Resrts.  König d.  Nif'dcrlande  in  Maros-Vasarhely. 
Kf^^rre-t'oLfiniando  des  k.  k.  70.  Linü'n-Inf.-IK'gts.  IJaron  Nagy  in  Nensohl. 
ML itär-Lose- Verein  in  Bistritz  (Siebenbürgen). 
K.  k,   Oj^nliner  3.   Grenz-Regimcnt  in  Ognlin. 
i  k-   Otooiiner   2.   Grenz-Iiegiment  in  Otocac. 
K,  k-   22.    Linien-Inf.-Reg.  in  lUgnsi. 
K.  k.  30-    Keidjiiger-Bataillon  in  Lemlierg. 

Ke^rve-Commando  desk.k.  58.  Lin.-Inf.-Ilegts.  Erzh.  T.ndwig  Salvat.  inStanislau. 
A.  k.  49-    I-inien-Inf.-Reg.  Baron  Hess  in  Wien. 
«hficierscoriJS  des  k.  k.  Tk).  Linien-Inf -Regts.  (iraf  Gondreeonrt  in  K.  Ebersdorf. 

Ferner   treten  als  ordentliche  Mitgücler  ein  die  Herren: 
Mncensc   Snetiwy,  k.  k.  Hauptmann  in  Agram. 

Graf  Nicolaus   Pe jacsevich,  k.  k.  Oberst  und  Brigadier  in  Pressbiu^. 

Wilhelm    v.    Pacor,  k.  k.  Oberlieutenant  in  Prag. 

Forst  Montennovo,  k.  k.  General  der  Cavallerie  n.  Commandirender  in  Prag. 

Ite-.  Gustav  Heinrich  in  Pest. 

SeibsiÄndige   Conimunal-rnterrealschule  in  Feldkirch. 

Hu^o  Feifalik,  k.  k.  Hofsecretär  in  W'ien. 

Für  1870. 
Aatön  Bniszkay,  k.  k.  Actuar  in  Wien. 
Ben^min   ▼.   Kaillay,  k,  u.  k.  Gcneral-Gonsul  in  Belgrad. 
Jc^.  V.   Hexnpfiing,  k.  u.  k.  Consnl  in  Philippoi)el. 


u 

Franz  Toula,  Assistent  am  k.  k.  polytechnischen  Institute  in  Wien. 

K.  k.  19.  Linien-Inf.-Reg.  Kronprinz  Erzherzog  Rudolf  in  ^Vieu. 

Josef  August  Hilgermann,  Lehrer  in  Wien. 

Alfred  Moering,  k.  k.  Oberlieutenant,  zugetheilt  beim  Generalstabe  in  Brzezan. 

Das  k.  k.  Realgymnasium  zu  Villach  in  Kärnten. 

Zu  correspondierenden  Mitgliedern  werden  gewählt: 
Herr  Antonio  Pascoli,  Proprietär  zu  Tuxpan  in  Mexico. 
Herr  A.  v.  Renard,  kais.  russischer  wirklicher  Staatsrath  und  Secretär  det 
kais.  naturforschenden  G  esellschaft  in  Moskau. 

Der  Vorsitzende  bringt  folgende  Anträge  des  Ausschusses  zurBerathung 
und  Abstimmung  in  der  Versammlung : 

a)  Das  Gesellschaftsjahr  soll  für  die  Zukunft  nicht  mehr  vom  October  bis  zum 
October,  sondern  mit  dem  Solarjahv  vom  Jänner  bis  zum  Jänner  gerechnet  werden. 

b)  Die  Jahresversammlung,  in  welcher  die  Jahresberichte  vorgelegt  werden, 
soll  im  December  abgehalten  werden  und  somit  vom  künftigen  Jahre  an  den 
Schluss  des  Gcsellschaftsjahres  bilden.  Die  diesjährige  Jahresversammlung  (am 
14.  December  1869)  fällt  ausnahmsweise  schon   in  das  Gesellschaftsjahr  1870. 

c)  Die  Versammlungen  der  Gesellschaft  werden  vom  kommenden  Jahre 
an  in  den  Monaten  October  bis  inclusive  Mai  stattfinden. 

d)  Die  „Mittheiluugen"  der  Gesellschaft  ei^cheinen  von  jetzt  an  in 
Monatheften  das  ganze  Jahr  hindurch. 

Sämmtliche  vier  Anträge  werden  von  der  Vei-sannnlung  angenommen. 

Der  Vorsitzende  Prof.  v.  Hochstetter  hält  dann  folgende  Ansprache : 
^Ara  14.  September  dieses  Jahres,  meine  Herren,  war  seit  Alexander  v.  Hum- 
boldt's  Gebui't  ein  Jahrhundert  verflossen.  Da  dieser  Tag  in  eine  Zeit  fiel,  wo 
die  geographische  Gesellschaft  nicht  versammelt  war,  so  wird  es  wol  keiner 
Rechtfertigung  bedürfen,  dass  ich  heut  die  erste  Versammlung  nach  diesem 
Datum  benütze,  das  Gedächtnis  des  (Gefeierten  zu  ehren,  eines  Mannes,  der 
Geograph  im  eminentesten  Sinne  des  Wortes  war,  der  größte  wissenschaftliche 
Reisende  aller  Zeiten.  Das  Andenken  eines  solchen  Mannes  zu  feiern,  ist  vor 
allem  Pflicht  der  geographischen  Gesellschaften  und  Vereine.  Unsere  Gesell- 
schaft hat  deshalb  auch  die  Einladung  des  Präsidenten  des  Vereines  für  Erd- 
kunde zu  Berlin,  sich  an  der  hundertjährigen  Jubelfeier  Alexander  v.  Humboldt 
zu  betheiligen,  mit  Freude  angenommen  und  Herr  Dr.  v.  Ruthner  hatte  es 
in  Begleitung  des  Herrn  E.  Marno  freundlich  übernonunen,  unsere  Gesell- 
schaft bei  dieser  Jubelfeier  zu  vertreten.  In  welch'  glänzender  Weise  ihm  dies 
gelang,  darüber  haben  seiner  Zeit  die  öffentlichen  Blätter  berichtet  und  ich 
darf  Herrn  Dr.  v.  Ruthner  auffordern  über  die  Ereignisse  bei  dieser  Mission 
unserer  Versammlung  persönlich  Bericht  zu  erstatten." 

Dr.  V.  Ruthner:  ^Als  die  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Berlin  den 
Beschluss  gefasst  hatte,  am  14.  September  d.  J.  den  hundertsten  Geburtstag 
Alexander  von  Humboldts  feierlich  zu  begehen,  ward  die  k.  k.  geographische 
Gesellschaft  in  Wien  eingeladen,  sich  an  dieser  Feier  durch  Delegierte  zu 
betheiligen. 

Vom  Ausschuss  unserer  Gesellschaft  mit  dem  Auftrage  beehrt,  sie  aus 
diesem  Anlasse  in  Berlin  zu  vertreten,  war  ich  in  der  Lage,  die  Annahme  des 
Mandats  sogleich  auszusprechen  und  bald  darauf  erklärte  auch  das  Gesell- 
schaftsmitglied Herr  J.  C.  Marno  seine  Bereitwilligkeit,  mit  mir  gemeinschaft- 
lich als  Bevollmächtigter  nach  Berlin  zu  reisen.  Es  wurde  jedoch  damals  auch 
die  Möglichkeit  gleicher  Betheiligung  noch  mehrerer  unserer  Mitglieder  in 
Aussicht  genommen  und  ist  das  Antwortschreiben  auf  die  Einladung  an  die 
Gesellschaft  für  Erdkunde  dai-nach  abgefasst  worden. 

Die  Ungewissheit  über  die  Zahl  der  Theilnehmer  an  der  Deputation 
war  der  Grund,  aus  welchem  ich  einen  Brief  vom  6.  September  des  Vor- 
standes der  letzteren  Gesellschaft  an  den  Vorstand  unserer  Gesellschaft,  worin 
lim  die  Mittheilung  der  Namen  jener  Herren,  die  zum  Feste  erscheinen  wiii- 
den  und  des  Tages  ihrer  Ankunft  in  Berlin  ersucht  wurde,  für  den  abwesen- 
den Vorstand  erst  dann  beantwortete,  als  eine  weitere  Theilnahme  nicht  mehr  zu 
erwarten  stand;  und  diese  durch  die  Verhältnisse  gebotene  Säumnis  hat  den 
Anlass  zur  ersten  Freundlichkeit  der  Berliner  Schwestergesellschaft  gegen  die 
unserige  geboten. 


45 

I 

Denn  als  ich  ain  11.  September  mit  HeiTn  Marno  Wien  verlassen  hatte, 
nm  ftbcr  Dresden  nach  Berlin  zu  fahren,  erhielt  ich  am  12.  Früh  in  der 
Station  Jüterbog  ein  an  mich  gerichtetes  Telegramm,  das  mich  und  Herrn 
Marno  einlud,  nach  unserer  Ankunft  in  Berlin  in  der  Bibliothek  de**  Ge- 
sellschaft für  Erdkunde  die  Auskunft  über  die  uns  angewiesenen  Wohnungen 
«einzuholen. 

Dieser  ersten  Aufmerksiimkeit  hat  die  Aufnahme,  welche  wir  in  Berlin 
selbst  gefunden,  im  vollsten  Maüe  entsprochen  und  ich  erfülle  wahrlich 
nur  eine  Pflicht,  wenn  ich  -den  wärmsten  Dank  für  das  der  k.  k.  geo- 
graphischen Gesellschaft  in  unserer  Person  sowol  von  Seite  der  städtischen 
liehörden  Berlins  als  der  zum  Feste  zusammengetretenen  gelehrten  Gesell- 
schaften bewiesene  auszeichnende  und  höchst  liebenswürdige  Entgegenkommen 
auszusprechen  mir  heute  erlaube. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Humboldtfeier  ausführlicher  zu  schildern  ; 
»c  war  in  den  öffentlichen  Blättern  Norddeutschlands  und  mindestens  in 
einigen  östeiTeichischeu  entsprechend  beschrieben.  Ich  beschränke  mich  auf  die 
Bemerkung,  dass  sie  in  einer  des  unsterblichen  Mannes,  dem  sie  gegolten  hat, 
vollkommen  würdigen  Weise  stattgefunden  hat.  Dagegen  betrachte  ich  es  als 
meine  Aufgabe,  des  Antheils  daran,  zu  welchem  die  Bevollmächtigten  unserer 
Geseilschaft  berufen  wai*en,  kurz  zu  erwähnen. 

Die  Feier  des  14.  September  begann  am  Vonnittage  mit  der  Legung 
des  Grundsteines  in  dem  Ilaume,  welchen  die  Stadt  Berlin  angekauft  hat,  um 
ihn  zu  einem  öffentlichen,  dem  Andenken  Alexander  von  Humboldts  gewid- 
meten Garten,  dem  Humboldthaine,  umzugestalten. 

Bei  diesem  von  den  städtischen  Behörden  veranstalteten  Theile  der  Feier 
wair  nicht  bloU  der  Staat  vertreten  und  nahmen  nicht  bloU  die  städtischen  Be- 
hörden und  Stadt -Aeltesten,  dann  die  zahlreichen  wissenschaftlichen  Vereine 
Berlins,  die  sämmtlichen  Bürgerbezirks-  und  Gewerbsgenossenschaften  im  Fest- 
schmucke mit  ihren  Bannern  Theil,  sondern  trotz  der  Ungunst  der  Witterung, 
aach  das  Volk  im  großen  und  ganzen,  und,  so  bedenklich  eine  Schätzung  in 
einem  ähnlichen  Falle  ist,  so  winl  doch  die  Zahl  der  Anwesenden  auf  der 
Fläche  des  künftigen  Haines  und  auf  den  sie  umschließenden,  in  Stufen  an- 
steigenden und  bloü  auf  der  Noixlseite  durch  die  Freitreppe,  auf  deren  Höhe 
eine  colossale  Büste  Humboldts  in  einem  wahren  Blumenwalde  thronte,  unter* 
brochenen  Tribnnen,  über  welchen  rings  Masten  auf  hohen  Flaggen  wehten,, 
mit  50 — 60.000  eher  zu  tief  als  zu  hoch  gegriffen  sein. 

Uns  Abgeordneten  der  k.  k.  geographischen  Gesellschaft  war  der  Platz 
neben  den  anwesenden  Autoritäten  auf  der  Estrade  angewiesen,  und  als  nach 
der  die  Grundsteinlegung  einleitenden  Rede  des  Oberbürgermeisters  der  Haupt- 
stadt und  nach  der  Verlesung  der  Stiftungsurkunde  die  Hammerschläge  auf 
den  Grundstein  vorzunehmen  waren,  wurden  auch  wir  dazu  beinifen  und  so 
habe  ich  für  die  k.  k.  geographische  Gesellschaft  in  Wien  und  hat  HerrMarno 
fi'ir  die  in  der  Stiftungsiu-kunde  als  mitwirkend  aufgeführte,  doch  durch  einen 
Zu&ll  eben  nicht  vertretene  geographische  Gesellschaft  in  Leipzig  den  Ham- 
meischlag  auf  den  Hnmboldtstein  geführt. 

Gegenüber  diesem  öffentlichen  Bürger-  und  Volksfeste  gieng  am  Abend 
die  eigentliche  Feier  der  gelehrten  Gesellschaften  vor  sich.  Sie  zerfiel  in  di» 
Gesammtsitzung  der  wissenschaftlichen  Vereine  und  in  das  Festmahl. 

Bei  ersterer,  welche,  besucht  von  einer  geistigen  Elite  Berlins,  im  Con- 
rextsaale  des  k.  Schauspielhauses  unter  dem  Vorsitze  des  Präsidenten  des  k. 
Kammergerichtes,  Herrn  von  Strampf,  als  des  Präsidenten  der  ältesten  natur- 
wissenschaftlichen Gesellschaft  in  Berlin,  abgehalten  wurde  und  in  welcher  uns 
wieder  Plätze  reserviert  waren,  hielt  der  Präsident  der  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde, Herr  Dr.  Bastian  die  Festrede;  und  über  diese  vom  tiefsten  Wissen ^ 
Tom  icrfindlichsten  Eindringen  in  den  Gegenstand  und  von  der  unzweifelhaf- 
testen Begeisterung  für  denselben  Zeugnis  ablegende  Rede  ist  nur  die  eine 
Stimme  laut  geworden,  dass  der  Festredner  seine  Aufgabe,  so  schwierig  sie 
auch  wegen  ihrer  Größe  gewesen,  auf  die  glänzendste  Weise  gelöst  hat. 

Das  Festbankett  fand  in  Mesers  Saale,  Caf6  Prince  Royal,  unter  den 
Linden  unter  Betheiligung  von  5-GOO  Personen  statt,  so  dass  der  stattliche 
Saal  die  2^hl  der  Festgenossen  nicht  zu  fassen  vermochte,  und  noch  im  Neben- 


46 

räume  serviert  werden  muL'te,  Die  Veraiuigung  der  wissenschaftlich cu  Vereine : 
nehst  dem  geographisclien,  des  mediciuischeu,  botanischen,  geologischen,  poly- 
technischen, volkswirtschaftlichen  u.  s.  w.  hatte  die  Theilnahme  zu  einer  so 
groOen  gestaltet. 

Auch  hier  haben  die  Delogierten  der  "Wiener  geographischen  Gesellschaft 
an  der  Ehrentafel  in  auszeichnender  "Weise  ihre  Plätze  gefunden.  Hier  aber 
hatte  ich  Gelegenheit  meiner  Mission  noch  insbesondere  durch  eine  Ei-wiederuug 
auf  einen  von  Herrn  Dr.  Brehm  auf  die  Elirengäste  ausgebrachten  Toast 
gerecht  zu  werden  und  bin  so  glücklich  gewesen,  als  ich  im  ersten  Theile 
derselben  das  Gefühl  der  Deutschen  in  Oesterreich  von  der  Zusammengehörig- 
keit mit  den  Deutschen  im  Norden  des  Mains  und  ihren  Wunsch  der  innigsten 
AUiance  Oesterreichs  mit  dem  norddeutschen  Bunde  als  meine  eigenste, 
jedoch  von  zahlreichen  deutschen  Männern  in  Oesterreich  getheiltc  Anschauung 
ausgesprochen  und  im  zweiten  unter  Berufung  auf  meine  Vollmacht  der  hohen 
Achtung  Worte  geliehen  hatte,  welche  die  k.  k.  geograpliische  Gesellschaft  in 
Wien  für  die  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Berlin  hegt,  in  beider  llichtung 
der  lebhaftesten  Zustimmung  der  Versammlung  theilhaft  zu  w^erden. 

Herr  Maruo  verlieü  bald  nach  dem  Festtage  Berlin,  während  ich  noch 
einige  Tage  daselbst  zurückblieb,  und  ich  glaube  nur  im  Sinne  unserer  Gesell- 
schaft gehandelt  zu  haben,  indem  ich  in  diesen  Tagen  dem  Hen-u  Oberbürger- 
meister der  Stadt  und  dem  Herrn  Syndiker  Duncker,  dann  mehreren  Re- 
präsentanten der  gelehrten  Gesellschaften  meinen  Besuch  abstattete,  um  ihnen 
für  die  hervorragende  Rolle,  welche  sie  der  k.  k.  geographischen  Gesellschaft 
bei  der  ganzen  Feier  zugewiesen,  Namens  derselben  Dank  zu  sagen. 

Aliein  selbsi  abgesehen  von  dem,  ich  möchte  sagen,  ofticiellen  Entgegen- 
kommen, waren  die  Vertreter  und  mehrere  Mitglieder  der  Wissenschaft] ichen 
Gesellschaften,  vornehmlich  die  Herren  Dr.  Bastian,  Prof.  Dr.  Dieterici, 
Justizrath  Degen,  Dr.  D  ü  m  i  c  h  e  n  und  Director  Lehmann,  der  Heraus- 
geber des  geschätzten  Magazins  für  die  Litciatur  des  Auslandes,  auf  das  freund- 
lichste bemüht,  uns  unseru  Aufenthalt  in  Berlin  zum  angenehmsten  zu  machen : 
es  ist  ihnen  dies  vollständig  gelungen  und  ihnen  sei  hier  für  ihre. Güte  noch 
specicll  gedankt! 

Fürwahr!  Die  Worte  meines  Trinkspruches  beim  Festbankette:  ^Die 
Ehre,  welche  die  Stadt  Berlin  heute  der  geographischen  Gesellschaft  in  Wien 
dadurch  er\vies,  dass  sie  ihre  Vertreter  berufen  hat,  die  Hammerschläge  auf  den 
Humboldtstein  zu  führen,  wird,  dessen  bin  ich  gewiss,  ein  neues  Bindemittel 
sein,  welches  die  Gesellschaft  im  deutschen  Süden  mit  der  Schwester  im  Nor- 
den nur  noch  fester  verbindet",  hatten  nicht  eine  bloße  Phrase  vorzustellen. 
Diese  innige  Verbindung  war  mir  in  Berlin  an  mati«j:ebender  Stelle  widerholt 
als  ein  reger  Wunsch  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  betont  worden  —  wii- 
hier  in  Wien  wünschen  sie  sicher  nicht  minder  lebhaft  —  und  so  möge  sie 
denn  zum  Frommen  der  geographischen  Wissenschaft  die  vollste  Verwirk- 
lichung finden!** 

Der  Vorsitzende:  «Nach  dem,  was  wir  aus  dem  Munde  unseres  Ver- 
treters bei  der  Humboldtfeier  so  eben  vernommen  haben,  glaube  ich  den  Vorwurf 
der  Indolenz  in  Bezug  auf  diese  Feier,  der  den  wissenschaftlichen  Coqiorationeu 
in  Wien  von  einem  verbreiteten  Journale  gemacht  wurde,  von  der  Wiener 
geographischen  Gesellschaft  mit  vollem  Grunde  abwehren  zu  können. 

Wir  aber  wollen  uns  heut  in  dankbarer  Verehrung  eines  universellen 
Genie's,  das  die  deutsche  Nation  mit  vollberechtigten  Stolze  zu  den  edeisteu 
ihrer  Söhne  rechnet,  an  jene  Errungenschaften  erinnern,  welche  si)eciell  die 
geographische  Wissenschaft  Alexander  v.  Humboldt  verdankt  und  in  Kürze 
aufzählen,  was  sie  durch  ihn  gewonnen  hat.  Ich  kann  dies  nicht  besser  als 
mit  den  Worten  Bastians  sagen,  die  er  in  der  Festrede  aus  dem  vollen 
Bewustsein  des  Wertes  des  Geleierten  holte. 

Als  Reisender  1)  gibt  Humboldt  das  erste  Beispiel  wie  die  Vervollkomm- 
nung von  Chronometern  ziu'  Besthumung  von  geographischen  Laugen  im  Innern 
grosser  Festlande  benutzt  werden  könne.  Von  dem  zu  Höhenbestimmungen 
erst  kurz  von  seiner  Reise  durch  de  Luc  geschickt  gemachten,  während  seiner 
Reise  durch  Ramonds  Beobachtungen  noch  genauer  überwachten  Barometer, 
für  welches  unmittelbar  nach  beendigter  Reise  Laplace  seine  berühmte  Formel 


47 

schuf,  zog  Humboldt  sogleich  für  die  Wissenschaft  dv.n  höchsten  Nutzen,  denn 
er  entwarf  2)  das  ci*ste  llöhenprofil,    >Yelches  die  Erdkunde  kennt,    quer  über 
Spanien.    Mit  diesem  graphischen  Hilfsmittel  beginnt   das  exacte  Wissen  der 
iniischen  Hohcnkunde.    Später. gab  er  3i  diesem  Zweige  die   höchste  Durch- 
bildung,   indem  er  die  stereometrische  Geognosie  erdachte,    deren  Aufgabe  es 
ist,  die  mittlere  Höhe  der  Festlande  durch  llechnung  festzustellen.  Die  ersten 
angenäherten  Werte,  die  er  für  Asien,  Europa  und  America  ermittelte,  gelten 
noch  jetzt  in  der  Wissenschaft.  Er  lehrte  4)  bei  Gebirgen  die  Passhöhen  und 
die  Gipfelhöhen  untei-scheiden,  ein  Verfahren,  welches  uns  erlaubt,  mit  Hilfe 
der  gefundeneu  Zahlen  zwei  entfernte  Gebirge^  wie  Alpen  und  Pyrenäen,  streng 
mit  einander  zu  vergleichen.   Unser  Wissen  von  den  Magnetkräften  der  Erde 
veidankt  ihm  5)  die  Entdeckung,    dass  die  Intensität  der  Magnetkräfte  von 
den  5fagnetpolen  abnimmt  gegen  den  Aequator.    Als  Maßeinheit,  bis  Gauß  ein 
strengeres  Verfahren  einführte,  galt  3l)  Jahre  lang  der  von  Humboldt  in  Quito 
gefanilene  Ausdruck  der  örtlichen  und  magnetischen  Erdkraft.  Wir  verdanken 
femer  6)  seinem  groten  Genie  die  unerwartete  Entdeckung,    dass  die  meisten 
Vulcane  (vielleicht  allei   auf  Spalten  liegen,    d.   h.  in  Reihen  geordnet  sind, 
welche  beinahe  mit  größten  Kreisen  zusammenfallen.    W'ir  verehren  in  Hum- 
boldt  den  Schöpfer  7)  der  Kunst  die  Isothermen  (Isothercn,  Isochimenen)  zu 
ziehen^  mit  denen  das  Wissen  über  die   Gesetze  ungleicher  Vertheilung  der 
Wanne  auf  der  Erde  beginnt.  Die  Meteorologie  war  vor  1Ö17,  wo  Humboldt 
jenen  Meistergrift*  that,  ein  ordnungs-  und  lichtloscr  W'ust  von  Beobachtungen 
and  Zahlenwerten.    8)  Humboldt   ist  der  erste  Baumeister  filr  den  physikali- 
schen Theil  der  Ortskunde  der  Gewächse,  indem  er  eine  Beobachtung  Tourne- 
forts  1701  am  Ararat,  dass  nämlich  mit  der  senkrechten  Höhe  die  Pflanzenwelt 
äch  ändere  wie  in  Meeresnähe  bei  wachsender  Polhöhe,  unter  die  streng  zu  erfor- 
schenden Gegenstände  erhob,   mit  andern  Worten,  er  ist  der  erste  Keisende, 
der  mit  dem  Höhen  bestimmenden  Barometer  Pflanzen  sammelt   und  dem  wir 
die    Begriffe    von  Pflanzenclima    sowie    die    Schlagwörter  Palmen-,  Orangen- 
cHma  vi.  s.  w.  verdanken.  Will  man  ihm  noch  eine  groüe  Entdeckung  zuschrei- 
ben,   so  ist  es  diese,    dass  die  Gebirge  Innerasiens  nicht  von  einem  Knoten 
aosstralen  oder  gleichsam  speichenförmig  Asien  durchziehen,  sondern  in  Ketten 
geordnet  ziemlich  parallel  von  Ost  nach  AVest  streichen. 

Auf  diesen  Eroberungen  für  den  Fortschritt  geographischer  Wissen- 
schaften beruht  Humboldts  unvergänglicher  Ruhm.  Derselbe  Mann  hat  sich  in 
seinen  Katurschilderungcn,  so  wie  im  Kosmos,  indem  er  das  Naturwissen  seiner 
Zeit  zasammen  zu  fassen  suchte,  als  ein  Meister  der  Sprache  bewiesen,  eben- 
bürtig unseren  classischen  Dichtern.  Dass  er  als  Naturforscher  ein  Freund  der 
Freiheit  und  des  Lichtes  war,  versteht  sich  von  selbst.  Mit  wahrer  Rührung 
aber  gedenke  ich  der  Stunden,  welche  mir  der  damals  88jährige  Greis  widmete, 
als  ich  im  Jänner  1^57  vor  der  Abreise  mit  der  Novara  nach  Berlin  kam,  um 
mir  seine  Rathschlägc  zu  holen.  Bleibt  doch  Humboldt  für  alle  Zeiten  das 
unerreichte  Vorbild  eines  wissenschaftlichen  Reisenden.  In  der  Nacht  vom 
7.  April  1857  schrieb  er  unter  dem  Titel  ^Physikalische  und  geognostische 
Erinnerungen**  jene  denkwürdigen  Blätter,  welche  die  Novara  auf  ihrer  Reise 
mn  die  Erde  begleiteten,  oder  wie  sich  Humboldt  mit  liebenswürdiger  Beschei- 
denheit ausdrflckte  ^von  denen  einiges  vielleicht  den  Gelehrten,  die  die 
Expedition  zu  begleiten  das  Glück  haben,  von  Nutzen  sein  könnte**. 

Auf  Aufforderung  des  Präsidenten  erhoben  sich  die  Anwesenden,  um 
das  Andenken  Alexander  v.  Humboldts  aus  Veranlassung  seines  100jährigen 
Geburtstages  zu  ehren,  von  ihren  Sitzen. 

Der  Generalsecretär  berichtet  über  die  geographischen  Neuigkeiten, 
mit  denen  die  Gesellschaft  während  der  toten  Saison  in  Rückstand  geblieben  ist. 
•.Von  der  Frage  des  Tages  —  der  Eröffnung  des  Suezcanals  —  brauche 
ich  nichts  zu  sagen,  sie  wird  dieser  Tage  mit  einer  gröOern  Flut  von  Worten 
zn  ihnen  dringen,  als  dem  Canai  vielleicht  AVasser  zu  Gebote  steht,  um 
Schiffe  jedes  Tonnengehalts  vom  Mittelmeer  in  den  indischen  Ocean  zu 
befördern,  wiewol  dies  niemand  im  Interesse  der  Sache  wünschen  mag. 

Aber  in  geographischer  Beziehung  jedenfalls  mehr,  als  die  Eröffnung 
dieses  Crtnals  ist  die  Expedition  Sir  S.  Bakor's  in  Contral-Africa  geeig- 
net,   unsere   Aufmerksamkeit    in    Anspruch    zu   nehmen,  wiewol  sie  in  erster 


48 

Linio  uiiht  wissers  halilicbe  Zwecke  verfolirt  und  auch  «üc  Devise  ihrer  Fahne- 
-AbschalTuijg  des  Sclavenhandels-«  vor  der  Haud  nur  als  Illustration  des  Haupt- 
zweckes zu  liebmcn  ist.  "Wenn  sio  aber  peliugt,  woran  nach  deu  überaus  sorg- 
fältigen und  von  grtuidlicber  Sachkenntnis  geleiteten  Veranstaltungen  kaum  zu 
zweifeln  ist,  so  wird  sie  einen  Umschwung;  in  der  politischen  Stellung  von 
Ontral-At'rica  zur  Folge  halien,  der  für  die  Wissenschaft  einen  unberechrn- 
baren  Wert  hat.  (Siehe  die  Notizen  dieses  Heftes.) 

Hr.  Richard  Brenner,  der  Ihnen  durch  seinen  Autheil  an  der  Expe- 
«Mtion  von  der  Decken's  und  durch  seine  nachherige  Erforschung  des  ost- 
africanischen  Gebietes  in  guten  Andenken  ist,  wurde  von  der  Handelskammer 
von  St.  Galleu  zur  Leitung  einer  Expedition  aufgefordert,  die  das  Anknüpfen  von 
Handelsbeziehungen  an  der  ostafricanischen  Küste  zum  Gegenstande  hat.  Bei 
diesem  Anlass  wandte  er  sich  nach  Ocsterreich,  um  wo  möglich  hier  eine  Mit- 
betheiligung  an  diesem  Unternehmen  zu  erwirken,  da  nach  seiner  Ansicht  bei 
der  eröffneten  Durchfahit  ins  rothe  Meer  OesteiTeich  vor  allem  darauf  hin- 
gewiesen sei,  sein  Interesse  in  jenen  Ländern  zur  Geltung  zu  bringen.  Soviel 
aus  denPrivatniittheilungenBrenner's  zu  entnehmen  ist,  hat  das  österreichische 
Handelsministerium  sich  seinem  Plane  überaus  günstig  gezeigt  und  zur  Un- 
terstützung desselben  das  mögliche  gethau.  Von  der  Handelskammer  in  Triest 
wurde  ein  Beitrag  zur  Unternehmung  in  Geld  votiert,  von  einzelnen  Finnen 
wurden  Probewaren  für  dieselbe  vorbereitet,  und  wenn  ich  einer  Zeitungs- 
notiz in  den  letzten  Tagen  folgen  darf,  ist  auch  die  AViener  Handelskammer 
mit  einer  Unterstützung  beigetreten.  Nach  deu  letzten  Nachrichten  soll  die 
Expedition  mit  Anfang  December  unter  Segel  gehen.  Das  nähere  darüber 
so  wie  die  Details  über  die  projectierte  Ausführung  hoffe  ich  Ihnen  in  der 
nächsten  Versammlung  aus  einer  unmittelbaren  Mittheilung  Brenner's  sagen 
zu  können,  der  uns  auch  Berichte  während  der  Reise  zugesagt  hat. 

Von  Seite  der  kais.  geographischen  Gesellschaft  in  St.  Petersburg  geht 
uemnächst  eine  Expedition  nach  dem  Nordgouvernements  und  dem  weiüeii  Meer, 
um  dieselben  genauer  zu  durchforschen.  Zugleich  hat  diese  Gesellschaft  den 
Archimandriten  in  Peking  beauftragt,  sich  der  Amnrexpedition,  die  bekannt- 
lich die  ('olonisatiou  des  Amurlaudes  zur  Aufgabe  hat,  anzuschließen,  zum 
Zweck  ethnologisch  er  Studien.  —  Ich  führe  Ihnen  diese  Notiz  zunächst  als 
Beleg  vor,  was  eine  geogi^aphische  Gesellschaft  leisten  kann,  wenn  sie  —  wie 
in  Kussland  —  von  der  Regierung  als  ihr  getreuer  Bundesgenosse  bei  der 
Verbreitung  der  Cultur  erkannt  und  darnach  unterstützt  wird.  — 

lieber  das  Schicksal  des  Africafoi'schers  Livingstone  scheinen  die 
^'ünstigeu  Nachrichten  ihre  volle  Bestätigung  gefunden  zu  haben.  Mau  zweifelte 
in  der  letzten  Zeit  nicht  mehr  daran,  dass  er  lebt  und  wolbehalten  in  bisher 
unbekannten  Regionen  Africas  seinem  Forachungseifer  obliegt,  sondern  es 
entJ^pann  sich  eine  Controverse  darüber,  ob  die  Nachricht,  dass  er  zwischen 
10  und  12  Grad  südlicher  Breite  die  Quellen  des  weißen  Nil  entdeckt  habe, 
wahr  sei.  Nun  wird  auch  diese  Nachricht  in  einem  Briefe  des  englischen 
<jt}iisuls  in  Zausibar  Dr.  Kirk  bestätigt.  Kirk  schreibt  nämlich  unteiin 
7.  September  an  die  Regierung  in  Bonibay,  dass  er  ein  Schreiben  von  Livin  g- 
stono  ddt.  18.  Juli  ISGH  zuRangweloo  erhalten  habe,  in  welchem  es  wört- 
lich heilJt:  «Ich  tlarf'  wol  sagen,  dass  ich  meines  Dafürhaltens  die  Quellen  des. 
Nil  zwischen  lü  und  12  Gratl  südlich  oder  nahezu  in  der  von  Ptolemaeus 
für  sie  angedeuteten  Lage  aufgefunden  hal)e.**  Sie  bestehen  nach  seiner 
Angalw  aus  einer  Anzahl  großer  Seen,  auf  welche  Livingstone  wahrschein- 
lich durch  die  nämlichen  Araber  aufmerksam  gemacht  wurde,  die  seinen  Brief 
nach  Zansibar  brachten.  Bei  Absendung  des  Briefes  erfreute  er  sich  der  besteu 
Gesundheit.  Näheres  werden  unsere  „Mittheilungen"  aus  deu  Daten  der  geogi-a- 
phischen  Gesellschaft  zu  London  geben.  Dabei  mu'i  bemerkt  werden,  dass 
eine  Nachricht  vom  Cap,  jenen  Nachrichten  widersprechend,  den  Tod  Living- 
stone im  Innern  von  Africa  als  eine  Thatsache  darstellt. 

Hierauf  hielt  Herr  Dr.  Descovich  einen  Vortrag  über  die  Bocclie 
di  Cattaro.  (Siehe  unsere  ^Mittheilungen*'.) 

Die  nächste  Versammlung,  zudoich  Jahresversammlung,  in  welcher  die 
.Tahre<iberichte  erstattet  und  ein  Drittel  der  Ausschu?smitgliedrr  neu  gewählt 
wirdon,  findet  am  13.  December  ISfiO  statt. 


Jahresbericht 

des  Prfisidenten  der  geographischen  Gesellschaft  Prof.  Dr.  Ferd.  von 

Hochstetter  für  das  Jahr  1869. 

Hochverehrte  Versammlung ! 

Das  dreizehnte  Jahr  des  Bestandes  unserer  Gesellschaft  and  das 
zweite  seit  ihrer  Reorganisierung  liegt  hinter  uns  und  ich  freue  mich 
sagen  zu  können,  dass  die  Hoffnungen  und  Erwartungen,  welchen  ich 
in  meinem  vorjährigen  Bericht  Ausdruck  gah,  in  Erfüllung  gegangen 
sind.  Ich  darf  den  Zustand  unserer  Gesellschaft  als  durchaus  befriedigend 
erklären.  Die  ersprießliche  Th&tigkeit  hat  sich  vermehrt,  unsere 
timfuiziellen  Calamitäten  haben  ihr  Ende  erreicht  und  die  Zahl  der 
Mitglieder  ist  in  erfreulichster  Weise  gewachsen.  Mit  froher  Hoffnung 
können  wir  daher  in  die  Zukunft  blicken.  Sind  wir  auch  noch  nicht  in 
der  L4&ge,  uns  an  allen  nützlichen,  in  unser  Bereich  einschlagenden 
Unternehmungen  ausgiebig  zu  betheiligen,  so  sind  wir  doch  auf  dem 
üHTege  dazu  und  es  ist  zu  erwarten,  dass  der  Geist  frischer  Thfttigkeit 
«md  opferwilliger  Betheiligung,  der  uns  bis  nun  erhoben  hat,  auch 
d^uiemd  sieb  erproben,  und  uns  in  die  Lage  bringen  wird,  hinter  den 
Lieistungen  anderer  weit  mehr  begünstigten  Schwestergesellschaften  nicht 
zu  weit  zurückzubleiben. 

Wenn  Sie  den  bereits  mit  einigen  Karten  ausgestatteten  diesjährigen 
Band  unserer  Mittheilungen  betrachten  im  Vergleich  zu  dem,  was  wir 
iror  zwei  Jahren  zu  leisten  im  Stande  waren,  wenn  Sie  bedenken,  dass 
unser  Mitgliederverzeichnis  eine  Anzahl  von  ordentlichen  Mitgliedern 
aufweist,  die  in  früheren  Jahren  nicht  erreicht  wurde,  wenn  Sie  gleich- 
zeitig aus  dem  Berichte  des  Herrn  Rechnungsführers  entnehmen  werden, 
dass  die  finanziellen  Verhältnisse  unserer  Gesellschaft  geordnet  sind,  so 
werden  Sie  Ihre  Anerkennung  den,  das  Gedeihen  der  Gesellschaft  mit 
aller  ihrer  Kraft  anstrebenden,  Bemühungen  des  Herrn  Generalsecretärs 
and  des  Herrn  Rechnungsführers,  sowie  der  thätigen  Mithilfe  des  Aus- 
schusses gewiss  nicht  versagen  und  mit  mir  übereinstimmen,  wenn  ich 
mir  erlaube,  den  genannten  Functionären  und  allen  Ausschussmitgliedem 
den  wärmsten  Dank  der  Gesellschaft  auszudrücken.  Ich  selbst  aber  muß 
noch  insbesondere  dem  kais.  Rath  Herrn  Steinhäuser  dafür  danken, 
dass  er  mich  bei  Abfassung  dieses  Jahresberichtes  aufs  freundschaft- 
lichste unterstützt  hat. 

Geofl^nphische  Xittheilangen.  1870.  2.  4 


50 

Ich  beginne  den  Jahresbericht  mit  den  Leistungen  des  mili- 
tär-geographischen  ilnstitutes,  dem  wir  für  die  Ausstattung 
unserer  Mittheilungen  durch  Karten  zu  so  großem  Danke  verpflichtet 
sind.  In  diesem  Institute  wurden  im  Jahre  1869  folgende  Arbeiten 
ausgeführt : 

1.  Astronomisch-geodätische  Arbeiten.  Zur  Verbindung 
des  trigonometrischen  Netzes  in  Dalmatien  mit  jenem  des  Königreiches 
Italien  wurden  auf  den  im  Sommer  1868  durch  die  hiezu  bestimmten, 
beiderseitigen  Commißäre  gemeinschaftlich  gewählten  fünf  Anschluss- 
puncten,  n&mlich:  1.  Monte  Hum  auf  der  Insel  Lissa,  2.  S.  Giorgio 
auf  Lagosta,  3.  Pelagosa  Insel,  4.  Tremiti  Insel,  und  ö.  Giovannicchio 
auf  dem  Gebirge  Grargano  des  italienischen  Festlandes  die  Richtungs- 
beobachtungen durch  den  k.  k.  österr.  Oberlieutenant  HarU  und  den 
k.  ital.  Generalstabshauptmann  de  Vita  und  zwar  auf  jedem  Puncto  von 
beiden  Beobachtern  gleichzeitig  vorgenommen.  Zur  Signalisierung  wurde 
nur  Heliotropenlicht  benützt;  auf  den  größeren  Distanzen  Hum- 
Giovannicchio  (16.5  Meilen)  wurden  größere  Spiegel  in  Anwendung 
gebracht,  was  sich  vortrefflich  bewährte.  In  derselben  Zeitperiode,  als 
auf  Monte  Hum  die  geodätischen  Arbeiten  stattgefunden  haben,  wurde 
durch  den  Obersten  Ganahl  unter. Mitwirkung  des  Oberlieutenant  Hartl 
auf  dieser  Station  die  Polhöhe  und  das  Azimuth  beobachtet. 

Ffir  die  Aufnahme  des  albanischen  Küstenstriches,  welche  im 
nächsten  Frül^ahre  durch  die  k.  k.  Marine  in  Angriff  genommen 
werden  wird,  wurde  das  hiezu  nöthige  Dreiecksnetz  im  Anschlüsse  an 
die  südlichen  Dreiecke  Dalmatiens  durch  die  Messung  einer  Grund- 
linie in  der  Länge  von  1600  Klaftern  hei  Skutari  durch  Winkelbeob- 
achtungen auf  34  Haupt-  und  Nebenpuncten,  endlich  durch  die  Be- 
stimmung von  Polhöhe  und  Azimuth  auf  den  trig.  Puncten  Saseno  und 
Durazzo  festgestellt.  An  dieser  unter  der  Leitung  des  Obersten  Ganahl 
stattgefundenen  trig.  Vermessung  haben  mitgewirkt,  Major  Baron 
Zeschwitz  des  k.  k.  Generalstabes,  Linien-Schiffislieutenant  Kalmar, 
Oberlieutenant  von  Sternek,  Schiffsfähnrich  Paul  Pott,  Lieutenant 
von  Gyurkoviö,  Docent  Tinter  des  k.  k.  polytechnischen  Institutes, 
dann  die  Kadet^Feuerwerker  Seelig  und  Prikler. 

Die  Verbindung  der  verschiedenen  astronomischen  Observatorien 
Wiens,  u.  zw.  1.  k.  k.  Sternwarte,  2.  Observatorium  auf  dem  Laaer- 
Berge,  3.  Observatorium  des  k.  k.  polytechnischen  Institutes,  4.  Observa- 
torium des  k.  k.  militär-geographischen  Institutes,  5.  Privat-Observato- 
rium  des  Herrn  Dr.  Oppolzer  mit  dem  Hauptdreiecksnetz  geschah  durcli 
Major  Breymann,  welcher  auch  das  doppelte  Nivellement  zum  Ver- 
gleiche der  gewöhnlichen  Nivelliermethode   mit    der   trigonometrischen. 


51 

2wi8clien  dem   Laaer-Berge ,   Aich-Kogel   und  Anninger  bei  Wien  heuer 
zum  Abschlüsse  gebracht  hat. 

lu  Siebenbfirgen  ist  die  Triangulieruag  erster,  zweiter  and  dritter 
Ordnung  für  die  Militär-Mappierung  auf  einem  Flächenraum  von  250D 
Meilen  fortgesetzt,  endlich  im  deutschbanater  G-renz-Regimente  für  den 
Kataster,  die  Triangulierung  zweiter,  dritter  und  vierter  Ordnung  auf 
einem    Räume  von  25  O    Meilen  ausgefahrt   worden. 

2.  Topographische  Aufnahme.  Von  7  Mappierungs-Abthei- 
langen  wurde  die  MüitÄr-Aufnahme  im  Maße  1"  =  400«  oder  1 :  28.800 
in  Siebenbürgen  ohne  Kataster  fortgesetzt,  und  eine  Terrainstrecke  von 
ungefähr  246  D  Meilen  beendet. 

Im  südlichen  Theile  Tirols  wurde  auf  Grundlage  der  reducierten 
Katasterpläne  die  Aufnahme  mit  Rücksicht  auf  die  Aufoahme  im  Nach- 
barstaate und  auf  das  einzuführende  M^tre-Maß  im  Maße  1"  = 
S47.22®  oder  1 :  25.000  von  drei  Mappierungs-Abtheilungen  in  der  un- 
gefähren'Ausdehnung  von  141 D  Meilen  bewirkt. 

Die  Reambulierung  des  Brucker  Lager-Planes,  sowie  die  Neuauf- 
nahme   eines    Theils    desselben,    wurde  durch  einen  Officier  ausgeführt 

3.  Karten-Arbeiten.  Von  einigen  größeren  Gamisonsorten 
wurden  nach  den  von  den  verschiedenen  Generalstabs-Abtheilungen  ver- 
fassten,  und  eingesendeten  Originalien,  Umgebungskarten  theils  graviert, 
theils  auf  photolithographischem  Wege  erzeugt,  und  dem  Verschleiß  über- 
geben, und  zwar  die  Umgebung  von  Graz  bis  auf  2  Blätter,  8  Blätter 
der  Umgebung  von  Brunn,   endlich  die  Umgebung  von  Triest. 

In  Folge  reichskriegsministeriellen  Auftrages  wurden  Marsch- 
rontenkarten  im  Maßtabe  1"  =  4000°  oder  1  :  288.000  auf  Stein 
graviert,  autographiert,  oder  fotolithographiert  und  zwar: 

Ungarn in  20  Blättern 

Gralizien „11        „ 

Böhmen „4        „ 

Siebenbürg^ ,,     4        „ 

Groatien,  Slavonien  und  Militär-Grenze     „     7 

Steiermark      .        n     4 

Tirol .        ...         „2 

Kärnten,  Krain  und  Görz     ....        »4 
Dalmatien  .        ...  .    .        »     3        „ 

Oesterreich  und  Salzburg „4        ,, 

Mähren  und  Schlesien   .....        „4        „ 
Einige  dieser  Karten  wurden  auch  im  reducierten  Maße  aufgelegt, 
und  zwar  im  Maße  1"  =  6000"  oder  1 :  432.000,  Steiermark  (1  Blatt), 

Kärnten,    Krain    und  Görz    (1   Blatt);    im   Maße    1"  =  8000<^   oder 

4* 


52 

1 :  576.000  —  Galizien  (3  Blätter),  Ungarn  (6  Bl&tter),  Siebenbürgen 
(1  Blatt)  nnd  Dalmatien  (1  Blatt),  dann  Croatien,  Slavonien  mit  der 
Militärgrenze  ansgeffthrt,  welche  Kartenwerke  bereits  alle  dem  Ver- 
schleiße fibergeben  sind.  Femer  wurde  eine  Eisenbahn-Instradiernngs- 
karte  verfaßt  nnd  veröffentlicht. 

Von  der  Umgebnngskarte  von  Wien  im  Maße  1"  =r  200®  oder 
1  :  14.400  sind  14  Sectionen  mittelst  Umdrnck  von  den  in  Farben  ge- 
druckten, and  in  4  Blättern  bestehenden  Sectionen  zu  ganzen  Sectio* 
nen  zusammengestellt,  nach  den  neuesten  Aufnahmen  corrigiert,  und  die 
Cultur-Gattungen  durch  conventioneile  Zeichen  ansgedrfickt,  publiciert 
worden. 

Von  der  im  Maße  1"  =  600»  4  oder  1:43.200  erscheinenden 
Umgebungskarte  Wien's  wurde  das  Blatt  Neunkirchen  vollendet  und 
wird  nach  vollendeter  Revision  veröffentlicht. 

Von  der  Specialkarte  Ungarns  im  Maße  1"  =  2000®  oder 
1  :  144.000  wurden  21  Blätter  des  n.-w.  Theiles  von  Ungarn  veröffent- 
licht; 34  Blfttter  sind  in  kürzester  Zeit  druckreif,  gegen  56  Blätter 
mehr  oder  minder  der  Vollendung  nahe,  in  der  Kupferstecherei 
in  Arbeit. 

Von  den  Comitaten:  Oedenburg,  Comom,  Raab,  Neutra  und 
Wieselburg  sind  Karten  im  Maße  1"  =  2000®  oder  1  :  144.000  unter 
dem  Titel  „Comitatskarten**  veröffentlicht  worden. 

Ffir  alle  bereits  veröffentlichten  Special-  und  Generalkarten 
wurden  Oleaten  Aber  die  Communications- Veränderungen  ausgegeben,  um 
die  £videnthaltung  der  Karten  auch  dem  Publicum  zu  ermöglichen. 

In  der  photographischen  Abtheilung  wurden  von  verschiedenen 
Aufnahms-Sectionen  403  Glas-Negative,  1838  Papier-Positive  und  zn 
verschiedenen  Zwecken,  47  Photolithographien  erzeugt.  Die  Versuche  in 
^er  Heliogravüre  haben  so  günstige  Resultate  geliefert,  dass  mit  Sicher- 
heit in  nächster  Zeit  auf  die  Vervielfältigung  der  Kartenwerke  in  dieser 
Methode  gerechnet  werden  kann;  ein  par  Proben  folgen  bei.  In  der 
Militär-Zeichnungs- Abtheilung  wurden  für  die  im  Jahre  1871  fortzu- 
setzende Aufnahme  in  Tirol  nothwendigen  Sectionen  aus  den  Kataster- 
mappen reduciert. 

Theilweise  wenigstens  im  Zusammenhang  mit  den  Arbeiten  des 
militär-geographischen  Institutes  steht  die  neue  Aufnahme  und  Beschrei- 
bung des  adriatischen  Meeres.  Die  ständige  Commission  der 
kais.  Academie  der  Wissenschaften  für  die  Adria  hat  im 
Jahre  1868  und  dem  ersten  Quartale  1869  die  Voreinleitungen  und 
Anordnungen  getroffen,  um  auf  allen  Stationen  die  periodischen  Beobach- 
tungen  beginnen   zu   lassen.    Diese  sind  Triest,   Fiume,   Zara,   Lesina, 


53 

EagQsa,  Panta  d'Otsro,  Dorazzo,  C!orfii,  Pola,  Elek.  Je  nach  Lage, 
Wichtigkeit  and  znr  Beobachtung  tanglicher  Personen,  sind  dieselben 
mit  mehr  oder  weniger  Instrumenten,  versehen,  als:  wohlverglichenen 
Barometern,  Psychrometern,  Regenmessern,  Windfahnen,  Anemometern, 
Schöpfellipsoiden,  Thermometer  zu  Temparaturinessungen  in  der  Tiefe, 
Aräometer.  Der  im  heurigen  Jahre  erschienene  gedruckte  Gommissions- 
Bericht  enth&lt  außer  den  Instructionen  Mittheilungen  von  Dr.  C. 
Jellinek  ftber  die  meteorologischen  Stationen,  von  Dr.  J.  Lorenz 
über  die  Meeresbeobachtungs-Stationen  und  über  Versuche  zur  Yerbes- 
semng  der  Tauch-Ellipsoide,  einen  neueren  Inspections^Reisebericht  des 
Prof.  Osnaghi  und  eine  Weisung  an  Dr.  Schaub  zur  Visitation  der 
Stationen,  die  wenigstens  einmal  im  Jahre  vorzunehmen  ist. 

Das  diesjährige  Arbeitsprogramm  d  e r  k.  k.  Eüstenauf nähme 
umfasste  die  Mappierung  und  Lotung  des  Küstengebietes  und  der  Inseln 
von  Sebenico  angefangen  bis  inclusive  Gurzola  und  Sabioncello,  sowie 
den  Kachtrag  der  hydrographischen  Erhebungen  jener  Partien,  die  wegen 
Ungunst  des  Wetters  im  Vorjahre  unvollendet  gelassen  werden  mußten. 
Die  Expedition  verließ  mit  Beginn  des  Monates  April  ihren  Winter- 
anfenthalt,  um  die  Arbeit  im  freien  wiederauüzunehmen ,  und  es  gelang 
ihr  —  Dank  der  vorzüglichen  Leitung  und  dem  Eifer  aller  Bethei- 
ligten  —  das  gestellte  Programm  in  vollem  Um&nge  zu  bewältigen. 

Das  Hauptschiff  —  Dampfer  Triest  —  mit  zwei  kleineren  Bei- 
schiffen machte  den  Anfang  bei  den  am  meisten  exponierten  Inseln  Lissa, 
Pelagosa  und  Lagosta,  deren  Aufnahme  jedoch  eine  geraume  Zeit  in 
Anspruch  nahm,  da  der  SO.-Wind  in  jener  Saison  nur  spärlich  schönes 
Wetter  übrig  ließ,  —  während  der  Dampfer  Alnoch  als  Hauptziel  die 
Aufarbeitung  der  vorjährigen  Rückstände  erhielt  und  mit  dem  Ganale 
della  Morlacca  begann.  Beide  Abtheilungen  lösten  trotz  mancher  Stö- 
rung durch  ungünstige  Witterung  ihre  Aufgabe  derart,  dass  nun  die 
Aafioahme  des  adriatischen  Meeres  über  dessen  obere  Hälfte  hinaus  als 
fertige  Arbeit  dasteht. 

Die  Ergebnisse  der  diesjährigen  Küstenaufuahme  sind  im  folgenden 
Daten  summiert :  Mit  dem  Dampfer  Triest  wurden  vier  Linien  Tiefsonden 
über  den  ganzen  Golf  von  Ost  nach  West  gelegt,  und  hiedurch  im 
Anschluss  an  die  früheren  Durchstiche  der  Adria  constatiert,  dass  bisher 
die  Tiefe  nur  eine  allmähliche  Zunahme  von  NW.  gegen  SO.  erfährt.  Hier- 
bei wurde  auch  die  bis  nun  erreichte  größte  Tiefe  mit  768  Fuß  gelotet 
«nd  zwar  etwa  30  Seemeilen  westlich  von  der  Insel  St.  Andrea  bei 
Lissa.  Sowol  bei  diesen  Golfsonden  wie  bei  allen  größeren  Tiefen  in 
den  Canälen,  in  der  Nähe  der  Küste  und  der  Inseln  wurden  die 
pfaysicalischen  Verhältnisse   des   Wassers   untersucht;    außerdem  waren 


54 

am  Bord  des  Hanptschiffes  meteorologische  Beobachtungen  fortwährend 
im  Gang;  femer  wurden  aus  allen  Partien  der  Anfiiahme  Proben 
des  Meeresgrundes  gehoben  und  mit  Bezeichnung  des  Fundortes  und  der 
Tiefe  aufbewahrt,  um  dann  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  behufs 
näherer  Analyse  übermittelt  zu  werden.  Ueberhaupt  waren  die  Vor- 
gänge bei  der  Arbeit  den  in  den  Vorjahren   beobachteten  analog. 

Das  diesjährige  Programm  erstreckte  sich  fiber  ein  Areale  von 
574  Quadratseemeilen  mit  einer  Kflstenentwickelung  von  693  Seemeilen 
und  enthielt  29  bewohnte  und  41ö  unbewohnte  Inseln.  In  diesen  Raum 
wurden  66500  Sonden  gelegt  und  hiebei  126  gefährliche  Untiefen  and 
Riffe  sowie  81  Hochgrflnde  ausgelotet 

Was  die  Kartographie  betrifft;,  so  ist  bis  dato  die  Westküste  Istriens 
in  5  Blättern  im  Stiche,  und  dürften  zwei  derselben,  nämlich  jener  von 
Triest  und  Pola  in  kurzer  Zeit  vollendet  sein. 

Schließlich  sei  noch  bemerkt,  dass  sich  die  Direction  der  österr. 
Eüstenaufhahme  mit  jener  der  k.  italienischen  ins  Einvernehmen  gesetzt 
hat,  um  eine  Gleichartigkeit,  vorzüglich  aber  um  gute  Anschlüsse  der 
beiderseitigen  Arbeiten  zu  erzielen. 

Die  k.  k.  geologische  Reichsanstalt  hat  am  16.  Nov. 
d.  J.  das  zweite  Decennium  ihres  Bestehens  gefeiert.  Mit  einem  gerech* 
ten  Gefühle  des  Stolzes  und  der  Befriedigung  kann  sie  zurückblicken 
auf  eine  lange  Reihe  von  Arbeiten  und  hervorragenden  Leistungen,  die 
ihr  die  voUste  Anerkennung  ^aller  Freunde  der  Wissenschaft  und  des 
Fortschrittes  verschafft  haben.  Die  geologischen  DetaiiaufDahmen  wurden 
in  drei  von  einander  getrennten  Gebieten  durchgeführt.  Die  Section  I 
(BergrathFötterle,  Dr.  U.  Schlönbach  und  Hr.  R.  Knapp)  unter- 
suchten die  südliche  Hälfte  der  Roman-Banater  Grenze,  das  zum  Theile 
noch  mit  Urwald  bedeckte  Gebiet  zwischen  der  Donau,  dem  Öema-Thal 
und  der  Almas,  die  Section  II  (Bergrath  Stur,  mit  den  Herrn  A.  Hampel 
und  J.  Posewitz)  führte  die  Aufnahme  der  nördlichen  Hälfte  dieser 
Grenze  durch.  Drei  weitere  Sectionen  waren  in  den  Karpaten  im  nörd- 
lichen Ungarn  thätig.  Eine  derselben  (Sectionsgeolog  Wolf  mit  den 
Herrn  J.  Kolbay  und  Max  Gross)  besorgte  die  Aufnahme  der  Um- 
gebungen von  Kaschau,  die  zwei  andern  Sectionen  (Bergrath  Stäche 
und  die  Herrn  K.  M.  Paul,  Dr.  Neumayr  und  Dr.  F.  Kreuz) 
setzten  die  Aufnahme  der  nordungarischen  Karpaten  ostwärts  bis  zum 
Meridian  von  Bereghszäsz-Munkäcs  fort.  Eine  sechste  Aufnahms-Section 
endlich  (Dr.  E.  v.  Mojsisovics  und  Hr.  R.  Heyd)  begann  die 
Detailuntersuchung  von  Tirol  und  zwar  in  der  nördlichsten  Ecke 
des  Landes  in  der  Umgegend  von  Kufstein  und  Häring,  dann  im 
Kaisergebirge. 


55 

Von  der  darch  Herrn  Sectionsrath  Fr.  Ritter  y.  Haaer  bear- 
beiteten geologischen  Uebersichtskarte  der  Gresammt-Monarchie  sind  im 
Laufe  dee  Jahres  zwei  weitere  Bl&tter  Nr.  I  (Titelblatt)  und  n  (Böhmen) 
enehienen.  Mit  Frende  begrüßen  wir  auch  den  Phw,  auf  Grrondlage  der 
von  Seite  des  Vereines  ftlr  Landeskunde  von  Niederösterreich  in  der 
Henuisgabe  begriffenen  Administrativkarte  (1  Zoll  s=  400  Klafter)  die 
Bearbeitung  einer  in's  größte  Detail  gehenden  geologischen  Karte  vor- 
xonehmen.  Die  Herrn  Th.  Fuchs  und  Felix  Karr  er  haben  zunächst 
die  Bearbeitung  der  Section  Nr.  65  (Wien)  ttbemommen. 

Neben  unserer  Beichsanstalt  ist  unterdessen  durch  Organisierung 
der  königl.  nngar.  geologischen  Anstalt  ein  Schwesterinstitut 
entstanden,  mit  dessen  Leitung  Herr  Sectionsrath  Max  v.  Hantken 
betraut  wurde.  Die  Thfttigkeit  dieser  neuen  geologischen  Anstalt  hat 
auch  bereits  mit  der  Detailaufnahme  der  Umgebungen  von  Yeszprim 
(durch  die  Herren  v.  Hantken,  J.  Bökh  und  A.  Koch)  und  mit 
Untersuchungen  im  Zsilthale  in  Siebenbürgen  (durch  die  Herren  Dr.  K. 
Hoffmann  und  R  Winkler)  begonnen. 

Die  k  k.  statistische  Central-Commission  ist  mit  ihrem 
ausführenden  Organe,  der  Direction  der  administrativen  Statistik,  seit 
dem  1.  October  dem  k.  k.  Handelsministerium  eingereiht  worden  und 
mußte  schon  vor  officieller  Ausscheidung  der  Arbeiten  für  die  östliche 
Reichshftlfte  das  statistische  Jahrbuch  wegen  Mangel  aller  Mittheilungen 
auf  die  im  Reichsrathe  vertretenen  Länder  und  die  Militärgrenze 
beschränkt  werden,  ebenso  die  Ausweise  über  den  Bergwerksbetrieb; 
ond  so  wird  auch  das  große  Tafelwerk  über  Finanzen,  Handel  und 
Industrie,  Justiz  und  Unterricht  von  1866  an  seinen  Character  als 
QueUenwerk  für  die  Monarchie  leider  verlieren  müßen.  Das  Resultat 
der  Sitzungen  und  Comit^berathungen  waren  14  Berichte,  wovon  die 
wichstigsten  die  Erhebung  der  Arbeitelöhne,  die  Statistik  der  größeren 
Communen,  der  großen  Krankenanstalten,  des  Warenverkehrs,  der  Eisen- 
bahnen und  die  Einleitung  zu  einer  Detailerhebung  der  Wiener  Indu- 
strie  betrafen. 

Die  Mittheilungen  aus  der  Statistik  wurden  rasch  gefördert  und 
es  erschienen  8  Hefte,  welche  die  Darstellung  der  Realitätenwerte  von 
1866,  einen  Seminarvortrag  Dr.  Neumann*s  über  Eisenbahnen,  die 
speciellen  Lehranstalten,  die  Choleraepidemie  v.  J.  1866.  Dr.  Ficker's 
Vortrag  über  die  österr.  Yölkerstämme,  Dr.  Neumann*s  über  statisti- 
sche Propädeutik,  Yice-Director  Schmidt*s  über  die  humanitären 
Anstalten  für  Arbeiter  und  Vereine,  Ausweise  über  Bergwerksbetrieb 
und  eine  Arbeit  über  Belastung  und  Entlastung  liegender  Oüter  ent- 
lueiteB.  Der  stark  besuchte  Cyclus  der  statistischen  Vorträge  wird  fort- 


56 

gesetzt  und  mit  zwei  speciellen  practischen  Corsen  vermehrt,  einen  ffir  die 
bei  der  Volkszählung  und  Industrieerhebung  verwendeten  Beamten,  Ver- 
trauensmännern und  Agenten.  Umfangreiche  Arbeiten  erwarten  die 
statistische  Gentral-Commission  auch  fflr  die  Zwecke  der  obersten  Armee- 
leitung; ferner  wird  den  Beschlüssen  des  internationalen  statistischen 
Congresses  Aufimerksamkeit  gewidmet,  wie  die  verbesserte  Auflage  der 
ethnographischen  Karte,  Ficker's  Karten  der  Völkerstämme,  die 
Cholerakarte  u.  s.  w.  beweisen. 

Die  Lösung  der  Organisationsfrage,  die  glückliche  Schöpfung  einer 
gemeinsamen  Statistik  wird  entscheiden,  ob  die  statistische  Gentral-Com- 
mission  den  bisher  eingenommenen  Platz  weiterhin  zu  behaupten  in  der 
Lage  sein  ¥rird. 

Der  Verein  für  Landeskunde  von  Niederösterreiah  hat 
seine  Thätigkeit  im  abgelaufenen  Jahre  in  drei  Richtungen  entwickelt, 
in  den  Vorträgen  an  Winterabenden,  in  dem  Jahrbuche  und  bei  der 
Herausgabe  der  Administrativkarte  des  Kronlandes. 

In  ersterer  Beziehung  erwähne  ich  die  Vorträge  des  Dr.  Göhlert 
über  die  keltischen  Ortsnamen,  des  Professors  Haselbach  über  die 
Geschichte  der  Städte  Krems  und  Stein  in  den  Jahren  1452  bis  1700, 
des  Dr.  Reichardt  über  die  Farne  Niederösterreichs,  des  Forstdirec- 
tors  Newald  über  die  wechselnden  südlichen  Grenzen  des  Landes  im 
V.  ü.  W.  W,,  des  Dr.  Josef  Bauer  über  den  Wald  und  sein  Recht. 

Das  Jahrbuch  enthält:  eine  Geschichte  des  niederösterr.  Land- 
tags in  den  Jahren  1861  — 1866,  einen  sehr  wertvollen  Aufsatz  des 
Dr.  Kenner  über  die  Römerorte  nebst  Karte,  eine  Schilderung  der 
niederösterr.  Alpen  von  Dr.  Kreisch,  der  Fortschritte  der  Bodencultur 
von  Stth.-Rth.  Hofmann,  der  Fischer'schen  Eisenwerke  zu  St.  £gyd 
von  M.  A.  Becker,  eine  historische  Skizze  des  Geschlechts  der 
Tirna  von  Ernst  v.  Franzenshuld,  eine  Biographie  des  Bildhauers 
Donner  von  K.  Weiss  nebst  kleineren  Aufsätzen. 

Die  Administrativkarte  ist  so  weit  vorgerückt,  dass  die  Viertel 
0.  und  ü.  W.  W.  in  Zeichnung  fertig  und  nebst  den  Blättern,  die  in 
die  nördlichen  Viertel  fallen,  von  allen  III  Sectionen  schon  mehr  als 
zwei  Drittel  stichreif  sind. 

Als  neu  erschienen  wurden  in  den  Vereinsblättem  vom  Jahre  1869 
angekündigt  die  Sectioneu :  Gutenstein,  Puchberg,  Ebreichsdorf,  Lichten- 
wörth,  Gloggnitz,  Neunkirchen,  Wisraath,  Purkersdorf,  Baden,  Neuleng- 
bach, Böheimkirchen  (mit  den  früher  erschienenen  5  in  Summa  16 
Blätter),  wozu  nächstens  die  Blätter  Tulln,  Stockerau,  Aspang,  Kirch- 
schlag,  Enzersdorf  sich  anreihen  werden.  Rechnet  man  jene  dazu,  deren 
Ausgabe  sistiert  werden  muß,  weil  das  zur  letzten  Rectification  nöthige 


57 

Materuüe  eben  nicht  zu  Gebote  steht,  oder  die  im  Stiche  erst  begonnen 
sind,  80  kann  man  annehmen,  dass  in  wenigen  Monaten  ^4  ^^^  Karten 
wird  vorgelegt  werden  können. 

Der  österreichische  Alpenverein  hat  uns  mit  dem  ö.  Bande 
seines  Jahrbuches  erfreut.  Wie  aus  dessen  reichhaltigem  Inhalt"*)  zu 
ersehen  ist,  hat  er  auch  in  diesem  Jahre  für  die  Erforschung  und 
Kenntnis  der  vaterländischen  Alpen  verdienstlich  gewirkt  und  zum 
Besuch  weniger  gekannter  Höhenpuncte  mit  Erfolg  angeregt.  Sein 
Streben  wird  durch  die  große  Zahl  seiner  Mitglieder  unterstützt.  In 
der  letzten  Zeit  hat  sich  neben  diesem  Vereine  eine  österreichische 
Seetion  des   deutschen   Alpenvereins  in  Wien  constituiert. 

Die  mit  der  Landesdurchforschung  von  Böhmen  beauf- 
tragten Herren  setzten  im  Sommer  und  Herbst  dieses  Jahres  ihre 
Arbeiten  fort,  soweit  dies  bei  der  Beschränkung  der  Subvention  von 
der  öconomischen  Gesellschaft  möglich  war.  Professor  Dr.  Koristka 
mit  seinen  Hilfsarbeitern  (topographische  Abtheilung)  bearbeitete  das 
Adlergebirge  und  die  Umgebungen  von  Senftenberg,  Brandeis,  Hohen- 
bmck,  Königgrftz,  Pardubitz  und  Chlumec.  Es  wurden  nahe  an  1200 
Höhenmessungen  ausgeführt;  namentlich  wurde  die  Wasserscheide  zwischen 
Ostsee,  Nordsee  und  dem  schwarzen  Meere  bis  Grulich  genau  untersucht. 
Professor  Krej6i  mit  dem  Assistenten  Fei  stmantel  (geolog.  Abth.) 
begiengen  die  permische   und   Steinkohlenformation  zwischen  Semil  und 


*)  Den  Inhalt  dieses  5.  Bandes  bilden  nebst  zahlreichen  Notizen,  den 
Verhandinngen  des  Vereine  und  4  Kunstbeilagen  (die  Marmolata,  der  Lang 
Kofel  und  die  Sellagruppe,  die  Prielgruppe  und  Panorama  vom  hohen  Barg- 
stall in  Stubei)  folgende  Abhandlungen: 

Dr.  A.  Y.  Ruthner,  der  Um'utz  am  Aachensee. 

Wächter,  Tour  im  Adamello  Brenta-Gebirge. 

J.  Trinker,  Ausflug  auf  den  Monte  Maggiore  im  Küstenland. 

J.  Tschandera,  Besteigung  des  Großglockners  von  Kaiaus. 

F.  Francisci,  die  Stengalpe  und  der  Königsstuhl  in  Kärnten. 

Th.   Trautwein,    kleine  Anregungen    zur  weiteren    topographischen 
Erforschung  einzelner  Theile  der  deutschen  Alpen. 
J.  Stüdl,  Ersteigung  der  Weißkugel. 
Dr.  H.  V.  Wittek,  zur  ästhetischen  WtLrdigung  der  Alpen. 
T.  Payer,  die  Bocca  di  Brenta. 

A.  ▼.  Buthner,  die  Mttdelergabel  in  den  Algäuer  Alpen. 
Dr.  B.  Jülg,  die  HinterriO. 

G.  V.    Bezold,    naturwissenschaftliche    Skizzen    aus   den    Alpen    von 
Berchtesgaden. 

A.  Schade  üb erg,  eine  Tour  durch  Kärnten  und  Tirol. 
Dr.  A.  Pokorny,  über  den  Ursprung  der  Alpenpflanzen. 
Fr.  V.  He  11  waldydie  Elementarereignisse  in  den  Alpen  im  Herbste  1868. 


58 

Nachod.  Dr.  Fri^  (Pal&ontolog)  studierte  speciell  die  Weißenberger 
Schichten  im  ganzen  Bereiche  der  Kreideformation,  und  die  pemiische 
Formation  hei  Neapaka  und  Kalna.  Im  Rothliegenden  von  Njrrau  wurde 
ein  neuer  Saurier  gefunden.  Dr.  Celakowsky  (Botaniker)  untersuchte 
die  Gegenden  von  Leitomischl,  Chmdim  und  Saaz.  Assistent  Slavik 
(Zoolog)  bereiste  das  sfldliche  Böhmen,  und  beschäftigte  sich  vorzugs- 
weise mit  dem  Studium  der  MoUusken  und  niedern  Crustaeeen  und  mit 
der  Sammlung  der  dortigen  Diluvial-Gerölle.  Das  Comit^  ftlr  die  Landes- 
durchforschung  hat  den  ersten  63  Bogen  starken  Band  seines  Archivs 
veröffentlicht,  welcher  mehrere  Abhandlungen  und  Berichte  Ober  einen 
großen  Theil  der  in  den  Jahren  1864  bis  68  ausgeführten  Arbeiten 
enthält.  Auch  das  Blatt  Nr.  2  der  hypsometrischen  Karte  von  Böhmen, 
von  Prof.  Koristka  (Section  Leitmeritz)  ist  im  Stiche  vollendet  und 
harrt  der  Ausgabe. 

Unter  den  geographischen  Oesellschaften  £uropa*s, 
welche  ihre  Thätigkeit  durch  die  Herausgabe  wertvoller  periodischer 
Schriften,  sowie  durch  reichliche  Unterstfltzung  großartiger  Unternehmun- 
gen beurkunden,  nimmt  die  Royal  Geographica!  Society  zu 
London  mit  2300  Mitgliedern  und  6000  Pfund  Einkommen  selbstver- 
ständlich den  ersten  Rang  ein,  und  ihre  offene  Hand  macht  sich  vor- 
zugsweise bei  der  Erforschung  Asien*s  und  AMca*s  geltend.  Die  Founders 
Medaille  wurde  in  diesem  Jahre  Prof.  Nordenskiöld  in  Stockhohn 
zuerkannt  für  die  Verdienste,  welche  sich  derselbe  bei  der  letzten 
schwedischen  Expedition  nach  Spitzbergen  *)  erworben ;  die  Patron's  oder 
Victoria  Medaille  der  berühmten  SchriftsteUerin  Mrs.  Mary  Sommer- 
villc  für  ihre  Arbeiten  im  Gebiet  der  physicalischen  Geographie. 

Die  Soci6t^  de  Geographie  zu  Paris  erfreut  sich  der  Stiftung 
eines  jährlichen  Preises  von  10.000  Franken  durch  die  Kaiserin  Eugenic  für 
einen  Franzosen,  der  durch  Reisen,  Entdeckungen,  Schriften  und  andere 
Arbeiten  die  Wissenschaft  der  Erdkunde  fördert  und  dieser  Aus- 
zeichnung würdig  erkannt  wird.  Ihre  große  goldene  Medaille  hat  diese 
Gesellschaft  im  letzten  Jahre  anDoudard  de  laGröe  und  Francis 
Garnier  verliehen  für  die  Erforschung  von  Indo-China  bei  Gelegenheit 
der  französischen  Expedition  auf  dem  Mekong**);  die  goldene  Medaille 
wurde  Dr.  J.  Hayes  für  seine  Reisen  nach  dem  Nordpolarmeer  zuer- 
kannt, und  die  ehrenvolle  Erwähnung  wurde  unserem  verewigten  Ehren- 
mitglied J.  G.  V.  Hahn    für   seine  Forschungen   in  Albanien   zu  Theil. 

Eine  der  jüngsten  Gesellschaften,  die  Societä  Geografica 
Italiana   zu   Florenz,    erhebt   sich    unter   der    vortrefflichen   Leitung 

*)  Siehe  den  Jahresbericht  für  1868,  Mittheiluugen  1869.  S.  18. 
**)  Siehe  a.  a.  0.  S.  21. 


59 

Christoforo  NegrTs    rasch,    sie   zählt    seit   den  39  Monaten    ihres 

Bestehens    bereits    über    800   Mitglieder    und    veröffentlicht    wertvolle 

Bulletini  von   bedeutendem  Umfange.    Zu   den   deutscheu  Gesellschaften, 

unter  welchen  die  Berliner  unstreitig  den  ersten  Rang  einnimmt,  hat 

sich  jüngst  noch  eine  zu  München  gesellt;  ein  weiteres  Zeichen  neben 

vielen  andern,    dass    man  allerorten  immer  mehr  Einsicht  gewinnt,    wie 

wichtig  und  einflussreich  die  Pflege  der  geographischen  Wissenschaft  ist. 

Die  Realisierung  der  Idee  Dr.  Petermann's,  der  in   sich   allein   das 

Wirken  einer  ganzen  geographischen  Gesellschaft  vereinigt  —  die  Bildung 

eines  großen  deutschen  geographischen  Centralvereins  —  wird  zwar  noch 

lange  ein  frommer  Wunsch    bleiben   müßen,    doch   hindert   der  Mangel 

einer  innigeren  Verbindung  der  einzelnen  Gesellschaften  nicht,   dass   sie 

sich    zu    einem    gemeinsamen    Unternehmen    größerer    Art    vereinigen 

könnten. 

In  ähnlicher  Weise  wie  Dr.  Peter  mann  in  Gotha,  bildet  auch 
Dr.  Peschel  in  Augsburg  mit  dem  von  ihm  so  vortrefflich  redigierten 
„Ausland"  einen  geographischen  Mittelpunct  für  sich,  und  ich  bedaure 
lebhaft,  dass  die  Bemühungen,  den  geistvollen  und  ideenreichen  Ver- 
fa^er  der  „Neuen  Probleme  der  vergleichenden  Erdkunde"*)  für  eine 
inländische  Universität  zu  gewinnen,  erfolglos  geblieben  sind. 

Vertreter  der  deutschen  geographischen  Vereine,  unter  ihnen  unser  ver- 
ehrtes Ausschuss-Mitglied  Dr.  R  u  t  h  n  e  r  für  unsere  Gesellschaft,  haben  sich 
mit  vielen  andern  Repräsentanten  in  Berlin  zur  Feier  des  100jährigen  Ge- 
burtstages Alex,  von  H  u m  b  o Id  t's  zusammengefunden,  dem  die  dankbare 
Mit-  und  Nachwelt  in  Anerkennung  seiner  unschätzbaren  Verdienste  für 
die  Naturwissenschaften  und  Geographie  ein  würdiges  Monument  setzen 
wird.  In  anerkennenswerter  Weise  regt  sich  überhaupt  das  Bestreben, 
die  Verdienste  älterer  Förderer  der  geographischen'  Wissenschaft  zu 
ehren;  dem  Erfinder  der  nach  ihm  benannten  Projection  Gerhard 
Kremer  (genannt  Mercator),  will  sowol  seine  Vaterstadt  Rupelronde 
in  Flandern,  als  die  Stadt  Duisburg  am  Niederrhein,  wo  er  fast  ein 
halbes  Jahrhundert  seine  wichtigsten  Werke  schuf,  und  wo  er  starb, 
ein  Denkmal  errichten.  Auch  Oesterreich  hätte  solche  Schulden  abzu- 
tragen und  Namen  ausgezeichneter  Männer  der  unverdienten  Vergessen- 
heit zu  entreissen,  ich  erwähne  nur  Johann  Stab  (Stabius)  [geboren 
zu  Steier,  gestorben  1522  in  Graz],  Professor  der  Mathematik  in  Wien, 
Secretär  Kaiser  Max  I.,  erster  Erfinder  jener  Projectiouen,  die  später 
die  Namen  Flamstead's  und  B o n n e's  tragen.  Selbst  in  Russland 
wird  es  wol  das  erstemal  sein,  dass  einem  Seefahrer  nämlich  B  e  1 1  i  n  g- 


*)  Wir  werden  auf  dieses  Werk  an  anderer  JStelle  zurückkommeu. 


60 

hansen  seiner  Verdienste  halber  nm  die  Erforschung  der  antarctischen       ' 
Regionen   ein  Ehrendenkmal  in  Petersburg  errichtet  werden  soll. 

Oceanische  Reisen.  Von  unserer  ostasiatischen  Expe- 
dition, von  welcher  Berichte  von  geographischem  Interesse  nor  ftnßerst 
sparsam  einlaufen,  kann  ich  Ihnen  so  viel  mittheilen,  dass  die  Han- 
delsverträge mit  China  und  Japan  abgeschlossen  sind,  dass  die  Expe- 
dition in  den  ersten  Tagen  des  November  von  Japan  nach  San  Fran- 
cisco abgiäng,  und  in  San  Francisco  glflcklich  angekommen  ist.  Die  Mit- 
glieder derselben  dürfen  schon  im  März  dieses  Jahres  zurückerwartet 
werden. 

In  den  arc tischen  Regionen  sind  kaum  je  so  viele  gleich- 
zeitig wissenschaftlich  ausgerüstete  Fahrten  gemacht  worden,  als  in 
diesem  Jahre.  Am  15.  Juni  ist,  wie  Sie  wissen,  die  zweite  deutsche 
Nordpolar-Expedition ,  durch  Petermann's  rastlose  Thätigkeit  ins 
Leben  gerufen,  unter  Capitän  Eoldewey's  Leitung  mit  den  Grelehrten 
an  Bord,  unter  welchen  ich.  unsere  Landsleute  Oberlieutenant  Payer 
und  Dr.  G.  Laube  in  Erinnerung  bringe,  aus  Bremen  unter  den 
herzlichsten  Segenswünschen  höchst  zahlreicher  Zuschauer  in  See  gegan* 
gen.  Die  Schiffe  sind  zuletzt  am  1.  August  noch  immer  in  dem  Bestre- 
ben, eine  Durchfahrt  zwischen  den  Eismassen  zur  grönländischen  Küste 
zu  finden,  gesehen  worden. 

Die  zwei  Dampfer  des  Rheders  Rosenthal,  „Bienenkorb"  und 
„Albert",  sind  aus  dem  nördlichen  Eismeere  schon  im  September  zurück- 
gekehrt. Obwol  für  den  Robbenfang  bestimmt,  haben  ihre  Fahrten  doch 
der  Wissenschaft  genützt,  da  der  Eigenthümer  dem  Physiker  Hr.  Dr. 
Dorst  und  dem  Zoologen  Hr.  Dr.  B es seTs  die  Theilnahme  gestattete. 

Die  Lamont'sche  Expedition  hatte  im  Mai  Nowaja  Semlä  erreicht 
und  gieng  von  da  nach  Spitzbergen,  wo  dichtes  Eis  ein    weiteres    Vor- 
dringen über  den  80^  N.  B.  verhinderte ;  sie  kam  am  6.  October  nach 
Dundee  in  Schottland  zurück. 

Dem  russischen  Kaufoiann  Sidoroff  dagegen  ist  die  Fahrt  um 
Nowaja  Semlja  herum  an  die  sibirische  Küste  gelungen,  derselbe  ist 
mit  seinem  Dampfer  in  die  Obimündung  eingelaufen. 

Eine  ähnliche  merkwürdige  Fahrt  ist  den  Capitänen  Palliser 
und  Carlsen  gelungen.  Sie  haben  die  See  zwischen  Spitzbergen  und 
Nowaja  Semlja  im  August  eisfreier  gefunden  als  sie  irgend  jemals  zuvor, 
so  weit  die  Geschichte  der  arctischen  Fahrten  zurückreicht,  gesehen 
worden.  Der  einzige  Seefahrer,  der  Nowaja  Semlja  umsegelte,  war 
Willem  Barent  1596,  während  die  Russen  unter  L ü t k e  vier  Sommer 
hinter  einander  (1821 — 24)  nicht  einmal  Cap  Nassau  an  der  Nordseite 
von   Nowaja   Semlja  zu  erreichen    vermochten.    Dieses   Jahr   nun    war 


61 

Palliser  1  Grad  nördlich  vom  Cap  Nassau  und  sah  vor  sich  eine 
schiffbare  See.  Mit  seinem  norwegischen  Dampfer,  geführt  von  Capitän 
Carlsen,  hätte  er  die  schönste  Polarfahrt  in  nordöstlicher  Richtung  ans- 
zoffihren  vermocht,  wenn  nicht  die  Pflicht,  eine  schiffbrüchige  Mann- 
schaft zu  bergen,  ihn  zur  Rückkehr  nach  Russland  genöthigt  hätte. 
Selbst  dann  noch  gelang  dem  Capitän  Carlsen  eine  nautisch  unerhörte 
Fahrt,  nämlich  durch  die  Matuschkin-Scheere  in  die  Kara-See,  den  soge- 
nannten Eiskeller  des  sibirischen  Meeres,  welche  bisher  immer  von 
Treibeis  verstopft  gefunden  wurde.  Hier  wurde  ein  reicher  Fang  an 
Walrossen,  Seehunden  und  Eisbären  gemacht.  Palliser  gelangte  bis 
zur  weißen  Insel  und  noch  etwas  höher,  und  war  im  Begriff  in  den 
Obigolf  einzulaufen,  ein  Plan,  der  jedoch  wegen  zu  geringer  Tiefe  des 
Meeres  aufgegeben  wurde.  Die  Rückfahrt  geschah  durch  die  Waigatsch- 
Straße.  Seit  Jahrzehnten  scheint  ein  so  günstiger  Sommer  für  die  ^nord- 
östliche Durchfahrt"  nicht  gewesen  zu  sein. 

Diese  Nachrichten  sind  ganz  geeignet,  die  in  dem  letzten  Heft 
unserer  Mittheilungen  von  dem  k.  k.  Schifiislieutenant  Herrn  C.  Wey- 
precht  ausgesprochenen  Ansichten  über  den  Plan  der  diesjährigen 
deutschen  Nordpolarexpedition  zu  bekräftigen;  und  leider  müßen  wir 
befürchten,  dass  unsere  deutschen  Forscher,  die,  wenn  sie  das  Meeres- 
becken zwischen  Spitzbergen  und  Nowaja  Sem^a  zum  Ausgangspunct 
ihrer  Forschungen  gemacht  hätten,  diese  ungewöhnlich  günstigen  Eisver- 
hältnisse vorgefunden  hätten,  in  der  Grönland-See  um  so  ungünstigere  Ver- 
bältnisse  getroffen  haben.  Seit  August  fehlt  jede  Nachricht  von  der  deutschen 
Nordpolexpedition.  Im  günstigen  Falle  haben  die  Schiffe  die  Küste  von 
Ostgrönland  erreicht,  und  liegen  jetzt  eingefroren  in  einer  Bucht  an  dieser 
£uste,  im  ungünstigen  Falle  sind  sie  mitten  in  der  Grönlandsee  vom 
Eise  eingeschlossen,  und  müßen  ihre  Erlösung  in  Geduld  abwarten. 
"Wir  wollen  uns  heute  unserer  Freunde  im  hohen  Norden  erinnern,  deren 
Gedanken  in  der  langen  Wintemacht  oftmals  nach  der  Heimat  gerichtet 
sein  werden,  zumal  in  einer  Zeit,  wo  wir  den  Weihnachtsfreuden  im 
trauten  Familien-  und  Freundeskreis  entgegengehen. 

Unter  den  oceanischen  Fahrten  ist  auch  zu  erwähnen  die  Fahrt  des 
^Ligfatning^  in  den  nördlich  von  den  britischen  Inseln  gelegenen  Meeres- 
regionen, welche  durch  die  Untersuchungen  Carpenter*s  und  Thomson^s 
zu  so  interessanten  Resultaten  über  das  animalische  Leben  auf  dem 
Meeresgrunde   geführt  hat. 

In  den  südlichen  Meeren  begegnen  wir  dem  englischen 
Capitän  Mayne,  der  neue  Aufnahmen  in  der  Magellansstraße  durch- 
führte. Das  wichtigste  aber  sind  die  Vorbereitungen,  welche  alle  see- 
fahrenden Nationen,  Engländer,  Russen,  Nordamericaner  und  der  nord- 


62 

deutsche  Bund,  bereits  jetzt  treffen,  um  antarctisclie  Expeditionen  für 
Beobachtungen  des  Venusdurchgangs  in  den  Jahren  1874  und  1882 
auszurüsten.  Damit  rückt  eine  neue  Epoche  für  antarctische  Entdeckun- 
gen und  Forschungen  näher  und  näher.  Wir  wollen  uns  aus  dieser 
Veranlassung  erinnern,  dass  es  im  Juli  d.  J.  gerade  hundert  Jahre  waren, 
seit  der  berühmte  Capitän  Cook  seine  zweite  so  erfolgreiche  Reise  um 
die  Erde  antrat,  und  wir  wollen  wünschen,  dass  es  den  Bemühungen 
des  Herrn  Dr.  G.  Neumayer,  des  verdienten  vieljährigen  Directors 
des  Observatoriums  zu  Melbourne,  gelingen  möge,  dass  auch  Oesterreicli 
sich  an  diesen  wiciitigen  Forschungen  betheilige. 

Auf  die  Continente  übergehend,  beginne  ich  mit  Europa.  Man 
glaube  ja  nicht,  dass  es  in  diesem  bekanntesten  aller  Welttheile  nichts 
mehr  zu  entdecken  gebe.  Wenn  wir  nur  jene  Länder  als  geographisch 
wolbekannt  betrachten,  über  welche  topographische  Aufnahmen  existieren, 
so  brauche  ich  nur  die  Türkei  zu  nennen,  um  Tausende  von  Quadrat- 
meilen zu  bezeiclmen,  welche  im  Detaile  nur  oberflächlicli  oder  fast 
gar  nicht  bekannt  sind.  Nur  nach  und  nach  lichtet  sich  dieses  Dunkel. 
Einen  sehr  wertvollen  Beitrag  zur  näheren  Kenntnis  dieser  Länder 
liefert  die  Reise  durch  die  Gebiete  des  Drin  und  Wardar  von  J.  G.  v. 
Hahn,  die  vor  kurzem  in  den  Denkschriften  philos.  bist.  Classe  der 
k.  Academie  der  Wissenschaften  erschienen  ist.  Von  höchster  Wichtig- 
keit aber  werden  die  Resultate  der  neuesten  umfassenden  Explorationen 
des  Innern  der  Türkei  aus  Veranlassung  der  Vorarbeiten  zum  Bau  der 
türkischen  Eisenbahn  sein.  Ich  glaube  sagen  zu  dürfen,  dass  nie  zuvor 
so  umfassende  topographische  Studien  in  den  weiten  Ländergebieten  der 
europäischen  Türkei  gemacht  wurden,  wie  in  diesem  Jahre,  und  Herr 
Director  Pressel,  der  diese  Arbeiten  im  Auftrage  des  Herrn  Bai'on 
M.  V.  Hirsch  ins  Werk  setzte  und  leitete,  dessen  glückliche  Rückkehr 
von  seiner  langen  mühevollen  Reise  wir  mit  Freude  begrüßt  haben, 
wird  sich  kein  geringes  allgemeines  Verdienst  erwerben,  wenn  er  das 
reiche  topographische  Material,  das  in  seinen  Händen  sich  befindet, 
auch  der  geographischen  Wissenschaft  zugänglich  macht. 

Aber  nicht  bloß  in  halbcivilisierten  Ländern,  auch  in  den  culti- 
viertesten  ergeben  sich  Veränderungen  im  Gharacter  ganzer  Gegenden. 
Wie  lange  wird  es  dauern,  so  wird  durch  den  Bau  des  großen  hol- 
ländischen Canals,  der  Amsterdam  auf  dem  kürzesten  Wege  mit  der 
Nordsee  verbindet,  das  Y  von  den  Karten  verschwunden  sein,  und  wenn 
die  schon  von  Caesar  beschlossene  und  nun  neuerdings  angeregte 
Durchstechung  des  Isthmus  von  Corinth  Thatsache  wird ,  welche  Ver- 
änderungen wird  sie  im  Gefolge  haben? 

Wir   wissen  ferner  dass  die  großen   topographischen   Arbeiten  in 


G3 

nefes  Staaten  v<hi  Europa  (Russland,  Spanien,  Portngal,  Italien  etc.) 
noch  nicht  vollaidet  sind  and  dass  auch,  wo  dies  der  Fall  ist,  wieder 
andere,  eb^so  omfassende  ähnliche  an  ihre  Stelle  treten.  So  wird  eine 
geologische  Karte  von  Frankreich  in  256  Bl&ttern  in  Angriff  genommen, 
fOD  einer  von  Ostpreußen  in  41  Blättern  liegen  bereits  die  ersten  i^ie- 
fenmgen  Tor.  Bedenkt  man,  wie  viel  zur  genauen  Kenntnis  eines 
Landes  gehört,  so  ergibt  sich  leicht,  dass  es  selbst  in  den  vorge- 
schiitteDsten  Staaten  Europas  noch  genng  zu  forschen  gibt,  auch  dort, 
wo  die  Karten  längst  kein^  Lücken  mehr  zeigen. 

In  Asien  bemahen  sich  die  Russen  von  Norden,  die  Engländer 
voo  Soden  her,  das  nur  sehr  oberflächlich  bekannte  Innere  des  Krd- 
theüs  zu  erforschen.  Zum  politischen  Rivalitätskampf  hat  sich  der  e^lle 
Wetteifer  auf  dem  Gebiete  der  Wissenschaft  gesellt 

Schon  erfreuen  uns  russische  Karten,  Positions-  und  Hölienroes- 
sBBgoi  von  Ost-Turkestan  bis  zum  Thian-  Schan,  und  ähnliche  neue  Auf- 
schlfisBe  werden  uns  die  Karten  geben,  die  wir  von  den  eingeborueu 
indischen  Geodäten  zu  erwarten  haben,  durch  welche  Oberst  Walker 
die  Hochebene  Pamir,  „das  Dach  der  Welt^,  begehen  lässt  Ueber 
todere  Reiaai  in  diesen  Gegenden  hat  Herr  Hermann  Vämb^ry  kürz- 
lich interessante  Daten  mitgetheilt  (in  der  Allgem.  Zeitung).  So  ist  ein 
englischer  Theepflanaer  Mr.  Shaw  allerdings  zunächst  aus  specdativen 
Abaiefaten,  um  Thee  nach  dem  von  China  abgesperrten  Ost  Turkestan 
ti  bringen,  ins  Innere  dieses  Landes  eingedrungen  und  bei  dem  jetzigen 
Herrscher,  bei  Jakab  Kuschbegi  aufs  beste  aufgenommen  worden. 

Ein  zweiter  Engländer  Mr.  Ha  ward  (oder  Hayward)  hielt  sich 
in  derselbe  Zeit  in  Kasgar  auf.  Dieser^  ist  Geograph  von  Fach,  der 
isf  Kosten  der  k.  geogr.  Gesellschaft  in  London  die  Reise  unternommen 
hat,  und  grofie  Entdeckungen  gemacht  haben  solL  Mr.  Haward  hat 
<bn  Thäler  entdeckt,  wo  unsere  Karten  Berge  zeigen ;  Kasgar  soll  früher 
n  200  Meilen  von  seiner  wirklichen  Lage  entfernt  angegeben  worden 
ttiiL  Er  wird  unsere  Kenntnisse  von  dem  südlichen  Theil  Ost-Turkestans 
ußerordentlich  berühren.  Von  seinen  bisherigen  Erfolgen  nicht  gesättigt^ 
ist  Mr.  Haward  gesonnen,  noch  eine  zweite  Expedition  zu  unternehmen. 
I^  soll  über  das  Tsing-ling  (Gebirge  nach  dem  Plateau  von  Pamir  und 
den  Oxns-QneUen  ihre  Richtung  einschlagen,  von  wo  aus  dieser  Geograph 
über  das  russische  Turkestan  nach  Europa  zu  gehen  beabsichtigt  Auch 
öne  russische  Gesellschaft  ist  im  Begriff,  auf  demselben  Weg  einen  Ab- 
s^^  nach  Indien  zu  machen. 

Im  äußersten  Norden,  im  Tschuktschenlande,  ist  die  russische 
Spedition  unter  Bar.  Maydell  thätig  und  insbesondere  angewiesen, 
Iber  das  von  Laing  entdeckte  Polarland  sichere   Kunde   einzuziehen. 


64 

Die  Enidecknog  reicher  Kohlenfelder  aaf  der  Halbinsel  Mangischlak 
ermöglicht    die   Dampfschiffahrt    aaf    dem   Caspi-    und    Uralsee. 

Der  Thfttigkeit  Baron  Richthofen*s  in  China  habe  ich  schon  in 
meinem  letzten  Jahresbericht  Erwähnung  gethan.  Nach  einer  erfolg- 
reichen Erforschung  der  Schichtgebirge  am  Yang-Tse-Kiang,  hat  dieser 
nnermfidliche  mathige  Forscher  sehr  bedeutende  Reisen  im  Innern  von 
China  durchgeführt.  ^Seit  meinem  letzten  Briefe  vom  26.  Februar,  schreibt 
Richthofe n  von  Peking  den  17.  Aug.  an  Herrn  von  Hauer,  bin  ich  fast 
unabläßig  gereist,  davon  fiber  2000  engl.  M^es  zu  Lande.  Von  Shanghai 
gieng  ich  zu  Land  nach  der  Provinz  Shantung,  deren  gebirgigen  Tlieil 
ich  im  M&rz  und  April  von  Süd  nach  Nord  und  von  West  nach  Ost 
durchstreifte.  Nach  kurzem  Aufenthalt  an  dem  Hafenplatz  Chi-fu  setzte 
ich  nach  Niu-chwang  am  Ausfluss  des  Liav-Flusses  Ober,  besuchte  die 
Westküste  von  Liav-Tung,  dann  die  SO.-Küste  bis  zur  Grenze  von 
Korea,  reiste  dieser  entlang  gegen  Norden,  und  kam  bei  Mukden,  der 
alten  Hauptstadt  der  Mantschurei,  wieder  in  die  Ebene.  Von  dort  wandte 
ich  mich  westlich,  reiste  entlang  der  Grenze  der  Mongolei,  passierte  die 
große  Mauer  bei  Shan-hai-Kan  und  fahr  entlang  den  Südabfällen 
der  mongolischen  Gebirge  nach  Peking.  Seit  meiner  Ankunft  habe  ich 
auch  die  Gebirge  in  den  Umgebungen  dieser  Stadt  kennen  gelernt.^ 

Diese  Reise  würde  sich  einer  Tour  von  Siebenbürgen  über  die  Kar- 
paten und  Alpen  nach  den  Pyrenäen  vergleichen  lassen.  Sie  gibt  uns  die 
ersten  sichern  Nachrichten  von  der  ungeheuren  Ausdehnung  paläozoischer 
und  vorpaläozoischer  Gebilde  in  diesen  Theilen  von  China,  während  alle 
jüngeren  Formationen  zu  fehlen  scheinen. 

Ueber  die  Reise  des  britischen  Consuls  Alabaster  von  Tschi-fu 
nach  Tsching- Kiang-fu  im  Sommer  1868,  sowie  über  J.  Markham*s 
Reise  durch  die  Provinz  Shan-tung  im  Jahre  1869,  hat  das  letzte 
Heft  der  Petermann'schen  Mittheilungen  Berichte  gebracht. 

In  Palästina  schreiten  die  Aufnahmen  des  Capitän  Wilson 
bestens  vor  und  kann  nächstens  ein  neuer  Plan  von  Jerusalems  Umge- 
bung der  Gesellschaft  zur  Ansicht  vorgelegt  werden.  Ueber  Hoch- Armenien 
hat  der  türkische  Oberst  Strecker  eingehende  Berichte  veröffentlicht. 
Ueber  den  Malaischen  Archipel  hat  Wallace  ein  epochemachendes 
Reisewerk  *)  erscheinen  lassen,  auf  das  wir  jeden  Freund  der  Naturkunde 
und  der  Geographie  aufmerksam  machen.    Auch    das   großartige  Unter- 


•)  Von  diesem  Werke  ist  auch  eine  autorisierte  deutsche  Ausgabe  er- 
schienen. „Der  Malayscbe  Archipel,  die  Heimat  des  Orang  -  ütan  und  des 
Paradiesvogels**,  übersetzt  von  A.  B.  Mayer,  Braunschweig  1869.  2  Bände 
mit  51  Original-lllnstrationen  und  9  Karten. 


63 

vielen  Staaten  von  Europa  (Rassland,  Spanien,  Portugal,  Italien  etc.) 
noch  nicht  vollendet  sind  und  dass  auch,  wo  dies  der  Fall  ist,  wieder 
andere,  ebenso  umfassende  ähnliche  an  ihre  Stelle  treten.  So  wird  eine 
geologische  Karte  von  Frankreich  in  2Ö6  Blättern  in  Angriff  genommen, 
von  einer  von  Ostpreußen  in  41  Blättern  liegen  bereits  die  ersten  Lie- 
ferangen vor.  Bedenkt  man,  wie  viel  zur  genauen  Kenntnis  eines 
Landes  gehdrt,  so  ergibt  sich  leicht,  dass  es  selbst  in  den  vorge- 
schrittensten Staaten  Europas  noch  genug  zu  forschen  gibt,  auch  dort, 
wo  die  Karten  längst  keincL  Lücken  mehr  zeigen. 

In  Asien  bemflhen  sich  die  Bussen  von  Norden,  die  Engländer 
von  Sfiden  hör,  das  nur  sehr  oberflächlich  bekannte  Innere  des  Erd- 
theils  zu  erforschen.  Zum  politischen  Rivalitätskampf  hat  sich  der  edle 
Wetteifer  auf  dem  Gebiete  der  Wissenschaft  gesellt 

Schon  erfreuen  uns  russische  Karten,  Positions-  und  Höhenmes- 
songen  von  Ost-Turkestan  bis  zum  Thian-  Schan,  und  ähnliche  neue  Auf- 
schlüsse werden  uns  die  Karten  geben,  die  wir  von  den  eingeborneu 
indischen  Geodäten  zu  erwarten  haben,  durch  welche  Oberst  Walker 
die  Hochebene  Pamir,  „das  Dach  der  Welt",  begehen  lässt.  lieber 
andere  Reisen  in  diesen  Gegenden  hat  Herr  Hermann  Yämb^ry  kürz- 
lich interessante  Daten  mitgetheilt  (in  der  AUgem.  Zeitung).  So  ist  ein 
englischer  Theepflanzer  Mr.  Shaw  allerdings  zunächst  aus  speculativen 
Absichten,  um  Theo  nach  dem  von  China  abgesperrten  Ost  Turkestan 
SU  bringen,  ins  Innere  dieses  Landes  eingedrungen  und  bei  dem  jetzigen 
Herrscher,  bei  Jaknb  Kuschbegi  aufs  beste  aufgenommen  worden. 

Ein  zweiter  Engländer  Mr.  Ha  ward  (oder  Hayward)  hielt  sich 
m  derselben  Zeit  in  Kasgar  auf.  Dieser^  ist  Geograph  von  Fach,  der 
aaf  Kosten  der  k.  geogr.  Gesellschaft  in  London  die  Reise  unternommen 
hat,  und  grofie  Entdeckungen  gemacht  haben  soll.  Mr.  Haward  hat. 
dort  Thäler  entdeckt,  wo  unsere  Karten  Berge  zeigen ;  Kasgar  soll  früher 
am  200  Meilen  von  seiner  wirklichen  Lage  entfernt  angegeben  worden 
sein.  Elr  wird  unsere  Kenntnisse  von  dem  südlichen  Theil  Ost-Turkestans 
anfierordentlich  berühren.  Von  seinen  bisherigen  Erfolgen  nicht  gesättigt, 
ist  Mr.  Haward  gesonnen,  noch  eine  zweite  Expedition  zu  unternehmen. 
Diese  aoU  Ober  das  Tsing-ling  Gebirge  nach  dem  Plateau  von  Pamir  und 
den  OxQs-Quellen  ihre  Richtung  einschlagen,  von  wo  aus  dieser  Geograph 
aber  das  rassische  Turkestan  nach  Europa  zu  gehen  beabsichtigt  Auch 
eine  russische  Gesellschaft  ist  im  Begriff,  auf  demselben  Weg  einen  Ab- 
stecher nach  Indien  zu  machen. 

Im  äußersten  Norden,  im  Tschuktschenlande,  ist  die  russische 
ii^pedition  unter  Bar.  May d eil  thätig  und  insbesondere  angewiesen, 
aber  das   von  Laing  entdeckte  Polarland  sichere  Kunde   einzuziehen. 


66 

die  durch  Flüsse  mit  einander  verbanden  sind.  Livingstone  yermnthet 
hier  die  südlichsten  Quellen  des  Nil.  Allein  diese  Ycrmiithimg  bleibt 
so  lange  Hypothese,  als  nicht  die  Verbindung  dieser  Seen  mit  dem  Tanga- 
nyika,  und  dieses  mit  dem  von  Baker  entdeckten  Albert  Nyanza  nach- 
gewiesen ist  WSre  dies  der  Fall,  so  würde  die  alte  Geographie  von 
Ptolemans  bestätigt  werden,  der  das  südliche  Ende  des  Nilbeckens 
in  die  von  Livingstone  durchreisten  Gegenden  verlegte.  Im  Mai  1869 
war  Livingstone  in  Udschi  dschi  am  Ostufer  des  Tangany  ika. 

Ueber  das  Nilgebiet  und  die  Küstenländer  des  rothen  Meeres 
hat  Th.  V.  Heugliu  eine  zoogeographische  Skizze  gegeben. 

Der  durch  seine  Forschungen  in  den  Nilländem  längst  wohlbe- 
kannte Dr.  Schwein  für  t  ist  auf  dem  weifien  Flusse,  so  weit  die  Nach- 
richten gehen,  bis  Fazokel  gekommen.  Ueber  Abyssinien  haben  uns  die 
Berichte  und  kartographischen  Aufnahmen  der  englischen  Expedition 
neue  Aufschlüsse  gebracht.  Dr.  Brenner  beendete  sein  Werk  über  die 
Reise  des  Barons  van  der  Decken  und  rüstet  sich  zu  einer  neuen  Reise 
nach  Zanzibar,  wo  er  auch  Oesterreichs  Handelsinteressen  zu  vertreten 
gedenlrt. 

In  Südafr i ca  hat  Manch  seine  dritte  Reise  vom  Potschefstrom  bis 
zum  Reiche  des  mittlerweile  verstorbenen  Häuptlings  Motselekatse  vollendet, 
deren  wichtige  Resultate  Dr.  Petermann  bereits  zu  einer  neuen  Aus- 
gabe der   Karte  von   Südafrica  im   Stieler*schen    Atlas    benützt    hat. 
Gegenwärtig  reist  Manch  am  Yaal  River  in  der  Gegend,  wo  die  neuen 
vielversprechenden  südafricanischen  Diamantfelder  *)  entdeckt  wurden.  Die 
von  Mauch  früher  aufgefundenen  Goldfelder  untersuchte  eine  englische 
Expedition  unter  Ba ine's  Leitung.    Die  Nachrichten  von  diesen  Gold- 
feldern lauten  immer  günstiger.  In  derselben  Region  finden  wir  C.  Mohr 
mit    astronomischen    Instrumenten    thätig,    um  durch    feste   Positionen 
die   Karten  jener  Gegenden  richtig  zu  stellen;  sowie  eine  deutsche  von 
Hamburg    aus   organisierte  Expedition,  der  sich  eines  unserer  jtüagsten 
Mitglieder  Herr  C.  L.  Griesbach  angeschlossen  hat,  und  von  der  wir 
die  ersteh  Nachrichten  mit  Spannung  erwarten.  Hieher  gehört  auch  die 
Erwähnung  der  Entdeckung  der  Mündung  des  Limpopo  durch  Erski  n  e. 

Unserer  Kenntnis  vom  Mündungsgebiete  des  Gabum  und  Ogowany 
in  Westafrica  wird  durch  die  Bemtlhungen  der  Franzosen  zusehends 
erweitert  und  über  manche  einzelne  Stämme,  die  in  Guineara  und  sttdlich 
davon  wohnen,  eriiaiten  wir  durch  die  Missionen  Nachrichten.  Viel  ver- 
sprechend  ist   auch   die  Reise   des  Mr.   Winwood  Read,    der    von 


*)  Die  Diamanten-Aasbeute  im  südlichen  Theile  der  Transvaal-Republik 
des  Vaal-Flusses,  soll  bereits  einen  Wert  von  mehr  als  100.000  Pfund  Ster- 
ling haben. 


67 

Sierra  Leone  in  Westafrica  nach  den  Quellen  des  Niger  gieng  und  im 
Angast  d.  J.  die  Stadt  Farabana  am  oberen  Niger  erreichte,  eine  bisher 
gftnzlich  anbekannte  Sf|idt  von  10.000  Einwohnern. 

Unter  den  Reisenden  in  Nordafrica  müßen  wir  vor  allen  des 
mnthigen  Dr.  Rohlfs  gedenken,  dessen  Reise  durch  Cyrenaika  nach 
Aegn>^CQ  wir  Messungen  der  lang  ausgedehnten  Depressionen  der  Oasen 
verdanken,  die  zwar  nicht  so  bedeutend  wie  jene  des  Sees  Assal  im 
Lande  der  Somaulis  sind,  doch  aber  100  bis  140  Fuß  betragen.  Dr. 
Nacfatigal,  der  Geschenke  des  Königs  von  Preussen  an  den  Sultan 
von  Bornu  zu  fiberbringen  hat,  konnte  bei  den  Tibbu-Reschade-Bewoh- 
ner  von  Tibesti  mit  genauer  Noth  sein  Leben  retten.  Er  war  einen 
Monat  hindurch  (August)  in  Barday  gefangen  und  entzog  sich  durch 
nichtliehe  Flucht  dem  sicheren  Tode.  „Nach  grausamen  Leiden  und 
qualvollen  Gefahren  bin  ich,  schreibt  er  selbst,  halbnackt  und  ausge- 
hungert wieder  in  Mursuk  angekommen.^ 

Die  etwas  abenteuerliche  Reise  des  Fräuleins  Alex.  Tinne  hat  das 
durch  Rohlfs  derselben  {Prophezeite  Ende  gefunden,  indem  ,,die  Tochter 
des  Sultans'*,  me  die  Eingebomen  sie  nannten,  in  Fezzan  der  Raublust 
der  Toareg's  zum  Opfer  fiel.  Ihr  Tod  ist  nicht  bloß  zu  bedauern,  weil 
er  uns  eine  hochherzige  Freundin  der  Wissenschaft  raubte,  sondern  auch, 
weil  gerade  diese  Straße  nach  Bornu  außer  dem  unglücklichen 
Dr.  Carl  Vogel,  der  in  Wadai  durch  fanatischen  Fremdenhaß  seinen 
Tod  fand,  noch  kein  Botaniker  betrat.  Fräulein  Tinne  aber,  die  der 
Botanik  leidenschaftlich  ergeben  war,  würde  reiche  Sammlungen  zurück- 
gebracht haben,  und  hatte  es  o£fenbar  darauf  abgesehen,  da  von  den 
70  Kameelen  der  Caravane  eine  gute  Anzahl  Ballen  von  Fließpapier  fiür 
die  Herbarien  trugen.  —  Betrachten  wir  Airica  im  ganzen,  so  sind 
wir  dem  unbekannten  Kerne  kaum  näher  gerückt,  und  wenn  wir  vom 
Lande  der  Niam-Niam  durch  Piaggia,  Poncet  u.  a.  nicht  Notizen  erhalten 
hatten,  v^rde  der  weiße  Nil  noch  immer  die  Gränze  unseres  Wissens 
sein.  Erwahren  sich  Livingstone's  angekündigte  Entdeckungen,  so  werden 
die  Karten  von  Süden  hinauf  ein  gutes  Stück  wol  vorrücken,  jedoch 
erst  dann  angenäherte  Richtigkeit  erhalten  können,  wenn  hinreichende 
feste  Anhaltspuncte  vorhanden  sind,  um  die  kartographische  Ausbeute 
daran  zu  knüpfen. 

In  Nord-America  ist  das  für  den  Weltverkehr  wichtigste 
Ereignis  die  Vollendung  der  Pacific-Eisenbahn,  auf  welcher  man 
3300  englische  Meilen  in  7  Tagen  zurücklegt,  um  von  einem  Ocean  zum 
andern  zu  gelangen.  Sie  verbindet  St.  Francisco  mit  New-York  und  über- 
steigt drei  (jebirgss&ttel,  wovon  jener  am  Evanspaß  über  8200  Fuß  hoch 
ist    Bald    werden   sich   auf   dieser   Strecke    volksreiche   Orte    gebildet 

5* 


68 

haben,  wo  vor  Jahren  nicht  eine  Ansiedlang  gesehen  wnrde.  Das  gfln- 
sdge  Fortschreiten  der  Theecnltnr  in  Tenessee  kann  nur  erfreulich 
sein,  da  yielleicht  anch  in  andern  Staaten  der  Union  der  Boden  daza 
geeignet  sein  dflrfte.  Im  britischen  Nord-An^erica  wird  die  Auf- 
hebung des  hundertjährigen  Privilegiums  der  Hndsonsbai-Com- 
pagnie*)  beitragen,  ausgedehnte  fruchtbare  Ländereien  an  den  beiden 
Susquehanna  und  am  rothen  Fluße  der  Oultur  zu  erschließen,  lieber 
die  große  Yancouver  Insel  hat  Rob.  Brown  ausführliche  Mitthei- 
lungen und  eine  Karte  geliefert  und  Aber  das  fflr  7^8  Millionen  Dollar 
von  Russland  an  die  vereinigten  Staaten  abgetretene  Alaska  bringt 
Petermann  im  letzten  Hefte  seiner  Mittheilungen  eine  Karte  nach 
den  neuesten  Vermessungen  der  Unionsofficiere,  sowie  eine  Berechnung 
des  Flächeninhaltes  von  Fr.  Hanemann,  die  27415  deutsche  Quadrat- 
meilen ergibt. 

Durch  Dr.  Frantzius  erfahren  wir,  wie  unvollkommen  noch 
unsere  Kenntnisse  vom  Staate  Costarica  sind,  und  Qber  Mexico  beruht 
die  neuerliche  Erweiterung  unseres  Wissens  nur  auf  der  nachträglichen 
Ausbeute  aus  den  ¥rissenschaftlichen  Ergebnissen  der  französischen 
Expedition. 

Sfld-America,  nach  unsem  gewöhnlichen  Karten  ein  scheinbar 
vollkommen  bekannter  Erdtheil,  bietet  noch  genug  Stoff  zur  Exploration 
und  wenn  es  auch  nicht  völlig  leere  Stellen  zeigt,  wie  das  Innere  von 
Africa,  so  ist  es  doch  an  vielen  Stellen  so  unvollkommen  erforscht,  dass 
die  umrisse  auf  unseren  Karten  verschoben  werden  mOßen,  so  oft 
irgendwo  im  Innern  genauere  Bestimmungen  von  Ortslagen  gemacht 
werden.  In  diesem  Erdtheile  ist  es  die  Masse  der  Entdeckungen  im 
Kleinen,  Richtigstellung  einzelner  Flflßläufe,  Aufnahme  einzelner  Districte, 
Höhenmessungen  u.  s.  w.,  welche  das  Materiale  zur  Vervollständigung 
des  Bildes  liefern.  Wir  verdanken  James  Orton  barometrische  Höhen- 
messungen aus  der  Kette  des  Andes  und  dem  Amazonenthaie,  Chand- 
less  die  Erforschung  am  Jurua,  dem  Chev.  Durand  Nachrichten  Aber 
die  Siera  de  Capaca  in  Brasilien  etc.  Eisenbahnen  haben  sich  von  jeher 
als  Pioniere   der  Landeserforschung   erprobt,   so   auch  in  Sfid-America. 


*)  Diese  Handelsgesellschaft  erhielt  ihr  erstes  Privilegium  1669  von  König 
Carl  n.  und  hat  also  200  Jahre  lang  bestanden.  Sie  bekommt  300.000  Pfand 
Sterling  haar  als  Entschädigung,  behält  ihre  Handelsposten  und  das  liegende 
und  fahrende  Eigenthum  in  denselben  und  obendrein  bleiben  ihr  beträchtliche 
Strecken  von  Grund  und  Boden.  Aber  das  ungeheuere  Gebiet,  welches  von 
den  großen  Binnenseen  bis  zur  Nordküste  America's  reicht,  ist  an  Canada  über- 
gegangen und  wird  bis  auf  weiteres  ein  Territorium  dieses  unter  britischer 
Oberhoheit  stehenden  Staates  bilden. 


69 

Vff  wArden   Aber   die   Höhenlage   im  Innern   der   argentinischen 

fiepoblik  kaum  noch  etwas  erfahren  haben,   wenn  nicht  die  Nivelle- 

■eots  für   eine  Bahn   zwischen  Cordoba   nnd   Jnjisi    nöthig  geworden 

Hm.  Nicht  minder  wirkt  die  Entdeckung  nener  Fandorte  edler  Metalle 

MerlJch  fOr  Landeskenntnis,  nnd  so  wird  die  Spar  frischer  Goldfelder 

fli Osten  Yon  Bolivia   beitragen,   über  diese  wenig  bekannten  Theile 

geflanere  Karten  zu  erhalten.  Und  wie  die  Expedition  Agassi z*s  Aber 

da  Amazonenstrom  ans  nenes  Licht   and  eine   richtigere  Configaration 

verschafft  hat,  so  wird  die  brasilische   Expedition   zn   den   Fällen  des 

Madeira,  die  ein  Canal  omgehen  soll,  ans  über  diesen  Hanptzafluß  des 

Maranon  neae  Daten  bringen. 

Aaf  dem  Continente     Aastralien     muß    noch    anendlich    viel 

leKhehen,  bis  wir  von  einer  halbwegs  genügenden  Kenntnis  des   Innern 

sprechen  können.  Trotz  aller  Beisen  sind  ans  nar    Streifen   Landes  be- 

lauiDt,  die   quer  durch  das  einförmige  Festland  sich  erstrecken  und  die 

ganze  westliche  Hftlfte  des  Gontinentes  ist  im  Innern  noch  völlig  unbe- 

tannt.    Monge r*s    Reise    in    West- Aastralien ,    Goyder's    in    Nord- 

Aostralien,    CadelTs   in  Süd-Australien  haben  unsere   Kenntnisse  nur 

wenig   erweitert   und  die  neue  Expediten,    die    unter    Mr.    Forresfs 

Ffihrung  von  Perth  in  nordöstlicher  Richtung   in  das  Innere   eindrang, 

flm  noch   einmal   Leichhard's   Spuren  aufzusuchen,  ist  gleichfalls  zu- 

rflckgekehrt,   ohne  diesen  Zweck  erreicht  zu  haben.  Aber  schon  wieder 

erlftsst  der  unermüdliche  Dr.  Ferd.  von  Müller  einen  neuen  Aufruf  zu 

einer  Expedition,  welche  die  gftnzlich  unbekannten  Strecken  zwischen  den 

Qnellen   des   Murchison   im   Westen   und  dem   Golf  von  Carpentaria  im 

Xitfden  untersuchen  soll. 

Unterdessen  schreitet  die  Colonisation  unaufhaltsam  vorw&rts.  Die 
Districte  am  Golf  von  Carpentaria  in  Nord- Australien  wurden  erst 
Tor  drei  Jahren  von  den  Yiehzüchtem  an  den  Quellen  des  Flinders  auf- 
genommen; jetzt  erstrecken  sich  die  Schaf-  und  Rindviehherden  von 
dem  Lynd  und  den  Ufern  des  Golfes  bis  an  die  Quellen  des  Cloncurry 
und  des  Gregory  und  in  das  südaustralische  Nord-Territorium.  Die 
blühenden  Anfänge  von  drei  Städten  sind  schon  gelegt,  auf  Sweers  Island 
am  unteren  Lauf  des  Albert  und  an  der  Mündung  des  Norman.  Eine 
Niederlassung  soll  jetzt  am  Gilbert  gegründet  werden.  Nach  Aussagen 
des  aifötralischen  Geologen  W.  B.  Clark e  lassen  die  Hochebenen  und 
Gebirge  an  den  Quellen  des  Cloncurr}%  Flinders,  Gilbert,  Burdekin  u.  s.  w. 
auf  außerordentlichen  Metallreichthum,  besonders  auf  Kupfer  und  Gold 
schließen.  Am  Cloncurry  ist  eine  Kupfermine  entdeckt  und  in  Angriff 
genommen,  die  an  M&chtigkeit  und  Reinheit  des  Erzes  alles  bisher  in 
Australien  vorgekommene  übertreffen  solle. 


70 

Am  Cape  River  wird  der  wahrscheinlich  südöstliche  Auslftofef 
der  Goldlager  jener  Gegend  gegenwärtig  von   1500  Diggem    bearbeitet 

In  Nordost-Australien  (Queensland)  versprechen  die  Anstren- 
gungen, die  im  Anbau  tropischer  Producte  gemacht  werden,  die  gün- 
stigsten Ergebnisse. 

Auf  den  Fidschi-Inseln  sehen  wir  Engl&nder und  Amencaner 
festen  Fuß  fassen,  und  200000  Acres  im  vertragsmässigen  Besitze  der 
Polynesian  Company.  Die  Unionsstaaten  streben  Brook*s  -  Island  zur 
Mittelstation  der  Dampfer  zu  machen,  die  zwischen  Californien  und  China 
verkehren,  ähnlich  wie  die  Franzosen  Oparo  occupierten,  um  im  Süden 
einen   Anhaltspunct  zu  haben. 

Die  Sandwich-Inseln  werden  ihrem  Schicksal,  von  den  Ver- 
einigten Staaten  annectiert  zu  werden,  kaum  entgehen,  lieber  diese 
Inseln  hat  uns  unser  geehrtes  Mitglied  Herr  Dr.  J.  Bechtinger 
in  einem  schön  ausgestatteten  Bande*)  eine  Reihe  höchst  anziehender, 
lebendig  geschriebener  Schilderungen  gegeben,  auf  welche  ich  Sie  um 
so  mehr  aufmerksam  zu  machen  die  angenehme  Pflicht  habe,  weil  der 
Verfasser  das  Werk  den  Mitgliedern  der  k.  k.  geographischen  Gesell- 
schaft gewidmet  hat.  £s  sei  mir  gestattet  dem  verdienten  Verfasser  da- 
für den  wärmsten  Dank  der  Gesellschaft  auszusprechen. 

Von  Neu-Seeland  erwähne  ich  das  Erscheinen  des  ersten  Ban- 
des der  Transactions  und  Proceedings  des  New-Zealand-Institute  is 
Wellington  im  Mai  dieses  Jahres.  Der  mannigfaltige  und  reiche  Inhalt 
dieses  Bandes,  der  uns  so  viel  Neues  über  die  Geographie,  Geologie 
und  Naturgeschichte  Nen-Seelands  bringt,  und  auf  den  ich  bei  anderer 
Gelegenheit  zurückkommen  werde,  beweist  uns,  wie  rasch  in  Neu  -  See> 
land  wissenschaftliche  Bestrebungen  Boden  gewonnen  haben,  und  be- 
rechtigt  zu   den   schönsten   Erwartungen. 

Im  Norden  der  Nord-Insel  in  der  Provinz  Auckland  ergeben 
die  Themse-Goldfelder  so  überraschende  Resultate,  dass  man  wol  sagen 
darf,  die  Goldquarzgänge,  die  hier  ausgebeutet  werden,  gehören  xa 
den  reichsten  Goldlagerstücken,  die  man  überhaupt  kennt  Die  Stadt 
Shortland,  die  Hauptstadt  des  Golddistrictes,  geht  in  Folge  dessen 
einer  glänzenden  Zukunft  entgegen.  Ende  1868  betrug  die  Bevölke- 
rung im  Shortland-District  18,000  Seelen ,  1200  Bergwerkslicenzen 
„Claims^  waren  genommen ,  27  Pochmaschinen  im  Gange ,  und  das 
Erträgnis    wird    fQr     einen    Zeitraum    von     17     Monaten     auf     zwei 

*)  Dr.  J.  Bechtinger,  ein  Jahr  auf  den  Sandwich-Inseln,  Land,  Leute, 
Sitten,  und  Gebräuche,  Import,  Export,  climatische  Verhältnisse,  Krankheiten 
u.  B.  w.  Wien  1869. 


71 

Golden  berechnet.  Man  schreibt  nur,  dass  Leute,  welche  30 
bis  40  Pfnnd  Sterling  auf  diesem  Goldfeld  aasgelegt  haben,  in  ein- 
lebien  Fällen  50,000  Pfand  Sterling  gewonnen  haben.  Das  Gold 
kommt  in  Qoarzgftngen  vor,  die  theÜB  im  Trachyttaff,  theils  in 
paUozoischem  Thonschiefer  aaftreten. 

Wo  man  so  riesige  Fortschritte  in  allen  Theilen  der  Sfldsee 
wahrnimmt,  da  kann  man  sich  mit  Recht  wundern,  dass  es  dennoch 
in  diesem  Meere  noch  ein  großes  Land  gibt,  and  zahlreiche  schöne 
Inaehi,  die  fast  unbeachtet  heute  noch  ein  jungfräulicher  Boden  sind 
Ar  die  forschende  Wissenschaft,  wie  fflr  die  erobernde  Colonisation, 
ich  meine  den  Papuanischen  ArchipeL 

Durch  ,,deut8che  Rufe  von  den  Antipoden" ,  welche  Peter- 
H  a  n  n  in  seinen  Mittheilungen  veröffentlicht  hat,  soll  die  Aufmerk- 
samkeit Deutschlands  auf  Neu-Guinea  mit  seinem  Xnselkranz 
gerichtet  werden,  als  das  einzige  größere  Land  der  Erde,  das 
noch  frei  ist  fflr  die  Besitznahme,  noch  frei  fflr  europäische 
Gdonisation.  Wol  mag  das  noch  so  wenig  bekannte  Neu-Guinea,  ein 
Land  zweimal  so  groß  als  Norddeutschland,  ein  großes  prächtiges 
mid  firuchtbares  Land  sein,  reich  an  denjenigen  Producten ,  die  Ost- 
indien zu  dem  wertvollsten  Besitzthum  gemacht  haben ,  wol  hat 
sich  der  deutsche  Auswanderer  in  allen  Gegenden  der  Erde  als  der 
beste  Colonist  bewährt  und  wol  möchten  wir  wflnschen,  dass  es  der 
deutschen  Nation  nicht  gehe,  wie  dem  Poeten  bei  der  „Yertheilung 
der  Welt^.  Aber  wo  solche  Fragen  auftauchen,  da  fflblt  jeder  Deutsche 
nur  mit  erneuertem  Schmerz ,  dass  das  Band,  welches  die  ganze 
Nadoo  umschlang,  gewaltsam  zerrissen  ist  Neu-Guinea  mit  seinem 
schönen  Inselkranz  ist  eine  geographische  terra  incognita,  auf  der 
gewiss  noch  mancher  deutsche  Forscher  sich  Lorbeern  erringen  wird ;  aber 
em  Nea-Deutschland  dort  entstehen  zu  sehen,  das  zu.  hoffen  sind  wir 
n  wenig  Sanguiniker. 


Bericht  des  orientalischen  Comitto  der  geographischen  fiesellschafl. 

Ueber  einen  in  der  November-Sitzung  des  vergangenen  Jahres  vom 
zweiten  Yice-Präsidenten  Freiherm  von H eifert  gestellten  Antrag,  den 
Zuständen  und  Verhältnissen  der  Gebiete  des  illyrischen  Dreiecks  eine 
regelmäßige  Aufmerksamkeit  zuzuwenden,  wurde  von  Ihrem  Ausschusse 
beschlossen,  die  nähere  Prflfuug  und  Formulierung  dieses  Antrages  zu- 
vörderst einen  aus  dem  Antragsteller  und  den  Mitgliedern  des  Ausschusses 


72 

Regienmgsrath  Ritter  von  Hauer  und  F.  Kanitz  zasammengesetsten 
Comit^  anheimzngeben.  Die  vom  letzteren  vereinbarten  und  in  weiterer 
Folge  Ton  dem  Ansschnsse  genehmigten  Vorschläge  znr  Erreichung  des 
erwähnten  Zieles  bezogen  sich  im  wesentlichen  darauf: 

1.  Dass  aus  dem  Schöße  der  k.  k.  geographischen  GreseUschaft 
ein  beständiges  Comit6  niedergesetzt  werde,  welchem  jedoch  bleibend 
auch  solche  Personen  beigezogen  werden,  die  derzeit  der  genannten  Ge- 
sellschaft nicht  angehören,  von  denen  sich  jedoch  erwarten  lässt,  dass 
sie  sich  ftür  den  vorgesteckten  Zweck  interessieren  und  zur  Erreichung 
desselben  behilflich  sein  könnten.  Dem  derart  zusammengesetzten  Comit^ 
wäre  es  flbrigens  anheimzustellen,  vorabergehend  auch  solche  Persönlich- 
keiten, sei  es  aus  dem  Schöße  der  GeseUschaft,  sei  es  außerhalb  der- 
selben beizuziehen ,  von  denen  das  Comit^  flir  einen  bestimmten 
Zweck!  oder  in  einer  bestimmten  Frage  eine  Förderung  seiner  Thätig- 
keit  hoffen  darf. 

2.  Die  Thätigkeit  dieses  zunächst  zur  Erforschung  der  untern 
Donau-Gebiete  und  des  croatisch- dalmatinischen  Hinterlandes  niederge- 
setzten (orientalischen)  Comit^s  hätte  vorzugsweise  im  folgenden  zu 
bestehen: 

a)  Möglichst  viele  Materialien  fttr  die  Kenntnis  der  Länder  und 
Völker,  der  Verhältnisse  und  Zustände  unserer  südöstlichen  Nachbar- 
schaft zu  sammeln,  zu  diesem  Behufe  die  einschlägige  Literatur  mit 
Aufmerksamkeit  zu  verfolgen,  neue  Erfahrungen  und  Erforschungen  auf 
diesem  Gebiete  zu  registrieren,  die  daraus  resultierenden  Beziehungen 
zu  den  Ländern  und  Völkern  unserer  Monarchie  klar  zu  stellen  und 
namentlich  die  Lftcken  wahrzunehmen,  welche  durch  die  biidier  ge- 
wonnenen Hilfsmittel  nicht  hinreichend  ausgefüllt  sind. 

b)  Sich  zu  diesem  Zwecke  mit  Persönlichkeiten  in  Verbindung  und 
lebendigen  Verkehr  zu  setzen,  die  in  jenen  Ländern  stationiert  sind  und 
bei  denen  sich  nicht  bloß  die  Kenntnis  und  Erfahrung,  sondern  auch 
die  Neigung  voraussetzen  lässt,  der  geographischen  Gesellschaft  in 
der  angegebenen  Richtung  behUflich  zu  sein,  derselben  die  gewOnschten 
Materialien  zu  liefern,  von  ihr  gestellte  Fragen  zu  beantworten,  erbetene 
Auskaufte  zu  ertheilen  u.  s.  w. 

c)  In  jenen  (Gebieten,  die  sich  in  einer  oder  der  andern  Hinsicht 
als  noch  nicht  hinreichend  durchforscht  darstellen,  wissenschaftliche 
Reisen  zu  veranlassen  oder  zu  unterstützen,  die  von  dem  betreffenden 
Reisenden  gewonnenen  Resultate  zu  publicieren  oder  sonst  ffir  deren 
Verwertung  förderlich  zu  sein. 

d)  Solche  Persönlichkeiten,  welche  die  Eignung  und  den  Willen 
haben,   die  Zustände    und   Verhältnisse    unserer   südöstlichen    Nachbar- 


73 

linder  zum  Gegenstände  ihres  Stndinms  zu  machen,  mit  Rath  und 
That  zn  unterstützen,  ihnen  die  der  geographischen  Gesellschaft  zur 
Verfftgnng  stehenden  Materialien  zag&ngig  zn  machen,  literarische  nnd 
inderweitige   Hilfsmittel  zn  verschaffen  n.  s.  w. 

Nachdem  sich  anf  Gmnd  dieser  Bestimmungen  das  vorläufig  aus  den 
Gesellschafts- beziehungsweise  Ausschuss- Mitgliedern  Dr.  Ami  Boue, 
Hofrath  Dr.  Adolf  Ficker,  Sectionsrath  Ritter  v.  Hauer,  F.Kanitz 
Sectionsrath  J.  R.  Lorenz,  Professor  Plecha^ek  ,  Professor  Polak, 
kaiserlicher  Rath  Anton  Steinhäuser  und  dem  Unterzeichneten  be- 
stehende Comit6  constituiert  hatte,  wurden  die  ersten  Einleitungen  ge- 
troffen, um  dessen  Thfttigkeit  zu  eröffnen. 

Anf  die  an  mehrere  in  den  sfldöstlichen  Nachbarländern  Oesterreichs 
oder  in  deren  Nähe  ans&ssige  Persönlichkeiten  ergangenen  Einladungen 
erklärten  sich  folgende  Herren  in  der  freundlichsten  Weise  bereit, 
die  Abeichten  der  geographischen  Gesellschaft  nach  Kräften  zu  unter- 
stützen :  Franz  Bubenik,  k.  k.  Vice-Consul  in  Rustschuk,  Stanislau 
Dragan^ic  Edler  v.  Drachenfeld,  k.  k.  Hauptmann  und  Consular- 
Agent  in  Banyaluka,  Wladimir  Jakschitsch,  Chef  der  ämtlichen 
Statistik  im  Fflrstenthum  Serbien,  Julius  v.  Jaxa-Dembicki,  k.  k. 
Oberlieutenant  und  Consular-Agent  in  Livno,  Johann  Omchikus,  k.  k. 
Mi^or  und  Consular-Agent  in  Befcka  (Bosnien),  Johann  Röskiewicz, 
k.  k.  Oberstlieutnant  im  Generalstabe  in  Hatzeg,  Carl  Sax,  k.  k. 
Vice-Consul  in  Serajevo,  M.  Dr.  Yalenta,  Director  des  Krankenhauses 
in  Belgrad. 

Gleichzeitig  wurde  an  das  k.  k.  Ministerium  des  Aeußern  die  Bitte 
gestellt,  die  Zwecke  der  geographischen  Gesellschaft  durch  Anempfehlung 
bei  den  General-Consulaten,  Consulaten  und  Agentschaften,  namentlich 
im  Orient  geneigtest  zu  unterstützen,  welchem  Ansuchen  von  Seite  der 
genannten  hohen  Centralstelle  im  vollen  Umfange  entsprochen  wurde. 
Von  dem  Zeitpuncte  der  Constituierung  des  orientalischen  Comit^'s  an 
hat  der  Wechselverkehr  zwischen  demselben  und  den  in  Beziehungen  zu 
dem  Comit^  getretenen  Persönlichkeiten  keinen  Augenblick  geruht  und 
schon  unsere  „  Mittheilungen  ^  in  dem  zu  Ende  gehenden  Jahre  haben  als 
erste  Frucht  dieses  Wechselverkehrs  einen  höchst  wertvollen  Aufsatz:  .Die 
geographischen  Verhältnisse  von  Bulgarien  betreffend"^  aus  der  Feder  des 
Herrn  k.  k.  Vice-Consuls  Sax    gebracht.  Mehrere  andere  nicht  minder 

I 

wertvolle,  zum  Theil  mit  kartographischen  und  tabellarischen  Beilagen 
versehene  Manuscripte  liegen  zum  Druck  bereit,  andere  sind  für  die 
nächste  Zukunft  in  Aussicht  gestellt. 

In  der  jüngsten  Zeit  hat  das  orientalische  Comit^  auf  Antrag 
meines  Mitgliedes  Dr.  Ami  Bou^   eine   Angelegenheit  ins  Auge  gefasst, 


74 

deren  mehrseitige  Wichtigkeit  and  Bedeutimg  von  niemanden,  der  eich 
in  irgend  einer  Weise  mit  orientalischen  Interessen  za  beschäftigen  hat, 
verkannt  werden  dflrfte.  Es  ist  dies  eine  Zosammenstellong  der  ver- 
schiedensprachigen  Nomenclatur  einer  nnd  derselben  topographischen 
Oertlichkeit  in  der  eorop&ischen  Türkei,  eine  Zusammenstellimg,  die 
am  so  erwünschter  erscheinen  maß,  als  die  türkische,  slavische,  ram&- 
nische,  griechische,  albanesische  Bezeichnong  einer  nnd  derselben  Stadt, 
desselben  Fleckens,  Dorfes  etc.  mitunter  in  geradezu  unkennbarer  Weise 
von  einander  differieren,  daher  den  hieraus  möglicherweise  entspringenden 
Misverst&ndnissen  nur  durch  eine  zweckmäßig  eingerichtete  Synonimik 
der  angegebenen  Art  gründlich  vorgebeugt  werden  kann.  Allerdings  ist 
die  Aufgabe,  welche  sich  das  Comit^  in  dieser  Richtung  gestellt  hat, 
bei  dem  Um&ng  des  geographischen  Gebietes,  worauf  sie  sich  bezieht, 
eine  solche,  die  nicht  auf  einen  Schlag  und  in  kurzer  Zeit  gelöst  wer- 
den kann.  Allein  das  Comit4  hat  geglaubt  jedenfalls  einen  Anfang 
machen  zu  müßen  und  sich  vorläufig  an  seine  in  den  türkischen 
Nachbar-Provinzen  befindlichen  (Korrespondenten  mit  der  Bitte  gewandt 
in  dem  ihnen  zugänglichen  Umkreise  oder  bei  Oelegenheit  von  Ausflügen 
und  Reisen  in  andere  Gegenden  diesbezügliche  Daten  zu  sammeln  und 
einzusenden. 

Wien,  am  13.  December  1869.       J.  A.  Freiherr  von  Belfert, 

Obmann  des  Comit^'s. 


k 


Bericht 

über  den  Zustand  der  Finanzen  der  Gesellschaft. 

Hochgeehrte  Versammlung!  In  dem  heute  endigenden  Gesellschafts- 
jahr 1868/9  stellen  sich  Einnahme  und  Ausgabe  folgendermaßen: 

Einnahme. 

Cassarest  vom  vorigen  Jahre fl.  153423^ 

(darunter  1100  fi.  5%  Staatsschuldverschreibungen  ö.  W.) 

Geschenk  Sr.  Majestät  des  Kaisers «  100 

Geschenke  von  Mitgliedem  des  AUerh.  Kaiserhauses  .        .  „  170 

Von  Herrn  A.  Artaria  erhaltenes  Darlehen „  676.15 

Erlös  aus  dem  Verkaufe  der  Schriften  der  Gesellschaft  .    .  ^  114.88 
Zinsen  von  1100  fl.  Obligationen  und  aus  der  zeitweiligen 

Anlage  des  Bargeldes  in  n.  ö.  Escomptecassenscheinen  „  57.76 

Portovergütung  durch  die  Mitglieder „  289.12 

Jahresbeiträge  der  Mitglieder „  3140.65 

Zusammen      7tL  6082.79^ 


75 

Samme  der  Einnahmen        fl.  6082.79^ 
Ausgabe. 

Beeoidnng  des  Scriptors fl.     199.92 

Diener        «      158.50 

Neigafargelder    ...  .    / f,       34 

Bochbinder-Conto »       26 

Fftr  eine  Heizvorrichtimg  in  der  Bibliothek     .  „       37.45 
Beitrag  zum  Grabstein  des  Br.  Theodor  Kotschy  „       20 
Begieauslagen  mit  Inbegriff  des  Porto  nnd  der 
Zahlung  an  die  k.  k.  Acad.  d.  Wissensch. 
fQr  Gas,  Reinigung  der  Localit&ten  etc.  etc.  „     597.78 

FOr  Ausfertigung  der  Diplome ^      125.75 

Druck   der  Mittheilungen  und  der  Separatab- 

drflcke  daraus „    1401.25 

Zahlung  von  Schulden,  und  zwar: 
a)  des  Bestes  der  alten  aus  der  Zeit  vor  1868 
herrührenden  Schuld  an  die  Budidruckerei 

F.  B.  Geitier „      799.60 

b)an  dieselbe  Buchdmckerei  fttr  das  1869 

ausgegebene  Jahrbuch  fftr  1866  und  1867  „     788.95 
c)  Theilrflckzahlung  des  von  Herrn  A.  Artaria 

erhaltenen  Darlehens  an  denselben     .    .    .  „     376.15 

Zusammen  .    .  fl.  4565.35 

Es  erftbngt  darnach  ein  Cassarest  von „    1517.44| 

bestehend  in  1100  fl.  in  5%  Staatsschuldverschreibungen  ö.  W. 

100  fl.  in  einem  n.  6.  Escomptecassenscheine 
und    317  fl.  44^  kr.  in  Barem 
Zusammen  obige  1517  fl.  44^  kr. 

Zu  diesen  Daten  erlaube  ich  mir,  um  den  geehrten  Mitgliedern 
einen  klaren  Einblick  in  die  diesjährige  Geldgebahrung  und  in  den  Ver- 
m6gensstand  der  Gesellschaft  zu  verschaffen,  einige  Posten,  sowol  der 
Einnahme  als  der  Ausgabe,  n&her  zu  erl&utem. 

Bei  der  SiBJiahBe  hat  die  Post  Jahresbeiträge  der  Mit- 
glieder die  bedeutende  Höhe  von  3140  fl.  65  kr.  dadurch  erreicht,  dass 
nidit  bloß  464  Beiträge  für  das  heute  ablaufende  Gesellschaftsjahr  1868/9 
bezahlt  worden  sind,  sondern  dass  auch  die  Eintreibung  der  Rückstände  aus 
dem  vorigen  Gesellschaftsjahre  1867/8,  dann  aus  den  Jahren  1866/7  und 
1865/6  nach  jenem  Vorgänge,  welchen  ich  im  vorigjährigen  Finanzberichte 
darzulegen  die  Ehre  hatte,  einen  sehr  günstigen  Erfolg  gehabt  hat. 

Es  sind  n&mlidi  aus  1867/8  52,  ans  1866/7  33  und  aus  1865/6  31 
Beiträge  auf  diese  Weise  aus  Anlass  der  im  Frühjahr  1869  stattgefondenen 


76 

Hinausgabe  des  verspäteten  Jahrbuches  fQr  1866  and  1867  eing&nglich 
geworden,  also  aus  jedem  der  drei  Jahre  mehr  als  im  erwähnten  Finanz- 
berichte als  eingänglich  angenommen  worden  waren.  Dies  Resultat  ist 
der  Nachsicht  unserer  Mitglieder  and  ihrem  Interesse  an  der  Sache  za 
danken,  welche  sie  bestimmten,  sich  der  Unannehmlichkeit  der  Zahlung 
von  zwei  oder  drei  Jahresbeiträgen  im  Laufe  dieses  einen  Jahres  an- 
standslos zu  unterziehen. 

Die  Post  „Von  Herrn  A.  Artaria  erhaltenes  Darlehen^ 
findet  ihre  Erklärung  darin,  dass  Herr  August  Artaria,  um  es  der  Ge- 
sellschaft zu  ermöglichen,  die  Schulden  an  die  Oeitler'sche  Buchhandlung, 
wovon  der  erwähnte  vorigjährige  Finanzbericht  ausfohrlicher  gesprochen 
hat,  gänzlich  abzuzahlen,  ohne  zum  Verkaufe  der  1100  fl.  Obligationen 
schreiten  zu  müßen,  in  grofimflthiger  Weise  den  Betrag  von  676  fl.  15  kr. 
der  Gesellschaftsleitung  als  ein  unverzinsliches  Darleihen  fibergeben  hat. 

Was  die  Aitgabs|posteB  betrifft,  so  gestatte  ich  mir  zuerst  die 
Posten  „Regieauslagen^  und  für  „Ausfertigung  der  Diplome"^ 
zusammen  hervorzuheben. 

Ueber  Antrag  des  Herrn  Generalsecretärs  und  des  Herrn  Sections- 
chefs  Ritter  von  Streffleur  hat  der  Ausschuss  beschlossen,  den  k.  k. 
Schulen  und  Truppenkörpem,  welche  der  Gesellschaft  als  Mitglieder  bei- 
treten wflrden,  ein  Exemplar  der  sämmtlichen  älteren  Jahrgänge  der 
Gesellschaftsschriften,  soweit  dies  der  vorhandene  Vorrath  davon  gestattet, 
unentgeltlich  zu  überlassen  und  an  die  k.  k.  Ministerien  des  Unterrichts 
und  Krieges  die  Bitte  zu  stellen,  den  Schulen  und  Truppenkörpem  auf 
dem  amtlichen  Wege  diese  fflr  sie  günstige  Modalität  des  Eintritts 
bekannt  zu  geben.  Die  k.  k.  Ministerien  haben  dieser  Bitte  Folge  gegeben 
und  dem  ist  der  so  zahlreiche  Beitritt  neuer  Mitglieder  in  diesem  Jahre, 
worüber  der  Herr  Generalsecretär  in  seinem  Berichte  Mittheilung  machen 
wird,  zu  verdanken. 

Selbstverständlich  hat  aber  ein  so  zahlreicher  Eintritt  in  die  Ge- 
sellschaft die  Zahl  der  auszufertigenden  Diplome  und  damit  die  Kosten 
ihrer  Ausfertigung  wesentlich  gesteigert  und  hat  die  Versendung  der 
durchaus  10  und  mehr  Bände  des  Jahrbuches  umfassenden  Packe  au 
die  Neueingetretenen  bedeutende  Regiekosten  an  Porto  mit  sich  ge- 
bracht, wie  auch  die  vermehrte  Mitgliederzahl  und  damit  größere 
Correspondenz,  dann  die  in  diesem  Jahre  wegen  der  Hereinbringung  der 
Rückstände  die  gewöhnliche  weit  übersteigende  Zahl  mit  Postnachnahme 
versendeter  Jahreskarten  die  Portokosten  überhaupt  beträchtlich  erhöht 
haben.  Da  aber  laut  der  Einnahmspost  „Portovergütung  von  Mitgliedern^ 
289  fl.  12  kr.  an  Porto  von  Seite  der  Adressaten  wieder  eingegangen 
sind,  so  erübrigt  für  Regieauslagen  bloß  der  Betrag  von  308  fl.  66  kr. 


77 

Die  größte  Aiugabspost  „Zahlang  von  Schulden^  mnfasst 
zuerst  die  Zahlung  der  alten  Schuld  an  die  Bnchdruckerei  F.  B.  Geitler 
mit  799  fl.  60  kr.  Im  Torigj&hrigen  Finanzberichte  ist  diese  aus  einer 
Zeit,  bevor  noch  die  gegenwärtige  Gesch&ftsleitung  in  die  Führung  der 
Geschäfte  eingetreten  war,  herrührende  Schuld  ausführlicher  besprochen 
and  es  ist  daraus  ersichtlich,  dass  sie  mit  Beginn  des  GeseUschaftsjahres 
1867/8  917  fl.  10  kr.  betrug  und  dass  im  vorigen  Jahre  117  fl.  50  kr. 
darauf  bezahlt  wurden,  so  dass  sie  durch  die  Zahlung  von  799  fl.  60  kr. 
im  heurigen  Jahre  als  vollkommen  getilgt  erscheint. 

Ferner  begreift  dieselbe  Post  „Zahlung  von  Schulden^  in  sich,  die 
Bestreitung  der  Kosten  des  erst  im  heute  ablaufenden  Jahre  ausge- 
gebenen Jahrbuches  von  1866  und  1867,  welche  eigentlich  aus  dem  Ein- 
kommen der  Jahre  186Ö/6  und  1866/7  zu  bestreiten  gewesen  wären,  doch 
in  den  heuer  und  im  vorigen  Jahre  hereingebrachten  Ilückständen  aus 
diesen  Jahren  ihre  Deckung  fanden. 

Endlich  kommt  unter  der  in  Frage  stehenden  Post  der  Betrag 
von  376  fl.  15  kr.  vor,  indem  die  Gesellschaft  in  der  angenehmen  Lage 
gewesen  ist,  an  Herrn  A.  Artaria  von  seinem,  Ihnen  Meine  Herren  I 
bereits  bekannten,  uns  gegebenen  Darlehen  376  fl.  15  kr.  zurückzuzahlen, 
so  dass  sie  an  ihn  nur  mehr  300  fl.  6.  W.  schuldet. 

Dies  ist  jedoch  auch  das  einzige  Passivum  der  Gesellschaft  und  wird 
ihm  das  Activum  der  Gesellschaft  entgegengestellt,  so  ergibt  sich  daraus 
das  erfreuliche  Resultat^  dass,  wenn  die  1100  fl.  5%  Staatsschuldverschrei- 
bungen mit  dem  wahren  Werte  selbst  nach  dem  niedem  Curse  von  59  fl. 
50  kr.  eingestellt  werden,  der  Cassarest,  also  noch  immer  sich  auf  1071  fl. 
94|  kr.  und  nach  Abzug  der  vielbesprochenen  Schuld  von  300  fl.  das  reine 
Vermögen  der  Gesellschaft  sich  das  Activum  auf  771  fl.  94|  kr.  be- 
ziffert, wozu  noch  15  rückständige  Jahresbeiträge  aus  dem  heute 
endigenden  Jahre,  größtentheils  außer  Gestenreich  domicilierender  oder 
erst  ganz  neu  eingetretener  Mitglieder  kommen,  dann  je  ein  Jahresrück- 
stand für  1867/8  und  1866/7  eines  gleichfalls  im  Auslande  wohnhaften 
Mitgliedes,  bei  welchem  mit  der  Streichung  aus  der  Mitgliederliste 
wegen  unterbliebener  Zahlung  bisher  deshalb  nicht  vorgegangen  worden 
ist,  weil  erst  in  jüngster  Zeit  eine  mittelbare  Anfrage  wegen  Zahlung 
seiner  Rückstände  an  die  Geschäftsleitung  gelangt  ist. 

Bei  diesem  Yermögensstande  würde  es  der  Gesellschaft  nicht  schwer 
fallen,  schon  jetzt  auch  die  Restschuld  von  300  fl.  an  Herrn  A.  Artaria 
zu  zahlen,  wenn  es  nicht  gerathen  wäre,  einerseits  die  Obligationen 
nicht  hintanzugeben  und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  sie  das  Aequivalent 
des  Loekauls  einer  Anzahl  Mitglieder  auf  Lebenszeit  und  zugleich  einen 
kleinen  Fond  darstellen,  welcher  die  Gesellschaft  in  die  Lage  setzt,  ohne 


78 

neuerlich  in  Schulden  m  kommen,  in  einem  außerordentlichen  Falle 
auch  eine  größere  Ausgabe  in  Verfolgung  ihrer  Aufgaben  zu  machen, 
und  andererseits  sich  auch  nicht  des  Bargeldes  zu  begeben,  als  der 
Deckung  der  laufenden  Ausgaben  bis  zur  Eincassierung  der  Jahresbei- 
träge far  das  beginnende  Gesellschaftsjahr  1870,  welche,  nachdem  viele 
Mitglieder  erst  vor  Kurzem  rückständige  Beiträge  gezahlt  haben,  nicht 
vor  Februar  wird  eingeleitet  werden  können. 

Mit  dieser  Eincassierung  der  Jahresbeiträge  dagegen  wird  es  die  Ge- 
sellschaft  nicht  unterlassen,  auch  diesen  Schuldrest  und  damit  ihre  letzte 
aus  einer,  hoffentlich  nicht  wieder  kehrenden,  Zeit  pecuniärer  Verlegenheit 
herstammende  Verpflichtung  zu  tilgen.  Dr.  Anton  v.  Ruthner. 


Bericht  Ober  die  Innern  Angelegeniieiten  der  geograpliischen  Geseli- 

scliaft  im  Jahre  1869. 

Der  Schluss  der  dre^ährigen  Wahlperiode  des  Ausschusses,  welcher 
mit  Ablauf  des  Jahres  1870  eintritt,  wird  eine  Uebersicht  jener  Ver- 
anstaltungen gestatten,  die  während  dieser  Zeit  zur  Förderung  des  Ge- 
seUschaftszweckes,  des  regem  Verkehrs  unter  den  Mitgliedern,  und  der 
Ausbreitung  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  getroffen  wurden.  Indem 
schon  im  Vorjahr  so  wie  in  dem  so  eben  abgelaufenen  die  Publicationen 
monatlich  in  die  Hand  unserer  Mitglieder  kamen,  wurden  diese  in  die 
Lage  versetzt,  das  wesentliche  von  den  innem  Angelegenheiten,  die  sich 
im  Laufe  des  Jahres  abgewickelt  haben^  unmittelbar  aus  den  Sitzungs- 
berichten zu  erfahren. 

Ich  kann  mich  daher  kurz  fassen. 

Die  Zahl  der  Mitglieder,  wie  Ihnen  aus  dem  Bericht  vom  vorigen 
Jahre  bekannt  ist,  betrug  mit  Beginn  des  Jahres  1869,  mit  Ausschluss 
der  Ehren-  und  correspondierenden  Mitglieder  330. 

Von  diesen  fielen  im  Laufe  des  Jahres  8  durch  den  Tod  aus,  wur- 
den 11  in  Folge  ihres  erklärten  Austrittes  und  weitere  8  wegen  Nicht- 
einhaltung ihrer  Verbindlichkeiten  nach  Beschluss  des  Ausschusses 
gestrichen. 

Dagegen  traten  im  Laufe  des  Jahres  184  neue  Mitglieder  in  die 
Gesellschaft. 

Der  Stand  der  wirklichen  Mitglieder  beziffert  sich  demnach  mit 
dem  heutigen  Tage  auf  487,  also  um  157  mehr  als  im  Vorjahre. 

Größer  als  im  Vorjahre  war  aber  auch  die  Zahl  jener,  die  uns 
der  Tod  hinwegnahm  und  denen  wir  ein  schmerzliches  Andenken  zu 
widmen  haben.  Es  sind  dies  die  Herren: 


79 

Engen  Graf  v.  Czemin-Chndemtz.  —  Carl  Freiherr  v.  Hock. 

—  Dr.  Garlmann  Hieb  er,  Abt  des  Stiftes  Admont.  —  Freiherr  von 
Skribanek,  k.  k.  Schifblieatenant.  —  Alois  Ritter  von  Aner, 
Director  der  k.  k.  Staatsdmckerei.  —  Leonhard  Liebener,  k.  k. 
Oberbau-Director  in  Innsbruck.   —  Pasqnale  Freiherr  v.  Revoltella. 

—  Em.  Homoky,  Real-Abt  zu  Lek^r,  und  der  um  die  Kenntnis  des 
Orients  hochverdiente  General-Consul  Ritter  von  Hahn  *). 


*)  Jokami  Georg  von  Hahn  geboren  den  11.  Juli  1811  in  Frankfurt  a.  M., 
Sohn  des  Land|pr&fl.  Hessischen  Geheimiath  v.  Hahn  in  Homburg;  besuchte 
von  1823—27  das  Gymnasium  zu  Mainz;  1827—32  die  üniversit&ten 
Oiefien  und  Heidelberg,  studierte  daselbst  die  Rechtswissenschaft,  promovierte 
1832  in  Heidelberg  nach  glänzend  bestandenen  Examen  rigorosum  und  Her- 
ansgabe einer  Dissertation  de  pacto  de  hereditate  tertii  als  doctor  juris  utri- 
nsque ,  brachte  den  Winter  1832  -  33  in  Paris  zu,  machte  sodann  verschie- 
dene Reisen,  reiste  im  FrAlgahr  1834  nach  Griechenland,  wurde  dort  sofort  im 
Justizministerium  angestellt  und  bei  der  Bearbeitung  und  Einführung  der 
neuen  Gesetzgebung  und  Gerichtsorganisation  verwendet,  gieng  dann  in  die 
richterliche  Garriere  über,  war  Mitglied  verschiedener  Gerichtshöfe,  zuletzt  in 
Chalkis,  verlor  durch  die  September-Revolution  1843  mit  den  anderen  Frem- 
den seine  Stelle,  lebte  1843—47  in  Athen  privatisierend. 

1847  wurde  er  zum  k.  k.  Consul  in  Jamaica  ernannt,  blieb  daselbst  bis 
18oü,  bereiste  darauf  im  allerhöchsten  Auftrag  Albanien,  reiste  nach  Wien 
und  verlebte  die  erste  Hälfte  des  Jahres  1851  bei  seinem  Bruder,  Professor  in 
Jena,  an  heftigem  Fieber  leidend. 

Im  Herbst  1851  trat  er  seine  Stellung  als  k.  k.  Consul  in  Syra  an, 
machte  von  dort  verschiedene  Reisen  nach  Deutschland  und  zwei  größere 
durch  die  Türkei  is.  u.)  und  im  Archipel. 

1868  Ernennung  zum  Gteneralconsul,  Verleihung  des  Ordens  der  eisernen 
Krone.     Erhebung  in  den  Ritterstand. 

1869  Ernennung  zum  Generalconsul  fOr  ganz  Albanien.  Er  trat  diese 
Stelle  aber  nicht  mehr  an,  da  er  im  Januar  erkrankt,  in  Deutschland  Heilung 
sachte.  Starb  am  23.  September  1869  in  Jena. 

Aus  Neigung  Jurist  geworden  und  in  seiner  Wissenschaft  wol  bewan- 
dert, suchte  Hahn  ein  ergiebiges  Feld  für  seine  Thätigkeit,  glaubte  dieses  im 
jungen  Königreich  Griechenland  gefunden  zu  haben,  fand  auch  dort  gute  Auf- 
nahme durch  Staatsrath  Maurer,  war  die  Seele  der  verschiedenen  Gerichte, 
deren  Mitglied  er  wurde. 

Schon  während  dieser  Zeit  machte  er  sich  mit  den  wirtschaftlichen 
Interessen  des  Orients  vertraut,  besonders  aber  widmete  er  sich  diesem  Studium 
w&hrend  der  Zeit  als  er  in  Athen  privatisierte.  In  diese  Zeit  fällt  auch  der 
Au&ng  seiner  archäolog.  und  linguist.  Studien. 

Sein  Uebergang  in  österreichische  Dienste  wurde  hauptsächlich  durch 
seinen  langjährigen  Gönner  dem  Baron  Prokesch-Osten  vermittelt. 

Den  Aufenthalt  in  Jamaica  benutzte  er  zum  Studium  Albaniens,  seiner 
Bewohner  und  seiner  Sprache.  Mit  riesenhaften  Fleiss  wari*  er  sich  auf  diese 
Arbeiten.  Die  libanesischen  Studien^  sind  das  Produet  desselben.  Die 


80 

Lassen  Sie  uns  die  Treue,  mit  der  sie  zu  uns  hielten,  sowie  ihr 
Andenken  als  Förderer  der  Wissenschaft  durch  Erhebung  von  unsem 
Sitzen  ehren. 


erste  Abtheilung  dieses  umfassenden  und  Bahn  brechenden  Werks  enthält 
eine  eingehende  Beschreibung  Albaniens  nach  der  geographischen,  ethnogra- 
phischen, wirtschaftlichen,  rechtlichen,  archäologischen,  historischen  Seite.  Fast 
alle  Thatsachen,  auf  welchen  diese  347  enggednickte  Quartseiten  umfassende 
Darstellung  beruht,  sind  von  dem  Verfasser  selbst  beobachtet  und  gesammelt 
worden.  Dieser  Beschreibung  schlieft  sich  in  Abtheilung  zwei  eine  albanesi- 
sche  Grammatik  nebst  Sprachproben  und  in  Abtheilung  drei  ein  albanesisch- 
deutsches  und  deutsch-albanesisches  Lexicou  an. 

Auf  die  Bedeutung  der  beiden  Reisewerke:  Reise  von  Belgrad  nach 
Salonik,  Wien  1861.  2.  Aufl.  1868  und  der  leider  in  ihrem  Frscheinen  ver- 
zögerten soeben  ausgegebenen  Reise  durch  die  Gebiete  des  Drin  und 
des  Wardons  für  die  geographische  Erforschung  der  durchreisten  Gegenden, 
sowie  speciell  für  die  türkische  Eisenbahnfrage  braucht  der  sachverständige 
nicht  aufmerksam  gemacht  zu  werden.  Hervorzuheben  ist  noch,  dass  beide 
Werke  auch  wertvolle  historische  und   archäologische  Notizen  enthalten. 

Die  auf  dem  Gebiete  der  Philologie,  Archäologie ,  Mythologie  ent- 
wickelte Thätigkeit  Hahn's  ergiebt  sich  aus  den  folgenden  Titeln  seiner 
Schriften. 

Aphorismen  über  den  Bau  der  auf  uns  gekommenen  Ausgaben  der 
llias  und  Odyssee.  Jena  18&6. 

Proben  homerischer  Arithmetik.  Jena  1858. 

Mythologische  Parallelen.    Jena  1859. 

Motive  der  jonischen  Säule.  Wien  1862. 

Griechische  und  Albanesische  Märchen  zwei  Theile.  Leipzig  1864. 

Ausgrabungen  auf  der  homerischen  Peigamos.  Leipzig  1865. 

Eine  Anzahl  von  Aufsätzen  in  Zeitschriften  meist  handelspolitischen 
Inhalts. 

Außerdem  hat  Hahn  noch  zwei  druckfertige  Manuscripte  hinterlassen, 
deren  Publication  in  den  nächsten  Jahren  erfolgen  wird.  Das  eine  enthält 
unter  dem  Titel:  ^Sagwissenschaftliche  Studien""  eine  Darstellung 
der  Entstehung  und  Fortbildung  der  Sage  nebst  Belegen  aus  der  vergleichen- 
den Mythologie.  Das  andere  ist  eine  Sammlung  griechischer  Märchen  in  den 
Dialecten  der  Fundorte  erzählt.  (Nur  ein  Theil  derselben  ist  in  der  oben  er- 
wähnten deutschen  Ausgabe  enthalten.) 

Neben  diesen  wissenschaftlichen  Arbeiten  ist  Hahn's  amtliche  Berufs- 
thätigkeit  eine  sehr  bedeutende  und  ersprießliche  gewesen.  Nach  allen  Rich- 
tungen suchte  er  die  Interessen  des  von  ihm  vertretenen  Landes  und  seiner 
Angehörigen  zu  fördern.  Besonders  verdient  hat  er  gich  auch  um  den  öster- 
reichischen Lloyd  gemacht. 

Noch  in  seiner  letzten  Krankheit  beschäftigte  er  sich  lebhaft  mit  den 
türkischen  Eisenbahnen  und  bedauerte  namentlich  wegen  dieser  Angelegenheit 
jdcht  im  vollen  Besitz  seiner  Kräfte  zu  sein.  Unter  welchem  Gesichtspunct  er 
diese  Frage  auffaßte  und  wie  er  neben  dem  allgemeinen  europäischen  auch 
das   öBteireichisch-ungarische  Interesse  dabei  besonders  betonte,  findet  sich  in 


81 

m 

Zu  Ehrenmitgliedern  wurden  im  Laafe  des  Jahres  gewählt  die 
Herren: 

Dr.  Peter  mann  in  Gotha.  —  Se.  kais.  Hoheit  der  Erzherzog 
Leopold.   —   Se.  kais.  Hoheit  der   Erzherzog  Ludwig  Salvator. 

Zn  correspondierenden  Mitgliedern  die  Herren: 

Professor  Gathe  in  Hannover.  —  Consul  A.  Schwegel  in 
Alexandrien.  —  Consul  A.  Schulz  in  Widdin.  —  Consul  C.  Sachs 
in  Serajewo.  —  Wladimir  Jakschitsch  in  Belgrad.  —  Capitän 
Koldewey.  —  Consularkanzler  Buhenik  in  Rustschuk.  —  Dr. 
Valenta  in  Belgrad.  —  Stanislaus  Draganchicz  Edler  von  Dra- 
chenfels in  Belgrad.  —  Julius  von  Jaxa-Demhicki  zu  Livno  in 
Serbien.  —  Consular- Agent  Omchikus  zu  Bereöka  in  Bosnien.  — 
Major  Roskiewicz  in  Agram.  —  Dr.  Adolf  Bastian  in  Berlin.  — 
Dr.  Oscar  Peschel  in  Augsburg.  —  Professor  Celestino  Peroglio 
in  Turin.  —  Christoforo  Negri  in  Plorenz.  —  Antonio  Pas  coli  zu 
Pnxpan  in  Mexico.  —  Dr.  v.  Renard  in  Moskau. 

Das  Decemberheft  unserer  Mittheilungen  wird  das  vollständige 
Verzeichnis  jener  Gesellschaften  und  Vereine  des  In-  und  Auslandes 
bringen,  mit  denen  wir  im  Tauschverkehr  der  Publicationen  stehen,  so 
wie  die  Zusammenstellung  jener  literarischen  Werke,  durch  welche 
unsere  Bibliothek  im  Laufe  des  Jahres  theils  durch  Tausch,  theils  durch 
Geschenke  von  Gönnern,  Verfassern  und  Verlegern  bereichert  worden  ist. 
Sie  sind  nicht  nur  an  Zahl,  sondern  aiich  an  Wert  bedeutend  und  ver- 
pflichten uns  zu  dem  verbindlichsten  Dank  gegen  die  Geber,  unter 
denen  wir  neben  geehrten  Mitgliedern  manchen  theilnehmenden  Freund 
diesseits  und  jenseits  des  Meeres  zu  verzeichnen  haben. 

Wenn  aber  der  Tauschverkehr  der  Gesellschaft  und  namentlich  der 
Vertrieb  der  Publicationen  nach  außen  in  diesem  Jahre  bedeutend  zu- 
nahm,   so  danken  wir  das  zunächst  der  besondem  Liberalität  des  k.  k. 


der  auch  separat  abgedruckten  Einleitung  der  Reise  von  Belgrad  nach  Salonik 
(zweite  Aufl.)  ausgeführt. 

Zn  erwähnen  ist  noch  sein  Project  der  Durchstechung  des  Isthmus  von 
Korinth,  welches  er  mit  eingehenden  Vorschlägen  zur  zweckmäßigen  Aus- 
ffthrung  an  maügebenden  Orten  vorgelegt  hat. 

Seine  letzte  amtliche  Thätigkeit  war  die  Verhandlung  mit  dem  im  An- 
fange des  Jahres  1869  vor  Syra  liegenden  Hobart  Pascha  in  Angelegenheiten 
der  Enosis.  Er  entfaltete  dabei  grolle  Thätigkeit,  hat  sich  aber  auch  bei 
dieser  Gelegenheit  eine  heftige  Erkältuag  zugezogen,  welche  den  Anfang 
Beines  Leidens  bildete.  Er  suchte  in  Deutschland  vergeblich  Heilung,  nach 
achtmonatlichen  oft  sehr  schmerzhaften  Leiden  verschied  er  am  23.  September 
1869  in  Jena  bei  seinem  Bruder,  dem  Oberappellationsgerichtsrath  und  o.  Ö. 
Profe«K>r  Dr.  Friedrich   von  Hahn. 

6«ocnphiich«  MiUheiluagen.  1870.  2.  g 


82 

Ministeriums  des  Aeußern,  welches  die  Gesellschaft  durch  nam- 
hafte Erleichterungen  in  der  Versendung  unterstfltzt  hat,  und  es  liegt 
schon  darin  eine  große  Ermunterung,  in  Bezug  auf  innem  Wert  und 
wissenschaftliches  Interesse  dessen,  was  wir  veröffentlichen,  mit  unsem 
Schwestergesellschaften  gleichen  Schritt  zu  halten. 

Die  neue  Aufstellung  und  Catalogisierung  der  Gesellschafts. 
Bibliothek  ist  im  Gange  und  wird  mit  Schluss  der  Wintermonate 
beendet  sein. 

In  der  äußern  Form  unserer  „Mittheilungen"  ist  gegen  das  Vor- 
jahr insofern  eine  Veränderung  eingetreten,  als  die  Bogenzahl  um  ein 
Drittheil  vermehrt  und  die  einzelnen  Nummern  an  die  Mitglieder  monat- 
lich versandt  wurden. 

Ob  auch  der  innere  Gehalt  gewonnen  habe,  ob  Wahl  und  Ver- 
theilung  des  Stoffes  in  jener  Weise  geschehen  sei,  wie  sie  dem  Interesse 
des  Lesers  am  besten  entspricht,  darüber  steht  mir  als  Redacteur  kein 
Urtheil  zu.  Ich  kann  nur  den  Wunsch  aussprechen,  dass  ich  mit  ge- 
diegenen Arbeiten  für  die  „Mittheilungen",  namentlich  von  unsem  geehr- 
ten Mitgliedern  so  freigebig  als  möglich  unterstützt  und  auf  jene  Ver- 
besserungen aufmerksam  gemacht  werde,  die  unserer  Zeitschrift  die 
freundliche  Theilnahme  der  Leser  zu  sichern  vermögen.  Jenen  Herren 
aber,  welche  sie  im  abgelaufenen  Jahre  durch  Beiträge  unterstützt  haben, 
spreche  ich  aus  vollem  Herzen  und,  ich  glaube  auch  im  Sinne  der  ge- 
ehrten Versammlung,  meinen  Dank  aus.  M.  A.  Becker. 


Bibliothek  der  k.  k.  geographischen  Geeelischaft  in 

Verzeichnis  der  vom  1.  Juli  bis  30.   November  1869  zugemrachsenen 

Schriften  und  Karten. 

a)    Im   Schrift entauBch. 

Aitenburg.  Mittheilungen  der  Geschichta-  und  Alterthumtforachenden 
Gesellschaft  des  Osterlandes.  VII.  2.  1869. 

Altona.  Zeitschrift   für  popul&re  Mittheilungen  aus  dem  Gebiet  der 
Astronomie,  m.  3.  1869. 

Ansbach.  XXXIV.  und  XXXV.  Jahresbericht  des  bistor.  Vereines  von 
Mittelfranken.  1866  und  1867. 

Augsburg.  XX.  Bericht  des  naturhistorischen  Vereins  in  A.  1869. 
Das  Ausland,  Zeitschrift  Yon  Dr.  Oscar  Peschel.  1869. 

Auxerre.  Bulletin  de  la  soci^4  des  sciences  historiques  et  naturelles 
de    l'Yone  1.  2.  trimestres.  1869. 

Basel.   Verhandlungen   der   Naturforscher  >  Geaellschait    in    Basel.   V. 
2.   1869. 

Bayreu^th.  Regesten  des  Grafen  v.  OrlamOnde  vom  historischen  Verein 
ftlr  OberfhAken.  1.  1869. 


83 

Bayreuth.  Arcbiv  ftlr  Oberfranken  fftr  Geschichte  u.  Alterthumskunde. 
XI.  1.  1869. 

,  Berlin.  General  -  Bericht  über  die   europäische  Gradmessung  für  das 
Jahr  1818. 

—  Wissenschaftliche  Begründung  der  Rechnungsmethode  des  Central- 
bnreaus  der  europäischen  Gradmessung.  1869. 

—  Zeitschrift  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft  XXI.  1. 2.  3.  mit 
4  Tafeln.  1869. 

—  Zeitschrift  des  k.  preußischen  statistischen  Bureaus  IX.  1—6.   1869. 

—  Registrande  der  geographipch-statist.  Abtheilung  des  großen  General- 
stabes. 1867-1868.  1869. 

—  Zeitschrift  ftü:  die  gesammten  Naturwissenschaften.  XXXIII.  1869. 

—  Zeitschrift  der  Gesellschaft  der  Erdkunde  zu  B.  IV.  2—4    1869. 

—  Monatsbericht  der  k.  preuß.  Academie  der  W.  zu  B.  1869. 

Bern.  Mittheilungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  B.  N.  654 
bis  683. 1869. 

Bologna.  Memorie  dell'  Accademia  delle  scienze  dell  instituto  di  Bol. 
Vm.  3-4.  1869. 

Bombay.  The  transactions  of  the  Bombay  geographical  society.  XVIII. 
1868. 

Bonn.  Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande. 
Heft  46.  1869. 

Boston.  Proceedings  of  the  B.  society  of  natural  history  p.  1  bis 
272.  1868/9. 

—  ]h:oceedingB  of  the  American  Academie  of  arte  and  sciences  p.  345 
bis  525.  1869. 

—  Memoires  oi  the  B.  society  of  natural  history  N.  F.    I.  4.  1869. 

—  Occasional  papers  of  the  B.  society  of  natural  history.  Entomological 
correspondence  of  Dr.  Harris.  1869. 

—  Annual  report  of  the  trustees  of  the  museum  of  the  comparative 
Zoologie.  1869. 

Breslau.  Codex  Diplomaticus  Silesiae  vom  Vereine  für  Geschichte  und 
Alterthum  Schlesiens.  VII.  1.  1869. 

—  Zeitschrift  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthum  Schlesiens. 
IX.  1.  2.  1869. 

—  Acta  publica.  Verhandlungen  und  Correspondenzen  der  schlesischen 
Fürsten  u.  Stände  v.  Verein  für  Geschichte  und  Alterthum.    Jahrg.  19.   1869. 

Brunn.  Mitth.  der  k.  k.  mährisoh-schlesischen  Gesellschaft  für  Acker- 
bau, Natur-  und  Landeskunde.  18 — 47.  1869. 

Cambridge  (bei  Boston).  Proceeding  of  the  American  association  for  the 
advancement  of  science.  August  1867.  1868. 

Carlsruhe.  27  Nach  Weisung  über  den  Betrieb  der  Großherzogl. 
Badischen  Staats-Eisenbahn.  1869. 

Dan  zig.  Schriften  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Danzig.  Neue 
Folge,  n.  2.  1868. 

Darmstadt.  Notizblatt  des  Vereins  ftir  Elrdkunde.  III.  Folge.  73 
bis  84.  1868. 

Dresden.  Isis.  Drei  Sitzungsberichte  der  naturwissenschaftlichen  Gesell- 
schaft in  D.  Jahrg.  1-6.  1869. 

—  Mittheilungen  des  k.  sächsischen  Vereins  für  Erforschung  und  Er- 
haltung vaterl.  Geschichte  und  Kunstdenkmale.  19.  1869. 

Einsiedeln.  Verhandlungen  der  Schweizerischen  naturforschenden 
Gesellschaft  in  E.  LII.  Jahresbericht  1868. 

—  Der  Geschichtsfreund.  Mittheilungen  des  Vereines  der  fünf  Orte 
Lucem,  Üri,  Schwyz,  ünterwalden  und  Zug.  XXIV.  1869. 

Emden.  XXV.  Jahresbericht  der  naturf.  Gesellschaft  in  E.  1868. 
Florenz.  Bolletino  della  societä  geografica  Italiana.  2.  3.  1869. 
Frankfurt  a.  M.  Der  zoolog.  Garten.  X.  2—6.  1869. 

—  Mittheilungen  des  histor.-statistischen  Vereins.  8.  1868. 

—  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  IV.  1869. 

6* 


84 

Frankfurt  s.  M.  Mittheilungen  an  die  Mitglieder  des  Vereini  ftr 
Geschichte  und  Alterthumskunde  in  F.  lU.  1—4.  1868. 

—  Neujahrs- Blatt  den  Mitgliedern  des  Vereins  fflr  Gesch.  und  Alter* 
thumsk.  zu  F.  1868  und  1869.  2  Hefte.  Enth&lt  Dr.  Jacob  Becker  Grab- 
schriffc  eines  römischen  Panzerreiterofftciers  und  G.  £.  Steitzider  Staatsrath 
Georg  Steitz  und  der  Fürst  Primas  Carl  von  Dalberg. 

St.  Gallen.  St.  Gallen  vor  hundert  Jahren  vom  histor.  Verein.  1869. 

—  Mittheilungen  zur  vaterländischen  Geschichte.  IX.  1.  1869. 

>-  Bericht  Aber  die  Th&tigkeit  der  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 
w&hrend  des  Vereinsjahrcs  1867/8. 

Genf.  Memoires  de  la  soci^t^  de  physique  et  dlxistoire  naturelle. 
XTCJ   1869 

—  Le  Globe.  Vn.  5.  6.  1868.  Vm.  1-4  1869. 

Genua.  Atti  della  societä  Ligure  di  storia  patria.  VIÜ.  1.  2.  1868/9. 
Gießen.  Dreizehnter  Bericht  der  Oberhessischen  Gesellschaft  fClr  Natur 
und  Heilkunde.  1869. 

Görz.  Atti  e  memorie  delP  i.  r.  societä  agraria.  VIII.  8—21.  1869. 
Gotha.  Petermann,  geographische  Mittheilungen.  1869. 
Graz.  Der  steirische  Landbote.  H.  9-23.  1869. 

—  Mittheilungen    des   naturwissenschaftlichen  Vereins  für   Steiermark, 
n.  1.  1869. 

Güstrow.  Archiv  des  Vereins  der  Freunde  der  Naturgeschichte  in 
Mecklenburg.  XXH.  Jahrg.  1869. 

Hamburg.  Zeitschrift  des  Vereins  für  Hamburgische  Geschichte.  lU. 
1.  1869. 

—  Mittheilungen  aus  der  Norddeutschen  Sternwarte:  die  wissenschaft- 
lichen Ergebnisse  der  ersten  deutschen  Nordpolfahrt.  v.  1868.  1869. 

Helsingfors.  Bidrag  tili  könnedom  of  Finlands  Natur  och  Folk  von 
der  Finl&ndischen  Gesellschaft.  13.  14.  1868/9. 

.  —  Gedächtnisrede  auf  Alex.  v.  Nordmann  v.  Dr.  Hjelt.  1868. 

—  Oversigt  of  Finska  vetenskaps  societens  forhandlungar.  XI.  1867. 
Hildburgshausen.  Ergänzungsblätter.  IV.  6-11.  1869. 
Innsbruck.  Zeitschrift  des   Ferdinandeums    für   Tirol  u.   Vorarlberg. 

III.  Folge.  13.  1869. 

Kiel.  Jahrbücher  für  die  Landeskunde  der  Herzogthümer Holstein  und 
Lauenburg.  X.  1.  2.  1869. 

Elagenfurt.  Mittheilungen  über  Gegenstände  der  Land-,  Forst-  und 
Hauswirtschaft.  8-22.  1869. 

Köln  und  Leipzig.  Gaea.  V.  2-7.  1869. 

Kopenhagen.  Tilläg  of  aarboger  for  nordisk  oldkyndighed  og 
historie  1867. 

—  Aarboger  for  nordisk  old  kyndighed  og  historie.  1868.  1.  2. 
Landshut.  Verhandlungen  des  historischen  Vereins  für  Niederbaiem. 

Xm.  1-4.  1868/9. 

Lausanne.  Bulletin  de  la  soci6t6  Vaudoise  des  sciences  naturelles. 
X.  61.  1869. 

Lemberg.  Rolnik,  Zeitschrift.  IV.  9-11.  V.  5.  1869. 

Linz.  Landwirtschaftliche  Zeitung  von  und  für  Oberösterreich.  XTIT. 
10-11.  1869. 

London.  The  Journal  of  the  royal  Asiatic  Society.  IV.    1.  1869. 

—  The  Journal  of  the  royal  geographical  society.  XXXVm.  1868. 

—  Proceedings  of  the  royal  geographical  society.  XU.  2.  3.  4.  1868. 
xm.  1.  2.  1869. 

—  Beport  on  the  survey  Operations.  Abyssinia.  1869. 

St.  Louis.  (Missouri.)  The  transactions  of  the  Academy  of  science  ot 
St.  L.  vn.  1861-1868. 

Lyon-Paris.  Annales  de  la  propagation  de  la  foi.  Mai  1869.  Nr. 
244-247. 

Mailand.  Atti  della  societä  Italiana  di  scienze  naturali.  XI.  2-4. 1869. 

—  Memorie  della  societä  Italiana  di  scienze  naturali.  TL  3.  1867.  IT. 
1.  2.  8.  1868. 


85 

Mail  and.  Rendiconti  del  reale  institnto  Lombardo  di  scienze  e  lettere. 
Serien.  I.  9-20.  U.  1-10.  1868/9. 

—  Annuario  del  reale  instituto  Lombardo.  1868. 

—  Memorie  del  reale  instituto  Lombardo.  Glasse  di  sciense  matematiche 
e  oatnralL  XI.  1.  1868. 

Mittau.  Sitzungsberichte  der  Eurl&nd.  Gesellschaft  fOr  Literatur  und 
Kunst  aus  dem  J.  1868. 

Mode  na.  Memorie  della  regia  Accademia  di  scienze,  lettere  ed  arti. 
TL   1869. 

MoncallierL  Le  aurore  polari  del  1869  del  Dir.  Denza.  Fr.  1869. 

Montb^liard.  Memoires  de  lasociM  d'dmulation  2  serie.  I— IL  1869. 

Moskau.  Bulletin  de  la  soci^tö  Imp.  des  natural istes  de  M.  1868. 
8.  4.  1869. 

Mflnchen.  Sitzungsberichte  der  k.  bair.  Academie  der  Wissenschaften 
SQ  M.  1868  3.  4.  1869  1.  3. 

—  XXVI.  Jahresbericht  des  historischen  Vereines  von  und  für  Ober- 
baiem  1869 

—  Oberbaierisches  Archiv  für  vaterländische  Geschichte  von  dem  histo- 
rischen Verein  von  und  fOr  Oberbaiern  XXVI.  1.  1869. 

—  Abhandlungen  der  mathematisch-physicalischen  Classe  der  k.  bair. 
Academie  der  Wissenschaften.  X.  2. 

—  Abhandlungen  der  philosophisch -philologischen  Classe  der  k.  bair. 
Academie  der  Wissenschaften.  XL  3.  1868. 

—  Der  Freiherr  v.  Ickstatt  und  das  ünterrichtswesen  in  Baiern.  Vortrag 
von  Dr.  Elugholm.  1869. 

—  Abhandlungen  der  histor.  Classe  der  k.  bair.  Academie  der  Wissen- 
schaften. XI.  1. 

—  üeber  Entwicklung  der  Agriculturchemie.  Festrede  v.  Vogel. 

—  Denkschrift  auf  Carl  Fr.  v.  Martins  v.  Prof.  Meissner. 

-•-  Verzeichnis  v.  6323  telescop.  Sternen.  Annalen  der  M.  Sternwarte. 
Sapplementband.  Vm.  1869. 

~  Monatliche  und  j&hrl.  Resultate  der  an  der  k.  Sternwarte  bei  M. 
angestellten  Beobachtungen.  VI.  und  VII.  Supplementband.  1868.' 

New- York.  Annais  of  the  Lyceum  of  natural  history  of  N.  Y.  VIII. 
15    17.  IX.  1  -4.  1867/8. 

—  Monthly  Report  of  the  deputy  special  commission  of  the  revenue. 
März  1869. 

Offenbach  a.  M.  Neunter  Bericht  des  Offe  nbacher  Vereines  für  Natur- 
kunde von  Mai  1867  bis  Mai  1868. 

St.  Omer.  Soci^t^  des  antiquaires  de  la  Morinie.  Bulletin  historique. 
69.  70.  1869. 

Orleans.  Memoires  de  la  8oci6t6  d'Agriculture,  sciences,  belies  lettres 
et  ans.  Xn.  3.  4.  1869. 

Palermo.  Bulletino  meteorologico  del  R.  osservatorio  di  P.  V.  1—3.  1869. 

Paris.  Bulletin  de  soci6t6  de  g^ographie.  März  bis  September  1869. 

—  Tableaux  de  population,  de  culture,  de  commerce  et  de  navigation 
pour  l'ann^e  1868. 

-  Bulletin  de  la  soci^t^  pour  la  conservation  des  monuments  historiques 
d'Alsace.  H.  Serie  VI.  1869. 

—  Revue  maritime  et  coloniale.  XXVH.  1869.  101—105.  1869. 

Pas  sau.  Vn.  u.  VIII.  Jahresbericht  des  naturhistorischen  Vereines  in 
Passau.  1869. 

St.  Petersburg.  Bulletin  de  PAcademie  Imp.  des  sdences. 

—  Untersuchungen  über  die  Constitution  der  Atmosphäre  von  Dr.  6yl- 
den.  xn.  4.  1868. 

—  Beobachtungen  des  großen  Cometen  vom  Jahre  1861  von  Otto  Struve. 
xn  5.  1868. 

—  Entwicklungsgeschichte  der  Libelluiden  von  Brandt.  Xm.  1. 

—  Ueber  die  Halsrippen  des  Menschen  von  Dr.  Gruber.  2. 

—  Ueber  Linaritkrystalle  von  Eonkscharow.  3. 

—  AI  Farbi,  das  arabische  Pbilosophenleben  von  Steinschneider.  4. 


86 

St.  Petersburg.  Histoire  chronologique  per  Mekhitar  d'Airivank  par 
Brosset.  5. 

—  Die  Lehre  der  Gymnospermie  von  Sperk.  6. 

—  Beiträge  zur  Anatomie  des  Schädelgrundes.  XIII.  7.  1869. 
Philadelphia.  Proceedings of  the  Philosophical society.  X.  79.  80.  1868. 

—  Letter  of  the  Vice-President  of  the  national  Academy  of  Sciences. 
1.  2.  Session.  1868. 

Prag.  Centralblatt  fOr  die  gesammte  Landeskunde.  XX.  5—11.  1869. 

—  Sitzungsberichte  der  k.  böhmischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften. 
Jahrg.  1868,  1869. 

—  Abhandlungen  der  k.  böhmischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
vom  Jahre  1868.  VI.  2.  1869. 

Regensburg.  Flora  oder  allgemeine  botanische  Zeitung.  XXYI.  1868. 
Riga.  Sitzungsberichte  der  königl.  Gesellschaft  für  Literatur  und  Kunst, 
aus  dem  Jahre  1867. 

—  Correspondenzblatt  des  Naturforscher- Vereines  zu  Riga.   XVII.    1869. 

—  Arbeiten   des   Naturforscher- Vereines   zu  Riga.  Neue  Folge.  2.  1869. 
Rom.   Stazione  meteorologica  di   Roma    sul   Campidoglio.   X.  und   XI. 

1868  und  1869. 

—  Atti  delP  Accademia  pontifica  di  nuovi  lincei.  XXI.  1—5.  1868. 
~  Bulletino  nautio  e  geografico  in  Roma.  V.  2.  3.  1869. 
Schwerin.    Jahrbücher   und   Jahresbericht  des  Vereines  für  mecklen- 
burgische Geschichte  und  Alterthumskunde.  XXXIII.  1868. 

Stade.  Archiv  des  Vereines  für  Geschichte  und  Alterthümer  der  Her- 
zogthümer  Bremen  und  Werden.  3.  1869. 

Stadt  am  Hof.  Verhandlungen  des  histor.  Vereines  von  Oberpfieilz  and 
Regensburg.  XVIII.  1869. 

Stockholm.  Sveriges  geologiska  undersökning.  26 — 30.  1868. 

—  K.  Academie  der  Wissenschaften. 

—  Meteorologiska  Jakttagelser  VI- VIII.  1864-1866. 

—  konigla  Svenska  Fregatten  Eugenies  resa  omkring  Jorden  12.  Zoolo- 
gie 6.  1869. 

—  öfversigt  of  kongl.  Vetenskaps-Akademiens  Förhandlingar  XXII—XXV. 
1865-1868. 

—  Eongliga  Svenska  Vetenskaps-Akademiens  Handlingar  V.  2.  VII.  1.  2. 
VU;  1865-1866. 

—  Leenadsteckningar  öfer  kongl.  Svenska  Vetenskaps-Akademiens.  I.  I. 

—  On  the  existence  of  rocks  containing  organic  substances  in  the  fun- 
damental gneiß    of  Sweden.  1869. 

—  Sketch  of  the  geology  of  Spitzbergen  by  Nordenskiöld.  üeber- 
setzung  aus  den  Mitth.  der  k.  schwedischen  Acad.  d.  W.  1867. 

Stuttgart.  Schriften  das    württemberg'schen    Alterthums  II.  1.    1869. 

Tongres.  Bulletin  de  la  soci^t^  scientifique  et  litt^raire  du  Limboorg 
IX.  1868. 

Trier.  Jahresbericht  der  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  zu  T. 
von  1865—1869. 

Triest.  Navigazione  nei  porti  Austriaci  1866  und  1867. 

—  Movimento  della  navigazione  e  commercio  in  Trieste  nelP  anno  1868. 
1869. 

Turin.  Bulletino  meteorologico  delP  osservatorio  del  R.  collegio  Carlo 
Alberto  in  Moncalieri  IV.  8.  1869. 

Utrecht.  Levensbeschrijving  von  Rijklof  Michael  van  Goens,  heraus- 
gegeben von  der  Provincial  Utrechtsch  genootschap.  1869. 

—  Aanteekeningen  van  sectievergaderingen  van  het  Prov.  Utrechtsch 
genootschap.  1868. 

—  Nederlandsch  meteorologisch  Jaarbock  voor  1868.  XX.  1.  1868. 

—  Catalogus  der  archeologische  verzameling  van  het  Provincial  Utrechtsch 
genootschap.  1869. 

—  Verslag  van  het  verhandelde  in  de  allgemeeue  vergadering  van  het 
Provincial  Utrechtsch  genootschap.  1866. 

Venedig.  Atti  del  reale  instituto  Veneto.  XIV.  5-9.  1868-1869. 


87 

Venedig.  Memorie  del  regio  instituto  Yeneto.  XIV.  2.  1869. 
Washington.   Annual   repport  of  the  board  of  regents  of  the  Smith 
sonian  Institution.  1867:  1868. 

—  Annual  repport  of  the  commissiones  of  patents  for  the  year  1865.  2.  3. 

—  Patent  office  repport  1866.  I.  II.  m.  1867. 

Wein sb erg.  Württembergisch  Franken  Zeitschrift.  VII.  3.  u.  VIII.  1. 
1869. 

Wernigrode.  Zeitschrift  des  Harz- Vereines  für  Geschichte  und  Alter- 
thiunskunde.  n.  1. 

Wien.  Jahrbuch  des  Österreichischen  Alpen- Vereines.  V.  Mit  4  Kunst- 
beilagen  1869. 

—  Mittheilungen  der  k.  k.  Central-Commission  zur  Erhaltung  der  Bau- 
denkmale.  XIV.  Mai  bis  November  1869. 

—  Jahresbuch  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt.  XIX.  2.  Juli  bis 
September  1869. 

—  Verhandlungen  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt.  1—14.  1869. 

—  Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der  Statistik  von  der  k.  k.  Statist. 
Central-Commission  XV.  4.  Mi^i  Karten.  XVI.  1.  2.  1869. 

—  Tafeln  zur  Statistik  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie.  4.  1869. 
-   Die  feierliche  Sitzung  der  kaiserlichen  Academie  der  Wissenschaften 

io  Wien,  am  31.  Mai  1869. 

—  Kaiserl.  Academie  der  Wissenschaften  in  Wien.  1869.  Sitzungsberichte 
10-22. 

—  Jahrbücher  der  k.  k.  Central-Anstalt  für  Meteorologie  und  Erdmag- 
netismus   rV.  Jahrg.  1867.  1869. 

—  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von  Nieder-Oesterreich.  11. 
1.  12.  1868. 

—  Jahrbuch  für  Landeskunde  von  Nieder-Oesterreich.  II.  1869. 

—  Mittheilungen  der  Handels-  und  Gewerbekammer  in  Wien.  1869. 
58.  59.  60. 

—  Verhandl.  d.  Handels-  u.  Gewerbekammer  in  Wien.  333.  Sitzung.  1869. 

—  Verhandlungen  und  Mittheilungen  des  nieder-östeiT.  Gewerbe- Vereines. 
XXX.  21    36.  1869. 

—  Bericht  über  den  Handel,  die  Industrie  und  die  Verkehrsverhältnisse 
in  Nieder-Oesterreich  während  des  Jahres  1868. 

—  «Austria»*  Wochenschrift.  XI.  1859  und  XXI.  26-40.  1869. 
Zürich.    Neue   Denkwüi'digkeiten  der  allgem.   schweizerischen  Gesell- 
schaft für  die  gesammten  Naturwissenschaften.  XXHI.  Mit  26  Tafeln.  1869. 

—  Vierteljahrschrift  der  Naturforscher-Gesellschaft  in  Z.  XH.  1867.  XIII. 

—  Mittheilungen  der  antiquarischen  Gesellschaft  in  Z.  XXXH.  Mosaik- 
bild von  Orbe.  1868. 

6)  Als  Geschenk  von  den  Verfassern,  Verlegern  oder  Vereinen. 

Academie  der  k.  k.  Wissenschaften.  Reise  der  österr.  Fregatte 
Novara.  Antropol.   1.  Tbl.  1868.  Zoologischer  Theil  I.  1869. 

—  Die  Balearen  in  Bild  und  Wort.  Leipzig  bei  Brockhaus  1869. 
Geschenk  Seiner  kais.  Hoheit  des  Herrn  Erzherzogs  Ludwig  Salvator  von 
Toscana. 

Becker  M.  A.  Die  Fischer'schen  Eisenwerke  zu  St.  Egyd  am  Neuwald. 
Wien  1869. 

Bon  er  Charles.  Siebenbürgen  Land  und  Leute  (deutsche  Uebersetzung). 
Leipzig  1868. 

Bona  Am.  Dr.  Ein  freies  Wort  Über  die  kaiserl.  Academie  der  Wissen- 
schaften. Wien  1869. 

Brensing  Dr.  Gerhard  Kremer  gen.  Mercator  der  deutsche  Geograph. 
Duisburg  1869. 

Castilho  Magno  de.  Etudes  historico-geographiques.  I.  Lisboa  1869. 

Else  hing  &  Ant.  Kurzgefasste  Anleitung  zu  barometrischen  Nivel- 
lierungen mit  Quecksilber-  und  Metallbarometern.  Salzburg  1869.  Geschenk  des 
Verlegers. 


88 

Frauen feld  Bitter  von.  Zoologische  Miscellen.  Wien  1869. 

Haidingers  Wilh.  Ritter  von.  Das  k.  k.  montanische  Maseum  und 
die  Freunde  der  Naturwissenschaften  in  Wien  in  den  Jahren  1840  —  1860. 
1869.  Geschenk  des  Verfassers. 

Hellvald  Fr.  v.  Die  Russen  in  Centralasien.  Eine  geogr.  histor.  Studie. 
Wien  1869. 

Hunter  W.  W.  A  comjparative  dictionary  of  the  languages  of  India 
and  high  Asia  with  a  dissertation.  London  1868. 

Ludwig  Rudolf.  Versuch  einer  Statistik  des  Großherzogthnms  Hessen. 
Darmstadt  1868. 

Lauth  Dr.  Die  geschichtlichen  Ergebnisse  der  Aegyptologie.  Man- 
chen 1869. 

Moria n  Peter,  lieber  die  Grenzen  zwischen  Jura  und  Kreideformation. 
Basel  1866. 

Mfihry  Dr.  A.  Ueber  die  richtige  Lage  und  die  Theorie  des  Calmen- 
gürtels  auf  den  Contiuenten.  Wien  1869. 

Negri  Cristof.  Discorso.  Florenz  1869. 

Paucker  Dr.  Das  alte  Recht  der  Czechen.  Riga  1842. 

Prestel  Dr.  Das  Gesetz  der  Winde,  abgeleitet  aus  dem  Auftreten  der- 
selben über  N.  W.  Europa.  Emden  1869. 

Pierotti  Dr.  üne  caravane  pour  la  Syrie,  la  Ph^nicie  et  la  Palestina. 
Lausanne  1869. 

Rütimeyer  Prof.  lieber  Thal-  und  Seebiidung.  Beiträge  zum  Verständ- 
nis der  Oberfläche  der  Schweiz.  Basel  1869. 

Raemdonk  Dr.  J.  van.  G^rard  Mercator,  sa  vie  et  sas  oeuvres. 
St.  Nicolas  1869. 

Ruthner  Dr.  v.  Berg-  und  Gletscherreisen  in  den  österr.  Hochalpen. 
Neue  Folge.  Wien  1869. 

Schlesinger  Dr.  Ludwig.  Geschichte  Böhmens.  Herausgegeben  vom 
Verein  f&r  Gesch.  der  Deutschen  in  Böhmen.  Prag  1869. 

Sax  Emil  Dr.  Der  Neubau  Wiens.  Wien  1869. 

Sonklar  Carl  Edl.  v.  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  phys.  Geo- 
graphie. Wien  1868. 

Trautschold  H.  Rede  zur  Säcularfeier  .  Alexander  von  Humboldt. 
Moskau  1869. 

Varnhagen  de  F.  A.  Das  wahre  Guanahani  des  Golumbus.  1869. 

Ziegler  J.  M.  Ueber  das  Verhältnis  der  Topographie  zur  Geologie  bei 
Darstellung  v.  Gebirgskarten.  Winterthur  1869. 

e)  Karten. 

Von  Herrn  Prof.  Dr.  Guthe  in  Hannover.  Karte  des  Hangebirges, 
im  Auftrag  des  königl.  preußischen  Berg-  und  Forstamtes  zu  Clausthal.  Von 
£.  Auhagen.  1867. 

Von  Herrn  H.  Kiepert  in  Berlin.  Das  Flussgebiet  des  Drin  und 
des  War  dar,  Nord  -  Albanien  und  West-Macedonien.  Von  J.  G.  v.  Hahn. 
Berlin  1869. 

—  Geologische  Karte  der  Provinz  Preuüen.  Blatt  2  und  7. 

a)  Das  Gurische  Haff  nördl.  Theil. 

b)  Ost-Samland.  Berlin  1869. 

Vom  k.  k.  militär.-geographischen  Institut  in  Wien. 

—  Specialkarte  von  Ungarn.  20  Blätter.  1869. 

—  Karte  der  Umgebung  von  Triest.  22  Blätter.  1869. 

Von  Justus  Perthes  in  Gotha.  Stielers  Handatlas.  Jubelausg.  1869. 
•  Vom  Herrn    kais.  Rathe    Steinhauser.    Karte   der  europäischen 
Türkei   und  Griechenland  in  XXI.  Blättern  von  dem  k.   k.    Generalquartier- 
meisterstabe im  Jahre  1829. 

—  Idrografia  generale  del  mare  Adriatico  vom  k.  k.  geograph.  Institut 
in  Mailand  1825.  2  Blätter. 

Vom  Verein  für  Landeskunde  von  Niederösterreich.  Ad- 
ministrativkarte von  NiederöBterreich.  16  Blätter. 


89 

Von  Se.  k.  H.  dem  Herzog  Wilhelm  v.  Württemberg  aus  dem 
Bnreaa  des  nordamericanischen  Kriegs-Departement.  New-Tork  : 

1.  Saginaw  Bay  and  part  of  lake  Huron.  1860. 

2.  Northend   of    Green-bay,  the   Island,  at   the   entrance    of  the  lake 
Michigan.  1864. 

3.  West  end  of  Fond  da  lac  (Lake  superior)  embracing  superior  St.  Louis 
tDd  AHocT  bay.  1861. 

1  i^orth  east  end  of  lake  Michigan  including  grand  and  little  Traversy 
bty.  1868  (doppelt). 

5.  Genenü  Charte  of  lake  Huron.  1860. 

6.  Straits  of  ICackinae  1864. 

7.  North  end  of  lake  Michigaa,  including  the  Beayer  island  group.  1855. 

8.  Lake  Erie.  1861. 

9.  Harbors  of  refuge  (Lake  Huron).  1858. 

10.  Portage  lake  and  river.  1863. 

11.  Lower  reach  of  Saginaw  rlTer.  1856  (doppelt). 

12.  Harbors  of  refuge  (Lake  Huron).  1858. 
18.  Portage  lake  and  river.  1863. 

14.  River  of  St.  Marie.  1857.  No.  2  1859. 

15.  L'Anse  portage  entry  of  Lake  superior.  1856. 

16.  Kelley's  and  Bass  islands   Erie).  1849. 

17.  St.  Clairs  flats.  1857. 

18.  Mamee  bay.  1857. 

19.  Marquette  harbor  (Lake  sup.).  1859. 

20.  Eagle  river  (Lake  sup.).  1858. 

21.  Ontonagon  Harbor  (Lake  sup.).  1860. 

22.  West  end  of  lake  Erie  and  Detroit  river.  1861. 

23.  Grand  Island  and  its  approches  (Lake  sup.).  1859. 

24.  East  Neebish  Rapids  (River  St.  Marie .  1861. 

25.  Tawas  Harbor  (Lake  Huron).  1856. 

26.  Buffialo  Harbor  (Nigarra  river  i.  1856. 

27.  Thunder  bay  (Lake  Huron).  1858. 

28.  South  end  of  lake  Huron.  1859. 

29.  Head  of  Green  Bay  and  Fox  river.  1853. 

30.  Gopper  Harbor. 

31.  Agate  Harbor  (Lake  sup.).  1861. 

Von  Herrn  Ziegler  in  Palmgarten  bei Winterthur.  Plan  von 
Neu- Guatemala  von  Fuchs  y  Donzel  (spanisch).  Winterthur  1869. 

—  Plan  der  Stadt  und  Umgebung  v.  Jerusalem  nach  der  englischen 
Aufnahme  von  1864-65  durch  Gapt.  Charles  Wilson.  Winterthur  1869. 

—  Dieselbe  Karte  geologisch  aufgenommen  v.  D«  Oscar  Fr  aas.  Winter- 
thur, Wurster  &  Comp.  1869. 

—  Carte  du  canton  de  Gen^ve,  rednction  d'aprte  la  carte  du  g^neral 
Dnfour.  Graf  Briquet  fils.  1869. 

—  Tenerim^  entworfen  v;^  G.  Härtung,    v.  Fritsch  et  Weiss   mit  Er- 
kllrungsblatt.  Winterthur,  Wurster.  1869. 

—  Karte  des  Cantons  Glarus.  2  Blätter.  Winterthur.  Wurster.  1869. 
Von  Herrn  Grafen  v.  Zichy.  Karte  v.  Japan.  Orig.-Zeichn.  u.  Text. 
~  North  America  a  working  map  for  illnstrating  the  geographical  distri- 

bation  of  live.  Boston  1869. 


Geographische  Literatur. 

Generalkarte     der     europäischen    Türkei    und     von 

Griechenland    von  Jos.  Ritter  von  S  c  h  e  d  a,  k.    k.    Oberst     In 

13  Blättern,  worimter  ein  Plan  von  Constantinopel.  Wien  1869. 

Karten    der    Türkei,   d.    i.    eines   Ländercomplexes,     der   von   allen 
indem  in  Europa  gelegenen  am  wenigsten  kartographisch  feststeht,   werden 


90 

bei  jeder  Anregung  politischer  und  statistischer  Fragen  sehnsüchtig  begehrt 
und  halten  fast  nie  mit  dem  Bedürfnisse  Schritt.  Das  fortwährende  tropfen- 
weise Auftauchen  neuer  localer  Aufnahmen  l&sst  die  Autoren  nicht  zum  ruhi- 
gen Abschluss  kommen ;  bis  zum  letzten  Momente  winl  verbessert,  und  glaubt 
man  endlich  sich  am  Ziele,  so  wächst  während  des  Druckes  abermal  neues  Mate* 
rialezu,  und  die  mühevolle  Arbeit  ist  auf  solche  Art,  kaum  fertig,  schon  stellen- 
weise veraltet.  Es  ist  dies  ein  Schicksal,  das  die  Kartographen  bei  Africa  stets 
verfolgt  und  in  den  Regionen  der  Balkanhalbinsel  nicht  minder.  Diesem  Ge- 
schicke entgieng  auch  Oberst  R.  v.Schieda  nicht ;  kaum  ist  der  Druck  seiner  Karte 
l)eendet^  so  drohen  die  neuen  Recognoscieningen  des  Innern  behufis  der  Eisen- 
bahntracen  die  Situation  an  vielen  Orten  zu  verändern,  und  zwar  in  namhaftem 
Umfange.  Gewiss  ist,  dass  der  Autor  redlich  bemüht  war,  die  besten  Materialien 
zu  erlangen,  und  die  erlangten  bestens  zu  benützen;  aber  in  einem  Lande, 
wo  es  so  wenig  Puncte  gibt ,  deren  Lage  genau  festgesellt  ist  und  an  welche 
man  Aufnahmen  a  la  vue  und  Itinerarien  zuversichtlich  anknüpfen  kann,  ist 
die  Verwertung  mancher  Zeichnungen  und  Berichte,  wo  nicht  unthunlich, 
doch  schwierig  und  unsicher.  Im  Innern  der  Türkei,  um  den  Schardagh  und 
West-Balkan  herum,  gibt  es  nur  Routenkarten,  hervorgerufen  durch Recognos- 
cierungsausflüge  österreichischer  und  russischer  Officiere,  die  nur  Streifen  Lan- 
des darstellen,  und  die  dazwischen  liegenden  Gegenden  als  leere  Räume  er- 
scheinen lassen.  Flussläufe,  Bergketten  müßen  in  solchen  Lücken  nach  Er- 
messen ergänzt  werden,  und  steht  dem  Kartographen  nur  bei  Flüssen  und 
Bächen  ein  Zeichen  zu  Gebote,  um  die  bestimmten  Umrisse,  die  er  denselben 
geben  muß,  als  ungewiss,  hypothetisch  hinzustellen.  Wer  je  in  Bearbei- 
tung solcher  Karten  Erfahrungen  gesammelt  hat,  erhebt  nicht  leicht  einen 
Tadel,  wenn  später  Unrichtigkeiten  entdeckt  werden,  da  er  sehr  gut  weiß,  dass 
in  gar  vielen  Fällen  weder  Unkenntnis,  noch  Oberflächlichkeit  und  Mangel  an 
Kritik  die  Schuld  tragen. 

Diese  Vorbem  erkungen  möge  man  nur  als  allgemeine  Abwehr  unbilliger 
Zumuthungenbei  allen  Arbeiten  ähnlicher  Gattung  gelten  lassen,  wobei  noch  zu 
bedenken  ist,  dass  nicht  jeder  Autor  in  der  Lageist,  alle  vorhandenen  Behelfe 
zur  Benützung  erhalten  zu  können,  selbst  solche,  deren  Existenz  ihm  bekannt 
geworden.  Zur  Bearbeitung  der  vorliegenden  Karte  dienten  alle  Materialien  aus 
dem  Bereich  des  österreichischen  Generalstabs ,  eine  Anzahl  russischer  Aufnah- 
men, Consularberichte,  endlich  Itinerarkarten,  z.  B.  von  Hahn,  Visquenel,  endlich 
die  bisherigen  besten  Karten  für  Griechenland,  Kreta,  den  Archipel  und  die 
angränzenden  Länder.  Der  Plan  von  Constantinopel  ist  nach  Stolpe  sehr  genau 
reduciert,  die  Umgebung  nach  Moltke.  Der  Maßstab  von  1  zu  864,000  der 
Natur  ( ^=^  demjenigen  der  Fallon'schen  Karte  der  österreichischen  Monarchie) 
lässt  so  viel  Detail  zu,  dass  die  Karte  für  viele  Zwecke  als  Specialkarte  wird 
dienen  können  Da  sie  bis  zum  35.  Grade  der  Breite  hinab  reicht,  so  ent- 
hält sie  auch  Kreta  und  die  übrigen  türkischen  Inseln  des  Archipels.  (Ghios, 
Samos,  etc.),  die  auf  vielen  Karten  der  europäischen  Türkei  fehlen.  Die  Aus- 
führung ist  nett;  das  geschummerte  Terrain  verliert  zwar  immer  durch  den 
Umdruck  an  Schärfe  und  Weichheit  und  kann  sich  überhaupt  mit  einem  meister- 
haften Stiche  nicht  messen,  doch  genügt  es  für  den  Zweck  vollkommen.  Ent- 
spricht es  an  einigen  Stellen  nicht,  so  vergesse  man  nicht,  dass  die  Zeichner 
auf  Stein  arbeiten  und  der  plastische  Ausdruck  durch  Aetzen  und  Druck 
unliebsame  Veränderungen  erleiden  kann.  Ganz  verfehlte  ZeichnuBg  aber  ist 
in  der  Regel  den  unrichtigen  oder  unverständlichen  Originalen  auf  die  Rech- 
nung zu  schreiben,  denn  nicht  immer  findet  sich  der  Kartogranh  in  der  Lage. 
Irrthümer  der  Originale  entschieden  zu  erkennen  und  nach  suojectiver  Ueber- 
zeugung  zu  verbessern.  Wenn  Scheda's  Karte  als  Ganzes  aufgefasst  wird,  so 
kann  sie  nur  mit  Achtung  begrüßt  werden;  sie  wird  den  Vergleich  mit  der 
nächstens  erscheinenden  zweitenAuflage  von  H.  Kieperts  Karte  in  vier  Blättern 
nicht  scheuen  dürfen,  und  sonach  noch  weniger  mit  einer  andern.  Gewiss 
enthält  sie  Fehler,  vielleicht  große  Fehler,  aber  welche  andere  ist  frei  davon  ? 
Man  könnte  fast  eine  Wette  eingehen,  dass  andere  Karten,  die  zum  Vergleiche 
herangezogen  werden,  stellenweise  an  richtiger  Darstellung  die  Scheda'sche 
Karte  überflügeln  können,  wogegen  dieselben  ebenfalls  wieder  stellenweise 
gegen   diese  zurückstehen  werden,  je  nachdem  der  eine  oder  der  andere  Autor 


91 

80  glücklich  war,  besseres  Materiale  benutzen  zu  können.  Jede  Karte,  welche 
bei  ihrer  Ausarbeitung  besondere  Schwierigkeiten  bietet,  sollte  von  einem 
Memoire  begleitet  sein,  welches  die  Quellen  nennt,  aus  welcher  Zeichnung 
Angaben,  Schreibung  der  Namen  etc.  geschöpft  wurden;  das  wäre  nöthig,  um, 
Torschnelle  ungerechte  Urtheile  zu  vermeiden,  um  jene  Regionen  kennen  zu 
lernen,  wo  man  noch  im  Unklaren  schwebt  und  schweben  muß,  um  das  kriti- 
sche Verdienst  des  Autor's  und  den  Wert  des  geleisteten  richtig  würdigen 
zu  können. 

Die  Karte  lässt  sich  zu  einem  schönen  Tableau  zusammenfügen,  und 
würde  der  Autor  sich  vielleicht  bewogen  fühlen,  auf  zwei  Supplementsblättern, 
die  den  Rahmen  oben  ausfüllen,  einen  Plan  von  Athen  mit  Umgebung  (als 
Pendent  zu  Constantinopel)  und  Pläne  von  einigen  andern  wichtigen  Städten 
und  Häfen  oder  eine  Uebersicht  des  ganzen  türkischen  Reiches  folgen  zu  lassen, 
so  würde  seine  Karte  durch  zweckmäßige  Illustrationen  einen  neuen  Vorzug 
bekommen.  Die  Erhaltung  derselben  auf  dem  laufenden  darf  kaum  ange- 
zweifelt werden,  denn  Oberst  R.  v.  Scheda  hat  noch  nie  Anstand  genommen, 
die  kostspieligsten  Erneuerungen  auf  den  Blättern  seiner  großen  Karten 
(Üesterreichische  Monarchie,  Europa)  durchzuführen,  wenn  das  Erscheinen 
besserer  Materialien  das  Herausschleifen  und  Neustechen  ganzer  Partien 
nöthig  machte.  —  s  — 

Kartographische  Arbeiten  des  kgl.  ital.  Generalstabs. 

Unter  dieser  Aufschrift  findet  man  im  Bolletino  3"  der  ital.-geograph. 
Gesellschaft  eine  Uebersicht  der  Arbeiten  seit  der  Bildung  des  Königreiches 
Italien.  Sie  sind  eingetheilt  in: 

A.  Original  Arbeiten. 

1.  Allgemeine  Triangulierung  der  südlichen  Provinzen,  Sicilien  u.  Apulien 
eingeschlossen  (1862    1868). 

2.  Revision  einzelner  Theile  derselben  für  die  europäische  Gradmes- 
sung (1865). 

3.  Wiederaufnahme  der  Basismessung  bei  Foggia  (1864). 

4.  Detailtriangulierung  für  die  Militärkarte  im  großen  Maße  (1867). 

5.  Triangulierung  zu  gleichem  Zweck  von  Alessandria  bis  Mantua  und 
Cremona  (1863-1865^ 


6.  Schichtenaufnahme  von  Sicilien  in  "/»üqüo  (1862  —  nun  vollendet 


7.  Schichtenaufnahme  in  Vioooo  ^^^  Rayons  von  Ancona,  Bologna,  Spezia, 
Tarent,  Pizzighettone  und  Verlängerung  der  analogen  Karte  von  Alessandria 
und  Casale  bis  Piacenza  und  Cremona. 

8.  Theilweise  Terrainaufnahmen  zur  Verbesserung  der  österr.  Gen.-St.- 
Karte  der  Lombardie  (1862-1865). 

B.  Karten. 

9.  Fortsetzung  der  piemontesischen  Karte  in  ^/soooo  ^^^  Stein. 

10.  Karte  von  Ober-Italien,  bis  zum  Parallel  von  Neapel,  in  6  Blättern, 
in  */mop<mi  als  Straßenkarte  (1861). 

12.  Ausdehnung  der  JECarte  der  alten  Staaten  von  Vasoooo  ^is  zur  Adria 
und  Florenz  (im  Stiche). 

13.  Reduction  mittels  Autographie  einer  Militär-Karte  von  Central-Ober- 
Italien  in  ^4,200  in  24  Blättern  von  Brescia  bis  Vicenza  und  von  Riva  am 
G«-da-See  bis  Guastalla  (1859). 

14.  Reproduction  der  österr.  Manövrierkarte  des  Mincio  in  ^/jiaoo  ™i* 
8  neuen  Blättern  vermehrt  im  Jahre  1862  (Nun  29  Bl.) 

15.  Reproduction  der  österr.  Gen.  -  St.  -  Karte  der  Lombardie,  Venedig, 
Parma,  Modena  und  Mittel-Italien  (1859-1865). 

16.  Zeichnung  einer  Karte  der  Gegenden  zwischen  Po  und  Donau  in 
25  Bl.  '/ujKooo  ^0^  München  bis  Cremona  und  von  Brescia  bis  Agram,  und 
Reproduction  derselben  mittels  Autographie  (NB.  14,  15,  16  nur  zu  militär. 
Gebrauche.) 

17.  Zwei  Manövrier  karten  in  \'soooo  ^^n  Somma  in  9  und  11  Bl. 


92 

Nach  den  ursprünglich  festgestellten  Principien  wurde  bei  der  Karte 
von  Sicilien  in  45  Bl.  das  Terrain  mit  Curven  von  10  Meter  Abstand  aufge- 
nommen. Für  ein  Blatt  von  50  X  €0  Centimeter  (==  875  □  Eilom.)  wurden 
28  bis  30  gemessene  Höhenpuncte  für  genügend  erklärt.  Eine  Basis  wurde  nicht 
gemessen,  sondern  die  'Messungen  an  ein  Dreiecksnetz  des  neapolitanischen  Ge- 
neralstabs angeknüpft.  Die  verwendeten  Instrumente  waren  von  Gsunbey, 
5  Zoll  waren  bei  Visuren ,  */ioooo  der  Länge  als  Fehler  geduldet.  Von  1863 
an  wurde  eine  größere  Genauigkeit  angewendet.  Es  wurde  eine  Basis  bei 
Catanea  gemessen  und  die  Triangulation  darauf  basiert.  Neue  Instrumente  mit 
Mikroskopen  kamen  in  Verwendung.  Nur  die  Provinz  Trapani  wurde  noch 
offen  gelassen,  weil  dort  versucht  werden  wird,  die  Triangulierung  bis  Africa 
fortzusetzen.  Bei  der  im  Jahre  1865  beendeten  Triangulierung  Siciliens  wurden 
etwa  900  Puncte  verschiedener  Ordnung  gemessen,  die  Fehler  auf  ^I^moo  ^^ 
Länge  eingeschränkt. 

Nach  1866  wurde  die  Triangulierung  über  Calabrien  fortgesetzt  und  in 
Apulien  von  der  Basis  bei  Foggia  aus  begonnen  und  mit  der  österr.  Messung 
in  Dalmatien  in  Verbindung  gesetzt. 

Mangel  an  Personale,  Kriege  Epidemien  und  die  Barbarei  der  Bevölkerung 
hinderten  eine  rapide  Beschleunigung  der  Arbeiten,  doch  ist  die  Karte  von 
Sicilien  fertig  geworden.  Zur  Vervielfältigung  wird  die  Helioj^raphie  angewendet, 
und  hat  Oberst  Avet  damit  überraschend  gute  Erfolge  erzielt.  Die  Karte  von 
Neapel  kann  vor  5—6  Jahren  nicht  fertig  werden.  Diese  Lücke  ist  vorläufig 
durch  eine  im  topographischen  Archive  aufgefundene  Karte  ausgefüllt,  die 
zwar  im  Gerippe  von  Zanoni's  Karte  wenig  abweicht,  aber  ein  sehr  ausdrucks- 
volles Terrain  hat,  das  von  österr.  Ofücieren  in  den  Jahren  1821  bis  1825  ein- 
gezeichnet wurde,   lieber  ihre  Veröffentlichung  wird  eben  berathen. 

Im  Jahre  1869  wurde: 

A.  Die  Triangulierung  in  Apulien  und  Calabrien  fortgesetzt  und  23  Dreiecke 
erster  Ordnung  für  die  Gradmessung  ausgewählt,  das  Terrain  auf  12.000  D  Kil. 
vorbereitet,  und  die  Messung  über  das  Meer  auf  Dalmatien  anzuschließen 
begonnen. 

B.  Von  Sicilien  wurde  das  restierende  Achtel  der  Aufnahme  in  Vsoooo 
vollendet,  besonders  wichtige  Gegenden  in  ^35000- 

C.  Zur  Gopierung  gelangten  15  Blätter  der  Karte  von  Sicilien,  und 
photographisch  vervielfältigt  wurden  4  Bl.  Das  vorletzte  Blatt  der  piemon- 
tesifichen  Karte  (das  90.)  wurde  auf  Stein  graviert.  . 

Das  letzte  wird  die  Zeichenerklärung,  die  Positions-  und  Höhenbestim- 
mungen enthalten.  Ein  provisorisches  Militär-Itinerar  ist  gedruckt,  und  an  ein 
allgemeines  definitives  für  die  Behörden  bereits  Hand  angelegt.  Endlich  wer- 
den Platten  und  Steine  der  ausgegebenen  Kartenblätter  bezüglich  der  Straßen 
und  Wasserläufe  auf  dem  Laufenden  erhalten.  —  g  ~ 


Notizen. 

Aus  Sibirien.  Unser  Mitglied,  Hr.  Friedrich  von  Hellwald,  hat  von 
Hrn.  Dr.  Wilhelm  Radi  off,  Professor  an  der  Bergacademie  zu  Bamaul  in 
Westsibirien,  ein  Schreiben  ddo.  26.  October,?.  November  1869  erhalten,  dem 
wir  nachstehenden  Passus  entnehmen : 

^Doch  jetzt  will  ich  zu  einer  der  Fragen  übergehen,  die  Sie  veranlaüt 
hat  sich  an  mich  zu  wenden,  das  ist  zu  der  Civilisationsfähigkeit  der  von  mir 
besuchten*)  Eingebornen  Mittelasiens.  Die  Frage  über  die  Colonisation  will 
ich  in  einem  späteren  Schreiben  beantworten. 

Die  Völker  des  nördlichen  Theiles  von  Westasien  d.  h.  des  eigentlichen 
Sibiriens  sind  für  unsere  Civilisation  durchaus   unzugänglich.    Wenigstens  in 

*)  Nach  einer  Mittheilung  desselben  Briefes  hat  Dr.  Radi  off  im  Jahre 
1868  Turkistan  besucht  und  ist  daselbst  bis  nach  Samarkand,  Katty  Kurgän 
und  Katyoschv  vorgedrungen;  1869  beschuchte  er  den  Tschui  und  die  male- 
rischen Ufer  des  Isuk-Kul  Sees. 


93 

diMem  Augenblicke  itt  es  leider  so.  Ee  sind  wol  in  keinehn  Lande  lo  viele  Ver- 
sehen gegen  die  nationalOconomischen  Forderungen  gemacht  worden  wie  in 
Sibirien,  nnd  so  sind  die  eigentlichen  Bewohner  Sibirien's  ebenso  zersprengt 
and  vernichtet  worden,  wie  die  Urbewohner  America's.  Zwar  sind  die  sibirischen 
Vdlkerschaften  mit  Ausnahme  der  Samojeden,  Os^aken  und  Thungusen  weit 
leichter  ansässig  zu  machen  als  die  Indianer  America 's,  aber  die  Lebenskraft 
dieser  Völkchen  und  Stämmchen  ist  geschwunden,  und  so  sterben  sie  jetzt 
nadi  und  nach  aus.  Das  konnte  ich  im  Jahre  1864  auf  meiner  Reise  am 
mittleren  Irtisch  d.  h.  zwischen  Tara,  Tobolks  und  Tümen  so  recht  deutlich 
beobachten.  Die  hier  eigentlich  ansässigen  Tartaren,  die  einst  hier  die  reichen 
Waldstrecken  bewohnt ,  haben  sich  jetzt  zu  den  Ufern  der  großen  Flflße 
gezogen,  bewohnen  hier  kleine  Dörfchen,  Krankheiten  und  Hunger  decimieren 
ne,  während  die  umwohnenden  russischen  Dörfer  trotz  Viehseuchen  und  Miü- 
wachs  der  letzten  Jahre  sehr  reich  sind.  Dabei  muß  bemerkt  werden,  dass 
die  russischen  Dörfer  viel  weniger  Land  besitzen  und  meist  das  Ackerland  den 
Tartaren  pachten.  Dasselbe  kann  ich  von  den  Tartaren,  die  die  Barabinzische 
Steppe  und  die  Steppen  nördlich  vom  Altai  bis  zum  Fluße  Tom  bewohnen, 
and  von  den  Tscholyen-Tartaren  sagen.  Alle  diese  Stämme  sind  zersprengt  zwi- 
schen den  Russen.  Sie  haben  sich  zwar  zum  Theil  mit  den  Russen  vermischt 
und  bilden  dann  einen  sehr  strebsamen  Theil  der  russischen  Bevölkerung  in 
den  sogenannten  uxopodreckier  yüpabor  ^eingebornen  Verwaltungs- 
ämtern^.  Die  der  Vermischung  sich  widersetzenden  Theile  dieser  Einge- 
bomen sterben  aber  zusehends  aus^  in  ihren  schmutzigen,  theils  aus  Erdhütten 
S bildeten  Dörfchen.  Die  eigentlichen  altaischen  Bergkalmücken  sind  meiner 
einung  nach  g&nz  unzugänglich  für  Civilisation;  sie  ziehen  sich,  jemehr  die 
Russen  in  die  Thäler  des  Altai  eindringen,  destomehr  in  die  waldigen  und 
steinigen  Berge  zurück  und  verwildern  eher  durch  Berührung  mit  der  Givüi- 
lation  als  sie  von  der  Civilisation  ergriffen  werden.^ 

Die  Emptionen  des  Aetna  und  seine  HShe.  Im  Jahre  1864  wurde 
unter  Leitung  des  Oberst  De  Vecchi,  Chefs  der  technischen  Abtheilnng  des 
italienischen  Generalstabs,  die  Höhe  von  einigen  Puncten  des  Aetna  mit 
großer  Genauigkeit  auf  geodätischem  Wege  festgestellt.  Gleich  damals  war 
es  die  Absicht  De  Vecchi' s,  diese  Messungen  von  Zeit  zu  Zeit  zu  wiederholen, 
am  eine  durch  die  vulcanische  Thätigkeit  des  Berges  etwa  bewirkte  Hebung 
oder  Senkung  constatieren  zu  können.  Schon  im  Jahre  1865  erfolgte  der  große 
Ausbruch,  einer  der  bedeutendsten,  deren  die  Geschichte  erwähnt.  Als  sich 
daher  1868  der  Major  Pollano,  welcher  die  Arbeiten  für  die  Generalstabs- 
Karte  von  Sicilien  leitete,  an  Ort  und  Stelle  befand,  wurden  jene  Messungen 
nut  denselben  Instrumenten  und  nach  derselben  Methode  zum  zweiten  Male 
Torgenommen  und  man  fand  dabei  folgende  Resultate 

Gemessene  Puncto  Höhe  im  J.  1864   Höhe  im  J.  1868 

Boden  des  Torre  del  Filosofo    .    .    2917.24  Meter,      2917.69  Meter, 
Thürschwelle  der  Casa  inglese  .    .    2942.06      „  2942.89      „ 

Höchster  Punct  des  Krater-Randes    3313.13      .  3313.32      ^ 

Diese  Differenzen  (resp.  0.45,  0.83  und  0.19  Meter)  sind  so  gering,  dass 
sie  nach  De  Vecchi's  ürtheil  innerhalb  der  Fehlergrenze  der  Messungen  liegen, 
der  Ausbruch  von  1865  hat  daher  eine  messbare  Veränderung  in  der  Höhe  des 
Aetna  nicht  hervorgebracht,  obgleich  die  Meinung,  die  höchste  Spitze  habe  seit 
einigen  Jahren  merklich  an  Höhe  abgenommen,  unter  den  Ftlhrern  verbreitet 
ist  und  auch  von  Dr.  Gemellaro,  dem  ausgezeichneten  Beobachter  des  Aetna, 
getheilt  wurde.  (Bollettino  della  Societä  geografica  italiana,  Sept.  1869,  p.  67.) 
Ein  th&tiger  Volean  an  den  Quellen  des  Euplirat  *).  Seit  lange 
kennt  man  die  vulcanische  Natur  des  am  Nord-Üfer  des  Wan-See's  über 
10.000  Fuß  sich  erhebenden  Sipan-Dagh,  mehrere  Reisende,  im  Jahre  1857 
aach  Consul  Dr.  Blau  (s.  Geogr.  Mittheil.  1863,  Tafel  7i,  fanden  an  seinem 
Fuße  Lava-Stücke  und  anderes  vulcanisches  Gestein,  er  ist  aber  aller  Wahr- 
icheinlichkeit   nach    erloschen.    Dagegen  entdeckte  der  Britische   Consul  zu 


*)  Nach  einem  Briefe  von  T.  K.  Lynch  in  den  Proceedings  of  the  R. 
Geogr.  Soc.  of  London,  Vol.  XIÜ,  Nr.  ul.,  p.  243,  aus  Petennann's  Geogr. 
Mittheilungen. 


94 

Erzenim,  J.  G.  Taylor,  in  allernenester  Zeit  nordöstlich  vom  Wan-See,  auf  dem 
halben  Wege  zwischen  Beigir  Kalch,  einer  alten  Armenischen  Stadt  auf  den 
Hügeln  beim  nordöstlichen  Ende  des  See's  und  Dijadin  am  Murad-Flu6 ,  einen 
th&tigen  Vulcan,  Namens  Sunderlik-Dagh,  d.  h.  Ofen-Berg,  von  dessen  Exi- 
stenz man  bisher  Nichts  wußte.  Hauch  stieg  langsam  aus  seinem  Krater  auf 
und  ein  rumpelndes  Getöse  ließ  sich  in  der  Erde  hören,  an  das  verhängnis- 
volle Stöhnen  erinnernd,  das  dem  grossen  Ausbruche  des  Vesuv,  der  Hercu- 
lanum  zerstörte,  vorausgegangen  sein  soll. 

Ferner  fand  Taylor  das  ganze  Bett  und  Thal  des  Murat  in  der  Gegend 
von  Dijadin  voll  thätiger  Schwefel-Geyser,  die  zu  heiß  fOr  die  Hand  8  bis 
10  Fuß  hoch  springen  und  immer  wieder  eben  so  schnell  verschwinden,  wie 
sie  hervorbrechen. 

"Der  Suezcanal  und  Brlndisi.  Die  große  Yerkehrssteigerung,  welche  in 
Folge  der  Eröffnung  des  Suezcanals  für  Brindisi  erwartet  wird,  führte  in  dieser 
zukunftsreichen  italienischen  Seestadt  zu  großartigen  neuen  Hafenanlagen, 
welche  nunmehr  als  ziemlich  beendigt  geschildert  werden.  Dort  wo  vor  wenigen 
Jahren  kaum  ein  Trabfücel  landen  konnte,  werden  künftig  die  größten  Schiffe 
ankern  und  der  umgestaltete  Hafen  wird  selbst  dann  auf  Jahre  hinaus  genügen, 
falls  sich  alle  an  den  Suezcanal  geknüpften  Hoffnungen  erfüllen  sollen.  —  Das 
indische  Supplementar-Postfelleisen  via  Brindisi  legt  den  Weg  von  London- 
Alexandrien  m  145  Stunden,  20  Minuten  zurück,  wovon  auf  die  Reise  London- 
Brindisi  63  Stunden,  35  Minuten  entfallen.  F.  K. 

Zur  Oesehichte  des  Ganais  tob  Suez.  Eine  interessante  Hinweisung 
auf  die  Schicksale  des  Canals  finden  wir  in  der  circa  1480  gedruckten  ^Geo- 
graphia  di  Francesco  Berlinghieri  fiorentino  in  terza  rima  et  lingua  tos- 
cana  distincta  con  le  sue  tavole  in  varii  siti  et  provincie  secondo  la  geographia 
et  distinctione  dele  tauole  di  Ptolomeo 

Segnita  el  decto  sito  de  Egypto.  Cap.  YH. 

Nello  Arabico  seno  omai  uedrassi 

ogni  &  qualunque  sito  in  dito  &  degno 

se  dopo  il  seno  interior  trapassi. 

Yedi  Arsinoe  che  capo  fu  del  regno 

d'arabia  nabatea  tra  il  nilo  &  rosso 

golfo  arabico  posto  che  hör  ne  insegno. 

Lopera  di  nechao  monstrar  ti  posso 

da  foce  di  pelusio  insino  al  seno 

d'arabia  inchominciato  quel  grau  fosso. 

Et  dario  re  de  persi  anchor  non  meno 

uolendolo  finire  funne  aduertito 

che  inunderebbe  il  mare  tutto  il  terreno. 

Sendo  piu  passo  tutto  egypto  sito 

che  l'arabico  sen  lasico  lampresa 

del  fosso  incominciato  &  non  finito. 

Poi  la  prefata  fossa  fu  distesa 

da  ptolemeo  il  quäl  la  disiaua 

in  piu  comodo  luogho  &  con  piu  spesa 

Elnume  apriua  quando  nauigaua 

usata  lochiudeua  &  ilnome  uolle 

fusse  dallui  &  insino  arsinoe  andaua  etc. 
Brenner's  ostafrleanisehe  Expedition,  deren  Zustandekommen  nach 
Ueberwindung  von  mancherlei  Hindernissen  nun  doch  als  gesichert  zu  betrach- 
ten ist,  wird  am  10.  December  d.  J.  unter  österreichiBch-unganscher  Flagge 
von  Triest  ab  in  See  gehen.  Das  hiefür  gechartete  Schiff  ist  ein  Schooner  von 
120  Tonnen,  von  einem  erfahrenen  Capitän  geführt  und  mit  auserlesenen 
(dalmatinischen)  Matrosen  bemannt;  es  hat  auch  eine  kleine  Dampf-Barcasse 
an  Bord,  um  sich  im  Rothen  Meere  nöthigenfalls  remorquiren  zu  lassen.  Durch 
Yermittelung  des  Professors  Petermann  in  Gotha  sind  der  Expedition  von  der 
englischen  Admiralität  die  besten  und  genauesten  Karten  des  Rothen  Meeres 
und  des  indischen  Oceans  übermittelt  worden.  Im  Einvernehmen  mit  der  Han- 
delskammer in  St.  Gallen  und  in  Yerbindung  mit  österreichischen  Industriellen 
hat  sich  Herr  Escher  in  Triest  bestimmt  gefunden,  für  diesen  ersten  Export- 


95 

Tennch  nach  Ostafrica  eine  ansehnliche  Menge  österreichischer  Erzeugnisse 
ans  dem  Hinterlande  zu  beziehen,  damit  den  eingebomen  der  africanischen 
Ostkttste  möglichst  vieles  angeboten  und  der  Beweis  geliefert  werden  könne, 
wie  leicht  Gestenreich  im  Stande  sei,  auf  dem  Wege  des  Suez-Canals  ihre  Be- 
dürfnisse um  billigen  Preis  zu  decken.  Zu  diesem  Ende  führt  die  Expedition 
Waaren  aus  verschiedenen  Theilen  der  Monarchie  mit  sich,  insbesondere  Glas- 
perlen und  bunte  Baumwollwaren  aus  Böhmen,  Wein  aus  Dalmatien,  Stahl 
and  Eisen  aus  Steiermark,  Mehl  aus  Görz,  Tuche  aus  Keichenberg,  Eisen-  und 
Messingdraht,  Seifen  und  Kerzen,  Kurzwaren  und  Streichhölzer  aus  Wien 
a.  s.  w.  Ueber  den  Erfolg  der  Reise,  welche  durch  Vornahme  von  Messungen, 
Aufnahmen,  Lothungen  u.  dgl.  auch  dem  wissenschaftlichen  Interesse  dienen 
soll,  hat  Herr  Brenner  der  k.  k.  Regierung  die  Vorlage  von  Berichten  zugesagt. 
Kameele  als  TranspoTtnüttel  in  Europa.  Der  schlechte  Zustand  der 
Straßen  in  der  Türkei  enaubte  bisher  nui*  die  Verwendung  von  Pferde- 
caravanen  und  der  altgewohnten  schwerfälligen  von  Büffeln  und  Ochsen  gezo- 
genen Holzwä^en,  an  welchen  oft  nicht  ein  Stückchen  Eisen  zu  entdecken  ist, 
als  ausschließliche  Transportmittel.  Auf  der  großen  Jahresmesse  in  dem  bul- 
garischen Flecken  Perlepe  (6  Stunden  von  Monastir  entfernt)  erschienen  in 
diesem  Jahre  zum  erstenmale  Kameelcaravanen,  welche  nicht  geringes  Auf- 
sehen erregten.  F.  K. 

Banmwollenbau  in  Maeedonlen.  Wie  schon  früher  einmal  dürfte  auch 
dieses  Jahr  der  Baumwollenbedarf  die  reichen  Gebiete  am  Vardar,  die  Gouver- 
oements  von  Seres,  Drama  und  Thessalien  vor  dem  öconomischen  Ruine  retten. 
Infolge  der  übermäßigen  'MJArz-  und  Aprilregen  litten  die  Cerealien  der- 
artig, dass  die  Ernte  beinahe  um  den  halben  Ertrag  gegen  früheren  Sommer 
zarückgeblieben  und  die  Ausfuhr  sich  auf  ein  Minimum  reducierte.  Die  Baumwoll- 
ernte war  jedoch  eine  äußerst  ergiebige  und  dürfte  dem  schwergetroffenen 
Macedonien  und  Thessalien  wol  mit  10—12  Millionen  Ghilden  zu  Hilfe 
kommen.  F.  K. 

Strafisenmang«!  In  der  Türkei.  Die  Handels-  und  Consulatsberichte 
aus  der  Türkei  enthalten  eine  stehende  Klage  über  die  auffallende  Vernach- 
lässigung der  großen  Verkehrsstraßen  in  den  türkischen  Provinzen.  Auf  Mithad 
Pascha's  Anregung  ist  wol  etwas  in  dieser  Richtung  in  den  letzten  fünf  Jahren 

geschehen,  das  meiste  ist  aber  noch  zu  thun.  Namentlich  leidet  Oesterreichs 
andel  und  Schiffahrt  unter  diesen  Verhältnissen.  Würde  z.  B.  eine  fahrbare 
Straße  von  Antivari  über  Scutari  nach  Prisrend  hergestellt,  so  könnte  diese 
bedeutende  Handelsstadt  und  das  weiter  mit  ihr  in  Verbindung  stehende  Ver- 
kehrsgebiet von  Triest  aus  mit  Waren  versehen  werden,  während  es  jetzt 
dieseloen  aus  englisch  -  französischen  Häfen  auf  dem  weiten  Umwege  über 
Salonjk  bezieht.  Energisch  betriebene  StraßenlNiuten  sind  die  erste  Bedingung 
fär  die  Rentabilität  der  projectierten  türkischen  Bahnen  —  möchte  die  tür- 
kische Regierung  sich  dessen  bewnsst  werden.  F.  K. 

Indo-enropKiseher  Telegraph.  Die  indo- europäische  Telegraphenlinie, 
Eigenthum  einer  englisch-deutschen  Actiengesellschaft  und  Werk  des  berühm- 
ten deutschen  Technikers  Dr.  Siemens,  soll  von  Neujahr  ab  dem  Verkehre  über- 
geben werden.  Der  Dienstbetrieb  der  Linie  erfolgt  von  London  (via  Emden 
und  Berlin)  bis  Warschau  auf  den  Staatsleitungen,  von  hier  aber  auf  den 
Drähten  der  Gompagnie  (via  Schitomir,  Bereditschewsk,  Odessa,  Nicolayew, 
Kertsch ,  Suchumkale,  Tiflis)  bis  Tauris.  Von  Tauris  besorgt  eine  indische  Gre- 
sellschaft  die  weitere  Depeschenbeförderung  meist  per  Marinekabel.  Man  hofft 
jedoch  die  Leitung  später  auf  dem  Landwege  nach  Indien  zu  führen;  ferner 
dass  auch  ein  directer  Verkehr  der  wichtigsten  Zwischenstationen  mit  Indien 
ermöglicht  werden  wird,  da  nach  den  abgeschlossenen  Verträgen  gegenwärtig 
nur  die  beiden  Endpuncte  der  riesigen  Linie  direct  mit  einander  corre- 
spondieren  dürfen.  F.  K. 

Die  Angora-Ziege.  Ueber  die  Angora-Ziege  berichtet  Lieutenant 
Goldsmid  (Transactions  of  the  Bombay  geographical  society),  dass  sie  eine 
kleine  Art  von  Ziege  sei,  welche  in  der  Umgegend  von  Angora  sehr  häufig 
vorkömmt.  Sie  gedeiht  nur  in  einem  umschriebenen  Umkreis  und  zwar  zwischen 
dem  westlichen  Ufer  des  Kizil-lrmak  und  Servi-Hissar.  Letzterer  bildet  den 
südlichsten  Ponct,    während  das  schwarze  Meer  als  der  nördlichste  des  Vor- 


96 

kommens  gelten  kaoD,  so  dass  eine  Augdehnung  von  etwa  500  engl.  Quadrat- 
Meilen  als  ihre  Heimat  angenommen  werden  kann.  Selbst  an  das  östliche 
Ufer  des  KiziMrmak  versetzt,  degeneriert  sie  und  verkümmert.  Diese  Ziege 
gibt  beiläufig  2Va  Pfund  jährlich  Wolle  und  das  6esanm)terzeugnis  wird  auf 
1  Mil.  Pfiond  geschätzt,  wovon  man  etwa  Vt  ^^  cler  Heimat  zu  feinen  Geweben 
und  Filzen  verwendet,  während  die  größere  Menge  in  Export  meist  nach 
Holland  gelangt.  (Auch  in  vielen  Gegenden  Persiens  gibt  es  Ziegen  mit  vor- 
trefiflicber  Comelot- Wolle,  besonders  in  der  Gegend  von  Homadan,  Kirman  und 
Meschhed,  man  nennt  das  Thier  dort  zu  Land  Murgus,  ein  großer  Theil  der 
Wolle  wird  via  Bender-Abbas  nach  Indien  exportirt.)  Dr.  Polak. 


Jahresversammlung 

der  geographischen  Gesellschaft  am   14.  December  1869. 

Der  Vorsitzende  Dr.  Ferdinand  von  Hochstetter  bezeichnet  als  neu 
eintretende  Mitglieder  die  Herren  Dr.  Ami  B  o  u  ^,  Mitglied  der  kais.  Academie 
der  Wissenschaften  und  bereits  Ehrenmitglied  unserer  Gesellschaft,  welcher 
auch  als  beitragendes  Mitglied  aufgenommen  zu  werden  wünscht.  —  Dr.  J. 
Descovich,  ausübender  Arzt  in  Wien.  —  Dr.  P er k mann,  Prof.  an  der 
Wiener  Handelsacademie.  —  W.  Presse!,  Director  der  Südbahn.  —  Siebek, 
Director  der  Stadtgärten.   —  Dr.  Melchior  Neumayr,  Geolog. 

Da  statutenmäßig  fünf  Mitglieder  des  Ausschusses  auszutreten  haben, 
so  ist  heut  eine  Neuwahl  vorzunehmen.  Die  fünf  durch  das  Los  zum  Austritt 
bestimmten  Mitglieder  des  Ausschusses  sind  die  Herren : 

Sectionsrath  Ritter  v.  Hauer.  —  Feldzeugmeister  Ritter  v.  Hausiab. 
—  Gustos  Ritter  von  Frauenfeld.  —  Professor  Komb  über.  —  Med.  Dr. 
Polak.  -    Nach  den  Statuten  sind  diese  wieder  wählbar. 

Der  Ausschuss  hat  jedoch  einer  frühern  Uebung  gemäß  noch  fünf 
andere  Mitglieder  der  Gesellschaft  als  Canditaten  für  den  Ausschuss  bezeichnet, 
womit  er  die  Wahl  erleichtern,  doch  nicht  beschränken  will.  Es  sind  die 
Herren  General  Ritter  von  Pechmann.  -  Hofrath  Ficker.  -  Freiherr  von 
Andrian-Werburg.  —Hauptmann  Du  Nord.        Professor  Woldfich. 

Der  Vorsitzende  ersucht  nunmehr  die  Wahl  vorzunehmen,  damit  während 
des  Vortrages  der  Jahresberichte  das  Scrutinium    vorgenommen  werden  kann. 

Bei  der  Wahl  wurden  32  Stimmzettel  abgegeben,  von  denen  einer  als 
ungültig  ausgestoßen  wurde. 

Mit  absoluter  Majorität  erschienen  als  gewählt  die  Herren:  Dr.  Polak. 
Ritter  von  Hauer,  Freihen*  von  Andrian,  Ritter  von  Frauenfeld  ona 
nach  einer  engeren  Wahl  Feldzeugmeister  Ritter  von  Haus  lab.  Das  Scru- 
tinium besorgten  die  Herren:  Friedrich  von  Hellwald  und  Dr.  Polak. 

Zu  Rechnungsrevisoren  wurden  bestimmt  die  Herren:  Dr.  Josef  Bauer, 
Hof-  und  Gterichtsadvocat  und  J.  Voelker,  Banquier. 

Hierauf  folgten  die  Jahresberichte  und  zwar: 

a)  der  Jahresbericht  des  Präsidenten  Prof.  Dr.  Ferd.  v.  Hochstetter, 

b)  der  Bericht  des  orientalischen  Comit^'s  der  Gesellschaft  J.  A.  Frei- 
herr von  H  eifert, 

c)  der  Finanzbericht  des  Rechnungsführers  Dr.  Ant.  Edl.  v.  Ruth n er, 

d)  der  Bericht  über  die  innem  Angelegenheiten'  der  Gesellschaft  von 
Generalsecretär  M.  A.  Becker. 

(Siehe  das  Hauptblatt  der  Mittheilungen.) 
Die   nächste   Monatssitzung  der  geographischen  Gesellschaft  findet  am 
11.  Jänner  1870  statt. 

Berichtigung.  Im  letzten  Hefte  dieser.  Mittheilun^en  S.  46,  8.  Zeüe 
von  unten  soll  es  statt  Bastians  heißen:  Peschels  in  einer  zu  Augsburg 
gehaltenen  Festrede. 

Seite  33,  Zeile  20  von  oben  soll  es  statt  —  darunter  Gomiale,  wo  die 
berühmte  Grotte  Trebiff,  unter  der  die  Recka  u.  s.  w.  --  heißen:  darunter 
Corgnale,  wo  die  bertüimte  Grotte;  Trebiö,  unter  dem  die  Recka  u.  s.  w. 


Reise  von  Serajewo  nach  dem  Dormttor  und  durcti  die  mittlere 

Herzegowina. 

Von  Carl  Sax,  k.  k.  Vice-Conaul  *). 
Mit  einer  Karte. 

Gegen  Ende  August  d.  J.  unternahm  ich  von  Serajewo  aus  eine 
kleine  Rundreise  durch  die  Herzegowina,  zum  größten  Theil  in  zufäl- 
liger Gesellschaft  des  auch  als  Geograph  bekannten  norddeutschen  Con- 
suis  Dr.  Blau.  Neben  speciellen  Reisenzwecken  verfolgten  wir  als  ein 
gemeinsames  Ziel  die  Durchforschung  des  am  wenigsten  bekannten 
Theiles  der  nordöstlichen  Herzegowina,  und  den  Versuch  einer  Besteigung 
des,  außer  vielleicht  von  einheimischen  Hirten,  noch  von  niemand 
erstiegenen  Dormitor,  bekanntlich  des  höchsten  Berges  auf  bosnischem 
Boden. 

Die  nordöstliche  Herzegowina  war  noch  vor  einem  Decennium  fast 
vollstftndig  terra  incognita.  Damals  erst  verbreitete  Dr.  Blau*s  Karte 
der  Herzegowina  einiges  Licht  Aber  diese  Gegenden,  und  erst  der 
k.  k.  Major  Roskiewicz  erwarb  sich  das  Verdienst,  das  innere  herze- 
gowinische  Gebirgsland  selbst  durchforscht  und  mit  einiger  Genauigkeit 
dargestellt  zu  haben.  Natflrlich  blieb  noch  vieles  zu  ergänzen  und  auch 
manche  Fehler  zu  berichtigen,  was  ich ,  soweit  meine  Reise  -  Ergebnisse 
reichen,  hiemit  versuchen  will. 


*)  Ich  habe  in  diesem  Aufsatze  die  Ortsnamen  nach  deutscher  Orthographie 
geschrieben,  und  nur  für  den  im  Deutschen  nicht  üblichen  weichen  sch-Laut 
^sh^  gesetzt,  sowie  für  den  zwischen  a,  e,  i  und  u  schwankenden  kurzen  Vocai 
Tor  r  den  Apostroph  angewendet.  Die  landesübliche  Orthographie  ist,  abge- 
sehen von  der  officiellen  türkischen,  die  cyrillisch -serbische,  welche  ich  hier 
natürlich  nicht  gebrauchen  kann;  die  lateinisch -croatische  ist  zwar  sprachlich 
verwandt,  aber  in  Bosnien  nur  bei  den  wenigen  Katholiken  gebräuchlich;  sie 
wOrde  in  einem  deutsch  geschriebenen  Aufsatz  nur  stören  und  durch  ihre 
Eigenheiten  zu  irrthümlicher  Aussprache  verleiten.  (Z.  B.  Zenica  würde  man 
nicht  als  Senitza,  sondern  wie  Tzenika,  Gacko  nicht  wie  Gatzko,  sondern 
Gakko  lesen  u.  s.  w.)  Nur  in  der  Karte,  wo  die  Rücksicht  auf  den  fortlaufen- 
den Text  nicht  vorhanden,  dagegen  die  Raumersparnis  anzustreben  ist,  habe 
ich  die  zu  diesem  Zwecke  sehr  dienlichen  croatischen  Schriftzeichen  s,  z,  t 
and  c  angewendet,  weil  sie  durch  ihre  Nebenbezeichnung  auch  von  Deutschen 
und  sonstigen  Fremden  richtig  gelesen  werden  können,  aber  die  uiibezeichneten 
croatischen  Buchstaben  c,  v  und  z,  habe  ich  in  Fällen,  wo  wir  sie  wie  k,  f 
und  tz  aussprechen  würden,  durch  die  ihrer  wirklichen  Aussprache  entsprechen- 
den Buchstaben  tz,  w  und  s  ersetzt,  dagegen  das  scharfe  croatische  s  in  zwei- 
felhaften Fällen  (2.  B.  zwischen  zwei  Vocalem  durch  ss  ausgedrückt. 

QMfnpUscU  ][ittii«Uiuig«n.  1870.  9.  7 


98 

Meine  Reise  gieng  yon  Serajewo  Ober  Trnowa  und  Erblina  nach 
Sagoija,  von  dort  Aber  den  Wntsclga-Berdo  und  Ober  die  Qoellbftche 
der  Narenta  nach  Gatzko,  weiter  über  Piva  bis  zum  Dormitor,  znrflck 
über  Piva  nnd  Gatzko,  dann  Ober  Newessii^  nach  Mostar,  von  da  durch 
das  Narenta-Thal  Aber  Jablanitza  nach  Konjitza,  und  Aber  die  Iwan- 
Planina  wieder  nach  Serajewo,  —  ein  Ritt  von  92  ttlrk.  Standen  oder 
beil&ufig  64  geogr.  Meilen.  (1  tfirk.  Stande  =  07  Meilen  beil&afig.) 

Die  Reisestrecke  von  Serajewo  bis  in  die  Sagorja  hat  schon  Ros- 
kiewicz  in  seinen  Stadien  Aber  Bosnien  and  Herzegowina  (S.  134 — 136) 
beschrieben  and  gezeichnet  Es  bleibt  aber  doch  noch  manches  auf  dieser 
Strecke  zu  bemerken. 

Der  Weg,  welcher  von  Fotscha  and  Oatzko  her  bisweilen  von 
Reisenden,  and  von  Lastthier  -  Treibern  auch  mit  Waren  benAtzt  wird, 
ist  sehr  schlecht  Aach  der  von  Roskiewicz  als  Fahrstraße  bezeichnete 
Anfang  Aber  Lnkawitza  ist  großentheils  an&hrbar;  die  Fortsetzung 
aber  von  dem  anderthalb  Standen  sAdsAdwestlich  von  Serajewo  ge- 
legenen Eobil-Do  (Kobildol)  an,  ist  selbst  zu  Pferd  oft  schwer 
za  passieren,  namentlich  wenn,  —  wie  ich  es  gerade  traf,  —  Regen- 
gAsse  den  Boden  zerrissen  und  die  B&che  geschwellt  haben. 

lieber  einen  steilen  Gebirgspfad  gelangt  man  in  einer  Stunde  von 
Kobildol  in  das  hier  von  SO.  nach  NW.  ziehende  Shelesnitza- 
Thal,  in  der  Gegend  des  Tzrweni  Klanatz  (rother  Engpass).  Das  von 
Roskiewicz  hier  angegebene  Jablanitza  liegt  nicht  am  Wege,  sondern 
irgendwo  Ostlich  im  Gebirge;  dagegen  zeigt  sich  rechts  im  Thale  das 
Dorf  Krupatz,  and  erreicht  man  von  dort  in  dreiviertel  Standen 
das  von  Roskiewicz  etwas  zu  sAdlich  verlegte  Kiewo.  Von  hier  an 
wird  das  Thal  nach  oben  zu  immer  felsiger  und  enger.  Bei  Medjustienje 
(Zwischenfelsen)  treten  die  beiderseitigen,  zwar  kaum  1(X)  Fuß  hohen, 
aber  senkrechten  Felswände  so  nahe  zusammen,  dass  fAr  die  in  kleinen 
Katarakten  hindurchbrechende  Shelesnitza  und  den  hart  daneben  hin- 
ziehenden Weg  nur  ein  etwa  zwei  Klafter  breites  Thor  Abrig  bleibt 
Da  ändert  sich  plötzlich  die  Landschaft  und  man  befindet  sich  auf 
einem  weiten  ebenen  Wiesengrunde,  durch  den  sich  die  Shelesnitza  still 
hindurchschlängelt ,  während  im  Hintergrunde  das  mächtige  Jahorina- 
Gebirg  sichtbar  wird.  In  dieser  freundlichen  kleinen  Ebene  liegt  der 
Han  (Gasthaus,  resp.  Unterkunftshütte)  von  Ilowitza  —  ungefähr 
fAnf  Stunden  von  Serajewo.  Dieser  Han  ist  zwar  sehr  durchsichtig  ge- 
zimmert, aber  wenigstens  fAr  die  Pferde  eine  entsprechende  Raststation. 
In  der  Nähe  dieses  Ortes  Aberschritten  wir  auf  einer  kleinen  BrAcke 
die  Shelesnitza.  Nachdem  sich  das  Thal  wieder  verengt  und  sAdw&rts 
gewendet,  mAndet  von   Osten  her,  etwas  sAdücher,  als  auf  der  Ros- 


99 

Idewicz'scheD  Karte,  die  Tzrna  Rieka.   Eine   halbe  Stunde  südlich 

davon   liegt  in  einer  schönen  Thal  -  Erweiterung ,    angesichts  des    wol 

über  7000  Faß  hohen  Treskavitza-Gtebirges,  das  Dorf  T rn o w a,  sechs 

Stunden  von  Serajewo,   mit  einem  schlechten  finstem  Han,   wo  wir  die 

Nacht  Zubrachten. 

Von   Trnowa  beabsichtigte  ich  ursprünglich  die  noch  ganz  onbe- 

« 

kannte  Route  über  das  Wratlo  einzuschlagen,  aber  die  anhaltenden 
B^iengfisse  vereitelten  diese  Gebirgspartie ,  und  so  reisten  wir  weiter 
auf  dem  Roskiewicz'schem  Wege.  —  Das  östlich  von  Trnowa  gelegene 
Dorf  Tos  itsch  ist  ungewöhnlich  eng  gebaut  Von  dort  stiegen  wir  durch 
schöne  Laubw&lder  und  Waldwiesen  auf  den  wol  nahezu  4000  Fuß 
hohen  Sattel  Selenidol,  und  von  dort  steil  hinab  in  das  zum  Strom- 
gebiet der  Drina  gehörige  Dobropolje.  Nachdem  der  Weg  hier  eine 
halbe  Stunde  am  gleichnamigen  Bache  hingezogen,  windet  er  sich  plötz- 
lich in  sehr  steilem  Aufstiege,  —  so  dass  man  kaum  hinanfreiten 
kann  —  an  der  südlichen  Bergwand  hinan,  und  erreicht  über  theils 
bewaldeten,  theils  steinigen  Boden,  das  Plateau  von  Krblina  (neun 
Standen  von  Serajewo).  Dieses  kleine  Plateau,  bereits  zur  Herzegowina 
gehörig  und  ungef&hr  so  hoch  wie  Selenidol  gelegen,  hat  bereits  den 
karstartigen  Character  der  Sagorje,  welche  man  von  hier  fast  ganz  über- 
blickt. Die  Sagorje  (das  Land  hinter  den  Bergen)  ist  ein  ungef&hr 
vier  Stunden  breites  und  vier  bis  fOnf  Stunden  langes,  durchschnittlich 
3—4000  Fuß  hohes  wellenförmiges  Hochland  mit  kahler,  steiniger 
Oberflfiche,  kesselartigen  Vertiefungen  und  spitzen  Steinhaufen,  theil- 
weise  auch  guten  Hutweiden.  Der  Winter  ist  hier  sehr  str^g  und  an- 
haltend. Wegen  des  hohen  Schnee's  bedienen  sich  die  Bewohner 
einer  Art  Schneeschuhe  aus  Reifen  von  ungefähr  drei  Fuß  Durchmesser 
bestehend,  womit  sie  über  den  Schnee  hingleiten  können,  ohne  einzu- 
sinken. Unter  den  Bewohnern  dieser  Crebiigsgegend  finden  sich  weit 
mehr  Mohammedaner  als  Christen. 

Ein  ziemlich  guter  Weg  ftüirt  von  KVblina  südwärts  an  der 
Shiwolska-QueUe  und  am  christlichen  Friedhofe  von  Shiwo^e  vor- 
über. Nach  ungefähr  zwei  Stunden  zeigt  sich  links  vom  Wege  das  Dorf 
Jassitsch  und  eine  kleine  halbe  Stunde  später  M  ossorovitsch 
zur  rechten  Hand,  —  während  nach  der  Roskiewicz'schen  Karte  die 
Lage  umgekehrt  erscheint  Nach  einer  weitem  halben  Stunde  erreicht 
man  Kalinowik.  Abseit  von  unserm  Wege  liegen  in  westnordwest- 
lieher  Richtung  von  Kalinowik:  Meihowina  eine  viertel  Stunde, 
Romanj  eine  Stunde,  Hotovlje  zwei  und  Bielemitsch,  welches 
nieht  am  linken  sondern  am  rechten  Narenta-Ufer  liegen  soll»  angeblich 
drei   Stunden.   Nach   Ulok   rechnet   man   von    Kalinowik   vier,   nach 

7* 


100 

F  0 1 8  c  h  a  acht  Stunden.  Fotscha  scheint  auf  der  großen  Roskiewicz'schen 
Karte  am  richtigen  Platze  angegeben  zu  sein;  auf  der  kleinen  Ros- 
kiewicz'schen  und  der  Scheda*6chen  Karte  des  österreichischen  fiLaiser- 
Staates  (XYIII.  Blatt)  li^t  Fotscha  wenigstens  um  drei  Meilen  zu  weit 
südwestlich,  und  Ulok  ist  auf  der  großen  Roskiewicz'schen  Karte  um 
wenigstens  anderthalb  Meilen  zu  weit  ostsfldöstlich,  und  auf  der 
Scheda'schen  um  fast  ebensoviel  zu  weit  sfidsfidwestlich  verlegt.  Die 
Sagoije  liegt  in  Wirklichkeit  etwas  nördlicher  als  sie  auf  jenen  beiden 
Karten  angegeben  ist.  Diese  Resultate  haben  sich  aus  dem  Vergleiche 
mit  den  späteren  Beobachtungen  ergeben. 

In  Kalinowik  fand  ich  zu  meiner  Verwunderung  einen  der  be- 
sten Han's,  die  ich  je  in  Bosnien  gesehen.  Die  Frequenz  ist  hier  ziem- 
lich bedeutend,  weil  sich  die  Wege  Serajevo  -  Oatzko  und  Mostar- 
Fotscha  hier  kreuzen.  Kalinowik,  wie  Überhaupt  die  Sagorje,  gehört 
zum  Kasä  (Verwaltungsbezirk)  von  Fotscha. 

Von  Kalinowik  schlugen  wir  einen  Weg  ein,  der  bisher  noch  von 
keinem  Geographen,  wol  überhaupt  von  keinem  Ausländer,  zurückgelegt 
worden  sein  dürfte,  n&mlich  südwärts,  über  den  Wutschja  B'rdo 
(Wolfs-Berg).  Dieses  Gebirge  ist  über  40(K)  Fuß  hoch ,  hat  im  Gegen- 
satz zur  kahlen  Sagorje  einige  schöne  Wälder,  hie  und  da  aber  auch 
noch  die  kesselartigen  Vertiefungen  des  Karstlandes,  welche  aber  hier 
von  üppiger  Vegetation  strotzen.  Von  einem  der  Gipfel  dieses  Gebirges 
hatten  wir  eine  schöne,  weite  Rundsicht:  im  N.  die  Sagorje  mit  der 
Treskawitza,  im  W.  der  felsige  Tzrwenj  und  die  übrigen  mas- 
senhaften Gebirge  jenseits  der  Narenta,  unter  denen  eines  im  WNW., 
wahrscheinlich  eine  zum  Lipeta- Gebirge  gehörige  Kuppe  über  alle 
andern  hoch,  wenigstens  bis  zu  6000  Fuß  emporragt;  im  SC.  schließt 
sich  unmittelbar  an  den  Wutscfaja-Brdo  die  5 — 6000  Fuß  hohe  weiß- 
glänzende Lelia  an,  wdche  als  das  höchste  Gebirge  dieser  Gegend 
gilt,  und  reich  an  Gemsen,  angeblich  auch  an  Steinböcken  sein  soll. 
Zwischen  dem  Wutsclga-Brdo  und  der  Lelia  breitet  sich  ein  kahles, 
steiniges  Bergland  aus.  Hier  fand  ich  rechts  vom  Wege  einen  alten 
Gottesacker,  mit  großen,  viele  Centner  schweren,  viereckig  behauenen 
Grabsteinen,  ohne  Inschriften,  in  der  Form  den  jüdischen  ähnlich, 
wahrscheinlich  aber  altslavischen  Ursprunges,  wie  es  deren  viele  in 
Bosnien  gibt  Deren  Anhäufung  in  dieser  unbewohnten,  unfruchtbaren 
Gegend  scheint  aber  zu  beweisen,  dass  dieselbe  Gegend  einst  cultiviert 
gewesen.  In  der  Nähe  soll  sich  im  Gebirg  aufwärts  ein  See  befinden. 
Der  Weg  führt  weiter  gegen  das  Narenta -Thal  abwärts,  über  schöne 
Bergwiesen,  von  Wäldern  umsäumt,  durch  die  Gegend  Bielawoda, 
wo   sich   eine   herrliche  kalte  Quelle  befindet,  und  an  den  westlichen 


101 

AbhAngen  des  Dum o seh  hin,  dessen  senkrecht  gegen  die  Narenta  ab- 
stflnende  Felsenknppe  wol  Qber  5000  Fnß  emporragt.  Nach  einem 
stundenlangen  steilen  Abstiege  gelangt  man  am  Dorfe  Trnowitza 
vorbei  nnd  Aber  den  Ernpatz-Bach  nach  Boratsch  imNeretwa- 
oder  Narenta- Thale.  Boratsch,  sechs  Stunden  von  Kalinowik,  ist  kein 
eigentliches  Dorf,  sondern  eine  Gegend  mit  wenigen  zerstrenten  H&nsem. 
Von  Boratsch  rechnet  man  sechs  Standen  thalabw&rts  nach  U 1  o  k,  eine 
Stunde  thalaufwärts  nach  Pridworitza,  dann  weiter  östlich  zwei 
Stunden  nach  Igra  (?),  zwei  ein  halb  nach  Shipowitza  (?),  drei 
nach  Jahnka,  vier  nach  Grab,  sechs  nach  Sntjeska,  acht  nach 
Tjentischta.  lieber  die  Narenta-Qnelle  konnte  ich  nur  erfahren,  dass 
sie  mehrere  (wahrscheinlich drei) Stünden  weit  östlich  im Gr edel  liege. 

Wir  durchritten  die  Neretwa  und  stiegen  am  jenseitigen  steilen 
Bergabhang  hinauf.  In  einer  halben  Stande  erreichten  wir  das  etwas 
links  abseits  vom  Weg  liegende  Dorf  Mied  enik.  Von  hier  Abersahen 
wir  weithin  die  Randgebirge  des  oberen  Neretwa-Thales.  Gerade  gegen- 
über liegt  die  ungeheure  steile  Felskuppe  des  Dumosch,  links  hinter 
demselben  in  der  Feme  die  Spitze  der  Treskavitza,  rechts  hinter 
dem  Domosch  die  vielleicht  gegen  6000  Fnß  hohe  kegelförmige  Fels- 
qntze  der  Towarnitza,  wahrscheinlich  der  sogenannte  Sedlo  (in- 
dem jene  Höhe  mit  der  daneben  befindlichen  niedrem  Spitze  und  der 
dazwischen  li^nden  Einsattlang  die  Form  eines  tfirkischen  oder  unga- 
rischen Sattels  annähemd  darstellt),  rechts  davon  qaer  Aber  die  Thal- 
richtong  der  Gredel  und  hinter  demselben  der  riesige,  wol  6  bis 
7000  Fu6  hohe  Wolujak.  Am  linken  Ufer  zeigt  sich  als  Fortsetzung 
des  Plateau's,  auf  welchem  Miedenik  liegt,  die  grün  bewachsene,  wahr- 
scheinlich etwas  Aber  4000  Fuß  hohe  Mo r ine,  weiterhin  der 
mothmaßlich  5000  Fnß  Aberragende  Tzrvanj,  und  im  Hintergrunde 
ein  noch  höheres,  wahrscheinlich  zur  Lipeta  gehöriges  Gebirge  (oder 
derWlah?).  Nach  weiterer  fast  einstAndiger  Steigung  gelangten  wir  zu 
dem  christlichen  Dorfe  Kokorina,  welches  dem  Haider  Beg  Öengic 
(Tschengitsch)  gehört.  Wir  Abernachteten  dort  in  einer  aus  unbehauenen 
Steinblöcken  erbauten  finstem  BauemhAtte,  und  lernten  daselbst  das 
UmdesAbliche  Gericht  Gmschawina  (Eierspeise  mit  Milch)  kennen.  Außer- 
halb Kokorina  fanden  wir  einen  kleinen  Han  und  einen  christlichen 
Gottesacker  mit  theils  ganz  neuen,  Aberraschend  zierlich  gearbeiteten 
steinernen  Kreuzchen,  theils  alten  massiven  Grabsteinen  und  riesen- 
großen abgerundeten  Kreuzen  mk  unleserlich  gewordenen  altslavischen 
Insdiriften. 

Von  Kokorina  fAhrt  der  Weg,  anfangs  in  einer  Höhe  von  mehr 
als  vierthalbtansend  Fuß,  weiter  in  vorherrschend  sAdsAdöstlicher  Bich- 


102 

tong  Aber  einförmig  kahles,  steiniges  Hügelland.  Gegen  Sttden  zeigen 
sieh  die  sfldwestlichen  Randgebirge  der  Gatzkoer  Ebene,  n&mlich  die 
Bielaschitza  and  die  Baba-Planina.  In  einer  kleinen  Stunde 
erreicht  man  von  Kokorina  das  Dorf  nnd  die  Gegend  Jngowitsch, 
wo  eine  christliche  Kirche  steht,  dann  den  Shapanj*Bach,  welchen 
man  in  einem  tiefen  Thal-Einschnitte  flberschreitet,  dann  das  Wisch* 
njowa-Thal,  aaf  dessen  jenseitigem  Rande  sich  das  gleichnamige  Dorf 
mit  einem  griechischen  Pfarrhanse  zeigt,  endlich  das  Grat  seh  an  itza- 
Thal,  wo  ein  schlossartiges  Gebäade  auf  einem  kleinen  Felsvorsprung 
durch  seinen  kühnen  Ban  anfällt,  nnd  gelangt  so  in  der  vierten  Stunde 
bei  Gratschanitza  in  die  Ebene  Gatzko,  welche  eine  wohlthuende 

9 

Abwechslung  in  die  bisher  so  öde  Landschaft  bringt.  Ostwärts  in  diese 
Ebene  einbiegend,  gelangt  man  in  einer  halben  Stunde  in  den  an  der 
nördlichen  Berglehne  gelegenen,  aus  einigen  dreifiig  steinernen  Häusern 
bestehenden  Hanptort  von  Gatzko,  Metochia,  Sitz  des  Kaimakams, 
dann  längs  der  Muschitza  fortziehend  in  drei  viertel  Stunden  in  das 
Dorf  Haptowatz  (Aptowatz),  wo  die  Mushitza  von  Norden  herein- 
kommt, und  diese  überschreitend  in  einer  kleinen  Viertelstunde  in  die  dem 
Döda  oder  Derwisch  Bey  Öengic  gehörige  Kula  (d.  i.  Burg)  Lipnik, 
am  obgenannton  Bache.  Diese  Burg  zeigt  sich  schon  von  weitem  als 
eine  von  einer  Mauer  umgebene  Gruppe  glänzend  weißer,  ziemlich  hoher 
Häuser.  Der  genannte  Bey,  Commandant  der  herzegowinischen  Baschi- 
bosuk's  (irregulären  Truppen)  hält  daselbst  Hof,  und  richtete  sich 
einige  Gemächer  mit  orientalischem  Luxus  ein,  der  freilich  mit  unsem 
Luxus -Begriffen  nicht  ganz  übereinstimmt  Westlich  von  Lipnik  liegt 
Mnla,  wo  eine  Gaseme  gebaut  wird. 

Auf  der  Roskiewicz'schen  Karte  sind  die  Entfernungen  der  Ort- 
schaften Gatzko*s  unter  einander  zu  groß  angegeben.  Im  allgemeinen 
scheint  die  Lage  von  Gatzko  auf  jener  Karte  ziemlich  richtig  zu  sein, 
aber  Scheda  verlegte  es  um  wenigstens  anderthalb  Meilen  zu  weit 
nach  SW. 

Die  Ebene  von  Gatzko  mag  allerdings  2500  Fuß  hoch  sein; 
sie  macht  aber  nicht  den  Eindruck  einer  eigentlichen  Hochebene,  weil 
man,  ihr  enges  westliches  Thor  abgerechnet,  von  allen  Seiten  noch  in 
selbe  hinabsteigen  muß.  Im  S.  ist  sie  von  der  Somina  und  der 
4—5000  Fuß  hohen  Baba-Planina,  im  SW.  von  der  5—6000  Fuß 
hohen  Bielaschitza,  im  N.  von  den  hügelartigen  Abhängen  des  bis 
zur  Narenta  hinreichenden  Hochlandes  begrenzt;  im  NNO.  ragt  weiter 
rückwärts  der  wahrscheinlich  5 — 6000  Fuß  hohe  kegelförmige  Gipfel 
desPledshe  hervor.  Der  Leberschnik  liegt  weit  rückwärts  im  NO. 
hinter  andern  Grebirgen  und  scheint  nicht  so   hoch  zu  sein.    Der  Wog 


103 

Sieh  PiwE  fahrt  weder  tkber  den  LeberBchnik  noch  über  Lissna,  son- 
dern sQdlich  davon»  in  ziemlich  genau  west- östlicher  Richtung.  £r 
hat  eine  Länge  von  5 — 6  Standen  und  geht  an  Lipnik  über  steinige 
Hflgel  auf  die  Hochebene  Ravno.  Vorher  begegnet  man  rechts  einem 
aitslavischen  Friedhofe  mit  großen,  (neistens  aber  niedrigen  Grabsteinen, 
deren  einer  mit  einem  Schwert  oder  Kreuz,  ein  anderer  mit  einem 
ondentlichen ,  durch  vier  Ringe  characterisierten  Wappen  und  einer 
Lanze  geziert  ist.  —  Hinter  Ravno  beginnen  die  in  den  letzten  Jahren 
zur  Unterjochung  der  Piwaner  und  zur  Abwehr  der  Tzmagortzen  von 
den  Türken  erbauten  Blockh&user,  welche  bis  an  die  Piwa  hin  fast  alle 
zugänglichen  Höhenpnncte  krönen.  Es  zeigt  sich  nun  im  N.  der  ge- 
waltige, weißgraue  W  o  1  u  j  a  k  mit  seinem  östlichen  Ausläufer  Kruschitshitsh 
(?)  und  genau  im  0.  der  nach  der  Westseite  her  steil  abfallende  D  o  r- 
mitor  mit  seinen  massenhaften  verworrenen  Yorbergen.  Drei  Stunden 
von  Lipnik  erreicht  man  das  rechts  im  Thale  liegende  Dorf  Smrieschno, 
wo  sich  ein  griechisches  Pfetrrhaus  befindet  Hier  sahen  wir  die  eben 
geemteten  Feldfrüchte  auf  eigenthfimlichen  Schlitten  transportieren.  Auch 
die  Wägen  haben  hier  und  in  Gatzko  eigenthümliche  Räder  mit  je  vier 
Radspeichen,  zwei  zu  zwei  parallel  und  auf  den  beiden  andern  senkrecht. 

Nach  mehr  als  einstündigem  allmälichem  Abstiege  gelangt  man 
zum  Fressika-Bache  hinab  und  überschreitet  denselben,  worauf  man 
jenseits  wieder  in  die  Höhe  steigt  und  in  einer  halben  Stunde  das 
kleine  Plateau  vonGoratzka  erreicht.  Diese  größtentheils  neugebaute 
kleine  Ortschaft  ist  der  Sitz  des  Mudir's  oder  Kaimakam's  und  des 
Mültär-Commando's  von  Piwa.  Von  Goratzka  steigt  man  in  südlicher 
Hanptrichtung  wol  drei  viertel  Stunden  lang  in  steilen  Serpentinen  zum 
Kloster  Piwa  hinab.  Auf  der  Roskiewicz^schen  Karte  ist  nach  Dr.  Blau*s 
alter  Karte  der  Herzegowina  statt  des  nördlich  von  Piwa  liegenden 
Goratzka  eine  Ortschaft  Goranitzka  südlich  davon  angegeben,  was  natür- 
lich ein  Irrthum  ist. 

Das  Kloster  Piwa  liegt  nur  einige  Minuten  von  der  schönen 
seeartigen  Piwa-Quelle  Sinatz  entfernt.  Der  Sinatz-Bach  vereinigt  sich 
eine  halbe  Stunde  nördlich  mit  der  von  Südosten  kommenden  Komar- 
nitza,  und  dadurch  entsteht  der  eigentliche  Piwa-Fluss,  sowie  weiter 
durch  dessen  Vereinigung  mit  der  Tara  die  Drina  gebildet  wird.  Das 
Kloster  besteht  aus  einigen  hufeisenförmig  gestellten  unbedeutenden 
Gebäuden  mit  einem  Hofraum,  in  dessen  Mitte  die  viel  höhere,  aber 
nicht  mit  den  gewöhnlichen  Kuppeln  und  Türmen,  sondern  nur  mit 
einem  einfachen  Dache  versehene,  geräumige  Kirche  steht.  Die  Glocken 
sind  auf  einem  hohen  hölzernen  Gestelle  neben  der  Kirche  angebracht 
Das  Fremdenzimmer,  in  welchem  wir  wohnten,  ]ag  im  obem  Stockwerke 


104 

des  vorderen  Hauses;  es  führte  aber  keine  Stiege  hinauf,  sondern  eine 
Leiter,  von  deren  oberster  Sprosse  man  seitw&rts  auf  ein  Brett  springen 
mußte,  über  welches  man  zur  Zimmerthflr  gelangte.  Die  Aufnahme 
Seitens  der  Mönche  war  eine  sehr  gute.  Derzeit  hat  das  Kloster  nur 
vier  Mönche,  einschließlich  den  Igumen  (Abt). 

Der  nftchste  Tag  war  dem  Besuch  des  Dormitor  gewidmet. 
Wir  brachen  bald  nach  vier  Uhr  morgens  auf.  Unser  Weg  fahrte  eine 
Viertelstunde  am  linken  Sinatz-Ufer  hin,  dann  durchritten  wir  den  Fluss 
und  gelangten  nach  einer  halben  Stunde  anr  Komamitza-Brficke,  welche 
in  dem  letzten  montenegrinischen  Kriege  von  Omer  Pascha  erbaut  woi^ 
den  ist.  Jenseits  der  Brücke  zieht  der  Weg  noch  eine  Viertelstunde 
durch  waldiges  Terrain  l&ngs  dem  Wasser  hin,  geht  aber  dann  fast 
anderthalb  Stunden  sehr  steil  über  felsigen  Boden  und  durch  dichtes 
Buschwerk,  zuletzt  über  Wiesengründe,  auf  die  Höhe  von  Berkowitsh- 
Dieser  Ort,  mit  wenigen  zerstreuten  Hütten,  liegt  muthmaßlich  bei 
4000  Fuß  hoch,  und  ist  der  Sitz  eines  Popen.  Von  dort  kamen  wir 
in  einer  weitem  Stunde  über  kahle  Hügel  und  Hutweiden  nach  N  i  k  o- 
1  i  n  d  0 1 ,  ein  Dorf,  welches  aus  mehreren  Hütten  besteht,  die  s&mmtlich 
fensterlos  sind  und  nur  ein  einziges  Gemach  darstellen,  in  dessen  Mitte 
sich  der  Herd  befindet,  um  welchen  s&mmtliche  Hausgenossen  herum- 
liegen. Dort  fanden  wir  den  letzten  türkischen  Wachtposten  gegen 
Drobnjak  hin,  welches  wol  nominell  zu  Bosnien  gehört,  aber  factisch 
unter  montenegrinischem  Schutze  stKht.  Auch  den  Popen  von  Berkowitsch 
fanden  wir  in  Nikolindol.  Derselbe  hatte  eine  für  einen  Greistlichen 
nach  unsem  Begriffen  sehr  sonderbare  Tracht :  einen  engen  kurzen  Rock 
aus  ungefärbter  Schafwolle,  eng  anliegende  Beinkleider  aus  demselben 
schmutzigweißen  Stoffe,  Bundschuhe,  und  einen  rothen  Turban.  Ein  lan- 
ger Vollbart  characterisierte  nach  orientalischer  Sitte  seinen  geistlichen 
Stand.  Im  allgemeinen  tragen  die  Christen  jener  Gegend  enge  Jacken 
und  Beinkleider  aus  solcher  ungefärbter  Wolle  und  darüber  häufig  einen 
rohen  weißen  Schafpelz.  Sie  zeichnen  sich  vor  den  Bosniaken  durch 
Frische  und  Beweglichkeit  aus;  ein  besonderes  Geschick  zeigen  sie  in 
ihrem  springenden  Gange  auf  den  steinigen  Bergpfaden.  —  Von  Nikolin- 
dol, welches  ungefähr  drei  Stunden  ostnordöstlich  von  Piwa  über  4000  Fuö 
hoch  liegt,  zogen  wir  an  einem  kleinen  seeartigen  Sumpfgewässer  vor- 
über, zwei  Stunden  lang  ostwärts,  über  kahlen  steinigen  Boden,  bald 
auf-,  bald  abwärts,  jedoch  meistens  aufwärts.  Bei  den  Sennhütten  von 
Pop  an  wendeten  wir  uns  nordwärts.  Hier  sahen  wir  den  Dormitor 
nahe  vor  uns ;  aber  sein  Gipfel  war  in  Wolken  gehüllt.  Wir  ritten  über 
einen  ziemlich  flachen  Wiesengrund  eine  Zeit  lang  gerade  auf  ihn  los; 
aber  es  zeigte  sich,  dass  wir  hier  erst  das  diesen  Berg  im  Süden  wall* 


106 

artig  aragebende  steile  Felsengebirge  tibersteigen  maßten,  um  znm  eigent- 
lichen Dormitor  zn  gelangen.  Wir  wendeten  nns  daher  nach  einer  halben 
Stande  wieder  ostwärts,  nm  dieses  Gebirge  zu  umgehen,  und  kamen  so 
auf  einen  abgemähten  Wiesengrund,  welcher  von  riesigen,  abenteuerlich 
geformten  Felsmassen  umgeben  und  auf  der  Ostseite  von  dem  mit 
einer  steilen  kegelförmigen  Spitze  gekrönten  Sedlo  begränzt  ist  Hier 
beginnt  das  Gebiet  von  Drobnjak.  Wir  überstiegen  nun,  nach  einer 
weitem  halben  Stunde  diesen  Sedlo  in  einer  muthmaßlichen  Höhe  von 
mehr  als  5000  Fuß,  und  stiegen  auf  der  andern  Seite  in  eine  steinige 
Mulde  hinab,  in  deren  Mitte  zwei  kleine,  von  einsamen  Buchen  um- 
gebene Alpenseen,  besonders  der  eine  (Seleno  Jesero)  von  herrlich 
smaragdgrüner  Farbe,  wie  Oasen  in  der  Wflste  erscheinen.  Diese  Mulde 
ist  im  Süden  von  den  die  Fortsetzung  des  Sedlo  bildenden  Felsgebirgen, 
im  Norden  vom  südöstlichen  Abfalle  des  Dormitor  begränzt,  und  gegen 
Osten  zu  offen,  indem  dort  das  Terrain  sich  gegen  die  Tara  hinabsenkt. 
Wir  durchritten  in  einer  halben  Stunde  diese  Mulde  und  erstiegen  jen- 
seits in  einer  viertel  Stunde  den  gewissermaßen  den  südöstlichen  Grund- 
pfeiler des  Dormitor  bildenden  Komorastiena,  welcher  in  eine 
kegelförmige  Spitze  endet,  und  kletterten  über  die  mit  Gras  und  einigen 
Alpenkräutem  bewachsenen  Felsen  noch  weiter  eine  viertel  Stunde  gegen 
den  Dormitor -Gipfel  zu.  So  erreichten  wir  um  Mittag  wol  eine  Höhe 
von  mehr  als  ÖOOO  Fuß,  vieUeicht  ö400— ö«o00  Fuß ;  in  einer  Schlucht 
unter  unserem  Standpuncte  lag  Schnee;  der  Wind  wehte  eisig  unge- 
achtet der  warmen  August-Sonne.  Gegen  Osten  zu  sahen  wir  das  Gebiet 
von  Drobigak  und  Jesero,  das  mittlere  Tara-Gebiet,  wie  eine  Ebene 
unter  uns;  nur  verhältnismäßig  unbedeutende  Berge,  wahrscheinlich  die 
Randgebirge  des  Lim-Thales,  begränzten  dort  den  Horizont.  Gegen  S. 
versperrten  uns  die  wol  an  6000  Fuß  hinanreichenden  nahen  Yorberge 
die  Aussicht.  Der  im  NW\  liegende  Gipfel  des  Dormitor  blieb  in  Wol- 
ken gehüllt;  er  war  vermuthlich  noch  dritthalb  bis  3000  Fuß  über 
anserm  Standpuncte  und  noch  zwei  bis  drei  mühsame  Stunden  entfernt. 
Ohne  Hoffidung,  aus  den  Wolken  eine  Aussicht  zu  genießen  und  ohne 
Zelte,  um  auf  der  freien  Höhe  übernachten  zu  können,  entschlossen  wir 
uns  endlich  zur  Umkehr.  Mein  damaliges  durch  die  ungewohnte  landes- 
übliche Kost  entstandenes  Unwohlsein  war  unter  diesen  Umständen  nur 
ein  nebensächliches  Hindernis  der  weiteren  Besteigung.  Wir  hatten  den 
Umständen  nach  das  möglichste  geleistet.  Nur  durch  rücksichtsloses,  un- 
aufhaltsames Vordringen,  und  durch  fortwährendes  Ankämpfen  gegen  die 
vielen  Bedenken  unserer  Führer  und  officiell  beigegebenen  Schutzwachen, 
hatten  wir  noch  die  Strecke  von  vier  Stunden  über  Nikolindol  hinauf- 
kommen können.  Ein  Reisender,  der  keine  ämtliche  Stellung  hat,  müßtet 


106 

um  den  Dormitor  besteigen  zn  können,  einen  ausdrücklich  auf  diesen 
Zweck  lautenden  Geleitschein  and  einen  of&ciellen  Begleiter  bei  sich 
haben;  er  mtlßte  femer,  wenn  er  den  Dormitor,  wie  wir,  von  Piwa  aus 
besteigen  will,  die  Nacht  vorher  in  NikolinddU  oder  wenigstens  in  Ber- 
kowitsch  zubringen,  um  von  dort  mit  der  Morgendämmerung  aufzu- 
brechen, und  müßte  sich  nicht  nur  mit  Mundvorrath,  sondern  auch  mit 
jenen  Gegenständen  versehen,  welche  nöthig  sind,  um  im  Hochgebirge, 
wo  sich  nicht  einmal  Holz  zum  Feuermachen  vorfindet,  im  Freien  über- 
nachten zu  können. 

Von  Jesero,  d.  i.  von  NO.  her,  dürfte  die  Besteigung  vielleicht 
weniger  Zeit  in  Anspruch  nehmen;  unter  den  g^enwftrtigen  Ver- 
hältnissen hätte  aber  dieses  Unternehmen  auch  seine  politischen 
Schwierigkeiten,  denn  die  Bevölkerung  jener  Gegenden  ist  sehr  mis- 
trauisch  und  für  Empfehlungsbriefe  nicht  sehr  empfänglich  (was  der 
berühmte  Barth  in  Montenegro  und  Kanitz  am  Drin  zu  erfahren  (xe- 
legenheit  hatten).  Die  Besteigung  des  Dormitor  ist  überdies  an  und  für 
sich,  wenigstens  auf  unserem  Wege,  ziemlich  unangenehm  und  beschwer- 
lich. Bisweilen  wird  das  Auge  wol  durch  die  Ungeheuern  Massen  und 
die  fast  schauerlich  bizarren  Formen  der  Felsgebirge  überrascht,  aber 
es  wird  auch  ermüdet  durch  den  viele  Stunden  gleich  bleibenden  An- 
blick der  leblosen  kahlen  Scenerie;  das  Unangenehmste  ist  aber  die  Be- 
schaffenheit des  Weges;  fast  ununterbrochen  SteingeröUe,  oft  so  weit 
das  Auge  reicht.  Die  einheimischen  Pferde,  welche  auf  solchen  Wegen 
zu  klettern  gewohnt  sind,  kommen  wol  darüber  hinweg,  aber  mit 
vieler  Mühe,  langsam  und  stolpernd;  an  vielen  steilen  Stellen,  wie  auf 
der  ganzen  oberen  Wegstrecke  muß  man  zu  Fuß  gehen,  und  da  ist 
dieses  Steineklettem  mindestens  so  mühsam  wie  das  Waten  in  tiefem 
Schnee.  Die  Gefahr  einer  Gletscherpartie  ist  übrigens  mit  einer  Dor- 
mitor-Besteigung  nicht  verbunden. 

Nach  einer  kurzen  Rast  am  grünen  See  kehrten  wir  auf  dem- 
selben Wege  nach  Piwa  zurück,  wo  wir  nicht  ohne  Yerirrungsgefahren 
erst  nach  Einbruch  der  Nacht  anlangten.  Von  dort  ritten  wir  wieder 
auf  dem  alten  Wege  nach  Gatzko.  Wir  begegneten  auf  dieser  Beise 
vielen  Christen,  welche  zum  Marien-Feste  nach  Piwa  wallfahrteten.  Sie 
waren  in  einer  der  bosnisch-türkischen  Tracht  ähnlichen  Kleidung,  jedoch 
bunter  und  reicher  als  man  bei  bosnischen  Christen  zu  sehen  pflegt; 
ihre  Jacken  und  Westen  waren  meistens  mit  Reihen  von  Süberknöpfen 
verziert.  Die  Weiber  hatten  die  gewöhnliche  herzegowinische  Tracht: 
Kittel  aus  ungefärbter  Schafwolle,  dazu  bunte,  gefranste  Schürzen,  und 
am  rothen  Feß  ein  rückwärts  herabhängendes  Tuch,  bisweilen  auch  eine 
dunkle  lange  Mantille  ohne  Aermel. 


107 

Yon  Gatzko  ritten  wir  nach  Newessinj.  Die  Haaptrichtong 
dieses  Weges  geht  nicht  nach  NW.,  wie  auf  der  Roskiewicz'schen  und 
der  Scheda*schen  Karte,  sondern  nach  WNW.,  was  bei  Nevessinij  schon 
einen  Unterschied  von  wenigstens,  zwei  Stunden  aasmacht.  Aach  die 
Entfernungen  zwischen  den  auf  diesem  Wege  liegenden  Ortschaften 
Foinitza  und  Salom-Palanka  sind  dort  unrichtig  ang^eben; 
namentlich  h^  Salom-Palanka  in  Wirklichkeit  viel  östlicher. 

Die  Ebene  von  Gratzko  endet  eine  kleine  halbe  Stunde  weltlich 
von  Gradschanitza.  Man  tritt  dort  in  ein  ziemlich  enges,  grünes  Thal, 
welches  im  Winter  ganz  von  einem  Fluss  (Salomska  Bjeka)  bewässert 
ist,  der  im  Sommer  gewöhnlich  nur  an  einigen  unterbrochenen  Strecken 
lebendig  dahinfließt  und  dann  plötzlich  im  Boden  verschwindet,  —  was 
in  den  dinarischen  Alpen  keine  auffallende  Erscheinung  ist.  Am  Anfange 
dieses  Thaies  liegt  das  Dorf  Wratitza,  und  anderthalb  Stunden 
weiter  das  Dorf  Foinitza.  Zwei  Stunden  weiter  liegt  das  bisher  in 
kleinen  Schlangenwindungen  gegen  WNW.  ziehende  Thal  nach  NNW. 
ab,  und  der  Weg  geht  eine  halbe  Stunde  steil  aufwärts.  Auf  der  Höhe  oben, 
etwa  2700—2900  Fuß  «her  dem  Meere,  liegt  Salom-Palanka,  ein 
kleines  altes  Fort  mit  einer  Ringmauer  und  einem  hohen  Wartturm. 
Vor  demselben  liegt  an  der  Straße  ein  Han,  dann  ein  Haus  mit  einem 
aaffallenden  Säulenbau,  unter  dessen  Bogen  sich  Kaufläden  befinden  und 
die  Ruine  einer  Moschee,  welche  vor  langer  Zeit  von  den  Zemagortzen 
soll  zerstört  worden  sein.  Den  Namen  Salom  leitet  man  von  Zachlum, 
der  alten  sfldherzegovinischen  Grafschaft  her.  Bald  hinter  diesem  Orte 
beginnt  ein  fast  einstündiger  Abstieg  in  die  wol  um  tausend  Fuß  tiefer 
liegende  Newessinj sko-Polje  oder  Newessinjer  Ebene.  Unter  den 
Gebirgen ,  welche  diese  weit  ausgedehnte,  angeblich  1800  Fuß  hohe  Ebene 
umschließen,  ragt  im  NW.  der  Welesh  wol  noch  vierthalb  tausend 
Fuß  über  die  Ebene  empor.  Im  N.  zeigt  sich  der  Porim,  im  NO.  die 
Morine.  Die  Newessinjsko  Polje  ist  größtentheils  steinig  und  wenig  an- 
gebaut, hat  aber  schon  eine  mehr  der  südeuropäischen  Zone  angehörige 
Üebergangs-Vegetation.  Nach  ungefähr  einer  Stunde  überschreitet  man 
auf  einer  Brücke  ein  im  Sommer  trockenes  Flussbett,  wahrscheinlich 
die  Fortsetsteng  der  Salomska-Rieka.  Näher  gegen  Newessii^  zu  wird 
die  Gegend  belebter;  der  Weg  zieht  zwischen  Dörfern  und  kleinen 
Auen  dahin.  Nachdem  man  das  Dorf  Shiljewo  passiert,  gelangt  man 
etwa  eine  Stunde  von  der  Brücke  her,  in  das  am  Westrande  der 
Ebene  gelegene  Städtchen  Newessinj,  welches  größtentheils  von 
Mohammedanern  bewohnt  ist,  und  wo  der  Kaimakam  des  gleichnamigen 
Kasäs  (Bezirks)  seinen  Sitz  hat.  Da  der  einzige  Han  dieser  Ortschaft 
zwar  einen  gaten  Stall,  aber  kein  Wohnzimmer  hatte,  so  quartierten  wir  uns 


108 

im  Bezirksamt  ein.  Der  Kaimakam  erwies  ans  alle  mögliclie  Aufmerk- 
samkeit; das  Amtsgeb&ade  aber  entzieht  sich  fast  aller  Beschreibung. 
Das  Entr^e  ist  ein  finsterer  Stallraam;  von  dort  fahrt  eine  hals- 
brecherische hölzerne  Stiege  in  das  obere  Stockwerk;  dort  gelangt 
man  zwischen  Bretterwänden,  unmittelbar  unter  dem  Dachstal  in  das 
Amtszimmer,  wo  der  Districtsrath  seine  Sitzungen  h&lt.  Dieses  Zimmer 
hat  Wände,  deren  Farbe  ursprünglich  weiß  gewesen  sein  mag,  jetzt 
aber  ^zwischen  gelb  und  graubraun  variiert,  und  Fenster,  die  nur  zum 
geringem  Theil  mit  Scheiben  versehen  sind.  Von  der  Einrichtung 
des  Zimmers  will  ich  schweigen.  Uebrigens  ließ  uns  der  gastfreund- 
liche Kaimakam  daselbst  ein  recht  gutes  Abendmal  (auf  türkische 
Art)   servieren. 

Die  Ortschaften  der  Newessinjsko-Polje  scheinen  von  Roskiewicz 
nicht  in  der  richtigen  Ordnung  verzeichnet  zu  sein,  und  namentlich 
scheint  der  Weg  nach  Ulok  nicht  gegen  ONO.,  sondern  NNO.  zu 
ziehen.  Man  rechnet  von  Newessinj  nach  Salom  drei  Stunden, 
nach  Ulok  (im  NarentarThale)  fünf  Standen,  dann  angeblich  nach 
K  r  a  k  o  w  e  (0.  ?),  nach  Grabovatz  (SSO.  ?),  nach  üdreshne 
(S.?),  und  nach  Mahala  (NNW.)  je  zwei   Stunden. 

Von  Newessinj  führt  eine  theilweise  fahrbare  Chaussee,  anfangs 
westlich,  dann  gegen  NW.,  in  das  vier  Stunden  entfernte  Blagaj 
und   weiter  nach   M  o  s  t  a  r. 

Diese  Straße,  welche  auch  Roskiewicz  bereist  hat,  führt  in 
einigen  Windungen  auf  die  westliche  niedere  Bergkette,  dann  wol 
zwei  Stunden  lang,  über  Pakratschuscha  durch  wellenförmiges, 
bewaldetes,  dann  durch  offenes  steiniges  Terrain,  worauf  man  fast 
anderthalb  Stunden  lang  nach  Blagaj   hinabsteigt. 

Hier  nimmt  die  Vegetation  plötzlich  einen  entschieden  südlichen 
Character  an.  Man  zieht  zwischen  wilden  Weinranken,  Feigen  und 
Granaten  dahin  (wovon  im  eigentlichen  Bosnien  keine  Spur  vor- 
handen ist). 

Die  Ortschaft  Blagaj  liegt  in  der  Bischtsche  oder  untern 
Mostarer  Ebene,  am  Fuß  eines  steilen,  einige  hundert  Fuß  hohen 
Hügels,  welcher  die  verfallene  Burg  Blagaj  trägt.  Diese  mächtige 
Ruine,  einstige  Burg  der  Herzoge  von  St.  Sawa  (Herzegowina),  könnte 
in  der  That  die  Ufer  der  Donau  oder  des  Rheines  zieren.  Ich  hatte 
keine  Zeit,  sie  näher  zu  besichtigen,  benützte  aber  die  Gelegenheit,  um 
die  Quelle  der  B  u  n  a  zu  sehen,  welche  man,  links  von  der  Straße  ab- 
liegend, durch  das  Dorf  in  einigen  Minuten  erreicht.  Der  Buna-Fluss 
strömt  mit  großer  Wassermenge  aus  einer  niederen  Höhle  am  Fuß 
des  erwähnten  Hügels  hervor,  welcher  hier  eine  theils  senkrechte,  theils 


109 

fiberbangeikde  dunkle  Felswand  bildet  Unmittelbar  an  der  Quelle  steht 
ein  vom  Serdar  Omer  Pascha  in  ziemlich  elegantem  Style  erbautes,  mit 
einer  Moschee-artigen  Betkammer  yersehenes  Haus,  welches  von  einem 
arabischen  Derwisch  bewohnt  wird.  Der  Platfond  und  das  Dach  dieses 
Hauses  haben  mehrere  große  Löcher,  durch  welche  man  aus  einigen  Gemächern 
den  freien  Himmel  sieht.  Diese  Löcher  entstanden  durch  die  vom  Aber- 
hangenden  Felsen  herabfallenden  Steinblöcke.  Da  dem  besagten  Der- 
wische noch  keiner  derselben  auf  den  Kopf  fiel,  und  nach  Ausbesse- 
rung jener  Löcher  doch  wieder  andere  geschlagen  würden,  so  bleibt 
der  Derwisch  im  Hause,  ohne  die  Löcher  auszubessern.  So  lange  es 
das  Kismet  —  das  Schicksal  —  nicht  will,  wird  er  ja  doch  nicht  er- 
schlagen! Uebrigens  hat  er  sein  Harem,  das  ihm  nicht  fehlt,  in  einem 
noch  weiter  rfickw&rts  fast  in  den  Felsen  hineingebauten  und  so  durch 
diesen  selbst  geschützten  H&uschen. 

Von  Blagaj  führt  eine  zwei  Stunden  lange,  ebene  und  gerade 
Fahrstraße  durch  die  baumlose  und  schlecht  bebaute  Ebene  Bischtsche 
nach  Mostar. 

Mostar  dürfte  um  ein  bis  anderthalb  Meilen  südlicher  liegen,  als 
es  auf  der  Roskiewicz'schen  und  Scheda^schen  Karte  verzeichnet  ist. 
Dies  ergibt  sich  sowol  aus  der  Richtung  des  Weges  von  Gatzko  nach 
Mostar,  als  ans  der  Entfernung  Mostar's  von  Metkovich,  und  ebenso 
von  Jablanitza  (im  Narenta-Thale). 

Mostar,  am  EinlBuss  der  Radobo^e  in  die  Neretwa  (Narenta), 
zwischen  den  kahlen  Bergen  Hum  und  Welesch  (Podwelesch)  gelegen, 
Residenz  des  dem  Wali  von  Bosnien  untergeordneten  Mutesarrif's  der 
fierzegovina,  eines  griechischen  und  eines  katholischen  Bischofs,  eines 
österreichisch  -  ungarischen  Gonsuls,  eines  russischen  und  eines  französi- 
sischen  Yice-Consuls,  hat  angeblich  2200  mohammedanische,  500  griechisch- 
orthodoxe, 398  römisch-katholische,  120  zigeunerische  und  18  hebräi- 
sche Familien,  also  ungef&hr  14 — 15.000  Einwohner.  Es  hat  33  Mo- 
scheen, eine  alte  und  eine  im  Bau  begriffene  griechische  Kirche,  eine 
eben  vollendete  große  katholische  Kirche,  eine  griechische,  eine  katho- 
lische und  23  türkische  Schulen,  und  über  dreihundert  Kaufläden.  Die 
Häuser  sind  von  Stein  und  mit  Schieferplatten  gedeckt.  Einige  Gebäude 
—  größtentheils  dalmatinisches  Werk  —  sind  mit  mehreren  Stock- 
werken nach  europäischer  Weise  gebaut,  —  so  auch  das  neue  Hotel 
oder  Casino.  Fast  nur  die  Hauptstraße  ist  fahrbar;  die  andern  Gassen 
sind  eng  und  steil.  Die  Gärten  liegen  weniger  am  äußern  Umfang  der 
Stadt,  wie  sonst  in  den  türkischen  Städten,  sondern  größtentheils  in 
der  Mitte,  am  rechten  Narenta-Ufer.  Ein  Theil  der  mittleren  Stadt  am 
linken  Ufer  ist   von  den  mit  vier  Türmen  versehenen  alten  Festungs- 


110 

mauern  ningeben.  An  diese  schließt  sich  die  berflhmte,  in  einem  hohen 
Spitzbogen  gespannte  Brflcke  mit  ihren  Brflckenkopftttrmen.  lieber  den 
Ursprung  dieser  Brflcke  wurde  viel  gestritten.  H&ufig  wird  sie  den 
Römern  zugeschrieben;  die  Tflrken  nehmen  aber  die  Ehre  des  Baues 
fOr  sich  in  Anspruch  und  berufen  sich  hiebei  auf  eine  undeutliche  In- 
schrift mit  einer  Jahreszahl,  welche  ich  jedoch  nicht  gesehen  habe.  Ffir 
die  andere  Ansicht  macht  man  sowol  die  Kflhnheit  und  Solidit&t  der 
Oonstruction  als  auch  den  Namen  der  Stadt  geltend,  welcher  aus  dea 
slavischen  Wörtern  Most-stari  entstanden  sein,  und  „alte  Brflcke^  be- 
deuten soll.  Ich  bezweifle  die  Richtigkeit  dieser  Etymologie,  denn  in 
diesem  Fall  würde  der  Name  eher  Stari-Most  lauten,  nicht  aber  um- 
gekehrt (So  sagt  man  z.  B.  Starigrad,  nicht  Grad-stari,  —  alte  Stadt) 
Ich  glaube,  dass  höchstens  der  Ausdruck  Most,  d.  i.  Brflcke,  darin 
liegt,  und  dann  braucht  die  Brflcke  nicht  viel  ftlter  zu  sein,  als  der 
Stadtname,  welcher  vor  ungefähr  fflnfhundert  Jahren  aufgetaucht 
sein  soll.  Was  die  Ban-Construction  betrifft ,  so  hat  dieselbe  mehr 
Byzantinisches  oder  selbst  Gothisches,  als  Römisches  an  sich.  Der 
Erbauer  scheint  entweder  ein  byzantinischer,  oder  ein  venetianischer 
Eflnstler,  —  vielleicht  aus  dem  benachbarten  Dalmatien  gewesen  zu 
sein.  Ein  solcher  konnte  sowol  von  den  slavischen  Herrschern 
Bosniens ,  als  von  den  tflrkischen  Yesieren  nach  Mostar  gerufen 
werden.  Wahrscheinlich  haben  die  Tflrken  eine  hier  vorgefundene 
ältere   Brflcke  in   der  jetzigen  Gestalt  restauriert. 

Von  Mostar  beschioss  ich  die  Rflckreise  nach  Serajewo  auf 
der  im  Bau  begriffenen  neuen  Straße  im  Narenta-Thale 
zu  machen.  Diese  Straße  ist  sowol  durch  die  Schönheit  der  Gegend 
als  durch  ihre  kflhne  und  fflr  die  Tflrkei  ganz  außerordentlich 
solide  Oonstruction  (insoweit  sie  fertig  ist)  eine  wahre  Sehenswflrdig- 
keit.  Sie  fflhrt  üst  drei  Stunden  durch  die  Ebene  Bielopolje, 
dann ,  nachdem  sich  die  alte  Porim-Straße  rechts  abgezweigt,  von 
Selakowatz  an,  am  Abhänge  der  Gebirge ,  welche  das  linke 
Narenta-Ufer  begleiten.  Nach  einer  Stunde  erreicht  man  die  Biela- 
Brflcke,  bis  zu  welcher  man  5  Stunden  von  Mostar  rechnet.  Bis 
hieher  ist  die  Straße  derzeit  vollkommen  fahrbar.  Weiterhin  bis 
Konjitza  ist  nur  die  Trace  der  Straße  als  Reitweg  hergestellt,  und 
wird  an  einigen  unzusammenh&ngenden   Stellen  gearbeitet. 

Manche  Strecken  mflßen  aus  den  Felsen  gesprengt  und  mit 
Mauern  gestfltzt  werden.  Anderthalb  Stunden  hinter  der  Biela-Brflcke 
gelangt  man  zu  der  merkwflrdigen  Höhlenquelle  Tzrni  Wrelo 
oder  Kara  Kainak  (d.  h.  schwarze  Quelle).  Der  Name  rflhrt 
von    dem  schwarzen  Mose  her,  welches  die  Steine  bedeckt,  Aber  die 


111 

sich  das  Wasser,  wenn  dayon  in  der  HiUile  genug  vorhanden  ist, 
in  die  Neretwa  (Narenta)  hinabstürzt.  Ich  fand  den  Wasserfall  eben 
versiegt  and  die  Höhle,  welche  anter  der  Straße  liegt,  zagftnglich, 
so  dass  man  in  dieselbe,  wenn  aach  mflhsam  Aber  die  Felsblöcke, 
hinabsteigen  konnte.  Die  Höhle,  von  graaweißem  (Gestein  mit  einigen 
Sparen  von  Tropfsteinbildangen  ist  30 — 40  Faß  hoch  and  40—50  Fuß  tief. 
Der  Boden  geht  anfangs  in  einem  Winkel  von  etwa  30  Klaftern 
abwftrts;  zu  unterst  fand  ich  aber  tiefes  Wasser.  Zeitweilig  fflUt 
dieses  Wasser  die  Höhle  bis  zum  Ausgange,  stürzt  sich  dann  Aber 
eine  2 — 3  Klafter  hohe  und  ebenso  breite,  schwarz  bemoste  Fels- 
wand in  einen  offenen  Steinkessel  von  ungefähr  drei  Klaftern  Durch- 
messer ,  and  wenn  aach  dieser  Kessel  voll  ist,  noch  die  weiteren 
60  —  70  Fuß  in  einem  Winkel  von  ungefähr  40  Klaftern  Aber  viele 
Felsblöcke  zur  Neretwa  hinab.  —  Von  hier  an  wird  das  Neretwa- 
Thal    immer   romantischer. 

Eine  halbe   Stunde  nördlich  von   Tzmi   Wrelo   mAndet  am  jen- 
seitigen  Ufer,   wo    der    alte,    von   Roskiewicz   znrAckgelegte   Weg    als 
ein    schauerlicher   Ziegenpfad  hinzieht ,    die    Dreschnitza    in    die 
Neretwa ,    welche    Thalspaltung    durch     kAhn     geformte    Felsmassen 
characterisiert  ist.  Hier  biegt  sich   der   Weg  mehr  rechts,   indem   hier 
die   Neretwa   fast   von   N.   herkommt.    (Die   bisherige  Thalrichtung   ist 
mehr    NW. — SO.,    und^  somit  viel    weiter     nach    W.     hinausgebogen, 
als   auf    der    Roskiewicz^schen   Karte.)     Hinter    jener   Biegung    steigt 
rechts  von  der  Straße   wd   gegen  zweitausend  Fuß  eine  wahre  Felsen- 
barg   hinan  ,     zwischen     deren    riesigen  FlAgeln    eine   Appige  Baum- 
gruppe wie  ein  Garten  durch   die  Schlosspforte  erscheint.  Bald  darauf 
zeigt    sich   links   ein   hoher   Felsenkegel  von  wunderbarer  Regelmäßig- 
keit.   Unterdessen     gewahrt    man    links    unten    in    den     senkrechten 
Thalwftnden   förmliche   Felsenwohnungen,   regelmäßige,    zum   Theil   mit 
Zäunen     verwahrte      Höhlen ,     welche    den    Hirten     zum     Aufenthalt 
dienen.     Mitten   in   dieser  großartigen  Felsennatur   liegt    das   herrlich 
grAne   Thal,    dessen   Vegetation    noch   einen   ganz   sAdlichen  Character 
bat;    von   wilden   Weinreben    umrankte    Bäume   beschatten    den   Weg, 
tief    onten    aber  fließt    die   dunkelgrtkne   klare  Neretwa.   Bald   hinter 
dem    kleinen    Orte   Grabowatz     (wo  Roskiewicz    „Luksa-Grab''   an- 
gibt),    mAndet    auf   der   Westseite  die    Divlja   (d.    h.   wilde,   nicht 
Diva)  Grabowitza,     und    von   da   an    verengt    sich    die    Neretwa 
nr  Schlucht 

Auf  beiden  Seiten  treten  die  Berge  als  steile  Felswände  an 
den  Fluss  heran.  Ihre  Gipfel  weisen  die  sonderbarsten  Formen  auf. 
Uk  sah  hier  einen  Fels  von  der  Gestalt  einer  auf  riesigem  Stengel 


112 

hangenden  Riesenblnme;  gegenflber  eine  durchbrochene  Feiewand,  den 
Ruinen  eines  mit  Festnngsmauem  und  Türmen  versehenen  Berg- 
schlosses  gleichend. 

Nachdem  man  n&chst  dem  Poncte,  wo  eine  eiserne  Brücke  auf 
Steinpfeilern  gebaut  werden  soll,  den  Fluss  mittels  einer  Ueberfnhrs- 
Plätte  fibersetzt,  gelangt  man,  nun  am  rechten  Ufer  ,  an  eine  Stelle, 
wo  die  Neretwa  wie  durch  ein  enges  Thor  durch  die  Felsen  bricht, 
und  wo  die  mächtigen  Schichten  der  Kalkstein-Wände ,  —  wie 
Roskiewicz  richtig  bemerkt  —  mit  einer  Neigung  von  15 — ^20  Klafter 
zu   Tage   treten. 

Dies  ist  nun  der  eigentliche  Narenta-Pass,  der  K 1  a  n  a  t  z  , 
jene  etwa  neun  Stunden  von  Mostar  entfernte  Stelle,  wo  die  mar- 
kierte Grenze  zwischen  der  Herzegovina  und  dem  eigentlichen  Bosnien 
hindurchzieht.  Bald  darauf  nimmt  die  ganze  Gegend  einen  anderen 
Character  an.  Nach  Ueberschreitung  der  beiden  weithinschimmemden 
und  schäumend  in  die  Neretwa  hinabstfirzenden  Gießbäche  P ern- 
tatz und  Proporatz,  gelangt  man  in  eine  Thal-Erweiterung, 
welche  mit  ihrem  saftigen  Wiesengrfin  uLd  ihren  zahlreichen  Hütten 
und  Herden  einen  schönen  idyllischen  Contrast  zu  der  eben  durch- 
wanderten wildromantischen  Schlucht  bildet.  Am  östlichen  Ufer  öffnet 
sich  ein  freundliches  Seitenthal,  in  dessen  Hintergrund  der  wol  Ober 
6000  Fuß  hohe  Prenj  sich  in  seiner  ganzen  migestätischen  Gestalt  dar- 
stellt. Seine  kahlen  felsigen  Gipfel  schimmerten  eben  im  röthlichen 
Glänze  der  Abendsonne,  als  wir  in  Donja-  (Unter-)  Ja blanitza 
anlangten.  Hierauf  zeigte  sich  am  jenseitigen  Ufer,  auf  einer  fast 
regelmäßig  halbrunden  Bodenplatte,  das  große,  eng  gebaute  Dorf 
Lug.  Noch  eine  Viertelstunde  weiter  erreichten  wir  diesseit  das 
Dorf  Go  rnja-(Ober-)  J  ablanitza,  wo  wir  übernachteten.  So  Ueb- 
lich  die  Lage  dieses  Ortes  ist,  so  schrecklich  war  das  Nachtquartier. 
Die  Sehnsucht  nach  einem  reinlichen  Nachtlager  trieb  mich  am 
nächsten  Tage  bis  nach  Serajewo,  dessen  Entfernung  von  Jablanitza 
nicht   weniger  als  17  Poststunden   beträgt. 

Eine  Viertelstunde  östlich  von  Jablanitza  gelangt  man  wieder 
an  eine  Brücke,  welche  auf  das  linke  Ufer  hinüberführt.  Auch  diese 
Brücke  soll  eine  eiserne  werden,  nicht  lang,  aber  sehr  hoch  ge- 
spannt. Von  den  steinernen  Uferpfeilern  fand  ich  ungefähr  ein  Drittel 
vollendet.  Auf  dem  linken  Ufer,  welches  zur  Herzegovina  gehört,  geht 
nun  die  Straße  bei  der  Einmündung  eines  Seitenthaies  sogleich  bergan, 
und  fast  eine  halbe  Stunde  in  ziemlich  steilem  Zikzak  aufwärts, 
dann  wieder  abwärts,  indem  sie  eich  in  einem  fast  halbstündige  ellip- 
tischen  Bogen     uük    eine    Thalschlucht   windet.    Diese    Gegend    heißt 


113 

Popraska.  Hier  erreicht  man  wieder  die  Neretwa,  deren  weite 
nordwestliche  Abschweifung  anf  diesem  Wege  abgeschnitten  wurde. 
Von  da  an  bleibt  die  neue  Straße,  an  manchen  Poncten  erst  durch 
Holzpfiöcke  angedeutet,    vier   Stunden   lang   in  der  Niederung   des  hier 

Ml 

ziemlich  gut  cultivierten  Thaies,  am  linken  Ufer  der  Neretwa,  in  der 
Hauptrichtung  von  WNW  —  OSO.  Hier  passiert  man  die  zerstreut 
gebaute  Ortschaft  Ostroschatz,  und  am  gegenüberliegenden  Ufer 
bemerkt  man  die  Mfindung  der  von  N.  zuströmenden  Neretwitza 
oder  Mala  Naretwa  (das  heißt  kleine  Narenta)  sowie  auch  ein 
Dorf  mit  einer  Moschee,  hart  am  Ufer, — wahrscheinlich  Lissitschitsh. 
Wie  Roskiewicz  ffir  die  Gegend  von  Jablanitza  und  Rama  bemerkt,  dass 
die  mohammedanischen  Frauen  daselbst  unverschleiert  gehen,  so  fand 
ich  es  von  Jablanitza  bis   gegen  Konjitza  hin. 

Konjitza,  fünf  Stunden  von  Jablanitza,  liegt  wenigstens  um 
eine  Meile  westlicher,  als  auf  der  Roskiewicz' sehen  und  der  Scheda'schen 
Karte.  Es  ist  eine  größtentheils  von  Mohammedanern  bewohnte  Ortschaft, 
und  mit  dem  am  rechten  Narenta-Ufer  gegenüberliegenden,  vormals  ge- 
trennten Orte  Neretwa  vereinigt,  der  Hauptort  eines  größtentheils  von 
Mohammedanern  und  Katholiken  bewohnten,  zur  Herzegowina  gehörigen 
KasA's,  in  dessen  Bereich  ziemlich  viel  Weinbau  betrieben  wird.  Eine 
alte  steinerne  Brücke  führt  hier  über  die  Neretwa.  Dieselbe  wäre  nach 
einer  Sage  im  10.  Jahrhundert  von  den  Dalmatinern ,  nach  einer  andern 
Ueberlieferung  aber  erst  von  den  Türken  erbaut  worden.  In  Konjitza 
ließ  ich  mein  ermüdetes  Pferd  zurück  und  ritt  mit  Postpferden  weiter 
nach  Serajewo.  Hier  trifft  nämlich  die  neue  Straße  mit  der  alten  Post- 
straße zusammen. 

Die  Straße  zieht  nun  durch  die  Schlucht  des  Teschanitza- 
Baches  in  durchschnittlich  NNO.  Richtung  auf  die  Iwan-Planina. 
Nach  zweieinhalb  bis  drei  Stunden  erreicht  man  das  aus  zerstreuten 
Hütten  bestehende  Dorf  Bradina  mit  einem  neu  gebauten  Han  und 
von  dort  in  einer  halben  Stunde  in  einem  schönen  Buchenwald  den  Sattel 
der  Iwan-Planina,  welche  wieder  zum  eigentlichen  Bosnien  gehört  und 
die  Grenze  zwischen  der  nördlichen  und  der  südlichen  oder  wenigstens 
mittleren  Vegetations-Zone  bildet. 

Die  Iwan-Planina  (deutsch  Johannesberg  oder  Alpe),  auf 
der  Roskiewicz'schen  Karte  gar  nicht  verzeichnet,  figurierte  auf  den 
alten  Eiepert'schen  Karten  als  der  Hauptgebirgsstock  zwischen  der 
Narenta,  der  Bosna  und  der  Drina.  Sie  ist  aber  in  Wirklichkeit  nur 
die  kaum  300  Fuß  hohe  Einsattlung  zwischen  der  Bielaschnitza 
(nicht,  wie  Roskiewicz  sagt,  Bielastitza),  deren  südliche  Abfälle  unter 
den   Namen    Pressnitza,     Radobolje    (?)  und  Spadarina  (?) 

Oeographiflcbe  M ittheilangen.  1870.  3.  S 


114 

bekannt  sind,  und  der  Bitoynja,  respectiye  ihrem  östlichen,  Lissin 
oder  Lissatz  genannten  Gipfel  (wahrscheinlich  demselben,  welchen 
Ami  Bou^  in  seinen  Ittin^raires  für  „la  grosse  t^te  de  la  Radoucha^ 
hielt).  Der  westlich  von  der  Straße  liegende  unbedeutende  Gipfel  der 
Iwan-Planj^a  heißt  Tmor. 

Nur  als  Uebergangspunct  ist  die  Iwan-Planina  von  Wichtigkeit. 
Auf  der  Nordseite  dieses  Gebirges  steigt  man  in  einer  halben  Stunde 
zum  Iwan  Han  oder  Pod-Iwane,  und  in  einer  weitern  halben 
Stunde  nach  Tartschin  im  Quellgebiete  der  Lepenitza  hinab. 
Hier  übersetzt  die  Straße  die  Eortscha  und  andere  kleine  Bäche 
auf  schlechten,  niederen  Holzbrücken,  wird  aber  von  da  an  vollkommen 
fahrbar.  (Wenn  diese  kleinen  Brücken  repariert  sind,  kann  zur  Noth  die 
ganze  Strecke  von  Serajewo  bis  Eonjitza  befahren  werden.)  Von  Tar- 
tschin zieht  man  an  dem  westlichen  Theile  des  Bielaschnitza-Gebirges^ 
nämlich  an  der  (vormals  von  Dr.  Blau  und  von  mir  erstiegenen)  von 
Roskiewicz  alsRadoboUe  bezeichneten,  ungefähr  6000  Fuß  hohen  Hra- 
nitzawa  vorüber,  und  gelangt  über  eine  unbedeutende  Anhöhe  in  das 
Sujewina-Thal,  und  zwar  in  einer  Stunde  nach  Pasaritsh,  wo 
sich  wieder  eine  Poststation  befindet  (im    NO.    vom    Ivan-Uebergange). 

Bei  diesem  letztgenannten  Orte,  der  am  westlichen  Fuß  der 
Wlahina,  d.  i.  des  nördlichen  Theiles  der  Bielaschnitza  gelegen  ist, 
fließt  nicht  die  Lepenitza  —  wie  auf  der  Roskiewicz'schen ,  der 
Scheda'schen  und  selbst  auf  der  in  der  Zeitschrift  der  Gesellscliaft  für 
Erdkunde  in  Berlin  (11.  Band  1867)  erschienenen  kleinen  Blau*schen 
Karte  verzeichnet  ist,  —  sondern  die  Snjewina,  indem. die  Lepenitza 
schon  jenseit  der  südlichen  Hügelkette  westwärts  abgeschwenkt  ist. 
Nördlich  von  Pasaritsh  überschreitet  man  auch  nicht  mehr  den  Berg 
Balalovic,  wie  Roskiewicz  angibt,  sondern  zieht  im  Sujewina-Thale,  wo 
Baumwuchs  und  Felspartien  anmuthig  abwechseln,  weiter  über  Tu- 
povtze  (nicht  Tupove)  und  Hadshitsh  (nicht  Haidric)  in  3  Stunden 
nach  Blashni,  von  wo  man,  auf  der  Brooder  Straße,  die  Bosna, 
die  Sheleshnitza,  die  Dobrina  und  die  Miljatzka  fiberschrei- 
tend, in  3  leichten  Stunden  durch  die  Serajevsko-Polje  (Serajever 
Ebene)  wieder  in  die  bosnische  Hauptstadt  gelangt. 

Um  die  noch  immer  unerforschten  Theile  der  nördlichen  Herzego- 
vina  kennen  zu  lernen ,  wären  besonders  folgende  Reisen  empfehlens- 
wert: Von  Serajevo  über  Tmova  und  Dobropolje  nach  Fotscha,  and 
von  dort  im  Drina-  und  PiwarThale  aufwärts  *),  dann  auf  den  Wola- 
jak,  welcher  nicht   sehr  schwierig  zu  besteigen  sein  dürfte,  nach  Tlen- 


*)  Diese  Reise  soll  unlängst  der  Botaniker  Knapp  gemacht  haben. 


116 

tista,  Aber  Jäbaka  an  die  Narenta-^aeHe,  dann  im  Narenta-Thal  über 
Glawatidshewo,  Lipeta  und  Porim  nach  Mostar ;  ferner  von  Serajewo 
fiber  Tmowa,  und  Wraüo  nach  Bielemitsh  und  von  dort  über  Kali- 
Dowik  nach  Fotscha.  Am  wenigsten  bekannt  ist  nämlich  das  obere 
Narenta-Thal,  namentlich  bei  Glavatidschewo  und  Bjelemitsh,  und  das 
zwischen  diesem  Thale  und  der  alten  Mostarer  PoststraOe  gelegene 
Gebirgsland,   welches   übrigens   nur  sehr  schwach  bevölkert  sein  dürfte. 

Serajewo,  im  Herbst  1869. 


Der  Geograph  Mercator. 

Von  A.  Steinhauser. 

Im  Literaturberichte  finden  die  Leser  dieser  Blätter  von  zwei  Lebens- 
beschreibungen dieses  berühmten  Kartographen  des  16.  Jahrhunderts 
eine  Anzeige,  die  von  andern  Gesichtspuncten  ausgehend,  keine  Aus- 
züge im  Zusammenhange  enthalten  kann,  um  daraus  eine  Skizze  der 
Schicksale  Mercator's  und  seines  Wirkens  zu  entnehmen.  Da  jedoch 
vorausgesetzt  werden  kann,  dass  eine  nähere  Kenntnis  davt>n  einem 
großen  Theile  des  Leserkreises  gelegen  kommen  wird,  so  nimmt  der 
Obgenannte  keinen  Anstand,  dem  Wunsche  der  Bedaction  entsprechend, 
einen  gedrängten  Lebensabriss  Mercator's  nebst  Aufzählung  seiner 
Arbeiten  hier  vorauszuschicken. 

Gerhard  Kremer  (unter  dem  nach  der  Sitte  seiner  Zeit  lati- 
nisierten Namen  Mercator  weltbekannt  geworden)  war  der  jüngste 
Sohn  Hubert  Kremer's,  eines  armen  Schuhmachers,  der  mit  seiner 
Gattin  Emerentia  im  Jülicher  Lande  lebte,  und  wurde  bei  Gelegenheit 
eines  Besuches,  den  die  Aeltern  bei  dem  Bruder  des  Vaters,  Gisbert 
Kremer,  damals  Curat  an  der  Spitalkirche  zu  St.  Niklas  in  Rupel- 
monde  (im  flandrischen  Waas-lande)  machten,,  am  5.  März  1512  ge- 
boren. Dieser  Onkel  Gisbert  nahm  sich  des  früh  verwaisten  Knaben 
an  und  schickte  ihn  auf  eigene  Kosten  nach  Herzogenbusch  zu  den 
Hyeronimitanem,  wo  er  372  Jabre  den  Unterricht  in  den  humanisti- 
schen Wissenschaften  genoss  und  Macropedius  (Langeveld)  zum 
Lehrer  hatte. 

Im  Alter  von  18^2  Jahren  kam  er  an  die  Universität  zu  Löwen 
(ld30),anwelcher  erdie  philosophischen  Studien  begann,  dieselben  jedoch 
nach  Erlangung  des  Baccalaureats  verließ,  muthmaßlich,  weil  er  die 
Lehren  des  alten  griechischen  Weltweisen  (Aristoteles)  mit  seiner  retigiösen 
Ueberzeugung  nicht  vereinigen  konnte.  Nachdem  er  mittlerweile  eine 
Reise  nach  Antwerpen  gemacht  hatte  (1534),  um  zur  Ausarbeitung  einer 


116 

Eosmogenie  im  Sinne  der  Bibel  gegen  die  Ansichten  des  Aristoteles 
Mnße  zu  gewinnen,  wandte  er  sich  ganz  der  Mathematik  als  Brotwissen- 
schaft zu,    lernte  Zeichnen,    Gravieren    und  andere  technische  Arbeiten 
zur  Herstellung  mathematischer  und  astronomischer  Instrumente,  wobei 
ihn  Rainer  Gemma  (genannt  Frisins,  weil  er  aus  Friesland  gebürtig 
war),  der  Leibarzt  Kaiser  Karl  V.,  ein  guter  Mathematiker  und  nebstbei 
geschickter  Mechaniker,  mit  seinem  Rath  unterstützte.    Im  Jahre  1536, 
24  Jahre  alt,  verheiratete  er  sich  mit  Barbara    Schellekens,    die 
ihm     (noch    während    seines    Aufenthaltes    in     Löwen)     sechs    Kinder, 
drei  Söhne    und    drei  Töchter    gebar.     Vom  Jahre  1537  an  finden  wir 
ihn   schon    mit   der  Zeichnung    und  dem  Stich    von  Karten  beschäftigt. 
Sein  erstes  Werk    war  eine  Karte   von  Palästina  (1537),    sein  zweites 
eine  Karte  von  Flandern  (1540).    Im  Jahre  1541  veröffentlichte  er  ein 
Büchlein  von    wenig  Blättern    über  den  Gebrauch  der  lateinischen  Cur- 
sivschrift,    die  er  in  die  Karten  einführte.     In  das  nämliche  Jahr  fällt 
die  Vollendung  eines  Erdglobus  von  41  Centimeter  Durchmesser  fQr  den 
Kanzler    Granvella,     welcher    alle    bisherigen    Leistungen    fibertraf. 
Durch  Granvella  dürfte  Mercator  dem   Kaiser  Karl  Y.   bekannt 
geworden  sein,  der  von  ihm  mehrere  Instrumente  für  sich  machen  ließ. 
Diese  Arbeiten  hielten  ihn  nicht  ab,  nebstbei  seinen  kosmographischen  Stu* 
dien  sich  hinzugeben,  und  seine  Untersuchungen  über  die  Fehlerhaftigkeit  der 
damaligen  Seekarten,  die  ihn  auch  (1546)  zur  Berechnung  der  Lage  des 
magnetischen  Poles  führten,  fallen   noch  in  die  Zeit  seines  Aufenthaltes 
in  Löwen.     Im  Jahre  1544  begab   er  sich  nach  dem  Tode  des  Oheims 
Gisbert    zur  Ordnung    der  Verlassenschaft  nach  Rupelmonde,    wurde 
daselbst  als  vermeintlicher  Flüchtling  wegen  Verdacht  der  Ketzerei  ver- 
haftet  und    ungeachtet    der  Verwendung    des  Pfarrers    zu  St.  Peter  in 
Löwen,  der  ihm  das  beste  Zeugnis  gab,    und  der  Universität  selbst  län> 
gere  Zeit  gefangen   gehalten,   endlich   aber  trotz    aller   Chicanen  frei- 
gelassen. Sehr  wahrscheinlich  hat  dieses  Ereignis  den   stillen  Gelehrten 
so  unangenehm  berührt,    dass  es  Mitursache  seiner  Uebersiedlung  nach 
Duisburg  geworden  sein  mag,  einem  Städtchen  an  der  Ruhr  und  in  dar 
Nähe  des  Rheins,  das  dem  Herzog  Wilhelm  dem  Reichen  von  Jülich, 
Cleve  und  Berg  unterthänig  war. 

Im  Jahre  1552  kam  er  mit  Weib  und  Kindern  zu  Duisburg  an, 
nachdem  er  ein  Jahr  zuvor  noch  einen  Himmelsglobus  für  den  Fürst- 
bischof von  Lüttich,  Georg  von  Oesterreich,  geliefert  hatte.  In  Duisburg 
verlebte  er  die  ganze  übrige  Zeit  seines  Lebens,  und  dort  entstanden 
jene  Werke,  welche  sein  Andenken  so  lange  bewahren  werden,  als  ein 
Schiff  auf  dem  Ocean  steuert.  Im  Jahre  1522  reiste  Mercator  nach 
Brüssel,  um  dem  Kai^r  Karl  V.  einen  astronomischen  Ring  und  einen 


117 

sehr  netten  kleinen  Erdglobns  mit  einem  Himmelsglobus  von  Glas 
darüber  zu  überreichen,  auf  welchem  letztem  die  Gestirne  mit  Diamant 
eingeschnitten  waren.  Es  geschah  dies  zum  Ersatz  fflr  die  früher  erhal- 
tenen Instrumente,  welche  bei  der  Belagerung  von  Ingolstadt  im  Jahre 
1546  durch  den  Brand  der  Scheune,  worin  sie  sich  befiemden,  zu  Grunde 
gegangen  waren.  Zum  Gebrauch  der  Ringe  und  Globen  verfasste  er 
auch  eine  Anleitung,  und  man  schreibt  den  auf  seinem  Grabmal  erschei- 
nenden Titel  „domesticus  imperatoris^  der  erworbenen  Zufriedenheit 
des  Kaisers  zu.  Im  Jahre  löö4  erschien  die  sechsblättrige  Karte  von 
Europa,  von  welcher  4  Bl&tter  noch  in  Löwen  begonnen  waren.  Sie 
machte  großes  Aufsehen  und  mußte  1572  eine  zweite  Ausgabe  gemacht 
werden;  dennoch  ist,  wie  von  mehreren  anderen  Karten  Mercator's 
kein  Exemplar  mehr  aufzufinden,  so  dass  wir  sie  nur  nach  Be- 
schreibungen und  verkleinerten  Abbildern  annähernd  beurtheilen  können. 
Diesen  zufolge  ist  sie  in  einer  Projection  gezeichnet,  die  man  die  äqui- 
valente nennen  kann,  die  aber  nach  ihrem  ersten  Erfinder,  Johajm  Stab 
(Stabius)*)  dieStab^sche  heißen  sollte,  und  später  in  ihrer  Anwendung 
als  Aequatonalprojection  die  Namen  Flamstead'sche  und  als  Hori- 
zontaLprojection  Bonn^'sche  erhalten  hat 


*)  Job.  Stab  (Stabius)  ist  wahrscheinlich  zu  Stadt  Steier  geboren 
(im  J.  14  .  .  ?j,  wurde  Prof.  der  Mathematik  an  der  Universität  zu  Ingolstadt, 
dann  zu  Wien,  Historiograph  und  Secretär  des  K.  Max  I.,  und  starb  im  Ja> 
nuar  1522  zu  Graz.  Unter  seinen,  von  seinem  Schüler  ThanBtetter*(zu  Nürn- 
berg 1514)  aufgezeichneten  Werken  sind  mehrere  Horoskopen,  die  Albrecht 
Dürer  in  Holz  schnitt,  und  wovon  sich  Tafeln  und  Abdrücke  in  der  Wiener 
Hofbibliothek  befinden.  Nach  Cuspinian  (Spießhammer)  soll  er  Oesterreich 
and  Kärnten  bereist  haben,  um  Karten  dieser  Länder  zu  entwerfen,  die  wahr- 
scheinlich unter  den  „Variae  chartae  chorographicae  propriae  peregrinationis  de- 
pictae*^  begriffen  sind,  deren  Thanstetter  erwähnt.  Derselbe  führt  auch  an: 
Compositiones  variorum  projectionum  nniversalium  Ptolomaei  pro  toto  globo, 
von  welchem  Werner,  ein  anderer  seiner  Schüler,  practische  Anwendung  machte, 
and  in  der  Widmung  seines  Buches  an  Pirkheimer  (Ptolomaei  geogr.  Nürn- 
berg 1514  ausdrücklich  sagt:  Dicare  tibi  constitui  libellum  hunc,  quem  de 
recentibus  quatuor  terrarum  orbis  super  piano  figurationibus  Joanne  Stabio, 
band  vulgari  mathematico,  earundem  figurationum  theoriam  ac  primaria  incu- 
nabnla  mihi  suggerente  bis  proximis  diebus  componeram.  Die  k.  k.  Hofbiblio- 
thek  besitzt  in  einem  Codex  8  Briefe  von  Stabius  an  Geltes.  Alle  sind  aus  In- 
gdstadt  datiert,  der  erste  vom  J.  1494,  die  andern  beiden  vom  J.  1497.  Stab 
war  einer  der  4  gekrönten  Mathematiker  und  Poeten,  die  Max  I.  als  „gelehrte 
Donaugesellschaft*  an  seinem  Hofe  versammelte.  Er  wurde  von  Kaiser  Max 
in  den  Adelstand  erhoben,  sein  Wappen  (ebenfalls  von  Albrecht  Dürer  ge- 
schnitten) findet  sich  auch  auf  dem,  dem  Bischof  von  Guik  gewidmeten  Imago 
Qtlria.  1515. 


118 

Im  Jahre  1559  kam  zu  Duisburg,  vorzugsweise  durch  die  Be- 
mahungen  Joh.  Ghymm*s,  Schultheiß  daselbst  (dem  wir  auch  eine, 
den  späteren  Ausgaben  des  Atlas  vorgedruckte  Biographie  Mercator's 
verdanken),  ein  Gymnasium  zu  Stande,  an  dem  sich  auch  Mercator 
als  Docent  der  Mathematik  betheiligte.  Leiter  der  Lehranstalt  war  Ca- 
stritins  (auch  Geldorp  genannt),  von  welchem  Mercator,  nachdem 
jener  wegen  Untauglichkeit  zu  solchem  Amte  dasselbe  an  Molanus 
de  Nukerke,  den  Schwiegersohn  Mercator's  abtreten  mußte,  aller- 
lei Unbilden  zu  erleiden  hatte.  Im  Jahre  1560  machte  Mercator 
eine  Reise  nach  den  Niederlanden  und  Frankreich  bis  Poitiers  und 
Bourges.  Im  Jahre  1563  ernannte  ihn  der  Herzog  von  Gleve  zu  sei- 
nem Kosmographen  mit  Gehalt.  Im  folgenden  Jahre  stach  er  nach  einer 
zugesendeten  Zeichnung  eine  Karte  von  Britannien  und  vollendete  nach 
vorhergegangener  mühevoller  Aufnahme  eine  nun  verschollene  Karte  von 
Lothringen,  wozu  ihn  der  Herzog  Carl  IL  eigens  erbeten  hatte.  Die 
ausgestandenen  Beschwerlichkeiten  warfen  ihn  aufs  Krankenlager,  von 
dem  er  sich  aber  wieder  erholte  und  mit  neuem  Fleiß  an  seine  Ar- 
beiten gieng.  So  gab  er  im  Jahre  1569  seine  im  Vorjahre  (zugleich 
dem  Todesjahre  seines  28jfthrigen  talentierten  Sohnes  Bartholomäus, 
der  in  Heidelberg  Theologie  studiert  hatte)  fertig  gewordene  —  in  Rom 
auf  den  Index  gesetzte  —  Chronologie  heraus,  ein  tabellarisches  Werk 
von  ungemeinem  Fleiß,  das  aber  durch  die  im  August  1569  erschienene 
große  Weltkarte  in  8  Blättern  flberboten  wurde.  Die  Handzeichnung 
bewahrt  die  kais.  Bibliothek  in  Paris  und  Jomard  lieferte  ein  Fac- 
simile  davon  in  seinem  Werke  „Monuments  de  la  Geographica 
(8.  Liefg.).  Sie  liefert  den  Beweis,  dass  Mercator  practisch  seine 
Theorie  der  Projection,  wie  sie  für  Seekarten  taugt,  um  die  Loxodromie 
zur  geraden  zu  machen,  ausgeführt  hat,  wenn  auch  Wright  in  London 
ein  Yierteljahrhundert  später  Tafeln  und  Formeln  zur  Berechnung  nach- 
lieferte. Die  Karte  ist  2  Meter  lang,  P/4  Meter  hoch  und  reicht  von 
80®  N.  bis  66  V2®  S.  Der  erste  Meridian  geht  durch  die  Insel  Corvo 
(Azoren),  weil  zu  Mercator's  Zeit  auf  diesem  Meridian  keine  Ab- 
weichung der  Magnetnadel  beobachtet  wurde.  Bezüglich  des  objec- 
tiven  Inhalts ' erscheint  Mercator's  Arbeit  an  vielen  Stellen  richtiger 
als  spätere  Karten,  und  etwas  verworren  nur  dort,  wo  der  Mangel  an 
Unterscheidung  identischer  Eigennamen  eine  Klarheit  der  Darstellung  nicht 
aufkommen  ließ,  oder  sein  sonstiger  Scharfsinn  Hypothesen  seiner  Zeit 
(z.  B.  vom  großen  Südlande  als  (Jegengewicht  der  nordischen  Erd- 
massen) nicht  zu  überwinden  vermochte.  Sehr  interessante  Legenden 
sind  auf  der  Original-Karte  angebracht,  die  man  in  dem  Werke 
L  e  1  e  w  e  Ts  über  die  Geographie  des  Mittelalters  abgedruckt  ünAet 


119 

Die  Fabrication  von  £rd-  und  Himmelsgloben  scheint  eifrig  be- 
trieben worden  zu  sein;  man  findet  mehrere  Sendungen  derselben  ver- 
zeichnet, die  auf  Rechnung  des  Joachim  Camerarius  1574 — 78 
parweise  zur  Frankfurter  Messe  abgiengen. 

Im  Jahre  1578  und  1&84  erschienen  zu  Köln  die  Karten  zur 
Geographie  des  Ptolemäus  mit  Text,  die  theils  in  der  Vorrede,  theils 
durch  die  Mappen  selbst  ebenfalls  den  deutlichsten  Beweis  liefern,  dass 
Mercator  die  äquivalente  Projection  schon  kannte  und  anwendete,  und 
die  Erfindung  derselben  nicht  späteren  Ursprungs  ist. 

Nun  kommen  wir  zu  einem  neuen  Werke  von  großem  Umfang, 
der  Kartensanmilung  in  Folioformat,  von  welcher  im  Jahre  158ö  der 
erste  Theil,  mit  dem  Separattitel  „Tabulae  Galliae  et  Germaniae"  zu 
Duisburg  erschien,  aus  51  Karten  bestehend  und  dem  Frbprihzen  Jo- 
hann WUhehn  von  Jülich-Cleve-Berg  gewidmet  Fflr  das  Ganze  wählte 
Mercator  den  Namen  Atlas,  der  seither  als  Kunstausdruck  unver- 
ändert beibehalten  wurde.  Aus  Rücksicht  fflr  seinen  Freund  Ortelius(Oeiiel) 
in  Amsterdam  hatte  er  mit  der  Ausgabe  zurflckgehalten,  bis  dessen 
„Theatrum  Orbis  Terrarum"  (1570)  verbreitet  war.  Die  Karten  des  Atlas 
machen  klar,  wenn  auch  Mercator  in  der  vorangehenden  admonitio 
in  usum  tabularum  nicht  ausdrücklich  sagte  „duos  delegi  piurallelos, 
aequaliter  fere  a  medio  et  extremis  distantes^,  dass  er  zuerst  jene  ver- 
besserte Kegelprojection  eingeftthrt  habe,  die  später  den  Namen  de 
risle's  erhielt  oder  den  eines  zweiten  Berechners  Murdoch. 

Ein  Jahr  nach  dem  ersten  Erscheinen  des  Atlas  verlor  Mercator 
seine  Gattin,  im  nächsten  Jahr  darauf  (1587)  seinen  erstgebornen  Sohn 
Arnold  (geb.  1537),  der  zum  Feldmesser  und  Ingenieur  herangebildet, 
Gehilfe  des  Vaters  war,  derselbe,  der  im  Kloster  Werden  bei  Nürnberg 
den  berühmten  „Codex  argenteus^  des  Uphilas  fand,  der  nun  als 
kostbarer  Schatz  in  Upsala  verwahrt  wird. 

Die  zweite  Partie  des  Atlas  (1590)  Italien,  Slavonien  und  Grie- 
chenland (23  Karten),  dem  Herzoge  von  Töscana,  Ferdinand  von  Medici 
gewidmet,  wurde  noch  von  Mercator  selbst  vollendet;  an  die  dritte, 
Nord-  und  Ost-Europa  umfassend,  konnte  er  nicht  mehr  Hand  anlegen; 
denn  im  Jahre  1590  traf  ihn  zuerst  ein  Schlagfluss,  der  eine  Lähmung 
zurückließ,  und  weil  Mercator  nicht  abgehalten  werden  konnte,  zu 
seinem  Lieblingswerke,  der  Kosmogenie  zurückzukehren  (deren  Vorläufer 
die  Harmonia  Evangiliorum  1792  zu  Augsburg  gedruckt  wurde),  erneuerte 
sich  der  Schlagfluss,  und  am  2.  December  1594  starb  der  übereifrige 
Gelehrte,  nachdem  er  noch  die  Freude  gehabt  hatte,  Urenkel  zu  erleben, 
eines  ziemlich  schmerzvollen  Todes  im  angetretenen  83.  Jahre.  Er 
wurde  in  der  Salvator-Kirche  zu  Duisburg  begraben. 


120 

Sechs  Jahre  später  (1600)  folgte  ihm  seiu  Sohn  Rumold,  sein 
thätigster  Gehilfe,  in  das  Grab,  nachdem  er  im  Jahre  1595  den  dritten 
Theil  des  Atlas  (Ostr  und  Nord-Europa,  in  22  Karten)  vollendet  hatte, 
welcher  letzten  Lieferung  auch  das  posthume  Werk  Mercator's,  „De 
mundi  oreatione  et  fabrica^,  eine  Abhandlung  in  22  Capiteln,  beigegeben 
war.  Die  Familie  verkaufte  im  Jahre  1604  sämmtliche  Platten  an 
Hon  diu  8  in  Amsterdam,  welcher  den  Atlas  (106  Karten)  noch  mit 
50  neuen  Karten  (Spanien,  £rdtheile  etc.)  nebst  Textzugaben  bereicherte. 
Seit  1605  folgen  nun  wiederholte  Ausgaben  des  Atlas,  zu  dem  im  Jahre 
1631  Wilh.  Blaeuw  noch  einen  Appendix  lieferte.  Von  1640  an  aber 
verschwindet  der  Name  Mercator  auf  den  Karten ,  nur  seine  Erfindung 
der  Seekarten  hat  ihn  bleibend  erhalten  und  seinem  Tr&ger  den  Dank 
der  spätesten  Nachwelt  gesichert. 

Mercator  war  nach  der  Schilderung  seines  Freundes  Ghy mm 
von  schwachem  Körperbau,  aber  wol  gestaltet,  tiefernst  in  seinen 
Studien,  doch  der  Freude  zugänglich,  friedliebend  und  gastfreundlich. 
Ziemlich  wohlhabend,  im  Besitze  einer  gewählten  Bibliothek,  bewohnte 
er  ein  kleines  Häuschen,  von  dem  nun  kein  Stein  mehr  steht  und  in 
welchem  man  noch  im  Jahre  1629  sein  Studierzimmer  zeigte,  wo  die 
Füße  des  fleißigen  Mannes  Spuren  auf  dem  Boden  zurückgelassen  hatten. 
Kein  Document  meldet,  ob  er  zur  evangeliscnen  Beligion  übergetreten 
sei.  Als  Gelehrter  stand  er  mit  Fachgenossen  und  anderen  Literaten  in 
steter  Verbindung  und  wurde  von  ihnen  hochgeachtet.  Die  k.  k.  Hof- 
bibliothek in  Wien  besitzt  ein  sehr  seltenes  Exemplar  der  ersten  Aus- 
gaben des  Atlas  und  der  Geographie  des  Ptolomäus,  bestens  erhalten, 
mit  gemahlten  Karten,  in  einem  Bande  vereinigt  In  der  k.  k.  Familien- 
Bibliothek  befinden  sich  drei  Ausgaben  des  ganzen  Atlas,  eine  vom 
Jahre  1623  mit  gemahlten  Karten,  eine  mit  französischem  Text  vom 
Jahre  1633  und  eine  (Atlas  minor)  in  4.  vom  Jahre  1634  und  etwa 
10  Porträte,  von  denen  die  meisten  Nachstiche  eines  Originals  sind. 

Damit  schließe  ich  das  kurze  Gemälde  eines  Mannes ,  von  dem  sein 
Epitaphium  mit  Recht  sagt,  er  sei  „facile  princeps  mathematicorum  sui 
temporis^  gewesen.  Er  verdient  die  Denkmähler,  die  ihm  seine  Geburts- 
stadt Rupelmonde,  und  die  Stadt  seiner  spätem  und  ununterbrochenen 
Wirksamkeit  setzen,  und  es  wird  weder  Deutsche  noch  Belgier  reuen, 
zur  lebhaften  Wiedererweckung  des  Andenkens  an  einen  Mann  beizutra- 
gen, dessen  Verdienste  der  ganzen  Menschheit  zugute  konmien ,  und  so 
groß  sind,  dass  es  nicht  befremden  darf,  wenn  zwei  Volksstämme  um 
die  Ehre  geizen,  ihn  den  ihrigen  zu  nennen,  wie  einst  7  griechische 
Städte  sich  um  den  Vorzug  stritten,  Homer's  Geburtsort  zu  sein. 


121 


Die  geographischen  Arbeiten  in  der  Schweiz. 

Bericht  von  J.  M.  Z  i  e  g  1  e  r  ,  corresp.  Mitglied  der  geogr.  Gesellschaft. 

Mein  vorjähriger  Bericht  hat  über  die  neuen  Maßregeln,  welche 
die  schweizerischen  Bnndesbehörden  in  Bezug  auf  die  Aufnahme  des 
liandes  Ende  1868  gesetzlich  angeordnet  haben,  folgendes  bezeichnet: 

1.  Die  Veröffentlichung  der  Aufnahmsbl&tter. 

2.  Die  Neu- Aufnahme  der  noch  nicht  nach  dem  System  des  Herrn 
General  Dufour  vermessenen  Cantone. 

Heute,  nachdem  die  meisten  Einleitungen  getroffen  sind,  müßen 
die  Resultate  abgewartet  werden. 

Die  geodätische  Commission  hat  ihre  verschiedenen  Arbei- 
ten fortgesetzt:  I.  Triangulation  im  Interesse  der  internationalen  Grad- 
messung.  Die  Schlussrechnung  des  schweizerischen  Netzes  wird  sich 
noch  einige  Jahre  verziehen  in  Folge  der  hier  oft  noihwendigen  Beduc- 
tion  der  Winkel  auf's  Centrum.  Ein  erstes  Heft  der  schweizerischen 
Triangulation  wird  nichtsdestoweniger  baldigst  ausgegeben  werden. 
U.  Die  astronomischen  Arbeiten  betreffend  berichtet  Prof.  Plantamour 
aber  seine  Expedition  auf  den  Weißenstein  (bei  Solothurn).  Er  erzielte 
folgende  Resultate:  1.  Genaue  Lftngenbestimmung  jenes  (Jura-)  Signals 
von  der  Sternwarte  in  Neuchatel.  2.  Bestimmungen  des  Azimutes  der 
geodätischen  Signale.  3.  Breite -Bestimmung  des  Weißenstein-Signals. 
4  Schwere-Bestimmung  durch  den  Pendel.  III.  Das  Nivellement  de 
pr^cision  beschränkte  sich  im  Jahre  1868  auf  einige  Verificationen  an 
den  befriedigenden  Anschluss  mit  den  französischen  Stationen;  dann 
ward  die  wichtige  Linie  nach  Süden  in  Angriff  genommen  um  die 
Niveao-Differenz  des  Yier-Waldstätten-See's  mit  den  italienischen  Seen 
aoszumitteln. 

Wenn  auf  der  einen  Seite  die  geodätischen  Arbeiten  die  äußerste 
Genauigkeit  erstreben  und  gleichzeitig  auf  die  vollendete  topographische 
Karte  die  geologischen  Beobachtungen  eingetragen  werden,  so  folgt,  dass 
far  Karten  von  großem  Maßstab  eine  neue  Aufgabe  entsteht,  welcher 
die  Physiognomik  der  Gebirgsformen  und  die  Nuance  dynamischer  Kräfte 
zur  Untersuchung  gegeben  ist.  Hiezu  einen  Beitrag  zu  liefern,  ward 
die  Karte  von  Ünter-Engadin  1868  ausgeführt  und  dazu  der  Text  1869 
bearbeitet,  welchen  ich  die  Ehre  hatte  der  k.  k.  geographischen  Ge- 
sellschaft zu  überreichen.  Die  Fortsetzung  der  Karte  in  4  Blättern  ist 
begonnen. 

Die  vollendete  topographische  Karte  der  Schweiz  von  Dufour 
1 :  100.000  ist  als  Grundlage  zu  weiteren  in  das  Gebiet  der  Natur- 
wissenschaft   und   Topographie    einschlagenden   Beobachtungen    äußerst 


122 

nützlich  geworden.  Seit  ein  par  Jahren  ist,  unter  der  centralen  Lei- 
tung von  Herrn  Prof.  A.  Favre  in  Genf,  die  genaue  Notiznahme  und 
eine  Zeichnung  der  erratischen  Erscheinungen  im  lebhaften  Betriebe; 
Eine  Arbeit,  welche  jetzt  schon  sehr  ergiebig  ist,  aber  noch  Jahre 
beanspruchen  wird,  bis  ein  Gesammtbild  kartographisch  dargestellt 
werden  kann. 

Im  Canton  A arg  au  hat  sich  zum  Studium  der  Eiszeit  ein  beson- 
derer Verein  gebildet,  welcher  die  Beobachtungen  der  verschiedenen  Mit- 
glieder durch  Prof.  Mühlberg  zusammenstellen  und  bearbeiten  ließ, 
in  der  Schrift,  deren  Titel  wir  unten  beifügen  *).  Demselben  stehen 
Steinsammlungen  zu  Diensten,  welche  schon  in  den  20er  Jahren  an- 
gelegt wurden  und  die  Entzifferung  des  Herkommens  der  Blöcke  sehr  er- 
leichtern. 

Eine,  zum  Theil  hier  einschlagende  und  schwierigere  Frage 
hat  der  bekannte  Palftontologe  Professor  L.  Rtitimeyer  in  Basel  in 
seiner  Festschrift  zu  Ehren  des  JubilAums  vom  Geologie  -  Professor 
und  Bathsherrn  Peter  Merlan  behandelt**}.  Hierin  schreibt 
Herr  Rütimeyer  die  Thalbildung  wesentlich  der  Errosion  zu,  die 
Seebildung  den  Gebirgsfältungen.  Das  scheint  aus  besagter  Schrift  nach- 
weisbar, dass  während  und  seit  der  Gletscherzoit  das  allgemeine  Niveau 
der  nördlichen  Halde  der  schweizerischen  Alpen  ihre  tiefste  Stelle  dort 
stetig  hatte,  wo  heuer  noch  Reuß,  Aare  und  Limmat  ihr^  vereinten 
Wasser  dem  Rhein  zutreiben,  ehe  noch  der  letztere  Strom  seinen  Lanf 
zwischen  Schwarzwald  und  Vogesen  vorwärts  gewendet  hat.  Solches 
bestätigen  auch  die  Moränen  im  Aargau.  Rütimeyer  nimmt  aber 
für  eine  frühere  Zeit  die  Möglichkeit  in  Betracht,  dass  die  Hauptabflnss- 
richtung  des  dortigen  Gewässer  eine  andere  gewesen,  in  Folge  von  Dis- 
locationen;  eine  Annahme,  die,  wie  er  selber  sagt,  noch  einlässlicberer 
Beobachtung  bedarf. 

Als  Uebersicht  und  klare  Zusammenstellung  der  Elemente  des 
Reliefs  des  Schweizcrlandes  ist  von  J.  Siegfried  eine  wertvolle  Schrift 
erschienen,  die  für  sich  und  als  Einleitung  zur  Gesammtstatistik  der 
Schweiz  große  Bedeutung  hat***).  Sie  zerfällt  in  drei  Abtheilungen, 
nämlich:  Das  Alpengebirge,  der  Jura,  die  Flnssläufe.  Der  letzteren 
fügt  der .  Verfasser  noch  eine  Zusammenstellung  der  Seen  bei,  nach  geo- 


*)  üeber  die  erratischen  Bildungen  im  Aargau  und  den  be- 
nachbarten Theilen  der  angrenzenden  Cantone,  von  F.  Mühlberg.  IB.  8*^ 
mit  Karten. 

**)  Ueber  Thal-  und  Seebilduug.  Beiträge  zum  Verständnis  der 
Oberfläche  der  Schweiz.  1  B.  4°  mit  Zeichnungen  und  Karten. 

***)  Die  Berg-  und  Flussgebiete  der  Schweiz,  von  J.  Siegfried. 


123 

graphischer  Ordnung  uud  schließt  das  Werk  mit  einer  Tafel,  worin  er 
die  Seen  nach  ihrer  Größe  aufzählt,  aher  nur  bis  zu  jenen,  welche  an 
Oberfläche  über  einen  Quadrat-Kilometer  messen.  £s  sind  ihrer  26. 
Der  größte  mit  526.«  DKil.  der  Genfer-See,  der  kleinste  mit  1.^  DKil. 
der  Klönthal-See.  Der  tiefste  Punct  der  nördl.  Schweiz,  Nullpunct 
vom  Rheinpegel  in  Basel,  liegt  248  M.  fiber  Meer. 

Aus  dem  Gebiete  der  Geologie  bringt  der  eben  veröffentlichte 
XXIII.  Band  der  „Neuen  Denkschriften  der  allgemeinen  vschweizerischen 
Gesellschaft  ffir  Naturwissenschaften*^  eine  wichtige  Arbeit  des  Herrn 
V.  Gerlach.  *) 

Die  penninischen  Alpen  sind  das  bedeutendste  Glied  der  schwei- 
zerischen Gebilde  südlich  der  Rhone  von  Col  Feiret  bis  zum  Simplen. 
Die  dazu  gehörende  Karte  ist  in  1  :  200.000  gezeichnet,  gibt  daher 
nicht  alle  Details,  wie  das  nächstens  erscheinende  Blatt  XXII  des 
Dufour'schen  Atlasses,  geolog.  coloriert  von  demselben  Verfasser,  bie- 
ten wird. 

lieber  Statistisches  Iftsst  sich  aus  der  Gegenwart,  gerade  jetzt  wo 
mehrere  Ergebnisse,  die  Gesammt-Schweiz  betreffend,  vorliegen,  in  all- 
gemeinen Zügen  nur  von  Zeit  zu  Zeit  berichten.  Wir  wählen  aus  dem 
reichhaltigen  Stoff  folgendes: 

I.iDie  Ende  Juli  und  Anfangs  August  1868  eingetretenen  Ueber- 
schwemmungen  der  vom  Gotthard-Knoten  auslaufenden  Thftler  haben 
llBnf  Cantone  betroffen ,  nämlich  Tessin ,  St.  Gallen ,  Graubflndten, 
Wallis  und  Uri.  —  Den  erlittenen  Schaden  hat  man  auf  möglichst  genaue 
Weise  zu  ermitteln  gesucht.  Unter  folgenden  Titeln  hat  man  die  bezüg- 
lichen Zahlen  geordnet**): 

Schaden  an  Wasserbauten,  Straßen,  Brücken       .  fl.  3,528.390. — 

„         „   völlig  zerstörtem  Lande        .  „    7,650.559. — 

„         „    ganz  u.  theilweise  zerstörten  Grebäuden  „    1,505.500. — 

„    Mobiüen,  Vieh,  Vorräthen     ...      „    1,058.299.— 

„         „  Diversen „       273.305.— 

In  Summa üTÜfilbJÜ^, 

Der  meist   geschädigte    Canton    ist  Tessin  mit  6^2  Million,    der 
wenigst  geschädigte  Uri  mit  ^2  Million. 

Das  Unglück  zu  erleichtern,  steuerte  man 

in  der  Schweiz  .    .  fl.  2,382.850.— 

hn  Ausland    .    .      „    1,027.879.— 

Summa       .   '  fl.  3,410.729.— 

*)  Beschreibung   der  penninischen  Alpen,  von  Gerlach.    Geolo- 
gisehe  Beschreibung,  mit  einer  geologischen  Karte. 

**)  Zeitschrift  für  schweizerische  Statistik,  5.  Jahrg.  1869. 


124 

Noch  ist  die  Theilnahme  des  Auslandes  in  den  entferntesten  Gegen- 
den nicht  ans;  bis  in  die  jüngste  Zeit  kamen  Gaben  u.  a.  ans  Sieben- 
bflrgen  zum  wiederholtenmal,  dann  aus  Japan  und  Galifomien.  Bei 
alledem  eine  schwer  zu  tragende  Heimsuchung  fär  die  Betroffenen. 

IL  Dieses  Ereignis  veranlasst  mich  über  die  gegenseiti- 
gen Hilfsgesellschaften  nach  dem  Stande  von  1865  zu  berich- 
ten*). Unabhängig  von  den  gesetzlichen  Municipal-  und  kirch- 
lichen Wohlth&tigkeits-Cassen,  und  ohne  die  Ersparnis-Gassen  mitzu- 
zählen, bestanden  damals  636  solcher  Gesellschaften 

mit  einem  Vermögen  von         fl.  7,872.020 

deren  Einnahmen  jährlich  zu  Gute  kommen      „    1,529.098 
„     Ausgaben         „         „   Belastung      .    .  „    1,059.418. 

HI.  Die  eidgenössische  Post  als  Yerkehrs-Anstalt  besaß  Ende 
1868  an  Stations-  und  fahrenden  Postbureau  2418  Locale. 

Neben  den  Eisenbahnen  bewegen  sich  öffentliche  Postwägen  über 
Straßen  1.  2.  3.  Classe  in  Länge  von  1544  Wegstunden  (1  Seh.  St.  = 
4800  Meter). 

Der  Personen  -  Verkehr  durch  Postwagen  wird  vermittelt  auf 
438  Postcursen,  welche  täglich  hin  und  her  1159  Stunden  zurücklegen 
und  1868  im  ganzen  1,030.500  Reisende  beförderten  (NB.  die  im  Som- 
mer frequentierten  Curse  sind  die   der  Alpenpässe;  diese  sind  oneröse). 

Diese  Postcurse  bilden  76®/o  des  Gesammt- Verkehrs,  weitere  24'Vo 
fallen  auf  die  Eisenbahn-  und  Dampfbot-Curse  zur  Beförderung  von 
Briefen  und  Werten. 

In  sämmtlichen  Bureau's  wurden  besorgt  anno  1868 
an  Fahrpoststücken    .        5,140.409  Stücke 
„    Geldanweisungen        .  49,316.703  Francs 
„    Briefen  ...  42,954.081  Stücke  (15,^  per  Kopf; 

„   Drucksachen     .    .    .    9,042.522       „ 
„   Zeitungen  ...        .  30,047.975  Nummern. 

Der  Telegraphenbetrieb  hat  sich  nach  Ermäßigung  der 
einfachen  Taxe  von  1  Frc.  auf  ^2  ^^"  verdoppelt.  Die  Zahl  der 
Telegraphen-Stationen  nimmt  monatlich  zu,  so  dass  binnen  einigen  Jahren 
nahezu  jedes  Dorf  ein  eigenes  Telegraphen-Bureau  haben  wird. 

Palmgarten  bei  Winterthur,  9.  December  1869. 


*)  Die   gegenseitigen  Hülfsgesellschaften   der  Schweiz   1865.    Geordnet 
von  Dr.  H.  Einkelin  1868. 


125 
Geographische  Literatur. 

66rard  Mercator,  sa  vie  et  ses  oenvres.  Par  le  Dr. 
Tan  Raemdonck.  S.  Nicolas  chez  E.  Dalschaert-Praet  1869.  gr.8^  XLII. 
imd  396  S.  mit  Portrait,  Grabmals-Abbildnng  and  einer  Stammtafel. 

Gerhard  Kremer,  genannt  Mercator,  der  deutsche 
Geograph.  Vortrag  von  Dr.  Breysing,  Director  der  Steuermanns- 
9chole  in  Bremen,  gehalten  zu  Duisburg    am  30.  März  1869.  Duisburg 

1869  in  Commission  bei  E.  F.  Nieten.  8"  62  Seiten. 

Vor  drei  Jahrhunderten  lebte  der  ausgezeichnete  Mathematiker,  Geograph 
und  Kartograph,  dessen  Andenken  und  Verdienste  seine  Geburtsstadt  Kupel- 
monde  in  Flandern  und  die  Stadt,  wo  er  im  Mannesalter  seine  ausgezeichnet- 
sten Werke  schuf  und  seine  wichtigsten  Erfindungen  machte,  Duisburg  in 
Rheinpreuüen ,  durch  Monumente  ehren,  und  von  dem  uns  bisher  trotzdem, 
dass  ein  Freund  von  ihm,  Ghymm,  Schultheiß  you  Duisburg,  eine  Biographie 
Tet&sste,  die  den  sp&tem  Auflagen  von  Mercator's  Atlas  vorgedruckt  ist, 
die  Literatur  nur  sehr  oberflächliche  Nachrichten  gebracht  hat,  so  dass  sogar  der 
Ort  seiner  Geburt  verschieden  angegeben  erscheint. 

Wenn  die  obengenannten  Schriften,  von  welchen  die  erste  zur  Zeit  des 
Vortrags  des  Dr.  Breysing  schon  im  Drucke  war,  hier  unter  einem  besprochen 
werden,  so  geschieht  dies  nicht  bloß,  weil  sie  denselben  Gegenstand  behan- 
deln, sondern  auch,  weil  die  zweite  Schrift  zur  ersten  sich  tneils  ergänzend, 
theils  berichtigend  verhält,  und  bei  einer  gesonderten  Besprechung  Wieder- 
holungen unyermeidlich  wären. 

Dr.  Raemdonck  theilt  sein  Werk,  die  Frucht  sechsjähriger  Forschun- 
g<en,  in  4  Abschnitte,  welche  überschrieben  sind :  Mercator  zu  Rupelmonde 
(1512  30),  Mercator  zu  Löwen  il530-5'2),  Mercator  zu  Duisburg  (1552 
bis  159i),  Mercator's  Portrait,  Krankheit,  Tod  und  Religion.  Die  Einleitung 
behandelt  das  Waasland  und  die  bertthmten  Männer,  die  es  hervoi^ebracht. 
In  einem  Anhange  werden  Mercator's  Werke  nochmals  aufgezählt,  13  Briefe 
mitgetheilt,  die  Latinisierung  des  Namens  erläutert,  Mercator  als  Flandern 
(rücksichtlich  ^Belgien^)  angehörig  bezeichnet  und  eine  Genealogie  seiner  Fa- 
milie aufgestellt. 

Durch  zahlreiche  Noten  unter  dem  Texte,  wo  die  Stellen  der  benutzten 
Urkunden  meistens  wörtlich  angegeben  sind,  hat  das  Werk  Raemdonck'seinen 
Um&ng  erreicht,  der  jenen  der  Broschüre  Dr.  Breising's  sechsfach  übertriflit. 
Dennoch  erfährt  man  durch  die  letztere  in  mehr  als  einer  Beziehung  mehr.  Nicht 
nur  dass  Dr.  Breysing  einen  neu  aufgefundenen  Brief  Mercator's  von 
groöer  Wichtigkeit  beibringt,  der  in  der  Sammlung  Raemdonck's  fehlt ,  geht  er 
auch  als  Mathematiker  vom  Fach  viel  tiefer  und  klarer  in  das  Wesen  der 
Projectionen  ein,  die  wir  Mercator  verdanken,  und  selbst  wo  wegen  Gleich- 
artigkeit der  Quellen,  aus  denen  beide  schöpften,  beide  Schriften  sich  auf 
demselben  Felde  begegnen,  trägt  die  verschiedene  Beleuchtung  zur  Klarheit 
der  Tha;tsachen  wesentlich  bei. 

Ist  Dr.  Raemdonck  ausführlicher,  wo  es  belgische  Local-Beziehungen 
oder  geringfügige  Privatverhältnisse  Mercator's  zu  erörtern  gibt,  so  gewiQirt 
Dr.  Breysing's  Schilderung  mehr  Aufschlüsse  über  die  Vorkommnisse  in 
Deutschland ,  obwol  auch  er  nicht  im  Stande  ist,  manchen  Umstand  genügend 
aufzuhellen,  z.  B.  die  Gründe  von  Mercator's  Uebei-siedlung  von  Löwen  nach 
Dmsbuig.  Es  bleibt  im  dunkeln,  ob  seine  mehrmonatliche  Gefangenhaltung  wegen 
Verdacht  der  Hinneigung  zu  ketzerischen  Meinungen  ihm  Flandern  verleidet  hat, 
oder  ob  ein  Ruf  nach  Duisburg  (nicht  an  die  angeblich  projectierte  Universität, 
die  viel  später  erst  zur  Sprache  kam,  sondern  an's  Gynmasium)  ihn  zum  Lan- 
deswechsel bewog. 

Die  Berichtigungen  mancher  Fehler  des  Raemdonck'schen  Werkes, 
die  aus  der  Broschüre  Dr.  Breysing's  entnommen  werden  können,  bestehen 
weniger  in  einer  Polemik  gegen  die  l^Eängel  und  Uebersehen ,  welche  Historiker  und 
Mathematiker  in  demselben  finden  werden,  als  in  der  Anführung  richtiger  That- 
sachen.  Jene  werden  im  Literarberichte  der  Dr.  Petermann'schen  Mittheilungen 
(Heft  XI,  pag.  438)  einer  eingehenden  Kritik  unterzogen. 


126 

Wo  beide  Autoren    den  kosmopolitischen  Standpunct,  von  welchem  aus 
Mercator's  Wirken  als  gelehrter  Kosmc^raph  beurtheilt  werden  soll,   verlas- 
sen und  auf  den  Punct  der  Nationalität  zu  sprechen  kommen,    gehen  die  An- 
sichten'  diametral  auseinander.    Dr.  Baemdonck  nimmt  Mercator  vollstän- 
dig für  Belgien  in  Anspruch,  und  Dr.  Breysing  verficht,  nicht  minder  eifrig  and 
avJ  sehi' triftige  Gründe  gestützt,  das  Becht  Deutschlands ,  ihn  den  seinigen  zu 
nennen.    Unter  seine  wesentlichen  Belege  gehören  Mercator's  eigene  Worte, 
die  in  der  an  die  Herzoge  von  Jülich  gerichteten  Dedication  der  ersten  Partie 
seines  Atlas  (Tabula  Galliae  et  Germaniae.  Duisburg  1585)  stehen:  „illustrissi- 
mis  clementissimisque  dominis  meis  et  quidem  naturalibns,    ut  sub  quo- 
rum  tutela,  in  terra  Juliacensi  et  parentibus  Juliacensis  concei>- 
tus,  primisque  annis  cducatus,  licet  in  Flandria  natus  sum*^. — 
Diese  Stelle  citiert  auch  Dr.  Baemdonck  pag.  326,   zieht   aber  nicht 
dieselben  Schlüsse  daraus,   insbesondere  aus  dem  ^primisque  annis  edacataB**. 
Hätte  Ghymm,  wo  er  von  Mercator's  Jugend  spricht  --  cumque  pueritiam 
egressus  esset,  primaque  rudimenta  latinae  lii^ae  inpatria  didicisset  —  das 
Vaterland  mit  Namen  genannt,  so  wäre  ein  Misverständnis  unmöglich  geworden. 
Die    genealogische  Tafel   am  Schloss    von  Dr.  Raemdonck's   Werk 
kann  gegen  eine  scharfe  historische  Kritik  nicht  Stand  halten.  Diese  weiset 
bloße  Wahrscheinlichkeiten  entschieden  ab,  sie  duldet  kein  ^11  est  probable,  neos 
admettons  etc."^,  keine  Verwand tschaftsvermuthungeii  auf  Grund  gleicher  Fami- 
liennamen etc.;   auch  dürfte  es   schwer  halten,   über  eine  so  obscure  Familie 
(Mercator's  Vater  war  ein  armer  Schuhmacher.'  aus  so  alter  Zeit  noch  so  viel 
Documente  aufzufinden,  um  einen  unanfechtbaren  Stammbaum  bis  zum  Urgroß- 
vater daraus  aufzubauen.    £}rst  lange  nach  Mercator's  Geburt  wurden  Tauf- 
und  Sterberegister  bei  den  Pfarren  eingeführt,  und  wie  viele  davon  sind  durch 
Brand,  Krieg,  Unachtsamkeit  vernichtet  worden!    Auffällig  und  schwer  erklär» 
bar  bleibt  jedenfalls,  dass  Dr.  Baemdonck,   der  doch  die  Urkunde  anführt, 
wo  Mercator's  Anwesenheit   in  Bupeimonde  im  Jahre  1544  durch  die  Ver- 
lassenschaftsabhandlung nach    synem   oom    (patruus  in   Ghymm's   Bio- 
graphie)  gerechtfertigt   ¥rird,   den    Gisbert    Krem  er   zu    einem    Großoheim 
macht  und  in  der  TaSel  zw«i  Gisbert's  aufführt,   deren  gleiches  Todesjahr  ihn 
auf  das  Versehen  hätte  aufmerksam  machen  sollen. 

Bei  der  Streitfrage  um  Mercator's  Nationalität  kann  es  sich  doch  nur 
um  das  engere  Vaterland,  Flandern  oder  Jülich,  handeln,  denn  im  weitern 
Sinne  ist  Mercator  in  jedem  Falle  ein  Angehöriger  des  deutschen  Beiches, 
da  im  ganzen  16.  Jahrhundert,  also  über  Mercators  Tod  (15d4)  hinaus, 
Flandern  noch  ein  Theü  des  burgundischen  Kreises  war. 

In  Beziehung  auf  das  Verhältnis  der  Wissenschaft  zu  Mercator's  Zeit, 
.  auf  die  Männer,  die  ihm  vorangiengen,  und  auf  seine  Leistungen  als  Greograph 
geht  Dr.  Baemdonck  nicht  so  ausführlich  ein,  als  man  es  zum  klaren  Ver- 
ständnisse des  Fortschritts  wünschen  möchte,  und  Dr.  Breysing  bewegte 
sich  in  seinem  Vortrage  in  nothgedrungen  engen  Gränzen,  und  konnte  daher 
nicht  so  weit  ausholen;  gewiss  wird  diese  Partie  später  von  ihm  desto  reicher 
bedacht  werden,  je  mehr  ihn  Kenntnisse  und  Studien  zu  einer  gründlichen 
Darstellung  dieser  Nebenumstände  befähigen. 

Die  wichtigste  Erfindung  Mercator's  ist  die  nach  ihm  benannte  Entwer- 
fungsart  der  Seekute  mit  den  wachsenden  Breitegraden,  wodurch  die  geraden  Linien 
der  Schifi'scurse  auch  auf  den  Karten  durch  gerade  dargestellt  werden  können. 
Es  ist  wahr,  Mercator  hat  die  nummerischen  Abstände  nicht  angegeben; 
aber  Nachmessungen  auf  dem  Original  seiner  großen  Weltkarte  (1769),  welches 
in  der  kais.  Bibliothek  zu  Paris  aufbewahrt  wird,  haben  den  Beweis  geliefert, 
dass  die  Dimensionen  den  späteren  Berechnungen  ^nz  gut  entsprechen.  Sein 
Scharfsinn  hat  die  Aufgabe  practisch  gelöst,  die  Theorie  mit  dem  genauen 
Calcul  ist  hinterher  gekommen. 

Auch  von  derjenigen  Art  der  Kegelprojection ,  welche  die  Kugel  nicht 
in  einem  Puncte  tangiert,  sondern,  sie  durchdringend,  in  einem  Kreise,  die  nach 
ihm  nach  de  l'Isle  und  Murdoch  genannt  wurde,  ist  (nach  d'Avezac) 
Mercator  der  erste  Erfinder. 

Nicht  minder  gebührt  ihm  das  Verdienst,  der  erste  die  Lage  des  mag- 
netischen Pol  berechnet  zu  haben,  ja  selbst  die  Einführung  der  lateinischen 
Schrift  auf  Karten  muü  ihm  zugeschrieben  werden. 


127 

Dem  Vernehmen  nach  ist  die  Auflage  von  Dr.  Raemdonck's  Werk 
vergriffen  und  eine  zweite  in  Vorbereitung.  Hoffentlich  wird  der  Autor  die 
Schwächen  und  Mangel  der  ersten  zu  vermeiden  wissen,  und  die  neue  Aus- 
gäbe  vielleicht  auch  mit  Nachträgen  bereichern  können,  wenn  (man  wage  es 
zu  hoffen)  der  in  weiteren  Kreisen  erweckte  Eifer  des  Forschens  neue  Auf- 
schlüsse, neue  Funde  von  Briefen  und  Karten  mittlerweile  zu  Tage  gefördert 
haben  sollte. 

Der  Vortrag  Dr.  Breysing's  ist  auch  nur  der  Vorläufer  eines  größeren 
Werkes,  das  vielleicht  in  Jahresfrist  seinen  Abschluss  wird  erhalten  können.  Der 
Eifer,  welchen  Dr.  Bre  ysing  entwickelt,  um  für  diese  ausführliche  Biographie 
dasMateriale  zu  sammeln,  erregt  gespannte  Erwartungen  und  gibt  gegründete 
Hoffnung,  dass  das  eventuelle  Werk  die  gestellte  Angabe  gründlich  erschöpfen, 
unserer  Literatur  und  dem  deutschen  Fleiße  Ehre  machen  werde.         —  s  — 

Die  Arbeiten  der  topographischen  Abtheilung  der 
Landesdnrchforschang  von  Böhmen  in  den  Jahren  1864, 
1865,  1866.  Von  Prof.  Dr.  Garl  Koiistka.  Prag  1869,  in  Commis- 
sion  bei  Fr.  ft  i  v  n  a  ti .  268  Seiten  in  gr.  8"  mit  Karte.  (Preis  4  fl. 
österr.  Währ.) 

Dieses  Heft  bildet  die  erste  Abtheilung  des  I.  Bandes  des  Archives  der 
naturwissenschaftlichen  Landesdurchforschung  von  Böhmen,  während  die  übri- 
gen Hefte  die  geologische,  botanische,  zoologische  und  chemische  Abtheilung 
nmfiisaen.  Es  zerf&llt  in  zwei  Theile,  deren  erster  die  Schilderung  der  Ter- 
rainverhältnisse des  Mittelgebirges,  dann  des  Sandstein-  und  Schiefergebirges 
im  nördlichen  Böhmen  enthält.  Der  zweite  Theil  besteht  aus  dem  Verzeich- 
nis von  3688  gemessenen,  in  Metern  imit  einer  Decimale)  und  Wiener  Fufi 
angegebenen  Höhenpuncten.  Die  Karte  reicht  von  Osseg  und  Postelberg  im 
Westen  bis  Gablonz  und  Libau  im  Osten,  von  Schluckenau  im  Norden  bis  Mel- 
nik  im  Süden,  ist  im  Maüe  von  1  zu  200.000  der  Natur  entworfen,  mit  Niveau- 
knrven  von  25  und  50  Meter  Abstand  versehen  und  im  Farbendruck  sehr  genau 
und  nett  ausgeführt.  Die  vortreffliche  Arbeit  des  Ganzen  verdient  ein  nähe- 
res Eingehen  in  alle  Abschnitte. 

Einer  Einleitung,  in  welcher  die  Wichtigkeit  der  genauen  Kenntnis  der 
hypsometrischen  Verhältnisse  eines  Landes  in  allen  Beziehungen  auf  Agricul- 
tur,  Handel,  Vertheidigung  etc.  gründlich  dargestellt  wird,  folgt  eine  allge- 
meine Uebersicht  der  Characteristik  des  Terrains  in  dem  mittleren  nördlichen 
Böhmen,  wobei  der  Autor  am  Schluss  seine  Meinung  über  den  Mitantheil  der 
Geologie  (als  Stratigraphie)  an  der  Topographie  ausspricht,  die  so  beachtens- 
wot  ist ,  dass  ein  Resümee  (möglichst  mit  den  Worten  des  Verfassers)  hier 
am  Platze  sein  dürfte. 

„Die  Terrainformenlehre'*,  schreibt  Dr.  KoHstka,  „als  solche,  kann 
lieh  mit  der  trockenen  Beschreibung  der  wirklich  aufgenommenen  Formen 
nicht  begnügen,  sie  muß  vielmehr  die  Abhängigkeit  der  Gliederung  bis  zum 
Terrainelemente  hinab  von  gewissen  Grundformen  aufsuchen  und  feststellen, 
denn  nur  dann  wird  die  Aufgabe  der  Terrainlehre  erreicht  sein,  wenn  man 
aus  dem  Vorhandensein  gewisser  Merkmale  oder  Eigenschaften  sichtbarer  For- 
men auf  die  unbekannten  oder  nicht  sichtbaren,  nut  diesen  jedoch  zusammen- 
hängenden wird  schließen  können.  —  Die  Aggregationsform,  die  Structur,  die 
Lageningsverhältnisse  sind  die. Theile  der  Geologie,  welche  für  die  Terrain- 
lel^  von  besonderem  Interesse  sind.  Verwitterung,  Abspülung  hängen  in  ihrem 
Erfolge  von  dem  petrographischen  Character  und  der  Lagerung  des  Bodens 
ab,  und  es  dürfen  diese  letzteren  Momente  nicht,  wie  es  von  vielen  Terrain- 
lehrem  leider  geschieht,  ignoriert  werden.  —  Da  in  jeder  Formation  die  Aggre- 
gationsform, die  Structur  und  die  Lagerungsverhältnisse  sehr  verschieden  sein 
können,  wird  auch  die  Wirkung  der  Verwitterung,  Abspülung,  Ueberflutung 
«ne  verschiedene  sein,  und  hat  der  bestimmte  Terraincharacter,  unter  welchem 
ein  Formationsglied  auftritt,  immer  nur  einen  localen  Wert,  welcher  jedoch 
eine  nm  so  größere  Bedeutung  erlangen  kann,  als  er  sich  oft  über  große  Ge- 
biete von  mehreren  hundert  Quadratmeilen  ausdehnt.^ 

Im  §.  3-6  wird  nun  das  Ijeitmeritzer  Mittelgebirge  ausführlich  in  drei 
Gruppen  geschildert,  nach  Gestalt,  Lage,  Profil,  Area  (nicht  bloß  der  Gesammt- 


1«8 

fläche  y  sondern  auch  der  einzelnen  Schichten),  Thalwege,  Gefälle,  Vegeta- 
tion etc.  Im  §.  7  kömmt  das  Duxer  und  Teplitz-Karbitzer  Hecken  an  die  Reihe, 
im  §.  8  der  n.-ö.  Theil  des  Erzgebirges,  im  §.  9—12  das  nord-böhm.  Sandstein- 
gebirge, im  §.  13  das  Lausitzergebirge ,  im  §.  14  das  Jeschkengebirge,  im  §.  15 
das  Iser-Sandsteinplateau,  im  §.  16  die  n.-ö.  Ausl&ufer  des  Zbanwaldes,  alle  auf 
gleiche  Weise  behandelt.  Von  Zeichnungen  und  Profilen  unterstützt,  auch  mit 
zwei  Ansichten  in  Farbendruck  (Schreckenstein  und  der  Bösig)  ausgestattet. 
Der  §.17  enthält  allgemeine  Schlussbetrachtungen,  mit  Zusammenstellung  der 
analogen  Daten  und  Bemerkungen  über  das  reiche  Straßennetz  dieser  Region 
und  ihre  strategische  und  tactische  Bedeutung  für  die  Wehrhaftigkeit  des 
Landes'. 

Die  Einleitung  des  Höhenyerzeichiiisses  macht  mit  der  Methode  bekannt, 
welche  bei  den  (halb-trigonometrischen,  nur  ausnahmsweise  barometrischen  oder 
mittels  des  Aneroids  gemachten)  Höhenmessungen  beobachtet  wurde.  Auf  dem 
128  Quadratmeilen  umfossenden  Terrain  wurden  circa  50ü()  Messungen  ausge- 
führt (also  etwa  40  auf  1  Quadratmeile),  au£  photographische  Copieu  der  Mili- 
täraufnahme (1  '  =  400")  eingetragen,  und  daraus  die  Niveaucurveu  entwickelt, 
die  im  tieferen  Lande  von  25  bis  25  Meter,  von  ^X)  Meter  an  von  50  zu  50 
Meter  gezogen  wurden.  Diese  Isotypsen  wurden  dann  in  die  reducierte  Karte 
übertragen,  die  jedoch  der  Kleinheit  des  Maßes  wegen  nur  mit  den  Haupt- 
puncten  coticrt  werden  konnte.  Die  Nivellements  der  Eisenbahnen  erforderten 
bedeutende  positive  Correctionen  von  7— i2  Klaftern,  um  einfügbar  zu  werden. 

Das  Höhenverzeichnis  ist  weder  alphabetisch,  noch  nach  natürlichen 
oder  politischen  Oränzen  geordnet,  sondern  nach  dem  Gradnetze,  dessen  Ma- 
schen von  5  Minuten  Höhe  und  Breite  zur  Orientierung  dienen,  wodurch  das 
Aufsuchen  auf  der  Karte  wesentlich  erleichtert  wird.  Jedem  Trapeze  ist  eine 
Uebersicht  des  Raumverhältnisses  der  enthaltenen  Schichten  vorangeschickt, 
welches  in  Percenten  der  ganzen  mur  mit  einem  Mittelwerte)  angegebenen 
Area  ausgedrückt  ist.  Da  solche  Percentualberechnungen  auch  bei  der  oro- 
graphischen  Schilderung,  wo  sie  am  besten  verwertbar  sind,  vorkommen,  so 
scheint  ihre  Wiederholung  in  veränderter  Anwendung  beinahe  entbehrlich,  ist 
es  aber  aus  dem  Grunde  nicht,  weil  dadurch  ein  Vergleich  kleinerer  Land- 
striche unter  einander  vermittelt  wird. 

Die  Resultate  der  vielen  Vorarbeiten  vereinigen  sich  in  der  Karte.  Sie 
ist  das  alleinige  Verdienst  des  Prof.  Kor  ist  ka's  und  schon  im  topographischen 
Theile  mit  solcher  Umsicht  und  Genauigkeit  (auch  in  Beziehung  auf  die  Or- 
tographie  der  Eigennamen)  bearbeitet,  dass  sie  dadurch  allein  einen  besondem 
V^rt  als  treuer  Repräsentant  der  Gegenwart  hat.  Ihr  zweiter  Vorzug  besteht 
in  den  sehr  gewissenhaft  ansgemittelten  Höhencurven,  welche  in  den  Niederun- 
gen bis  400  Meter  von  25  zu  25  Meter,  von  400  Meter  an  von  50  zu  50  Meter 
gezogen  sind,  und  zwar  mit  gut  erkennbarer  Modification  der  Linien,  so  dass 
das  Bestimmen  der  absoluten  Höhe  sehr  erleichtert  wird.  Die  fünfzehn 
Höhenstufen  sind  durch  Farbentöne  unterschieden,  die  von  gelb  durch  grün, 
braun  und  violet  in  blau  übergehen.  Die  Gränzschichten,  die  unterste  im  Tief- 
lande und  die  obersten  in  den  höchsten  Spitzen  sind  weiß  geblieben.  Der 
dunkelste  Ton  ist  bei  jenen  Schichten  angewendet,  welche  in  dem  ausgedehn- 
ten Flachlande  Böhmens  die  meisten  Höhen  bilden.  Sicher  würde  das  Ge- 
sammtbild  bei  Anwendung  von  blasseren  Tinten  für  die  Mittelhöhen  höchst 
monoton  erscheinen.  Zudem  fallen  bei  Fests^ung  einer  Scala  für  den  Far- 
bendruck auch  die  finanziellen  Rücksichten  in  die  Wagschale  und  bedingen 
oft  genug  ein  Abweichen  von  ursprünglichen  Grundsätzen,  um  die  Druckkosten 
nicht  zu  verzehnfachen.  Da  die  Schichtenlinien  allein  kein  plastisches  Ter- 
rainbild geben,  so  wurde  durch  Kreideschummerung  die  Schattenseite  der  Ab- 
dachungen angedeutet,  damit  aber  tiuch  der  Nachtheil  herbeigeführt,  dass  die 
mit  Zinnober  gedruckten  feinen  Curven  stellenweise  schwer  unterscheidbar,  ja 
fast  unmerklich  werden,  namentlich  dort,  wo  sie  wegen  Steile  des  Abfalls  sehr 
nahe  an  einander  rücken ,  z.  B.  am  Elbedurchbruche.  Es  ist  jedoch  durch 
die  Vertheilung  der  Kartenelemente  auf  verschiedene  Platten  die  Grelcgenheit 
gegeben,  Abdrücke  ohne  die  störenden  Einflüsse  herzustellen,  z.  B.  (i^eripp 
und  Schrift  schwarz,  Niveaucurveu  roth,  oder  Niveaucurveu  schwarz  mit  Ter- 
rainschattierung und  Farbenschichten  aber  ohne  Schrift  und  Geripp,  u.  a.  m. 


129 

Anf  diese  Weise  kann  nicht  bloß  das  große  Publicum  seine  Befriedigung  fin- 
den, dem  der  topographische  Theil  der  Karte  der  wichtigere  ist,  sondern  auch 
die  weit  kleinere  Zahl  jener  Personen,  die  sich  mit  tiefer  eingehenden  Studien 
aber  das  Terrain  beschäftigen. 

Ein  größerer  Maßstab  (z.  B.  ^U^ooo^  würde  zur  Folge  gehabt  haben,  dass 
eine  vollständige  Cotierung  Platz  gegriffen  hätte,  und  eine  noch  größere  An- 
zahl von  Horizontalen  ermöglicht  worden  wäre;  allein  der  16fache  Raum 
wQrde  auch  16&che  Kosten  verursacht  und  die  Herausgabe  der  Karte  ver- 
zögert oder  gar  verhindert  haben.  Begnügen  wir  uns  mit  der  gegenwärtigen 
ausgezeichneten  Karte,  welche  alles  leistet,  was  man  in  diesem  Maße  von  ihr 
fordern  kann  und  die  erste  Special-Schichtenkarte  in  Oesterreich  ist,  die  auf 
so  zahlreichen  und  so  verlässlichen  hypsometrischen  Daten  construiert  wurde, 
und  bei  welcher  der  Autor  alle  Erfahrungen  benützen  konnte,  die  er  bei  sei- 
ner hypsometrischen  Karte  von  Mähren,  einer  würdigen  Vorläuferin  der  jetzigen, 
zu  machen  Gelegenheit  hatte. 

Die  Karte  wird  10  Blätter  umfassen  und  sdiwerlich  in  weniger  als  eben 
so  viel  Jahren  vollendet  werden  können.  Sie  wird  im  Verein  mit  den  übrigen 
Resultaten  der  Landesdurchfonchung  ein  schönes  Denkmal  des  patriotischen 
Eifers  jener  Gorporationen  in  Böhmen  sein  und  bleiben,  welche,  wie  der  Land- 
tag, das  Landesmuseum  und  die  öconomische  Gesellschaft  diesem  Unternehmen 
jährlich  nicht  unbedeutende  Summen  votierten,  und  es  wäre  zu  wünschen, 
dasB  dieses  Beispiel  auch  in  anderen  Kronländern,  deren  Durchforschung  nicht 
minder  nöthig  ist  und  gleicher  ausgiebiger  Nachhilfe  bedarf,  zu  edlem  Wett- 
eifer anregen  würde.  A.  Steinhauser. 

Nene  Probleme  der  vergleichenden  Erdkunde  als 
Versuch  einer  Morphologie  der  Erdoberfläche.  Von 
Oscar  Pescbel.  Leipzig.  Verlag  von  Duncker  &  Humblot.  1870. 
Gr.  Oct.  S.  171. 

Das  unter  obigem  Titel  erschienene,  Sr.  Majestät  dem  König  Ludwig  II. 
von  Baiem  gewidmete  Werk,  zählt  zu  den  interessantesten  neuen  Erscheinun- 
gen der  deutschen  Literatur.  In  glücklicher  Aneinanderreihung  vereinigt  es 
13  Abhandlungen,  welche  der  verdienstreiche  Herausgeber  des  ^ Ausland^  in 
seiner  Zeitschrift  in  den  Jahren  1866  - 1868  veröffentlicht  hatte.  Bedeutend 
erweitert  in  ihrem  Inhalte  und  trefflich  erläutert  durch  sorgfältig  ausgewählte 
kartographische  Illustrationen,  bieten  sie  in  dieser  neuen  Gestalt  einen  über- 
sichtlichen Blick  auf  die  Resultate  und  Probleme  der  vergleichenden  Erdkunde 
von  Ritter  bis  auf  unsere  Zeit.  Die  Ueberschriften  der  13  Capitel  geben 
einen  Begriff  des  behandelten  reichen  Stoffes.  Sie  lauten :  1.  Das  Wesen  und 
die  Aufgaben  der  vergleichenden  Erdkunde.  2.  Die  Fjordbildungen.  3.  lieber 
den  Ursprung  der  Inseln.  4.  Die  Thier-  und  Ptianzenwelt  der  Inseln.  5.  Geo- 
graphische Homologien.  6.  Die  Abhängigkeit  des  Flächeninhalts  der  Festlande 
von  der  mittleren  Tiefe  der  Weltmeere.  7.  Das  Aufsteigen  der  Gebirge  an  den 
Festlandsrändem.  8.  lieber  das  Aufsteigen  und  Sinken  der  Küsten.  9.  lieber 
die  Verschiebungen  der  Welttheile  seit  den  tertiären  Zeiten.  10.  Die  Delta- 
bildungen  der  Ströme.  11.  üeber  den  Bau  der  Ströme  in  ihrem  mittleren 
Laufe.     12.  Die  Thalbildungen.    13.  Wüsten,  Steppen  und  Wälder. 

Jeder  einzelne  dieser  Abschnitte  zeigt,  was  durch  die  Wissenschaft  zur 
Lösung  der  bezüglichen  Probleme  gewonnen  und  was  noch  zu  thun  übrig,  um 
das  Hypothetische  in  festgegründete  Principien  umzugestalten.  PeschePs 
Darstellung  ist  allenthalben  klar,  anziehend  und  anregend.  Sie  wird  Überali 
getragen  durch  eine  Fülle  interessanter  Daten  und  tiefgehender  Wahrnehmun- 
gen, welche  sich  dem  Verfasser  während  seiner  Vorarbeiten  für  die  Greschichte 
der  Erdkunde  .im  Auftrage  König  Max  II.  von  Baiern)  aufgedrängt  und  die 
sich,  wie  Peschel  im  Vorworte  allzu  bescheiden  bemerkt,  „auch  bei  jedem 
anderen  eingestellt  hätten,  dem  die  gleiche  Aufgabe  zu  lösen  vergönnt  gewesen 
wäre."^  Wir  sind  in  letzterem  Puncte  anderer  Meinung  und  wollen  hier  unsere 
üeberzeugung  aussprechen,  dass  solch  ein  gelungener  „Versuch  einer  Morpho- 
logie der  Erdoberfläche*^  nur  von  einem  so  gründlichen  Kenner  der  gesammten 
alten   und   neueren  geographischen   Forschung   durchgeführt  werden  konnte, 

O«0grsphiMli«  Mitth«ilviif«&.  1870.  S.  Q 


130 

wie  es  Oscar  Peschel  ist.  Die  Lecture  des  Werkes  wird  diesen  Aossprack 
bekräftigen.  Neben  den  Resultaten  der  neaen  und  neuesten  Forschung  wird 
man  jene  lange  vergessener  und  darunter  auch  verdienter  österreichischer 
Geographen    verwertet  finden. 

Der  uns  hier  zugemessene  Raum  verbietet  uns,  Einzelnes  aus  dem  Buche 
besonders  herauszuheben.  Wir  glauben,  es  allen  Freunden  der  Elrdkunde  nicht 
srenug   warm  empfehlen  zu  können.  F.  Kanitz. 

„Report  of  the  Delegates   of  the   Shangai   General   Chamber   of 

Commerce    on    the  Trade   of   the  Upper  Yangtsze    and  Report    of  the 

Naval  Surveyers  of  the  River  above  Hankow." 

Untier  diesem  Titel  veröffentlichte  die  Handelskammer  zn  Shangai  ein 
Werk,  welches  die  Erfahrungen  einer  Fachcommission,  die  vom  Yangtsze kiaug 
aufwärts  in  die  bisher  den  Fremden  verschlossenen  westlichen  Provinzen  China^s 
vordrang,  allgemein  zugänglich  macht.  Der  Geograph  und  Kaufmann  finder  iu 
dem  Werke  höchst  wertvolles  Material  Ober  jene  weiten  Districte  und  deren 
schon  gegenwärtig  sehr  bedeutende  Handelsbewegung.  F.  K. 


Notizen. 

Die  Einfahrt  In  den  SalgoBflnss  beim  Cap  St.  James  wurde  durch 
die  Errichtung  eines  Leuchtturmes  und  durch  Vorkehrungen  an  der  Koral- 
lenbank (der  einzigen  Untiefe  des  Flusses  i  für  Schiffe  jeden  Tiefganges  erleich- 
tert und  liefen  schon  im  Jahre  1868  410  Fahrzeuge  von  187.000  Tonnen  zu 
Saigon  ein.  Saigon  ist  ein  bedeutender  Hafen  für  lU^is.  Im  Jahre  1868  betrug 
die  Ueisausfuhr  137.000  Tonnen.  Sie  soll  sich  im  letzten  Jahre  bedeutend  ge- 
steigert haben.  Auch  der  beinahe  gänzlich  in  den  Händen  der  Chinesen  be- 
findliche Handel  mit  Cocosnussöl,  Pfeffer,  getrockneten  Fischen  und  Baumwolle 
ist  in  Aufschwung  begriffen.  Durch  die  Eröffnung  des  Suezcanals  verspricht 
man  sich  einen  lebhafteren  Verkehr  mit  Europa  und  namentlich  mit  Triest. 

F.  K. 

We  diesjfthiige  Niger-Expeditlon.  Die  diesjährige  Niger-Expedition, 
welche  am  21.  Juli  unter  dem  Commando  des  Capitäns  East  von  Lagos 
aufgebrochen  war,  traf  am  4.  October  in  Ascension  wieder  ein,  nachdem  sie 
mit  vielen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  gehabt.  Diese  Expeditionen  werden 
bekanntlich  zum  Schutze  der  Handelsinteressen  und  zur  Kräftigung  der 
Autorität  des  am  Zusammenfluss  der  beiden  großen  Flüsse  Niger  und  Tschailda 
stationierten  englischen  Consuls  unternommen;  in  diesem  Jahr  aber  eriangte 
sie  dadurch  eine  ungewöhnliche  Wichtigkeit,  dass  Capitän  East  mit  einer  be- 
sondern Mission  an  Massaba,  den  König  des  Neagi-Landes ,  dessen  Reich 
sich  von  dem  fernsten  schiffbaren  Theile  des  Niger  bis  zum  Zusammenfluas 
der  beiden  Ströme  ausdehnt,  betraut  worden  war.  Am  23.  Juli  wurde  die 
Barre  des  Niger  passiert,  und  am  25.  begann  die  Fahrt  stromaufwärts.  In  Folge 
der  starken  Strömung  und  der  vielen  Sandbänke  konnten  nur  gegen  dO  engl. 
Meilen  täglich  zurückgelegt  werden,  und  da  die  Kriegsschiffe  „Lynx^  und 
„Pioneer^  die  gröüten  Fahrzeuge  waren,  welche  je  den  Strom  hinauffuhren 
und  schweres  Geschütz  mit  sich  führten,  war  die  Gefahr  aufzustoßen  sehr 
groU,  zumal  an  vielen  Stellen  das  Senkblei  kaum  drei  Zoll  mehr  als  den  Tief- 
gang der  Fahrzeuge  zeigte.  Im  ganzen  lief  die  Fahrt  gut  ab,  und  nachdem 
die  Schiffe  stellenweise  angehalten  hatten,  um  die  Häuptlinge  zu  beschenken, 
und  auch,  um  sie  den  Donner  der  Schiffskanonen  hören  zu  lassen,  kam 
man  nach  Lukaja ,  der  Residenz  des  britischen  Consuls  am  Zusammenflusse 
der  beiden  Ströme.  Hier  schlössen  mehrere  Kauffiethrteischiffe  sich  der  Expe- 
dition an,  und  nachdem  der  englische  Bischof,  der  Gonsul  mit  seinen  Dol- 
metschen u.  s.  w.  an  Bord  genommen  waren,  gieng's  weiter  bis  nach  Egga, 
einer  groüen,  aber  schmutzigen  und  ungesunden  Stiuit,  dem  Centrum  des  El- 
fienbeinhandels.  Hier  kamen  der  Expedition  Boten  des  Königs  entgegen,  wel- 
cher die   weitten  Männer  bewillkommte.    Massaba  ist  stets  erfreut,  die  Expe- 


131 

ditkm  zu  sehen;  diese  aber  wurde  durch  die  unangenehme  Beobachtung  über- 
rascht, dass  der  König  allen  Handel  zum  Stillstand  gebracht  hatte,  so  dass  die 
der  Expedition  vorangegangenen  Kauffahrteifahrer  nichts  auszurichten  yermoch- 
ten.  Er  hatte  nämlich  herausgefunden,  dass  er  früher  betrogen  worden  war, 
and  wollte  zuerst  die  Ankunft  des  britischen  Gonsuls  abwarten.  Tags  darauf 
wurde  die  Reise  fortgesetzt,  während  indessen  die  früheren  Expeditionen  den 
Fluss  Itschontschegga  hinauf  bis  etwa  6  Meilen  vor  Bidda,  der  Hauptstadt 
Massaba's,  gefahren  waren,  wurde  wegen  der  Gefährlichkeit  dieser  Route 
ein  neuer  Weg,  etwa  40  Meilen  weiter  den  Niger  hinauf  bis  zur  Mündung  des 
Nebenflusses  Kadimia  eingeschlagen.  Das  Schiff  ^Lynx^  konnte  die  Weiter- 
reise nicht  ohne  Gefahr  antreten,  und  so  machten  die  Mitglieder  der  Expedi- 
tion sich,  mit  Ausnsdime  des  Capitäns  East,  welcher  sich  stark  unwohl  fühlte, 
nach  Dakomba,  12  Meilen  von  Kadimia  hinauf,  auf  den  Weg.  Hier  wurden 
sie  von  dem  ersten  Sclaven  des  Königs  empfangen  und  mit  Hornvieh,  Schafen, 
Ziegen  u.  s.  w.  beschenkt,  und  als  nach  Verlauf  von  40  Stunden  Pferde  für 
die  Expedition  beschafft  waren,  konnten  diese  die  noch  übrigen  10  Meilen  bis 
nach  Bidda,  die  zum  Theii  durch  mannshohe  Sümpfe  führten,  zurücklegen. 
Bidda,  eine  große  Stadt  von  etwa  ^.000  Einwohnern,  ist  mit  einem  10  Fuß 
hohen  Erdwall  mit  Graben  eingefasst.  Sofort  nach  ihrer  Ankunft  wurden  die 
Handelsleute  nach  dem  Palast  des  Königs,  einer  Anzahl  getrennter  Häuser 
von  verschiedenen  Dimensionen  und  Formen,  geführt,  und  von  diesem  sehr 
freundlich  empfangen.  Am  nächsten  Morgen  kam  auch  Capitain  East  an, 
nachdem  er  sich  besser  gefühlt  und  den  ganzen  Weg  zu  Fuli  zurückgelegt 
hatte.  Auch  er  wurde  vom  König  sofort  empfangen,  und  verabredete  sich  mit 
ihm,  die  Botschaft  und  das  Ehrengeschenk  der  Königin  von  England  Tags 
darauf  zu  überreichen.  Diese  Ceremouie  gicng  dann  auch  mit  der  nöthigen 
Feierlichkeit  vor  sich,  und  Mass  ab  a  äußerte  zumal  sein  ungeheures  Vergnü- 
gen Ober  das  ihm  als  Geschenk  überreichte  prachtvolle  Schwert.  Er  versicherte 
den  Capitan  seiner  innigen  Freundschaft  für  die  Königin  von  England  und 
ihre  Regierung.  Sechs  Tage  blieb  die  Expedition  in  Bidda,  während  welcher 
sie  aufs  gastfreundlichste  bewirtet  wurde;  dann  kehrte  sie  nach  den  Schif- 
fen zurück,  fand  aber  hier  einen  Theil  der  Mannschaft  des  ^Lynx^  vom  Fie- 
ber befallen.  Sofort  wurde  die  Rückreise  angetreten.  Da  aber  auf  dem  Niger 
die  Reise  zu  Thal  wegen  der  reißenden  Strömung  bei  der  großen  Seichtigkeit 
noch  schwieriger  ist,  als  die  zu  Berg,  ist  es  nicht  zu  verwundern,  wenn  der 
^Lynx**  am  Tage  nach  angetretener  Rückfährt  auf  einer  Sandbank  auffuhr 
and  erst  nach  fünf  Tagen  wieder  flott  gemacht  werden  konnte,  indem  ein 
Theil  der  Kohlenvorräthe  über  Bord  geworfen  wurde.  Drei  Matrosen  starben, 
und  fast  stündlich  wurde  der  eine  oder  der  andere  vom  Fieber  befallen.  Wäre 
ein  großer  Theü  der  Bemannung  gestorben,  so  hätte  Capitän  East  sich  ver- 
pflichtet gesehen  die  ganze  Bemannung  im  Pioneer  aus  dem  Flusse  zu  schicken 
and  selber  mit  wenigen  Freiwilligen  bis  nächstes  Jahr  auf  dem  „Lynx**  aus- 
zubauen —  was  beinahe  sicherer  Tod  gewesen  wäre.  Glücklicherweise  starb 
aber  niemand  mehr;  das  Schiff  wurde  am  7.  September  flott  gemacht  und 
passierte  am  13.  glücklich  wieder  die  Barre.  Der  ^Lynx^  fuhr  sofort  nach 
Ascension,  obwol  seine  Mannschaft  in  sehr  erschöpftem  Zustande  war,  und  un-, 
terwegs  das  Fieber  dermaßen  zunahm,  dass  er  und  sein  erster  Lieutenant  eine 
2^it  lang  die  einzig  dienstthuenden  Officiere  waren.  Am  4.  October  langte 
der  ^Lynx'^  in  Ascension  an,  und  ein  par  Tage  später  mußte  Capitän  East 
nebst  allen  Ofßcieren  und  Mannschaften  —  den  ersten  Lieutenant  uud  drei 
Officiere  ausgenommen  —  nach  dem  Hospital  geschickt  werden.  Die  Nach- 
virkungen  dieses  tötiichen  Nigerfiebers  scheinen  weit  schlimmer  zu  sein  als 
die  auf  dem  Flusse  selber  verspürten  Symptome. 

Ueber  die  Central-Pacifie-Balm  in  Nord-America,  welche  in  directer 
Linie  New-York  mit  San  Sacramento  und  San  Francisco  in  Califomien  vei> 
bindet,  enthalten  die  Ergänzungsblätter  zu  Meyers  Gonversationslexicon  einen 
längeren  Artikel  von  dem  Geographen  Richard  Andree,  welcher  die  Wichtig- 
keit dieser  Bahn  sowol  für  die  Entwicklung  der  nordamericanischen  Union  als 
auch  för  den  großen  Welthandel  in  ein  sehr  glänzendes  Licht  stellt.  Die 
Vollendung  dieser  Bahn   and  die  Eröffnung  des  Suez-Canals  werden  darin  an 

9* 


im 

Bedeatang  fflr  die  Geschicjite  des  Weluerkelm  der  VoUendang  des  engliBcb- 
americanischen  Kabels  gleichgestellt.  Man  durcheilt  die48Breitegi*ade,  welche  die 
Bahn  durchschneidet,  in  6  Tagen  und  17^/,  Stunden,  während  der  Weg  über  die 
von  Kansas  ausgehende  Postroute  18  Tage  und  einen  Reiseaufwand  von  1000 
Dollars  erforderte.  Auf  der  Pacific-Bahn  beträgt  das  Fahrgeld  nur  140  Dol- 
lars. Bekannt  ist,  dass  in  Nord-America,  umgekehrt  wie  bei  uns,  die  Städte 
gleichsam  den  Eisenbahnen  nachziehen.  Dies  ist  auch  bei  der  Pacific-Bahn 
der  Fall  gewesen.  Wie  fEibelhaft  nahe  durch  die  Pacific-Bahn,  man  möchte 
sagen,  die  Welt  aneinander  gerückt  wird,  erhellt  ans  folgenden  Angaben  des 
Aufsatzes.  Wenn  die  beabsichtigte  Seeroute  San  Francisco- Wellington  i  Neu- 
seeland )-Sydney  im  Gang  ist,  wird  die  Fahrt  von  Neuseeland  nach  San  Fran- 
cisco in  21  Tagen  zurückgelegt,  von  da  nach  New- York  braucht  man  7  Tage, 
von  da  nach  Bremen  oder  Hamburg  11  Tage;  mithin  erreicht  man  mittels  der 
Pacific-Bahn  Neuseeland  in  39  Tagen.  Sieben  weitere  Tage  führen  dann  nach 
Svdney,  noch  3  bis  Melbourne ;  somit  reist  man  von  Bremen  bis  Melbourne  in 
49  Tagen  via  Nordamerica.  An  diesen  großen  Vorzügen  der  Pacific-Bahn  neh- 
men dann  in  erster  Linie  die  California-Pacific-  und  die  Galifomia-Pacific-Ex- 
tension  theil.  Erstere  geht  von  Sacramento  nach  San  Francisco,  letztere  durch- 
schneidet die  fruchtbarsten  Provinzen  Califomiens  und  mündet  In  die  Botega- 
Bay  im  stillen  Ocean.  Abgesehen  von  den  günstigen  Chancen,  welche  diese 
beiden  califomischen  Bahnen  in  sich  selber  dadurch  haben,  dsss  sie,  wir  möch- 
ten sagen,  den  Localv  erkehr  des  Goldlandes  vermitteln,  nehmen  sie  auch  ganz 
unmittelbar  an  der  großen  Zukunft  theil,  welche  ohne  Zweifel  die  Central- 
Pacific  in  sich  trägt.  Die  Pacific-Extension  ist  jetzt  schon  über  die  Hälfte 
vollendet  (55  englische  Meilen),  und  der  Bau  wird  mit  aller  Energie  betrieben, 
da  man  sich  die  größten  Yortheile  gerade  von  dieser  Bahn  verspricht,  weil 
sie  die  fruchtbarsten  und  reizendsten  Thäler  nicht  allein  Califomiens,  sondern 
geradezu  der  ganzen  Welt  durchschneidet.  Der  treffliche  Aufsatz  macht  femer 
nlr  die  Bedeutung  der  Central-Pacific-Bahn  noch  die  Thatsache  geltend,  dass 
San  Francisco,  der  Mittelpunct  der  großen  Goldgewinnung,  auch  die  erste 
Münzstätte  der  Vereinigten  Staaten  geworden  ist,  in  der  jährlich  für  20  Mil- 
lionen Dollars  Gold  und  Silber  geprägt  werden.  Schon  geht  californiaches 
Gold  und  namentlich  Silber  mit  den  Dampfern  nach  China,  um  dort  die  Han- 
delsbilanz der  europäischen  und  der  americanischen  Kaufleute  auszugleichen. 
Als  finanzieller  Mittelpunct  hebt  sich  jene  Stadt  mehr  und  mehr,  und  es  kann 
nicht  fehlen,  dass  sie  im  Geschäftsverkehr  zwischen  Asien  und  Europa  noch 
eine  große  Rolle  stielen  wird,  wie  ihr  denn  unzweifelhaft  schon  die  Vermitt- 
lung zwischen  Amenca  einerseits,  und  Asien  undAustralien  andererseits  zukommt. 

Künstliche  Anstemziieht.  Im  Verein  für  Geographie  und  Naturwissen- 
schaften in  Kiel  hielt  Prof.  Möbius  im  December  1869  einen  Vortrag  aber 
die  künstliche  Austemzucht,  dem  wir  nach  einem  Bericht  in  der  -allgemeinen 
Zeitung^  folgendes  entnehmen:  Schon  im  Herbst  des  vorigen  Jahres  hatte 
Prof.  Möbius  eine  eingehende  Untersuchung  der  an  der  Westküste  von  Holstein 
sowol  als  der  einzeln  auch  an  der  hannoverischen  und  der  oldenburgischen 
Küstenstrecke  sich  vorfindenden  Austembänke  unternommen,  im  Nachsommer 
dieses  Jahres  begleitete  er  die  Regierungs-Commission,  welche  alle  zehn  Jahre 
mit  den  Austernpächtem  eine  Untersuchung  der  ihnen  verpachteten  Bänke 
contractmäßig  vornimmt,  auf  dieser  Inspectionsreise,  und  gegenwärtig  ist  er 
noch  mit  eingehenden  Forschungen  über  die  noch  keineswegs  völlig  bekannte 
Physiologie  und  Naturgeschichte  der  Auster  beschäftigt.  Sobald  dieselben 
beendet  sind,  dürfen  wir  wol  auf  eine  Publication  rechnen,  welche  über  diese 
auch  practiBch  wichtige  Frage  vielfach  neues  Licht  verbreiten  möchte.  Schon 
jetzt  hat  die  Erfahrung  bewiesen,  dass  die  anfänglich  von  so  glänaeen- 
dem  Erfolg  begleiteten  tjnternehmungen  Coste's  und  andere  in  Frankreich 
angestellte  Versuche  weit  entfernt  sind,  das  zu  leisten,  was  man  sich  von 
ihnen  versprochen.  Der  Bericht,  welchen  Prof.  Möbius  über  seine  in  diesem 
Frühjahr  an  den  betreffenden  Orten  gemachten  Wahrnehmungen  erstattet, 
weicht  himmelweit  ab  von  den  enthusiastischen  Schilderungen,  welche  noch 
bis  in  die  neueste  Zeit  von  den  Elrfolgen  der  französischen  Austerncnltur  ver- 
breitet  wurden. 


133 

In  der  Bucht  von  St.  Brieux,   wo   Coste   zuerst  Mutter- Austern    aus- 
gesäet,  und  von  ihnen  in  derThat  so  viel  Brut  erhalten  hatte,  dass  im  ersten 
Herbste  schon  die  für  dieselbe  ausgelegten  Steine  und  Faschinen  mit  jungen 
Austern  ganz  bedeckt  waren,  fanden  sich  kaum  noch  lebende  Spuren  mehr  von 
der  gemachten  Aussaat  vor.    In  dem  Binnen-See  von  Arcachon,    in  welchem 
auf   Coste 's    Antrieb    durch    Privatgesellschaften    eine    ganze    Beihe    von 
Austemparks  angelegt  worden    und  auch  eine  Muster-Anstalt   von  der  Regie- 
rung errichtet  war,  zeigten  sich  allerdings  die  Parks  noch  mit  Austern  besetzt ; 
allein    ihre  Unterhaltung  verursachte   so   bedeutende  Kosten  und  Arbeit,   sie 
waren  außerdem  durch  feindliche  Naturkräfte  aller  Art  so  vielfachen  Angriffen 
aasgesetzt,    dass   der   finanzielle   Ertrag   des  Unternehmens  mindestens  sehr 
zweifelhaft  erschien.    Nur  die  täglich  wiederholte  mtLhsame  Arbeit  des  Beini- 
gens  der  Austernlagen  von  Schlamm,  des  Aufsuchens  der   feindlichen  Thiere, 
das  £ntfemen  des   Seegrases   u.  s.  w.   vermochte   überhaupt   die   angelegten 
Austembänke  gegen  das  Verderben  zu  schützen.  Auch  an  den  übrigen  Plätzen, 
wo  die  Austernzucht  in  einfacherer  Weise  betrieben  wurde  und  anfanglich  so 
günstige  Erfolge  brachte,   dass  die  Regierung  mehrere  tausend  Concessionen 
für  diesen  Betrieb  auszugeben  veranlasst  wurde,   war  in  der  letzten  Zeit  ein 
empfindlicher  Rückschlag  eingetreten.  Auf  der  Insel  Re  z.  B.  waren  die  zahl- 
reichen   mit   so  großem  Eifer  von  der  Bevölkerung    angelegten  Austernparks 
beinahe   gänzlich   wieder  aufgegeben.    Noch  nirgends  war  es  gelungen,    die 
künstlich  angelegten  Austembänke  so  weit  zu  bringen,    dass   die   auf  ihnen 
befindlichen  Thiere  nun  selbst  wieder  fortpflanzungsföhig  geworden;    vielmehr 
war  man  für  die  Erzeugung  der  Brut  überall  noch  auf   die  Mutterthiere  der 
natürlichen  Bänke  angewiesen.    Und  selbst  die  allerdings  zu  Myriaden  erzeug- 
ten jungen  Austern  waren  vielfach  wieder  zu  Grunde  gegangen,   ehe   sie  die 
für  den  menschlichen  Verbrauch  erforderliche  Größe  und  Ausbildung  erlangt 
hatten,  also  marktfähig  geworden  waren. 

Die  an  den  englischen  Küsten  neuerdings  angestellten  Versuche  sind 
noch  zu  wenig  vorgeschritten,  um  nach  der  einen  oder  der  andern  Seite  hin 
Beweise  zu  liefern.  Denn  in  Whitstable  und  andern  seit  langer  Zeit  schon 
durch  die  Austerncultur  berühmten  Orten  der  Themse-Mündung  werden  nicht 
etwa  Austern  gezogen,  vielmehr  begnügt  man  sich  die  auf  natürlichen  Austern- 
bänken gefangenen  Austern  auf  einen  für  ihre  Ausbildung  besonders  geeig- 
neten und  mit  großer  Sorgfalt  in  gutem  Zustand  erhaltenen  Grund  auszulegen 
und  so  zum  höchsten  Grade  der  Schmackhaftigkeit  zu  bringen.  In  den  letzten 
Jahren  hat  sich  dagegen  eine  Gesellschaft  gebildet  mit  einem  Actiencapital  von 
etwa  100.000  Thlm.,  welche  auf  der  dicht  bei  Portsmouth  gelegenen  Insel 
Hayling  künstliche  Austernzucht  betreiben  will.  Es  sind  hier  große  Teiche 
ausgegraben  worden,  in  welchen  man  die  jungen  Austern  zu  erziehen  gedenkt, 
om  sie,  nachdem  sie  ein  Alter  von  etwa  IV^  Jahren  erreicht  haben,  dann  an 
geeigneten  Uferstrecken  auszulegen,  wo  sie  ihr  Wachsthum  vollenden  sollen. 
Auf  Grund  aller  seiner  bis  jetzt  gemachten  Wahrnehmungen  sprach 
dann  Prof.  Möbius  schließlich  seine  Ansicht  dahin  aus,  dass  wenig  Aussicht 
Toihanden  sei,  eine  erhebliche  Vermehrung  der  Austernloänke  unserer  West- 
kfiste  durch  künstliche  Pflege  derselben  zu  erzielen.  Vielleicht  könnte  man 
nach  dem  Beispiel  Whitstable's  die  Austern  von  solchen  Bänken,  die  weniger 
schmackhafte  Producte  liefern,  zur  Verbesserung  nach  andern  Plätzen  ver- 
setaen,  welche  erfahrungsmäßig  feinere  Qualität  hervorbringen. 

Mehr  Aussicht  auf  günstigen  Erfolg  für  die  Anlegung  künstlicher 
Austernbänke  scheint  an  der  hannoverischen  Küstenstrecke  zu  sein,  die  gegen- 
wärtig der  natürlichen  Bänke  fast  gänzlich  ermangelt.  Nach  der  Untersuchung 
von  Prof.  Möbius  soll  namentlich  die  Umgegend  der  Insel  Juist  dazu  sich 
eignen.  Auch  ein  hannoverischer  Naturforscher,  Dr.  Metzger,  der  sich  mit 
diesem  G^enstand  beschäftigt,  luit  sich  unlängst  in  der  hannoverischen  Zeit- 
schrift für  Landwirtschaft  in  gleichem  Sinne  ausgesprochen. 

Die  Aiuwftndeniiig  von  Canada  nach  den  Tereinlgteii  Staaten  nahm 
in  letzter  Zeit  so  bedeutende  Dimtnsioncn  an,  dass  sie  die  Besorgnis  der 
Re^erung  erregte.  Die  auf  der  Landwirtschaft  in  der  Provinz  Quebec  lasten- 
den Zehnten,  die  Abnahme  des  Schiffbaues  und  die  lange  Winterdaner  veran- 


134 

lassteii  dieselbe.  Durch  Verleihung  von  Goncessionen  für  hölzerne  Schienenwege 
vom  St.  Lorenzostrome  nach  Norden  zur  Ausbeutung  der  reichen  Holzdistricte 
suchte  man  dem  Exodus  zu  steuern.  Der  letzte  außergewöhnlich  strenge  Win- 
ter mit  starkem  Schneefall  unterbrach  jedoch  den  Holzschlag.  Er  machte  die 
Zufuhr  von  Proviant  beinahe  unmöglich,  das  Futter  für  die  im  Walde 
uöthigeu  Pferde  stieg  auf  unerhörte  Preise,  da  der  vorausgegangene  Sommer 
eben  so  heiß  wie  trocken  war.  Die  Einwanderung  nach  Canada  nimmt  der 
dortigen  ungünstigen  Verhältnisse  wegen  sehr  ab.  Die  Regierung  verweigert 
die  unentgeltliche  Brförderung  auf  ihren  Bahnen  und  mittellose  Personen  dürf- 
ten nach  Cousolarberichten  künftig  in  Quebec  zurückgewiesen  werden.     F.  K. 

IHe  BeTfflkenuig  tok  WImobbIii  und  Milwankee  ist  in  letzter  Zeit 
abermals  sehr  gestiegen.  In  Wisconsin  bildete  sich  eine  Einwand  cruugscom- 
mission,  welche  den  neuen  Ankömmlingen  von  Staatswegen  sehr  entgegenkommt. 
Der  schlechten  Getreidecoiguncturen  des  letzten  Jahres  ungeachtet,  welche  auf 
alle  Handelsverh&ltnisse  l&hmend  wirkten,  hat  sich  die  Bevölkerung  Milwaukee's 
auf  etwa  92.000  Seelen  gehoben.  F.  K. 

Die  (foterreiehlsehe'  Expedition  In  Jn|Mui«  Z.  Jänner.  Nach  den 
letzten  Mittheilungen,  welche  von  der  k.  und  k.  ost-asiati sehen  Expedition 
aus  Jokohama  vom  10.  November  eingelaufen  sind,  wird  dieselbe  uicht, 
wie  es  früher  beabsichtigt  war ,  nach  San  Francisco,  sondern  direct  nach 
Central- America  segeln.  Die  Fregatte  ••Donau»  ist  nämlich  durch  einen  jener 
entsetzlichen  Wirbelstürme,  Taifiui  genannt,  welche  die  Schrecken  der  ost- 
asiatischen Meere  sind,  zwischen  Osima  und  Jokohama  sehr  übel  zugerichtet 
worden  und  mit  knapper  Noth  dem  Untergang  entronnen.  Sie  lag  bei  Abgang 
des  Berichtes  noch  im  Hafen  von  Jokohama,  um  ihre  bedeutenden  Schäden 
auszubessern,  und  wird  von  dort  nach  San  Jos^  de  Guatemala  in  See  ge- 
hen, ohne  wahrscheinlich  die  Sandwich-Inseln  und  irgend  einen  der  Häfen  von 
West-Mexico  zu  berühren.  Die  Corvette  -Friedrich«*  bleibt  in  den  chinesischen 
Gewässern. 

Mit  der  Aufiiahme,  welche  unsere  Landsleute  in  Japan  sowol  von  Sei- 
ten des  kaiserlichen  Hofs  und  der  Behörden  als  der  fremden  Diplomaten  und 
Handelsherren  gefunden,  äußern  sich  die  Berichte  höchst  zufrieden.  Die  Ver- 
handlungen zur  Abschliefiuug  eines  Handelsvertrages,  welcher  Oesterreich  anf 
den  Fuß  der  begünstigsten  Nationen  stellt,  konnten  innerhalb  zehn  Tagen  ge- 
schlossen werden.  Der  Vertrag  wurde  am  18.  October  unterzeichnet,  dem  Jah- 
restag des  Abgangs  der  Expedition  von  Triest. 

Zu  den  denkwürdigsten  Erinnerungen  sämmtlicher  Mitglieder  der  österr. 
Mission  gehörte  die  feierliche  Audienz  bei  dem  Mikado,  welcher  dem  Adminü 
bei  dieser  Gelegenheit  einen  von  ihm  eigenhändig  geschriebenen  Brief  an  den 
Kaiser  von  Oesterreich  überreichen  ließ.  Dies  machte  um  so  größeres  Auf* 
sehen,  weil  es  das  erste  Beispiel  ist,  dass  ein  japanesischer  Herrscher  ein 
eigenhändiges  Schreiben  an  einen  fremden  Souverän  richtet.  In  Jeddo  wurde  der 
Gesandtschaft  von  den  japanischen  Ministern  in  einem  zu  diesem  Zweck  pracht- 
voll ausgestatteten  Local  ein  glänzendes  Festmahl  gegeben,  welchem  auch  der 
Oheim  des  Mikado,  der  wirkliche  Leiter  der  Staatsangelegenheiten,  beiwohnte. 
Da  dieser  Fürst  noch  nie  mit  Europäern  gespeist  hatte,  so  ließ  er  sich  bei 
dieser  Gelegenheit  zuvor  von  Herrn  Alexander  von  Siebold  im  Gebrauche 
von  Messer  und  Gabel  unterrichten. 

Neben  den  kostbaren  Geschenkeli  österreichischer  Fabricate,  welche  dem 
Mikado  von  der  Gesandtschaft  überreicht  wurden,  erregten  auch  die  den  hohem 
Bildungsanstalten  in  Jeddo  übergebenen  Prachtexemplare  von  Publicationen  der 
Wiener  Academie  der  Wissenschaften  aus  der  k.  k.  Staatsdruckerei  das  be- 
sondere Interesse  sowol  der  Japanischen  Staatsmänner  als  der  Gelehrten.  In 
der  Hafenstadt  Jokohama  fand  gleichzeitig  eine  Ausstellung  der  mitiiebrachten 
österreichischen  Fabricate  statt,  welche  nicht  nur  von  dortigen  Kaufieuten  und 
Industriellen  stark  besucht  wurde,  sondern  auch  bereits  einen  practisdicn  Er- 
folg hatte,  indem  sie  zu  verschieaenen  directcn  Bestellungen  Anlass  gab.  Joko- 
hama ist  bekanntlich  das  wichtigste  Emporium  Nippons,  in  welchem  das  Haupt» 
gescbäft  des  Import-  und  Expoithandels  abgemadit  wird.  Mit  dem  wärmsten 


135 

# 

Dank  ervAhnen  die  Berichte  der  österreichischeD  Mission  der  auBnehmeuden 
Gefälligkeit  und  Gewandtheit,  mit  welcher  dieselbe  in  ihrem  Verkehr  mit  den 
Hofleuten,  StaatsmannerD  und  Übrigen  Behörden  von  dem  britischen  Legalioiis- 
secretar  Hemi  Alexander  von  Siebold  unterstützt  wurden.  Dieser  ausge- 
zeichnete  junge  Diplomat,  welcher  die  I^tndessprache  mit  der  vollen  Leichtigkeit 
und  £legaDx  eines  gebildeten  Japaners  spricht,  ist  ein  geboruer  Bayer  aus 
WOrzburg,  der  älteste  äohn  des  berühmten  Natur  forschfrs,  welcher  vor  einigen 
Jahren  in  München  starb. 

Herr  Hofrath  von  Scherzer  ist  von  Japan  mit  dem  Post- Dampfer  nach 
San  Francisco  gereist  und  wird  in  Guatemala  mit  der  Expedition  wieder  zu- 
sammentreffen. 

Ueber  demDalaJ-Laiiia«  Die  Zeitschrift  der  k.  russ.  geograph.  Gesellschaft, 
Jahrg.  1869,  enthält  einen  interessanten  Bericht  über  Tibet,  welchem  wir  fol- 
gendes entnehmen: 

Die  Stadt  Lassa  und  Umgebung  wimmelt  von  Klöstern  und  Lamaneu ; 
in  des  größeren  Klöstern  Sara  und  Galdan  gibt  es  deren  zu  SSOO  uud  3000, 
zu  Potolah  (Residenz  des  Dal^j  (oder  Guru)-Lama  aber  77(^0.  Ein  Besucher 
des  Dalig-Lama  fand  in  ihm  einen  Knaben  von  1 3  Jahrea ,  dessen  Rede  sich 
lediglich  auf  Fragen  nach  dem  Befinden  beschränkte.  Im  allgemeinen  wird  er 
häiiiig  gewechselt,  noch  bevor  er  das  30.  Lebeiibjahr  erreicht  hat.  Die  Dauer 
seines  Bestehens  ist  im  umgekehrten  Verhältnis  mit  dem  Maß  seiner  0])po- 
sitiou  gegen  den  Regenten  —  Riga  Gialdo.  Obwol  der  Daisg-Lama  als  Chef 
des  Landes  betrachtet  wird,  mischt  er  sich  dennoch  nicht  in  Angelegenheiten, 
welche  in  den  Händen  des  Riga  Gialdo  ruhen.  Was  die  Wahl  des  Dal^j-Lama 
anbelangt,  so  erfolgt  sie  durch  das  Los,  das  ihn  aus  der  Mitte  aller  jeuer 
Knaben  entnimmt,  welche  im  Bereiche  der  Stadt  während  des  Zeitraums 
von  30  Tagen  nach  dem  Tode  des  letzten  Dalaj-Lama  geboren  wurden.  So- 
bald der  Knabe  sich  seiner  Umgebung  verständlich  madieu  kann,  verfügen  sich 
vier  der  vornehmsten  Regierungs- Personen  zu  ihm  uud  richten  an  ihn  die  Frage, 
welche  von  den  ihm  gleichzeitig  vorgewiesenen  Gegenständen  dem  abgeschiede- 
nen D.-Lama  gehorten.  Bezeichnet  er  einige  davon  als  solche,  so  nehmen  die  Be- 
sucher an,  dass  er  die  wirkliche  Verkörperung  der  Seele  des  D.-Lama  sei,  uud 
geleiten  ihn  nach  Potolah,  wo  er  den  Thron  besteigt.  Im  Volke  herrscht  der 
Glaube ,  dass  die  Seele  des  D  -Lama  sich  nur  dreizehnmal  verkörpert ,  der 
jetzige  D.-Lama  stelle  die  letzte  dieser  Seelen  Wanderungen  vor.  Die  haupt- 
Bichlichste  Bedeutung  hat  der  D.-Lama  als  Damm  gegen  China.      —  c  —  y 

Expedition  naeh  Tnmeliaii.  Aus  einem  Bericht  über  eine  Expedition 
nach  Turudian  der  Zeitschrift  der  kais.  russ.  geograph  Gesellschaft,  Jahrgang 
1868,  Nr.  1,  S.  64,  entnehmen  wir  folgendes: 

So  wie  die  Vegetation,  besonders  der  Baumwuchs  im  Turuchan 'sehen 
Gebiete,  namentlich  an  der  Polarseite,  zurtlckbleibt,  so  ist  auch  die  physische 
EntwickluDg  der  Einwohner  eine  kümmerliche.  Das  Wachsthum  des  einhei- 
miachen  Volksstammes  bleibt  hinter  jenem  der  Nachkommen  eingewanderter 
Russen  und  der  Südsibirier  zurQck,  welche  auch  die  eingewanderten  Tuugusen 
an  Größe  überragen.  Die  Russen  sind  auch  in  der  Arbeitskraft  vorau.  —  Die 
Fruchtbarkeit  der  Weiber  als  Maßstab  der  Kraft  und  Leben sfähigkeil  des 
Stammes  zeigt  sich  im  Turuchan* sehen  Gebiete  auffallend  weniger  ergiebig,  als 
z.  B.  im  südlichen  und  östlichen  Sibirien.  Im  südlichen  Sibirien  gebärt  das 
Weib  bis  an  24  Kinder;  im  turuchan'schen  Lande  bringen  die  Russinnen 
höcbatena  10,  12,  selten  15  oder  19,  die  Weii)er  der  eingewanderten  Ostiaken 
8  oder  9,  jene  der  Tuugusen  8,  9  bis  10  Kinder  zur  Welt.  Die  besten  uud 
jüngsten  Jahre  in  den  Ehen,  gewöhnlich  anderwärts  durch  größere  Fruchtbar- 
keit aoBgczeichnet,  sind  bei  den  Familien  der  Eingewanderten  in  Turuchan 
durch  Kargheit  der  Geburten  bemerkbar.  Die  größte  Anzahl  von  Ehen  werden 
hier  vor  dem  Frütgahr  und  in  den  Frühlings-  und  Sommermonaten  geschlossen 
und  von  der  Empfängnis  begleitet  —  die  geringste  vor  dem  Herbste  und  in 
den  Herbst-  und  Wintermonaten.  Das  Frühjahr  uud  der  Sommer  ist  der 
Empfiüignis  und  den  Geburten  am  günstigsten.  —  Die  größte  Sterblichkeit 
herrscht  während  des  strengsten  Winters  im  Jänner  und  in  den  unstäten,  sehr 


136 

feuchten,  wässerigen  Schnee  bringenden,  von  kalten  Winden  begleiteten  Mo- 
naten August  und  September,  welche  auf  den  bis  zu  30-- 40  Grad  heißen 
Juli  folgen.  Die  herrschenden  Krankheiten  sind  der  Scorbnt,  die  Blattern,  die 
Schneeblindheit,  das  Verkältungsfieber.  Dio.  Ostiaken  sind  mehr  den  Krankhei- 
ten der  Athmungswerkzeuge  unterworfen  als  die  Russen,  firstere  sind  von 
schwächerer  Constitution  und  gehen  überdies  großtentheils  ohne  Hemden,  in  ein- 
fachen Unterbeinkleidern,  mit  bloßer  Brust.  An  den  ufern  des  Flusses  Jenisey  und 
an  den  einmündenden  Flüssen,  dem  Sitze  seuchenhafter  Dünste,  im  Bereiche  der 
Winde  des  Eismeers  und  der  Lüfte  der  Morgründe  liegen  ihre  Wohnstätten. 
Im  Herbst  und  Winter  pflegen  die  Ostiaken,  nachdem  sie  ihre  Suppe  einge- 
nommen und  sich  durch  den  Theetrank  bis  zum  Schweiß  erhitzt  haben,  mit 
bloßem  Hals  und  offener  Brust  aus  den  Erdhütten  in  die  bis  zu  40  Grad 
kalte  Luft  und  die  eisigen  Winde  hinauszustürzen.  Dem  schweren  Athmen, 
Stechen  in  der  Brust  und  dem  Katarrh  der  Athemwerkzeuge  setzen  sie  sich 
häufig  aus  durch  die  entgegenkommenden  Schneewehen  und  das  schnelle  Schnee- 
schuhlaufen in  den  Wäldern  und  Morgründen.  Herrschend  ist  insbesondere 
bei  den  aus  dem  Süden  gekommenen  Weibern  die  Schlaflosigkeit.  Diese  Er- 
scheinung pflegt  man  durch  die  äußerst  kurze  Dauer  des  Tages  in  der  Winters- 
zeit und  andererseits  durch  das  Ausbleiben  der  Nacht  im  Sommer  zu  erklären. 
Bemerkenswert  ist  die  Vermischung  der  verschiedenen  Volksstämme  unterein- 
ander, wodurch  verschiedene  Varietäten  der  Einwohnerschaft  herbeigeführt 
wurden. 

Wie  die  physische  Beschaffenheit,  so  ist  auch  der  Haushalt  der  Bevöl- 
kerung großen  Schwierigkeiten  unterworfen.  Schon  die  Ausdehnung  des  Lan- 
des und  die  große  Zerstreuung  der  erzeugenden  Kräfte  der  Natur  auf  demsel* 
ben  erschwert  ungemein  die  öconomische  Entwicklung  des  Landes  und  den 
Wohlstand  der  Bewohner,  deren  Anzahl  nur  7662  Seelen  beträgt.  Auch  diese 
unbedeutende  Bevölkerung  ist  nicht  im  Vermehren  begriffen,  sondern  geht  von 
Jahr  zu  Jahr  zurück.  Das  große  Misverhältnis  der  Anzahl  der  Einwohner  gegen 
die  Ausdehnung  des  Landes,  und  die  ungewöhnliche  Zerstreung  der  Ansiedlun- 
gen  erschweren  außerordentlich  die  Existenz.  Selbst  in  der  größten  Ortsdiaft 
der  Stadt  Turuchansk  wird  über  gänzlichen  Maogel  an  Arbeitern  geklagt.  Es 
ist  eine  allbekannte  Wahrheit,  dass  die  Gewerbe  nur  dort  emporkommen,  wo 
eine  dichte  Bevölkerung  vorhanden  ist,  wo  hiernach  eine  Verschiedenheit  der  Be- 
dürfnisse und  des  Angebotes  besteht.  Das  Klima  ist  dem  Gedeihen  der  Ein- 
wohnerschaft sehr  hinderlich.  Die  scharfen  und  unerwarteten  meteorologischen 
Contraste  und  Abwechslungen  ertöten  in  der  Bevölkerung  jeden  Unterneh- 
mungsgeist im  Fach  der  Landescultur  und  zerstören  jegliche  Berechnung  im 
Anbau  nützlicher  Gewächse.  Der  Winter  bringt  manchmal  Fröste  von  40  Grad, 
auch  in  den  kältesten  Monaten  werden  sie  nicht  stärker  —  andererseits 
kommen  aber  im  April  Fröste  zu  30  Grad  vor  und  im  Mai  schneit  es  im 
Uel)ermaß.  Mitte  Juli  zeigt  manchmal  das  Thermometer  30  Grad  Wärme,  und 
Tags  darauf  hat  man  Schnee.  Die  Versuche  im  Ackerbau  sind  großentheils  mis- 
rathen,  oft  bleiben  die  Früchte  und  selbst  das  Gras  aus.  Den  herrschenden 
Lebensunterhalt  bildet  die  Jagd  und  der  Fischfang.  Je  näher  die  Waldungen 
dem  Norden  sind,  desto  weniger  geeignet  ist  das  Holz  zum  Bauwerke  oder 
Arbeitsgebrauch  Es  ist  häufig  brüchig,  dünn,  das  Mark  faul.  —  Der  Zirbel- 
baum ist  wegen  seiner  Frucht,  einer  Gattung  Nüsse,  für  den  Haushalt  wohl- 
thätig.  und  bildet  einen  bedeutenden  Handelsartikel.  In  den  Niederungen  und 
Morgegenden  bedienen  sich  die  Samojeden,  Tungusen,  Jakuten  und  Dolganen 
anstatt  des  Waldholzes  des  sogenannten  Holzes  Noab,  das  aus  der  Erde  als 
Ueberbleibsel  der  erstorbenen  uralten  Flora  zugleich  mit  Mamuthknochen  aus- 
gegraben wird.  — c  —  y 

Karte  von  Tnrkestan.  Die  Zeitschrift  der  k.  russ.  geogr.  Gesellschaft 
enthält  in  ihrem  Jahrgang  1867,  Nr.  6,  eine  wertvolle  Beilage  —  die  Land- 
karte des  südlichen  Theiles  des  Gebietes  von  Turkestan,  eines  vor  nicht  langer 
Zeit  durch  die  k.  russ.  Regierung  besetzten  Landes  Sie  wurde  durch  das 
wirkende  Mitglied  jener  Gesellschaft  K.  B.  Struve  auf  Grundlage  der  neue- 
sten Erhebungen  mit  Benützung  der  astronomischen  Beobachtungen  des  Ver- 
fassers und  des  H,  Butakoff  angefertigt.    Die  äussere  Ausstattung  lässt,  was 


137 

Uebereichtiicfakeit  und  Reinheit  der  Zeichnung  anbelangt,  nichts  zu  wünschen 
Qbrig.  Das  Gebiet  ist  mit  seinen  Bergen,  Seen,  Flüssen,  Städten  und  anderen 
Ortschaften,  Wegen,  Sandsteppen  und  militärischen  Befestigungen  auf  das  aus- 
führlichste dargestellt.  —  c  —  y 

UelKsr  den  Fabriks-  and  Handelsbetrieb  im  Gebiete  von  Turkestan 

(neuer  Besitzung  Russlands'.  In  Gegenden,  wo  sich  kein  Material  zu  Porzel- 
lan- oder  Fayencegeschirr  vorfindet,  auch  die  Glaserzeugung  fehlt,  Übrigens 
die  Fabrication  von  hölzernen  Geschirren  unbekannt  ist,  stöf3t  man  in  den 
Haushaltungen  mit  jedem  Schritt  auf  irdene  Gefälle.  Dies  kommt  namentlich 
auch  in  Syrien,  Palästina  und  Persien  vor.  In  Turkestan  findet  man  statt 
Fässern  und  Kübeln  hohe  Krüge  mit  innerer  Glasur,  die  Schüsseln  und  ähn- 
liche Geräthe  sind  von  gleichem  Material;  sie  gleichen  dem  Fayencegeschirr 
unserer  Märkte,  und  sind  mit  verschiedenen  Figuren  an  der  Außenseite  ge- 
ziert, die  Glasur  ist  zumeist  von  grüner  Farbe  und  wenig  haltbar.  Der  Man- 
gel an  Glas  ist  hier  zumal  den  russischen  Einwohnern  fühlbar.  Zur  Zeit  der 
Regierung  des  Chan  wurde  das  Einsetzen  von  Glasfenstem  als  verbotene  Er- 
getzlichkeit  betrachtet,  man  behalf  sich  mit  Papierscheiben.  Jetzt  sind  Glas- 
gefaße  nur  zu  hohen  Preisen  käuflich.  Beschäftigungen,  welche  die  Auf- 
merksamkeit auch  des  vielgereisten  Fremden  anregen,  sind  das  Riemer-,  Satt- 
ler- und  Malergewerbe.  Auf  den  Bazaren  kann  man  kaum  dem  Riemer  und 
Sattler,  wie  er  zwischen  seinen  Fabricaten  verschanzt  ist,  beikommen.  Das 
Innere  der  Schulen,  Bethäuser  und  Wohnungen  einigermaßen  bemittelter  Leute 
fallt  in  die  Augen  wegen  der  mühsamen  Ausschmückung  der  Wände  mit  mit- 
telmäßigen, eine  die  andere  verdrängenden  geometrischen  Figuren,  Blättern, 
Blumen  u.  dgl.  Zur  Herstellung  eines  solchen  Kaleidoskops  waren  nicht  nur 
alle  möglichen  Farben,  sondern  auch  Flittergold  erforderlich.  —  Bei  der  vor- 
herrschenden Neigung  der  sogenannten  Sarten  zum  Handelsgeschäfte  finden 
zahlreiche  Capitalien  ihre  Anlage  im  inneren  Handelsverkehr.  Bevor  die 
Ware  in  die  Hände  des  Bedürftigen  kommt,  gibt  sie  einer  Menge  Leute  Er- 
werb, wobei  nur  die  ersten  Bedürfnisse  auszunehmen  sind.  Es  ist  einleuchtend, 
dass  hiedurch  der  Preis  der  Ware  zusehends  erhöht  wird.  Dieser  Vertheue- 
rung  weicht  man  oft  durch  den  Tauschhandel  aus,  wodurch  die  einge- 
tauschte Ware  neuerdings  von  Hand  zu  Hand  wandert,  und  wenn  der  Tausch 
nicht  sehr  gewinnbringend  war,  zur  Quelle  von  Mühseligkeiten  und  Zeitver- 
lust wird. 

Der  zweite  Theil  der  Bevölkerung,  die  N  o  m  a  d  e  n,  mongolisch-tartarischen 
Ursprungs,  fühlt  sich  nicht  nur  ungeeignet  für  den  Handel,  sondern  entledigt 
sich  seiner  Ware  sogar  zum  eigenen  Nachtheil,  selbst  wenn  ihn  die  Noth  nicht 
druckt,  um  einen  Spottpreis,  um  nur  fertig  zu  werden ;  denn  er  hält  den  Han- 
del für  keine  ehrenhafte  Beschäftigung  und  schleppt  sich  mit  der  Sache  nicht 
weit  herum,  obwol  er  weiß,  dass  er  sie  doppelt  so  theuer  anbringen  könnte. 
Dies  erinnert  an  den  Handel  mit  den  Wilden  des  stillen  Oceans,  bei  welchen 
man  Stücke  edlen  Metalls  und  Perlen  für  Glasperlen  u.  dgl.  eintauschen  kann. 
Was  den  Einfluss  der  mohamedanischen  Religion  auf  das  Land  anbelangt,  so 
muß  zuvörderst  des  „Israf^  Erwähnung  gemacht  werden.  So  heißt  das  Verbot 
des  Luxus  und  Übermäßiger,  wenn  auch  erlaubter  Genüsse  —  ein  Verbot, 
welches  im  weitesten  Sinne  ausgelegt  wird.  So  z.  B.  ist  in  Central- Asien 
den  Muselmännern  das  Tragen  rein  seidener  Kleider,  von  Geschmeide  und 
Gold  untersagt.  Die  üebertretungen  wurden  in  den  Gebieten  des  Chan  streng 
verfolgt.  Nur  die  Verzierungen  der  Waffen  und  Rüstung  als  Werkzeuge  der 
Vertilgung  der  Ungläubigen  warep  gestattet.  In  Folge  dessen  ist  das  Leben 
der  Großen  des  Landes  nicht  sehr  unterschieden  von  jenem  der  ünterthanen. 
— -  Die  Religion  legt  jedem  Muselmann  die  Zahlung  des  Zakiat  auf  —  einer 
geistlichen  Steuer  zum  Besten  der  Armen  und  des  Staatsschatzes  behufs  der 
Kriegsführung  gegen  die  Ungläubigen.  Die  muselmännische  Bevölkerung  fürch- 
tete stets  die  Erhöhung  dieser  Steuer,  welche  nachgerade  einen  bedeutenden 
Einfluss  auf  die  Entwickelung  des  Landes  ausübte.  Man  beobachtete  kaum 
gewisse  Regeln  bei  der  Vertheilung  derselben,  nicht  selten  genügte  das  Vor- 
kommen eines  größeren  Vermögens  oder  von  Gemeindegütern,  um  die  Regie- 
rung zur  Oonfiscation   zu  treiben.    Wenn  auch  diese  nicht  inuner  eintrat,  so 


138 

bedrängte  man  doch  den  Reichen  in  anderer  Art  stufenweise:  Der  Fflrst  beehrte 
ihn  mit  Visiten ,  die  Tausende  kosteten ;  zur  Kriegszeit  wun}e  ihm  empfohlen, 
auf  eigene  Kosten  Truppen  auszurüsten  u.  dgl.  Das  Resultat  ist,  dass  es  hier 
zur  Zeit  keinen  reichen  Mann  gibt,  denn  jeder  suchte  das  Seinige  sorgialtig 
zu  verbergen.  Jeder  Verkauf  im  großen  erregte  die  Aufmerksamkeit  der  Rc- 
l^erung.  Wenn  eine  größere  Caravane  sich  in  Bewegung  setzte,  so  gehörte  sie 
jederzeit  mehreren  Leuten,  z.  B.  dem  Machmud,  mit  den  Brüdem  Chamid  und 
Achmed,  den  Anverwandten  Muhamed's  und  dessen  Schwiegersohn  Ali  —  ob- 
gleich thatsächlich  das  gemeinschaftliche  Gut  nur  dem  Machmud  zu  eigen  war. 
Unter  diesen  Umstanden  hätte  der  Handel  sich  seinem  Untergange  zuwenden 
müßen ,  und  dass  dieser  abgewendet  wurde ,  ist  nur  der  Leidenschaft  der  S  a  r- 
ten  für  den  Handel  und  ihrer  Gewandtheit  zu  verdanken,  welche  ihnen  in 
ihren  stets  gespannten  Verhältnissen  zu  der  früheren  Regierung  (des  Chan) 
hülfreich  zur  Seite  gestanden  hat.  (Zeitschrift  der  kais.  russ.  geographischen 
Gesellschaft  1867.)  -  c  —  y 

Oesehiehtsquellen  über  die  Slteren  Perioden  Busslands.  (Aus  dem 
Sitzungs- Journal  der  ethnographischen  und  statistischen  Abtheilung  der  kais. 
russischen  geographischen  Gesellschaft  vom  12.  December  1868.  —  Zeitschrift 
dieser  Gesellschaft.    Jahrgang  1869,  S.  24,  Nr.  1.) 

Jetzt,  wo  die  russischen  Archive  der  wissenschaftlichen  Forschung  zu- 
gänglich geworden,  ist  es  kaum  möglich,  die  ganze  Masse  der  Schriften  und 
Gränzbeschreibungen  zu  bewältigen,  welche  uns  das  alterthümliche  Russland 
hinterließ  —  in  der  That  eine  sehr  interessante  und  glaubwürdige  Schilderung 
seiner  Verwaltung  und  inneren  Gestaltung.  Dieselben  reichen  bis  in  die  frü- 
hesten Zeiten  des  Bestandes  des  russischen  Reiches  zurück.  Man  sieht  aus 
den  vorhandenen  Vertrags-  und  anderen  Documenten  des  XU.,  XÜL,  XIV. 
und  XV.  Jahrhunderts,  dass  schon  zur  Zeit  der  kleineren  abhängigen  Fürsten 
Aufschreibungen  bestanden  haben,  worin  die  Oertlichkeiten  ersichtlich  gemacht 
wurden,  aus  welchen  die  fürstlichen  Verwalter  die  Abgaben  einhoben,  unter 
Bezeichnung  der  Objecto  und  Gattung  derselben,  der  Dorfschaften,  welche  als 
Reisestationen  der  Rentbeamten  bei  deren  Rundfahi*ten  dienten,  dann  der 
Amtsbezirke  und  ihrer  Begränzung.  Die  Aufzeichnungen  des  XVI.  und  XVII. 
Jahrhunderts  tragen  den  Stempel  einer  genauen  und  regelrechten  Methode  der 
Beschreibung  von  Grund  una  Boden,  um  auf  dieser  Basis  die  Zahl  der  Leute 
für  die  dienstliche  Arbeit  und  die  verschiedenen  Gattungen  des  Einkommens 
zu  erheben.  In  jener  Periode  war  die  Erweiterung  der  Gränzen  des  Reichs 
unausgesetzt  mit  der  Entsendung  von  Schreibern  in  die  neu  erworbenen  Land- 
schaften und  Städte  verbunden,  deren  Aufgabe  es  gewesen,  dort  ähnliche  Ver- 
zeichnungen vorzunehmen.  Die  solchergestalt  zustandegebrachten  Bücher  wer- 
den in  dem  Moskauer  Archive  des  Justizministeriums  in  einer  Anzahl  von 
beiläufig  3000  Texten  für  mehr  als  100  Städte  und  Vorstädte  und  ihren  Um- 
kreis aufbewahrt.  Einige  enthalten  nur  kleinere  Grundflächen,  der  größte 
Theü  jedoch  umfasst  vofiständige  Beschreibungen  der  Städte  mit  ihrem  Zuge- 
hör  und  den  von  der  Bevölkerung  gelieferten  Abgaben.  Es  liegt  am  Tage, 
welche  Bedeutung  diese  Documente  für  die  geographischen  Arbeiten  und  für 
die  Kunde  über  das  innere  Leben  des  älteren  Russland  haben.  Man  findet 
darin  eine  Masse  geographischer  Bezeichnungen,  viel  Detail  von  städtischen 
Bauten,  die  Beschreibung  innerer  Ausschmückungen  von  Kirchen  und  Klöstern, 
zahlreiche  Daten  über  säd tische  und  bäuerliche  Ansiedlungen ,  die  Anführung 
ihres  Erwerbs  und  der  damit  verbundenen  Abgaben.  Diese  Documente  erwei- 
tem die  Kenntnisse  des  Geographen,  des  Statistikers,  Ethnographen,  Archäo- 
logen, Rechtsgelehrten  und  des  Finanzmannes.  --  c  —  y 

Die  Httd-SlftTen  In  der  TürkeL  Von  Professor  Franz  Bradaska  in 
Agram,  nebst  einer  Karte  von  Dr.  A.  Petcrma^nn.  (Mittbeilungen  1869,  XII.) 

Es  sind  jetzt  bald  neun  Jahre  verstrichen,  seit  in  einem  der  Ergänzunga- 
hefte  zu  den  »Geographischen  Mittheilungen«  von  Dr  A.  Petermann  die 
ethnographische  Karte  der  Türkei  von  Lejean  erschienen  ist.  Diese  Karte  und 
der  knappe  Text,  welcher  derselben  beigegeben  war,  bewährte  sich  geradezu 
als  epodiemachend  für  die  Kunde  des  Völkergewirres  auf  der  BalkanhAlbinsel. 


139 

Sie  hat  mehr  als  irgend  eine  andere  literarische  Erscheinung,  welche  seit  De- 
cennien  auf  dem  Büchermärkte  erschienen  ist,  dazu  beigetragen,  die  gebildete 
Welt  des  Abendlandes  über  die  wichtigsten  Puncto  der  orientalischen  Frage 
udisuklären,  die  Yorgefassten  Ideen  von  der  Möglichkeit  eines  noubyzantiuischen 
Griecbenreiches  oder  eines  großserbischen  Kaiserthums  zu  zerstören,  die  nebel- 
haften Vorstellungen  der  alten  diplomatischen  und  publicistischen  Schule  Ober 
das  illyrische  Dreieck  zu  läutern  und  den  Grundsätzen  einer  gesunden,  den 
realen  Verhältnissen  angepassten  Politik  Bahn  zu  brechen.  Lejean's  Kartenwerk 
ist  bereits  seit  Jahr  und  Tag  die  Hauptstütze  der  nüchternen  Kritik,  welche 
an  den  phantastischen  Renommistereien  von  der  großen  südslavischen  Gonflagra- 
üon,  von  der  panhellenischen  Erhebung  und  von  der  Solidarität  der  arischen  Völ- 
kerschaften des  Dreiecks  jahraus,  ja^ein  angelegt  werden  muß.  Wenn  mitun- 
ter Diplomaten  und  Publicisten  noch  in  die  äten  Sünden  zurückfallen  und  das 
Gespenst  der  orientalischen  Grefahr  mit  den  altgewohnten  Verschnörkclungen 
an  die  Wand  mahlen,  so  ist  das  wahrlich  nicht  die  Schuld  des  französischen 
Gelehrten,  dessen  Studie  damals  die  -geographischen  Mittheilungen»  veröffent- 
licht haben,  sondern  die  ablehnende  Haltimg,  welche  man  gewöhnlich  an  sol- 
chen literarischen  Erscheinungen  beliebt,  wenn  sie  nicht  schwerfällig  in  einem 
dicken  Band«?  auftreten. 

Seit  dem  Erscheinen  der  Karte  von  Lejean  hat  sich  die  Kenntnis  des 
illyrischen  Dreiecks  mannichfach  erweitert.  Kanitz  hat  seine  Reisen  durch  Ser- 
bien ttnd  Bulgarien  gemacht ;  der  leider  uns  kürzlich  entrissene  General-Gousul 
Hahn  auf  seiner  Fahrt  von  Belgrad  nadi  Salonich  eine  Reihe  geographischer 
IrrthOmer  zu  berichtigen  und  eine  Menge  ethnographischer  Thatsachen  festzu- 
stellen Gelegenheit  gehabt;  der  erleichterte  Verkehr  hat  manchen  früher 
unbekannten  Winkel  erschlossen,  und  die  Vorstudien  zum  Bau  des 
großen  Eisenbahnnetzes,  das  über  die  ganze  Halbinsel  ausgespannt  werden 
soll,  haben  die  Terra  incognita  vollends  erschlossen.  Der  Umschwung 
in  Serbien,  die  wiederholten  und  stets  verunglückten  Anläufe  zu  einer  Insur- 
gierung  der  Bulgaren,  das  jämmerliche  Fiasco  des  thessaiischen  und  epiroti scheu 
Anfstands-Comitig's  haben  einen  tieferen  Einbli<^  in  die  betreffenden  Provinzen 
des  Sultans  gewährt  und  uns  eine  vorurtheilslose  Betrachtung  derselben  näher 
gerückt.  In  jüngster  Zeit  hat  nun  vollends  der  Aufstand  in  den  Bocche  von 
Gattaro  wieder  ein  eingehenderes  Studium  der  verwickelten  und  mannichfach 
▼erfilzten  Volksverhältnisse  da  hinten  in  der  Türkei  nothwendig  gemacht. 

Diesem  Tagesbedürfnisse  trägt  eine  neue  Publication  in  den  -geograph. 
Mittheilungen-,  in  welchen  die  seit  dem  Erscheinen  der  Karte  Lejean's  erweiter- 
ten Kenntnisse  entsprechend  berücksichtigt  werden,  in  ausgiebiger  Weise  Rech- 
nung: ein  Essay  Über  die  Slaven  in  der  Türkei  von  Professor  Franz  Bradaska 
in  Agram.  Der  sehr  fleißigen  und  ausführlichen  Arbeit,  welche  die  pitee  de 
resistance  des  12.  Heftes  der  Mittheilungen,  mit  welchen  der  Jahrgang  1869 
abgeschlossen  wird,  bildet,  ist  eine  saubere  ethnographische  Karte  des  Gebietes 
der  Südost-Slaven  beigegeben.  (In  einem  Zwickel  findet  man  in  einem  vergrößer- 
ten Mafistabe  den  Kriegsschauplatz  in  den  Bocche.)  Professor  Bradaska  ist 
der  enthusiastische  Slave,  unterscheidet  sich  aber  von  den  gleichgesiun- 
ten  Stammesgenossen  sehr  vortheilhaft  durch  seine  wissenschaftliche  Ehrlichkeit. 
£r  sucht  nicht  auf  Kosten  der  Wahrheit  durch  Fälschungen  statistischer  Daten 
den  Slaven  eine  Machtstellung  zu  vindicieren,  welche  denselben  factisch  nicht 
zukommt.  Wo  er  Zahlen  richtig  stellt,  so  geschieht  das  namentlich  gegenüber 
SchafaMk  und  anderen  czecbischen  Autoren,  meistens  zum  Nacbtheil,  selten 
zu  Gunsten  der  Serben  und  Bulgaren,  mit  denen  die  Studie  sich  beschäftigt, 
nachdem  in  der  Einleitung  einige  allgemeine  Bemerkungen  über  dieC'Bevölke- 
rungBverhaltnisse  vorausgeschickt  wurden. 

Bradaska  schätzt  die  Gesammtziffer  der  Einwohner  der  europäischen 
Türkei  auf  16  Millionen  und  nimmt  an,  dass  die  Slaven  (etwas  mehr  als  die 
Hälfte  derselben)  etwa  8^/.  Millionen  ausmachen,  während  die  andere  Hälfte  von 
Rumänen,  Skipetaren  (Albanesen),  Griechen  uud  einigen  kleinen  zersprengten 
Volksbiuchtheileu  von  Tartaren,  Tscherkessen,  Zigeunern  und  endlich  von 
etwas  mehr  als  Einer  Million  eigentlicher  Türken  (Osmaneu)  gebildet  werden. 
Trotz  ihres  numerischen  Uebergcwichtes  haben  die  Slaven  außerhalb  des  Für- 
Btenthumes     Serbien      nirgends     eine    hervorragende    Stellung    zu    erringen 


14D 

gewusst ;  os  Dirgends  dabin  gebracht,  ihre  nationale  Eigenart  geltend  zu  machen 
und  sehen  sich  von  allen  Seiten  durch  Nachbarn  fremder  Race  liedräogt. 
Den  Grund  hiefQr  erblickt  unser  Autor  in  der  Leichtigkeit,  mit  welcher  die 
Slaven  fremde  Idiome  annehmen  und  sich  einem  fremden  Volksthume  assimi- 
lieren und  der  clauartigen  Abgeschlossenheit,  in  welcher  sie  in  der  Tärkei, 
überall  von  der  Kaste  abgesperrt,  in  einem  serrissenen  Gebirgslande,  das  sich 
nach  drei  verschiedenen  Meeren  hin  abdacht,  wohnen ;  in  dem  Unterschiede  des 
Glaubens-Hekenntnisses,  vor  allem  aber  in  der  Stellung,  welche  der  phanario- 
tische  griechische  Clerus  2u  erringen  wusste.  Die  alten  Klagen  Ober  den  Druck, 
den  das  griechische  Patriarchat  und  die  von  ihm  entsendeten  Bischöfe  und 
£rzpriester  auf  die  slavische  Bevölkerung  ausfiben,  werden  hier  eingehend  wie- 
derholt und  mit  manchen  neuen  Belegstellen  illustriert.  Der  Agramer  Professor 
ist  ein  entschiedener  Gegner  der  Hellenen,  und  seine  Schrift  kann  als  neues 
Oocumont  des  von  uns  wiederholt  signalisierten  Kampfes  gelten,  der  gegenwärtig 
zwischen  den  slavischcn  Autonomisten  und  den  Vorkämpfern  der  grofien  helle- 
nischen Idee  geführt  wird,  und  welchem  gegenüber  Russland  eine  so  zweideu- 
tige Rolle  spielt. 

Die  Zahl  der  Bulgaren  nimmt  Bradaska  mit  Einschluss  der  Stammes- 
genossen  mahomedanischen  Bekenntnisses  auf  beiläufig  6  Millionen  an,  wenn  zu 
denselben  auch  die  auf  f18  Quadratmcilen  sitzenden  Ansiedler  in  Bessarabieu 
und  der  Moldau,  die  beiläufig  70.000  Köpfe  stark  sind,  gezählt  werden.  Im 
Süden  von  Serbien,  längs  der  Westuränze  ihres  Gebietes,  stoßen  die  Bulgaren 
mit  dem  Skipetaren  zusammen,  welche  daselbst  langsam  aber  stetig  vordringen, 
verstärkt  durch  mahommedanische ,  namentlich  tscherkessische  Colonien  einen 
Keil  bildend,  der  sich  zwischen  die  beiden  slavischen  Völker  der  Balkan-Halb- 
insel eindrängt  und  dieselben  auseinanderhält.  Die  strategisch  wichtigen  Po- 
sitionen auf  und  um  das  Amsel feld,  der  eigentliche  Knotenpunct  der  Halbinsel, 
befindet  sich  heute  nicht  mehr  in  den  Händen  der  Slaven,  und  hieraus  erklärt 
sich  die  Mächtigkeit,  mit  welcher  die  Pascha's  stets  der  großen  Confiagration 
zu  begegnen  und  jeden  Aufstands  versuch  zu  unterdrücken  wussten.  Die  süd- 
liche Gräuze  Serbiens  fällt  beinahe  vollständig  mit  der  ethnographischen  zu- 
sammen, die  südöstliche  greift  bereits  etwas  über  dieselbe  und  in  bulgarisches 
Gebiet  hinüber.  Bekanntlich  wohnen  im  Fürstentlium  östlich  der  Morava  auch 
viele  Walachen  und  es  würden  nach  dem  strengen  Nationalitäts-Principe  mehrere 
Kreise,  die  gegenwärtig  unter  der  liotmäßigkeit  der  Belgrader  Regierung  stehen, 
zu  Rumänien  fallen.  Das  bulgarische  Gebiet  ist  nirgends  compact ,  sondern 
überall  von  fremden  Ansiedlungen  durchsetzt,  während  die  Serben  in  Bosnien 
und  der  Herzegowina  nur  sehr  wenig  fremde  Elemente  zählen.  Die  Mahomme- 
daner  gehören  größtentheils  ebenfalls  zur  serbisch-croatischen  Nationalität  und 
sprechen  das  Landes- Idiom.  Die  Gcsammtzahl  der  Serbo  Groaten  der  Türkei, 
mit  Inbegriff  d«'S  Fürstenthumes  Serbien  und  der  Gzemagora,  werden  auf  etwas 
mehr  als  2Vs  Millionen  geschätzt.  Davon  entfallen  auf  Bosnien  78t).00O,  auf 
die  Herzegowina  2^7.000  Slaven,  auf  das  Paschalik  Novipazar  120.000.  Wie 
man  sieht,  keine  Bevölkerungsziffer,  welche  für  die  phantastische  Großmachts- 
politik der  Nationalen  eine  reelle  Grundlage  bildet. 


Monatssitzung 

der  geographischen  Gesellschaft  am  1 L.  Jänner  1870  unter  dem  Vorsitz 

des   Prof.    Dr.  Ferd.  v.  Hochstetter. 

Als  neu  eintretende  Mitglieder  werden  angemeldet  und  angenommen 
die  Herren  Emanuel  Freiherr  v.  Graffenried-Burgenstein  in 
Wien,  Gundakar  Graf  von  Wurrabrand  auf  Schloss  Ankenstein  in 
Steiermark,  Leopold  Lieben  in  Wien ,  Hugo  Pogatschnigg  in 
Pola  and  Dr.  A.  Langer  in  Wien. 


141 

Unter  den  vorgelegten  neuen  Druckwerken  macht  der  Greneral- 
Secretär  insbesondere  aufmerksam  auf  das  vor  kurzem  erschienene 
Archiv  der  Landesdnrchforschung  von  B ö h m e n,  in  dessen 
erstem  Theile  Prof.  Koi  istka  in  Prag  seine  wertvollen  Arbeiten  über 
das  Terrain  von  Nordböhmen  niedergelegt  hat  (s-  unsere  Mittheilungen 
Nr.  3i.  Zur  Erläuterung  verweiset  er  auf  drei  ausgestellte  Karten- 
blfttter,  von  denen  eines  das  genannte  Terrain  in  Schichtenlinien  mit 
Schrift,  das  andere  die  Schichten  in  Farbe  ohne  Schrift,  das  dritte  die 
?ollstfindig  ausgefQhrte  Karte  enthält. 

Prof.  von  Hochstetter  bespricht  eine  sehr  gründlich  gear- 
beitete und  objectiv  gehaltene  Abhandlung  des  Prof.  Bradaska  in 
Agram  aber  die  Slaven  in  der  Türkei,  welche  in  dem  jtlngsten  Hefte 
von  Dr.  Petermann's  Mittheilungen  veröffentlicht  wurde  und  bemerkt 
mit  Hinweisung  auf  die  trefflich  ausgeführte  ethnologische  Karte,  die 
der  Abhandlung  beiliegt,  dass  der  Verfasser  nach  s  e  i  n  e  n  Erfahrungen 
in  der  Türkei  bei  der  Zahl  der  Slaven  und  ihrem  Verbreitungsgebiete 
eher  zu  niedrig  als  zu  hoch  gegriffen  habe. 

Er  erwähnt  ferner  narh  Mittheilungen  von  Dr.  Petermann 
einiger  Neuigkeiten  auf  geographischem  Gebiete,  insbesondere  der  Expe- 
dition Forest's  in  Westaustralien,  der  Reise  G.  Mauchs  zur  Auf- 
deckung der  Goldfelder  zwischen  dem  Limpopo  und  Zambesi  in  Südost- 
Africa ,  der  Reise  Dr.  N  a  c  h  t  i  g  a  1 1  s  zu  den  Tibbn-Reschade,  und 
der  Expedition  des  Oesterreichers  Dr.  Stoliöka  im  Setledsch-Thal 
(Himalaya).  Schließlich  entschuldigt  er  die  für  heute  angesagten  photo- 
graphischen Ansichten  aus  der  Türkei  nicht  vorgelegt  zu  haben,  da  ihm 
kurz  vor  der  Sitzung  eine  interessante  Sendung  aus  Melbourne  zuge- 
kommen sei,  welche  er  den  geehrten  Mitgliedern  vorerst  habe  zur  An- 
schauung bringen  wollen,  nSmlich  eine  Serie  von  24  Ansichten  austra- 
lischer Landschaften  in  Farbendruck  nach  den  Originalien  von  Eugen 
von  G  u  ^  r  a  r  d ,  einem  gebornen  Wiener,  der  als  Kind  mit  seinem 
Vater,  damals  Hofmahler  des  Kaisers  Franz,  nach  Melbourne  kam  und 
dort  als  Künstler  lebt. 

General-Secretftr  Becker  liest  in  Verhinderung  des  k.  Rathes 
Steinhauser  dessen  Vortrag  über  den  Geographen  Mercator 
(s.  Mittheilungen  3). 

Der  k.  k.  Sectionsrath  von  Hauer  berichtet  über  die  Ein- 
leitungen zur  Bildung  einer  anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien, 
die  nunmehr  so  weit  gediehen  sind,  dass  am  heutigen  Tage  der  Statuten- 
Entwurf  dem  Vereinsgesetze  entsprechend  der  Regierung  zur  Bestätigung 
vorgelegt  werden  konnte. 

Der  erste  Impuls  zur  Bildung  dieser  neuen  Gesellschaft  war 
durch  die  Verhandlungen  in  der  anthropologischen  Section  der  dies- 
jährigen Versammlung  deutscher  Aerzte  und  Naturforscher  in  Innsbruck, 
an  welchen  von  hier  aus  insbesondere  Herr  Prof.  R.  Seligmann 
theilgenommen  hatte,  gegeben  worden.  Einer  Einladung  des  Freiherrn 
von  A  n  d  r  i  a  n  und  des  Berichterstatters  Folge  leistend,  vereinigten 
sich  nun  eine  Anzahl  von  Vertretern  und  Freunden  der  verschiedenen 
zunächst    berührten  Fachwissenschaften    zur  Unterzeichnung    des   nach- 


142 

stehenden  Aufrufes    und    zur  Verfassung    des  Entwurfes    der    Statuten. 
Der  Aufruf  lautet: 

„Die  Unterzeichneten  hahen  im  Anschlüsse  an  den  bei  der  43.  Ver- 
sammlung deutscher  Aerzte  und  Naturforscher  in  Innsbruck  gegebenen 
Impuls  zur  Gründung  einer  allgemeinen  deutsclien  Gesellschaft  für  An- 
thropologie ,  Ethnographie  und  Urgeschichte  dfis  Menschen  sich  zum 
Ziel  gesetzt,  in  Wien  eine  „Gesellschaft  für  Anthropologie, 
Ethnographie  und  Urgeschichte  des  Menschen"  in's  Leben 
zu  rufen.  Ueber  den  Modus  ihrer  Verbindung  mit  der  erstgenannten 
Gesellschaft  wird  eine  Willensäußerung  der  Theilnehmer  an  unserer  Ge- 
sellschaft nach  deren  Constituierung  entscheiden. 

Sie  sind  dabei  von  der  Ueberzeugung  ausgegangen,  dass  die  Auf- 
gabe, die  Naturgeschichte  des  Menschen  zu  bearbeiten,  in  ein  Stadium 
getreten  ist,  welches  die  thätige  Unterstützung  durch  Association  als 
dringend  wünschenswert  erscheinen  Iftsst. 

Die  Anhäufung  des  reichen  ethnographischen  und  culturhistorischen 
Vergleichungsmateriales  aus  allen  Theilen  der  Erde,  der  mächtige  Ein- 
fluss  der  neuesten  Erfahrungen  und  Anschauungen  auf  die  Beurtheilung 
und  Erklärung  organischer  Typen,  die  durch  glückliche  Funde  hervor- 
gerufene Erweiterung  unserer  Begriffe  von  menschlicher  Geschichte  sind 
jene  Momente,  die  einer  auf  streng  inductive  Methoden  gegründeten  anthro- 
pologischen Wissenschaft  eine  große  Zukunft  sichern  —  einer  Wissenschaft, 
welche  die  Aufgabe  hat,  in  ihrer  Doppelstellung  zur  Naturwissenschaft 
und  Geschichte  bisher  getrennt  gebliebene  Richtungen  zu  versöhnen, 
während  doch  die  verschiedenen  Wege  ernster  Forschung  gleiche  Be- 
rechtigung haben  und  in  ihrem  Zusammenwirken  allein  dauernde  Fort- 
schritte verbürgen.  Um  aber  ihrer  Aufgabe  gerecht  werden  zu  können, 
bedarf  diese  jüngste  der  Erfahrungswissenschaften  nicht  nur  einer  festen 
Begränzung,  sondern  auch  einer  allseitigen  Erweiterung  und  Vertiefung 
ihrer  Forschung,  sowie  einer  gesunden  durch  Beherrschung  der  Specia- 
litäten  gekräftigten  Kritik. 

An  den  Arbeiten  in  der  angedeuteten  Richtung  mitzuwirken  soll 
nun  die  Aufgabe  unserer  Gesellschaft  werden.  Sie  soll  vor  allem  das 
heimische  Beobachtungsfeld  systematischer  und  vollständiger  ausbeuten 
als  dies  bisher,  trotz  ruhmvoller  Arbeiten  einzelner  geschehen  konnte. 
Das  Studium  der  ethnographischen  Momente  allein  schon  bietet  hier 
Stoff  zu  einer  fast  unbegränzten  Thatigkeit.  —  Die  geographische  Lage, 
der  politische  und  geistige  Einfluss  Oesterreichs  im  Orient  legen  uns 
aber  auch  außerdem  die  Verpflichtung  auf,  bei  unseren  Arbeiten  die 
noch  so  wenig  bekannten  Länder  des  Ostens  vorwaltend  zu  berücksich- 
tigen. 

Es  genügt  wol  ein  Hinweis  auf  diese  Forschungsgebiete,  um  einer 
Anspannung  der  gemeinsamen  Kräfte  die  lohnendsten  Resultate  in  Aus- 
sicht zu  stellen. 

So  hoffen  wir  denn  zuversichtlich  auf  die  thätige  Mitwirkung  der 
ausgezeichneten  ärztlichen  Kräfte  unseres  Vaterlandes,  aller  jener,  die 
sich  mit  dem  Studium  der  ethnologischen,  linguistischen,  psychologischen, 


143 

CDhiir-  nnd  kanstgeschichtlichen  Verhältnisse  befassen,  der  zahlreichen 
gebildeten  Reisenden,  sowie  unserer  diplomatischen  Vertreter  im  Aus- 
lande, denen  wir  bereits  viele  wertvolle  Einsendungen  und  Mittheilungen 
in  andern  Richtungen  verdanken. 

Für  die  einheitliche  Verarbeitung  des  gesammten  Materiales,  die 
Anregung  und  Discussion  tieferer  wissenschaftlicher  Fragen,  werden  die 
nahen  Beziehungen  unserer  Gesellschaft  zu  ähnlichen  bereits  in  Bildung 
begriffenen  Vereinen  Deutschlands  befruchtend  wirken. 

Während  wir  uns  zur  Erhaltung  eines  lebendigen  Verkehrs  mit 
den  Mitgliedern  die  Herausgabe  eines  Correspondenzblattes  und  die 
Abhaltung  periodischer  Versammlungen  vorbehalten,  werden  wir  bereit 
sein,  in  Cooperation  mit  der  allgemeinen  deutschen  Gesellschaft  das 
Archiv  für  Anthropologie  von  Ecker  und  Lindenschmit  für  Auf- 
nahme größerer  Publicationen  zu  einer  auch  unseren  Bedürfhissen  ge- 
nügenden periodischen  Zeitschrift  umzugestalten. 

Mit  Sicherheit  glauben  wir  erwarten  zu  dürfen,  dass  die  oft  er- 
probte Theilnahme  des  gebildeten  Publicums  sich  unseren  Bestrebungen 
zuwenden  werde.  In  unserer  bewegt,en  Zeit,  welche  rastlos  nach  neuen 
Grundlagen  sucht,  um  die  gegenseitigen  Beziehungen  von  Völkern  und 
Individuen  festzustellen,  kann  die  Bedeutung  einer  Wissenschaft  nicht 
Terkannt  werden,  welche  dem  alt«n  Spruche  zu  genügen  bestrebt  ist : 
,,Das  wahre  Studium  des  Menschen  ist  der  Mensch." 

F.  Freih.  v.  Andrian,  Jos.  Bergmann,  Ami  Bou^,  Fr. 
Foetterle,  Freih.  v.  Grafenried,  Prof.  Gomperz,  W.  Ritter  v. 
Haidinger,  Fr.  v.  Hauer,  Friedrich  v.  Hellwald,  Dr.  Ferd.  v, 
Hochstetter,  F.  Kanitz,  C.  Langer,  Meynert,  Friedrich 
Müller,  Dr.  J.  E.  Pollak,  Dr.  Edm.  Reitlinger,  Rokitansky, 
E.  Freih.  v.  Sacken,  Prof.  Scherer,  Prof.  Seligmann,  Dr.  G. 
Stäche,  Ed.  Suess,  Graf  Wilczek,  G.  Graf  Wurmbrand. 

Wien,  im  December  1869. 

In  dem  Statuten-Entwürfe  ist  ein  Jahresbeitrag  der  Mitglieder 
von  5  fl.  ö.  W.  in  Aussicht  genommen,  wogegen  denselben  der  freie 
Bezug  der  von  der  Gesellschaft  herauszugebenden  periodischen  Druck- 
schrift, die  Benützung  der  anzulegenden  Bibliothek  und  Sammlungen, 
dann  das  Stimmrecht   in  den  Plenarversammlungen  u.  s.  w.  zusteht. 

Bereits  wurde  in  einer  der  stattgehabten  Zusammentretungen  ein 
wissenschaftlicher  Vortrag  gehalten,  in  dem  Herr  Dr.  L  e  i  t  n  e  r  aus 
Labore  gelegentlich  seiner  Durchreise  nach  Indien  über  die  verschie- 
denen Volksstämme  berichtete,  die  er  in  den  von  ihm  bereisten  Ge- 
genden nordwestlich  von  Eashmir  bis  Ghilgit  kennen  gelernt  hatte. 
Eine  lebhafte  Discussion,  die  sich  an  diesen  Vortrag  knüpfte,  und  an 
der  insbesondere  die  Herren  Fr.  Müller  und  Prof.  S  c  h  e  r  e  r  An- 
theil  nahmen,  gab  Zeugnis  von  dem  Interesse,  welches  der  Gregenstand 
erregte. 

Kann  auch  die  definitive  Constituierung  der  GeseUschaft  und  eine 
bestinmite  Einladung  zum  Beitritt  zu  derselben  erst  nach  erfolgter  Ge- 


144 

nehmigung  der  Statuten  erfolgen,  so  sind  doch  vorläufig  schon  weitere 
Zusammentretungen  für  die  wissenschaftlichen  Vorträge  angekündigt  und 
in  Aussicht  genommen. 

Indem  nun  schließlich  der  Vortragende  die  nun  sich  bildende 
Gesellschaft  der  allgemeinen  Theilqahme  wärmstens  anempfiehlt,  hebt  er 
noch  besonders  hervor,  dass  es  speciell  im  Interesse  der  k.  k.  geogra- 
phischen Gesellschaft  gelegen  sein  dürfte,  mit  derselben  in  die  engste 
Verbindung  zu  treten,  und  in  Vereinigung  mit  ihr  die  schon  so  oft  be- 
vorwortete  Gründung  eines  den  gegenwärtigen  Anforderungen  der  Wissen- 
schaft entsprechenden  ethnographischen  Museums  in  Wien  in's  Werk 
zu  setzen. 

Hierauf  sprach  Herr  Fried,  v.  Hellwald  über  die  Zuydersee; 
er  entwarf  zuvörderst  eine  geographische  Schilderung  dieses  merkwür- 
digen Meerbusens,  welcher  Ö7  geogr.  Quadratmeilen  bedeckt  und  über 
23  Stunden  lang  ist,  theilte  die  Beobachtungen  mit,  welche  über  das 
Relief  seines  Bodens,  sowie  über  dessen  geognostische  Beschaffenheit  an- 
gestellt worden  sind,  und  besprach  die  Schwierigkeiten,  welche  die  Seich- 
tigkeit  der  Wasserstraßen,  die  sich  durch  die  zahlreichen  Sandbänke 
hindurchwinden,  der  Schiffahrt  bereitet.  Sodann  gieng  er  über  auf  die 
ganz  innerhalb  der  Zeit  unseres  historischen  Wissens  fallende  Entstehung 
der  Zuydersee.  Zur  Zeit  des  römischen  Alterthumes  bestand  dieselbe 
nicht,  vielmehr  war  Nordholland  mit  Friesland  durch  Land  ver- 
bunden, wol  aber  existierte  ein  großer  Binnensee  Flevo  lacus,  von  dem 
uns  die  Schriftsteller  des  Alterthums,  namentlich  Pomponius  Mela 
erzählen;  durch  diesen  See  floss  damals  ein  Arm  des  Rheines,  dessen 
Spuren  man  heute  in  der  Tjssel  und  dem  Vliestrom  erkennt.  In  den 
ersten  Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung  begannen  die  ungehearen 
Wasserüberflutungen  die  Küste  der  Nordsee  zu  benagen  und  einzelne  Theile 
davon  abzureißen,  auf  welche  Weise  die  friesischen  Inseln  gebildet 
wurden.  Im  13.  Jahrhunderte  endlich  ward  das  letzte  Stück  Land 
durchbrochen ,  welches  noch  das  Meer  vom  Flevo  -  See  trennte 
und  damit  entstand  die  Zuydersee.  Herr  v.  Hellwald  erörterte  nun- 
mehr noch  die  in  Holland  gemachten  Projecte  zur  Austrocknung  (Aus- 
polderung)  der  Zuydersee;  jenes  des  Ingenieurs  Beijering,  welches 
sieht  auf  den  südlichen  Theil  desselben  beschränkt  und  mit  einer  Linie 
£nkhuizen-Urk-Kampen  nördlich  begränzt  würde,  hat  am  meisten  Aus- 
sich auf  Erfolg.  Die  Auspolderung  des  Y  dagegen  ist  schon  beschlos- 
sen, und  der  Amsterdam  direct  mit  der  Nordsee  verbindende  Canal 
schon  im  Bau  begriffen. 

Nächste  Sitzung  am  8.  Februar  1870. 


Berichtigung  Im  letzten  Hefte  der  ^Mittheilungen^  ist  in  der 
biographischen  Skizze  des  Generalconsuls  v.  Hahn  zu  lesen  anstatt :  Jamaica 
—  Janina  und  statt  Wardon  —  Wardar. 


BoiokeKidche  Ortsnamen  in  Böhmen, 

vergleichsweise  zusammengestellt  von  J.  Yinc.    Goehlert. 

Wie  uns  die  Geschichte  lehrt,  sind  die  Bolen  eines  der  ältesten 
Völker  Böhmens  gewesen  nnd  hat  von  ihnen  das  Land  den  Namen 
(Bovätfiop^  Boihemum,  Boioheim,  Boierheim,  Böheim,  Böhmen)  erhal* 
t6n.  Oh  sie  erobernd  in  dieses  Land  eingedrungen,  oder  ob  sie  bloß 
als  Hinterw&ldler-Colonisten  in  die  Thäler  der  Moldau  und  Elbe  gekom- 
men, und  ob  sie  dort  auf  stammesverwandte  oder  auf  ihnen  fremde 
Bewohner  gestoßen  seien,  darflber  gibt  uns  die  Geschichte  keine  ge- 
nAgenden  Aufklärungen. 

Jedenfalls  sind  die  Bolen  ein  großes  und  mächtiges  Volk  gewesen 
und  ihre  Sprachgr&nze,  und  ohne  Zweifel  auch  ihre  Herrschaft  hat  weit 
aber  die  Marken  des  heutigen  Böhmens  hinaus  gereicht.  Die  Bolen,  als 
der  am  weitesten  gegen  Nordosten  vorgedrungene  Zweig  des  großen 
Keltenstammes,  welcher  in  den  Vorzeiten,  ober  die  uns  keine  geschicht- 
lichen Ueberlieferungen  mehr  aufklären,  wahrscheinlich  eine  ähnliche 
Rolle  wie  später  die  Römer  im  Süden  und  Westen  Europa's  gespielt, 
mflßen  damals  schon  eine  höhere  Cülturstufe  als  jene  der  Nomaden* 
völker  erreicht  gehabt  haben;  denn  wir  finden  sie  noch  zur  Zeit 
ihres  Verfalles  in  einem  geordneten  Staate  von  Königen  regiert,  in  statt- 
lichen Burgen  und  Stddten,  und  selbst  der  mächtige  Marbod  mit  seinen 
Marcomanen  scheint  nicht  im  Stande  gewesen  zu  sein,  die  Bolen  gänz- 
lich zu  unterjochen  und  boiische  Sitte  und  Sprache  aus  dem  Lande 
zu  verdrängen.  Auch  die  später  nach  Böhmen  eingewanderten 
Slaven  werden  noch  boiische  Volksreste  vorgefonden  haben,  welche  sich 
erst  im  Laufe  Zeit  mit  den  Einwanderern  amalgamierten ;  denn  sonst 
könnte  man  es  sich  nicht  erklären,  wie  es  möglich  war,  dass  sich 
die  boiischen  Ortsbenennungen  so  lange  und  bis  auf  die  Gegenwart  er- 
halten haben. 

Zwar  hat  die  slavische  Etymologie  solche  Benennungen  vorweg 
als  ihr  nationales  Eigenthum  erklärt,  doch  bei  genauerer  Prüfung  zer- 
reißt das  künstliche  Gewebe  und  wir  stehen  auf  einem  Boden,  welcher 
ans  unter  der  Leuchte  der  wahren  Wissenschaft  ganz  neue  Bahnen  er- 
ö&et.  Ohne  vorgefasste  Meinung  wollen  wir  nun  diesen  Boden  betreten 
and  Umschau  halten,  welche  Ortsnamen  uns  noch  die  älteste  Sprache 
Boioheims  ungezwungen  erklären  lässt. 

Voraus  wollen  wir  jedoch  noch  die  Bemerkung  schicken,  dass  sich 
die   Bildung   der  Ortsnamen    im   allgemeinen    nach   bestimmten  Regeln 

GMffnphitch«  Mittbrnlmig«]!.  1870.4.  \Q 


146 

vollzieht.  Während-  die  Ortsnamen  ans  den  ältesten  Zeiten,  in  welchen 
die  Völker  noch  anf  einer  niedrigen  Cnltorstufe  nnd  in  viel  mehr  un- 
mittelbarer Beziehung  zu  der  äußeren  Natur  gestanden  sind,  in  den 
verschiedenartigen  Gestaltungen  des  Erdbodens  anfänglich  als  allge- 
meine Gattungsbegriffe  ihren  unmittelbaren  Ausdruck  fanden,  später- 
hin zur  Unterscheidung  der  Höhen  und  Niederungen  nach  deren  Lage, 
Ausdehnung  und  äußeren  Gestalt  mit  entsprechenden  Beifügungen  er- 
weitert wurden,  tritt  in  der  Folgezeit  das  persönliche  Moment,  als  Zei- 
chen des  persönlichen  Eigenthums  hinzu  und  der  einfache  Name  gestal- 
tet sich  zu  einem  zusammengesetzten,  in  welchem  der  Personenname 
das  Bestimmungswort  bildet.  Noch  später  fällt  sogar  der  Gattungs- 
begriff, das  Grundwort  ab  und  es  bleibt  bloß  der  Personenname,  zu- 
weilen  mit  eigenen  Auslauten,  als  Bruchstück  in  den  Ortsnamen  zurdck. 

Unsere  Aufgabe  ist  es  hier  nicht,  die  geschichtliche  Entwicklung 
der  Ortsbenennungen  in  speciellen  Beispielen  nachzuweisen,  solche  lassen 
sich  bei  einiger  Ortskenntnis,  insbesondere  in  den  Alpenländern,  leicht 
auffinden. 

Dass  Böhmen  einstens  mehr  als  jetzt  ein  Waldland  gewese^n,  dafflr 
liefern  uns  nicht  nur  der  von  Ptolemaeus  dort  erwähnte  Gabreta-  und 
^Ünmta-Wald  (zu  deutsch  der  Ziegen-  oder  Gemsenwald  und  der  Hoch- 
wald), sondern  auch  die  in  den  heutigen  Ortsnamen  noch  vorkommenden 
alten  Ausdrficke  fQr  Wald  vielfache  Belege. 

Die  Kelten  hatten  für  den  Begriff  Wald  zweierlei  Ausdrflcke: 
Nemet  und  Chiii;  die  erstere  Bezeichnung  scheint  mehr  den  Begriff  des 
heiligen  Waldes,  in  welchem  die  Druiden  ihre  Opfer  verrichteten,  aus- 
zudrflcken,  während  der  Ausdruck  Chiit  den  Wald  schlechthin  bezeichnet. 
Bei  diesem  Worte,  welches  weniger  als  Grund-  denn  als  Bestimmungs- 
wort in  den  heutigen  Ortsnamen  auftritt,  gehen  zuweilen  die  beiden  Yo- 
cale  in  einander  über,  zuweilen  wechseln  sie  aber  auch  mit  verwandten, 
so  dass  wir  dieses  Wort  als  Out,  Quit  (Kit),  Cot  und  Coet  vorfinden. 
Als  Grundwort  tritt  es  auf  in  Mtris-quid  (Waldname),  HmUr-kotteu^ 
Mascha-kotten  (auch  Kutten);  einfach  in  Coda,  Codin^  Cotuti,  Gotina 
(Bergname  bei  Schallaun),  als  Bestimmungswort  in  Kuttm-am,  Kutten- 
berg  {Mons  cutna),  Kutten-^orf,  Kutten-plan,  Kutten-thal,  Kud-laia, 
Chudo-bin,  Cudo-las,  Cudo-fles,  Cuto-wanka  (goth.  wangs  Wiese), 
Kot-au,  Kot-kof,  Kot'ScMag  und  Codo-tin;  vielleicht  gehören  hierher 
auch  die  slavisch  klingenden  Ortsnamen:  Kot-mc  (im  11.  Jahrhundert 
Cotuik),  Kuto-wic^  Koto-wic,  Kotie-wic  u.  s.  w.  Zur  Vei^leichimg: 
wollen  wir  anreihen  aus  den  Nachb^irländem  und  zwar  Niederöster- 
reich :  Cuta  (Cotiwald,  Hlva  Ghoutitoaldy  jetzt  Kottes),  Quit  (Waldgegend  bei 
Spitz) ;  Kotenreut,  Cotolaeh  (KöUach),  Cotmeh  (Göttweih),  Kettenlu»  (Berg- 


147 

);  OberQflterreicfa :  ChH  (Praedhtm\  KoU  nnd  Kotthig  ;  Baiern :  Käthen 
od  Codemback.  Steiermark  liefert  ans  Kut,  Kittenbaeh,  Kittenberg,  Koth- 
iedk,  Kotberg  und  Codnna.    In  weiterer  Feme  zeigt  sich  nns  Qnetta  in 
I^L  Gude  und  Gmto  in  der  Ijombardie,  Kndath  nnd  Kutterau  im  Groß- 
kenogthmn  Baden,  Cutte-coven  in  Belgien,  Kaud-huizen  in  den  Nieder- 
iodeD,    CMo  und  Tara-gndo  in  Spanien  and  Bally-kötten  in  Irland*). 
Fflr  den  Begriff  eines  Waldes  von  geringerem  Umfange,  als   Hain, 
BKffa,  gebrauchten  die  Kelten  den  Ansdrack  Ltlm,  welcher  in  dem  alten 
Akhhm-nuL,  in  dem  ptolemäischen  yiovpa  vltf  and  wahrscheinlich  aach  in 
Ima  (jetzt  Latin)  erscheint.     Außerhalb  Böhmens   finden  sich  als  hier- 
Iw  fehdrig  die  Ortsnamen  Lnn  in  Niederösterreich ,    Lvndorf  in  Ober- 
teneich,    Lonnig  and   Lunaberg   in   Steiermark,  Roverdella  Luna   (d. 
liehbolz  in  SUdtiroI),  Lnino  and  Arhmo  in  der  I^mbardie,  Lumgne  and 
LmümU  {hoüSknd.   oe  .—  u  and   haut  =  Gehölz,   Wald)    in   Belgien, 
£mm  in  Spanien,  and   das  alte  Nartk-liun-um  (nach  Förstemann). 
Sowie   seiner  Wälder  wegen,    so  bewahrt  Böhmen  aach  seiner  es 
imsdilieBenden  Gebiiige  wegen  in  geographischer  Beziehang   eine  beson- 
<ierp  Eigentfallmlichkeit.   Was  wir  heatzatage  mit  dem  allgemeinen  Aas- 
drvke  Berg  bezeichnen,    benannten   die  Kelten,   als   echte   Kinder  der 
Xatir,  nach    I^age,   Aasdehnang,   Höhe   and   der   äußeren  Gestalt  der 
Er^bongen ;  wir  finden  daher  anch  fflr  nnser  Wort  Berg  im  Keltischen 
■fkrfKhe  Wortformen,  deren  genaue  Deutung  oft  große  Schwierigkeiten 
bietet. 

So  unterscheiden  sich  im  Keltischen  die  Bergnamen  in  Cwn  (auch 
Cwm)  und  Bryu  (auch  Bry,   brig,  bre,   hrent)  als  Berghöhen,    in  Cnl 


*)  Um  Wiederholongen  zu  Termeiden,  unterlasse  kh  jedem  eioselnen 
Onanamen  anch  die  Quelle  anzuftkgen,  aus  welcher  er  geschöpft  wurde, 
od  bemerke  hier  gleich  im  vorhinein,  dass  ich  es  mich  bei  dem  Aufsuchen 
As  Oitsuamen  bis  zu  den  ältesten  Formen  derselben  keiner  Mühe  verdrießen  ließ. 
Fir  Böhmen  benutzte  ich  vorzugsweise  Schaller's  topographisches  Lexicon, 
^UB  die  einschlägigen  Werke  von  O.  Sommer,  Heber,  Palacky,  §em- 
kra,  Wocel,  J.  Petters  Abhandlung  Über  die  Ortsnamen  Böhmens  und 
Erben'a  Begeata  Bohemiae  u.  a.  m.;  fttr  Niederösterreich  meine  Sammlung 
slt€r  Ortsnamen  aus  den  Fundations-Urkunden  der  Klöster  Niederösterreiehs; 
ft  Oberösterreich:  Urkundenbuch  des  Landes  ob  der  Enns;  für  Baiem:  Ba* 
ftkr  Steiermark:  Muchar's  Geschichte  und  Schmutzes  topograph. 
n;  fOr  Baden:  Beschreibung  dieses  Großherzogthums  von  Heunisch; 
die  Lombardie:  Elenco  dei  comnni  della  Lombardia;  fOr  Spanien: 
eichiiis  aus  dem  Werke  „Censo  de  la  poblacion  de  Espana^;  für 
Igien:  Kreglinger  und  Willems:  Sur  le  noms  des  communes  etc.;  für 
tannien:  Glossary  to  the  Population  tables  (Census  of  üreat  Britain); 
em  noch  Zeuss:  Grammatica  celtica,  Glück:  Keltische  Namen,  Bac- 
e  ister:  Alemanische  Wanderungen,  Förstemann:  Deutsche  Ortsnamen  etc. 

10* 


, 


148 

als  Bergrflcken,  in  MoU  (auch  Main  und  Molt)  als  Bergscheitel  (vertex), 
in  Cruc,  (ahd.  /fruit)  als  Bergspitze  (cacumen),  in  Di^um  (eogliach 
a  ridge)  als  Steilberg,  Bergrflcken  (aach  in  der  Bedeutung  Wald  und 
Bergwald),  in  Graup  als  sich  wölbender  Berg,  in  Cnoc  als  Hflgel  und  in 
Blaen  (auch  Bkin)  als  Berg  Oberhaupt. 

Aus  der  Reihe  der  angegebenen  Bezeichnungen  für  Berg  werden 
die  folgenden  Ortsnamen  Böhmens  ihre  ungezwungene  Erkl&nmg,  welche 
zugleich  auch  der  Ortslage  entsprechen  dflrfte,  finden  können,  als :  ChttmQ 
(jetzt  Chlitm),  Ohumen^  Kuna,  Kuni,  Kuno,  Kkyn,  Kwina  (Quinau),  Quon 
{Kwan),  Cumbury,  Gumbcry,  CAum-hAuser,  vielleicht  auch  Hum  und 
Humwald  (Waldnamen)  und  Cunowih  {Kunowic),  Rad-kyn-ie^  sowie 
Är-kyn-ie  (AQxvvia  oQrj)  dürften  sich  hier  anreihen.  Femer  sind  Brenna, 
Brennet^  Brentenberg,  Brennes  (Bergname) ,  Brinks  und  vielleicht  auch 
das  alte  Pariena  (statt  Briena) ;  KuU,  Mollischen^  Ualsehen^  Mateschau ; 
Kruck,  Kmcka,  Kruh,  vielleicht  auch  Krukanitz;  Drum  {Drumium), 
MuS'trum,  Pos-trum  und  Wes-trum;  Graupen,  Krupna;  Abs-knoch«n 
(Bergname),  Ziegen-nock  und  vielleicht  auch  Knoglitz;  Playn  f jetzt 
Plavno),  Kuttefi-phn,  Teufels-plan  (Bergname},  Plana  (de  monte  Vüeonis^ 
Oberplan),  vielleicht  auch  Blanik  (Veste)  zu  erwähnen. 

Als  sinnverwandt  erscheinen  in  den  Nachbarlflndern:  duneoberg 
(Eaumberg  in  Niederösterreich),  Chuning  (Oberösterreich),  P^penkum 
(Baiern),  Bruna^  Bruena^  Brine  (Altbrflnn  in  Mähren),  P^^em  (Nieder- 
österreich}, Bnnnet  und  Brining  (0.  Oesterr.);  in  zusammengesetzten 
Namen  Prigles^  Breinks^  Preinthal,  Prtinkiten  \  N.  Oesterr.),  Prienbacli, 
Brinsach  und  Brentenberg  (0.  Oesterr.);  Gulkn  (N.  Oesterr),  Gult'ch 
(Bergname  in  N.  Oesterr.),  Molt,  Molz  und  Molzeck  (N.  Oesterr.), 
Chroug  (jetzt  St.  Bernhard  in  N.  Oesterr.),  Krücken  (N.  Oesterr.),  Grugen^ 
Kruglug  und. Älkruken  (0.  Oesterr.),  Chroutß  (Bergname  in  Kärnten), 
Protes-trnm  (N.  Oesterr.),  Drum  (0.  Oesterr.);  Knag  (N.  Oesterr.), 
Gnagern,  Gnagabach  und  Chnogl  (0.  Oesterr.);  Blain  und  Bdenplam 
(0.  Oesterr.)  und  Pleinfeld  (Baiem). 

In  den  entfernteren  ehemals  keltischen  Ländern  zeigen  sich :  dcom 
und  Cumberg  (Steiermark),  Gum,  Gumberg  und  Kvmbach  (Oroßh.  Baden) : 
Breinek  und  Brentenberg  (Steiermark),  Brennet  (Großh.  Baden),  Brig^ 
Brun  und  Lumbrin  (Schweiz) ,  Brenna  und  Brimna  (Lombardie) ,  Bi-y, 
Brie  und  BreyveUc.  (Belgien),  Priego,  ßrion  und  Brena  i Spanien); 
Guk  (Steiermark),  GulUnen  (Hessen),  Culla  und  Gulina  (Spanien),  Cul- 
len  (Schottland);  Makch  und  Malschenberg  (Großh.  Baden),  Muig 
und  Maiser  Halde  (Schweiz),  Meisen  (Belgien);  Krugenberg,  Krugenxoaltf^ 
Krugbach  und  Krouglach  (Steiermark),  Krukenjoch  (Tirol),  Grougekopf 
(Vorarlberg);   Nidertrum  (Steiermark),    Getrum  und  Drumbigl  (Tirol 


149 

Kalhdrum  (Irland) ;  Nock  (Alpenname),  Gr.  Nock  und  GaUemock  (Tirol), 
Pedergnaga  und  Pegognaga  (Lombardie),  Knocke  (Belgien),  Brecknock 
ond  Deüynnock  (Wales) ;  Maria-Plain  (b.  Salzburg  1,  Sessaplan  (Berg- 
name in  Vorarlberg^  Comblain  (Belgien),  Phn  und  Blanes  (in  den 
spanischen  Pyrenäen). 

Hier  wollen  wir  auch  des  von  Schall  er  angegebenen  alten  lateini-^ 
sehen  Namens  des  Riesengebirges  mit  Riphaei  montes  gedenken;  rheto 
bezeichnet  im  Keltischen  Frost,  Kälte  und  das  Riesen-  (Rifen-) 
Gebirge  erscheint  uns  nunmehr  als  ein  Gebirge,  in  welchem  Kälte  herrscht 
oder  Yon  welchem  Kälte  kommt  oder  Oberhaupt  als  die  kalten  Berge. 
Als  Gegensatz  zu  dem  Berge  erscheint  das  Thal,  welches  die 
Kelten  mit  Nant  (auch  Nans)  bezeichneten.  Wenn  wir  den  ersteren 
Ausdruck  in  den  Ortsnamen  Böhmens  auch  nicht  nachzuweisen  vermögen, 
so  können  wir  doch  den  zweiten  unzweifelhaft  in  Straden  (am  Straden- 
bach),  Stradunia  und  Stradaun,  letzteres  mit  dem  dem  Keltischen  eigen- 
thOmlichen  Auslaute  aun  annebmen. 

Von  fremden  Ortsnamen  wollen  wir  hier  Nans  in  Tirol,  Nfantwein 
in  Baiem,  Stratreul  in  Oberösterreich  und  Straden  (im  Gleichen- 
berger  Thale)  in    Steiermark  erwähnen. 

Im  Zusammenhange  mit  dem  Gebirge  steht  das  Gestein,  der  Fels, 
zu  deren  Bezeichnung  die  Kelten  die  Ausdrflcke  Liac  und  Cor  ge- 
brauchten. Ob  das  erstere  Wort  in  Prm-laea  (jetzt  Pfwlaky\  Zwino- 
lag  und  vielleicht  auch  in  Grtmolacin  enthalten  sei,  erscheint  uns  zur 
Zeit  noch  zweifelhaft;  mit  mehr  Bestimmtheit  können  wir  dagegen  das 
letztere  Wort  in  dem  alten  Caro-dunu-'  ,  in  KahTy  Kahr-ehuk  und 
Kar-Stein  annehmen.  Unter  den  in  diese  Kathegorie  fallenden  anderen 
Ortsnamen  finden  sich  Kahr  oder  Chor  vielfach  in  Nieder-  und  Ober- 
feterreich  und  Steiermark  und  in  Zusammensetzungen  als:  Karbach^ 
Karberg,    Karkogl  und   Steinkahr. 

Sowie  die  Noriker  zu  Hallein  und  Hallstatt  den  Bergbau  auf  Salz 
mit  Elfer  betrieben  und  norisches  Eisen,  wie  einstens  zu  der  Römer 
Zeiten,  auch  noch  heute  als  steirisches  Eisen  allgemein  geschätzt  wird,  so 
Verden  auch  die  stammesverwandten  Boien  sicherlich  nicht  unter- 
lassen haben,  die  reichen  Mineralschätze  Böhmens  auszubeuten, 
wie  nicht  minder  Handel,  Gewerbe  und  Landwirtschaft  zu  pflegen. 
Obwol  uns  geschichtliche  Ueberlieferungen  hierüber  mangeln,  so  wissen 
wir  doch  von  Ptolemaeus,  dass  von  der  Donau  aus  drei  Han- 
dels^raßen  durch  Boiohem  (über  Brodentia  und  Mixrobudum,  Äbilunum 
ond  Mediolanum)   nach  dem   Norden  geführt  haben. 

Wenn  die  Boien,  kriegerischer  gestimmt  als  die  benachbarten  Noriker, 
vieileieht  weniger  die  Künste  des  Friedens  übten  und  im  kriegerischen 


150 

Stolze  von  ihren  gewaltigen  Bargen ,  deren  Reste  mehr  als  zwei  Jahr- 
tausende noch  nicht  haben  zerstören  können  und  noch  heute  als  stamme 
Zeugen  einer  vergangenen  Größe  angestaunt  werden,  aaf  knechtische 
Arbeit  herabsahen,  so  lässt  sich  doch.wol  voraussetzen,  dass  sie  neben 
Jagd    und    Fischerei    auch    Ackerbau    und  Viehzucht    betrieben    habeiL 

Bei  der  heutzutage  noch  geringen  Kenntnis  der  Sprache  der  Kel- 
ten und  insbesondere  ihrer  vielfachen  Dialectfonnen  können  nur  erst 
einzelne  Wörter  nachgewiesen  werden,  welche  hierauf  Bezug  nehmen;  ^ 
es  sind  dies  die  Ausdrücke  Maes^  Cluan  und  Cail  fOr  Feld,  Wiese 
und  Garten,  und  wir  treten  somit  aus  dem  Walde  und  von  den  Bergen 
in  die  Ebenen,  in  welchen  der  Fleiß  des  Landmannes  reiche  Fluren 
/schafft. 

MaeSy  obwol  heutzutage  im  baierischen  Dialecte  in  anderer  Be- 
deutung, bezeichnet  im  Keltischen  das  Feld  (campus);  wir  schließen 
uns  dieser  letzteren  Bedeutung  vorsichtshalben  auch  nur  dann  an,  wenn 
der  Ortsname  noch  mit  einem  anderen  nachweisbaren  keltischen  Worte 
verbunden  ist.  Daher  stellen  wir  nur  hierher  die  Ortsnamen  aus  Böh- 
men: Bre-mas  (jetzt  Brndny),  Reif-mas,  Zunno-mas,  KiUrmes  und  Mas- 
tig und  zur  Yergleichung  aus  anderen  Ländern:  Breitme$  und  Latmes 
(N.  Oesterr.) ,  Pötmes  und  Weidmes '  (Baiem) ,  Gladames  und  Lautme$ 
(Steiermark),  Colames  und  Golmes  (Spanien). 

Für  Wiese  steht  uns  der  irische  Ausdruck  Cluan  zu  Gebote, 
welcher  sich  im  Laufe  der  Zeit  wahrscheinlich  vielfach  in  Klein  umge- 
staltet hat,  so  dass  er  jetzt  in  seiner  alten  Form  in  Böhmen  nicht  mehr 
nachweisbar  ist.  Dagegen  finden  wir  dieses  Wort  in  Älten-gUm  (Baiem), 
Klan  (Hinter-,  0.  Oesterr.),  Glanadarf  (Steiermark),  Glaneg  (K&mten), 
Glane  (Schweiz),  Glona  (Belgien),  Glynn  (Wales)  und  in  dem  alt^ 
britischen^  Ambo-glanna* 

Ebenfalls  schwierig  ist  der  keltische  Ausdruck  Cail  (auch  Kell) 
für  Garten  nachzuweisen;  daher  wir  auch  nicht  mit  aller  Zuversicht 
einstehen  wollen,  ob  dieses  Wort  in  Gall,  GalUin,  Keil  (deutsch  Metzdorf), 
Kell  und  Kaladey  (Kaladin)  enthalten  sei. 

Unter  den  hierher  gehörigen  Ortsnamen  in  andern  Ländern  finden 
sich:  Gail  und  Kail  (Steiermark),  Gallo  (Belgien)  und  das  alte  hispa- 
nische Cala-bona  und  Cala-dunum. 

Hieran  lässt  sich  der  uralte  keltische  Ausdruck  Cae,  deutsch  Ge- 
hege, ahd.  Hag  anreihen;  zu  diesem  Worte  gehören  Khaa*)^  und 
vielleicht  auch  Keg  und   Kan. 

*)  Wird  im  Volksmunde  die  Khaa  genannt;  auch  die  rein  keltischen 
Ortsnamen  Prein,  Frein,  Cfrö  und  Quitt  werden  mit  dem  weiblichen  Artikel 
gebraucht. 


151 

Wenn  wir  auch  hier  onterlassen  wcrilen,  dieses  interessante  Wort 
bis  zn  einer  Sanscrit-Worzelform  zn  verfolgen,  so  verdient  doch  die 
weite  geographische  Yerbipeitang  dieses  Ansdruckes  in  den  Ortsnamen 
von  Seite  der  Sprachforscher  alle  Beachtung.  Ohne  auf  aaßereorop&ische 
Ortsnamen  einzugehen,  wollen  wir  uns  hier  nur  in  dem  einmal  ange- 
nommenen L&nderkreise  bewegen,  wo  wir  Kaja  (Yeste)  in  N.  Oesterr., 
Kay  in  Baiem,  Gey  in  Steiermark,  Goe  (?)  in  Belgien,  Gaya  und  Gea  in 
Spanien,  dann  Gaibach  und  G€tiloh  in  Baiem;  Ka-gatern  in  0.  Oesterr., 
Kaiberg,  Kathal^  Gtikakr  und  Gairath  in  Steiermark,  Ketbach  und 
Gaibtrg  im  Großh.  Baden  finden.  Auch  dflrfte  die  bei  italienischen 
Ortsnamen  h&ufig  vorkommende  Yorsübe  Ca  hierher  gehören,  welche  die 
Italiener  fftr  eine  Abkürzung  des  Wortes  casa  halten. 

Noch  wollen  wir  auch  des  im  Keltischen  für  das  deutsche  GrOn- 
platz,  Anger  geltenden  Ausdruckes  Hurda  (auch  Gtcyrdd)  und  Ght 
(oder  Gleda)  erwähnen.  Diese  beiden  Wörter  sind  in  dem  alten  Lup- 
kwdwn^  dann  in  Gladen,  Kladem,  Kladma  und  KladerUs,  vielleicht 
auch  in  Glatovia  (jetzt  Klattau)  vertreten.  Hiezu  finden  sich  loch  die 
folgenden  Ortsnamen:  Hurtenbadi  (in  Steiermark),  Stanzi-Ufurdi 
(Bergname  in  K&mten),  vielleicht  auch  Gurten  und  Jurten  (Bergnamen 
in  0.  Oesterr.  und  in  der  Schweiz),  Hurtwn-pasciMLl  (in  Spanien),  dann 
Ghdam  (in  N.  Oesterr.),  Klett  (in  0.  Oesterr.),  Glattenberg  und  Gla- 
domes  (in  Steiermark)  und  das  alte*  britische   Vindo-gladia. 

Zwischen  dem  festen  Boden  und  dem  fiassigen  Elemente  reihen 
sich  als  Mittelglied  die  SOmpfe  und  Moore,  für  deren  Bezeichnung  im 
Keltischen  mehrere  Ausdrücke,  als:  ßabar,  Llaid  (auch  Lath,  Lautk 
und  Loth)^  Litoan,  Llwch,  Pull  und  Stan  vorkommen,  deren  genaue 
Unterscheidung  im  Deutschen  nicht  gut  möglich  ist.  Der  Bedeutung 
dieser  Wörter  entsprechen  die  Ortsnamen  Böhmens:  Haber,  Habern, 
Baberks,  Haberbach  ^  Kudlata,  Lodin,  Liban,  Itien  (a.  d.  Moldau), 
Lipon,  Luka,  Luken,  Luch,  Lt$ha,  Stan  und  Stanoweg.  Unter  den 
Ortsnamen  aus  anderen  Ländern  verdienen  hervorgehoben  zu  werden: 
]k>am  (N.  Oesterr.),  Ebrach  und  Ebern  (Baiern),  Ebera  (0.  Oesterr.), 
Heoer  (Belgien),  Ebro  (Fluss  in  Spanien),  Aber-avan  (Wales)  und  das 
alte  Bburum;  femer  Lauern  (Steiermark),  Laudach-Set  (0.  Oesterr.), 
Lauda  (Großh.  Baden),  Are-late  (Lombardie),  Bus-loth  (Belgien),'^ Louth 
(Irland) ,  das  alte  norische  Ärelate  (a.  d.  Donau) ,  Luch  (N.  Oesterr.), 
Pidlach  (Steiermark  und  Großh.  Baden),  Pulle  und  Poullar  (Belgien), 
Stanem  (Mähren),  R-stana  (Spanien,  mit  prosthetischem  e,  welches  im 
Spanischen  öfter  hervortritt)  und  das  alte  norische  Stan-acum  (a.  d. 
Donau). 

Den  allgemeinen  Ausdruck  Wasser   enthält  das  keltische  Dowr 


152 

(aodi  Duhr  and  Dur),  welche  Bedentong  den  Ortsnamen  Dobom,  Dö- 
berle  und  Taubarat  innewohnt.  Hierher  sind  auch  zu  z&hlen:  Dobra 
(in  Nieder-  und  Ober-Oesterr.  und  in  Baiern),  Durra  (Bachname  in 
N.  Oesterr.),  Tober  (Steiermark),  Dour  (Bachname  in  Steiermark),  Tati- 
ber  (froher  Tuber ,  Flass  im  Großh.  Baden),  Dour  (Belgien),  Dooera 
(Lombardie),  Duero  (Flnss  in  Spanien)  und  Dover  (England). 

Sowie  die  deutsche  Sprache  für  fließendes  Gewfisser  je  nach  der 
Menge  und  St&rke  mehrere  graduelle  Unterscheidungen  macht,  so  ist 
dies  auch  im  Keltischen  der  Fall,  in  welchem  sich  gleich&lls  die  Be- 
zeichnungen Prwydd  (Pru>yn\  Ävofi  und  Ster  (zuweilen  mit  prostheti- 
schem t  als  hier)  vom  rieselnden  Bächlein  bis  zum  wogenden  Strom 
steigern.  Diese  Ausdrflcke  sind  uns  erhalten  in  Yrout-eck,  vielleicht  auch 
in  Freudeneck  und  Frimburg,  dann  in  dem  alten  fflr  die  Eger  gelten- 
den Namen  Melink-avon  und  in  dem  keltischen  Nam-ister-ium, 

Zur  Vergleichung  lassen  sich  hier  anreihen:  Freyn  (in  Nieder- 
und  Ober-Oesterr.  und  Steiermark),  Frueten  (Bach  in  Steiermark), 
Frudertize,  Pruznich  und  Froudenstein  (0.  Oesterr.),  Frutigen  (Schweiz), 
Freuntina  (0.  Oesterr.),  Ratfreut  (Steiermark),  Kar-frdth  (am  Isonzo  im 
Eflstenlande) ,  Fruniz  (Spanien),  Mont-avon  (Montafon  a.  d.  111  in 
Vorarlberg),  Avion  (Spanien),  Aber-avon  (Wales)  und  endlich  die 
Flussnamen  El-ster,  Ulster  und  der  alte  Name  Ister  fftr  die  untere 
Donau*). 

In  Verbindung  mit  dem  Gewässer  stehen  die  Seen  und  Teiche, 
deren  Bezeichnung  im  Keltischen  die  Wörter  Llinn  und  Oucan  in  sich 
schließen.  Diese  Ausdrflcke  können  wir  in  folgenden  Ortsnamen  Böh- 
mens «nachweisen :  ZtAn,  Kadlin,  Radiin,  Radolin,  Dublin,  Xti/ran  und 
Cugen  (Kupenice.)  Als  hierher  gehörig  sind  auch  zu  stellen :  Linn^  Lina  und 
Linnet  in  0.  Oesterr.,  Linach  im  Großh.  Baden ,  Kukyn,  Gugern,  Gugen- 
baeh  in  Steiermark,  Gugendorf  in  0.  Oesterr.  und  Steiermark,  Gugge^ 
und  Gugeneaer  in  0.  Oesterr.  und  Cucena  in  Spanien. 

Hier  können  wir  auch  des  alten  lateinischen  Ausdruckes  Oatium 
(Flussmflndung)  nicht  unerwähnt  lassen.  Ob  Austia  der  alte  Name  f&r 
Aussig  (an  der  Ausmflndung  des  Bilaflusses  in  die  Elbe)  und  ebenso 
der   alte  Name   fflr  Wildenschwert  (an   der  Ausmflndung  des  Trflbän- 


*)  Bei  dieser  Gelegenheit  kann  ich  die  Bemerkung  nicht  unterdrflcken 
dass  der  älteste  Name  unsers  Bonaustromes  eigentlich  schlechthin  Ister  gelau- 
\ei  habe  und  mit  dem  Prädicate  Dan  {fortia,  stark,  mächtig)  bekleidet  gewesen 
sei.  Ob  nun  bei  dem  Eindringen  der  Homer  in  die  oberen  Donaugegenden 
vielleicht  statt  des  keltischen  later  das  lateinische  Fluvius  und  abgekürzt  uvius 
in  Aufnahme  gekommen  und  sonach  die  Donau  mit  Dan-fluviui^,  Dan-uvius 
benannt  worden  sei,  will  ich  nur  nebenbd  erwähnen. 


153 

baches  in  die  stille  Adler)  hierher  and  zn  dem  römischen  Ostia  (an  der 
Aasmflndang  der  Tiber)  zn  stellen  sei  oder  von  dem  slavischen  Worte 
usta,  usti  abgeleitet  werden  könne,  sei  vorlänfig  dem  Urtheile  Anderer 
überlassen. 

Schließlich  wollen  wir  uns  noch  einigen  allgemeinen  keltischen 
Aasdrficken  für  Land,  Landschaft,  Gegend  u.  s.  w.  zuwenden;  es  sind 
dies  Talam,  Lawr^  Beim  (auch  Born),  Pow  und  Crmi  Zur  Bezeich- 
nung des  lateinischen  Terra  ^  regia  hat  das  keltische  Talatn  gedient. 
Dass  den  Bestimmungswörtern  in  Talmherg  und  Tolknstein  diese  Be- 
deutung zu  Grunde  liege ,  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  behaupten, 
ebensowenig,  dass  in  Schatzlar  das  keltische  Lawr  (Lor,  terra,  solum) 
enthalten  sei,  obwol  wir  den  letzteren  Ausdruck  in  Verbindung  mit 
anderen  keltischen  Wörtern  finden,  wie  in  Amblar  (Südtirol),  O^solaro 
(Lombardie),  Brenlar  (Bergname  in  der  Schweiz),  Pmllar  und  Saflar 
(Belgien)  und  in  Campolara  (Spanien). 

Ob  femer  Pow  (pagus)  in  Colhow  und  Crwn  (rotundus^  cir- 
cvmitus)  in  Boglasgrün,  Littengrün  und  Pasengntne  und  vielleicht  auch 
in  Lanskroun  (Landskron)  vertreten  sei,  darauf  wollen  wir  vorderhand 
nicht   weiter  eingehen. 

Zur  Vergleichung  wollen  wir  hier  noch  die  folgenden  Ortsnamen 
aus  anderen  Ländern  anreihen :  Beima  und  Pirhoim  (N.  Oesterr.),  Pyr- 
bom  (Steiermark),  Magerheim  (Baiem;,  Beimo  und  Buimo  (Lombar- 
die) ,  Eporesbouma   (?  Förstemann),  Nebow  (N.  Oesterr.  und  Steiermark). 

Hiermit  mögen  diese  Untersuchungen  über  die  Bedeutung  der 
Ortsnamen  Böhmens  vorläufig  ihren  Abschluss  finden. 

Wenn  hie  und  da  mancher  Ortsname  als  zweifelhaften  keltischen 
Ursprungs  eingereiht  wurde,  so  war  hierbei  der  Umstand  mit  maßgebend, 
dass  uns  die  eine  oder  die  andere  aus  germanischen  oder  slavischen 
Wortwurzeln  abgeleitete  Erklärung  nicht  stichhältig  genug  erschienen  ist. 

Ueberhaupt  müßen  wir  uns  schließlich  vor  dem  Vorwurfe  verwah- 
ren, dass  wir  bei  diesen  Studien  über  die  Ortsnamen  Böhmens  von 
Anti-  oder  Sympathien  ausgegangen  seien ;  unser  Ziel  war  hierbei  zunächst 
dahin  gerichtet,  die  Bedeutung  der  Ortsnamen  von  einem  bis  jetzt  noch 
wenig  betretenen  Standpuncte  unparteiisch  zu  erörtern.  Sollten  wir  aber 
hie  und  da  etwas  zu  weit  gegangen  sein,  so  möge  man  uns  dies  zu  Gute 
halten;  denn  jeder  zuerst  betretene  Weg  ist  beschwerlich,  ja  bisweilen 
sogar  gefährlich  und  lässt  die  Mühe  des  Suchens  den  Nachfolgern  nicht 
ahnen,  denen  es  leichter  wird,  auf  dem  einmal  betretenen  Pfade  vor- 
wärts zu  schreiten  und  vielleicht  auch  einen  bessern  Weg  zum  vorge- 
steckten Ziele  ausfindig  zu  machen. 


154 


Eugen  von  Gu^rd's  austraüsche  Landschaften. 

Besprochen    von    Prof.    Dr.    Ferd.    v.    Hochs tett er. 

Die  letzte  australische  Post  hat  ans  ein  in  Melbourne  erschienenes 
Prachtwerk*)  gebracht,  das  in  mehrfacher  Beziehung  eine  Besprechung 
in  diesen  Blättern  verdient  Ist  doch  das  schöne  Bilderwerk,  das  auf 
24  in  lithographischem  Tondruck  vortrefflich  ausgeführten  Großfolio- 
Blättem,  die  von  einem  kurzen  erläuternden  Text  begleitet  sind,  eine 
lebendige  Anschauung  characteristicher  australischer  Landschaften  gibt, 
und  uns  die  Vorstellung  des  eigenthümlichen  Naturcharacters,  der  pit- 
toresken Felsscenerien ,  der  merkwürdigen  Pflanzen-  und  Thierformen 
des  Landes  in  vollkommen  naturgetreuer  Weise  vermittelt,  nicht  bloß 
ein  Kunstwerk,  sondern  auch  recht  eigentlich  ein  geographisches 
Werk. 

Landschaftsmaler,  wie  unser  Sei  Jen  y,  dessen  geniale  Skizzen  and 
Bilder  der  Novarareise  mit  Recht  die  allgemeine  Bewunderung  erregt 
haben,  oder  wie  Thomas  Ender,  dessen  unübertroffene  Aquarelle 
österreichischer  Landschaften  schon  so  häufig  das  Versammlungslocale  der 
geogr.  Gesellschaft  geziert  haben,  sind  Geographen  mitdemPinsel. 
Zu  diesen  gehört  auch  Eugen  von  G  u  ^  r  ar  d ,  der  Autor  der  „australischen 
Landschaften^,  und  ich  darf  den  liebenswürdigen,  hochgeachteten  Künst- 
ler, den  ich  1859  in  Melbourne  persönlich  kennen  zu  lernen  das  Glück 
hatte,  um  so  mehr  in  eine  Reihe  mit  unseren  hochverehrten  Freunden 
Ender  und  Selleny  stellen,  als  wir  denselben,  sofern  er  ein  gebor- 
ner  Wiener  ist,   auch  mit  zu  den  Unsrigen  zu  rechnen  berechtigt  sind. 

Eugen  von  Gu^rard  ist  nämlich  der  Sohn  des  verstorbenen 
Hofmalers  Gu^ rar d  bei  Kaiser  Franz  L**)  und  stammt  mütterlicher- 
seits von  der  österreichischen  Familie  Schultz  von  Lichtenthai 
ab.  Er  verließ  mit  seinem  Vater  schon  als  Knabe  Wien  und  Oester- 
reich,  um  in  Italien  seine  schwache  Gesundheit  herzustellen  und  machte 
seine  ersten  Kunststudien  in  Rom.     Später  bezog  er  die  Kunstacademie 


*)  Eugene  von  Gu6rard's  Australian  Landscapes,  a  Series  of  24  tinted 
Lithographs  illustrative  of  the  most  striking  and  picturesque  features  of  the 
Landscape  Scenery  of  Victoria,  New  South  Wales,  South  Australia  and  Taa- 
mania,  drawn  from  Nature  and  lithographed  by  the  Artist,  with  Letter  Press 
Descriptivee  of  each  View,  printed  and  Published  by  Hamel  &  Ferguson, 
Melbourne  Victoria  1869. 

**)  Der  Vater  Gu^rard  führte  als  Hofmaler  Kaiser  Franzi,  das  erste 
Porträt  Maria  Louisen's  fOr  den  Kaiser  der  Franzosen  aus. 


155 

von  Dflsseidorf,  wo  sein  Vater,  der  einer  lotharingischen  Familie  ange- 
hörte, gehören  war.  Seit  17  Jahren  ist  er  in  Melbourne  ansässig,  von 
wo  ans  er  unter  großen  Beschwerden  und  mit  dem  Aufwand  beträcht- 
licher Kosten  zahlreiche  Beisen  in's  Inne]:e  der  Colonien  Victoria,  Sfld- 
australien,  Neu-Sttd- Wales  und  Tasmanien  unternahm  und  einen  wahren 
Schatz  von  Zeichnungen  und  Originalskizzen  sammelte,  welche  den  Land- 
schaftscharacter  und  die  Vegetationsverhältnisse  dieser  Länder  zur  Dar- 
stellung bringen.  Gu6rard  ist  seines  Faches  Oelmaler  und  darf  sich 
schmeicheln,  eine  wohlverdiente  Anerkennung  in  diesem  Zweige  der  Kunst 
selbst  in  London  gefunden  zu  haben,  wo  eine  ziemliche  Anzahl  seiner 
Gemälde  sich  befindet,  und  wo  ihm  auch  die  Ehre  zu  Theil  wurde,  dass 
sein  Name  in  dem  Werke:  „Men  of  the  time^'  (1865)  jenen  der  besten 
Männer  unserer  Zeit  beigefflgt  wurde. 

Aus  dem  reichen  Schatze  seiner  Zeichnungen  hat  nun  Gu^rard 
24  Ansichten  ausgewählt '*')  und  in  lithographischem  Tondruck  veröf* 
fentlicht.  Die  lithographische  Arbeit  nahm  volle  zwei  Jahre  in  Anspruch, 
indem  72  Tonplatten  und  24  Zeichnungen  ausgeführt  werden  mußten. 
Die  Blätter  sind  nur  mit  drei  Farbensteinen  gedruckt.  Ueber  die  Aus- 
fOhrung  schreibt  mir  der  Künstler  selbst:  „Der  Anblick  dieser  Blätter 
wird  Sie  überzeugen,  dass  der  Druck  derselben,  trotz  der  unsäg- 
lichsten Mühe,  die  dabei  aufgewendet  wurde,  nicht  so  ist,  wie  er  in  Eu- 
ropa ausgeführt  werden  kann,  und  wissend,  welchen  großen  Unterschied 
bei  solcher  Arbeit  dieses  macht,  werden  Sie  gewiss  so  gütig  sein,  kein 
zu  strenges  Urtheil  darüber  zu  fällen.  Mein  Wunsch  war,  wenn  auch 
nicht  ein  vollendetes  Kunstwerk,  so  doch  wenigstens  Ansichten  aus  die- 
sem Welttheile  dem  Publicum  vorzulegen,  welche  den  Character  der 
aastralischen  Landschaft  treu  und  naturwahr   zur  Anschauung  bringen. 


*)  Diese  Ansichten  sind:  1.  Source  of  the  Wannen  (Victoria).  — 
2.  The  Valley  of  the  Ovens  River  (Victoria).  —  8.  Fall  of  the  first  Creek  near 
Glen  Osmond  (S.-Aostr.^.  —  4.  North  East  View  from  the  top  of  Mount  Kos- 
ciusko  (N.-S.-W.).  —  5.  Castle  Rock  Cape  Schank.  —  6.  Hobart  Town  (Tas- 
mania).  —  7.  Weather  board  Fall  (N.-S.-W.).  —  8.  Murray-River,  Moorundi. 
—  9.  Junction  of  the  Buchan  and  Snowy  River,  Gippsland  (Victoria).  — 
10.  Ben  Lomond  Epping  Forest  (Tasmania).  —  11.  Crater  of  Mount  Gambier 
(8.  A.).  — 12.  Lake  Dlawara  (N.-S.-W.)  — 13.  Femtree  Gully,  Dandenong  Ran- 
ges (Victoria).  —  14.  Southend  of  Tasman's  Island.  —  15.  Cabbage  tree  Forest, 
American  Creek.  —  16.  Crater  of  Mount  Eccles  (Victoria).  —  17.  Top  of 
Mount  Lofty  near  Adelaide  (S.-A.).  ~  18.  Cataracts  neu:  Launceston  (Tas- 
mania). —  19.  Moroka  River  Falls,  foot  of  Mount  Kent.  —  20.  Mount  Kos- 
ciusko,  from  the  North  West  ',N.-S.-W.).  —  21.  Reedy  Creek  Falls,  near 
Beechworth.  —  22.  Sydney  Heads  (N.-S.-W.).  -  23.  Forest  Cape  Otway  Ran- 
ges. —  24.  Gonlboum  River,  near  Shepparton. 


156 

Da  die  australischen  Landschaften  znmal  in  Europa  wenig  oder  gar 
nicht  bekannt  sind,  so  hoffe  ich  durch  diesen  kleinen  Auszug  meiner 
Zeichnungen  nach  der  Natur,  welche  ich  in  den  vier  ftltesten  der  australi- 
schen Colonien  gesammelt  habe,  etwas  Interessantes  vorlegen  zu  können, 
das  durch  Neuheit  und  gewissenhafte  Characteristik  der  Auffassung  eini- 
gen Wert  hat." 

„Die  Herausgeber  dieses  Werkes,  die  Herren  Hamel  &  Fer- 
guson in  Melbourne  mußten  darauf  achten,  den  Umfang  desselben  zu 
beschränken,  um  es  für  ein  größeres  Publicum  käuflich  zu  machen. 
Meine  seit  15  Jahren  gesammelten  Skizzen  sind  so  zahlreich,  dass  ich 
hunderte  davon  für  Publication  geeignet  fände." 

„Ein  Ueberblick  der  Karten  des  südöstlichen  Australiens  wird 
Ihnen  zeigen,  wie  weit  auseinanderliegend  die  Puncte  der  gegebenen 
Bilder  sind,  und  wird  Ihnen  auch  eine  Idee  von  den  Schwierigkeiten 
geben,  die  ich  zu  bekämpfen  hatte,  um  diese  Sammlung  zu  erlangen. 
Tausende  von  Meilen  zu  Pferde,  zu  Fuß  und  zur  See  mußte  ich  zurück- 
legen, Beschwerden  aller  Art  besiegen,  viele  Monate  in  den  Wildnissen 
Entbehrungen  erdulden,  um  jene  wenigen  Blätter  in  einen  Band  zu  ver- 
einen, welcher  jetzt  im  Salon  in  wenigen  Minuten  durchblättert  werden 
kann." 

Gewiss  verdient  der  Künstler  die  vollste  Anerkennung,  dessen  un- 
ermüdlicher Fleiß  ein  Werk  zu  Stande  gebracht  hat,  das  uns  besser 
als  alle  Reisebeschreibungen,  eine  richtige  Vorstellung  von  dem  beson- 
deren Naturcharacter  Australiens  gibt  und  eine  Reihe  der  schönsten 
Landschaftsbilder  unmittelbar  vor  Augen  führt. 

Man  hat  Australien  das  Land  des  Widerspruches  genannt,  wo  die 
Natur  es  sich  ordentlich  zum  Spaß  gemacht  zu  haben  scheine,  alles 
anders  zu  gestalten,  als  in  der  alten  Welt.  „Es  gibt  Vögel  ohne  Flü- 
gel, mit  Haren  statt  den  Federn,  vierfüßige  Thiere  mit  Vogelschnäbeln, 
schwarze  Schwäne,  weiße  Adler,  Kirschen  mit  dem  Kern  auswendig,  Bäume, 
die  nicht  das  Laub,  sondern  die  Rinde  abwerfen.  Die  Bienen  sind  ohne 
Stachel,  die  Vögel  singen  nicht,  die  Blumen  riechen  nicht,  die  Bäume 
geben  keinen  Schatten,  das  Holz  sinkt  im  Wasser  unter,  der  Kukuk 
schreit  bei  Nacht,  die  Eule  am  Tag." 

Nun,  wer  sich  eine  Vorstellung  von  dem  merkwürdigen  und  höchst 
eigenthümlichen  Character  dieses  Landes  machen  will,  der  betrachte 
G  u  ^  r  a  r  d's  Landschaften.  Zwei  Bilder  zeigen  uns  den  Mount  Kosziusko, 
den  höchsten  Gipfel  der  australischen  Alpen,  7200  Fuß  hoch,  in  Neu- 
Stid-Wales  gelegen.  Die  eine  Ansicht  führt  uns  mitten  in  die  Felswild- 
nis des  Gipfels,  wo  zwischen  den  schroffen  Syenitfelsmassen  noch  mitten 
im  Sommer  der  Schnee  in  einzelnen  Flecken  liegt.  Dr.  G.  Neumeyer 


157 

war  einer  der  ersten  Enropfier,  der  den  Gipfel  erstiegen  hat. 
Auf  der  zweiten  Ansicht  sehen  wir  den  riesigen  Gebirgsstock  in  seiner 
Totalitfit,  mit  fast  undurchdringlichem  Urwald  bedeckt  bis  zu  Höhen 
über  6000  Fuß.  Drei  besonders  characteristisch  ausgeführte  Bilder  er- 
schließen uns  die  Eigenthfimlichkeiten  des  australischen '  Waldes.  Der 
Urwald  der  Cap  Otway-Ketten  ist  ein  Eucalyptuswald  mit  Riesenst&m- 
men  von  300  Fuß  Höhe;  der  Kohlpalmenwald  des  American  Creek  er- 
innert an  die  Pracht  der  tropischen  Wftlder  und  das  Farnbaumthal  in 
den  Dandenong-Ketten  bei  Melbourne  muthet  uns  an  wie  eine  Vorwelt- 
hindschaft  aus  der  Steinkohlenperiode.  Dagegen  führen  uns  die  Bilder 
vom  lUawara-See  und  von  den  Sydney  Heads  liebliche  Landschaften  vor 
das  Auge,  in  welchen  die  europäische  Cultur  schon  vollständig  zur 
Herrschaft  gelangt  ist.  Der  Castle  Rock  des  Cap  Schank  an  der  Küste 
von  Victoria  und  der  Weatherboard-Fall  in  den  blauen  Bergen  von  Neu- 
Sfld-Wales  zeigen  uns  die  schroffen  Felsformationen  der  mächtigen  hori- 
zontal gelagerten  Sandsteinschichten  des  östlichen  Theiles  des  Continen- 
tes,  während  die  Ansichten  des  Mount  Gambier  in  Südaustralien  und 
des  Mount  Eccles  in  Victoria  uns  einen  Blick  werfen  lassen  in  die 
von  kleinen  Seen  erfüllten  Krater  der  erloschenen  Vulcane  des  südlichen 
Australiens.  Besonders  reizend  sind  die  Ansichten  von  Tasmanien.  Da 
liegt  Hobart  Town,  Tasmaniens  rasch  aufblühende  Hauptstadt,  am  Fuße 
des  4000  Fuß  hohen  Mount  Wellington,'  und  Berg  und  Häuserreihen 
spiegeln  sich  in  dem  blauen  Wasser  des  Derwent,  eine  Lage  so  prächtig 
und  so  voll  Reiz,  wie  etwa  die  Lage  von  Genua  oder  Rio  de  Janeiro; 
die  Cataracte  von  Launcestoh  erinnern  an  die  Naturschönheiten  in  den 
Granitthälern  des  Schwarzwaldes  oder  des  Riesengebirges,  und  die  schroffen 
Felsnadeln  und  Felsklippen  von  Säulenbasalt  an  der  Südküste  von  Tas- 
man*s  Eiland,  gegen  die  eine  wilde  Brandung  anstürmt,  übertreffen  an 
malerischer  Schönheit  die  Basaltgallerien  der  Insel  Staffa  oder  des 
irischen  Riesendammes. 

Dies  wenige  mag  genügen,  um  einen  Begriff  zu  geben  von  der  Man* 
nigfaltigkeit  der  Eindrücke,  welche  der  Beschauer  beim  Durchblättern  des 
Prachtalbums  empfangt.  Auch  in  der  Ausführung  gehören  diese  austra- 
lischen Landschaften  trotz  der  Bescheidenheit,  mit  welcher  der  Künstler 
selbst  sein  Werk  beurtheilt,  entschieden  zum  besten,  was  in  dieser  Art 
existiert  und  man  muß  nur  staunen,  dass  es  möglich  war,  bei  unseren 
Antipoden  ein  solches  Prachtwerk  zur  Vollendung  zu  bringen,  das  selbst 
dem  vorgeschrittensten  europäischen  Kunstinstitut  zur  Ehre  gereichen 
würde. 

Ich  darf  hier  wohl  erwähnen,  dass  ein  Exemplar  in  grünem  Ma- 
rokkoleder mit  reichem  Golddruck,    in  Melbourne   gebunden,   von  dem 


158 

EOnetler  Sr.  Majestät  de»  Kaiser  gewidmet  warde.  Mit  einem  zweiten 
Exemplar  hat  der  Künstler  mich  selbst  überrascht;  die  Mappe,  in  der 
die  Bilder  liegen,  zeigt  in  Golddruck  das  australische  Wappen  und  das 
Werk  selbst  ist  ein  glänzender  Beweis  für  das  Motto,  welches  das 
Wappen  trägt:     „Advance  Australial" 


Uebersicht 

der  Arbeiten    der   kais.    geographischen  Gesellschaft  in 
St.  Petersburg  aus  dem  Jahresbericht  von  1867*). 

1.  Die  Expedition  in  die  Gegenden  am  Azo  waschen  Meere  und  an 
die  Flüsse  Kuban  und  Manitsch,  welche  im  Kampf  mit  dem 
angränzenden  festen  Lande  mancherlei  interessante  Erscheinungen  ver- 
ursachen. Die  ersten  Einleitungen  zu  dieser  Expedition  datieren  schon 
ans  einer  früheren  Periode  und  sie  blieb  nicht  ohne  Resultate,  die 
theilweise  durch  den  Druck  veröffentlicht  wurden. 

,  2.  Die  turkestan'sche  Expedition,  schon  in  den  Jahren  1865 
und  1866  vom  Kriegsministerium  entsendet,  wobei  die  geographische 
Gesellschaft  unterstützend  ins  Mittel  trat.  Sie  arbeitete  in  der  Gebirgs- 
kette Tian-schan,  deren  geognostische  Beschaffenheit,  Höhen,  Flora 
und  Fauna  näher  durchforscht  wurden.  Der  höchste  Gipfel  beträgt 
12.000  Fuß.  In  der  Ausbeute  befinden  sich  Behelfe  zu  Landkarten, 
30Q  Exemplare  Gebirgsstufen,  263  größtentheils  seltene  Vögel,-  an  Säuge- 
thieren  30,  zum  Theil  ganz  neue  Thierarten. 

3.  Die  Expedition  in  die  westlichen  Gebiete  des  russischen 
Reiches,  behufs  ethnographischer  und  statistischer  Erhebungen.  Auffal- 
lend sind  ihre  Daten  über  die  jüdische  Bevölkerung  gegenüber  der 
Volkszählung  in  der  Gegend  von  Wilna.  Die  Volkszählungsbücher  aas 
der  Periode  vom  Jahr  1834 — 1859  weisen  nämlich  eine  Herabminderung 
dieser  Bevölkerung  um  20®/«  nach.  Dieses  Sinken  zeigte  sich  nament- 
lich um  die  Zeit  des  Krimkrieges.  Die  Aufklärung  wird  darin  gefun- 
den, dass  die  jüdische  Bevölkerung  Ursache  haben  mochte,  sich  damals 
der  Zählung  möglichst  zu  entziehen,  um  der  Last  des  Kriegsdienstes  zu 


*)  Der  Jahresbericht  der  kais.  nissisch  geographischen  Gesellschaft  vom 
Jahre  1867  gibt  uns  über  ihre  Thätigkeit  ein  lebhaftes  Bild  und  enthält  neben- 
bei manches,  was  unserer  Aufmerksamkeit  empfohlen  zu  werden  verdient.  Wir 
geben  ihn  daher  im  Auszuge. 


159 

efttgdb^  In  dieser  Periode  leigte  die  m&miliclie  Bevölkeriuig  gegen  die 
weibliche  einen  Bftckgang  von  öO^/e. 

4.  Die  Expedition  zur  Erhebung  der  Verhältnisse  des  Getreide- 
handels  in  RnBsiand.  Diese  wurde  Ton  Seite  mehrerer  Ministerien  reich- 
lidi  mit  Geldmitteln  unterstfktzt.  Zom  Behofe  der  Arbeiten  theilte  man 
das  europäische  Rossland  in  8  Rayons,  deren  jeder  anter  einen  beson- 
nteren Befehl  gestellt  wnrde. 

Von  den  Ergebnissen  wird  nur  erw&hnt,  welchen  Einfloss  die  Yer- 
mitthing  des  Getreidehandels  anf  den  Wohlstand  einzelner  Ortschaften 
soslkben  kann,  wovon  das  Beispiel  der  Stadt  Glazow  im  Goavemement 
Wiatka  angefUirt  erscheint.  Glazow  gebe  ein  Masterbild  der  St&dte 
jenes  GkmTemements ,  deren  Erwerb  gänzlich  von  dem  Zwischenhandel 
■it  Getreide  nach  dem  Markt  von  Archangel  abh&ngig  sei.  Die  Uan- 
ddaiente  in  Archangel  hätten  sich  jflngst  von  dieser  Dazwischenkanft 
freigemacht,  indem  sie  die  Prodncte  anmittelbar  bei  den  Landlenten  ein- 
ksafen.  Seit  dieser  Zeit  kommen  nan  die  Wiatker  St&dte  in  Verfall 
So  viel  hiebei    die  Prodncenten  gewinnen,   so  viel  verlieren  die  Städte. 

Die  Drnckschriften  der  Gesellschaft  bestehen  vorerst 
ans  den  Denkwürdigkeiten  —  enthaltend  größere  Abhandlangen. 
Baranter  befindet  sich  ein  amfassender  Artikel  aus  dem  Rechenschafts- 
bericht der  sibirischen  Abtheilang  vom  Jahre  18ü(i  Aber  die  Resultate 
der  Expedition  w^en  Auffindung  eines  Viehtriebweges  in  der  Gegend 
von  Olekminak  in  Sibirien,  der  interessante  Daten  ))ietet,  ferner  eine 
Afahandiiing  von  B.  A.  Popow  Aber  die  Absiedlungen  im  Goavemement 
WoJogda  and  mehrere  ethnographische  Aufsätze.  Von  den  unter  dem 
Titel  Nachrichten  erscheinenden  Heften  sind  im  Jahre  18ü7  fOnf 
henuißgegeben  worden.  In  der  Herausgabe  begriffen  ist  das  statistische 
Wörterbuch  dee  russischen  Reiches,  ebenso  die  russische  Bearbeitung 
des  Ritte  raschen  Werkes  Ober  Asien.  An  Landkarten  werden  erwähnt: 
Karte  der  Insel  Sachalin,  eine  des  südlichen  Theiles  von  Turkestan 

eine  Vervollständigung  der  im  Jahre  18()2  herausgegebenen  Karte 
d»  eoropäischen  Russland  sämmt  dem  kaukasischen  Gebiete. 

Es  folgt  nun  ein  Ueberblick  der  Thätigkeit  verschiedener 
Abtheilungen  der  Gesellschaft  außerhalb  des  Mittel- 
pnnctes,  und  zwar:  a)  der  sibirischen  Abtheilung.  Erwälmt 
werden  die  entomologischen  Arbeiten  von  M.  P.  Putzillo  und  seine 
Ansbente  im  Irkutskischen  Gebiete,  femer  die  Excursion  von  J.  S. 
Poliakow  in  die  Gegend  des  Baikalsees  behufs  natorgeschichtlicher 
Forschungen ,  endlich  die  Herausgabe  einer  Beschreibung  der  Wälder  an 
Seegestaden  durch  den  Capitfln  Budustschew  in  den  Denkwürdig- 
keiten der   besagten  Abtheilung,   worin  auch  eine  interessante  Bescijhrei- 


160 

bong  der  Reise  des  Forsten  Kropotkin  in  die  ümgebmig  von  Okinsk 
sammt  Darstellung  Tschudkischer  Alterthümer  vorkommt. 

ö.  Die  kaukasische  Abtheilung  concentrierte  ihre  Thfttig- 
keit  in  der  Zusammenstellung  eines  Werkes  Aber  die  statistischen  Ver- 
hältnisse des  kaukasischen  Gebietes  und  in  der  Herausgabe  einer  Karte 
dieses  Landes,  in  welcher  Beziehung  schon  manches  geleistet  wurde. 
Auch  wurde  das  Augenmerk  auf  die  Herstellung  einer  schiffbaren  Ver- 
bindung des  Kubanfiusses  mit  dem  Meer  gerichtet  und  fOr  dieses  Ob- 
ject  eine  eigene  Commission  aufgestellt. 

().  Die  Abtheilung  für  die  Gegend  von  Wilno  und  Orenburg  besteht 
dem  unter  Namen  der  „nordwestlichen  Abtheilung^  seit  Anfang 
des  Jahres  1867.  Die  Abtheilung  zu  Wilno  säumte  nicht,  ihre  Thätigkeit 
durch  mehrere  nützliche  Arbeiten  an  den  Tag  zu  legen.  Von  besonderer 
Wichtigkeit  ist  die  Einffihrung  meteorologischer  Stationen  in  den  sechs 
nordwestlichen  Gouvernements  an  den  Gymnasien.  Viele  Personen  er- 
boten sich  zur  Vornahme  meteorologischer  Beobachtungen  nach  erhalte- 
nen Instructionen.  Diese  Abtheilung  unterstützte  mit  Eifer  die  Mitglie- 
der der  ethnographischen  und  statistischen  Commission  für  die  westlichen 
Länder.  *Die  Verhandlungen  der  Abtheilung  erscheinen  in  den  „  Nach- 
richten^ der  Gesellschaft.  Die  Orenburger  Abtheilung  erfreut  sich  der 
Begünstigung  besonderer  Zuschüsse  aus  dem  Staatsschatze. 

Der  leitende  Rath  der  Gesellschaft  ermangelte  nicht,  außerhalb 
seines  eigentlichen  Wirkungskreises  sich  wissenschaftlicher  Unternehmun- 
gen fremder  Anstalten  durch  Parleihung  von  mathematischen  Instrumenten, 
durch  Erhebungen  mittelst  ihrer  Organe  und  Mittheilung  ihrer  Druck- 
schriften anzunehmen,  worüber  im  Bericht  specielle  Fälle  angeführt 
werden. 

Allgemeine  Versammlungen  wurden  acht  abgehalten.  Von 
den  darin  verlesenen  Abhandlungen  betreffen  fünf  die  äectionen  für  Geo- 
graphie, Mathematik  und  Physik,  vier  die  statistische  und  zwei  die 
ethnographische  Section.  Die  Objecto  derselben  waren  Sternschnuppen, 
hydrographische  Erhebungen  vom  Japanischen,  Ochotskischen  und  Be- 
ring'sehen  Meere,  die  Reise  von  A.  J.  Gluchowskoi  aus  Tasch- 
kend  nach  Samarkand  und  in  die  Bucharei  im  Jahre  1865,  Bewässe- 
rung der  Krim,  Ergebnisse  der  Olexmisko-Bitimski'schen  Expedition 
vom  Jahre  18GG  behufs  Ausmittlung  von  Viehtriebswegen,  Eriminal- 
statistik  auf  Grundlage  des  Tobolsker  Archivs  über  Verbannte,  Bevölke- 
rung an  der  Wolga,  Zunahme  der  Bevölkerung  in  St.  Petersburg,  Ar- 
beiten der  Expedition  wegen  Erhebung  der  Verhältnisse  über  den  Ge- 
treidehandel, ethnographische  Ausstellung ,  Eigenthümlichkeiten  der  Sar^ 
ten  und  Kirgisen  in  Turkestan. 


161 

In  Betreff  der  Arbeiten  in  den  Sectionen  wird  angefahrt, 
dass  die  Section  der  physischen  Geographie  im  Jahre  1867 
drei  Sitzongen  abhielt.  Als  Gegenstände  derselben  werden  genannt: 
Expedition  nach  dem  Lande  Tarucban,  Beschreibung  der  Reise  nach 
Wladiwostak  und  Chnn-Tschun,  Notizen  Aber  Mineralquellen  im  Lande 
am  Baykalsee,  Vorlage  einer  neuen  Karte  von  Mittelasien,  Aufsuchung 
des  alten  Flussbettes  des  Amu-dar,  der  gegenwärtig  in  den  Aralsee  sich 
ergießt,  während  die  Yermuthung  Platz  greift,  dass  sein  ehemaliger 
Ansiauf  nach  dem  Easpischen  Meere  gieng. 

Die  Section  ffir  Statistik  hielt  zehn  Sitzungen,  davon  zwei 
im  Verein  mit  der  ethnographischen  Section.  Die  vereinten  Sitzungen 
betrafen  die  Verfassung  einer  Industriekarte  von  Russland  und  die  Ent- 
sendung einer  Expedition  in  die  westlichen  Gebiete  Russlands.  Die 
flbrigen  Sitzungen  hatten  zum  Gegenstande  die  Anlegung  von  Eisenbah- 
nen an  den  südöstlichen  und  östlichen  Gebieten  Russlands,  dann  einer 
Pferdeeisenbahn  von  Orenburg  nach  Samara.  Auch  wurde  der  Beschluss 
gefasst,  sich  an  die  Eisenbahnverwaltungen  mit  dem  Ersuchen  zu  wen- 
den, im  Interesse  der  Wissenschaft  Vormerkungen  über  die  Bewegung 
des  Waren-  und  Passagierverkehres  der  Eisenbahnen  zu  führen  und 
ZQ  veröffentlichen. 

Mehrere  Sitzungen'  beschäftigten  sich  mit  dem  Gretreidehandel  in 
Raseland,  die  letzte  betraf  die  Betheilung  verdienter  Mitglieder  und 
Fi^mder  mit  den  kleinen  Medaillen  und  die  Gewihnung  von  Steinkohle 
im  Lande  der  Don'schen  Kosaken. 

Von  der  ethnographischen  Section  wurden  sieben  Sitzun- 
gen gehalten,  fünf  gewöhnliche  und  zwei  im  Verein  mit  der  statisti- 
schen Section.  Die  eine  der  letzteren  betraf  die  Entsendung  einer 
ethnographischen  und  statistischen  Expedition  in  das  westliche  Rassland, 
die  andere  den  Empfang  der  slavischen  Gelehrten  und  Literaten  als 
Gftste  der  allgemeinen  russischen  ethnographischen  Ausstellung,  dann  die 
Verlesung  eines  Artikels  über  die  Colonisation  des  großrussischen  Volks- 
stammes.  Die  übrigen  Sitzungen  befassten  sich  mit  Abhandlungen  über 
die  Bewohner  der  Ufer  am  Flusse  Ojart,  über  die  Nationaltracht  der 
Rathenen  im  Osten  Galiziens  und  Ungarns,  über  die  Secte  der  Skopzen 
in  Ramänien,  über  die  Slovaken  und  die  slavischen  Gebiete  in  Ungarn, 
über  den  Bezirk  Ura-Tiube  in  Turkestan,  dann  ethnographische  Notizen 
ans  Turuchan. 

Besondere  Leistungen  von  Mitgliedern  der  Gesell- 
schaft und  von  fremden  Personen  im  Fache  der  Geo- 
graphie. Dieselben  bestehen  aus  zwei  allgemeinen  Anerbietungen  zur 
Mitwirkung,   einer  Anerbietung  für  astronomische   Leistungen  und  vier 

G^OfnphiMhe  Miitkmliuigen.  1870.  4.  .  H 


lest 

ffir  meteorologische  Beobachtnngen.  Dann  folgen  Notizen  über  einge- 
sendete Abhandlungen,  und  zwar  über  den  schwarzen  Irtischflnss,  über 
die  Steinkohle  im  Sergiopolskischen  Kreise  and  den  Graphit  im  Kokpeks'- 
schen  Kreise,  femer  die  Schildemng  des  Zaysanskischen  Gebietes,  geo- 
graphische Notizen  über  die  africanischen  Küsten,  eine  Karte  der  Mon- 
golei, MittheUungen  für  das  geographische  Wörterbach,  die  nene  admini- 
strative Eintheilung  Polens,  ein  Manoscript  über  Chaldea  und  Sosiana, 
MittheUungen  über  heiße  Quellen  im  Tomskischen  Gouvernement,  über 
die  Gewerbe  und  den  Handel  in  Turkestan,  über  die  Verwaltung  des 
Kaschmir*schen  Maharadschah,  über  das  Vorfinden  von  Steinkohlen  und 
Gold  in  Turkestan  und  über  die  Bevölkerung  in  Tschemagora. 

Die  Betheilung  mit  Medaillen  geschah  in  der  Art,  dass 
vier  kleine  goldene  Medaillen  an  Mitglieder  der  Gesellschaft,  drei  sil- 
berne an  Mitglieder  der  Gesellschaft,  eine  silberne  an  einen  Fremden 
und  eine  bronzene  an  einen  Fremden  als  Anerkennung  der  Verdienste 
um  di\e  Zwecke  der  Gesellschaft  zuerkannt  wurden.  Unter  den  Beilagen 
des  Berichts  befinden  sich  motivierte  Anträge  für  die  Betheilungen. 

Die  Finanzen  der  Gesellschaft  bilden  den  Schluss  des  Berichts. 
Wir  entnehmen  aus  den  bezüglichen  Tabellen,  dass  die  Ausgaben 
für  das  Jahr  1867  sich  auf  33.855  Rubel  beliefen.  Unter  den  Ein- 
nahmen stehen  10.000  Rubel  als  Staatsbeihilfe  und  2700  Rubel  an  Bei- 
trägen der  Mitglieder.  —  c  —  y 


Der  westliche  Theil  von  Bosnien^). 

Ethnographisch -band  eis  politische   Skizze 
von  Julius  V.  Jaxa-Dembicki,  k.  k.  Oberlientenant  und  Gonsularagent. 

Die    ethnographisch-handelspolitische    Beschreibung  Westbosniens, 
wie  überhaupt  von  ganz  Bosna  Vilajet  gehört  unstreitig  zu  den  schwierig- 


*)  Zur  Erzielung  einer  einheitlichen  Orthographie  in  unseren  die  euro- 
pSdBche  Türkei  behandelnden  Aufs&tzen,  beschloss  das  orientalische  Comit^  der 
k.  k.  geograph.  Gesellschaft  über  Antrag  des  Herrn  F.  Kanitz  in  seiner 
Sitzung  am  10.  Februar,  für  die  südslavischen  Orts-  und  Personennamen  ao»- 
schließlich  die  croatisch-serbische  Schreibweise  zu  adoptieren.  Nach  derselben  ist 
zu  lesen: 

c  =  deutsches  z  s  =  deutsches  seh 

c-=„tj  v«-w 


c  = 

tsch 

z  n        ^  weiches  s  (in  Rose) 

8  = 

y,  scharfes  Q 

i  ^  französisches  j  (in  jamais) 

A.  d.  Red. 

163 

sten  Aufgaben.  Es  liegen  allerdings  einige  dahin  einschlftgige  Werke 
vor,  insbesondere  eine  vom  bosnischen  Franciscaner  Franz  J  u  k  i  ö  veröf- 
fentlichte „Beschreibung  Bosniens  und  der  Hercegovina^,  die  viel  brauch- 
bares Material  enthält,  aber  um  ein  klares  Bild  der  Verhältnisse  des 
Landes  zu  geben,  ist  sie  ungenügend.  Zu  diesem  Mangel  an  Hilfs- 
material gesellen  sich  der  Abgang  jeden  Catasters,  die  Unzugi^nglichkeit 
der  von  den  türkischen  Behörden  ungenau  verfassten  und  mit  Eifersucht 
gehüteten  Yolkszählungslisten,  und  die  zollämtlichen  im  höchsten  Grade 
onklaxen  und  zweifelhaften  Ausweise  über  die  thatsächliche  Handels- 
hewegung  dieser  Gegenden.  Der  Berichterstatter,  der  seit  zehn  Jahren  in 
Livno  stationiert  ist,  hat  es  sich  seit  jeher  zur  speciellen  Aufgabe  gemacht, 
diese  Gegenden  nach  allen  Richtungen  auszuforschen.  Die  Aufgabe  war 
and  ist  nicht  gering.  Meist  officielle  Daten,  theilweise  aber  auch  -die 
Mitwirkung  zwar  competenter,  immerhin  aber  sehr  unverlässlicher  Glieder 
der  hiesigen  Geistlichkeit  und  des  Handelsstandes  dienten  als  Basis,  um 
eine    allgeineine  Uebersicht    der  Verhältnisse  zu   gewinnen. 

Unter  „Bosna  Viiajet^  sind  inbegriffen  das  eigentliche  Bosnien, 
Tftrkisch-Croatien  (Pokraina) ,  die  Hercegovina  und  das  Mutasariflik 
Novipazar.  Es  wird  im  Norden  von  der  croatisch-slavonischen  Militär- 
grenze, gegen  Osten  von  Serbien,  gegen  Süden  theilweise  von  dem  Pa* 
schalik  Prizren  und  Albanien,  dann  von  Montenegro,  endlich  gegen 
Westen  vom  Königreiche  Dalmatien  und  der  oberen  croatischen  Militär- 
grenze umschlossen. 

Die  administrative  Eintheilung  des  Bosna-Vilajet  zerfällt  in  sieben 
Mutaisarifiiks   (Kreise)  und  43  Kaimakamien  (Bezirke). 

Die  Mutasarifliks  sind :  Serajevo,  Zvomik,  ßanjalnka,  Bijac,  Mostar, 
Novipazar  und  Travnik. 

Das  Travniker  Mutasariflik  zerfällt  in  die  Bezirke  Travnik, 
Liivno  mit  den  Dipendenzen  Grahovo,  Duvno  und  Suica,  Glarooe  mit 
der  Dipendenz  Unac,  Zenica,  Skoplje  (Akhissar)  mit  der  Dipendenz 
Gomji  Skoplji,  Bugoino  und  Rama  und  Jaice  mit  der  Dipendenz  Gttl- 
hissar.  Diese  sechs  Bezirke  bilden  den  Amtssprengel  der  in  Livno  resi- 
dierenden k.  k.  Consular-Agentie. 

lieber  die  Sitze  der  anderen  hieher  gehörenden  Kaimakamien 
fehlt  mir  eine  sichere  Angabe,  auch  sind  in  den  letzten  3 — 4  Jahren 
einige  mir  nicht  genau   bekannte    Veränderungen  vorgefallen. 

Der  Ausweis  über  die  Volkszahl  des  Mutasarifliks  Travnik,  wie 
er  von  mir  im  März  1868  ämtlich  zusammengestellt  wurde,  wird  aus 
folgender  Tabelle  ersichtlich: 


11 


1 


164 


K  aimakami  e 


SEELENZAHL 


*  S  IKatho- 


griech.- 
oriental. 
Christen 


00 


tS3 


Znsam- 
men 


Livno,  Snica,  Duyiio,  Grahovo 

Glamoii,  Unac 

Bama-Prozor 

Skoplja-gorni  A  dolni-Vakup 
Ofllhissar  o.  Jezero    .    .    . 
Jaice 


5200 
4760 
2500 
5800 
2700 
5600 


Zusammen      26560 


19993 

328 

3290 

9924 

{4023 


37558 


4774 
14895 

8760 
10500 
12000 
14000 


180 
200 
350 
280 
170 
200 


64929 


30152 

20183 
14900 
26504 
14870 


i 


1380       130434 


Die  Berechnung  der  türkischen  BeYölkemng  ist  aher  dabei  kaum 
ann&hemngsweise  als  richtig  zu  bezeichnen,  weil  ein  statistisches  Bareaa 
nicht  existiert  and  die  Harems  unzugänglich  sind.  Zur  Berechnung  der 
griechich-orientalischen  Christen  diente  die  bestehende  H&nserzahl  (nach 
der  Methode  Omer  Pascha's),  die  mit  der  Zahl  7  multipliciert  wurde, 
und  so  abgerundet  wenigstens  ann&hemd  die  bestehende  Bevölkerung 
angibt  Was  die  Katholiken  anbelangt,  so  ist  die  Volkszahl  ziemlich 
genau  ang^eben,  indem  die  bezfiglichen  Daten  den  Schemas  der  bos- 
nisch-heroegOTinischen  Minoriten-Ordenspriester  entnommen  sind.  Hiezu 
kommen  noch  bei  150  österreichische  Familien  aus  Dalmatien,  welche 
die  einzigen  hier  stabil  ansässigen  Golonisten  sind. 

Wie  gesagt  gibt  es  zur  Auffassung  der  Verhältnisse  der  Con- 
fessionen  so  wenig  Anhaltspuncte,  dass  kaum  ein  bestimmtes  Resultat 
erreicht  werden  kann.  —  Das  yorstehende  Schema  weist  nach,  dass  die 
griechisch-orientalische  Bevölkerung  in  diesem  Sandjakate  (sowie  auch  in 
ganz  Bosnien)  überwiegend  ist 

Um  das  Verhältnis  der  drei  Gonfessionen  zu  einander  aufzu- 
klären, müßte  ich  mehr  Raum  haben,  als  dieser  Bericht  gestattet.  Es 
genüge  (jUe  Bemerkung,  dass  das  religiöse  Princip  über  das  nationale  zu 
einer  so  mächtigen  Oberherrschaft  gelangt  ist,  dass  es  in  Bosnien  eigent- 
lich drei  sich  schroff  gegenüberstehende  „Nationen^  gibt,  u.  z.  die  tür- 
kische dominierende,  die  katholische  und  die  griechich-orientalische. 

Unstreitig  ist  die  katholische  „Nation^  jene,  die  am  meisten 
eine  besonderen  Würdigung  verdient.  Obgleich  der  griechisch-orien- 
talischen Nation  an  Volkszahl  bedeutend  nachstehend,  hat  sie  an  ihrer 
aus  ihr  selbst  hervorgegangenen  Geistlichkeit  eine  Führerschaft,  welche 
die  Bevölkerung  im  ganzen  zusammen  zu  halten  versteht.  Dieser  Um- 
stand veranlasste  mich  schon  vor  Jahren  ein  eigenes  Schema  über  die 
in  diesem  Districte  befindlichen  Pfarren  sammt  Anzahl  der  Elostergeist- 
lichkeit    und   Bevölkerung    zu  verfassen,   welches    hier  folgt: 


I  ZuMmmen    |l7|    18    |    M    ;     37506     [37658  | 

Die  griechisch-orieDtfüi sehen  Christeu  haben  bloß  eine  Kirche  in 
Livno.  Die  anderen  Pfarren  sind  in  den  Dörfern  zerstrent.  Ihre  6eiBt> 
lichkeit  steht  aaf  der  niedrigsten  Stnfe  der  Civilisation  und  es  sind 
fiele  darunter,  die  gar  nicht  schreiben  können  nnd  kaum  im  Stande 
sind  die  gedruckte  cyrillische  Lithnrgie  abzulesen,  —  daher  auch  der 
griechich-orientalischen  Bevalkernng  Einheit,  Vertretung  nnd  Fflhmng 
ganz  abgeht. 

Der  raahammedaniBche  Theil  der  BevSlkening  stammt  nach 
^Jnkic"  von  der  Nachkommenschaft  der  noch  in  geringer  Zahl  (im 
Tnzla-Mntasariflik)  vorkommenden  patarenischen  H&retiker  nnd  bosni- 
sehen  Christen  beider  Confessionen,  welche  theiU  selbst  vorzogen,  tfaeils 
gezwungen  waren,  die  Conserviemng  ihres  Adels  und  Besitzes  durch 
Apostasie  zu  erkaufen. 

Echte  Osmanli  asiatischer  Abstammung  findet  man  nur  im  Civil 
und  MilitArstaatsdienste.  Da  bei  dem  b<ffinischen  Mnhammedaner  die  Hntter- 
Epracbe  die  serbische  ist,  versteht  er  nur  selten  das  ttlrldsche  nnd  kann 
sich  mit  dem  Osmanli  schwer  verstftndigen.  Die  im  Jahre  1867  einge- 
fllhrtea  Volksschulen  in  den  Bezirken  bezwecken  die  Verbreitung  der 
türkiBchen   Sprache. 


166 

Der  im  14.  Jahrhunderte  durch  Sultan  Muh  ammed  IL  freiwillig 
gewordene  oder  gezwungene  Apostat-Türke  erwarb  sich  große  Rechte 
und  Besitzungen.  Die  dem  Glauben  ihrer  Völker  treu  blieben,  wurden 
R  a  j  a  h  (Herde)  und  Sclaven.  Die  üeberlieferung  erzählt  harsträubende  Sagen 
von  dem  was  diese  Apostattürken  mit  dem  Christenthum  trieben.  Der 
Raum  dieses  Berichtes  erlaubt  es  nicht,  die  Grftuelscenen  zu  schildern, 
die  in  jener  Zeit  vorfielen  und  unter  einem  bequemen  Deckmantel  auch 
wol  noch  heute  üblich  sind.  Es  ist  daher  ganz  natürlich,  dass  die  Apo- 
stasie  für  die  größere  Zahl  der  Bevölkerung  sehr  verlockend  war,  um- 
somehr  als  Sultan  Muhamme d  11.  das  eroberte  Königreich  Bosnien  in 
drei  Theile  theilte:  für  sich,  die  Moscheen  und  den  türkischen  Adel 
Diese  Eintheilung  ist  noch  die  Basis  der  hiesigen  Besitzverhältnisse  und 
wurde  nur  sehr  wenig  alteriert. 

Die  Gerichtsbarkeit  war  und  ist  ausschließlich  in  den  Händen 
der  Türken,  die  in  früheren  Zeiten  das  Recht  hatten,  über  Eigenthcun 
und  Leben  jedes  Christen  zu  verfügen.  Dies  änderte  sich  seit  beinahe 
25 — 30  Jahren,  wie  ich  unten  erwähnen  werde.  Den  wichtigsten  Be- 
standtheil  der  muhammedanischen  Bevölkerung  bilden  die  Bey's,  die 
Nachkommen  des  alten  Lehcnsadels,  dann  die  Aga*s,  Grundbesitzer, 
femer  die  Handel-  und  Gewerbetreibenden  der  Städte,  schließlich  die 
Ackerbauer. 

Die  permanenten  Aufstände  und  Unruhen,  die  größtentheils  von 
den  Bey's  und  Aga's  provociert  wurden,  hatten  zur  Folge,  dass  die 
Pforten-Regierung  (im  Jahre  1850)  durch  Omer  Pascha  den  unbot- 
mäßigen bosnisch-türkischen  Adel  aller  seiner  frühern  wirklichen  oder 
angemaßten  Prärogative  und  Rechte  verlustig  erklärte,  und  ihn  zwang, 
sich  der  Gerichtsbarkeit  der  osmanischen  —  fremden  Behörden  zu 
fügen,  an  den  allgemeinen  Lasten  (mit  Ausnahme  der  Kopfsteuer, 
eigentlich  Militär-Befreiungstaxe,  die  bloß  der  Christ  zahlt)  sich  zu 
betheiligen  —  und  im  Jahre  1864  auch  Recruten  für  die  Linie  zu 
stelle«.  Die  alte  Lehenkriegsverfassung,  der  Ursprung  der  Macht  des 
bosnisch- türkischen  Adels,  hatte  somit  de  jure  aufgehört  und  nur  in 
Kriegszeiten  wird  eine  Art  Miliz  (Baschibozuks)  aufgeboten.  Der  bos- 
nische Mohammedaner,  so  durch  die  Regierung  seiner  alten  durch  Jahrhun- 
derte genossenen  Macht  entäußert,  erscheint  auch  materiell  zu  Grunde 
gerichtet.  Die  viel  gerühmte  Prunksucht  mit  Pferden,  Waffen,  Klei- 
dern und  Harems  ist  dahin,  weil  zu  dem  materiellen  Ruin  sich  auch 
Trägheit  und  der  unausstehlichste  Stolz  gesellt,  die  ihm  nicht  erlauben, 
bei  der  Regierung  ein  Amt  zu  beanspruchen,  welches  er  übrigens  bei 
seiner  Ignoranz  auch  nicht  im  Stande  wäre  zu  verwalten.  Der  bos- 
nische Muhammedaner  ist  gegenwärtig  bloß  auf  die  Abgaben  des  Colonen 


167 

angewiesen,  und  da  letzterer  sichtlich  mehr  dem  Verfalle  entgegengeht, 
80  nähert  sich  auch  die  bosnisch-tarkische  Herrlichkeit  and  Pracht 
ihrem  Ende.  Allerdings  hat  mit  dieser  Demüthignng  des  Adels  der 
bnitale  und  fanatische  Hass  gegen  Christen  viel  von  seiner  Schärfe 
verioren. 

Nichtsdestoweniger  erfreut  sich  der  Christ  noch  bei  weitem  nicht 
der  Gleichberechtigong  mit  dem  Türken.  Der  TOrke  bleibt  immer  Herr, 
der  Christ  Bajah  (Herde)  and  zwar  gerade  insbesondere*  vor  den 
Yerwaltongs-  und  Gerichtsbehörden. 

An  Sitte,  Braach,  Lebensweise,  Kleidung  u.  dergl.  sind  die  moham- 
medanischen Bosnier  im  Geiste  des  Islam  orientalisch,  und  halten  die 
Vorschriften  strenger  ein  als  die  Osmanli  —  obgleich  ihnen  immer  der 
christliche  Ursprang  anzusehen  ist  So  z.  B.  pflegt  der  bosnische  Türke 
(mit  höchst  seltener  Ausnahme)  nur  ein  Weib  und  keine  Beischläferin 
zu  nehmen,  Hochzeiten,  Familienfestlichkeiten  haben  den  altslavischen 
Character  beibehalten,  Sklaven  und  Sklavinnen  —  wie  sie  der  Osmanli 
hat  —  werden  nicht  gehalten,  die  alten  christlichen  Familiennamen 
wurden  beibehalten;  bei  Krankheiten  (z.  B.  Unfruchtbarkeit  der 
Weiber),  „Teufelsbannung^,  Annahme  von  Amuletten  als  Schutz  gegen 
Krankheiten  und  Unglück  wird  das  Gebet  und  die  Intervention  eines 
Franciscaners  oder  eines  im  Gerüche  der  Heiligkeit  stehenden 
Christen  in  Anspruch  genommen,  obgleich  der  osmanische  Fanatismus 
wie  früher  besteht.  Die  Muhammedaner  haben  in  diesem  Sandjakate 
nahezu  1500  Moscheen,  von  denen  vielleicht  der  zehnte  Theil  aus 
Stein,  die  andern  aus  Holz  gebaut  sind,  und  welche  sammt  ihren 
Dienern  und  Hodja's  (Priestern)  aus  den  großen  von  Mahmud  II. 
herstammenden  Moscheengütern  (Yakuf;  erhalten  werden.  Diese  Vakuf- 
guter,  an  sich  groß,  wurden  durch  vier  Jahrhunderte  durch  Schen- 
kungen und  Vermächtnisse  noch  beträchtlich  vermehrt  und  bestehen  in 
liegenden  Gütern,  Mühlen,  Bädern,  Wirtshäusern,  Markthallen  (Bezes- 
tans),  deren  Erträgnis  nebstbei  zu  wohlthätigen  Zwecken  (immer  aber 
bloß  für  Türken)  für  Kranke,  Arme,  Schulen,  zum  Ausbau  schadhafter 
Brücken,  Anlegung  von  Cesme  (Brunnen)  und  dergl.  verwendet  werden. 
Auch  wird  daraas  Privaten  Geld  zu  mäßigen  Zinsen  (12^o)  vorgestreckt. 
Im  Jahre  1859  erließ  die  Pforten-Regierung  eine  Art  Toleranz- 
Edict,  durch  welches  jedem  Unterthan  der  Pforte  freigestellt  ward, 
den  Glauben  zu  wechseln.  Für  den  Muhammedaner  ist  nur  die  Clausel 
eingeschaltet,  dass,  um  Ruhestörungen  zu  vermeiden,  er  es  dort  thun 
m6ge,  wo  keine  Muhammedaner  sind. 

Erst  seit  dem  Jahre  1867  hat  die  Pforten-Regierung  Anläufe  gemacht, 
sich  mit  der  Schulenorganisierung  zu  befassen.  In  den  größeren 


168 

Provincialst&dten  des  Bosna  Yilajets  gibt  es  eine  Art  von  Gemeinde- 
oder Volksschulen  nach  Glaubensbekenntnissen  gesondert,  Iq  welchen 
zur  Noth  Lesen,  Schreiben  und  Rechnen  gelehrt  wird.  Die  Lehrer  sind 
aus  den  G^meindecassen  gezahlt,  nicht  stabil  angestellt  und  wechseln 
jeden  Augenblick;  Oberhaupt  zieht  man  in  christlichen  Schulen  nur 
jene  Jugend  zum  sogenannten  Unterrichte,  die  sich  dem  geistlichen 
oder  Handelsstande  widmet.  Eine  2 — Sjfthrige  Schulfrequenz  macht 
das  Um  und  Auf  der  pädagogischen  Reife  eines  bosnischen  Jünglings 
aus,  daher  es  niemandem  auffallen  darf,  wenn  das  Volk  bei  seiner  an- 
gebomen  Schlauheit  und  Raffiniertheit  in  tiefer  Unwissenheit  lebt ;  kaum 
dass  auf  500  Seelen  ein,  höchstens  zwei  schreibenskundige  Individuen 
entfallen.  Verwahrlosung  ist  mithin  der  Grundzug  des  bosnischen  Be- 
wohners ohne  Unterschied  der  Nationalität.  Mag  die  Pforten-Regierung 
in  Schnlangelegenheiten  noch  so  viel  und  gute  Verordnungen  erlassen, 
dem  unparteiischen  Beobachter  wird  doch  klar,  dass  die  Regierungs- 
organe  jede  Erweiterung  des  Wissens  über  die  Grenze  des  Alphabets 
mit  ungünstigen  Augen  ansehen.  Sonstige  Bildungs-Anstalten  welcher 
Art  immer  gibt  es  im  ganzen  Bosna-Vilajet  nicht. 

Bevor  ich  die  Terrainsverhftltnisse  bespreche,  will  ich  die  größeren 
Orte  dieses  Sanc^jakates  wenigstens  oberflächlich  schildern: 

Travnik  ist  der  Hauptort  des  Kreisdistrictes,  Sitz  eines  Muta- 
sarifs,  hat  circa  15.000  Einwohner,  liegt  am  Fuß  des  Vlavicgebirges 
im  schmalen  La^vathale.  Die  Stadt  ist  von  einem  alten,  im  guten  Zu- 
stande erhaltenen  und  armierten  Castell  beherrscht  Nach  Juki^  soll  dort 
eine  römische  Colonie  Levsaba  (?)  bestanden  haben. 

Jaice,  Hauptort  des  gleichnamigen  Bezirkes,  liegt  am  Verbas 
und  der  mittelbaren  Einmündung  der  Pliva  und  hat  circa  3000  Ein- 
wohner. Dieser  Ort  wurde  vor  beiläufig  vier  Jahrhunderten  vom  bos- 
nischen Großwoywoden  und  Herzog  von  Spalato  Hervoja  gegründet  und 
mit  Ringmauern  (die  aber  sich  ihrem  Verfalle  nähern)  umgeben.  Jaice 
war  einst  die  Residenz   bosnischer  Könige. 

Livno,  Hauptort  des  gleichnamigen  Bezirkes,  am  Fuß  des 
Cincer  Gebirges,  hat  beiläufig  7 — 8000  Einwohner  und  ein  Franciscaner- 
kloster.  Das  Innere  der  Stadt  ist  mit  einer  Ringmauer  umgeben,  die 
im  Verfalle  ist.  Vorher  stand  hier  eine  römische  Militär-Colonie 
Haiuno  (?).  Gedenktafeln  mit  Römer-Inschriften  kamen  noch  vor  Jahren 
vor.  Det*  türkische  Vandalismus  zerstörte  auch  diese  Erinnerungen,  wie 
alles,  was  auf  die  Vergangenheit  Bezug  hat.  Hie  und  da  werden  noch 
römische  Gräber  und  Münzen  gefanden. 

Duvno  ist  keine  Ortschaft,  sondern  eine  Hochebene.  Der  eigent- 
liche Ort   2upagna6  mit  circa  400  Einwohnern  wird  deshalb  hier  er- 


169 

wfthnt,  weil  dort  sich  die  Ruinen  eines  uralten  römischen  Castells  be- 
finden: anch  sind  bei  Duvno  (!^upagna)  noch  hie  und  da  Spuren 
einer  ebenso  alten  Römerstraße  nach  Ljubuski  zu  sehen. 

Kupres,  ein  kleiner  Ort  mit  circa  150  Einwohnern,  ist  ein  ruinen- 
artiges von  Türken  gebautes  Castell  und  diente  in  den  letzten  vier 
Jahrhunderten  zur  Vertheidigung  des  Kupreser  Passes,  -, —  gegenwärtig 
ohne  strategische  Wichtigkeit. 

Glamoc,  Hauptort  des  gleichnamigen  Bezirkes,  besitzt  ein  ur- 
altes in  Ruinen  liegendes  Castell,  welches  der  Tradition  nach  in  turbu- 
lenten Zeiten  den  bosnischen  Königen  zum  Zufluchtsort  diente,  hat 
circa  1000  Einwohner,  meist  griechische  Christen. 

Rama,  aus  mehreren  zerstreuten  Dörfern  bestehend,  wo  im  Um- 
fange ven  circa  6—8  Stunden  bei  5000  Katholiken  und  3000  Türken 
ans&ßig  sind,  war  unter  bosnischen  Königen  ein  Fürstenthum.  Dort 
befinden   sich   Manufacturen    von   groben   Decken  und  Teppichen. 

Vranduk,  das  hinter  Travnik  gelegene  Bergschloss  iat  der- 
malen eine  Ruine. 

Ueber  die  Boden-Production  des  hier  geschilderten  Land- 
striches lassen  sich  nach  den  mir  zu  Gebot  stehenden  Quellen  nur  an- 
nähernd richtige  Andeutungen  geben,  aber  sie  geben  immerhin  ein  treues 
Bild  der  Zustände,  mit  denen  man  hier  zu  rechten  hat. 

Ueber  die  Wälder  verweise  ich  auf  den  von  der  hiesigen  k.  k. 
Consular-Agentie  erstatteten  Bericht  vom  10.  August  1867,  der  in 
dem  vom  Freiherm  von  Hohenbruck  verfassten  und  vom  k.  k. 
Ackerbau-Ministerium  veröffentlichten  Werke  über  den  „Holzexport 
Oesterreichs^    abgedruckt  wurde. 

Nach  dem  Wald-  ist  es  der  Cultur-  und  Weide-Boden, 
welcher  im  allgemeinen  den  meisten  und  etwa  zweimal  so  viel  Raum  ein- 
nimmt, als  der  nackte,  sterile  oder  bloß  mit  Gestrüpp  bedeckte  Felsboden 
dieses  Districtes.  Der  gegenwärtig  für  den  Feldbau  verwendete  Boden-Com- 
plex  könnte  bei  besserer  Pflege  das  doppelte  tragen.  Es  gibt  überhaupt  nichts 
Niederdrückenderes  für  einen  practischen  Oeconomen,  als  die  hiesigen 
agrarischen  Verhältnisse,  auf  die  ich  seiner  Zeit  zurückkommen  werde. 
Es  verlautet,  dass  die  türkische  Regierung  Reformen  dieses  wichtigen 
Zweiges  vorbereite.  Leider  kann  nicht  eine  wenn  auch  nur  approximative 
Uebersicht  des  Areals  an  Cultur-,  Weide-,  Wald-  und  sterilem  Boden 
▼orgelegt  werden,  weil  die  türkische  Regierung  selbst  hierüber  nicht  in 
genauer  Kenntnis  ist.  Das  jährliche  Ernteerträgnis  einiger  Bezirke  aus 
der  darch  die  Consular-Agentie  im  Jahre  1868  approximativ  zusammen- 
gestellten Berechnung  nach  dem  Zehent-Erträgnisse  ergab: 


170 


1 

Bezirke 

'       "       I 
Jährliche  Durchschnittsproduction  an  j 

Gerealien 

Hen 

Zwetsch- 
ken 

TaUk 

in   Centnern 

Livno  sammt  Duvno,  Suica,  GrahoYO 
Grlamoc  sammt  Unac  .   .  •       .... 

Skoplja  sammt  Bugoino 

Jaice  sammt  Gülhissar 

.   Zusammen  .   . 

115.555 

78.274 

163.000 

111.780 

170.000 
115.700 
180.000 
162.810 

8.000 
3.000 

48.000 
12.000 

71.000 

30 
15 
68 
42 

468.609 

628.510 

155 

1 

Von  Cerealien  ist  Gerste  und  Mais  vorwiegend.  Getreidevorräthe 
sind  bloß  in  Jahren  vorhanden,  wenn  das  Exportgeschäft  mit  Cerealien 
stockt.  Die  Marktpreise  der  Cerealien  und  sonstiger  Consumartikel  sind 
ans  folgender,  im  Monate  April  1869  zusammengestellten  Marktpreis- 
tabelle ersichtlich: 


Gegenstand 


Piast.    para  U  Piast.    para 


Weizen die  Oka 

Gerste  „ 

Hafer ...       ....  „ 

Korn „ 

Eukurutz ^ 

Heu „ 

Stroh „ 

Dalmatinischer  Tischwein ^ 

Dalmatinische  Oele „ 

Hercegowinischer  Wein     , 

Brantwein ^ 

Honig „ 

Reis „ 

Kaffee „ 

Zucker  in  Bröseln ,, 

yf      raffinierter   .       .......  ,, 

Salz „ 

Getrocknete  Zwetschken „ 

Butter „ 

Ünschlitt „ 

Wachs „ 


3 

9 
3 
4 
7 
4 

12 
7 
8 
1 
2 

12 
8 

25 


22 
20 
20 
21 
20 
5 
3 
20 


4 

10 
3 
4 
8 
4 

17 
7 
8 
1 
2 

14 
8 

26 


24 
22 
22 
23 
23 
6 
3 


20 

20 

• 

10 

• 

20 

20 

8 

10 

• 

20 


171 


T 


Gegenstand 


para 

Piast. 

35 

1 

20 

4 

30 

3 

600 

450 

45 

24 

10 

5 

7 

1 

■ 

10 

• 

12 

• 

15 

■ 

4 

Pech die  Oka 

OchsenfleiBch ^ 

Schöpsenfleisch „ 

Ein  Ochs 

Eine  Kuh 

Ein  Schaf 

Ein  Taiwiti .... 

Eine  Schöpsenhaut 

Ein  Lammsfell 

Eine  Ziegenhaut    .   .       

Tagelohn. 

Ein  Maurer 

„    Zimmermann 

„    Tischler  . 

,    Taglöhner       


3 
2 

500 

300 

40 

20 

8 

5 

6 


8 

9 

12 

4 


20 


20 


Neben  dem  Ackerbau  ist  im  Bosna-Yilajet  als  einem  Alpenlande 
die  Viehzucht  eine  ergiebige  Quelle  des  Wohlstandes.  Aber  auch 
hier  tritt  die  Indolenz  und  Ignoranz  des  Bosniers  so  prägnant  auf,  dass 
es  ein  Wunder  ist,  in  diesem  an  Weideboden  gesegneten  Land  noch 
so  viel  Vieh  erzeugt  zu  sehen. 

Das  Rindvieh  ist  in  der  Regel  klein,  schwächKch  und  es  kommen 
im  Bosna-Vilajet  Gegenden  vor,  wo  der  für  die  Ackerbaucultur  benöthigte 
Bedarf  nicht  gedeckt  wird.  Die  Kühe  sind  schwächlich,  die  Milch 
spärlich  und  wird  im  Haushalte  ganz  consumiert.  Schweinezucht  be- 
treibt man  in  diesen  Gegenden  gar  nicht.  Das  Schaf  und  die  Ziege 
sind  zwar  Gegenstand  einer  Pflege  nach  bosnischer  Art,  die  Ra^e  wäre 
auch  nicht  schlecht,  aber  die  ungeeignete  Zucht  und  Pflege  hindert  ihre 
besserev  Entwicklung.  Die  Pferdezucht  geht  ihrem  Verfall  entgegen. 
Schöne  Pferde  sieht  man  wol  hie  und  da,  aber  sie  stammen  meistens  von 
den  in  Dalmatien  stationierten  ärarischen  Zuchthengsten.  Die  Erträg- 
nisse der  Viehzucht  kommen  größtentheils  als  Rohproduct  zur  Ausfdhr 
nach  Triest,  der  Rest   wird  im  Lande  consumiert. 

Außer  einigen  Kohlenlagern  und  Eisengruben,  die  aber  unbenutzt 
liegen,    hat  Westbosnien    keine   Mineralgruben    aufzuweisen,    hingegen 


172 

Nord-   and  Centralbosnien    sehr   viele,   welche  aber  als  toter 
Schatz  im  Schöße  der  Erde  liegen^). 

Wie  erwähnt,  ist  Westbosnien  wie  das  ganze  Bosna-Yilajet  ein 
bewaldetes  Alpenland,  and  nur  die  Gegend  um  Livno  eine  snmpfige 
Hochebene.  Die  Laft  ist  ranh,  die  Winter  dauern  lange  and  die  Tem- 
peratarverhältnisse  zeigen  sich  für  eine  schwächliche  Eörperconstitntion 
wenig  zaträglich.  Aus  diesen  Gründen  and  je  nach  der  Lage  der  ver- 
schiedenen Gegenden  herrschen  auch  verschiedene  Krankheiten.  Im  Hoch- 
gebirg  ist  der  Typhus  heimisch,  den  sich  die  Leute  in  Folge  von 
Verkühlungen  zuziehen,  da  sie  auch  im  Sommer  in  Zimmern  schlafen, 
wo  Tag  und  Nacht  Feuer  brennt.  In  Sumpfgegenden,  wie  z.  B.  Livno 
herrschen  intermittierende  Fieber,  im  Frühjahr  und  Herbst  am  meisten, 
die  bei  manchen  Individuen  sechs  Monate  andauern.  Der  Typhus  dieser 
Gegenden  hat  selten  jenen  intensiven  Character  wie  sonst  wo.  £r 
kehrt  jedoch   mit   kurzen   Intervallen   wieder,  ohne   tötlich   zu  enden. 

Die  Fieber  stammen  meistens  von  der  Gewohnheit  her,  im  Sommer 
bei  offenem  Fenster  oder  in  der  freien  Luft  zu  schlafen;  dann  auch 
vom  Genuss  angesunder  Speisen.  Per  Landmann  genießt  vom  Mai  bis 
September  sauere  Milch,  Polenta  und  schlechtes  G^rstenbrod,  Feldgras 
mit  Gerstenmehl  vermischt,  halb  roh  und  ungesalzen.  Von  Sanitätsvor- 
schriften, Aerzten,  Apothekern,  Spitälern,  Medicamenten  u.  dergl.  ist 
nicht  einmal  die  Rede.  Türken  und  Christen  huldigen  dem  Fatalismus. 
Selbe  sagen:  „Der  uns  von  der  Vorsehung  zum  Sterben  bestimmte  Tag 
ist  unausweichlich,  und  kein  Arzt,  keine  Medicin  kann  Abhilfe  schaffen." 
Es  finden  sich  aber  einige  ziemlich  geschickte  Wundärzte,  die  Salben 
aus  den  verschiedenen  Gräsern  selbst  bereiten. 

Eine  der  gefährlichsten  Krankheiten  sind  die  Blatte  rn.  Da  sie- 
ansteckend sind,  und  hier  die  Gewohnheit  herrscht,  dass  in  einem 
Zimmer  von  wenigen  Quadratklaftem  manchmal  zehn  Personen 
schlafen,  so  ist  es  kein  Wunder,  wenn  die  Blattern  rapid  um  sich 
greifen,  und  in  Orten  wie  Kupres,  Skoplja,  Jaice,  wo  das  Impfen 
unbekannt  ist,  in  der  Regel  tötlich  werden.  Seit  18Ö5  kam  hier  die 
Cholera  nicht  vor.  Während  in  den  Jahren  1864 — 65  diese  Krankheit 
in  Bosna-Vilajet  grassierte,  blieb   Westbosnien   beinahe   ganz   verschont. 

Man  muß  sagen,  dass  die  günstigen  Gesundheitsverhältnisse  der 
Bergluft  und  dem  starken  (Eisen)  Wasser  zuzuschreiben  sind.  Wenn 
man  die  Art  der  Häuserbauten,  die  Qualität  und  Quantität  der  ge- 
nossenen Speisen  (mitunter  auch  Fleisch  von  an  Pestseuchen  und  anderen 


*)  Im  nächsten  Hefte  unserer  Mittheilungen  werden  wir  die  Ansicht 
e  ines  Montanbeamten  über  diesen  Gegenstand  geben. 

A.  d.  Redaci. 


173 

Krankheiten  omgestandenen  Hom-  und  Schafvieh),  die  Sitte,  die  Toten 
in  der  Mitte  der  Stadt  zn  begaben  and  bloß  mit  ein  wenig  Erde  zu- 
zudecken and  ähnliches  in  Betracht  zieht,  so  muß  man  sich  eigent- 
lich wandern,  dass  es  mit  dem  Gesundheitszustand  noch  so  gut  steht 
Totes  Vieh  aller  Art,  menschliche  und  thierische  Excremente,  alle 
möglichen  Abfälle,  jahrelang  liegen  gebliebener  Mist  u.  dergl.  bedecken 
die  Straßen,  ohne  dass  es  jemandem  einfiele,  Sorge  für  die  öffentliche 
Reinlichkeit  zu  tragen.  Hunde  und  Krähen  in  großer  Zahl  versehen  den 
Dienst  der  Reinigungsorgane. 

In  den  Jahren  1864 — 65  wurde  der  ganze  Bezirk  von  einer  hef- 
tigen Viehseuche  heimgesucht,  die  der  Bevölkerung  einen  heute  noch 
nicht  verschmerzten  Schaden  beibrachte.  Statt  bei  dalmatinischen  Thier- 
ärzten  Abhilfe  zu  suchen  oder  sanitäre  Maßregeln  zu  treffen,  suchten 
die  hiesigen  Einwohner  die  Seuche  bis  auf  den  letzten  Augenblick  zu 
verheimlichen,  bis  sie  furchtbar  zum  Ausbruch  kam.  Als  sie  endlich  er- 
loschen war,  blieb  bei  den  Schafen  eine  Art  Homkrankheit  vor,  indem 
sich  Würmer  in  den  Hörnern  einnisten  und  das  erkrankte  Thier  in  der 
Regel  umsteht.  Bei  der  schlechten  Wartung  der  Thiere  ist  alles  das 
nicht  verwunderlich. 

In  der  Sommerzeit  treibt  man  das  Vieh  ins  Hochgebirge,  wo  es  — 
manchmal  tagelang  kein  Wasser  bekonunt  Im  Winter  wird  es  in  nie- 
deren, dunklen,  ungelflfteten  Stallungen  gehalten,  Sumpfheu  und  trockenes 
Stroh  dient  ihm  zur  Nahrung.  Der  Bosniake  ist  zu  faul,  um  das  Thier 
regelmäßig  abzufüttern,  darum  geht  auch  eine  große  Anzahl  in  den 
Wintermonaten  zu  Grunde. 

Die  Vermittlung  der  hiesigen  Handelsbewegung  im  Großen  ge- 
schieht durch  ,die  österreichischen  Handelsplätze  Wien,  Triest  und 
Spalato.  Durch  den  Transitohandel  über  Dalmatien  nach  Bosnien  ist 
die  Linie  Triest-Spalato  far  den  westlichen  Theil  des  Bosna-Vilajets 
schon  jetzt  die  frequenteste.  Die  Linie  Metkovid-Mostar  würde  zwar 
geographisch  nach  Central-Bosnien  eine  kürzere  Strecke  aufweisen,  je- 
doch machen  Terrain-  und  sonstige  materieUe  Hindemisse  sie  wenig 
pracdcabel. 

Die  vorzüglichsten  Gegenstände  der  Ausfuhr  aus  Westbosnien 
sind  Vieh  und  Cerealien.  Diese  Ausfuhr-Gegenstände  werden  in  der 
Regel  auf  die  Marktplätze  Duvno,  Livno  und  Glamo<i  gebracht,  dort 
veräußert  und  über  die  Grenze  nach  dem  vieh-  und  komarmen  Dal- 
matien und  dem  Küstenlande  verführt.  Ein  geregelter  Handel  fand  bis 
jetzt  in  diesen  Artikehi  nicht  statt.. 

Jeder  Producent  bringt  gewöhnlich  seinen  Ueberschuss  kleinweise 
•B    die    Aosfohrs-Scalen,    wo    sich    erst  die  Speculation  derselben  be- 


174 

mächtigt.  Ein  für  Westbosnien  rentabler  Zweig  der  Obstcnltar  ist  die 
Dörrung  der  Zwetschke,  welche  sich  aber  bloß  anf  die  frucht- 
baren Bezirke  von  Skoplja  und  Rama  beschränkt.  Anstrengungen,  die 
die  türkische  Regierung  vor  5 — 6  Jahren  machte,  sie  auch  in  anderen 
Bezirken  einzuführen,  scheiterten  an  der  Indolenz  des  bosnischen  Land- 
manns. Die  Ausfahr  von  Producten  des  Waldes  geschieht  in  Folge  des 
Ausfuhrs-Verbotes  an  der  Grenze  bloß  im  Schleichwege.  Sonstige  Waid- 
producte  als  Theer,  Pech  etc.  werden  zum  Schiffsbau  nach  Spalato  verführt 

Die  Einfuhr  voii  Golonial-  und  Manufacturwaren  geschieht  von 
Wien  und  Triest,  —  Wein,  Oele,  Spirituosen,  Liqueure  aus  Dalmatien 
über  Spalato  nach  Livno  im  Transitowege,  wo  sodann  die  Spediemng 
in  das  Innere  Bosniens  vermittelt  wird. 

Kaffee  und  Zucker,  höchst  wichtige  Consum-Artikel  in  diesen 
Gegenden,  sind  eine  Art  Monopol  der  Regierung,  indem  Eaffeeschänker 
selbe  vom  diesfälligen  Pachtuntemehmer  beziehen  mfißen.  Nebst  diesen 
Artikeln  findet  Reis  den  beträchtlichsten  Absatz.  Der  christliche  Be- 
wohner consumiert  armutshalber  von  diesen  Artikeln  so  gut  wie 
gar  nichts. 

Es  ist  Thatsache,  dass  der  bosnische  Handelsmann  jede  in  das 
Gebiet  der  Cottonerien  einschlagende  Ware  als  englisches  Fabricat  aus- 
zugeben bemüht  ist.  Wol  kommen  hie  und  da  z.  B.  Baumwollgame, 
damascierte  Baumwollstoffe  als  englisches  Fabricat  vor,  aber  sie  nehmen 
kaum  den  sechsten  Theil  des  Einfuhrquantums  &in,  und  finden  auch 
wegen  der  hohen  Preise  mit  Ausnahme  des  Garns  wenig  Abnehmer,  daher 
dieser  Artikel  der  einzige  ist,  der  fast  ausschließlich  als  österreichisches 
Einfuhrs-Erzeugnis  betrachtet  werden  kann.  Das  eingeführte  Tuch 
ist  hauptsächlich  venetianisch,  in  zweiter  Linie  mährisches  Fabricat. 
Die  vorherrschenden  Gattungen  sind  die  mittelfeinen  und  ordinären 
u.  z.  dunkelblau,  blau,  krapproth,  dunkelgrün,  schwarz  und  taubengrau. 
Die  Seidenstoffe  sind  von  derselben  Qualität  mit  bunten  und  grellen 
Mustern.  Letztere  sind  venetianische,  mailändische  und  hie  und  da 
österreichische  Erzeugnisse.  Posamentier-Artikel  in  Gold,  Silber,  Seide 
und  Baumwolle,  als  Borten,  Schnüre,  Knöpfe  etc.  sind  österreichisches 
Fabricat,  und  je  billiger,  d.  i.  je  ordinärer,  desto  mehr  finden  selbe 
Absatz.  —  Juwelen  nach  europäischem  Geschmacke  finden  hier  keine 
Abnehmer.  —  Oesterreichisches  Fabricat  in  Teppichen  ist  ungeachtet 
schönen  Golorits  und  gefälliger  Muster  wegen  Dauerlosigkeit  nicht  ge- 
schätzt, jene  aus  Rumelien  mit  ihren  orientalischen  Dessins  werden 
vorgezogen.  —  Metallwaren,  u.  z.  rohe  in  Blei,  Zink,  Kupfer  und 
Weißblech  und  verarbeitete  in  Schlössern,  Hausgerätschaften  u.  dergl. 
finden  großen  Absatz. 


175 

unter  die  Consum-Artikel  ist  bei  dem  hier  gebränchlichen  endlosen 
Fasten  als  eines  der  sehr  zu  berücksichtigenden  auch  Oei  zu  zählen. 
Dieser  Artikel  wird  ansschliefilich  ans  Dalmatien  dnrch  Vermittler  be- 
zogen und  ebenso  Wein. 

Bier  zn  mäßigen  Preisen  wfirde  Absatz  finden;  aber  in  diesen 
Gegenden  ist  mit  diesem  Artikel  nicht  einmal  ein  Versuch  gemacht 
worden. 

Quincaülerie,  Glas,  Steingut,  Holz  und  Lederwaren  ünden  bei 
dem  gegenwärtigen  Grade  der  Bildung  der  hiesigen  Bevölkerung  nur' 
sehr  geringen,  Bücher  mit  Ausnahme  von  Handelsbüchem  gar  keinen, 
ordinäre  auf  Leinwand  oder  Holz  gespannte  Bilder  (Heiligenbilder) 
im  Hausiergeschäft  so  ziemlichen  Absatz.  Gesucht  werden  die  1 — l^^' 
hohen  Muttergottas-  und  sonstigen  heiligen  Bilder  für  den  griechisch- 
orientalischen Ritus  in  Silber  oder  in  versilberte  Rahmen  eingefasst,  die 
gegenwärtig  aus  Belgrad  bezogen  werden.  Ordinäre  Kunstblumen, 
Schmucksachen  mit  österreichischen  und  türkischen  Wappen  oder  Bild- 
nissen Ihrer  Majestäten,  mit  metalleneii  Münzstücken,  Glas-  und  Stahl- 
perlen als  Verzierung  würden  bei  den  bosnischen  Weibern  viel  Bei- 
fall finden.  Ebenso  Schwarzwälderuhren  mit  Schlagwerken  und  soge- 
nanntem Kukuk,  silberne,  massive,  ordinäre  Taschenuhren  mit  starken, 
ja  mehreren  Gehäusen,  silberne  und  vergoldete,  lange  und  kurze  Uhr- 
ketten, gewöhnliche,  jedoch  billige  Spielwerke,  messingene  and  plattierte 
einfache  und  doppelte  (Arm-)  Leuchter,  billige  Kalb-  und  lackierte 
Stiefletten,  Ueberschuhe  von  Leder  und  Filz,  gefütterte  Baumwollhand- 
schuhe, wollene  und  gestrickte  Baumwollstrümpfe  für  Männer  und  Frauen 
von  der  höchsten  Nunmier,  weiße  und  gefärbte  Hemden  und  Unterziehhosen 
der  ordinärsten  Gattung  für  Männer,  Packtaschen  für  Reisende  zu 
Pferd,  Bchafscheren,  steinsche  Sensen  und  Sicheln,  Schleifsteine  der 
besten   Qualität,    ordinäre   und  halbfeine    Petroleumlampen,    Petroleum 

m  

u.  dergL  wären  Artikel,  die  dem  hier  bestehenden  Gebrauche  und  Be- 
darfe  enteprechen  und  namhaften  Absatz  finden  würden.  Salz  und  Tabak 
ist  Monopolsgegenstand  der  Pforten-Regierung. 

Das  Hauptbeförderungsmittel  des  Handelsverkehrs  ist  in  ganz  Bos- 
nien das  SaumtlHer.  Dieser  Umstand  ist  sehr  erschwerend  für  den 
Handel,  da  die  Handelsleute  gezwungen  sind,  eigene  Gommissionäre  zu 
unterhalten,  welche  di^  gewöhnlich  in  großen  Fässern  oder  Kisten  von 
Wien  und  Triest  ankommenden  Waren  mit  nicht  geringen  Kosten  aus- 
uid  wieder  in  kleinere  für  den  Transport  zu  Pferde  geeignete  Colli 
umpacken  müßen.  Eine  Pferdelast  (Tovar)  ist  gewöhnlich  100  Oka 
—  252  Pfd.  Die  Transportspesen  sind  nicht  gleich,  sondern  variieren 
nach   der    Jahreszeit.    Im   Sommer   pflegt  man  8 — 10  para,  im  Winter 


176 

10 — 12  para  pr.  Oka  von  Livno  nach  Spalato  and  vice  versa  zn  zahlen. 
Eine  Aenderung  dieses  Uehelstandes  ist  nicht  so  geschwind  zu  hoffen, 
weil  die  hiesigen  Einwohner  viel  auf  ihre  alten  Gewohnheiten  halten 
und  sich  nicht  so  leicht  eines  bessern  belehren  lassen. 

Es  ist  eine  bekannte  Thatsache,  dass  zwar  der  Handel  in  den 
letzten  Jahren  mit  der  Zunahme  der  nummerischen  Zahl  der  BeYöl- 
kerung  sich  vermehrte,  jedoch  wenig  lucrativ  wurde.  Sehr  wenige 
Handelsleute  haben  Kenntnis  der  europftischen  Handelsverhältnisse  und 
der  österreichischen  Handelsplätze.  Einige  größere  Kaufleute  leiten  und 
vermitteln  entweder  selbst  oder  mittels  Commissionären  den  ganzen 
Handel  mit  österreichischen  Handelsplätzen.  Nur  diese  führen  eine 
leidliche  Correspondenz  und  Geschäftsbnchung,  während  die  den  Klein- 
verschleiß vermittelnden  Handelsleute  in  Abhängigkeit  von  jenen  stehen. 
Der  Hauptgrundsatz  der  hiesigen  kaufmännischen  Praxis  besteht  bei 
derlei  unter  dem  Patronate  der  wohlhabenden  Kaufleute  befindlichen 
kleinen  Handelsleuten  darin,  recht  viel  Credit  zu  bekommen,  zu  fallieren, 
und  mit  dem  auf  solche  Art  erworbenem  Gelde  Wucherspeculationen 
vorzunehmen. 

Das  vorzugsweise  cursierende  Geld  sind  die  k.  k.  Sovreigns, 
Randducaten  und  das  alte  Conventions-Silbergeld.  Das  gebräuchliche 
Längenmaß  ist  der  Arschin  =  2^^^  und  der  Pick  =  2,^^  W.  Fuß. 
Das  Gewichtsmaß  ist  die  Oka  =  2^\^  Pfd.,  nach  welchem  die  Ge- 
tränke  und  Gegenstände   aller   Art  verkauft    werden. 

Zur  Beschreibung  der  hiesigen  Handelsverhältnisse  ist  hinzuzu- 
fügen, dass  das  türkische  Regierungssystem  den  Handel  bis  jetzt 
gar  nicht  förderte ,  dass  die  Eisenbahnlinien  für  diese  Gegenden  nur 
im  Projecte  bestehen,  Straßen  und  Wege  kaum  seit  4 — 5  Jahren 
im  Baue  und  die  Brücken  in  kaum  benutzbarem  Zustande,  dass  die 
Telegraphenlinie  von  Serajevo  nicht  mit  der  österreichischen  ver- 
bunden ist,  sondern  für  Westbosnien  in  Livno  ihren  Endpunct  findet. 
Andererseits  aber  muß  man  auch  einräumen,  dass  der  österreichische 
Handelsstand  (und  es  wird  aus  Erfahrung  gesprochen),  erst  in  den 
letzten  Jahren  und  zwar  noch  viel  zu  wenig  diese  Länder  in  Be- 
tracht zu  ziehen  beginnt.  Es  wäre  für  denselben  von  der  größ- 
ten Wichtigkeit,  sich  an  den  großen  Jahresmärkten  wenigstens  probe- 
weise zu  betheiligen,  die  Sitten,  Gebräuche  und  Bedürfoisse  der  bos- 
nischen Bevölkerung  zu  studieren.  Dadurch  würde  für'  die  Handels- 
beziehungen das  beste  gethan,  um  den  österreichischen  Industrie-Erzeug- 
nissen den  ihnen  schon  aus  der  Natur  der  geographischen  Lage 
Westbosniens   gebührenden   Absatz   zu   verschaffen. 


177 


Geographische  Literatur. 

Protocoll  der  permanenten  Gommission  fflr  euro- 
päische   Gradmessung   vom  23.  bis  29.  September  1869  in 

Florenz.    (Als  MS.  gedruckt.) 

In  den  sechs  Sitzungen  der  europäischen  Gradmessungs-Gommission  vom 
Jahre  1869,  welchen  Hr.  ^n.-Maj.  von  Fligely  präsidierte,  wurde  von  Herrn 
Bruhns  ftber  die  Thätigkeit  der  permanenten  Gommission  seit  den  letzten 
nicht  beschlussföhigen  Sitzungen  (October  1868)  referiert.  Herr  Gen.  Baeyer 
besprach  die  Organisation  des  zu  gründenden  geodätischen  Instituts  in 
Preußen,  wozu  23.480  Thlr.  einmalig  bewilligt  wurden,  welches  für  die  Dauef 
der  europäischen  Gradmessung .  vom  Präsidenten  des  internationalen  Gentral- 
bureau's  geleitet,  später  die  Fortbildung  der  höheren  Geodäsie,  Astronomie 
and  der  mathematisch-physikalischen  Wissenschaften  in  Preußen  vermitteln 
soll.  GM.  von  Fligely  legt  die  Dreiecksverbindung  zwi>chen  Dalmatien  uUd 
Italien  vor;  Schiavoni  theilt  die  Hesultate  seines  Vergleichs  der  italienische^ 
and  preußischen  Toise  mit.  Es  wird  beschlossen,  südlich  von  52^  NB.  unter 
Mitwirkung  der  süddeutschen  Staaten  eine  zusammenhängende  Haupt<^ 
triangulation  herzustellen,  und  auch  die  dazu  bewilligten  Geldmittel  (pro  prae^ 
terito  et  futuro)  kundzugeben.  An  den  Staatssecretär  Gardinal  AntonelH 
wurde  ein  Schreiben  gerichtet,  um  die  Einbeziehung  des  Kirchenstaats  in  das 
enropäiBche  Gradnetz  zu  erwirken.  E.  de  Yecchi  gab  eine  üebersicht  über 
die  Triangnlierungsarbeiten  in  Italien,  Ibanez  über  jene  in  Spanien,  welche 
den  Beschluss  veranlasste  die  französische  Regierung  um  Verbindung  der  alr 
gierischen  Dreiecke  mit  der  spanischen  Gradmessung  anzugehen.  Nach  dem 
Berichte  des  Herrn  Bruhns  sind  die  Arbeiten  in  Sachsen  bestens  vorgeschrit- 
ten, und  nach  Angabe  des  Hrn.  Hirsch  ist  man  in  der  Schweiz  mit  der  Berechnung 
des  Netzes  beschäftiget,  bei  welcher  Gelegenheit  auf  die  guten  Dienste  der 
Rechenmaschine  von  Thomas  (Preis  500  Franken)  hingewiesen  wird.  Herr 
Govi  schlägt  einen  neuen  Pendelapparat  vor,  der  zur  Erprobung  empfohlen 
wird.  Auch  das  neue  Messrad  von  Steinheil  wird  bei  Nachmessung  einer 
Basis  zur  Anwendung  für  erwünscht  erklärt.  Ein  Brief  des  berühmten  Mathe- 
matikers Gauß  über  Reduction  einer  gemessenen  Polhöhe  auf  den  Meeres- 
horizont wird  ins  Protocoll  aufgenommen.  Zur  Herstellung  eines  Meterproto- 
tjpB  wird  die  Greierung  einer  internationalen  Gommission  angeregt.  Zum  Orte 
der  nächsten  Versammlung  wird  Wien  bestimmt.  —  s  -- 


LeJirbuch  der  Erdbeschreibung  in  natürlicher  Verbindimg 
mit  Weltgeschichte,  Naturgeschichte  und  Technologie,  fflr  den  Schul-  and 
Privatgebrauch  von  A.  Zachariae.  Achte  durchgängig  umgearbeitete 
imd  sehr  vermehrte  Auflage,  herausgegeben  von  Louis  Thomas,  Leh- 
rer an  der  5.  Bürgerschule  zu  Leipzig.  I.  Theil.  Leipzig  bei  Ernst 
Fleischer  1868. 

Zachariae's  Lehrbuch  der  Erdbeschreibung  war  seinerzeit  der  erste 
Versuch,  die  der  Erdkunde  verwandten  Fächer  in  den  erdkundlichen  Unter- 
richt mit  einzubeziehen.  Es  fand  begreifdch  Anklang,  und  die  nachfolgenden 
Auflagen  des  Buches,  von  der  zweiten  bis  zur  sechsten,  von  Dr.  van  der 
Smissen  besorgt,  bemühten  sich  dem  oben  angedeuteten  Zwecke  durch  eine 
immer  concisere  Fassung  des  Lehrstoffes  gerecht  zu  werden  Der  gegenwärtige 
Bearbeiter  Louis  Thomas  in  Leipzig  hat  dem  Buch,  das  früher  insbesondere 
für  die  weibliche  Jugend  bestimmt  war,  einen  mehr  allgemeinen  Gharacter  ge- 

geben,  den  Lehrstoff  vielfach  erweitert,  den  mittlerweile  veränderten  Ver- 
ähniBsen  angepasst  und  überhaupt  dasselbe  eiiier  durchgängigen  gründlichen 
Revision  unterzogen,  die,  wie  wir  nicht  anstehen  zu  bemerken,  durchwegs  zum 
Vortheii  des  in  den  Schulen  vielverwendeten  Leit&dens   ausfiel.    Dem  vorlie- 

OMgnphiscb«  Mitili«UxingeD.  1870.4.  X2 


178 

genden  ersten  Theil,  der  die  Geographie  in  der  oben  beaeichneten  Verbindung 
enth&lt.  wird  in  kurzem  ein  zweiter  mit  Schilderungen  aus  der  Länder- 
und  Völkerkunde  folgen.  B. 


Notizen. 

LiTingstone.  Wir  stellen  unsern  Lesern  in  nachfolgendem  alles  zu- 
sammen, was  in  den  letzten  vier  Wochen  über  Livingstonein  den  öffentlichen 
Blättern  zu  lesen  war.  Ueber  das  Schicksal  des  berühmten  Reisenden  fehlt  es 
noch  immer  an  sichern  Nachrichten.  Das  Gerücht  über  seinen  Tod,  welches  in 
der  jtlngsten  Zeit  verbreitet  war,  beruhte  auf  einer  Nachricht  des  indischen 
Amtes,  die  ihm  aus  Bombay  war  telegraphiert  worden.  Dort  war  sie  mit  dem 
Zusatz  eingetroffen,  dasa  Livingstone  vergiftet  worden  sei.  Eine  Vergleichung 
des  Datums  mit  dem  eines  letzten  Schreibens  zeigte  jedoch  bald,  dass  die  An- 
l^be  auf  einem  Misverständnis  beruhe.  Neue  Briefe  von  seiner  Hand  wären 
jetzt  doppelt  erwünscht;  denn  wenn  er  seinem  Eeiseplan  treu  blieb,  führte  ihn 
sein  Weg  durch  Stämme  arabischer  Sciavenhändler,  denen  weiße  Reisende  von 
Livingstone's  Character  niemals  willkommene  Erscheinungen  sind  und  von 
denen  man  sich  des  Schlimmsten  versehen  kann. 

Dagegen  veröffentlichen  die  Cap-Zeitungen  Briefe  von  Living- 
stone an  Hm.  Gh.  Maclear.  Der  letzte  derselben  ist  datiert  aus  Cazembe 
8.  Juli  (1869?).  Femer  einen  Brief  von  Dr.  Kirk  dd.  7.  September  1869  mit 
der  Meldung,  dass  Livingstone  die  Nilquellen  in  den  Seen  bei  Cazembe 
gefunden  habe,  wie  sie  von  den  Portugiesen  Cacerda  und  Monteiro  be- 
schrieben^ worden  seien.  Doch  sei  dieser  letzte  Brief  sehr  unvollständig  und 
gebe  keine  Einzelheiten. 

Die  ^Times^  veröffentlicht  unterm  2.  Februar  den  folgenden  Brief  von 
Capitän  Ernest  Cochrane,  Commandeur  des  englischen  Kriegsschiffes  ^Peterel^ 
an  der  westafricanischen  Küste,  an  dessen  Schwiegervater: 

„9.  Jänner  1870.  Mein  werter  Herr!  Wenige  Zeilen,  um  Ihnen  mit- 
zutheilen,  dass  Livingstone  90  Tagreisen  vom  Kongo  von  den  Eingebornen 
getötet  und  verbrannt  worden  ist.  Er  kam  durch  eine  von  Eingebornen  be- 
wohnte Stadt  und  war  drei  Tage  auf  der  Weiterreise,  als  der  König  der  Stadt 
starb.  Die  Eingebomen  erklärten,  Livingstone  habe  ihn  bezaubert,  schick- 
ten ihm  nach  und  sagten  ihm,  er  habe  ihren  König  bezaubert  und  müße  sterben. 
Dann  töteten  und  verbrannten  sie  ihn.  Diese  Nachricht  kommt  durch  einen 
portugiesischen  Handelsmann,  welcher  diesen  Weg  gereist  war.  Livingstone 
war  an  den  Seen  bei  der  Quelle  des  Kongo  und  befand  sich  auf  dem  Wege 
nach  dem  Kongo,  wo  er  herauszukommen  gedachte.  Ich  glaube  diese  Nachricht 
ist  wahr.* 

Die  ^Times*  vom  3.  Febr.  enthält  nicht  weniger  als  drei  Zuschriften  über  den 
Brief  des  Gapitans  Cochrane.  Dass  dieser  die  Nachricht  so  übermittelt  hat,  wie 
er  sie  von  dem  portugiesischen  Handeismanne  bekommen,  bezweifelt  niemand, 
wol  aber  werden  die  Aeußerungen  des  letzteren  als  höchst  unwahrscheinlich, 
wenn  nicht  geradezu  unmöglich  hingestellt.  Zunächst  vergleicht  Sir  Roderick 
Murchison,  der  Präsident  der  geographischen  Gesellschaft  in  London,  die 
neue  Nachricht  mit  den  letzten  Daten,  welche  über  den  Aufenthalt  Living- 
stone's in  unserem  Besitze  sind.  Das  Argument  lautet  folgendermaßen:  Am 
dO.  Mai  1869  schrieb  Livingstone  von  Udschidschi  nach  Zanzibar  und  bat 
um  Zusendung  von  Bootsleuten  und  Waren,  um  nach  dem  Norden  des  Seea 
Tanganyika  zu  gehen.  Die  Yorräthe  giengen  frühestens  in  der  ersten  Woche 
des  October  ab,  konnten  den  Reisenden  daher  nicht  vor  Mitte  December  er- 
reichen. Wie  konnte  da  Livingstone   die  Expedition  nach  dem  Norden  des 


179 

See«  Tanfanyika  organisiert,  diesen  erreicht  und  am  ihn  herum  die  noch  an* 
bekannten  Seen  an  der  Quelle  des  Kongo  aufgefunden  haben?  Und  selbst, 
w&re  er  unbe^iüicher  Weise  allein^  ohne  Begleiter  und  Yorräthe  abffereist, 
er  b&tte  um  die  Zeit,  wo  sein  Tod  stattsefunden  haben  soll,  die  Qaelle  des 
Kongo  nicht  erreichen  können,  da  der  Tod  mindestens  90  Tage  vor  Eintreffen 
der  Nachricht  an  der  Küste  hätte  stattfinden  mttßen.  Im  übrigen  an  und 
ftr  sich  ganz  unmöglich  h&lt  Sir  B  od  er  ick  die  Sache  doch  nicht  und  er  yer- 
weist  auf  eine  von  ihm  der  geographischen  Gesellschi^t  früher  mitgetheilte 
Yennuthong,  der  zufolge  die  Rückkehr  Livings tone's,  falls  seine  versuche, 
den  Tanganyika  mit  dem  Nil  zu  verbinden,  scheiterten,  dem  Kongo  entlang 
nach  der  Westküste  möglicher  Weise  zu  erwarten  wäre. 

Eine  auf  das  gleiche  Eesultat  hinauslaufende  Zeitberechnung  stellt  ein 
anderes  namhaftes  Mitglied  der  geographischen  Gesellschaft,  Mr.  Horace  Wal- 
ler an,  weist  dann  auf  die  früheren  portugiesischen  Märchen  über  Living- 
stone's  Tod,  welche  nach  den  englischen  Kriegsschiffen  an  der  ostafricanischen 
Kflste  gebracht  wurden,  hin  und  gibt  einem  ganz  entschiedenen  Zweifel  an  der 
Richtigkeit  dieser  neuen  Kunde  Ausdruck. 

Die  mit  Africa  in  Beziehung  stehende  Firma  Grant,  Brodle  und 
Comp,  schließlich  erklärt,  dass  die  nämliche  Geschichte  ihnen  schon  vor  meh- 
reren Wochen  durch  ihre  Correspondenten  in  St.  Paul  de  Loanda  gemeldet 
worden  sei,  und  dass  sie  bei  den  vorhandenen  Nachrichten  über  Livingstone, 
die  zuverl&BUg  bis  zum  Mai  und  wahrscheinlich  sogar  bis  Juli  1869  führen, 
keinerlei  Grund  zur  Besorgnis  biete. 

Der  Bericht  des  Correspondenten  von  Grant,  Brodie  und  Comp, 
ist  interessant  genug,  um  ganz  wiedergegeben  zu  werden.  „Nach  einer 
langwierigen  Reise^,  schreibt  der  Portugiese,  ^überschritt  ich  den  Kongo, 
nahe  bei  der  Stadt  des  Häuptlings  Katende,  über  eine  Baumbrücke, 
und  drei  Tage  später  wandte  ich  mich  südsüdöstlich,  bis  ich  die  Stadt  des 
Häaptlings  Manguangua  in  12tägiger  Wanderung  vom  Kongo  und  in  95- 
tägiger  von  Malange  in  Angola  erreichte.  Zwei  Monate  nach  meiner  Ankunft 
—  am  15.  Juni  1868  —  wurde  mir  bekannt,  dass  in  der  Stadt  des  Häuptlings 
Chinde  (Schinte?)  auf  der  anderen  Seite  des  Zambesi  eine  groüe  Gesandt- 
schaft vom  Muati-Cazembe  angekommen  sei,  die  mit  Tribut  auf  dem  Wege 
zum  Muati-Janvo  war.  Aus  Neugierde  entbot  ich  den  Gesandten  zu  mir,  und 
er  kun  mit  seinem  ganzen  Gefolge,  etwa  500  Mann.  Als  ich  mit  ihm  über  die 
Wege  nach  Mozambique  sprach,  fiel  es  mir  ein,  mich  nach  Dr.  Livingstone 
zn  erkundigen.  Er  erwiederte ,  es  sei  nicht  recht,  über  einen  solchen  „Fetish- 
mann'^  zu  reden.  Ich  stellte  mich  beängstigt  über  diese  Antwort  und  ließ 
mehrere  Tage  vergehen,  bevor  ich  wieder  denselben  Gegenstand  berührte.  Da 
wir  von  Tag  zu  Tag  auf  freundschaftlicheren  Fuß  mit  einander  traten,  so  lud 
ich  ihn  eines  Abends  in  mein  Zelt  ein,  wo  ich  zwei  Krüge  CacoUo  —  ein  aus 
Honig  bereitetes  Getränk  —  für  ihn  fertig  stehen  hatte,  und  nachdem  der 
Diener  entfernt  worden,  erzählte  er  mit  vieler  Geheimthuerei  folgende  Ge- 
schichte. Der  Calunga,  d.  i.  Livingstone,  war  ein  großer  Fetishmann  (Zau- 
berer) gewesen,  der  jeden  Tag  mit  der  Sonne  sprach,  nie  in  einem  Hause 
schlief,  die  wilden  Raubthiere  nicht  fürchtete,  stets ,  ein  Thier  in  einer  Schach- 
tel bei  sich  führte,  welches  nichts  aß  und  mit  dem  er  immer  sprach»  um  den 
Weg  von  ihm  zu  erforschen,  indem  er  sich  nie  bei  einem  Menschen  darüber  er- 
kundigte. Zuweilen  nahm  er  Papiere  vor  sich  und  redete  laut  mit  ihnen; 
über  Flüsse  setzte  er,  ohne  ein  Boot  zu  gebrauchen .  und  verrichtete  manche 
ändere  Wunder.  Bei  seiner  Rückkehr  aus  Loanda  stand  er  schon  in  dem 
Rufe  eines  Hexenmeisters  und  niemand  begegnete  ihm  gern.  Einige  Tage 
nachdem  er  vorbeigewandert,  starb  der  Sohn  eines  Häuptlings,  etwa  20  Tage- 
reisen von  dem  Orte  dieser  Unterhaltung  entfernt.  Im  Glauben,  dass  Living- 
stone seinen  Sohn  behext  habe,  verfolgte  der  Häuptling  ihn,  holte  ihn  aber 
nicht  ein.  Als  er  nach  einiger  Zeit  vernahm,  dass  Livingstone  sich  wieder 
seinem  Gebiete  nähere,  schickte  er  Leute  zu  ihm  aus  und  gab  ihm  Muan^e  zu 
trinken,  womit  die  Zauberer  geprüft  werden ,  und  sobald  sich  die  töthchen 
Wirkungen  zu  zeigen  begannen,  viertheilten  sie  ihn  und  verbrannten  seinen 
Leichnam.    Dies  ist    die  Nachricht,    welche  Fumo  Aicaca,    Gesandter  des 

12* 


18Ö 

H&aptlings  yon  Cazembe,  mir  mittheilte,  als  ich  mit  ihm  susammen  war  am 
Ufer  des  Zambeza,  vom  15.  bis  zum  26.  Juni  1868.^  Es  unterliegt  wol  keinem 
Zweifel,  dass  diese  Erz&hlung  dieselbe  ist,  welche  sp&ter  zum  Capit&n  Goch- 
rane  gelangte,  und  da  Livingstone,  wie  wir  aus  seinen  eigenen  Briefen 
wissen,  im  Juli  1868  in  Gazembe's  Stadt  und  im  Mai  1869  in  Udschidschi  war 
—  oder  wenn  die  arabischen  Anniben  richtig  sind,  noch  im  Juli  1869  — ,  so 
darf  man  die  gestrige  schlimme  Nachricht  auf  dieselbe  Stufe  stellen  mit  der 
bekannten  Eidichtung  der  vor  Livingstone  entlaufenen  Johanna-Leute. 
Wie  viel  von  jener  Geschichte  dem  Portu^pesen  und  wie  viel  seinen  schwai^ 
zen  Oew&hrsm&nnem  zuzuschreiben  ist,  bleibt  dabei  ziemlich  gleichgültig.  Wir 
bemerken  dazu  nur,  dass  die  in  der  Erzählung  vorkommenden  (htsangaben 
nach  den  besten  vorliegenden  Karten  einander  sehr  widersprechen,  wenn  man 
nicht  annimmt,  dass  Katende  irrthümUch  an  die  Stelle  von  Manguangua  und 
umgekehrt  gesetzt  worden  sei.  Livingstone  wird  in  jenen  Gegenden  aller- 
dings noch  bekannt  sein,  da  er  sie  vor  vierzehn  Jahren  durchwandert  hat. 

(K.  Z.) 

Mmizlnger.    lieber  die   letzten  Schicksale  Hunzingers,    und  insbe- 
sondere den  Mordanfall,   der  ihn  auf  ein  langes  Krankenlager  ges(a-eckt  hat, 
finden  sich  eingehendere  Nachrichten,   als  die  bisher  bekannt  gewordenen,  in 
mehreren  Briefen  des  Gonsularagenten  Hassen  in  Massaua  an  den  Missionär 
Staiger  in  Alexandria,    aus  welchen   die  Karlsruher  ^Warte^  folgendes  mit- 
heilt: minder  abessinischen Provinz Bogos  unterstQtzte  Munzinger,  wie  alle 
Givilisationsbestrebungen ,   so  auch  die  dortige  katholische  Mission  der  Lazari- 
sten  mit  größter  Aufopferung.    Er  selbst  baute  sich  zu  Keren,  dem  Hauptorte 
des  Bezirks,   ein  Wohnhaus,    und  ließ  zum  aufinunternden  Beispiel   für  die 
Eingebornen  allenthalben  Gulturarbeiten    vornehmen.    £Ir  erwarb  sich  dadurch 
die  Freundschaft  des  abessiniBclieu  Fürsten  Welda  Mikael,  der  ihn  zu  sich 
entlud,  um  ihm  Keren  als  eigen  zu  geben    und   zuffleich  die  Statthalterschaft 
über  Bogos  zu  verleihen.    In  seiner  bescheidenen  Weise  machte  Munzinger 
wenig  Aufsehen  damit,    gieng  sofort  an  die  Organisation  der  nöthigsten  Yer- 
waltungseinrichtungen  daselbst,  und  trat  am  28.  September  1869  die  Rückreise 
auf  seinen  Gonsulatsposten  nach  Massaua  an.    Etwa  drei  Stunden  von  Keren 
traf  ihn  ein  Ueberfall  von  Eingebomen,  vier  Kugeln  verwundeten  ihn  schwer 
am  rechten  Arm,   der  rechten  Schulter,   in  der  rechten  Brust  und  durch  das 
Gesäß.    Trotzdem  besaß  der  Yarwundete  noch  die  Kraft  und  die  Energie,   zu 
Pferde  in  das  Keren  zunächst  gelegene  Dorf  zurückzukehren,  wo  er  übernach- 
tete.  Am  andern  Morgen  kamen  Leute  aus  Keren  in  großer  2iahl,  welche  das 
Mitleid  herbeigeführt  hatte,  und  welche  den  schwer  Leidenden  mit  ungemeiner 
Sorg&lt   sozusagen   auf  den  Händen    wieder   mit    sich  heimtrugen.    Als   am 
8.  October  die  Nachricht  hiervon  in  Massaua  eintraf,  schickte  der  dortige  Gou- 
verneur sogleich  den  Dr.  Ali  Efendi  nach  Keren.  Glücklicherweise  gelang  es 
der   Geschicklichkeit  dieses  Arztes  alle  vier  Kugeln  nach  und  nach  herauszuzie- 
hen,   so  dass  für  das  Leben  Hunzingers   bald  keine  Gefahr  mehr  obwalte. 
Wenigstens  stellte  Dr.  Ali  Efendi,  seit  dem  7.  November  zurückgekehrt,  in 
bestimmte  Aussicht,  dass  Munzinger  Ende  Decembers  im  Bette  liegend  nach 
Massaua  transportiert  werden  könne,   wenn  es  auch  noch  längere  Zeit  dauern 
werde   bis  er  wieder  zu  gehen  oder  zu  reiten  im  Stande  sei.    Dem  Attentat 
liegt  ein  Gomplott   von  Leuten   zu  Grunde,   welche   sich    durch  Verleihung 
Kerens  an  Munzinger  in  ihren  vermeintlichen  Rechten   auf  die  Alleinherr- 
schaft über  Bogos  gekränkt  glauben.    Der  sicherste  Verdacht  ruht  auf  einem 
gedungenen  Mörder,  welcher  seit  der  That  in  die  Wildnis  floh,   und  deshalb 
schwer   erreichbjir   sein    wird.^    Als    mutmaßlicher   Anstifter  des  meuchleri- 
schen Ueberfalles  gilt  der  abessinische  jesuitische  Priester  Abu  Emnetu.    Der- 
selbe ist  auf  Befehl   des  Königs  Kossa   von  Tigre   in  Eisen  geschmiedet   und 
durch  eine  Escorte  von  400  Soldaten  zum  Verhör  von  Keren  nach   Adoa  ge- 
bracht worden.    Dieselben  Vorgänge  berührt   der   Brief  eines    Badeners    aus. 
Alexandria  unter  Ausdrücken  der  Hochachtung  und  Theilnahme  für  Hunzin- 
ger, welcher  es  gewesen,  durch  dessen  Fürsorge  den  in  König  Theodoroe'  6e- 
mngenschaft  gehaltenen  deutschen  Hissionären  trotz  der  größten  Schwierigkei- 
ten Briefe,  Geld  und  andere  Bedürfnisse  in  die  Hände  kamen.    Wenn  Mnn- 


181 

Binger  sich  der  völligen  Wiederherstellung  erfreuen  wird,  so  ist  andererseits 
auch  alle  Aussicht  yoraanden,  dass  die  englische  Regierung,  ihren  unbewussten 
Undank  gutmachend,  seine  &ußeren  Lebensumstände  durch  ein  hinreichend 
eintrftgUches  Amt  verbessern  wird. 

BevVlkeniiig  von  London.  Laut  amtlicher  Schätzung  wird  die  Bevölkerung 
Londons  in  der  Mitte  des  Jahres  1870  3,210.000  Seelen  betragen  (Mit  Einschluss 
der  Yorstadte,  von  Hampstead  bis  Streatham,  von  Woolwich  bis  Hammershmith). 
Fär  den  gleichen  Zeitpunct  wird  geschätzt  (in  runden  Zahlen):  Liverpool 
öiaOOO,  l&nchester  375.000,  Birmingham  370.000.  Leeds  260.000,  Shemeld 
247.000,  Bristol  171.000,  Bradford  143.000,  Newcastle  upon  Tyne  133.000,  HuU 
13L0OO,  Salford  und  Portsmouth  je  122.000,  Leicester  97.000,  Sunderland 
94.000,  Nottingham  89.000,  Norwich  81.000,  Wolverhampton  73.000.  Summe 
dieser  16  Städte,  ohne  London,  3,026.000;  mit  London  6,241.000,  d.  h.  etwa 
30  ihrocent  der  GesammtbevOlkerung  Englands !  — Ferner  Edinburg  mit  179.000, 
Glasgow  mit  468.(XX),  zusammen  647.0(X),  also  etwa  20  Procent  von  Schottlands 
(resammtbeirölkerung.  Endlich  Dublin  mit  322.000  (Irland  im  ganzen  5,800.000 
Einwohner).  —  London  und  alle  diese  19  Städte  zusammen  zählen  7,210.000 
Einwohner,  d.  h.  ungefähr  25  Procent  der  Gesammtbevölkerung  von  Großbri- 
tannien und  Irland  —  gewiss  ein  sehr  bedeutsames  Verhältnis.       (A.  A.  Z.) 

Die  Ermordung  des  Frl.  Tlnne.  Heinrich  Frhr.  v.  Maltzan  gibt 
nach  einem  Briefe  vom  österreichischen  Gonsul  Lnigi  Rossi  in  Tripolis 
Attfschlflsse  Aber  die  Ermordung  Frl.  Tinne's.  Aus  dem  Berichte  Rossi's 
geht  hervor,  das  Frl.  Tinne  das  Opfer  einer  Stammeszwistigkeit  derTuareggs 

Seworilen  ist.  Sie  hatte  sich  schon  gleich  bei  ihrer  Ankunft  in  Mursuk  um 
en  Schutz  des  mächtigsten  Häuptlings  der  Tuareggs  in  der  Gegend  von  Ghat 
bew<»rben  und  von  diesem  eine  Escorte  verlangt,  um  sich  zum  Lagerplatz  sei- 
nes Stammes  zu  begeben,  wo  sie  den  Sommer  zuzubringen  gedachte.  Ichnu- 
chen,  so  hieß  dieser  Häuptling,  sagte  ihr  den  Schutz  zu  und  sandte  die  ver- 
langte Escorte  ab.  Letztere  bestand  aber  leider  ans  Leuten,  welche  mit  Ich- 
nuchen  höchst  unzufrieden  waren,  und  zwar  in  Folge  eines  Friedensschlusses 
desselben  mit  einem  anderen  Tuaregg-Häuptlinge,  bei  welcher  Gelegenheit  ihre 
Interessen  von  Ichnuchen  nicht  genug  berücksichtigt  worden  waren.  Sie  wuss- 
ten  ihre'  feindliche  Gesinnung  gegen  ihr  Oberhaupt  oder  ihren  Yerbftndeten 
(denn  viele  Leute  der  Escorte  waren  nicht  Unterthanen  Ichnuchen's,  sondern 
gehörten  einem  verbündeten  Stamme  an)  zu  verbergen,  brüteten  aber  Rache 
und  f^laubten  diese  nicht  auf  eclatantere  Weise  nehmen  zu  können,  als  indem 
sie  die  Schutzbefohlene  Ichnuchen's  ermordeten.  Fräulein  Tinne  besaß  keine 
Ahnung  von  diesen  Stammeszwistigkeiten ,  wol  aber  hätte  der  türkische  Gou- 
verneur von  Mursuk  davon  unterrichtet  sein  und  die  Reisende  warnen  sollen, 
sich  in  ein  so  unruhiges  Gebiet  zu  begeben.  Frl.  Tinne  vertraute  sich  deshalb 
der  Bande,  welche  sie  für  eine  sichere  Escorte  hielt,  sorglos  an  und  reiste  in 
deren  Begleitung  nach  Schara,  drei  bis  vier  Tagreisen  von  Mursuk,  und  von 
da  nach  Birguig,  wo  sie  sich  bereits  außerhalb  des  türkischen  Gebietes  befand. 
Dort  fand  der  mörderische  Ueberfall  statt,  und  zwar  wurden  außer  Fräulein 
Tinne  noch  zwei  Holländer,  ein  früherer  Matrose  ihrer  jetzt  verkauften  Yacht 
und  ein  Knabe,  Sohn  eines  anderen  Matrosen,  die  einzigen  Europäer,  welche 
bei  ihr  geblieben  waren,  getötet.  Ihre  sämmtliche  fahrende  Habe,  worunter 
auch  eine  Eameel-Ladung  von  Maria-Theresienthalern  (der  gangbarsten  Münze 
im  Innern)  wurde  unter  die  Mörder  vertheilt. 

Nach  einem  Briefe  von  Hm.  Chapmann,  englischen  Vicecoosul  in  Ben- 
Ghasi  an  Rohlfs  hätten  die  Tuareggs,  welche  die  Escorte  Fräul.  Tinnefs  bil- 
deten, diese  deshalb  aus  dem  Wege  schaffen  wollen,  weil  sie  einem  Raubzuge 
hinderlich  war,  welchen  sie  gegen  den  Dschiraffi-Stamm  im  Süden  von  Mursuk 
beahaichtigten.  Der  Bruder  des  Chefs  der  Escorte  war  nämlich  vom  besagten 
Stamme  ermordet  worden,  und  um  seinen  Tod  zu  rächen,  machte  der  Ueberlebende 
den  Plan,  statt  mit  Frl.  Tinne  direct  an  Ichnuchen  nach  Ghat  zu  reisen,  erst 
einen  Abstecher  von  wenigstens  einer  Monatsreise  ge^en  Bilma  zu  unterneh- 
men,  um  den  Dschirafft-Stamm  durch   eine  vollständige  Razzia  zu  züchtigen 


\S2 

und  auf  diesem  Raubzuge  die  flim  auTertrante  Beizende  mitzniiehmeii.  Da  sie 
sich  dem  widersetzte,  sich  auf  Ichnnchen  berief  und  mit  dessen  Zorn  drohte, 
so  wurde  ihr  geantwortet,  dass  man  sich  nicht  um  Ichnuchen  ktünmere ,  viel* 
mehr  die  triftigsten  Gründe  zur  Unzufriedenheit  gegen  ihn  habe.  Der  Wunsch, 
sich  durch  die  Ermordung  der  Reisenden  an  Ichnuchen  zu  rächen,  scheint  bei 
dieser  Grelegenheit  zuerst  in  Anregung  gebracht  worden  zu  sein.  Aber  die 
TuareggS  hüteten  sich  wol,  ihr  schändliches  Vorhaben  zu  verrathen,  vielmehr 
behandelten  sie  die  Reisende  mit  aller  Aufmerksamkeit,  bis  sich  dieselbe  außer- 
halb des  türkischen  Gebietes,  belBirguig  <4  Tagereisen  südwestlich  Ton  Mursuk 
völlig  in  ihren  Händen  befand.  Am  nächsten  Morgen  nach  ihrer  Ankunft  in 
Birguig,  als  eben  die  Eameele  zur  Abreise  beladen  wurden,  führten  sie  ihren 
Moi^plan  aus.  Ein  Streit  war  unter  den  Eameeltreibern  ausgebrochen,  welchen 
zu  schlichten  die  beiden  Holländer  im  Dienste  Frl.  Tinne's  herbeieilten  und 
bei  dieser  Gelegenheit  in  der  Eile  vergaßen,  ihre  Waffen  mitzunehmen.  Fr&ul. 
Tinne  blieb  vor  ihrem  Zelte  stehen,  nur  von  den  Häuptlingen  der  Tuareggs 
umgeben.  Als  der  Streit  jedoch  hitziger  wurde,  wollte  sie  selbst  näher  treten 
und  bewegte  sich  nach  der  Richtung  der  Streitenden  hin.  Diesen  Augenblick 
benutzte  der  Tuaregg-Häuptling ,  der  hinter  ihr  stand,  dazu,  sie  mit  seinem 
breiten  Schwert  niederzuhauen.  Sie  stieß  einen  lauten  Schrei  aus  und  sank 
dann  entseelt  zu  Boden.  Auf  den  Schrei  ihrer  Herrin  stürzten  die  beiden 
Holländer  eiligst  den  Zelten  zu,  um  ihre  Waffen  zu  holen,  wurden  aber  nieder- 
gehauen, ehe  sie  dieselben  erfassen  konnten.  Nun  fielen  die  Mörder  über  die 
Beute  her.  Zuerst  sprengten  sie  die  metallenen  Wasserbehälter,  mit  denen 
viele  der  Kameele  beladen  waren,  in  der  Meinung,  dieselben  müßten  Gold  oder 
Silber  enthalten,  sahen  sich  aber  schwer  enttäuscht  und  schwuren  nun,  einen 
Raubzug  nach  Mursuk  selbst  zu  unternehmen,  um  sich  auch  des  dort  zurück- 

febliebenen  Gepäcks  der  Reisenden  zu  bemächtigen.  Die  Neger  der  Fr&ul. 
'inne,  etliche  60—70  Mann,  wurden  nicht  alle  zu  Sclaven  gemacht,  sondern 
nur  die  jüngsten  und  von  den  Negerinnen  nur  die  hübschesten.  So  wurde  auch 
die  kleine  Lieblings-Negerin  Frl.  Tinne's,  ein  halbes  Kind  vom  Stamme  der 
Niam-Niam  ,  Namens  Ismina,  zur  Sclavin  cremacht.  Die  übrigen  Neger  kehrten 
nach  Mursuk  zurück  und  hinterbrachten  die  Todesnachricht. 


Der  Isthmus  von  Corinth.  In  den  Jahren  1829-1830  war  ich  Conur 
mandant  der  Acro-Gorinth.  Die  damalige  griechische  Regierung  unter  dem 
Präsidenten  Graf  Capo  d'Istria  hatte  in  ihrer  Befürchtung  einer  Invasion  der 
romalistischen  Truppen,  deren  Chefs  sich  gegen  die  Regierung  au&ulehnen 
begannen  und  bereits  durch  bedrohliche  Symptome  ihre  Abneigung  gegen  die 
Verwaltung  des  Grafen  Capo  dl  Stria  kundgegeben,  mich  zu  diesem  Posten 
berufen,  um  im  Falle  einer  Invasion  diesen  für  die  Regierung  so  wichtigen 
Dorchgangspunct  in  den  Pelopones  zu  schützen.  Das  Jahr  indess  verstrich 
mhig  und  gab  mir  Gelegenheit,  auf  meinen  Jagdausflügen  den  Isthmus  von 
Corinth  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  kennen  zu  lernen.  Sehr  bald  stiefi  ich 
auf  die  antiken  Spuren  eines  Versuches  für  die  Durchstechung  des  Isthmos  • 
für  eine  Verbindung  des  aegaenischen  Meeres  mit  dem  Golfe  von  Corinth  and 
ist  seit  jener  Zeit  die  Ausführung  dieses  Werkes  für  mich  ein  Gedanke  ge- 
blieben, den  ich  mit  Vorliebe  festgehalten  und 'der  nach  den  neuesten  Berich- 
ten auch  jetzt  mit  Ernst  in  AngnS  genommen  wird !  Eine  französische  Gesell- 
schaft hat  bereits  von  der  königl.  griechischen  Regierung  die  Concession  für 
den  Durchstich  des  Isthmus  von  Corinth  unter  vortheilhaften  Bedingungen 
erhalten  und  kann  mit  den  nöthigen  Mitteln  versehen  dieses  für  die  levanti- 
nische  Schiffahrt  und  Handel  so  wichtige  Werk  auch  in  wenigen  Jahren 
ohne  große  Schwierigkeiten  vollenden. 

Mein  leider  zu  früh  gestorbener  Freund,  der  General-Consul  Ritter  von 
Hahn,  hatte  diese,  besonders  für  den  österreichischen  Handel  so  wichtige 
Frage,  mit  seinem  gewohnten  Fleiß  und  Ernst  studiert  und  darüber  an  maß- 
gebender Stelle  eingehenden  Bericht  erstattet.  Es  ist  leider  darüber  bis  jetzt 
nichts  bekannt  geworden  und  dieses  Werk,  welches  nächst  Griechenland  haupt- 
Bäehlich  nur  der  österreichischen  Schiffahrt,  dem  österreichischen  EUmdel  und 


188 

der  asterr.  IndoBtrie  zu  gute  kommt  —  wird  heute  von  frauzöBischen  Gapita- 
listen durchgeführt  I  Ein  Blick  auf  die  Karte  genügt,  um  sich  über  den  im- 
mensen Vortheü  klar  zu  werden,  den  der  Durchstich  des  Isthmus  von  Corinth 
für  das  Aufblühen  des  österreichischen  Handels  nach  der  Levante  zur  Folge 
haben  inuQ.  Bei  der  abgekürzten  Fahrzeit  können  alle  österreichischen 
Waren  auf  den  levantinischen  Märkten  billiger  geliefert  und  somit  der 
dmrch  die  ungeheure  Concurrenz  zurückgedrängte  österreichische  Absatz  wieder 
zurückerobert  werden!  Möge  man  in  Wien  und  besonders  in  Triest  diese 
wichtige  Frage  würdigen  und  ihr  die  Aufmerksamkeit  schenken,  die  sie 
im  woWerstandenen  Interesse  für  das  Aufblühen  des  österreichischen  Handels 
und  seiner  Industrie  verdient! 

Die  technischen  Vorarbeiten  werden  bald  den  Beweis  liefern,  wie  geringe 
Schwierigkeiten  hier  zu  überwinden  sind  und  dürfte  das  begonnene  Werk 
Nero's  schon  den  Lauf  des  Durchstiches  bezeichnen.  Die  größte  Schwierigkeit 
möchte  sich  in  der  Anlegung  eines  sicheren  und  geräumigen  Hafens  im  Golfe 
von  Corinth  zeigen  —  doch  konnte  man  bei  Port  Said  die  Schwierigkeiten 
fiberwinden  —  so  werden  sie  sich  hier  mit  weniger  Mühe  und  geringerem 
Kostenaufwand  überwinden  lassen.  9 

TemperaturTerhKltidsse  in  den  ober^fsterreiehisehen  8eeii.  Unser 
Mitglied,  Herr  Prof.  Simony,  gab  in  der  Sitzung  der  mathematisch-natur- 
wissenschaftlichen Classe  der  kais.  Academie  vom  20.  Jänner  eine  vergleichende 
Uebersicht  der  Temperatur- Verhältnisse  des  Hallstätter  Sees,  Gmundner 
Sees  und  der  beiden  Langbath-Seen,  in  welchen  er  zu  gleichen  Zeiten 
der  Jahre  1868  und  1869  Wärmemessungen  durch  alle  Tiefen  voigenommen 
hatte,  um  den  Grad  des  Einflusses  des  verschiedenen  climatischcn  Characten 
der  genannten  zwei  Jahre  auf  die  Seentemperatur  zu  ermitteln. 

Einige  Angaben  der  zahlreichen  Messungsresultate  mögen  diesen  Ein- 
fluss  ersichtlich  machen. 


Temperatur  in  Graden  Keaumur. 


1 

.    Tiefe 

Gmünd 

ner  See 

Hallstätter  See 

1 
in 

i.  October 

1                   i 

1     1.  Octob«r    1 

26.  Septemb. 

83.  Septemb. 

Wr.Fuß 

1868 

1869 

1 

i         1868 

1869 

5 

18 

•00 

-! 

11-50 

11« 

'20 

10-00 

20 

12 

65 

11-30 

10" 

•45 

9-65 

40 

12 

•00 

11  -20 

9 

•40 

9-  10 

60 

9 

•85 

9-  75 

8' 

70 

8-  70    [ 

75 

9 

•00 

9    20 

7" 

85 

8    30    1 

100 

7 

•80 

7-60 

6- 

75 

6-  20    1 

125 

6 

70 

6    10 

5 

75 

500 

200 

4 

45 

4-35 

4' 

00 

3-55    ' 

250 

4 

05 

405 

3 

80 

3-50 

300 

3 

•90 

3    95 

3 

70 

3-45 

350 

8 

■80 

3-85 

3    65 

3-45 

,      400 

3 

75 

,      3    80 

t 

500 

3 

•75 

3-80    ' 

1 

604 

3 

75 

i      3    75 

1 

1 

184 


Tiefe 

in 

Wr.  Fuß 

Vorderer  Langbath-See 

"Hinterer  Langbath-See 

S.  October 
1868 

so.  Septamb. 
1869 

1 

1    8.  October 

i         1868 

80.  Septemb. 
1869 

5 

13    05 

12-15 

11-90 

10     05 

10 

13 

00 

11-80 

11-70 

9-85 

15 

12 

95 

11    50 

11-40 

8-70 

30 

8 

20 

8-50 

7-65 

6-20 

40 

6 

•50 

6-05 

6-25 

5    50 

60 

4 

•80 

4-80 

5-60 

5-20 

80 

4 

•20 

4    20 

1 

110 

4 

90 

4    20 

1 

Da«  Auftreten  einer  im  Vergleiche  zum  Jahr  1868  relativ  höheren  Tem- 
peratur bei  75  Fuß*  Tiefe  im  Gmundner  und  Hallstätter  See,  sowie  bei  30  Fuß 
im  vorderen  Langbath-See  glaubt  Hr.  Prof.  Simony  hauptsächlich  auf  die  hohe 
Temperatur  des  Juli  1869  zurückführen  zu  dürfen. 

Weiter  zeigte  der  Vortragende  einen  von  ihm  construierten  Apparat  vor, 
welcher  den  Zweck  hat,  die  wahren  Temperaturen  größerer  Seetiefen  mh 
möglichster  Genauigkeit  zu  ermitteln,  da  bei  den  Messungen  mit  dem  gebräuch- 
lichen Minimumthermometer  in  Folge  des  Druckes  m&chtiger  Wassersaul^i 
auf  die  Thermometerkugel  in  jedem  Falle  eine  wenn  auch  geringe  Verlänge- 
rung der  Thermometersäule  und  damit  eine  entsprechende  Unrichtigkeit  in  der 
Temperatur- Verzeichnung  angenommen  werden  muß. 

Der  erwähnte  Apparat  besteht  aus  einem  14  Zoll  hohen,  3^4  Zoll  im 
Durchmesser  und  gegen  116  Zoll  an  kubischem  Inhalt  messenden,  mit  einer 
konisch  geformten  Korlqplatte  schließbaren  Cylinder  von  dickem  Glase,  dessen 
solide  Hülle  zwei  größere,  mit  gut  passenden  Deckeln  versehene  Büchüsen  von 
starkem  Weißblech  bilden.  In  dem  Glascylinder  befindet  sich  ein  aus  vier 
massiven  Eisenstäben  und  zwei  dicken  Korkplatten  bestehendes  Gerüste,  dessen 
Aze  ein  in  Fünftel-Grade  getheiltes  Quecksilber-Thermometer  darsteUt.  Die 
Kugel  des  letzteren  ist  mit  Guttaperchastoff  und  darüber  mit  einer  drei  Linien 
dicken  Schichte  Klebwachs  umhüllt,  um  das  Instrument  gegen  die  Einwirkung 
rascher  Temperaturwechsel  unempfindlich  zu  machen.  Eine  zwischen  das  Ge- 
rüst und  den  Korkstöpsel  eingefügte,  feindurchlöcherte  Eisenplatte  verhindert 
ein  allzutiefes  Eindringen   des   ersteren  in   den  Cylinder  bei  starkem  Drucke. 

Nach  einem  4V«stündigen  Verbleiben  des  Apparates  in  der  größten  Tiefe 
des  Gmundner  Sees  (b04  Fuß)  zeigte  das  Thermometer  des  ersteren  eine  Tem- 
peratur von  3'6°  R.  gegenüber  3*75°  des  Minimumthermometers,  welches 
gleichzeitig  in  dieselbe  Tiefe  versenkt  worden  war. 

Erwähnenswert  sind  die  Wirkungen  des  Wasserdruckes,  welche  bei  ver- 
schiedenen Versuchen  an  dem  Apparate  sich  einstellten.  Nach  dem  ersten 
nur  18  Minuten  dauernden  Einsenken  desselben  an  der  tiefsten  Stelle  des 
Hallstätter  Sees  (66  Klafter)  waren  bereits  alle  drei  Gefäße  des  ganzen,  gut 
v^^hlossenen  Apparates  bis  zum  Rande  mit  Wasser  geftült  und  das  letztere 
erschien  in  dem  Glascvlinder  von  dem  ausgepressten  Extractivstoff  der  Kork- 
platten weingelb  geftrbt.  Von  den  vier  SäiSen  des  Gerüstes  (damals  nur  zwei 
Linien  dicke  Messingstäbe  waren  zwei  durch  den  schief  eingedrungenen  Kork- 
stöpsel ^nz  verbogen  und  zur  Seite  gedrückt,  der  letztere  selbst  aber  so  tief 
in  den  ijylinder  gepresst,  dass  er  nur  mit  größter  Anstrengung  herausgezogen 
werden  konnte. 


185 

Nach  der  früher  enrühntea  4V2Btttnd]gen  Exposition  des  nachtr&glich 
vcfstfakten  Araantes  im  Gmundner  See  liefien  die  von  den  sonst  2-2^/,  Li- 
nien afaetehenden  Eisenst&ben  in  der  WachshOlle  des  Thermoters  hervorge- 
tiraehten  Eindrücke  entnehmen,  dass  durch  den  19  Atmosphären  äquivalenten 
Dnack  der  604  Fufi  mächtigen  Wassersäule  die  Eorkplatten  des  Apparates 
mn  mindestens  ein  Fünftel  ihres  Durchmessers  zusammengepresst  worden 
waren. 


AnoeUtion  in  Ostiiidleii«  Eine  eigenthflmliche  Gestalt  hat  die  moderne 
Frage  der  Nationalsprache  auf  indischem  Boden  angenommen,  Dort  machen  Urdu 
und  Hindi  in  amtlichem  Gebrauch  und  in  der  JoumaliBtik  sich  den  Platz  streitig, 
jenes  von  den  25  Mill.  Moslim,  dieses  von  einem  großen  Theil  der  liO  Mill. 
anter  englischer  Herrschaft  lebenden  Hindu  auf  die  Fidme  geschrieben.  Und 
doch  ist  nicht  genau  zu  definieren,  worin  der  wesentliche  Unterschied  beider 
liege.  Es  sind  nicht  zweierlei  Sprachen,  nicht  zwei  Dialecte,  sondern  dieselbe 
Sprache,  in  verschiedenem  Grade  mit  Fremdwörtern  persisch-arabischer  Abkunft 
verunziert  —  das  Urdu  mehr,  das  Hindi  weniger.  Das  eine  wie  das  andere 
heißt  gemeinhin  Hindnstani,  und  das  einzige  wirkliche  Kennzeichen  des  Hindi 
ist  die  indische,  des  Urdu  die  arabische  Schrift.  Der  Streit  dreht  sich  also 
anscheinend  um  das  Alphabet,  im  Hintergrund  liegen  Sanscrit  und  Arabisch, 
Koran  und  Weda. 

Beide  Schriftarten  sind  gleich  unbequem  für  den  (Gebrauch  einer  viel 
and  rasch  schreibenden  und  lesenden  Zeit;  die  arabische  Schrift  steht  noch 
dazu  auf  der  Kindheitsstufe,  da  ihr  die  Vocalbezeichnung  mangelt.  Kein 
Wunder  also,  wenn  es  in  Indien  klügere  Leute  gibt,  welche  den  Nationalen, 
die  fftr  Hindi  schwärmen  und  aus  dem  Schatze  des  Sanscrit  ihre  Bedürfnisse 
zn  decken  suchen ,  und  den  Moslim ,  die  in  der  technischen  Sprache  der 
Araber  und  in  der  schwülstigen  Poesie  moderner  Perser  ihre  feinen  Phrasen 
Sachen,  gleichmäßig  zurufen :  weder  das  eine ,  noch  das  andere,  lernet  Eng- 
lisch lesen  und  schreiben;  soll  es  aber  Hindnstani  sein,  so  nehmet  das  euro- 
päische Alphabet. 

Wir  erfahren  aus  der  von  Hm.  Gar  ein  deXassy,  dem  langjährigen 
Lehrer  des  Hindustani  an  der  Pariser  Schule  ftü*  lebende  orientalische 
Sprachen ,  zur  Eröffiiung  seiner  Vorlesungen  kürzlich  gehaltenen  Rede  *),  mit 
welchen  Gründen  von  beiden  Seiten  gekämpft  wird,  wobei  nicht  zu  verwundem 
ist,  dass  der  gelehrte  und  liebenswürdige  Verfasser  der  ««Histoire  de  la  litt6- 
ratnre  hindouie  et  hindoustane«  (von  welcher  eine  zweite  Auflage  sich  unter 
der  Presse  befindet)  der  Anschauung  der  Moslim  sich  zuneigt. 

Die  in  Indien  nach  englischem  Vorbilde  sehr  zahlreich  gewordenen  ein- 
heimischen Zeitungen,    soweit   sie    in    den    nördlichen    Provinzen    erscheinen, 
schwören  vorherrschend  zum  Urdu  und  ftkhren  arabische  Titel,    z.  B.  »Spiegel 
der   Wissenschaft»,    »Neuigkeiten    der   Neuigkeiten«,    -  (Quelle    des    Wissens-, 
-Stern   der  Nachrichten»  u.  dgl.    Die   meisten    der    dortigen    Leser  scheinen 
also    dem    Propheten   anzuhängen.     Dagegen   pflegen    die   vielen   nationalen 
Vereine,    welche  der  gelehrige  Hindu   ebenfalls   semen  neuesten  Herren  abge- 
sehen hat,   und   in    welchen    meist   eine  Reform  der  geselligen  und  religiösen 
Zustände  erstrebt  wird,  mit  ihren  Landsleuten  in  Hindi  zu  reden.   Hier  koQpft 
man  an  das  alte  an,   und    holt   seine  Titel  aus  dem  Sanscrit,    z.  B.  Brahma 
dschnan  prakash,  Anleitung  zur  Erkenntnis  Brahman*s,   eine  monatliche  Revue 
vom  Vorstand  der  Brahma  Sabha  (Brahma  Club)  herausgegeben;  Pap  motschan, 
die  Befteinng   vom  Uebel,    ebenfalls    eine  Zeitschrift  von  Reformern  in  Agra; 
Dschagat  Samats  bar,  wie  es  in  der  Welt  zugeht,    eine  in  Mirat  erscheinende 
Wocheoschrift,  und  viele  andere. 


*)  Gonrs  d'Hindostani.  Discours  d'ouverture  du  6  Decembre  186^  par 
M.  Gar  ein  de  fassy,  Membre  de  Tlnstitut.  Paris.  A.  Labitte,  Maison-neuve 
et  ae.  1870. 


Der  Terbreiletste ,  euiflcnsreichste  und  tii&tigste  jener  Vereioe«  schon 
lange  bestehend,  ist  ^er  erw&hnte  Brahma-Clab,  mit  dem  Sitee  in  Oaicntts^ 
eine  (^ellschafi;  von  Theisten.  Sie  spinnen  fort  an  den  alten  F&den  der 
Wedanta-Philosophie,  und  verweben  dieselben  mit  europäischem  Rationalinnas. 
Sie  haben  in  Theorie  und  Praxis  alles  abgethan,  was  an  der  religiösen  lieber- 
lieferung  der  Väter  ihnen  unwürdig  nnd  kindisch  erscheint.  Es  versteht  eich, 
dass  sie  einen  höhern  Standpunct  und  freiem  Gesichtskreis  sich  zusprechen, 
als  deijenige  der  Christen  ist.  Das  Haupt  dieser  neuen  Secte  der  Babu  Ee- 
schab  Tschandr  Sen,  der  in  Galcutta  finen  Tempel  für  den  neuen  Dienst  hat 
erbauen  lassen,  wo  der  eine  wahre  und  heilige  Gott -im  Geist  und  in  der 
Wahrheit  angebetet  werden  soll«,  wird  von  den  Anh&ngem  derselben  mit  Be- 
geisterung verehrt;  ihre  alte  Gewöhnung  zum  Götzendienst  und  zur  ünterwer- 
ning  lasst  sie  ihm  zu  Füßen  fallen,  ihn  »guter  Meister  und  Zuflucht  der  Sün- 
der« nennen. 

Mit  der  engem  Aufgabe  die  religiösen  Gebräuche  der  Hindu  zu  reini- 
gen, hat  sich  ein  anderer  Verein,  unter  dem  Vorsitze  des  Radschah  Kali 
Arischna  Bahadur,  gleichfalls  in  Galcutta,  gebildet.  Wenn  er  es  verstünde 
an  einfachere  und  sinnreichere  Cultusformen  alter  Zeit  anknüpfend  zu  refor- 
mieren, so  könnte  es  wol  gelingen,  manche  Abgeschmacktheit  oder  Schändlich- 
keit neuerer  Erfindung  abzusdiaffen.  Aber  überall  wird  ihm  das  Interesse 
derer  im  Wege  stehen ,  in  deren  Taschen  die  Früchte  der  bestehenden  Uebung 
fallen. 

Bei  weitem  die  zahlreichere  Gattung  von  Gesellschaften,  welche  die  letz- 
ten Jahre  hervorgemfen  haben,  ist  allgemein  phü  an  utopischen  oder  populär 
wissenschaftlichen  Characters.  Das  durch  sein  merkwürdiges  Geschick  während 
des  großen  indischen  Aufstandes  wol  überall  in  Erinnerung  stehende  Lakhnau 
besitzt  einen  solchen  Verein  mit  Zusammenkünften,  Vorträgen  und  periodischen 
Publicationen ,  welcher  Mitglieder  jeder  Religion  und  Nationalität  aufiiimmt. 
Und  in  Dschaipur  (Siegestadt,  nach  englischer  Schreibung  Jyepoor  oder  Djei- 
pur),  wo  die  großen  Straßen  nördlich  von- Delhi,  östlich  vonAgia  herkommend 
zusammenlaufen,  patronisiert  der  dortige  RadschputenfUrst,  natürlich  Großkönig 
benannt,  der  sich  rühmt  von  Rama  abzustammen,  also  der  ältesten  Dynastie 
auf  der  Welt  —  den  vielgenannten  Mikado  nicht  ausgenommen  —  anzugehö- 
ren, eine  Vereinigung,  welche  sich  Rajputana  Social  Science  Coogress  nennt, 
und  darauf  ausgeht  Schulen  zu  gründen,  Lehrbücher  zu  verbreiten,  für  öffent- 
liche Gesundheitspflege  und  Hebung  des  Landbaues  zu  sorgen.  Ganz  bezeich- 
nend beginnt  der  Verein  damit,  für  junge  Leute  von  angesehener  Familie  eine 
Unterrichtsanstsdt  zu  Stande  zu  bringen,  wo  man  Naturwissenschaft  und  poli- 
tische Oeconomie,  das  Englische  neben  den  einheimischen  Sprüchen  und  die 
für  den  Gavalier  erforderlichen  Fertigkeiten  lehren  wird.  Die  rtadschputen  sind 
die  Feudalherren  jener  Landstriche,  Unterdrücker  der  Stämme,  welche  sie  jetzt 
ihre  Unterthanen  nennen,  angebliche  Abkömmlinge  der  alten  sonst  erloschenen 
Eriegerkaste;  es  ist  also  natürlich,  dass  sie  zuerst  an  die  standesgemäße  Aus- 
bildung der  Junker  denken. 

Unfern  davon,  in  Alighar>  ist  der  Hanptsitz  der  East  India  Associa- 
tion ,  mit  dem  allgemeinen  Zweck  das  Wohl  des  Volkes  zu  fördern ,  welcher 
vor  kurzem  eine  Zweiggesellschaft  in  Maradabad,  östlich  von  Delhi,  sich  ange- 
schlossen hat  unter  dem  Patronat  des  Sir  William  Muir,  des  Gouverneurs  der 
Nordwestprovinzen,  Biographen  Mohammeds  und  Bruders  des  bekannten  Mä- 
cens  indischer  Studien.  John  Muir,  welchem  letzteren  die  Universität  Edin- 
burg  ihren  Sanscrit-Lehrstuhl  verdankt.  Dieser  Verein  will  u.  a.  Reisen  von 
Eingeboraen  nach  Europa  unterstützen,  nachdem  die  Schriftgelehrten  neuestens 
gefunden  haben,  dass  diese  Fahrten  in  ihren  Lehrbüchern  nicht  geradezu  ver- 
boten seien.  Die  Regierang  bleibt  in  dieser  Richtung  ebenfalls  nicht  ganz  on- 
thätig.  Sie  hat  für  Bildungsreisen  nach  England  Stipendien  (scholarships)  ge- 
gründet, freilich  in  bescheidenem  Maßstab,  je  neun  jährlich,  zwei  für  jede 
der  drei  Präsidentschaften  und  drei  (ür  die  Übrigen  Provinzen. 

Für  weitere  Einzelheiten  ähnlicher  Art  erlauben  wir  uns  den  Leser  auf 
die  Zusammenstellung  des  Discours  zu  verweisen.  Wir  sehen,  dass  eine  leb- 
hafte geistige  Bewegung  durch  Hindu  und  Moslim  geht.  Man  strebt  auf  beiden 
Seiten  darnach,    die  Vortheile  europäischer  Bildung  sich  anzueignen,   zunächst 


187 

freflieh  in  der  Hofibon^,  dem  Uebergewicht  der  Zwingherren  wirksamer  die 
S|rit2e  bieten  zn  können  Mit  der  Verbreitung  dieser  Bildung  wird  aber  noth* 
wendig  eine  Menge  tböricfater  Vo:urtheile  fallen,  die  man  jetzt  nocb  für  unzer- 
trennlich hält  von  nationaler  8elbBt&ndigkeit.  (A.  a.  Z). 


Monatssttzung 

der  geographischen  Gesellschaft  am  8.  Februai-  1870  unter  dem  Vorsitz 

des  Prof.   Dr.  Ferd.  v.  Hochstetter. 

Als  neu  eintretende  Mitglieder  werden  bezeichnet  und  angenommen  die 
Herren:  Isidor  Eanitz  in  Wien,  Carl  Gerok,  Architect  in  Innspruck,  W. 
▼on  Camerloher,  k.  und  k.  Consul  in  Suez;  dann  die  k.  k.  Oberreal- 
sehule  am  Schottenfelde  in  Wien,  das  k.  k.  Gymnasium  und  das 
k.  k.  Franz-Josefsgymnasium  in  Lemberg,  das  k.  k.  Gymasium  in 
Königgräz,  das  n.-Ö.  Landesrealgymnasium  in  Waidhofen  an  der  Thaja 
und  die  Officiersbibliothek  des  k.  k.  Graf  Degen  fei  d  S6.  Linien-Infantene- 
Regiments  in  Eöniggr&z. 

Der  Vorsitzende  theilt  der  Versanunlung  mit,  dass  der  Ausschuss  in  An- 
erkennung der  Verdienste  des  kais.  brasilianischen  Gesandten  am  Wiener  Hofe, 
Hm.  Chev.  de  Varnhagen,  um  die  geograph.  Wissenschaft,  namentlich  um 
die  Geschichte  der  Erdkunde,  den  Beschluss  gefasst  habe,  denselben  zum  cor- 
respondierendenMitgliede  der  geographischen  Gesellschaft  vorzuschlagen. 
Herr  von  Varnhagen  hat  sich  durch  seine  „Geschichte  von  Brasilien*^,  durch 
seine  wertvollen  „Forschungen  über  die  Colonisatlon  Africa's  durch  die  Portu- 
giesen*^, so  wie  über  die  ersten  Vorgänge  bei  der  Entdeckung  America's  einen 
geachteten  Namen  in  der  Literatur  gemacht,   den   seine   letzte  Arbeit  „über 
Amerigo  Vespucci*^  in  der  rühmlichsten  Weise  bekräftigt.    Ein  Exemplar  die- 
ses Werkes  ans  der  Hand  des  Herrn  Verfassers  liegt  der  Versammlung  heute 
vor.    £^   enthält  das  umfassendste,  was  wir  über  den  Florentiner  wissen,  von 
dem   der   neue  Continent  seinen  Namen  erhalten  hat.    Es  beruht  auf  gründ- 
lichen und   sehr  kritischen  Quellenstudien   und  eröffnet  ganz  neue  Gesichts- 
pnncte   Aber   die  Entdeckungsgeschichte   von  America,   da  der  Verfasser  der 
Mndläufigen  Anschauung,   dass  Amerigo  Vespucci  auf  Kosten  der  Verdienste 
des  Entdeckers  sich  als  den  eigentlichen  Finder  der  neuen  Welt  darzustellen 
bemflht  gewesen  wäre,  scharf  entgegentritt  und  aus  unwiderleglichen  Quellen 
nachweiset,  dass  Vespucci  ein  Freund  des  Columbus,  diesem  mit  inniger  Zu- 
neigung ergeben  war  und  nichts  weniger  im  Sinne  hatte,  als  seinen  Namen  in 
dieser  ungeeigneten  Beziehung  auf  die  Nachwelt  zu  bringen.    Das  letztere  ist 
znm  gr&bten  Theil  das  Werk  eines  aufrichtigen  Bewunderers,   des  deutschen 
Gymnasiallehrers  Martinus  Hylacomylus  (Waldmüller),   der  die  Schilde- 
nmgen  Vespucci's   in's  Publicum   brachte.  —  Der   erste  Theil  des  Werkes  ist 
1865  zu  Lima  gedruckt   und    erschienen;    es  werden  darin  die  Briefe  geprüft, 
die  Vespucci  hinterlassen   hat   oder   die   ihm   zugeschrieben  werden.    Daran 
Khließt  sich  eine  kritische  Biographie  des  Mannes,  dessen  Ruf  zu  rehabilitie- 
ren der  Zweck  des  Buches  ist.  Der  zweite  Theil  ist  1869  zu  Wien  erschienen ; 
er  befesst  sich  ausschließlich  mit  den  Reisen  des  Florentiners  und  klärt  manche 
Doch  dunkeln  Puncte  in  der  Geschichte  der  Erdkunde  auf. 

unter  diesen  Umständen  glaubt  der  Ausschuss  Ihrer  Zustimmung  gewiss 
zu  sein,  dass  Herr  von  Varnhagen  unter  die  correspondierenden  Mitglieder 
nnserer  Gesellschaft  aufgenommen  werde.  —  Die  Versammlung  ertheilt  diesem 
Beschluss  ihre  Zustimmung. 

Unter  den  geographischen  Mittheilungen  bespricht  der  Vorsitzende 
sonichst  die  vor  einigen  Tagen  verbreitete  Nachricht  über  die  Ehmordung  des 
AiHeareisenden  Livingstone,  dem  nun  einmal  beschieden  sei,  in  den  enre^ 


188 

päiBchen  Zeitbl&ttern  fortwährend  zwischen  Tod  und  Leben  su  schweben,  und 
begründet  aas  den  nenerlich  zugekommenen  Nachrichten  die  ecfreuliche  Yer- 
mnthung,  dass  die  Sage  von  dem  Tod  des  Forschers  aus  der  Yermengnng  einer 
alten  Tradition  mit  neuen  Local-  und  Zeitangaben  entstanden  sei.  (Siehe  die 
Notizen  unserer  heutigen  Nummer  der  Mittheilungen.> 

Ein  Schreiben  des  Bremer  Comit^'s  für  die  deutsche  Nord- 
polarfahrt bringt  zur  Kenntnis,  dass  es  beabsichtige,  den  Walfischfahrem 
von  der  Weser,  die  in  der  zweiten  H&lfte  Februar  nach  dem  Grönlandsmeere 
abgehen,  ftkr  den  möglichen  Fall,  dass  von  ihnen  die  Schiffe  der  deutschen 
Expedition  oder  eines  derselben  angetroffen  werde,  Briefe  und  Zeitungen  fOr 
die  Expedition  mitzugeben  und  foiäert  zur  Einsendung  von  Briefen  rar  die- 
sen Zweck  unter  der  Adresse  M.  Lindemann,  Bremen,  Mendestraße  8,  und 
zwar  in  je  vier  Ausfertigungen  (nach  der  Zahl  der  Walfischfahrer)  auf. 

Der  Vorsitzende  bemerkt  dazu,  dass  die  Absendung  in  der  kOraesteo 
Zeit  erfolgen  müßte,  damit  dieser  freundlichen  Rücksicht  gegen  unsere  wer- 
ten Freunde  im  Polarmeere  im  Sinne  des  Comit^'s  entsprochen  werde. 

Aus  einer  brieflichen  Mittheilung  des  Hm.  Prof.  Kiepert  in  Berlin 
geht  hervor,  dass  wir  bald  das  Veij^ügen  haben  werden,  Herrn  Kiepert  in 
Wien  zu  sehen,  da  er  auf  seiner  wissenschaftlichen  Reise  in  die  Türkei  einige 
Taffe  in  Wien  zu  verweüen  gedenkt.  Sein  Brief  ist  begleitet  von  zwei  wert- 
vollen Erzeugnissen  seiner  rastlosen  Th&tigkeit.  die  der  Versammlung  zur  An- 
sicht vorgelegt  werden,  nämlich  a)  üebersicht  der  Höhenverhältnisse  der 
hellenischen  Länder  in  Europa  mit  Höhenschichten  von  100,  300,  600, 
1000, 1500, 2000, 2500^  und  b)  einen  Abdruck  der  noch  nicht  publicierten  General- 
karte der  europäischen  Türkei.  Ueber  die  letztere  bemerkt  Herr  Kie- 
pert commentierend  in  seinem  Briefe:  „Sie  werden  schon  aus  früheren  Ab- 
drücken, die  ich  Herrn  Ami  B  o  u  ^  gelassen  hatte,  ersehen  haben,  wie  manches 
noch  unveröffentlichte  (namentlich  auch  russische)  Material  ich  benutzen 
konnte,  und  dass  hier  die  Hauptquelle  liegt,  aus  der  Petermann  seine  re- 
ducierte  Karte  geschöpft  hat,  nachdem  ich  ihm  bereits  vor  zwei  Jahren  Probedrucke 
der  beiden  untern  Blätter  mitgetheilt  hatte.  Ich  theile  Ihnen  dies  mit,  weü 
Sie  in  dem  Briefe,  der  im  12.  Heft  der  geographischen  Mittheilungen  1869  ab- 

Jedruckt  ist,  den  Wunsch  aussprechen,  zu  erfahren,  woher  Petermann  das 
laterial  genommen  habe.*^ 

Der  Vorsitzende  bemerkt  zu  den  verdienstlichen  Arbeiten  Kiepert's, 
dass  er  von  seinem  Standpuncte  gerade  um  so  trefflicher  kartographischer  Kräfte 
willen  wie  Kiepert  und  Scheda  bedauern  müße,  ihre  Arbeiten  über  die 
Türkei  so  weit  vorgeschritten  zu  sehen,  ehe  sie  das  wichtige  und  vielfach  rec- 
tificierende  Material  jener  Commission  benutzen  konnten,  welche  die  Türkei 
im  letzten  Sommer  behufs  der  Eisenbahnen  bereiste. 

Eine  Einladung  der  Stadt  Antwerpen  zii  einem  internationalen  Con- 
gress  im  Interesse  der  geographischen  Wissenschaft  gibt  dem  Vorsitzenden  An- 
lass,  der  Versammlung  folgendes  mitzutheilen : 

In  der  letzten  Sitzung  wurde  Ihnen  die  Lebensskizze  des  Geographen 
Mercator  mit  dem  Bemerken  vorgeführt,  dass  man  eben  daran  sei,  ihm  so- 
wol  in  seinem  Greburtslande  (Belgien^,  wie  in  seinem  Heimatslande  (Deutsch- 
land) ein  Denkmal  zu  setzen. 

In  Belgien,  und  zwar  in  Antwerpen  soll  die  Feier  dieses  bahnbrechen- 
den Geographen  mit  der  eines  nicht  minder  berühmten  und  auf  geographischem 
Gebiet  gleichstrebenden  Zeitgenossen  Mercator's,  des  seinerzeit  königlichen 
Geographen  Abraham  Ortelius  verbunden  werden,  welchem  die  rege  wissen- 
schfSthche  Pietät  seiner  Vaterstadt  gleichfalls  ein  Denkmal  zugedacht  hat 

Ortelius  war  1527  in  Antwerpen  geboren,  wo  sein  Vater  (aus  einer 
Augsburgischen  Familie*  angesiedelt  war.  In  seiner  Jugend  hatte  der  begabte 
und  sehr  empfängliche  Knabe  das  Glück,  von  unterrichteten  Freunden  des 
väterlichen  Hauses  auf  Reisen  mitgenommen  zu  werden,  und  so  kam  er  nach 
Deutschland,  dann  nach  Frankreich,  England  und  Irland,  endlich  mehrmal 
nach  Italien,  wo  er  mit  besonderer  Vorliebe  sich  in  die  KunstschJUze  und 
Alterthümer  vertiefte.    . 

Die  nächste  Folge  seiner  Reisen,  die  zugleich  als  seine  Bildungssehule 
anzunehmen  sind  —  denn  von  seinen  Studien  in  der  Jugend  ist  nichts  belouint 


189 

mid  seine  Biographen  bemerken  attfldrftcklich,  das«  er  dch  erst  in  gereiften 
Jahren  der  gelehrten  Arbeit  gewidmet  habe  —  war  die  Gründung  eines  Mu- 
te ams  in  Antwerpen,  worin  er  die  von  ihm  gesammelten  Moiailien,  Man- 
ien, ethnographischen  Gc^nstände  und  AlterthOmer,  fachgem&Ü  geordnet  cur 
Ansicht  darbot.  Die  Sache  war  neu  und  so  interessant,  dass  sie  die  Bewun- 
derung aller  Gebildeten  erregte  und  neben  vielen  fremden  auch  die  königlichen 
Prinzen  (Vfter  nach  Antwerpen  zog.  Die  Medaillen  dieser  Sammlung  hat  Or- 
telins  in  seinem  Werke  ^De  düs  Yetemm*^  nicht  nur  beschrieben,  sondern 
auch  mit  dem  Chrabetichel  meisterhaft  gestochen. 

Nachdem  er  einen  Theil  seines  Lebens  zur  Sammlung  von  Kenntnissen 
nnd  merkwürdigen  Dingen  verwendet  hatte,  gehörte  die  übrige  Lebenszeit  jener 
schriftstellerischen  Th&tigkeit  an.  die  seinen  Ruhm  in  weite  Fernen  trug.  Sie 
war  specifisch  der  Geographie  dienstbar  und  bei  dem  damaligen  Standpunct 
der  EMkunde  geradezu  epochemachend.  Ich  nenne  z.  B.  sein  „Reisehandbuch 
im  belgischen  Gallien*^,  seinen  ^Spiegel  des  goldenen  Zeitalters^,  wo  Grabstichel 
und  Feder  gleich  bemüht  waren,  Leben,  Sitte  und  Brauch  im  alten  Germanien 
inschaulich  zu  machen;  vor  allem  aber  sein  großes  Werk  „Der  Schauplatz  der 
Welt  (Theatrum  mundi)*^,  welches  des  neuen,  merkwürdisen  und  wissenschaft- 
lich begründeten  über  die  Erde  so  viel  enth&lt,  dass  der  gelehrte  Yerfiftsser 
darum  in  ganz  Europa  gefeiert  —  der  Ptolemaeus  seines  Jahrhundert,  ein 
Wunder  der  Welt  genannt  wurde. 

König  Philipp  11.  von  Spanien  beehrte  ihn  mit  dem  Titel  eines  könig- 
lichen Geographen,  wiewol  die  Denkweise  des  Gelehrten  durchaus  nicht 
nach  dem  königlichen  Sinne  war.  Ortelius,  der  die  Welt  nach  ihrem  wah- 
ren Wert  beu^eilen  gelernt  hatte,  ließ  sich  durch  diese  Gunst  nicht  beir- 
ren, sondern  lebte  seinem  Wahlspruche  treu,  der  auf  seinen  Werken  um  eine 
Hand,  die  den  Globus  h&lt,  geschrieben  steht:  „Ich  verachte  —  und 
schmücke  mit  Kopf  und  Hand  (Contemno  et  omo  mente  et  manu)^  und 
noch  in  der  Sterbestunde  sprach  er  mehrmal:  „Ich  lasse  nichts  in  diesem  Le- 
ben zurück,  was  ich  nicht  lassen  könnte  und  wollte  (Je  ne  laisse  rien  en  cette 
vie,  dont  je  ne  puisse  et  ne  veuille  bleu  me  passert.^ 

Seine  Biographen  sagen  ihm  nach,  dass  er  sein  Leben  ohne  jene  Dinge  ver- 
bracht habe,  die  andere  nicht  leicht  lassen  können,  ohne  Process,  ohne 
Unfrieden,  ohne  Weib  und  ohne  Kinder.  Treu  seinen  Freunden,  ein 
erkl&rter  Freund  der  Eintracht,  geschätzt  von  allen  Gelehrten  und  Gebildeten, 
insbesondere  von  seinem  Fürsten,  der  mit  der  Achtung  der  Menschheit  nicht 
eben  freigebig  war,  starb  er  im  Juni  1599  in  einem  Alter  von  71  Jahren  und 
wurde  in  der  Kirche  der  Praemonstratenser  zu  St.  Michael  in  seiner  Vaterstadt 
begraben,  wo  ihm  sein  berühmter  Zeitgenosse  Justus  Lipsius  nicht  nur  als 
Merkmal  seiner  innigen  Freundschaft,  sondern  auch  im  Interesse  der  Erben 
ein  Grabmal  setzte. 

Diesem  Manne  nun  soll  zugleich  mit  Mercator  im  Sommer  dieses 
Jahres  ein  Denkmal  gesetzt  werden  und  ich  erlaube  mir  die  weiteren  Vorbe- 
reitungen zu  dieser  Feier  aus  einer  Zuschrift  zu  verlesen,  welche  von  Antwer- 
pen an  den  Vorstand  der  geographischen  Gresellschaft  gerichtet,  vor  einigen 
Tagen  einlangte: 


Herr  Präsident ! 

Anlässlich  der  Errichtung  von  Standbildern  für  die  beiden  berühmten 
Geographen  Gerhard  Mercator  und  Abraham  Qrtelius  wurde  von  einigen 
Freunden  der  Wissenschaft  ein  Congress  von  Männern  der  geographischen 
WisBenschaft  angeregt,  der  in  Antwerpen  zur  Zeit  der  Enthüllung  der  bezeich- 
neten Denkmäler  im  Laufe  des  Monats  August  1870  tagen  und  aUes  vereinigen 
soll,  was  für  die  erdkundlichen  Beziehungen  unter  den  Völkern  thäti^  ist  und 
durch  seine  geistigen  Arbeiten  zur  nähern  Kenntnis  der  Eide  und  ihrer  Be- 
wohner beiffetzagen  hat. 

Die  Stadt  Antwerpen   kam  diesem  Wunsche  mit  der  gißten  Bereitwil- 


190 

Kgkeit  entgegen  and  man  cieng  sofort  an  die  BesteUung  eines  Gomit^'s, 
welches  alle  Voranstalten  trifft,  am  diesen  ^internationalen  Gongress 
für  Geographie,  Cosmographie  und  Hand  eis  Wissenschaft^  wflxdig 
ins  Werk  zn  setzen. 

Nach  dar  Absicht  dieses  Comit^'s  soll  der  Gongress  znnächst  Frsgen  in 
Yerhandlong  nehmen,  weiche  die  Geographie  in  der  weitesten  Bedeutang  be- 
treffen, mithin  nicht  nur,  was  im  Bereiche  des  Gosmos,  wie  er  von  Merca- 
tor  nnd  Humboldt  aufge&sst  wurde,  zur  Discossion  erwttnschlich  scheint, 
sondern  auch  in  weiterer  Folge  den  Handel  and  die  Schiffahrt  in  ihren  Be- 
siehungen  zur  Geographie. 

Das  Gomit^  hält  es  für  seine  Pflicht,  Sie  von  diesem  Plan  in  Kenntnis 
za  setzen  und  bittet,  ihn  der  gelehrten  Gesellschaft  mitzutheilen ,  deren  Vor- 
stand Sie  sind.  Es  wird  sich  glücklich  schätzen,  wenn  derselbe  von  Ihnen  im 
Princip  gebilligt  und  von  der  geographischen  Gesellschaft  in  Wien  durch  die 
Würdigung  seines  Zweckes  unterstützt  wird. 

Insbesondere  wären  wir  Ihnen  zu  Dank  verbunden,  wenn  die  Gesell- 
schaft es  auf  sich  nehmen  wollte,  einige  zur  Discussion  geeignete  Fragen  zu 
fonnulieren,  damit  wir  sie  in  unser  Programm  aufnehmen. 

Mit  der  Versicherung  unserer  ausgezeichnetsten  Hochachtung 

J.  C.  Van  Put, 
Bürgermeister  und  Präsident  des  Comit^s. 


Dieser  Mittheilung  füge  ich  bei,  dass  einzelne  Mitglieder  bereits  be- 
sondere Einladungen  zum  Gongress  erhalten,  und  dass  vorweg  die  Herren 
von  Hauslab,  Steinhauser  und  Becker  in  Aussicht  gestellt  haben,  per- 
sönlich dabei  zu  erscheinen,  Feldzeugmeiiter  von  H au sl ab  insbesondere  einen 
wertvollen  Beitrag  zur  geographischen  Ausstellung  beim  Gongress  liefern  wird. 
Genendsecretär  Becker  hat  bc«*eits  eine  Frage  zur  Discussion  an  das  Gomit^ 
eingesandt,  welche  lautet:  „Ueber  die  Bedeutung  des  geographischen  Unter- 
richts und  wie  er  an  den  Schulen  ertheilt  werden  sqII,  um  einerseits  den  heu- 
tigen Forderungen  der  allgemeinen  Bildung,  andererseits  dem  jetzi- 
gen Standpuncte  der  Wissenschaft  zu  entsprechen.*^ 

Jedenfalls  ist  der  Gedanke  eines  geograph.  Gongresses,  den  die  Stadt  Ant- 
werpen in  die  Hand  nimmt  und,  wie  nicht  zu  zweifeln  ist,  mit  der  vollen  Enei^gie 
ihres  historischen  Ruhmes  ins  Werk  setzen  wird,  ein  glücklicher  und  unserer  ein- 

fehenden  Beachtung  würdiger;  und  dass  Oesterreich  in  einer  Versammlung  von 
lännem,  die  das  Interesse  für  die  von  uns  gepflegte  Wissenschaft  zusammen- 
bringt, seine  Vertreter  finde,  scheint  mir  ein  so  gerechter  und  einleuchtender 
Wunsch,  dass  ich  von  seiner  nähern  Begründung  füglich  absehen  kann.  So- 
bald das  vollständige  Programm  für  den  Gongress  vorliegen  wird,  werde  ich 
dasselbe  unverweilt  zu  Ihrer  Kenntnis  bringen.  Mittlerweile  lade  ich  Sie  ein, 
dieser  Angelegenheit  Ihre  Aufmerksamkeit  zu  schenken.  Wer  geneigt  ist  der 
Aufforderunff  des  Gomit^'s  durch  Bezeichnung  geeigneter  Fragen  für  die  Dis- 
cussion nachzukommen,  wolle  dieselben  entweder  durch  den  Ausschuss  der 
geographischen  Gesellschaft  oder  unmittelbar  an  das  Gomit^  unter  der  Adresse 
„Gongres  international  des  sciences  g^ographiques ,  cosmographiques  et  com- 
merciales^  nach  Antwernen  gelaneen  lassen. 

Der  Vorsitzende  bringt  folgende  neue  literarische  Erscheinungen  zur 
Vorlage. 

Ostafrica,  Erinnerungen  und  Miscellen  aus  dem  abessinischen  Feld- 
zug. Von  Dr.  J.  Bech tinger  als  Geschenk  des  Verfassers  an  die  Gesellschaft. 

Geologische  Karte  der  Umgegend  von  Jerusalem,  von  Prof  Dr.  ü. 
Fraas,  Winterthur  1869. 

Aus  dem  nächst  erscheinenden  Hefte  von  Dr.  Petermann's  geographi- 
schen Mittheilungen :  Uebersicht  der  neuesten  Reisen  und  Aufnahmen  im  See- 
gebiete  von  Geutral- Australien;    Karte   von  GMle  in   2  Blättern   von  Peter- 


191 

mann;  geographiiclie  Yerbrdtanff  der  Hinche  ttber  die  Erde  in  2  Bl&ttern, 
ft)  gegenwftrtiffer  Verbreitungsbesdnc,  b)  Genealogie  der  Verbreitung. 

Hierauf  h&lt  Herr  Y.  Goehlert  einen  Vortrag  über  boiokeltische 
Ortsnamen  in  Böhmen.  (Siehe  die  heutige  Nummer  der  Mittheilungen.) 

Zorn  Schluss  bespricht  der  General-Secretftr  M.  A.  Becker  eine  Reihe 
aoBgestellter  Ansichten  und  Darstellungen  ans  dem  russischen  Amurlande, 
die,  ein  Geschenk  der  kais.  geographiscmeD  Gesellschaft  in  St  Petersbui^,  das 
Ergebnis  jener  Forschungen  repftsentiert,  welche  seiner  Zeit  die  sibirische 
Se^on  jener  Gesellschaft  mit  Unterstützung  der  Regierung  in  jenen  Gegenden 
angestellt  hat. 

Bei  dem  russischen  Amur-Gebiet  ist  das  Mündungsland  von  dem 
mittleren  Stromland  nicht  nur  nach  seiner  natürlichen  Beschaffenheit, 
sondern  auch  nach  der  Geschichte  des  Besitzes  zu  unterscheiden. 

Das  Mündungsland,  und  zwar  auch  am  rechten  Ufer  den  Ussuri  entlang 

Ggen  60  Meilen  nach  Süden  reichend,  gehört  seit  1858  Russland  an.  Zwar 
tte  man  schon  im  17.  Jahrhundert  von  Ostsibirien  aus  Ansiedlungen  ver- 
sucht, aber  sie  blieben  ohne  weiter  Folgen,  da  die  überlegene  MAcht  der 
Chinesen  sich  geltend  zu  machen  wusste.  Uebrigens  ließ  die  chinesisehe 
Resierung  im  Lande  selbst  alles  beim  Alten,  d.  h.  die  tungusischen  Fischer^ 
and  Jftgeirvölker,  welche  dort  wohnten,  blieben  sich  selbst  überlassen,  was  sie 
waren  und  das  Land  Öde  trotz  der  auffallenden  Merkzeichen  der  GulturfiUiig- 
keit,  die  von  den  russischen  Nachbarn  nicht  ans  dem  Auge  gelassen  wurde. 

Während  China  in  diese  Gegend  seine  strafbaren  Würdentrtoer  ins  Exil 
schickte,  sammelte  Russland  die  Materialien  zur  Kenntnis  des  Landes,  um  die 
Frage  zu  ventilieren,  ob  der  Besitz  wünschenswert  sei. 

Im  Jahre  1847  schritt  der  General-Gouverneur  Murawief  —  nachher 
hieß  er  Graf  Amurski  —  zur  Action.  Von  einer  wissenschaftlichen  Commission 
wurde  zunächst  die  Küste  erforscht.  Im  Jahre  1850  fand  man  die  Amur- 
Mündung  und  errichtete  sofort  1851  sechs  Meilen  oberhalb  am  linken  Ufer 
einen  Militärposten  (Nicolaisk),  1852  besetzte  man  die  seit  la  Perouse 
bekannte  de  Castries  Bay,  welche  durch  drei  Inseln  vom  Meere  getrennt 
wird.  Dort  entstand  Alexandrewsk  und  einige  Meilen  landeinwärts  rechts  am 
Strome,  etwa  46  Meilen  von  der  Mtlndung,  der  Posten  Marijnsk.  Im  Jahre 
1853  wurde  unter  49®  n.  Br.  der  Kaiserhafen  entdeckt,  der  zur  Station  für 
eine  Kriegsflotte  geeignet  ist,  und  hier  der  Constantinposten,  so  wie  gegen- 
über auf  der  Insel  Sachalin  der  Iglinposten  angelegt.  Endlich  erhielt  noch 
die  schon  mit  einer  japanischen  Colonie  versehene  Aniwa-Bay  derselben 
Insel  zur  größern  Sicherung  den  Murawiewposten. 

Am  15.  Mai  1854  stieb  Marawiew  mit  50  Booten,  zahlreichen  Flößen 
und  einem  Dampfschiff  von  Schilinski  Sawod  (an  der  Schüka,  die  nach 
ihrer  Vereinigung  mit  dem  Argun  den  Amur  bildet)  ab  und  erschien  mit  1000 
Mann  und  einigen  Kanonen  am  15.  Juni  am  Marienposten.  Das  war  die 
factische  Besitznahme  des  Landes,  deren  diplomatische  Schwierigkeiten  mit 
der  chinesischen  Regierung  sich  bis  1858  hinzogen,  wo  Russland  durch  den 
Vertrag  von  Tien-tsin  die  rechtliche  Sicherung  des  Besitzes  erlangte.  Dies 
hinderte  aber  nicht,  in  der  Zwischenzeit  alle  Vorbereitungen  zu  treffen,  die 
den  künftigen  Besitz  schneller  sichern  konnten.  Der  Nikolaiposten  wurde  zu 
ein^  Stadt  erweitert  (Nikolajewski  die  schon  1855  an  200  Häuser  zählte  und 
jetzt  Regierungssitz  für  das  ostsibirische  Küstenland  ist.  Der 
Amur  wird  jetzt  in  einer  Länge  von  mehr  als  500  deutschen  Meilen  mit  Dampf- 
schiffen befahren  (1861  verkehrten  ihrer  12  regelmäßig  auf  dem  Strome). 

Das  mittlere  und  obere  Amurland  —  namentlich  das  Zwischenland 
des  Argun  und  der  Schil  ka,  die  den  Amur  bilden,  und  das  linke  Ufer  des 
Stromes  selbst  in  der  Länge  von  mehr  als  100  Meilen  war  früher  schon  im 
Besitz  Russlands.  Aber  auch  auf  dieser  Strecke  wurde  der  Besitz  durch  den 
Vertrag  von  Tien-tsin  bedeutend  erweitert,  so  dass  das  ganze  seit  1858 
erworbene  Gebiet  am  Amur  eine  Fläche  von  11.000  Qaadrat-Meüen  beträgt. 

Üeber  die  Naturbeschaffenheit  und  Culturfilhigkeit  des  russischen  Amur- 
landes sind  die  Acten  noch  nicht  geschlossen.  Es  darf  aber  auch  nicht  wundem, 
dass  das  üferland  eines  Stromes  von  580  Meilen  Länge  und  einem  mächtig 
gewundenem  Laufe  an  einzelnen  Stellen  je  nach  der  Position,  dem  geognosti- 


192 

sehen  Gepräge  and  der  Bodenerhebung  venNshiedenartige  ErBcbeinnngen  dar- 
bietet.  Das  obere  und  das  Mündangsgebiet  liegt  zwischen  dem  53.  und 
54.°  n.  Br.,  während  der  Strom  ün  mittleren  Gebiet  am  Einfiuss  des  Songari 
nahe  an  den  47.®  nördl.  Breite  reicht.  Der  obere  Theil  bat  noch  sibirisches 
Clima  (strenge  Winter  und  hei&e  Sommer,  Nachtfröste  im  späten  Frühling  and 
kalte  N&chte  im  Spätsommer)  und  in  dieser  Beziehung  dorne  sich  der  gegen- 
wärtige Gouveneursitz  Blagoweschensk  trotz  seiner  günstigen  Lage 
am  Einfiuss  der  Dzeja  kaum  einer  großen  ciimatischen  Annehmlichkeit 
erfreuen. 

Der  mittlere  Theil  dagegen,  so  wie  ein  Theil  des  unteren  mit  Aus- 
nahme der  Mündung  selbst,  die  wieder  in  der  sibirischen  Breite  liegt,  wird 
von  aUen,  die  mit  der  Erforschung  des  Landes  beschäftigt  waren,  als  ein  in 
jeder  Beziehung  productives  Land  mit  der  besten  Aussicht  auf  Stabilisierung 
von  Gulturmitteln  geschildert.  Es  hat  üppige  Vegetationen  und  neben  allen 
sibirischen  Bäumen  herrliche  Laubwälder  von  Eichen,  Linden,  Ahomarten, 
Ulmen,  Eschen  und  Wallnussbäumen.  Die  Feuchtigkeit  ist  eine  ergiebige;  an 
Bau-  und  Brennholz  unerschöpflicher  Reichthum,  die  Wiesen  besser  als  die 
besten  sibirischen,  die  Zahl  der  jagdbaren  Thiere  groß,  die  Gewässer  reich  an 
Fischen,  namentlich  an  Lachsen  und  Stören,  der  Boden  wenigstens  für  Roggen 
sehr  er^ebig,  der  Strom  durchwegs  schiftbar,  und  wenn  Ackerbau  und  Yieh- 
zucht,  wofür  alle  Bedingungen  vorhanden  sind,  zur  Blüte  gelangen,  ein  vor- 
trefflicher Handelsweg,  welcher  die  Einfuhr  von  Golonial-  und  Luxuswarea 
nach  Sibirien  von  Osten  her  leichter  zu  machen  verspricht  als  von  Westen. 

Nur  ein  Hindernis  —  dass  die  Zukunft  zur  Gegenwart  werde  —  ist  noch 
zu  besiegen  und  zwar  ein  sehr  tie^reifendes.  Die  Bewohner  gehören  mit  wenig 
Ausnahmen  dem  tnngusischen  Stamme  an,  der  nach  den  in  Sibirien  gemach- 
ten Erfahrungen  der  Givilisation  nicht  nur  unzugänglich  ist,  sondern  sich  ihr 
durch  Auswanderung  entzieht.  Dass  auch  am  Amur  dieselbe  Erscheinung  ein- 
treten werde,  ist  mehr  als  wahrscheinlich  und  es  wird  sich  dann  um  die 
Golonisation  von  außen  und  in  grot^em  Umfange  handeln,  wenn  man  das  Land 
ergiebig  machen  will. 

vor  einigen  Jahren  las  man  in  russischen  Blättern,  dass  die  Regierung 
mit  dem  Gedanken  umgehe,  die  in  Nordamerica  angesiedelten  Slaven  namentlich 
Cechen)  ins  Land  zu  ziehen.  Ob  es  geschah  und  mit  welchem  Erfolg,  ist  mir 
nicht  bekannt. 

Unter  den  Erforschem  des  höchst  interessanten  Stromgebietes  sind  wir 
insbesonders  den  Herren  Middendorf,  Usoltzoff,  Veniukoff  (am  Ussuri), 
Leopold  von  Schrenk  und  Carl  Maximowicz  zu  großem  Dank  verpflichtet. 
Es  ist  eine  Riesenaufgabe,  die  sie  mit  dem  regsten  Eifer  für  die  Wissenschaft 
gelöst  haben. 

Nachdem  der  Vortragende  über  die  einzelnen  Bilder  nähere  Andeutungen 
gegeben  hatte,  wurde  die  Sitzung  geschlossen. 

Nächste  Versammlung  am  8.  März  1870. 


Berichtigung.  In  dem  Bericht  über  die  geographischen  Arbeiten  in 
der  Schweiz  (Nr.  3  d.  M.i  sind  folgende  sinnstörende  Druckfehler  zu  verbes- 
sern: Seite  121  Zeile  9  von  unten  soll  stehen  Spuren  statt  Nuance;  Seite  124 
Zeile  11  und  6  von  unten  soll  stehen  fl.  (Gulden)  statt  Franc. 


Reise  durch  Rumejien  Im  Sommer  I86d. 

Von  Prof.  Dr.  F.  v.  Hochstetter. 
1.  Das  östliche  Thracien,  Ton  Gonstantinopel  nach  Adrianopel. 

Der  Reisende,  welcher  zum  ersten  Male  die  Türkei  betritt,  wird 
einen  total  verschiedenen  Eindruck  empfangen,  je  nachdem  er  seinen 
Weg  von  Stambol  nach  Westen  oder  von  der  österreichischen  Grenze 
gegen  Osten  nimmt;  denn  Thracien  ist  der  vollste  Gegensatz  zu  Bosnien. 
Bosnien  ein  herrliches  Gebirgsland,  ein  wahres  Labyrinth  von  Bergen^ 
Felsen  und  Schluchten,  mit  Sümpfen  und  Urwäldern,  voll  Abwechslung 
in  der  Gestaltung,  voll  landschaftlichen  Reizes,  schön  in  wilder  Natur- 
pracht. Von  Gonstantinopel  nach  Adrianopel  aber  kann  man  reisen, 
ohne  einen  Baum  und  ohne  einen  Berg  zu  sehen;  ja  man  kann  hier 
fast  wie  ein  Seemann  in  gerader  Richtung  nach  dem  Kompass  steuern, 
ohne  Ge&hr  auf  den  flachen  Terrainwellen  eines  endlos  scheinenden 
Steppen-  und  Weidelandes,  wo  es  keinen  Weg  gibt,  weil  allies  Weg  ist, 
seinen  Weg  zu  verlieren.  Angenehm  darf  man  diesen  Anfang  freilich 
nicht  nennen,  und  ich  verhehle  es  mir  nicht :  eine  wenig  dankbare  Auf- 
gabe ist  es,  die  Eindrücke  und  Erlebnisse  dieser  Reise  zu  schildern, 
die  größtentheils  durch  einförmige  schwach  bevölkerte  Landstriche  führt, 
welche  einen  doppelt  traurigen  Eindruck  hinterlassen,  wenn  man  sie  im 
August  bei  brennender  Sonnenhitze  durchreist.  Allein  besser  der  wenig 
versprechende  Anfang  eines  Stückes  führt  von  Act  zu  Act  zu  immer 
spannenderen  reicheren  Scenen,  als  umgekehrt.  So  und  nicht  anders  ist 
es,  wenn  man  von  Stambul  aus  in  das  Innere  der  Türkei  reist. 

Bei  dem  einförmigen  Steppencharakter  der  Landschaft  auf  der 
thracischen  Halbinsel  darf  es  auch  nicht  verwundem,  wenn  man  in 
Gonstantinopel  kaum  Jemanden  trifft,  welcher  die  Reise  nach  Adrianopel 
zu  Land  zurückgelegt  hat  und  Aufschluss  geben  kann,  wie  es  landein- 
wärts aussieht.  Wer  von  Stambul  nach  Edim6  (Adrianopel)  reisen  will, 
benützt  in  der  Regel  das  Dampfboot  bis  Rodosto  an  der  Küste  des 
Marmorameeres  und  f&hrt  von  da  mittels  einer  türkischen  Talika  oder 
einer  russischen  Pritschka  —  ein  erst  seit  dem  Krimfeldzug  einge- 
fOhrtes  Fuhrwerk  —  in  24  Stunden  nach  der  alten  Hauptstadt  der 
Türkei.  Die  Poststraße  über  Siliwri  und  Tschorlu  —  wenn  man  eine 
Straße  so  nennen  darf,  die  schon  gleich  vor  den  Thoren  von  Stambul 
nicht  viel  mehr  ist,  als  ein  Feldweg,  der  neben  den  Resten  einer  alten 
gepflasterten  Römerstraße  herl&uft  und  an  der  sich  die  Telegraphen- 
stangen und  Telegraphendr&hte  zu  beiden  Seiten  wie  ein  Anachronismus 
ausnehmen,  — diese  Poststraße  wird  nur  von  Ochsenwagen  benützt  oder 
von   dem   Posttataren,    für    welchen    die  dreißig  Meilen  bis  Adrianopel 

G«ognp]ii8clie  MitiheUaiiKen.  1870.  5.  13 


194 

eine  einzige  Station  sind,  die  derselbe  in  nnunterbTOGhenem  Ritt,  bloß 
mit  gewechselten  Pferden,  in  36  bis  40  Standen  zurflcklegt. 

Nach  der  Landseite  ist  Stambul  durch  eine  gewaltige  Mauer 
mit  alterthümlichen  Zinnen  und  Tflrmen  abgeschlossen,  ein  Werk 
Theodosius  IL;  Stflck  fftr  Stück  ftllt  jetzt  von  ihr,  sie  dient  nur  mehr 
als  Steinbruch  fftr  den  Neubau  von  Stambul  —  auch  Stambul  ist  im 
Stadium  der  Stadterweiterung  und  Stadtverschönerung.  Aber  diese 
Mauer  hatte  lange  die  Welt  des  Bosporus  vollständig  von  Europa 
getrennt  Was  hinter  dieser  Mauer  liegt,  ist  für  die  Bewohner  voa 
Gonstantinopel  zumeist  eine  terra  incognita.  Wie  der  Boden  von 
Constantinopel  geologisch  noch  ein  Stttck  von  Asien  ist,  so  gravitiert  hier 
auch  das  ganze  Leben  nach  der  asiatischen  Seite.  Die  Seewege  sind  es, 
welche  den  Menschen-  und  Güterstrom  dem  St&dteconglomerat  am 
Bosporus  zuführen.  Durch  die  westlichen  Stadtthore  sieht  man  nur 
Kalk-  und  Gemüse-  beladene  Esel  und  Packpferde  ziehen,  welche  diese 
Producte  aus  der  allernächsten  Umgegend  bringen. 

Man  kann  sich  kaum  vorstellen,  welchen  Umschwung  in  diese 
Verhältnisse  eine  Eisenbahn  bringen  wird,  welche  die  Mauer  beim  Thor 
der  sieben  Türme  durchbricht,  und  die  Wagentrains  an  der  Südseite 
der  Stadt,  der  Küste  des  Marmora-Meeres  entlang,  in  einem  Tunnel 
unt^  den  Anhöhen  der  Seraispitze  hindurch,  bis  an  das  Ufer 
des  goldenen  Hernes  führt,  bis  vor  die  Eingangsthore  des  Besestan. 
Der  Warenbahnhof  soll  nämlich  —  so  hörte  ich  wenigstens  in 
Stambul  —  zwischen  den  beiden  Brücken  am  goldenen  Hom  zar 
Seite  des  Handelshafens,  der  Personenbahnhof  unterhalb  der  unteren 
Brücke  angelegt  werden.  Die  gerade  Linie  über  Ejub  nach  dem  golde- 
nen Hom  hat  technische  und  andere  Schwierigkeiten,  namentlich  weU 
bei  Ejub  kaiserliche  Schlösser  und  Stiftungen  liegen,  deren  Terrain 
man  nicht  durchschneiden  kann.  Ein  zweiter  Schienenstrang,  der  sich 
außerhalb  der  Stadt  abzweigen  müsste,  wird,  so  hoffen  wir,  dann 
wohl  auch  dereinst  den  europäischen  Reifenden  bis  an  seine  Quartiere 
in  Pera  bringen,  und  ihm  den  mühsamen  Weg  vom  goldenen  Hom 
bergan  ersparen. 

Ist  es  aber  einmal  so  weit,  so  wird  man  an  noch  weitere  Pläne  denken 
dürfen.  Denn  von  Paris  über  Wien  und  Constantinopel  bis  an  den 
persischen  Meerbusen  und  bis  an  die  Thore  von  Indien  ist  die  Ent- 
fernung nicht  viel  größer  als  von  New- York  nach  San  Francisco.  Und 
wo  schon  vor  so  und  so  viel  tausend  Jahren  eine  Jo  in  der  Gestalt 
einer  Kuh  herübergeschwommen,  da  werden  doch  unsere  Ingenieure 
wol  auch  Mittel  und  Wege  finden,  mit  dem  Dampfross  hinüber  zu 
kommen.     Erst    wenn    ein   ununterbrochener    Schienenstrang   vom    mo- 


195 

dernen  Babel  an  der  Seine  aber  den  Bospoms  bis  znm  alten  Enphrat- 
Babel  Iftnft  nnd  die  beiden  Continente  der  alten  Welt  verbindet, 
wird  sich  europäischer  Untemehmungssgeist  rühmen  dfirfen,  ein  Werk 
za  Stande  gebracht  zn  haben,  das  der  Rieseneisenbahn  der  Ameri- 
kaner über  die  Felsengebirge  znr  Verbindung  der  beiden  Weltmeere 
gleichkommt. 

Am  30.  Juli  morgens  hatte  sich  unsere  Reisegesellschaft  —  die 
sogenannte  Directions-Brigade  unter  Führung  von  Herrn  Baudirector 
W.  Pressel —  in  Jedikule  kiöi  (oder  TachtaliBostani, Brettergärten), 
einem  kleinen  Dorfe  vor  dem  Thor  der  sieben  Thürme  das  Rendez-vous 
gegeben.  Hier  fanden  sich  Herren,  Diener,  Koch,  Stallmeister,  Pferde- 
knechte und  Dragomans  mit  der  entsprechenden  Anzahl  von  Reit-  und 
Packpferden  zur  bestimmten  Stunde  zusammen.  *)  Allein  es  gab  noch  so 
viel  zn  ordnen  und  zu  richten,  dass  sich  unsere  Karawane  erst  gegen 
2  Uhr  nachmittags  in  Bewegung  setzte.  Wir  waren  ausgerüstet,  fast  als 
gälte  es  eine  Expedition  in  das  Innere  von  Africa  oder  Australien, 
und  die  Erfahrung  zeigte,  dass  wir  sehr  recht  daran  gethan  hatten, 
uns  in  unseren  Bewegungen  völlig  unabhängig  von  Land  und  Leuten 
zu  machen. 

Das  Terrain  hinter  Stambul  ist  ein  flachwelliges,  fast  baumloses 
Hügelland,  das  vom  Marmorameer  gegen  Nord  allmählich  ansteigt  zu 
der  Waldregion  längs  der  Küste  des  schwarzen  Meeres,  die  der  Riesen- 
stadt am  Bosporus  ihren  Wasserbedarf  sichert.  Ausgedehnte  Begräbnis- 
plätze, Gremüse-  und  Obstgärten  begrenzen  die  Stadt  jenseits  der  Stadt^ 
mauern;  Weiterhin  an  der  Meeresküste  liegt  eine  Waffen-  und  Pulver- 
Fabrik  und  auf  der  das  goldene  Hörn  beherrschenden  Anhühe  die  riesige 
Daad  Pascha  Gaseme.  Dann  zwischen  Makrikiöi  und  Widos  eine  lange 
Reihe  von  Steinbrüchen  und  Kalköfen,  die  aus  jungtertiären  (miocänen) 
Brack-  und  Süßwasserschichten  das  Baumaterial  für  Stambul  liefern, 
und    endlich   St.  Stefano,   zwei  Stunden  von  Stambul,   an  den  sonnigen 


*)  Wir  waren  bei  unserem  Auszug  aus  Stambul  10  Reiter  mit  15  Pack- 
]kferden.  Zwei  Tage  vor  uns  waren  drei  Ingenieur-Brigaden  mit  gegen  50  Pferden 
abgereist.  Ich  hatte  mir,  um  mein  Reisegepäck  bequem  auf  ein  Pferd  laden  zu 
können,  schon  in  Wien  2  kleine  Koffer  machen  lassen,  die  dem  Packpferd 
beiderseits  angeschnallt  wurden.  Dasselbe  Pferd,  ein  Fuchs,  der  in  Pera  um 
900  Piaster  gekauft  worden  war,  trug  außer  dem  Gepäck  noch  meinen  Diener  und 
hat  während  der  ganzen  Reise  bis  nach  Serbien  vortrefflich  ausgehalten.  Mein 
Diener  Namens  Mohl,  ein  junger  Bursche  von  Hatzfeld  im  Banat  gebürtig,  den 
ich  in  Pera  für  die  Reise  engagiert  hatte,  gegen  einen  Lohn  von  4  Francs 
täglich  bei  freier  Reise  und  Verköstignng,  war  zugleich  mein  Dolmetsch.  Er 
sprach  türkisch,  serbisch  und  deutsch,  und  hat  mir  die  besten  und  treuesten 
Dienste  geleistet. 

13* 


196 

Gestaden  des  blauen  MarmorarMeeres,  ein  anfbUkhendes  St&dtchen  mit 
Villen  reicher  Kauflente.  Darüber  hinaus  yerr&th  nichts  mehr  die  Nähe 
der  Riesenstadt  von  mehr  als  einer  Million  Einwohnern. 

Unser  Reiseziel  für'  den  ersten  Tag  .war  Jarim  Bargas;  dahin 
wurde  unser  Gepäcks-Train  auf  dem  n&chsten  Wege  dirigiert.  Wir  selbst  ritten 
entlang  der  von  Herrn  Yan  der  Eist  Iftngs  der  Meereskttste  bis  27« 
Standen  von  Stambul  in  Angriff  genommenen  Bahnlinie.  Dies  gab  uns 
Gelegenheit  in  Makrikiöi  Omer  Pascha  noch  einmal  einen  Besuch 
abzustatten,  der  mich  schon  früher  sehr  gastfreundlich  auf  seinem  Land- 
sitze aufgenommen  hatte. 

Der  berühmte  General  ist  einer  der  begütertsten  Großgrundbesitzer 
in  der  Nähe  von  Constantinopel.  Er  lebt  im  Sommer  theils  in  Makrikiöi, 
theils  in  dem  benachbarten  an  der  Lagune  von  Kfitschflk  Tschekmedsche 
gelegenen  Alibeykiöi,  einer  froheren  Besitzung  Memehed  Alis,  die  ihm 
vom  Sultan  zum  Geschenk  gemacht  wurde.  Wie  Garibaldi  auf  Caprera, 
so  ist  Omer  Pascha  auf  dem  Lande  ganz  Farmer,  passionierter  Obst-  und 
Seidenzflchter.  Weder  Schildwachen,  noch  Ordonanzen,  noch  Oberhaupt 
irgend  eine  Uniform  verrathen  den  ländlichen  Aufenthalt  des  Generalis- 
simus der  türkischen  Armee.  Der  einzige  Soldat  im  Hause  war  ein  aus- 
gedienter Arnaute,  der  einen  Harlequin's- Anzug  trug  und  ilh  engeren  Fami- 
lienkreise die  Rolle  eines  Haus-  und  Hofiiarren  zu  spielen  schien.  Omer  Pascha, 
der  per  „Hoheit"  tituliert  wird,  ist  trotz  seiner  64  Jahre  und  seines  weißen 
Vollbartes  noch  fast  jugendlich  frisch ;  dennoch  denkt  er  daran,  sich  eine 
Familiengruft  zu  bauen  und  will  sein  Mausoleum  unmittelbar  neben  der 
künftigen  Eiaenbahn  errichten,  ab  wünschte  er  selbst  im  Tode  noch 
im  Verkehr  mit  den  Lebenden  zu  bleiben.  Was  mir  an  dem  Manne  des 
Schwertes  besonders  gefiel,  war,  dass  er  die  Absicht  aussprach,  seinen 
einzigen  Sohn,  einen  munteren  Knaben  von  4Ys  Jahren,  in  Deutschland 
als  Landwirt  erziehen  zu  lassen. 

Bei  Eütschük  Tschekmedsche  (kleiner  Einlaß  oder  kleine  Schub- 
lade), drei  Stunden  von  Stambul,  einem  kleinen  von  Türken  und  Griechen 
bewohnten,  elend  aussehenden  Orte  von  ungefähr  60  Häusern  mit  einer 
Moschee,  erstreckt  sich  eine  durch  eine  schmale  sumpfige  Sand. 
bank  vom  Meer  getrennte  Brackwasserlagune  1 7«  Stunden  weit  in  nörd- 
licher Richtung  ins  Land  hinein.  '*')  An  der  Westseite  der  Lagune 
bemerkt  man  ein  Gehöfte  mit  einer  im  Schweizerstil  gebauten  Villa,  das 
ist  Alibeykiöi,  die  Besitzung  Omer  Pascha*s.    Die  Brücke,   welche   Ober 


*)  Diese  Lagune  ist  reich  an  Federwild  und  die  Sümpfe  ringsum  sind 
das  Jagdgebiet  von  einer  Unzahl  von  Störchen,  die  in  KQtschflk  Tschekmedsche 
ihre  Nester  haben. 


197 

den  Yerlniidiingsami  der  Lagnne  mit  dem  Meere  führt,  ist  durch  ein 
Thor  geschlossen,  Tor  dem  die  Reisenden  ihre  PSsse  vorzeigen  mfissen. 

Von  diesem  Thor  bis  zu  dem  zweiten  Bretterthor  bei  Alexinatz, 
das  durch  den  Holzzaon  fahrt,  mit  welchem  Fflrst  Milosch  sein  schönes 
Serbien  umgrenzen  ließ,  sind  circa  100  deutsche  Meilen.  Für  die  Post- 
tataren, welche  diese  Strecke  in  fflnf  Tagen  zurücklegen,  drei  Stationen;  *) 
fftr  uns  —  freilich  mit  vielen  Kreuz-  und  Querzügen  —  eine  lange 
interessante  Reise. 

Bei  Kütschük  Tschekmedsche  verließen  wir  die  Poststraße,  die 
von  hier  über  Siliwri,  Tschorlu,  Lule  Burgas,  Eski-Baba  und  Hafsa 
nach  Adrianopel  führt,  durch  eine  weUenförmige  niedere  Gegend,  die 
uns  als  äußerst  steril,  als  vollkommen  baumlos  und  schlecht  bebaut 
geschildert  wurde.  Da  diese  Linie  von  einer  anderen  Ingenieur-Brigade 
untersucht  wurde,  so  w&hlten  wir  die  sogenannte  Bergstraße  über  Wisa 
und  Kirk-Klissi,  die  tiefer  im  Innern  des  Landes  und  näher  den  bewaldeten 
Küstenketten  des  schwarzen  Meeres  führt,  eine  Straße,  die  verhältnis- 
mäßig selten  bereist  wird.  Dieser  Umstand  mag  es  auch  rechtfertigen, 
dass  ich  es  überhaupt  unternommen  habe,  die  Reise  nach  Adrianopel 
zu  beschreiben.  In  der  That  bietet  dieser  Weg  auch  ungleich  mehr 
Abwechslung,  als  die  südlichere  Route.  Für  die  Ausführung  einer  Bahn 
längs  der  Bergstraße  sind  die  Schwierigkeiten  wol  kaum  größer,  als 
auf  der  Linie  der  Poststraße,  wogegen  der  Yortheile  gar  manche  sind, 
welche  die  untere  Linie  nicht  bietet  Schon  darin  scheint  mir  ein  Yortheil 
zu  liegen,  dass  die  obere  Linie  das  Land  mehr  in  der  Mitte  zwischen 
schwarzem  Meer  und  Marmorameer  durchschneidet,  noch  mehr  aber 
darin,  dass  sie  den  holzreichen  Waldgegenden  des  Strandscha-Gebirges 
näher  liegt,  und  in  einem  eocänen  Kalkstanzug,  dem  sie  folgt,  überall 
vortreffliches  Baumaterial  in  unmittelbarster  Nähe  findet.  Die  Entschei- 
dung über/  die  Wahl  der  Linie  ist  jedoch  meines  Wissens  noch  nicht 
getroffen. 

Wir  wandten  uns  also  von  Kütschük  Tschekmedsche  nördlich,  dem 
Ufer  der  Lagune  entlang  und  mußten  unsere  Pferde  in  Trab  setzen,  um 
Jarim  Burgas  noch  vor  Nacht  zu  erreichen.  Da  wir  keinen  Führer  mit 
hatten,  so  wären  wir  bald  in  einem  tiefen  Sumpf  stecken  geblieben, 
wenn  uns  nicht  zwei  Sapti^-Offiziere,  die  auf  demselben  Wege  nach- 
geritten kamen,  wieder  auf's  Trockene  gebracht  hätten.  Ihnen  hatten  wir 


*)  Die  vortrefflich  organisierte  österreichische  Post  geht  nämlich  einmal 
in  der  Woche,  am  Mittwoch  abend  von  Constantinopel  nach  Belgrad.  Der  erste 
Tatar  bringt  die  Post  von  Stambul  nach  Adrianopel,  der  zweite  von  da  über 
Philippopel  nach  Sofia,  und  ein  dritter  vollends  bis  an  die  serbische  Grenze 
nach  Alexinatz. 


198 

es  auch  zu  verdanken,  dass  wir  in  Jarim  Bnrgas  ein  Obdach  bekamen. 
Nach  unserer  Landkarte  n&mlich  hatten  wir  wenigstens  ein  ansehnliches 
Dorf  erwartet ;  statt  dessen  fanden  wir  nnr  ein  einsames  Wachthans  mit 
einem  miserablen  Han.  Anch  h&tte  gerade  bei  unserer  Ankunft  leicht 
noch  ein  Unglück  passieren  kdnnen,  da  unsere  Pferde  plötzlich  in  wil- 
dem Aufruhr  auseinander  sprengten,  als  sie  auf  einem  Stoppelfeld  am 
Wege  eine  Eameels-Heerde  erblickten.  Die  Pferde  schienen  an  diesen  An- 
blick so  wenig  gewöhnt,  dass  sie  nicht  vorwärts  zu  bringen  waren,  bis 
wir  die  Kameele  hatten  wegtreiben  lassen. 

Das  Wachthaus  der  Sapti^s  war  uns  in  zuvorkommendster  Weise 
zum  Nachtquartier  eingerftumt  worden,  und  obwol  kaum  5  Stunden  von 
Gonstantinopel  entfernt,  mußten  wir  für  unser  Nachtessen  bereits  zu 
Liebig*schem  Fleischextract  und  Westph&lischem  Schinken  aus  unseren 
Vorräthen  greifen,  so  vortrefflich  sind  türkische  StraOenwirtsh&oser 
verproviantiert. 

Bei  Jarim  Burgas,  das  am  Nordrand  der  Lagune  liegt,  ftnderte 
sich  der  Charakter  der  bis  dahin  flachwelligen  aus  miocftnen  Ablagerungen 
bestehenden  Gegend.  Es  beginnt  ein  niederes  eocftnes  Kalkgebirge  mit 
steilwandigen,  felsigen  Thftlem,  die  der  sonst  so  einförmigen  Gegend 
mitunter  einen  recht  pittoresken  Charakter  geben.  Omer  Pascha  hatte  mich 
auf  merkwürdige  Höhlen  in  diesem  Kalkgebirge  aufmerksam  gemacht,  die 
nach  der  Yolkssage  unter  dem  Balkan  hinweg  mit  der  Donau  communicieren. 
Wir  fanden,  als  wir  am  anderen  Morgen  ausgiengen,  eine  kleine  haXbe 
Stunde  von  dem  Wachthaus  an  der  linken  Seite  des  in  nördlicher  Rich- 
tung ziehenden,  von  kalkigen  Bergzügen  begränzten  Thaies  bald  die  bezeich- 
nete Stelle,  und  waren  nicht  wenig  erstaunt,  nicht  bloß  natürliche  Höhlen 
anzutreffen,  sondern  höchst  eigenthümliche  künstliche  Excavationen* 
Wenige  Fuß  über  der  Thalsoble  führt  n&mlich  ein  unterirdischer  Gang 
schräg  aufwärts  in  das  Innere  einer  geräumigen  künstlich  ausgehauenen 
Felsenkammer,  die  ungefähr  150  Fuß  lang,  35  bis  40  Fuß  breit  und 
25  bis  30  Fuß  hoch  ist,  und  sich  gegen  die  Thalseite  an  einer  Fels- 
terrasse öffnet  Der  Boden  ist  mit  dicken  Schichten  von  Lehm  und 
Schaafsmist  bedeckt,  da  die  Höhle  gegenwärtig  eine  Zufluchtstfttte  von 
Schafherden  ist.  Seitenwände  und  Decke  sind  stellenweise  von  Rauch 
ganz  geschwärzt. 

In  die  südliche  Seitenwand,  dem  unterirdischen  Eingang  gegen- 
über, ist  eine  ganze  Reihe  von  theils  viereckigen,  theils  halbrunden 
Nischen  verschiedener  Größe  und  Höhe  eingehauen.  Ueber  einer  vier- 
eckigen Nische  unweit  von  der  Oeffnung  der  Höhle  gegen  das  Thal  be- 
merkt man  ein  Kreuz  eingemeißelt  und  eine  Reihe  von  kleinen  vier- 
eckigen Löchern,    als   ob    hier   Balken   eingefügt  gewesen  wären.     Die 


199 

Mhinnde  Niscke  daneben  stellt  ein  kleinee  Amphitheater  dar,  sie  enth&lt 
nAnüich  mehrere  übereinander  liegende  steinerne  Bänke  mit  erhöhten  Mittel- 
sitcen,  die  fOr  ongefiLhr  24  Personen  Platz  bieten.  Im  Hintergrund,  links 
Yom  unterirdischen  Eingang,  ist  ein  viereckiger  Block  aosgemeiJQ^t  wie 
ein  Opferaitar,   oder  wie  ein  Predigtstahl,  zu  dem  Stufen  hinaufführen 
und  in  dessen  Hintergrund   ein  langes  enges  Loch  in  den  Felsen  führt, 
dessen  Creheimnis   wir  jedoch  nicht  weiter  erforschen  konnten.    Außer- 
dem   bemerkt   man   an  verschiedenen  Seiten   der  Höhle  in  Fels  ausge- 
hauene  Sitzbänke.    Auch   an  der  Decke   der  Höhle  zeigt  sich  ein  vier- 
eckig   gemeißelter  Felsblock.     Das  (janze   macht  den  Eindruck   hohen 
Alterthums.    Bei  genauerer  Untersuchung  der  Außenseite  des  Felsens 
fimden  wir  auch  hier  überall  die  Spuren  von  menschlicher  Arbeit  unter 
dem  den  Abhang  bedeckenden  Gebüsche,  nämlich  künstlich  in  den  Fel- 
sen gehauene  Terrassen  und  die  Reste  von  in  Stein  gehauenen  Stufen. 
Den  Alterthumsforschem   in  Constantinopel   ist  diese  Felsgrotte  bei  Ja- 
rira  Burgas  noch  völlig   unbekannt,  und   es   ist   nichts  weiter  als    eine 
Yennuthung,  wenn  ich  die  Ansicht  ausspreche,  dass  wir  eine  Art  Felsen- 
Tempel  vor  uns  hatten,  vielleicht  einen  geheimen  Versammlungsort  von 
Christen  aus  einer  Zeitperiode,  in  der  diese  nur  im  Geheimen  und  Verbor- 
genen ihren  Cnltus  ausüben  durften.  Im  weiteren  Verlauf  unserer  Beise  haben 
wir  ähnliche  Felsexkavationen  in  derselben  Kalksteinformation  bei  Indschies 
nördlich  von  Tschadaldsche,  und  zum  dritten  Male  bei  Tatarkiöi  nördlich 
von  Adrianopel   angetroffen,   deren    Charakter   mich    in  jener   Ansicht 
nur  bestätigen  kennte.    Jedenfalls  verdienen  diese  Localitäten  eine  ein- 
gehende Untersuchung   und   ich    empfehle    sie  der  Aufmerksamkeit  der 
Alterthnmsforscher.   Der  oben   erwähnte   unterirdische    Eingang   scheint 
überdies  in  eine  große  natürliche   Tropfsteinhöhle   zu   führen    die  wir 
jedoch  aus  Mangel  an  Beleuchtungsapparaten  leider  nicht  weiter  unter- 
suchen konnten.  Höhlen  dürften  überhaupt  in  diesen  Kalkgebirgen  keine 
Seltenheit   sein,   indem  die   Wässer   alle    einen    unterirdischen   Verlauf 
nehmen,    wie  eine  prächtige   Quelle    beweist,    die    eine   kurze   Distanz 
weiter  unterhalb    im  Thal    hervorsprudelt  und    in    ein    viereckig    aus- 
gemauertes Bassin  gefasst  ist,  das  als  Fischbehälter  dient. 

Wenige  Schritte  oberhalb  der  Felsgrotte  erweitert  sich  das 
Thal  zu  einem  malerischen  Becken,  das  wie  eine  grüne  Oase  zwischen 
den  kahlen  Kalkbergen  liegt  Hechts  am  Abhang  sieht  man  Asadli  eine  aus- 
gedehnte Militär-Colonie  mit  Pulvermagazinen  und  einer  in  steinernen 
Bögen  gebauten  Wasserleitung,  höher  oben  auf  den  Kalkplateau  liegt  die 
Ortschaft  St.  Georgia.  Durch  das  Thal  zieht  eine  noch  ziemlich  gut 
erhaltene  uralte,  mit  großen  Kalkplatten  gepflasterte  Straße. 

Wir  brachen  gegen  Mittag  von  Jarim  Burgas  auf  nach  Tschataldsche. 


200 

Der  Weg  dahin  ftkhrte  uns  durch  ein  ödes  Thal  zwischen  nakten  Ealkfelsen, 
in  dem  nur  einzelne  Gehöfte  liegen,  nach  Maarli  einem  kleinen  hereits 
balgarischen  Dorf  am  oberen  Gehänge  des  Thaies ;  von  da  hatten  wir  die 
Wasserscheide  des  Kalksplateaas  (125  Met.)  zu  überschreiten  und  kamen 
Aber  Muhakiöi  durch  Landstriche  mit  dem  fruchtbarsten  tiefschwarzen 
Ackerboden  allmfthlich  in  die  sumpfigen  Niederungen  des  Karasu  vor 
dessen  Einfluss  in  den  Meerbusen  von  Bujuk  Tschelonedsche.  Eine  alte 
aus  soliden  Kalkquadern  construierte  Römerstraße  dient  noch  heute  als 
Weg  durch  die  etwa  1  Stunde  breiten  Sümpfe.  Bei  delr  drückenden 
Hitze  beneideten  wir  fast  die  zahlreichen  Büffelherden  die  da  im  küh- 
len Schlammbad  lagen.  Eine  neue  steinerne  Brücke  führt  am  jen- 
seitigen Ufer  der  Sümpfe  am  Fuß  der  ansteigenden  Hügelkette  über 
den  Karasu.  Auf  einer  ungeffthr  200  Fuß  hohen  Terrasse  über  dem 
Fluss  liegt  in  einem  Wald  von  Obstbäumen  versteckt  das  Städtchen 
Tschataldsche. 

Mit  Freuden  begrüßten  wir  dieses  erste  türkische  Städtchen.  Unsere 
Erwartungen  wurden  auch  nicht  getäuscht,  denn  wir  fanden  im  Manoil 
Han  verhältnismäßig  gutes  Quartier  und  in  dem  Caffeehaus  vis-a-vis 
einen  gemüthlichen  Caffedschi  Namens  Apostel,  der  wie  überall  in  tür- 
kischen Landstädten  mit  seiner  Caffeeschank  zugleich  das  Barbierge- 
schäft verbindet. 

1.  August.  Tschataldsche  (Griechisch  Metres)  hat  eine  ge- 
mischte Bevölkerung  von  Türken,  Griechen  und  Bulgaren,  es  zählt  3öO 
Familien ;  das  kleine  «Stfidtchen  besitzt  nicht  weniger  als  5  Moscheen 
und  8  christliche  Kirchen,  die  freilich  nicht  alle  im'  Gebraaeh 
sind.  Früher  soll  die  Anzahl  der  Kirchen  sogar  noch  größer  gewesen 
sein,  allein  Sultan  Soliman  ließ  mehrere  zerstören  und  aus  dem  Baa- 
materiale  die  große  Brücke  von  Bujuk  Tschekmedsche  bauen.  Für  die 
Erziehung  der  hoffnungsvollen  Jugend  sorgen  2  griechische  und  2  türki- 
sche Schulen,  doch  scheinen  das  erst  neuere  Einrichtungen  zu  sein,  in- 
dem ich  unter  den  Erwachsenen,  mit  Ausnahme  des  vortrefflich  gebildeten 
griechischen  Artztes  Dr.  Agelastos,  Niemanden  fand,  der  lesen  oder 
schreiben  konnte,  während  die  Schulknaben  sich  förmlich  herbeidrängten, 
als  ich  sie  aufforderte,  zu  zeigen,  dass  sie  schreiben  können. 

Den  Vormittag  benütze  ich  zu  einem  kleinen  Ausflug  in  die 
Schlucht  Banajedere,  welche  den  Höhenzug  hinter  dem  Städtchen  durch- 
schneidet. Diese  Felsschlucht  verdiente  eigentlich  den  Namen  „Schild- 
kröten>Thal",  denn  nirgends  habe  ich  diese  Thiere  so  zahlreich  ange- 
troffen, wie  an  den  einzelnen  Wassertümpeln  der  mit  dichtem  Gebüsch 
bewachsenen  Schlucht.  Ein  Saumweg  führt  durch  die  Schlucht  auf 
die    Höhe     des    Tekelitasch    (Genähter    Berg) ,     von    dessen    kahler 


201 

Kai^  man  eine  großartige  Fernsicht  hat  «ber  die  ganze  Gegend 
zwischen  dem  schwarzen  Meere  und  dem  Mamora  Meer  und  bis  nach 
StamboL  Wenn  man  vom  Seraskier-Tnrm  in  Stambul  gegen  Westen 
blickt,  so  ist  es  dieser  zn  einer  Höhe  von  gegen  320  Meter  sich  erhebende, 
nordsUdlich  streichende  Bergzng,  welcher  den  Horizont  abschließt. 

Der  höhere  Bergrflcken  besteht  ganz  aus  Urthonschiefer,  wfthrend 
am  östlichen  Abhang  oberhalb  Tschataldsche  eoc&ne  Kalk-  und  Con- 
glomeratbfinke  mit  steiler  Schichtenstellung  angelagert  erscheinen. 

Nachmittags  setzen  wir  unsere  Reise  fort,  und  zogen  uns  in  nörd- 
licher Richtung  dem  Fuße  der  mit  Buschwald  bewachsenen  Bergkette 
entlang.  Die  ftußerst  fruchtbare  Löss-Terrasse  ist  stellenweise  von  den 
pr&cbtigsten  Nußbaum  Gruppen  beschattet.  Nach  1 7^  Stunden  erreich- 
ten wir  das  von  Türken  bewohnte  Dorf  Indschies  am  Zusammenfiuss  des 
Teke  mit  dem  Karasu.  Alte  Römerstraßen  kreuzen  sich  im  Orte  und 
an  einer  dei-selben,  der  neuen  einen  äußerst  gef&Uigen  Eindruck  machen- 
den Moschee  gegenüber,  bemerkt  man  noch  die  Ruinen  eines  alten  Ge- 
bäudes mit  flach  spitzbogenförmigen  Nischen  und  Thüren.  Jedoch  die 
größte  Merkwürdigkeit  von  Indschies  ist  eine  alte  Felsenkirche  am 
jenseitigen  rechten  Ufer  des  Earasu.  Eine  schneeweiße  ungef&hr  löO' 
hohe  Ealkfelswand  tritt  hier  aus  dem  waldbedeckten  Bergabhang  dicht 
an  den  Fluss  hervor  und  spiegelt  sich  in  dem  ruhigen  Wasserspiegel  des 
Karasu.  Schon  von  der  Entfernung  bemerkt  man  die  in  4  Etagen  über- 
einander liegenden  Löcher  in  dem  Felsen.  Wir  versuchten  es  auf  halsbre- 
cherischem Wege  durch  das  dichte  Buschwerk  wenigstens  zu  einer  dieser  Fels- 
Gallerien  zu  gelangen  und  fanden  eine  Reihe  durch  enge  Gänge  mit 
einander  verbundener  Felsgemächer.  In  einem  derselben  war  die  Decke 
klippelförmig  ausgemeißelt  und  Hess  noch  die  Spuren  roher  Bemalung 
erkennen.  Die  übrigen  Gallerien  sind  nur  mit  Lebensgefahr  zugänglich. 
Das  feinsandige  Ealkmaterial  des  Felsens  ist  voll  von  den  Resten  aus- 
gestorbener Seethiere,  es  errinnert  vollkommen  an  den  Ereidetuff  des 
berühmten  Petersberg  in  Mastricht  und  ist  zu  solchen  Excavationen 
vorzüglich  geeignet.  Was  wir  nun  aber  aus  denselben  machen  sollten, 
darüber  waren  wir  ebenso  unklar  wie  in  Jarim  Burgas.  Das  Ganze 
errinnert  am  meisten  an  Erypten  und  vielleicht  waren  es  alte  christ- 
liche Begräbnisplätze.  Die  Außenseite  des  Felsens  zeigt  überdies  höchst 
ausgezeichnet  eine  bienenwabenförmige  Verwitterung.  Etwas  thalaufwärts 
liegt  unter  schattigen  Bäumen  eine  ktlhle  Quelle,  einer  der  anmuthigsten 
Plätze  die  ich  auf  der  ganzen  Reise  gesehen. 

Von  Indschies  weg  hielten  wir  uns  am  linken  Ufer  des  Earasu 
auf  der  ausgedehnten  Schotterterraße  des  Flußes,  und  steuerten  dem 
Jannk-Han  zu,  der  sich  in  der  sonst  baumlosen  Gegend,  schon  aus  gro- 


202 

ßer  Entfernung  dnrch  eine  Baumgnippe  bemerkbar  maciite.  Wir  faadeii 
jedoch  in  dem  einsamen  Han,  den  wir  erst  mit  sinkender  Nacht  erreich- 
ten, nur  einen  großen  Stall  und  waren  genöthigt  auf  offenem  Felde 
zu  campieren.  Im  Mondenschein  schlugen  wir  daher  noch  unsere  Zelte 
auf.  Beim  Nachtessen  zeigte  sich,  dass  unser  Proviantmeister  uns  einen 
recht  unangenehmen  Streich  gespielt  hatte.  Wir  hatten  uns  alle  auf  eine 
Tasse  guten  Thee's  gefreut ;  der  Thee  kam,  aber  was  fOr  ein  Thee  I  — 
Gamillenthee !  Unser  Proviantmeister  hatte  in  Pera  Camillenthee  statt 
chinesischen  Thee*6  gekauft. 

2.  August.  Eine  mit  Glockengeläute  vorbeiziehende  Kameelska- 
rawane,  und  die  knarrenden  Bflffelwägen  bulgarischer  Bauern  weckten 
uns  schon  vor  Tagesanbruch,  und  mit  Sonnenaufgang  waren  wir  wieder 
im  Sattel.  Wir  flberschritten  den  Karasu  und  erreichten  in  sanftem 
Anstieg  bald  ein  ausgedehntes  Plateau.  Hier  beginnen  nun  die  einförmi- 
gen baumlosen  von  trockenen  Wasserrinnen  durchfurchten  Plateauflftchen 
der  thracischen  Landschaft  die  ihren  Character  bis  Adrianopei  nur 
wenig  verändert.  Der  Boden  besteht  aus  Sand,  Lehm  und  eisenschfls- 
sigen  Geröllmassen,  und  hebt  sich  nur  ganz  allmählich  gegen  Norden 
und  Süden  zu  den  niederen  Küstengebirgsketten  am  schwarzen  Meer 
einerseits  und  am  Marmora-Meer  andererseits.  Die  Wasserläufe  fließen 
von  beiden  Seiten  nach  der  Mitte  des  Beckens  und  entleeren  sich  als 
Erkene  (Agrianes  der  Alten)  gegen  Westen  zwischenEnos  und  Adrianopel  in 
die  Maritza.  Das  Innere  desBeckens  ist  größtentheils  Weideland  oder  zwerg- 
haftes Eichengestrflppe.  Felder,  Wein-  und  Obstgärten  und  schattige  Bäume 
finden  sich  immer  nur  in  der  Nähe  der  Dörfer  und  Städte  oder  der 
vereinzelt  liegenden  Tschiftliks.  Die  Ansiedlungen  liegen  weit  ausein- 
ander, denn  die  Bevölkerung,  vorherrschend  Griechisch,  aber  untermischt 
mit  Türkisch  und  Bulgarisch,  ist  in  diesem  Theile  des  Landes  ziemlich 
spärlich.  Einzelne  Tscherkessische  Niederlassungen  sind  ganz  neuen 
Datums.  Auf  den  Feldern  wird  eine  zweijährige  Wechselwirtscbaft  ge- 
trieben. Die  ausgedehnten  Weiden  enthalten  eine  Vegetation  wie  sie 
dem  wannen  Clima  und  dem  trockenen  Erdreich  entspricht,  die  sich 
ebensowenig  durch  Ueppigkeit  als  durch  Futterreichthum  auszeicbnet 
Man  sieht  mehr  wilden  Senf,  Malven,  Disteln  und  Camillen  als  Gras; 
und  im  Verhältnis  zur  Ausdehnung  der,  der  Viehzucht  gewidmeten  Trif- 
ten begegnet  man  nur  wenigen  Heerden  von  Schafen,  Rindvieh,  Büffeln 
und  Pferden.  Schildkröten,  Störche,  Geier  und  Krähen  sind  fast  die 
einzige  lebendige  Staffage  der  öden  Landschaft. 

Um  9  Uhr  erreichton  wir  den  Hassan  Han,  ein  einzelnstehendes 
Strassenwirthshaus  auf  dem  mit  Eichengestrüpp  bewachsenen  Platean. 
Die  Hauptindustrie  in  diesen  Buschwald-Steppen  besteht  in  der  Eneu* 


308 

gong  von  Holzkohlen.  Wir  trafen  beim  Han  ganze  Karawanen  von 
Kohlenwagen.  Der  Han  selbst  ist  ans  den  Kalkqnadem  der  berflhmten 
Athanaaios' sehen  Mauer  gebaut,  die  einst  das  Dreieck  von  Byzanz  vom 
schwarzen  Meere  bis  zum  Marmora  Meer  absperrte.  Die  Mauer  läuft 
unmittelbar  beim  Han  vorftber,  ist  aber  hier  zum  größten  Theil  abge- 
tragen, und  nur  an  einzelnen  Ruinen  und  herumliegenden  Quadersteinen 
noch  erkennbar. 

Die  Strecke  Weg's  vom  Hassan  Han  bis  zum  Bujuk  Han,  4  lange 
türkische  Reit-Stunden  über  das  trostlose,  menschenleere  Buschwald- 
platean,  das  sich  unabsehbar  vom  schwarzen  Meer  bis  zum  Marmora- 
Meer  zu  erstrecken  scheint,  wird  uns  allen  in  unvergesslicher  Erinne- 
rung bleiben.  Dieser  Ritt  bei  einer  fast  unerträglichen  Hitze  von 
28®  R.  ohne  Schatten  und  ohne  einen  Tropfen  Wassers,  war  das  unan- 
genehmste Stück  unserer  ganzen  türkischen  Reise.  Und  nach  diesem 
Ritt  fanden  wir  statt  des  stattlichen  „Oroßen  Hans^  nur  eine  Ruine 
und  einen  armselig  zerlumpten  Handschi  mit  eiiför  Schaar  halbwilder 
Hunde,  die  uns  heulend  anfielen.  Wassermelonen  waren  die  einzige  Er- 
frischung, die  uns  geboten  wurde.  Hier  konnte  unseres  Bleibens  natür- 
lich nicht  sein,  und  so  ritten  wir  gegen  5  Uhr  Nachmittags  noch 
weiter.  Bald  senkt  sich  das  Plateau  nach  einer  flachen  bewaldeten 
Thalrinne,  die  von  Nordost  gegen  Südwest  verläuft  und  von  uns  freu- 
dig begrüßt  wurde,  weil  wir  hier  endlich  Wasser  fanden.  Am  jenseitigen 
Abhang,  als  wir  aus  dem  Buschwald  heraustraten,  fanden  wir  uns  bei 
dem  auf  einer  fruchtbaren  Lössterrasse  gelegenen  Dorfe  Jenikiöi  (Neu- 
dorf), das  erste  rein  bulgarische  Dorf,  das  wir  auf  unserer  Reise  an- 
trafen. Die  schlechten  'Strohhütten  mit  den  grossen  Tennplätzen,  auf 
denen  der  Weizen  in  hohen  Haufen  lag,  die  geflochtenen  Zäune,  die 
schmutzige  Unordnung,  die  überall  herrschte,  —  Alles  erinnerte  uns  an 
ungarische  Dörfer. 

Den  Han,  den  wir  am  andern  Ende  des  Dorfes  antrafen,  und  für 
den  der  Pächter  jährlich  4000  Piaster  zahlen  muss,  fanden  wir  in 
einem  derartigen  Zustand ,  dass  wir  es  vorzogen  ,  unsere  Zelte  aufzu- 
schlagen und  zu  campieren. 

3.  Aug.  Jenikiöi  ist  eine  Bauernkolonie  in  einer  äußerst  spärlich 
bevölkerten  fiachwelligen  Gegend,  die,  soweit  das  Auge  auf  den  niederen 
von  flachen  Thabinnen  durchzogenen  Plateauflächen  reicht,  den  Character 
einer  mit  Gestrüppwald  bestandenen  Steppe  mit  theils  sandigem,  theils 
lehmigem  Boden  hat.  Schon  eine  Viertelstunde  vor  dem  Ort  beginnt  wieder 
das  Eichengestrüpp,  der  Waldweg  führt  nach  einer  Stunde  jenseits  eines 
kleinen  Thaies  an  einem  im  tiefen  Schatten  hochstämmiger  Eichen  ge- 
legenen Brunnen  vorbei  („Bunaro^  nennt   der  bulgarische  Bauer  diesen 


204 

Brnnnen)  und  dann  aufwärts  aaf  eine  monotone  Plateanfl&che,  auf  der 
einzelne  Holzbimbänme,  da  und  dort  einzelne  Partien  hochstämmiger 
Eichen  und  zerstreute  Kohlenbrennercolonien,  von  welchen  Rauch  aufsteigt, 
dem  Auge  die  einzige  Abwechslung  bieten  in  dem  öden  Einerlei  des 
traurigen  Buschwaldes.  So  geht  es  fort  stunden-  und  stundenlang.  Dann 
und  wann  begegnet  man  kleinen  Karawanen  von  Bfiffel-  oder  Ochsen- 
wagen,  die  Holzkohlen  aus  den  besser  bewaldeten  weiter  nördUcfa  ge- 
legenen Distrikten  fahren.  Die  Ochsen  gehören  einem  kleinen  kurz- 
hörnigen  weißen  Schlag  an,  wie  er  durch  ganz  Rnmelien,  ja  ich  glaube, 
durch  die  ganze  europäische  Türkei  yerbreitet  ist. 

Eine  Stunde  vor  Sarai  Aberschreitet  man  auf  einer  Holzbrücke  in 
der  Nähe  einer  Ziegelei  den  Manuka  Deressi  (Bou^  schreibt  Maruka), 
der  sich  in  den  lockeren  Diluvialschichten  ein  ziemlich  breites  und 
tiefes  Thal  ausgewaschen  hat  lieber  eine  weitere  plateauförmig  sich  aus- 
breitende Anhöhe  gelangt  man  in  das  Thal  des  Galata  Deressi  %  an  dessen 
rechtem  Ufer  auf  einer  baumlosen  Fläche  das  gründurchwachsene  Städt- 
chen Sarai  liegt.  Die  beiden  genannten  Flüsse  sind  Zuflüsse  des  Erkene. 

Nach  zweitägiger  Wanderung  durch  die  einförmigste  fast  unbe- 
wohnte Steppenlandschaft  begrüsst  man  mit  Freude  auch  den  kleinsten 
Ort,  wo  Menschen .  wohnen  Sarai  zählt  ungefähr  125  Häuser,  also 
gegen  1000  Einwohner,  Griechen  und  Türken,  deren  Hauptbeschäfti- 
gungen Ackerbau,  Viehzucht,  Holzhandel  und  Kohlenbrennerei  sind.  Ich 
sah  nur  eine  Moschee,  aber  keine  griechische  Kirche.  Man  ist  bei  Sarai 
dem  waldreichen  höheren  Küstengebirge,  dem  Strandschagebirge,  bis  auf 
1  bis  2  Stunden  nahegerückt  und  die  Landschaft  gewinnt  durch  die 
Aussicht  auf  die  Kuppenreihen  des  Kara  Tepe,  des  höchsten  Punktes 
in  jenem  Gebirge  etwas  mehr  an  Reiz.  An  diesem  aus  krystallinischen 
Gesteinen  bestehenden  Gebirgsstock,  dem  Nummulitenkalkzüge  vorge- 
lagert sind,  sollen  noch  Urwälder  vorkommen,  Eichenurwälder,  die  vor- 
treffliches Bauholz  liefern.  Auch  an  Wild  und  Wölfen  soll  dort  kein 
Mangel  sein. 

In  Sarai  hielten  wir  Mittagsrast  und  setzten  nachmittags  unsere 
Reise  in  der  Richtung  gegen  Wise  (oder  Wisa)  fort.  Ueber  ausge- 
dehnte Hutweiden  und  sterile  Schotterfelder,  auf  welchen  Büffelheerden 
weideten,  kamen  wir  in  die  breite  Alluvialfläche  des  Ergh^ne  (Erkene). 
Dieser  ist  der  Hauptfluss,  welcher  auf  seinem  weiteren  Laufe  die  Wässer 
vom  Küstengebirge  des  schwarzen  wie  des  Marmora-Meeres  her  sammelt 


*)  Im  Galata-Thal  sollen  nach  Yiquesnel  (II.  p.  302)  künstliche  in  Kalk- 
fels ausgehauene  Grotten  und  unterirdische  Kanäle  sich  finden,  die  nach  der 
Sage  einer  uralten  Wasserleitung,  welche  bis  Constantinopel  geführt  haben 
solly  angehören. 


205 

und  sie  unterhalb  Adrianopel  zwischen  Demotika  and  Enos  der  Maritza 
zuführt  So  lange  die  Küstenketten  noch  bewaldet  sind,  wird  der 
Ergh^e,  der  mit  seinen  Znflflssen  das  östliche  Thracien  bewässert, 
jederzeit  Wasser  haben;  aber  man  hflte  sich  das  Strandscha-Gebirge 
seiner  Wftlder  zn  berauben! 

Eine  von  rechts  in  die  Ebene  vorspringende  Anhdhe  mit  einem 
ansehnlichen  Tumolns  auf  der  Spitze,  eröffnete  uns  die  Aussicht  auf 
das  schöne  vortrefflich  bebaute  und  gut  bewftsserte  Thalbecken  von 
Wisa.  Dieses  ^ausgedehnte  Alluvialbecken  i3t  ohne  Zweifel  die  an- 
muthigste  Partie  auf  der  ganzen  Strecke  von  Stambul  bis  Adrianopel, 
und  dass  in  diesem  fruchtbaren  Thalbecken  die  Gultur  eine  uralte, 
das  beweisen  die  zahlreichen  Tumuli,  die  man  in  der  Ebene  und  auf 
den  Anhöhen  ringsum  bemerkt.  Es  waren  dies  die  ersten  Tumuli,  die 
wir  in  Thracien  antrafen.  Näher  bei  Stambul  finden  sie  sich  nur  an 
der  Kfiste  des  Marmora-Meeres,  wo  einige  auf  der  Yiquesnerschen  Karte 
an  der  Kfiste  zwischen  Bcyuk  Tschekmedsche,  Siliwria  und  Rodosto 
verzeichnet  sind.  Durch  die  Viquesnersche  Karte,  auf  der  rechts  von 
unserem  Wege  „Beiles  mines  antiques^  angegeben  waren,  ließen  wir 
uns  zu  einer  kleinen  Seitentour  veranlassen ,  um  diese  Ruinen, 
die  sich  uns  von  der  Entfernung  als  ein  Stück  Mauerwerk  nebst  einer 
mächtigen  hohen  Säule  mit  Kapital  repräsentierten,  zu  besichtigen« 
Wie  enttäuscht  waren  wir  aber,  als  wir  näher  kamen  und  plötzlich 
einer  unserer  Begleiter,  der  vorausgeeilt  war,  auf  der  Spitze  der  ver- 
meintlichen Säule  erschien.  Es  war  die  Ruine  einer  Grabmoschee,  deren 
Minaret  bis  zum  Kranz  abgebrochen  war,  ringsum  liegt  ein  alter  muhame- 
danischer  Begräbnisplatz. 

Unweit  davon  kamen  wir  in  das  Dorf  Tschakali,  in  welchem  wir 
uns  in  Ermanglung  eines  bewohnbaren  Hanes  bei  einem  griechischen  Bauern 
ein  Nachtquartier  suchten.  Wir  fanden  dieses  bei  einem  Bauer  Namens 
Demetri  so  gut,  als  wir  nur  wünschen  konnten,  und  ich  konnte  mich, 
als  ich  den  stattlichen  Bauernhof  betrat,  der  mit  Geflügel  aller  Art,  mit 
Scliweinen,  Rindvieh  u.  s.  w.  reich  besetzt  schien,  des»  Eindrucks  nicht  er- 
wehren, dass  man  bei  uns  manche  Dörfer  durchwandern  kann,  ohne 
desgleichen  zu  finden.  Die  Töchter  des  Hauses,  drei  frische  junge 
Mädchen  Namen»  Sacharmia,  Fantia  und  Jsali  machten  uns,  wiewol 
etwas  verlegen,  die  Honneurs  und  traktierten  mich  mit  vortrefflicher 
frischer  Büffelmilch.  Das  Dorf  zählt  16  türkische  und  80  griechische 
Häuser. 

4.  Aug.  Durch  eine  äußerst  fruchtbare  Ebene  mit  den  üppigsten 
Maisfeldern,  zur  Rechten  eine  höher  ansteigende,  theils  aus  Nummu- 
litenkalk,    theils    aus    Gneiß    bestehende  Hügelkette,    führte    uns  unser 


206 

Weg  das  Ana  Dere  aufwärts  gegen  Wisa.  Reehts  vom  Weg,  vor  der 
Mflndnng  kleiner  Seitenth&ler  in  die  Ebene,  liegen  die  griechischen 
Dörfer  Ewrenli  (am  Kastrizibach)  nnd  Tastadarli  (^/^  St.  von  Visa); 
links  hatten  wir  das  Dorf  Menkere.  Ueberall  treten  hier  theils  im 
Weg,  theils  an  den  den  Weg  begrenzenden  Htlgeln  die  dOnn  geplatteten 
Kalksteinb&nke  der  Nammolitenformation,  zum  Theil  voll  von  Nnmmn- 
liten,  zu  Tage,  während  die  höher  ansteigenden  Hfigelketten  zur  Rechten 
bereits  ans  Gneiß  nnd  zwar  ans  einem  grobkörnigen  qnarzreiehen  Gneifi 
bestehen.  Man  ist  also  dicht  an  der  Grenze  des  Urgebirges  nnd  der 
Eocänformation.  Auf  einzelnen  der  Tamali  dieser  Gegend  haben  die 
Feldwachen,  welche  den  Knkuruz  zu  boten  haben,  ihre  Hiatten  postiert. 

Die  Stadt  Wisa  (oder  wie  die  Bewohner  sagen  „Wise'')  hat  eine 
höchst  ausgezeichnete  malerische  Lage  an  der  vorderen  Spitze  eines 
von  einem  höheren  plateauartig  sich  ausbreitenden  Gebirge  in  südlicher 
Richtung  in  das  Thalbecken  vorspringenden  Hfigelzuges.  Die  Hftnser- 
reihen  liegen  terrassenförmig  am  Abhang  über  einander  nnd  verlieren 
sich  rechts  und  links  in  die  an  die  Stadt  sich  anschließenden  Obst- 
nnd  Weing&rten.  Wisa  soll  gegen  1000  Häuser,  also  ungefähr  5000 
Einwohner  zählen,  Tflrken  und  Griechen.  Es  ist  der  Sitz  eines  griechi- 
schen Metropoliten  und  mit  großer  Zuvorkommenheit  zeigte  man  uns 
die  in  einem  hflbschen  Stil  aus  Stein  gebaute  neue  griechische  Schule*^). 
Hier  bemerkten  wir  auch  zum  ersten  Male  Ditmar'sche  Petroleum- 
lampen, die,  wie  wir  uns  später  flberzeugten,  seit  ungefähr  2  Jahren 
durch  die  ganze  europäische  Tflrkei  verbreitet  sind  und  sogar  in  ganz 
abgel^enen  bulgarischen  Dörfern  angetroffen  werden.  Wisa  maß 
übrigens  in  früherer  Zeit  viel  grösser  gewesen  sein  als  heutzutage, 
und  ein  interessantes  Stück  Geschichte  hinter  sich  haben;  denn  auf 
den  Anhöhen  oberhalb  der  Stadt  bemerkt  man  sehr  ausgedehnte  Ruinen, 
die  wohl  eine  nähere  Untersuchung  verdienen  würden  und  vielleicht 
manche  wertvolle  Alterthümer  bergen.  In  den  Anhöhen  hinter  der 
Stadt  werden  auch  vortreffliche  Werksteine  gebrochen,  ein  weicher 
gelber  Kalkstein,  der  dem  bd»nnten  Mastrichter  Kreidetuff  ähnlich  ist. 
In  diesen  Kalksteinen  sollen  sich  auch  Excavationen  finden,  wie  bei 
Jarim  Burgas. 

Die  Mittagsrast  hielten  wir  bei  der  Mühle  des  türkischen  Dorfes 
Bazarlik,  eine  Stunde  von  Wisa.  Am  Hügelabhang  jenseits  des 
Ana  Deressi    liegt   das   gleichfalls  türkische  Dorf  Serbaskiöi.    In  allen 


*)  An  der  Thürtreppe  der  alten  Schale  ist  eine  Marmorplatte  einge- 
mauert mit  einer  Inschrift  in  griechrschen  Lettern,  die  also  lautet:  ßaösXf^ 
XoTVf  ßaötXe  a^adava.  Kcu  ßcUSi  liöOav  no  Xcf*Oitfc(tnct  totg  eoevrov  yovoig  &§oiq 


207 

diesen  DOrfon  war  das  Aasbringen  des  Getreides  in  vollem  Gange. 
Diess  geschieht  im  ganzen  östlichen  Thracien  anf  dieselbe  seit  den 
ältesten  Zeiten  ttbliche  Weise  mittelst  Feuersteinschlitten,  Dnftn  genannt. 
Diese  Schlitten  bestehen  ans  zwei  starken  Brettern,  in  deren  nntere 
Seite  der  Länge  nach  scharfkantige  Feuersteine  eingesetzt  sind.  Vor- 
gespannt sind  2  oder  3  Pferde  niid  der  Kutscher  steht  oder  sitzt  auf 
dem  Schlitten,  und  nun  geht  es  im  Trab  oder  Galopp  im  Kreis  herum 
aber  das  auf  dem  Tennplatz  ausgebreitete  Getreide  (Weizen,  Roggen 
und  Gerste  werden  in  gleicher  Weise  behandelt)  bis  die  Kömer  aus- 
gefahren und  das  Stroh  zu  Häckerling  zerschnitten  ist  *).  Die  Körner 
werden  dann  durch  Werfen  vom  Häckerling  geschieden,  und  dieser  ist 
neben  Gerste  das  übliche  Pferdefutter.  So  habe  ich  es  überall  von 
Constantinopel  bis  Adrianopel  gesehen. 

Bei  Bazarlik  schließt  sich  das  Thalbecken  von  Wisa  ab.  Der  Bach, 
der  nordwestlich  beim  Dorfe  aus  einer  romantischen  Kalkfelsschlucht 
in  das  Becken  eintritt,  wurde  mir  als  Ajasma  Deressi  bezeichnet.  Wir 
ließen  die  Felsschlucht  zur  Rechten  und  erstiegen  ein  ausgedehntes 
mit  QuarzgeröUe  bedecktes  Waldplateau  (wieder  Eichenbuschwald)  auf 
dem  man  einen  hflbschen  Femblick  hat  in  östlicher  Richtung  nach  dem 
schönen  Thalbecken  von  Wisa,  in  nördlicher  Richtung  auf  die  bis  zu 
1000  Meter  Meereshöhe  ansteigenden  waldigen  Kuppen  des  Küsten- 
gebirges  hinter  Saudschak.  Wir  hatten  kurz  hintereinander  zwei  flache 
Thalmulden  zu  flbersetzen,  zuerst  die  des  Saudschak,  dann  die  des 
Karagadsch  oder  Teke  Deressi,  und  kamen  jenseits  des  zweiten  Thaies 
bei  Teke  wieder  auf  Nummulitenkalkboden. 

Das  kleine  Dorf  Teke  liegt  in  einer  flachen  Einmuldung  des  Plateaus, 
und  ist  der  ^mmersitz  eines  türkischen  Gutsbesitzers  Eskender  Bey,  der 
uns,  als  wir  an  seiner  Villa  vorbeizogen,  aufs  freundlichste  zu  einer 
Tasse  Caffe  und  einem  Tschibuk  einlud.  Wir  leisteten  der  Einladung 
mit  Vergnügen  Folge  und  traten  in  ein  kleines  hübsch  eingerichtetes 
Gartenhaus  ein,  in  welchem  wir  es  so  angenehm  kühl  fanden,  dass  wir 
uns  erstaunt  fragten,  durch  welches  künstliche  Mittel  der  türkische 
Fidschi  bei  der  drückenden  Hitze  eine  solche  wohlthuende  Temperatur 
hervorzaubere.  Das  Räthsel  löste  sich  uns,  als  wir  um  ein  Glas  frischen 
Wassers  baten,  und  der  Diener  mitten  im  Zimmerboden  einen  Deckel  auf- 
hob, und  aus  der  Tiefe  das  köstlichste  frischeste  Quellwasser  schöpfte. 
Der  schlaue  Türke  hat  sich  sein  Gurtenhaus  unmittelbar  über  eine 
frisch  aus  dem  Felsen  spradelnde  Quelle  gebaut.  In  Teke  befindet  sich 
auch  eine  Grabmoschee  des  türkischen  Generals  Achmed,  des  Eroberers 
der  Gegend. 


*)  Dieses  Schlittenfahren  heißt  auf  türkisch  harman. 


208 

Wir  hatten  ans  bei  dem  alten  Türken  so  lange  aafgehalten,  dass  wir 
an  dem  interessanten  BonarHissar  (Qaellenborg)  vorbei  eilen  mnssten,  und 
erst  mit  sinkender  Nacht  das  Städtchen  Jena  (oder  Jene)  erreichten.  Die  Kalk- 
felsen  werden  in  der  Gegend  von  Bunar  Hissar  schneeweiß,  vollkommen 
kreide&hnlich.  Bunar  Hissar,  eine  alte  griechische  Stadt  mit  Thnrm-  und 
Mauerroinen  and  mit  herrlichen  kalten  Qaellen,  die  aas  Kalkfels  ent- 
springen, bietet  ähnlich  wie  Wisa  einen  äußerst  romantischen  malerischen 
Anblick  und  wir  bedauerten,  keinen  Zeichner  bei  uns  zu  haben,  der  das 
interessante  Bild  fixierte. 

5.  Aug.  Die  Nacht  im  Han  von  Jena  wird  mir  lange  in  Erinnerung 
bleiben.  Es  war  eine  jener  schlaflosen  Nächte,  in  einem  von  Ungeziefer 
aller  Art  inficierten  Han,  wie  sie  Jeder  Reisende  in  der  Türkei  nur  zu  oft 
erlebt  und  zum  Ueberdruss  schildert  Um  so  angenehmer  war  der 
Morgen.  Neben  dem  Han  trafen  wir  ein  neues  hübsches  Caffeehaus,  in 
dem  uns  ein  Canarienvogel  mit  munterem  Morgengesang  empfieng.  Die  in 
allen  türkischen  Caffeehäusem  stereotypen  Bilder  Napoleons  III.  und  seiner 
Gemalin,  sowie  Victor  Emanuels  fehlten  auch  hier  nicht.  Kaum  waren  wir 
eingetreten,  so  gesellten  sich  mehrere  Bürger  des  Städtchens  zu  uns,  die  sich 
mit  grosser  Freundlichkeit  anboten,  uns  die  Merkwürdigkeiten  desselben  zu 
zeigen,  was  wir  gern  annahmen.  Zu  diesen  Merkwürdigkeiten  gehört 
vor  allem  eine  uralte  griechische  Kirche,  welche  die  Jahreszahl  704  trägt 
und  ein  vielbesuchter  Wallfahrtsort  sein  soU.  Das  mehr  als  1000  Jahre 
alte  Bauwerk  ist  noch  ziemlich  gut  erhalten,  es  stellt  ein  griechisches 
Kreuz  dar,  in  dessen  Mitte  sich  statt  einer  Kuppel  ein  niederer  runder 
Thurm  mit  kegelförmigem  Dach  erhebt,  auf  dem  sich  ein  riesiges 
Storchennest  mit  seinen  Insassen  gar  sonderbar  ausnahm.  Ob  die  alten 
metallbesetzten  Gemälde  und  Kirchengeräthschaften ,  die  das  Innere 
schmücken,  irgend  welchen  Kunstwert  haben,  ließ  sich  in  dem  Halb- 
dunkel kaum  erkennen.  Eine  und  dieselbe  Mauer  umschließt  dieses  für 
Alterthumsforscher  sehr  bemerkenswerte  Alterthum  und  die  neue  griechi- 
sche Schule. 

Eiae  zweite  Jena  auszeichnende  Merkwürdigkeit  sind  zahlreiche 
kalte  Qaellen.  Das  Städtchen  liegt  nämlich  in  einer  kleinen  Mulde  des 
Nummulitenkalkzuges,  und  mitten  im  Ort  sprudeln  ans  dem  Kalkfels 
zahlreiche  krystallklare  Quellen  mit  einer  Temperatur  von  10  7«^  R- 
und  von  sehr  ansehnlicher  Stärke  hervor,  so  dass  sie  mit  dem  Kaiserbrono 
und  der  Stixensteiner-Quelle  rivalisiren  könnten.  Schon  der  bloße  Anblick 
des  herrlichen  Wassers  ist  erfrischend  und  die  Türken  wissen  recht  wohl 
dieses  Geschenk  der  Natur  in  einer  sonst  wasserarmen  sonnverbrannten 
Gegend  zu  schätzen.  Eine  der  stärksten  Qaellen  ist  in  ein  großes 
Brunnenbassin  gefasst,  aus  dem  durch  zwei  Durchlässe  ein  ganzer  Bach 


209 

abfließt,  der  weiter  unten  eine  Reihe  von  Mfililen  treibt.  Andere  ent- 
springen innerhalb  der  Umfassungsmauern  von  Priyath&usem  und  sind 
von  den  Insassen  zu  Badebassins  hergerichtet,  die  an  heissen  Sommer- 
tagen viel  benatzt  werden.  Auch  hier  trafen  wir  wieder,  wie  bei  Jarim 
Bargas  die  Sage,  dass  das  Wasser  von  der  Donau  her  unter  dem  Balkan 
durchkomme  *).  Das  am  meisten  in  das  Auge  fallende  Oeb&ude  der 
Stadt  ist  ein  großes,  höchst  geschmacklos  blau  und  gelbgrfln  ange- 
strichenes Fruchtmagazin.  Getreide,  Bretter  und  Holzkohlen  sind  die 
Hauptproducte  der  Gegend,  die  lö  Stunden  weit  nach  Rodosto  an*s 
Meer  geführt  werden  **).  Die  Leute  waren  daher  hoch  erfreut,  als  wij: 
ihnen  sagten,  dass  die  Eisenbahn  von  Constantinopel  nach  Adrianopel 
wahrscheinlich  an  Jena  vorbei  führen  werde. 

Die  Hftuseranzahl  wurde  mir  zu  300  angegeben,  darnach  durfte 
die  Stadt  ungef&hr  1500  Einwohner  haben,  die  theils  Tfirken  (25  H&user), 
theils  Griechen  und  Bulgaren  sind.  Ich  sah  eine  Moschee,  drei  griechi- 
sche Kirchen  und  ein  Bad.  Nach  zahlreichen  Mauerruinen  zu  schließen, 
war  die  Stadt  früher  befestigt.  In  der  unmittelbaren  Nähe  der  Stadt 
liefern  muschelreiche  eocäne  Kalksteinbfinke  einen  vortrefflichen  leicht 
bearbeitbaren  Baustein.  Das  Gestein  besteht  aus  lauter  Steinkemen 
einer  Mytilusart, 

Von  Jena,  das  wir  nachmittags  verließen,  führte  uns  der  Weg 
nach  Kirk-Klissi  wieder  über  sterile  von  nord-südlich  laufenden  Thal- 
fnrchen  durchzogene  Sand- ,  Lehm-  und  Schotterplateaus  mit  Hutweiden 
und  Eichenbuschwald.  Zur  Rechten  hatten  wir  die  höheren,  zum  Theüe 
noch  dicht  bewaldeten  krystallinischen  Bergketten  der  Gegend  von  Suzera, 
wo  einzelne  Gipfel  wohl  900  Meter  Meereshöhe  erreichen.  Das  erste 
Thal,  das  wir  überschritten,  das  Monastir  Deressi,  war  bis  auf  einzelne. 


*)  Zur  Erhärtung  dieser  Sage  erzählen  die  Ijeut%  folgende  Geschichte. 
Ein  Hirt  ans  der  Gegend  wanderte  aus  und  trieb  seine  Herden  an  die  Donau. 
Er  hatte  sich  einen  Stock  ausgehöhlt,  in  dessen  Innerem  er  das  bare  Geld, 
dag  er  besaß,  verbarg.  In  einem  Moment  des  Zorns  warf  er  den  Stock  nach 
einem  seiner  Thiere,  er  fehlte,  der  Stock  fiel  in  die  Donau  und  sank  unter. 
Nach  einigen  Jahren  kehrte  er  in  sein  Dorf  zurück  und  fand  zu  seinem  grolien 
Erstaunen  seinen  Stock  als  eine  Merkwürdigkeit  in  einem  Caffeehaus  ausge- 
stellt Auf  seine  Frage,  wie  der  Stock  hierher  gekommen,  hörte  er,  dass  der- 
selbe eines  Tages  aus  einer  der  Quellen  des  Ortes  hervorgekommen  sei.  Der 
Hirte  erklärte,  der  Stock  gehöre  ihm,  und  um  das  zu  beweisen,  gab  er  die 
Geldsumme  an,  die  der  Stock  berge.  In  der  That  fand  sich  das  Geld,  wie 
er  gesagt,  und  der  Hirte  erhielt  seinen  Stock  wieder  zurück.  (Viquesnel  11. 
p.  d03.) 

**  Ein  ZoUzentner  Waizen  kostet  bis  Rodosto  10  Piaster  Fracht,  bis 
Constonstinopel  im  Sommer  20-  2ö  P.  im  Winter  40  P.  Fracht. 

G«ographisch«  Milüieilungen  1S70.  5.  14 


210 

Wasserlacken,  in  deren  N&he  sich  Rinderherden  heromtrieben ,  gatts 
trocken.  Im  zweiten  durch  hohe  senkrechte  LössabstQrze  bemerkens- 
werthen  Thal  ÜskOp  Deressi  trafen  wir  eine  kleine  ans  nngefiihr 
20  Häusern  bestehende  Tartarenniederlassnng  Tatarkiöi.  In  der  dritten 
stellenweise  sumpfigen  Mulde  des  Eisirdschik  Dere  trafen  wir  grosse 
Bfiffelheerden  an;  hier  gibt  es  auch  noch  kleine  Best&nde  hochstämmiger 
Eichen.  Erst  beim  vierten  Thal  beim  Bujuk  Dere  konunt  man  wieder 
in  bewohntere  und  bebaute  Gegenden.  Eine  auf  5  steinernen  Pfeilern 
ruhende  stattliche  Holzbrflcke  fahrt  Aber  den  Fluss,  der  das  ganze 
Jahr  hindurch  etwas  Wasser  zu  haben  scheint  Jenseits  geht  es  dann 
auf  einer  breiten  Straße  aufwärts  auf  das  Plateau,  auf  welchem  Eirk-Klissi 
liegt.  Die  Nähe  der  Stadt  macht  sich  bald  bemerkbar.  Weingärten,  Obst- 
gärten, Tabak-  und  Maisfelder  begrenzen  die  Straße.  Diese  war 
außerordentlich  belebt  durch  die  von  der  Feldarbeit  nach  Hause  kehrenden 
Landleute,  die  ihre  mit  Frachten  und  Gemflse  aller  Art,  namentlich 
mit  den  schönsten  Wassermelonen  schwer  beladenen  Esel  vor  sich  her 
trieben. 

Wir  erreichten  die  Stadt  gerade  mit  Sonnenuntergang  und  hatten 
noch  einen  weiten  unangenehmen  Weg  durch  die  gewundenen  schlecht 
gepflasterten  Straßen,  bis  wir  den  in  der  Mitte  der  Stadt  gelegenen 
griechischen  Han,  in  dem  wir  Quartier  nahmen,  erreichten. 

6.  Aug.  Eirk-Elissi  heisst  zu  deutsch  Yierzig-Kirchen,  und 
soll  12 — 14.000  Einwohner  haben*),  Türken,  Griechen,  Bulgaren  und 
Juden.  Der  Hauptstock  der  Bevölkerung  scheint  griechisch  zu  sein, 
fibrigens  mfissen  hier  auch  sehr  viele  spanische  Juden  angesiedelt  sein; 
gerade  dem  Han  gegenflber  lag  eine  Synagoge  mit  einer  Theologen- 
schule, die,  wie  ich  mich  selbst  fiberzeugte,  gegen  30  Schfller  zählte. 
Die  Stadt  hat  6  Moscheen  und  mehrere  griechische  Kirchen.  Die 
Hauptmoschee  ist  ein  ganz  stattlicher  Bau,  und  auf  dem  Marktplatz 
neben  der  Moschee  lagen  die  schönsten  Melonen,  Gurken,  Bohnen, 
Trauben-Früchte  und  Gemüse  aller  Art  in  ganzen  Haufen  aufgespeichert 
Ein  Gang  durch  den  Bazar  überzeugte  uns  auch,  dass  Eirk-Klissi  eine 
sehr  gewerbreiche  Stadt  ist.  Sogar  von  einem  Casino  erzählte  man  uns, 
das  der  Versammlungsort  der  Kaufleute  und  Beamten  sei. 

Leider  war  unser  Aufenthalt  hier  nur  sehr  kurz.  Wir  brachen 
zeitlich  auf,  da  wir  hofften,  Adrianopel  heute   noch  erreichen  zu  können. 

Kirk-Klissi  liegt  245  Meter  über  dem  Meere  auf  einer  flachen 
aus  Kalksteinen  bestehenden  Anhöhe,  die  sich  über  die  in  südlicher 
Richtung    in    unabsehbare    Entfernungen    ausdehnenden    Plateauflfichen 


'')  Bou4  (Itin.  I.  p.  130  gibt  15--16.000  Seelen  an. 


All 

etwas  erhebt  and  rfickwärts  gegen  Korden  an  ein  höheres  aus  krystallini- 
flchen  G^esteinen  zusammengesetztes  Httgelland  anschließt,  aus  welchem 
sidi  adiroffe  Granit  und  Gneissfelsen  in  den  bizarsten  Formen  erheben. 
Da  uns^  Weg  in  westsfldwestlicher  Richtung  lag,  so  entfernten  wir 
ims  zu  meinem  grossen  Bedauern  von  dieser  in  geologischer  Beziehung 
mehr  einladenden  G^^id.  Eine  breite  gepflasterte  Strasse  führt  von 
der  Stadt  nach  dem  eine  halbe  Stunde  entfarnten  Dorfe  Karad^r.  Bis 
dahin  ist  die  Gegend  schön  bebaut.  Ueber  Earad^r  hinaus  hört  die 
Strafie  auf  und  man  bandet  sich  wieder  auf  einer  baumlosen  Ebene, 
die  als  Hutweide  benutzt  wird  und  über  die  man  ohne  eigentlichen 
Weg  nur  der  Richtung  folgt  Nach  3  Stunden  kamen  wir  herab  in 
das  breite  Thal  des  Teke  Deressi,  zu  dem  am  rechten  Ufer  des  Flusses 
liegenden  bulgarischen  Dorf  Novo  Selo  oder  Jenidsche*;.  Im  Flussbett 
stehen  noch  3  steinerne  Bögen  als  die  Reste  einer  uralten  steinernen 
Brflcke.  Das  Dorf  zählt  300  Häuser  mit  ungefähr  1200  Einwohnern. 

Hier  erfuhren  wir,  dass  wir  bis  zum  nächsten  Dorf  nach  Haskiöi  vier 
Stunden  haben,  und  nirgends  unterwegs  Wasser  antreffen  worden.  Wir 
mussten  uns  daher  entschlieBen,  Mittagsrast  zu  halten,  und  machten 
damit  sowol  dem  freundlichen  Handschi,  als  auch  dem  äußerst  zuvor- 
kommenden Bürgermeister  des  Ortes,  der  uns  mit  seinem  besten  Wein 
tractierte,  ein  großes  Yergntlgen.  Das  Dorf  soll  eine  gute,  aus  Gemeinde- 
mittehi  erhaltene  Schule  haben,  in  der  türkisch,  bulgarisch  und  griechisch 
gelehrt  wird.  Denn  die  Bewohner  Thraciens  mOssen  drei  Landessprachen 
erlernen. 

Die  Gegend  zwischen  Jenidsche  und  Haskiöi  hat  wieder  einen  trost- 
losen Oharacter ;  die  Plateauflächen  sind  baumlose,  sonnverbrannte  Gras- 
nnd  Distelsteppen,  und  die  Thahrinnen  sind  im  Hochsommer  wasserlos; 
dennoch  bin  ich  überzeugt,  dass  diese  Gegenden ,  die  auf  weite  Strecken 
eine  tiefschwarze  Humusdecke  zeigen,  der  schönsten  Gultur  fähig  wären. 

Das  türkische  Dorf  Haskiöi,  das  wir  gegen  Abend  erreichten,  liegt 
an  der  rechten  sanft  abdachenden  Lehne  des  Haskiöi  Deressi,  und 
macht  mit  seinen  Lehmhütten  und  halb  verfiallenen  kleinen  Moscheen, 
auf  deren  Ruinen  Störche  nisten,  einen  mehr  als  ländlichen  Eindruck. 
Entsprechend  war  auch  der  Han,  der  innerhalb  seiner  aus  Lehm  und 
Kuhmist  fabriderten  Wände  nur  kleine  dumpfe  gefi&ngnisartige  Kammern, 
in  denen  man  nicht  einmal  aufrecht  stehen  konnte,  zum  logieren  bot 

7.  Aug.  Von  Haskiöi  bis  Adrianopel  rechnet  man  noch  5  Stunden. 
Die  Sehnsucht,    das   erste   Ziel   unserer  Reise   zu   erreichen,  trieb  uns 


*)  Das  Dorf  Toki  in  der  Scheda'gchen  Karte  existiert  nicht,  eine  halbe 
Stande  oberhalb  Jenidsche  liegt  ein  halb  türkisches,  halb  griechisches  Dorf 
Koii^or. 

14* 


212 

schon  in  der  D&mmening  vom  Lager  nnd  wieder  hinaos  auf  die  öden 
Heiden,  in  die  bamn-,  wasser-  und  steinlose  Gegend.  Halbwegs  liegt  ein 
griechisches  Banemdorf  Iskender  kiöi  (oder  Skender  kiöi)  von  ongefUir 
40  Gehöften,  in  denen  die  Cretreideschlitten  lustig  im  Gange  waren.  Etwas 
aufwärts  im  Iskender  Dere  liegt  das  Tscbiftlik  Kusch&n,  und  thalab- 
wärts  bemerkten  wir  ausgedehnte  Maulbeerpflanzungen. 

Wir  hatten  noch  eine  breite  flache  Terrainwelle  zu  aberschreitOD, 
bis  uns  ein  tief  ausgefahrener  Hohlweg  endlich  in  das  gelobte  Land,  hinaus 
in  das  im  schönsten  grtknen  Baumschmuck  prangende  Maritzathal  führte. 
Wie  mit  einem  Zauberschlag  änderte  sich  die  ganze  Scenerie. 

Bei  einem  Brunnenpavillon,  Hadschilar-Esane,  mit  Gaffeeschank,  er- 
reichten wir  die  breite  gut  chaussierte,  von  Fuhrwerk  aller  Art,  yaa 
Reitern  und  Fussgängem  bunt  belebte  Hauptstraße,  die  von  Rodosto 
nach  Adrianopel  führt  *) ;  2  Telegraphenleitungen  und  nicht  weniger 
als  7  Drähte  führen  der  schnurgeraden  Straße  entlang.  Was  fflr  ein 
Bild  gegenüber  den  menschenleeren  Gegenden,  durch  die  wir  in  den 
letzten  Tagen  gezogen  waren !  Vor  uns  aber  in  einer  Stunde  Entfernung 
lag  Adrianopel  im  Glanz  der  Morgensonne.  Kuppeln,  Minarets,  grüne 
Bäume  und  alles  hoch  überragend  die  stolze  Moschee  des  Sultan  Selim. 
Wir  waren  in  freudigster  Erregung  und  wurden  in  dieser  Stimmung 
noch  gehoben,  als  wir  eine  Reiterschar  auf  uns  zusprengen  sahen,  in 
der  wir  bald  unsere  Freunde,  die  Ingenieure  v.  Vambüler  und  Tafel, 
sowie  den  österreichischen  Consul  y.  Camerloher  erkannten,  die  uns 
hier  vor  den  Thoren  der  Stadt  freundlich  begrüßten.  Es  war  ein  fest- 
licher Augenblick  für  uns,  als  unsere  stattliche  Reiterschar  unter  dem 
Zusammenströmen  der  neugierigen  Bevölkerung  durch  die  Straßen  von 
Adrianopel  nach  dem  Gömrük  Hau  zog,  der  zu  unseren  Hauptquartier 
ausersehen  war,  und  es  war  uns  fast  zu  Muthe,  als  hätten  wir  nach 
einem  Zug  durch  die  Wüste  das  gelobte  Land  erreicht,  in  dem  Milch 
nnd  Honig  fließt 


Gedanken  Dber  die  Ursachen  des  Erdmagnetismus. 

Von  Otto  Spie  SS,  Ingenieur. 

Das  Bestreben  einer  Magnetnadel  sich  nach  Norden  zu  richten 
führte  zuerst  auf  die  Annahme  einer  dort  befindlichen  anziehenden  Kraft, 
die  man  mit  der  dem  Magnete  innewohnenden  Kraft  identificirte. 


*i  Diese  im  großen  Stil  angelegte  Straße  ist  erst  3  Stunden  weit  von 
Adrianopel  in  der  Richtung  gegen  Rodosto  fertig.  Es  wurde  jedoch  im  Herbst 
1869  mit  allem  Eifer  weiter  gebaut. 


213 

Die  Beobachtang,  dass  galTanische,  flberhaupt  electrische  Ströme 
die  Nadel  ebenfalls  afficieren,  dass  kreisförmige  Leiter  wie  magnetische 
Scheiben  wiricen,  dass  das  schranbenförmige  Solenoid  von  Ampöre  sich 
wie  ein  Magnet  verh&lt,  ließen  eine  innige  Verwandschaft  zwischen 
Electricität,^  Galvanismos  und  Magnetismus  vermuthen  and  bracjiten 
Ampere  auf  die  Idee,  im  Inneren  oder  an  der  Oberfläche  der  Erde 
electrische  Ströme  anzonehmen,  welche  die  Erde  im  Sinne  von  Ost 
nsch  West  omkreisen,  in  jedem  Punkte  senkrecht  auf  dem  magnetischen 
Meridian  stehen  und  auf  die  Magnetnadel  ebenso  wirken,  'wie  eine  im 
Nord-  and  Sftdpole  befindliche  Kraft. 

Denken  wir  uns  die  Erde  in  der  von  Ampere  angegebenen  Weise 
mit  electrischen  Strömen  ansgerQstet,  so  können  wir  unter  Zuziehung 
seiner  Gesetze  Aber  die  Anziehung  paralleler  und  sich  kreuzender  Ströme 
Torans  bestimmen,  welche  Lage  verschiedenartig  geformte  Leiter  ein- 
nehmen werden,  wenn  sie  von  einem  Strom  durchflössen  dem  Erd* 
magnetismus  ausgesetzt  werden  und  ferner  welche  Strororichtung  durch 
den  Erdmagnetismus  in  einem  geschlossenen  Leiter  erzeugt  wird,  wenn 
man  denselben  aus  einer  gegebenen  Lage  in  eine  andere  versetzt. 

Mit  einer  weiteren  Annahme,  dass  die  Ampdre'schen  Ströme  ihre 
gegenseitige  Lage  ändern  können,  erklärten  sich  die  Variationen  der 
Magnetnadel ;  hingegen  bleiben  noch  mehrere  Fragen,  wie  z.  B.  die  Ab- 
nahme des  Erdmagnetismus  von  den  Polen  nach  dem  Aequator  zu  in 
Folge  der  Wärme  unerklärbar  und  hat  deshalb  die  Amp^re'sche  Theorie 
auch  sdion  viele  Anfechtungen  erleiden  mttssen. 

Modificiren  wir  aber  die  Ampöre'sche  Theorie  in  der  Art,  dass 
wir  die  Ströme  nicht  in  die  Erde,  sondern  über  dieselbe  in  die  atmo- 
sphärische Hfllle  verlegen  und  im  entgegengesetzten  Sinne,  nämlich  von 
West  nach  Ost  die  Erde  umkreisen  lassen,  so  erhalten  wir  einen  Appa- 
rat, mittels  dessen  sich  die  meisten  Erscheinungen  des  Erdmagnetismus 
aof  eine  einfache  und  natflrliche  Weise  erklären  lassen. 

Denken  wir  uns  die  Erde  nur  rotierend  und  nicht  in  ihrer 
Bahn  fortschreitend,  so  wird  die  sie  umgebende  Luft  die  Gestalt  eines 
an  den  Polen  abgeplatteten  Sphäroides  annehmen,  dessen  geometrische 
Axe  mit  der  Erdaxe  zusammenftUt.  In  Folge  der  Anziehung  von  Sonne 
■nd  Mond,  sowie  auch  der  größeren  Planeten  namentlich,  wenn  sich 
zwei  oder  mehrere  derselben  mit  der  Erde  in  einer  geraden  Linie  befin- 
den, wird  eine  Ebbe  und  Flut  des  Lnftoceanl^  hervorgerufen,  welche 
homologe  Erscheiungen  wie  die  des  Meeres  zeigt  und  auf  gleiche  Weise 
zu  beurtheiien  sind.  Nur  spielt  hier  die  Wärme  der  Sonne  auch  eine 
hervorragende  Rolle  und  es  wird  in  Folge  der  ellyptischen  Bahn  der 
Erde  und  der  damit  in  Zusammenhang  stehenden  Aenderung   der  Rieh- 


214 

tang  and  Intensität  der  Sonnenstrahlen  ein  wesentlidier  Einflnss  aus- 
geübt. Je  nach  der  Stellung  von  Sonne  and  Mond  werden  wir  ein  oder 
zwei  Maxima  and  Minima  von  Ebbe  and  Fiat  haben  and  werden  sich 
diese  in  den  verschiedenen  Jahreszeiten  aach  verschieden  verhalten.  Die 
Maxima  and  Minima  der  Fiat  werden  erst  nach  der  Colmination  von 
Sonne  and  Mond  eintreten  in  Folge  der  Ze%  welche  die  Loft  zom 
Nachströmen  braacht. 

In  Folge  der  Anziehnng  and  der  Wärme  der  Sonne,  bddes  Kr&fte 
die  während  der  Zeit  eines  Jahres  von  wechselnder  Intensit&t  and  Ridi- 
tang  sind,  wird  vermöge  ihres  einseitigen  Einflasses  aaf  die  Atmosphäre 
das  leicht  bewegliche  Laft-Sphäroid  in  mehr  oder  weniger  regelmäßig 
Oscilationen  geratfaen;  die  geometrische  Axe  des  Laftspfaärcndes  wird 
zwar  die  Erdaxe  vermathüch  stets  schneiden,  sich  aber  am  dieselbe 
herambewegend,  die  Erzeagangslinie  zweier  Scheitelkegel  sein,  deren 
gemeinschaftliche  Axe  die  Erdaxe  ist  and  deren  Scheitel  im  Erdmittel* 
pankt  liegt. 

Der  Winkel,  welchen  die  Erdaxe  mit  der  des  Sphäroides  bildet 
and  welchen  wir  Axenwinkel  nennen  wollen,  ist  variabel  and  sow<rf 
jährlichen  als  aach  sekalären  Aenderangen  nnterworfen.  Das  gleidie 
gilt  aach  von  seiner  Ebene,  der  Axenebene,  and  wir  werden  in  der 
Folge  nachweisen,  dass  dieselbe  ihre  geographische  Länge  Yon  Jahr  za 
Jahr  ändert.  Das  Laftsphäroid ,  welches  wir  ans  mehr  oder  weniger 
regelmäßig  an  seine  geometrische  Axe  gelagert  denken,  wird  seine 
größte  Abplattong  in  denjenigen  Pankten  haben,  in  welchen  seine 
Axe  die  Erdoberfläche  durchdringt  and  welche  wir  vorlAnfig  die  magne- 
tischen Pole  nennen  wollen;  der  Aeqnator  des  Solenoides  fSällt  mit  dem 
Erdäqnator  nicht  zusammen,  sondern  schließt  mit  demselben  ebenfalls 
den  Axenwinkel  ein,  welcher  nach  obiger  Andeutung  nichts  anderes  ist 
als  der  Complementwinkel  zur  geographischen  Breite  des  Poles,  deren 
Veränderlichkeit  wir  bereits   erwähnt  haben. 

Wir  haben  bis  jetzt  die  Gestalt  .und  Bewegangsart  der  atamo- 
sphärischen  Hfllle  als  großes  Ganzes  betrachtet;  gehen  wir  non  aach 
einmal  ins  Detail  und  untersuchen  wir,  was  wol  fQr  Zustände  im 
Inneren  desselben  stattfinden  werden.  Denken  wir  uns  daher  die  Erde 
sammt  der  umgebenden  Luft  durch  Ebenen,  die  dem  Aequator  parallel 
sind,  geschnitten;  so  werden  wir  in  jeder  derselben  Luftzonen  auf- 
finden, welche  nicht  diejenige  Rotationsgeschwindigkeit  haben,  die  ihiMm 
in  Folge  ihres  senkrechten  Abstandes  von  der  Drehongsaxe  zakommon 
sollte  und  werden  daher  auch  in  jeder  Ebene  eine  Zone  antreffen, 
welche  die  Grenze  bildet  zwischen  den  Lufttheilchen,  die  mit  der  Erde 
die  gleiche  Winkelgeschwindigkeit  besitzen  und  denen,  welche  eiae  kleinere 


215 

Winkelgafichwindigkeit  haben.  lieber  dem  Aeqnator  wird  die  Grenzzone 
einen  größeren  Abstand  von  der  Erdaxe  haben,  als  über  irgend  welchem 
Breitegrad;  den  Polen  wird  sogar  die  ringförmige  Grenzzone,  die  da- 
selbst in  eine  stark  abgeplattete  Calotte  übergeht,  sich  stark  ann&hem, 
indem  daselbst  die  Loft  größtentheils  nur  noch  mitgeschoben  oder 
nachgezogen  wird.  Denken  wir  uns  nun  s&mmtliche  Grenzzonen  unter- 
einander verbanden,  so  werden  wir  ein  Sphftroid  erhalten,  welches  dicht 
om  die  Erde  gelagert,  einen  Theil  der  Gesammtatmosphftre  aasmacht 
and  sich  dadurch  characterisiert,  dass  es  mit  dem  festen  Erdkörper  die 
gleiche  Winkelgeschwindigkeit  besitzt.  Von  diesem  inneren  Sphflroide  gelten 
nun  speciell  die  vorhin  nachgewiesenen  eigenthümüchen  Schwankungen 
ond  Flutungen  der  kegelförmigen  Schwingungen  der  geometrischen  Axe. 
Zwischen  dem  inneren  Luft-Sphftroide  und  der  dasselbe  umge- 
benden sphäroidischen  Schale  wird  in  Folge  der  Geschwindigkeits- 
differenz  Luft-Reibung  hervorgerufen,  welche  ihrerseits  wieder  auf  das 
innere  Sph&roid  verzögernd  einwirkt  und  die  Ursache  ist,  dass  die 
Axenebene  etwas  zurückbleibt  und  zugleich  der  Axenwinkel  verändert 
wird.  Wir  haben  somit  ein  Weiterschreiten  des  magnetischen  Poles  von 
Ost  nach  West  —  sowie  Aenderungen  nach  Nord  oder  Süd.  In  Folge 
der  in  der  Grenzzone  stattfindenden  Reibung  wird  Electricit&t  erzeugt 
(auf  das  wie  kann  ich  mich  nicht  einlassen  und  weise  nur  auf  die 
electrischen  Erscheinungen  der  Wolken  hin).  Dieses  im  electj:ischem  Zu- 
stande befindliche  Sphftroid  wird  sich  genau  wie  das  schraubenförmige 
Solenoid  von  Ampere  verhalten  und  wird  der  polarisirte  Zustand  des- 
selben noch  markirter  hervortreten  in  Folge  der  an  den  Polen  befind- 
lichen tellerförmigen  Abplattungen,  welche  wie  zwei  mächtige  electrische 
Scheiben  wirken.  Denken  wir  uns  innerhalb  dieses  Luftsolenoides  eine 
Magnetnadel  frei  anfgehftngt,  so  wird  sie  sich  in  eine  Ebene  stellen, 
welche  durch  die  magnetische  Axe  des  Solenoides  und  den  Aufhänge- 
ponkt  der  Nadel  geht  und  je  nach  ihrer  Entfernung  von  den  Polen 
nach  Nord  oder  Süd  inclinieren,  um  an  allen  Oscillationen  und  Schwan- 
kongen« denen  die  magnetische  Axe  ausgesetzt  ist,  theilzunehmen. 

Fassen  wir  uns  nun  kurz  :  der  magnetische  Pol  ist  derDurchdringungs- 
pankt  der  magnetischen  Axe  mit  der  Erdoberfläche ;  derselbe  hat  die  Ten- 
denz zu  einer  Fortschreitung  von  Ost  nach  West  sowie  in  meridio- 
nalem  Sinne  und  bringt  die  seculären  und  jährlichen  Schwingungen  der 
Magnetnadel  hervor.  Die  täglichen  Schwingungen  stehen  mit  der  Ebbe 
und  Flut  des  Luftoceanes  in  innigem  Zusammenhange  und  die  Maxima 
und  Minima  der  Schwingung  correspondiren  mit  denen  der  Ebbe 
und  Flut.  Einen  mächtigen  Einfluss  üben  auch  unsere  größeren  Pla- 
neten aus,  wenn  sich  dieselben  in  geeigneter  Stellung  befinden. 


216 

In  inniger  Beziehung  mit  den  Schwingungen  und  Yolumenände- 
rungen  des  Sphftroides  stehen  die  Winde  und  der  Luftdruck  und  es 
werden  demnach  gewisse  Zust&nde  der  Luft  —  von  Magnetnadel  und 
Barometer  gleichzeitig  angezeigt.  Grewitter  und  die  durch  Luftströme 
hervorgerufene  Electricitftt  haben  nur  einen  lokalen  Einfluss. 

Hinsichtlich  der  Fortbewegung  der  Erde  sei  noch  bemerkt,  dass 
so  lange  sich  dieselbe  in  oder  annähernd  in  der  Richtung  ihrer  Axe 
bewegt,  ein  besserer  Zusammenhang  der  Lufttheilchen  existiert,  als 
wenn  ihre  Bewegung  senkrecht  auf  diese  Richtung  erfolgt,  was  immer 
Lostrennungen  der  Lufttheilchen  hervorruft.  Dann  begegnen  sich 
Schichten  von  ungleicher  electrischer  Spannung  und  erfolgt  ein  mit 
Lichterscheinungen  begleiteter  Ausgleich  derselben —  Nord-  und  Stld> 
licht  genannt,  und  es  gestattet  das  herrliche  Ph&nomen  sich  eine  Vor- 
stellung von.  der  Grestalt  der  nördlichen  und  südlichen  Reibungsflfichen 
zu  machen. 

Stellen  wir  nun  alle  bis  jetzt  einzeln  betrachteten  Erscheinungen 
zu  einem  Ganzen  zusammen ,  so  sehen  wir  die  Erde  mit  einer  sphäroi- 
dischen  Halle  umgeben,  die  sich  mit  ihr  dreht.  Das  Sphftroid  ist  um 
eine  Axe  gelagert,  die  mit  der  Erdaxe  einen  Winkel  bildet  und  sich 
um  dieselbe  herum  bewegend  die  Mantelflftche  eines  Körpers  bildet,  der 
sich  der  Form  zweier  Scheitelkegel  nähert  In  gewissen,  ebenfalls  sphä- 
roidisch  angeordneten  Schichten  der  Gesammtluftmaße  besteht  Reibung 
in  Gefolge  von  Electricität  und  wir  schließen,  dass  diese  ringförmig 
gelagerten  electrischen  Schichten  in  Bezug  auf  ihre  Wirkung  ähnlich 
wie  das  schraubenförmige  Solenoid  von  Ampere  zu  beurtheilen  sind. 

Die  magnetische,  oder  genauer  gesprochen,  die  electrische  Axe  des 
Luftsolenoides  rotiert  um  die  Erdaxe  in  der  gleichen  Zeit,  in  der  die 
Erde  eine  Umdrehung  macht  —  desshalb  zeigt  auch  die  Nadel  stets 
nach  einem  Puncte  hin.  In  Folge  des  durch  die  Reibung  hervorgerufenen 
Widerstandes  wird  die  Axe  in  ihrer  Bewegung  etwas  verzögert, 
bleibt  täglich  etwas  weniges  zurück  und  es  werden  ihre  Durchdringungs- 
punkte  der  Erdoberfläche,  die  wir  der  Kürze  halber  „magnetische  Pole^ 
nannten,  in  der  Richtung  von  Ost  nach  West  wandern.  Die  magnetischen 
Pole  sind  demnach  nicht  an  bestimmte  Punkte  der  Erdoberfläche  fixiert, 
sondern  sind  mobil  und  wandern  um  die  Erdpole  herum.  Hieraus  er- 
klärt es  sich,  dass  die  Magnetnadel,  die  in  Paris  im  Jahre  1580  eine 
Declination  von  11^  30'  östlich  zeigte  (bis  zu  diesem  Jahre  reicht  die 
mir  zu  Gebote  stehende  Tabelle),  einen  Lauf  nach  Westen  nahm  —  im 
Jahre  1663  die  Declination  Null  ergab  —  also  mit  der  Ebene  des 
Erdmeridianes  zusammenfiel,  dass  sie  bis  zum  Jahre  1814  stets  mehr 
und  mehr  nach  Westen    ausschlug  —  hier    ihre    größte  westliche  Ab- 


217 

weicliiuig  Yon  22^  34'  erreichte  und  seit  dieser  Zeit  sich  wieder  nach 
Osten  wendet  Wenn  wir  annehmen,  dass  die  Fortschreitang  des  Poles 
eine  gleichförmige  ist,  so  entspräche  demnach  ein  Zeitraum  von 
151  Jahren  dem  vierten  Theile  einer  Umdrehung.  Demnach  müßte  in 
Paris  die  Declination  im  Jahre  1965  ebenfalls  wieder  Null  sein  und 
würde  überhaupt  eine  Umdrehung  in  einem  Zeitraum  von  604  Jahren 
vollendet.  Die  Veränderlichkeit  in  der  Lage  der  Pole  ergibt  sich  auch 
aas  den  Beobachtungen  des  CapitSn  Ross. 

Außer  diesen  seculären  Oscillationen  der  Nadel  haben  wir  auch  regel- 
mäßig wiederkehrende  tägliche  Schwankungen,  die  an  den  verschiedenen 
Tagen  des  Jahres  verschiedene  Werte  annehmen.  Wir  schreiben  diese  täg- 
lichen Schwankungen  dem  Einflüsse  der  Ebbe  und  Flut  der  Luft  zu,  welche 
ihrerseits  von  der  gegenseitigen  Stellung  der  Erde  mit  Sonne  und  Mond 
und  der  Sonnenwärme  abhängig  ist.  In  Bezug  auf  den  Einfluss  der  Sonnen- 
wärme wollen  wir  noch  hinzufügen,  dass  derselbe  fflr  einen  bestimmten 
Punkt  der  Erde  mit  Sonnenaufgang  beginnt.  Die  Erwärmung  der  Luft 
hat  eine  Ausdehnung  zur  Folge  und  es  treten  Schichten  von  einer 
gewissen  Geschwindigkeit  in  Schichten  von  größerer  Geschwindigkeit 
ein  —  die  ersteren  werden  auf  Kosten  der  letzteren  beschleunigt  und 
es  wird  während  des  Ausgleichungsaktes  Reibung  sowie  Electricität  er- 
zeugt. Da  in  Folge  der  Ausdehnung  allein  nur  die  Höhe  der  Luft- 
säale,  nicht  aber  ihr  Gewicht  vermehrt  wird  —  so  kann  dieser  Theil 
der  Erscheinung  nicht  von  dem  Barometer  angezeigt  werden  —  sondern 
einzig  allein  von  der  Magnetnadel,  welche  die  .  erzeugte  Electricität 
empfindet.  —  Nun  tritt  aber  mit  der  Ausdehnung  der  Luft  zugleich 
eine  Verdünnung  ein  —  und  mit  ihr  ein  seitliches  Zuströmen  der 
weniger  erwärmten  Luft.  Durch  diesen  zweiten  Theil  der  Erscheinung 
erhält  die  vergrößerte  Luftsäule  nun  auch  ein  größeres  Gewicht  und 
dieses  wird  von  dem.  Barometer  bemerkt  werden.  Wenn  sich  die  Luft 
wieder  abkühlt,  zusammenzieht  und  die  seitlich  aufgenommene  Luft 
wieder  zurückdrängt,  so  erfolgen  selbstverständlich  die  umgekehrten 
Erscheinungen  und  erklären  sich  somit  die  beiderseitigen  täglichen 
Sdiwankungen  der  Nadel. 

Ich  habe  die  Ueberzeugung,  dass  die  Erscheinungen  der  Ebbe  und 
Flut  wenig  Einfluss  auf  ^  die  mittlere  Stellung  der  Magnetnadel  haben 
nnd  nur  eine  locale  Störung  der  Gleichgewichtslage  hervorrufen.  Eine 
der  Haupthypothesen  dieser  Theorie  bildet  das  Zurückbleiben  der  Luft 
in  den  höheren  Schichten  —  man  könnte  vermuthen,  dass,  falls  diese 
Erscheinung  einmal  existierte,  sich  die  verschiedenen  Geschwindigkeiten 
im  Laufe  der  Zeit  Ifingst  ausgeglichen  haben  müssten.  Die  Erde  sucht 
die  Atmosphäre  gleichzeitig    mit    sich  herumzudrehen    und  arbeitet  auf 


218 

einen  Gleichgewichtsasastand  hin  —  die  Anziehung  der  Sonne  und  des 
Mondes,  sowie  die  Wftrme  suchen  den  Gleichgewichtszustand  zu  stören 
und  ich  sehe  geradezu  diese  Gombination  von  Einwirkungen  als  die 
eigentliche  Quelle  der  atmosphärischen  Electricitftt  an.  In  dem  Durch» 
einandermengen  von  Schichten  mit  ungleicher  electrischer  Intensit&t  und 
dem  darauf  erfolgenden  electrischen  Ausgleiche  liegt  auch  die  Ursache 
eines  electrischen  Stromes,  der  sonst  nicht  entstehen  könnte.  Die  Os- 
cillationen  der  electrischen  Axe  um  die  stabile  Erdaxe,  welche  mit 
Ausnahme  der  Wftrme  den  gleichen  Einfltlssen  unterworfen  ist,  kann 
man  sich  annähernd  dadurch  versinnlichen,  dass  man  eine  kleine  Eisen- 
masse um  eine  beliebig  geneigte  Axe  rotieren  l&sst  und  dann  einen 
kräftigen  Magneten  derart  annähert,  dass  die  Eisenmasse  aus  ihrer 
Schwingnngsebene  abgelenkt  wird.  Bei  jeder  Annfiherung  wird  ein 
Heraustreten  aus  der  Schwingungsebene  erfolgen  —  darauf  ein  Zurück- 
kehren und  Ueberschreiten  derselben.  Die  gleiche  Erscheinung  wflrde 
erfolgen,  wenn  wir  beliebig  viele  kleine  Eisenmassen  an  der  Bewegung 
theilnehmen  ließen,  immer  jedoch  unter  der  Voraussetzung,  dass  jede 
fflr  sich  frei  und  beweglich  ist.  Von  einem  festen  Stystem  gilt  dieses  nicht 

Ueber  das  vorhin  erwähnte  innere  electrische  Lufteolenoid  muß 
ich  noch  bemerken,  dass  ich  dasselbe  nicht  als  ein  von  der  Gesammt- 
atmosphäre  scharf  abgesondertes  Ganze  mir  vorstelle,  sondern  dass  das- 
selbe eine  gedachte  Form  ist,  die  entsteht,  wenn  man  die  verschie- 
denen Stellen  gleicher  Intensität  mit  einander  verbindet. 

Aus  der  Gestalt  des  an  den  Polen  stark  abgeplatteten  und  der 
Erde  naheliegenden,  an  dem  Aequator  stark  ausgebauchten  und  der 
Erde  fem  liegenden  Luftsphäroides  ergibt  sich  för  die  Polargegenden  die 
stärkste,  ffir  den  magnetischen  Aequator  die  geringste  Intensität; 
denn  es  Iftsst  sich  ä  priori  annehmen,  dass  sich  Aber  den  Polen,  wo 
nahezu  studierende  Luftschichten  vorkommen  werden,  die  meiste 
Electricität  entwickelt  werden  muss  und  dass  daselbst  die  electrischen 
Schichten  näher  an  der  Erdoberfläche  liegen  und  daher  eine 
grössere  Wirkung  auf  die  Nadel  haben  müssen,  als  im  magnetischen 
Aequator,  welcher,  wie  bereits  bemerkt,  den  Erdequator  schneidet  und 
zwischen  die  Wendekreise  fftUt  und  woselbst  die  electrischen  Schichten 
in  Folge  der  größeren  Schwungkraft  und  der  größten  Wärme  auf 
der  Erde  einen  bedeutenden  Abstand  von  der  Erde  und  daher  eine 
schwächere  Wirkung  haben.  Die  eigenthömlich  lemniscatenartig  gelagerten 
Punkte  der  größten  Intensität  und  die  damit  zusammenhängenden  secun- 
dären  Pole  kann  ich  vorläufig  aus  dieser  Theorie  nicht  erklären. 

Wir  sehen  femer  noch,  dass  man  strenge  genommen,  nicht  von 
magnetischen  Polen  auf  der  Erde  reden  darf,  sondern  dass  es  sich  nur 


219 

eme  Resultante  Ton  Kr&ften  handelt,  die  an  bestimmten  Stellen  die 
ESrdoberflftehe  durchdringt 

Wenn  diese  Anslehten  riehtig  sind,  so  wAre  unter 
dem  Namen  Erdmagnetismus  niehts  anderes  lu  verstehen, 
ab  die  Summe  der  Wirkungen  der  atmospliftrisehen  Rei- 
bmigseleetrieitJlt 

Indem  ich  diese  Gedanken  nur  yorl&nfig  ausspreche,  weiß  ich  sehr 
wohl,  dass  dieselben  noch  einer  eingehenden  Prtlfang  and  Begründung 
durch  Beobachtung  und  Mathematik  bedürfen,  welche  vielleicht  die 
Zukunft  bringen  wird.  —  Jedenfalls  werde  ich  noch  meine  Kräfte  an 
dieser  Frage  versuchen. 


Bosnien 

mit  Bezug  auf  seine  Mineralsch&tze.*) 
Vom  Bergingenieur  A.  Conrad. 

Bosnien  gehört  zu  den  reichsten  und  gesegnetsten  Provinzen  des 
türkischen  Reiches.  In  ihrem  Schöße  sind  nicht  nur  unermessliche 
Sch&tze  von  Metallen  und  anderen  nutzbaren  Mineralien  niedergelegt ,  son- 
dern es  werden  ihre  Höhen  und  Gebirge  auch  von  den  bedeutendsten  und 
schönsten  Waldungen  aller  Art  geschmückt,  dürften  jedoch  bei  der 
systematischen  Yerwfistungslust  der  Bewohner  trotz  ihrer  ungeheuem 
Ausdehnung  an  den  entlegeneren  Orten  bald  ebenso  verschwinden,  wie 
wir  es  leider  schon  jetzt  in  der  Nähe  der  Städte  und  Flflße  wahr* 
nehmen,  wenn  nicht  durch  eine  rationelle  Forstbewirtschaftung  und 
strengere  Forstgesetze  diesem  Unwesen  ernstlich  Einhalt  geboten  wird. 
Ich  erinnere  nur  an  die  oft  sehr  bedeutenden  Waldbrände,  welche  durch 
die  Bewohner  absichtlich  angelegt  und  unterhalten  werden  und  noch  vor 
2  Monaten  in  der  Gegend  von  Blainje  unfern  Serajewo*s  an  vier  ver- 
schiedenen Punkten  zu  sehen  waren.  Nicht  das  Einschreiten  der  Be- 
hörden hat  diesem  höchst  frevelhaften  Waldbrand  ein  Ende  gesetzt,  son- 
dern heftige  Regengüsse  unterdrückten  ihn  später  und  verhinderten  die 
weitere  Yerbreitung  desselben,  wodurch  ein  unberechenbarer  Schaden  für 


*)  In  der  croatisch-deutschen  Schreibweise  ist  zu  lesen : 

c  =  deutsches  z  s  =  deutsches  seh 

c  =»        ^         tsch  z  »        „  weiches  s  (in  Rose) 

s  =^        „  scharfes  6  z  ^  französisches  j  (in  jamais) 

A.  d.  Red. 


220 

die  znnächstgelegenen  Orte,  namentlich  für  die  Hauptstadt  Serajewo  ab- 
gewendet worden  ist  Außer  diesen  Waldbränden  ergeht  sich  die  Zer- 
störungswut der  Einwohner  in  dem  Anhauen  der  B&ume,  ohne  diesel- 
ben weiterhin  zu  Brenn-  oder  Bauholz  zu  benützen.  So  sieht  man  tau- 
send angehauener  Baumst&mme  mit  tausend  durch  Windbruch  ge&l- 
lenen  am  Wege  herumliegen.  —  Wir  wollen  hoffen,  dass  durch  eine 
rationelle  und  gesetzliche  Forstbewirtschaftung  dieser  National-Reich- 
thum  der  Provinz  Bosnien  erhalten  bleibe,  was  wol  auch  das 
türkische  Gouvernement  unter  dem  Ministerium  von  Edhem  Pascha  zu 
bezwecken  scheint,  indem  es  einen  Fachmann,  der  unter  dem  Titel 
eines  Forstdirectors  fungiert,  ins  Land  sandte.  Indessen  nehmen  die 
Waldverwüstungen  doch  in  erschreckender  Weise  zu  und  unsere  Erwar- 
tungen auf  endliches  Besserwerden  werden  vielleicht  eben  so  unerfüllt 
bleiben,  wie  so  viele  andere. 

Der  Bergbau,  welcher  bei  dem  großen  Mineralreichthum  eine 
unversiegbare  Quelle  des  Wohlstandes  fQr  Bosnien  bilden  würde,  liegt 
gfinzlich  darnieder  und  würde  nur  dann  eine  Wichtigkeit  erlangen,  wenn 
durch  energisches  Vorgehen  anderer  Männer  eine  zum  Ziele  füh- 
rende Wendung  herbeigefflhrt  würde.  Der  Bergbau  würde  nicht  nur  dem 
Gouvernement  eine  reiche  Einnahme  bringen,  sondern  er  würde  auch, 
da  eben  die  Regierung  durch  diese  Industrie  eine  größere  Einnahme 
erreicht,  die  Bevölkerung  von  drückenden  Lasten  befreien,  welche  bis 
jetzt  nur  durch  die  verarmten  Bewohner  aufgebracht  werden  mußten. 
Außerdem  würde  der  Bergbau  einen  allgemeinen  Wohlstand  der  Ein- 
wohner begründen,  wie  wir  ^ihn  in  den  bergbautreibenden  Staaten 
Preußens ,  Sachsens  und  Belgiens  sehen.  Der  Bergbau,  welcher  über  400 
Jahre  darniedergelegen  hat,  ist  bis  auf  den  heutigen  Tag  sehr  schwach  und 
wird  nur  auf  Eisen  betrieben,  welche  Industrie  wegen  der  Mittellosigkeit 
der  Besitzer  hinter  den  Fortschritten  der  Wissenschaft  und  Technik  zu- 
rückgeblieben ist  und  ganz  entschiedene  Rückschritte  gemacht  hat. 

Die  Ursachen  des  Verfalls  liegen  in  der  gfinzlichen  Unkenntnis  der 
Behörden,  sowie  auch  in  der  Apathie  der  Einwohner,  namentlich  aber  in 
dem  drückenden  Besteuerungssystem.  Die  Türken  und  die  meisten  Be- 
wohner wollen  von  dem  Bergbau  durchaus  nichts  wissen;  die  erstem 
wegen  Sorglosigkeit  und  Unkenntnis,  und  die  andern,  weil  sie  befürchten, 
dass  die  Entdeckung  von  Erzen  ihnen  eine  neue  Quelle  von  Bedrückung 
und  obligatorischen  Arbeiten  sein  würde. 

Ilold  findet  sich  in  Bosnien  theilsim  gediegenen  Zustande,  theils 
in  Verbindung  mit  andern  Metallen,  hauptsächlich  mit  Silber  und  in 
vielen  Schwefelmetallen  überaus    fein    eingesprengt  vor. 

Das  Gebirge  Radovan  enthält  mehrere  goldhaltige  Quarzgänge,  die 


221 

bis  jetzt  noch  ganz  unberührt  geblieben  sind,  während  in  der  Gegend 
zwischen  Gon^i-Yaknf  und  Gojaica  auf  den  Gebirgen  Vranica  und  Ko- 
ziig  ein  sehr  bedeutender  Goldbergban  zur  Zeit  der  Römer,  also  vor 
löOO — 1600  Jahren  betrieben  wurde.  Aus  den  Ueberresten  dieses 
Bergbaues  ersieht  man  deutlich,  dass  das  gediegene  Gold  in  den  Zer- 
setzungsproducten,  nämlich  in  dem  aus  dem  Schwefelkies  entstandenen 
Brauneisenstein  (Brauneisenerz)  und  in  den  Ablagerungen  enthalten 
war,  welche  sich  aus  den  zertrümmerten  und  durch  die  Flut  wegge- 
schwemmten Gebirgsmassen  gebildet  haben.  Dies  ist  hauptsächlich  bei 
Gervena  Zemlja,  Zlatna  Guvna  der  Fall,  wo  ungeheure  Waschhalden,  die 
Ton  dem  begleitenden  Eisen  eine  ockerrothe  Farbe  besitzen,  sich  noch  vor- 
finden. Man  sieht  in  Gervena  Zemlja  noch  eine  Halde,  welche  eine 
Höhe  von  80  Fuß,  eine  Breite  von  mindestens  150  Fuß  und  eine  Länge 
von  400  Fuß  hat.  Der  fromme  Sinn  der  Bewohner  behauptet,  dass  un- 
ter dieser  Halde  eine  Kirche  sei. 

An  dem  Abhang  des  Rosinj-Gebirges  sind  mehrere  hundert  Ringe 
von  größerer  oder  geringerer  Tiefe  vorhanden,  welche  unter  sich  eine 
stetige  Richtung  der  dort  auftretenden  Goldgänge  zeigen  und  eine  ungeheure 
Thftügkeit  auf  Goldgräbereien  documentieren.  Auch  hier  existiert  un- 
ter den  Bewohnern  der  Aberglaube,  dass  die  Gottheit  das  Goldgraben 
nicht  mehr  gestatte  und  durch  starke  Regen  und  Hagel  den  Nach- 
grabungen sofort  ein  Ziel  setze,  selbst  wenn  das  schönste  Wetter  vorher 
gewesen  sei.  Diese  Naturerscheinung  findet  aber  in  den  dortigen  klimati- 
schen Verhältnissen  auf  dem  ober  8000  Fuß  hohen  Rosinj-Gebirge  ihre 
vollständige  Erklärung  und  tritt  auch  dann  ein,  wenn  keine  Nachgrabungen 
aaf  Gold  erfolgen. 

Dass  der  Goldreichthum  zu  Cervena  Zemlja,  sowie  am  Rosinj- 
Gebirge  sehr  bedeutend  gewesen  sein  muß,  haben  wir  aus  den  Ueber- 
resten der  einstigen  Betriebsamkeit  der  Römer  gesehen,  welche  jener 
Yon  Califomien  nahe  stehen  dürfte.  Es  ist  noch  heut  im  dem  Munde 
der  dortigen  Bewohner  das  Sprichwort  gang  und  gäbe  „der  Ochs  kratzt 
flieh  an  dem  goldenen  Schober,  aber  die  Leute  sehen  ihn  nicht. **  (Vol 
se  ceSe  o  zlatni  §tog,  a  Ijudi  ne  vide.) 

Das  Gebirge  besteht  aus  Thonschiefer ,  dessen  Schichten  auf  dem 
Gebirgskamm  des  Rosinj-Gebirges  fast  in  senkrechter  Stellung  zu  Tage 
ansgehen.  Dieser  Thonschiefer  ist  hie  und  da  von  dichtem  Kalkstein 
aberlagert  und  wo  die  Goldgänge  sind,  von  GrOnstein  und  Quarzgängen 
durchsetzt  Die  große  rothgefärbte  Halde  zu  Gervena  Zemlja  besteht  aus 
einer  rothen  Erde  mit  GreröU  von  Grünstein,  Quarz  und  Brauneisenerz. 

Ein  anderer  wichtiger  Punct,  wo  die  Römer  ebenfalls  einen  groß- 
artigen Goldbergbau    betrieben    hatten,    ist   zu  Zlatnica   bei    Travnik. 


222 

Schon  Plinias  erwähnt  dieser  Ooldminen  nnd  man  sacht  sie  an  den 
Quellen  des  Flusses  La5na  Zlatnica ,  wo  in  froheren  Zeiten  eine  bedeu- 
tende Stadt  soll  gestanden  haben.  Allein  heut  existiert  dort  keine 
Ortschaft,  nnd  es  ist  auch  keine  Spur  von  Wohnungen  anzutreffen.  Nur 
an  mehreren  Punkten  sieht  man  noch  sehr  alte  und  mit  Mos  bededcte 
Obstbäume,  so  dass  vielleicht  daraus  auf  die  ehemalige  Stadt  ge- 
schlossen werden  kann.  Man  sagt,  die  frflheren  Bewohner  seien  Tor 
der  Pest,  welche  im  Jahre  1795  die  dortige  Gegend  ffirchterlich  heim- 
gesucht hat,  geflohen  und  nicht  wieder  zurflckgekehrt.  —  Es  ist  ein 
schönes  Stttck  Land  zur  neuen  Ansiedlung,  wo  die  Cultur  wegen  der 
geschützten  Lage  und  des  sehr  milden  Klimas  rasch  aufblflhen  und 
einen  bedeutenden  Ertrag  geben  mflßte,  zumal  wenn  die  dort  befind- 
lichen Erze  yon  Gold   und  Eisen  noch  ausgebeutet  würden. 

Das  Gebirge  besteht  hier  ebenfalls  aus  Thonschiefer  mit  mäch- 
tigen Kalksteinlagem ,  durchsetzt  von  Diorit-  und  Quarzgängen,  begleitet 
von  dem  schönsten  Eisenglanz.  Gerade  diese  Zone,  sowie  die,  wo  die 
Conglomerate  auftreten,  sind  die  Lagerstätten  des  Goldes,  welche  eise 
weitere  Bearbeitung  verdienen. 

Das  gediegene  Gold,  wie  es  sich  in  dem  Sand  der  Flttsse  Bosna 
Yerbas  und  La§va  findet,  wird  von  den  bereits  bekannten  primäre 
Lagerstätten  von  Cervena  Zemlja,  Zlatnica  etc.  geliefert;  aber  es  mOßte 
auch  außer  diesen  noch  viele  jetzt  unbekannte  Punkte  geben,  von  denen 
aus  das  Gold  in  die  genannten  Flflsse  geführt  worden. 

Sehr  häufig  findet  sich  das  Gold  höchst  fein  zertheilt  in  Schwefel- 
kies, wovon  Bosnien  in  allen  Bergdistricten  bedeutende  Niederlagen  hat, 
sowie  auch  in  der  Blende,  Antimonglanz  und  Brauneisenerz  in  der  Nähe 
von  Borovica,  Fojnica  etc.  Das  Gold  ist  in  diesen  Erzen  unsichtbar 
und  dann  erst  zu  erkennen,  wenn  die  Metalle  sich  oxydieren,  d.  h. 
Sauerstoff  aufnehmen   und   das   Ganze  locker  wird. 

Ueber  den  Reichthum  der  Golderze,  sowie  Aber  die  Quantität  in 
einem  gewissen  Volum  Gebii^masse  besitzen  wir  keine  sicheren  Nach- 
richten. Indess  muß  die  Gewinnung  nicht  unbedeutend  gewesen 
sein,  wenn  man  noch  die  vorhandenen  Documente  über  die  Goldliefe- 
rungen zur  Zeit  der  Römer  zu  Grunde  legt.  So  hat  zu  jener  Zeit  in 
Salona  ein  eigener  PraeposUus  theMurorum  Dalmaitnomm  residiert,  wei- 
cher täglich  50  Pfund  (22  Oka)  Gold  (circa  5500  Zecchinen)  nach  Bom 
zur  Schmehsung  sandte.  Ein  anderer  Praepoiihu  hatte  in  Sicsia  (Siaek) 
seinen  Sitz  und  die  Aufsicht  über  die  Minen  von  Pannonien  bis  an  die 
bätischen  Berge.  Von  dieser  Zeit  an  bis  zur  Türkenherrschaft  in  Bos- 
nien fehlen  uns  alle  Nachrichten  über  die  Goldgewiimung,  während  von 
der  Zeit,  seit  die  Türken  hier  existieren,  in  dieser  Beziehung  gar  nichts 
zu  berichten  ist 


223 

Silber  habe  ich  in  den  von  mir  bereisten  Districten  weder  in 
gedi^enem  Zastaode,  noch  in  den  sogenannten  reinen  Silbererzen  vor- 
gefanden,  sondern  viehnehr  und  nicht  anbedentend  in  Blei  and  Kupfer- 
erzen. Indess  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  in  größeren  Tiefen  da, 
wo  die  silberhaltigen  Blei-  und  Kupfererze  auftreten,  auch  sehr  reiche 
Silbererze  sich  finden  werden,  wie  dies  in  anderen  Ländern  bereits  con- 
statiert  ist  Nach  den  uns  fiberlieferten  Nachrichten  hat  man  in  den 
Gebirgen  des  Flussgebietes  Drina,  also  in  den  östlichen  Theilen  Bos- 
niens vor  den  Zeiten  der  Tflrkenherrschaft  sehr  reiche  Silbererze  aus- 
gebeutet, und  die  Ortsnamen  Srebemik  und  Srebemica  bezeichnen  noch 
die  Punkte,  wo  ehemals  auf  Silber  gegraben  wurde.  Der  Name  der 
Franciscaner-Provinz  „Provincia  Fratrum  Minorum  Bosnae  Argen- 
tinae''  constatiert  ebenfalls  die  frühere  reiche  Ausbeute  an  Silber.  An 
dem  Berge  Srebemica  soll  noch  unter  den  Sultanen  um  die  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  der  Silberbergbau  betrieben  worden  sein,  aus  welchem 
die  damaligen  Herrscher  eine  sehr  bedeutende  Einnahme  erhielten.  Gegen 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  hat  der  Ban  Kulin  einigen  Ragusäem 
die  Erlaubnis  zum  Bergbaubetrieb  in  den  Gegenden  zwischen  Serajewo 
und  Yaresch  unter  dem  Berge  Nabosiö,  wo  die  beiden  Flüsse  Mizo^a 
und  Zenica  beim  Dorfe  Na2ica  sich  vereinigen,  sowie  am  Gebirge 
Jagodina  ertheilt  und  man  erkennt  noch  heutigen  Tages  an  den  da- 
selbst zurflckgelassenen  Ueberresten,  dass  zu  jener  Zeit  ein  nicht  unbe- 
deutender Bergbau  muß  betrieben  worden  sein.  Nach  allen  Anzeigen 
mfißen  die  Ragusfter  gute  Bergleute,  gleich  wie  die  Portugiesen  in 
Sfid-America,  gewesen  sein,  indem  sie  nur  da  ihre  bergmännische 
Thfttigkeit  entwickelten,  wo  auf  einen  reichlohnenden  Erfolg  mit 
Sicherheit  gerechnet  werden  konnte.  Gegenwärtig  liegt  der  Silberberg- 
bau gänzlich  darnieder  und  dttrfte  nur  unter  gflnstigeren  Verhältnissen 
eine  Wiederauferstehung   feiern. 

Nach  meiner  genauen  Kenntnis  der  beiden  Hemisphären  kann  ich 
behaupten,  dass  Bosnien  in  Betreff  seines  Silberreichthums  die  seltenen 
glficklichen  Bedingungen  des  Silbervorkommens  von  Europa  und  America 
In  sich  vereinigt  und  eine  enorme  Silberproduction  liefern  kann,  wenn 
der  Bergbau  mit  Kenntnis  und  ausreichendem  Capital  betrieben  wird. 
Bei  den  nachstehenden  Metallen  werde  ich  auf  das  Silbervorkommen 
wieder  zurückkommen. 

ftipfer  findet  sich  in  der  Natur  theils  gediegen,  theils  in 
vielfachen  Verbindungen  mit  andern  Körpern,  als:  Schwefel,  Antimon, 
Kohlensäure  etc.  Bosnien  ist  sehr  reich  an  Kupfererzen,  welche  fast 
dnrchgftngig  mehr  oder  weniger  silberhaltig  sind.  Die  Kupfererze 
bestehen  entweder   in  Malachiten  und   Kupferlasuren  oder  in  silberhal- 


224 

tigen  Fahler zen.  In  den  Districten  Foinica,  EreSevo  etc.  habe  ich 
auf  einen  Flächeninhalt  von  etjnra  6  Quadratstnnden  an  42  verschiedenen 
Pnncten  die  mächtigsten  Knpfemiederlagen  entdeckt,  welche  einen  loh- 
nenden und  vielversprechenden  Bergbau  in  Aussicht  stellen. 

Die  Kupfererze  finden  sich  gewöhnlich  auf  Gängen  in  Thonschie- 
fer  und  Kalkstein,  begleitet  von  Brauneisenstein,  Schwerspath,  Kalkspath, 
Blende  und  Bleiglanz ;  oft  ist  das  Nebengestein  bis  auf  weite  Erstreckun- 
gen mit  Kupfererz  innig  imprägniert. 

Nach  den  von  mir  angestellten  Analysen  haben  die  Malachite  einen 
durchschnittlichen  Kupfergehalt  von  Ö0%,  die  Fahlerze  haben  einen 
Durchschnittsgehalt  von  112  Drachmen  Silber  und  30  Oka  Kupfer  in 
100  Oka  Erz. 

Die  bisherigen  Versuche  zur  Gewinnung  der  Kupfererze  sind  an 
der  völligen  Unkenntnis,  auch  an  der  Mittellosigkeit  der  Unternehmer 
gescheitert,   so   dass   gegenwärtig   dieser  Bergbau    ganz    damiederliegt. 

Ilci  findet  sich  an  den  verschiedenen  Punkten  Bosniens  nur 
als  Bleiglanz,  welcher  mehr  oder  weniger  silberhaltig  ist.  Der  Bergbau 
auf  Bleiglanz  ist  seit  der  TOrkenherrschaft  eben  so  vernachläOigt  wie  der 
Kupferbau.  In  früheren  Zeiten  hat  man  unweit  Olovo  auf  die  dort 
mächtig  auftretenden  Bleierze  gebaut,  was  jetzt  nur  schwach  geschieht. 
Die  in  der  Umgegend  von  Kresevo,  Priedor  und  Yares  vorkommenden 
Bleierze  haben  einen  Bleigehalt  bis  zu  807u  ^^^  etwas  Silber;  sie 
finden  sich  im  Thonschiefer  und  Kalkstein  auf  Gängen  theils  rein,  theils 
gemengt  mit  Kupfererzen,  Schwerspath,  Blende,  Schwefelkies  etc.  Ver- 
gleicht man  den  hohen  Blei-  und  Silbergehalt  der  hiesigen  Bleierze, 
welche  mitunter  auch  goldhaltig  sind,  mit  den  Gehalten  der  Bleiglanze 
anderer  Länder  und  berficksichtigt  man  die  leichte  Grewinnung  der 
Bleierze,  welche  in  andern  Ländern  wie  in  Sachsen,  am  Harz,  in 
Preußen  etc.  unter  sehr  hohen  Kosten  aus  großen  Tiefen  zu  Tage 
gefördert  werden,  so  dflrfte  sich  auch  hier  ein  lebhafter  Bergbau 
entwickeln,  wenn  die  Verhältnisse  sich  später  günstiger  für  derartige 
Unternehmungen  gestalten  werden. 

daecksilber  findet  sich  in  Bosnien  nur  als  Zinnober,  einer 
Verbindung  aus  Quecksilber  und  Schwefel. 

In  der  Umgegend  von  Kre§evo  hat  man  an  einigen  Punkten 
Zinnober  nachgewiesen  und  auch  theilweise  gewonnen.  Er  kommt  auf 
Gängen  und  Lagern  in  Kalkstein  vor,  begleitet  von  Brauneisenstein,  Blende, 
Kupfererzen,  Schwefelkies,  Gold  etc.  Diese  Quecksilbemiederlagen  zei- 
gen einige  stetige  Richtung,  dehnen  sich  über  Kiseljak  bis  nach  VareS 
aus  und  dürften  wenn  sie  vollständiger  aufgeschlossen  sein  werden,  einen 
bedeutenden  Bergbau  ins  Leben  rufen. 


225 

Der  Bergbau  auf  dieses  kostbare  Metall  wurde  bisher  nur  sehr  un- 
vollkommen und  unrationell  betrieben  und  ist  mehr  als  Raubbau  anzu- 
sehen. Die  Folge  war,  dass  die  Gangmittel,  in  denen  der  Zinnober  bricht, 
verloren  giengen  und  nur  mit  vieler  Mühe  und  Kosten  wieder  ausge- 
'richtet  werden  können.  —  Der  Quecksilberbergbau  in  Bosnien  dürfte 
einst  einen  bedeutenden  Wohlstand  der  Bevölkerung,  sowie  eine  reiche 
Einnahmsquelle  ffir  die  Unternehmer  und  Regierung  bilden,  und  könnte 
mit  den  andern  in  dieser  Branche  bestehenden  Werken  gut  concurrieren, 
einmal  wegen  der  Reichhaltigkeit  der  Erze  und  wegen  der  leichten  Ge- 
winnung des  Zinnobers  in  oberen   Teufen. 

An  Ebea  besitzt  Bosnien  einen  Reichthum,  wie  er  kaum  sonstwo 
wieder  angetroffen  wird. 

Brauneisenstein  ist  in  Bosnien  sehr  verbreitet  und  findet  sich 
in  einer  Reinheit,  wie  selten  in  anderen  L&ndem.  Sein  durchschnitt- 
licher Gehalt  beträgt  4ö%  Eisen.  Seine  Entstehung  kann  theils  aus 
dem  Spatheisenstein,  theils  aus  dem  Schwefelkies  abgeleitet  werden,  wo 
er  dann  gewissermaßen  als  Hut  andere  Metalle,  Kupfer,  Blei  etc.  über- 
deckt. Er  erscheint  in  verschiedenartigen  Structurverhältnissen ,  und  zwar 
bald  traubig,  nierenförmig,  kugelig  und  stalaktitisch  von  radialfasriger 
Textur  und  krummschaliger  Structur,  wie  bei  Foinica,  Busovad,  bald  in 
schichtenförmigen  Ablagerungen  und  dicht,  wie  bei  Dusina,  Yarei)  etc., 
bald  als  ockriges  Brauneisenerz  mit  locker  verbundenen  erdigen  Theilen, 
wie  bei  Bihaö. 

In  den  Districten  von  Fojnica  und  Kreäevo,  namentlich  aber  in 
dem  District  von  Vares  tritt  das  Brauneisenerz  mit  einer  Mächtigkeit 
auf,  welche  die  Bewunderung  über  so  mächtige  Eisensteinlager  im 
höchsten  Grade  erwecken.  Die  Gruben  zu  Kamenica  bei  Foinica 
liefern  für  die  sämmtlichen  in  der  Umgegend  gelegenen  Eisenwerke 
das  Erz,  dessen  mittlerer  Gehalt  zu  35^0  Eisen  angenonmien  werden  kann. 
Das  daraus  dargestellte  Eisen  ist  von  guter  Qualität  und  wird  nament- 
lich zur  Herstellung   von  Ackergerätschaften,  Hufeisen,  Nägeln   benützt. 

Das  Brauneisenerz  von  Dusina  und  Slata  bei  Kre§evo,  sowie  das 
von  Busovaö  ist  von  ganz  vorzüglicher  Reinheit,  aus  welchem  ein  aus- 
gezeichnetes Stabeisen,  welches  dem  besten  schwedischen  nicht  nachsteht, 
produciert  wird.  Es  ist  auch  sehr  gesucht  und  wird  in  Barren  exporr 
tiert.  Die  Waffenschmiede  bedienen  sich  größtentheils  dieses  Eisens, 
um  Klingen  daraus  zu  verfertigen.  Außerdem  fabriciert  man  noch 
Nägel,  Hufeisen  und  mehrere  Utensilien.  —  Besonders  reich  an 
Brauneisenerz  ist  die  Umgegend  von  YareS,  wo  ganze  Berge  bis  zu 
400  Fuß  Höhe  und  von  noch  unerforschter  Länge,  Breite  und  Tiefe 
aus  dem  schönsten  Erz  bestehen. 

Q«ognipliMche  MittlieiluDgea  1870.  6.  15 


226 

Der  Bei^  Saksido),  wo  jetzt  10  Oraben  in  Betrieb  stehen,  liefert 
für  die  sSmmtlichen  in  and   nm  Yares  gelegenen  Eisenwerke  das  Erz. 

Der  Berg  Smerka,  unweit  von  ^ksidol,  and  nar  darch  das  Thal 
geschieden,  birgt  einen  eben  so  ausgezeichneten  Eisenstein,  wie  äaksidol 
und  dürfte  das  Eisenerz  für  eine  vergrößerte  Eisenindustrie  auf  mehrere 
Jahrhunderte  ausreichend  liefern.  Gegenwärtig  wird  zu  Smerka  nur  wenig 
Eisenerz  gewonnen,  da  Saksidol  genug  Material  zum  Betrieb  der  Eisen- 
werke besitzt  und  gibt.  Das  Brauneisenerz  zu  Saksidol  hat  einen  mitt- 
leren Gehalt  von  40^0  Eisen  und  man  erhält  im  günstigsten  Falle  bei 
der  Verschmelzung  nur  15  "/|,  Eisen,  was  seinen  Grund  in  den  unvoll- 
kommenen Oefen  hat.  Das  Erz  ist  in  seiner  Qualität  dem  von  Dusina 
und  Busova^  gleichzustellen  und  man  erzeugt  aus  ihm  ein  ganz  vor- 
treffliches Eisen.  Von  den  in  und  um  Yares  gelegenen  26  Eisenhütten 
können  immer  nur  wenige  im  Betriebe  sein,  die  Schmelzungen  erfolgen 
daher  nach  einem  unter  den  Hüttenbesitzern  vereinbarten  Uebereinkommen 
abwechselnd.  Der  Grund  hievon  ist,  dass  die  Aufschlagewasser  f&r  den 
Betrieb  der  Gebläse  und  Aufwurfhämmer  für  sämmtliche  Werke  nicht 
ausreichend  sind. 

Das  Eisen  wird  zu  Pflugscharen,  Nägeln,  Brechstangen,  Hufeisen 
und  zu  verschiedenen  häuslichen  Gerätschaften  verarbeitet.  Ein  nicht 
unwichtiger  Handel  mit  Pflugscharen  und  Hufeisen  nach  Serbien,  wo 
man  dafür  Salz  bietet,  bringt  den  dortigen  Bewohnern  eine  lohnende 
Beschäftigung  und  man  versicherte  mir,  dass  ein  Kaufmann  aus  Serajewo 
nur  für  den  Transport  dieser  Eisenwaren  eine  jährliche  Abgabe  von  70.000 
Piastern  an  das  Gouvernement  zahle.  Außer  den  Bergen  von  Sakäidol 
und  Smerka  sind  noch  die  Orte  Dubosic,  Foikofta,  Dro^kovac  und 
Borovica  als  wichtige  Fundstätten  von  Eisenerz  bei  Yareä  zu  erwähnen, 
mit  Eisenwerken,  die  nur  zeitweilig  betrieben  werden. 

In  der  Umgegend  von  Gromji-Yakuf,  Zlatnica  und  Sebeiiö  brechen 
ebenfalls  ausgezeichnete  Brauneisenerze.  In  früheren  Zeiten  muß  dort 
ein  schwunghafter  Betrieb  stattgefunden  haben,  worüber  verlassene 
Grubenbaue,  sowie  ungeheure  Schlackenhalden  die  unzweideutigsten 
Beweise  liefern.  —  Der  Spatheisenstein  besteht  wesentlich  aus  kohlen- 
saurem Eisenoxydul  mit  größeren  oder  geringeren  Mengen  von  Mangan, 
Kalkerde  und  Magnesia.  Sein  durchschnittlicher  Eisengehalt  beträgt 
357o*  ^A  das  aus  ihm  erblasene  Eisen  vorzugsweise  zur  Stahlfabri- 
cation  geeignet  ist,  so  wird  der  Spatheisenstein  von  den  Hfitten- 
leuten  auch  Stahlstein  genannt.  In  der  Umgegend  von  Sebeiic  kommt 
er  in  sehr  mächtigen  Lagern  in  Kalkstein  vor,  hat  eine  gelbliche  Farbe, 
ist  hauptsächlich  derb,  zum  Theil  crystallisiert  und  in  seinen  oberen 
Lagen     durch    Einwirkung   von     Luft    und  Kohlensäure   enthaltendem 


^1 

Wasser  in  Brauneisenstein  umgewändeU  werden.  Der  Bergbau  und  das 
Eisenhfittenwesen  bei  Sebezic  ist  seit  ungefähr  GO  Jahren  zum  Erliegen 
gekommen.  Im  Thale  Ukos  sollen  18  Eisenhütten  im  Betriebe  gewesen 
sein,  was  die  dortigen  Ruinen  der  Hüttengebäude,  und  Wasserleitungen 
documentieren.  Gerade  in  dieser  Gegend  soll  das  beste  Eisen  produ- 
ciert  worden  sein,  von  welchem  man  da,  wo  die  Eisenhütten  gestanden 
haben,  noch  vieles  vergraben  findet.  Wegen  seiner  guten  Eigenschaften 
ffir  gewisse  Artikel,  als  Pflugscharen  und  Sensen,  ist  es  daher  sehr 
geschätzt  und  gesucht,  so  dass  gegenwärtig  dort  noch  Nachgra- 
bungen nach  diesem  Eisen  erfolgen.  Die  Bewohner  versichern,  die 
ans  diesem  Eisen  gefertigten  Pflugscharen  seien  nach  einem  9jährigen 
Gebrauche  noch  untadelhaft,  während  die  Pflugscharen  aus  dem  Eisen 
von  andern  Hüttenwerken  schon  nach  2  Jahren  nicht  mehr  gebraucht 
werden   können. 

Der  Eisenglanz  findet  sich  hauptsächlich  auf  Gängen  mit  Quarz 
Grünstein  etc.  von  blättriger  Textur,  starkem  Metallglanz  und  eisen- 
schwarzer Farbe  im  Uebergangsgebirge  bei  Kresevo,  Foinica  und  Trav- 
nik  und  wird  bei  den  dortigen  Hüttenwerken  als  Zuschlag  mit  Braun- 
eisenerz verschmolzen. 

Der  Magneteisenstein,  kommt  nur  in  derben  Massen  auf  Gängen 
mit  Eisenglanz  bei  Kresevo  vor  und  hat  einen  mittleren  Gehalt  von 
65"/(|  Eisen.  In  Bosnien  hat  man  ihn  wenig  oder  fast  gar  nicht  ver- 
schmolzen, er  dürfte  aber  später ,  wo  ein  rationeller  Eisenhüttenbetrieb 
stattfinden  wird  mehr  Beachtung  erhalten. 

Das'  Stabeisen  von  Dusina  bei  Kresevo,  sowie  von  Busovac  und 
Yares  ist  von  ganz  vorzüglicher  Qualität  und  dürfte  den  besten 
Nummern  Eisens  anderer  Länder,  welche  darin  eine  gewisse  Berühmt- 
heit erhalten  haben,  nicht  nachstehen.  Von  allen  bisher  betrachteten 
Metallen  ist  das  Eisen  das  einzige  Metall ,  welches  in  Bosnien  produciert 
wird.  Indessen  ist  die  Gewinnung  und  Zugutemachung  der  Eisenerze 
hier  auf  einer  so  niedrigen  Stufe,  dass  im  allgemeinen  nur  wenig 
gutes  hievon  berichtet  werden  kann.  Die  dabei  angewendeten  Methoden 
sind  in  technischer  Beziehung  nicht  nur  sehr  fehlerhaft,  sondern  auch 
kostspielig,  so  dass  man  erstaunt,  dass  aus  dieser  Production  noch  ein 
Gewinn  gezogen  wird. 

An  fttlile  birgt  Bosnien  sehr  reiche  und  mächtige  Braunkohlen- 
flfitze  in  seinem  Schöße,  welche  bis  jetzt  noch  schlummern,  aber 
einstens  mit  großem  Nutzen  ausgebeutet  werden  dürften,  wenn  Mangel  an 
Holz  eintritt 

In  der  Gegend  von  Banjaluka,  Travnik,  Visoka,  sowie  in  der 
Hercegovina    bei    Konjica,    Stolac    und  Livno   treten   Kohlenflötze     zu 

lö* 


228 

Tage,  welche  mit  leichter  Mühe  abgebaut  werden  keimen.  In  dem 
Thale  der  Bosna  und  in  vielen  anderen  Thälem  sieht  man  die  Braun- 
kohlenformation  mächtig  entwickelt  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  dieses  nfltzliche  Fossil  in  geringer  Tiefe  anzutreffen  sein  wird.  — 
Wegen  des  Holzreichthums  ist  die  Braunkohle  zu  häuslichen  Zwecken 
noch  nicht  benutzt  worden,  dürfte  aber  bei  der  systematischen  Ver- 
wüstung der  Wälder,  sowie  bei  Errichtung  von  Eisenbahnen,  tech- 
nischen und  metallurgischen  Etablissements  etc.  eine  sehr  vortheil- 
hafte  Verwendung  finden.  ^ 

Sali  wird  bis  jetzt  in  der  Gegend  von  Ober-  und  Unter-Tuzhi 
durch  Verdunstung  der  dort  vorkommenden  Salzsoolen  gewonnen,  aber 
auf  eine  so  fehlerhafte  und  unvollkommene  Weise,  dass  die  Productions- 
kosten  eine  unmäßige  Höhe   erreichen. 

Die  Salinen,  welche  von  der  Regierung  betrieben  werden  und 
stets  mit  Mangel  an  den  nöthigen  Mitteln  zu  kämpfen  haben,  lassen 
keinen  Gewinn  und  liefern  auch  kein  reines  Kochsalz.  Sie  sind 
eben  wegen  der  zu  hohen  Fabricationskosten ,  trotz  des  bedeutenden 
Schutzzolles  von  20"/o  auf  importiertes  Salz,  nicht  im  Stande, 
mit  dem  Auslande  zu  concurrieren ,  auch  nicht  das  hinreichende  Salz 
fOr  die  ganze  Provinz  zu  liefern.  Es  scheint  daher  die  sehr  wich- 
tige Aufgabe  nahe,  andere  Punkte  zu  suchen,  wo  Steinsalz  enthalten 
sein  könnte.  Nach  meinen  geognostischen  Untersuchungen  glaube  Ich 
an  3  verschiedenen  Orten  gefunden  zu  haben,  was  durch  Bohrversuche 
leicht  zu  constatieren  wäre ,  da  das  Steinsalz  sehr  selten  zu  Tage  austritt. 

Aus  der  betrachteten  Reihe  von  Metallen  und  Fossüien,  an  welche 
sich  noch  das  Vorkommen  von  Meerschaum,  Marmor,  Thon,  Asphalt 
und  anderer  nützlicher  Mineralien  anschließt,  wird  man  erkennen, 
welchen  Reichthum  das  Land  Bosnien  enthält,  und  welche  Zukunft  ihm 
vorausgesagt  werden  kann,  sobald  durch  Privatspeculation  die  bis  jetzt 
noch   schlummernden  Schätze  gewonnen  werden. 

Serajewo  im  November   1866. 


Geographische  Literatur. 

Land  und  Leute  in  Africa.  Berichte  aus  den  Jahren 
186Ö— 1870.  Von  Gerhard  Rebifs.  Bremen  bei  J.  Kühtmann  1870. 

Wir  haben  an  einem  andern  Orte  hervorgehoben,  wie  das,  was  man 
anter  allgemeiner  Bildung  fQr  das  Bedürfnis  unserer  Zeit  ver> 
steht,  ohne  eingehendes  Studium  der  Erdkunde  nicht  denkbar  sei.  Der  g(*8tei> 
gerte  und  leichtere  Verkehr  und  der  Nutzen,  den  er  bringen  soll,  zwingt  zur 
Aufmerksamkeit  in  der  Orientierung  und  die  Frage,  wie  es  in  der  Welt  aas- 
sieht, bietet  au  sich  so  viel  anregendes,  dass  der  strebende   Geist  ihrer  nicht 


229 

entrathen  kann.  Wenn  nur  aach  die  Schalen  die  angenehme  WissencM^haft 
so  zo  fowaen  wtkssten,  dass  die  Anregung  nicht  wieder  verpufft !  Jedenfalls 
wird  es  neben  der  Mflhe,  die  Schulen  zu  bessero,  eine  leichtere  sein, 
durch  den  Beiz  erdkundlicher  Schilderungen,  die,  wahr  und  treu,  wie  sie 
der  Meister  sehrieb,  unmittelbar  an's  große  Publicum  gelangen,  der  Bildung 
nach  dieser  Seite  Vorschub  zu  leisten.  Und  das  wünschen  wir,  dass  es  sich  die 
Forscher  und  Förderer  der  Erdkunde  gesagt  sein  lassen. 

Von  unserem  Standpunkte  mufi  das  vorliegende  Buch  als  ein  erster 
Wurf  nach  diesem  Ziele  mit  ungetheilter  Freude  begrüßt  werden.  Es 
manifestiert  die  Einsicht  eines,  durch  Forschungen  auf  erdkundlichem  Gebiete 
wie  durch  seine  Darstellungen  gleich  bewährten  Mannes,  der  dem  großen 
Publicum  das  Recht  einräumt,  die  Resultate  des  wissenschaftlichen  Strebens  in 
einer  ihm  verständlichen  Sprache  zu  überkommen,  wenn  man  ihm  zumuthet, 
sieh  daraus  Bildung  zu  holen. 

Was  Gerhard  Rohlfis  im  vorliegenden  Bändchen  bietet,  ist  aus  Fach- 
blättern  größtentheils  bekannt.  Aber  wir  zweifeln  nicht,  dass,  indem  es  hier 
aus  dem  mehr  oder  .minder  beschränkten  wissenschaftlichen  Kreise  zum  ersten- 
mal in  die  große  Welt  tritt,  ihm  erst  die  volle  Würdigung  zu  Theil  werden 
wird;  so  anziehend  und  lehrreich,  so  im  vollen  Maße  mundgerecht  weiß  er 
den  Stoff  zu  geben,  der  schon  an  sich  selbst  der  Wissbegierde  reiche  Befriedi- 
gung bietet. 

Unter  den  13  Abschnitten  —  wir  möchten  sie  am  liebsten  Cu It Ur- 
bild e  r  nennen  —  in  denen  uns  der  Verfasser  das  Land  unb  Volk  von  Africa 
vorführt,  wüssten  wir  keinen,  der  dem  andern  an  Interesse  nachsteht.  Berühren 
»die  Bemerkungen  über  die  Zukunft  Algeriens*«  eine  wichtige  politische  Frage, 
so  wird  man  durch  »die  große  Bodeneinsenkun^  in  Nordafnca«  in  eine  scharf- 
sinnige Terrainstndie  vertieft  und  wieder  durch  die  »Beobachtung  der  Wirkungen 
des  Haschisch-  psychologisch  und  physiologisch  angeregt.  Reizende  Schilde- 
rungen begleiten  den  Leser  im  Capitel  »von  Lagos  nach  Liverpool«  längs  der 
Westküste  von  Africa  durch  den  atlantischen  Ocean  nach  England,  während  er  in 
der  "Stadt  Kuka*  »am  Benuä<  und  in  den  zwei  folgenden  Abschnitten  sich 
tief  in  das  sociale  Leben  der  centralafricanischen  Völker  versenken  lernt. 
Drei  Capitel  sind  Abyssinien  gewidmet,  eines  Malta,  eines  dem  seit  dem 
Mittelalter  von  Europäern  vernachlässigten  Damiette.  In  der  Darstellung  ist 
RohlfB  Meister.  Wie  die  Schale  von  der  Orange  weiß  er  den  Gelehrtenkram 
von  seinem  Gegenstande  abzulösen,  und  der  Leser  erhält  die  süße,  erfrischende 
Frucht  mit  zureichender  Nahrung  für  den  Geist.  Von  der  köstlichen  Laune 
aber,  womit  er  seine  Schilderungen  würzt,  mag  hier  die  Erzählung  »vom 
Consul  zu  Damiette«  eine  Probe  geben: 

-Ich  muß  Herrn  Surur,«  so  heißt  unser  Consul,  der  nebenbei  gesagt, 
der  reichste  Mann  der  Stadt  und  ein  eingewanderter  Levantiner  ist,  »doch 
einpn  Besuch  machen,«  dachte  ich,  und  that  es.  Er  wohnt  am  ganz  entgegen- 
gesetzten Ende  in  einer  prachtvollen  Villa  außerhalb  der  Stadt.  Zu  meinem 
Bedauern  fand  ich  ihn  verreist,  um  eines  seiner  vielen  Güter  zu  inspicieren, 
welche  er  rechts  und  links  am  untern  Nil  liegen  hat.  Aber  den  letzten  Tag 
abends  kam  der  Kanzler  des  Consulats  und  bat  mich,  doch  noch  den  folgen* 
den  Tag  zu  bleiben,  Herr  Surur  wünsche  mich  auch  gern  mit  dem  spanischen 
und  englichen  Consul  bekannt  zu  machen.  »Das  ist  er  ja  selbst,»  erwiderte 
ich,  wissend,  dass  Herr  Surur  auch  zugleich  England  und  Spanien  vertritt. 
»Das  ist  ganz  recht,»  erwiderte  der  Kanzler,«  aber  da  er  Ihnen  in  preußischer 
Uniform  einen  Gegenbesuch  machen  wird,  würde  er  Sie  hernach  sehr  gern 
auch  noch  in  englischer  und  spanischer  Uniform  empfangen,  er  hat  auch  fQr 
jedes  Land  besondere  Empfangszimmer.«  Mir  kam  die  Sache  so  sonderbar 
komisch  vor,  dass  ich  fast  Lust  hatte,  meine  Reisedispositionen  zu  ändern, 
um  diesen  Sonderling,  welcher  schon  seit  1812  jene  drei  Länder  in  Damiette 
vertritt,  kennen  zu  lernen ;  aber  ich  dachte,  dann  kommen  noch  spanische  und 
endische  Gegenbesuche,  die  norddeutsche,  englische  und  spanische  Diners  zur 
Folge  haben  werden,  und  so  ist's  besser,  gleich  abzubrechen.  Folglich  erklärte 
ich  dem  Herrn  Kanzler,  ich  könne  meine  Reisepläne  nicht  mehr  umändern, 
md  bat  ihn«  mich  dem  guten  Andenken  des  Herrn  Consuls  zu  empfehlen. 

Herr  Gu^rin,  mein  Wirt,   erzählte  mir  nun  nodi  Folgendes,   was  mir 


230 

oacbber  von  yieJen  Seiten  bestätigt  wurde ;  trotzdem  flberiasse  ich  die  Yer- 
aotwortuiig  dieser  Erzählung  den  europäischen  Bewohnern  Damiette's;  sie  hat 
Aehnlichkeit  mit  der  vou  UisDjarck,  wenn  er  in  seiner  Eigenschaft  als  Bundes- 
kanzler, Ministerpräsident,  Minister  der  auswärtigen  Angelegenheiten,  Präsi- 
dent vou  Lauenburg  etc.  etc.  mit  sich  selbst  correspoBdiert.  -Herr  Surur  ist 
der  älteste  Consul  auf  der  ganzen  Erde,  sehr  geizig,  aber  wenn  es  darauf  an- 
kommt, seine  respectiven  Souv  raine  zu  repräsentieren,  dann  gebt  es  bei  ihm 
im  Hause  so  hoch  her,  wie  nur  irgend  wo  Kur  von  England  gezahlt,  hat  er 
für  dieses  die  grollte  Vorliebe,  obgleich  er  alle  Abend  für  die  Königin  Isat>ella 
dreimal  zu  Gott  betet,  während  Wilhelm  und  Victoria  nur  einmal  in  seinem 
Gebet  genannt  werden,  denn  Herr  Surur  ist  eifriger  Katholik  und  mufi  des- 
halb doch  der  katholischen  FQrstin  einen  kleinen  Vorzug  geben.  Officiell 
empfängt  er  dreimal  des  Jahres,  an  welchen  Tagen  dann  auch  große  Gala- 
Dmers  bei  ihm  stattfinden.  An  einem  solchen  Tage  macht  er  sich  zuerst  selbst 
die  förmlichsten  Besuche;  wenn  z.  B.  der  Königin  Victoria  Geburtstag  ist, 
wirft  er  sich  in  preußische  Consulatsuniform  und  stattet  dem  englischen 
Empfangssalon,  wo  inmitten  auf  einem  Di  van  die  groflbritanische  Consulatsuniform 
prangt,  einen  Besuch  ab,  sodann  eine,  steife  Reverenz  machend,  puppt  er  sich 
in  einen  spanischen  Consul  um  und  widerholt  die  Visite.  Aber  damit  nicht 
zufrieden,  -macht  er  nachmittags  als  englischer  Consul  seinen  beiden  Coliegen 
Gegenbesuche,  das  heißt,  er  betritt  feierlichst  in  gr an  de  tenueanglaise 
den  norddeutschen  und  spanischen  Salon. 

Sein  stärkstes  Stück  soll  das  Danksagungsschreiben  gewesen  aeuL 
welches  er  an  König  Wilhelm  fQr  Ernennung  zum  norddeutschen  Bundesconsnl 
geschickt  hat  und  was  in  so  schwülstigen  FonAen  abgefasst  war,  dass  das 
General-Consulat  in  Alexaudrien,  wie  man  sagt,  es  nicht  hat  passieren  lassen. 
-Schade,  erwiderte  ich,  -  unser  König  ist  dadurch  um  einen  heitern  Augen- 
blick gekommen.  Und  wissen  Sie  auch,  was  er  vou  Bismarck  denkt?»  "O  ja, 
er  hat  gleich  erklärt,  da  Bismarck  nur  auf  die  Vergrößerung  Deutschlands 
sänne,  er  auch  täglich  ein  Extragebet  bete  für  die  Vergrößerung  Deutschlands, 
denn  als  norddeutscher  Consul  müße  er  officiele  mit  den  Wünschen  des  Mini- 
steriums des  Aeußern  über  einstimmen. 

Doch  es  würde  zu  weit  führen,  hier  alle  Anecdoteu  und  Sonderbarkeiten, 
die  man  sich  nicht  nur  in  Damiotte,  sondern  in  ganz  Aegypten  über  Consul 
Suriu*  erzählt,  wiederzugeben.  Nur  so  viel  noch,  dass  man  andererseits  auch 
sagt,  dass  er  vollkommen  energisch  ist  und  vorkommenden  Falls  den  Türken 
schon  oft  gezeigt  hat,  dass  man  keinen  seiner  Schützlinge  ungestraft  belei- 
digen darf.  Sein  Sohn  ist  americanischer  Consul  und  ein  Schwiegersohn  ver- 
tritt andere  Länder,  so  dass  fast  die  ganze  Welt  von  dieser  Familie  reprä- 
sentiert wird.«  B. 

Registrande  der  geographisch  -  statistischen  Ab- 
theilung  des  großen  Generalstabs.  I.  Jahrgang  (Juli  1867  — 
Juli  1868.)  8.  164  Seiten.  Berlin  bei  Siegfried  MflUer  A  Sohn.  U.  Jahr- 
gang (Juli  1868  —  Oktober  1869)  8.  286  Seiten,  in  demselben  Ver- 
läge;  auch  unter  dem  Titel :  Neues  aus  der  Geogrphie,  Karto- 
graphie und  Statistik  Europa's  und  seiner  Kolonien. 

Die  vorliegende  Publication  unterscheidet  sich  wesentlich  von  den  aeit 
länger  bestehenden  Verzeichnissen,  Karten  und  Werken  im  Gebiete  der 
geographischen  Literatur.  Während  die  Bibliotheca  historica  -  statistica  von 
Müldener,  die  jährlichen  Literaturübersichten  von  Koner  in  der  Berliner  Zeit- 
schrift für  Erdkunde  und  in  Dr.  Petermann's  geoffraphischen  Mittheilungen 
mit  möglichster  Vollständigkeit  alle  Erscheinungen  umfassen,  letztere  bei  wichtigen 
und  interessanten  Werken  sich  zu  kritischen  Anzeigen  gestalten,  hat  die  Re- 
gistrande ein  etwas  beschränkteres  Gebiet  auf  sich  genommen,  dieses  aber 
weiter  ausgebildet.  Die  Körperschaft,  von  welcher  diese  Zusammenstellung  aus- 
geht, hat  selbstverständlich  den  militärischen  G^ichtspunkt  mit  Vorzug  berück- 
sichtigt, den  allgemein  wissenschaftlichen  jedoch  ebenfiedls  festgehalten.  In 
Folge  davon  wurde  der  Rahmen  in  so  fem  beschränkt,  als  im  specielien  Theile 
nur  die  europäischen  Staaten  mit  ihren  überseeischen  Colonien  aui^nommen 


231 

endieuien;  der  Stoff  erlitt  eine  zweckgemäße  Sichtang,  so  dass  wertlose 
ephemere  Erzeugnisse  aberhaapt  ausgescblossen  wurden,  und  die  aus  nahe  50 
hervorragenden  Fachschriften  gemachten  Excerpte  sich  am  ausführlichsten  über 
solche  Gegenstände  yerbreiten,  die  für  den  Soldaten  besonders  wichtig  sind, 
alz:  GrenzTerh&ltnisse,  Verkehrswesen  (namentlich  Eisenbahnen  und  Straßen^ 
Heerwesen.  Alle  Abschnitte  zeigen  gleichmäßige  Gliederung,  indem  Karten, 
Werke  und  Notizen  über  das  ganze  Staatsgebiet  vorangehen,  und  jene  über 
dessen  einzelne  Theile  folgen.  Geben  die  einzelnen  Anmhrungen  nur  selten 
Gelegenheit  zu  besondern  Bemerkungen,  so  sind  die  Journal  -  Auszüge  desto 
inhaltsriicher,  an  die  sich  auch  officielle  und  private  MitÜieilungen  anreihen, 
welche,  weil  sie  sonst  nirgends  zu  finden  sind,  der  Registrande  einen  ganz 
besondem  Wert  verieihen.  Zuerst  nur  ein  Beiheft  des  Militärwochenblattes, 
erscheint  sie  nun  als  selbständiges  Werk,  das  mit  der  Literatur  gleichen 
Schritt  halten  soll,  damit  durch  früheres  Erscheinen  ein  theilweise  veralteter 
Inhalt  vermieden  werde. 

Bei  genauer  Durchsicht  des  Ganzen,  namentlich  des  zweiten  Theiles 
eigibt  sich,  dass  nicht  nur  der  Militär  im  allgemeinen  die  gesammten  für  ihn 
wichtigen  im  In-  und  Auslande  erschienenen  Quellen  im  geographisch- 
statistischen  Gebiete  angegeben  findet  und  von  allen  Veränderungen  des 
Materials  durch  neueste  Angaben  der  Aera,  der  Volkszählungen,  der  Fort- 
schritt« des  Eisenbahn-  und  Straßenbaues  u.  s.  f.  in  Kenntnis  gesetzt  wird, 
sondern  dass  auch  der  Geograph  und  Kartograph  sehr  viel  brauchbares  Mate- 
riale  findet  und  der  Mühe  überhoben  ist,  die  Excerpte  selbst  machen  zu  müßen, 
vorausgesetzt,  dass  ihm  alle  die  Zeitschriften  zugänglich  sind,  aus  welchen 
die  Registrande  schöpft. 

Der  Chef  der  geographisch-statistischen  Abtheilung  im  großen  preußi- 
schen Generalstabe,  Herr  Oberstlieutenant  von  Sydow,  unter  dessen  Leitung 
zweifelsohne  die  Auswahl  und  Anordnung  des  Gesammtinhaltes  steht,  hat 
mit  der  Registrande  seinen  Fachgenossen  so  wie  der  wissenschaftlichen  Welt 
einen  großen  Dienst  erwiesen,  und  man  dürfte  sich  wol  der  Hoffnung  über- 
lassen, dass  in  Folge  allgemeiner  Erkenntnis  des  Nutzens  das  zweckgemäß 
begonnene  Unternehmen  in  gleicher  Weise  fortgesetzt  und  als  literarisches  Jahr- 
buch seinen  Platz  ständig  behaupten  werde.  — S^ 


Vorläiiflge8  Programm  der  Fragen, 

die    an    das    Comite    des    geographischen  Congresses   zu 

Antwerpen    eingesandt    wurden. 

1.  Welche  sind  die  besten  Mittel,  den  Eifer  für  die  Geographie  anzuregen 
und  ihn  an  den  Bildungsanstalten  jeder  Stufe  wach  zu  erhalten? 

2.  Wie  sollen  beim  Unterricht  in  der  Geographie  gute  Karten  mit 
unserm  thatsächlichen  Wissen  in  Beziehung  gebracht  werden? 

3.  Die  flachen  Karten  haben  für  den  Schüler  große  Vortheile,  aber  sie 
setzen  zum  richtigen  Verständnis  den  klaren  Begriff  von  der  Art  der  Projection 
voraus,  der  im  Elementarunterricht  schwer  zu  geben  ist.  Wäre  es  nicht 
angezeigt  beim  Elementarunterricht  Globen  und  Karten  in  Relief  zu  ver- 
wenden ? 

4.  Wäre  es  nicht  wünschenswert  in  jenen  Karten,  die  für  den  Unterricht 
bestimmt  sind,  allgemeine  Bezeichnungen  der  Terrainunterschiede  und  der 
höchsten  Erheoungspunkte  anzuwenden? 

5.  Kann  der  Methode,  Karten  durch  die  Schüler  zeichnen  zu  lassen, 
ein  bedeutender  Unterrichtserfolg  zugesprochen  werden,  und  in  welcher  Weise 
lässt  sich  daraus  ein  erheblicher  Vortheil  ziehen? 

6.  Welche  von  den  großen  Karten  Mercators  sind  noch  im  Original 
vorhanden  und  wo  befinden  sie  sich? 

:.  Einfluss   der  geographischen  Forschungen  auf  die  Wohlfahrt  jener 
Völker,  die  sich  damit  betassen? 


232 

8.  Es  gibt  Ursachen,  welche  die  Völker  gleichgültig  gegen  geographische 
Forschungen  sein  lassen,  und  sie  an  der  sorgsamen  Pflege  des  geographischen 
Unterrichtes  hindern.  Sind  es  nicht  diesell^n  Ursachen,  denen  die  Apathie 
gegen  große  Handelsantemehmnngen  beigemessen  werden  mu6? 

9.  Genügt  der  gegenwärtiffe  Stand  des  geographischen  Unterrichts,   den 
öffentlichen  Geist  in  dem  Maße  zu  wecken,  dass  er  es  als  eine  Bedingung' 
der  eigenen  Wohlfahrt   wahrnimmt ,  seiner  Leistungsfähigkeit  die  möglichste 
Spannkraft  zu  geben? 

10.  Welche  Punkte  des  Globus  wftren  zu  bezeichnen,  die  man  heut  zu 
Tage  im  Interesse  der  Wissenschaft  und  des  Handels  vornehmlich  zum 
Gegenstande  der  Forschung  machen  sollte? 

11.  Welchen  Einfluss  haben  die  großen  Eroberungszflge  des  Alterthums 
und  Mittelalters  auf  die  Erweiterung  der  Erdkunde  geübt? 

12.  Die  Geographen  des  18.  Jahrhunderts  haben  aus  der  Karte  von 
Africa  Namen  gestrichen,  welche  durch  die  neuesten  Forschungen  wieder  zu 
Ehren  kamen.  Es  fragt  sich  demnach,  ob  nicht  vielleicht  ein  aufmerksames 
Studium  der  arabischen  Angaben  im  Mittelalterund  der  portugiesischen  Reisenden 
im  16.  Jahrhundert  zur  bessern  Kenntnis  dieses  Theiles  der  Erde  und  zur 
Orientierung  bei  neuen  Forschungen  oder  zur  Erneuerung  alter  Entdeckungen 
von  erheblichem  Vortheil  wäre? 

13.  Schilderung  der  bekannten  Erde  in  den  verschiedenen  Epochen  des 
Alterthums. 

14.  Bezeichnung  der  im  Alterthum  bekannten  Handelswege. 

15.  Was  lässt  sich  über  die  An^be  Herodots  sagen,  dass  Africa  schon 
damals  umschifft  worden  sei,  und  wie  stellt  sich  die  Unternehmung  der 
Phönizier  zu  dieser  Angabe? 

16.  Welche  Anzeichen  sprechen  dafür,  dass  im  Anfang  der  geschicht- 
lichen Zeit  im  atlantischen  Ocean  ein  Festland  bestanden  habe,  von  welchem 
die  Azoren,  Madeira,  die  canarischen  Inseln  und  die  Inseln  des  grünen  Vor- 
gebirges vielleicht  noch  Ueberreste  sind? 

17.  Gibt  es  in  dem  Haushalt  der  Natur  begründete  und  in  der  Geschichte 
nachweisbare  Gesetze  für  die  Entstehung  und  Yertheilung  des  festen  Bodens, 
für  die  Vergrößerung  und  den  Verfall  der  Städte?  Last  sich  eine  Reihe  von 
alten  und  neuen  S^ten  anführen,  die  mit  mehr  oder  weniger  Sicherheit 
auf  das  Walten  dieser  Gesetze  hindeuten? 

18.  Hatten  die  Alten  mehr  als  eine  Art  von  Stadien?  Kann  die  An- 
sicht von  Gosselin  über  die  Maße  der  Griechen  als  richti^anerkannt  werden  ? 

(Fortsetzung  folgt.) 


Notizen. 

Bas  Amurlaiid.  Nach  dem  Bericht  desFreih.  v.  Osten  Sacken  in  der 
Sitzung  der  kais.  russischen  geographischen  Gesellschaft  in  St.  Petersburg 
vom  5.  Nov.  1869,  wird  in  diesem  Frühjahr  eine  neue  Expedition  nach  dem 
Süden  der  russischen  Mantschurei  abgehen,  um  im  Vereine  mit  der  von  der 
Regierung  organisierten  Commission  die  öconomischen  und  administrativen  Ver- 
hältnisse des  Amur-  und  Ussurilandes  zu  erforschen.  Die  Expedition  der 
geographischen  Gesellschaft  befasst  sich  dabei  insbesondere  mit  dem  ethnogra- 
phischen Theil  ^der  Aufgabe  und  geht  von  nachstehenden  Betrachtungen 
aus:  Die  Länder,  welche  seit  1850  unter  russischer  Herrschaft  stehen  und 
früher  einen  Theil  der  chinesischen  Mantschurei  gebildet  haben,  sind  seit 
dieser  Zeit  durch  wissenschaftliche  Expeditionen  in  mancher  Richtung  durch- 
forscht worden,  allein  die  Umstände  waren  nicht  darnach,  um  dabei  auch 
die  ethnographischen  Verhältnisse  eingehend  in  Betracht  zu  ziehen,  da  dies  ohne 
Kenntnis  der  Localdialecte  oder  wenigstens  des  nachbarlichen  Mautschurischen 
und  Chinesischen  wenig  Erfolg  gehabt  oder  wenigstens  erschwert  hätte,  die 
geschichtlichen  und  archeologischen  Daten  in  jenen  Ländern  gebürend  auszu- 
beuten. Nun  wird  die  ethnographische  Expedition  vorerst  in  das  obere  Gebiet 
des  Ussuri  und  Sui-foun  abgehen  und  dort  sich  insbesondere  mit  jenem 


233 

Landstriclie  besch&ftigen,  der  vom  Ein ka- See  bis  an  die  Grenzen  von 
China  und  Korea  reicht.  Dort  leben  in  einem  verhältnismäüig  kleinen 
Räume  Völker  verschiedenen  Stammes.  Abgesehen  von  den  Eingebomen 
tangusischer  Abstammung,  den  Orotchen  und  Golden  findet  sich  dort  eine 
sehr  betr&chtliche  Zahl  von  Chinesen  und  Koreanern  angesiedelt.  In  derselben 
6^[end  aber  wurden  Üeberbleibsel  alter  Städte,  Befestigungen  u.  s.  w.  in 
großer  Anzahl  gefunden,  wie  es  der  Atlas  von  D'Anville  ausweist.  Namen  von 
Stftdten,  die  dort  noch  angefahrt  sind  z.  B.  Tschul-ge-hotun,  Furdan-Hotun  u.  a. 
bestehen  seit  langer  Zeit  nicht  mehr.  Zum  Leiter  der  Expedition  wählte  die 
geographische  Gesellschaft  den  Archimandriten  Falladius,  der  der  russischen 
Kirche  in  Peking  vorsteht,  und  ist  mit  Vorarbeiten  über  die  Geschichte, 
Geographie  und  Linguistik  jener  Gegenden  aufs  beste  ausgerüstet.  B. 

Temperatur  und  Thierleben  in  den  Meerestlefen.  Im  Jahresbericht 
der  norddeutschen  Seewarte  für  1869  macht  Herr  W.  v.  Free  den  aufmerksam, 
dass  88  noch  an  einem  Gesetz  über  die  Temperaturbewegung  in  größern  Tiefen 
fehle  und  die  neuesten  Messungen  der  Engländer  im  J.  1868  eher  zu  consta- 
tieren  scheinen,  dass  man  vorläufig  nur  locale  Erscheinungen  in  dieser  Rich- 
tung angezogen  habe.  Eine  Expedition  der  „Lightning"*,  Capt.  May  unter 
Fü&ung  der  englischen  Gelehrten  Dr.  Carpenter  und  Dr.  Wyville 
Thompson  hatte  schon  im  August  und  Sept.  1868  auf  einer  Kreuzfahrt 
zwischen  Nordschottland  und  den  FarÖem  dazu  beigetragen,  die  Nichtigkeit 
einer  Menge  von  Voraussetzungen  der  sogenannten  Cabinetsphysik  darzuthun, 
anter  andern  der  geläufigen  Annahme,  als  ob  alles  animalische  Leben  in  Tiefen 
Über  300  Faden  ai^öre,  femer  die  Tiefentemperatur  überall  3"  Beaumur  sei. 
Vielmehr  existieren  zahlreiche  Thiere  in  weit  größeren  Tiefen  und  schwankt 
die  Tiefentemperatur  zwischen  sehr  weit  von  einander  entfernten  Grenzen. 
Unter  einer  gleichfönnigen  Oberfiächentemperatur  von  9°  B.  fanden  sie  Boden- 
temperaturen von  O*'  bis  7^  R.  in  kurzen  Entfernungen  von  nur  10  nautischen 
Meilen  von  einander,  und  dann  war  die  kalte  Bodenfläche  gebildet  von  kahlem 
Sandstein  gemischt  mit  altern  Felsarten,  mit  einer  ziemlich  dürftigen  Fauna 
arctischen  Characters,  während  in  dem  angrenzenden  warmen  Gebiete  die 
Bodenfläche  aus  Kreide  bestand,  und  eine  zahlreiche  Fauna  die  Charactere  der 

Simäßigten  Zione  zeigte.  Es  würde  also  eine  Erhebung  des  so  beschaffenen 
eeresbodens  dem  Geologen  der  Zukunft  zwei  Theile  der  Erdoberfläche  vor- 
führen^ die  völlig  in  ihrer  Structur  verschieden  sind,  und  von  denen  der 
eine  aie  Kennzeichen  einer  niedrigen,  der  andere  einer  höhern  Temperatur 
zeigte,  und  dennoch  würden  diese  Bildungen  Nachbarn  sein,  sowol  in  Zeit  als 
im  Orte,  üeberall  wo  gleiche  Verhältnisse  mit  dem  Festland  der  Gegenwart 
gefunden  sind,  ist  angenommen  worden,  dass  die  hohe  und  niedrige  Temperatur, 
die  Bildung  von  Kalk  und  die  Bildung  von  Sandstein  von  einander  durch 
lange  Zwischenzeilen  getrennt  waren,  und  muß  so  die  Entdeckung  ihrer  gleich- 
zeitigen Existenz  auf  verschiedenen  Grundflächen  manche  der  gebräuchlichen 
Annahmen  über  die  geologischen  Epochen  über  den  Haufen  werfen.  —  Im 
Jahre  1869  wurde  die  „Porcuspine**  Capt.  C  a  1  v  e  n,  schon  bekannt  in  der  Ge- 
schichte der  Küstenaufnahmen  Großbritaniens  unter  der  wissenschaftlichen 
Begleitung  von  Mc.  G.  Jeffries,  Dr.  Wyville  Thompson  und  Dr.  Carpenter, 
zu  drei  Kreuzüa^hrten  nach  der  Porcupine  Bank  (53^/,  n.  14  w. )  und  der  Rockall 
Bank  (57-  58'  n.  14**  w.),  sodann  nach  der  Bai  von  Biscaya,  endlich  wieder 
nach  der  Faröer-See  ausgerüstet.  Versehen  mit  besondern  gegen  Druck  ge- 
schützten Thermometern  —  gewöhnliche  Thermometer  sollten  nach  frühern 
Erfahrungen  Fehler  bis  zu  10^  Fahr,  gezeigt  haben,  —  welche  vor  der  Reise 
auf  3  Tons  Druck  pr.  Quadratzoll,  entsprechend  einer  Tiefe  von  2400  Faden 
geprüft  wa^n  —  und  mit  Grundschöufern  (dredges),  halbdurchschnittenen  hohlen 
Cylindem  mit  Hebelarmen,  wie  an  den  sogenannten  Teufelsklauen,  von  8  Cent- 
nem  Gewicht,  mit  welchen  man  bis  zu  VL  Centner  Schlamm  aus  Montblanc- 
ähnlichen  Tiejfen  von  dritthalbtausend  Faden  ohne  Stockung  der  Maschinen 
aus  der  Bai  von  Biscaya  heraufholte,  haben  diese  Expeditionen  mehr  geleistet, 
als  je  bisher  erreicht  worden  ist.  Ihren  Messungen  zufolge  variiert  die  Ober- 
fl&ehentemperatur  bedeutend,  je  nach  der  geographischen  Lage  und  der  Jahres- 
Mit;   war  sie  hoch,  so   nahm  sie  nach  unten  nach  ab  und   verlor  sich  der 


234 

Unterschied  in  100  Faden.  Von  100  Faden  an  beobachtete  man  in  dem  tiefen 
Wasser  der  spanischen  See  eine  rasche  Abnahme  bis  zu  BS**  F.  (2*7  IL)  in 
1000  Faden  und  eine  langsame  Abnahme  von  da  bis  36*5  F.  2'X)  R.  in  2435 
Faden.  Verglichen  mit  dieser  verhältnismäßig  hohen  Temperatur  ist  also  die 
Tiefentemperatur  von  30'  F.  •— 0*^  B.»  und  darunter  im  arabischen  Golf  und 
unter  dem  Aequator  sehr  niedrig,  so  dass  man  die  durchschnittliche  Tiefentem- 
peratur der  tropischen  Meere  für  niedriger  halten  muß,  als  die  des  atlantischen 
Beckens.  Doch  sank  auch  in  dem  tiefen  Einschnitt  zwischen  Schottland  und 
den  Faröern  die  Bodentemperatur  stellenweise  bis  zu  30'  F.  (-  0*^  R.),  w&hrend 
sie  nahe  nebenan  wieder  43"  F.  (4*9  R.i  betrug.  In  dem  kalten  Gebiete  nahm 
dann  die  Temperatur  zwischen  150  und  300  Faden  ab,  um  von  da  an  constant 
zu  bleiben,  so  dass  man  dort  drei  übereinandergelagerte  Schichten  untenoheiden 
konnte,  eiskaltes  Wasser  unter  300  Faden,  warmes  Wasser  von  der  Oberfläche 
bis  zu  150  Faden  und  gemischtes  Wasser  zwischen  beiden  Tiefen. 

Wunderbar  groß  war  der  Beichthum  an  animalischem  Leben,  am  Tcden 
selbst  der  tiefsten  oceanischen  Schlupfwinkel.  Die  warmen  Gründe  zeigten  sich 
erfüllt  mit  Ablagerungen  von  Glob  ig  erinen  d.  h.  wirklich  in  der  Kalkbil- 
dung  betheiligten  Thierchen,  während  die  kalten  Bodenflächen  ausschließlich 
das  Paradies  nordischer  in  vnlcanischen  Sand  gebetteter  Echinodermen 
waren.  Aus  den  größten  Tiefen  wurden  noch  organisierte  Thiere  mit  vollstän- 
digen Augen  heraufgeschöpft  oder  vom  harten  Boden  in  besenartigen  Schwab- 
bern heraufgewunden  und  so  eine  große  Sammlung  von  kieselhaltigen  Spongien, 
Foraminiferen  nebst  Zoophyten,  Echinodermen,  Mollusken,  Anneliden  und 
Crustaceen  gewonnen ;  unter  andern  erhielt  man  127  Species  von  Molusken, 
deren  Vorkommen  im  britischen  Meere  bisher  unbekannt  war  und  die  doppelte 
Anzahl  der  bisher  beschriebenen  Echinodermen.  Ueber  dem  kalten  Boden  da- 
gegen fand  sich  eine  solche  Menge  von  Foraminiferen,  welche  sich  Behausungen 
aus  den  im  Nordmeer  häufigen  vnlcanischen  Sandmolekülen  zu  schaffen  ver- 
mögen, dass  man  um  Namen  für  die  neuen  Varietäten  verlegen  ist. 

Die  naheliegende  Untersuchung,  woher  diese  Thierwelt  die  erforderliche 
Nahrung  bezieht,  nihrt  zu  der  einzigen  Frage  der  Ernährung  der  Globigerinen 
oder  Ealkthierchen,  da  direct  und  indirect  alle  ihre  Nachbarn  von  ihnen  leben 
können.  Mr.  Thompson  ist  auch  dieser  Frage  nahe  getreten  und  nimmt  an, 
dass  eine  im  Tiefenwasser  massenhaft  verbreitete  assimilierbare  Substanz  den 
Nahrungsstoff  jener  ersten  Repräsentanten  des  thierischen  Lebens  liefert. 

Yarkand  und  die  Tartarei.  In  der  Sitzung  der  geographischen  Gesell- 
schaft in  London  v.  28.  Febr.  gab  Herr  B.  B.  Shaw  Bericht  über  seine  Reise 
in  der  Tartarei.  Die  Tartarei  enthält  nach  ihm  Städte  von  mehr  als  100,000 
Einwohnern,  von  denen  viele  die  Merkmale  der  Civilisation  an  sich  tragen.  £s 
besteht  Sicherheit  des  Lebens  und  Eigenthums,  die  Straßen  sind  voll  Leben 
und  Bewegung  und^in  den  Städten  findet  man  ausgedehnte  Bazars  mit  Reihen 
von  Kaufläden,  wo  Waaren  jeder  Art  und  aus  jeder  Landschaft  ausgestellt 
sind.  In  Yarkand  bestehen  sechzig  vom  Lande  dotierte  Anstalten  für  Ausbildung 
von  junffen  Leuten,  welche  das  muselmännische  Gesetz  und  Theologie  studie- 
ren, und  in  jeder  Straße  findet  man  eine  Elementarschule  in  Verbindung  mit 
der  Moschee.  Das  blühende  Land  wurde  den  Chinesen  vor  fünf  bis  sechs  Jah- 
ren durch  Otaligh  Ghazu  oder  wie  man  ihm  früher  nannte  Jakub^Beg  entnssen 
und  zwar  im  Interesse  der  Familie  Turas,  die  ihren  Ursprung  von  Zinghis-chan 
herleitet  und  das  ihr  ehemals  durch  die  Chinesen  entrissene  Land  wieder 
eroberte.  Jakub  Bey  war  die  Seele  des  Unternehmens,  indem  er  an  der  Spitze 
der  Andijanis  von  Kokand  den  Ausschlag  gab,  als  im  J.  1864  die  chinesischen 
Garnisonen  überrumpelt  und  das  Land  in  Besitz  genommen  ward.  Die  Andi- 
janis sind  der  herrschende  Stamm,  in  ihrer  Hand  liegt  die  Regierung  und  der 
Befehl  über  die  Armee;  aber  ihre  Stellung  zu  den  Eingebomen  in  Yarkand 
ist  die  freundlichste,  und  sie  betrachten  sie  als  Brüder  durch  Glauben  und  Blut, 
die  sie  vom  Joch  des  Heidenthums  beireit  haben.  Die  Bewohner  von  Yarkand 
haben  sich  dem  Handel  zugewendet,  während  die  Usbeken  von  Andijan  in 
der  Administration  und  im  Heere  thätig  sind.  Beide  Volksstämme  sprechen 
dieselbe  Sprache,  die  in  Wesenheit  der  türkischen  in  Constantinopel  gleicht 
Jakub-Beg  machte  auf  Herrn  Shaw  den  Eindruck  eines  sehr  intelligenten  und 


236 

eseigischeii  Mannes.  Er  ist  fünf  und  viorziff  Jahre  alt,  klein  nnd  stämmig  mit 
sehr  breiter  Stirn.  Er  begrüßte  den  Reisenden  als  den  ersten  Engländer,  der 
ins  Land  gekommen  sei,  und  bemerkte  ihm,  dass  er  dies  Ereignis,  welches 
Gott  gefügt  habe,  als  ein  günstiges  Zeichen  betrachte.  Bei  allen  spätem  Be- 
gegnungen gab  er  dem  Wunsche  Ausdruck,  mit  den  Engländern  m  Freund- 
schaft zn  leben.  Die  indischen  Kaufleute  beginnen  den  Markt  in  Yarkand  zu 
besuchen,  und  dies  allein  ist  bestimmend  genug,  die  wenige  n  Terrainhinder- 
nisse  in  den  uns  unterworfenen  Landschaften  so  bald  als  möglich  wegzuräumen. 
Es  eröffnet  sich  dort  ein  Feld  für  den  Handel,  dessen  Bedeutung  nicht  unter- 
schätzt werden  darf.  Das  ganze  Land  bildet  ein  erhöhtes  Becken  in  Central- 
uien,  auf  drei  Seiten  von  schneebedeckten  Bergen  umgeben,  von  denen  einige 
mehr  als  20,000 ^Fnß  hoch  sind.  Im  Osten  geht  es  in  die  Sandwüste  Gobf 
Aber,  die  es  von  China  scheidet.  Alle  Flüsse,  die  aus  der  Schneeregion  der 
Berge  herabkommen,  nehmen  ihren  Lauf  nach  Osten  und  verlaufen  im  Sande. 
Wo  dieser  gering  ist,  kann  der  Boden  auch  bei  Mangel  an  Regen  durch 
Caoäle  bewässert  und  fruchtbar  gemacht  werden.  Die  dichtbevölkerten  Theile 
ferdanken  diesen  Bewässern ngscanälen  den  vortrefflichen  Zustand  und  die 
üeppigkeit  des  Feldbaues.  Man  findet  aber  auch  solche  Canäle  in  großer 
Zahl  und  sorgsam  gepflegt.  B. 

liviiigBtone.  Das  -Athenaeum»  vom  5.  März  bringt  einen  Brief  des 
königl.  Astronomen  Maclear  am  Cap  an  den  Präsidenten  der  »Royal  society- 
Sir  Edward  Sabine  vom  18.  Jänner,  worin  es  heißt:  »Mit  Bangen  sehe  ich 
einer  Kachriebt  von  Dr.  Livingstone  entgegen.  Sein  letzter  Brief  war  vom 
Mai  (1869)  aus  Udschidschi  datiert.  Udschidschi  liegt  nahe  am  nordöstlichen 
Ufer  des  Taganyika-See*6.  Man  hatte  ihn  dort  der  Unterstützung  beraubt,  die 
ihm  von  Zanzibar  zugekommen  war.  Der  Machthaber  des  Orts  verweigerte 
ihm  jeden  Beistand  und  ließ  auch  nicht  zu,  dass  Briefe  von  ihm  nach  Zanzi- 
bar befördert  werden.  Er  hatte  deren  während  seiner  Krankheit,  deren  er  nur 
langsam  Herr  werden  konnte,  wol  vierzig  geschrieben,  von  denen  einige  ohne 
Zweifel  die  astronomischen  Beobachtungen  enthielten,  die  er  an  einzelneu 
Orten  gemacht  hatte.  Er  meint,  dass  die  Feindseligkeit  der  £ingebornen  aus 
dem  Verdacht  entspringe,  er  gehe  mit  dem  Gedanken  um.  ihren  Sclavenhandel 
zn  unterdrücken.  Sein  alter  Freund,  Dr.  Kirk,  der  wirkliche  politische  Agent 
in  Zanzibar,  wird  gewiss  alles  möglidie  zu  seiner  Rettung  aufbieten,  aber 
leider  reicht  der  Einflnss  der  Autoritäten  von  Zanzibar  nicht  bis  in  das  ferne 
Udschidschi.« 

In  der  Sitzung  der  Londoner  geogr.  Ges.  vom  14.  März  wnrde  durch  ein 
offideUes  Schieiben  von  Lord  Clarendon  vom  {gleichen  Datum  die  Nachricht 
bestätigt,  dass  die  Cholera  in  Ostafrica.  namentlich  in  Zansibar  und  der  Um- 
gebung heftig  ausgebrochen  sei,  was  mr  das  weitere  Schicksal  Livingstones 
gerechte  Besorgnis  einflöflt,  da  die  Leute,  durch  welche  ihm  die  Unterstützung 
zugeführt  werden  sollte,  von  der  Seuche  befallen  wurden.  Sir  Murchison 
hegt  zwar  die  Hoffnung,  dass  die  Calamität  sich  nicht  bis  in  das  Innere  nnd 
namentlich  nicht  in  jenes  Gebiet  verbreiten  werde,  wo  LivingBtone  die  Cara- 
vane  erwartet;  aber  das  scheint  uns  mit  Rücksicht  auf  das  obige  ein  schlech- 
ter Trost  B. 


Ausserordentliche  Sttzung 

der   geographischen   Gesellschaft  am  1.  März  1870,   unter  dem  Vorsitz 

des  Prof.  Dr.  Ferd.  v.  Höchste tter. 

Der  Vorsitzende  eröffnet  die  Sitzung  mit  dem  Bemerken,  dass  er  sie 
zu  Ehren  eines  lieben  Gastes  angesagt  habe,  dessen  Ankunft  in  Wien  nach 
seinen  eigenen   Briefen  heute   mit  der   größten    Wahrscheinlichkeit   voraus- 


236 

bestimmt  werden  konnte,  des  Herrn  Dr.  Heinrich  Kiepert  aus  Bertin.  Leider 
müße  er  aber  beifügen,  dass  bis  zur  Stunde  noch  nicnt  sichergestellt  werden 
konnte,  ob  Herr  Kiepert  wirklich  angekommen  sei,  folglich  auch  in  Frage 
stehe,  ob  er  uns  mit  seiner  Gegenwart  erfreuen  werde. 

Uebrigens  sei  für  das  Interesse  der  Sitzung  durch  die  reichhaltige  Aus- 
stellung von  Yeranschaulichuugsmitteln  zur  physicalischen  Geographie  gesorgt, 
welche  Herr  Prof.  Simony  den  geehrteu  Mitgliedern  vor  Augen  gestellt  hat 
und  durch  einen  Vortrag  zu  illustrieren  die  Freundlichkeit  haben  wird. 

Als  neu  eingetretene  Mitglieder  werden  angemeldet  und  angenommen 
die  Herren  Dr.  £d.  S  ach  au,  Prof.  der  orientalischen  Sprachen  in  Wien, 
R.  A.  Minz,  Banqnier  in  Wien,  Carl  Büchelen,  Ingenieur  in  Wien,  dann 
das  k.  k.  2.  Staatsgymnasium  in  Graz,  das  k.  k.  2.  Obergymnasium  in  Krakan, 
das  k.  k.  Gymnasium  in  Marburg,  das  k.  k.  Set.  Annagymnasiom  in  Kr ak an 
und  das  k.  k.  Obergymnasium  inBfzezany. 

Der  Generalsecretär  theilt  mit,  dass  das  erste  Verzeichnis  von  Fragen, 
welche  am  internationalen  Congress  für  die  geographischen  Wissenschaften  zu 
Antwerpen  zur  Discussion  kommen  sollen,  gedruckt  vorliegt  und  nach  Beschluss 
des  Ausschusses  im  nächsten  Heft  der  Mittheilungen  in  der  üebersetzung  ver* 
öffentlicht  werden  wird  (siehe  vorlieg.  Nr.  Seite  231). 

Der  Vorsitzende  gibt  Nachricht  von  dem  Mitgliede  Hrn.  C.  L.  Gries- 
bach,  der  sich  einer  von  Hamburg  aus  organisierten  Expedition  zur  Erforschung 
der  Gebiete  zwischen  dem  Limpoppo  und  Zambesi  in  Südost- Africa  angeschlossen 
hat,  und  da  der  Dampfer  ^Petermann",  der  für  die  Flussfahrten  bestimmt  war, 
verunglückt  ist,  jetzt  in  D'Urban  fNatal)  verweilt.  Aus  seinem  Briefe  (vom 
18.  December   1869)  hebt  er  folgendes  heraus: 

„Unser  schöner  Dampfer  „Petermann",  den  wir  seit  Monaten  erwarteten, 
ist  gesunken.  Wie  ich  erfahre,  hatte  er  einen  heftigen  Sturm  zu  bestehen  und 
gieng  am  15.  Juli  in  der  Nähe  von  Set.  Paul  de  Loanda  (Westküste)  unter. 
Wahrscheinlich  hatte  er,  wie  die  englischen  Seeleute  es  nennen,  ,,brocken  his 
back**.  Tröstend  ist,  dass  die  Mannschaft  gerettet  wurde.  So  müßen  wir  denn 
noch  lange  hier  bleiben,  bis  ein  anderer  Dampfer  heraus  kommt. 

Ich  fühle  mich  hier  sehr  wohl.  Die  Hitze  sagt  mir  weit  mehr  zu  als 
unser  kaltes  unfreundliches  Klima.  Je  heiüer,  desto  angenehmer,  und  wahrlich 
warm  genug  hab  ichs  hier.  In  meinem  kühlsten  Zimmer  30"  R.  Ich  bin  fort* 
während  im  Abreisen  oder  Kommen  begriffen.  Die  lange  Abwesenheit  meines 
unglücklichen  Dampfers  hat  mir  vollauf  Zeit  gegeben,  Untersuchungen  and 
Studien  zu  machen.  Ich  kenne  bereits  jeden  Winkel  von  Natal  und  richte 
daher  meine  Kitte  jetzt  nach  Süden  in  das  Gebiet  der  Amapongo  und 
Criquas.  Nächste  Woche  gehe  ich  wieder  dorthin,  um  das  ganze  Flossgebiet 
des  Umzimvooboo  (Set.  Iskus'  und  den  Theil  der  Guathlamba-Monn- 
tains  «9^10,000  Fuß  hoch),  wo  er  entspringt,  zu  untersuchen.  Es  ist  eine 
sehr  ehrenvolle  Aufgabe,  da  das  Gebiet  noch  als  vollkommen  unbekannt  zu 
betrachten  ist.  Leider  bin  ich  verurtheilt  immer  allein  zu  reisen,  und  die 
Distanzen,  die  man  zurücklegen  muß,  sind  colossal.  Ich  reite  selten  weniger  als 
40  '50  englische  Meilen  per  Tag,  d.  i.  9—13  deutsche  Meilen,  immer  auf  dem- 
selben Pferd  Unsere  europäischen  Pferde  würden  das  gar  nicht  aushalten 
Ich  habe  die  Zeit  über,  die  ich  hier  in  Africa  zubrachte,  bereits  mehr  gesam- 
melt, als  wir  es  während  der  Aufnahme  in  Oesterreich  thun.  Sind  40—50 
Pfund  Gestein  beisammen,  so  lade  ich  sie  auf  den  Rücken  eines  Kaffern,  und 
lasse  ihn  damit  nach  D'Urban  gehen.  Mit  einer  solchen  Last  wandert  er  um 
ein  par  Schillinge  5  600  Meilen  weit.  Eine  solche  Kaffernpost  ist  sehr  sicher. 
Wenn  ich  von  meinen  mehrmonatlichen  Ausflügen  nach  Hause  komme,  finde 
ich  alle  abgeschickten  Pakete  vor  und  kann  sicher  sein,  dass  kein  Stück 
abgeht. 

Wo  die  Kaffern  nicht  von  den  Missionären  verdorben  sind,  erweisen  sie 
sich  als  verlässliche  Leute,  sind  anstellig ,  tüchtig  in  der  Arbeit  und  über  alle 
Erwartung  ehrlich.  Man  kann  jedem  Kaffer  getrost  sein  Hab  und  Gut  anver- 
trauen, er  wird  nichts  veruntreuen.  Nur  vor  den  christlichen  Kaffern  muß  man 
auf  der  Hut  sein.  Von  ihrer  Gefälligkeit  und  Gastfreundschaft  habe  ich  spre- 
chende Beweise.  Wenn  ich  in  einen  Kraal  komme,  wird  mir  sogleich  eine  der 


237 

besten  Hütten  aur  Verfügung  gestellt  und  das  beste  vorgesetzt.  Ich  bin  schon 
bei  allen  den  58  Stammen  der  Küste  bekannt.  Sie  nennen  mich  Incouca-gos 
d.  h.  Buschbock.  Warum  ich  so  heiße,  weiß  ich  nicht.  Ein  Eafferndorf  und 
insbesondere  die  Einzäunung  füi*  das  Vieh  wird  hier  allgemein,  wie  in  den 
Reisebeschreibungen  Kraal  genannt.  Merkwürdiger  Weise  ist  das  weder  ein 
Eaffemwort,  noch  ist  es  englisch.  Kraal  kommt  aus  dem  portugiesischen,  wo 
Coral  eine  Einzäunung  für  das  Vieh  heißt.  Die  Portugiesen  als  die  Entdecker 
der  Ostküste  von  Africa  übertrugen  das  Wort  an  die  Holländer,  von  denen  es 
wieder  die  Engländer  nahmen  und  mundgerecht  machten.  Die  Kaifern  selbst 
nennen  ein  Dorf  Umuzi  und  die  Einzäunung  für  das  Yieh  Isibaya. 

Bis  jetzt  habe  ich  nicht  ein  einziges  Heft  der  „Mittheilungen^  erhalten, 
jni  denen  ich  doch  berechtigt  bin.  ^Wurden  sogleich  expediert,  als  uns  die  Adresse 
desHerm  Griesbach  bekannt  war.  Anm.  d.  Red.).  Oft  wäre  es  mir  ein  Bedürfnis 
gewesen  sie  zu  lesen.  Ich  bin  schon  sehr  im  Rückstande  mit  der  laufenden 
Literatur.  Ich  weili  noch  immer  nicht,  was  wir  zunächst  thun  werden.  Man 
sagt,  es  werde  eine  große  Reise  in  das  Innere  angetreten.  Ich  werde  vorerst 
meine  Untersuchung  der  Quathlamba-Mountains  vollenden.  Am  Zambesi  herrscht 
blatiger  Krieg  zwischen  Portugiesen  und  Eingebornen.  Schöne  Aussichten!'^ 

In  einem  zweiten  Schreiben  von  Herrn  Griesbach  von  DTrban  (dat.  20. 
Jan.  70;  heißt  es :  Seit  ich  Ihnen  das  letztemal  schrieb,  habe  ich  meinen  Plan 
für  die  nächsten  Monate  gänzlich  verändert.  Eben  liegt  ein  Herrn  Lippert 
gehöriges  Schiff  hier,  welches  er  uns  zur  Verfügung  stellt,  und  mit  dem  wir 
eine  mehrmonatliche  Reise  nach  Madagasgar,  Zanzibar  u.  s.  w.  unternehmen 
wollen.  Bis  wir  zurückkommen,  wird  wol  schon  unser  neuer  Expeditions- 
dampfer herausgekommen  sein.  Die  Reise,  die  wir  vorhaben,  wird  im  höchsten 
'  Grade  interessant  sein  —  nur  die  Jahreszeit  ist  etwas  ungünstig,  da  die  Mo- 
nate Januar  und  Februar  an  der  Ostküste  sehr  fiebergefährlich  sind.  Mit  gehö- 
riger Vorsicht  jedoch  hoffe  ich  durchzukonunen.^ 

Während  Herr  Prof.  Simony  hierauf  seinen  Vortrag  hielt,  erschien  Herr 
Kiepert  und  wurde  vom  Vorsitzenden  wie  von  der  Versammlung  lebhaft 
begrüßt. 

Herr  Professor  Simony  hatte  für  diese  außerordentliche  Versammlung 
eine  Reihe  seiner  graphischen  Tableaux  und  Landschaftsbilder  für  physische 
Geographie  ausgestellt.  In  einem  längeren,  der  Erläuterung  der  verschiedenen 
Vorlagen  gewidmeten  Vortrage  schickte  er  vorerst  einige  allgemeine  Bemerkungen 
aber  die  Bedeutung  der  physischen  Geographie  als  Lehrstoff  und  über  die 
Nothwendigkeit  bildlicher  Veranschaulichungen  als  Förderungsmittel  des 
Unterrichtes  für  diesen  Zweig  der  Erdkunde  voraus.  Zunächst  wurde  von  ihm 
betont,  wie  bei  der  bestehenden  Schulpraxis  die  Geographie  als  eine  Art 
Anhängsel  der  Geschichte  zu  betrachten  und  zu  behandeln,  vorwiegend  nur 
die  topische  und  politische  Geographie  berücksichtigt  werde,  wozu  der  Fach- 
lehrer sich  auch  schon  aus  dem  Grunde  genöthigt  sieht,  weil  für  den 
geographischen  Gegenstand  als  solchen  nur  eine  auf  das  äußerste  beschränkte 
Zahl  von  Stunden  zur  Verfügung  steht.  Die  vielfachen  Beziehungen  der  Erd- 
kunde zu  einer  Reihe  anderer  wichtiger  Disciplinen,  wie  der  naturhistorischen 
Fächer,  der  Statistik,  der  Nationalöconomie  u.  a.  m.  für  welche  ein  sicheres 
Verständnis  gleichfalls  jedem  Studierenden  erschlossen  werden  sollte,  müßen 
bei  einer  derartigen,  einseitigen  Behandlung  mehr  oder  minder  vollständig 
außer  Acht  bleiben.  Nun  scheint  es  aber  gerade  in  einem  Staate,  wie  Oester- 
reich,  wo  die  physisch-geographischen  Verhältnisse  jeder  Art  in  einer 
Mannig&ltigkeit  entwickelt  sind,  wie  nicht  bald  anderswo  auf  gleich  großem 
Raum,  doppelt  wichtig,  den  Blick  und  das  Verständnis  der  Jugend,  für  diese 
Verhältnisse  und  Beziehungen  rechtzeitig  zu  wecken  und  zu  schärfen. 
Allerdings  bringt  eine  derartige  Erweiterung  des  geographischen  Unterrichtes 
aach  erhöhte  Anforderungen  an  die  studierende  Jugend  mit  sich,  Anforderungen, 
welche  gegenüber  der  Zahl  und  dem  Umfange  der  übrigen,  als  unerlässlich 
erkannte  Lehrfächer  sich  kaum  noch  rechtfertigen  zu  lassen  scheinen.  Der 
Begriff  jener  ^«allgemeinen  Bildung^  wdche  in  den  Mittelschulen  angestrebt 
wird,  hat  sich  allgemach  derart  erweitert,  dass  das  Maß  der  geforderten 
Leistungen  schon  Über  die  mittlere  Leistungsfähigkeit  der  Jugend  hinausza- 
gehen  droht.  Die  immer  bedenklicher  anwachsende  ZaJil  von  Augenschwachen, 


336 

Eopfleidenden  und  EngbrQstigen  ist  dafür  ein  eben  So  unbestreitbarer  als 
trauriger  Beleg.  Darum  erscheint  es  von  gröliter  Wichtigkeit,  aberall  dort,  wo 
durch  das  Medium  directer  Yeranschaulichung  eine  schnellere  AufEassung  und 
eine  dauerndere  Einprftgung  des  zu  erlernenden  Stoffes  erzielt  werden  kann, 
dieses  Mittel  auch  in  ausgedehntester  Weise  anzuwenden  und  zu  benutzen. 
AuÜer  den  naturhistorischen  Fächern  gibt  es  keine  Zweite  Disciplin,  wo  der 
Lehrstoff  sich  zu  einer  veranschaulichenden  Darstellung  in  so  hohem  Grade 
eignet,  wie  in  der  Erdkunde.  Nun  reichen  aber  für  die  letztere  die  bishw 
angewendeten  Hilfsmittel  noch  lange  nicht  aus,  für  das  weite  Gebiet  der 
physischen  Geographie  ist  auf  zweckmäßige,  in  der  Schule  brauchbare  Ver- 
anschaulichungsmittel  noch  wenig  Bedacht  genommen  worden.  Ist  aber  einmal 
für  die  letzteren  derart  reichlich  vorgesorgt,  dass  in  jedem  Lehrzimmer  dem 
Schüler  in  entsprechender  Reihenfolge  neben  Illustrationen  aus  anderen 
Gebieten,  auch  solche  aus  den  verschiedenen  Zweigen  der  Erdkunde 
abwechselnd  vor  das  Auge  treten,  dann  wird  es  dem  Lehrer  leicht  sein,  den 
geographischen  Gegenstand  auch  nach  weiteren,  als  den  bisherigen,  vorwiegend 
historischen  Gesichtspunkten  zu  behandeln,  und  eben  so  wird  bei  aen  SchlSem 
das  Gehörte  durch  Gesehenes  immer  wieder  neu  unterstützt,  sich  klar  und 
Ueibend  dem  Gedächtnisse  einprägen.  Dabei  darf  der  Yortheil  noch  besonders 
betont  werden,  dass  in  graphischen,  überhaupt  bildlichen  Darstellungen  fast 
immer  mehr&che,  gegenseitige  Beziehungen  gleichzeitig  zum  Ausdruck 
gebracht  und  dem  Verständnis  zugänglich  gemacht  werden  können,  welche 
das  bloüe  Wort  nur  neben  einander  hinzustellen  und  in  mehr  oder  weniger 
unbestimmten,  leicht  wieder  verwischbaren  Umrissen  anzudeuten  vermag. 

Schließlich  wies  der  Vortragende  noch  darauf  hin,  wie  durch  einen 
zweckmäßig  organisierten  Zeichenunterricht  denjenigen  Disci^linen,  welche 
sich  auf  Anschauung  stützen,  also  auch  speciell  der  Geographie,  eine  weitere 
Förderung  zu  Gute  kommen  kann.  Wenn  man  sich  einmal  mit  dem  Princip 
befreundet  haben  wird,  dass  die  Mittelschule  keine  Kunstschule  zu  sein  hat, 
sondern  dass  an  derselben,  insbesondere  an  der  Realschule,  in  welcher  eine 
so  bedeutende  Zeit  für  das  Zeichnen  in  Anspruch  genommen  wird,  das  letztere 
nicht  über  Erwerbung  der  Fertigkeit  hinausgenen  soU,  jeden  beliebigen 
Gegenstand  in  klaren  und  bestimmten,  scharf  characterisierenden  Umrissen 
correct  darzustellen,  und  wenn  daneben  der  Zeichenlehrer  eine  hinlängliche 
Uebersicht  derjenigen  Fächer  besitzt,  in  denen  bildliche  Darstellungen  eine 
«nterstützende  RoOe  spielen,  so  wird  es  für  jeden  Schüler  möglich  werden, 
sich  während  seines  7-8  jährigen  Besuches  der  Mittelschule  einen  Schatz 
illustrierenden  Lehrstoffes  in  seiner  Zeichenmappe  anzusammeln,  welcher  nicht 
nur  bei  dem  ersteren  selbst  immer  wieder  neue  Erinnerungen  an  einmal 
Gelerntes  auffrischt,  sondern  der  auch  zugleich  zu  einer  Art  von  Familien- 
schatz wird,  aus  welchem  Jung  und  Alt  im  Hause  Interesse  und  Belehrung 
zu  schöpfen  vermögen. 

Von  den  verschiedenen  graphischen  Darstellungen  und  Landschafts- 
bildem,  welche  der  Vortragende  hierauf  erklärte,  mögen  hier  zur  Kenn- 
zeichnung des  dargebotenen  Stoffes  nur  folgende  angeführt  werden:  Ein 
S'oßes  in  Farben  ausgeführtes  Wandbild,  welches  den  Zweck  hat,  alle  auf 
Ictscher  und  Erratisches  bezüglichen  Erscheinungen  zu  veranschaulichen 
(bei  der  letzten  Lond'ner  Ausstellung  mit  der  Medaille  ausgezeichnet;)  Tiefen- 
karten und  Profile  flüpiner  Seebecken;  Temperaturverhältnisse  der  See'n  des 
Traungebietes,  die  Wärmenertheilung  im  Wasser  nach  dessen  verschiedenen 
Tiefen  versinnlichend ;  ein  Tableau  aus  der  mathematischen  Geographie,  den 
Gang  der  solaren  Beleuchtung  und  Erwärmung  verschiedener  geographischer 
Breiten  erläuternd;  Temperaturmittel  des  Jahres,  des  kältesten  und  wärmsten 
Monates  von  100  verschiedenen  Orten  der  Erde,  zur  Demonstration  des  Ein- 
flusses der  geographischen  Breite,  der  marinen  und  continentalen  Lage 
endlich  der  senärechten  Erhebung  auf  den  Spielraum  im  jährlichen  Gange 
der  Wärme;  Darstellung  der  Temperaturverhältnisse  Wiens  nach  90-jährigen 
Beobachtungen.  Unter  den  von  dem  Vortragenden  nach  der  Natur  gemalten 
Landschaftsbildern  finden  sich  Typen  verschiedener  geologischer  Formationen, 
Erosionsbildungen,  Berg-  und  Thalformen,  Studien  aus  der  Gletscherwelt, 
Vegetationserscheinungen  u.  d.  gl.  m. 


Wir  glauben  im  Interesse  des  geographischen  Unterrichtes  den  Wunsch 
aussprechen  zu  dürfen,  dass  das  im  hohen  Grade  instructive  Veranschaulichungs- 
materialy  welches  der  vortragende  in  dieser  Versammlung  zur  Ansicht  brachte, 
nicht  auf  dessen  eigene  Benatzung  an  der  hiesigen  Hochschule  beschränkt 
bleibe,  sondern  auch  weiteren  Kreisen  des  geographischen  Unterrichtes 
Kug&nglich  gemacht  werden  möge. 

Vom  Vorsitzenden  aufgefordert,  bespricht  nun  Herr  Kiepert  in  allge- 
meinen Zügen  den  Zweck  einer  Reise  in  den  Orient,  die  er  so  eben  in  Beglei- 
tung seines  Sohnes  und  eines  ihm  befreundeten  jungen  Arztes  anzutreten  im 
Bemffe  sei.  Schon  in  seiner  Jugend  habe  er  sich  zur  nähern  Kenntnis  jenes 
Bodens  angeregt  gefühlt,  auf  welchem  sich  die  Geschicke  des  classischen  Alter- 
thums  abwickelten  und  wo  die  Beste  des  damals  Geschaffenen  noch  jetzt  die 
erfrischendste  Nahrung  für  den  gebildeten  Geist  abgeben.  Der  Wunsch,  die 
classischen  Stellen  aus  eigener  Anschauung  kennen  zn  lernen,  und  für  die 
Feststellung  der  topographischen  Daten  jenes  Bereichs  thätig  zu  sein,  sei  ihm 
d&nals  durch  verschiäene  Umstände  verwehrt  gewesen  und  er  rechne  es  sich 
zum  Glück  an,  dass  ihm  jetzt  nach  einer  ziemlich  langen  Reihe  von  Jahren, 
die  er  zu  Erfahrungen  für  diesen  Zweck  benützen  konnte,  Gelegenheit  geboten 
sei,  die  Absicht  ins  Werk  zu  setzen.  Er  verdanke  das  zunächst  der  Mnnificenz 
der  Berliner  Academie,  die  ihn  mit  den  Mitteln  zur  Ausführung  seines  Unter- 
nehmens unterstützt  hat. 

Herr  Kiepert  gedenkt  seine  Reise,  welche  Aegypten,  Syrien,  einen  Theil 
von  Kleinasien  und  Griechenland  umfassen  soll,  in  mehreren  Absätzen  zu 
machen,  so  dass  er  nach  einer  gewissen  Zeit  wieder  heimkehrt,  um  den  unter- 
suchten Theil  des  Terrains  zu  bearbeiten. 

Schließlich  übergibt  Herr  Kiepert  der  geographischen  Gesellschaft 
mehrere  wertvolle  kartographische  Arbeiten  als  Geschenk  für  die  Bibliothek, 
darunter  eine  neue  Ausgabe  seines  historischen  Atlas,  eine  in  Höhenschichten 
ausgeführte  Karte  der  griechischen  Halbinsel  und  Probeblätter  seiner  im  Ter- 
rain noch  nicht  vollendeten  Karte  der  europäischen  Türkei. 

Dabei  gedenkt  Herr  Kiepert  der  Schwierigkeiten,  die  namentlich  eine 
solche  Arbeit  -  so  unglaublich  es  in  unserer  verkehrslustigen  Zeit  klingen 
mag  —  dem  Kartographen  bereitet,  da  er  sich  trotz  der  manigfachen  Hüfs- 
mittel  bei  jedem  Schritte  seiner  Arbeit  die  Wahrscheinlichkeit  vorhalten  muß, 
in  den  wichtigsten  Fixierungen  des  Terrains  oder  der  Localitäten  fehlzugreifen. 
Es  werde  bei  allem  Vertrauen  auf  die  Gewissenhaftigkeit  früherer  Aufnahmen 
und  Reiseberichten  immer  klarer,  dass  die  Türkei  wie  in  mancher  andern 
Beziehung  so  insbesondere  in  Bezug  auf  das  Terrain  eine  terra  incognita 
und  dass  erst  jetzt,  wo  man  daran  geht  die  ersten  Schienenwege  durchzu- 
ziehen, eine  wirkliche  topographische  Aufnahme  der  Gegenden  durchgeführt 
worden  sei,  die  man  bisher  nur  ans  einzelnen  Reiseberichten  kannte,  und  diese 
Aufnahme  seine  Karte  leider  schon  heut  veraltet  erscheinen  lasse. 


Der  Herr  k.  u.  k.  Consul  C.  Sach  s  in  Sen^^wo  ersucht  uns  nachstehende 
Berichtigungen  in  unsere  Blätter  aufzunehmen: 

a)  Druckfehler  in  dem    im    vorigen  Jahrgange  1869,  VIII.  Heft   erschienenen 

Aufsatze  über  Bulgarien. 

soll  es  heisflen 

Kasan 
Vid 
Plevna 
8000 

Atmadscha 
Prista 

Dörfer  Knla  ungefähr  Vs, 
Dolab  1,  Bessarbova 
IV3  deutsche  Meile 


8«ite 

Zeile 

Anetatt 

3 

11 

Kasan 

4 

35 

Vict 

6 

vorletzte 

Plema 

U 

16 

800 

18 

10 

Almadscha 

19 

31 

Priota 

20 

39 

Dörfer  ungefähr  1\„  Do- 
lab   1  Va  t    Bessarbova 
1  deutsche  Meile 

340 


Seite 
21 
23 

30 

31 
32 
32 
33 


Zeile 

2 

32 
38 

21 
3 
3 

32 


AiuteU 
FQtschOk 

Aktschaiz 
Katalei 

(zweimal) 
Gropu  Tschobanulni 
BeschogQl 
Dokusogfll 
Dubitzna 


soll  ee  keissea 
Gütschflk 
Aktschair 
Katalui 

(zweimal) 
Orops  Tschobanolmi 
Beschoghül 
DokusoghOl 
Dabnitza 


b)  Drackfebler  in    der  im   laufenden   Jahrgange   veröffentlichten    Reise 
Serajewo  zum  Dormitor  und  durch  die  mittlere  Herzegowina. 


.von 


Seite  ZeUe 

3  3,  6,  9 

3  17 

3  38 

5  3 

Ö  3i 

8  14,  23 

10  4 

11  15 

17  vorvorletzte 

18  31 

19  5 


} 


Anatott 

Trnowa 

Krblina 

Meihowina 

Irnowitza 

Eierspeise  mit  Milch 

Berkowitsh 


soll  ea  heieaen 

TVnowa  (Apostroph) 

K'rblina  „ 

Miehowina 

T'rnowitza 

Milchspeise   (ohne  Eier!) 

Borkowitsh 


>» 


liegt 

300 

Blashni 

Glawatidsehewo 


w 


biegt 

3000 

Blashni 

Glawatidahewo 


c)  Nachträgliche  Text-Verbesserungen  zu  obgenannter  herzegowinischen  Beise. 


Seite  Zeile 

3  letzte 
5  7 

12  17 

4  18 
4  31 

7  12 

7  15 

7  21 

9  18 

12  18 

12  25 

14  vorvorletzte 

15  16 

15  35 

16  17 

17  1 
17  10 
17  13,  14 

15  35 


Anatatt 


Ulok 


} 


Wutschja  B'rdo 
(Wolfsberg) 


Knischitsitsh 

Smrieschno 

Pressika 

Komorastiena 

Krakowe 

PakratschuBcha 

\  Tzmi  Wrelo 

Grabowatz 
und  Proporatz 
Popraska 
Lissitschitsh 
KoDJitza 

Diva 


wftre  beaaer 


Ulog 


Wutsclge  B'rdo  oder 
Wutschja   B'rda   (Wdfi- 

beige) 
Krushitsitza    . 
Smrietschno 
Pres^ka 
Komorowastiena 
Krekowe 
Bakratshuscha 

Tzemo  Wrelo 

Grabowitza 

(und  angeblich  Proporatz) 

Papratschka 

Lissitshitshi 

Eoigitz  (tOrkisch :  Ko- 
nitscha) 

Diva*  Anmerkang:  Es 
soll  dort  wol  ein  „Diva*' 
oder  Devoika  (d.  h. 
Jungfrau)  genanntes,  in 
Stein  gehauenes  Marien- 
bild geben. 


Die  politische  Wiciitlglceit  der  turidsclien  Cieenbalineii. 

Von  Fr.  v.  Haaslab. 

Von  England  und  dem  westeuropäischen  Handelsgebiete  ans  gestatten 
die  Naturverhältnisse  der  Erdoberfläche  sehr  viele  Wege  nach  Ostindien. 
Der  geradeste  nnd  kürzeste  nnd  darum  auch  die  geringste  Zeit  fordernde 
Yoa  allen  wflrde  der  Aber  Wien,  Constantinopel,  durch  Eleinasien  in 
das  Thal  des  Euphrat,  an  den  persischen  Meerbusen,  dann  zu  Wasser 
nach  Bombay  sein.  Er  bedingt  auch  von  dem  letzteren  Meerbusen  bis 
an  die  Kfisten  Hollands,  Belgiens  und  Frankreichs  im  Falle  des  Baues 
einer  Eisenbahn  durch  die  Türkei  und  der  Ueberbrflckung  des  Bos- 
porus keine  Ueberladung  der  Waren,  während  die  meisten  andern 
Linien  den  Transport  zu  Land  mit  jenem  zu  Wasser  wechseln  und 
daher  die  für  den  Handel  so  lästigen  und  selben  vertheuemden  Ueber- 
ladnngen  unausweichlich  machen. 

Ununterbrochene  Wasserlinien  von  England  aus  gehen  um  das  Cap 
der  guten  Hoffiiung,  oder  durch  den  Kanal  von  Suez.  Die  Transporte 
zn  Wasser  sind  zwar  wohlfeiler,  aber  langsamer  und  mehr  Elementar- 
£reignis8en  unterworfen,  als  jene  auf  Eisenbahnen.  Daher  die  schwere, 
großen  Baum  einnehmende,  nicht  theure  Ware  die  ersteren,  die  leichte, 
in  kleinem  Raum  großen  Wert  einschließende  die  zweiten  wählt. 
Diejenigen  Gegenstände,  welche  ohne  Rücksicht  auf  Kosten  die  Haupt- 
forderung zunächst  auf  die  Schnelligkeit  der  Beförderung  legen,  sind 
Menschen  und  Briefe,  die  Reisenden  und  die  Post. 

Nach  dieser  Verschiedenheit  der  Waren  werden  auch  die  ver- 
Bchiedenen  Verkehrswege  gewählt  und  benützt  werden,  so  dass  eigentlich 
keiner  davon  gänzlich  aufgegeben  würde. 

Betrachtet  man  nun  alle  durch  die  Gestalt  des  Bodens  ermöglichten 
Verbindungswege  nicht  bloß  aus  den  Gesichtspunkten  des  Handels, 
sondern  auch  aus  jenen  der  Politik  und  der  Strategie,  welche  oft  noch 
wichtiger  sind,  vergleichend  untereinander,  so  sieht  man  auf  den  ersten 
Blick,  dass  alle,  welche  das  mittelländische  Meer  durchziehen,  auf  jedem 
Punkt  dort  unmittelbar  mit  der  französischen  Seemacht  in  Berührung 
kommen  können,  und  dass  alle,  die  nördlich  der  Karpaten  und 
des  türkischen  Reiches  laufen,  entweder  innerhalb  die  Grenzen  von 
Bofisland  fallen  oder  von  denselben  aus  leicht  erreichbar  sind  und  daher 
Yon  dieser  Macht  beherrscht  werden. 

.  Die  einzige  Linie,  welche  vom  persischen  Golf,  die  Türkei  in 
ihrer  ganzen  Länge  durchschneidend,  durch  Ungarn  oder  Steiermark 
nach  Wies  geht^  ist  durch  Terrainverhältnisse  vor  nördlichen  nnd 
Mldlichen  Angriffen  geschützt. 

OMfnpkiBcbe  MittheUungen.  1870.  6.  1(5 


242 

Mesopotamien,  das  ist  die  Hälfte  des  Thaies  des  untern  Euphrat 
auf  seinem  linken  Ufer,  wird  nördlich  im  weiten  Bogen  durch  das 
unwegsame  armenische,  kurdische  und  sfldpersische  Hochgebirg  umgürtet, 
am  rechten  Ufer  dieses  Flusses  liegen  die  syrische  und  arabische 
Wüste.  Von  Biredschik  am  Euphrat  würde  sich  die  Eisenbahn  durch 
das  Taurusgebirge  zur  Hochflftche  in  der  Mitte  Eieinasiens  hinanf- 
winden  müßen.  Diese  bildet  ein  großes,  flaches  ovales  Becken  mit  einer 
Wüste  und  einem  See  in  der  Mitte  imd  ist  südlich  durch  die  westliche 
Kette  des  Taurusgebirges  vom  mittellftndischen  Meer,  nördlich  durch 
das  pontiscl^e  Gebirge  vom  schwarzen  Meer  getrennt.  Durch  die  Thftler 
des  nordwestlichen  Kleinasien  senkt  sich  die  Eisenbahnlinie,  den  Bospor 
überschreitend,  nach  ConstantinopeL  Diesem  Punkte  kann  man  sich 
allerdings  zu  Wasser  am  meisten  nähern,  allein  er  ist  durch  Befestigungen 
in  den  Dardanellen,  im  Bospor  und  an  der  Küste  des  schwarzen 
Meeres  leicht  zu  schützen  und  zu  vertheidigen.  Von  Constantinopel 
über  Adrianopel  bis  Philippopel  wird  die  Eisenbahnlinie  nördMch  vom 
Balkangebirge  und  seinen  Zweigen,  südlich  vom  Rhodopegebirge  be- 
gleitet Nachdem  sie  die  Verbindung  des  Balkan  mit  dem  westlieh 
gelegenen  Schardagh  überstiegen  bat,  spaltet  sie  sich  unter  Ichtiman  in 
zwei  Richtungen,  die  eine  geht  über  Sophia,  Belgrad,  Ofen,  Pest, 
die  andere  über  Kostendil,  Uskup,  Bosnasarai,  Agram  nadi  Wien. 
Erstere,  die  natürlichere,  wird  östlich  durch  den  Zweig  des  Balkan, 
welcher  sich  an  die  siebenbürgischen  Gebirge  anschließt,  und  bei  Orsowa 
durch  die  Donau  durchbrochen  ist,  von  Bidgarien  und  der  WaUachei, 
die  letztere,  vorzüglich  wegen  inneren  administrativen  und  Regierungs- 
Rücksichten  gewählt,  ist  durch  die  lK>hen  bosniflchen  Gebirge  von 
Dalmatien  und  dem  adriatischen  Meere  geschiedeo.  Beide  Ijinien 
werden  nach  dem  Ueberschreiten  der  türkischen  Grenze  in  das  große 
Becken  aufgenommen,  welches  durch  die  siebenbürgischen  Gelnrge,  die 
nördlichen  Karpaten  und  die  östliche  Alpen  eingeschlossen  isl,  wüA 
vereinigen  sich  wieder  in  Wien. 

Bis  hieher  ist  also  der  ganze  Zug  dieses  Verbindungswegee  rechts 
und  links  so  gedeckt,  dass  es  bedeutende  militärische  Operatknieii 
und  EIrfolge  bedürfte,  um  sich  ihm  zu  nähern  öder  selben  gar  absu<> 
schneiden.  Von  Wien  aus  tritt  er  in  den  allgemeinen  esroptifichoD 
Yerkehr  ein  und  kann  verschiedene  Richtungen  nach  England  BehBieD. 
Hätte  dieser  Staat  ein  Zerwürfhiss  mit  Frankreieh,  so  gienge  sein  Yer^ 
kehr  mit  Indien  ungestört  durch  Preußen,  und  im  Falk  finea  sokhen 
mit  letzterem  durch  ersteres  fort.  Der  TremungqNmkt  dieser  Biehtun^en 
läge  in  Sflddeutschland.  Feindsdigkeiten  mit  Russland  hättes  IfeinerM 
Einfluss  auf  die  türkisch-österreichische    Linie.   Auf  dies«  Wein  hüte 


243 

England  selbst  in  KriegsaMeD  eiae  nnnnterbrocliene  Verbindung  mit 
Indien.  Aach  für  Frankreich  wäre  dieser  Weg,  wenn  auch  keine 
Lebensfrage,  doch  von  großem  Yortheil. 

Eine  andere  Gestalt  würden  diese  Yerhältniße  sowol  fQr  England 
als  Frankreich  bekommen»  wenn  Sfiddeutschland  unter  den  unmittel- 
baren Einfluss  Preußens  käme.  Dann  bliebe  in  einem  Kriege  mit  diesem 
nur  der  längere  und  beschwerlichere  Weg  über  Italien  und  zwar  erst 
nach  Vollendung  des  Tunnels  am  Mont-Genis  offen. 

Aus  allen  diesen  Betrachtungen  geht  als  Schluss  hervor,  dass  die 
Ausführung  einer  Eisenbahn  von  Bassora  über  Constantinopel  nach 
Wien  in  politischer  Rücksicht  eine  innige,  feste  Allianz  zwischen 
England,  Oesterreich  und  der  TtLrkei  zur  natürlichen  unausbleiblichen 
Folge  haben  müßte;  dass  das  Fortbestehen  des  letzteren  Staates 
dadurch  wahrscheinlich  gesichert  wäre;  endlich  dass  Frankreich,  aber 
besonders  auch  England  den  Anschluss  der  süddeutschen  Staaten  an 
Preußen  nicht  zugeben  könnten. 

Wie  wichtig  auch  die  Verbindung  des  stillen  Oceans  mit  dem 
atlantischen  Meere  durch  die  außerordentlich  große  Hintemisse  besiegende 
Pacific-Bahn  für  Nordamerica  ist,  die  Verbindung  des  atlantischen  mit 
dem  indischen  Meere  durch  eine  gesicherte  ungleich  minder  schwierig 
zu  bauende  Eisenbahn  ist  für  ganz  Europa  noch  bei  weitem  wichtiger, 
denn  selbst  America  würde  mit  in  das  Interesse  gezogen  und  man 
würde  von  Newyork  nach  Bombay  über  Wien  reisen. 

Schon  jetzt  wird  die  Bedeutung  des  Suez-Canals  von  den  Nord- 
americanem  entsprechend  gewürdigt. 

Bei    der  Vergleichung   der  Wege    von  Newyork    nach  Bombay 
stellen    sich    folgende    Zahlen  heraus:    Die    Entfernung    von   Newyork 
Ober  Wien  beträgt  1800  geographische  Meilen. 
,    Suez        „      2100 
„    Capstadt  ^      2815        ^  „ 

,,    San  Francisco  3150         „  „ 

Der  erstere  Weg  ist  also  um  300  Meilen  kürzer  als  der  zweite, 
um  1015  kürzer  als  der  dritte  und  um  1350  Meilen  küerzer  als 
4er  vierte. 

Die  Dauer  der  Fahrt  vom  Bombay  nach  BnglaBd  betrftfo 
12  bis  14  Tage,  nach  Newyork  25  bis  28  Tage. 


16 


244 

* 

Von  Dabbeh  nach  Omderman 

darch   die   westliche    Bajuda-Steppe. 

Von  Ernst  Marno. 

Mit  einer  Karte. 

Chartumy  22.  Jänner  1870. 

Nach  dreitägigem  Aufenthalt  in  Dabbeh  war  ich  mit  den  Vorbe- 
reitungen für  die  Wüstenreise  nach  Omderman  fertig.  —  Die  Miete  für 
Eameele  und  Treiber  hatte  ich  theilweise  hier  gezahlt  und  nichts  fehlte 
als  das  wichtigste,  nämlich  die  Eameele  selbst;  schon  gestern  waren 
mir  diese  vom  Schech  el  gemmal  für  heute  zugesichert;  ,,in  Schaliah 
bukra"  hieß  es  wieder.  Heute  und  morgen  war  kleiner  Bairam,  also 
ein  großer  Festtag,  an  welchem  es  in  diesen  Ländern  beinahe  unmöglich 
ist  etwas  zu  beginnen.  Aus  diesem  Grunde  zweifelte  ich  selbst,  morgen 
meine  Reise  antraten  zu  können,  wollte  aber  doch  keine  Mittel  unver- 
sucht lassen. 

Am  Morgen  des  4.  Jänner  war  große  Fantasia,  in  Folge  dessen 
kein  Mensch  zu  sprechen;  später  labte  sich  alles  nach  dem  langen 
Fasten  reichlich  mit  Speise  und  Trank.  Endlich  gegen  Mittag  traf  ich 
den  lügnerischen  Schech  el  gemmal  und  schleppte  ihn  trotz  Festgewändern 
und  Bitten  zur  obersten  Gerichtsperson  in  Dabbeh,  zum  Nasr,  mit 
welchem  ich  mich  schon  früher  in  gutes  Einvernehmen  zu  setzen  wusste. 
Diesem  trug  ich  nun  meine  Beschwerde  vor  und  dass  ich  fest  entschlossen 
sei,  wenn  nicht  binnen  einer  Stunde  Kameele  zur  Stelle  sind,  zu  Schiff*), 
nach  Ambukol  zu  gehen.  Die  Folge  davon  war  ein  Donnerwetter, 
welches  der  Schech  schweigend  und  zitternd  über  sich  ergehen  ließ,  und 
der  Befehl,  binnen  einer  Stunde  die  Kameele  herzuschaffen.  Mit  einer 
Verbeugung  und  einem  unterthänigen  „hader^  (zu  Befehl)  entfernte  sich 
der  Schech. 

Da  ich  geäußert  hatte,  ich  würde  meine  Beschwerde  in  Ohartnm 
an  Jaffar  Pascha  bringen,  so  versuchtie  der  gutmüthige  Türke  nun 
alles,  um  mich  zu  besänftigen,  ließ  auftragen,  was  im  Haas  zu  finden 
war,  und  überhäufte  mich  mit  Aeußerungen  seiner  Liebe  und  Ergebenheit. 

Es  dauerte  nicht  lang,  so  erschien  der  Schech  und  meldete,  dass 
die  Kameele  beladen  und  bereit  sind  aufzubrechen.  Vier  starke  Thiere 
und  für  mich  ein  guter  Hedjin  (Reitkameel)  standen  bereit  Aus  Freude 
und  Dankbarkeit  schenkte  ich  meinem  freundlichen  Helfer  zwei  Flaschen 
griechischen  Masticis,  wovon  ich  eine  auch  sogleich  auf  eine  glückliche 
Reise  und  auf  frohes  Wiedersehen  leeren  mußte.    Hierauf  rief  er  den 


*)  So  wie  ich  nie  die  ganze  Mietsumme  vorausbezahlte,  eben  so  wenig 
entließ  ich  ein  Beförderungsmittel  und  Leute  so  lang  ich  nicht  andere  hatte,  und 
ersparte  mir  auf  diese  Art  unzählige  Unannehmlichkeiten. 


245 

Schech  und  den  Habir  anf  die  Seite  nnd  flüsterte  ihm  einige  Worte  zn, 
eine  Drohung  nnd  Empfehlung  „fok  ras  u  ain^  (auf  Kopf  und  Augen), 
wir  nahmen  nochmals  Abschied,  ich  bestieg  meinen  Hedjin  und  fort 
gieng's  in  die  Wfiste  hinein. 

Wer  jemals  Wflstenreisen  gemacht  hat,  weiß  was  es  heißt,  von 
einem  Orte  fortzukommen.  In  einem  Lande,  wo  im  Gegensatz  zu  Eng- 
land die  Zeit  gar  keinen  Wert  hat,  vergeht  ein  Tag  um  den  andern, 
ohne  dass  man  von  der  Stelle  kommt.  „In  Schellah  bukra^  (mit  Gott 
morgen)  hieß  es  gestern,  heißt  es  wieder  heute,  und  tritt  der  Europäer 
nicht  mit  aller  Energie  auf,  auch  morgen  und  noch  eine  Reihe 
von  Tagen. 

<  Ich  murmelte  also  ein  ,)Bis  millahi^  (Gott  sei  Dank)  und  ritt 
meinen  Lastkameelen  scharf  voraus,  da  ich  fürchtete,  wenn  ich  heute 
nicht  weit  von  Dabbeh  wegkomme,  morgen  weder  Diener  noch  Kameele 
zu  finden.  Erst  sp&t  in  der  Nacht  lagerten  wir. 

Am  n&chsten  Morgen  stellte  es  sich  heraus,  dass  vier  Kameele  zum 
Transport  meiner  Effecten  zu  wenig  waren,  der  Habir  (Führer)  mußte 
also  noch  eines  herbeischaffen.  Indess  entlief  einer  der  Eameeltreiber, 
der  die  Merizzatöpfe  von  Dabbeh  nicht  verlassen  konnte.  Unbeschadet 
dieser  kleinen  Unannehmlichkeit,  verließ  ich  gegen  8  Uhr  morgens 
meinen  Lagerplatz  und  zog  in  SSO.  Richtung  weiter.  Gegen  11  Uhr 
erreichte  ich  den  Gebel  Ajil  mit  Brunnen,  mittags  den  Gebel  Um 
Hemm  und  später  den  Gebel  Tetal,  lauter  unbedeutende  Boden- 
erhebungen, welche  eigentlich  nur  die  Bezeichnung  von  kleinen  Hügeln 
verdienen,  und  lagerte  bei  Sonnenuntergang  im  Chor  el  Kufri.  Da 
ich  von  Dabbeh  fünf  Schläuche  mit  Nilwasser  mitgenommen  hatte, 
80  brauchte  ich  die  etwas  westlicher  liegenden  Brunnen  nicht  zu 
buchen  und  zog  am  Morgen,  den  6.  den  Gebel  el  Kufri  verlassend 
noch  einige  Zeit  durch  dessen  Chor,  überschritt  später  das  Chor 
D«  e  g  a  und  hie  rauf  über  eine  freie  mit  grobem  Sand  bedeckte,  nach  NO. 
gegen  das  Chor  Mäga  sauft  abfallende  Ebene. 

Nachmittag  wurde  ein  von  SW.  gegen  NO.  streichender  Gebirgszug 
sichtbar,  dessen  östlicher  Theil  Gebel  Selimat  heißt.  An  diesen 
schließt  sich  gegen  W.  der  Gebel  el  Ardah  an  (welcher  seinen 
Namen  einem  ungefähr  in  der  Mitte  stehenden  und  mit  riesigem  Bau 
der  Termite  (Ardah)  ähnlichen  Kegel  zu  verdanken  haben  dürfte) ;  weiter 
gegen  Westen  ist  ein  kleiner  Theil  des  Gebel  Eleya  sichtbar,  während 
die  langgestreckten  Züge  des  Gebel  el  Gimri  im  W.  an  dem  Hori- 
zonte erscheinen. 

Angesichts  des  mittleren  Kegels  im  Chor  el  Ardah  verbrachte 
ich  die  Nacht  vom  6.  zum  7.  Jänner  und  zog  morgens  durch  das  Chor 


246. 

el  Ardah  an  dem  vorerwähnten  Kegel  rechts  vorbei,  durch   eine  Art 
Fase  in  SW.  Richtung  gegen  den  Gebel  Sayal. 

Sobald  man  durch  den  Gebel  el  Ardah  gelangt  ist,  verändert  sich 
das  früher  ebene  Terrain  ganz  nnd  gar,  indem  eine  Bergkette  in  SO. 
gegen  NW.  die  Ebene  durchzieht,  welcher  entlang  bis  zum  Gebel  el 
Gommer,  die  von  ihr  kommenden  (5hore  schneidend,  der  Weg  hinzieht, 
der  hier  über  einen  Ähnlichen  Pass  führt.  Vormittags  überschritten  wir 
das  ChorEleya,  in  dessen  Brunnen  wir  kein  Wasser  mehr  fanden 
(von  hier  nahm  ich  die  Profile  der  Gebel  el  Selimat,  Sayal  und 
Eleya),  so  dass  wir  erst  mittags  an  den  Brunnen  des  Chor  Sayal  die 
leeren  Wasserschlftuche  füllen  konnten.  lieber  die  Steinhalden  des  Chor 
Sayal  und  el  Sulud,  welche  mit  Brauneisensteinkugeln*)  von  verschie- 
dener Größe  übersäet  sind,  gieng  der  Weg  über  das  Chor  el  Gu  lud  nnd 
eine  weite  gegen  0.  und  S.  freie  Ebene,  auf  welcher  gegen  SW.  jedoch 
immer  die  erwähnte  Bergkette  (hier  mit  den  Bergen  Gebel  Ereschad 
und  Sit^r)  in  geringer  Entfernung  bleibt,  und  lagerten  abends  vor  einem 
kleinen  Gohr**),  der  sich  vor  dem  Chor  Ereschad  erhebt. 

Am  8.  überschritten  wir  letzteres,  später  das  Chor  Sit6r  und 
Chor  Gelied  (Chor  Hegelik  Barnims?),  passierten  nachmittags  das 
Chor-^Scherba  und  lagerten  nach  Sonnenuntergang  vor  dem  Chor 
W  e  b  r  i ,  auf  einer  großen  wellenförmigen  Ebene,  welche  gegen  N.  und  SW. 
von  der  erwähnten  Bergkette  (hier  die  Gebel  el  Scherba,  Webri, 
Ghaschina  nnd  Um  Burra»  begrfinzt  wird,  SO.  aber  bis  auf  die 
in  weiter  Feme  sichtbaren  Gipfel  des  Gebel  el  G umher***)  frei  und 
offen  ist. 

Die  Kälte,  von  welcher  ich,  noch  mehr  aber  die  Eingebor nen 
und  die  Kameele  zu  leiden  hatten,  wurde  diese  Nacht  unleidlich 
(vor  Sonnenaufgang  zeigte  mein  Thermometer  -f  4®  R).  Ein  eisiger 
Nordost  jagte  schwere  dunkle  Wolkenmassen  gegen  SW.,  nur  auf 
wenige  Augenblicke  den  Mond  frei  lassend  und  einige  Regentropfen 
fielen  (ein  um  diese  Zeit  ein  hier  unerhörtes  Phänomen). 

üeber  eine  hügelige,  sandige,  baumlose  Fläche  führte  der  Marsch 
am  Vormittag  den  9.  Jftnner.  Später  wurde  das  Chor  el  Ghaschim, 


*)  In  der  nubischen  Wüste,  im  Batn  el  Hadjar ,  Dar  Mahhass  und 
Sukkot  wurden  diese  Steinkugeln  schon  gefunden,  meines  Wissens  jedoch  noch 
nicht  in  der  B  a  j  u  d  a. 

**)  Wellenftirmige,  von  Flugsand  gebildete  Hügel. 

***)  Gern  hätte  ich  diesen  Berg,  von  welchem  auch  mein  Fuhrer  sagte, 
dass  sich  dort  Ruinen  befinden,  näher  untersucht,  leider  war  dies  unmöglich. 
Ich  hätte  dazu  ein  zweites  Reitkameel  gebraucht,  und  da  ein  solches  hier  nicht 
zu  beschaffen  war,  so  mußte  ich  den  Gedanken  aufgeben. 


247 

um  Barra,  Abnr  Oscher,  Underal,  Kalalei  passiert  und 
abends  in  dem  schönen,  breiten  Chor  el  Gammer  bei  dessen 
Bmnnen  gelagert. 

Bis  hieher  trftgt  die  Bajuda  den  yorherrschenden  Charakter  der 
Wflste;  sie  zeigt  ihr  Bild  im  mildesten  Lichte,  d.  h.  mit  reicher 
Vegetation  (gater  WAstenvegetation).  Die  Regenbeete  sind  mit  Mimosen 
TerBcbiedener  Arten  and  h&nfig  mit  hohem  Halfer  reichlich  bewachsen, 
während  die  sandige  Ebene  oft  aaf  weite  Strecken  von  den  Ranken  der 
Coloqninte,  von  deren  Fracht  man  hier  viele  handert  Kameelladangen 
sammeln  könnte,  überzogen  sind.  Vom  Gebel  el  Gammer  an  beginnt 
die  Steppe,  die  schirmförmige  Mimose  and  der  abscheoliche  Askimit 
a.  s.  w.  treten  immer  häafiger  aaf  and  leihen  der  Gregend  den 
Charakter,  den  alle  ostrafricanischen  Steppen  aafweisen. 

Am  Morgen  des  10.  Jänners  verließen  wir,  nachdem  die  Wasser- 
schlftncbe  gefallt  waren,  den  Bir  el  Gammer  and  zogen  darch 
einen  ähnlichen  von  diesem  Berge  gebildeten  Pass  in  SO.  Richtang 
weiter.  Von  nan  an  tritt  der  bisher  gegen  SO.  ziehende  Gebirgs- 
zag  gegen  W.  immer  mehr  znrfick,  nar  der  Gebel  elMeleh 
and  AbaP  Oscher,  dessen  Chuaer  wir  an  diesem  Vormittag  passierten, 
scheinen  gegen  0.  vorgerückt,  während  der  Gebel  Baerra, 
in  dessen  Chor  wir  abends  gelagert  hatten,  kanm  sichtbar  im  Westen 
verschwindet 

üeber  eine  sandige,  freie,  vegetationsarme  Fläche,  welche  nar 
durch  die  Chaar  Wohad  and  G^tamtima  darchzogen  wird,  und 
von  welcher  aas  man  in  großer  Ferne  im  Osten  die  Spitze  des  Gebel 
Gaer,  in  SSO.  die  des  Gebel  Gebra  einigemal  za  Gesicht 
bekommt,  gieng  der  Weg  am  11.  Jänner. 

Nachmittags  überschritten  wir  die  kleine  Chaar  Agare b,  dann 
die  große  schön  bewaldete  Chaar  Mederir  and  lagerten  abends  in 
Chor  Gebra. 

Mit  einem  Schlag  glaubt  man  sich  mitten  im  Sudan  an  die  Ufer 

• 

eines  großen  Flusses  versetzt,  so  üppig  ist  die  Vegetation  in  diesem 
breiten  großen  Chor,  dessen  Wasser  in  regenreichen  Jahren  .vereinigt 
mit  sämmtlichen  bisher  überschrittenen  Chaar  bei  Ambokol  in  den 
Nil  fließen  sollen. 

Erst  am  Abend  den  11.  Jänner  verließ  ich  meinen  schönen 
Lagerplatz  und  zog  bis  Mittemacht  durch  Steppen,  die  mit  hohem 
Gras  und  vielen  Bäumen  bewachsen  sind,  und  blieb  den  Rest  der  Nacht 
vmr  dem  Chor  Heschean.  Dieses,  so  wie  einen  breiten  Gohr  und 
das   Chor    Schigegeh  passierte  ich   am   13.  und  gelangte  am  14. 


248 

abends  in  Omderman,  gegenüber  von  Chartnm  nach  lOt&giger  Wflsten- 
reise  an. 

Ich  hatte  aaf  dieser  Strecke  Gelegenheit,  die  Angaben  und 
Karten  von  Henglin  und  Barnim  zn  vergleichen.  Wfthrend  die 
Karte  von  Barnim  schon  am  zweiten  Tag  den  Dienst  versagte,  fand 
ich  die  Angaben  der  Henglinschen  Karte  bis  auf  wenige  kleine  (Choar?) 
Ausnahmen  vollkommen  übereinstimmend  mit  den  Aussagen  meiner 
Führer. 

Barnim  erwähnt,  dass  er  die  von  Heuglin  aufgezählten  Chuare 
nicht  gefunden,  dass  man  ihm  von  demjenigen,  die  er  passierte,  keinen 
Namen  sagen  konnte,  und  auch  dass  sie  ihm  viel  zu  unbedeutend 
schienen,  um  einer  Angabe  wert  zu  sein.  Ueber  eine  solche  Aeußemng 
kann  man  eben  gar  nichts  sagen.  In  Europa  dürften  diese  Berge  und 
Wasserläufe  jedenfalls  von  Bedeutung  sein.  Dass  sie  Hr.  Hartmann 
(der  Herausgeber  von  Bamim's  Reise)  hier  in  Africa  keiner  Bemerkung 
wert  fand,  ließe  sich  nur  durch  unvollständige  KenntniSy  der  Boden- 
verhältnisse erklären.  Für  den  Reisenden  so  wie  für  die  Wissenschaft 
ist  die  Karte  der  westlichen  Bajuda  Barnims  gleich  wertlos. 

Auch  die  starke  Biegung  gegen  SW.  der  Heuglin'schen  Karte, 
welche  von  Herrn  Hartmann  bestritten  wird,  dürfte  richtig  sein,  da  es 
vom  Gebel  el  Gummer  aus  wirklich  einen  zweiten  westlichen  Weg 
in  der  Nähe  der  Berge  gibt,  welcher  hauptsächlich  nach  der  Regenzeit 
wegen  der  an  ihm  liegenden  Brunnen  benützt  wird.  Der  einzige  Mangel 
der  Heuglin^schen  Karte,  den  ich  angeben  kann,  besteht  darin,  dass 
die  von  SO.  nach  NW.  ziehende  Bergkette  zu  wenig  ausgesprochen  ist. 


Die  Zuydersee. 

Von  Friedrich  v.  Hellwald. 

„Es  gibt  ein  Land,  wo  die  Flüsse  sozusagen  über  den  Köpfen  der 
Einwohner  hinweg  fließen,  wo  mächtige  Städte  sich  unter  dem  Niveau 
des  Meeres  erheben,  das  sie  beherrscht  und  nahezu  erdrückt,  wo  weite 
Strecken  bebauten  Landes  abwechselnd  vom  Wasser  erobert  und  verloren 
wurden,  wo  der  natürliche  Lauf  der  Ströme  alte  Inseln  durch  Sand- 
bänke mit  dem  Festlande  verbunden  hat,  wo  alte  Theile  des  Continentes, 
abgerissen  und  zerbröckelt,  neue  Inseln  gebildet  haben.  ^ 

So  beginnt  Esquiros  seine  herrlichen  Schilderungen  der  Niederlande 
und  ihrer  Bewohner. 

Wer  gewohnt  ist,  die  Sommerferien  der  Betrachtung  der  Natur  zu 
widmen,  an  den  herrlichen  mannigfaltigen  Scenerien  der  mitteleuropäischen 


249 

Gebirgswelt  das  Aage  zu  erfreuen,  den  fahrt  der  Weg  wol  nur  selten, 
wenn  nicht  anders  Gesundheitsrficksichten  den  Besuch  des  Nordseestrandes 
in  Scheveningen  erheischen,  in  die  grünen  wasserreichen  Wiesenlande 
Hollands.  Und  doch  als  ich  im  verwichenen  Sommer  meine  Schritte  in 
jene  yon  Touristen  verhältnismäßig  nur  sp&rlich  besuchten  Gegenden 
lenkte,  lernte  ich  einsehen,  mit  wie  viel  Recht  Esquiros  behaupten  durfte, 
dass  sich,  kaum  ein  Land  wieder  am  Erdball  finde,  wo  auf  so  engem 
Baume  so  viel  des  Beobachtenswerten  aufgehäuft  ist.  In  gewaltigem 
Ringen  stehen  Mensch  und  Natur  sich  hier  gegenüber;  es  ist  ein 
beständig  Werden,  eine  ewig  lebende,  thätige  Geologie. 

Aus  der  Fülle  dessen,  was  hier  erörtert  zu  werden  verdiente,  will 
ich  heute  mich  auf  einen  einzigen  Gegenstand  beschränken,  der  der 
Anfinerksamkeit  des  Geographen  nicht  unwert  ist.  Die  Zuydersee  ist's 
die  ich  besprechen  will  und  zwar  eben  sowol  aus  dem  Grunde,  weil  im 
Ganzen  bisher  nur  wenig  Aber  sie  geschrieben  ist,  sowie  aus  jenem, 
dass  dieses  Wenige  nur  in  geringem  Maße  bekannt  ist. 

Unter  dem  Namen  Zuydersee  (Sfidsee)  wird  jene  tiefe,  beinahe 
herzförmige  Einbuchtung  der  Nordsee  verstanden,  welche  das  Königreich 
Holland  sozusagen  in  zwei  nahezu  gleiche  Theile  trennt,  die  nur  durch 
die  schmalen  Streifen  der  sQdlichen  Provinzen  mit  einander  verbunden 
werden.  Sie  liegt  demnach  zwischen  den  Provinzen  Nordholland,  Utrecht, 
Gelderland,  Overijßel  und  Friesland,  und  wird  von  der  Nordsee  durch 
eine  im  Bogen  liegende  Inselreihe  die  sogenannten  friesischen  Inseln 
getrennt,  welche  auf  den  ersten  Anblick  sich  als  die  eigentliche  Küste 
jenes  TheUes  von  Nordwest-Europa  präsentiert  und  die  Zuydersee  mehr 
als  einen  großen  Binnensee  erscheinen  lässt.  Diese  Inseln  sind  Texel 
(berühmt  durch  die  Fabrication  eines  eigenthfimlichen  Käses),  Vlieland, 
Terschelling,  Ameland  und  endlich  imO.  und  etwas  weiter  entfernt 
Schiermonnikoog.  DieSeethore,  welche  zwischen  diesen  Eilanden  sich 
öiEnen,  stellen  die  Verbindung  mit  der  Nordsee  her:  es  sind  dies 
Helsdenr,  zwischen  der  am  Festlande  von  Nordholland  gelegenen  Stadt 
Helder  und  der  Insel  Texel,  das  Westvlielandergat  zwischen  Texel  und 
Vlieland,  das  Ostvlielandergat  zwischen  Vlieland  und  Terschelling,  dann 
das  Amelandergat  zwischen  Terschelling  und  Ameland.  Eine  große  Menge 
von  Sandbänken,  die  sich  meist  in  diesem  nördlichen  Theile  der  Zuyder- 
see dicht  hinter  der  Inselreihe  ausdehnen,  erschweren  noch  um  ein  bedeu- 
tendes die  Aus-  und  Einfahrt  in  den  holländischen  Meerbusen.  Einige 
dieser  Sandbänke,  namentlich  jene  bei  Vlieland  und  Terschelling  figurieren 
unter  dem  Namen  Waardgronden  ^)  auf  den  Karten,  andere  führen  beson- 

^)  Das  Wort  „waard'^  heißt  Insel  und  wird  in  den  ältesten  Dokumenten 
durchgehends  „werde,  wort,  vurdh,  wyrd^  geschrieben. 


260 

dere  Namen;  die  wichtigsten  sind  der  Balgzand,  eine  Untiefe  dicht  «m 
Ufer  der  äußersten  Spitze  von  Nordholland,  wo  man  sie  am  Damme  in 
Nieuwe  Diep  stehend  weit  in  das  Meer  hinein  sich  erstreckend  über- 
blicken  kann,  etwas  nordöstlicher  der  Lntjeswaard,  Yogelzand  nnd  der 
große  Hengst  van  Jackijst.  Der  schmale  Meeresstreifen  endlich  der 
zwischen  der  Nordküste  von  Friesland  und  Groningen  nnd  den  Inseln 
Ameland,  Schiermonnikoog,  Rottameroog  bis  nach  dem  als  Seebad 
bekannten  Eilande  Horkum  hin  sich  ausdehnt  und  eigentlich  nicht  mdir 
in  das  Bereich  unserer  Untersuchungen  fällt,  bietet  ein  fast  unentwirr- 
bares Labyrint  von  Sandbänken  und  sie  durchziehenden  Wasserstraßen 
dar.  Die  wichtigsten  Bänke  sind  hier  die  FriescheWadden,  der  Engelsch- 
mans  plaat,  Brakzand,  Simonszand,  Boschphiat,  Groningerwad  and 
^Uithuizerwad.  Zwischen  den  die  Znydersee  verschließenden  Sandbänken 
und  Inseln  fahren  zu  den  oberwähnten  Seethoren  Wasserstraßen,  deren 
zwei  bedeutendste  jedenfalls  der  Texel-  und  der  Vliestrom  sind,  die  sieh 
auf  der  Höhe  der  friesischen  Stadt  Stavoren  vereinigen.  Diese  zwei  Wege 
werden  von  der  Schiffahrt  fast  ausschließlich  benutzt,  weil  sie  verhält- 
nismäßig am  bequemsten  zu  erreichen  sind.  Das  Westvlielandergat  auch 
Eijerlandsche  Gat  genannt  und  das  Amelandergat  besitzen  hingegen  keine 
so  leichten  Seewege  und  werden  daher  auch  seltener  und  nur  von 
geringeren  Küstenbooten  benutzt.  Indess  kann  man  auch  die  beiden  großen 
Debouch^s  der  Znydersee,  den  Ylie-  und  den  Texelstrom  nicht  eben 
außerordentlich  bequem  nennen.  Besonders  der  letztere,  der  zu  dem 
Helsdeur  fährt,  wird  ebendaselbst  in  seiner  sonst  mäßigen  Breite  durch 
eine  kleine  Sandbank,  Onrust  op  de  Haaks  genannt,  die  sich  zwischen 
Helder  und  Texel  eingeschoben  hat,  unterbrochen,  so  dass  das  Seethor, 
welches  ohnedies  kaum  eine  Stunde  breit  ist  und  vom  Damme  am  Helder 
oder  besser  noch  vom  Leuchtturme  zu  K^kduin  voUkonmien  ikberschaat 
werden  kann,  wieder  in  zwei  Straßen,  das  Noorder  Gat  an  der  Tex^schen 
Seite  und  das  eigentliche  Helsdeur  an  der  Festlandsseite  abgetheilt  wird. 
Der  innere  Theil  des  Texelstromes  ist  als  Marsdiep  bekannt.  Er  hat 
eine  Tiefe  von  14—40  Meter  und  strömt  ganz  regelmäßig  dem  Ylieter 
ab  und  zu.  Der  Yliestrom,  gemeiniglich  der  Ylie  genannt,  fließt  zuerst 
als  Zuidoosterrak  sfldostwärts  und  von  da  längs  der  friesischen  Koste 
sädwärts,  bis  zur  Höhe  von  Stavoren,  wo  er  sich  mit  dem  Texelstrom 
vereinigt  Schon  im  Jahre  1100  befahren,  hat  er  doch  nur  eine  Tiefe 
von  3 — ^26  Meter,  so  dass  er  sich  fflr  schwerere  Schiffe  nicht  eignet 
Aber  auch  im  Innern  der  Znydersee  fehlt  es  nicht  an  Untiefen  und 
dadurch  bedingten  Fahrwegen.  Das  Marsdiep  hat  zwar  genug  Tiefe  fOr 
die  größeren  Schiffe,  nemlich  nordöstlich  längs  der  Küste  von  Texel 
50  Fuß,  von  da  jedoch  gehangen  Seefahrer,  die  nach  Amsterdam  wdlen 


251 

• 

ösüich  um  die  große  Bank  Yogelzand  biegend,  zwischen  diesem  and  dem 

Breezand  sfldwftrts  bei  jmr  mehr  40'  Tiefe  bis  gegen  die  Insel  Wieringen, 

welche  an  der  Nordostküste  von  Nordholland  liegt.  Zwischen  Enkhnizen 

and   Friesland   trifft  man  nur  30  and  weiter  zwischen  den  Inseln  Urk 

and  Schockland  gar  nur  15'  Tiefe.    Sfidlich   von  Schockland   mass   der 

Cars  noch  weiter  östlich  genommen  werden,  am  den  großen  Enkhnizen- 

Zand  zn  amsegeln,  an  dessen  Spitze  die  stärkste  Tiefe  nar  13'  beträgt, 

die    im   sogenannten   Pampas,   der  Mündang   des   T   in  die  Zaydersee, 

selbst  immer  mehr  abnimmt  and  endlich  nur  noch  9'  Fahrwasset  bietet. 

Von  da  wächst  die  Tiefe  bis  zum  Hafen  von  Amsterdam  wieder  bis  auf 

40'  *).  Andere  ähnliche  Untiefen  sind  der  Muyderzand,  de  Knar  a.  s.  w. 

Bfan  kann  dieselben  recht  gut  bei  eincK  Seefahrt  über  jdie  Zuydersee  an 

der  helleren  Farbe  und   größeren   Ruhe   des  Wassers   beobachten.  Das 

Bodenrelief  der  Zuydersee  ist  demnach  ein  ziemlich  wechselvoUes.    Von 

dem    südlichen   Theile   der  Zaydersee  besitzen  wir  vier  Profile,  die  ein 

ziemlich  deutliches  Bild  von  dem  Bodenrelief  geben.  Das  erste  derselben 

geht  vom  Pampas  Aber   die   Insel   Marken   nach   Enkhnizen;   es   zeigt 

zwischen  -Pampus   und   Marken  eine  ziemlich  regelmäßig  30    Tiefe  im 

Darchschnitt  haltende  und  gegen  Marken  sanft  ansteigende  Linie,  während 

sich  der  Theil  Marken-Enkhuizen  mehr  muldenförmig  mit  einer  größten 

Tiefe  von  38'  präsentiert;  dort  wo  der    Enkhuizer-Zand   erreicht  wird, 

steigt  der  Boden  ziemlich  rasch   zu   20'   und   weiter   nach   einer  Jähen 

Senknng  von  28'  bis  zu  10'  Tiefe  hinan  um  dann  wieder  eben   so  jäh 

zu  47'  Tiefe  abzustürzen  ^).  Ruhiger  ist  das   zweite   Profil,   die   Linie 

Edam-Harderwijk,  welche  wellenähnlich  verlauft  und   44'  größte  Tiefe 

besitzt;    bemerkt  zu   werden    verdient,   dass    an  der  Edamer  Seite  das 

Ufer  sich  ganz  steil  sogleich  zu  19'  Tiefe  absenkt.  Wildromantisch  wäre 

das  Profil  Enkhuizen-Urk-Kampen,  vorzüglich  in  seinem  ersten  Theile  zu 

nennen;  hier  haben  wir  ein  höchst  unruhiges  Auf  und  Nieder  von  Zacken 

and   Furchen   vor  uns,   wo   Tiefen  von   60'   und   von  nur  4 — 5'  dicht 

nebeneinander    liegen.    Der   Felsen   von   Urk   ragt  mauerartig   auf  aus 

einer  Tiefe  von  etwa  50';  gegen  Kampen  hin   ist   ein   terassenförmiges 

Ansteigen    zu    beobachten.    Das    vierte    Profil    endlich,    Nijkerkerslois- 

Schockland    ist   das  rahigste   von   allen;   es   ist   eine    langsam   bis  zu 

30'  Tiefe  abfallende  schiefe  Ebene.  Bei  den  zahlreichen  Peilungen,  welche 

die  Holländer  in  der  Zuydersee  vorgenommen,  ließen  sie   es   sich   auch 

angelegen  sein  die  Natur  des  Meeresgrundes  zu  erforschen;  aus  diesen 


*)  A.  Wild.  Die  Niederlande.  Leipzig  1862.  8.  I.  50-51. 

*)  Man  darf  niemals  auiJer  Acht  lassen,  dass  hier  stets  bildlich  ge- 
sprochen wird.  Höhenabständc  von  40—60'  sind  geradezu  verschwindend 
auf  der  weiten  Flache  des  Zuyderseegrondes. 


252 

Untersachangen  geht  hervor,  dass  derselbe  weitaas  zum  größten  Theile 
aas  Lehmerde  besteht,  worin  inselartig  kleine  Grebiete  von  Lehm  mit 
Torf  (Veen)  gemischt  eingeschlossen  sind.  Den  Uebergang  za  den  eigent- 
lichen Sandbänken,  die  aus  reinem  Sande  bestehen,  bildet  eine  stark  mit 
Sand  vermengte  Lehmerde;  in  größerer  Aasdehnang  ist  diese  letztere 
an  dem  südlichen  Theile  des  großen  Enkhoizer-Zandes  za  treffen.  Abge- 
sehen von  den  größeren  Sandbänken,  tritt  der  reine  Sand  vorzugsweise 
an  den  Ufern  auf,  wo  er  gerne  lange  schmale  Streifen  bildet,  wie  zom 
Beispiel  längs  der  Ostkflste  von  Nijkerk  bis  nach  Kampen;  nirgends 
indes  grenzt  er  unvermittelt  an  den  Lehm,  sondern  stets  lagert  sich 
zwischen  beiden  das  oberwähnte  sandlehmige  Gemenge. 

Die  Zuydersee  bedeckt  einen  Flächenraum  von  60  hell.  Geviert- 
meilen (nach  van  der  Aa);  oder  57  geogr.  DM.  nach  Klöden  ^).  Sie 
ist  23  Stunden  lang  und  in  ihrer  größten  Breite  15  Stunden,  zwischen 
Stavoren  und  Enkhuizen  jedoch  wo  sie  am  schmälsten  ist,  nur  5'/«  Stunden 
breit.  Verschiedene  Flüsse  ergießen  sich  in  dieselbe,  darunter  die  Yssel, 
das  Zwartewater,  der  Vecht,  die  Eem  und  die  Kuinder.  Das  Y,  an 
welchem  Amsterdam  erbaut  ist,  und  das  sich  westwärts  tief  in  das  Land 
einbuchtet,  so  dass  die  Provinz  Nordholland  nur  durch  eine  schmale 
Landenge  mit  dem  übrigen  Festlande  verknüpft  ist,  nennen  die  Holländer 
gleichfalls  einen  Fluss ;  es  ist  indess  geographisch  nichts  anderes  als  ein 
Busen  der  Zuydersee. 

Das  Wasser  der  Zuydersee  ist  schmutziggelb  und  trübe,  ihr  Anblick 
von  allen  Seiten,  selbst  wenn  bei  heiterem  Sonnenscheine  das  lichte  Blao 
des  holländischen  Himmels  über  ihr  lacht,  öde  und  monoton.  Allerw&rts 
besitzt  sie  flache  niedrige  Ufer,  die  nur  durch  gewaltige  Steindämme  vor 
dem  Einbrechen  ihrer  Fluten  geschützt  sind.  Eine  Fahrt  über  diese  See, 
obgleich  sie  von  zahlreichen  Dampfern  und  anderen  Schiffen  befahren 
wird,  gehört  nicht  zu  den  Vergnügungsreisen.  In  kurzer  Zeit  verliert 
man  die  niedrige  Küste  aus  dem  Auge,  welches  dann  keinen  Rahepankt 
mehr  findet  und  das  Auftauchen  der  wenigen  kleinen  Inseln  die  in  der 
Zuydersee  liegen,  freudig  begrüßt.  Auf  der  Fahrt  von  Harlingen  nach 
Amsterdam,  wo  man  vielleicht  die  See  ihrer  größten  Länge  nach  durch- 
schneidet und  die  alte,  einst  als  Auslanfhafen  für  Wallfischfänger  bedeu- 
tende Stadt  Enkhuizen  anlauft,  weilt  der  Blick  gerne  an  den  ehrwürdigen 
Gebäuden  dieses  Ortes  und  an  dem  Leuchtturm  des  Eilandes  Marken, 
der  ziemlich  weit  hinein  in  die  See  sichtbar  bleibt  Hiemit  aber,  and 
den  weißen,  schlanken  Seemöven  die  in  großer  Zahl  in  den  Lüften  kreisen, 
sind   die   Herrlichkeiten   der   Zuydersee  erschöpft.   Dem  östlichen  Ufer 


«)  Hdbch.  d.  Erdk.  UL  Bd.  5.  545. 


263 

nahe,  erheben  sich  die  Felseneilande  Urk  and  Schockland,  in  nnr  geringer 
Entfernung  von  einander.  Im  Allgemeinen  gilt  die  Znydersee  fOr  ein 
anangenehmes  Meer;  in  Folge  des  aaßerordentlich  kurzen  Wellenschlages 
ist  £ast  Jedermann  der  Seekrankheit  unterworfen  und  alte  Matrosen, 
welche  aof  ihren  langen  und  wiederholten  Fahrten  nach  Ostindien  dieser 
Krankheit  spotten,  unterliegen  ihr  gewöhnlich  sobald  sie  in  die  Znyder- 
see einlaufen  ^).  Dieser  kurze  Wellenschlag  wird  durch  den  Umstand 
Teranlasst,  dass  die  in  der  Znydersee  bestehende  kreisförmige  Strömung, 
die  sich  bei  den  Seethoren  zwischen  den  vorliegenden  friesischen  Inseln 
einen  Ausweg  zu  bahnen  sucht,  dort  von  der  mächtigeren  einströmenden 
Nordsee  und  ihrer  gewaltigen  Flut  bekämpft  und  zurückgedrängt  wird. 
Die  Znydersee  ist  daher  meistens  bewegt  und  nicht  selten  in  höherem 
Grade  unruhig.  Bei  einem  heftigen  Sturme,  den  ich  auf  derselben 
erlebte,  glich  sie  einem  schäumenden  Ungethflme,  das  fruchtlos  gegen  die 
Schranken  antobt,  welche  ihr  meistens  die  Hand  des  Menschen  gezogen. 

Was  der  Znydersee  ein  ungewöhnliches  Interesse  verleiht,  ist  der 
Umstand  dass  sie  sozusagen  ein  historisches  Meer  ist;  ihr  Entstehen 
fällt  gänzlich  in  das  Bereich  der  menschlichen  Geschichte.  Wir  wissen 
ans  positiven  Quellen,  dass  die  niederländischen  Küsten  einst  eine  ganz 
andere  Bildung  aufzuweisen  hatten  und  wir  vermögen  das  Entstehen  und 
die  allmähliche  Bildung  dieses  Meerbusens  fast  Schritt  fär  Schritt  zu 
verfolgen,  wenn  auch  einzelne  Punkte  noch  in  Dunkel  gehüllt  oder  streitig 
sind.  Mit  einem  Worte,  es  spielte  sich  hier  ein  Stflck  Erdengeschichte  in 
historischer  Zeit  ab.  Die  Geschichte  der  Zuydersee  ')  ist  innig 
verschlungen  mit  jener  des  Niederrheines  und  ich  werde  diesen  selbst 
öfters  heranziehen  müssen,  um  verständlich  zu  bleiben. 

Noch  zur  Römerzeit  gab  es  keine  Znydersee];  die  heutigen  Niederlande 
bildeten  ein  Festland,  dessen  Küste  vielleicht  durch  die  Nordseeufer  der 
ihnen  jetzt  vorliegenden  Inselreihe  bezeichnet  wurde,  natürlich  nicht 
genau,  denn  wir  wv^sen  zuverlässig,  dass  in  uns  viel  näher  gerückten  Epochen, 
die  Kordsee  diese  Inselküsten  namhaft  geschmälert  hat  Jedenfalls  bestanden 
im  Alterthume  jene  Inseln  nicht,  sondern  waren  mit  dem  Festlande 
vereinigt.  Friesland  war  von  Nordholland  noch  nicht  getrennt.  Dagegen 


*)  Dieser  mir  in  Holland  oft  mitgetheilte  Umstand  wird  auch  in  einem 
jüngst  erschienenen  aasgezeichneten  Werke  des  gelehrten  Leydener  Dr.  Si- 
cherer: „Lorelei.  Plaudereien  über  Holland  und  seine  Bewohner.^  Leiden  1870. 
a  IL  Bd.  S.  77  erwähnt. 

•)  lieber  die  Geschichte  der  Zuydersee  schrieben: 

Jacob  Scheltema :  „Proeve  eener  geschiedenis  der  Zuydersee^  in  seinen 
Geschied  -  en  letterkundig  Mengelwerk.  D.  VI.  St.  2.  Utr.  1&S6.  8. 

Dr.  Othema  und  D.  Tockema  Jeder :  ,,oyer  het  ontstaan  der  Zuydersee,** 
beide  in  der  Zeitschrift:  de  Yrije  Fries.  D.  IV.  St  2.  Leeuwarden  1815.  8. 


264 

war  das  Land  damals  Tiel  reicher  an  Seen  als  gegenwirtig;  ja  noch  im 
Mittelalter  waren  in  Nord-  und  Sfldholland  zahlreiche  Seen  die  man  enA 
seit  einigen  Jahrhunderten  anegepoldert  und  in  fmchtbares  Ackerland 
verwandelt  hat  So  z.  B.  befand  sich  in  W.  des  zieriichen  Stftdtchens 
Alkmaar  das  Bergermeir,  das  1565  ausgetrocknet  ward  and  auf  der 
1567  erschienenen  Karte  des  Hieronymns  Oleatns  irrigerweise  noch  ate 
See  verzeichnet  ist.  Die  jOngste  große  Anspoldening  war  bekanntlich 
jene  des  stnrmreichen  Haarlemer  Meeres.  Wenn  wir  den  trefflichen 
Atlas  von  Mees:  Historische  Atlas  van  Noord  Nederland  van  de  XVI 
eenw  tot  op  heden.  Rotterdam  1865.  Fol.®,  zu  Rathe  ziehen,  der  auf 
außerordentlich  sorgfältigem  Quellenstudium  beruht  und  Ober  die  Geschichte 
der  Kartographie  Hollands  die  schätzenswertesten  Aufschlüsse  gewährt,  so 
sind  wir  erstaunt  zu  sehen,  wie  viel  noch  im  16.  Jahrhunderte  vom 
heutigen  Festlande  mit  Binnengewässer  bedeckt  war.  In  den  Zeiten  des 
Alterthums  aber  wissen  wir  besonders  von  einem  See,  der  alle  anderen 
wol  an  Ausdehnung  übertroffen  haben  mag ;  es  ist  dies  der  Flevolacus, 
der  sich  theilweise  wahrscheinlich  an  der  Stelle  der  heutigen  Zaydersee 
wenigstens  ihres  sfidlichen  Theiles  befand.  Seiner  erwähnt  der  Spanier 
Pomponius  Mela  (III,  2r  8),  ein  Zeitgenosse  des  Kaiser  Claudius,  während 
der  Veroneser  PUnius,  der  zur  Zeit  des  Cornelius  Tacitns  und  Kaiser 
Vespasians,  also  um  das  Jahr  80  unserer  Aera  schrieb,  nur  das  Flevum 
ostium  des  Rhenus  bekannt.  Sicher  ist,  dass  schon  damals  das  Land 
außerordentlich  wasserreich  gewesen  sein  müsse ;  theils  durch  Einströmen 
des  Meeres,  wie  Caesar  ^)  und  Tacitus  ^)  meinen,  theils  durch  das  Aus- 
treten des  Rhenus  und  der  Scaldis  (Scheide)  wie  an  anderen  Orten  *) 
berichtet  wird,  waren  ausgedehnte  Sümpfe,  besonders  in  den  nordjC^str 
liehen  Theilen  des  Landes  entstanden,  und  schon  damals  suchten  die 
Römer  der  weiteren  Verbreitui^  derselben  sowie  den  üeberschwem- 
mungen  überhaupt  durch  Anhige  von  Deichen  Einhalt  zu  thun  ^%  Ebenso 
richtig  ist  die  Thatsache,  dass  in  jenen  Zeiten  der  Niederrhein  einen 
von  seinem  gegenwärtigen  verschiedenen  Lauf  gehabt  und  zum  mindesten 
mit  einem  sehr  mächtigen  Arme  seine  nördliche  Richtung  beibehaltea 
habe,  um   sich  in  der  Gegend  des  jetzigen  Ylieland  in  die  Nordsee  zu 


0  De  belle  gallico  VI.  81. 

•;  Ann.  11,  18. 

")  Tacitus.  bist.  Y.  23  und  Eumen.  Paneg.  Const.  c.  8. 

'•)  Die  Cassius  60.  30.  Tacit.  Ann.  11,  20,  13,  53.  Eist,  ö,  14^  19.  Im 
Jahre  Roms  742  und  743  ließ  Drusus,  wahrscheinlich  mit  Benützung  des  Bettes 
der  Yssel,  Canäle  graben,  wovon  der  eine  als  Fossa  Drusiana  bekannt  ist. 
(Sueton.  Claud.  1.  Tacit.  Ann.  2,  8,  5,  23.)  Siehe  über  den  Drususdamm  und 
Drusus-Canal :  Prof.  A.  Dederich.  „Die  Feldzüge  des  Drusus  und  Tibarius  in 
das  nordwestliche  Germanien.''  Köln  1869.  8.  S.  8    23. 


955 

«rgiefieiL  Dies  ist  ftiicb  sehr  begreiffieh,  irenn  wir  uns  gegemr&rtig 
httheii,  dass  die  Yssel  «nd  die  Yecht  die  ttonmehr  in  die  Znydersee 
BtndeD,  thAts&dilicb  gar  nichts  anderee  sind  als  wahre  Rbeinarme  mit 
Ter&nderten  Namea.  Dieser  eine  nördliehe  Rheinarm  begegnete  in  seinem 
Laufe  den  oberwfthnten  Flevo-See,  den  er  ebenso  durchströmte,  wie  in 
seinem  oberen,  der  Qnelle  näheren  Theile  den  Bodensee,  und  demnach  mit 
dem  Meere  verband.  Tiele  Geographen  sind  der  gegründeten  Ansicht,  dass 
der  beatige  Yliestroom  diesem  alten  Rheinlanf  entspricht  nnd  dass  die 
Erinnening  an  den  Flevo-See  in  dem  Worte  Vlie,  Yliestroom  erhalten 
sei.  Höchst  wahrscheinlich  ist  der  Yliestroom  an  der  Stelle  der  alten 
Bbeinmündimg.  Dass  indes  dies  nicht  die  einzige  Mündung  des  Rheines 
gewesen,  bezeugt  die  Stelle  des  Plinius  (lY.  15)  wo  er  sagt :  Im  Rheine 
BtühsU  etwa  100.000  Schritte  in  der  L&nge  liegt  'das  ausgezeichnete 
Eikuid  der  Bataver  und  Caninefaten  und  Anderer,  als  der  Friesen, 
Chauken,  Frisiabonen,  der  Storier  und  Marsaten,  die  sich  ausdehnen 
zwiaeben  Hellevloet  und  dem  Flie  (Helium  und  Flevum) ;  so  nennt  man, 
fhgi  der  alte  Gelehrte  hinzu,  die  Mündungen,  durch  welche  der  Rhein 
Muströmt  und  sich  im  Norden  in  ein  Meer,  im  Westen  in  den  Fhiss 
^die  Maas^  ergießt,  w&brend  mitten  zwischen  diesen  zwei  Mündungen 
ein  mittelmftSiges  Fhissbett  seinen  Namen  bekömmt,  d.  h.  also  die 
Bezeichnung  Rhein  fortdauert.  Daraus  geht  hervor,  dass  schon  dazumals 
gerade  so  wie  heute  die  Nomenclator  des  Niederrheines  eine  verwirrte 
«m1  theüweise  irrige  war,  sowie  andererseits  dass  nach  Plinius  Auf- 
ÜMBUig  die  Niederlande  ein  Delta,  welches  er  eine  Rheininsel  nennt, 
waren,  ähnlich  dem  Nildeita,  und  dasselbe  von  zwei  m&chtigen  Armen 
des  Rheines»  einer  in  nördlicher  der  andere  in  westlicher  Richtung 
strömend  gebildet  worden  w&re,  indess  ein  kleinerer,  mft6iger  Strom  das 
Delta  selbst  durchschnitt  ^').  Ueber  den  uns  hier  vorzugsweise  interee* 


")  Die  Genauigkeit  der  Angaben  der  alten  Geographen  wird  von  Menso 
Altuig  oanstatiert.  Er  sebreibt  in  seiner:  ^Descriptlo  agri  batavi  et  Frisü.*^ 
AoMitetodami  1697  Fol.  S.  63  wie  folgt :  „Ostium,  per  quod  Rhenus  orientalis 
yin  Flevum  lacom  longe  lat^ue  sparsus,  itenimque  arctior  emissos,  Oceane 
„taadem  affunditur,  solos  Plinius  (H.  N.  1.  lY.  c.  15)  Flevum  nominavit. 
«PtolenuBus  (Geogr.  n.  c  11)  a  plaga  tantum  ab  aliis  distinxit,  Rheni  orien- 
„tale  id  vocans.  Ille  inter  Flevum  et  Helium  prope  C.  M.  p.  numerat.  Hie 
hinter  Orientale  et  Occidentale  LXXXIY  tantum.  Üterque  aeque  probe 
„ac  prop^  de  unüs  iisdemque  ostiis.  Si  enim  circum  littus,  a  Flevolandie»  in- 
„suis  ora  orientaU,  ad  Stalodunum  fiat  ambitus,  deprehendentur  G.  M.  p.  pau- 
^eia  minus.  Si,  recta  binc,  inde  ducatur  LXXXIY  paucis  amplios.  Flevum  itaque 
„Ostium  fnit  »täte  Plinii  et  Ptolemsi  ubi  etiam  hodie  est  inter  Flielandiam 
«et  SceUingiam  insulas.  Quse  enim  in  priesentia,  utrimque  ad  Tessaliam,  conspi- 
„ciuQtur  oBtiay  Oceanus  post  multa  demum  secula  sibi  apemit.** 


256 

Bierenden  nördlichen,  nunmehr  sozusagen  verschwundenen  Ann,  gibt  die 
oben  citierte  Stelle  des  Pomponias  Mela  deutlichen  Aufscfiluss;  nicht 
weit  von  der  See,  heißt  es  da,  theilt  er  (der  Rhein)  sich;  aber  das 
linkseitige  Bett  behält  bis  zu  seinem  Ausfluss  den  Namen  Rhein.  Zur 
Rechten  ist  er  erst  eng  und  sich  selten  gleich ;  dann,  seine  Ufer  gewaltig 
ausdehnend,  ist  er  nicht  mehr  ein  Fluss  sondern  ein  großer  See.  Hiemit 
wäre  also  der  Flevo-See  deutlich  bezeichnet  und  auch  gesagt  dass  der 
Rhein  mit  ihm  in  Verbindung  stehe.  Nachdem  er  die  Felder  bedeckt 
hat,  fährt  Mela  fort,  wird  er  Flie  genannt,  und  nachdem  er  ein  £iland 
dieses  Namens  umflossen,  fällt  er,  wieder  nunmehr  ein  Strom  geworden, 
in  die  See  ^%  Aus  diesen  zwei  Stellen  wollten  Einige  entnehmen,  dass 
zu  Tacitus  Zeiten  die  Zuydersee  nicht  allein  ein  großer  See,  sondern 
auch  schon  ein  offenes  Meer  gewesen,  das  vor  seiner  Eindeichung  von 
Zeit  zu  Zeit  seinen  Busen  vergrößerte  und  durch  das  Abnagen  der  Ufer, 
seine  Grenzen  weit  und  breit  ausgedehnt  habe;  mir  indes  scheint  aas 
dem  oben  Mitgetheilten  nicht  mehr  hervorzugehen,  als  dass  ein  starker 
Rheinarm  nach  Norden  gegangen  und  den  Flevo-See  duchflossen  habe. 
Höchstens  kann  man  zugeben,  dass  der  Analogie  von  heute  nach  zu 
schließen  der  Flevo-See  mit  den  andern  das  Land  bedeckenden  kleineren 
Wasserflächen  im  Zusammenhange  gestanden  sei.  Dieser  nördliche  Rhein- 
arm wird  heute  durch  die  Yssel  repräsentiert. 

Ueber  die  geographischen  Verhältnisse  der  Niederlande  im  Mittal- 
alter  gibt  das  vorzügliche  Werk  von  L.  Ph.  G.  van  den  Bergh  ^^),  der 
die  Mühe  nicht  gescheut  alle  auffindbaren  Urkunden  und  sonstigen  Docu- 
mente  nach  dieser  Richtung  zu  sichten,  den  nöthigen  Aufschluss.  Historisch 
festgestellt,  ist  dass  in  dieser  Periode  das  Land  unter  den  Einbrüchen 
des  Meeres  schwer  gelitten  hat  Man  hat  berechnet,  dass  vom  Jahre  515 
unserer  Zeitrechnung  bis  1825  nicht  weniger  als  190  Katastrophen  statt- 
gefunden, dass  also  im  Mittel  alle  7  Jahre  die  Niederlande  eine  große 
Ueberschwemmung  auszuhalten  haben,  wenn  man  nicht  die  kleineren  und 
weniger  verhängnisvollen  mitzählt  '^).  Die  erste  dieser  historisch  Consta- 
tierten  Wasserüberflntungen  fand  516  statt;  genauere  Aufschreibnngen 
besitzt  man  über  die  Ueberschwemmungen  von  533  und  584  in  Fries- 


^*)  Diese  Stelle  wird  auch  in  einem  wenig  gekannten  Werke  des  Arnol- 
dus  Montanus :  „Leven  en  bedrijf  van  Willem  Henrik,"  Amsterdam  1677, 12.  ange- 
führt, worin  sich  eine  Beschreibung  der  Zuydersee  und  einige  Worte  über  ihren 
Ursprung  befinden. 

^')  Handboek  der  Middei-Nederlandsche  Geographie,  naar  de  bronnen 
bewerkt.  Leiden  1862.  8. 

'')  Elöden.  Handb.  d.  Erdk.  U.  Bd.  S.  545. 


257 

land  '^),  die  daim  in  stets  größerem  Maße  sich  wiederholten  ^^.  Was 
an  Verfaeernngen  historisch  festgestellt  ist,  ward  dnrch  Sturmfluten 
veranlasst  und  besonders  waren  es  Friesland  nnd  Groningen  die  damtater 
litten.  Einem  dieser  gräßlichen  Einbrüche  verdankt  auch  die  Zuydersee 
ihre  Entstehung  in  ihrer  jetzigen  Form.  Wol  berichtet  van  den  6  e  r  g  h , 
dass  die  friesischen  Eilande  schon  in  frühester  Zeit  bestanden  haben 
müßten,  nachdem  schon  die  Alten  davon  einige  Kunde  besaßen.  P 1  i  n  i  u  s  '^), 
der  zwischen  Texel  und  Elbe  32  Küsteninseln  zfihlt,  und  Strabo  ^^) 
erwähnen  der  Insel  Burchana  oder  Burchanis,  welche  man  für  das  heutige 
Borkum  hält  und  Actania,  vielleicht  Terschelling  *^}.Ptolemäus  hebt  auf 
der  Küste  drei  Punkte  hervor  unter  den  Namen  Phleum,  Tekelia  und 
Phabiranon  ^^  die  L.  v.  Ledebur  **),  in  den  heutigen  Inseln  Vlieland, 
Texel  nnd  Borkum  wiederfindet  ^^).  Die  Insel  Ameland  kommt  bei  E  k  k  e- 
hardus  '^)  um  das  Jahr  819  ausdrücklich  als  insola  Ambla  vor,  als  zu 
Oosteroog  gehörig.  Die  Existenz  von  Texel  endlich,  welches  damals  viel 
größer  **)  war  und  mit  Vlieland  nur  Ein  Eiland  bildete,  wird  durch 
einige  documentarische  Andeutungen  schon  im  8.  Jahrhundert  wahr- 
scheinlich gemacht  ^^).  lieber  Vlieland  und  Terschelling  besitzt  man  hingegen 
keine  urkundlichen  Nachweise  vor  dem  14.  Jahrhundert  ^*).  Höchst 
wahrscheinlich  haben  schon  um  jene  Zeiten  die  häufigen  Wassereinbrüche 
einzelne  Strecken  Landes  losgerissen  und  zu  Inseln  umgebildet,  deren 
Umfang  indess  ihren  heutigen  um  ein  bedeutendes  übertraf.  Jedenfalls 
war   das  nördlich   von   Enkhuizen  und  Stavoren  gelegene  Gebiet  schon 


")  Wüd,  die  Niederlande.  I.  22. 

**)  Gewaltige  Springfluten  fanden  statt :  792,  806 ,  900,  1014,  1015.  1016, 
1017,  1020,  1040,  1042,  1060.  1082,  1101,  1105,  1109,  1112,  1116,  1120,  1128, 
1124,  1134^  1135,  1136,  1164,  1170,  1173,  1175,  1176,  1200,  1212.  1214^  1219, 
1220,  1221,  1222,  1223,  1266,  1277,  1288,  1290  u.  s.  w. 

")  Eist.  Nat.  IV.  13. 

*»)  Geogr.  L.  VII.  F.  n. 

^')  Veigl.  Barth.  Urgeschichte  Teutschlands  m.  109  ff.  und  Wühelm's 
Germania.  8.  153. 

**  Auch  die  Römer  nannten  Borkum  von  der  Aehnlichkeit  einer  dort 
wildwachsenden  Frucht  Fabaria. 

'')  Das  Land  und  Volk  der  Bructerer  als  Versuch  einer  vergleichenden 
Geographie  der  älteren  und  mittleren  Zeit.  Berlin  1827.  8.  ^  324  u.  177  Nol. 

'*)  Dederich.  Feldzüge  des  Drusus  und  Tiberius.  S.  50. 

")  Chron.  univ.  in  Pertz.  Monnm.  Ger.  bist.  Tom.  VIII.  P.  170. 

**)  Dass  auch  die  übrigen  deutschen  Nordseeinseln  ehemals  viel  größer 
waren,  sagt  auch  Dr.  0.  Peschel  in  seinen :  „Neuen  Problemen  der  vergleichen- 
den Eidkunde.''  Leipzig  1870.  8.  S.  102. 

'*)  Van  den  Bergh.  S.  23  nnd  32. 

")  Ibid.  S.  23. 

äMgrapbitche  Mittlieilungea  1870.  6.  17 


25& 

vielfältig  vom  Wasser  dnrchfressen,  ehe  die  totale  Umwaodlnng  das 
Flevo-Sees  in  einen  Meerbusen  vor  sich  gehen  konnte.  Zwischen  diesen 
beiden  jetzigen  Küstenpl&tzen  floss  einst  der  m&chtige  Yliestroom,  darflber 
herrscht  auch  nach  van  den  Bergh  kein  Zweifel;  dafflr  sprechen  nicht 
nur  alle  historischen  Belege  sondern  auch  noch  die  gegenwärtige 
Gestaltung  der  Küsten.  £in  Schriftsteller  des  9.  Jahrhunderte,  Altfridoe, 
auf  dessen  Zeugnis  indes  van  den  Bergh  wenig  Gewicht  zu  legen  scheint, 
spricht  noch  von  einem  Fluvius  Fleo,  ohne  nähere  Angaben  Aber 
denselben  mitzutheilen  ^'').  Auch  das  Marsdiep  will  van  den  Bergh  in 
den  Traditiones  Fuldenses  gegen  Ende  des  8.  Jahrhunderts  schon  als 
Hafen,  also  als  Meeresdurchbruch  erwähnt  finden;  aus  denselben  Docu- 
menten  lässt  sich  auch  die  frühere  größere  Ausdehnung  von  Tezel 
beweisen,  welches  jedoch  zumeist  aus  Mooi^grOnden  bestanden  haben  soll. 
Gegen  diese  frühe  Zerstückelung  des  nördlichen  Theiles  der 
Zuydersee  werden  jedoch  manche  andere  Argumente  und  historische  An- 
deutungen zu  Felde  geführt.  Vor  allem  lieB^  sich  einwenden,  dass  die 
Andeutungen  der  Alten  in  Bezug  auf  die  friesischen  Inseln  höchst 
unsicher  sind;  sie  scheinen  uns  übrigens  mehr  die  deutschen  Nord- 
seeinseln zu  betreffen,  wieBurchana,  als  eine  der  letzten  gegen  Westen 
hin  gelegen,  zu  schließen  erlaubt.  Nichts  aber  zwingt  zur  Annahnus 
dass  die  deutschen  und  die  friesischen  Eilande  zur  selben  Zeit  ent- 
standen seien.  Wissen  wir  doch  zuverlässig,  dass  am  12.  Jänner  1277 
der  Einbruch  des  Dollart  stattfand,  der  gewiss  nicht  ohne  gewaltige 
Veränderungen  in  der  Yertheilung  des  Starren  und  Flüssigen  hervor- 
zubringen erfolgte.  Dass  Ameland  und  Texel  schon  im  8.  Jahrhundert 
Inseln  waren,  dünkt  uns  noch  nicht  zu  dem  Schlüsse  zu  berechtigen, 
es  sei  auch  damals  schon  der  Einbruch  der  Zuydersee  vollendet  ge- 
wesen, namentlich  da  sich  fQr  die  übrigen  Eilande  historische  Doku- 
mente erst  im  14  Jahrhundert  auffinden  lassen,  in  dem  nach  unserer 
Berechnung  die  Bildung  der  Zuydersee  stattfand.  Thatsache  ist, 
dass  die  Lex  Frisionum  Ost-  und  Westfriesen  unterscheidet,  je  nach- 
dem sie  auf  dem  linken  oder  rechten  Ufer  des  Yliestromes  seeshaft 
waren;  demnach  wäre  die  heutige  Provinz  Nordholland  Jemals  ein 
Theil  von  Friesland  und  auch  von  Friesen  bewohnt  gewesen.  Dies 
wird  auch  in  den  Annales  Fuldenses  bemerkt,  wo  von  Frisiones  qui 
vocantur  occidentales  **)  die  Rede  ist,  und  stimmt  ganz  gut  mit  der 
Karte  überein,  welche  der  Antwerpner  Geograph  Abraham  Ortelius  im 
Jahre  1584  herausgab   und  worin   er  auf  historische  Angaben  gestützt, 


«')  Ibid.  S.  49. 

**)  Ad  ann.  876  bei  Pertz.  Monnm.  Genn.  bist.  I.  389. 


259 

die  fftographiäche  ChSfiftalt  des  Landies  vor  Entstehung  des  Znydersee 
ZV  reconstniieren  versuchte.  Auf  dieser  Karte  h&ngt  Friesland  mit  Nord- 
holland durch  festes  Land  zusammen,  wenn  gleich  es  von  mehreren 
Seen  zerfressen  erscheint,  daninter  der  Flevo-See  der  bedeutendste  ist. 
In  der  That  lassen  sich  heute  noch  einige  Anhaltspunkte  in  den  Sitten 
der  Bewohner  fOr  diese  einstige  Znsammengehörigkeit  finden.  Jedem, 
der  Friesland  bereist  hat,  fallen  die  eigenthümlich  gestalteten  Eopf- 
verzienmgen  der  Friesinen  auf,  die  aus  Gk>ld  oder  Silber  im  Lande 
unter  dem  Namen  oorijzers  bekannt  sind.  In  Nordholland  und  zwar 
nur  dort,  traf  ich  diese  eigenthflmliche  Sitte  wieder,  wenn  auch  hie  und 
da  die  Gestalt  dieser  Geschmeide  eine  von  jener  in  Friesland  üblichen 
etwas  abweichende  war  ^^). 

Im  allgemeinen  wird  behauptet,  dass  man  vor  dem  Jahre  1205 
noch  keine  Zuydersee  kannte,  dass  vielmehr  um  jene  Zeit  um  den  Ylie, 
Enkhuizen  und  den  Westen  von  Friesland  noch  viel  Land  und  Wald 
gelegen  haben,  unter  welch  letzteren  der  Ereilsche  oder  Ereilerbosch, 
wovon  noch  heute  eine  Stelle  der  Zuydersee  Ereil  genannt  wird,  der 
vomehmlichste  gewesen.  Der  Ort  liegt  700  Ruthen  westlich  von  der 
Stadt  Stavoren  und  soll  mit  ihm  das  alte  St.  Odulfskloster  in  den 
Fluten  begraben  sein  ^®).  Sicher  ist,  dass  1205  die  gegenwärtige  Insel 
Wieringen  noch  mit  dem  Festlande  vereiniget  war. 

Wenn  aber  auch  festgestellt  ist,  dass  in  ihrer  jetzigen  Form  die 
Zuydersee  bis  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  nicht  bestanden  habe,  so 
ist  doch  zweifellos,  dass  schon  frühere  Ereignisse  ihre  definitive  Bildung 
vorbereitet  hatten.  Namentlich  gUt  dies  von  der  gewaltigen  Wasser« 
flut  des  Jahres  1170,  die  man  wahrscheinlich  als  die  erste  große 
Veränderung  der  damaligen  Zuydersee-Gebiete  zu  betrachten  hat.  üeber 
Dünen  und  Deiche  hinwegströmend,  war  nicht  bloß  alles  Land  zwischen 
Texel,  Medemblik  und  Stavoren  überflutet,  sondern  die  salzigen  Wellen' 
drangen  bis  nach  Utrecht,  wo  man  Ebbe  und  Flut  beobachtete  und 
Stoekfische  vor  den  Stadtmauern  fieng  '').  Nach  Gottfried,  einem  Mönche' 
von  St.  Pantaleon  zu  Cöln,    wäre  am    3.  November    dieses  Jahr^'  ein 

» 

Theil  von  Friesland   in  der  Umgegend  von  Stavoren  vom  Wasser  ver- 


'^)  Der  anonyme  Yetfasser  (Jean  Nicolas  de  Parival)  des  interessanten 
Büchleins:  ^Les  D^lices  de  la  Hollande.^  Amsterdam  1685. 12.  überschreibt  eines 
seiner  Kapitel:  „La  Nort-Hollande  en  partie  Septentrionale  apell^e 
West-Frise  en  consid^tion  de  la  Frise  qui  est  au  Levant,  dont  eile 
est  d^tach^e  par  cette  grande  mer  du  midy,  qui  fnt  si  Streite,  qu'  autrefoiS| 
(Selon   quelques  autheurs)  on  la   pouvait   passer  sur  une   plancbe."  S.  188. 

**)  Yan  den  Bergh  bemerkt  übrigens ,  dass  ihm  keine  auf  diesen  Erei- 
lerbosch bezügiiche- Urkunden  yorgekommen  seien.  S.  83. 

» ')  S.  Wüd.  Die  Niederlande  I.  S.  25. 

17* 


260 

schlnngen  worden.  Andern  zufolge  ist  dieses  Ereignis  erst  1173  emge- 
treten  und  alte  Lieder  lassen  sich  vernehmen,  dass  es  eine  zweite 
Sündflut  war,  welche  die  ganze  Welt  überströmte,  was  auch  Yossius 
im  zweiten  seiner  Jahrbücher  bestätigt.  Der  oberwähnte  Kreilerbosch 
soll  bei  dieser  Gelegenheit  seinen  Untergang  gefunden  haben  *'). 
Gabbema  zufolge  schreibt  ScriTerius  in  den  Anmerkungen  von  seinem 
Oud  Batavia,  im  Leben  von  Floris  III.  Grafen  Yon  Holland  ^'),  dass 
ein  unbekannter  Autor  einer  lateinischen  Chronik  von  Friesland  zum 
Jahre  1195  erzähle,  die  Seethore  zwischen  Ylie  und  Tezel  seien  durch 
die  Kraft  des  eindringenden  Wassers  und  der  hohen  Flut  eingebrochen 
und  gleichzeitig  das  feste  Land  um  Medemblik  und  Enkhuizen  in  die 
Tiefe  versunken.  Offenbar  hat  die  See  einen  Theil  dessen,  was  sie 
damals  verschlungen,  nicht  wieder  herausgegeben  und  dadurch  beträcht- 
liche Veränderungen  in  der  Physiognomie  dieser  Landschaften  hervor- 
gebracht, wozu  ihr  die  andauernde  Senkung  des  niederländischen  Ge- 
bietes '^)  nicht  wenig  behilflich  war.  Die  Verbindung  zwischen  Nord- 
hoUand  und  Friesland  indessen  kann  damals  noch  nicht  gänzlich  unter- 
brochen worden  sein,  weil  wir  hiefür  anderweitige  historische  Beweis- 
stücke in  Händen  haben. 


**)  Van  Kämpen,  Geschichte  der  Niederlande.  I.  Bd.  S.  112  schreibt: 
yfiie  Regierung  Floris  III.  liefert  einen  merkwürdigen  Betrag  zur  G^eschichte 
des  physischen  Zustandes  Holland.  ISA  scheint,  dass  man,  um  den  Ver- 
heerungen der  Normanen  zu  steuern,  die  wahrscheinlich  durch  den  Flevo- 
arm  oder  die  Neda  so  oft  nach  der  Hauptstadt  Dorestad  kamen,  da  wo 
die  Lek  aus  diesem  Arm  fließt,  einen  Damm  gelegt  hatte,  wodurch  er 
allmälich  ganz  vertrocknete,  und  die  Lek  jetzt  mit  dem  Rheinwasser  über- 
laden, häufig  ihre  niedrigen  Ufer  überschwemmte.  In  der  Mitte  des 
XII.  Jahrhunderts  wiederholten  sich  die  Ueberschwemmungen  des  Meeres  so 
oft  —  (nach  den  Chroniken  konnte  man  unter  den  Mauern  von  Utrecht  See- 
fische fEiDgen)  —  dass  kräftige  Maßregeln  dagegen  erfordert  worden.  Kaiser 
Friedrich  I.  gab  also  1165  auf  dringende  Bitte  der  Grafen  von  Geldern,  Hol- 
land und  Cleve  und  des  Bischofs  von  Utrecht  Freiheit,  das  alte  Bett  der 
Neda  zu  öffnen,  um  die  Wasser  abzuleiten.  £s  scheint  aber,  dass  einge- 
tretene Schwierigkeiten  —  vielleicht  der  flandrische  Krieg  —  dieses  Vorhaben 
verhinderten,  welches  im  XIX.  Jahrhundert  wieder  zur  Sprache  gekommen, 
aber  bis  jetzt  nicht  ausgeführt  ist." 

'";  Er  starb  1190  auf  einer  Reise  nach  dem  heiligen  Lande.  Die  Reihen- 
folge der  uns  hier  interessierenden  Grafen  von  Holland  ist  folgende : 

Floris  m.  1157-1190. 

Dietrich  VH.  1190—1203. 

Wühelm  I.  1203'-1222. 

Floris  IV.  1222  -1234. 

Wilhelm  H.  1234-1256. 
'*)  Ose.  Peschel.  Neue  Probleme  der  vergleichenden  Erdkunde.  Leipzig 
1870.  8.  S.  101. 


261 

Wol  nicht  den  größten  Wert  möchte  ich  anf  jene  von  Vielen  nnd 
hesonders  von  Menso  Alting  hochgehaltene  Stelle  des  Melis  Stoke  '^) 
legen,  der  in  seiner  Reimchronik  erzfthlt,  Graf  Wilhelm  I.  von  Holland 
sei,  als  er  den  Tod  seines  Bmders  Dirk  (Dietrich)  VII.  erfahren,  ans 
Friesiand,  wo  er  sich  eben  befand,  nach  dem  nordholländischen  Dorfe 
Zgpe  geritten,  was  natürlich  nicht  möglich  gewesen  wäre,  hätte  ein 
großes  Meer  wie  die  Znydersee  inzwischen  gelegen.  Menso  Alting  '^) 
zieht  hieraus  den  Schlnss,  dass  zn  jener  Zeit  es  eine  Znyder- 
see noch  nicht  gegeben  habe.  Dies  wäre  im  Jahre  1203  gewesen,  denn 
in  jenes  Jahr  wird  der  Tod  des  Grafen  Dietrich  gemeiniglich  verlegt, 
was  aUerdings  zu  dem  obenerwähnten  Datum  1205  recht  gut  stimmt. 
Allein  die  Bedeutung  der  Stelle  lässt  sich  aus  zweierlei  Gründen  an- 
fechten; einmal,  weil  als  Todestag  Dirk*s  gewönlich  der  4.  November 
genannt  wird,  es  außerdem  aber  nicht  unwahrscheinlich  ist,  dass  er 
noch  einige  Zeit  später  erst  anzunehmen  ist  ^'').  Es  war  also  jeden- 
falls Winter  uhd  da  konnte  Graf  Wilhelm  wol  über  die  möglicherweise 
zugefrorne  Zuydersee,  die  zwischen  beiden  Provinzen  ohnehin  nicht 
breit  ist,  geritten  sein.  Endlich  aber  hat  das  in  der  Reimchronik  ange- 
wendete Wort  ghereden  gar  nicht  einmal  die  Bedeutung  von  reiten. 
Im  heutigen  Holländischen  bedeutet  das  Verbum  rijden  ebensowol 
fahren  '^  und  hat  keineswegs  den  ausschließlichen  Sinn  des  zu 
Pferdedtzens.  Es  ist  uns  nicht  bekannt,  dass  dem  im  Mittelniederländischen 


*')  Rgmkronijk  (uitgeg.  door  B.  Huydecoper).  Leyden  1772.  4.  Buch  III. 
Vers  1—5.  Die  Stelle  lautet : 

Willem  die  in  Ost  Vrieslant  was 

Heeft  nie  mare  vernommen  das 

Dat  Bijn  broeder  is  hieven  doot 

Met  sericheden  herde  groot 

Es  hi  ter  Zipe  comen  ghereden. 
*^  Descriptio   agri   batavi  et  frisii.   Amstelodami.  Wetstein  1697.  Fol. 
S.  64.:  „Sinus  autem  Oceani,  qui    hodie  inter  Enchusana   brevia   et  Taconis 
cataractus  (Takezijl)  hoc  lacu  contineatnr,  recens  est,   intra  ahnos  quingentos 
proidmos  demum  natus.*^ 

•*)  Wagenaar.  Vaderländische  historie.  Amsterdam  1749—1759.  8.  II. 
295  sagt  hierüber:  „De  oudste  schrijvers  stellen  zynen  dood  op  het  jaar  1203. 
(Godefrid.  Monachus  ad  ann.  1503.  p.  274).  Sommigen  op  den  vierden  van 
Slagtmaand  (4.  November).  (Beka  in  Theod.  n.  p.  63.  Leon.  Monach.  Brevic. 
p.  155).  Doch  indien  de  t^dtekening  van  het  verdrag  met  Hertog  Hendrik  I. 
(▼an  Lotharingen)  egt  is,  moet  hij  na  dien  dag  overleeden  zijn,  also  hij, 
eenigen  tyd  na  hat  sluiten  van  het  zelve  te  Dordrecht  ziek  gelegen  heeft.'' 

'*)  Und  zurar  heute  mit  allen  möglichen  Beförderungsmitteln  :  Wagen, 
Eisenbahn  oder  Schiff.  Das  holländische  Rijtaig  ist  demnach  die  Bezeichnung 
für  Wagen,  Fuhrwerk,  nicht  etwa  fOr  Reitzeug,  wie  die  Lautähnlichkeit 
▼ennuthen  ließe. 


262 

anders  gewesen  wftre.  Eine  andere  QaeHe,  weldie  dasBeH^e  Ereignis  be- 
richtet, gewährt  ans  denselben  Gründen  keinen  genaueren  Anfschlnas  **). 

Weit  wichtiger,  weit  genauer  dankt  uns  der  Bericht  des  friesi- 
schen Chronisten  Ubbo  Enunins  ^®) ,  der  zum  Jahre  1222  (dem  Todes- 
jahre Grafen  Wilhehn  I.)  erzählt,  „dass  zn  jener  Zeit  im  Westen  von 
Friesland  nnd  der  Mittelsee  oder  dem  Boerdiep,  wo  gegenwärtig 
eine  weite  See  flutet,  viele  Ländereien  lagen.  Die  Yssel,  welche 
die  Wasser  des  Rheins  durch  die  Fossa  Dmsiana  empfängt,  ergoss  sich 
damals  nicht  so  wie  jetzt  dicht  bei  der  Stadt  Kämpen  in  diesen  großm 
Meerbusen,  Namen  und  Ufer  verlierend;  vielmehr  behielt  sie  noch  eine 
Strecke  lang  ihr  Bett  und  floss  mitten  durch  Ackerland.^  An  einer 
anderen  Stelle  *^)  sagt  er:  „der  Ylie,  ehemals  breit,  war  um  jene  Zeit 
(1222)  zwischen  Enkhuizen  und  Stavoren  nicht  viel  breiter  als  ein 
Bach  oder  ein  Flflsschen;  alles  flbrige  war  mit  Ackerland  und  Gehdiz 
bedeckt.^  Ganz  ähnlich  beschreibt  Simon  Abbes  Gubbema  die  damaligen 
Zustände  des  Landes;  auch  er  betont,  dass  im  Westen  „daar  nu  de 
harre  zee  bruischt^  viel  Land  gelegen  ^^),  und  erzählt,  dem  Emmius 
beinahe  wörtlich  nachgeschrieben,  dass  der  Rhein  zwischen  Stavoren 
und  Enkhuizen  nur  die  Breite  eines  gewöhnlichen  Flusses  (de  wijdte 
van  een  gemeene  rivier)  besessen  habe.  Seine  Uferlandschaften  war^ 
Weide-  und  Ackergrflnde  und  viele  Waldungen,  die,  fftgt  Gabbema 
selbständig   hinzu,   meistentheüs  den  Edlen  von  Gaalema   gehörten  ^'). 

Eine  zweite  große  Veränderung  fand  wahrscheinlich  1237  statt, 
wo  zufolge  der  Chronik  von  Friesland  des  Winsemius  eine  neue,  schreck- 

")  Es  ist  dies  die  anonyme :  „Cronycke  van  HoUandt,  Zeelandt  ende 
Yrieslant  tot  1517,^  die  ohne  Angabe  von  Druckort  und  Jahreszahl  1517  zu 
Leyden  in  Folio  erschien.  Wir  lesen  hier,  Div.  XY.  c.  2.  Fol.  153 :  „Onder 
desen  vernam  grave  Willem  van  OeBtvrieslandt  dat  grave  Dirck  sijn  broeder 
gestorven  was,  ende  quam  alst  reden  gaf  harde  roawich  totter  zypen  toe,  om- 
dat  hij  gaeme  tot  sijns  broeders  wtuaert  hadde  geweest.*^ 

'*)  Rer.  frisic.  bist.  Lugd.  Bat.  1616.  Fol.  S.  130:  „At  verö  contraria 
ratione  versus  Occasum  multtun  terrarum  erat,  ubi  jam  vastum  pelagus  se 
fnndit.  Isala  namque  qoi  per  Drosianam  fossam  a  Bheno  aquas  accipit,  non 
nti  nunc,  ad  Gampos  oppidum  statim  in  sinum  illum  vastum,  quem  Austri- 
num  mare  vocant,  se  effondebat,  nomenque  et  ripas  perdebat  suas,  sed  alveo 
aliqnandin  uno  servato  per  medios  agroSy'Vidroqae  recepto,  ubi  Cuneram  prseter- 
vectus  erat,  in  plures  se  partes  scindebat,  quarum  maxima  in  sinum  Australem 
sinistrorsum,  caeterae  per  agmm  frisicum  ferebantur.*^ 

*^)  Ibid.  S.  131.  „Flevus  autem  olim  amplior  tum  riri  modum  eo  loco 
qui  inter  Enchusam  et  Staveram  medius  est  non  multum  excedebat;  Beliqna 
campi  aut  nemora  tenebant.^ 

**)  Yerhaal  van  de  stad  Leeuwarden  1190—1573.  uitg^.  door  Tolrias 
Ouberleth.  Franeker  1700.  4.  S.  7. 

**)  Ibid.  S.  8. 


263 

Kdie  Fiat  hereiiArach  und  einen  großen  Theil  des  westlichen  Friesland 
wegspQlte.  Die  Landschaften  von  Holcama,  deren  Bewohner,  wie  es 
scheint,  dnrch  Ganalgrahongen  den  Einbrach  des  Wassers  erleichtert 
hatten,  giengen  über  Nacht  anter.  Des  nächsten  Morgens  sahen  die 
ra^rst  Aofgestandenen,  dass  das  ganze  Land  anter  Wasser  stehe  and 
riefen  ihren  Nachbarn  za:  Het  is  al  Ylie-landt!  Daraas  wollen  Einige 
den  Namen  der  Insel  Ylieland  ableiten. 

Anl&sslich  der  großen  Ueberschwemmang  von  1250  ersehen  wir 
bei  (zabbeaia  ^^),  dass  H<dland  in  diesem  Jahre  großes  Unglück  wieder- 
fahren, and  sein  Gommentator  Oatberlet  glossiert  daza :  „Ich  fin^e  noch 
„Ton  dieser  Fiat  Erw&hnang  gethan  in  einem  alten  Bache  eines  fiiesi- 
„sehen  Greschichtsschreibers,  aaf  Papier  geschrieben  and  von  mir  aaf- 
„bewahrt  Seine  Woilie  sind  die  folgenden:  In  t'  jaer  ons  Heeren  1250 
,,heefl  die  zee  grote  scade  gedaen  an  ende  om  Frieslandt,  ende  die 
„grote  meren  binnen  't  landt ,  als  die  zee  bij  Stayeren  ende  dat  voert 
„by  Harlingen,  ende  van  Staveren  toe  Enkhazen,  ende  toe  Campen, 
„want  dat  plach  heel  lant  toe  wesen  al  totter  Flee^  (denn  bis  zom 
Ylie  war  alles  damals  meist  Festland).  Demnach  wäre  1250  der  end- 
gültige Darchbrach  noch  nicht  erfolgt,  der  erst  sp&ter  1282,  nicht  wie 
Wüd  ^^}  angibt  1225,  stattfand,  nachdem  das  zwischen  den  drei  Städten 
Medemblik,  Stavoren  and  Enkhaizen  znrückgebliebene  Stück  Landes 
w&hrend  beinahe  anderthalb  Jahrhanderte  Friesland  mit  Nordholland 
verbanden  hatte.  Zom  Jahre  1255,  lesen  wir  noch  in  der  Eron^k  van 
Friesland,  konnte  man  mit  einem  Springstocke  von  Enkhaizen  nach 
Stavoren  gehen  and  war  da  ein  gates  festes  Land.  Wieringen  aber  war 
1251  schon  voilstftndig  zar  Insel  geworden. 

Alle  diese  verschiedenen  Angaben  sind  aber  meiner  Meinang 
nach  TtffM  gat  mit  einander  in  Einklang  za  bringen.  Van  den  Bergh 
führt  sehr  gewichtige  arkandliche  Nachweise  in's  Treffen  dafür,  dass  die 
friesischen  Inseln  schon  im  8.  Jahrhandert  als  solche  bekannt,  dass 
Marsdiep  and  Vliestroom  schon  damals  Meeresdarchbrüche  gewesen  seien. 
Andererseits  wird  behaaptet,  dass  vor  dem  Jahre  1205  es  keine  Znyder- 
see,  nftmlich  im  heatigen  Sinne  der  Bezeichnang  gegeben  habe.  Dies 
scheint  mir  nichts  anderes  za  beweisen,  als  dass  bis  zam  Jahre,  in 
welchem  der  definitive  Darchbrach  eintrat,  noch  ein  Stück  Land  Nord- 
holland  mit  Friesland  verbanden  and  den  Flevo-See  von  dem  schon  in 
den  verflossenen  Jahrhanderten  nfther    gerückten  Meere    noch   getrennt 


^)  Naeawkeurige  Beschnjving  der  gedenkwaerdigste  watervloeden,  med 
linede  aantgkeningen  voorzien  door  Tobias  Gutberlet  R.  G.  S.  81. 

**)  Die  Niederlande  I.  26  wahrscheinlich  nach  Madgabe  der  langsamen, 
aber  andaaemden  Senkang  der  Niederlande. 


264 

habe.  Der  Yliestrom  kann  recht  wol  diese  Landenge  als  einfacher 
Floss  durchsetzt  haben ;  wo  seine  damalige  Mündung  gelegen,  lässt  sich 
nunmehr  freilich  nicht  bestimmen,  allein  sie  kann  recht  wol  und  höchst 
wahrscheinlich  schon  ziemlich  tief  landeinwärts  der  jetzigen  Yliestroom- 
Mündung  in  die  Nordsee  gewesen  sein.  Auf  diesem  Stück  Landes  konnte 
auch  Graf  Wilhelm  von  Friesland  nach  Nordholland  gelangen  und  sich 
ein  reger  Verkehr  zwischen  Ost-  und  Westfriesen  erhalten  haben.  Mit 
einem  Worte,  der  Process  der  Zuydersee-Bildung  gieng  nur  langsam 
Schritt  für  Schritt,  wahrscheinlich  nach  Maßgabe  der  langsamen  aber 
andauernden  Senkung  der  Niederlande  von  statten  und  in  dieser  An- 
sicht wird  man  von  Yan  den  Bergh  selbst  befestigt,  welcher  auf  seiner 
Karte' ein  zweifelhaftes  £iland  Ganc  verzeichnet,  unweit  südlich  von 
Texel-Vlieland  gelegen,  auf  Grund  einer  Erwähnung  in  den  Tradi- 
tiones  Fuldenses.  Hinter  Ambla  (Ameland)  sehen  wir  bei  ihm  eine 
Insel  Grye  gelagert  Beide  £ilande,  wenn  sie  jemals  existierten,  sind 
heute  spurlos  verschwunden,  wenn  nicht  anders  in  den  zahlreichen  Sand- 
bänken ihre  Spur  zu  suchen  ist  ^% 

Wir  glauben  also  nicht,  dass  schon  im  9.  Jahrhundert  die  Zuyder- 
see  nahezu  ihre  gegenwärtige  Ausdehnung  besessen  und  der  großen 
Ueberflutung  vom  26.  Dezember  839  größtentheils  ihre  Entstehung 
verdanke  ^^);  wir  sind  vielmehr  der  Ansicht,  dass  jede  neue  Sturm- 
flut immer  mehr  Land  von  dem  nördlich  von  Enkhuizen-Stavoren  gele- 
genen Gebiete  abgespült  habe,  dabei  Eilande  bildend,  die  von  einem 
nächsten  Einbrüche  neuerdings  zerrissen  oder  zum  Theile,  oder  auch 
ganz  verschlungen  wurden,  bis  endlich  im  13.  Jahrhundert  auch  noch 
das  letzte  Stück  Land  zwischen  Enkhuizen  und  Stavoren  weggerissen 
und  die  Nordsee  mit  dem  Flevo-See  zur  Zuydersee  vereinigt  wurde. 
Wild,  der  dieses  Ereignis  1225  eintreten  lässt,  während  Elöden  allerdings 
ohne  irgend  welche  Begründung  dafür  die  nach  unserer  Darlegung 
wahrscheinlichere  Zahl  1282  angibt,  sagt:  Wie  eine  neue  Sündflut  trat 
das  Meer  aus,  um  nicht  wieder  in  seine  alten  Ufer  zurückzukehren.  Eis 
erweiterte  den  See  Flevo  zu  einem  Meere;  eine  weite  blühende  Gegend 
mit  all  ihren  Dörfern,  Menschen  und  Thieren  versank  im  Abgrunde. 
Nur  drei    kleine  Inseln,  Marken,    Urk    und   Schokland    sind    übrig  ge- 

^';  Die  „D^lices  de  la  HoUande*^  1685  zu  Amsterdam  erschienen  enthalten 
eine  kleine  Karte  mit  dem  Titel :  „Comitatus  HoUandi»  nova  descriptio,''  worauf 
eine  heute  nicht  mehr  bestehende  Insel  Eyeriand  zwischen  Texel  und  Vlieland 
verzeichnet  erscheint.  Der  Name  hat  sich  in  dem  Eijerlandsche  Gat  er- 
halten, womit  man  häufig  das  Westvlielandergat  bezeichnet,  das  eben  zwischen 
Texel  und  Ylieland  durchzieht.  Auch  die  Position  von  Wieringen  erscheint 
ganz  anders.  Und  dieses  Kärtchen  ist  kaum  200  Jahre  altl 

")  Van  den  Bergh.  S.  56. 


365 

bUeben;  sie  konnten  sich  von  dem  Wasser  bisher  nnr  durch  die  kost- 
spieligsten Yertheidigangswerke  eine  Galgenfrist  bis  zum  völligen  Ver- 
sdüangenv^erden  ertrotzen  ^^).  Dies  war  also  der  Geburtstag  der  Znyder- 
see,  welche  wahrscheinlich  von  den  Friesen  so  genannt  wurde,  weil  sie 
für  Friesland  auch  in  der  That  südlich  liegt.  In  einer  alten  overijssel- 
sehen  Urkunde  wird  sie  Suytvinde  genannt^  während  der  eigentliche 
Flevo-See  im  Mittelalter  den  deutschen  Namen  Almari  oder  Almeri 
trog.  Willibald  in  seinem  Leben  des  heil.  Bonifaz  ^')  spricht  von 
einem  stagnum  Aelmere,  woraus  Bergh  den  Schluss  zieht,  dass  der 
Flevo-See  damals  einen  sumpfigen,  morastartigen  Character  gehabt 
haben  müsse.  Durch  seine  Verbindung  mit  der  Nordsee  hat  er  indessen, 
die  Untiefen  abgerechnet,  keine  Merkmale  dieses  einstigen  Zustandes 
behalten. 


Banjaluka  und  Bihac 

in  Bosnien. 
Skizze  von  A.  v.  Draganchich. 

Die  Bevölkerung  Banjalukas  wird  auf  12 — 15.000  Seelen  geschätzt, 
welche  in  circa  1500  Häusern  Obdach  finden. 

Banjaluka  ist  der  Sitz  eines  Mutesarifs  (Civil-Kreis-Gouverneurs) 
mit  Pascha-Titel,  und  einer  k.  und  k.  österr.-ung.  Consular-Agentie,  hat 
33  Moscheen,  1  röm.-katholisches  und  1  ;gr.-orient.  Bethaus  (als  Kirche 
ohne  Glocken,  welche  anzubringen  noch  nicht  erlaubt  wird). 

Die  Juden  versammeln  sich  zur  Verriclitung  ihrer  Andacht  in 
einem  hiezu  gemietheten  Häuschen. 

Vorherrschend  ist  in  der  Stadt  die  mohammedanische  Bevölkerung, 
dieser  reiht  sich  der  Anzahl  nach  die  gr.-orientalische,  die  sich  gerne 
den  aus  der  Sympathie  für  Serbien  hergeleiteten  Titel  einer  „serbischen" 
zutheilt,  endlich  die  katholische  an.  Einige  Juden  und  eine  nicht 
unbeträchtliche  Menge  von  Zigeunerfamilien  ergänzen  die  Bevölkerung 
von  Banjaluka. 

Außer  einigen  türkischen  Elementar-  und  einer  höheren  Schule 
besteht  in  Banjaluka  seit  dem  Jahre  1867  eine  gr.-orient.-theologische 
und  eine  serbische  Gemeindeschule.  Die  Kinder  der  katholischen 
Bevölkerung  genießen  den  Elementarunterricht  im  katholischen  Pfarr- 
haose  durch  einen  Franciscaner  Kaplan,  der  jedoch  auch  die  äußere  Seel- 


^■)  Die  Niederlande.  1.  26. 

**)  Bei  Pertz.  Monom.  Germ.  bist.  IL  349. 


266 

sorge  besorgen  miifi,  —  durch  welche  der  Unterricht  crft  unterbrochen 
wird.  Daher  ist  fQr  die  Bildung  der  Jugmid  wenig  gesorgt 

Die  Banjalukaer  Tscharsdiije  (Bazar)  zählt  nahezu  500  Gewölber 
mit  Golonial-,  Scimitt-,  Eäsen-  und  sonstigen  Handelsartikeln.  Spirituosen 
werden  in  circa  200  Buden  verkauft. 

Mitten  in  der  Stadt  befindet  sich  eine  dem  Verfalle  nahe  Festung 
mit  zwei  Haupt-  und  einen  Ausfallsthor,  welche  am  linken  Yerbas- 
Ufer  liegt,  und  in  deren  Innern  die  Garnison  stets  nur  1  Bataälon 
Infanterie  beherbergt,  während  4  Escadronen  Gavallerie  in  der  für 
diesen  Fassungsraum  im  Jahre  1868  auf  dem  Bai^alu^kopolje  hart 
am  Verbas  erbauten  Oaseme  liegen. 

In  der  Stadt  Banjaluka  ffthren  2  hölzerne  Brftcken  Hber  den  Verbas, 
welche  fflr  gewöhnliches  Fuhrwerk  mit  10  Zentner  Last  practicabel  sind 
und  bisher  d^m  reißenden  Verbas  in  ihrer  Dauerhaftigkeit  genfkgenden 
Widerstand  geboten  haben.  Die  obere  Brücke  steht  bei  der  Suleiman 
Djamie,  die  untere  hart  an  der  Festung,  gegen  welche  das  2.  Festungs- 
tbor  hinausfahrt.  Diese  beiden  Brücken  sind  3000  Mdtres  von  einander 
entfernt. 

lieber  den  Verbas  führen  weiter  unten  noch  bei  Elasnice  und 
Pribrige  hölzerne  Brücken,  welche  jedoch,  obgleich  erstere  1867, 
letztere  1869  erbaut,  dem  reißenden  Verbas  keinen  Wiederstand  boten 
und  schon  baufällig  geworden  sind. 

Beide  Brücken  sind  jedoch  von  großer  Wichtigkeit,  da  sie  einzig 
die  directe  Verbindung  Banjalukas  mit  Dervent  und  dem  dortigen 
Bezirke  vermitteln.  Banjaluka  als  Handelsplatz  ist  weit  mehr  als 
jede  andere  Stadt  Bosniens  im  raschen  Aufschwung  begriffen,  und 
in  keiner  derselben  werden  verhältnismäßig  so  viele  Neubauten  ans 
solidem  Material  bemerkt  als  in  Banjaluka,  welches  auch  nach  Serajewo 
die  größte  und  reichste  Stadt  Bosniens  ist. 

Die  Stadt  Bihaö  mit  einer  baufälligen  Feste  zählt  circa 4 — ÖOOO 
Seelen,  ist  an  der  Unna  gelegen,  welche  in  der  Stadt  selbst  einmal 
überbrückt  ist.  Auch  hier  sitzt  ein  Mutesarif  (Civil-Kreis-Gouverneur). 
Eine  Fahrstunde  vom  österr.  Cordons-Commando-Posten  in  Zavalje 
entfernt,  steht  dieselbe  mit  der  benachbarten  Grenzbevölkerung  des 
Ottocaner  Grenz-Regiments  ausschließlich  in  lebhaften  Verkehr,  welcher 
sich  im  Handel  weiter  bis  an  die  Seestadt  Zengg  erstreckt. 

Der  Baiijalukaer  Mutesariflik  hat  4  Kadiluks  oder  Eaimakamien 
(Richter-  oder  Bezirksamtssitze)  u.  z.  in  Banjaluka,  Gradiska,  TeSai^ 
und  Dervent.  Der  Bihaöer  Mutesariflik  dahingegen  7  und  zwar  in 
Bihad,  Priedor,  Eostajnica,  Ostroöac,  Empa,  Stari  Migdan  und  Petrovac. 
Jedoch  be¥drbt  sich  die  Bevölkerung  dieses  letzteren  Bezirks  um  die 


267 

Rüelnrarlegiiiig  des  Amtsitzes  nftch  Kaien  Yakaf  an  die  Grenze  des 
Likaner  Cordons-Gommaiidos  bei  Bori^evac  "'). 

Der  Fl&cheniDhalt  des  Biha^er  Mntesarifliks  beträgt  nach  der 
im  Jahre  1859  tflrkischerseits  vorgenommenen  Eatastral-Anfhahme 
119*74  O  Meilen,  während  der  Banjalukaer  Mutesariflik,  welcher  noch 
nicht  vermessen  wurde,  auf  80.26,  sohin  beide  Mntesariflik  auf  circa 
200  O  Meilen  veranschlagt  werden  können. 

Der  Banjalukaer  Mutesariflik  zählt  circa  20.000,  der  Biha^er 
22.000,  beide  zusammen  sohin  42.000  Häuser.  Wenn  nun  jedes  Haus 
wie  hierlands  flblich,  durchschnittlich  auf  10  Seelen  geschätzt  wird,  so 
enthielten  diese  beiden  Mntesarifliks  eine  Bevölkerung  von  420.000  Seelen, 
was  annähernd  das  Richtige  sein  dürfte. 


*)  üeber  die  Communicationen  in  oben  genanntem  Gebiet  lässt  sich 
in  kurzem  folgendes  sagen: 

Von  Berbir  (türkisch  Gradiska)  führt  eine  Dammstraße  über  Han 
Sibid,  das  Bad  Hidje,  Secö  in  8  türkischen  Wegstunden  nach  Banja- 
laka.  Die  Entfernung  wurde  von  dem  Ingenieuren  der  ottomanischen  Eisen- 
bahn auf  47.600  Metres  (6  deutsche  Meilen)  berechnet.  Längs  der  Straße  ist 
die  Telegraphenlinie  gezogen,  welche  die  Save  bei  Altgradiska  für  den  inter- 
nationalen Verkehr  übersetzt.  Diese  Straße  ist  durchaus  fahrbar  und  wird  in 
ziemlich  gutem  Stande  erhalten. 

Von  Banjaluka  führt  eine  1865  begonnene  Straße,  die  aber  bei 
weitem  noch  nicht  durchwegs  practicabel  ist,  über  Sitnica,  Warcarev- 
Vacup,  Giölhissar  oder  Jezero  Jaicze  und  Earaula  nach  Travnik. 
Ihre  Länge  beträgt  28  türkische  Wegstunden,  nach  den  Messungen  der  Eisen- 
bahn-Ingenieure I4V9  deutsche  Meilen. 

Der  ältere  Reitweg  von  Banjaluka,  der  noch  jetzt  häufig  von  Reitenden 
und  Tragthieren  begangen  wird,  führt  über  Sk ender  und  Vacup  in  IStürki- 
achen  Wegstunden  nach  Travnik. 

Von  Travnik  führt  ein  27«  bis  3^  breiter,  im  Stand  erhaltener  Land- 
weg über  BusoTaöa  und  Eisseljak  in  16  türkischen  Wegstunden  nach 
Serajewo.  Längs  demselben  die  Telegraphenlinie. 

Theilweise  in  gutem  Stande  ist  der  Landweg,  der  von  Banjaluka 
über  Ivanska,  Bozaraz,  Frieder,  Kovi  und  Eruppa  in  28  türkischen 
Wegstunden  nach  Bihaö  führt.  Telegraphenverbindung. 

Theilweise  gut  erhaltener  Landweg,  theilweise  kunstmäßig  angelegt  ist 
der  Weg  von  Banjaluka  über  Sedo  Han,  Pernjavor  und  Derwent  in 
20  Wegstunden  nach  Brood  und  ein  zweiter  über  Seco  Han,  Hobas  in 
18  Wegstunden  nach  Brood,  der  dem  erstem  bei  trockener  Jahreszeit  vor- 
gezogen wird. 

Von  Banjaluka  nach  Tesany  führt  in  16  Stunden  ein  gar  nicht 
erhaltener  Reitweg. 

Dagegen  führt  ein  wenigstens  bei  trockener  Jahreszeit  fahrbarer  Land- 
weg von  Brood  über  Dervent,  Doboi,  Zepde,  Zenica,  Busovaöa 
Eisseljak  in  44  Wegstunden  nach  Serajewo  und  dieser  ist  die  einzige 
directe  Verbindung. 


268 

Das  ConfeBskms-YerhfiltDis  der  Berölkemng  beider  Matesarifliks  wird 
sich  annfthemd  durchschnittlich  folgendennaßen  herausstellen:  Mohame- 
daner  ^/,o,  Serben  ^/,o,  Katholiken  ^/^g,  Jaden  und  Zigeuner  7io- 

Der  Flächeninhalt  des  Bodens  zerfällt  beiläufig  in  folgende  Ab- 
stafnngen:  Cnltarfähiges  Acker-  und  Wiesenland  ^/^q,  Waldland  ^/j^, 
Hntweideland  ^/,o,  steriler  Boden  ^/^q.  Der  cnltarföhige  Boden  ist  hin- 
sichtlich der  Fruchtbarkeit  sehr  ergiebig,  die  Bewirtschaftung  aber 
lässt  viel  zu  wünschen  fibrig. 

Die  Boden-Production  deckt  nicht  nur  den  inländischen  Bedarf, 
sondern  es  kann  der  dritte  Theil  derselben  ohne  Nachtheil  des  Landes 
verwertet  und  exportiert  werden,  Mais,  Weizen,  Gerste  und  Hafer 
werden  in  allen  Gegenden  gleich  gebaut  und  bilden  nebst  Rauchwaren 
und  den  verschiedenartigen  Häuten  und  Fellen  der  Nutzthiere  die  Haupt- 
ausfuhratikel  dieses  Landtheiles ;  der  Weinbau  wird  nur  im  katholischen 
Dorfe  Ivanska,  5  türkische  Wegstunden  von  Banjaluka  gegen  BihaJS 
gelegen,  primitiv  betrieben  und  nur  schlechter  säuerlicher  Wein  gewonnen. 
Seit  2  Jahren  begannen  einige  christliche  Gutsbesitzer  Banjalukas  in  der 
Nähe  der  Stadt  die  Weinrebe  zu  pflanzen  und  gewannen  bereits  vorzüg- 
liche Trauben,  jedoch  noch  nicht  in  zureichender  Quantität,  um  aus 
denselben-  Wein  zu  producieren.  Damit  wird  im  nächsten  Herbst  be- 
gonnen werden,  nachdem,  die  klimatischen  Verhältnisse  das  Reifen  der 
Traube  daselbst  ermöglichen,  was  im  Bihaö'schen  weniger  der  Fall  ist, 
da  die  dortige  Bodenqualität  als  Earstland  derselben  sich  nicht  an- 
passt,  und  der  Herbst  zu  früh  und  rauh  eintritt,  während  das  Früh- 
jahr factisch  gar  nicht  existiert,  die  Sommerhitze  gleich  im  An&iig 
der  schönen  Jahreszeit  unerträglich  wird.  Der  Uebergang  der  Jahres- 
zeiten ist  zwar  auch  in  Banjaluka  nicht  langsam,  weil  die  Stadt 
in  Süden  von  Gebirgshöhen  eingeschlossen  wird,  im  ganzen  jedoch 
gestalten  sich  die  klimatischen  Verhältnisse  für  Gerealien,  Küchengewächse 
und  die  Weinreben  viel  günstiger  als  im  Bihaöer  Mutesariflik. 

Der  Haupterwerbszweig  der  Bevölkerung  ist  der  Handel  überhaupt, 
und  dieser  erstreckt  sich  auf  alle  einheimischen  Producte,  welche  je 
nach  der  Jahreszeit  an  jedem  Wochenmarkt,  der  fast  in  allen  mit  Tschar- 
schijen  (Bazars)  versehenen  Städten  und  Marktflecken  Bosniens  an  einem 
bestimmten  Tage  jeder  Woche  abgehalten  wird,  zum  Vorschein  kommen. 
Diese  Producte  sind:  Weizen,  Gerste,  Mais,  Hafer,  Schaffelle,  Lamm- 
felle, Gaisfelle,  Kitzfelle,  Schafe,  Lämmer,  Gaise,  Kitze,  Pferde,  Hom^ 
vieh,  Borstenvieh,  UnschUtt,  Honig.  Der  Export  nach  Oesterreich-Ungam 
ist. in  allen  diesen  Artikeln  bedeutend,  an  Mais  wurden  im  Laufe  dieses 
Jahres  aus  den  hinter  der  Save  liegenden  Gebietstheilen  über  eine 
Million  Metzen  ausgeführt. 


269 

Ton  Hörn-  und  Borstenvieh  wird  in  der  Regel  die  Hälfte  der  zu 
Markt  kommenden  Quantität  für  Oesterreich-Ungam  angekauft. 

Aach  die  zu  Markt  kommenden  Felle  und  Häute  gehen  mit 
geringer  Ausnahme  nach  Oesterreich-Ungam,  Rauchwaren  größtentheils 
nach  Leipzig.  Der  Export  dürfte  jährlich  circa  37a  Millionen  Gulden 
betragen. 

Dagegen  beziffert  sich  der  Import  aus  Oesterreich-Ungarn  auf  circa 
Eine  Million  Gulden  Wert  jährlich. 

Von  Mineralien  und  Erzen  *),  welche  im  Banjalukaer  Mutesariflik 
besonders  reichhaltig  vorkommen,  Eisen,  Kupfer,  Glanzkohle,  Meer- 
schaum etc.  wird  nur  Eisen  produziert,  jedoch  mit  primitiven  Vorgänge. 

Die  Eisengewinnung  aus  den  Hüttenwerken  bei  Liubia,  Stari 
Majdan,  Timar  und  Sratinsko  (5,  6-10  türkische  Wegstunden  von 
Banjaluka  entfernt  geschieht  vermittelst  einfacher  Schmelzöfen,  die  nur 
sogenanntes  Wolfseisen  in  Strutzenform  zu  Tage  fördern,  welches  sonach 
in  unregelmäßig  breite  und  dünne  circa  eine  Klafter  lange  Stangen 
gehämmert    und    so   an    die  hierländigen  Eisenarbeiter    verkauft  wird. 

Aus  den  vorkommenden  Erzen,  welche  nahezu  60%  reines  Eisen 
enthalten,  werden  nach  hierländischem  Betriebe  kaum  10  bis  12% 
gewonnen.  Der  Reichthum  an  Erzen  ist  unerschöpflich.  Schon  die  bei 
den  Hüttenwerken  aufgetürmten  Schlacken  würden  die  Errrichtung  eines 
Hochofens  durch  Ausnützung  in  kürzester  Zeit  auszahlen,  jedoch  wird 
dieser  Yortheil  von  den  indolenten  Grundbesitzern  nicht  eingesehen,  da 
diese  jeder  Neuerung  abgeneigt  sind,  die  ein  Opfer  kostet,  und  ihre 
Gapitalien  nur  auf  schnell  nutzbringende  Weise  unbekümmert  um  die 
Zukunft  oder  den  Fortschritt  verwenden.  Einen  rationellen  Betrieb  der 
Eisenwerke  wird  erst  die  Zeit  bringen,  wo  die  Eisenschiene  sich  an  den 
Boden  legt.  Industrielle  und  Fachmänner  werden  sich  dann  schon  finden, 
die  den  verborgenen  Schatz  zu  heben  wissen.  Meerschaum  ^ommt 
bei  Linbiö  und  Reljevac  im  Derventaer  Bezirk  vor.  Banjaluka  selbst 
ruht  auf  einem  unerschöpflichen  Lager  von  Braunkohle,  welche  wenig 
schwefelhaltig  ist,  und  einst  die  Quelle  großen  Reichthums  werden  wird. 
Der  ganze  Waldboden  ist  türkisches  Staats-Eigenthum,  und  wird  von 
einem  in  Constautinopel  residierenden  Forstrathe,  der  aus  französischen 
Forstbeamten  besteht,  unter  der  Aufsicht  des  Finanzministeriums  verwirt- 
schaftet; da  man  ihn  nur  als  Handelsgegenstand  ohne  Bedachtnahme 
auf  das  Bedürfnis  einer  zweiten  Generation  betrachtet,  von  einer  B  e- 
wirtschaftung  keine  Rede    sein.    Für  Bosnien    sind    2  Forstinspectoren 


*)  S.  Bosnien   mit  Bezug   auf   seine  Mineralschätze,  von  A.  Conrad , 
Mittheilungen  S.  219. 


270 

mit  30  FoTstj&gern  zn  Pferd  und  zn  Pnß  ani^fiteUt,  wdehe  nur  die 
Aufgabe  haben,  die  von  der  Regienmg  verkaoften  Waldbestandtheile  be- 
züglich der  von  den  Holzspeculanten  und  zum  Export  gelangenden  be- 
zahlten Quantitäten  zn  controUieren. 

Die  Ausbentnng  der  Waldangen  ist  der  einheimischen  Bevölkerang 
far  den  inländischen  Bedarf  frei  gegeben.  Größere  Holzqnantit&ten  fftr 
den  Export  werd^  in  öffentlichen  Lidtationen  bei  den  Kreisbehörden 
unter  Mitwirkung  des  Forstinspectors  an  Meistbietende  per  Stamm, 
1000  Stflck  Fassdauben  per  1  Cubik-Fuß,  und  per  eine  Wienerklafter 
Brennholz  überlassen. 

Auf  diese  Art  wurden  in  den  letzten  4  Jahren  aus  den  bosnischen 
Waldungen  schon  so  bedeutende  Nutzholzquantit&ten  aosgehauen,  dass 
man  bei  solchem  Betriebe  dort  in  wenigen  Jahren  kein  Nutzholz  mehr 
finden  wird. 

Banjaluka,  im  November  1869. 


Geographische  Literatur. 

Küstenkarte  des  adriatischen  Meeres,  von  der  k.  k. 
österr.  Kriegsmarine.  Bl.  N.  4.  Wien  1870. 

Wenige  Jahre  fehlen  zum  halben  Jahrhundert,  seit  durch  das  Er- 
scheinen der  Blätter  des  Atlas  des  adriatischen  Meeres  (1822  bis  1824)  das  Resultat 
einer  unter  französischem  Regime  begonnenen,  unter  österreichischer  Leitung 
vollendeten  Kttstenaufnahme  veröffentlicht  wurde.  Zwanzig  zusammenhangende 
Blätter  größten  Formates  nebst  einem  Titel  und  Uebersichtsblatte  bildeten 
die  Schifrahrtskarte  (Carta  di  Cabotaggio)  im  mittleren  Maße  von  1 :  175000  der 
Natur,  an  die  sich  7  Bl&tter  Ansichten  der  Seehäfen,  eine  Uebersichtskarte 
in  2  riesigen  Blättern  im  Maße  von  1 :  500000  der  Natur,  und  ein  Heft  Erläute- 
rungen iPortolano)  anschlössen,  ungerechnet  die  zahlreichen  Notizen  über  Winde, 
Strömung  etc.  auf  den  Blättern  selbst,  deren  disponible  Räume  über  70  Special- 
pläne der  Häfen  in  verschiedenen  Maßstäben  von  s^i^nr  bis  «^iinr  der  Natur 
enthielten.  Die  Aufnahme  beruhte  auf  geodätischer  Grundlage,  die  Maße  der 
Sonderangaben  imponierte,  die  statischen  und  die  nautischen  Notizen  waren 
eine  wertvolle  Beigabe,  die  technische  Ausführung  ausgezeichnet  und  so  er- 
freute sich  dieses  Werk  durch  Jahrzehende  des  besten  Rufes  und  gepriesener 
Brauchbarkeit. 

Das  Bessere  ist  jedoch  stets  der  Feind  und  Verdränger  des  Guten, 
und  da  mit  der  Wissenschaft  auch  die  Anforderungen  gleichmäßig  fort- 
schreiten, so  kam  die  Zeit,  wo  die  damalige  Aufnahme  nicht  mehr  genflgte, 
auf  Anregung  S.  £x.  des  Freiherrn  von  Wüllersdorfein  neuer  Plan  zu  einer 
genauen  vollständigen  Durchforschung  des  adriatischen  Meeres  entworfen 
irarde  und  die  neue  Küstenaufoahme  unter  der  Oberleitung  des  Fregatten- 
Gapitäns  T.  0  Österreich  er  und  unter  Mitwirkung  des  Majors  Skuppa 
für  den  topographischen  Theil  im  J.  1866  den  Anfang  nahm.  Eine  hydro- 
graphische Abtheilung  von  11  Personen,  dann  von  4  See-  und  4  Land^ 
Mappeurs  sind  seit  dieser  Zeit  in  größter  Thädgkeit  und  die  Arbeiten  (Maß- 
stab der  Orig.-Aufhahme  1"  =  200«*  oder  „J^  der  Natur)  sind  bereits  bis 
Sabioncello  und  Corzola  fortgeschritten.  Dass  die  neue  Aufnahme  nicht  über- 
flüssig war,  beweisen  nicht  nur  die  mit  den  alten  Karten  gemachten  Erfah- 
rungen über  manche  nicht  verzeichnete  Klippen  und  Sandbäncke,  sondern  auch 
die  nicht  ganz  unbedeutenden  Abweichungen  in   den  Umrissen  der  KtMen, 


271 

ttunentlicli  in  Dalmatien,  noch  mehr  aber  die  anzol&ngliche  topograpliisehe 
DuBtellnng  des  KOstensaumeB ,  eines  Streifens  von  1  bis  2  Seemeilen  land- 
einvirU.  Vergleicht  man  das  jetzt  erschienene  Blatt  Nr.  4  niit  dem  Blatte  3 
der  alten  Karte,  so  zeigen  sich  sehr  viele  Unterschiede ,  welche  sämmtlich  zu 
Gunsten  der  neuen  Arbeit  sprechen.  Der  Meridian  von  Paris  hat  jenem  von 
Greenwich  Platz  gemacht,  der  frühere  Matlstab  von  Tghns  ist  auf  ^jghns  ^^•• 
höht  worden,  was  eine  viel  genauere  Ausarbeitung  des  Terrains  gestattet. 
Dieses  zeigt  sich  meisterhaft  schraffiert  und  mit  Niveaucurven  von  60  W.  Fuß 
circa  20  Meter)  in  der  KQstenkarte,  von  30  W.  Fuß  (circa  10  Meter)  in  den 
Special-Nebenkarten  versehen.  Die  Sonden  sind  in  Faden  (===  1  österr.  Klafter; 
angegeben,  statt  wie  früher  in  Pariser  -  Fuß,  und  zahlreicher,  weil  der  größere 
Maßstab  mehr  Raum  gewährt.  Die  Beschaffenheit  des  Meeresgrundes  ist  reich- 
licher und  umständlicher  bezeichnet  mit  Zeichen  und  Buchstaben,  verschie- 
den für  Sand,  Schlamm,  Korallen,  Felsengrund  etc.  Die  Hafenansichten  sind 
nicht  abgesondert,  sondern  auf  dem  Blatte,  zu  dem  sie  gehören.  Es  erscheinen 
die  Peilungen  jener  Leuchtfeuer  eingetragen,  die  auf  dem  Blatte  nicht  mehr 
vorkommen ;  die  Angabe  der  Bojen,  die  Cotierung  der  Landhöhen  (in  Wiener- 
Fuß ,  die  Eintragung  der  Curven  von  2%  und  5  Faden  Tiefe,  Angaben  der 
Strömungen,  Hafenzeiten  und  Fluthöhe  machen  das  Blatt  höchst  practisch, 
selbst  wenn  ein  eigener  Portolano  später  ausführlicheres  darüber  bringen 
würde.  Aus  dem  gesagten  erhellt  zur  Genüge,  dass  diese  kartographische 
Arbeit  sich  den  Arbeiten  anderer  Admiralitäten,  z  B.  den  trefHichen  Karten 
der  englichen,  französischen,  nordamericanischen  Küstenaufnahmen  würdig 
znr  Seite  stellen  kann  und  den  Vergleich  nicht  zu  scheuen  braucht.  Nach 
diesem  allgemeinen  Ueberblicke  der  verdienstvollen  Leistung  mögen  noch 
einige  Worte  Über  das  Areale  des  Blattes  Nr.  4  folgen.  Es  umfasst^e  Küsten- 
strecke von  Istrien,  vom  Scoglio  Santin,  südlich  von  Rovigno  bi^  zum  Hafen 
Olmo  nächst  Promontore,  mit  den  Brioni'schen  Inseln  und  dem  Cinal  Fasana. 
Der  wichtigste  Punkt  der  Küste  ist  der  Kriegshafen  von  Pola^  den  nicht 
weniger  als  20  Forts  mit  8  Batterien  vertheidigen.  Eine  Nebenkarte  links 
oben  enthält  im  Maßstabe  von  jziun  den  Hafen  Yeruda,  eine  ^dere  links 
unten  die  3  Häfen  der  westlichen  Küste  von  Brioni.  Die  hübsch  gestochenen 
Ansichten  am  untern  Rande  zeigen  die  Einfahrt  in  den  Hafen  von  Pola^  und 
die  Insel  Passage  im  Ganal  Fasana.  Im  Titel  sind  verdientermaßen  die  Namen 
der  aufnehmenden  Officiere  genannt,  sowol  der  hydrographischen  als  der 
topographischen  Abtheüung. 

Die  verhältnismäi3ig  schnelle  Publication  des  ersten  Blattes  lässt  ein 
rasches  Erscheinen  der  nachten  Sectionen  hoffen  und  so  wird  wahrscheinlich 
kein  Decennium  vergehen,  um  das  schöne  Werk,  zu  einem  reichhaltigen  und 
vollständigen  Atlas  angewachsen,  begrüßen  zu  können,  vorausgesetzt,  das  nicht 
unvorhergesehene  Ereignisse  die  Vollendung  unliebsam  verzögern,  denn  nur  im 
innem  und  äußern  Frieden  gedeihen  die  Werke  der  Wissenschaft! 

Anton  Steinhauser. 

Tunis.  Ein  Bild  ans  dem  nordafricanischen  Leben.  Prag  1870.  8. 

Seltsamer  ausgestattet  als  das  vorliegende  hat  wol  nicht  oft  ein  Buch 
die  Presse  verlassen.  Auf  mittelgroßen  OctaFseiten  steht  in  scharfen  ziemlich 
Gompressen  Lettern  der  Text  in  den  Rahmen  einer  Visitkarte  gedrückt,  als 
Pendant  zu  den  sieben  Mignonphotographien,  welche  dem  Buche  als  Illustration 
oder  welchen  das  Buch  als  Text  beigegeben.  Sie  stellen  africaoische  Vegetation, 
ein  tunesisches  Mädchen,  zwei  Oassen  in  Tunis,  die  Hasba,  die  Judenstadt 
und  die  Gistemen  von  Gu-thago  vor,  und  sind  diese  Abbildungen  Photographien 
der  Originalskizzen  des  Verfassers,  wie  er  sie  an  Ort  und  Stelle  mitten  im 
Gewfihl  der  Menge  zeichnete.  Kein  Strich  wurde  zu  Hause  daran  geändert  und 
stimmen  dieselben  daher  nur  um  so  besser  mit  dem  ebenfalls  in  nngeschminkter 
ürsprflnglichkeit  belassenen  Text.  Diese  Ursprünglichkeit  aber  ist  volle  Poesie, 
wie  üe  eine  geläuterte  Naturanschauuog  in  Georg  Forsten  herrlicher,  von 
Humboldt  so  oft  preisend  erwähnten  SchOderung  der  Sfidseeinseln  zu  erwecken 
vermochte.  So  auch  hier;  ohne  es  zu  ahnen,  vielleicht  ohne  es  zu  beab« 
sichtigen,  reißt  der  s|Mrachgewandte  Auter  den  Leser  in  den  Strudel  des  fremd- 
artigen nprdafncaaischen  Lebeii%  venetat  er  iha  in  einen  Sinaearanflch»  aw 


272 

dem  man  niir  beim  ZnUappen  dee  leider  so  kareen  Bflchleins  enraeht  Wer 
indess  des  Aators  prachtvolles  Balearedwerk  kennt  —  denn  niemand  anderer 
als  unser  fürstlicher  Geograph.  Erzherzog  Ludwig  SaWator  von  Toscana  ist  der 
Verfasser  des  vorliegenden  BQchleins  —  wird  ohne  Mohe  an  diesem  geschwnn- ' 
genen,  farbenreichen  Styl  das  Räthsel  der  Anonymit&t  ROgleich  gelöst  haben. 
£r  wird  aber  auch  dem  Wunsche  sich  nicht  verschließen  können,  der  edle 
Prinz  möge  auch  fernerhin  dem  Zuge  seiner  Neigung  zu  größeren  Reisen 
folgen,  damit  Oesterreich  hoffen  darf,  in  ihm  einst  seinen  Prinzen  von  Neuwied 
zu  erblicken.  Friedrich  von  Hellwald. 

Naturwissenschaftliche  Reisen  im  tropischen  Ame- 
rica, ausgeführt  auf  Veranlassung  und  mit  Unterstützung  weil.  Seiner 
MajestAt  des  Königs  Maximilian  II.  von  Bayern,  von  Dr.  Moriz 
Wagner.  Stuttgart  bei  J.  G.  Cotta  1870. 

Einem  Werke,  dem  wir  unbedingte  Anerkennung  zollen  müßen,  wird  es 
erlaubt  sein,  eine  Frage  vorzuhalten,  die  uns  der  Wunsch  abnöthigt,  dass 
Bücher,  wie  das  vorliegende,  nicht  nur  vom  Fachmanne,  sondern  vom 
großen  gebildeten  Publicum  gelesen  werden.  Warum  ist  keine  E^arte  beige- 
geben? warum  sind  nicht  in  einer  leicht  angelegten  Skizze  wenigstens  jene 
Touren  fixiert,  die  der  Verfasser  im  centralamericanischen  Isthmuslande  zur 
Auffindung  eines  leichtem  Ueberganges  machte?  Seine  eigene  Karte,  die  vor 
einigen  Jahren  in  Petermann's  Mittheilungen  erschien,  hätte  wol  leicht  dazu 
verwendet  werden  können.  Wir  sind  um  Autworten  auf  diese  Frage  nicht  ver- 
legen, aber  eine  befriedigende  -  mit  Rücksicht  auf  den  oben  angeführten 
Wunsch  —  finden  wir  nicht.  Die  sonst  so  libersJe  Verlagshandlung  hätte  doch 
am  Namen  des  Verfassers  wie  des  Gönners,  der  das  Werk  ins  Leben  rief, 
Impulse  genug  gehabt,  sich  diesen  Luxus,  der  Lesewelt  diese  Bequemlichkeit 
zu  gestatten. 

Aber  mit  oder  ohne  Karte,  seien  wir  froh,  dass  wir  das  Werk 
selbst  haben,  das  uns  auf  dem  für  den  Weltverkehr  bedeutsamsten  Continent 
theils  neue,  nie  betretene  Pfade  weiset,  theils  auf  schon  betretenen  neue 
Reize  enthüllt,  nicht  mit  der  Prätension  eines  Vielgereisten,  der  sein« 
Abenteuer  auskramt,  wol  aber  mit  dem  Gewicht  eines  bewährten,  der  Leite- 
zeichen nach  jeder  Richtung  kundigen  Führers.  Wenn  der  Verfasser  die 
Reisen,  die  er  hier  schildert,  naturwissenschaftliche  nennt,  so  muU 
man  das  Wort  in  der  weitesten  Bedeutung  nehmen,  wo  es  nicht  nur  Forschen 
und  Finden,  Bestimmen  und  Schildern  des  Einzelnen,  sondern  auch  üeber- 
schauen  und  Gliedern  des  Ganzen  und  das  Verwenden  der  gewonnenen  E^ah- 
rung  zu  prac tischen  Ideen  in  sich  schließt.  Dem  Reisenden  Moriz 
Wagner  geht  der  Geolog,  Botaniker  und  Zoolog,  wie  nicht  minder  der  Geo- 
graph und  Nationalöconom  zur  Seite,  und  indem  sich  diese  alle  in  seiner  Per- 
son vereinigen,  lässt  sich  von  keinem  sagen,  dass  er  dem  andern  an  Sch&rfe 
der  Auffassung  und  Gediegenheit  des  Urtheils  nachstehe.  Centralamerica  bat 
an  ihm  den  kundigsten  und  unbefangensten  Biographen,  die  Wissenschaft 
einen  Vertreter,  dem  an  Ausdauer  in  der  mühevollsten  Arbeit  wie  an  geistiger 
Vertiefung  in  verschiedenen  Gebieten,  von  denen  jedes  seinen  ganzen  Mann 
in  Anspruch  nimmt,  wenige  gleich  kommen. 

Ueber  die  Form  des  vorliegenden  Buches  citieren  wir  die  Worte  des 
VerfiEMsers  im  Vorworte,  die  wir  —  natürlich  bis  auf  den  Mangel  einer  Karte  — 
vollkommen  acceptieren.  „Auf  die  Herausgabe  eines  umfangreichen  Werkes  in 
Großfolio  mit  vielen  kostspieligen  Illustrationen,  wozu  es  mir  an  Material 
nicht  fehlte,  glaubte  ich  verzichten  zu  müssen.  Der  Eitelkeit  des  Autors  mag 
ein  solches  Prachtwerk  schmeicheln,  und  denen,  die  es  durchsehen,  ohne  es 
aufmerksam  zu  lesen,  mögen  das  stattliche  Format  und  die  illustrierten  Bei- 
gaben nicht  weniff  imponieren.  Die  Erfahrung  im  Buchhandel  aber  lehrt,  dass 
solche  Werke  nicht  immer  im  Verhältnis  zu  ihrem  Umfang  gekauft  und  noch 
viel  weniger  gelesen  werden.  Mit  alP  dem  breiten  Ballast  von  Zahlen  und 
Detailbeschreibnngen  verfallen  sie  in  der  Regel  dem  nicht  sehr  beneidenswerten 
Geschick  als  literarische  Invaliden  im  Staube  der  Bibliotheken  zu  vermodern. 
Statt  einer  nuammenhängenden  Reisebeschreibung  habe   ich   eine  Form  ge> 


273 

wtiüt,  welche  sich  in  BoassingnaU's  „Reisen  in  den  Anden^  (yon  J.  Acosta 
herausgegeben)  und  A.  ▼.  Humboldt's  wertvollen  „Kleineren  Schriften*^  am 
meisten  n&hert.  Fär  den  Mangel  an  picanter  Unterhaltung  mochte  der  reiche 
belehrende  Inhalt  in  den  „Essays^  dieser  berühmten  Reiseforscher  dem  gebil- 
deten Leser  vollen  Ersatz  geben.  Ich  habe  in  der  Auswahl  von  Beitr&gen, 
welche  das  vorliegende  Buch  enthalt,  nach  dem  gleichen  wenigstens  redlich 
gestrebt.  Einige  dieser  Aufisätze  wurden  von  mir  nach  meiner  Rückkehr  in 
verschiedenen  geographischen  Zeitschriften  veröffentlicht.  Dieselben  erscheinen 
jedoch  hier  vielfach  ver&ndert,  erweitert  und  vermehrt.*^ 

Wer  aber  nach  dieser  bescheidenen  Verwahrung  des  Verfassers  etwa 
meint,  dass  er  des  picanten  und  unterhaltenden  im  Buch  ganz  entbehren 
müsste,  dem  rathen  wir,  um  eines  besseren  belehrt  zu  werden,  Gap.  5  „Eine 
Entdeckungsreise  in  das  Innere  des  Isthmusstaates*^  oder  Gap.  16  und  17 
„Ueber  Bergbesteigungen^  und  „Besteigung  des  Vulcans  Gotopaxi**  zu  lesen. 
Freilich  liegt  das  picante  und  unterhaltende  auch  hier  nicht  nur  in  der  Situa- 
tion, sondern  vornehmlich  in  dem  wissenschaftlichen  Geist,  der  die  Erzäh- 
lung durchweht  und  —  das  scheint  uns  eben  die  rechte,  menschenwürdige 
Unterhaltung. 

An  wissenschaftlichen  Resultaten  von  bleibendem  Wert  ist  Wagner's 
Buch  reicher,  als  so  manches  von  jenen  in  Großfolio  mit  Illustrationen,  die  er 
von  sich  wies.  Fassen  wir  die  wichtigsten  zusammen: 

1.  Aus   der   genauen  Beobachtung   des   Höhensystems   im   Isthmus- 
lande  von   America   ergibt   sich   die  Thatsache     „einer   deutlichen 
Unterbrechung   der   Gordllleras   als   Kette    und   einer  Vertre- 
tung d  ieser  Kettenform   durch  ein  von  ihr   verschie  denes  For- 
mensystem,   welches  auf  ganz   veränderte  geologische  Verhältnisse,  bei  der 
Entstehung  dieses  Höhenzugs  schliellen  lässt.^  (S.  71  >.  „In  der  ganzen  Ausdeh- 
nung dieses  Gebietes  (8—10  deutsche  Meilen  Länge)  ist  das  Verschwinden  des 
Granits  und  der  ihm  verwandten  plutonischen  firuptivgesteine  eine  auffallende 
Thatsache.    Ueberall,  wo  im  Isthmus  eine  wahre  Gordillere,   eine  fortlaufende 
Gebirgskette  vorhanden  ist,  bildet  in  der  Regel  Granit  oder  ein  von  ihm  ge- 
hobenes krystallinisches  Schiefergestein,  oft  auch  als  Gneisgranit  den  Uebergang 
in  gneisähnliche  Textur  iverrathend,  das  in  Masse  vorwiegende  Höhengestein,  be- 
sonders an  dem  nördlichen  Abfall.^  (S.  73  >.  „Diese  Veränderung  der  verticalen 
Con£guration,   das   bestimmte  Aufhören   der  Gordillere  zwischen   der  Li- 
monbay  und    dem  Golf  von  Panama   ist  aber  für  die  physische  Erdkunde 
und  für  die  wichtige  Frage  des  heutigen  und  künftigen  Weltverkehrs,  die  sich 
an  die  Möglichkeit  einer  Dorchstechung  dieser  Landenge  knüpft,  eine  eben  so 
bedeutungsvolle  geologische  Thatsache,    wie  der  Wechsel    in  der   horizontalen 
Gonfignration,    wie  die  plötzliche  Einschnürung  des  Welttheils  im  Nordwesten 
der  Provinz  Ghoco   und  wie  die  eben  so  plötzliche  Aenderung   in  der  Rich- 
tung und  im  ganzen  Naturcharacter  der  Grebirgszüge.^  (S.  74-.    „Eine  verglei- 
chende Betrachtung  der  horizontalen  und  verticalen  Gonfiguration  dieses  Welt- 
passagelandes zeigt  einen  vom  Gordillerensystem  Nord-  und  Südamericas  scharf 
abweichenden  Bau  der  Höhenzüge.  Die  Form  des  Rundgebirges  und  die  radiale 
Gliederung  (durch  Verbindungsjöcher  in  den  verschiedensten  Richtungen)  do- 
miniert bei  der  Mehrzahl  der  Höhengruppen  in  dieser  Landenge  eben  so  be- 
stimmt,   wie  die  entgegengesetzte  Form   des  Kettengebirgs  in  Verbindung  mit 
transversaler  und  paralleler  Gliederung  des  ganzen  Gebii'gsbaues  in  den  Anden 
Shdamericas.    Mit  dieser  wichtiglsn  Reliefänderung  steht  die  Verengung  des 
Festlandes  und  die  Erniedrigung  des  wasserscheidenden  Höhenzuges  im  innig- 
sten Zusammenhang.^    tS.  160 .   „Die   niedrigste    der   zwischen   den  verschie- 
denen Hügelgruppen  (des  Isthmuslaudes;  entdeckten  Depressionen  ist  die  zwi- 
schen den  Thälern  des  Rio  Obispo  und  Rio  grande,   über  welche  die 
interoceanische  Eisenbahn   in  vielen  Krümmungen    hinzieht 
ond  deren  Scheitelpunkt  am  Summit  die  Höhe  von  287  engl.  Fuß  erreicht.*^ 
iS.  160j.    „Für  einen  SchleuUencanal  quer  durch  die  Landenge  dürfte  bei  un- 
befangener Prüfung  der  hypsometrischen,  geognostischen  und  hydrographischen 
Verhältnisse   keine  Strecke  geeigneter  befunden  werden,    als  die  zwischen  der 
Limonbay  und  dem  Golf  von  Panama.''  (S.  163). 

Geographisch«  If ittheilnagen.  1870.  6.  IQ 


274 

2.  Unter  allen  Gegenden  des  Istlunmlandes  ist  die  Provinz  Ckiriqni 
'Oder  West-Veragna)  zwischen  8°  2'  und  9"  42'  n.  B.  und  81*  37'  und  83*  5' 
w.  L.  y.  Greenwich,  für  eine  Co  Ionisation  am  geeignetsten,  und 
zwar  wird  die  südliche  Seite  gegen  den  pacifischen  Ocean  hin  w^n  ihres 
gesunderen  Climas  mehr  für  Europäer  passen,  w&hrend  die  nördliche  Seite 
gegen  den  atlantischen  Ocean  hin  am  füglichsten  durch  Negercolonien  besetzt 
wtürde.  Der  Verfasser  entwirft  ein  reizendes  Bild  von  diesem  bisher  noch  uner- 
forschten Lande,  dessen  Terrainverhältnisse,  Culturiähigkeit  und  natürlichen 
Yortheile  für  die  Verwertung  menschlicher  Arbeit  mit  dem  Gewicht  einer  nach 
jeder  Bichtung  eingehenden  Beobachtung  erörtert  werden.  Ueber  die  Bewohner 
entnehmen  wir  seiner  Schilderung  folgendes:  ^Das  Departement  von  Ghi- 
riqui  hatte  nach  dem  Census  von  1855  eine  Bevölkerung  von  17.279  Indi- 
viduen, welche  seit  der  letzten  Einwanderung  aus  Texas  und  Jamaica  in  run- 
der Zahl  auf  18.000  zu  schätzen  ist.  Es  kommen  also  33  Menschen  auf  eine 
Quadrat-Legua  oder  58  auf  die  deutsche  Quadratmeile.'' 

„Selbst  im  Vergleich  mit  dem  dünnbevölkerten  Mexico,  wo  durchschnitt- 
lich 250  Menschen,  und  mit  dem  übrigen  Nordamerica,  wo  im  ganzen  282 
Menschen  auf  die  Quadratmeile  kommen,  ist  dieses  Bevöikerungsverhältnis  auf- 
fallend ungünstig  und  findet  seine  Erklärung  theils  in  der  Abgelegenheit  der 
Provinz  Chiriqui,  theils  in  ihrer  Armut  an  edlen  Metallen  und  in  der  bis- 
herigen Unzugänglichkeit  des  waldbedeckten  Gebirges.  Von  den  18.000  Seelen 
kommen  schätzungsweise  auf  die  w e i  13 e  Bace 2400,  auf  die  americanische 
(reine  Indianer)  4000,  auf  Mestizen  (Cholos  genannt,  Mischlinge  von  India- 
nern und  Weißen)  11.0(X),  auf  die  africanische  Bace  (Neger)  200,  und  auf 
die  Mulatten  und  Zambos  400.^ 

„Die  europäische  Bace  besteht  in  der  Minderzahl  aus  Abkömmlingen  der 
castilischen  Eroberer  und  der  ältesten  spanischen  Einwanderer  aus  AndtJusien ; 
die  Mehrzahl  sind  später  eingewanderte  Hispano-Americaner  der  verschiedenen 
Staaten  Central-  und  Südamericas.^ 

„Der  Buf  der  gartenähnlichen  Schönheit  und  Fruchtbarkeit  des  Landes 
und  besonders  der  billigen  Bodenpreise,  so  wie  die  vergleichsweise  günstigen 
klimatischen  Verhältnisse  der  Binnenlandschafben  zogen  trotz  der  hohen  Tem- 
peratur eine  gewisse  Zahl  von  Emigranten  an.  Nächst  den  spanischen  Creolen 
sind  die  Deutschen  gegenwärtig  in  David  und  Umgebung  am  zahl- 
reichsten. Sie  beschäftigen  sich  in  der  Mehrzahl  mit  Landwirtschaft,  vorzüglich 
mit  Tabakbau.  Americaner,  Franzosen  und  Engländer  sind  nur  in  geringer  Zahl 
als  Kaufleute  und  Grundbesitzer  angesiedelt. '^ 

„Obwol  das  Binnenland  dieser  Provinz  unter  allen  Tropenländem  der 
Welt  unstreitig  eines  der  gesündesten  ist,  und  namentlich  von  dem  tückischen 
und  gefährlichen  Klima  der  Landenge  von  Panama  sich  vortheilhaft  unter- 
scheidet, so  merkt  man  doch  auch  hier  dem  Typus  der  europäischen  Bevölke- 
rung eine  gewisse  körperliche  und  geistige  Verkümmerung  an.  Wenn  auch  die 
weiüen  Ansiedler  im  allgemeinen  sich  wohl  befinden,  so  müssen  sie  doch  wäh- 
rend der  Hälfte  der  Tagstunden  die  Sonne  vermeiden  und  sind  durch  die  Ein- 
wirkung des  gleichmäßig  warmen- Klimas  ziemlich  träge,  bequem,  ruheliebend 
und  denkfaul  geworden.^ 

„Die  Eingebornen  (Indianer)  erscheinen  mir  etwas  größer  und 
schlanker  als  die  americanische  Bace  in  Peru,  Eguador  und  Guatemala.  Ganz 
nackte  mit  Muscheln  behängte  Indianer  fand  ich  nur  einzeln  unter  den  umher- 
ziehenden Jägerfamilien.  Der  sesshiüEte  Indianer  trägt,  wenn  er  nicht  arbeitet, 
gewöhnlich  ein  Hemd  von  Baumwolle  und  Hosen  von  Pita-Faden  (einer  Brome- 
linarT,  die  wie  Flachs  gewoben  wird).  —  Sie  leben  in  Polygamie  und  sind  in 
der  Mehrzahl  noch  Heiden.  Die  sesshaften  katholischen  Indianer  beschränken 
ihren  Cultus  ganz  auf  äußere  Formen.  Gegen  die  Weißen  benehmen  sie  sich 
zwai'  friedlich,  aber  scheu  und  zurückgezogen,  und  selbst  als  Diener  und  Träger 
leisten  sie  den  Beisenden  gewöhnlich  schlechte  Dienste.^ 

„Die  africanische  Bace  besteht  in  der  Mehrzahl  aus  kräftigen  Indi- 
viduen. Man  sieht,  dass  ihr  das  feuchtware  Klima  vor  allem  zusagt.  Der  Neger 
und  Mulatte  ist  der  beste  Holzfäller  im  Urwald,  der  kräftigste  Lastträger  im 
Hafen,  der  gewandteste  Schiffer  in  der  Lagune ;  sicher  würde  er  auch  der 
geeignetste  Arbeiter  in  den  Kohlenbergwerken  sein.    Zur  Jagd  im  Urwald,  zu 


275 

den  mübflamen  Fußreisen  ftber  das  Gebirg  ist  er  bei  weitem  nicht  so  gat  con- 
stitniert,  wie  der  Indianer.  Für  das  Klima  der  beiden  Oceanküsten,  namentlich 
för  die  Waldzone  der  atlantischen  Seite  ist  der  Neger  gewiss  seiner  ganzen 
Natur  nadi  der  passendste  Ansiedler. 

3.  Höchst  bedeutsam  sind  die  Belege  für  die  in  des  Verfassers  Schrift: 
^Die  Darwinsche  Theorie  und  das  Migrationsgesetz  der  Organismen  (Leipzig 
1868)*^  ausgesprochenen  Ansichten  über  Artenbildung  durch  räum- 
liche Absonderung,  die  er  aus  seinen  Beobachtungen  der  Flora  und  Fauna 
Ton  Centralamerica  holt,  und  durch  welche  die  Darwinsche  Transmatations- 
theorie  als  irrig  erwiesen  wird.  Wir  müssen  die  interessanten  Betrachtungen, 
die  der  Verfasser  im  Cap.  11  und  12,  namentlich  S.  367—375  darüber  ansteUt, 
dem  Leser  überlassen,  dem  wir  überhaupt  yersichem  können,  dass  er  sich  aus 
Moriz  Wagner's  Buch  manche  genussreiche  Stunde  holen  wird.  B. 

L'empire  des  Tsars  au  point  actuel  de  la  science,  par 
M.  J.  H.  Schnitz  1er.  Tome  qaatri^me,  les  int^r^ts  mat^ri^Is  et 
priv^s  (Agriculture,  industrie  et  commerce).  Paris  V.  Berger-Levrault 
et  fils  1869. 

Die  früheren  Bände  von  Schnitzler's  Werk  über  Russland,  dessen 
vierter  (vorletzter)  hier  vorliegt,  sind  bereits  von  mehreren  Seiten  als  eine  höchst 
bedeutende  Erscheinung  in  der  Literatur  gewürdigt  worden  und  die  kais. 
Petersburger  Academie,  ein  competenter  Richter  in  dieser  Sache,  erkennt  dem 
Verfasser  ostensibel  das  Verdienst  zu,  richtige  Angaben  über  Russ» 
land  unter  den  Ausländern  verbreitet  zu  haben  (s.  Einleitung, 
Seite  3,  Note  unter  dem  Text). 

Der  vorliegende  Band,  der  sich  mit  den  materiellen  Interessen  des 
Kaiserreichs  beschäftigt,  kann  das  günstige  Urtheii  über  seine  Vorgänger  nur 
bekräftigen.  Der  Verfasser  hat  einen  Stoff  von  riesenhaftem  Umfang  zu 
bemeistern,  der  wol  durch  die  Literatur,  die  über  einzelne  Partien  besteht,  zur 
Zusammenfassung  vorbereitet,  aber  ohne  die  eingehendsten  Studien  außerhalb 
dieser  Literatur  nicht  klar  und  übersichtlich  dargelegt  werden  kann.  Wir 
wollen  nicht  von  der  begründeten  Klage  der  Russen  reden,  dass  russische 
Verhältnisse  im  Ausland  in  der  Regel  irrig  aufgefasst  und  ebenso  irrig  darge- 
stellt werden,  und  auch  die  Gründe  nicht  berühren,  warum  das  in  der  Regel 
geschieht  Aber  gewiss  ist,  dass  wie  bei  Menschen,  so  auch  bei  Ländern  es 
Physiognomien  gibt,  die  leichter  und  andere,  die  schwerer  zu  studieren  sind ; 
und  unter  diese  letzteren  gehört  Russland,  dessen  Verhältnisse  bis  ins  Innerste 
erkannt  sein  wollen,  wenn  man  nicht  eine  voreilige  Ansicht  darüber  aus- 
sprechen will. 

Dem  Verfasser  kann  man  nicht  nachsagen,  dass  er  leichtsinnig  an  seinen 
Gegenstand  herantritt  und  ihn  von  der  Oberflache  abschöpft.  £r  verkennt  die 
Schwierigkeiten  seiner  Arbeit  nicht  und  verhehlt  sie  nicht  Aber  er  weiß 
ihnen  die  fassbare  Seite  abzugewinnen  und  bemeistert  sie  durchwegs  mit  einer 
Leichtigkeit,  die  hewunderungs  würdig  ist  und  die  volle  Beherrschung  des 
Stoffes  nicht  verkennen  lässt.  Wenn  der  nachhaltige  Eindruck,  den  wir  dem 
Stadium  seines  Buches  dankon,  in  der  Bemerkung  bezeichnet  wird,  dass  uns 
selten  eine  Arbeit  vorkam,  bei  der,  wie  bei  dieser,  deutsche  Gründ- 
lichkeit und  französische  Eleganz  sich  die  Hand  bieten,  so  hoffen  wir, 
vor  dem  Leser,  der  die  geistreichen  Auseinandersetzungen  des  Buches  aufmerk- 
sam verfolgt,  vollkommen  gerechtfertigt  zu  sein. 

Der  vorliegende  Band  zerfällt  in  drei  Abtheilungen,  yon  denen  die  erste 
den  Ackerbau  in  Russland  mit  seinen  Zweigen,  der  andere  die  Industrie 
in  ihrem  ganzen  Cmfaoge,  der  dritte  den  Handel  Russlands  behandelt,  jeden 
Gegenstand  mit  Rücksicht  auf  seine  historische  Entwicklung  bis  zum  neuesten 
Standpunkte  und  jeden  Gegenstand  bis  in  die  kleinsten  erreichbaren  Daten  und 
mit  Parallelen  zu  den  andern  europäischen  Staaten.  Für  die  große  Masse  des 
gebildeten  Publicums  liegt  in  jedem  Abschnitt  eine  Fülle  neuen  und  interessanten 
Materials,  sowie  in  dem  äußerst  übersichtlichen  Bau  des  Ganzen  und  in  der 
Klarheit,  mit  welcher  der  Verfasser  das  fernliegende  zu  gruppieren  weiß,  der 
Reiz  liegt,  den  statistischen  Daten,  auch  wenn  der  Gegenstand  dem  Leser 
femer  Ifl^e,  mit  reger  Theilnahme  zu  folgen.    Der   dritten  Abtheiluug  ist  eine 

18  ♦    ^ 


276 

Skizze  der  Geschichte  des  ruf  Bischen  Handels  beigefügt,  die  mit 
gedrängten  kräftigen  Strichen  die  f ü  n  f  Epochen  seiner  Entwicklung  zeichnet 
Tom  Beginn  des  Wäregliersta&tes  und  der  Verlegung  des  Fürstensitzes  nach 
Kiew  bis  zum  Beginn  der  Bedeutung  Nowgorods  aJs  Handelsplatz  (881)— 12H8); 
die  Zeit  des  Hansebundes  ^1238 — io5^);  die  Zeit  der  Zarenherrschaft  vom 
Erscheinen  der  EngUuder  in  der  Dwina  bis  zur  OrOndung  ron  8t.- Peters- 
burg (1553 — 1703);  von  der  Orttodung  8t.-Petersburgs  bis  zur  GrOndung  von 
Odessa,  mit  welcher  der  Handel  im  schwarzen  Meer  in  Aufnahme  kam 
(1703— 1'!93);  endlich  von  1793  bis  auf  die  neueste  Zeit  Der  Ueberbiick 
schließt  mit  einer  wie  uns  scheint,  sehr  berechtigten  Betrachtung  Ober  den 
jetzigen    Zustand    des  russischen    Handel     und  seine   nächste  Zukunft. 

„Alexander  U.,  dem  Kusslaud  die  Emancipation  der  Leibeigenen  und 
somit  das  Freiwerden  der  Arbeit  dankt,  strebt  dahin,  allmählich  aber  im 
größten  Maßstab  die  Entfernungen  in  seinem  großen  Reiche  zu  kürzen,  welchem 
der  Besitz  des  Amurlandes  den  Handel  im  pacifischeu  Ocean  Öifiiet.  Ohne 
Zweifel  bereitet  sich  dort  eine  ungeheure  Thätigkeit  in  dieser  Richtung  vor, 
und  Russland  wird  es  sein,  welches  Asien  von  Norden  her  in  die  große 
europäische  Bewegung  zieht,  sowie  es  England  durch  die  Erfolge  seiner 
Riesenüotte  im  Süden  gethan  hat.  In  Ermanglung  von  EisenbahDen,  die  der 
nächsten  Zukunft  vorbehalten  sind,  setzt  vorläufig  eine  Telegraphenlinie  den 
äußersten  Osten  mit  den  Hauptplätzen  des  Reickes  in  unmittelbare  Verbindung. 
Der  Aralsee  ist  bereits  russisch  und  von  da  gestattet  der  Syr-Daria  den 
Russen  bis  ins  Herz  der  alten  Welu  in  die  Mitte  von  Hochasien  zu  dringen, 
während  der  Besitz  des  sQdlichen  Amu-Daria  ihnen  eine  directe  Verbindung 
des  Gaspisees  mit  der  chinesischen  Gränze,  mit  dem  noch  unabhängigen 
Turkestan,  ja  auch  mit  Aijghanistan  herstellt.  Taschkent,  einer  der  Hauptplätze 
des  asiatischen  Handels,  ist  seit  1866  in  ihrer  Gewalt,  Samarkand  hat  sie 
schon  einmal  in  seine  Mauern  ziehen  sehen,  und  wer  weiß  es,  ob  diese  alte 
Residenz  T^erlans  nicht  in  kurzer  Zeit  mit  der  Hauptstadt  des  Nordens 
durch  eine  Eisenbahn  verbunden  sein  wird,  die  den  Ural  übersteigt  und  ob  nicht  in 
der  nächsten  Zeit  Dampfer  die  wes< sibirischen  Ströme  auf  und  ab  tiahren.  Bei 
den  Mitteln,  die  man  anstrengt,  werden  nicht  zwanzig  Jahre  vergehen,  so  kann 
vom  Caspisee  zum  Aralsee  und  andererseits  zum  Asow^schen  Busen  ins 
schwarze  Meer  eine  directe  Wasserstraße  fUr  den  Handel  gezogen  rein.- 

Der  Index  des  Bandes  gibt  nebst  einem  vollständigen  Sachregister  das 
Verzeichnis  der  vom  Verfasser  benatzten  Quellen.  Die  Ausstattung  entspricht 
dem  Wert  der  gediegenen  Arbeit.  B 

Tozer,  Researches  in  the  Highlands  of  Turkey. 
London,  1869. 

Lesern,  welche  den  Westen  der  europäischen  Türkei  aus  den  Werken 
vonLeake,  Pouqueville,  Fallmerayer,  Bou6.  Griesebach,  Hahn, 
Henzey  u.  A.  kennen,  dürften  die  TozePschen  Schilderungen  dieser  Gebiete 
in  physikalisch -geographischer  und  selbst  topographischer  Beziehung  wenig 
Neues  bieten;  denn  der  englische  Reisende,  welcher  die  Sommer  1851,  1861 
und  1865  seinen  türkisch- griechisch -albanesischen  Wanderungen  vom  Athos 
bis  zur  montenegrinischen  Hauptstadt  widmete,  interessierte  sich  zunächst  für 
die  alte  Geschichte  des  ehemals  makedonisch-illirischen  Bodens. 

Bevor  Tozer  diesen  betrat,  bauchte  er  von  Constantinopel  aus  die  Ruinen 
von  Troja,  welche  er,  gestützt  auf  den  Essai  von  Calvert  und  auf  v.  Hahn's 
„Ausgrabungen  auf  der  homerischen  Pergamos^  eingehend  schildert.  Gelangt 
auch  Tozer  in  den  „Mount  Ida"  und  „The  City  and  Piain  of  Troy*  überschrie- 
benen  Gapiteln  nicht  zu  neuen  Resultaten,  so  bewährt  er  doch  überall  eine 
tüchtige  Kenntnis  der  einschlägigen  Literatur  und  tiefe  classische  Studien. 
Diese  treten  uns  überall  entgegen,  zunächst  bei  seinem  nun  folgenden  Besuche 
des  Athos. 

Bei  Kavala  iThasos  gegenüber),  dessen  Position  Tozer  mit  Cadix  ver- 
gleich^, verließ  er  den  österreichischen  Dampfer.  Eavala  ist  vielfach  interessant. 
Da  ist  eine  römische  Wasserleitung,  hier,  in  dem  alten  Neapolis,  setzte  der 
Apostel  Paulus  zuerst   seinen  Fuß   auf  europäischen  Boden    und    hier  wurde 


277 

auch  der  Reformator  Egyptens  Mehemed  AM  geboren.  Sein  Andenken  wird 
dnrch  ein  Yon  ihm  begründetes  humanitäres  Institut,  sowie  durch  die  zahlrei- 
chen Abkömmlinge  von  Ungarn  bewahrt,  welche  er  nach  Eavala  gebracht 
hatte.  Die  Türken  bilden  jedoch  dessen  Hauptbevölkerung.  Sie  sind  wie  bei- 
nahe allerorts  arm  und  herabgekommen.  Der  Handel  ist  in  den  Händen  frän- 
kischer Juden,  Tabak  sein  Hauptartikel. 

Zu  Yatopedi,  dem  reichsten  der  Athosklöster,  betrat  Tozer  den  Monte 
Santo,  dessen  höchste  Spitze  einst  der  Architect  Dinocrates  in  eine  Statue 
Alexanders  verwandeln  wollte.  Seit  Falhnerayer's  unvergleichlicher  Schilderunff 
des  Athos  haben  gelehrte  und  ungelehrte  Engländer,  Franzosen,  Russen  und 
Deutsche  die  lautlose  Stille  des  heiligen  Berges  oft  unterbrochen.  Wir  besitzen 
eine  ganze  Literatur  des  Athos.  Seine  Kirchen  wurden  vielfach  beschrieben,  die 
Fresken  der  geistlichen  Künstler  und  Nachfolger  des  Pauselinos  aus  der  Maler- 
hochschule von  Kares  wurden  gezeichnet  und  photographiert ,  die  Kloster- 
Bibliotheken  durchstöbert  und  die  Nachlese,  welche  dort  nach  Didron,  Gass, 
Fallmerayer,  Mueller,  Bowen,  Curzou  u.  a.  zu  halten,  kann  eine  nur  spär- 
liche sein.  Auch  Tozer  vermochte  nur  Bekanntes  zu  wiederholen.  Seine  Schil- 
derungen sind  jedoch  lebendig.  Sie  umfassen  das  geistige  und  materielle  Leben 
der  dCOOköpfigen  Mönchsrepublik.  Durchschnittlich  ist  jedes  Kloster  von  100 
Seelen  bevölkert,  es  gibt  aber  auch  einzelne,  welche  000  zählen.  Im  allgemei- 
nen fand  auch  Tozer,  dass  der  Athos  lange  nicht  mehr  ein  BrennpunH  rein 
geistigen  Strebens  sei.  Er  bestätigt  meine  oft  ausgesprochene  Ansicht,  dass 
dort,  wie  in  allen  Klöstern  orientalischer  Christenheit,  die  Physis,  die  Sorge 
um  Lebensunterhalt  und  Bereicherung  das  ganze  Getriebe  beherrscht.  Es  ent- 
steht oft  erbitterter  Streit  unter  den  einzelnen  Klöstern,  die  Einmengung  der 
türkischen  L'ehörden,  der  fremden  Consuln  wird  aufgerufen,  und  namentlich 
hat  der  drohende  Verlust  der  grollen  Einkünfte  aus  den  von  der  rumänischen 
Regierung  sequestrierten  Besitzungen  die  geheiligte  Stätte  leiblicher  Abtödtung 
in  nicht  geringe  Aufregung  versetzt.  Andererseits  erscheint  auch  hier  wieder 
die  tiefe  Spaltung  zwischen  Griechen  und  Slaven,  deren  Ursache  ich  in  meinen 
«Bulgarischen  Fragmenten'^  eingehend  zu  erklären  suchte.  Die  russischen,  bul- 
garischen und  serbischen  Mönche  auf  dem  Athos  werden  von  ihren  „griechi- 
schen Brüdern'^  als  ,,Barbaren^^  vorachtet.  Vollständiger  geistiger  und  politischer 
Tod  alles  Bulearentnums  ist  Cardinalwunsch  jedes  Griechen!  Ohne  den  fest- 
gewurzelten Ubsb  zwischen  beiden  wäre  die  orientalische  Frage  wahrscheinlich 
längst  gelöst.  — 

In  S  a  1 0  n  i  k  beschäftigten  Tozer  dessen  römische  Rechte,  Triumphbögen, 
Inschriften,  die  Via  Egnatia  n.  s.  w. ,  weniger  aber  dessen  byzantinische  Bau- 
ten, die  bereits  von  Texier  mit  vollster  Sachkenntnis  geschildert  wurden. 
Spanische  Juden  bilden  den  reichsten  Theil  der  etwa  40.000  .Seelen  zählenden 
Bevölkerung  Saloniks.  Zu  seiner  ehemaligen  Bedeutung  wird  es  sicher  gelangen, 
sobald  das  Schienenproject  zwischen  Orient  und  Occident  eine  Wahrheit  wird 
'—  An  den  sumpfigen  Niederungen  des  Vardar  (Axius)  angelangt,  iBrblickte 
Tozer  den  Olyrapos,  des  Ossa's  konischen  Gipfel  und  den  Pelion.  Der 
Weg  des  Reisenden  führte  ihn  jedoch  nach  NW.  an  den  unbedeutenden 
Resten  von  Pella,  der  Geburtsstadt  Alexanders  vorüber  nach  Vardär- 
Jenidsche.  Das  Städtchen  ist  an  und  für  sich  unbedeutend.  Im  Spätherbst 
hält  es  aber  eine  Messe,  welche  ^ wie.  Hahn  mittheilt  ,  wenig  der  berühmten 
von  Seres  nachstehen  soll. 

Nachdem  Tozer  die  Annehmlichkeiten  einer  sogenannten  türkischen 
Qauptatraüe  und  ihrer  Gasthöfe  (!)  kennen  gelernt,  erreichte  er  das  höchst 
malerisch  gelegene  Vodena.  Es  erhielt  diesen  seinen  slavischen  Namen  von 
den  vielen  Wämsern,  die  es  durchströmen.  Die  nahen  Höhen,  von  welchen  sie 
herabkommen,  gewähren  eine  entzückende  Fernsicht  bis  nach  Salonik,  auf  das 
Meer,  den  See  von  Pella  und  den  selbst  im  August  schneebedeckten  Gipfel 
des Olympos.  Vodena,  als  Edessa  einst  die Capitale Makedoniens,  bis  Philipp 
sie  nach  Pella  verlegte,  war  die  herrliche  Wiege  eines  herrlichen  Königreichs. 
Heute  liegt  seine  Bedeutung  in  seiner  wichtigen  strategischen  Lage,  da  es  den 
Eintritt  in  die  Gebirgsregionen  Makedoniens  sperrt,  "fi-otz  ihrer  stolzen  Ver- 
gangenlieit  birgt  die  Stadt  nur  wenige  archeologische  Gegenstände  von  Interesse, 
Leake  and  Griesebach  beschrieben  sie  zuerst,  v.  Hahn  copierte  einige  römische 


278 

Inschriften,    sichere  Spuren  der  Gräberstadt   der   makedonischen  Könige   ver- 
mochte jedoch  weder  er  noch  Tozer  aufzufinden. 

üeber  den  See  von  Ostrovo,  an  dessen  Nordrand  die  Straße  nach 
Bitolia  führt,  und  den  Hahn  bei  schlechtem  Wetter  nur  flüchtig  streifte,  gibt 
uns  der  englische  Reisende  manch  schätzenswerte  Aufklärung.  So  hörte  Tozer 
von  den  Anwohnern,  dass  der  See  erst  vor  einem  Jahrhundert  entstanden  sei 
und  damals  viele  Ortschaften  begraben  habe.  An  dem  Ostrovosee,  welchen  Hahn 
das  schönste  Landschaftsbild  dieser  Länder  nannte,  knüpfen  sich  viele  Sagen. 
Tozer  bringt  sie  in  Verbindung  mit  griechischen  Mythen,  so  mit  der  Verfol- 
gung der  Arethusa  durch  Alpheius  u.  s.  w. 

Bei  dem  bulgarischen  Gorni^ovo  kommt  Tozer  auf  die  hohen  Taxen 
zu  sprechen,  mit  welchen  die  türkische  Finanzweisheit  die  Zucht  des 
„christlichen  Thieres'^  des  Schweines  bedrückt.  Sobald  es  3  Monate  alt,  ist  d^ 
Eigenthümer  zum  Erlag  von  10  Piastern  (1  Gulden)  verpflichtet.  Dies  veran- 
lasst die  Züchter,  50**/.  aller  Schweine  vor  dem  dritten  Monat  zu  schlachten. 
Tozer  meint:  Der  Landmann  seufzt  in  der  Türkei  unter  schweren  Lasten  und 
ich  wunderte  mich  zuletzt  nicht  mehr  auf  der  großen  Heerstraße  nur  elenden 
Karren  oder  armseligen  Saumthiercaravanen  zu  begegnen. 

Herabsteigend  von  den  Gurni^ovoer  Höhen  erblickte  Tozer  wiederholt 
im  N.  das  schneebedeckte  Haupt  des  Nidze,  dessen  Höhe  er  auf  1-  11,000' 
schätzt*),  während  in  der  Ferne  gegen  NW.  die  langgestreckte  Nere^ka  und 
Suchakotta  auftauchte,  deren  zweigipflige  Peristera- Kuppe  (nach  Kiepert 
2350  M^tresi  die  Ebene  von  Bitolia  weithin  beherrcht.  Es  ist  dasselbe  Ge- 
birge, dem  Hahn,  nächst  der  Sarkotta,  unter  allen  makedonischen  die  Palme 
der  Schönheit  zuerkennt. 

Monastir  oder  auch  T  oli-Monastir  ist  der  türkische  Name  für 
Bitolia.  Die  Stadt  erhielt  denselben  von  dem  nahen  Kloster  (Monastir)  Bukova, 
zu  dessen  Kirchweihfest  die  Bevölkerung  der  170  Dörfer  des  fruchtbaren  f  erna- 
beckens  herbeiströmt.  Dieses  Becken,  schon  frühzeitig  ein  Hauptsitz  makedoni- 
scher Völker,  trug  den  Namen  Pelagonia  und  Heraclea  (Bitolia)  war  ein  Haupt- 
punkt an  der  durch  dasselbe  ziehenden  Via  Egnatia.  In  diese  reiche  Ebene 
wird  auch  die  sagenhafte  Scene  der  Gründung  des  makedonischen  Kelches 
verlegt,  welche  Herodot  erzählt.  Tozer  gibt  eine  anziehende  Analyse  derselben. 
Im  Jahre  1830  spielte  sich  in  Bitolia  ein  wichtiges  historisches  Ereignis  ab. 
Auf  seinem  Paradeplatze  fand  jene  verrätherische  Massacre  der  albanesischen 
Begs  statt,  die  zu  freundschafäichen  Unterhandlungen  von  Beschid  Pascha 
nach  Bitolia  geladen  worden  waren.  Mit  ihrem  Untergänge  und  der  Besiegung 
des  rebellischen  Mustapha's  von  Skodra  (1832)  war  das  Schicksal  Albaniens 
entschieden.  Erst  von  diesem  Jahre  ab  bildet  es  in  Wahrheit  eine  türkische 
Provinz. 

Hier  schneiden  sich  die  Straßen,  welche  von  Salonik,  Skopia  und  Adrianopel 
an  die  Adria  führen,  und  von  Bitolia  aus  kann  man  am  leichtesten  in  das  stets  zu 
Aufständen  geneigte  albanesische  Bergland  einbrechen,  sowie  die  bulgarische 
Landbevölkerung  im  Zaume  halten.  Im  letzten  Jahrzehent  sind  hier  wichtige 
militärische  Bauten  enstanden.  Die  neue  große  Kaserne  kann  allein  zwei  Regi- 
menter Infanterie  und  zwei  Cavallerie-Regimenter  aufnehmen.  Auch  in  fried- 
lichen Zeiten  beträgt  die  Garnison  durchschnittlich  4000  Mann.  Das  Arsenal 
ist  reich  ausgerüstet.  Eine  Cadettenschule,  ein  Militärcasino  und  dei^^leichen 
Anstalten  erhöhen  die  militärische  Physiognomie  der  Stadt.  Bitolia's  Haupt- 
bevölkerung besteht  aus  Türken  und  Zinzaren,  d.  s.  makedonischen  Wa la- 
chen, welche  hier  wie  in  allen  benachbarten  Städten  den  Handel  beinahe 
monopolistisch  betreiben.  Im  VII.  Jahrgang  der  geographischen  Gesellschaft 
gab  ich  eine  eingehende  Charakteristik  dieses  durch  Vergangenheit  und  Gegen- 
wart höchst  merkwürdigen  Volkes.  Zu  Bitolia  und  auch  in  dem  ns^en,  durch 
seine  Augustmesse  commercial  sehr  bedeutenden  Prilip  füllen  noch  österrei- 
chische Waren  die  Bazare.    In  den  südlicheren  Städten   können  sie  aber  mit 


*)  In  Kiei)ert's  neuester  Höhenkarte  von  Griechenland   finden  wir  seine 
Höhe  mit  1950  M^tres  angegeben. 

B  i  1 0 1  i  a  ist  ein  Platz  von  hervorragend  militärisch-commercieller  Bedeutung. 


279 

den  Ton  der  See  her  eingeführten   englisch-französifichen  Fabricaten  die  Con- 
Gurrenz  nicht  bestehen. 

Von  der  türkischen  Bevölkerung  Monastir's  erzählt  uns  Tozer,  dass 
sie  ebenso  indolent  als  fanatisch  sei.  Es  ist  noch  gar  nicht  so  lange,  dass 
selbst  christliche  Frauen  und  selbst  jene  der  Gonsuln  sich  nur  verschleiert 
auf  der  Straße  zeigen  durften.  Im  Gegensatze  zu  den  Engländern  Brophy  und 
St.  Glaire,  welche  jüngst  ein  Pamphlet  gegen  das  Bulgarenvolk  veröffent- 
lichten, beurtheilt  Tozer  dasselbe  mit  grobem  Wohlwollen.  Die  Bulgaren  nennt 
er  den  ehrlichsten,  fleißigsten  und  zukunftsreichsten  Theil  der 
Bevölkerung  der  europäischen  Türkei.  Ihr  rascherer  geistiger  und  materieller 
Aufschwung  werde  nur  durch  das  unföhige  türkische  Regiment  und  den  cor- 
rumpierten  fanariotisch-griechischen  Clerus  verhindert.  Alles,  was  er  in  dieser 
Richtung  sagt,  stimmt  vollkommen  mit  meinen  auf  vieljährigen  Reisen  gewon- 
nenen Ansichten  überein  und  es  gereicht  mir  zur  nicht  geringen  Genugthuung 
meine  in  den  „Bulgarischen  Fragmenten^  schon  vor  Jahren  niedergelegten 
Studien  über  das  Bulgarenvolk  und  dessen  Beziehungen  zu  dem  herrschenden 
türkisch-fanariotischen  Element,  von  einem  ebenso  gründlichen  als  vorurtheils- 
freien  Beobachter,  wie  es  Tozer  ist,  bekräftigt  zu  sehen. 

Von  Bitolia  aus  besuchte  Tozer  den  See  von  Ochrida,  er  berührte 
Struga,  von  dem  er  einen  wahrscheinlich  von  Hahn  übersehenen  zweispra- 
chigen Inshhriftstein  mittheilt  und  zog  von  dort  über  Elbassan,  Berat  und 
Argyro- Castro  nach  Corfu.  In  Montenegro  verweilte  er  im  J.  1865. 
Sehr  interessant  sind  seine  Schilderungen  des  Miriditenlandes  und  der 
Residenz  seines  Prinzen  Prenk  Bib  Doda,  den  er  zu  Oros  besuchte.  Ueber 
Prisrend  und  Skopia  kehrte  Tozer  wieder  nach  Salonik  zurück,  um  von 
dort  aus  das  classische  Hochland  Thessaliens  vom  Olympos  bis  zum  Ache- 
rou  zu  durchwandern.  Ihm  ist  der  zweite  Band  des  Werkes  gewidmet.  Ich 
gedenke  auf  denselben  ausführlicher  zurückzukommen. 

Tozer's  Buch  ist  eine  Quelle  der  Unterhaltung  und  Belehrung,  es  ge- 
reicht der  Gründlichkeit  seines  Autors  zur  vollsten  Ehre. 

F.  Eanitz. 


Notizen. 

Baker's  Exi^editton.  Aus  einem  Privatbriefe  (Chartum  19.  Februar 
1870)  entnehmen  wir  folgendes:  „Baker's  Unternehmung  ist  abgesehen  von 
dem  wissenschaftlichen  Interesse  schon  des  großen  Maßstabes  wegen,  nach 
welchem  sie  durchgeführt  werden  soll,  wichtig  ffenug,  davon  Kenntnis  zu 
haben.  Backer  reiste  nach  einem  monatlichen  Aufenthalt  am  8.  Februar  mit 
dem  ersten  Train  seiner  Expedition,  bestehend  aus  500  Mann  Soldaten, 
Kanonen,  Pferden,  2  Dampfschiffen  und  ungefähr  30  Nilbarken  von  hier  ab. 
Er  führt  unter  andern  transportable  Häuser,  Hängebrücken  und  drei  transpor- 
table Damjpfschiffe  mit  sich,  welche  letztere  in  die  einzelnen  Bestandtheile 
zerlegt,  jenseits  der  Gataracte  am  vierten  Grade  zusammengestellt  und 
dann  am  Fluss  und  Albert  Nyansa  verwendet  werden  sollen.  An  der  Aus- 
rüstung geht  nichts  ab,  weil  es  auch  an  Geld  nicht  fehlt.  Tausend  Mann 
regulärer  Truppen  werden  nachfolgen.  Die  5  Flussdampfer  und  16  Dahabien,  die 
im  Juli  1869  von  Cairo  abgiengen,  und  welche  Baker  hier  zu  finden  hoffte, 
haben  das  Hochwasser  verpasst  und  stecken  noch  im  Phellal  von  Dongola. 
Durch  diese  Expedition  tritt  Mittelafrica  in  eine  neue  Epoche,  es  ist  dies  der 
Anfang  einer  staatsrechtlichen  Ordnung  und  Sicherheit,  und  nach  dem  Plane 
Baker's  auch  der  Civilisation.  Fortan  muß  eine  fortlaufende  Communication 
zwischen  hier  und  dem  Aequator  unterhalten  werden,  wozu  9  Dampf- 
schiffe zur  Verfügung  stehen;  die  unerforschten  Ländergebiete  werden 
zugänglicher  und  in  Folge  dessen  auch  öconomischer  und  naturhistorisch 
nach  und  nach  ausgebeutet  werden.  Der  Telegraph  arbeitet  bereits  seit 
einigen  Tagen   in  der  Station  Chartum,    und    wenn   es  wahr  ist,    wie  wir 


280 

hören,   dass  man  im  Wadi  Haifa  bereits  anftngt  die  Gatacacte   za   sprengea, 
dann  Heil  dir  mein  Sudan  !^ 

Arnst  Mamo.  Aus  Chartom  liegen  uns  Briefe  von  uiiBerm  Consiii  Heim 
Hansal  und  von  Herrn  Ernst  Marno  vor.  Ereterer  schreibt  unter  19.  Februar: 
yyUnser  Landsmann  Ernst  Marno,  welcher  sich  nur  14  Tage  hier  aufhielt,  ist, 
nachdem  sein  Wunsch,  mit  Baker  zu  gehen,  nicht  erfüllt  wurde,  am  31.  J&nner 
auf  dem  blauen  Fluss  abgegangen.  Wir  hatten  das  Glück,  ihm  ein  Schiff 
um  die  Bagatelle  von  4Vs  Thalem  bis  Earkody  zu  besorgen.  Von  dorther 
erwarte  ich  Nachricht  von  ihm;  Er  wird  versuchen  über  Fadassi  zu  den 
Galla,  oder  wenn  das  nicht  möglich  ist,  über  Djebelguli  an  den  So  bat  yot- 
zudringen.  Sein  Muth  und  seine  Begeisterung  übertrifft  die  meisten  der  For- 
schungsreisenden, die  ich  in  Sudan  kennen  gelernt  habe.  Der  Generalgouver- 
neur und  ich  haben  ihn  mit  vielen  ämtlichen  und  privaten  Empfehlungsbriefen 
bis  an  die  Grenze  des  egyptischen  Reiches  versehen.  Auch  habe  ich  ihm  einen 
practischen  und  landeskundigen  Diener  besorgt,  der  ihm  treu  zur  Seite  stehen 
wird." 

Herr  Marno  selbst  (Chartum  28.  J&nüer  1870)  schreibt:  Ich  gieng  von 
Cairo  mittels  Dahabie,  den  kleinen  Schellahl  von  Assuan  passierend  nach 
Wadi  Haifa,  von  hier  mit  Eameelen  am  östlichen  Ufer  des  Nil  (jedoch  nicht 
in  der  Nähe  desselben,  sondern  einen  meines  Wissens  noch  unbekannten  Weg) 
durch  die  Butn  el  Hadjar,  Dar  Sukkuh  und  Mahass  nach  Dongala, 
von  hier  zu  Barke  nach  Dabbeh  und  durchschnitt  von  diesem  Orte  die 
westliche  Bajuda  (seinen  Bericht  über  diese  Beise  siehe  im  Hauptblatt). 
Am  15.  Jänner  kam  ich  in  Chartum  gesund  und  wohl  an,  und  wurde  von 
unserm  Gonsul Herrn  Hansal  auf  das  liebenswürdigste  und  freundlichste  auf- 
genommen. 

Baker  liegt  mit  seiner  Flotte  noch  hier  und  dürfte,  wenn  er  nicht 
bald  fortkommt,  vor  der  nächsten  Regenzeit  kaum  viel  erreichen.  Ich  wurde 
ihm  von  Herrn  Hansal  vorgestellt,  aber  alle  Bemühungen,  mich  an  seiner 
Exjpedition  zu  betheiligen,  scheiterten.  Er  wolle  durchaus  keinen  Europäer 
auüer  seinem  Neffen  und  dem  Doctor  bei  sich  haben.  Falls  ich  aber  nächstes 
Jahr  (wenn  er  in  den  Landen  oberhalb  Gondokoro  Ordnung  gemacht  hat)  ihm 
folgen  wolle,  so  werde  er  mich  mit  Vergnügen  aufnehmen.  Dies  seine  eigrenen 
Worte.  Ich  werde  also  meinen  schon  in  Europa  gefassten  Plan  hier  weiter 
verfolgen  und  am  blauen  Nil  so  weit  als  möglich  nach  Süden  gehen  und  von 
da  nach  Osten  zu  kommen  suchen.  Man  gibt  mir  hier  alle  Homung,  bis  Ben! 
Schangol  und  Fadasi  am  Jabus  gelangen  zu  können  und  meint,  dass 
ich  von  dort,  wenn  die  Stämme  der  Gralla  nicht  im  Kriege  sind,  in  ihre  Län- 
der kommen  kann.  Ich  würde  also  von  Fadasi  vielleicht  nach  Saka  oder 
Bonga,  von  da  über  Ankuber  nach  Berbera  oder  Seila  am  Meerbusen 
von  Aden  gelangen.  Ist  ein  Vordringen  nach  Südost  unmöglich,  so  gehe  ich 
nach  Gebel  Ghule,  um  zu  sehen,  ob  ich  nicht  bei  Crelegenheit  einer  Ghazawa, 
welche  Schech  Idris  alle  Jahre  gegen  die  Dinka  macht,  zum  Sobat  und 
an  den  weißen  Nil  in  südwestlicher  Richtung  gelangen  kann.  Von  hier  aus 
ist  es  unmöglich  bestimmteres  zu  sagen,  die  Umstände  und  Verhältnisse  müssen 
meine  weitere  Reise  regeln.  Dank  der  unermüdlichen  Freundlichkeit  des 
Herrn  Hansal  dürfte  ich  sehr  wahrscheinlich  die  ersten  Tage  der  nächsten 
Woche  von  hier  weggehen,  und  zwar  mittels  Barke  den  blauen  Nil  aufwärts 
bis  Karkody  (Karlois  der  Karten).  Von  dort  gehe  ich  mit  Kameelen  nach 
Rose  res.  Was  weiter  geschieht,  ist  ungewiss.  Jedenfalls  lasse  ich  von  diesem 
Punkt  Nachricht  nach  Europa  gelangen,  die,  wenn  ich  das  Glück  haben  sollte, 
in  die  Gallaländer  einzudringen,  wtäirscheinlich  auf  lange  Zeit  die  letzte  sein 
wird." 

Ble  LSsuBg  der  Nilfnge.  unter  diesem  Titel  gibt  der  bekannte  Reisende 
Charles  Beke  im  »AthenaeumM  (5.  März  1870)  eine  Beleuchtung  der  bisherigen 
Ansichten  Ober  die  Quellen  des  Nil  und  macht  dabei  mit  sehr  plausibeln 
Gründen  eine  Anschauung  geltend,  die  von  allem  bisherigen  abweicht  und 
ganz  geeignet  ist,  der  i^rschung  in  der  nächsten  Zeil  eine  neue  Bahn 
su  weisen.  Wir  geben  das  wesentliche   ans   seinem   längern  Auluta   mit  den 


281 

Worten  der  Angab.  Allg.  Zeitang,    die  den  Gegenstand   ans    der  Feder  eines 
Fachmannes  bespricht. 

Nach  der  Ansicht  Beke's  liegt  die  große  WaBserscheide  von  Sttdafrica, 
welche  die  Ströme  dem  atlantischen  und  indischen  Ocean  wie  dem  Mittelmeer 
znsendet,  75  deutsdie  Meilen  von  der  Westküste,  von  Benguela,  entfernt  im 
Innern.  Dort  dehnen  sich  über  mehrere  Grade  von  Norden  nach  Süden  die 
Urwälder  von  Olo-Vihenda  ans,  welche  die  Kibokoe-Gebirge,  einen  Zweig  der 
Mossamba-Eette  bedecken.  Von  dort  strömen  nach  allen  Seiten  die  Gewässer 
hinab,  dort  ist  das  große  Hydrophylakion. 

Nach  Westen  dem  Atlautischen  Ocean  zu  fließt  der  Congo  oder  Zaire, 
der  Knanza  und  Kunene ;  nach  Süden  der  Cuito-Cubango ,  der  als  Okavango 
sich  verliert;  nach  Osten  der  Lungebungo,  ein  Hauptquellarm  des  Liambai 
oder  Sambesi,  nach  Norden  der  Kassavi  oder  Lole.  und  dieser  Kassa  vi  ist 
nach  Beke  nichts  anderes  als  der  Quellstrom  des  Nils. 

Auf  unsern  jetzigen  Karten  freilich  steht  dieser  Kassavi  mit  dem  Congo 
in  Terbindung,  gehört  also  dem  System  des  Atlantischen  Oceans  au.  Allein 
diese  Verbindung  des  Kassavi  und  Congo  ist  eine  höchst  problematische,  und 
keinesfalls  ist  ein  Reisender  ihn  abwärts  gegangen  und  hat  seinen  Zusammen- 
fluss  mit  dem  Congo  constatiert.  Ueber  den  Kassavi  berichten  zwei  Reisende, 
Livingstone  und  der  Ungar  Ladislaus  Magyar.  Liviogstone  kreuate  ihn, 
als  er  aus  dem  Makololo-Lande  kommend,  nach  Loanda  an  der  portugiesischen 
Westküste  zog,  am  27.  Februar  1854,  etwa  165  Miles  von  der  Küste  entfernt.  Er 
nimmt  an,  dass  der  Fluss,  nach  einem  zunächst  nördlichen  Lauf,  sich  nach 
Nordwesten  umbiege  und  in  westlicher  Richtung  dem  Co.ugo  zuströme.  Das 
war  die  bisher  allgemein  gültige  Ansicht,  die  auch  auf  den  Karten  «graphisch 
dargestellt  wurde. 

Eine  ganz  andere  Darstellung  gibt  aber  der  erwähnte,  leider  zu  früh 
verstorbene  ungarische  Reisende.  Ladislaus  Magyar  folgte  dem  Kassavi  auf 
seinem  linken  Ufer  viel  weiter  nach  Norden  als  Livingstone,  bis  nach  Jah- 
Quilem,  jenseit  des  7.  Grads  südlicher  Breite,  und  unterhalb  dieses  Punkts, 
sagt  er,  nimmt  der  Kassavi  eine  östliche  Richtung  an  nnd  wird,  nach  den 
Berichten  der  Eingebomen,  immer  größer  und  mächtiger,  so  das  er  sogar 
Wellen  schlägt,  welche  der  Schiffiiahrt  gefährlich  werden.  Er  erreicht  dann 
den  ausgehnten  See  Mou  va  oder  Uhanja  (Nhanja?).DaB  ist  die  Stelle,  worauf 
Beke  seine  Hypothese  baut,  auf  einen  von  Livingstone's  Angaben  also  voll- 
ständig abweichenden ,  entgegengesetzten  Bericht  -Wäre  der  ungarische  Rei- 
sende am  Leben  geblieben,  und  hätte  er  Bakers  Albertsee  gekannt,  er  würde 
diesen  zum  Aufiiahmebecken  des  Kassavi  gemacht  nnd  so  das  Nilproblem  ger 
löat  haben,  statt  mit  Hülfe  seiner  Materialien  mir  die  Lösung  zu  überlassen. 
Aber  anch  ich  würde  nicht  so  glücklich  gewesen  sein,  wäre  mir  jetzt 
nicht  Dr.  Livingstone's  neue  Nachricht  kund  geworden,  welche  mich  ver- 
anlasste, seine  und  anderer  Reisenden  ürühere  Berichte  durchzugehen.  Ich 
finde,  dass  die Thatsacbeu  so  liegen:  Ladislaus  Magyar  folgte  dem  Laufe  des 
Kassavi  nordwärts  bis  %"*  30'  südl.  Br.  ungefähr  unter  2Z^  östl.  L.  v.  Gr.  Sir 
Samuel  Baker  lässt  seinen  Albertsee  sich  südlich  bis  etwa  2®  südl.  Br.  und 
28®  30'  östl.  L.  erstrecken.  Zwischen  diesen  beiden  Punkten  ist  ein  Zwischen- 
raum von  etwa  SOO  geographischen  *)  Meilen  in  gerader  Linie,  welcher  über- 
brückt werden  muß.  Aber  diese  Distanz  wird  von  den  Forschern  auf  jedem 
Ende  selbst  abgektlrzt.  Dem  einen  (Magyar)  im  Süden  wurde  gesagt,  dass  der 
Kassavi  östlich  in  den  »Nhanja»  fällt;  dem  andern  (Baker)  im  Norden  wurde 
mitgetheilt,  dass  der  «Nyanza«  von  Westen  komme,  in  welcher  Richtung  seine 
Ausdehnung  unbekannt  sei«  Und  nun  kommt  der  Erforscher  des  Chambeze 
(Livingstone)  zwischen  beide  und  ersetzt  fast  alles  was  noch  fehlte,  um  die 
Verbindung  des  Kassavi  und  des  Albertsees  zu  einer  augenscheinlichen  That- 
sache  zu  machen.  Zunächst  hat  Dr.  Livingstone  darge^an,  dass  der  Chambeze, 
dessen  Quellen  er  zwischen    10  und    12®  Grad   süal.  Br.  entdeckte,  nicht  mit 


*)  Das  ist  ein  Irrthum.    Der  Zwischenraum  beträgt   etwa  SOG  nautische 
oder  Seemeüen  (60  auf  1  Grad).  D.  £. 


282 

dem  mehr  Bttdlichen  Sambesi-Fluss  im  Zasammenhang  stehe,  sondern  einen 
eigenen  Lauf  habe.  Ist  das  der  Fall,  dann  muss  der  Ghambese  entweder  der 
obere  Lauf  des  Congo  oder  des  Nil  sein.  £s  ist  auch  eine  von  dem  schot- 
tischen Reis-  nden  festgest-ellte  Thatsache,  dass  das  ßett  des  Ghambeze  eine 
absolute  Höhe  von  300  engl.  Fuß  besitzt.  Aber  ebenso  ist  es  Thatsache^  dass 
die  Wasserscheide  im  Westen,  an  welcher  sowol  die  Quellen  des  Gongo  als 
des  Sambesi  sich  befinden,  höher  als  3000  engl.  Fuß  liegt,  und  da  es  sich 
ferner  ergibt,  dass  diese  Wasserscheide  nordwärts  entlang  dem  20.  Meridian 
oder  so  herum  fortsetzt  —  so  wird  es  fQr  den  Ghambeze  physisch  onmöglicfa 
sich  mit  dem  Oongo  oder  irgend  einem  andern  Fluss  der  Westküste  Africa's 
zu  vereinigen;  er  kann  also  nur  in  den  Nil  flit'ßen.  Ferner  hat  Dr.  Living* 
stone  nachgewiesen,  dass  der  Ghambeze,  nachdem  er  durch  verschiedene  Seen 
geflossen,  und  zuerst  den  Namen  Luapula,  dann  Lualaba  angenommen,  sich  in 
nordwestlicher  Richtung  nach  Ulenge  im  Lande  westlich  vom  Tangaujika-See 
wendet,  und  dass  die  Gewässer  von  Ulenge  alle  vom  Lufira  aufgesammelt 
werden,  einem  mächtigen  Strome,  der  mittels  verschiedener  Zuflüsse  die  West- 
seite der  großen  Thalebene  südlich  vom  Tanganjika  bewässert,  wie  der  Gham- 
beze deren  östliche  Seite;  auch  wurde  er  berichtet,  dass  der  Lufira  dann  in 
den  Ghowambe-See  fließt,  welchen  er  zuerst  für  Bakers  Albert  hält,  aber 
jetzt  —  wenn  ich  seinen  letzten  Brief  recht  verstehe  —  für  einen  noch  unbe- 
suchten See  im  Südwesten  von  Udschidschi  betrachtet.«« 

"Das  wahre  Haupt  des  Nils,«  schließt  Beke,  »der  Kassavi,  liegt  zwischen 
11°  30'  und  12«  südl.  Br.,  und  in  etwa  18*>  oder  19«  öotl.  L.  v.  Gr.  gerade 
östlich  von  Port  St.  Philip  in  Benguela  an  der  afiricanischen  Westküste  und 
300  ffeographische  (richtiger  nautische)  Meilen  vom  Atlantischen  Ocean.  Dieser 
wunderläre  Fluss,  der  längste  in  der  Welt,  erstreckt  sich  demgemäß  über 
43  Breitengrade,  oder,  wenn  seine  Diagonale  gemessen  wird,  über  ein  Achtel 
des  ganzen  Erdumfangs.»  Bestätigt  sich  Beke's  Hypothese,  dann  wäre  aller 
dings  der  Amazonenstrom  entthront. 

Fllr  Sibirien  und  das  Amurland  werden  wichtige  Ver waltun gs  reformen 
vorbereitet.  Das  General-Gouvernement  von  Westsibirien  soll  aufgelöst  werden 
und  das  Gouvernement  Tobolsk  zu  einem  selbststäudigen,  der  unmittelbaren 
Aufsicht  des  Ministeriums  unterliegenden  Verwaltungsbezirk  erhoben,  das 
Gouvernement  Tomsk  aber  mit  dem  General-Gouvernement  von  Gstsibirien 
vereinigt  werden.  In  Betreff  der  beiden  ebenfalls  zu  Westsibirien  gehörigen 
Eirgisenbezirke  ist  noch  keine  definitive  Entscheidung  getroffen,  doch  ist  ihre 
Vereinigung  mit  dem  General-Gouvernement  von  Urenburg  in  Aussicht  ge- 
nommen. Die  zum  General-Gouvernement  von  Ostsibirien  gehörigen  Goaver- 
nements  Irkutsk.  Jeniseysk  und  Tomsk,  sowie  der  Jakutenbezirk  und  die  Be- 
zirke des  Baik«u,  des  Amur  und  der  Meeresküste,  sollen  zu  einem  neuen 
General-Gouvernement  vereinigt  werden,  zu  dessen  Sitz  Strietensk  oder  Bla- 
gowieschtschensk  bestimmt  ist.  In  den  Sitz  des  neuen  General-Gouvernements 
soll  auch  die  Verwaltung  des  Militärbezirks  von  Ostsibirien  verlegt  werden. 
In  Bezug  auf  das  Amurland  ist  endlich  die  Verlegung  des  Nikolai-Hafens 
nach  Wladiwostok  projectiert.  Man  sieht,  dass  die  beabsichtigte  Verwaltongs- 
reform  vorzugsweise  die  Vereinigung'  des  Amurlandes  mit  Gstsibirien  beawedkt. 

Expedition  in  das  slidSstliehe  Rnssland.  Nachdem  erst  in  der  letzten 
(4.)  Nummer  unserer  MittheUungen  über  die  wichtigen  Resultatate  der  rassi- 
schen Amur-Expedition  berichtet  worden  ist,  erhalten  wir  soeben  Nachricht 
von  einer  neuen  großen  Expedition  der  kais.  russischen  geographischen  Gesell- 
schaft durch  Herrn  Dr.  Sievers  aus  St.  Petersburg,  welcher  sich  selbst  der- 
selben anschließen  wird.  Diese  Expedition,  welche  unter  der  Fühning  des 
bekannten  Amur  -  Reisenden  Rad  de  steht,  hat  zur  Aufgabe  eine  genauere 
geographische  Durchforschung  des  Kaucasus  und  speciell  des  gegen  die 
persische  Grenze  gelegenen  armenischen  Hochlandes. 

Herr  Dr.  Sievers,  welcher  während  der  letzten  Jahre  sich  in  Heidelbei^ 
und  Würzburg  speciell  mit  dem  Studium  der  Geologie  und  der  verwandten 
Wissenschaften  beschäftigt  hat,  benutzte  seinen  kurzen  Aufenthalt  in  Wien 
auf  der  Durchreise  vor  dem  Anschluss  an  jene  Expedition,  um  sich  im  Museum 


283 

der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  mit  den  jnteiressanteBten  Yorkommnissen 
ans  jenen  Fonnationen  des  östlichen  Theiles  unserer  Monarchie,  deren  Analoga 
nach  Abich's  Forschungen  in  den  von  dieser  Expdition  zu  berührenden  Ge- 
bieten vorzugsweise  zu  erwarten  sind,  aus  eigener  Anschauung  bekannt  zu 
BMchen.  Es  steht  also  zu  hoffen,  dass  auch  diese  neue  Expedition  der  Petersburger 
geographischen  Gesellschaft  sowol  in  geographischer,  als  in  naturwissenschaft- 
licher Beziehung   zu  interressanten    und  wertvollen  Ergebnissen   führen  wird. 

Dr.  Schi. 

IMe  Jagd  im  Eismeere.  Seit  einigen  Jahren  pflegen  jährlich  von 
Hammerfest  ans  Expeditionen  nach  Spitzbergen  und  Nowaja  Semlä  auf  Fang 
von  Walrossen,  Seehunden,  weiüen  Bären  u.  s.  w.  ausgerüstet  zu  werden. 
ürBprünglich  beschränkten  sie  sich  auf  Spitzbergen.  Da  jedoch  die  Zahl  der 
Jäger  stätig  zu-,  jene  der  zu  jagenden  Thiere  in  demselben  Verhältnis  ab- 
nahm, so  verfiel  ein  Schiffsrheder  in  Hammerfest  darauf,  diese  Expeditionen 
mehr  nach  Osten  hin  auszudehnen,  wo  sich  nach  Aussage  der  Russen  mehr 
Thiere  befanden.  Der  Erfolg  rechtfertigte  die  Erwartungen  und  munterte  zu 
neuen  Expeditionen  auf.  Im  Jahre  1869  wurden  27  Schiffe  mit  407  Commerz- 
lasten und  268  Mann  Besatzung  ausgerüstet,  wovon  4  Schiffe  verunglückten, 
während  die  Mannschaft  gerettet  wurde.  Die  übrigen  23  Fahrzeuge  erzielten 
eine  Beute  von 

303.064  Pfund  Walrosshäuten, 
43.834  Kobbenfellen, 

1933  Tonnen  Thran, 
41.760  Pfund  gesalzenen  Speck, 
2625  Pfund  Walrosszähnen  und 
41  weißen  Bären, 
außer  einigen  Kleinigkeiten  Dunen  und  Kennthierfleisch ,   was   zusammen  auf 
44-778  Speciesthaler  taxiert  wurde. 

Da  ein  Theil  der  Fahrzeuge,  welche  im  vorigen  Jahre  zur  Bankfischerei 
aasgerüstet  waren,  heuer  zu  Eismeer-Expeditionen  abgesandt  wurde,  so  waren 
die  erstem  nicht  zo  zahlreich  als  im  Vorjahre  und  ein  Fahrzeug  verschwand 
spurlos.  Die  Ausbeute  derselben  (32  Fahrzeuge  mit  einer  Tra(^ähigkeit  von 
438  Commerzlasten  und  200  Mann  Besatzung)  belief  sich  auf  4859  Tonnen 
Lieber  im  Wert  von  29.041  Speciesthaler n.  Außerdem  waren  noch  7  Fahrzeuge 
mit  72' ,  Commerzlasten  und  36  Mann  Besatzung  ohne  bestimmtes  Ziel  auf 
Fang  ausgesandt,  welche  eine  Beute  im  Wert  von  2716  Speciesthalern  machten. 
Zusammen  waren  also  in  diesem  Jahre  von  Hammerfest  66  Fahrzeuge  mit 
917  Vs  Commerzlasten  Trag&higkeit  und  504  Mann  Besatzung  ausgesandt, 
welche  der  Rhederei  einen  Brutto-Ertrag  von  76.537  Speciesthalern  nach 
Hause  brachten.  (Bremer  Handelsblatt.) 


Bücher  und  Karten, 

««Ich«  thefls  lis  Geschenk,  thells  im  Wege  des  Schriftentausches  an  die  !<.  k,  geographische  Gesellschaft 

gelangt  sind. 

Vom  1.   October  1869  bis  Ende  Jänner  1870. 

Die  Geschenksexemplare  sind  mit  '*'  bezeichnet. 

Agram.  Arkiv  za  povjestnicu  Jugoslavensku  IX.  X.  1868/9. 

—   Gospodarsko  list,  Zeitschrift  1869. 

Altona.  Zeitschrift  für  populäre  Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der 
Astronomie  ni.  4.  1869. 

Amsterdam.  Gaarboek  van  de  k.  Akademie  der  Wetenschapen 
f&r  1868. 


S84 

Amsterdam.    Yeralagen   en   mededeelingen   der    k.  Akademie   vaa 
wetenBchupen.  n.  3.  1869. 

—  PFocessen-verba]  van  de  gewone  vergaderinger  der  k.  Akademie  Ton 
Mai  1868  bis  April  1869. 

Augsbar g.    XXXIII.  Jahresbericht  des  historischen  Kreis-YereioB  im 
Regierungsbezirke  von  Schwaben  und  Nenburg.  1867. 

Auxerre.   Bulletin  des  sciences  historiques  et  naturelles  de  PYonne. 
XXra.  1869. 

Belgrad.  Gatalog  der  UniversiUts-Bibliothek  v.  J.  1741—1867. 

—  Petranoviö  Boguljub.  Serbische  Nationallieder  aas  Bosnien  in  Her- 
zegowina. 1867. 

—  1.  Serbische  Zeitschrift  der  serb.  gelehrten  Gesellschaft  zn  Belgrad. 
I-IV.  1865-1868. 

—  Statistik  von  Serbien  von  Jakschitsch  serb.  1.  und  2.  Heft  1857 
und  ni.  1869. 

Berlfn.  Zeitschrift  für  die  gesammten  Naturwissenschaften.  XXXI.  und 
XXXn.  1868. 

—  Zeitschrift  des  k.  preußischen  statistischen  Bureau's.  IX.  7-9.  1869. 

—  Protokolle    der   Verhandlungen    der   permanenten    Commission    der 
europäischen  Gradmessung.  1869. 

—  Zeitschreift  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft.  XXI.  4.  1869. 

Bologna.  Memorie  delP accademia  delle  scienze.  Serie  H.  IX.  1.  1869. 

Bombay.  Transactions  of  the  Bombay  geographical  society!  I— XYH 
von  1844-1868. 

—  Index  of  the  first  17  volames  of  the  geographical  sodety's  trans- 
actions. 1869. 

Breslau.  XL  VI.  Jahresbericht  der  schlesischen  Gesellschaft  für  vater- 
l&ndische  Gultur.  1869. 

—  Abhandlungen  der  schles.  Gesellschaft  für  vaterl.  Gultur  (Abtheilung 
für  Naturwissenschaft  und  Medicin.  -  1868/9.  Philos.  historische  Abth.  1868.  2. 
and  1869.  1. 

Brunn.  Landwirtschaftliche  Zeitschrift.  10.  IE.  24. 

—  Mittheiiungen  der  k.  k.  mfthr.  schles.  Gesellschaft  fOr  Ackerbau. 
1869.  50.  52.  1870.  1-5. 

—  Verhandlungen  des  naturforsch.  Vereins  in  B.  VII.  1869. 

Brüssel.  Bulletins  de  l'academie  royale  des  sciences.  XXV  und 
XXVI.  1868. 

—  Aennuaire  de  l'academie  royale.  1869. 

—  Academie  r.  de  Belgique;  extrait  du  tome  XXVH  memoires. 

—  Annales  meteorologiques  de  PObservatoire  royale  de  Bruxelles. 
n.  1868. 

—  Gatalogue  de  tablaux  des  ^coles  anciennes  par  Vergauwen.  1869. 

Gatania.  Atti  delP  accademia  Gioenia  in  scienze  naturali  di  G.  II. 
m.  1868/9. 

—  Relazione  dei  lavori  scientific!  delP  accademia  Gioenia.  1—3. 

—  Elogio  accademico  del  Prof.  Gav.  Garlo  Gemmelaro  letto  dal  Dott. 
Aradas.  1869. 

^Gramer  Prof.  üeber  einige  Meteorstaubfälle  und  über  den  Sahiraaand. 
Zürich  1869. 

Dessau.  Verhandlungen  des  naturhistorischen  Vereins  für  Anhalt 
28.  Bericht.  1870. 

Dresden.    Jsis.  Jahrgang  1869.  7—9. 

^Entwurf  einer  Karte  über  die  Geschichte  der  Flüsse  und  Seen  in 
Schweiz.  11  Blätter.  Winterthur,  Wurster  et  Gomp.  1869. 

*Fellöcker  S.  F.  Geschichte  der  Sternwarte  der  Benedictiner-Abtei 
Kremsmünster.  Linz  1864. 

FrankfurtaM.  Der  zoologische  Gvten.   Zeitschrift  X.  8-12.  18(>9. 

—  Jahresbericht  des  FzaiMirter  Vereins  für  Geographie  und  Statistik. 
XXXII. 


285 

"^Goedel-Lannoy.  Notizen  zur  Orientienmg  in  den  durch  den  Suez- 
G&nal  erschlossenen  westasiatischen  und  ostafricanischen  Handelsgehieten. 
Triest  1869. 

Görlitz.    Neues  Lansitzisches  Magazin.  XLVL  1.  2.  1869. 

Görz.  Atti  e  memorie  delP  i.  r.  8ociet4  agraria.  VIII.  22.  23.  24. 

Graz.    Der  steirische  Landhote.  U.  24.  25.  in.  1.  2. 

Hildbnrgshausen.  Ergänzungsblattes  IV.  12.  1869.  1-4.  1870. 

'^Karte  (Generalstabs- )  von  Ungarn,  Umgebung  von  Csacza,  Sillein  und 
Pnchow,  Trsztenna  und  Namesto,  Rosenberg  und  Kubin,  Neusohl  und  Bi^s, 
Altsohl.  6  Bl&tter.  Wien  1869. 

*Earte  Amsterdam  Nordsee-Ganal.  Plan  van  het  kanaal  door  Holland  op 
zjn  smalst  met  de  spoorweg-verbinding  van  Zandam  naar  Amsterdam.  1869. 

♦Karte  zur  Reise  von  Serajevo  zum  Dormitor  von  C.  Sax,  Original.  1869. 

Klagenfurt.  Mittheilungen  über  Gegenstand  der  Land-,  Forst-  und 
Hausirirtschaft.  XXVI.  1869.  XXVn.  1.  2. 

Klausenburg.  Mittheüungen  der  Gegenstände  der  Land-,  Forst- 
und  Hauswirtschaft.  1869.  23. 

♦Kofiska  Dr.  Prof.  Die  Arbeiten  der  topographischen  Abtheilung  der 
Landesbeschreibung  von  Böhmen.  Prag.- 1869. 

Köln  und  Leipzig.  Gaea.  Y.  8-9.  1869. 

Kopenhagen.  0 versigt  over  det  k.  danske  Videnskabemes  Selskabs 
forhandlinger.  1867.  6.  7.  1868.  1-4.  1869.  1. 

*Külh  Ph.  H.  Bibliothek  geographischer  Reisen  und  Entdeckungen 
älterer  und  neuerer  Zeit.  I~Y.  Jena.  1868/9. 

Laib  ach.    Mittheilungen  des  histor.  Vereins  für  Kndn.  XXIÜ.  1868. 

Lemberg.    Rolnik,  Zeitschrift.  V.  6.  1869.  VI.  I.  1870. 

Linz.  Landwirtschaftliche  Zeitschrift.    XHI.  23.  24.  XIV.  1.  2. 

London.    Proceedings  of  the  royal  geographical  society.  XHI.  4. 1869. 

—  Philosophical  transactions  of  the  royal  society  of  London  von 
1860-1869.  Nr.  150-159.  20  Bände. 

—  Proceedings  of  the  royal  society  of  London.  XI- XVH.  1860  -1869. 
Lyon.  Paris.    Annales  de  la  propagation  de  la   foie.  1870.  248. 
Mailand.    Atti  della  societä  Italiana  di  scienze  naturali.  XIII.  1869. 

~  Rendiconti  delP  reale  istituti  Lombarde  di  scienze  e  lettere.  Serie  H. 
Vol.  n.  12-16.  1869. 

—  Atti  della  fondazione  scientifica  Cagnola.  V.'  1.  1869. 

—  Memorie  del  reale  istituto  LomlMurdo  di  scienze  e  lettere  XI. 
Serie  ni.  2.  1869. 

Mons.  M^moires  et  publications  de  la  soci^t^  des  sciences,  des  art  et 
des  letteres  du  Hainaut.  Jahr  1867^—1869. 

Moskau.  Bulletin  de  la  societä  Imp.  des  naturalistes  de  M.  1869.  3. 
1870.  1. 

Müachen.    Zeitschrift  des  deutschen  Alpenvereins.  I.  1.  1869. 

Neuchatel.  Procös  verbal  de  la  VIH  s^ance  de  la  comission 
g^od^sique  Suisee.  1869. 

New  Haven.    Journal  of  the  American  oriental  society.  IX.  1.  1869. 

Palermo.  Bulletino  meteorologico  del  r.  osservatorio.  V.  10.  1869. 
Paris.    Revue  maritime  et  colonial  XXVIL  106.  108.  1869. 

—  Bulletin  de  la  soci^t^  de  g^ographie.  Oct.  Nov.  Dec.  1869. 
Petersburg.    Verhandlungen  der  milit-topogr.   Abtheilung  des  kais. 

mas.  Generalstabs.  XXIX.  XXX,  1868.^9. 

—  Mittheilungen  der  k.  russ.  geograph.  Gesellschaft  (russisch).  IV. 
2—8.  1869. 

—  Jahresbericht  der  k.  russ.  geographischen  Gesellschaft  für  das  J.  1867. 
(russ.  1868). 

—  Ausweis  der  kais.  russischen  geograph.  GteseUschaft  fOr  das  Jahr  1867 
vom  Secretair  Baron  Osten  Sacken,  russ.  1867  und  1868. 

—  Journal  der  k.  russ.  geogr.  Gesellschaft.  TL.  1869. 

—  Journal  der  militärisch-topographischen  Abtheilung  des  Generalstabs. 
XXIX  und  XXX.  russ.  1868/9. 

—  Bericht  über  die  sibirische  Expedition  (phys.  Theil;,  russisch.  1. 1868. 


286 

Petermann.    Mittheilungen.  IX-XH.  1869.  1870.  1. 
Peso  hei   Dr.    Das  Ausland,  öl.  52  Augsburg.  186^ 
Philadelphia.     The  Journal    of  the    £ranklin   Institute.    LXXYL 
511-516.  1868. 

Prag.  Centralblatt  der  gesammten  Landescultur.  1869.  12.  1870.  1. 

Regensburg.      Correspondenz-Blatt     des    zoologisch -mineralogischen 
Vereins.  XXIH.  1869. 

Rom.    Correspondenza  scientifica  in  Roma.  50.  51.  1869 

—  Anno  XXn.  Statione  meteorelogica  in  Roma   sul  Campidoglio.  1870. 

*Routen  in  Bosnien  von  Franz  Maurer  zusammengestellt,  von  Kiepert 
1869. 

♦Ruthner,  Dr.  von.  Aus  Tirol.  Berg-  und  Gletscher- Reisen.  Wien  1869.  s 

S  a  1  zb  u  rg.    Mittheilungen  der  Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde. 
IX.  1869. 

Toulouse.  M^moires  de  l'Academie  Imp.  des  sciences.  Serie  YII.  1. 1869. 

Tri  est.    Navagatione  nei  posti  Austriaci.  1868.  1869. 

—  L'Amigo  dei  campi.  Zeitschrift  1869.  11. 

Utrecht.    Brieven  en  onuitgeven  stukken  van  Job.  Wtenbogaert.  II. 
1618    1621.  1869. 

—  Kronijk  van  het  historisch  Genootschap  XXIY.  Y.  Ser.  4.  1869. 
De  Oorlogen  van  hertog  Albrecht  van  Beieren.  Neue  Serie  8.  1863. 
♦Yarnhagen  .F.    A.  de   Americo   Yespucci.    Lima    1865.   Le  premier 

voyage  de  Amerigo  Yespucci  d^finitivement  expliquö.  Lima  1865. 

Yenedig.    Atti  dell'  Atteneo  Yencto.  Serie  II.  Y.  4.  1869. 

—  Atti  dei  reale  instituto  Yenetio  di  scienze  lettere  ed  arti.  XIY.  10.  1869. 
XYI.  1870. 

Yerona.    Memorie   delP   accademia   d'agricoltura   commercio  ed  arti. 
LXIY  -  LXYI.  1866-1869. 

♦Yivien  de  St.  Martin.    L'ann^e  g^ographique.  YII.  1869. 

Washington.   Smithsonan  miscellaneous  collections.    194.  (zoologisch) 
1869. 

—  Annual  report  of  the  board  of  regents  of  the  Smithsoman  Institu- 
tion. 1868. 

Wernigerode.    Zeitschrift  des  Harzvereins  ftlr  Geschichte  und  Alter- 
thumskunde.  IL  4.  1869. 

Wien.    Jahrbuch  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt.  XIX.  Jahrg.  1869. 

—  Yerhandlungen   der   k.    k.  geologischen  Reichsanstalt.   1869.  1—18. 

—  Mittheilungen   der  k.    k.    Central-Commission  zur  Erforschung  und 
Erhaltung  der  Baudenkmale.  1870. 

—  Kaiserl.    Academie    der    Wissenschaften.    Sitzungsbericht.    XXXVI. 
XXYII.  1869. 

—  Anzeige  der  kais.  Academie  der  Wissenschaften,  math.-naturhistor. 
Classe.  YI.  1869. 

-  Zeitschrift   der   österreichischen  Gesellschaft   fttr   Meteorologie.  IV. 
1869. 

—  Mittheilungen  aus  dem  Gebiet  der  Statistik.  XYI.  3.  4.  1869. 

—  Landwirtschaftliches  Wochenblatt  des  k.   k.  Ackerbauministeriums. 
I.  14.  n.  1. 

—  Ausweise  Ober  den  auswärtigen  Handel  der  österreichisch-ungarischen 
Monarchie  im  J.  1868.  XXIX.  1870. 

—  Yerhandlungen  und  Mittheilungen  des  n.-ö.  Gewerbevereins.  ^X^^ 
36-40.  1869.  XXI.  1-6. 

*Zachariae  A.  Lehrbuch  der  Erdbeschreibung  in  nattLrl.  Yerbindong 
mit  Weltgeschichte,  Naturgeschichte  und  Technologie.  Leipzig  1869. 

(Fortsetzung  folgt.) 


287 


Honatssitzung  der  geographischen  Gesellechaft  am  8.  März  1870. 

Vorsitzender:  Prof.  Dr.  Ferd.  v.  Hochstetter. 

Als  neue  Mitglieder  werden  angemeldet  und  angenommen  die  Herren 
Jösef  Jire^ek  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien,  Friedrich  Mandeles  Secret&r 
der  Yersicherangs-Gesellschaft  -Donau"^  in  Wien  und  Alois  Beinstingel 
k.  k.  Oberlieutenant  in  der  Artülerie. 

Von  dem  Ehrenmitgliede  der  Gesellschaft  Herrn  Dr.  Peter  mann  ist 
in  Bezug  auf  eine,  seine  Karte  der  Türkei  betreffende  Stelle  in  den 
Mittheiluugen    folgende    Zuschrift    eingelaufen,   die   der    Vorsitzende  verliest. 

^In  der  mir  eben  zugekommenen  Nummer  der  Mittheilungen  Ihrer  geo- 
graphischen Gesellschaft  ist  auf  Seite  188  aus  einem  Schreiben  des  Herrn  Dr. 
Kiepert  an  Sie  folgender  Passus  mitgetheilt :'^ 

^Sie  werden  schon  aus  früheren  Abdrücken,  die  ich  Herrn  Ami  Bou4 
gelassen  hatte,  ersehen  haben,  wie  manches  noch  unveröffentlichte  (namentlich 
auch  russische  Material  ich  benutzen  konnte,  und  dass  hier  die  Hauptquelle 
liegt,  aus  der  Petermann  seine  reducierte  Karte  geschöpft  hat,  nachdem  ich 
ihm  bereits  vor  zwei  Jahren  Probedrucke  der  beiden  unteren  Blätter  mitgetheilt 
hatte.  Ich  theile  Ihnen  dies  mit,  weil  Sie  in  dem  Briefe,  der  im  12.  Heft  der 
geographischen  Mittheilungen  1869  abgedruckt  ist,  den  Wunsch  aussprechen, 
^u  erfahren,  woher  Petermann  das  Material  genommen  habe.'^ 

Es  ist  wahr,  dass  mir  mein  sehr  geschätzter  Freund  Dr.  Kiepert  am 
3.  April  1868  Abdrücke  von  den  zwei  südlichen  Blättern  seiner  Karte  in  sehr 
liebenswürdiger  Weise  mitgetheilt  hat,  nicht  ganze  Abdrücke,  sondern  bloü 
Stücke  davon,  auch  nicht  vollständige  Abdrücke,  sondern  ohne  Terrain,  ob 
corrigiert  oder  nicht,  das  weiü  ich  nicht.  —  Ich  schicke  Ihnen  dieselben  hier- 
mit zu.  Wh*  stehen  schon  seit  einer  langen  Beihe  von  Jahren  in  einem  freund- 
lichen Austausch  der  Art. 

Wenn  aber  in  dieser  brieflichen  Mittheiluug  die  Insinuation  gegeben 
werden  soll,  als  ob  ich  meine  Karte  der  europäischen  Türkei  (Stieler's  Hand- 
Atlas  38  b)  darnach  gezeichnet,  mein  „Material^  daraus  ^genommen^  habe,  so 
ist  das  vollständig  unbegründet.  Ich  habe  aus  diesen  Kiepert'schen  Karten  bis 
zu  diesem  Tage  nur  ein  par  ganz  kleine  unbedeutende  Einzelheiten  im  nord- 
westlichen Theile  von  Albanien,  sonst  aber  absolut  gar  nichts  benutzt. 

Ich  habe  nichts  benutzen  können,  weil  jene  beiden  Blätter  nicht  auf 
dem  Laufenden  und  z.  B.  das   wertvolle  russische  Material  nicht  benutzt  war. 

Mein  verehrter  Freund  muü  meine  Karte  nicht  näher  angesehen  oder 
geprüft  haben,  sonst  würden  ihm  die  colossalen  Unterschiede  im  ganzen  und 
im  Detail,  die  zwischen  seiner  und  meiner  Karte  existieren,  sofort  in  die 
Augen  gefallen  sein. 

Ich  bitte  bloü,  Sie  auf  einige  dieser  Verschiedenheiten  aufmerksam  ma- 
chen zu  dürfen: 

die  Gegend  zwischen  Saloniki  und  Pedritsch; 

der  ganze  lange  Fluss  Struma; 

die  Gebirgsgegend  zwischen  diesem  Fluss  und  der  Östlich  davon  fließen- 
den Mesta; 

die  ganze  lange  Strecke  von  Karasu  bei  Dubnitza  über  Samakowo^  Tatar 
Basardschyk,  Philippopel  nach  Adrianopel,  einschließlich  des  ganzen  Maritza- 
stromes  und  seines  Thaies; 

im  Süden  die  ganze  Strecke  von  Saloniki  über  Böjük  Betschik,  Orfani, 
Kawala,  Jenidscheh,  Gümürdschina,  Kara  Kadschaly,  Miri,  Feredschik,  mit  der 
ganzen  unteren  Maritza  bis  Adrianopel; 

das  Dreieck  zwischen  Eski  Saghra,  Jamboly  und  Adrianopel,  wo  bei 
Kiepert  alle  Flüsse  nach  Osten  laufen,  bei  mir  der  Hauptstrom  querdurch  von 
von  Norden  nach  Süden; 

Ganz  Ost-Thrakien  zwischen  Rodosto,  Dimotika,  Adrianopel,  Jamboly, 
Burgas  und  Constantinopel ;  etc.  etc.  etc. 


288 

Nicht  blo8  dass  in  allen  diesen  so  ziemlich  das  ganze  östliche  BUtt 
Kiepert's  deckenden  Gegenden  seine  Karte  total  von  der  meinigen  verschieden 
ist,  sondern  merkwürdigerweise  resultieren  alle  diese  umfangreichen  Verschieden- 
heiten  auch  daher,  dass  Kiepert  für  die  Zeichnung  derselben  die  russischen 
Karten  nicht  benutzt  hat,  während  er  sich  doch  rühmt  „namentlich  auch  manches 
unveröffentlichte  russische  Material  benutzt  zu  haben  f  wogegen  ich  sie  zu  Grande 
gelegt  habe.  Ob  er  das  russische  Material  seit  dem  3.  April  1868  nachträglich 
benutzt  hat,  weiii  ich  nicht.  Ich  kenne  von  seiner  ganzen  Arbeit  bloü  diese 
zwei  Fragmente,  muü  aber  gestehen,  dass  er  gerade  die  wichtigste  Quelle  f&r 
die  ganze  Türkei  unbenutzt  gelassen  hätte,  wenn  das  unterlassen  wäre. 

Auch  zwischen  dem  westlichen  Blatt  von  Kiepeut  und  meiner  Karte 
werden  Sie  erhebliche  Unterschiede  im  ganzen  und  einzelnen  bemerken.  Ich 
gehe  darauf  bei  dieser  Gelegenheit  nicht  näher  ein. 

Es  wird  Ihnen  wol  gleich  vollständig  klar  sein,  dass  die  Insinuation, 
als  hätte  ich  mein  Material  aus  diesen  beiden  Kartenfragmenten  geschöpft, 
vollständig  unmotiviert  und  unberechtigt  ist. 

Zum  Ueberfluss  lege  ich  einen  Abdruck  meiner  kl  einem  Karte  der 
Türkei  (.Stieier's  Hand- Atlas  37c)  vom  November  1866  bei,  auf  der  Sie  erse- 
hen werden,  dass  ich  alle  diese  besprochenen  ^Tbeile  schon  auf  meinen  Karten 
KU  der  damaligen  Zeit,  also  IVt  Jahre  ehe  ich  Einsicht  von  den  Kiepert'schen 
Fragmenten  erhielt,  genau  so  gezeichnet  habe,  wie  meine  größere  Karte  der 
Türkei  38b  noch  heutzutage  gezeichnet  ist.  Beide  lege  ich  zu  Ihrer  Einsicht 
bei,  bitte  aber  um  Rücksendung  von  37c,  weil  ich  keinen  anderen  so  alten 
Abdruck  mehr  besitze. 

Uebrigens  bertlhren  alle  diese  Theile  die  von  Ihnen  bereisten  Gegenden 
fast  gar  nicht,  so  dass  die  Bemerkung  von  Freund  Kiepert  die  Sache  zwischen 
Ihnen  und  mir  gar  nicht  tangiert. 

Ich  bitte  Sie,  diese  Zeilen  in  der  nächsten  Nummer  Ihrer  ^Mittheilon- 
gen^  abzudrucken  und  dabei  die  Ansicht  aussprechen  zu  wollen,  die  Sie  sich 
selbst  bei  der  Yergleichung  meiner  beiden  Karten  mit  den  beiden  Kiepert'schen 
Abdrücken  gebildet  haben.  A^ch  bitte  ich  um  gef.  gelegentliche  Rücksen- 
dung der  beiden  letzteren.^ 

Daran  knüpft  der  Vorsitzende  die  Bemerkung,  dass  er  nach  der  vorliegenden 
Darlegung  wol  nicht  mehr  zweifeln  könne,  Petermanns  reducierte  Karte  der 
Türkei,  die  sich  bei  der  letzten  Expedition  in  diesem  Lande  als  die  relatit 
verlässlichste  von  allen  erwiesen  habe,  sei  ohne  Hilfe  von  Kiepertschen 
Materialien  zu  Stande  gekommen,  womit  gewiss  dem  Verdienste  beider  um  die 
Kartographie  so  ausgezeichneter  Männer  nicht  im  mindesten  nahe  getreten  sei 

Hierauf  hielt  der  Vorsitzende  Prof.  v.  Hochstetter  seinen  ersten 
Vortrag  über  seine  im  Sommer  1869  ausgeführte  Reise  in  die  europäischen 
Türkei  (Siehe  Mittheilungen  Nr.  6.) 

Schlielilich  gab  der  G.  S.  Becker  erläuternde  Bemerkungen  über 
eine  im  Saal  ausgestellte  Suite  von  Bildern  aus  Spanien,  welche  nach 
Aquarellen  des  Fürsten Mestschersky  und  des  Malers  E i b m e r  von  ersterem 
herausgegeben  und  in  der  chromolithographischen  Anstalt  von  Storch  und 
Krammer  in  Berlin  mit  glänzenden  ErK)]g  ausgeführt  wurden. 

Abgesehen  von  der  schönen  Ausführung  dieser  B  ilder  gewähren  sie  aber 
auch  noch  das  besondere  Interesse,  in  den  treu  wiedergegebenen  Denkmälern, 
welche  die  Künstler  dem  Beschauer  vorführen,  die  ganze  Culturgeschichte 
Spaniens  in  ihrer  verschiedenen,  durch  bedeutsame  politische  Ereignisse 
bedingten  Epochen  fixiert  zu  sehen,  Spanien  unter  den  Römern,  unter  den 
Gothen,  unter  den  Arabern  und  endlich  unter  dem  hierarchisch  katholischen 
Einüuss.  In  den  Bildern  waren  Barcelona,  Toledo,  Sevilla  und  Granada  durch 
eine  Reihe  von  Blättern,  Valencia,  Valladolid,  Burgos,  Gorduba,  Malaga  und 
Gibraltar  durch  je  ein  Blatt  vertreten.  Der  Erklärung  wurden  einzelne 
historische  Daten  beigefügt. 

Nächste  Sitzung  am  19.  April  1870. 


Das  Becken  von  Icbtiman  und  der  falsche  Wid. 

Von  Prof.   Dr.  F.  von  Hochstetter. 

Einer  der  größten  nnd  anfifallendsten  Irrthümer,  der  sich  fast  in 
alle  Karten  der  europäischen  Türkei  eingeschlichen  hat,  bezieht  sich 
auf  den  Flnss,  dessen  Quellen  in  dem  schönen  Thalbecken  von 
Ichtiman  zwischen  Philippopel  und  Sofia  sich  sammeln,  und  der,  nachdem 
er  dieses  Becken  der  L&nge  nach  von  Nordwest  nach  Sfidost  durchflössen, 
plötzlich  gegen  Norden  umbiegt  und  in  einer  tiefen  Grebirgsschlucht, 
welche  die  Richtung  gegen  den  Balkan  nimmt,  jenem  Becken  entströmt. 
Dieser  Fluss,  der  bei  den  Bewohnern  der  Gegend  keinen  besonderen 
Namen  hat,  sondern  einfach  das  Wasser  von  Ichtiman  „Ichtiman-Dere" 
genannt  wird,  ist  nämlich  fälschlich  fOr  den  Wid  gehalten  worden« 
Wer  sich  zuerst  dieses  Irrthums  schuldig  gemacht  hat,  und  so  zu  einer 
gänzlich  falschen  Darstellung  des  Terrains  in  der  Gegend  zwischen 
Ichtiman  und  Slatitza  auf  den  Karten  von  Weiss,  Kiepert  (Karte  vom 
Jahre  1854),  Petermann  und  von  S c h e d a *)  Veranlassung  gegeben  hat, 
ist  mir  nicht  bekannt.  Man  hat  nämlich  dem  Wid  auf  allen  diesen  Karten 
einen  Lauf  angedichtet,  ähnlich  dem  merkwürdigen  Lauf  des  Isker,  der 
"bekanntlich  aus  der  Ebene  von  Sofia  gegen  das  Gebirge  fließt,  und  den 
ganzen  Balkan  in  einer  tiefen  Schlucht  quer  durchbricht  um  sich  bei 
Gigi  in  die  Donau  zu  ergießen.  In  ähnlicher  Weise  sollte  der  Wid  im 
Becken  von  Ichtiman  entspringen,  und  von  da  an  der  bulgarisc;^en 
Stadt  Slatitza  (oder  Isladi)  vorbei  durch  die  Balkankette  brechen,  um 
oberhalb  Nikopoli  in  die  Donau  zu  fließen.  So  ist  die  Sache  auf  den 
Karten  dargestellt**). 

In  Folge  dessen  erscheint  nach  dem  Vorgang  der  Weiss'schen 
Karte  noch  auf  der  neuesten  Scheda'schen  Karte  die  Hauptwasser- 
scheide   des    Balkans    in   ihrer  westlichen  Fortsetzung  aus   der  Gegend 


*)  Auch  Bou6  (vgl.  Esq.  G^ol.  de  la'Turquie  d'Earope  p.  9o}  war  der 
Ansicht,  dass  sich  das  Wasser  von  Ichtiman  in  den  Wid  ergieße. 

**)  Eine  der  ältesten  Karten  der  europäischen  Türkei,  die  Karte  von 
Abb^  Schimek,  herausgegeben  von  F.  A.  Schraembl  1788  in  12  Blättern,  hat 
schon  den  bezeichneten  Fehler  und  führt  den  Wid  sogar  bis  in  die  Gegend 
Yon  Köstendil.  In  der  Generalkarte  von  Rumelien,  Morea  und  Bosnien  von 
WenzeslaoB  Severin  Rzewusky,  Wien  1792,  ist  der  Wid  halb  richtig  gezeichnet, 
indem  Ichtiman  nicht  am  Wid  liegt,  aber  Slatitza  ist  zu  weit  nördlich  an  den 
Wid  gezeichnet.  Lapie's  Karte  vom  Jahre  1822  gibt  den  Wid  ganz  richtig  am 
Nordabhang  des  Balkan  an,  und  (ässt  das  Wasser  von  Ichtiman  in  die  Maritza 
fließen,  aber  freUich  in  gerader  östlicher  Linie.  Damach  scheint  es  fASt,  als 
ob  Abb^  Schimek  der  Urheber  des  falschen  Wid  sei,  und  dass  der  Fehler  in 
die  neueren  Karten  hauptsächlich  durch  die  Karte  von  Hauptmann  Weiss 
glommen  weL 

QmgnsidBoh»  Mittheilmigttii.  1870.  7.  J^g 


290 

oberhalb  Ealofer  in  der  natarwidrigstra  Weise  yerrflckt,  und  sadwest^ 
lieh  gegen  Eapndschik  oder  das  Trajansthor  gezogen ;  der  Art,  dass  bei 
Scheda  die  Stadt  Earlowa,  sowie  die  Ortschaften  Elissnra  and 
Eopriwtschitza,  die  s&mmtlich  südlich  vom  Balkan  an  Bächen  und 
Flüssen,  die  zum  Stromgebiet  der  Maritza  gehören,  liegen,  auf  jener 
Earte  am  nördlichen  Abhang  des  Gebirges  an  Qnellznflüssen  der  Donaa 
erscheinen.  Gerade  da,  wo  auf  der  Scheda'schen  Earte  zwischen  Ear- 
lowa und  Elissnra  die  höchsten  Gebirgszüge  verzeichnet  sind,  verläuft, 
unmittelbar  am  südlichen  Fuße  der  wie  eine  Mauer  steil  aufsteigenden 
Gebirgskette,  das  schöne  Längenthal  des  Giobsa  oder  6öb-Su  (bei  Lejean 
Ghioptza),  das  die  Balkankette  von  dem  großen  südlich  vorliegenden  Gebirgs- 
stock  der  Sredna  Gora  (soviel  wie  Mittelgebirge)  trennt  Barth  *)  hat  auf  der 
seiner  Reisebeschreibung  beigegebenen  Eartenskizze  die  von  Earlowa 
aus  fast  genau  ost-westlich  verlaufende  steil  ansteigende  Balkanmauer 
als  Eöpen-  oder  Boggdan  -  Balkan  ganz  richtig  angegeben  und  deutet 
auch  das  Längenthal  des  „Gök-Su^'  wie  er  den  Fluss  nennt,  an,  bezweifelt 
aber,  dass  die  Sredna  Gora  ein  höherer  Mittelgebirgsstock  zwischen 
Balkan  und  Khodope  sei,  als  der  östlich  vom  Akdere-Thal  gelegene 
Earadscha  Dagh,  der  die  Ebene  von  Eisanlik  von  der  Ebene  von 
Philippopel  scheidet.  Ich  habe,  als  ich  auf  der  Reise  von  Eisanlik  nach 
Philippopel  von  den  Granithöhen  bei  Ealofer  in  die  ausgedehnten 
Alluvial-Flachen  beim  Zusammenfluss  des  Giobsa  mit  dem  Akdere  und 
dem  Wasser  von  Earlowa  kam,  bei  Lidscha  Eiöi  in  der  Gegend  von 
Earlowa  einen  ganz  wolkenfreien  Anblick  der  Sredna  Gora  gehabt  und 
schätze  die  höchsten  plateau-förmig  sich  ausbreitenden  Rücken  dieses 
Gebirges  auf  wenigstens  5000  Fuß,  während  die  gegenüberliegenden 
Höhen  des  Balkan  (Eotscha-Balkan  bei  Petermann)  wenigstens  6000  Fuß 
erreichen,  der  Earadscha-Dagh  aber  nirgends  3000  oder  3500  Fuß 
übersteigen  dürfte.  Ich  habe  damals  auch  einen  schönen  Einblick  in 
das  Längenthal  des  Giobsa  —  auf  der  Petermann'schen  Earte,  die  das 
Thal  richtig  angibt,  als  Ghioptsa  oder  Raschka  bezeichnet  —  gehabt,  and 
darüber  folgende  Erkundigongen  eingezogen.  In  dem  äußerst  frachtbaren 
and  gut  bebauten  Thale,  in  welchem  seit  undenklichen  Zeiten,  man  sagte 
mir  seit  mehr  als  1000  Jahren,  namentlich  auch  die  Rosenkultur  zam 
Zweck  der  Erzeugung  von  Rosenöl,  ganz  ebenso  wie  in  der  Gegend  von 
Ejsanük  betneben  wird,  liegt  1  Stunde  westlich  von  Earlowa  am  süd- 
lichen Fuße  des  Balkan  das  Städtchen  Sopot  oder  Artsche-Elisse  (so  viel 
als  Weißkirchen)  mit  einer  Glasfabrik,  einem  Eloster  und  einem  alten 
römischen  Castell  im  Gebirge.  Von  Sopöt  führt  ein  Saumweg  über  den 


*)  H.  Barth,  Keiso  durvh  das  Inucro  der  europäischen  Türkei,  berliu  I<i64. 


291 


Balkan  in  8  Stunden  nach  Trcdan  —  eine  Boate,  welche 
gemacht  hat  —  am  Weg  im  Gebirge  liegt  ein  Han  and  zwei 
Beklemes.  Auch  sollen  im  Trojanbalkan  Kupfererze  und  silberhaltiger 
Bleiglanz  Yorkommen,  an  Punkten,  die  schon  von  den  Römern 
ftosgebeutet  wurden.  Von  Sopot  an,  westlich,  macht  der  sadliche  Steil- 
abstorz  des  Balkan  eine  kleine  Biegung  gegen  Norden,  zahlreiche 
Ortschaften  liegen  im  Thale  zerstreut,  und  4  Stunden  westlich  von  Sopot 
li^  das  Städtchen  Klissura  mit  ungefähr  8000  Einwohnern.  Bei 
Elissura  erreicht  das  Längenthal  des  Giobsa  sein  westliches  Ende.  Die 
Sredna  Grora  verbindet  sich  hier  durch  einen  niederen  nordsüdlich  lau- 
fenden Rücken  mit  dem  Balkan.  Ueber  einen  ziemlich  niederen  Sattel 
dieses  Rückens  führt  ein  Weg,  der  den  Nainen  Prochotpass  hat,  nach 
dem  bulgarischen  Städtchen  Slaütza  (türk.  Isladi),  das  jenseits  des 
verbindenden  Rückens  wieder  am  Fuße  des  Balkan  liegt.  Slatitza  soll 
soviel  bedeuten  wie  Goldgrube,  weil  die  Frauen  hier  in  den  Gebirgs- 
bftdien  Gold  waschen.  Dieses  Slatitza  ist  es,  welches  auf  den  Karten  an 
den  mythischen  Wid  verlegt  wird.  Ich  kam,  als  ich  obige  Erkundi« 
gnngen  einzog,  nicht  auf  den  Gedanken,  auch  nach  dem  Wid  zu  fragen, 
und  wurde  an  den  Wid  erst  wieder  in  der  Gegend  von  Sofia  erinnert 
Auf  dem  Gipfel  des  Witosch  nämlich  und  ebenso  auf  den  Höhen  des 
Brdo-Grebirges  an  der  Straße  von  Sofia  nach  Samakov,  von  wo  aus  man 
die  ganze  Balkankette  von  der  Gegend  von  Kalofer  bis  weit  über  Sofia 
hinaus  vollständig  überblickt,  habe  ich  mich  vergeblich  nach  der  großen 
Thalspalte  des  Wid,  in  der  dieser  Fluss  den  Balkan  durchbrechen 
sollte,  umgesehen;  allein  da  man  auch  die  Iskerspalte  wegen  eines  sich 
coulissenartig  gerade  vor  dem  Eintritt  des  Isker  in  den  Balkan  vor^ 
schiebenden  Rückens,  auf  dem  das  Dorf  Korila  liegt,  von  der  Ent- 
fernung durchaus  nicht  zu  erkennen  vermag,  so  wagte  ich  dennoch  nicht 
an  der  Existenz  des  Wid  diesseits  des  Balkan  zu  zweifeln.  . 

Erst  die  vom  Herrn  Prof.  Kiepert  mir  nach  meiner  Rückkehr  nach 
Wien  freundlichst  zugesandten  Probeabdrücke  seiner  neuen  Karte  der 
Türkei,  auf  welcher,  wie  mir  Herr  Kiepert  bei  seinem  Besuch  in  Wien 
mündlich  mittheilte,  auf  die  Autorität  des  um  die  Geographie  der 
europäischen  Türkei  so  hochverdienten  französischen  Reisenden  Lejean 
hin  und  nach  einer  russischen  Quelle  der  Ursprung  des  Wid  auf  die 
nördliche  Abdachung  des  Balkan  nördlich  von  Klissura  und  Slatitza 
verlegt  wird,  regten  von  neuem  die  Frage  nach  dem  angeblichen  Wid 
an,  der  in  nördlicher  Richtung  ans  dem  Becken  von  Ichtiman  abfließt. 
Diesen  Fluss  hatte  nun  Herr  Kiepert  südlich  in  das  Becken  von  Banja 
nach  der  Maritza  abfließen  lassen.  Da  aber  aus  den  genauen  topo« 
graphischen  Aufnahmen  der  Ingenieure  der  ottomauischen  Bahnen  unzwei' 

19* 


felhaft  hervorgieng,  dass  das  Wasser  von  Ichtiman  nördücfa  und  nicht  sAdücli 
abfließt,  so  wandte  ich  mich,  um  diese  Frage  za  lOsen,  an  den  k.  k. 
öster.  Ck>nBiil  Herrn  von  Hempfling  in  PhiHppopel  mit  der  Bitte, 
den  in  Philoppopel  wohnenden  Balgaren,  welche  die  G^fend  kennen, 
einige  Fragen  in  Bezug  auf  den  mysteriösen  Wid  vorzulegen,  und  sieh 
beantworten  zu  lassen.  Darauf  hin  erhielt  ich  (de  dato  30.  M&rz  1870) 
Ton  Herrn  von  Hempfling  folgende  freundliche  Antwort: 

„Was  Ihre  erste  Frage  betrifft,  „ob  der  Fluss,  dessen  Quellen  im 
Becken  von  Ichtiman  sich  sammeln,  und  der  an  der  Ostseite  des 
Beckens,  in  nördlicher  Richtung  gegen  den  Balkan  fließt^  der  „Wid* 
ist,* oder  nicht  vielmehr  ein  Fluss,  der  nach  einem  großen  Bogen  gegen 
Norden  sich  wieder  südöstlich  wendet,  und  bei  Bazardschik  in  die  Maritza 
fließt?^  So  lauten  meine  eingezogenen  Erkundigungen  dahin: 

Der  kleine  Fluss  von  Ichtiman,  auch  türkisch  „Ichtiman- 
Dere^  genannt,  ist  nicht  der  Wid,  da  dieser  letztere  auf  dem 
Balkan  oberhalb  Klissura  entspringt,  an  dem  Städtchen  Tet^wdn  vorbei- 

R  

fließt,  sich  gegen  Norden  wendet  und  bei  Nicopolis  in  die  Donau  fUlt; 
während  das  in  dem  Becken  von  Ichtiman  sich  ansam- 
melnde Flfisschen  bei  dem  Kloster  St  Nikolä  sich  in  einen 
größeren  Fluss,  genannt  „Topolitza^  wirft,  welcher  nach  Beschreibung 
eines  größeren  Bogens,  sich  7«  Stunde  oberhalb  Basardschik  in  die 
Maritza  ergießt 

Die  zweite  Frage,  ob  die  Stadt  „Jsladi"«  am  Wid  li^  oder 
überhaupt  an  einem  Fluss  der  durch  den  Balkan  in  die  Donau  fließt, 
oder  nicht  vielmehr  an  einem  Wasser  das  der  Maritza  zuströmt?" 
wurde  mir  folgendermaßen  beantwortet: 

Die  Stadt  „Jsladi^  (oder  bulgarisch  Slatitza)  liegt  an  dem  Fiüss* 
chen  „Euru-Der^^  (der  trockene  Fluss),  welches  sich  3  Stunden  davon 
bei  dem  Dorfe  „Pirdop^  mit  der  Topolitza  vereinigt,  die  ihrerseits 
in  die  Maritza  sich  ergießt. 

Sie  wissen,  hochgeehrter  Herr  Professor,  wie  schwer  man  hierlands 
etwas  Genaues  erfährt,  ich  liabe  aber  zur  Lösung  dieser  Fragen  nicht 
nur  alle  bekannten  Bulgaren,  sondern  auch  2  Personen,  nämlich  den 
russischen  Dollmetscher  „Tehaliki^  und  den  bulgarischen  Buchhändler 
„Danof^,  welche  beide  aus  dieser  Gegend  sind  und  dieselbe  genau 
kennen,  in  Contribution  gesetzt.^ 

Aus  diesen  Mittheilungen  ergibt  sich  also  zweifellos,  dass  man  aus 
der  £bene  von  Tatar  Bazardschik  dem  Thale  der  Topolitza  entlang, 
und  dann  bei  dem  Kloster  St  Nikolä  in  das  Thal  des  Ichtiman-Dere 
einbi^nd,  in  das  Becken  von  Ichtiman  gelangen  kann,  ohne  irgend 
eine  Wasserscheide  wie  die  des  Trajansthores  überschreiten  zu  müssen. 


293 

imd  iBM8  Ichltman  und  Slatitza  noch  dem  Stromgebiet  der  Maritza 
angdiöTen,  w&hrend  die  Quellen  des  Wid  erst  an  der  nördlichen  Abda* 
chioig  des  Balkan  liegen. 

Ich  glanbte  diese  Thatsachen  mittheilen  zu  sollen,  anerkenne  aber 
dabei  vollständig  die  Priorit&t  des  hochverdienten  Lejean,  der  soviel 
mir  bekannt,  zuerst  den  kolossalen  Irrthum  in  Bezug  auf  den  Wid 
aufgedeckt  hat. 

Aus  einer  brieflichen  Mittheilung  von  Herrn  Dr.  Bou6  (17.  M&rz  1870), 
entnehme  ich  femer,  „dass  im  District  von  Slatitza  und  zwar  westlich 
in  der  Richtung  gegen  Sofia  am  südlichen  Abhang  und  am  sOdlichen 
Fu0e  des  Balkan,  der  auf  der  neuen  Kiepert'schen  Karte  als  Striglska 
Planina,  von  Bou4  aber  als  Oolubetza  Planina  bezeichnet  wird,  eine 
Reihe  von  Ortschaften  liegen,  wie  Mirkowo,  Bunowo,  Dolne  und  Gome 
Komartzy,  Strigl  u.  s.  w.  Von  D.  Komartzy  bemerkt  Bou6,  dass  es  in 
einem  breiten  schönen,  wahrhaft  idyllischen  Becken  liege,  wo  die 
schönsten  Weiden  sind  und  wo  Bevölkerung  und  Dörfer  nicht  fehlen. 
Dieser  Umstand  dient  zur  Bestätigung,  dass  zwischen  Komartzy  und  dem 
ö  Stunden  davon  entfernten  Slatitza  nur  Ebene  herrscht,  und  dass 
Komartzy  schon  zum  großen  Slatitza  oder  oberen  Topolitza-Becken 
gehören,  wie  Kiepert  nach  russischen  Reisenden  angibt.^  Da  aber 
wenig  westlich  von  Komartzy  bei  Taschkesen  bereits  die  Quellen  der 
Flflsse  liegen,  die  in  das  Becken  von  Sofia  fließen,  so  dürfte  sich  die 
Yermuthung  von  Hauslab 's  aufs  vollständigste  bestätigen,  dass  von 
Kariowa  Aber  Slatitza  nach  Sofia  am  Fuße  des  Balkans  sich  eine  höchst 
charakteristische  Terrainsenkung  hinziehe ,  deren  Wasserscheiden 
zwischen  Klissura  und  Slatitza  einerseits  und  zwischen  Komartzy  und 
Taschkesen  andererseits  kaum  höher  sein  dürften,  als  die  Wasser- 
acheiden beim  Trajansthor  und  bei  Wakarel  an  der  Straße  von  Tatar 
Bazardschik  nach  Sofia.  Die  nähere  Untersuchung  dieser  Linie  am  Fuße 
des  Balkan  von  Klissura  über  Slatitza  bis  in  das  Becken  von  Sofia 
dürfte  deshalb  für  das  beabsichtigte  £isenbahnuntemehmen  nicht  un- 
wichtig sein,  indem  sie  ein  Variante  der  Linie  Philippopel-Sofia  bildet, 
welche  die  ansehnlichen  Städte  Kariowa,  und  in  der  Nähe  die  Fabriks- 
stadt Kalofer,  dann  Sopot,  Klissura,  Slatitza  berühren  und  ein  ))isher 
außer  allem  Verkehr  liegendes  vielleicht  nicht  unwichtiges  Terrain 
erschließen  würde. 


294 

Capltän  E.  H.  Johannewn's  Fahrt  Im  Karlschm  Meere  I8B9 
und  Stand  der  Polarfrage  im  Jahre  1870. 

Von  A.  Petermann. 

Ein  einfacher  Norwegischer  Fischer,  Capitän  Johannesen,  ist  im 
vorigen  Sommer  mit  seinem  kleinen  Fischerfahrzeug  ungewöhnlich  weit 
ins  Sibirische  Eismeer  vorgedrungen  und  hat  dadurch  einen  nicht 
unwichtigen  Beitrag  zu  unserer  Kenntnis  der  Geographie  der  Polar- 
Begionen  geliefert. 

Das  Karische  Meer  galt  für  den  „Eiskeller"  des  Nordpols.  Von 
den  Bänken  Neu-Fundlands  viele  hundert  Meilen  weit  hinauf,  längs  der 
Küsten  Labrador's,  der  Baffin-Bai,  zu  beiden  Seiten  Grönlands,  bei 
Spitzbergen,  Sibirien,  Kamtschatka  und  anderen  eisber Ahmten  Gegenden 
gibt  es  wahrlich  Eis  genug,  in  allen  Formen,  Eisberge  hunderte  Fuß 
hoch,  Packeis  hunderte  Meilen  breit,  „Pfannkuchen-Eis"  und  ähnliche 
mildere  Abstufungen,  —  theils  kommend,  theils  wieder  verschwindend, 
theils  aber  auch  von  permanenter  oder  nahezu  permanenter  Ansässigkeit. 
Allein  von  allen  diesen  Gegenden  ist  das  Karisclie  Meer  seit  langer 
Zeit  von  dem  berühmten  Akademiker  K.  von  Baer  mit  dem  bezeich- 
nenden Namen  Eiskeller  belegt  worden,  und  zwar,  wie  es  schien,  aus 
guten  Gründen.  Es  bildet  nämlich  ein  ringsum  von  Land  fast  ganz 
umschlossenes  Seebeckeu,  welches  außer  seiner  eigenen  allwinterlichen 
Eisformation  das  ganze  Volumen  des  Eisganges  der  beiden  größten 
Flüsse  Sibiriens,  Obi  und  Jenissei,  in  sicli  aufnimmt  und  die  so  ange- 
häuften Eismassen  anscheinend  nicht  gut  wegführen  kann,  weil  es  nur 
wenige  und  meist  nur  ganz  schmale  Ausgänge  hat,  in  denen  sich  das 
Eis  eher  anhäufen  und  stopfen  als  wegbegeben  kann. 

Es  ist  daher  nicht  bloß  auf  die  hohe  Autorität  des  Herrn  von 
Baer  hin,  sondern  auch  aus  diesen  naheliegenden  triftigen  Gründen  das 
Karische  Meer  stets  als  eins  der  eisreichsten  Gebiete,  die  es  gibt, 
angesehen  worden,  und  die  geographische  Entdeckungsgeschichte  schien 
dies  ebenfalls  zu  bestätigen. 

Im  Jahre  1760  hatte  zwar  ein  kühner  Seefahrer,  Sawwa  Loschkin, 
in  dem  Entschluss,  die  Ostküste  Nowaja  Semlä's  zu  erforschen,  diese 
ganz  bis  zum  östlichen  Ende  der  Inselgruppe  verfolgt  und  dieselbe 
umfahren,  jedoch  unter  unerhörten  Schwierigkeiten,  die  es  nöthig 
machten,  dass  er  auf  dieser  kleinen  Fahrt  2  volle  Winter  und  3  Sommer 
zubrachte  ^). 

Ich  habe  bereits  berichtet,  dass  zwei  andere  Expeditionen,  CapitSn 
Carlsen    und   Capitän    Palliser,    im    Sommer   1869   das  Karische  Meer 


»)  Spörer,  Geogr.  Mitth.,  Erg.-Heft  21,  S.  27. 


295 

dvrdischiiitten  und  die  Obi-Mfindnng  erreicht  hatten  %  und  auf  das 
Ungewöhnliche  dieser  Fahrten  hingewiesen.  Sie  sind  jedoch  weit  über- 
troffen durch  Capit&n  Johannesen's  Fahrt,  welcher  ohne  Schwierigkeit 
das  Karische  Meer  zweimal  durchschnitt,  nach  Osten  und  dann  nach 
Norden,  und  seine  Ost-  und  Westküsten  verfolgte,  ohne  von  Eis 
behelligt  zu  werden,  ja  ohne  dass  er  irgendwo  im  ganzen  Meere  eine 
nennenswerte  Quantität  Treibeis  vorfand.  Noch  kürzlich  hatte  ein 
namhafter  Autor  geschrieben,  dass  die  Ostküsten  von  Nowaja  Semlä 
„absolut  unnahbar*^  seien.  „Mit  ewigem  undurchdringlichen  Eis  erfüllt** 
war  die  gel&ufige  Bezeichnung  für  das  Karische  Meer. 

Johannesen  hat  das  vermeintliche  „unnahbare,  unschifibare*'  Meer 
mit  Leichtigkeit  durchkreuzt  und  ist  in  dem  berüchtigten  „EiskeUer** 
lustig  herumgefahren.  Das  „ewige'*  Eis  ist  zusammengestürzt  und  mit 
ihm  ein 'alter  Aberglaube. 

Ich  will  nicht  bestreiten,  dass  der  Sommer  des  Jahres  1869  für 
die  Schiffahrt  im  Karischen  Meere  möglicher  Weise  ein  ungewöhnlich 
günstiger  gewesen  sein  mag ;  allein  auf  der  anderen  Seite  muß  dagegen 
zugegeben  werden,  dass  die  Befahrung  des  Karischen  Meeres  kaum 
jemals  mit  geeigneten  Fahrzeugen,  guten  Seeleuten  und  unter  tüchtiger 
Führung  ernsthaft  versucht  worden  ist.  Die  Norwegischen  Seeleute 
sind  jedenfalls  in  der  Eisschiffahrt  tüchtig  ^).  Nach  dem  schlichten 
Bericht  war  die  ganze  3  Monate  lange  Fahrt  in  jenen  Regionen  wie 
es  scheint  zwar  leicht  genug,  allein  schon  die  einfache  Thatsache,  sich 
mit  einem  kleinen  Fischerfahrzeug  tief  in  ein  so  übel  berüchtigtes, 
stellenweise  noch  nie  befahrenes  Meer  hineinzuwagen,  erfordert  einen 
unerschrockenen  Mann.  Für  eine  bloße  Fischerfahrt  ist  auch  der  kurze, 
einfache  Beriet  anerkennenswert,  die  Positionen  und  sonstigen  Be- 
obachtungen passen  gut  zu  den  vorhandenen  Küsten- Aufnahmen  und  die 
Sondierungen  lassen  wenigstens  so  viel  erkennen,  dass  das  Karische 
Meer  durchschnittlii^h  eine  geringe  Tiefe  hat. 

Seit  beinahe  300  Jahren  ist  kein  intelligenter  Seefahrer  dem  Nord- 
ostende Nowaja  Semlft's,  wo  der  berühmte  Holländer  Barents  im 
Jahre  1596/97  überwinterte,  so  nahe  gekommen  als  Johannesen,  denn 
von  Loschkin  wissen  wir  weiter  nichts,  als  dass  er  in  3  Sommern  und 
2  Wintern  ganz  Nowaja  Semlä  umfahren  habe. 


)  Geogr.  Mitth.  1869,  SS.  352  und  391. 

^)  Herr  Bosenthal  hat  einen  seiner  beiden  Walfischdampfer,  den  „Bienen- 
korb'^, in  diesem  Jahre  nach  Norwegen  geschickt,  um  ihn  von  dort  aus,  mit 
j.orwegiBchen  Seeleuten  bemannt,  auf  den  Walfischfang  und  Robbenschlag 
ausgehen  zu  lassen,  ein  Beweis,  dass  sie  von  diesem  erfahrenen  Mann  für 
besondere  tüchtig  angesehen  sein  müssen. 


296 

Die  Fahrt  Johannesen's  hat  wieder  einmal  gezeigt,  daas  man  auch 
mit  kleinen  Segelfahrzengen  im  Eismeere  schon  etwas  aasznrichteB 
vermag,  and  dass  die  von  mir  im  J.  1868  ins  Leben  gerufene  Nord- 
fahrt in  der  Segel-Jacht  „Germania^  (alias  „Grönland"  mit  Idarem 
Bewnstsein  und  gegründeter  Hofihnng  anf  Entdeckungs-Resoltate  ansge* 
sandt  und  dabei  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  als  Entdeckungs- 
fahrt hingestellt  wurde  und  hingestellt  werden  durfte^). 

Das  im  J.  1868  benutzte  Schiff  war  zwar  nur  80  tons  groß,  allein  die 
Entdeckungsgeschichte  lehrt,  dass  sogar  in  noch  kleineren  Schiffen  die 
bedeutendsten  Entdeckungen  gemacht,  die  größten  Besultat'e  erzielt 
wurden:  Baffin  entdeckte  im  Jahre  1616  die  ganze  Baffin-Bai  in  einem 
Fahrzeuge  nur  55  tons  groß;  Parr}*  drang  im  Jahre  1827  in  zwei 
offenen  Booten,  20  Fuß  lang  und  7  Fuß  breit,  von  Spitzbergen  aus 
gegen  den  Nordpol  vor  und  erreichte  die  höchste  Breite  (82^/4  °),  zu 
der  jemals  ein  gebildeter  Seemann  gelangt  ist;  Weddell  brach  im 
Jahre  1823  mit  zwei  Segelsclüffen  nur  160  und  65  tons  groß  drei 
Mal    durch    die    Eisgfirtel   des   Südpols  und  erreichte  jenseit  derselben 


*)  „Zweck  und  Ziel  der  Expedition  ist  die  Erforschung  und  Entdeckung 
der  arctischen  Central-Region  von  76°  nördlicher  Breite  an,  auf  der  Basis  der 
ostgrönländischen  Küste.  ~  Das  Unternehmen  heiflt:  Die  Deutsche  Nordpol- 
Expedition  von  1868.^  (S.  §§.  2  und  3  meiner  Instniction  vom  6.  Mai  1868, 
Geögr.  Mitth.  1868,  S.  214.) 

Auch  Capitän  Koldewey,  als  er  von  mir  mit  der  Führung  der  Expe- 
dition betraut  wurde,  hat  sie  nicht  etwa  als  eine  Orienticrungs-  oder  Recognos- 
cii-rungsfahrt  angesehen,  sondern  als  eine  Entdeckungsfahrt ,  wie  seine  eigenen 
Briefe  und  Mittheilungen^ nachweisen: 

„Bergen,  19.  Mai  1868.  —  Ich  hoffe  zuversichtlich,  der  Nord-Deutschen 
Flagge  Ehre  zu  machen  und  sie  auf  einem  sehr  nördlichen  Punkte  Grönlands 
anpflanzen  zu  können.  ~  Ich  befürchte  nicht  im  mindesten  einen  Miserfolg 
und  zweifle  meinerseits  gar  nicht  mehr  daran,  mit  meinem  kleinen,  aber 
starken  Fahrzeuge  Sabine-Insel  in  guter  Zeit  zu  erreichen  und  wenigstens 
einige  wertvollere  Entdeckungen  zu  machen.^  (Geogr.  Mitth.  1868,  SS.  332 
u.  383.) 

^Bergen,  23.  Mai.  —  Wir  haben  also  in  jeder  Beziehung  begründete 
Hoffnung  auf  einen  guten  Erfolg  dieses  ersten  von  Deutschland  ausgehenden 
Unternehmens  der  Art,  und  ich  müsste  ganz  merkwürdiges  Missgeschick  haben, 
wenn  ich  nicht  die  grönländische  Küste  erreichen  sollte.  (Ibid.  S.  333.) 

„Nordmeer,  3.  Juni.  —  Mit  dem  Schiff  bin  ich  so  außerordentlich  zu- 
frieden in  jeder  Beziehung,  dass  ich  dreist  eine  Reise  damit  ums  Cap  Hom 
unternehmen  wollte.  —  20.  Juni  Das  Schiff  hat  sich  ausgezeichnet  bew&hrt 
und  ist  nach  meiner  Ansicht  reichlich  so  gut  als  ein  großes  Schiff.  Ich  habe 
schon  manche  gute  Erfahrung  im  Eise  gesammelt  und  sage:  es  ist  nicht  so 
gef&hrlioh,  als  dass  sich  nicht  mit  Mut  und  Umsicht  gut  darin  feihren  liefie. 
Geben  Sie  also  trotz  der  ungünstigen  Eisverh&ltnisse  nicht  die  Hofibung  auf.^ 
(Ibid.  SS.  334  u.  336.) 


297 

ein  voUkommen  eisfireies,  offenes,  schiffbares  Meer,  wimmelnd  von  Wal- 
fiseben,  Tögeln  und  anderen  Thieren;  die  Schwedische  Expedition  nach 
Spitsbergen  im  J.  1861  hatte  zwei  Fahrzeuge,  den  Aeolns  von  nur 
297si  <lie  Magdalena  von  12  Commerzlasten  (59  nnd  24  tons);  dieje- 
nige im  J.  1864  den  Axel  Thordsen,  ein  altes  Kanonenboot,  12^2  ^' 
(25  tons)  groß. 

Alle  diese  and  ähnliche  andere  Expeditionen  haben  mit  kleinen 
Segelfahrzengen  die  bedeutendsten  Entdeckungen  gemacht  und  wahrhaft 
Großartiges  geleistet.  Johannesen*s  Fahrt  geschah  ebenfalls  in  einem 
kleinen  Segel&hrzeug,  wahrscheinlich  nur  etwa  15  Commerzlasten 
(30  tons)  groß^),  und  hat  auch  gezeigt,  dass  ich  von  der  Expedition 
im  J.  1868  mit  vollem  Recht  Entdeckungen  erwarten  durfte. 

Solche  Thatsachen  wiegen  schwerer  als  alle  Argumente,  und  meine 
Voraussetzungen  sind  durch  Johannesen*s  Fahrt  allein  vollkommen 
gerechtfertigt;  sie  liegt  zwischen  70®  und  77^  n.  Br.  und  so  recht  in 
denselben  Breiten  wie  die  vielen  englischen  Franklin-Expeditionen 
liegt  in  größerer  Polhöhe  als  der  Schauplatz  der  Franklin-Katastrophe 
und  erstreckt  sich  5  volle  Grade  weiter  nach  Norden  als  die  berühmten 
Schlitten-Expeditionen  des  Admiral  Wrangel^). 

Die    Fahrt   von   Johannesen  ist  die  letzte  Nordfahrt,  von  der  wir 
Kunde    erhielten,  und  sie  legt  es  deshalb    nahe,   auf  den  gegenwärtigen 
Stand  der  Polarfrage,  fUr  deren  Lösung,  sowie  für  die  Geographie  und 
Erforschung  der  Polar-Regionen  fiberhaupt,  ich  neuerdings  5  volle  Jahre 
unablässig  arbeite,  einen  Rückblick  zu  werfen.    Den   Wunsch,  dass  eine 
Deutsche    Expedition    dieses   Problem  lösen  möge,  sprach  ich  öffentlich 
zuerst    am    3.  März   1865^)   aus;   seitdem  sind  nicht  weniger  als  12 
Expeditionen,  ausgegangen  oder«,  zurückgekehrt,  ohne  dass  die  Polarfrage 
um    einen    namhaften    Schritt  weiter   gefördert  wäre,  außer  durch  die 
beiden  Fischerfahrten  von  Long  und  Johannesen.     Im  J.  1868  giengen 
die    erste   Deutsche   Nordfahrt    und    die  Schwedische  Expedition  unter 
Nordenskiöld  aus,  im  J.  1869  die  zweite  deutsche  Expedition  und  die 
des    „Albert^   und   „Bienenkorb^,  also  drei  Deutsche  Unternehmen,  die 
beiden    englischen    unter    Lamont  und  Palliser  und  die  beiden  norwe- 
gischen Fischerfahrten  unter  Carlsen  und  Johannesen,  die  durch  bloßen 
Zufall  interessant  für  die  Sache  geworden  sind.    Von  der  SidoroCschen 


»)  Das  Schiff  gehörte  zu  einer  Flotte  von  nicht  weniger  als  27  Fahr- 
aengen,  weiche  im  Sommer  1869  von  Norwegen  auf  den  Thranthierfeng  gegen 
Nomga  Semlä  ansgiongen;  sie  hatten  zusammen  407  Commerzlasten,  also 
durchschnittlich  jedes  Fahrzeug  bloß  15.  (Geogr.  Mitth.  1870,  Heft  IV,  8.  162.) 

•)  S.  Geogr.  Mitth.  1869,  SS.  26  ff.  und  Tafel  2. 

^  Geogr.  Mitth.  1865,  S.  141. 


298 

habe  ich  bis  jetzt  keine  nfthere  Runde  und  z&hle  sie  nicht  mit.  Außer- 
dem sind  die  drei  Amerikanischen  unter  Capitftn  Long  (Bering-StraBe), 
Hall  und  Hayes  (Baffin-Bai)  nicht  unerwähnt  zu  lassen,  zumal  sie  zwei 
von  den  drei  Zagftngen  zum  Nordpol,  jene  neun  aber  den  dritten  Weg, 
von  Europa  nördlich,  einschlugen.  Man  könnte  diesen  letzteren,  wie  es 
auch  schon  vielfach  geschehen  ist,  den  deutschen,  die  Baffin-Bai  den 
englischen,  die  Bering-Straße  den  französischen  Weg  nennen,  da  ja 
Lambert  seit  einer  Reihe  von  Jahreli  seine  große  Expedition  dorthin 
führen  will. 

Unter  diesen  12  Erpeditionen  sind  mehrere  von  wissenschaftlicher. 
Prätension,  aber  gerade  zwei  von  denen,  die  gar  keine  wissenschaftlichen 
Prätensionen  hatten,  die  von  Long  und  Johannesen,  haben  die  Polar- 
frage wenigstens  berührt  und  gezeigt,  dass  da,  wo  von  den  höchsten 
Autoritäten  ewiges  undurchdringliches  Eis  angenommen  wurde,  keins 
vorhanden  war,  oder  nur  so  wenig,  dass  es  nicht  einmal  die  Segelschiif- 
fahrt  beeinträchtigte. 

Die  schwedischen  Forscher  und  Gelehrten,  die  unbedingt  zu  den 
ersten  jetzt  lebenden  arktischen  Autoritäten  gehören,  sind  entschieden 
der  Ansicht,  dass  der  Nordpolar-Ocean  stets  mit  solchen  Eismassen 
erfdllt  sei,  dass  in  ihm  zu  Schiff  bis  zum  Nordpol  vorzudringen  ganz 
unmöglich  sei.  Professor  Nordeuskiöld  spricht  sich  dahin  aus:  „Die 
Vorstellung  eines  offenen  *  Polarmeeres  ist  offenbar  eine  nicht  haltbare 
Hypothese,  welcher  eine  durch  bedeutende  Opfer  gewonnene  Erfahrung 
entgegensteht,  und  der  einzige  Weg,  den  man  mit  der  Aussicht,  den 
Pol  zu  erreichen,  betreten  mag,  ist :  nach  einer  Ueberwinternng  bei  den 
Sieben  Inseln  oder  im  Smith-Sunde  im  Frühling  auf  Schlitten  nordwärts 
vorzudringen**  ^). 

Sehr  komisch  bei  dieser  Ansicht  der  Schweden  ist  Folgendes: 
Die  Schweden  führen  seit  1808  nicht  weniger  als  fünf  tüchtige  Expe- 
ditionen aus,  jedes  Mal  kommen  sie  mit  der  Ueberzeugung  als  End- 
resultat zurück,  dass  nur  zu  Schlitten  auf  dem  Eise  gegen  den  Nordpol 
vorgedrungen  werden  könne;  sie  schleppen  Rennthiere  und  Hunde  zum 
Ziehen  ihrer  Schlitten  bis  nach  Spitzbergen  und  richten  alles  auf 
Schlittenfahrten  ein,  aber  —  bis  jetzt  haben  sie  bei  fünf  Expeditionen 
noch  nie  einen  einzigen  Versuch  gemacht,  auf  diese  Weise  nach  Norden 
vorzudringen,  sondern  alles  und  jedes,  was  sie  erreicht  und  geleistet 
haben,  ist  zu  Schiff  und  zu  Boot  geschehen! 

Der  schwedischen  Annahme  entgegen  steht  die  lange  und  wieder- 
holt  beiriesene    Thatsache,    dass   längs  der  ganzen  Nordküste  Sibiriens 

')  Die    schwedischen    Expeditionen    nach    Spitzbergen,    S.  510.    Jena, 
Costenoble. 


299 

ein  offenes  Meer  existiert,  welche  Thatsache  nenerdings  durch  Long*) 
und  Johannesen  bestätigt  worden  ist.  Was  der  „Eiskeller^,  das  Earische 
Heer,  im  Kleinen  ist  —  ein  zeitweise  von  Eis  befreites  oder  noch 
schiffbares  Meer,  wenigstens  schiffbare  Gassen  bildend  — ,  das  dfirfte 
anch  beim  Central-Polarmeer  im  Großen  möglich  sein. 

Dass  das  Eismeer  mindestens  schiffbarer  ist,  als  die  Schweden  und 
ihre  Nachbeter  annehmen,  ist  durch  Long  und  Johannesen  unbedingt 
ausgemacht.  Gegennber  solchen  Thatsachen  kann  es  wenig  wiegen, 
wenn  gesagt  wird:  Wir  kamen  nicht  weiter  und  deshalb   geht  es  nicht. 

J.  G.  Agardh  in  seiner  Abhandlung  „lieber  den  Ursprung  des 
Spitzbergen'schen  Treibholzes^  (in  .den  schwedischen  Akademie-Schriften) 
bat  jetzt  nach  genauen  und  sorgfältigen  Untersuchungen  mit  apodicti- 
scher  Bestimmtheit  nachgewiesen,  dass  kein  einziges  Stück  der  von  den 
Schweden  mitgebrachten  Proben  einer  anderen  Holzart  angehört  als  der 
sibirischen  Larix,  also  nichCs  davon  durch  den  Golfstrom  aus  süd- 
licheren Gegenden  dorthin  geführt  wird,  sondern  nur  Von  Sibirien 
dahin  kommt  Es  kann  nun  aber  nicht  dahin  fliegen,  sondern  vermag 
nur  durch  Schwimmen  dahin  zu  gelangen,  folglich  muss  das  Meer 
zwischen  Spitzbergen  und  Sibirien  zeitweise  frei  genug  werden,  um 
das  Flößen  von  Treibholz  zu  gestatten.  Unter  den  Mündungen  der 
Treibholz  führenden  Flüsse  Sibiriens  sind  die  nächsten,  von  Spitz- 
bergen aus,  der  Obi  und  Jenissei  1000,  die  Leua  1400  nautische 
Meilen   weit   in   gerader   Linie. 

Durch  die  beiden  Expeditionen  von  De  Uaven  1850/51  und 
McClintock  1857/58,  welche  im  Eise  der  Baffin-Bai  besetzt  wurden, 
ist  es  nachgewiesen,  dass  dieses  Meer  nicht  fest  zufriert,  sondern 
den  ganzen  Winter  hindurch  offen  bleibt.  Eine  Durchschnitts-Tempe- 
ratur  für  die  drei  Wintermonate  December,  Jänner  und  Februar  von 
nicht  weniger  als  — ^23^3  R.  ist  nicht  im  Stande,  das  Treibeis  zu 
fester  oder  auch  nur  zusammenhängender  Masse  werden  zu  lassen, 
sondern  dasselbe  bewegte  sich  bei  beiden  Expeditionen  sogar  noch 
in  den  3  Winter-Monaten  übereinstimmend  400  nautische  Meilen  nach 
Süden.  Dabei  darf  man  nicht  vergessen,  dass  die  Baffin-Bai  gegen 
Süden,  gegen  die  Davis-Straße,  keilförmig  zuläuft,  sich  verengt,  und 
man  sollte  daraus  schließen,  dass  das  Eis  gegen  Süden  sich  leicht 
zusammenstaue. 

Wenn  daher  in  der  Baffin-Bai  bei  einer  so  großen  Kälte  keine 
Bede  von  Schlittenfahrten  ist,  so  dürfte  das  eben  so  sehr  für  das 
Meer    nördlich    von    Spitzbergen    gelten,    welches    größer    und    einer 


*)  Geogr.  Mitth.  1869,  SS.  26  ff. 


300 

solchen  Winterkälte  wahrscheinlieli  nicht  ausgesetzt  ist.  Nach  den 
jetzt  bekannt  gewordenen  ^^)  sehr  wertvollen  Temperatnr-Beobach* 
tongen  von  Sievert  Tobiesen  anf  der  in  74Vi^  n.  Br.  gelegenen 
B&ren-Insel  bei  Spitzbergen  beträgt  die  mittlere  Temperatur  für  den 
Winter  nur  — 8®,7  R.  Jene  Temperatur  von  — 23^,3  R.  bezieht  sich 
anf  den  Theil  der  Baffin-Bai,  der  zwischen  74Vs®  bis  70^  n.  Br.  liegt. 

Zugegeben  aber,  dass  eine  Schlittenreise  von  Spitzbergen  zum 
Nordpol  als  höchst  gefährliches  Wagstflck  noch  im  Bereich  der 
Möglichkeit  lüge,  so  würde  dieselbe  so  sehr  alle  wissenschaftlidien 
Arbeiten  ausschließen,  dass  sie  wenig  oder  gar.  keinen  Wert  für 
die  Wissenschaft  haben  wArde. 

Die  M^lichkeit  einer  Schlittenreise  von  Spitzbergen  'zum  Pol  ist 
aber  eine  noch  nicht  erwiesene  Hypothese,  wie  dies  freilich  auch  mit 
einer  Erreichung  zu  Schiffe  der  Fall  ist.  Der  eine  Versuch  der  Schweden 
zu  Dampfschiff  im  Jalire  1868  beweist  noch  nichts;^ wenn  derselbe 
auch  energisch  war,  so  scheint  das  Schiff  durchaus  nicht  geeignet 
gewesen  zu  sein;  in  Norwegen  wenigstens  hielt  man  es  einstimmig  fftr 
unzweckmäßig  zu  einer  solchen  Expedition  *^). 

Ich  bin  aber  auch  jetzt  mehr  als  je  davon  Überzeugt,  dass  Spitz- 
bergen, trotzdem  es  bis  Aber  den  80.  Breitengrad  reicht,  keinen  guten 
Ausgangspunkt  zum  Vordringen  in  das  Nordpolar-Meer  bildet,  und  ich 
habe  diese  Grflnde  gegen  Spitzbergen  aufs  Nachdrücklichste  schon  in 
meiner  Instruction  für  die  Expedition  im  J.  1868  ^-),  noch  mehr  aber 
bei  derjenigen  in  1869  geltend  zu  machen  gesucht.  Bezflglich  des  Vor- 
dringens auf  dem  hohen  Meere  habe  ich  mich  von  Anfang  an  (d.  h.  seit 
5  Jahren)  ausdrücklich  dahin  ausgesprochen,  dass  nur  eine  in  jeder 
Beziehung  besonders  tfichtige  Expedition,  ähnlich  der  von  Sir  J.  C.  Ross 
gegen  den  Südpol,  daran  denken  dttrfe,  solche  Wege  einzuschlagen. 

Deshalb  habe  ich  es  der  Expedition  in  1868  wie  in  1869  zur 
ersten  Pflicht  gemacht,  die  Ost-Grönländische  Kfiste  zur  Basis  des 
ganzen  Unternehmens  zu  wählen.  In  Folge  der  Berathung,  welche  am 
24  October  1868  von  fOnf  der  damals  am  nfichsten  stehenden  Freunde 
der  Sache:  Dr.  Breusing,  Kapitftn  Koldewey,  Consul  H.  H.  Meier, 
A.  Petermann  und  A.  Rosenthal  statt  fand,  stellte  ich  am  30.  Octo- 
ber 1868  einen  Plan  auf,  in  welchem  außerdem  als  nächstes  Hauptziel 
bezeichnet  wurde,  dass,  wenn  dem  Unternehmen  zwei  ordentliche  ScfaüTe 
zur  Verfdgung  standen,  das  eine   östlich  von  Spitzbergen  vorzudringen 


'*)  Eongl.  Vetenskaps  Akademiens  Hanelingar,  1869,  No.  11. 

")  Geogr.  Mitth.  1869,  S.  86. 

")  Geogr.  Mitth.  1868,  S.  216,  S.  14. 


801 

Tenmehen  solle  ^*).  Bei  den  norwegischen  Seelenten  ist  die  Einweisung 
anf  das  Gebiet  östlich  von  Spitzbergen  nicht  nnbeachtet  geblieben,  ond 
im  vorigen  Jahre  giengen  nicht  weniger  als  27  Schiffe  dahin  ab,  die 
einen  sehr  gnten  Fang  machten  und  dem  Erwerbszweig  einen  neuen 
Impuls  gaben  ^^). 

Ich  würde  jetzt,  nach  der  Erfiahrung  des  Capitän  Johannesen,  die 
Aufgabe  bis  jenseit  Nowaja  Semlfi,  ins  Earische  Meer,  ausdehnen  und 
diesen  Weg  auch  Mr  die  Lambert'sche  Expedition  fflr  den  besten 
halten.  Der  Plan  dieser  Expedition  fufit  auf  zwei  guten  Punkten: 
1.  dass  das  Meer  nördlich  der  Bering-Straße  nachgewiesenermaßen  keine 
nennenswerten  Schwierigkeiten  zum  Vordringen  bietet,  2.  dass,  falls 
die  Expedition  beim  Vordringen  zum  Pol  und  der  Durchschneidung  des 
Polarmeeres  bis  zum  Atlantischen  Ocean  in  dichtes  Ei»  geriete  und 
darin  besetzt  würde,  es  yoraussichtlich  mit  demselben  eben  so  gut  und 
ge£ahrlos  in  südliche  Breiten  hinausgetrieben  würde,  wie  das  in  der 
Baffin-Bai  der  Fall  ist.  Nach  meiner  Ueberzeugung  dürfte  man  mit 
ziemlicher  Sicherheit  und  natürlich  sehr  viel  schneller  von  Nowaja 
Seml&  oder  dem  Karischen  Meer  aus  bis  zur  Bering-Straße  oder  einem 
Punkte  nördlich  davon  gelangen. 

Das  Meiste  kommt  bei  diesen  Expeditionen  wol  auf  die  zweck- 
mäßige Bauart  des  Schiffes  und  auf  gute  Führung  an,  weniger  auf  die 
Größe  und  Anzahl  der  Schiffe  und  vielleicht  selbst  nicht  so  sehr  viel 
aof  die  Dampfkraft.  Die  trefflich  ausgerüsteten  Dampfer-Expeditionen 
des  „Bienenkorb^,  „Albert^  und  des  Engländers  Lamont  von  resp.  400, 
700  und  250  tons  Größe  haben  nicht  das  ausgerichtet,  was  man  von 
ihnen  erwartete.  Auch  der  „König  Wilhelm^  das  größte  Panzerschiff 
der  Welt,  würde  durch  eigene  Kraft  allein  im  Polareise  wol  seinen 
Weg  nicht  zu  bahnen  vermögen,  wenn  nicht  das  Eis  selbst  Gassen  bildet. 

In  diesen  Gkissen  aber  sind  die  Fahrzeuge  je  kleiner,  desto  besser. 
Daher  dringen  auch  die  Norweger  mit  ihren  kleinen  Fischer&hrzeugen 
(15  Ck)mmerzlasten  etc.)  überall  ein.  Schließen  sich  nun  diese  Gassen 
und  ger&th  ein  Schiff  zwischen  zwei  Eismassen,  die  es  zu  zerdrücken 
drohen,  so  kommt  in  der  Regel  alles  darauf  an,  dass  das  Schiff  so 
gebaut  ist,  dass  es  nicht  zwischen  den  beiden  Eismassen  festsitzen, 
sondern  in  die  Höhe  gehoben  wird  und  so  unbeschädigt  bleibt.  In  den 
Walfiflchf&nger-Flotten  gibt  es  berühmte  Schiffe,  die  in  Folge  ihrer 
Bauart  jeder  Gefahr  entgiengen,  so  z.  B.  das  englische  Schiff  „True- 
love^  von  Hüll;  dasselbe  ist  nun  106  Jahre  im  Gebrauch,  im  Walfisch- 


**)  Roher  ümriss  eines  Planes  für  die  Deutsche  Nordpolar-Ezpedition 
18G9,  Gotha  du.  October  1868. 

")  Geogr.  Mitth.  1870,  Hefl  IV,  S.  152. 


802 

fang  von  1784  bis  1867,  machte  als  solches  wenigstens  80  Reisen  nach 

dem  grönländischen  Meere  und  der  Davis-Strasse,  erbeutete  300  bis 
400  Walfische,  von  Seehunden  und  anderen  Thranthieren  ganz  abge- 
sehen, und  erlitt  nie  eine  nennenswerte  Beschädigung,  auch  im  schwersten 
Eise  und  in  den  heftigsten  Stfirmen  nicht ;  wenn  andere  Schiffe  in 
seiner  Nähe  zu  Grunde  giengen,  wurde  es  vom  Eise  sacht  in  die  Höhe 
gehoben  und  ohne  Gefahr  umherbewegt,  bis  es  wieder  frei  wurde ;  einmal 
lag  es  so  auf  dem  Eise  6  Wochen  lang,  ohne  irgendwie  dabei  beschä- 
digt zu  werden  '^). 

Anmerkung  der  Redaction. 

Wir  haben  die  vorstehenden  höchst  interessanten  Erläuterungen 
Aber  die  Nordpolfrage  auf  ausdrücklichen  Wunsch  Dr.  Petermanns 
angenommen,  der  damit  theilweise  und  zwar  in  der  objectivsten  Weise 
den  Ansichten  entgegentritt,  die  in  Nr.  1.  unserer  diesjährigen  Mit- 
theilungen vom  k.  k.  Schifflieutenant  Weyprecht  in  seiner  Abhand* 
lung;  '„Plan  der  diesjährigen  deutschen  Nordpolarexpedition"  ausge- 
sprochen wurden. 

Wir  kommen  bei  dieser  Gelegenheit  auch  dem  Wunsche'  des 
„Bremer  Comit6's  fflr  deutsche  Nordpolarexpedition  nach,  weiches  uns 
folgende,  in  der  Weserzeitung  unterm  2.  April  1870  abgedruckte 
Entgegnung  auf  den  Weyprechtschen  Artikel  zusandte: 

»Nr.  1  der  MittheiliuigeD  der  geopraphipchen  Gesellschaft  in  Wien  enthält 
eine  Besprechung  des  Planes  der  zweiten  deutschen  Nordpolarexpedition  aus 
der  Feder  von  C.  Weyprecht,  k.  k.  östeir.  Marinelicutenant ,  einem  der  Theil- 
nebmer  der  angekündigten  Sommerexpedition  nach  Ostspitzbergen.  Der  Ver^ 
fasser  zollt  darin  der  Hauart  der  Schiffe  und  ihrer  Ausrüstung  seine  Aner- 
kennung, begründet  aber  die  Ansicht,  dass  es  nicht  wohlgethan  war,  die  Ost- 
küste Grönlands  zur  Basis  des  Unternehmens  zu  machen.  Dabei  begeht  der- 
selbe indess  den  sehr  auffallenden  und  starken  Irrthum,  zu  behaupten,  der 
Plan,  die  Ostküste  Grönlands  aufzusuchen,  sei  unter  Abänderung  der  Peter- 
mann^schen  Absichten  im  letzten  Augeubhck  vom  Bremer  Comite  substituiert 
worden.  Nun  stand  aber  da.^  Ziel  der  Expedition,  wie  ja  auch  bekannt  (s.  geogr. 
Mittheilungen  vom  8.  März  1869)  fest,  noch  ehe  das  hiisige  Comit^  überhaupt 
zusammentrat.  Die  einzige  Aenderung,  welche  im  Einverständnis  mit  Capt. 
Koldewey  und  unter  ausdrücklicher  Zustimmung  des  Herrn  Dr.  Petermann« 
bei  dessen  persönlicher  Anwesenheit  in  Bremen,  erfolgte,  betraf  die  Vertauschung 
des  zweiten  Schifi,  der  »Grönland»,  mit  einem  größeren,  eines  Theils,  weü 
man  die  moralische  Verantwortlichkeit,  ein  so  kleines  Fahrzeug  an  die  Ostr 
küste  von  Grönland  zur  Ueberwinterung  zu  senden,  nicht  übernehmen  wollte, 
andemtheils,  weil  dasselbe  nicht  hinreichend  Kohlen  und  Proviant  aufnehmen 
konnte.  Die  Expedition  sollte  zu  einem  längereu  Aufenthalt  in  den  arctischen 
Regionen  befähigt  werden.  Dies  nur  zur  Berichtigung  jenes  Artikels.  Cnsern 
Lesern  ist  es  schon  zur  Genüge  bekannt,  dass  die  TbAtigkeit  des  Bremer 
Comit^s  sich  lediglich  auf  Unterstützung  und  Förderung  des  Unternehmens 
beschränkt,  dessen  Leiter  die  Herren  Dr.  Petermann  und  Capt.  Koldewey  sind. 
Die  von  Herrn  Dr.  Petermann  ausgearbeitete,  in  Form  der  geogn^bischen 
Mittheilungen  gedruckte  und  damals  durch  Zeitungen  und  Journale  publicierte 
Instruction  (Gotha,  7.  Juni  1869)   enthält  ja   auch    den    ganzen,   sich   an  die 


lö 


")  lUustrated  London  News,  5.  Februar  1870. 


308 

lS68er  Expedition   ▼«^ikonuDeii  aDBcbließenden  Plan   und   aus  dieaem  hat  daa 
Comitä  8.  2.  einzelnes  durch  seine  Mittheilungen  veröffentlicht.  Bei  einer  kurzen 
Erv&hnnug   des   obigen  Aufsatzes    in    den    geographischen  Mittheiluugen   bat 
Dr.  Petermann  übrigens  schon  selbst  den  Irrthum  des  Verrfassers,  als  ob  das 
Bremer  Comite    den  Plan   festgestellt   oder  entworfen   habe,  coustatiert    Herr 
Dr.  Petennann  erw&hnt   zugleich,    dass   er    den  Aufsatz   des   Osterreichischen 
llarineofficiers,  Herrn  Weyprecht,    demnächst   weiter    besprechen  werde,    und 
enthalten  wir  uns,  auf  den  sachlicbeu  Inhalt  näher  einzugehen ;    doch  können 
wir    die  Bemerkung   nicht  unterdrücken,    dass    mit    den  Ansichten  des  Herrn 
Weyprecht  der  Inhalt  des  Gutachtens  des  Capitän  D.  Gray  (s   S.  340  d.  geogr. 
Mitth.  Y.  1868;  in  directestem  Widerspruch  steht  und  dass  auf  dieses  Gutachten 
in  dem  Autsatz  nirgends  auch  nur  Bezug  genommen  ist    Capitän  D.  Gray  hat 
viele  Jahre   an   der  OstkOste  Grönlands  Walfischfang   getrieben   und  befindet 
sich  noch  jetzt  wieder  in   jenen  Gewässern.    Koch  einen  Irrthiun,    der  freilich 
nur  eine  Nebensache  betrifft,  müssen  wir  berichtigen.     Es  heißt  in  einer  Note 
zu  dem  Aufsatze:  »Petermaun's  Abwesenheit   bei   allen  in   der  letzten  Zeit  zu 
Ehren  der  Expedition  veranstalteten  Festlichkeiten  sieht  einem  stillschweigenden 
Proteste   gegen   die  Voreäuge   im    iSchooße    des   Bremer   Ck)niit6s    täuschend 
ähnlich.«    Dieser    letzte  Punkt  ist  eben  widerlegt,   was    aber    die  angeblichen 
»Festlichkeiten  zu  Ehren  der  Expedition»  angeht,  so  beruht  diese  Aeußerung 
eben£aU8  auf  völliger  Unkunde.   Es  ist   hier  auch  ja  bekanut,   dass,    besonders 
in  der  letzten  Zeit,  das  Comite  anstrengend  gearbeitet    und  lange   Verhand- 
langen gepflogen  hat,  dass  aber  von  Festen  auch   nicht   einmal  die  Rede  war. 
£s  sei  denn,  dass  man  die  Abfahrt  in  Gegenwart  des   Königs  Wilhelm  I.  als 
ein  Fest  ansehen  will.    Zu    diesem  Fest   ist   Herr   Dr.   Petermann   allerdings 
leider  nicht  gekommen,  ohwol  er  dringend  eingeladen  war.« 

Diese  Entgegnung  hielten  wir  uns  verpflichtet  an  Herrn  Weyprecht 
zu  senden  and  erhielten  darauf  folgende  Zuschrift. 

Es  thut  mir  leid,  dass  mein  Aufsatz  die  Ursache  zu  einer  Berichtigung 
von  Seite  des  Breaier  Comii^s  geworden  ist. 

Ich  hielt  mich  aus  verschiedenen  Gründen  für  berechtigt,  das  Comite 
fikr  den  Plan  der  Expedition  verantwortlich  zu  machen.  Erstens  glaube  ich,  dass, 
wenn  sich  ein  Comit^  zur  Förderung  eines  wissenschaftlichen  Unternehmens 
constituiert  tmd  sich  nicht  ausdrücklich  »öammelcomit^-  nennt,  ein  Jeder  mit 
vollem  Rechte  annehmen  kann,  dass  der  Plan  zu  demselben  in  seinem  Schöße 
grQndiich  discutiert,  möglicher  Weise  auch  abgeändert  worden  ist. 

Zweitens  hatte  dieses  Comite  de  facto  die  ganze  Leitung  des  Unter- 
nehmens in  der  Hand,  wie  aus  den  verschiedenen  Veröffentlichungen  ersichtlich 
ist.  Eine  solche  Leitung  kann  mau  ohne  Verantwortlichkeit  für  die  Conae* 
quenzeu  nicht  übernehmen. 

Drittens  heißt  es  in  der  Mittheil.  Nr.  Z  des  Bremer  Comit^s  vom  18.  Mai, 
daas  sich  am  8.  Mai  auf  Einladung  dieses  Comit^s  17  Freunde  des  Unter- 
nehmens versammelt  haben,  um  »nochmals  eingehende  Berathung  über  Art 
und  Plan  des  Unternehmens  zu  pflegen  und  an  der  Hand  wahrheitsgetreuer 
sachlicher  Erörterungen  den  mehr  lauten  als  begründeten  Agitationen  etc.« 

Wariun  ich  Herrn  Dr.  i*etcrmann  nicht  für  den  Urheber  dieses  Planes 
ansah ,  habe  ich  im  Eingange  meines  Aufsatzes  erörtert.  Dass  die  Instruction 
Itkr  die  Expedition  von  Herrn  Or,  Petermann  verfasst  wurde,  will  gar  nichts 
heißen.  Kür  ihn  als  inteliectuellcn  Urheber  des  Unternehmens  war  dies  ganz 
uatflriich.  Uebrigens  ist  er  bei  der  Mittheilung  des  Comit^s  nur  als  Comit6> 
Bitglied  unterschrieben.  —  Dass  das  Bremer  Comitö  den  Instructionen  nicht 
ferne  gestanden  ist,  ergibt  sich  aus  der  Comitesitzung  vom  13,  Jimi,  in 
welcher  sie  durchgegangen  und  berathen  wurden.  Ich  muss  also  den  Vorwurf, 
diese  Instructionen  nicht  beachtet  zu  haben,  zurückweisen. 

Was  die  Abwesenheit  Dr.  Petermanns  von  den  Festlichkeiten  betrifft, 
rechtfertigt  mich  die  Weserzeitung  selbst,  indem  sie  dieselbe  bedauert. 

Schließlich  muss  ich  mich  noch  wegen  des  Vorwurfes  rechtfertigen,  dass 
ich  die  gtLastigen  Ansichten  des  Capt.  Gray  unerwähnt  gelassen  habe.  Diese 
kenne  ich  nicht,  wol  aber  seinen  Versuch  hn  Jahre  1868,  längs  der  grönländi- 
schen Küste  gegen  Norden  vorzudringen  und  diesen  habe  ich  auch  besprochen. 


804 

Sobald  das  Breuer  CoBiit^  die  Aatorsdiaft  des  PlaneB  amdrtlcliich  ▼ob 
sieh  weist  und  demselben  durchaus  ferne  sa  stehen  behauptet,  mnss  kh 
natürlich  schweigen  und  kann  ich  nicht  an  der  Wahrheit  dieser  Angabe 
sweifeln.  Idi  habe  in  meinem  Aufsatse  die  Sache  in  dem  Lichte  anfge&sst, 
in  welchem  sie  jedem  erscheinen  musste,  der  Yon  den  Verhandlungen  nicht 
mehr  erfahren  konnte,  als  öffentlich  mitgetheilt  wurde«  Weyprecht 


Da«  Land  Turuchan  *) 

im    asiatischen    Russland    nach    seiner    physikalischen 

Beschaffenheit 

Von  F.  Svßcen;^. 

Turuchan  ist  ein  Theü  des  Gouvernements  Jenisejsk  im  asiati- 
schen Russland.  Es  bildet  das  nördliche  (Gebiet  dieses  Gronvemements 
mit  einem  Fl&chenraum  von  29.884  geogr.  O  Meilen  und  liegt  zwischen 
dem  61.  and  78.  Grad  n.  Br.  Nördlich  wird  es  durch  das  Eismeer 
begr&nzt,  östlich  lehnt  es  sich  an  das  Gouvernement  Jakutsk,  westlich 
an  das  Gouvernement  Tobolsk.  Der  Floss  Jenisejsk  durchschneidet  das 
Land,  das  hiednrch  in  zwei  Theile  zerf&llt,  den  östlichen  und  doi 
westlichen.  Der  östliche  ist  nahezu  doppelt  so  groß  wie  der  west- 
liche, von  Gebirgen  durchzogen,  im  Süden  mit  W&ldem  bedeckt  Flflsse 
von  Bedeutung  sind  die  Podkamenaja  Tungnska,  die  Bachta,  die  untere 
Tunguska  und  die  Eurejka.  Diese  durchströmen  das  Gebiet  in  nörd- 
licher Richtung,  und  bahnen  sich  vielfältig  den  Weg  durch  Felsen- 
klüfte. Nach  der  Meeresküste  zu  senkt  sich  der  Boden  und  gestaltet 
sich  allm&lich  als  waldlose  Fläche.  Den  westlichen  Theü  bildet 
eine  gegen  Norden  ziehende  von  kleinen  Flüssen  belebte  Ebene, 
deren  Einförmigkeit  durch  mäßige  Abhänge  unterbrochen  wird.  Das  Gkbirg 
besteht  aus  zusammenhängenden  Berggruppen,  als  deren  hervorstechende 
Theile  genannt  werden  der  Bergrücken  Taymnrsk,  der  große  Stein,  der 
Ijetnische  Stein,  der  Putorama,  der  Bärenfels,  der  kleine  Stein  und  der 
Bergrücken  Birrant.  Die  Berge  überraschen  das  Auge  durch  massenhafte 
Gruppierung,  d.  h.  steile  Abhänge,  Schluchten  von  ansehnlicher  L&nge, 
Hochebenen,  Felspartien,  Kesseln  und  Kratern.  Die  Höhe  derselben 
erreicht  bei  2200—2800  Fuß.  Der  Krater  in  der  Nähe  des  Ajiabara- 
flnsses  hat  eine  Länge  von  8  Werst,  eine  Breite  von  1  Werst  Aus 
den  an  der  Oberfläche  liegenden  Stoffen  gewinnen  die  Einwohner  brenn- 
bares Harz,  In  den  Gebirgen  findet  man  eine  Anzahl  von  kleineren 
und  größeren  Seen. 


*)  Nach  dem  Russischen  des  Hrn.  Tretjakow  in  den  Denkwürdigkeiten 
der  kais.  russischen  geographischen  Gesellachi^.  2.  Band.  Seite  215-294. 


805 

Die  geognostische  Beschaffenheit  der  Berggrnppen  ist  noch  wenig 
bekannt.  Man  weiß  nar,  dass  sie  aus  Thonschiefer,  Kalkstein  und 
Granwacke  bestehen.  Hie  und  da  kommt  Granit  mit  Basalt  gemengt  vor. 
Seltener  ist  der  Sienit,  Diorit  nnd  Sandstein.  An  Mineralien  findet  man 
Eisenerz,  Steinkohlen,  Chalcedon,  Gyps,  Asbest,  Graphit,  Bergöl. 

Zu  den  größeren  Flächen  in  Turuchan  gehört  jene  zwischen 
dem  Jenisej  nnd  Tas,  femer  die  zwischen  dem  Jenisej  und  dem  Bache 
Tschuntschug,  dann  das  sogenannte  niedere  Moorland  zwischen  dem  See 
Taimyr  und  den  Flossen  Boganida  und  Dupypta,  endlich  der  zwischen 
den  Flüssen  Anabar  und  Chatanga.  Auf  diesen  Ebenen  erheben  sich  hie 
und  da  ovale  Hügel.  Einige  Ebenen  sind  wellenförmig,  andere  haben 
kleine  Seen  in  ihrem  Umkreise.  Zur  Winterszeit  bieten  dieselben  einen 
unendlich  düsteren  Anblick  dar.  Die  Bleifarbe,  die  zahlreichen  Furchen 
geben  ihnen  das  Ansehen  eines  im  Unwetter  wogenden  Meeres,  besonders 
wenn  die  Stralen  des  Mondes  die  Schneefläche  beleuchten.  Im  Mai  ist 
der  Widerschein  des  Sonnenlichtes  von  der  Schneedecke  blendend. 

Der  Boden  im  Süden  des  Landes  ist  mit  schwarzer  Erde  bis  zur 
Tiefe  von  1  Fuß  bedeckt.  Gegen  Norden  sind  Bestandtheile  des  Bodens 
Mergel,  Sand-  und  Schlammerde.  In  tieferen  Lagen,  besonders  am  linken 
Ufer  des  Jenisej  ist  derselbe  sehr  locker.  In  der  nördlichen  Hälfte  des 
Landes  besteht  er  aus  Schutt,  Lehm  und  Sand  mit  Schlammerde  und 
Torf  gemengt  Am  647s  ^  n*  Br.  findet  man  ihn  bis  zu  einer  Tiefe  von 
1'/^  Arschin  bleibend  zugefroren.  In  Turuchansk,  wo  der  Boden  zur 
Sommerszeit  bis  zu  37«  Fuß  aufthaut,  geschah  es,  dass  man  bei  der 
Grundlegung  einer  Kirche  auf  ein  Grab  stieß.  Bei  Aushebung  des 
Grabes  kamen  die  Füße  der  Leiche  zum  Vorschein,  woran  nicht  nur 
die  Stiefel  sondern  auch  die  Haut  sammt  dem  Fleische  wohlerhalten 
waren.  Im  Jahre  1859  machte  man  zu  Turuchansk  den  Versuch,  einen 
Bronnen  anzulegen,  um  die  Stadt  mit  Wasser  zu  versorgen.  In  der 
Tiefe  von  272  .Arschin  fand  man  bei  diesem  Anlass  unter  einer  Schichte 
Schlammerde  und  Lehm  eine  Eiskruste,  unter  dieser  Sand  und  Lehm, 
und  tiefer  abermals  Eis,  was  sich  in  weiterer  Tiefe  inmier  wiederholta 
Unter  dem  667^  Grade  n.  Br.  nimmt  die  Masse  des  zugefromen  Bodens 
stufenweise  zu,  zumal  an  der  Linie,  wo  der  Baumwuchs  aufhört  Der 
Torfboden  erreicht  an  manchen  Stellen  die  Tiefe  von  1 — 3  Arschin.  Im 
Wurzelgeflecht  zeigen  sich  Spuren  von  Riedgras,  Weiden,  Birken, 
Erlen  und  Lärchen.  Unter  der  Oberfläche  liegen  Eiskrusten  von 
3 — 4  Fuß  Dicke.  Steinkohlenlager  kommen  an  vielen  Stellen,  Vorzugs- 
weise  im  östlichen  Gebiete  vor.  Unter  dem  70.  Grade  n.  Br.  sind 
dieselben  besonders  mächtig.  In  der  Nähe  des  Flusses  Gore^a  (Brand- 
fluBs)  gab  es  vor  60  oder  90  Jahren  unterirdische  Vulkane,  woher  der 

Oeograpbiscbo  Mitlheilungeu  1870.  7.  20 


306 

Fluss  seinen  Namen  hat.  Die  Tungusen  sagen  ans,  dass  noch  jetzt  unfern 
davon  ein  solcher  Vulkan  bestehe.  In  der  Entfernung  von  80  oder 
100  Werst  von  der  Mündung  des  Flusses  Taymur  kommt  man  zu 
einer  anderen  vulkanischen  Stätte.  Nach  Versicherung  der  Tungusen 
hat  der  Raum,  auf  welchem  dort  aus  der  brennenden  Aschendecke  der 
Rauch  aufsteigt,  einen  Umfang  von  250  Klaftern.  Es  gibt  daselbst 
ungeheuere  von  Rauch  geschwärzte  Steine,  während  des  ganzen  Winters 
hält  sich  kein  Schnee.  Die  Tungusen  holen  aus  dem  Steingeklflfte 
des  Flussufers  der  Tunguska  ihr  Feuer  mittels  Stangen,  an  deren  Ende 
Zündstoff  befestigt  ist.  Unter  dem  71.  und  72.  Grade  n.  Br.  erhebt 
sich  in  der  Nähe  des  linken  Ufers  des  Jenisej  ein  ziemlich  hoher 
Hügel,  in  welchem  Bernstein  in  Form  kleiner  Kömer  vorkommt.  Auch 
in  den  Moorsteppen  nächst  dem  Meere  findet  man  Bernstein.  Am  Ufer 
des  Sees  Ladonnach  östlich  von  der  Taimurischen  Landschaft  wird  eine 
Gattung  Bernstein  von  dunkler  Färbung  aufgelesen. 

An  den  Mündungen  der  Flüsse  Anabara,  Chalanta  und  Jenisej 
bedeckt  sich  das  Meer  zwischen  dem  1.  Oktober  und  10.  November 
mit  Eis,  und  thaut  erst  zwischen  dem  10.  Juni  und  1.  Juli  wieder 
auf.  Zu  Ende  des  Jahres  werden  die  Eisschollen  durch  sudliche  Winde 
nordwärts  getrieben,  zuweilen  ereignet  es  sich,  dass  sie  durch  die 
Gewalt  der  Nordwinde  wieder  zurückgedrängt  werden ;  mit  ihnen  kommen 
dann  an  den  Ufern  Seepflanzen  mit  Blättern  von  4  Fuß  Breite  zum 
Vorschein. 

Zur  Winterszeit  ist  die  Temperatur  der  See  unter  Null,  im  Sommer 
steigt  sie  bei  südlichen  Winden  bis  zu  15  Graden. 

Die  Ufer  am  festen  Lande  und  an  den  Inseln  erleiden  in  verschie- 
denen Richtungen  durch  die  vom  Eise  durchsetzten  Erdschollen  Ein- 
risse an  der  Oberfläche.  Wenn  diese  aufthauen,  so  bilden  sich  größere 
oder  kleinere  Rinnsäle  für  das  abfließende  Wasser.  Die  Anhäufung  des 
Erdreiches  bildet  an  solchen  Stellen  konisch  geformte  Erhöhungen.  Die 
am  äußersten  Norden  gelegenen  Landstriche  waren  ohne  Zweifel  meistens 
Meeresboden.  Man  findet  dort  Muscheln  von  Thieren,  wie  sie  jetzt  im 
Eismeer  vorkommen. 

Die  Hauptarterie  für  die  Bewässerung  des  Landes  ist  der  Jenisej. 
Die  Länge  seines  Laufes  von  der  Landesgränze  bis  hinab  zur 
Seegränze  beträgt  1720  Werst.  Bei  dem  Einlaufe  stellen  sich  ihm 
Gebirgsgruppen  entgegen,  deren  Constellation  ihn  zur  Zertheilung  der 
Fluten  zwingt.  Solchergestalt  bildeten  sich  dort  nicht  weniger  als 
77  Inseln  verschiedener  Größe  und  Beschaffenheit.  Auch  in  seinem 
weiteren  Lauf  gegen  Norden  umschlingt  der  Jenisej  viele  bedeutende 
Inseln.     Die  Schiffahrt  auf  demselben   ist  deshalb  und  wegen  der  sich 


307 

entgegenstellenden  Wasserfölle,  Klippen  und  Untiefen  keine  gefahr- 
lose. Die  Breite  des  Bettes  wechselt  zwischen  4,  7,  15,  24  bis  zn 
60  Werst,  die  Tiefe  zwischen  3,  5,  9  bis  zu  27  Klaftern.  Seine  zahl- 
reichen Buchten  begünstigen  den  Fischfang,  der  insbesondere  durch  den 
Handel  mit  Stören,  Forellen,  Karpfen,,  Häringen  und  Lachsen  zur  besten 
Nahrungsquelle  der  Einwohner  wird.  Auch  bieten  die  nahen  Inseln 
Gelegenheit  zum  Fang  von  wilden  Gänsen,  die  gleichfalls  Handels- 
artikel sind. 

Der  Eisgang  am  Jenisej  gestaltet  sich  nach  der  geographischen 
Lage  des  Flusses  verschieden.  Beim  Einfluss  der  Podkamenntga 
Tunguska  beginnt  das  Steigen  des  Wassers  zwischen  dem  10 — 15  April, 
der  Eisgang  selbst  zwischen  den  26.  April  und  2.  Mai.  Das  Eis  beider 
Flüsse  vereinigt  sich  zur  dichten  Masse  und  steigt  bis  zur  Höhe  von 
4 — 5  Arschin.  Wäre  der  Boden  des  Landes  nicht  fest  gefroren,  so 
würden  die  Verwüstungen  au  den  Ufern  sehr  bedeutend  werden.  Bei 
dem  Dorfe  Manastyrsk  erfolgt  der  Eisgang  zwischen  dem  8 — 15.  Mai. 
Es  kam  schon  vor,  dass  bei  späteren  Frösten  der  enteiste  Fluss  sich 
wieder  mit  Eis  bedeckte.  Bei  der  Mündung  ins  Meer  verzögert  sich 
der  Eisgang  bis  zum  12 — 20.  Juni.  Das  völlige  Freiwerden  des 
Wassers  braucht  18  Tage.  An  seichten  Stellen  und  in  der  Nähe 
der  Inseln  staut  sich  das  Eis  zu  Dämmen  auf.  Hiebei  und  wenn  diese 
Eismassen  sich  trennen,  gehen  die  Fische  in  großer  Anzahl  zu  Grunde. 
Durch  die  Wirkung .  der  Sonnenstralen  erfolgt  oft  ein  plötzlicher 
Wechsel  der  Scene,  ganze  Pyramiden  grünen  Eises  von  schillerndem 
Glänze  sinken  zu  Höhlen  ein.  Der  Wasserstand  wechselt  in  kurzen 
Fristen,  der  Lauf  wird  beschleunigt,  es  schwimmen  Massen  von  Baum- 
stämmen, Balken,  Kähne,  ganze  Barken  einher,  bis  sie  an  den  Buchten 
und  Inseln  festsitzen  bleiben.  Der  Lauf  des  Flusses  gegen  Norden  wird 
langsamer,  er  nimmt  au  einer  Stelle  die  Form  eines  Sees  an,  und  scharfe 
Winde  treiben  das  Meerwasser  in  sein  Bett,  wodurch  die  Höhe  der 
Fluten  im  Juli  und  August  um  1^2  Arschin  steigt.  Die  Farbe  des 
Wassers  ist  grün  oder  dunkelblau,  in  stürmischer  Zeit  gelblich.  Wird 
es  ins  Gefäß  gethan,  so  setzt  sich  der  Inhalt  sehr  schnell  und  es  wird 
klar.  Der  Satz  enthält  Theile  von  Quarz,  Lehm,  Schiefer,  Kalk  und 
Mergel,  auch  Eisentheile.  Es  ist  gesund  und  von  angenehmen  Geschmack. 
Zur  Sommerszeit  bietet  der  Fluss  den  Anblick  einer  schön  polirten  Stahl- 
fläcbe;  in  seinen  Wellen  spiegelt  sich  das  Wolkengewölbe.  Bei  der 
Abendämmerung  nimmt  die  Spiegelfläche  der  Fluten  einen  violetten 
Glanz  an.  Im  October  beginnen  wieder  die  Fröste,  und  mit  Ende 
dieses  Monats  längstens  bis  zum  5.  November  ist  der  Strom  mit  Eis 
bedeckt.    Mit  diesem  Zeitpunkt   sinkt  das  Wasser  um  3 — 7  Fuß.    Die 

20* 


808 

üebersicht    des    Wechsels    zwischen    der   Eisdecke    und   dem    eisfreie 

Znstande  ist: 

Grade  der  Breite  Eisfreier  Zustand  Eisdecke 

587/  194  Tage  171  Tage 

6P  187     fr  178     „ 

657/  153     „  212     „ 

670  137     ^  228     „ 

697/  126     y,  239     ^ 

Die  größeren  Nebenflüsse  des  Jenisej  sind :  rechts  die  Podkamennaja 
Tunguska,  die  Bachta,  die  untere  Tungnska,  Knrejka,  Chantayka, 
Dndinka,  Goltschucha,  Glnboka  und  Zyrianka,  links  der  Elognj,  Tum- 
chan  und  die  Peliatka. 

Hievon  hat  die  untere  Tunguska  eine  Länge  von  3300  Werst,  die 
übrigen  durchziehen  das  Land  in  einer  Strecke  von  100 — 1500  Werst. 
Ebenso  wechselt  die  Breite  und  Tiefe  dieser  Flüsse  nach  der  Gestaltung 
der  Ufer,  durch  welche  sie  in  Gebirgspartien  eingeengt  werden,  in 
offenen  Gegenden  aber  der  freien  Ausdehnung  überlassen  bleiben.  Sie 
entspringen  theils  im  Gebirg,  theils  kommen  sie  aus  Landseen  oder 
aus  der  Mitte  der  Moorgründe.  Bei  einigen  kommen  Wasserfälle  vor, 
deren  z.  B.  die  Bachta  26  hat.  Die  Ufer  sind  an  manchen  Stellen  yon 
seltener  Schönheit.  An  der  unteren  Tunguska  erblickt  man  Felsen  Ton 
ungeheurer  Größe,  welche  hie  und  da  wie  gewaltige  Schlösser  oder 
Testen  am  Rande  tiefer  Abgründe  stehen,  an  anderen  Orten  aus  niederen 
Waldpartien  wie  Türme  empor  ragen,  einzelne  erinnern  an  die  For- 
men der  Sphinxe.  Ungefähr  30  Meilen  vor  dem  Einfluss  steht  ein  Fels 
am  Ufer,  der  die  Gestalt  eines  sitzenden  Mönches  hat.  Er  galt  vor  Zeiten 
als  Gegenstand  religiöser  Verehrung  und  die  Eingebomen  pflegten, 
während  sie  auf  ihren  leichten  Birkennachen  herabschifften,  mittels  ihrer 
Pfeile  Eichhörnchen  und  Zobel  als  fromme  Gabe  hinauf  zu   schleudern. 

Die  Eurejka  windet  sich  an  einer  Stelle  durch  steile  Felsgruppen 
und  dicht  besetzte  Waldungen  gleich  einem  weißen  Bande.  Aus  den 
Höhen  herabgekommen  setzt  sie  ruhig  ihren  Lauf  fort.  Plötzlich  bricht 
sich  der  Wasserspiegel  wieder  an  einem  Felsen,  der  sich  mitten  im 
Flusse  erhebt.  Noch  einen  Schritt  und  die  Fluten  stürzen,  wie  von 
Wuth  ergriffen,  über  den  Abhang.  Ueberall  auf  Steinhaufen  stoßend  und 
zwischen  felsige  Ufer  gedrängt,  zertheilt  sich  das  Wasser  in  lichtgrfine 
Klumpen  und  fällt  sprungweise  herab,  die  Umgebung  in  Wasserstaub 
einhüllend  und  durch  den  Anprall  an  das  Gestein  dumpfes  Getöse 
verbreitend. 

Die  Geschwindigkeit  des  Laufes  ist  bei  höherem  Wasserstande  in 
4en  Seitenflüssen  des  Jenisej  bedeutend,  und  namentlich  bei  der  unteren 


309 

Tnngoska  sehr  groß,  indem  «ie  stfindlich  25  Werst  znrficklegt.  Die 
Schiffahrt  erheischt  hier  erfahrene  Leute.  Der  letztgenannte  Fluss  hat 
auch  seine  Seitenflosse  wovon  die  ansehnlichsten  die  Sjewemaja,  die 
Banicha»  Tischkowa,  Gorjelaja,  Tnmga,  Ljetnaja,  Jenochina,  Werchnaja 
Ljetnaja,  der  Taimor  and  die  Swjetlaja.  Sie  hahen  eine  Länge  von  400 
Ms  700  Werst,  einige  davon  sind  45 — ^50  Klafter  breit  und  zwischen 
IV,— 3  Klafter  tief. 

Aafier  dem  Jenisej  hat  das  Land  noch  nachstehende  ins  Meer  ein- 
mllndende  Flflsse :  den  Tas,  die  I^asina,  die  Tajmyra,  die  Chatanga  und 
den  Anabar. 

Der  Tas  entspringt  ans  einem  bedeutenden  See,  vereinigt  sich  nach 
kurzem  Lauf  mit  dem  Njekoltok  und  ergießt  sich  nach  Zurflcklegung 
einer  Strecke  von  1100  Werst  in  den  Tas'schen  Meerbusen.  Er  nimmt 
im  Laufe  die  Breite  von  120 — 380  Klaftern,  zuletzt  von  3  Werst  an. 
Seine  Tiefe  ist  höchstens  37a  Arschin.  Die  Ufer  sind  anfangs  bergig, 
weiterhin  flach.  Das  Wasser  ist  nicht  rein  und  braucht,  in  ein  Glas 
gegossen  einige  Stunden  zur  Abkl&rung.  Der  Satz  hat  Eisentheile. 
Getrunken  verursacht  es  Unbehagen  im  Halse  und  Magen.  Im  October 
bedeckt  sich  der  Fluss  mit  Eis,  das  erst  in^Mai  aufthaut.  In  den  Tas 
münden  die  große  Schirta,  Meso,  Tolka,  die  große  Silka  und  der  Pur. 
Bei  dem  Verschwinden  des  Eises  drängen  sich  bedeutende  Haufen  von 
Seefischen  in  das  Flussbett  des  Tas  sowie  in  dessen  südliche  Nebenflflsse. 
Mit  Ende  September  ziehen  sie  sich  wieder  ins  Meer  zurfick  und  die 
Flussfische  eilen  in  ihre  Winterstandorte  in  den  Nebenflüssen  des  Südens, 
80  dass  im  Tas  kein  Fisch  mehr  zu  finden  ist 

Die  Pjasina  nimmt  ihren  Anfang  in  einem  See.  Ihre  Länge  beträgt 
1000  Werst,  die  Breite  anfänglich  80  Klafter,  weiterhin  3  Werst.  Die 
einmOndenden  Flüsse  sind:  die  Tschornaja,  die  Dudypta,  die  Anapa 
und  Pyra. 

Die  Tajmyra  theilt  sich  in  die  obere  und  untere,  je  nachdem  sie  in 
den  See  Tajmyr  aufgenommen  wird,  oder  denselben  nordwärts  verlässt. 

Die  obere  Tajmyra  hat  ihren  Ursprung  unter  dem  73^  nörd.  Breite, 
und  ergießt  sich  in  den  See  Tajmyr  unterm  73®  59'.  Die  Breite  ist 
Vs  ^^8  ^'i  Werst,  die  Tiefe  3—5  Klafter.  Die  untere  Tajmyra  hat  eine 
Länge  von  100  Werst.  Die  Mündung  liegt  unter  75®  35'  n.  Br. 

Die  Chatanga  kommt  aus  drei  Seen  zwischen  dem  68  und  69® 
n.  Br.  Die  Länge  beträgt  600  Werst.  Sie  hat  naoh  der  Vereinigung  mit 
der  Cheta  eine  Breite  von  530  Klaftern,  in  der  Nähe  ihrer  Mün- 
dung 3—5  Werst.  Die  Tiefe  ist  4—10  Klafter.  An  der  Stelle,  wo 
der  Fluss  zwischen  den  Klüften  des  Berges  Putorama  eingeengt  ist, 
strömt  er  reißend  fort,  dort  gibt  es  Wasserwirbel,  in  welche  die  nahen 


310 

Objecte  zum  Boden  gezogen  werden,  um  in  einer  Entfemong  von  ftad 
Werst  verstümmelt  zum  Vorschein  zn  kommen.  Zwischen  dem  72.  und 
75.  Grad  n.  Br.  vermischen  sich  die  Fluten  des  Flusses  schon  mit 
jenen  des  chataeskischen  Meerbusens.  Mitte  September  bedeckt  sich  die 
Chatanga  mit  Eis.  Doch  auf  dem  Putorama  erfolgt  kein  Zufrieren. 
Das  Aufthauen  der  HSisdecke  b^innt  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Juni.  Die  Nebenflüsse  sind  der  Popigay,  die  Cheta,  Balaehna  und 
Nowaja. 

Der  Ana  bar  entspringt  im  Jakutsk'schen  Gebiete.  Er  hat  einen 
Lauf  von  900  Werst,  gegen  Norden  erreicht  er  eine  Breite  von 
2 — 3Vs  Werst  Das  Wasser  ist  seicht,  die  Strömung  beschleunigt,  die 
Ufer  zeigen  schwarze  Erde,  Torfgrund,  von  Baum-  und  Graswurzeln 
durchflochten. 

Die  Flüsse  iu  der  Polargegend  werden  im  Beginn  des  Winters 
seicht,  zu  Ende  desselben  aber  bilden  sie  eine  Reihe  von  Vertiefungen,  die 
von  einander  abgesondert  liegen;  zwischen  denselben  erblickt  man  feste 
Eisdftmme  längs  der  wasserarmen  Flüsse.  Dieses  Phänomen  kömmt  bei 
den  Flüssen  Anabar,  Pjasina,  Chatanga  und  Cheta  jedoch  nur  in  höheren 
Gegenden  vor.  Wären  die  ^lüsse  nicht  mit  den  Seen  in  Verbindung,  so 
würden  sie  zur  Winterszeit  so  versiegen,  wie  dieß  bei  andern  der  Fall 
ist.  In  der  Sommerhitze  ist  die  höchste  Temperatur  der  erwähnten 
Flüsse  13^  und  dieß  nur  durch  einige  Tage,  im  Winter  fällt  sie  bis  zum 
Gefrierpunkt.  Hiebe!  bleibt  das  Wasser  einige  Fuß  tief  fließend.  Die  Flüsse 
Anabar,  Pjasina  und  Chatanga  enthalten  großen  Fischreichthum.  Kaum 
haben  dieselben  das  Eis  abgestreift,  so  scharen  sich  in  ihnen  ansehnliche 
Gruppen  von  Seefischen,  die  bis  in  die  Seitenflüsse  vordringen.  Mit  Ende 
August  kehren  sie  wieder  in  die  See  zurück.  Mit  Ende  September  findet 
man  nur  noch  an  einzelnen  tiefen  Stellen  spärliche  Gruppen  von  Fischen, 
die  mehr  an  das  Flusswasser  gewöhnt  sind.  Nur  an  den  Mündungen  der 
Flüsse  Chatanga,  Balaehna  und  Pogpigay  kommen  allerlei  Seefische  auch 
im  Winter  vor. 

In  der  westlichen  Hälfte  des  Landes  gibt  es  zahlreiche  Seen, 
doch  sind  sie  wegen  ihrer  Unbedeutenheit  nicht  einer  besonderen  An- 
fOhrnng  wert.  Sie  sind  meist  fischreich,  von  waldigen,  mitunter  felsigen 
Ufern  umgeben,  einige  mittels  Bächen  unter  einander  verbunden. 

Im  Westen,  vom  63®  n.  B.  bis  an  das  Meer  ziehen  sich  sumpfige 
Stellen  mit  kleinen  Seen,  deren  Wasser  süß  und  klar  aber  faulig  ist 
Im  Osten  kommen  dergleichen  ebenfalls  vor,  nur  sieht  man  da  auch 
Gebirg  und  Waldung.  Diese  Sümpfe  und  seichten  Seen  geben  den 
meisten  Flüssen  ihren  Ursprung. 

Gegen   Norden   zwischen  den  70.    und    74.®   n.    Br.  beginnen  die 


311 

eigentlichen  Moorfl&chen,  darch  kleine  Htkgel  und  Einrisse  in  ihrer 
Einförmigkeit  unterbrochen.  Sie  ziehen  sich  ttber  80  Werst,  ihre  Ober- 
flftche  bestheht  ans  Snmpfeis.  Mit  dem  68.^  n.  Br.  hören  die  Quellen 
aof  mit  Ausnahme  der  salzhaltigen.  In  der  südlichen  Hftlfte  des  Landes 
kommen  zahlreiche  eisenhaltige  Quellen  vor,  die  salzigen  im  Osten, 
hauptsächlich  in  der  Nähe  der  Mfisse  Sjwema,  Chatanga  und  Anabar. 

Tumchan  ist  wegen  seiner  Lage  nahe  am  Nordpol  bis  zum  78.^  n.  Br. 
ond  durch  seinen  Abhang  nach  dem  Eismeere  zu  jedes  Schutzes 
gegen  die  Nordwinde  beraubt,  und  deshalb  von  rauher  und  verändere 
lieber  klimatischer  Beschaffenheit.  Schon  unter  dem  56.^ n.  Br. 
sinkt  das  Quecksilber  bisweilen  im  Monat  März  von  -f  14^  R.  schnell 
auf  —  22^  R.  herab,  zur  Sommerszeit  steigt  es  auf  -|-  29^,  im  Winter 
flUlt  es  bis  —  40«. 

Die  mittlere  Temperatur  zu  Turuchansk  war  in  den  J.  1859  und 
1860  im  Winter  (December,  Jänner  und  Februar)  — 20,  7,  im  Früh- 
jahr (März,  April  und  Mai)  —  3,  0,  im  Sommer  (Juni,  Juli,  August) 
+  9,  8,  im  Herbst  (September,  October  und  November)  — 9,  2.  Der 
Jahresdurchschnitt  betrug  5,  8. 

In  derselben  Stadt  gestaltete  sich  die  Witterung  folgendermaßen: 
Die  Zahl  der  heiteren  Tage  in  den  Jahren  1858,  1859  und  1860  betrug 
durchschnittlich  138,  der  veränderlichen  85,  der  trüben  142,  der 
windigen  167,  der  regnerischen  31,  der  Tage  mit  Schneefall  67,  mit 
Gewitter  5,  mit  Staubwehen  32.  Die  Witterung  ist  sehr  veränderlich, 
in  einem  und  demselben  Monat  wechselt  die  'Temperatur  bedeutend,  am 
meisten  im  Februar,  März,  Juli  und  December. 

(Schloss  folgt.) 


Die  „Hohe  Wand''  bei  Wiener  Neustadt  >) 

Von   Eugen   Joseph   Matz,   k.   k.    Oberlieutenant. 

Mitglied  des  österreichischen  Alpenvereines« 

Das    Steinfeld    bei   Wiener-Neustadt    wird    im  Nordwest 

von  einer  isolierteD,   gewaltig  sich  erhebenden  Kalkmasse  begrenzt,    die 

mit  steilen  Wänden  gegen  die  Ebene  fällt  und  je  nach  der  Beleuchtung 

^)  Zu  lebhaftem  Danke  bin  ich,  der  freundlichen  Unterstützung  meines 
Vortriges  halber,  verpflichtet  dem  Herrn  Rath  Thomas  Ender  f(kr  die  lUu- 
Btiierong  desselben  durch  Ausstellung  trefflicher  Aquarellen,  und  dem  Herrn 
k.  k.  Artillerie-Oberlieutenant  Karl  Hab  er  1,  Professor  an  der  Neustädter 
Militär-Akademie,  ttür  die  Ueberlassung  seines  »Beliefs  von  Wiener  Neustadt  in 
Horizontalschichten  ä  10®  HOhe«*  im  Veijflngungs-Yerhältnisse  1 :  28800  (Horizon- 
tales) und  1 :  ISOOO  (Verticales),  zum  gleichen  Zwecke. 


312 

bald  im  düsteren  Oraa,  bald  röthlich  schimmernd  sieb  vom  Horizonte 
abhebt;  dies  ist  die  sogenannte  Hohe  Wand. 

Im  Sommer  1869  setzte  ich  es  mir  znr  Aufgabe  die  Umgegend 
von  Wiener  Neustadt,  an  deren  Akademie  ich  daznmal  als  Professor 
wirkte,  zn  dorchforschen. 

Die  reizenden  und  romantischen  Thftler  der  Brfihl  nnd  des  Helenen* 
thales  worden  ihrer  ganzen  Erstrecknng  nach  durchstreift,  die  Ruinen 
von  Ranheneck,  Rauhenstein,  Merkenstein  und  Sebenstein  besucht 
und  die  Höhen  des  Badnerberges,  des  Huszarentempels  und  des  Eisernen 
Thores  erstiegen. 

Ffir  den  8.  August  beschloss  ich  die  Wand  zu  ersteigen  und 
selbe  der  Länge  und  Quere  nach  zu  durchstreifen.  Schon  frfther  studierte 
ich  alle  darauf  sich  beziehenden  Quellen  ^)  um  darnach  meine  Reise- 
route zu  entwerfen  und  darnach  stellte  sich  ein  Zeitbedarf  von  12  bis 
13  Stunden  fAr  diese  Excursion  fest 

Tags  vorher  war  ein  starkes  Gewitter  über  Neustadt  nieder- 
gegangen;  der  Morgen   des  8.  August  war  daher  rein  und  frisch. 

Um  halb  9  Uhr  morgens  fuhr  ich  mit  einem  Freunde  ftber 
Weikersdorf  durch  die  Prosset  Schlucht  nach  dem  am  Ostab- 
hange  der  Wand  gelegenen  Mayersdorf,  wo  wir  um  10  Uhr  ankamen 
und  beim  Gemeinde-Vorsteher  und  Ortswirte  Weichselbaum  abstiegen. 

Ein  Blick  auf  die  Karte  zeigt,  dass  die  Orte  Weikersdorf,  Teich- 
mühle und  Mayersdorf  unter  demselben  Parallel  westlich  von  Wiener- 
Neustadt  liegen.  Zwischen  lienstadt  und  Weikersdorf  ist  das  Terrain 
flach  und  eben,  der  Boden  sehr  steinig  und  gehört  noch  zum  soge- 
nannteif  Steinfelde,  das  aus  abgerundeten  Kalksteinen  besteht,  die 
stellenweise  20  und  mehr  Klafter')  tief  geschichtet  liegen  und  eine 
Fläche  von  6  D  Meilen  theüweise  unfruchtbar  machen. 

Die  Bildung  des  Steinfeldes  Iftsst  auf  eine  durch  Wasser  bewirkte 
Erdrevolution  schließen.  Die  eben  geschilderte  Strecke  ist  monoton 
und  langweilig,  und  man  legt  sie  am  besten  zu  Wagen  zurfick. 

In  Weikersdorf  ändert  sich  das  Bild,  der  Ort  selbst  liegt  be- 
reits auf  den  Vorstufen  des  Gebirgs  und  in  einigen  Minuten  gelangen 
wir  zu  einem  Defil^,  die  Prosset  Schlucht 

Dieses  Belief,  eine  müheToile  äußerst  gelangene  Arbeit  meines  einstigen 
CoUegen,  ist  nur  im  Original -Exemplar  vorhanden,  ich  wünsche  im  Interesse 
der  Wissenschaft,  es  mOge  vervielfältigt  werden  und  im  Buchhandel  erscheinen. 

')  Dr.  Weidmann*8  ••  Alpengegenden  Niederösterreichs  und  Obersteier- 
marks.«  Wien  1862. 

Dr.  Weidmannes  »Tourist  auf  der  Sadbahn«.  Wien  1868. 

Schanbach's  »die  deutschen  Alpen.«  Jena  1865. 

')  Schuhes  »Ausflflge  nach  dem  Schneeberge.«*  Wien  1807. 


313 

Die  Prossef  Schlacht  ist  eine  yiertelstimde  lang  und  10  bis 
20  Schritte  breit,  wird  von  den  südlichen  Abhängen  des  Emmer- 
berges  and  den  nördlichen  Abstürzen  des  Mitterberges  gebildet. 
In  diesem  Defilö  tritt  der  Kalkstein  oft  zn  Tage,  erlangt  aber  in  den 
Dimensionen  nirgends  die  Höhe  and  Aasdehnong  der  Felsen  der  Brühl 
and  des  Helenenthales. 

Die  Schlacht  wird  vom  Prosset  Bache  ^)  darchschlichen,  denn  fließen 
kann  man  dieses  stagnierende  Wasser  nicht  nennen ;  überhaapt  fehlt 
diesem  Dorchbrach  das  Romantische  and  Fesselnde  einer  schönen 
Felspartie. 

Am  östlichen  Aasgange  gegen  Weikersdorf  za  befindet  sich  za 
beiden  Seiten  des  Landweges  und  des  Prossetbaches  ein  englischer 
Kalkofen  and  ein  Wirtshaas,  ersterer  reizend  an  den  rothen  Felsen, 
die  von  dankelgrünen  Tannen  umsäumt  werden,  situiert ;  im  Defilö  selbst 
liegen  einige  Häuschen  zerstreut  und  knapp  an  den  Fels  angebaut, 
am  dem  Bächlein  und  dem  Landwege  Raum  zu  gönnen ;  am  westlichen 
Ausgange,  an  der  Gabel  der  Theilung  des  Weges  nach  Muthmannsdorf 
und  Mayersdorf,   liegt  die  Teichmühle  mit  einem  Oasthause. 

Der  Fahrweg  nach  Mayersdorf  führt  von  der  Teichmühle  eine 
kurze  Weile  in  einem  Föhrenwäldchen  am  westlichen  Abhang  des 
Mitterberges  dahin,  wendet  sich  dann  rechts,  um  quer  Über  den  Thal- 
boden der  Neuen  Welt  nach  Mayersdorf  zu  führen.  —  Seine  Anlage 
von  der  Teichmühle  bis  nach  Mayersdorf,  ist  schlecht  und  trotz  der 
Wagenfedem  verspürten  wir  jeden  Stoß. 

Außerhalb  des  Wäldchens,  das  hinter  der  Teicbmühle  liegt,  erblickt 
man  vor  sich  im  freundlichen  Plane  ausgebreitet  die  Neue  Welt  in 
ihrer  ganzen  Ausdehnung  von  Nordost  gegen  Südwest,  oder  von  Muth- 
mannsdorf bis  Zweyersdorf  prangend  im  grünen. und    gold'nen  Schmuck. 

Den  Hintergrund  dieser  lieblichen  Landschaft  bilden  die  schroff 
abstürzenden  grau  and  röthlich  schimmernden  Felsen  der  Wand,  über 
die  im  äußersten  Südwest  die  kolossale  Masse  des  Schneeberges 
empor  ragt  als  würdiger  Abschluss  der  bezaubernden  Scenerie. 

Nach  Weidmann  war  der  Boden  der  Neuen  Welt  einst  vom 
Meere  bedeckt,  die  Wand  selbst  ein  kolossaler  Felsenriff,  die  jetzigen 
Vorberge,  nämlich  der  Mitter-,  der  Emmerberg  etc.,  waren  die  höchsten 
Theile  des  Felsenriffes,  welche  durch  gewaltige  Evolutionen  in  die  Tiefe 
geschleudert  wurden,  und  nun  die  östlichen  Thalränder  der  Neuen  Welt 
bilden. 


*)  In  der  neuen  «Ümgebungs-Karte   von   Wien.-    10  Blätter  im 
Maßstab  1"  ^  600^,  ist  dieser  Bach  unrichtig  mit  »Prosek«  bezeichnet. 


314 

Aach  Schultes  sprach  diese  Ansicht  schon  viel  frflher  ans 
und  bemerkt  darüber^  dass  die  Wand  und  deren  Yorberge  die  Ufer 
eines  ausgerissenen  See's  gewesen  zu  sein  scheinen,  der  seinen  Abfloss 
durch  die  heutige  Prosset  Schlacht  nahm,  und  begründet  diese  seine 
Annahme  mit  dem  Vorhandensein  des  analogen  Steingerölles  im  Stein- 
felde und  der  Neuen  Welt. 

Auch  Böheim^)  meint,  dass  nicht  nur  die  Neue  Welt,  sondern 
das  ganze  Steinfeld  einstens  unter  Wasser  gestanden  habe,  und  fQhrt  zur 
Bekräftigung  seiner  Behauptung  an,  dass  im  Wöllersdorfer  Steinbruche, 
welcher  derzeit  hoch  über  dem  Niveau  der  Neust&dter  Ebene  liegt,  Ver- 
steinerungen sich  vorfinden,  die  auf  ein  einstiges  Bedecktsein  vom  Meere 
schließen  lassen.  Weniger  Glauben  schenkt  er  den  Erzählungen  der 
Gebirgsbewohner  vom  „eisernen  Ringe",  welcher  sich  an  der  Wand 
befinde  und  in  grauer  Vorzeit  den  Schüfleuten  zur  Befestigung  ihrer 
Fahrzeuge  gedient  haben  soll. 

Zur  genauem  Characterisierung  der  Wand  erlaube  ich  mir  im 
nachstehenden  die  Worte  einer  Fachautorität  ^j  anzuführen: 

„Die  Alpen  bestehen  aus  einer  Anzalil  parallel  mit  grosser  Regel- 
mäßigkeit von  der  Schweiz  her  nebeneinander  fortstreichender  Zonen 
von  verschiedenen  Gesteinsarten,  welche  gegen  Nord  wie  gegen  Sfid 
symmetrisch  sich  aneinander  schließen  und  deren  mittlere,  unpare 
Zone,  aus  sogenanntem  krystaUinischen  Gesteine  (vorwaltend  Gneiß  und 
Glimmerschiefer)  bestehend,  die  Centralkette  genannt  wird. 

Die  Anordnung  der  Zonen  ist  folgende: 

Nördliche  Sandsteinzone. 

Nördliche  Kalksteinzone. 

Nördliche  Grauwacken  —  oder  Schieferzone. 

Centralkette. 

Südliche  Grauwacken  —  oder  Schieferzone. 

Südliche  Kalksteinzone. 

Südliche  Sandsteinzone. 

Die  nördlichen  dieser  Zonen,  welche  sich,  wie  gesagt,  in  großer 
Regelmäßigkeit  von  der  Schweiz  herziehen,  sind  in  unserer  Gegend 
plötzlich  abgeschnitten  durch  eine  lange,  nahezu  gerade  Bruchlinie, 
welche  aus  der  Gegend  von  Gloggnitz  bis  weit  über  Nussdorf  hinaus 
reicht.  Die  westlich  die  Südbahu  begleitenden  Abhänge  bezeichnen  diese 
Brachlinie,  welche  eine  der  auffallendsten  Erscheinungen  in  dem  Bau 
unseres  Welttheiles  ist. 


^)  Bö  heim  s  ••  Chronik  von  Wiener  Neustadt.«  Wien  1830. 
"'i  SuesB  »der  Boden  der  Stadt  Wien.«  Wien  1862. 


J 


315 

Die  Centralkette  erreicht  unsere  Gegend  am  Wechsel  bei  Neon- 
kirchen,  die  Graüwackenzone  setzt  den  Semmering  und  den  vordem 
Theil  des  Thaies  von  Reichenau  zusammen;  die  sehr  breite  Kalkzone 
nimmt  den  ganzen  Ranm  von  hier  über  Enzesfeld,  Yöslau,  Baden  bis 
Mauer  ein,  die  Sandsteinzone  endlich  bildet  die  waldigen  Höhen  vom 
kaiserlichen  Thiergarten  bis  znm  Leopoldsberge. 

Die  Kichtung  und  Gesteinsbeschaffenheit  des  Rosaliengebirges  bei 
Neustadt  Ifisst  jedoch  in  demselben'  die  unzweifelhafte  nach  Nordost 
gerichtete  Fortsetzung  der  Centralkette  erkennen,  fflr  das  Leitha-Gebirge, 
die  Berge  bei  Haimburg,  und  die  kleinen  Karpathen  gilt  dasselbe;  es 
ist  demnach  die  Centralkette  der  Alpen  und  der  kleinen  Karpaten  so 
miteinander  verbunden,  dass  man  in  der  letzteren  nur  die  unmittelbare 
Fortsetzung  der  ersteron  erkennen  kann. 

Die  Kalkzone  bricht  am  steilsten  ab;  an  manchen  Stellen,  wie  an 
der  Wand  bei  Neustadt,  sind  ihre  Schichten  längs  der  Bruchlinie 
völlig  umgestürzt,  so  dass  die  jüngeren  Kalksteinbildungen  unter  den 
ftheren  liegen. 

Da  sich  nun  in  den  Alpen  einerseits  und  in  den  Karpaten  anderer- 
seits die  einzelnen  Gesteinszonen  in  ihrer  Richtung,  wie  in  ihrer 
Beschaffenheit  so  genau  entsprechen,  dürfen  wir  es  mit  Gewissheit  aus- 
sprechen, dass  beide  Gebirgszüge  einer  und  derselben  geologischen  Ein- 
heit angehören,  und  dass  sie,  durch  einerlei  Erscheinungen  gebildet, 
erst  später  von  einander  getrennt  wurden. 

Diese  Trennung  ist  durch  einen  Einsturz,  durch  eine  gewaltige 
Yerwerfong  längs  der  von  Gloggnitz  bis  über  Niederkreuzstätten  hinaus- 
reichenden Bruchlinie  erfolgt. 

Dieser  Einsturz,  der  zumeist  die  Kalksteinzone  betroffen  hat,  ein 
Naturereignis  von  überwältigender  Großartigkeit,  ist  es  also  gewesen, 
der  vor  ungezählten  Jahrtausenden  die  Lücke  in  die  große  Gebirgs- 
scheide  Enropa's  riss  und  die  physischen  Eigenthünüichkeiten  schuf, 
die  der  Donau  ihren  Lauf  vorschreiben. 

£r  erfolgte  zu  einer  Zeit,  welche  die  Geologen  die  mittlere  Tertiärzeit 
nennen.  Das  Meer,  welches  damals  einen  sehr  großen  Theil  des  heutigen 
Europa  überdeckte,  trat  in  die  neugebildete  Tiefe.  Wir  finden  rings 
an  den  Rändern  der  Einsenkung  die  Spuren  seines  Strandes  1250  bis 
1300'  über  dem  heutigen  Spiegel  des  Mittehneeres.  Ungefähr  300'  über 
dem  Niveau  der  Spitze  des  Stephansturmes  schlugen  also  die  Wogen 
des  Tertiär  Meeres  aneinander. 

So  blieb  es  eine  geraume  Zeit,  dann  folgten  wiederholte  Ver- 
änderungen in  den  physichen  Verhältnissen,  herbeigeführt  durch  aus- 
gedehnte Erhebungen  und  Senkungen. 


316 

Endlich  traten  die  jetzigen  Zostände  ein.  Die  seit  dem  Einsturz 
gebildeten  Ablagernngen  haben  ihn  zum  Theil  ausgefüllt  und  seinen 
Boden  in  eine  sanfte  Mulde  verwandelt,  welche  die  Ränder  des  Ein- 
sturzes ringsum  wie  großartige  Ruinen  fiberragen. 

Niemand  ist  im  Stande  derzeit  zu  bestimmen,  wie  tief  die  Ealk- 
steinzone  liege,  denn  die  tiefsten  Bohrungen,  wie  die  am  Getreidemarkt 
(65V)  haben  sie  nicht  erreicht.  — 

Die  Gesammtheit  dieser  beckenausfflllenden  Massen  zerfällt  in 
drei  Schichten  Gruppen,  nämlich  in : 

1.  die  tertiären  Bildungen, 

2.  die  diluvialen  Bildungen  und 

3.  die  Anschwemmungen  der  Jetztzeit  (Alluvium). 

Die  tertiären  Bildungen  zerfallen  wieder  in  drei  Gruppen,  nämlich 
die  marine  Gruppe,  die  brackische  oder  von  gemischten  salzigen  und 
süßen  Wässern  gebildete  Gruppe,  und  die  Süßwasser-Gruppe. 

Die  Untersuchungen  unserer  Geologen  haben  nämlich  gelehrt,  dass 
nach  der  Bildung  dieses  Beckens  zuerst  salzige  Wässer  dasselbe  erfüllten, 
so  dass  es  eine  Meeresbucht  darstellte,  dass  nach  einem  längeren  2^it- 
abschnitte  dieser  ganze  heutige  Landstrich  ziemlich  gleichmäßig  um 
einige  100'  gehoben  wurde,  wodurch  der  Wasserspiegel  im  Becken  ein 
bedeutend  kleinerer  wurde,  und  von  welchem  Zeitpunkte  an  sich  das 
Zufließen  größerer  Mengen  von  Flusswasser  bemerkbar  macht;  dass 
nach  einem  längeren  Zeitabschnitte  eine  neuerliche  Erhebung  des  ganzen 
Landstriches  erfolgte,  welche  ihn  über  das  Meeres-Niveau  erhob,  so 
dass  an  die  Stelle  einer  Meeresbucht  ein  Binnensee  von  süßem  Wasser, 
und  endlich  ein  großer  Fluss  trat. 

Die  marinen  Bildungen  ziehen  sich  wie  ein  Gürtel  längs  der 
alpinen  Gesteine  *  hin ,  die  Nulliporenkalke  (Leithakalk)  umkränzen, 
Korallenriffen  nicht  unähnlich,  die  einzelnen  niederen  Kuppen  der 
CentraJkette,  nämlich  das  Leitha-  und  das  Rosalien-Gebirge,  sie  sind  in 
einer  langen  Reihe  von  Steinbrüchen  in  Wöllersdorf ,  Brunn  am  Gebirge,  etc. 
aufgeschlossen. 

Die  Grenze  zwischen  der  Tertiär-  und  Diluvialfbrmation  beruht 
auf  durchgreifenden  Veränderungen  der  physikalischen  Verhältnisse,  das 
Klima  war  in  der  Tertiärzeit  wärmer  als  jetzt  und  die  Diluvialbildungen 
erfolgten  in  einer  kälteren  als  jetzt.  Zu  jener  Zeit  bildete  das  Becken 
von  Wien  wieder  einen  Binnensee,  dessen  Ufer  nun  wahrscheinlich 
zum  Theil  mit  Nadelholz  bedeckt  waren,  und  dessen  südliches  Ende 
Gletscher  überschauten,  welche  von  den  Höhen  des  Schneeberg's  und 
des  Wechsers  herabhiengen. 


3X7 

Um  diese  Zeit  wurde  auch  der  gewaltige  Schotterkegel  vor  dem 
Tliale  von  Siesting  angehftuft,  welcher  heute  das  Steinfeld  heißt."  — 

Soweit  unser  Gewährsmann;  ein  Blick  auf  die  geoguostische  Karte 
von  Part  seh  ^)  überzeugt  uns  vollkommen  vom  Gesagten. 

Die  Wand,  welche  noch  zu  den  österreichischen  Alpen  somit  zu 
den  nördlichen  Kalkalpen  zu  rechnen  ist,  wird  vom  Gebirgsstock  des 
Schneeberg's  durch  das  Simingthal  im  Südwesten  getrennt,  und  von 
den  übrigen  Gebirgen  Niederösterreich's  durch  das  Piestingthal  im 
Norden  und  durch  den  Steinbach  im  Nordwest  geschieden. 

Die  Gebirgsaxe  liegt  in  der  Richtung  von  Südwest  nach  Nordost; 
in  dieser  misst  die  Wand  gegen  4  Stunden  und  nimmt  an  Höhe  von 
Südwest  nach  Nordost  ab;  in  transversaler  Richtung  ist  sie  l^a  Stun- 
den breit 

Die  Höhe  der  Wand  wird  von  den  sie  beschreibenden  Autoren 
sehr  verschieden  angegeben^),  sie  dürfte  aber  durchschnittlich  gegen 
2Ö00'  betragen,  ihr  höchster  Punkt,  der  ganz  am  Südwestende  liegende 
Plack  1  es,   ist  nach  der  Umgebungskarte  von  Wien,   3590.8,'*)  hoch. 

Da  ich  selbst  keine  Höhenbestinunungen  vornahm,  so  bin  ich  nicht 
in  der  Lage  die  eigentliche  Höhe  der  Wand  festzustellen;  auch  sagen 
die  verschiedenen  Autoren  nicht,  für  welchen  Theil  die  von  ihnen 
angegebenen  Höhequoten  passen,  und  welcher  überhaupt  der  höchste 
Punkt  der  ganzen  Wand  sei. 

Der  Name  entspricht  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  nur  der 
Südostseite,  weil  hier  die  H&nge  mit  überraschender  Wildheit  steil 
gegen  den  Boden  der  Neuen  Welt  abstürzen,  dagegen  verflachen  sich 
die  Abhfinge  auf  der  Nordwest-Seite  allmälich  gegen  die  Gründe  des 
Dürren-  und  Miesenbaches. 

Betrachtet  man  die  Wand  vom  Thalboden  der  Neuen  Welt  oder  der 
Südostseite,  so  besteht  sie  aus  fünf  riesigen,  nur  im  Kamm  getrennten 
Felskomplexen,  die  mit  senkrechten  und  oft  auch  überhängenden  W&nden 
gegen  den  Thalboden  der  Neuen  Welt  schroff  abfallen. 

Durch  die  seit  undenklichen  Zeiten  stetige  Einwirkung  der  Natur- 
elemente,   welche-  durch    die    vielen  Wasserrisse    Schutt    und   Gestein 


*)  Partsch^B  -GcognoBtiBche  Karte  des  Beckens  von  Wien.  Wien  1843. 

*)  Nach  •«Schattbach  ,  111.  B.  Seite 444, 2500'.  »Weidmann»,  Seite 64, 
über  3600.  "Gettinger  (Weidmann)-,  Seite  109,2485'.  »Jäger»,  Das  Stahl- 
eck, Seite  158,  2486'. 

*)  Nach  "Dr.  Eriisch-,  Die  Alpen  im  Kreise  U.W.W,  im  Jahrbuch 
f&T  L&nderkonde  von  Niederösterreichs,  II.  Jahrgang  (1868—69)  Seite  219  ent- 
halten, ist  die  Höhe  dieses  Berges  mit  3590'  angegeben,  zu  bedauern  ist  es, 
dass  der  YerÜEMser  außer  dieser  Date  die  Wand  in  seinem  trefflichen  Aufsatse 
Sar  nicht  berührt. 


318 

herabschwemmten ,  bildeten  sich  Vorberge  am  Fuß  der  Wand,  be- 
sonders in  aasgesprochener  F'orm  zwischen  Mayersdorf  und  StoUhof: 
auf  dieser  Strecke  geht  die  Bildung  dieser  Schuttkegeln  vor  unseren 
Augen  fort  und  die  Schütten  hSngen  von  den  Schluchten  und  Rissen 
bis  an  den  Weg  den  wir  wanderten  herab. 

Vorgenannte  Schütten  sind  noch  nicht  wie  die  ^'orberge,  welche 
auf  dieselbe  Weise  gebildet  sein  dürften,  mit  Graswuchs  bedeckt,  sie 
benehmen  aber  den  Felsen  der  Wand  schon  jetzt  theilweise  ihre  Höhe 
und  es  dürfte  in  nicht  ferner  Zeit  liegen,  dass  die  Wand  auch  auf 
der  Südostseite  allmülich  in  den  Thalboden  der  Neu6n  Welt  über- 
geht, wie  es  schon  derzeit  auf  der  Nordwest- Abdachung  der  Fall  ist. 

Die  Wand  kann  von  der  Neuen  Welt  aus,  entweder  von  Mayers- 
dorf oder  von  Stollhof  erstiegen  werden,  beide  Wege  lassen  sich  be- 
fahren und  vereinigen  sich  vor  Erreichung  des  Hogeu  Grabens  '**/,  an 
dessen  Ursprung  die  Wieser'schen  Häuser  oder  die  sogenannten  Hütt^ln 
liegen. 

In  Mayersdorf  nahmen  wir  den  Knecht. des  Gastwirtes,  Johann 
Bock  *'),  recte    Schneider,  als  Führer  mit. 

Der  Aufbruch  erfolgte  um  ^/^ll  Uhr  vormittags.  Der  Weg  führt 
östlich  über  S  toll  ho  f,  das  tief  zu  Füßen  des  Wanderers  bleibt, 
dem  östlichen  Fuße  der  Wand  entlang,  gegen  den  über  dem  Ramhof 
gelegenen  Hogen  Graben. 

Auf  dieser  Wegstrecke  wird  eine  große  fensteraitige  Ver- 
tiefung in  den  Felsen  der  Wand  gezeigt,  welche  die  Sonnenuhr 
heißt,  da  die  umwohnenden  Landleute  aus  der  Länge  des  Schattens 
und  dessen  Fortschreiten  in  der  Nische  genau  die  Tageszeit  angeben 
können. 

Nicht  weit  von  der  Sonnenuhr  passierten  wir  die  vomerwähnten 
Schuttkegel,  und  lassen  eine  Schlucht  links,  die  darum  unsere  Auf- 
merksamkeit fesselt,  weil  vor  etwa  14  Tagen  ein  Mädchen,  welches 
dem  Stollhofner  Viehhirten  gehörte,  ober  dieser  Schlucht  auf  der 
Wand  das  Vieh  hütete  und  am  Fuß  derselben  als  Leiche  von  der 
Tochter  unseres  Wirthes  aufgefunden  ward. 

Der  Weg  windet  sich  nun  in  immer  kürzeren  Serpentinen  an  den 
Felsenhängen  hinan;  theilweise  gelangt  man  durch  prachtvolle  Nadel- 
hölzer, wo  am  Wege  das  im  violetten  Glänze  stralende  und  fein  duftende 
Cyclamen  europaeum    aus   dem  schattigen  Boden  heraus  lugt;  die  Aus- 


^°)  Diese  Benennung  des  Grabens  fand  ich  nur  angegeben  auf  dem  Plan 
der  Gegend  -in  der  Neuen  Well".  1"«200^ 

'^)  Der  in  »Weidmannes  Alpengegenden«,  Seite  79,  anempfohlene 
Führer  Dorf  meist  er  ist  längst  verstorben. 


319 

sieht  auf  die  Neue  Welt  ist  lohnend,  wird  aber  noch  durch  den 
Emmer-  und  Mitterberg  gehemmt,  um  auch  das  Steinfeld  frei  fiber- 
sehen zu  können ;  wir  müssen  uns  ffir  jetzt  mit  dem  reizenden  Anblick 
der  Burg  Emmerberg  begnügen. 

Unsere  Aufmerksamkeit  wird  auch  in  Ansprncli  genommen  dui-ch 
die  hier  über  die  Felsen  der  Wand  primär  gelegten  Holzriesen;  5  bis 
6  Föhrenstgmme  zusammengefügt,  bilden  eine  lange  ununterbrochene 
Rinne,  welche  über  die  Felsen  der  Wand  gelegt  ist  und  worin  das 
hineingeworfene  Holz  zu  Thal  geht. 

Die  H  ü  1 1  e  1  n  oder  die  W  i  e  s  e  r  'sehen  Häuser  sind  von  Mayersdorf 
in  einer  Stunde  erreicht  und  wir  wandeln  von  hier  aus  schon  am  plateau- 
artigen  breiten  Rücken  der  Wand,  größtentheils  im  Schatten  pracht- 
voller Tannen  und  Föhren,  welche  im  saftigsten  Grün  prangend,  unser 
Auge  erfreuen. 

Unser  nächstes  Ziel  ist  das  Jägerhaus,  auf  dem  Wege  zu  diesem 
machten  wir  aber  einen  kleinen  Abstechej:,  um  einige  der  Höhlen  zu 
besehen,  an  welchen  die  Wand  überreich  ist. 

Sie  besitzt  deren  gegen  30,  die  wichtigsten  und  größten  darunter 
sind  das  Wind  loch  und  das  Gypsloch,  die  beide  von  einander  nicht 
weit  entfernt  und  etwa  eine  gute  Viertelstunde  vom  Wieser'schen  Hause 
liegen. 

Der  Weg  führt,  um  vorerst  das  Windloch  zu  besuchen, 
im  Waldesschatten  anmuthig  dahin;  wenn  wir  uns  aber  allzuviel  von 
der  Herrlichkeit  der  Höhle  versprochen  haben,  so  sehen  wir  uns 
in  etwas  getäuscht,  denn  die  Höhle  ist  derzeit  nicht  zugänglich;  wir 
sahen  eine  4 — ö^  breite  konisch  zulaufende  Oeffnung  im  Boden  vor 
uns,  deren  Wände  ziemlich  steil  in  die  Tiefe  abfallen,  die  aber  etwa 
3  Klafter  unter  dem  Rande  mit  Baumstämmen  verrammt  ist.  Der 
Name  rührt  von  dem  darin  herrschenden  Luftzuge  her,  auch 
will  man  das  Rauschen  von  Wasser  aus  der  Tiefe  vernommen  haben. 
Der  Gang  zu  dieser  Höhle  würde  sich  nicht  lohnen.  Interessanter  ist 
das  sogenannte  Gypsloch,  welches  man  von  hier  in  einigen  Minuten 
erreicht.  Der  Zugang,  1 — IVa^  breit,  senkt  sich  auf  einem  steilen  Pfad 
in  die  Tiefe.  Unten  angelangt,  zündeten  wir  eine  Kerze  an  und  über- 
sahen einen  domartig  gewölbten  bei  3^  hohen  Raum.  An  der  Innern 
Wand  führt  ein  niedriger,  etwa  90  Schritt  langer  Gang  in  eine  wenig 
geräumige  Zelle,  wo  sich  in  einer  beckenartigen  Aushöhlung  durch- 
sickerndes Wasser  sammelt.  Die  Leute  nennen  es  Bründl.  Vom  £in* 
gang  der  Höhle  bis  zum  Bründl  zählen  wir  130  Schritte.  Vom  Wieser*- 
schen  Hanse  bis  zum  Gypsloch  bedarf  man  eine  halbe  Stunde  an  Zeit. 
Wir  lenken  nun  unsere  Schritte  fort  im  Walde  dahin  schreitend  zur 


820 

langen  Wiese,  die  wir  in  einer  Yiertelstande  erreichten  and  vor  der 
wir  noch  eine  kleine  Matte  die  sogenannte  kurze  Wiese  fiberschritten 
hatten. 

Auf  der  langen  Wiese  befindet  sich  beiläufig  in  der  Mitte 
eine  muldenförmige  Bodensenkung,  deren  oberer  Durchmesser  1%^  beträgt, 
von  der  uns  der  Führer  erzählte,  dass  die  Leute  einst  eine  Grans  und 
Ente  hineingetrieben  hätten,  die  bei  Fischau  wieder  zu  Tage  kamen, 
und  damit  soll  die  unterirdische  Communication  der  Grewässer  con- 
statiert  sein. 

Weidmann  erzählt  ähnliches  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass 
die  genannten  Thiere  in  das  Windloch  hineingejagt  wurden. 

Die  vorgenannte  £rdsenkung,  auf  der  langen  Wiese,  welche  die 
Form  einer  Karstdoline  hat,  ist  derzeit  beinahe  ganz  mit  £rde  aus- 
gefüllt, sowie  das  Windloch  mit  Baumstämmen;  überhaupt  klagte  der 
Wirt  in  Mayersdorf,  dass  äußerst  selten  ein  Fremder  die  Wand 
besteigt,  deshalb  ist  auch  alles  oben  vernachlässigt,  die  interessanten 
Höhlen  sind  zugeworfen,  zu  ihnen  führen  keine  gebahnten  Wege, 
nicht  einmal  Fußsteige  bemerkt  man  dahin  und  ohne  Führer  ist  dem- 
nach die  Wand  gar  nicht  zu  begehen. 

Die  Wirte  sind  des  schwachen  Gebirgs-Besuches  halber  nicht  auf 
Fremdenbesuch  eingerichtet  und  man  erhält  außer  Wein,  Brod  und  £i 
keine  Lebensmitteln. 

Von  der  langen  Wiese  kommt  man  den  Pfad  aufwärts  verfolgend, 
an  einigen  neuen  Hütten  vorüber  und  nach  ^/^  stündigem  Wandern 
zur  Völler  in,  einem  Aussichtspunkte  auf  der  Ostseite  der  Wand 
gerade  über  Mayersdorf  gelegen,  von  wo  sich  dem  Touristen  eine 
überraschend  schöne  Rundschau  eröfi^et.  Zuerst  wird  das  Auge  von 
dem  reizenden.  Bilde  gefesselt,  welches  der  Anblick  der  zu  des  Be- 
schauers Füßen  liegenden  Neuen  Welt  bietet,  über  die  östlichen 
Thalränder  dieser,  darunter  den  Emmerberg  mit  der  prachtvollen 
Ruine,  gleitet  der  Blick  in  voller  Freiheit  über  das  Steinfeld  nach 
der  alten  Neustadt,  von  der  die  Pfarrkirche  und  die  alte  Kaiser- 
burg aus  der  Häusergruppe  imposant  hervorragen,  ebenso  freundlich 
blicken  uns  Neunkirchen  und  noch  viele  andere  Ortschaften,  Weiler, 
Gehöfte  und  Kirchen  entgegen. 

Den  Horizont  begrenzt  im  Osten  das  Rosalien-  und  Leitha-6e- 
birge;  nur  die  Aussicht  auf  den  Schneeberg  war  unvollständig,  weil 
ein  dichter  Nebel  im  Verlaufe  der  ganzen  Partie  sein  breitet  Haupt 
einhüllte,  als  wollte  er  uns  dessen  Anblick  grollend  entziehen. 

Von  der  Völlerin  bis  zum  Jägerhause  braucht  man  %  Stunden« 
Der  Weg   führt  über  die    lange   Wiese    wieder    zurück    im    Dunkel 


321 

der  Tannen  und  Föhren  meist  längs  der  aus  kolossalen  Baamst&mmen 
heii^estellten  Einfriedigung  des  Hömsteiner  Thiergartens  '^;  dahin.  In 
dem  Rayon  dieses  Thiergartens,  in  welchem  der  Gipfel  des  Brom- 
herges  eingeschlossen  ist,  werden  Mooflons  and  Steinböcke  gehegt,  die 
wir  mittels  Feldstecher  mit  Muße  betrachten  konnten. 

Nach  ^,'4  stfindigem  Marsche  gelangten  wir  zum  Jftgerhause,  welches 
auf  der  nördlichen  Abdachung  des  Bromberges  dicht  am  Thiergarten 
liegt;  an  dasselbe  reiht  sich  ein  kleineres  Wirtschaftsgebäude  an.  Das 
Jägerhaus  ist  im  geschmackvollen  Schweizerstyle  gebaut  und  an  der 
Vorderfront  mit  zahlreichen  Jagdemblemen  geziert,  vor  dem  Hause 
breitet  sich  eine  kleine  im  saftigsten  Grün  prangende  Alpenmatte  aus. 
Hier  wohnt  der  im  Dienste  des  Erzherzog  Leopold  stehende  Jäger, 
welcher  die  Jagd  auf  der  Wand  besorgt. 

Wir  nahmen  in  der  Veranda  Platz  und  genossen  mit  Entzücken 
die  schöne  Aussicht,  welche  sich  von  hier  auf  den  2892'  hohen  Eressen- 
berg  und  den  diesen  überragenden  3114'  hohen  Mandling  eröffiiet. 
Die  Lage  dieses  Jägerhauses  ist  jedenfalls  idylischer  als  diejenige  des 
bei  Baden  am  Wege  gegen  das  Eiserne  Thor  stehenden. 

Nachdem  wir  uns  an  den  Reizen  der  Natur  gelabt,  nahmen 
wir  die  innere  Einrichtung  des  Gebäudes  in  Augenschein,  in  der  Mitte 
beim  Eingange  die  Küche,  rechts  2  Zimmer  des  Försters,  an  den 
Wänden  mit  einer  reichen  Auswahl  von  Gewehren  geschmückt,  links 
ebenfalls  2  Gemächer,  davon  eines  für  den  Erzherzog,  wenn  er  hier 
Jagd  hält. 

Nach  zweistündiger  Rast  brachen  wir  auf  und  erreichten  in  einer 
Viertelstunde  die  kleine  Kanzel,  einen  Aussichtspunkt  im  Westen 
der  Wand  ins  Miesen-  und  Dürrenbach-Thal. 

Der  Schneeberg,  der  von  hier  aus  sichtbar  sein  sollte,  war  voll- 
kommen verhüllt.  Die  Rundschau  von  der  kleinen  Kanzel  ist  nicht  so 
mannigfaltig,  als  die,  welche  man  von  der  Völlerin  aus  genießt  und 
mahnte  mich  sehr  an  die  vom  Eisernen  Thore  bei  Baden. 

Von  der  kleineu  Kanzel  wird  der  Weg  zur  großen  Kanzel 
m  einer  7«  Stunde  zurückgelegt,  wir  durchstreiften  wieder  die  duftigsten 
Nadelholzwaldungen  und  trafen  auf  viele  Waldparzellen,  wo  die  Stämme 
in  der  Mitte  förmlich  geknickt,  mit  der  Krone  trauernd  nieder- 
hängend und  theilweise  schon  verdorit  waren;  auf  meine  Frage  be- 
deutete uns  der  Führer,  dass  diese  Verwüstungen  von  den  im  Winter 
anfliegenden  Schneemassen  verursacht  werden. 


'')  Dieses  umfangreichen  Thiergartens  wird  iu  den  von  mir   durcbgese- 
henen  und  citierten  Werken  nirgends  Erwähnung  gethan. 

GMCnphiicha  MütheUiui^n.  1870.  7.  21 


822 

Sowie  allenthalben  auf  dem  Plateaa  der  Wand  kamen  wir  aiidi 
hier  vor  Kalköfen  und  Stellen  vorfiber,  wo  die  schönsten  Tannen  g^lit, 
in  Masse  den  Boden  bedecken  nnd  an  Ort  and  Stelle  ihrer  Binde  zam 
Behafe  der  Lohe  beraubt  werden. 

Die  große  Kanzel,  sowie  die  meisten  von  ans  hier  geschildertsen 
Punkte,  sind  in  der  erst  kürzlich  herausgegebenen  Umgebungskarte  von 
Wien  (l''=()00^)  ihrer  örtlichen  Lage  nach  nicht  bezeichnet,  ich 
fixierte  demnach  beflftufig  mittels  Boussole  die  Lage  der  großen  Kanzel 
auf  die  Karte  und  gelangte  zum  Resultate,  dass  diese  gerade  Aber 
Zweyersdorf  sich  befinden  müsse,  das  heißt  am  äußersten  Südostrande 
der  Wand.  Die  große  Kanzel  liegt  ihrer  örtlichen  Lage  nach  anf 
einem  schmalen  1"  breiten  Rücken,  welcher  konisch  zul&uft  und  an  allen 
3  Seiten  mit  mächtigen  Abstürzen  auf  die  Vorheize  der  Wand  fiült, 
demzufolge  befinden  sich  zu  beiden  Seiten  tiefe  Schluchten.  Den  Namen 
erhielt  ein  mfichtiger  Felsblock,  welcher  dergestalt  am  Äußersten  Ende 
des  Rückenvorsprunges  gelagert  ist,  dass  man  bis  zur  Brust  durch 
denselben  gedeckt  wird,  und  ihn  als  Armstfltze  wie  die  Brustwände 
der  Kanzel  benutzen  kann.  Schon  die  entzückende  Aussicht,  welche 
man  von  diesem  Punkte  der  Wand  genießt,  verlohnt  den  Aufstieg. 

Nebst  dem  Panorama,  welches  sich  unseren  Blicken  schon  von 
der  YöUerin  darbot,  sehen  wir  nun  auch  die  Berge,  Gründe  und 
Orte,  die  sich  an  der  Südseite  der  Wand  befinden  und  vor  allem  äußerst 
anmuthig  gruppiert  die  Orte  Grünbacb,  Ober-  und  Unter-Höflein  und 
Kirch-Bügel. 

Der  Abschied  von  dieser  wundervollen  Ausschau  wurde  uns  schwer, 
endlich  mußten  wir  uns  zum   Aufbruche  entschließen. 

Zwischen  zwei  Wegen  hatten  wir  die  Wahl  zum  Abstieg,  u.  z. 
entweder  nach  Grünbach  oder  nach  Mayersdorf  über  den  Lattergraben, 
wir  wählten  letzteren  und  hatten  es  nicht  zu  bereuen. 

Um  5  Uhr  nachmittags  verließen  wir  die  große  Kanzel  und 
wandten  unsere  Schritte  dem  Lattergraben  zu,  wir  umgingen  dessen 
Ursprung  an  der  Nordseite,  fort  durch  wirres  und  dichtes  Riedgras 
schreitend.  Der  Boden  ist  mit  großem  scharfkantigen  KalkgeröUe  über- 
säet, dass  man  der  Höhe  des  überwuchernden  Grases  wegen  nicht  aus 
sieht  aber  desto  fühlbarer  an  sein  Dasein  gemahnt  wird;  ich  machte 
den  Führer  aufmerksam,  lieber  den  Abstieg  in  der  Thalsohle  des  Grabens 
zu  versuchen,  was  auch  mit  geringeren  Beschwerden  gelang. 

Der  Lattergraben  ist  an  seinem  Ursprünge  ziemlich  breit  und 
verengt  sich  allmälich,  bis  zu  dieser  Verengung  ist  er  des  Wald- 
schmuckes  beraubt  und  nur  mit  Gestrüpp  bedeckt 


828 

Ton  der  Verengiing  an  tritt  aber  kahler  Fels  auf  und  bildet  in 
Zickzackform  eine  kaum  P  breite  Thalschlncht,  die  mit  einem  2® 
tiefen  beinahe  senkrechten  Absturz  auf  eine  kleine  grünende  Matte  fällt 
and  diese  erst  stfirzt  mit  schroffen  Wänden  als  eigentliche  Wand  in 
die  Neue  Welt  ab. 

Diese  Thalschlucht  führt  seit  ab  vom  Lattergraben,  dient  zum 
Fortschaffen  des  Holzes  und  ist  für  Fußgänger  nicht  practicabel.  Wir 
ließen  sie  rechts  liegen  und  stiegen  wieder  die  Felswände  hinan.  Rechts 
von  dem  genannten  Abstieg  findet  sich  eine  geräumige  Grotte,  von 
einem  Fels  wie  Ton  einem  Schirm  überspannt.  Sie  scheint  von  den 
Hirten  als  Unterstand  während  des  Wetters  benützt  zu  werden. 

Bis  hieher  war  der  Abstieg  mit  kleinen  Schwierigkeiten  verknüpft 
und  es  kann  höchstens  auf  dem  kantigen  Kalkgerölle  eine  kleine  Ver- 
stauchung eintreten;  von  der  Schlucht  aber  bis  zum  Thalboden  der 
Neuen  Welt,  also  über  die  eigentliche  Wand  ist  dieser  Weg  nur  dem 
gewandten  Steiger  zu  rathen,  der  vollkommen  schwindelfrei  ist. 

Den  Lattergraben  fand  ich  in  den,  oben  citierten  Werken  nirgends 
erwähnt  und  folglich  auch  nicht  die  Beschreibung  eines  Abstieges  in 
demselben.  Ich  halte  aus  diesem  Grunde  es  für  meine  Pflicht  diesen 
interessantesten  Theil  der  Hohen  Wand  jedem  Freunde  der  Gebirgs- 
kunde recht  warm  zu  empfehlen. 

Der  Lattergraben  ist  im  ferneren  Verlauf  mit  schroffen  Felswänden 
eingefasst,  an  welchen  hin  und  wieder  eine  Tanne  oder  Föhre  den  kühnen 
Versuch  wagt  Wurzel  zu  fassen.  Der  enge  Thalboden  und  zum  Theil 
auch  die  selben  einschließenden  Wände  sind  mit  Geröll  und  Schutt  von 
beinahe  gleichen  Dimensionen  förmlich  fibersäet,  so  dass  man  in  Versuch 
käme,  zu  glauben,  dieses  Gerolle  sei  künstlich  verkleinert  worden  um 
piT  Straßenbeschotterung  zu  dienen.  Wir  haben  es  aber  hier  mit  der 
Wirkung  der  Naturkräfte  zu  thun,  denen  auf  dieser  Welt  nichts  zu  wider- 
stehen vermag.  Von  einem  sicheren  Abstiege  kann  unter  diesen  Umständen 
keine  Rede  sein,  mit  jedem  Schritte,  den  wir  machten,  rollte  eine 
Schattlawine,  durch  unseren  Auftritt  in  Gang  gebracht,  im  Graben 
thalwärts;  es  war  gerathen,  dass  wir  drei,  der  Führer,  ich  und  mein 
Gef&hrte  je  15  Schritte  von  einander  entfernt  den  Weg  fortsetzten; 
über  eine  der  geföhrlichsten  Stellen  führt  eine  aus  10 — 15  hölzernen 
Stufen  hergestellte  Stiege  und  hierauf  hat  man  einen  Ort  zu  passieren, 
wo  anbedingte  Schwindelfreiheit  erforderlich  ist,  weil  es  an  dem 
oberen  Rand  einer  wilden  muldenförmigen  Schlucht  auf  kaum  fuß- 
breiten  Steig  hinweggeht. 

Ueber  diese  gefährliche  Stelle  hinaus  gelangten   wir  in  unzähligen 
Serpentinen  die  Fölsabsttlrze  der  Wand  hinunter.  Jetzt  erst  vnirden  wir 

21* 


324 

gewahr,  welche  bedeutende  Höhe  wir  erklommen  hatten,  und  welche 
schwierige  Hindemisse  die  Wand  an  der  Ostseite  der  Berg-  und  Thal- 
fahrt entgegengesetzt. 

Von  unten  war  hoch  oben  in  der  nördlichen  Thalwand  des  Latter- 
grabens  die  Oeffnung  einer  Höhle  sichtbar;  etwas  unterhalb  derselben 
am  entgegengesetzten  Rand  des  Grabens  eine  zweite  in  einer  Felsen- 
spalte. 

Unser  Führer,  der  sich  im  Verlauf  der  ganzen  Fxcursion  als  ein 
findiger,  gewandter  Mann  bewährt  hatte,  ließ  es  sich  trotz  unseres 
Abmahnens  nicht  nehmen  die  letztere,  die  zwei  comunicierende  Oeff- 
nungen  hat,  zu  erklettern,  umsomehr  als  hier  Menschengebeine  zu  finden 
sind,  wahrscheinlich  einstigen  Thalbcwohnern  angehörend,  die  sich  zur 
Zeit  der  Türkeninvasion  hieher  geflüchtet  hatten. 

Am  Fuß  der  Wand  fanden  wir  die  ersten  Quellwflsser  auf  der 
ganzen  Partie. 

Um  ^1^7  Uhr  Abends  kamen  wir  in  Mayersdorf  wohlbehalten  an, 
und  erreichten  von  dort  zu  Fuß  weiter  wandernd  um  ^j^  10  Uhr  Nachts 
Neustadt. 


Geographische  Literatur. 

The    Magyars,    their    country    aud    institutions.     By    Arthur 
J.  Patterson.  2  Vol.  London.  Smith,  Eider  &  Cp    1869. 

Ein  ßuch  über  Ungani  von  einem  Eugiäuder  ist  für  uns  scheu  an  sich 
eine  interessante  Erscheinung.  Bei  dem  vorliegenden  kommt  noch  hinzu,  dass 
der  Verfasser  nicht  al»  flüchtiger  Tourist  spricht,  sondern  die  Erfahrung 
mehrerer  Jahre,  die  er  in  Ungarn  und  im  Kreise  seiner  Bewohner  zugebracht, 
in  seiner  Schilderung  abspiegelt.  Mit  welcher  Verwahrung  dies  geschieht,  hat 
er  im  Vorworte  dargelegt,  das  uns  zur  Würdigung  seiner  Arbeit  beachtens- 
wert erscheint. 

••Es  wäre,-  sagt  er,  mehr  als  Zauberei,  behaupten  zu  wollen,  dass  icb 
nicht  unter  den  Ungarn  selbst  viele  Leser  und  noch  mehr  Kritiker  erwarte. 
Darum  mui)  ich  vor  allem  bemerken,  dass  mein  Streben  dahin  gieng,  wahr 
und  unparteiisch  zu  sein  ,  und  wenn  ich  gelegenheitlich  in  die  Erörterung  von 
Mängeln  eingieug,  dies  gewiss  nicht  mit  ungünstigem  Vorurtheil  geschah.  Mein 
Buch  enthält  nicht  Thatsachen,  die  vorsätzlich  anders  dargestellt  wurden,  wie- 
wol  es  ohne  Zweifel  manchen  unwissentlichen  Irrthum  enthalten  wird.  Ich 
suche  meine  Entschuldiguug  in  den  Schwierigkeiten,  denen  sich  auch  der 
unparteiischeste  Beobachter  nicht  entschlagen  kann ,  wo  es  sich  um  die  Auf- 
fassung und  Schilderung  eines  fremden  Volkes  handelt 

Zugleich  bemerke  ich,  dass  das  buch  nicht  iOr -ungarische ,  sondern  flir 
englische  Leser  geschrieben  ist.  Rücksicht  auf  den  Raum  machten  es  nöthig, 
aus  dem  gesammelten  reichen  Material  eine  Auswahl  zu  treffen.  Ich  hoffe,  dass 
sie  mit  der  entsprechenden  Rücksicht  auf  die  verschiedenen  Klassen  englischer 
Leser  getroffen  sei,  welche  ein  Land  kennen  zu  lernen  wünschen,  das  durch 
die  Ereignisse  der  neuesten  Zeit  eine  erhöhte  Bedeutung  gewonnen  bat. 

Indem  das  Buch  die  Ergebnisse  von  Reisen  und  sorgfältigem  Studien 
während  eines  längern  Aufenthalts  zusammenfasst,  so  dürfte  es  schätzbare 
Fingerzeige  für  den  Touristen  enthalten  und  in  gleichem  Ma0e  belehrend  fdir 
jene  sein,  welche  sich  zu  Hause  mit  neuen  Formen  socialen  und  politischen 
Lebens  bekannt  machen  wollen. 


32o 

Wo  ich  nicht  aus  persönlicher  Anschauung  und  aus  der  Erfahrung  im 
Verkehr  spreche,  sind  meine  Daten  im  allgemeinen  von  vertrauenswerten  Ein- 
gebomen geschöpft,  während  ich  mich  zugleich  aus  frühem  Werken  über 
Ünffpam»  sonrol  englischen  als  fremden,  zu  orientieren  strebte.  Der  Leser  wird 
Beziehungen  zn  den  Arbeiten  von  Paget  und  Boner  finden,  theils  wo  ich 
ihnen  zustimmen,  theils  wo  ich  von  ihnen  abweichen  muß.  Eben  so  wertvoll 
waren  für  mich  die  Arbeiten  von  de  Gerando  und  die  vorzQgliche  Abhand- 
lung über  den  ungarischen  Ackerbau  von  Dr.  Ditz.  Endlich  fühle  ich  mich 
den  zahlreichen  Freunden  in  Ungarn  zu  Dank  verpflichtet,  die  mich  theils 
gesprächsweise,  theils  im  Briefwechsel  bei  der  Abfassung  des  Buches  unter- 
stützt haben.« 

Nach  dieser  Auseinandersetzung  des  Verfassers  glauben  wir  unseren 
Lesern,  wenigstens  jenen,  die  Ungarn  kennen,  am  besten  zu  dienen,  wenn 
wir  anstatt  einer  kritischen  Besprechung  das  Urtheil  folgen  lassen,  welches 
ein  Engländer  (H.  G.)  im  -Athenaeum  vom  15.  Jänner«  eingehend  und  für  uns 
sehr  bedeutungsvoll  über  das  Buch  seines  Landsmanns  ausspricht. 

»Die  Erwägung,  dass  Ungarn  einen  wichtigen  Gegenstand  zu  einer 
politischen  Studie  darbietet,  veranlasste  Herrn  Arthur  Patterson,  das  Land 
in  verschiedenen  Zeiträumen  dreimal  zu  bereisen  und  zuletzt  beinahe  zwei 
Jahre  dort  zu  verweilen.  In  seinem  Buch  beschränkte  er  sich  bei  weitem 
nicht  auf  die  Benützung  der  gewöhnlichen  Quellen,  sondern  war  in  vollem 
Maße  bedacht,  seine  Angaben  aus  erster  Hand  zu  erhalten,  was  natürlich 
ohn«  Kenntnis  der  Landessprache,  um  sich  in  der  Conversation  leicht  zu  be- 
wegen, nicht  möglich  gewesen  wäre.  In  dem  Mangel  an  Kenntnis  der  Landes- 
sprache liegt  vornehmlich  der  Grund  zu  irrigen  Ansichten  über  ein  fremdes 
Land.  Abhängig  von  Mittheilungen  in  einer  fremden  Sprache  kommt  der  Rei- 
sende mehr  als  einmal  in  die  Lage,  seine  Erfahrung  aus  unlauterer  Quelle 
zu  schöpfen.  In  Ungarn  insbesondere  gefährdet  den  Engländer  leicht  die  Be- 
rührung mit  der  deutschen  Partei,  so  wie  in  der  Türkei  mit  den  Griechen  und 
Levantinern.  Herm  Patterson  war  es  bei  der  Erlernung  der  Localsprache 
nicht  nur  darum  zu  thun,  sich  einen  Dolmetsch  zu  ersparen,  sondern  insbe- 
sondere, unter  den  Eingebornen  heimisch  zu  werden.  In  weniger  besuchten 
Ländern  wird  es  dem  Fremden  ^sehr  hoch  angerechnet,  dass  er  einen  Wert 
darauf  legt,  sich  in  der  Landessprache  auszudrücken  und  man  sieht  es  ihm 
gerne  nach,  wenn  er  noch  so  wenig  davon  kann  und  versteht.  Natürlich,  man 
will  mit  ihm  plaudern,  und  wenn  er  etwas  enthusiastisch  ist,  so  lassen  seiue 
bewundernden  Freunde  sich  die  Mühe  nicht  verdrießen,  ihn  zu  ihren  eigenen 
Ansichten  zu  bekehren,  wobei  nicht  selten  die  politische  Opposition  auf  Kosten 
der  Wahrheit  geltend  wird.  Jedes  Volk  hat  gleich  uns  Engländern  eine  ge- 
wisse conventionel.e  Weise,  seine  politischen  und  socialen  Eigenthümlichkeiten 
vor  dem  Fremden  in  ein  günstiges  Licht  zu  stellen,  die  man  nicht  anwendet, 
wenn  er  abwesend  ist.  Darum  ist  es  für  ihn  auch  so  schwer,  die  Wahrheit  zu 
erfahren,  wenn  er  nicht  längere  Zeit  im  Lande  wohnt  und  als  ein  Bekannter 
betrachtet  wird  oder  in  die  Lage  kommt,  unerkannt  ein  zufälliges  Gespräch 
anzuhören.  Versteht  er  aufzumerken,  so  hört  er  im  Gespräch  oft  mehr,  als 
ihm  eine  lange  und  eingehende  Erörterung  bieten  kann. 

Herr  Patterson  erfreut  sich  offenbar  der  Vortheile  seines  Strebens  und 
kann  für  seine  Beobachtungen  den  Ausspruch  macheu,  dass  sie  nicht  nur  den 
jüngsten  Stand  der  Ereignisse  bezeichnen,  sondern  auch,  dass  die  von  ihm 
dargelegten  Ansichten  über  die  herrsdiende  Nation,  die  Magyaren,  aus  ihnen 
selbst  geschöpft  sind.  Darin  liegt  zugleich  der  Vortheil  vor  seinen  Vorgängern 
ood  dass  er  in  allem  Vertrauen  erweckt.  Herr  Bon  er  ließ  in  seiner  sonst 
höchst  verdienstlichen  Schilderung  von  Siebenbürgen  etwas  zu  stark  den  Rath- 
geber  der  Ungam  mit  deutscher  Parteifärbung  herausblicken,  wiewol  auch 
zugegeben  werden  muß,  dass  seit  Boners  Buch  die  ganze  politische  Lage  eine 
andere  geworden  ist.  Uebrigens  schreibt  Herr  Patterson  durchaus  nicht  mehr 
in  magyarischen  Sinn  als  Herr  Paget,  dessen  Buch  viele  Jahre  früher  ge- 
schrieben wurde. 

Mit  Recht  nimmt  Herr  Patterson  die  Aufmerksamkeit  für  den  Umstand 
iu  Anspruch,  dass  die  Ungarn  im  Augenblick  die  herrschende  Partei  sind,  und 
dass  in   iiirer  Hand  die  Geschicke  Oesterreichs,    vielleicht  des  Orients  liegen. 


326 

Bei  diefler  politischen  Sitnation  ist  es  von  hohem  Wert,  dieses  Volk  richtig 
and  namentlich  aus  seinen  eigenen  Aenßerungen  zu  beortheilen,  da  mu 
Engl&ndern  mit  ROcksicbt  auf  Indien  ein  besonderes  Interesse  auf  die  Politik 
des  Orients  hinlenkt.  Die  Kämpfe  in  Ungarn  bieten  zugleich  ein  wichtiget 
Material  fbr  das  Studium  des  constitutioneflen  Regime's. 

Ohne  Zweifel  muß  in  diesem  Augenblick  eine  Arbeit,  wie  die  HeiTB 
Pattersons,  die  Aufmerksamkeit  bedächtiger  M&nner  auf  sich  ziehen,  and  da 
sie  notbwendig  einen  Leitfaden  abgeben  soll,  so  ist  der  Wunsch  gerechtfertigt, 
fiber  die  Frage  ihrer  Vertrauenswardigkeit  uud  in  wiefern  sie  dem  Politiker 
sichere  Anhaltspunkte  gibt,  im  Klaren  zu  sein. 

Herr  Patterson  bietet  qine  Masse  von  authentischem  Material,  das  nat^ 
besoodern  Umständen  auf  die  oben  bezeichnete  Art  gesammelt  wurde  und 
nebenbei  viel  aus  den  veröffentlichten  Quellen.  Das  Ganze  ist  mit  Geschick 
und  Umsicht  behandelt,  wie  es  sich  bei  einem  Manne  voraussetzen  Usst,  der 
eine  wertvolle  Erfahrung  aus  dem  Westen  von  Europa  und  aus  den  ver- 
einigten Staaten  hinter  sich  hat.  Dass  wir  aber  mehr  als  irgend  wer,  in 
Fragen  der  hohen  Politik  des  voi sichtigen  Urtheils  bedürfen,  zeigen  die  An- 
sichten über  Ungarn,  bei  denen  Herr  Pattersou  selbst  in  manchen  wichtigen 
Punkten  nicht  ganz  im  Klaren  zu  sein  gesteht  Lassen  wir  es  dahin  gestellt, 
dass  er  richtig  schildert,  ganz  gewiss  wurde  er  durch  die  Uebercinstimmong 
vieler  Personen  geleitet,  durch  die  Ansichten,  die  zu  dieser  Zeil  allgemein 
geltend  waren  uno  eine  weite  Verbreitung  hatten. 

Man  kann  Ungarn  gleich  der  Türkei  ~  im  jetzigen  Augenblick  vielleicht 
mehr  als  die  Türkei  —  als  eiu  großes  Ueispiel  für  das  Problem  der  Natio- 
nalitäten aufstellen.  Die  vornehmste  bilden  die  Magyaren  selbst,  aber  sie 
fassen  nicht  die  Hälfte  der  Bevölkerung.  Von  den  andern  sind  dieRnm&nen 
am  zahlreichsten  uud  sie  gränzen  mit  ihren  Brüdern  in  den  Donaufürsten- 
thflmern.  Im  Norden  und  Süden  sitzen  die  Slaven,  wieder  zunächst  an  ihre 
Landsleute  außer  Ungarn  gränzend.  Zerstreut  im  Lande  wohnen  Deutsche 
in  Städten  und  Dörfern.  Die  Slaven  stehen  jetzt  thatsächlich  unter  der  russi- 
schen Propaganda,  die  Rumänen  unter  der  des  neu  lateinischen  Reiches;  und 
indem  die  Magyaren  ihre  Sprache  und  Einrichtungen  zur  Geltung  zu  bringen 
streben,  sind  sie  rings  von  Feinden  umgeben.  Sie  haben  den  Oesterreichem  ihr 
Königreich  Ungarn  abgerungen,  aber  die  Slaven  und  Rumänen  beanspruchen 
nationale  Unabhängigkeit  und  stützen  sich  in  ihrem  Streben  auf  die  große 
Üevölkerung  außerhalb  der  ungarischen  Gränzen. 

Bei  der  Behandlung  dieser  Fragen  geht  nun  Herr  Patterson  von  dem 
Gesichtspunkte  aus,  dass  die  Nationalität  unterdrückt  und  der  Einfluss  der 
Race  so  viel  wie  möglich  geschwächt  werden  mQße.  Er  lässt  sich  in  dieser 
Absicht  beinahe  bis  zur  Polemik  gegen  jene  verleiten,  die  nicht  dieser  Ansicht 
sind;  aber  man  kann  es  ihm  für  seine  Person  nicht  als  Fehler  anrechnen,  wo 
er  irrigen  Deductionen  das  richtige  entgegenstellt.  Er  legt  das  Hauptgewicht 
auf  die  geographische  Lage  und  die  Staatseinrichtung;  diese  seien 
es,  welche  auf  Nationen  und  Gemeinwesen  den  größten  Einduss  üben,  während 
die  Wirkung  der  Race  dabei  gar  niclit  in  Betracht  komme.  Die  Art,  wie  er 
sich  darüber  ausspricht,  wird  gewiss  bei  vielen  Billigung  finden;  aber  seine 
Darlegung  ist  nicht  überall  so  überzeugend,  um  andern,  und  namentiich  uns, 
den  Zweifel  an  der  Richtigkeit  zu  benehmen.  Augenscheinlich  ist  er  von 
gewissen  Ansichten  vorweg  eingenommen,  und  in  einem  Lande  voll  von  reinen 
und  gemischten  Racen,  wie  es  hier  zum  Studium  vorliegt,  mag  wol  auch  die 
Schwierigkeit  des  Gegenstandes  oder  ein  Mangel  in  der  Kenntnis  der  mensch- 
lichen Natur  nach  ihrer  physischen  Beschaffenheit  einen  Irrtham 
entschuldigen.  Gesteht  doch  der  Verfasser  selbst  zu,  dass  er  sich  auf  das 
Studium  der  Rumänen  nicht  eingelassen  habe;  offenbar  fehlte  ihm  dazu  auch 
die  Bekanntschaft  mit  einem  andern  ethnographischen  Beobachtungskreis  in 
Südeuropa  und  auf  dem  westiichen  Festland,  was  zur  Klärung  der  hier  vor- 
waltenden Verhältnisse  driugend  notbwendig  gewesen  wäre. 

Der  Verfasser  leitet  seine  Darstellung  größtentheils  von  den  ethnologi- 
schen Erscheinungen  auf  unsern  britischen  Inseln  ab,  wo  diese  aller- 
dings viel  Stoff  zur  Betrachtung  darbieten.  Allein  er  beachtet  nicht,  dass 
sie  überhaupt  noch  za  wenig  erforscht  sind  und  daher  verschieden  aofgeftnt 


327 

Verden,  so  dass  sich  daraus  noch  bei  weitem  nicht  ein  sicherer  Schluss  ziehen 
läaaL  Den  Umstand,  dass  bei  uns  Wälsche,  Iren  und  Schotten  beisammen 
wohnen,  nimmt  er  als  Beleg  für  die  ADsicht,  England  habe  eine  Bevölkerung 
von  gemischter  Race.  Darin  liegt  aber  nicht  nur  ein  Yorurtheil  an  sich, 
soDdem  die  Ethnologie  der  jüngsten  Zeit  hat  es  bei  weitem  noch  nicht  als  eine 
aufgemachte  Wahrheit  anerkannt,  und  somit  lässt  die  Anwendung  auf  unsere 
Inseln  sich  weder  historisch  noch  statistisch  und  wissenschaftlich  vertreten; 
and  wenn  wir  nicht  Gefahr  laufen  wollen,  die  Verhältnisse  zu  verwirren,  so 
scheint  es  besser,  auf  seinem  Felde  von  einer  Beziehung  auf  unsere  Inseln 
ganz  abzusehen. 

Die  Magyaren,  soweit  man  ihrer  eigenen  Meinung  nachgeht,  gehören 
dem  ngrisch-tatarisch  en  Stamme  an  und  stehen  somit  in  nächster  Ver- 
wandschaft  mit  den  osmanischen  Türken.  ludem  nun  der  Verfasser  .sich 
bemfiht,  diese  Ansicht  durch  Gegengründe  zu  entkräften,  widerstrebt  ihm 
angenscheinlich  die  Verwandtschaft  mit  einer  Eace,  die  er  nicht  aus  eigener 
Beobachtung  kennt  und  die  ihm  nicht  nur  im  allgemeinen  auf  niedriger  Stufe 
steht,  sondern  auch  insbesondere  niedriger  als  die  Magyaren.  £r  nimmt  darum 
f&r  seine  -Begünstigten  eine  Verwandtschaft  mit  den  Finnen  in  Anspruch, 
die  schon  darum  achtungs würdiger  seien,  als  die  Türken,  weil  sie  eine  poetische 
Literatur  haben,  und  denen  man  es  als  ein  besonderes  Verdienst  anrechnen 
mflße,  dass  sie  zu  den  schwedischen  Heeren  dereinst  immer  ein  beträchtliches 
Contingent  gestellt  haben. 

Scharfsinnig  erörtert  er  die  für  seine  Ansicht  sprechenden  Gründe, 
namentlich  dass  die  Magyaren  das  Bollwerk  des  Christenthums  gewesen  seien 
und  die  Türken  aus  dem  Lande  geworfen  haben,  während  er  zugestehen  muß, 
dass  damals  die  bedeutendste  Kraft  der  Nation  lange  Zeit  mit  den  Türken 
eng  verbunden  war  und  dadurch  die  Entwicklung  des  Protestantismus  am 
meisten  gefördert  hat.  Er  ist  ofTenbar  in  Verlegenheit,  was  er  mit  dem  Tu- 
ran'schen  Volksstamm  in  Europa  anfangen  soll;  und  wenn  er  seinen  Magyaren 
schon  den  turanischen  Ursprung  zugestehen  muß,  so  scheint  er  geneigt, 
ihren  jetzigen  Stand  auf  Rechnung  des  großen  EiDÜusses  zu  schreiben,  den 
das  lateinische  Christenthum  auf  die  Organisation  der  Bevölkerung  geübt  habe. 
Indem  er  die  wissenschaftliche  Ansicht,  dass  Europa  von  Ariern  bevölkert  sei, 
als  die  richtige  festhält^  gehören  ihm  die  Turanier  weder  nach  Europa, 
noch  haben  sie  irgend  einen  Theil  an  der  Civilisation  dieses  Erdtheils.  Aber 
wiewol  die  Türken  als  Turanier  ihm  als  unfügliche  Eindringlinge  in  Europa 
gelten,  kann  er  doch  der  Wahrheit  nicht  ganz  aus  dem  Wege  gehen ,  dass 
anch  die  Turanier  auf  den  jetzigen  Bcstaud  der  Völker  in  Europa  einen  Ein- 
flnss  geübt  haben. 

Unter  diesen  Umständen  wird  zunächst  die  politische  Frage  zu  ent- 
scheiden sein,  wie  es  möglich  war,  dass  die  iVlagyaren,  als  ein  turanisches  Volk, 
ihre  Eigenthümlichkeit  unter  civilisiertem  treraeinwesen  festhielten  ,  und  dann 
ob  sie  als  Turanier  etwa  dem  Geschick  verfallen  sollen,  vertrieben,  unterjocht 
und  verschlungen  zu  werden.  Unsere  Ansicht  darüber  schöpfen  wir  aus  der 
Gegenwart  wie  aus  der  Vergangenheit. 

Was  zunächst  die  Vergangenheit  betrifft,  so  muß  mau  von  der  aner- 
kannten Thatsache  ausgehen,  dass  eine  der  frühesten  Givilisationen  in  Europa 
die  turanische  war,  dass  diese  der  arischen  vorher  gieng  und  dass 
Europa  zu  einer  gewissen  Zeit  von  einer  turanischen  Bevölkerung 
besetzt  war,  was  übrigens  den  Bestand  von  andern  nicht  arischen  Stämmen  zu 
derselben  Zeit  nicht  ausschließt.  Die  iberische  Race  kann  man  in  Spanien, 
Gallien,  Italien,  Griechenland  und  Kleinasien  verfolgen.  Für  das  Bestehen  von 
Turaniem  geben  die  Basken  in  Frankreich  und  Spanien,  jetzt  lateinische 
Christen,  Zeugnis  und  ihre  alterthümliche  Sprache  umfasst  ein  weites  Gebiet. 
In  wiefern  baskisches  Blut  im  südwestlichen  Europa  vorherrsche,  lässt  sich 
zwar  nicht  sicher  entscheiden;  aber  sehr  wahrscheinlich  hat  es  ehemals  süd- 
lich und  nördlich  der  Pyrenäen  ein  gutes  Stück  jenes  Raumes  eingenommen, 
wo  man  nach  der  gewöhnlichen  Ansicht  keltische  Bewohner  hausen  ließ. 

Kun  wenden  wir  uns  zur  großen  Frage  über  die  liguri sehen  Völker. 
Obgleich  die  Kenntnis  dessen,  was  wir  über  sie  wissen,  noch  sehr  mangelhaft 
ist,  so  nöthigt  sie  uns  doch  durchaus  nicht,    sie  für  Indo-Europäer  zu  halten, 


82H 

sondern  gibt  vielmehr  Oberzeugende  Gründe  an  die  H*nd,  das«  sie  Nicht- 
Arier  seien.  Unter  allen  Umst&nden  steht  ein  weites  Hgnrisches  Gelnet  in 
Norditalien,  in  der  Schweiz  und  iu  Sadost- Frankreich  außer  Zweifel,  ond  wir 
haben  sehr  wahrscheinlich  in  Italien  noch  mehr  von  diesem  Volke  als  ange- 
nommen wird,  möglicher  Weise  auch  Abkömmlinge  von  Lignrem  und  Iberern 
im  westlichen  Irland,  wo  sie  den  typischen  Unterachied  des  Volks  bedingen 
und  vielleicht  auch  in  Wales. 

Wenn  M.  Patterson  an  den  Magyaren  wahrnahm,  dass  sie  nichts  an 
sich  haben,  was  dem  indo- europäischen  Typus  widerspräche  oder  mit  ihm 
nicht  vereinbarlich  wäre,  so  trifft  ganz  dasselbe  bei  den  Basken  und  Li- 
gurern  zu,  und  man  wird  d<'nnoch  zugestehen  müßeo,  dass  diese  und  die 
Masyaren  wieder  unter  sich  physisch  und  moralisch  in  manchem  verschieden 
sind.  Indem  Patterson  dem  magyarischen  Volksstamm  ein  so  großes  Gebiet 
zuweist,  scheint  er  femer  von  der  Ansicht  auszugehen,  dass  die  slaviscfa  redenden 
Bulgaren  Turauier  und  mit  den  TQrkeu  identisch  seien.  In  Wahrheit  aber 
haben  wir  nur  wenig  Türken  in  Europa,  denn  die  Mohammedaner  in  der 
Türkei  sind  bei  weitem  nicht  alle  Türken,  und  nur  die  Türken  in  Bnlgariea 
gehören  zu  den  Turaniern.  Im  Norden  und  Nordosten  von  £uropa  ist  der 
kleine  Stamm  der  Lappen  turaiiisch  nach  der  Sprache,  ursprünglich  im  Blnt, 
ebenso  der  große  Stamm  der  Finnen  mit  den  zahlreichen  als  finnisch  aner- 
kannten Völkern  und  vielen  andern,  die  nachgerade  in  Kuseland  tufgiengen. 

Im  allg  emeineu  betrachtet,  waren  die  turanischen  Völker,  indem  sie 
besiegt  und  unterworfen  wurden,  lange  Zeit  iu  derselben  Lage,  wie  die  kelti- 
schen vor  wenig  Jahrhunderten,  und  jetzt,  nachdem  die  Kelten  längst  um  die 
Herrschaft  gekommen  sind,  läset  sich  eine  Vergleichung  zwischen  ihnen  und 
den  jetzt  herrschenden  Völkern  schwer  herstollen.  Aber  man  geht  nicht  fehl, 
wenn  man  sie  nach  ihrer  allgemeinen  Fähigkeit  jenen  Gliedern  des  indo-enro- 
päischen  Stammes  zuzählt,  die  in  Wales,  im  schottischen  Hochlande,  in  Irland 
und  Britanien  noch  vorhanden  sind.  Und  eben  so,  scheint  uns,  werden  die 
Turanier  mit  den  Basken,  den  Finnen  und  M sparen  in  eine  nähere  verwandt- 
schaftliche Beziehui^  zu  bringen  sein.  Bei  den  Türken  haben  wir  ««s  mit  einem 
noch  herrschenden  Volke  zu  tnun.  und  die  Magyaren  besitzen  seit  Jahrhunderten 
eine  Constitutionen e  Staatsform,  in  deren  Praxis  sie  mit  den  Völkern  ger- 
manischer Race  wetteifern  und  die  Völker  romanischer  Race  weit  hinter  sich 
lassen. 

Im  allgemeinen  hat  man  also  keinen  Grund,  den  Turaniern  UniUhigkeit 
auf  politischem  Gebiete  beizumessen,  so  dass  man  sie  nicht  als  Glieder  in  der 

Soßen  Gemeinschaft  der  Nationen  anerkennen  sollte.  Die  Zähigkeit,  womit  die 
agyaren,  Basken  und  Finnen  ihre  constitutionellen  Rechte  wahrten, 
bildet  ein  interessantes  Capitel  in  ihrer  Geschichte,  in  Bezug  auf  die  Magyaren 
hat  dies  Herr  Patterson  sehr  lebendig  dargestellt.  Eben  so  wenig  Grund  ist 
vorhanden,  in  pbysicalischer  Hinsicht  die  Magyaren  oder  die  Türken  im  allge- 
meinen niedriger  zu  stellen.  Einen  wichtigen  Beweisgrund  bieten  die  Lappen, 
die,  wenn  ihre  Sprache  finnisch  ist,  nothwendig  einmal  mit  den  Turaniern 
müßen  ein  Volk  gewesen  sein.  Jedenfalls  werden  wir  am  wenigsten  fehl- 
gehen, wenn  wir  sie,  abgesehen  von  den  Turaniern,  zu  don  frühesten  Völkern 
zählen.  Dann  erhalten  wir  an  den  Ugro-Tataren  einu  Völkergmppe  von  reiner 
physikalischer  Beschaffenheit. 

Mitßezug  auf  die  magyarische  Sprache  hat  Herr  Patterson  selbst  dies  mit 
den  ihm  zugänglichen  Materialien  klar  dargelegt.  Die  Beziehungen  des  Magyari- 
schen zum  Finnischen  sind  in  der  gelehrten  Welt  genügend  erörtert;  aber  den 
Beziehungen  zum  Türkischen,  die  doch  die  Magyaren  selber  erkennen,  wird  zu 
wenig  Ai&ierksamkeit  zugewendet.  Die  Haupt-  tmd  gewöhnlichen  Wortwurzeln 
sind  freilich  selten  gleich,  ausgenommen  in  Wörtern,  die  bei  den  frühesten 
turco- tatarischen  Eindringlingen  im  Gebrauch  waren  und  noch  jetzt  in  Russland 
zu  finden  sind.  Aber  der  gemeinsame  Ursprung  und  die  Zusammengehörigkeit 
bedarf  keines  Beweises,  sie  zeigt  sich  insbesondere  bei  Ausdrücken,  die  sich 
auf  das  ländliche  Leben  beziehen.  Gelehrte  suchen  nach  Aehnlichkeiten  im 
Osmanli,  im  Türkischen  und  in  Wörterbüchern;  aber  die  Verwandtschaft  mit 
dem  Magyarischen  wird  sich  wol  füglicher  im  Anatolisch-türkiBchen 
und  in  all  den  Sprachen  und  Mundarten   des   Ostens   finden  lassen,   die  uns 


329 

noch  so  weoig  bekannt  sind.  Dieser  Gegenstand  ist  es,  dem  Professor  Y&m- 
bery  insbesondere  seine  Forschung  widmet  und  um  dessentwillen  er  sich  jetzt 
mit  den  Sprachen  der  Dschagatai  und  Uiguren  beschäftigt.  Ganz  gewiß  stehen 
die  Grammatik  der  Magyaren,  der  Osmanen  und  der  Turko-Tataren  auf  einem 
ond  demselben  Gründe. 

Damit  erklärt  sich  mauches.  Obgleich  die  Magyaren  in  keinem  directen  Ver- 
kehr mit  den  Tfirken  stehen,  so  )<Tnen  sie  doch  leicht  türkisch  und  lernen  es  nicht 
nur  sprechen,  sondern  auch  schreiben.  Sowol  während  der  letzten  Emigration, 
wo  die  TQrkcl  den  Magyaren  Schutz  bot,  als  in  frühern  Zeiten  des  innigen 
liflndnisses  waren  magyarische  Offiziere  in  der  kürzesten  Zeit  itlr  türkische 
Dienste  geeignet  und  relativ  behauptet  der  Magyar,  Staatsmaun  wie  Bauer, 
seine  öffentliche  und  sociale  Stellung  in  der  Türkei  so  gut  wie  in  der  Heimat. 
Dies  itkhrt  uns  zu  einer  pmctischen  Ansicht  über  diesen  Gegenstand.  Vielleicht 
gehören  die  Magyaren  weder  zum  ngrischen.  noch  zum  turco-tatarischen  Zweig 
der  ugro-tatarischen  Kace,  sondern  vn  treten  einen  alten,  abgesonderten  Zweig 
dieser  Race.  Aber  ^'\g  haben,  practisch  genommen,  so  viel  Aehnlichkeiten  mit 
den  Osnianli,  dass  man  sie  unbedenklich  in  eine  Stamroesbeziebung  mit  ihnen 
setzen  kann. 

Ueberhaupt  ist  die  ungarische  Emigration  in  der  Türkei  ein  Gegenstand, 
den  mau  genau  studieien  und  dem  Verständnis  nahe  legen  sollte,  da  er  ge- 
wöhnlich einer  irrigen  Auffasi^uug  anheimfällt.  W^ährend  die  Unterdrückungen 
durch  die  l'ürken  und  der  Kampf  der  Magyaren  für  das  Ihristeuthum  von 
magyarischen  Schriftstellern  weitläufig  behandelt  wurden,  zeigt  uns  Herr  Patter- 
son  in  der  Geschichte  der  Begegnungen  zwiscbeu  Magyaren  imd  Türken  die 
Kehrseite  der  Frage.  Beide  Völker  sind  stolz,  lieben  die  Unabhängigkeit  und 
sind  einem  unterthänigeu  Verhältnis  nicht  zugethau,  wie  man  es  während  der 
Emigration  zur  Genüge  wahrnehmen  konnte.  Aber  jedes  ist  ein  Volk  von 
politischer  Fähigkeit,  und  darin  besteht  die  Kraft,  um  einmüthig  in  enger 
Verbindung  zu  handeln. 

VtTenn  das  Großfürsteuthum  Siebenbürgen  während  jeuer  Epoche,  die 
man  die  protestantische  zu  nennen  pflegt ,  so  oft  als  Verbündeter  gedient  hat, 
so  wird  das  Königreich  Ungarn  wol  in  höherem  Maße  befähigt  sein,  einst 
dasselbe  zu  unternehmen. 

£he  die  Magvaren  ihre  politische  Unabhängigkeit  erlaugt  hatten,  richteten 
sie  ihre  Blicke  nach  Osten.  Ihre  Flüchtlinge  genießen  in  Constantiuopel  eine 
große  politische  Rücksicht  und  die  Pforte  begünstigt  die  ungarischen  Pläne 
ftr  die  Bahnen  in  Rumelien,  so  wie  der  Eisenbahnverkehr  nach  dem  Osten 
Too  den  Ungarn  eifrig  betrieben  wird  Kür  Russland  kann  Ungarn  keine  Freund- 
schaft fühlen,  aber  zum  Anschluss  an  die  Türkei  neigt  es  stark  hin.  Kommt 
dieser  Anschluss  zu  Stande,  so  gewinnt  Ungarn  einen  Rückhalt  auf  seiner 
meist  bedrohten  Seite  und  auch  die  Türkei  wird  stärker.  Rumänien,  das  von 
Bussland  so  viel  zu  fürchten  hat,  wird  unter  dem  Schutz  von  Ungarn  uud  der 
Türkei  uud  imBündnisse  mit  diesen  sicher  oder  —  man  wird  es  dazu  zwingen. 
Den  slavischen  Nationalitäten  wird  man  ihre  Autonomie  gewähren,  wenn  sie 
anfhören,  ihre  Blicke  nach  Kussland  zu  richten;  denn  sie  sind  nur  als  Feind 
der  nationalen  Unabhängigkeit  zu  fürchten.  Auch  die  Serben,  von  Russland 
abeeschlossen  und  von  Ungarn  und  der  Türkei  in  die  Mitte  genommen,  werden 
uai  an  ihrer  nationalen  Entwicklung  gern  genügen  lassen  und  ihre  Literatur 
wird  die  Sympathie  für  Russland  paralysieren.  Was  endlich  die  Bulgaren  be- 
trifft, so  ist  unter  diesen  Umständen  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  sie  mit  den 
TOrken  verwachsen. 

Auf  diese  Art  würde  längs  der  südlichen  Gränze  zwischen  Russland  und 
und  Persien  sich  eine  polititische  Schranke  kerstellen  imd  die  Neigung  zum 
Vorwärtsschreiten  erhielte  in  Persieu  einen  Vorschub,  während  in  Ungarn,  an 
der  antern  Donau  uud  iu  der  Türkei  die  Entwicklung  der  municipalen  Freiheit 
und  des  socialen  Fortschrittes  am  sichersten  gefördert  wird. 

Darin  liegt  nach  unserer  Ansicht  die  mögliche  Lösung  der  orien- 
talischen Frage  und  auch  die  Aussicht  auf  die  Lösung  der  gleichschwierigen 
Nationalitätenfrage,  mit  welcher  Herr  Patterson  zwar  nicht  zurecht  kommt, 
deren  Behandlung  aber  durch  sein  Werk  unstreitig  mit  einem  wertvollen 
Material  bereichert  worden.«  B. 


3S0 

Vorläufiges  Programm  der  Fragen, 

die    an    das    Comit^    des   geographischen  Oongresses  zu 

Antwerpen    eingesandt    wurden. 

(Fortsetzung  undSchluss.) 

Schiffahrt.  —  Reisen.  —  Statistik.  —  Handel. 

1.  Man  hat  die  Voraussicht  ausgesprochen,  dass  der  Ganal  von  Suez 
einen  völligen  Umschwung  in  den  Beziehungen  fSuropa's  zum  fernen  Orient 
bewirken  werde.  Welches  sind  nun  die  Bedingungen,  unter  denen  der  Handel 
von  diesem  neu  eröffneten  Wege  den  gehofften  Nutzen  ziehen  kann? 

2.  Welche  Stelle  am  Isthmus  von  America  w&re  als  die  günstigste  zu 
bezeichnen,  wo  sich  ein  Canal  für  große  Schiffe  durchführen  lässt? 

3.  Unter  welchen  Umständen  lieüc  sich  eine  Colonisation  von  Nen- 
Guinea  zum  Voi-theil  fflr  den  europäischen  Handel  bewerkstelligen? 

4.  Es  ist  der  Einfiuss  festzustellen,  den  die  geographische  Lage  des 
indischen  Archipels  und  insbesondere  der  Insel  Java  auf  den  Handel  flbt. 
Worin  liegen  die  Vortheile  für  den  Handel,  die  man  sich  von  der  Aenderun| 
des    bisherigen  Colonialsystcms  dieser  niederländischen  Besitzung  verspricht? 

5.  Welche  Mittel  lassen  sich  in  Vorschlag  bringen,  um  Beisenden  die 
für  geographische  Forschungen  nöthige  Vorbildung  zu  geben.  Ware  nicht 
vielleicht  die  Gründung  besonderer  Schulen  für  Reisende  zu  empfehlen? 
Etwa  mit  der  Einrichtung,  dass  der  junge  Mann  im  Gebrauch  von  Beobach- 
tungsinstrumenten geübt  wird,  um  geodetische  und  topographische  Aufnahmen 
zu  machen,  dass  er  sich  mit  den  Naturwissenschaften  zu  diesem  besondem 
Zwecke  befasst,  in  der  Medicin  und  Chirurgie  Kenntnisse  sammelt,  sich  die 
Fertigkeit  aneignet,  Inschriften  abzunehmen  und  die  wichtigsten  Sprachen,  so 
wie  überhaupt  alles,  was  ihm  zum  leichtern  Verkehr  mit  Völkern  nothwendig 
ist,  zum  Gegenstande  des  Studiums  macht? 

6.  Wäre  es  nicht  angezeigt,  dass  die  Regierungen,  um  Forschungsreisen 
zur  Erweiterung  der  Erdkunde  zu  fördern,  sich  zur  Aufstellung  eines  euro- 
päischen Budget  vereinigten? 

7.  Welche  sind  die  besten  Mittel,  um  sich  tüchtiger  und  nützlicher 
Arbeiter  für  die  Colonisation  zu  versichern,  und  nach  welchen  Ländern  müsste 
man  sie  weisen? 

8.  Wenn  in  einigen  Ländern  die  Handelsmarine  zurückgeht,  was  ist  die 
Ursache?  Und  lässt  sich  von  einem  Volke  behaupten,  dass  es  für  seine  Wol- 
fahrt  sorgt,  wenn  es  in  der  Pflege  seiner  maritimen  Beziehungen  l&ssig  ist? 

9.  Welche  Einrichtungen  wären  in  Belgien  wünschenswert,  um  die 
Entwicklung  des  Handels  und  der  Schiffahrt  zu  fördern? 

10.  Es  wäre  zu  untersuchen,  in  wiefern  der  Besitz  von  Colonien  und 
andern  überseeischen  Nazionaleinrichtuugen  zur  Förderung  eines  st&tigen 
Handels  und  vielleicht  auch  der  Innern  Ruhe  der  Staaten  beitrage  ? 

11.  Es  wären  die  Rücksichten  zu  untersuchen  und  zu  würdigen,  die 
England  allmählich  dazu  gebracht  haben,  sein  Colonialsystem  zu  andern  und 
einzelnen  Colonien  eine  besondere  Verwaltung  zu  geben? 

12.  Lässt  sich  daraus,  wie  dies  zuweilen  geschah,  der  Schluss  ziehen, 
dass  es  besser  sei,  keine  Colonien  zu  haben?  Welche  Gründe  sind  es,  die 
man  zuweilen  gegen  das  Princip  der  Colonien  geltend  macht? 

13.  Es  ist  der  Einfiuss  zu  bezeichnen ,  den  die  Dampfkraft,  der  electrische 
Telegraph  und  die  wichtigsten  Einrichtungen  der  Neuzeit  in  der  Marine  auf 
die  Stellung  der  Völker  zu  einander  geübt  haben. 

14.  Wie  ließe  sich  eine  gleichmäüige  Gesetzgebung  fflr  den  Handel  und 
die  Seefahrt  herstellen? 

15.  Wäre  es  nicht  möglich,  dass  man  sich  zu  einem  gleichen  System 
in  Maß,  Gewicht  und  Münzen  vereinigt? 

Sind  Gründe  vorhanden,  die  den  Gebrauch  einer  einzigen  Sprache 
für  den  internationalen  Verkehr  wünschenswert  machen? 

Sollte  man  sich  nicht  Ober  eine  Einheit  in  wissenschaftlichen  Maßen 
verständigen? 


331 

16.  Wire  es  bei  Schiftihrtskarteii  nicht  vortheühaft,  anstatt  der  Pro- 
Metion  Merkators  eine  Projection  anzuwenden,  die  den  Bogen  des  großen 
Kreises  durch  eine  gerade  Linie  darstellt? 

17.  Welche  Verbesserungen  wären  an  den  Schiflfotelescopen  ansnbrin^n, 
namentlich  um  die  geographische  Länge  mittels  der  Trabanten  des  Jupiter 
tu  bestimmen? 

18.  Wie  ließe  sich  die  Höhe  der  Sterne  auf  der  See  leichter  bestimmen 
und  namentlich  die  Beobachtung  der  Sonnenhöhe  bei  wenig  sichtbarem  Horizont 
möglich  machen? 

19.  Der  Telegraph  spielt  heut  zu  Tage  eine  grol^  Holle  bei  der  Yer- 
rieichnng  der  meteorologischen  Beobachtungen  und  macht  es  möglich,  die 
Wahrscheinlichkeit  einer  Aenderung  des  Wetters  zu  bestimmen.  Bis  zu 
welchem  Punkt  wäre  es  nützlich,  die  vom  Admiral  Fitz-Roy  vorgeschlagenen 
Signale  zu  berttcksichtigen  ? 

20.  Haben  die  Cyclone  des  atlantischen  Oceans  einen  Einfluss  auf  die 
meteorologischen  Verhältnisse  des  westlichen  Europa,  und  bis  wie  weit  wird 
dieser  durch  das  Clima  jenes  Oceans  bedingt? 

21.  Welche  Instrumente  lassen  sich  angeben,  die  am  Bord  eines  jeden 
Schiffes  als  Inventar  vorhanden  sein  sollen? 

22.  Welche  Mittel  lassen  sich  anwenden,  um  auf  hoher  See  die  Niveau- 
unterschiede zu  bestimmen,  die  durch  das  Spiel  der  Wellen,  durch  Strömungen 
und  Winde  bewirkt  werden? 

23.  Uebt  der  Mond  einen  Einfluss  auf  den  meteorologischen  Zustand 
der  Erdkugel  ans? 

24.  Welcher  Weg  lieUe  sich  als  der  günstigste  bezeichnen,  um  an  den 
Kordpol  zu  gelangen? 

25.  Es  ist  der  Einfluss  zu  bezeichnen,  den  das  Consulatswesen  auf  die 
Handelsbeziehungen  zwischen  den  einzelnen  Staaten  der  Erde  üben  soll? 

26.  Durch  welche  Mittel  könnte  man  zu  einer  allgemeinen  Statistik 
gelangen? 

27.  Durch  welche  Mittel  könnte  man  am  besten  in  den  Besitz  von 
sichern  Daten  kommen,  lim  in  Karten  darzustellen: 

1.  Die  Veränderungen  in  der  Dauer  des  mittleren  Lebensalters 
der  Menschen  in  verschiedenen  Gegenden  der  Erde; 

2.  Die  Gegenden,  wo  gewisse  Krankheiten  endemisch  sind  und 
bis  zu  welchem  Grade.  Diese  Karten  könnten  auch  den  Gang 
der  wichtigten  Krankheiten  anzeigen. 

3.  Die  Veränderungen  in  der  Volksdichtigkeit  auf  der  Erdober- 
fläche und  vielleicht  auch  die  Bedingungen  ^Kosten)  des  Lebens- 
unterhalts. 

28.  Es  ist  eine  Statistik,  namentlich  die  überseeischen  Länder  zu  ent- 
werfen : 

1.  Ueber  das  Verhältnis  der  Ausdehnung  des  cultivierten  und  nicht 
cultivierten  Bodens  in  den  verschiedenen  Ländern. 

2..  Ueber  die  Ausdehnung  der  verschiedenen  Arten  des  Anbaus. 

3.  Ueber  die  Ausdehnung  der  Wälder  und  zwar  so  viel  als  möglich 
mit  Rücksicht  auf  die  Verschiedenheit  der  Holzarten  und  auf 
ihren  Gubikinhalt,  insofern  man  eine  gewisse  Wald  fläche  als 
Einheit  annimmt. 

29.  Es  sind  neue  Beobachtungen  zu  machen,  um  die  Isothermen  auf 
den  Karten,  insbesondere  auf  den  Continenten  zu  vervollständigen.  Auf  den- 
selben Karten  sind  Linien  für  die  gleiche  Stärke  des  hygrometnsche^  Standes 
der  Luft  auf  der  Oberfläche  des  Bodens  und  für  die  Kegenmenge  in  einer 
bestimmten  Zeit  zu  ziehen. 

30.  Es  ist  mit  Rücksicht  auf  die  verschiedenen  Länder  die  Größe  der 
Arbeit  zu  bestimmen,  die  ein  Mensch  in  einer  gewissen  Zeit  leisten  kann, 
zum  Beispiel  das  Verhältnis  der  Zahl  der  Menschen  und  der  Zeit,  die  zu 
einer  gewissen  Arbeit  nöthig  ist,  im  Vergleich  mit  1000  Tonnen  Kohle,  die 
man  zu  Tage  fördert,  oder  mit  der  Erzeugung  einer  Tonne  Eisen  oder  des 
Maßes  irgend  einer  andern  Ware. 

31.  Um  die  Vollkommenheit  der  Maschinen  in  den  verschiedenen  Ländern 


332 

I 

ZU  beurtheilen,  wird  man  die  Menge  der  verbrannten  Kohlen  und  die  mecha- 
nische Wirkung  in  Betracht  ziehen  müßen,  die  sich  daraus  ergibt. 

32.  Die  Veränilening  in  dem  Preise  dor  Waren  zu  bestimmen,  so  wie 
sie  sich  ans  der  Verschiedenheit  des  Münzwertes  ergibt. 

Für  alle  Länder  der  Erde  die  Dichtigkeit  der  Berufsstände  zn  ermitteln, 
des  Militärs,  der  Marine,  der  ('ulto,  der  Kunst,  der  Verwaltung,  der  Gesetz- 
gebung und  Ausführung  der  Gesetze,  des  Unterrichts  u.  s.  w. 

38.  Den  Gang  der  vorzüglichsten  europäischen  Sprachen  in  ihrem 
Streben  zu  verfolgen,  wie  sie  allmälith  in  andern  Sprachen  aufgehen,  sowol 
in  Eurojia  als  in  den  andern  Krdth eilen. 

C  o  s  m  o  g  r  a  p  h  i  e. 

1.  Ließe  sich  nicht  in  dor  Annahme  eines  ereten  Meridians' eine  I'eber- 
einsthnmung  erzielen? 

2.  Wi(?  sollte  man  die  Untersuchungen  über  die  Meerestiefe,  die  Tem- 
peratur des  Wassers  in  den  verschiedenen  Tiefen,  und  über  die  Bedingungen 
des  Thierlebens  in  diesen  Tiefen  weiter  fortführen? 

3.  Die  besten  Mittel  zur  lintersuchung  der  unterseeischen  Strömungen 
und  die  BeobachtungeiL  zu  bezeichnen,  die  zu  (ii<  sem  Zweck  nöthig  sind. 

4.  Wio  lieije  sich  bewirken,  dass  die  Beobachtung  «ier  Höhe  der  Wogen 
und  der  Tiefe,  bis  zu  welcher  sich  die  Bewegung  der  Meeresoberfläche  er- 
streckt, mit  einem  möglichst  sichern  Erfolg  geschehen  kann? 

5.  Es  ist  der  Gang  der  Wellen  im  Ocean,  insbesondere  im  pacihschen 
und  atlantischen  Ocean  zu  l)ezeichuen. 

6.  Die  Grümlo  der  rnregelmäüigkeit  zu  untersuchen,  weiche  die  Wellen 
insbesondere  im  pacitiscben  Ocean  zeigen. 

7.  Lielie  sich  nicht  eine  ^vollständige  Schilderung  der  Bewegung  des 
Wassers  in  den  vorzjiglichst en  grolJen  Flüssen  geben? 

8. -Welche  sind  die  \  eränderungen  des  Golfs tro ms  und  was  lässt 
sich  über  die  Ui-sache  dieses  Stromes  sagen? 

9.  Gibt  es  am  Nordpol  ein  eisfreies  Meer,  und  worin  besteht  der  Nutzen,  den 
die  Wissenschaft  aus  der  Erforschung  der  Polarmeei'e  überhaupt  ziehen  kann? 

10.  Welches  ist  die  mittlere  Mächtigkeit  der  Schichten  in  den  ver- 
schiedenen Terrains  nach  der  geographischen  Lage?  Wie  ermittelt  man  diese 
Schichten  auf  eine  möglichst  sichere  Art? 

11.  Was  sagt  uns  die  Wissenschaft  über  die  Lage  von  Torf,  die  sich 
im  Untergrund  der  belgischen  und  holländischen  Küste  vorfindet  und  über 
die  Senkung  des  Bodens  entlang  der  Nordsee  ? 

12.  Was  wissen  wir  über  die  Bildung  des  Hont  westliche  Mündung 
der  Scheide/  und  über  die  ersten  Anfänge  seiner  Beschiifung? 

Ethnographie. 

1.  Welche  Ergebnisse  haben  bisher  die  wissenschaftlichen  Untersuchungen, 
die  sich  auf  die  Urgeschichte  des  Menschen  beziehen  ? 

2.  Lässt  sich  eine  Stufenfolge  in  der  größern  oder  geringern  geistigen 
Begabung  der  Menschenracen  feststellen? 

3.  Wie  steht  heute  die  geographische  Vertheilung  der  Menschenracen 
und  was  lässt  sich  von  dem  Streben  einzelner  Kacen  sagen,  sich  an  die  Stelle 
anderer  zu  setzen  ? 

Notizen. 

Aitr^^mlsehe  Htrassen  Im  28.  Bericht  Ober  das  Museum  Francisco- 
Carolinum  in  Linz  (1869)  gibt  Herr  Jos.  Gaisberger  bei  der  Beschreibung 
von  Römerfunden  an  verschiedenen  Orten  OberösteiTeichs  eine  treffliche  Skizze 
über  den  Bau  der  Strai^en  bei  den  Körnern,  der  wir  Folgendes  entnehmen: 

^Zur  Zeit  der  Republik  wie  des  Kaiserreichs  waren  es  vorzüglich  zwei 
Einrichtungen,  durch  welche  Rom  die 'jüngsterworbenen  Provinzen  mit  nach- 
haltigem El  folg  vertheidigte  und  ohne  Anwendung  von  Zwang  allmälich  mit 
römischem  Wesen  befreundete  (romanisierte) :  Giündung  von  Colonien  und 
Anlegung  von  Heerstraßen. 

Die  sorgfältige  Durchforschung  der  noch  vorhandenen  Reste  altrömischer 
Straßen  lehrt,  dass  man  dem  StraUenbau  große  Aufmerksamkeit  zugewendet 


333 

and  es  darin  za  einer  Vollkommenheit  gebracht  hatte,  die  noch  heute  Stauneu 
erregt.  Vor  allem  war  es  die  gerade  Richtung,  durch  welche  sich  die 
römischen  Straiien  kennzeichnen.  Von  dieser  iieü  man  sich  weder  durch  Niede- 
rungen und  Flosse,  noch  durch  Berge  und  felsigen  Boden  abwendig  machen. 
D&mme  und  Brücken,  Sprengen  und  Durchbohren  des  widerstrebenden  Terrains 
räumten  die  Hindernisse  weg.  Dazu  kam  eine  Festigkeit  des  Baues,  der  durch 
die  übereinander  gelegten  compacten  Schichten  für  die  Ewigkeit  angelegt  scheint. 

War  die  Richtung  bestimmt ,  so  wurde  nämlich  die  ganze  StralJenbreite 
abgegraben,  bis  man  anf  festen  Grund  kam.  Nachdem  dieser  noch  fester  ge- 
stampft und  geschlagen  war,  legte  man  mit  Bruchsteinen  der  Umgegend,  hori- 
zontal oder  auch  vertical  mit  Kalk  verbunden,  die  unterste  Steinschichte. 
Ueber  diese  kam  eine  zweite  aus  Lehm  mit  kleinen  Steinen,  Scherben  und 
Ziegeltrümmern  zusammengeknetet;  endlich  dai'über  eine  wenigstens  6  Zoll 
hohe  Schichte  von  Sand  und  Kies,  durch  ein  Cement  aufs  engste  verbunden. 
Diese  übereinander  ruhenden,  oft  4  bis  5  Fuli  hohen  Schichten  verliehen  der 
Stralie,  wenn  sie  £beuen  durchschnitt,  eine  dammartigc  Erhöhung,  die  nicht 
nur  den  Vortheil  gewährte,  dass  der  herandringende  Feind  schon  von  Ferne 
gewahrt  und  vom  höhern  Standpunct  leichter  bekämpft  wurde,  sondern  auch 
die  Stralie  trocken  erhielt,  da  ihre  Oberfläche  in  der  Mitte  sanft  gewölbt  wai 
und  den  Wasserabfluss  erleichterte. 

Die  Breite  der  StraÜe  war  nicht  gleich;  sie  nahm  in  der  Nähe  von 
Städten  und  Orten  mit  regerem  Verkehr  zu,  dagegen,  wo  sie  durch  abgelegene 
Landstriche  zog,  ab.  Als  mittlere  Breite  nimmt  man  gewöhnlich  18  Fuß  für 
die  unterste,  16  FuU  für  die  oberste  Lage  an. 

Solcher  StraÜeu  Bestimmung  war  —  namentlich  in  den  Gränzprovinzen  — 
vom  Anfang  her  nicht  eine  vorwiegend  friedliche,  sondern  vielmehr  eine  poli- 
tisch-militärische; aus  den  nächsten  Lagerplätzen  und  aus  dem  Innern  des 
Reichs  wurde  den  bedrohten  Ortschaften  durch  sie  auf  dem  kürzesten  Wege 
Hilfe  zugeführt.  Wegen  dieser  Sorge  für  Sicherung  des  Reiches  und  seiner 
Bestandtheile  war  bereits  im  ersten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  das 
System  dieser  HeerstraJJen  wie  ein  Netz  über  das  ganze  Gebiet  ausgebreitet 
und  dazu  hatten  die  veränderten  Staatsverhältiiisse  mächtig  gedrängt.  Nach 
dem  Sturz  der  Republik  trat  allmälich  die  unbeschränkte  Monarchie  ein  und 
die  ganze  Verwaltung  nahm  die  Form  einer  strammen  Centralisation  an.  Die 
Statthalter  in  den  Provinzen  —  früher  fast  unumschränkte  Herrscher  -  wurden 
in  strenger  Aufsicht  gehalten.  In  ihren  Vollmachten  beschränkt,  waren  sie 
in  wichtigern  Fällen,  die  nicht  selten  schnelle  Abhilfe  forderten,  an  die  Ent- 
scheidung des  Herrschers  in  Rom  angewiesen.  Um  von  solchen  Vor^len 
schnell  Kunde  zu  haben  und  in  küi-zester  Frist  die  nöthige  Anordnung  zu 
treffen,  wurden  die  Heerstraüen  mit  Einrichtungen  verschen,  welche  sich 
allmälich  zu  unserm  Postwegen  ausbildeten. 

Den  Anfang  dazu  machte  Augustus.  „Damit  er  schnell  und  auf  der 
Stelle  sich  melden  lassen  und  erfahren  könne,  was  in  jeder  Provinz  vorgeht, 
stellte  er  zuerst  längs  der  Heerstratie  junge  Leute  in  mäßigen  Entfernungen 
und  später  Fuhrwerke  zur  Veifügung  (Siteton.  in  Üctaciatio  49).  Die  Bereit- 
haltung solcher  Fuhrwerke,  die  Unterbringung  und  Verpflegung  des  nöthigen 
Dienstpersonales  und  die  Bespannung  erforderten  Gebäude  verschiedener  Art 
in  gewissen  Entfernungen  an  der  HeerstraÜe. 

Au  Orten,  wo  ohne  weitern  Aufenthalt  nur  die  Bespannung  gewechselt 
wurde,  errichtete  man  Wechselstationen  (mutationes) \  sie  waren  zahl- 
reich, in  einer  Tagreise  oft  8,  nie  weniger  als  5,  und  hatten  gewöhnlich 
2' )  Pferde  oder  Maulthiere  in  Bereitschaft.  Wo  aber  die  im  öffentlichen  Dienst 
reisenden,  Provinzialbeamte ,  Richter,  Befehlshaber  mit  ihren  Truppen  ver- 
weilen und  vejmflegt  werden  mussten,  waren  Raststationen  (matusiofies). 
Sie  lagen  gewöhnlich  18  Millien        eine  Tagreise        von  einander  entfernt. 

Es  ist  begreiflich,  dass  die  im  öffentlichen  Dienste  Reisenden  eine  ge- 
naue Kenntnis  der  Stationen  und  ihrer  Entfernungen,  der  Natur  und  Be- 
schaffenheit des  Landes,  durch  welches  die  Straße  führte,  der  Flüsse,  Ge- 
birge und  Pässe  nöthig  hatten.  Dies  wurde  durch  zwei  mit  dem  Stra&enwesen 
eng  verbundene  Einrichtungen  ermöglicht,  die  mit  ihren  Anfängen  in  die 
Zeit  der  Republik  zurückreichen,  durch  die  Itinerarien  und  die  Aufstellung 
von  Meilen  Säulen. 


884 

Schon  nnter  Julius  Caesar  war  mit  Senatsbeschluss  die  Venaeaeiiiig 
und  Catastrierung  des  römischen  Reiches  angeordnet  worden,  nach  dem  Borger- 
kriege  wurde  sie  unter  Augustus  von  M.  Yipsanius  Agrippa  mit 
griechischen  Geometem  in  Angriff  genommen  und  vollendet. 

Die  Ergebnisse  dieser  Arbeit  dienten  zum  Entwurf  einer  Karte  des 
Gesammtreiches,  die  im  Staatsarchiv  hinterlegt  und  bei  jeder  Gebietsver&nde- 
rung  ergänzt  und  vervollständigt  wurde.  Diese  Reichsbeschreibung  bot  die 
Grundlage  zu  den  Reisebüchem  (Itinerarien),  die  man  für  den  practischen 
Gebrauch  der  Heerführer,  Beamten  u.  s.  w.  zusammenstellte.  Es  sab  zwei 
Arten  solcher  Itinerarien,  itineraria  picta  und  itineraria  scripta.  Die  Tetztereo 
geben  die  wichtigsten  Oertlichkeiten,  die  man  nach  dem  Stralienznge  berCkhren 
musste,  mit  ihren  Entfernungen  von  einander  in  römischen  Schritten.  Ein 
solches  ist  das  für  das  nordwestliche  Ufemoricum  (Oberösterreich  am  rechten 
Donauufer)  wichtige  itinerarium  Antonini,  welches  372  Hauptstraiien  des 
Reichs  mit  den  an  denselben  gelegenen  bedeutendem  Ortschaften  enthält, 
theilweise  mit  einer  nähern  Bezeichnung  (viüa  privata,  victM,  civitcu,  colonia, 
municipium)  oder  mit  Angabe  der  daselbst  aufgestellten  Heeresabtheilung  (<da, 
Uffio).  Es  wird  dem  Kaiser  AntoninusPius  cäer  dem  Caracalla  zugeschrieben, 
der  auch  den  Namen  Antoninus  angenommen  hatte.  Die  itineraria  picta  enthielten 
entweder  nur  Abbildungen  der  Ortschaften  oder  waren  damit  ausgestattet. 

Wahrscheinlich  um  das  Jahr  230  n.  Ch.  unter  Alexander  Severus 
wurde  eine  neue  berichtigte  Weltkarte  bearbeitet,  von  der  uns  in  der 
sogenannten  Peutingerschen  Tafel  ein  Exemplar  zwar  nicht  im  Original, 
aber  in  einer  treuen  Copie  erhalten  wurde  *).  Aber  auch  diese  Weltkarte  ist 
eigentlich  nur  eine  Weg-  und  StraÜenkarte,  die  ohne  Rücksicht  auf  Gestalt, 
Größe  und  geographische  Lage  der  Länder  die  Heerstraßen  mit  den  an  ihnen 
gelegenen  Orten,  Castellen,  Städten,  theilweise  durch  Bilderzeichen  characteri- 
siert,  auffährt,  so  dass  sich  die  größere  oder  geringere  Bedeutung  des  Otten 
auf  den  ersten  Blick  erkennen  lässt.  .  Vor  dem  Antoninischen  Reisebuch  hat 
die  Tafel  —  abgesehen  dass  uns  beide  zur  gegenseitigen  ControÜe  dienen  — 
den  Vorzug,  dää  sie  außer  den  Straßen  die  daran  gelegenen  Orte  mit  ihren 
Entfernungen  von  einander  angibt,  die  angränzenden  Wälder,  Flüsse,  Seen 
darstellt  und  Länder  und  Völker  benennt. 

Die  Aufstellung  von  Meilensteinen  (lapides,  müliaria)  fällt  noch  in  die 
Zeit  der  Republik.  Unter  Augustus  waren  sie  schon  allgemein  und  in  ein 
gewisses  System  gebracht.  Augustus  ließ  auf  dem  Forum  in  Rom  jene  ver- 
goldete Meilensäule  errichten,  bei  welcher  alle  Heerstraßen,  die  durch  die 
28  Thore  in  die  Stadt  führten,  wie  in  einem  Mittelpuncte  zusammentrafen. 
Von  hier  begann  die  Zählung  und  nach  jeder  römischen  Meile,  d.  i  nach 
je  1000  Schritten,  ward  eine  Säule  gestellt. 

H^Menbe'wohner  in  Bna,  In  den  letzten  Briefen  Livingstones  (so- 
wol  in  jenem,  den  die  »Proceedings  of  the  Royal  Geographica! 
Society-  unterm  8.  Kov  1869  veröffentlichen,  als  in  einem  zweiten  ao  Sir 
Bartle  Frere)  erwähnt  der  Reisende  eines  großen  Volksstammes,  den  er  im 
Gebirgslande  Roa  (nördlich  vom  See  Moero)  gefanden  habe,  der  in  unter- 
irdischen Wohnungen  lebt.  Einige  der  bewohnten  Höhluogen,  wurde  ihm 
erzählt,  seien  an  30  Meilen  lang,  so  dass  die  Bewohner  eines  ganzen  Bezirks 
darin  eine  Belagerung  aushalten  könnten.  Durch  die  Höhlen  rinnt  Wasser; 
auch  sollen  Inschriften  dort  zu  sehen  sein,  da  sie  aber  nur  Thierzeichnungen 
enthielten  und  nicht  Buchstaben,  so  habe  er  es  unterlassen,  sie  aufeusnchen. 
Die  Einwohner  seien  sehr  dunkel  gefärbt,  wohlgebaut  und  haben  etwas  schräg 
stehende  Augen. 

Mit  RQcksicht  auf  die  Andeutungen  bringt  das  Athenäum  vom  9.  April 
aus  der  Feder  Grants,  der  bekannUich  mit  Speke  Central- Africa  bereiset 
und  so  wichtiges  Material  für  die  Erforschung  der  Nilquellen  geliefert  hat, 
nachstehende  Mittheilnng: 

»Wir  haben  Aber  die  Gegend,  wo  das  Gebirge  Bua  eigentlich  zu  suchen 

*)  Diese  Copie  ist  die  Arbeit  eines  Mönches  im  18.  Jahrhundert,  auf 
12  Pergamenttafeln.  Sie  kam  später  in  Besitz  des  Augsburger  Patriziers  Conrad 
Peutinger,  von  welchem  sie  den  Namen  hat,  dann  des  Prinzen  Eugen  von 
Savoyen,   aus  dessen  Nachlass  sie  in  die  Wiener  k.  k.  Hof  bibliothek  abergieng. 


88& 

Ist,  Imine  andere  Andeotimg ,  als  dass  es  der  nördlichste  Punkt  sei,  den  der 
f  rofie  Forscher  bisher  erreicht«  nnd  bis  sa  welchem  er  die  Oew&sser  zwischen 
dem  10  und  12®  südlicher  Breite  verfolgt  hat.  Auf  einer  Karte»  die  Cap.  Speke 
in  seinem  -What  led  to  the  discovony  of  the  Nil«  verö£fentlicht  hat,  ist  das 
Gebiet  von  Urnwa,  beinahe  (ungefähr)  lUO  Meilen  westlich  von  der  Mitte 
des  Taganyika-Sees  verzeichnet  £s  liegt  beinahe  in  der  Mitte  des  africanischen 
Festlandes,  und  H&ndler  mit  £lfenbein  und  Kupfer  sind  von  Zanzibar  aus 
dahingekommen.  Ich  bin  nun  der  Ansicht,  dass  Spekes  Uruwa  und  Dr.  Living- 
siones  Rua  auf  einem  und  demselben  Platz  zu  suchen  sei;  aber  es  scheint 
mir  im  höchsten  Grade  auffallend,  dass  Livingstone  unterlassen  haben  soll, 
sich  aber  so  merkwürdige  Höhlungen,  wie  sie  dort  die  llatur  zeigt.  Gewiss - 
heit  zu  verschaffen,  da  man  von  diesem  Beisenden  voraussetzen  kann,  dass 
er  unternehmend  genug  sei,  selbst  hinzugehen  und  über  ihre  Position  und 
Erscheinungen  sich  geuau  zu  orientieren. 

Yorl&ofig  will  ich  erz&hlen,  was  ich  selbst  von  einer  ähnlichen,  vielleicht 
von  derselben  Höhlung  gehört  habe,  die  sich  auf  dem  Wege  zwischen  Loowemba 
(Lobemba)  nnd  Ooroongoo  (Marungu)  nahe  dem  Taganyika-See  befinden  soll. 

Capt.  Speke  und  ich  natten  unter  unsem  Begleitern  einen  Eingebornen 
Kamens  Manna,  dem  die  meisten  Beuten  in  Central- Africa  schon  von 
froheren  Beisen  bekannt  waren. 

Er  war  intelligent,  uns  sehr  ergeben,  und  wusste,  abgesehen  von  seiner 
guten  Gesellschaft,  Ober  last  alle  Pflanzen,  die  wir  trafen,  Auskunft  in  Bezug 
auf  Namen  und  Verwendung.  Er  und  ich  besprachen  uns  grofientheils  fib^nr 
die  Gegenst&nde  in  unserer  Umgebung;  und  w&hrend  unsere  Abtheilung, 
alle  auf  Kameelen  sitzend,  durch  cUe  nubische  Wüste  zog  —  es  war  auf  dem 
Wege  von  Abu- Ahmed  nach  Korosko  —  war  die  Gegend  so  eigenthüm- 
lieber  Art,  dass  ich  ihn  fragte,  ob  ihn  auf  seinen  verschiedenen  Beisen  je  eine 
ähnliche  vorgekommen  sei. 

Ich  will  im  kurzen  eine  Schilderung  von  der  Landschaft  geben. 

Es  erhoben  sich  regelmäßig  aufeinanderfolgend  Höhenrücken  wie  die 
Wogen  auf  dem  Meere;  die  Höhen  waren  von  Schiefer,  die  Vertiefungen  voU 
Sand.  Beim  Uebergang  Über  die  Bücken  schritten  die  Kameele  einzeln  über 
die  Schieferkanten  auf  einem  schmalen  und  sehr  rauhen  Pfade.  Einmal  waren 
wir  Ton  solchen  Schieferwänden,  wie  innerhalb  einer  Festung,  rings  umgeben, 
de  mögen  an  400  Fuß  hoch  gewesen  sein,  nirgends  ein  sichtbarer  Ausgang  und 
der  Horizont  zeigte  die  gezackten  Gipfel. 

So  war  das  Thal  von  Dullah.  Wie  gesagt,  fragte  ich  Manna,  ob  ihm 
*  je  eine  ähnliche  Landschaft  vorgekommen  sei.  Seine  Antwort  war: 

»Diese  Landschaft  erinnert  mich  an  etwas,  das  ich  in  einer  Gegend 
südlich  vom  Taganyika-See  gesehen  habe,  als  ich  mit  einer  Caravane  von 
Arabern  nach  Unjanyembeh  reisete.  Dort  ist  ein  Fluss,  der  Kaoma  heißt 
und  in  den  See  fließt  Seine  Thalwände  mit  ihrem  steilen  Absturz  haben 
große  Aehnlichkeit  mit  dem  Felsen  hier.«  Ich  fragte  weiter,  ob  die  Eingebomen 
den  Fluss  mit  Boten  befahren,  worauf  Manna  sagte:  'Nein,  sie  haben  keine 
Boote;  und  wenn  sie  auch  welche  hätten,  so  könnten  sie  am  steilen  Ufer 
nicht  anlegen.  Sie  gehen  unter  dem  Fluss  in  einem  natürlichen 
Tunnel  ojder  einer  Höhlung.« 

Er  —  (Manna)  —  mit  der  ganzen  Caravane  sei  durch  diese  Höhlung 
auf  dem  Wege  von  Toowemba  nach  Ooroongoo  gezogen  und  auch  wieder 
zurOck.  Die  Länge  der  Höhlung  beschrieb  er  in  der  Art,  dass  sie  von  Sonnen- 
aufgang  bis  Mittag  gebraucht  hätten,  um  durch  zu  kommen;  und  von  der 
Höhe  sagte  er,  dass  man  audf  dem  Kameele  sitzend  die  Decke  nicht  berühren  konnte. 

Lange  Schilfrohre  von  der  Dicke  eines  Stockes  wuchsen  iny^endig,  der 
Grund  war  mit  weißen  Kieseln  bedeckt  und  so  breit  —  400  Yards  —  dass 
man  während  des  Durchziehens  den  Weg  auch  in  der  Tiefe  noch  ausnehmen 
konnte.  Das  Gestein  sah  aus,  als  ob  es  durch  künstliche  Hände  wäre  ausge- 
hauen  worden.  Vom  Fluss  ober  der  Höhlung  drang  kein  Wasser  hinunter; 
daf&r  waren  gegrabene  Brunnen  darin. 

Manua  bemerkte  weiter,  dass  die  Bewohner  von  Wambweh  in  dieser 
Höhlung  ihren  Zufluchtsort  finden  und  mit  Familien  und  Vieh  dort  leben,  wenn 
sie  Ton  dem  kriegerischen  Stamm  der  Watuta  aus  dem  Lande  der  Zooloo- 
Kaffem  belästigt  werden. 


336 

Diese  Mittheilung  Mannas  und  der  fierieht  Livingstones  stimmen  in 
wesentlichen  Ponktcn  übereiu,  bis  auf  die  Länge  der  Höhlung  und  die  Art,  wie 
das  Wasser  besorgt  wird. 

Dr.  Liyiug&tones  Gewährsmann  schätzt  die  Länge  der  Höhlung  auf 
30  Meilen;  der  mtinige  brauchte,  um  durch  dieselbe  zu  kommen,  6  Stunden, 
also  15  Meilen,  und  sah  keinen  Bach  durchrinnen,  was  abrigends  leidht  auf 
Rechnung  der  Jahrzeit  zu  schreiben  wäre. 

Ich  für  meinen  Theil  hege  nicht  den  geringsten  Zweifel,  daas  ein  solcher 
Ort  wirklich  besteht,  und  dass  es  keine  irgendwie  durch  Menschenhände 
bewerkstelligte  Höhlung  ist.  Die  Frage  aber,  wie  Oberhaupt  eine  solche  von  so 
ungeheurer  Ausdehnung  entstehen  konnte,  iässt  sich  nach  meiner  Ansicht  nur 
durch  die  Schichtungsverbältnisse  des  Schiefers  erldären.  Sowie  ich  dies  im 
Thal  von  DuUah  beobachtet,  mögen  sich  auch  am  Taganyka  die  Schichten 
des  Schiefers  so  gelegt  haben,  dass  unter  der  bchiditung  ein  natürlicher 
Bogen  oder  Tunnel  gebildet  wurde. 

Mauua  erwähnte  nichts  von  Inschriften  oder  Figuren  auf  dem  Stein; 
aber  er  sagte,  dass  dieser  schwarz  oder  dunkel  und  auf  der  Oberfläche  glatt 
und  lind  anzufähleu  war,  so  dass  sich  mir  daraus  die  Ansicht  bildet,  es  sei 
höchst  wahrscheinlich  Schiefer,  wenn  nicht  Basalt  gewesen.  Die  Kinge- 
boruen  betrachten  die  Höhlung  als  ein  M'zimo,  d.  h.  einen  geheiligten  Ort.- 


Monat88ibung  der  geographiachen  Gesellschaft  am  19.  April  1870. 

Vorsitzender:  Prof.  Dr.  Ferd.  v.  Hochs.tetter. 

Als  neu  eintretende  Mi^lieder  werden  angenommen,  die  Herren  Dr.  A. 
V.  Orges,  k.  k.  Regierungsrath  und  Alois  Krainski,  Ritter  von  Jelita,  k.  k. 
Hauptmann. 

Dr.  Petermaun  (Zuschrift  au  den  Vorsitzenden)  wünscht  die  Aufiiahme 
seines  demnächst  erscheinenden  Aufsatzes  Über  die  Expedition  des  Norwegers 
Johanuesen  im  Karischen  Meer,  als  Entgegnung  auf  einige  jeuer  Ansichten, 
die  Herr  Schiffslieuteuant  Weyprecht  in  seiucr  Abhandlung  über  den  «Plan 
der  deutschen  Nordpolarexpedition«  (Mitthüil.  1870.   Nr.  1)  ausgesprochen  hat 

Ebenso  wüuscht  das  Bremer  Comite  iür  die  deutsche  Nordpolar- 
expedition (Zuschrift  an  den  Generalsecretär)  die  Aufnahme  einer  Berichtigung 
von  Angaben,  die  in  Herrn  Weyprechts  Abhandlung  enthalten  sind,  und  sendet 
zu  diesem  Behufe  einen  Artikel  der  Weserzeitung  ein. 

Dieseu  Wünschen  wird  mit  Vergnügen  entsprochen  werden.  (Siehe  onsere 
heutige  Nunmier.) 

Der  Vorsitzende  bespricht  die  kartographischen  Unrichtigkeiten  in  Be- 
zug auf  das  Bestehen  und  den  Lauf  des  Plusses  Vid  in  Rumelien.  (Siehe 
unsere  heutige  Xummer.) 

G.  Secretär  Becker  berichtet  über  die  Andeutungen  von  Höhlen- 
bewohnern in  Centralafrica,  die  in  den  letzten  Briefen  Livingstones  gegeben 
werden  und  über  die  Ansicht  des  Africareisenden  Graut  von  diesen  Höhlen- 
bewohnern. (S.  Notizen  unserer  heutigen  Nummer.) 

HerrOberlieutenaut  M  atz  bespricht  in  einem  eingehenden  Vortrag  die  Hohe 
Wand  in  Niederösterreich.  (Das  wichtigste  davon  s.  unsere  heutige  Nummer.) 

Herr  Schuldirector  Hu  gl  erläutert  die  Verwendung  des  von  ihm  oon- 
struierten  Globus  zur  Lösung  von  Fragen  aus  der  mathematischen  Geographie, 
bezeichnet  die  Wichtigkeit  eines  solchen  Veranschaulichungsmittels  zum  Ver- 
ständnis der  täglichen  und  jahrzeitlichen  Erscheinungen ,  und  zeigt ,  wie  ein- 
zelne Fragen  Über  Jahreszeit.  Dauer  des  Tages  u.  s.  w.  auf  jedem  Punkt  der 
Erde  mittels  des  Globus  leicnt  un'd  sicher  beantwortet  werden  können. 

Nächste  Versammlung  17.  Mai  1»70. 


Berichtigung.  In  der  Besprechung  des  T o z e r *8chen  Werkes,  Heft  5, 
S.  276  u.  s.  w.  soll  stehen:  f&r  Henzey  —  Heuzey,  Ungarn  —  Negern, 
Pauselinos  —  Panselinos,  Gurzou  —  Gurzon,  römische  Rechte—  römische 
Reste,  Gomiöovo  —  Gurniöovo,  Suchakotta —  Snchakette,  Sarkotta  ~ 
äarkette. 


Die  Fregatte  Donau  im  Kampf  mit  der  Cycione.  0 

Die  Arbeiten  am  Bord  S.  M.  Fregatte  Donau  waren  den 
13.  November  1869  sämmtlich  beendet ;  ich  benutzte  diesen  Tag,  meine 
Abschiedsbesuche  zu  machen  und  somit  stand  nichts  der  Abfahrt  für 
den  14.  morgens  im  Wege.  Um  87j  .  Uhr  a.  m.  den  14.  November 
waren  Fregatte  Donau  und  Corvette  Erzherzog  Friedrich 
dampfklar;  letztere  setzte  sich  zuerst  in  Bewegung  und  begrüßte  bei 
der  Trennung  vom  Flaggenschiffe  meine  Commandoflagge  mit  13  Schüssen, 
welche  mit  der  reglementsmSßigen  Anzahl  Schüsse  beantwortet  wurden. 

Um  8  Uhr  a.  m.  hatte  ich  einen  Abschiedssalut  von  13  Schuss, 
welchen  eine  japanische  Landbatterie  mir  gab,  Schuss  für  Schuss  beant- 
wortet und  um  8*/^  Uhr  a.  m.  verließ  ich  den  Hafen  von  Yokohama. 
Ich  setzte  alle  Segel,  um  aus  der  günstigen  NO.-Brise  den  möglichsten 
Nutzen  zu  ziehen,  doublierte  schon  um  Vgl  ^^^  P*  ^*  ^^^  ^&P  Mela 
und  steuerte  nun  vorerst  in  die  offene  See.  Um  diese  Zeit  kam  Corvette 
Erzherzog  Friedrich,  welche  ihren  Curs  nach  Shanghae  genommen 
hatte,  außer  Sicht.  Um  2  Uhr  p.  m.  in  genügender  Entfernung  von 
der  Küste  angelangt,  setzte  ich  den  Curs  0.,  mußte  beim  Anluven 
die  Segel  schließen^)  und  setzte  bei  mäßigem  NO.  meine  Fahrt 
mit  Dampf  und  Gaffelsegeln  fort,  da  mir  daran  gelegen  sein  mußte,  die 
gefährlichen  Gewisser  in  der  unmittelbaren  Nähe  der  japanischen  Küsten 
bald  zu  verlassen.  Ich  hatte  die  Absicht,  die  gewöhnliche  Segelroute 
nach  den  Westküsten  Americas  zu  verfolgen,  da  ich  mit  einiger  Sicher- 
heit zwischen  dem  34.  und  40.  Grade  nördlicher  Breite,  in  welchem 
Gürtel  diese  Route  liegt,  westliche  Winde  hoffen  durfte,  und  außerdem 
am  Beginn  dieses  Weges  vom  japanischen  Strom  begünstigt  werden  mußte ; 
ich  wollte  daher  den  O.-Curs  so  lange  beibehalten,  bis  ich  die  nördlichen 
Winde  der  americanischen  Küste  träfe.  Im  größten  Kreise  diese 
Gewässer  erreichen  zu  wollen,  schien  nicht  zweckmäßig,  da  die  hohen 
Breiten,  welche  ich  dann  aufzusuchen  gezwungen  war,  in  dieser 
Jahreszeit  mit  Recht  berüchtigt  sind,  die  dort  herrschende  große  Kälte 
die    Mannschaft    sehr    in    Anspruch   genommen    hätte    und  die  geringe 


')  Wir  entnehmen  die  Schilderung  des  widerholten  Sturmes,  den  die 
österreichische  Fregatte  Donau  in  den  ostasiatischen  Gewässern  zu  bestehen 
hatte,  dem  amtlichen  Bericht  des  Commaudos  der  Expedition  nach  Ostasien 
und  Sfldamerica. 

')  Anluven  —  den  Yordortheil  des  Schiffes  näher  an  den  Wind  bringen, 
d.  h.  den  Winkel  kleiner  machen,  den  die  Windrichtung  und  der  Cours  oder 
die  L&ngenachse  des  Schiffes  bilden. 

Segel  schließen  —  die  gespannten  Segel  einziehen. 

eMgnphi«cha  MittheUniigeii.  1870.  8.  22 


338 

Yerkürznng  des  Weges  durch  den  günstigen  Strom  der  niederen  Breiten 
reichlich  aufgewogen  wird. 

Den  15.  November  morgens  hatte  der  NO.-Monsoon  etwas 
ge  räumt  *'').  Da  die  in  der  Batterie  und  Banjerdeck  mitgenommenen 
Kohlen  verbrannt  waren,  so  ließ  ich  die  Maschine  einstellen,  die 
Schraube  hissen  und  alle  Segel  setzen.  Die  Fregatte  machte  gute  Fahrt, 
zuerst  im  Curse,  danii  bei  immer  frischendem  und  schraalenden^) 
Winde  südöstlich  steuernd.  Nachts  mußte  das  zweite  Reef  in  die 
Marssegel  gestochen^)  werden  und  den  16.  blies  eine  frische 
O.-K  ü  h  1 1  e.  Um  2^1  ^  Uhr  p.  m.  gieng  ich  einiger  vom  liegender  Riffe 
halber  über  Halsen®);  die  Fregatte  lag  NNO.  an,  der  Wind 
räumte  noch  bis  SO.  und  nahm  jetzt,  sowie  die  See,  stätig  an  Stärke 
zu.  Den  17.  hatte  das  Wetter  schon  ein  sehr  drohendes  Aussehen  ange- 
nommen, der  S.  0.  wurde  im  Verlauf  des  Nachmittags  zum  Sturme; 
das  Großmarssegel  mußte  um  3  Uhr  p.  m.,  das  Großmarssegel  um  ö  Uhr  p.  m. 
geschlossen  werden.  Da  das  Fallen  des  Barometers  und  die  steigende  See  fQr 
den  nächsten  Tag  noch  schlimmeres  versprachen,  so  ließ  ich  die  Bram- 
stengen  streichen^),  was,  wiewol  mit  einiger  Mühe,  noch  vor  Dunkel- 
heit zuwege  gebracht  wurde.  DasSchifflag  jetzt  unter  dicht  gereeften 
Gaffelsegeln  bei,  der  Sturm  hatte  nachts  etwas  abgenommen,  das 
Barometer  fiel  jedoch  langsam.  Um  4  Uhr  morgens  den  18.  begann  der 
Wind  über  Süd  zu  drehen;  das  dreifach  gereefte  Vormarssegel  ward 
gesetzt  und  wir  steuerten  wieder  im  Curse.  Um  8  Uhr  morgens  war 
der  Wind  westlich  in  der  Stärke  8 — 9,  die  See  hoch,  der  Himmel 
heiter,  nur  im  Norden  etwas  düster,  das  Barometer  fiel  noch  immer 
sehr  langsam.  Ich  wollte  eben  um  7g  9  Uhr  a.  m.  das  Focksegel  setzen 
lassen,  um  die  günstige  Kühlte  zu  benützen,  als  in  einigen  rasch  auf- 
einander folgenden  Böen  ®)  der  West  zum  wütenden  Sturm  ward,  welcher 
schon  um  9  Uhr  a.  m.  die  unwiderstehliche  Gewalt,  die  riesigen 
Dimensionen  eines  Orcans   angenommen  hatte.     Das    Vormarssegel   und 


')  Der  Wind  hat  geräumt  —  der  Wiud  hat  seine  Richtung  zum 
Cours  des  Schiffes  so  geändert,  dass  er  zum  Segeln  günstiger  bläst. 

*)  Der  Wind  frischt  —  er  nimmt  an  Stärke  zu.  Der  Wind  schraalt 
—  er  ändert  seine  Richtung  so,  dass  er  der  Fahrt  des  Schiffes  ungünstig  wird. 

^)  Ein  Reef  in  ein  Segel  stechen  —  das  Segel  wegen  zunehmen- 
der Stärke  des  Windes  durch  Aufbinden  verkürzen. 

^)  Ueber  Halsen  gaben  -—  das  Schiff  vor  dem  Winde  so  wenden, 
dass  es  beinahe  in  entgegengesetzter  Richtung  fährt. 

^)  Bramstangen  streichen  —  die  dritte  Verlängerung  der  Masten 
herunterlassen.  Beiliegen  —  den  Segeln  eine  Stellung  geben,  dass  sich  ihre 
Wirkung  aufhebt  und  das  Schiff  beinahe  auf  der  Stelle  stehen  bleibt. 

')  Bö  —  heftiger,  kurz  dauernder  Windstoß. 


339 

der  Sturmklflver  flogen  mit  kanonendonnerähnlichen  Schl&gen  in  Fetzen 
weg,  das  schnell  gehisste  Fokstagsegel  war  in  wenigen  Secanden  ans 
den  Leiken  geblasen®);  die  Gefieüir,  mit  der  sehr  luvgierigen'®) 
Fregatte  in  den  Wind  zu  schießen,  war  augenscheinlich;  das  dicht- 
gereefte  Vorgaffelsegel  wurde  zwar  augenblicklich  gesetzt,  doch  stand 
zu  befarchten,  dass  es  kein  anderes  Schicksal  als  die  früher  gesetzten 
Segel  erfahren  werde.  Die  doppelte  Gaffelgeerding  riss  sogleich;  das 
Segel,  in  Yokohama  neu  erzeugt,  legte  sich  jedoch  in  die  Wanten  und 
hielt  vor  der  Hand;  es  reichte  zusammen  mit  dem  hart  in  Lee 
befindlichen  Ruder '^)  hin,  das  Schiff  etwas  vom  Wind  zuhalten. 

Mittlerweile  hatte  der  Orcan  seine  volle  Stärke  erreicht.  Es 
konnte  nicht  mehr  von  Böen  die  Rede  sein;  eine  einzige  zusammen- 
hängende, ¥rfltende  Böe  raste  daher.  Das  Getöse  des  Windes  übertraf 
jede  Vorstellung;  nur  mit  großer  Mühe  konnte  man  sich  von  Mund  zu 
Ohr  verständlich  machen.  Die  Luft  war  derart  von  Gischt  und  Sprüh- 
regen erfüllt,  dass  zeitweilig  vom  Quarterdeck  aus  das  Vordercastell 
nicht  gesehen  werden  konnte.  Die  Masten  bogen  sich  wie  Gerten,  die 
Leewanten  wehten  in  Bögen  hinaus;  das  beschlagene,  ganz  neue  Fock- 
segel  flog  in  Fetzen  weg,  den  ganzen  Mast  erschütternd,  für  welchen 
sowie  für  die  Vormarsstenge  die  emstlichsten  Befürchtungen  gehegt 
wurden. 

Die  Richtung  des  Windes  veränderte  sich  langsam  gegen  Nord 
und  war  um  10  Uhr  a.  m.  WNW.  Das  Barometer  fiel  rasch;  so 
viel  man  durch  den  dichten  Gischt  erkennen  konnte,  war  der  Himmel 
in  nördlicher  Richtung  viel  schwärzer  und  drohender  als  gegen  Süden, 
Alles  ebenso  viele  Anzeichen  dafür,  dass  sich  die  Fregatte  in  einer 
Cyclone  befinde;  die  ersten  Böen  hatten  die  Fregatte  nach  Backbord 
anluven  lassen  und  sie  lag  jetzt  mit  Backbordhalsen  bei,  was  verderblich 
werden  konnte,  da  sie  sich  gegen  das  Centrum  der  nach  unbekannter 
Richtung  kreisenden  Cyclone  bewegte,  anstatt  sich  von  ihr  zu  ent- 
fernen; gleichzeitig  entbehrte  man  aber  ganz  und  gar  der  Manövrier- 
fähigkeit, denn  die  vorderen  Stagsegel  waren  weggeblasen,  und  neue 
anzuschlagen  war  ein  Ding  der  Unmöglichkeit. 

Die  Fregatte  lag  zwar  gut  bei,  arbeitete  wie  gewöhnlich  sehr  tief, 


')  Aus  den  Leiken  geblasen  —  aus  dem  Tau  gerissen,  womit  das 
Segel  eingefasst  ist. 

")  Luvgierig  —  wenn  das  Schiff  die  Neigung  hat,  sich  mit  dem  Vorder- 
theil  der  Windrichtung  zu  nähern. 

*^)  Lee  oder  Leeseite  —  die  unter  dem  Winde  befindliche,  also  von 
ihm  nicht  getroffene  Seite  des  Schiffes,  daher  Buder  im  Lee  das  in  diese 
Richtung  gedrehte  Steuerruder. 

22* 


340 

aber  nicht  besonders  schwer,  wozu  wol  aach  der  umstand  beitragen 
mochte,  dass  die  See  dnrch  die  Gewalt  des  Orcans  niedergedrückt  und 
verhindert  wurde,  eine  gewisse  Höhe  zu  fiberschreiten;  aber  es  konnte 
der  Fall  eintreten,  dass  abgefallen  werden  mußte.  Das  Barometer  fiel, 
das  Centrum  der  Cyclone  konnte  sich,  obgleich  es  sfldöstlich  zu  gehen 
schien,  auf  uns  zu  bewegen;  das  Yorgaffelsegel,  welches  nach  und  nach 
vom  Mäste  und  theilweise  von  der  Gaffel  gerissen  war  und  nur  noch  in 
Fetzen  in  den  Wanten  lag,  konnte  ganz  wegfliegen.  Der  Fockmast  oder 
wenigstens  die  Stenge  konnte  über  Bord  gehen,  und  in  jedem  dieser 
Fälle  wäre  Abfallen  unbedingt  geboten  gewesen.  Ich  ließ  daher  alles 
bereiten,  um  den  Kreuzmast  sogleich  kappen  zu  können,  und  ein  Eabef  auf 
Deck  bringen,  um  durch  Nachschleppen  desselben  die  Wirkung  des 
Steuers  zu  unterstfitzen.  Dieses  war  bisher  verlässlich  gewesen  und 
ich  konnte  hoffen,  mit  Zuhilfenahme  der  oben  erwähnten  Maßregeln 
jeder  Eventualität  zu  begegnen.  Spätere  Ereignisse  haben  an  den  Tag 
gelegt,  dass  dem  nicht  so  gewesen  wäre  und  dass  das  Schiff  sein  Heil 
lediglich  den  zähen  Lappen  des  Vorgaffelsegels  zu  verdanken  hatte. 

Es  war  11  Uhr  a.  m.  und  noch  inmier  nicht  die  geringste  Abnahme 
in  der  Wut  des  Orcans  zu  bemerken.  Das  Barometer  stand  seit  10  Uhr 
auf  29.17''  (corrigiert)  und  dessen  Schwankungen  konnten  von  Fallen 
oder  Steigen  gefolgt  werden.  Die  Richtung  des  Windes  war  NW., 
das  Centrum  der  Cyclone  hatte  sich  also  bisher  OS.  östlich  bewegt, 
convergierend  zwar  mit  der  Richtung  des  NO.  anliegenden  Schiffes, 
aber  bei  der  viel  größeren  Geschwindigkeit  der  Cyclone  stand  zu  hoffen, 
dass  sich  deren  Entfernung  von  der  Fregatte  stets  vergrößern  und  eine 
baldige  Abnahme  des  Windes  resultieren  werde. 

In  der  That  begann  das  Quecksilber  gegen  Mittag  zuerst  langsam, 
dann  immer  rascher  zu  steigen,  das  Firmament  wurde  in  der  dem 
Centrum  entgegengesetzten  Richtung,  im  SW.  heller,  und  obzwar  noch 
immer  wfitende  Böen  die  Fregatte  auf  die  Seite  warfen,  so  waren  (^ese 
doch  durch  etwas  ruhigere  Momente  getrennt;  ein  Nachlassen  des 
Orcans  war  unverkennbar. 

Es  war  hiezu  die  höchste  Zeit,  denn  die  Bemastung  hatte  durch 
den  Ungeheuern  Druck  gelitten.  Obzwar  'das  stehende  Gut  ^^)  beinahe 
durchgängig  aus  altem  Tau  bestand,  so  hatte  sich  dieses  doch  dermaßen 
gedehnt,  dass  die  Masten  und  Stengen  als  gefährdet  erscheinen  konnten 
und  längeren  Angriffen  kaum  mit  Erfolg  widerstanden  hätten.  Die 
Segel  des  Großmastes  hatten  bereits  begonnen  loszureißen ;  zwei  Eetten- 


^')  Stehendes  Gut—    die  unbeweglichen  Taue,   welche   die  Hasten 
u.  8.  w.  festhalten. 


S41 

wassentege  waren  gebrochen,  kürz,  das  Nachlassen  des  Orcans  war 
ein  Glfick. 

Im  Verlauf  des  Nachmittags  gieng  der  Wind  bei  immer  steigendem 
Barometer  nach  N.  und  blieb  von  der  Stärke  eines  gewöhnlichen 
Sturmes.  Ein  neues  Vorgaffelsegel  ward  angeschlagen^  die  Fregatte  vor 
den  Wind  gelegt,  um  neue  Stagsegel  anschlagen  zu  können,  die  Wanten 
zusammengesorrt  und  Qberhaupt  das  Nothwendigste  zur  Sicherung  der 
Bemastung  sogleich  gethan.  Abends  nahm  ich  die  Steuerbordhalsen  und 
wahrend  der  Nacht  lag  die  Fregatte  bei  immer  abnehmenden  Winde, 
jedoch  sehr  hoher  See  mit  dem  Vorgaffelsegel  bei. 

Soviel  sich  aus  den  Wind-  und  Barometeraufzeichnungen  entnehmen 
Ifisst,  bildete  diese  Cyclone  zwischen  4  und  8  Uhr  morgens  ihren 
Scheitel  und  bewegte  sich  sodann  in  OS.  östlicher  Richtung  weiter. 
Die  plötzliche,  überraschende  Zunahme  der  Stärke  des  Windes  um 
7x9  Uhr  a.  m.  findet  ihre  Erklärung  darin,  dass  um  diese  Zeit  die 
Bahn  der  Cyclone  und  der  Weg  des  Schiffes  zu  convergieren  anfiengen, 
während  sie  früher  divergierten;  dies  mußte  bei  der  immer  beträcht- 
lichen Geschwindigkeit,  welche  um  diese  Zeit  die  Fregatte  inne  hatte, 
eine  schnelle  Annäherung  des  Centrums  zur  Folge  haben;  die  Ge- 
schwindigkeit mag  während  der  Scheitelbildung  30,  später  24  Meilen 
per  Stunde  betragen  haben.  Die  Fregatte  wurde  von  der  Cyclone  vom 
18.  außerhalb  der  gewöhnlichen  Grenze  der  Tyfoons  überfallen,  in  34^ 
20'  nördlicher  Breite  und  148<*  38'  östUcher  Länge.  Soviel  mir 
bekannt  ist,  war  die  Verein-Staaten-Radfregatte  M  ississippi, 
welche  im  October  1854  beinahe  am  selben  Orte  in  eine  heftige 
Cyclone  geriet,  bisher  das  einzige  Schiff,  welches  so  weit  östlich  mit 
den  Wirbelstürmen  des  chinesischen  Meeres  zu  kämpfen  hatte. 

Den    19.    November  war  das   Wetter  schön,   die   See  sehr  hoch, 

« 

Windstille.  Die  den  vorigen  Tag  zerfetzten  Quersegel  wurden  abge- 
schlagen, neue  hinaufgegeben  und  vor  einer  flauen   SW.    Brise  gesetzt. 

Die  Havarien  des  Schiffes  beschränkten  sich  auf  die  Bemastung 
und  auf  die  Boote;  der  Rumpf  hatte  kaum  gelitten,  das  Schiff  zog 
3 — i*'  Wasser  in  der  Stunde.  Außer  den  bereits  erwähnten  Havarien 
in  der  Takelage  fand  es  sich,  dass  der  Top  der  Vormarsstange  derartig 
gesprungen  war,  dass  der  Topwürfel  ab-  und  ein  neuer  ausgeschnitten 
werden  mußte,  um  wieder  die  Bramstange  hissen  zu  können.  Die 
Boote  auf"  den  Erahnen  hatten  sich  während  des  Orkans  sämmtlich  zu 
widerholten  Malen  gefüllt  und  waren  nur  durch  Einschlagen  der 
Böden  zu  retten  gewesen. 

Nachmittags  nahm  der  S.  W«  an  Stärke  zu;  die  hinteren  Bram- 
Stengen  wurden  gehisst,  Segel  gesetzt  und  die  Fregatte  legte  10  Meilen 


342 

per  Stunde  im  0.  Curse  zurück.  Nachts  wurde  der  Wind  böig,  die  See 
war  und  blieb  hoch  und  den  20.  um  4  Uhr  morgens  hatte  ieh  wieder 
drei  Reef  in  den  Marssegeln,  steife  SW.-Kühlte,  mußte  schließlich 
Groß-  und  Kreuzmarssegel  bergen  und  lief  mit  dem  dichtgereeften  Vor- 
marssegel mit  9 — 10  Meilen  Fahrt  weiter.  Um  47»  Uhr  p.  m.  sprang 
der  Wind  plötzlich  auf  NW.  Ober,  aus  welcher  Richtung  er  zuerst 
sehr  stark,  nachts  mSßiger  wehte;  Segel  wurden  gesetzt  und  gute 
Fahrt  gemacht. 

Den  21.  hatte  ich  Steifen  NW.,  den  22.  veränderliche  Winde 
aus  NW.  und  SW.,  abends  steife  Böen  aus  N. ,  stets  hohen 
Seegang. 

Den  23.,  24.  und  25,  war  ebenfalls  stürmisches  Wetter  aus 
dem  3.  und  4.  Quadranten,  von  häufigen  Regen-  und  Hagelböen 
begleitet.  Die  Fahrt  gieng  rasch  von  statten,  aber  die  Fregatte  verlor 
viele  Segel  und  der  fortwährende  hohe  Seegang,  die  stets  überschwemmte 
Batteiie  und  die  häufigen  und  schweren  Takelagearbeiten  waren  für 
die  Mannschaft  äußerst  beschwerlich.  Nichtsdestoweniger  arbeiteten  die 
Leute  eifrig  und  unverdrossen. 

Den  26.  sprang  ein  steifer  SO.-Wind  auf,  welcher,  allmälich 
schwächer  werdend,  über  8.  nach  NW.  gieng  und  den  27.  hindurch 
mit  Begleitung  von  Regenböen  steif  blieb,  dann  wieder  bis  S.  zurückgieng. 

Den  28.  nahm  der  Wind  wieder  zu,  die  Fregatte  passierte  den 
180.  Grad  der  Länge  unter  drohenden  Anzeichen.  Das  Barometer  fiel, 
der  Himmel  war  schwarz,  die  See  wurde  von  Stunde  zu  Stunde  heftiger. 
Das  zweite  und  dritte  Reef  wurden  in  die  Marssegel  gestochen; 
abends  war  der  Wind  schon  zum  Sturm  angewachsen  und  schien  noch 
stärker  werden  zu  wollen,  da  das  Queksilber  fortwährend  fiel. 

Um  9  Uhr  p.  m.  zerriß  das  Großmarssegel ;  die  Fetzen  desselben 
wurden  mit  großer  Mühe  beschlagen.  Gegen  Mitternacht  war  das 
Wetter  so  schwer  geworden,  dass  man  nicht  daran  denken  konnte,  im 
Curse  weiter  zu  segeln,  sondern,  da  das  äußerst  luvgierige  Schiff  nicht 
vor  dem  Winde  zu  halten  war,  sich  entschließen  mußte,  beizulegen. 
Als  das  Fock-  und  Vormarssegel  aufgegeit  wurden,  zerissen  beide  in 
Folge  des  Reißens  der  Geitaue  in  Fetzen;  40  der  besten  Matrosen 
enterten  auf  und  versuchten  trotz  der  äußerst  heftigen  Bewegungen  des 
Schiffes  die  zerissenen,  wütend  herumschlagenden  Segel  zu  bergen,  aber 
das  durch  Nässe  und  Kälte  steif  gewordene  Segeltuch  trotzte  ihren 
Bemühungen  und  es  mußten  diese  Segel,  wollte  man  nicht  die  Leute 
aufs  höchste  gefährden,  ihrem  Schicksale  überlassen  werden.  Die 
Fregatte  lag  jetzt  mit  den  Vorgaffelsegel  allein  bei,  denn  die  vorderen 
Stagsegel   waren    kurz   nach   einander  in  Fetzen  davon  geflogen.     Der 


343 

w 

Wind  nAhm  zu,  die  See  war  von  nngew^^linlicher  Höhe  und  Heftigkeit 
und  das  fiarometer  fiel  noch  immer.  Der  Wind  gieng  von  Mittemacht 
an  langsam  nach  West,  es  schien  also,  da  er  dabei  an  Heftigkeit  nor 
zunahm,  dass  die  Fregatte  sich  wieder  in  den  Girkeln  einer 
Cyclone  befand;  da  sie  jedoch  fÄr  diesen  Fall  mit  den  richtigen 
Halsen  beilag,  so  war  weiter  nichts  zu  thnn,  als  das  Besserwerden 
des  Wetters  beiliegend  abzuwarten. 

Das  Schiff  litt  viel  von  der  heftigen  See.  Eine  mächtige  Sturzsee 
zerschmetterte  die  blinden  Streber  des  Bugspriet,  eine  andere  riss  das 
am  Heck  gehisste  erste  Gigg  weg.  Die  Boote  Nr.  3  und  4  wurden 
soweit  zerschlagen,  als  es  nach  ihren  den  18.  erlittenen  Havarien  Aber* 
haupt  noch  möglich  war. 

Um  SVs  Uhr  a.  m.  (den  28.  Nr.  2)  hatte  das  Barometer  seinen 
tiefsten  Stand  von  28.97"  (corrigiert)  erreicht.  Der  Wind  war  westlich 
und  begann  von  dieser  Stunde  ,an  mit  dem  Steigen  des  Wetterglases 
abzunehmen ;  nicht  so  die  See,  welche  jetzt,  gekreuzt  und  maßlos  heftig, 
sich  höher  erheben  konnte  als  so  lange  der  Wind  noch  stärker  war. 

Um  5  Uhr  a.  m.  gab  das  Ruder  einen  mächtigen  Ruck.  Da  das 
Schiff  noch  steuerte,  eine  genaue  Untersuchung  aber  ergab,  dass  der 
Ruderkopf  sich  etwas  gesenkt  hatte  und  sich  fortwährend  im  Henne- 
gatt ^^)  von  hinten  nach  vorne  bewegte ,  so  war  zu  vermuthen,  dass 
einer   oder  mehrere  Fingerlinge'*)  abgebrochen   seien. 

Die  Deckluken  wurden  sofot  geschlossen,  Spieren  als  Treibanker 
zugetakelt,  Kabel  und  eine  Reservemarsstenge  nach  achter  gebracht 
und  Alles  für  den  unglücklichen  Fall,  dass  man  das  Ruder  verlieren 
sollte,  bereitet  Der  Wind  war  zur  Stärke  einer  steifen  Kühlte 
herabgesunken  und  blieb  westlich.  Die  mit  Tagesanbruch  angestellte 
Takelagevisite  ergab  mannigfache  Schäden;  der  Stuhl  des  Bugspriets 
war  gesprungen,  die  Kettenwuhling  gebrochen,  die  Wasserstage  und 
das  sthehende  Gut  hatten  nachgegeben,  ein  großer  Theil  des  lau- 
fenden Guts  war  zerissen.  Das  Schiff  machte  6"  Wasser  pr.  Stunde 
und  es  mußte,  da  die  ganze  Mannschaft  für  die  Takelagearbeiten 
benöthigt  wurde,  ein  Kessel  geheizt  werden,  um  lenz  zu  pumpen  ^^). 
l)ie  Fetzen  des  Fock-   und   Vormarssegels  wurden   abgeschlagen    und 


^*>  Henoegat  —  die  runde  Oeffiiung  in  dem  rückwärts  vorragenden 
Schiffstheile,  durch  welche  der  obere  Theil  des  Steuerruders  in  das  Innere  des 
Schiffes  reicht 

^*)  Fingerlinge  —  die  starken  Angelringe,  in  welchen  das  Steuerruder 
mit  seinen  Haken  hängt  und  eich  wie  eine  Thüre  in  ihren  Angeln  dreht 

^^)  Lenzpumpen  —  das  im  Schiffsraum  befindliche  Wasser  aus- 
pumpen. 


344 

ein    dreifach    gereeftes    Großmarssegel    an   der   Fockraa  angeschlagen, 
denn    die    Fregatte    besaß   kein    Segel   der  zwei   erstgenannten   Kate- 
gorien  mehr,     sie   hatte   seit   der   Abfahrt    von   Yokohama  26    Segel, 
meistens    vom   Fockmast   und   Bugspriet,  verloren.    In  Berflcksichtigiug 
der   Havarien   an   Schiffskörper,   Ruder  und  Bemastung,  des  theilweisen 
Mangels   an   Material,   hauptsächlich  an   Segeln   und   Tan,  der   außer- 
ordentlichen   Anstrengungen,    zu    welchen    das    fortwährend     äußerst 
stürmische    Wetter    der    letzten    Wochen    die    Mannschaft   gezwungen 
hatte,    mußte    ich    mich    entschließen,    meinen    ursprünglichen    Plan, 
Istapa    direct    anzulaufen ,    aufzugeben ,   und    den    nächsten    Hafen,   in 
diesem   Falle   Honolulu,    aufzusuchen.   Als  daher  das  Großmarssegel  an 
der   Fockraa  angeschlagen  war,  ließ  ich   es  beisetzen,  fiel  um  \}\^  Uhr 
p.   m.   ab   und  nahm   Curs     OSO.,    vor    steifem    Westwinde    mit    sehr 
hoher   See  laufend.    Die    Mannschaft    war    vollauf  mit    der   Sicherung 
der  Bemastung  beschäftigt  und  eben  im  Begriff,  ein  Kreuzmarssegel 
an    der   Yoimarsraa    anzuschlagen,   als   nach    einer   heftigen   ^ee, 
welche    das    Heck    getroffen    und    die  untern   Stückpforten    aus    der 
Commandanten- Kajüte  mitgerissen  hatte,  die  Fregatte  rasch  anluvte  und 
offenbar  steuerunföhig  war.  Der  bereitgehaltene  Treibanker  aus  leichten 
Spieren,   so  wie   ein   Kabel,    wurden   sogleich  über  Bord  geworfen,    die 
Raaen  vurne  scharf  angebrasst,  und  es  gelang,  die  Fregatte  auf  ca.  8  Strich 
vom    Winde   zu   halten.    Unterdessen    hatte  eine  Untersuchung  ergeben, 
dass  Ruder  und  Außensteven  etwas  unter  dem  Hennegatt  abgebrochen 
waren;  der  Ruderkopf    stak  noch   im  Gatt.     Das   verlorene  Ruder  war 
von   einigen   Leuten   im   Augenblicke   des   Losreißens   und  Auftauchens 
gesehen  worden.  Mithin  war  die  Fregatte   mit   einem  Schlage  der 
Steuerung  sowie    des  Gebrauches  der  Maschine  beraubt 
worden.   Der   nächste   Hafen   Honolulu   lag  1500  >eemeilen  entfernt; 
die  nächste  Untiefe  war  eine  Bank  auf  200  Meilen  im  SW. 

Meine  erste  Sorge  war  nun,  zu  verhindern,  dass  die  Fregatte  bei 
dem  steifen  Winde  und  der  hohen  See  noch  weiter  in  den  Wind 
laufe  '^),  was  bei  ihrer  außergewöhnlichen  Luvgierigkeit  wol  geschehen 
konnte.  Ich  ließ  also  die  Stengen  und  Raaen  des  Kreuzmastes  auf 
Deck  geben,  die  Großbramstenge  streichen  und  die  Vorbramsteivg^ 
mittels  einer  Pferdeleine  als  ausgiebigen  Treibanker  zutakeln  und  über 
Bord  werfen.  Diese  Maßregeln  hatten  den  gewünschten  Erfolg,  indem  die 
Fregatte  bei  WNW.  Wind  nicht  weiter  als  NNO.  anluvte.  Sie 
lag  ziemlich  stetig  und  hatte  der  nachschleppenden  Hindemisse  'wegen 
nicht  viel  Fahrt. 


' 


15 


)  In  den  Wind  laufen,  gleichbedeutend  mit  anluven  (s.  1). 


34Ö 

Es  war  constatiert  worden,  dass  nach  dem  Yerluste  des  Steners 
ODd  Stevens  ^^)  der  Wasserzufluss  im  Sood  ^^)  nicht  zugenommen 
hatte,  daher  man  die  beruhigende  Ueberzengnng  hegen  konnte,  dass  der 
Steven  einfach  abgebrochen  sei,  ohne  ein  Leck  verursacht  zu  haben. 

Unter  den  verschiedenen,  die  Herstellung  eines  Nothsteuers  betref- 
fenden Projecten,  welche '  jetzt  in  Erwägung  gezogen  wurden,  mußten 
besonders  drei  durch  ihre  Vorzüge  auffallen.  Das  eine  vom  Linienschiffs- 
ffthnrich  Grafen  Auersperg  vorgeschlagene  Nothruder  schien  leicht 
nnd  schnell  herzustellen  und  versprach  genügende  Wirksamkeit  und 
Sicherheit;  da  es  außerhalb  des  Hecks  '**)  angebracht  werden  sollte,  so 
hatte  es  noch  den  Yortheil,  gleich  nach  seiner  Vollendung  installiert 
werden  zu  können.  Das  zweite  Nothruder,  zu  welchem  Linienschiffs- 
fthnrich  Josef  P rasch  die  Idee  gegeben  und  im  Verein  mit  Maschinen- 
meister Engerth  den  Plan  entworfen  hatte,  versprach  große  Solidit&t 
and  Wirksamkeit  zu  vereinen.  Es  sollten  Rappertwdnde  an  einer  Mars- 
stenge befestigt,  diese  durch  eiserne  Fingerlinge  mit  einer  andern 
Marsstenge  verbunden  und  das  ganze  System  durch  den  Propellerbrunnen 
hinnntergegeben  und  Idngs  des  Achterstevens  installiert  werden.  Zu  diesem 
Behufe  mußte  vorerst  der  Propeller  ausgehoben  werden,  was,  sowie  die 
Herstellung  des  Steuers  selbst,  jedenfalls  geraume  Zeit  erforderte.  Ich 
entschied  mich  dafür,  das  Nothsteuer  des  Linienschiffsffihnrichs  Grafen 
Auersperg  als  dasjenige,  welches  am  ehesten  fertig  sein  konnte, 
sogleich  in  Angriff  nehmen  zu  lassen  und  es  bis  zur  VoUendung  des 
P  rase  haschen,  welches  wieder  auf  das  vorzüglichste  sich  als  definitives 
Ruder  empfahl,  zu  benützen. 

Um  8  Uhr  p.  m.  begannen  Arbeiter  und  Matrosen  diese  Arbeit; 
es  wurden  Spillspaken ''®)  an  eine  Bramstenge  gesorrt,  darüber 
Bretter  befestigt  und  das  ganze  so  solid  als  möglich  mit  der  Stenge 
verbunden.  Die  zunehmende  Erschöpfung  der  Leute  erlaubte  jedoch 
nicht,  dieses  Ruder  noch  in  derselben  Nacht  zu  vollenden.  Der  Wind 
war  nachts  schwächer  geworden  und  spielte  zeitweise  herum  ^^). 
Ein  solcher  Moment  wurde  durch  schneUes  Umbrassen  benützt  und  die 


^^  Steven  —  der  verticale  starke  lialkeu,  der  das  Schiff  vorn  und 
hinten  seh  ließt.  An  d*  m  rückwärtigen ,  Achtersteven ,  hängt  das  Steuerruder  in 
Angeln. 

^*}  Sood  —  der  niedrigste  Ort  ina  Schiffe,  wo  die  Pumpen  stehen 
und  wo  sich  das  eingedrungene  Wasser  sammelt. 

";  Heck  —  der  über  Wasser  ragende  abgerundete  hinterste  Theil  des 
Schiffes. 

^}  Spillspaken  —  hölzerne  Hebebäume. 

^^Herum^pielen—  die  Richtung  wiederholt  wechseln  und  wieder 
annehmen. 


346 

Fregatte  anf  die  andern  Halsen  ^^)  gebracht;  sie  lag  jetzt  sfidlich 
an.  Dieser  Zufall  muß  als  ein  sehr  günstiger  betrachtet  werden,  denn 
bei  der  erwiesenen  Unmöglichkeit,  das  Schiff  zu  manövrieren,  wäre  es 
mit  Backbordhalsen  immer  nördlicher  in  die  stürmischen  Regionen 
gerathen,  welche  wir  trachten  mußten  baldmöglichst  zu  verlassen;  und 
da  die  UmstSnde  es  mit  sich  brachten,  dass  die  Fregatte  zehn  Tage 
ohne  Steuer  herumtreiben  mußte,  so  vermag  man  zu  ermessen,  wie 
glücklich  es  war,  dass  sie  diese  ganze  Zeit  südlich  anstatt  nördlich 
segelte. 

Den  29.  wehte  steifer  Wind  zwischen  W.  und  NW.  In  der  Mor- 
genwache war  das  Ereuzmarssegel  an  der  Yormarsraa  angeschlagen  und 
gesetzt  worden,  da  es  die  Fregatte  Ibei  dem  hohen  Seegange  immerhin 
etwas  stützte  und  mir  außerdem  die  südliche  Fahrt  nur  erwünscht  war; 
das  erste  Nothsteuer  ward  um  Mittag  fertig,  konnte  jedoch  wegen  der 
hohen  See  nicht  installiert  werden.  Das  Wetter  sah  finster  aus,  häufige 
Regenböen  folgten  kurz  nacheinander.  Aus  Vorsicht  wurde  die  Bagi^- 
raa  als  Treibanker  über  Bord  geworfen  und  der  erste  aus  Leesegel- 
spieren  gebildete  eingeholt. 

Das  zweite  definitive  Nothsteuer  wurde  auch  schon  begonnen.  Drei 
Kanonenrohre  wurden  den  29.  und  30.  von  den  Rapporten,  welche  zur 
Herstellung  des  Ruders  gebraucht  wurden,  abgenommen  und  an  der 
Bordwand  vertftut;  diese  bei  dem  hohen  Seegange  äußerst  schvrierige 
und  geffthrliche  Arbeit  wurde  vom  LinienschiMieutenant  Freiherm  von 
Minutillo  mit  großer  Geschicklichkeit  ausgeführt  Das  Schmieden  der 
schweren  Fingerlinge  und  Bolzen  für  das  Steuer  wurde  in  der  Maschine 
in  Angriff  genommen;  hiezu  wurden  zuerst  Eisenstützen  aus  der  Batterie, 
dann  als  sich  dieses  Eisen  (englisches)  zu  spröde  erwies,  Sonnenzelt- 
ständer verwendet. 

Um  der  Bemastung,  welche  durch  die  nicht  vorherzusehenden  Be- 
wegungen des  steuerlosen  Schiffes  sehr  gefä.hrdet  werden  konnte,  die 
größtmöglichste  Sicherheit  zu  geben,  wurde  nichts  versäumt.  Trotz  des 
starken  Rollens  ^^)  wurde  das  stehende  Gut  angesetzt,  wurden 
Borgstage  auf  Fockmast  und  Stenge  aufgebracht,  das  Bugspriet  gestützt 
und  überhaupt  alles  gethan,  was  nur  die  Arbeitskraft  der  Mannschaft 
selbst  unter  diesen  außerordentlichen  Umständen  leisten  konnte. 

Den  30.  war  der  Westwind  schwächer  geworden,  der  Seegang 
schien  abnehmen  zu  wollen.  Ein  mittlerweile  repariertes  Yormarssegel 
wurde    angeschlagen    und    nachmittags,    als  die  See  sich  wirklich  etwas 


'*)  Auf  andere  Halsen  bringen  —  das  Schiff  so  wenden,  dass  ea 
beinahe  in  entgegengesetzter  Richtung  fährt. 

^')  Rollen  —  die  wiegende  Bewegung  des  Schiffes  nach  der  Breite. 


S47 

bemhigt  hatte,  das  Aaersperg'sche  Steuer  ins  Wasser  gelassen.  Bei 
dieser  Gelegenheit  fand  es  sich,  dass  der  Rnderstamm  etwa  fünf  Fuß, 
der  Außensteven  etwas  weniges  unter  dem  Heck  abgebrochen  waren.  Da 
aber  dem  Anbringen  des  Nothsteuers  die  Dunkelheit  hereinbrach,  so 
wurde  es  noch  nicht  in  Gebrauch  genommen;  dennoch  brach  schon 
mn  10  Uhr  p.  m.  die  Bramstonge,  welche  den  Stamm  dieses  Ruders 
bildete,  wahrscheinlich  durch  den  Seegang,  und  somit  war  es  jetzt 
nutzioe.  Vielleicht  dass  es,  aus  einer  Marsstenge  gebildet,  gute  Dienste 
geleistet  hfttte;  man  hatte  jedoch  die  Reservemarsstengen  für  das 
definitiTe  Nothruder  benöthigt  und  konnte  für  dieses  provisorische 
Steuer  über  keine  stärkere  Spiere  verfügen.  Und  so  trieb  die  Fregatte 
weiter,  östlich  jetzt,  da  der  Wind  südlich  geworden  war;  derselbe 
frischte  während  der  Nacht  wesentlich  auf,  so  dass  der  Morgen  des 
1.  December  uns  mit  drei  Reefen  im  Vormarssegel  fand;  dabei  nahm 
der  ohnedies  hohe  Seegang  noch  zu.  Das  Auerspergsche  Steuer 
wurde,  indem  man  es  durch  Nachlassen  der  Trossen  vom  Schiffe  ent- 
fernte, als  Treibanker  benutzt,  und  da  das  Prasch'sche  Nothruder 
noch  mehrerer  Tage  bis  zu  seiner  Vollendung  bedurfte,  so  wurde  so- 
gleich der  Bau  eines  Nothsteuers  aus  Fässern  nach  dem  Plane  des 
Seecadeten  Lahr 6s  in  Angriff  genommen.  Der  Wind  wurde  bald  süd- 
westlich und  schwächer,  den  2.  December  war  er  westlich  und  wurde 
noch  flauer;  da  auch  die  See  ganz  abzunehmen  schien,  so  wurde  diese 
Gelegenheit  sogleich  benätzt,  den  Propeller  auszuheben.  Eine  Reserve- 
marsstenge wurde  als  Bock  zugetakelt ;  das  Schwertakel,  mittelst  welcher 
die  Schraube  gehisst  werden  sollte,  straff  gesetzt,  und  nun  begonnen, 
den  Längsbalken,  welcher  über  dem  Schraubenbrunnen  liegt,  auszu- 
stemmen und  abzusägen.  Dieser  Theil  der  Arbeit  war  außerordentlich 
beschwerlich;  hartes  Holz  mußte  spanweise  weggemeißelt,  Kniebolzen 
herausgetrieben,  der  Propellerkrahn  au^elöst  werden.  Wenn  bei  der 
Construction  des  Propellerbrunnens  auf  die  immerhin  nicht  gar  sel- 
tene Eventualität  des  Propelleraushebens  Bedacht  genommen  worden 
wäre,  so  hätte  dies  unsere  Arbeit  ungemein  erleichtert.  Als  endlich 
der  ganze  Brunnen   frei   gemacht   war,  schlug   es  9   Uhr   abends. 

Die  8  Tonnen  schwere  Schraube  über  Nacht,  bei  hohem  See- 
gange, am  Bocke  hängen  zu  lassen,  daran  war  nicht  zu  denken ;  man 
mußte    sofort  an   die   Arbeit  des   Aushebens   schreiten. 

Um  4  Uhr  morgens  war  der  Propellerrahroen  auf  Deck  gebracht, 
die  Schraube  auf  das  gestützte  Hüttendeck  gelegt  und  die  erschöpfte 
Mannschaft  wurde   schlafen   geschickt. 

Im  Laufe  des  Vormittags  wurde  der  Bock  versetzt  und  die 
Scfaraabe   auf  Deck  gegeben.  Der  Brunnen  war  jetzt  bereit  zur  Auf- 


348 

nähme  des  Nothsteaers,  und  das  geschwächte  Heck  des  Schiffes  von 
einer  großen  Last  befreit.  Bootsmann  Tons  ich  hatte  bei -.der  Aus- 
führung dieser  sehr  schwierigen  und  wegen  des  starken  Rollens  der 
Fregatte  gefährlichen  Arbeit  unermfldlichen  Eifer  und  große  Geschick- 
lichkeit  an    den   Tag  gelegt. 

Das  Wetter  war  den  3.  schön  geworden;  ein  m&ßiger  NO. 
trieb  die  Fregatte  südlich,  der  Seegang  nahm  etwas  ab,  der  hohe 
Barometerstand  ließ  fast  glauben,  dass  wir  uns  im  Nordpassat 
befänden.  Seitdem  die  fortwährend  schnelle  Fahrt  der  ersten  Wochen 
aufgehört  und  der  Seegang  abgenommen  hatte,  zog  die  Fregatte  viel 
weniger   Wasser,   2 — 3"   pr.   Stunde. 

Nachmittags  wurde  das  Nothsteuer  des  Seecadeten  Labr6s  ins 
Wasser  gelassen,  nachdem  zuvor  jenes  des  Linienschiffsfähnrichs  Grafen 
Auersperg,  da  es  nicht  angieng,  dasselbe  wieder  einzuschiffen, 
gekappt  worden  war.  Die  Voraussetzungen,  auf  welche  die  Wirk- 
samkeit dieses  neuen  Ruders  basiert  war,  bestätigten  sich  jedoch  nicht; 
die  Wand,  welche  durch  an  der  Kreuzmarsstenge  befestigte  Fässer 
gebildet  wurde,  nahm  im  Wasser  schwimmend,  keine  senkrechte  Stellung. 
Vielleicht  trug  hieran  der  Umstand  die  Schuld,  dass  die  oberste  Reihe 
absichtlich  leer  gelassen  worden  war,  was  eine  beträchtliche  Schwimm- 
kraft  zur  Folge  hatte.  Da  nun  dieses  Ruder  nicht  steuerte,  so  wurde 
es  als  Treibanker  benützt,  indem  man  von  den  Trossen,  welche  es  an 
Bord  hielten,  ausstach. 

Den  4.  und  5.  December  hatten  wir  mäßigen  Nordost,  schönes 
Wetter,  glatte  See,  die  Fregatte  trieb  langsam  südlich. 

Das  definitive  Nothsteuer  war  zwar  noch  nicht  ganz  fertig,  da 
aber  auf  kaum  80  Meilen  vorne  Philadelphia  Rock  und  andere 
Riffe  lagen,  die  Fregatte  aber  auf  keine  Weise  auf  die  andere  Halsen  zu 
bringen  war,  so  ließ  ich  es  den  5,  nachmittags  einsetzen.  Um  Mitter- 
nacht war  die  Arbeit  vollendet  und  obgleich  sehr  flaue  Brise  und  etwas 
Seegang  dem  Manöver  nicht  sehr  günstig  waren,,  so  gieng  die  Fregatte 
doch  unter  dem  persönlichen  Commando  des  Herrn  Linienschiffscapitäas 
von  Wipplinger  recht  gut  über  Halsen.  « 

Da  den  6.  wieder  schönes  Wetter  war  und  das  Schiff  mit  Steuer- 
bordhalsen mit  dem  östlich  wehenden  NO.-Passat  segelnd  nur  freies 
Fahrwasser  vor  sich  hatte,  so  wurde  das  Nothruder  wieder  aufgehoben, 
um  vollendet  zu  werden. 

Den  8.  morgens  endlich  war  es  ganz  fertig,  um.  Mittag  eingesetzt 
und  um  1  Uhr  p.  m.  legte  sich  die  Fregatte  mit  leichter  SO.-Brise 
steuerf&hig  an  den  Wind,  nachdem  sie  10  Tage  ohne  irgend  eine 
Steuerung  gesegelt  und  während  dieser  Zeit  600  Meilen  in  der  beiläu- 


349 

figen  Richtang  ihres  Zieles  zurückgelegt  hatte.  Sogleich  wurden  die  in 
der  Zwischenzeit  reparierten  Mars-  und  Untersegel  gesetzt  und  man  ge- 
wann die  heMedigende  Ueberzeugung,  dass  das  Schiff  dem  Ruder  voll- 
kommen gehorche.  Yorl&ufig  wurde  mit  einer  Pinne  gesteuert,  die  am 
Kopfe  des  Ruders  befestigt  war;  die  eigentliche  Steuervorrichtung  aber, 
welche  aus  zwei  Strebern  bestand,  die  aus  der  Batterie  herausragten 
and  an  den  Nocken  mit  Blöcken  versehen  waren,  über  welche  die 
Steuertrossen  auf  Deck  und  an  zwei  Steuerräder  liefen,  wurde  erst  den 
9.  vormittags  vollendet  und  in  Gebrauch  gesetzt;  dieselbe  entsprach 
Yollkommen  und  bot  der  Pinnensteuerung  gegenüber  den  großen  Yortheil, 
dass  die  Yerbindungsbolzen  zwischen  dem  Stamm  und  Blatt  des  Ruders 
von  einem  beträchtlichen  Theile  des  Wasserdruckes  entlastet  wurden. 

Von  diesem  Augenblicke  an  steuerte  die  Fregatte  mit  derselben 
Leichtigkeit  und  Genauigkeit,  wie  jedes  andere  Schiff.  Eine  mäßige 
S.-Brise  erlaubte  mir  mit  allen  Segeln  und  Leesegeln  Ost  zu  steuern; 
den  10.  wurde  die  Brise  sfldwestlich  und  frischte  auf,  so  dass  die  Fre- 
gatte 77^  Meilen  Fahrt  erreichte. 

Um  2  Uhr  p.  m.  setzte  ich  in  der  Hofibung,  dass  der  Nordost- 
passat, welchen  wir  vom  5.  bis  7.  December  in  30®  nördlicher  Breite 
getroffen  hatten,  in  seine  gewöhnlichen  Wintergrenzen  von  24 — 26® 
nördlicher  Breite  zurückgegangen  sei,  den  Curs  OSO.  direct  auf  die 
Sandwich-Inseln.  Abends  war  der  Wind  nördlich,  die  Fahrt  betrug 
8  Meilen,  ohne  dass  das  Steuer  Anlass  zu  Besorgnissen  gegeben  hätte. 
Den  11.  hatten  wir  NO.,  welcher  im  Verlaufe  des  Tages  immer 
schraaler  wurde,  so  dass  ich  um  öVg  Uhr  p.  m.  über  Halsen  gieng,  da  ich, 
um  eine  Beschädigung  des  Ruders  bei  etwaigem  Deinsen  zu  vermeiden, 
nicht  s  tagen  **)  wollte.  Während  der  Nacht  räumte  die  Brise  wieder 
so  weit,  dass  die  Fregatte  beinahe  im  Curse  lag.  Den  12.  wurden  zum 
ersten  Male  die  Tags  vorher  wieder  aufgetakelten  Bramstengen  benützt 
und  ich  setzte  unter  allen  Segeln  und  Leesegeln  mit  mäßigen  veränder- 
lichen Winden  die  Fahrt  fort ;  der  Kreuzmast  blieb  in  Hohl  gestrichen, 
um  das  Ruder  so  wenig  als  möglich  aus  der  Mitte  zu  bringen.  Den 
14.  Abends  sprang  frischer  N.  auf;  alle  Segel  am  Großmaste  wurden 
beschlagen**)  und  zwei  Reef  ins  Vormarssegel  gestochen.  Die 
Fregatte  lief,  bei  glatter  See,  gegen  8  Meilen.  Der  Wind  wurde  nachts 


^)  Deinsen  —  die  BewcguDg  des  Schiffes  nach  rückwärts,  also  mit 
dem  Steuerruder  voran.  —  Stagen  —  das  Schiff  gegen  den  Wind  wenden» 
Wenn  es  bei  dieser  Gelegenheit  mit  dem  Vordertheile  gerade  gegen  den  Wind 
steht,  so  deinst  es  gewöhnlich  eine  kurze  Zeit. 

*')  Segel  beschlagen  —  die  Segel  einziehen,  zusammenrollen  und 
an  den  Baaen  zusammenbinden. 


350 

N.  östlich  und  schien  sich  als  Passat  zu  erklären;  alle  Segel  worden 
beigesetzt  und  die  Fregatte  segelte  fortwährend  am  Winde  im  Passat 
weiter. 

Den  17.  p.  m.  kam  die  zur  Sandwich-Gruppe  gehörige  Insel  Haval 
in  Sicht;  der  Passat  wurde  schwächer  und  den  18.  morgens  lag  die 
Fregatte  in  Sicht  der  Inseln  Haval  und  Nihau  in  Windstille;  erst  gegen 
abend  nahm  ein  flauer  West  allgemach  an  Stärke  zu  und  ermöglichte, 
gegen  den  60  Meilen  breiten  Canal  zwischen  Haval  und  Oahu  za 
steuern,  auf  welch  letzterer  Insel  unser  Bestimmungsort  Honolulu  liegt 

Den  19.  morgens  kam  Oahu  in  Sicht.  Unter  allen  Segeln  lief  die 
Fregatte  ISngs  der  Kfiste,  hatte  abends  Diamond  Point,  ein  Vorgebirge 
in  nächster  Nähe  des  Hafens,  in  Sicht,  blieb  aber  dann  in  Windstille 
liegen,  bis  den  20.  vormittags  ein  leichter  SW.  erlaubte,  dem  Hafen 
zuzusteuern. 

Um  3V2  P*  m.  kam  ein  Lootse  an  Bord  und  rief  sogleich  durch 
Signal  einen  kleinen  Schleppdampfer  herbei,  da  die  nur  200  Fuß  breite, 
gewundene,  von  Corallenbänken  umgebene  Einfahrt  für  größere  Schife 
bei  leichter  Brise  gefährlich  ist.  Alle  Segel  wurden  beschlagen  und  am 
572  ühr  p.  m.  vertäute  der  Hafenmeister  die  Fregatte  im  engen  Hafen 
von  Honolulu;  dieselbe  hatte  seit  dem  Bruche  des  Steuers  (300  Meilen 
ohne  Steuer  und  1200  Meilen  mit  dem  Nothsteuer  zurückgelegt    • 


Reise  durch  Rumeiien  im  Sommer  i869. 

Von  Prof.  Dr.  F.  v.  Hochstetter. 

2.  Adrianopel. 
Mit  einer  Kartenskizze. 

Adrianopel  (türkisch  Edirnö),  einst  die  Hauptstadt  der  europäischen 
Türkei,  und  noch  unter  Mohammed  IV.  und  Soliman  IL  im  17.  Jahr- 
hundert die  Residenz  der  Sultane,  ist  jetzt  von  seiner  einstigen  Größe 
tief  herabgesunken.  Aber  eine  hervorragende  Eigenschaft  ist  ihm  ge- 
blieben, die  Eigenschaft  einer  höchst  ausgezeichneten  und  zugleich 
wundervoll  schönen  Lage.  Dieser  Eigenschaft  wird  es,  wenn  die 
türkischen  Eisenbahnen  zur  Wirklichkeit  geworden  sind,  einen  Auf- 
schwung verdanken,  welcher  noch  alle  vergangene  Größe  verdunkeln 
kann.  Die  Stadt  liegt  im  Knotenpunkt  der  ostwestlichen  Linie  von  Con- 
stantinopel  nach  Philippopel  und  der  nordsüdlichen  Linie,  die  Bargas 
am  schwarzen  Meere  mit  Enos  am  ägäischen  Meere  verbinden  soll,  nnd 
da  diese  Linien  zu  den  ersten  gehören,  welche  in  Angriff  genonunen 
werden,  ja  theilweise  bereits  in  der  Ausführung  begriffen  sind,  so  wird 


851 

sich  hier  zuerst  die  neubelebende  Wanderkraft  des  modernen  Verkehrs- 
mittels zugleich  als  Culturmittel  bei  den  Alttürkenthum  geltend  machen, 
dessen  Sitz  die  Stadt  der  alten  Sultane  noch  immer  ist.  Zwei  ansehn- 
liche Flflsse,  die  Arda  von .  Sfidwesten  her,  nnd  die  Tundscha  ans  dem 
Balkan  Ton  Norden  herkommend,  vereinigen  sich  bei  der  Stadt  mit  der 
Maritza,  dem  Hanptstrome  Thraciens,  An  ihrem  Ziisammenfluss  breiten 
sich  weite  frnchtbare  Ebenen  aus,  begrenzt  von  einem  Hügelland,  über 
dem  in  blauer  Ferne  die  Gipfel  der  Gebirge  aufragen.  Welche  Ab- 
wechslung in  dieser  Ebene  von  Gärten,  Maulbeerplantagen,  Obstbäumen, 
Feldern  und  Wiesen  und  wie  wird  all  der  Reichthum  der  Natur  in 
ein  wahres  Paradies  verwandelt  werden  können,  wenn  erst  die  Bewohner 
aus  ihrer  trägen  Ruhe  und  aus  ihrer  monopolistischen  Glückseligkeit 
aufgerüttelt  sind  und  zum  vollen  Bewustsein  eines  frischen  Lebens- 
genusses durch  Arbeit  kommen! 

Die  Stadt  zählt  gegenwärtig  höchstens  90.000  Einwohner.  Die  ge- 
wöhnlichen Angaben  von  100  bis  150.000  Einwohner  sind  entschieden  zu 
hoch  gegriffen;  ^/^  der  Gesammtzahl  werden  auf  Türken,  ^/^  auf  Bul- 
garen und  7&  &uf  Griechen,  Juden  und  sogenannte  Franken  gerechnet. 
Adrianopel  ist  der  Sitz  des  Generalgouverneurs  des  Wilajet's  Edimö, 
welches  die  alten  Paschaliks  von  Adrianopel,  Philippopel  und  Galippoli 
omfasst,  also  fast  das  ganze  alte  Thracien  bis  zum  Balkan  und  bis  über 
Philippopel  und  Tatar  Bazardschik  hinaus,  ein  Gebiet  von  beiläufig 
900  deutschen  Quadratmeilen.  Neben  dem  Generalgouvemeur  residiert 
in  Adrianopel  auch  ein  Mutesarif  oder  Präfekt.  Die  Besatzung  der 
Stadt  besteht  aus  einigen  Escadronen  Gardekosaken  und  Dragonern, 
die  zu  den  beiden  einzigen  Regimentern  gehören,  welchen  es  erlaubt 
ist,  sich  auch  aus  den  christlichen  Elementen  zu  rekrutieren«  Die  Offi- 
ziere dieser  Regimenter  sind  meist  Polen.  Ein  wesentliches  Element 
der  Bevölkerung  ist  auch  der  Landadel  oder  die  Bey's,  das  sind  Groß- 
grundbesitzer, die  ihre  Besitzungen  im  Ardathal  und  im  Maritzathale 
haben,  aber  für  gewöhnlich  in  der  Stadt  wohnen. 

Dem  äußeren  Ansehen  nach  ist  Adrianopel  wie  fast  alle  türkischen 
Städte.  Eine  Straße  ist  wie  die  andere,  ohne  Abwechslung,  schlecht 
gepflastert,  schmutzig,  ohne  hervorstechende  Bauten.  Was  sich  stolz 
fiHotel  de  r£toile"  nennt,  ist  der  Zeit  nichts  anderes  als  ein  ordinärer 
türkischer  Han,  der  nicht  einmal  so  viel  bietet,  als  das  zweite  große 
Eankehrwirtshaus  der  Stadt,  das  den  alttürkischen  Namen  Gömrük 
Ban  beibehalten  hat.  Altes  Mauerwerk  und  dicke  halbverfallene  Türme, 
die  zum  Theil  den  Römern,  zum  Theil  den  Genuesern  zugeschrieben 
werden,  erinnern  an  längst  vergangene  Zeiten.  Die  Residenz  der  Sultane, 
das  alte  Serail,  außerhalb  der  Stadt  im  Tundschathal  gelegen,  li^  in 


352 

TrQmmeni.  In  dem  Prachtgemach  des  ersten  Stockwerkes,  wo  ein  Selim, 
ein  Mohammed,  ein  Soliman  nnd  wie  sie  alle  heißen,  auf  weichem 
Divan  beim  Plätschern  eines  Springbrunnen,  dessen  prachtvolles  Marmor- 
bassin noch  gnt  erhalten  ist,  träumten,  fanden  wir  eine  Schafheerde 
gelagci't,  die  sich  offenbar  recht  behaglich  fohlte  an  dem  kühlen  Ort 
Der  Marmorboden  war  mit  dicken  Schichten  von  Mist  bedeckt,  dass 
einem  intelligenten  Landwirt  das  Herz  lachen  konnte.  Es  ist  fast  lebens- 
gefährlich, sich  die  alten  Herrlichkeiten,  das  Schlafzimmer,  dessen  Wände 
mit  Majolikaziegeln  belegt  sind,  die  Bäder,  den  alten  Harem  u  s.  w. 
zu  besehen,  denn  alles,  was  nicht  schon  wirklich  zusammengebrochen 
ist,  droht  dem  Einsturz.  Ein  par  Invaliden  leben  von  den  Trink- 
geldern, die  die  alte  Pracht  noch  abwirft. 

Nur  ein  wirklich  hervorragendes  Bauwerk  hat  die  Stadt,  das  ist 
die  Moschee  Selims  II.,  die  für  die  prächtigste  und  größte  im  ganzen 
osmanischen  Reiche  gilt.  Sie  erhebt  sich  auf  dem  höchsten  Punkte  der 
Stadt»  mit  ihrer  Riesenkuppel  und  ihren  vier  schlanken  Minarets  alles 
fiberragend.  Der  Eindruck,  den  dieser  300  Jahre  alte  Prachtbau,  der 
jedoch  vortrefflich  erhalten  ist,  macht,  ist  selbst,  nachdem  man  die 
Aja  Sofia,  die  Achmedje  und  die  Sulimanieh  in  Stambul  gesehen,  ein 
überwältigend  großartiger.  Wahrhaftig,  ich  verdenke  es  den  Türken 
nicht,  dass  sie,  nachdem  es  einmal  eine  Santa  Sofia  gab,  stationär  ge- 
blieben sind  im  Baustil  ihrer  Moscheen.  In  den  weiten  Räumen  unter 
der  Riesenkuppel  der  Selimieh  verspürt  man,  auch  wenn  es  der  Geist 
des  Islams  ist,  der  auf  einen  wirkt,  mehr  von  religiöser  Weihe,  als  in 
allen  Jesuitenkirchen  der  Welt. 

Die  Dimensionen  des  Baues,  die  ich  wenigstens  annähernd  richtig 
angeben  kann,  sind  folgende:  Die  eigentliche  Moschee  bedeckt  ein 
Quadrat  von  180  Wiener  Fuß  Länge.  Die  Kuppel  hat  einen  Durchmesser 
von  102  Fuß,  und  ist  1 6ö  Fuß  hoch.  Sie  ruht  auf  8  gemauerten  Säulen. 
Das  Innere  der  Kuppel  ist  teppichartig  in  weiß,  roth  und  blau  ausge- 
malt, die  Wände  der  Moschee  sind  mit  Goldinschriften  (Koransprüchen) 
auf  grünem  Grund  ausgeschmückt.  Unter  der  Kuppel  führt  rings- 
herum eine  Gallerie  und  das  Licht  empfängt  der  riesige  Raum,  wie  die 
Türken  sagen,  durch  999  Fenster.  Das  Hauptportal  ist  aus  weißem 
krystallinischen  Marmor  gearbeitet.  An  den  4  Ecken  der  Moschee  er- 
heben sich  4  schlanke,  äußerst  zierliche,  außen  canellierte  Minarets.  Der 
Durchmeser  eines  solchen  Minarets  beträgt  nicht  mehr  als  12  Fuß,  mit 
dem  Kranz  17  Fuß,  die  Höhe  220  Fuß.  Sie  sind  aus  einem  muschel- 
reichen Kalkstein,  einem  tertiären  Congerienkalk  gebaut,  der  in  der 
Nähe  von  Adrianopel  gebrochen  wird.  Diese  Minarets  haben  eine  Eigen- 
thümlichkeit,    welche   ich   sonst   nirgends   angetroffen  habe.    Sie  tragen 


353 

drei  Kränze  übereinander  und  unten  beginnen  an  drei  verschiedenen 
Seiten  der  kreisrunden  Basis  drei  Wendeltreppen  mit  je  250  Stufen, 
die,  schraubenförmig  übereinander  laufend,  ohne  dass  man,  außer  vom 
Kranz  aus,  von  einer  Treppe  auf  die  andere  gelangen  könnte,  in  die 
Höhe  fahren.  Alle  drei  Treppen  führen  auf  alle  drei  Kränze;  da  aber 
die  oberen  Theile  der  Treppen  theilweise  durch  Beleuchtungsapparate 
verstellt  sind,  so  kann  man  nur  eine  benutzen,  um  auf  den  ersten,  die 
zweite  um  auf  den  zweiten  und  die  dritte,  um  auf  den  dritten  Kranz 
zu  gelangen. 

An  der  nordwestlichen  Seite  schließt  sich  an  die  Moschee  ein 
Vorhof  an,  den  offene  Säulenhallen  oder  Säulengänge,  die  mit  18  Kuppeln 
Überwölbt  sind,  umschließen.  Dieser  Vorhof  mit  den  Säulengängen 
bildet  ein  Rechteck  von  228  Fuß  Länge  und  180  Fuß  Breite.  Die 
4  Säulen,  welche  die  Hauptkuppel  vor  dem  Hauptportal  der  Moschee 
tragen,  sind  30  Fuß  hoch  und  4  Fuß  dick,  Monolithsäulen  aus  brauu- 
rothem  egyptischen  Oranit,  die  übrigen  kleineren  Säulen  sind  theils 
Granit,  theils  Verde  Antico  (Ophicalcit)  und  krystallinischer  Kalk.  In 
der  Mitte  des  Vorhofes  steht  ein  achteckiger  aus  Marmor  gearbeiteter 
Brunnen.  Der  ganze  herrliche  Bau  erhebt  sich  auf  einem  freien  um- 
mauerten Platz,  der  ein  Quadrat  von  500'  Länge  bildet  und  theilweise 
mit  Bäumen  bepflanzt  ist.  An  die  Nordostseite  schließen  sich  zwei 
Priesterseminarien  an  und  an  die  Südwestseite  der  sehenswerte  Schuster- 
bazar,  ein  großes  gegen  500  Fuß  langes  Tonnengewölbe,  das  mit  aller- 
hand Emblemen  der  Schusterznnft  ausgeschmückt  ist.  Noch  bis  vor 
kurzem  war  das  Schusterhandwerk  ein  ausschließliches  Privilegium  der 
Türken,  und  erst,  seit  auch  den  Chribten  gestattet  ist,  Schuhe  zu  machen, 
stehen  in  diesem  Bazar  die  Buden  mehr  und  mehr  leer. 

Adrianopel  zählt  noch  14  größere  Moscheen  und  20  kleinere, 
aber  sehenswert  ist  außer  der  Selim-Moschee  nur  noch  die  zweite  große 
Moschee,  die  Uetsch  Scherif^ly  (die  Moschee  mit  den  3  Gallerien)  mit 
einem  Prachtportal  aus  Marmor  und  großen  Säulen  aus  Verde  Antico 
im  Vorhof. 

Erwähne  ich  nun  noch  die  5  großen  steinernen  Brücken  *),  die 
über  die  verschiedenen  Flüsse  und  Flussarme  bei  der  Stadt  führen, 
eine  große  Caseme  beim  alten  Serail,  und  die  neugebaute  Militäracademie 
hinter  der  Selimmoschee,  so  glaube  ich  alles  wesentliche  von  Bau- 
werken in  Adrianopel  angeführt  zu  haben. 


*)  Die  Jeni  und  Eski  Köprü  (neue  und  alte  Brücke)  führen  an  der  Süd- 
seite der  Stadt,  die  erstere  über  die  Maritza,  die  zweite  über  die  Tundscha,  die 
Michal  Köprü  über  die  Tundscha  auf  der  Poststraße  nach  Philippopel  und 
die  beiden  Serailbrücken  über  Tundschaarme. 

Owprftphiicb«  Mitiheiliuigen.  1870.  8.  23 


354 

In  Handel,  (bewerbe  nnd  Industrie  kann  sich  Adrianopel  weit  aas 
nicht  messen  mit  Philippopel.  Die  frflher  so  blflhende  Seidenzocht  ist 
in  Folge  der  Seidenranpenkrankheit  sehr  zorfickgegangen.  Von  einer 
größeren  Anzahl  von  Seidenspinnereien  arbeitet  gegenwärtig  nur  eine, 
die  Gocons  werden  meist  als  solche  auf  dem  Landweg  nach  Rodosto 
gebracht  and  von  dort  nach  Marseille  verschifft.  Der  Handel  ist  in  den 
Hfinden  weniger  Monopolisten,  die  ans  Furcht,  durch  Concnrrenz  ihr 
Privilegium  zu  verlieren,  dem  Eisenbahnuntemehmen  wenig  gOnstig  ge- 
stimmt sind.  Gerberei,  Kuchenbäckerei,  Traubenverkauf  sind  noch  heute 
ein  ausschließliches  Vorrecht  der  £mir*s,  die  sich  durch  grOnen  Turban 
als  Nachkommen  des  Profeten  kennzeichnen. 

Nichtsdestoweniger  hat  Adrianopel  schon  manches  von  westeuro- 
päischer Civilisation  und  Cultur  an-  und  aufgenommen.  Die  sogenannte 
fränkische  Colonie  zählt  2ö  Familien,  zu  welchen  vor  allem  die  Fami- 
lien der  fremden  Consuln  gehören,  die  sich  hier  zum  Theil  zu  bedenk 
tendem  Reichthum  und  Finfluss  aufgeschwungen  haben.  Im  Sommer 
leben  die  Franken  in  Karagadsch,  einem  eine  Stunde  von  Adrianopel 
am  rechten  Ufer  der  Maritza  gelegenen  Dorfe,  das  größtentheils  aas 
Villen  besteht.  Die  Familien  Vemazza  (italienischer  Consul)  und  Badetti 
(norddeutscher  Generalconsul)  repräsentieren  die  finanziellen  Großmächte, 
während  der  österreichische  Consul,  Herr  v.  Camerloher,  durch  seine 
Thatkraft  und  durch  seine  gründliche  Kenntnis  der  türkischen  Ver- 
hältnisse eine  der  einflussreichsten  und  angesehensten  Persönlichkeiten 
Adrianopels,  recht  eigentlich  der  geistige  Mittelpunkt  der  Stadt  ge- 
worden ist. 

Herrn  von  Camerloher  verdankt  Adrianopel  auch  den  größten 
Fortschritt  in  gesellschaftlicher  Beziehung,  indem  derselbe  den  glück- 
lichen Gedanken  hatte,  der  guten  Gesellschaft  der  Stadt  einen  Mittel- 
punkt zu  geselligem  Verkehr  nach  europäischem  Geschmack  zu  schaffen, 
und  vor  4  Jahren  das  Adrianopler  Casino  grfindete,  das  einen  ganz 
unerwarteten  Erfolg  hatte.  Dieser  Casino-Gesellschaft  gehören  nicht 
bloß  s&mmtliche  Consule  mit  ihren  Familien  und  die  Mitglieder  der 
fränkischen  Colonie,  sondern  auch  die  Spitzen  der  türkischen  Behörden, 
—  der  Pascha  ist  Ehrenpräsident  —  und  die  Honoratioren  aller  andern 
Nationalitäten  an,  auch  spanische  Juden  sind  Mitglieder.  Sie  hat  ein 
Winterlokal  in  der  Stadt  mit  2  Billards  und  einem  Lesezimmer  und 
gibt  hier  im  Winter  4  bis  5  große  Bälle.  Das  Sommerlokal  in  Kara- 
gadsch ist  verbunden  mit  einer  Kegelbahn  und  einem  Biergarten,  wo 
Schwechater  Bier  geschenkt  wird,  und  noch  niemals  liaben  sich  die 
Herren  Türken,  Griechen  und  Bulgaren  darüber  beschwert,  dass  sie 
auf  diese  Weise  germanisiert  werden.  So  bildet  das  Casino  einen  Cultur- 


355 

mittelpunkt,  der  als  solcher  allseitig  anerkannt  ist  und  die  verschieden- 
artigsten Elemente  zu  freundschaftlichem  Verkehr  vereinigt. 

Aber  auch  eine  Art  Prater  Bat  Adrianopel.  Ein  prächtiger,  von 
riesigen  Platanen  beschatteter  Wiesplatz  beim  alten  Serail,  der  von 
zwei  Armen  der  Tnndscha  umschlossen  ist,  also  wie  unser  Prater  eine 
Insel  —  Serai  Idschi,  Serailinsel  —  bildet,  ist  durch  Anlagen  seit  einigen 
Jahren  zu  einem  Volksgarten  umgewandelt.  Hier  spielt  jeden  Sonntag 
Militfirmusik;  wir  haben  von  der  Bande  der  Gardekosaken  sogar  die 
Walzer  „an  der  schönen  blauen  Donau^  gehört.  Der  Garten  ist  das 
Rendezvous  der  schönen  Welt,  und  bietet  an  Sonntagnachmittagen 
ein  äußerst  mannigfaltiges  Bild.  Auf  den  Wiesplätzen  gelagert  griechische 
und  bulgarische  Familien,  die  Mädchen  bunt  aufgeputzt,  jedoch  alle 
ä  la  franca,  die  malerische  Nationaltracht  ist  leider  verschwunden,  da- 
zwischen die  Equipagen,  die  türkischen  Offiziere  in  ihrer  kleidsamen 
Uniform,  Damen  der  fränkischen  Colonie  zu  Pferd,  und  damit  kein 
fUement  fehlt,  finden  sich  auch  die  Haremsbewohnerinnen  ein;  ihre  ver- 
mummten und  verschleierten  Gestalten  sind  es  allein,  die  dem  Bild  den 
orientalischen  Anstrich  geben. 

Zu  dem  allen  wird  nun  Adrianopel  die  erste  türkische  Stadt  süd- 
lich vom  Balkan  sein,  welche  die  Eisenbahn  bekommt.  Der  Hauptbahnhof 
soll  in  die  Nähe  von  Earagadschi  an's  rechte  Maritzaufer,  an  den 
Ereutzungspunkt  der  Philippopler-  mit  der  Enoslinie  kommen.  Diese 
letztere  Linie  wird  jedoch  nicht  von  Enos  selbst  ausgehen.  Das 
Mündungsgebiet  der  Maritza  bei  Enos  bilden  nämlich  sehr  ausgedehnte 
Sümpfe,  die  sich  in  nordöstlicher  Richtung  weit  in's  Land  hinein 
erstrecken ;  sie  machen  Enos  zu  einer  der  gefftrchtetsten  Piebergegenden. 
Um  diese  Sümpfe  zu  vermeiden,  muss  die  Bahnlinie  von  der  Meeres- 
küste bei  Makri  nordwestlich  von  Enos  ausgehen  und  hält  sich 
dann  bis  Adrianopel  auf  dem  westlichen  Ufer  der  Maritza  am 
Fuße  der  zum  Gebirgsstock  der  Rhodope  oder  des  Despoto-Dagh 
gehörigen  Bergketten,  die  hier  wie  alle  Gebirge  in  der  Türkei  „Balkan^ 
genannt  werden.  Die  Bahn  durchschneidet  auf  dieser  Strecke  eine 
äußerst  fruchtbare,  gut  bebaute  Landschaft  mit  zahlreichen  großen 
Ortschaften,  eine  wahre  Gartenlandschaft,  in  welcher  den  Glanzpunkt 
die  Stadt  Demotika  bildet,  mit  einem  malerisch  auf  einem  Felsen  ge- 
legenen alten  Schloss,  der  Residenz  eines  griechischen  Erzbischofs.  Die 
Fortsetzung  dieser  Linie  in  nördlicher  Richtung  soll  dem  Tundscha- 
thal  folgen  und  zwar  auf  dem  linken  Ufer  des  Flusses  bis  Jamboli, 
und  sich  dann  östlich  nach  Burgas  wenden.  Die  Länge  der  ganzen 
Linie  von  Makri  bis  Burgas  beträgt  38  deutsche  Meilen.  Terrain- 
schwierigkeiten sind,    abgesehen   von  dem  Uebergang   über  das  Inunda- 

23* 


056 

tionsgebiet  der  Maritza  bei  Adriaoopel,  auf  dieser  Strecke  nur  zwischen 
Adrianopel  and  Jamboli  za  überwinden,  wo  die  Tnndscha  3  Meilen 
durch  ein  enges  in  Gneiß  eingerisAnes  Felstbal  fließt.  Indessen  ist  die 
Frage  wol  berechtigt,  ob  es  nicht  zweckmäßiger  w&re,  Bnrgas  anstatt 
mit  Adrianopel  vielmehr  mit  Philippopel  darch  eine  Bahnlinie  zu  yer- 
binden,  welche  die  Städte  Aidos,  Kamabad,  dann  Jamboli  oder  Sliwoo, 
Jeni  und  Eski-Saghra  and  endlich  Tschirpan  berfihren  würde.  «Die  Aus- 
führung dieser  Linie  hstte  gar  keine  nennenswerten  Terrainschwierig- 
keiten, sie  würde  die  eigentliche  Kornkammer  Thraciens  durchschneiden, 
und  namentlich  die  industriereichen  Städte  und  Orte  am  Fuße  des 
Balkan*s  der  Eisenbahn  näher  bringen.  Dadurch  würde  Philippopel, 
das  eigentliche  Handelsemporium  der  östlichen  Türkei  zum  Ausgangs- 
punkt zweier  Linien  nach  dem  Meere,  über  Adrianopel  nach  dem 
ägäischen  Meer,  und  über  Sliwno  oder  Jamboli  nach  dem  schwarzen 
Meer.  Das  sind  auch  die  beiden  Richtungen,  in  welchen  sich  der  Handel 
von  Philippopel  schon  heute  hauptsächlich  bewegt 

Zum  Schlttss  füge  ich  ein  Verzeichnis  von  Höhen  bei,  auf  dai 
Linien  Constantinopel-Adrianopel  und  Enos-Adrianopel,  in  welches  ich 
zur  Yergleichung  auch  die  von  Viquesnel  barometrisch  bestimmten 
Höhenpunkte  aufgenommen  habe. 

HVhen  in  Rumelien. 

1.  Zwischen  Constantinopel  und  Adrianopel*), 

Galataria,  Dorf  bei  Efltschflk  Tschekmedsche  .  33 Meter  überdemMeere 
Wasserscheide  zwischen  Maarli   und  Muhakiöi, 

nordw.  v.  Jarim  Burgas 125 

Tschataldsche,  Stadt .102 

Indschies,  Dorf  am  Zusammenfluss   des  Karasu 

und  des  Teke 74 

Janukhan  bei  Indschies .93 

Hassan  Han 242 

Plateau  zwischen  Hassan  Han  und  Bujuk  Han  260 

«-.  ,   «  [269 

^^'^^^^^ •   j  240  Viquesnel 

Thal  von  Jenikiöi      206 

Jenikiöi,  Dorf 238 

Plateau  zwischen  Jenikiöi  und  Sarai     ....  260 
Manuka  Deressi,  Flussthal 183 

*)  Wo  nichts  weiter  bemerkt  ist,  sind  die  Höbeuangaben  die  Resaltaie  der 
Messungen  mittels  Aueroid,  welche  von  Herrn  Ingenieur  Safran  sky  während 
der  Heise  des  Herrn  Baudirektors  W.  Fressel  ausgeführt  wurden. 


Sarai,  Städtchen 


Bnnar  Hissar,  am  Weg  oberhalb  der  Stadt 


Jena,  St&dtchen 


357 

r223 

\  200  Viquesnel 

Tschakali,  Dorf  202 

Thalbecken  von  Wisa    ...  .190 

Wisa,  Stadt         f^}^ 

I  200  Viquesnel 

Bazarlik,  Dorf 225 

Plateau  zwischen  Bazarlik   und  Teke  Deressi     340 

Teke  Tschiftlik 293 

248 

200  Viquesnel 

jl95 

I  210  Viquesnel 

Plateau  zwischen  Jena  und  Monastir  Deressi     260 

Plateau    zwischen    dem    Monastir  Deressi  und 

Üsküp  300  Viquesnel 

Brücke  Aber  den  Bujuk  Dere  .169 

Plateau  östlich  von  Kirk-Klissi  .  .    .  230 

Kirk-Klissi,Han {  2^  Viquesnel 

Plateau  westlich  von  Kirk-Klissi  .  204  v.  Varnbühler  Niv. 

Plateau  zwischen  Kirk-Klissi  und  Jenidsche     .  210 

Jenidsdie  (Novo  Selo)  Dorf 131 

Plateau  zwischen  Jenidsche  und  Haskiöi       .    .  200 

Haskiöi,  Dorf .  .163 

Iskender  Kiöi,  Dorf 147 

Brocke  über  den  Tatar  Dere  (Zufluss  des  Er- 

kene),  zwischen  Tajakadun  und  Oglu  Pascha  76  v.  Varnbühler  Niv. 
Adrianopel,  Innndationsfläche  der  Maritza    .    .    32  Tafel  Niv. 
Dilnvialterrasse  über  dem  Inundationsgebiet     •    40  Tafel  Niv. 
Kuppel  der  Moschee  des  Sultan  Selim     .    .    .  120.5  v.  Vamb. 
Spitze  der  Minarets  dieser  Moschee     ....  137.5  v.  Vamb. 
Adrianopel,  ohne  Angabe  des  Punktes     .    .        90  Viquesnel 

Adrianopel,  Gömrük  Han 98 

Karagadsch  (Karahatsch)  bei  Adrianopel  ...     79  Viq. 

2.  Zwischen  Enos  und  Adrianopel. 

(Nach  Nivellements  vom  Herrn  Inspector  Tafel.) 

Niveau  der  Maritza  bei  Feredschik 3  Meter 

Feredschik,  Stadt 40  Viquesnel 

Marhamli,  Dorf         75 


358 


Sattel  bei  Marhamli  .        ... 
Tschomlektschi,  Dorf     .        .  .        . 

Sufli,  Dorf  am  rechten  Ufer  der  Maritza 
£influss  des  Mandra  Dere  in  die  Maritza 

Mandra,  Ort 

Salti  Kiöi,  Dorf         . 

Karabeli,  Dorf 

Demotika,  Alluvialfläche  am   rechten  Ufer 

Chysildere 

Demotika,  Stadt 

Schloss      .    .  ... 

Chysüdere-Thal  (Risild^ü)    .    . 

Plateau  westlich  von  der  Stadt 
Laie  Bnrgas  am  rechten  Maritzaofer    .    . 


des 


» 


» 


» 


43 

11 

12 

13 

78  Viqnesnel 

15 

65  Viquesnel 

17 

93  Viquesnel 
138  Viquesnel 

66  Viquesnel 
220  Viqnesnel 

21 


Das  Land  Turuchan 

im    asiatischen     Russland     nach    seiner    physikalischen 

Beschaffenheit. 

• 

Von  F.  SvScen^. 
(Schluss.) 

Im  Süden  des  Landes  mit  Ende  Februar  und  im  März  stellen  sich 
sadöstliche,  sfldliche  und  südwestliche  Winde  in  Begleitung  bedeutenden 
Schneefalles  ein. 

Die  erste  Hälfte  des  April  zeichnet  sich  durch  heitere  Witterung 
aus;  zuweilen  erhebt  sich  die  Temperatur  bis  zu  14^  Wärme.  Zuerst 
feiern  ihren  Einzug  die  Gimpel,  nach  ihnen  kommen  die  Adler.  In  der 
zweiten  Hälfte  des  April  zergeht  in  den  südlichsten  Landstrichen  der 
Schnee  in  Folge  der  Regengüsse,  die  auch  den  Bächen  Zufluss  verschaffen. 
Es  erscheinen  nun  Schaaren  von  Schwänen.  Das  Sonnenlicht  wird  im 
Widerschein  von  den  Schneeflächen  blendend.  Am  reinen  und  unge- 
wöhnlich klaren  Luftmeere  merkt  man  das  Herannahen  des  Frühlings. 
In  den  letzten  Tagen  des  April  beginnt  der  Einzug  der  wilden  Gänse, 
zugleich  mit  ihnen  zeigt  sich  zuweilen  der  Star  mit  der  Möve.  Letztere 
verkriecht  sich  bei  dem  ersten  Nordwinde.  Rührend  ist  die  Freude,  mit 
welcher  man  im  Lande  das  Erscheinen  jedes  neu  ankommenden  Vogels 
und  der  Frühlingswässer  begrüßt  Doch  unterbricht  oft  auch  an  heiteren 
Tagen  ein  kalter  Wind  das  Wohlbehagen,  und  lässt  Eiskrusten  znrflcJc. 
Mit  Anfang  Mai  verschwindet  die  Schneedecke,  nachdem  sie  im  Winter 
die  Dicke  von  anderthalb  Arschin  erreicht  hat.    Auf  d^n   Grunde  der 


359 

Seen  zeigt  sich  wieder  Wasser.  Der  Untergang  der  Herrschaft  des  Eises 
datiert  erst  von  der  zweiten  Hälfte  Mai.  Anfänglich  bringen  die  West- 
oder Nordwestwinde  noch  immer  Schnee  und  Regen  und  die  Luft  ist 
feacht  and  neblicht.  Die  Witterung  ist  unbeständig,  aber  die  Wassermenge 
nimmt  ungeachtet  der  Fröste  schon  zu.  Gegen  den  15.  Mai  wird  der 
Jenisej  eisfrei,  bald  darauf  auch  die  untere  Tunguska.  Wenn  sich  aber 
die  schweren  Wolken  verziehen  und  die  kalten  Winde  legen,  so  hat 
man  das  Schauspiel  der  wiedererstehenden  Schöpfung.  Der  Glanz  der  fast 
nicht  untergehenden  Sonne  nach  andauernder  ertötender  Dämmerung, 
das  erneuerte  Wirken  der  belebenden  Sonnenstralen  erfreut  des  Menschen 
Herz,  das  auf  dem  Punkte  war,  in  der  erstorbenen  Natur  zu  erstarren. 
Kaum  anderswo  auf  dem  Erdenrande  wird  die  Frühlingsonne 
mit  solchem  Hochgefühl  begrüßt,  wie  am  äußersten  Rande  des  Nordens. 
Die  Nacht  mit  ihren  Sternen  verschwindet  gänzlich,  letztere  waren  schon 
um  den  7.  Mai  unsichtbar  geworden.  Aus  dem  erweichten  Schnee  ent- 
springen mit  Ende  Mai  zahlreiche  Bächlein.  Die  Bleifarbe  des  Wassers 
nimmt  unter  der  Einwirkung  der  Sonnenstralen  eine  bläuliche  Spiegelung 
an,  die  erwärmte  Luft  erfüllt  sich  mit  gelinder  Feuchtigkeit,  aus  der  Erde 
steigen  Dünste  empor,  aus  den  Höhlen  kriechen  allerlei  Mäusegattungen 
und  die  Eichhörnchen  eilen  nach  den  erhöhten  Stellen.  Die  Hunde 
beginnen  ihre  Streifungen  nach  Beute.  Das  Wasser  des  Jenisej 
tritt  aus,  sich  von  8  auf  12  Klafter  erhebend.  Der  Turuchan  entsendet 
von  seinem  Ueberfluss  Seitenarme  in  den  Jenisej  schon  100  Werst 
vor  seiner  Mündung.  Die  Waldungen  im  Umkreise  von  Turuchansk 
stehen  bis  zu  den  Gipfeln  der  Bäume  unter  Wasser.  Das  Gras  erhebt 
sich  durch  den  Einfluss  der  Wärme  zusehends,  die  Hausthiere  zerstreuen 
sich  um  die  Wohnungen  herum.  Schwärme  wilder  Gänse,  Schwäne, 
allerlei  Gattungen  Enten  und  anderen  Vögel  kreisen  in  den  Lüften  und 
ziehen  gegen  Norden  und  Nordost  um  in  Nester  zu  gelangen.  Aus 
den  Höhen  vernimmt  man  unaufhörliches  Gebrause  und  Gezwitscher 
neben  dem  Schwirren  des  Flugs  der  Raubvögel.  Die  ganze  Gegeud 
erfüllt  sich  mit  tausendfältigen  Stimmen.  Zu  diesem  unvergleichlichen 
Chor  der  Vögel  gesellt  sich  das  Pfeifen  der  Eichhörnchen,  die  an  das 
Kindergeschrei  mahnenden  Laute  des  Hasen,  und  das  Brausen  der  Bäche 
und  Wasserfälle,  welche  sich  von  den  Riffen  des  Jenisej  herabstürzen. 
Das  Wasser  erhebt  sich  von  seichten  Stellen  immer  mehr  und  mehr,  bis 
es  zwischen  Klüfte  gedrängt  wird,  diese  mit  Toben  erfüllend.  In  kaum 
zwei  Stunden  nimmt  der  tote  Gebirgskessel  eine  ganz  andere  Gestalt 
an,  in  seinem  Räume  drängt  ein  Eisblock  den  anderen,  die  Treibhölzer 
brechen  sich  an  einander  und  sinken  unter.  Es  ist  als  zeigte  der  Erdboden 
neues    Leben    nach    neunmonatlicher    Erstarrung;   an   tiefer    liegenden 


360 

sandigen  Stellen  wirft  das  Wasser  Blasen  auf,  und  dringt  ans  kleinen 
runden  Oeffnungen  hervor,  an  einigen  Punkten  bildet  es  förmliche 
Springbrunnen.  Zu  Turuchansk  lebt  sogar  der  graue,  morsche,  von 
zwitschernden  Schwalben  umschwärmte  Glockenturm  wieder  auf,  über- 
wölbt vom  blauen  Himmelsraume,  durch  den  ein  buntes  in  Goldgelb 
stralendes  Wolkenheer  seinen  Zug  nimmt. 

Kommt  der  Monat  Juni,  so  entkeimen  der  durchwärmten  Erde  dichte 
Buschen  Waldknoblauch,  überall  drängen  sich  Gräser  hervor.  Nach 
Turuchansk  schwimmen  zwei,  drei  Schiffe,  und  die  bis  dahin  theilnahms- 
losen  Einwohner  gewinnen  neues  Interesse.  Die  Waldungen  bekleiden 
sich  mit  Grün,  und  die  Wässer  verschwinden.  Der  Fluss  Turuchan 
nimmt  seinen  früheren  Lauf,  und  die  Barke  mit  ärarischem  Getreide, 
welche  um  den  20.  Juni  herbei  kommt,  erreicht  nicht  ohne  Schwierigkeiten 
den  Ort.  Man  pflanzt  in  die  Gerten  Rüben,  Rettig,  Kartoffel  und  rothe 
Rüben.  Der  Boden  thaut  bis  zur  Tiefe  eines  halben  Arschin  auf,  in 
gegen  den  Nordwind  gedeckten  Lagen  auch  tiefer,  und  ungeacht-et  der 
Nähe  gefroi-ner  Erdschichten  gedeihen  die  Früchte.  Es  gibt  Rüben  im 
Gewicht  von  8  Pfund,  nur  die  Kartoffel  und  rothe  Rübe  bleibt  klein, 
und  der  Kohl  entwickelt  kaum  ein  kleines  Köpfchen.  Mit  dem  12.  Juni 
verschwindet  die  Sonne  nicht  mehr  vom  Horizont,  während  zwei  Mitter- 
nachtsstunden verliert  sie  ihren  Glanz  und  ist  nur  zur  Hälfte  sichtbar, 
dann  erhebt  sie  sich  wieder.  Während  dieser  Zeit  ist  sie  gewöhnlich  in 
Wolken  gehtillt.  Mit  Ende  der  ersten  Hälfte  Juni  erreicht  die  Tages- 
hitze 28*^  und  darüber.  Ohne  die  Nordwinde  wäre  die  Luft  wegen  der 
großen  Ausdünstung  des  Bodens  erstickend  und  verderblich.  Die  Vögel 
verbergen  sich  in  den  Nestern.  Es  zeigen  sich  Miriaden  von  Insekten 
und  verschiedenen  Fliegengattungen.  Das  Wetter  ist  überwiegend  heiter 
Die  Nächte  gleichen  den  Morgenstunden,  sie  sind  ruhig  und  von  unaus- 
sprechlichem Reize;  es  scheint  als  wäre  die  gesammte  Schöpfung  nach 
fibermäßiger  22-stündiger  Thätigkeit  auf  zwei  Stunden  in  tiefen  Schlaf 
gesunken.  Dieß  ist  die  schöne  Jahreszeit  in  Turuchansk. 

Zur  selben  Zeit,  als  in  dieser  Stadt  unter  dem  65.^  55'  sich 
eine  durchgreifende  Wiedergeburt  vollzieht,  kommen  höher  gegen  Norden 
zwischen  dem  71.  und  73.®  noch  keine  Anzeichen  der  Wärme  vor, 
obwol  dort  die  Sonne  vom  Beginn  des  Mai  bis  zur  zweiten  Hälfte  Juni 
nicht  untergeht.  In  diesen  Gegenden  herrscht  während  der  ersten  H&lfte 
April  heitere  Witterung,  bei  mäßigen  und  seltenen  Nordwinden.  Der 
Glanz  des  Schnees  in  Folge  des  Anpralls  der  Sonnenstralen  ist  uner- 
träglich. In  der  zweiten  Hälfte  des  Monats  Mai  bricht  sich  mit  dem 
Erscheinen  der  wilden  Gänse  die  Kälte,  der  Himmel  umzieht  sich  mit 
Wolken,    es   erscheinen   die   atmosphärischen  Veränderungen,  welche  in 


361 

Timichansk  in  der  zweiten  Hälfte  des  April  vorzukommen  pflegen.  Hier 
wie  auch  in  den  nördlicheren  kahlen  Ebenen  herrschen  südöstlichei 
sfidliche  und  sfidwestliche  Winde  besonders  stark,  diese  bringen  Schnee 
und  Yerwehangen,  selten  aber  Regen.  Mit  Ende  Mai  lagern  sich  starke 
Nebel  wolkenartig  über  den  Erdboden,  oder  verwandeln  sich  in  Schnee, 
Regen,  oder  in  beides  zugleich,  oder  zuweilen  in  Reif.  Diese  Witterung 
zieht  sich  bei  fortdauernder  Feuchtigkeit  der  Luft  durch  den  ganzen 
Monat  Juni,  besonders  in  der  Nähe  der  Meeresufer.  Mit  Ende  der 
ersten  Hälfte  des  Monats  Juni,  wenn  die  Gänse  und  Schwäne  die  Nester 
beziehen,  werden  die  Flüsse  eisfrei,  an  bergigen  Stellen  an  der  Sonnen- 
seite zeigt  sich  schwaches  Gras,  hervorgelockt  durch  das  einfallende 
Licht.  Während  der  wenigen  Momente  heiteren  Himmels  wird  die  Luft 
dermaßen  durchsichtig,  dass  selbst  entfernte  Gegenstände  sich  der 
genauesten  Wahrnehmung  darbieten.  An  den  Polen  und  insbesondere  in 
der  Nähe  des  Meeres  wehen  während  der  Sommerszeit  sehr  veränderliche 
Tageswinde,  mit  augenscheinlichem  Localcharakter,  so  dass  deren  Rich- 
tung an  verschiedenen  Stellen  eine  ganz  entgegengesetzte  ist.  Nach 
Maßgabe  der  Meeresnähe  werden  die  Gewitter  im  Laufe  des  Jahres 
seltener  und  schwächer,  dafür  gibt  es  dort  an  den  warmen  Julitagen 
reichlichen  Reif. 

Obwol  unter  dem  71 — 7H.^  n.  B.  die  Vegetation  in  der  Regel 
aufhört,  gedeiht  doch  im  Osten  des  Landes  noch  unterm  78.^ 
zumal  in  den  Bergen  und  Waldungen  eine  mannigfaltige  Flora.  So 
zeigen  sich  dort  in  der  zweiten  Hälfte  des  Juni  die  ersten  Blätter,  die 
Blüten  folgen  mit  Anfang  Juli  und  mit  Ende  dieses  Monats  erreicht 
das  Gras  eine  Höhe  von  1^/^  Arschin.  In  warmer  Sommerszeit  reifet 
die  Himbeere,  Johannisbeere,  Rauschbeere,  Heidelbeere,  die  Schwarzbeere 
und  zugleich  auch  der  Same  des  Lärchenbaumes  und  der  Erle.  Der 
Wachsthum  des  Lärchenbaumes  ist  so  langsam,  dass  er  im  Verlauf  von 
10  Jahren  nicht  höher  wird  als  2^1^  Arschin.  Mit  Anfang  Juli 
kommen  Gewitter,  begleitet  von  kleinem  Hagel,  zu  Ende  des  Monats 
treten  Regengüsse  ein,  dann  Nebel  und  Reife,  reißende  Flüsse  und 
besonders  Bäche  werden  seieht  oder  vertrocknen  gänzlich.  Wenn  man  in 
der  günstigsten  Sommerszeit  sich  in  der  Nähe  irgend  eines  Sees  ergeht' 
und  den  ihm  umgebenden  duftenden  dichten  Lärchenwald,  dann  dessen 
weißgelben  oder  weißen  Sandgürtel,  stellenweise  durchbrochen  von  grünem 
Blumenteppich  erblickt,  und  sich  in  die  Betrachtung  des  die  Sonne  und 
das  Wolkenheer  wiederspiegelnden  Wassers  versenkt,  wenn  man  sich 
darüber  ergetzt,  wie  die  Insektenschwärme  träumend  herumkreiseu,  die 
Schnepfe  ruhig  am  Ufer  läuft,  der  Schwan  durch  die  Wellen  schwimmt, 
sein  Gefolge  mit  unruhiger  aber  sanfter  Stimme  herbeirufend,  so  verglast 


362 

man,  dass  die  fearigen,  rund  herum  Wärme  aasbreitenden  Sonnen- 
stralen  bei  dem  ersten  Wehen  des  Nord-  oder  Nordwestwindes  aus  dem 
klaren  blanen  Himmel  sich  zurflckziehen  oder  von  der  Nebeldecke  mit 
dflsterer  Bleifarbe  zurückgeworfen  werden,  worauf  der  Regen  wie  feiner 
Staub  herabfftUt,  die  Windsbraut  erdröhnt,  den  der  nordischen  Natur 
fremden  bunten  Blumenschmuck  zerknittert,  und  den  alles  organischen 
Lebens  beraubten  Boden  fflr  lange  Zeit  mit  dem  Sterbehemd  bedeckt. 

Weiter  gegen  Norden,  zwischen  dem  73^78.^  am  Ufer  des 
Eismeeres  kann  man,  ungeachtet  die  Sonne  zwischen  der  Mitte  April 
bis  15.  Juli  nicht  untergeht,  nur  6  bis  10  warme  Tage  z&hlen.  Obwol 
um  diese  Zeit  die  Nordwinde  selten  wehen,  kommen  doch  durch  die 
Sfldwinde  keine  warmen  Lüfte,  sondern  nur  Regen  und  Feuchtigkeit.  Der 
Rest  des  Jahres  verl&uft  im  einförmigen  Düster,  denn  die  vom  Meere 
aufsteigenden  dichten  Nebel,  Regen  und  Schneewehen  verhüllen  ganze 
Monate  hindurch  das  Himmelsgewölbe,  bis  endlich  eine  lange  Nacht 
mit  starrmachenden  Frösten  hereinbricht,  aus  der  selbst  die  wilden 
Thiere  entfliehen.  Der  Uefoergang  aus  dem  düsteren  Norden  des  Landes 
in  die  (regend  von  Turnchansk  in  der  Periode  des  Sommers  ist  eine 
Rückkehr  in  gesegnete  Gefilde.  Im  Jahre  1859  erreichte  dort  am 
7.  und  8.  Juli  die  Tageswärme  32"  im  Schatten,  in  der  Sonne  aber  40". 
Die  Luft  erfüllt  sich  dann  mit  Dünsten  aus  den  glühenden  Wäldern 
und  wird  unerträglich.  In  diesem  Monate  herrschen  da  kurz  andauernde 
Gewitter.  Es  kommen  selten  Hagelschläge^  auch  sind  diese  unbedeutend. 
Mit  Ende  Juli  erreichen  die  Gräser  ihre  Keife.  Auf  den  Wiesen  werden 
sie  P/s  Arschin  hoch,  wo  Feuchte  und  Thau  herrscht  auch  27i  Arschin. 
Selbst  die  Nordwinde  sind  warm.  Zu  Ende  des  genannten  Monats  treten 
einzelne  Sterne  erster  Größe  sichtbar  hervor,  die  Nächte  werden 
dunkler;  es  kommen  dichte  Nebel,  das  Gras  färbt  sich  dunkel,  zu- 
weilen wird  die  Vegetation  vom  Thau  bedeckt.  Mit  dem  Eintritt  der 
Morgenfröstc  wird  aber  das  Wachsthum  gehemmt. 

Durch  zwei  Drittheile  des  Monats  August  herrscht  fortwährend 
trübes  Wetter;  es  wehen  starke  Winde  vom  Süden,  Nordwesten  und 
Osten.  Zuweilen  tritt  der  Windwechsel  oftmal  im  Tage  ein,  die 
kältesten  sind  die  Nordwinde,  die  heiteres  Wetter  bringen.  Die  Regen* 
gösse  sind  von  durchdringender  Feuchte  begleitet,  zu  welchen  sich 
mächtige  Nebel  gesellen.  Schon  mit  Anfang  August  verschwinden  die 
Schwalben,  nach  ihnen  die  Ufervögel  (Schnepfen  u.  dei^l.)  und  die 
kleinen  Yogelgattungen.  Mit  25.  August  beginnen  die  Reife  und  zu 
Ende  des  Monats  verschwinden  die  Gänse. 

Der  Nomade  erwartet  mit  größtem  Gleichmuth  die  trübselige  Herbst- 
zeit.   Mit  dem   Herannahen   des   Septembers   verzieht  sich  der  HinuneL 


363 

Die  grauen  Wolken  hänfen  sich  in  Massen  an  and  senken  sich.  Die 
östlichen  und  noch  mehr  die  westlichen  heftigen  nnd  kalten  Winde 
entkleiden  schnell  die  Waldangen,  dichte  Nebel  setzen  sich  durch 
einige  Tage  fest,  Regen  and  Schnee  wechseln  mit  einander,  das  mächtige 
Gras  sinkt  zasammen,  die  Nadeln  am  Lftrchenbaume  werden  gelb  und 
fiüUen  ab.  In  der  zweiten  Hälfte  September  zieht  der  letzte  Vogel 
von  dannen,  die  Fröste  nehmen  za  and  steigen  bis  zn  —  5*'.  Oft  hört 
man  ans  der  Mitte  des  andurchdringlichen  Nebels  die  klagenden  Laute 
der  Nachzügler  der  Schwanenscharen.  Mit  Ende  des  Monats  verstärken 
sich  die  Fröste,  aller  Verkehr  nimmt  sein  Ende  und  der  Fluss  Tarachan 
bedeckt  sich  mit  Eis.  Aus  dem  Norden  kommen  die  Rebhühner  herbei- 
gezogen and  der  achtmonatliche  strenge  Winter  nimmt  seinen  Anfang. 
In  der  ersten  Hälfte  Oktober  fällt  zuweilen  noch  Regen,  doch  den 
größten  Theil  des  Monats  herrscht  Schneefall.  Um  den  25.  bedeckt  sich 
der  Jenisej  mit  Eis,  die  Fröste  erreichen  -)-  24  Grade. 

Die  erste  Hälfte  des  Monats  November  bringt  aasgiebigen  Schnee, 
in  der  zweiten  kommen  starke  Fröste  untermengt  mit  Staubwehen. 
Diese  anterscheiden  sich  vom  gewöhnlichen  Schneegestöber.  Dieses  ist 
nor  eine  Vorbedeutung  für  den  Wanderer  in  den  offenen  Steppen,  dass 
Schünunes  nachfolgen  werde.  Die  Staubwehe  (Purga)  ist  da,  wenn  der 
Schnee  im  Luftraum  und  auf  der  Erdiläche  sich  in  ein  staubiges 
Chaos  verwandelt,  wenn  dieser  Schneestaub  in  die  Augen  dringt,  den 
Athem  hemmt,  in  die  leichtere  Bekleidung  eindringt,  und  den  Menschen 
and  das  Rennthier  niederwirft.  Alles  sucht  Schutz,  die  Raubthiere  und 
der  einzige  fiberwinternde  Vogel,  die  Eule,  flüchten  sich  unter 
Zäune  oder  an  Uferstellen  der  Bäche,  der  Nomade  befestigt  sich  mit 
Ledergarten  an  die  Schlitten.  Ruhig  liegt  er  durch  24  Stunden  und 
darftber  ohne  Nahning  zu  nehmen,  oder  selbst  den  Lieblingsgenuss  des 
Tabakrauchens  zu  haben;  nur  wechselt  er  von  Zeit  zu  Zeit  den  Stand- 
ort des  Schlittens  wegen  der  Fütterung  des  Rennthiers.  Diese  Staub- 
wehen ereignen  sich  gewöhnlich  zwischen  dem  15.  November  und 
15.  Jänner.  Sie  dauern  durch  volle  24  Stunden,  manchmal  auch  durch 
12  Tage.  Wird  das  Wetter  heiter,  so  erblickt  man  den  nördlichen 
grauen  Himmel  mit  dem  helleuchtenden  Monde  und  den  schimmernden 
Sternen.  An  der  Nordseite  zeigt  sich  ein  kleines  blasses  lichtes  Wölkchen. 
In  dem  Maße,  als  es  sich  von  dem  Erdboden  erhebt,  wird  es  lichter  und 
nimmt  die  Gestalt  einer  hellen  Wölbung  an.  Nach  zwei  Stunden  theilt  sich 
dieselbe  in  leuchtende  Streifen,  die  vergehen  und  wieder  entstehen,  und 
ach  regenbogenartig  färben,  auch  ganze  Feuerbflndel  bilden,  mitunter 
sich  in  Säulen  verwandeln,  oder  zu  blassen  Nebelgestalten  schwinden. 
Je  stärker  das  Nordlicht  auftritt,  desto  dunkler  wird  der  Himmel.    Bei 


364 

ruhigem  Wetter  dauert  dieß  Schauspiel  durch  die  ganze  Nacht.  Selten 
geschieht  es,  dass  ein  Nordlicht  ganz  in  die  Tiefen  des  Himmels  sich 
zurückzieht.  Gewöhnlich  verfolgt  es  die  Richtung  des  Zeniths. 

Im  December  ist  das  Wetter  in  Tumchansk  heiter,  die  Kftlte 
steigt  bis  auf  40*^.  Die  Luft  wird  so  dicht,  dass  sie  das  Athmen 
erschwert.  Der  Boden,  die  Eisdecke  Ober  den  Gewässern  und  die  B&nme 
geben  im  Krachen  einen  dumpfen  Schall  von  sich.  Der  Schlag  der  Axt  ist 
weithin  hörbar.  Das  Eisen  wird  spröde  und  springt,  wenn  es  anißillt,  wie 
Glas,  das  Holz  wird  hart  wie  Eisen,  das  Feuer  brennt  träge  aus  der 
Holzschichte  hervor.  In  der  ersten  Hälfte  des  Monats  dauert  der  Tag 
nur  8^2  Stunden;  die  Sonne  erscheint  im  äußersten  Ost«n,  um  nach 
zwei  Stunden  zu  verschwinden.  Mit  Ende  Jänner  lassen  die  Fröste  nach, 
das  Wetter  lässt  sich  sowie  auch  im  folgenden  Monate  heiter  an,  und 
es  wehen  zumeist  Nord-  und  Südwind«. 

Bei  den  Nomaden  wird  das  Jahr  in  15  Monat«  eingetheilt  Einige, 
wie  z.  B.S  die  Samojeden  und  Tungusen,  betrachten  den  Winter  und  den 
Sommer  als  zwei  verschiedene  Jahre,  und  wissen  nichts  von  Monaten. 
Die  Tage  führen  bei  ihnen  keine  Namen.  Sie  bezeichnen  sie  mit  Zahlen. 
Nur  bei  einigen  getauften  Jakuten  findet  man  eine  Zeitrechnung  nach 
russischer  Art,  wobei  sie  sich  eines  Instrumentes  aus  Holz  oder  Mammnth- 
knochen  mit  verschiedenen  Zeichen  bedienen. 

Im  Winter,  wo  die  ganze  Gegend  einen  dftstern  öden  Charakter 
annimmt,  und  graue  oder  bleifarbige  Nebel  sich  auf  der  Erdfläche 
lagern,  wo  in  der  Luft  Schneeflocken  kreisen,  und  alles  umher  dumpf, 
öde  und  finster  ist,  erscheint  dem  Wanderer  das  Land  Turuchan  als- 
eine  einförmige  von  organischem  Leben  fast  verlassene  Wüstenei.  Doch 
wenn  der  Sommer  zurückgekehrt  ist,  wenn  grüner  Pflanzenwuchs  und 
Blumen  die  Hügel  und  Ebenen  mit  Schmuck  versehen,  erweckt  auch 
die  Natur  am  Nordpol  im  Herzen  Erquickung  und  Wonne. 


Geographische  Literatur. 

Dalmatien  und   seine  Inselwelt,   nebst  Wanderungen   durch  die 

schwarzen  Berge.  Von  Heinrich  Noö.  A.  Hartlebens  Verlag  in  Wien, 

Pest  und  Leipzig  1870. 

"£s  ist  anmöglich  in  einem  UmfaDse,  wie  es  der  mir  vorgeschriebene 
ist,  von  seiner  Nord-  bis  zur  Südgräuze  durch  mehr  als  zwei  Breitegrade  hin- 
dorch  allseitig  ein  Land  zu  behandeln,  dessen  Lebensbedingungen  sich  so 
sehr  von  den  Verbältnissen  des  westlichen  Europa  unterscheiden.  In  der  Er- 
kenntnis dieser  Unmöglichkeit  habe  ich  mich  bestrebt,  die  einzelnen  aus  dem 
Gesammtbilde  ansgehobencn  Profile,  Veduten  und  Scenen  mit  Genauigkeit  und 
Fleiß  auszumalen,  damit  durch  die  Farbenwirkung  des  deutlich  geschilderten 
Kleinen  sich  in  der  Einbildungskraft  des  Lesers  ein  Abbild  des  Großen  er- 
hebe. —  Aus  eben  dieser  £rwfigttng  habe  ich  mich  auch  mehrfiach  vom  bdeh- 


365 

renden  und  besehreibeDden  Ton  des  VortragB  entfernt  nnd  die  kOnstleriscbe 
Form  der  Erz&hlung  erwählt.  In  dieser  werden  zahlreiche  Erscheinungen,  welche 
ohne  Zosammenhaug  aufzuführen  ermfldend  wäre,  dem  Leser  durch  eine  Kabel 
verknüpft,  für  welche  ich  außerdem  noch  das  Verdienst  beanspruche,  dass  sie 
sich  nur  in  unwesentlichen  Dingen  von  wirklichen  Vorgängen  unterscheide. 
Auf  diese  Weise  ist  es  mir  vielleicht  mehr  als  durch  ein  Reisereferat  gelungen, 
das  Wesen  der  Dinge  in  diesem  Jjandc  dem  Leser  zu  einem  gewissen  Grade 
von  sinnlicher  und  greifbarer  Wahrnehmung  zu  bringen.« 

Mit  diesen  Sätzen  leitet  der  Verfasser  sein  neuestes  Buch  ein,  das  den 
frühem,  wiewol  sie  ganz  andere  Himmelsstriche  schildern  und  von  ganz  andern 
Stimmungen  getragen  sind,  an  Schärfe  der  Auffassung  und  Reiz  der  Darstellung 
nicht  nachsteht.  Uem  vermisst  man  die  Umständlichkeit  in  den  Erlebnissen 
des  Touristen  und  alle  die  Kleinigkeiten,  durch  welche  er  deutlich  werden 
will,  wenn  die  Schilderung  darnach  angethan  ist,  dass  sie  üQr  den  Gegenstand 
erwärmt  und  den  Geist  in  Spannung  erhält.  Der  Leser  wird  in  dieser  Rich- 
tung durch  das  Buch  befriedigt  werden.  Heinrich  No€  weiß  nicht  nur  die 
Staffagen,  sondern  auch  den  Himmel  interessant  herzurichten  und  die  Erzäh- 
long  wirkt  wie  ein  guter  Roman,  d.  h.  man  lässt  dahingestellt,  ob  die  Situa- 
tionen, die  er  vorftkhrt  und  die  Personen,  die  er  handeln  lässt,  nicht  vielleicht 
erfunden  seien,  um  den  Effect  zu  erzielen,  aber  man  erkennt  ihnen  willig  die 
innere  Wahrheit  zu. 

Die  Gegenden,  die  das  Buch  behandelt,  bieten  nicht  nur  viel  Eigeu- 
thümliches  und  Ueberraschendes  in  der  Landschaft  und  den  Bewohnern,  was 
näher  gekannt  zu  sein  verdient,  sondern  haben  durch  die  letzten  traurigen 
Ereignisse  neuerlich  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen.  Der  Verfasser  bringt 
demnach  einen  in  mehrfacher  Beziehung  dankbaren  Stoff  zur  Darstellung,  der 
noch  durch  die  elegische  Stimmung  gehoben  wird,  in  die  der  Anblick  eines 
kernigen,  aber  verwahrlosten  Volkes  versetzt,  und  die  das  Buch  treffend  ab- 
spiegelt. 

Es  ist  natürlich,  dass  bei  einer  Schilderung  der  Zustände  in  Dalmatien 
die  autonome  Wirtschaft  der  Communitäten ,  die  dem  eingebomen  Slaven  das 
Leben  verbittert,  und  die  Regierung,  die  zur  Hebung  des  Volkes  nichts  thut, 
übel  wegkommen.  Es  wäre  sogar  zu  bedauern,  wenn  der  Verfasser  nach  dem, 
was  er  gesehen  und  erfahren  hat,  sich  dieser  Herzensergicßungen  eutschlagen 
würde.  Man  kann  die  Glocke  nicht  genug  anschlagen,  wenn  es  brennt;  und 
die  Richtigkeit  der  Angaben  im  einzelnen  wird  schwerlich  bestreiten,  wer  das 
Land  und  seine  Zustände  aus  längerer  Beobachtung  kennt  und  mit  den  Ele- 
menten, welche  dort  die  Guitorentwicklung  hindern,  vertraut  ist.  Uns  liegt  es 
am  fernsten  den  Eindruck  seiner  Schilderung  zu  stören,  da  uns  die  lebhafte 
Sympathie,  die  sein  Buch  für  den  ungekannten  Erdwinkel  anregen  wird,  nur 
willkommen  sein  kann.  Zwei  Bemerkungen  aber  können  wir  nicht  unterdrücken, 
da  uns  die  historische  Wahrheit  über  allem  steht 

Die  eine  betrifft  die  Stelle  S.  63,  wo  der  Verfasser  von  der  Übeln  Be- 
amtenwirtschaft redet  und  sich  so  vernehmen*  lässt: 

"Diejenigen,  welche  das  Land  genau  kennen,  wissen  viel  von  dem  Formel- 
wesen, der  Gedankenlosigkeit  und  der  Faulheit  der  Beamten  zu  erzählen, 
welche  mit  dem  Volke  zu  thun  haben.  Insbesondere  die  Würdenträger  italie- 
nischer Zunge  lassen  den  armen  slavischen  Landbewohner  es  unaufhörlich 
fühlen,  dass  die  Art  und  Weise,  wie  regiert  wird,  in  Wirklichkeit  kaum  anders 
als  eine  unnöthige  Quälerei  genannt  werden  dürfe.  Vom  Volk  wollen  sie  alles: 
lästige  Steuern,  Zölle,  Abgs^n  jeglicher  Art  und  zuletzt  die  Söhne.  Was  für 
dasselbe  geschieht,  das  sieht  jeder,  der  sich  die  Straßen,  die  Wohnungen  und 
die  Menschen  selbst  betrachtet. 

Wären  nicht  die  Franzosen  einige  Jahre  im  Land  gewesen,  so  würde 
es  Yiel  schlimmer  aussehen.  Von  den  Schutzwäldern  (boschi  sacri)  an  bis  zur 
Erbauung  großer  Straßen,  von  der  Abschaffung  der  Priyilegien  bis  zur  Be- 
kämpfung des  Hexenglaubens  war  die  kurze  Verwaltung  des  Marschalls  Mar- 
Bont  eine  segensreiche.  Oesterreich  hat  seine  Heere  seit  mehr  als  einem  halben 
Jahrhundert  an  der  Küste  stehen,  aber  ohne  die  Dampfschiffe  des  Loyd  konnte 
kein  (leldbrief  unangefochten    von    einer  Stadt   zur   andern  be£l)rdert  werden. 


366 

Fast  io  jedem  Monate   hört   man :    »Die  MalTiventi   smd  vom  Gebirge  benb- 

gestiegen." 

Nun  können  wir  die  Quälereien,  die  von  den  Beamten  ansgeheii  soUen, 
nur  mit  großer  Eiuschränlcung  gelten  lassen  und  haben  eine  mehijahrige  Beobach- 
tung für  uns,  die  gerade  in  dieser  Richtung  von  keinem  Vorortheil  getrfibt  war. 
Unter  einer  Masse  von  Beamten  auch  solche  zu  treffen,  die  xn  ihrem  Dienst 
weder  die  nöthigen  Kenntnisse,  noch  das  Verständnis  haben,  liegt  in  der  Natur 
der  Sache ;  wir  haben  aber  in  Dalmatien  auch  eine  große  Zahl  töchtiger  und 
ehrenwerter  Männer  im  Dienste  des  Staats  kernten  gelernt,  denen  das  Ver- 
ständnis dessen ,  was  bei  dem  Volke  noth  thut  und  der  ernste  Wille  daf&r  xa 
Wirken,  nicht  fehlte,  und  wenn  sie  im  Großen  und  Ganzen  dennoch  nichts  zu- 
stande brachten,  darum  keinen  Vorwurf  verdienen.  Sie  wurden  durch  die 
Fehler  der  Kegierungsmaschine  brach  gelegt.  Von  WQrdenträgera 
italienischer  Zunge  aber,  die  sich  das  slavische  Landvolk  zum  Opfer  ihrer 
Quälerei  ausersehen,  dürfte  der  Verfasser  selbst  abschen,  wenn  er  er&hrt,  dass 
im  Beamtenstaude  von  Dalmatien  nur  ein  verschwindender  Bruchtheil  aus 
Männern  italienischer  Zuiige  besteht,  die  übrigen  in  überwiegender  Mehr- 
zahl entweder  £ingeborne  >-  also  Slaven  —  oder  Deutsche  sind  und 
folglich  die  Plackereien,  wenn  sie  wirklich  stattfinden,  so  wenig  dies  uns 
Deutschen  gefallen  mag.  entweder  den  eingebornen  oder  den  deutschen  Beamten 
müssen  iu  die  Schuhe  geschobeu  werden. 

Dass  Dalmatien  unter  den  Franzosen,  wenn  es  länger  unter  ihrer  Herr- 
schaft geblieben  wäre,  eine  das  Volks  wohl  mehr  berücksichtigende  Administration 
gefunden  hätte,  wird  dem  Verfasser  ein  gebildeter  Daimate,  der  die  Geschichte 
jener  Occupatiou  kennt,  schwerlich  gelten  lassen.  Was  unter  französischer 
Herrschaft,  mit  Ausnahme  der  Straßen,  die  von  der  Strathegie  geboten  waren, 
für  das  Dalmatinervolk  geschah,  entsprang  nicht  dem  Hirn  Marmonts,  wie- 
wol  er  dem  Ruhm  davon  hatte,  sondern  dem  Verstand  und  wolwolienden  Üenea 
eines  Italieners,  des  Grafen  Vinc.  Dandolo,  den  Napoleon  zum  Prove- 
dittore  generale  der  besetzten  Provinz  gemacht  hatte  und  der  Volkswirt 
von  Berut  war.  Und  gegen  welchen  ieiud  i-r  bei  seinen  humanen  Bestrebungen 
zu  kämpf  n  hatte,  zeigen  am  besten  die  zum  Waldschutz  bestimmten  »boschi 
sacri,»  nämlich  Gehölze,  die  er  mit  Heiligenbildern  schmücken  und  mit  kirch- 
licher Weihe  versehen  ließ,  um  sie  gegen  die  Zerstörung  durch  die  Einge- 
bornen zu  schützen  und  trotz  dieses  Appels  au  die  religiöse  Scheu  dennoch 
nicht  vor  ^Verwüstung  bewahren  konnte.  Und  gerade  die  Schöpfungen  Dandolo's 
in  Bezug  auf  Weinbau,  Seidenzucht  und  Oelpflanzungen  wurden  in  den  ersten 
Jahren  der  österreichischen  Herrschaft  mit  großer  Vorliebe  gehegt,  da  zufallig 
ein  gleichgesinnter  Deutscher,  Forstdirector  Kargel,  seine  Erfahrung  und 
Mühe  zur  Vertagung  stellte.  £r  lebt  noch  in  gutem  Andenken  bei  vielen ;  aber 
seine  guten  Absichten  sind  wie  die  des  Grafen  Dandolo  an  demselben  Hemm- 
nis zu  nichte  geworden,  welches  jeder  humanen  Idee  entgegenwirkt,  au  der 
Verwahrlosung  des  Volkes  von  Jugend  auf.  Für  wahre  Volksbildung 
wurde  von  den  Franzosen  nicht  mehr  gethan,  als  von  den  Oesterreichern,  nur 
mit  dem  Unterschied,  dass  die  Franzosen  kaum  Zeit  im  Lande  hatten,  die 
rechten  Mittel  dazu  zu  suchen,  die  Oesterreicher  aber  wol  Zeit  genug  gehabt 
hätten,  sie  zu  finden. 

Eine  zweite  Bemerkung  betrifft  die  Frage,  wie  den  Dalmatinern^  wenn 
man  Scheinmittel  außer  Rechnung  stellt,  im  wahren  Sinne  des  Wortes  anfisu- 
faelfen  wäre.  Ein  Volk,  das  an  einen  Küstenstrich  ohne  Hinterland  ange- 
wiesen ist,  wäre  auch  dann,  wenn  dieser  Küstenstrich  die  Bedingungen  zur 
agricolen  Bewirtschaftung  in  vollem  Maß  l)öte,  in  erster  Linie  nicht  geeignet, 
durch  ländliche  Beschäftigung  seine  Interessen  befriedigt  oder  gehoben  zu  finden. 
Es  hieße  den  Einfluss  der  geographischen  Lage  auf  die  Natur  des  Menschen 
leugnen,  wenn  man  das  glaubte.  So  weit  die  Geschichte  Kflstenvölker  nennt, 
bezeichnet  sie  in  den  Anfängen  ihrer  Entwicklung  Erwerbszweige,  die  mit  der 
Lage  am  Meer  in  der  nächsten  Beziehung  stehen ,  1'  ischfang,  Schiffahrt  und 
Schiffbau,  Küstenhandel,  aus  dem  unter  günstigen  Umständen  ein  Handel  Ober 
die  Küste  hinaus  wurde.  Man  sagt  den  Dalmatinern  ohne  Unterschied  des 
Landstrichs,  wo  sie  wohnen,  nach,  dass  sie  geborene  Matrosen  seien.  Wir 
Wünschten,  dass  sie  anch  erzogene  Matrosen  wären,   dass   der  Staat  ihnen 


367 

dwch  grOndliclie  Verbesaeraog  der  Schulen  und  namentlich  dnrch  Begansti- 
gnng  and  Verbreitung  jenes  Unterrichts,  der  den  Seemann  erwerbstücbtig  macht, 
adion  in  der  Jugend  die  Bahn  ebnete,  auf  der  sie  ihre  Kraft  zu  Qbeu  vou  der 
Natur  angewiesen  sind.  Der  gebildete  Seemann  würde  bei  freien  Institutionen 
auch  die  Mittel  finden,  die  er  zur  Verbesserung  seiner  heimatlichen  Zustände 
zu  benutzen  hat.  B. 

Schriften  der  historisch-statistischen Section  derk.  k.  mährisch- 
schlesischen  Gesellschaft  zur  Beförderung  des  Ackerbaues,  der 
Natur-  und  Landeskunde,  redigiert  von  Christian  K.  d'Elvert. 
XIX.  Band.  Urfinn  1870. 

Der  vorliegende  Band  dieser  trefflich  redigierten  Publication  enthält 
Monographien  Ul^r  verschiedene  Industriezweige  in  Mähren  und  Schlesien, 
und  zwar  über  die  Schafwollenwaren,  Leinwaren,  Baumwollwaren,  Seiden- 
zucht und  Seidenwaaren,  Erzeugung  gegorner  und  gebrannter  Flässigkeiten 
(Bier-,  Branntwein,  Essig)  und  die  Kulanz uckeriäbrication,  nebst  einzelnen  die 
Industrie  dieser  Länder  betreffenden  Rechtsfragen. 

Der  Leser  würde  aber  irren,  wenn  er  in  dem  Gebotenen  einen  statisti- 
schen Bericht  über  diese  Industriezweige  in  der  gewohnten  Form  suchte.  Der 
Verfosser,  in  welchem  wir  den  durch  seine  Verdienste  um  die  Geschichte  von 
Mähren  und  Schlesien  hochverdienten  Kedacteur  zu  bezeichnen  haben,  stellt 
sich  eine  höhere,  und  wie  uns  dünkt,  höchst  interessante  Aufgabe,  indem  er 
die  GesZhichte  jedes  einzelnen  Industriezweiges  in  seinem  Lande  bis  auf  die 
Anfinge  verfolgt  und  auf  diese  Art  die  gewerbliche  Entwicklung  in  den 
Rahmen  eines  lehrreichen  und  anziehenden  Culturbildes  fasst.  Damit  recht- 
fertigt sich  auch  der  besondere  Theil  dieses  Bandes:  Zur  Culturgeschichte 
von  Mähren  und  Schlesien.  Er  ist  der  dritte  in  der  Reihe,  und  soll  nicht 
der  letzte  sein.  Im  ersten  Bande  wurden  die  verheerenden  Einfalle  der  Türken, 
Tataren  und  Ungarn  von  1663—1709  geschildert  und  Beiträge  zur  Geschichte 
des  Bergbaues  und  Hüttenwesens,  der  Gel-,  Leuchtgas-,  Seifen-,  Kerzen-, 
Wachswaren-,  Leim-,  Kunstkaffee-,  Ghokolade-,  SüÜholzsaft- ,  Senf-,  Käse-, 
Stärke-,  Harpuder-,  Mühlen-,  Papier-,  Spielkarten-,  Tapeten-,  Tabak-,  Leder- 
und  Wagenfabrication ,  der  Buch-  und  Steindruckerei,  des  Buch-,  Kunst-  und 
Musicalienhandels,  der  Leihbibliotheken  und  Zeitschriften  geliefert. 

Der  zweite  Band  enthielt  Mittheilungen  zur  Geschichte  des  17.  Jahr- 
hunderts in  den  böhmischen  Ländern,  einer  Zeit^  die  auf  die  Cultur  so  ver- 
nichtend eingewirkt  hat,  insbesondere  der  Rebellion,  Reformation,  des  3üjäh- 
rigen  Krieges  und  der  Neugestaltung  dieser  Länder,  der  eingetreteneu  oder 
angebahnten  gleichförmigen  Umgestaltung  ihres  Rechtslebens. 

Es  ist  sehr  glaublich,  dass  die  Quellen,  wie  der  Verfasser  im  Vorworte 
sagt,  bei  dem  gänzlichen  Mangel  einer  Vorarbeit  mühsam  gesammelt  werden 
mussten.  Er  hat  sie  für  die  ältere  Zeit  Urkundenbflchern,  Chroniken,  geschicht- 
lichen und  topographischen  Werken,  vom  Jahr  1836  ab  gröütentheils  Amts- 
acten  entnommen.  Aber  er  mag  sich  auch  seiner  Arbeit  freuen ,  denn  sie  ist 
in  der  That  ein  glücklicher  Wurf  zu  jenem  Ziele ,  welches  er  sich  selbst  mit 
beherzigenswerten  Worten  vorsteckt. 

^Die  Berechtigung  zur  gleichmäßigen  Beachtung  der  materiellen  Seite 
des  VoUmlebens  wird  kaum  in  Frage  gezogen  werden.  Zu  dem  ideellen  Fort- 
schritte, welchen  nach  langem  Kampfe  Wissenschaft,  Kunst  und  religiöse 
Ueberzeugung  erreicht  hat,  gesellte  sich  in  der  neuen  Zeit  die  Industrie 
mit  der  Macht  einer  Thatsache,  deren  Hilf^uellen  alle  Verhältnisse  des  Lebens 
durchdringen,  die  nicht  den  Gedanken  erdrücken,  nicht  allein  der  Herrschaft 
materieller  Interessen  dienen,  nicht  allein  die  Aristokratie  des  Geldes  herbei- 
führen soll,  sondern  auch  zur  Regelung  durch  eine  sittliche  Grundlage  auf- 
fordert. Nur  vereint  mit  der  Humanität  und  im  Dienste  derselben  soll  die 
Industrie  ihre  maülosen  Kräfte  entwickeln,  da  sie  sonst  nur  den  Umsturz  jeder 
rein  menschlichen  Bildung  bezwecken  müüte.^  B. 


368 

Karten  des  hydrographischen  Amts  der  britischen  Admiralit&t,  yon 

April  1869  bis  Februar  1870,  welche  der  geographischen  Gesellschaft 
so  eben  durch  die  königl.  britische  Admiralität  zugemittelt  wurden. 

1.  I'ortugiesisch-Bpanische  Küste  vom  Gap.  S.  Vincent  bis  Gibraltar. 

2.  Die  Halbinsel  von  Gibraltar  im  großen  Maßstabe. 

3.  Port  Said  in  Aegypten  in  großem  Maßstabe 

4.  Küste  Labrador  vom  Gap  St.  Gharles  bis  zur  Sandwich-Bai. 
Mit  3  Nebenkarten. 

5.  Kabelkarte  des  atlantischen  Oceans  mit  sämmtlichen  Tiefe- 
messungen aller  Positionen  und  zahlreichen  Profilen.  Größte  Tiefe  2760  Fadeo. 

6.  Insel  Trinidad  und  der  Paria-Golf.  2  Blätter  mit  vielen  Höhe- 
angaben. 

7.  Die  engl ish  na rro WS  und  anliegende  Ankerpl&tze  au  der  Sfidwest- 
kttste  von  Süd- America,  mit  2  Probekarten  (Magenta-Bai). 

8.  Häfen  der  Magellanstraße :  Gollant  Pt.,  Tamin  Pt.,  Wood-Bai, 
St.  Niclas-Bai. 

9.  Die  Goquimbo-Bai  und  der  Hafen  Herradura  in  Ghile. 

10.  Das  Westende  der  Vancouver  Insel  mit  dem  Goleta-Ganal  und 
den  Einfahrten  in  den  König  in  Gharlotte-Sund. 

li.  Der  Eli  sab  et- Hafen  an  der  SW.-Küste  von  Afirica,  in  der 
Allgoa-Bai. 

12.  Die  ^üdwestküste  (Kaffer-Küste)  von  Africa  von  der  Waterloo^ 
Bai  bis  zum  ß as h e a-  Flusse. 

13.  Karte  des  indischen  Oceans  und  des  westlichen  Theiles 
des  großen  Oceans.  Mit  den  Gurven  der  Misweisung  der  Magnetnadel 
für  1870.  Reicht  von  den  Macdouald-  und  Macguarie-Inscln  bis  zum  Gap  Lo- 
patka  in  Kamtschatka  und  von  10^  bis  160  östl.  Länge  von  Greenwich. 

14.  Der  Kar&chi- Hafen  an  der  Westküste  von  Ostindien  (Sindb)  im 
Norden  der  Indusmünduug. 

1$.  Die  Rh io -Straße  im  chinesischen   Meere   (Zufahrt  nach  Singapur). 

16.  Die  Inselgruppe  der  Philippinen  von  der  MolukkenstraBe  bis 
Manila.  (Nach  den  Aufoahmen  des  spanischen  Gapitans  Montero  v.  J.  1868.) 

17.  Die  Küste  von  Gochinchina  vom  Saigonflnss  bis  zur  Phan- 
Rang-Bai. 

1 8.  Die  (flache)  Westküste  von  F o r m o s a  mit  dem  Ganal  Pescadores. 
19  bis  22.  Küstenkarten  der  Insel  Kiusin  (Japan.)  Sagitsu-no-ura, 

Hafen  Yobnko,  Eingang  zur  Straße  Hirado-no-Seto  (Spex-Str.)  mit  dem 
Hafen  Yebukuro  -  no- minato ,  Küste  von  Atsusi-no-O-sima  bis 
Mats-sima. 

23.  Mandchureiküste  vom  Flusse  Tumen-Ula  bis  znr  Strelski-Bai 
(Bai  Peter  des  Großen,   Amur- Bai  etc.  nach  mssischen  Aufnahmen  v.  J.  186S.) 

24.  Hafen  von  Adelaide  in  Süd  Australien. 

25.  Hafen  Steohcns  in  Ncu-Süd  Wales  in  Ost- Australien. 

26.  Küste  von  Ost- Australien  vom  Danger  Point  bis  Gap  Moreton. 

27.  28.  Die  Moreton -Bai  in  Ost- Australien.  2  Bl&tter. 
29.  Marque  aas -Inseln  mit  Hafenplänen. 

Außer  diesen  höchst  wertvollen  Karten,  (mit  Ausnahme  der  Bl&tter 
2t  8,  9,  II,  19,  20  u.  24  im  größten  Folioformat)  hat  die  britische  Admiraütftt 
der  k.  k.  geogr.  Gesellschaft  auch  folgende  in  derselben  Periode  veröffentlichte 
Druckwerke  zum  Geschenke  gemacht 

1.  Flutentafeln  für  die  britischen  und  irländischen  Häfen  und  ftlr  die 
vorzüglichsten  Häfen  der  £rde  für  1870  in  2  Verzeichnissen,  sowol  geo- 
graphisch als  alphabetisch  geordnet."^) 

2.  Nordsee-Pilot.  (Ostküste  von  England.) 

3.  Ganal-Pilot.  (Süd  und  Südwestküste  von  England.) 

4.  Segelweisung  für  den  Bristol- Ganal,  mit  einer  Fhitkarte  desselben 
durch  Bereicherung  mit  so  vielen  aus  Original -Aufnahmen  herrührenden  See- 
karten und  practischen  Handbüchern  wird  die  Bibliothek  der  Gesellschaft  nicht 


*)  Die  Zahl  der  Localaugaben  übersteigt  3000,  wovon  circa  7«  auf  die 
brit.  Inseln  kommen. 


369 

nur  eine  hockniscIiftUeDcie  Fundgrobe  für  den  Hydrographen  von  Fach,  sondern 
auch  dordi  die  auf  den  Uebersichtskarten  und  bei  andern  sich  darbietenden 
Gelegenheiten  enthaltenen  Daten  aus  der  physikalischen  Geogi'aphie  für  das 
Studium  der  Erdkunde  überhaupt,  und  ist  es  nur  zu  wünschen,  dass  dieser 
angehäufte  Schati  kein  toter  bleibe,  sondern  so  sehr  benutzt  werde,  als  er 
es  verdient  —  s  — 

Wandkarte  der  Schweiz  von  J.  M.  Ziegler.  Neue  Ausgabe.  8  Bl. 
Gr.  Folio  im  Maße  von  Voi/oöö*  Winterthur  bei  Wurster  und  Rand- 
egger  1870. 

Wenige  L&nder  in  Europa  werden  sich  bezüglich  der  kartographischen 
Darstellung  mit  der  Schweiz  messen  können,  nicht  nur  was  die  Masse,  sondern 
auch  die  Güte  der  Arbeiten  betrifft.  Die  Schweiz  erfreut  sich  einer  großen 
Zahl  topographischer  Specialkarten,  aus  guten  Aufnahmen  hervorgegangen,  mit 
Höheucurven  und  höchst  zahlreicher  Höhencotierung  versehen;  nicht  minder  ist 
eine  ansehnliche  Zahl  guter  Geueralkarten,  größeren  und  kleineren  Maßes 
hervorgegangen,  in  mehreren  und  einem  Blatte  für  die  Schule,  für  Heisende, 
f^  andere  Zwecke,  von  welchen  sehr  viele  eine  ehrenvolle  Erwähnung  ver- 
dienen. Unter  diese  muß  auch  die  oben  bezeichnete  Wandkarte  gerechnet 
werden,  welche  schon  bei  ihrem  ersten  Erscheinen  als  ein  Muster  in  dieser 
Gattung  mit  Recht  gepriesen  wurde,  und  nun  in  einer  neuen  Ausgabe  ihren 
alten  Ruf  bewährt.  Die  jetzige  Ausgabe  unterscheidet  sich  von  der  früheren, 
Nachträge  an  Bahnen,  Straßen  etc.  abgerechnet,  durch  die  Unterstützung  der 
Wirkung  der  Schraffen  durch  Kreideschummerung,  wodurch  selbstverständlich 
die    Massen  noch  kräftiger  hervortreten. 

Nach  Ziegler^s  richtigen  Gruudsätzeu  muß  bei  einer  Generalkarte  und 
noch  mehr  bei  einer  für  den  Schulgebrauch  bestimmten  Wandkarte  jeder  all- 
gemeine Charakter  der  Erhebungen  vorzugsweise  anschaulich  gemacht, 
c.  B.  der  steilere  Südabfall  der  Alpen,  des  Jura,  die  Pässe  etc.  Das  Detail 
muß  zurücktreten,  um  den  Typus  im  Großen  erkennen  zu  machen.  In  diesem 
Geiste  ist  die  Karte  gearbeitet  und  ihre  plastische  Wirkung  unbestreitbar. 
Diese  ftUt  bei  einem  Vergleich  der  gleich  großen  Wandkarte  von  Keller 
(gestochen  von  Leuzinger  in  Bern,  besonders  auf  und  es  gewährt  ein  Interesse 
eigener  Art^  beide  Arbeiten  mit  einander  vergleichen  zu  können.  Keller's 
höchst  practische  Reisekarte  der  Schweiz  ist  in  weitesten  Preisen  bekannt,  die 
Wandkarte  möchte  ich  die  ins  Große  übersetzte  Reisekarte  nennen,  zu  sehr 
gleicht  sie  in  ihrem  ganzen  Verhalten  dieser.  Das  fast  überkräftige  Marquieren 
der  Kämme  schädigt  den  Eindruck  der  Massen,  und  die  blaue  Färbung  der 
Rücken  muß  genügen,  um  auf  ihre  Bedeckung  mit  Fimfeldern  schließen  zu  können. 
Dasa  bei  solcher  principieller  Verschiedenheit  der  Darstellungsweise  Ziegler's  Karte 
der  Katur  in  demselben  Grade  näher  kommt'  als  Leuzinger's  Zeichnung  sich  von 
ihr  entfernt,  bedarf  wol  keines  Beweises.  Erstere  vermag  schon  zufolge  der  braunen 
Fartoe  der  b  elsrippen  die  Wirkung  der  andern  in  schwarz  erscheinenden  kräftigen 
Schattierung  nicht  zu  erreichen,  so  dass  die  oft  sehr  beträchtliche  Undulation 
in  der  Eis-  und  Schneeregion  etwas  verflacht  vor  At|gen  tritt.  Allein  wenn  auch 
das  Bild  einigermaßen  abgeschwächt  erscheint,  so  hat  es  doch  den  natur- 
gemäßen Ausdruck,  während  Keller's  Karte  plastisch  ausgeführt  ihn  verläugnen 
würde.*)  Jedoch  ist  dieser  Mangel  an  Natm-wahrheit  dem  Zwecke  der 
Keller'schen  Karte  nicht  abträglich,  während  der  Schüler  durch  dieselbe  kaum 
eine  richtige  Vorstellung  des  Gepräges  der  Hochgebirgsregion  erhalten  würde. 
Außerdem  hat  Keller's  lüirte  manches  für  sich,  das  in  Beziehung  auf  bequeme 


*)  Es  ist  nicht  uninteressant,  auch  andere  Kai-ten  besserer  Gattiug  zum 
Vergleiche  heranzuziehen,  z.  B.  aie  orographische  Karte  von  Groß  in  4  Bl., 
die  Karte  von  Graef  im  Weimarer  Atlas,  die  Karte  von  C.Vogel  im  Stieler  *schen 
Atlas  u.  a.  Es  zeigt  sich  durch  die  stellenweise  mehr  und  weniger  bedeu- 
tenden Abweichungen,  wie  sehr  die  verschiedene  Auffassung  der  Zeichner  die 
Darstellung  beeinflusst,  und  welche  Schwierigkeiten  die  Aufgabe  der  Reduction 
ins  Kleine,  mit  anderen  Worten,  die  Generalisierung  des  Terrains  mit 
sich  bringt. 

MittheilaDgeo  d.  geogr.  OmeU.  1870.  8.  24 


370 

Lesbarkeit  der  Namen  im  Gebirge  und  andere  nicht  zo  untersch&tEende  Rfiek- 
sichten  F^eachtung  verdient.  Ziegler  hat  durch  Zeichen  and  Schrift  die  stark- 
bevölkerten  Orte  ausgezeichnet,  auch  Pfarr-  und  andere  Dörfer  unterschirdeu. 

Wandkarte,  Handkarte  und  Schnlkarte  des  Gantons 
Zürich  von  J.  M.  Ziegler.  Winterthur  bei  Wurster  und  Rand- 
egger  1870. 

Die  drei  Karten  stehen  in  der  innigsten  Wechselwirkung  zu  einander, 
sie  sind  in  gleichem  Geiste  durchgeführt  und  nur  durch  die  gröbere  oder  ge- 
ringere Ausführlichkeit  unterschieden.  Die  Wandkarte  in  6  großen  Blättern 
im  Farbendruck,  im  Mai5e  von  1  zu  40000  der  Natur  gewährt  ein  höchst  an- 
sprechendes und  anschauliches  Bild  aus  der  Ferne  und  in  der  Nähe.  Das 
Terrain  zeigt  Schichten,  die  von  lUO  zu  lOO  Meter  gezogen  sind,  von  10  zu 
Im  Meter  durch  das  Absetzen  der  Schrafifen  unterschieden  werden  können; 
zahlreiche  Höheiicoten  erleichtern  die  nnmerische  Schätzung  der  Erbebungeo. 
Die  ganze  Anlage  ist  klar,  und  fOr  den  Zweck  wohl  berechnet. 

Die  Handkarte  leistet  im  Foliofbrmat,  in  kleinerer  Schrift  nnd  feinerer 
Ausarbeitung  die  gleichen  Dienste  wie  die  Wandkarte,  nnd  ist  im  MtSa  von 
1  zu  125.000  der  Natur  entworfen. 

Die  Schul  karte  im  Maüe  von  sIoolTö  ^^^  natürlich  im  Inhalte  entsprechend 
reduciert,  und  hat  auch  einen  stummen  Hegleiter  zur  S(*ite,  um  auch  auf  diese 
Weise  dem  Unterrichte  bestens  zu  dienen.  Um  sie  auch  dem  Aermstrn  zo- 
gänglich  zu  machen,  wird  sie  für  fünf  Centimen  verkauft,  was  nach  unserem 
Gelde  2  kr.  entspricht.  Wohl  dem  Lande,  wo  es  keines  Zwanges  der  Schuld 
behörde  bedarf,  um  durch  den  reichlichen  Absatz  so  spottbillige  Preise  zu  er- 
möglichen. —  s  — 

„Term^szettudomänyi  Közlöny".  Naturwissenschaftliche 
Mittheilungen,  Monatsschrift  zur  Verbreitung  allgemein  interessanter 
Kenntnisse;  herausgegeben  vom  naturwissenschaftlichen  Verein  zn  Pest, 
und  redigiert  vom  Vereinssecretär, Koloman  Szily.  1.  Band.  (1. — 9.  Heft] 

Politische  Entwicklung  bringt  naturgemäß  höheres  Streben  anf  wissen- 
schaftlichem (iebiete.  Auch  unsere  transleithanischen  Nachbarn  folgen  dieser 
Noth wendigkeit.  Des  vorliegenden  Bandes  Einleitung  hebt  hervor,  dass  in 
Bezug  auf  die  Naturwissenschaften  in  Ungarn  erst  Bahn  gebrochen  werden 
müsse;  dieser  zwar  schweren  aber  doch  lohnenden  Aufgabe  sollen  die  Mitüiei- 
lungen  des  neuen  Vereines  gerecht  werden,  und  wir  müssen  dem  Beginne,  den 
wir  in  dem  umfangreichen  Bande  vor  uns  sehen,  warme  Anerkennung  zollen 
Unter  den  größeren  Artikeln  fallen  uns  zuerst  Uebersetzungeu  von  Arbeiten 
eines  Brühl,  Büchner,  Helmboltjs,  Kadau  und  Vogt  in  die  Augen,  welche 
beweisen,  dass  die  Mitarbeiter  des  »Termeszettudomänyi  Közlöny-  in  der 
Erkenntniss  auf  der  Höhe  der  heutigen  Wissenschaft  stehen.  * 

Doch  auch  dankenswerte  Original-Arbeiten  enthalten  die  Mittiieiluugen, 
unter  welchen  wir  als  wertvolle  Beiträge  zur  Länderkunde  hervorbeben :  Der  Ein 
fluss  der  Theissregn  lierung  auf  den  ungarischen  Boden,  von 
Ladislaus  Dapsy;  das  Karpatenbad  Sziuuye-Lip6cz,  von  Johann 
Molnär;  und  Karpate nbilder  von  Nikolaus  Szontägfa  (sie)  mit  ausfilhr- 
licher  Schilderung  der  Karpatenflora.  —  d. 

„Index     alphabeticus     codicis     diplomatici    Hungariae     per 
Georgium  Fej^r  editi."  Concinnavit  Maurus  Czinär. 

Es  ist  bekannt,  wie  zeitraubend  nnd  mQhevoll  das  Studium  der  umfang- 
reichen, für  die  Gescnichte  Ungarns  so  außerordentlich  wertvollen  Urkunden- 
Sammlung,  von  Qeorg  Fej^r  war,  da  dieselbe  eines  Sachregistei-s  vollBtäudig 
entbehrte. 

Die  tüchtige  Arbeit  des  gelehrten  Benedictinermönches  Moriz  Csinir, 
welche  diesen  Uebelgtand  hebt,  liegt  in  einem  stattlichen  und  hervorragend 
correcten  Bande  von  mehr  denn  öOO  Seiten  vor  uns.  Wir  machen  alle  freunde 
der  Länder-    und   Völkerkunde  auf  dieses  Register   besonders  aufmerksam,  da 


371 

ein  großer  Theil  der  angeiiQbrten  Artikel  von  bervorri^ndera  Interesse  für 
doii  Forscher  auf  diesc^n  (iebieten  ist.  Das  Werk  ist  im  Auftrage  der  ungari- 
schen Academie  der  Wissenschaften  verfasst  uud  schließt  sich  auch  in  der 
iufieren  Ausstatfnug  den  PublicaHonen  dieses  Institutes  an.  Der  Preis  ist 
3  fl.  üst.  Währ.  *  —  d. 


Kleine  Literatur  4. 

Repertoriuxn  geographischer  Aufsätze  aus  periodischen  Schriften. 
(Yergl.  Jahrg.  1868  und  1869  unserer  Mittheilungen.) 

Arctische  Zone. 

Lamoiit,  Northpolarexpedition  (Proceed.  of  the  Royal  geograph.  Society 
London  1869). 

Hamilton,  Open  Water  in  the  Polar  Bassin  (Proceed.  of  the  Royal 
geograph.  Society  London  1869i. 

Nordenskiold  and  von  Otter.  Swedish  North  Polar  Expedition 
1868  (Proceed.  of  the  Roy.  geograph.  Society  London  1869>. 

Deutsche  Nordpolexpedition  vom  J.  1869  (Ausland  1869). 

Das  Relief  des  Eismeerbodens  bei  Spitzbergen.  Nach  den  Tiefsee- 
messungeu  der  schwedischen  Expedition  unter  Nordenskiold  und  v.  Otter  1868. 
Mit  Karte.  (Petermann  Mittheil.  1870.  4.) 

A  f  r  i  c  a. 

Egli  J.  Entdeckung  der  Nilquelled.  (Vierteljahrschrift  der  naturforsch. 
Gesellseh.  in  Zürich.  12.  Jahrgang  1867.) 

Y(^ung,  Report  of  Livingstone  search  Expedition. 

Markham,  Portuguese  Expeditions  to  Abyssinia. 

Markham,  Geographica!  results  ofAbyssiuian  Expedition. 

(The  Journal  of  the  Roy.  geogr.  society  vol.  38.  London  1868). 

Morland  Henry ,  Gleanings  as  to  the  Present  State  of  Abyssinia, 
and  a  short  Account  of  a  visit  to  the  Hot  Springs  of  Ailaat  (Transactions 
of  the  Bombay  Geographica!  society  vol.  18.  Bombay  1868). 

Die  geographischen  Ergebnisse  des  englischen  Feldzuges  in  Abyssi- 
nieo  (Petermann  Mittheilungen  1869.  4). 

Halevy  Jos.  Excursion  chez  les  falasha  en  Abyssinie  ^Bullet,  d.  L 
Boci^te  de  Geographie  Paris  Mars  Avril  1869). 

Schweinfurthy  Skizze  eines  neuen  Weges  von  Suakin  nach  Berber 
im  Sept.  1868  (Petermann,  Mittheilungen  8.  1869). 

Schweinfurth,  von  der  Meschera  des  Bachr-el-Ghasal  zu  den 
Seriben  des  Ghattas  und  Streifzüge  zwischen  Tondy"  und  Djur.  Mit  Karte 
(ZeiUschrift  4  Gesellsch   für  Erdkunde.  Berlin  1870). 

Ferand  C. ,  Kitab  el  Adouani  ou  le  Sahara  de  Constantine  et  de 
Tunis  (Reccueil  des  notices  et  memoires  de  la  soci^t^  archeologique  de  la 
Pro  vi  nee  Constantine  1868). 

Manch,  dritte  Reise  im  Innern  von  Africa  8.  Mai  bis  18.  October  1868 
(Petermann,  Mittheilungen  1869.  4). 

Manch,  Reisen  im  Innern  von  Süd- Africa  (Petermann,  Mittheil.  1.  3. 

1870). 

Cooley  W.  D.,  Memoire  sur  la  Tacuy  de  Barros.  Traduit  de  Tanglais 
avec  notes  par  M.  Antoine  d'Abbadie  «Bull,  de  la  soci^t^  de  Geographie. 
Sept.  1869,  Paris  f869). 

Hahn  Josephat.  Die  Ovahererö   (Zeitschr.  far  Erdkunde.    Berlin  1869). 

Bohlfs,  Bengasi  Ausland  1869).  —  Sabratha  (Ausland  1869).  —  Die 
Japiter-Ammons-Oase  (Ausland  1869).  —  Audjila  und  Djalo  (Ausland  1869\  — 
—  Zur  Karte  der  Oase  des  Jupiter  Ammon  (Zeitschr.  für  Erdkunde.  Berlin 
1869). 

Overzier,  Dr.  L.,  Südafricanische  Skizzen  (Gaea  1869.  V.  3). 

Mohr  Eduard  astronomisch-geognostische  Expedition  in  Südafirica 
(Petermaun  Mittheilungen  7.  8.  1869;. 

24* 


m 

Aymes  A.  R^sum6  du  YOyage  d^exploration  de  l'Ogöou^  (Bull.  d.i. 
Boci^t^  de  Geographie  Paris  Jain  18iß9). 

Magno  de  Castüho  Alex.,  Premiere  etude  sur  les  colonnes  ou  monu- 
ments  commemoratifs  des  decouvertes  porlugaises  en  AMque  (Etudes  historico- 
geographiques.  Lisbonne  1869). 

Gatell  Joachim,  L'Oaad-roun  et  le  Tekna  &  la  c6te  occidentale  da 
Maroc  (Bull  de  la  Soci^t^  de  Geographie  Paris  October  1869). 

Craig  J.  (Jn  apergu  du  Maroc  (Bull,  de  la  soci^t^  de  Geographie. 
Paris  1870). 

Pictet-de  Bochemont.  L'Afnque  centrale,  Memoire  sur  les  demiers 
voyages  d'Antinori  et  Piaggia  (Le  Globe,  Journal  g^ographique,  Gen^ve  1869i. 

Nachtigal  Relation  de  la  mort  de  Mademoiselle  Alexina  Tinne  et 
voyage  au  Tibesti  (lettre  a  M.  Henri  Duveyrier.  Bullet  de  la  soci^t^  de 
Geographie  Paris  Feorier  1870). 

Nachtigall,  Reise  nach  Tibesti,  aus  brieflichen  Mittheilungen.  (Zeit- 
schrift für  Erdkunde.  Beriin  1870.>. 

Ha e ekel  Ernst,  eine  Besteigung  des  Pik  von  Teneriffa  (Zeitschrift  für 
Erdkunde.  Berlin  1870). 

America. 

Waddington  Greography  and  Mountain  Passes  British-Columbia. 

Whymper  Toumey  in  Alaska,  russian  America. 

Raimondi  Confluence  of  the  Mantaro  and  Apurimac. 

(Journal  of  the  Royal  geographica!  society  Vol.  38.  London  18G8.) 

De  P u y  d t  Scientific  explorations  in  the  Isthmus  of  Darien  (the  Journal 
of  the  Roy.  geogr.  society,  Yolume  38  London  1868). 

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Juillet— Octobre.) 

—  Chemin  de  fer  pour  Punion  de  V  Atiantique  et  du  Pacifique  (Le 
Globe.  Genove  1869j. 

Panama,  Nicaragua  und  Mosquitia  (Ausland  1869). 

Lallemant  Dr.  R.  Avd.  Der  Rio  de  S.  Francisco  in  Brasilien  ^Gaea 
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Poe  seh  1  Theodor,  die  americanischen  Eisenbahnen  nach  dem  Pacific. 
(Petermann  Mittheilungen  1869.) 

Pacific -Eisenbahn,  Einfluss  der,  auf  den  Gang  des  Welthandels  (^Aus- 
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Engel  Fr.  Die  Küste  von  Caracas  (Zeitschrift  für  Erdkunde.  Berlin  1869). 

Sumidcrast  F.  The  Greographical  distribution  of  the  native  birds  of 
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read  before  the  Boston  society  of  Natural  History  Vol.  1  Part  4.  Boston  1869.) 

Frantzius  Dr.  A.  v.  Der  südöstliche  Theil  der  Republik  Costarica 
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Physical  Geography  of  the  Colorado  Bassin  (Proceed.  of  the  Royal 
gcograph.  Society  London  1869). 

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Simonin,  Fhomme  am^ricain.  Notes  d'ethnologie  et  de  linguistiqoe 
sur  les  Indiens  des  Etats-Unis.  (Bullet,  de  la  society  de  Geographie.  Paris 
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Denis  Ferd.  Note  sur  la  navigation  int^rieure  du  Bresil.  (Bull,  de  la 
soci^t^  de  Geographie,  Paris  1870.) 

L^vy  P.  Le  Nicaragua  (Bull,  de  la  soci6t6  de  Geographie  Paris  1870). 

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373 

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Mich i  11.  The'Jaxartes  or  Syr-Daria. 

(Journal  of  the  royal  geograph.  society  Vol.  38.  London  1868.) 

Goldsmid  F.  J.,  Report  on  an  Overland  Jonrney  from  Bagdad  lo 
Constantinoper,  through  torkish  Arabia  and  Asia  Minor.  Contributed  by  Go- 
vernment. ^Transactions  of  the  Bombay  Geographica!  Society,  vol.  18.  Bom- 
bay 1868.) 

Plath  J.  H.  China  vor  4000  Jahren  (Sitzungsb.  d.  königl.  baierschen 
Academie  d.  Wissenschaften  1869.  1  Heft  11). 

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k.  baierschen  Aciäemie  der  Wissenschaft.  1  Bd.  3.  Abth.  München  1868.) 

Garnier  Francis.  Episode  du  voyage  d'exploration  dans  l'Indo-Chine. 
(Bullet  de  la  aod^t^  de  Geographie.  Paris,  Mai  1869.) 

Von  Hinterindien  nach  China.  Ueber  die  französische  Mekhong-Expedi- 
tion  (Petermann,  Mitth.  1869). 

Central-Asien,  die  neuesten  russischen  Forschungen  in  —  (Petermann 
Mitth.  1869.  V.) 

Händzsche  Dr.  J.  C.  Specialstatistik  von  Persien.  (Zeitschrift  für 
Erdkunde.  Berlin  1869.) 

Cotta  Bernhard  von.  Der  Altai.  (Ausland  1869.) 

Garnier  M.,  lieutenant  de  vaisseau.  Voyage  d'exploration  en  Indo-Chine 
(Revue  maritime  et  coloniale.  Juin  1869). 

Yaelkel  M.  B.,  Samarkand,  traduit  de  Tlnvalide  russe  (Bullet,  de  la 
sod^te  de  Geographie,  Paris  Mars  Avril  1869). 

Mar  the  F.  P.  v.  Ssemenofs  Forschungsreisen  in  den  Trans-ilischen 
Alatan  und  zum  Jssyk-Kul  in  den  Jahren  1856  1857.  Nach  dem  Russischen 
(Zeitschr.  d.  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin  1869). 

Richthofe r  Baron  F.  v.  geologische  Untersuchungen  in  China  seit 
September  1868.  (Petermann  Mittheilungen  1869.  9.) 

Skattschkoff  E.  A.  Connaissances  geographiques  des  Chinois.  Ex- 
trait  de  russe  par  P.  Yoelkel  avec  notes  par  G.  Pautier  .Bull,  delasocietö 
de  Geographie  Sept.  1869.  Paris  1869). 

Die  große  und  kleine  Kirgisensteppe  (Ausland  1869). 

Bickmore,  Reisen  durch  Sumatra  (Ausland  1869). 

Freshfield,  Wanderungen  in  Kleinasien  und  im  Kaukasus  (Aus- 
land 1869). 

Die  Gebitgsvölker  von  Tschittagong  r Ausland  1869). 

Neueste  Reisen  und  Forschungen  in  China  (Petermann  Mittheil.  1869). 

Holland  Recent  Sinaitic  Explorations  (Proceed.  of  the  Royal  Geo- 
graph Society.  London  1869). 

Forsyth  Transit  of  Tea  from  N.  W.  India  in  lo  Eastern  Turkestan 
(Proceed.  of  the  Royal  Geograph,  society,  London  1869). 

Montgomerie.  Trans  Himalayan  Explorations  'Proceed.  of  the  Roy. 
geograph.  Society:  London  1869). 

Strecker  Wilh.,  Beiträge  zur  Geographie  von  Hoch-Armenien. 
(Zeitschrift  der  Gesellsch.  für  Erdkunde.  Berlin  1869). 

Mar  the  F.,  Die  Reise  Walichanofs  nach  Kaschgar,  ergänzt  durch 
neue  russische  Reiseberichte.  (Zeitschr.  d.  Gesellscb.  für  Erdkunde.  Berlin  1870). 

Oxenham  C.  E.,  Reise  von  Peking  nach  Han-Kau,  2.  Nov.  bis  14.  De- 
cemb.  1868.  (Petermann  Mitth.  1870.  4.) 

Australien. 

Brigham  William  T.  The  eruption  of  the  Hawaian  voicanoes  1868 
(Memoirs  read  before  the  Boston  society  of  Natural  history.  Vol.  1.  Part.  4. 
Boston  1869). 

Staley.  Eruptions  in  the  Sandvich  Islands.  (Journal  of  the  Royal 
geograph.  society.  Vol.  38.  London  1868. > 

Neu  Guinea.  Deutsche  Rufe  von  den  Antipoden  (Petermann  Mittheil. 
1869). 

Geographische  Forschungen  deutscher  Missionäre  im  Seegebiete  von 
Central- Australien  (Petermann,  Mittheilungen  3.  1870j. 


374 

John  Forrest's  Tagebach  über  eine  Reise  in  West-Australien  1869 
(Petemiann  Mittheil.  1870.  4). 

Bericht  über  die  westaustralische  Expedition  des  Mr.  John  Forrest  zor 
Aufsuchung  der  Spuren  Leichhardts   «Zeitschrift  für  Erdkunde.   Berlin  1870). 

Garnier  Jul.  Les  migrations  Polynesien nes,  leur  origine,  leur  itineraire, 
leur  etendue,  leur  influence  sur  les  Australasiens  de  la  Nouvelle  Caledonie 
(Bull,  de  la  soci^t^  de  Geographie,  Paris  1870). 

Europa. 

Alpen.  St u der,  neue  Eintheilung  des  schweizerischen  Alpengebirges  1869. 
Ger  lach  H.  Die  penninischen  Alpen.  Beiträge  zur  Geologie  der 
Schweiz  (Neue  Denkschriften  der  alig.  Schweiz.  Gesellscb.  tür  die 
gesammten  Naturwissenschaften.  23.  Band.  Zürich  1869). 

Baiern.  Hundt  Friedr.  Hector  Gi-af  v.,  Beitrage  zur  Feststellung  der  histo- 
rischen Ortsnamen  in  Baiern  und  des  ursprünglichen  Besitzes  des 
Hauses  Scheyeru-Wittelsbach  (Abhandl.  der  bist.  Classe  d.  königl. 
Aca<lemie  d.  Wissenschaften.  11.  Bd.  1.  Abth.  München  I8681. 

Bosnien.  Maurer.  Mittheilungen  über  Bosnien  (Ausland  1869». 

England.  Zirkel  Ferdinand,   die  schottischen  Westeilande  (Ausland  1869?. 

Frankreich.  Reade  M.  Wiewood,  la  cote  d'Or.  (Bullet,  d.  1.  societc  de 
Geographie,  Paris,  May  1869). 

Barthillier   de    Beaumont   M.    N.   Arcachon,    son  bassin  et  les 
landes  de  Gascogne  (Le  Globe.  Geneve  1869.) 

Italien.  Apennin,  eine  Ferienreise  über  den  (Ausland  1869). 

Norwegen.  Lorentz  Dr.  P.  G.  Ein  Ausflug  naeh  dem  Sulitelma  (Peter- 
mann, Mittheilungen  1868/9). 

Oesterreich-Ungarn.  Ficker,  Dr.  Adolf.  Die  Völkerst&mme  der  östcrr. 
Ungar.  Monarchie  etc.  Mit  4  Karten.  (Mittheil.  a.  d.  Gebiet  der  Sta- 
tistik XV.  Jahrg.  IV.  Heft  1869.) 

Rheinsberg-Düringsfeld.  Pastroicsin  Dalniati^n  ( Ausland  1869). 

—  Kenner,  Dr.  Friedrich.    Die  Römerorte  in  Niederösterreich.    Mit 
einer  Karte.    (Jahrbuch  für  Landeskunde    von  Niederösterreich  1869;. 

—  K  r  z  i  s  c  h ,  Dr.  J.    Die  Alpen  im  Kreise    unterm    Wiener    Walde. 
(Jahrbuch  für  Laudeskunde  von  Niederösterreich  1869.) 

—  Hof  mann    F.  W.,    Fortschritt    im    Betriebe  der    Bodencultur  in 
Niedeiösterreich.  (Jahrbuch  für  Landeskunde  v.  Niederösterreich  1869.) 

—  Becker    M.  A.    Die  Fischerschen    Eisenwerke  zu   St.  Egyd  am 
Neuwalde.  (Jahrbuch  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  1069.) 

Russland.  Wiedemannn  F.  J.  Les  Ehstes  habitant  parmi  les  Lettes 
en  livonie  dans  les  districts  de  Marienbourg  et  de  Schwanebourg. 
(Bulletin  d.  1.  academie  imp.  des  sciences  de  St.  Petersbourg  tom. 
73.  1868.) 

Das    russische  Lapland     und    seine    Bewohner.     Von    C.    Förster. 
<  Petermann  Mittheilungen  1869.  4.) 

Spanien.  Barcelona  und  die  Katalanen  (Ausland  1869). 

Christ  Wilh.,  Avien  und  die  ältesten  Nachrichten  über  Iberien  und 
die   Westküste  Europas.     (Abhandl.    der   philos.   philolog.  Klasse  der 
k. -baier^schen  Academie  der  Wissenschaften.  1868.1 
Lombard  M.  Alex.   La  terre  de  Bas^n  et  les  villes  des  Rephaims. 
(Le  Globe.  Geneve  Juillet-Octobre  1868). 

Schweiz.  StuderB.  Urographie  der  Schweizer  -  Alpen  (Petermann  Mit- 
theilungen 7.  1869). 

Mathematische  Geographie. 

Struve  Otto,  Beobachtungen  des  großen  Kometen  von  1861.  (Aus 
Memoires  de  1.  Acad.  im  p.  d.  sciences  de  St.  Petersboiurg  7.  Serie  tom.  12. 
Nr.  5.  1868.) 

Stein  heil  C.  A.  v.  Das  Chronoscop,  Instrument  zur  Bestimmung  der 
Zeit  der  Pol  höhe  ohne  Rechnung.  (Abb.  der  königl.  baiersch.  Academie  d. 
Wissenschaften  10.  Band.  2.  Abth.  München  1868.; 


375 

Marsh  B.^Y.  On  the  ^Shooüng  Stars^  as  observed  at  Shanghai  (Pro- 
ceeding  of  the  American  Philosophical  society  held  at  Philadelphia.  Vol.  10. 
1868). 

Lyman  C.  S.  Observations  of  Venus  near  Inferior  Conjunction  (Pro- 
ceet.  of  the  american  assaiation  for  the  avancemeut  of  science,  P.  Meeting  at 
Barlington,  Vermont  1867.  Cambridge  1868). 

Lichtenberger  Dr.  Beobachtungen  der  Abweichung  der  Magnetnadel 
Tom  wahren  Norden  zu  Trier  (Jahresbericht  der  Gesellschaft  für  nützliche 
Forschungen  zu  Trier  von  1865-1868.  Trier  1869  . 

Generalbericht  über  die  europäische  Gradmessung  für  d.  J.  1868. 
Berlin,  Reimer  1869. 

Wissenschaftliche  Begründung*  der  Rechnuugsmethoden  des  Central- 
bureaus  der  europaischen  Gradmessung  (als  Manuscript  gedruckt). 

Gyld^n  Dr.  U.  Untersuchungen  über  die  Constitution  der  Atbmos- 
phäre  und  die  Stralenbrechung  in  derselben  (zwei  Abhandlungen  Aus:  Me- 
moires  de  PAcademie  imp.  des  sciences  de  St.  Petersbonrg  7.  Serie,  tom  12. 
Nr.  4.  1868). 

Hochstetter  Dr.  Ferd.  v.,  die  Erdbebenflut  im  pacifischen  Ocean 
vom  13.  bis  16.  August  1868.  'Petermann  Mittheilungen.  1869.) 

Wild  U.y  über  die  Lichtabsorption  der  Luft.  (Mittheil.  d.  naturforsch. 
Gesellsch.  in  Bern  1869.) 

Rathgeber  Dr.  G.  Ueber  den  Nordpol,  nach  den  Forschungen  des  — 
(Gaea  1869). 

Eayser  E.,  Untersuchung  des  Mondes  hinsichtlich  seiner  ellipsoidi- 
sehen  Gestalt  (Schrift,  d.  naturforsch.  Gesellsch.  in  Danzig,  neue  Folge. 
2.  Band.  1869). 

Freeden  W.  v.,  Die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  der  ersten  deutschen 
Nordfahrt  1868  (Petermann  Mitth.  1869). 

Secchi's  Untersuchungen  über  die  physische  Constitution  der  Sonne 
(Gaea  1869^. 

Müller  Ferd.  Ueber  die  Bestimmung  der  magnetischen  Inclination 
durch  Beobachtungen  außerhalb  des  Meridians.  (Bull,  de  la  soci^t^  imperiale 
d«  Naturalistes  de  Moscou  1870). 

Physicalische  Geographie. 

Ueber  den  Einfluss  des  Bodens  auf  den  Wassergehalt  der  Luft. 
(Sitzungsber.  der  k.  baiersch.  Acadeniie  der  Wissenschafte u  1868.   U.  Heft  4.) 

K  a  n  e  T.  L.  Lome  Remarks  on  a  Map  of  the  Northern  Circumpolar 
Kegions  «Proceed.  of  the  American  philosoph.  society  held  at  Philadelphia 
vol.  h)    1868/. 

Perty  Dr.  Ueber  Georg  Forster,  Cooks  Begleiter  auf  der  Entdeckungs- 
reise von  1772-  75  (Mitth.  d.  naturforsch.  Gesellsch.  in  Bern  1869). 

Thomson  Sir  William,  über  das  Alter  der  Erde.  Mit  Anmerkungen 
von  Herrn.  J.  Klein  (Gaea  V.  3). 

Buchner  Dr.  Otto.  Der  Vulcanismus  von  Hawaii.  (Gaea  V.  1.  2.  3.» 

Linilemann  M.  Die  arctische  Fischerei  der  deutschen  Seestädte 
1620     1860.  •  Petermann  Mittheil.  Ergänzungsheft  26.  1869.  • 

Mühry  Dr.  A.  Die  richtige  Lage  und  die  Theorie  des  Calmengürtel 
auf  den  Continenten.  Wien  1869. 

Sonklar  v.  Innstädten,  Leitfaden  für  den  UnteiTicht  in  der  physi- 
calischen  Geographie  (Wien  Seidel  1869). 

Mühry  A.  Ueber  die  Theorie  und  das  allgemeine  System  der  Meeres- 
strömungen. (Ausland  1869.) 

Ethnographische  Wüixligung  der  Bewohner  von  Bengalen  (Ausland  1869). 

Peschel  0.,  Einfluss  der  Ländergestalten  auf  die  menschliche  Ge- 
sittung.   Ausland  1869. 

Peschel  0.,  Ueber  Wanderung  der  frühesten  Menschenstämme  (Aus- 
land 1869). 

Ueber  das  gegenwärtige  Wissen  von  den  Erdbeben  f  Ausland  1869). 

Lungershausen  Louis.  Die  geographische  Verbreitung  der  Krokodile. 
(Ausland  1869.J 


376 

Becqaerel,  Einfloss  der  Entwaldung  anf  die  Queüen  und  fließenden 
Gewässer  (Gaea  1869). 

Jominger ,  Evidences  of  the  Golf  Siream  in  the  North  Atlantic  (Ptt)- 
ceed.  of  the  Royal  Geograph,  society  London  1869). 

Grad  Charles.  Expose  de  la  theorie  des  courants  maritimes  de  H. 
Muhry  (Bullet,  de  la  Soci6t6  de  Geographie.  Paris.  Feorier  1870). 

Weinberg  J.,  Remarques  sur  la  disposition  et  la  configuration  des 
continents  et  des  iles  (Bullet,  de  la  soci^t^  imperiale  des  naturalistes  de 
Moscou  1870). 


Notizen. 


Marine-Huidelskaiiimeni.  Die  »Neue  freie  Presse«  brachte  unter  dieseji 
Titel  einen  Gegenstand  zur  Sprache,  der  uns  in  Bezug  auf  die  Entwicklung 
des  adriatiscben  Küstenlandes  sehr  beachtenswert  erscheint. 

In  einem  l&ngeren  Correspondenzartikel  des  -Osserv.  TriesUno  wird  die 
Einführung  einer  Marine-Handelskammer  für  die  quarnerischen  Inseln  besprochen. 

Das  einzige  Mittel  —  heißt  es  dort  —  wodurch  der  Reichthum,  die  WoU- 
/  fahrt  und  die  Bedeutung  der  quarnerischen  Inseln  (Lussinpiccolo,  Lussingrande, 

^  Cherso,  Veglia  etc.)  gefördert  werden  können,  ist  die  Hebung  der  Handelsmarine, 

welche  för  jene  Eiländer  die  Frage  des  Seins  oder  Nichtseins  ausmacht  Wenn 
ii.  den  letzten  Jahren,  besonders,  wie  bekannt,  seit  dem  Krimkriege,  in  dieser 
Beziehung  eine  Wendung  zum  Besseren  eingetreten,  so  ist  diese  der  Selbsthilfe 
Einzelttcr  zuzuschreiben,  die  übrigens  nicht  hinreicht,  um  die  Inselgemeinden 
aus  der  traurigen  Lage  unbemittelter  Bauemdörfer  emporzuheben.  Diesen 
Erfolg  könnte  man  aber,  nach  Ansicht  des  Gorrespondenten,  durch  die  Smmne 
der  Thätigkeit  der  Einzelnen  und  der  gereffelten  Wirksamkeit  einer  für  die 
Inseln  des  Quamero  eigens  einzusetzenden  Marine-Handelskammer  erreichen, 
welche  ans  Vertretern  der  einzelnen  Zweige  der  Schiffsrheder,  Kauffahrtei- 
schiffs-Capit&ne,  Matrosen  u.  s.  w.  bestehen  und  unter  staatlichem  Schutz  aos- 
schließlicn  die  Interessen  jener  Zweige  zu  wahren  berufen  sein  sollte.  Ohne 
der  Umsicht  der  Handelskammer  in  Uovigno,  welche  auch  die  Inseln  vertritt, 
nahezutreten,  meint  der  Verfasser  auf  seinem  Vorschlage  umsomehr  besteben 
zu  müssen,  weil  die  erwähnte  Kammer  nicht  nur  vermöge  der  geographischen 
Lage  Rovignos  nicht  im  Stande  ist,  die  Bedürfhisse  der  Inseln  wahrzunehmen 
und  zu  fördern,  sondern  auch,  weil  sie  es  gar  h&ufig  unterließ,  die  bisher 
geäußerten  Wünsche  der  letzteren  mit  gehörigem  Nachdruck  zu  befiGürworten. 
£s  wird  das  lebhafte  Bedauern  ausgedrückt,  dass  auf  diese  Weise  die  Inseln, 
welche  erwiesenermaßen  ein  Drittheil  der  österreichisch-ungarischen  Handels- 
marine stellen,  bei  den  vielen  Anlässen,  in  welchen  es  sich  um  die  maritimen 
Interessen  der  Monarchie  gehandelt  hat,  gar  nicht  berücksichtigt  und  kein 
einzigesmal  um  ihr  Gutachten  darüber  angegangen  wurden,  so  dass,  anstatt 
die  von  den  Schi&rhedern,  Kauffahrteischiffs- Gapitänen  etc.  dieser  Inseln 
während  ihrer  vieljährigen  Seereisen  betreffs  der  allen  Seestaaten  gemeinsamen 
Seegesetzgebung,  des  Oonsular-,  Sanitäts-,  Zollwescns  etc.  mühsam  gesammelten 
Erfahrungen  zum  allgemeinen  Besten  praktisch  zu  verwerten,  dieselben  ent- 
weder der  individuellen  Ausbeutung  Einzelner  überlassen  oder  gar  der  Verges- 
senheit anheimgegeben  wurden.  Mit  Schmerz  wird  dann  insbesondere  hervor- 
gehoben, dass  dies  beispielsweise  unlängst  der  Fall  war,  als  unter  dem  Vorsitze 
des  Ministers  des  Aeußern  in  Wien  eine  aus  Vertrauensmännern  zusammen- 
gesetzte Gommission  tagte,  welche  sich  mit  der  Reform  dos  Consularwesens 
befasste;  ebenso  vor  etlichen  Jahren,  als  die  Regierung  zwei  Reisen  um  die 
Welt  anordnete,  um  für  den  österreichischen  Handel  neue  Absatzgebiete  zn 
erschließen;  ferner  wieder,  als  man  die  Einführung  neuer  Seegesetze  beriet, 
und  endlich  im  vorigen  Jahre,  wo  die  Eröffnung  des  Suez-Canals  den  Weg 
nach  Ostindien  so  bedeutend  abgekürzt  und  dadurch  der  österreichischen  Pro- 
duction  eben  so  zahlreiche  als  wichtige  Ablagerungsplätze  zugänglich  gemacht 
hat.  Die  vorstehenden  Ereignisse  berührten  den  eigentlichen  Lebensnerv  der 
einzigen   Interessen   der  Inseln,   und   dennoch  fand  man  es  nicht  einmal  der 


377 

Mflhe   wert,    ihre    Wohlmeinong   oder    ihren    Rath   darüber  einzuholen,    ihre 
Hofihnngen  oder  Besorgnisse  kennen  zu  lernen. 

Warum  aber  unterließ  man  es?  Aus  keinem  anderen  Grunde,  als  weil 
es  den  Inseln  an  der  moralischen  StQtze  einer  ihre  See- Angelegenheiten  nach- 
drficklich  und  speciell  vertretenden  Körperschaft,  an  einer  Anstalt  gebricht, 
die  auf  Grund  ihrer  fortgesetzten  Borufst'&higkeit,  ihrer  gediegenen  Fachkent- 
njsse  und  ihrer  langjährigen  Erfahrungen  in  wirksamer  und  erfolgreicher  Wcmbc 
mit  Rath  und  That  der  Regierungsgewalt  beistehe,  so  oft  es  sich  um  diu  Kiu- 
führung  neuer  besagte  Zweige  belastender  Steuern  handelt,  um  die  Erfüllung 
der  Heerespflicht,  um  die  Abfassung  neuer  Handels-  und  Seegesetze,  um  die 
Organisierung  des  Gonsular-  und  Sanit&tswesens,  um  die  Errichtung  von  nau- 
tischen oder  technischen  Schulen,  um  die  Ausführung  von  hydraulischen 
Arbeiten,  um  die  Aufstellung  oder  Verlegung  von  Leuchtürmen,  um  die 
Unternehmung  von  See- Expeditionen,  um  die  Behebung  mancher  Geschäfts- 
stocimngen  u.  s.  w. 

Um  einer  so  grofien,  in  die  wichtigsten  Existenz-Bedingungen  einschnei- 
denden Aufgabe  zu  entsprechen,  reichen  die  Privat-Unternehmungen  Einzelner 
natürlich  nicht  aus ;  die  Gemeinde- Aemter  und  Hafen- Agentieu  können  es  eben- 
falls nicht,  weil  dieselben  vor  allem  Administrativ- Behörden  sind  und  als 
solche  ihre  Thätigkeit  nur  innerhalb  gewisser  vom  Gesetze  gezogener  Schranken 
entfalten;  ebensowenig  vermögen  dieses  die  Versicberungs -Gesellschaften  und 
andere  bestimmte  Privat- Interessen  bezweckende  Institute.  Aus  diesen  Gründen, 
so  schließt  jene  beachtenswerte  Anregung,  thut  es  vielmehr  noth  an  einer 
»eigenen-  vom  Staate  anerkannten  Anstalt,  welche  -ausschließliclk  die 
Interessen  des  Seehandels  und  Verkehrs  der  Inseln  vertreten  und  ihre  Lebens- 
kraft aus  den  dabei  Betheiligteu  schöpfen  soll. 

Wir  können  diesen  Gegenstand  nicht  berühren,  ohne  unsererseits  in  aller 
Kürze  einige  Bemerkungen  beizufügen.  Die  angeregte  Einführung  einer  Marine- 
Handelskammer  für  die  quamerischen  Inseln  wird,  wie  wir  überzeugt  sind, 
Bowol  für  den  Staat  als  auch  für  die  Betheiligteu  nur  von  segensreichen  Folgen 
begleitet  sein.  Gerade  im  gegenwärtigen  Augenblicke  sollte  die  Regierung 
diese  Frage  beachten  und  prüfen,  weil  die  Durchstechung  des  Isthmus  von 
Suez,  der  Ausbau  der  Rudolphbahn,  die  binnen  zwei  Jahren  zu  erwartende 
Eröffnung  der  Zweigbahnen  St.  Peter-Fiume  und  Karlstadt- Fiume,  die  noth- 
wendig  nachfolgende  bedeutende  Ermäßigung  des  Fracbtentarifs  auf  sämmtlichen 
Linien  und  endlich  die  Anlegung  der  projectierten  Schienenwege  in  Istrien  und 
Dalmatien  eine  solche  Menge  von  Getreide,  Wein,  Bier,  Vieh,  Kohlen,  Holz, 
Glas  und  vielen  andereren  Producten  der  Monarchie  an  das  Meer  schaffen 
werden,  dass  man  sich  mit  Recht  einen  großartigen  Aufschwung  der  Handels- 
marine versprechen  darf.  Der  Bestand  einer  tüchdgjen  Handelsmarine  aber, 
wozu  die  Küstengebiete  des  Kaiserreiches  eine  vortreiniche  Bemannung  lipfern. 
würde  in  den  entlegensten  Ländern  das  Ansehen  unserer  Flagge  erhöhen  und 
ihr  zugleich  einen  ausgiebigen  Schutz  sichern;  er  würde  auch  ein  wirksames, 
höchst  empfehlenswertes  Mittel  sein,  um  die  bisher  stark  vernachlässigten 
Seeprovinzen  des  Reiches  zu  heben,  ihre  vielen  zur  Unthätigkeit  verurtheilten 
Bewohner  zu  beschäftigen  und  somit  dem  in  diesen  Ländern  herrschenden 
Elende  ein  Ziel  zu  setzen;  er  würde  aber  außerdem  dem  Staate  in  Kriegs- 
nöthen  ein  willkommenes  Gontingent  an  gewandten  Matrosen  und  erfahrenen 
Capitänen  zuführen,  welche  auf  Kriegschiffen  sich  besonders  verwendbar 
erweisen  würden. 

Der  Gegenstand  hat,  wie  man  leicht  einsieht,  nicht  allein  Bedeutung  für 
die  Inseln  des  Quamero,  sondern  auch  für  das  ganze  österreichisch- 
ungarische  Küstenland  und  dürfte  selbst  in  den  von  dem  Mittelmeere 
am  meisten  entfernten  nördlichen  Provinzen  seine  Rückwirkungen  üben.  Ange- 
sichts des  zu  hoffenden  Aufblühens  des  Seeverkehres  unterliegt  es  keinem 
Zweifel,  dass  der  Ruf  der  Schifisrheder,  Kauffahrteischiffs-!  apitäne,  Matrosen, 
Kalfaterer  u.  s.  w.  nach  einer  eigenen,  ihre  Interessen  abgesondert 
wahrenden  Anstalt  einem  schon  jetzt  erkannten  Bedürfiiisse  entspringt, 
welches  sich  in  der  nächsten  Zukunft  nur  um  so  stärker  und  fühlbarer  geltend 
machen  wird.  Oder  sollte  noch  jemand  wähnen,  dass  die  gegenwärtigen  Han- 
delskammern hiezu  ausreichen  ?  Dies  wäre  wirklich  ein  Wahn,  zumal  einerseits 


378 

ihr  schon  jetzt  so  ausgedehnter  Wirkungskreis  und  deren  so  vielfache  ued 
heterogene  Agenden  eine  derartige  Ueberbürdung  an  Arbeit  und  Mühe,  wie  die 
Erweiterung  des  Seehandels  ond  Verkehrs  in  Bälde  sie  erheischeu  wird,  kaum 
rathsam  erscheinen  lässt,  während  sie  andererseits  schon  vermöge  ihrer  Zu- 
sammensetzung keine  sichere  Gewähr  bieten,  dass  sie  in  der  Lage  sein  werden, 
den  maritimen  Interessen  nach  allen  Seiten  hin  gebührende  Rechnung  zu 
tragen.  Dazu  sind  eben  besondere  Eigenschaften,  Vorstudien,  Kenntnisse,  Er« 
fahrungen  untentbehrlich ;  desshalb  also  können  die  maritimen  Interessen  der 
oft  erwähnten  Zweige  nur  durch  mehrere  aus  Fachmännern  zusammengesetate 
Anstalten  am  besten  gewahrt  werden. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  die  in  Rede  stehenden  Marine  Handels- 
kammern, die  je  nach  Bedari'  in  den  wicbtigereu  Seestädten  eingeführt  werden 
könnten,  unter  der  Aufsicht  und  Leitung  des  Staates  stehen  müßten,  etwa  wie 
die  bei  uns  schon  bestehenden  Handels-  und  Uewerbekammern  oder  nach  Art 
der  in  manchen  Staaten  so  erBprieülich  wirkenden  Agrarkammeru.  Die  Grün- 
dung und  der  Bestand  der  Kammern  würde  dem  Staate  keine  Opfer  auferlegen, 
da  es  ja  Sache  der  Betheiligten  wäre,  lür  die  Herbeischaffung  der  Mittel  zu 
sorgen.  Wir  müssen  uns  aufraffen,  uns  ermannen!  Nichts  soll  unversucht 
bleiben,  was  einen  walirscheinlichen  Erfolg  verspricht.  Mislingt  auch  mancher 
Versuch,  so  können  wir  uns  immerhin  damit  trösten,  dass  wir  dort  stehen,  wo 
wir  jetzt  sind.  Freilich  ist  Stillstand  Kückschritt;  allein  im  gegebenen  Falle 
werden  wir  gewiss  nicht  stillestehen,  denn  wir  werden  wenigstens  ohne  Schaden 
den  Schatz   unserer  Erfahnuigen  bereichern. 

Mögen  nur  die  Regieruughbehördeu,  insbesondere  aber  die  Statthalterei 
ond  Ceutrai-Seebehörde  in  Tiiest  diesem  hochwichtigen  Gegenstande  bald  ihr 
Augenmerk  zuwenden,  auf  dass  wir  noch  rechtzeitig  die  durch  die  geographische 
Lage  unserer  Seeprovinzeu  uns  gebotenen  Vortheile  zum  eigenen  Besten  mög- 
lichst ausbeuten  und  uns  wenigstens  diesesmal  den  bei  anderen  Anlässen  tief- 
empfundenen Schmerz  ersparen,  die  gute  Gelegenheit  verpasst,  das  Rechte 
verkannt  und  durch  die  eigene  Kurzsichtigkciflf  auf  unsere  Kosten  und  zu 
unserem  Nachtheil  die  zahlreichen  Concurrenten  des  Auslandes  begünstigt  zu 
haben,  jene  Concurrenten,  welche,  gespannt  lauernd,  durch  Rührigkeit,  Scharf- 
blick, Muth  und  Unternehmungsgeist  uns  den  Vorsprung  abzugewinueu  streben. 

Dr.  L.  F. 

Tiefsee^Untersuehnngeii.  Eine  neue  Art  von  Untersuchungen  über 
die  Verbreitung  thierischen  Lebens  nimmt  gegenwärtig  durch  einige  unerwartete 
Resultate  und  mehr  noch  durch  glänzende  Aussichten,  die  ihre  fernere  Ent- 
wicklung eröffnet,  die  Aufmerksamkeit  weiter  Kreise  in  Anspruch;  es  sind  die 
Tiefsee -Forschungen,  welche,  vor  dreißig  Jahren  noch  unbekannt  und  vor  einem 
Jahrzehend  nur  spärlich  und  einseitig  cultiviert,  jet^t  in  so  großer  Ausdehnung 
in  verschiedenen  Meeren  betrieben  werden,  dass  sie  in  kurzer  Zeit  reiches 
Material  zu  folgenreichen  Schlüssen  zu  bieten  vermochten. 

Der    englische  Geolog  Forbes  war  es,    der  1842  im  aegäischeu  Meere 
zuerst  eingehende  Untersuchungen  über  das  Thierleben  in  beträchtlichen  Tiefen 
anstellte;    er    glanbte    durch  dieselben  nachgewiesen  zu  haben,  dass  bei  etwa 
?30    Faden    alles    organische  Leben  fast  gänzlich  mangele,  und  schioss,  dass 
dasselbe  in  noch  größerer  Tiefe  überhaupt  nicht  bestehen   könne.     Diese    An- 
sicht,   durch    theorische   Erwägungen  über  die  Wirkung  hohen  Wasserdruckes 
auf  den  lebenden  Organismus  gestützt,  blieb  in  Gellung,  bis  man  1<S60  die  ein- 
schlägigen   Arbriten    wieder    aufnahm;    es    zeigte    sich    nun    bald,    dass    die 
Forbes'schen    Beobachtungen   zu  beschränkt  gewesen  waren,  um  zu  wahrheits- 
gemäßen   Schlüssen    hinleiten  zu    können.     Die   ersten    Thatsachen  ergab  die 
gelegentlich  der  Kabelleguug   ausgeführte  Untersuchung  des  Bodens  des  atlan- 
tischen   Meeres    zwischen  England  und  Nordamerica;  es  wurden  hier  lebende 
Thiere   noch  bei  2500   Faden  angetroffen.    Gleichzeitig  zeigte  sich  ein  Kabel- 
Bruchstück,  das  mehrere  Jahre  auf  dem  Boden   des  mittelländischen  Meeres  in 
etwa    3000    Meter    Tiefe    geruht    hatte,    mit   einer  Menge  lebender  Korallen, 
Muscheln  und  Würmer  bewachsen.  T h  o  r  el  1  und  M  a  1  m  g r  e  n ,  welche  die  erste 
schwedische  Expedition  nach  Spitzbergen  begleiteten,  fanden  (1861)  den  Grund 
noch    bei    1000  Faden  mit  einer  Fülle  wolausgebildeter  Thiere  bedeckt,   und 
der  vortre£Qiche   norwegische  JNaturtbrBcher  M.   Sars,    durch  diese  annporegly 


379 

erhielt  in  seinen  so  sehr  eriolgreichen  Draguntersuchungeu  an  tiefeu  Stellen 
der  norwegischen  Küste  ganz  ähnliche  Resultate.  Endlich  traten  auch  Eug- 
länder  und  AmericaniT  in  den  Reigen  und  gaben  der  ganzen  Sache  mit  ihren 
reicheren  Mitteln  ungeahnte  Bedeutung;  jene  arbeiteten  1K68  bei  den  Farör, 
1869  im  biscayischen  Busen,  diese  untersuchten  den  Grund  in  der  Region  des 
Golt'stromes  zwischen  Florida  und  Cuba  und  im  letzten  Jahre  begann  eine 
schwedische  Expedition  Draguntersuchungen,  die  über  eine  bedeutende  Strecke 
des  atlantischen  Oceans  ausgedehnt  werden  sollen,  zwischen  Lissabon  und 
den  Azoren. 

Keben  der  sehr  entschiedenen  Berichtigung  des  Irrthums  von  dem  in 
großen  Meerestiefeu  herrschenden  Tode  haben  die  Tiefsee-Forschuugeu  eine 
große  Aufhellung  gewisser  dunkler  Partieen  der  Schöpfungsgeschichte  herbei- 
geführt, die  früher  bis  zur  Unrichtigkeit  schattenhaften,  abstracten  Vorstellungen 
werden  durch  sie  wieder  um  einen  Grad  lebendiger  und  vollkoiunieuer  und 
nähern  sich  so  der  Wahrheit.  Unter  ihren  Resultaten  ist  in  erster  Reihe  die 
Entdeckung  einer  Anzahl  längst  sanimt  allen  ihren  Verwandten  ausj^cätorbin 
geglaubter  Organismen  zu  nennen,  welche,  bisher  nur  in  versteinertem  Zustande 
bekannt,  nun  durch  das  Schleppnetz  lebend  aus  der  Tiefe  zum  Lichte  herauf- 
gebracht worden  sind;  es  sind  daruiitcr  Formen,  die  große  Lücken  in  unserer 
Kenntnis  der  organischen  Welt  ausfüllen,  da  sie  die  letzten  Reste  einst  mäch- 
tig entwickelter  Familien  darstellen.  Von  größter  Bedeutung  ist  ferner  der 
durch  sie  geführte  Nachweis  eines  Hereingreifens  der  Vorwelt  in  die  gegen- 
wärtige Schöptung,  das  man  in  diesem  Maße  niemals  vermuihete,  und  welches 
z.  6.  auf  dem  Grunde  des  atlantischen  Oceans  so  entschieden  an  die  Zeit 
erinnert,  in  der  die  Kreidefelsen  Rügens  und  Englands  auf  nun  zu  festem 
Boden  gewordenen  Meeresgrunde  sich  bildeten,  dass  namhafte  englische  Natur- 
fotscher  in  den  Zuständen  jener  Tiefe  eine  directe  Fortsetzung  der  Kreide- 
formation sehen;  es  wird  dort  ein  Schlamm  abgesetzt,  der  durchaus  an  die 
Beschaffenheit  der  Kreide  erinnert  und  zahlreiche  der  atlantischen  Tiefbe- 
wohner sind  allernächste  Verwandte  der  Kreidethiere.  Früher  schon  hatte  man 
die  noch  vor  einigen  Jabrzehenden  stark  vertretene  Ansicht  von  ehicm  jeder 
Neuschöpüing  vorangegangenen  totalen  Untergange  des  vorhandenen  organischen 
Lebens  abgethan,  aber  an  ein  so  entschiedenes  li erüberragen  einer  Epoche  in 
die  andere  dachte  man  nicht,  sondern  nahm  bloß  an,  dass  einzelne  begünstigte 
Eormen  sich  durch  die  Millionen  Jahre  hindurch  erhalten  konnten,  hielt  aber 
fest  an  der  Scheidung  der  Schöpfungsepochen.  Wo  sich  Verschiedenheiten  in 
Thier-  und  Pflanzenwelt  der  Vorzeit  zeigten,  nahm  man  Verschiedenheit  des 
Alters  als  Ursache  an,  indem  mau  stillschweigend  unterstellte,  dass  in  jenen 
frühen  Zeiten  unser  Planet  jeweils  eine  wesentlich  gleichartige  Pflanzendecke 
und  Thierbevölkerung  besessen  habe,  dass  die  klimatischen  und  Boden  Verschie- 
denheiten, die  gegenwärtig  zu  beobachten  sind,  damals  noch  nicht  vorhanden 
oder  zum  wenigsten  nur  schwach  entwickelt  gewesen  seien.  Neben  manchen 
anderen  Thatsachen,  die  neuerdings  bekannt  geworden  sind,  sprechen  auch  die 
Tiefsee-Forschungen  entschieden  dafür,  dass  in  den  früheren  Perioden  der 
Erdgeschichte  die  einschlägigen  Verhältnisse  ähnlich  lagen,  wie  in  der  gegen- 
wärtigen, dass  in  verschiedenen  Gegenden  verschiedene,  oft  sehr  stark  abwei- 
chende Faunen  imd  Floren  sich  entwickelt  hatten,  dass  Schöpfungen  verschie- 
denen Alters  sich  nebeneinander  befanden,  so  wie  heute  in  Australien  eine 
Säugethierfanna  lebt,  welche  in  der  alten  Welt  lange  vor  dem  Erscheinen  des 
Menschen  ausgestorben  ist.  Gerade  für  die  Möglichkeit  des  Nebeneinander- 
bestehens abweichender  organischer  Bevölkerungen  haben  diese  Untersuchungen 
einen  schönen  Beweis  erbracht;  die  englische  Expedition  entdeckte  bei  den 
Farörn  eine  kalte  Region  bei  etwa  5(K)  Faden  Tiefe,  die  von  einer  wannen 
umgeben  war,  so  dass  an  nicht  gar  weit  von  einander  entfernten  Punkten  die 
Temperatur- Differenz  bis  zu  8  Grad  0.  betrug.  Diesen  Verhältnissen  entspre- 
chend war  die  erstere  von  entschieden  arctischen,  die  letztere  von  den 
gewöhnlichen  atlantischen  Thieren  bewohnt,  und  da  der  Boden  der  einen  mit 
kreideartigem  Schlamme,  der  der  andern  mit  Sand  bedeckt  war,  so  lassen  sich 
hier  Ablagenmgen  voraussehen,  die  trotz  gleichzeitiger  Entstehung  sowöl  nach 
Gesteins- Beschaffenheit  als  organischen  Einschlüssen  grundverschieden  sein 
werden. 


380 

VoD  Interesse  sind  auch  die  NachrichteD  über  eine  massenhaft  vorkom- 
mende Substanz,  welche  den  Boden  des  atlantischen  Meeres  auf  weite  Strecken 
hin  bekleidet  und  ihren  Eigensehaften  nach  mit  dem  neuerdings  so  oft  genannten 
Protoplasma  übereinstimmt;  wie  dieses  stellt  sie  einen  sich  selbst  bewegenden 
und  ernährenden  Schleim  dar  und  hat  den  Namen  Bathybius  erhalten.  Mau 
schreibt  ihr,  wie  es  scheint  aus  guten  Gründen,  bedeutenden  Autheil  au  der 
Bildung  des  kreideartigen  Schlammes  und  eine  wichtige  Rolle  in  der  Gesammt- 
ökonomie  des  warmen  Tieflebens  zu;  aber  sie  ist  bis  jetzt  noch  so  wenig 
eingehend  studiert,  dass  ein  gültiger  Schluss  aus  den  doch  nur  als  provisorisch 
zu  betrachtenden  bisherigen  Nachrichten  noch  nicht  zu  gewinnen  ist.  Auch 
über  diesen  Gegenstand  werden  die  in  diesem  Jahre  in  erweitertem  Maße 
begonnenen  Untersuchungen  Licht  verbreiten,  an  sie  knüpfen  sich  groüe  Erwar- 
tungen, die  allerdings  durch  die  bisher  gewonnenen  Resultate  berechtigt 
erscheinen.  In  einem  uns  vorliegenden  Berichte  des  Schweden  Maiipgren,  der 
thätigeu  Autheil  an  den  arctiscben  Tiefsee- Untersuchungen  geuommen  hat, 
wird  von  ihnen  für  die  Geschichte  der  Erde  und  ihrer  Hewohner  ein  Kinfluss 
erwartet,  wie  die  Spectralaualyse  iho  in  Astronomie  tmd  Chemie  geübt  hat; 
wenn  aber  auch  derselbe  sich  geringer  herausstellte  als  mau  annimmt,  so  wird 
er  doch  schon  darum  von  hoher  Bedeutung  sein,  weil  die  Fragen,  die  er 
der  Lösung  näher  bringt,  zu  den  brennendsten  gehören,  welche  die  Wissen- 
schaft in  unserer  Zeit  beschäftigen.  (Köln.  Zeit.) 

Dr.  Nenmayer.  In  einer  außerordentlichen  Sitzung  unserer  Gesellschaft 
am  29.  März  1870  hielt,  wie  div  A.  A.  Z.  berichtet,  Dr.  Neumayer  aus  Frauken- 
thal einen  Vortrag  über  seinen  der  Wiener  Academie  der  Wissenschaften  unter- 
breiteten und  von  dieser  adoptierten  Vorschlag,  der  Sendung  einer  österreichischen 
Expedition  nach  dem  Südpolarmeer  zum  Zweck  der  Beobachtung  des  Venusdurch- 
gangs Äurch  die  Sonne  im  Jahre  1874.  Es  ist  bekannt,  dass  dieses  Phänomen  die 
besten'  Bestimmungen  zur  Berechnung  der  Sonnenparallaxe  bietet,  und  die 
bisherii^c  Bestimmung  derselben  eine  Correctur  verlangt,  für  welche  in  erster 
InstaiiJt  Oesterreidi  engagiert  ist.  Es  war  nämlich  ein  Oesterrcicher,  der 
Director  der  Wiener  Sternwarte  Pater  Hell,  welcher  die  Benützung  der  Er- 
gebnisse des  letzten  Venusdurchganges  vom  Jahre  1769  durch  Fälschung  der 
vom  ihm  in  Lappland  unternommenen  Beobachtungen  ungenügend,  wenn  nicht 
unbrauchbar  gemacht  hat.  Schon  Lalande  hatte  au  der  Zuverlässigkeit  der  auf 
speciellen  Wunsch  des  Königs  von  Dänemark  von  Pater  Hell  in  Lappland  aus> 
geführten  Beobachtungen  gezweifelt,  und  ein  Blick  auf  die  bezüglichen  Macu- 
Bcripte  zeigt,  dass  jedenfalls  die  Data  corrigiert  sind.  Pater  Hell  hat  entweder 
gar  nicht  oder  schlecht  beobachtet,  und  die  Beobachtungen  nachträglich  nach 
einer  an).enommenen  Parallaxe  corrigiert,  oder  vielleicht  ganz  combiniert.  Mur 
die  von  Green  damals  in  Tahiti  gemachten  Beobachtungen  sind  ehrlich,  die 
des  Pater  Hell  zum  mindesten  unzuverlässig.  Hie  Entfernung  der  Sonne  von 
der  Erde  wird  darnach  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  zu  groß  angegeben. 
Dr.  Neumayer  hat  nun  die  hiesige  Academie  der  Wissenschaften  dafUr  ge- 
wonnen, den  Antrag  bei  der  Regierung  zu  befürworten :  dass  eine  kleine  Expe- 
dition österreichischer  Fachmänner,  Marin e-Ofiiciere  und  Astronomen,  nach 
der  südlichen  Hemisphäre,  als  dem  Gebiet,  wo  der  Venusdurchgang  vom  Jahr 
1874-  allein  beobachtet  werden  kann,  gesendet  werde.  Dr.  Oppolzer  hat  be- 
rechnet, dass  der  zur  Beobachtung  des  Eintritts  uud  Austritts  der  Veuua 
günstigste  Punkt  in  der  Nähe  der  Mucdonalds-Inseln  (H3°  s.  B.  und  12®  ö.  L>. 
von  Greenwich)  liege.  Dr.  Neumayer,  welcher  diese  Gegend  befahren,  fiihrte 
eine  Menge  Beweise  dafür  an,  dass  auch  die  meteorologischen  Verhältnisse 
dieser  Inseln  für  das  Programm  ungewöhnlich  günstig  seien.  (Die  Ausläufer  des 
Agalhas- Stroms  erhöhen  die  Meerestemperatur  in  dieser  Richtung,  i  Eine  kleine 
Recognoszierungsexpedition  auf  einem  Holzsegelschiff  von  wenigen  hundert 
Tonnen  müsste  selbstredend  zur  Voruntersuchung  der  Verhältnisse  der  Mac'to- 
naid-lnseln  vorausgehen.  Dieselbe  hätte  nicht  bloß  die  genaueste  Ortsbestim- 
mung zur  Aufgabe,  sondern  auch  die  bezügliche  Beobachtung  aller  physicaii- 
schen  Erscheinungen.  Die  Kosten  dafür  würden  nach  Dr.  Neumayer  die  Summe 
von  35.000  fl.  nicht  überschreiten.  Die  Gegenwart  des  Kriegsministers  Frhm. 
V.  Kuhn  und  des  Admirals  v.  Tegetthoff,  sowie  der  mit  den  Mitgliedern  der 
geographischen  Gesellschaft   gefüllte  Saal    sprach   für  das  Interesse,    welches 


381 

der  Gegenstand  des  Vortrages  erregte,  nnd  der  allgemeine  Beifall  am  Schlüsse 
desselben  fikr  die  Aberans  anziehende  nnd  instmctive  Behandlung.  Wenn,  wie 
n  hoffen,  die  Begierung  den  Antrag  der  Academie  genehmigt,  und  es  öster- 
reichischen (lelehrten  dadurch  ermöglicht  wird,  sieb  au  einer  Arbeit  von  höchstem 
wissenschaftlichen  Interesse  far  die  ganze  Menschheit  in  würdigster  Weise  zu 
betlieiligen,  so  ist  dies  vor  allem  dem  bewunderuugswQrdigen  £ifer  des 
Dr.  Neumayer  zn  danken,  welcher  sich  schon  als  mehrjähriger  Director  der 
Sternwarte  zn  Melboutne  so  große  Verdienste,  namentlich  auch  um  die  Kenntnis 
der  physicaÜschen  Verhältnisse  Sodaustraliens,  erworben  hat 

Der  Mtte  Hafem  „Kftiol*'  mm  seliwaneii  Meere.  Die  Ausführung  eines 
volcombinierten  Schienennetzes  ist  eines  der  größten  Verdienste,  das  sich  der 
junge  1  Qrst  Knmänicus  erworben.  In  diesem  Augenblicke  denkt  l'Ürst  Karl 
daran  seinem  Lande  auch  einen  Seehafen  zu  geben,  den  sein  Handel  bisher 
zu  dessen  großem  Narhtheil  entbehrte.  Das  Project  entwart'  der  treffliche 
Hartley,  Uberingenieur  der  europäischen  Donaucommission  bereits  im  J.  1S64. 
Nach  demselben  soll  der  neue  Hafen  l.SOO  Metres  südöstlich  des  See^s  Kouduk, 
nil  einer  Oberfläche  von  11  Hectaren  und  Raum  für  etwa  150  Fahrzeuge  an- 
gel^  werden.  Ein  Canal  wird  ihn  mit  der  Kiliamündung  und  eine  Eisenbahn- 
linia  Ober  Kilia,  Ismail  und  Keni  mit  (ialatz  verbinden.  Die  Gesammtkosten 
filr  den  Hafen,  Vorhafen  und  Canal  sin<i  mit  13,300,000  Francs  berechnet.  Seine 
in  4  Jahren  zu  bewerkstelligende  Ausführung,  sowie  die  Concessiou  der  Eisen- 
bahnlinie ist  dem  bekannten  Bauunternehmer  Strousberg  überlassen  worden, 
bor  Hafen  wird  den  Namen  »Karolo  tragen  und  das  sprechendste  Monument 
der  auf  die  Förderung  der  materiellen  Interessen  seines  Landes  gerichteten 
Tbätigkeit  des  Fürsten  Karl  bilden  F.  K. 

JUvlBgstoBe.  Li  der  Sitzuug  der  geographischen  Gesellschaft  zu  London 
.im  9.  Mai  theilte  der  Präsident  Sir  R.  Murchison  mit,  dass  in  Folge  seiner 
Verwendung  bei  Lord  Clarendon  die  Regierung  beschlossen  habe,  zur  Unter - 
i^fitzuDg  des  Dr.  Livingstones  sofort  ausgiebige  Hülfe  von  Zanzibar  nach 
Udschidschi  zu  senden.  (Aetheueum.) 

RmsfllaBda  EbenhmlmeB.  Bekanntlich  nimmt  Russland  ein  größeres 
Anlehen  auf  um  sein  Eisenbahnnetz  zu  erweiiern.  Es  möchte  daher  ein  allse- 
raeines  Interesse  bieten,  den  dermaligen  Stand  der  Eisenbahnbauten  daselbst 
etwas  näher  kennen  zu  lernen.  r)er  Anfang  derselben  fällt  unseres  Wissens  in 
das  Jahr  1838,  und  bis  zum  Jahr  18()0  brachte  es  Russland  erst  anl  1251 
Werst  liüige  (etwa  7  Werst  sind  1  deutsche  Meile).  Bis  zum  Jahre  1868  gab 
es  aber  schon  6470  Werst  und  gegenwärtig  dürften  84KO  Werst  Bahnlänge  im 
Betrieb  sein.  Bei  der  großen  Ausdehnung  des  russischen  Reichs  wird  man  es 
erklärlich  finden,  dass  überhaupt  noch  von  keinem  eigentlichen  Bahnuetze  die 
Rede  sein  kann,  sondern  dass  vorerst  nur  die  Haupt  stränge  gezogen  sind,  an 
welche  sich  sodann  die  übrigen  Verbindungslinien  nach  und  nach  anschließen 
werden.  Anfangs  1869  wurden  von  den  fertigen  oder  von  den  im  Bau 
begriffenen  Bahnen  38  CJouvernements  des  europäischen  Russlaud  zusammen 
mit  fast  43  Millionen  Einwohnern  berührt ;  in  36  Gouvernements  mit 
2V  Millionen  Seelen  fehlt  noch  jede  Bahnverbindung.  Die  Hauptliuicn  sind : 
Petersburg- Dünaburg- Warschau  zur  österreichischen  Grenze,  Orel-Smolensk- 
I)flnaburg-Riga,  Moskau-Orel  Koursk-Kiew,  I'etcrsburg-Moskau,  Moskau- Woro- 
oesch,  Odessa- Bai ta- Elisabethgrad  und  Moskau-Nowgorod.  Im  Jahr  1869  suchte 
man  namentlich  die  Verbindung  Moskau's  mit  dem  Asow'schen  und  Schwarzen 
Meere,  sowie  mit  Galizien  zu  vervollständigen.  In  den  Jahren  1870  7?.  sollen 
noch  2044  Werst  eröffnet  werden,  und  gegen  Ende  1869  war  die  Goncession 
zu  Frojectierungsarbeiten  bereits  für  weitere  19,600  Werst  von  der  Regierung 
ertheilt.  Die  meisten  Bahnen  sind  im  Besitz  von  Actiengesellschaften.  Auf 
den  1868  im  Betriebe  gestandenen  6470  Werst  Bahn  wurden  etwa  10,4  Millionen 
Personen  befördert  und  127,5  Mill.  Centner  Güter  versandt  Mit  der  Ausführung 
der  fttr  die  nächsten  Jahre  noch  zur  Betriebserö£fhung  in  Aussicht  genommenen 
Lmien  wird  dann  St.  Petersburg  mittels  zweier  Linien  mit  dem  Asow'schen 
and  mit  drei  Linien  mit  dem  Schwarzen  Meere  und  durch  fünf  Linien  mit 
der  Wolga  in  Verbindung  kommen;  Moskau  tritt  in  directen  Verkehr  mit 
Waraehao   nnd   Lemberg  und   mit   dem    Baltischen   und   Kaspischen  Meere, 


382 

während  yom  Handelsplätze  Odessa  drei  Linien  nach  Moskau  ond  besiehnngi- 

weise    St.    Petershurg    und    je    eine    Linie   nai^h    Warschan   nnd    Lemborg 
laufen  werden.  (A.  A.  Z.) 

Die  ballischeii  ProYlnsrii.  Die  geographische  Gesellschaft  in  St  Peters- 
burg beabsichtigt  eine  wissenschaftliche  Expedition  in  die  baltischen  Provinzen 
zu  entsenden.  Die  Notbwendigkeit  einer  solchen  Expedition  sei  genügend 
dadurch  motiviert,  dass  eine  Erforschung  der  ökonomischen  Lage,  der 
socialen  Verhältnisse  und  der  ethnog(aphi8chen  Eigetithümlichkeiten  der  ver- 
schiedenen Stände  und  Nationalitäten  dieses  Landstrichs  in  der  Gegenwart 
nicht  allein  eine  wissenschaftliche,  sondern  auch  eine  allgemein  staatliche 
Bedeutung  beanspruchen  kann;  sie  sei  schon  deshalb  nothwendig,  um  ein-  fär 
allemal  die  schon  seit  längerer  Zeit  die  öffentliche  Meinung  beschäfiigenden 
Streitigkeiten  in  der  ausländischen  und  in  der  einheimischen  Publicistik  über 
die  allgemein-politisch-national-ökonomischen  Verhältnisse  der  baltischen  Lande 
zu  schlichten.  Dieser  Vorschlag  ward,  was  den  -Golos-  in  Freude  versetzt, 
mit  Beifall  aufgenommen,  und  sei  demnach  die  baltische  Expedition  zum 
Ruhme   der    Gesellschaft   und    zum   Nutzen  des   ganzen  Reiches  zu  erwarten. 

Nordfahrt.  Dem  Vernehmen  nach  wird  für  dio.  Jahre  1871  und  J872 
eine  größere  schwedische  Expedition  unter  Leitung  des  Professors 
Nordenskjöld,  des  rühmlichst  bekannten  wissenschaftlichen  Führers  der 
1868er  schwedischen  Expedition,  vorbereitet,  die  wiederum  in  Gothenburg 
ausgerüstet  werden  soll.  Es  soll  Parry's  Versuch,  im  Norden  Spitzbei'gens  zum 
Pole  durchzudringen,  wieder  aufgenommen  werden,  und  es  ist  daher  dieses 
Mal  eine  TJeberwinterung  in  den  Plan  eingeschlossen,  und  zwar  auf  einer  der 
.Sieben  Inseln^  im  Norden  von  Spitzbergen.  Man  wird  sich  aber  mit  Hunden  zu 
der  ge^hrlichen  Schlittenfahrt  versehen,  und  um  diese  anzuschaffen,  so  wie 
zu  einer  allgemeinen  Orientierung  in  jenen  Gegenden,  wird  Professor  Nordens- 
kjöld  in  diesem  Sommer  eine  Reise  nach  Grönland  unternehmen.  Ein  neuer 
Grund  für  alle  Freunde  der  Erdkunde,  um  ein  dauerndes  Interesse  an  der 
Erforschung  der  arctischen  Regionen  zu  gewinnen. 

Korinthenbau  auf  Patras  and  Morea.  In  l'olge  der  anhaltend  starken 
Nachfrage  nach  Korinthen,  besonders  aus  £nglaud,  wohin  vor  kurzem  der 
letzte  Kest  der  vorjährigen  Ernte  mit  etwa  V,  Million  Pfund  (Gewicht)  ver- 
kauft wurde,  widmet  sich  die  Kevölkeiung  bei  Patras  und  die  der  Küste  von 
Morea  in  immer  ausschließlicherer  Weise  dem  Anbau  der  FCorintheupQaQze. 
Der  Körnerbau  wird  vernachlässigt  und  auch  früher  gar  nicht  bebaut^'.  Grund- 
stücke werden  tu  diesem  Zweige  der  Bodenwirtschaft  verwendet.  K.  K. 

Ein  Wallfahrstort  In  Giartnm.  Der  Wiener  Geroeinderath  Dr.  Nat- 
terer hat  auf  dem  Grabe  seines  in  Chartuni  verstorbenen  Bruders,  des  Consnls 
Dr.  Josef  Nattern  r,  rin  Monument  errichten  lassen,  dessen  Spitze  mit  der 
Figur  eines  Engels  gr/iert  ist.  Die  Bestandtheile  des  Monumentes  wurden  von 
hier  aus  nach  Chartum  befördert.  Dieser  Engel  wird  nun  nach  der  Mittheilung 
des  Gonsuls  Ilausal  in  Chartnm  von  der  Negerbevölkerung  im  weiten  Umkreise 
als  ein  Abgott  verehrt;  ganze  Processionen  ziehen  zu  dem  Bilde,  dem  man 
Opfer  und  Geschenke  aller  Art  darbringt.  Man  stellt  ihm  Töpfe  voll  Marissa 
hin,  behängt  seinen  Hals  mit  Glasperlen  nnd  Muschelketten,  und  junge  Frauen, 
deren  sehnlicher  Wunsch  um  eine  Nachkommenschaft  noch  nicht  in  Erfüllnng 

Segangeu,  setzen  ihre  einzige  Hoffnung  auf  die  Hülfe  dieses  Engels.  Der  An- 
rang  ist  so  stark,  dass  ein  eigener  Wächter  hei  dem  Denkmale  aufgestellt 
werden  mußte,  nnd  dieser  macht  bei  der  abergläubischen  Bevölkerung  die 
besten  "Geschäfte..  Denn  auch  die  Neger  sind  für  wunderthätige  Bilder  sehr 
stark  eingenommen. 

Relehthnm  Califomiens.  Die  Gesammtsumme  der  Waren-Ausfuhr  be- 
trug im  Jahre  1869  über  21  Mill.  Doli.,  von  denen  über  17  Millionen  anf  call- 
fornische  Producte  kommen,  außerdem  wurden  wiedernm  über  42  Mill.  Doli,  in 
Gold  und  Silber  ausgeführt  Die  Production  der  edlen  Metalle  wird  in  diesem 
Jahr  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  noch  bedeutend  zunehmen,  da  die  Minen 
größere  Quantitäten  Erz  schütten  und  neuerdings  reiche  Gänge  in  verschiedenen 


383 

Theüen  des  Landes  entdeckt  worden  sind.  Die  Yerkäafe  von  Orandeigenthum 
in  San  Francisco  betragen  im  vorigen  Jahr  Aber  30  Mill,  Doli,  bei  steigenden 
Preisen,  und  auch  im  Innern  haben  bedeutende  Ländereien  die  Hände  gewech- 
selt, indem  man  auf  größere  Einwanderung  rechnet.  Das  Feld  des  califor- 
nischen  Ackerbaues  erreicht  täglich  größere  Ausdehnung,  und  da  es  diesen 
Winter  nicht  au  Regen  fehlte,  sind  reichliche  £rten  zu  erwarlen.  Nicht  zufrieden 
mit  dem  Anbau  der  bekannten  Gerealien  (für  welche  jedoch  auch  einmal  ein 
Markt  fehlen  könnte),  des  Weinstocks  .und  der  verschiedenen  Obstarten,  vom 
Apfel-  und  Birnbaum  bis  zur  Orange  und  Dattel,  sind  in  diesem  Jahr  große 
Strecken  der  Baumwolle-,  Zucker-,  Tabak-  und  Reis-Cultur  gewidmet.  Auch 
mit  Kaffee-  und  Cinchona- Anpflanzungen  ist  der  Versuch  gemacht  worden,  uud 
die  japanische  Colonie,  unter  der  Verwaltung  des  Deutschen  Schnell  hat 
140,000  Theepflanzen  kommen  lassen,  welche  vortrefflich  gedeihen;  er  gedenkt 
von  den  vorjährigen  '  Setzlingen  schon  fQnf  Kisten  californischen  Thees  zur 
September-Ausstellung  fertig  zu  haben.  Die  Blätter  dieser  Pflanze  werden  im 
Juni  gepflockt,  wodurch  indessen  Bewässerung  des  Strauches  nöthig  wird. 
Femer  hat  Hr.  Schnell  den  japanischen  Wachsbaum  hier  eingefQhrt,  welcher 
das  ausgezeichnete  Gummi  liefert,  dessen  sich  die  Japanesen  zu  ihren  vor- 
trefflichen Lackarbeiten  bedienen.  —  Die  Seidenzucht  ist  gleichfalls  sehr  im 
Znnehmen,  Hunderttausende  von  Maulbeerbäumen  sind  in  allen  Theilcn  des 
Landes  gcpflaazt  worden,  und  es  hat  sich  bereits  eine  große  Conipagnic  hier 
gebildet  um  die  Seide  abxuhaspeln,  zu  färben,  zu  spinnen  und  zu  weben.  Die 
gleichfalls  von  Japan  eingeführte  Eichen-Seidenraupe  nimmt  ihre  Nahrung  von 
den  Blättern  der  Schwarzeiche;  die  Raupe  ist  größer  und  von  lebhafterer 
Farbe  als  die  gewöhnliche,  und  die  Eier  gleichen  schwarzem  Zwiebelsamen, 
während  der  Seidenfaden  fein  und  kräftig  ist  bei  glänzender  Silberfarbe.  — 
Bei  iinserm  außerordentlichen  Holzreichtbum  ist  es  doppelt  lobenswert,  dass 
die  Anpflanzung  von  Zierpflanzen  und  nOtzlichen  Baumsorten  namentlich  in 
der  Nähe  der  Städte  bedeutend  zunimmt,  wo  in  froheren  Jahren  zu  große 
Lichtungen  gemacht  wurden;  so  sind  in  der  Nähe  San  Francisco^s  (Alameda 
("ouDly)  39,000  australische  Gummibäume  (Eucalyptus)  gepflanzt  worden,  welche 
hier  sehr  rasch  wachsen  und  schon  einen  ganzen  Wald  bilden.      (A.  A.  Z.) 


Monatssitzung  der  geographischen  Gesellschaft  am  17.  Mai  1870. 

Vorsitzender:  Prof.  Dr.  Ferd.  v.  Hochstetter. 

Als  neu  eintretende  Mitglieder  werden  angemeldet  und  angenommen, 
die  "Herren  Franz  Weikard,  k.  k.  Oberstlieutenant  im  General  Stabe  in  Wien, 
Franz  Rathner,  k.  k.  Postofflzial  in  Wien  und  das  kön.  st.  Franz  Josefs 
Gymnasium  in  Drohobycz  (Galizien). 

Der  Vorsitzende  hebt  die  Verdienste  um  die  geographische  Gesellschaft 
hervor,  welche  sich  die  Österreich-ungarischen  Consuln  Hansal  in  Chartum 
and  Gumpert  in  Bombay  erworben  haben,  so  wie  die  Theilnahme  für  die 
Bestrebungen  unserer  Gesellschaft,  die  von  ihnen  auch  für  die  Zukunft  zu 
erwarten  stehe  und  beantragt  im  Sinne  eines  vom  Ausschuss  gefassten  Be- 
schlusses die  Wahl  beider  Herrn  zu  correspondierenden  Mitgliedern  der 
Gesellschaft.  Wird  angenommen. 

Zur  Vorlage  kamen: 

Neue  Ausgaben  der  Uebersichtskarte  der  Schweiz,  der  Schul-  und 
Wandkarte  der  Schweiz,  der  Wandkarte  des  Cantons  Zürich  von  Herrn 
J.  \M.  Z  i  e  g  1  e  r ,  welche  im  Vergleich  mit  den  gleichfalls  ausgestellten  früheren 
Ausgaben  einen  erheblichen  Fortschritt  in  der  Darstellung  des  Terrains  zeigten 
und  überhaupt  den  vorzüglichsten  kartographischen  Leistungen  der  Jetztzeit 
beizuzählen  sind. 

Ein  vom  Hm.  Consul  Gumpert  in  Bombay  zur  Ansicht  eingesendetes 
Prachtwerk:  Architecture  in  Dharwar  and  Mysore,  photographed  by  the  late 
Dr.   Pigon,   Bombay   Medical  Service,   A.   C.    B.   Neill  £sq.  and  Colonel 


384 

BiggB,  late  of  the  Royal  Artillery,  witfa  a  historical  and  deKripthe  Memoir 
by  Colonel  Meadows  Taylor  and  Architectural  Notes  by  James  Fe  rgnsson, 
London  1866,  mit  98  Photopraphien  in  Folio  und  12  HolsBchnitten,  die  Tem- 
pelruinen  von  Belloor,  Hullabeed,  Hurulhollee,  Beezanggur  etc.  vorstellend. 

Der  Himmels-  und  Erdglobos  des  Hm  Carl  Schöninger  in  Wien,  an 
welchem  der  Erzeuger  die  Verwendung  beim  Unterricht  in  der  mathematischen 
Geographie  demonstrierte. 

Hr.  Prof.  Woldrich  charakterisierte  in  einem  I&ngeren  Vortrage  die 
klimatischen  Verhältnisse  von  Salzburg.  (Wird  im  Auszuge  in  unseren  Mitthei- 
lungen abgedruckt  werden). 

Herr  Friedrich  v.  Hellwald  sprach  über  den  Seefahrer  Sebastian 
Ca  bot  1  Gabotto),  dessen  Leben  und  außerordentliche  Leistungen  zu  den  dun- 
kelsten Partien  des  Zeitalters  der  Entdeckungen  gehören,  obwol  er  zweifels- 
ohne nächst  Columbus  die  hervorragendste  Peraönlichkeit  jener  denkwürdigen 
Periode  gewesen.  England  und  Italien  streiten  um  die  Ehre,  den  großen  Mann 
den  il^igen  nennen  zu  dürfen;  seine  ersten  historisch  festgestellten  Reisen 
fallen  in  die  Jahre  1497  und  1498,  wobei  er  Theile  des  nönllichen  america- 
nischen  Continents,  Neufoundland  und  Labrador  entdeckte  und  der  erste  war, 
welcher  das  Festland  betrat,  14  Monate  früher  als  Columbus  selbst.  Redner 
schildert  nunmehr  in  eingehende  Weise  die  ferneren  Erlebnisse  Cabot's,  seine 
Schicksale  in  Spanien,  seine  Reise  1517  zur  Auffindung  der  nordwestlichen 
Durchfahrt,  seine  Theiinahme  am  Congress  zu  ßadaj  oz,  seine  Entdeckungs^eüurt 
imRiodela  Plata  und  seinen  Aufenthalt  in  jenen  Gegenden,  C1527— 1531), 
endlich  die  Leistungen  seines  spätesten  Alters,  wo  er  noch,  nahezu  ein  80jäh- 
rigor  Greis,  1553,  an  die  Spitze  der  zu  London  gegründeten  Russischen 
Handelsgesellschaft  trat.  Sein  Todesjahr  ist  unbekannt,  wie  jenes  seiner  Geburt. 
Redner  bedauert,  dass  England,  dem  Cabot  einen  Welttheil  geschenkt,  nicht 
Sorge  getragen  habe,  die  wenigen  Zoll  Erde  zu  bezeichnen,  welche  die  Asche 
seines  größten  Seefethrers  umschlielien. 

Vor  Schluss  der  Sitzung  machte  der  Vorsitzende  darauf  aufnierksam, 
dass  die  Versammlungen  der  Gesellschaft  während  der  Sommermonate  unter- 
brochen werden  und  die  nächste  Versammlung  im  October  dieses  Jahres 
stattfindet. 


An  die  P.  T.  Mitglieder  der  geographischen  Gesellschafl. 

Das  Comit6  des  im  August  1870  zu  Antwerpen  tagenden  geogra- 
phischen Congresses  gibt  bekannt,  dass  gegen  Erlag  von  zehn  Francs 
die  Zusendungen  der  Verhandlungen  des  Congresses  erfolgen  werde  und  den- 
jenigen, welche  für  diesen  Betrag  die  Legitimationskarte  lösen,  zugleich  die 
von  den  Bahn-  und  Dampfschiflfahrts-Directionen  fdi*  die  Mitglieder  des  Con- 
gresses zugestandenen  Erleichterungen  zu  gute  kommen,  wenn  sie  zur  Zeit 
persönlich  am  Congress  theilnehmen. 

Für  die  Mitglieder  der  geographischen  Gesellschaft,  welche  davon 
Gebrauch  machen  wollen,  hat  Hr.  August  Artaria  (Kunsthandlung,  Eohl- 
markt  4)  aus  besonderer  Gefälligkeit  die  Vermittlung  übernommen.  Doch 
können  einlangende  Beträge  zu  diesem  Zwecke  nur  bis  längstens  31.  Mai  1870 
übernommen  werden. 


Berichtigung. 

Seite  338.  Zeile  15  v.  u.  statt  West  1.  Wind. 
„     343.  Zeile  19  v.  u.  statt  sofot  1.  sofort. 
„     344.  Zeile  15  v.  u.  statt  schage  1.  schlage. 
„     345.  Zeile    7  v.  o.  statt  drei  1.  zwei. 
y,     351.  Zeile    2  v.  o.  statt  in  den  1.  in  dem. 

Zeile  16  v.  o.  statt  Einwohner  1.  Einwohnern. 


Ein  Streifzug  in's  Arnairth*. 

Von  Otto  Spiess, 
Ingenieur  bei  den  ottomanischen  Bahnen. 

Im  schönen  Lande  Steiermark  erhielt  ich  eines  Thges  im  October 
1869  den  Auftrag,  an  der  Traciemng  der  Bahnen  in  der  Tflrkei  theil- 
zonelunen.  Es  wurde    daher   verschiedenes   in  kürzester  Zeit  vollendet, 
von    verschiedenen   schönen    Augen    mit   tiefer  Wehmuth   und    unge- 
theiltem    Schmerze  Abschied  genommen,   und   bei    Nacht  der   schönen 
Steiermark     Lebewohl    zugerufen.     Auf    dem    höchsten    Punkte     des 
Semmering  vergoss  ich  noch  eine  Thräne,  welche  der  junge  plätschernde 
Mtkrzfluss  mit  sich  hinab  nach  Brück  trug  und  gewissenhaft  überbrachte. 
Jenseits  des  Berges   musste  ich   meinen  Schmerz  unterdrücken,  da  gab 
es  fftr  mich  keine  Thrftnenpost  mehr,  die  mir  dienen  konnte,    denn  die 
Wasserscheide  war  überschritten.  Von  Wien  giengs  per  Bahn  nach  Pest 
und   per  Bampfbot   nach  Belgrad,    hier    kaufte  ich    einen  sogenannten 
Stdrerwagen  nebst  zwei  Pferden  und  fuhr  landeinwärts.  Ueber  Serbien 
ftllt  es  mir  schwer,   mich   unparteiisch  auszusprechen .  und  ich  könnte 
dem  jung  aufblühenden  Staate  leicht  zu  nahe  treten,  deshalb  reisen  wir 
weiter;  nur  das  wiU  ich  erwähnen,  auf  der  Hinreise  erschien  mir  das  Land 
türkisch,  auf  der  Rückreise  als  ein  Canaan.  Um  rascher,  als  mit  eigenem 
Fuhrwerke  vorwärts    zu  kommen,    mietete   ich    die   Extrapost.    Mein 
Doümetscher  blieb  bei  dem  eignen  Fuhrwerk,  gab  aber  dem  Postillion 
den  Auftrag,   mich    richtig   in  Alexinaz   abzuliefern,    im   Gasthofe    bei 
einer    deutschen    Wirtin.     Leider    aber  wechselten  die  Postillione  von 
Station  zu  Stadon  und  wurden  mir  hierdurch  verschiedene  kleine  Unan- 
nehmlichkeiten zu  Theil,  aus  denen  mich  glücklicherweise  Herr  Joano- 
wic  in  Alexinaz  heransriss;   er  war  durch  Herrn  Director  Pressel  von 
Nissa    aus    über    meine   Ankunft  unterrichtet    und    hatte   den    Auf- 
trag,   mir  möglichst   rasches  Reisen    anzuempfehlen.    Rasch  reisen  und 
Serbien  sind  zwei  Begriffe,     die  man  ja  nicht  verwechseln  darf.  —  In 
einem  wohlgeordneten  Staate  greift  alles  gut  ineinander,    so  auch  hier. 
Abends  um  5  Uhr  war  ich  in  Alexinaz  angekommen,  konnte  schon  am 
nächsten  Morgen  meine  Ausgangsbewilligung  aus  Serbien  haben,  so  wie 
die  für  den  daselbst  aufgenommenen  Mietskutscher.  Gegen  9  Uhr  waren 
schon  die  Pferde  einregistriert  und  deren  Ausgangszoll  erhoben  und  gegen 
10  Uhr  war  bereits  kein  Hindernis  mehr  vorhanden.  An  der  serbischen 
Grenze,  die  durch    einen  Bretterzaun^  versinnlicht   wird  —  sein    edler 
Zweck  ist,    Diebe  aus    der  Türkei  abzuhalten,    die  natürlich    nicht  auf 
den  Gedanken  kommen  dürfen,  darüber  hinweg  zu  steigen,  —  hat  man 
am  Thore  noch  einmal  seinen  Pass  vorzuzeigen,  den  man  aber  am  besten 

MitÜMÜVBgen  d.  geogr.  GtMU.  1870.  9.  2Ö 


386 

in  der  Hand  behftlt,  um  ihn  sofort  im  tfirkischen  Karanle  visieren  zu 
lassen. 

Von  Belgrad  bis  Alexinaz  geht  eine  Straße,  die  sich  in  ihren 
jnngen  Tagen  den  stolzen  Namen  einer  Chaiiss^e  beilegen  durfte,  mir 
aber,  mit  Ausnahme  weniger  Stellen,  den  Eindruck  von  zufälligen 
Schotterablagerungen  in  sumpfigem  Boden  machte.  Bei  Alexinaz  hört 
diese  Stein-  und  Morastcombination  ganz  auf  und  der  eflende  Wagen 
sucht  sich  auf  dem  weiten  Felde  diejenigen  Stellen,  wo  es  vor  ihm 
auch  andern  bereits  gelungen  war,  sich  mit  mehr  oder  weniger  Mohe 
hindurch  zu  arbeiten.  Obgleich  zwischen  Serbien  und  der  Türkei  ein 
ziemlich  starker  Verkehr  herrscht  und  sogar  die  internationale  Post 
wöchentlich  da  verkehrt,  existiert  auf  der  Strecke  Nissa- Alexinaz  dennoch 
gar  keine  Straße ;  so  viel  ich  vernommen  habe,  vermieden  es  die  Nachbar- 
staaten bis  jetzt  auf  das  ängstlichste  durch  ein  anderes  Band  als  das 
der  Freundschaft  mit  einander  verbunden  zu  sein.  —  Gegen  4  Uhr 
nachmittags  erreichte  ich  das  schon  von  weitem  sichtbare  Nissa  und 
fiind  dort  bald  Herrn  Director  Pres  sei,  sowie  Henn  Sectionsingenieor 
N  a  g  y. 

Die  erste  Nacht  auf  tarkischem  Boden  brachte  ich  in  einem  Han 
zu,  das  ist  ein  Karavanserai. 

Der  Eingang  in  das  Gastzimmer  ist  direct  von  der  Straße  aus; 
es  ist  meistens  ein  größerer  Raum,  der  außer  einer  großen  hölzernen 
Pritsche  weiter  keine  Möbeln  enthält;  in  größeren  Localitäten  findet 
man  zuweilen  Blechöfen,  nie  aber  fehlt  das  Kaminfeuer  mit  einer 
Garnitur  von  kleinen  Blechpftnnchen  zum  Kafifeekochen.  Zur  Beherber- 
gung distinguierter  Reisenden  gibt  es  noch  Extrazimmer,  das  heißt  leere 
Kammern,  in  denen  nichts  als  das  Yorhängschloss  mobil  ist.  Das  Gast- 
zimmer enthält  jetzt  meistens  Glasfenster,  in  den  Kammern  hingegen 
präsentieren  sich  nur  mit  Papier  überklebte  Luftlöcher.  Im  Gastzimmer, 
welches  zugleich  auch  Schlafzimmer  ist,  lagern  die  müden  Wanderer  — 
auf  den  Pritschen  ruht  derjenige,  welcher  per  Nacht  IVs  Piaster,  etwa 
15  kr.  zahlen  kann,  während  auf  dem  nackten  Fußboden,  Mann  an 
Mann  gereiht,  diejenigen  liegen  müssen,  deren  Schlaf  dem  Wirt  nur 
Vs  Piaster  einträgt.  Der  Preis  der  Extrazimmer  ergibt  sich  aas  der 
Anzahl  der  Personen,  welche  darin  nebeneinander  ausgebreitet  liegen 
könnten,    auf  diese  Art  wurden   uns  in  Pristina   die  Zimmer  berechnet. 

Groß  war  mein  Erstaunen  in  der  ersten  Nacht,  als  mich  Herr 
Nagy  in  unser  Nachtquartier  brachte.  Mit  den  Weiten;  „Da  liegen  sie 
wie  die  Büffel  rangiert,'^  fährte  er  mich  in  das  Gastzimmer,  schwierig 
war  die  Passage  auf  dem  vollständig  mit  Menschen  bedeckten  Lehm- 
boden,   erhaben  der  Chor  der  Schnarcher  und  undurchsichtig,    beinahe 


387 

greifbar  die  Atmosphäre,  von  der  uns  nur  eine  kleine  schlecht  schließende 
Thflre  absondern  sollte.  Halb  noch  im  Traume,  mit  dem  Licht  in  der 
Hand,  brachte  uns  der  Handschia  durch  dieses  Chaos  nach  unserer  Kammer, 
welche  nichts  enthielt,  als  unsere  eigenen  Feldbetten,  auf  denen  wir 
in  unsere  Decken  gehüllt  bald  einschliefen.  Der  Traum  in  der  ersten 
Nacht  geht  in  Erfüllung,  sagt  der  Yolksmund,  mir  träumte  in  dieser 
denkwürdigen  Nacht  von  unendlichem  Jucken  und  Beißen  und  mir  gieng 
der  Traum  auch  herrlich  in  Erfüllung,  jeder  Zoll  meines  Körpers  ein 
Tummelplatz  von  sechsbeinigen  Säugethieren.  —  Was  man  am  Aus- 
kleiden erspart,  gewinnt  man  an  der  Morgentoilette,  die  mit  dem  An- 
ziehen der  Stiefel  bereits  vollendet  war.  Der  Mangel  an  Waschschüsseln 
wird  dadurch  ersetzt,  dass  der  Diener  das  Waschwasser  uns  über  Kopf 
und  Hände  goss  und  dadurch  auch  dem  Fußboden  das  beim  Aufkehren 
nöthige  Nass  zukommen  ließ.  Um  7  Uhr  k  la  franca  waren  wir  bereits 
bei  Herrn  Director  Pressel,  um  bei  seiner  Abreise  noch  die  letzten  In- 
structionen entgegen  zu  nehmen. 

Nach  einem  formellen  Besuch  beim  Pascha  begaben  wir  uns  auf 
den  Weg  nach  Sophia  und  erreichten  an  demselben  Tage  noch  das 
kleine  Dorf  Ak-Palanka,  wo  wir  ohne  Nachtessen  zu  Bette  gehen 
mussten,  da  der  an  Zerstreuung  leidende  Diener  die  Speisen  mit  In- 
sektenpulver eingepfeffert  hatte.  Auf  der  nächsten  Station  mieteten 
wir  einen  Postwagen  und,  fuhren  auf  einer  gut  erhaltenen  Chaussee, 
welche  aber  unter  den  entsetzlichsten  Steigungen  bergab  und  bergauf 
geht,  unserem  Ziele  zu,  welches  wir  nachts  um  10  Uhr  unter  strömen- 
dem Regen  erreichten.  Die  aufgespannten  Regenschirme  legten  wir  bei 
Seite,  als  wir  nicht  mehr  nasser  werden  konnten  und  verharrten  in 
einer  Art  Lethargie,  aus  welcher  uns  nur  unser  bulgarischer  Postillion 
zeitweise  durch  ein  schakalähnliches  Geheul  herausriss ,  wenn  er  einem 
Fuhrwerke  begegnete  oder  sich  einer  Station  näherte.  Lenau's  lieblicher 
Postillion  hat  wol  seinen  Ursprung  einer  anderen  Nacht  und  einem 
anderen  Posthorn,  als  dem  unsrigen,  zu  verdanken. 

Der  Regen  wurde  immer  heftiger,  der  Wind  blies  immer  stärker, 
da  kam  die  Erlösung,  der  so  ziemlich  sanft  fahrende  Wagen  fieng  an 
zu  holpern,  wir  waren  in  Sophia  und  fanden  die  freundlichste  Auf- 
nahme im  Hause  des  Herrn  Ingenieurs  Christian,  Chefs  der  vierten 
Brigade.  Unser  Gepäck  war  noch  weit  zurück,  wir  aber  durch  und 
durch  nass,  mussten  fremde  Hilfe  requirieren  und  konnten  endlich  mit 
Kleidungsstücken  von  aller  Herren  Länder  uns  lebhaft  am  dampfen- 
den Nachtmal  betheiligen.  Da  am  folgenden  Tage  Jupiter  pluvius 
immer  noch  das  Regiment  führte  und  somit  die  Brigade  zusammen- 
hielt,   war  die    beste  Gelegenheit  geboten,    die  Bekanntschaft  der  ein- 

26* 


388 

zelnen  Herrn,  so  wie  diejenige  ihrer  Freunde  in  Sophia  zn  madien, 
nnter  denen  namentlich  Herr  Consal  Lntteroti  nnd  Dr.  Tamain  sich 
dnrch  ihre  Anfinerksamkeit  viel  Verdienste  um  die  Ingenieurcolonie 
erworben  haben.  Mir  schien  es,  als  ob  sich  des  Doktors  Haus  einer 
besonderen  Frequenz  erfreue  — 

„Es  blfihten  auf  des  Doktors  Gut 
Zwei  Lilien  unter  treuer  Hut^ 
und  es  war  dasselbe    ohne   Verabredung  ein   geselliger  Concentratioiis- 
punkt  und  mancher  der  Herren  hat  unter  der  Lilien  2^uberduft  gelitten. 

Wir  hatten  eines  Tages  gerade  das  Mittagsmal  beendet,  lagen 
gleich  frisch  gefütterten  Schlangen  auf  den  verschiedenen  Divans  und 
waren  im  besten  Zuge  uns  nur  mit  den  allertiefsten  Gedanken  zu  be- 
schäftigen, als  uns  ein  Grundtyp  der  Märchen  aus  tausend  und  einer 
Nacht,  ein  fahrender  Derwisch,  angemeldet  wurde.  Lang  und  hager  von 
Gestalt,  trat  mit  einem  Spere  bewaffnet  der  Erhabene  vor  uns,  als 
ein  Bote  des  Lichtes  und  der  Wahrheit.  Sein  Fuß  hatte  den  brennen- 
den Sand  Aegyptens  durcheilt,  sein  Auge  die  steinernen  Denkmäler 
längst  begrabener  Völker  erschaut  und  sein  Ohr  hatte  den  großen 
Profeten  vernommen,  der  ihm  zurief:  „Wandere,  unsteter  Menschensohn, 
wandere.'  Feierlich  und  ernst  begann  der  Jfinger  der  Wahrheit  zu  sprechen, 
zu  uns,  die  kaum  würdig  waren ,  ihm  zu  nahen ;  wie  ein  Strom  quoll 
es  von  seinen  Lippen  und  drang  mächtig  an  uns  heran ;  wie  ein  Apostel 
seiner  Lehre  begeisterte  er  uns  für  Schätze  reichen  Wissens  und  hoher 
Weisheit,  die  in  des  Orientes  brennender  Sonne  geboren,  noch  deren 
ganzen  Gluthauch  an  sich  trug.  Niedergebeugt  durch  die  Wucht  seiner 
Sprache  vernahmen  wir  nur  noch  das  eine ,  in  welchem  sich  aber  alles 
gipfelt,  was  Jahrtausende  geschaffen  haben :  Einjedermusssterben. 
Moses  ist  gestorben,  Christus  ist  gestorben,  Mohamed  ist  gestorben,  wir 
alle  müssen  sterben,  nur  einer  ist  ewig,  der  eine  ist  Allah.  Das  war  mehr, 
als  wir  sonst  zu  hören  gewohnt  waren,  und  sprachlos,  dumpf  vor  sieb 
hinbrütend,  ergab  sich  die  ganze  Gesellschaft  dem  Eindruck  seiner 
Worte,  nur  einer  der  Herren  vermochte  sich  allmählich  zu  erheben  und  an 
den  Demantschmuck  orientalischer  Weisheit  eine  Perle  des  Abendlandes 
anzureihen,  dieser  eine  war  Herr  Ingenieur  Roßmann. 

Angefeuert  durch  das  Bewusstsein,  dass  auch  sein  Heimatland  an 
dem  großen  Berufe  des  Menschengeschlechtes ,  die  Grundtiefen  der 
ewigen  Wahrheit  zu  erforschen,  mitgewirkt  hat,  erwiederte  er  mit  feier- 
licher Stimme  und  vollkommen  würdig  seines  Vorgängers  :  Elin  jedes 
Ding  hat  ein  Ende,  die  Sonne  hat  ein  Ende,  die  Welt  hat  ein  Ende, 
nur  ein  Ding  hat  zwei  Enden:  die  Wurst. 

0  groß  ist  Allah,    erwiederte  der  Derwisch  und  begann  Geld  ein- 


389 

znsammelii,  das  ihm  reichlich  zaströmte.  Speisen  wollte  er  keine  von 
uns  annehmen,  eben  so  wenig  nnsern  wohlgemeinten  Rath,  sich  wenigstens 
einmal  im  Jahr  —  zu  waschen. 

Während  seiner  begeisterten  Rede  hatten  wir  die  größte  Rnhe 
beobachtet,  am  ihn  nicht  ans  dem  Concept  zn  bringen  und  das  Lachen 
so  meisterhaft  and  vorschriftsgemäß  nnterdrfickt,  dass  wir  jeder  Zeit 
mit  gewissen  Herren,  die  ich  ans  Pietät  nicht  nennen  wiU,  gewissen 
Sitzungen  beiwohnen  dürften. 

Sophia  theilt  mit  vielen  türkischen  Städten  das  Los  anf  den 
Fremden  von  der  Feme  einen  gaten  Eindrnck  za  machen,  and  den- 
selben wieder  zn  zerstören  in  dem  Maße,  als  man  sich  ihr  nähert  Ich 
hatte  Gelegenheit  mehrere  ziemlich  große  Städte  za  sehen ,  fand  aber 
dberall  das  gleiche.  Es  genügt  daher  vollständig,  wenn  ich  einer  der- 
selben einige  Zeilen  widme ;  dass  ich  es  gerade  bei  Sophia  thae,  ist  nar 
reiner  Zafall.  Bauen  wir  daher  im  Geiste  eine  Stadt  nach  echt  türki- 
schem Master. 

Wir  wählen  womöglich  einen  lehmhaltigen  Boden  als  Banplatz 
einerseits,  am  das  hauptsächliche  Baamaterial  nicht  weit  transportieren  za 
müssen  and  andererseits,  am  die  Yorbedingangen  za  dem  zukünftigen 
obligatorischen  Straßenkoth  zu  erfüllen,  ohne  welchen  eine  Stadt  nahezu 
undenkbar  ist  Von  einem  geschickten  Gärtner  lassen  wir  uns  dann  den 
Plan  eines  Irrgartens  entwerfen  und  beginnen  mit  dem  Bazar,  den  wir 
am  besten  und  getreuesten  imitieren,  wenn  wir  alte  dienstunfähige  Mess- 
baden auf  irgend  welchem  Jahrmarkte  ankaufen,  dieselben  mit  Lehm 
anstreichen  und  dann  mit  den  bekannten  Artikeln,  9  und  18  kr.  jedes 
Stück  ausstaffieren.  Für  die  Wohnungen  der  Unreinen  als  Christen  und 
Juden  fügen  wir  unbearbeitetes  Holz  zu  Gerippen  zusammen,  lassen 
Löcher  für  Thüren  und  Fenster  und  flechten  die  übrigen  Flächen  mit 
Beiserholz  aus,  um  dem  Lehm  Halt  zu  bieten.  Die  Front  der  Häuser 
rücken  wir  abwechselnd  mehr  oder  weniger  nahe  an  die  Straße  und 
bringen  in  die  Fensterhöhe  einige  Abwechslung,  um  das  monotone  gerad- 
linige System  europäischer  Städte  zu  umgehen.  Die.  Wohnungen  für  die 
Türkinnen  rücken  wir  natürlich  nicht  an  die  Straße,  sondern  placieren 
dieselben  in  einen  mit  einer  hohen  Mauer  umgebenen  Hofraum.  Nun 
errichten  wir  noch  einige  Moscheen  und  stellen  die  Straßencommunication 
für  die  Fußgänger  dadurch  her,  dass  wir  an  den  Kreutzungspunkten 
große  Steine  derart  postieren,  dass  die  Wagen  einerseits  gerade  noch 
durchschlüpfen  können  und  dass  andererseits  die  Fußgänger  in  der 
edlen  Kunst  des  Balancierens  stets  in  Uebung  erhalten  werden.  Vor  der 
Stadt  eröffiien  wir  ein  weites  Feld  zum  Schlachten  der  Hausthiere, 
inaognrieren  eine  Straßenreinigungscommission  bestehend  aus  Aasgeiern, 


390 

Elstern,  Raben  und  räadigen  Hunden  und  fibergeben  unser  Werk 
der  Krone  der  Schöpfung  zum  bewohnen. 

Zum  Lobe  der  türkischen  Regierung  muss  ich  fibrigens  hinzu- 
fügen, dass  sich  diese  Zustände  auf  dem  Weg  der  Besserung  befinden 
und  dass  gewaltige  Anstrengungen  gemacht  werden,  den  alten  Schlendrian 
zu  verdrängen.  In  Nissa  steht  unter  andern  eine  große  Caseme  nach  euro- 
päischem Muster,  eine  sehr  schöne  griechische  Kirche,  auch  sieht  man 
namentlich  gut  gebaute  Schulhäuser  in  modernem  Style ;  in  Sophia  werden 
ganze  Stadttheile  zusammengerissen  und  neu  nach  einer  Bauvorschrift 
aufgebaut ;  man  bemerkt  Oberhaupt  ein  großes  Bestreben  nach  Fortschritt 
und  muß  einer  Regierung  die  vollste  Anerkennung  zollen,  die  mit  uner- 
müdlichem Eifer  den  alten  ßarbarismus  bekämpft. 

In  Sophia  hielt  ich  mich  im  ganzen  drei  Tage  auf  und  reiste  mit 
Herrn  Ogledich  zurück  nach  Nissa.  Die  Herren  Schutt  und  Ceruik  tn^fen 
etwa  zwei  Wochen  später  ein.  In  Nissa  hatten  wir  Gelegenheit  einem 
bulgarischen  Leichenbegängnisse  beizuwohnen  und  Zeuge  eines  erbaulichen 
Auftrittes  zu  sein.  Während  noch  der  dienstthuende  wohlbeleibte  griechi- 
sche Priester  über  dem  Grabe  sein  Friede  seiner  Asche  und  liebet 
Eujeh  untereinander  predigte,  hatte  er  trotz  seiner  tiefen  Andacht 
bemerkt,  wie  sich  einer  seiner  ehrwürdigen  CoUegen  über  das  neben  dem 
Grabe  ausgebreitete  Leichenmal  hermachte.  Mit  Thränen  auf  den  Lippen 
und  Schwertern  im  Busen  betet  er  weiter  —  doch  plötzlich  hält  er  inne 
und  fängt  an,  da  der  heilige  Geist  indessen  über  ihn  gekommen  war, 
sich  mit  seinem  würdigen  Bruder  herumzuprügeln ,  und  zwar  so  lange, 
bis  beide  von  den  Heulweibeni  getrennt  wurden ,  denen  nach  üblicher 
Weise  die  Schlussfeierlichkeit  des  Begräbnisses  übrig  blieb. 

Der  Gang  unserer  Arbeiten  führte  uns  längs  der  Nissawa  nach  der 
Morawa,  von  dieser  entlang  an  die  Topliza,  welche  in  dem  DefileÄ 
bei  Kurwingrad  einmündet.  Kurwingrad,  auf  deutsch :  Fels  der  Buhlerin, 
verdankt  seinen  Namen  einer  Legende,  welche  von  einer  Brücke  er- 
zählt, die  das  Defilee  übei-spannend,  eine  Burg  mit  einem  Kloster  soll 
verbunden  haben,  deren  beider  Ruinen  noch  sichtbar  sind. 

Die  Topliza  fließt,  so  weit  wir  sie  verfolgten,  genau  von  West 
nach  Ost,  und  bespült  den  Fuß  recht  malerisch  gelegener  Städtchen, 
wie  Prokoplje  oder  türkisch  Usküb  und  Kurschumlje.  Noch  vor  Pro- 
koplje  traten  wir  in  das  Land  der  Amanten  ein.  Die  Grenze  des 
Arnautluks  ist  genau  bezeichnet,  aber  nicht  etwa  wie  in  Serbien  mit 
einem  Bretterzaun,  nein,  im  Gesichte  eines  jeden  Bewohners  steht  sie 
geschrieben;  hier  der  knechtische  Bulgare,  der  unter  Peitschenhieben 
die  gezwungene  Arbeit  ächzend  yollzieht,  da  der  stolze  Arnaute,  der 
keinen  anderen  Herrn  anerkennt  als  sich  selbst;  obwol  Muselmann  und 


391 

iof  tfkrkischem  Boden  wohnend,  bildet  er  einen  Staat  im  Staate.  Sehrofl 
wie  seine  Berge  and  Felsen  ist  aach  sein  Sinn  und  ehe  jene  nicht  geebnet 
werden,  wird  dieser  nicht  gebeugt.  Gleich  einem  geladenen  Gewehr 
zielt  sein  Blick  and  verr&th  einen  Menschen ,  der  jeden  Moment  bereit 
ist,  die  mörderische  Waffe  zu  ergreifen.  Aug  am  Aoge,  Zahn  am 
Zahn  ist  der  Wahlsprach  des  Amanten  and  Blnt  der  Saft  der  Ver- 
sfihnang.  Nor  der  Amaate  vermag  eines  Amanten  Bück  zn  ertragen. 
Zerstreat  aaf  den  Bergen  wohnend,  führen  sie  ein  patriarchalisches 
Leben,  wie  im  Na  aber  sind  sie  vereinigt,  wenn  der  fremde  Ein- 
dringling sich  ihren  Thälem  nähert.  Mit  lanter  Kehle  raft  der  Nach- 
bar dem  Nachbar,  in  langgezogenen  Tönen  schallt  es  von  Berg  za 
Berge  and  mit  elastischem  Gang  bis  an  die  Z&hne  bewaffnet,  kommt 
von  aOen  Seiten  her  die  kampfgewohnte  Schar  and  fixiert  mit  schwarzem 
Ange  den  fiberraschten  Wanderer. 

Doch  greifen  wir  onserer  Erz&hlnng  nicht  vor. 

In  Prokoplje,  welches  von  einem  Bergkessel  eingeschlossen  am 
Faß  eines  HfigeLs  liegt,  hatten  wir  anser  zweites  Hanptqaartier  aafge- 
schlagen,  indem  wir  von  hier  aas  nach  vor  and  rAckw&rts  arbeiteten. 
Prokoplje  ist  eine  sehr  schön  gelegene,  ausnahmweise  reinliche  Stadt 
Der  Bezirksvorstand  (Kaimakan)  empfieng  ans  sehr  freandlich  and  that, 
was  in  seinen  Krfiften  stand,  am  ansere  Arbeiten  zn  anterstfltzen  and 
den  Umgang  mit  den  Amanten  za  erleichtern,  welche  flberhaapt  von 
den  türkischen  Beamten  mit  aaserw&hlter  Höflichkeit  aud  Gflte  be- 
handelt werden,  als  dem  einzigen  Wege  mit  ihnen  aaszukommen. 

Unsere  Lebensweise  war,  obgleich  wir  im  eigentlichen  Sinne  des 
Wortes  „zigeunerten^,  dennoch  ziemlich  geregelt  and  es  gelang  uns, 
wenn  aach  unter  erschwerenden  Umständen,  ein  kleines  Familienleben 
zu  fahren.  Morgens  ritten  wir,  umgflrtet  mit  der  rothen  Leibbinde  und 
wohlbewaflbet  an  die  Arbeit,  unter  dem  Schutz  von  vier  berittenen 
Gensdarmen,  um  erst  abends  in  unseren  kleinen  Zimmern  wieder  einzu- 
treffen, die  wir  aber  mit  eigenem  Hausrat  erst  wohnlich  herrichten 
mossten.  Ffir  Stfihle  fehlte  es  meistens  an  Platz  und  so  saßen  wir 
denn  aof  den  zwei  Feldbetten,  zwischen  welche  wir  einen  kleinen 
lisch  gerade  noch  einzwängen  konnten,  beim  einfachen  Male.  Nach 
der  Malzeit  erhielten  wir  regelmäßig  Besuch  von  einem  unserer 
Gensdarmen,  der  obwol  Tflrke,  heimlich  das  Symbol  des  Fortschrittes, 
äne  Feldflasche,  mit  sich  führte  und  sich  dieselbe  täglich  mit  Rhum 
aofiUlen  ließ,  was  aber  heimlich  geschehen  musste. 

Unser  Fortschrittsmann,  ein  Philosoph,  war  zu  der  Erkenntnis 
gekommen,  dass  die  meisten  Fleischspeisen  fast  durchgängig  aus  den 
^chen    chemischen    Elementen    zusammengesetzt    sind    und    sich  nur 


392 

quantitativ  nnterscheiden  und  dass  eine  Klassification  •  derselben  in  zwei 
Sorten,  in  die  kauschem  oder  Gott  wohlgefälligen  und  die  onreiiLen, 
deren  Gennss  den  Th&ter  .mit  Sünden  überhäuft,  als  nicht  wissen- 
schaftlich vom  Fandamente  aas  za  verwerfen  sei.  Dass  die  Vorschriften 
seiner  Religion  nicht  im  Einklänge  stehen  mit  seinen  Ansichten  ist 
nicht  sein  Fehler,  anch  kann  er  nicht  dafOr  verantwortlich  gemacht 
werden,  dass  noch  so  viele  hochgebildete  Christen  ihren  Küchenzettel 
dem  Gaplan  zur  Beglaubigung  vorlegen.  Wer  in  der  Türkei  reisen  will, 
darf  an  der  Religion  seines  Koches  keinen  Anstand  nehmen,  denn  Christ-, 
Jude  und  Türke  decken  abwechselnd  die  Tafel. 

Während  unseres  Aufenthaltes  in  Prokop^je  begann  der  türkische 
Fastenmonat  „Ramasan^,  welcher  sich  dadurch  characterisiert,  dass  am 
Tage  alles  ruht  und  fastet  und  schläft,  um  bei  Nacht  möglichst  viel 
zu  lärmen.  Von  6  Uhr  abends  bis  6  Uhr  morgens  hatten  wir  vor 
Pfeifen,  Trommeln  und  wildem  Gejubel  keine  Ruhe  und  wurden  durch 
unzählige  Flintenschüsse  aus  dem  schwer  errungenen  Schlaf  aufgeschreckt 
Während  des  Tages  darf  der  Türke  weder  arbeiten  noch  essen,  weder 
trinken  noch  rauchen;  es  fiel  demnach  unseren  türkischen  Begleiteni 
sehr  schwer  uns  den  ganzen  Tag  mit  leerem  Magen  zu  folgen  und, 
ohne  einen  Trunk  Wasser  zu  sich  zu  nehmen,  Berg  auf  und  ab  zu 
steigen.  Lange  vor  Sonnenuntergang  zogen  sie  schon  ihre  Uhren  heraus 
und  drängten  das  Wort  „sat^  bedeutungsvoll  betonend  (sat  heißt  Zeit 
und  Wegstunde  und  Uhr)  auf  die  Rückkehr. 

Da  wir  aber  erst  gegen  6  Uhr  Feierabend  machten,  und  dann  noch 
öfters  gegen  2  Stunden  bis  zum  Quartier  zu  reiten  hatten,  war  es  iär 
diese  eine  schwere  Zeit.  Trotz  der  eisernen  Zähigkeit,  mit  welcher  der 
Türke  an  seiner  Religion  hält,  lässt  er  dennoch  Andersgläubigen  ihre 
volle  Freiheit.  Im  Hause  von  Amanten. (es  war  im  Thal  der  Kostainica), 
die  doch  die  fanatischsten  aller  Türken  sind,  kochten  wir  Schweine- 
fleisch und  tranken  Wein,  Amanten  sahen  uns  essen  zu  einer  Zeit,  da 
es  .  ihnen  verboten  ist,  Amanten  schenkten  uns  von  unserem  Wein 
ein  und  zündeten  unsere  Tschibuks  an,  während  sie  selbst  nicht 
rauchen  durften. 

Wie  anders  fand  ich  es  in  dem  hochcultivierten  Schottland,  wo  man 
mir  sogar  im  eigenen  Hause  an  einem  Sonntag  keine  warmen  Speisen 
verabreichen  wollte  und  die  Wohnung  gekündigt  hatte  wegen  des  an 
einem  Sabath  verbotenen  Schachspieles. 

In  Puncto  religiöser  Duldsamkeit  können  die  civilisierten  Schotten 
noch  sehr  viel  von  den  wilden  Bergbewohnern  lemen. 

Verfolgen  wir  die  Topliza  weiter  in  ihrem  Lauf,  so  kommen 
wir    nach    achtstündigem  Marsch    nach    Kurschumlje,    einem    kleinen 


393 

StAdtchen  am  Zasammenflnss  der  Toplica  und  Kostainica  nnd  finden 
auf  dem  Gipfel  eines  HQgels  die  gut  erhaltenen  Reste  einer  großen 
Kirche  ans  der  Zeit  der  byzantinischen  Kaiser.  Wir  besuchten  den 
Kaimakan  von  Knrschomlje  und  wissen  ihm  großen  Dank  fAr  die  Auf- 
merksamkeit, die  er  fftr  uns  an  den  Tag  legte,  so  wie  für  die  guten 
Maßregeln,  die  er  efgriff  um  uns  den  Eingang  in  das  Thal  der 
Kostaimca,  wo  die  wildesten  der  Amanten  wohnen,  möglich  zu  machen. 

Mit  vier  tOrkischen  Gensdarmen  und  gegen  zehn  arnautischen  Be- 
gleitern, darunter  ein  Häuptling  Halim,  der  sich  bereits  seit  einer 
Woche  an  uns  angeschlossen  hatte,  traten  wir  in  das  Kostainica-Thal 
ein  und  fanden  in  Ratsch  gastliche  Aufnahme  im  Hause  eines  Amanten, 
der  durch  den  Kaimakan  von  Kurschnmlje  darum  ersucht  worden  war. 
Die  Gewähr  des  Gastrechtes  in  einem  einzigen  arnautischen  Hause  gilt 
nach  altem  Herkommen  für  einen  Freibrief  im  ganzen  Thale  und  war 
uns  daher  von  größtem  Wert.  Das  mit  einem  geflochtenen  Zaun 
umgebene  Gehöfte  liegt  auf  einem  Hügel  in  der  Nähe  einer  Moschee  und 
nmfasst  vier  Häuser  oder  genauer  gesprochen  Lehmhütten.  Zwei  der- 
selben werden  von  Männem,  d.  i.  dem  Vater  und  den  Söhnen,  die  zwei 
andern  von  den  Frauen  bewohnt.  Für  uns  waren  zwei  Häuser,  von 
jeder  Gattung  eines  eingeräumt  worden,  indem  sich  die  Hansbewohner 
in  den  beiden  andern  vertheilten,  und  noch  dazu  unsere  türkischen 
Begleiter  aufnahmen.  Das  von  uns  bewohnte  Harem  war  eine  kleine 
Lehmhütte  mit  Fenstem  kaum  so  groß  um  den  Kopf  durchzustecken, 
and  l^ot  gerade  so  viel  Platz  um  drei  Feldbetten  und  einen  Tisch  dicht 
nebeneinander  aufzustellen.  Die  Diener  bewohnten  eine  größere  Hütte, 
den  einzigen  Raum,  den  sie  aber  mit  den  Pferden  theilen  mussten. 

So  waren  auch  die  anderen  Wohnungen  eingerichtet  Durch  die 
Thfir  eintretend  musste  man  erst  die  Pferde  passieren  um  zu  den 
Hausbewohnern  zu  gelangen,  die  um  ein  großes  Feuer  herum  liegend 
rauchten  und  plauderten.  Das  Inventar  einer  gut  eingerichteten  Wohnung 
besteht  aus  einem  frei  brennenden  Feuer,  einigen  kleinen  Schemeln, 
einem  runden  Brett  um  die  Mahlzeit  aufzutragen,  einigen 'Wasserkrügen 
nnd  je  nach  Bedarf  aus  zwei  oder  mehreren  im  Boden  eingerammten 
Stöcken,  woran  in  Hängematten  gehüllt,  der  Mütter  Theuerstes  ge- 
schaukelt wird.  In  den  Franenwohnungen  trifft  man  Kamine  an,  aber 
auch  nur  Fußböden  von  Lehm  und  Fensterscheiben  von  Papier. 

Für  unsere  Verhältnisse  aufs  beste  eingerichtet,  verbrachten  wir 
an  diesem  Platz  etwa  8  Tage  in  steter  Gesellschaft  des  gastlichen 
Wirtes.  Abends  kam  er  mit  seinen  Söhnen  nnd  den  Aeltesten  des  Thaies^ 
in  unsere  Hütte  und  blieb  oft  Stunden  lang  da.  Einer  der  Söhne  sang 
anwutische  Lieder,  die  er  auf  einem  mandolinartigen  Instrumente  beglei- 


394 

tete.  Dann  kamen  die  Kinder  der  Familie  schfichtem  hereingehascht,  um 
sich  die  versprochenen  Süßigkeiten  ahzoholen.  Die  Frauen  des  Hauses 
sahen  wir  nur  von  weitem,  aus  halh  geöffneter  Thür  verstohlen  heraus- 
schauend. 

In  Ratsch  genossen  wir  ganz  ohne  unsere  Schuld  das  Renomm^ 
der  Heilkunde  und  waren  oft  genöthigt,  die  Sch&tze  unserer  Apotheke 
armen  Heilshedflrftigen  zu  spenden,  unsere  Unkenntnis  einzugestehen, 
gieng  nicht  an,  es  wflrde  als  UngefäUigkeit  aufgenommen  worden  sein, 
und  so  mussten  wir  nolens-volens  den  Doctor  spielen.  Puncto  der  anzu- 
wendenden Medizin  lagen  wir  oft  im  Streit,  da  jeder*  der  Herren  fOr 
eine  andere  Mixtur  stimmte.  Schließlich  entschied  man  sich  dann  für 
ein  Seidützpulver,  aber  nur  so  lange  als  der  Yorrath  reichte. 

Von  Ratsch  weg  folgten  wir  der  Kostainica  bis  zu  ihrem  kleinen 
Nebenflusse  Merdar  und  diesem  bis  zur  Wasserscheide,  welche  uns 
eine  wundervolle  Aussicht  auf  den  7  bis  8000  Fuß  hohen  Lubriatin 
darbot.  Die  Sonne  sandte  gei-ade  ihre  letzten  Stralen  auf  die  im  Win- 
terkleid prangenden  Berge  und  verschwand,  einen  feurigen  Gluthauch 
auf  demselben  zurücklassend. 

Alpenglühen,  du  letzter  Gruß  der  sterbenden  Sonne,  wie  wundersam 
zauberst  du  Bilder  aus  meiner  kleinen  Heimat  hervor  und  versetzest 
mich  in  trauten  Kreis  meiner  fernen  Angehörigen! 

Die  Berggipfel  erblassen  und  Allfaders  nächtliche  Leuchte  ftogt 
schon  an  uns  ernsthaft  an  den  Aufbruch  zu  mahnen,  da  erblicken  wir 
drei  nahende  Reiter,  von  denen  besonders  der  eine,  ein  stattlicher 
Mann,  in  malerisch  arnautischem  Kostüme  uns  auffiel,  es  war  Ali 
der  Häuptling  des  Labthaies,  der  von  unserer  Ankunft  unterrichtet, 
sich  zu  unserem  Empfang  auf  den  Weg  gemacht  hatte.  Ali  hatte 
bereits  vor  einigen  Wochen  die  Bekanntschaft  des  Herrn  Director 
Pressel  gemacht,  und  war  von  diesem  für  unsere  Sache  gewonnen 
worden.  Diesem  Umstände  hatten  wir  seine  Bekanntschaft  zu  danken. 
Da  Ali  vom  Pferde  stieg,  musste  ich  ein  gleiches  thun,  gab  ihm  aber, 
nachdem  die  türkische  Begrüßung  erfolgt  war,  auf  echt  deutsche 
Weiße  die  Hand.  Ali  brachte  uns  nun  nach  dem  Hau  zu  Podi^ewo, 
welchen  er  nicht  verließ  so  lange  wir  da  waren.  Hier  übergab  ich  ihm 
einen  elegant  gearbeiteten  Revolver  nebst  Munition  als  Geschenk  von 
Herrn  Director  Pressel.  Allgemeines  Staunen  rief  dieses  Prachtexemplar 
von  Wiener  Arbeit  hervor.  Ali  wagte  kaum  die  Waffe  aus  ihrem  Etui 
herauszunehmen  und  zitterte  vor  Freude.  Diese  Naturkinder  verstehen 
es  eben  nicht  ihre  Eindrücke  zu  verbergen.  Gleich  musste  der  Revolver 
probiert    sein,    mein    Feß  auf  eine  Stange  gesetzt,  war  das  Ziel  eines 


396 

Schnellfeners  und  trfigt  heute  noch  die  unvernarbten  Wunden  vom 
16.  December  1869. 

Zwei  Tage  später  wurde  uns  ein  eigenthümlicher  Genuss  zu  Theil. 
Wir  hatten  gerade  das  Nachtmal  beendet  und  waren  in  dem  Stadium 
angekommen,  vor  dem  definitiven  Schlafe  provisorisch  einzunicken, 
indem  die  allgemeinen  abendlichen  Themata  bereits  jeder  kannte  und 
sogar  einer  dem  andern  Concurrenz  machte.  Da  vernahmen  wir  eine 
eigenthflmliche  Musik,  wie  von  Pfeifen  und  Tamtam,  vermischt  mit 
verworrenem  Geräusch  von  Menschenstimmen.  Ali  tritt  ein  und  Iieißt 
uns  folgen.  In  unsere  Pelze  gehüllt,  folgten  wir  ihm  und  treten  hinaus 
in  die  kalte  Nacht,  die  Flur  war  mit  Schnee  bedeckt  und  der  Mond 
beleuchtete  eine  große  Schar  unheimlich  aussehender  Gestalten,  die  in 
einem  großen  Kreise  um  ein  helllodemdes  Feuer  auf  dem  kalten  Boden 
lagerten.  Bei  unserer  Ankunft  erhob  sich  der  ganze  lebende  Kreis  und 
Ali  hieß  uns  Platz  nehmen  neben  den  Aeltesten,  die  sich  nach  türkischer 
Weise  auf  dem  Boden  zusammenkauerten.  Uns  convenierte  diese  Art  zu 
sitzen  ganz  und  gar  nicht  und  machte  jeder  erst  die  verschiedensten 
Stellungen  durch,  bis  er  endlich  einmal  eine  passende  Lage  gefunden  hatte. 

Die  Musik  beginnt  in  den  herzzerreißendsten  Tönen  und  ein  großer 
stattlicher  Mann  beginnt  zu  tanzen;  erst  langsam  sich  drehend  verlftsst 
er  das  Centrum  des  Tanzplatzcs,  folgt  dem  Umfange  desselben  und 
berührt  abwechselnd  den  einen  oder  den  andern  der  Zuschauer  mit 
seinem  Fuß.  Die  Musik  wird  feuriger,  die  Bewegungen  des  Tanzenden 
werden  rascher  und  ein  Säbel  blinkt  in  seiner  Hand.  Die  Herausfor- 
derung zum  Kampfe,  die  durch  Anstoßen  mit  dem  Fuß  mehr  einer 
Neckerei  glich,  wird  drohend  von  dem  Säbel  gefordert,  immer  rascher 
wird  der  Tanz,  immer  drohender  zuckt  die  schneidige  Waffe  durch  die 
Lüfte,  immer  rasender  wird  die  Musik;  der  Kampf  ist  eröffnet,  der 
saumselige  Säbel  muß  der  Pistole  weichen  und  ein  Schuss  fällt  dicht 
über  dem  Haupte  unseres  Nachbars,  dieser  erwiedert  die  feurige  An- 
sprache in  gleicher  Weise  und  nun  beginnt  ein  allgemeines  Schießen  und 
Lärmen.  Die  Hand  ermüdet  endlich,  greift  nur  noch  langsam  in  die  Seiten, 
die  wilde  Wut  lässt  nach  und  in  zierlichen  Wendungen  mit  friedlicher 
Miene  verlAsst  der  kühne  Tänzer  mit  Lob  überschüttet  den  Ringplatz. 

Es  war  Mitternacht,  kalt  brauste  der  Wind  von  den  Bergen  herab 
in  die  letzte  Glut  unseres  Feuers  und  drohte  es  zu  vernichten,  nachdrücklich 
mahnte  der  Schlaf  an  sein  alt  herkömmlich  Recht.  Lange  noch  als  wir 
schon  zu  Bette  waren,  drang^das  Seitenspiel  zu  unserem  Ohr,  als  wollt 
es  uns  zum  Kampfe  rufen,  als  wollt  es  mich  an  meinen  ersten  Kampf 
erinnern  —  an  meinen  Kampf  ums  Erdenbürgerrecht,  aus  dem  aa 
diesem  Tage  ich  siegreich  hervorgegangen  war. 


396 

In  Schnee  und  Regen  abwechselnd  führte  ans  der  Lab  dnrch  sein 
Defil6e  nach  dem  längst  ersehnten  Kossawopolje,  das  ist  das  dnrdi 
seine  Schlacht  historisch  berflhmt  gewordene  Amselfeld.  Hier  besachten 
wir  das  in  einer  Moschee  befindliche  Grab  des  ermordeten  Sultans  Marat. 

Am  Abend  dieses  Tages  trafen  wir  noch  in  Pristina  dem  Ziele 
anserer  Expedition  ein.  ' 

Der  Rückweg  war  nicht  so  leicht  wie  die  Hinreise,  ein  heftiger 
Regen  hatte  die  Gebirgsbftche  angefüllt  und  das  Labthal  in  einen 
großen  See  umgewandelt.  Einen  ganzen  Tag  mit  der  Flut  k&mpfend, 
erreichten  wir  abends  durch  und  durch  nass  den  Han  in  Podujewo,  die 
ganze  Bagage  nebst  Dienern  im  Freien  lassend.  Petroleam  auf  nasses 
Gesträuch  gießend,  gelang  es  den  Dienern  sich  ein  erwärmendes  Feaer 
zu  verschaffen.  Die  Bagage  und  Betten  waren  vollständig  durchnässt  und 
letztere  konnten  während  8  Tagen  nicht  mehr  benützt  werden.  Um 
dem  Wasser  aus  dem  Wege  zu  gehen,  wählten  wir  am  zweiten  Tag 
einen  Bergpass,  auf  welchem  uns  wiederum  die  Nacht  überraschte. 
Diener  und  Wagen  blieben  im  Freien,  während  wir  in  Knrschamlje 
durch  die  Güte  des  Kaimakans  einige  Decken  und  ein  Nachtessen  erhielten. 

Der  vierte  Tag  brachte  uns  nach  Prokoplje  und  der  fünfte  anter 
Schneegestöber  nach  Nissa,  um  daselbst  den  Sylvester  1869  im  Kreise 
unserer  Freunde  zu  begehen.  Von  Nissa  gelangten  wir  in  vier  Tagen 
nach  Belgrad,  wo  wir  uns  trennten,  um  von  Stambul  und  Wien 
von  denjenigen  Abschied  zu  nehmen,  welche  der  Erzählung  bis  zu 
diesem  Puncto  gefolgt  sind. 


Das  Land  Tunichan*). 

2.    Ethnographischer    Theil. 

Von  F.  SvScen«^. 
Bald  nach  dem  Vorrücken  der  Kosaken  in  das  Land  Torachaa 
zeigte  sich  eine  Zunahme  der  russischen  Bevölkerung  durch  Ankömm- 
linge, welche  dorch  die  Gerüchte  von  dem  Reichthum  an  Thieren  waren 
angezogen  worden.  Man  nimmt  an,*  dass  um  das  Jahr  1727  die 
rassische  Bevölkerung  des  Landes  beiderlei  Geschlechts  nicht  mehr 
als  1500  Seelen  betrug,  die  sich  zumeist  im  nördlichen  Theile  concen- 
trierte.  Einen  Beweis  hiefür  geben  die  üeberbleibsel  von  Wohnstatten 
in  der  Nähe  der  Flussmündungen  des  Jenisej,  der  Chatanga  und  I^asyna, 
mitunter  auch  an  den  Gestaden  der  See.    Im  Jahre   1782  war  die  An- 


♦)  Nach  dem  Russischen  des  Hm.  Tretjakow  in  den  Denkwürdigkeiten 
der  kaifl.  russischen  geographischen  Gesellschaft. 


397 

zahl  der  Tangnsen  1282,  der  Juraken  and  Samojeden  640,  der  Ostjaken 
351,  der  Jakuten  in  der  N&he  von  Turuchansk  127  Seelen,  wie  viel 
Einwohner  dieser  Yolksstämme  in  den  nordöstlichen  Landeetheilen  sich 
befanden,  ist  anbekannt. 

Oberhalb  der  Stadt  Turachausk  war  die  Bevölkerung  so  spärlich, 
dass  zur  Winterszeit  der  Verkehr  mit  dieser  Stadt  sich  äußerst  schwer 
bewerkstelligen  ließ.  Zur  Beseitigung  dieses  Uebelstandes  beschloss  man 
im  Jahre  1811  von  Seite  der  Regierung  der  Ansiedlung  in  jenem  Ge- 
bietstheile  Vorschub  zu  leisten.  Im  Jahre  1812  wurden  von  zwei  größeren 
Schiffen  und^  zwei  Barken  Ansiedler  an's  Land  gesetzt  Man  unter- 
brachte sie  zu  drei  oder  vier  Familien,  und  versah  sie  mit  dem  nöthigsten 
Hausrat  und  Getreide,  außerdem  erhielt  jede  Familie  eine  Kuh  uAd 
ein  Pferd.  Den  unverheirateten  Männern  wurden  Weiber  aus  den  in 
hinreichender  Anzahl  herbeigezogenen  weiblichen  Ansiedlern  beigegeben. 
£s  ereignete  sich  wol  auch,  dass  mancher  mit  der  zugewiesenen  Lebens- 
gefährtin nicht  vorlieb  nehmen  wollte,  oder  dass  umgekehrt  der  weibliche 
Theil  an  dem  männlichen  kein  Wolgefallen  fand  und  diesen  zurAck- 
wies;  aber  man  wehrte  solchen  Ideen  durch  strenge  Maßregeln.  Die 
solchergestalt  improvisierten  Paare  wurden  nach  Behändigung  einer 
schriftlichen  Anweisung  nnverzfiglich  getraut.  Unglücklicher  Weise  hatte 
der  größere  Theil  der  Ansiedler  bei  dem  Unvermögen,  die  Wohnung 
herzustellen  und  das  hinreichende  Futter  fQr  das  Vieh  beizuschaffen, 
bald  darauf  dessen  Verlust  zu  beklagen;  was  flbrig  blieb,  wurde,  weil 
es  an  Brod  gebrach,  aufgezehrt.  Zur  Zeit  des  erstell  Winters  tötete 
die  Kälte  einige  Personen  bei  Gelegenheit  von  Ausflügen  in  die  benach- 
barten Ansiedlungen.  In  den  Jahren  1813  und  1814  kamen  Nachschübe 
von  Leuten  zur  Besetzung  mehrerer  Standorte  in  der  Nähe  von  Turu- 
chansk; auch  diesen  wurden  Aushilfen  verabfolgt  Doch  gieng  mehr  als 
die  Hälfte  davon  zu  Grunde,  ungeachtet  es  an.  Sorgfalt  bei  Bestellung 
des  Hauses  und  Beschaffung  des  Unterhalts  nicht  gebrach.  Es  war  dies 
natürlich,  denn  die  früher  ungebundenen  Leute  kamen  aus  frucht- 
baren Gegenden  in  ein  Land,  wo  sie  unter  Zwangsverhältnissen  inmitten 
allerlei  Entbehrungen  und  Anstrengungen  ihr  Dasein  verbringen  mussten. 
Mit  dem  Jahre  1817  machte  man,  nachdem  eine  Bereisung  des  Landes 
durch  den  Obersten  Kamajew  vorausgegangen  war,  weitere  Anstalten 
zur  Colonisation.  Die  entsprechende  Entwicklung  der  russischen  Ansied- 
lungen erfolgte  jedoch  erst  um  das  Jahr  1820.  Damals  machten  sich 
aber  auch  die  Folgen  der  gewaltsamen  Heiraten  fühlbar.  Die  Weiber 
giengen  den  Männern  an's  Leben  und  die  Männer  den  Weibern.  Es  gab 
Leute,  die  ihre  eigenen  Kinder  umbrachten.  An  die  Stelle  der  bei  solchen 
Anlässen  zur  Strafarbeit  Verurtheilten  oder  der  mit  Tod   abgegangenen 


S98 

Personen  kamen  neue  Colonisten.  Da  aber  der  größte  Theil  derselben 
früher  Vagabunden  waren,  so  trachteten  viele  sich  Geleitscheine  zu  ver- 
schaffen, mit  denen  sie  verschwanden,  um  nicht  wieder  zu  kommen. 
Andere  fQr  die  schwierige  Existenz  im  Lande  nicht  Geeignet«  wurden 
von  der  Regierung  anderweitig  unterbracht.  Meistens  giengen  sie  unter 
die  Sectierer,  namentlich  unter  die  Duchoborzen,  welche  Secte  später 
in's  Amurland  übersiedelt  ist  und  dort  unangefochten  geduldet  wird. 

Der   gegenwärtige  Bevölkerungsstand   stellt   sich  folgender  Maßen: 


OD 


• 

Männlich 

Weibl 

Erbliche  Edelleute 

1 

^ 

Vom  Personen-Adel 

6 

G 

Angestellte  Diißner 

2 

4 

Geistliche  Personen 

18 

17 

Elosterleute 

5 

Klosterdiener 

10 

7 

Btlrgerliche 

70 

71 

Eronbauern 

618 

490 

Verbannte 

122 

90 

Kosaken 

73 

53 

Ostjaken 

888 

71G 

Tungusen 

847 

640 

Samojeden 

557 

536 

Juraken 

185 

158 

Dolganen 

303 

270 

Jakuten 

279 

289 

3982 

3347 

•§ 

'S 

Im  ganzen  7329  Seelen. 

Das  männliche  Geschlecht  ist  überwiegend,  denn  auf  lOü 
männliche  werden  86  weibliche  Personen  gezählt.  Speziell  herrscht 
aber  bei  den  Jakuten  das  weibliche  Geschlecht  vor.  Auf  1000  Per- 
sonen kommen  jährlich  48  Geburten  und  40  Todesfälle.  Der  Zu- 
wachs stellt  sich  auf  0.87o»  ^^  Süden  des  Jenisej*schen  Gouvernements 
beträgt  die  jährliche  Zunahme  1.4%  ^^^  darüber.  Die  Vermehrung  der 
Population  findet  bei  den  russischen  Colonisten  an  dem  Mangel  ver- 
fügbarer Mädchen  ein  Hindernis,  denn  bei  dem  Abgang  der  Arbeits- 
kräfte bleiben  die  meisten  Töchter  möglichst  lange  bei  den  Aeltem 
zurück ;  man  muss  überdies  bis  auf  300  oder  400  Werst  auf  die  Braut- 
schau gehen. 

Die  Sterblichkeit  der  Kinder  bis  zum  4.  ja  auch  bis  zum  6  Jahre 
ist  ungewöhnlich  groß.  Schon  im  Mutterleib  hat  das  Kind  die  Sparen 
der  drückenden  Verhältnisse,    der   schlechten  Kleidung   und   der  hänüg 


399 

elenden  Wohnung  in  sich  aufzunehmen,  auch  die  schlechte  Nahrung 
und  übertriebene  Arbeit  der  Mutter  verkUmmert  das  arme  Wesen.  Zur 
Welt  gekommen,  liegt  es  in  schmutzigen  Fetzen  fast  unausgesetzt  in 
einem  abgeschiedenen  Gemache,  und  anstatt  reiner  Luft  athmet  es 
Qualm  und  Gestank  ein,  der  in  den  vielen  schlechten  rauchigen  Wohnungen 
unausweichlich  ist.  Mit  dem  Eintritt  des  Sommers,  wo  alles  auflebt, 
hat  es  von  allen  Gattungen  Insecten  zu  leiden.  Vergeblich  schreit  es 
nach  der  Mutter ,  denn  diese  vermag  vor  lauter  Geschäftigkeit  in  der 
Zubereitung  der  Wintervorräthe  nicht  immer  Hilfe  zu  bringen,  und 
öfters  bleibt  d£tö  Kind  sogar  ohne  Nahrung. 

Das  Fieber  herrscht  allij&hrlich,  doch  pflegt  es  bei  einiger  Sorgfalt 
der  Behandlung  im  Verlauf  einer  Woche  zu  weichen.  Selten  zeigen  sich 
die  Masern  und  der  Scharlach,  dagegen  ist  der  Rheumatismus,  das 
Gliederreißen,  besonders  in  den  unteren  Extremitäten  und  der  Kopf- 
schmerz häufig. 

In  Folge  der  ünreinlichkeit  leiden  viele  an  FuOausschlägen ,  der 
Scorbut,  den  man  zu  den  climatischen  Krankheiten  zählen  kann,  übt 
auf  die  Urbewohner  des  Landes  nur  geringen  Einfluss,  für  sie  ist  er 
nicht  tötlich.  Am  verderblichsten  ist  das  Auftreten  der  Blattern,  die 
besonders  unter  den  Nichtrussen  verheerend  zu  sein  pflegen,  ohne  dass 
das  Gegenmittel  der  Kuhpocke  bei  ihnen  bis  jetzt  gehörig  verfangen 
hätte.  Von  Seite  der  Regierung  gebricht  es  zwar  nicht  an  ärztlicher 
Hilfe,  allein  diese  scheitert  an  den  Ortsverhältnissen.  Die  große  Ent- 
fernung vom  Sitz  der  Sanitätsverwaltung,  die  ungenügende  Befolgung 
der  ärztlichen  Anordnungen,  bei  den  Nichtrussen  die  meist  aus  Fisch- 
fleisch bestehende  Nahrung  und  die  Schwierigkeit  der  Verständigung 
des  Arztes  mit  dem  des  Russischen  unkundigen  Patienten  sind  eben  so 
viele  Hindernisse.  Bei  den  Russen  schickt  man  gern  den  Erkrankten 
am  dritten  Tag  nach  dem  Erscheinen  des  Uebels  in  die  Badestube; 
die  Folgen  dieses  Verfahrens  bedürfen  keiner  Auseinandersetzung. 

Die  fast  in  dem  Mittelpunkt  des  Landes  gelegene  Stadt  Turuchan 
erhebt  sich  zwischen  Sümpfen  und  Seen  unweit  von  der  Vereinigung 
der  Flüsse  Turuchan  und  Jenisej  in  einer  Entfernung  von  1084  Werst 
von  der  Kreisstadt  Jenisejsk.  Die  Umgebung  bildet  eine  endlose,  mit 
Gesträuch  bedeckte  Ebene,  nur  im  Osten  sieht  man  einen  Waldsaum 
von  Nadelholz  an  den  Ufern  des  Jenisej  und  im  Hintergrunde  einiges 
Gebirge.  Die  Stadt  Turuchansk  war  bis  zum  Jahre  1823  Kreisstadt; 
wegen  der  Verarmung  des  Landes  wurde  der  Kreissitz  nach  Jenisejsk 
verlegt,  seit  welcher  Zeit  sie  auch  ihren  Lebensnerv  einbüßte.  Bis  1829 
war  sie  eines  der  Exile  der  Staatsverbrecher.  Gegenwärtig  zählt  sie 
47  Wohngebäude,   wovon  2  für   die  Beamten,    3  für  die  Geistlichkeit, 


4(J(J 

13  Atr  die  BargenchaA,  14  fttr  die  Kosaken  und  15  fttr  die  Bueni 
bestimmt  sind. 

Die  Stadt  hat  zwei  Kirchen  des  russischen  Ritas,  davon  eine  ge- 
maoert,  die  andere  von  Holz;  eine  dritte  ist  fttr  die  Missionäre  be- 
stimmt. Ueberdies  besteht  dort  eine  hölzerne  Capelle.  Sieben  alte  Kauf- 
baden,  ein  Branntwein-  and  zwei  Getreidemagazine,  ein  Salzladen,  eine 
Schftnke,  ein  Schalhaas  and  ein  hölzernes  Gefängnis  vollenden  das  Bild. 
Nar  8  oder  9  Hftaser  sind  im  gaten  Baastand.  Im  ganzen  Lande  gibt 
es  ö  Pflanzstftdte  mit  36  Höfen  in  denselben,  54  Weiler  mit  247  Höfen, 
44  Winterstfltten  mit  67  Höfen  —  zasammen  103  Ortschaften  mit  350 
Höfen. 

Anßerdem  zählen  die  Nichtrnssen  936  Zelte  and  zeltartige  Unter- 
kflnfte  (66  Jnrten  and  870  Tschamen),  die  rassischen  Ansiedlongen 
liegen  zameist  am  Jenisej.  Im  Sflden  bestehen  die  Weiler  ans  3,  8  ond 
12,  im  Norden  aas  1,  2  höchstens  4  Häusern.  Die  Winterstätten  gegen 
Nordosten  sind  von  einander  dnrch  grofie  Strecken  getrennt 

In  den  südlichen  Gegenden  ist  die  Unterkanft  der  Rassen  ziemlich 
gat  and  geräamig,  die  Oefen  von  Backsteinen,  die  Fenster  von  Glas. 
Das  Vieh  wird  in  warmen  Ställen  unterbracht  Aber  in  den  nördlichen 
liandestheilen,  wo  empfindlichere  Kälte  und  Schneewehen  herrschen,  der 
Winter  auch  länger  dauert,  entspricht  die  Einrichtung  der  Wohnongai 
bei  weitem  nicht  den  Bedürfnissen  der  Menschen,  welche  verurtheilt 
sind,  den  größeren  Theil  des  Jahres  darin  zu  verbringen.  Der  Reisende 
des  äußersten  Nordens  sehnt  sich,  nach  hwger  Fahrt,  erlahmt  dnrch 
die  liegende  Stellung  in  den  engen  Wagen,  bis  an  die  Beine  erfroren, 
mit  wüstem  Kopfe,  in  krankhafter  Empfindlichkeit,  nach  der  Ankunft 
in  der  Winterstätte.  Nachdem  er  sich  von  dem  Fahrzeug  mühsam 
losgemacht,  stellen  sich  seinen  Blicken  dunkle  Gestalten  mit  bren- 
nenden Fakeln  dar.  Bei  dem  Widerschein  des  Lichtes  zeigt  sich  die 
unförmliche,  aus  Balken  gebaute,  vop  allen  Seiten  verschneite  Hütte. 
Eintretend  steigt  er  in  eine  Vertiefung,  und  gebückt  betritt  er  das 
Innere,  mit  dem  Haupt  an  die  bereifte  Decke  streifend.  An  den  Seiten- 
theilen  befinden  sich  Verschlage,  wovon  einer  Hunde  beherbergt,  die 
auf  unreinem  Eisboden  ruhen,  der  kaum  zur  Sommerszeit  aufthaut  Elin 
anderer  Verschlag  verbirgt  den  Hausschatz.  Der  Anblick  der  hölzernen 
Stube,  die  überall  berußt  ist,  kann  nicht  reizend  genannt  werden.  Die 
Lampe,  deren  Licht  durch  Fischthran  genährt  wird,  verbreitet  mehr 
Gestank  als  Stralen.  Im  Vordergrund  oder  über  dem  Fenster  hängt 
ein  Bild,  dessen  Umrisse  vom  Rauch  so  angegriffen  sind,  dass  man 
die  Gestalt  des  Heiligen  kaum  zu  erkennen  vermag.  Dem  kleinen  aas 
Lehm  errichteten  Ofen   fehlt   die  Röhre,    rund   herum    wird  Hohs   ge- 


401 

trocknet.  An  den  Fenstern  sietit  man  statt  der  Einrahmung  Eisstflcke, 
die  im  Aofthanen  unaufhörlich  abtropfen.  An  den  Wänden  sind  Netze 
zum  Trocknen  ausgespannt.  Ein  Kessel  mit  Fischen  wird  Aber  dem 
Herdfeuer  angebracht,  um  den  Reisenden  das  Mahl  zu  bereiten.  Die 
Stube  füllt  sich  mit  Rauch,  der  sich  nur  langsam  durch  die  an  der 
Decke  angebrachte  Oeihiung  hinauszieht.  Die  ungewohnten  Augen  füllen 
sich  mit  Thränen;  der  obere  Stubenraum  überströmt  von  W&rme  und 
Pech  tropft  mit  Ruß  von  der  Stubendecke  herab.  Will  man  sich  zur 
Ruhe  legen,  so  wird  man  durch  die  Zugluft  aus  den  schlecht  ver- 
stopften Wänden  gepeinigt. 

Bei  guter  Witterung  verliert  sich  der  Rauch  bald,  aber  zur  Zeit 
der  Schneewehen,  wo  ihn  die  einstürmenden  Luftströmungen  zurück- 
treiben, kann  man  in  der  Hütte  kaum  athmen.  Wol  bringt  das  Oefihen 
der  Thfire  Erleichterung,  aber  dafür  geht  alle  Wärme  verloren.  Man 
kann  unbedenklich  die  russischen  Hütten  mit  den  reinlichen  Jakutischen 
Jurten  vertauschen,  welche  für  die  Winterszeit  eben  so  geräumig,  wie 
bequem  eingerichtet  sind.  Sie  bestehen  aus  vier  aufrechten,  oberhalb 
durch  Querbalken  verbundenen  Säulen,  an  denen  Bretterwände  ange- 
bracht werden.  Das  Ganze  wird  durch  Anschüttung  von  Erde  und 
Einfügung  von  Mos  vervollständigt.  Gleiche  Bestandtheile  hat  auch  der 
Fußboden.  In  der  Mitte  des  inneren  Raum^  steht  der  Herd,  von  welchem 
eine  Art  Rauchfang  in  die  an  der  oberen  Decke  angebrachte  Oeffimng 
mündet.  Der  Herd  erwärmt  ohne  Rauch  zu  verbreiten  die  Jurte  derart, 
dass  man  selbst  leicht  gekleidet  sich  im  Inneren  aufhalten  kann.  An 
den  Wänden  befinden  sich  mit  Erde  gefüllte  Verschlage,  die  mit  einer 
Decke  von  Zweigen  oder  Thierbäuten  versehen,  als  Liegerstätte  dienen. 
Bei  manchen  Jurten  stehen  kleine  Badeanstalten,  als  Nachahmung  der 
russischen  Sitte. 

Auch  bei  den  Ostjaken  findet  man  Jurten,  die  gleichwol  enger, 
leichter  gearbeitet  und  weniger  sauber^jsind  als  jene  der  Jakuten.  Sie 
enthalten  gleichfalls  einen  Herd,  Schlafstätten  und  Fenstereinsätze  von 
Eis.  Für  den  Sommer  baut  sich  der  Ostjak  ein  Obdach  von  Birken- 
rinde, die  ausgekocht  und  dann  zu  größeren  Stücken  vereinigt  wird. 
Aas  gleichem  Materiale  werden  abgesonderte  stallartige  Verschlage  ge- 
baut, deren  Bestimmung  ist,  die  Mücken  während  des  Schlafes  abzu- 
wehren. 

Bei  den  anderen  Volksstämmen  dient  al^  Obdach  der  sogenannte 
Tschum.  Derselbe  wird  aus  einigen  gegen  einander  geneigten  Stangen 
errichtet,  die  man  von  außen  mit  Rennthierfellen  bedeckt.  Oberhalb  ist 
em  Rauchloch  angebracht  Hart  an  der  Erde  ist  eine  äußere  Einfassung 
von  Mos,  im  Winter  von  Schnee   zu   sehen.    Im  Innern   ist   der  Fuß- 

MittlMUiiafleii  d.  geogr.  OeieU.  1870.  9.  26 


402 

boden  mit  Zweigen  aasgelegt.  Auf  einer  Unterlage  von  Stein  erbebt 
sich  der  Herd,  znweilen  mht  er  auf  einem  eisernen  Rost.  Rnnd  hemm 
liegen  Bretter  and  weiter  gegen  die  Wand  mit  Rennthierbänten  bedeckte 
Weidengeflechte.  Viele  dieser  Hatten  sind  von  konischer  Form.  Einige 
bedeckt  man  mit  Bockshäaten«  andere  mit  Birkenrinde.  Die  ohnehin 
nicht  zahlreichen  Nachkommen  der  Bürger  von  Turnchansk  sind  großen- 
theils  kleinen  Wachses,  stotternd  and  mit  Scropheln  behaftet  In  ihrem 
Wesen  ist  keine  Spar  von  Selbständigkeit  oder  Unternehmongsgeist. 
Bei  großer  Faalheit  sind  sie  aach  anrein.  Anstatt  f&r  sein  Vieh,  als 
das  Haaptmittel  des  Unterhaltes  gehörig  za  sorgen,  bringt  der  Borger 
von  Torachansk  nicht  einmal  die  Hälfte  des  n(ythigen  Heuvorrals  fBr 
den  langen  Winter  aaf,  weshalb  das  Vieh  gegen  das  Frühjahr 
sich  nar  von  Weidenrinde  n&hren  und  vor  Erschöpfong  kaam 
rühren  kann.  Unter  einer  von  den  Aeltem  überkommenen  bedeutenden 
Schuldenlast  fdr  Staatsgetreide  und  sonst  nach  allen  Seiten  hin  ver- 
schuldet, haben  diese  Bürger  ein  schweres  Fortkommen.  Das  einzige 
Mittel  der  Verbesserung  ihrer  Existenz  besteht  im  jährlichen  Bezug  von 
ungefähr  1200  Rubel  aus  der  Staatskasse  für  Postdienste  und  ärarischen 
Thierfang. 

Die  Nachkommen  der  ersten  Ansiedler,  die  häufig  Töchter  der 
Nomaden  zur  Ehe  nahmen,  tragen  in  den  Gesichtszügen  asiatischen 
Ausdruck,  und  in  der  Sprache  gewisse  Fehler,  als  Folge  herkömmlicher 
Schwerfälligkeit.  Sie  sind  stampf,  sorglos,  leichtsinnig,  alle  den  gleichen 
Leidenschaften  unterworfen  und  schlan  ohne  Arglist  Dieser  Typus  ist 
allen  Bauern  in  den  nördlichen  Gegenden  eigen.  Der  klägliche 
Nomadenanzug,  ihr  übelriechendes  Hemd  zweifelhafter  Farbe,  der 
finstere  müde  Blick,  das  gesenkte  Haupt,  alles  dies  ist  nicht  geeignet 
für  sie  einzunehmen.^  Doch  wollen  wir  sie  nicht  verurtheilen.  Als  Kind 
ist  der  Bedauernswerte  in  düsterer  Umgebung  und  kennt  kaum,  was 
Wohlwollen  und  frenndliches  Entgegenkommen  ist.  In  schmutziger, 
finsterer  rauchgefällter  Stube  liegt  er  in  irgend  einem  Winkel.  Während 
des  viele  Monate  dauernden  Winters  hört  er  nur  das  Heulen  des 
Windes  und  das  Treiben  der  Schneewehen.  Die  unendlich  traurige 
Schneefläche  lässt  ihn  ohne  Theilnahme.  Die  Strenge  des  Klimas,  die 
Abwesenheit  der  belebenden  Sonnenstralen,  der  Mangel  an  Nahrung 
hält  ihn  in  einem  Zustande  fortwährender  Leiden.  Die  Einbildungskraft 
erstirbt,  das  Blut  verlangsamt  seinen  Lauf.  Mannbar  geworden,  kennen 
diese  Menschen  kaum  das  Gefühl  der  Liebe.  Oft  bleibt  dem  Bräutigam 
die  Braut  bis  zum  Tage  der  Verehelichung  unbekannt.  Die  kirchliche 
Einsegnung  wird  häufig  erst  nach  Jahren  nachgetragen. 

Die   Bauern   des   Südens   sind   im    Wohlstande   und    körperlicher 


40S 

Krsft  weit  voraus.  Sie  sind  zwar  schlati ,  listig,  neidisch  und  zur  üblen 
Nachrede  geneigt,  jedoch  fehlt  es  ihnen  nicht  an  gesander  Einsicht  und 
Selbständigkeit.  Besitzt  der  Baaer  des  Sfldens  ein  gutes  Wohngemach, 
ein  oder  zwei  Pferde,  einige  Kilbe  und  einige  Hunde,  die  erforderlichen 
Werkzeuge  zum  Fischfang  und  zur  Jagd  und  hat  er  an  den  Staat  keine 
Schulden  fftr  Getreide,  so  gilt  er  ffir  wohlhabend. 

Das  Bauemvolf  verbringt  die  Lebenszeit,  ohne  sich  durch  Festlich* 
keiten,  Instrumental-Musik,  oder  sonstige  Unterhaltungen  zu  erheitern. 
Die  vorkommenden  Lieder  sind  inhaltsleer.  Bramitwein  und  Tlkee  bilden 
den  Gegenstand  der  vorherrschenden  Neigung. 

Die  Nichtrussen  sind  entweder  sesshaft  oder»  fahren  ein  No- 
maden- oder  auch  nur  ein  Landstreicherleben. 

Sesshaft  sind  die  Jakuten  am  Jenisej.  Zu  den  Nomaden  gehört  der 
größere  Theil  dieses  Yolksstammes,  welcher  die  Steppen  heimsucht,  so^ 
wie  eine  Fraction  der  Dolganen  und  die  ärmeren  keine  RennthiM*e  be- 
sitsenden  Tungusen,  welche  sämmtlich  ihren  Aufenthalt  nach  Jahres- 
zeiten wechseln.  Alle  Übrigen  sind  im  unaufhOrtichen  Herumziehen 
begrilßen. 

Diese  Yolksdtämme  bilden  eine  ganz  abgesondeite  Einwohner-Klasse. 
Sie  genießen  unumschränkte  Religionsfreiheit.  Denjenigen  unter  ihnen, 
welche  das  Christenthum  annehmen,  wird  dreijähriger  Eriass  der  Steuer- 
pfiicfat  gewährt. 

Sie  sind  sämmtlich  vom  Kriegsdienst  frei  und  kOnnen  nadi 
Gutdünken  in  die  gesetzlichen  Benifsarten  der  Bauernschaft  oder  des 
Btrgerthums  eintreten. 

Jeder  Volksstamm  zerfällt  in  besondere  Geschlechter,  die  wieder 
/MS  einer  Anzahl  Familien  bestehen.  Zu  Oberhäuptern  haben  sie  er- 
fahrne ^ige  Mäimer  von  Ansehen,  welche  die  Mittel  besitzen,  fflr  den 
Unterhalt  einiger  Familien  zu  sorgen  und  diesen  Schutz  zu  verschaffen. 

Die  Regierung  bestellt  bei  den  hervorragenden  Geschlechtern,  hie 
und  da  für  mehrere  zusammen,  nationale  Verwaltungsorgane  mit  Aeltesten 
an  der  Spitze.  Das  Haupt  der  Familie  behandelt  die  Gattin  als  Schivin 
imd  verAlgt  •  Über  die  Kinder.  Das  fiigenthumsrecht  bezieht  sich  nur 
anf  das  Vieh  und  den  Hansrat,  nicht  aber  auf  Grund  und  Boden 
oder  andere  Nntzungsquellen,  die  sämmtlich  als  Gemeingut  gelten. 

Die  Tungusen  (in  ihrer  Sprache  Awanki  genannt)  kamen  nach 
ihren  Ueberlieferungen  aus  dem  Sflden. 

Vor  der  Unterwerfung  durch  die  Russen  waren  ihre  Stämme  im 
Zostand  ununterbrodbener  Fehde  und  kampflustig.  Noch  jetzt  lebt  das 
Andenken  an  so  manchen  Streiter,  der  den  Pfeil  im  Fluge  auüeng,  der 
ihm  bestimmt  wai\  Der  Kühne  verstand  es,  mit  unvergleichlicher  Oewandt- 

26* 


404 

heit  sich  nur  eines  kleinen  Schildes  bedienend,  die  gegen  ihn  gerichleteD 
Greschosse  mehrerer  Gegner  so  lange  zn  parieren,  bis  sie  ans  Mangel  an 
Pfeilen  abließen.  Zur  Zeit  der  Winteijagden  pflegte  derselbe  seine  reidie 
Beate  an  die  Gefährten  za  vertheilen,  welche  nicht  unterließen  als  Zeichai 
ihrer  Ergebenheit  ihm  ihre  Töchter  zur  Ehe  anzubieten.  Die  Tangnsen 
sind  mittleren  Wuchses,  untersetzt,  von  röthlich  brauner  Hautfarbe,  nüt 
etwas  länglichem  Gesicht,  breiter  wenig  flacher  Stirn.  Die  kleinen  feurigen 
schwarzen  oder  braunen  Augen,  die  bogenförmigen  Augenbrauen,  die 
hervorstechenden  Backeoknochen  und  breiten  Lippen  bei  fibrigens  in- 
telligentem und  kflhnem  Ausdruck,  alles  dies  gibt  dem  Gresicht  ein 
characteristisdies  Gepräge.  Ihre  Vermischung  mit  den  Jakute  Dolganen 
und  Kosaken  störte  einigermaßen  den  urspranglichen  Typus.  Die 
schwarzen  schlichten  Haare  werden  bei  M&nnem  und  Weibern  rückwärts 
in  ein  Bfindel  zusammenge&sst  oder  zu  einem  Zopf  geflochtai,  die 
spärlich  wachsenden  Barthaare  ausgerupft,  damit  der  Frost  darin  kein 
Eis  ansetze.  Die  Gesichtsbildung  der  Weiber  ist  in  der  Jugend  an- 
muthig,  später  hässlich. 

Mit  heftigem  Wesen  verbinden  die  Tungusen  Unerschrockenheit,  Oe- 
wandheit,  Aufrichti^eit  und  mitleidiges  Benehmen  g^en  ihre  Umgebung. 

Leider  verlieren  sich  diese  guten  Eigenschaften  immer  mehr  und 
mehr.  Faulheit,  Müßiggang  und  Unredlichkeit,  so  wie  der  Hang  zum 
Genuss  des  Branntweins  greifen  um  sich,  besonders  seit  die  frflheren 
wackeren  Schutzherren,  von  welchen  mancher  fEkr  zwei  oder  drei  verarmte 
Familien  den  Unterhalt  beigeschaflt  hatte,  nicht  mehr  unter  den  Lebraden 
sind.  Das  Hauswesen  ist  bei  den  tungusischen  Familien,  so  wie  Ab^rfaaapt 
bei  den  Nomadenvölkern  in  den  Händen  der  Frauen  und  durchaas  unge- 
künstelt. Als  unentbehrliches  Geräthe  betrachtet  man  einen  Kessel,  ein 
Messer,  einige  Schmiede  Werkzeuge  und  Werkzeuge  zum  Zubereiten  dtf 
Bennthierhäute  und  zum  Fisch-  und  Thierfang.  Die  Geburtswehen  werden 
durch  weibliche  Mithilfe,  in  manchen  Fällen  durch  die  Herbeiäehung 
des  Schamanen  (Zauberer)  zu  erleichtern  gesucht.  Das  Emd  erhält 
seinen  Namen  erst  im  dritten  oder  sechsten  Jahre,  der  Erwachsene 
nimmt  später  noch  einen  seiner  Beschäftigung  oder  Eigenschaft  ange- 
messenen Beinamen  an.  Die  Tungusen  schreiten  in  der  Begd,  sobald 
sie  im  reiferen  Alter  stehen,  zur  Ehe,  doch  konunen  auch  Ehen  zwischen 
TQjährigen  Greisen  und  12jährigen  Kindern  vor.  Auch  die  zum  Christen- 
thum  bekehrten  Tungusen  halten  die  kirchliche  Eins^^ung  der  Ehe 
nicht  für  unumgänglich  nothwendig.  Die  heidnischen  Tungusen  besitzen 
manchmal  zwei  oder  drei  Weiber,  welche  sich  ans  Eifersucht  nuaiif- 
hörlich  anfeinden  und  zuweilen  den  Mann  zu  unbarmherziger  Strenge 
herausfordern. 


406 

Wie  arm  aach  der  Tungase  sei,  so  theilt  er  mit  dem  Gast  seine 
letzten  Yorräthe.  Wenn  er  einen  bekannten  rassischen  Nachbarn  heimsucht, 
80  verlangt  er  mit  Trenherzigkeit  gleiches  Entgegenkommen,  findet  er 
keine  gate  Aofnahme,  so  kömmt  er  nie  wieder. 

Die  Tnngnsen  beiderlei  Geschlechts  anterhalten  sich  gern  mit  Tanz 
und  Gesang,  wobei  gewöhnlich  znftllige  Begebenheiten  and  Reiseaben- 
theaer  den  improYisierten  Inhalt  bilden.  Aach  hören  sie  gern  Erz&hlangen, 
deren  Thema  die  K&mpfe  ihrer  alten  Helden  aasmachen. 

Die  Behandlang  der  Krankheiten  ist  bei  ihnen  planlos,  der  Aber- 
giaabe  ersetzt,  was  an  ärztlicher  Kunst  abgeht.  Der  Tote  wird  in 
einer  Art  Sai^  zwischen  Bäumen  in  Klafterhöhe  aufgebahrt.  Neben  ihn 
1^  man  einige  Habseligkeiten,  den  Bogen  mit  zerrissener  Sehne,  eine 
Hacke  n.  dgl.  Das  Ganze  wird  mit  einem  Verschlag  umgeben.  Von  den 
unteren  Balken  des  Vorschlages  schält  man  die  Rinde  ab  und  ver- 
schmiert die  Blöße  mit  dem  Blute  eines  getöteten  Rennthieres;  um  die 
wüden  Thiere  zu  verscheuchen,  treibt  man  spitzige  Eisenstücke  in 
die  Wände.  —  Die  weiblichen  Leichen  werden  in  eine  Rennthierhaut 
eingenäht,  mit  ihren  Habseligkeiten  auf  die  Erde  gelegt  und  mit  Holz- 
werk bedeckt 

Die  Tungusen  christlicher  Religion  begräbt  man  unter  Grabhügeln 
mit  Beobachtung  der  gebührenden  Feierlichkeiten, 

Die  Ostjaken  (auch  Tundiget  genannt)  sind  mittleren  Wuchses, 
breiter  Brust,  flacher  Stirn;  sie  haben  lange  Beine  und  Hände,  schwache 
'  Waden,  schwarzes  Haar.  Ihre  Gesichtsfarbe  ist  braun,   von  kränklichem 
Aussehen.  Aus  den  grauen  Augen  spricht  Stumpfheit  und  Mistrauen. 

Das  weibliche  Antlitz  ähnelt  dem  männlichen,  nur  ist  es  aus- 
drucksvoller. Sorglosigkeit,  Pralsucht,  Heftigkeit  und  Faulheit  kenn- 
zeichnen den  Ostjaken.  Die  älteren  Leute  sind  voll  von  Vorurtheilen. 
Nur  der  Nachwuchs,  der  sich  von  den  Russen  nicht  mehr  absondert, 
zeigt  sich  geneigt,  nützliche  Neuerungen  aufzunehmen,  üebrigens  ist 
an  diesem  Volksstamm  Aufrichtigkeit  zu  loben.  Die  Weiber  sind  faul, 
roh  und  unrein. 

Der  ärmere  Theil  hält  sich  im  Winter  wegen  ungenügender 
Kleidung  unbeweglich  in  den  Erdhütten  am  Feuer,  am  ärarischen  Mehl, 
Wild  und  Schweinfleisch  zehrend. 

Bei  den  Geburtswehen  der  Weiber  fungieren  alte  Wehmütter  — 
zuweilen  treibt  sich  ein  Haufe  von  Männern  und  Weibern  um  die  Hütte 
lärmend  herum,  um  die  Gebährende  zur  Anspannung  der  Kräfte  anzu- 
r^en.  Im  äußersten  Fall  kömmt  der  Schamane  mit  seinen  Götzen. 
Das  Kind  bleibt  bis  zum  4.  oder  5.  Jahre  an  der  Brust.  Sein  erstes 
Spielzeug  Ist  der  Bogen  und  Pfeil. 


406 

Der  Ostjak  ist  wie  alle  andern  Stftmme  seinen  Kindern  sehr 
zogethan.  Als  man  zur  Zeit  der  üungersuoth  armen  Witwen  die 
Kinder  abzunehmen  anfieng,  um  sie  in  russischen  Familien  m  ver- 
pflegen,  flüchteten  viele  mit  den  Kindern  in  die  Wftlder. 

In  Folge  der  alizugroßen  Nachsicht  der  Eltern  werden  die 
Kinder  slätzig  und  übermOtliig.  Wenn  der  Junge  nach  langer  Ab- 
wesenheit wieder  einmal  ins  Elternhaus  zurückkehrt,  nimmt  er  ohne 
ein  Wort  des  Gruttes  Platz  neben  dem  Herde  und  langt  nadi  den  vor- 
gelegten Speisen,  während  die  Mutter  die  R^mUiiere  ausspannt  Vor 
der  Ehe  ist  die  Mitgii't  Gegenstand  ernster  Verhandlungen.  Ist  die 
junge  Gattin  wirtschaftlich,  so  theilt  der  Gatte  aus  Liebe  ihre  Muhen, 
im  Gegenfalle  behandelt  er  sie  mit  Strenge  oder  Urennt  sich  von  ihr; 
manche  wechselt  den  Manu  bis  fünfmal  Die  Schwiegertochter  spricht 
niemals  mit  den  Schwiegeräitem  oder  Schwägern ,  sie  halt  es  fttr  unschick- 
lich ohne  Schleier  vor  sie  zu  treten ,  und  verkehrt  mit  ihnen  nur  durch 
ihren  Mann.  Die  Bestattung  der  Toten  geschieht  im  allgemeinen ,  wie 
bei  den  Tungusen.  Die  Leiche  eines  Schamanen  wird  in  einen  Grab- 
hflgel, den  sechs  andere  umgeben,  beigesetzt,  lieber  dem  Grabe  wird 
eine  in  Holz  geschnittene  Figur  aufgestellt,  welche  den  Teufel  vorsteUen 
soll.  Die  Götzen  des  Verstorbenen  bindet  man  auf  einen  Schlitten  fest 
und  setzt  sie  in  der  Nähe  bei. 

Die  Juraken  sind  von  kleiner  Gestalt  und  etwas  krummbeinig, 
wahrscheinlich  wegen  der  Art  ihres  Sitzens.  Ihre  -Gesicbtszfige  bewahren 
den  mongolischen  Typus.  Ehemals  giengen  sie  gleich  den  Tartaren' 
geschorenen  Hauptes.  Jetzt  lassen  sie  das  Haupthaar  in  zwei  Bfindehi 
herabhängen,  einige  schneiden  es  ab,  nur  am  Wirbel  einen  Schopf 
zurücklassend. 

In  geistiger  Beziehung  geben  sie  den  Tungusen  nichts  nach,  an 
Charakterstärke  fibertreffen  sie  dieselben. 

Das  kreißende  Weib  wird  aufgefordert,  ihrem  Gatten  zu  bekennen, 
ob  sie  die  eheliche  Treue  gehalten.  ^ 

Die  Offenheit  über  diesen  Punkt  wird  als  Mittel  leichter  Geburt 
angesehen.  Ist  ein  Verführer  vorhanden ,  so  dringt  man  in  ihn,  eine 
Zubuße  zum  Heiratsgut  zu  liefern. 

Bei  der  Wahl  des  Bräutigams  richtet  sich  die  Braut  in  dei*  Roge^ 
nach  dem  Wunsch  der  Eltern.  Als  Brautgeschenk  widmet  der  erstere 
im  Fall  der  Vermögenheit  bis  zu  70  Rennthieren  mit  Zugabe  einiger  Fuchs- 
felle, einiger  Ellen  farbigen  Tuches  und  eines  kupfernen  Kessels.  Der  Neu- 
vermählte erhält  von  Seite  der  Gattin  das  erforderliche  Hausgeräte, 
erklecklichen  Speisevorrat,  einen  Schlitten  mit  mehreren  Rennthieren 
und  neue  Anzüge.  Die  Gatten  leben  gew(Anlich  in  Eintracht  Der  Mann 


4D7 

trennt  sich  von  dem  Weibe  nur  im  Fall  ihrer  Unfrachtbarkeit  und 
schreitet  dann  zu  einer  neuen  Wahl. 

Die  Toten  werden  in  einem  nahen  Wald  beerdigt,  oder  auch  in 
in  einer  Holzverzftumung  mit  dem  Gesichte  abwärts  beigesetzt.  Die 
Rennthiere,  welche  den  Leichenschlitten  gezogen,  schlachtet  man  sofort 
abseits  und  bedeckt  sie  sammt  dem  Schlitten  mit  Strauchwerk.  Zu- 
weilen wird  der  Schamane  herbeigerufen,  welcher  die  Hatte  mit  Feuer- 
br&nden  umgeben  lässt,  sodann  eine  Trommel  rührt  ^und  gesangweise 
die  abgeschiedene  Seele  bittet,  den  Zurückgebliebenen  kein  Leid  anzu- 
thun.  Die  Begleiter  werfen  nun  die  Handschuhe,  Hacken  und  andere 
Habseligkeiten  des  Verstorbenen ,  deren  sie  habhaft  werden  können, 
ins  Feuer. 

Im  Gespräch  macheu  sie  niemals  £rwähnung  des  Abgeschiedenen, 
und  wo  dies  unthunlich,  reden  sie  von  ihm  nur  in  Umschreibungen. 

Die  Juraken  begegnen  einander  mit  Höflichkeit.  Die  jungen  Männer 
pflegen  die  älteren  nach  einer  Verbeugung  dreimal  an  die  Wangen  zu 
küssen.  In  der  Gesellschaft  befleißigen  sie  sich  eines  ununterbrochenen 
Redeflusses ,  oder  leihen  *  ihr  Ohr  einer  £rzählung ,  den  ergözlichen 
Redner  mit  Geschenken  belohnend. 

Die  Samojeden  sind  ziemlich  hoher  Statur,  stärker  und  behender 
als  die  Juraken.  Ihr  Gesicht  ist  von  brauner  Farbe  und  länglich,  die 
Augen  schwarz  oder  braun,  die  Nase  lang,  unterhalb  etwas  breit  mit 
großen  Naslöchem,  die  Lippen  dick,  die  Backenknochen  wenig 
bemerkbai'. 

Die  langen  schwarzen  Haare  tragen  sie  gescheitelt;  nach  dem 
starken  Knochenbau  und  strammen  Oberleib  zu  schließen,  ist  dieser 
Volksstamm  zur  Ertragung  von  mancherlei  Beschwerden  geeignet  Der 
Samojede  kann  geizig  genannt  werden;  um  seine  Vermögensumstände 
befragt,  weist  er  stets  auf  drückende  Noth  hin,  obwol  er  hierüber 
eben  nicht  zu  klagen  hätte.  Der  Russe  findet  bei  ihm  keine  gastliche 
Anfiiahme.  Unter  einander  sind  die  Samojeden  zur  wechselseitigen  Hilfe- 
leistung jederzeit  bereit  Das  neugeborne  Kind  wird  zur  Abhärtung  im 
Schnee  gewälzt  Die  Mädchen  heiraten  um  das  dreizehnte  Jahr.  Den 
Tag  nach  dem  Beilager  übergibt  die  junge  Gattin  dem  Mann  einige 
neue  Kleidungsstücke,  einen  Bogen  mit  Pfeilen;  sie  salbt  sein  Haar 
mit  Rennthierfett,  nachdem  sie  es  gekämmt  und  mit  einigem  Schmuck 
von  Blech  versehen  hat.  Derselbe  verfügt  sioh  dann  auf  die  Jagd,  um 
allenfalls  ein  wildes  Rennthier  zu  erlegen;  wo  nicht,  so  schlachtet 
er  eines  aus  seinen  Hausthieren  zur  Bewirtung  der  Verwandten.  Ver- 
mögliche  Samojeden  haben  zwei  oder  vier  Weiber,  unter  denen 
Zwistigkeiten  nicht   selten  sind.    Das  älteste  besitzt  gewisse  Vorrechte. 


408 

Manchmal  vertauscht  der  Mann  sein  Weib  mit  ihrer  Schwester  oder 
einer  ihrer  Verwandten.  Die  Ehetrennnngen  wegen  Unfruchtbarkeit  suid 
sehr  häufig.  Der  Verblichene  wird  unter  Scenen  heftigen  Schmerzes  in 
einer  aus  Nadelholz  erbauten  Hütte  beigesetzt;  die  Grabesstätte  besucht 
man  durch  drei  Jahre  um  sie  hierauf,  nachdem  die  Verwandten  in  die- 
selbe Pfeile  abgeschossen,  fftr  immer  zu  verlassen. 

In  ihren  Liedern  findet  man  dichterische  Spuren ;  diese  sind  meist 
dem  Andenken  ihrer  Helden,  worunter  auch  Weiber  erwähnt  werden, 
geweiht 

Die  Jakuten  nennen  sich  Sakkah.  Ihre  Gestalt  hat  wegen  der 
hohen  Schultern  kein  gutes  Ansehen;  doch  sind  sie  kräftig  gebaut. 
Ihre  Gesichtszüge  erinnern  an  die  Tartaren,  sind  aber  ohne  besonderen 
Ausdruck.  Nur  unter  dem  weiblichen  Geschlechte  findet  man  interessante 
Physiognomien.  » 

Die  Bräute  folgen  nicht  gern  dem  Willen  des  Vaters,  wenn  ihnen 
der  Gewählte  nicht  zusagt.  Denn  ihr  Gemfith  ist  leidenschaftlich  und 
lässt  sich  in  der  Schwärmerei  der  Liebe  nicht  leicht  beherrschen.  Dies 

zeigen  ihre  Lieder.  Hier  eine  Stelle  aus  denselben: 

Es  gleicht  dein  Wuchs  der  Säule, 

Geliebter  Auserkomer, 

Dein  Blick  dem  Aug'  des  Adlers. 

So  oft  ich  dein  gedenke, 

Erfüllt  mich  süße  Freude, 

Wenn  liebend  du  mir  nahtest, 
'  Erbebten  meine  Glieder. 

0  kämst  du  doch  mein  Liebster! 

Doch  nein,  du  weilest  ferne 

Und  fern  von  dir,  verlassen, 

Bin  ich  des  Schmerzes  Beute. 

Du  weiüt  nicht,  was  ich  leide ! 

Was  ist  der  Gram  der  Mutter, 

Die  sterben  sieht  ihr  Eindiein  u.  s.  w. 
Der  Gesang  ist  eintönig,  zwischen  zwei  drei   Noten  wechselnd,  doch 
hört  man  gern  die  sanften  Laute. 

Die  Dolganen  sprechen  dieselbe  Sprache  wie  die  Jakuten  und 
haben  ihre  Sitten.  Nach  der  üeberlieferung  stammen  sie  von  den  Tun- 
gusen.  Sie  büßten  ihre  angestammte  Sprache  ein,  seit  sie  mit  den 
Jakuten  in  engeren  Verkehr  traten  und  deren  Töchter  zu  Weibern 
nahmen.  Doch  erhielt  sich  bei  ihnen  der  tungusische  Typus.  Leider  ist 
ihre  reiche  Begabung  durch  Roheit  erditkckt.  Unter  den  Mädchen  findet 
man  Schönheiten.  Der  Familienvater  wendet  seine  Zärtlichkeit  den 
Söhnen  zu,  die  Mutter  den  Töchtern,  welche  sie  nicht  selten  gegen  die 
Härte  des  Vaters  in   Schutz  nimmt. 


40B 

flhemals  pflegte  der  Vater  die  Tochter  nach  Art  einer  Sache  zn 
▼erkaufen  oder  zu  vertanschen. 

Alle  Yolksst&mme  von  Tamchan  lieben  geistige  Getränke.  Der 
berauschte  Ostjak  wird  wild,  das  Leben  des  Vaters  oder  der  Matter 
ist  dann  nicht  gesichert  Der  Tangase  wird  durch  das  Getränk  znr 
Kriegs-  and  Streitlast  erregt.  Wenn  der  Jarak  das  feurige  Wasser 
gekauft;  hat,  eilt  er  in  seine  Hütte,  und  indem  er  sich  daran  labt,  ver- 
sinkt er  in  die  Welt  der  Fantasie  und  Dichtung.  Mit  ganzer  Offen- 
herzigkeit gibt  er  alles  preis,  was  ihm  an  der  Seele  liegt  Der  weich- 
herzige gesellige  Dolgane  umarmt  und  küsst  seine  Freunde  und  schickt 
sich  zum  Tanz  an.  Nur, der  Samojede  verläugnet  auch  im  Rausch  nicht 
seine  Ueberlegung  und  sein  arglistiges  Wesen. 

Das  Hauptgewerbe  der  Urbewohner  des  Landes  ist  die  Zuberei- 
tung der  Rennthierhäute.  In  früheren  Zeiten  beschäftigten  sie  sich  auch 
mit  der  Anfertigung  verschiedener  Sachen  aus  Mammutsknochen. 

Es  kommen  unter  ihnen  kaum  jemals  Verbrechen  gröberer  Art 
vor;  auch  geringere,  wie  der  Diebstal,  ereignen  sich  nur  selten. 

In  ihren  Vorstellungen  von  der  Gottheit  ist  die  Annahme  eines 
guten  und  eines  bösen  Princips  bemerkbar,  zwischen  welchen  es  wie 
sie  glauben,  zuweilen  zum  Kampfe  konmit,  wobei  das  böse  sich  immer 
als  das  schwächere  erweiset.  Sonne  und  Mond,  Morgen-  und  Abendröthe 
werden  als  Gottheiten  verehrt.  —  In  Krankheitsfällen  rufen  sie  auch 
die  Erde  und  die  unterirdischen  Geister  um  Hilfe  an.  Der  Glaube  an 
Teufel  ist  ihnen  nicht  fremd,  von  welchen  sie  eine  besondere  Gruppe 
den  Russen  zutheilen,  und  worüber  sie  sich  überhaupt  die  abentheuer- 
lichsten  Ideen  bilden. 

Sie  sind  überzeugt,  dass  die  Seele  der  Verstorbenen  in  ein  unter- 
irdisches Gebiet  wandere,  wo  es  auch  Thiere  gibt.  Von  dem  höchsten 
Wesen,  das  wir  als  Gott  verehren,  haben  sie  keine  Vorstellung. 

Obgleich  die  Hälfte  der  Stämme  dem  Christenthum  zugethan  ist, 
bleiben  sie  demselben  doch  intierlicb  fremd.  Selbst  an  das  Kreuz- 
zeichen denken  sie  nur,  wenn  sie  in  die  Wohnung  des  russischen  Vor- 
gesetzten kommen,  vor  welchem  sie  mit  Außerachtlassung  der  Heiligen- 
bilder sich  bekreuzen. 

Der  Glaube  der  Dolganen  und  Jakuten  ist  ein  Gemisch  christlicher 
und  heidnischer  Begriffe. 

Die  weissagenden  Schamanen  der  früheren  Zeit  sind  jetzt  selten 
zu.  finden ;  am  meisten  kommen  sie  bei  den  Samojeden  vor.  Sie  sind 
excentrische  Naturen,  von  feuriger  Einbildungskraft,  beseelt  vom  Glauben 
an  Geister  und  an  den  Verkehr  mit  denselben.  Durch  Enthaltsamkeit 
von  Speise  und    Trank   und   einsames  Leben  gerät  der    Schamane   in 


410 

düstere  und  aufgeregte  StimmuDg.  Es  folgen  Schlaflosigkeit,  Schreck- 
bilder  im  Traume,  starrer  Blick.  Für  die  Umgebung  erscheint  er  als 
überirdisches  Wesen,  sobald  er  in  seine  Function  tritt. 

Zitternd  ergreift  er  die  Trommel,  rührt  sie.  und  beginnt  mit  leisem 
Tone  zu  singen,  während  der  Chor  der  Anwesenden  übertäubend  eis- 
fällt. Bald  verdoppeln  sich  die  Trommelschläge ,  begleitet  von  der 
exstatisch  erregten  Stimme  des  Singenden.  Hierauf  sinkt  er  von 
Krämpfen  befallen  zu  Boden.  Das  Auge  röthet  sich,  der  Athem  wird 
schwer,  und  seiner  Brust  entsteigen  abgebrochene  geheimnisvolle  Laute. 
Der  Beruf  der  Schamanen  geht  in  der  Regel  vom  Vater  auf  den  Sohn 
über.  Mit  Ausnahme  der  Samojeden  zollen  ihnen  die  Nomaden- 
Völker  keine  innere  Achtung,  obwol  sie  derselben  nicht  entbehren 
können. 

Die  Schamauen  führen  stets  Götzen  mit  sich,  die  aus  Holz  ge- 
schnitzt, oder  aus  Eisen  und  Blei  geformt  und  in  Kästchen  verwahrt 
auf  dem  Schlitten  untergebracht  werden.  Ihr  Hauptberuf  ist  gegen 
ansteckende  Seuchen  gerichtet;  nebstbei  verlangt  man  von  ihnen  die 
Herbeischalfung  glücklicher  Conjunctureu  imThierfang  und  in  der  Fischerei 
Sie  sind  reich  an  Zaubermitteln,  die  ihnen  de»  Schein  heilsamer  Wirk- 
samkeit geben  und  ihr  Ansehen  heben. 

Auch  die  Einwohner  haben  bei  ihren  Wohnungen  Götzen,  die  sie 
in  Schlitten  sorgfältig  aufbewahren.  Auf  Reisen  wandern  diese  Ge- 
stalten auf  eigenen  durch  weiße  Uennthiere  gezogenen  Schlitten  mit, 
von  Opfergaben  an  Fett,  Tabak,  u.  dgl.  umgeben. 

Was  die  N  a  h  r  u  n  g  s  ra  i  1 1  e  1  der  Bewohner  anbelangt,  so  spielt  unter 
diesen  das  Getreide  eine  bedeutende  Rolle,  wiewol  es  nur  mit  Schwierig- 
keiten im  Wege  des  Handels  und  durch  die  Vorsoi^e  der  Regierung 
herbeigeschafft  werden  kann.  Die  im  Lande  bestehenden  vielen Gretreide- 
magazine  bilden  das  Auskunftsmittel  der  Nichtrussen  bei  eintretendem 
Nahrungsmangel,  sie  ermöglichen  es  den  Nothleidenden ,  theils  gegen 
bare  Bezahlung,  theils  auf  Borg  den  erforderlichen  Vorrat  an  Frucht 
zu  erhalten.  Diese  Veranstaltung  kostet  dei*  Regierung  bedeutenden 
Aufwand  an  Mühe  und  Geld,  da  die  Erstattung  der  Getreideschulden 
mit  großen  Schwierigkeiten  verbunden  ist.  —  Der  Anbau  von  Gemüsen 
und  die  Zucht  von  Hausthieren  ist  erst  seit  kurzer  Zeit  durch  die 
russischen  Ansiedler  in  Angriff  genommen  worden  und  gleichwol  viel 
versprechend.  Selbst  im  äußersten  Norden  halten  dieselben  Kühe,  und 
es  gebricht  ihnen  zu  weiteren  Fortschritten  nur  noch  an  Arbeitskräften. 
Der  bedeutende  Reichthum  des  Landes  an  Fischen  (der  jährliche  Fisch- 
fang wird  auf  230.000  Pud  berechnet)  macht  auch  diesen  Artikel 
zum  ergiebigen  JAittel  des  Unterhalts,    sowol   bei  den  Russen  wie  bei 


411 


\ 


den  Urfltftmaien.  Diesen  letzteren  ist  das  Renntkier  mit  Rücksicht  aaf 
die  MeiHse  (bei  27.000' Stftck)  so  wie  aof  die  vielseitige  Verwend- 
barkeit ein  wahrer  Schatz.  Wfthrend  sein  Fleisch  und  seine  Milch  den 
Hunger  stillen,  liefert  es  als  schätzenswerte  Zngabe  Material  zur  Be- 
kleidnng  und  Ausstattung  der  Wohnung,  sowie  dessen  Zug-  und  Trag- 
kraft die  ausgebreitetste  Verwendung  findet.  FOr  alles  dies  verlangt  es 
nichts,  als  freie  Bewegung,  um  kärgliches  Moos  zu  suchen. 

Eine  große  Ausbeute  für  die  Nahrung  liefert  die  Jagd  auf  allerlei 
Thiere  des  Feldes  und  des  Waldes,  darunter  insbesondere  wilde 
Rennthiere,  Hasen-  und  Rebhfihner. 

Fflr  die  Urstämme  hat  die  Jagd  auf  die  Rauhwerk  liefernden  Thiere 
großen  Wert,  denn  durch  deren  Besitz  verschaffen  sie  sich  theils  Geld 
theils  im  Wege  des  Tausches  Material  zu  Kleidern  und  Hausgeräte. 

Mit  Eintritt  des  Wintei*s  wendet  sich  daher  die  ganze  Thätigkeit 
der  Ureinwohner  dem  Waidwerk  zu.  Es  dürfte  einiges  Interesse  gewähren, 
die  solchergestalt  gewonnene  jährliche  Ausbeute  annäherungsweise  kennen 
zu  lernen: 

Ffichse,  besonders  der  kleineu  Gattung       400 

Zobel 180^ 

Hermeline .      4.500 

Eichhörnchen 42.000 

Steinfüchse,  mehrere  Gattungen    .    .    .     14.000 

Wölfe 100 

Bären 45 

Hasen 40.000 

Wilde  Rennthiere 5.000 

Vielfraße 50 

Wiesel       250 

Fischottern         ...  15 

Elienthiere  .  ....     -      10 

Bergwidder    ...  50. 

Die  Haupteinfuhr  ins  Gebiet  von  Turuchan  kömmt  aus  der  Stadt 
Jenisejsk.  Mit  Eintritt  des  Frühlings  ziehen  4  bis  5  kleinere  Schiffe 
den  Jenisej  hinab,  und  bringen  verschiedene  Waai*en  sammt  Getreide 
Toruchansk  um  dagegen  Pelzwerk  und  Fische  einzuhandeln.  Dieser  Ver- 
kehr dürfte  BOüO  bis  20.000  Rubel  ausmachen. 

Nach  diesen  folgen  die  sogenannten  Karasinskischen  5  größeren 
Fahrzeuge ,  die  weiter  abwärts  Waaren  bis  in  die  Niederungen  des 
Jenisej  verführen.  Die  Fahrt  bis  Turuchansk  geschieht  ununterbrochen, 
oar  ein  oder  das  andere  Schiff  landet  unterwegs,  um  Leute  zum  Waaren- 
verkehr  mit  den  Uferbewohnern  auszusenden  und  Fischfang  zu  betreiben. 


412 

In  der  (hegend  der  jenisejskischen  Bucht  versehen  sie  die  Anwohoer 
mit  Material  zn  Fischerger&ten  nnd  mit  Geld  —  sich  ansbedingoid, 
dass  die  hiednrch  entstandene  Schuld  bei  der  RttcUehr  in  Fischen 
wieder  erstattet  wird.  Weiter  unten  kaufen  sie  Felle,  Mamuthknochen 
und  Pelzwerk  ein,  die  sie  dann  an  geeigneten  Orten  gegen  Fisdie 
vertauschen.  Der  Wert  des  Pelzwerks,  welches  auf  diesen  Fahrten 
von  jenisejskischen  Kauflenten  und  dortigen  Bauern  ausgefOhrt  wird, 
vereint  ^  mit  dem  Wert  der  nach  den  benachbarten  L&ndein  sonst 
exportierten  Rauhwaren  betrftgt  bei  40.000  Rubel. 

Der  Binnenhandel  des  Landes  wird  beiläufig  mit  9000  Rubel  be- 
ziffert. Hie  und  da  ist  derselbe  in  den  Hftnden  der  Bauern  und  der 
Kosaken,  welche  bei  den  Getreidemagazinen  Dienste  thun. 

Im  Sommer  bilden  die  Flüsse  das  Hauptverkehrsmittel,  im  Winter 
die  Schneedecke.  Störend  sind  die  Schneeschluchten,  welche  aus  Schnee- 
wehen entstanden,  der  Richtung  der  Winde  folgen  und  mancherlei  Ge- 
staltung annehmen. 

Man  hat  leichte  und  schwere  Fahrzeuge  mit  Hunden  oder  Renn- 
thieren  bespannt.  Der  Reisende,  welcher  im  Winter  sich  nicht  von  Kopf 
bis  zu  Fufi  sorgfältig  in  Pelzkleider  einzuhüllen  weiß,  gefilhrdet  seine 
Gesundheit  oder  auch  sein  Leben. 

Hie  und  da  nimmt  man  besondere  Führer  aus  der  Umgegend  des 
Fahrwegs,  um  nicht  abseits  zu  kommen. 

Die  Urstämme  kennen  kein  eigentliches  Längenmaß.  Auf  die 
Frage  nach  der  Entfernung  antworten  sie  „in  einem  Tage  werden  wir 
ankommen,^  oder  „bis  die  Pfeife  ausgeraucht  ist,  sind  wir  da^. 

Im  Lande  gibt  es  5  Pfarreien  und  ein  Kloster,  dann  eine  Kirche 
fUr  Missionäre.  Die  getauften  Einwohner  aus  der  Kategorie  der  Nichtrussen 
tragen,  wie  erwähnt,  eigentlich  nur  den  Namen  Christen,  ohne  sich  weiter 
um  die  Pflichten  des  Glaubens  zu  kflmmern.  Ihre  Kinder  werden  erst  im 
Alter  von  10  Jahren  getauft,  von  anderen  Mysterien  der  Kirche  erfidiren 
sie  nichts  Das  Schamanenthum  hat  unter  denselben  noch  nicht  aufgehört, 
und  deren  Gesittung  ist  auf  der  niedrigsten  Stufe  zurückgeblieben.  Der 
Eifer  der  Geistlichkeit  im  Punkte  der  Heranbildung  des  Volkes  kann 
nicht  hoch  veranschlagt  werden. 

Im  Jahre  1859  wurde  zwar  zu  Turuchansk  eine  Schule  errichtet, 
worin  11  Kinder  Aufnahme  fanden  und  Fortschritte  im  Lesen,  Schreiben, 
in  der  Geschichte  und  Geographie,  den  Anfangsgründen  des  Rechnens, 
so  wie  im  Gesang  machten.  Doch  diese  wohlthätige  Anstalt  ^eng  theils 
wegen  Unzulänglichkeit  der  Mittel,  theils  wegen  schwacher  Mitwirkung  der 
Geistlichkeit  wieder  ein.  Noch  früher  machte  man  den  Versuch  in  einem 
Kloster  zu  Turuchansk  eine  Erziehungsanstalt  fOr  5  verwaiste  Kind«*  zn 


41S 

was  zwar  gelang,  allein  wegen  der  mangelhaften  Leitang 
an  keinem  besondem  Erfolge  fahrte.  Schon  nach  Verlauf  zweier .  Jahre 
WKfdß  auch  dieses  Institut  wieder  aufgelassen. 

In  der  Stadt  Tnnichansk  besteht  eine  Grouvernementsabtheilung, 
die  man  dort  wegen  der  großen  Entlegenheit  des  Gebiets  zu  emchten 
ftr  nöthig  hielt  Diese  Abtheilung  befasst  sich  mit  der  Ortspolizei,  mit 
der  Einbringung  der  Steuern,  mit  der  Sorge  um  das  öffentliche  Wohl,  der 
Verwahrung  und  Verwendung  des  ftrarischen  Getreides,  der  Beschfltzung 
des  Handels  und  mit  der  Beischaffnng  der  Lebensmittel. 

Die  öffentlichen  Einkaufte  des  Landes  betragen  2L2Ü0  Rubel,  die 
Ausgaben  36.145  Rubel.  Den  Abgang  deckt  die  Staatskasse. 

Zu  Turuchansk  steht  eine  Kosakenabtheilung  mit  einem  Commandanten; 

Erst  seit  1860  besitzen  die  russischen  Bauerngemeinden  eine  Ge- 
meinde-Verfassung mit  Vorständen  und  Zehntmännem. 


Aus  russisch  Asien ''). 

• 

Die  Sibirische  Abtheilung  der  r.  k.  geogr.  Gesellschaft  übertrug 
Herrn  Czekanowsky  die  geologische  Durchforschung  der  Boden- 
gestaltung im  Gouvernement  Irkutsk.  Sein  hierüber  in  der  Sitzung  der 
Abtheilung  vom  29.  Oktober  1869  erstatteter  Vortrag  schildert  die 
bisherigen  Ergebnisse  seiner  Mission.  Er  legte  der  Versammlung  eine 
reiche  Sammlung  von  Versteinerungen  vor,  .die  in  der  Gegend  des 
Dorfes  Ust-Balej  bei  Irkutsk  nächst  dem  Flusse  Augara  aufgefunden 
wurden.  Diese  Petrefakten  sind  aus  einer  Schichte,  welche  vermöge  des 
Charakters  der  zum  Vorschein  gekommenen  Flora  und  Fauna  zur  Jura- 
Formation  gehören  dürfte.  Da  diese  Ausbeute  als  die  erste  dieser  Art 
im  Gouvemementsgebiete  von  Irkutsk  betrachtet  werden  muss  und  sich 
durch  Mannigfaltigkeit  und  Schönheit  der  Exemplare  auszeichnet,  so- 
mit aus  derselben  ein  annäherndes  Bild  der  einstigen  Flora  und  Fauna 
des  Landes  zu  entnehmen  ist,  so  wurde  beschlossen,  hievon  300  Muster 
an  die  k.  r.  Akademie  mit  der  Bitte  einzusenden,  sie  mit  anderen  ähn- 
lichen, dort  verwahrten  Stücken  aus  verschiedenen  Gegenden  Sibiriejis 
zu  vergleichen.  Da  übrigens  von  den  überreichten  Petrefakten  beinahe 
durchgängig  Duplikate  zu  Gebote  stehen,  so  wird  mit  letzteren  der 
Anfang  einer  Sammlung  für  Irkutsk  gemacht  werden. 

Herr  Czekanowsky  wies  femer  eine  Karte  von  Bodendurchschnitten 
des  Gouvernements  mit  den  Ausgangspunkten  vom  Flusse  Anabar  gegen 
Westen  und  vom  Baikalsee  gegen  Osten  vor.    Auf  derselben  erscheinen 


*)  Nachrichten  der  k.  russ.  geographischen  Gesellschaft.  Band  IV.  Nr.  8. 
S.  73-88,  96-106,  115-118.  —  Petersburg  1870. 


414 

dreierlei  Schichten,  die  oherste  von  gelhem  Sandeteiii,  die  mittlere  vw 
Kalkstein,  die  an  terato  von  rothem  Sandstein.  Ee  erhellt  ans  dem  Oarcb- 
schnitte,  dass  die  zwischen  den  Flössen  Anabar  and  Lena  sieh  e^e* 
bende  Wasserscheide  genan  die  Achse  bildet,  nach  welcher  die  tiefste 
Schichte  —  der  rotlie  Sandstein  —  sich  in  der  Urperiode  erhob,  an 
den  Seiten  die  Kalkschichte  and  die  Schichte  gelben  Sandsteins,  als  dk 
darflber  gelagerte  Last  abstreifend.  Es  ist  in  Folge  dieses  Zasanunen- 
treifens  iron  dreierlei  Bodengebilden  erlaubt,  anzonehmen,  dass,  wo  der 
Kalkstein  vorkommt,  auch  der  gelbe  and  sp&ter  der  rothe  Sandstein  2q 
iinden  sein  wird;  das  Verhältnis  der  Schichten  ist  nun  für  die  wissen- 
schaftliche Anschaaong  klar  geworden.  Die  Sache  hat  aooh  ihre  pno» 
tische  Seite.  Es  ist  z.  B.  nach  den  vom  Bencfaterstatter  gelieferten  Daten 
wahrscheinlich,  dass  das  Steinsalz  in  Schichten  rothen  Sandsteins  vor- 
zakommen  pflegt.  Man  könnte  jetzt,  wo  bekannt  ist,  dass  der  Kalk- 
stein Aber  dem  rothen  Sandstein  gelagert  ist,  sich  durch  das  Vor' 
kommen  der  Kalksteinschichte  zu  Bohrungen  veranlasst  sehen  und 
vielleicht  auf  Salzlager  kommen,  welcher  'indirecte  Fingerzeig  als  unbe- 
kannt zuvor  nicht  benfltzt  werden  konnte. 

Ungeachtet  die  oben  angedeutete  Wasserscheide  an  beiden  Seiten 
des  Bergrückens  im  allgemeinen  die  gleiche  Bodenbildung  zeigt,  so 
fehlt  es  doch  nicht  an  geologischen  Ungleichheiten  zwischen  dem  öst- 
lichen and  westlichen  Abhänge.  An  der  Ostseite  findet  man  nämlich 
Gold,  wahrend  die  Westseite  Steinkohle  und  Eisenerz  enthält  Was 
hier  den  Unterschied  begründet,  ist  wahrscheinlich  die  Metamorphose 
durch  Wasserkräfte,  welche  in  den  Tiefen  Elemente  aufnahmen,  die  sie 
dann  an  die  Oberfläche  warfen,  und  damit  neue  Mineralien  in's  Dasein 
liefen.  Diese  Metamorphose  kann  unabhängig  von  den  geologischen 
Schichtengruppeu  fiberall  /ihren  Fortgang  nehmen ,  wohin  sich  das  Be- 
reich des  Wasser-Processes  erstreckt. 

Die  Anzahl  der  gesammelten  Proben  aus  dem  Steinreich  beträgt 
1200  Stück.  Außer  der  geologischen  Ausbeute  brachte  Herr  Czeka- 
nowsky  bei  6(X)  Pflanzengattnngen  in  6000  Exemplaren*  und  befasste 
sich  während  der  Expedition  mit  meteorologischen  Beobachtungen. 

Aus  dem  Berichte  des  Herrn  Radlow  über  seine  Excursion  im 
Sommer  1869  in  die  Ilinskische  Ebene  nächst  dem  See  Issik  Kul  an 
der  chinesischen  Gränze  entnehmen  wir  einiges,  was  das  Interesse  des 
Lesers  anregen  dürfte.  Es  ist  dies  die  Gegend,  wo  nach  dem  Dungans- 
kischen  Aufstaude  der  Tartaren  gegen  die  chinesische  Regierung  zahl- 
reiche Auswanderer  aus  diesem  Reiche,  nämlich  die  Daurischen  MiHtär- 
colonisten  (Sibo  und  Solonen)  sich  niedergelassen  haben. 

Herr  Radlow  nahm  mit  Ende  Mai  den  Weg  von  der  Stadt  Ktupei 


415 

Mif  der  Postotraße  nach  dem  Altin-Emelskisehen  Militftr-Piket.  Von  da 
wandte  er  sich  abseits  nach  Sfldosten  zn  dein  bei  40  Meilen  entfernten 
Piket  Tegerek,  dann  nach  Osten  nach  den  Piketeu  Konguratent  nnd 
Koyban  bis  zum  rassischen  Gränz*Detachement  am  Flusse  Borochsed- 
schir,  drei  Meilen  von  der  ehemals  chinesischen  Stadt  Tjurgen.  Auf 
dieser  Roate  liegt  die  Steppe  zwischen  der  Gebirgskette  Altin-Emelsk 
and  dem  Berge  Katn-Taa,  welche  eine  nnfmchtbare,  großentheils  mit  Schutt 
und  Salzmoor  bedeckte  Flftche  bildet,  die  nur  hie  und  da  an  bewässerten 
Stellen  dflrftig  bewachsen  ist.  Die  Gipfel  der  nahen  Berge  sind  mit 
ewigem  Eis  bedeckt,  dem  sich  B&che  entwinden,  die  dann  im  Sande 
verrinnen.  Bemerkenswert  ist  der  den  Fluss  Ken-Terek  einschließende 
Engpass  zwischen  den  Bergen  Katu-Tau  und  Koybun-Tau,  denn  hier 
verleiht  reicher  Graswuchs  und  mannigfaltiges  Gesträuche  der  Gegend 
ein  reizendes  Aussehen.  Der  Berg  Alkali  mit  seinem  schroffen  Ab- 
hang ist  voll  großer  Salzschichten.  An  der  Westseite  breitet  sich 
eine  zur  Sommerszeit  trockene  Steppe  mit  weichem  Lehmboden  nnd 
vielen  Furchen  aus,  die  augenscheinlich  durch  Frflhjahrswftsser  ent- 
standen sind. 

Das  russische  Grinsmilit&r  ist  im  Halbkreise  von  /  zerstreuten 
Hftaseni  und  Feldern  umgeben,  welche  den  chinesischen  Auswanderern 
in  der  Anzahl  von  800  Köpfen  gehören.  Sie  bestehen  zumeist  aus 
Danrischen  Milit&r-Colonisten  unter  der  Benennung  S  i  b  o.  Die  Coionisten 
mit  der  Benennung  So  Ionen  haben  sich  weiter  gegen  Kngutschak  nieder- 
gelassen. Es  halten  sich  hier  auch  einige  Beamte  der  früheren  Dauri- 
schen  Colonie  auf.  Die  Lage  dieser  Leute,  insbesondere  der  Beamten, 
ist  eine  sehr  trübselige.  Ihrer  Familie,  Häuslichkeit  und  Habe  beraubt, 
haben  sie  in  diesem  von  der  Heimat  nicht  allzu  entfernten  Punkt  ihre 
Wohnsitze  gewählt,  um  doch  einigermaßen  ihren  Kindeni,  Weibern  und 
Anverwandten  näher  zu  sein,  welche  insgesammt  von  den  Tartaren  ge- 
raubt worden  sind  und  nun  von  diesen  ihren  vormaligen  Sclaven  be- 
drOckt  werden. 

Der  Reisende  hielt  sich  bei  dem  rassischen  Grenzmilitär  über  zwei 
Wochen  auf  und  befasste  sich  mit  Forschungen  Aber  die  Sprache  der 
Sibo  nnd  Solonen.  Die  ersteren  haben  dieselbe  Mundart,  welche  die 
mandschurischen  Eroberer  China*s  einst  gesprochen,  und  die  jetzt  in  China 
als  tote  Schriftsprache  besteht.  Die  Solonen  haben  dagegen  zwei  Mund- 
arten: die  Donor-Solonen  reden  die  mongolische  Sprache,  die  Ongor- 
Solonen  dagegen  einen  Tangusischen  Dialect.  Man  ündet  bei  diesen 
Leuten  Handschriften,  die  nicht  etwa  chinesische  Uebersetzungen  vor- 
stellen, sondern  ursprünglich  von  den  Sibo  oder  Schibuizen  in  ihrer 
Sprache  (der  Mandschurischen)  geschrieben  wurden.  Im  Juni  begab  sich 


416 

Herr  Radlow  in  die  vierte  Solon'sche  Stadt  Tsehelsch  (Ak-Kent).  Alle 
vier  Städte  (Tjurgen,  Samal,  Tschitschchan  und  Tsehelsch)  sind  sammt 
G&rten  und  Feldern  zerstört.  Nicht  eine  Seele  findet  man  in  diesen 
früher  reichen  Gegenden,  welche  den  Gewerbefleiß  der  Einwohner  &B8i 
so  freigebig  belohnt  hat.  Der  ganze  Landstrich  bis  Kuldscha  soll  sieh 
in  ähnlicher  Lage  befinden.  Das  vordem  so  gesegnete  llinskische  Thal 
ist  jetzt  sehr  herabgekomm^.  Der  Fanatismus,  zur  Zeit  des  Anfstandes 
in  voller  Flamme,  hat  sich  gelegt,  und  nun  ist  man  zur  Besinnung  und 
Einsicht  gekommen,  dass  die  ganze  Kraft  nur  zum  Ruin  ausgereicht 
habe,  nicht  aber  zum  Wiederaufbau.  Der  Verkehr  hat  aufgehört,  die 
Gewerbe  sind  verfallen  und  die  Entfaltung  des  militärischen  Schutses 
muss  jetzt  zur  Niederhaltung  der  verschiedenen  Stämme  weit  umfassender 
sein,  als  zur  Zeit  der  früheren  Verwaltung. 

Der  Reisende  kehrte  wieder  auf  der  Piketenlinie  zur  Altin-Emelski- 
schen  Station  zurück  und  nahm  sofort  den  W^  nach  der  Stadt 
Wierna.  Zur  Zeit  der  Blüte  des  Chinesischen  Handels  war  die  Feste 
Wiema  ein  sehr  wichtiger  Verkehrs-Punkt.  Jetzt,  wo  das  russische 
Gebiet  un  Osten  und  Süden  von  Tatarischen  Stämmen  umgeben  wird, 
hat  sich  die  Sache  geändert.  Wenn  die  HofEhung  auf  Wiederherstellung 
der  chinesischen  Macht  vergeblich  sein  sollte,  bleibt  kein  anderer  Aus- 
weg, als  das  ganze  llinskische  Thal  bis  zum,  Flusse  Kata  zu  besetzen. 
Aus  Wierna  begab  sich  Herr  Radlow  nach  der  Stadt  Tokmak,  wo  ihn 
der  Unfall  traf,  dass  man  seine  Reisetasche,  worin  neben  anderen  nöthigen 
Dingen  auch  ein  Theil  seiner  Bücher  aufbewahrt  war,  stahl.  Der  Dieb 
hatte  sich  einigermaßen  betrogen,  denn  die  tatarischen,  mongolischen, 
türkischen  und  arabischen  Bücher  konnten  ihn  nicht  freuen.  Alle  Nach- 
forschungen blieben  vergeblich. 

Im  Tschu-Thale  bei  Tokmak  verlebte  der  Berichterstatter  unge- 
fähr einen  Monat  in  den  Jurten  der  Kara-Kirgisen  und  beschäftigte 
sich  mit  der  Sammlung  linguistischer  Materialien.  Die  reiche  epische 
Poesie  dieses  Volkes  lieferte  ihm  eine  ziemliche  Ernte,  welche  nidit 
nur  den  Sprachenkenner  interessieren  kann,  sondern  auch  wegen  des 
Mythenschatzes  und  der  Volksdichtung  von  Belang  ist.  Bei  den  schwarzen 
Kirgisen  blüht  das  Epos  im  vollen  Sinne  des  Worts.  Dieser  Volksstamm 
ist  weit  äimer  als  jener  des  Almatinskischen  Gebiets.  Er  befasst  sich 
weit  mehr  mit  dem  Landbau  als  die  nördlichen  Nachbarn.  Es  ist  staunens- 
wert, wie  derselbe  sich  im  Verlaufe  von  wenig  Jahren  civilisiert  hat, 
während  er  früher  die  Kaufleute  und  Reisenden  mit  Schrecken  erfoUte. 

Von  Tokmak  führte  der  Weg  unseren  Reisenden  nach  dem  See 
Jssik-Kul.  Die  herrliche  Aussicht  auf  sein  Becken  winkte  dem  Wanderer 
schon  ans  der  Ferne.   Dieser  ungeheure  See  mit  hinunelblauer  Färbung 


411 

ist  an  allen  Seiten  ton  Bergen  nmgeben.  Die  Gestalt  seiner  Umgebung 
ver&ndert  sich  unaufhörlich.  Grüne  Wiesenpl&ne,  Felsen,  kahle  Abh&nge 
'stehen  im  Gegensatze  mit  den  am  anderen  Ufer  sich  erhebenden  fern 
liegenden  Schneegipfein  des  Hinmielberges ,  die  gleich  leichten  durch- 
sichtigen Wolkenkränzen  in  den  Lüften  schweben. 

Vom  Fluss  Tschu  bis  zum  Fluss  Tor-aigyr  ist  die  Nordseite  des 
Sees  fruchtbar  und  mit  zahlreichen  Feldern  bedeckt.  Vom  Tor-aigyr 
bis  zum  Bache  Ak-su  zieht  sich  hart  am  Ufer  eine  steinige  Steppe  hin, 
in  welcher  man  nur  bei  dem  Bftchlein  einigen  Wachsthum  wahrnimmt. 
Vom  Bache  Ak-su  erblickt  man  in  den  Bergen  einzelne  mit  Tannen- 
wald bedeckte  Schluchten.  Die  Niederung  nächst  dem  See  bildet  ein 
weites  Gebiet  von  Wiesen  und  fruchtbaren  Feldern  und  ist  von  zahl- 
reichen Kirgisenfamilien  bewohnt.  Am  (^stlichen  Rande  sieht  man  den 
Beginn  zur  Grundlegung  zweier  russischer  Dörfer.  An  Waldungen, 
Oraswuchs  und  Fischen  ist  hier  kein  Mangel.  Auch  das  Getreide  scheint 
gut  fortzukommen,   doch  wird  es  wegen  der  hohen  Lage  spät  geerntet. 

Aus  einer  Relation  des  Herrn  Kolpakowskoi  über  die  alten  Bauten 
im  See  Jssyk-Kul  ist  zu  entnehmen,  dass  an  der  Nordseite  dieses  Sees 
zwischen  den  Einmündungen  zweier  Bäche  in  der  Tiefe  nahe  am  Ufer 
Spuren  von  Baulichkeiten  aus  gebrannten  Ziegeln  vorkommen.  Es  ist 
schwer  zu  sagen,  welche  Bestimmung  diese  Werke  haben  mochten,  da 
die  Ziegelmauem  keine  Räumlichkeit  umschließen,  sondern  in  paralleler 
Richtung  von  einander  in  der  Entfernung  eines  Arschin  fortlaufen.  Jetzt 
sieht  man  nur  drei  Mauern,  welche  so  weit  reichen,  dass  die  Tiefe 
des  Wassers  nicht  gestattet,  dieselben  weiter  zu  verfolgen.  Die  Ziegel 
werden  zur  Zeit  heftigen  Wellenschlages  vom  See  meist  in  Bruchstücken 
an's  Ufer  geworfen,  im  Wasser  selbst  sind  sie  im  unversehrten  Zustande. 
Die  Kirgisen  fangen  seit  einigen  Jahren  an,  die  Ziegel  aus  dem  Wasser 
zum  Bau  der  Grabhügel  zu  holen.  Am  Ufer  findet  man  neben  der  be- 
zeichneten Stelle  menschliche  Gebeine,  auch  kam  dort  ein  aus  Stein 
geformtes  menschliches  Antlitz  zum  Vorschein.  Nach  Angabe  eines  durch 
lange  Zeit  in  der  Nähe  sesshaften  Kirgisen  wurden  zu  verschiedenen 
Malen  ans  dem  See*  Menschengebeine,  Bruchstücke  von  Gefäßen  und 
einmal  eine  Art  eiserner  Anker  herausgeworfen.  Derlei  Gegenstände 
kann  man  auch  jetzt  an  den  Ufern  finden. 

Noch  dürfte  eine  in  dem  Berichte  über  die  neuesten  geographischen 
Arbeiten  im  Turkestan'schen  Gebiete  vorkommende  Notiz  wegen  Be- 
wässerung der  sogenannten  Hungersteppe  Erwähnung  zu  verdienen.  Der 
Berichterstatter  Herr  Sabotow  bemerkt,  dass  im  Lande  Turkestan  die 
kflnstlichen  Wasserleitungen  von  großer  Bedeutung  sind.  Wohin  das 
Wasser  nicht  geleitet  werden  kann,  dort  besteht  kahle  Dürre ;  im  Sonmier 

Miukailungeii  d.  geogr.  G«mU.  1870.  9.  27 


418 

kommt  dort  kein  Pflanzenwnchs  vor,  und  der  Mensch  mit  seinen  Herden 
kann  allda  nnr  im  zeitlichen  Frühjahr,  im  Winter  und  Spätherbst, 
d.  h.  3 — 4  Monate  bestehen.  Der  Anblick  solcher  kahlen  Ebenen  ist 
widerwärtig,  nnd  falls  die  Fläche  nicht  so  gelegen  ist,  dass  sie  zur 
Bewässerung  benfltzt  werden  kann,  ist  sie  fftr  die  Menschen  verloren. 
Die  Hnngersteppe  gehört  glflcklicher  Weise  nicht  zu  diesen  Grebieten. 
Man  sieht  dort  deutliche  Spuren,  dasß  hier  einst  feste  Wohnsitze  einer 
ackerbauenden  Bevölkerung  bestanden  haben.  Nach  ,der  Angabe  der 
Kirgisen  ist  diese  Zeit  keine  sehr  entfernte,  und  der  dort  sichtbare 
große  Canal  in  der  Länge  von  40  Werst  soll  früher  durch  die  ganze 
Steppe  bis  zur  Stadt  Nurat  gereicht,  somit  bei  300  Werst  in  der  Länge 
gehabt  haben.  Aus  diesem  Canal  giengen  kleine  Seitenleitungen  und 
diese  bewässerten  die  Felder.  ^Spuren  derselben  bestehen  noch  immer; 
derlei  Wasserleitungen  sind  auch  an  anderen  Stellen  der  Steppe  zu 
finden.  Zur  Zeit  als  der  Fluss  Syr  in  hohem  Wasserstande  war,  wurde 
der  Versuch  gemacht,  ein  Rinnsal  mit  ihm  in  Verbindung  zu  bringen. 
Das  Wasser  flberfiutete  sofort  die  Steppe  in  der  Ausdehnung  zweier 
Werste  und  verlor  sich  dann  in  dem  gleichfalls  von  Wasser  bespahen 
Schilfe  der  Steppe.  — c — y. 


Bücher  und  Karten, 

welche  thells  als  Geschenk,  theils  im  Wege  des  Schriftentuisches  an  die  k.  k.  geographische  GeseHsdaft 

gelangt  sind. 

Vom  1.  Februar  1870  bis  31.  Mai  1870. 

Die  Qeschenksexemplare  sind  mit  '*'  bezeichnet. 

Agram.  Arkiv  za  povjestnicu  lugoslaveusku  VI.  VII.  IX.  X. 

Supplementi  al  saggio  bibliografico  della  Dalmazia  e  del  Mont^iegro  di 
Valantinelli  Giuseppe  1862. 

Altenburg.   Mittheilungen  aus  dem   Osteriande.   B.  XIX.   1,  2.  1869. 

Amsterdam.  Joarboek  van  de  koninklijke  Akademie  van  weten- 
schappen  1867. 

—  Verhandelingen  der  koninkl.  Akademie  van  Wetenschappen  XI.  1868. 

—  Verslagen   en    mededeelingen   der    koninkl.  Akademie  II.  2.    1868. 

—  „Catalogus  van  de  Boeker"^  der  k.  Akad.  van  Wetensch.  IL  2.  1868. 
Ansbach.  XXXVI.  Jahresbericht  des  historischen  Vereins  von  Mittel- 
franken 1868. 

Arolsen.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Fürstenthümer  Waldeck  und 
Pyrmont  III.  1.  1870. 

—  Leben  des  Fürsten  Georg  Friedrich  von  Waldeck  II.,  von  Dr.  L. 
Curtze.  1870. 

Augsburg.  XXXrV.  Jahresbericht  des  historischen  Kreis -Vereins  im 
Regierungsbezirke  von  Schwaben  und  Neubarg  1869. 

Auxerre.  Bulletin  des  sciences  historiques  et  naturelles.  3.  4.  1870. 

*Balearen,  die,  in  Wort  und  Bild.  Leipzig  bei  Brockhaus  1870.  (Ge- 
schenk S.  Hob.  des  Herrn  Erzherzogs  Ludwig  Salvator.) 

Basel.  Evangelisches  Missions-Magazin.  Jahrgang  1869.  1-12. 

*Bechtinger  Dr.  J.,  Ost-Africa,  Erinnerungen  und  Miscellen  aus  dem 
abissinischen  Felcbsug.  (Geschenk  v.  Verf.)  Wien  1870. 


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Berlin.  Zeitschrift  der  Gesellscliaft  für  Erdkunde.  V.  1-4.  1870. 

—  Registrande,  bearbeitet '  vom  Generalstabe,  geographisch-statist.  Ab- 
theilung  1870. 

Bologna.  Memorie  delP  accademia  delle  scienze.  Serie  It.  IX.  2.  1870. 
Bonn.  Verhandlungen  des  naturhistorischen  Vereines  der  preuß.  Rhein- 
lande und  Westphalens.  Jahrg.  XXV.  Dritte  Folge.  5.  Jahrg.  1—2.  1868. 

—  Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande 
XVU.  XVUI.  1869. 

Bordeaux.  Actes  de  la  soci4t4  Linn^nne  XXVI.  2.  1868. 
Bregenz.  XI.  Rechenschaftsbericht  des  Museums- Vereins  1869. 

Bremen.  Abhandlungen  des  naturwissenschaftlichen  Vereines  II.  2.  1870. 
Brunn.  Mittheilungen  der  k.  k.  mährisch-schlesischen  Gesellschaft  1870. 
10,  11,  18,  19. 

—  Schriften  der  historisch-statistischen  Station  der  k.  k.  mähr,  scblesisch. 
Gesellschaft  zur  Beförderung  des  Ackerbaues,  der  Natur-  und  Landeskunde. 
B.  XIX.  1870. 

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Brüssel.  Bulletin  de  la  commission  generale  de  Statistique  IX.  1869. 

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Xni.  1869. 

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—  Norges  officielle  Statistik  C.  1.  C.  2.  3  Bände  1867/9. 
Copenhagen.  M^moires  de  la  soci6t6  royale  des  antiquaires  du  nord 

1867/8.  2  Thle. 

Constantine  ( Algier >.  Recueil,  notices  et  memoires  de  la  soci^t^ 
arch^ologique,  serie  2.  II.  1868.  3  Vol.  1869. 

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Dorpat.  Sitzungsberichte  der  gelehrten  estnischen  Gesellschaft  1867. 

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—  Johann  Meiloff,  zur  Geschichte  des  römischen  Rechts  in  Livland  im 
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österr.  Monarchie  im  J.  1868.  Entworfen  von  Franz  Foetterle.  Wien  1870. 

Frauen feld  Ritter  v.  Beiträge  zur  Fauna  der  Nicobaren. 

—  üeber  Massenerscheinungen  namentlich  im  Thierreich. 

—  Die  ausgestorbenen  und  aussterbenden  Thiere  in  den  jüngsten  Epochen. 
Wien  1869. 

Genf.  Le  Globe  Vni.  5-8.  1869. 

Gera.  XI.  Jahresbericht  der  Gesellschaft  von  Freunden  der  Natur- 
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*Gigl  Alex.  Statist.  Daten  über  die  Cholera-Epidemie  des  J.  1869. 
Wien  1870. 

Görlitz.  Neues  Lausitzisches  Magazin  XLVH.  1870. 

Görz.  Atti  e  memorie  deir  J.  R.  societä  agraria  IX.  1870. 

Graz.  Der  steirische  Landbote  III.  5,  6—11. 

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Halle.   Neue  Mittheilungen   aus  dem  Gebiete  der  historisch-antiquari- 
schen Forschungen  XIL  2.  1869. 

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*Harder  H.  W.  Das  Clarissinnen-Kloster  Paradies  bis  zum  Schluss  der 
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27* 


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Henr.  Kiepert.  Berlin  1870. 

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Beriin  1870. 

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schaft der  Literaturkunde  in  L.  1869. 

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und  13.  Lief,  der  Beiträge  zur  Landeskunde  von  Oesterreich  ob  der  Enns  1869. 

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—  Tide  tables  for  the  British  and  Irish  ports  for  the  jear  1870  etc. 
1869.  (Sämmtlich  Geschenke  der  königl.  britischen  Admiralität.) 

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—  Memoire  of  the  literary  and  philosophical  society  of  M.  1868. 
Meaux.  Annales  de  la  sociät^  d'horticnlture  22.  1869. 
Montb^liard.  Memoires  de  la  soci^t^  d'  emalation.  Ergänzung  2.  3. 
Moskau.  Bulletin  de  la  soci^t^  imp.  des  naturalistes  2—4.  1869. 

Mouticrs.  Kecueil  des  memoires  et  documents  de  V  acad^mie  de  la 
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Manchen.  Zeitschrift  des  deutschen  Alpenvereins.  I.  2.  1870. 

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n.  2.  3.  4.  1869  u.  I.  1.  1870. 

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Paris.  Revue  maritime  et  coloniale  XXYIII.  109—112. 

—  Tables  alphab^tique  des  matiäres  contenues  dans  les  24  volumes  de 
la  revne  maritime  et  coloniale  1870. 

—  Tableaux  de  population,  de  culture,  de  commerce  et  de  navigation 
pour  rannte  1867.  1869. 

—  Bulletin  de  la  soci4t6  de  geographie  1—4.  Feborier  1870. 
^    Annales  de  la  propagation  de  la  foie  2.50.  1870* 

—  Bulletin  de  la  soci^t^  pour  le  conservation  des  monuments  histori- 
ques  d'Alsace  1869. 

Pest.  Tezmeszettrid-omänyi  Közlöny.  1—9  Heft.  1869. 

Petermann.  Mittheilungen  1870.  2—5. 

Petersburg.  Repertorium  für  Meteorologie  kais.  Academie  der  Wissen- 
schaften) I.  1.  1869. 

~  Annales  de  PObseiTatoire  physique  centrale  de  Russie  Jahrg.  1865. 

*--  Ansichten,  Karten  und  Pflanzenbilder  aus  dem  russischen  Amur- 
lande. 37  Blätter  mit  Titel.  (Geschenk  der  kaiserl.  geographischen  Gesellschaft 
in  St.  Petersburg.  1861.) 

*—  Bulletin  de  Tacademie  imp.  des  sciences  XIV.  1.  2.  3.  1870. 

—  Memoires  de  PAcademie    imp.    des    sciences   XIII.    8.    XIV.    1-7. 

JODO,9. 

—  Seances   de   la  societe    imp.    g^ogi'aphique    de    Russie.    5.    April 
8.  Oct.  1869. 

Prag.  Centralblatt  für  die  gesammte  Landescultur  XXI.  1—5.  1870. 
*—  Tunis.  Ein  Bild  aus  dem  nordafricanischen  Leben   1870.  (Geschenk 
S.  Höh.  des  Herrn  Erzherzogs  Ludwig  Salvator.) 

—  Lotos.  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft.  XIX.  1869. 
Guarnero,  das  Inselmeer  des,  und  Guarnerolo  vom  Cap  Promontore 

bis  Zara.  Reliefkarte  in  Rahmen.    (Geschenk  S.  Hoheit   des  Herrn  Erzherzogs 
Leopold.) 

*Rafn  Karl  Christ.  Renseignements  sur  les  prtoiers  habitants  de  la  cote 
occidentale  du  Groeniland  (Grönländisch)  Nungme  1864. 

*Rivett-Carnae  Harry  Exq.  Report  on  the  Gotton  departement  foi 
the  year  1868/9.  Bombay.  CGeschenk  vom  Consul  Gumpert.) 

*Rohlfs  Gerhard.  Land  und  Leute  in  Africa.  Berichte  aus  den  Jahren 
1865—1870.  Bremen  1870.  (Geschenk  der  Veriagshandlung.) 

Rom.  Correspondenza  scientifica  in  Roma  VIII.  I. 

—  Anno  XXII.  della  corrispondenza  scientifica  in  Roma. 

^chnitzler  M.  J.  H.  L'empire  des  tsars  au  point  actuel  de  la  science 
IV.  Paris  1869.  (Geschenk  der  Verlagshandlung.) 

Schwerin.  Jahrbücher  und  Jahresbericht  des  Vereins  für  Meklen- 
biiigiBche  Geschichte.  XXXIV.  1869. 


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*Septiinaniii)  Seconde  et  nouvelle  methode  pour  determiner  1a 
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♦St.  Martin^  Vivien  de,  L'ann^e  göographique  YIIl.  1870.  (Geschenk 
des  Verfassers.) 

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Turin.  Bulletino  meteorologico  dell  osservatorio  di  Moncalieri  V.  1.  1870. 

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Utrecht.  Aanteekeningen  von  der  Utrechter  Provinzial-Genossenschalt 

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(Gekrönte  Preisschrift.) 

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—  Verhandlungen  der  k.  k.  zoologisch  botan.  Gesellschaft  XIX.  1—4 
1869. 

—  MittheiUingen  aus  dem  Gebiete  der  Statistik.  XVII.  1.  1870. 

—  Oesterreichische  Monatsschrift  für  Forstwesen  XIX.  und  XX.  1869. 

—  Verhandlungen  und  Mittheilungeu  des  n.  ö.  Gewerbe vereina.  XXXL 
7-20. 

—  F ritsch  Carl,  Phänologische  Studien  (Sitzungsb.  der  kais.  Academie 
der  Wiss.  61.  Band.  2.  Abth.  1870.) 

*—  Post-Cours  Buch  II.  vom  k.  k.  Handelsministerium  1870. 
— -  Statistisches  Jahrbuch  für  das  Jahr  1868  (k.  k.  stat.  Central-Com- 
miBsion»  1870. 

—  Blätter  des  Vereins  für  Landeskunde  von  Niederösterreich.  N.  F.  II. 
1869. 

Wiesbaden.  Jahrbücher  des  nassauischen  Vereins  für  Naturkunde. 
XXI.  u.  XXII.  Jahrg.  1867-1868. 

♦Wolf  Heinrich.  Die  Stadt  Oedenburg  und  ihre  Umgebung  mit  einer 
geolog.  Karte.  Wien  1870.  (Geschenk  des  Verfassers.) 

Würzburg.  Verzeichnis  der  Bibliothek  der  med.  physical.  Gesell- 
schaft 1869. 


423 

Geographische  Literatur. 

Geographie.  Länder- und  Völkerkunde  vonDionys  Grün, 
Professor    am    k.    k.    academischen    Gymnasium    zu   Wien.    Friedrich 

Beck 's  Verlagshandlung.  1870, 

VoD  diesem  Buche,   das  in  6  rasch  auf  einander  folgenden   Lieferungen 
ron  je  10  Bogen  erscheinen  soll,  liegen  uns  43  Bogen  gedruckt  vor. 

Bei  der  Abfassung  desselben  wurden,  wie  der  Verfasser  im  Vorwort 
ausdrücklich  bemerkt,  »nicht  nur  die  Bedürfnisse  der  Schule,  soudern  auch  das 
Interesse  derjenigen  berücksichtigt,  welche  außerhalb  der  Schule  stehen,  aber 
mitten  in  ihren  Berufsthätigkeiten  nicht  aufgehört  haben ,  die  Ausbildung  ihres 
Geistes  als  eine  wichtige  Angelegenheit  ihres  Lebens  anzusehen.« 

Vorerst  gestehen  wir,  den  Gründen,  die  der  Verfasser  für  die  Bearbei- 
tung seines  Buches  in  dieser  Form  in  seinem  sehr  lesenswerten  Vorworte  dar 
legt,  so  wie  der  äußerst  anregenden  Behandlung  des  Stofl'es,  soweit  sie  uns 
Yorliegt,  mit  ungetheilter  Aufmerksamkeit  gefolgt  zu  sein  und  zwar  um  des 
Interesses  willen,  das  uns  der  Unterricht  in  der  Erdkunde  überhaupt  einflößt^ 
nicht  nur  wie  er  gegenwärtig  beschaffen  ist,  sondern  auch  wie  wir  ihn  zur 
Befruchtung  der  in  ihm  ruhenden  schönen  Keime  geistbildenden  Lebens  uns 
eingerichtet  denken. 

Wenn  man  Wissenschaft  als  den  Inbegriff  gleichartiger  nach  durch> 
greifenden  Hauptgedanken  geordneter  £rkenntnisbe  definiert,  so  gibt  es  sowol 
Disciplinen ,  bei  denen  diese  Ordnung  der  Erkenntnisse  bereits  zum  Abschluss 
gebracht,  als  auch  solche,  wo  sie  noch  im  Fluss  ist,  das  heißt  ältere  und 
jüngere  Wissenschaften.  Eine  der  jüngsten  in  dieser  Beziehung  ist  die 
Erdkunde,  und  kein  Wunder  demnach,  dass  in  der  didactischen  Behandlung 
derselben  noch  heut  zu  Tage  in  vielen  Fällen  eine  gewisse  üngebundeuheit, 
sagen  wir  Rathlosigkeit,  vielleicht  sogar  Pfuscherei  Raum  gewinnt.  Das  große 
Areal  einer  associierenden  Wissenschaft  ist  gar  so  verlockend  zur  Abschwei- 
ffing auf  (iebiete,  die  nur  mittelbar  in  sie  eingreifen,  und  die  Sonderuog  der 
wesentlichen,  unmittelbar  ins  erdkundliche  Bereich  gehörigen  Erkenntnisse 
von  jenen,  die  ihr  zur  Begründung  oder  Illustrierung  beigesellt  werden  müßen, 
ist  iveder  an  sich  eine  leichte,  noch  eines  jeden  Lehrers  Sache. 

Ohne  den  Irrwegen  nachzugehen,  die  auf  diesem  Gebiete  häufig  und  leider 
zum  Schaden  der  Lernenden  eingeschlagen  werden,  wird  im  allgemeinen  doch  das 
tiefe  Bedauern  gerechtfertigt  sein,  dass  ein  Gegenstand,  der  nach  seiner  Natur 
so  schöne  and  fruchtbare  Elemente  für  die  allgemeine  Bildung  in  sich  trägt, 
unserer  bildungsfähigen,  für  den  Wechsel  großartiger  Erscheinungen,  wie  sie 
die  Erdkunde  zu  vermitteln  hat,  so  empfänglichen  Jugend  geradezu  ver- 
kOmmert  wird. 

Wenn  wir  in  der  Anlage  des  vorliegenden  Buches  eine  Wendung  zum 
Bessern  sehen,  so  wird  es  nothwendig  sein,  die  Bedingungen  des  erdkund- 
lichen Unterrichts,  wie  er  ehedem  war  und  wie  er  jetzt  ist,  in  kurzem  zu 
skizzieren. 

Zu  unserer  Zeit  —  es  war  dies  vor  mehr  als  vierzig  Jahren  —  galt  beim 
geographischen  Unterricht  das  Buch  alles,  die  Karte  nichts.  Die  Karten 
waren  aber  damals  auch  darnach,  dass  sie  wenig  Geltung  in  Anspruch  nahmen, 
womit  aber  nicht  gesagt  sein  will,  dass  etwa  die  damaligen  Bücher  der  Wich- 
tigkeit, die  man  ihnen  beilegte,  entsprochen  hätten.  Aber  entschieden  hatte 
der  Schüler  die  Summe  des  geographischen  Wissens,  das  er  aus  der  Schule 
mitbrachte,  zanäcüst  der  Zähigkeit  und  Ausdauer  des  Gedächtnisses  zu  danken, 
das  an  den  immer  wiederkehrenden  Capiteln  des  Lehrbuchs :  Gränzen,  Flächen- 
inhalt, Einwohnerzahl,  Klima,  Producte  und  merkwürdige  Orte  sattsam  gedrillt 
war.  lieber  die  Lage,  Gonfiguration  und  Culturfahigkeit  der  einzelnen  Länder, 
so  wie  über  die  Communicationen,  den  Handelsverkehr  und  die  politische 
Wichtigkeit  blieb  er  begreiflicher  Weise  in  einem  heilsamen  Dunkel. 

Die  Zeit  ist  Gottlob  anders  geworden  und  mit  ihr  auch  die  Ansicht 
über  die  Methode  des  geographischen  Unterrichts,  was  aber  wieder  nicht  aus- 
schließt, dass  heute  noch  Zöpfe  an  dem  Alten  hängen  und  unberatheue  Stürmer 
das  Neue  überstürzen.  Der  Raum  fehlt  uns,  um  das  Feld  der  Einzelnheiten 
zu  betreten.  Ganz  gewiss  aber  ist  der  Stand  der  Kartographie  heut  bis  zu  dem 


424 

Punkte  der  Entwicklang  Yorgerflckt,  wo  man  dem  Lehrer  asomiithen  kann,  dasa 
er  neben  seinem  lebendigen  Wort  beim  Unterricht  mit  der  Karte  aus- 
reicht, und  das  Lehrbuch  Nebensache  bleibt,  nämlich  ein  Lehrbuch,  wie  wir 
deren  hunderte,  und  fast  ausschließlich  haben,  die  wenig  mehr  enthalten,  aJs 
was  eine  gute  Karte  geben  kann,  und  wenn  man  sie  zu  behandeln  ver- 
steht, gewiss  auch  viel  deutlicher  und  interessanter  gibt.  Wir  sind  ketzerisch 
genug,  auf  der  untern  und  mittlem  Stufe  jenen  Unterricht  in  der  Geographie 
fOr  den  besten  zu  erklären,  der  seine  Doctrin  —  natürlich  mit  dem  ange- 
messenen Ton  und  der  angemessenen  Tiefe  der  Erklärung  —  ausschließ- 
lich aus  der  Karte  holt.  Freilich  bedingt  das  eine  ungetheilte  Sorgfiüt 
für  die  Ausführung  jeuer  Karten,  die  für  die  Schule  bestimmt  sind,  und  die 
Forderung,  dass  die  bewährten  Ergebnisse  der  Kartographie  zunächst  der 
Schule  zu  Gute  kommen.  Zur  Fesstellung  von  geographischen  Begriffen, 
zur  Orientierung  in  der  Lage,  im  Terrain ,  in  der  Coniiguration ,  in  Distanzen 
und  cosmischen  Verhältnissen  ksnn  auf  keine  andere  Weise  mehr  geleistet 
werden,  und  das  ist  eben  reine  Geographie,  während  alles  andere,  was  etwa 
der  Schüler  noch  zu  wissen  braucht,  gemischte  Geographie  ist,  die  er 
aus  den  gewöhnlichen  Lehrbüchern  eben  nur  sehr  nothdürftig  und  sehr  wenig 
eririschend  schöpft.  Wäre  es  unter  solchen  Umständen  nicht  vortheilLafter, 
ihn  vom  Lehrbuch  ganz  zu  entbinden,  dafür  aber  sein  ganzes  Interesse  auf 
das  Studium  der  Karte  zu  lenken ,  und ,  damit  dieses  Interesse  bei  jedem  An- 
lass  entsprechend  genährt  werden  kann,  ihn  auf  ein  geographisches 
Haus-  und  Nachschlagebuch  zu  verweisen,  das  den  geographischen 
Lehrstoff  im  anmuthigen  Gewände  einer  Länder-  und  Völkerkunde  eingeherd, 
irisch  und  lebendig  zu  Gemüthe  führt?  Es  wird  nach  unserer  Ansicht  ein  sehr 
schätzbarer  Gewinn  für  den  Unterricht  sein ,  wenn  man  die  Sache  so  aufiEasst 
Die  ganie  Anordnung  des  vorliegenden  Buches  gemahnt  uns,  dass  es  sich  einem 
solchen  Zwecke  in  vorzüglicher  Weise  anpassen  werde,  und  darum  begrüßen 
wir  es  mit  einer  innern  Befriedigung  und  wünschen,  dass  es  der  Aufimerksam- 
keit  der  Lehrerwelt  empfohlen  sei ,  abgesehen  von  der  anregenden  und  be- 
lehrenden Lecture,  die  damit  dem  bildungsfreundlichen  Laien  gelx>tcn  ist      B. 

Yolks-Atlas  über  alle  Theile  der  Erde   für  Schule  und. 

Haus,  herausgegeben  von   Dr.  E.  Amthor   und  W.  Issleib  in  Gera 

10.  Auflage  1870. 

An  einen  Atlas  für  das  Volk  können  nicht,  wenigstens  derzeit  noch  nicht, 
die  strengen  Anforderungen  gestellt  werden,  die  d<^r  heutige  Standpunkt  der 
Kartographie  -rechtfertigt.  Wenn  er  durch  seine  Karten  einen  GesammtOber- 
blick  über  die  Erde  und  nähere  Einsicht  in  ihre  vornehmsten  Theile,  wenn  er 
insbesondere  eine  deutliche  AnBchauung  der  europäischen  Länder  nach  ihren 
Terrainverhältnissen,  Gommunicatiouen  und  topographisch  wichtigen  Punkten 
und  vor  allem  des  engern  Vaterlandes  vermittelt  und  durch  einen  billigen  Preis 
der  Verbreitung  in  jenen  Kreisen  Vorschub  leistet,  wo  der  Mangel  an  erd- 
kundlichen Lehrmitteln  bisher  lebhaft  gefühlt  wurde,  so  ist  er  seiner  Aufgabe 
zur  Genüge  gerecht  worden. 

•  Von  diesem  Standptmkt  kann  dem  vorliegenden  Atlas  ein  erhebliches 
Verdienst  um  die  Verbreitung  erdkundlichen  Wissens  und  insbesondere  eines 
eingehenden  Kartenstudiums  in  den  Schulen  nicht  abgesprochen  werden.  Die 
Billigkeit  des  Preises,  der  Atlas  vollständig,  in  24  Karten  in  Farbendruck 
kostet  50  kr.,  macht  es  beinahe  jedem  Schüler  der  Volksschule  möglich,  sich 
dieses  Lehrmittel  anzuschaffen,  und  er  erhält  damit  eine  Reihe  von  Karten, 
die  ihm  auf  festen  Papier  mit  deutlicher  Schrift  und  zum  Ueberfluss  noch  in 
farbigen  Bildern  die  ganze  bekannte  Welt  versinnlichen. 

Dass  die  Herausgeber  auf  die  Verbesserung  ihres  gemeinnützigen  Werkes 
Wert  legen,  glauben  wir  an  mancher  Veränderung  zu  bemerken,  die  in  die 
spätem  Auflagen  Eingang  gefunden  hat.  Daraus  lässt  sich  der  Schluss  ziehen, 
dass  sie  auch  darauf  bedadit  sein  werden,  ihren  Karten  nach  und  nach  eine 
gleichmäßige,  den  jetzigen  Anforderungen  entsprechende  Terrainzeichnunff  zu 
verschaffen.  B. 


425 

Memoria  por  la  direccion  general  de  estadistica  sobre  los  trobajas 

ejecntados  por  la  misma  desde    1.  de   octobre   de    1868   hasta  31.  de 

I>eeembre  de  1869.  (Denkschrift  der  General-Direction  für  Statistik  in 

Spanien  über   ihre  Arbeiten  seit   1.   Oct.   1868   bis   31.    Dez,   1869.) 

Madrid  1870.  563  Seiten. 

Die  Aufnahme  statistischer  Forschungen  in  den  Bereich  der  Staats- 
Pnuds  ist  eine  der  erfreulichsten  Erscheinungen  der  Neuzeit.  Die  Regierungen 
gewinnen  hiedurch  ein  ausgezeichnetes  Mittel  zur  Erweiterung  ihres  Blickes 
in  das  öffentliche  Leben  und  eine  reichhaltige  Quelle,  aus  welcher  Behelfe 
zur  Förderung  des  Volkswohles  und  zur  Regelung  ihrer  eigenen  Angelegen- 
heiten entnommen  werden  können.  Die  Statistik  auf  das  Gebiet  der  Admini- 
stration versetzt,  ist  in  hohem  Grade  geeignet,  den  Wetteifer  der  Staaten  auf 
der  Bahn  des  Fortschrittes  anzuregen.  Zugleich  gewinnt  die  statistische  Wissen- 
schaft an  der  Yerlässlichkeit  aller  jener  Daten,  deren  genaue  Erhebung  ftkr 
Privatkräfte  eine  unerschwingliche  Aufgabe  wäre.  Die  statistische  Ziffer  hört 
auf,  ein  bloßes  Mittel  zur  Befriedigung  der  Wissbegierde  zu  sein,  sie  behauptet 
jetzt  den  Wert  eines  bedeutungsvollen  Zeugnisses  für  allerlei  Zustände 
des  socialen  Gebahrens  und  der  Phasen  der  menschlichen  Existenz,  welchen 
ernste  Beachtung  nicht  versagt  werden  kann. 

Das  spanische  Gouvernement  hat  laut  der  vorliegenden  Denkschrift  seit 
1866  sich  dem  wohlthätigen  Einfluss  der  internationalen  Congresse  auf  das  will- 
fahrigste  gefügt,  und  seine  Thätiffkeit  in  diesem  Fache  nach  wissenschaftlichen 
Regeln  eingerichtet:  es  hat  sich  lür  diese  Aufgabe  im  Centrum  durch  Creierung 
einer  Junta  und  einer  General-Direction  ausgerüstet,  auch  mit  Aufstellung  von 
Provinzial-Sectionen  im  ganzen  Königreiche  dienstbereite  Organe  zur  Ausführung 
der  leitenden  Anordnungen  erworben.  Aus  der  Staatskasse  wurden  für  Statistik 
aeither  über  20.000.000  Pesetas  (im  Werte  von  Francs)  angewiesen.  Auch  der 
letzte  Staatsvoranschlag  bestimmte  für  diesen  Zweig  1.489.550  Pesetas.  Für 
die  Erlernung  von  Yermessungsarbeiten  wurde  eine  eigene  Schule  errichtet. 
Die  oberste  statistische  Junta  wurde  des  Vorsitzes  des  Minister-Präsidenten 
gewürdigt.  Dieser  Behörde  verdankt  das  lesende  Publikum  die  Herausgabe 
einer  bedeutenden  Anzahl  in  der  Denkschrift  angeführter  gedruckter  statistischer 
Werke  und  Pläne. 

Diese  Leistungen  sind  um  so  verdienstlicher,  als  die  aufgestellten  Or- 
gane unter  den  außerordentlichen  Verhältnissen  der  spanischen  Regierung 
keineswegs  leichtes  Spiel  hatten,  wie  dies  aus  der  Denkschrift  selbst  erhellt. 
Es  heißt  darin:  ^Die  Statistik  Spaniens  hatte  mehr  als  irgend  ein  anderer 
Zweig  der  öffentlichen  Verwaltung  durch  die  Folgen  der  Schwankungen  und 
die  fortwährenden  Abänderungen  im  öffentlichen  Dienste  zu  leiden.  Seit  ihrer 
Einführung  vergieng  wol  kein  Jahr,  ohne  dass  radicale  Experimente  in  Wesen 
und  Form  Platz  gegriffen  hätten.  Ohne  die  Obhut  der  Junta,  welche  von  Pa- 
triotismus getragen,  mit  anerkannter  Tüchtigkeit  ihre  Wirksamkeit  inmitten 
des  Wechsels  zu  bethätigen  wusste,  würden  zahlreiche  Arbeiten  nicht  vorliegen, 
die  nur  ihren  Anordnungen  zu  verdanken  sind.^ 

Die  Denkschrift  beginnt  mit  dem  Ueberblick  der  organischen  Einrich- 
tungen für  statistische  Arbeiten  iu  Spanien.  Sehr  umfassend  sind  dann  die 
topographischen  Operationen  behandelt  Es  folgen  darauf  aoht  Abschnitte  der 
Auseinandersetzung  der  eigentlichen  Landesstatistik,  so  weit  für  sie  bis  jetzt 
Erhebungen  vorliegen.  Diese  Abschnitte  umfassen  das  Territorium,  die  Bevöl- 
kerung, die  Bodenerzeugnisse,  die  Industrie,  den  Handel,  die  Landesverwaltung, 
die  Contabilität  und  den  inneren  Dienst. 

Der  Raum  dÜBser  Blätter  gestattet  nicht,  das  vorliegende  reichhaltige 
Materiale  in  der  Länge  aufzunehmen.  Wir  beschränken  uns  vorläufig  darauf, 
die  Aufmerksamkeit  des  Lesers  auf  diese  wertvolle  Arbeit  zu  lenken.     — c  -  y. 


426 


Notizen. 

Preise  fttr  Forschani^ri'iseii.  In  der  Jahressitzuag  der  geographischen 
Gesellschaft  in  London  am  23.  Mai  wurden  die  Preise  für  Förderung  der  geo- 
graphischen Wisseoschaft  und  Entdeckung  zuerkannt.  Die  »Founder's  Medal- 
erhielt  der  Reisende  der  Gesellschaft  in  Gentralasien  Herr  G.  W.  Uayward 
für  seine  Forschungsreise  über  den  Kuen-Lun  nach  Yarkcnd  und  Kaschgar  und 
für  die  von  ihm  gearbeitete  ^isekarte;  die  -Victoria  Medal**  der  französische 
Marinelieutenaut  l*.  Garnie4fur  seine  Expedition  von  Cambo^ja  zum  Yaog-tse- 
Kiang  und  für  die  Keise  nach  Taii-iu. 

TiefmessuigeB  im  Adriameer.  Prof.  Oskar  Schmidt  in  Graz  begibt 
sich  in  Hegleitung  des  Keaiscbulprofessors  Gobanz  nach  der  atbauesischen 
Küste,  um  am  bord  des  vom  LinienschiflFiscapitän  Oesierre  icber  befehligten 
iJampfers  "Triest..  an  den  Vermessungsarbeiten  der  österreichischen  Kriegs- 
marine theilzunehmen.  Es  handelt  sich  vornehmlich  um  die  Tiefseemessuugen 
zwischen  Albanien  und  Apulien  und  um  ähnliche  Korschuiigeu  über  das  orga- 
nische Leben  in  den  Tiefen,  wie  solche  in  den  letzten  Jahren  im  atlantischen 
Ocean  angestellt  wurden. 

Bampferprojeete  tauchen  in  America,  seit  der  Pr&sident  in  einer  Bot- 
schaft sich  über  den  Verfall  der  americanischen  Kauffahrteimarine  beklagte 
und  für  deren  Hebung  die  Unterstützung  des  Staates  in  Anspruch  nehmen 
wiU,  in  Unzahl  auf.  Wir  zählen  hier  einige  dieser  Projecte  auf:  «Die  Mediter- 
ranean  and  Oriental  Steam  Navigation  Gompany**  bezweckt  Herstellung  einer 
Verbindung  zwischen  den  Südstaaten  und  Port  Said,  hauptsächlidi  zum  Zwecke, 
indische  und  chinesische  Einwanderung  (durch  den  Suezkanal)  anzuregen. 
Jeder  Staat  soll  eine  bestimmte  Summe  für  jeden  Einwanderer  zahlen,  weldier 
ein  Jahr  innerhalb  seines  Gebietes .  bleibt,  ohne  den  Armenbehörden  zur  Last 
zu  fallen.  Zu  gleicher  Zeit  beansprucht  die  Gesellschaft  den  vollen  Betrag  des 
Portos  für  die  von  ihr  beförderten  Posten  —  Dann  kommt  die  »Commercial 
Navigation  Company •<,  welche  den  Congress  um  einen  j&hrlichen,  in  halbmonat- 
lichen Katen  zahlbaren  Zuschuß  von  500,000  D.  angeht,  für  die  Beförderung 
der  Posten  zwischen  New- York,  Bremen  und  Southampton  oder  New-Y'ork» 
Liverpool  und  Queenstown.  An  dritter  Stelle  kommt  die  »American  Navigation 
Company«  zur  Herstellung  einer  Linie  zwischen  New- York  und  sp&^r  zu 
bezeichnenden  europäischen  Hafenplätzen.  Dieselbe  fordert  auf  io  Jahre  lang 
die  Summe  von  20,U()0  Lstr.  per  Heise  für  die  Beförderung  der  Posten.  Eine 
andere  Linie  ist  die  -North  American  Steam  Navigation  Company  ,  deren  Schiffe 
von  New- York  über  Plymouth  und  Gherbourg  nach  Antwerpen  oder  Bremen 
gehen  sollen  und  welche  das  ganze  Porto  für  die  zu  befördernden  Postsachen 
fordert.  Die  ««Newyork  and  Copenhagen  Steamship  Company«  beabsichtigt 
wenigstens  25  Reisen  per  Jahr  zu  machen  (unterwegs  in  Southampton  anzu- 
rufen) und  verlangt  von  der  Regierung  eine  Anleihe  von  1,500,000  Dollars  zum 
Bau  ihrer  Schiffe.  Umfangreiclier  ist  ein  von  Henrich  Washburne  befürwortetes 
Project  zur  Errichtung  von  4  Linien,  deren  jede  600,000  jährliche  Unterstützung 
erhalten,  und  deren  eine  zwischen  Portland  und  Boston  nach  nordeuropäischen 
Häfen,  eine  von  Philadelphia  und  Baltimore  nach  Southampton  und  Hamburg 
gehen  soll.  Schließlich  bleibt  noch  ein  Plan  zu  erwähnen,  welcher  von  einigen 
Marineoffizieren  ausgegangen  sein  soll  und  der  darin  besteht,  dass  die  Regie- 
rung einer  Gesellschaft  anstatt  eines  jährlichen  Zuschusses  fünf  Kriegsschiffe 
für  eine  Linie  zwischen  New-York,  Southampton  und  Bremen  schenken  solle. 
Welche  von  diesen  Unternehmungen  sich  die  Gunst  des  Congresses  und  der 
Regierung  verschaffen  werden,  bleibt  abzuwarten. 

Die  ehinesisehe  Entdeekang  Ameriea^s  Ein  californischer  Sinologe, 
Hanlay  genannt,  hat  San  Francisco  durch  den  Nachweis,  dass  Chinesen  tausend 
Jahre  vor  den  Spaniern  im  Lande  gewesen  seien,  in  lebhafte  Aufregung  ver- 
setzt,  um   das   deutsche   Erstlingsrecht   dieser   Behauptung  zu  wahren,  wird 


427 

1 

jedoch  in  Yerschiedenen  Blättern  darauf  hmgewiesen,  dasß  Professor  Neumano 
iD  München  schon  vor  einem  Yierteljahrhuudert  aus  chinesischen  Quellen  die 
Belege  für  die  Entdeckung  America's  durch  die  Chinesen  beigebracht  hat. 
Noch  früher  hatte  Desguigues  bekannt  gemacht,  dass  chinesische  Bücher  von 
einem  Lande  in  Osten  sprächen,  welches  kein  anderes  als  America  sein  könne. 
Neumann  veröffentlichte  sogar  den  Reisebericht  eines  chinesisclicn  Mönchs 
und  Glaubensboten  über  das  Reich  Fusang.  Dass  unter  Fusaug  nur  Mexico 
eemeint  sein  könne,  folgt  aus  den  Angaben  des  Mönches  über  die  geographische 
Lage  und  die  Producte  des  Landes.  Aus  den  letzteren  nennt  er  den  l<'u8ang> 
Baum,  dessen  Sprosse  man  esse,  dessen  Rinde  ein  Leinen  und  ein  Papier 
gebe  und  dessen  Saft  zu  einem  berauschenden  Getränke  bereitet  werde.  Der 
Fusangbaum  ist  die  Maguey  oder  große  chinesische  Aloe,  die  nodi  heute  zu 
den  angegebenen  Zwecken  dient.  Der  Berichterstatter  gieng  im  Jahre  499 
unserer  Zeilrechnung  nach  Mexico :  aber  nicht  als  der  erste  Glaubeusbote, 
denn  4S8  waren  S  andere  Mönche  dahin  aufgebrochen,  um  die  Lehren  Buddha^s 
zu  verbreiten.  Was  Hr.  Hanlay  ferner  über  die  Aehnlichkeit  in  gewissen  Sitten 
und  Gebräuchen  der  Azteken  und  Chinesen,  wie  über  die  Einwirkung  des 
Buddhismus  auf  die  Religion  der  ersteren  sagt,  war  ebenfalls  bereits  bekannt, 
lieu  ist  nur  die  Liste  sprachverwandter  chinesischer  und  aztekischer  Wörter, 
die  er  aufstellt.  Sie  spricht  übrigens  weniger  für  die  Entdeckung  America 's 
durch  die  Chinesen,  als  für  den  gleichen  Ursprung  der  Indianer,  Mongolen 
und  Chinesen,  den  Alexander  v.  Humboldt  und  andere  Naturforscher  an- 
nehmen. 

Kameele  für  Australien«  Bekanntlich  hat  die  1869  zur  Aufsuchung 
der  Spuren  Leichardts  unter '  der  Führung  John  Forrests  unternommene 
Expedition  zwar  den  gewünschten  Erfolg  nicht  gehabt,  aber  eine  bedeutende 
Strecke  des  australischen  Festlands  der  Forschung  näher  gebracht.  Einer 
Skizze  dieser  Expedition,  welche  die  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde 
in  Berlin  nach  dem  Bericht  des  Dr  F.  v.  Mueller  in  Melbourne  an  den  nord- 
deutschen Consul  Brahe  mittheilt,  fügt  Herr  Eawerau,  welcher  lange  Jahre 
in  Australien  gelebt  hat  und  als  einstmaliger  Regierungsgeometer  mit  den 
dortigen  Verhältnissen  sehr  vertraut  ist,  nachstehendes  hinzu: 

^Obgleich  Mr.  Forrest,  ein  tüchtiger,  erfahrener  und  umsichtiger  Busch- 
mann, das  ihm  anvertraute  Werk  nach  Mai3gabe  der  ihm  zu  Gebot  stehenden 
Mittel  so  gut  es  nur  möglich  war  durchgeführt  hat,  so  hätte  er  doch  weit 
mehr  erreichen  können,  wenn  ihm  statt  Pferden  einige  Kameele  zur  Ver- 
fügung gestanden  hätten,  die  sich  bereits  auf  das  beste  für  das  Innere  von 
Australien  bewährt  haben.  Hätte  er  statt  Pferden  zwei  Satteldromedare  auf 
seiner  weitem  Excursion  gehabt,  so  hätte  er  ohne  Mühe  dieselbe  Strecke  in 
2^/3  Tagen  zurücklegen  können,  zu  der  er  nunmehr  7  Tage  brauchte. 

Es  gibt  in  der  That  keine  Entschuldigung  mehr  dafür,  dass  man  sich 
za  solchen  Expeditionen  nicht  der  Kameele  bedient  und  man  könnte  es  wirk- 
lich als  strafbar  bezeichnen,  wenn  der  Gebrauch  von  Pferden  für  solche  Zwecke 
noch  gestattet  wird,  während  die  Möglichkeit  vorhanden  ist,  die  Gefahr  für 
Leib  und  Leben  der  Reisenden,  der  sie  bei  Benützung  von  Pferden  ausgesetzt 
sind,  durch  die  Einführung  von  Kameelen  zur  Locomotion  durch  Wüsteneien, 
wie  Australien  aufzuweisen  hat,  zu  beseitigen. 

Dass  das  Kameel  zweckmäßig  zu  längern  Reisen  als  Reit-  und  Pack- 
thier  in  Australien  eben  so  gut  wie  in  Africa  und  Asien  gebraucht  werden 
kann,  ist  längst  bewiesen.  Nach  der  „Pastoral  Times^  passierte  unlängst  durch 
Wilcannia  eine  Caravane  von  B5  Kameelen  mit  mehr  als  30  Jungen,  von 
16  Arabern  geführt,  auf  ihrem  Wege  von  Adelaide  nach  dem  obern  Darling. 
Jedes  dieser  Kameele  war  mit  6  Zentnern  Waare  beladen,  und  nachdem  die- 
selben auf  den  betreffenden  Stationen  abgeliefert  worden,  sollten  sie  mit  Wolle 
beladen  wieder  nach  Adelaide  zurückkehren.  Dieses  sind  die  26  Kameele 
mit  ihrem  Nachwuchs,  welche  für  die  Burke-  und  Wills-Expe- 
dition  vor  etwa  7  bis  SJahren  inMelbourne  importiert  wurden, 
und  die  so  bedeutende  Vermehrung  beweist,  dass  ihnen  das  Klima  vollständig 
zusagt. 


428 

Wenn  diese  TMere  erst  in  hinlängliclier  Anzahl  vorhanden  sein  werden, 
müssen  sie  für  das  Innere  von  Australien  den  ganzen  Verkehr  vermitteln, 
nichts  anderes  kann  ihre  Stelle  ersetzen.  Das  schwerfällige  und  langsame 
Ochsenfuhrwerk  ist  für  lange  Reisen  jetzt  eine  Absurdität,  Flusschifiahrt  ist 
natürlich  nur  für  gewisse  Routen  anwendbar,  und  selbst  da  kann  man  sich 
auf  dieselbe  wegen  der  Eigenthümlichkeit  der  australischen  Ströme  nicht  ver- 
lassen. So  liest  man  jetzt  wieder  in  den  Inlandzeitungen,  dass  einer  der  Flnss- 
dampfer  in  den  obern  Regionen  des  Darling  festgehalten  wird  durch  den 
niedrigen  Wasserstand  in  jenem  Flusse,  und  dass  keine  Wahrscheinlichkeit 
vorhanden  ist,  denselben  vor  nächstem  Winter  flott  zu  machen.  Daraus  erklärt 
sich  die  Schwierigkeit,  die  der  Inland-Squatter  so  oft  zu  überwinden  hat,  wenn 
er  seine  Wolle  zu  Markte  bringen  will.  Oft  liegen  die  Wollenballen  am  Flusse 
aufgestapelt  während  vieler  Monate.  Wenn  hinreichend  Eameele  im  Land 
sein  werden,  wird  eine  solche  Schwierigkeit  nie  wieder  eintreten,  ja  selbst 
wenn  im  Verlauf  der  Zeiten  die  eisernen  Stratien  mit  ihren  dampfschnaubenden 
Maschinen  sich  weiter  in  das  Innere  erstrecken  werden,  wird  für  den  Verkehr 
seitwärts  derselben  das  Kameel  stets  das  geeignetste  Medium  bleiben.  In 
dieser  Voraussicht  befürwortet  man  jetzt  von  einflussreicher  Seite  die  Anlage 
von  Kameelgestüten  in  Australien  und  wir  dürfen  uns  der  Hoffnung  hingeben, 
das  es  mittels  derselben  bald  gelingen  werde,  den  großen  weißen  Fleck  in 
der  Mitte  Australiens  von  unsern  Karten  verschwinden  zu  sehen. 


GeogTapblseher  Gongress  In  Antwerpen.  Laut  Schreiben  des  k.  k. 
Handelsministeriums  vom  22.  Mai  1.  J.  hat  der  Verwaltungsrath  der  Dampf- 
schiffahrts-Gesellschaft des  österreichischen  Lloyd  den  Tbeilnehmern  an  dem 
Mitte  August  d.  J.  in  Antwerpen  abzuhaltenden  geographisch-commerziellen 
Congresse  eine  Ermäßigung  des  Fahrpreises  zugestanden,  die  darin  besteht, 
dass  dieselben  für  die  Benützung  des  ersten  den  Preis  des  zweiten  Platzes 
zu  bezahlen  haben  werden. 

Desgleichen  hat  die  Administration  der  ersten  k.  k.  pnv.  Donau- Dampf- 
schiffahrts-Gesellschaft den  gehörig  legitimierten  Besuchern  des  erwähnten 
Congresses  eine  50°/oige  Fahrpreisermätiigung  zugestanden,  welche,  und  zwar 
von  inclusive  7  Tagen  vor  Beginn  bis  inclusive  7  Tage  nach  Schluss  des  Con- 
gresses für  die  Hin-  und  Rückreise  zur  Benützung  der  gesellschaftlichen 
Dampfer  und  der  Eisenbahnstrecke  Mohäcs-Üszög  giltig  sein  wird. 

Die  Vorbereitungen  zum  internationalen  Congresse  sind  in  vollem  Gange. 
Nach  den  Zuschriften  des  leitenden  Commit^s,  welche  uns  vorliegen,  wird 
mit  dem  Congresse  eine  Ausstellung  von  geographischen  Gegenständen 
verbunden  sein,  die  sehr  interessant  zu  werden  verspricht.  Für  die  besten 
Erzeugnisse  sind  Preismedaillen  bestimmt.  Der  Tag  der  Enthüllung  der 
Standbilder  von  Mercator  und  Ortelius  soll  durch  ein  Bankett  zu  Rupelmonde 
gefeiert  werden,  zu  welchem  der  Verein  für  AUerthumskunde  die  Einladung 
ergehen  lässt.  Wir  geben  unsern  Lesern  die  Zuschriften  im  Original. 

1.  La  Commission  ex^cutive  du  Cougr^s  international  de  g^ographie  |a 
d^cid6  d'ouvrir  ä  Anvers,  dans  le  courant  du  mois  d*Aoüt  prochain ,  nne  Ex- 
position destin^e  ä  constater  les  progres  scientifiques  accomplis  et  ä  ^clairer 
les  d^bats  par  la  pr^sence  de  documents. 

Dans  l'espoir  que  vous  poss^dez  quelques  objets  qui  m^riteraient  d'6tre 
ezhib^s,  nous  recourons  ä  votre  bonne  volonte  et  ä  votre  zele  pour  former 
cette  exposition. 

Le  but  de  la  commission  est  surtout  d'ouvrir  une  exposition  ponr  )a 
science;  U  faut  donc  ^carter  tout  ce  qui  sortirait  de  ce  domaine.  A  cet  effet, 
nous  prions  les  personnes  qui  se  proposent  de  nous  taire  des  envois  de  vonloir 
bieu  d'abord  nous  transmettre  une  description  sommaire  des  objets  qu'elles 
nous  destinent.  Nous  nous  empresserons  de  r^pondre  en  d^signaot  cenx  qui 
rentrent  dans  le  cadre  que  la  Commission  s^est  trac^. 

Les  objets,  apr^s  que  le  Comit^  special  en  aura  donn^  avis  ä  Pexp^- 
teur,  devroDt  dtre  adresB^s  ä  M.  le  President  D'Hanne-Steenhuyse,  au  local  de 


429 

la  Citi  oü  s*oavrira  PexpositioD.  IIa  devront  dtre  arriv^s  k  destination  le 
t5  Juillet  dans  des  caisses  marqu^es  et  pr^c^d^es  de  lettres  d'envoi  contenant 
les  indicatioDS  pour  les  catalogues;  tous  les  soins  seront  pris  pour  leur  cod- 
servatioD  et  pour  lenr  renvoi.  Des  d^marches  soiit  faites  pour  obtenir  des 
r^dnctions  siir  les  prix  de  transport  par  les  voies  ferr^es. 

Yu  le  pen  de  temps  qui  nous  reste  pour  le  classemeDt  et  l'arrangement 
des  objets,  il  nous  serait  agr^able  d^Stre  renseign^s ,  au  plus  tard  avant  la  fin 
de  Juin,  sur  la  uature  de  ceux  que  vous  tous  proposeriez  de  nous  envoyer. 

Toutefoie,  afin  de  mieux  faire  saisir  les  vues  de  la  Gommissiou,  eile 
croit  devoir,  d^s  il  präsent,  pr^ciser  les  objets  qu'elle  s'efforce  de  recueillir. 

Nous  les  diviserons  on  quatre  cat^gories: 


I.  Produits  des  peuples. 

Parmi  ces  objets  nous  dterons  surtout: 

Les  armes  des  penplades  sau^ages:  arcs,  fleches,  boucliers,  tomabawks, 
boomerangs,  lances,  etc. 

Les  armes  des  Javanais,  Ghinois,  Cambodgiens, ,  Japonais,  telles  que 
kris,  sabres,  mousquets,  etc. 

Les  v^tements,  ustensiles,  Stoffes,  bgoux,  tels  que  costumes  de  soie  de 
la  Chine,  tissus  de  Tlnde  et  de  la  Ferse,  porcelaines  de  la  Chine  et  duJapon, 
objets  sculpt^s  en  ivoire,  idoles  et  amulettes,  meubles  en  laque  ou  en  in- 
crustations. 

Produits  de  Tart  graphique;  manuscrits  indiens,  persans;  miniatures, 
aquarelles,  peintures  chinoises,  etc. 

Tous  les  objets,  en  un  mot,  de  provenance  lointaine  et  pouvant  donner 
une  id^e  des  civilisations  d'un  autre  ordre  que  la  civilisation  europ^enne  ou 
de  race  blanche. 


n.  Objets  servant  &  l'histoire  et  ä  Tenselgnement  de  la  Cosmo- 

graphie  et  de  la  Geographie. 

Sphdres  Celestes  et  terrestres,  anciennes  et  modernes. 

Plans  en  relief  de  differents  pays. 

Cartes  manuscrites.  Portulans  et  routiers  de  mer. 

Collections  de  cartes  gradu^es  pour  Penseiguement  ä  tous  les  degr^s. 

Parmi  les  anciennes  cartes,  nous  citerons: 

Les  anciennes  4ditions  de  la  cosmographie  de  Ptol^m^e  (14T5):  les 
cartea  ex^ut^es,  k  Anvers,  par  G^rard  de  Jode,  J^rome  Cock,  J.  Liesveit, 
Hogenberg,  etc. 

Les  atlas  de  Mercator  et  d'Ortelius,  dans  toutes  les  ^ditions. 

Les  cartes  particuli^res  de  Mercator  et  sp^cialement  celle  de  la  Lorraine 
et  de  la  Flandre. 

Cartes  de  Chr^tien  Sgrooten,  de  Gemma  Frisius,  de  Jacques  et  de  Jean 
de  Surbon,  de  Jacques  de  Deventer,  de  Henri  Pontanus,  etc. 

Les  cartes  de  Tofficine  Plantinienne  a  Anvers  et  ä  Leyde,  telles  que 
les  Pays-Bas  de  Guicciardini,  les  Flaumbeaux  de  la  mer  de  Waghenaer,  etc. 

Les  publications  cartographiques  de  Josse  Hondius,  de  Wackene  et  de 
Pierre  ßertius,  de  Beveren. 

Les  atlas  c^l^bres,  publi6s  apr^s  le  XVIL  siecle. 

Nous  recommandons,  parmi  les  cartes  modernes,  Celles  qui  donnent  la 
description  la  plus  r^cente  des  diff^rentes  contr^es,  surtout  lorsqu'elles  r^sultent 
de  travaux  originaux. 

Parmi  celles-ci,  les  cartes  marines  r^ceutes  attirent  particuli^rement 
rattentioD. 


430 

La  commissioD  accueillerait  auBsi  avec  plaisir  les  dessias  donnant  mie 
id6e  de  la  v^g^tation  et  de  l*aspect  des  contr^es  les  moins  connues. 

III.  Commerce,  Navigation. 

Produits  naturels  anciens  ou  Douveaux,  peu  oa  pas  connus  en  Europe 
et  dont  Texhibition  pourrait  Stre  utile. 

Parmi  les  iostruments  de  navigatioD,  nous  recommandoDS  ccux  qui,  par 
leur  inspection,  peuvent  etablir  la  marche  de  Part  nautique  oa  Tulganser  des 
d^couvertes  r^centes. 

Lochs  et  v^locimätres  de  diff^rentes  sortes;  astrolabes,  goniometres, 
quartiers,  octants,  sextaots  et  cercles  de  dift^rentes  ^poques. 

Gompas  de  route  et  de  relevement. 

Cercles  gradu^s  ou  rapporteurs  dispos^s  pour  la  Solution  graphiqae  des 
problämes. 

iDstruments  pour  mesurer  le  tangage,  le  roulis  et  les  embard^es  det 
navires. 

Les  instruments  enregistreurs  appliqu^s  k  la  navigatioo,  et  les  sondeur^ 
de  diff^rentes  esp^ces. 

Pour  les  ^poques  ant^rieures  au  dix-huitiäme  siecle,  il  serait  interessant 
de  r^unir  diff^rents  exemplaires  des  trait^s  de  navigation,  des  tableaox  gra* 
phiques  pour  la  Solution  des  problämes,  des  instructions  nautiques  et  des 
journaux  de  bord. 

Les  dessins  faits  par  les  anciens  navigateurs  pour  se  rappeler  le. 
att^rages. 

IV.  Ethnographie. 

Types  en  moulage,  en  Photographie  et  en  dessin  des  principales  races. 
Bace  caucasienne,  types  caract^ris^s  d'Europ^ens,  type  hindou,  abyssin, 
herbere, 

Kace  mongolique,  chinoise,  japonaise. 
Race  am^ricaine,  Tchinonks,  Iroquois,  Apaches, 
Brasiliens,  Patagons,  Astöqnes, 
Race  oc^anienne,  malaise,  de  la  Nouvelle -Zulande, 
Race  n^gre. 

Esp^rant,  Monsieur,  que  vous  voudrez  bien  nous  prSter  votre  pr^cieas 
concours,  nous  vous  pr^sentons  Passurance  notre  parfaite  consideration. 
Les  Secr^taires  g^n^raux  du  Congres,  Le  Bourgmestre-Pr^sident, 

P.  G6nard,  Ed.  Rigel6,  Ch.  Ruelens,  J.-C.  Van  Put 

A.  Stessels,  Dr.  J.  Van  Raemdonck. 

2.  Exposlüoii  göographique. 

Le  Comite  organisateur  du  Congres  voulant  donner  plus  dHmpulsion  i 
tout  ce  qui  se  rapporte  k  Tenseignement  de  la  g^ographie,  **cctte  scieiice  dont 
Tutilite  n^est  plus  coutest^e,  mais  dont  malheureusement  Petude,  en  certaios 
pays,  est  trop  n6glig6e  encore,-  *)  a  döcide  dMnstituer  un  concours  k  Peffet  de 
laire  connaitre  les  meilleurs  objets  employ^s'  dans  Penseignemeot  de  la  geo 
graphie,  et  r^alisant  au  plus  haut  point  Pexactitude  et  le  bon  marche. 

Programme  du  Concours. 

Globes  terrestres. 

t.  Une  mMaille  pour  le  globe  le  mieux  ex^cut^,  Präsentant  d'une  ma 
niere  claire  le  plus  d^indicatious  scicntifiques,  et  pouvant  dtre  employe  daD^ 
les  cours  sup^neurs,  sans  conditiou  de  grandeur  ou  de  prix. 

2.  Une  m^daille  pour  le  meilleur  globe  destin^  aux  ^coles  primaires. 

Ce  globe  doit  ^tre  avoir  an  moins  de  50  centim^tres  de  diam^tre,   6tre 
en  mati^re  solide  et  ne  pas  depasser  le  prix  de  50  francs. 


*)  Exposition  universelle  de  Paris  de  1867.  Rapport  de  M.  De  WatteviUc 


431 

3.  Une  m^daille  pour  le  meilieur  globe  destin^  k  dtre  donnö  en  prix  et 
formant  une  Borte  d'aide -memoire  pour  les  jeunes  ^l^ves. 

Dimensions  de  2ü  k  30  ccntimätres ;  prix  moyeD,  15  francs. 

Gartee  en  relief. 

Une  m^daille  pour  la  carte  en  relief  la  mieux  ex^cut^e,  k  une  Schelle 
quiy  Sans  nuire  aux  d^tails,  permet  d'en  rendre  le  prix  accessible  k  tous  les 
etablissements  d'instruction. 

Atlas. 

1.  Une  m^daille  pour  l'atlas  universel  renfermant  et  plus  grand  nombre 
de  renseignements  relatifs  ä  la  g^oj^rapbie  ancienne  et  moderne,  pbysique  et 
statistique,  etc.,  et  r^alisant  les  condttions  les  plus  satisfaisantes  d'exactitude 
scintifique,  d^el^gance  et  de  prix. 

2.  Une  m^daille  pour  le  meilieur  atlas  g^n^ral  destine  k  Tenseignement 
^l^mentaire  et  r^alisant  les  conditions  les  plus  satisfaisautes  d'exactitude,  d'^1^- 
gance  et  de  prix. 

3.  Une  m^daille  pour  le  meilieur  atlas  de  cartes  particuli^res,  repr^sen- 
tant  les  diffi^rentes  parties  d'un  pays  quelconque,  au  cboix  de  l'exposant. 

^.  Une  mödaille  pour  nn  atlas  semblable,  repr^sentant  la  Belgique. 

Les  deux  derniers  altas  doivent  Stre  r^diges  en  vue  de  l'enseignement 
a  tous  les  degr^s. 

Cartes  murales. 

Une  m^daille  pour  les  meilleures  cartes  muettes  appliquöes  sur  mur  ou 
sur  toile  et  destin^es  aux  ^coles  primaires. 

Appareils. 

Une  m^daille  pour  le  meilieur  appareil  m^canique  destinö  k  faciliter 
Penseignement  des  diff^rentes  parties  de  la  g^ographie  et  de  la  cosmographie. 

Conditions  du  Concours. 

Les  objets  destin^s  an  concours  seront  envoy^s  avani  le  15  Juillet 
prochain,  aux  frais,  risques  et  p^rils  de  l'exp^diteur,  au  local  de  la  CiU,  oü 
s'ouvrira  TexpositioD.  L'adresse  portera  ces  mots:  Ȋ  M.  le  bourgmestre  d'An- 
vers.  Pour  le  concours  du  Congr^s  de  sciences  g^ographiques  etc.«  *) 

Les  globes,  cartes  murales  et  atlas  nniversels  pourront  <^tre  pr^ent^s 
en  exemplaire  unique;  quant  aux  atlas  ^l^mentaires,  il  devra  en  dtre  remis 
six  exemplaires  au  moius,  afin  de  faciliter  le  travail  d'examen  du  Comit6. 

Les  exp^diteurs  joindront  k  leur  envoi  des  bordereaux  de  prie  par 
pi^ce  et  par  nombre. 

Une  Instruction  et  un  rapport  seront  faits  par  le  Comit^  et  präsentes 
au  Congrds.  Celui-ci,  dans  sa  premi^re  s^auce  generale,  nommera  une  com- 
missioD  internationale  cbarg^e  de  prouoncer  d^finitivement. 

Le  Comit^  croit  devoir  prevenir  Messieurs  les  concurrents  que,  vu 
l'exignit^  de  ses  ressources,  les  m^dailles  k  distribuer  n'auront  qu'unc  valeur 
intrins^que  fort  modeste.  Mais  d^cern^es  so! ennell erneut  par  un  Congr^s  inter- 
national auquel  prendront  part  un  grand  nombre  de  savants,  de  voyageurs,  de 
professeurs,  d'bommes  comp^tents  et  int^ress^s  au  progräs  de  la  science,  elles 
constitueroDt,  pour  ceux  qui  les  obtiendront,  une  recommandation  des  plus 
^levöes.    Le  Comite   espäre   qu'un  grand  nombre  de  concurrents  r^pondront  k 


*)  M.  le  Ministre  des  Travaux  publics  vient  d'informer  le  Comite  du 
Congres  que  TAdministration  des  chemins  de  fer  de  T^^tat  accordera  une  r^- 
ductiOD  de  50^/^  sur  les  prix  de  son  tarif  int^rieur  pour  le  transport  des  objets 
k  figurer  k  TExposition  g^ograpbique. 


432 

8on  appei,  afin  qoe  le  choix   a   faire   aoit  PexpressioD   vraie  du    progr^s  de 
l'enaeignement  g^ographique. 

Les  Secr^taires  Gen^rauz  da  Congr^a,  Le  Bonrgme&tre-Pr^dent, 

P.  G^nard,  Ed.  RigeU,  Gh.  Ruelens,  J.  C.  Van  Put. 

A.  Stessels,  Dr.  «f.  van  Raemdonck. 

Le  Tr^sorier  g^n^ral,  Les  Vices^Pr^aidente, 

S.  E.  V.  Le  Grand  de  Heulandt.         Cfa.  d'Hane-Steenhoyse, 

J.  Cogela-Oay, 
G.  Metdepenningen. 

La  Commiasion  ap^dale  de  l'Expo&ition, 

G^n^ral  A.  Chauchet,   Dr.  L.  Delgear,  P.  Dens,  A.  Geelhand-Ker- 

vyn,   E.    Geelband-Moretua,    Ed.    Grandgaignage,   G.    Guffens, 

L.  Jacoba-  Beeckmana,  J.  A.  Langloia,  C.  Ommegauck,  Th.  Schob- 

bena,  J.  Schul,  J.  Swerta,  0.  ?an  Ertborn,  J,  van  üayre. 

Anvera,  le  Mai  1870. 

3.  Gerde  Archöologique  du  Pays  de  Waas. 

Comme  il  eat  dit  dana  la  circiilaire  accompagnant  le  Programme  prori- 
Boire  du  Congres  intemcdioncU  des  sciences  giographiques,  cosmographiquet 
et  cammerciales,  qui  a'ouvrira  k  Anvers  au  moia  d^'aoüt  lb7u,  lea  inaugurationa 
dea  atatuea  de  Mercator  et  d'Orteliua  coincideront  avec  ce  Congräa. 

L^inauguration  du  mouument  de  G^rard  Mercator  aura  lieu  ä  Rm^el- 
monde,  le  Zi  acut  prochain,  par  lea  aoina  du  Cercle  archeologique  du  Pays 
de  Waas,  en  pr^aence  dea  Hauta  Dignitairea  de  TEtat  et  de  la  i'rovince,  de 
membrea  de  noa  Cbambrea  L^gialativea,  de  d^l^gu^a  de  PAcad^mie  Boyale,  de 
TAcad^mie  d'arch^ologie  et  dea  Univerait^a  de  Belgique,  et  de  tous  lea  illuBtres 
^trangera  qui  aaaiateront  au  Congr^a  d'Anvera  et  que  le  Cercle  cnrchMogigue 
prie  de  bien  vouloir  relever,  par  leur  pr^aence,  T^dat  de  la  tete  du  ueo- 
graphe  flamand. 

A  cette  occaaion^  un  grand  banquet  aura  lieu  k  Rupelmoude  m6me,  oü 
lea  Belgea  et  lea  aavanta  de  toutea  lea  contr^ea  du  monde  pourront  ae  rencon- 
trer,  ^tablir  entr'eux  dea  liena  profitablea  aux  nationa  et  k  la  acience,  et  rendre 
uu  hommage  commun  k  la  memoire  du-  prince  dea  math^maticiens,  du  chef 
dea  g^ographea  de  aon  tempa  et  du  reformateur  de  la  g^ographie  moderne. - 

Dana  cette  föte  fratemelle  en  Thonneur  d'un  aavant  dont  la  acience 
embraaaait  le  monde,  le  Cercle  archeologique  du  Pays  de  Waas  a  cru  ne 
paa  pouYoir  ^tablir  de  diatiuctioa  entre  aes  membrea  et  lea  membrea  du  Con- 
gräa  qui  Tont  devenir  lea  hötea  de  la  m^tropole  commerciale  Beige.  11  a  donc 
Fhonneur  d'adreaaer,  ci-joint,  un  Bulletin  de  aouacription  pour  le  banquet, 
non-aeulement  aux  membrea  du  Cercle,  mala  auaai  k  toua  ceux  qui  ont  envoy^ 
leur  adb^sion  au  Congr^a  d^Anvera. 

Le  prix  de  la  aouacription  eat  fix6  ä  10  franca,  vin  non  compria.  Üne 
carte  d'admiaaion  au  banquet  sera  imm^diatement  envoy^e  et  remiae,  contre 
rembouraement,  a  ceux  qui  auront  fait  parvenir,  franco  et  avant  le  15  juiüet 
prochain,  leur  Bulletin  aign^  a?ec  indication  claire  de  leur  adreaae,  k  Monaieor 
Goosaena-  de  Jaeghere,  Vice-pr^aident  du  Cerle  arcMologique  du  Pays  de 
Waas,  k  St.  NiCDlaa. 

On  comprendra  que  dea  n^ceaait^a  d'organiaation  ne  pourront  plus  per- 
mettre  d'accepter  encore  dea  aouacriptiona  apröa  la  date  indiqu^e. 

J.  Gooaaena-de  Jaeghere,  te  St.  Nikolaaa,  Vice-Pr^aident, 

F.  Lapeer,  te  Lokeren, 

J.  Van  Raemdonck,  te  St.  Nikolaa,  Conaervateur  du  Mua^e, 

J.  Van  Naemen,  •*  Tr^sorier, 

L.  Billiet,  »  Secr^taire, 

T.  Percy-HeyndrickXy      »  Membre  de  la  Commiaaion  directrice, 

JH.  Yerwilghen-Hyde, 

JH.  Geerta, 


Aus  dem  Sudan. 

Chart  um,  90.  Mai  1870. 

Vor  aUem  meinen  verbindlichsten  Dank  für  die  Hefte  der  geo- 
graphischen ^Mittheilnngen^  und  für  die  Erinnerungen  an  die  berg- 
kfthle  Heimat.  Könnten  mr  nnr  auf  einige  Wochen  alljährlich  unser 
Brutofenkiima  mit  Ihren  Bergen  vertauschen !  Wir  haben  jetzt,  nachdem 
ans  die  Sonne  seit  drei  Wochen  über  den  Scheitel  gieng,  eine  wahre 
Backofenhitze.  Ich  zähle  soeben  in  meinem  Divan  —  und  der  ist 
kfthl  —  31  ^  R.  Die  Tinte  klebt  in  der  Feder  ein.  Ich  muss  einen 
Stoß  Löschpapier  unter  der  Hand  haben,  um  meinen  Brief  vor 
dem  in  Strömen  herabträufelnden  Schweiß  zu  schützen.  Eine  schöne 
Gegend,  der  Sudan!  Aber  die  Natur  ist  in  allen  Zonnen  weise  ge- 
T^ielt :  unsere  Nächte,  gleich  lang  wie  der  Tag,  sind  erquickend  kühl, 
und  die  bereits  eingetretenen  constanten  Südwinde  bringen  aus  der 
Regenregion  des  Bahr  el  äbiad  zuweilen  eine  wohlthuende  Frische« 
So  hat  der  Himmel  auch  für  die  Erträglichkeit  unserer  Existenz  in 
diesem  Himmelstriche  gesorgt.  Aber  ich  möchte  doch  schon  lieber  mit 
Wien  tauschen. 

Ich  würde  recht  gern  ein  fleißiger  Mitarbeiter  der  „Mittheilungen^ 
sein,  wenn  auch  nur  in  kleinen  Notizen;  aber  wir  Chartumer  Europäer 
sind  ja  der  Auswurf  der  Menschheit ;  wir  müssen  uns  verkriechen  vor  der 
Oeffentlichkeit,  wie  die  Maulwürfe  in  ihren  finstem  Gängen;  wir  müssen 
uns  schämen,  auch  nur  unsere  Namen  zu  nennen,  geschweige  denn  in 
Person  unter  ehrlichen  Leuten  zu  erscheinen ;  wir  gehören  dem  Abschaum 
der  menschlichen  Creaturen  an ;  es  ist  eine  Unehre,  möchte  ich  sagen,  für 
jedermann,  mit  uns  im  Verkehr  zu  stehen.  Meines  Wissens  ist  nie 
eine  Gesellschaft,  selbst  nicht  unter  den  Wilden,  so  schmachvoll  und 
rücksichtslos .  classificiert  worden ,  wie  es  der  europäischen  Colonie  in 
Chartum  in  dem  neuesten  Reisewerke  über  Ost-Sudan  von  Dr.  Hart- 
mann zu  Theil  wurde.  Wir  sind  dort  mit  folgenden  Titulationen  beehrt : 

„Heruntergekommene  Subjecte,  Sklavenhändler,  gesetzlose  Aben- 
teuerer, angethan  mit  aller  Lasterhaftigkeit  des  Ostens  und  des  Westens, 
verroht  in  ihren  Sitten,  dem  Trunk  und  der  Wollust  ergeben,  Gesell- 
schaft von  Schurken  der  ungeheuerlichsten  Art,  moderne  Flibustier, 
liederliche,  wucherische  Speculanten,  wildes  desparates  Räuber-  und 
Mördergesinde] ,  Barbareien  und  Schurkenstreiche,  elende  Convivien, 
wilde  Oi^en,  bei  denen  der  Branntwein  in  Strömen  fließt  und  der 
gesetzlose  Abenteuerer  seine  ganze  Bestie  loslässt,  unflätige  Reden, 
Menschen  ohne  Heimat  und  Gesetz,  Huldiger  der  zügellosesten  Demagogie, 
Gottesläugner,  Mordbrenner,  Giftmischer!^' 

Mittheilnng^n  d.  geogr.  GeseU.  1870.  10.  28 


484 

Dixit!  Das  sind  wir  Europäer  in  Chartum.  Das  große  Pabliknm  in 
Europa,  welches  Chartum  nicht  kennt,  muss  es  glauben,  weil  Dr. 
Hartmann,  der  hier  war,  es  gesagt  hat.  Man  hat  gemeint,  vir 
sollten  uns  vertheidigen.  Aber  dem  Angeklagten  glaubt  niemand;  wir 
würden  durch  eine  Polemik  vielmehr  den  Verdacht  erregen,  als  fohlten 
wir  uns  getroffen.  Deswegen  besser,  wir  lassen  den  Fluch  stillschweigend 
über  uns  ergehen  und  bleiben  in  den  Augen  der  Welt  die  verlästerten 
Chartumer. 

Da  Sie  gewiss  neugierig  sein  werden,  diese  saubere  Gesellschaft 
näher  zu  kennen,  überhaupt  eine  genauere  Einsicht  in  unsere  derzeitigen 
Colonieverhältnisse  su  erhalten,  so  erlaube  ich  mir  eine  Liste  der  g^n- 
wärtig  hier  ansässigen  Europäer  beizulegen*).  Im  Jahre  1864  waren 
84  österreichische  Unterthanen  und  Protegierte  im  amtlichen  Berichte 
verzeichnet.    Sie  werden  sich  wundern,  wie  unsere  Colonie,  welche  noch 


*)  VerzeichDis  der  in  Chartum  ansässigen  Europäer. 

A)  Deutsche. 

Katholische  Mission. 

1.  P.  Dismas  Stadelmayer  aus  Tirol,  Superior. 

2.  P.  Hilarius  aus  Tiro),  Franziskaner. 

3.  Fratcr  Gerbard  Keller  ans  Tirol,  Oekonom 

4.  Frater  Gaetano  aus  Verona,  Sacrystan. 

5.  August  Wischnefsky  aus  Preuüen,  Schmid  und  Gärtner. 

6.  Jobann  Aibinger  aus  Vorarlberg,  Garteugcbilte. 

Protestantische  Hisdion. 

7.  Job.  Chris.  Blessing  aus  Württemberg,  Pastor. 

8.  Dessen  Gcmalin  aus  Württemberg,  Lehrerin. 


9.  Franz  Klein  aus  Ungarn,  Schneider. 

10.  M.  L.  Hansal  aus  Mähren,  Consulatsagent. 

B)  Italiener. 

11.  Giacomo  Lumbroso  aus  Livorno,  Bottegaio. 

12.  Michele  Pamosso  aus  Turin,  Mechaniker. 

13.  Pietro  Agati  aus  Pisa,  Maurer. 

14.  Giovanni  Miani  aus  Venedig,  Naturforscher. 

15.  Giovanni    Scotto    aus    Livorno,    gewesener     Schiffs-Capitän,    derzeit 
Kaufmann. 

16.  Lorenzo  Cremona  aus  Malta,  Klempner. 

17.  Carmeno  Musu  aus  Malta,  Kaufmann. 

18.  Tnorato  Musu  aus  Malta,  Kaufmann. 

C)  Franzosen. 

19.  Musa  Peney  aus  Chartum  ,   Kaufmann,  l  ^  l    j 

20.  Ibrahim  Peney  aus  Chartum         »  ' 

Außer  diesen  sind  noch  ein  Duzend  griechische  Bakals  ansfissig,  welche 
ich  nicht  zu  den  Europäern  rechne. 


435 

vor  einigen  Jahren  ums  vierfache  stärker  war,  so  zasammenschmolz. 
Ein  Theil  ist  ausgestorben  und  ein  Theil  ist  ausgewandert.  —  Nach 
langjährigen  Beobachtungen  und  genauen  Verzeichnungen  kann  ich  con- 
statieren,  dass  40%  ^on  den  Europäern  im  Sudan  absterben.  Ohne  weiter 
zurfick  zu  greifen,  haben  wir  einen  schlagenden  Beweis  vom  vorigen 
Charif  (Regenzeit),  wo  das  Haus  des  französischen  Vice-Consuls  Herrn 
T  h  i  b  a  u  t  innerhalb  einiger  Monate  gänzlich  ausstarb :  er  selbst,  seine 
Tochter,  sein  Schwiegersohn  und  sein  Enkel.  Thibaut  hatte  schon 
1838  die  erste  Expedition  des  Mehmed  Ali  auf  dem  weißen  Niel  mit- 
gemacht, und  war  seither,  also  fiber  vierzig  Jahre,  ununterbrochen  in 
Sudan  ansässig.  Er  war  im  dritten  Jahre  der  Republick  den  dritten 
Veniose  (Jänner  1795)  zu  Paris  geboren,  und  hat  sonach  das  in 
Sudan  seltene  Alter  von  75  Jahren  erreicht.  Seiner  Leutseligkeit  wegen 
war  Thibaut  bei  Türken  und  Europäern  gleich  beliebt  und  deshalb  sein 
Haus  stets  frequentiert.  So  eben  wurde  ein  CoUecte  veranstaltet,  um  diesem 
ehrenwerten  Senior  der  Consule  und  seiner  Familie  ein  Grabdenkmal 
zu  setzen,  wobei  sich  auch  der  Generalgouvemeur  betheiligte,  indem  er 
die  Grabsteine  gratis  beistellt. 

Herr  Dr.  Ori,  Che&rzt  im  türkischen  Sudan  und  strebsamer  Natur- 
forscher, reiste  anfangs  November  nach  Eadaref,  um  an  den  Ufern  des 
Atbara  und  Setit  fßr  die  Menagerie  des  Vice-Königs  Thiere  einzusammeln. 
Drei  Tage  außerhalb  Chartum  ereilte  den  jungen  Forscher  der  Tod  in 
Abu  Harass,  Schon  vor  der  Abreise  war  er  von  den  vorangegangenen 
Anstrengungen  in  den  vorbezeichneten  Länder  stark  angegriffen;  die 
Freunde  und  selbst  der  Pascha  rieten  ihm,  sich  in  der  Umgebung  von 
Chartum  einige  Zeit  zu  erholen;  er  aber,  nur  seinem  Berufe  und  der 
Vollziehung  des  hoheitlichen  Befehles  lebend,  hat  sich  für  den  Vice- 
Könl^  geopfert 

Teodoro  Evangelisti,  welcher  vor  15  Jahren  als  Maurer  zum 
Bau  des  Missionshauses  nach  Chartum  kam,  später  die  Elefantenjagd 
betrieb,  und  in  den  letzten  Jahren  als  Leiter  der  Ziegelöfen  in  Soba 
von  der  Regierung  mit  einer  bedeutenden  Gage  angestellt  war,  starb  im 
August  nach  dreitägiger  Krankheit.  Es  ist  derselbe  Teodoro,  welcher 
auf  einem  Jagdzuge  in  Böseres  dem  Grafen  von  Barnim  auf  dessen 
Totenbette  die  letzten  Liebesdienste  erwies  und  dafür  noch  kurz  vor 
seinem  Tode  vom  Prinzen  Albert  von  Preußen  mit  wertvollen  Andenken 
beehrt  wurde. 

Der  norddeutsche  Yice-Consul  hat  im  kurzen  Zwischenräume  Frau 
und  Kind  verloren. 

Einige  minder  bedeutende  Sterbef&lle  ungerechnet,  ergeben  sich  die 
obigen  40^0  der  Mortalität  in  einem  Jahre. 

28* 


436 

Was  die  Aaswandenmg  betrifft,  so  sind  es  yomehmlich  die 
Reicheren,  die  Großhändler,  welche  den  Sudan  seit  einem  Lostrani  so 
rasch  hinter  einander  aufgaben, wie  z. B. Franz  Binder,  Andrea  Debono, 
welcher  letztere  schon  vor  mehreren  Jahren  seine  Stahilimenti  bis  nahe 
an  den  Nyansa  ausdehnte  und  dessen  Leute  Speke  und  Grant  vom 
Aequator  nach  Chartum  begleiteten,  John  Petherik,die  Gebrüder  Pon- 
cet, die  Egyptian  Commercial  und  Trading  Company  Limited,  Angelo 
Castelbolognese,  Adolfo  Antognoli,  Theophil  Leuvo,  Spittler 
und  Comp,  aus  Basel,  und  einige  Großgriechen  und  Syrier.  Die  Fremden 
suchten  in  früheren  Zeiten  den  Sudan  des  hohen  Gewinnes  wegen,  welcher 
in  kurzer  Zeit  erzielt  werden  konnte;  als  aber  1863/64  der  gesammte 
Gesch&ftsTerkehr  ins  Stocken  geriet,  die  Verbindung  der  Caravanen- 
wege  monatlang  abgesperrt  war,  und  die  hundertfachen  Procente  nicht 
mehr  in  der  Rechnung  erschienen,  da  war  auch  die  Auflassung  der 
bedeutendsten  Geschäftshäuser  eine  beschlossene  Thatsache.  Die  Handels- 
verhältnisse Chartums  blühten  hauptsächlich  durch  die  alljährlichen 
Elfenbeinfahrten  auf  dem  weißen  Fluss.  Seit  der  Freigebung  des  Gummi- 
und  Elfenbeinhandels  von  der  ersten  Katarakte  aufwärts  1851/52 
nahmen  die  Elfenbeinfahrten  in  die  Negerländer  alljährlich  größere 
Dimensionen  an,  die  Eauffahrer  beschränkten  ihre  kostspieligen  Expedi- 
tionen nicht  bloß  auf  das  Einhandeln  des  Elfenbeins  auf  der  Flusslinie, 
sie  verlegten  sich  auf  die  Elefantenjagd  und  drangen  immer  tiefer  ins 
Innere  vor,  wodurch  die  Ausbeute  an  Elfenbein  vermehrt  wurde.  Durch 
diesen  regen  Verkehr,  bei  welchen  acht  bis  zehntausend  Personen  enga- 
giert waren,  blühte  auch  der  Kleinhandel  in  Chartum. 

Allein  der  Reformator  des  Sudan,  Hokmdar  Musa  Pascha  seligen 
Andenkens,  sah  diese  brillanten  Geschäfte  der  Kaufleute  mit  neidischen 
Augen  und  fand,  dass  dieser  schöne  Gewinn  eben  so  gut  in  den  Re- 
gierungssäckel fließen  könne.  Es  kam  nun  darauf  an,  den  Elfenbeinhandel 
auf  politische  Manier  zu  monopolisieren,  da  er  den  Handel  auf  dem  weißen 
Flusse  wegen  der  garantierten  Freiheit  nicht  direct  beeinträchtigen  konnte ; 
er  versuchte  vorerst  die  europäischen  Kauffahrer  über  Bord  zu  werfen, 
während  er  mit  den  Rajahs  leicht  fertig  ward.  Die  Fahrten  am  weißen 
Fluss  wurden  derart  erschwert  und  belastet,  dass  einige  Unternehmer  ihre 
vollständig  ausgerüsteten  Expeditionen  in  Moment  der  Abfahrt  sistiertra 
und  gegen  die  Maßregeln  der  Regierung  protestierten.  Die  Bemannung  der 
Schiffe  wurde  mit  einer  unerhörten  Steuer  belegt,  welche  vorhinein  erlegt 
oder  vom  Schifibherm  garantiert  sein  musste,  um  die  Erlaubnis  zur 
Bergfahrt  auf  dem  Fluss  zu  erhalten.  Von  dieser  Gewaltmaßregel 
war  sogar  die  Expedition  der  armen  Alexine  Tinne  nicht  verschont, 
welche  doch    nur  eine  Lustreise   beabsichtigte.   Zur  Genugthnung  habe 


437 

ich  nachtrSglich  gehört,  dass  John  Petherick  und  Andrea  Dehono  von 
der  egyptischen  Regierung  entschädigt  worden  seien.  Seit  jener  Revoln- 
tions-  (ich  wollte  sagen  Reformations-)  Periode  ist  das  geschäftliche 
Leben  stets  im  Abnehmen,  und  hente  schläft  der  Handel  in  Chartnm 
so  zu  sagen  den  ewigen  Schlaf.  Der  jetzige  Generalgonvemenr  Djafer 
Pascha  hat,  so  lange  er  hier  ist,  seit  1866  ff\r  die  Hebung  und  Be- 
lebung des  Handels  nichts  gethan,  im  Gegentheil  zu  dessen  völligen 
Ruin  so  viel  an  ihm  lag  beigetragen.  Sein  Steckenpferd  ist  der  Bau- 
meister; er  hat  schon  vor  vier  Jahren  ein  Dutzend  ärarischer  Bauten 
begonnen  und  bis  heute  nicht  eine  vollendet.  Ueberdies  liebt  er  Spiel 
und  Musik,  woran  es  keinen  Tag  fehlt.  Ein  Administrator,  der  nur  fOrs 
Haus  und  Vergnügen  und  nicht  fflrs  Land  sorgt,  taugt  nicht  in  einer 
so  großen  Provinz  wie  der  Sudan,  wo  eine  lebenserweckende  Kraft 
Noih  thut 

Von  Ernst  Marno  sind  Nachrichten  vom  8.  März  d.  J.  aus  Famaka 
eingelangt,  wo  er  mit  dem  Mudir  von  Sennaar,  JbrahimBey,  zusammen- 
traf. Es  ist  derselbe  in  Sudan  ergraute  grundehrliche  Türke,  in  dessen 
gastlichem  Hause  zu  Doka  anfangs  der  Fünfzigerjahre  der  erste 
österreichische  Consul  Dr.  Reitz  gestorben  ist.  Von  Famaka  gedenkt 
Marno  mit  dem  Mudir  über  Djebel  Kuli  nach  Benisehangoly  oder  mit 
Schech  Hodjeli  über  Kasan  dorhin  zu  gehen,  von  wo  Aussicht  ist,  auf 
Fadassi,  und  unter  Umständen  noch  weiter  vorzudringen.  Wie  ich  den 
Mudir  kenne,  bin  ich  überzeugt,  dass  er  Herrn  Marno  den  möglichsten 
Vorschub  leisten  wird. 

Von  der  Baker 'sehen  Expedition  gieng  am  29.  März  unter  Leitung 
des  Oberingenieurs  Higginbotham  der  zweite  Train  ab,  bestehend  in 
adit  Nilbarken  und  einem  Dampfer,  einer  Truppenabtheilung  und  einer 
Menge  Effecten.  Bei  diesem  Nachschub  befanden  sich  auch  der  Medicinae 
Dr.  Gedge  und  vier  englische  Maschinenarbeiter. 

Nach  einer  mir  in  diesen  Tagen  zugekommenen  Nachricht  bestätigt 
es  sich,  dass  in  Wadi  Haifa  die  Katarakten  gesprengt  werden.  Man 
bat  sich  also  statt  Errichtung  einer  'Eisenbahn  nach  Sudan  für  die 
Eröffnung  und  Sicherung  der  Wasserstraße  entschieden.  Einerlei!  Wenn 
nur  endlich  einmal  eine  schnellere  und  sichere  Verbindung  zwischen 
Egypten  und  dem  schrecklich  weit  entlegenen  Sudan  hergestellt  wird, 
denn  die  Post  braucht  bis  a  data  von  Gairo  nach  Chartnm  30  Tage, 
gerade  so  viel  wie  von  Schangai  nach  Europa. 


438 


Die  Bahnen  der  europäischen  TOrkei  und  der  Nachbarländer. 

Von  Oberstlieutenant  Rz. 

Die  geographischen  nnd  physikalischen  Verhältnisse  unserer  Erdober- 
fläche, die  schon  im  Urbeginn  die  Menschen  die  vortheilhaftesten 
Plätze  als  Wohnorte  wählen  lehrten,  sind  es  auch,  die  alle  Verbin- 
dungen für  die  Communicationen  schufen.  Fruchtbare  Landstriche  und 
Thäler,  günstig  gelegene  Hochländer  sind  am  dichtesten  bevölkert.  Eine 
dichte  Bevölkerung  bedarf  vieler  Communicationen  und  Verkehrsmittel, 
der  Productenaustausch ,  der  Handel,  erweitert  sie  —  immer  den  geo- 
graphisch günstigen  Oertlichkeiten  folgend  bis  an  die  äußersten  Grenzen 
der  bewohnten  Continente. 

Dem  Militär  bieten  industriöse  und  bevölkerte  Landstriche  die 
nöthigen  Kessourcen  und  sind  aus  diesem  Grunde  sehr  oft  Objecte 
kriegerischer  Unternehmungen. 

Dieser  Art  fallen  gewöhnlich  bei  Ermittlung  der  Hauptlinien  die 
meisten  der  Vorbedingungen  zusammen. 

Berücksichtiget  man  daher  die  geographischen  und  Bevölkenings- 
Verhältnisse  der  Länder,  die  politischen  Abgrenzungen  der  Staaten, 
Staats-  und  Handelsinteressen,  so  erhält  man  die  resultierenden  Factoren, 
die  für  den  Ausbau  einer  Schienenlinie  sprechen,  wobei  natürlich  ein- 
zelne dieser  Erwägungen  immer  einen  vorherrschenden  Einfluss  ausüben 
werden. 

Bei  dem  Ausbau  der  türkischen  Eisenbahnen  stehen  die  Handels- 
interessen im  Vordergrunde.  Da  es  die  ersten  Linien  des  Staates  sind, 
die  Residenz  sowol,  wie  die  für  den  Handels-Verkehr  wichtigsten  Punkte 
mit  Central-Europa  in  Verbindung  gebracht  werden  müssen,  so  fallen 
naturgemäß  mit  den  nicht  zu  scheidenden  commerciellen  die  Staats- 
interessen zusammen. 

Man  hätte  vielleicht  noch  lange  nicht  daran  gedacht  der  Türkei 
den  Bau  der  Eisenbahnverbindungen  in  so  bedeutender  Längenausdeh- 
nung anzuempfehlen,  dieser  Staat  selbst  würde  sie  noch  eine  Zeit  lang 
ffir  entbehrlich  gehalten  haben,  wenn  nicht  der  Bau  des  Suez-Canals  ge- 
lungen, die  Eröffiiung  desselben  erfolgt  wäre.  Der  überseeische  Handel 
wird  nun  zum  größten  Theile  einem  kürzeren  Wege  folgen,  Städte  und 
Gegenden  zur  Blüte  bringen,  die  vor  zwei  Decenien  ihr  künftiges  Ge- 
deihen kaum  geahnt  haben. 

Mit  Rücksicht  auf  den  Welthandel  mnss  daher  der  kürzesten  Ver- 
bindung zwischen  Port-Said  und  Wien,  London,  Paris  die  größte  Wich- 
tigkeit beigelegt  werden. 

Die  kürzeste  Linie  führt  aber  von  Salonik  der  nördlichsten  Ein- 


439 

buchtnng  an  der  Südküste  der  Türkei  über  üesküb,  Novibazar,  Sera* 
jevo-Brood  oder  Gradiska  zu  den  vorgenannten  Gentren  der  Handels- 
bewegong,  und  da  an  letzterer  fast  alle  west-  nnd  mittel-europ&ischen 
Länder  theilnehmen,  so  erlangt  der  Ausbau  dieser  Bahnlinie  eine  fast 
internationale  Bedeutung. 

Schon  Gonsul  Hahn  belehrte  uns,  dass  dem  Bau  im  Yardarthale 
und  über  den  sehr  tiefen  Sattel  zwischen  dem  Sar-  und  Kara-Dagh  fast 
keine  Hindemisse  entgegenstehen. 

Größere  Schwierigkeiten  dürften  von  Novibazar  an  zu  überwinden 
sein,  da  bis  zu  dieser  Stadt  die  Trace  im  Sitnica-,  Ibar-  und  im  Raska- 
thale  gelegt  werden  dürfte. 

Nach  Uebersetzung  des  Sattels  bei  Dugopoljana  aus  dem  Ludzka- 
in  das  Stavlja-,  oder  aus  dem  Raska-  in  das  Yappathal,  könnte  von 
Sienica  an  die  Bahn  vielleicht  auch  durch  das  Uvac-  in  das  Lim-,  so- 
dann Drin-  und  Pracathal  geleitet  werden,  ohne  (bis  kurz  vor  Serajevo 
der  Yitessattel)  Ansteigungen  zu  erfahren,  doch  würde  auch  abgesehen 
von  dem  felsigen  Uvacthale  die  Bahn  durch  11  Stunden  an  der  Grenze 
Serbiens  ziehen  und  bei  auftauchenden  Differenzen  zwischen  dem  sou- 
verainen  und  dem  souzerainen  Staate  leicht  unterbrochen  werden  können. 
Es  dürfte  daher  der  Schienenstrang  im  Limthale  führen.  An  der  Ein- 
mündung des  Lim  und  der  Praca,  femer  im  Drinathale  sind  technisch 
—  manche  Schwierigkeiten  zu  bewältigen. 

Mit  Ueberschreitung  des  sehr  niederen  Yitessattels  südöstl.  Serajevo 
wären  für  den  Schienenweg  im  Bosnathale  nach  Brood  keine  nennens- 
werten Hindernisse  aufzuzählen,  doch  dürften  diese,  sobald  die  Linie 
nach  Gradiska  geführt  wird,  von  Travnik  an  bis  Banjaluka,  im  engen 
felsigen  Yerbasthale  bedeutend  anwachsen  und  noch  immer  die  Ent- 
wicklung vom  Suchasattel  in  das  Thal  fraglich  machen. 

Im  Interesse  der  Türkei  liegt  es  nun,  weiter  die  Hauptstadt  des 
Reiches  durch  einen  Schienenstrang  mit  Mittel-Europa  in  Yerbindung 
zu  bringen. 

Diese  zweite  Hauptlinie,  die  wir  später  im  Hauptzuge  naher  anzu- 
geben gedenken,  hätte  vor  Eröffnung  des  Suez-Canals  einen  noch  größeren 
Wert  erlangt,  als  dies  gegenwärtig  der  Fall  sein  wird,  da  manche  für 
Syrien,  Egypten  und  die  eigenen  Südküsten  bestimmten  Waarentrans- 
porte  der  Yermittlung  Constantinopels  nicht  mehr  bedürfen,  und  auf  der 
kürzeren  Linie  (Salonik)  der  Bestimmung  zugeführt  werden.  Nur  in  der 
noch  sehr  fem  liegenden  Zeit,  wo  der  Schienenstrang  Kleinasien  durch- 
ziehen und  über  Bagdad  an  den  persischen  Meerbusen  oder  über  K  a  r  a- 
hissar  nach  Adalia  (circa  90  geogr.  Meüen)  reichen  soll,  wird 
die  Bahn  über  Constantinopel  die  größere  Bedeutung  erlangen  und  im 


440 

ToUsten  Sinne  des  Wortes  „Weltbahn«  werden,  auf  welchen  Namen 
yorl&ofig  nur  die  künftige  Linie   nach  Salonik  Ansprach  mach«!  kann. 

Constantinopel  wird  in  kolossaler  Dimension  Kopfstation  und  Stapel- 
platz ftlr  die  Handelsbewegong  in  die  eigenen  europäischen  Provinzen 
und  Aber  Kleinasien  nach  Persien. 

Von  Constantinopel  aus  dürfte  die  Trace  über  Adrianopel,  Filip- 
popel,  Sofia,  sodann  über  Badomir  auf  Ueskttb  zu  gehen  und  daselbst  in 
die  vorerwähnte  Linie  einmünden,  da  nur  in  dieser  Bichtnng  Constanti- 
nopel in  directe  Verbindung  mit  Central-Europa  tritt,  gleichzeitig  aber 
auch  der  Yortheil  erreicht  wird,  das  Reich  in  der  diagonalen  Ausdeh- 
nung zu  durchschneiden. 

Die  Wahl  dieser  Linie  dictiert  vorherrschend  das  Staatsinteresse, 
erst  in  zweiter  Linie  das  Handelsinteresse.  Dieser  Anschluss  ist  selbst 
unter  dem  Opfer  der  bedeutendsten  Zinsengarantie  zu  suchen,  da  die 
Verbindung  durch  Serbien  eventuell  illusorisch  werden  könnte. 

Der  Ausbau  der  Linie  von  Sofia  Aber  Nissa  durch  Serbien  nach 
Belgrad  und  Basias   muß  nothwendigerweise  folgen,   indem   das  Streben 

■ 

Ungarns  und  Serbiens  naturgemäß  nur  dahin  gerichtet  sein  kann,  den 
Anschluss  durch  das  Morava-Thal  einerseits  über  Vranja,  Gilan  an 
Uesküb,  andererseits  auf  der  vorerwähnten  Route  an  Nissa  zu  erreichen, 
um  sowol  mit  Salonik  wie  Constantinopel  in  Verbindung  zu  treten.  Die 
Pforte  wird  hier  durch  die  Genehmigung  zum  Ausbau  dieser  Strecken 
auf  eigenem  Gebiete  Gelegenheit  finden  den  Beweis  zu  liefern,  wie 
wertvoll  ihr  das  gute  Einvemelimen  mit  dem  ungarischen  Ministerium, 
wie  vertrauend  sie  der  serbischen  Regierung  entgegenzukommen  ge- 
sonnen sei. 

Mit  der  Coucessions  -  Ertheilung  zum  Ausbau  der  Linie  Enos, 
Adrianopel,  Jambol,  Karnabat,  Sumla  und  zur  Bahn  Rusczuk-Vama 
würde  eben  über  Rusczuk,  dann  Gjurgjevo  und  Bukarest  die  Wallachei, 
späterhin  durch  den  rotlien  Thurm-  sodann  durch  den  Vulkanpass  von 
Petroseny  über  Krajova,  Bukarest-Siebenbürgen,  endlich  in  nordöstlicher 
Fortsetzung  die  Moldau  und  Südrussland  dem  Mittelmeere  näher  rücken, 
und  Enos  zur  zweitwichtigsten  Hafenstadt  am  ägäischen  Meere  empor- 
steigen. 

Diese  3  Hauptlinien,  nämlich  jene  von  Salonik-Brood ,  die  zweite 
Constantinopel-Sofia-Uesküb-Brood  (oder  Gradiska)  und  die  dritte  Enos- 
Adrianopel-Sumla  repräsentieren  eine  Längenausdehnung  von  269  geo- 
graphischen Meilen,  welche  ein  Baucapital  von  circa  161,400.000  fl. 
beanspruchen,  sobald  man  in  der  Durchschn^tsrechnung  für  den  soliden 
Ausbau  einer  Meile  —  da  es  größtentheils  Gebirgsbahnen  sind  — 
600.000  fl.  veranschlagt  Die  Zinsengarantie,  die  übrigens  nur  vielleicht 


441 

I 

in  den  ersten  Jahren  des  Betriebes  im  vollen  Betrag  zu  leisten  sein 
wirdf  da  die  Rentabilität  derselben  in  der  Folge  außer  allem  Zweifel 
steht,  müfite  somit  mit  5%  berechnet  8,070.000  fl.  betragen. 

Die  Strecke  Sofia,  Nissa,  sowie  jene  von  Nissa  über  Leskovac, 
Yranja,  Gilan,  Uesküb,  d.  h.  die  Anschlasstrecken  der  serbischen  Mo- 
ravabahn  mnfassen  in  der  L&ngenentwicklong   40  geographische  Meilen. 

Dieserart  wfire  das  tfirkische  Reich  in  3  Richtungen  gegen  Nord- 
west und  Nord  durch  Bahnen  durchzogen,  und  wenngleich  der  größere 
Nutzen  dem  Staate  selbst  verbliebe,  ist  andererseits  nicht  zu  verkennen, 
dass  hiedurch  dem  Welthandel  eine  bedeutende  Concession  gemacht 
wurde,  der  sich  hieffir  bereit  findet,  durch  seine  Reprfisentanten  die 
nöthigen  Capitalien  in  diesem  doppelten  Interesse  herbeizuschaffen. 

Soll  jedoch  Cultur,  Leben  und  Gedeihen  in  alle  Provinzen  der 
Balkanhalbinsel  gebracht  werden,  so  sind  zu  den  vorerwähnten  Handels- 
hauptarterien noch  Zufiusslinien,  d.  h.  Zweigbahnen  zu  eröffnen,  die 
in  vollem  Ausbau  nicht  nur  von  localem  Werte  wären,  den  Staats-, 
Handels-  und  militärischen  Rflcksichten  Rechnung  tragen  würden,  son- 
dern abermals  als  Transitlinien  dem  Weltverkehre  dienlich  werden 
könnten. 

Die  wichtigste  der  nun  zu  erwähnenden  Linien  wäre  jene,  welche 
das  schwarze  mit  dem  adriatischen  Meere  verbindet.  Das  Mittel- 
glied dieser  Transversal  oder  türkischen  Ostwestbahn,  nämlich  Sofia, 
Uesküb,  dürfte  bereits  concessioniert  sein.  Die  geographische  Con- 
fignration  des  Staates  im  innern  gestattet  zwar  —  nach  der  bis 
jetzt  vorhandenen  verhältnismäßig  besten  Gcneralkarte  von  Scheda  — 
auch  die  Fortsetzung  zu  den  beiden  Meeren  und  den  Endpunkten  an- 
nähernd zu  bestimmen,  doch  müssen  wol  für  das  Detail  der  Anlage 
Ortstudien  gemacht,  und  wie  schon  bei  Ermittlung  der  früher  erwähnten 
Hauptlinien  geschehen,  in  Rücksicht  des  absoluten  Mangels  aller  oro- 
und  topographisch  verlässlichen  Behelfe  —  Routenauftiahmen  vollführt 
werden,  die  zur  verfügbaren  Zeit  im  Verhältnisse  stehen  und  dem 
Zwecke  entsprechen. 

Gibt  es  schon  innerhalb  eines  Rahmens  geodätisch  richtig  ge- 
stellter Punkte  Differenzen  in  der  Darstellung  des  orographischen  De- 
tails, sobald  dieses  durch  zwei  verschiedene  Personen  geliefert  wird,  um 
wie  viel  mehr  wird  nun  in  jenen  Ländern  zu  corrigieren  und  festzustellen 
sein,  wo  Details  nur  mühsam  —  oft  nur  nach  Beschreibungen  —  und 
im  geheimen  gesammelt  werden  konnten. 

Von  der  Hauptlinie  Gonstantinopel-Sofia-Belgrad  muss  die  Zweig- 
bahn entweder  von  dem  erstgenannten  Punkte  im  Iskra-Thal  bis  Coma- 
kovce,    sodann  über  Pleova    auf  Sistovo  und  Rusczuk    führen,    von  wo 


442 

I 

die  Bahn  bis  Yarna  bereits  besteht.  Diese  Strecke  beträgt  39 — 40 
Meilen;  oder  die  Abzweigung  wird  im  Vid-Thale,  wenn  dasselbe 
wirklich  so  wie  es  auf  den  Karten  gezeichnet  ist  existiert,  Aber  Plevna, 
Sistovo  in  Aassicht  genommen,  wo  dann  circa  32  Meilen  Schienen  zu 
legen  wären. 

Durch  diesen  Zweig  entstünde  die  Verbindung  mit  Vama,  SistOYO, 
Sofia,  Vrania,  Uesküb,  Pristina. 

Nach  der  Scheda'schen  Karte  sollte  man  weiter  annehmen  dfirfen, 
dass  dem  Ausbau  einer  Bahn  von  Pristina  auf  Prisreudi  sodann  im 
Thale  des  weißen  Drin  sich  keine  größeren  Schwierigkeiten  entgegen- 
stellen, als  es  jene  im  Verbas-Thale  zwischen  Jaice  und  Bai^jaluka,  oder 
die  im  Praca-  und  Drina-Thale  sein  können. 

In  der  vorerwähnten  Strecke  über  Djakovo  nach  Skutari  würde 
die  Längenentwicklung  32,  die  Gesammtlänge  der  Ergänzungsbahnen 
(ohne  die  Mittelstrecke  Sofia  Pristina)  64  Meilen  betragen,  wodurch 
das  schwarze  mit  dem  adriatischen  Meere,  Yarna  mit  Skutari 
verbunden  erscheint.  Nach  dem  vorangesendeten  Calcnl  ist  hiezu  em 
Baucapital  von  38,400.000  fl.  erforderlich. 

Wiederholt  war  ferner  von  dem  Projecte  die  Rede,  die  ungarische 
Staatsbahn  —  durch  Serbien  und  Bosnien  —  bis  zum  adriatischen 
Meere  zu  verlängern.  Der  Ausbau  eines  Schienenweges  von  Bazias 
gegen  Südwest  zur  Adria  ist  als  ein  bedeutender  Handelsweg  im  österr.- 
serbisch-türkischen  Interesse  ebenso  wichtig  und  nöthig,  als  der  Ausbau 
der  großen  türkischen  Transversalbahn.  Als  Einbruchsstation  auf  türkisch 
speciell  bosnischem  Gebiete  wird  Zwornik  genannt.  Yon  dort  ans 
wäre  die  Trace  dieser  Gebirgsbahn  nach  Serajevo  im  Drina-  und  Jadar- 
Thale  über  Kuslat,  Nova-Kasaba,  sodann  aber  im  Thale  des  Zeleni- 
Jadar  über  Drüe  auf  das  Battura  und  Lissina  Gebirge  zu  suchen,  da 
die  bedeutende  Ansteigung  diese  Entwicklung  fordert. 

Kusaci,  Kuttezero,  Merkale,  Hannic,  Ivan-Polje,  Kakovac  am  Ab- 
hänge der  Romanja  Planina  und  nordöstl.  des  Yites-Sattels  müssten  bei 
der  Trace-Ermittlung  in  das  Auge  gefassst  werden,  sobald  man  sich 
nicht  zu  dem  Umwege  im  Drina-Thale  über  Yisegrad  und  zum  Anschluss 
an  die  Weltbahn  an  der  Lim-Mündung  entschließen  kann. 

Yon  Zwornik  über  N.  Kasaba  bis  zum  Yites-Sattel  beträgt  die 
Entfernung  15  grogr.  Meilen.  Yon  Yitez  über  Serajevo  bis  Kiseljak 
bliebe  als  Bindeglied  die  Weltbahu;  von  Kiseljak  aber  könnte  dieselbe 
im  Thale  der  Fojnica  und  Strasbina  (auch  Gvosnica)  über  den  sdir 
tiefen  Progorica-Sattel  in  das  kleine,  sodann  im  großen  Narenta-Thale 
.  über  Mostar  auf  Metkovic  und  Stagno  führen. 

Diese  Bahn  würde  die  mineralreichsten  Gegenden,  d.  i.  die  söge- 


443 

nannte  »Srebema^  und  das  Gebiet  von  «Fojnica''  durchziehen,  bis 
Stagno  eine  Länge  von  25  Meilen  erreichen,  and  gleichzeitig  den  Golf 
von  Kiek  berühren,  wodurch  die  Pforte  Truppenlandungen  auf  eigenem 
Gebiete  vorzunehmen  im  Stande  wäre. 

Mit  den  früher  erwähnten  15  Meilen  sind  daher  fflr  diese  Trans- 
versalbahn die  Schienen  —  ohne  die  serbische  Linie  zu  rechnen  — 
auf  40  geogr.  Meilen  zu  legen.  Die  Meile  dürfte  jedoch  für  diese 
Strecke  auf  800.000,  ja  sogar  vielleicht  auf  Eine  Million  Gulden  zu 
veranschlagen  sein,  wenn  solidere  Bauten  vor  Augen  schweben. 

Die  Weltbahn  in  Eißeljak  durchkreuzend,  wird  die  zweite  Hälfte 
dieser  Bahnstrecke  auch  für  die  südwestlichen  Provinzen  Oesterreichs 
wertvoll. 

Die  beiden  Transversalbahnen,  resp.  die  hiezu  nöthigen  Ergänzungs- 
linien, die  das  türkische  Reich  von  Ost  nach  West  durchziehen  sollten, 
umfassen  eine  Länge  von  104  Meilen. 

Die  nächst  wichtigste  Linie,  die  zu  berücksichtigen  ist,  wäre 
jene  von  Skutari  über  Kavaja,  dann  im  Devo-Thale  Eastoria  und  im 
Vistrica-Thale  über  Verla  nach  Salonik  in  der  Ausdehnung  von  64  geo- 
graphischen Meilen,  für  welche  Strecke  jedoch  ausländische  Capitalien 
voraussichtlich  kaum  gefunden  werden,  da  diese  Bahn  mehr  localen 
und  militärischen,  als  intemazionalen  Handelsinteressen  dienen  würde. 

Angenommen  nun,  dass  in  den  nächsten  Decenien  auch  diese  Linie 
in's  Leben  gerufen  sei,  so  stehen  dem  Staate  und  dem  europäischen 
Großhandel  477  Meilen  Schienenwege  zur  Verfügung,  der  Anlage  und 
Richtung  nach  vollkommen  geeignet,  den  Staats-  und  militärischen  An- 
forderungen der  Türkei  zu  genügen,  das  Gedeihen  und  die  Steuerkraft 
der  Provinzen  zu  heben  und  den  europäisch-indischen  Export  und  Im- 
porthandel zu  fördern.  Mit  alleiniger  —  (und  dies  nur  theilweise)  — 
Ausnahme  Russlands,  werden  fast  alle  europäischen  Staaten  durch  die 
zahllosen  Fäden  des  Handels  an  die  Integrität  des  osmanischen  Reiches 
gebunden  sein,  die  orientalische  Frage  eben  nicht  mehr  fraglich  machen, 
aber  auch  theilweise  das  Recht  erlangen,  rathend,  stützend  und  im  ge- 
wissen Sinne  fordernd  mitzusprechen. 

Taucht  aber  diese  Frage  einmal  im  Ernst  auf,,  so  ist  sie  dem 
Weltbrande  gleichzuachten. 

Der  Ausbau  der  Linien  von  Enos  nach  Salonik  47  Meilen,  von  da 
über  Larissa  nach  Volo  29,  von  Larissa,  Trikala,  Mecovo  nach  Arta 
31,  aus  dem  Arta-Thale  über  Janina  nach  Avlona  26,  von  dort  nach 
Kavaja  12,  die  Abzweigung  von  Kamabat  über  Aidos  nach  Burgas  8, 
sowie  noch  manche  der  Neben-  oder  Vicinalbahnen  müsste  der  Kosten 
wegen  einer   späteren   Zeit   aufbewahrt   bleiben,    umsomehr  als  manche 


444 


der  vorerwähnten  Hafenstädte   dorch   die  Schiffahrt   miteinander    ver- 
bunden sind. 

Da  femer  nach  dem  practischen  Grundsätze  der  Handelswelt 
^Zeit  Geld  ist,^  die  erstere  somit  durch  den  rascheren  Waarenumsatz 
in  steigendem  Verhältnisse  abermals  Geld  produciert,  so  sehen  wir  uns 
bemüssigt,  die  vorerwähnten  Bahnlinien  auch  nach  Raum  und  Zeit 
in  Vergleich  zu  bringen,  um  den  Wert  der  Haupthandelslinien  in 
dieser  Richtung  festzustellen,  endlich  um  weitere  Reflexionen  daran  zu 
knüpfen. 

Bei  dem  hier  folgenden  Nachweise  wollen  wir,  um  die  Entfernungen 
auf  Zeitstunden  zu  reducieren,  für  die  Seefahrt  10  Seemeilen,  far  die 
Bahnbeförderung  6  geographische  Meilen  (£ilzug)  gleich  einer  Stunde 
halten. 

Es  beträgt  die  Fahrt  von  Salonik-Wien. 

Port-Said  nach  Salonik    ......  740  S.  M.  =74       Std. 

Salonik-Ueskfib  ...  .    .    .    .    =     28 

Uesküb-Pristina ,    Novibazar ,    Serajevo, 

Brood .    .    .  =    85 

Brood,  Bares,  Wien  ...        =60 


173  M. 

:6  — 

28V. 
102»/,  Std. 

Port-Said  Salonik 

.  =  740 

74      Std. 

Salonik,  Brood 

.  =  113 

Brood,  Sissek,  Wien 

.  =     86 

199  M.: 

:6  = 

33  V, 
107»/,  Std. 

Port-Said  Salonik  .    .           ... 

.  =  740 

= 

74      Std. 

Salonik,  Banjalnka,  Gradiska  . 

.  =  113 

Gradiska,  Sissek 

12 

Sissek,  Wien 

.  =    68 
193  M. 

:6  = 

32'/. 

106'/,  Std. 

Port-Said  Salonik       

.  =  740 

— 

74      Std. 

Salonik,  Ueskflb 

Ueskflb,  Gilan,  Yranja,  Leskovac,  Nissa 

Nissa-Belgrad     

Belgrad-Esseg,  Wien      ..... 

.  =    28  ) 
.  =    29/ 
.=    321 

.  =    .S5  ) 

Ungerechnet  der 

Morava 

Krümnumgen. 

174  M. 

:6  = 

29 
103      Std. 

446 

Port-Said  Salonik  .      =  740  =74      Std. 

SflJonik-Bazias =:     86 

Bazias,  Wien =     927^ 

178VaM.:  6:1:1    2^% 

103*/6  Std. 
Constantinopel-Wien-Calais-Ostende. 
Constantinopel ,    Adrianopel ,    Filipoppel, 

Sofia,  Nissa,  Belgrad, =  125  M. 

Belgrad,  Esseg-Wien =     85 


210  M. :  6  =     35       Std. 

Wien-Calais*) 180    .        =     30      Std. 

65 

Constantinopel,  Bazias =r  129 

Bazias,  Wien     .........=    9273 


221  VaM.  =z     37       Std. 

Wien-Calais >  .    .        .  30 

'67 
Constantinopel,  Adrianopel,  Sofia,  Rado- 

niir,    Uesküb,    Novibazar,    Brood- 

Barcs,  Wien        ^  250  M.  =    41^/e  Std. 

Wien-Calais =  180  ^30 


71Ve 
Constantinopel ,    Novibazar ,    Gradiska, 

Sissek-Wien =  270  M.       =45      Std. 

Wien-Calais —  180  =     30 

75  " 

Constantinopel,  Gradiska,  Sissek    .    .      =  202  M. 
Sissek,  Marburg,y  i  1 1  a  c  h,  Lienz,  Brüxen, 

Rosenheim,  Mflnchen,  Augsburg     .    .  «  118 
Augsburg,  Ulm,  Heidelberg,  Luxemburg, 

Namur,  Calais**) =123 


443  M. :  6  =     73*/^  Std. 


Constantinopel,  Gradiska,  Sissek    .        .  =  202  M. 
Sissek,  Brück  a/m.,  Enns,  Braunau, 

München,  Augsburg =  112 

Augsburg-Ostende   . =  114 


428  M. :  6  =     71«/^  Std. 
Calais 72Ve 

*)  Nach  Ostende  circa  9  Meilen,  oder  IVs  Stand,  weniger. 
*^)  Von  Augsburg  nach  Ostende  circa  lli  geogr.  Meilen. 


Ton  Port-Said-SaloDik  nach  Calais  oder  Ostende. 

Port-Said,  Salonik 740  S.  M.  =74       Std. 

Salonik-B  r  0  0  d =  113 

Brod-Sissek     .        ...  .    .    .    .  =     18 

Sissek,  Marburg,  Vi  11  ach,  Rosenheim, 

München,  Augsbnrg  .    .    .    .  =  118 

Augsburg,  Heidelberg,  Luxemburg,  Namur- 

Calais .    ,  .  =  123 


372  =    62 


136      Std. 

Ostende ly« 

134  V, 
Port- Said,  Adalia  circa       .       .  320  8.  M.  =    32      Std. 

Adalia,  Constantinopel =    90  M. 

Constantinopel,  Wien     .  ...      =  210 


300M.  =  50  =  82      Std. 
Ostende =  170      =28% 


110%  Std. 
Gewinn  von  20  Standen. 

Port-Said,  Salonik 740  S.  M.  =74      Std. 

Banjaluka,  Gradiska,  Sissek.    .    .=  125  M. 
dann  wie  oben =  241 


366  =    61 


135      Std. 

Ostende 1337, 

Port-Said,  Salonik 740  S.  M.  =74      Std. 

Salonik,  Brood =  113  M. 

Brood,    Marburg,    Brück,    Lietzen, 

Braun  au,  München,  Augsburg    .      =  130 
Augsburg,  Calais        ....        .    .  =  123 


366  =    61      Std. 

135' 


Ostende 13372 

Port-Said,  Salonik 740  S.  M.  =74      Std. 

Salonik,  Banjaluka,  Gradiska,  Sissek  =  125 
Sissek,  Brück,  Enns,  München,  Augs- 
burg     =  112 

Augsburg,  Calais =  123  __^_ 


360  =    60      Std. 


134 
Ostende 132'/, 


447 


Nach  Paris. 

PortrSaid,  Salonik            740  S.  M. 

—     74       Std. 

Salonik,  Gradiska,  Sissek          .    .  —  125 

Sissek,  Villach,  München,  Augsburg    —  118 

1 

Angsburg-Strassburg   .    .                    .      —    46 

Strassburg-Paris      .        —     GO 

'341)  ~ 

—    5876  Std. 

132V. 

Bonlogne ... 

36  —     6 

' 

138V. 

üeber  Otranto. 

Port-Said,  Otranto 925  S.  M. 

—    92  7j  Std. 

Otranto,  Piacenza,  Alexandria,  Turin  —  146 

Turin,    Mont  Cenis *)   Ma^on,    Dijon, 

Paris —  106 

m 

252 

—    42      Std. 

134V, 

Paris-Boulogne — 

36—6 

140^/3,   std. 

Aus  der  ?orangesendeten  Zusammenstellung  geht  nun  hervor,  dass 
nach  den  gegenwärtig  bestehenden  Bahnen,  die  Fahrt  von  Port-Said 
nach  Wien  merkwürdigerweise  über  Bazias  am  schnellsten  bewerkstel- 
liget werden  könnte,  die  Abkürzung  über  Esseg  noch  eine  weitere  Stunde 
Gewinn  brächte. 

Der  Ober-  und  Mittellauf  der  Morava  scheint  aber  auf  den  Karten 
in  ziemlich  geraden  Linien  verzeichnet  und  noch  lange  nicht  so  genau 
bekannt  zu  sein,  als  es  die  Flussläufe  im  Nordwesten  der  Türkei  sind. 
Es  müssen  daher  zur  Fahrt  über  Bazias  noch  einige  Stunden  hinzuge- 
rechnet werden,  wodurch  man  mit  einiger  Sicherheit  die  Entfernung  von 
Salonik  nach  Wien  über  Gradiska,  der  vorerwähnten  gleichsetzen  kann. 

Der  Weg  über  B  r  o  0  d  und  Bares  w&re  entschieden  der  nächste. 

Mit  Rücksicht  auf  Calais  oder  Ostende  ist  die  Linie  über  Villach 
die  kürzeste. 

Untersuchen  wir  nun  weiter,  welchen  Nutzen  die  öster.  Provinzen, 
speciell  der  öster.  Handel  aus  dieser  neuen  Verkehrslinie  über  Suez 
schöpfen  könnte. 

Die  Linie  Salonik-Brood  oder  Gradiska  wird  vorherrschend  dem 
Trans ithandel  dienen,  obschon  auch  der  Local- Verkehr  mit  der  Zeit 
nicht  unbedeutend  wachsen  wird.     Es  ist  weiter  bekannt,    welch  be- 


*)  Nach  Beendigung  der  Bahn. 


448 

deutenden  Aufschwung  Hafenstfidte  nehmen,  wenn  sie  den  Anfongs  oder 
Endpunkt  eines  wichtigen  Schienenweges  bilden.  Ohne  allen  Zweifel 
dfirfte  im  nächsten  Decenium  die  Linie  Salonik-Ostende  oder  Calais  die 
wichtigste  in  Europa  werden,  da  sie  von  England  die  kürzeste  nach 
Vorder-Indien,  China,  Australien  ist;  ebenso  wie  es  unbestritten  bleibt 
dass  derart  situierte  Punkte  als  Stapelplfitze  eines  immensen  Verkehrs 
nicht  nur  rasch  emporblühen  und  sich  vergrößern,  sondern  auch  auf 
das  Gedeihen  der  angrenzenden  Provinz  den  fördemdsten  Einfluss  ansahen. 

Wenn  wir  nun  auch  die  Türkei  um  den  so  günstig  gelegenen 
Punkt  Salonik  beneiden  —  inmierhin  aber  auch  Befriedigung  finden 
müssen,  an  dem  Weltverkehre  direct  und  durch  den  Transithandel 
indirecte  Theil  nehmen  zu  können,  so  sollten  wir  andererseits  doch 
trachten,  einen  Theil  der  großen  Yortheile,  welchen  Stapelplätze  ab- 
werfen, an  uns  zu  ziehen,  umsomehr  als  die  Lage  und  der  südöstliche 
Zug  der  Dalmatiner  Küste  uns  hiezu,  wie  wir  weiter  sehen  werden, 
mit  großer  Aussicht  auf  Erfolg  einladen. 

Wie  bekannt,  soll  der  Bau  der  türkischen  Bahnen  in  5  Jahren 
vollendet  sein. 

Wenn  wir  nun  im  Stande  sind,  von  Carlstadt  aus  innerhalb  zweier 
Jahre  eine  Bahn  über  Sluin,  Knin  nach  Spalatro  auszubauen  oder  aber 
diese  Linie  bis  Stagno  auszudehnen,  so  könnten  wir  durch  die  folgen- 
den drei  Jahre,  während  welcher  Zeit  die  Weltbahn  noch  inuner 
nicht  vollendet  sein  kann,  die  ganze  Handelsbewcgung  nach  Central- 
Europa  über  einen  dieser  Küstenpunkte  leiten,  dieses  ohnehin  communi- 
cationsarnie  Land  einem  größeren  Wohlstande  zuführen,  und  selbst 
auch  den  Staats-  und  militärischen  Interessen  entgegenkommen,  da  die 
erstercn  die  Hebung  des  Wohlstandes,  die  Vermehrung  der  Communi- 
cationen  und  der  Steuerkraft,  die  letzteren  eine  gesicherte  Ver- 
bindung in  diese  excentrisch  gelegene  Provinz  verlangen. 

In  letzterer  Beziehung  brauchen  wir  nur  an  die  Ereignisse  des 
Jahres  1866  im  Süden  zu  erinnern.  Was  wäre  wol  aus  Dalmatien 
geworden,  wenn  der  Sieg  von  Lissa  nicht  uns  zugefallen,  wenn  in 
weiterer  Folge  feindliche  Debarcationen  bei  Zengg  stattgefunden  hätten, 
der  nur  drei  Meilen  entfernte  Punkt  Zutalaqua  besetzt,  unsere  einzige 
große  Communication  oder  Hauptverbiudung  dahin  unterbunden  worden 
wäre  und  eben  deshalb  JTachschübe  an  Truppen  und  Material  hätten 
unterbleiben  müssen?  Jede  einzelne  der  oben  erwähnten  drei  Schluss- 
folgerungen ist  wichtig  genug,  sofort  an  den  Ausbau  dieser  Bahnstrecke 
zu  schreiten  und  selbst  die  Regierung  zu  veranlassen,  den  Bau  nöthigen- 
falls  in  eigener  Regie  durchzufahren,  wenn  sich,  was  wol  gar  nicht 
vorauszusetzen  ist,  eine  Privatgesellschaft  hiezu  nicht  bereit  finden  sollte. 


449 

Während  der  'Ausbau  der  Strecke  Brood,  Pleternica,  Orahovica 
oder  Brood-Novska  und  sodann  lUovathal-Barcs  speeiell  im  Interesse 
der  Sttdbahn  li^en  dftrfte,  fordert  die  Eröffnung  der  dalmatinischen 
Linie  das  Gesamtwohl  des  Staates,  das  eben  durch  politische, 
militärische  und  Handels-Rücksichten  vorgezeichnet  ist. 

Selbst  Triest  und  Fiume  kann  in  dem  auserwählten  Hafenorte 
durch  Filiale  der  verschiedenen  Fifmen  vertreten  sein  und  an  der 
Handelsbewegung  theilnehmen. 

Die  localen  Verhältnisse  der  Hafenorte  werden  mitbestimmend 
wirken  und,  wenn  einerseits  das  Seebecken  zwischen  Trau,  Salona,  Spa- 
latro  alle  Eigenschaften  für  die  Aufnahme  großer  Handelsflotten  besitzt, 
spricht  das  Handels-  und  militärische  Interesse  für  die  Wahl  eines 
noch  südlicher  gelegenen  Punktes,  weshalb  wir  hier  den  Hafen  von 
Stagno  mit  in  unseren  Calcul  ziehen,  ohne  uns  in  eine  Untersuchung 
über  den  Wert  der  Rhode  von  Calamota  oder  den  Hafei)  von  Gravosa 
einzulassen,  dies  Fachmännern  überlassend. 

Nach   Wien. 

Es  beträgt  die  Entfernung  von  (circa): 

Port-Said  nach  Spalatro       1195  S.  M.  =  120  ,     Std. 

Spalatro,  Knin,  Sluin,   Carlstadt      .    .    •.    .      38  M. 

Carlstadt,  Wien .    .        .      68  » 

106  M.        -^     17%  Std. 

137%  Std. 

Nach  Ostende  und  Calais. 

Porl^Said,  Spalatro 1195  S.  M.  =  120      Std, 

Spalatro-Carlstadt 38  M. 

Carlst-Brnck  a/M.     .    .  .        .  ^^3  „ 

Bnick-Enns,  München- Augsburg   ....      68  „ 
Augsburg,  Luxemburg,  Namur,  Ostende  .    .    114  „ 

263  M.        -^     43%  Std. 

163%  Std. 

Port-Said,  Spalatro 1195  S.  M.  =120      Std. 

Spalatro-Carlstadt 38  M. 

Carlstadt,  Sternberg,   Marburg,   Yillach, 

München,  Augsburg         ....  .     117  „ 

Augsburg,  Luxemburg,  Namur,  Ostende  114  j^  

•     269~m:        =    44%  Std. 

164%  Std. 
Calais  166%  Std. 

Mittkailuiigeu  d.  geogr.  GasaU.  1870.  10.  29 


450 

lieber  Stagno  nach  Wien. 
Port-Said,  Stagno  ....  1110  S.  M.  =r  111      Std. 

Stagno,    Mostar,   EiBeljak,    Jaice,    Banja- 

Inka,  O-radiska,  Sisseck 65  M. 

Sissek-Wien         68  » 

133  M.       =    227«  Std. 

133V.  Std. 

Port-Said,  Stagno 1110  S.  M.  =111       Std. 

Stagno,  Mostar,  Bares,  Wien 109  M.        =     187.  Std. 

129  7e  Std. 

Port-Said,  Stagno 1110  S.  M.  =  111       Std. 

Stagno,  MetkoTid,  Spalatro         ....      20  M. 
Spalatro-Carlstadt     .  ....      38  „ 

Carlstadt-Wien .      68  „ 

126  M.       =    21      Sti 

132      Sti 

Nach  Ostende. 

Port>Said,  Stagno '.    .  1110  S.  M.  =  111       Std. 

Stagno-Spalatro-Carlstadt 58  M. 

Garlstadt-Brnck  a/M 43  „ 

Bmck-Enns,  Manchen- Augsburg  .  68  „ 

Augsburg-Lnxembnrg-Ostende 114  „ 

283  M.        =    477,  Std. 

1587rstd. 

Port-Said,  Stagno 1110  S.  M.  =  111       Std. 

Stagno-Spalatro-Enin-Carlstadt  .      ö8  M. 

Carlstadt,  Steinbrflck,  Marburg,  Yillach, 

Bnxen,  Mtlnchen,  Augsburg    ....        117  „ 
Augsburg,  Luxemburg,  Ostende   .  114  „ 

289  M.       =z    487e  äi 

'"  "       1597.  Sti 

Stagno  von  Triest        ....    290  S.  M.  =    39  Std.  Fahrt 

Triest-Bruck 55  M. 

Bruck-Enns-Ostende        ....      182  „ 

237  :  397e  +  140  Std.  =  179»/.  Std. 
über  Villach  ==  I8O7.  Std. 


451 

Man   benöthiget  daher  von  Port- Said  Aber  Triest  nach  Ostende 

ISOVs  Std. 

«her  Otranto  *)  nach  Boologne  1407»  » 

r,    Sftlonik-Vfflach  nach  Ostende 133%  „ 

„     Stagno,  ViHach    „  „ 1597«  ^ 

Abgesehen  von  dem  militärischen  Werte  der  Linie  nach  Spalatro  nnd 
Stagno  worden  beide  Häfen  nicht  nur  den  Aasladeplatz  der  ans  Serbien, 
Ungarn,  Groatien  nach  Sicilien,  Spanien  nnd  Nordwest- Africa  bestimmten 
Rohprodncte  und  KomfrüChte  anter  allen  Umständen  bilden,  sondern 
aach  innerhalb  des  3.,  4.  nnd  5.  Jahres  den  ganzen  Handel  and  die 
indische  Post  über  Port-Said  vermitteln,  in  immer  späteren  Perio- 
den aber  noch  viele  Handelsschiffe  veranlassen  an  diesen  Punkten 
and  auf  österreichischem  Gebiete  anzulegen,  da  die  Spedition 
von  hier  aas  geregelter  and  verläßlicher  betrieben  die  Fahrt  mit  größerem 
Comfort  vollffthrt  werden  dürfte,  als  dies  aaf  der  langen  113  Meilen 
betragenden  Linie  Saloniki-Gradiska  voraassichtlich  der  Fall  sein  wird. 
Im  December  1869. 

Klima  des  salzburgiscben  Alpenlandes. 

Von    Professor    Dr.    Job.    N.    Woldfich. 
(Vorgetragen  in  der  Versammlung  am  17.  Mai.) 

In  Folge  mehrfach  an  mich  ergangener  Aafforderangen  gebe  ich 
hier  für  die  Zwecke  der  Geographie,  der  Statistik  and  der  Land- 
wirtschaft einen  Aaszag  aus  meinem  „Versach  za  einer  Elimatographie 
des  salzbargischen  Alpenlandes  mit  Berttcksichtigang  der  Vegetations-, 
land-  and  forstwirtschaftlichen  Verhältnisse"  *♦).  Ich  mass  daher  in 
Bezug  aaf  die  Detailaasführang  aaf  die  im  genannten  Werke  citierten 
Qaellen  verweisen,  wobei  ich  bemerke,  dass  aach  noch  einzelne  seit 
1866  von  mir  in  Salzbarg  gemachte  Beobachtangen,  so  wie  aach  die 
seither  darch  Herrn  Dr.  Lindner  vervielfältigten  Beobachtangen  in 
Tamsweg  benützt  sind,  so  wie,  dass  die  vorliegende  Skizze  ihrem  Zwecke 
entsprechend  nach  einem  andern  Plan  entworfen  warde,  als  dieses  in 
meiner  Elimatographie  der  Fall  ist. 

A.   Klima. 
Es  ist  bekannt,  dass  Salzbarg  ein   eigenthümliches  Klima  besitzt, 
welches   die    natürliche  Folge    seiner    geographischen  Aasbreitang    ist. 
Neben   der  im  Süden  des  Landes  verlaufenden  Taaemkette,  welche  an 


*)  Vorausgesetzt,  dass  die  Bahn  Qber  den  Mont  Genis  eröffnet  sei. 
**)  Mit   Subvention  der  k.  k.  Academie  der  Wissenschaften   in  Wien 
herausgegeben.  Leipdg  and  Heidelberg  bei  G.  F.  Winter  1867. 

29» 


452 

der  Grenze  Langans  in  einem  sfidöstiichen  und  einem  nordwestlichen 
Ast  abzweigt  und  das  Hochthal  Lungans  einschließt,  nnd  neben  den 
dnrch  die  Mitte  des  Landes  verlaufenden  Kalkalpen  beeinflussen  das 
Klima  Salzburgs  auch  die  zahlreichen  Gletscher  der  Tauem  und  der 
Kalkalpen,  die  3  Quadratmeilen  oder  2*3^  der  Gesammtfl&che  ein- 
nehmenden Gewässer  (Salzach,  Saale,  Enns,  Mur,  48  bedeutende  Bäche 
und  50  Seen)  sowie  nicht  minder  die  Wälder,  welche  32^  der  Landes- 
fläche bedecken. 

Unter  den  meteorologischen  Factoren ,  welche  das  Klima  eines 
Landes  bestimmen,  stehen  bekanntlich  die  Temperatur,  die  Nieder- 
schläge und  die  Winde  oben  an,  auf  deren  allgemeine  Auseinander- 
setzung ich  mich  hier  beschränken  will. 

1.  Temperatur. 
(Nach  Reaumür.) 

Die  Jahrestemperatur  der  Stadt  Salzburg  beträgt  6*79^  und  jene 
von  Tamsweg  in  Lungau  2'57^,  woraus  sich  eine  Jahres-Undulation 
von  4'22^  ffir  das  ganze  Land  ergibt.  Die  Temperatur  der  Stadt 
Salzburg  beträgt  um  1*25^  weniger  als  die  Temperatur  des  Ideeres' 
niveaus  fßr  den  Breitegrad  der  Stadt.  Für  die  Elevation  der  Stadt 
mit  1344  Paris.  Fuß  beziffert  sich  die  Temperaturabnahme  unter 
Zugrundelegung  des  Verhältnisses  von  794:1  mit  l-ü9^;  es  wäre  also 
die  Jahreswärme  Salzburgs  um  044^  günstiger,  als  ihr  vermöge 
der  Elevation  zukäme.  Innerhalb  der  obigen  Undulationsgrenzen  ist  die 
Temperatur  der  übrigen  Theile  des  Landes  vertheilt,  hängt  jedoch  nicht 
allein  von  der  Elavation  ab,  da  beispielsweise  Kremsmünster,  welches 
um  27  Toisen  tiefer  liegt  als  Salzburg,  eine  etwas  tiefere  Jahres- 
temperatur besitzt  (6.22®);  das  um  13  Toisen  höher  gelegene  Reichen- 
hall in  Baiern  eine  etwas  höhere  Temperatur  (7.81®)  hat  als  Salzburg, 
da  es  gegen  Norden  durch  den  Staufen  geschützt  ist.  Am  auffiedlendsten 
ist  der  Unterschied  zwischen  dem  von  gewaltigen  Bergkolossen  einge- 
schlossenen, aber  um  28.8  Toisen  tiefer  gelegenen  Tamsweg  (2.57*) 
und  dem  höher  gelegenen  Bad  Gast  ein  mit  der  Jahrestemperatur  von 
4.29®.  Diese  Unterschiede  werden  vorzüglich  bedingt  durch  die  Rich- 
tung und  Höhe  der  Gebirgszüge  und  Joche,  welche  die  Thäler  einschließen, 
so  wie   durch  die  Nähe   und   den  Umfang   der   Schnee-   und  Eüsberge. 

Nachstehend  sind  die  durchschnittlichen  Mittel  und  Extreme  der 
für  das  Klima  Salzburgs  maßgebenden  Stationen  verzeichnet.  Dieselben 
sind  zwischen  dem  47®  4'  und  48®  3'  Breitegrade  vertheilt  and  ihrer 
Elevation  nach  folgendermaßen  gelegen:  Kremsmünster  196'8  Toisen, 
Salzburg  2239  T.,  Reichenhall  236*9  T.,   Grubhof  bei  Lofer  218-0  T., 


453 

St  Johann  in  Tirol  352-0  T.,  Tamsweg  457-7  T.,  Alt-Aussee  4895  T. 
and  Bad  Oastein  506*5  T. 

a)  Mittel  der  Temperator  des  Jahres  und  der  Jahreszeiten. 


Jahr 

Winter 

FrnbliBg 

Sommer 

Herbst 

Kremsmttnster 

+6-22 

—1-49 

+6-39 

+13-52 

+6'48 

Salzburg 

6-79 

-0.74 

6.69 

13-97 

7-23 

Reichenhall 

7-81 

+0-85 

7-75 

14-64 

8-02 

Lofer 

6-51 

—1-30 

6-91 

13-27 

716 

St.  Johann  L  T. 

5-46 

3-23 

5-44 

13-48 

6-18 

Tamsweg 

2.57 

5-63 

2-14 

9-99 

3-77 

Alt-Anssee 

5-15 

209 

4-67 

12-32 

5-70 

Bad  Gastein 

4-29 
+5.60 

—2-91 

3-69 

10-87 

5-49 

Mittel 

-2.03 

+5-46 

+12-51 

+6-25 

Es  beträgt  somit  das  Jahresmittel  der  Temperatur  fQr  das  salz- 
burgische  Gebirgsland  +5.60^  ,  die  durchschnittliche  Wintertemperatur 
— 2*03 <>,  die  Frühlingstemperatur  -|-5:46^,  die  Sommertemperatur 
•{-12*51^  und  die  Herbsttemperatur  -|-6*25^,  welche  letztere  höher  ist 
als  die  Frühlingstemperatur  und  nahezu  die  H&lfte  der  Sommer- 
temperatur ausmacht. 

*b)  Temperaturmittel  der  Monate. 


Jänner 

A 

Februar 

März 

A 

April 

A 

Uai 

Juni 

A 

Kremsmünster 

2-76 

-102 

+-211    +6-60    +10-45 

+ 12-86 

Salzburg 

—1-75 

+■008 

2-51 

7-09 

10-48 

13-30 

Reichenhall 

+0-03 

+  1-54 

3-82 

8-46 

10-97 

13-94 

Lofer 

—3-04 

+0-77 

3-30 

7-04 

10-40 

12-67 

St.  Johann  i.  T. 

5-05 

2-57 

1-19 

5-73 

9-40 

13-23 

Tamsweg 

6-72 

—4-62 

1-71 

3-11 

5-04 

9-01 

Alt-Aussee 

—2-42 

1-73 

+0-71 

4-63 

8-68 

11-68 

Bad  Gastein 

3-69 

2-06 

1-50 

4-89 

7-69 

10-42 

Mittel 

—3-18 

1-20 

+  1-30 

5-94 

9-14 

12-14 

Juli 

August 

September 

October 

Novemb. 

Dezemb. 

Kremsmünster 

+ 14-13 

+ 13-58 

+  10-72 

+6-69 

+-2-04 

0-71 

Salzburg 

14-26 

14-36 

11-20 

7-91 

2-58 

—0-56 

Reichenhall 

14-96 

15-02 

11-74 

8-63 

3-70 

+0-98 

Lofer 

13-26 

13-88 

10-44 

7-69 

3-35 

—0-63 

St.  Johann  i.  T 

.   13-77 

13-44 

11-02 

7-31 

0-21 

2-07 

Tamsweg 

10-46 

10-51 

7-22 

4-68 

—0-60 

5-51 

Alt-Aussee 

12-63 

12-65 

9-72 

6-90 

+0-49 

2-13 

Bad  Gastein 

10-99 

11-21 

9-01 

6-50 

0-95 

2-98 

Mittel 

13-06 

13-08 

10-13 

7-04 

1-59 

—1-70 

4M 


Der  k&lteste  Monat  Ist  demnach  der  Jftnner,  das  Mittel  Udbt  ia 
allen  drei  Wintennonaten  anter  Nnll,  der  wArmste  Monat  ist  der 
Aagost  nnd  ihm  znn&chst  der  Jnli. 


Winter 

0 


c)  Ttfaximnm  der  Temperatnr  des  Jahres  and  der  Jahreszeiten. 

Jahr 

+23-33  — 
24-68  +10-29 
8-10 
5-10 
3-0 
7-57 
6-54 


Erenumflnster 

Salzbarg 

Lofer 

St.  Johann 

Tamsveg 

AltrAossee 

Bad  Qastein 

Mittel 


i.  T. 


23-64 
22-17 
1610 
23-45 
22-01 


FrOhling 

0 


+20-52 
20-40 
18-32 
12-9 
19-51 
18-29 


Sommer 

0 

+24-60 
23-64 
22-17 . 
16-1 
23-06 
21-92 


Herbst 

0 

+  19-71 
17-80 
18-50 
14-3 
17-92 
17-72 


2219  6-75        18-32        21-91         17'66 

Während  also  das  Mittel  der  Herbsttemperatar  grdfier  ist  als 
das  der  FrfiUingstemperator,  steigt  das  durchschnittliche  Maximum  des 
Herbstes  nicht  so  hoch  als  das  des  Frfihlings,  woraus  hervorgeht,  das 
die  Temperatnr  im  Frflhjahre  größeren  Schwankungen  unterworfen  ist 
als  im  Herbste. 

d)  Maximum  der  Temperatur  der  Monate. 


J&nner    Februar 

0                       "^ 

M&rz 

April 

Mai 

A 

Juni 

Kremsmünster 

+4-84 

+6-96    +10-44    -1-15-01    +20-14    - 

+21-76 

Salzburg 

7-18 

9-01 

12-66 

16-78 

20-30 

23-17 

Lofer 

4-46 

7-86 

12-06 

15-01 

20-10 

22-47 

St.  Johann  i.  T. 

3-30 

4-85 

9-25 

14-70 

17-88 

20-63 

Tamsweg 

1-0 

1-5 

3-5 

9-5 

12-9 

14-9 

Alt-Anssee 

5-36 

6-60 

9-73 

13-89 

19-00 

21-65 

Bad  Gastein 

4-89 
4-43 

6-49 

9-62 

15-05 

18-14 

20-97 

Mittel 

6-18 

9-61 

14-28 

18-35 

20-79 

JnU 

August 

September 

October 

Novemb. 

Desemh. 

Kremsmflnster 

+22-26 

+21-26 

+ 18-67 

+  15-26  +10-40  +7-13 

Salzburg 

23-67 

23-07 

19-41 

16-86 

1116 

8-06 

Lofer 

22-61 

21-99 

17-80 

15-36 

10-64 

5-62 

St.  Jobann  i.  T 

.    21-88 

21-30 

18-50 

12-95 

7-22 

4-85 

Tamsweg 

15-6 

16-1 

14-3 

8-2 

5-6 

2-6 

Alt- Aussee 

22-12 

22-35 

17-84 

13-90 

9-41 

5-52 

Bad  Gastein 

20-67 

20-89 

17-78 
17-76 

15-08 
13-94 

9-44 
9-12 

3-69 

Mittel 

21-26 

20-99 

5-35 

Das  Maximum    der  Temperatur    ist    somit   im  Monate   Juli  am 
grüßten  und  im  Jänner  am  kleinsten,  nimmt  im  Herbste  viel  langsamer 


466 

Frfliiling  sonimint,   erreicht  abtt*   nieht  die  Höhe   des 


Monate  Mai. 


e)  Minimwn  der  Temperatur  des  Jahres  and  der  Jahreszeiten. 

Jahr       Winter       Frflhling  Sommer       Herbst 

0                       0                       0  0                      0 

Kremsmünster            — 1502        —            —  —            — 

Salzburg                    —13-30    —13-66    —€-43  +603    —2-59 

Lofer                        —1519    —1519    —3-89  4-87    —5-51 

St  Johann  i.  T.         —1802    —18-48    —995  697    —1115 

Tamsweg                    —2200    -22-7      —14-0  11       —12-2 

Alt-Aussee                 —1272    —13-30    —7-22  3-92    —730 

Bad  Gastein               —13-66     —13-87    -7-43  3-47    —7-89 


Mittel  —15-70    —16-20    —8-15        4-44    -7-77 

Auch  das  Minimum  der  Temperatur  f&llt  im  Frühlinge  viel  tiefer 
als  im  Herbste  und  bestätigt  den  excessiren  Charakter  des  Frühlings 
g^ienüber  dem  Herbst. 


f)  Minimum  der  Temperatur  der  Monat« 

). 

Janner 

Februar 

Mirz         kptil 

Mai 

Jani 

Kremsmünster 

—13-57 

11-36 

6-88       2-52 

+  1-15 

+4-87 

Salzburg 

1096 

9-70 

—  6-06   —0-64 

2-68 

6-76 

Lofer 

15-19 

10-36 

3-26   —0-35 

1-97 

6-35 

St.  Johann  i.  T 

.      17-15 

14-52 

9-32    -  1-38 

2-00 

7-23 

Tamsweg 

19-7 

15-0 

lOK)     —4.4 

1-8 

1-4 

Alt-Anssee 

10-41 

10-15 

-  7-12   —2-48 

+1-45 

4-54 

Bad  Gastein 

12-20 

11-66 

7-31       2-15 

1-55 

4-22 

Mittel 

- 14-17 

11-82 

7-14       1-99 

1-29 

4-91 

Jtüi 

Aognst    Septemb.    Octob.      Novemb. 

Deaemb. 

Kremsmünster 

+612 

+6-11 

+2-59    —0-30 

-  4-82 

—  8-86 

Salzburg 

8-19 

+  7-74 

+4-66    +0-97    - 

-  4.99 

—  8-55 

Lofer 

7-40 

6-67 

3-81    +1-08   - 

-  5-61 

—10-15 

St.  Johann  i. 

T.      8-95 

7-08 

2-12    +0-32   - 

-11-lS 

-14-30 

Taibaweg 

4-0 

3-3 

2-0     —4-4     - 

-12-0     • 

—16-6 

Alt-Aossee 

5-96 

5-70 

3-21    —0-75 

-  7-30   • 

-10-15 

Bad  Gastein 

5-87 

4-78 

2-81    +0-20   - 

-  7-85   ■ 

11-21 

Mittel 

6-64 

5-91 

3-03    —0-41 

-  7-67    - 

-11-39 

Am  tiefsten  sinkt  somit  die  Temperatur  im  Monat  J&nner,  das 
höchste  Minimum  ist  im  Juli,  die  Minima  der  Frühlingsmonate  fallen 
viel  tiefer  als  die  der  Herbstmonate.  Unter  Null  sinkt  die  Temperatur 
durchschnittlich  in  den  sieben  Monaten:  Dezembw,  Jftnner,  Februar, 
M&rz,  April,  October  und  November, 


46« 

g)  Ifittlere  Yariatioiien  der  Tempeiatur  des  Jahres  und  der  Jafaresniteii. 

Jahr  Winter  Frflhling  Sommer  HertMt 

0                        0  0  0  0 

EremsmOnster            38*35           —  —  —  — 

Salzburg                    37-98  2386  26*97  18-57  25-00 

Lofer                        38-83  23-29  2429  18-77  2331 

St  Johann  i.  T.        40-19  23-58  2827  15-20  29-65 

Tamsweg                    38-1  25-7  26-9  14-7  26-5 

Alt-Aussee                 3617  20-87  2673  1914  25-22 

Bad  Gastein               3567  2041  25-72  18-43  2557 


Mittel  \.7-89        2295        2648        1747         2587 

Der  durchschnittliche  Unterschied  zwischen  der  höchsten  und 
tiefsten  Temperatur  des  ganzen  Jahres  beträgt  somit  nahezu  38  Grad, 
am  geringsten  ist  diese  Variation  im  Sommer,  wo  sie  aber  immerhin 
noch  über  17  Grad  betragt,  am  größten  ist  dieselbe  im  Frflhling  und 
im  Herbst. 

h)  Mittlere  Variation  der  Temperatur  der  Monate. 

J&nner     Februar       März  April         Mai         Juni 

Kremsmflnster  18-41  18-32  .17-32  17^-53  18''-99  16-89 

Salzburg  18-14  18-71  18-66  17-42  17-62  16-41 

Lofer  19-65  18-22  15-32  15-36  18-13  17-12 

St.  Johann  i.  T.  20-45  19-37  18-57  16-08  15-88  13-40 

Tamsweg  20-7  16-5  13-5  13-9  14-7  13-5 

Alt-Aussee  15-77  16-75  16-85  16-37  17-55  17-11 

Bad  Gastein  17-15  18-09  16-93  17-20  16-59  16-75 


Mittel  18-61  17-99  16-74  16-27  17-07  15-88 

Juli  August  Septemb.  October  Novemb.  Desemb. 

Kremsmflnster  16-14  15-15  16-08  15-56  15-22  15-98 

Salzburg  15-48  15-33  14-75  15-89  16-15  16-61 

Lofer  15-21  15-32  13-99  14-28  16-25  15-77 

St.  Johann  i.  T.  12-93  14-22  16-38  12-63  18-37  19-15 

Tamsweg  11-6  12-8  12-3  12-6  17-6  19-1 

Alt-Aussee  16-16  16-65  14-63  14-65  16-71  15-67 

Bad  Gastein  14-80  16-11  14-97  14-88  17-29  14-90 


Mittel  14-62      15-08       14-73       14-36       16-79       16-74 

Den  Monaten  nach  ist  die  Temperatur  im  Jänner  und  Febmar 
am  unbeständigsten,  im  October,  Juli,  August  und  September  am  gleich- 
mäßigsten. 

Um  jedoch  das  Klima  einer  Gegend  gehörig  zu  wflrdigen,  reichen 
die  besprochenen  durchschnittlichen  Extreme,  welche  beide  für  klinia- 
tologische  Untersuchungen  und  Vergleiche  unentbehrlich  sind,  nicht  aus; 


457 

maa  miiss  auch  besonders  fülr  die  Praxis  die  absolut  höchsten  und 
tie&ten  Werte  kennen,  bis  zn  denen  die  Temperatnr  steigen  oder  fallen 
kann.  Zn  diesem  Zwecke  eignen  sich  in  der  besprochenen  Gegend 
besonders  die  langjährigen  Beobachtungen  in  der  Stadt  Salzburg,  welche 
nachstehend  folgen. 

i}  Absolute  Extreme  der  Temperatur. 
(Stadt  Salzburg.) 
Absolut  höchstes    Absolut  tiefstes       Absolute 


" 

Maximum 

Minimum 

Variationen 

Jahr 

4  28-0 

—240 

52-0 

Winter 

+  141 

24-0     . 

38-1 

Frühling 

+25-4 

—16-0 

41-4 

Sommer 

+280 

—  3-3 

24-7 

Herbst 

+22-6 

10-9 

33-5 

Jänner 

+  13-2 

240 

37-2 

Februar 

+  141 

18-7 

32-8 

M&rz 

+  18-1 

16-0 

341 

April 

+20-7 

5-2 

0 

25-9 

Mai 

+25-4 

-  1-1 

26-5 

Juni 

+27-6 

+  3-3 

24-3 

Juü 

+28-0 

+  4-3 

23-7 

August 

+26-3 

-H  4-4 

21-9 

September 

+22-2 

+  0-3 

21-9 

October 

+22-6 

i-n 

24-3 

November 

+  15-5 

10-9 

26-4 

Dezember 

+  11-4 

17-0 

28-4 

Die  Temperatur  der  Luft  kann  somit  im  Juli  bis  auf  28  Grad 
steigen  und  im  Jänner  bis  auf  24  Grad  unter  Null  fallen,  was  eine 
absolute  ündulation  von  52  Grad  ergibt;  wollte  man  jedoch  die  im 
selben  Jahre  in  Tamsweg  mit  — .28  beobachtete  Kälte  in  Rechnung 
bringen,  so  ergibt  sich  fßr  das  ganze  Land  eine  absolute  Variation  von 
56  Grad,  also  nahe  zwei  Drittel  der  absoluten  Variation  der  ganaen 
Erde  mit  93^,  zwischen  45^  im  Schatten  einer  Oase  der  nubischen 
Wüste  und  — -48®  im  nördlichen  Sibirien. 

D^  Jahreszeiten    nach    entfernen    sich    die  Extreme    am  meisten 
im  Frühling,    wo  die  Temperatur   bis   auf    25*4  Grad    im  Mai  steigen 
and    bis    auf    — 16*0    Grad     im    März    fallen    kann,    am    wenigsten 
entfernen  sich  dieselben    im  Sommer,    wo   die  Temperatur   nicht  unter 
3*3  Grad    und    zwar    im  Juni    herabsinkt.    Den  Monaten   nach    )[ia\>eu 
Jftnner,    Februar    und  März    die  größten,    August    und  September   die 


458 

geringsten  Extreme.  Mit  Ausnahme  der  Sommermonate  erhält  sicfa  das 
Minimum  der  Temperatur  nur  noch  im  September  tkher  Null,  kann  aber 
in  allen  fibrigen  Monaten  unter  Null  fallen.  In  Tamsweg  kann  aber  die 
Temperatur  mit  Ausnahme  des  Monates  Juli  in  allen  flbrigen  Monaten 
bis  auf  Null  und  tiefer  fallen,  Oberhaupt  ist  daselbst  das  Mininunn  im 
Winter,  Frahling  und  Herbste  nahe  um  10  Grad  tiefer  als  in  der  Stadt 
Salzburg. 

Was  die  täglichen  Extreme  anbelangt,  so  sind  dieselben  zu  allen 
Jahreszeiten  sehr  bedeutend,  besonders  im  Frühling ;  selbst  im  Sommer 
kann  die  Tagesvariation  bis  20^  in  der  Stadt  Salzburg  erreichen  and 
ist  im  Gebirg  noch  größer,  wo  die  Temperatur  in  den  engen  Thäleni 
bei  Windstille  mittags  bis  24®  erreichen  kann,  während  das  Thermo- 
meter vor  Sonnenaufgang  fast  auf  Null  Grad  stand.  Reif  ist  daselbst 
besonders  häufig  im  April,  Mai,  September  und  October,  kann  aber  auch 
in  allen  drei  Sommermonaten  eintreffen. 

Einem  Manuscripte  des  verstorbenen  yerdientdn  Beobachters  m 
Lofer,  J.  F  er  Chi,  entnehme  ich  nachstehende  Daten  Aber  die  Jahres- 
temperatur „nach  Beobachtungen^  wie  es  daselbst  heißt.  Die  mittlere 
Jahrestemperatur  beträgt  fOr  Unken  -|-7'7<>  R.,  Saalfelden  -|-4'5^, 
Leogang  +4-7o  und  Falleck  -+-4-75<>. 

2.  Niederschläge.  (Regen  und  Schnee.) 

In  Bezug  auf  die  messbaren  Niederschläge,  welche  die  besprochene 
Gegend  besonders  auszeichnen,  soll  zunächst  die  Häufigkeit,  dann  die 
Menge  und  die  sich  daraus  ergebende  Dichtigkeit,  der  Form  nach, 
insbesondere  die  Häufigkeit  des  Schnees  behandelt  werden. 

a)  Häufigkeit  der  Niederschläge  des  Jahres  und  der  Jahreszeiten. 


Jahr 

Winter 

Frahling 

Sommer 

Herta* 

Kremsmfinster 

128-2 

30-9 

31-2 

38-7 

27-8 

Salzburg 

168-9 

38-2 

46-7 

47-4 

36-5 

Beidienhall 

149-0 

30-6 

40-5 

48-5 

29-4 

St.  Johann  i.  T. 

129-4 

23-0 

34-5 

41-2 

30-7 

Tamsweg 

128-0 

— 

— 

— 

Alt*Aii88ee 

171-2 

38-1 

461 

53-7 

33-3 

Bad  Gastein 

158-4 

25-9 

37-4 

57-8 

36-3 

Mittel 

147-6 

31-1 

39-4 

47-9 

32-3 

Im  Durchschnitt  entfallen  also  auf  das  salzburgische  Gebirgdand 
148  Tage  mit  Niederschlägen  (in  Wien  144  Tage) ;  die  'meisten  kommen 
in  Alt-Aussee  und  der  Stadt  Salzburg  vor,  wo  in  einem  Jahre 
224  Niederschlagstage  verzeichnet  werden;  durchschnittlich  regßtii  es 
aber  im  östlichen  Alpoizuge  häufiger  als  bei  Salzburg,   im  Tieigebixse 


469 

Salzburgs  wieder  seltener  als  im  Flachlande.  Am  häufigsten  fallen  die  Nieder- 
schlftge  in  allen  Stationen  im  Sommer  (in  Wien  beträgt  die  Zahl  derselben  37). 

b)  Häufigkeit  der  Niederschläge  der  Monate. 


Sremsmiliister 

J&nner 

0 

103 

Februar 

0 

10-2 

Mftns 

0 

11-0 

April 

0 

9-6 

Mai 

0 

10-6 

Juni 

0 

12-8 

Salzbnig 

12-8 

13-7 

15-8 

16-6 

14-7 

16-5 

Bdehenhall 

lOO 

103 

12-8 

12-7 

15-0 

16-5 

St  Johann  i.  T. 

5-7 

8-3 

10-0 

11-0 

13-5 

12-0 

Alt-Anssee 

121 

21-1 

16-2 

14-3 

15-6 

18-8 

Bad  Gastein 

8-9 

8-1 

10-2 

11-1 

161 

18-2 

Mittel 

lOO 

105 

12-7 

12-6 

14-3 

15-8 

JaU 

Augost 

Septemb. 

October 

NoTcmb. 

Dezemb. 

Kremflmfinster 

13-7 

12-2 

9-3 

8-8 

9;7 

10-4 

Salzbarg 

16-9 

14-0 

12-0 

11-7 

12-8 

11-7 

Reichenhall 

17-0 

15-0 

10-8 

8-7 

9-9 

10-3 

St.  Johann  i.  T. 

16-5 

12-7 

11-0 

9-7 

10-0 

9-0 

Alt-Anssee 

18-9 

16-0 

12-8 

10-9 

9-6 

13-9 

Bad  Gastein 

21-6 

18-0 

15-4 

10-7 

11-2 

8-9 

Mittel 

17-4 

14-7 

11-9 

10-1 

10-5 

10-7 

Die  Häufigkeit  der  Niederschläge  nimmt  im  Durchschnitt  fttr  das 
ganze  Land  vom  Jänner  gleichmäßig  zu  bis  zum  Monate  Juli,  wo  die- 
selbe am  größten  ist  und  von  wo  sie  wieder  abnimmt ;  in  den  Monaten 
October,  November,  Dezember,  Jänner  und  Februar  sind  die  Niederschläge 
seltener ,  am  häufigsten  in  den  Monaten  Mai ,    Juni ,    Juli  und  August 

c)  Menge  der  Niederschläge  des  Jahres  und  der  Jahreszeiten. 


Jahr 

Winter 

Hl 

FrOhling 

4tl 

Sommer 

• 

94$ 

Herbst 

tu 

Kremsmünster 

33-89 

70-49 

90-15 

160-62 

85-33 

Salzburg 

40-57 

67-75 

116-35 

200-62 

10217 

Reichenhall 

45-89 

86-95 

118-14 

226-52 

114-34 

St.  Johann  i.  T. 

5101 

85-26 

187-93 

205-47 

133-45 

Tamsweg 

27-22 

Alt-Aussee 

67-47 

182-55 

188-48 

293-26 

145-40 

Bad  Gastein 

31-06 
42-44 

5967 

71-23 

136-66 

105-19 

Mittel 

92-08 

128-71 

203-86 

114-31 

Die  durchschnittliche  jährliche  Menge  der  Niederschläge  beträgt 
für  das  ganze  Land  42*44  Zoll,  also  mehr  als  das  doppelte  der  jähr- 
lichen Menge  in  Wien  (20*53  Zoll).  Am  ausgiebigsten  sind  die  Nieder* 
schlage  in  Alt- Aussee,  St.  Johann  in  Tirol  und  in  Reichenhall  in  Baiern. 
Im  Tiefgebirge  Salzburgs  ist  die  Menge  der  Niederschläge  geringer  aU 
im  Flachlande. 


460 


d)  Menge  der  Niederechläge  der  Monate. 


J&uner 

Februar 

Mars 

Äprii 

Hai 

Juni 

Kremsmflnster 

24-18 

21-88 

26-53 

26-80 

36-82 

52-'36 

Salzbarg 

23-81 

21-99 

26-98 

29-63 

50-^ 

7a31 

Reichenhall 

31-08 

26-56 

30-76 

35-37 

52-01 

74-61 

St  Johann  L  T. 

61-68 

33-14 

52-31 

56-80 

Alt-Anssee 

63-59 

56-71 

60-92 

56-56 

70-60 

92-20 

Bad  Gastein 

22-79 

16-9r 

14-32 

20-19 

36-72 

39-35 

Mittel 

37-85 

29-54 

31-80 

36-81 

50-53 

65-77 

Juli 

August 

Septemb. 

Octob«r 

Novemb. 

Dezemb. 

Kremsmflnster 

55-88 

52-38 

33-77 

27-26 

24-30 

24-43 

Salzbarg 

68-95 

61-36 

46-92 

31-62 

23-63 

21-95 

Reichenhall 

77-69 

74-22 

50-22 

36-76 

32-36 

29-31 

St.  Johann  i.  T. 

85-38 

71-72 

69-68 

35-64 

28-13 

30-44 

Alt-Anssee 

97-02 

104-04 

56-52 

41-92 

46-96 

62-25 

Bad  Gastein 

52-66 
72-93 

44-65 
68-06 

47-31 

23-99 

33-83 
31-54 

19-96 

Mittel 

50-74 

32-87 

31-39 

Der  regenreichste  Monat  ist  demnach  der  Juli  und  diesem  zunächst 
der  August  und  Juni,  im  Februar  fallen  durchschnittlich  die  wenigsten 
Niederschläge.  Aus  den  vorstehend  mitgetheilten  Werten  fidr  die  S&a%- 
keit  und  Menge  der  Niederschläge  ergibt  sich  die  Dichtigkeit  derselben 
wie  folgt. 

e)  Dichtigkeit  der  Niederschlage  des  Jahres  und  der  Jahreszeiten. 


Jahr 

Winter 

FrOhling 

Sommer 

HeriMt 

Kremsmfknster 

3-17 

2-'29 

^^8 

415 

3-04 

Salzburg 

2-88 

1-77 

2-49 

4-23 

2-79 

Reichenhall 

3-69 

2-84 

2-88 

4-68 

4-04 

St.  Johann  i.  T. 

4-74 

3-71 

5-45 

4-95 

4-37 

Tansweg 

2-55 





Alt-Aussee 

4-73 

4-76 

4-09 

5-56 

4-37 

Bad  Gastein 

2-42 

2-30 

1-80 

2-36 

2-89 

Mittel 

3-45 

2-95 

3-27 

4-32 

3-68 

Die  durchschnittliche  Dichtigkeit  der  Niederschläge  mit  3*45  Linien 
ist  sehr  bedeutend,  in  Wien  beträgt  dieselbe  nur  1*71.  Unter  den  an- 
gefflhrten  Stationen  sind  die  in  St.  Johann  in  Tirol  und  in  Alt-Aussee 
am  stärksten,  im  Bad  Gastein,  Tamsweg  und  Salzburg  am  schwächsten 
bedacht.  Der  „Schnürlregen"^  der  Stadt  Salzburg  im  Sommer  ist  welt- 
bekannt, dieser  Ort  muss  aber  den  Stlndeubock  abgeben  auch  fSr 
andere  Orte;  ein  Blick  auf  diese  Jahreszeit  in  vorstehender  Zusammen* 
Stellung  zeigt  uns,  dass  in  Alt- Aussee   und  dem  benachbarten  Iscfal  ein 


461 


noch  gröberer  Schnarregen  vorkommt  und  dftss  derselbe  aach  in  Beichen- 
haU  zu  Hause  ist  wie  in  Kremsmünster;  nur  Bad  Gastein  ist  in  dieser 
Beziehung  begünstigt. 

f)  Dichtigkeit  der  Niederschläge  der  Monate. 


T. 


J&nner 

"f 

2-35 

1-87 
3-11 
3-80 
5-26 
2-56 


Februar 
II» 

2-14 
1-61 
2-58 
3-99 
4-69 
2-09 


üärz 
11» 

2-41 
1-67 
2-40 

3-76 
1-41 


April 
II» 

2-78 
2-38 
2-79 
4-75 
3-98 
1-89 


Mai 

3-47 
3-43 
3-46 
4-21 
4-52 
2-28 


Juni 

4-09 
4-37 
4-52 
4-03 
4-90 
2-16 


Kremsmflnster 

Salzburg 

Reichenhall 

St  Johann  i. 

Alt-Aussee 

Bad  Gastein 

Mittel 

Eremsmünster 

Salzburg 

Reichenfaall 

St.  Johann 

Alt-Aussee 

Bad  Gastein 

Mittel  4^29        4.71        3'95        3-29        3-04        2-86 

Ajn  dichtesten  sind  die  Niederschläge  in  den  Monaten  Juni,  Juli 
und  August,  am  schwächsten  im  März.  Die  geringere  Dichtigkeit  in 
den  •  Wintermonaten  bezieht  sich  selbstverständlich  auf  den  Schnee, 
welcher  trotz  des  dichtesten  Schneegestöbers,  wie  es  bei  Salzburg  und 
besonders  in  den  Gebirgen  vorkommt,  doch  nicht  so  viele  Quantitäten 
Wasser  liefert,  wie  der  Regen. 

g)  Größte  Menge  der  Niederschläge  binnen  24  Stunden. 


316 

2-85 

2-33 

3-10 

3-56 

401 

JuU 

Augnst 

Septemb. 

Octob. 

Movemb. 

Dezemb. 

»r       4-07 

4-29 

3-63 

3-09 

2-40 

2-35 

4-37 

4-38 

3-91 

2-69 

1-84 

1-87 

4-56 

4-95 

4-64 

4-22 

3-27 

2-84 

L  T.   517 

5-64 

4-01 

3-67 

2-81 

3-38 

5-13 

6-50 

4-41 

3-84 

4-89 

4-49 

1          2-44 

2-48 

3-07 

2-24 

3-02 

2-24 

Jahr 

18!^34 

17-66 

3005 

15-02 


Winter        Frühling         Sommer       Herbst 


tu 


in 


tu 


9-90 
23-54 
1059 


11-43 
19-44 
14-41 


15-81 

24-82 

9-02 


12-20 
20O5 
14-67 


Kremsmflnster 

Salzbarg 

Alt-Aussee 

Bad  Gastein 

Mittel  "20-27        1468  15-09  16-5o        1564 

Wie  abnorm  dicht  zuweilen  die  Niederschläge  erfolgen  können, 
sieht  man  aus  vorstehenden  Zahlen;  es  fallen  oft  in  Alt-Aossee  an 
einem  Tage  30  Linien  Regen,  also  mehr  als  in  manchen  Jahren  im 
migarisehen  Tieflande  im  ganzen  Sommer;  in  Salzburg  und  Krems- 
mflnster kommen  18  Linien  vor,  also  mehr  als  häufig  in  Wien  in 
einem  ganzen  Monate.  Bedenkt  man  noch,  dass  obige  Zahlen  Mittd- 
werte    sind   aus  den  Extremen  mehrerer  Jahre,    so  muss  man  freilieh 


462 


staunen,  wenn  man  hört,  dass  es  an  einem  Tage  in  Alt-Anssee  sogar 
36  Linien  nnd  in  Salzburg  25  Linien  regnen  kann.  Aehnliche  Meder- 
)  schlage  kommen  anch  im  Gebirge  Yor  und  machen  die  häufigen  üeber- 
schwemmungen  der  Salzach  in  ihrem  Ober-  und  Unterianf,  so  wie  die 
verheerenden  Wirkungen  der  Wildbäche  begreiflich,  welche  in  der 
kflrzesten  Zeit  zu  Flflssen  anschwellen  und  alles  mit  sich  fortrafieo, 
was  ihnen  in  den  Weg  kommt 


h)  Größte  Menge  binnen  24  Stunden. 


Kremsmflnster 
Salzburg 
Alt-Aussee 
Bad  Gastein 
Mittel 

Eremsmünster 
Salzburg 
Alt-Aussee 
Bad  Gastein 
Mittel  ~~ 


J&nner 

»#» 

7-17 

8-27 

16-54 

5-32 

9-33 
Juli 

11-86 

12-16 

17-74 

8-87 


Februar 

5-31 

6-33 

15-58 

5-94 


lUrz 

7-22 

6-50 

18-00 

4-04 


April 

7-00 

8-21 

13-20 

7-15 


Mai 

»ff 

9-75 
10-27 
12-88 
11-06 


Juni 

12-28 

13-09 

17-18 

7-18 


8-29 

August 

12-36 

12-70 

22-27 

6-33 


8-94 
Septemb. 
11-00 
12-67 
14-33 
10-76 


8-89 

Octob. 

7-83 

7-82 

12-39 

5-60 


10-99 

NoTemb. 

7-31 

6-35 

13-39 

8-55 


12-43 

Decenb. 

6-48 

7-31 

1204 

5-68 


8-90        7-88 


12-66      13-42      12-19        8-41 

Aus  yorstehender  ZosammensteUaiig ,  welche  fflr  die  Verglächoi^ 
mit  anderen  L&ndern  von  Wichtigkeit  ist,  geht  aufler  d«n  bereits  oben 
gesagten  hervor,  dass  im  östlichen  Gebirgszuge  anch  ein  sehr  dichter  nod 
ausgiebiger  Schneefall  vorkommt,  welcher  den  größten  Mmgoi  des 
Regens  im  Sommer  nicht  gar  so  sehr  nachsteht.  Die  SchneefiUle, 
auch  die  minder  dichten  im  Gebirge,  sind  um  so  charakteristischer, 
als  der  Schnee  liegen  bleibt  und  nicht  so  schnell  in  die  Erde  dringt 
oder  verdunstet  wie  der  reichliche  Regen  im  Sommer.  Groflariige 
Schneeverwehungen  sind  daher  im  (Gebirge  keine  Seltenheit. 

Was  die  Häufigkeit  des  Schneefalles  anbelangt,  so  folgt  dieselbe 
ans  nachfolgender  ZusammensteUung. 

i)  H&ufigkeit  des  Schnees  im  Jahre  und  in  den  Jahreszeiten. 


Jahr 

Winter 

Frohling 

Sommer 

Herbst 

Kremsmflnster 

29-2 

18-5 

7-5 

00 

3-2 

Salzburg 

38-4 

20-7 

11-5 

0-0 

6-2 

Tamsweg 

44-2 

. 

Alt-Anssee 

72-5 

37-7 

21-8 

0-5 

12-5 

Bad  Gastein 

48'7 

23-9 

14-0 

0-4 

10-4 

Mittel 

46-6 

25-2 

13-7 

0-2 

8-1 

463 

Es  kommen  somit  im  salzburgischen  Alpenlande  jährlich  47  Schnee- 
tage vor;  am  häufigsten  schneit  es  im  Ostlichen  Gebirgszuge  und  häufiger 
im  südlichen  Gebirg  als  im  Flachland.  Im  Frühjahr  schneit  es 
häufiger  als  im  Herbst,  Schneefälle  kommen  aber  auch  im  Sommer  im 
Gebirg  und  selbst  in  den  Thftlem  vor. 

k)  Häufigkeit  des  Schnees  in  den  Monaten. 


J&nner 

Februar 

Hftrz 

April 

Mai 

Juni 

Kremsmflnster 

6-7 

6-4 

5-1 

2-3 

0-1 

0-0 

Salzbni^ 

7-2 

8-2 

7-9 

3-7 

0-3 

OO 

Alt-Aniwee 

12-0 

11-8 

13-8 

6-2 

1-8 

0-5 

Bad  Oastein 

8-8 

6-7 

6-6 

5-6 

1-8 

0-4 

Mittel 

8-7 

8-3 

8-4 

4-5 

"1-0 

0-2 

Juli 

August 

Septemb. 

Octob. 

NoTcmb. 

Dezemb. 

Eremsmflnster 

OO 

0-0 

0-0 

0-3 

2-9 

5-4 

Salzburg 

0-0 

0-0 

0-1 

0-6 

5-5 

5-3 

Alt-Anssee 

OO 

OO 

0-2 

2-5 

9-8 

13-9 

Bad  Gastein 

OK) 

0-0 

0-6 

1-6 

8-2 
6-6 

8-4 

Mittel 

0-0 

0-0 

0-2 

1-3 

8-3 

Der  schneereichste  Monat  ist  der  Jänner  und  diesem  zunächst 
der  Februar  und  December;  im  Flachlande  schneit  es  in  den  Sommer- 
monaten Juni,  Juli  und  August  nicht,  im  südlichen  und  Östlichen  Gebirge 
in  den  Monaten  Juli  und  August  nicht,  in  Lungan  kommen  aber  Schnee- 
fille  auch  in  diesen  Monaten  vor. 

3.  Feuchtigkeit 

Was  die  Feuchtigkeit  der  Luft  anbelangt,  so  sind  leider  nur  in 
den  drei  Stationen  Kremsmünster,  Salzburg  und  Alt-Aussee  längere  und 
ausführlichere  Beobachtungen  hierüber  angestellt  worden,  deren  Resultate 
ans  ein  annäherndes  Bild  dieses  klimatischen  Factors  für  die  besprochene 
Gegend  liefern. 

Feuchtigkeit  der  Luft  in  Procenten. 


KremsmOnster 

Salzburg 

Alt-Anssee 

Jahr 

7, 
80-98 

79-97 

77-15 

Winter 

92-4 

85-85 
88-18 

Frflhling 

7. 
76-4 

74-67 

71-83 

Sommer 

7. 
72-5 

75-54 

72-82 

'73-62' 

Herbst 

7. 
85-5 

83-84 

79-12 

Mittel 

79-37 

88-81 

74-30 

82-82 

Die  Feuchtigkeit  der  Luft  mit  79'4  Procent  ist  eine  bedeutende« 
und  zwar  ist  dieselbe  im  Winter  am  größten,  im  Sommer  am  ge- 
ringsten. 


464 

Feuchtigkeit  der  Lnft  der  Monate. 


Kremsmünster 

J&imer 

92-8 

Februar 

7. 
91-6 

Mirz 

7„ 
806 

April 

0/ 

/o 

70-2 

Mai 

7, 
68-5 

Jimi 

7, 
69U 

Salzburg 

86-3 

83-9 

77-8 

73-3 

72-9 

76-0 

Alt-Aussee 

88-2 

87-6 

78-6 

69-4 

67-5 

731: 

Mittel 

89-1 

87-7 

79-0 

71-U  " 

Ö9-6 

72-9 

Juli 

August 

Septemb. 

Oclob. 

Novemb. 

Dezemb. 

Eremsmünster 

72-9 

75-0 

80-4 

85-9 

91-3 

92-9 

Salzburg 

73-9 

76-7 

81-0 

83-8 

8G-7 

87-3 

Alt-Aussee 

72-2 

73-1 

74-5 

76-6  . 

86-2 

88-7 

Mittel 

73-0 

74-9 

78-G 

82-1 

88-1 

89-6 

Unter  den  einzelnen  Monaten  ist  die  Luft  im  December  am  feuchtesten, 
und  im  Mai  am  trockensten;  die  Feuchtigkeit  in  der  Stadt  Salzburg 
fiel  während  des  ganzen  25jährigen  Zeitraumes  nicht  unter  21  Prozent 
herab.  Dieser  reichliche  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  erklart  auch 
die  zahlreichen  und  sehr  ausgiebigen  Thauniederschläge,  wie  sie 
nicht  nur  im  Flachlande,  sondern  auch  im  Gebirg  vorkommen. 

4.  T  h  a  u. 

Ffir  die  Beurtheilung  des  Klimas  einer  Gegend  ist  besonders  mit 
Rücksicht  auf  die  practischen  Zwecke  der  Landwirtschaft  die  Häufig- 
keit und  Menge  des  Thaues  von  Wichtigkeit,  leider  werden  an 
unseren  meteorologischen  Stationen  hierüber  keine  Beobachtungen  ange- 
stellt. Im  allgemeinen  kann  man  sagen,  dass  die  Thauniederschläge  in 
Salzburg  sehr  häufig  und  auch  sehr  dicht  sind,  was  sich  schon  aus 
dem  bedeutenden  Feuchtigkeit^ehalt  der  Luft  vbrmuthen  l&sst. 

5.  Nebel. 

Die  durchschnittliche  Anzahl  der  Tage  mit  Nebel  schwankt  zwischen 
59  in  Salzburg  und  9  in  Lofer;  am  häufigsten  sind  dieselben  am  die 
Stadt  Salzburg  und  am  seltensten  in  Niederpinzgau.  Im  Winter  und 
Herbste  kommen  die  meisten  Nebel  im  Flachlande,  die  wenigsten  in 
den  Taurenthälem  und  Niederpinzgau,  dagegen  im  Sommer  die  meisten 
in  den  Taurenthälem  (IGj  vor.  Am  gleichmäßigsten  sind  sie  im  Früh- 
jahr, am  ungleichmäßigsten  im  Winter  und  Herbst  vertheilt.  Die 
Stadt  Salzburg  hat  im  Winter  23,  im  Frühling  7,  im  Sommer  6,  im 
Herb^  23  Tage  mit  Nebel ;  die  meisten  (10)  kommen  im  November  vor. 

6.  Gewitter. 

Die  meisten  Tage  mit  Gewittern  kommen  im  Flachlande  vor  (29), 

die    wenigsten   im   östlichen    Alpenzuge   (9);    im    Frühjahre    sind    sie 

häufiger  als  im  Herbst,   wo  sie  in  Niederpinzgau  sehr  selten  anftreten. 

In  der  Stadt  Salzburg  kommen  Gewitter  auch  im  Winter  vor  (0.18),  das 


465 

Frfll^jahr  zfihlt  6,   der  Sommer  20   nnd   der  Herbst   3  Tage  mit  Ge- 
wittern, am  hftufigsten  im  Juni  and  Joli  mit  je  7  Tagen. 

7.  Hagel. 
Der  Hagel  kommt  der  durchschnittlichen  jährlichen  Zahl  nach  am 
h&afigsten  mit  3*5  Fällen  um  die  Stadt  Salzbarg  hemm  and  mit 
2*6  Fällen  im  Tanrengebirge,  am  seltensten  mit  OB  F&Uen  an  der 
nördlichen  Grenze  vor.  Die  Stadt  Salzbarg  hat  im  Frflhlinge  1*3,  im 
Sommer  1*4  und  im  Herbste  0'7  HagelffiUe,  am  häofigsten  im  Jani 
mit  0-8. 

8.  Bewölkung. 

Dieselbe  ist  dem  ganzen  Jahre  nach  '  im  Flachland  and  im 
östlichen  Alpenzage  gleich  and  zwar  sind  daselbst  bedeutend  „mehr 
trübe"  Tage  (212)  als  „heitere**  Tage  (113);  auch  in  Pinzgau  und 
Pongau  flberwiegen  die  trüben  Tage.  Man  kann  also  im  allgemeinen 
sagen,  dass  der  Himmel  im  Salzburgischen  das  ganze  Jahr  hindurch 
mehr  als  zur  Hälfte  mit  Wolken  bedeckt  ist.  Den  Jahreszeiten  nach  ist 
die  Bewölkung  am  geringsten  im  Flachland  während  des  Sommers,  im 
Alpengebirge  im  Herbst  und  in  Niederpinzgau  im  Winter.  Die  heitersten 
Monate  sind  im  Flachlande  der  August  und  September,  in  den  öst- 
lichen Alpen  der  October,  im  südlichen   der  December  und  Jänner. 

Die  Stadt  Salzburg  hat  „mehr  heitere*'  Tage,  im  Winter  32,  im 
Frühlinge  38,  im  Sommer  44,  im  Herbste  39;  „mehr  trübe"  Tage 
im  Winter  58,  im  Frühling  54,  im  Sommer  48  und  im  Herbst  52; 
der  bewölkteste  Monat  ist  der  December. 

Die  Wolken  ziehen  häufig  im  Gebirg  je  nach  ihrer  Höhe  gleich- 
zeitig nach  verschiedenen  Richtungen  und  lassen  auf  verschiedene  Luft- 
strömungen schließen.  Auch  in  der  Stadt  Salzburg  beobachtet  man 
öfters  neben  der  unteren  Windrichtung  an  den  Wolken  noch  zwei 
gleichzeitige  verschiedene  Luftströmungen  übereinander. 

9.  W  i  n  d. 
Dass  die  in  einer  Gregend  herrschende  Windrichtung,  so  wie  die 
Intensität,  mit  welcher  dieselbe  auftritt  zu  den  wesentlichsten  Factoren 
gehört,  welche  das  Klima  dieser  Gegend  charakterisieren,  ist  bekannt 
Leider  sind  die  Beobachtungen  hierüber  gewöhnlich  ziemlich  unvoll- 
ständig und  ungenau,  was  eine  Yergleichung  besonders  von  Gebirgs- 
stationen  erschwert.  Die  allgemeinen  Windrichtungen  des  Polar-  und 
Aquatorialstromes  werden  durch  die  horizontale  und  verticale  Gliede- 
rung des  die  Beobachtungsstation  einschließenden  Gebirges  sehr  modificirt 
ond  der  Beobachter  erfährt  nur  aus  secundären  Erscheinungen  des  Windes 
dessenAbstammung. 

MittknluB.fen  d.  geogr.  G«mU.  18T0.  iO.  3ü 


466 

Jedes  Gebirgsthal  hat  neben  den  oben  genannten  zwei  allgemeinen 
Windrichtungen,  welche  je  nach  der  Lage  des  Thaies  sogar  in  entg^n- 
gesetzter  Richtung  auftreten  können,  noch  seinen  localen  Wind,  welcher 
gleich  den  localen  Winden  der  Inseln  täpglich  weht  Die  kühle  Strömung 
der  Luft  von  den  Eisbergen  und  Felshöhen  gegen  das  Thal  ist  be- 
sonders morgens  und  abends  bemerkbar  und  sie  allein  bewirkt,  dass 
die  Abende  im  Gebirg  selbst  im  Hochsommer  kühl  sind  und  man 
im  Freien  nicht  wie  in  ausgedehnten  Flachländern  vor  Verkühlung 
verwahrt  ist.  So  weht  beispielsweise  in  der  Stadt  Salzburg  morgens 
und  abends  sehr  häufig  ein  localer  SO.  Wind,  welcher  vom  Tannen- 
gebirge  herabkommt;  in  derselben  Richtung  weht  auch  der  unter  dem 
Namen  „Föhn"  bekannte  Äquatorial  wind ,  der  sich  durch  die  ihm  vo^ 
angehende  Steigerung  der  Temperatur  und  seine  Stärke  verbunden  mit 
häufigen  Niederschlägen  auszeichnet,  aber  seltener  und  erträglicher 
auftritt  als  z.  B.  in  Innsbruck.  Der  SO.  und  NW.  wechseln  in  der 
Stadt  Salzburg  das  ganze  Jahr  miteinander  ab.  Stürme  zählt  die  Stadt 
jährHch  in  34-4  Fällen,  davon  8*4  im  Winter,  8^0  im  Frühling,  107 
im  Sommer  und  7*3  im  Herbst;  die  meisten  kommen  aus  W.,  zunächst 
aus  SO.  (darunter  der  Föhn),  sonst  aus  NW. 

In  Lungau  dur<2hziehen  die  beiden  Hanptthäler  das  Mur-  and 
Taurachthal  vorherrschend  der  kalte  NW.  (Tauernwind)  und  der  laoe 
SW.  (Kärtnerwind).  Der  NW.-Wind  bläst  stoßweise,  oft  mit  fürchter- 
licher Gewalt  aus  den  Winkeln  heraus,  eisige  Kälte  verbreitend;  der- 
selbe erscheint  gewöhnlich  nach  anhaltendem  Regen  oder  Schnee  and 
auf  ihn  folgt  heiteres  windstilles  Wetter  mit  sehr  kalten  Nächten.  Der 
SW.-Wind  ist  lau,  bläst  ebenfalls  stoßweise  und  bringt  im  Sommer 
wie  im  Winter  Niederschläge  mit  sich;  das  Thermometer  steht  am 
4  bis  5  Grade  höher,  als  wenn  der  Tauernwind  bläst 

Der  Ostwind  (Steirerwind)  weht  hier  gleichmäßig,  nie  heftig,  jedoch 
nur  selten  und  ist  als  Vorbote  von  Regen  und  Schnee  berüchtigt 

Für  die  Gebirgsthäler  und  Alpen  sind  die  Winde  ebenso  wolthatig 
als  mitunter  verheerend  und  schrecklich.  Sie  reinigen  die  Luft  von  deo 
stagnierenden  Dünsten  sumpfiger  Gegenden,  wie  beispielsweise  in  Ober- 
pinzgau,  im  Gasteiner  Thale,  in  Lungau,  und  der  Südwind  schmelit 
den  Schnee  der  Alpen,  welcher  sonst  zum  Nachtheile  der  Landwirt- 
schaft viel  zu  lange  liegen  bliebe ;  derselbe  entlockt  aber  auch  oft  früh- 
zeitig Knospen  und  Blüten  der  Pflanzen,  um  sie  den  Frösten  des 
häufigen  Nachwinters  preiszugeben.  Die  Stürme  schleudern  Schneelawinen 
herab,  stürzen  Wälder  um  und  entkleiden  die  Felsen  des  Rasens  and 
der  Humusdecke. 


467 

10.  Allgemeiner  Charakter  des  Klimas. 

Das  Klima  des  salzburgischen  Alpenlandes  charakterisieren  ünbe* 
ständigkeit  und  rascher  Wechsel  der  Temperatur,  hoher  Feuchtigkeits- 
gehalt der  atmosphärischen  Luft,  starke  Bewölkung  und  bedeutende  Dichtig- 
keit der  Niederschläge,  sowie  deren  Häufigkeit  im  Sommer. 

Den  klimatischen  Jahreszeiten  nach  herrschen  hier  im  allgemeinen 
lang  andauernde  Winter  oder  kürzere  Winter  mit  regelmäßigem  Nach- 
winter, kurze  Frühlinge  mit  rascher  Zunahme  der  Temperatur,  regen- 
reiche Sommer  mit  plötzlichen  und  bedeutenden  Temperaturschwankungen 
und  schöne,  im  Flachlande  lange  andauernde  Herbste. 

Ueberhaupt  ist  das  Klima  des  Flachlandes  Salzburgs  milder  als 
jenes  im  Gebirge;  während  der  Winter  dort  Ende  October,  meist  erst 
im  November  eintritt,  beginnt  derselbe  in  den  engen  von  Gletschern 
umgebenen  Alpenthälern  schon  anfangs  October  oder  sogar  Ende 
September ;  auf  mäßig  hohen  Terassen  verlassen  Senner  und  Sennerinnen 
im  October  die  Alpen. 

Der  Frühling  beginnt  im  flachen  Lande  gewöhnlich  anfangs  April 
und  dauert  bis  Ende  Mai,  anfangs  Juni;  oft  sind  aber  schon  im  März 
Wald  und  Fluren  mit  zartem  Laub  und  farbigen  Blumen  der  Erstlinge 
der  Frnhlingsflora  geschmückt,  und  im  Mai  steht  alles  in  der  schönsten 
BlfithenfüUe.  Auf  mäßigen  Höhen  beginnt  der  Frühling  anfangs  Juni 
und  ist  sehr  kurz,  auf  sehr  hohen  Alpen  und  überhaupt  auf  den  Tauem 
bildet  der  Monat  Juli  den  Frühling,  der  August  den  Sommer,  der 
September  den  Herbst  und  die  übrigen  Monate  den  Winter. 

Der  Sommer  beginnt  im  Flachlande  gewöhnlich  anfangs  oder  Mitte 
Juni  und  dauert  bis  Ende  August,  welcher  Monat  meist  der  wärmste 
ist;  auf  mäßigen  Höhen  beginnt  er  erst  im  Juli  und  auf  sehr  hohen 
Alpen  bildet,  wie  schon  erwähnt  wurde,  der  Monat  August  den  Sommer 
und  selbst  in  diesem  Monate  geht  hier  nicht  selten  der  Regen  in  Schnee 
über ;  auf  manchen  Höhen  und  in  vielen  Felsschluchten  ist  der  Sommer, 
auf  wenige  etwas  wärmere  Tage  beschränkt  und  der  Winter  herrscht 
sonst  das  ganze  Jahr  hindurch.  An  sonnigen  Gehängen  der  Hochalpen 
«tagt  die  Temperatur  dessenungeachtet  oft  auf  einen  viel  höheren  Grad 
als  im  Flachlande,  eine  Folge  der  Insolation,  wie  auch  neuerdings 
Mflhry  in  den  Schweizer  Alpen  nachwies,  dass  im  Sommer  zu  Mittag 
die  Temperatur  mit  der  Erhebung  des  Bodens  steigt  uud  größer  ist 
als  im  Flachlande  in   freier  Luft. 

Der  meistens  schöne  und  weniger  niederschlagsreiche  Herbst  tritt 
im  Flachlande  mit  seinen  empfindlich,  kühlen  Abenden  im  September 
ein    und    dauert;  meist    bis  Mitte  November,   auf  mittleren  Alpenhöhen 

30* 


468 

jedoch  nur  bis  Mitte  October  und  aiif  den  höchsten  Alpen  und  eisigen 
Oebirgsthftlem   dauert  er  nur  den  September  hindurch  ')• 

Auf  den  Höhen  Salzburgs  wechseln  überhaupt,  wie  schon  Braune 
trefflich  bemerkt  hat,  eigentlich  nur  zwei  Jahreszeiten  beständig  mit 
einander  ab,  nämlich  der  Winter  und  der  Sommer,  welchen  Gegensätzen 
selbst  auch  Tag  und  Nacht,  Sonnenschein  und  Schatten  unterliegen. 
Während  in  vielen  Thälern  der  Tag  zu  jeder  Jahreszeit  viel  kflrzer, 
die  Nacht  dagegen  viel  länger  als  auf  dem  flachen  Lande  ist,  bleibt 
auf  hohen  Alpen  der  Tag  im  Sommer  viel  länger  und  die  Nacht  viel 
kürzer. 

Es  gibt  auch  Schluchten  und  Bergabhänge,  welche  in  einzelnen 
Jahresperioden  nie  tou  der  Sonne  beleuchtet  werden,  so  gelangt  z.  B. 
in  die  Gegend  der  bekannten  Marmorkugelmühlen  und  Marmorbrüche 
am  Fuße  des  Untersberges  vom  October  bis  zum  Februar,  also  durch 
vier  Monate,  kein  directer  Sonnenstral.  Die  Schattenseiten  der  Berge 
(Schattenberge)  werden  nur  selten  und  auf  kurze  Zeit  von  der  Sonne 
beschienen,  iSfnger  die  Sonnseiten  (Sonnenberge). 

Aber  auch  alle  vier  Jahreszeiten  vereinen  sich  brüderlich  auf 
andere  Alpengefilden,  indem  da  im  Juli  und  August  Felsschlünde  mit 
Schnee  gefüllt  sind,  an  deren  schmelzendem  Rande  die  Frühlingserstlinge 
der  Alpenflora  (Soldanella  alpina,  Rhododendron  hirsutum  etc.)  blühen; 
unweit  davon  auf  sonnigen  Felskuppen  die  Zierden  des  Alpensommers 
(Azalea  procumbens,  Cistus  alpestris,  Aster  alpinus,  Saxifrageen  etc.) 
und  tiefer  unten  auf  Alpenterassen  die  Vertreter  des  Alpenherbstes 
(Gentiana  asciepiadea,  pannonica,  Adenostyles  alpina  u.  albifrons,  Yera- 
trum  album,  Aconitum-Arteu  etc.)  den  Boden  zieren. 

So  wie  die  Atmosphäre  in  Beziehung  auf  Temperatur  und  Gehalt 
an  Feuchtigkeit  auf  dem  flachen  Lande,  in  tiefen  Gebirgsthälem,  Berg- 
Bchluchten  und  hohen  Alpengefilden  sehr  verschieden  ist,  so  ist  auch 
der  Boden  verschieden,  der  die  Sonnenstralen  absorbiert  oder  reflectiert, 
der  die  Niederschläge  aufnimmt  oder  verdunstet  und  somit  auf  beide 
Factoren  von  wesentlichem  Einflüsse  ist;  namentlich  zeigt  derselbe  be- 
deutende Unterschiede  in  dem  Granit-  und  Schiefergebirge,  d&i  Kalk- 
alpen und  dem  Hügel-  und  Flachlande.  Auf  den  Ealkalpen  und  in  ihrer 
nächsten  Nähe  der  Boden  sehr  trocken  und  sandig ,  daher  die  häufigen 
Niederschläge  und  der  hohe  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  der  Yegetatios 


^)  Braune  sagt  (S.  7.) :  Schön  ist  gfwöhuiich  der  Herbst  und  oft,  so  wie 
in  Nordamerica  lange  warm;  wirklich  kommen  auch  Pflanzen  aus  diesem  Lande 
der  neuen  Welt  in  der  Umgebung  von  Salzburg  im  freien  sehr  gut  fort,  z.  B. 
Galycauthos  floridus,  Phlox  paoicolata  PJatanus,  occidentalis,  Rhas  Typhinom, 
Bobinia  Pseud^Acacia,  Kubus  odoratus,   Thuja  occideDtalis  etc. 


469 

am  Fnße  derselben  and  auf  mäßigen  Höhen  nicht  nur  sehr  gflnstig, 
sondern  nothwendig  sind;  dessenungeachtet  ist  der  Blicken  und  die 
Kuppen  derselben  sehr  wasserarm  und  die  Vegetation  daselbst  sehr 
spärlich,  selbst  an  Cryptogamen  (namentlich  Lichenen)  nicht  so  reich 
wie  das  Schiefer-  nnd  Granitgebirge,  in  dessen  Thfilem  der  Boden  mehr 
feucht  und  nass,  ja  häufig  sehr  sumpfig  ist,  wie  namentlich  in  Ober- 
pin2gau,  zum  Theile  auch  in  Pongau  und  Lungau. 

B.  Rückwirkung  der  klimatischen  Verhältnisse   auf  die 

Vegetation. 

Die  besprochenen  Eigenschaften  des  Klimas  von  Salzburg  sind  dem 
Gredeihen  der  einheimischen  Pflanzen  zuträglich,  oder  besser  gesagt, 
diesen  Eigenschaften  entspricht  ist  auch  die  Vegetation  sowol  ihrer 
Ausbreitung  und  ArteuTerschiedenheit,  als  ihrem  periodischen  Entwicklungs- 
gange nach,  während  die  fremden,  größere  und  constantere  Wärme  so  wie 
geringere  Feuchtigkeit  erheischenden  Pflanzen  daraus  Nachtheil  ziehen  ^). 

Gerade  der  größere  Wechsel  der  Temperatur  der  Idealität  nach, 
die  vorherrschende  Feuchtigkeit  der  Luft  und  ihre  diverse  Dichtigkeit 
in  verschiedenen  Höhen,  verbunden  mit  der  Mannigfaltigkeit  der  Boden- 
bescha£fenheit ,  je  nach  der  Unterlage,  die  als  Granit,  Gneiß  und 
Glimmerschiefer,  als  Urthonschiefer ,  als  Kalk,  als  verschieden  zu- 
sammengesetzter Sandstein  älteren  und  jüngeren  Ursprungs  auftritt, 
gerade  diese  Mannigfaltigkeit  begründet  auch  die  Ueppigkeit,  die  Man- 
nigfaltigkeit und  Fülle  des  Pflanzenwuchses  im  SaLzburgischen.  Der  mildere 
Himmel  des  Flachlandes  und  das  Polarklima  des  Gebirges  bewirken,  dass 
Pflanzen  wärmerer  Gegenden,  hoher  Alpenländer  und  des  kalten  Nor- 
dens behagliche  Standorte  finden,  so  dass  in  Salzburg  die  österreichische, 
die  Schweizer  und  die    skandinavische  Hauptvegetation .  vertreten   sind. 

Die  periodischen  Erscheinungen  in  der  Vegetation,  um  nach  phänolo- 
gischen  Beobachtungen  ^)   zu  urtheilen,    die  jedoch  noch  zu  lückenhaft 


')  Ebenso  nacbtheilig  erweisen  sich  diese  Eigenthflmlichkeiten  des  Klimas 
auch  auf  den  Menschen,  Damentlich  auf  Fremde;  so  sind  Oicht,  rheumatische 
Zuatftade  und  andere  chronische  Krankheiten  in  vielen  Gegenden,  selbst  auch 
in  der  Stadt  Salzburg  zu  Hause,  wo  die  Temperatur  im  Sommer  binnen  24  Stunden 
oft  um  20*  differiert  und  sogar  im  Winter  binnen  6  Tagen  um  26*  differieren 
kann,  wie  es  auch  schon  z.  B.  vom  19.— 25.  Jänner  des  Jahres  1810  der  Fall  war. 

*)  Solche  fortgesetzte  eingehende  phänologische  Beobachtungen,  wie  sie 
Dr.  Zillner  im  Jahre  1847  in  Salzburg  anstellte  (enthalten  in  Storch *8 
Skixsen,  Salzburg  1857),  würden  freilich  das  erwOnschte  Material  liefern,  leider 
sind  sie  nur  auf  ein  Jahr  beschränkt.  Der  Vice-Director  der  k.  k.  Gentral- 
Anstalt  in  Wien,  Herr  Karl  Fritsch,  hat  bereits  durch  mehrere  Jahre  um- 
fassende phänologische  Beobachtungen  um  Salzburg  in  den  Sommermonaten 
angestellt. 


470 

sind,  mn  daraus  aUgemein  giltige  Schlftsse  ziehen  zu  kdnneD,  ergebcD 
auffallende  Unterschiede  in  Beziehung  der  einzelnen  Entiricklmigs- 
phasen  der  Pflanzen,  namentlich  im  FrOhjahre,  wo  h&nfig  die  Tempe- 
rator  der  Lnft  in  den  ersten  Wochen  dnrch  einige  Tage  eine  solclie 
Höhe  erreicht,  wie  in  den  letzten  Wochen  dieser  Jahreszeit,  and  den  Boden 
hesonders  erwärmt  Daher  sind  es  vorzugsweise  Bodenpflanzen,  welche  zeitig 
im  Frülgahre,  oft  schon  im  Fehniar  (wie  im  Jahre  1863)  an  sonnseitigen 
Bergesahhängen  ihre  Blütenknospen  entfalten,  während  sie  in  anderen 
Jahren  an  denselben  Standorten  bei  minder  günstiger  Temperatur-  nnd 
Feachtigkeitsverhältnissen  um  mehrere  Wochen  später  blühen.  Geringer 
ist  dieser  Unterschied  bei  Sträuchem,  am  geringsten  bei  Bäumen.  Auch 
ist  es  begreiflich,  dass  auf  südseitigen  Bergabhangen  und  in  Thälem, 
die  von  Ost  nach  West  verlaufen,  die  Vegetation  stets  viel  weiter 
.vorschreitet,  als  auf  nordseitigen  Abhängen  (Schattenbergen)  und  in 
Thälem,  die  von  Nord  nach  Süd  verlaufen. 

Große  Verschiedenheit  in  dieser  Beziehung  bieten  die  Höhen- 
unterschiede der  Standorte  der  Pflanzen,  da  die  Temperatur  nach 
oben  abnimmt  und  zwar  am  Nordabhang  der  norischen  Alpen,  nach 
Sonnklar  bei  je  794  P.  F.  Elevation  um  1  Grad  der  Jahres- 
temperatur, *)  und  da  auch  die  Luft  in  verschiedenen  Höhen  verschiedene 
Mengen  Feuchtigkeit  enthält,  je  nach  dem  unteren  „dampfreichen** 
hygrometeorologischen  Gürtel,  der  nach  den  Untersuchungen  in  der 
Schweiz  *)  im  Winter  bis  1800  p',  im  Sommer  aber  bis  auf  5000  p'  Höhe 
steigt,  oder  dem  mittlem  „hochsaturierten  wölken-  und  regenreichen* 
Gürtel,  der  im  Winter  zwischen  1800 p'  und  2700 p'  zu  liegen  scheint, 
im  Sommer  aber  bei  5000 p'  Höhe  beginnt,  oder  endlich  dem  darüber 
gelegenen  oberen  „dampf-  und  regenarmen"  Gürtel,  in  welchen  jedoch 
die  Vegetation  im  Sommer  schwerlich  reichen  dürfte. 

Im  allgemeinen  beginnt  die  Frühlingsflora  im  Flachlande  anfangs 
April  bei  einer  Mitteltemperatur  von  5 — 6  Grad,  einem  durchschnitt- 
lichen Maximum  von  14  und  einem  solchen  Minimum  von  —  33®  und 
bei  einem  durchschnittlichen  Feuchtigkeitsgrade  von  75® /o',  dieser  folgt 
Ende  April  und  anfangs  Mai  das  Erwachen  der  übrigen  Vegetation, 
welche  nun  rasch  ihrer  Entwicklung  entgegeneilt;  im  August  werden 
blühende  Pflanzen  seltener,  im  October  kommen  sie  nur  vereinzelt  vor. 
Wird  die  allgemeine  Vegetationszeit  in  den  Tief  landen  mit  184  Tagen  (vom 
21.  März  bis  21.  September)  und  ihre  Verkürzung  um  12  Tage  für  je 
1000  Fuß  Höhe  angenommen,  so  beträgt  dieselbe  bis  2000'  172  Tage,  bis 


*)  »Ueber  die  Aenderungen   der  Temperatur  in  der  Höhe,-  Sitaaogsber. 
der  k.  k.  Acad.  d.  W.  in  Wien,  ßXL.  1860.  S.  60. 

^)  A.  Mfihry,  das  Klima  der  Alpen,  Göttingen  1865. 


471 

300(y  160  Tage,  bis  4000'  148  Tage,  bis  5000'  136  Tage,  bis  6000'  124 
Tage,  bis  7000'  112  Tage.  Die  Getreideernte  fällt  £nde  JuU  oder 
anüangs  August  bei  einer  Mitteltemperatur  von  14®,  einem  mittleren 
Maximum  von  23®  und  einem  mittleren  Minimum  von  8®;  der  Hafer 
wird  im  September  reif;  das  Heu  wird  im  Juni  bei  einer  mittleren  Tem- 
perator von  13®,  das  Grummet  im  September  bei  11®  und  mitunter  noch 
ein  zweitesmal  in  October  bei  8®  mittlerer  Temperatur  gemäht.  Kirschen 
reifen  Ende  Juni,  Zwetschken  Ende  September  und  anfangs  October; 
überhaupt  reifen  die  Culturpflanzen  wegen  der  vielen  und  dichten  Nie- 
derschläge im  Sommer,  die  gewöhnlich  mit  einem  bedeutenden  Minimum 
der  Temperatur  verbunden  sind,  später  als  anderwärts. 

Auf  den  Alpen  beginnt  die  Frühlingsflora  erst  im  Sommer,  anfangs 
Joiii,  und  dauert  bis  Mitte  Juli,  worauf  die  Sommerflora  folgt  und  mit 
dem  August,  höchstens  anfangs  September  endet®).  Die  Frühlingsflora 
des  Flachlandes  verspätet  sich  der  klimatischen  Aenderungen  wegen  mit 
steigender  Höhe  und  die  der  Alpen  verspätet  sich  mit  zunehmender 
Höhe  der  Alpei\joche,  so  dass  man  Frühlingspflanzen  des  Flachlandes 
auf  den  Alpen  im  Sommer  blühend  findet,  und  die  Frühlingspflanzen 
der  letzteren  spät  im  Sommer  zunächt  der  Eisregionen,  wo  sie  nicht 
nur  die  mittlere  Temperatur  des  Frühlings  der  unteren  Region  zu 
dieser  Zeit  wiederfinden,  sondern  auch  die  Extreme  derselben. 

Den  zwei  Jahreszeiten  der  Alpen  entsprechend  (Winter  und  Früh- 
jahr) kommen  übrigens  die  Pflanzen  der  Alpen,  wie  schon  Linnö  in 
seiaer  «Philosophia  botanica"  '')  richtig  bemerkte,  mit  den  Frühlingspflanzen 
überein.  Den  klimatologischen  Verhältnissen  der  Alpen  entsprechend  sind 
auch  die  meisten  Alpenpflanzen  ausdauernd;  unter  den  3000  Alpen- 
Pflanzenarten  Salzburgs  finden  sich  nach  Saut  er  kaum  mehr  als 
0*7  Procent  ein-  und  zwe^ährige  Gewächse. 

Wie  das  Klima  der  Alpen  durch  seine  polaren  Gegensätze,  die 
gesteigerte  Temperatur  im  Sommer  und  eine  um  so  tiefere  im  Winter, 
die  gesteigerte  Temperatur  zu  Mittag  und  eine  um  so  tiefere  in  der 
Nacht,  mit  dem  Klima  der  Polarländer  eine  Aehnlichkeit  besitzt,  so 
zeigt  auch  die  Vegetation  der  Alpen  eine  Aehnlichkeit  mit  der  Vege- 
tation der  Polarländer.  So  schnell  daselbst  beim  Herannahen  des 
Sonmiers  der  Schnee  verschwindet,  eben  so  schnell,  rasch  und 
fast  gleichzeitig  sind  die  Fortschritte  der  Vegetation  und  genau  sq,  wie 


*)  Die  erstere  bezeichnen  nach  Saut  er:  Weiden,  Primalaceen,  Sero- 
folarineen,  Banunculaceen  und  Gruciferen ;  letztere  :  Gräser ,  Gompositen ,  üm- 
beliileren,  Sazifrageen,  Caryophyllaceen  und  PapUionaceen. 

')  Vernaies  sunt  alpinae  onmes ,  cum  in  alpibus  hyems  ezcipiat  ver  vis 
gostata  aestate  adeoque  citissime  florescant  et  fructescant. 


472 

Graf  Bray^  von  Livland  bemerkte,  ersetzt  auch  hier  die  Natur 
auf  diese  Weise  das,  was  sie  an  Zeit  während  der  langen  Winter  ver- 
loren. Dies  beweisen  anter  anderm:  Alliom  sibiricnm,  Romex  alpinvs, 
mehrere  Species  von  Aconitum,  Rannncolos  aconidfolins,  Sonchns 
alpinns,  Yeratrom  album  etc.,  deren  Stengel  auf  Yoralpen  vom  M<niat 
Mai  bis  Ende  Juli,  also  in  drei  Monaten,  3 — 4  Fuß  hoch  werden  und 
überdies  fußlange  Aeste  treiben.  Bluten  und  Samen  tragen,  ein  Wachsen, 
welches  sehr  schnell  vor  sich  geht,  wenn  auch  nicht  so  auffallend  wie 
in  den  nördlichen  Gegenden.  , 

Vom  größten  Belang  ist  neben  der  geognostischen  Beschaffenheit 
der  Bodenunterlage  und  der  plastischen  Formation  derselben,  auch  die 
Beschaffenheit  des  Klimans  ffir  die  Vertheilung  des  productiven  Bodens 
nach  den  forst-  und  landwirtschaftlichen  Kulturen.  Auf  der  gesammten 
productiven  Bodenfläche  Salzburgs  von  1,001.336  n.  o.  Jochen  (worunter 
1974  Joch  Bauarea  begriffen  ist)  verhält  sich  das  Ackerland  zum  Wies- 
land, Weideland  und  Waldla^d  wie  1.00  zu  2.20  zu  4.45  zu  5.16*). 
Den  bedeutenden  Extremen  der  Temperatur  und  der  großen  Menge  und 
Dichtigkeit  der  Niederschläge  entsprechend  nimmt  das  Ackerland  die 
kleinste,  das  Waldland  und  dann  das  Weideland  die  größte  Fläche  ein, 
indem  namentlich  durch  die  letzteren  klimatischen  Factoren  der  Gras- 
und  Holzwuchs  befördert  wird  und  die  erstere  das  vorherrschende  Wirt- 
schaftssystem der  Viehzucht  begründet  '"). 

Das  häufige  sehr  tiefe  Minimum  der  Temperatur  und  zum  TheOe 
auch  eine  übergroße  Feuchtigkeit  verbunden  mit  der  oft  sehr  dttunra 
Bodenkrume  gestatten  nur  eine  bescheidene  Kultur  der  Getreidearten, 
welche  nur  auf  das  Flachland,  die  Thäler  und  sonnseitigen  Abhänge  im 
Gebirge  angewiesen  ist.  Im  Gebirg  wird  ausgedehnt  nur  Roggen  und 
Hafer,  weniger  Sommerweizen  und  Gerste  angebaut,  während  der 
Anbau  von  Winterweizen  nur  dem  Flachlande  anheimfallt.  Von  Hfllsen- 
fruchten  werden  nur  Bohnen  und  Fisolen  in  Lungau  angebaut  ^'), 
Gemüsepflanzen  werden  in  größerem  Umfange  fast  nur  um  die  Stadt  Salzburg 


')  Oraf  Bray's  Memoiren  ■  Sm*  la  Livonie.«  Denkschriften  der  k.  Aca- 
demie  der  W.  in  Manchen  1813.  N.  68.  »De  cette  mani^re  la  oatnre  repare 
pour  ainsi  dire,  le  temps  perdu  pendant  les  longa  hivers. - 

")  Das  Ackerland  (reines  und  SO^o  Egartland)  umfasst  70.707  n.  o.  Joch, 
das  Wiesland  (reines  nnd  507o  Egartland)  171.694  Joch,  das  Weideland  (Hot- 
weiden  und  Alpen)  345.809  Joch,  das  Waldland  401.113  Joch. 

^^)  Auf  eine  Quadratmeile  entfallen  bis  2034  Rinder. 

^*)  Die  klimatischen  Factoren  würden  in  Beziehung  auf  Culturgewädise 
wol  noch  mehr  erlauben,  wie  ich  in  einem  Vortrage  bei  einer  Sitsung  der 
Filiale  Salzburg  auseinandersetzte,  siehe  »Monatsblatt  der  k.  k.  Landwirt- 
BchafkB-Gesellschaft  in  Salzburg,  Juni  18o5.~ 


473 

kidtiTiert,  einzelne  mit  besonderem  Erfolge  noch  im  Oebirg  (Karviol  in 
Longaa).  Der  Weißkohl  gedeiht  bis  zu  einer  Seehöhe  von  3800'  bei  einer 
mittleren  Sommertemperator  von  nahe  10  Graden.  Die  Obstcaltnr  ist  erst 
im  Werden  begriffen,  dürfte  aber  im  Oebirge  mit  manchen  klimatischen 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen  haben,  namentlich  mit  kalten  Winden  nnd 
Frösten  zur  Blütezeit  nnd  mit  Schnee  im  Winter,  womit  jedoch  nicht 
gemeint  ist,  dass  sie  fiberall  unmöglich  sei,  das  Gegentheil  beweisen 
schlagende  Beispiele  aus  Lnngau. 

Die  Waldung  nimmt  einen  Flächenranm  von  40  Qu^ratmeilen, 
also  32^/o  der  Gesammtfiäche  des  Landes  ein,  und  bildet  den  Haupt- 
charakter der  Vegetation;  es  sind  durchgehends  Schwarz-  oder  Nadel- 
wälder; Laubhölzer  kommen  nirgend  in  größeren  Beständen  yor.  Die 
Holzproduction  ist  im  Flachlande  (weniger  der  gflnstigeren  klimatischen 
Verhältnisse  als  vielmehr  der  besseren  Forstcultur  wegen)  am  bedeu- 
tendsten, pr.  Joch  l.OG  Klafter,  in  Pinzgau  nur  0.98  Klafter,  in  Pongau 
0.99  Klafter  und  in  Lungau  nur  0.96  Klafter  per  Joch.  Vorherrschend 
werden  die  Wälder  Salzburgs  durch  die  Fichte  (Rothtanne,  Abies  ex- 
celsa  D.  C,  Pinus  abies  L.)  gebildet,  welche  82%  <^6S  gesammten  Wald- 
bodens einnimmt.  Schöne  geschlossene  Fichtenwaldungen  gehen  im  Durch- 
schnitt bis  zu  5000'  Seehöhe,  darüber  nur  vereinzelt  oder  verkümmert. — 

Vor  150  oder  200  Jahren  hat  noch  die  Holzvegetationsgrenze  höber 
an  den  Bergen  hinaufgereicht,  denn  man  findet  nicht  selten  auf  Berg- 
höhen, die  weit  Ober  der  jetzigen  Vegetationsgrenze  gelegen  sind,  ver- 
einzelte und  ganz  abgestandene  Nadelholzbestände,  die  wahrscheinlich 
wegen  zu  erschwerter  Bringbarkeit  des  Holzes 'oder  vielleicht  theil weise 
auch  als  Bauwaldungen  mit  dem  Hiebe  verschont  wurden.  Dieselbe  Er- 
scheinung bieten  auch  die  benachbarten  Alpen  länder  in  Tirol  und  Kärnten, 
was  zu  der  Vermuthung  berechtigt,  dass  eine  Aenderung  des  Klimans 
zum  Kachtheil  stattgefunden  habe,  w  ofür  auch  noch  der  Umstand  spricht, 
dass  noch  vor  200  Jahren  die  Zirben  (Pinus  Gembra  L.)  in  Pinzgau 
fiberall  ganze  Bestände  bildeten,  was  gegenwärtig  nur  von  Lofer  bis 
Saalfelden  der  Fall  ist,  sonst  sind  sie  daselbst  nur  vereinzelt  und  spar- 
sam ;  dass  femer  die  Tanne  (Abies  pectinata  D.  C.)  daselbst  gegenwärtig 
rasch  abnimmt,  da  sie  jedoch  in  den  Schweizer- Alpen  immer  um 
1000'  gegen  die  Fichte  zurückbleibt,  so  verlangt  sie  jedenfalls  gfinstigere 
klimatische  Verhältnisse,  die  sie  nun  nicht  mehr  vorfindet.  Die  Ursache 
einer  solchen  Aenderung  des  Klimans  kann  nur  in  der  Devastierung 
der  Wälder  gesucht  werden,  wozu  namentlich  der  Abtrieb  ganzer 
zusammenhängender  Bestände  beitrug,  wodurch  ausgedehnte  kahle 
Schläge  entstehen,  welche  bei  den  Hindernissen,  die  schon  durch  die 
Natur   der    Wiederveijfingung    hochgelegener     Bestände    entgegengesetzt 


474 

werden,  abgesehen  von  den  mit  derlei  Hochgebirgswaldnngen  meist 
verbundenen  Weideservituten,  nicht  selten  15  bis  20  Jahre  ohne  allen 
Nachwuchs  bleiben. 

Hierdurch  verschlechtert  sich  besonders  bei  sfldlicher  Lage  der  abge- 
triebenen Bestände  der  ohne  allen  Schutz  gegen  die  directen  Somieii- 
strahlen  und  Niederschläge  verbleibende  Waldboden  in  der  Art,  da» 
in  der  Folge  selbst  kfinstliche  Culturen  erfolglos  bleiben  und  soldie 
Holzschläge  für  immer  in  Weideland  umgewandelt  werden  mltesen. 
So  sind  größtentheils  die  Alpen,  welche  in  Salzburg  22%  ^^^  Gesammt- 
area  des  Landes  einnehmen,  und  darunter  namentlich  alle  sogenannten 
Maisalpen  entstanden.  Man  findet  übrigens  bei  nördlich  abgetrie^ 
benen  Beständen,  dass  sich  selbst  große  und  hoch  gelegene  kahle  Schläge 
ohne  Anwendung  künstlicher  Kultur  in  kurzer  Zeit  vollkommen  bestocken, 
und  es  ist  kaum  zu  glauben,  welche  staunenswerthe  Reproductionsknfi 
die  Natur  unter  minder  günstig  scheinenden  Verhältnissen  äußert 
Oft  können  sich  die  Alpenbesitzer  an  ihren  schwandrechtigen  Alpen- 
bloßen  des  Holzanfluges  kaum  erwehren,  trotzdem  jedes  Frflhjabr 
^geschwendet^  (von  den  aufwachsenden  Holzpflanzen  gereinigt)  wird  Ein 
Beweis,  mit  welcher  Barbarei  man  zu  Werke  gehen  musste,  um  die  Wälder 
zu  devastieren  und  auszurotten  ^^). 

Der  Fichte  zunächst  ist  die  Lärche  (Abies  Larix  Lam.,  Pinus  LarixL) 
die  verbreitetste  Holzart,  indem  sie  9^0  d^s  Waldbodens  einnimmt  Sie 
kommt  theils  in  Beständen,  theils  eingesprengt  unter  Fichtenbeständen 
vorzüglich  in  Lungau,  Pongau  und  Pinzgau  vor.  Sie  reicht  noch  höher 
an  den  Bergen  hinauf  als  die  Fichte  und  kommt  selbst  noch  bei  einer 
Seehöhe  von  6000'  in  Baumform  vor,  wo  die  Jahrestemperatur  höchstens 
2  Grad  beträgt,  weswegen  auf  diesen  Baum  die  Benennung  sibirische 
Ceder  recht  gut  passt.  In  dieser  Höhe  kommt  die  Fichte  höchstens  in 
verkrüppelten  Zustande  vor.  Die  Güte  der  Lärche  hängt  erkläriidier 
Weise  von  ihrem  Standorte  sehr  ab.  Als  „Steinlärche''  auf  einer  Höhe 
von  3000  bis  6000'  und  auf  trockenem  Boden  bei  sonniger  Lage  lidert 
sie  das  festeste  Holz,  das  als  Werk-  und  Nutzholz  das  Eichenholz  ersetzt, 
als  „Rasenlärche^  in  Thälem  und  niedrigen  Weidebergen  liefert  sie  ein 
grobfaseriges  weiches  Holz,  das  weniger  brauchbar  ist  als  Fichtenholz. — 

Die  Buche  (Fogus  silvatica  L.)  nimmt  5"/o  des  Waldbodens  ein 
und  kommt  in  Baumform  höchstens  bis  4000'  vor ;  kleine  Bestände  bildet 
sie  nur  im  Flachlande  und  in  Unterpinzgau.  —  Die  Schwarzeiie,  Weiß- 
erle  und  Weidenarten  nehmen  2%  ^^^  Waldbodens  ein  und  bilden  snsr 


^^)  Aus  Pinzgau  allein  giengen  im  vorigen  Jahrhundert  240.000  Klafter 
Zirbenholz  zur  Salzpfanne  nach  Hallein.  (J.  C.  Weidmannes  Tourist  vott 
Salzburg.) 


475 

gedehnte  Auen  in  den  Th&lern.  Neben  den  angeführten  Holzarten  bildet 
nur  noch  die  Kiefer  (Pinns  sylvestris  L.)  kleinere  Bestände  bei  Saal- 
felden,  Werfen,  Lofer  nnd  Weitwerth,  sie  nimmt  1%  der  Waldfläche 
ein  and  steigt  bei  Werfen  bis  500^  — 

Vereinzelt  nnd  eingesprengt  unter  den  angefahrten  Holzarten  kom- 
men vom  Laubholz  noch  Eichen,  Ahome,  Uhnen,  Eschen,  Birken  und 
Zitterpappeln,  vom  Nadelholz  noch  Tannen,  Zirben  und  das  Krummholz 
vor.  Die  Eiche  wächst  jedoch  zur  Baumform  nur  im  Flachland  (beson- 
ders um  Salbu]^)  und  auf  den  Sonnseiten  der  Gebirgsthäler ,  in  hdher 
gelegenen  Landestheilen  enwickelt  sie  sich  nur  zum  Strauche.  — 

Den  Schluss  der  Holzvegetation  bildet  im  allgemeinen  die  Krumm- 
holzkiefer (Pinus  Pumilio),  welche  bei  südlicher  LAge  noch  bis  gegen 
8000'  Seehöhe  ganze  steile  Berggehänge  bedeckt  und  so  von  der  größten 
klimatischen  Wichtigkeit  ist,  indem  sie  an  diesen  steilen  (rehängen  das 
Abrutschen  der  ge&llenen  Schneemassen,  so  wie  auch  besonders  der  nach 
eingetretenem  Thauwetter  locker  gewordenen  Erdschichten  verhindert, 
die  sich  sonst  in  die  Thäler  stürzen  und  als  Schnee-  und  Erdlawinen 
die  größten  Verheerungen  anrichten  würden. 


Offenes  Schreiben  an  Herrn  Professor  Dr.  Kiepert  in  Berlin. 

Vor  Jahren  bin  ich  mit  Ihnen  Herr  Professor  in  freundschaftlicher 
Correspondenz  gestanden  und  waren  Sie  auch  so  gefällig  mir  manch 
wertvolles  Kartenmateriale  zukommen  zu  lassen.  Um  so  größer  und  un- 
angenehmer war  daher  die  Ueberraschnng,  als  ich  aus  dem  im  wissen- 
schaftlichen Theile  der  Beilage  zu  Nr.  262  der  „Neuen  Preußischen  Zeitung** 
ün  Auszüge  angeführten  Berichte  über  die  am  2.  October  1869  abge- 
haltene Sitzung  der  geographischen  Gesellschaft  in  Berlin  vorläufig  Kennt- 
nis  erhielt  von  Ihrer  in  dieser  Sitzung  über  die  von  mir  herausge- 
gebene Karte  der  europäischen  Türkei  ausgesprochene  Ansicht.  Ich  be- 
trachtete Ihre  Auslassung  jedoch  einfach  nur  als  eine,  wenn  gleich  offen 
gestanden,  von  einem  Manne  der  Wissenschaft  etwas  befremdende  Reclame 
Utt  die  von  Ihnen  selbst  zur  Herausgabe  in  Vorbereitung  befindliche 
Karte  der  Türkei,  weshalb  ich  in  Erinnerung  des  früheren  freundschaft- 
lichen Verhältnisses  auch  glaubte  diese  Notitz  ignorieren  zu  sollen. 

Anders  verhält  es  sich  nun,  nachdem  ich  vor  wenigen  Tagen  in 
dem  Hefte  Nr.  27  der  „Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  in 
Berlin**  einen,  Ihre  Namensfertigung  tragenden  und  directe  Aufforderungen 
an  mich  enthaltenden  Auüsatz  fand,  welcher  mich  zu  folgender  Abfer- 
tiigong  veranlasst: 


476 

Es  ist  wol  selbstverst&ndlich,  dass  jeder,  der  mit  einem  Werke 
sich  vor  die  Oeifentlichkeit  wagt,  auf  die  eingehendste  Kritik  getest 
sein  mnss,  ja  dass  sogar  die  herhste  Kritik  ihm  erwflnschter  sein  ivird, 
als  wenn  sein  Werk  mit  Stillschweigen  übergangen  nnd  somit  einer 
kritischen  Bearthoilong  gar  nicht  wert  gehalten  wflrde. 

Wem  wftre  femer  nicht  bekannt,  welch  reiche  Sch&tze  an  Wiaen 
nnd  Erfiahmng  Ihnen  zn  Gebote  stehen,  Eigenschaften  die  sohin  eben  Sie 
in  erster  Linie  zam  competenten  Kritiker  Aber  kartographische  Werke 
qnalificieren  würden,  —  wenn  Sie  eben  nicht  selbst  Produzent  w&rea. 
Um  aber  Produzent  nnd  Kritiker,  Partei  nnd  Richter  zugleich,  mn 
—  selbst  Partei  —  doch  unparteiisch  zu  sein,  dazu  gehören  mehr  als 
gewöhnliche  menschliche  Tugenden,  und  dass  Sie  Herr  Professor  solcher 
Selbstverlängnung  nicht  fähig  sind,  dafftr  haben  Sie  in  der  Sitzung  der 
geographischen  Gesellschaft  am  2.  October  1869  den  Beweis  gdiefert, 
indem  Sie  gleich  nach  Ihrer  schonungslosen  Kritik  über  die  von  mir 
herausgegebene  Karte  der  Türkei  ein  par  Blatter  Ihrer  eigenen 
Karte  der  Türkei  vorlegten. 

Als  einzige  Erwiderung  auf  ihre  Kritik  kann  ich  Ihnen  daher 
nur  zurufen  t  „Etwas  mehr  Takt  Herr  Professor  und  —  weniger  Leiden- 
schaftlichkeit!^ —  Zu  einerweitern,  Mftnnern  der  Wissenschaft  ui^wftr- 
digen  Polemik,  werde  ich  mich  nicht  herbeilassen ;  überlassen  wir  solche 
Controversen  den  Fabrikanten  des  unfehlbaren  Malz-Extractes  und  In- 
sectenpulvers. 

Einen  Punkt  Ihrer  Besprechung  aber,  der  nicht  den  Wert  meiner 
Arbeiten,  sondern  die  mir  zur  Ausführung  derselben  zu  Gebote  stehenden 
Mittel  betrifft,  womach  Sie  der  Ansicht  zu  sein  scheinen,  dass  ich  über 
die  Arbeitskräfte  des  k.  k.  Militär-geographischen-Institutes  für  meine 
Privat-Arbeiten  unbeschränkt  verfQgen  kann,  sehe  ich  mich  veranlasst 
dahin  zu  berichtigen,  dass  mir  wol  das  kartographische  Material  des  In- 
stituts zur  Verfagung  steht,  den  Individuen  gegenüber  ich  jedoch  betreff 
meiner  Privat-Arbeiten  ganz  Privatmann  bin  und  selbe  mir,  selbstver- 
ständlich gegen  Bezahlung,  nur  ihre  dienstfreie  Zeit,  und  auch  diese 
nur  dann  widmen  dürfen,  wenn  nicht  das  Institut  selbst  sie  mit  außer^ 
dienstlichen  besonders  zu  vergütenden  Arbeiten  beschäftiget,  dass  sohin 
die  von  mir  als  Privatmann  herausgegebenen  Arbeiten  und  jene  des 
Instituts  durchaus  in  keinem  weiteren  Zusammenhange   stehen. 

Ich  gehe  nun  zu  der  eigentlichen  Veranlassung  dieser  meiner  Ent- 
gegnung über,  nämlich  zur  Anschuldigung  unbefugter  Ausbeutung  noch 
unbenutzter  neuerer  Arbeiten. 

Es  wird  Ihnen  Herr  Professor  wol  nicht  unbekannt  sein,  dass  das 
Hahn 'sehe  Unternehmen  durch  die  Munificeuz  der  hohen  k.  und  k.  Re- 


477 

pienmg  nnd  mh  Snbventioi)  der  k.  Academie  der  Wissenschaften  za  Stande 
kam,  und  die  Resultate  dieses  specifisch  österreichischen  Unter- 
nehmens der  wissenschaftlichen  Welt  in  der  academischen  Sitzung  vor- 
gelegt, hiedurch  also  Gemeingut  derselben  wurden. 

Nun  hatten  Sie  Herr  Professor  in  Ihrem  geschätzten  Schreiben  vom 
18.  August  1868  mich  auf  Ihre  Bearbeitung  des  Hahn' sehen  Materials  auf- 
merksam gemacht  und  solches  zur  Benützung  empfohlen.  Sie  hatten  dieser 
Hinweisung  durchaus  keine  Bedingung  betreff  des  Zeitpunktes  beigefügt, 
nach  welchem  erst  mir  die  Verwertung  der  aus  diesem  Elaborate  zu  ent^ 
nehmenden  Daten  gestattet  wäre,  nachdem  Sie  wol  selbst  die  Möglichkeit 
vor  Augen  haben  mussten,  dass  ich  ja  auch  ohne  Ihre  Zuvorkommenheit, 
welcher  ich  gewiss  alle  Anerkennung  zolle,  mittlerweile  von  dem  Vor- 
handensein jener  Karte  Kenntnis  erlangt  haben  konnte,  wo  dann  die 
Benützung  hauptsächlich  von  Herrn  von  Hahn,  dem  eigentlichen  Autor, 
abhieng,  welcher  Ihnen  sein  Anrecht  auf  diese  Autorschaft  durchaus  nicht 
eediert  hatte. 

Da  ich  durch  die  Zeitungen  im  Herbst  1868  in  Erfahrung  brachte, 
dass  Herr  General-Consul  von  Hahn  sich  in  Wien  befinde,  so  hatte 
ich  Gelegenheit  durch  die  besondere  Güte  des  Herrn  Autors  einen  jener 
Abdrücke  zur  Benützung  zu  erhalten,  die  demselben  von  der  Academie 
waren  ausgefolgt  worden. 

Aus  vorstehender  Darlegung  erhellet  wol  klar  und  deutlich,  dass 
die  Anschuldigung  unbefugter  Benützung  der  Hahn'schen  Karte  voll- 
kommen unbegründet  ist. 

Hier  sei  noch  erwähnt,  dass  ich  bei  Empfang  des  Abdruckes  zu- 
gleich auch  Kenntnis  erhielt  von  der  Meinungsverschiedenheit  bezüglich 
der  Beschreibung  der  Karte,  welche  zwischen  Ihnen,  Herr  Professor 
und  dem  Autor  herrschte,  so  wie  von  der  Verschleppung  des  Druckes, 
wobei  ich  die  Bemerkung  nicht  unterdrücken  kann,  dass  die  Ausführung 
dieser  Karte  eine  schon  unverhältnismäßig  lange  Zeit  in  Anspruch  nahm 
und  es  wol  schwer  zu  rechtfertigen  sein  dürfte,  dass  selbe  erst  einige 
Jahre  nach  bereits  erfolgter  Drucklegung  des  Textes  fertig  wurde. 

Wien,  im  Juli  1870.  Joseph  Ritter  von  Sehe  da 

k.  und  k.  Oberst. 


Geographische  Literatur. 

Dr.   A.  Petermann:    der    Golfstrom    und    Standpunkt 

der  thermometrischen  Kenntnis  des  atlantischen  Oceans 

und  Landgebiets  im  Jahre  1870.  Mit  drei  Karten. 

Dieser  im  Hefte  VI.  und  VII.  der  »geographischen  Mittheiluogen«  ent- 
haltene Au&atz  (64  8.)  gehört  in  die  Keihe  jener  gründlichen,  wissenschaft- 
lichen UntersttGhuugen   aber    Gegenstände   der   physicalischen  Erdkunde,    aas 


478 

welchen  eine  neue,  in  allen  Theilen  gerechtfertigte,  karlographlBdie  Danlellnf 
hervorgeht,  auf  Grundlage  aller  vertrauungBwflrdigen  Angaben  ans  alter  und 
neuer  Zeit,  mit  kritischer  Würdigung  aller  bestehenden  Qnellenwerke  und 
Original  karten. 

Einer  Uebersicht  der  verschiedenen  Ansiebten  Über  die  Aasdefannag  d68 
Golf  Stromes  folgen  die  Erläuterungen  über  die  Construction  der  zwei  nenea 
Karten,  die  eine  Reduction  aus  größereu  Handseicfannngen  sind,  sidi 
nur  auf  einen  Theil  derselben  erstrecken  (July,  Januar),  w&hrend  die  QiigiBafe 
auch  die  andern  Monate  umfassen.  Das  thermometrische  Materiale  Ober  den 
atlantischen  Ocean  (bezüglich  Über  den  Golfstrom)  ist  glücklicherweise  reicldialtig, 
Maury's  -Wind  and  Gurrent  Chart'sn  enthalten  fast  27.500  Beobachtmiffen, 
Andrau's  Tabellen  über  44.700  Mittelwerte  (20(K)— 5000  für  jeden  einzeben 
Monat),  die  zahlreichen  kleineren  und  speciellen  Beobachtungen  ungeredinei 
Diese  Massen  von  Zahlen  müssen  jedoch  dem  Zwecke  erst  angepasst  werden, 
um  zum  kartographischen  Bilde  verwendbar  zu  sein.  Der  dritte  Abschnitt 
schildert  den  Golfstrom  und  seine  Wirkungen,  wie  sie  aus  der  Anschauung  und 
dem  Vergleich  der  Karten  und  Beobachtungen  sich  ei^eben.  Im  vierten  Ab- 
schnitt  wird  das  muthmaßliche  Ende  des  warmen  (azurblauen)  Gol&troms 
besprochen,  sein  Untertauchen  und  Verschwinden  im  (schmutzig  grünen)  Polar- 
strom, und  die  Kämpfe  beider  auf  der  ganzen  Linie.  Der  fünfte  Abschnitt  ist 
den  wichtigen  Beobachtungen  über  das  Vorkommen  des  Treibholzes  gewidmet, 
das  die  sichersten  Beweise  liefert,  einerseits  wie  der  Golfistrom  hoc£  in  den 
Norden  reicht,  andererseits  dass  ein  freies  Polarmeer  existieren  muss,  welches 
das  Anschwemmen  sibirischer  Nadelholzgattungen  auf  Spitzbergen  ennöfflidit 
Im  sechsten  Abschnitte  kömmt  der  Salzgehalt  des  Meeres  zur  Sprache,  dessea 
Bestimmungen  ebenfalls  Au&chlüsse  geben,  in  so  fem  ein  warmer  stark  ver- 
dunstender Strom  mehr,  ein  kalter  wenig  verdunstender  weniger  Salz  enthält 
Eine  auf  die  Untersuchungen  Forchhammer's  constrnierte  Handzeichnung  Peter- 
mann's  stimmt  mit  den  Resultaten  der  Temperaturkarten  voDkommen  Obereiii, 
und  man  kann  deren  NichtVeröffentlichung  nur  bedauern.  Der  achte  Abschnitt 
enthält  einen  Rückblick  auf  das  ganze  merkwürdig  constante  üifaiomen  aüt 
Bemerkungen  über  gleichzeitige  Luft-Temperaturen  in  den  Continenten,  über  die 
noch  mangelhaften  Untersuchungen  seiner  Schnelligkeit,  endlich  über  die 
vorzugsweise  wissenschaftliche  Aufgabe  der  Nordpol-Expeditionen,  an  denen 
Deutschland  so  spät  und,  wenn  auch  ehrenvoll,  doch  noch  lange  nicht  genügend 
sieb  betheiligt  hat.  Sehr  treffend  nennt  Dr.  Petermann  die  deutsche  Wissen- 
schaft "das  Aschenbrödel«  in  den  Staatsbudgets,  und  es  wird  leider  noch  lange 
dauern,  bis  die  immensen  uuproductiven  Auslagen  in  diesen  Budgets  solchen 
productiven  Platz  machen. 

An  die  Abhandlung  schließt  sich  ein  Aufsatz  des  dänischen  Contreadmiral 
G.  Irminger  über  die  Temperatur  im  nördlichen  atlantisdien  Ooean 
und  den  Golüstrom;  daran  reihen  sich:  Tobiesen's  meteorologische 
Beobachtungen  während  einer  Ueberwinterung  auf  der  Bären-Insel  vom 
6.  August  1865  bis  19.  Juni  1866;  hieran  die  ans  31  Paragraphen  bestehende 
Instruction  für  die  zweite  deutsche  Nordpolar-£xpedition  vom  7.  Juni  1869. 
Sic  weicht  von  einer  im  Jahre  1868  entworfenen  bedeutend  ab,  in  so  fem  in 
dieser  die  Erforschung  des  ganzen  Eismeeres  bis  Nowaja  Semlä  hin  als  Auf* 
gäbe  gestellt  war.  Ein  Glück  dass  wenigstens  die  zweite  Instruction  noch  za 
rechter  Zeit  vom  Bremer-Comite  gutgeheißen  wurde  und  dadurch  Petermann's 
Einfluss  auf  die  Sache  nicht  völlig  verloren  gieng.  # 

Von  höchster  Wichtigkeit  sind  die  beigegebenen  Karten. 

Tafel  12  und  13  bilden  Zwillingskarten :  der  Golfstrom  im  Sommer 
(Juli)  und  Winter  (Januar).  Es  sind  Merkatorkarten  von  SS**  bis  80**  nördl. 
Breite,  von  Philadelphia  bis  Nowaja-Semlä.  Zunehmend  stärkere  Corven  von 
2*  zu  8**  B.  Meeres-Temperatur  und  steigende  Farbentöne  von  Blass  ins 
Dunkelblau,  und  von  2**  zu  2*  R.  Luft-Temperatur  und  steigende  Farbentöne 
Lichtorange  in's  Zinnoberrothe  für  die  Wärme,  Lichtgrau  zum  Dunkelbituia 
für  die  Kälte,  gerechtfertigt  durch  die  an  den  betreffenden  Stellen  ein- 
getragenen Beobachtungen,  versinnlichen  aaf  höchst  deutliche  und  entsprechende 
Weise  die  Ausdehnung  des  Golfstroms,  seine  Richtung  und  Versweigang;  Mine 
Gonflicte  mit  dem  Polarstroiae,  die  gleichzeitige  GontinentidwftnBM.    Sie  bieten 


479 

eine  Fllllo  von  Belehrnog  selbst  ohne  Yerbindiing  mit  dem  Texte,  mit  diesem 
xinr  Seite  ein  so  klares  Bild  des  ganzen  Gegenstandes  in  allen  Beleuchtangen, 
wie  es  immer  nur  gewünscht  werden  mag. 

Die  Karte  Nr.  14  ist  einerseits  eine  theilweise  Uebertragong  der  beiden 
vorigen  auf  eine  Polarprojection,  andererseits  eine  Erweiterung  durch  Karten 
ifir  die  durchschnittlichen  Polar- W&rmeverhältnisse  im  Sommer  und  Winter, 
and  fOr  die  absoluten  Minima.  Den  Zustand  im  Januar  stellt  die  mittlere 
Karte  dar,  die  den  doppelten  Maßstab  der  andern  hat,  links  zur  Seite  stehen 
die  Kärtchen  für  den  Sommer  und  den  July,  rechts  die  Kärtchen  tQr  den 
Winter  und  die  Minima.  Das  Princip  der  Ausführung  ist  dasselbe. 

Man  darf  natürlich  nicht  übersehen,  dass  die  Meerestemperatur  und 
die  Lufttemperatur  verschiedene  Gurven  bedingen,  und  dass  daher  ein  Zu- 
sammenfallen beider  nicht  stattfinden  kann.  Es  liegt  aber  gerade  darin  eine 
Haupteigenschaft  des  Golfstroms,  dass  nicht  er  durch  die  Luftströmungen  in 
seinem  Wärmezustande  sichtlich  modificiert  wird,  sondern  dass  seine  Wärme 
die  Temperatur  der  Luft  wesentlich  beeinflusst.  Dies  unumstößlich  darzuthun, 
dienen  Dr.  Petermanu's  Karten  auf  ausgezeichnete  Weise  und  damit  ist  der 
Zweck  ihrer  mühsamen  Construction  völlig  erreicht.  A.  Steinhäuser. 

Bolletino  della  societä  geografica  italiana.  Fase.  4 
1.  Maggie  1870,  Firenze  1870.  8.  324  S. 

Wenn  gleich  weniger  umfangreich  als  das  dritte  Heft  enthält  auch  das  vor- 
liegende vierte  ein  reiches  Materiad  an  geographischen  Berichten,  Abhandlungen, 
Gorrespondenzen,  Notizen,  bibliographischen  Anzeigen,  Nekrologen  etc.  Es  geht 
d&rans  hervor,  dass  die  lobenswerte  Thätigkeit  der  jungen  Gesellschaft  in 
irischer  Kraft  fortwährt,  und  durch  die  rasche  Vermehrung  der  Mitglieder  (mit 
£nde  April  waren  ihrer  1075)  auch  die  Mittel  wachsen,  diese  Thätigkeit  in  mehr- 
fachen Kichtungen  zu  erproben.  Die  allseitige  Anerkennung  der  Verdienste  des 
Präsidenten,  Gomm.  Ohr.  Negri  hat  audi  zu  einem  noch  nicht  erledigten  An- 
trage geführt,  den  Paragraph  der  Statuten,  der  eine  Wiederwahl  ausschließt, 
za  verändern. 

Es  scheint  angezeigt,  auf  den  Inhalt  des  Heftes  näher  einzugehen.  Es 
beginnt  mit  der  Inauguralrede  des  Präsidenten ,  welche  sich  nach  der  Schilde- 
rung des  Standes  der  Mitglieder,  des  Gesellschaftsvermögens  und  nach  Erwäh- 
nung der  Verluste,  welche  sowol  der  Verein  als  die  geographische  Wissen- 
schaft durch  den  Tod  ausgezeichneter  Männer  erlitten  hat,  über  die  Fort- 
schritte der  Erdkunde  in  allen  Theilen  des  Erdballs  verbreitet,  mit  Hinwei- 
suog  auf  die  projectierten  Expeditionen  (Müllerin  Australien,  die  russ.  geogr. 
Gesellschaft  in  der  Mongolei,  ßohlfs  nach  Adremora,  Hayes  und  Ny ström 
zum  Nordpol),  auf  die  ersprießlichen  Dienste,  welche  die  Gonsulate  und  Missionen 
der  geographischen  Wissenschaft  erweisen  können  *),  auf  die  Fortschritte  der 
physischen  Wissenschaften,  auf  die  großartigen  Unternehmungen  der  Neuzeit 
(Telegraph  nach  Nubien,  Suezkanal)  u.  s.  f.  Schließlich  übergehend  auf  die 
Notliwendigkeit  das  BoUettino  in  1800  Exemplaren  zu  drucken,  macht  Gomm. 
Negri  aufmerksam,  dass  in  den  Bibliotheken  Italiens  viele  unveröffentlichte 
Manuscripte  von  Keisenden  aus  alter  Zeit  liegen,  welche  für  das  BoUettino 
ausgebeutet  werden  könnten. 

Als  Beilage  folgt  der  Ausweis  über  die  geodätischen,  topographischen 
und  kartographischen  Arbeiten  des  italienischen  Generalstabs  und  der  Marine. 
Sie  bestehen: 

1.  in  dem  Anschluss  der  italienischen  Triangulierung  über  das  adria- 
tische  Meer  an  die  Österreichische,  in  der  Triangulierung  Galabriens,  in  der 
Becognoscierung  des  Netzes  über  die  anstoßenden  Provinzen,  in  der  Detail- 
triangulierung  der  Umgegend  von  Florenz. 

2.  In  der  topographischen  Aufnahme  von  7662  D  Kil.  in  Apulien 
(1  :  $0000),  in  der  Fortsetzung  der  Aufnahme  des  Festungsvierecks  in  xvivvi 
in  der  Keambulierung  der  österreichischen  Karte  von  Neapel. 


*)  Es  bestehen  beiläufig  270  katholische  und  etwa  1000  andere  Missionen, 
wovon  die  enteren  in  runder  Summe  S'/s>  ^®  letzteren  mehr  als  15  Millionen 
Frmaken  Einkommen  haben. 


480 

3.  In  der  VoUendang  ?on  13  filfttteni  der  Karte  von  SicOieB  imd  der 

baldigen  Fertigung  der  westlichen  iS  (in  1  :SOO(K)),  in  der  begonnenen  Bedno- 
tiou  derselben  Karte  auf  ttAvv  mittels  der  Heliographie  (fotoinzisione),  in  der 
Vorbereitung  zu  einer  Reduction  der  österr.  Karte  von  Neapel  auf  fTAvr« 

4.  In  einer  neuen  Aufnahme  der  Lagunen  und  der  Kosten  des  adiia- 
tischen  Meeres  (bis  Pescara  gediehen),  der  Kosten  des  tyrhenischen  MeereSi 
Siciliens  und  der  luselu  in  verschiedenem  Mai5e,  von  Tviinr  bis  rvim  (Yenedip 
Lagunen  ausnahmsweise  in  ^^). 

In  den  Sitzungsberichten  erscheinen  die  Namen  der  gewählten  Ehren- 
mitglieder, unter  denen  auch  unser  Präsident  Prof.  Hochstetter. 

Die  erste  Abhandlung  ist  ein  lesenswerter  populärer  Vortrag  des  Pro£ 
Donati  (gehalten  am  10.  April  1870  am  physicalischen  Museum  in  Flerens) 
Ober  die  historische  Ausbildung  unserer  Kenntnisse  von  der  Erde;  die  zweite 
ein  Aufsatz  des  Dr.  Heinrich  Oiglioli  Ober  die  Phosphorescens  des  Meeres, 
nach  den  Beobachtungen  auf  der  Erdumseglung  der  Magenta;  die  dritte  eine 
Untersuchung  der  maliüco-zoologischen  Fauna  (Mollusken  und  Muscheln)  des  rothea 
Meeres  von  Athur  J  ssel ;  die  vierte  ein  Bericht  des  Fat  Philipp  da  S  egni  Ober 
seine  Reise  von  Tripoli  nach  Buren  im  J.  1850;  die  A&nfte  ein  Vorschlag  eines 
Ungenannten  Ober  die  leichteste  Art  das  innere  Afhca  der  Gultur  zu  erscUieOoi, 
durch  Unterwerfung  der  Schilluk-Neger ,  des  Stammes  der  Denka,  und  militi- 
rische  Expeditionen  nach  Süd,  Ost  und  West,  Gründung  von  Handelsstationen  etc. ; 
die  sechste  eine  Schilderung  der  geologischen  Formation  der  CydopeniiMehi 
bei  Catania  vom  Ing.  l^aul  Mantovani. 

Der  Abschnitt  -Correspondenzen«  enthält  1.  AbdrOcke  der  zwischen  dem 
italienischen  Consul,  dem  Pascha  von  Tripoli,  Dr.  Nachtigall  und  Fräulein 
A.  Tinn^  gewechselten  Briefe,  2.  einen  Brief  des  Chefs  der  französischen  Nord- 
pol-£bcpedition  G.  Lambert  vom  April  mit  der  Au£forderung  sich  an  diesem 
Unternehmen  zu  betheiligen;  3.  eine  ähnliche  Einladung  von  Seite  K.  Maliers 
in  Petersburg  an  die  ital.  geogr.  Gesellschaft  zu  einer  Expedition  nach  Turke- 
Btan.  4.  eine  Uebersicht  des  italienischen  Handels  im  azovischen  Meere  (Tagas- 
rog  und  Mariampol). 

Unter  den  »Notizen«*  findet  mau  erwähnt:  i.  Das  Gesuch  der  ital.  geogr. 
Gesellschaft  um  Wiederabsendung  der  aus  ErsparungsrOcksichten  abbenuenen 
italienischen  Officiere  zur  Theilnahme  an  der  österr.  Marine-Expedition  zur 
Untersuchung  des  adriatischen  Meeres,  2.  eine  AufiEählung  aller  Gebirgsseen 
im  Thal  von  Aosta  (wobei  auch  des  Werkes  Dr.  Hellers  Ober  die  {ßi)  Seen 
Tirols  und  ihre  Fische  erwähnt  wird);  3.  einen  längeren  Aufsatz  aus  dem 
Jahrbuche  der  fraoz.  geogr.  Gesellschaft  Ober  Land  uud  Volk  in  TOrkisch-Ar- 
menien,  4.  Andeutungen  über  Kiepert's  eventuelle  Keisen  in  Aegypten  und 
Palästina,  Auszüge  aus  Rouliiefs  Beschreibung  von  Palästina;  5.  Nachricht 
von  der  beabsichtigten  Gründung  einer  internationalen  Gesellschaft  zur  Erfor- 
schung des  gelobten  Landes  und  von  der  Reise  Palmer's;  6.  Winke  des  mss. 
Oberst  Pottoratsky  über  einen  Weg  im  West  der  transilischen  Länder  zwischen 
dem  Iphn  uod  Byr ;  7.  Nachrichten  Ober  die  Steppe  von  Pamir  und  die  angren- 
zende hohe  Tartarei,  über  Livingstone's,  Dr.  Nachtigall's,  Miklucho-MaUay^ 
(rothes  Meer),  Mareens  (Aegypten)  Reisen;  8.  Studien  des  Herrn  Pichet  Ober 
die  allgemeine  hydrographische  Configuration  von  Gentral-Africa ;  9.  Ober  Be- 
gründung einer  rationellen  Waldcultur  in  Mexico,  über  den  Fluss  Jpacsuray  im 
&uern  von  Paraguay;  10.  über  den  SeeNipigon  Ganada,  der  durch  die  Unter- 
suchungen Beirs  viermal  größer  nachgewiesen  wird,  als  ihn  die  Karten  bisher  ange- 
geben haben;  11.  über  Wallace's  naturgeschichtliche  Reise  im  malaischen  Archipel, 
12.  über  die  Gster-Insel  (Waihou)  mit  ihren  räthselhaften  Denkmalen,  die  nicht 
von  den  Eingebomen  herrühren  können;  13.  über  Hie  Golonisation  von  Neo- 
Caledonien;  14.  Ober  die  Insel  La  Howe  bei  Neu-Guinea;  15.  Ober  die  Schiff- 
brOcke  bei  den  Auckland's  Inseln;  16.  Kachrichten  Ober  die  schwedischen 
Expeditionen  in 's  nördliche  Eismeer;  17.  Ober  die  noch  nicht  gedeckten  Kosten 
der  deutschen  Nordpolexpeditiou ;  18.  über  Vorbereitungen  zu  einer  englischen 
Südpolexpedition  bei  Gelegenheit  der  Beobachtung  des  Venusdurchgangs  and 
Wahl  eines  günstigen  Observationspunktes ;  19.  Handelsberichte,  Propwnm  des 
internationalen,  geogr. ,  cosmogr.,  Commerz.  Congresses  in  Antwerpen;  20.  £r- 
theüung  des  franz.  Preises  an  Lesseps;  4^1.  UnuJl  des  kgl.  ital.  SchifEes  Ye- 


481 

detta;  22«  italieniBche  Auswandenuig  in  di«  la  Plata*Btaateii  und  UebuBgs- 
nismi  der  kgl.  ital.  Marine. 

Den  Correspondenzartikeln  folgen  7  einsehende  Anzeigen  erschienener 
vorzQjglicher  Werke.  Zeitschriften  etc.,  dann  die  Nekrologe  der  verstorbenen 
Mitglieder:  des  Graten  Citadella  Vigodarzere,  des  Prof.  Fr.  Ghibellini  di  6am- 
bara,  des  Marchese  A.  Bnsia-Serbelloni  und  des  Archäologen  und  Orientalisten 
P.  £.  Botta. 

Ein  Verzeichnis  der  Geschenke  an  BQchem  und  Karten ,  dann  der  Mit- 
glieder macht  den  8chlns8.  Ein  Beiblatt  gibt  Hoffiiung  im  5.  Hefte  die  Reise- 
ergebnisse  der  Herren  Garovaglia  und  Yigoni  publiciert  zu  finden.  Unier  dem 
nöthigen  Schutze  der  Behörden  giengen  sie  von  Beirut  aus  nach  Balbeh,  Da- 
maak  und  zurück  nach  Beirut ,  dann  nach  Sydon,  Tyrus,  Banias.  Später  über- 
schritten sie  den  Jordan,  kamen  nach  Umkriss,  Irbid,  Eerasis,  Jagius,  Hamman, 
wieder  zum  Jordan  und  zurück  Ober  Jericho  nach  Jerusalem  und  Jaffa.  Sie 
waren  überrascht  durch  die  Menge  hebräischer,  griechischer  und  römischer 
Alterthflmer  und  Inschriften,  die  sie  in  großer  AnzaU  zeichneten  und  copierten. 

«—8—. 

Notizen. 

Die  geographische  GeseUsehaft  in  London  schloss  im  Juni  die  ordent- 
lichen Versammlungen  der  Session  von  1869  auf  1870.  In  der  letzten  Sitzung 
nahm  der  Präsident  Sir  Roderick  Murchison  Anlass  über  die  Ansichten 
der  Rückkehr  Dr.  Livingstones  zu  sprechen.  Er  bestätigte,  was  wir  an  manchen 
Stellen  beobachtet  haben,  dass  noch  vielfach  große  Unwissenheit  und  falsche 
Anschauungen  über  die  Lage  des  Beisenden  vorherrschen,  woraus  dem  ent- 
sprechend irrige  Vorschläge  ausgeben.  Murchison  hat  selbst  zahlreiche  Aner- 
bietungen von  jungen  Leuten  erhalten ,  die  sich  an  einer  Expedition  zur  Auf- 
suchung des  Vermissteu  betheiligen  möchten.  An  eine  solche  Expedition  aber 
ist  gar  nicht  zu  denken.  Livingstone  ist  nun  mehr  als  3%  Jahr  im  Herzen 
AJHca's,  ohne  europäischen  Begleiter,  und  Murchison  hat  gewiss  Recht,  wenn 
er  sagt:  -Der  Anblick  eines  plötzlich  vor  ihm  auftauchenden  jungen  Mannes 
aus  England,  der  sich  dem  Klima  noch  nicht  anbequemt  haben  könnte,  würde 
wahrscheinlich  statt  eines  guten  einen  schlimmen  Eindruck  auf  unseren  Freund 
hervorbringen,  weil  Livingstone  den  Ankömmling  gleich  in  die  Cur  zu  nehmen 
und  voraussichtlich  bald  zu  begraben  haben  würde.  Von  einer  Expedition  ist 
daher  gar  nicht  die  Rede.  Die  von  der  Regierung  angewiesenen  1000  Pfd.  St. 
wird,  80  viel  ich  weiß,  der  eben  hier  anwesende  Gonsul  von  Zaniibar  für  den 
Viceconsul  Dr.  Kirk  mitnehmen,  damit  dieser  dieselbe  Expedition  ausrüste, 
welche  bisher  durch  die  jetzt  verschwundene  Cholera  zurückgehalten  wurde. 
Die  einzige  Schwierigkeit  ist  nunmehr,  von  der  Küste  nach  Üdschidschi  zu 
gelangen,  wo  Livingstone  die  Vorräthe  und  Diener  erwartet.«  Die  Wanderung 
wird  wol  zwei  Monate  beanspruchen,  und  vor  Ablauf  eines  halben  Jahres 
werden  schwerlich  eigene  Nachrichten  von  Livingstone  oder  gar  er  selbst  hier 
zu  erwarten  sein.  Darauf  hielt  Mr.  T.  T.  Cooper  einen  Vortrag  über  seine 
jüngsten  Reisen  im  westlichen  China  und  östlichen  Thibet,  welche  er  in  Gesell- 
schafifc  zweier  Dolmetscher  und  eines  Maullhiertreibers  unternommen  hatte,  um 
eine  Straße  f&r  den  Handelsverkehr  zwischen  China  und  den  englischen  Be- 
sitzungen in  Indien  aufzusuchen.  Diese  Aufgabe  vermochte  er  ni<£t  zu  lösen, 
da  der  Weg  über  das  Tassan- Gebirge  sich  äs  äußerst  schwierig  und  gefährlich 
herausstellte.  Nichtsdestoweniger  enuiielt  der  Vortrag  eine  Anzahl  interessanter 
Einzelheiten  über  Land  und  Leute  und  sj^rach  die  Ansicht  aus,  dass  die 
engl.  Fluss-  und  Gebirgskarten  von  China  im  wesentlichen  correct  sind.  An 
der  Debatte,  welche  dem  Vortrage  folgte,  nahm  unter  anderen  Sir  Buther- 
ford  Alcock,  der  augenblicklich  in  London  weilende  englische  G^andte  fOr 
Cäüna  Antheil,  indem  er  seine  Hoffnung  aussprach,  dass  sich  doch  noch  eine 
gute  Verkehrsstraße  zwischen  Assam  und  Se  Chuen  finden  lassen  werde,  und 
wenn  nicht  über  das  Grebirge,  vielleicht  dadurch,  dass  man  eine  Verbindung 
eines  der  großen  Flüsse  mit  dem  Ganges  aufsuche.  Und  eine  Entdeckung  wie 
diese  würde  jedenfalls  mehr  Wert  haben,  wenn  nicht  gar  größeren  Ruhm 
fanagen,  als  die  Entdeckung  der  NiUinellen. 

HüihaUiiiigtB  cL  geogr.  OeseU.  1870.  10.  31 


482 

liTliifStdliefl  FoTselmiigeii.  Im  -Athenaenm«  Tom  11.  Juni  wird  die  toi 
Keitk  Johnston  jiiD.  veröffeDtlichte  wisseDBchafüiche  »Karte  derSeeregios 
in  Ost-Africa  mit  Bezug  auf  die  vod  LivingstODe  neuerlich  ent- 
deckten Nilquellen«  in  Verbindung  mit  Dr.  Petermanns  «Karteoakizse 
zur  Uebersidit  der  Forschungen  Livingstones  (Geogr.  Mittheilungen  1870  Heft  5.) 
cum  Gegendstand  einer  Besprechung  gemacht,  die  für  unsere  Leser  von  Interesse 
sein  dttrfte. 

»Es  ist  befriedigend«  sagt  der  Berichterstatter,  -zu  sehen  wie  ein  alter 
deutscher  Geograph  und  ein  junger  englischer  Kartograph  in  der  Bewunderung 
unseres  größten  iuricanischen  Reisenden  übereinstimmen  und  wie  beide,  jeder 
nach  seiner  Auffassung,  dem  Publicum  darlegen,  was  Dr.  Livingstone  wAlu«cd 
der  zwanzig  Jahren  ausgeführt  hat,  seit  er  den  Wendekreis  des  Steinbocks 
überschritt  um  den  See  Nyami  zu  entdecken.  Die  Ausführung  beider  bietet  eis 
hohes  Interesse.  Dr.  Petermann  gibt  eine  wertvolle  Uebersicht  von  UvingstoaeB 
dreißigjährigen  Forschungen  in  Südafrica  von  1840  bis  1869  mit  einer  in  seiner 
unnachamUdien  Weise  ausgestatteten  Karte,  auf  weicher  des  Forschers  einzelne 
Beisen  durch  verschiedenurbige  Linien  unterschieden  sind;  Mr.  Keith  John- 
ston beschreibt  kurz  und  klar  das  Feld  der  neuesten  Ergebnisse  des  Reisen- 
den, und  stellt  die  letzten  auffallenden  Thatsachen  in  den  Vordergrund:-  -Der 
Flächenraum  von  Südafxica,  den  Livingstone  bisher  erforscht  und  größtentheils 

fenau  untersucht  hat,  beträgt  im  ganzen  fast  eine  Million  (engl.)  Quadrat  Meilen. 
)s  ist  schwer,  sich  von  diesem  lUume  einen  richtigen  Begriff  zu  machen;  aber 
annäherungsweise  kann  man  annehmen,  dass  die  5  größten  Reiche  von  Westeuropa 
Frankreich,  Oesterreich,  Deutschland,  Italien  und  Spanien  zusammen  die  Aus- 
dehnung jenes  Gebietes  bezeichnen,  die  Livingstone  auf  seinen  Forschunss- 
reisen  der  Welt  erschlossen  hat»  Nach  Livingstone  zieht  die  Scheidelinie  der 
südafricanischen  Gewässer,  die  nach  Nord  oder  Süd  fließen,  zwischen  dem 
zehnten  und  zwölften  Grade  südlicher  Breite.  Der  See  Nyassa  und  die  zahl- 
reichen Zuflüsse  des  großen  Flusses  Zambesi  führen  ihre  Wässer  südwärts, 
während  der  Chambeze,  den  man  bisher  für  den  obern  Lauf  des  Zambesi 
hielt,  ein  ganz  verschiedener  Strom  ist,  der  seinen  Lauf  nach  Norden  nimmt 
Dieser  wichtige  Punkt  ist  ein  für  allemal  unzweifelhaft  festgestellt;  es  ist  aber 
auch  bei  den  unvollständigen  und  schwankenden  Nachrichten,  die  wir  von  dem 
Beisenden  haben,  ganz  erklärlich,  dass  Geographen  und  Kartographen  nur  in 
den  Hauptlinien  seiner  Entdeckungen  übereinstimmen.  Dies  zeigt  sich  auch  im 
Vergleich  der  beiden  vorliegenden  Karten  und  jener  des  Dr.  B  e  k  e  in  den 
iUustierten  Beisen  (XV.  Theil).  Gleichwol  kommen  die  verschiedensten  An- 
sichten zum  Vorschein,  sobald  es  sich  um  die  Folgerungen  aus  der  Entdeckung 
des  Dr.  Livingstone  handelt. 

Nach  dem  Bericht  unseres  Reisenden  erhebt  sich  an  der  Südseite  des 
Tanganyika  (Sees)  ein  ausgedehntes  Hochland  im  Flächenraum  von  350  Qua- 
drat Meilen.  Am  nördlichen  Rande  desselben  liegt  ein  kleinerer  See,  Liemba, 
der  durch  mehrere  Flüsse  genährt  wird  und  angeblich  mit  dem  Tanganyika 
durch  eine  flussartige  Verbindung  zusammenhängt.  An  der  Ostseite  wird  dieses 
Hochland  durch  den  großen  Fluss  Chambeze  und  dessen  zahlreiche  Zuflüsse 
durchschnitten,  welcher  nach  seinem  Lauf  durch  die  Seen  Bangweolo  und 
Moero  an  der  Westseite  des  Tanganyika  nach  Norden  vordringt  und  eiuen 
dritten  See  Ul  enge  ausfCÜlt,  der  zahlreiche  Inseln,  vielleicht  ein  Delta,  umfiisst 
Aus  diesem  See  strömt  er  unter  den  Namen  Lufir  a  weiter  und  zwar  an  der  west- 
lichen Seite  des  Hochlandes,  so  wie  der  Chambezefluss  an  der  östlichen  Seite 
floss.  Die  drei  Systeme  —  des  Sees  Liemba  und  der  Flüsse  Chambeze  und 
Luflira  —  werden  von  Dr.  Livingstone  als  die  östliche,  centrale  und  westliche 
Wasser-Linie  bezeichnet. 

Der  See  Liemba,  der  Chambezefluss,  dessen  zwei  Seen,  und  viele  seiner 
Seitenflüsse  wurden  von  dem  Reisenden  besucht.  Den  See  Ulenge  und  das 
Becken  des  Luflraflusses  kennt  er  nur  nach  der  Beschreibung.  Es  wurde  ihm 
mitgetheilt,  dass  der  Lufira  nach  Aufnahme  der  Wasser  des  Ulenge  sich 
gegen  Nordnordwesten  in  den  See  Chowambe  ergieße,  den  er  ÜQ^  den 
Albert  Nyansa  Sir  Samuel  Bakers  hält,  oder  dass  er  bei  Uvira  in  den 
Tanganyika  einmünde  und  dann  nordwärts  mit  dem  Loanda  in  den 
Chowambe  fließe.  Doch  die  letzte  Meinung  des  Reisenden  lautet:  »Die  Wasser- 


488 

Bienge,  welche  nordwftrtB  bei  dem    12^  8.  fließt,  ist  go  bedentend,  daas  es  mir 
scheint,  ich  habe  es  mit  den  QoeUen  des  Gong o  and  des  Nil  sogleich  sn  thnn. 
Tanganyika  nnd   Nyige   Ghwambe  (Backers?)   sind  ein  nnd  dasselbe  Wasser, 
und  der  Ursprung  davon  (das  ist,  die  östiche  Wasserlinie)  ist  300  Meilen  süd- 
lich von  hier  (d.  i.  von  Udschidschi  an  der  Ostseite,  des  Tanganyika,    wo   der 
Reisende    sich    damals   befand).    Die  westlichen   und   centriden    Wasserläafe 
fallen  in  den  von  mir  noch  nicht  besuchten  westlich  oder  sftdwestlich  gelegenen 
See.  £s  ist  nun  meine  Aufgabe  zu  untersuchen,  ob  sie   dem  Congo  Sder   dem 
Kil  angehören.«  Diese  Annahmen  gaben  bekanntlich  zu  verschiedenen  Behauptungen 
Anlass.  Man  bestritt,  dass  die  östliche  Wasserlinie  mit  dem  Nilbecken  irgend  etwas 
gemein  habe.  £s  wird  die  Einheit  der  Seen  Tanganyika  und  Albert  Nyansa  in 
Anbetracht  der  nicht  abereinstimmenden  Höhe  Qber  der  Meerosfläche  bezweifelt. 
Dr.  Petermann    findet  die  Behauptung  Livingtone's  in  Betreff  der  Zusam- 
mengehörigkeit der  Seen  Taganyika  und  Ghowambe  wegen  einer  wider- 
sprechenden Anführung  des  GapitAn  Burton  zweifelhaft.  Was  die  centrale  und 
die  westliche  Linie  des  Wasserlaufs  anbelangt,  so  wurde  in  Frage  gestellt,  db 
da»  Wasser  des  Sees   Ulenge  als  Lufira  sich  nordnordwest  in  dem  See  Gho- 
wambe wendet,  wie  Livingstone  zuerst  anfahrte,    oder  ob  es  sich  in  den  noch 
nicht  besuchten  See  ergieße,  von  welchem  man  noch  nicht  weiß,  ob  sein  Ans- 
floss  sich  nach  dem  Googo  oder  nach  dem  Nil  wendet.  Viele  Geographen  sind 
der  Ansidit,  dass   der  Cambeze   den    Ursprung   des    Gongoflusses   bilde.    Mr. 
Keith  Johnston  vertheidigt  auch  diese  Meinung,  nimmt  aber  dabei  an,  dass 
der  große  Fluss  Gasaivi  oder  Kassabi,  der  au    der  atlantischen  Seite  Africa's 
entspringt,  zuerst  gegen  Nordost  und  Norden  fließend,  hierauf  vereinigt  mit  dem 
unteren  Ghambexe  sich  gegen  Nordost  und  West  wende,  und  so  der  Ursprung 
des  Gongo  wird,  während  Dr.  Bekc  ihn  den  Lauf  nach  Norden  nehmen,  und 
in  den  iUbert  Nyansa  fließen  lässt,  wodurch  er  der  Ehre  theilbaftig  wttrde,  den 
wahren    Ursprung   des    Nil  zu   bilden.  Dr.   Petermann  wagt   es   nicht  eine 
bestimmte  Meinung  auszusprechen  und  äußert  sich  dahin,  dass  bevor  man  nickt 
aber  die  Verbindung  des  Ghowambesees  mit  dem  Nilsystem  Qewissheit   habe, 
auch  Dr.  Beke*8  sogenannte  theoretische  Entdeckung  der  Quellen  des  Nils  in 
den  Mossambergen  und  in  der  WQste  Olo  Viheuda  zwischen  dem  12^  sAd.  Breite 
und  dem  19°  Ost.  Länge   nur  als  eine  Hypothese  angesehen  werden   könne. 

In  der  jüngsten  Zeit  hat  die  engl.  Regierung  dem  Dr.  Livingstone  durch 
eine  Beisteuer  von  1000  Pf.  die  Möglichkeit  verschafft,  seine  Forschungen  fort- 
zusetzen. Auch  Sir.  Samuel  Baker  oder  Baker  Pascha,  wie  er  in  seinem  Ferman 
als  General-Gouverneur  aller  Provinzen  bezeichnet  wird,  die  £gypten  in  Gen- 
traiafirica  sich  aneigoeu  wird,  ist  so  eben  daran,  den  See  Albert  Nyansa  und 
die  mit  ihm  in  Verbindung  stehenden  anderen  Seen  mittels  Oampfschiffen  zu 
durchforschen,  die  eigens  hiefQr  in  England  gebaut  wurden.  Die  Entdeckung 
der  Nilquellen  mittels  Dampfers  wäre  nicht  das  kleinste  Weltwunder  des  19« 
Jahrhunderts.« 

Die  PiAmaatfelder  am  Vaal  River  in  Slldafriea.  Einer  uns  von 
Herrn  Gonsul  Adler  in  Port-Elisabeih  freundlichst  zugesendeten  Nummer  des 
"Friend  of  the  Free  State  and  Bloemfontein  Gazete«  vom  5.  Mai  1870  ent- 
nehmen wir  folgendes:  Die  Diamantenfelder  an  den  Bftnken  des  Vaal- 
fluBses  sind  endlich  auf  den  Punkte  einen  höchst  entschiedenen  Erfolg  zu 
haben.  Wir  erfahren,  dass  eine  regelmäßig  organisierte  Gesellschaft  vonDiggem 
gebildet  wurde  nächs^des  Vaal,  in  geringer  Entfernung  von  der  Missionsstation 
Pniel  und  zwar  auf  der  gegenttberliegenden  Bank  des  Flusses.  Nicht  weniger 
als  100  Weiße  sind  gegenwärtig  bei  diesen  Ausgrabungen  tfaätig.  Eine  Anzahl 
Verordnungen  wurde  sorgfältig  entworfen,  für  deren  stricte  DurchfQhrung  ein 
Ueberwachungs-Gomite  eingesetzt  ist.  Gegen  80  Personen  haben  sich  zusammen- 
gethan  um  diese ,  Verordnungen  zu  unterzeichnen. 

Keine  -brandy  wagons-  (Branntwein wagen)  dürien  ausspannen  oder  ver- 
kehren innerhalb  zweier  Meilen  des  Lagers.  Erlaubnisscheine  zum  Graben  oder 
Diamantensuchen  werden  den  Bewerbern  vom  Gomit^  ertheilt,  dieselben  dürfen 
sich  aber  auf  keine  großem  Flächen  als  20  Fuß  im  Quadrat  erstrecken.  Jede 
Person,  die  während  3  Tagen  von  dem  ihr  zugewiesenen  Platze  (**claim-)  ab- 
wesend ist,  Krankheit-  oder  andere  gesetzli(£e  Fälle  ausgenommen,   verliert 

31» 


das  Btfcht  auf  dentelben.  Nkmand  darf  irader  Erde  noch  AbOll«  aus 
Loch  auf  den  Ort  (claim)  seines  Nachbars  werfen. 

Die  Erde  wird  wegen  WaBsermaagds  auf  dem  Diamantenfeld  gewöfanlick 
nicht  an  dem  Orte  selbst  gewaschen,  wo  sie  ausgegraben  wurde,  sondern  ii 
Karren  oder  Wagen  an  das  Ufer  des  Vaal  gebracht,  um  daselbst  gewaacheo 
und  sorgfältig  gesichtet  und  gesiebt  su  werden. 

Auf  diese  Art  sind  schon  viele  große  und  wertvolle  Edelsteine  entdeckt 
worden.  Auch  ist  es  projectiert,  sobald  es  die  Umst&nde  erlauben,  das  Bett  da 
Vaalflusses  durch  Baggern  zu  durchsuchen  und  den  so  erhaltenen  Sand  ss 
waschen  und  zu  prüfen.  Die  Gr&ber  haben  ihr  gegenwärtiges  Recht  oder  die 
Erlaubnis  zum  Diamantensuchen  vom  Goronna-Gaptam  Jan  Biomo  oder  aeinea 
Sohn  erhalten.  ~  Die  Goronnas  hatten  sich  vor  einiger  Zeit  in  der  nnmitfeel* 
baren  Nachbarschaft  niedergelassen;  das  in  Frage  stehende  Land  wird  aber 
gleichzeitig  beansprucht  vom  Freistaat  (Free-state),  von  der  Transvaal-Repahlik, 
vom  Btalaping  H&uptling  Yanki  und  vom  Griqua  Gapitftn  Waterboer. 

Diamanten  werden  an  beiden  Seiten  des  Vaalflusses  gefiooiden  und  sind 
in  beträchtlicher  Entfernung  vom  Orte  aufgelesen  worden,  wo  die  gegenwärticeD 
Ausgrabungen  begonnen  haben,  welche,  wie  wir  hinzufügen  können,  in  des 
sogenannten  Gampbeü  Gründen  liegen  und  früher  im  Besitz  des  veratorbenen 
Oapitäns  Gornelis  Kok  waren. 

Die  Transvaal- Regierung  macht  verzweifelte  Anstrengungen  um  Ansprüche 
auf  den  in  Frage  stehenden  Strich  zu  erlangen,  aber  ohne  das  minderste  Recht 
Unter  andern  Plänen  lud  sie  Diggers  ein,  eine  Petition  an  die  Regierung  oder 
den  Rath  zu  unterzeichnen,  um  Schutz  gegen  die  Eingeborenen  zu  veruuageD, 
fand  dieselben  jedoch  nicht  geneigt  dies  zu  thun.  Es  lässt  sich  sicher  vorans» 
sehen,  dass  binnen  12  Monaten  wenigstens  1000  Leute  auf  den  südafirtcaniaches 
Diamantenfeldern  thätig  sein  werden  und  aller  Wahrscheinlichkeit^  nach  werden 
diese  Männer  stark  genug  sein,  um  ihren  eigenen  Armen  zu  vertrauen  und 
nicht  des  Schutzes  gegen  die  Eingebomen  bedürfen.  Die  Diamentenf eider  sind 
von  Bloemfontein  2  Tagreisen  zu  Pferd  oder  etwas  über  100  engl.  Medien 
entfernt 

Ein  Diamant  in  Wert  von  500  Pfund  Sterling  wurde  aus  einem  Loch 
in  geringer  Entfernung  vom  derzeitigen  Aufenthalte  unseres  Berichterstatters 
herausgeholt,  und  der  Goronna,  der  glückliche  Finder,  entäußerte  sich  des- 
selben gegen  einen  Wagen  sammt  Ocäen  im  Weite  von  120  bis  140  Pfimd 
Sterling.  Andere  Diamanten  in  Werte  von  200  bis  300  Pfund  Sterling  wurden 
gefunden  und  viele  im  Werte  von  50  bis  60  Pfund  Sterling.  Die  meisten 
Digger  entäußern  sich  der  kleinen  Diamanten,  um  ihren  Lebensbedarf  zu  be- 
zahlen, während  sie  die  großem  und  wertvolleren  aufbewahreo. 

Einige  unter  ihnen  werden  bereits  Di&mantgeizige  »diamant  misers» 
genannt,  weil  sie  ihre  Schätze  niemanden  sehen  lassen  wollen.  Auch  einige 
schöne  Rubine  sind  gefunden  worden,  ebenso  ein  Türkis,  von  dem  wir  ein 
Stückchen  gesehen  haben,  da  er  unglflcklicherweiser  von  dem  Finder  zerschlagen 
wurde,  um  zu  sehen  wie  er  im  Innern  aussieht.  Viele  »landloopera-  und  -bon- 
deltragers«  (Landstreicher  und  Müßiggänger)  sammeln  sich  von  allen  Richtungen 
auf  den  Diamantenfeldern  und  bauen  ihre  Hoffnungen  darauf;  alle  die  im  süd- 
lichen Africa  ohne  Beschäftigung  sind,  werden  nicht  säumen  dorthin  ihren 
Weg  zu  nehmen.  Unser  Berichterstatter  sagt,  es  sei  schon  jetzt  für  Leute, 
die  lange  Zeit  in  diesem  sprichwörtlich  langsam  voranschreitenden  Lande  zu- 
brachten, ein  so  seltsamer  und  belebter  Schauplatz,  dass^s  sich  verlohnt  aus 
100  Meilen  Entfernung    hinzugehen   um   ihn   in  Augenscnein   zu    nehmen. 

Goldfelder.  Der  Gape  Argus  7.  Mai  1870  meldet: 
Herr  Hübner,  einer  der  wissenschaftlichen  Forscher,  der  von  ungefiüir 
12  Monaten  mit  Herrn  Mohr  von  Preußen  ausgesendet  wurde,  um  die  süd- 
africanischen  Goldfelder  zu  untersuchen,  ist  aus  dem  Innern  zurückgekehrt  und  hat 
uns  in  Bloemfontein  einen  Besuch  abgestattet  Herr  H.  fand  das  Land  im  ganzen 
nicht  interessant  vom  geologischen  Standpunkt  aus,  und  ist  überdies  der  Meinung, 
dass  das  Goldgraben  am  Tatin  kaum  einträglich  sein  dürfte,  obschon  er  sogil^ 
dass  bis  jetzt  noch  kein  Versuch  gemacht  wurde.  Herr  Hühner  gieng  über 
Natal  nach  Europa.  Herr  Mohr  ist  wahrscheinlich  mit  Herrn  T.  Bains  noch  im 
Innern. 


485 

lleerlemeliieii.  Die  KöId.  Zeitnog  vom  19.  Juni  bringt  ein  Schreiben 
ans  dem  Golf  von  Siam  vom  11.  April  1870  folgenden  Inhalts :  In  der  ver- 
gangenen Nacht  zwischen  Z  und  3  Uhr  hatte  ich  Gelegenheit,  eine  eigenthOm- 
Bche  Art  von  Meerleuchten  zu  beobachten.  —  Es  war'  ganz  still  geworden, 
nachdem  zwei  Standen  vorher  der  Wind  wegen  eines  am  Horizont  voraber- 
ziehenden Gewitters  von  Süd  nadi  Nord-Nord-Ost  umaesprungen  war.  Am  west« 
liehen  Horizont  wetterleuchtete  es  noch  stark,  der  Himmel  war  mit  leichten 
Wolken  bedeckt,  durch  die  der  Mond  ziemlich  hell  hindurchschien.  Wir  machten 
die  Segel  fest,  da  die  Maschine  gleich  angehen  sollte.  Da  bemerkte  ich  im 
Wasser  helle,  große  Flocken,  die  ich  anfangs  fQr  Mondreflexe  hielt. 
Dieselben  hatten  etwa  einen  Faden  Durchmesser,  erschienen  übrigens  slanz- 
loB  and  von  unbestimmter  Form,  wie  ein  Gegenstand,  der   tief  unter    Wasser 

gesehen  wird.  Durch  die  langsam  auf-  und  abwogende  Bewegung  der  Meeres- 
ftche  verschwammen  diese  weißen  Flecken  in  kurzer  Entfernung  vom  Schiffe, 
ohne  dem  vom  Mond  beschienenen  Wasserspiegel  eine  bemerkbar  hellere 
Färbung  mitzutheilen.  Gleich  darauf  dampften  wir  vorw&rts  mit  einer  Fahrt 
von  seims  bis  sieben  Knoten,  da  wurde  ein  wunderbares  Schauspiel  bemerkbar. 

Auf  beiden  Seiten  schr&g  von  vorn  sah  man  lange,  weiße  Lichtwellen 
auf  das  Schiff  zufliegen ,  immer  heller  und  schneller,  so  dass  sie  zuletzt  fast 
verschwammen  und  man  schließlich  nur  ein  schwirrendes  weißes  Licht  ohne 
Glanz  auf  dem  Wasser  sah.  Bei  längerem  Hinsehen  war  es  nicht  mehr  möglich, 
Wasser,  Horizont  und  Luft  zu  unterscheiden,  was  eben  noch  alles  scharf  sicht- 
bar gewesen;  ein  dichter  Nebel  in  langen  Streifen  schien  in  rasender  Ge- 
schwindigkeit auf  das  Schiff  zuzutreiben.  Die  Farben erscbeinuug  selbst  würde 
etwa  der  ähnlich  sein,  die  entsteht,  wenn  man  eine  schwarz  und  weiß  ge- 
streifte Engel  so  rasch  dreht,  dass  die  weißen  Streifen  zu  verschwimmen 
scheinen.  Das  Licht  war  ganz  als  schienen  wir  in  dichten  weißen  Nebel  gehüllt. 
Die  Richtung  der  Lichtwellen  auf  das  Schiff  war  fortgesetzt  beiderseits  schräg 
von  vom. 

Die  Erscheinung  dauerte  etwa  fünf  Minuten  und  wiederholte  sich  nach- 
her noch  einmal  auf  zwei  Minuten.  Zweifelsohne  waren  also  Anhäufungen  von 
kleinen  Thieren  im  Wasser  die  Ursache,  und  diese  Wellen  haben  nach  meiner 
Ueberzeugung  auch  ihre  Ursache  in  den  zuerst  beschriebenen  weißen  Flocken. 
Jedoch  scheint  die  mäßige  Geschwindigkeit  von  \%  geographischen  Meile  per 
Stunde  und  das  schwache  Licht ,  welches  jene  Flocken  zuerst  zeigten,  die  der 
Wasserfläche  gar  keinen  Farbenton  mittheiiten,  doch  so  gar  nicht  danach  ange* 
ihan,  ein  Phänomen  hervorzurufen  von  so  wunderbar  magischem  Effect,  wie 
das  beschriebene. 

Das  gewöhnliche  Meerleuchten,  das  durch  eine  Bewegung  im  Wasser, 
beim  Brechen  der  Wellen  im  Kielwasser  des  Schiffes  oder  an  den  Rudern 
eines  Botes  erscheint,  ist  mit  diesem  gar  nicht  zu  vergleichen.  Da  ist  das 
Licht  glanzvoll,  grell  grün  und  blau  wie  Phosphor,  oft  wunderschön  im  tiefen 
klaren  Wasser  mit  rötblich- weißem  Schaum  gemischt  Eine  sehr  hübsche  Er- 
scheinung solcher  Art  sahen  wir  in  einer  Nacht  bei  vollständig  glattem  Wasser 
in  einer  kleinen  einsamen  Bucht  Nipon's.  Es  war  stockfinster  und  ganz  still, 
da  fiel  ein  schwerer  Regen  in  großen ,  nicht  allzu  dichten  Tropfen.  Jeder  in's 
Wasser  einschlagende  Tropfen  leuchtete  hell  auf,  kleine  Feuertropfen  sprangen 
in  die  Höhe  und  ein  kleiner  leuchtender  Kreis  bildete  sich.  Es  sah  aus,  als 
wenn  die  Bucht  plötzlich  von  kleinen  Feuerblumen  bedeckt  sei.  Ein  auf- 
kommender Luftzug  verwischte  das  Bild  gleich  darauf. 

Die  tonende  Insel.  Der  Manitoba-See,  welcher  nordwestlich  vom  Fort 
Garry  liegt  und  der  aus  der  Red-River-Region  unlängst  geformten  Provinz 
seinen  Namen  gegeben  hat,  leitet  seine  Bezeichnung  von  einer  kleinen  Insel 
ab,  von  der  in  der  Stille  der  Nacht  eine  "geheimnissvolle  Stimme«  ertönt. 
Unter  keinen  Umständen  wollen  die  anwohnenden  Ojibways  sich  der  Insel 
nähern  oder  gar  auf  derselben  landen;  sie  halten  den  Ort  für  den  Wohnsitz 
von  Manitoba,  »dem  sprechenden  Gott.-  Die  Ursache  dieses  seltsamen  Tones 
ist  in  dem  Schlagen  der  Wellen  an  die  am  Ufer  liegenden  Kiesel  zu  suchen. 
Längs  der  nördlichen  Küste  laufen  Klippen  von  feinkörnigem  Kalk,  die  unter 
dem  Schlage  des  Hammers  wie  Stahl  ertöneu.  Die  an  dais  Ufer  schlagenden 
Wellen  versnachen    ein    Aneinanderreihen    der    umherliegenden    Fragmente 


486 

dieser  Klippen,  was  eineD  dem  KÜDgen  entfernter  Eircfaenglocken  ftlmlicbea 
Ton  erzeugt.  Das  Phänomen  tritt  gewöhnlich  ein,  wenn  der  Wind  am  dem 
Norden  bläst,  und  lässt  er  nach,  so  machen  sich  leise,  wehklagende  Töne, 
gleich  flüsternden  Stimmen,  in  der  Luft  hörbar.  Reisende  schildern  den  Ein- 
druck als  höchst  wirkungsvoll  and  versichern,  bei  Nacht  in  dem  Wahne^ 
Glockengeläute  zu  vernehmen,  erwacht  zu  sein. 

Die  Zukunft  der  Mon^lei.  Jüngst  berichteten  die  Blätter  nach  Mit- 
theilungen aus  Irkutsk  von  einem  großen  Aufstande,  der  in  der  Mongolei  aas- 
gebrochen sei.  Wir  geben  die  Nachricht  mit  den  Bemerkungen,  die  daran 
geknüpft  wurden,  im  Auszuge. 

Während  im  eigentlichen  China  Revolution  auf  Revolution  folgte,  die 
Provinz  Jünnan  sich  als  selbständiges  mohamedanisches  Reich  Tali  constituierte 
und  auch  Easchgar  unter  Jakub  Kuschbegi  sich  unabhängig  machte,  blieb  die 
Mongolei  ruhig.  Jetzt  aber  gährt  es  dort  gewaltig  und  die  Russen  sind  bereits 
mit  militärischer  Macht  eingeschritten.  Der  Correspoudent  der  russischen 
St.  Petersburger  Zeitung  aus  Irkutsk  vom  ?9  März  sagt:  •*Aus  Urga  kam  die 
Nachricht,  dass  die  chinesischen  Insurgenten  sich  ganz  in  der  N&he  der  Stadt 
befinden.  Urga  aber  ist  fdr  uns  von  großer  Wichtigkeit,  da  jetzt  unser  Oon- 
sulat  sich  dort  befindet  und  außerdem  Waren  für  eine  ansehnliche  Summe 
dort  augehäuft  sind-  Daher  ordnete  die  dortige  Verwaltung  auch  sogleich  an, 
dass  eine  Eosaken-Abtheilung  nach  Urga  abgehen  sollte.  Auf  unmittelban 
Verordnung  ist  auch  der  Chef  der  Artillerie  des  Militärbezirks  nach  dem  ßaikal 
abgesendet  worden.  Nach  einigen  Berichten  haben  die  Chefs  im  urga'achen 
Gebiete  selbst  bei  unserer  Regierung  um  Hilfe  gebeten.  Man  beabsichtigt, 
die  zuerst  dahin  abgesandte  Abtheilung  zu  verstärken.  Man  weiß  noch 
nicht,  ob  der  jetzige  Aufstand  in  der  Mongolei  ein  Theil  jenes  verbreiteten 
und  wohlorganisierten  Aufstandes  ist,  welcher  schon  einige  Jahre  im  8QdeD  von 
China  herrscht,  oder  ob  eine  Fortsetzung  des  vorjährigen  Aufstandes  der  Sei* 
gonen  im  westlichen  China,  oder  ein  Versuch  der  Mongolen  für  sich.  Jeden- 
falls hat  ein  Aufruhr  in  der  Mongolei  für  uns  eine  sehr  wichtige  Bedeutung, 
da  er  unseren  Handel  mit  dem  südlichen  China  sehr  erschweren,  ja  sogar  vdl- 
ständig  vernichten  kann.»  Die  Augsbiirger  allgemeine  Zeitung  bemerkt  hierza: 
»Urga  liegt  etwa  1  Meile  nördlich  von  dem  Flüsschen  Tolia  and  40  Meilen 
südlich  von  der  sibirischen  Grenze  bei  Eiachta.  Der  Name  bedeutet  Lager, 
die  Mongolen  aber  nennen  die  Stadt  —  wenn  dieser  Ausdruck  erlaubt  — 
Euren  oder  Ta  Kuren,  d.  h.  eingefriedigter  Raum.  Die  Bevölkerung,  vorzugs- 
weise aus  Chalkas- Mongolen  bestehend,  lebt  in  echten  Filzjurten,  die  wegen 
der  vielen  Diebe  mit  Pallisaden  umgeben  sind.  Die  einzigen  ordentlichen 
Gebäude  sind  die  Tempel  und  die  Amtshäuser  der  Chinesen  und  Russen.  Die 
Bazare  sind  reichlich  versehen  und  der  Handel  mit  Pferden,  lündvieh,  Zelten, 
Sätteln,  Geschirr,  Filz  u.  s  w.  ist  sehr  bedeutend.  Noch  wichtiger  als  der 
Handel  ist  aber  die  religiöse  Stellung,  welche  Urga  einnimmt.  Euer  befindet 
sich  nämlich  das  große  Lama-Kloster  des  Guiso-Tamba  oder  Lama- Königs  der 
Mongolen,  der  unsterblich  ist  und  nur  eine  Seelenwanderung  antritt.  Alle 
Chalkas-Mongolen  stehen  unter  seiner  Herrschaft  und  die  chinesische  Regierung 
überwacht  ihn  von  jeher  sehr  eilersüchtig.  Als  in  Folge  des  Zuges  der  Fran- 
zosen und  Engländer  nach  Peking  im  Jahre  1860  die  Russen  durch  das  diplo- 
matische Benehmen  des  Generals  Iguatiew  die  Früchte  jenes  Feldzages  fUr 
sich  einheimsten,  ohne  einen  Rubel  oder  einen  Tropfen  Blut  verloren  zu  haben, 
wurde  unter  anderem  auch  die  Durchreise  der  Russen  durch  die  Mongolei, 
and  die  Anstellung  eines  Consuls  in  Urga  von  den  Chinesen  zugeat&ndoL 
Russland  wusste  für  diesen  wichtigen  Posten  seinen  Mann  zu  wählen.  Heir 
Schischmarew  rückte  gleich  mit  einer  Leibwache  von  20  Kosaken  and  einer 
Anzahl  russischer  Handwerker  ein;  etwas  südlich  von  Urga  wurde  an  einer 
erhöhten  Stelle  das  Consulatsgebäude  und  die  russische  Colonie  errichtet,  welche 
nun  bald  den  Ton  in  Urga  angab  und  die  ganze  Mongolei  von  hier  aas  im 
russischen  Interesse  überwachte.  Als  im  Jahre  1863  der  englische  Reisende 
Alexander  Michie  durch  Urga  kam,  besuchte  er  den  russischen  Consal,  dessen 
Austeilung  dort,  wie  der  Engländer  schreibt,  mit  dem  Vordringen  der  RusBea 
nach  Innerasien  zusammenhängt.  W^nn  der  rechte  Augenblick  kommt,  wird 
Rassland  auch  hier  zagreifen,  und  dei'  Wechsel  wird  ohne  große  UmfilAiide 


487 

Tor  rieh  geben  Der  Kaiser  von  China  yerlieit  ein  Land,  das  ihm  mehr  kostet 
als  es  wert  ist,  die  Mongolen  bekommen  den  einen  Herrscher  statt  des  anderen, 
und  den  chinesischen  Kaufleuten  ist  es  einerlei,  wer  König  ist,  wenn  sie  nur 
ihre  Geschäfte  machen  können.  Bubsland  schickt,  ohne  auch  nur  einmal  in 
Peking  zu  fragen,  ohne  weiteres  seine  Kosaken  in  ein  Nachbarland,  um  einen 
Auftt&nd  niederzuschlagen,  der  möglicher  Weise  dem  russischen  Handel 
ge&hrlich  werden  könnte.  £in  einfaches  Schreiben  des  Cousuls  Schischmarew 
genügt,  um  eine  russische  Militärmacht  nach  Urga  zu  beordern.  Der  thätige 
Agent  hat  alles  gut  vorbereitet  und  sein  Terrain  nach  allen  Seiten  im  Verlaufe 
von  zehn  Jahren  gehörig  studiert.  Im  Jahre  1864  hat  er  sich  nach  Nordosten 
gewandt  und  die  Quellen  des  Onon,  eines  Quellstromes  des  Amur  im  dauri- 
schen  Gebirge  erforscht,  und  186ä  hat  er  als  der  erste  Europäer  Uliassutai  in 
der  westlichen  Mongolei,  1 300  Werst  von  Urga  entfernt,  besucht,  [m  Jahre  1S65 
sdirieb  die  •* Nordische  Post»,  damals  die  officielle  Zeitung  des  Ministeriums, 
des  Innern,  gelegentlich  einer  Besprechung  des  russisch- chinesischen  Thee- 
handels:  »Die  Mongolei  wünscht  schon  lange  in  den  russischen  ünterthanen- 
verband  zu  treten  und  wartet  nur  auf  eine  günstige  Gelegenheit.« 

BLn  gltteklieher  Winkel  der  Erde.  Aus  der  anziehenden  Schilderung 
der  Barabä-Steppe  an  der  Wasserscheide  zwischen  den  Zuflüssen  der 
Jitysch  und  dem  Oby,  die  A.  y.  Mlddendorf  in  den  Schriften  der  St.  Peters- 
barger  Academie  der  Wissenschaften  jüngst  veröffentlich  hat,  entnehmen  wir 
folgende  bezeichnende  Stelle,  die  sich  zunächst  an  die  Betrachtung  Ober  die 
seltene  Fülle  von  Vegetation  und  die  eigenthümliche  Fruchtbarkeit  des  von 
ihm  durchforschten  Gebietes  anschließt: 

»Mächtig  wie  mich,  den  vielgewanderten,  gehäbig  lebenden,  der  Anblick 
dieser  wunderbaren  Fruchtbarkeit  erregte,  ja  mächtiger  noch  regt  sich  unter 
den  duldenden  Reihen  der  nieder n  Volksciassen  die  dunkle  Nachricht  von 
diesen  durch  tansendzüngige  Fama  mit  fabelhaften  Berichten  aufgeputzten 
Wundem.  Als  dumpfes  Geheimnis  ki-eist  diese  Kunde  in  allen  Hütten,  die 
langen  Nächte  der  dunkeln  Jahreshälfte  kürzend  und  prallt  mit  den  äußersten 
Wogen  dieses  geheimnisvollen  Murmeins  bis  an  die  äußersten  Westgränzeu 
des  oolossalen  Reiches.  Ja,  wenn  die  lange  Landreise  nicht  ein  noch  unver- 
gleichlich größeres  Hindernis  wäre  als  das  unsern  Welttheil  von  America 
scheidende  Weltmeer  1  Mitten  iu  der  Barabä  stiel)  ich  auf  manche  Züge  von 
CeberBiedlem  aus  den  gesegneten  Strichen  des  europäischen  Russlands ;  aus 
Woronesk,  Simbirsk,  ja  sogar  Samara  u.  a.  und  sie  machten  noch  immer  nicht 
Halt,  sondern  zogen  immer  noch  weiter  ostwärts.  Weshalb  verließet  ihr  eure 
Heimat?  —  «Eng  (Ijes'no)  zu  eng  ist  es  bei  uns  worden,«  heißt  es  dann  immer 
and  sie  folgen  gleich  der  Wanderratte  dem  gebieterischen  Drange,  dem  die 
Ao^be  geworden  den  Erdball  zu  bevölkern.  Und  verhält  es  sich  denn  etwa 
anders  mit  dem  Sibiriern  selbst,  deren  Vorfahren  in  eben  derselben  Weise  aus 
dem  Far-west  zu  ihren  jetzigen  Wohnsitzen  heranzogen!  Ich  traf  nur  ein 
einziges  Dörflein,  das  am  Kaode  der  östlichen  Birkensteppe  an  dem  Karasuk- 
fluss  sehr  isoliert  gelegene  Kotschki,  welches  durch  wahrhaftes  Ueberströmen 
von  Selbstzufriedenheit  einzig  in  seiner  Art  war.  Laut  sei  es  deshalb  an  diesem 
Orte  gepriesen  als  der  glücklichste  Fleck  auf  Gottes  Erdboden,  den  ich  auf 
allen  meinen  weiten  Reisen  angetroffen.  Sonst  überall  die  alte  Leier  mensch- 
licher Unzufriedenheit. 

Voll  von  dem  Anblick  endloser  prachtvoller  Wiesen,  bestanden  mit  alten 
muestätischen  Birken  und  von  dem  Anblicke  nicht  weniger  Üppiger  Felder 
rief  ich  den  Bewohnern  des  Dorfes,  die  mich  empfiengen,  entgegen,  sie  seien  doch 
Überglückliche  Menschen,  da  es  ihnen  vergönnt  sei  ein  solches  Paradies  zu 
bewohnen.  Allerdings,  hieß  es,  und  mir  antwortete  aus  ihrem  Munde  in  den 
verschiedensten  Modulationen  das  Echo  meiner  eigenen  Anschauung.  Bald 
waren  um  mich  alle  Bewohner  versammelt;  nichts  desto  weniger  blieben  sie 
einstimmig  dabei,  dass  ihnen  nichts,  gar  nichts  zu  ihrem  Glück  fehle.  Als  ich 
aber  zuletzt  den  Versucher  spielte  und  fragte,  ob  sie  denn  einem  Beamten  keine 
Klage  irgend  welcher  Art  vorzubringen  hätten,  so  hieß  es  nar:  Das  Gebiet 
unseres  Dorfes  hat  25  Werste  im  Durchmesser,  wie  könnten  wir  das  alles 
jemals  unter  Pflug  und  Sense  nehmen  I  Du  und  dein  Sohn,  kommt  und  lasset 
euch  bei  uns  nieder  l  wir  wollen  euch  mit  so  viel  Land  austatten  als  ihr  bedüriet.« 


488 

»Dm  ist  nun»  fiUirt  ▼.  Middendorf  fort»  freilich  nidit  das  Lied,  dai 
man  in  Sibirien  singen  hört.  Die  lausende  und  aber  lausende  von  Bittfchriftea 
die  Sr.  kais.  Hoheit  dort  ttberall  empfiengen,  sprachen  anders.  Sibirien  ist 
verrufen  durch  die  endlosen  Klagen  seiner  Bewohner  —  gegründete  und  nn- 
gegrflodete  —  welche  in  manchen  verwiesenen  Federhelden  ihre  erweriwAch- 
tigen  Beförderer  und  Winkeladvocaten  finden.  Der  Mann  der  Wissenschaft, 
der  dort  reist  und  im  höherem  Range  steht  als  die  unmittelbarsten  Verwal- 
tungsbeamten, mag  thun  was  er  will,  er  kann  sich  den  Aberall  herandrängendes 
Klagen  nicht  entziehen.  Aber,  gerechtfertigte  oder  ungerechtfertigte  Klagen,  sie 
sind  doch  vollkommen  in  der  Natur  jener  Verhältnisse  begrQndet. 

Admlral  Wnngell.  —  Der  am  6.  Juni  zu  D  orpat  gestorbene  russische 
Admiral  Baron  v.  Wrangell  war  am  29.  December  1796  zn  Pleskaa  geboren, 
erhielt  seit  1809  seine  Erziehung  im  See-Cadettencorps  zu  Petersburg  una 
wurde  1817  durch  Krusenstiem's  Vermittlung  der  Expedition  beigeordnet, 
die  unter  Golowin's  Leitung  die  Reise  um  die  Welt  machte.  Dem  Euer,  mit 
dem  er  die  Resultate  derselben  nach  seiner  Bückkehr  im  Jahre  1819  den 
Gelehrten  Busslands  mittheilte,  verdankte  er  es,  dass  ihm  bereits  im  folgenden 
Jahre  jene  Expedition  angetragen  wurde,  die  den  Haaptruhm  seines  Leben 
bildet.  Wahrend  dreier  Jahre,   vom  November  1820  bis  18£3,  ertbrschte  Wrsa> 

feil  die  Küsten  und  das  Meer  im  Norden  Sibiriens  und  suchte  das  Land  an 
ttden.  dessen  Existenz  er  mutmaßte,  ja  bewies,  bis  es  erst  1867  von  Long 
endeckt  und  von  den  Engländern  in  gerechter  WQrdisung  seiner  damaliges 
Verdienste  -Wrangellsland*  benannt  wurde.  Eine  abermalige  Reise  um  die 
Welt  vollführte  er  in  den  Jahren  1825  bis  1827,  worauf  er  als  Gouverneur  sd 
Sitcha  für  die  americanischen  Besitzungen  Russlands  segensreich  wirkte  und 
dabei  immer  geographischen  und  ethnographischen  ForsMchungen  oblag.  Zoa 
Contre-Admiral  erhoben,  stand  er  hierauf  längerer  Zeit  an  der  Spitze  dei 
Departements  der  Marinewaldungen,  ward  zum  General-Acüntanten  des  Kaisen 
Nikolai  ernannt,  hierauf  in  den  Reichsrath  berufen  und  mit  der  Leitung  dei 
Marine-Ministeriums  betraut;  im  Jahre  1847  ward  Wrangell  Vice- Admiral.  Nach- 
dem er  sich  1849  aus  dem  Staatsdienste  zurückgezogen,  übernahm  er  dasAart 
eines  Directors  der  russisch-americanischeu  Handels  Compagnie. 

Ferdinand  Werne.  Die  Kölner  Zeitung  schreibt  ans  Westfalen,  Mitte  JnnL 
Indess  die  gebildete  Welt  auf  die  von  Jalir  zu  Jahr  fortschreitende  Aufhellung 
des  seit  vielen  Jahrhunderten  über  den  wahren  Ursprung  des  Nils  ruhenden 
Dunkels  den  Blick  gerichtet  hält  und  die  Namen  der  ^ücklichen  englischen 
Entdecker,  der  Bnrton,  Speke,  Graut  und  Baker  und  vor  allen  Livingstone's, 
von  dem  nun  der  letzte  Schritt  erwartet  wird,  in  aller  Munde  sind,  ist  der 
Name  des  deutschen  Reisenden  fast  vergessen,  der  zuerst  auf  den  -weiflen 
Nil-  als  den  eigentlichen  Quellfluss  des  Nils  hinwies,  im  Gegensatze  zn  dem 
bis  dahin  überschätzten  blauen  Nil,  so  zuerst  in  richtiger  Ahnung  in  jene  Rich- 
tung wies,  in  welcher  seine  Nachfolger  seitdem  ihre  Entdeckungen  machten.  Es 
ist  unser  westfälische  Landsmann  Dr.  Ferdinand  Werne,  welcher  vor  nnn 
einem  Vierteljahrhundert,  bei  Gelegenheit  einer  Expedition  Mehemend  Ali*s 
tief  in  den  Süden,  zuerst  mit  Entschiedenheit  die  wahren  Nilquellen  da  ver- 
mutete, wo  auch  Ptolomäus  und  die  Araber  dieselben  hinverlegen,  und  zwar, 
wie  er  am  Schlüsse  seines  betreffenden  Werkchens  über  die  Expedition  — 
ans  Tagebuch-Betrachtungen  auf  der  Insel  Schankar  —  mittheilte,  schon  mit 
der  genaueren  Bestimmung,  dass  dieselben  sich  in  der  Richtung  des  Flusses 
von  den  Bari  drei  Reisemonate  aufwärts  finden  mochten.  Ihm  war  es  nicht  ver 
gönnt,  in  einer  neuen  Reise  für  seine  Ahnungen  die  weitere  Bewähmog  sa 
suchen.  Karl  Bitter  schrieb  ihm  das  Vorwort  zu  jeoem  Expeditionsberichte  und 
bezeichnete  ihn  darin  als  den  Entdecker  des  Quellgebietes  des  weißen  Stromes ; 
aber  er  musste  anderen  die  thatsächliche  Durchführung  der  weiteren  Forscher 
reisen  Überlassen,  konnte  seit  Jahren,  schlaggelähmt^  die  Berichte  dersetben 
nur  in  der  engen  Stube  lesen,  und  kann  jetzt  dieselben  sich  nur  voriesen 
lassen,  da  er  seit  kurzem  durch  Erblindung  am  Lesen  und  Schreiben  gehindert 
ist.  Wir  glauben  eine  Pflicht  der  nationalen  Pietät  zu  erfüllen,  indem  wir  den 
Namen  Werners  seinen  Freunden  und  den  deutschen  Freunden  der  Geographie 
in  Erinnerung  bringen  und  denselben  mittheilen,  dass  derselbe  noch  lebt,  aber 
in  drückendster  Lage,  vereinsamt  in  einem  Dorife  Westfislens  weilt,  in  Bemsig- 
hausen  bei  Lippstaat. 


Die  ehmiaHge  WaM-V«cte  Böhmen. 

Bin  Beitrag  zur  gesohichtlichen  LttnderktLDde.'mit  besonderem  Hinbllük 
auif  den  slidlicben  Tbeil  des  Böhmerw^aldes  (äiunava).  ^) 

Von  Joseph  Alexander  Frhr.  t.  Helfert. 

.(Mit  einer  Karte.) 
1.  „Die  böhmischen  Wälder.^ 
Wenn  man  eine  der  garten  von  Mitteleuropa  ansieht,  wie  sie 
noch  bis  vor  ganz  kurzer  Zeit  aus  unseren  geographisch-artistischen 
Anstalten  henrorgiengen,  so  wird  der  Blick  unwillkürlich  von  jenem 
schiefen  Viereck  angezogen,  das  sich,  Gebirgszüge  bezeichnend,  rings 
um  Böhmen  zieht,  so  dass  man  meinen  könnte,  ein  ununterbrochener  Kranz 
von  dem  umliegenden  Tief  lande  sich  abhebender  Berge  sei  es,  was  einen 
naturgeschaffenen  Wall  um  das  Land  bildet.  Das  ist  nun  zu  einem 
großen  Theile  allerdings  der  Fall.  Nach  Nordost  g^en  Preußisch- 
Schlesien  bilden  die  Höhen  des  Riesengebirges,  nach  Nordwest  giegen 
Sachsen  j^e  des  Erzgebirges  eine  so  natürliche  Schutzwehr,  dass  der 
Laie  noch  heute  das  Geheimnis  eines  Kriegsplanes  anstaunt,  der  im 
Jahre  1866  den  Feind  von  diesen  Seiten  ganz  unangefochten  in^s  Land 
lallen  ließ.  In  ähnlicher  Weise  verhält  es  sich  mit  der  südwestlichen 
Granze  gegen  Bayern.  Hier  ist  es  die  Sumava,  die  von  der  Süd- 
^itze  Böhmens  bis  da  wo  der  Ghamb,  ein  Zufluss  des  Regen,  aus  dem 
Lande  tritt,  eine  natürliche  Scheidewand  von  durchschnittlich  500  bis 
600  Klafter  Höhe  zwischen  den  beiderseitigen  Gränzgebieten  bildet  Von 
da  aber  gegen  Mittemacht  senkt  sich  das  Gebirge  und  macht  in  einer 
Ausdehnung  von  beinahe  drei  Meilen  gegen  N.  W.  einem  sanft  gewellten 
Hügellande  Platz,  das  man  das  böhmisch-bayerische  Thor  nennen  könnte, 
als  dessen  beide  Riesenpfeiler  zur  einen  Seite,  nächst  Neuem,  der  ge- 
waltige phantastisch  gezackte  Osser,  zur  andern,  oberhalb  Taus,  der 
Öerchov,  der  Endpunkt  des  nördlichen  Theiles  des  Böhmerwaldes,  dar 
stehen.  Kann  dieser  Gegend  kaum  der  Charakter  einer  natürlichen 
Markseheide  zwischen  Böhmen  und  seinem  Nachbarlande  zugesprochen 

^)  Der  Verfasser  gegenwärtigen  Aoüsataes  hat  denselben  Gegenstand 
bereita  sweinud  behandelt:  das  erstemal  in  der  k.  k.  geographischen  Gesell» 
Schaft,  in  deren  »Mittheiluogen-  1867  der  Auüsatz:  »Ein  geographisches  Bild 
vom  ältesten  Böhmen«  erschien;  ein  zweitesmal  1868  in  einem  im  Wiener 
Alterthumsverein  gehaltenen  Vortrage:  »Prachatiz  und  der  goldene  Steig.«  Da 
aber  der  erstere  Aufsatz,  ohne  Verschulden  des  Verfassers,  von  Druckfehlern 
mitunter  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt  ist  und  der  zweite  Vortrag  das  Thema 
viellach  erweitert  und  mit  Zugaben  bereichert  hat,  da  endlich  ffir  den  gegen- 
wärtigen Abdruck  eine  durchgängig  neue  Durchsicht  und  nicht  unbeträchtliche 
Umarbeitung  vorgenommen  wurde,  so  glaubt  der  Verfasser  fbr  diese  abermalige 
Bearbeitung  eines  ohne  Frage  mannigfaltiges  Interesse  bietenden  Stoffes  Ent- 
Bcholdigung  zu  finden. 

lOtthBaiugeii  d.  fMgT.  e«MU.  1870.  11.  32 


490 

werden,  so  ist  dies  noch  weniger  von  der  stddsltiehen  Grftnze  gegen 
Niederösterreich  and  Mfthr^  zu  behaupten,  and  die,  wie  gesagt,  bis 
noch  vor  ganz  karzer  Zeit  übliche  Kartographie  war  daher  im  ent- 
schiedenen Unrecht,  wenn  sie  Böhmen  anoh  nach  dieser  Seite  hin  wie 
von  einem  Gebirgswalle  umschlossen  darstellte.  Allein  in  anderer 
Weise  hatte  das  alte  Böhmen  auch  nach  dieser  und  überhaupt  ringsum 
nach  allen  Seiten  einen  natürlichen  Schutfl,  und  es  ist  ebie  Errongen- 
sohaft  der  Geschichtsforschung  unserer  Tage,  diese  Thatsache  aii*s  Licht 
gesogen  und  zur  klaren  Gewissheit  gebracht  zu  haben  *). 

Um  das  alte  Böhmen  n&mlich  zog  sich,  da  wo  hohe  (Jebii^tsrficken 
eine  selbstgeschaffene  Schutzwehr  bildeten,  aber  auch  dort,  wo  dies 
nicht  der  Fall  war,  in  das  Land  hinein  und  jenseits  aus  dem  Lande 
h!i!iaus,  ein  mehrere  Stunden,  bis  zu  ganzen  Tagreisen  breiter  Urwald, 
gleichsam  ein  großartiger  lebendiger  Zaun,  von  dem  das  ganze  innere 
Gebiet  umfriedet  war.  Der  Bestand  dieser  Umwaldung  des  Landes 
Iftsst  sich  bis  in  die  ältesten  geschicbtlichen  Zeiten  zurflckverfolgen.  So 
schm&ht  der  große  Cheruskerfürst  seinen  flüchtigen  Gegner  Marbod 
„den  durch  die  SeMupfwinkel  des  hercynischen  Waldes  geschfitztea^ 
(Hercynise  hitebrls  defensum).  So  spricht  Vellejus  Paterculus  von  dei 
Markomanen,  dem  einzigen  damals  noch  unbesiegten  germanischen  Volke, 
dass  es  sich  in  das  Innere  seines  Landes  zurückgezogen  habe,  wo  es 
„die  vom  hercynischen  Walde  umschlossenen  Gefilde*'  (incinctos  Heffy- 
tdä  süva  campos)  bewohne  und  gegen  welches  der  Kaiser,  während  er 
selbst  es  von  Canrantum  aus  angreifen  wolle,  von  einer  andern  Seite  dm 
Sentius  Satuminus  ausgeschickt  habe,'  damit  dieser  von  dem  Land  der 
Katten  aus,  „die  undurchdringlichen  hercynischen  Wftlder  f&llend^  (excisis 
continentfbus  Hercyni»  silvis),  sich  den  Weg  nach  Bojoh&mum  bahne. 
Aus  dieser  eigenthümlichen  Beschaffenheit  der  Umgrftnzung  des  alten 
Böhmen  erkl&rt  sich  die  ungemeine  Beschwerlidikeit  und  Gef&hriichkeit 
einer  kriegerischen  Unternehmung  gegen  dasselbe,  die  sich  begreiflfeb«^ 
weise  an  jenen  Stellen  erhöhte,  wo  zur  Undurchdringlichkeit  der  Wilder 
die  Höhe  und  Steilheit  der  Berge  trat.  Darum  pflegte  auch  die  Kriegs- 
kunst der  alten  Böhmen,  im  Gegensatze  zu  der  Strategie  von  neoesteB 


*)  y.  y.  Tomek  Ndco  o  pomezi  zem^  6esk6  za  nejstariich  dasfi  ai  do 
proBtfedku  13.  stoleti.  Cas.  Cesk.  Mus.  18S5  p.  460—475;  Dr.  Hermenegild 
Jiredek  Slovansk^  pr4vo  v  Öecb&ch.  Doba  nejstarsi:  Od  prvDich  zprir  do 
konce  X.  stoleti  (s  mappou);  v  Praze,  sklad  £.  ßellmanoa,  1863.  Doba  druhi: 
Od  poditku  XL  do  konce  XHI.  stoleti  (s  mappdu);  tamtöi  i86i.  Und  des- 
selben: Das  Recht  in  Böhmen  und  Mähren,  geschichtlich  dargestellt;  L  Bd. 
yon  den  ersten  Nachrichten  bis  zum  Schlüsse  des  XII.  Jahrhunderts;  Fn§, 
Bellmann,  1866. 


491 


1   Datum,  den  Feind  nicht  Torweg  mit  atter  Macht  in  Lande  sich 
'   bmUfn  zu  lassen  und  dann  erst  ihn  anzugreifen,  sondern  im  Gegen- 
theile  Ton  den  natürlichen  Schutzmitteln  ihres  Landes  besten  Gebranch 
zn  machen ,  nftmlich   die  dnrch  den  Gränzwald   fahrenden  Wege  abzu- 
graben oder  dnrch  Verbane  ans  gefällten  Stimmen   zu  verlegen.    Ton 
dieser  Art  natflrlicher  Yertheidigung  gegen  den  ftußem  Feind  sprechen 
die  Annales  Fuldenses  wiederholt.   So  zum  Jahre  849,  wo  die  Kriegs* 
scharen  Ludwigs  des  Deutschen  in    der  Gegend    Ton  Eger  durch  ein 
„Valium  in  via  publica*^  aufgehalten  wurden,  und  zum  J.  871,  wo  die 
Böhmen  eine  eigene  Art  Yerschanzung  angelegt  hatten,  mit  einem  sehr 
engen  Eingang,  „ut  si  forte  aliquis  illnc  veniret,  in  ipso  angusto  itinere 
nusquam  declinare  valens  occideretur.^  Dietmar  von  Merseburg  beschreibt 
am  J.    1004    den    Zugang   von     der    Bantzener   Seite   als   unsäglich 
schwierig   („Henricus    11.    Milzienos    terminos   per   ineffabilem    itineris 
düßeultatem  adiens'^i;  und  geradezu   unheilvoll  wurde  seehsunddreißig 
Jahre  später  dem  Heere  Heinrich  III.    der  Versuch    durch  das  Chamb- 
thal  in  das  b^Jhmische  Land  zu  dringen.     Herzog  Bt^etislav,    so  erzählt 
die  Reim-Chronik  des  Ritters  Dalemil,  eilte  dem  Feinde  an  die  Gränze 
entgegen,  „und  als  er  nach  Taus  in  den  Forst  kam   und  erfuhr,  dass 
sich  der  Kaiser  schon  im  Walde  befinde,  da  erhob  er  sich  mit  all  dep 
Seinen  und  befahl  ihnen  allen  in  den  Wald  zu  gehen,  den  Choden  aber 
den  Wald  zu  verhauen^  ').  Mitten  im  Walde  erfolgte  dann  ein  erbitterter 
zweitägiger  Kampf,   und  die   deutschen  Annalisten  können  nicht  genug 
v<m    den    kflnstlichen    und    natfirlichen  Schwierigkeiten    erzählen,    aus 
denen  die  Böhmen  ihren  Angreifern  gegenüber  Nutzen  zu  ziehen  wussten. 
Sie  schildern  ans  einen  Yerhan  als  „firmissimam  quamdam  machinam*^; 
sie  berichten,  wie  Graf  Wemhar  mit  der  Vorhut  auf  den  engsten  Pfaden 
an  eine  Stelle  gekommen,  die  ihm  überaus  ungünstig,  aber  für  die  vom 
Feinde    gelegten    Hinterhalte    ganz    passend    (^sibi    nimis   infaustnm, 
hoetium  antem  fraudi  satis  accomodum**)  gewesen  sei;  sie  beschreiben, 
wie  das  deutsche  Heer,  in  die  Dichte  des  Forstes  verstrickt,  weder  mit 
Maebt  sich  ausbreiten  noch  dem  Feinde  an  den  Leib  habe  rücken  können 
(„densltate    saltus   irretitis   copia  non    erat    feriendi   vel   manns   con- 
serendi^),    so   da^   sie  zuletzt  mit   großem  Verluste  an  Gut  und  Blut 
ihr  Heil  in  der  Flucht  suchen  mußten.    Auch  zum   J.  1108  weiß  man 
von  einem  Kampfe  „in  medio  sylvarum  commisso^  zwischen  Boleslav  III. 
Schiefinanl  von  Polen,  der  die  Abwesenheit  des  Herzogs  Svatopluk  zu 
einem  Einfall  nach  Böhmen  benützte,nnd  den  Landesverwesem  Mutina  und 


')....  na  ci^safe  iede,  kdyi  do  Domaitlic  v  hvozd  viede,  vziedie  ze 
iuz  d^aaf  v  lese,  se  vsemi  vzdviie  sie.  I  k&za  hned  v§em  v  les  yjiti  a  cho- 
dtar  lea  zarübiti.  ^anka  1851  v.  1997— 1^002. 

32* 


492 

Vftcek,  die  Svatopl«k  mit  der  GräDSwacht  auf  dieser  Seite  des  Landes 
betrsQl  hatte.  Gredenken  wir  noch  der  schwereo  Niederlage,  die  König 
Lothar  1126  gegen  Herzog  Soblslav  bei  Kulm  im  Erzgebirge  erlitt,  so  köianm 
wir  uns  ein  beil&nfiges  Bild  von  der  St&rke  and  den  gewaltigen  Hil&- 
mittehi  jener  natflrlichen  Schatzwehr  machen,  von  der  das  fraheie 
Böhmen  nach  allen  Seiten  umgeben  war,  einer  Schatzwehr,  die  von 
altersher  als  eine  besondere  and  beneidenswerte  Eigenthfimliclikeit  des 
Landes  galt,  wie  im  Gegensatze  hiezu  Cosmas  von  Böhmoos  Nachbar 
lande  Mähren  ausdrücklich  bemerkt:  „dass  es  von  Oesterreich  weder  dorck 
Wftlder,  noch  Berge,  noch  darch  irgend  ein  anderes  Hindernis  getrennt 
sei,  als  die  darch  ebene  Strecken  fließende  Thiya.^ 

Biese  Eigenthfimlichkeit  der  Gränzbefestigang  Böhmens  spricht 
sich  aach  darin  aas,  dass  „die  böhmischen  W&lder*^  in  gewisser  Hinsicht 
bis  anf  die  Gegenwart  sprichwörtlich  geblieben  sind  and  im  Gebiete 
der  Romantik  and  der  Schaaer-Literator  eine  so  hervorragende  BoUe 
spielen.  Bleiben  wir  für's  erste  noch  im  Mittelalter,  so  war  „der  Böh- 
merwald^,  „silva  bohemica^  keineswegs  eine  anf  den  noch  beute  so 
benannten  Gebirgszug  eingeschränkte  Bezeichnung;  auch  die  Glataer 
Berge  mit  dem  Riesengebirge  galten  den  nordwärts  wohnenden  Völkern 
%ls  „der  böhmische  Wald.^  Obgleich  damals  das  Innere  von  Böhmen 
nicht  weniger  als  das  aller  seiner  Nachbargebiete  mit  Wäldern  uiigleich 
mehr  bedeckt  war  als  heutzutage,  galt  doch  der  das  Land  nach  inneo 
und  nach  außen  umsäumende  Gränzwald  als  „Wald^  schlechthin,  als 
„silva'^  im  auszeichnenden  Sinne;  der  innere  Rand  dieses  „Waldes**, 
nach  Böhmen  hinein,  hieß  der  „Eingang*',  der  ä  u  ß  e  r  e ,  nach  d^  Nachbar- 
ländern zu,  der  „Ausgang**  desselben.  So  verfolgt  Bofivoj  seinen  G^^ier 
Svatopluk  „usque  ad  introitum  silvae.**  Ghlumec  (Kulm)  bezeichnet 
Ck>sma8  als  eine  Burg,  gelegen  „sub  ipso  introitu  silvae**,  und  spricht 
dagegen  zum  Jahre  1040  bezüglich  Sachsens  von  dem  „exitus  de 
süva  in  istam  terram.**  Wenn  ich  aber  behauptete,  dass  die  „böh- 
mische Wälder**  zum  Theil  noch  bis  auf  die  Gegenwart  herab  ihre 
eigenthOmliche  Bedeutung  nicht  verloren  haben,  so  gibt  es  wol  niemand 
in  der  deutschen  Literatur  nur  irgend  Bewanderten,  dem  nicht  sogleicfa 
Schiller's  „Räuber**  vor  den  Sinn  träten:  „Wir  wollen  uns  in  den  böh- 
mischen Wäldern  niederlassen,  dort  eine  Räuberbande  zusammenziehai 
und  —  was  gafft  ihr  mich  an?  —  ist  euer  Bisdien  Muth  schon  ver- 
dampft?** Und  wohin  verlegt  Friedrich  Kind  den  Schauplatz  jener 
Dichtung,  die  Karl  Maria  von  Weber  mit  der  volksthtUnlichsten  aller 
deutschen  Opemmusiken  zu  überbauen  verstand?  „Ottokar,  böhmischer 
Fürst**  steht  an  der  Spitze  des  Personen- Verzeichnisses,  und  in  den 
böhmischen  Wäldern  lebt  darum  „Kuno   der   fürstliche  Erbförster''  mit 


498 

dem  weichen  Max  und  dem  finsteren  Kaspar,  mit  der  schwärmerischen 
Agathe  and  dem  mnnteren  Aennchen,  mit  dem  Eremiten  endlich,  ohne 
den  sich  ein  rechtschaffener  Wald  der  romantischen  Zeit  gar  nicht 
denken  Iftsst.  Wo  anders  konnte  Georges  Sand  die  „Gr&fin  Rudolstatf^ 
ihre  phantastischen  Abenteuer  erlehen  lassen,  als  in  dem  waldnmnachteten 
Lande  der  Bohömes  oder  Boh^miens?  Denn  noch  heute  wird,  trotz  der 
mehr  als  hundert  Jahre  alten  Warnung  Yoltaire's,  der  globusfesteste 
Franzose  stutzen,  wenn  er  darüber  Rechenschaft  ablegen  soUte,  ob  er 
sich  in  seiner  angewohntefi  Einbildung  Böhmen  darum  so  wild  und 
phantastisch  ausmalt,  weil  ihn  der  französische  Name  der  Zigeuner  darauf 
znrflckführt,  oder  umgekehrt  ob  ihm  die  Zigeuner  darum  so  eigen  und 
abenteuerlich  vorkommen,  weil  er  vonEindsbeinen  sie  aus  dem  böhmischen 
Fabellande  kommend  sich  vorzustellen  pflegte? 

2.  Landesgränze  und  Landesthore. 

Wenn  jemand  nach  dem  Ursprung  dieser  naturgeschaffenen  Grenzbe- 
festigung des  alten  Böhmen  fragen  wollte,  ließe  sich  ein  solcher,  eben 
weil  sie  von  allem  Anfang  eine  naturgeschaffene  war,  eigentlich  gar 
nicht  angeben.  Die  Wälder  standen  da,  so  lang  überhaupt  etwas  da 
stand,  und  jeden&Us  ohne  Vergleich  früher,  ehe  ein  menschlicher  Fuß 
den  Boden  des  Landes,  das  jetzt  Böhmen  heißt,  betreten  oder  gar  ein 
ganzes  Volk  sich  darin  ausgebreitet  hatte.  Es  brauchte  dasselbe  eben 
nichts  anderes  zu  thun,  als  den  Wald  stehen  und  wachsen  zu  lassen, 
wie  er  schon  vor  ihm  gestanden  hatte  und  gewachsen  war.  Auch  ist  es 
begreiflich,  dass,  als  die  erste  Besitznahme  des  heutigen  Böhmen  statt- 
&nd,  mit  der  Nutzbarmachung  der  inneren,  minder  rauhen  und  mehr 
ebenen,  an  befruchtenden  Flüssen  und  Bächen  gelegenen  Landstriche 
brennen  wurde,  und  dass  daher  die  Ureinwohner  des  Landes  lange  den 
Schutz  der  noch  unberührten  äußeren  Waldumgränzung  genossen,  ehe 
in  ihnen  der  Gedanke  aufkam,  worin  es  liege,  dass  sie  diesen  Schutz 
genössen,  und  was  daher  durch  ihr  Zuthun,  und  noch  mehr  durch  ihr' 
Unterlassen  erfolgen  miiße,  um  diesen  wichtigen  Vortheil  nicht  einzu- 
büfien.  Wann  nun  den  frühesten  Bewohnern  Böhmens  diese  Einsicht 
gekommen  sei ;  ob  schon  die  keltischen  Bojer,  oder  ob  ihre  Nachfolger, 
die  germanischen  Markomanen,  oder  ob  erst  die  Slaven  Cech's  jenes 
von  der  Natur  ihnen  gebotene  Yertheidigungsmittel  zum  bewusten 
System  gebracht,  ja  zu  einem  förmlichen  Artikel  ihres  öffentlichen 
Bedites  umgestaltet  haben:  diesen  Zweifel  aufzuklären  werden  wol 
nnsere  geschichtlichen  Hilfsmittel  niemals  ausreichen.  Aus  den  Eingangs 
angeführten  Stellen  des  Tacitus  und  Vellejus  geht  jedenfalls  hervor, 
dass  die  auswärtigen  Feinde  schon  in  sehr  früher  Zeit    (lie  eigenthüm- 


liehdn  Schwierigkeiten  eines  Angriffskrieges  gegen  Böhmen  kaantan, 
woraus  sich  weiter  schließen  Iftsst,  dass  anch  die  Bewohner  des  Landes 
schon  damals  der  die  Yertheidigong  and  Abwehr  begOnstigtenden  Yortheile 
ihrer  Lage  sich  bewnst  waren.  Das  eine  ist  gewiss,  dass  za  der  Zeit, 
da  die  Schicksale  der  slavischen  Böhmen  in  die  Helle  der  Oeschidite 
heraustreten,  es  schon  haben  and  drflben  als  aasgemacht  galt»  dass  der 
am  ihr  Land  sich  hinziehende  Wald  die  politische  and  mflitarisehe 
Scheidewand  zwischen  ihnen  and  ihren  Nachbarn  bilde. 

Es  galt  dieser  Wald  in  frühester  Zeit  in  gewissem  Sinne  als  dne 
res  nullius  oder  als  eine  res  communis,  durch  dessen  Mitte  fikh,  wie 
etwa  durch  einen  zwischen  zwei  Nachbarülndem  gelegenen  See  oder 
dahingleitenden  Strom,  die  Gränze  ziehe.  Es  mag  darum  in  aUfersgraoer 
Zeit  manche  Yölkerrechtsstreite  ähnlicher  Art  gegeben  haben,  wie  nm 
einer  zum  Jahre  11 70  vom  Chronisten  Gerlach  erzählt  wird,  wo  die 
Böhmen  gegen  die  Oesterreicher  behaupteten,  der  ganze  Wald  bis  za 
dessen  Ausgang  nach  Oesterreich  gehöre  ihnen,  während  die  Oester- 
reicher darauf  bestanden,  nur  die  gegen  das  böhmische  Land  gelegene 
Hälfte  des  Waldes  gehöre  ihren  Nachbarn,  die  andere  gegen  sie  selber 
blickende  dagegen  den  Oesterreichem  —  »quod  ad  eos  pertineat  et 
parte  sua,  sicut  ad  nos  ex  nostra^.  Dobner  Monum.  L  p.  88  — • 
Letzteres  galt  später  auch  nach  allen  andern  Seiten  als  GmndsatB, 
d.  h.  der  Gränzwald  —  „silva  finalis,  silya  liminaris,  silva  qua  BiAenüa 
limitatur^  —  wurde  als  getheilt  angenommen,  so  dass  die  eine,  die 
inwendige  Seite  den  Böhmen,  die  andere,  auswärtige  d&gfigen  ihren 
anstoßenden  Nachbarn  gehörte.  Die  Gränze  lief  also  durch  die 
Mitte  dieses  Waldes  —  daher  der  Ausdruck:  „usque  ad  median 
silvam*'  —  oder,  da  der  Wald  meistens  auch  hohes  Gebirge  bededcte, 
über  den  Rücken  der  höchsten  Berge  —  „usque  ad  caeomina  mon- 
tium,*  wie  es  in  einer  OlmQtzer  Urkunde  vom  J.  1256  heiOt  —  d.  i. 
längs  der  Wasserscheide  (pfedöl,  pfedöleni  vod).  Ueberhaupt  ist  za  be- 
merken, wie  in  alter  Zeit  „Berg""  und  „Wald""  gleichsam  Wechadifae- 
griffe  waren;  der  „Böhmerwald^  ist  eigentlich  das  Gebirge,  das 
Böhmen  von  Bayern  und  Oberösterreich  schied,  der  „Wienerwald* 
jenes,  das  das  rechtsufrige  Niederösterreich  in  zwei  Hälften  theili,  wie 
der  Manhart  (Hart  =  W  a  I  d)  das  linksufrige ;  letztere  Benennung  ist  später 
durch  „Manhartsberg^  d.  i.  Man- Wald-Berg  erweitert,  oder  woin  man 
will,  berichtigt  worden. 

Der  Gränzwald  hatte  überall  eine  stattliche,  an  manchen  Stellen 
sogar  eine  höchst  bedeutende  Breite,  von  der  die  heutige  Physiognomie 
mancher  Gegenden  Böhmens  kaum  eine  Spur  mehr  aufweist  So  lag 
Leitomyäl   nach   Gosmas   am  Saume    des  Gränzwaldes  gegen   MährcB. 


495 

Ja  das  Städtchen  Habern  mam  sich,  da  in  alter  Zeit  daselbst  eine 
Z^-Station  bestand,  nicht  weit  yom  böhmischen  Ausgange  des  nach 
Mfthren  hinein  Ins  in  den  hentigen  Iglaner  Kreis  sich  aasdehnenden 
Forstes  befanden  haben.  Am  unzugänglichsten  scheint  die  nordöstliche 
Seite  Böhmens  gegen  Polen  gewesen  zu  sein,  wo  freilich  auch  die 
Banheit  des  Gebirgszuges  das  ihrige  beitrug.  Die  Gegend  von  Braunan, 
beute  eine-  der  berölkertsten  und  gewerbreichsten  von  ganz  Böhmen, 
wftT  noch  im  dreizehnten  Jahrhundert  eine  der  menschenleersten,  ja 
wildesten  und  wüstesten;  „locum  solitarium  et  desertum,  locum  vasta 
horrentem  solitudine^  nennen  sie  Brevnover  Urkunden  aus  den  Jahren 
1213  und  1229.  Nach  dem  heutigen  Preußisch-Schlesien  dehnte  sich 
auf  dieser  Seite  der  Forst  bis  Landshut  Die  ganze  Grafschaft  Glatz 
lag  im  Bereiche  des  Gränzwaldes.  Bei  so  bewandten  Umständen  dürfen 
wir  uns  nicht  wundem,  wenn  Martinus  Gallus  den  Kriegszug  des  pojni« 
schien  Boleslaus  Schiefmaul  gegen  Böhmen  im  Jahre  1110,  wo  er  sich 
drei  Tage  und  drei  Nächte  durch  die  unwirtlichsten  Gegenden  den 
Weg  bahnen  musste  —  „tribus  diebus  et  noctibus  iter  faciens''  —  als 
überdiemaßen  schwierig  darstellt,  ja  dessen  Uebergang  über  das 
Rieeengebirge  geradezu  dem  Uebergang  Hannibars  über  die  Alpen  an 
die  Seite  stellt. 

Bis  in  das  dreizehnte  Jahrhundert  hinein  war  man  auch  sorgfältig 
darauf  bedacht,  diese  Unwirtlichkeit  der  Umgränzung  Böhmens  mög- 
lichst aufrecht  zu  halten.  Zwar  ließen  die  spätem  premyslidischen 
Könige  mitten  im  Gränzwalde  einzelne  Klöster  entstehen,  stifteten  selbst 
solche;  allein  immer  thaten  sie  es  mit  der  ausdrücklichen  Bedingung, 
dass  aus  dem  Walde  höchstens  zum  unmittelbaren  Dienste  des  Klosters 
Nutzen  gezogen,  dagegen  durchaus  keine  weitere  Ausbeutung  oder  An- 
siedlong  zugelassen  werde.  So  machte  es  König  Yladislav  n.  den 
Mönchen  von  Leitomysl  1167  ausdrücklich  zur  Pflicht,  „ne  unquam 
aliquibus  hominibus  villas  in  ipsa  silva  ponere  aut  quippiam  operis  ad 
OBUS  proprios  elaborare  consentiant'',  und  Premysl  Otakar  I.  bestimmte 
1203  bei  Gründung  des  Stiftes  Osseg,  „ne  quis  comprovincialium  limi« 
narem  silvam,  praedio  eorum  contignam,  ad  aliquos  usus  praesumat 
saccidere.''  Am  bezeichnendsten  findet  sich  der  staatspolizeiliche  Zweck, 
der  bei  diesen  Anordnungen  den  Herrschern  Böhmens  vor  Augen 
stmd,  in  einer  Urkunde  vom  Jahre  1221  ausgesprochen,  wo  dem  Stifte 
Zwettel  gewisse  Begünstigungen  eingeräumt  wurden,  unter  der  Beschrän- 
kung jedoch:  „dass  sie  den  Wald  nicht  ansreuten  zum  Nachtheile 
des  Landes  —  ita  tarnen,  quod  ipsam  silvam  non  exstirpent  ad  terrae 
nocumentnm."  Noch  im  sechzehnten  Jahrhundert  sagte  man  vom  Gränz- 
walde, dass  er  das  ganze  Land  schütze  („les  kterfi  hradi  vsecku  zemi''). 


496 

Wie  der  Wald  die  Ghrftnzwehr  Böhmens  bildete  md  ^eidisttii  ak 
ein  am  das  Land  sich  hinziehender  Wall  angesehen  worde,  eo  gdt 
anch  jede  Stelle,  wo  dnrch  diesen  Wall  Einlass  in  das  Land  und  Ans- 
lass  ans  demselben  gegönnt  war,  als  Landesthort  Landespforie, 
„porta  terrae'',  „regionis  janoa'',  »porta  provinciae'' ,  »porta  L  e. 
ezitns  terrae'',  „br&na",  „branka",  welch  letztere  Bezeichnong  sich 
noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  dem  Namen  einer  zwischen  Nachod 
und  Neustadt  an  der  Mettau  gelegenen  Anhöhe  erhalten  hat/)  Es  waren 
das  nicht  Strafien  im  jetzigen  Sinne  des  Wortes,  es  waren  nicht  einmal 
eigentliche  Wege ;  die  Chronisten  beschreiben  sie  nur  als  Pfiide  oder 
Steige,  „angustae  semitarum  fauces",  so  schmal  und  beschwerlidi,  dass 
sie  nur  begangen,  beritten  oder  von  Säumern  betrieben,  aber  nicht  you 
Wagen  befahren  werden  konnten.  Cosmas  schildert  zum  Jahre  1101  den 
Uebergang  von  der  Iglauer  Seite  „per  angustam  viam  et  nimis  artan 
semitam,  qua  itur  trans  silvam  ad  Gabr"  (Habem).  Im  Deutschen 
hießen  sie  anch  Saumwege,  wie  z.  B.  der  von  Linz  nach  Böhmen 
führende  Pfad  „via  antiqua,  quae  sovmwech  dicitur".  und  wie  des 
Anwohnern  des  Böhmerlandes  dessen  Gränzwald  nur  einfach  der  „Böh- 
merwald",  so  hieß  ihnen  auch  ein  solcher  Pfad  oder  Steig  schlechthin 
der  „böhmische".  So  wird  der  Prachatizer  Steig  zum  Jahre  12Ö0  «via 
bohemica",  zum  Jahre  1256  „böheimischer  Steig"  genannt  So  hieß  im 
Südosten  des  Landes  der  Aber  Weitra  durch  den  Gränzwald  fahrende 
Pfad  in  den  früheren  Jahrhunderten  kurzweg  der  „Peheimsteich"  — 
„via  quae  vocatur  Beheimsteich" ,  „der  weg  der  ter  Pehaimersteich  ist 
genannt"  — ,  vom  dreizehnten  an,  wo  er  etwas  erweitert  worden  sein 
mochte,  der  „Peheimweg".  Diese  Pfade  liefen  steil  und  krumm  abar 
Berg  und  Thal,  durch  Sumpf  und  Morast,  und,  wenn  ihnen  ein  größerer 
Bach  oder  Fluss  in  die  Quere  kam,  über  eine  Furt,  von  welchem  Anlasse 
unter  andern  die  reiche  Stiftung  des  Hauses  Bosenberg  im  südlichsten 
Theile  Böhmens,  das  Stift  Hohenfnrt  seinen  Namen  hat.  Denn  auch  an 
dieser  Stelle  öfihete  sich  eines  der  ältesten  Landesthore  nach  Böhmen 
und  die  ganze  Anlage  des  Marktes  Hohenfnrt  weist  noch  heutzutage 
auf  die  durch  dessen  Mitte  an  den  Fluss  führende  Straße  zu  jener 
„oberen  Furt"  =  „vy§§f  brod",  der  zur  damaligen  Zeit  eine  etwas 
flussabw&rts  bei  Rosenberg  gelegene  „untere  Furt"  entsprochen 
haben  mochte.  Wo  der  über  Moorgrund  oder  nassen  Boden  fUuneode 
Steig  gar  zu  schlüpfrig  und  weich  war,  wurde  er  mit  s.  g.  PrO^el- 
holz    ausgelegt,     oder    es    waren    Retsbündel   über    den    Momst    ge- 


*)  Jan  Karel  Rojek  Pftsp^vky  k  d^episu  zemö  Öesk^.  Öas.  £esk.  Mus. 
1845  Str.  52$. 


4«t 

breitet  Nur  als  ganz  besonderen  Luxus  kannte  man  schon  in  sehr 
froher  Zeit  in  der  Gegend  zwischen  BOhmisch-Röhren  und  Wallern  eine 
Aber  die  jugendliche  Moldan  fahrende  Brücke;  es  war  dies  aber  auch 
vielleicht  der  ftlteste,  jedenfalls  der  belebteste  und  berflhmteste  aller 
nach  Böhmen  führenden  Pfade,  der  sogenannte  goldene  Steig,  „aurea 
semita,  zlatA  stezka*',  von  welchem  ich  noch  n&heres  mitzntheilen 
gedenke. 

Viele  dieser  P&de  bestanden  schon  in  vorhistorischer  Zeit ,  von 
einigen  lässt  sich  in  der  geschichtlichen  die  Veranlassung  und  Art  ihres 
EIntstehens  nachweisen.  £s  gab  in  altersgrauen  Tagen  in  jenen  undurch- 
dringlichen Wildnissen  besondere  Pfadfinder,  wie  noch  jetzt  in  den  Ur- 
waldem  des  nördlichen  und  südlichen  America.  Ich  habe  eingangs  des 
Zuges  König  Heinrich  III.  gegen  Böhmen  im  Jahre  1040  und  der 
empfindlichen  Niederlage  gedacht,  die  ihm  Bifetislav  in  den  Forsten  von 
Taus  beigebracht  Allein  das  Jahr  darauf  war  Heinrich  glücklicher,  alle 
Vorsicht  und  Tapferkeit  des  „böhmischen  Achilles''  war  eitel,  das 
deutsche  Heer  kam  bis  vor  Prag,  wo  Bfetislav's  Gemalin,  die  schöne 
Judith,  den  Frieden  vermittelte.  Wie  war  das  gekommen?  Mehr  als 
dreißig  Jahre  frlkher  hatte  ein  irommer  Mönch  aus  dem  Stifte  Nieder- 
Altaich,  Günther  mit  Namen ,  sich  i^  die  Einsamkeit  zurückgezogen, 
Iftngere  Zeit,  etwa  1008—1029,  in  Rinchnach  geweilt,  war  dann  tiefer 
in  den  böhmischen  Wald  gegangen  und  hatte  im  Lauf  der  Jahre  und 
nicht  ohne  Mithilfe  von  einigen  seiner  Brüder  einen  Pfad  gefunden  und 
gebahnt,  der  südwärts  von  dem  Tauser  Pass  und  nur  noch  von  wenigen 
gekannt  in's  böhmische  Land  führte,  und  auf  welchem  er  nun  1041 
den  deutschen  König  und  dessen  Heer  dem  vor  der  Landespforte  von 
Taus  harrenden  Bfetislav  in  den  Rücken  brachte.  Seit  dieser  Begeben- 
heit wurde  dieser  Pfad  der  St.  Günther  steig  genannt  und  mit  der 
Zeit  den  übrigen  Landespforten  gleichgestellt.  Er  durchzog  den  Gr&nz- 
wald  etwa  in  der  Gegend  des  heutigen^ Stubenbach  und  mündete  bei 
Bfezniz,  später  Hartmaniz  in*s  oifene  Land.  ^) 


')  Der  Steige,  die  durch  den  südlichen  Theil  des  Bdhmerwaldes  führten, 
waren  nach  Dr.  Herrn.  JireSek's  Forschungen  überhaupt  fünf: 

1.  Der  Fass  von  Taus; 

2.  Der  Pfad  von  Eisenstein,  der,  meinem  Dafürhalten  oacfa,  bei 
Keuern  (Nyrsko)  in  das  böhmisehe  Land  gemündet  haben  mochte,  da  sich  in 
diesem  Orte  eine  alte  Zoll- Station  befand; 

3.  der  eben  besprochene  St.  Günthersteig; 

«       4.  der  sogenannte   goldene  Steig,   von   dem   noch   ausführlicher  die 
Rede  sein  wird;  und 

5.  der  Saumweg  von  IJnx  über  Hohenfurt  nach  Netolis. 


4Wp 

8.  Die  Ghoden. 

Die  Eingänge  zn  den  nach  Böhmen  fQh^nden  Pfaden  lieOen  ädi 
auch  darnm  mit  Landespforten  vergleichen,  weil  sie  in  Zeiten  der  Ge- 
ftJff  durch  Verhaue  verlegt  und  geschlossen  werden  konnten. 

Diesen  Dienst  zn  besorgen ,  sowie  Überhaupt  die  Grftnzpfade  tn 
bewahren  und  zu  bewachen,  waren  eigene  Leute  bestellt,  oder  viehneiir 
es  waren  die  nächsten  Anwohner  des  Granzwaldes  —  z.  B.  „homines 
de  Tepla  et  in  toto  circuitu  circa  silvam  commorantes^  —  dazu  als 
zu  einem  Landesdienste  verpflichtet.  Ihre  landläufige  Bezeichnung  war 
im  westlichen  und  nordwestlichen  Böhmen,  nächst  dem  Bdhmerwald  und 
Erzgebirge:  Ghoden  —  nach  Häjek  von  „choditi'^,  weil  sie  den  Wald 
zu  „begehen^  hatten  — ,  sonst,  zumal  in  den  südlichen  und  östliclieD 
(hegenden  des  Landes,  hieß  man  sie  einfach  Wachen,  str&2e.^) 

Die  Obliegenheit  dieser  Ghoden  oder  Strafen  war  also :  in  Frie-. 
denszeiten  die  Gränzpfade,  etvf»,  wie  die  Wächter  an  unsem  heutigen 
Eisenbahnen,  zu  begehen,  zu  bewachen,  sie  zu  verzäunen,  flberhaupt 
für  ihren  aufrechten  Stand  zu  sorgen;  bei  herannahender  KriegsgeCahr 
aber  sich  bereit  zu  machen,  auf  Kundsch^t  auszugehen,  Verhaue  anza- 
legal  und  jedem,  der  sich  nicht  mit  einem  besondem  Briefe  des  Landes- 
herm  ausweisen  konnte,  den  Eintritt  oder  Austritt  zu  verwehren  — 
»ne  cui  per  eam  (viam)  sine  speciali  mandato  principis  paterct  transitiis 
terram  Boemiae  ingrediendo  vel  exenndo"*.  —  Ihre  Waffe  war  die  Axt, 
mit  der  sie  Bäume  fällten,  die  ihnen  aber  auch,  wenn  es  galt,  zu  An- 
griff und  Abwehr  dienen  musste;  im  J.  1040  heÜhl  Herzog  ßfetislav 
den  Ghoden,  wenn  seine  Edlen  feige  fliehen  wollten,  sie  niederzumachen. 
Zu  den  Verpflichtungen  der  Ghoden  gehörte  femer  die  Besetzung  und 
Bewachung  der  Gränzveston,  die  böhmisch  gleichftdls  „Bträ2e^ 
lateinisch  „custodia"*  (munitio  in  custodia)  hießen,  obgleich  diese  Aus- 
drücke auch  a.uf  die  Landesthore  selbst  angewendet  worden  zu  sein 
soheinen;  «usque  ad  custodiam  quod  vulganter  dicitur  ztrasa^,  heißt  es 
im  Stiftungsbrief  des  Klosters  Strahov  aus  dem  Jahre  1 143.  Vgl.  aodi 
»porta  in  custodia«,  »custodiae  claustra  .  Diese  Gränzvesten  waren  theils 
vereinzelte  Burgen,  Türme  oder  Warten,  theils  größere  befestigte  Orte, 
^urbes  terminales  *,  die  in  Friedenszeiten  als  bevorzugte  Marktplätze 
galten  und  für  deren  gute  Instandhaltung  von  vorsichtigen  Fürsten,  wie 
von  Sob^slav  1126,  gesorgt  wurde;  solche  waren  z.  B.  Taus,  Tachan, 
Ghlumec  (Kulm).  Das  Andenken  an  diese  uralten  Einrichtungen  hat  sich  noch 
in   vielen   bis  auf  den   heutigen   Tag   üblichen  Ortsnamen  Böhmens  er- 


.1  w 


*)  Siehe  die  historische  Karte  zum  II.  Bande  vou  H.  Jire^ek'a  -Blo- 
vansk^  pravo  v  Öecfaadi." 


4B6 

hatttn«  Noeh  jetet  seigen  die  Ttoser  €lem  Frettde&  mit  Stob  ihre  die 
»Oiodenbiirg« ;  noch  heute  gibt  es  ein  i*Ghoden8ohlos8<<,  «Ghedowo  •  auf 
dem  Gebiete  von  Kantb  ').  Der  Marktflecken  unterhalb  der  alten  Granit 
Teste  Pj-imda  heifit  noch  jetzt  »Straf« ;  es  gibt  eine  Gemeinde  »Strääen 
(Neustadtl)  im  Bezirke  von  Hayd  (ehem.  Pilsner  Kreises),  ein  -Strft^ 
2ow«  (Drosau)  zur  Gutsherrschaft  Bistritz  gehörig,  ein  »Stria«,  deutsch 
»Hatz«,  im  Wittinganer  Vieariat,  ein  »StratiSt^»  im  ehemaligen  Bnnz- 
laner,  ein  »Str&i«,  deutsch  nXschoschel-,  im  ehemaligen  Saazer  Krdse. 
Am  bezeichnendsten  hat  sich  die  Uebereinstimmung  des  böhmisehen 
*sträi«  mit  dem  deutschen  «Warte«  in  dem  Orte  »StaM  »»  Hoch- 
wartel«  auf  Kanth  erhalten  ^).  Das  Gr&nzschloss  Brdo  im  Glatzischen 
Mefi  deutsch  »Warte«,  das  Schloss  vcm  Brflx  noch  im  13.  Jahrhundert 
»Landes wart«.  Ich  erinnere  ferner  an  das  gr&flich  Hartig'sche  Schloss 
»Wartenberg«  im  nördlichen,  an  »Königswart  ^^  KynSyart«  und  die 
Raine  »Kunzwarte«  im  westlichen  Böhmen.  Ja  sollte  der  Ortsname  von 
•Kujschwarta«,  in  dessen  unmittelbariBr  Nähe  die  letztgenannte  Ruine 
Hegt,  nicht  auf  den  gleichen  Ursprung  (Kyn2vart  =r  Königswart) 
zurflckzufUiren  sein?  Ich  werde  auf  diesen  letzten  Punkt  noch  zurflck- 
kommen. 

Fflr  die  wichtigen  Dienste,  welche  die  Choden  im  Interesse  der 
Sicherheit  des  Landes  nach  außen  zu  verrichten  hatten,  waren  sie  von 
allen  abrigen  Landesfrohnen,  die  sonst  der  Bevölkerung  oblagen  wie 
Heereszug,  Straßenbau,  Arbeiten  an  den  Landesvesten,  befreit  und  sonst 
mit  manchen  Yortheile^i  begnadet.  Insbesondere  genossen  sie  verschiedene 
BegQnstigungen  hinsichtlich  des  Waldes,  in  dessen  Bereich  sie  gehörten. 
Sie  besaßen  seit  dem  XIII.  Jahrb.  ihre  Liegenschaften  nach  »deutschem 
Recht-,  das  bezfiglich  des  Uebergangs  durch  Kauf  oder  Erbfolge  von  einem 
auf  den  andern  für  gfinstiger  galt  als  das  einheimische  Landesrecht.  Die 
Choden  waren  unmittelbare  Unterthanen  des  Landesfürsten  und  standen 
unter  dessen  Richtern,  denen  sie  Geschwome  aus  ihrer  Mitte  zur  Seite 
gaben.  Kein  Herr  oder  Vladyka  durfte  Herrenrechte  Ober  sie  ausüben, 
Haue  und  Hof  in  ihren  Dörfern  haben  oder  in  ihrem  Gebiete'' sich  an- 
siedeln. Andererseits  war  es  ihnen  nicht  gestattet,  Straßen  durch  ihre 
Dörfer  zu  fahren,  damit  dadurch  den  Feinden  der  Eintritt  in  das  Land 
nicht  leichter  gemacht  werde.  Wenn  der  Landesherr  in  ihr  Gebiet  kam, 
zogen  sie  vor  ihm  in  ihrer  eigenthümlichen  Tracht  und  Bewaflhung  auf 
und  überreichten  ihm  ein  Fftsschen  Wald-Honig,  zum  Zeichen  ihrer  Er- 


')  S.  auch   den   Artikel    »ChodenOrte»  in   Watterieh 's  Haudwörtar- 
buch  der  Laadeskunde  des  Königreichs  Böhmen  (Prag,  HUdau,  194i^)  S.  482  t 
*)  8.  weiter  Jire66k  Slovansk^  pr&vo  I.  str.  93. 


&00 

gebenhelt  nnd  dass  sie  ihrer  Pflkht,  den  Forst  za  begehen,  fleiBig 
kftmen*).  Es  traf  sie  aber  anch  besondere  Yerantwortnng,  wenn  in  äner 
der  ihnen  obliegenden  Pflichten  etwas  ▼emachlftßigt  worden  war.  80  fiel 
im  J.  1373  unter  Carl  lY.  ein  bayerischer  Eriegshanfen  durch  das 
Ghamp-Thal  in  Böhmen  ein,  wobei  dreizehn  Dörfer,  grOfitentheils  den 
Ghoden  gehörig,  nnd  die  Yorst&dte  von  Taus  niedergebrannt  wurden; 
der  Chronist  Bene9  von  Weitmile  wftlzt  die  Sdinld  dessen  ansdrOcklidi 
auf  die  Ghoden,  die  der  ihnen  anvertrauten  Grftnzbewachung  nicht  sorg- 
Altig  genug  nachgekommen  seien. 

Die  genauesten  Nachrichten  haben  wir  von  den  Ghoden  um 
Taus.  Sie  waren  Oberhaupt  die  mdst  genannten  unter  ihren  Bemfs- 
genossen,  wie  denn  anch  der  Pass,  der  ihnen  zu  bewachen  oblag,  bis  in 
das  Dunkel  der  ältesten  Landesgeschichte  zurück  die  große  Heer-  und 
Schlachtenstraße  aller  von  Westen  gegen  Böhmen  gefahrten  Kriege 
bildete.  Denn  schon  im  J.  630  wird  Wogastisburg  '^)  als  der  Ort  jener 
EIntseheidungsschlacht  genannt,  die  der  Shiven-Fürst  Samo  dem  KCmg 
der  Franken  Dagobert  lieferte,  und  erst  die  gewaltige  Hussiten-Schlacht 
im  J.  1431  schließt  die  Reihe  jener  großartigen  Zusammenstöße,  die 
wiederholt  in  der  Gegend  von  Taus  das  Schicksal  Böhmens  entschieden. 
Auch  hat  sich  das  Wesentliche  der  von  den  Ghoden  überhaupt  geschil- 
derten Eigenthümlichkeiten  bei  jenen  von  Taus  vergleichsweise  am 
l&ngsten  erhaUen,    obwol    im  Lauf    der   Jahrhunderte    mehr  und  mdir 


*)  K.  J.  Erben  D^jiny  ChodS  od  nejstarslch  dob  ai  po  v&lky  husitsk^ 
in  den  »Kvöty-  1868  Nr.  8-11.  Die  im  Text  angefahrten  EigenthOmlichkeiten 
werden  zwar  ausdrücklich  nor  von  den  Ghoden  in  Taus  enihlt;  allein  es  ist 
kaum  SU  zweifeln,  dass  den  Qrftnsw&chterD  in  andern  Laadestheilen  gleiche 
oder  doch  ähnliche  Begflnatigungen  zu  Tbeil  wurden,  wie  ihnen  ja  anch  die 
gleichen  Verpflicbtongen  oblagen. 

^^)  Man  war  bisher  allgemein  darüber  einig,  dass  hinter  diesem  Namen 
(Wogastisburg  —  Togastisburg  «  Tagosö  »»  Taugst)  das  heutige  Taus  zu 
suchen  sei.  Nenestens  ist  aber  Graf  Eugen  Cernin  in  den  »PamAtky  ardosol.- 
1864  II.  8.  $6-^58  dieser  Ansicht  mit  der  Behauptung  entgegengetreten,  das 
Angel-Thal  sei  es,  das,  mochte  nun  der  Feind  durch  die  Enge  von  St.  Katha* 
rina  über  Chndiva  oder  von  Taus  über  Neugedein  und  Putz<.ried  (Po^inovic) 
sich  den  Weg  in  die  von  Neuem  beginnende  Thalebene  gebahnt  haben,  den 
Weg  in  das  Innere  von  Böhmen  öfihete;  hier  aber  sei  es  nur  ein  Punkt  ge- 
wesen, oberhalb  äwihau  beim  Dorfe  Roth-Pofia,  wo  sich  der  Efai&ll  in's  Lsnd 
mit  Srfolg  aufhalten  ließ :  dort  heiße  ein  Hagel  »Tuhoät«  und  auf  diesem  finde  sieb 
ein  großer  Steinblock,  der  den  bezeichnenden  Namen  Samo-hrd  f&hre  nnd  von 
dessen  Ober  die  Waldesgipfel  emporragender  Spitze  man  das  Tlial  der  Angel 
weitfainab  bis  zu  den  bayerischen  Grftnsbergen  überaehanen  könne.  —  Auch  den 
Einfiül  König  Heiwrioh  HL  vom  J.  1041  verlagt  Graf  Cerain  in  dieselbe  Ge> 
gend,  da  weiter  südlich  die  GrAnzberge  zu  tief  in's  Land  hinem  reichten. 


501 

abgesohwfteht.  So  wird  gerichtet,  dass  schon  zn  des  potaiischen  YUr 
dislav  Zeiten  die  GrAnzbewachaiig  nur  mehr  zu  den  aaßergew6hnliehen 
Yerpflichtungeii  der  Ghoden  gehörte  ^^).  Andererseits  begann  die  Wahr- 
nehmong  ihrer  Vorrechte  nnd  Freiheiten  zu  erblassen,  and  da  sie  über 
d]0  meisten  derselben  keine  schriftlichen  Urkunden  aufweisen  konnten, 
hatten  sie  gegenüber  den  Eingriffen  nnd  Bedrückungen,  die  sich  einer- 
seits mächtige  Grrundherren,  wie  die  von  Schwamberg,  andererseits  die 
Bürger  von  Taus  gegen  sie  heransnahmen,  vor  den  Gerichten  einen 
immer  schwierigeren  Stand«  Insbesondere  die  letzt^en  wnssten  die  Cfao- 
den  in  stets  größere  Abhängigkeit  von  sich  zu  bringen.  Purch  königL 
Mjgestats-Brief  v.  J.  1585  wurde  denen  von  Taus  das  Oberamt  über 
die  Choden«*D6rfer  übertragen;  sie  hatten  die  Schoppen  derselben  all- 
jahrlidi  zu  erneuern;  die  Ghoden  waren  ihnen  als  ihrer  vorgesetzten 
Obrigkeit  Gehorsam  schuldig,  durften  ohne  ihre  Erlaubnis  keine  öSeatr 
Udien  oder  geheimen  Tage  halten,  mussten  an  sie  die  G^ldabgaben  und 
den  Getreidezins,  wozu  sie  den  böhmischen  Königen  verpflichtet  wareni 
abflihren.  Von  den  Tausern  wurden  mit  der  Zeit  die  Ghoden  förmlich 
als  Unterthanen  behandelt,  obgleich  ihre  Lage,  im  Vergleich  zu  jener 
der  Landbevölkerung  im  übrigen  Böhmen,  immerhin  als  eine  viel  gün» 
stigere  gelten  konnte.  Sie  behielten  ihre  eigene  Gerichtsbarkeit,  deren 
Tage  im  Tauser  Schloss  abgehalten  wurden,  das  ihnen  auch,  wenn  Fein- 
desgefahr  drohte,  als  Zuflnchtst&tte  für  Weib  und  Kind  diente;  als  geg^ 
Ende  des  sechzehnten  Jahrhunderts  das  Geb&nde  durch  eine  Feuers- 
braust  zerstört  wurde,  bestanden  die  Ghoden  darauf,  dass  es  ihnen  wie- 
der hergestellt  und  in  brauchbaren  Stand  gesetzt  werde.  Nur  -im  Handel 
und  Verkehr  wurden  sie  fast  vollständig  von  den  Tausem  abh&ngig. 
Die  Tauser  verwehrten  ihnen,  ihr  Vi^  anders  wohin  als  nach  Taus  auf 
den  Markt  zu  treiben.  Einzelne  Ghoden-Dörfer  hatten  die  Veiflichtung, 
ein  bestimmtes  Ausmaß  Holz  in  die  Stadt  zu  führen.  Der  Fisch-Handel 
wurde  ausschließend  nach  Taus  verwiesen;  die  Ghoden  durften  Fische 
weder  in  ihren  Dörfern  verkaufen  noch  auf  einen  andern  Platz  als 
Taus  zum  Verkauf  bringen.  Ebenso  wurde  ihnen  bei  Strafe  von  5  Schock 
Groschen  aufgebunden,  kein  Getreide  über  die  böhmische  Gr&nze  zu 
verkaufen,  ihr  Korn  auf  keinen  andern  als  den  städtischen  Mühlen  ver- 
mählen zu  lassen  u.  dgl. 

Die  Sorge  für  die  Erhaltung  des  Gränzwaldes  bestand  bei  alledem 
dar  Form  nach  immer  noch  fort;  allein  es  war  eine  Sorgß  schon  mehr 


*')  üeber  die  Verhältnisse  der  Tauser  Ghoden  vom  Anfang  des  14.  bis 
g^en  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  s.  Jos.  Emier  »Doma^lice  a  Chodovä 
ku  kond  XVI  a  na  zaöitku  v^ku  XVII>  in  den  »PamMky  arch.  a  mistop^«  1868 
VIII  8.  263—282. 


002 

In  forstmftimischer  als,  was  sie  in  den  frflheren  Jahrhunderten  ans» 
schließend  gewesen,  in  politischer  and  miHtarischer  Richtung,  wen 
auch  letztere  noch  nicht  ganz  und  gar  yemachläfiigt  wurde.  Mit  dem 
fiüher  erwähnten  Majestäts-Brief  von  1585  wurde  der  Stadt  'Taus  zu- 
gleich die  AuÜBicht  über  di'e  königlichen  Grftnzforste  anheimgegeben; 
sie  hatte  ihr  Auge  darflber  zu  halten,  dass  niemand  ungeblHirlich  Holz, 
sei  es  zum  Brennen  oder  zum  Bauen  schlage  oder  Reutungen  ror- 
nehme,  und  dass  dergleichen  Oberhaupt  nur  nach  erhaltener  Eriaubnii 
und  Erlag  einer  Schlaggebflhr  „und  ohne  Benachtheiligung  und  Schaden 
der  Or&nze^  stattfinde.  Unter  der  Strenge  dieser  Gebote  standen  jetzt 
auch  die  Choden,  die  in  frflherer  Zeit  in  der  Benutzung  des  WaUm 
vOHig  frei  gewesen  waren.  Bei  der  ungeheuren  Ausdehnung  der  Gitnz- 
forste  konnten  damals  die  Bewohner  der  wenigen  Dörfer,  und  wenn  sie 
noch  so  rfieksichtslosen  Raubbau  trieben,  verhiltnism&fiig  wenig  scha- 
den; nun  aber,  wo  im  Imiem  des  Landes  die  Wälder  sich  zu  liditea 
und  die  Ansiedlungen  selbst  gegen  die  Grftnze  hin  sich  zu  mehren  be- 
gannen, schien  einige  Vorsicht  geboten.  Die  Choden  durften  jetzt 
nutzungshalber  nicht  mehr  nach  Belieben  in  den  Wald ;  sie  waren  an 
Erlaubnis-Scheine  gebunden,  die  sie  gegen  Entrichtung  des  vorgpeschrie- 
benen  Schlaggeldes  beim  Amte  erheben  mussten,  1593.  Wer  die  Befugnis 
erworben,  sollte  mit  Maß  davon  Gebrauch  machen,  kein  junges  Holt 
schlagen,  alle  Dörrlinge  wegräumen,  damit  der  Waldwuchs  nicht  beein- 
trächtigt werde,  1598.  Im  J.  1608  gieng  Herr  Peter  von  Schwamberg 
gegen  die  Tauser  die  Verpflichtung  ein,  ihnen,  falls  einer  seiner  Unte^ 
thanen  ohne  ihre  Erlaubnis  in  den  königlichen  Forsten  schlagen  wArde, 
zu  dessen  Handnahme  und  Bestrafung  behilflich  zu  sein.  Linde  und 
Ahorn  durften,  ohne  besondere  Erlaubnis  des  Bfirgermeisters  und  der 
Rathsherm  von  Taus,  gar  nicht  gefällt  werden.  Großen  Schaden  ver^ 
ursachten  dem  Waldbestande  die  rinnförmigen  Einschnitte  in  die  Rmde 
gesunder  Bäume  zur  Gewinnung  des  Harzes.  Im  Jahre  *  1609  wurde 
um  dieser  Schädigung  willen  den  Pechsiedem  das  Betreten  des  Waldes 
bei  Strafe  von  20  Seh.  Gr.  verboten;  bloß  denen  von  Prostrekov  und 
Kramolin,  zwei  Choden-Dörfem ,  wurde  dies  unter  der  Bedingung  ge- 
stattet, dass  sie  das  gewonnene  Harz  nach  Taus  und  nicht  irgoid 
wohin  in*s  Ausland  verkauften  '^). 

Noch  einmal  kam  für  den  Böhmerwald  eine  Zeit,  wo  man  sich  von 
Staatswegen  der  wichtigen  Dienste '  erinnerte,  die  er  in  den  vorans^ 
gegangenen  Jahrhunderten  bei   Kriegsnöthen   dem  Lande  geleistet.   Es 


^')  Eine  ähnliche  Erlaubnis  erhielten  die  Bewohner  von  Myslivsko:  »streu- 
hati  smälu  v  mistech,  kde  jest  näneck6  plecovini,  kdeito  vskakujf  Nänd  a  ji 
ouUadnö  strouhi^i.«  Emier  a*  a.  0. 


009 

war  der  Antbrach  jener  grofiartigen  AHflehnimg  gegen  das  fecbtinaMg 
regierende  Htfns,  die  mit  dem  denkwürdigen  Fenstersturz  ob  dem  Prager 
Sddosee  iliren  Anfang  nahm.  Man  z&hlte  den  23.  Mai  des  Jahres  1618, 
bimI  eines  der  in  den  Bnrggraben  hinabgeschleaderten  und    so  wonder« 
bar  nicht  bloß  am  Leben,   sondern  auch  an  der  Gesundheit  all  seiner 
Glieder  erhaltenen  Opfer  war  Herr  Jaroslav  Bofita  von  lifortinic.  Nach- 
dem er  sich  glttcklich  in  seine  auf  dem  Hradschin  gelegene  Behansm^ 
gerettet  und  seiner  Gemahlin,  die  über  das  bloße  Gerttcht  des  Vor* 
falls    vor    Schrecken    noch    außer    sich  war,    zum  Beweise,    dass    er 
heil  und  gesund  davon  gekommen,  im  Zimmer  einige  Luftsprünge  vor« 
gemacht  hatte,  ließ  er  sich  den  Bart  abnehmen,  warf  sich  in  schlechte 
Kleidung  und  entkam   in  B^leitang  des  Baders  Peter  Tomasoni  durck 
das  Strahover  Thor  auf  den   weißen  Berg,    von   wo  ihn  eine  Ealesche 
über  Tuchlovic  am  24.  nach  Plass  und   von   da  am  andern  Tage  über 
Tepl  nach  Tachau  in  das  Kloster  der  unbeschuhten  Franciscaner  brachte» 
Nicht  lang  nach  Mitternacht  am   26.  Mai   wurde  von   Tachau   anfge^ 
brocfaen  und  bald  befand  man  sich  in  dem  „großen  Wald  an  der  böhmi* 
sehen  Granze  gegen  die  Pfalz  ^,   wo  Martinic  jenes  Abenteuer  zu  be- 
stehen hatte,  das  sein  Fenstersturz-^Jenosse  Graf  Wilhelm  von  Slaviata 
in    seinen     Denkwürdigkeiten     aosffthrlich     beschreibt.     Der     Führer 
nämlich,    der   vor   dem  Wagen  einhergieng,    verfehlte    in  der  Motgen- 
dammerung  den  Weg  derart,    dass    man   sich   mit  einemmai  mitten  im 
Waklesdickicht    befand   und   weder  vorwärts    noch  zurück  konnte.    Mit 
den  Schwertern  musste    man   sieh    durch  Umhauen   des  Gehölzes  Bahn 
machen,  stellenweise  den  Wagen  über  Klötze  und  liegende  Baumstämme 
hxnüberheben.  Als  sich  bei  einem   solchen  Anlasse  Tomasoni  gegen  den 
Fiflirer  in  heftigen  Worten   atusließ   und  ihm  mit  Schiftgen  drohte,  war 
dieser  onverseheads  verschwunden  und  man  fand  sich  in  der  unbekannten 
Wildnis  auf  sich  selbst  angewiesen.  Nun  wurde  nach  den  verschiedensten 
Bichtungen  versucht  in  dias  rechte  Geleise  zu  kommen,    bis  sich  nach 
tatst  dreistündigem  Mührai  der  Kutscher  in  einen  Filz  verfuhr,  so  dass 
man   alle  Kräfte  anstrengen   musste,  Wagen  uad  Pferdb,  Üe  bis  zum 
Bauche  im  Moraste  stackan,   wieder  auf  feslea  Grand  zu  biiogen.  Halb 
veffaweifeU;,  von  Müdigkeit  übeimannt,   von  Hunger  und  Durst  gepeinigt 
warf  sich  Martinic  auf  die  Knie   und   flehte    mit  seinen   Leuten,   die 
soiaem  Beispiele  folgten,  mit  lauter  Stimme  den  Hlmn^  um  Beistand 
aiu  Nach  neuerlichem  Umherirren   war  man  endlidi  aus  dem  Dickicht 
des  f^rstee  an  eine  offnere  Stelle  gelangt^   von  wo  man   einen   freien 
Bliek   über  einen  weiten  zu  Füßen  des  Abhanges  liegenden  Waldhau 
batta  »Allein  ^  war«,  wir  lassen  jetzt  Slavata  selbst  reden,    »nocli 
ifluner  kein  FeU  oder  Weg  zu  aehen,  sondern  man  befMud  sich  wie 


601 

in  einer  Wflstenei,  so  das«  Omf  llariiiiic,  nicht  mehr  wissend  was  er 
weiter  beginnen  soUe,  wie  ans  göttlicher  Eingebung  laut  in  diese  dentaeheo 
Worte  ausbrach:  »0  mein  Gott,  wo  sollen  wir  uns  jetzt  hinwenden?« 
nnd  sogleich  vernahm  er  sich  g^^enüber  eine  Stimme,  die  nichts  als 
»ha«  rief.  Von  neuem  begann  Graf  Martinic :  »0  mein  lieber  Freund, 
sag  mir,  ob  wir  uns  auf  die  rechte  oder  linke  Seite  begeben  soll^?« 
Als  jedoch  auf  diese  Frage  nichts  geantwortet  wurde,  rief  der  Graf 
Martinic  abermals  laut:  «O  mein  lieber  Freund,  sollen  wir  uns  auf  die 
rechte  Seite  wenden?"  worauf  sogleich  die  Stimme  antwortete:  »Ja*. 
Da  sich  der  Graf  hiermit  nicht  begntkgen  wollte,  rief  er  neuandings: 
»Sollen  wir  uns  auf  die!  linke  Seite  begeben?-  Als  hierauf  die  Stimme 
keine  Antwort  gab,  fragte  der  Graf  sogleich  aufs  neue:  »So  sollen  wir 
uns  auf  die  rechte  Seite  wenden?«  worauf  die  Stimme  sehr  Yemehm- 
lieh  also  antwortete:  »Ja,  ja«.  Nichtsdestoweniger  rief  er  um  gröfierer 
Sicherheit  willen  laut  nochmals:  »So  werden  wir  auf  die  rechte  Hand 
wohl  fahren?«  nnd  die  Stimme  gab  wieder  zur  Antwort:  '*Ja,  ja,  ja.« 
Auf  dieses  wandte  sich  der  oftgenannte  Graf  Martinic  in  Grottes  Namea 
aUm&lich  nach  rechts  und  kam  so  bald  auf  einen  grasbewachsenen, 
wenig  ausgefahrenen  Weg*«,  der  die  verirrten  Reisenden  zuerst  in  eis 
Dorf  und  dann  weiter  in  das  schon  in  der  Pfalz  gelegene  Stftdtchea 
Weithausen  brachte.  Graf  Martinic  war  außer  dem  Bereiche  seiner 
böhmischen  Todfeinde. 

Ich  habe  bei  dieser  gewiss  nicht  uninteressanten  Begebenheit  darum 
so  lange  verweilt,  weil  sie  einmal  ein  Bild  gibt,  welche  Awfldehnung 
und  welch  unwirtliche  Schrecknisse  noch  in  der  ersten  Hftlfte  des 
siebenzehnten  Jahrhunderts  der  böhmische  Gr&nzwald  in  einer  Gasend 
hatte,  die  heutigen  Tages  nur  Merkmale  vonCultur  und  freundlicher  Wohn- 
lichkeit aufweist,  und  weil  ich  zweitens  nicht  irre  zu  gehen  fürdite, 
wenn  ich  in  dem  unsichtbar  r&tselhaften  Trftger  jener  Stimme,  die 
zuletzt  den  Herrn  von  Martinic  und  dessen  Greffthrten  auf  den  rechtea 
Weg  leitete,  einen  Choden  zu  erkennen  meine,  der  bei  seinem  Berufe 
des  „Waldbegehens^  ans  der  Feme  die  Noth  der  armen  Verirrten  ge- 
wahrte nnd  ihnen,  einsylbig  genug,  seinen  Bath  eitheilte.  Denn  dass 
die  Bewohner  des  westlichen  Böhmen  gerade  um  diese  Zeit  gemessene 
Weisungen  aus  Prag  erhielten,  die  Grftnze  gegen  Bayern  auf  das 
schAr&te  zu  bewachen,  die  von  dorther  fahrenden  Wege*  durch  Yerfcaae 
zu  sperren  u.  dgL,  ist  geschichtlich  ebenso  erwiesen,  als  dass  die  Tanaer 
Choden  dieser  Verbindlichkeit  nur  nachläßig  mit  unverhohlenem  ¥^de^ 
streben  Geniige  leistet^L  Darum  erfolgte  im  Jshre  1620  ein  neuer 
Befehl  des  Wmterkönigs,  der  ihnen  bei  Verlust  all  ihrer  Rechte  und 
Freiheiten  auftrug,  ihrer  PlSicht  getrenlich  nachzukommen,  die  Eintritte- 


506 

punkte  nach  Böhmen  gegen  feindliche  Einfalle  sorgfaltig  zu  bewachen 
und  die  festgesetzte  Zeit  bei  denselben  zn  verweilen ;  die  Choden  wnrden 
dazu  dörferweise  nach  einer  gewissen  Ordnung  aufgeboten  und  mnsste 
die  Wache  Tag  und  Nacht  gehalten  werden.  Die  Weißenberger  Schlacht 
machte  alle  dem  ein  Ende.  Jetzt  bedurfte  es  keiner  Gr&nzwacht  gegen 
Bayern  mehr,  dessen  Churfflrst  als  die  vorzflglichste  Stütze  des  Kaisers 
galt,  und  mit  den  Privilegien  der  Tauser  Choden  war  es  vorbei,  weil 
sie  angeblich  an  der  Rebellion  gegen  den  rechtmäßigen  König  theüge- 
nommen,  während  sie  in  Wahriieit  den  Wünschen  Friedrich's  von  der 
P£alz  sich  ziemlich  unfögsam  gezeigt  hatten. 

Die  heutigen  Choden  sind,  wie  kaum  gesagt  zu  werden  braucht, 
nichts  mehr  von  dem  was  sie  ehemals  waren.  Es  gibt  weit  und  breit 
in  der  Gegend  von  Taus  keinen  Gränzforst  mehr,  und  wer  auf  dem 
Wege  vom  böhmischen  Tachau  nach  dem  bayerischen  Waidhaus  eine 
Stelle  entdecken  wollte,  wo  sich  heute  ein  Abenteuer  wie  das  vom 
26.  Mai  1618  bestehen  ließe,  der  würde  irregehen  an  dem  Spruch  der 
Bibel:  Wer  sucht  der  findet.  Die  altberflhmte  Chodenburg  von  Taus 
ist  längst  modem-practischen  Zwecken  gewidmet  und  für  solche  vielfach 
nmgestaltet  worden.  Die  Choden  der  Umgegend  haben  gleich  der  Mehr- 
zahl der  städtischen  Bevölkerung  ihren  böhmischen  Character  im  allge- 
meinen bewahrt.  Sie  haben  gewisse  im  ganzen  böhmischen  Lande  be* 
kannte  Eigenthümlichkeiten  ihrer  Mundart,  die  ihnen  den  Beinamen 
„Buläci^  —  weil  sie  unter  andern  „bul*  statt  „byl"  aussprechen  — 
eingetragen  hat  Auch  heißen  sie:  „Psohlavci  =  Hundsköpfler'',  weil 
sie  auf  ihrer  Fahne  einen  Hundskopf  als  Sinnbild  der  ihnen  obliegenden 
treuen  Gränzwacht  führten. 

Die  Choden  sind  allen  Anzeichen  nach  ursprüngliche  Cechoslaven 
and  nicht,  wie  noch  bis  auf  die  jüngste  Zeit  Einige  meinten,  Abkömm- 
linge jener  polnischen  Bewohner  von  Gdecz  (Giecz),  die  der  siegreiche 
Herzog  Bfetislav   im  J.  1039   nach   Böhmen   übersetzte  '').    Wenzig 


**)  Noch  K.  J.  Erben  in  seinem  o.  a.  Aufsatz  vertritt  8.  78  die  alte 
mit  dem  Bemerken,  dass  den  polnischen  filnwanderem  der  große 
Wald  Cnda  '^  Cernin  in  der  Gegend  von  Taus  übergeben  wurde,  um  selben 
aoBzurotten  und  sich  in  Dörfern  anzusiedeln;  noch  Cosmas  kenne  in  Jener 
Gegend  »Qed£an6«.  S.  dagegen  H.  Jiredek  das  Recht  in  Böhmen  und 
Miliren.  I.  Bd.  2..  Abth.  S.  20  und  Bieger  Slovnik  naudn^  Artikel:  -GKecz». 
—  Wenn  Wenzig  (Der  Böhmerwald.  Natur  und  Mensch.  Geschildert  von  J. 
Wenzig  und  Joh.  Krejdi.  Mit  SS  Holzschnitten  von  Ed.  Herold.  Prag.  Bell- 
mann  1860.  8. 164)  behauptet,  in  der  Mundart  der  Tauser  Choden  fänden  sich 
noch  Ueberreste  aus  dem  polnischen,  so  bleibt  er  den  Beweis  fOr  diese  Be- 
hauptung schuldig;  jedenfalls  können  die  ?on  ihm  gebrachten  Dialect-Proben 
als  solcher  nicht  gelten. 

MitatilttflgM  d.  gMfff.  GaMU.  1870.  11.  33 


Ö06 

fand  bei  seinem  Besuche  d&r  Choden-DOrfer  zu  Ende  der  AnÜEiger 
Jahre,  dass  ihre  Wohnungen  „noch  hie  und  da  auf  die  ursprOngUche 
kriegerische  Bestimmung  hindeuten.  Sie  sehen",  versichert  er,  „kleina 
Festungen  gleich,  indem  sie  von  einer  Mauer  umgeben  sind,  durch  dk 
kein  Zimmerfenster  nach  außen  geht."  Er  beschreibt  einige  ihrer  Sittoi 
und  Gebrftuche  und  bringt  mehrere  ihrer  Lieder  als  „Dialect-Proben" 
mit  beigeftlgter  deutscher  Uebertragung,  worin  er  bekanntlich  Meister  ist "). 

4.  Der  „goldene  Steig." 

Wenn  in  dem  Vorangegangenen  die  Umwaldung  des  böhmischen 
Landes  ausschließend  vom  militärisch-politischen  Standpunkte 
in*s  Auge  gefasst  wurde,  so  ist  es  noch  eine  andere  Seite,  von  wo  ihr 
eine  wichtige  Rolle  zugewiesen  war:  die  fiscalisch-commercielle. 
Der  Gr&nzwald,  der  sich  um  Böhmen  zog,  diente  nämlich  gleichzeitig 
als  Zollschranke,  wobei  zu  bemerken  ist,  dass  der  alte  böhmische  Grlnz- 
zoU  nur  auf  die  Ausfuhr,  nicht  auch  auf  die  Einfuhr  von  Handels- 
gegenständen gelegt  war  '^).  Die  bezüglichen  Aemter  befanden  sich  aber 
nicht,  wie  etwa   heutzutage,    hart   am    Austrittspunkte    aus  Böhmen  in 


'*)  Wenzig  a.  a.  0.  S.  162—166. 

")  Dr.  Anton  Gindely  Geschichte  der  böhraischen  Finamsen  roD  15!€ 
bis  1618,  Wien  1868  (Akademie-Schriften)  S.  42.^  —  Der  Verfasser,  deweo 
ArMt  die  umlusendsten  Stadien  aller  einschlägigen, Acten  zu  Grunde  liegen, 
f&hrt  S.  41  f.  die  aus  den  Aufzeichnungen  der  Jahre  1550,  1586  und  1612  er- 
sichtlichen Zoll-Stationen  auf,  wovon  auf  den  südlichen  Theil  des  Böhmerw&Ides 
folgende  entfielen : 

1586 
Taus. 


1650 


1612 


druckten  Namen  gehören  den  verschiedenen  Abzweigungen  des  -goideneB 
Steiges-  an.  Hartmaniz  war  der  alte  Ausgangspunkt  des  St.  Günthersteiges, 
Neuem,  nach  meiner  Vermuthang  (s.  oben  S.  497  Anm.),  jener  des  Eiseosteiner 
Pfades.  Plan,  Wuldaa  und  Friedberg  mögen  Zollwegen  angehört  haben,  die 
erst  sp&ter  eröfEnet  wurden;  mindestens  ist  in  den  ältesten  Aofkeichnongen 
von  ihnen  nirgends  die  Rede. 


Nengedein. 

Neugedein. 

Neugedein. 

Neuem  (Nyrsko). 

Neuern. 

.  Neuern. 

Hartmaniz. 

Hartmaniz. 

Hartmaniz. 

fiergreichenstein. 

Bergreichenstein. 

Bergreichenstein. 

Wtnterberg. 

Winterberg. 

Winterberg. 

Prachatis. 

Prachatiz. 

Prachatiz. 

Wallern  (Volary). 

^. 

Wallern. 

Ober-Plan  (Planice?). 

— 

Plan, 

Unter-Woldau. 

Wuldau. 

Ober-Wuldau. 

Friedberg. 

Friedberg. 

Friedberg. 

fiohenfort 

EkKAtkiiAn     A  nA<naTiilA«*i*AiKi«««M 

Krnmau. 

60Z 

dftfi  Nachbarland,  sondern  lagen,  weil  sich  der  Forst  tief  in's  Land 
hineinzog,  meist  mehrere  Standen  weit  von  der  durch  die  Mitte  des 
Waldes  laufenden  Gr&nze,  wie  das  schon  früher  angeführte  Beispiel  von 
Habem  zeigt.  Die  Landespforten  und  Pfade,  die  in  Kriegszeiten  durch 
Verhaue  abgesperrt  wurden,  waren  im  Frieden  die  ausschließlich  gestatteten 
Ein-  und  Ausfnhrlinien :  so  ausschließlich  gestattet,  dass  am  ihretwillen 
im  Umfange  des  Gränzgebietes  alle  andern  Wege,  die  einen  leichteren 
und  bequemeren  Verkehr  vermitteln  konnten,  verpönt  waren  und  sjrste» 
matisch  vernachlässigt  worden,  so  dass  Fuhren  von  den  abseits  liegen* 
den  Orten  beschwerliche  Umwege  von  mehreren  Stunden  und  Meilen 
machen  mussten,  um  zu  dem  privilegierten  Stapelplatz  zu  gelangen. 
Wurde  ein  Güterwagen  oder  ein  Viehtrieb  auf  einem  jener  Seitenwege 
angehalten,  so  war  die  ganze  Ladung  oder  Herde  ver&llen. 

Wie  in  militärischer  Hinsicht  der  P.ass  von  Taus  allen  aus  Böhmen 
und  nach  Böhmen  leitenden  Heeresstraßen  an  Wichtigkeit  und  geschicht- 
licher Berühmtheit  weitaus  vorangieng,  so  hatte  sich  in  commerciell-fisca- 
lischer  keiner  eines   solchen  Rufes   und   Ansehens   zu    erfreuen  als  der 
von  Passau  nach  Prachatiz   führende   sogenannte  goldene  Steig  '*). 
Sein  Ursprung  zieht  sich  in   das   Dunkel   der  Geschichte    zurück  und 
vielleicht  geht  man  nicht  irre,    wenn  man  ihn  aus  den  Bojerzeiten  her- 
leitet.   Bojer    bewohnten    in    frühen  Jahrhunderten   Böhmen,    Bojer  in 
späteren  Zeiten  Bayern;    „Böhmen"   und    „Bayern"    leiten  beide  ihre 
Namen  von  ihnen  her.    Sollen   die  Bewohner  des  letzteren  Landes  und 
die  im  ersteren  zurückgelassenen  Reste  des  gleichen  Volksstammes  außer 
allem  Verkehr  miteinander  geblieben  sein?  In  der  Richtung  vom  heutigen 
Passan  zum  heutigen  Prachatiz  führte  die  nächste  Linie  aus  dem  bayeri- 
schen Bojerlande  in  den  südwestlichen  Theil  des  alten  Bojohämnm,   des 
reich  gesegneten  Landes,   das  nur   an   einem   Lebensbedürfnisse   ent- 
schiedenen Mangel  litt,  an  Salz.    Aber   gerade  Salz   hatte  die  spätere 
Bojerheimat  im  Ueberflnsse;  die    Werke   von   Hall,    Hallein,   Hallstatt 
(Hai  im  Keltischen  =  Salz)  waren   schon  in   ältester  Zeit   in  Betrieb, 
und  dieses  Salz  war  in  der  geschichtlichen  Zeit  der  wichtigste  Artikel, 
der  auf  jenem  Wege  nach  Böhmen  gebracht  wurde,   so  dass  der  „gol- 
dene" Steig  eben  so  gut  der  „Salz"* -Steig  heißen   konnte.    Wo  der 
„via  juxta  Prachatiz''  urkundlich   zum  erstenmal   Erwähnung  geschieht, 
1066,  war  das  Zollerträgnis  derselben  bereits  so  bedeutend,  dass  König 
Vratislav  TL.  das  Vysehrader  Capitel  damit  bestiften  konnte.    Das  Ver- 
hältnis bildete  sich  später  so  heraus,  dass   die  eine  Hälfte  der  Zollein- 

^*)  Zlatä  Btezka.  Pijspöwek  k  d^episn  desk^ho  obchoda  w  minulosti.  Od 
Fr.  D.  Slämy.  Öas.  Cesk.  Mus.  1837. 

33* 


506 

kfinfte  dem  Propste,  die  andere  den  flbrigen  Vy§ehrader  Capitnlarai 
zufiel;  im  J.  1285  schlössen  aber  beide  Theile  einen  Vertrag,  dass 
aach  diese  andere  H&lfte  dem  Propste,  dem  reichsten  Pfrandner  des 
Landes,  zoiallen  sollte,  der  dafür  dem  Capitel  alle  EinkOnfte  seiner 
Guter  2itenic,'  Jinec,  Üjezd  n.  a.  mit  allen  Höfen ,  Weinbergen,  Obst- 
gftrten,  dem  Zehent  von  Leitmeriz,  dem  PodyySehrad  a.  a.  abließ.  Die 
Passauer  lörchenfillrsten  thaten  das  ihrige,  den  Handel  auf  dem  Pn- 
chatizer  Steige  in  lebhaftem  Schwünge  zu  erhalten.  So  bestimmte 
Bischof  Otto  1256  auf  dem  Landtage  za  Niederhaosen,  dass  den  Leaten 
aas  Waldkirchen,  Schafweg  und  Zwiesel  in  der  Verfrachtung  von  Salz 
und  anderem  G-ut  Aber  die  Berge  nach  Böhmen  kein  Hindernis  in  den 
Weg  gelegt  werde;  ja  zu  ihrer  mehreren  Aufinunterung  wurde  eine 
Vergütung  von  7  Schilling  weniger  10  Pfennige  für  jedes  Pferd  fest* 
gesetzt,  das  ein  Säumer  bei  Tag,  aber  nicht  bei  Nacht,  auf  diesem 
Wege  Terlöre.  Ebenso  war  man  von  böhmischer  Seite  darauf  bedacht, 
den  in  volkswirtschaftlicher  Hinsicht  so  überaus  wichtigen  Verkehr  auf 
dem  Prachatizer  Steige  in  jeder  Weise  und  unter  allen  Umst&nden  la 
schützen.  Selbst  in  Kriegszeiten,  wenn  alle  andern  Granzwege  der 
Gegend  von  wo  ein  Angriff  zu  fürchten  war  durch  Verhaue  vermadit 
wurden,  blieb  der  von  Prachatiz  nach  Passau  frei  und  dem  Verkehr 
geöffnet;  ja  dies  sollte,  wie  Wenzel  IV.  und  der  polnische  Vladislav 
ausdrücklich  bestätigten ,  sogar  dann  der  Fall  sein,  „wenn  der  König 
von  Böhmen  mit  dem  Bischöfe  oder  Capitel  von  Passau  selbst  in  Zwist 
geriete  und  Krieg  führte.''  In  gleichem  Sinne  wurde  zur  Zeit  Ferdi* 
nand  L,  als  wegen  einer  großen  Hungersnoth  alle  Getreideausfuhr  ans 
dem  Lande  gesperrt  wurde,  für  den  Prachatizer  Weg  eine  Ausnahme 
gemacht 

Die  Zeit  des  fünfzehnten  und  sechszehnten  Jahrhunderts  war  vielleiebt 
die  des  lebhaftesten  Verkehrs  auf  dem  goldenen  Steige  und  der  Blate 
der  Stadt  Prachatiz.  Zwar  hatte  es  auch  bis  dahin  an  Rivalen  nidit 
gefehlt.  Schon  unter  Karl  IV.  wird  einer  Straße  von  Passau  über  Grwilda 
(Außergefild)  nach  Böhmen  und  eines  1366  ausgefertigten  SchatzbrieGos 
gedacht,  „dass  jede  wie  immer  Namen  habende  Ware  auf  der  ge- 
nannten Straße  über  Bergreichenstein  zu  gehen  und,  welche  des  Tages 
dahin  käme,  mit  der  Fuhre,  auf  der  sie  gebracht  worden,  über  Nacht 
daselbst  zu  bleiben  habe.*^  Ebenso  richtete  Wimberg  (Winterberg),  wo- 
hin Prachatiz  aus  alten  Zeiten  wöchentlich  zwölf  Reffträger  mit  Sali 
abschickte,  sein  unablässiges  Bemühen  dahin,  eine  Abzweigung  des 
goldenen  Steiges  unmittelbar  auf  seinen  Stapelplatz  zu  führen.  Allein 
der  hierüber  zwischen  Winterberg  und  dem  Propst  zu  Vysehrad  aosge- 
brochene  Streit  wurde  unter  König  Wenzel  1404  8.  Jänner  dahin  ent- 


509 

seUedeD,  „dass  Bicfa  Wimberg  mit  seinen  zwOlf  Kraxenmännern  zn  b^ 
gnügen  nnd  der  P&d,  der  von  Passan  über  den  Wald  fährt,  wie 
bisher  nach  Prachatiz  nnd  von  da  weiter  zn  gehen  habe,  znm  Frommen 
des  Landes  Böhmen,  damit  es  darin  keinen  Nachtheil  erleide.^  Dessen* 
ongeachtet  gelangte  Winterberg  noch  im  Laofe  des  15.  Jahrhunderts  zn 
seinem  Ziele  nnd  galt  nnter  dem  Herrn  UenSk  Malovec  von  Cheynov, 
1502,  schon  unangefochten  als  Stapelplatz  ffXr  Salz.  Allein  namhaften 
Eintrag  machte  die  Stadt  doch  den  Prachatizem  keineswegs,  nnd  noch 
weniger  gedieh  Bergreichenstein  in  seiner  Eigenschaft  als  Legestätte 
zn  größerer  Bedentnng,  so  zwar,  dass  die  Einwohner  im  16.  Jahr- 
hnndert  nicht  einmal  ihren  eigenen  Bedarf  an  Salz  dnrch  unmittelbaren 
Bezug  decken  konnten. 

Obgleich  der  goldene  Steig  an  Wichtigkeit  nnd  Ansehen  vielleicht 
den  besuchtesten  unserer  heutigen  Straßen  den  Rang  ablief  ^'),  war  er 
doch  nichts  anderes  als  was  sein  Name  besagte,  ein  beengter  Pfad,  auf 
welchem  die  Sftumer  im  besten  Falle  zwei  beladene  Gftule  —  „equi 
honnsti  qui  dicuntur  saumer'  —  nebeneinander  treiben,  aber  kein  Wagen 
fahren  konnte.  Der  goldene  Steig  war  seiner  ganzen  mehrere  Meilen 
betragenden  Länge  nach  mit  geftllten  Stämmen  ausgelegt,  und  Ober  die 
Moldau  gieng,  wie  schon  frOher  bemerkt,  zwischen  Böhmisch-Röhren  und 
Wallern  eine  Brflcke,  die  in  gutem  Stande  zu  erhalten  —  „ad  reno- 
vandum  pontem  in  silya^  —  die  Pröpste  von  YySehrad  die  Verpflich- 
tong  hatten,  so  lange  die  Ertragnisse  des  Zolles  in  ihren  Sftckel  flössen; 
später,  als  dieselben  der  königlichen  Kammer  zugute  kamen,  wurde 
diese  Verbindlichkeit  der  Stadtgemeinde  Prachatiz  aufgebürdet  Längs 
des  goldenen  Steiges  gab  es  verschiedene  Haltpunkte,  namentlich  Wasser- 
Stationen  fflr  die  beladenen  Rosse,  worauf  viele  noch  heute  bestehende 
Ortsnamen  hindeuten:  so  „Röhrenbach'  in  Bayern  und  „Böhmisch- 
Röhren'  (auf  der  Mü Herrschen  Karte  Böhmens:  „H&usler  bey  der 
böhmischen  Röhm')  an  der  Hauptader  des  goldenen  Steiges  von  Passau 
nach  Prachatiz;  dann  „Röhrenberg'  (Müller:  „Röhrenhftuser')  an  der 
Winierberger  Abzweigung;  endlich  an  jener  nach  Bergreichenstein  auf 
bayerischem  Boden  die  „Schönbrunner  H&user',  die  Orte  „Hohenröhren', 
„Heinrichsbrunnen^ . 

Bei  der  bevorzugten  Stellung,  die  der  goldene  Steig  als  Handels- 
straße einnahm,  scheint  er  grundsätzlich  von  kriegerischen  Unter* 
nehmungen  gemieden  worden  zu  sein.  Der  berüchtigte  Einfall  des 
Passaner  Kriegsvolkes  im  J.  1611  geschah  nicht  von  dieser  Seite, 
sondem  von  Oberösterreich    über  Hohenfort  und  Kruman.  Wir  wissen 


'^)  Släma  a.  a.  0.  8.  15S. 


610 

▼on  einem  einzigen  Kriegszuge,  der  seinen  Weg  Aber  den  goldenen 
Steig  nahm,  nftmlieh  im  Winter  1618/9  als  der  kaiserlidie  Genenl 
Bonqnoy,  im  Sflden  Böhmens  yom  Feinde  bedrängt  und  yon  Ober-  und 
Nieder-Oesterreich  abgesperrt,  sich  der  Stadt  Kmman  bem&chtigte  nad 
2000  Kriegsknechte,  die  der  Kaiser  in  Yorder-Oesterreich  geworben, 
von  Passaa  Aber  Freyung  und  Böhmisch-Röhren  in's  Land  rflcken  liei. 
Es  war  das  ein  kfllmer  Streich,  der  woi  nur  dämm  gelang,  weil  die 
Gegner  aaf  eine  solche  Benützung  des  berühmten  Handelsweges  niofat 
gefasst  waren.  Die  Säumer  mit  ihren  sack-  and  bfindelbescbwertea 
Oäülen,  die  sich  gerade  unterwegs  befanden,  mochten  dabei  unsanft  bd 
Seite  gedrückt  worden  und  die  Lieferungen  von  Salz,  von  Getreide,  Ton 
allerhand  Trinkwaren,  von  Linnenzeug,  auf  die  man  einerseits  in 
Prachatiz  andererseits  in  Passau  wartete,  durch  mehrere  Tage  arg  in's 
Stocken  geraten  sein;  denn  dies  waren  die  Haupt-Artikel,  deren  regel- 
mäßiger Austausch  auf  dem  goldenen  Steige  vermittelt  wurde.  Danebai 
liefen  aber  manche  dem  Erträgnisse  nach  geringere,  ihrer  Bedeutong 
nach  aber  hochwichtige  Artikel,  nach  denen  auf  dem  uralten  Wege  von 
Passau  nach  Böhmen  gesucht  wurde.  Noch  heute  lebt  im  Böhmerwalde 
die  Ueberliefemng  von  unbekannten  Wälschen,  die  sich  vor  Jahiiiun- 
derten  von  Zeit  zu  Zeit  durch  Nachfragen  nach  alten  Bäumen  bemerk- 
bar gemacht  hätten.  Es  brauchten  nicht  eben  aufrechte  Stämme  zu 
sein,  es  genügte  sogenanntes  Lagerholz,  uralte  riesige  Bäume,  die  durdi 
ein  Elementar-Ereignis  gefällt  oder  gar  mit  ihrer  riesigen  Wm*zel  aas- 
gehoben waren  und  seither  einhundert  Jahre  und  darüber  auf  deoi 
Boden  lagen.  Die  Rinde  und  die  äußern  Schichten  waren  schon  dem 
Processe  des  Vermodems  verfallen,  aber  der  Kern,  aus  unendlich  feinen 
dichten  und  gleichmäßigen  Jahresringen  bestehend,  war  noch  vollkoranen 
gesund  und  gab  das  trefflichste  Holz  für  Resonanz-Böden  musikalischer 
Instrumente.  Und  so  mögen  denn  manche  der  berühmten  und  heute 
mit  schwerem  Golde  aufgewogenen  Stradivari  und  Amati,  Guameri  und 
Ruggieri,  die  unter  den  Strichen  eines  Vieuxtemps  und  Joachim,  eioes 
Laub  und  Hellmesberger  ein  ausgewähltes  Concertpublicum  in  Entzücken- 
versetzen,  die  hinreißende  Macht  ihres  Tones  einer  gefallenen  oder 
gefällten  Größe  der  §umaya  verdanken,  die  ein  vor  langer  Zeit  anf 
dem  goldenen  Steige  herübergekommener  italienischer  Händler  entdeckt, 
erfeilscht  und  über  den  Böhmerwald  und  über  die  Alpen  in  das  Land« 
wo  die  Goldorange  reift,  geführt  hatte. 

Bald  nach  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  gieng  der  goldene  Steig 
ein,  und  das  kam  so.  Wie  das  Salz,  dieses  nach  dem  Brode,  oder  viel- 
mehr mit  dem  Brode  ausgebrfeitetste,  ja  unentbehrlichste  aller  Lebens- 
bedürfnisse, den  Wachsthum  des  Prachatizer  Handels  und  Verkehrs  ge- 


511 

fördert,  seine  Blüte  geschaifen  hatte,  so  war  es  meder  das  Sals,  das 
sein  aUgemaohes  Sinken  and  zuletzt  die  vollständige  Verödung  des 
goldenen  Steiges  herbeiführte.  Nämlich  das  Salz  fand  andere  Wege 
in^s  Land  zu  kommen  nnd  der  Aber  Praehatiz  verlor  seinen  Wert ;  der 
Mohr  d.  i.  der  goldene  Steig  hatte  seine  Schuldigkeit  gethan  und  er 
konnte  gehen  d.  h.  verfallen.  Als  die  Beherrscher  von  Gestenreich,  die 
zugleich  Könige  von  Böhmen  waren,  selbst  in  den  Besitz  reicher 
Sahwerke,  in  Oberösterreich,  kamen,  brachte  es  ihr  natürliches 
Literesse  mit  sich,  die  Einführ  ans  ihren  eigenen  Salinen  nach  Böhmen 
za  begünstigen  and  dagegen  jene  aus  dem  Salzburgischen  über  Passau 
möglichst  zu  erschweren.  Zwar  wehrten  sich  die  Prachatizer  lange  Zeit 
tapfer  und  nicht  ohne  günstigen  Erfolg.  Schon  von  Karl  IV.  her  ge* 
no8s  Bndweis  die  Begünstigung,  Salz  aus  Oberösterreich  einfahren  und 
den  Süden  Böhmens,  namentlich  Wittingau  und  Schweiniz,  damit  versehen 
za  dürfen,  und  hatte  sich  von  da  bis  zu  Anfang  des  siebenzehnten 
Jahrhunderts  der  Salzhandel  von  Gmunden  über  Linz  ungemein  ge* 
hoben.  Dennoch  war  Budweis  lange  Zeit  nicht  im  Stande,  denen  von 
Praehatiz  empfindliche  Concurrenz  zu  machen,  die  noch  1626  über 
100.000  Schock  Meifinisch  jährlich  im  Salzhandel  hatten.  Ja  die  Pra- 
chatizer wuBSten  sich,  um  allen  Möglichkeiten  vorzusehen,  das  Recht 
za  erwerben,  selbst  Salz  aus  Gmunden  zu  beziehen,  aus  welchem  An- 
lasse 1659  ein  gewisser  Weißenberger  als  eine  Art  Salzgraf  aufgestellt 
wurde ;  die  Kufe  Salz  war  um  4  fl.  30  kr.  zu  verkaufen,  wovon  15  kr. 
der  Stadtgemeinde  zu  Nutzen  kamen.  Als  aber  unter  Leopold  I.  mit 
kaiserlichem  Patent  vom  J.  1692  die  Einfuhr  des  bayerischen  Salzes,  es  sei 
denn  zuvor  gewogen  und  verzollt,  untersagt;  als  auf  den  Gentner 
Gmondner  Salzes  39  kr.,  dagegen  auf  Halleiner  1  fl.  49  —  auf  sächsi- 
sches gar  3  tf.  9  kr.  —  gesetzt  wurde,  da  konnte  selbst  die  Gmundner 
Salzniederlage  in  Praehatiz  nur  ein  kümmerliches  Dasein  fristen,  so 
dass  kaum  vieizehn  Jahre  später,  1706,  für  gut  befanden  wurde,  die- 
selbe geradezu  nach  Krumau  zu  übertragen.  Die  Einfuhr  von  Salz  über 
Passau  wurde  nun  unbedingt  verboten  und  der  Handelsverkehr  auf  dem 
goldenen  Steige,  der  sich  geschichtlich  an  sieben  Jahrhunderte  zurück- 
verfc^gen  Iftsst  und  voigeschichtlich  mehr  als  dreimal  so  lang  gedauert 
haben  mochte,  nahm  ein  Ende.  „Von  dieser  Zeit**,  sagt  Släma  ebenso 
wahr  als  schön,  „erlosch  das  Leben  des  goldenen  Steiges ;  der  Böhmer- 
wald schüttelte  seine  Nadeln  auf  ihn  herab  und  überspannte  sein  Grab 
mit  Moos  bis  es  verwuchs,  und  die  Zeitlaufte  haben  seinen  Namen  und 
sein  Andenken  derart  weggewischt,  dass  kaum  irgend  ein  Prachatizer, 
geschweige  denn  ein  entfernterer  Bewohner  des  Böhmerwaldes  noch  zu 
ermessen  vermögen,  welcher  Segen  von  ihm  über  die  ganze  Umgegend 
der  Stadt  einstmals  gekommen  war." 


512 

In  der  That  kennt  man  zwar  die  Haaptrichtong  des  ehemaligen 
goldenen  Steiges,  die  dnrch  dessen  beide  Endpunkte,  Prachatiz  in  Böhinat 
und  Passan  in  Bayern,  im  allgemeinen  bezeichnet  ist.  Aach  einige  der 
vorzüglichsten  Bohe-  und  Haltpnnkte,  wie  Röhrenbaeh  nnd  Freynng  ii 
Bayern,  Böhmisch-Röhren  und  Wallern  in  Böhmen,  dürften  wol  kaum 
in  Zweifel  kommen.  Allein  schon  gleich  über  seinen  Aas-  nnd  ESn- 
trittsponkt  über  die  Grftnze  scheint  sich  Streit  erheben  zn  woUeiL 
Dr.  Jireöek  in  seinem  gediegenen  Werk  über  das  alte  b^Aumsdie 
Recht  bezeichnet  die  sogenannten  Marchhänser  als  jene  Stelle,  von  wo 
der  Passaner  Steig  auf  böhmischen  Boden  trat  and  über  das  heatige 
Landstraß  anmittelbar  anf  Böhmisch-Röhren  lief;  etwas  vor  Böhoiisdi- 
Röhren  habe  sich  dann  im  XIY.  Jahrhandert  jener  Steig  abgeswdgt, 
der  über  Knschwarta  am  Eabany  vorbei  nach  Winterberg  fährte.  In 
Kaschwarta  selbst  aber,  das  ich  im  Sommer  1868  mit  einigen  Wandere 
genossen,  daronter  aach  Dr.  JireSek,  besacht,  hörten  wir  die  Mei- 
nong  ansprechen,  dass  der  goldene  Steig  von  der  Grfinze  bei  Land- 
straß die  gerade  Richtung  aaf  Kaschwarta  genommen  and  erst  hintar 
diesem  Orte  einerseits  gegen  Böhmisch-Röhren,  andererseits  gegen 
Winterberg  sich  gespalten  habe.  Wie  dem  immer  sei,  so  viel  dürfte 
anßer  Zweifel  stehen,  dass  Kaschwarta  vom  goldenen  Steige,  sei  es  in 
der  arsprünglichen  Prachatizer  Richtnng,  sei  es  von  der  spatem  Winter- 
berger  Abzweigang,  berührt  wnrde.  Ein  Bekannter  eines  meiner  Rebe- 
gefthrten,  Herr  Rak,  der  sich  vor  mehreren  Jahren  am  Aasgange  von 
Kaschwarta  angesiedelt  and  dort  ein  Stück  Waldes  nrbar  gemadit, 
lieferte  ans  den  Beweis  dafbr.  Als  Herr  Rak  den  Grand  übernahm, 
zeigte  sich  im  Waldboden  in  der  Richtnng  von  Bayern  her  eine  etwa 
drei  Schah  breite,  mit  Gräsern  Moos  and  Flechtwerk  überwachsene 
Rinne,  die  stellenweise  noch  so  tief  war,  dass  man  aar  dem  Grande 
stehend  nnr  mit  dem  Oberleibe  hinansragte.  Man  konnte  dies  für  das 
ehemalige  Rinnsal  eines  Gießbaches  halten,  der  seit  langer  Zeit  ver- 
trocknet sei  oder  einen  andern  Lanf  genommen  habe,  wenn  nidit  beim 
Anf-  and  Umackern  eine  immer  größere  Zahl  sehr  alter  Hafeisen  vwi 
eigener  Form  zn  Tage  gekommen  wäre,  was  augenscheinlich  darauf  wies, 
dass  hier  vor  Zeiten  ein  stark  benutzter  Weg  bestanden  habe.  Unser  Gewährs- 
mann versicherte,  aaf  der  kleinen  Strecke  von  einigen  Klaftern  in  der 
Länge  mehr  als  zwanzig  solcher  Hafeisen  in  die  Hände  bekommen  zu 
haben,  die  er  nach  verschiedenen  Seiten  hin  verschenkte;  eines  bad 
er  noch  anter  seinem  alten  Eisen  und  gab  es  Herrn  Dr.  Jire2ek, 
für  den  es  von  besonderem  Interesse  war,  mit  ^% 

^*)  Es  ist  eigenthümlich,  dass  auf  den  Landkarten  Böhmens,  von  der 
Mfliler'scben  angefangen  bis   anf  die  von  Steinhauser  und  Mflck,  die 


513 

Mit  diesem  Thefle  des  ehemaligen  goldenen  Steiges,  und  zwar  mit 
der  Winterberger  Abzweigung  desselben,  mnss  anch  die  schon  früher 
erwähnte,  auf  einem  Bergvorsprang  eine  kleine  halbe  Stunde  von  Kusch- 
warta  gelegene  Teste  in  Beziehung  gestanden  haben.  Ohne  Zweifel  war 
sie  vom  Anfang  her  nichts  anderes,  als  was  heute  noch  ihre  halbver- 
fallene Ruine  ist;  ein  einzeln  stehender  viereckiger  Thurm,  ein  Lugins- 
land, bestimmt  den  Verkehr  auf  dem  Passauer  Steige,  sowol  gegen 
Kuschwarta  als  gegen  den  Eubany  hin  zu  überwachen.  Was  diese  Yer- 
muthung  bestärkt,  ist  der  Umstand,  dass  der  Turm  in  seinen  noch 
heute  erkennbaren  drei  Geschossen  nur  nach  zwei  Seiten ,  nach  jenen 
nftmlich  die  in  das  tiefere  Land  hinunterschauen,  Fenster  hatte,  während 
die  beiden  andern  Seiten  des  Geviertes,  gegen  den  im  Rücken  liegenden 
Wald  hin,  ununterbrochene  Mauern  bildeten.  Diese  zwei  letztem  stehen 
noch  bis  fast  an  den  Rand  hinauf  aufrecht,  während  von  den  beiden 
andern  die  eine  bis  auf  das  obere  Fenster,  die  andere  bis  über  das 
zweifenstrige  Erdgeschoss  eingesunken  ist.  Ihr  heutiger  Name  ist  i,Eunz- 
warte'',  auf  der  Müll  er 'sehen  Karte  steht  „Kuschwarta^;  dass  beides 
auf  „Kynivart  —  Königswart^  hinzudeuten  scheint,  habe  ich  bereits 
S.  499  bemerkt.  Uebrigens  geht  das  denkwürdige  Bauwerk  sichtlich 
raschem  Verfalle  entgegen;  die  obem  Theile  zerbröckeln  mehr  und 
mehr,  aus  den  Mauerklumsen  schießen  kleine  Fichten  und  Kiefern 
empor,  dichtes  Moos  wuchert  in  den  Fensteröfnungen.  Das  ist  ohne 
Frage  sehr  malerisch,  befördert  aber  ebenso  zweifellos  den  um  sich 
greifenden  Verfall.  Dazu  haben,  wie  überall  so  auch  hier,  steine- 
bedürftige Häuserbauer  fleißig  mitgeholfen  ^'). 

5.  Die  alte  Säumer-Stadt  Prachatiz. 

Wenn  in  der  geschilderten  Weise  der  goldene  Steig  der  Haupt- 
sache nach  nur  in  der  Erinnerung  und  in  vereinzelten  Gedenkzeichen 
noch  fortlebt,  so  hat  sein  Endpunkt  und  Stapelplatz  in  Böhmen,  das 
altehrwürdige  Prachatiz,  zwar  auch  viel  von  seiner  frühem  charakteri- 
stischen Eigenthümlichkeit  eingebüsst,   aber  doch  auch  vieles  erhalten. 


BeseichnuDg  -goldener  Steig«  in  den  Gegenden  der  späteren  Abzweigungen 
desselben  nach  Bergreichenstein  und  Winterberg  zu  finden  ist,  aber  gerade  in 
der  Hauptrichtung  von  Passau  nach  Prachatiz  fehlt.  Siehe  auch  Krejii  8.  S$  f. 
und  65,  der  flbrigens  die  »goldenen  Steige-  su  einem  Gattungsbegriffe  erbebt 
nnd  anch  von  einem  solchen,  der  über  Mader  und  Pbilippshtttten  nach  Inner« 
gefild  gef&hrt  habe,  wissen  will. 

'')  Die  Abbildung  bei  Wenzig-Krejöi  S.  249  ist  ganz  unrichtig,  und 
Herr  Eduard  Herold,  der  sie  gezeichnet,  hat  die  Warte  entweder  nie  gesehen 
oder  nicht  genau  angeschaut,  sondern  ihr  Bild  aus  der  Phantasie  oder  aus 
oüTerlABBlicher  Erinnerung  zu  Papier  gebracht. 


514 

Das  Alter  der  Stadt  reicht  in  die  älteste  Zeit  der  böhmischen  Ge- 
schichte hinein.  Mit  dem  wachsenden  Verkehr  auf  dem  goldenen  Steige 
wachs  auch  sie,  der  Wohlstand  ihrer  Bürger  hob  sich  von  einem  Jahr- 
hundert zum  andern,   wenn  sie  auch  denselben  nicht  ohne  mannigfache 
Beschwerde  zu  erkaufen  hatten.   Da  waren  Pascher,  die  mit  Umgehung 
des  vorgeschriebenen  Stapelplatzes  Waren  in's  Land  schmuggeln  wollten; 
da  waren  Wegelagerer,  die  den  Säumern  auflauerten,  um  sie  ihrer  La- 
dung zu  berauben  oder    sich   von  ihnen    den   Durchlass    mit  schwerem 
Oeld  abkaufen  zu  lassen;    da  waren    gap    mächtige  Schlossherren,  wie 
die  von  Hus  bei  Zablat\  deren  ganzes  Ritterthum  in  solch  bewaffnetem 
Hinterhalt  bestand,    womit    sie  die   Gegend    weit    und    breit  unsicher 
machten.    Um   solcher  Umstände  willen   musste  alltäglich   eine  Anzahl 
von  Prachatizer  Bürgern   oder  Soldknechten   bewaffnet   auf  den  Beinen 
oder  zu  Pferde    sein,    musste    die   Gegend    durchstreifen   um   Schleich- 
händler, anzuhalten   und   ihre  Ware    mit  Beschlag  zu   belegen,  musste 
Wirtshäuser  und  Herbergen  überfallen  um  verpöntem  Gute  nachspüren, 
kurz,  musste  alle  die  Gehässigkeiten    auf   sich    laden,    die  mit  solcher 
Finanz-Spaherei    von    altersher  verbunden    waren.    Daneben  hatten  äe 
ihre  Stadt  zu  bewachen,  Wälle  tind  Gräben  in  gutem  Stand  zu  halten  — 
der  Erlös  der  in  Verfall   erklärten  Schleichwaren   wurde  hauptsacblidi 
darauf  verwendet  — ,  bewaffnete  Fähnlein  bald  gegen  Winterberg  bald 
gegen  Netoliz,  das  für  Rechnung  des  Klosters  Goldenkron  ein  Winkel- 
lager für  Salz  hegte,  auszuschicken   oder  sich   mit   denen   von  EJenan, 
Wodnian,  Karlsberg,  Klattau    vor    die    Burg  Hus    zu   legen.    Letzteres 
geschah  zum  letztenmal  1441.  Nach  sechsmonatlicher  Belagerung  wurde 
die  Veste  durch  Hunger   bezwungen    und   ihr  Besitzer  Habart  von  Lo- 
pata  zum  Abzüge  genöthigt,    worauf  man   das  Raubnest  an  vier  Ecken 
in  Flammen  setzte,    so   dass  heute   kaum   die  Reste   einer  verfallenen 
Thorwand  Zeugnis    von    dem  Dasein   einer  Burg  geben,    auf  der  einst 
Nicla£  von  Hus,  der  erste  militärische  Anführer  der  Hussiten,  gehaast  hatte. 

Waren  die  Mühen  gi'oß,  die  den  Prachatizem  von  Zeit  zn  Zeit 
erwuchsen,  so  waren  dagegen  auch  die  Vortheile  groß,  die  jene  Mühen 
lohnten.  Es  gab  Zeiten,  wo  nach  alten  Berichten  in  der  Woche  über 
1000,  also  auf  den  Tag  mehr  als  140  Saumrosse  zu  den  Thoren  der 
Stadt  herein  kamen.  Der  Haupt-Artikel  der  Einfuhr  blieb  immer  das 
Salz;  fast  jeder  Bürger  hatte  in  seinem  Hause  Räumlichkeiten  zur 
Aufstapelung  desselben.  Außerdem  giengen  Getreide,  Butter,  K&se, 
Wein,  Bier,  Meth  in  Massen  durch  Prachatiz,  theils  aus  dem  Lande 
theils  in  das  Land.  Als  unter  den  Herren  voü  Rosenberg  die  Teichwirt- 
schaft im  südlichen  Böhmen  so  gewaltigen  Aufschwung  nahm,  za  einer 
Zeit  wo  vielleicht   ein  Drittheil   des  Jahres  Carenz-Tage  waren  und  wo 


L  B.  die  viendgtägige  Fa^iUiizeit    in   bDchstäblichem    Sinne 

nnle,  biUeten  die  Fische   einen  h)  bedeutenden  Ausfuhr-Arl 

mh  m  Anfuft  des  vorigen  Jahrhanderts   jähriicb   au  30.00( 

IK  KAmen  nach  Bayern  giengen.    D^cften    kamen    von    do 

LmuBwaren.  für  die  es  in  der  Gefiend    von  Passaa  viel  Indn 

Aber  ucb  in  Prachatiz  selbst  war  eintrfifilicher  GewerbfleiQ. 

Kirzä^chEt«n  Erwerbzweige  war  die  Bereitung  von  Weiß-  nnd  E 

mddie  Innang  der  IfDlzer  (sladovniköl  zählte  nicht  weniger  al 

HKen.  Später  kam  die  Branlnein-Erzen^oinfc  in  Blüte ;  es  gat 

Zth  130  Brennereien  in   der  Stadt,  nnd  der  weit  nnd  breit 

Pncitttizer   sogenannte   Peri-Brantwein   bildete   noch  zo  Anfa 

/lirkooderts  einen  gesuchten  Artikel  in  Böhmen,  Salzburg,  0( 

Biynn. 

Neben  dieser  anfigedehnton  Gewerbs-  and  Handelsthfltiftkeii 
ucb  die  Künste  und  WissenBc haften  nicht  leer  aus.  Die  Schule 
chaliz,  deren  alterthümliches  Gebünde  nächst  der  Decanat-Kircl 
dm  arcbäolc^schen  Juwelen  dieser  Stadt  Rehdrt,  stand  Jah 
ling  im  südlichen  Böhmen  in  hohem  Rufe,  und  noch  heute  lai 
pitriotisclie  Bürger  nicht  nehmen,  dass  einst  Hus  sowie  der  bli 
lömpfer  seiner  Lehren  ^ifka  ihren  ersten  Unterricht  in  jenem 
snpfiu^fen  hatten;  von  llus  ist  dies  darum  niclit  unwahrscheii 
leaaen  Geburtsort  Husineit  ganz  in  der  Nachbarschaft  von  Pracb 
'ogegen  Trocnov,  von  wo  /.i2ka  seinen  Beinamen  trug,  zien 
lavon  entfernt  ist.  Historisch  sind  die  Namen  zweier  der  grOflte 
iCr  alten  C'arolingischen  Hochschule:  des  Astronomen  Christiai] 
krztes  Wen/el  von  Prachati;i,  sowie  die  Namen  zweier  der  heri 
«iter  der  Wiener  Baubütte,  des  Aufführers  nnd  des  Vollci 
L  Stephanstnnnes :  Peter  und  Hans  von  Prarhatiz,  beide 
^fauler  des  Veit  HedbivnJ,  der  zu  den  Zeiten  Curl  IV,  im  südi 
beile  von  Böhmen  viele  noch  heule  erhaltene  Bauwerke  anffühi 
in  Rosenbergem  fand  der  Alrhymist  Leonhard  Vychberger  in 
ae  Wohnstätte,  und  nach  dem  dreißigjährigen  Kriege  weilt 
hrte  Forscher  Buhuislav  Baibin  längere  Zeit  in  rler  Stadt.  Das 
dlicb  znr  Fördemng  der  Kirchen-Musik  eine  sogenannte  Litt 
IJschaft  besaß,  brauchte,  weil  dies  üi  Böhmen  in  allen  bede 
ten  der  Fall  gewesen,  nicht  erst  envShnt  zu  werden ;  es  sei  dei 
ü  der  letzte  „Literaten-Vater",  im  Besitze  der  alt«n,  zum  T 
reu  für  diesen  Dienst  bestimmten  Gesangsbücher,  vielleicht  b 
t  and  seine  Schätze  hütbet. 

So  bat  die  Stadt  Prachatiz  im  Laufe  ihrer  Geschichte  viel  ^ 
I  Freude,  sie  hat  aber  daneben,  wie  mehr  oder  minder  alle  n; 


516 

liehen  Stftdte,  manch  schweres  Leid  erfiihren.  Im  fünfiiehnten  Jahrhoadert 
kamen  die  wflsten  Hussiten-Zeiten ;  im  November  1430  wurde  Piachatiz 
von  den  Taboriten  berannt,  eretflrmt,  verwüstet  and  verbrannt;  235  Er- 
schlagene lagen  aaf  den  Gassen  herom,  8ö  Gefangene  ließ  2ükA  in  die 
engeSacristei  derDecanat-Kirche  pferchen  und  Pech  mit  brennendem  Stroh 
Aber  ihre  Häupter  gießen,  dass  sie  elendiglich  anter  jammervolka 
Schmerzensgeschrei  zu  Grande  giengenl  Nach  den  Hnssitenstürmen  be* 
völkerte  sich  die  Stadt  von  neaem  and  kam  durch  ihren  Handel  und  Ge- 
werbsfleiß  zur  früheren  Blüte,  bis  sie  1507  durch  einen  rasch  um  sidi 
greifenden  Brand  fast  ganz  in  Asche  gelegt  wurde.  Bald  darnach  kam 
Prachatiz  in  den  Besitz  der  m&chtigen  Herren  von  der  fOnfblatterigen 
Rose,  und  unter  ihrem  Schutz  erhob  es  sieh  zum  drittenmale,  und  wie  es 
scheint,  schöner  als  je  aus  seinen  Brandstatten.  Was  in  Prachatia,  wie 
überhaupt  im  ganzen  südlichen  Theüe  des  Böhmerwaldes,  an  Denkmalen 
mittelalterlicher  Kunst  sich  erhalten  hat,  trägt  fast  ausnahmslos  das 
Wappenzeichen  jenes  berühmten  Geschlechtes  an  der  Stirn.  Ober  dem 
Schwibbogen,  der  das  Schiff  der  Decanat-Kirche  vom  Presbyterium  trennt, 
prangen  zwei  Rosen;  an  der  ganz  mit  Gemälden  überdeckten  Stirnwand 
des  Rathhauses  erblickt  man  den  Rosenbergischen  Schild  mit  der  Auf- 
schrift :  „Wilhelmus  a  Rosenberg'^ ;  von  der  Außenseite  des  Prager 
Doppelthores,  dieses  prachtvollen  Ueberbleibsels  der  alten  Stadtbefesti- 
gung die  zugleich  Stadt  zier  de  gewesen,  blinkt  das  große  Reiterbild 
Peter*s  von  Rosenberg ;  an  einem  Privathause  auf  dem  Hauptplatze  findet 
sich  das  Bildnis  Yok's  von  Rosenberg  zu  Pferde  u.  s.  w.  Alle  diese  Bau- 
lichkeiten und  noch  viele  andere  rühren  entweder  ganz  oder  doch  in  ihrer 
bis  heute  erhaltenen  Grestalt  aus  der  Zeit  nach  dem  großen  Brande  von 
1607  her,  und  doch  war  dies  bekhigenswerte  Unglück  nicht  das  letzte, 
von  dem  die  gute  Stadt  Prachatiz  heimgesucht  worden.  Es  kam  der  große 
deutsche  Religionskrieg,  wo  die  Stadt  vom  Grafen  Bouquoy  unter  einen 
entsetzlichen  Blutbad  erstürmt  wurde,  27.  oder  28.  September  1620;  bei 
1500  Einwohner  kamen  um*s  Leben.  Den  (Gebäuden  aber  scheint  damals 
durch  Brand  oder  Verwüstung  kein  Schaden  zugefügt  worden  zu  sein,  weil 
sich  deren  so  viele  in  ihrer  ein  Jahrhundert  früher  empfangenen  Gestalt 
bis  in  das  gegenwärtige  erhalten  haben.  Da  erst,  im  Jahre  1832,  erhieK 
das  Aeußere  der  Stadt  seinen  letzten  empfindlichen  Stoß,  indem  durdi 
eine  Feuersbrunst  137  Häuser  zerstört  wurden.  Bis  zu  dieser  Katastroi^ 
muss  Prachatiz,  wie  aus  den  Beschreibungen  der  noch  so  zahlreichen  (xe- 
denkm&nner  hervoi^eht,  ganz  und  gar  nicht  bloß  seinen  altstftdt^hen 
Charakter  —  denn  diesen  besitzt  es  im  allgemeinen  noch  heute  —  sondern 
auch  seine  altstftdtische  Pracht  und  Herrlichkeit  erhalten  haben.  Wo  jelct 
noch  auf  dem  Hauptplatze  das  ehrwürdige  Rathhaus,  das  Gasthans  , 


517 

fiierqiielle*,  das  Brauhaus  ihre  mit  Wandmalereien  und  Inschriften  ans 
dem  sechzehnten  nnd  den  ersten  Jahren  des  siebenzehnten  Jahrhunderts 
geschmückte  Außenseite  aufweisen,  da  waren  bis  vor  dem  letzten  groBen 
Brande  alle  Hauser  in  dieser  Weise  geschmückt,  so  dass  man  sich,  auf 
den  Ring  tretend,  in  einen  geschichtlichen  Gemftldesaal  versetzt  denken 
konnte  «®). 

Aber  wie  sich  trotz  aller  Bedrängnisse  und  filementar-Zufäile  noch 
gar  vieles  von  dem  alterthflmlichen  Gepräge  der  Stadt  bis  auf  den  heutigen 
Tag  exiialten  hat,  so  war  dies  auch  noch  bis  auf  ganz  kurze  Zeit  mit  so 
manchen  Einrichtungen   und   Gebräuchen  der  Fall,   die    mit  längst  er- 
loschenen Zuständen  zusammenhiengen.  Noch    zu  Anfang  der  zwanziger 
Jahre  wurde  den  Prachatizem  behördlich  allen  Ernstes  zugemuthet,  die 
Brücke  hinter  Wallern  —  jenen  „pons  in  silva*',  von  dem  Urkunden  aus 
dem  zwölften  und  dreizehnten  Jahrhunderte  wiederholt  Erwähnung  thun  — 
auf  fremdem  Grund  und  Boden  auszubessern  und  in  gutem  Stand  zu  halten, 
als  ob   der  goldene  Steig,    an  dessen  Benützung  sich  jene  Verbindlich- 
keit knüpfte,  noch  in  vollem  Betriebe  stände.  Prachatiz  war,  wie  schon 
sein  Name  zeigt,  in  früheren  Zeiten  ganz  böhmisch ;  erst  unter  Ferdinand  II. 
und  nach  der  furchtbaren    Totenlese    unter  Bouquoy  wurde  angefangen, 
die  behördlichen  Erlässe  und  Ausweise  in  deutscher  Sprache  aufzuzeichnen; 
heute  ist  Prachatiz  eine  vorwiegend  deutsche  Stadt.  Doch  noch  immer 
gieng  allnächtlich  der  Wächter  die  stillen  Straßen  ab,  und  sang,  wenn  die 
Stunde  um  war,  seine  uralten  böhmischen  Weisen  wie  seit  langen  Jahr- 
hunderten her.  Erst  vor  etwa  fünf  Jahren  hat  man  das  abgeschafft,  als 
„nicht  mehr  zeitgemäß'',   als  „die  Gemeinde  herabsetzend  in  den  Augen 
intelligenter  Fremden'',  und  wol  kaum  bedacht,  dass  man  damit  ein  ehr- 
würdiges Stück  Geschichte,   das  mit  dem  blühendsten  Flor  der  Stadt 
zusammenhieng,  zu  Grabe  getragen.  Demselben  Schicksal«veifiel  auch,  und 
ebenso  erst  vor  wenig  Jahren,  die  sogenannte  Säumerglocke.  Was  war 
die  Säumerglocke?  Das  war  ein  Glöcklein,  das  noch  aus  den  Zeiten  her 
war,  wo  alltäglich  hunderte  von  Säumern  mit  ihren  salz-  oder  linnenbela- 
denen  Kleppern  den  Weg  von  Wallern   herabstiegen,  abends  um  zehn 
Uhr  zn  tönen  begann  und  eine  volle  Viertelstunde  fort  läutete,  um  durch 
ihren  Klang,  wie   etwa  ein  Leuchtturm  verspäteten  Schiffen  durch  seinen 


^^)  Der  Aufsatz  Släma's  Über  den  goldenen  Steig,  nur  fänf  Jahre  nach 
demUnglfick  geschrieben,  erwähnt  dessen  wiederholt.  So  wo  er  S.  162  erzählt,  dass 
zwei  Drittel  der  Häuser  Salz-Niederlagen  hatten,  »o  6em2  stawba  töch  domä 
ai  do*^  posledigho  wyhofenj  swöd^^ila.  So  auch  S.  167 :  »Neyhoyn^g^'  ale  u2itky 
(ze  zlat^  stezky)  poijwalo  mösto  Prachatice,  pomohaac  si  tak  ne  gii  k  bo- 
halstwj,  nybri  k  hogno8(j,  iehoi  swödkowö  skoro  wäecky  möstsk^  zdi  ni  do 
posledigho  wyhofeoj  byly.- 


618 

Glanz,  den  noch  im  Walde  sich  abmühenden  S&nmern  ein  Zeichen  zi 
geben,  dass  sie  von  dem  Ziele  ihrer  Reise  nicht  mehr  fem  seien.  Das 
w&hrte  nun,  wie  gesagt,  bis  über  die  Mitte  unseres  Jahrhunderts  hiBein 
fort,  obgleich  es  längst  keinen  goldenen  Steig  und  keine  Säumer  mehr  gab, 
die  sich  darauf  yeriri*en  konnten.  Und  das  war  den  ehrsamen  Ehefrauen 
von  Prachatiz,  die  zu  Hause  einsam  die  Rückkunft  ihrer  beziehungsweisen 
Oemale  erwarteten,  ganz  recht.  Denn  dieses  Glöcklein  mit  seinem  eine 
Viertelstunde  lang  tönenden  Geläute  war  für  alle  so  außer  dem  Hanse 
mit  »ihrem  Biere''  oder  mit  einem  „sestadvacet"'  zu  „thun^  hatten,  ein 
unerbittlicher  Mahner,  dass  die  ehegattliche  Polizei-Stunde  geschlagen 
hatte.  Aus  demselben  Grunde  aber,  warum  das  Tönen  der  Säumerig^tocke 
den  Prachatizer  Ehefrauen  wie  Sphärenmusik  klang,  war  es  den  Pracha- 
tizer  Eheherren  ein  greller  Miston,  der  in  ihr  geselliges  Treiben  stör^ 
hineingriff;  und  da  zuletzt  im  Prachatizer Stadtrathe  wie  weiland  im  römi- 
schen Senate  nur  die  Männer  gehört  werden,  so  kam  es  vor  wenigen  Jahren 
dazu  ^^),  dass  das  Läuten  der  Säumerglocke  als  „nicht  mehr  zeitgemäße 
und  „die  Gemeinde  herabsetzend  in  den  Augen  intelligenter  Fremden'* 
abgeschafft  und  durch  ein  unschädliches  Ave*Maria-Geläute,  das  kaum 
einige  Minuten  währt,  ersetzt  wird.  Damit  war  auch  die  letzte  Erinneiimg, 
welche  die  Bürger  der  altehrwürdigen  Stadt  Prachatiz  an  eine  denkwürdige 
und  segensreiche  Vergangenheit  gemahnte,  dem.  Lose  alles  Irdischen  ver- 
fallen. 

Der  Elfenbeinhandel  im  Sudan. 

Von  J.  E.  H. 

Die  ersten  Schiffe  der  Elfenbeinfahrer  auf  dem  weißen  Fluss,  welche 
im  October  v  J.  von  hier  abgiengen,  sind  zurückgekehrt.  Ich  finde 
hierin  den  Anlass,  auf  die  Geschäfte  der  aUjährlich  sich  wieder- 
holenden Schiffahrten  in  die  obem  Regionen  näher  einzugehen.  Der 
hiesige  oder  centralafricanische  Elfenbeinhandel  beschränkt  sich  aus- 
schließlich auf  die  Nebenländer  des  Bahr  el  abiad,  und  die 
Communication  mit  den  obem  Gegenden  kann  nur  durch  die  Wasser- 
straße dieses  Flusses  vermittelt  werden.  Nach  möglichst  genauen  und 
zuverlässigen  Erhebungen  habe  ich  einen  beiläufigen  Status  fiber  den 
Elfenbeinhandel  in  den  Aequatorialländern  zusammen  stellen  können^ 
dessen  Ergebnis  ich   im  nachstehenden  ersichtlich  zu  machen  versuche. 

In  der  letzten  Zeit  giengen  alljährlich  nahe  an  200  Schiffe  von 
C  bar  tum    nach   dem   weißen   Fluss.     Darunter   befanden    sich    circa 


'*)  Wen  zig  und  KrejÖi,  die  ihr  Buch  ttber  den  Böhmerwald  1860 
herausgaben,  haben  die  Sämnerglocke  noch  gehört;  ebenso  Ferdinand  Miko- 
w  e  c :  Mahlerisch-historische  Skizzen  aus  Böhmen ;  Wien  und  OlmQtz,  Höhet, 
1860,  wo  der  interessante  Aufsatz  »Prachatic«  S.  431 — 439  nachzulesen  ist 


519 

zwei  Drittel  sogenannte  Jagdschiffe,  deren  Mannschaft  die  Elefantenjagd 
im  Auge  hatte,  in  Wirklichkeit  aber  auf  Sclaven  jagte  und  von  dieser 
Menschenware  meist  gute  Ladungen  aus  den  Negerläudern  nach 
Chartnm  brachte,  wodurch  die  Spesen  gedeckt  wurden  und  noch  ein 
respectabler  Gewinn  erübrigte.  Erst  als  der  verstorbene  Hokmdar 
Musa  Pascha  gegen  diese  en  gros  betriebene  Sclaven  Wirtschaft  ener- 
gische Maßregeln  ergriff  und  im  Sommer  18G4  alle  Schiffe  ohne  Aus- 
nahme mit  Beschlag  belegte  (weil  alle  Sclaven  führten),  trat  eine 
Verminderung  der  Elfenbeinfahrer  ein,  so  dass  in  den  letzten  zwei 
Jahren  nur  49  Schiffe  den  weißen  Fluss  bereisten.  Das  sind  eben  jene 
Händler,  welche  in  verschiedenen  Negerdistricten  schon  seit  Jahren 
zur  Einsammlung  des  Elfenbeins  stabile  Ansiedlungen  mit  150  bis 
200 Mann  Besatzung  (von  der  Ra^e  der  Dongolaui  und  Berberiner) 
unterhalten.  Von  diesen  Schiffen  befahren  10  den  weißen  Fluss  bis 
Gondokoro,  8  bis  Kitsch,  19  den  Bahr  el  Gasall  und  12 
den  Bahr  es  Saräf.  Der  Bahr  es  Sobat  wird  seit  einigen  Jahren 
nicht  mehr  befahren  wie  in  früherer  Zeit. 

Die  Abfahrt  beginnt  mit  Eintritt  der  Nordwinde,  October  bis 
J&nner.  Die  Fahrt  dauert  6  bis  8  Monate,  so  dass  die  Schiffe  im 
Mai,  Juni  und  Juli  wieder  nach  Chart  um  zurückkehren.  In  der 
Zwischenzeit,  d.  h.  im  August,  September  und  October  beschäftigen 
sich  die  Leute  mit  der  Ausrüstung  für  die  nächstjährige  Expedition, 
mit  Beparaturen  der  Barken,  Sammlung  von  Provisionen,  Waren  etc. 
Im  ganzen  also  reisen  letzterer  Zeit  49  Schiffe  al^ährlich  einmal 
von  Chart  um  den  weißen  Fluss  hinauf.  Wer  keine  eigenen  Schiffe 
oder  deren  nicht  genug  hat,  muss  andere  mieten,  wofür  er  800  bis 
1000  Piaster  Tarif  Mietzins  per  Monat  ohne  Löhnung  und  Pflege  der 
Schiffsleute  zahlt. 

Das  Erfordernis  der  Mannschaft  richtet  sich  nach  der  Größe  der 
Schiffe.  Diese  sind  entweder  Dahabien  mit  Kajüte  und  zwei  Segeln, 
oder  Nöker  ohne  Kajüte  mit  einem  Segel,  die  letzteren  gewöhnlich 
mit  einem  Nothdach  aus  Stroh  oder  Matten,  nicht  sowol  der  Sonne 
wegen,  als  vielmehr  zum  theilweisen  Schutz  vor  den  starken  Regen- 
güssen in  den  obern  Regionen.  Eine  Dahabia  braucht  12  Matrosen, 
1  Steuermann,  1  Rais  (Capitän)  und  ein  Negerweib  als  Köchin,  also 
15  Personen.  Für  einen  Nöker  genügen  6  Matrosen,  1  Steuermann, 
1  Rais  und  eine  Köchin,  also  9  Personen,  üeberdies  muss  bewaffnete 
Bedeckung  gegen  die  Anfälle  der  Neger  an  Bord  sein,  wozu  sich  auf 
jedem  Schiffe,  ob  klein  oder  groß,  30  mit  Feuerwaffen  versehene  Ber- 
beriner, sogenannte  Ask er i  (Soldaten),  befinden.  Eine  Dahabia  fasst 
demnach    45    Personen,     ein    Nöker    39     Personen.    Rechnet    man 


520 

11  Dahabien  zn  45  Personen  nnd  38  NOker  zu  39  Personen, 
80  ergibt  sich  die  Gesammtbemannang  aller  49  Schiffe  mit  1977  Iiuii- 
vidnen,  in  runder  Zahl  aasgedrflckt:  50  Schiffe  brauchen  2000  Leute. 

Die  Löhnung  der  Schiffismannschaft  wird  per  Monat  berechnet.  Der 
Rais  hat  100,  an  manchen  Schiffen  sogar  150  Piaster  Tarif,  der 
Steuermann  von  70  bis  90  P.  T.,  jeder  Matrose  60  P.  T.,  die  bewaff- 
nete Mannschaft  per  Kopf  45  P.  T.  Die  Löhnung  einer  Dahabia 
mit  45  Personen  würde  demnach  monatlich  2330  P.  T.  betragen,  und  za 
11  Dahabien  angenommen,  ergäbe  sich  ein MonaÜohn  von  25*630  P.  T. 
Die  Mannschaft  eines  Nökers  erhält  monatlich  nach  obigem  Status 
per  39  Personen  1970  P.  T.  und  beträgt  sonach  die  Monatlöhnung 
fOr  38  Schiffe  74*860  P.  T.  Die  Oesammtbemannung  fOr  alle  49  Sdiift 
empfängt  also  eine  Monatlöhnung  von  100*490  P.  T.  und  belauft 
sich  für  8  Monate  (so  lange  bleiben  die  Schiffe  jährlich  aus)  auf 
803-920  P.  T. 

Es  bedarf  keiner  Erwähnung,  dass  in  den  Gebieten  des  Bahr  el 
abiad  nach  Ost  und  West,  überhaupt  im  Centrum  von  Africa  sfldlich 
von  Chart  um  keine  Münzen  cursieren,  und  daher  die  auf  Elfenbein 
ausgehenden  Schiffe  die  nöthigen  und  entsprechenden  Waren  als 
Tauschmittel  mit  sich  führen  müssen.  Diese  Waren  bestehen  zuvörderst 
in  Glasperlen  verschiedener  Qualität,  meistens  böhmischen  nnd  vene- 
zianischen. Einige  Gattungen  werden  nach  Gewicht  (wie  z.  B.  D  ant- 
raf, Njaut^t,  Gondjöl,  Eiri,  weiße  und  schwarze  etc.),  andere 
nach  Fäden  oder  Stückzahl  berechnet,  wie  z.  B.  Taubeneier  (B6red), 
Mandjur,  Gene 1 6  und  Uada  (kleine  weiße  Muscheln  vom  rothen 
Meere).  Von  den  ersteren  rechnet  man  durchschnittlich  auf  ein  Schiff 
25  Cantar,  von  letzteren  6000  Stück,  von  Muscheln  2  Rachl  (Kameel- 
ladungen);  außerdem  sind  geschmiedete  Kupferstangen,  theilweise  schon 
zu  Braceletten  gefügt,  ein  sehr  beliebter  Tauschartikel,  wovon  jedes 
Schiff  circa  300  Oka  (beiläufig  8  Ctr.)  nut  sich  fahrt.  Die  meisten 
Schiffe  nehmen  auch  etwas  Manufacturen,  Schuhzeng,  Tarbusche,  Brant- 
wein  etc.  mit  Die  letzteren  Artikel  gehören  aber  nicht  zum  Tausch- 
handel, weil  die  Neger  keine  Kleidung  tragen,  sondern  sind  fllr 
die  in  den  Stabilimenten  bediensteten  Berberiner  bestimmt,  denen  sie 
zu  himmelschreienden  Preisen  auf  Abzug  ihres  Lohnes  abgelassen 
werden,  z.B.  ein  Stück  Tromba  (ordinäres  Baumwollenzeug)  200  P.  T. 
(in  Chartum  45  P.),  ein  Stück  Debelan  400  P.  T.  (m  Chartnm 
140  P.  T.),  eine  Flasche  Brantwein  30  P.  T.  (in  Chartum  6  P.  T.), 
ein  Par  Schuhe  50  P.  T.  (in  Chartum  10  P.  T.)  etc.  Selbst- 
verständlich muss  jedes  Schiff  seine  Provisionen  an  Bord  führen,  bestehend 
in  Salz,  Yeka  (gedörrte  Leamien)  und  50  bis  60  Ardeb  Dura. 


I 


521 

Wie  schon  erwähnt,  trägt  jedes  Schiff  30  Mann  bewaffnete  Be- 
deckung gegen  die  häufigen  Ueberfälle  der  Neger  an  Bord,  jeden  Mann 
mit  einer  Flinte  und  der  nöthigen  Munition  ausgerüstet.  Man  rechnet 
fOr  ein  Schiff  zur  Hin-  und  Rückreise  löOO  Testa,  d.  i.  10  Stück 
scharfe  Patronen  per  Testa  oder  Packet.  Auch  für  die  Stabilimente 
muss  jährlich  Munition  nachgeschafft  werden,  welche  sich  für  je  eines 
auf  3000  bis  4000  Testa,  also  30  bis  40.000  Patronen,  und  über- 
dies etwas  Pulver  in  Büchsen  und  Blockblei  belauft.  In  den  Stabilimenten 
selbst  ist  jedermann  bewaffnet  und  darf  nie,  selbst  nicht  wenige  Schritte, 
ohne  Flinte  in  der  Hand  die  Station  verlassen,  weil  auch  die  Neger 
nach  Landesbrauch  nie  ohne  Lanze,  Pfeil  und  Bogen  von  ihrer  Hütte 
sich  entfernen,  und  häufige  Meuchelmorde  in  der  unmittelbaren  Nähe 
der  Ansiedelungen  Vorsicht  gelehrt  haben.  Jedes  Jahr  kommen  der- 
gleichen Hiobsposten  nach  Chart  um. 

Aus  der  vorliegenden  Darstellung  ergibt  sich,  dass  die  vollständige 
Ausrüstung  eines  Nökers  beiläufig  80.000  P.  T.  (4000  Thaler),  die 
einer  Dahabia  100*000  P.  T.  (5000  Thaler)  erreicht 

Der  hiesige  Elfenbeinhandel  ist  für  die  Kaufmannschaft  überhaupt 
noch  sehr  jung  und  datiert  erst  vom  Jahre  1851.  Nach  Eröfbiung  des 
weißen  Flusses  unter  der  Regentschaft  Mehmed  Ali's  hatte  die  egyptische 
Regierung  anfangs  der  Vierzigeqahre  Monopol  auf  den  Elfenbeinhandel 
gelegt  und  alljährlich  eine  Expedition  von  6 — 7  Schiffen  hinauf  geschickt. 
Die  beiden  Hauptartikel  des  sudanesischen  Export-Handels,  Gummi  und 
Elfenbein,  hatte  ausschließlich  die  Regierung  in  der  Hand.  Und  ob- 
gleich im  Jahre  1849  der  Handel  „jenseits  der  Nilkatarakte^  frei  er- 
klärt wurde,  wusste  der  damalige  Hokmdar  Ahmed  Pascha  die 
Kauf  leute  doch  durch  allerlei  Hindernisse  und  Bedingungen  von  den 
Expeditionen  abzuhalten.  Erst  nach  Errichtung  des  kaiserlich  öster- 
reichischen Consulates  in  Chartum  gelang  es  dem  klugen  und  energi- 
schen Auftreten  des  damaligen  Agenten  Dr.  Reitz  1851  die  Pforten 
des  weißen  Flusses  der  Handelswelt  zu  eröffnen. 

Um  jene  Zeit  versuchten  einige  Kauffahrer  die  Expedition.  Der 
Handel  beschränkte  sich  aber  auf  die  Flusslinie;  in  gewissen  Stationen 
wurde  angelegt,  die  Neger  der  Umgegend  brachten  Zähne,  Rhinozeros- 
ond  Antilopenhörner  etc.  zum  Austausche  herbei.  Das  Ergebnis  in  der 
immittelbaren  Nähe  des  Flusses  war  bald  erschöpft.  Der  Handel  musste 
in  die  Binnenländer  ausgedehnt  werden.  Dazu  wurden  die  Waffen  und 
die  Mannschaft  vermehrt.  Man  drang  unter  starker  Bedeckung  ins 
Innere  vor,  8  bis  10  Tagmärsche.  Dort  machte  man  bald  die  Er- 
fahrung, dass  das  Elfenbein  aus  der  weiten  Umgegend  nicht  in 
kurzer   Zeit    ausgebeutet   werden  kann,  und   dass    stabile   Nieder- 

Miitheiloageii  d.  geogr.  G«BeU.  1870.  11.  34 


Ö22 

lassangen  unter  gut  armierter  Be8at2wig  notkwendig  sind.  Einer  der 
ersten,  der  eine  solche  Station,  Seriba  (Einzäunung)  gründete  (8  Tag- 
reisen im  Innern  vom  Hafenplatz  Gaba  Schambil  im  Gebiete  der 
Kitsch  bei  den  Djnr),  war  der  Franzose  Malzac.  Er  Uieb  in 
den  ersten  Jahren  in  eigener  Person  an  Ort  und  Stelle  imd 
sorgte  fOr  die  Einrichtnng  and  Yergrößernng.  Da  er  anfangs  glanzende 
Resaltate  erzielte,  so  wnrden  bald  auch  von  den  übrigen  Eaofleaten  in 
allen  Grebieten,  auf  dem  Bahr  el  Oasall,  Bahr  es  Saraf,  and 
zoletzt  auch  in  den  südlichen  Begionen  von  Gondokoro  Stabili- 
mente  errichtet.  Derzeit  bestehen  solche  Handelsniederlassongen  23, 
and  zwar  6  im  Süden  von  Gondokoro  nach  Ost  and  West  des 
Flnsses  bis  zam  See  Nyansa;  ö  im  Gebiete  der  Kitsch  and 
Heliab;  9  am  Bahr  el  Gasall;  3  am  Bahr  es  SaraL  Diese 
Seriben  liegen  aber  dnrchweges  weiter  vom  Flass  ab.  Einige  haben 
eine  Besatzung  von  200  Mann,  andere  von  150  Mann,  je  nach  der 
Sicherheit  der  Gegend.  Anf  die  Stabilimente  ober  Gondokoro 
kommen  je  200  Mann,  auf  die  von  Heliab,  Abn  Kaka  oad 
Gaba  Schambil  je  200  Mann,  aof  die  am  Bahr  el  Gasali 
iind  Saraf  je  150  Mann,  im  ganzen  für  alle  23  Stabilimente  ene 
Besatzung  von  4000  Mann.  Diese  Mannschaft  wird  aas  der  Ra^  der 
Dongolaui  und  Berberiner  rekrutiert.  Freie  Neger  sind  nur 
wenige  darunter. 

Der  Gapo  (Yakil)  des  Stabilimentes  bezieht  500,  ja  sogar 
1000  Piaster  MonaÜohn,  die  Mannschaft  80  bis  100  Piaster.  Durch- 
schnittlich zu  200  Mann  ä  90  P.  per  Monat  für  11  Stationen  gerechnet, 
betr&gt  die  Löhnung  monatlich  18.000  P.  T. ;  12  Stationen  zu  150  Mam 
ä  90  P.  per  Monat  macht  monatlich  14.500  P.  T.  Dazu  kommen  die 
Stationschefs  (Yakil)  durchschnittlich  mit  800  P.  Monatlohn,  macht 
jährlich  für  23  Stationen  220.800  P.  Die  Gesammüöhnung  aUer  Stabili- 
mente belauft  sich  also  jährlich  auf  610.800  Piaster  Tarif. 

Hier  muss  aber  ein  für  allemal  bemerkt  werden,  dass  diese  Leute 
ihren  Sold,  wie  schon  oben  angedeutet,  meist  in  Waren  zu  5-  bis 
lOfachen  Preisen,  oder  auch  in  Sclaven  erhalten ;  nur  selten,  dass  ihnen, 
wenn  sie  nach  mehreren  Jahren  nach  Chart  um  zurück  kehren,  ein 
geringer  Theil  ihrer  Löhnung  an  Bargeld  übrig  bleibt.  Es  darf  diese 
Bemerkung  nicht  wundem,  denn  in  den  Stabilimenten  haben  die  SclaYen- 
gesch&lte  jetzt  wie  ehedem  ihren  Fortgang,  und  jeder  sogenannte  SoMat 
(Besatzungsmannsohaft)  bekommt,  wenn  er  will,  um  einen  gewissen  Preis 
so  yiel  Sclaven,  als  seine  Löhnung  beträgt  Da  freilich  braucht  der 
Unternehmer  nicht  in  den  Säckel  zu  greifen. 

Die  Leute  der  Seriba  haben  die  Aufgabe,  im  Verlauf  des  Jahres 


&2S 

das  Elfenbein  bei  den  nmliegenden  Stammen  einzusammeln  and  es  nach 
Ankunft  der  Schiffe  anf  den  Flnss  zu  liefern.  Dazu  mfissen  sie  über 
einen  Monat  weite  Rundrdsen  machen.  Sie  theilen  sich  gewöhnlich  in 
mehrere  Partien;  ein  Theil  bleibt  zu  Hause  als  Bewachung,  ein  Theil 
reist  nach  West,  ein  Theil  nach  Süd  etc.  Auf  ihren  Zügen  bleiben  sie 
oft  Ö — 6  Monate  aus.  Dabei  geht  es  selten  ohne  Kämpfe  mit  den 
Eingebomen  ab,  welche  den  Fremden  den  Eintritt  in  ihr  Gebiet 
nicht  gestatten  wollen.  Es  begreift  sich,  dass  sie  die  nöthigen  Tausch- 
mittel mit  sich  nehmen  müssen.  Es  gibt  aber  nur  ein  einziges  Trans- 
portmittel, die  Träger  aus  den  Eingebomen  selbst.  Daher  werden 
fiEbr  solche  Excursionen  so  viel  Neger  gegen  eine  Entlohnung  von  so 
und  so  viel  Pfand  Glasperlen,  etwas  Kupfer  etc.  engagiert,  als  zur 
Fortbringung  der  Tauschwaren  nöthig  sind,  welche  die  Neger  auf  der 
Hinreise  in  kleinen  Pftcken  bis  zu  ÖO  Pfand  auf  dem  Kopfe  tragen, 
während  sie  auf  der  Rückreise  das  eingehandelte  Elfenbein  übernehmen. 
Namentlich  in  den  von  Gondokoro  nach  Süden  gelegenen  Stabili- 
menten  wurden  diese  Expeditionen  in  den  letzten  Jahren  bis  zum 
Victoria-  und  Albert-Nyansa  ausgedehnt  und  waren  stets  vom 
bestat  Erfolge  begleitet  Auch  die  in  der  Mittelregion  bei  den  Kitsch 
und  Djnr  gelegenen  Stabiümente,  sowie  jene  des  Bahr  el  Gasall 
müssen,  weil  in  der  Nähe  schon  alles  Elfenbein  ausgebeutet  ist,  ihre 
Reisen  weit  nach  West  und  Südwest  ins  Land  der  Njam-Njam  aus- 
ddinen.  Einige  dieser  Leute  wollen  von  den  Eingebornen  gehört  haben, 
dass  auch  von  Westen  her  Kaufleute  in  jene  Gegenden  kommen,  um 
.Elfenbein  einzuhandeln,  also  von  der  Küste  Gabun  oder  Kongo. 
Da  die  Expeditionen  jedes  Jahr  mehr  ausgedehnt  werden,  ist  anzu- 
ndunen,  dass  in  nächster  Zukunft  ein  guter  Zufall  die  östlichen  und  west- 
lichen Handelskarawanen  zusammenführt.  Hierüber  wird  Dr.  Schwein- 
furt  Aufschluss  bringen. 

Ich  fuge  hier  die  Bemerkung  hinzu,  dass  die  6  Stabiümente 
im  Aequatprialgebiete  (die  einträglichsten)  vor  einigen  Jahren  durch 
den  Yicekönig  von  Schech  Ahmed  el  Akad  angekauft  wurden, 
jedoch  bleibt  Akad  für  3  Jahre  Pächter,  wofür  er  einen  Pachtschilling 
von  600  Beutel  per  Jahr  zahlt  Gleichfalls  hat  Seine  Hoheit  vor  2  Jahren 
das  Stabiliment  der  Gebrüder  Poncet  inAbuKukaum  3500  Pftmd 
Sterling  unter  derselben  Bedingung  angekauft,  dass  die  Poncet 
3  Jahre  Pächter  bleiben  und  dafür  jährlich  300  Pftmd  Pachtzins  zahlen. 
Es  scheint  darauf  angelegt,  nach  und  nach  alle  Handelsniederlassungen 
des  weißen-  Flusses  anzukaufen,  um  eines  schönen  Tages  den  Gesammt- 
elfenbeinhandel  in  eigene  Regie  zu  nehmen,  ohne  denselben  monopolisiert 
zu  haben. 

34* 


624 

Im  Dnrchsdinitt  betrSgt  das  Ergebnis  des  Elfenbeinhandels: 

Gnfar 

a)  von  den  6  Stabilimenten  im  Aeqoatoria^ebiete     ...    900 

b)  von  den  5  Stabilimenten  der  mittleren  Regionen  ...    500 

c)  von  den  9  Stabilimenten  des  Bahr  el  Gasall  .    .    .  1200 

d)  von  den  3  Stabilimenten  des  Saraf     .    .        .  .100 

Total  Cantar     2700 
Man  kann  also  als  Norm  annehmen,  dass  alljährlich    2700  Caotar 

Elfenbein  vom  weißen  Floss  nach  Chart  am  gebracht  werden. 

Die  Elfenbeinzähne  werden  entweder   nach  Gewicht   oder  Qoalit&t 

in  5  Classen  eingetheilt: 

a)  Klindj  —  von  1  bis  7  Botel. 

b)  Bar  —  über  7  bis  15  Rotel. 

c)  Dahr  Brindji  —  über  15  bis  35  Rotel. 

d)  Brinji  —  über  35  Rotel  aufwärts. 

e)  Maschmas ch  —  in  diese  Glasse  gehören  die  2iahne  aller 
vorstehenden  Qualitäten,  welche  verfault,  zerbrochen,  ler- 
Sprüngen,  oder  sonst  irgendwie  schadhaft  sind. 

Hier  muss  bemerkt  werden,  dass  bei  der  kleinsten  Qualität  Klindj 
400  Rotel  auf  einen  Cantar,  von  der  Qualität  Bar  150  Rotel  aaf  einen 
Cantar,  von  den  großen  Zähnen  aber  100  Rotel  auf  einen  Cantar  ge- 
rechnet werden.  Es  bedarf  keiner  Erwähnung,  dass  der  Preis  von  Gairo 
rflckschlägig  auf  den  hiesigen  Platzpreis  einwirkt.  Nichtsdestoweniger 
kann  man  als  fixe  Norm  des  Lokalpreises  von  Chartum  folgende 
Liste  annehmen: 

a)  Klindj  ä  Ctr.  zu  400  Rotel    .......  P.  T.  3000 

b)  Bar  ä  Ctr.  zu  150  Rotel „      2000 

c)  Dahr  Brindji  zu  100  Rotel  pr.  Ctr.     .    .    .      „      1800 

d)  Brindji  ä  Ctr.  zu  100  Rotel „      2200 

e)  „        sehr  große    ....  .      „      2400 

f)  Maschmusch  (Maschemes)  ä  Ctr.   von  60 

Rotel  aufwärts „  1500 

von  30  bis  60  Rotel „  1200 

von  30  Rotel  abwärts       „  1000 

Mit  dieser  letzten  Gattung  (Maschmusch)  werden  häufig  gute 
Speculationen  gemacht,  insbesondere,  wenn  es  große  Zähne  sind,  indem 
man  den  schadhaften  Theil  abschabt,  den  Zahn  etwas  putzt  und  ihn 
sonach  in  die  erste  Qualität  (Brindji)  steckt,  wodurch  wenigstens  der 
doppelte  Preis  erzielt  wird. 

Von  der  jährlichen  Elfenbein-Ausbeute  entfallen  auf  jede  ein- 
zelne Sorte: 


J 


535 
Klindj Cantar    ,70 

Dahr  Brindji ...      „         450 

Maschmnsch „        260 

Brindji „       1600 

Znsammen    2700 

Nimmt  man  dieses  Ergebnis  durchschnittlich  per  Cantar  zu 
2200  P.  T.,  so  wirft  das  ein  Ertragnis  von  5,940.000  P.  T.  ab.  wor- 
nach  die  ganze  Unternehmung  im  Vergleich  zu  den  Spesen  pr.  5,554.720 
die  Bagatelle  von  385.280  P.  T.  als  Reinertrftgnis  abgeben  würde. 
Hier  mnss  aber  in  Anschlag  gebracht  werden,  dass  die  dienstthnende 
Mannschaft  großentheils  mit  Sclaven  nnd  Waren  unter  Anrechnung 
des  zehnfachen  Preises  bezahlt  wird,  wodurch  sich  die  wirklichen 
Auslagen  an  Bargeld  auf  ein  Minimum  reducieren,  und  mithin  der 
Gewinn  ans  Licht  tritt.  Ueberdies  führen  die  Schiffe  leider  noch 
immer  Sclaven  aus  den  Negerländem  herab,  welche,  um  nicht  in 
Ghartum  gesehen  zu  werden,  in  Lahauin  oder  Woad  Schellai 
ausgesetzt,  zu  Lande  an  ihren  Bestimmungsort  gelangen,  oder  auf  dem 
Markte  inMuselemichzu  Gleld  gemacht  werden.  Die  Sclaven  repräsen- 
tieren eigentlichen  Gewinn,  und  der  Elfenbeinhandel  könnte  ohne  sie 
nicht  bestehen.  Obgleich  die  Regierung  dieses  Geschäft  mit  Menschen- 
ware scheinbar  zu  hintertreiben  sucht,  so  lässt  sich  im  Gegensatze  zu- 
verlässig sagen,  dass  die  Mudirie  in  Faschoda  von  jedem  Sclaven- 
schiffie  15  Schwarze  und  außerdem  für  jeden  Sclaven  10  Thaler  Tribut 
abnimmt  und  sodann  den  Schifiahrem  einen  Freipass  ausstellt.  Außer- 
dem bringen  die  Barken  noch  einige  andere  Kleinigkeiten  vom  weißen 
Flusse,  wie  unten  angedeutet  werden  wird,  die  aber  für  den  Gewinn 
nicht  in  die  Wage  fallen. 

In  Chartum  selbst  bleibt  von  dem  ganzen  Elfenbein  der  geringe 
Theil  von  etwa  50  Ctr.  aus  der  Sorte  Bar  und  Dahr  Brindji, 
welche  hier  zu  Armbändern  für  das  weibliche  Geschlecht  verarbeitet 
werden.  Das  übrige  führt  man  aus,  und  zwar  Elindj,  Bar  und 
Dahr  Brindji  auf  der  Straße  über  Berber  nach  Suakim  und 
von  dort  zum  größten  Theile  nach  Indien ;  nur  ein  kleiner  Theil  bleibt 
in  Hedjas;  Brindji  —  die  großen  Zähne  —  und  auch  Dahr 
Brindji  und  etwas  Bar  gehen  nach  Cairo  via  Korosko  oder 
via  Dogola.  Maschmusch  wird  gewöhnlich  mit  den  vorstehenden 
Qualitäten  untermischt. 

Die  Transportkosten  auf  den  Landstraßen  Sudans  sind  in  den 
letzten  Jahren  bis  ins  fabelhafte  gestiegen.  Seit  17  Jahren,  so  lange 
ich  den  Sudan  kenne,  war  der  Transporttarif  für  die  Beute  Korosko* 


526 

Berber  anf  90  P.  T.  (4V8  Thaler)  per  Euneel  festgesetst.  Seit 
4  Jahren  wurde  der  Mietlohn  für  ein  Kameel  auf  derselben  Strafie  Ins 
auf  25  Thaler  erhöht.  Im  October  1866  hat  man  Ton  mir  seDxt  m 
Berber  20  Thaler  per  Kameel  bis  Eorosko  verUmgt,  während  ein 
Kaufmann  25  Thaler  far  das  Kameel  bezahlte,  und  im  April  1867 
habe  ich  noch  13  Thaler  fOr  ein  Kameel  auf  jener  Straße  bezahlt.  Es 
wird  kaum  eine  Handelsstraße  in  der  Welt  geben ,  wo  die  Transport- 
spesen so  hoch  zu  stehen  kommen.  Man  hat  Mangel  an  Kameelen  wegen 
eingerissener  Mortalität,  man  hat  Theuerung  des  Getreides  vorgeschützt 
Die  Regierung  verhielt  sich  neutral,  sie  hat  keinen  modificierten,  beiden 
Parteien  entsprechenden  Tarif  bestimmt,  und  so  waren  die  Kaafleate 
ohne  Gnade  der  Willkühr  der  Beduinen  verfallen.  Die  Regierung  hat 
zu  ihrem  eigenen  Gebrauch  in  jener  Zeit  bloß  10  Thaler  fibr  ein  Ka- 
meel bezahlt,  wo  die  Handelskarawanen  20  und  25  Thaler  opfern  mnaataL 

Derzeit  hat  sich  das  Blatt  etwas  gewendet.  Da  die  Handels- 
straße durch  die  Wfiste  von  Korosko  die  am  meisten  begangene  und 
kürzeste  ist,  so  ist  für  unsere  Darstellung  hauptsächlich  diese  Route 
maßgebend.  Man  hat  neuestens  die  Transportgebflhr  auf  45  P.  T.  per 
Cantar  normiert.  Da  nun  ein  Rachel  (Kameelladung)  auf  4  Ctr.  be- 
rechnet wird,  so  kommt  derzeit  ein  Kameel  auf  circa  9  Thaler.  Yia 
Korosko  rechnet  man  die  Spesen  bis  Gairo  auf  100  P.  T.  per  Ctr., 
wozu  alle  kleineren  Auslagen,  als  Rindshäute  (die  Elefantenz&hne  mftssen 
in  H&ute  eingen&ht  werden),  Stricke,  Diener  und  Verpflegung,  Sdiift- 
miete,  Aus-  und  Einladung  etc.  mit  inbegriffen  sind.  Von  Chart  um 
nach  Berber  kostet  ein  Rachel  (2  Colli)  zu  Schiff  30  P.  T.  Von 
Berber  nach  Suakim  kostet  der  Ctr.  20  P.  T.  In  Suakim  aber 
zahlt  man  2^^%  Zollgebühr  (Djumruk)  für  die  Elefimtengähne 
Via  Dongola  sind  die  Elfenbein-Speditionen  selten,  weil  die  Spesen 
sich  höher  belaufen  und  die  Reise  l&nger  diskuert. 

Die  Kauffahrer  bringen  außer  dem  Elfenbein  auch  einige  andere 
Gegenst&nde  aus  den  Negerländem  herab,  die  aber  wegen  ihres  Wertes 
und  ihrer  Quantit&t  kaum  der  Erw&hnung  wert  sind.  Sie  besteh»!  in 
Tamarhinde  (etwa  40  Ctr.),  Honig  (15  Ctr.),  RhinozeroshOmer 
(Hertit),  die  nach  Gewicht  im  Preise  des  guten  Elfenbeins  stehen, 
Hippopotamuszfthne  zum  gleichen  Wert,  eine  Wenigkeit  Von  Rinda- 
häuten,  und  etwas  ethnographische  und  naturhistorische  Gegenstande. 
Der  ergiebigste  Artikel  aber,  wie  schon  bemerkt,  sind  nach  dem  Elfen- 
bein die  Sclaven,  und  obgleich  im  Gebiete  der  Schilluk  seit  mefareicn 
Jahren  eine  Mudirie  besteht,  wo  die  vorbeikommenden  KaoffahrteiachÜfe 
einer  Visitation  unterzogen  werden,  so  ist  das  nur  eine  Fonnalitat; 
denn  die  Auf  Sichtsorgane  sehen  und  sehen  nicht,  aus  begreiflichen  Gründen. 


5» 

Die  an  die  Luideffiregiemng  zu  leistende  SchiSssteuer  (Agab, 
auch  Werko  genannt)  wurde  nach  der  Tragfähigkeit  der  Schiffe  be- 
measen  und  dabei  als  Maßstab  ein  Ardeb  zu  20  Para  per  Jahr  ange- 
nommen. Da  manche  Schiffe  200  and  mehr  Ardeb,  andere  weniger  aof- 
nehmen,  so  kann  man  im  Durchmesser  100  P.  T.  pr.  Schiff  jährliche 
Steuer  rechnen.  Diese  Abgabe  hat  jedes  Schiff  zu  leisten,  einerlei,  ob 
dasselbe  den  weißen  oder  blanen  oder  yereinigten  Nil  befährt.  Alle 
Nilbarken  des  Sudan  kann  man  auf  300  anschlagen. 

Die  Werko  des  Schiffspersonals  wurde  auf  eine  Monatlöhnung» 
also  auf  ein  Zwölftel  des  jährlichen  Verdienstes  bemessen.  Damach 
beträgt  z.  B.  die  Steuer  eines  Nökers  mit  9  Schiffleuten  und  30  Soldaten 
nach  der  oben  angefahrten  Löhnung  circa  1950  P.  T.,  eine  Dahabia 
aber  muss  nach  demelben  Maßstabe  2310  P.  T.  zahlen.  Auch  die  Be- 
satzung der  Stabilimente  am  weißen  Fluss  hat  eine  Monatlöhnung  an 
die  Regierung  abzugeben.  Da  aber  diese  Leute  jahrelang  nicht  nach 
Chartum  kommen,  so  muss  ihr  Dienstgeber  die  entfallende  Summe 
aDj&hrUch  auf  Abrechnung  von  ihrem  Solde  an  die  Regierung  abliefern. 
Das  Stabiliment  zu  200  Mann  ä  90  P.  T.  berechnet,  würde  also  an 
Steuer  18.000  P.  T.  des  Jahres  abwerfen. 

fiiemit  ist  der  GFegenstand  erschöpft.  Wenn  ich  den  Versuch  wagte, 
eine  beiläufige,  aber  immerhin  möglichst  wahrheitsgetreue  Uebersicht 
eines  der  größten  sudanischen  Handelszweige  zusammen  zu  stellen,  so 
kann  ich  nicht  verhehlen,  dass  noch  manche  Lücken  zum  Ausfüllen 
flhrig  bleiben.  Es  hat  hier  einige  Schwierigkeiten,  statistische  Daten  zu 
sammeln,  weil  das  Gubemium  keine  Statistik  führt,  und  in  der  Handels- 
weit jedermann  um  seinen  eigenen  Beutel  besorgt  ist,  ohne  sich  weiter 
um  eine  Uebersicht  oder  einen  Um&ng  der  allgemeinen  Handelsange- 
l^genheiten  zu  kümmern.  Börsen-,  Handels-  und  Gewerbekammem  gibt 
es  keine.  In  dem  gegenseitigen  Mistrauen  sagen  die  Eaufleute,  um 
ihre  geschäftlichen  Verhältnisse  befragt,  keiner  die  Wahrheit,  oder  sie 
weichffli  der  Auskunft  aus.  Es  ist  nur  indirecter  Weise  und  durch  fort- 
gesetzte Beobachtungen  möglich,  dem  wahren  Geschäftsgange  auf  den 
Grand  zu  kommen.  Uebrigens  geht  der  in  früheren  Zeiten  so  lebhafte 
Handel  seit  wenigen  Jahren  den  Krebsgang,  mit  Warenvorräten  ist 
man  von  Egypten  her  überhäuft,  Verkauf  und  Consum  keiner,  Geld, 
womit  das  Land  noch  vor  kurzer  Zeit,  notabene  von  Mariatheresien- 
thalem,  überschemmt  war,  ist  total  verschwunden.  Wo  ist  es  hinge- 
kommen, das  früher  so  reichlich  kursierende  Gold  und  Silber?  Es  darf 
nicht  wundem,  wenn  man  hört,  dass  in  der  Regierungskasse  30.000  ^Beutel 
aufgeschobert  liegen,  wovon  kein  Piaster  angerührt  werden  darf,  weil 
dieses  Sümmchen    an    Seine  Vicekönigliche  Hoheit    abgeliefert    werden 


528 

mnss.  Die  neueren  politischen  Verhältnisse  in  Egypten  haben  auch  den 
Sndan  mit  in  den  Eanf  genommen.  Wie  soll  ein  Verkehr,  ein  Handeto- 
leben  im  Lande  existieren,  wenn  die  Regierung  die  (relder  einzieht  nd 
nichts  herausgibt,  sogar  ihre  Beamten  ein  ganzes  Jahr  lang  in  der 
Hoffiiung  aaf  den  endlichen  Empfang  ihrer  Gage  halb  verzweifln  läsat? 
Woher  kommt  es,  dass  in  neuester  Zeit  der  Mariatheresienthaler  y<» 
20  auf  23,  der  Napoleondor  von  77  auf  80,  die  englische  Guinea  von 
97^2  ^"^  100  Piaster  gestiegen  sind?  Der  jetzige  Generalgoiivemenr 
Djafer  Pascha  hat  sogar  die  silberne  Scheidemttnze  steigern  wollen; 
der  Witz  ist  ihm  aber  nicht  gelungen.  Warum  kostet  derzeit  der  noth- 
wendigste  Lebensartikel,  die  Brotfrucht  der  Eingebornen,  die  Dura, 
6  P.  T.  pr.  Ruba,  während  wir  früher  60  Para  dafttr  bezahlt  haboi, 
da  doch  keine  Misjahre  vorhergiengen  ?  Die  Handelswelt  ist  voll 
Schulden  und  niemand  kann  zahlen.  In  einem  Lande,  wo  keine 
schnelle  und  sichere  Communication  besteht,  kann  auch  kein  Handel 
blfihen,  und  wo  kein  Handel  blüht,  ist  auch  kein  Geld,  zumal 
in  einer  ausschließlichen  Handelsstadt  wie  C  bar  tum,  wo  fast  gar 
keine  Industrie  betrieben  wird.  Wie  muss  es  mit  dem  Handel  stehen, 
wenn  ein  Warentransport  aus  Egypten  nach  Sudan  6  Monate  lang  in 
Korosko  liegt  und  auf  Erlösung,  d.  h.  auf  Kameele  wartet?  Ich  will 
nicht  weiter  darauf  eingehen,  auf  wen  die  Verantwortlichkeit  dieser 
Uebelst&nde  fällt.  Es  bedarf  nicht  der  Erwähnung,  dass  der  europäische 
Handelsstand  für  das  Wohl  und  Wehe  des  sudanischen  Handels  interessiert 
ist,  weil  ja  doch  die  hiesigen  Importartikel  aus  Europa  kommen,  und 
umgekehrt  die  hierländischen  Exportartikel  nach  Europa  gehen.  Unsere 
Hoffiiung  lebt  im  Gedanken,  dass  endlich  auch,  d.  h.  wenn  wir  noch 
lange  leben,  die  Dampfschiffahrt  und  die  Eisenbahn  ihre  Wohlthaten  audi 
über  den  Sudan  ausgießen  werden.  Wenn  es  wahr  ist,  dass  die  Eisenbahnen 
die  Gultur  und  CiviUsation  ins  Land  bringen,  dann  wird  auch  für  Sudan 
das  goldene  und  silberne  Zeitalter  anbrechen,  Handel  uud  Credit  werden 
zu  neuem  Leben  erstehen,  Industrie  und  Bildung  werden  sich  ansiedehi 
und  der  productive  Boden,  der  in  meilenweitem  Umfange  seit  Jahr- 
tausenden des  Pfluges  harrt,  wird  dem  Lande  hundertfUtigen  Segen 
spenden. 

Geographische  Literatur. 

Gerard  de  Cremer  ou   Mercator  geographe  Flamand. 

Reponse  a  la  Conference  du  Dr.   Breusing  tenue  a  Douisbui^  le  30. 

Mars  1869,  per  le  Dr.  J.  van   Raemdonck.    St  Nicolas.  J.  Edom. 

1870,  gr.  8.  78  S. 

Die  verschiedenen  Ansichten  über  die  Nationalitat  des  ber ahmten  Geogra- 
phen und  Erfinders  der  Projection  der  Seekarten,  welchen  die  Belgier  (deren 


529 

Yertrdter  Ihr.  Tan  Raemdonck)  und  Deatschen  (mit  Dr.  ßreming  an  der  Spitze) 
als  den  ihrigen  reclamieren,  und  die  in  dem  größeren  Werke  ?an  Baemdonck's 
in  Dr.  Breasing's  gedracktem  Vortrage  za  Doisborg  (siehe  S.  115  u.  ff.  unserer 
Mittheilnngen)  and  in  der  wahrscheinlidi  von  ihm  herrührenden  Becension  in 
Dr.  Petermann's  Mittheilungen  (1869  p.  438)  niedergelegt  sind,  haben  von  Seite 
Dr.  Raemdonck's  obige  Erwiederung  hervorgerufen,  in  welcher  derselbe  seine 
Angaben  und  Auslegungen  wiederholt  und  insbesondere  sich  gegen  den  Vor- 
wurf unehrenhafter  und  absichtlicher  Verschweigung  oder  Aenderung  der 
Documente  verwahrt.  In  mancher  Hinsicht  beschränkt  sich  die  Vertheidigung 
auf  ein  fums  avons  prouvi,  was  natürlich  die  historisch  angefochtenen  That- 
aachen  in  der  Schwebe  lässt,  andererseits  werden  aber  illr  die  Ansicht,  dass 
Mercator  als  Flammländer  anzusehen  sei,  neue  Gründe  ins  Feld  geführt, 
unter  welchen  folgende  von  größerem  Belang  sind.  Im  Jahre  1518  bezahlte 
der  Vater  Mercators  zu  Rupelmonde  6jährige  rückständige  Interessen  an  den 
Armentisch,  woraus  Dr.  Raemdonck  den  Schluss  zieht,  er  müsse  sich  diese  Zeit 
über  in  Rupelmonde  aufgehalten,  also  Mercator  seine  früheren  Jugendjahre  nicht 
im  Jfllichschen,  sondern  in  Flandern  verlebt  haben.  Seine  Zeitgenossen  haben 
ihn  für  einen  Flammländer  erklärt,  z.  B.  Hondius  in  seinem  großen  Atlas  von 
1607  als  eonterraneus  meus,  und  in  der  Widmung  desselben  an  die  Gene- 
ralstaaten als homo  Belga.  Peter  Bertius  in  der  Vorrede  zu  seinem  Theatrum 
geographiae  veteris  nennt  ihn  und  den  Antwerpner  Ortelius  „nobile  par  Bei- 
garum.'^  Die  Räthe  des  Herzogs  von  Jülich  nennen  ihn  (158S,  als  er  schon  33 
Jahre  zu  Duisburg  weilte),  einen  »Unterthan  der  Niederlande.-  Auf  dem  7. 
Blatte  der  letzten  von  Mercators  Söhnen  besorgten  Lieferung  des  Atlas  erscheint 
das  Epitaphe:  Grerardo  Mercatori  Fl  andre  Rupelmuntano.  Endlich  hat  Mer- 
cator das  für  Fremde  obligate  Bürgerrecht  zu  Duisburg  nicht  erworben,  wol 
aber  seine  Söhne.  —  Desungeachtet  sind  die  Mitansprüche  Deutschlands,  in 
dem  Mercator  die  zweite  Hälfte  seines  Lebens  zubrachte,  nicht  unberechtigt, 
und  wenn  er  auch  schon  als  berühmter  Mann  nach  Duisbnrg  kam,  hat  er  doch 
seine  wichtigste  Entdeckung,  die  Projection  der  Seekarten  daselbst  gemacht. 
Wird  auch  der  Streit  zwischen  Flandern  und  Jülich  (Gleve)  zu  Gunsten  des 
ersteren  entschieden,  so  darf  doch  nicht  übersehen  werden,  dass  zu  Mercators 
Lebenszeit  der  burgundische  Kreis  noch  bestand,  mithin  beide  Länder  poli- 
tisch zu  Deutschland  gehörten,  also  Mercator  auch  als  Flammländer  ein 
Sohn  des  deutschen  Reiches  war.  —  s  — 


Bucher  und  Karten,*) 

wslche  theils  ak  G«sch«nki  theiis  im  Wege  des  Schriflentausches  an  die  k.  k.  geographische  Gesellschaft 

gelangt  sind. 

Tom  L  Februar  1870  bis  Ende  August  1870. 

Die  Geschenksexemplare  sind  mit  *  bezeichnet. 

Bat a via.  Verhandelingen  von  het  Bataviaasch  Gtenootschap  von  Kün- 
sten en  Wetenschappen.  Deel  XXXIII  1868. 

—  liijdschrifl?  vor  indische  Taal-  Land-  en  Volkenkunde ,  Deel  XVI 
(Serie  5.  Deel  H.  2—6)).  Deel  XVII.  (Serie  6  Deel  UI.  1—5).  Deel  XVm. 
(Serie  5  Deel  IV.  1). 

—  Notuleu  von  de  algemeene  en  Bestuurs-Vergaderiugen  von  het  bata- 
viaasch Genootschap  etc.  Deel  4—7.  1867—1869. 

—  Katalogus  der  ethnologische  Afdeeling  von  het  Museum  von  het  Ba- 
taviaasch Genootschap  1868. 

—  Katalogus  der  numismatische  Afdeeling  von  het  Museun  von  het 
Bataviaasch  Genootschap  etc.  1869. 

Berlin.  Zeitschrift  der  deutschen  geologischen  Geseilschaft  XXIL  1. 
und  2.  (Berlin  1870). 


*)  Das  erste  Verzeichnis  s.  Seite  283  der  diesjährigen  Mittheilungen. 


530 

Boloffna.  Memorie  delP  Acadenda  delle  acieiifle  deU'  Istituto  di  Bo- 
logna Serie  2.  Tomo  9.  Fasdcolo  3.  1870. 

Bonn.  Verhandlungen  des  natarhistoriBclien  Vereines  der  preußudbai 
Rheinlande  und  Westphalens.  Herausgegeben  von  Dr.  C.  J.  Andrae  XXVL 
J.  8.  Folge.  6.  Jahrgang  1.  und  2.  H&lfte  1870. 

Braunsberg.  Zeitschrift  für  die  Geschichte  und  Alterthumskunde  des 
Ermlands.  IV.  Bd.  12.  Heft.  Jahrg.  1869. 

—  Monumenta  historiae  Warmiensis  IH.  Abtheilnng.  11.  und  12.  Lie£. 
4.  Band.  Bogen  6—15.  1868  und  1869. 

Brflnn.  Mittheilungen  der  m&hr.-schlesisch.  Gesellschaft  fOr  Ackerbao, 
Natur-  und  Landeskunde.  1870. 

Brüssel.  Annuaire  de  1'  Academie  royale  des  sciences,  des  lettres  et 
des  beaux-arts  de  Belgique.  1870. 

—  Bulletins  de  PAcademie  royale  des  sciences,  des  lettres  et  des  beaux- 
arts  de  Belgique  38.  ann^  2.  Serie.  T.  XXVII.  et  XXVIH.  1869. 

—  Q  uetetet  Ad.  Snr  les  etoiles  Filantes  du  mois  d'aoAt  1869  oboerröei 

a  Bruxelles. 
^  „        Note  sur  PAurore  Boröale  dn  6.  Octobre  et  les  oiageB 

de  1869. 
^  „         Sur  les  orales  obserres  en  Belgique  pendant  P  annde  1868 

et  le'prenuer  trimestre  de  1869. 

—  „         Notices  sur  les  aurores  boröales   de  15.  April  et  15.  Mai 

1869  et  sur  le  bolide  obserr^  a  Bruxelles  le  3L  Mai  de 
la  m^me  ann^e. 
Ghur.  Jahresbericht  der  naturforsch.  Gesellschaft  Granbündens.  Nene 
Folge  XIV.  Jahrg.  (1868-1869). 

—  Das  Schwefelbad  zu  AWeneu  -  von  Dr.  Vict.  Weber  1868. 
Dresden.    Sitzungsberichte   der   naturwissenschaftlichen   Gesellschaft 

Isis  in  Dresden.  Jahrg.  1870  1.  Dresden  1870. 

Florenz.  BoUetino  dellasodeti geographica italiana,fasc.  5.  (part  1.)  1870. 

*St.  Gallen.  Die  B&der  vor  Bormio,  Landschaftsbilder,  Berg&hrten  und 
naturwissenschaftliche  Skizzen  Yon  G.  Theobald  u.  J.  J.  Weilenmann  1870. 

Genf  LeGlobe,  Journal  gSographique.  Tom.  IX.  1.  2,  3.  Janviery  Fevrier, 
Mars  1870. 

Görz.  Atte  e  memorie  delP  i.  r.  societä  agraria  da  Gorizia  1870. 

Gotha.  Mittheilungen  aus  Justus  Perthes  geographischer  Anstalt  Ton 
Petermann  16.  Band  6.,  7.  und  8.  1870. 

Güstrow.  Archiv  des  Vereins  der  Freunde  der  Naturgeschichte  in 
Meklenburg.  23.  Jahrg.  1870. 

Hannover.  Zeitschrift  des  bist.  Vereins  fOr  Niedersachsen.  Jahig.  1869. 

—  Achtzehnter  und  neunzehnter  Jahrgang  der  naturhistorischen  Ciesdl- 
Schaft  zu  Hannover,  von  Michaelis  1867  bis  dahin  1869.  Hannover  1869. 

Hermannstadt  Programm  des  ev.  Gymnasiums  in  Sch&ßbnrg  1870. 

Hildburg  hausen.  Eig&nzungsblätter  zur  Kenntnis  der  Gegenwart 
Band  VI.  Heft  1.  und  2.  1870. 

^Karlsruhe.  Statistisches  Jahrbuch  fflr  das  Großhenogthum  Bades. 
I.  Jahrgang  1868.  Karlsruhe  1869.  (Geschenk  des  Ministeriums). 

Klagen  fürt.  Mittheilungen  über  Gegenstände  der  Land-  Font-  und 
Hanswirtschaft  1870. 

Köln.  Gaea.  VI.  Jahrg.  3.  4.  Heft  1870. 

Königsberg.  Schriften  der  k.  physicalisch-öconomisehen  Gesellsdiaft 
zu  Königsberg.  IX.  Jahrg.  1.  und  2.  Abth.  X.  Jahig.  1.  und  2.  Abth.  1868 
und  1869. 

Kopenhagen.  Oversigt  over  det  kongelinge  danske  Videnskabemet 
Sehkabs  forhandlingen  og  dets  Medlemmers  Arbeider  i  Aarei  1868,  5  - 1869,  2. 

^Kreuznach.  An  den  Nordpol.  Schilderung  der  arctischen  Gegenden 
und  der  Nordpolfafarten  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Gegenwart  von  Her- 
joMim  J.  Klein.  1870.  (Geschenk  des  Verlegers.) 


531 

Landsbnt.  yendiaiidlinigen  des  hiflCtHiselien  Yereiaes  Attr  Niederbayern 

XIY.  Bd.  1.-4.  Heft  1869. 


Laasanne.  Memoires  et  docmnents  pabli^i  par  la  sod^t^  dliistoire  de 
]a  801886  romande  XXIII. 

—  Monnments  de  lliiBtoire  da  Gomt^  de  Gruyke  et  d'austres  fieis  de  la 
maison  sonyeraine  de  ce  nom  par  J.  J.  Hisely  a  i'abbe  J.  Gremand.  1869. 

Lemberg.  Rolnik,  czasopismo  dla  gospodarzy  wieJBkich.  1870. 
Leoben.  Jabresbericbt  des  Landes-Kealgymnasiams  in  Leoben.  1870. 
Linz.  Landwirtschajftiicbe  Zeitschrift  von  nnd  für  Oberösterreicb  1870. 

—  Progiamm  des  k.  k.  Ghpnnasiams  zn  Kremsmünster  1870. 

London.  PhilosopbicaUTransactions  of  tbe  royal  society  of  London  for 
the  year  1869.  Vol.  159.  Part  II.  ;870. 

—  Proceedings  of  the  royal  society  Vol.  XVUI  Nr.  115—118  (1870). 

—  The  royal  society.  30.  November  1869. 

Lübeck.  Schriften  des  Vereines  für  Lübeck'sche  Geschichte  nnd  Alter- 
thiuBsknnde: 

—  Lübeck'sches  ürknndenbach  Bd.  1,  Bd.  2  (in  16  Liefemsgen)  Bd.  8 
(in  11  Liefeningen).  Bd.  4.  1.  Lieferang,  diese  1870. 

München.  Zeitschrift  des  deatschen  Alpenvereines.  Bd.  I.  Heft  1.  -  3. 1870. 

*New  York.  The  first  annal  Report  of  the  american  Moseom  of  Na^ 
tnralhistory.  Janaary  1870. 

"^St.  Nicolas.  G^rard  de  Cremer  oa  Mercator.  g^ographe  flamand.  Rd- 
pons  k  la  Conf^nce  da  Dr.  Breasing  par  le  Dr.  J.  van  Raemdonck  1870. 
(Geschenk  des  Verfassers.) 

Offenbach  am  Main.  Zehnter  Bericht  des  Gifenbacher  Vereines  für 
Natorkonde.  17.  Mai  1868-6.  Jani  1869. 

Orleans.  Memoires  de  la  sod^t^  d'agricaltore,  sciences,  helles  lettres 
et  arts  d'Orleans.  II  Serie  Tom  Xni.  1.  2.  Orleans  1870. 

Palermo.  Atti  deUa  societi  di  acclimatisazione  e  di  agricoltara  in  Sicilia. 
Tom  IX.  4-10.  1869. 

Paris.  Revue  maritime  et  coloniale  XXIX.  Mai,  Jain  1870. 

—  *D'  Avezac.  Relation  aathentique  du  vogage  da  Capitaine  de  Gonne- 
ville  en  noavelles  terres  des  Jndes  1869.  (Geschenk  des  Verfassers.) 

—  Annales  de  la  Propagation  de  la  foi,  Joillet  Nr.  251. 

Paris  and  Bordeaux.  Actes  de  la  sod^t^  Linn^nne  de  Bordeaux. 
Tora  XXIV.  Troisitoe  Serie  Tom  IV.  5.  6.  1868—1870. 

St.  Petersburg.  Nachrichten  der  kais.  russ.  geographischen  Gesellschaft 
in  St  Petersbnig.  Redig.  von  Baron  Osten-Sacken.  Tom  VI.  3.  1—5.  1870. 

—  Jahresbericht  des  phyücalischen  Gentral-Observatorinms  für  1869  der 
Academie  abgestattet  von  H.  Wild  1870. 

—  Bulletin  de  l'academie  imp.  des  sciences  de  St.  Petersburg. 
Tom  XIV  feuilles  22-33.  (Nr.  4-5).  1869. 

—  Mömoires  de  l'academie  imp.  des  sciences  de  St.  Petersbuig. 

Tom  XrV.  8.  Studien  über  die  Entwicklung  der  Echinodermen  und  Ne- 

mertinen  v.  Dr.  El.  Metschnikofif  1869. 
Tom  XIV.  9.  Die  BarabÄ.  Von  A.  v.  Middendorff.  1870. 
Tom  XV  1.  Gteneris  AstragaJi  species  Gerontogaeae.   Pars  altera.  Von 

A.  Bunge.  1869. 
Tom  XV.  2.  Flora  Gaucasi.  Pars  L  Von  F.  J.  Ruprecht.  1869. 
Tom  XV.  3.  üeber  einige  Schwänune  des  nördl.  still.   Oceans  und  des 

Eismeers.  Von  N.  Miklucho-Maclay.  1870. 
Tom  XV.  4  Etudes  sur  les  revenus  de  publics.  Revenue  des  mines.  1. 

Part.  Par  W.  Besobrasof.  1870. 

Prag.  Abhandlungen  der  königl.  böhmischen  Gesellschaft  der  Wissen- 
idialten  vom  Jahre  1869.  6.  Folge.  3.  Bd.  1870. 

—  Sitzungsberichte  der  königl.  böhm.  Gesellschaft  der  WissenBchaften 
in  Png.  Jahrg.  1869.  Juli  —  December.  1870. 


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532 

Prag.  Berpertorinm  s&mmtlicher Schriften  der  königl.  böhm. Gesellsdiaft 
der  Wissenscliaften.  Zur  Feier  des  lOOjährigen  Bestandes  der  Gesellschaft^  Ton 
Dr.  W.  R.  Weitenweber.  1869. 

—  Gentralblatt  für  die  gesammte  Landescoltur.  1870. 

—  Neuntes  Prc^ramm  der  k.  k.  deutschen  Oberrealschule  in  Prag.  1870. 
Rom.  Romana  Corrispondenza  scientifica  1870. 

Rom.  Bulletino  nautico  e  geographico  di  Roma  1870. 
Stockholm.   Sveriges  geologiska  undersökning  pa  offentlig  bekoBtnad 
utförd  under  Ledning  afA.  Erdmann.  31—35: 

Nagra  ord  tili  upplysning  om  bladet  ..üpsaW  af  M.  Stolpe. 

„       örbyhus  af  M.  Stolpe. 
„       Svenljnnga  af  Y.  Karlsson. 

„       Amal  af  A.  £.  Törnebohm. 
„       Baldersnäs  af  D.    Hummel  och  K 

Erdmann. 

Stuttgart.  Württembergische  naturwissensehaftliche  Jahreahefte  XXV. 
Jahrg.  2.  und  3.  Heft.  1869. 

Turin.  Bulletino  meteorologico  delP  osservatorio  del  r.  coUegio  Cario 
Alberto  in  Moncalieri.  1870. 

Utrecht.  Nederlandsch  meteorologisch  Jaarboek  Yoor  1869,  oitgegereD 
door  het  k  nederlandsch  meteorologisch  Instituut.  1869. 

Venedig.  Atti  del  reale  Istituto  Yeneto  di  scienze,  lettere  ed  arti  dal 
Novembre  1869  alP  ottobre  1870.  T.  XY.  Serie  3.  1870. 

Wien.  Austria,  Archiv  für  Consularwesen  etc.  1870. 

~  Yerhandlungen  und  Mittheilungen  des  n.  ö.   Gewerbevereins.    1870. 

—  Sitzungsanzeiger  der  kais.  Academie  der  Wissenschaften  in  Wien.  1870. 

—  Yerhandlungen  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt.  1870. 

—  JcJiresbericht  der  n.  ö.  Landesoberrealschule  in  Wiener-Neustadt.  1870. 

—  Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der  Statistik.  Herausgegeben  von  der 
statistischen  Centralcommission.  XYU.  Jahrg.  3.  Wien  1870. 

—  Administrativkarte  von  Niederösterreicb.  Yom  Yerein  für  Landes- 
kunde.   Sectionen:  Schwarzau,  Stockerau,  Großenzersdorf.  (Wien  1870.) 

—  Oesterreichische  Mouatschrlft  für  Forstwesen.  Herausgegeben  von 
Jos.  Wessely.  XX.  Jahrg.  1870. 

^Zürich.  Die  Thermen  von  Bormio—  von  Dr.  Meyer-Ahrens  und  Dr. 
Gr.  Brügger.  1869. 


Notizen. 


Die  Bewohner  der  Andamanen.  Aus  dem  Bericht  des  Arztes  F.  Day 
über  die  Bewohner  der  Andaman  entoebmen  wir  der  G.  Bombay  Gazette  vom 
21.  Juni  1870  Folgendes:  Die  Bewohner  der  Andamaueu  sind  von  kleiner  Stator. 
Einst  waren  sie  als  Cannibalen  gefürchtet,  und  noch  jetzt  traut  man  ihnen  in 
Fällen  nicht,  wo  der  Scbififbruch  jemanden  in  ihre  Nähe  bringt.  Derlei  Yerunglückte 
sind  das  Opfer  ihrer  Pfeile  und  Speere  oder  werden  zu  Sclaven  gemacht.  Sie 
haben  keinen  Gefallen  an  Leuten,  welche  Kopf-  und  Barthare  tragen  und  gehen 
geschomen  Hauptes  einher.  Früher  wurde  die  Operation  des  Scherens  halb- 
jährig von  alten  Weibern  mittels  geschärfter  Kieselsteine  vorgenommen ,  jetit 
werden  hiezu  Glasscherben  verwendet  und  der  Act  halbmonatlich  in  Scene 
gesetzt.  Sie  halten  sich  für  sehr  Wohlgestalt.  Ihr  größter  Schimpf  ist  die  Be- 
merkung: »Deine  Nase  ist  hässlich,-  »dein  Mund  ist  garstig.«  Sie  gleichen  den 
Affen  oder  Kindern,  welche  sich  mit  Spielzeug  erlustigen.  Schenkt  man  ihnen 
einen  Kleiderstoff,  so  winden  sie  denselben  sofort  um  den  Kopf,  oder  ver- 
suchen andere  in  der  Tracht  nachzuahmen ;  erst  wenn  das  Geschenk  schmotsig 
geworden  ist,  wird  es  auf  die  gewöhnliche  Art  getragen.  Trägheit  ist  eine  vor- 
stehende Eigenschaft.     Gibt  man  ihnen  Tabak  uder  Cigarren,   so  machen  sio 


533 

aich*8  in  einem  Sessel  bequem  und  lassen  von  ihren  Dienern  Feaer  bringen; 
es  selbst  zu  holen,  halten  sie  fftr  zu  mühsam.  Sie  schneiden  große  Zweige  von 
Fruchtbäumen  ab,  um  die  Frucht  zu  erhalten,  die  sie  mit  einem  Bambusstab 
leicht  hätten  herabschlagen  können.  In  der  Wildnis  sind  sie  sehr  ungestOm  und 
lassen  den  Pfeil  los  oder  greifen  zum  Messer,  wo  nur  der  leiseste  Anlass  vor- 
handen ist.  Doch  achten  sie  die  Ermahnungen  der  Alten,  welche  den  Sturm 
sogleich  beschwichtigen.  Sie  heulen  und  weinen,  wenn  ihnen  ein  Verlust  zu- 
stoßt, doch  bald  ist  das  Auge  trocken  und  der  kleinste  Vorfall  macht  sie  auf- 
lachen. Das  Bemalen  and  Verzieren  des  Körpers  ist  Aufgabe  der  Weiber. 
Man  wendet  hiezu  einen  eisenhaltigen  Stoff  mit  fettiger  Einreibung  oder 
Olivensatze  an.  Dieser  Farbenschmuck  bildet  die  ganze  Bekleidung  der  Männer, 
die  nebstbei  allenfalls  noch  Bänder  um  die  Hüften  oder  den  Kais  oder  unter- 
halb des  Knies  tragen.  Die  Weiber  winden  in  die  Hüftenbänder  noch  rothe 
Tuchstücke,  während  an  der  Vorderseite  einige  frisch  gesammelte  Blätter  und 
rückwärts  Anhängsel  von  Faserstoff  angebracht  werden.  £ine  Schnur  mit  Ge- 
beinen der  Ahnen  oder  ein  Sack  auf  dem  Rücken  mit  dem  Schädel  irgend 
eines  Anverwandten  oder  auch  ein  breites  Tragbftnd  über  die  Schultern  zur 
Unterbringung  eines  Kindes  vollendet  die  Toilette. 

Das  Aufschreien  ist  ein  Zeichen  der  Versöhnung  mit  dem  Feinde  oder 
der  Freude  über  das  Wiedersehen  eines  alten  Freundes.  Auf  das  Schreien 
folgt  der  Tanz.  Die  Weiber  klatschen  mit  den  Händen  und  begleiten  das  Fuß- 
stampfeu  der  Männer  mit  ihrem  Gesang.  Die  Scene  endet  mit  dem  Eintreten 
beider  Parteien  in  die  Tanzproductiou.  Auch  bei  anderen  Gelegenheiten 
gibt  es  Tanz  Vergnügungen.  Wenn  ein  Stamm  den  Bereich  eines  andern  besucht, 
ohne  hiezu  eingeladen  zu  sein,  wird  dem  Häuptling  durch  einen  Tanz  bis  in 
die  Nacht  hinein  die  Huldigung  dargebracht,  worauf  er  die  Ankömmlinge 
gastlich  aufninmit.  Die  Kinder  erhalten  ihren  Namen  einige  Monate  vor  der 
Geburt  mit  Benützung  irgend  eines  Lieblingsnamens,  und  da  deren  Anzahl 
kaum  über  2U  ausmacht,  wird  ihm  d(;r  Unterscheidung  wegen  ein  characteristi- 
scher  Vorname  beigefügt.  Außer  der  Chinarinde  keniien  sie  kein  Arzneimittel. 
Wenn  ihnen  ein  solches  durch  Fremde  geboten  wird,  so  muss  der  Geber  es 
früher  kosten,  ehe  sie  es  nehmeu.  Ein  Leichnam  ist  Gegenstand  großer  Furcht, 
eben  so  ein  Begräbnisplatz.  Als  Jacko  der  Häuptling  des  nördlichen  Stamms 
starb,  wurde  dessen  Hintritt  durch  einige  Tage  von  dem  Volke  öffentlich  be* 
trauert.  Zwei  Stunden  nach  dem  Verscheiden  hüllten  ihn  die  älteren  Leute 
in  Blätter,  umwanden  ihn  mit  Biudstoffen.  Das  zur  Aufnahme  bestimmte  Grab 
war  nur  vier  Schuh  tief.  Der  Tote  wurde  in  halb  sitzender  Stellimg  beigesetzt, 
mit  ostwärts  gewendetem  Gesichte.  Vorerst  nahm  jedermann  durch  sanftes 
Anblasen  des  Hauptes  und  der  Stirne  von  ihm  Abschied.  Sodann  füllte  man 
das  Grab  leichthin,  beschwerte  es  mit  einigen  Steinen,  ließ  darüber  Reiser 
verbrennen  und  stellte  an  hervorragenden  Punkten  zum  Zeichen  der  Trauer 
Über  den  Tot  des  Häuptlings  Blumenguirlanden  auf.  Ein  Becher  mit  Wasser 
wurde  oberhalb  des  Grabes  angebracht,  damit  die  Seele  des  Verstorbenen  zur 
Nachtzeit  keinen  Durst  leide.  Durch  mehrere  Monate  wurde  von  den  nächsten 
Verwandten  das  Grab  besucht,  welche  die  Gebeine  des  Abgeschiedenen  in  dem 
Maße  als  das  anhaftende  Fleisch  geschwunden  war,  mit  sich  nahmen,  bis  die 
Reihe  an  den  Schädel  kam,  welchen  der  Hauptleidtragende  sich  an  den  Hals 
Meng,  was  später  auch  von  den  Uebrigen  der  Reihe  nach  ins  Werk  gesetzt 
ward.  Des  Nachts  wagen  sich  diese  Leute  kaum  ins  Freie,  aus  Furcht,  Geister 
anzutreffen.  Wenn  es  doch  geschieht,  und  dem  Einhergehenden  der  Einfall 
kommt,  er  sehe  einen  Geist,  so  schreit  er  laut  auf  und  schießt  einen  Pfeil  ab 
oder  verlangt,  man  möge  ein  Gewehr  abfeuern.  Wenn  mau  darauf  anspielt, 
dass  sie  Menschenfresser  sind,  verlachen  sie  diese  Idee,  fragend,  wie  sie 
Menschenfleisch  zu  essen  vermöchten,  da  dies  unfehlbar  tötliche  Folgen  für 
sie  hätte. 

Sie  verzehren  nichts  im  rohen  Zustand,  nicht  einmal  Früchte.  Das  Fleisch 
braten  sie  entweder  in  der  Asche  oder  auf  irdenen  Unterlagen.  Sie  haben 
keine  regelmäßige  Esszeit.  Wenn  der  Hunger  sich  meldet,  greifen  sie  nach  der 
Nahrung.  Sie  streifen  herum,  wo  immer  sie  die  Speise  zur  Sättigung  erhoffen 
oder  wohin  sie  die  Laune  führt.  Sie  kennen  kein  Gebot  als  das  des  Häupt- 
lings oder  ihrer  Laime   und  hassen  jeglichen  Zwang.    Sie  kennen  keine  Be- 


634 

dflrfbisBe,  als  Luxus  beachten  sie  etwa  nur  den  Tabak  oder  Grog.  Den  Zocker 
schätzen  sie  nicht,  wol  aber  den  Honig ;  ehedem  verzehrten  sie  aUeriei,  Wflrmer, 
Raupen,  Wurzeln,  Nüsse  u.  dgl.,  jetzt  gehört  der  Tintenfisch  zu  ihren  Haapt- 
Gerichten,  nicht  aber  rohe  Austern. 

Gegenwärtig  legen  sie  besondem  Wert  auf  den  Baumkahn  (das  Canoe), 
welcher  bei  20  Personen  fasst.  Dieser  wird  mit  einer  Art  Ermnmeisen  aus  einem 
Baume  ausgehöhlt,  wobei  die  Arbeiter  abwechseln  und  von  andern  mit  Nahrung 
▼ersehen  werden.  Das  Fahrzeug  ist  sehr  gebrechlich  und  dauert  kaum  ein  Jahr, 
denn  sie  machen  es  durch  fortwährendes  Aushöhlen  und  Zimmern  immer  dünner. 
Es  ist  mit  einem  Ballast  von  Steinen  versehen,  und  dessen  Yordertheil  hak 
die  Länge  von  etwa  zwei  Fuß,  worauf  der  Fischer  seinen  Stand  hält  und  den 
Meerrochen  und  Schildkröten  nachsetzt.  Eine  Bambusstange ,  woran  ein  leicht 
lösbarer  Speer  angebracht  ist,  und  eine  daran  befestigte  Schnur  sind  die 
Werkzeuge,  mit  welchen  die  Beute  verfolgt  wird.  Der  Bambus  wird  nach  dem 
Fisch  geschleudert«  der  Speer  dringt  in  denselben  ein,  trennt  sich  dann  vom 
Bambus,  doch  wird  die  Beute  mittels  der  Schnur  festgehalten.  Das  Auge  des 
Fischers  wendet  sich  mit  Habichtsschärfe  unvermerkt  nach  allen  Seiten.  Der 
Speer  trifft  sein  Ziel  mit  tötlicher  Wirkung.  Ist  der  Fisch  zu  groß,  so  tauchen 
einige  Gefährten  unter,  die  Beute  mit  Messern  und  Spießen  Yorroigend,  während 
andere  die  Leine  um  dieselbe  schlingen.  Da  die  Eingebornen  sehr  geschidkte 
Steinschlenderer  sind,  so  töten  sie  auf  diese  Art  kleinere  Fische.       — -c — j. 

Seblffe  und  SehUrahrt  In  Ckartnm,  Die  hierländischen  Schiffe  werden 
in  3  Orten  verfertigt:  in  Ghartum,  in  Karkodj  am  blauen  FlosSy  ond  in 
Lahauin  am  weißen  Fluss.  In  Ghartum  besteht  eine  der  Regiening  ge- 
hörige Handjera  (Schiffswerfte),  welche  sich  aber  hauptsächlich  mit  Repara- 
turen beschäftigt,  weil  in  der  Nähe  kein  Schiffisholz  existiert,  und  die  Herbei- 
schaffnng  der  großen  Baumstämme  aus  weiter  Entfernung  mit  Schwierif^keitea 
verbunden  ist.  Dagegen  schicken  die  Schiffbauer  einen  Zimmerer  oder  Tischler, 
auch  Schmid  mit  2  Sägschneidern  (der  Sudan  hat  sich  noch  nicht  bis  an  einer 
Sägmühle  empor  geschwungen),  mit  dem  erforderlichen  Eisen  (Nägel  und  Bänder) 
pr.  8  Gantar  und  den  nötigen  Werkzeugen  in  die  Urwälder  bei  Karkodj 
oder  Lahauin,  wo  von  den  Eingebomen  gegen  Entschädigung  einer  Baga- 
telle fbr  die  Arbeit  die  größten  Sundbäume  ohne  irgend  welchen  Ankaufs- 
preis umgehauen,  in  den  nöthigen  Größen  und  Formen  zu  Brettern  ge- 
schnitten und  zu  Schiffen  zusammen  gezimmert  werden.  In  4  bis  S  Monaten 
ist  der  Körper  des  Schiffes  fertig;  die  Adjustierung:  Takelwerk,  MasiL  Segel 
und  Segelbaum  etc.  vrird  erst  in  Ghartum  kompletiert.  Gewöhnlich  aber 
nehmen  solche  halbvollendete  Schiffe  eine  Ladung  Simsim  (Sesam)  oder 
Gummi  von  Karkodj  oder  Tora  el  Hadra  auf  der  Straße  yon  Kordo- 
fan  mit  nach  Ghartum,  was  Aussah  leicht  möglich  ist,  und  gewinnen  dabei 
an  Transportspesen  2  bis  3000  Piaster,  um  welche  Summe  die  Anfertigung 
des  Schiffes  billiger  zu  stehen  kommt.  Ein  solches  roh  und  plump  ans  dem 
eisenharten  und  eisenschweren  Sundholze  yerfertigtes  Schi^  Nöker,  ge- 
wöhnlich in  der  Länge  von  18~-23  Ellen  und  in  der  Breite  von  8—10  EUen 
kostet  complet  mit  allem  Zugehör  circa  17.000  Piaster.  Eine  Dahabia  aber 
kommt  auf  35— iO.OOO  Piaster,  und  ist  75  Spannen  lang. 

Die  Gommunicationsstraße  der  sudanesischen  Schiffahrt  erstreckt  sich 
auf  dem  blauen  Flusse  bis  Karkodj,  auf  dem  weißen  Flusse  bis  Gondo- 
k  oro  mit  Inbegriff  der  Nebenflüsse  Gasali,  Sobat  und  Saraf  ond  auf 
dem  vereinigten  Nil  bis  Berber.  Nur  selten,  dass  einzelne  Schiffe  beim  höchsten 
Wasserstand  Ende  August  sich  Qber  die  (Cataracten  von  Dongola  bis  nach 
Gairo  wagen.  Bei  größeren  Beisen  muss  immer  der  Wasserstand  und  Wind 
berClcksichtigt  werden,  daher  die  Wasserstraßen  nicht  das  ganze  Jahr  hindurch 
nach  allen  Kichtungen  hin  fshrbar  sind;  so  z.  B.  fährt  man  im  Mai  beim 
niedersten  Wasserstande  mit  leerem  Schiff  nach  Karkodj  und  kommt  mit 
steigendem  Flusse  zurück ;  im  Herbst^  so  lang  der  Fluss  noch  hinlänglich  hoch 
ist,  unternimmt  man  meistens  eine  zweite  Reise  dahin,  um  Simsim,  Gnmmi 
oder  Dura  zu  holen.  Nach  Berber  reisen  die  meisten  Schiffe  im  August  mü 
hohem  Wasser  und  ftthren  Elfenbein,  Gummi,  Getreide  hinab,  kehren  aber  wä 


535 

d«B  ant^n  Nordwindea  im  October  surOck,  und  briogeD  grofieDtbeils,  wenn 
keine  WarttiladaDgen  ans  Cairo  am  Platse  sind,  ans  Dam  er  volle  LadimgeQ 
Stricke,  Binch  (Strohmatten),  Kofen  (Strohkörbe),  Hal£a  (Schilfgras)  lum 
Flediten  von  Stricken,  Dombl&tter  zu  Flechtarbeiten,  Salz  in  S&cken  und 
Formen,  Morhaka  (behauenen  Granitstein  in  Iftnglicher  Form  zum  Getreide- 
reiben), Doka  (Steinplatte  znm  Brotbacken),  und  zuweilen  auch  Zwiebel. 
Üeberdies  machen  einzelne  Schiffe  das  ganze  Jahr  hindurch  ungeachtet  des 
SdieUal  in  Rojan  die  Reise  nach  und  von  Berber.  Auf  den  weißen  Fluss 
findet  die  Schiffahrt  nur  einmal  im  Jahre  statt  und  dauert  6—8  Monate. 

Siekerkeit  Im  rothen  Meer  Das  Journal  de  Port-Said  bespncnt  nach 
dem  ^ligypte*^  die  Vorkehrungen,  welche  man  zur  Sicherheit  der  Schiffahrt 
jenseit  von  Suez  treffen  sollte  und  beantragt  zuvörderst  die  Herstellung 
zweier  Leuchtturme,  eines  mit  fixem  und  eines  mit  Blickfeuer  auf  der  äußer- 
sten Smtze  Arabiens  und  im  Süden  der  Insel  Shadwan.  Die  Distanz  dieser 
beiden  jPunkte  beträgt  17  Meilen,  und  würden  somit  die  beiden  Feuer  die 
Einfahrt  in  die  Enge  von  Inhal  sichern,  wo  man  dann  sofort  des  Leuchtturmes 
der  Insel  Asharafi  auf  18  Meilen  weit  ansichtig  wird.  Außer  Sicht  von  Ashanü 
dienten  dann  die  Spitzen  von  Seiti  als  Wegweiser,  und  könnte  auch  ein  Leucht- 
schiff anfgestellt  werden  außerhalb  der  Klippen  der  arabischen  Küste  zu  leich- 
teren Direction  bis  zum  Leuchtfeuer  von  Zafarana.  Indessen  sind,  nach  dem 
Journal  de  Port-Said,  bereits  zwei  Leuchten  für  das  rothe  Meer  bei  der  Com- 
paffnie  des  „Forges  et  Ghantiers'*  bestellt  worden,  eine  für  Baz-Garib  und  die 
andere  für  Souakim.  Letztere  wird  nach  einem  besonderen  T^us  zwei  Leucht- 
aparate haben,  einen  auf  der  Spitze  mit  einem  Leuchtkreise  von  S2  Meilen 
und  einen  zweiten  in  der  Mitte  auf  12  Meilen,  um  auf  diese  Art  den  heran- 
kommenden Fahrzeugen  die  größere  Nähe  der  Mppen  anzuzeigen.  •—  Die  von 
den  .Messag.  imp.**  im  Port-Said  errichtete  Werkstfttte  zur  Eisbereitung  mittels 
Maacninen  ist  bäneits  im  Betriebe. 

Mmnalnger.  Die  „Köln.  Zte.*^  schreibt:  Das  seiner  Zeit  der  .Pall  Mall 
Gazette''  über  Kairo  gemeldete  Gerücht  von  dem  Tode  Werner  Mnnziger's 
bestätigt  sich  nicht.  Es  freut  uns,  mittheilen  zu  können,  dass  vielmehr  Briefe 
Mnnzinger's  vom  27.  M&rz  eingetroffen  sind.  Leider  war  seine  Ebiuntwunde 
nocli  nicht  operiert;  er  muss  deshalb  zu  einem  englischen  Arzte  nacn  Aden. 
Das  hat  ihn  aber  nicht  gehindert,  im  Monat  Februar  einer  freundschaftlichen 
Einladung  des  Fürsten  Kassa  von  Tigre  zu  folgen,  den  er  in  seinem  Heerlaffer 
besacht  hkt  Kassa  übergab  ihm  die  beiden  Bösewichte,  die  den  Mordanschlag 
gegen  ihn  unternahmen  und  Munzinger  führte  sie  in  Ketten  nach  Massaua  ab. 

Winter  im  Korden.  Auf  der  letzten  Beise  nach  den  nördlichen  G^ 
genden  Schwedens  und  Uleaborg  in  Finnland  hatte  der  Dampfer  „Berzelius'* 
mit  ungeheuren  Treibeismassen  zu  kämpfen  und  erreichte  nur  mit  Mühe 
üleaboig,  wo  noch  Schnee  die  Erde  deckt  und  die  Bäume  nicht  ange&ngen 
hatten  Knospen  zu  treiben.  Am  29.  Mai,  als  die  Rückreise  angetreten  wurde, 
war  von  dem  starken  Nordwinde  das  Eis  gegen  Süden  getriel^n  und  sperrte 
beinahe  überall  bis  Holmön  und  Quarken  den  Weg  mit  gewaltigen  Eisfeldern, 
in  welchen  mehrere  Fahrzeuge  mit  gerefften  Segeln  eingeldemmt  waren. 
,JBerzelins''  musste  sich  längs  der  schwedischen  Küste  einen  Weg  suchen  und 
fand  erst  im  bottmschen  Meere  freies  Fahrwasser. 

Das  Mnsemn  für  Katnrgeeehlehte  in  New-York.  Wie  man  mit 
fferingem  Aufwände  an  materiellen  Mitteln  in  überraschend  schneller  Zeitfolge 
Bedeutendes  erreichen  kann,  dafilr  liefert  der  Vorgang  bei  Gründung  des 
americanisehen  Museums  für  Naturgeschichte  den  erfreulichsten  Beweis. 
Am  13.  December  1868  unternahm  es  eine  Anzahl  wissenschaftlicher  Männer,  an 
das  Terwaltnngscomit^  des  Gentral-Parks  zu  New-Tork  ein  Schreiben  zu  richten, 
in  welchem  der  Wunsch  ausgesprochen  wurde,  in  den  Bäumen  des  Parks  ein 
natnrgeschichüiches  Museum  aufstellen  zu  dürfen.  Als  die  zustimmende  Antwort 
ertolgt  war,  machte  man  den  weiteren  Schritt  durch  eine  Kundmachung,  worin 
nnler  Bjnweisang    auf  den  fühlbaren  Mangel  eines  solchen  Instituts  in  der 


&36 

Metropole  New- York  bekannt  gegeben  wurde,  dus  eine  wertvoHe  SammliiBg 
natnrhistorischer  Gegenstände  aus  Europa  gegen  günstige  Bedingungen  som 
Ankauf  angeboten  worden  sei,  welche  Erwerbung  den  Kern  eines  großen 
Museums  bilden  könnte.  Es  habe  sich,  heißt  es  weiter,  ein  Gomitö  gebildet, 
um  die  nöthigen  Geldsummen  zu  beschaffen ,  die  von  demselben  verwaltet  und 
entsprechend  verwendet  werden  sollen,  während  gleichzeitig  durch  Grfindaag 
eines  Vereins  den  ersten  Unternehmern  ein  Zuwachs  an  Theilnehmem  und  der 
Vortheil  bleibender  Organisierung  des  ganzen  Unternehmens  verschafft  werden 
würde.  —  Die  staatliche  Genehmigung  dieses  Vereins  blieb  nicht  aus,  und  in 
wenig  Wochen  war  ein  Fonds  von  44.550  Doli,  gesichert.  Man  erwarb  sofort 
eine  stattliche  Sammlung  nordamericanischer  Vögel  von  mehr  als  3000  StQdcen, 
und  die  Naturalien -Sammlung  des  verstorbenen  Prinzen  Maximilian  von 
Neuwied,  so  wie  einige  Pariser  Collectionen.  Das  Park- Comit^  wies  zur  Auf- 
nahme dieser  Erwerbungen  zwei  Stockwerke  in  dem  Arsenalgeb&ude  des  Parks 
an.  Der  Staat  Kew-York,  Baron  Osten-Sacken,  Mr.  Goloman  Robinson, 
Mr.  Rawson,  General  le  Gendre  und  Mr.  Lyell  Adams  beeilten  sidi 
über  das  erste  Gircular,  das  von  den  vereinigten  Staaten  zu  Gunsten  der  joogeD 
Anstalt  an  alle  Gesandte  und  Consuln  in  auswärtigen  Stationen  erlassen  wuäe, 
schätzbare  Beiträge  an  Duplicaten,  Insectensammlungen,  Mineralien,  Holz- 
arten u.  dgl.  beizusteuern.  Auch  das  Marine-Departement  der  nordamericaniacfaen 
Regiemng  begrüßte  alle  seine  auswärts  aufgestellten  Functionäre  zu  gleichem 
Zwecke.  An  gelehrte  Gesellschaften  verwandter  Natur,  so  wie  an  SchÜbeigei- 
thümer  und  Schiffscapitäne  ergiengen  Ersuchsschreiben  wegen  Lieferung  tu 
Beiträgen.  Auch  Private  der  Hauptstadt  gaben  Beweise  ihrer  Sympatie  und 
stellten  wertvolle  Geschenke  in  Aussicht.  So  ist  das  Museum  in  kurzer  Zeit 
nicht  nur  entstanden,  sondern  auch  zu  einer  Reichhaltigkeit  angewachsen,  dtts 
es  bald  zu  den  größten  bestehenden  wird  gezählt  werden.  — c— j. 

Geographlseher  Congress  za  Antwerpen*  V^ir  erhielten  am  4.  Angut 
nachfolgende  Zuschrift: 

A  Messieurs  les  adh^rents  au  Gougräs  international  pour  le  progr^s  des 
Sciences  g^ographiques,  cosmographiques  et  commerciales.  Le  15  janvier, 
notre  Gommission  eut  Phonnenr  de  vous  inviter  au  premier  Congr^  des 
Sciences  g6ographiques,  cosmographiques  et  commerciales.  Notre  appel  fat 
entendu  et  les  nombreuses  adh^sions  que  nous  avons  re^ues  des  prindpsm 
pays  de  PEnrope  et  de  TAm^rique  ont  prouv^  que  notre  projet  avait  obteu 
rapprobation  generale. 

Le  14  aoüt  prochain  etait  le  jour  desigu^  pour  cette  solennit^  et  nous 
avions  la  certitude  qu'un  brillant  succ^s  aurait  couronne  nos  efforts. 

Depuis  lors,  de  graves  ^v^nements  ont  surgi  et  nous  avons  ^t^  inforaife 
que  plusieurs  des  sommit^s  scientifiques  qui  nous  avaient  promis  lenr  concoon 
se  trouvent  dans  l'impossibilit^  de  se  rendre  au  Congr^s;  par  suite,  les  d^bats 
perdraient  consid^rablement  de  leur  importance. 

Dans  ces  conjonctures,  la  Gommission  croit  de  son  devoir  de  remettre 
le  Gongr^s  a  la  mi-aoüt  1871. 

Les  Comit^s  institu^s  restent  en  fonctions  et  le  programme  public  est 
maintenu. 

Nous  espörons,  Messieurs,  que  vous  vondrez  bleu  nous  continaer  voe 
sympathies  et  que  Tann^e  prochaine,  le  Gongr^s  de  g^ographie  sera  honor^  de 
votre  pr^sence. 

Agr^ez,  Messieurs,  Tassurance  de  notre  consideration  distingn^.  Le 
Bourgmestre-  President,  J.-G.  Van  Put.  etc. 


Von  Famika  liaeh  FadAsl. 

Von  Ernst  Marno. 

Chart  um,  am  11.  Juni  1870. 
In  der  Hofbang,  dass  mein  letztes  Schreiben  aas  Famäka  Ihnen 
zukam  '),  bringe  ich  Ihnen  mit  dem  vorliegenden  meine  weitern  Schick- 
sale zur  Kenntnis. 

Ibrahim  Bei,  der  Madir  von  Chartam,  machte  von  Famäka  aus 
eine  Ghazawa  (Eriegszng)  in  die  Berge  der  Bertat  und  Burum, 
am  die  Tulba  (Steuer)  einzutreiben.  Yon  Famäka  nSmlich  ist  nur  eine 
kleine  Strecke  mehr  am  blauen  Flusse,  ungeftihr  bis  Ghiri  *^)  türkisches 
Oebiet;  was  darüber  westlich,  südlich  und  östlich  hinaus  ist,  Feindes- 
land. In  die  westlichen  Fungiberge  machen  nun  die  Türken  alljährlich 
einen  Kriegszug,  um  die  nie  gutwillig  gezahlten  Steuern  von  diesen 
„Rebellen^  einzutreiben.  Einzelne  Schechs  und  Mik  geben  dieselben 
manches  Jahr  freiwillig  und  nach  ihrem  Belieben,  einige  sind  der 
türkischen  Regierung  treu  ergeben. 

Einer  von  diesen  wenigen  istHadjeli,  Scheck  vonBeniSchangol. 
Mein  Plan  war  nun,  wie  ich  auch  glaube  geschrieben  zu  haben,  über 
Beni  Schangol  nach  Fadäsi  and  von  dort,  so  weit  es  möglich  ist,  in 
die  Gala-Lftnder  zu  gelangen. 

Das  erstere  führte  ich  aas ;  das  letztere  war  unmöglich  aas  Gründen, 
die  ich  in  folgendem  flüchtig  darlege. 

Der  erw&bnte  Ibrahim  Bei,  Madir  von  Senaar,  übergab  mich  dem 
Scheck  Hadjeli  von  Beni  Schangol  and  zwar  anf  seinen  Kopf,  d.  h.  dass 
er  mit  seinem  Haapte  für  meines  zu  haften  habe.  Mit  Hadjeli  gieng  ich 
nun  von  Famäka  nach  Beni  Schangol,  welches  außer  Rassegger  and 
Beltram  meines  Wissens  noch  kein  Europäer  gesehen.  Ersterer  gieng 
mit  ungeheuerer  Macht  (3000  Mann),  letzterer  vertraute  sich  anf  Gnade 
and  Ungnade  dem  Vorgänger  Hadjeli^s  an,  der  damals  noch  keinen 
Tribut  an  Aeg^pten  zahlte. 

Ich  muss  die  Details  der  Reise  einer  sp&tern  Zeit  vorbehalten  und 
erwähne  hier  nur,  dass  die  Straße  von  Famäka  nach  Beni  Schangol 
durch  die  am  Ghebel  Tabi  wohnenden  Ingasana  unsicher  gemacht  wird, 
welche  häufig  die  Caravanen  überfallen,  morden  und  plündern.  Deshalb 
ist  es  Gebrauch,  in  dem  noch   ziemlich  sichern    kleinen  Dorfe  Adäsi, 


^)  Leider  ist  dieses  Schreiben  bis  zur  Stunde  nicht  eingelangt.  Eine 
Besogoalmie  darauf  verdanken  wir  einer  Gocrespondeoz  aus  Ghartnro,  welche 
im  10.  Hefte  unserer  Mittbeilungen  Seite  437  ab^edrackt  ist.  A.  d.  R. 

')  Bis  hieber  kamen  Freiherr  von  Barnim  und  Hartmann.  Die  von 
diesen  aasgeführte  Karte  von  Kaskodrebabu,  Rozeres  und  Famäka  taugt  aber 
eben  so  wenig  wie  die  der  Bajudasteppe.  A.  d.  V. 

KitUieilnB^en  d.  g«ogr.  0«mU.  1870.  12.  35 


538 

welches  angefthr  4  Stunden  v<n  Fainika  eat&rai  ist,  den  Einbrach  der 
Nacht  abzuwarten  und  so  die  geföhrliche  Strecke  von  hier  bis  ObL 
Agara  unter  dem  Schutz  der  Finsternis  zurflckzulegen,  da  die  Ingar 
sana  nachts  nicht  angreifen.  Auch  wir,  obwol  unsere  Carayane  bei 
70 -Köpfe  stark  war,  beobachteten  diese  Vorsicht  Dass  es  nicht  unnöthig 
war,  sah  ich  am  nächsten  Tag,  wo  wir  am  Gbl.  Agara  higerten  und 
plötzlich  drei  Hadjeli  gehörige  Ochsen  auf  rätselhafte  Weise  abhanden 
gekommen  waren.  Wir  saßen  sogleich  auf  und  durchstreiften  die  Gegend, 
aber  ohne  Erfolg. 

In  dieser  und  noch  mehr  in  den  südlichen  Gegenden  können  Schwftrme 
von  100  und  mehr  Wilden  zwischen  den  Felsen  liegen,  man  kann  an 
ihnen  knapp  vorfiberreiten,  ohne  sie  zu  sehen,  und  plötzlich  fli^;e& 
die  Tarambisch  (Holzstöcke  zum  Werfen,  ähnlich  denen  der  Wilden 
auf  Neuholland)  und  Culbedas  (eiserne  sichelförmige  Messer,  ebenfalls 
zum  Werfen,  wegen  ihrer  Wirkung,  wo  sie  treffen,  allgemein  gefürchtet) 
um  die  Köpfe. 

Bis  auf  den  genannten  Verlust  ungefährdet  kamen  wir  nach  Beni 
Schangol  und  ich  machte  von  dort  kleinere  Partien  in  die  Umgegend, 
um  mich  zu  orientieren  und  die  £ingebomen  kennen  zu  lernen,  was 
ich  aber,  um  mein  Leben  nicht  vorzeitig  der  Gefahr  auszusetzen,  bald 
aufgeben  musste. 

Ein  voller  Monat  verstrich  in  Beni  Schangol,  ehe  Hadjeli  es  zu- 
ließ, das  ich  nach  Fadäsi  weiter  gehe.  Alle  Vorstellungen  von  meiner 
Seite  waren  fruchtlos.  Ich  bot  Geschenke,  bat  und  drohte,  ich  ver- 
sprach jedem  Manne  täglich  einen  Maria-Theresienthaler  Lohn ;  keiner 
wollte  mit  mir  gehen,  alle  behaupteten,  wir  würden  sieber  umgebracht. 

Endlich  erklärte  ich  Hadjeli,  er  möge  mich  zu  Ibrahim  Bei  gehen 
lassen,  der  mit  seinen  1000  Mann  am  Gbl.  Kehli  stand  und  berief  mich 
auf  meinen  Firman  JafTar  Paschas.  Ich  wusste  wol,  dass  der  Weg  nach 
dem  Gbl.  Kehli  gerade  so  gefährlich  war,  als  der  nach  Fadäsi,  ich 
wusste,  wie  mir  auch  Hadjeli  zu  verstehen  gab,  dass  mein  Firman  hier 
nur  wenig  Kraft  besitze ;  aber  ich  sah  kein  anderes  Rettungsmittel  und 
vertraute  dem  entschiedenen  Vorgehen,  welches  schon  in  mancher 
schlimmen  Lage  gut  anschlug. 

Mein  Andringen  hatte  den  Erfolg,  dass  mir  Hadjeli  die  Abreise 
für  die  nächsten  Tage  zusicherte,  jedoch  nur  unter  der  Bedingung^  dasB 
ich  meine  Diener  und  alle  Effecten  hier  zurfleklasse  und  nur  in  Beglei- 
tung des  Mannes  reise,  den  er  mir  mitgeben  werde,  der  das  Land  und 
die  Sprache  kenne;  zudem  wolle  er  mich  mit  Briefen  an  sänuntiiche 
Schechs  versehen  und  einen  Sclaven  mitgehen  lassen. 


53d 

So  hart  die  Bedingmig  war,  indem  sie  mir  jedes  weitere  Yor- 
dringBD  von  Fadäsi  aas  unmöglich  machte,  so  gieng  ich  sie  doch  ein, 
um  wenigstens  einen  Schritt  vorwärts  zu  machen.  Russegger  mnsste 
trotz  seiner  3000  Mann  von  Beni  Schangol  umkehren,  da  die  Einge- 
bomen allen  nicht  einheimischen  todfeind  sind.  ^) 

Längst  schon  h&tte  die  ägyptische  Regierung  sich  des  schönen 
Landes  bemächtigt,  wenn  sie  sich  den  wilden  Bertat  gegenüber  nicht 
zu  schwach  fühlte.  Sie  begnügt  sich  daher  mit  einzelnen  Kriegs-  oder 
richtiger  Raubzügen  während  der  trockenen  Jahreszeit,  wie  ich  dies 
oben  bemerkt  habe. 

Am  6.  AprU  gieng  ich  nun  in  Begleitung^  eines  Arabers  und  eines 
Sclaven  von  Beni  Schangol  ab,  und  zwar,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  wie 
ich  gieng  und  stand.  Ich  ritt  mein  abyssinisches  Maulthier,  hatte  die 
allemöthigsten  Bedürfnisse  in  einer  kleinen  Tasche  am  Sattelknopf; 
keine  £sswaren,  nichts,  um  sammeln  zu  können,-  keine  Geschenke  hatte 
ich  mitnehmen  dürfen,  da  Hadjeli  behauptete,  es  mache  zu  viel  Auf- 
sehen.  Dass  er  recht  hatte,  ward  mir  bald  klar. 

V^on  Beni  Schangol  bis  Fadäsi  ist  die  Karte  weiß,  oder  das  wenige, 
was  man  angegeben  findet,  taugt  nicht.  Ich  ritt  mit  Uhr,  Compass  und 
Notizbuch  in  der  Hand  und  darf  sagen,  dass  ich  nun,  so  weit  es  mit 
meinen  Mitteln  möglich  war,  eine  richtigere  Karte  liefern  kann,  zumal 
ich  auch  über  die  südliche  Gegenden,  nämlich  über  die  Galaländer 
und  über  den  Sobat-Jabus  interessante  Erkundigungen  einzog. 

Meine  liage  während  der  Reise  nach  Fadäsi  und  zurück,  war 
gewiss  eine  der  gefährlichsten,  in  welche  ein  Reisender  kommen  kann. 
In  jedem  Dorfe,  wo  ich  Rast  hielt,  hieß  es:  „Was  will  der  Türke 
hier?  er  spioniert  das  Land  aus  und  bringt  dann  Soldaten  Effendinas.** 
Während  mein  arabischer  Begleiter  mit  den  Schechs  unterhandelte  und 
der  Sclave  die  Reitthiere  versorgte,  saß  ich  umringt  von  einer  Schar 
mit  Lanzen  und  Tarambisch  bewaffneter  Wüder,  die  fürchterlich  schrieen 
und  gesticulierten. 

Statt  zehn  Mann  Begleitung,  wie  Hadjeli  in  seinen  Briefen  befohlen, 
erhielt  ich  von  Dorf  zu  Dorf  nicht  einmal  einen  Führer,  wenn  ich  ihn 
nicht  theurer,   als  es  meine  Barschaft  zuließ,  bezahlte.    So  zog  ich  mit 


*i  Es  wird  dies  begreiflich,  wenn  wir  bemerken,  dass  Russegger  sich 
ier  Expedition  Mustapha  Bey's  angeschlossen  hatte,  die  auf  dem  Wege 
nach  Beni  Schangol  durch  die  eingeschüchterten  KachbarstAmme  fortwährend 
Terstftrkuog  an  sich  zog  und  neben  andern  sinnlosen  Thaten  schließlich  das 
Dorf  Beni  Schangol  in  Brand  steckte.  Hören  wir  Russegger  selbst  (Reisen  II. 
't.  Abth.  Seite  588):  »Oegen  Morgen  (nach  einem  Ckfechte  mit  den  Schangols 
i«od    der  Verbrennung  des  Dorfes  am  16.  JAnner  i838)  rief  mich  der  Bey  und 

35» 


540 

zwei  Mann  einen  Weg,  welchen  die  Handelslente  nor  mit  1  bis  200 
Mann  Bedeckung  zn  gehen  wagen.  Zur  selben  Zeit  warm  auch  die 
Gala's  in  das  Land  eingefallen  und  raubend  und  mordend  bis  an  den 
Gbl.  Kasan  gelangt.  Ich  bewegte  mich  also  zwischen  zwei  Feinden  auf 
einem  nichts  weniger  als  gastlichen  Boden. 

Der  Weg   fahrte  über  Gbl.  Bumu,    Fassnder,    Beledaffa,   Belbissu 
nach  Fadäsi,  ein  zweiter  geht  etwas  mehr  westlich  über  Bibi.  Das  Land 
ist  wundervoll  schön,    sehr  gebirgig,    von  unzähligen  B&chen,   die  thefls 
in  den  Tumat,    theils   in   den  Jahns  faUen,    durchzogen,    und    hat  eine 
herrliche,  noch  größtentheUs  unbekannte  Fanna  und  Flora.  Das  für  das 
Land  characteristische  Gewächs  ist  die  Oanna  {Bambusa  dbyssimaca 
Bich.)y    welche  hier  meilenweite  Wälder  bildet,    3  bis  4  Klafter  hoch 
und   so   dicht,    dass   nur  Elefanten    und   Büffel    durchbrechen    können. 
Durch  diese  Wfilder    führt  ein  höchstens    zwei  Fuß  breiter,    oft  durdi 
querliegende  Cannastämme  kaum  passierbarer  Pfad.   Von  Beni  Schangol 
bis  Belbissu  ist  er  so  eng,  dass  nur  einer  hinter  dem  andern    gehen  kann 
und  man  oft  kaum  zwei  Schritte  rechts  und  links  sieht.  Noch  schlimmer 
wird    es,    wenn   man   die    mit   echter  UrwaldrYogetation    eingesäumten 
eher  au  (Plural  von  Chor,  Wasserlauf,  Bach)  zu  passieren  hat.  Hier  moss 
man  vom  Maulthier  absteigen,  da  dieses  mit  sich  selber  genug  zu  tfann 
hat,    um    Aber    die  Steine   und  Bäume,    durch   Schilf    und  Wasser  zu 
kommen.  Von  Beledaffa  endlich  wird  der  Weg  besser,  d.  h.  ebener  nnd 
fährt  theilweise   über  Durrahfelder,   die   mit   dem  Cannadickicht   wech- 
seln, bis   nahe  an  Belbissu  auch   diese   schwinden.    Hier  liegt  aber  am 
Ostabhang   des  Berges  Dorf  an  Dorf,   Haus  an  Haus.    Wenn   es  unter 


machte  mir  die  unangenehme  Mittheilung,  dass  unter  den  Truppen  die  £Dt- 
muthigung  allgemein  werde,  dass  wir  unbezweifolt  von  wenigstens  10.000  (?) 
Negern  angegriffen  werden,  dass  die  Soldaten  befürchten,  zum  Schlüsse  des 
Festes  gefressen  zu  werden,  dass  sich  auf  dieselben  durchaus  nicht  mehr  zu 
verlassen  sei  und  das  somit,  um  nicht  durch  eine  großartige  Desertion  derselben 
in  die  größte  Gefahr  zu  kommen  —  der  Rückzug  unvermeidlich  sei.  Kon 
war  das  Wort  ausgesprochen,  das  ich  schon  lange  als  das  Ende  dieses  unsin- 
nigen Treibens  erwartet  hatte.  Der  Gedanke,  am  interessantesten  Punkt  der  Reise 
umkehren  su  müssen;  so  nahe  dem  Terrain,  wo  die  wichtigsten  Aufgaben  flh- 
die  Geographie  dieses  Theiles  von  Central -Airica  durchaus  hatten  gel(ysl 
werden  können,  war  mir  drückend,  und  als  daher  der  ßey  von  mir  ein  Zeugnis 
begehrte  mit  meiner  Erkl&rung,  dass  ich  den  augenblicklichen  BQckzug  der 
großen  Gefahr  wegen  für  nothwendig  halte,  schlug  ich  ihm  dieses  Antim« 
kurzweg  ab  und  eröffnete  ihm,  dass  ich,  wie  es  Tag  geworden,  den  Geweseli 
besteigen  werde,  um  einige  geographisch  wichtige  Punkte  aufsanehmen.  dass 
ich  ferner  die  Goldführuug  des  nahen  Chors  untersuchen  und  dann  erat  aber- 
legen  wolle,  ob  ein  RQcbEUg  nothwendig  sei.  Darauf  gieng  nun  der  Bej  durch- 
aus nicht  ein  u.  s.  w.m  A.  d.  B. 


541 

andern  Umständen  tröstlich  ist,  nach  längerer  Wanderung  in  der  Wildnis 
an  Cnltarstätten  zn  gelangen,  so  kann  ibh  das  von  mir  nicht  sagen.  In 
den  Cannawäldem  war  ich  nnbeheUigt,  auf  dem  Wege  von  Belhissn 
nach  Fadäd,  der  beiläufig  drei  Standen  lang  ist,  mnsste  ich  zweimal 
mein  Leben  gegen  die  Angriffe  der  Bewohner  vertheidigen.  Nachts,  am 
?  Tage^)  nach  meiner  Abreise  von  Beni  Schangol  kam  ich  in  Fadäsi 
an,  welches  nicht,  wie  die  Karten  angeben,  am  Jahns  —  dieser  ist 
noch  drei  Stunden  südlicher  —  sondern  an  einem  kleinen  Chor  am  Ab- 
hang des  gleichnamigen  Berges  liegt.  ^)  Von  hier  aus  ist  die  Gegend 
gegen  Osten  und  Sflden  frei  und  nur  in  der  Ferne  gewahrt  man  in  öst- 
licher Richtung  einen  niedrigen  Gebirgszug.  ^) 

Am  nächsten  Morgen  entspannen  sich  die  sehr  lebhaft  geführten 
Verhandlungen  darüber,  was  ich  hier  wolle  und  suche ;  ich  sei  ein 
Türke,  welcher  das  Land  sehen  will,  um  nächstens  mit  Kriegsmacht 
wiederzukommen.  Besonders  aufgebracht  war  man  gegen  den  Mann,  der 
mich  begleitete.  Die  Partei  der  Bertat  schwur,  ihn  und  mich  umzu- 
biingen.  Der  Mek  wollte  sich  aus  meiner  Kopfhaut  und  den  Haren  eine 
Schürze  machen.  Auch  gegen  Hadjeli  kehrte  sich  der  Zorn ;  man  werde 
mit  Macht  nach  Beni  Schangol  gehen,  ihn  zur  Rechenschaft  ziehen, 
warum  er  mich  hieher  gelassen.  Dies  war  meine  Lage  in  Fadäsi.  Es 
brauchte  einen  ganzen^  Tag,  bis  ich  die  Leute  überzeugte,  dass  ich  kein 
Türke,  sondern  ein  Franke  sei,  machte  es  jedoch  damit  nicht  viel 
besser.  —  „Die  Franken  haben  den  Casa  (Negus  Theodoroe)  von  Abys- 
sinien  umgebracht  und  ich  werde  gewiss  im  nächsten  Jahr  mit  Franken 
kommen  und  das  Volk  des  Landes  unteijochen  und  umbringen.^  —  Ich 
erwiderte,  dass  die  Franken  nicht  wie  die  Türken  als  Feinde,  sondern 
als  Freunde  in  fremde  Länder  kommen  und  dass  Casa  heute  noch 
lebte,  wenn  er  nicht  Franken  in  Gefangenschaft  gehalten  hätte.  „Auch 
mich,*^  ffigte  ich  mit  Zuversicht  hinzu,  „werden  meine  Landsleute  be- 
freien oder  rächen,  wenn  ich  gefangen  oder  umgebracht  würde.  ^  So  an- 


*)  Leider  ist  die  Ziffer  des  Tages  im  Manuscript  nicht  bezeichnet; 
wahrscheinlich  ist  gemeint  am  3.  Tage.  A.  d.  R. 

*)  Auf  der  Karte  Russeggers  ist  Fadäsi  unmittelbar  am  linken 
Jabiisufer  in  einem  zu  beiden  Seiten  geschlossenen  Gebirgsthal,  auf  der  Karte 
Hartmanns  ist  es  in  einiger  EntfemuAg  von  linken  Jabusufer  verzeichnet. 
Doch  muss  bemerkt  werden,  dass  sowol  Russegger  als  Hartmann  nach  Hören- 
sagen zeichneten,  da  keiner  von  ihnen  bis  Fadäsi  gelangt  war.  A.  d.  R. 

')  Sämmtliche  Gala,  die  ich  sah,  hatten  kaukasischen  Gesichtstypus  und 
häufig  hellbraune  Hautfarbe,  tlberhanpt  nichts  Aethiopiscbes,  wie  die  Bertat. 
Einige  nannten  mich  sogar  Bruder  und  sagten,  dass  in  einer  ihrer  Landschaften 
eben  so  weide  Menschen  wohnen,  wie  ich  einer  sei.  A*  d.  Y. 


542 

maßend  dies  gesprochen  war,  so  kannte  ich  doch  aus  frtheren  F&llen 
die  gate  Wirkung  einer  energischen  Sprache.  Auch  hier  verfehlte  sie 
nicht;  wenigstens  schien  der  Ausbruch  der  Wut  abgelenkt  und  es  be- 
gannen ruhigere,  wenn  auch  nicht  im  mindesten  tröstliche  Verhand- 
lungen zwischen  der  arabischen  Partei  mit  Schech  Hassan  an  der 
Spitze  and  den  Eingebomen.  Die  guten  Leute  waren  nicht  zur  Einsicht 
zu  bringen,  dass  ich  ihnen  ein  ganz  unschädlicher  Gegenstand  sei ;  sie 
blieben  bei  der  Behauptung,  ich  sei  zu  ihrem  Unglück  gekommen.  Ob 
sie  mich  nun  gehen  lassen  oder  gefangen  halten  und  totschlagen,  immer 
werde  der  Schaden  sie  treffen.  Im  ersten  Fall  sei  es  gewiss,  dass  ich 
nächstens  mit  Soldaten  Effendinas  oder  gar  mit  Franken  erscheine,  im 
zweiten  Falle  kommen,  meine  Landsleute  und  wirtschaften  wie  in  Abys- 
sinien. 

Gegen  diese  Logik  ließ  sich  vor  der  Hand  nichts  einwenden.  Aber 
was  machen?    So  verzweifelt  meine  Lage  war,    so   musste  ich  doch  im 
stillen  über  die    Angst    lächeln,    die    sie    vor    mir    als    einem    Euro- 
päer zeigten,    und  über  die  Naivetat,    mit  welcher    sie    dies  offen  aas- 
sprachen.   Ich  glaube  der  erste  Europäer  zu  sein,    der  sein  I^ben  hier 
dem   entschiedenen   Auftreten    der   Engländer   in   Abyssinien    verdankt 
Ich  gab  mir  alle  Mühe,    den  Leuten  begreiflich  zu  machen,  dass  ich  in 
der  freundlichsten  Absicht  gekommen  sei,  dass  iqh  das  nächste  Jahr  in 
die  Galaländer  zu  gehen  gedenke    und  sie   um  ihre  Hilfe  bitte.    Dabei 
vergaß  ich  nicht,    ihnen    die  Natur    meines  Lefeaucheur-Gewehres   und 
Revolvers  zu  erklären,  wodurch  ich  ihrer  Neugierde  willkommenen  Stoff 
gab  und  zuletzt  ein  stummes  Grauen  verbreitete.  Kurz  gesagt,  die  Sadie 
wendete  sich  endlich  zu  meinen  Gunsten.  Schech  Hassan  ließ  als  Gastr 
geschenk  ein  Schaf  schlachten,  brachte  mir  Honig,  Durrah  und  Weizeu- 
brod  (Weizen    wird   hier   mehr  gebaut  als  Durrah),  -  versicherte   midi 
seiner  Gunst  und  Gewogenheit  versprach  mir,  wenn  ich  ihm  das  nädiste 
Jahr  einen  Revolver  bringe,  mich   in   die  Galalftnder  zu  führen  (er  ist 
mütterlicherseits   ein  Gala,    väterlicherseits   ein   Araber),    warnte  mich 
aber  auch  dringend,    einen    unnöthigen  Schritt    oder    ohne  Waffen  und 
Begleitung  aus  seinem  Tukul  zu  gehen.  Er  wolle  mich  mit  seinem  Leben 
gegen  die  aufgebrachten  Eingebornen  schützen  und  übermorgen  mit  mir 
nach  Belbissu  zurückgehen. 

Dies  geschah  denn  auch.  Nach  dreitägigem  angestrengten  Ritt,  bei 
dem  es  nicht  ohne  Lärm  und  Streit  abgieng,  gelangten  wir  nach  Beni- 
Schangol,  wo  ich  von  Ha^jeli  freudig  empfangen  wurde.  Man  hatte  mich 
für  verloren  gehalten. 

Ich  wollte  von  dort,  um  nicht  denselben  Weg  zu  machen,  llber 
Gbl.  Kehli  nach  Famäka  zurückgehen.  Aber  Hadjeli  hielt  mich  so  lange 


543 

zBjrflelEf  bis  Ihrabim  Bei  von  Gbl.  Kehli  fortgezogen  war.  Wie  ich  sp&ter 
erfahr,  geschah  dies  Aber  Auftrag;  ich  sollte  nämlich  nicht  sehen,  wie 
man  bei  einem  Kriegszng*  der  TOrken  gegen  Eingebome  verfährt.  Also 
aneh  hier  die  Farcht  vor  der  europäischen  Anschauung  dieser  Art  von 
Civiüsation.  Ich  bin  überzeugt,  dass  in  diesem,  freilich  sehr  berechtigten 
Mistrauen  das  größte  Hindernis  für  die  Forschungsreisenden  liegt;  hier 
die  Türken  wie  dort  die  Eingebomen  fürchten  eine  Beschränkung  ihrer 
soaverainen  Wirtschaft,  sobald  sie  vom  Europäer  mit  eigenen  Augen  ge- 
sehen und  in  Europa  bekannt  wird. 

Auf  dem  Wege  von  Beni-Schangol  bestanden  wir  zu  guter  letzt  noch 
ein  Abenteuer,  welches  zeigt,  mit  was  für  Leuten  man  es  in  diesen  jungfräu- 
lichen Ländern  zu  thun  hat  und  auf  welche  Hilfe  man  angewiesen  ist.  Die 
logasana  hatten  es  auf  einen  Angriff  abgesehen.  In  drei  Scharen,  jede 
zu  mehr  als  100  Mann  zogen  sie,  wie  uns  gesagt  wurde,  gegen  das 
Chor  Kuba,  uns  den  Weg  abzuschneiden.  Die  Caravane,  der  ich  ange- 
hörte, bestand  zum  größten  Theil  aus  Kaufleuten,  welche  Goldstaub, 
Sclaven  und  Eisen  in  Beni-Schangol  gegen  Salz  eingetauscht  hatten. 
Dieser  Wucherseelen  bemächtigte  sich  bei  der  Kunde  von  dem,  was 
uns  bevorstand,  eine  unbeschreibliche  Angst  Im  letzten  Augenblick  be* 
störmten  sie  mich,  ihnen  die  schlechtbestellten  Waffen  zu  reparieren, 
mit  Pulver,  Feuersteinen,  Zündhütchen  und  Kugeln  auszuhelfen.  Ich 
tfaat,  was  ich  konnte  und  ließ  dann  die  Caravane  halten,  während  ich 
mit  meinem  Diener,  der  von  Fadäsi  mit  mir  gekommen  war  und  einem 
Araber  voraosritt,  um  die  Gegend  am  Chor  zu  recognoscieren.  Wir 
fanden  den  Sand  voll  Fußspuren  und  das  Wasser  des  Baches  trüb  von 
der  Menge  der  Füße,  die  durchgewatet  waren,  aber  keinen  Feind.  Als 
die  Caravane  uns  nachkam  und  die  Spuren  sah,  da  gieng  der  Lärm  erst 
recht  los.  Man  bat  uns  um  alles  in  der  Welt,  voraus  zu  reiten,  und 
sobald  wir  den  Feind  erblickten,  zurückzukommen,  damit  man  ein  Lager 
bilden  und  sich  zum  Kampfe  rüsten  könne.  Dass  wir  die  ersten  gewesen 
waren,  die  vom  Feinde  niedergemacht  werden,  fiel  keinem  der  Helden 
bei.  Aber  auch  bei  der  zweiten  Streifung  ließ  sich  kein  Feind  sehen. 
Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  man  uns  erblickt  und  die  drei  gut 
berittenen  und  bewaffneten  Männer  für  den  Yortrab  einer  türkischen 
Abtheilung  Soldaten  gehalten  hatte.  Nachts  gab  es  noch  Streit  in  dem 
Dorfe  Adäsi  und  am  nächsten  Mittag,  am  9.  April  kam  ich,  nachdem 
wir  über  den  Bahr  el  azrek  gesetzt  hatten,  wohlbehalten  in  Famäka  an. 

Ohne  Aufenthalt  gieng  ich  von  dort  zu  Lande  über  Rozeres  und 
Karkodsch  nach  Sennaur  und  weiter  über  Waad  Medineh  na^h  C h ar  t u m. 

Wenn  somit  auch  dieser  erste  Versuch,  auf  diesem  Wege  in  die  Gala* 
länder  und  durch  diese  nach  Osten  ans  Meer  zu  kommen,  nicht  gelang, 


544 

so  glaube  ich  doch  auf  einigen  Erfolg  hinweisen  za  können.  Zoii&ehflt 
ist  es  die  nähere  Kenntnis  des  bisher  wenig  erforschten  Dar  Berta, 
d.i.  des  Landes  von  Famäka  südlich  bis  Bambaschi,  dessen  Haapt- 
ort  Fad  äs i  ist.  Durch  dieses  Land  führt  der  Weg  in  die  Galalaoder 
und  es  herrscht  ein  lebhafter  freundlicher  und  feindlicher  Verkehr 
zwisch^  demselben  und  demGanti  Gala.  Es  gelang  mir  (mit  großer 
Mühe)  eine  kleine  Sammlung  von  Erzeugnissen  der  Gala  znsammenza- 
stellen,  die  auf  die  Höhe  der  Cultur  bei  diesem  intei-essanten  Volks- 
stamme  schließen  Ifisst.  Unmittelbar  südlich  von  Fadäsi  wohnen  die 
Amam- Neger,  die  aus  der  Haut  der  erschlagenen  Feinde  ihre  Schurz- 
felle machen  und  —  wie  die  Araber  sagen  —  eine  zwitschernde  Sprache 
haben,  Shnlich  dem  Gesang  der  Vögel.  Südwestlich  von  Fadäsi  in  den 
Fungibergen  am  Gbl.  Gumgum,  Migmig  u.  s.  w.,  wohnen  die  Burum- 
Neger,  die  höchst  wahrscheinlich  Menschenfresser  sind.  Wenigstens 
gesteht  es  der  8jährige  Burum,  den  ich  besitze,  ganz  offen. 

Hier  in  Chartum  gedenke  ich  zunächst  mein  reiches  Material  zu 
ordnen  und  demnächst  wenigstens  einzelne  Aufsätze  nach  Europa  zu 
senden.  Im  nächsten  Jahre,  d.  i.  nach  Beendigung  des  Chanifs  (December 
oder  Jänner)  würde  ich  von  neuem  auf  demselben  oder  einem  mehr 
östlichen  Wege  über  Fadäsi  vorzudringen  suchen,  wenn  mir  dazu  die 
Unterstützung  nicht  versagt  wird.  Und  das  ist  der  Punkt,  den  ich  allen 
Freunden  und  Gönnern  der  Wissenschaft  in  meinem  Vaterlande  dringend 
zur  Würdigung  empfehlen  möchte.  Ich  bin  der  erste  Europäer,  der  bis 
nach  Fadäsi  vordrang.  Unter  welchen  Beschwernissen  die  Reise  gemacht 
und  warum  sie  nicht  bis  zu  jenem  Ziele,  das  ich  mir  selbst  gesteckt, 
fortgesetzt  wurde,  wird  aus  dieser  flüchtigen  Skizze  genügend  zu  ent- 
nehmen sein.  Meinem  Streben,  mich  bei  den  Eingebomen  in  BeqMCt  zu 
setzen  und  ihnen  zu  zeigen,  dass  es  außer  den  Türken,  vor  denen  sie 
zittern,  noch  bessei'e  weiße  Menschen  gebe,  bin  ich  treu  geblieben  und 
habe  damit  aus  mancher  augenscheinlichen  Gefahr  mein  Leben  bewahrt. 
Ja,  ich  kann  nach  all^n,  was  ich  erlebte,  sagen,  die  Straße  nach  einen 
Lande,  welches  selbst  die  ägyptische  Macht  bisher  nicht  zu  betreten, 
geschweige  zu  occupieren  wagte,  ist  für  mich  und  jeden  europäischen 
Forscher  gebahnt,  um  zu  den  uns  Weißen  verwandten  und  leichter  zu 
behandelnden  Galavölkern  zu  gelangen.  '')  Unter  den  Verhältnissen,  wie 
ich  reiste,  ist  es  aber  nicht  möglich,  ruhig  zu  forschen  und  zu  arbeiten,  da 
die  beständige  Gefahr  des  Lebens  jede  andere  Sorge  ausschließt.  Eine 
Ausrüstung  von  25  bis  30  Mann,  mit  welcher  das  Unternehmen  als 
gesichert  zu  betrachten  wäre,  ist  mit  meinen  Geldmitteln  von  allem  An* 
fang  kaum  durchzuführen  gewesen  und  ist  jetzt,  da  sie  durch  die  Rück- 
reise zum    größten  Theil   erschöpft   sind,   undenkbar.    Wenn  man  aber 


&45 

am  eines  wissenschaftlichen  Zweckes  willen  sein  Hab  und  Gut  einsetzt^ 
wie  ich  es  im  vorliegenden  Falle  that,  so  ist  man  auch  leicht  geneigt 
zu  glauben,  derselbe  Zweck  werde  in  Anbetracht  der  Resultate,  die  er 
hoffen  Issst,  auch  andere  bewegen,  ^-ein  Scherflein  zum  Gelingen  beizu- 
tragen. In  dieser  Voraussicht  wende  ich  mich  an  die  k.  k.  geogra- 
phische Gesellschaft,  ihren  Einfluss  für  mich  geltend  zu  machen,  so  weit 
dies  in  ihrem  Bereiche  möglich  ist,  und  glaube  die  Versicherung  geben 
zu  können,  dass  die  mir  zugewendete  Unterstützung  der  Erforschung 
eines  Theiles  von  Africa  zu  gute  kommt,  der  durch  die  offene  Suez- 
straße von  einer  Seite  und  durch  die  Erleichterung  der  Gommunication 
im  Nilthale  von  der  andern  seine  reichen  Naturschätze  in  nicht  femer 
Zeit  zu  grofier  Bedeutung  bringen  und,  wenn  man  die  Gelegenheit  war- 
nimmt,  auch  das  österreichische  Handelsinteresse  mächtig  berühren  wird. 


Reise  durch  Rumelien  im  Sommer  1869. 

Von  Prof.  Dr.  F.  v.  Hochstetter. 
3.  Von  Adrianopel  Aber  Jamboli  nach  Burgas. 

Unter  dem  gastlichen  Dache  der  Villa  des  österreichischen  Con- 
snls  in  Karagadsch  bei  Adrianopel  hatten  wir  uns  von  dem  heißen 
Ritt  durch  die  thracische  Steppe  aufs  vollständigste  erholt  und  setzten 
im  10,  August  unsere  Beise  fort  und  zwar  Tundscha  aufwärts  gegen 
Jamboli  zu.  Unsere  Reisegesellschaft  hatte  sich  vermehrt,  da  sich  uns 
Herr  Ingenieur  v.  Varnbüler,  welcher  die  Strecke  von  Adrianopel  über 
Jamboli  nach  Burgas  zu  untersuchen  hatte,  anschloss.  Auch  hatten  wir 
ans  als  Leibgarde  zwei  berittene  Amanten  (Kawassen)  mitgenonunen, 
die  in  ihrer  schmucken  kriegerischen  Tracht  und  Ausrüstung  die  Spitze 
unseres  Zuges  bildeten.  Ds^egen  hatten  wir  uns  wenigstens  eines  Theiles 
der  lästigen  Packpferde  entledigt  und  dafür  drei  Wagen,  sogenannte 
TaUkas  zur  Fortschaffung  des  Gepäcks  gemietet.  Ein  Theil  unserer 
Beisegeselischaft  war  schon  mit  Tagesanbruch  vorausgeritten.  In  einem 
Dorfe,  Jenesikiöi  vor  Adrianopel,  sollten  wir  uns  treffen.  Durch  ein 
Misverständnis  im  Namen,  da  es  ein  Jenesikiöi  und  ein  Jenikiöi  in 
mnmttelbarer  Nachbarschaft  gibt,  kam  es,  dass  die  nachziehende  Hälfte 
der  Reisegesellschaft,  bei  der  auch  ich  mich  befand,  als  sie  in  Jenikiöi 
die  andere  Partie  nicht  traf,  in  der  Meinung,  diese  sei  voraus,  weiter 
eilte.  Da  überdies  die  Reiter  einen  anderen  Weg  einschlugen  als  die 
Wagen, «so  kamen  wir  ganz  auseinander  und  trafen  uns  erst  am  zweiten 
Tage  in  dem  Dorfe  Srem  wieder. 

Das  Tundscha-Thal  ist  etwa  eine  Meile  aufwärts  von  Adrianopel 
noch  breit  und  offen  und  von  niederem  diluvialen  und  tertiärem  Terrassen- 


546 

• 

land  begrenzt.  Bei  Tatarki^^i  macht  der  Flnss  eine  größere  Biegung 
gegen  West;  das  Terrain  steigt  zu  einem  beeren  GrneiBplateaii  an,  an 
dessen  südlichen  Rand  mächtige  Massen  von  eocänem  Kalkstein  ange- 
lagert sind,  und  das  Tandschathai  wird  zu  einem  engen  Felsdefil^,  das 
sich  erst  etwa  6  Stunden  flussaufwärts  wieder  zu  einem  kleinen  Alluvial- 
becken  öfihet. 

In  den  steilen  Kalkfelswänden,  welche  bei  Tatarkiöi  den  Eingang 
in  dieses  Defil6  bilden,  bemerkt  man  wieder  an  beiden  Flassufern 
künstliche  £xcavationen,  wie  bei  Jarim  Burgas  und  bei  Judschies.  Am 
rechten  Ufer  sieht  man  viereckige  Löcher,  die  unzugänglich  40  bis  50 
Meter  über  dem  Fluss  liegen ;  am  linken  Ufer  befindet  sich  eine  zn- 
gängliche  Grotte,  12  bis  15  Meter  über  dem  Fluss,  die  zahlreiche  ein- 
gehauene Seitennischen  enthält,  ganz  so  wie  die  früher  beschriebene 
Felsengrotte  von  Jarim  Burgas  bei  Constantinopel. 

Zu  Pferd  kann  man  am  linken  Tundschaufer  noch  3  bis  4  Stunden 
aufwärts  gelangen,  bis  Felsen  und  Gestrüpp  jedes  weitere  Vordringen 
unmöglich  machen.  Für  Wagen  ist  das  Defil6  gänzlich  unpassierbar.  Wir 
zogen  uns  daher  von  TatarkiOi  an  einem  mit  Lehm  und  grobem  Quarz- 
geröUe  bedeckten  Abhang  hinauf  auf  das  Plateau  am  linken  Tundscha- 
ufer. Hat  man  die  schmale  Zone  von  eocfinem  Kalkstein  überschritten, 
so  kommt  man  alsbald  auf  Gneiß,  dessen  Schichtenköpfe  mit  grofier 
Regelmäßigkeit  von  Ost  nach  West  quer  über  den  Weg  streichen  nad 
der  von  zahlreichen  Quarzgängen  durchzogen  ist  Das  Urgebirge  breitet 
sich  östlich  vom  Tundscha-Defil^  piateauförmig  aus  und  ist  thefls  mit 
Eichenbuschwald  bedeckt,  theUs  bebaut.  Westlich  aber  von  der  Tundseha 
erhebt  sich  das  Urgebirge  zu  einem  ansehnlichen,  gegen  900  Meier 
hohen,  dicht  bewaldeten,  wahrscheinlich  aus  Granit  bestehenden  Gebirgs- 
stock,  der  wegen  seiner  isolierten  Lage  weithin  die  ganze  Gegend  be- 
herrscht. Auf  den  bisherigen  Karten  der  Türkei  ist  dieser  weithin  sicht- 
bare Gebirgsbuekel  lange  nicht  characteristisch  genug  hervoiigehoben. 
Der  Name  wurde  mir  als  Sakarbair  oder  Sacharbair,  von  bulgarisGher 
Sdte  als  Kawa  Göldschu  bezeichnet. 

Um  1  Uhr  lagerten  wir  unter  schattigen  Eichen  bei  einem  Btnuuieii, 
eine  Viertelstunde  westlich  von  dem  Dorfe  Demirkiöi.  Der  VorsMicr 
des  Dorfes  war  uns  behilflich,  reitende  Boten  zu  bekommen,  die  wir 
nach  verschiedenen  Richtungen  aussandten,  um  die  verloren  gegan- 
gene Partie  unserer  Reisegesellschaft,  bei  der  sich  auch  Director  Presse! 
and  v.  Varnbüler  befanden,  aaüusuchen. 

Nackte,  bizarr  gestaltete  Felskegel  und  Felsmauem  von  Groeifl 
und  Granit  erheben  sich  in  der  Umgegend  von  Denürkiöi  und  weiter 
nördlich  steigt  das  Plateau  zu   einem  bewaldeten,    vielkuppigen  Höhen- 


547 

znge  an,  der  in  seiner  nordöstlichen  Fortsetzung  die  Wasserscheide 
zwischen  dem  schwarzen  Meere  einerseits  nnd  dem  Tundscha-  oder 
Maritza-Gebiet  andererseits  bildet.  Der  Weg  nach  Jamboli  übei'schreitet 
diese  Wasserscheide  in  einer  Höhe  von  460  Meter  zwischen  den  hoch- 
gelegenen Bergdörfern  Hamsabeli  und  ümmbeli.  Von  der  Höhe  hat 
man  eine  umfassende,  äußerst  anziehende  Femsicht  Gegen  Süden 
erkennt  man  noch  die  schlanken  Minarets  und  die  hohe  Kuppel  der 
Moschee  des  Sultan  Selim  in  Adrianopel.  Gegen  Nordost  überblickt 
mau  weithin  die  waldigen  Hügel  und  Bergzüge  des  Strandscha-Gebirges, 
und  in  blauer  Feme  erscheinen  gegen  Norden  die  Umrisse  des  Balkans. 
In  Ummbeli,  einem  ziemlich  bedeutenden  bulgarischen  Dorfe  übernach- 
teten wir. 

11.  August.  Die  ausgesandten  Boten  waren  zurückgekommen, 
ohne  eine  Spur  von  unseren  Freunden  aufgefunden  zu  haben.  Wir  ver-  , 
muteten  nun,  dass  sie  vielleicht  am  rechten  Ufer  der  Tundscha  ihren 
Weg  genommen  haben  und  suchten  so  rasch  wie  möglich  das  an  der 
Tundscha  gelegene  Doif  Srem  zu  erreichen,  das  sie  jedenfalls  passieren 
mussten.  Schon  um  8  Uhr  morgens  kamen  wir,  nachdem  unsere  Wagen 
mit  vieler  Mühe  auf  den  schlechtesten,  sonst  nur  von  Ochsenwagen 
befahrenen  Wegen,  den  Berg  herab  gebracht  waren,  in  dem  in  einem 
reizenden  Thalkessel  gelegenen  Dorfe  an.  Niemand  hatte  Franken  ge- 
sehen; unsere  Gesellschaft  musste  also  noch  zurück  sein  und  so  be- 
schlossen wir  hier  zu  bleiben,  bis  die  andern  nachkommen  würden.  Die 
Tundscha  abwärts  ausgesandten  Boten  brachten  uns  auch  nachmittags 
die  erfreuliche  Kunde,  dass  die  Verlorenen,  welche  in  Tatarkiöi  campiert 
hatten,  auf  dem  Wege  nach  Srem  seien,  wo  sie  abends  auch  wohlbe- 
halten ankamen. 

Srem,  am  linken  Ufer  der  Tundscha  in  einer  rings  von  Bergen 
umschlossenen,  äußerst  fmchtbaren,  etwa  eine  Stunde  langen  und  eint 
halbe  Stunde  breiten  Alluvialebene  gelegen,  ist  eines  der  schönsten 
bulgarischen  Dörfer,  welches  ich  in  der  Türkei  gesehen  habe.  Das  Dorf 
zählt  gegen  250  Häuser  mit  einer  Kirche.  Die  Häuser  sind  fast  alle 
neu  gebaut,  mit  Ziegeln  gedeckt  und  mit  Veranden  versehen  und  ent- 
halten drei  bis  vier  Wohnräume.  Ein  großer  umzäunter  Hofraum,  der 
einen  eigens  hergerichteten  Tennplatz  enthält,  umgibt  jedes  Haus.  Da 
das  Ausbringen  des  Getreides  durch  Getreideschlitten,  die  auf  den  Tenn- 
plätzen im  Kreise  herumfuhren,  gerade  in  vollem  Gange  war,  so  hatte 
das  ganze  Doif  ein  sehr  belebtes  fröhliches  Ansehen.  Wir  hatten  uns 
in  einem  der  schönsten  und  größten  Bauernhöfe  bei  einer  töchter- 
reichen Wittwe  einlogiert,  welche  die  Freundlichkeit  und  Gntmüthigkeit 
in  persona  war,  und  ihre  Dienstfertigkeit  noch  verdoppelte,  als  wir  ihr 


548 

Töchterchen  Nidella  mittels  Zabntinctur  aus  unserer  Reiseapotheke  von 
einem  schmerzhaften  Zahnweh  befreiten.  Freilich  hatte  die  gelungene 
Cur  zur  Folge,  dass  wir  uns  bald  vor  Kranken,  die  unsere  Hilfe 
suchten,  kaum  erwehren  konnten.  Namentlich  schwere  Augenkrankheiten 
scheinen  in  der  Gegend  häufig  zu  sein. 

Weizen,  Kukuruz ,  Hanf,  Tabak  und  Maulbeerbäume  machen  die 
Hauptcultur  bei  Srem  aus ;  und  die  großen  abends  heimziehenden  Herden 
von  Schweinen,  Schafen,  Ziegen  und  Rindvieh,  das  zahlreiche  Geflügel 
auf  den  Höfen,  alles  das  machte  den  Eindruck  von  behaglicher  Wohl- 
habenheit der  Bewohner.  Ich  kann  bei  dieser  Gelegenheit  die  Bemerkung, 
die  sich  mir  auch  später  öfters  aufdrang,  nicht  unterdrücken,  däss  die 
bulgarischen  Bauemwirtschaften  in  der  Türkei  in  keiner  Weise  hinter 
den  besseren  ungarischen  Dörfern  zurückstehen  und  jedenfalls  eine 
weit  höhere  Stufe  einnehmen,  als  die  wallachischen  Wirtschaften.  So 
durch  und  durch  elende,  schmutzige  Dörfer,  wie  sie  z.  B.  in  den  wal- 
lachischen Districteii  des  Biharer  Comitates  die  Regel  sind,  eine  so 
gftnzlich  bedürfnislose  halbwüde  Bevölkerung,  wie  sie  dort  und  in 
Siebenbürgen  zu  Hause  ist,  wird  man  kaum  irgendwo  in  der  Tßrkei 
finden. 

12.  August.  Schon  mit  dem  ersten  Tagesgrauen  waren  wir  auf 
dem  Wege.  Unmittelbar  oberhalb  Srem  wird  das  Thal  wieder  eng  und 
felsig  und  der  Fluss  beschreibt  einen  großen  Bogen  gegen  Osten.  Um 
diesen  Bogen  abzuschneiden,  mussten  wir  bei  einer  Mühle  über  den 
Fluss  setzen.  Am  rechten  Flussufer  überschritten  wir  nun  die  mit  Busch- 
wald  bedeckten  Granit^  und  Syenithöhe,  welche  den  nördlichen  Fuß 
des  Sakar  Bair  bilden,  und  kamen  bei  dem  bulgarischen  Dorfe  Scba- 
harli  in  die  Ebene.  Das  Tundschathal  stellt  von  hier  bis  Jamboli  eine 
breite,  theilweise  sumpfige  Alluvialfläche  dar,  die  von  Diluvialterassen 
begrenzt  ist,  welche  in  demselben  Maße  als  das  Urgebirge  des  Tundscha- 
Massivs  zu  beiden  Seiten  zurücktritt,  zu  ausgedehnten  niederen  Plateau- 
fl&chen  sich  erweitem.  Einer  Eisenbahnlinie  von  Adrianopel  nach  Jamboli 
stehen  deshalb  keine  weiteren  Schwierigkeiten  im  Wege,  als  diejenigen, 
welche  das  Tundscha-Defil6  zwischen  Schaharli  und  Tatarkiöi  bietet 
Die  Trace  wurde  am  linken  Tundschaufer  projecUert  Jedoch  scheint  an 
die  Ausfiihrung  dieser  Linie  vorderhand  nicht  gedacht  zu  werden;  in 
der  That  w&re  dieselbe  als  Verkehrslinie  von  sehr  untergeordneter  Be- 
deutung, wie  wir  schon  früher  (2.  Adrianopel)  auseinandergesetzt  haben. 
Ich  vermute,  dass  es  hauptsächlich  strategische  Rücksichten  sind,  welche 
d^  türkischen  Regierung  die  Ausführung  dieser  Linie  wünschenswert 
erscheinen  lassen;  denn  in  der  Kriegsgeschichte  vom  Jahre  1829  hat 
gerade  die  Linie  Jamboli* Adriaaopel,    auf  der  die  Russen  nach  Ueber- 


549 

schreitong  des  Balkans  gegen  Adrianopel  gezogen  kamen,   eine  große 
Rolle  gespielt. 

Kurz  Yor  Jamboli  bei  Fendiklü  und  Karkeki6i  passierten  wir 
tscherkessische  Niederlassungen,  elende  Stroh-  und  Lehmhütten,  aus 
welchen  eine  ganze  Schar  halbnackter  Kinder  bettelnd  uns  entgegen- 
stürmte. 

Da  wir  unsere  Ankunft  in  Jamboli  hatten  vorausmelden  lassen, 
so  wurden  wir  schon  vor  der  Stadt  vom  Kaimakam  aufs  freundlichste 
begrfißt  und  dann  in  das  Haus  eines  wohlhabenden  bulgarischen  Kauf- 
manns Namens  Wasil  Dragoif  geleitet,  wo  wir  in  einem  geräumigen 
achtfenstrigen  Salonzimmer  mit  Aussicht  auf  den  Fluss  und  die  Brücke 
ein  recht  angenehmes  Quartier  bekamen. 

Jamboli  liegt  am  linken  Ufer  der  Tundscha  an  der  Stelle,  wo  der 
Fluss,  nachdem  er  seine  westöstliche  Richtung  dem  Fuße  des  Balkans 
entlang  in  eine  nordsüdliche  verändert  und  den  von  Osten  kommenden 
Azmakdere  aufgenommen  hat,  eine  niedere  Hügelkette  durchbricht,  welche 
das  ausgedehnte  Alluvialbecken  des  Flusses  am  Fuße  des  Balkans  gegen 
Süden  abschließt.  Eine  ansehnliche  hölzerne  Brücke,  an  deren  beiden 
Enden  Mühlen  liegen,  verbindet  die  Stadt  mit  der  am  rechten  Ufer 
gelegenen  Vorstadt.  Die  Stadt  scheint  hauptsächlich  von  Bulgaren, 
Griechen  und  spanischen  Juden  bewohnt  zu  sein.  In  der  Mitte  der  Stadt 
erhebt  sich  ein  Stadtturm  mit  einer  Uhr,  daneben  ein  großes  Magazin 
oder  ein  Bazar  mit  4  Kuppeln.  Die  Straßen  sind  mit  röthlichen  Kalk- 
schieferplatten gepflastert  An  Sehenswürdigkeiten  ist  nichts  vorhanden, 
dagegen  ist  die  Landschaft  nicht  ohne  Beiz. 

Abends  brach  ein  heftiger  Gewittersturm  vom  Balkan  her  los, 
der  die  Sommerhitze  rasch  bis  auf  12^  R.  herabsetzte  und  einen 
völligen  Umschlag  des  bisher  so  unverwüstlich  schönen  Wetters  herbei- 
zuführen schien.  Indess  war  am  andern  Morgen  der  Himmel  wieder 
wolkenlos  wie  immer.  ' 

Nach  einem  umständlichen  Abschied  von  unserem  liebenswürdigen 
Wirt,  welcher  erklärte,  er  werde  tief  beleidigt  sein,  wenn  er  hören 
sollte,  dass  irgend  jemand  von  unserer  Partie  bei  einem  zweiten  Besuch 
von  Jamboli  irgend  wo  anders  als  bei  ihm  einkehre,  und  in  Begleitung 
zweier  Sapti^s,  die  uns  der  Kaimakam  mitgegeben  hatte,  brachen  wir 
am  13.  August  in  der  Früh  in  der  Richtung  nach  Burgas  auf. 

Oestlich  vor  der  Stadt  erhebt  sich  etwa  300  Fuß  hoch  ein  iso- 
lierter Trachitkegel  (ein  rothbrauner  Porphyritähnlicher  andesitischer 
Trachit),  der  Kirkar  Bair,  den  wir  bestiegen.  Wir,  hatten  hier  eine 
überraschend  schöne  Aussicht  über  die  ganze  Gegend.  Gegen  Norden 
and   Nordwesten   steigt  der  Balkan  wie  eine  Mauer  steil  auf  aus  den 


550 

aasgedehnten  Ebenen  an  seinem  Fofle.  In  der  entgogengeBetsten  Bich- 
tung  gegen  Ostsüdost  erhebt  sich  inselförmig  aus  dem  flachweUigeD 
HOgelland  der  Kütschück  Bakatschik,  der  auf  seiner  gegen  700  Meter 
hohen  Spitze  ein  weithin  sichtbares  Kloster  trägt  und  hinter  ihm  in 
derselben  Richtung  sind  noch  andere  Inselberge  sichtbar,  deren  regd- 
mäßige  Kegelform  schon  auf  ihren  vulcanischen  Ursprung  hindeutet. 
Diese  erloschenen  Yulcane,  die  aus  andesitischen  und  doleritisdien  Ge- 
steinen zusanmiengesetzt  sind,  gehören  einem  sehr  ausgedehnten  Erup- 
tionsgebiete an,  welches  sich  in  östlicher  Richtung  bis  Burgas  am 
schwarzen  Meere,  in  nordösüieher  bis  Kamabat  und  Aidos  erstreckt  und 
das  kr}'stallinische  Tundscha-Massiv  von  dem  Südabfall  des  Balkan*s 
trennt  Yulcanische  Tuffe  bilden  am  nördlichen  Fuße  jener  Inselberge 
niedere,  plateauförmig  sich  ausbreitende  Höhen,  über  welche  wir  an  den 
Dörfern  Ovlali,  Paschakiöi,  Esetli  u.  s.  w.  vorbei  auf  Feldwegen  unsere 
Richtung  genau  nach  Osten  nahmen. 

Eine  äußerst  fruchtbare  tiefschwarze  Ackerkrume  bedeckt  die 
ausgedehnten  Flächen  und  bUdet  das  schönste  Ackerland  der  Welt,  das 
jedoch  kaum  zu  einem  Drittheil  bebaut  ist.  Unabsehbare  Distelfelder, 
Quadratmeilen  von  Gestrüpp  und  Buschwald  harren  hier  noch  der  Rodang 
und  des  Pfluges.  Die  Auswanderer  aus  dem  Banat,  welche  man  in  den 
öOer  Jahren  hieherlockte,  hatte  man  ohne  allen  Schutz  von  Seiten  der 
Regierung  elendiglich  zu  Grunde  gehen  lassen,  während  dem  t8chei> 
kessischen  Diebsgesindel  und  den  Krimmtataren,  die  man  ansiedelte, 
für  alle  Zeiten  Steuerfreiheit  bewilligt  ist.  Man  zeigte  uns  noch  die  Stelle, 
wo  das  unglückliche  Nemzekiöi  (Deutschdorf)  gegründet  wurde. 

Gegen  5  Uhr  überschritten  wir  auf  einem  flachen  Rücken  die 
kaum  bemerkbare  Wasserscheide  zwischen  der  Tundscha  und  dem 
schwarzen  Meere  und  quartierten  uns  für  die  Nacht  in  Aschlar  auf 
dem  Xschiftlik  (Meierhof)  eines  spanischen  Juden  Namens  Michael 
Alfas  ein. 

In  der  NAhe  von  Aschlar,  sagte  man  mir,  soll  eine  Colonie  von 
Türken  existieren,  d.  h.  von  Leuten,  die  türkisch  sprechen,  aber  keine 
Muhamedaner,  sondern  Fetischanbeter  seien. 

14.  August.  Schon  um  47g  Uhr  morgens  waren  wir  wieder  im 
Sattel.  Zwischen  Karadschilar  und  Russo  Castro  kamen  wir  durch  einen 
hochstämmigen  prächtigen  £ichwald,  und  um  10  Uhr  erblickten  wir 
von  den  Anhöhen  bei  Dschan-Kardaach  das  schwarze  Meer.  Die  Mit- 
tagsrast hielten  wir  in  den  Tschiftlik  bei  Dschan  Kardasch,  das  einem 
ih  Constanünopel  lebenden  Griechen  Namens  Sarif  Sevoropnlos  gehört. 
Der  Beamte,  den  wir  hier  trafen,  konnte  nicht  genug  enählen  von  dem 
Reichtum  seines  Herrn.    Alles  Land   auf.  32  Stunden  im  Umkreis  mit 


551 

8  Dörfern  gehöre  seiBem  Herrn,  mit  10.000  Ochsen,  100  Küh^,  700 
Büffeln,  IOjOOO  Schafen,  250  Ziegen  and  öOO  Schiweinen;  aber  sie 
haben  auch  große  Steuern  zu  bezahlen,  ^s  ^^^  Vio  ^^^  aUem  nehme 
die  Regierang  und  einen  anderen  Bruchtheil  die  Popen,  so  dass  der 
wirkliche  £rtrag  verhältnismäßig  gering  sei. 

Das  Yukanische  Plateau  fällt  bei  Dschan  Kardasch  ziemlich  steil 
ab  gegen  die  Lagune  von.  Burgas  oder  den  See  von  Waiakiöi.  Die  nörd- 
lichen Ufer  des  Sees  sind  flach,  große  Herden  von  Büffeln  mit  weißer 
Stirn  und  weißer  Nase,  und  von  Pferden  weideten  auf  dem  fetten 
Maivchboden,  auch  einzelne  Kameele  bemerkten  wir.  Der  See  soll  nur 
1 — 4:  Fuß  tief,  aber  außerordentlich  fischreich  und  ein  ergiebiges  Jagd- 
gebiet auf  Federwild  sein.  Die  Fischerei  im  See  ist  von  der  Regierung 
für  40.000  Piaster  auf  drei  Jahre  verpachtet.  Durch  einen  künstlichen 
Durchlass  am  öetMehen  Ende  steht  der  See  jetzt  mit  dem  Meere  in 
Verbindung;  ehe  dieser  Durchlass  von  der  Regierung  gemacht  wurde, 
soll  er  manchesmal  gSnzlich  ausgetrocknet  sein. 

Wir  ritten  dem  nördlichen  Ufer  des  See's  entlang,  hatten  dann 
noch  einen  niederen  Hügel,  der  mit  Windmühlen  besetzt  ist,  zu  passieren 
und  waren  um  4  Uhr  in  Burgas,  wo  wir  in  einer  griechischen  Locanda, 
dem  »Casino^,  das  leidlich  nach  europäischem  Stile  eingerichtet  ist, 
abgestiej^en. 

Gleich  nach  unserer  Ankunft  hörten  wir,  dass  der  von  Gonstan- 
tinopel  bestellte  Dampfer,  welcher  unsere  Reisegesellschaft  nach  £nos 
am  ägäischen  Meere  bringen  sollte,  eben  einlaufe,  und  noch  am  selben 
Abend  schifften  sich  meine  Reisegefährten  ein,  um  über  Constantinopel 
nach  £nos  zu  fahren.  Ich  selbst  blieb  in  Burgas  zurück,  um  von  hier 
aus  längs  des  Balkans  über  Sliwno  und  Kisanlik  nach  Philippopel  zu 
reisen,  während  Director  Pressel  von  Enos  das  Maritzathal  aufwärts 
über  Adrianopel  nach  Philippopel  kommen  wollte.  Nach  12  Tagen 
hatten  wir  uns  das  Rendez-vous  in  Philippopel  gegeben. 

Burgas  hat  5000  Einwohner,  Türken,  Griechen,  Bulgaren  und 
Armenier.  Man  rechnet  150  christliche  und  350  türkische  Häuser.  Es 
besitzt  2  Moscheen,  eine  griechische,  eine  armenische  und  eine  katho- 
lische Kirche.  Von  fremden  Nationen  ist  nur  Italien  und  Griechenland 
durch  Consuln,  Oesterreich  durch  einen  Consularagenten  vertreten; 
auch  der  österreichische  Lloyd  hat  einen  Agenten  hier,  zur  Zeit  unseres 
Besuches  Herr  Glücklich,  der  mir  manche  Gefälligkeiten  erwies. 

Der  Handel  von  Burgas  ist  hauptsächlich  in  Händen  der  Griechen. 
Die  Ausfuhr  besteht  in  Getreide  und  Abah  (ein  Wollstoff,  welcher  in 
Sliwno  fabriciert  wird).  Der  Getreideexport  wird  auf  eine  Million  öster- 
reichischer Metzen  jährlich  bejechnet,  man  bringt  das  Getreide  nament- 


552 

lieh  ans  den  oberen  Maritza-Gegenden ;  ans  den  frachtbaren  Ebenen  von 
Jeni  und  Eski  Sagra  and  von  Philippopel.  Große  Gtetreidemagaziiie 
sind  za  diesem  Zweck  am  Hafen  errichtet.  Der  District  Bargas  soll 
jährlich  äOO.OOO  Kilo  Weizen,  100.000  KUo  Gerste  and  Hafer  mid 
55.000  Kilo  Roggen  erzeagen.  Hieyon  verbleibt  ein  Viertel  im  Innlaod, 
der  Rest  wird  nach  Frankreich,  Italien  and  England  veriaden. 

Das  Clima  von  Bargas  ist  nicht  gesand,  es  herrschen  Fieber, 
ähnlich  wie  in  Enos,  wenn  aach  nicht  so  staric,  and  ein  großer  Uebel- 
stand  ist  der  Mangel  an  Wasser.  Das  Trinkwasser  mass  20  Minaten  vor 
der  Stadt  geholt  werden  vom  Rande  der  Lagone,  wo  auf  der  Düne 
zwei  Ziehbrunnen  liegen,   welche   das   einzige  trinkbare  Wasser  liefeiiL 


Von  der  zweiten  deutschen  Nordpolexfieditioii. 

1.  Brief  des  Dr.  Laabe  (auf  der  ^HaDsa*")  an  Prof.  ?.  Hochstetter. 
Hochgeehrter  Herr  Professor! 

So  gern  ich  schriebe:  Wir  sind  auf  dem  Nordpol  gewesen  and 
haben  gewaltige  Entdeckungen  gemacht,  so  sehe  ich  mich  doch  ge- 
taöthiget,  Ihnen  gegentheilig  eine  lange  Geschichte  von  MisgeschidK  and 
und  Unheil  zu  berichten. 

Wenn  Sie,  wie  uns  bis  jetzt  noch  sehr  wahrscheinlich  ist,  durch 
das  tiefe  Schweigen  von  uns  seit  unserm  Abgang  von  Bremen  der  guten 
Ansicht  lebten,  wir  würden  mehr  erfreuliche  Resultate  mitzutbeilen 
haben,  wenn  wir  plötzlich  wieder  auftauchten,  so  wird  Sie  schon  das 
Telegramm  der  „N.  Fr.  Presse"  eines  anderen  belehrt  haben.  Das  er- 
freulichste von  unserer  Expedition  ist:  Wir  sind  mit  dem  Leben  davon 
gekommen,  das  ist  auch  alles;  Schiff  —  ich  meine  damit  die  ^.Hansa*", 
der  ich  zugetheilt  war  —  und  alles  und  jedes  haben  wir  verloren, 
mein  College  Dr.  Buchholz  sogar  den .  Verstand,  und  muss  dieser  von 
Kopenhagen  aus .  sofort  ins  Irrenhaus  gebracht  werden.  Ich  will  Ihnoi, 
so  weit  es  der  ^gedrängte  Raum"  gestattet,  eine  ganz  kurze  Scizze  mit- 
theilen. 

Nach  unserer  Ausfahrt  von  Bremen  hatten  wir  langsame  Reise 
durch  die  Nordsee,  viel  widrigen  Wind  und  schlechtes  Wetter.  Jan 
Mayen  wollten  wir  anlegen,  da  ward  es  dickneblig  und  wir  mussten  es 
aufgeben,  hier  verloren  wir  die  ,yGermania"  aus  Sicht,  kamen  aber  nach 
8  Tagen  mit  ihr  wieder  an  derEisgrftnze  zusammen.  Am  20.  Juli  giengen  wir 
in's  Eis.  Schon  in  den  ersten  Standen  verloren  wir  die  Germania  wieder  aas 
Sicht  und  haben  sie  nie  wieder  gesehen,  sind  also  über  deren  Schicksal  ganz 
im  unklaren«  Ein,  zwei  Tage  giengs  gut,  dann  wurden  wir  durch  ungün- 
sdges  Wetter  und  Strom  zu  weit  Sfld  gesetzt.  Da  wir  am  VorhandeDsein 


553 

von  KAstenwasser  stark  zweifeiten ,    giengen   wir  ans  dem  Eise  heraus 
imd  segelten  nordwärts  auf  75®,  um   wieder    die  Fahrt  zu   beginnen. 
Diesmal    schien  es    besser  glflcken    zu  wollen.    Zwar    war  die    Mflhe 
groß,   aber   am    18.  August  kam  Kfiste  in  Sicht,  nun   giengs   langsam 
vorwärts    und    die   Kfiste  kam  immer  n&her.  Den  22.  August    waren 
wir  der  Kfiste  etwa  bis  25  See-Meilen  nahe  gekommen.  Aber  wir  richteten 
mit  unseren  Segeln  wenig  aus  und  mussten  viel  still  liegen.  Am  24.  August 
machte  ich  mit  Capitän  Hegemann  eine  Recognoscierungs&hrt  nach  der 
Kfiste,  wir  kamen  bis  etwa  18  Meilen  davon    ab   und   sahen  ^  die  Insel 
Pendulum  ganz   genau,  wie   wir  auch  vom  Schiffe  aus,   vom  Mast,  Cap 
Shannon   sahen,   ohne  hingelangen  zu  können.   Kfistenwasser  sahen  wir 
nicht,    und  so  mussten    wir    immer  auf  gfinstigen  Wind  warten,  der 
das  Eis  auseinandersetzen  sollte.    Wir  schleppten  und    bugsierten  unser 
Schiff  nach  Kräften  weiter,  aber  das  fruchtete  nichts.  Es  fror  auch  schon 
dickes  junges   Eis.    Am    27.    August   wurden   wir   hart    gepresst,    nun 
mussten  wir  daran  denken,  dass  wir  unser  Schiff  auch  verlieren  könnten, 
und  machten  unsere  Boote  zur  allenfallsigen  Flucht  klar.  Die  Hoffnung, 
die  Küste  erreichen  zu  können,  ward  immer  geringer.   Die  ersten  Tage 
im  September  wehte  ein  kräftiger  Nordweststurm,  am  5.  konnten  wir  noch 
einmal  segeln,   der  Wind   hatte  Luft   gemacht,    wir   kamen    ein    gutes 
Stack  vorwärts,  aber  wir  hatten  nur  eingeholt,  was  wir  vorher  verloren 
hatten,   indem  wir   mit  dem  Eise  östlich  absetzten.    Mächtige  Eisfelder 
umgaben  uns.    Am    5.   mussten   wir  an  einem  solchen  unser  Schiff  fest 
machen.  Jenseits  desselben  sahen  wir  viel  freies  Wasser,  doch  fand  sich 
kein  Kanal  zwischen   den  Eismassen,    der    unser  Schiff    durchließ.    Es 
dauerte  nicht  lange,  so  war  das  freie  Wasser  wieder  weg,  und  alles  um  uns 
dichtes  Eis.  Uns  däuchte,   dass  wir,   hätten  wir  die  Eisfelder  passieren 
können,    wol    die  Kfiste  erreicht   hätten,    aber   nun  war  alle  Hoffnung 
dazu  Torflber,  ebenso,  wie  wir  auch  keine  hatten,  aus  dem  Eis  heraus- 
zukommen.   Mitte  September   waren   wir   eingefroren    und    die  Ueber- 
winterung   im    Eis   uns    zur   schrecklichen  Gewissheit    geworden.    Wir 
mnssten    gute    Miene    zum    bösen    Spiel     machen.    Wir    legten    unser 
Schiff  so  sicher  es  gieng  in    einen  Einschnitt   in  der  Eisscholle,  an  der 
vrir  lagen  —  sie  hatte  3*1  D  Seemeilen  und  war  mittelgroß,  —  nahmen 
Segel  und  Stangen  herunter  und  machten  unser  Winterquartier  zurecht. 
Grleichzeitig  setzten  wir  die  Boote    in    guten  Stand   und  um   ein  erstes 
Obdach  zu  haben,    wenn  wir  unser  Schiff  verlieren   sollten,  bauten  vrir 
aofi  Kohlenziegeln   ein  kleines  Haus    auf   dem  Eisfelde.    Während  dem 
setzten  wir  mit  dem  Eise  immer  mehr  Sfldwest  und  kamen  dichter  und 
dichter  an  die  Kfiste.  Unser  Haus  war  kaum  fertig  und  das  Plankendach 
über  das  Hinterdeck  halb  voUendet,  als  heftige   Schneestfirme   losbrachen. 

llittkeilungBn  d.  geogr.  GMell.  1870.  18.  36 


554 

Gegen   Mitte   October  waren  wir  bis  nach  Liverpoolkflste  hinunter  ge- 
trieben auf  circa  71^  n.  B.  und  20^  w.  L.    Wir  waren  dem  Lande  so 
nahe,  dass  wir  bei   günstiger  Gelegenheit  noch  einmal  frei  zn   kommen 
and  hier  vielleicht  noch  einen  Hafen  zn   finden  hofften.  Am  18.  October 
war    das    Eis     in    furchtbarer    Bewegung     und    arbeitete    schrecklich 
um    uns    her,    doch   war  es    ruhig  dabei.    Am    19.    brach    ein  Stnrm 
los  und  nun  giengs  an  unser  Schiff;  es  wehrte  sich  tapfer,  wurde  circa 
14'  auf  Eis  hinaufgeschoben   und   dann   mit   der  Breitseite  in  das  feste 
Eis  hineingequetscht.  Dieser  furchtbaren  Gewalt  konnte   es  nicht    wider- 
stehen. Als  der  Sturm  nachließ,  sank  es  wieder  in*s  Wasser  zurftck,  da 
das  Eis  auseinander   gieng   und   bald   sahen  wir,    das    es  stark  leckte. 
Die  Nacht  hielten  wir  es  noch  mit  den  Pumpen.  Morgens  den  20.  sahen 
wir  ein,  dass  es  nicht  zu  retten    sei.    Wir  mussten  unser  Heil  auf  der 
Scholle  suchen.  Dem  glücklichen  Umstände,  dass  wir  zufällig  allen  Pro- 
viant aus  dem  Proviantraum  auf  Deck  hatten,  und  dass   es  20^  kalt  war, 
also  stark  fror,   sowie   dass   das  Schiff  vom  noch  auf  dem  Eise  aufkf, 
verdanken   wir    es,    dass    wir   soviel    auf    das  Eis   retten  konnten,  am 
wenigstens  vor  dem  Hungertode  sicher  zusein, so  lange  unser  Eisfeld  hielt 
In    der  Nacht    vom    22.    auf  den   23.  October,    nachdem  wir  Masten, 
Tauwerk,    Planken    und  was   wir  erreichen  konnten,  vom  Schiffe  geholt 
hatten,  versank  die  „Hansa^.  Nun  denken  Sie  sich  unsere  I^age  mitten  im 
treibenden  Eise,  ohne  Schiff,  auf  einer  gebrechlichen  SchoUe  zu  An&Dg 
des  arctischen  Winters  auf  dem  70®  n.  B.  I   Hoffen  war  das  einzige,  was 
wir  konnten.  Wir  richteten  uns  so  gut  als  es  gehen  wollte  ein,  und  als 
unser    kleines  Haus   tüchtig    eingeschneit    war,   hatten   wir  auch  nicht 
über  Kälte  zu  klagen.    Am  Fußboden  fror  es  zwar  immer,    aber  oben 
war  es  behaglich  warm.  Gegen  Zug  und  Wind  schützten  wir  ans  durch 
einen  Schneevorbau.    Wir  selbst  befanden  uns  ganz  wol,  weite  Spazier- 
gänge,   Beschäftigung    im    Freien,    Lesen   u.    s.    w.    vertrieb  die  Zeit. 
Lectfire  hatten  wir  sehr  viel  geborgen.  Weihnachten  kam.  Im  Deeember 
hatten  wir  einmal  —  27^  R.,  das  war  unsere  größte  Kälte.  Den  aus  Besen- 
reisem  gefertigten  Christbaum  besteckten  wir  mit  Wachsstockschnitzän 
und  erfreuten  uns  an  Ihren  freundlichen  Weihnachtsgeschenken,  die  wir 
noch    aus    dem  Schiffe  gerettet  hatten.    Namens    unser  aller    sage  ich 
Ihnen  für  Ihre  Güte  unseren   herzlichsten  Dank   und  bitte  diesen  auch 
Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin   auszudrücken.    Mir  war  es,  als  ob  Sie 
uns  an  jenem  Abend  mit  Ihrem  freundlichen  Besuch  erfreut  hätten  und 
Sie  haben  uns  in  unserer  trübseligen  Lage  eine  recht  frohe  Stunde  gemacht 
Mit  einem  frohen  „Gott  sei  Dank^  sahen  wir  das  Jahr  1869  scheiden. 
Aber  der  Anfang   1870  schien  gleich   in    den  ersten  Tagen   das  Mafi 
unserer  Leiden  voll  machen  zu  wollen.  Neujahrstag  abends  gab  es  Sturm. 


5&5 

Wir  waren  an  Egedesland    dicht    unter    Land    etwa  67^  NB.     Den 

2.  J&nner  hörten  wir  ans  der  Scholle  heraus   ein  höchst  beängstigendes 

Knistern.   Der  Sturm   wehte   fort,    niemand  konnte  in's  Freie,  da  hätte 

er  ohnehin  nichts  gesehen.  Erst  den  4.  Jänner  konnten  wir  uns  umsehen. 

Wir  waren  dicht  an  der  Küste  in  ekier  Bucht   Unsere  SchoUe  rundum 

abgehrochen,  nicht  mehr  '/s  ^^  vorigen  Umfanges.  Bis  an  die  Brust  fiel 

man  in  den  Schnee.  Die  Boote   waren   nicht  yon  der  Stelle  zu  rOcken. 

Ein  Versuch   Hildebrands  das    Land   zu   erreichen,    musste  gleich   anf*- 

gegeben  werden,  da  Aber  die  Schollen  nicht  fortzukommen  war.  An  diesem 

Tag  sahen  wir  die  Sonne  wieder.  Am  6.  Jämier  waren  wir  circa  66**  47'. 

Nun  gieng  der  Sturm  wieder  los.  Am  11.  Jänner  morgens  mussten  wir 

eiligst  das  Haus    verlassen,   da  sich  das   verdächtige  Grerausch   wieder 

hören  ließ.    Kaum    konnten  wir  uns   im.  Sturm  auf  den  Ftlßen  halten. 

Das    Gesicht    Stack    in    einer    starren  Etsmaske.    Ringsum   war  freies 

Wasser.    Die  Scholle   schwankte   und  brach    in   der  Dflnung   bis   dicht 

an's  Haus.  Die  Boote  retteten  wir  mit  Mühe.  Wir  theilten  uns  in  zwei 

Partien  —  denn  wii*  dachten  es  sei  nun  wol  bald    mn   die  SchoUe  ge* 

schehen  —  zu  den  Booten ;  eines  wartete,  wie  das  andere  abbrechen  sollte, 

wie  die  oder  jene  versinken  würden.  Doch  es  ward  wieder  besser,  weam. 

auch  der  Sturm  fortwöhrte.  Was  um  uns  in  dieser  Zeit  vorgieng,  wer  weis 

es?  in  der  Nacht  vom  14. — 15.  Jänner  barst  das  Hans  mitten  durch,  wir 

mussten  in  die  Boote  fliehen  und  lagen  da  im  Schnee  bis  zum  17.  Jänner, 

wo  wir  erst  ein  wenig  rein  machen  konnten.    Es  wurde  etwas  besseres 

Wetter  und  so  holten  wir  die  Trümmer  des  Hauses  unter  dem  Sclmee 

hervor  und  bauten  ein  neues  Haus  und  aus  den  Dachplanken  eine  Hütte 

über  den  Kochherd.  Da  unser  Brennholz  weggetrieben  war,  konnten  wir 

im  Hans  nur  knapp  Raum  für  6  Mann  bekommen.  Die  anderen  logierte 

von  da  ab  in  den  Booten   und   keiner  ward  davon  krank  1    Vom  ersten 

Februar  an   ward  das  Wetter  besser,   wie   überhaupt  dieser  Monat  still 

und  schönf  wenn  auch  zu  Ende   noch  recht  kalt  war.    Wir  trieben  bis 

Mitte    Februar   bis  Cap  Lövenöm.    Die  Reise  gieng    immer  dicht  der 

Küste  entlang,  am  Puisontok  und  Kohlbergenheidegletscher,  den  größten, 

die   ich   sah,    Süd   und   Südwest.    Am   20.  März   kamen   wir  am  Cap 

Mösting    mitten    zwischen    eine  Menge  Elisberge,    die   uns   sehr  bange 

machten.  Aber  trotzdem  wir  an  einen  fest  angepresst  wurden ,    geschah 

uns  gar  nichts.  Sie  brachen  glücklich  da,    wo  wir  nicht  waren.    Ueber- 

haapt  wurde  unsere  Scholle,  nachdem  sie  am  15.  Jänner  eintti  Umfang 

von  3()0  Schritten  erhalten  hatte,  nicht  mehr  kleiner,  bis  wir  sie  ganz 

verließen.    Von     Ende    März     bis     17.    April    trieben    wir     zwischen 

Skioldungs    Insel  und    Cap    Moltke    abwechselnd  Nordwest   und  Südost 

(öä«*— G3®  30;  n.  B.).  Hier   wurden  wir  von   einem  Sturm  tüchtig  Süd 

36  ♦ 


566 

gesetzt.  Die  ersten  Tage  im  Mai  wai^n  wir  auf  61*  12'  n.  B.  Bisher 
hatte  sich  keine  Gelegenheit  gefunden  an*8  Land  zn  kommen.  Am 
7.  Mai,  nachdem  nachts  znyor  tflchtig  Südwest  geweht  hatte,  hatten 
wir  weite  Kanäle  dicht  bei  nns.  Um  Mittag  entschlossen  wir  ons  zu 
dem  Yersach,  das  Land  zn  erreichen  und  am  Lande  Sud  zn  gehen. 
Um  4  Uhr  waren  wir  segelfertig,  wir  kamen  den  7.  nnd  8.  M« 
dem  Lande  bis  auf  3  Meilen  nfther,  konnten  aber  doch  nicht  die  Eflste 
erreichen.  Alles  war  dicht.  Nun  lagen  wir  in  den  Booten  nnd  der 
Proviant  ward  immer  knapper,  ohne  dass  wir  yorwftrts  kamen.  Endlidi 
entschlossen  wir  nns  die  Boote  Ober  das  Eis  weg  an*s  Land  zu  ziebeit 
Hildebrandt  war  vorher  dagewesen  nnd  hatte  gesehen,  dass  doch  so  visl 
Wasser  sei,  um  die  Boote  dnrchbringen  zu  können.  Schlechtes  Wetter 
nnd  das  homplige  Eis  hielt  nns  anf,  wir  kamen  erst  am  4  Jmii  an  der 
Insel  Dlnidlek  60**  bV  n.  B.  an  die  Koste.  Von  hier  arbeiteten  wir  ans 
westwärts  nnd  sfldwftrts  dnrch,  nnd  ein  Sadweststarm,  der  das  Eis  ab- 
setzte, kam  nns  zn  Hilfe.  Am  6.  Jnni  kamen  wir  an  das  Sfldcap  von  Kan- 
gerdlnkbay,  7.  Jnni  Südcap  von  Patnrsokbay,  8.  Jnni  Insel  Nnniorbik 
im  linderanQord,  am  9.  Juni  waren  wir  anf  60®  n.  B.  Wir  giengen  mm 
westlich  nnd  mnssten  uns  aufs  gute  Glück  verlassen,  da  die  Graah'sdie 
Karte  hier  ganz  ungenau  ist  Wir  glaubten  die  Einfahrt  in  Pcinz- 
christianB  Sund  gefunden  zn  haben.  Den  10.  Juni  aber  sahen  wir,  dass  wir 
in  einem  tiefen  Fjord  auf  König  Ghristiansinsel  waren.  Nun  giengen 
wir  Süd  nnd  kamen  den  11.  Juni  dnrch  die  Illnastraße  bis  auf  Sedk- 
wik.  12.  Juni  hielten  wir  Rast  13.  Juni  gegen  2  Uhr  nachmittag 
kamen  wir  glücklich  in  der  deutschen  Mission  Friedrichsthal  an  und 
wurden  von  unseren  Landslenten  herzlich  aufgenommen.  Nun,  nachdem 
wir  200  Tage  auf  einer  Eisscholle  unter  gräßlichen  Erlebnissen  zuge- 
bracht und  mit  ihr  über  300  geographische  Meilen  Südwest  getrieben  *), 
nachdem  wir  gehörig  ausgehungert  waren  und  alle  Schrecknisse  einer 
Polarreise  gekostet  hatten  bis  auf  die  Hefe  —  nun  waren  wir  gerettet ! 
Wir  erfuhren  hier,  das  die  Brigg  ,,Constance^  in  Jnlianeshaab  erwartet 
wird  und  so  eilten  wir  diese  (Gelegenheit  zu  erreichen.  Ueber  Nennortalik, 
Tydlopait,  Lichtenau,  Südpröven  kamen  wir  am  21.  Juni  nach  Jnlianes- 
haab. Hier  lagen  wir  noch  bis  3.  Juli,  mnssten  dann  des  vieloi  Eises 
wegen  Nord  aufgehen  bis  63®  11'  und  hier  kamen  wir  glücklich  uns 
Eis  herum  und  sind  jetzt  auf  der  Heimreise. 

Selbstverst&ndlich  haben  wir  mit  dem  Schiff  alles  und  jedes  ver- 
loren. Was  wir  auf  die  Scholle  brachten,  mnsste  da  bleiben,  da  wir  in 


*)  Vielleicht  habe  ich  hiedurch  einigen  geologischen  Wert  erhalteo, 
dass  ich  eiomal  als  erratischer  Block  gereist  bin  —  wenn  mir  sonst  schon  das 
Glück  abhold  war. 


567 

imseni  kleinen  Booten  gar  nichts  anfier  dem  nothwendigsten  mitnehmen 
konnten.  Von  Sammeln  konnte  aof  der  Ostkfiste  nicht  die  Rede  sein. 
In  einige  leere  Fleischdosen  hahe  ich  einige  Handstficke  gepackt,  das 
ist  alles.  Nicht  viel  besser  gieng  es  auf  der  Westseite.  Ich  war  ja  ohne 
alle  Mittel  nnd  hatte  anch  wenig  Gelegenheit.  So  nahm  ich  Ctebirgs- 
arten,  wo  ich  eben  etwas  nehmen  konnte.  Die  Formation,  Granit  und 
Syenit,  ist  ohnehin  sehr  eintönig.  Meine  ganze  Ansbente  in  Summa  sind 
2  kleine  Eisten.  Dr.  Gustav  Lanbe. 

An  Bord  der  Constance,  2.  Aognst  1870. 

2.  Brief  des  Herrn  Oberlieutenant  Jnl.  Payer(aaf  der  „Germania*^) 

an  Prof.  v.  Hochstetter. 

3.  September  1870. 
Hochgeehrtester  Herr  Professor  1 

Die  telegraphische  Nachricht  von  der  Rückkehr  der  Expedition  ist 
Ihnen  gewiss  schon  durch  die  Tagesblätter  zugegangen.  Mein  Brief 
ttbrt  Sie  auf  den  3.  September  zurück,  den  Tag,  an  welchem  er  ge- 
schrieben wurde,  halbwegs  zwischen  den  FarAer  und  den  Shetlands 
Inseln.  Wir  haben  eben  einen  Sturm  überstanden,  noch  jetzt  ist  der 
Seegang  gewaltig,  das  Schreiben  in  dem  kleinen  Schüfe  mit  einem  unaus- 
gesetzten Stabilitfttskampf  verbunden  *). 


*)  Wir  geben  hier  den  Berieht  der  »Weseneitung«  Aber  die  Heise 
der  -Germania.«  Bremen,  ii.  September  Eine  Woche  war  seit  dem  Ein- 
treilen  der  UnglQcksbotschaft  von  dem  SchÜTbruch  der  •< Hansa«  verflossen. 
Da  lief  eine  neue  Kunde  ein,  diesmal  eine  freudige.  Sie  kam  uns  von 
"unserer  Kriegsflotte:  •Gennanta«,  der  Nordpoldampfer,  ist  glücklich  ange- 
kommen ;  an  Bord  alles  wohl  I  und  als  das  EDtdeckungsschüT  mit  der  stolx 
in  den  Lfiften  flatternden  jungen  deutschen  Flagge  in  den  Hafen  von 
Bremerhaven  legte,  begrttflt  mit  Hurrahl  von  der  am  Molenkopf  harrenden 
Menge  und  einem  Bataillon  deutscher  Landwehr,  welches  daselbst  zum  Appell 
versammelt  war,  bewillkommt  mit  kurzen,  kernigen  Worten  von  dem  ersten  Be- 
amten des  Ortes:  da  vernahmen  wir  weiter,  dass  ein  frenndliches  Geschick  Ober 
der  Fahrt  der  "Germania«  gewaltet;  dass  es  den  mutigen  Männern  gelungen 
war,  dem  berflchtigen  EisgOrtel,  in  welchen  die  »Hansa««  leider  festgeriet,  mit 
Dampfes  Hilfe  zu  durchbrechen  nnd  nach  der  OstkOste  vorzudringen;  dass  sie 
im  Winter  allen  arctischen  Gefahren  und  Bedrängnissen  tapfer  und  mit  voll- 
ständigem Erfolg  Trotz  geboten  und  dabei  unablässig  im  Dienste  der  Wissen- 
schaft gewirkt ;  dass  sie  im  vorigen  Herbste  sowie  im  Frühjahre  und  Sommer 
dieses  Jahres  umfassende  Forschungs-  und  Entdeckungsreisen  mit  Schlitten  und 
Schiff  unternommen,  dabei  vielseitige  Ergebnisse  flkr  die  gesammten  geographi- 
schen Wissenschaften  gew<mnen  und  dass  es  endlich  auch  gelungen  war,  unter 
der  Fflhrung  des  wackeren  Koldewey  sich  selbst  und  die  mflhsam  errungenen 
Schätze  heim  in  den  sicheren  Hafen  zu  bringen. 

In  einem  Augenblicke,  wo  ein  Feind  unsere  Ktlsten  blokiert,  der  die  Yor- 
iiGht  tBa  den  besseren  Theil  des  Mutes  erkannt  zu  haben  scheint^  hat  die 


566 

Ich  fasse  meinen  Bericht  Qber  die  Expeditionsergebnisse  so  kurz 
wie  dies  die  Instructionen  gebieten: 

Mitte  Juli  definitiver  Yeiinst  der  „Hansa^  im  Packeise  bei  Nebd. 

5.  August  Landung  auf  der  Insel  Sabine  74Vg  ^\  Reise  nach  Norden 
bis  wenige  Meilen  nördlich   von  Shannon.  Rückkehr  nach   der   Sabine- 


tapfere That  der  -Germania«,  die  erste  nationale  See-EDtdeckongsreise  eiM 
erhöhte  fiedeutong.  Gerade  jetzt  ist  diese  Leistung  deutscher  i>eefahrer  in  Yer- 
binduDg  mit  deutschen  Gelehrten  doppelt  ehrenvoll. 

FasseD  wir  die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  von  Koldewey's  Polar-£x- 
peditioD,  60  weit  sie  sich  jetzt  übersehen  lassen,  kurz  zusammen,  so  ist  eiamal 
mit  der  Landung  der  »Germania««  in  Grönland  die  neuerdings  augezveifelte 
Zugftnglicbkeit  der  Ostküste  in  jenen  Breiten  mit  Dampfschiffen  erwiesen.  Es 
ist  zweitens  von  den  Männern  der  ««Germania-,  in  Verbindung  mit  der  Schollen- 
fahrt  der  »Hansan-männer,  die  Küste  auf  einer  Strecke  von  17^  (1ÜÜ0  Seemeilen) 
erforscht,  betreten  und  astronomisch  festgelegt,  respective  die  Lage  rectifidert 
durch  die  »Germania«  von  73®  bis  77®. 

Die  Ausführung  der  bisher  noch  fraglichen  Ueberwinterung  in  der  Polar- 
region Ostgrönlands  ist  geschehen  und  mit  bestem  Erfolg.  Wichtige  Aufklinm- 
gen  über  die  Frage  der  Ann&herung  zum  Pol  zu  Wasser,  respective  zu  Schlit- 
ten, sind  gewonnen,  namentlich  die  Gewissheit,  dass  ein  fahrbares  Kflstenwas- 
ser  weiter  im  Norden  auf  der  angenommenen  Ausdehnung  nicht  existiert  Ein 
erheblicher  Theil  des  Innern  Grönlands  ist  entdeckt;  gewaltige  Gletscher,  Berge 
bis  li.(KK)  Fuß  Höhe  sind  aufgefunden.  Bisher  unbekannte,  tief  ins  Innere 
fUu*ende  Fjorde  sind  befahren,  Wasserstraßen,  deren  westliche  Erstreknng 
zwar  noch  unbestimmt  bleibt,  aber  die  Möglichkeit  einer  Durchfshzt  quer  dnidi 
Grönland  zur  Baffinsbai  nicht  ausschließt.  Eine  große  Fülle  neuer  landschaft- 
licher Bilder  von  Eis  und  Land,  ein  Beichthum  des  bisher  unbekannten  Thier- 
und  Pflanzenlebens;  der  Kachweis  von  Arten,  welche  bisher  in  Grönland  mdit 
vermuthet,  so  z.  B.  das  Antreffen  des  polar-americanischen  MoBchnsochseB; 
solche  Ergebnisse  sind  zahlreich  vorhanden. 

Kunde  von  dem  Bau  und  der  geoguostischen  Beschaffenheit  der  nordost- 
grönlandischen  Alpenweh  ist  gewonnen,  wobei  besonders  auch  die  Keandns 
der  fossilen  Flora  und  Fauna  durch  die  aufgefundenen  und  mitgebrachten  Stein- 
abdrücke eine  erhebliche  Bereicherung  erfahren  hat.  Der  Anschluss  an  die 
classischen  magnetischen  Beobachtungen  von  Sabine  aus  dem  Jahre  1823  und 
damit  die  Darlegung  der  magnetischen  Veränderung  in  diese  Periode  iat  er- 
folgt. Eine  Anzahl  magnetischer  Constanten  nördlich  von  Sabine's  Beobadi- 
tungsstation  ist  ermittelt.  Ein  Versuch  zu  einer  Gradmessung  von  Pendnlun 
Island  über  das  Eis  ist  gelungen.  T&gliche  Flutbeobachtungen  gaben  AofiBcfalttne 
über  die  Fortpflanzung  der  Flutwelle  im  westlichen  Polarmeer.  Die  meteottrio- 
gischen  Lücken  zwischen  den  Beobachtungen  der  Baffinsbai  und  weiter  nörd- 
lich einerseits  und  Spitsbergen  anderseits  sind  ausgefüllt.  Zu  physikalischen 
und  astromischen  Beobachtungen  Fixierung  von  Nordlichtern  und  andern  Hirn- 
melserscheinungen  auf  der  Ueberwintenmgsstation  mit  Hilfe  der  trefflichen  In- 
strumente wurde  die  Winterzeit  in  ausgedehntester  Weise  benutzt.  Endlich  ist 
noch  der  palaontologiseh  interessanten  TiefBeelothungen  zu  gedenken,  welche 
man    von  75Vs^  >>•  ^*  ^^^  '^^^  ^^^  ^^^  EOste  und  weiter  im  Eise  westlich  von 


559 

Iflsel.  Landesaufnalime^  Schlittenreise  nach  dem  grönländischen  Innern 
Ueberwinterung  auf  der  Sabine-Insel,  40®  C.  Kälteextrem,  meteorologische 
and  magnetische  Beobachtungen.  Bären  zudringlich  (Herr  Borgen  eines 
Tages  fortgeschleppt,  dem  Thiere  mit  Noth  entrissen  worden),  im  März 
große  Schlittenreise  nach  Norden  bis  etwas  über  77®  Breite. 

Dann  Schlittenreise  nach  der  Oedencaple-Bai,  bis  zum  Verlassen 
des  Hafens  unausgesetzt  Landesaufnahmen.  Ich  habe  eine  Basis  gemessen 
und  Aber  ein  ungeheures  Gebiet  an  2000  D  Meilen  ein  trig.  Netz  mittels 
des  Theodolits  gelegt,  eine  große  Zahl  Berghöhen,  größter  Berg  :  14.000', 
7000'  höchste  erstiegene  Spitze  barometrisch  und  trig.  gemessen,  zahl- 
reiche geologische  Sammlungen  gemacht,  Gletscher  untersucht,  wieder 
keine  Schneegrenze  gefunden,  viele  Zeichnungen  gemacht  etc.  Grön- 
land ist  keine  Schneewflste,  sondern  ein  großartiges  Alpenland. 

Die  geologischen  Sammlungen  habe  ich  mit  Fleiß  nach  meinen 
schwachen  Kräften  angelegt,  sie  dürften  an  20  Kisten  mittlerer  Größe 
umfassen.  Finden  Sie  dies  zu  wenig,  dann  bitte  ich  Sie  hochgeehrtester 
Herr  Professor  zu  erwägen,  dass  ich  fast  jeden  Stein  selbst  geschleppt 
habe.    Fossile  Pflanzen    sind   nicht  zahlreich,    doch   immerhin    ziemlich 


Jan  Mayen  YorgenommeD ;  auch  ist  eine  Reihe  Tiefsee-Temperaturen  zwischen 
Island  und  den  Faröern  gemessen:  letztere  Ermittlangen  sind  für  die  horizon- 
tale und  verticale  Gliederung  des  Golfstromes  von  hober   Wichtigkeit. 

Als  gestern  in  der  kleinen  Cajüte  der  •*Germaoia«>  Capit&n  Koldewey 
seinen  ersten  Beriebt  schloss,  da  wurde  allen  Anwesenden  klar,  dass  Großes 
für  deutsche  Wissenschaft  und  deutsches  Seewesen  geleistet  sei;  das  Hurrah, 
das  dort  ertönte,  war  gewiss  berechtigt.  Mittags  vereinten  sich  die  anwesenden 
Freunde  des  Unternehmens  zu  gemeinsamen  Male;  Herr  A.  G.  Mosle,  der 
Yorsttaeade  des  bremischen  Comit^s,  brachte  der  <•  Germania*«,  ihrem  Führer, 
ihren  Gelehrten  und  Seeleutm  den  ersten  Toast;  während  seiner  Rede  traf 
plötzlich  Capitän  Hegemann  von  der  "Hansa*'  mit  einigen  Begleitern  ein ;  auch 
der  -Hansa-  galt  nun  der  Zuruf  der  Versammelten,  der  gesämmten  Expedition, 
dem  Natiocalwerk,  das  mit  so  viel  Ausdauer  und  Tüchtigkeit  durchgeführt  wor- 
den sei.  Von  verschiedenen  Seiten  trafen  ßegrüßungs-Telegramme  ein;  die  Er- 
lebnisse geben  der  Erzählung  unerschöpflichen  Stoff;  dem  Bremer  Gomite,  dem 
Dr.  Petermann,  als  Leiter  des  Unternehmens,  der  deutschen  Flagge,  dem  Va- 
terlande galten  weitere  TrinksprOche  beim'  Mittagsmale,  wie  abends  in  der 
C^Qte  des  Schiffes. 

Morgen  mittags  wird  hier  das  Comit^  die  Gelehrten  und  OfQciere  der 
EIxpedition  um  sich  versammeln  und  die  zunächst  nöthigen  Beschlttose  fassen. 
Morgen  abends  gedenkt  man  eine  gesellige  Zusammenkunft  in  den  Räumen 
des  Künstlertereins  zu  veranstalten,  in  welcher  vom  Proviant  der  Expedition 
und  von  dem  selbstgeschossenen  Fleische  Proben  vorgelegt,  auch  einzelne 
Exemplare  der  mitgebrachten  Merkwürdigkeiten  gezeigt  werden  sollen.  Die 
Mitglieder  der  Expedition  hat  man  sämmtlich  dazu  eingeladen,  und  hiesige 
Freunde  des  Unternehmens  werden  Gelegenheit  finden,  sich  dabei  zu  betheiligen. 


560 

yertreten,  sehr  reichhaltig  ist  die  Peterfaktensammliing,  wie  ich  glaube« 
der  Brannkohlenformation  angehörend. 

Ende  Angnst  zweite  Reise  nach  Norden,  ohne  besseren  Erfolg  (mit 
dem  Schiffe),  Fahrt  nach  Süd  und  in  der  Breite  von  73  nach  West, 
also  Fjordwärts ;  Glanzpunkt  der  ganzen  Reise.  Ich  (im  Auftrage  Peter- 
manns) einen  großen  Gletscher  ausgesucht,  die  Läogenaxe  begangen, 
einen  7(XX)'  hohen  Gipfel  bestiegen  und  in  das  Innere  Grönlands 
15  Meilen  geblickt,  colossale  Felsbanten,  begletscherte  GebirgsnuusiYe» 
von  Wasserstraßen  durchschnitten  lalso  Inseln  bildend),  in  deren  unbe- 
wegtem Spiegel  sich  ihre  Bilder  reflectieren. 

Wollte  ich  Einzelheiten  von  der  Expedition  berichten,  ich  w&re 
in  Verlegenheit,  womit  beginnen.  Ich  freue  mich  umsomehr,  Ihnen  binnen 
kurzer  Zeit  jeden  gewtknsehten  Detailbericht  abstatten  zu  können.  In 
3  Wochen  bin  ich  in  Wien. 

3.   Mittheilungen   des   Bremer   Gomit^.  *) 

Bremen,  7.  September  1870. 

Mitten  in  die  Nachrichten  von  Schlachten  und  Siegen  flült  die 
neueste  Kunde  von  unseren  Nordpol-Fahrern,  die  erste  seit  Jahresfrist; 
es  ist  eine  erschütternde  Kunde  von  zahllosen  Gefahren,  aber  auch  von 
endloser  Ausdauer ;  von  zahllosen  Schrecknissen,  aber  auch  von  endlosem 
Mut.  Die  Nachricht  betrifft  das  zweite  Schiff  der  Expedition,  den  Schooner 
„Hansa"^,  Capitän  Hegemann,  welcher  nach  dem  am  10.  Mai  v.  J.  von 
Dr.  Petermann,  W.  v.  Freeden,  Capitän  Koldewey,  den  Gelehrten  der 
Expedition  und  dem  Bremer  Comit^  festgesetzten  Plane  bestimmt  war, 
dem  Dampfer  „Germania^  als  Begleit-  und  Kohlen-Transportschiff  zu  dienen. 

Die  letzte  Nachricht  von  der  „Hansa'*  war  durch  den  Dampfer 
„Bienenkorb''  gebracht,  der  das  Schiff  am  21.  Juli  1869  gesehen  hatte. 

Das  Comit^  für  die  zweite  deutsche  Nordpol-Expedition  versammelte 
sich  gestern  in  Gegenwart  von  Herrn  Dr.  A.  Petermann,  um  die  heim- 
gekehrten Officiere  und  Gelehrten  der  „Hansa^  zu  empfangen.  Die  Be- 
satzung des  Schiffes  hat  nach  einer  Abwesenheit  von  443  Tagen  ihres 
Abgangsort  wieder  erreicht ;  nur  eines  ihrer  Mitglieder,  Herr  Dr.  Buch- 
holz,  hatte  in  Hamburg  zurückbleiben  müssen,  da  sein  Gemütszustand 
unter  den  Erschütterungen  der  Fahrt  zu  sehr  gelitten  hatte. 

Es  ist  bereits  gemeldet,  dass  das  Begleitschiff  der  Nordpol-Expe- 
dition im  Eise  zertrümmert  wurde.  Nachdem  die  Heimgekehrten  auf 
das  wärmste  begrüßt  waren,  nahm  das  Comt^  zunftchst  die  näheren 
Mittheilungen  über  den  Untergang  der  „  Hansa '^  entgegen.  Als  die 
„Hansa"  am  20.  Juli  1869  das  Hauptschiff  der  Expedition  zum  letzten 


*)  Den  aasführlichen  Bericht  des  Bremer  Gomit^'s  über  die  Fahrt  der 
•Germania«  tragen  wir  im  n&chsten  Hefte  nach.  A.  d.  R. 


561 

Male  gesprochen  hatte«  steuerte  sie  in  Gem&Sheit  der  Petermann*8chen 
lofltraction  nach  Norden;  aber  obwol  am  39.  Juli  ein  der  „Crermania", 
Gi^itftn  Koldewey,  nicht  unähnliches  Schiff  sichtbar  ward,  wurde  die- 
selbe Yon  der  „Hansa^  nicht  wieder  gesprochen.  Der  erste  Versuch,  in*s 
Eis  zu  dringen,  scheiterte.  Am  10.  August  begann  der  zweite  Versuch 
auf  74®  46  N.  und  10®  28  W.  Am  24.  August  war  man  der  Kflste 
bis  auf  ungefähr  24  Seemeilen  nahe  gekommen.  Mit  dem  Boote  drang 
die  Mannschaft  noch  etwa  acht  Seemeilen  weiter  vor.  Obgleich  jetzt 
nur  16  Seemeilen  östlich  von  der  Besbrow-Insel,  konnte  man  doch  von 
einem  hohen  Eisblock  keine  Spur  eines  Kfistenwassers  entdecken,  in 
welchem  eine  Fahrt  unter  dem  Lande  auszufahren  gewesen  wftre.  Nun 
einmal  so  nahe  der  Küste,  hoffte  Capitdn  Hegemann  auf  einen  Sturm, 
der  das  Eis  auseinander  treiben  möchte;  unverrichteter  Sache  wollte 
niemand  den  Rückweg  antreten.  Ein  starker  Nordwestwind  erhob  sich 
in  d^  folgenden  Tagen,  aber  er  brachte  das  Schiff  weit  nach  Südosten 
and  machte  jene  Hoffiiung  zu  Schanden. 

Das  Schiffsjournal,  von  dem  ein  Auszug  heute  in  der  Verklarung 
beschworen  ist,  sagt  über  die  nächsten  Tage  das  Folgende: 

„Am  7.  September  sahen  wir  im  Westen  viel  freies  Wasser  mit 
hohem  Wellenschlag,  welches  sich  dem  Anscheine  nach  bis  zur  Küste 
erstreckte;  getrennt  waren  wir  von  diesem  nur  durch  ein  großes  Feld, 
welches  jedoch  im  Norden  und  Süden  von  anderen,  nicht  minder  großen 
Eisfeldern  begrenzt  war.  Wir  hegten  daher  die  Hoffnung,  durch  einen 
Canal  das  freie  Wasser  zu  gewinnen  und  die  Küste  noch  zu  erreichen. 
Unter  solchen  Umständen  konnten  wir  die  Rückfahrt  noch  nicht  an- 
treten, warteten  vielmehr  auf  eine  günstige  Gelegenheit  vorzudringen. 

Am  9.  September  morgens  wehte  ein  voller  Sturm  aus  Nordwesten, 
welcher  das  Eis  in  starke  Bewegung  brachte  und  vollständig  dicht  zu- 
sammenpresste.  Gegen  Mittag  ließ  derselbe  etwas  nach ;  doch  konnten 
wir  weder  nach  Osten,  noch  nach  Westen  steuern.  Das  Eis  blieb  in 
starker  Trift,  so  dass  wir  öfter  Gefahr  liefen,  starke  Pressungen  davon 
zu  erleiden.  Wasser  war  nur  selten  zu  sehen  und  dann  so  wenig,  dass 
das  Schiff  nicht  h&tte  darin  liegen  können.  Im  Eise  gieng  kaum  eine 
Aenderung  vor  sich ;  jedoch  wurde  das  Frostwetter  strenge  und  an- 
haltender, so  dass  am  14.  September  schon  mehrere  Zoll  dickes  Eis 
um  unser  Schiff  gefroren  war  und  mr  mehr  und  mehr  befürditen 
mussten,  aus  diesem  nicht  mehr  hinaus  zu  können;  auch  lag  das  Eis 
so  dicht  gepackt  um  uns,  dass  an  eine  Möglichkeit,  zwischen  den 
Schollen  hindurch  zu  kommen,  nicht  zu  denken  war. 

Den  19.  September  waren  wir  vollständig  eingefroren  (73®  6'  N.» 
19®  18'  W.) ;  es  hatte  sich   eine  dicke  Eisdecke  um  unser  Schiff  ge- 


562 

bildet.  In  dieser  Lage  verbrachten  wir  mehrere  Wochen.  Den  19.  October 
Morgens  fieng  das  Eis  bei  dichtem  Schneegestöber  und  hartem  Nord- 
nordwestwinde, welcher  bald  zum  Stnrm  ausartete,  in  nnserer  unmittel- 
baren N&he  stark  an  zu  schieben,  riss  einen  Theil  des  uns  festhaltenden 
und  schützenden  Eises  auf  und  setzte  uns  in  große  Gefahr. 

Zuweilen  traten  in  dem  Lärmen  und  Tosen  des  zusammenpressen 
den  Eises  Pausen  ein;  wir  konnten  dann  nur  sehen,  wie  sieh  das  Eu 
durch  einander  wirbelte  und  große  abgebrochene  Stflcke  unseres  Feldes 
fortgetrieben  wurden.  Kurz  nach  12  Uhr  mittags,  den  19.  October, 
hatten  die  herannahenden,  schon  hoch  aufgeschrobenen  Eismassen  das 
junge  Eis  etwa  4  Fuß  dick  an  der  Steuerbordseite  des  Schiffes  aufge- 
brochen und  dr&ngten  hart  an  das  Außenbord  an.  Das  Schiff  hob  sieh 
vom  etwas  und  würde  sich  noch  mehr  gehoben  haben,  wenn  nicht  die 
hohen  Eisblöcke  es  daran  gehindert  hätten;  es  mnsste  daher  die  •volle 
Kraft  der  Pressungen  aushalten.  Kurz  vor  1  Uhr  nachmittags  sprangen 
die  Decksnäthe  mittschiffs;  doch  schien  das  Schiff  noch  dicht  zu  sein. 
Eine  kurze  Pause  folgte  dieser  starken  Pressung,  die  dann  aufs  neue 
und  um  so  stärker  begann.  Die  „Hansa**  hob  sich  anfangs  langsam, 
stieg  dann  aber  schneller  in  die  Höhe,  bis  sie  etwa  14  Fuß  aas  ihrer 
alten  Lage  hoch  auf  das  Eis  geschroben  war.  Dann  trat  abermals  eine 
Pause  im  Schieben  des  Eises  ein  und  das  aufgeschrobene  Eis  trat 
zurück,  so  dass  nach  Verlauf  einer  Stunde  das  Schiff,  überliegend  nach 
Steuerbord,  vom  Eise  hinunter  in  das  nunmehr  freie  Wasser  gleiten 
konnte;  es  blieb  aber  auf  einer  Eiszunge  unter  Wasser  in  schiefer 
Lage  liegen. 

Die  Pumpen  wurden  gepeilt,  im  Schiffe  befanden  sich  11  Zoll 
Wasser,  gleich  darauf  12  Zoll.  Die  Pumpen  wurden  zugesetzt  und  von 
i  Uhr  nachmittags  bis  abends  7  Uhr  gearbeitet,  als  sie  zum  zweiten 
Male  lenz  schlugen.  Diese  Zeit  benQtzten  wir,  um  etwas  Nahrung  zu 
uns  zu  nehmen.  Es  mochten  10  Minuten  verflossen  sein,  als  abennak 
die  Pumpen  gepeilt  und  zugesetzt  wurden.  Es  befanden  sich  2  Faß 
4  Zoll  Wasser  im  Schiff.  —  Sturm  und  Schneegestöber  ließen  gegen 
9  Uhr  abends  nach,  der  Himmel  wurde  klar  und  es  stellte  sich  eine 
Kälte  von  —  20  Gr.  R.  ein.  Das  Wasser  aus  den  Pumpen  sammdte 
zwischen  dem  Proviant  sich  an,  welchen  wir  am  vorigen  Tage  bei  der 
Ausräumung  des  Winterquartiers  auf  das  Hinterdeck  gestellt  hatten;  es 
lief  theilweise  durch  die  Kajütskappe  in  den  unteren  Raum  zurück, 
während  das  andere  bei  dieser  niederen  Temperatur  auf  dem  Verdeck 
fror,  die  Speigossen  verstopfte,  so  dass  wir  genöUiigt  waren,  die  Schan- 
zungen  einzuschlagen.  Auch  dieses  half  wenig,  da  das  Eis  auf  dem  Ver- 
deck immer  dicker  wurde. 


583 

Den  20.  October  um  6Uhr  vonnittags,  nachdem  wir  die  ganze  Nacht 
onanfhaltsam  gepumpt  hatten,  die  Pampen  aber  durqh  das  anfrierende 
£i8  immer  dichter  wurden  nnd  das  Leck  nicht  ermittelt  werden  konnte, 
gaben  wir  das  Schiff  auf.  Es  drang  das  Wasser  bereits  von  unten  durch 
die  Ki^fltslttke  in  die  Eajate  hinein.  Vorn  war  der  Kabelraum  von 
Waaser  angefftllt.  Das  Schiff  hatte  allem  Anschein  nach  den  Kiel  ge- 
brochen und  war  in  allen  Nftthen  leck  geworden. 

Was  uns  auf  dem  Eise  zu  unserem  Lebensunterhalt  von  Nutzen 
sein  konnte,  wurde  gerettet;  wir  konnten  jedoch  nicht  allen  Proviant 
retten,  geschweige  denn  andere  Gegenstände,  wie  Kisten  mit  Samm- 
lungen etc.  Am  22.  October  kappten  wir  die  Masten,  bargen  einen 
großen  Theil  des  Tauwerkes  und  suchten  mittels  Leinen  und  Eisankem 
das  Schiff  zu  halten. 

Abends  vorher  hatten  wir  Anker  und  Taue  gekappt,  um  das  Ab- 
brechen des  Eises,  auf  welchem  unsere  geretteten  Gfiter  lagen,  zu  ver- 
hindern; da  unsere  Befestigungen  am  Eisfelde  angebracht  waren,  liefen 
wir  (refahr,  dass  die  Wucht  des  Schiffes  das  Eis  abbrechen  werde.  Am 
23.  October,  2  Uhr  morgens,  ist  das  Schiff  gesunken.  Das  große  Boot, 
welches  frei  auf  Deck  stand,  blieb  beim  Sinken  der  „Hansa^  auf  der 
Oberflftche  des  Wassers  liegen;  die  beiden  anderen  Boote  hatten  wir. 
schon  früher  auf's  Eis  gebracht. 

Der  ungefähre  Ort  des  Unterganges  der  „Hanta*'  ist  70®  50'  N. 
und  21®  W. 

Die  Liverpool-Küste  war  kaum  eine  deutsche  Meile  entfernt;  man 
sah  deutlich  ihre  Klippen  und  Berge,  die  den  Kalkalpen  bei  Manchen 
auffallend  gleichen;  man  erkannte  die  Halloway  Bai  und  die  Glasgow 
Insel ;  aber  nirgends  war  ein  Weg  durch  das  Eislabyrinth  zu  entdecken. 

So  hat  höhere  Gewalt  der  Fahrt  der  „Hansa^  ein  vorzeitiges  Ziel 
gesetzt;  mit  entschlossenem,  unverdrossenem  Sinn  war  gehandelt,  wie 
es  dem  Plane  des  großen  Unternehmens  entsprach;  der  Rendezvous- 
Platz  an  der  OstkQste  Grönlands  war  aber  nicht  erreicht. 

Allseitig,  besonders  auch  von  Herrn  Dr.  Petermann,  ward  gestern 
anerkannt,  dass  das  Geschehene,  so  weit  es  in  Menschenmacht  gelegen, 
vollständig  der  Instruction  vom  7.  Juni  v.  J.  entspreche. 

Der  Untergang  des  Schiffes  beschließt  den  ersten  Act  unserer 
arctischen  Fahrt  (15.  Juni  bis  19.  October  1869,  127  Tage).  Am 
20.  October  1869  standen  die  14  Mann,  welche  die  Besatzung  der 
„Hansa^  gebildet  hatten,  neben  den  wenigen  geretteten  Sachen  in  weiter 
EiswUste  hilflos  da.  Aber  sie  .  verzagten  nicht ;  sie  rechneten  darauf, 
dass  das  Eis  gegen  Sflden  treiben,  sie  nach  etwa  drei  Vierteljahren 
in    Regionen    bringen   werde,    wo  Bettung  möglich  sei.    Am   13.  Juni 


564 

1870  waren  die  Mflnner  in  der  Thal  gerettet,  237  Tage  nach  Uurem 
Schiffbrache.  Diese  Eisfahrt  an  der  Ostküste  Grönlands  ist  ein  Ereigms, 
von  dem  noch  sp&te  Zeiten  reden  werden.  Die  an  Schrecknissen  und 
Gefahren  reiche  Zeit  wirklich  beschreiben  zu  können,  bedarf  es  ena 
genanen  Verarfoeitnng  der  verschiedenen  Tagebflcher,  die  gestern  dem 
Comit^  übergeben  wurden.  Ausführlich  wurde  indess  in  der  Sitzong 
über  diese  Fahrt  berichtet;  verschiedene  Zeichnungen  und  Skizzen  ver- 
anschanlichten  die  Situationen. 

A^i  20.  October  legten  die  Schiffbrüchigen  ihre  durch  die  Bergungs- 
arbeiten ermüdeten  Glieder  in  einem  aus  Steinkohlen  gebauten  Hanse 
zur  Ruhe,  das  auf  einem  gewaltigen  Eisfelde  von  7  Seemeilen  Dm&og 
bereits  Ende  September  errichtet  war,  um  Bootsproviant  bergen  zu 
können.  Dieser  Bau,  in  dem  sie  87  Nächte  beim  Schein  ihrer  Petro- 
leumlampe zubringen  sollten,  war  verhältnismäßig  nicht  klein;  er  war 
20'  lang,  14'  breit  und  hatte  eine  Höhe  von  4Vt '  an  den  Wänden  und 
von  6'  in^  der  Mitte  des  aus  Spieren  und  Planken  gemachten  Daches. 
Proviant  und  Kleidung  war  in  hinreichender  Menge  gerettet ;  der  Koch- 
ofen  war  geborgen;  Brennmaterial  lieferten  die  gekappten  Masten  und 
sonstigen  Schiffstheile ,  die  zu  retten  gewesen  waren;  verloren  giengea 
aber  fast  alle  wissenschaftlichen  Instrumente,  die  angelegten  Samm- 
lungen von  Thieren,  Zeichnungen,  Photographien  etc.  etc.  Was  sollten 
auch  diese  für  die  Fristung  des  Lebens  entbehrlichen  Dinge  in  dem 
engen  Hause,  das  zum  Stehen  und  Gehen  nur  einen  Gang  von  2^/,' 
Breite  bot,  was  ^llten  sie  später  in  den  Booten,  wo  es  auf  jeden  Quadrat- 
zoll Platz,  auf  jedes  Pfund  Gewicht  ankam? 

Das  Leben  in  dem  Hause  glich,  was  Regelmäßigkeit,  Wachtdienst, 
Yertheilung  der  Arbeiten  anbelangte,  ganz  dem  auf  dem  Schiffe;  die 
Lagerstellen  waren  wie  die  Kojen  mit  einfachen  Schlafsäcken  ausge- 
stattet, neben  dem  Hause  wehte  von  hoher  Stange  die  schwarz-weiß- 
rothe  Plagge,  welche  als  treues  Symbol  der  Heimat  alle  Wechselfllle 
überstehen  soUte  und  gestern  dem  Gomit^  wieder  überreicht  wurde.  Die 
Kälte  betrug  im  Durchschnitt  nur  —  22®  R.;  aUein  einige  Male  fiel 
die  Temperatur  auf  —  25^  R. ;  die  höchste,  bloß  während  kurzer 
Dauer  bemerkte  Kälte  war  —  26®  R.;  die  schweren  Pelze  wurden  nur 
als  Decken  für  die  Pritschen  benützt.  Die  Küste  war  bei  klarem  Wetter 
fast  immer  deutlich  zu  erkennen. 

Eisbären  und  weiße  Füchse  besuchten  die  Einsiedler  dann  und 
wann ;  wer  weiß,  woher  sie  verschlagen  waren  und  welche  Irrfahrten 
jene  schwimmend,  diese  von  Scholle  zu  Scholle  springend,  voQfiBhrt 
hatten;  sie  mochten  vom  Lande  kommen,  allein  Menschen  wären 
verloren  gewesen,    wenn  sie  das  Land  hätten  erreichen  wollen.    Unter 


665 

migeheiireii  Anstrengimgen  and  Gefahren  w&re  es  vielleicht  möglich  ge- 
wesen, aber  nur  nnter  Zorflcklassang  der  Lebensmittel  und  der  Boote 
der  Rettang!  Die  Trift  nach  Sflden  gieng  anaasgesetzt  vor  sich.  Ende 
December  befand  man  sich  anf  dem  68.  Grad.  Fast  3  Grade  südlicher, 
als  der  Schiffbrach  stattgefunden  hatte,  ward  das  Weihnachtsfest  ge- 
feiert lieber  dasselbe  lesen  wir  in  einem  der  Tagebflcher  wörtlich: 
i,Am  Weihnachtstage  hatten  wir  Regen.  W&hrend  wir  nachmittags 
spazieren  giengen,  richteten  die  Stenerleate  den  Christbaom  auf,  indem 
sie  in  einen  Stab  Besenreiser  wie  Tannenftste  einfügten.  Für  die  Lichter 
hatte  ich  einen  Wachsstock  gespart  Papierketten  and  selbstgebackene 
Lebkachen  zierten  den  Baam;  die  Leate  hatten  dem  Capitän  einen 
Knappsack  and  eine  Revolvertasche  gemacht;  wir  öffneten  die  Blech- 
kiste von  Professor  Hochstetter  and  die  andere  von  der  geologischen 
Reichsanstalt,  deren  Inhalt  ans  viel  Spass  machte.  Dann  tranken  wir 
ein  Glftschen  Portwein,  fielen  über  die  alten  Zeitangen  her,  welche  sich 
in  der  Kiste  fanden,  and  verlosten  die  Geschenke  von  Hochstetter.  In 
süDer  Weihe  gieng  das  Fest  vorüber;  welche  Gedanken  an  der  Seele 
vorbeizogen  —  sie  waren  wol  bei  allen  gleich  —  schreibe  ich  nicht 
nieder.  Wenn  diese  Weihnachten  die  letzten  sind,  die  wir  erleben,  so 
waren  sie  immer  noch  schön  genag.  Ist  ans  aber  eine  glückliche  Rück- 
kehr beschieden,  so  werden  die  nächsten  Weihnachten  noch  ein  größeres 
Fest  sein;  das  walte  Gott!" 

Das  nene  Jahr  begrüßte  die  Eisfahrer  sehr  anfreandlich;  der 
Jftnner  1870  brachte  ihnen  die  schwersten  Gefahren.  Am  2.  Jänner 
waren  sie  anf  67^  47'  n.  B.  and  34®  1  w.  L.  dicht  anter  der  Küste 
in  einer  Bai,  die  sie  die  „Schreckensbncht^  nannten.  Ton  jenem  Tage 
erzahlt  ans  eines  der  Tagebücher:  „Ein  plötzliches  starkes  Dröhnen 
unserer  Scholle  jagte  ans  alle  von  nnseren  Lagern  empor;  wir  hatten 
keine  Ahnoii^,  was  dieses  Getöse  bedeaten  könne;  draaßen  wütete  das 
Wetter  onanfhaltsam  —  wäre  es  hell  and  klar  gewesen,  so  würden  wir 
in  noch  größerer  Unrnhe  gelebt  haben.  Obgleich  anser  Eingang  völlig 
verschneit,  ja  das  ganze  Hans  mehr  als  einen  Faß  tief  im  Eise  be- 
graben war,  liefen  alle  hinaas;  aber  natürlich  konnte  man  keine 
10  Schritt  weit  sehen  and  kein  anderes  Lärmen  vernehmen,  als  das 
Wüten  des  Starmes.  Wir  legten  ans  nan  im  Gange  platt  nieder,  das 
Ohr  gegen  den  Boden,  and  vernahmen  ein  Geräasch  wie  das  Singen  des 
Eises,  wenn  es  stark  gepresst  wird,  and  wie  das  Reiben  des  Eises,  wenn 
es  über  Klippen  hinweggeht  Es  war  kein  Zweifel :  wir  befanden  ans  in 
sehr  gefahrvoller  Lage.  Angekleidet  legten  wir  ans  am  2  ühr  nachts 
auf  unsere  Schlafsäcke  and  erwarteten  sehnsüchtig  das  Tageslicht  Das 
Wetter  ward  schlimmer   and   schlimmer.    Etwa   am    10  ühr   morgens 


566 

giengen  emige  von  uns,  als  der  Wind  etwas  abMhete  und  der  SchiMe 
nicht  so  stark  gepeitscht  wnrde,  durch  tiefsten  Schnee  nach  dem  Platze, 
neben  dem  die  „Hansa^  gelegen  hatte.  Etwa  200  Sehritt  yom  Haue 
entfernt,  sahen  wir  zn  unserem  größten  Entsetzen  die  anfgetünnte 
Grenze  unseres  Feldes  dicht  vor  ans.  So  weit  wir  sehen  konnten,  war 
unser  Feld  zertrümmert.  Dunkle  GegenstHnde ,  welche  hin  und  wieder 
in  dem  dichten  Schneegestöber  sich  erkennen  ließen,  waren  die  Eis- 
trümmer  unserer  Scholle.  Sie  ist  in  zahlreiche  Stücke  zerbrochen,  Ton 
welchen  das,  auf  dem  wir  wohnen,  freilich  noch  das  größte  ist,  aber 
auch  bei  dem  nächsten  Schieben  zertrümmern  kann.  Wir  machten  unsere 
Brottaschen  fertig,  um  bei  der  schnellsten  Flucht  wenigstens  noch  anf 
kurze  Zeit  das  Leben  fristen  zu  können;  aber  in  diesem  Unwetter 
sinkt  man  bei  jedem  Schritt  bis  über  die  Hüften  in  den  Schnee  und 
eilt  vielleicht  gerade  in  die  größte  Gefahr  hinein." 

Nach  diesem  Tage  wiederholten  sich  mehrfach  ähnliche  Scenen; 
die  schlimmste  Nacht  war  die  vom  11.  auf  den  12.  Jänner,  als  die 
Boote  in  Gefahr  waren,  weggebrochen  zu  werden.  Die  Mannschaft  theüte 
sich  in  zwei  Partien  und  nahm  von  einander  Abschied;  jede  Partie 
stand  fertig  zum  Aufbruch  neben  einem  der  Boote  —  das  Grofiboot 
war  ganz  aufgegeben;  —  bei  dem  furchtbaren  Wetter  zog  sich  eine 
Eiskruste  über  das  Gesicht,  die  mit  dem  Messer  entfernt  weiden 
musste,  wenn  man  etwas  genießen  wollte;  der  Schnee  gieng  durch  alle 
Kleider  hindurch.  Mehreren  erfroren  einzelne  Gliedmaßen  und  einige 
der  Tagebücher  konnten  für  l&ngere  Zeit  nicht  weiter  geführt  werdm, 
da  die  Hände  erfroren  waren.  „Nur  durch  ein  Wunder  der  Yors^ung 
sind  wir  gerettet",  heißt  es  im  Journale  des  Capitäns. 

Am  14.  Jänner  war  das  Eisfeld  bereits  so  weit  abgebrochen,  dass 
das  Haus  verlassen  werden  musste,  fünf  Tage  hatte  man  während  der 
Nacht  in  den  Booten  zu  campieren,  die  mit  Verdecken  vei%ehen  waren. 
Am  19.  Jänner  wurde  ein  neues  Haus  fertig,  das  aus  den  Trümmern 
des  alten  und  Schnee  als  Mörtel  erbaut  war.  Aber  es  war  nur  14  Fuß 
lang  und  8  Fuß  breit,  nur  sechs  Personen  konnten  in  ihm  schlafen,  die 
übrigen  mussten  in  einem  kleinen  Eochhause  und  in  den  Booten  üne 
Nachtruhe  halten.  So  verbrachten  unsere  Freunde  108  Tage  bis  zun 
7.  Mai.  Das  große  Eisfeld  war  nur  noch  eüd  Stück  Treibeis;  als  es 
verlassen  wurde,  betrug  sein  Umfang  kaum  200  Schritt.  Die  Kleinheit 
war  in  der  Region  der  schwimmenden  Eisberge  ein  unverkennbarer 
y ortheil;  die  Scholle  wand  sich  oftmals  zwischen  die  Kolosse  hindurch, 
als  werde  sie  voa  unsichtbarer  Hand  gesteuert ;  sie  war  bisweilen  rings 
von  gewaltigen  Eisbergen  umgeben,  wie  die  Sohle  eines  tiefen  Gebiigs- 
kessels;  dasn  öffnete  sich  wieder  die  Trift.  Manches  ergreifende  Schau- 


567 

spiel  bot  sich  den  Blicken,  so  z.  B.  am  19.  März.  In  einem  der  Taf(e- 
bncher  lesen  wir:  „Soeben  hatten  wir  einen  imposanten  Anblick,  das 
groBartigste  Schauspiel  unserer  ganzen  Reise.  Wie  schon  erwähnt,  sahen 
wir  in  den  letzten  Tagen  große  Massen  in  der  Linie  unserer  Trift  lie- 
gender Eisberge. 

Wir  waren  gegen  Mittag  anf  einen  dieser  Kolosse  losgetrieben  und 
befanden  uns  in  seiner  unmittelbaren  Nähe.  Er  stauchte  den  Gang  des 
Eises  auf,  somit  auch  unsere  Scholle.  Das  Eis  drängte  hart  gegen  ihn 
an  und  bäumte  sich  empor.  Der  Eisberg  hatte  über  Wasser  eine  IKVhe 
von  circa  lÜO  Fuß,  eine  Länge  von  circa  3000,  eine  Breite  von  drca 
800  Fuß,  seine  Wände  erhoben  sich  steil  und  senkrecht  aus  dem  Wasser, 
jedoch  waren  auch  Stellen  vorhanden,  wo  das  Besteigen  möglich  ge- 
wesen wäre.  Wir  verlangten  nicht  darnach,  denn  ohne  Unterlass  polterte 
und  rumorte  es  in  der  Eismasse.  Wenn  ein  Borst  sprang,  war  es  ein 
Geräusch  wie  die  Gewehrsalve  eines  ganzen  Bataillons;  dann  grollte  und 
murrte  es  geheimnisvoll  in  seinem  Innern,  als  ob  Geister  darin  ihr 
Wesen  trieben.  Das  Aeußere  war  zerborsten  und  zerklüftet  und  schwarze 
Höhlen  öffneten  ihren  Schlund.  Um  5  Uhr  setzte  die  gewaltige  Masse 
sich  wieder  in  Bewegung,  von  der  Sonne  prachtvoll  beleuchtet.' 

Am  7.  Mai  verließen  die  unverdrossenen  Männer  das  Eisstäck, 
das  sie  200  Tage  getragen  hatte.  Es  war  auf  dem  6P  12'  N.  and 
drca  42"  W.  Die  Südspitze  Grönlands  mit  ihrer  schweren,  der  Eis- 
scholle GeÜEÜir  bringenden  Dflnnung,  das  Gap  Farewell  mit  seinen  Stür- 
men konnte  nicht  mehr  fem  sein;  der  Proviant  war  sehr  zusammen- 
gesehmoken;  nach  der  Küste  zu  zeigte  sich  offenes  Wasser.  Die  drei 
Boote,  die  stets  segelfertig  waren,  lagen  mit  ihrem  Zubehör  nach  Ver- 
lauf von  vier  Stunden  in  schiffbarem  Wasser ;  die  Mannschaft  vertheilte 
sich  in  die  Boote;  Gapitän  Hegemann  fahrte  die  „Hofteung'',  Steuer- 
mann Hildebrandt  den  „Bismarck'*,  Steuermann  Bade  den  „König  Wil- 
helm'^ ;  so  waren  die  Boote  getauft.  Ein  dreifaches  Hurrali  und  fort 
gieng  es  unter  Segel;  aber  nur  zwei    Tage  sollte  die  Fahrt  dauern. 

Bis  auf  circa  3  Seemeilen  hatte  man  sich  der  Küste  genähert,  da 
verhinderten  undurchdringliche  Eisbarrieren  jedes  Vordringen.  Man 
mosste  sich  entschließen,  die  Boote  über  das  Eis  zu  ziehen  und  aufs 
neue  auf  dem  Eise  zu  campieren.  Jene  Arbeit  dauerte  vom  10.  Mai 
bis  4.  Juni  und  diese  25  Tage  verlangten  bei  halben  Rationen  uner- 
hörte Anstrengungen  von  der  Mannschaft;  kaum  500  Schritte  waren 
die  Boote  in  einem  Tage  aus  der  Stelle  zu  bringen ;  auf  Spirituslampen 
musste  die  Nahrung  erwärmt  werden;  die  Schneeblindheit  brach  aus, 
se  dass  die  Blendgläser  von  den  aetronomischen  Instrumenten  die  ver- 
loren gegangenen  Schneebrillen  ersetzen   mussten.    Am  4.  Juni  war  das 


568 

Land  erreicht,  die  Öde  Felseninsel  Idlnitlik  auf  61®  N.  Auf  dem  Eise 
ward  gerastet  und  Pfingsten  gefeiert.  Yom  6.  bis  13.  Jiini  fahren  die 
drei  Boote  der  „Hansa^  an  der  Küste  herunter  Iftngs  der  steil  ab- 
Menden Klippen,  die  kanm  die  ersten  Anfi&nge  einer  Vegetation  zeigten. 
Trotz  mancher  Hindemisse  und  heftiger  Stürme  gelang  die  Fahrt;  am 
13.  Jnni  ö&ete  sich  eine  breite  Bucht,  es  zeigte  sich  Grrfln;  rothe 
Haaser  wurde  sichtbar ;  Menschen  standen  auf  den  Klippen  und  sehanten 
erstaunt  der  räthselhaften  Fahrt  der  Boote  zu ;  ein  Kajak  eilte,,  sicli 
ftngstUch  an  der  Küste  haltend,  vorüber.  „Das  ist  ja  uiisere  deutsche 
Flagge'^  t&nt  es  vom  Lande  her  über  das  Wasser.  Die  Bettung  war 
da;  die  ersten  Menschen,  denen  die  Geretteten  die  Hand  drücktei, 
waren  deutsche  Landsleute.  Die  Mission&re  von  Friedrichsthal  Starik 
und  Gerike  nahmen  sich  der  Schiffbrüchigen  in  freundlichster  Weise  an, 
speisten  die  Ausgehungerten  und  pflegten  die  Ermatteten  bis  zum  16.  JunL 
Unter  den  Eskimos  verbreitete  sich  rasch  die  Kunde  von  der  uner- 
hörten Eisfahrt;  sie  eilten  herbei,  die  Fremden  zu  begrüßen  und  traten 
mit  denselben  in  Verkehr. 

So  ward  der  Jahrestag  der  Nordpol-Expedition  gefeiert.  An  diesen 
Tage  (15.  Juni)  wussten  die  Geretteten  bereits,  dass  sie  die  Heimkehr 
bald  beginnen  könnten ;  die  königlich  dänische  Handelsbrigg  „Constanoe*' 
Capit&n  Bang,  hatte  in  kurzer  Zeit  eine  ihrer  gewöhnlichen  Fahrten 
zwischen  Grönland  und  Kopenhagen  anzutreten;  man  musste  desshalb 
nach  Julianshaab  zu  kommen  suchen,  dem  Abgangsorte  jenes  Pakete 
boots.  So  b^ann  dann  der  Schlussact  des  Unternehmens,  die  Heimkehr. 
Die  Boote  von  der  „Hansa^  brachten  ihre  Insassen  am  16.  Juni  nach 
Nennortalik,  wo  der  dänische  Beamte  Rosing,  am  17.  nach  Lichtenau, 
wo  der  Mission&r  Spindler  sehr  entgegenkommend  war.  \<m  Lichtenau 
ward  ein  Bote  an  den  Coloniesteuererheber  Kursch  in  Julianesfaaab  ent- 
sendet, um  die  Erlaubnis  zur  Fahrt  mit  der  „Constance''  zu  erbitten. 
Fast  sollte  hier  noch  ein  Misgeschick  eintreten,  indem  das  Schiff  ana- 
gelaufen war;  die  Dichtigkeit  des  Eises  zwang  indess  zur  Bückkehr  und 
Capitftn  Bang,  ein  Schleswiger  von  Geburt,  lud  freundlichst  zur  Mit- 
fiihrt  ein.  ,Am  22.  Juni  verließen  wir  die  Boote  von  der  „Hansa',  die 
uns  so  treu  gedient  hatten ;  am  1.  September  landeten  wir  in  Kopenhagen: 
staunend  hatten  wir  von  dem  dänischen  Lootsen  die  Kunde  von  dem 
großen  Kriege,  jubelnd  die  von  den  herrlichen  Siegen  vernommen.^ 

So  etwa  in  kurzen  Zügen  der  Bericht  von  Capitän  Hegemann  und 
Genossen. 

An  Bord  der  Hansa  befanden  sich: 

Capitän:  Paul  Friedrich  August  Hegemann,  geboren  zu  Hooksiel, 
wohnhaft  in  Oldenburg. 


569 

Br.  Phil.  Gustav  Lattbe,  Bocent  an  der  Uniyersit&t  und  poljrtech- 
nischen  Schule  zu  Wien,  aus  Teplitz. 

Dr.  Med.  Reinhold  Wilh.  Buchholz,  Docent  an  der  Universität  zu 
Greifswalde. 

f.  Officier:  Richard  Hildebrand,  aus  Magdeburg;  2.  Officier: 
Wilhelm  Bade,  geboren  zu  Hohen- Wieschendorf,  wohnhaft  in  Rostock. 
Zimmermann:  Wilhelm  Bowe,  geboren  zu Groteliste,  wohnhaft  in Grohn ; 
Koch:  Johann  Wübkes,  aus  Jourse.  Matrosen:  Philipp  Heyne  aus 
Helfta,  Mansfelder  Seekreis;  Friedrich  Xewell  aus  Bremen;  Bernhard 
Gätjen  aus  St.  Magnus;  Max  Schmidt,  geboren  zu  Beuthen,  wohnhaft 
in  Königsberg ;  Paul  Tilly,  geboren  zu  ,Brakel,  wohnhaft  in  Pr.  Minden ; 
H.  Büttner  aus  Bremen ;  Konrad  Gierke,  geboren  zu  Bromberg,  wohn- 
haft in  Stettin. 

Die  Erlebnisse  der  unerschrockenen  Nordfahrer,  die  Ergebnisse 
der  denkwürdigen  Eisfahrt  sind  so  mannigfach  und  reich,  dass  die 
Ausbeute  der  Expedition  nicht  gering  anzuschlagen  ist.  Freilich  ist  aus 
ihr  keine  Entdeckungsfahrt  geworden;  aber  sie  wird  außer  mehreren 
geographischen  Resultaten  manches  wissenschaftlich  wertvolle  zu  Tage 
fördern,  besonders  fflr  Meteorologie  und  Kupde  der  Meeresströmungen;. 
sie  erzählt  ein  Stflck  deutschen  Seemannslebens,  das  unserem  Seemanns- 
stande zu  hoher  Ehre  gereicht. 

Gestern  war  ein  Jahr  seit  dem  Tage  verflossen,  an  dem  die  „Hansa"' 
zuerst  vom  Eise  besetzt  wurde. 

Was  die  Publicationen  anbelangt,  so  beschloss  die  gestrige  Sitzung 
des  Comit^,  dass  zunächst  ein  Officialbericht  vom  Capitfin  Hegemann, 
als  dem  Führer  der  Expedition,  an  Herrn  Dr.  Petermann  erstattet  und 
veröffentlicht  werden  solle;  alsdann  sollen  in  einer  mit  Abbildungen 
versehenen  Broschüre  die  näheren  Details  zusammengestellt  werden.  Für 
die  weitere  wissenschaftliche  und  nautische  Bearbeitung  des  Materiales 
werden  später  die  einzelnen  Mitglieder  der  Fahrt  selbständig  Sorge  tragen.. 

Die  „Hansa""  hat  andere  Schicksale  erfahren,  als  wir  im  Juni  1869 
voraussehen  konnten.  Ihre  Theilnahme  an  der  Nordpol-Expedition  sollte 
die  eines  Begleit-  und  Transportschiffes  für  den  Dampfer  „Germania" 
sein;  seit  dem  19.  Juli  1869  ist  dieses  aber  bereits  ohne  ihre  Be- 
gleitung; wir  sind  seitdem  über  das  Schicksal  der  „Germania^  ohne 
alle  Nachrichten.  Sie  hatte  70  Tonnen  Kohlen  an  Bord  und  Proviant 
für  zwei  Jahre;  sie  ist  für  den  Fall  einer  Eisbesetzung  wegen  ihrer 
schlankeren  Formen  günstiger  gebaut;  die  Männer  an  Bord  stehen  an 
Mut  und  Ausdauer  denen  der  „Hansa*"  gewiss  nicht  nach. 

Welch'  ein  Schicksal  Koldewey  und  seine  Gefährten  getroffen  hat, 
vermag  niemand  zu  sagen;   das  Comit^   hat  sorgsam   die  Ansichten  der 

Mittheilangen  d.  geogr.  GeseU.  1870.  18.  37 


570 

„Hansa''  M&nner  erforscht;  sie  inigten  sich  im  allgemeinen  dahin, 
die  Wahrscheinlichkeit  walte  ob,  dass  die  „Germania''  ihr  Ziel,  die 
Ostkfiste  Grönlands  erreicht  habe  and  in  nächster  Zeit  heimkehren 
werde.  Das  walte  Gott ! 

Aus  den  Verhandlungen  und  Beschlüssen  der  Comit^sitzung  theflen 
wir  zum  Schluss  noch  folgendes  mit. 

Die  Sammlungen  für  die.  Expedition  haben,  Dank  der  Theilnahme 
unserer  Nation,  einen  Betrag  von  etwa  70.000  Thlr.  Courant  aufge- 
bracht; davon  sind  nach  Bezahlung  der  Ausrüstungskosten  etc.  unge- 
ffthr  5000  Thlr.  Courant  noch  zur  Verfügung.  Die  „Hansa''  ist  zum 
Werte  von  10.000  Thlr.  Gold  versichert  und  wird  diese  Summe  ohne 
Zweifel  sofort  von  den  Versicherem  entrichtet  werden;  es  ist  indess 
nicht  gelungen,  die  „Germania""  oder  die  an  Bord  beider  Schiffe  ge- 
nommenen Instrumente  zu  versichern ,  da  die  dafür  geforderte  Prämie 
von  20  und  25  pCt.  einestheils  zu  hoch  erschien  und  andemtheils  im 
vorigen  Sommer  bei  der  Höhe  der  Schulden,  die  auf  dem  unternehmen 
lasteten,  nicht  bezahlt  werden  konnte.  Wollte  man  davon  ausgehen,  dass 
nach  dem  geltenden  Rechte  die  Mannschaft  eines  verloren  gegangenen 
Schiffes  nur  soweit  Anspruch  auf  Bezahlung  ihrer  Gkige  hat,  als  ein 
Erlös  vom  Schiffe  oder  dessen  Ladung  vorhanden  ist ,  so  würde  in  dem 
Falle  der  „Hansa",  da  Alles  verloren,  Capitän  wie  Mannschaft  nicht 
allein  leer  ausgegangen,  sondern  auch  schon  von  Kopenhagen  für  Staats- 
rechnung zu  befördern  gewesen  sein.  Da  indess  der  oben  erwähnte 
Ueberschuss  von  den  Sammlungen  so  wie  die  Assecuranzgelder  zur  Ver- 
fügung sind,  beschloss  das  Comit^  von  der  Strenge  des  Gesetzes  ganz 
abzusehen  und  sowol  die  Kosten  der  Beförderung  von  Grönland  über 
Kopenhagen  nach  Bremen  vollständig  zd  ersetzen,  als  auch  die  in  der 
Musterrolle  ausbedungene  Gage  für  die  Zeit  von  vollen  15  Monaten  zn 
bezahlen ;  im  Anschluss  hieran  bewilligte  das  Comit^  den  beiden  wissen- 
schaftlichen Begleitern  ein  Honorar.  Diese  gesammten  Kosten  belaufen 
sich  auf  circa  7500  Thlr.  Courant.  Außerdem  erhielt  die  Besatzung 
der  „Hansa*"  aus  der  bremischen  Seemannscasse  nach  den  Normen  de^ 
selben  Ersatz  für  verlorene  Effecten.  Die  verlorenen  nautischen  Instru- 
mente und  wissenschaftlichen  Apparate  konnten  den  Eigenthfimem 
einstweilen  nicht  ersetzt  werden,  da  das  Comit^  den  Rest  der  Mittel 
der  nach  Eingang  der  Assecuranzgelder  noch  zur  Verfügung  steht,  fibr 
die  Rückkunft  der  „Germania"  glaubte  bereit  halten  zu  müssen;  es 
wurde  jedoch  zugesichert,  dass  später,  falls  die  Mittel  es  eriauben 
würden,  auch  jene  Verluste  gedeckt  werden  sollten. 

Das  Comit^  ist  der  Ueberzeugung,  dass  diese  Beschlüsse  dem  Sinne 
der  G«ber  entsprechen;  es  hat  deshalb  die  durch   Ausführung  derselben 


571 

erwachsende  moralische  Verantwortlichkeit  nicht  gescheut.  Unsere  braven 
Seeleute,  deren  Ausdauer  und  Tflchtigkeit  in  schwerster  Prüfung  sich 
so  trefflich  bewährt  hat,  durften  wir  nicht  mit  leeren  Händen  in  die 
Heimat  zurückkehren  lassra. 


Verzeichnis  der  ordentlichen  Mitglieder  der  geographiechen 

Gesellschaft 

nach  dem  Jahre  ihres  Eintritts  geordnet*). 

1856. 

Alt,  Dr.  Alois,  Uniyersit&ts-Professor  in  Er a kau. 

Arenstein,  Dr.  Joseph,  Gutsbesitzer  in  Stuppach. 

Bauer,  Dr.  Alexander,  JProfessor  an  der  Handelsacademie  in  Wien. 

Becker  Moriz  Alois,  Kitter  v.,  k.  k.  Landes-Schnlinspector  in  Wien. 

Beer,  Dr.  Adolph,    k.   k.  Ministerialrath  und   Professor  am  polytechnischen 

Institute  in  Wien. 
Beer,  J.  G.,  in  Wien. 
Bergmann  Joseph,   Ritter  v.,  Begierungsrath  und  Director  am  k.  k.  Münz- 

und  Antiken-Uftbinete  in  Wien. 
B 1  a h a ,  Franz  P.,  Consistorialrath  und  Bezirksdechant  in  Heraltitz,  M&hren. 
Boschan,  Dr.  Friedrich,  in  Wien. 
Braumüller  Wilhelm,  k.  k.  Hof-Buchh&ndler  in  Wien. 
(A.  M.)  B reu ner-£nkevoirth  August,  Graf  v.,  k.  k.  Oberst,  £rbland-K&mmerer 

in  Wien. 
Burg  Adam,  Freiherr  v.,  k.  k.  Hofrath  in  Wien. 
Buterweck  Carl .  k.  k.  Hauptmann-Auditor  in  Maros-Yasarhely. 
Conrad  Michael,  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien.  ^ 

iA.  M.)  C  Zorn  ig  Carl,  Freiherr  von,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rathin  IschU 
Egg  er  Franz,  Dr.,  Hof-  und  Gerichtsadvocat  in  Wien. 
Parkas  von  Yucotinovic  in  Agram. 
Felder,  Dr.  Cajetan,  Bürgermeister  in  Wien. 
Fenzel,  Dr.  Eduard,  k.  k.  Regierungsrath,  Professor  und  Director  des  k.  k. 

botanischen  Gartens  in  Wien. 
Ficker,    Dr.  Adolph,    k.   k.    Hofrath  und  Director  des  Bureaus  für  admini- 
strative Statistik  in  Wien. 
Figdor  Gustav,  Großhändler  in  Wien. 
(A.  M.)  Fligely  August,  v.,  k.  k.  Feldmarschallieutenant,  Difector  des  k.  k. 

militär-geographischen  Instituts  in  Wien. 
Foetterle  Franz,  k.  k.  Bergrath  in  Wien. 

Frauenfeld  Georg,  Ritter  von,  Custos  am  k.  k.  zoologischen  Cabinet  in  Wien. 
Friesach,  Dr.  Carl,  k.  k.  Professor  in  Graz. 
Fritsch  Carl,    Vicedirector    der   k.  k.  Centralanstalt   für  Meteorologie   und 

Erdmagnetismus  in  Wien. 
Gigl  Alexander,  Archivar  im  k.  k.  Ministerium  des  Innern  in  Wien. 
Gmelin,  Dr.  Otto,  Ingenieur  der  Staatseisenbahngesellschaft  in  Wien. 
Gddel-Lannoy  Oscar,  Ritter  v.,   Präsident  der  k.  k.    Central-Seebehörde 

in  Tri  est. 


*)  Jene  P.  T.  Mitglieder,  welche  mehr  als  den  statutenmäßigen  Jahres- 
beitrag für  die  Zwecke  der  Gesellschaft  leisten,  sind  in  dem  Verzeichnisse  als 
außerordentliche  Mitglieder  lA.  M.)  bezeichnet. 

Da  bis  zur  nächsten  Jahresversammlung  (December  1870)  das  alpha- 
betisch geordnete  Verzeichnis  der  P.  T.  Mitglieder  neu  aufgelegt  wird, 
90  ersucht  man,  allfällige  Irrungen  in  den  Angaben  des  vorliegenden  Ver- 
zeichnisses noch  zeitig  genug  an  die  Kanzlei  der  Gesellschaft  (durch  die 
Kunsthandlung  Artaria  &  Comp.,  Wien,  Kohlmarkt)  gelangen  zu  lassen. 

A.  d.  R. 

37* 


672 

Gorizutti  Franz,  Freiherr  ▼.,  k.  k.  Feldmarschftllieatenant  in  Marie nliof 

(Steiermark). 
Gugg  von   Guggenthal  Victor,   k.  k.  ObristUeatenant,    Schloss  Ponigl 

(Steiermark). 
Gutmannsthal  Ludwig,  Kitter  v.,  Wien. 
Haidinger  Wilhelm,    Ritter  v.,   k.  k.  Hofrath  in  Wien  (zugleich  Ebieo- 

mitgliedi. 
Hammer-  Purgstall  C,  Freiherr  v.,  Schloss  Hainfeld  in  Steiermark. 
Hartnigg  Paul,  Bergwerksbeamter  in  Feistritz  (Steiermark). 
Hauer  Franz,  Kitter  v.,  k.  k.  Sectionsrath  und  Director  der  k  k.  geologiscl»& 

Reichsanstalt  in  Wien. 

Hauer  Julius,  Ritter  von,  k.  k.  Professor  in  Leoben. 

Haus  lab  Franz,  Ritter  v. ,   k.  k.   wirklich,    geh.   Rath,   Feldzeugmeister  in 

Wien  (zugleich  Ehrenmitglied). 
Hingenau  Otto,   Freiherr  von,  k.  k.  wirkl.  Kämmerer  und  Ministerialrath  in 

Wien.  ' 

Hirten feld,  Dr.,  Redacteur  der  Wehrzeitung  in  Wien. 
Hochstetter,  Dr.  Ferdinand  von,  Professor  am   polytechnischen  Institatm 

Wien. 
Hochstetter  Carl,  Fabriksbesitzer  in  Wien. 
Hofer  Joseph,  Professor  in  Wien. 

Hoffer  Joseph,  Beamter  bei  der  Donau-Dampf schi&hrtsgesellschaft  in  Wien. 
Hoffinger,  Dr.  Johann,  Ritter  von,  k.  k.  Ministerialsecret&r  in  Wien. 
Hornig,  Dr.  Emil,  kais.  Rath  und  Professor  in  Wien. 
Kerner,  Dr.  Anton,  Universitätsprofessor  in  Innsbruck. 
Köche  1,  Dr.  Ludwig,  Ritter  von,  kaiserl.  Rath  in  Wien. 
Lerch.  Dr.  Johann,  in  Wien. 

Lipoid  Marcus  Yincenz,  k.  k.  Ober-Bergrath  in  Idria. 
(A.  M.)  Luby  Kaspar  £.,  Ingenier  und  Bauverwalter  in  Csakvar. 
Marschall  auf  Burghausen  August  Fridrich,  Graf  von,  k.  k.  Kämmerer 

in  Wien. 
Miller  August  von  und  zu  Aichholz  in  Wien. 
Pechmann  Eduard,  Ritter  von,  k.  k.  General-Major  in  Wien. 
Petz  Eduard,  k.  k.  Oberstlieutenant  in  Wien. 

Pierre,  Dr.  Victor,  Professor  am  k.  k.  polytechnischen  Institute  in  Wie  n. 
Pino  Felix,  Freiherr  v.  Friedenthal,  k.  k.  Statthaltereirath  in  Gör z. 
Plentzner  Franz,  Ritter  von  Schar  neck,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien. 
Pohl,  Dr.  Joseph,  Professor  am  k.  k.  polytechnischen  Institute  in  Wien. 
Reis  Sek,  Dr.  Siegfried,  Gustos  am  k.  k.  botanischen  Museum  in  Wien. 
Repitsch  Johann,  Realschulprofessor  in  Krems. 
Reslhuber  Augustin,  Abt  des  Benedictinerstiftes  in  Krems münster. 
Ruth n er,  Dr.  Anton,  Edler  von,  Hof-  und  Gerichtsadvocat  in  Wien. 
Salm-Reifferscheid-Krautheim  Hugo,  Fürst  von,  Wien. 
Schall hamm er     Johann,    Ritter    von,     k.     k.     Postcontrollor     i.   P.  in 

Brixen  (Tirol). 

Scherzer,  Dr.  Carl,  Ritter  von,  k.  k.  Ministeriab»th  in  Wien. 
Schuberth   W.,   k.     k.    Schulrath    und     Gymnasialdirector   in     Teschen 

(Schlesien). 
Sedlaczek  Ernst,  k.  k.  Hauptmann  in  Steinamanger  (Ungarn). 
Seybel  Emil,  Fabriksbesitzer  in  Wien. 
Simony,  Dr.  Friedrich^  Universitätsprofessor  in  Wien. 
Sonderleithner  Georg,  k.  k.  Ministerialconcipist  in  Wien. 
Sonklar  von  Instätten  Carl,  k.  k.  Oberst  in  Wiener  Neustadt. 
Steinhauser  Anton,  kais.  Rath  in  Wien, 
ürlinger  Paul,  Pfarrer  in  Scheibs  (Niederösterreich). 
Werner  Joseph^  Freiherr  von,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath  in  Graz. 
Wilczek  Heinnch,  Graf  von,  k.  k.  Kämmerer  in  Wien. 
Wolf  Heinrich,  Reichsgeologe  in  Wien. 
Wülle r st orf-Urbair  Bernhard,  Freiherr  von,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath 

in  Graz. 
Zhishmann,  Dr.  Joseph,  Universitätsprofessor  in  Wien. 


573 

1857. 

Antoine  Franz,  k.  k.  HoiJsarten-Director  in  Wien. 

(A.  M.)  Bach,   Dr.  Alexander,    Freiherr  von,   k.    k.    wirkl.    geheimer   Bath 
in  Wien. 

Bruj^la^n  Wilhelm,  k.  k.  Berghauptmanu  in  Ofen  (Ungarn). 

Costa,  Dr.  Erwin  Heinrich,  in  Laibach. 

Denk  Alois  in  Wien. 

Doleial  Anton,  Revident  im   statistischen  Bureau  des  Handelsministeriums 
in  Wien. 

Dreer,  Dr.  Fr.  v.,  in  Triest. 

Enk  von  der  Burg  Carl,  k.  k.  Landesschuleninspector  in  Wien. 

Fa bisch  Joseph,  k.  k.  Generalmajor  in  Graz. 

F ritsch  Joseph  in  Zinnwald  (Böhmen). 

6a nah  1  Johann,  k.  k.  Obrist  in  Wien. 

Goehlert  T.  V. ,  Ministerialsecretär  im  k.  k.  Ministerium  des  Innern. 

Guislainde  Lens  Ludwig,    Secretär   der   galizischen  Carl-Ludwigs- 
Bahn  in  Wien. 

Heine  Gustav,  Bitter  von,  in  Wien. 

Heisler,  Dr.  Ferdinand  von,  k.   k.  wirklich,  geh.  Bath  und  Senatspräsident 
des  obersten  Gerichtshofes  in  Wien. 

H  e  1  fer t ,  Dr.  Joseph  Alexander,  Freiherr  v.,  k.  k.  wirklich,  geh.  Bath  und  Präsi- 
dent der  Gentralcommission  für  Ek-haltung  der  Baudenkmale  in  Wien. 

Heller  von  Hell  wald  Friedrich,  k.  k.  Lieutenant  in  Wien. 

Eintzl  Leopold,  k.  k.  Generalmajor  in  Wien. 

Eofistka,  Dr.  Carl,  Professor  am  k.  k.  Polytechnicum  in  Prag. 

Kornhuber,  Dr.  Gustav,  Professor  am  k.  k.  Polytechnicum  in  Wien. 

(A.  M.),  Krasicki  Casimir,  Graf  v.,  k.  k.  wirkl.  geh.  Bath  in  Lemberg. 

Enbinyi  Aug.    v.,  k.    k.  Bath,  Director   des    ungarischen   Nationalmuseums 
in  Pest. 

Enbinyi  Franz  von,  Gutsbesitzer  in  Pest. 

Eunesch  Albert,   Hydrograph   an   der    hydrographischen   Anstalt  der  k.  k. 
Eriegsmarine  in  Triest. 

Littrow  Heinrich,  Bitter  von,  k.  k.  Fregattencapitän  in  Fiume. 

Matzenauer  Joseph,  Piaristenordenspriester  in  Wien. 

Miller  Vincenz  von  und  zu  A ichholz  in  Wien. 

Ozegovic  Ludwig,  Freiherr  v.  Barlabasevec,  k.  Statthalterei-Secretär  in 
Greutz  (Croatien). 

Peters,  I^.  Carl,  k.  k.  Universitätsprofessor  in  Graz. 

Pratobevera-Wiesborn  Adolph,  Freiherr  von,  k.  k.  wirkl.  geheimer  Bath 
in  Wien. 

Proschko,  Dr.  Isidor,  k.  k.  Polizei-Obercommissär  in  Wien. 

Ratzesberg  Ludwig  von,  in  Wartenberg  (Oberösterreich). 

(A.  M)  Sapieha  Leon,  FOrst  von,  in  Wien. 

Schmidt,  Dr.  Julius,  Director  der  königl.  Sternwarte  in  Athen. 

Seidel  L.  W.,  Buchändler  in  Wien. 

Seligmann,  Dr.  F.  A.,  k.  k.  Fregattenarzt  in  Triest. 

Sness  Eduani,  k.  k.  Universitätsprofessor  in  Wien. 

Temple   Budolph,   Inspector    und  Bureauchef  der   k.   k.   priv.  Assicurazione 
generale  in  Pest 

Wilczek  Johann,  Graf  von,  k.  k.  Eämmerer  in  Wien. 

Zezschvitz  Friedrich  Oscar,  Freiherr  von,  k.   k.  Major  im  Generalstabe  in 
Wien. 

Zhishmann  Anton  Eduard,  Professor  an  der  Handels-  und  nautischen  Academie 
in  Triest. 

1858. 

Andriau'Werburg  Ferdinand,  Freiherr  v.,  k.  k.  Bergrath  in  Wien. 
Brunn  er  v.  Watte  nwyl  Carl,  k.  k.  Telegraphen-Director  in  Wien. 
Bnbics  Sigmund,  Consistorialrath  in  Wien. 
Et  in  er  Moriz,  k.  k.  Major  im  Generalstabe. 
Filippi  Eduard,  k.  k.  Generalmajor  in  Wien. 
Hölzel  Eduard,  Buch-  und  Eunsthändler  in  Olmtltz. 


574 

KaBtner  Leopold,  Vorstand  der  Registrator  der  Creditanstalt  in  Wien. 

K41er  Sigmund  von,  k.  k.  Oberstlieutenant  im  25.  Infanterie -Regiment. 

Elun,  Dr.  Vincenz,  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien. 

Kukula  Wilhelm,  Professor  an  der  k.  k.  Oberrealschule  in  Linz. 

Lorenz,  Dr.  Jos.  Roman,  k.  k.  Sectionsrath  in  Wien. 

Morel li  Hadrian,  k.  k.  Linienschiffscapitän,  Insel-  und  Festungs-Commanduit 

in  Lissa. 
Potyka  Theodor,    Oberingenieur  der  k.  k.  priv.  Kaiser  Ferdinands-Nordbahji 

in  Krakau. 
Prasch  Vincenz,  Professor  am  k.  k.  Obergymnadium  in  Brunn. 
Rakofsky  Stefan  von,  Gutsbesitzer  in  Pressburg. 
Saffran  Emanuel,  Freiherr  von,  k.  k.  Generalmajor  in  Lainz. 
Scholz,  Dr.  Anton,  Professor  in  Prag. 
Schwartz  Carl,   Ingenieur   der  Kaiser  Ferdinands-Nordbahn   in  Mährisch- 

Ostrau. 
Skuppa  0.,  k.  k.  Major  in  Wien. 
Stäche,  Dr.  Guido,   k.    k.   Bergrath  und   Assistent  der    k.   k.   geoIogiBcben 

Reichsanstalt  in  Wien. 
Wilkens  C.  T.,  Kaufmann  in  Wien. 
Woldfich,  C.  Job.,  Professor  in  Wien. 

1859. 

lllek  August,  k.  k.  Stabsarzt  in  Wien. 

Kerr  Louise  in  London. 

Letocha  Anton,  k.  k.  Kriegscommissär  in  Wien. 

Muszynski  Carl,  k.  k.  Major  in  Wr.  Neustadt. 

(A.  M.)  Schwarzenberg  Johann  Adolph,  Ffkrst  von,  Herzog  zu  Kmaiaa  in 

Wien. 
Schwetz  W.  August,  Piaristenordenspriester  and  Gymnasialdirector  in  Hors 

(Niederösterreich  *. 
(A.  M.i  Seil  1er,  Dr.  Johann  Caspar,  Freiherr  von,  in  Wien. 
Seligmann,  Dr.  F.  R.,  k.  k.  Professor  in  Wien. 

1860. 

Berecz  Anton,  Professor  am  Piaristen-Obergynuiasium  in  Pest. 

Eckhardt  Friedrich,  k.  k.  Hauptmann  in  Cilli. 

Ferenda  Ignaz,  Rechnungsrath  bei  der  k.  k.  Marinebuchhaltung  in  W  i  e  n. 

Grohmann  Paul  in  Wien. 

Haan  Fridrich,  Sectionsrath  im  k.  k.  Ministerium  des  Innern  in  Wien. 

K off  1er  Johann,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien. 

Kompert,  Dr.  Leopold,  Beamter  der  Credit- Anstalt  in  Wien. 

Lasser  Joseph,   Freiherr   von   Zoll  he  im,   k.    k.    wirklicher  geh.  Bath  in 

Innsbruck. 
Lederer  Carl,  Freiherr  von,  k.  k.  Gesandter  in  Washington. 
Pipitz,  Dr.  F.  E.,  in  Triest. 
Schlesinger,  Dr.  Eduard,  in  Wien. 

Schmidburg  Rudolpf,  Freiherr  von,  k.  k.  Generalmajor  in  Graz. 
Studnicka  Franz,  Professor  am  k.  k.  Polytechnicum  in  Prag. 
Wärtemberg  Wühelm,  Herzog  von,  k.  k.  Feldmarschall-Lieatenaat  in  Pzif. 

1861. 
Beraun  Carl,  Vorstand  des  technischen  Revisionsamtes  bei  der  Kaiser-Fenli- 

nands-Nordbahn  in  Wien. 
Ditmar  Rudolph,  Fabriksbesitzer  in  Wien. 
Goethe  Wolfgang  v.,  k.  preußischer  Legationsrath. 
Hauke  Franz,  Director  der  Wiener  Hand  eis- Academie. 
Inkey-Pallin  Ferdinand  von,  k.  k.  Kämmerer  in  Rassina  (Croatien). 
Jacobi   Jacob,  Generalsecretär   der   Kaiser-Ferdinands-Nordbahn   in  Wien. 
Mandl    Moriz,  Amts-Ingenieur    der    Kaiser-Ferdinands-Nordbahn  in  Wien. 
Pasetti  Florian,  Freiherr  von,  k.  k.  Ministerialrath  i.  P.  in  Wien. 
Poche  A.,   Freiherr  von,   k.    k.    wirklicher  geheimer  Rath. 
Pölak,  Dr.  J.  E.,  in  Wien. 
S allinger  Michael,  k.  k.  Hauptmann  in  Graz. 


575 

Schaumburg-Lippe,  Prinz  von,  in  Ratibofizbei  Nachod  (Böhmen). 

Skene  Alfred,  jun.,  in  Wien. 

Stochert  Franz,  Inspector  der  Kaiser-Ferdinands-Nordbahn  in  Wien. 

Stochert  Carl,  Gutsbesitzer  in  Freudenberg  (E&mten). 

Suttner  Hermann,  Professor  am  k.  k.  Theresianum  in  Wien. 

T hu n -Hohen stein  Leo,  Graf  von,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath  in  Prag. 

1862. 

G Opanizza  Anton,  Domherr  in  Bagusa. 

Feyerfeil  Carl,  Director  des  Josefstädter  Gymnasiums  in  Wien. 

Hof  manu,  Dr.  Adolph,  in  Wien. 

Hof  mann  Leopold  von,    k.  k.    wirkl.   geh.  Rath   und  Sectionschef  im  Mini- 
sterium des  Aeußern. 

Koke  Friedrich,  Besitzer  einer  lithographisch-artistischen  Anstalt  in  Wien. 

Leyrer,  Dr.  E.,  Hof-  und  Gerichtsadvocat  in  Wien. 

Mally  Carl,  k.  k.  Ministerialbeamter  in  Wien. 

Hertens  Carl,  Freiherr  v.,  k.  k.  wirkl.  geheimer  Rath,  Feldzeugmeister,  in  W  i  e  n. 

Sauerl&nder  Johann  Jacob  in  Wien. 

Schmerling,  Dr.  Anton,  Ritter  von,   k.  k.  wirkl.  geheimer  Rath  und  Präsi-r 
dent  des  obersten  Gerichtshofes  in  Wien. 

Schmerling  Josef,  Ritter  yon,  k.  k.  Feldzeugmeister  in  Wien. 

Türck  Josef,  k.  k.  HoQuwelier  in  Wien. 

Turczmanovicz  Paul,  k.  k.  Schichtmeister- Ad  junct  inWieliczka  (Galizien). 

Yernier  de  Rougemont  et  Orchamp,  Freihar  von,  k.  h.  wirkl.  geheimer  Rath 
und  Feldmarschall-Lieutenant  in  Wien. 

Weiß,  Dr.  Adolph,  Universitatsprofessor  in  Lemberg. 

Weiß,  Dr.  Edmund,  Professor  und  Adjunct  der  Sternwarte  in  Wien. 

Weißmann,  Dr.  Johann,  k.  k.  Sectionschef  i.  P.  in  Wien. 

Wimpfen  "^ctor,  Graf  von,  k.  k.  Corvettencapitän  in  Wien. 

Zaffauk  Josef,  k.  k.  Hauptmann  und  Professor  in  Wien. 

1863. 

Arnsburg  Louis  Friedrich,  k.  k.  Hofschauspieler  in  Wien. 

Artaria  August,  Kunsthändler  in  Wien. 

Babanek  Wenzel,  Professor  am  k.  k.    Obergymnasium   in  Pisek  (Böhmen). 

Bauer,  Dr.  Josef,   Hof-  und  Gerichtsadvocat   und vLandesausschuss  in  Wien. 

Beyer  Carl  von,  Ministerialrath  im  k.  k.  Ministerium  des  Innern  in  Wien. 

Bordini  Joseph,  Bureauchef  des  österr.  Lloyd  in  Triest. 

Engels  Franz,  Agent  und  Buchhalter  in  Wien. 

Gehringer  Carl,  Freiherr  von,  k.  k.  wirkl.  geheimer  Rath  in  Wien. 

Gröl  1er  Gustav,   Ritter  von,    k.  k.  Fregattencapitän  in  Klagen  fürt. 

Heller  Carl,  Professor  am  Theresianum  in  Wien. 

Hengelmüller  Michael,    Präsident  des  k.  Laudesgerichts   in  Pressburg. 

Hoff  mann  Anton,   Sectionsrath  und  Chef  des  Post-Cours-Bureaus  im  k.  k. 
Handelsministerium. 

Ho  ff  mann  Johann,  k.  k.  Major  in  Wien. 

Lewin  Joseph,  Professor  an  der  Wiener  Handels- Academie. 

Lindner  Carl,  k.  k.  Fregattencapitän  in  Cilli  (Steiermark^. 

Müller  Robert,  Elydrograph  der  k.  k.  Kriegsmarine  in  Triest. 

Rettig  Andreas,  schuldirector  zu  Nepomuk  (Böhmen). 

Roslier  Franz,   Ritter  von,    Sectionsrath  im  k.  k.  Finanzministerium. 

Schroeder  C.  M.,  Director  des  österreichischen  Lloyd  in  Triest. 

Soboll  Franz,  k.  k.  Hauptmann  in  Ol  mutz. 

Tettau  Otto,  Freiherr  von,  in  Berlin. 

1864. 
Brühl,  Dr.  Moriz,  Professor  in  Wien. 
Doli  Eduard,  Bealschuldirector  in  Wien. 
Faber,  Dr.  Carl  Maria,  Zahnarzt  in  Wien. 
Folkbeer  Anton,  k.  k.  Postcontrollor  in  Wien. 
Hütter  Eduard  in  Wien. 

Kögler  Wilhelm,    k.  k.  Schulrath  und  Director  der  Oberrealschule  in  Prag. 
Leschtina  Franz,   Director  der   lithographischen  Anstalt    des  Grundsteuer- 
Katasters  in  Wien. 


57(> 

Morpurgo  Elio,  FreiherT  yon,  IHrector  des  teterr.  Lloyd  in  Tri  est. 

Poche  Eugen,  Freiherr  von,  in  Wien. 

Seh  äffe  1  Joseph,  k.  k.  Oberlieutenant  i.  P.  in  Mddling. 

Sembera  M.  M.,  üniversitätsprofessor  in  Wien. 

Sommaruga,  Dr.  Guido,  Freiherr  von,  in  Wien. 

1865. 
Schworella  Ludwig,  Vertreter  von  Justus  Perthes  in  Gotha  in  Wien 

1866 
Du  Nord  Wilhelm,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien. 
Gab  lenz  Ludwig,  Freiherr  v. ,   k.  k.  wirkl.    geheimer  Rath   und   Feldieag* 

meister  in  Ofen. 
Gutmann  David,  Grossh&ndler  in  Wien. 
Kropp  Wilhelm,  k.  k.  Linienschiffs -Lieutenant  in  Poia. 
Matz  Fugen,  k.  k.  Oberlieutenant  iu  Wien. 
Mislin  Jacob,  Domherr  in  Wien. 

Rechberg,  Graf  von,  k.  k.  wirkl.  geh.  iiath  in  Kettenhof. 
Rittmayer  J.  von,  Grosshändler  in  Tri  est. 
Schwartz  Gustav,  Edler  von  Mohrenstem  in  Wien. 
Thümen  Carl,  Freiherr  von,  in  Krems  (Niederösterreich). 
Vogel  Heinrich,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien. 

Wöger  er  H.,  k.  k.  Ober-Landesgerichtsrath  in  Wien. 

1867. 
Becker  Alois,  Ritter  von,  k.  k.  Schiffslieutenant  in  Tri  est. 

Beyer  F.,  k.  k.  Hauptmann- Auditor  in  Agram. 

B  0  g  i  s  i  c ,   Dr.  Balthasar,  k.  russischer  Uni versitäts- Professor   in  Odessa. 

Bro2owsky  W.,  Beamter  im  k.  k.  Post- Cours-Bureau  in  Wien. 

Colloredo-Mannsfeld  Josef,  Fürst  von,   k.   k.  wirklicher   geheimer  Rath 
in  Wien. 

Gatscher  A.,  k.  k.  Gymnasialdirector  bei  den  Schotten  in  Wien. 

Gigl  Johann,  Ingenieur  in  Tri  est. 

Hugl  Leopold,  Schuldirector  in  Wien. 

John  Fr.,  Freiherr  v.,  k.  k.  wirklicher  geh.  Rath  und  FeldmarschailLieuteDut 
in  Graz. 

Kleindl  Josef,  k.  k.  Hofrath  in  Wien. 

Krummhaar  Josef,  Secretftr  im  k.  k.  Ministerium  des  Unterrichts. 

Singer  Josef,  k.  k.  Feldmarschall-Lieutenant  i.  P.  in  Wien. 

Standhardtner,  Dr. C,  Primarius  im  allgemeinen  Krankenhause  in  Wien. 

Zschokke,  Dr.,  Hermann,  k.  k.  Universit&tsprofessor  in  Wien. 

1868. 
Balogh  Peter  v.,  Director  einer  höheren    landwirtschaftlichen  Lehranstalt  in 

Debreczin. 
Bengough  Job.,  Ingenieur  in  Döbling. 
Beust  Friedrich,  Freiherr  v.,  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien. 
Blöchlinger  Carl  v.j  k.  k.  Rittmeister  in  Wien. 
Bolgar  Michael,  Piansten-Ordenspriester  und  Professor  in  Pest. 
Deutsch -D^chyMoriz  in  Pest. 

Eberle  Ludwig,  Ritter  v.,  k.  k.  Fregatten- Capitän  in  Pola. 
Ester  mann  Anton,  Dr.  der  Medicin  in  Wien. 

Fischer,   Dr.  Josef.   Director  und  Inhaber  einer  Handelslehranstalt  in  Pest 
Fl  och  Dr.  J.  H.,  Ritter  von,  k.  k.  Finamsrath  in  Pest. 
Fried  mann,  Dr.  Sigismund,  Badearzt  in  Vöslau. 
Gentilli  Amadeo,  Ingenieur  in  Wien. 
Griesbach  Carl  Ludolf,  Geolog. 
Gymnasium  in  Görz. 
Gymnasium  in  Keszthely  (Ungarn). 

Hartner  Friedrich,   Professor   am  k.  k.  polytechnischen  Institute  in  Wien. 
Henneberg  Edmund,  Bitter  von,  k.  k.  Schiffislieutenant  in  Wien. 
Kanitz  F.,  Privat  in  Wien. 
Lindheim  Alfred  von,  Fabriksdirector  in  Wien. 
Nord  mann  Johann,  Redacteur  in  Wien. 
0  verbeck  Gustav,  Ritter  v.,  k.  und  k.  General-Consul  in  Hongkong. 


577 


Pazzani  Jujiae,  Ingenieur  in  Wien. 

Bealgymnasium  (Commaual)  in  der  Leopoldstadt  in  Wien. 

Sax  Carl,  österr.-uugar.  Consul  in  Serajewo. 

Sigl  Georg,  Fabriksbesitzer  in  Wien. 

Valero  Cornelius,  Ritter  von,  Fabriksbesitzer  in  Neurettendorf  (Böhmen). 

Valero  Victor,  Fabriksbesitzer  in  Wien. 

Weinling  Carl,  k.  k.  Bezirksvorsteher  i.  P.  in  Wien. 

Weiser,  Dr.  Moriz,  practiscker  Arzt  in  Wien. 

Wolf  W.  P.,  Reaischulprofessor  in  Korneuburg. 

1869. 

Ar th aber  Rudolph,  £dler  v.,  Kaufmann  iu  Wien. 

Ascher  Adolph,   k.  k.  Hofsecretär  im  Ministerium  des  Aeußem  in  Wien. 

Bechtinger,  Dr.  Josef,  practischer  Arzt  in  Wien. 

Buchwald  Eugen  Raimund,  k.  k.  Postofficial  in  Wien. 

Czartoryski  Constantin,  Fürst  von,  in  Wien. 

Drathschmiedt  Friedrich,  Edler  von  M&hren the im,  k.  k.  General- Auditor 
in  'JVien. 

Feifalik  Hugo,  k.  k.  Hofsecretär  in  Wien. 

Gerok  Carl,  Architect  in  Wien. 

Gintl  Heinrich,  Betriebsdirector  der  Lemberg-Czemowitz-Jassyer  Bahn-Gesell- 
schaft in  Lemberg. 

Gftlcher  Jacob  Theodor,  Fabrikant  in  Wien. 


Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 
Gymnas 


um  in  Bochnia  (Galizien). 

um  in  Bozen. 

um  in  Bregenz  (Vorarlberg). 

um  (deutsches)  in  Brfinn. 

um  in  Brzezany  (Galizien). 

um  in  Cilli. 

um  in  Drohobycz  (Galizien). 

um  in  Eger. 

um  in  Graz. 

um  (zweites  Staats-)  in  Graz. 

um  in  Hall  ^Tirol). 

um  in  Hörn. 

um  in  Innsbruck. 

um  in  Klagenfurt. 

um  in  Klattau. 

um  in  Krems. 

um  in  Kremsmünster. 

um  in  Königgräz  (Böhmen). 

um  (St.  Anna-)  in  Krakau. 

um  (zweites  Ober-;  in  Krakau. 

um  in  Böhmisch-Leipa. 

um  (academisches)  in  Lemberg. 

um  (Franz  Josefs-)  in  Lemberg. 

um  in  Linz 

um  in  Marburg  (Steiermark). 

um  (slavisches)  iu  Ol  mutz. 

um  (auf  der  Kleinseite)  Prag. 

um  in  Salzburg. 

um  in  Seitenstetten. 

um   katholisches,  in  Teschen. 

um  (theresianisches)  in  Wien. 

um  (zu  den  Schotten)  in  Wien. 

um  (in  der  Jose&tadt)  Wien. 


um  in  Znaim. 
Heinrich,  Dr.  Gustav  in  Pest. 
Henke  Ernst,  Kaufmann  in  Wien. 

Herr,  Dr.  Jos.,  k   k.  Professor  am  polytechnischen  Institut  in  Wien. 
Janker  Carl,  Ober-Ingenieur  in  Wien. 
Kraft  Hermann  von,  Privat  in  Wien. 


578 

Lichtenstadt  Johann  C.  J.  in  Wien. 
Mandel,  Dr.  Ferdinand,  in  Wien. 
Marno  Ernst,  in  Wien. 

Montenuovo,  Fürst  v.,  General  der  GavaUerie,  Hauptmann  der  k.  k.  Tn- 
banten-Leibgarde  in  Wien. 

Nostitz  Pauline,  Gr&fin  v.,  (auch  Ehrenmitglied)  in  Schöndorf  bei  Nen-And. 

Pacor  Wilhelm  v.,  k.  k.  Oberlieutenant  in  Prag. 

Parmentier  Adolf,  Ritter  von,  k.  k.  Ministerialrath  in  P.  in  Wien. 

Pa^er  Julius,  k.  k.  Oberlieutenant. 

Pejacsevich,  Graf  Nicolaus,  k.  k.  Cieneralmajor  in  Pressburg. 

Presse,  die  Redaction  der  --  in  Wien. 

Realgymnasium  (Landes)  in  Chrudim. 

Realgymnasium  zu  Ung.  Hradisch  (Mähren\ 

Realgymnasium  (Gommunal-)  in  Kolomea    Galizien^ 

Realgymnasium  zu  Leoben  (Steiermark). 

Realgymnasium  (Landes-)  in  Stockerau. 

Realgymnasium  in  Yillach  (Kärnten). 

Realgymnasium  (Landes-)  in  Waidhofen  an  der  Thaya. 

Realgymnasium  zu  Wittingau  (Böhmen). 

Realschule  (griechisch-orientalische)  zu  Czemowits   Bukowina . 

Realschule  in  Feldkirch  (Vorarlberg). 

Realschule  (Landes-)  zu  Graz. 

Realschule  (Gommunal-)  zu  Iglau  iMähren). 

Realschule  (Landes-)  zu  Krems. 

Realschule  zu  Kuttenberg  <Böhmen). 

Realschule  (Gommunal-)  zu  Laibach  (Krain). 

Realschule  (Landes-)  zu  Böhmisch-Leipa. 

Realschule  zu  Linz. 

Realschule  zu  Olmütz. 

Realschule,  k.  k.  (böhmische   in  Prag. 

Realschule,  k.  k.  (deutsche)  in  Prag. 

Realschule  (Gommunal-*  zu  Rover edo  (Tirol). 

Realschule  zu  Salzburg. 

Realschule  zu  Steyer  (Oberöeterreich). 

Realschule  zu  Troppau. 

Realschule  (Landes-)  zu  Waidhofen  a.  d.  Ins. 

Realschule  k.  k.  am  Schottenfelde  in  Wien. 

Realschule  (Gommunal-i  auf  der  Wieden  in  Wien. 

Realschule  (Landes-)  zu  Wiener  Neustadt. 

Redlicb  Alexis,  k.  und  k.  Gonsul  zu  Bangkok  in  Slam. 

Reicher  Josef,  k.  k.  Major  im  Greneraistab  in  Wien. 

Reinisch,  Dr.  Leo,  k.  k.  Professor  in  Wien. 

Roesler,  Dr.  £.  Robert,  k.  k.  Üniversitäts-Professor  in  Lembers. 

Schrötter,   Dr.  Anton  Ritter  von  Kristelli,  k.  k.  Hofrath  und  Durector  dei 

Mflnzamtes.  Wien. 
Schweidler  Wilhelm  Ritter  von,  k.  k.  Oberlieutenant  in  Prag. 
Snötiwy  Yincenz,  k.  k.  Hauptmann  in  Agram. 
Trupjpenkörper,  k.  k. 

Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  1  in  P  rag. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  2  in  der  Festung  Arad. 

Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf.-Reg.  Nr.  2  in  Fogaras. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inft.-Re^pnents  Nr.  3  in  Prag. 
„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  7  in  Graz. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  8  in  Znaim. 

„  „    10.  Lin.-Inf.-Regt.-Re8erve-Kommando's  in  Prsemyil. 

„    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  6  in  Temesv&r. 

„    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  12  in  Köniffgr&tz. 

„    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  14  in  Pressburg. 

„    Lin.-Inf.-Regiment8  Nr.  15  in  Prag. 

„    Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  16  in  Linz. 

„    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  18  in  Josephstadt 


» 

n 
n 
n 
n 


i 


679 


Trappenkörper,  k.  k. 

Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regünents  Nr.  19  in  W  i  e  n. 
Reserve-Commaodo  des  Lin.-Inf -Regiments  Nr.  20  inNen-Sandec. 
Offizierscorps  des  Lin. -Inf. -Regiments  Nr.  22  in  Ragnsa. 

„  „    Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  23  in  P  e  t  e  r  w  a  r  d  e  i  n. 

Reserve-Commando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  23inZombor  (Galizien). 
Offizierscorps  des  Lin.- Inf. -Regiments  Nr.  24  in  Miskolcz. 

„  „    Reserve-Commandos    des   Lin. -Inf. -Regiments   Nr.   24 

in  Eolomea. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  26  in  Pilsen. 
Reserve-Commando  des  Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  26  in  Gran. 
Offiziersbibliothek  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  36  in  Königgrätz. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  32  in  Krems. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr  40  in  Olmatz. 

„  „    Reserve-Commandos   des   Lin.-Inf.  Regiments   Nr.  41 

in  Czernowitz. 

Reserve-Commando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  43  in  Verseez. 
Offtziers-Bibliothek  des  Lin. -Inf. -Regiments  Nr.  44  in  Zara. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  49  in  Wien. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  51  in  Ol  mutz. 

,y  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  52  in  Triest. 

,,  ,,    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  58  in  Wien. 

n  jf    Lin.-Inf.-Regiment8  Nr.  54  in  Wien. 

„  „    Lin.-Inf -Regiments  Nr.  55  in  Kaiser-£bersdorf. 

,y  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  57  in  Pest. 

„  yj    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  58  in  P  e  s  t. 

Reserve-Commando  des  LiB.-Inf.-Regiments  Nr.  68  in  Stanislau. 
Reserve-Commando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  61  in  Temesvir. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  63  in  Maros-Yasarhely. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  66  in  Lemberg. 

Reserve-Commando  des  Lin.-Inf -Regiments  Nr.  66  in  ügvär. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  67  in  Wien. 

„  yy    Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  70  in  Krakau. 

Reserve-Commando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  70  in  Neu  so  hl. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  72  in  Wien. 

,,  ,,    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  74  in  Olmtttz. 

,,  ,,    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  75  in  Komorn. 

yy  ,y    Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  78  in  Esseg. 

Reserve-Commando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  79  in  Nyiregyhaza. 
Reserve-Commando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  80  in  Zloczow. 
Offizierscorps  des  3.  Bataillon  des  Tiroler  Jäger-Regiments  in  Hainburg. 

„  y,    1.  Feld- Jäger-Bataillons  in  Fünfkirchen. 

,,  y,    6.  Feld- Jäger-Bataillons  in  Kaadcn. 

»  „    9.  Feld-Jäger-Bataillons  in  Bad  na. 

M  „    15.  Feld- Jäger-Bataillons  in  Salz  barg. 

,,  ,y    17.  Feld-Jäger-Bataillons  in  Stanislan. 

,y  „    30.  Feld- Jäger-Bataillons  in  Lemberg. 

„  „    32.  Feld-Jäger-Bataillons  in  Pettau. 

„  „    Feld-Artillerie-Regiments  Nr.  1  in  Lemberg. 

,,  ,y    Artillerie-Regiments  Nr.  2  in  Comorn. 

„  „    Feld-Artillerie-R^ments  Nr.   3.  Mnnitions-Kolonnen- 

Kadre  in  01m  fitz. 

Offizierscorps  des  Feld-Artillerie-Regiment  Nr.  4  in  Pest. 

„  „    Feld- Artillerie-Regiments  Nr.  7  in  Laibach'. 

„  „    Feld- Artillerie-Regiments  Nr.  11  in  Wien. 

Zengs-Artillerie-Commando  Nr.  2  in  Graz. 
Zeugs- Artillerie-Commando  Nr.  10  in  Stein  (Krain). 
Offizierscorps  des  Grenz-Regiments  Nr.  2  in  OtoCac. 

„  ,y    Grenz-Regiments  Nr.  3  in  Ogulin. 

y,  „    Grenz-Regiments  Nr.  4  in  Carl  Stadt. 

,,  yy    Grenz-Regiments  Nr.  5  in  Belovar. 


5Ö0 

Truppenkörper,  k.  k. 

OffizierscorpB  des  Grenz-Regiments  Nr.  12  in  PancsoTft. 
„  ,y    Grenz-Regiments  Nr.  13  in  Caransebes. 

„  y,    Grenz-Regiments  Nr.  14  in  Weis kir eben. 

„  „    Festungs- Artillerie-Bataillons  Nr.  3  in  Wien. 

,,  y    Festungs- Artillerie-Bataillons  Nr.  9  in  Innsbruck 

„  „    Pionier-Feld-Bataillons  Nr.  3  in  Pettan  (Steiermark). 

Pionnier-Cadetten-Scbule  in  Hain  bürg  a.  d.  Donau. 
Gffiziers-Bibliotbeks- Verwaltung    des    Pionier-Regiments   in    Kloster- 

neuburg. 
Milit&r-Lese- Verein  in  Bist  ritz  (SiebenbQrgen). 
Milit&r-Casino  in  Temesvär. 

Cadetenscbule  der  8.  und  24.  Truppen-Division  in  Lemberg. 
Offizierscorps  des  Genie-Regiments  Nr.  1  in  Glmtttz. 
Gamisons-Bibliothek  in  Peterwardein,  zu  Händen  des  Festungs-Commao- 

do's  in  Peter  war  dein. 
Gamisons-Bibliotbek  in  Kr a kau. 

Offizierscorps  des  Dragoner-Regiments  Nr.  1  in  FQnfkirchen. 
,,  „    Dragoner-Regiments  Nr.  4  in  N.  Karoly. 

„  ,j    Dragoner-Regiments  Nr.  7  in  Stublweissenbnrg. 

y,  y,    Dragoner-Regiments  Nr.  13  in  Enns. 

,,  ,,    Dragoner-Regiments  Nr.  14  in  Wessely  (M&bren). 

,,  yy    Husaren-Regiments  Nr.  4  in  Klattau. 

y,  „    Husaren-Regiments  Nr.  6  in  Elagenfurt. 

„  „    Husaren-Regiments  Nr.  8  in  Zolkiew  (Galizien). 

y,  „    Husaren-Regiments  Nr.  10  in  Neuh&usel. 

y,  yy    HusaTeu-R^iments    Nr.    12,    Eig&uzuDgs-Kadre ,    is 

Gyöngyös  lUngam). 
Tschermak,   Dr.   Gustav,  Director  des  k.  k.  Mineralieacabioetes  in  Wieo. 
Valmagini,  Hon.  Julius,  Privat  in  Wien. 
Voelker  George,  Banquicr  in  Wien. 
Wiedenhofer  Franz.  Gymnasial- Lehramtscandidat  in  Wien. 
Zur  Helle  Alfred,  Ritter  von,   k.  k.  Rittmeister  und  Militärattache  in  Cob- 
stantinopel. 

1870. 
Beinstingel  Alois,  k.  k.  Oberlieutenant  in  Wien. 
Beust  Ferdinand,  Freiherr  v.,  Reichsgeolog  in  Wien. 
Bou4,   Dr.   Ami,    Mitglied  der  kais.  Academie  und  Ehrenmitglied  der  geo- 
graphischen Gesellschatt. 
Brusikay  Anton,  k.  k.  Actuar  in  Kirchberg  am  Wagram. 
BQchelen  Carl,  Ingenieur  in  Wien. 
Camerloher  W.  v.,  k.  und  k.  Consul  in  Suez. 
Czelechovsky  Rudolf,  k.  k.  Oberlieutenant. 
Descovich,  Dr.  Josef,  practischer  Arzt  in  Wien. 
Frieden fels  Eugen,  Freiherr  v..  k.  k.  Hofrath  in  Wien. 
Graffenried-Burgenstein   Em.,   Freiherr  von,   Gapitain,   Villa   Schön- 

büchl  in  der  Schweiz. 
Hempfling  Jos.  v.,  k.  und  k.  Consul  in  Philippopel. 
Hilgermann  Jos.  August,  Lehrer  in  Wien. 
Jireöek  Jos.,  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien. 
Kallay  Benjamin  v.,  k.  und  k.  Generalconsul  in  Belgrad. 
Kanitz  Isidor,  Bureauchef  der  österreichisch -niederländischen  Bank  in  Wiea 
Krainski  Alois,  Ritter  von  Jelita,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien. 
Langer,  Dr.  A.,  in  Wien. 
Lieben  Leopold,  Grosshändler  in  Wien. 

Mandeles  Frid.,  Secret&r   der  Versicherungsgesellschaft  »Donau     in  Wieo. 
Minz  R.  A.,  Banquier  in  Wien. 

Mojsisowics,  Dr.  £dmund  von,  Reichsgeolog  in  Wien. 
Möring  Alfred,  k.  k.  Oberlieutenant  in  Wien. 
Nenmayer,  Dr.  Melchior,  Reichsgeolog  in  Wien. 
Orges,  Dr.  Hermann  von,  k.  k.  Regierungsrath  in  Wien. 
Perkmann,  Dr.  Rochus,  Professor  an  der  Wiener  Handelsacademie. 


I 


681 

Pfeiffer  Rudolf,  Bergingenieur  in  Wien. 

Pogatgchnigg  Hugo,  k.  k.  Schiffsfähnrich  in  Pola. 

Pressel  W.,  Director  der  oamanischen  Bahnen  in  Wien. 

Rathner  Kranz,  k.  k.  Postoffizial  in  Wien. 

Sachau,  Dr.  £dnard,  k.  k.  Professor  iu  Wien. 

Siebek,  Dr.  Rudolph.  Gartendirector  der  Stadt  Wien. 

Tonla  Franz,  Assistent  am  k.  k.  polytechnischen  Institut  in  Wien. 

Vivenot  Fr.  v,  Reichsgeologe  in  Wien. 

Weikard  Franz,  k   k.  Oberstlieutenant  in  Wien. 

Wnrmhrandt,  Graf  Gundakar,  Schloss  Ankenstein  (Steiermark). 

Im  Gesellschafts -Jahre  1869/70  gestorben: 

Ankershofe n  Theophil,  Freiherr  von. 

An  er  Alois,  Ritter  von,  k.  k.  Hofrath. 

Bayer  Anton,  k.  k.  Major  und  Director  der  Milit&r-Schwimmschule  in  Wien. 

Gatti  Bertram,  k.  k.  Major. 

Hahn,  Ritter  v.,  k.  und  k.  General-Consul  auf  Syra. 

Hess  Heinrich,  Freiherr  v.,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath  und  Feldmarschall. 

Homoky  Emerich,  Abt  zu  Lecker. 

Mayer  Josef,  Freiherr  von  Gravenegg,  k.  k.  wirk!,  geh.  Rath. 

Pfeffer  mann,  Dr.  Peter,  Zahnarzt. 

£  e  V  o  1 1  e  1 1  a  Pasquale,  Freiherr  von. 

Robert  Justiu,  Fabrikshesitzer. 

Sicherer  Maurus,  Benedictiu er- Ordenspriester  und  Dcchant 

Streffleur  Valentin,  Ritter  v.,  k.  und  k.  Geoeral-Kriegscommissär. 

Schloeubach,  Dr.  Urban,  Professor  in  Prag. 

Im  Gesellschafts- Jahre   1869/70  ausgetreten: 

Bil huber,  Dr.  Hermann. 

Fl  oder  Anton,  A^junct  der  lithographischen  Anstalt  des  Katasters. 

F  rä n  k  1 ,  Dr.  Josef  Adam  Paul. 

Gottschar  J.,  Abt  und  Eonsistorial-Rath. 

Lanckoronski-Brezie  Casimir,   Graf  v.,  k   k.  Kämmerer. 

Ledochowsky  Anton,  Graf  von,  k.  k.  K&mmerer. 

Nemethy  Jos^^f  von,  k.  k.  Oberst  und  Director  des  Kriegsarchivs. 

Radonetz  Eduard,  k.  k   Fregatten-Capit&n. 

Schaub,  Dr.  Franz,  Director  der  hydrographischen  Anstalt  in  Triest. 

Walderdorff  Adolph  Widerich,  Graf  von. 


Geographische  Literatur. 

JahrbQcher  der  k.  k.  Centralanstalt  für  Meteorologie  und  Erdmag- 
netismus von  Karl  Jeliuek  und  Karl  Fritsch.  Neue  Folge.  Y. 
Band.  Jahrgang  1868.  Wien  1870. 

Im  Vorworte  wird  von  den  Herausgeber  hervorgehoben,  dass  der  Plan 
des  vorliegenden  Bandes  von  dem  früheren  abweicht,  und  zwar  wesenüich  da- 
rin, dass  der  4.  Abschnitt  der  früheren  Bände«  Abweichungen  der  Tagesmittel 
des  Luftdruckes  und  der  Temperatur  von  den  Normalwerten  u.  s.  f.««  wegfiel 
und  an  dessen  Stelle  der  1.  Abschoitt  «Telegraphische  Witterungsberichte  der 
k.  k.  Centralanstalt»  gesetzt  wurde.  ^ 

Die  Erfahrung  hat  nämlich  gelehrt,  dass  die  Abweichungen  der  Tages- 
miitel  von  andern  Meteorologen  nicht  benutzt  wurden,  während  die  telegra- 
pbischen  Witterungsberichte,  in  denen  gleichfalls  Abweichungen  des  Luftdruckes 
und  der  Temperatur  (jedoch  üQr  die  Stunde  7  morgens)  enthalten  sind  sich 
durchwegs  einer  beifälligen  Aufnahme  zu  erfreuen  hatten  und  die  Direction  der 
Centralanstalt  vielfach  um  Mittheilung  derselben  angegangen  wurde. 

Außer  den  magnetischen  Beobachtungen«  welche  an  der  Centralanstalt  aus- 
geführt wurden,  sind  in  einem  besonderen  Abschnitt  auch  jene  mitgetheill,  die  der 
k.  k.  Schifblieutenant  Schellander  an  den  Küsten  des  adriatischen  Meeres 
ausführte. 


682 

In  einem  Anhang  wurden  die  meteorologiBche  Beobachtongen  der  Cen- 
tralanstalt  von  1857—1865  veröffentlicht  wodurch  die  Lttcke  die  früher  zwischen 
den  alten  und  neuen  Beobachtongen  bestand,  ausgef&llt  ist,  da  die  Beobach- 
tungen  der  Jahre  1852—1856  (eigentlich  September  1852  bis  Oecember  1865) 
im  4.-8.  Bande  der  älteren  Reihe  der  Jahrbücher,  jene  vom  März  1856  aoge^ 
fangen  aber  im  »Anzeiger  der  kaiserl.  Academie  der  Wissenschaften-  verMFent- 
licht  sind.  Doch  beschränkte  man  sich  dabei  auf  die  Mittheilnng  der  Daten 
hb-  drei  Tagsstnnden  (f8l>,  101^,  2^),  obgleich  die  directen  Beobachtungen  eine 
größere  Zahl  von  Stunden  omftissen  und  mittels  der  Antographen  der  2i8tfin- 
dige  Gang  der  wichtigsten  meteorologischen  Elemente  abgeleitet  wird. 

Bei  der  Bearbeitung  der  Jalu'bQcher  waren  außer  den  beiden  Heraus- 
gebern, von  denen  Karl  Fritsch  insbesondere  die  Uebersicht  der  phänolo- 
gischen  Beobachtungen  im  Jahre  1868  besorgte,  Adjunct  Herr  Dr.  Julius  Ha nn 
(von  ihm  sind  die  magnetischen  Bestimmungen  mit  der  darauf  bezüglichen  Be- 
rechnung ausgeführt),  der  Herr  Assistent  Fridrich' Gum pol dsb erger,  der 
sowie  nach  dessen  Abgang  von  der  Gentralanstalt  Herr  Assistent  HansWittek 
die  Bearbeitung  der  von  den  Stationen  eingesendeten  ßeobachtungstabelle  be- 
sorgte, betheiligt. 

Ueber  den  wissenschaftlichen  Wert  der  vorliegenden  Arbeit  dedarf  es 
keiner  weiteren  Auseinandersetzung.  B. 

An  den  Nordpol.   Sehilderong  der   arctischen    Gegenden    und 

der  Nordpolfahrten  von    den   ältesten   Zeiten   bis  zur   Gegenwart    Ton 

Hermann  Klein.  Mit  Hlustrationen.    Kreuznach  bei  R.   Voigtländer 

1870. 

In  dem  Augenblick,  wo  die  zweite  deutsche  Nordpolexpedition  von  ihrer 
an  wichtigen  Erfiüiningeu  reichen  Fahrt  zurückkehrt,  dürfte  es  angesagt  seia, 
die  Aufinerksamkeit  der  Leserwelt  auf  ein  mit  Sachkenntnis  und  Form- 
gewandtheit  geschriebenes  Büchlein  zu  lenken,  das  über  den  Zweck  und  die 
Bedeutung  der  Nordpolfahrten  aufklJUt,  die  Geschichte  derselben  in  gedräng- 
ten Zügen  vorführt  und  den  Wert  iener  Bestrebungen,  bei  denen  bis  jetzt 
mehr  Helden  der  Wissenschaft  begraben  wurden,  als  mit  heiler  Haut  davon 
kamen,  in  lebhafter  Schilderung  vor  Augen  stellt.  Der  Verfasser  ist  seiner  Auf- 
gabe in  jeder  Beziehung  gerecht  geworden  und  das  Buch  verdient  die  weiteste 
Verbreitung.  In  welcher  Beziehung  sein  Schlusswort  zur  Wahrheit  gewordei 
sei  —  und  die  kurzen  Berichte  unserer  glücklich  zurückgekehrten  Nordpd- 
fahrer  sprechen  dafür,  dass  es  zur  Wahrheit  geworden  sei  —  wird  uns  die  näch- 
ste Zukunft  lehren.  Das  Öchlusswort  heißt:  »Die  deutsche  Expedition,  welcJie 
unter  Capitän  Koldewey's  Leitung  im  Jahre  1868  auslief,  hat  sich  mit  Mol 
und  Hingebung  an  der  Lüsnng  dieser  Aufgabe  versucht  und  gegenwärtig  wei- 
len unsere  Landsleute  bereit  abermals  in  ienen  hohen  Breiten  und  zeigen  mnt- 
voli  der  Welt,  dass  der  alte  Bann  gebrochen,  dass  Deutschland  auch  zur  See 
wieder  thatkräftig  in  die  Reihe  der  großen  l^ationen  eingetreten  ist.  Hoffen 
wir  dass  es  ihnen  gelingt,  wenn  auch  nicht  der  Nordpol  zu  Übersegeln,  so  doch 
ihren  Namen  glorreich  an  irgend  eine  wichtige  Entdeckung  zu  uiüpfen  und 
glücklich  zurückzukehren  aus  jenen  Regionen  des  Todes  und  der  Nacht, 
schon  so  manchem  kühnen  Forscher  verderblich  geworden  sind.»  B 


Notizen. 

MetooiologlMhe    Beoteehtuigsstotioii   In    Oesterreieli-ÜBgftrB   tan 

J.  1S68.  Der  vor  kurzem  erschienene  S.  Hand  (neue  Folge)  der  Jahrbücher  der 
k.  k.  Gentralanstalt  für  Meteorologie  und  Erdmagnetismus  enthält  das  Verzeich- 
nis der  im  Jahre  1868  bestandenen  Stationen,  die  sich  seither  (Juni  1870)  bis 
auf  153  vermehrt  haben.  Es  waren  ihrer  in  Niederösterreich;  Kaikahorg, 
Krems,  Melk,  Neunkirchen,  Reichenau,  Wien,  Wiener- Neustadt ;  —  in  Ober- 
üst  er  reich:  8t.  Florian,  St.  Georgen,  Iscbl,  (Seehühe  456.30  Mätres),  Kirdidoii^ 
Kremsmflnster,  Una,  Freinberg,  Steyr;  --  in  Salzburg:  Gastein.  Salzburg, 
(Seehohe  423.80  Mätres),  Tamsweg  (Seehöhe  1013.70  Mätres);  —  in  Steiei^ 


583 

mark:  AdmoDt,  Ah-Aussee,  Markt- AuBsee,  Cilli  (8tadt),  Cilli  (Leisberg),  Graz, 
8t  Lambrecht,  Lankovitc,  Pettau,  KotteDmann,  Yorau;—  inKärnten:  fierg, 
Feüach,  Gottestbal,  iiausdorf,  Battenberg,  Jaukenberg,  Klagenfurt,  St.  Leonbard, 
Loibllba],  Lölling,  Luggau,  Luschariberg,  Malteiu,  Micbeldorf,  Obir  I,  Obir  III 
(Hoch-Obir),  St.  Paul,  Perau,  St.  Peter,  Pontafel,  KaibI,  Sacbsenburg,  Saifiiitz, 
Tiffen,    Tröpo]ach,  Yillach,  Wttrmlach;  —  in  Krain:  Laibach,    Rudolfewerth ; 
—  im  KQstenlande:  Pola,  Triest;  —  in  Tirol  und  Vorarlberg:Bludenz, 
Dornbirn,  Innsbruck,  (Seehöhe  574.10  M^tres)  Lienz,  Marienberg,    St.   Martin, 
Heran,  Prftgraten,  Roveredo;  Sterzing,  Suldeu,  Vent,  Wüten;  —  in  Böhmen: 
Bodenbach,  Caslau,  Deatschbrot  (Seehöhe  406.86  M^tres),  Eger,  Krumau,  Leipa, 
Lobositz,  Marienbad,  Kepomuk,  Oberleitensdorf,  Pilsen,  Prag,  Beichenau,  Rei- 
chenberg,  Senftenberg,  Weißwasser;  —  in  Mähreu:  Bistritz  am  Hostein,  Brunn, 
Datschitz,  Hochwald.  PHyoz,  Bottalowitz, Schönberg;  — -  in  Schlesien:  Barz- 
dorf  (Seehöhe  255.6S  M^tres),  Teschen,  Troppau;  —  in  Galizien:  Biala,  Dro- 
hobycz,  Krakan,  Lemberg  '(Seehöhe  297,86  M^ties),    Makow,  Rzeszow,  Tarno- 
pol,  Zloczow;  —   in  der  Bukowina:  Czernowitz;  —  inDalmatien:  Castel- 
nuovo  (Fort  Punta  d'Ostro),  Curzola,  Lesina,  Kagusa,  Zara;  —  in  Ungarn: 
Ungarisch -Altenburg,  Alt-Arad,  Arvav&r&ya  (Seehöhe  181.10  M^tres),  Debreziu, 
Gross-Kikinda,  Comom,  Le?a,  Losoncz,  Neusohl,  Neutra,  Kyiregyh&za,  Über- 
schätzen, Oedenburg,  Ofen,  Oravicza,  Pressburg,  Rechnit^:,  Nagy-Köcze,  Rosen- 
an  Gömör  (Seeböhe  298.06  M^trcs),  Schemnitz,  Steinamanger,    Szegedin,  Wer- 
tchetz,  Grofi'Zinkendorf,  Zombor  (Seehöhe  69.14  M^tres);   —    in  Croatien 
ond  Slavonien:  Agram  (Seehöhe  iSK.b  M^trosi,  £ssegg,  Fiume;  —  inSie- 
benbOrgen:  Bistritz,  Gsik-Somljo,  Hermannstadt,  Klauseuburg,  (Seehöhe  383.10 
untres),   Kronstadt,    Sasz-Regen,   Sch&ßburg;    —    in    der   Milit&rgränze: 
Gospiö,  Pancsova  (Seehöhe  64.60  Mdtres),  Ruszkberg.  Kerner  im  Ausland  —  Corfu, 
Dnrazzo,  Valonk, 

(Der  ehemalige  Keuaiedlersee.)  Ueber  den  gegenwärtigen  Zustand  des 
ans  den  Karlen  noch  immer  nicht  gestrichenen  Neusiedlersees  erhalten  wir 
Dachstehende  Mittheilung: 

-Die  Mulde  des  vormaligen  See's  zeigt  hie  und  da  fiinsenkungen  kleineren 
Umfangs.  Nur  diese  bilden  nach  starkem  Regenfall  noch  Wasserspiegel,  welche 
bei  anhaltend  tiockenem  Wetter  durch  Verdunstung  und  Versickerung  auf  eben 
so  Tiele  Sumpfstellen  reduciert  werden.  Abgesehen  von  diesen  Vertiefungen  ist 
die  ganze  übrige  Sohle  jederzeit  wasserfrei. 

Jene  Sumpfstellen  und  stellenweise  zu  Tage  tretende  Schotter-  und 
Sandbänke  ausgenommen,  eignet  sich  das  übrige  Terrain  des  trocken  Heftenden 
Seebodens  für  Zwecke  des  Feldbaues  und  der  Forstcultur.  Gegenwärtig  ist  erst 
der  kleinere  Theil  unter  den  Pflug  genommen,  während  der  größere  als  Weide 
dient.  Sumpf-  und  Schotter  machen  natürlich,  wo  sie  vorkommen,  das  Land 
nnproductiv.  Im  Ganzen  ist  das  Ackerland  von  dem  Rand  der  Mulde  aus  im 
Fortschreiten  begriffen. 

Die  Vertheilung  des  trocken  liegenden  Seebodens  ist  bereits  vollzogen. 
Die  angrenzenden  Gemeinden  und  Großgrundbesitzer  haben  dabei  ihr  Eigen- 
thumsrecht  geltend  gemacht. 

Unterschiede  im  Klima  der  Umgebung  seit  der  Austrocknung  könnten  nur 
dann  nachgewiesen  werden,  wenn  Aufzeichnungen  über  die  durchnittliche 
Witterung  der  Vergangenheit  vorhanden  wären  und  seit  der  Austrocknung  so 
viel  Zeit  verflossen  wäre,  um  eine  Reihe  von  Jahren  hindurch  verlässUche 
Witterungsbeobachtungen  machen  zu  können.  Oberflächliche  Schätzung  der 
Jahreswitterung  vor  und  nach  der  Abtrocknung  dtlrfbe  für  sich  allein  zu  keinem 
haltbaren  Schlüsse  führen.  M. 

Baken  Expeditioii*  Sie  haben  bereits  unlängst  durch  Mittheilung  des 
Herrn  Marno  (leider  in  jenem  Schreiben,  das  uns  nicht  zukam.  A.  d.  Red.) 
erfahren,  dass  Sir  Samuel  Baker  vor  der  Mündung  des  Bahr  el  Sarai  mit 
seiner  ganzen  Flotte  angelegt  hat  und  bis  dato  an  jener  Stelle  verweilt, 
angeblich  weil  der  Flnss  ausgetrocknet  und  für  die  Schiffe  nicht  passier- 
bar war.  Sonderbari  Der  Unbefangene  muss  sogleich  das  Unwahre  dieser  An- 
gabe erkennen,  weil  der  Fluss  oberhalb  des  Sobat  gar  nie  unschiffbar  wird 
und  die  Kauffahrer,  welche  vor  und  nach  Baker  abgiengen,  ohne  Binder- 
niase  ihre  Fahrten  fortsetzten.   Schon  die  Position,  welche  Baker  einnimmt, 


584 

zeigt  deutlich,  dasB  sein  (ohne  Zweifel  freiwilliger)  Aufenthalt  auf  aoden 
OrOiideD  beruht.  Baker  muss  Yorl&ufig  den  ersten  Theil  seiner  großen  Aufgabe, 
die  Aufhebung  des  Sdavenhandels  —  aum  Abschluss  bringeo.  Dies  konnte 
nicht  geschehen,  h&tte  Baker  seine  Fahrt  direct  nach  Gondökoro  fortgesetxt. 
Kur  unter  dem  Ausflusse  des  Bahr  cl  Saraf  (Giraffeofluss),  wo  alle  Wtsier- 
straßeo  vereinigt  sind  (weil  am  Sobat  keine  Schiffahrt  betrieben  wird),  ist  eine 
General-Revision  aller  Fahrzeuge  möglich  die  mit  Menschenware  beladen 
heimkehren;  dort  müssen  sie  alle  zusammenlaufen,  dort  müssen  sie  alle 
in  die  Falle  gehen.  Dass  Baker  seine  Sache  von  der  rechten  Seite  ao£ust, 
beweisen  bereits  die  vorliegenden  Facteu,  welche  auch  die  vorstehende  An- 
sicht bestätigen.  Von  sechs  heimgekehrten  Schiffen  wurden  vier  gekapert 
und  nach  Freigebung  der  an  Bord  vorgefundenen  Sclaven  mit  Maus  und  Mann 
unter  Sequester  nach  Chartum  escortiert,  wo  sie  bereits  in  den  Händen 
der  Regierung  sind.  Hiebei  sind  besonders  die  beiden  Großmeister  im  Elfen- 
bein- und  Sclavengeschäfte  Akad  und  KutschukAli  betroffen  —  190Sclaveo 
auf  einem  Schiffe,  150  auf  dem  andern;  die  beiden  Übrigen  führten  nur  kleine 
Ladungen  von  Menschen  wäre.  Baker  wird  seine  dermalige  Stellung  kaum  tot 
Rückkehr  aller  Kauffahrer  aufgeben,  von  denen  er  voraussichtlich  die  meisten 
wird  auiheben  müssen,  um  gegen  diesen  Schaudhandel  einen  erfolgreichen 
Schlag  zu  fiühren. 

Die  Sclavenwirtschaft  auf  dem  weißen  Flusse  hat  seit  20  Jahren  nor 
eismal  ein  kleines  Intermezzo  erfahren,  als  der  Generalgouverneur  Mosa 
Pascha  anno  1864  in  Faschoda  eine  Mudirie  errichtete  und  in  jener  Gegoul 
die  ohne  Argwohn  heimkehrenden  Schiffer  allesammt  mit  Beschlag  belegte. 
10.000  Sclavru  in  runder  Zahl  wurden  damals  im  Hafen  von  Chartum  ausgesduffi. 
Dieser  energische  Mann  starb  jedoch  im  selben  Jahre,  und  seine  wolgemeinte 
Action  hatte  keine  andere  Nachwirkung,  als  dass  die  Hauptbescbuldigten  Aber 
Jahr  und  Tag  im  Arreste  saßen,  die  Schiffe,  das  Elfenbein  und  die  Waren 
aber  nachträglich  den  Eigenthümern  zurück  gegeben  wurden.  In  den  letzten 
sechs  Jahren  hat  der  Scluvenhandel  sogar  eine  Art  Legitimation  erhalten,  indem 
die  Regierung  in  Faschoda  die  Negertransporte  nicht  nur  geschehen  ließ, 
sondern  in  so  fern  selbst  Theil  daran  nahm,  als  sie  eine  ordentliche  Contribution 
darauf  legte,  und  für  jeden  Sclaven  1()  Tbaler  bar  und  extra  pr.  Schiff 
15  Köpfe  in  natura  abverlangte.  Dafür  erhielt  der  Schiffscommaudant  den 
officiellen  Passierschein  zur  Rechtfertigung  seiner  Unschuld;  nur  wurden  die 
Sclaven  vor  Chartum  an's  Land  gesetzt,  um  nicht  im  Hafen  vor  den  Augen 
der  Welt  ausgeladen  zu  werden.  Die  Türken  sowol  als  die  Kaufherrn  werden 
daher  ihren  Groll  gegen  Bakers  Maßregeln,  wodurch  ihnen  ein  so  einträglicher 
Erwerb  entzogen  wird,  schwer  unterdrücken  können.  Um  so  mehr  Festigkeit 
und  Ausdauer  wird  Baker  entwickeln  müssen,  soll  der  Zweck  in  dieser 
Richtung  erreicht  werden. 

Der  Secrctär  Bakers,  ein  Engländer,  ist  krank  nach  Chartum  zurück- 

Sekehrt,  und  begibt  sich,  ziemlich  hergestellt,  dieser  Tage  nach  Europa.    Von 
en  Soldaten  der  Expedition  sollen  bereits  54  Mann  gestorben  sein. 

Die  egyptische  Regierung  entwickelt  allseitig  viel  Sorgfalt  um  die  armen 
Neger  —  sie  hat  heuer  auch  eine  Art  Mudirie  für  die  obern  Ländergebiete 
des  Bahr  el  Gasal  errichtet  und  als  Oberlteamten  für  jenen  Bezirk  einen 
hochangesehenen  eingebornen  Takruri,  welcher  im  vorigen  Jahre  hierher  kam 
und  sich  der  Regierung  zu  Diensten  stellte,  zum  »Mamur  von  Uofra  el  Nahäs- 
ernannt;  er  wurde  besäbelt  und  beritten  und  Befehlshaber  von  600  Mann 
irregulärer  Truppen.  Als  Militär- Attache  wurde  ihm  ein  Sandschak,  Anführer 
von  200  regulären  Amanten,  beigegeben  und  für  diese  hohe  Stelle  der  oben 
genannte  türkische  Sclavenhändler  Kutschuk  Ali  auserwählt.  Diese  beiden 
Völkerbeglücker  haben  ihre  Sendung  schon  vor  Bakers  Expedition  aogetreteo, 
um  auch  den  westlichen  Stämmen  die  \^ohlthaten  der  heilbringenden  türkischen 
Civilisation  auszuspenden  und  das  Licht  des  Halbmondes  über  den  schwarsen 
Finsterlingen  leuchten  zu  lassen.  Durch  die  ofiicielle  Occupation  und  miltt&riscbe 
Besetzung  der  obern  Nebenländer  des  Gazellenflusses  scheint  es  nebenher  bei 
günstigem  Winde  auch  auf  einen  Coup  gegen  Darfur  abgesehen  zu  sein.     H. 


Reise  durch  Rumelien  im  Sommer  1869. 

Von  Prof.  Dr.  F.  v.  H ochste tter. 

4.  YoD  Bnrgas  am  schwarzen  Meere  dem   Balkan  entlang  nach 

Philippopel. 

Am  15.  Aagast  gegen  Mittag  verließ  ich  Bnrgas  and  setzte,  da 
meine  bisherige  Reisegesellschaft  nach  Enos  abgefahren  war,  die  Reise 
aUein  fort.  Das  Reiten  in  brennender  Sonne  hatte  ich  gründlich  satt 
bekommen;  ich  hatte  mir  daher  in  Burgas  einen  Wagen  gemietet,  den 
ich  so  bequem  als  möglich  einrichtete.  Die  landesflblichen  Pritschka's 
sind  der  ganzen  Länge  nach  gedeckt,  vom  mit  einem  Sitz  für  den 
Kutscher  und  zu  beiden  Seiten  mit  einer  Oeffnung  zum  Einsteigen 
versehen.  Das  Innere  des  Wagens  hat  dagegen  keinen  Sitz.  Einen 
solchen,  macht  man  sich  aus  irgend  einem  Gepäcksstücke,  wenn 
man  es  nicht  vorzieht,  nach  Art  der  Türken  sich  das  Bettzeug,  das 
man  in  der  Türkei,  wenn  man  ordentlich  schlafen  will,  selbst  mit- 
führen muss,  divanartig  zusammenzurichten,  so  dass  man  halb  liegt, 
halb  sitzt.  Wir  hatten  uns  in  Adrianopel  aus  ä  Stücken  zusammensetz- 
bare Matrazen  machen  lassen,  die  während  der  weiteren  Reise  die 
vortrefflichsten  Dienste  bald  als  Bett,  bald  als  Wagensitz  leisteten. 
Das  Innere  des  Wagens  ist  in  der  Regel  mit  rothem  Tuche  ausge- 
schlagen, und  durch  kleine  ovale  Spiegelchen  verziert.  Die  3  Pferde 
werden  neben  einander  gespannt  und  tragen  Glocke  *).  Mein  Kutscher 
war  ein  junger  freundlicher  Tatare,  Namens  Ali,  in  der  gewöhn- 
lichen Kutschertracht,  nfimlich  weite  schwarze  Pumphosen,  rothe  Leib- 
binde, bunte  Jacke  und  Fez  mit  Turban.  Ich  war  außerdem  be- 
gleitet von  meinetn  Diener  Mohl,  der  mein  Reitpferd  ritt,  und  einem 
berittenen  Kawassen  Namens  Ahmed  ^),  letzterer  ein  Albanese  von  Ge- 
burt und  ein  wahrer  Rauberhauptmann  von  Gestalt,  mit  riesig  langem 
Schnurrbart,  mit  einer  tiefen  Narbe  über  der  Stirn  und  mit  nur  einem 
Ohr:  des  anderen  war  er  bei  einer  hitzigen  Räuberaffaire  verlustig 
geworden.  Er  trug  ein  blaues  reichgesticktes  Nationalcostüm  und  starrte 
in  Waffen;  den  langen  krummen  Säbel  hatte  er  über  die  Schulter  ge- 
hängt und  das  Gewehr  stets  schussbereit  in  der  Hand.  Trotz  seines 
martialischen  Aussehens  war  er  aber  der  gutmüthigste  Mensch  von  der 
Welt,  der  mich  nicht  aus  dem  Auge  ließ,  mir  nicht  von  der  Seite  wich, 

wenn  ich  geologische  Abstecher  von  der  Straße  machte,    und  in  vollem 

*)  Fflr  einen  solchen  Wagen  bezahlt  man  in  der  Türkei  50  bis  80  Piaster 
per  Tag,  i5  bis  8  fl.  Oe.  W.),    wofür  aber  der  Kutscher   für   sich    und  seine 
Pferde  selbst  zu  sorgen  hat. 

*)  Ein  berittener  Kawass  bekommt  150  Piaster   per  Monat,    muss  aber 
dann  sammt  seinem  Pferde  freigehalten  werden. 

Kitiheilnngen  d.  geogr.  G«seU.  1870.  13.  38 


586- 

Galopp  fiber  die  Felder  sprengte,   wenn  ich  ihm  Auftrag  gab,  mir  toq 
einem  nahen  Felsvorsprange  eine  Steinprobe  zu  holen. 

Mein  nächstes  Reiseziel  war  Aidos.  Die  breite  chaussierte  Straße, 
auf  der  ich  Burgas  verließ,  gieng  schon  wenige  Minuten  vor  der  Stadt 
wieder  in  einen  Naturweg  über.  Indessen  ist,  wie  ich  mich  auf  der 
weiteren  Reise  überzeugte,  eine  Straße  von  Burgas  über  Aidos  und 
Kamabat  nach  Sliwno  wirklich  im  Bau,  und  zwar  schon  seit  4  Jahren. 
Die  Brflcken  waren  meist  fertig  und  die  Straßengräben  auf  weite  Strecken 
ausgehoben.  Diese  neue  Straße  folgt  einer  fast  schnurgeraden  Richtung, 
unbekümmert  um  Terrainverhältnisse  oder  um  die  in  der  Nähe  liegeo- 
den  Ortschaften,  was  überhaupt  eine  £igenthümlichkeit  aller  ttürldschen 
Straßenanlagen  zu  sein  scheint.  Dass  diese  Straßen  so  lange  Zeit  brauchen 
bis  zu  ihrer  Vollendung  und  oftmals  gar  nicht  fertig  werden,  erklärt  sich 
daraus,  dass  sie  größtentheils  mit  erzwungener  Arbeit  gebaut  werdeiL 
Jeder  Bauer  ist  nämlich  verpflichtet,  4  Tage  im  Jahre  an  der  Straße 
zu  arbeiten  oder  10  Piaster  per  Tag  (im  Ganzen  also  40  Piaster  oder 
4  fl.  Oe.  W.)  zur  Bezahlung  eines  Ersatzmannes  zu  zahlen.  Dabei  soll 
es  aber  öfters  vorkonmien,  dass  ganze  Dörfer,  nachdem  sie  sich  mit 
20  bis  60.000  Piaster  losgekauft  haben,  und  diese  Summen  in  den  Taschen 
der  Machthaber  verschwunden  sind,  von  neuem  zur  Arbeit  gezwungen 
werden.   , 

Der  Weg  nach  Aidos  führt  über  einen  flachen  niederen  Röcken, 
welcher  die  Lagune  von  Burgas  von  der  Lagune  von  Athanaskiöi  trennt 
Nach  anderthalb  Meilen  kommt  man  an  den  Fuß  eines  vielkuppigen 
HOgellandes,  das  ganz  aus  vulkanischen  Gesteinen  (Trachyt  und  Dolerit) 
besteht.  Hier  liegt  das  Bad  Lidscha  mit  einer  warmen  Quelle  von  32^  B. 
Das  Wasser  ist  vollkommen  klar,  geschmack-  und  geruchlos  und  wird 
nicht  bloß  zum  Baden,  sondern,  nachdem  man  es  hat  kalt  werden 
lassen,  auch  als  Trinkwasset  benützt.  Das  Badehaus,  welches  zwei  Bade- 
bassins,  ein  Frauen-  und  ein  Männerbad,  enthält,  hat  keine  Räuraüch- 
keiten  zur  Unterkunft  von  Badegästen.  Diese  mOssen  daher  in  einem 
Tschiftlik  in  der  Nähe  des  Bades  logieren,  oder  unter  miserablen  Ba- 
raken  beim  Bade  campieren. 

Zwischen  Lidscha  und  Aidos  wird  das  Terrain  mehr  coupiert,  die 
Wasserscheide,  die  man  hier  überschreitet,  erreicht  aber  nur  eine  Meeres- 
höhe von  177  Meter.  Die  zahlreichen  felsigen  Kuppen,  zwischen  welcheo 
sich  der  Weg  durchwindet,  bestehen  aus  doleritischem  Gestein.  Die 
höhere  vulkanische  Kette,  die  man  nördlich  zur  Seite  hat,  bildet  die 
Verberge  der  östlichsten  Ausläufer  des  Balkans. 

Das  Städtchen  Aidos,  welches  ich  gegen  Abend  erreichte,  hat  eine 
recht  hübsche  Lage   in   der  Ebene  am    südlichen  Fuß  jener  Bergkette, 


587 

gerade  vor  dem  Ausgange  eines  Querthaies.  Ein  Balkanfibergang  fthrt 
von  hier  über  Boghazdere  und  Lopu§na  nach  Schumla.  Eine  bessere 
ÜEthrbare  Balkanstraße  geht  aber  weiter  westlich  von  Eamabat  fiber 
Beikiöi  undEomarowa,  eine  300  Meter  hohe  Wasserscheide  übersteigend,  in 
das  Thal  des  Deli  Kamtschyk.  Von  diesem  Thale  gelangt  man  über  eine 
zweite  402  Meter  hohe  Wasserscheide  nach  Bairamdere  in  das  Thal 
des  Kutschfik  Kamtschyk  und  von  da  über  Smedowa  und  Eöprikiöi 
nach  Schumla  ^). 

Aidos  zählt  4tf)0  Häuser  (150  bulgarisch  und  griechisch,  300  tür- 
kisch), es  hat  4  Moscheen  und  eine  christliche  Eirche.  Ich  fand  bei 
einem  Griechen  Namens  Janaki  ein  sehr  anständiges  und  reinliches 
Quartier.  Seine  Söhne,  die  im  Lyceum  zu  Ccmstantinopel  studieren  und 
eben  auf  Ferien  waren,  leisteten  mir  abends  freundliche  Gesellschaft. 
Der  eine  sprach  gut  französisch,  der  andere  englisch. 

Am  andern  Morgen  (16.  August)   machte  ich  noch    einen  kleinen 
Ausflug  in  Begleitung  meines  freundlichen  Hauswirtes    auf  den  östlich 
von  der  Stadt  gelegenen  Sersem  Bair,    an  dessen  Fuß  Werksteine   ans 
geschichtetem  vulkanischem  Tuff  gebrochen    werden,    und  von   dessen 
Gipfel  man  eine  hübsche  Aussicht  fiber  die  Stadt   und  Umgegend  hat 
Von  Aidos    setzte   ich  die  Reise  fiber  Eamabat,   dem  sfidlichen 
Fuße  des  Balkans  entlang  fort.  Earnabat  (oder  Earinabad)  ist  ein  kleines 
Städtchen   mit   4 — 5000  Einwohnern,    das  mich   an  die  Dorfstädte  in 
den  ungarischen  Ebenen  erinnerte.    In  colossalen  Schobern  lag  das  Ge- 
treide  rings  um    die  Stadt    aufgestappelt   und   die    ganze  Bevölkerung 
schien  mit  dem  Ausbringen  desselben  beschäftigt.  Die  Gegend  zwischen 
dem  Balkan  nördlich  und  der  vulkanischen  Eette  von  Jamboli  ist  flach, 
schlecht  bebaut  und   auf  weite  Strecken   sumpfig.    Die  Wasserscheide 
zwischen  dem  schwarzen  und  ägäischen  Meere,  die  ich  zwischen  Aidos 
Diid  Earnabat  passirte,  ergab  eine  Meereshöhe  von  302  Metern.  In  dem 
Han    an   der  Straße  bei  dem  Dorfe  Sigmeni   nahm  ich  Nachtquartier. 
17.  August.  Von  Sigmeni  hält   sich  der  Weg  fort  in  der  Ebene 
am    sfidlichen   Fuße   des  Balkans.    Das  Gebirge  erscheint  größtentfaeils 
kahl.  Die  interessanten  Felsformationen  an  seinem  Abhänge  veranlassten 
mich  zu  kleinen  Seitentouren  ^),  so  dass  ich  die  Stadt  SUwno  erst  nach- 


*)  Die  Bussen  im  Jahre  1829  kamen  fiber  den  Nadir-Derbend  Pass  von 
Vama  her.  Aidos  und  Earnabat  haben  bei  diesem  Feld^sug  viel  gelitten. 

*)  In  Bezug  auf  die  geologischen  Verhältnisse  der  Balkankette  verweile 
ich  auf  den  betreffenden  Abschnitt  in  dem  Au&atze:  ^^üeber  die  geologischen 
Verhältnisse  des  östlichen  Theiles  der  europäischen  Türkei  (nebst  geologischer 
Karte)/'  welchen  ich  im  Jahrbuche  der  k.  k.  geologischen  Beichiianstalt 
(III.  Heft  1870)  veröffentlicht  habe. 

38* 


588 

mittags  erreichte.  Karz  vor  Sliwno  hat  man  zur  Rechten  den  gro6- 
artigen  Anblick  des  Tscbatalkaje,  eines  gewaltigen  Gebirgsstocks  von  Quarz- 
porphyr,  der  sieb  unmittelbar  ans  der  Ebene  circa  1100  Meter  hoch 
erhebt,  nnd  in  nackten  wildzerrissenen  nnd  zerkltlfteten  Felspyramideo 
ond  Felszacken  gipfelt  —  einer  der  eigenthfimlichsten  und  großartigsten 
Berge  der  Baikankette. 

Eine  Stande  vor  Sliwno  begann  wieder  ein  fahrbares  Stück  der 
neuen  Straße.  Die  Stadt  selbst  sieht  man  nicht  frfiher  als  bis  mio 
mitten  durch  einen  ausgedehnten  Begr&bnisplatz  hindurch,  der  an  ihrer 
Süd-Ostseite  liegt,  von  der  Hochüflche  am  Fuß  des  Gebirges  in  den 
tiefer  gelegenen  von  Bergen  ringsumschlossenen  Kessel  hinabkommt,  in 
welchem  sie  am  Ausgang  mehrerer  Balkanschluchten  ganz  versteekt 
liegt.  Der  Hadschidandschan  Han  war  mein  Absteigquartier. 

Sliwno  (türk.  Jslimid  oder  Jsliwn^)  mit  ungefähr  24.000  Einwohnen, 
(4000  Familien ),  ist  Hauptstadt  eines  Liwa  mit  7  Kazas  ^)  nnd  Sitz  eines 
Paschas.  Die  Bevölkerung  besteht  aus  Bulgaren,  Türken,  Armenien 
und  Juden.  Zu  meiner  großen  Freude  traf  ich  hier  auch  einen  deutschen 
Arzt  Dr.  Gerhard,  der  mir  aufs  freundlichste  entgegenkam,  und  in 
dessen  Familie  ich  angenehme  Stunden  zubrachte,  an  die  ich  mich  gerne 
erinnere.  Die  von  Bäumen  grün  durchwachsene  Stadt  hat  eine  sehr 
bedeutende  Ausdehnung  und  Spaziergänge  durch  die  schlecht  gepflasterten, 
fast  zu  reichlich  von  Wasser  überrieselten  Straßen,  auf  halsbrecherischen 
Trottoirs,  gehören  .durchaus  nicht  zu  den  Annehmlichkeiten.  Große,  ziem- 
lich elegante  Raffehftuser  und  ein  Casino,  in  welchem  böhmische  Harfe- 
nistinen Abendkoncerte  veranstalten,  sind  die  Sammelpunkte  der  besseren 
Qassen.  Die  Stadt  hat  gegen  30  Moscheen,  3  griechische,  1  armenische 
Kirche  und  1  Synagoge,  ferner  türkische,  armenische,  jüdische  und 
bulgarische  Knabenschulen,  neben  2  Mädchenschulen.  Berühmt  sind 
die  Büchsenmacher  von  Sliwno,  deren  Fabrikate  bis  nach  Arabien 
gehen  sollen.  Die  Großindustrie  ist  vertreten  durch  eine  kaiserliche 
Tuchfabrik.  Das  sehr  ansehnliche  Fabriksgebäude  liegt  weithin  sichtbar 
auf  einer  Anhöhe  am  nördlichen  Ende  der  Stadt,  unmittelbar  vor  den 
Ausgange  einer  Selidsche  Dere  genannten  Gebirgsschlucht.  Die  Fabrik 
liefert  hauptsächlich  blaue  Müitärtficher,  100.000  Stück  (zu  12  tfirki- 
schen  Ellen,  und  etwa  ^/4  Wiener  Ellen  breit)  jährlich,  und  Habas, 
eine  Art  Loden  aus  gelbbrauner  ungefärbter  SchafswoUe,  wovon  dis 
Stück  66  bis  90  Piaster  (67,  =  9  fl.  Oe.  W.)  kostet.  An  allen  Beif- 
abhfingen  um  Sliwno  sieht  man  Schafswolle  zum  Bleichen  aasgelegt 
Auch  langharige  Wolldecken  sollen  hier  besonders   gut  erzeugt  werden. 

*)  Diese  7  Kazu  sind   Sliwno,   Jamboli,   Jeni  Saghra,   Akhiolu,    Aidos, 
Kussocastro,  Kamabat. 


i 


589   ' 


Tabak  and  Baumwolle  gedeihen  bei  Sliwno  nicht,  dagegen  produ- 
ciert  die  Stadt  5 — 6000  Okka  Seide  jährlich,  und  hat  viel  Weinbau. 
Der  Gemeindevorstand  der  bulgarischen  Gemeinde,  der  nebenbei  be- 
merkt frflher  Falschmünzer  gewesen  sein  soll  und  in  Ketten  nach 
Sliwno  k^,  brachte  mir  als  Probe  einen  vortrefflichen  süßen  Wein, 
von  dem  die  Okka  4  Piaster  kostet  ^)  und  trug  sich  mit  dem  Gedanken 
eine  Champagnerfabrik  zu  errichten. 

Die  Berge,  die  Sliwno  umschließen,  bestehen  mit  Ausnahme  des 
porphyrischen  Tschatalkaje  oder  Tschatal  Bair  aus  dflnngeschichtetem 
lichtem  Kalkmergel,  der  wahrscheinlich  der  untern  Kreideformation  ali- 
gehört. Den  besten  Ueberblick  fiber  die  große  an  beiden  Ufern  des  Koru- 
dschu  Dere,  über  welchen  eine  hölzerne  Brücke  führt,  sich  ausdehnende 
Stadt  hat  man  von  der  im  Süden  gelegenen  Baramuk  Bair  genannten 
Anhöhe.  Nach  der  Lage  am  Fuß  des  Gebirges  sollte  man  die  Stadt 
für  sehi'  gesund  halten;  ich  wundeite  mich  daher,  von  Dr.  Gerhard 
zu  hören,  dass  hier  sehr  perniciöse  Wechselfieber  herrschen. 

Am  18.  August  machte  ich  dem  Gouverneur  Dschevid  Pascha  einen 
Besuch;  derselbe  emptieng  mich  aufs  zuvorkommendste  und  gab  mir 
zur  weitereu  Keise  zwei  berittene  Saptie's  mit. 

Ich  hatte,  um  von  Sliwno  nach  Kisanlik  zu  kommen,  die  Wahl 
zwischen  zwei  Routen,  dem  direkten  Weg  das  Tundschathal  aufwärts, 
oder  dem  Umweg  über  Jeni-  und  Eski-Saara.  Ich  zog  die  letztere  Route 
vor,  weil  ich  bei  dem  Uebergange  über  den  Karadscha  Dagh  zwischen 
Eski-Saara  und  Kisanlik  einen  wichtigen  geologischen  Durchschnitt  zu 
erhalten  hoffte. 

Gegen  1  Uhr  brach  ich  auf.  Nachdem  wir  das  breite  Schotterbett 
des  Korudscha  Dere  passirt  hatten,  kamen  wir  auf  die  weiten  Allu- 
vialflächen der  Tundscha.  Das  Flussbett  ist  Vj^  Stunden  von  Sliwno  ent- 
fernt. Wir  mussten  durchs  Wasser  fahren,  da  die  Brücke  eben  erst  im 
Bau  war.  Jenseits  der  Tundscha  bemerkt  man  in  der  Ebene  eine  Reihe 
kleiner  Prophyrkuppen,  an  einer  derselben,  zur  Rechten  bei  Tschamorlu, 
entspringt  eine  warme  Quelle.  Bei  dem  Dorfe  Dschinali  erhebt  sich  das 
Terrain  allmählich  zu  einem  Aachen  niederen  Rücken,  welcher  das  mittlere 
Tuudscha-Becken,  oder  das  Becken  von  Jamboli  und  Sliwno,  von  dem  Becken 
von  Jeni-Saara  trennt.  Dieser  flache  Rücken  steigt  in  westlicher  Richtung 
höher  an  und  geht  in  einen  vielkuppigen,  ost-westlich  streichenden  Ge- 
birgszug über,  der  den  Namen  Karadscha  Dagh  ')   führt  und   ein 

*)  Von  geringeren  Sorten  Weih  kommt  die  Maß  auf  ungefähr  4  kr.  Oe.  W. 
0  Der  östlichste  Theil  des  Gebirges  heißt  auch  Bair  Dagh,  der  mittlere 
TbeU  Kara  Bair. 


590 

höchst  ausgezeichnetes  sftdliches  Yorgehirge  des  Balkans  bildet.  Die 
höchsten  Rücken  nnd  Kuppen  erreichen  eine  Meereshöhe  von  800  \m 
gegen  1000  Meter.  In  der  Nähe  des  Dorfes  Atlola  (der  Scheda'schen 
Karte)  erreicht  man  die  weite  baumlose  Ebene  am  südlichen  Faß  des 
Karadscha  Dagh,  in  welcher  das  Städtchen  Jeni-Saara  liegt.  Die  Ebene 
erstreckt  sich  von  hier  ohne  Unterbrechung  in  südlicher  und  südwest- 
licher Richtung  bis  zur  Maritza;  denn  ich  glaube  mich  nicht  getauscht 
zu  haben,  wenn  ich  die  Höhenzüge ,  welche  ich  in  dieser  Richtung  in 
blauer  Feme  am  Horizont  auftauchen  sah,  für  die  Rhodope  hielt 
Auch  der  Sacharbair  bei  Srem  ist  von  Jeni-Saara  aus  g^^n  Südost, 
wo  sich  das  krystallinische  Plateau  westlich  von  der  Tnndscha  ungefthr 
800  Fuß  hoch  erhebt,  deutlich  sichtbar. 

Jeni-Saara  (oder  Jeni-Sagra,  d.  h.  Neu-Saara)  ist  eine  kleine 
Dorfstadt  mit  breiten  nicht  gepflasterten  Straßen,  die  Gegend  ringsnm 
von  dem  Charakter  der  ungarischen  Pusten.  Schulhofsche  Brunnen 
müssten  hier,  da  die  Stadt  empfindlich  an  Wassermangel  leidet,  die 
besten  Dienste  leisten. 

19.  August/  Von  Jeni-Saara  bis  Eski-Saara  (6  türk.  Stunden)  ist 
die  Gegend  fast  topfeben  und  baumlos.  Die  Wege,  die  bei  nassem 
Wetter  grundlos  sein  müssen,  —  die  Straße  ist  auch  hier  wieder  erst 
im  Baue  —  die  endlosen  Hutweiden,  nnd  Stoppel-  oder  Unkrautfelder, 
neben  den  üppigsten  Kukuruzpflanzungen,  Alles  das  erinnert  an  die 
ungarischen  Ebenen  im  Banat;  derselbe  tie&chwarze  Humusboden,  dieselbe 
Art  der  Oultur  hier  wie  dort;  die  unerschöpflichen  Kornböden  dieser 
Ebenen  zwischen  Balkan  und  Rhodope  machen  die  Gegend  zur  Korn- 
kammer der  Türkei,  welche  das  Getreide  zur  Ausfuhr  nach  den  Hafai 
von  Burgas  und  Enos  liefert. 

Zur  Rechten,  d.  h.  gegen  Norden  in  einer  halben  Stunde  Ent- 
fernung vom  Wege  steigen  die  runden  bewaldeten  Kuppen  und  Rücken 
des  Karadscha-Daghs  an,  welcher  jene  Ebenen  vom  oberen  Tundscha- 
becken  trennt.  Das  Gebirge  ist  mit  dem  Balkan  östlich  durch  ein 
niederes  Mittelgebirge  verbunden,  welches  zwischen  dem  oberen  und 
mittleren  Tundschabecken  liegt,  und  von  der  Tundscha  in  einem  viei- 
gewundenen  engen  Felsthale  durchbrochen  ist. 

Die  zahlreichen  Ortschaften  zwischen  Jeni-  und  Eski-Saara,  welche 
unmittelbar  am  südlichen  Abhänge  des  Karadscha-Dagh  liegen,  macfaen 
sich  nur  durch  ein  fast  ununterbrochenes  grünes  Band  von  Obstwäldeni 
bemerkbar,  welches  den  Fuß  des  Gebirges  einsäumt.  Nur  durch  die 
wechselnden  Landschaftsbilder,  welche  der  Karadscha-Dagh  bietet^  ge- 
winnt die  Fahrt  von  Jeni-  nach  Eski-Saara  einiges  Interesse;  denn  die 


591 

Straße  vermeidet   wieder  alle  Ortschaften   und  fahrt  schnurgerade  über 
die  Ebene. 

£ski-Saara  (Alt-Saara)  liegt  in  einem  äusserst  fruchtbaren,  an 
drei  Seiten  von  Hügeln  umschlossenen  und  nur  gegen  Südost  offenen 
Thalbecken  unmittelbar  am  Fuß  des  Karadscha-Dagh.  Die  Landschaft 
rings  um  die  Stadt  ist  ein  wahrer  Garten.  Durch  Weingärten  und  einen 
Wald  der  schönsten  Nußbäume  koinmt  man  in  die  Stadt.  Eski  -  Saara 
ist  bedeutend  größer  als  Jeni-Saara,  man  rechnet  15 — 20,000  Ein- 
wohner. Die  Stadt  besitzt  13  Moscheen  und  4  christliche  Kirchen, 
darunter  eine  ganz  neue  —  ein  sehr  stattlicher  aus  feinkörnigem  Sand- 
stein 1867  aufgeführter  Bau  mit  einer  Schule  daneben,  —  6  Knaben-  und 
4  Mädchenschulen.  Auch  ist  die  Stadt  sehr  gewerbreich;  ich  bemerkte 
namentlich  eine  große  Menge  von  Kupferschmieden  und  hörte  auch  von 
einer  Seidenfabrik.  Von  den  Weinberghflgeln  an  der  nordwestlichen 
Seite  übersieht  man  die  ganze  Stadt  und  das  weite  Flachland  bis  zur 
Maritza.  —  Im  Hadschi-Bondschu  Han,  wo  ich  mich  einlogierte, 
fand  ich  wol  einen  sehr  gefalligen  Handschi,  aber  ein  sehr  miserables 
Quartier. 

Ich  konnte  mich  desshalb  zu  einem  Aufenthalt  in  Eski-Saara  nicht 
entschließen,  sondern  setzte  gleich  am  andern  Morgen  (20.  August) 
meine  Reise  nach  Kisanlik  fort.  Die  Entfernung  zwischen  beiden  Städten 
beträgt  6  türkische  Stunden.  Man  hat  dabei  den  Karadscha-Dagh  zu 
fiberschreiten.  Der  Weg  führt,  nachdem  man  die  Gemüse-,  Obst-  und 
Weingärten,  welche  die  Stadt  umgeben,  hinter  sicli  hat,  in  die  Schlucht 
des  Bedek-Dere.  Die  Felsen  zu  beiden  Seiten  der  engen  Thalschlucht, 
durch  welche  man  in  da^  Gebirge  eintritt,  bestehen  aus  dünnge- 
platteten Kaiken  und  Kalkmergeln,  deren  Bänke  von  Ost  nach  West 
quer  über  das  Thal  streichen  und  steil  gegen  Süd  einfallen.  Der  Weg 
führt  anfangs  mitten  im  Rinnsale  des  Baches  quer  über  die  Schichtenköpfe, 
steigt  dann  aber  später  an  der  linken  Thalseite  langsam  aufwärts  und 
ist  stellenweise  ganz  in  Felsen  gehauen.  Unten  am  Bach  liegt  Mühle  an 
Mühle.  Die  Gegend  würde  nicht  ohne  romantischen  Reiz  sein,  wenn  das 
Gebirg  nur  einigermaßen  bewaldet  wäre.  Die  Straße,  neben  der  eine 
Telegrafenlinie  hinläuft,  ist  so  weit  in  Stand  gehalten,  dass  man  zur  Noth 
mit  einem  Wagen  durchkommt.  In  der  Nähe  der  Sapti6station  Boas 
Kalessi  bemerkt  man  auf  einem  Felsen  im  Bette  des  Gebirgsbaches  eine 
russische  Inschrift. 

Bei  dem  Dorfe  Derbend,  hinter  welchem  sich  eine  schön  bewaldete 
kegelförmige  Bergkuppe,  der  Bätär  Bair,  erhebt,  erreicht  man  in  einer 
Meereshöhe  von  500  Meter  die  Wasserscheide.  Die  Weinkultur  geht 
bis  auf  diese  Höhe.  Nun  eröffnet  sich   eine   reizende  Aussicht  auf  das 


592 

herrliche  von  Dörfern  and  Ortschaften  flbersäete  Thalbeeken  von 
Kisanlik  oder  das  obere  Tundschabecken  und  auf  die  gegenüberliegenden 
Höhen  des  Kirisch-  und  Michlis-Balkans.  Der  Abstieg  Aber  den  nörd- 
lichen Abhang  des  Karadscha  -  Dagh  ist  ziemlich  steil,  aber  kurz.  Un- 
mittelbar am  Fuß  des  Gebirges  liegt  der  Bekleme  Han,  und  wenige 
Schritte  davon  das  Bad  Cemadschi.'  £s  sind  drei  warme  Quellen,  die 
hier  entspringen,  eine  mit  38"  R.  eine  zweite  mit  37®  und  eine  dritte 
mit  36®.  Ein  neues  Badhans  zur  Benfltzung  dieser  Quellen,  die  schwadi 
schwefblwasserstoffhaltig  sind,  war  eben  im  Bau. 

Von  dem  Uebei^ang  Aber  den  Earadscha  -  Dagh  hatte  ich  die 
interessantesten  geologischen  Aufschlüsse  erwartet,  meine  Hoffnangen 
wurden  jedoch  bei  dem  gänzlichen  Mangel  an  bezeichnenden  Ver- 
steinerungen in  den  Kalk  -  Sandstein-  und  Quarzitbftnken,  die  man  durch- 
schneidet, nur  wenig  erfüllt. 

Nach  kurzer  Mittagsrast  im  Bekleme  Han  eilte  ich,  Kisanlik  zo 
erreichen.  Eine  sechsbogige  steinerne  Brücke  führt  über  die  Tundscha, 
die  in  einem  breiten  Schotterbette  fließt.  Die  fruchtbaren  Alluvial- 
ebenen  zu  beiden  Seiten  des  Flusses  sind  aufs  beste  bebaut ;  man  ^Uirt 
zwischen  lauter  Weingärten,  Tabakspflanzungen,  Kukuruzfeldem  and 
Rosengärten.  Um  5  Uhr  kam  ich  in  der  Stadt  Kisanlik  an.  Auf  keine 
meiner  Reisestationen  hatt«  ich  mich  mehr  gefreut,  als  auf  diese  viel- 
gepriesene in  der  herrlichsten  Gegend  gelegene  Balkanstadt.  Meine 
hochgespannten  Erwartungen  wurden  auch  keineswegs  getauscht  Ich 
hatte  von  Herrn  Wedemayer,  dem  Chef  des  Hauses  Ihmsen  &  Cp.  in 
Stambul,  eine  Empfehlung  an  einen  Deutschen  in  Kisanlik,  Herrn 
Julius  Kasselmann,  bei  dem  ich  die  herzlichste  und  gastlichste  Auf- 
nahme fand.  Ich  darf  die  Tage,  welche  ich  in  Gesellschaft  dieses  biederen 
Mannes,  welcher  hier  eine  der  angesehensten  Firmen  des  Landes  ver- 
tritt, zubrachte,  zu  den  angenehmsten  während  meiner  ganzen  türkischen 
Reise  rechnen  und  spreche  Herrii  Kasselmann  für  seine  Liebenswürdig- 
keit meinen  verbindlichsten  Dank  aus. 

Kisanlik  —  ich  schreibe,  wie  ich  den  Namen  aussprechen  hörte  — 
heißt  so  viel  als  Kesselstadt,  von  Kazan  =  Kessel;  daher  man  viel- 
leicht richtiger  Kazanlik  schreiben  sollte.  Andere  schreiben  K^zanlik.  Die 
Stadt  zählt  ungefähr  8000  Einwohner  ®)  (vorherrschend  Bulgaren  und 
Türken),  bat  1  Glockenturm,  16  Moscheen,  4  christliche  Kirchen,  4  Knaben- 
schulen, eine   Mädchenschule  und   ein   bulgarisches    Frauenkloster.    Im 


*)  ßarth  gibt  an,  dass  von  den  etwa  2500  Häusern  der  Stadt  160O  bol- 
garisch  und  nur  700  türkisch  seien,  neben  etwa  100  Fremden  und  ebeiffio 
vielen  Juden. 


593 

Sommer    hftlt  sich  hier  auch  die  amerikanische  Mission  von  Eski-Saara 
auf.  Das  Innere  der  Stadt  macht  keinen  guten  Eindruck.  Da  die  Wohn- 
häuser fast  alle  rüc^cwfirts  in   den  GSrten   liegen,    so   hat  man  in  den 
schlecht  gepflasterten  Straßen  meist  nur  den  Anblick  der  elenden  Lehm- 
manem  und  Scheunen,   welche   den  Vorhof  gegen   die  Straßenseite  ab- 
schliessen;  durch  diesen  Yorhof  gelangt  man  in  den  häufig  noch  durch 
eine  zweite  Mauer   abgeschlossenen  Garten   mit   dem  Wohnhaus.     Erst 
neuerdings    hat    man    angefangen,    die   Wohnhäuser    theilweise    an    die 
Straßenfront  zu  setzen.  Der  Hauptplatz  fühlt  den  merkwürdigen  Namen 
Gülboklük  d.  h.  Blumendreck.  Die  Bulgaren  bewohnen  mehr  den  west- 
lichen, die  Türken  den  östlichen  Theil  der  Stadt.    So    wenig   die  Stadt 
in  ihrem  Inneren  bietet,    so  reizend  ist  der  Anblick   derselben  von  den 
nordöstlich   dicht  an   der  Stadt    gelegenen  Ilöhen,   von   wo  man  einen 
herrlichen   durch  Minarets   und  Kuppeln   geschmückten  Park   zu   über- 
blicken glaubt.  Die  niederen  einstöckigen  Gebäude  liegen  alle  versteckt 
unter  den  saftig    grünen  Kronen   der   schönsten  Nuss-    und    Kastanien- 
bäume. Und  ebenso  reizend   ist  der   weitere  Blick   über  die  schön  be- 
baute  von  zahlreichen  in  Obstwäldern  versteckt  liegenden  Dörfern  besetzte 
Ebene,  mit  dem  prachtvollsten  Gebirgspanorama  ringsum.    Kisanlik  ge- 
hört  unstreitig  zu  den   schönst   gelegenen  StJidten    der  Türkei  und  da 
das  Klima  hier  vollkommen  gesund  ist,   so   müsste   die  Stadt   am  Fuß 
des  Balkans,  wenn  sie  mit  europäischem  Comfort  ausgestattet  wäre,  ein 
wahrhaft  paradiesischer  Aufenthaltsort  genannt  werden. 

Indessen  wird  es  im  Becken  von  Kisanlik  im  Hochsommer  noch 
sehr  warm,  und  viele  Stadtbewohner  ziehen  auf  Sommerfrische  in  die 
am  Fuß  des  Balkans  gelegenen  Dörfer,  oder  in  die  in  den  Balkan- 
schluchten versteckten  Monastir's  (Klöster). 

Obstgärten,  Weingärten,  Tabak-,  Kukuruz-  und  Kornfelder  um- 
geben die  Stadt.  Aber,  wenn  man  von  Kisanlik  spricht,  darf  man  die 
Hauptsache  nicht  vergessen,  und  das  ist  die  Rosenkultur  zur  Erzeugung 
von  Rosenöl.  Der  schöne  Monat  Mai  ist  die  Jahreszeit,  wo  hier  die 
Rosen  in  Blüthe  kommen,  und  balsamische  Düfte  die  Luft  erfüllen. 
Ich  habe  leider  davon  nichts  verspürt,  aber  für  autentische  Infor- 
mationen über  die  Gewinnung  des  Rosenöls  war  ich  bei  Herrn 
Kasselmann  an  der  richtigen  Quelle  und  so  darf  ich  wol  einiges  über 
diesen  wichtigsten  Artikel  unter  den  Producten  des  oberen  Tundscha- 
beckens  mittheilen. 

Das  Rosenöl  (Oleum  rosarum)  wird  aus  den  Blüten  ungefüll- 
ter licht  rosarother  Rosen  gewonnen.  Bosa  damascena,  sempervirens, 
tnoschatd  und  andere  werden  als  die  Hauptarten  angegeben,  welche 
cultiviert  werden.    Die  „Rosengärten**  oder   eigentlich  Rosenfelder  muss 


594 

man  sich  vorstellen  nach  Art  der  Weingarten  oder  Weinberge.  Hävfi^ 
sieht  man  auch  Reben  and  Rosen  gemischt  durcheinander  gepflanzt  Die 
Knospen  werden  im  Mai  gepflückt,  ehe  sie»  ganz  aufgegangen  sind,  nd 
sammt  den  grünen  Kelchblftttem  dem  Destillationsprozess  unterworfen. 
Die  Gewinnung  des  Oeles  wird  nicht  fabriksmftßig  betrieben,  sondern 
jeder  Bauer  oder  Grundbesitzer,  der  Rosenfelder  hat,  macht  das  Od 
bei  sich  in  seinem  Hause.  Der  Destillationsapparat  besteht  aus  einem  auf 
einen  Feuerherd  aufgesetzten  verzinnten  kupfernen  Kessel  (4  Fuß  hoch 
und  2  bis  2^]^  Fuß  breit)  an  dessen  Helm  eine  lange  durch  einen  mit 
Wasser  gefüllten  Kühlpottich  laufende  Abflussröhre  angebracht  ist  b 
einen  solchen  Kessel  kommen  ungefähr  50  Okka  Wasser  und  10  bis 
20  Okka  Rosen.  Diese  Masse  wird  2  Stunden  lang  im  Sieden  erhalten, 
und  das  Destillationsprodukt  in  gläsernen  Flaschen  mit  sehr  breitem 
Boden  und  1  bis  1  Vs  Zoll  weitem  kurzem  Hals  aufgefangen.  Die  ersten 
3 — 4  Flaschen  voll,  welche  überdestillieren,  werden  in  den  Kessel  wieder 
zurückgegossen,  und  erst  von  dem  späteren  Destülationsprodukte  das 
Oel  gesammelt.  Mit  dem  ätherischen  Oele,  welches  die  Rosenblätter  ent- 
halten, geht  natürlich  Wasser  über ;  das  leichtere  Oel  schwimmt  an  der 
Oberfläche  des  Wassers  und  sammelt  sich,  wenn  sich  die  etwa  7  bis 
8  Okka  haltende  Flasche  füllt,  als  eine  fingerdicke  Schichte  im  Hals 
der  Flasche,  aus  dem  es  mittels  eines  trichterförmigen  Abschöpflöffeis,  der 
unten  ein  feines  Loch  hat,  durch  welches  wol  das  Wasser,  nicht  aber 
das  Oel  abfliesst,  gesammelt  und  in  kleine  Fläschchen  gefüllt  wird.  Bei 
sorgfältiger  Destillation  wird  aus  10 — 25  Okka  Rosen  1  Medioü  oder 
Museal  Oel  gewonnen,  oder  aus  5000  Pfund  frischer  Rosenblätter  etwa 
1  Pfund  Oel. 

Der  Preis  des  Oeles  variirt  je  nach  der  Ernte  von  12 — 25  Piaster 
(1  fl.  20  kr^  bis  2  fl.  50  kr.  öst.  W.)  per  Medical.  In  einem  guten 
Jahr  liefert  das  Becken  von  Kisanlick  bis  500,000  Medical;  im  Jahre 
1869  wurde  jedoch  das  Ergebnis  nur  auf  200,000  Medical  geschätzt, 
da  die  Ernte  durch  Trockenheit  verdorben  war.  Immerhin  aber  ver- 
anlasst die  Rosenölgewinnung  im  Becken  von  Kisanlik  einen  jährlichen 
Umsatz  von  Ya — 1  Million  Gulden  jährlich  *). 

Das  Rosenöl  ist  farblos  bis  gelblich  und  hat  nur  in  äußerst  ver- 
dünntem Zustande  einen  angenehmen  Geruch.  Beim  Erkalten  scheiden  sich 
Krystalle  von  Stearopten  ab  und  das  Oel  erstarrt.  Jedoch  sind  die 
Oele   sehr  verschieden    in  Bezug  auf  ihren    sogenannten  Gefrierpunkt, 


')  Im  Oelhandel  wird  alles  nach  Medical  berechnet:  1  Medical  =  IV, 
Dramm,  400  Dramm  «=  1  Okka,  oder  312  Dramm  ==  1  Kilogramm;  117  Me- 
dical —  1  Wiener  Pfund,  104  Medical  =  1  Zollpfund. 


595 

der  zwischen  8 — 16®  R.  variirt.  Für  die  feinsten  Oele  gelten  die- 
jenigen, welche  erst  bei  sehr  niedriger  Temperatur,  also  bei  8 — 12^  R. 
erstarren.  Solche  Oele  kommen  ans  den  kälteren  gebirgigen  nnd  steinigen 
Gegenden,  während  die  Oele  aas  den  wärmeren  tieferen  Lagen  schon 
bei  12 — 16®  R.  gestehen,  nnd  einen  weniger  feinen  Geruch  haben. 
Merkwürdigerweise  sind  nnn  aber  gerade  diese  letzteren  Sorten  als 
sogenanntes  „starkes  Oel"  von  den  Händlern  am  gesuchtesten,  und 
daher  theurer,  als  die  erst  bei  niedrigerer  Temperatur  erstarrenden 
Sorten.  Wie  mir  versichert  wurde,  kommt  dies  nur  davon  her,  dass  die 
Händler  die  Sache  nicht  verstehen,  auf  ihre  Nase  sich  nicht  verlassen 
können,  nur  auf  das  Thermometer  schauen  und  sogenannte  starke 
Oele  suchen,  die  möglichst  leicht  erstarren.  Diese  Eigenschaft  wird  den 
Gelen  daher  vielfach  künstlich  durch  Zusatz  von  Wallrat  gegeben. 
Die  Oele  für  Europa  werden  durch  Vermischung  von  Oel  aus  der  Ebene 
und  aus  dem  Gebirge  auf  12  V^  1>18  13®  R*  gerichtet.  Man  stellt  zur 
Probe  das  Oel  mit  einem  Thermometer  in  kaltes  Wasser,  welches  in 
Kisanlik  überall  bei  der  Hand  ist,  da  das  gewöhnliche  Gstemenwasser 
der  Stadt  eine  Temperatur  von  10®  R.  hat. 

Zur  Verfälschung  des  Rosenöles,  die  schon  von  den  Producenten 
in  den  Dörfern  vielfach  vorgenommen  wird,  dient  Geraniumöl,  das  von 
Alexandrien  aus  auf  den  Markt  kommt.  Dieses  Oel  nimmt  dem  Rosenöl, 
da  es  nicht  erstarrt,  die  Stärke,  allein  es  mischt  sich  mit  dem  Rosenöl 
▼oUkommen,  und  der  Geruch  des  Geraniumöles  wird  von  dem  Rosenöl 
▼ollständig  übertäubt.  Um  reine  Oele  zu  bekommen,  muss  man  sich 
daher  an  zuverlässige,  bewährte  Firmen  halten,  unter  welchen  Ihmsen 
A  Cp.  seit  Jahrzehnten  ohne  Zweifel  oben  an  steht. 

Das  Zollpfnnd  Rosenöl  kostet  an  Ort  und  Stelle  circa  120  bis 
125  Thlr.  Preuß.  Ort.  Versendet  wird  das  Oel  in  runden  verzinnten 
Kupferflaschen  (sogenannte  Kunkuma's)  mit  zugelötetem  Stöpsel  Diese 
Flaschen  enthalten  5  Zollpfund  Oel,  sie  werden  in  Flanell  eingenäht 
und  durch  die  türkische  Post  versendet.  Seine  Hauptverwendung  findet 
das  Rosenöl  zu  Parfümeriezwecken  und  bei  der  Schnupftabaksfabrikation. 

In  Kisanlik  besteht  ein  eigenes  Zollamt,  auf  welchem  alles  Oel, 
welches  zur  Versendung  kommt,  angegeben  werden  muss.  Der  Ausfuhr- 
zoll in  der  Türkei  beträgt  8  Percent  des  Geldwertes,  in's  Ausland 
10  Percent  und  überdies  nimmt  die  Regierung  nach  den  Zehnten  von 
der  Production. 

Uebrigens  ist  das  Becken  von  Kisanlik  nicht  die  einzige  Gegend, 
in  welcher  Rosenöl  gewonnen  wird.  Auch  weiter  westlich  bei  Kariowa, 
Sopot  und  in  dem  Thalbecken  des  Göbsu  am  südlichen  Fuße 
des  Trojan*Balkans  spielt  die  Rosenkultur  eine  große  Rolle,  und  ebenso 


596 

wurde  dieselbe  neuerdings  an  den  nördlichen  Gehängen  der  Rhodope  bei 
Philippopel  eingeführt,  Ich  bekam  in  Phiiippopel  von  Herrn  Michaliki- 
Bey  Proben  des  von  diesem  hervorragenden  Industriellen  und  Oekonomen 
auf  seinen  Lftndereien  ^®)  erzeugten  Oeles  von  bester  Qualität. 

Die  Tage  vom  21.  August  bis  23.  August  wurden  zu  Ausflogen 
in  die  Umgegend  benützt,  auf  welchen  Herr  Kasselmann  so  liebens- 
würdig war,  mich  zu  begleiten.  Einmal  fuhren  wir  nach  dem  Kloster 
Michlis  (Magalis),  das  in  einer  Balkanschlucht  2  Stunden  östlich  von 
Kisanlik  bei  dem  großen  Dorf  gleichen  Namens  liegt  und  im  Sommer 
vielfach  als  Gesundheitsstation  benutzt  wird.  In  dem  Vorstand  dieses 
Klosters  Namens  Ghrisanteme  lernte  ich  einen  sehr  intelligenten  Mann 
kennen,  der  sich  mit  Vorliebe  physikalischen  und  chemischen  Studien 
hingibt  und  unter  anderem  auch  ein  gewandter  Photograph  ist. 

Einen  zweiten  Ausflug  machte  ich  nach  dem  im  Balkan  1  Meile 
nördlich  von  Michlis  gelegenen  Dorfe  Seldsche,  wo,  wie  ich  in  Michlis  gehört 
hatte,  Steinkohlen  vorkommen  sollten.  Wir  fanden  in  der  That  auch 
die  Ausbisse  von  zwei  Steinkohlenflötzen ,  die  zu  der  Hoffnung  berech- 
tigen, dass  durch  weitere  Nachforschungen  vielleicht  abbauwürdige  Flötze 
an  günstiger  gelegenen  Localitftten  aufgefunden  werden.  Bei  diesem  Aus- 
flug bestieg  ich  eine  1356  Meter  hohe  Granitkuppe,  den  Demir  Assar 
Tepessi  südwestlich  von  Seldsche,  von  dessen  Gipfel  sich  mir  eine  groß- 
artige Fernsicht  über  den  Balkan,  und  in  südlicher  Richtung  über  den 
Karadscha-Dagh  hinweg  bis  zu  den  Rhodops  eröffnete.  Auch  überzeugte 
ich  mich  hier,  dass  die  höchsten  Theile  des  Balkans  in  ihren  entlege- 
neren Thälern  und  Schluchten  noch  große  zusammenhängende  Wald- 
masseu  bergen,  während  die  südlichen  Gehänge  alle  vollständig  ent- 
waldet sind. 

Ein  dritter  Ausflug  galt  dem  Dorfe  Tschipka,  2  Stunden  von 
Kisanlik  am  Fuß  des  Balkan's  gelegen.  Von  hier  führt  eine  der  Haupt- 
balkanstraßen über  den  sogenannten  Tschipka-Balkan  nach  Gabrowa, 
und  von  da  weiter  über  Tirnov  nach  Rustschuk.  Der  Aufstieg  der  Straße 
von  der  Südseite  ist  übrigens  so  steil,  und  die  Straße  in  so  schlechtem 
Zustand,  dass  Wagen  nur  mittels  Ochsen  auf  die  Höhe  gebracht  werden 
können.  Jenseits  der  Wasserscheide  soll  die  Straße  gut  fahrbar  sein. 
In  der  Ebene  zwischen  Kisanlik  und  Tschipka  flelen  uns  namentlich 
die  überaus  zahlreichen  alten  Grabhügel  auf,  die  gruppenweise  bei- 
sammen liegen.  ^') 


^^}  Rosengärten  gibt  es  in  der  Gegend  von  Filib^  bei  Dermendere,  Peru- 
schitza  und  in  Pratschik. 

'*)  Vgl  Höchste tter:  „Ueber  die  Verbreitung  alter  Grabhflgel  in  der 
europäischen  Türkei/  Mittheilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in 
Wien,  1870,'  Nr.  4. 


i 


597 

Bei  allen  diesen  Ausfhlgen  zeigte  sich ,  wie  nnvollständig  und  wie 
unrichtig  unsere  Karten  der  europäischen  Türkei  noch  sind.  Die  große 
Gebirgsschlucht  z.  B. ,  die  sich  von  Michlis  (Magalis  der  Karte)  drei 
Stunden  weit  in  nördlicher  Richtung  in  den  Balkan  zieht,  und  in  welcher 
zwei  Stunden  von  Michlis  das  Dorf  Seiice  oder  Seldsche  liegt,  ist  auf  der 
Scbeda*schen  Karte  nicht  angedeutet.  Die  Balkanwasserscheide  ist  viel  zu 
weit  südlich  gerückt;  die  drei  Dörfer  Isowa  (Jokarki),  nämlich  Ober-,  Mittel- 
und  Unter-Isowa,  nordöstlich  von  Kisanlik  am  Fuß  des  Gebirges  fehlen 
ganz.  Femer  tritt  auf  der  Karte  nicht  hervor,  dass  zwischen  Kisanlik 
und  Tschipka  das  Terrain  topfeben  ist,  und  dass  gerade  hier  die  Ebene 
ihre  größte  Breite  von  2^2  Stunden  erreicht.  Auch  habe  ich  fftr  die 
Ortschaften  bei  Kisanlik  vielfach  ganz  andere  Namen  bekommen ,  als 
auf  der  Karte  stehen,  z.  B.  Janja  oder  Kidschi  dere  für  Janina,  Har- 
mankiöi  (von  Harman  =  die  Tenne)  nicht  Hermankiöi ;  Saltiklar  oder 
Saltakowo  statt  Soltikovo,  Imitli  statt  Imeltija,  Soflar  nicht  Sofilar, 
Askiöi  für  Gaskiöj,  Senowo  statt  Sejno,  Baisli,  nicht  Yasl^a  u.  s.  f. 

Am  24.  August  verabschiedete  ich  mich  von  meinem  liebenswQr- 
digen  Hauswirt,  Herrn  Kasselmann.  Ich  nahm  meine  Route  das  Tundscha- 
Thal  aufwärts  über  Kalofer  nach  Philippopel  (zwei  Tagreisen).  Die 
L4uidbevölkerung  strömte  von  allen  Seiten  zur  Stadt,  da  Wochenmarkt 
war,  die  Frauen  in  der  buntfarbigen  bulgarischen  Nationaltracht  und 
alle  den  Spinnrocken  in  der  Hand,  das  Kind  auf  dem  Rücken. 

Barth  (Reise  durch  die  europäische  Türkei,  Berlin  1864  S.  29—42) 
hat  den  Weg  von  Kisanlik  über  Kalofer  nach  Filib^  ausführlich  beschrie- 
ben. Ich  kann  mich  deshalb  kurz  fassen,  und  füge  hier  einige  allge- 
meine Bemerkungen  über  den  Balkan  ein,  dessen  Anblick  während  der 
Reise  fortwährend  das  Hauptinteresse  in  Anspruch  nimmt. 

Nirgends,  liegt  der  südliche  Steüabfall  des  Balkan's  so  frei  und 
offen  da,  nirgends  folgt  sein  Fuß  so  characteristisch  einer  geradlinigen 
Richtung,  wie  westlich  von  Kisanlik  gegen  Kalofer  und  Kariowa  zu.  Das 
Gebirge  fällt  hier  schroff  ab  in  die  Ebene  und  gliedert  sich  an  seinem 
Sfldabfall  durch  kurze,  aber  tief  einschneidende  schluchtenartige  Quer- 
thäler,  vor  deren  Ausgang  jedesmal  ein  größeres  Dorf  oder  eine  Stadt 
liegt.  So  passiert  man  nacheinander  Hemikli  Dere  mit  dem  Dorfe  Hemikli, 
das  Akdere  mit  dem  Dorfe  Soffar,  die  kesseiförmige  Schlucht  des  Kuru- 
Dere  und  das  Mbnastir-Dere  mit  Bujukowa  im  Vordergrund  (Büjük-Oba 
bei  Barth).  Diesen  Schluchten  folgen  dann  weiter  westlich  die  Kloster- 
sehlucht  von  Kalofer  und  die  Schlucht  von  Kariowa.  So  sehr  aber  auch 
der  Balkan  von  Süden  gesehen  den  Eindruck  einer  imposanten  Gebirgs- 
kette macht ,  so  ist  er  doch  kein  eigentliches  Kettengebirge ,  wie  man 
sich  denselben  nach   der   früheren   Hypothese    von   einer  die  iliyrische 


598 

Halbinsel  in  gerader  Linie  vom  adriatischen  bis  zum  schwarzen  Meere 
dnrchschneidenden  zusammenhängenden  alpinen  Centralkette  vorstellte; 
er  ist  vielmehr,  wie  das  Erzgebirge,  ein  Gebirge  mit  einseitigem  Stäl- 
abhänge,  das  gegen  Norden  allm&hlig  zur  Donan  hin  abdacht,  theils  in 
der  Form  einer  langsam  sich  senkenden  schiefen  Ebene,  theils  in  der 
Fonn  von  mehr  oder  weniger  deutlich  abgestuften  Plateauflächen.  Der 
Balkan  macht  deshalb  nur  von  Rumelien  aus,  dem  er  seine  Steilseite 
zukehrt,  den  Eindruck  einer  schroffen  Gebirgskette. 

Dieser  steile  Südabfall  des  Balkan*s  ist  entstanden  durch  eine 
großartige  Dislocation,  indem  die  an  den  Balkan  südlich  sich  anschliefien- 
den  Gebirgstheile,  die  das  Balkanplateau  früher  mit  den  sOdthracischen 
Gebirgshöhen,  mit  derRhodope  oder  dem  Despoto  Dagh  verbunden  haben, 
wahrscheinlich  erst  in  jungtertiärer  Zeit,  während  der  Periode  der  ge- 
waltigen Trach;fteruptionen  im  südlichen  Thracien,  sanken.  Die  gesunkenen 
Gebirgstheile,  so  weit  sie  nicht  unter  den  ausgedehnten  Flächen  der  sob- 
balkanischen  Becken  von  Sliwno,  Eisanlik,  Kariowa  und  Sofia,  oder  in 
dem  großen  oberthracischen  Becken  von  Philippopel  ganz  begraben  li^n, 
bilden  jetzt  das  Mittelgebirge  zwischen  Balkan  und  Rhodope, 
den  Karadscha  Dagh  und  weiter  westlich  die  Sredna  Gora  ond 
und  das  Ichtimaner  Mittelgebirge. 

Die  Dislocationsspalte  selbst  lässt  sich  aufs  deutlichste  verfolgen  vom 
Cap  Emineh  am  schwarzen  Meere  östlich  bis  in  die  Gegend  von  Pirot 
oder  Scharkiöi  nordwestlich  von  Sofia,  also  auf  eine  Erstrecknng  von 
60  deutschen  Meilen.  Eine  Linie,  welche  die  Städte  Misiwn,  Aidos,  £nr- 
nabat,  Sliwno,  Kisanlik,  Kalofer,  Kariowa,  Slatica  (Isladi)  und  Pirot 
verbindet,  bezeichnet  genau  den  Südrand  des  Balkans  und  zugleich  die 
Richtung  jener  Dislocationsspalte,  die  einen  wenig  gegen  Süd  sich  aus- 
bauchenden Bogen  darstellt  und  sehr  verschiedenartige  Gesteine  und 
Formationen  durchscheidet. 

Vom  schwarzen  Meere  bis  Sliwno  sind  es  Glieder  der  Kreidefor- 
mation,  welche  von  Porphyren  durchbrochen  den  Steilrand  des  Gebirges 
oder  dessen  südlichen  Abfall  bilden.  Westlich  von  Sliwno,  treten  Gisnit 
und  Gneiß,  von  Tschipka  angefangen  über  Kariowa  bis  Slatica  Glimmer- 
schiefer und  Urtbonschiefer  und  endlich  am  Nordrande  des  Beckens  ?ob 
Sofia  triassische  Sandsteine  und  Kalke  amSüdabhange  des  Gebirges  auf. 
Zahlreiche  warme  Quellen,  und  ein  fast  ununterbrochener  Zug  der  man- 
nigfaltigsten Eruptivgesteine  bezeichnen  die  Balkanhauptspalte. 

Jenseits  des  oben  erwähnten  Monastir  Deressi  bei  B^jukowa  ytx- 
bindet  sich  der  Balkan  mit  dem  gegenüber  liegenden  Karadscha-Dagh 
durch  eineq  granitischen  Höhenzug.  Die  Tundscha  schneidet  in  diesen 
Höhenzug    in    nordwestlicher    Richtung    tief   ein,    und   in   der  felsigen 


599 

Schlacht  liegte  langgestreckt  zu  beiden  Seiten  des  über  die  Oranitblöcke 
dahinrauschenden  Gebirgswassers  das  Fabiikst&dtchen  Kalo  f er  (oder 
Kalif  er),  das  ich  um  Mittag  erreichte. 

Ich  nenne  Kalofer  eine  Fabrikstadt  Der  Handschi  in  dem  nen- 
gebaaten  Han  am  oberen  Ende  der  Stadt,  in  welchem  ich  ein- 
kehrte, meinte,  es  gebe  6000  Fabriken  in  Kalofer.  Das  war  nun 
wol  übertrieben ;  aber  fast  jedes  Hans  ist  eine  kleine  Fabrik  und 
2 — 300  mag  man  immerhin  zählen.  Was  hier  fabridert  wird,  sind 
Schnflre  ans  blaaem  Garn  and  Posamentierwaren.  Die  Haaser  sind 
Aber  die  stark  strömende  Tandscha  weit  yorgebaut  and  im  Flass- 
bette  sieht  man  hölzerne  Kästen  von  4  FoQ  Durchmesser  ange- 
bracht, in  welche  das  Wasser  oben  ein-  and  unten  ausströmt,  und 
kleine  horizontale  Stoßräder  oder  Stoßturbinen  treibt,  dbren  verticale 
Axe  direct  in  den  über  dem  Wasser  liegenden  Fabriksraum  eintritt, 
um  hier  die  Spindeln  auf  den  Maschinen,  durch  welche  die  Schnüre 
gedreht  werden,  in  Bewegung  zu  setzen.  Solche  Stoßräder  sieht  man 
wol  tausende  im  Flussbett  in  Bewegung ;  überall  hört  man  es  rauschen, 
schnurren  und  surren.  Dies  gibt  der  Stadt,  die  gegen  2500  Häuser 
zählen  soll,  ein  ganz  eigenthümliches  Gepräge. 

Das  Wasser,  welches  durch  Kalofer  fließt,  gilt  für  den  Hauptquell- 
arm  der  Tundscha;  derselbe  kommt  aus  dem  hohen  Balkan  nördlich 
von  der  Stadt,  vom  Biliske  Poluk,  wie  man  mir  sagte.  Eine  Viertelstunde 
westlich  von  der  Stadt,  erreicht  der  den  Balkan  mit  dem  Karadscha- 
Dagh  verbindende  Granitrflcken  seine  höchste  Höhe  und  fällt  dann  plötz- 
lich sehr  steil  ab  in  die  tief  eingeschnittene  Thalfurche  des  Akdere 
(Barth  schreibt  Ab-der6),  welcher  bereits  der  Raschka  zufließt.  Die 
Höhe  der  Wasserscheide  an  der  Straße  habe  ich  zu  690  Meter  be- 
stimmt, die  Brücke  über  den  Fluss  unten  im  Thal  zu  505  Meter.  Die 
Straße  überwindet  den  steilen  Abstieg  von  nahezu  200  Meter  Höhe  in 
zahlreichen  Serpentinen.  In  der  Balkanschlucht,  aus  welcher  der  Akdere 
hervorbricht,  liegt  ein  Kloster,  welches  Dr.  Barth  besucht  hat  (Barth*s 
Reise.  S.  36).  Eine  Viertelstunde  unterhalb  der  Brücke  über  den  Akdere, 
bei  der  ein  Wachthaus  liegt,  kommt  man  aus  der  Thalschlucht  hinaus 
in  die  Ebene  von  Kariowa,  das  am  südlichen  Fuße  des  Balkans  ^^) 
unmittelbar  vor  dem  Ausgange  einer  wilden,  durch  ihre  schönen  Wasser- 
fäUe  berühmten  Felsschlucht  liegt.  Ich  ließ  die  Stadt,  deren  Minarets 
ich  deutlich  wahrnehmen  konnte,  rechts  liegen,  und  eilte  meiner  Nacht- 
station,  dem  kleinen  Dorfe  Lidschakiöi   zu,   das   in   der  Ebene   südlich 


^')  Auf  der  Scheda'schen  Karte  liegt  Karlowa  am  nördlichen  Fuß  des 
Gebirges. 


600 

von  Kariowa  liegt.  Mitten  in  dieser  Ebene  erhebt  sich  ein  characteristi- 
scher  Sattelberg  aas  Granit,  der  Tschataltep^,  und  an  desseü  südlichen 
Fuß  entspringen  in  einer  sumpfigen  Niedemng  die  wannen  Queilen, 
denen  der  anweit  davon  liegende  Ort  seinen  Namen  verdankt.  Ich  funi 
in  einem  neugebaaten  Han  ein  recht  gutes  Quartier.  Nirgends  sind 
unsere  bisherigen  Karten  der  Türkei  (ich  nehme  nur  die  neueste,  erst 
nach  meiner  Rackkehr  erschienene  Kiepert 'sehe  Karte  aus)  so  unrichtig  ^^, 
wie  in  diesen  Gegenden.  Nach  den  Karten,  die  ich  bei  mir  hatte,  war 
es  mir  schlechterdings  unmöglich  mich  zu  orientieren.  Namentlich  war 
ich  flberrascht,  südlich  vom  Balkan  ein  sehr  bedeutendes  Vorgebirge  zb 
finden,  die  Sredna-Gora,  das  ich  auf  keiner  meiner  Karten  in  entsprechen- 
der Weise  angedeutet  fand. 

Sredn»-Gora  (auch  Sred-  oder  SredniarGora)  bedeutet  so  iviel 
als  Mittelgebirge  (ji4ffav  oQog).  Dieser  geographisch,  ebenso  wie  geolo- 
gisch bis  jetzt  noch  gänzlich  unerforschte  Gebirgsstock,  der  die  größte 
Erhebung  im  rumelischen  Mittelgebirg  darstellt,  bildet  ein  natOrUcb 
abgeschlossenes  Ganze  für  sich.  Vom  Karadscha-Dagh  ist  er  vollständig 
getrennt  durch  das  Querthal  der  Raschka  (Strjema  oder  Göksa  der 
Kiepert'schen  Karte),  die  sich  unterhalb  Philippopel  in  die  Maritza  er- 
gießt. Dieser  Fluss  wird  gebildet  durch  drei  Flüsse,  die  sich  in  der 
Gegend  von  Lidschakiöi  unterhalb  Kariowa  vereinigen,  nämlich  durch  den 
von  der  Wasserscheide  von  Kalofer  kommenden  Akdere,  durch  das  aus  einer 
Balkanschlucht  hervorbrechende  Wasser  von  Kariowa  und  durch  den  ans 
einem  breiten  offenen  Längenthal  zwischen  dem  Balkan  und  der  Sredna-Gora 
von  Westen  her  fiiessenden  Göb-su  oder  Giobsa  ^*) ;  die  westliche  Grenze 
bildet  der  tiefe  Thaleinschnitt  der  Topolnica,  die  sicli  bei  Tatar-Bazard- 
schik  in  die  Maritza  ergießt  und  deren  Quellen  in  der  Gegend  östlich 
von  Statica  theils  im  Balkan,  theils  in  der  Sredna-Gora  liegen.  Die 
Sredna-Gora  hängt  somit  nur  durch  einen  nordsüdlich  laufenden  Rücken, 
der  die  Wasserscheide  zwischen  den  Quellen  des  Giobsa  und  der  Topol- 
nica bildet,  mit  dem  Balkan  zusammen,  lieber  einen  ziemlich  niederen 
Sattel  dieses   Rückens  führt  der  Prochotpass  von  Klissura  nach  Slaüca. 

Von  den  Granithöhen  bei  Kalofer  habe  ich  einen  ganz  wolken- 
freien Anblick  der  Sredna-Gora  gehabt;  ich  seh  fitze  die  höchiiten 
plateauförmig  sich  ausbreitenden  Rücken  dieses  Gebirges  auf  160Ü- 
1700  Meter    Meereshöhe,    eine   Höhe,    die    jedoch    von    den  höchsten 


^')  Ich  darf  bei  dieser  Gelegenheit  auch  auf  den  Aufsatz :  „Das  Becken 
von  Ichtiman  nnd  der  falsche  Wid^'  hinweisen,  den  ich  in  einem  frühem 
Heft  dieser  Mittheilungen  publiciert  habe. 

^^)  Barth,  Reise  durch  das  Innere  der  europ.  Türkei,  Berlin  1864,  schreibt 
Gök-su  »  Blauwasser,  Lejean  Ghioptsa. 


J 


601 

Pukten  des  gegenüberliegenden  Trojan-Balkans  noch  am  circa  300  Meter 
abertroffen  werden  dflrfte.  Der  Kösil6r-Bair  bei  Lidscha-Eiöi,  welchen 
Barth  (a.  a.  0.  S.  38  und  S.  40)  fftr  den  höchsten  Pankt  der  Sredna- 
Oora  hielt,  ist  nnr  ein  Vorberg.  Als  Barth  in  dieser  Gegend  war,  moss 
das  höhere  Gebirge  gänzlich  in  Wolken  gehüllt  gewesen  sein  '^).  Die 
Steilseite  des  Gebildes  ist  gegen  Norden  gerichtet,  gegen  Süden  ver- 
flicht es  sich  allmählich  in  die  Ebenen  zwischen  Philippopel  and  Tatar- 
Bazardschik.  Die  beiden  Hauptorte  der  Sredna-Gora  sind  Kopriwschtica 
(oder  Koprischtica,  tflrk.  Avraelalan)  am  nördlichen  and  Panagjariste 
(oder  Panaglyurica,  türk.  Otlukiöi)  am  südlichen  Abhang  des  Gebirges. 

Das  Bad  von  Lidscha-Eiöi  liegt  eine  Viertelstande  östlich  vom 
Orte  am  sfidlichen  Fuß  des  oben  erwähnten  Tschataltepe  anf  der  Ebene 
zwischen  dem  Akdere  and  dem  Göbsa.  Das  Badhaas  ist  ein  einfacher 
hanartiger  Holzban  mit  zwei  abgesonderten  Baderaamen  für  M&nner 
ond  Fraaen.  In  den  Badebassins  zeigt  das  Wasser,  das  einen  schwachen 
Geruch  von  Schwefelwasserstoff  verbreitet,  eine  Temperatur  von  32^  R* 
Rings  am  das  Badhaas  sind  aasgedehnte  sumpfige  Niederungen,  welche 
ganz  von  heißem  Wasser  durchtränkt  sind.  In  einzehien  Tümpeln,  wo 
stärkere  Quellen  aufsteigen,  hat  das  Wasser  eine  Temperatur  von  36 — 
40  Grad  K 

Bedeutender  als  das  Bad  von  Lidscha-Eiöi,  und  von  Phüippopel 
aus  viel  besucht  ist  das  unweit  in  den  sfidöstlichen  Yorbergen  der 
Sredna-Gora  gelegene  Hissar-Lidscha,  das  auch  Barth  (a.  a.  0. 
S.  41)  als  Islär  Lüdjä  erwähnt.  In  der  Mitte  des  von  einer  alten 
römischen  Mauer  umgebenen  Ortes  entspringen  hier  4  warme  Quellen, 
die  sämmtlich  zum  Baden  benützt  werden.  Die  Quelle  Hawas  eisenhaltig 
mit  einer  Temperatur  von  35®  R.,  die  Quelle  Kislar  eisenhaltig  mit 
35®  R.,  die  Quelle  Eiptsches  schwefelwasserstoffhaltig  mit  28®  R.  und 
die  QueUe  Jndsches  mit  24®  R.  Die  Grundmauern  und  die  Kuppeln 
dieser  Bäder  sollen  noch  aus  der  Römerzeit  (wahrscheinlich  aus  Justi- 
nians  Zeit)  herrflhren. 

So  sehr  ich  gewünscht  hätte,  meine  Reise  in  westlicher  Richtung 
fortzusetzen,  namentlich  um  das  schöne  Längenthal  des  Göbsu  zwischen 
dem  Balkan  und  der  Sredna-Gora  zu  untersuchen  und  dann  dieses  Balkan- 
vorgebirge von  Nord  nach  Süd  zu  durchqueren  —  eine  Tour,  die  ohne 
Zweifel  eine  Menge  neuer  geographischer  und  geologischer  Thatsachen 
ergaben  hätte  —  so  musste  ich  diesen  Plan  doch  aufgeben. 


'*)  Barth  meint  (S.  40 ,  dass  die  Sredna-Gora  an  Höhe  gar  nicht  zu 
vergleichen  sei  mit  dem  Karadscha-Dagh,  während  in  Wirklichkeit  die  Sredna- 
Gora  das  viel  höhere  und  bedeutendere  Gebirge  ist 

XitttMUnBgan  d.  geogr.  OasaU.  1870.  18.  39 


602 

Zorn  ersten  Male  w&hrend  meiner  türkischen  Reise  vereitelte  dis 
Wetter  meine  Absicht.  Am  Morgen  des  25.  Angost  waren  alle  Beq^ 
ringsum  in  schwere  Wolken  gehüllt  and  ein  Landregen  begann,  der  mir 
alle  Hoffhang  benahm,  jene  Reise  mit  Aussicht  aaf  Erfolg  za  anter- 
nehmen.  Zeit,  am  besseres  Wetter  abzuwarten,  hatte  ich  nicht,  da  ich  in 
Philippopel  mit  meiner  Reisegesellschaft  spätestens  am  28.  August 
wieder  zusammentreffen  sollte,  und  so  blieb  nichts  anderes  übrig,  als 
die  directe  Route  nach  Philippopel  einzuschlagen. 

Der  Weg  dahin  ist  von  Lidscha-Kiöi  fast  vollkommen  eben.  Das 
Wasser  von  Kariowa,  an  welchem  dieses  Dorf  liegt,  vereinigt  sich  eine 
halbe  Stande  thalabwärts  mit  dem  viel  größeren  Göbsu,  und  eine 
weitere  Stunde  abwSrts  bei  dem  Dorfe  Darobasse  liegt  der  Zusammen- 
fluss  des  Akdere  mit  dem  Göbsu.  Das  Thal  verengt  sich  hier  anf 
eine  kurze  Strecke  zwischen  den  granitischen  Ausläufern  der  Sredna- 
Oora  einerseits  und  des  Earadscha-Dagh  andererseits,  öfibet  sich  dann 
aber  bald  zu  den  weiten  Ebenen  des  oberen  Maritza-Beckens.  Der 
Göbsu  bildet  bei  seinem  Austritt  in  die  Ebene  einen  sehr  ansehnlicho. 
in  einem  breiten  Schotterbette  dahinziehenden  Fluss,  in  dessen  Auen,  fie 
hauptsächlich  aus  Weiden  bestehen,  eine  Unzahl  von  Reihern  und  Wild- 
tauben sich  aufhalten,  auf  welche  die  mich  begleitenden  Sapti^  erfolg- 
reiche Jagd  machten. 

Beim  Eintritt  in  die  Ebene  ließen  wir  den  Fluss  zur  linken,  and 
steuerten  über  niedrige  Ausläufer  der  Sredna-Gora  in  gerader  Richtong 
südlich  auf  die  Philippsstadt  zu,  deren  Lage  schon  in  einer  Entfennmg 
von  4  Stunden  durch  die  mitten  aus  der  Ebene  sich  erhebenden  Syenit- 
kuppen  zu  erkennen  ist.  Um  4  Uhr  nachmittags  ritt  ich  über  die 
Maritza-Brücke  in  die  Stadt  ein. 

Beim  Konak,  der  am  rechten  Maritza-Ufer  unmittelbar  bei  der 
Brücke  liegt,  traf  ich  den  Telegtaphendirector ,  der  die  Freundlichkeit 
hatte,  mich  zum  österreichischen  Consul  Herrn  v.  Hempfling  zu  be- 
gleiten. Hier  erfuhr  ich,  dass  die  Directionsbrigade  von  ihrer  Tour  Aber 
Enos  und  Adrianopel  erst  in  5  bis  6  Tagen  eintreffen  werde.  Dieser 
Umstand  gab  mir  die  willkommene  Gelegenheit  zu  einem  etwas  langeies 
Aufenthalte  in  der  interessanten  Stadt  und  zu  Ausflügen  in  die  Um- 
gegend, und  mit  Vergnügen  nahm  ich  die  überaus  freundliche  Einladosg 
unseres  Consuls  an,  in  seinem  gastlichen  Hause  auf  dem  Nepe  Tepe  a, 
wohnen.  Was  solche  Gastfreundschaft  in  der  Türkei  wert,  is'»,,  kann  nur 
derjeiügen  ganz  ermessen,  der  die  türkischen  Hans  kennt. 


WSkitm  In  BnnieUeB  **)« 

3.  Zwischen  Adrianopel  und  Philippopel. 

(Nach  Nivenements  von  Herrn  Inspector  Tafel.) 

Adrianopel,  Dilnvialterrasse  bei  Karagadsch  .    40.5  Meter  fiber  dem  Meere 
Adrianopel,  Maritza  bei  Niederwasser  ...    30 
Zasammenflnss  der  Arda   nnd   Maritza   bei 

Karagadsch  32 

Marasch,  Dorf  am  rechten  Ufer  der  Maritza  58 
Ureis  Tschiftlik  „         „  „       „         „        48 

Maritza-Ufer  bei  Tschermen 49 

Tschermen  (oder  Tschirmen),  Stadt  ....    74 
Mustafa -Pascha,    Stadt,   Bracke   Aber   die 

Maritza     .        .  52 

Poststraße  bei  Ebibdsche 71 

Harmanli,  Dorf  am  rechten  Ufer  der  Maritza  87 
Maritza-Ufer  am  unteren  Ende  des  Defil^ 

von  Harmanli 74 

Maritza  bei  Tmowa 79 

Tmowa  (oder  Trnowo),  Dorf  am  rechten  Ufer 

der  Maritza  .  92 

Maritza  bei  Umndschik  am  oberen  Anfange  des 

Defil^s  Ton  Trnowa  und  Harmanli  ...    87 
Eokardsche,  Dorf  am  linken  Ufer  der  Maritza  103.5 

Philippopel,  Maritzaspiegel 162.5 

Philippopel  (ohne  genaue  Angabe  des  Punktes)  222  Viquesnel 

4.  Zwischen  Adrianopel  und  Jamboli. 
(Nach  Nivellements  von  Herrn  Ingenieur  von  Yarnbüler.) 

Adrianopel,  Wiese  beim  alten  Serail  am  linken 

Ufer  der  Tundscha 32 

Tatarkiöi,  Dorf  am  linken  Ufer  der  Tundscha  36 

Srem,  Dorf,  Allnvialflftche  der  Tundscha  .    .    93 

Hamsabeli,  Dorf  östlich  von  der  Tundscha      365  Hochstetter  (Aneroid) 

^Wasserscheide  zwischen  Hamsabeli  u.  Urumbeli  410  „  „ 

TTrombeli,    Dorf  östlich  von  der  Tundscha    .  360  „  „ 

Zasammenfluss    des    Derbenddere    mit     der 

Tundscha      107 

Zasammenfluss     des    Papasdere     mit     der 

Tundscha 108 

^*)  Fortsetzung  des  im  8.  Hefte  1870  S.  356  begonnenen  Höhenveizeichnisses. 

39* 


604 

Jenidschei    oder    Eiselagatsch,    am    linken 

Tundscha-Üfer,  Brücke 110 

Mühle  von  Beikiöi  an  der  Tundscha    .    .    .116 

Ii^jekzarly,  Dorf 128 

Eokom,  Brücke  .  .    .  139 

Jamboli,  Stadt,  Brücke  über  die  Tundscha     130 

5.  Zwischen  Jamboli  und  Burgas. 

(Nach  Nivellements  von  Herrn  Ingenieur  von  Yambfiler.) 

Jamboli,  Brücke  über  den  Azmakdere  .  .  134 
Bazar  Eiöi,  im  Niveau  des  Azmakdere  .  .  löO 
Wasserscheide      zwischen      Bazarkiöi      and 

Aschlar 257 

Busso  Castro,  Thalsohle    .    .  23 

Wasserscheide  zwischen  Rus80*Gastro  und  dem 

See  von  Wajakiöi  bei  Bargas     ....    67 

6.  Balkanstraße  von  Jamboli  nach  Schamla. 

(Nach  Messungen  mittels  Aneroid  vom  Herrn  Ingenieur  von 

Vambüler. 

Jamboli,  Brücke  über  den  Azmakdere'.    .    .  134 

Straldscha,  chemische  Fabrik 156 

Sumpfiges  Becken  am  Fuß  des  Balkans    .    .159 
Ejreuzung  der  Straße  nach  Schumla  mit  der 

Straße  von  Karnabat  nach  Sliwno  .    .    .  229 
Uebergang  über  das  Thal  unterhalb  Beikiöi  .  193 

Thalsohle  bei  Kumarowa 213 

Wasserscheide  zwischen  Kumarowa  und  Dobrat  301 
Ufer  des  Deli  Kamtschyk    oberhalb  Magaly 

Kamtschyk 180 

Wasserscheide  zwischen  dem  Deli  und  Küt- 

schük  Kamtschyk 402 

Thalsohle  des  Kütschük  Kamtschyk  bei  Bajram- 

Dere 159 

Thalebene  unterhalb  Smedowa 88 

Straße  in  der  Thalsohle  des  Bujuk  Kamtschyk  74 
Küpri  Kiöi,  Brücke  über  den  Kamtschyk  .    .    84  % 
Schumla,    Thalsohle  am  unteren  Ende   der 

Stadt 200 

Schumla,  Hau  in  der  Stadt 257 


605 


7.  Von  Bargas  Aber  Sliwno  und  Eski-Saara  nach 

Kisanlik. 

(Messungen  mittels  Aneroid  von  Prof.  Hochstetter.) 

Bad  Lidscha  bei  Burgas 40 

Wasserscheide  zwischen  Burgas  und  Aidos  .  177  (247  Yiq.)  '^) 

Aidos,  Stadt,  bei  der  Brücke 143  (224  V.) 

Karnabat,  Stadt,  Han 210 

Wasserscheide  zwischen  Aidos  und  Earnabat  302 
Wasserscheide    bei    dem    Dorf    Jreböje  am 

Fuße  des  Balkans 266 

Han  von  Sigmeni  an  der  Straße  nach  Sliwno  228 

Sliwno,  Brücke  Ober  den  Koi-udscha  Dere    .  286  (366  V.) 

Ebene  von  Atlola  am  Wege  nach  Jeni-Saara  156 

Jeni-Saara,  Han  in  der  Stadt 158  (380  V.) 

Earaul  zwischen  Jeni-  und  Eski-Saara  .    .    .  186 
Eski-Saara,  Han  in  der  Stadt  (3  Beob.)  .    .  239  (406  V.) 
Karanl   an   der  Straße  von  Eski-Saara  nach 
Kisanlik,  am  südl.  Abhänge  des  Karadscha- 

Dagh  unterhalb  Derbend 366 

Derbend  Kiöi,  Dorf  im.  Karadscha  Dagh  .    .  435 
Höchster  Punkt  der  Straße  von  Eski-Saara 

nach  Kisanlik 505  (700  V.) 

Batair  Bai,  Bergkegel  östlich  von  Derbend- 

Kiöi 700 

Earaul  und  Bekleme  Han  am  nördlichen  Fuße 

desKaradscha-Dagh  bei  dem  Bad  Lidscha  377 
Kisanlik,  Stadt,  Hauptplatz  (3  Beob.)  ...  442  (536  V.) 
Ober  Isowa,    Dorf  am    südlichen  Fuß   des 

Balkans  bei  Kisanlik 728 

Höchster   Punkt   des   Weges   über   die  süd- 
lichste Balkankette  zwischen  Ober  Isowa 

und  Seldsche 915 

Der  Michlis-Bach  unterhalb  Seldsche   .    .    .  669 


*')  Die  in  Klammern  beigesetzten  Höhen  sind  der  ViquesnePschen  lieber- 
siclitskarte  von  Thracien  (Carte  de  la  Thrace  d'une  partie  de  la  Macedonie 
et  de  la  Moesie,  dress^e  par  Mr.  A.  Yiquesnel,  Paris  1854)  entnommen.  Die- 
selben differieren  in  höchst  auffallender  Weise  von  meinen  Resultaten,  wahrend 
die  letzteren,  wo  sie  mit  den  Nivellements  zusammentreffen,  recht  gut  mit 
diesen  stimmen.  Ich  mnss  daher  die  Viquesnel'schen  Angaben  für  viel  zu  hoch 
halten. 


606 

Dorf  Seldsche  im  Balkan  nördlich  von  Michlis, 
Niveau  des  Baches  im  Dorfe 680 

Granitknppe  Demir  Assar  Tepessi  südwestlich 
von  Seldsche 1356 

Kalte  QneUe  (6.3®  R.)  am  Fuß  des  Demir 
Assar  Tepessi 1123 

Sattel  am  Wege  vom  Demir  Assar  Tepessi  nach 
Ober  Isowa,  einer  der  PSsse  in  der  sfldlichsten 
Bergkette  des  Balkans 1138 

8.  Von  Kisanlik  über  Kalofer  nach  PhilippopeL 

(Messungen  mittels  Aneroid  von  Prof.  Hochstetter. 

Tundschabrücke,  Koprinka  Eöprü  bei  Kisanlik  413 
Ebene  am  Fuße  des  Balkans  bei  Kutschnk  Owa  589 
Höhe    der    Straße    auf   dem    Granitrücken    von 

Kalofer  vor  der  Stadt 597 

Kalofer,  Han  am  oberen  Ende  der  Stadt    .    .    .  650  (700  V.) 
Höchster  Punkt  der  Straße  von  Kalofer  nach  Kar- 
Iowa,  auf  der  Wasserscheide  zwischen  der  Tund- 

schaquelle  und  dem  Akdere 690  (900  V.) 

Brücke  über  den  Akdere 505 

Dorf  Mendescheli  bei  Kariowa,  auf  der  Hochebene 

am  südlichen  Fuß  des  Balkan's 418 

Lidschakiöi,  Dorf  in  der  Ebene  südlich  von  Kariowa  338 
Der  Göbsu  (Ghioptsa)  oberhalb  Darobasse ,  nördli- 
cher Rand  der  Ebene  von  Philippopel  .    .    .  288 
Karatopak,  Dorf  in  der  Ebene  nördlich  von  Phi- 
lippopel     255 

Maritza  bei  Philippopel 163  (200  V.) 

Philippopel,  österr.  Consulat  auf  dem  Nep6-Tep6  190 

Phiüppopel,  Gipfel  des  Saha-Tep6 209 

„  Tschampas-Tep6 212 

„  Toplar-Tep6 214 

„  Tschentem-Tep6 .  225 

„         Bunardschik-Tep6 234 

Kloster  Kuklina  in  der  Rhodope  südlich  von  Phi- 
lippopel    569 


607 

Vm  der  zweiten  deutecheo  NordpoiexpedHioii. 

4.  Bericht  Aber  die  Expedition  der  „Germania.^ 

(Vom  Bremer  Comit^.) 

Eine  Woche  war  seit  dem  Eintreffen  der  Unglücksbotschaft  von 
dem  Schiffbrach  der  „Hansa^  verflossen.  Da  lief  eine  neue  Kunde  ein, 
diesmal  eine  freudige.  Sie  kam  uns  von  unserer  Kriegsflotte.  „Germania,'' 
der  Nordpoldampfer,  ist  glflcklich  angekommen ;  an  Bord  alles  wol !  — 
Als  das  Entdeckungsschiff  am  Abend  des  11.  September  mit  der  stolz 
in  den  Lflften  flatternden  jungen  deutschen  Flagge  in  den  Hafen  von 
Bremerhafen  legte,  begrüßt  mit  Hurrah!  von  der  am  Molenkopf  harrenden 
Menge  und  einem  Bataillon  deutscher  Landwehr,  welches  daselbst  zum 
Appell  versammelt  war,  bewillkommt  mit  kurzen,  kernigen  Worten  von 
dem  ersten  Beamten  des  Orts:  da  vernahmen  wir  weiter,  dass  ein 
freundliches  Geschick  über  der  „Germania*'  gewaltet;  dass  es  den  mutigen 
Männern  gelungen  war,  den  berüchtigten  Eisgürtel,  in  welchem  die 
«Hansa^  leider  festgeriet,  mit  Dampfeshilfe  zu  durchbrechen  und  nach 
der  Ostküste  Grönlands  vorzudringen ;  dass  sie  im  Winter  allen  arctischen 
Gefahren  und  Bedrängnissen  tapfer  und  mit  vollständigem  Erfolg  Trotz  ' 
geboten  und  dabei  unablässig  im  Dienste  der  Wissenschaft  gewirkt; 
dass  sie  im  vorigen  Herbste,  sowie  im  Frühjahr  und  Sommer  dieses 
Jahres  umfassende  Forschungs-  und  Entdeckungs-Reisen  mit  Schlitten 
und  Schiff  unternommen,  dabei  vielseitige  Ergebnisse  für  die  gesammten 
geographischen  Wissenschaften  gewonnen  und  dass  es  der  Expedition 
endlich  auch  gelungen  war  ,  unter  der  Führung  von  Capitän  Koldewey 
sich  seihst  und  die  mühsam  errungenen  Schätze  heim  in  den  sicheren 
Hafen  zu  bringen. 

In  einem  Augenblicke,  wo  ein  Feind  unsere  Küsten  blockirt,  der 
die  Vorsicht  für  den  besseren  Theil  des  Mutes  erkannt  zu  haben  scheint, 
hat  die  tapfere  That  der  „Germania,^  die  erste  nationale  See-Entdeckungs- 
reise, eine  erhöhete  Bedeutung.  Gerade  jetzt  ist  diese  gemeinsame 
Leistung  deutscher  Seefahrer  und  deutscher  Gelehrter  doppelt  ehrenvoll. 

Der  Telegraph  meldete  die  frohe  Nachricht  überallhin,  wo  Freunde 
des  Unternehmens  weUten,  auch  in  das  große  Hauptquartier  des  in 
Frankreich  stehenden  deutschen  Heeres. 

Früh  am  12.  September  trafen  Vertreter  des  Bremer  Comite's  an 
Bord  der  „Germania^  ein,  die  Freunde  zu  begrüßen  und  die  ersten 
näheren  Nachrichten  entgegen  zu  nehmen.  Die  kleine  Kajüte  der  Ge- 
lehrten war  bis  auf  den  letzten  Platz  gefüllt  und  Capitän  Koldewey 
erstattete  seinen  ersten  Bericht;  als  er  denselben  schloss,  da  wurde 
allen  Anwesenden  klar,  dass  Großes  für  deutsche  Wissenschaft  und 
deutsches   Seewesen    geleistet   sei;    das  Hurrah,    das  dort  ertönte,  war 


608 

gewiss  berechtigt   Mittags  yereinten  sich  die  anweeendoi  Freoiide  des 
Unternehmens   zu  gemeinsamen  Mahle;    Herr   A.   G.   Mosle,   der  Vor- 
sitzer des  Bremischen  Comit^,  brachte  der  ^Germania,''   ihr^n  Fflhrer, 
ihren  Gelehrten  und  Seeleaten  den  ersten  Toast.  W&hrend  seiner  Bede 
traf  unerwartet  CapitSn  Hegemann  von  der   «Hansa"*   mit  einigen  Be- 
gleitern ein;  auch  der  „Hansa^  galt  nun  der  Zorof  der  Versammelten, 
der  gesanunten  Expedition,   dem  Nationalwerk,    das   mit  so  viel  Aus- 
dauer  und   Tüchtigkeit   durchgeführt   worden   sei.    Von  verachiedenea 
Seiten  trafen  Begrüßnngstelegramme  ein.  Die  Erlebnisse  gaben  der  Er- 
zählung unerschöpflichen  Stoff;   dem   Bremer  Comit^,  Herrn  Dr.  Peter- 
mann, als  dem  Leiter  des  Unternehmens,  der  deutschen  Flagge,  dem 
Vaterlande  galten  weitere   Trinksprüche  beim  Mittagsmale,  wie  abendi 
in  der  Kajüte  des  Schiffes. 

Am  folgenden  Tage  wurden  die  ersten  nothwendigen  Geschftfte  be- 
sorgt, die  Correspondenzen ,  die  Versorgung  der  Sammlungen,  die  Ord- 
nung der  Bücher  u.  dergl.  mehr. 

Gestern  empfieng  dann  das  hiesige  Comitä  für  die  zweite  deutsche 
Nordpolarfahrt  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  W.  v.  Freeden  die  Officiere 
und  Gelehrten  des  Dampfers  „Germania''.  Nachdem  der  Vorsitzende, 
Herr  A.  G.  Mosle,  die  glücklich  Heimgekehrten  begrüßt  und  sein  Be- 
dauern darüber  ausgesprochen  hatte,  dass  Herr  Dr.  A.  Petermann  nicht 
anwesend  sei,  erstattete  der  Führer  der  Expedition,  Capitän  Koldewey, 
den  in  §.  31  der  Instruction  vom  7.  Juni  1869  vorgeschriebenen  vor- 
läufigen Bericht. 

Derselbe  lautete: 

Am  15.  Juni  1869  verließ  die  Expedition  in  Gegenwart  Sr.  Mar 
jestät  des  Königs  Bremerhafen.  Die  Schiffe  wurden  bis  in  die  Nordsee 
von  zwei  Dampfern  des  Norddeutschen  Lloyd  geschleppt  und  steuerten 
dann  mit  einer  Südwestbrise  nordwärts.  Starke  Nordwestwinde  hielten 
die  Fahrt  sehr  auf,  so  dass  am  15.  Juli  das  erste  Eis  auf  74^  49' 
N.  B.  und  10"  50'  W.  L.  (Greenwich)  in  Sicht  kam.  Die  „Hansa" 
war  von  der  „Germania*^  bei  Jan  Mayen  im  dichten  Nebel  getrennt, 
wurde  aber  auf  75"  wieder  aufgefunden  und  von  der  „Germania*'  in  s 
Schlepptau  genommen.  Während  der  nächsten  Tage  war  nebeliges 
Wetter;  die  Schiffe  kreuzten  südwestwärts,  wurden  indess  am  20.  Joü 
abermals  durch  Nebel  und  in  Folge  eines  misverstandenen  Signals  ge- 
trennt. Die  „Germania^  traf  den  Dampfer  „Bienenkorb",  dem  Briefe 
nach  Deutschland  mitgegeben  wurden,  und  drang  dann  in  das  Eis  ein. 
Vergebliche  Versuche  an  verschiedenen  Stellen  wurden,  gröfitentheüs 
unter  Dampf,  bis  zum  29.  Juli  fortgesetzt,  an  welchem  Tage  wir  aber- 
mals den  „Bienenkorb"  sahen  und  sprachen,  worauf  wir  dann  in  nörd- 


609 

Hcher  Richtimg  längs  der  Kante  des  schweren  Eises  steuerten,  un 
etwas  weiter  nördlich  unsere  Versuche  zu  erneuern.  Wir  fanden  überall 
das  Eis  vollständig  geschlossen.  Erst  auf  74®  N.  Br.  zeigte  sich  hinter 
dem  Seestrome  loses  Treibeis,  so  dass  wir  durchbrechen  konnten  und 
westwärts  in  das  Eis  eindrangen.  Es  wurde  Dampf  aufgemacht,  da  es 
im  Eise  beinahe  gänzlich  windstill  war.  Wir  dampften  12  Stunden  bis 
zum  1.  August  morgens  10  Uhr,  ohne  auf  ein  besonderes  Hindernis  zu 
stoßen.  Die  Schollen  lagen  hinreichend  lose,  um  bequem  hindurch- 
steuern  zu  können.  Beinahe  2  Längengrade  hatten  wir  so  im  Eis  zurück- 
gelegt;  dann  stießen  wir  aber  auf  vollständig  zusammengepacktes  Eis. 

Die  Gruppe  der  Pendulum-Inseln  hatten  wir  in  Sicht  und  hinter 
dem  Packeis  zeigte  sich  das  ersehnte  Landwasser  als  wirklich  vorhanden. 
Da  das  Eis  in  der  letzten  Zeit  Neigung  gezeigt  hatte,  nach  Osten  aus- 
einander zu  brechen,  so  wurde  am  Eise  festgelegt,  um  auf  eine  Aende- 
rung  zu  warten;  diese  Position  war  offenbar  die  günstigste,  die  wir 
bekommen  konnten. 

In  den  nSchsten  Tagen  war  dichter  Nebel,  das  Wetter  sonst  gut. 
Am  3.  August  klärte  sich  die  Luft;  wir  waren  etwas  ostwärts  getrieben, 
das  Eis  im  Westen  war  aber  bedeutend  loser  geworden.  Die  „Germania^ 
dampfte  weiter;  wir  stießen  bald  auf  große  Felder,  zwischen  welchen 
sich  indess  meistens  EanSle  fanden,  die  breit  genug  waren,  um  dem 
Schiffe  einen  Durchgang  zu  gestatten;  einige  Male  mussten  wir  mit 
Gewalt  durchbrechen.  Als  der  17.  Längen-Grad  passiert  war,  merkten 
wir,  dass  wir  aus  dem  schlimmsten  Eise  heraus  waren ;  beinahe  unge- 
hindert durch  Eis  konnten  wir  weiter  dampfen  und  ankerten  am 
5.  August  morgens  5  Uhr  an  der  Südseite  der  zu  der  Pendulum-Gruppe 
gehörenden  Sabine-  Insel  in  3  Faden  Wasser.  Während  der  Fahrt  im 
Eise  waren  so  viel  Lothungen  und  Temperaturmessungen  angestellt,  wie 
die  Umstände  erlaubten. 

In  den  nächsten  Tagen  wurde  die  Sabine- Insel  aufgenommen  und 
ihre  geographische  Lage  in  Uebereinstimmung  mit  den  Ermittelungen 
Sabine's  gefunden;  die  magnetischen  Constanten  wurden  bestimmt  und 
überhaupt  von  den  Gelehrten  alle  nöthigen  Arbeiten  vorgenommen.  Am 
10.  August  konnte  weiter  nordwärts  gedampft  werden.  Ein  Berg  bot 
uns  weite  Umschau;  der  Anblick  war  allerdings  kein  erfreulicher,  da 
nur  auf  der  Südseite  der  Pendulum-Gruppe  das  Landeis  aufgebrochen 
war,  nach  Norden  dagegen  zwischen  dem  Festlande  und  der  Shannon- 
Insel  ganz  fest  lag.  Von  einem  eigentlichen  Landwasser  längs  dem 
festen  Lande  nördlich  von  74**  32'  N.  B.  war  keine  Spur  erkennbar. 
Das  feste  mehrjährige  Eis  erstreckte  sich  ohne  Sprung  oder  Riss  sogar 
mehrere  Seemeilen   von    den   am   weitesten   östlich  vorliegenden  Inseln 


eio 

nach  Osten  hinaus,  nur  waren,  wie  oben  erwähnt,  die  SudkOsten  der* 
selben  theilweise  frei ;  doch  erschien  die  Fahrt  zur  Sfidostspitze  der 
Shannon-Inael  und  vielleicht  weiter  ausführbar. 

In  der  That  dampften  wir  ungehindert  bis  nach  Cap  PhilippBroke 
und  fanden  auch  ostwärts  der  Insel  zwischen  dem  Landeise,  welches  n 
einer  Breite  von  etwa  4  Seemeilen  die  Küste  umsäumte,  und  dem  Pack- 
eise einen  fahrbaren  Kanal  von  1  bis  3  Seemeilen  Breite;  nur  an  ein- 
zelnen Stellen  war  derselbe  mit  dichten  Schollen  gesperrt,  welche  wir 
aber  mit  Hilfe  der  Dampfkraft  ohne  große  Schwierigkeit  durchbrechen 
konnten.  Das  Landeis  zeigte  an  der  Kante  oft  eine  Höhe  bis  zu  40  Fofi, 
ein  warnendes  Zeugnis  von  der  ungeheuren  Pressung  der  Felder. 

Es  wurde  75«  31'  N.  B.  in  IV  i&  W.  L.  erreicht;  aber  hier 
kam  unser  Vordringen  zu  einem  plötzlichen  Halt.  Die  Felder  hiengen 
hier  fest  mit  dem  Landeise  zusammen ;  nach  Norden  zu  war  kein  Wasser 
wahrzunehmen.  Das  Schiff  wurde  am  Landeise  festgelegt,  um  auf  eine 
etwaige  Aenderung  in  der  Lage  des  Eises  zu  warten;  es  war  vergebens; 
eine  starke  Stralenbrechung  ließ  uns  in  den  nächsten  Tagen  nur  zu 
deutlich  erkennen,  dass  im  Norden  für  eine  große  Strecke  kein  Wasser 
vorhanden  war. 

Unter  solchen  Umständen  wurde  einstimmig  der  Beschluss  gefasst, 
wenn  möglich,  an  der  Südseite  von  Shannon  zu  ankern  und  die  Insel 
wissenschaftlich  zu  erforschen.  Man  konnte  von  den  Bergen  aus  immer 
auf  die  Bewegungen  des  Eises  achten  und  sehen,  ob  die  Felder  von 
Norden  herunter  treiben  wurden.  Bei  Cap  l'hilipp  Broke  war  das  Land- 
eis in  den  letzten  Tagen  losgebrochen ;  dort  ankerte  die  „Germania^  am 
16.  August,  mittags  in  3  Faden  Wasser.  Die  Erforschungsarbeiten  be- 
gannen sofort  und  wurden  in  den  nächsten  Tagen  fortgesetzt.  Die 
Shannoninsel  ist  bedeutend  größer,  als  auf  den  Karten  angegeben;  der 
nordöstlicliste  Punkt  liegt  unter  75"  26'  N.  B.  und  18*»  0'  W.  L.  und 
geht  die  We&tküste  beinahe  gerade  nach  Norden.  Die  Insel  macht  hb 
Ganzen  einen  öden  und  tristen  Eindruck.  In  den  Ebenen  an  der  West- 
küste ist  indess  stellenweise  Vegetation  genug  vorhanden,  um  Herden 
von  Moschusochsen,  die  wir  dort  antrafen,  Nahrung  zu  gewähren.  Du 
erste  Thier  dieser  Art  wurde  gleich  bei  Cap  Philipp  Broke  am  16.  August 
geschossen. 

Unsere  Hoffnung  auf  bessere  Eisverhältnisse  gieng  nicht  in  E^ 
füllung.  Das  Packeis  setzte  vielmehr  von  Osten  immer  mehr  wieder  an 
die  Küste ;  selbst  der  im  Anfang  August  gänzlich  eisfreie  Theil  zwischen 
Shannon  und  Pendulum  wurde  wieder  mit  Eis  angefüllt.  Unser  Anker- 
platz wurde  deshalb  mit  jedem  Tage  unsicherer.  Als  am  26.  August 
die  Arbeiten  auf  der  Insel  vollendet  waren  und  niemand  eine  Möglich- 


611 

keit  sah,  aagenblicklich  weiter  nach  Norden  vorzudringen,  schien  es  den 
Zielen  der  Expedition  am  meisten  entsprechend,  nach  den  Pendulum- 
Inseln  znrfick  zn  dampfen,  am  anch  hier  nach  allen  Seiten  fär  die 
Wissenschaft  thätig  zu  sein  und  womöglich  eine  Schlittenreise  zur  Er- 
forschung eines  Fjordes  zu^  machen.  Unsere  einzige  Hoffnung,  noch  in 
diesem  Jahre  weiter  nordwärts  zu  kommen,  beruhte  auf  den  Herbst- 
stQrmen,  die  möglicher  Weise  eine  Oeffnung  reißen  konnten. 

Am  27.  August  wurde  deshalb  wieder  südwärts  gedampft.  In  den 
letzten  Nächten  hatte  sich  so  viel  junges,  bereits  Zoll  dickes  Eis  zwischen 
den  Flarden  gebildet,  dass  wir  nur  mit  voller  Dampfkraft  bei  häufigem 
Bfickwärtsgehen  und  Wiederanrennen  uns  einen  Weg  bahnen  konnten. 
Ein  Segelschiff  wäre  hier  vollkommen  hilflos  gewesen,  da  wenig  oder 
gar  kein  Wind  vorhanden  war.  An  dieser  Küste  ist  im  Sommer  die 
Windstille  entschieden  vorherrschend,  wie  wir  in  beiden  Sommern  zu 
beobachten  Gelegenheit  hatten.  Die  „Germania"  ankerte  an  der  Süd- 
seite von  Klein-Pendulum,  abends  11  Uhr,  den  27.  August,  in  5  Faden 
Wasser. 

Der  erste  Theil  des  September  verlief  mit  Aufnahme  des  Landes, 
der  andere  mit  wissenschaftlichen  Untersuchungen,  Jagden  auf  Moschus- 
ochsen, Rennthiere  etc.  Das  Eis  brach  nicht  auf;  selbst  einige  heftige 
Stürme  aus  Norden  übten  keinen  Einfluss  auf  die  träge  Masse  aus. 
Das  Landeis  zwischen  Shannon  und  dein  Festlande  lag  unverändert  fest ; 
unser  Schiff  wurde  in  immer  engere  Grenzen  eingeschlossen,  und  selbst 
ein  Versuch,  in  die  Gale  Hamkes  Bai  einzufahren,  mislang,  da  auch 
diese  bereits  mit  schwerem  Eise  angefüllt  war.  Bei  der  Windstille  bildete 
sich  immer  mehr  und  mehr  junges  Eis  und  obgleich  dieses  bei  jedem 
Nordwinde  wieder  zerschlagen  wurde,  deuteten  doch  alle  Anzeichen  auf 
das  Herannahen  des  Winters. 

Am  13.  September  lag  die  „Germania"  wieder  in  dem  kleinen 
Hafen  an  der  Südseite  der  Sabine-Insel,  in  dem  sie  zuerst  am  5.  August 
die  Anker  ausgeworfen  hatte.  Es  wurden  Vorbereitungen  zu  einer 
Schlittenreise  nach  dem  Innern  getroffen  und  dieselbe  am  folgenden 
Tage  mittags  angetreten.  In  der  Nacht  hatte  sich  wieder  viel  junges 
Eis  in  der  Straße  und  um  das  Schiff  gebildet ,  so  dass  wir  uns  nur 
mühsam  mit  dem  Boote  bis  zum  alten  Eise  hindurcharbeiteten,  welches 
eine  deutsche  Meile  vom  Schiff  nach  Westen  lag.  Die  Wassertümpel 
anf  dem  Eise  waren  bereits  wieder  vollständig  gefroren  und  gieng  daher 
die  Schlittenreise  ziemlich  rasch  und  gut  von  Statten.  Wir  drangen  in 
d^n  nächsten  Tagen  in  das  Innere  eines  Fjordes  ein,  der  im  Sommer 
eisfreis  gewesen,  jetzt  aber  bereits  mit  3  Zoll  dickem  glatten  Eise  be- 
deckt war.  Ein  über  4000  Fuß  hoher  Berg  wurde   bestiegen   und  von 


612 

Oberlientenant  Payer  eine  umfassende  kartographische  Arbeit  gemaeht 
Der  Berg  gewährte  einen  weiten  Ueberblick  sowol  über  die  amgebeaden 
Gebirge,  wie  auch  nach  Nordosten  über  die  See.  In  letzterer  Bicfatong, 
über  die  Nordspitze  von  Shannon  hinweg,  konnte  das  Auge  nur  Eis  er- 
kennen. Die  Felder  hatten  sich  also  doch  nicht  in  Bewegung  gesetzt 
und  waren  wahrscheinlich  niemals  vom  Landeise  losgebrochen.  Es  stand 
jetzt  unumstößlich  fest,  was  wir  alle  schon  Termntet  hatten:  üebw- 
Winterung  vor  der  Sabine-Insel,  als  dem  einzig  practischen  und  sicheren 
Winterhafen  an  der  ganzen  Küste  zwischen  77**  und  74^  N.  B. 

Auf  der  Rückreise  zum  Schiff  wurden  auf  einer  Insel  von  Ober- 
lieutenannt  Payer  Braunkohlenlager  entdeckt  und  zahlreiche  Petrefacten 
gefunden.  Auf  jener  „Kohleninsel*  fand  sich  eine  im  Vergleich  «ir 
Sabine-Insel  reiche  Vegetation,  hauptsfichlich  Andromeda,  große  Herden 
von  Moschusochsen  und  Rennthieren  weideten  hier.  Wir  konnten  vom 
Zelte  aus  so  viel  Wild  erlegen,  wie  wir  haben  wollten,  vermochten 
jedoch  leider  nicht  viel  an  Bord  zu  bringen,  da  unser  Schlitten  schon 
überdies  stark  belastet  war. 

Am  22.  September  kamen  wir  wolbehalten  an  Bord  zurück.  Hier 
war  man  in  der  Zwischenzeit  ebenfalls  nicht  müßig  gewesen:  es  waren 
verschiedene  Vorbereitungen  fflr  die  Ueberwinterung  getroffen ;  das  Schiff 
war  etwas  weiter  in  den  Hafen  gelegt;  man  hatte  mehrere  Moschus- 
ochsen,  Rennthiere,  Bfiren,  Walrosse  geschossen  u.  s.  w.  In  der  Nacht 
vom  20.  bis  21.  September  hatte  ein  heftiger  Sturm  aus  Norden  ge- 
wfitet,  der  indess  nicht  mehr  im  Stande  gewesen  war,  das  junge  Eis 
zu  zerbrechen  und  wegzutreiben;  dasselbe  hatte  bereits  eine  Dicke  von 
mehreren  Zoll,  so  dass  wir  zu  Fuß  an  Bord  geben  konnten. 

Die  Vorbereitungen  ffir  die  Ueberwinterung  begannen  jetst 
im  vollsten  Umfange.  Das  Schiff  wurde  noch  weiter  in  den  Hafen  hinein 
gesSgt,  bis  wir  auf  10  Fuß  Wasser  in  geringer  Entfernung  vom  Lande 
lagen.  Eine  Nacht  genügte,  um  das  Schiff  fest  und  unverrückt  ein- 
frieren zu  lassen,  so  dass  wir  jetzt  weder  Anker  noch  Ketten  ndthig 
hatten.  Sodann  wurde  der  größte  Theil  des  Inventars  und  des  Proviants 
von  Bord  gebracht,  die  Maschinen  auseinandergelegt,  die  Cajüte  ver- 
größert und  eingerichtet,  Rahen  und  laufendes  Tauwerk  herunter  ge- 
nommen und  das  Deck  mit  einer  vollständigen  Ueberdachung  yersehen. 
Am  Lande  wurden  zwei  Observatorien  gebaut,  das  eine  fflr  magnetische, 
das  andere  für  astronomische  Beobachtungen  und  in  letzterem  die  meteo- 
rologischen Instrumente  angebracht,  die  jetzt  jede  Stunde  abgelesen 
werden  sollten.  Ferner  wurde  Moos  vom  Lande  geholt  und  das  Deck 
des  Schiffes  mehrere  Zoll  hoch  damit  belegt.  Mitte  October  wurde  dann 


613 

noch  eine  Eis-  und  Schneemaaer  um  das  ganze  Schiff  gebaut.  Das  Eis 
hatte  wftlirend  dieser  Zeit  bereits  eine  Dicke  von  15  Zoll  erlangt. 

Wir  konnten  jetzt  mit  Ruhe  dem  Winter  entgegensehen.  Unsere 
Einrichtungen  waren  derart,  dass  wir  mit  verhältnismäßig  wenig  Feue- 
rung eine  große  Wärme  hervorbringen  konnten,  und  in  der  That  steigerte 
sich  der  ganze  Kohlenverbrauch  selbst  bei  der  größten  Kälte  ( — 32®  R.), 
nie  über  7U  Pfd.  per  Tag;  die  Oefen  von  Meidinger  in  Carlsruhe  haben 
sich  ganz  vortrefflich  bewährt.  Im  Laufe  des  Herbstes  war  über  löOO  Pfd. 
frisches  Fleisch  durch  Jagd  eingebracht,  so  dass  wir  während  des  gan- 
zen Winters  beinahe  frischen  Rennthier-  oder  Ochsen  -  Braten  auf  dem 
Tisch  hatten. 

Ende  October  wurde  von  Oberlieutenant  Payer  in  Begleitung  von 
Dr.  Copeland  noch  eine  Schlittenreise  nach  Süden  unternommen,  welche 
die  Entdeckung  eines  neuen  Fjordes,  weitere  Landesaufiiahmen  und  geolo- 
gische Sammlungen  ergab.  Am  4.  November  kehrte  auch  diese  Partie 
wohlbehalten  zurück,  wenngleich  von  den  ungeheuren  Anstrengungen 
sehr  ermattet  Hiermit  waren  alle  größeren  Excursionen  ffir  diese  Jah- 
reszeit und  ffir  18(39  geschlossen. 

Am  5.  November  zeigte  sich  die  Sonne  Mittags   noch  einmal  am 
Horizont  und  verschwand    dann  vollständig,   um  erst  Anfangs  Februar 
wieder  zu  erscheinen.  Auch  die  Bären,  bis  jetzt  unsere  getreuen  Nach- 
barn, wurden  nicht  mehr  gesehen ;.  Rennthiere  und  Moschusochsen  hatten 
sich  mehr  nach  den  bessern  Weiden  im   Innern   der  Fjorde  zurückge- 
zogen. Starr,  öde  und  ohne  Leben  lag  die  Natur  um  uns  her;  eine  drei 
Monate  lange  Polarnacht  stand  uns  bevor.  Die  allgemeine  Stimmung  war 
indess   eine  durchaus  heitere   und  es  war  Keiner  an  Bord,   der  große 
Unannehmlichkeiten   oder  gar  Krankheiten   befürchtete,   da  wir  in  der 
Tbat  alle  erforderlichen  Mittel  besaßen,  um  jeder  Strenge  des  Winters 
erfolgreichen  Widerstand  zu  leisten.    An  Beschäftigung  und  Unterhal- 
tODg  fehlte  es  uns  ebenfalls  nicht;  es  gab  fortwährend  zu  beobachten, 
zu  rechnen,   zu  schreiben,    zu  zeichnen,   und  selbst   der  regelmäßige 
SchiffiBdienst,  jetzt  vielmehr  Hausdienst,  nahm  täglich  mehrere  Stunden 
in  Anspruch.    Wir  hatten   durch  die  Freundlichkeit  einiger  Bucbhand- 
lUDgen  eine  schöne  und  ausgesuchte  Bibliothek  an  Bord  bekommen,  die 
wir  jetzt  fleißig  benutzten.  Außerdem  war  eine  Navigationsschule  errichtet, 
die  von  dem  größten  Theil  der  Leute  mit  Erfolg  besucht  wurde.    Die 
Zeit  gieng  auf  diese  Weise  rasch  hin,  so  dass  Weihnachten,  die  Mitta 
der  Polarnacht,  herankam,    ehe  sich  uns  der  fortwährende  Mangel  des 
Tageslichtes  fühlbar  machte.  Das   einzige  Unangenehme  waren  die  häu- 
tigen orkanartigen  Schneestürme  aus  Norden,  die  oft  während  mehrerer 
Tage  jede  Bewegung  im  Freien,   selbst  an  Deck  unter  der  Bedachung, 


614 

vollständig  verhinderten.  Der  Schnee  drang  in  Form  eines  feinen  Stanbes 
durch  alle  Ritzen  and  Fngen  der  Yerschanznng  nnd  des  Zelttacbes,  so 
dass  das  Deck  an  manchen  Stellen  mehrere  Fuß  hoch  mit  Schnee  ange- 
füllt wurde,  in  den  Kajüten  gab  es  dann  manchmal  störenden  RandL 
Dor  schwerste  und  am  längsten  anhaltende  Sturm  wehte  vom  16.  bis 
20.  December  mit  ununterbrochener  Heftigkeit,  oft  in  orkanartigen 
Stößen,  die  das  Schiff,  obgleich  es  fest  in  Eis  gebettet  war,  vom  Kiel 
bis  zum  Top  erzittern  machten. 

Dieser  Nordsturm  brach  das  Eis,  welches  bereits  eine  Di(^  von 
einigen  Fußen  erreicht  hatte,  300  Schritt  sfidlich  vom  Schiffe,  wie  auch 
im  Osten  der  Insel,  wieder  vollständig  auf,  so  dass  ein  schmaler  Streifen 
offenen  Wassers  längs  dor  Küste  in  Süden  sichtbar  war.  Wir  dankten 
Gott,  dass  die  Kleinheit  unseres  Schiffes  uns  gestattet  hatte,  so  weit  in 
den  Hafen  hineinzuholen;  ein  größeres  Schiff,  welches  in  16  bis  18 
Fuß  Wasser  hätte  liegen  müssen,  wäre  hier  unfehlbar  mit  losgerissen 
nnd  in  Folge  dessen  unrettbar  verloren  gewesen,  da  es  sehr  bald  von 
dem  durch  den  Orkan  in  furchtbaren  Aufruhr  versetzten  Eise  zersplit- 
tert worden  wäre.  Nach  diesem  Sturm  trat  eine  mehrtägige  Ruhe  im 
Wetter  ein;  es  kamen  leichte  und  warme  Südwinde  und  die  Tempe- 
ratur, die  bisweilen  schon  eine  Tiefe  von  —  22  ®  und  23  •  R.  erreicht 
hatte,  stieg  in  den  Weihnachtstagen  wieder  bis  —  3",  eine  Tempe- 
ratur, die  in  den  Kajüten  wegen  der  dann  viel  zu  warmen  Einrichtmigai 
bei  weitem  unangenehmer,  als  die  strengste  Kälte,  empfunden  wurde.  Wir 
feierten  den  Weihnachtsabend  bei  offenen  Thüren  und  wurde  beim  Stei^ 
nenlicht  auf  dem  Eise  getanzt.  Ein  kleiner  Christbanm  war  ans  immer- 
grüner Andromeda  gemacht,  die  Kjijüte  mit  Flaggen  verziert;  anf  dem 
Tische  prangten  zur  allgemeinen  Freude  die  Geschenke,  die  von  freund- 
licher Hand  der  Expedition  für  diesen  Zweck  mitgegeben  waren.  Jeder 
erhielt  seinen  Theil  und  allgemeiner  Frohsinn  herrschte  im  ganzen  Schiffe. 

Nach  dem  Feste  trat  der  Ernst  des  Lebens  nnd  der  verschiedenea 
Aufgaben,  die  wir  zu  lösen  hatten,  wieder  mehr  und  mehr  in  seine 
Rechte.  Es  wurde  jetzt  viel  über  die  großen,  im  Frühjahr  zu  unter» 
nehmenden  Schlittenreisen  verhandelt  und  wurden  die  Leute  eifrig  mit 
Vorbereitungen  zu  denselben  beschäftigt.  Zelte,  Decken,  Fuß-  and  Kopf- 
bekleidungen wurden  theils  ganz  neu  gemacht,  theils  so  geändert,  wie 
es  unsere  eigenen  Erfahrungen  im  Herbst  und  die  Anderer  ans  früheren 
Reisen  als  das  zweckmäßigste  erscheinen  ließen;  Schlitten  worden  in 
Stand  gesetzt,  Kochapparate  angefertigt,  Proviant  ward  verpackt  und 
vorbereitet  n.  s.  w. 

Am  Sylvesterabend  sagten  wir  dem  Jahre  1869,  das  nns  bisiier 
trotz  einiger  Misgeschicke  günstig  gewesen  war,  in  fröhlicher  Stimmmg 
Lebewol,  reich  an  Hoffnungen  für  das  Jahr  1870. 


616 

Der  Januar  brachte  meistens  schönes  und  mhiges  Wetter,  wenn- 
gleich wieder  strenge  KSlte  —  20"  bis  32"  R.,  so  dass  hauptsächlich 
viel  astronomische  und  magnetische  Beobachtungen  gemacht  werden 
konnten.  Das  Nordlicht  zeigte  sich  in  schönster  Pracht  und  wurde  von 
den  Dm.  Borgen  und  Copeland  eine  Reihe  wertvoller  Beobachtungen 
darüber  angestellt. 

So  vergieng  der  Januar,  die  Tagesdämmerung  wurde  jetzt  um 
Mittag  heller  und  heller,  so  dass  für  einige  Stunden  des  Tages  die 
metereologischen  Instrumente  schon  ohne  Lampe  abgelesen  werden  konnten. 
Jeder  harrte  sehnsuchtsvoll  auf  das  nahe  Erscheinen  der  Sonne ,  da  doch 
der  Hangel  des  Tageslichtes  allmählich  die  Stimmung  etwas  beein- 
flnsste.  Am  3.  Februar  sollte  die  Sonne  nach  der  Berechnung  von  Dr. 
Copeland  zum  ersten  Male  Ober  dem  Horizont  erscheinen ;  der  Himmel 
war  vollständig  wolkenleer,  und  wir  genessen  die  große  Freude,  von 
einem  nahen,  etwa  800  Fuß  hohen  Berge  die  Sonne  in  vollem  Glänze 
um  Mittag  über  dem  Horizont  aufsteigen  zu  sehen. 

Bei  dieser  Gelegenheit  bekamen  wir  auch  einen  U  eberblick  über 
das  draußen  liegende  £is.  So  weit  das  Auge  reichen  konnte,  war  nur 
eine  einzige  weiße  Masse  sichtbar,  nirgends  ein  Riss  oder  Spalt ,  alles 
dicht  zusammengefroren ;  bloß  an  der  Kfiste  war  dünnes  junges  Eis,  da 
seit  dem  großem  Decembersturm  jeder  nachfolgende  stärkere  Wind  das 
frisch  gebildete  Eis  immer  theüweiae  aufgerissen  hatte. 

Mit  dem  Erscheinen  der  Sonne  trat  wieder  eine  regere  Thätigkdt 
ein;  es  wurden  große  Ausflfige  in  das  Innere  der  Insel  unternommen, 
die  indess  wegen  der  jetzt  wieder  mehr  umherstreifenden  Bären  immer 
unter  Bewaffiiung  und  mit  Vorsicht  geschehen  mnssten.  Trotzdem  kamen 
einige  Ueberfälle  vor,  die  glücklicher  Weise,  obgleich  die  betreffen* 
den  Leute  hart  bedrängt  wurden,  gut  abliefen;  einer  der  Gelehrten 
ward  von  einem  Bären  arg  am  Kopfe  verletzt  und  mehr  als  400  Schritt 
geschleppt,  indess  erholte  er  sich  in  einigen  Wochen.  Die  Astronomen 
begannen  die  Aufoahme  der  Basis  für  die  Gradmessung.  Die  Schnee» 
stünne  fiengen  jetzt  wieder  mit  ungeheurer  Wut  an  zu  toben  und  die 
Kälte  erreichte  am  21.  Februar  ihren  Höhepunkt  —  32®  R.;  doch 
hatten  wir  nicht  das  Vergnügen,  das  Quecksilber  in  gefrorenem  Zustande 
zu  sehen.  Der  Winter  war  überhaupt  kein  so  unangenehm  strenger  und 
die  Temperatur  im  allgemeinen  ziemlich  gleichmäßig,  was  wol  thei|- 
weise  in  dem  durch  die  fortwährenden  Stürme  inuner  wieder  offen  ge- 
rissenen Wasser  seine  Ursache  haben  mochte. 

Anfangs  März  waren  alle  Vorbereitungen  für  die  erste  große 
Schlittenreise  nach  Norden  fertig,  welche  wesentlich  geographische  und 
hypsometrische    Zwecke   verfolgen   sollte.  Wir  verließen   am   8.  März, 


616 

9  Uhr  morgens  mit  2  Schlitten  und  12  Mann  das  Schiff.  Der  zweite 
Schlitten  unter  Führung  des  Obersteuermanns  Sengstake  sollte  dazu 
dienen,  den  ersten  (Haupt-)Schlitten  fflr  die  ersten  7 — 8  Tage  mit  Pro- 
viant zu  versehen,  ein  kleines  Depot  zurücklassen  und  dann  an  Bord 
heimkehren,  um  für  die  zweite  Schlittenreise  der  Astronomen  zum 
Zwecke  des  beabsichtigten  Gradmessungsversuches  zur  Yerffigung  zb 
stehen.  Anfangs  gieng  die  Reise  über  das  junge  einjährige  Eis  rasch 
und  ziemlich  leicht  von  Statten  ;  sobald  wir  aber  das  alte  Eis  erreichten, 
wurde  der  Weg  schlechter  und  schlechter.  Die  Stürme  hatten  in  dei 
Schnee  große  Löcher  gerissen,  und  obgleich  derselbe  hart  und  fest  war, 
giengen  die  Schlitten  über  den  sehr  unebenen  Boden  so  schwer  hinweg, 
dass  wir  schließlich  gezwungen  waren,  mit  sämmtlidier  Mannschaft  erst 
den  einen  Schlitten  eine  Strecke  fortzuziehen  und  dann  den  andern 
nachzuholen.  Nach  einem  anstrengenden  Tagesmarsche  hatten  wir  noch 
nicht  einmal  das  Nordost-Ende  der  Insel  erreicht;  die  Schlitten  mussten 
erleichtert  werden,  Proviantstücke  wurden  am  Lande  deponiert  und  die 
Zelte  fflr  die  Nacht  aufgeschlagen.  Am  andern  Morgen  gieng  es  weiter, 
doch  mit  nicht  viel  besserem  Erfo^e.  Demnach  wurde  beschlossen,  den 
großen  Schlitten  noch  zwei  Mann  mehr  beizugeben,  das  Zelt  zu  ver- 
größern und  den  kleinen  Schlitten  sofort  zurfickzuschicken.  Am  Nach- 
mittag waren  alle  Arbeiten  beendet.  Obersteuermann  Sengstake  trat  den 
Rflekweg  zum  Schiffe  an;  wir  schlygen  unser  Zelt  etwa  1  Meile  vom 
Nordost-Ende  der  Insel  auf.  Die  Temperatur  war  mittlerweile  auf 
—  27^  R.  gefallen;  unsere  Decken  gewährten  uns  indess  genügend 
Schutz  und  Wärme.  Unsere  Einrichtungen  ließen  noch  Manches  zu 
wtlnschen  übrig;  vor  allen  Dingen  mussten  wir  unsere  ganze  Lebens- 
weise noch  mehr  vereinfachen,  wenn  wir  eioigemiassen  gut  vordringen 
wollten.  Das  tote  Gewicht  der  Schlitten  konnte  immerhin  noch  um 
60 — 80  Pfund  verringert  werden,  wenn  wir  alle  Gerätschaften  und 
Kleider  auf  das  äußerste  Maß  beschränkten.  Als  daher  am  andeni 
Morgen  die  Temperatur  noch  immer  so  niedrig  war,  dass  der  Schlitten 
über  den  steinharten  Schnee  nur  mit  großer  Mühe  fortgezogen  werden 
konnte,  wurde  die  Rückkehr  zum  Schiff  beschlossen,  um  erst  die  ver- 
schiedenen Verbesserungen  auszufahren.  Wir  ließen  den  Proviant  an 
einem  Berge  zurück  und  kamen  am  11.  März  nachmittags,  einige  Frost- 
beulen abgerechnet,  wolbehalten  wieder  an  Bord. 

Die  Rückkehr  war  unser  Glück.  Eine  Reihenfolge  von  heftigai 
Stürmen  hätte  jedes  Vordringen  gehindert  und  uns  zu  beinahe  forir 
währendem  Stillliegen  im  Zelte  gezwungen,  das  mehr  entkräftet,  wie 
der  anstrengendste  Marsch.  Endlich  schien  sich  das  Wetter  wieder  zum 
Bessern  zu  wenden;    neuere    einfachere  Einrichtungen   waren   getroffen 


617 

und  am  24.  Mftrz  wurde  abermals  die  Reise  angetreten.  Die  Temperator- 
Yerhältnisse  hatten  sich  in  der  großen  Eiswfiste  nördlich  von  den  Pen- 
dolnm-Inseln  allerdings  noch  am  nichts  gebessert;  wir  fanden  abermals 
eine  Temperatur  von  —  27°  R. ;  indess  gieng  die  Reise  doch  in  den 
ersten  Tagen  leidlich  von  Statten.  Eine  Strecke  von  2 — 27^  Meilen 
konnte  Ober  den  holperigen  Weg  zurück  gelegt  werden,  und  wir  h&tten 
sicher  eine  weit  höhere  Breite  erreicht,  wenn  nicht  die  fortwährenden, 
recht  aus  Norden  kommenden  Schneestürme  ein  unüberwindliches  Hinder- 
nis gewesen  w&ren.  Zwei  bis  drei  Tage  mussten  wir  mehrmals  geduldig, 
dicht  eingepackt,  im  Zelte  liegen,  vielen  Beschwerden  ausgesetzt.  Grlück- 
licherweise  waren  unsere  Einrichtungen  der  Art,  dass  kein  Sturm  das 
Zelt  zu  zerstören  vermochte;  insofern  befanden  wir  uns  in  völliger 
Sicherheit.  Doch  der  feine  Schneestaub  drang  überall  durch  und  alles 
im  Zelt  wurde  zolltief  mit  Schnee  bedeckt.  Durch  das  nothwendige 
Kochen  im  Zelte  und  durch  unsere  eigene  W&rme  wurde  ein  geringer 
Theil  dieses  Schnees  geschmolzen;  unsere  Kleider  und  Decken  wurden 
nass,  wir  fröstelten  und  unausbleiblich  drohte  uns  Krankheit.  Die  Kr&fte 
nahmen  ab  und  trotz  einiger  Tage  Sonnenschein  musste  doch  reich- 
lichere Kost,  als  berechnet  war,  verabfolgt  und  öfter  Schnee  zur  Lö- 
schung des  Durstes  gebraucht  werden.  Das  gute  Glück  wollte,  dass  wir 
bei  Haystack,  welches  wir  am  3.  April  erreichten,  einen  Bären  erlegten 
und  somit  Material  zum  Brennen,  wie  auch  etwas  Fleisch  bekamen. 
Haystack  ist  übrigens  keine  Insel,  wie  angenommen  ist,  sondern  mit 
dem  'Festlande  verbunden. 

In  76®  24'  N.  B.  trafen  wir  auf  eine  Gegend,  in  welcher  der 
Schnee  merkwürdiger  Weise  lose  lag,  so  dass  wir  bisweilen  knietief 
hindurch  waten  mussten ;  die  Stürme,  die  sonst  überall  den  Schnee  hart 
und  fest  gemacht  hatten,  schienen  ihn  hier  gar  nicht  berührt  zu  haben ; 
nur  mit  äußerster  Anstrengung  gelang  es,  täglich  etwa  2  Seemeilen 
auf  dem  bodenlosen  Wege  zurückzulegen,  indem  wir  immer  das  feste 
Land  zu  unserer  Linken  festhielten.  Bei  weiterem  Vordringen  klärte 
sich  jener  Umstand  indessen  bald  auf.  Die  Küste  von  Grönland  verläuft 
hier  in  einer  großen  nach  Süden  geöffneten  Bai,  und  streckt  sich  ost- 
wärts derselben  eine  große  Landzunge  mit  südlich  vorliegender  Insel 
nach  Süden  herunter:  das  hohe  Land  nordwärts  hatte  im  Sturm  als 
Schneefang  gewirkt  und  lag  deshalb  der  Schnee  im  Lee  der  Küste  so 
hoch  und  weicL  Um  aus  dieser  Bai  wieder  herauszukommen,  mussten 
wir  uns  vorerst  östlich  wenden,  und  erreichten  so  endlich  eine  kleine 
Bucht,  die  nothgedrungen  unser  nördlichster  Schlittenpunkt  sein  musste. 
Die  Anstrengungen  der  letzten  Tage,  die  große  Kälte,  die  noch  immer 
unter  20^  war,  hatten   einen   raschen  Verbrauch   unseres  Proviants  zur 

MilUwilungeit  d.  («ogr.  GMeU.  1870.  13.  40 


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Folge  gehabt.  Dazu  hatten  uns  die  Stürme  sehr  aofgehalten.  Alles  was 
noch  geschehen  konnte,  waren  Besteigungen  einiger  hoher  Anssichts- 
pankte  an  der  Küste,  am  einen  klaren  Ueberblick  über  Land  nnd  £äs 
zu  bekommen. 

In  den  nächsten  Tagen  tobte  wieder  ein  furchtbarer  Schneestnrm 
aus  Norden,  der  drei  Tage  ununterbrochen  anhielt;  wir  mussten  uns 
Fasten  auferlegen,  um  unseren  wenigen  Proviant  weiter  auszanutzea 
Die  Bergbesteigung  war  aber  unumgänglich  nothwendig,  da  wir  ohne 
dieselbe  an  keine  Rttckreise  denken  konnten.  Endlich,  am  Charfreitag 
(15.  April)  wurde  das  Wetter  schöner,  die  Fußreise  konnte  angetreten 
werden;  drei  deutsche  MeUen  wurden  gegen  Norden  zurückgelegt  und 
dabei  ein  Berg  von  ungefähr  1500  Fuß  Höhe  erstiegen.  Der  Punkt 
liegt  unter  77®  1'  N.  B.  und  etwa  18®  50'  W.  L.;  von  ihm  aus  er- 
streckte sich  die  feste  Küste  in  fast  gerader  meridionaler  Richtung  nach 
Norden.  Der  Anblick  über  See  zeigte,  wie  zu  erwarten  war,  eine 
ununterbrochene  Eisfläche  bis  zu  dem  Horizont,  über  dem  ein  weißer 
Eishimmel  lag ;  das  Eis  war  mit  gewaltigen  Höckern  bedeckt,  bei  weitem 
größeren,  als  wir  sie  bei  den  Pendulum-Inseln  gewohnt  waren;  eise 
ebene  Strecke  Landeis  lag  bis  etwa  4  Seemeilen  vor  der  Koste,  dodi 
auch  dieses  Landeis  war  älteren  Datums  und  hatte  augenscheinlicli 
schon  mehrere  Jahre  fest  gelegen ;  das  Ganze  machte  den  Eindruck  eines 
für  die  Ewigkeit  gebauten  Bollwerks.  Als  Oberlieutenant  Pajer  seine 
Messungen  beendet  hatte,  mussten  wir  eilig  unseren  Rückzug  nach  dem 
Zelte  antreten,  da  aufs  Neue  die  deutlichsten  und  sichersten  Anzeichen 
eines  herannahenden  Sturmes  hervortraten.  Kaum  war  das  Zelt  erreicht, 
da  brach  der  Sturm  wieder  mit  furchtbarer  Wut  herein.  Wir  waren  fh^, 
die  wissenschaftlichen  Resultate  der  Reise  in  Sicherheit  zu  haben,  die  immer- 
hin nicht  ganz  unbedeutend  waren,  nachdem  der  77"  N.  B.  erreicht  war. 

Am  Sonnabend,  den  16.  April,  nachmittags  konnten  wir  die  Rück- 
reise antreten;  wir  wollten  jetzt  des  Nachts  reisen,  da  dann  die  Sonne 
im  Rücken  war  und  wir  zudem  den  Vortheil  hatten,  des  Tages  während 
der  Schlafzeit  eine  größere  Behaglichkeit  im  Zelte  scha£fen  zu  können. 
Eümärsche  sollten  gemacht  werden,  um  so  rasch  wie  möglich  an  Bord 
zu  kommen,  da  eine  zweite  Schlittenreise  zur  Fjorderforschung  nnter 
Gommando  von  Oberlieutenant  Payer  noch  ausgeführt  werden  masste, 
bevor  Thauwetter  eintrat.  Die  Leute  leisteten  Tüchtiges;  das  Mache 
Fleisch  gab  uns  gute  Nahrung  und  die  Bären,  die  uns  begegneten, 
mussten  uns  Fett  zum  Brennen  liefern.  Stürme,  wenn  sie  nicht  gar  n 
heftig  waren,  förderten  jetzt  unseren  Weg,  da  wir  vor  denselben  her- 
laufen konnten  und  den  Schlitten  nicht  zu  ziehen  brauchten,  indem  wir 
ihn  unter  Segel  brachten. 


619 

Am  27.  April  nachmittags  kamen  wir  an  Bord  zurück.  Erst  jetzt 
merkten  wir,  wie  sehr  wir  doch  trotz  der  guten  Nahrung  an  Kraft  ver- 
loren hatten.  Eine  furchtbare  Abspannung  machte  sich  geltend;  heftige 
Krämpfe  in  den  Beinen  zeigten  sich,  doch  die  gute  und  frische  Kost 
an  Bord,  Ruhe  und  Pflege  stallten  die  Leute  bald  wieder  her. 

Die  Schlittenreise  zur  Erforschung  der  Ardencaple-Einfahrt  konnte 
am  8.  Mai  nachmittags  abgehen.  !N[ur  zwei  der  Leute,  welche  die  erste 
Reise  mitgemacht  hatten,  waren  noch  immer,  wenn  auch  nicht  gerade 
dienstnntüchtig,  doch  für  eine  größere  Reise  nicht  kräftig  genug. 

An  Bord  waren  während  unserer  Abwesenheit  von  den  Astronomen 
verschiedene  kleinere  Schlittenreisen  zum  Zweck  der  geodätischen  Arbeiten 
untemommeh,  und  ein  Theil  der  Basis  war  gemessen.  Das  Schiff  hatte 
ein  anderes  Ansehen  bekommen  und  war  seines  Wintermantels  ent- 
kleidet. Auch  hier  waren  indess  die  heftigen  Stürme  ein  großes 
Hindernis*  gewesen,  so  dass  die  Arbeiten  nicht  so  weit  vorgeschritten 
waren,  wie  bei  günstigeren  Verhältnissen  erwartet  werden  konnte.  Da- 
zu kam  noch,  dass  die  Bären  das  Schiff  und  dessen  Umgebung  förmlich 
in  Belagerungszustand  erklärt  hatten,  so  dass  die  äußerste  Vorsicht 
gebraucht  werden  musste,  um  Unglücksfälle  zu  verhüten.  Mehrere  dieser 
Thiere  wurden  geschossen,  zu  verscheuchen  waren  dieselben  indessen  nicht. 
AUe  diese  Hindernisse,  mit  denen  man  zu  kämpfen  hatte,  bewirkten, 
dass  die  geodätische  Reise  der  Astronomen  nicht  vor  dem  14.  Mai 
abends  abgehen  konnte,  reichlich  spät  für  Schlittenreisen,  da  das  Thau- 
Wetter  ganz  plötzlich  eintritt  und  der  Schnee  mit  überraschender  Schnellig- 
keit lose  wird  und  schmilzt.  Die  Theinehmer  der  Fahrt  hatten  mit  den 
größten  Schwierigkeiten  zi^  kämpfen  ;  Ende  Mai  musste  bereits  im  Wasser 
gewatet  werden  und  Anfang  Juni  waren  die  Gletscherbäche  am  Lande 
bereits  so  reißend  geworden,  dass  sie  nur  mit  Lebensgefahr  zu  über- 
schreiten waren.  Die  Arbeiten  wurden  indess  zur  Befriedigung  vollendet. 
Auf  der  Rückreise  musste  man  Schlitten  und  alles,  was  nicht  fortzu- 
tragen war,  auf  75°  N.  B.  am  Lande  stehen  lassen,  um  nur  in  großen 
Elilmärschen  das  Schiff  erreichen  zu  können. 

Oberlieutenant  Payer  war  bereits  am  29.  Mai,  morgens  8  Uhr, 
wieder  an  Bord  zurückgekommen.  Man  war  auf  unerwartete  Schwierig- 
keiten gestoßen ;  die  furchtbaren  Stürme,  die  den  Schnee  an  der  Küste 
fiberall  fest  und  hart  geweht  hatten,  waren  über  die  Fjorde  hinweg- 
gerast, und  hatten  die  Ablagerung  von  so  losem  und  tiefen  Schnee  be- 
gtlnstigt,  dass  man  bis  an  den  Leib  einsank  und  die  Schlittenladung 
Stück  für  Stück  forttragen  musste.  Auf  diese  Weise  wurden  oft  nur 
wenige  100  Schritt  mit  der  größten  Anstrengung  an  einem  Tage  zurück- 
gelegt.  Die  Aussicht,  die  ein  Berg  bot,    zeigte  deutlich,  das  auf  Besse- 

40* 


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rang  des  Weges  nicht  zu  hoffen  sei;  deshalb  mnsste  man  sich  noth- 
gedningen  zur  Rückkehr  entschließen.  In  geographischer,  sowie  geolo- 
gischer Beziehung  waren  indess  die  Resultate  dieser  Reise  von  großem 
Werte,  da  mehrere  hundert  Petrefacten  und  fossile  Pflanzen  heimge- 
bracht wurden. 

Die  Zeit  der  Schlittenreisen  war  jetzt  zu  Ende;  an  ausreichende 
Ruhe  und  Erholung  von  den  Strapazen  und  Anstrengungen  der  letztai 
Monate  konnte  indess  wenig  gedacht  werden.  Nur  einige  Tage  Rast 
wurde  den  Leuten  gegönnt.  Noch  immer  mussten  kleinere  Reisen  zor 
VervoUst&ndigung  der  Aufnahmen,  zu  botanischen  und  zoologischen 
Zwecken  unternommen  werden;  das  Schiff  war  in  allen  seinen  Theiloi 
segelfertig  zu  machen.  Da  gab  es  denn  für  die  wenigen  Leute,  die  zur 
Yerfflgung  standen,  reichlich  zu  thun.  Obgleich  den  Leuten  nur  dis 
beste  Zeugnis  zu  geben  ist  und  alle  von  gleichem  Eifer  beseelt  waren, 
musste  doch  noch  manches  Wünschenswerte  unterbleiben,  da  es  unmög- 
lich war,  alle  wissenschaftlichen  Arbeiten  vollständig  zu  bewältigen. 

Der  Schmelzprocess  gieng  jetzt  rasch  vor  sich ;  bald  hatte  die  Dicke 
des  Eises,  die  im  Mai  6*  7"  betrug,  um  einige  Fuß  abgenommeD: 
ostw&rts  und  südwärts  von  uns  war  bereits  viel  offenes  Wasser:  das 
Landeis  brach  an  den  Kanten  mehr  und  mehr  ab. 

Am  10.  Juli  abends  setzte  sich  das  Eis  in  unserem  Hafen,  in 
welchen  wir  noch  immer  fest  eingebettet  waren,  mit  uns  in  Bewegung; 
wir  trieben  aus  dem  Hafen  hinaus  nach  Südosten.  Die  Eissägen  wurden 
in  Thätigkeit  gesetzt,  um  das  noch  immer  drei  Fuß  dicke  Eis  zu  durch- 
schneiden. Am  11.  Juli  nachmittags  hatte  der  durch  die  Scholle  ge- 
sflgte  Kanal  genügende  Breite;  unter  Hurrarufen  dampften  wir  aus 
unserem  Eisgeffingnisse  heraus,  steuerten  aber  nachher  wieder  nach 
unserem  jetzt  zum  größten  Theil  eisfreien  Hafen,  woselbst  wir  einige 
Stunden  später  ankerten.  Es  waren  noch  einige  nothwendige  Arbeiten 
zu  vollenden,  und  dann  sollte  auch  eine  Bootreise  nach  den  Eskimo- 
hütten der  Clavering-Insel  unternommen  werden,  ehe  wir  unsere  Ver- 
suche, nordwärts  vorzudringen,  erneuerten. 

Die  Booteexpedition  segelte  am  14.  Juli  nachmittags  ab.  Bis  Cap 
Borlace  Warren  war  die  Küste  gänzlich  eisfrei,  in  der  Gale  Hamkes 
Bai  lag  indess  das  Landeis  noch  theilweise  fest;  doch  konnten  wir  lös 
Cap  Mary  vordringen.  Die  übrigen  vier  deutschen  Meilen  nach  dea 
von  Clavering  besuchten  Eskimodorfe  mussten  zu  Fuß  zurückgelegt 
werden,  ein  mühsamer  Weg.  Wir  wurden  indess  dadurch  belohnt,  das» 
wir  das  Dorf  nach  den  Angaben  der  Karte  richtig  auffanden.  Die  Hüttea 
waren  längst  verlassen  und  verfallen,  zwei  von  ihnen,  wahrscheinlich 
die,    welche  Clavering    noch  bewohnt    angetroffen    hatte,    sind  offenbAr 


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jüngeren  Datums,  a]s  die  übrigen.  Wir  ontersachten  die  Hütten,  so  gut 
es  bei  dem  schlechten  nnd  regnerischen  Wetter  gehen  wollte,  und  traten 
dann  anseren  Rückweg  an.  Das  Eis  in  der  Bai  war  im  Aufbrechen 
begriffen  nnd  am  Lande  war  das  Wasser  an  den  meisten  Stellen  bereits 
eisfrei;  sehr  viele  Schollen  von  zweijährigem  Eise  waren  darunter,  ein 
sicheres  Zeichen,  dass  die  Bucht  im  Jahre  1869  nicht  ganz  eisfrei  ge- 
wesen war. 

Am  18.  Juli  morgens  kamen  wir  an  Bord  zurück.  Die  „Germania* 
war  jetzt  vollkommen  segelfertig  und  dampfte  am  22.  Juli  morgens 
nordwärts.  Bei  Cap  Philipp  Broke  wurde  geankert  um  vorerst  vom 
Berge  aus  den  Zustand  des  Eises  weiter  nordwärts  zu  recognoscieren. 
Ein  Kanal  längs  dem  Landeise  war  wieder  vorhanden;  er  schien  sich 
ziemlich  weit  nach  Norden  zu  erstrecken.  Leider  trat  aber  jetzt  ein 
unvermuteter  Umstand,  der  schließlich  einen  wesentlichen  Einfluss  auf 
die  Entdeckungen  des  Sommers  ausgeübt  und  zum  frühzeitigen  Rückzuge 
ans  dem  Eise  gezwungen  hat. 

Die  Röhren  des  Dampfkessels  fiengen  nämlich  an  bedenklich  zu 
lecken ;  es  war  klar,  dass  über  kurz  oder  lang  der  Kessel  gänzlich 
unbrauchbar  w^erden  musste.  Ohne  Dampfkraft  aber  —  das  hatten  wir 
zur  Genüge  kennen  gelernt  —  waren  an  dieser  Küste,  wo  im  Sommer 
größtentheils  Windstille  herrscht,  nur  geringe  Entdeckungen  in  der 
kurzen  Zeit  der  Schiffahrt  zu  machen.  Vorläufig  wurden  die  Röhren 
wieder  repariert  und  wir  dampften  weiter.  In  einem  engen  Kanal  zwischen 
dem  Landeise  und  dem  Packeise  aufwärts  fahrend,  erreichten  wir  die 
Breite  75*  29'  N.  B.  dicht  am  Nordostcap  der  Insel  Shannon.  Hier 
wurde  unser  weiteres  Vordringen  durch  dieselbe  Eisschranke  gehindert, 
die  wir  im  vorigen  Jahre  angetroffen  hatten.  Das  schwere  Eis,  über- 
haupt viel  höher,  als  bei  den  Pendulum-Inseln,  hieng  jetzt  nüt  dem  Land- 
eise zusammen  und  zeigte  auch  keine  Andeutung  eines  nahe  bevorstehenden 
Aufbruchs.  Von  einem  etwa  500  Fuß  hohem  Berge  der  nahen  Insel 
bemerkten  wir  nach  Norden  nur  festes  Eis  nnd  eine  starke  Stralen- 
brechung  ließ  uns  auch  im  Osten  des  vorliegenden  hohen  Landes  (76"  N.B.) 
nur  Eis  erkennen.  Bloß  ein  einziger  schmaler  Wasserstrich  war  an  der 
Südseite  dieses  Landes  sichtbar.  Wir  lagen  mehrere  Tage  am  Landeise, 
ohne  dass  sich  die  geringste  Bewegung  in  demselben  zeigte.  Unsere  Bucht 
setzte  sich  mittlerweile  mit  einem  eingetretenen  Südwinde  so  voll  Schollen, 
dass  wir  nahe  daran  waren,  gänzlich  vom  Eise  eingeschlossen  zu  werden. 
Bei  Windstille  bildete  sich  bereits  wieder  junges  Eis ;  der  Sicherheit  des 
Schiffes  wegen,  mussten  wir  zurück.  Es  wurde  deshalb  gänzlich  von  wei- 
terem Vordringen  nach  Norden  abgesehen,  da  wir  bis  77^  hätten  durch- 
arbeiten müss^,  ohne  eine  einzige  neue  Entdeckung  machen  zu  können,  da 


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ferner  der  Dampfkessel  leicht  völlig  unbrauchbar  werden  konnte  und  da- 
durcli  das  Schiif  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  im  Eise  gefangen  gehalten 
worden  wöre.  Unter  solchen  Umstanden  gieng  die  einstimmige  Meinmig 
sämmtlicher  Herren  der  Expedition  dahin,  dass  die  fi-nchüosen  \er- 
suche,  nach  Norden  vorzudringen,  aufgegeben  werden  müssten  und  lieber 
die  Jahreszeit  auszunutzen  wäre,  um  nach  Süden  zu  vielleicht  noch 
wertvolle  Entdeckungen  zu  machen.  Am  30.  Juli  dampften  wir  im  dich- 
ten Nebel  südwärts,  immer  am  Landeise  entlang  fohlend  und  bisweilea 
einige  Ketten  von  Schollen  durchbrechend. 

Am  3.  August  ward  südlich  von  Cap  Broer  Ruys  geankert;  neue 
Forschungen  am  Lande  begannen  und  es  wurde,  da  das  Eis  südlich 
und  westlich  noch  fest  lag,  vorläufig  am  6.  August  eine  Bootfahrt  unter- 
nommen, um  die  Mackenzie-Einfahrt  zu  erforschen.  Biese  Einfahrt 
existiert  indess  nicht,  es  ist  nur  ein  flaches  Thal  vorhanden  und  das  auf 
der  Karte  als  Insel  angegebene  Bennet  hängt  mit  dem  Lande  zusammen. 
Auf  dem  Flachlande  waren  zahlreiche  Rennthiere,  die  so  wenig  sehen 
waren,  dass  fünf  Stück  in  kurzer  Zeit  geschossen  wurden.  Von  einem 
Berge  aus  entdeckten  wir  südlich  und  westlich  von  Bennet  eine  beträcht- 
liche Anzahl  schwimmender  Eisberge,  die  aus  einem  großen  Fjorde  zu 
kommen  schienen.  Wir  fuhren  deshalb  am  nächsten  Tage  mit  dem  Boote 
um  Bennet  bis  nach  Cap  Franklin,  woselbst  das  Landeis  noch  fest  lag, 
so  dass  wir  lagern  mussten.  Die  Besteigung  einer  Anhöhe  zeigte  ans 
den  vermuteten  Fjord  und  belehrte  uns,  dass  das  Innere  desselben  eis- 
frei sei.  Es  wurde  desshalb  beschlossen,  das  Boot  am  nächsten  Morgen 
über  das  Eis  zu  ziehen  und  weiter  vorzudringen.  In  der  Nacht  bracJi 
indess  alles  Eis  los  und  setzte  sich  nach  Osten  in  Bewegung.  Die  Be- 
steigung eines  über  4000  Fuß  hohen  Berges  durch  Oberlieutenant  Payer 
und  Dr.  Copeland  zeigte,  dass  die  Ausdehnung  des  Fjordes  eine  viel 
zu  große  sei,  um  mit  Booten  denselben  auch  nur  einigermaßen  zu  erfoi^ 
sehen.  Wir  mussten  das  Schiff  selbst  hineinbringen;  einmal  durch  das 
treibende  Eis  durchgedrungen,  hatten  wir  dann  im  Fjord  selbst  voll- 
kommen freies  Wasser  und  konnten  unbehindert  zwischen  den  Eisbergen 
weiter  dampfen.  Es  wurde  demnach  sofort  an  Bord  zurückgekehrt  und 
Dampf  aufgemacht.  Der  Kessel  war  wieder  nothdürftig  repariert  worden 
und  wir  konnten  mit  40'Pfund  Druck  vorwärts  dampfen.  Das  Landeis 
wurde  ohne  Schwierigkeit  durchbrochen  und  nun  zwischen  den  Eisbergen 
immerfort  westwärts  gedampft.  Je  weiter  wir  eindrangen,  desto  müder 
wurde  die  Temperatur  und  desto  wärmer  das  Wasser ;  die  Scenerie  war 
großartig,  wie  in  den  Alpen.  Ein  unbekanntes  Land,  das  wirkliche  Innere 
von  Grönland,  eröffnete  sich  immer  schöner  und  imposanter  unseres 
staunenden  Augen.     Zahlreiche  Gletscher,  Cascaden,  Sturzbäche  kamen 


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Yon  dem  immer  höher  und  höher  ansteigenden  Gebirg  herunter.  Weiter 
im  Norden  wurde  ein  ungeheurer  Gletscher  entdeckt,  der  sicher  eine 
große  Anzahl  der  Eisberge  lieferte;  wir  dampften  weiter  nach  Westen 
und  Westsüdwesten,  da  sich  hier  immer  mehr  Verzweigungen  des  Fjordes 
zeigten;  ein  Ende  war  noch  nirgends  abzusehen.  Der  Kessel  versagte 
nach  24stün'diger  Thätigkeit  abermals  den  Dienst,  so  dass  wir  gezwungen 
waren,  unter  einem  Gletscher,  der  etwa  1000  Fuß  über  dem  Meeres- 
spiegel sein  Ende  erreichte,  zu  ankern. 

Sofort  begannen  Gletscherfahrten  und  Bergbesteigungen;  alle  zur 
Erforschung  des  Landes  nöthigen  Arbeiten  wurden  unternommen;  Ober- 
lieutenant Payer,  Dr.  Copeland  und  Peter  EUin^er  bestiegen  über  den 
großen  Gletscher  einen  7000  Fuß  hohen  Berg.  Von  hieraus  wurde 
gesehen ,  dass  die  Fjordverzweigung  überall  noch  unbegrenzt  fortgieng. 
Berge  im  Innern,  die  auf  etwa  32°  W.  L.  liegen,  wurden  bis  14000 
Faß  hoch  gemessen;  die  ganze  Umgebung  ward  gezeichnet  und  aufge- 
nommen, Gletschermessungen  wurden  angestellt  u.  s.  w. 

Der  Kessel  war  während  dieser  Zeit  wieder  nothdürftig  hergerichtet, 
mehrere  Röhren  wurden  durch  Verankerung  außer  Thätigkeit  gesetzt 
und  es  war  augenscheinlich ,  dass  wir  die  Darapfkraft  in  sehr  kurzer 
Zeit  ganz  würden  entbehren  müssen.  Unter  solchen  Umständen  und  bei 
der  schon  etwas  vorgerückten  Jahreszeit  wäre  das  ganze  Unternehmen 
leichtsinnig  aufs  Spiel  gesetzt  worden,  wenn  wir  noch  weiter  hätten 
vordringen  wollen.  Versagte  der  Kessel  im  Fjord,  über  70  Seemeilen 
von  der  nächsten  Außenküste,  so  würden  wir  wahrscheinlich  gezwungen 
worden  sein,  einen  zweiten  Winter  im  Fjord  zu  verweilen.  Mit  Segeln 
wären  wir  schwerlich  zu  rechter  Zeit  herausgekommen,  da  im  Fjord 
während  des  Sommers  größtentheils  Windstille  herrscht. 

Die  Rückreise  wurde  beschlossen,  bei  Cap  Broer  Ruys  zum  letzten 
Male  geankert,  der  Kessel  noch  einmal  ordentlich  nachgesehen;  vom 
Berge  aus  sahen  wir,  dass  das  Packeis,  obgleich  schon  wieder  näher  an 
der  Küste,  doch  lose  genug  lag,  um  hindurchdampfen  zu  können.  Bis 
16  Grad  dampften  wir  ungehindert  trotz  dichten  Nebels  zwischen  den 
Eisfeldern  hindurch,  stießen  hier  aber  auf  dichtes  Eis.  Wir  mussten 
durch  eine  Kette  von  Schollen  brechen,  bis  das  Wasser  wieder  etwas 
freier  wurde;  dies  war  die  letzte  Anstrengung  des  Kessels.  In  Strömen 
stürzte  das  Wasser  aus  den  Röhren ;  der  Dampf  musste  rasch  abge- 
lassen werden  und  das  Feuer  gieng  aus. 

Der  übrige  Theil  der  Reise  war  unter  Segeln  zurückzulegen.  Noch 
ein  schwerer  Sturm  im  Eise,  große  Anstrengungen  für  das  Schiff,  welches 
sich  hier  aufs  beste  in  Bezug  auf  seine  Stärke  und  Solidität  bewährte, 


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einige  Gefahren;   dann   erreichten   wir  am   24.   Angust  ahends  in  72® 
N.  B.  und  14®  W.  L.  das  offene  Meer. 

In  den  n&chsten  Tagen  wurden  bei  dem  windstillen  Wetter  einige 
genaue  Tiefseelotungen  bis  1300  Faden  angestellt;  die  Absicht  war 
zwischen  Island  und  Faröer  einerseits  und  den  Shetlands-Inseln  anderer- 
seits durchzugehen,  um  auf  dieser  Fahrt  noch  umfassende  Lotungen 
und  Tiefsee>Temperaturmessungen  vorzunehmen.  Heftige  und  anhaltende 
Stürme,  die  bis  zur  Weser  dauerten,  verhinderten  die  Lotungen  und 
beschränkten  die  Temperaturmessungen ,  von  denen  indess  einige  sehr 
interessante  Resultate  ergaben. 

Vor  Helgoland  ließen  wir  vergebens  Raketen  steigen,  um  einen 
Lootsen  zu  rufen ;  unerklärbar  war  es  uns ,  dass  von  anderen  Schiffen, 
die  wir  nicht  erkennen  konnten,  mit  Raketen  geantwortet  wurde.  Am 
11.  September  früh  kam  Wangeroge  in  Sicht;  vor  Wangeroge  war  die 
Schlüsseltonne,  das  äußerste  Seezeichen  fdr  die  Wesereinfahrt,  rätsel- 
hafter Weise  nicht  zu  entdecken,  das  Leichtschiff  und  die  Wangeroger 
Barken  fehlten.  Wir  konnten  diese  Erscheinung  nicht  deuten;  in  der 
Außeivjade  sahen  wir  die  Masten  eines  großen  Schiffes  und  richteten 
dorthin  unsem  Kurs.  Näher  kommend  gewahrten  wir,  dass  wir  die  Fahr- 
zeuge einer  Kriegsflotte  vor  uns  hatten;  die  Flagge  war  noch  nicht  zn 
erkennen;  wir  fürchteten  einen  Feind  vor  dem  Jadehafen  zu  finden. 
Ein  Kanonenschuss  zwang  zum  Beidrehen;  Officiere  unserer  Manne 
kamen  heran  und  nun  erfuhren  wir  staunend  und  jubelnd  die  großar- 
tigen Ereignisse  der  letzten  Monate. 

Wir  erhielten  Dampfer  und  Lootsen  für  die  Weser  und  erreichten 
abends  ßVs  Uhr  Bremerhafen,  das  wir  vor  453  Tagen  verlassen  hatten. 


Geographische  Literatur. 

Karte  der  Kirchengemeinden  der  Evangelischen  beider  Bekenntnisse 
und  Unitarier  in  den  zur  ungarischen  Krone  gehörigen  Ländern,  tob 
J.  Hätsek,  k.  ungar.  Kartograph.  Ofen  1870.  In  Commission  bei  Petrik 
G^  in  Pest.  4  Bl.  gr.  Folio. 

Eine  Beligionskarte  von  Ungarn  unterliegt  ähnlichen  Schwierigkeiten 
wie  eine  NationaUtätenkarte,  weil  das  Zasammenwohnen  verschiedener  Bekenner 
80  wie  verschiedener  Yolkastämme  graphisch  mit  gehöriger  Deutlichkeit  darza-, 
stellen,  allen  Mitteln  der  Technik  trotzt  Es  ist  aus  diesem  Grunde  angeseigt 
das  fiberreiche  Materiale  zu  zerlegen,  und  so  viel  homogene  Daten  au&D»^ 
men,  als  zur  klaren  Uebersicht  noch  aufnehmbar  sind.  Dies  hat  Hr.  Hätsek 
mit  der  vorliegenden  Karte  genügend  erreicht,  auf  welcher  nur  die  Evangeli- 
schen und  Unitarier  mit  ihren  Wohnsitzen  erscheinen,  und  zwar  die  Latberaner 
mit  rothen  Ortszeichen  und  rother  Schrift,  die  Calviner  mit  grünen  Ortszeichea 
und  ffrüner  Schrift,  die  Unitarier  mit  schwarzen  Ortszeichen  and  schwarzer 
Schrift.  Wo.  ein  Zusammen  wohnen  stattfindet,  sind  Ortszeichen  und  Schrift  ia 
der  Farbe   verschieden  und  bedeutet  die  Farbe  des  Ortszeichens  die  Ueber- 


625 

wiegenheit  der  Gonfessionsyerwandten.  Die  GruDdlage  der  Karte  beruht  auf  den 
Ergebnissen  der  Eatastralbemessong,  die  Eintragung  und  Rangierung  der  Orte, 
die  Grenzen  der  Snperintendenzen  und  Seniorate  etc.  auf  den  ämtlichen  Daten ; 
auderdem  erscheint  das  voilst&ndige  Straßennetz,  die  bestehenden,  im  Hau 
befindlichen  und  concessionierten  Eisenbahnen.  Die  technische  Ausarbeitung  ist 
lobenswert,  der  Druck  mit  großer  Präcision  ausgeftlhrt. 

Wenn  noch  ein  Wunsch  erübrigte,  so  wäre  es  der,  dass  der  Autor  auch 
die  Zahl  der  Bekenner  annähernd  auszudrücken  versucht  hätte,  z.  B.  durch 
eine  wachsende  Größe  der  Nullen.  Da  jedoch  der  Maßstab  der  Karte  klein  ist 
(1 :  720000,  nicht  rr^hins  ^i^  ^us  Versehen  angegeben  ist),  so  würden  vielleicht 
beigesetzte  Ziffern,  weiche  die  Hunderte  der  Bekenner  angeben  und  längere 
Zeit  richtig  bleiben,  vorzuziehen  gewesen  sein.  Allein  auch  ohne  diese  Steige 
rang  des  Wertes  bleibt  die  Karte  mit  ihren  3  statistischen  Tafeln  ein  wert- 
volles Erzeugniss,  das  beiden  Reichstheil en  durch  die  doppelsprachige  Beschrei- 
bung gerecht  zu  werden  sucht,  und  an  dem  der  Oostnrreicher  das  einzige  Be- 
fremden finden  wird,  dass  die  Grenze  zwischen  Cis-  und  Transleithanien  als 
Staatsgrenze  bezeichnet  ist.  —  s  — 

Geschichte  des  europäischen  Seeversicherungsrech- 
tes, von  Dr.  Carl  Ferd.  Reatz,  Hofgerichtsadvocat  in  Gießen.  1.  Band. 
Leipzig,  bei  J.  G.  Pindel  1870. 

Eine  auf  dem  Bechtsstandpunct  fußende  Betrachtung  Über  das  Versiche- 
rungswesen z  0  r  See  ist  ein  drin^rendes  Bedürfnis.  Der  Verfasser  hat  sich  die- 
selbe zur  emsteu  Aufgabe  gemacht  und  zur  Krzielung  sicherer  Resultate,  wie 
uns  scheint,  auch  den  richtigen  Weg  eingeschlagen. 

Von  der  Ansicht  ausgehend,  dass  der  Begriff  pines  europäischen 
Seeversicherungsrechtes  nur  auf  historischem  Wege  festgestellt 
vrerden  kann,  gibt  er  im  vorliegenden  ersten  Theile  die  Entwicklung  des  euro- 
päischen Seeversicherungsrechtes  von  seinen  ersten  Anfängen  mit  den  spe- 
delien  Bestimmungen,  wie  es  zur  Zeit  des  ersten  Aufschwunges  der  SchiffaJirt 
in  Portugal,  in  Barcelona  (1435),  Venedig,  Albenza,  Savona  und  Florenz,  in 
Bnrgos  (1S38)  und  Sevilla  (ISS6)  geübt  wurde.  Der  zweite  Theil  wird  den  Ge- 
genstand bis  auf  die  Jetztzeit  verfolgen  und  daraus  seine  Schlüsse  ziehen. 

Für  das  Interesse,  das  der  Gegenstand  einflößt,  mögen  die  Worte  des 
Verfassers  (in  der  Einleit.  S.  4)  selbst  sprechen. 

•Wie  das  allgemein  Menschliche  ein  höheres  Interesse  zu  erwecken  ver- 
mag ,  als  das  Nationale,  so  übt  auch  das  europäische  Seeversicherungsrecht, 
als  Gemeingut  des  lange  Zeit  hindurch  allein  civilisierten  Theiles  der  Mensch- 
heit, eine  höhere  Anziehungskraft  aus ,  als  irgend  ein  i^echtsinstitut  eines  ein- 
zelnen Volkes.  Denn  das  einzelne  Volk  arbeitet  mit  der  Bildung  seines  Gewohn- 
heitsrechtes oder  mit  seiner  Gesetzgebung  immer  nur  für  sich,  es  lässt  sich 
hierbei  bestimmen  durch  seine  besondere  Interessen  und  Bedürfnisse,  unbe- 
kümmert darum,  ob  sein  Recht  mit  den  Interessen  und  Bedürfnissen  der  mit 
ihm  in  Berührung  kommenden  Angehörigen  anderer  Staaten  in  Widerspruch 
tritt  oder  nicht.  Und  auch  da,  wo  es  sich  nicht  um  die  Befriedigung  besonderer 
Interessen,  sondern  um  die  wissenschaftliche  Erforschung  des  innersten  Wesens 
eines  Rechtsijistituts  und  die  Darstellung  der  daraus  resultierenden  Rechtssätze 
handelt,  pflegen  die  Gesetzgeber  selbst  der  heutigen  Zeit  die  Wissenschaft, 
Gesetzgebung  und  Praxis  des  Auslandes,  wenn  überhaupt,  so  doch  in  ungenü- 
gender Weise  zu  Rathe  zu  ziehen,  Anders  verhält  es  sich  mit  dem  europäi- 
schen Seeversicherungsrechte.  Anfangs  zwar  und  auch  hie  und  da  noch  später, 
sah  man  die  Seeversicherung  als  ein  vorzugsweise  nationales  Institut  an, 
nnd  gab  ihr  ein  dem  entsprechendes  juristisches  Gewand.  Allmählich  aber 
erkannte  man,  dass  wie  der  Handel  und  Verkehr  der  Menschen  überhaupt  eine 
Unterscheidung  der  Nationalitäten  nicht  vertrage,  wie  es  sogar 
im  Interesse  einer  jeden  Nation  liege,  ihre  Angehörigen  vor  den  Fremden  ohne 
die  zwingendsten  Gründe  nicht  su  begünstigen,  auch  das  Seeversicherungsrecht 
von  einseitig  nationalen  Elementen  zu  reinigen,  zum  Rechte  aller  seefahrenden 
Völker  zu  erheben  und  den  allgemeinen  Bedürfnissen  und  Anschauungen  der 
jeweiligen  Zeit  anzupassen  sei.  Die  zahllosen  Berührungen  und  Verkettungen 
der  Völker  im  Seehandel  haben  sodann  bewirkt,  dass  jedes  städtische  Gemein- 


626 

wesen ,  jedes  Volk  uod  jeder  SUat  bei  der  Bildimg  aeines  Gewohoheitsreckiei 
oder  seiner  Gesetzgebung  nicht  seiner,  auf  eigenem  Territorium  erworbenea 
Kenntnis  und  Erfahrung  vertraute,  sondern  die  Gebrauch- Bechtsantchauangea 
und  gesetzlichen  Normen  der  übrigen  Völker  sammelte  und  auf  sich  einvirken 
ließ.  Und  alles  Recht,  was  ein  einzelnes  Volk  so  schuf,  erwarb  es  nicht  blofi 
sich  selbst,  sondern  zugleich  der  Gesammtheit  der  Völker,  und  seine  Satauu- 
gen  förderten  und  befestigten  zugleich  das  Recht  Europa^s.  Es  ist  nustreitig 
hoher  Bewunderung  wert,  dass  das  Römische  Recht,  als  das  Recht  eines 
einzelnen  Volkes,  nach  Jahrhunderte  langem  Schlafe  von  Italien  aus  einen 
Siegeszug  durch  Europa  unternahm ,  fast  alle  Völker  sich  unterwarf  und  so  za 
europäischem  Rechte  wurde.  Nicht  minder  bewunderungswert  ist  aber  die 
Thatsaehe,  die  sich  auf  unserm  (Gebiete  vollzogen  hat,  wo  eine  Reihe  der  civüi- 
siertesten  Völker  £uropa*s  in  stiller  geistiger  Gemeinschaft  gearbeitet  und  ge- 
strebt haben,  um  unserem  Erdtheile  ein  einheitliches  Recht  zu  geben.  Wie  dort 
ein  Recht  das  Recht  vieler  Völker  wurde,  so  wurden  umgekehrt  hier  die 
Rechte  vieler  Völker  ein  Recht.«  B. 


Notizen. 


Weltkarte  vom  Jahre  1489.  In  der  2^it8chrift  üQr  allgemeine  Erd- 
kunde gibt  Dr.  J.  U.  Kohl  die  Gopie  einer  Wellkarte  vom  Jahre  1469 
mit  interessanten  Erläuterungen  aber  das  africanische  Festland.  Nach  seiner 
Annahme  ist  dieselbe  Karte  einem  Manuscrlpt  des  britischen  Museums  »Insn- 
larium  illustratum  Henrici  M arte  11  i  germaui-  beigefügt  und  beruht  theih 
auf  Augenschein,  theils  auf  Denkmälern  älterer  und  neuerer  Zeit.  Africa  ins- 
besondere lasse  in  der  ganzen  Bearbeitung  warnehmeu,  dass  dabei  die  Entdeckos- 
gen  der  Portugiesen,  namentlich  die  Forschungen  von  Diaz  (14b7)  im  Osta 
des  Caps  der  guten  Hoffnung  benützt  wurden,  was  von  dem  Globus  des  MaitiD 
Behaim  (14-92)  nicht  gesagt  werden  kann.  Bekanntlich  gelangte  die  letzte  por- 
tugiesische Expedition  bis  zur  "Uhe  de  fonti.-  Dieser  Umstand  spricht  daftr, 
dass  das  Original  der  genannten  Karte  unmittelbar  nach  des  Diaz  Rückkehr 
nach  Portugid  verfasst  worden  sei.  Aus  der  Mischsprache,  in  welcher  die  Uita- 
namen  längs  der  africanischen  Küste  verzeichnet  sind  ~~  alles  übrige  ist  latei- 
nisch benannt  —  lässt  sich  schließen,  dass  die  Gopie  durch  einen  Italiener 
übertragen  oder  das  Original  von  einem  Italiener  auf  dem  Schiffe  des  Dias 
zusammengestellt  wurde,  da  nach  »»de  Barros«  die  Portugiesen  sich  bei  See* 
fahrten  gern  nahe  an  den  Gestade  hielten,  um  das  Land  nicht  aus  dem  Auge 
zu  verlieren,  und  italienische  Scfiiffleute,  namentlich  Genueser,  mitführten. 

Die  äußersten  Gränzen  der  Entdeckungen  des  Diaz  sind  auf  der  Karte 
mit  den  Ausdrücken  Golfo  de  Pastori  •  »Padram  de  S.  Georgi*  und  -Ilha  de 
fonti-  bezeichnet  Der  erste  Name  ist  die  italienische  Uebersetzuug  des  portn- 
giesischen  »Bahia  dos  Vaqueiros«  (Hirtenbucht),  jetst  Algoabucht,  Migor  bemerkt 
in  seiner  kritischen  Beleuchtung  der  Heise  des  Diaz,  dass  dieser  die  letzte 
Denksäule  in  einer  der  Buchten  gesetzt  habe,  die  den  Namen  -Santa  Gruz- 
fühit;  es  sei  dies  dieselbe,  die  in  der  Karte  von  148'^  als  »Padram  de  8.  Georgi- 
vorkommt,  der  weitere  Name  -Penedo  das  fontes-  (Felsen  der  Quellen),  ruhit 
von  dem  daselbst  entdeckten  (^uellwasser  her.  Ungeachtet  der  Weigerung  der 
Schiffsmannschaft  segelte  Diaz  von  diesem  Puncto  weiter  und  der  letzte  Nane 
auf  seiner  Karte  lautet  »Rio  do  Infante,-  gleichbedeutend  mit  dem  jetsigea 
großen  Fischfluss. 

Die  Karte  von  1489  zeigt  zuerst  eine  deutliche  Begränzung  von  Africa, 
wiewol  sie  auf  Richtigkeit  der  Angaben  nur  theilweise  Anspruch  machen  kann. 
Wo  08  sich  um  das  der  portugiesischen  Kttstentbrschung  entferntere  Innere 
handelt,  so  wie  um  jenen  Rest  der  Küste  (zwischen  dem  Cap  Delgado  und  d^ 
Rothen  Meer),  den  die  Portugiesen  damals  nich  t  kennen  lernten,  siehi  man  es 
der  Karte  nur  zu  deutlich  au,  dass  sie  auf  die  alten  Angaben  des  -Agatho- 
dämon-  in  des  Ptolemeus  Geographie  gebaut  sei.  Ob  aber  selbst  die  Angäbet 
des  Ptolemeus  namentlich  über  das  Innere  des  Continentes  sich  auf  mehr  ab 
bloße  Vermuthungen  gestützt  haben ,  muß  man  bei  dem  jetzigen  Stande  der 
Forschung  billig  in  Zweifel  setzen.    Und  wenn  heutzutage  die  zufällige  Deb«^ 


627 

eioBtiiDmuiig  der  Entdeckungen  Livingstones  mit  den  Angaben  des  Ptolemeus 
Ober  das  ifilbecJcen  wieder  ein  Vorurtbeil  für  den  alten  Geographen  begründen 
will,  es  dürfte  dasselbe  durch  den  bevorstehenden  genauem  Bericht  eben  so  zer- 
streut werden,  wie  ähnliche  Vorurtheile  durch  das  Licht  der  Wahrheit  zerstreut 
wurden.  Mit  vernünftigen  Gf^nden  kann  wenigstens  nicht  behauptet  werden,  dass 
Ptolemeus  oder  sein  Gewährsmann  Marinus  v.  Tyrus  zu  ihrer  Zeit  die 
Mittel  besessen  hätten,  um  sich  mehr  als  eine  allgemeine  Ansicht  über  Africa 
zu  bilden.  —  c— y. 

Der  Garten  Eden  der  Hebräer.  U.  Kawlinson  stellt  in  seiner  Schrift : 
»Notes  on    the  Site  of   the    terrestrial  Paradise««    auf   Grundlage  seiner  For- 
schungen Über  semitische  Altertbümer  und  die  Keilschriften   Iiabylonien's  eine 
neue  Hypothese  in  Betreff  des  Sitzes   des  traditionellen  Gartens  von  Eden  der 
Hebräer  auf.  Er  bemerkt  vor  Allem,  dass  in  den  Ueberlieferungen  aller  Völker 
das  himmlische  Gebiet,  der  Göttersitz,  als  das  verbindende  Glied  der  Gottheit  und 
des  Menschengeschlechtes  vorkomme    und  in  jene  Gegend   versetzt   werde ,  wo 
dasjenige  Volk^  von  welchem  die  Ueberlieferung  ausgeht,  die  erste  geistige  Bil- 
dung erhalten  hatte.  Man   brauche  nur  auf  den  Olymp  der  Griechen  und  den 
Meru  der  Arianer  zu  sehen,  welch'  letzterei*  u^ch  drei  Sitzen   verlegt  worden 
sei,  die  mit  den  Wohnplätzen  der  drei  Zweige  der  arianiscben   JSace  im  Ein- 
klänge stünden.   Die  Perser  als  westliche  Arianer  hatten  ihre  Wohnstätte  im 
Paropamisus,  während   die  Meru    als   Gentral-Arianer   in    Pamir,  die  östlichen 
an  den  heiligen  Seen  in  Tibet  zu  finden  waren.  Man  nahm  an,  dass  in  jedem 
dieser   Gebiete    vier    Flüsse    nach    dem    gemeinschaftlichen     Mittelpunct    zu- 
strömte. —  Das  Paradies  der    Hebräer  lag  hiernach  in  der  Nähe    des  Ur    der 
Chaldäer,  und  sei  nach  Keiliuschriften  an  dem    unteren  Euphrat,  dem  jetzigen 
Mugheir,  zu  suchen.  Auch  der  Name  Hebräer  sei  von  dieser  Stelle  abzuleiten, 
denn   die    Bucht   des   augeschwemmten    Landes  zwischen   dem  Fluss   und  der 
Tertiärformation  trage  bei  den  arabischen  Geographen  die  Benennung  Ib  r  oder 
Ufer,  so  dass  Ibri   der  eigentliche    Volksname  der  Abraham'schen  Wanderer 
gewesen.  Der  Verfasser  hält  dafür,  das  Gan-eden,  welches  wir  mit  Eden  über- 
setzen, nichts  anderes  war,  als  der  hebräische  Ausdruck  eines  der  alten  Namen 
von  Babylonien,  nämlich  Gan-duni  «in  der  Wandlung  Gana  Duniyas ,  wovon 
Gana    eine   Einfriedung,   Duni   oder  Aduni    eine  der  ältesten    Gottheiten    des 
Landes  bedeutete.   Auch  abgesehen  von   dieser  etymologischen   Ableitung  legt 
der  Verfasser  ein  Gewicht  auf  die  Namen  und  Attribute  der  vier  Flüsse,  welche 
den  Garten  bewässerten,  und  die  offenbar  zur  genauen  geographischen  Bezeich- 
nung des  Eden  dienen  sollt>n.  Diese  Flüsse   waren   bekanntlich   der  Pison, 
Gihun,  Hiddekal  und  Kuphrates.    Nun    ward    das  babylonische   Gebiet 
jederzeit   in    den  Keilschriften    durch    die  Namen   der  vier  Flüsse  dargestellt, 
wovon  zwei  dem  Tigris    und  Euphrates,  die  andern  zwei    dem  Surrapi    und 
Ukui  entsprechen.    Die  beiden  letzteren  waren  assyrische  Bezeichnungen, 
und  deren  babylonische   Namen    sind   noch    nicht   ermittelt.  Der    Surrapi 
scheint  jedoch  theil weise  dem  biblischen  Gihon  zu  bedeuten  und'  der  Ukni  den 
Pison,    und  es  wäre  hiemit  der  östliche  Arm  des  Tigris  und  der  westliche  des 
Euphrates  gemeint.  Was  den  Pison  anbelangt,  so  sagt  die  Genesis  »der  Name 
des  ersten  Flusses  ist  Pison,  welcher  das  ganze  Gebiet  von  Havilah  einschließt, 
worin    Gold  zu   finden  ist;    daselbst  kommt  auch  Bdellium  und  der  Onyzstein 
vor.«     Das  Wort  Pison,   hebräischen  Ursprungs,   heiße   zerstreuen,  eigent- 
lich überfließen.   Erwägt  man,    dass  der  Euphrates  seit  jeher  einen  Aus- 
läufer oberhalb  Babylon  hatte,  dessen  Wasser  gegen  Südosten  strömte,   indem 
er  sowol  seinen    Lauf   wie    auch    seinen    Namen    vielfach   änderte,    und  dass 
Ukni   auch    Onyx  bedeutet,   so    kann    angenommen  werden,    dass  dieser  Fluss 
mit  dem  Pison  der  Genesis  identisch  sei.  Das  Gebiet  von  Havilah  hält  der  Ver- 
fasser für  den  Wüstengürtei,  welcher  das  arabische  Hochland  umgibt.  Bdellium 
bedeutet  nach  seiner  Ansicht  Perlen  (Bedolat),  welche  man  aus  dem  persischen 
Meerbusen  gewann.  Rücksicbtlich  des  Gihon  oder  des  Flusses,  -welcher  das  ganze 
Land  Kusch  umfließt«  nimmt  der  Verfasser  an,  dass  darunter  der  linke  Arm  des 
Euphrates,  welcher  das  Gihongebiet  begränzt,  zu  verstehen  sei.   Kusch  (Kisch) 
»ei  eine  der  ältesten  Hauptstädte  Babylouiens  gewesen,    und  habe  diesen  Na- 
men aal'  das  ganze  angränzende  Land  übertragen.    Kusija  werde  als  eine  der 
BesiUimgen  des  Darius  Histaspes  in  diese  Gegend  verlegt.  Der  Fluss  Hiddekal 


608 

sei  mit  dem  Tigris  identisch,  bo  wie  Ea^rates  mit  deo  Perat.  In  den  Keil* 
Schriften  werde  dieser  Name  oft  mit  dem2!eichen  für  Wasser  angeftlbrt,  so  wie 
derselbe  Fluss  in  der  Schrift  »der  große  Kliiss-  genannt  werde;  gewöhnlidi 
nennt  man  den  oberen  Fiuss  Purat,  was  in  den  arianiscben  und  semitischa 
Bprachr-n  »beirnchten«  oder  »Ueberfluss«  bedeute.%  Der  untere  Fluss  werde  io 
den  KeÜFchriften  S  i  p  p  a  r  a  genannt,  von  der  Stadt  gleichen  NaiAens      —  c — y. 

Hadramnut.  In  der  Reise  in's  Innere  von  Hadramant  von  M.  Werner 
Munzinger  wird  vielfältiger  himyaritischer  Inschriften  und  anderer  Spores 
uralter  Gesittung  erwähnt.  Die  Reisenden  erreichten  zur  See  Bir-Ali,  und 
drangen  dann  iu's  Innere, des  Landes  gegen  300  Meilen  bisHabban,  3000  Fuß  Aber 
der  Meeresfläche.  Sie  nahmen  die  Reiseroute  mittels  des  Compasses  auf»  nsd 
machten  barometrische  Höhemessungen.  Von  Bir-Ali  aus  bildet  das  Land  ciDen 
sanften  Abhang,  worauf  isolierte HQgel  und  Sar.dsteinbergrQcken  mit  flachen  Höheo 
bei  löOO  Fuß  über  der  Ebene  ohne  alle  Vegetation  folgten;  sehr  schmale  Streif» 
angeschwemmten  Erdreichs,  kaum  ein  Zehntheil  des  ganzen  sei  für  Anpflan- 
zungen geeignet,  diese  seien  jedoch  im  allgemeinen  sorgfältig  angebaut  nnd 
liefern  drei  bis  vier  Ernten  im  Jahre,  wenn  sie  durch  Quellwasser  befruditet 
werden.  r)icse  Stellen  bilden  ein^  Anzahl  Oasen  mit  dichter  Bevölkerung  and 
Städten  von  mehreren  tausend  Einwohnern.  Dieselben  worden  mit  Dattelbäo* 
men,  Hirse,  Weizen  und  abyssinischer  Kernfrucht,  Tef,  bepflanzt.  Wasser 
zeigt  sich,  wenn  gegen  50  Fuß  tief  gebohrt  wird.  Jenseits  dieser  Gegend  betrat 
Munzinger  das  als  granitisch  und  metamorphisch  bezeichnete  Land,  wo  rande 
Hügel  verschiedene  weite  Flächen  begränzen.  Es  zeigt  sich  allda  eine  reichere 
Vegetation,  mit  edlereu  Banmgattungen,  wilden  Schweinen,  Gazellen  und 
Viehherden.  Die  Bevölkerung  gehört  mehreren  Ra^en  an,  und  die  birnyaii- 
tische  Sprache  war  nicht  gänzlich  verschwunden,  ungeachtet  der  1200  Jahn 
des  Islam.  Doch  ist  das  arabische  allgemein  im  Gebrauch,  obwol  io  einen 
fremdartigen  Dialecte;  religiöses  Leben  und  geregelte  Verwaltung  fehlen 
gänzlich,  auch  stt'ht  die  Civilisation  sehr  tief,  ihr  einziges  Merkmal  besteht  hi 
Häusern  von  mehreren  Stockwerken,  wovon  jedes  ein  abgesondertes  Castell 
bildet.  Die  Reisenden  fanden  wenig  Gastfreundschaft,  obwol  sie  sich  nicht  aber 
üble  Behandlung  zu  beklagm  hatten.  BeiGorab  berührten  sie  die  Wüste  El- 
Akhaf ,  welche  von  Wrede  beschrieben  wurde,  dann  den  See  Safi,  so  genaast 
vom  König  Safl,  der  bei  einer  Expedition  daselbst  mit  der  ganzen  Annee 
verschwand.  Diese  Wüste  bildet  eine  ungeheuere  Sandebene,  mit  zahlloeen 
wellenförmigen  Hügeln,  welche  ihr  das  Ansehen  einer  wogenden  See  geben, 
1000  Kuß  unter  dem  Granitland.  In  der  Wüste  kommen  weiße  Stellen  von  feinem 
Sand  vor,  der  bis  60  Faden  tief  ist.  in  einer  dieser  Sandwehen  fand  König 
Safl  mit  seinem  Heere  den  Untergang.  Die  ganze  Gegend  von  Hadramaui 
und  Themen  ist  voll  abenteuerlicher  Sagen  und  geographischer  und  histori- 
scher Räthsel  von  großem  Interesse.  Der  Verfasser  bekennt,  dass  die  Excnr- 
sion,  welche  er  gemeinschaftlich  mit  Capitän  Miles  gemacht,  die  Kennt- 
nisse Über  die  Geographie  Arabiens  nur  wenig  erweitert  habe,  hofft  aber,  dass 
sie  andere  Reisende  zur  Erforschung  dieser  Gegend  aneifern  werde. 

-  c  —  y. 

Preisfragen  der  Gesellschaft   iür   Kunst  und  Wissenschaft  zu  Utrecht 

Questions,  mises  au  concours  par  la  Soci^t^  des  Arts  et  Sciences  Stabile  a 

Utrecht  Pays-Bas.  1^70. 

(Les  (j[uestion8,  projjosees  pur  la  iSocietf,  qui   ont  rapport  ä  des  sujeis  <f«« 
intcrtt  purement  local,  ne  sont  pas  comprises  dans  ce  programme.) 

1.  ün  memoire  sur  les  nerfs  inhibitoires.  On  d^sire  que  Tauteur  oe  » 
borne  pas  k  donner  une  revue  rritique  des  opinions  ^mises  sur  ce  siiyet,  roüs 
qu'il  r^claircisse  par  de  nouvelles  exp^riences. 

2.  Des  recherches  sur  le  d^veloppement  d'une  ou  de  plusieurs  especes 
d'animaux  invertebr^s  dont  Phistoire  n^est  pas  encore  connue;  le  tout  accoa- 
pagn^  des  figures  n^cessaires  pour  l'intelligence  du  texte. 

3.  Des  recherches  sur  Pinfiuence  que  de  petites  variations  dans  lei 
circonstances  extörieures  exercent  sur  Tevolution  de  Tembryon  d^une  oa  de 
plusieurs  espöces  d'animaax  vert^br^s. 


629 

4.  La  Soci^t^  demande  une  deBcription  aDatomiqae  ezacte  de  la  larfe  et 
de  Ja  Djuiphe  du  haDneton,  commun  (Melolontha  vulgaris).  Cette  description, 
en  fi'appuyant  anr  la  monograpbie  de  btraus^Dürckheim  aar  1  'insecte  k 
l'^tat  parfait,  devra  dtre  accompagn^e  des  figures  n^cessaires  pour  l^iutelligence 
du  teKte. 

5.  Du  ezamen  de  l'influence,  qa'exerce  le  genre  de  nourriture  sur  le 
developpement  de  la  forme  des  diverses  paities  de  Pestomac  d'au  moins  deux 
esp^ces  de  ramiuants.  Cet  examen  devra  s'^tecdre  sur  deux  g^nöratioos  au 
moins. 

6.  On  demande  de  d^terminer  la  marche  normale  de  la  temp^ature  de 
▼ingt-cinq  lienx  au  moins  de  l'h^mispb^re  septentrional,  situ^s  en  debors  de 
l'£urope. 

Le  moyeunes  mensuelles  des  anciennes  observations  doivent  etre  reduites, 
de  manidre  k  ce  qu'elles  se  rapporteut  aux  beures  oü  les  observations  se  fönt 
actuellement. 

T.  Un  apergu  bistorique  et  critique  de  la  litt^rature  malaie.  On  demande 
lion  seiilement  un  examen  des  ouvrages  malais  imprim^s,  mais  aussi,  autant 
qne  possible,  de  ceux  qui  n'ont  pas  encore  et^  publi^s. 

8.  Une  expositioii  ci-itique  des  principes  et  des  r^sultats  de  la  m^tbode 
dont  Kiebubr  s'est  sei  vi  eu  expliquajit  l'bistoire  romaine  et  de  l'influence 
qne  Texemple  de  cet  illustre  savant  a  exercee  sur  les  ^tudes  bistoriques  en 
gen^ral. 

9.  Une  ^tttde  sur  la  religion  des  H6breux  avant  Molse. 

10.  Histoire  de  la  mounaie  cbez  les  Grecs. 

11.  Ud  memoire  sur  les  cruches ,  dites  de  Gr^s  de  Flandre,  eii  usage 
dans  les  Pays-Bas  au  16«  et  au  17«  si^cle. 

12-  Line  Hiograpbie  de  Louis  de  Beaufort  surtout  au  point  de  vae 
du  merite  de  ses  recbercbes  dans  le  domaine  de  l'bistoire. 

13.  Un  examen  de  la  valeur  de  VAnabasis  de  Xenopbon  au  point  de 
vue  de  la  g^ograpbie. 

14.  Disquisitio  de  T.  Livii  dictione,  qua  propietas  eins  in  verborum  usu 
et  ronstructiouf,  fxemplis  diligenter  collectis  ordineque  dispositis  et  illustratis, 
oxponatur,  et  quatcnus  in  ea  idifutiößtov^  quem  Patavinitatis  nomine  ei  ob- 
ji'L'it  Asiiiius  Pollio,  vestigia  c^xtare  videantur,  osteudatur. 

16.  Vita  Cleopatrae  ex  ipsis  fontibus  ducta,  ratione  babita  eorum,  quae 
nuper  de  bac  regina  scripta  sunt. 

16.  Disputatio  critica  de  fontibus  et  auctoritate  Polybii. 

17.  Commutatioues,  quas  partes  iu  Senatu  Romano  extremo  Reipnblicae 
seculo  subicrunt,  perspicue  exponantur. 

18.  Disquisitio  de  loco  difüciliore  vel  controverso,  ad  disciplinam  anti- 
quitatis  sive  graecae  seu  latinae  pertinente. 

19.  Une  4tude  sur  Tinfluence  du  Grand  Conseil  de  Malines  sur  le  droit 
ancien  des  Pays-Bas. 

Le  prix  qui  sera  deceme  ä  la  reponse  jugie  satisfaisante,  consistera  en 
une  medaille  a'or  de  la  valeur  de  trois  cents  florins  de  Hollande 
(environ  020  francs)  ou  de  la  meme  valeur  en  a^gent.  La  prix  sera  double  pour  les 
questions  5  et  10.  Les  reponses  doivent  etre  ecrites  en  Frangais,  en  Hollan-' 
dais,  et»  Allemand  (en  lettres  italiques),  en  Anglais  ou  en  Latin  (pour  les 
iV*.  14—18  le  Latin  seul  est  admis),    et   remises,   franc    de   port,    avant  le 


accompagnes  d'un  billet  cachete,  renfermant  le  nom  et  Vadresse  de  Vauteur. 
Les  repofMes  couronnees  serons  puhliies  dans  les  Memoires  de  la  Societe. 

Les  questions  2   et  18    sofU   permanentes,    On  peut  y  ripondre  chaque 
annee, 

S' adresser  pour  de  plus  amples  informatiofis  an  Secritaire  M.  van 
Nooten. 


630 

Sttzung  der  geographischen  Gesellechaft 

am  25.  October  1870,  unter  dem  Vorsitz  des  Prof.  Dn  Ferd.  v.  Ho  eb- 

s  t  e  1 1  e  r. 

Der  VorBitzende  begrößt  'die  Mitglieder  der  Gesellscliaft,  welche  sich 
nach  mehrmonatlicher  Unterbrechung  der  Sitzungen  zum  ersten  Male  wieder 
in  der  Monatsversammlung  zusammengefunden  haben.  »Die  ereignisvollen  Monate 
des  verflossenen  Sommers  waren  auch  im  Schoß  unserer  Gesellschaft  nicht 
ohne  schmerzliche,  aber  auch  nicht  ohne  freudige  Ereignisse.  Unsere  Gesellschift 
hat  schmerzliche  Verluste  erlitten  durch  den  Tod  des  k.  k.  General- Kriegscoo- 
missflrs  Val.  Bitter  von  Streffleur,  uud  des  Prof.  Dr.  U.  Schlönback 
In  S  t  r  e  f  f  1  e  u  r  verloren  wir  eines  unserer  eitrigsten  Mitglieder,  das  der  Ge- 
sellschaft seit  ihrer  Gründung  angehört  hat,  und  in  Dr.  Schlönbach  betraaen 
wir  eines  unserer  jüngsten  Mitglieder,  das  in  der  voUsteu  Blüte  des  Mann»- 
alters  w&hrend  einer  geologischen  Reise  im  Baiiat  mitten  in  seiner  Berufa- 
erfüUttug  plötzlich  dahingenät  wurde.« 

Auf  Aufforderung  des  Vorsitzenden  gibt  die  Gesellschaft  ihre  ThaJ- 
nahme  durch  Erheben  von  den  Sitzen  zu  erkennen. 

Als  neue  ordentliche  Mitglieder  werden  angemeldet  und  aufgenom- 
men die* Herrn  Richard  Dräsche  in  Wien,  £duard  Schneider,  Ban- 
quier  in  Wien,  Dr.  Gustav  Laube  in  Prag. 

Zum  correspondierenden  Mitglied  wird  ernannt 

Herr  Nathaniel  Adler,  k.  k.  Österreich.  Gonsularagent  zu  Port 
Elisabeth  in  Südafrica. 

"In  meinem  Monatsbericht  kann  ich  mich  dieses  Mal,  trotz  der  4moiiat- 
liehen  Pause  in  unseren  Sitzungen ,  kurz  fassen,  weil  während  dieser  Zeit  4 
Hefte  unserei^  Mittheilungen  (9.  10,  11  und  12)  ausgegeben  wurden,  welche 
alles  enthalten,  was  wfthrend  dieser  4  Monate  an  Neuigkeiten  bei  uns  ein- 
gelaufen ist.  Nur  eines  gestatten  Sie  mir  heute  besonders  hervorzuheben,  die 
erfreuliche  Thatsache  n&mlich,  dass  vier  unserer  jüngsten  Mitglieder  im 
verflossenen  lahre  große  gefahrvolle  Entdeckungs-  und  Erforschungsreiseii  durch- 
geführt  haben,  und  in  den  letzten  Monaten  glücklich  von  denselben  an  dai 
Ausgangspunct  ihrer  Reisen  zurückgekehrt  sind,  ich  meine  die  Herren  Gries- 
bach,  Marno,  Laube  und  Payer. 

Herr  Griesbach  hatte  Wien  im  Frühjahre  1869  verlassen,  um  sidi 
einer  Erforschungsexpeditiou  der  Gegenden  zwischen  dem  Zambesi  und  lim- 
popo  in  Südafrica  anzuschließen.  Der  ursprOugliche  Plan  wurde  zwar  vereitelt, 
dagegen  hatte  Herr  Griesbach  Gelegenheit  von  D'Urban  (Port  Natal)  ans 
sehr  erfolgreiche  geologische  Excursioneu  bis  in  das  Grigualand,  an  die  Guath- 
lamba-Gebirge  und  in  das  Quellgebiet  des  St.  Johns  River  oder  Umzim  vooboo 
zu  machen,  von  wo  er  schöne  Suiten  prachtvoll  erhaltener  Tum-Petreiaeten 
mitbrachte.  Später  besuchte  er  die  portugiesischen  Niederlassungen  an  der  Ost- 
küste Südatrica's  und  zwar  Delagoa  Bai,  luhambaua,  die  Bazaruta-loaelu, 
Chiloane  und  Quillimaue,  und  konnte  von  der  Delagoa  Bai  uud  von  Quillimane 
aus  l&ugere  Ausflüge  in's  Innere  des  Landes  machen.  Zu  Magaroam  Zambezi 
traf  Griesbach  Gap.  Faulkners  Expedition,  die  den  Nyassa  2aun  Ziele 
hatte ;  die  Expedition  war  furchtbar  von  Fiebern  heimgesucht  worden,  die  sechi 
Kameraden  des  Capitftns  waren  tot,  er  der  allein  überlebende.  Auch  Gries- 
bach hatte  in  Inhambaoa  an  heftigen  Fieberanfälleu  zu  leiden,  kam  aber  an- 
fangs September  wolbehalten  nach  Europa  zurück,  und  hält  sich  gegenwärtig 
in  England  auf,  von  wo  er  mir  in  Bälde  einen  ausführlicheren  Bericht  übtrr 
seine  interessanten  tmd  wichtigen  Reisen  für  unsere  Mittheilungen  einzosendcB 
versprach.  Wir  senden  Herrn  Griesbach  unsern  herzlichsten  Gruß  und  Glück- 
wunsch zu  seiner  glücklichen  Rückkehr. 

Ernst  Marno  verließ  Wien  im  Herbst  1869  in  der  Hoffnung,  sich  in 
Chartum  au  die  großartige  Expedition  Sir  Samuel  Baker 's  anschließen  za 
können.  Er  machte  die  Reise  von  Dabbeh  am  oberen  Nil  nach  Chartum  durcb 
die  westliche  Bajuda-Steppe  in  Nubien.  Als  in  Chartum  sein  Wunsch  ma 
Baker  zu  gehen,  nicht  erlüllt  werden  konnte,  cutschloss  er  sich  zu  einer  For- 
schungsreise auf  eigene  Faust,  und  gieng  am  31.  Jänner  1670  auf  dem  blauen 


631 

Nil  ab.  In  Famaka  traf  er  anfangs  März  mit  dem  Madir  von  Sennaar,  Ibra- 
him Bey,  zusammen,  der  ihn  durch  den  Schach  Hadjeli  nach  Beni  Scbangol 
begleiten  ließ.  Anfang  April  unternahm  er  von  hier  aus  die  Aberaus  kOhne 
fieise  nach  Fad&si,  um  von  dort  wo  möglich  bis  in  die  Gala-L&nder  vorzu- 
dringen. Der  letztere  Plan  gelang  ihm  leider  nicht.  Er  musste  von  Fadisi  wieder 
die  Bückreise  nach  Ghartum  antreten,  wo  er  anfangs  Juni  eintraf.  Von  Chartum 
SQ8  kam  uns  der  im  letzten  Hefte  abgedrnckte  interessante  Reisebericht  zu, 
der  ein  ruhmvoller  Beweis  dafür  ist,  was  ein  einzelner  Mann  mit  sehr  beschränkten 
Mitteln  durch  Mut  und  Ausdauer  zu  leisten  im  Staude  ist.  Der  Österr.  Oonsular- 
agent  Herr  Hansa  1  in  Chartum  gibt  ihm  auch  das  rühmende  Zeugnis, 
dass  ihm  wenige  Forschungsreisen  de  untergekonmien  seien,  die  Herrn  Marno 
aa  Mut  und  Ausdauer,  so  wie  an  Kenntnis  der  africanischen  Verhältnisse  über- 
treifen. 

Mit  der  aufrichtigsten  Freude  muss  uns  aber  die  glückliche  Wiederkehr 
onaerer  wackeren  Nordpolfahrer,  der  Herren  Dr.  Laube  und  Oberlieutenant 
Paycr  erfüllen.  Von  ihnen  hatten  wir  seit  ihrer  Abreise  im  Sommer  1869 
nichts  gehört,  und  verhehlen  wir  es  nicht,  mit  bangem  GeiÜhle  haben  wir  oft- 
mals ihrer  gedacht.  Da  mit  einem  Male,  fast  gleichzeitig,  sind  beide  wieder  auf- 
getaucht. Aber  nach  welchen  Erlebnissen  1  nach  was  für  Gefahren  and  Müh- 
seligkeiten, die  sie  glücklich  überstanden  haben  1  Ihre  ersten  Briefe,  welche 
w&hrend  der  Rückfahrt  noch  zur  See  geschrieben  waren,  hat  bereits  das  letzte 
Heft  unserer  Mittheilungen  gebracht.  Heute  sind  sie  frisch  und  gesund  in  unserer 
Mitte  und  herzlich  heiße  ich  sie  im  Namen  unserer  Gesellschaft  willkommen. 
Da  sie  die  Freundlichkeit  hatten,  sich  persönlich  hier  einzufinden,  um  uns  ihre 
Schicksale  zu  erzählen,  so  sei  es  mir  wenigstens  noch  gestattet,  ihnen  unsere 
volle  und  freudigste  Anerkennung  auszudrücken  für  ihre  nmtvoUe  Ausdauer 
and  für  ihre  ausgezeichneten  Leistungen,  durch  welche  sie  als  österreichische 
Forscher  mit  beigetragen  haben  zum  Ruhme  eines  deutschen  Ni^tionaluntemeh- 
mens ,  durch  welche  sie  den  Namen  Osterreich's  ruhmvoll  verknjäpft  haben  mit 
den  schönen  Resultaten  und  Eriblgen  der  zweiten  deutschen  Nöcdpolar-Expe* 
dition. 

Hierauf  berichtete  Herr  Oberlieutenant  Payer  über  dße  Fahrt  der 
•Germania«  und  Ober  die  wissenschaftlichen  Resultate,  die  von  derselben  zu 
erwarten  seien.  Eine  von  den  landschaftlichen  Skizzen  aus  seiner  Mappe  war 
eigens  für  diese  Verammlung  durch  Herrn  Prof.  Lan^l  (in  dem  kurzen  Zeit- 
raum von  10  Tagen)  in  einem  großen  Oelbilde  ausgeführt  worden,  welches  die 
allgemeine  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nahm. 

Schließlich  erzählte  Hr.  Dr.  Laube  unter  der  gespanntesten  Theilnahme 
der  Versammelten,  unter  denen  sich  viele  Damen  befanden,  die  merkwürdigen 
Schicksale  der  Männer  der    Hansa.« 


Nach  der  Versammlung  fand  zu  Ehren  der  Zurückgekehrten  eine 
gesellige  Feier  im  Hotel  -Müller«  statt,  bei  welcher  des  ruhmvollen  Unterneh- 
mens nach  jeder  Richtung  gedacht  wurde.  Nachdem  Prof.  v.  Hochstetter  ein 
Hoch  auf  S.  Majestät  den  Kaiser  ausgebracht  hatte,  allerhöchst  welcher 
durch  seine  großmflthige  Unterstützung  der  deutschen  Nordpolfahrt  die  leb- 
haftC'Ste  Theilnahme  an  diesem  Unternehmen  bewiesen  habe,  wurde  der  wissen- 
scbaitlicheu  Gorporationen  gedacht,  welche  seiner  Zeit  zur  Ausführung 
des  Unternehmens  moralisch  uud  materiell  thätig  waren.  Dr.  v.  Ruth n er 
feierte  die  beiden  Gäste  in  folgendem  Trinkspruch: 

•Als  Dr.  August  Petermann  mit  dem  vollständigen  Plane  der  deutschen 
Nordpolfahrt  in  die  Oeffentlichkeit  trat,  wurde  derselbe  allgemein  als  ein  ge- 
diegene ü  Werk  deutschen  Geistes  und  deutschen  Wissens  anerkannt. 

£s  hieß  nun  die  dem  Unternehmen  entgegentretenden  Hindernisse  zu 
beseitigen  und  die  materiellen  Mittel  dazu  zu  bescha£fen. 

Mit  Beihilfe  gleichffesinnter  für  die  Wissenschaft  begeisterter  Männer  im 
Vaterlande  ist  dies  dem  Urheber  der  Expedition  gelungen,  —  gelungen  durch 
^Ahrhatt  deutsche  Ausdauer  und  Beharrlichkeit. 

Als  es  sich' dann  um  die  Ausführung  selbst  handelte,  war  es  wol  nicht 
in  zweifeln,  dass  sie  eine  rühmliche  sein  werde,  denn  an  thatkräftigen  Männern 
bt  Deutschland  nicht  arm. 


632 

Doch  PetermaDn  hat  es  verstaodeo,  der  Thatkräftigstea  Einige  zu  g^ 
wiDnen I 

Was  die  Expedition  geleistet  und  gelitten,  Sie  haben  es  aosiühr- 
lich  durch  die  heutigen  Vorträge  erfahren  und  ich  glaube  es  kühn  aussprechen 
zu  dürfen:  noch  wenigen  Sterblichen  ist  die  Gefahr  in  erschrecken- 
derer Gestalt  entgegengetreten,  als  unsern  deutschen  Nordpol- 
fahrern; aber  auch  nur  wenigen  Sterblichen  ist  es  gegönnt, 
ihren  Muth  und  ihre  Thatkraft  in  so  hervorragender  Weise  su 
bethätigen  als  ihnen. 

Der  Tod  drohte  ihnen  hier  im  Zertrtkmmern  der  trügerischen  Eisscholle, 
welche  durch  lange  Monate  ihr  Wobnplatz  mitten  im  weiten  Eismeere  gewesen, 
dort  durch  den  Rachen  des  hungrigen  Raubthieres,  oder  noch  furchtbarer 
durch  das  Erhungern  in  mitten  der  weiten,  keine  Nahrungsmittel  bietenden 
Wüsteneien  des  unbewohnten  frostigen  Landes. 

Diese  Geiahren  und  hundert  andere  haben  die  kQhnen  M&nner  nihm?oU 
besiegt  durch  deutschen  Muth  und  deutsche  Thatkraft. 

Ein  glückliches  Geschick  hat  sie  wolbehalten  in  die  Heimat  zar&ck- 
gebracht  und  stolz  auf  ihre  Erfolge  sehen  wir  heute  zwei  der  hervorragendstea 
Theilnehmer  der  gefahrvollen  Expedition  als  liebe  (i&ste  in  unserer  Mitte. 

Erlauben  Sie  denn,  meine  Herren,  dass  ich  ihnen  zu  Ehren  das  Glaa  er- 
hebe und  tieudigen  Sinnes  rufe : 

Die  Repräsentanten  des  grofien  Werkes,  deutschen  Geistes 
und  Wissens,  deutscher  Ausdauer  und  Beharrlichkeit,  deut- 
schen Mutes  und  deutscher  Thatkraft,  Dr.  Laube  und  Ober- 
lieutenaut  Payer  —  sie  leben  hoch!** 

Friedrich  vom  Hellwald  nahm  sich  den  geistigen  Urheber  der  deut- 
schen Expedition  zum  Gegenstande; 

hAus  dem  Munde  der  tapferen  Reifenden,  die  wir  heute  in  unserer 
Mitte  begrüßen,  haben  wir  die  Schicksale  der  zweiten  deutschen  Nordpolfiahit 
vernommen,  die  bestimmt  war  zu  einer  so  bedeutenden  Erweiterung  unserer 
räumlichen  Kenntnis  der  arctischen  Welt  zu  führen. 

In  diesem  Augenblicke  der  Freude  drängt  sich  wol  lebhafter  denn  je 
die  Erinnerung  au  ein  Mitglied  unserer  Gesellschait  auf,  das  in  der  Ferne 
weilt  und  doch  unserem  heutigen  Feste  so  nahe  steht.  Nicht  zu  nenaefi 
brauche  ich  ihn,  diesen^ Mann,  den  Sie  alle  kennen,  meine  Herren;  Sie  wissen, 
wen  ich  meine:  den  geistigen  Urheber  der  deutschen  Nordpolexpedition  — 
Dr.  August  Peter  mann! 

Mit  unauslöschl^eh  glänzenden  Lettern  ist  sein  Name  eingemeißelt-  in  dea 
Tafeln,  welche  die  Geschichte  der  Erdkunde  verzeichnen;  unlöslich  ist  er  mit 
der  geographischen  Disciplin  verknüpft;  er  ist  die  Signatur  unseres  geograplii- 
sehen  Zeitalters!  Wohin  den  Blick  wir  wenden,  Überall  stralt  uns  sein  Nam« 
entgegen!  Petermaoo,  der  nach  dem  treffenden  Worte  Sir  Koderick  Murchi- 
son^s  die  Thätigkeit  von  zehn  geographischen  Gesellschaften  in  sich  vereinigt  f 
Wahrlich,  kein  Volk  darf  engherzig  genug  sein,  ihn  für  sich  allein  zu  bean- 
spruchen; in  jeder  Zone,  in  alleu  Li^nden  hat  er  Heimatsrecht  gefunden;  er 
gehört  der  ganzen  Welt! 

Die  Entschlei(^rung  der  nördlichen  Polarregion  hat  der  große  Geogra^ 
als  das  Problem  bezeichnet,  dessen  Lösung  die  gegenwärtige  Aufgabe  der  geo- 
graphischen Wissenschaft  sei.  Mit  Aufbietung  all  seiner  Kräfte  hat  er  selbst 
daran  rastlos  gearbeitet.  Ist  dennoch  in  jüngster  Zeit  ein  Miston  in  das  har- 
monische Zusammenwirken  mit  den  ausführenden  Leitern  der  zweiten  deutschen 
Nordpolexpeditiou  gefallen,  so  kann  ich  des  Wunsches  mich  nicht  onlscfalagt-c, 
meine  Worte  möchten  ans  diesem  Saale  bis  an  sein  Ohr  dringen  und  ihm  unser 
Aller  festes  Hoffen  verkünden,  ihn  auch  in  Zukunft  das  Banner,  das  sein  Icrüftxger 
Arm  entfaltet,  hochhalten,  dem  kühnen  Unternehmen  der  weiteren  £rscliließu&| 
der  arctischen  Welt  seineu  werkthätigen  Beistand  weihen  zu  sehen. 

Daraur  hin  lassen  Sie  uns  anstoßen,   meine  Herren!  Petermann    lebe 

hoch  !•• 

Der  Abend  verlief  in  gehobener,  heiterer  Stimmung  und  nicht  oline  des 
Gedanken  Ausdruck  zu  geben,  wie  -durch  festes  treues  Zusammenhalten-  auch 
unter  den  schwierigsten  Verhältnissen  ein  schöner  Erfolg  möglich  sei.  B. 


Beobachtungen  auf  den  Kamenen. 

Vom  k.  k.  Corvetten-Capitän  Eduard  Germonig. 

(Ende  Jum  1870.) 

Am  16.  Juni  näherten  wir  uns  bei  frischem  Nordostwinde  der 
hisel  Thera  oder  San  torin,  welche  die  seit  1866  neuerdings  thätige 
Tolcanische  Inselgruppe  der  Eaimeni  einschließt 

Obwol  bei  40  Seemeilen  Entfernung  die  gezackten  Linien  des 
Kammes  der  Insel  nicht  sichtbar  waren,  obwol  die  Contouren  des  1800 
Fuß  hohen  Elias-Berges  auf  der  Insel  nicht  unterschieden  werden  konnten, 
so  ließen  sich  doch  die  einzelnen  Eruptionen  des  Yulcans  deutlich  wahr- 
nehmen. Eine  hellgraue,  kugelförmige  Haufen  wölke  zeigte  sich  plötzlich 
in  unserem  Course ;  dieselbe  breitete  sich  aus,  zog  längs  des  Horizontes 
hin  und  verschwand,  während  frisch  ausgestoßene  Ausbrüche  von  Rauch- 
and  Dampfwolken  von  15  zu  15  Minuten  dasselbe  Spiel  wiederholten. 
Ein  Getöse  bei  den  einzelnen  Ausbrüchen  wurde  der  großen  Entfernung 
wegen  nicht  gehört. 

Wir  liefen  in  den  Golf  von  Santorin  bei  der  Westeinfahrt  zwischen 
den  Inseln  Aspro  und  Thera  ein,  umfuhren  die  Südspitze  der  Neubil- 
dungen, wobei  die  über  das  Schiff  hinwegziehende  Rauchwolke  sich  von 
Asche  geschwängert  zeigte  und  verankerten  uns  östlich  von  Nea-Ea- 
meni  auf  Banco,  dem  einzigen,  eigentlichen  Ankerplatz  für  größere 
Schiffe.  Die  Inselgruppe  bietet  den  kleineren  Schiffen  außerdem  Anker- 
plätze im  Georgs-Hafen,  im  Canale  und  südöstlich  der  Insel  Palaea- 
Kameni  dar;  doch  ist  die  Benützung  derselben,  so  lange  der  speiende 
Vulcan  nicht  erlischt,  sehr  gefährlich,  da  bei  starken  Ausbrüchen  die 
Schlacken  und  Laven  im  glühenden  Zustande  bis  auf  Meilen-Distanz 
geschleudert  wejden  und  daselbst  verankerte  Schiffe  Gefahr  laufen,  ver- 
brannt und  versenkt  zu  werden.  Erst  kürzlich  verunglückte  auf  diese 
Art  ein  griechischer  Schooner  in  der  nördlichen  Bucht  des  Canals.  Von 
ien  glühenden  Steinen  des  Auswurfs  am  18.  April  d.  J.  getroffen,  ver- 
brannte selber  zum  Theil  und  sank.  Von  der  Bemannung  war  nur  ein 
Hann  am  Bord,  welcher  dabei  erschlagen  wurde. 

Die  Lage  des  Banco  hat  sich  nicht  verändert,  doch  hat  eine  Senkung 
les  Grundes  stattgefunden,  da  die  Lothungen  eine  größere  Tiefe  er- 
^ben,  als  aus  der  englischen  Seekarte  ersichtlich  ist.  Der  Banco  stellt 
iich  nach  den  vorgenommenen  Lothungen  als  ein  Conus  mit  dem  Bö- 
schungswinkel von  24Y4  nnd  12^/4  Graden  dar,  dessen  Spitze  6  Faden 
inter  Wasser  liegt.  Die  Grenzen  von  6  Faden  Ankergrund  bezeichnen 
i  Bojen,  welche  die  griechische  Regierung  vor  kurzem  legen  ließ  und 
s  dienen   dieselben    zugleich    zur   Vertäuung    der  Schiffe.    Diese  Bojen 

Mittheilungen  d.  geogr.  Gesell.  1870.  14.  41 


634 

liegen  in  7  Faden   Wasser  an  zwei  mit  je   zwei  Scheckel-Ketten  ver- 
sehenen Corvettenankern  in  Nord-Sfid-Richtung  vertäat. 

Der  Canal  zwischen  Nea-  und  Mikra-Kameni ,  welcher  vor  1866 
gegen  Süd-Ost  offen  stand,  wurde  durch^die  Neubildung  von  1866  gegen 
Süden  abgeschlossen.  Eine  nur  für  Boote  geringen  Tiefganges  pasäer- 
bare  Einfahrt  an  der  Südspitze  von  Mikra-Kameni  trennt  diese  Insel  von 
der  neuen  Formation.  Die  Breite  des  Canals  beträgt  an  der  engsta 
Stelle  (fleur  (Teau)  16—18  Fuß ,  dessen  Tiefe  4—5  Ftfß.  Seit  zwei 
Jahren  haben  an  dieser  Stelle  keinerlei  Veränderungen  stattgefunden. 
Eine  geringe  Hebung  oder  Ausbreitung  der  Neubildung  gegen  Mikn- 
Kameni  würde  die  Schließung  dieser  Einfahrt,  resp.  die  VereinigQDg 
der  beiden  Inseln  Nea  und  Mikra-Kameni  zur  Folge  haben. 

Der  Canal  hat  bei  einer  Tiefe  von  45  Fuß  eine  Länge  von  4  Etbdn 
und  eine  durchschnittliche  Breite  von  einer  Kabel.  Das  Wasser  in  dem- 
selben hat  eine  schmutziggelbe  bis  ockergelbe  Farbe,  salzig  zusammen- 
ziehenden Geschmack  und  eine  Durchschnittstemperatur  von  Graden  25*  C. 

Längs  des  südlichen  Ufers  am  Fuße  des  neuen  Kraters  ziehen  sich 
die  Reste  der  ehemaligen  Ortschaft  Vulcano  hin.  Das  Niveau  der  Ort- 
schaft hat  sich  gegen  Osten  gesenkt,  so  dass  das  dem  Banco  nächst 
liegende  Haus  die  größte  Senkung  erlitten  hat.  Dessen  Niveau  liegt 
7  Fuß  unter  Wasser;  die  Umfassungs-Mauern  ragen  3Vj  Fuß  fiber 
Wasser.  Dieses  Haus  bezeichnet  nun  den  Eingang  zu  einer  kleinen  Bucht, 
welche  sich  vom  Canal  gegen  Süden  abzweigt.  Die  Umfassungs-Mauem 
der  Häuser  sind  geborsten,  theils  abgestürzt,  letztere  von  ausgeworfenen 
Blöcken  durchlöchert,  die  Fußplatten  der  östlich  gelegenen  Häuser 
werden  vom  Wasser  bespült.  Die  vom  Ufer  entfernteren  Gebäude  sind 
mit  Schutt  angeffillt  und  von  Asche  bedeckt. 

Die  aus  der  Aufnahme  des  Kanonenbootes  Dalmat  vom  Januar  18&^ 
ersichtlichen  südöstlich  von  der  Ortschaft  verzeichneten  fünf  Teiche 
wurden  nicht  vorgefunden.  Es  bildete  sich  daselbst  durch  Senkung  des 
Bodens  eine  kleine  Bucht,  welche  zu  dem  Fuß  des  neuen  Tulcan 
führen,  wo  dem  Boden  zwei  Thermen  entspringen.  Das  Wasser  da- 
selben  hat  bei  einer  Temperatur  von  4(i  und  47  Grad  C.  intensiv  ocker- 
gelbe Farbe,  herben  zusammenziehenden  Geschmack  und  es  fufart 
einen  eisenhaltigen  Schlamm  mit  sich,  welcher  dem  Seewasser  eiae 
schmutziggelbe  Farbe  verleiht.  Die  Bucht  hat  bei  einer  Länge  va 
G(X)  Fuß  eine  durchschnittliche  Breite  von  1(K)  Fuß  und  4— ü  Fuß  Tiefe. 

Nahe   dem   Ursprung   der   Thermen   stehen    die  Umfangs  -  Manen 

« 

eines  Hauses,   welches    dadurch    bemerkenswert   wird,    dass  selbes,    o^  i 
gleich    unmittelbar   am    Fuß   des    tbätigen    Vulcans    gelegen,    nur    Be 


635 

Schädigungen  zeigt,    die  durch  Hebung   und  Senkung    des  Niveaus  her- 
Yorgerufen  wurden. 

Der  gegen  den  Saum  des  Yulcans  zu  gelegene  Theil  der  Ortschaft 
ist,  wie  bereits  erwähnt,  vollkommen  verschüttet,  die  Trafen  der  Ge- 
bäude zeichnen  sich  in  der  Asche  durch  die  Kronen  der  Ueberwöl- 
bungen  und  die  oberen  Ränder  der  Umfassungsmauern,  die  von  den 
Yulcanrändern,  der  Bucht  und  der  Ortschaft  eingeschlossene  Figur  trägt 
eine  verhältnismäßig  geringe  Zahl  von  ausgeworfenen  Steinen.  Ein  Theil 
derselben  und  zwar  der  am  Ende  der  kleinen  Bucht  liegende  Theil 
scheint  vom  Kraterrand  im  bereits  abgekühlten  Zustande  herabgewälzt. 
Die  Blöcke  sind  nicht  zerklüftet,  zeigen  sich  an  der  Oberfläche  dunkel- 
grau und  porös.  Ein  anderer  Theil  von  ausgeworfenen  Laven  ist  in 
wenigen  Exemplaren  gleichmäßig  über  die  Fläche  zerstreut.  Diese  sind 
im  Sande  eingebettet,  kuchenförmig,  breitgedrückt  und  radial  zerklüftet, 
an  der  Oberfläche  glashart  und  weis. 

Die  beiden  Thermen  am  Fuß  des  alten  Kraters  haben  bei  42  Orad 
Celsius  helles  klares  Wasser  von  stark  salzigem  Geschmacke. 

Die  Landfesten  auf  Mikra-Kameni  stehen  bis  auf  eine  Kanone 
mit  der  Plattform  über  Wasser. 

Eine  Uferbaute  am  Fuß  des  alten  Conus  ist  vollkonmien  ver- 
sonken;  es  ragen  nur  mehr  die  Trauben  der  drei  als  jLandfesten  ein- 
gemauerten Kanonen  über  Wasser.  Vier  gemauerte  Hcdtfesten  in  der 
Bucht  nördlich  des  alten  Conus  gelegen,  ragen  mit  der  Plattform  voll- 
kommen über  Wasser,  während  eine  nahebei  befindliche,  sowie  zwei 
der  Ortschaft  näher  liegende  Kanonen  unbedeutend  über  Wasser  her- 
vorragen. 

Aus  der  größeren  Tiefe  des  Canals,  welche  die  Lothungen  ergaben, 
sowie  aus  den  zum  Theil  versunkenen  Landfesten  erhellt,  dass  der 
Boden  am  Fuß  des  alten  und  neuen  Conus  eine  bedeutende  Senkung 
erfahren  hat. 

Am  nördlichen  Ausgang  des  Canals  liegt  am  Ufer  von  Nea-Ka- 
meni  das  Wrack  des  bei  der  starken  Eruption  am  18.  April  1.  J. 
zerstörten  griechischen  Schooners.  Bei  dieser  Eruption  wurden  die 
Schlacken  und  Laven  bis  zum  Nord-Cap  Nea-Kamenis  und  bis  zu  zwei 
Kabeln  über  Mikra-Kameni  geworfen. 

Der  Krater  von  Mikra-Kameni  (246  Fuß  über  Wasser)  hat  einen 
regelmäßig  kreisförmigen  Rand  und  läuft  trichterförmig  zu  einer  Tiefe 
von  100  Fuß.  Am  Boden  desselben  liegen  in  der  Tiefe  Steinblöcke  und 
GeröUe  zerstreut.  Die  Abhänge  sind  mit  Asche  bedeckt.  Einige  Klüfte 
im  Norden  sind  mit  dem  Kraterrande  concentrisch.  Die  Krone  des 
Kraters  ist  gegen  Süd-West  etwas  abgestürzt. 

41* 


636 

Der  Krater  des  alten  Valcans  liegt  310  FaB  Aber  dem  Meeres- 
spiegel und  es  dacht  sich  derselbe  gegen  Norden  ab.  Dieser  Krater  hat 
eine  ovale  Krone;  die  Ränder  sind  vollkommen  mit  Asche  bedeckt  im 
Innern  ist  er  ganz  zerklflftet  und  mit  Feisblöcken,  GeröUe,  Aschen-  and 
Schlackenhaufen  bedeckt.  Eine  Kluft  scheint  den  ganzen  Krater  von  Ost 
nach  West  zn  durchschneiden.  Dieselbe  scheint  an  einigen  Stellen 
zusammengefallen  oder  von  größeren  Blöcken  Oberbrfickt. 

Die  großen  Felsblöcke,  die  aus  der  Mitte  des  Kraters  emporragen, 
die  Aschen-  und  Schlackenhfigeln,  die  dazwischen  liegenden  tieferen 
Partien  geben  dem  Inneren  desselben  ein  htlgeliges  Aussehen. 

Der  Kraterrand  hat  an  seiner  Ostseite  eine  tiefe  Einsenkung  im 
Conus.  Von  der  Spitze  des  alt«n  Conus  erschien  der  neue  Georgs-Ynican 
um  50  Fuß  höher  als  jener.  Vom  Krater  gegen  Nordwest  befindet  sich, 
der  Krone  des  Hauptkraters  nahe,  eine  kleinere  muldenförmige  Vertiefung 
von  runder  Form,  aus  deren  Innerem  große  Felsblöcke  hervorragen,  die 
von  Aschenkegeln  und  Schlackenhaufen  unterbrochen,  die  ganze  Mulde 
ausfüllen.  Von  diesem  Nebenkrater  senkt  sich  ein  Höhenrücken  gegen 
das  Nord-Cap  ab. 

Der  neue  Vulcan  präsentiert  sich  dem  Auge  als  ein  abgestutzter 
Kegel  von  375  Fuß  absoluter  Höhe  und  32  Grad  Böschungswinkel,  dessen 
Mantelfläche  mit  Asche  bedeckt  ist,  in  welchem  größere  Felsblöcke 
hangen.  Nahe  der  Krone  des  Vulcans  und  auf  halber  Höhe  deuten  gelb- 
grflne  Streifen,  welche  die  Asche  gleich  Moospartien  bedecken,  an.  das 
Schwefeldämpfe  die  Kraterwände  durchdringen  und  sublimieren.  Das 
Plateau  des  Kraters  dacht  sich  gegen  Süden  ab ;  das  Centrum  desselben 
ist  mit  Felsblöcken  von  weißer  Farbe  bedeckt,  welche  von  der  F«»me 
einem  großen  Steinhaufen  gleichen.  Die  Steinkrone  wechselt  von  Tag  zu 
Tag  ihre  Contouren  und  vergrößert  sich  fortwährend  durch  die  Aus- 
würfe  des  Kraters.  Dieselbe  wird  gewöhnlich  nach  15  bis  20  Tagen 
durch  einen  starken  Ausbruch  bis  auf  Meilendistanz  auseinanderge- 
schleudert. Außer  diesem  Steinhaufen  ist  das  Plateau  des  Kraters,  welches 
einen ,  Durchmesser  gleich  der  Höhe  des  Conus  haben  dürfte,  mit  Asche. 
Schlacken  und  Gerolle  bedeckt.  Südöstlich  scheint  ein  Nebenkrater  oder 
eine  größere  Kluft  zu  sein,  da  sich  zeitweise  auch  in  dieser  Richtung 
compacte  Auswürfe  zeigen.  Am  12.  April  1.  J.  beobachtete  man  daselbst 
den  gleichen  Auswurf  von  schwarz-braunen  Rauchmaßen  begleitet,  viie 
vom  eigentlichen  thätigen  Krater. 

Der  Georgs-Hafen  wurde  1866  gebildet;  indem  sich  eine  westlich 
vom  Georgs- Vulcan  aufgetauchte  Klippe  vergrößerte  und  mit  der  Insel 
Nea-Kameni  verband.  Der  Georgs-Hafen  scheint  sich  in  seiner  Form 
auf  der  nördlichen  Seite  nicht  verhindert   zu  haben.    Eine  Senkung   des 


637 

Bodens  hat  übrigens  anch  hier  bei  der  alten  Formation  stattgefunden, 
da  die  Haltfesten  bis  auf  jene  bei  der  Capelle ,  deren  Plattform  ober 
Wasser  ist,  nur  mit  dem  Kopf  wenig  hervorragen.  Die  Capelle  steht 
als  Raine.  Im  nördlichsten  Theile  der  Bacht  liegt  das  Wrack  eines  großen 
Bootes  am  Grande.  Die  Farbe  des  Wassers  ist  bei  einer  Darchschnitts- 
itemperatar  von  27  Grad  Celsius  gelblich,  im  südlichen  Theile  des  Hafens, 
wo  Schwefelwasserstoffgase  aufsteigen,  lichtblau  und  hell. 

Vom  Georgs-Hafen  aus  ist  der  Georgs- Vulcan  minder  steil;  große 
Felsblöcke  liefen  diesseits  auf  halber  Höhe.  Der  Georgs-Hafen  erstreckt 
sich  bei  einer  durchschnittlichen  Breite  von  70  Klafter  400  Klafter  in 
Knieform  gegen  Südost  und  Nordwest.  Durchschnittliche  Tiefe  40  Fuß. 

In  der  Bucht  südlich  des  Teiches  auf  Paläa-Kameni,  welcher 
unverändert  ist  und  Seewasser  enthält,  steht  eine  wolerhaltene  Capelle. 
In  der  Bucht  südlich  dieser  Capelle  steigen  Gase  auf,  wobei  das  Wasser 
eine  Temperatur  von  31  Grad  Celsius  zeigt. 

Der  Höhenrücken  auf  Paläa-Kameni  erhebt  sich  bis  zu  320  Fuß 
über  den  Meeresspiegel  und  liegt  von  Nordwest  gegen  Süd-Ost.  Der- 
selbe ist  gegen  Norden  abgedacht,  länglich  in  der  Form  und  stark  zer- 
klüftet. Ein  Spalt,  dessen  Tiefe  wir  an  mancher  Stelle  auf  50  Klafter 
schätzten,  zieht  sich  von  Nord- West  gegen  Süd-Ost  über  die  ganze 
Lange  des  Kückens,  stellenweise  auf  längere  Strecken  von  vollkommen 
parallelen  Seitenwänden  gebildet.  Dieselben  zeigten  sich  ganz  weiß  und 
deren  Oberfläche  wie  mit  Mörtel  beworfen. 

Im  Canal  zwischen  Paläa-  und  Nea-Kameni  befinden  sich  die 
im  Mai  1866  entstandenen  Inselchen.  Dieselben  sind  von  ziemlich  gleicher 
Größe  und  erstrecken  sich  an  der  Nord-Seite  mehrere  Klafter  noch 
anter  Wasser  fort.  An  der  Südseite  fallen  dieselben  steU  ab. 

Die  Eruptionen  des  neuen  Vulcans  wiederholen  sich  gewöhnlich 
nach  6 — 10  Minuten.  Die  größten  Zeitintervallen  waren  15  bis  20  Mi- 
nuten. In  24  Stunden  zählten  wir  212  Eruptionen,  darunter  105  starke 
und  107  schwache,  148  mit  Getöse  und  64  ohne  Lärm.  Unter  den 
Eruptionen  waren  8  starke  von  je  5  Minuten  Dauer  und  5  so  zu  sagen 
doppelte  Ausbrüche,  d.  i.  solche,  welche  sich  ohne  Zeitintervalle  folgten. 

Einmal  folgten  9  starke  Ausbrüche  nacheinander  von  3  bis  15  Minuten 
Intervallen.  Schwache  folgten   sich  7  als  Maximum  in  kurzen  Zeitinter 
Valien  von  wenigen  Minuten. 

In  anderen  24  Stunden  wurden  87  starke  und  67  schwache  Aus- 
brüche beobachtet.  Einmal  folgten  sich  13  starke  Ausbrüche,  der  Beihe 
nach  alle  von  donnerndem  Getöse  von  mehreren  Minuten  Dauer  be- 
gleitet. In  weiteren  24  Stunden  wurden  128  starke  und  67  schwache 
Aasbrüche  beobachtet.  Im  allgemeinen  kann  man  die  starken  Eruptionen 


638 

als    eigentliche   von  Aaswarf  begleitete   annehmeif,    da  die  schwächeren 
meist  ohne  Auswarf  stattfinden 

Es  war  uns  nicht  vergönnt,  einen  großen  Ausbruch  des  Kraters  zu 
beobachten.  Ich  muss  mich  daher  beschränken,  die  Aasbrüche  des  Valcaos 
im  Zustande  relativer  Ruhe  za  beschreiben.  Die  Erscheinangen  sind  bei 
den  Ausbrachen  verschiedenartig.  Manchmal  kommt  der  Ausbrach  und 
das  Getöse  gleichzeitig  vor.  Manchmal  verkündet  sich  wol  auch  ein  be- 
vorstehender Ausbruch  durch  ein  dumpfes  Dröhnen  aus  dem  Inneren 
des  Vulcans.  Hierauf  werden  Ballen  von  Rauch  und  Dampf  mit  Zischen 
and  Brausen  aus  dem  Krater  herausgestoßen.  Das  Gerftusch  steigert  sich 
und  gleicht  dem  Geräusch  aus  engen  Mfindungen  strömender  Dämpfe 
von  hoher  Spannung.  Nun  werden  auch  glühende  Schlacken  empor- 
gerissen, welche  die  Luft  gleich  Meteoren,  durchschneiden  and  theils 
auf  das  Plateau  des  Yulcans,  theils  auf  die  Mantelfläche  des  Cona$ 
zurückfallen  und  dort  die  Aschenhaufen  und  Schlackenhfigel  ver- 
größern. Bei  größeren  Ausbrüchen  werden  glühende  Schlacken  and  La- 
ven zu  einer  beträchtlichen  Höhe  emporgeschleudert.  Dieselben  breiten 
sich  bouquetförmig  aus  und  fallen  in  einem  Umkreis  von  circa  1(J(I0 
Klafter  zu  Boden.  Dabei  stößt  der  Krater  um  so  dunklere,  stärkere, 
Asche  mitführende  Rauchwolken  mit  immer  zunehmendem  Getöse  ans, 
welche^  sich  zu  einem  donnerähnlichen  Rollen  steigert.  Besonders  starke 
Detonationen  wurden  bei  den  Ausbrüchen  während  unserer  Anwesenheit 
nicht  gehört.  Bei  kleineren  Ausbrüchen  entströmen  dem  Krater  eigent- 
lich nur  Dämpfe  von  weißer  Farbe  ohne  Lärm. 

Die  unteren  Partien  der  Rauchmaßen  sind  bei  Nacht  erleachtet. 
Stärkere  Eruptionen  wurden  von  bell  auflodernden  Flammen-Ausbrüchen 
begleitet,  welche  zu  einer  beträchtlichen  Höhe  von  mehreren  Klaftern 
die  Steinkrone  deckend  emporschlagen.  Die  abziehenden  Dampfsäolen  bei 
nicht  von  Auswürfen  begleiteten  Ernptionen  deuten  durch  ihre  scbnee- 
weiße  Farbe  an,  dass  Schwefel  oder  Salzsäure-Dämpfe  dieselben  begleiten. 

Die  ausgestoßenen  Rauchwolken  sind  mit  einem  feinen  aschenartigen 
Staub  geschwängert,  welcher  unser  Deck,  als  wir  bei  nördlichem  Winde 
südlich  des  Vulcans  passierten,  mit  knirschendem  Sand  bedeckte.  Oft 
lässt  sich  durch  das  Brausen  des  Vulcans  hindurch  ein  Zischen  and 
Pfeifen  vernehmen,  welches  durch  das  Ablöschen  eines  glühenden  Kohlen- 
haufens hervorgebracht  scheint.  Die  Auswürfe  hören  nun  auf,  das 
Brausen  der  ausströmenden  Dämpfe  verstummt  und  der  Vulcan  zeigt 
sich  wieder  in  seiner  früheren  Ruhe  aus  den  abziehenden  Rauchwolken. 

Die  ausgestoßenen  Rauchsäulen  steigen  gewöhnlich  nicht  zu  sehr 
beträchtlich  3r  Höhe,  dieselben  theilen  sich,  lösen  sich  schleierförmig 
auf  und  zerstieben. 


639 

Als  wir  den  28.  Joni  mit  südwestlichem  Course  wieder  Santorin 
passierten,  bemerkten  wir  um  0  Uhr  abends  bei  circa  20  Seemeilen 
£DtfernQng  einen  starken,  rotheu  Schein  östlich  in  der  Richtung  von 
Santorin  von  Minuten-Dauer ,  welchen  wir  für  einen  starken  Flammen- 
aasbmch  des  Georgs- Yulcau  hielten.  Zur  Zeit  war  Neumond,  der  Himmel 
sternhell  und  heiter.  Um  1272  Uhr  nachts  wurde  bei  circa  25  See- 
meilen £ntfernnng  ein  dumpfes  Getöse  von  kurzer  Dauer  aus  der  Rich- 
tang  von  Santorin  gehört.  Der  Lärm  war  so  auffallend,  dass  derselbe 
von  drei  an  verschiedenen  Punkten  des  Decks  stehenden  Personen  zu- 
gleich beobachtet  wurde  und  nur  für  das  Getöse  des  Vulcans  auf  San- 
torin gehalten  werden  konnte. 

Am  30.  Mai  d.  J.  fand  ein  starker  Ausbruch  statt,  welcher  die 
gesammte  Neubildung  in  Rauch  und  Dampfwolken  hfiUte.  Auf  Thei*a 
wurde  starker  Aschenfall  bemerkt.  Die  Sonne  von  dem  dichten  schwarz- 
braunen  Rauch  verdeckt,  war  in  Santorin  über  eine  Stunde  nicht  sicht- 
bar. Hafen-Capitäu  Vozzis  nahm  die  Höhe  der  aufsteigenden  Rauch- 
säule mit  35  Klaftern,  was  einer  absoluten  Höhe  von  8000  Fuß  über 
dem  Meeresspiegel  entspricht. 

Die  Neubildungen  beüudeu  sich  im  süd-östlichen  Theile  fortwährend 
in  stiller  vulcanischer  Thätigkeit.  Diese  Partien  lassen  sich  von  den 
ruhigen,  durch  die  duukleie  Färbung  des  Gesteines  und  das  zeitweise 
Aufsteigen  von  leichtem,  schwai'z-braunen  Rauch  unterscheiden. 

Die  neue  Formation  stellt  sich  dem  Auge  als  eine  Aneinander- 
reihung von  zackigen  Kämmen  und  Graten,  von  steilen  Schluchten  und 
Rissen,  von  spitzen  und  schroffen  Abhängen  dar,  welche  sich  planlos 
durchkreuzend  und  verschneidend  ein  wildes  Chaos  von  Steinblöcken 
und  SteingeröUe  bilden.  Die  neue  Formation  in  den  noch  thätigen 
Partien  ändert  taglich  ihre  Gestalt.  Die  einzelnen  Spitzen  und  Kuppen 
werden  durch  die  innere  vulcanische  Thätigkeit  langsam  emporgeschoben 
und  stürzen  von  der  Höhe  Steinblöcke  herab,  welche  sich  zu  neuen 
Hügeln  anhäufen  oder  in's  Meer  rollen.  Ein  AusHuss  von  Lava  wurde 
daselbst  nicht  wahrgenommen,  auch  stiegen  keine  weißen  Dämpfe  auf. 
Bei  Tage  bemerkt  man  ein  Herabkolleru  von  größeren  Blöcken, 
welchem  Gerolle  und  Staubmaßen  nachfolgen.  Dabei  steigen  leichte 
dunkelbraune  Rauchwolken  auf  und  es  wird  ein  Geräusch  vernommen, 
welches  herabfallenden  Thonscherben  gleicht.  Bei  Nacht  konnte  man  die 
vulcanische  Thätigkeit  besser  wahniehmen.  £s  zeigten  sich  nun  die 
Hügeln  als  zerklüftete,  rothglühende  Massen,  welche  von  den  durch 
Abkühlung  losgetrennten  Steinblöcken  bedeckt,  durch  die  dazwischen 
bleibenden  Spalten  hervorleuchteten.  Von  der  erkalteten  Hülle  springen 
mit  schwachem  Knall  kleinere  Lavastücke  los,  welche,  die  Abhänge  herab- 


640 

kollerud,  zerklüften  und  bersten  und  das  oberwäfante  Klingen  ver- 
ursachen. Zuweilen  löst  sich  wol  auch  die  abgekühlte  Hülle  stellenveise 
vollkommen  ab  und  stürzt  mit  Gepolter  die  Lehnen  herunter.  Die  ab- 
geworfenen Blöcke  kollern  bis  zum  Ufer,  wo  dieselben  in*s  Wasser 
fallen,  mit  Zischen  ablöschen  und  Wasserdämpfe  erzeugen.  Dabei  ent- 
strömen den  Steinblöcken  und  der  nun  offenen  Spalte,  welche  den  roüh 
glühcnden  Zustand  des  darunter  befindlichen  Gesteines  deutlich  erkennen 
l&sst,  die  leichten  schwarzbraunen  Rauchwolken.  Aus  einer  solchen  Spalte 
kollern  wol  auch  kleinere  rothglühende  Schlacken  heraus,  welche  manch- 
mal ganz  zerstieben  und  das  Aussehen  von  flie^nder  Lava  haben 
Die  neue  Formation  vergrößert  sich  in  diesem  Theile  nur  durch  Er- 
hebung und  Ausbreitung  der  im  Inneren  th&tigen  Lava. 

Die  Neu-Bildungen  scheinen  sich  übrigens  an  mehreren  Punkten  im 
Inneren  und  an  der  Südwest-Küste  im  gleichen  Zustand  stiller  valcani- 
scher  Thätigkeit  zu  befinden,  da  das  gleiche  Geräusch,  so  wie  das 
Aufsteigen  von  ähnlich  gefärbten  Rauchwolken  an  verschiedenen  Ponkteo 
wahrgenommen  wurde.  So  scheinen  sich  auch  die  Neubildungen  bei  dn 
großen  Eruption  am  30.  Mai  d.  J.  in  erhöheter  Thätigkeit  befanden  zu 
haben,  da  die  gesammte  Neu-Formation  in  dichte  Rauchwolken  gehüllt  war. 

Aus  einer  brieflichen  Nachricht  des  Hafen  -  Capitans  B  o  z  z  i  s 
dto.  3.  August  entnehme  ich  noch  nachträglich,  dass  die  Neu-Bildnngen 
im  südöstlichen  Theil  bedeutend  fortgeschritten  sind. 

Am  29.  Juni  7  Uhr  40  M.  p.  M.  fand  eine  große  Eruption  unter 
den  zwar  gewöhnlichen,  aber  sehr  großartigen  und  prachtvollen  Erschei- 
nungen statt.  Die  Steine  flogen  bis  Banco,  in  der  Mehrzahl  aber  auf  das 
Kraterplateau  zurück.  Das  Gcsammtlicht  ^cr  glühenden  Blöcke  war  sehr 
intensiv  und  erleuchtete  sekundenlang  die  Insel,  welche  in  Dampf  ganz  ein- 
gehüllt schien.  Die  See  war  an  der  Ostküste  der  Neubildungen  nicht  über 
24  Grad  warm. 

Nach  der  Eruption  war  die  Zunahme  der  Laven  in  den  südöstlichen 
Theilen  merklich. 

Am  24.  Juni  6  Uhr  10  M.  abends  wurde  auf  Thera  ein  Erdbeben 
wahrgenommen,  welches  von  Merovigli  und  bei  Athenons  Felsen  herab- 
stürzte und  bei  Acrotiri  Spalten  in  Nord-Süd-Richtung  bildete.  Di^ 
selben  waren  gerade  bei  80  Meter  lang  um  0*04  Meter  breit 

Am  Bord  S.  M.  Kanonenboot  Reka. 

Piräus  am  27.  August  1870. 


64i 

Ueber  Boden-  und  Vegetations-VerhUtnisse  Nord-Ost-Africas. 

(Mit  einer  Karte.) 
Von    Ernst    M  a  r  n  o. 

Größtentheils  unberührt  von  einer  Anzahl  jener  großartigen,  plötz- 
lichen Umwälzungen,  welche  andere  Continente  erlitten,  sehen  wir  Africa 
als  das  Resultat  rein  atmosphärischer,  durch  eine  ungeheure  Reihe  von 
Jahren  wirkender  Kräfte.  Hier  scheint  auf  eine  Periode,  nach  welcher 
eine  ganze  Reihe  von  verändernden  Bildungen  in  anderen  Erdtheilen  statt- 
fand, sogleich  eine  Alluvialbildung  gefolgt  zusein,  wie  wir  sie  ipi 
Kleinen  noch  heute  in  gewissen  Gegenden  beobachten  können.  Kein  anderer 
Erdtheil  vielleicht  zeigt  die  Folgen  jener  langsamen,  jedoch  alltäglich 
stattfindenden  Umgestaltungen  der  Erdoberfläche  und  die  Wirkung 
atmosphärischer  Einflüsse  auf  die  Bodengestaltung  und  Vegetations- 
verhältnisse klarer,  ich  möchte  sagen,  in  einzelnen  Bildern,  wie  Africa, 
besonders  das  nordöstliche. 

Betrachten  wir  eine  Karte  von  Africa,  so  sehen  wir,  wie  von  einem 
größtentheils  östlich  aequatorischen,  hochgelegenen  Gebirgsland  der  Con- 
tinent  gegen  die  Küsten  zu  allmälich  abfällt. 

Dieses  gebirgige  Hochland,  auf  welchem  sich  die  Quellen  der  großen 
africanischen  Ströme  befinden,  zieht  in  Nord*Ost-Africa,  ungefähr  zwischen 
den  17.  und  18.^  n.  Br.  u.  38."  östl.  L.  v.  Grw.  beginnend,  gegen 
SSW,  erreicht  am  32.**  östl.  L.  den  5."  nördl.  Br.  und  zieht  von 
hier  gegen  W  oder  SW  in  das  noch  unbekannte  Innere.  Von  dieser 
Linie  fällt  gegen  N  das  Flachland  bis  an  die  Meeresküste  allmälich 
ab.  Ersteres,  in  reichster  Abwechslung  die  mannigfaltigsten  Verhältnisse 
zeigend,  ist  hier  nicht  Gegenstand  eingehenderer  Betrachtung,  sondern 
letzteres,  in  welchem  die  früher  in  so  raschem  Wechsel  auftretenden 
Gebiete  sich  in  einer  gewissen  Reihenfolge  in  viel  chrakteristischer 
Weise  zu  zeigen  beginnen.  Hier  treffen  wir  zunächst 

1.  die  Steppenzone, 

welche  als  Gürtel  von  sehr  verschiedener  Breite  nördlich  des  Gebirgs- 
landes  hinzieht.  Eine  Linie  ungefähr  zwischen  den  18 — 19."  n.  Br. 
und  37 — 38."  Östl.  L.  v.  Grw.  beginnend  und  gegen  SW  gezogen, 
dürfte  als  nördliche  Grenze  betrachtet  werden,  wo  diese  Zone  unmerk- 
lich in  die  nächste  fibergeht,  wie  wir  später  sehen  werden.  Sie  liegt 
zwischen  2<X)0  und  1300  pariser  F.  Mittelhöhe  und  zwar  findet  ihr 
Abfall  in  NO  viel  rascher  statt  als  in  SW. 

Je  weiter  wir  von  der  Linie ,  welche  das  hohe  Gebirgsland  vom 
tiefen  Flachland  scheidet,  gegen  Norden  vorgehen,  desto  reiner  findet 
sich  der  Charakter  des  flachen  Steppenlandes  ausgesprochen.    Während 


642 

im  Sflden  die  Berge,  allmälich  näher  und  näher  rflckend,  dea 
Uebergang  in  das  Gebirgsland  vermitteln,  sehen  wir  nördlich  nnr 
selten  kleine,  isolierte  Erhebungen,  die  Reste  früherer  Gebirge  ^).  Das- 
selbe zeigt  auch  die  Beschaffenheit  des  Erdreiches,  welches  in  der  Nähe 
des  Gebirgslandes  steinig,  bald  von  fruchtbarer  Humusschichte  über- 
lagert erscheint  und  mit  wenigen  kaum  nennenswerten  Ausnahmen  ^) 
diesen  Charakter  bis  zum  Uebergang  in  die  nächste  Zone  beibehAlt 
Ein  schon  erwähnter  Umstand  gibt  hier  Veranlassung  zu  einer  Bildung. 
wie  wir  sie  eben  nur  unter  solchen  Verhältnissen  finden  können.  Die 
allmäliche  Bodensenkung  hat  eine  allmäliche  Vereinigung  der  einzelnes 
Wasserläufe  in  einen  großen  Fluss  zur  Folge;  ja  diese  kann  so  weit 
gehen,  dass  die  Wässer  stellenweise  stagnieren  und  zur  Sumpfbildong  Ver- 
anlassung geben,  wie  wii-  eine  solche  auch  zwischen  dem  8 — 10"  nördL 
Br.  und  28 — 32®  östl.  L.  v.  Grw.  tinden  '^).  Die  schnelle  Senkung  des 
Terrains  hat  hingegen  auch  eine  raschere  Vereinigung  der  vielen  Ge- 
birgswässer  in  einen  Wasserlauf  zur  Folge,  und  hier  finden  wir  einen 
Umstand,  welchen  wir  im  Gebirgsland  nur  ausnahmsweise  antreffen, 
Regel  werden,  nämlich  das  Versiegen  selbst  bedeutender  Wasseradern^ 
bevor  sie  in  ihren  Hauptstrom  münden,  zur  Zeit  der  Trockenheit**). 


M  Die  auf  der  Halbinsel  (?)  Seonar,  unweit  der  Stadt  gleichen  Naaieas 
beginnenden,  allmälich  gegen  Süden  häutiger  werdenden  bewaldeten  Gbl.  Tuogii 
die  isolierten  größtentheils  kahlen  Berggruppeu  zwischen  dem  Bahr  el  azrak  und 
Atbaron  (Gbl.  Maudera,  Cheli,  Nasubele);  die  einzelnen  Berge  bei  Cassala  u.  s.  w. 

')  Eben  iu  der  Nähe  dieser  isolierten  Erhebungen. 

')  Der  Bahr  el  azrak  durchläuft  die  Entfernung  von  der  Grenze  des  Ge- 
birge und  Flachlandes  (c.  2000  p.  F.  Mh.)  bis  Chartum  (c.  1431  p.  F.  Mb.)  ia 
5  Breitengraden  (das  Get&ll  beträgt  also  569  p.  F.),  während  der  Bahr  el 
abiad  hiezu  10  Breitengrade  braucht.  iSein  Gefall  wird  demnach  uiu  die  Uälfie 
schwächer  sein,  als  das  des  erstereu,  und  da  der  größte  Theil  desselben  noch  auf 
die  Strecke  nördlich  der  babatmündiing  kommt,  finden  wir  sfldlich  derselben 
die  ausgedehnte  Sumpfbildnng. 

*)  An  der  Grenze  des  Gebirgs-  und  Flachlandes  finden  wir  dies  an  dem 
Tumat,  welcher  kurz  vor  der  Regenzeit  (im  April)  selbst  am  Gbl.  Kasan  (in 
dem  Gebirgsland)  kein  fließendes  Wasser  führt,  jedoch  iu  TOmpeln  und  nnr 
wenige  Zoll  tief  im  saudigen  Beet  das  ganze  Jahr  hindurch  Wasser  hält.  Je 
weiter  man  gegen  Süden  in  das  Gebirgsland  vordringt,  desto  häufiger  findet 
man  daselbst  kleine,  das  ganze  Jahr  hindurch  Wasser  führende  Cherau.  — 
Die  in  den  Bahr  el  azrak  mündenden  Rand  und  D ender  erreichen  in  der 
trockenen  Jahreszeit  diesen  nicht  und  die  wenit;en  in  der  Nähe  des  Gebirges 
mündenden  führen  gegen  sonst  nnr  ein  unbedeutendes  Wasserqnantnm,  wie  der 
in  den  Atbara  mündende  Setit.  —  In  Folge  des  langsamen  Laufes  derFlüsae 
und  der  höheren  Temperatur  dieser  Zone  wird  eine  rasche  Verdtmstong  einer 
großen  Wassermenge  stattfinden;  und  da  auch  durch  Einsickern  dem  Kloss 
ein  bedeutendes  Quantum  entzogen  wird,  welche  Abgänge  alle  während  der 
trockenen  Jahresseit  nicht  ersetzt  werden,  sehen  wir  diesen  Omstand  eintreleo. 


643 

Um  diese  Wasserläofe  nun,  wahre  Palsadern  des  Pflanzenlebens, 
drängt  sich  die  Vegetation.  Hier  gewahrt  man  so  recht  anschaulich 
den  Einfluss  dieses  Elementes  (beziehungsweise  der  Bodenfeuchtigkeit) 
und  zwar  in  solch  ausgesprochener  Gradation,  dass  man  eine  auf  die 
Flusslinie  senkrechte  Reihenfolge  von  Gebieten  annehmen  kann.  Die 
üppigste  und  reichste  Pflanzenwelt  zeigt  der  in  nächster  Nähe  des 
Flusses  anstrebende  Urwald;  ihm  folgt  der  bei  weitem  nicht  mehr 
jene  Mannigfaltigkeit  der  Yegetationsformen  bietende  Wald,  welchem 
sich  der  Steppenwald  anschließt,  der  wieder  allmälich  in  die  vom 
Flussufer  am  entferntesten  gelegene  Grassteppe  oder  Savanne  über- 
geht, nur  hie  und  da  von  einzelnen  Baumbeständen  oder  Busch- 
gmppen  unterbrochen.  Die  drei  ersteren  können  wir  als  Wal  d- 
region  zusammenfassen,  die  letztere  als  Steppe nregion  im  engeren 
Sinne  bezeichnen.  Dieses  reihenweise  Auftreten,  allmälich  reicher  werden 
und  endlich  «üppige  Drängen  der  Vegetation  an  den  Flussufern  gewahrt 
man  au  allen  größeren  Wasseradern  in  dieser  Zone  längs  des  größten 
Theiles  ihres  Laufes  ^),  ohne  scharfe  Abgrenzung  der  einzelnen  Gebiete, 
welche  ineinander  übergehen,  jedoch  so,  dass  mit  den  angeführten  Re- 
gionen die  Hauptmomente  der  Pflanzenwelt  charakterisiert  erscheinen. 
Das  cultivierte  Land  ist  hier  schon  mehr  an  die  Wasserläufe  gebunden, 
als  im  Gebirgsland,  da  eine  Bebauung  abseits  dieser  nur  während  der 
Regenzeit  möglich  ist.  Außer  dem  an  den  Flussufern  liegenden  Cultur- 
land  finden  wir  daher  dieses  im  Wald  oder  in  der  Steppe,  meist  in  der 
Nähe  der  Dörfer,  sehr  vereinzelt  und  zerstreit  und  auch  nur  während 
einer  gewissen  Jahreszeit  ^), 

Wie  sich  ungefähr  das  den  reichsten  Wechsel  und  die  größte 
Mannigfaltigkeit  in  jeder  Beziehung  zeigende  Gebirgsland  zu  dieser  Zone 
verhält,  so  diese  zu  der  folgenden.  Eine  bedeutende  Vereinfachung  der 
Boden-  und  Vegetations- Verhältnisse  zeigt 


*)  Die  Ausrottung  der  Wälder  ist  auch  hier,  besonders  in  der  Umgebung 
von  Chartum  in  ihren  Folgen  schon  fühlbar  geworden.  Die  Uferwälder  nördlich 
bei  Kereri,  welche  noch  vor  8  Jahren  standen,  existieren  heute  nicht  mehr ; 
ebenso  die  am  Bahr  el  azrak  his  ungefähr  vor  Woad  Medineh  gänzlich  ver- 
nichtet sind  und  dürfte  dieser  Umstand  gewiss  nicht  wenig  zu  den  während 
einer  Beihe  von  Jahren  gänzlich  veränderten  Witterungs-Verhältnissen  Chartums 
(besonders  im  Charifj  beigetragen  haben. 

*)  Als  einziges  größeres,  zusammenhängendes  Culturland  ist  der  größte 
Theil  der  Gegend  von  Chartum  bis  Woad  Medineh  auf  mehrere  Meilen 
Entfemnog  vom  Fluss  und  vereinzelt  bis  Sennar  zu  betrachten.  Größere 
Gebiete  finden  sich  auch  noch  am  Kand  und  Dender,  kleinere  am  Atbara 
und  Gasch. 


644 

2.  die  W  üsten-Steppenzone, 

welchej  wie  schon  der  Name  sagt,  als  Bindeglied  zwischen  der  früheren 
und  der  nächsten  dasteht,  wegen  ihrer  großen  Aasbreitang  jedoch  als 
Zone  aufgefasst  werden  kann.  Ihre  nördliche  Grenze  wird  ungefähr 
darch  eine  Linie  bezeichnet,  welche  an  der  Ostkflste  zwischen  dem  19.  and 
20.®  n.  B.  beginnt  und  ähnlich  der  südlichen  nach  NW  zieht  und  wirf 
mit  der  äußersten  Nordgrenze  der  tropischen  Regen  zusammenfallen. 
Ihr  Grebiet  liegt  von  0.  nach  W.  zwischen  0 — 1300  p.  F.  Mh.,  voq 
N.  nach  S.  zwischen  1000  und  1300  p.  F.  Mh. 

Während  wir  in  der  früheren  Zone  nur  unbedeutende ,  vereinzelte 
Erhebungen  gefunden  haben,  treffen  wir  hier  solche  in  großer  Zahl, 
jedoch  sind  es  nur  Gebirgszüge,  häufig  Randgebirge,  welche  vielleicht 
mit  denen  der  nächsten  Zone  als  letzte  Ausläufer  des  colossalen  central- 
africanischen  Gebirgsstockes  angesehen  werden  können  ').  Der  vorwaltend 
steinige  oder  sandige  Boden  beschränkt  das  Culturland  auf  die  nächste 
Nähe  der  Flussnfer  und  es  ist  auch  dort  kaum  nennenswert  ^). 

Die  weitere  Senkung  des  Terrains  hatte  die  Vereinigung  sämmtlicber 
Gewässer  in  einen  Hauptstrom  zur  Folge,  welche  jedoch  jetzt  nur  eine 
kurze  Zeit  des  Jahres  stattfindet,  indem  während  des  größeren  Theil© 
die  hier  obwaltenden  und  schon  früher  erwähnten  Einflüsse  noch  mehr 
zur  Geltung  kommen  als  in  der  Steppenzone,  so  dass  wir  hier  keinen 
in  den  Hauptstrom  permanent  mündenden  Fluss  finden  % 

Die  Waldregion  *®)  treffen  wir  in  dieser  Zone  nur  auf  wenige 
Pflanzenformen    reduciert,     längs    des    Laufs    der   Flüsse    und    Cherao. 


^)  Der  Umstand,  dass  zwischen  diesen  Gebirgen  und  dem  centnlea 
Gebirgsstock  heutigen  Tages  kein  Zusammenbang  mehr  existiert,  wäre  ds&mit 
zu  erklären,  dass  dio  Gebirge  der  Steppenzone,  welche  denselben  ehemali 
herstellten,  durch  die  hier  viel  starkereu  atmosphärischen  Einflüsse,  vielleicht 
noch  durch  andere  Umstände,  zerstört  und  so  der  Zusanunenhaiig  onto'- 
brochen  wurde.  Auch  heute  noch  sind  die  atmosphärischen  Niederschlag 
hier  (im  südlicheren  Theil  der  Zone  der  tropischen  Regen)  sehr  groß«  wfthrei^ 
dieselben  nördlich  unbedeutend,  kaum  nennenswert  erscheinen. 

*)  Am  Nil,  Atbara  und  Gasch. 

*)  Dies  ist  beim  Atbara  der  Fall,  während  wir  am  Gasch  und  Baris 
diesen  Umstand  noch  stärker  ausgesprochen  finden.  £rsterer,  theilweise  aad; 
zur  Bewässerung  des  Culturlandes  abgeleitet,  versiegt  gänzlich  im  Sasde^ 
vielleicht  nur  in  sehr  wasserreichen  Jahren  gelangt  wenig  Wasser  von  ihm  ii 
den  Atbara.  Letzterer  soll  an  der  Ostküste  unweit  Suakim  gänzlich  im  Sande 
versiegen. 

^°)  Waldbildend  erscheint  hier  eigentlich  nur  die  Tamariske  und  £e 
Dum  pal  me,  welche  in  dieser  Zone  weite  Strecken  längs  der  Ufer  mi 
Gherau  bedecken,  während  in  der  Ebene  und  einzelner  an  den  Berghalden  Ine 
und  da  emporklimmend  nur  strauchförmige  Mimosen  zu  erwähnen  sind. 


645 

niederes  Bosch  werk  in  grAfieren  an<]  kleineren  Bestanden  erscheint 
lerstrent  in  der  Ebene  nnd  klimmt  wol  anch  noch  hie  nnd  da  die 
Berge  hinan.  Anch  die  hier  auftretende  Steppe  ist  nur  in  sehr  be- 
stbräokler  Verbreitung  nnd  kümmerlicher  Form  vorhanden;  wie  ja 
Iberhanpt  in  dieser  Zone  mit  dem  AufhOren  der  Regen  ein  atlmSliches 
Absterben  and  Anfbören  der  Vegetation  stattfindet,  wfthrend  immer 
ndir  and  mehr 

3.  die  Wflstenzone 
mn  Ausdruck  gelangt.  Diew  zieht  von  der  froher  erwSbnten  tödlichen 
Grenze  bis   an    die   nArdliche,   südliche   und   we^dicbe  Heereskfiste,  so 
das  ganz  Nord-Afrir&  nnge^r  bis  zwischen    den    ]!^    nnd   18*  n.  Br. 
ils  TOD  ihr  eingenommen  betrachtet  werden  kann. 

Die  auch  hier  wieder  zahlreich  anftretenden  Gebirgszfi^  zeigen 
denselben  Charakter  nnd  sind,  wie  fichon  die  meisten  in  der  früheren 
^e.  von  jeder  Hnmnsschichte  entblCDt,  vegetationEloB  and  gestatten 
ilaher  einen  genauen  Einblick  in  ihren  Bau.  Sie  erscheinen  als  vielfach 
niUflftete  Ketten  oder  Randgebii^e,  als  schmale  langgestreckte  Zflge. 
nlrbe  wenig  (iliedcrung,  jedoch  eine  vorwaltende  GleichmSfiigkeit 
Eeigen.  Daher  gelingt  es  oft  nnr  schwer,  eine  Partie  heranszufinden, 
lekhe  als  eigentlicher  Gebirgsstock  betrachtet  werden  kOnnte,  der 
eüt  nur  mehr  als  ein  Rest  des  früheren,  über  die  von  ihm  atammen- 
fcn  nnd  ihn  gröBtentbeils  bedeckenden  ZerstCningsproducte  emporragt, 
Sier.  wie  schon  an  den  meisten  Gebirgen  der  früheren  Zone,  tSsst  sich 
mr  eine  gewisse  regelmflilige  Sonderung  nnd  Anordnung  dieser  Zer- 
Unmgsproducte  beobachten,  welche  wol  hie  und  da,  durch  Neben- 
imsUnde  beeinflnsst,  minder  deutlich  und  charakteristisch  erscheinen, 
m  Gro6en  nnd  Ganzen  jedoch  immer  einen  und  denselben  Charakter 
leransfinden  lassen. 

Die  von  den  mittleren  Theilen,  den  GebirgskSmmen,  zuerst  los- 
ItlOsten  und  herabgestürzten  Felstriimmer  werden  nach  ihrer  Schwere, 
jrfiße  und  Form  nnd  nach  der  Beschaffenheit  der  Abbflnge,  in  größerer 
■der  geringerer  Feme,  diese  selbst  theilwei'se  bedeckend ,  oder  ver- 
Mzelt  an  flacheren  Stellen,  erst  am  Fuß  des  Beides  zur  Ruhe  ge- 
ugt  sein.  Die  beim  ersten  Sturz  schon  gebildeten  kleineren  Trümmer, 
inrden  mit  nengcbildctcn  von  ungefähr  gleicher  Beschaffenheit  wegen 
ires  geringeren  Gewichtes  weiter  abgelagert  nnd  bilden  die  Schutt- 
Bd  Steiuhslden,  welche  anf  weite  Strecken  die  unteren  Partieen  der 
ibhinge  und  den  Fuß  des  Berges  bedecken.  Das  nftchst  kleinere 
ientAmngsprodnct,  der  Grus,  kommt  natOrlich  in  noch  grOfierer  Feme 
II   liegen,    nnd    w&hrend  bisher  vorherrschend  nnr  mechanische  Kr&fte 


646 

thätig  waren,  wird  diese  Form  es  sein,  an  welcher  anch  eine 
chemische  Umwandlung  eintritt.  Der  Verwitterang  des  Gesteins  wiri 
nachdem  die  mechanische  Zerkleinerung  diesen  Grad  erreicht  hat,  eis 
weiter  Spielraum  gehoten  sein.  Natürlich  treffen  wir  GesteinsarteiL 
welche  einer  langsamen,  andere,  die  einer  schnellen  Zerstörung  unter- 
worfen sind,  hei  vielen  wird  dies  auch  von  den  einzelnen  Bestandtlieiles 
gelten.  Aus  diesen  wird  nun  eine  gleichförmige  feine  Masse  gebildet 
werden,  während  die  schwer  oder  gar  nicht  verwitterbaren  Bestand- 
theile  einer  weiteren  mechanischen  Zerkleinerung  ausgesetzt  sein  werden. 
Diese  letzteren  werden  vorherrschend  aus  sehr  gleichmäßigen  Quan- 
kömchen  bestehen,  welche  durch  Eisengehalt  meist  eine  rötblich  gelbe 
Färbung  zeigen,  und  wird  dieser  Sand  es  sein,  der  wegen  der  gleich- 
mäßigen Beschaffenheit  auch  der  größten  Verbreitung  unterworfen  ist 
und  dem  Boden  hauptsächlich  seinen  Character  aufdrückt  In  der  That 
sehen  wir  ihn  auch  die  ausgebreiteten  Sandwflsten  büden,  von  deneD 
Nord-Africa  größtentheüs  überlagert  erscheint. 

Die  Vegetation  in  dieser  Zone  ist  natürlich  eine  sehr  dürftige  und 
zwar  wird  sie  da  beginnen,  wo  das  herbeigetragene  Samenkorn  einen 
sichern  Ruhepunkt,  einen,  wenn  auch  nur  sehr  geringen  Grad  von 
Feuchtigkeit  zur  Keimung  und  die  junge  Pflanze  ihre  Nahrungsstoffe  in 
auflösbarer  Form  findet.  Diese  Bedingungen  treffen  wir  vereint  in  jener 
Ablagerung  der  Zerstörungsprodncte ,  welche  ich  als  Grus  bezeichnete, 
und  in  der  That  kommen  auch  hier  die  ersten  Spuren  einer  Vege- 
tation in  dieser  Zone  vor.  Die  beiden  letzten  Zerstörungsprodncte,  der 
Sand  und  die  eine  gleichförmige  Masse  bildenden  Verwittemngsproducte 
erleiden  eine  Sonderung.  Die  Wasser  der  freüich  sehr  seltenen  und 
unbedeutenden  atmosphärischen  Niederschläge  (da  diese  Zone  schoi 
außerhalb  des  Bereiches  der  tropischen  Regen  liegt)  schlämmen'  die 
feineren  Verwittemngsproducte  aus  dem  Sande  und  lagern  sie  an  gewissen 
Stellen  auf  diesen  ab.  Wo  dies  stattfand,  da  findet  man  auf  einer 
sandigen  oder  grusigen  Unterlage  eine  dünne  Schichte  abgesetzt 
welche  meist  durch  das  schnell  erfolgte  Trocknen  zersprungen,  auf- 
gerollt, von  der  Unterlage  abgelöst  erscheint.  Diese  Schichte  kl 
vielleicht  als  die  primitivste  Sedimentär-Bildung ,  als  der  erste  Begim 
einer  Humuslage  anzusehen,  welche  befähigt  ist,  die  ersten  Anfänge 
einer  Vegetation  zu  tragen.  Wo  nur  eine  geringe  Spur  solcher  Zer- 
setzungsproducte  im  Sande  vermischt  oder  aus  diesem  geschlämmt  ab 
Schichte  erscheint  und  atmosphärische  Niederschläge  nicht 
gänzlich  fehlen,  da  finden  wir  Vegetation,  wenn  auch  nur  eis 
kümmerliches,  dürftiges  Pflanzenleben.    Nur  im    reinen  Quarzsand,    ans 


647 

welchem  alle  jene  Theile  entfernt  sind,  fehlt  dieses  gänzlich  ^  ^ ;  seine 
Qoantitftt  and  Qualität  wird  ein  Maßstab  fOr  die  im  Sande  enthaltenen 
Yerwitteningsprodacte  sein. 

Wir  finden  deshalb  die  eigenthümüche  Pflanzenwelt  dieser  Zone 
aach  hier  wieder  an  die  tieferliegenden  Landstriche,  an  Bodensenkungen 
und  die,  durch  einen  der  selten  hier  stattfindenden  Regen  gebildeten 
Cberan  beschränkt.  Hier  werden  wir  auch  eine  Bildung  fruchtbaren 
Erdreiches  in  loco,  im  kleinsten  Maßstab  gewahren.  Die  Boden- 
unebenheiten  und  selbst  die  Vegetation  dieser  Stellen  werden  fflr  die 
von  fernher  durch  Winde  herbeigeführten  Yegetations-Reste  Sammel- 
punkte sein ;  und  da  auch  die  abfließenden  Wässer  hier  immer  mehr 
und  mehr  fruchtbares  Erdreich  (Verwitterungsproduct)  anschwemmen, 
könnte  man  eine  raschere  Zunahme  desselben  gewahren,  wenn  nicht  auch 
der  Sand  durch  dieselben  Umstände  herbeigeführt  würde.  Dennoch  sammelt 
sich  hie  und  da  fruchtbares  Erdreich  in  größerer  Masse,  und  es  ent- 
stehen jene  Stellen,  die  unter  dem  Namen  die  Oasen  bekannt  sind. 

Ein  ähnlicher  Schwamm- Vorgang  im  Großen  ist  es,  welchem  diese 
Zone  ihr  culturfähiges  Land  verdankt  Was  wir  an  jedem  unbe- 
deutenden ausgetrockneten  Regenbeet  im  kleinen  beobachten  können, 
sehen  wir  an  den  Ufern  des  einzigen  diese  Zone  durchfließenden  Stromes 
im  großartigsten  Maßstab.  Da  wo  der  Nil  von  seinem  viele  100  Meilen 
langem  Laufe  der  geringen  Bodensenkung  wegen  einhält,  da  schuf  er 
durch  Jahrtausende  und  noch  alljährlich  stattfindende  Ablagerungen  ein 
üppiges,  fruchtbares  Land;  er  lagerte  thatsächlich  die  von  ihm  und 
seinen  Nebenflüssen  zur  Zeit  der  Regen  aus  dem  fernen  Innern  herbei- 
geschleppten Schlammmassen  auf  den  nackten  Felsen  auf  und  in  den 
Sand  der  Wfiste  ab  und  schuf  Aegypten. 


Sehen  wir  schließlich,  ob  andere  in  der  Wfistenzone  beobachtete 
Vorkommnisse  sich  nicht  auch  im  Großen  wiederfinden  und  nachweisen 
lassen.  Nehmen  wir  einen  ehemaligen,  colossalen,  aequatorial  africani- 
schen  Gebirgsstock  an,  von  welchem  der  heutige  nur  mehr  ein  kleiner 
Theil  ist.  Die  höchst  gelegenen  Partien  desselben  werden,  sobald  sie 
nicht  mehr  durch  Schnee  und  Gletscher  bedeckt  sind,  natürlich  von  den 
atmosphärischen  Einflüssen  zuerst  und  am  meisten  zu  leiden  haben.  In 
ihren  Vertiefungen  werden  sich  die  Wasser  immer  mehr  und  mehr  an- 
sammein können  (Seen  bilden),  bis  sie  endlich  durch  entstandene  Risse 


**)  Dass  das'  gäuzlicbe  Fehleu  der  Vegetation  nur  eine  Seltenheit  sei, 
dartte  leicht  begreiflich  sein  und  die  übertriebenen  Begriffe  des  gänzlichen 
Maogela  der  Vegetation  in  jenem  Gebiet,  was  man  allgemein  mit  dem  Namen 
Woate  bezeichnet,  am  besten  auf  das  gehörige  Maß  reduciereo. 


648 

oder  Schluchten  einen  Ausweg  finden  und  als  Strom,  Flnss  etc.  ab- 
fließen. Die  an  den  Abhängen  abgelagerten  Zerstörangsprodncte  werdes 
aber  Schutthalden,  Stein  und  Grusfelder  von  ungeheurer  Aasdehnung 
bilden  und  hier  unter  diesen  Breiten  einer  viel  schnelleren  Zerstömng 
ausgesetzt  sein,  als  die  kleineren  der  Wüslenzone,  die  wir  bereits  kennen 
gelernt  haben.  Dasselbe  wird  auch  von  den  iocalan  (xebirgen  gelten, 
von  welchen  endlich  nur  wenig  Reste  als  isolierte  Klippen  aus  dem  sich 
allmftlich  abflachenden  und  ausgleichenden  Lande  emporragen,  dessen 
Boden  durch  Sumpfbildungen  und  Anschwemmungen  im  großartigsten 
Maßstab  sich  zu  jener  Zone  umgestalten  wird,  welche  wir  als  Steppen- 
Zone  bezeichnet  haben. 

Die  von  dem  centralen  Gebirgsstock  stammenden  nicht  verwitterten 
Zerstörungsproducte  werden  durch  Südstürme  gegen  Norden  geführt  und, 
mit  den  aus  den  Gebirgen  in  loco  stammenden  als  Sand  abgelagert, 
die  Wüste  nzone  bilden.  Zwischen  beiden  liegt  die  Wüsten- Steppen- 
zone, welche  als  Bindeglied  den  Uebergang  vermittelt. 

Der  Boden  des  nördlichen  Africa  wurde  in  das  Meer  abgelagert 
Das  Vorkommen  von  Gebirgen  mit  maritimen  Fossilarten,  die  Salz- 
lager etc.  sprechen  eher  für  diese  Ansicht,  als  für  die,  dass  Erhebungen 
stattgefunden  haben,  da  wir  hier  keine  Spuren  vulcanischer  Thäti^eit 
finden,  welche  diese  Ansicht  unterstützen  könnte,  wir  uns  aber  aus  des 
Vorgängen,  wie  wir  sie  noch  heute  im  Kleinen  sehen,  in  einer  langen 
Zeitdauer  großartige  Umgestaltungen  erklären  können. 


Verbindungsproject  des  persischen  Golfs  mit  dem  Mittelmeere. 

Von  F.  Kanitz. 

Die  Herstellung  eines  beschleunigteren  Verkehres  zwischen  dem 
persischen  Golf  und  dem  Mittelmeer  hat  in  Mithad  Pascha,  dem 
türkischen  Gouverneur  von  Bagdad,  einen  eifrigen  Förderer  gefunden. 
Mithad  Pascha  ist  unstreitig  das  tüchtigste  organisatorische  Talent  der 
gesammten  türkischen  Adnünistration.  In  Bulgarien  (Tuna  Vilajet)  hatte 
er  in  wenigen  Jahren  für  Communikationen  und  sonstige  Civilisations- 
mittel  mehr  gethan,  als  seine  Vorgänger  in  Jahrhunderten.  Sein  rück- 
sichtsloser übergroßer  Reformeifer  hatte  ihn  aber  in  Constantinopel  mis- 
liebig  gemacht  und  eines  schönen  Tages  fand  er  sich  in  Folge  rastloser 
Intriguen  nach  der  altberühmten,  aber  sehr  herabgekonunenen  Califen- 
stadt  Bagdad  versetzt,  wo  er  namentlich  die  unbotmüßigen  Söhne  der 
Wüste  im  Zaum  halten  sollte.  Diese  Aufgabe  konnte  einem  Geiste  wie 
Mithad  Pascha  —  den  seine  Glaubensgenossen  seines  rastlosen  Arbeitens 


649 

w^n  auch  den  „Djaur  Pascha*  (Christen  -  Pascha)  nannten  —  nicht 
genfigen  Unter  manch  anderen  Plänen  wnrde  die  Einheziehong  von 
Bagdad  und  Bassora  in  den    Weltverkehr    eine  Liehlingsidee   Mithad*8. 

Nachrichten  ans  Beirat  vom  Mai  d.  J.  zufolge  ließ  Mithad  Pascha 
eine  Expedition  unter  Leitung  des  Belgiers  Schmitt  (Mashud  Beg),  be- 
stehend aus  mehreren  kleinen  Dampfern  von  Koma,  am  Vereinigungs- 
punkt  des  Tigris  mit  dem  Euphrat,  letzteren  zur  Vornahme  genauer 
Sondierungen  seines  Bettes  stromaufwärts  gehen. 

Die  sorgftltig  ausgefQhrten  Messungen  stellten  folgende  Resultate 
fest:  der  Euphrat  ist  bis  Balis  (befestigtes  Städtchen  am  linken  Fluss- 
ufer in  Syrien)  vollkommen  schiffbar  für  Dampfer,  deren  Tiefgang  nicht 
10  Fnß  übersteigt;  denn  die  Tiefe  des  Strombettes  beträgt  abwech- 
selnd 12 — 30  Wiener  Fuß.  Die  unbedeutenden  Hemmnisse  desselben 
sind  leicht  zu  beseitigen.  Die  Fahrt  von  Bagdad  bis  Balis  wird  aufwärts 
in  5 — 6,  abwärts  in  4 — 5  Tagen  zurückzulegen  sein.  Nachdem  nun  die 
Entfernung  von  Balis,  dem  Endpunkt  der  Dampfschiffahrt  bis  nach 
Alexandrette,  dem  Mittelmeerhafen,  nur  30  geographische  Meilen 
beträgt,  so  würde  nach  Herstellung  der  zwischen  diesen  beiden  Punkten 
über  Aleppo  zu  führenden  Fahrstraße,  der  heute  noch  zwischen  Bagdad 
und  Alexandi*ette  30 — 40  Tage  erfordernde  Karawanenweg  auf  7 — 8  Tage 
herabgemindert  werden,  gewiss  ein  sehr  erfreuliches  Resultat,  das  durch 
die  Leichtigkeit  der  Steinkohlenversorgung  für  Dampfer  in  Bassora  voll- 
kommen gesichert  erscheint. 

Die  Arbeiten  der  von  Mithad  Pascha  entsendeten  Expedition  waren 
sehr  umfassend  und  zeitraubend.  Man  heizte  mit  Holz  und  fuhr  nur  bei 
rage.  Wegen  der  vielfaltigen  sorgfältigen  Messungen  erreichte  Herr 
Schmitt  Balis  erst  in  40  Tagen,  die  Rückfahrt  stromabwärts  bis  Rawa 
(am  Euphrat  in  gleicher  Linie  mit  Bagdad)  betrug  aber  trotz  der 
□oancherlei  noch  zu  beseitigenden  Hindernisse  im  Strombett  nur  7  Tage ; 
fon  Rawa  bis  Bagdad  zu  Lande  1  Tag,  zusammen  also  von  Balis 
bis  Bagdad  etwa  9  Tage. 

Ermuntert  durch  diesen  unerwartet  günstigen  Erfolg  befrachtete 
man  sofort  einen  Dampfer  mit  Waren,  vorzüglich  mit  Tumbak-Tabak, 
welcher  von  Rawa  stromaufwärts  ohne  jeden  Unfall  glücklich  nach 
3alis  gelangte. 

Zur  Herstellung  einer  guten  Fahrstraße  von  Balis  nach  Alexandrette, 
lat  das  türkische  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten  einen  englischen 
[Tigenieur  mit  72()  Pf.  Stlg.  Gehalt  und  3  Monat  Urlaub  im  Jahre  fßr 
aleppo  angestellt.  Der  schwierigste  Theil  der  Straße  ist  auch  bereits 
irollendet.  Schon  geht  sie  mit  mäßiger  Steigung  auf  die  Höhe  des 
3«Ilan.  Von  dort  zieht  sich  in  die  Ebene  hinab  eine  alte  Römerstraße, 

JSittheilurigeii  d.  geogr.  (ieeeU.  1870.  14.  42 


650 

welche  nur  einiger  Ausbesserong  bedarf.  Die  Fortsetzung  der  Stnfie 
dnrch  die  Ebene  von  Antiochia  bietet  nur  vor  Aleppo,  wo  felages 
Hügelland  beginnt,  einige  Schwierigkeit.  Der  Straßenbau  selbst  kostet 
die  türkische  Regierung  nur  wenig;  denn  sowol  in  der  asiatischoi 
als  europäischen  Türkei  ist  die  männliche  Bevölkerung  durch  eine  be- 
stimmte Zahl  von  Tagen  zu  unentgeltlicher  öffentlicher  Arbeit  ffir  da 
Staat  verpflichtet.  Bei  dem  Straßenbau  von  Alexandrette  nach  Balis 
beträgt  diese  Zwangsarbeit  6  Tage  oder  eine  Ablösung  von  36  Piaster 
(3  fl.  60  kr.)  pr  Kopf.  Der  Staat  trägt  nur  die  Kost^  für  KuiKt- 
bauten,  Brücken  u.  s.  w. 

Nach  den  uns  gewordenen  Mittheilungen  lässt  die  bekannte  Eneigie 
Mithad  Pascha's  die  rascheste  Ausführung  eines  Projectes  hoffen,  das 
nicht  nur  auf  die  seiner  Verwaltung  anvertraute  Provinz,  sondern  andi 
auf  den  indischen  Handel  bedeutenden  Einfluss  nehmen  dürfte  luui 
es  erscheint  die  Einbeziehung  der  Länder  am  persischen  Golf  in  dei 
Weltverkehr  in  nicht  femer  Zeit  gesichert. 


Geographische  Literatur. 

Bestimmung  der  Seehöhen  von  Orten  aufgraphischem 

Wege    nach    beobachteten   Barometer-    und    Thermometerständen   vu 

(t)  Franz  Kath,  Assistent  der  meteorologischen  Gentralanstalt,  Mitr 

glied  der  k.  k.  geogr.  Gesellschaft,   neu  geprüft  und  herausgegeben  tob 

J.  G.  Schoen.  Wien  1871.  Beck'sche  Univ.  Buchhandlung  (A.  Hölderi. 

16  S.  Doppel -8.  mit  1  Tafel  aus  4  Blättern. 

Der  Eründer  der  graphischeu  Methode  zur  Bestimmaug  der  Seehöbo, 
Herr  Ratb,  hat  seiuer  Tafd  folgende  Einrichtung  gegeben :  £in  I^ets  aus  seak- 
recht  aufeinanderstehenden  Parallelen,  deren  verticale  Reihe  den  Barometo- 
ablesungen  in  Pariserlinien  und  MiUiinetern  und  deren  horizontale  Beihe  dei 
Höhen  in  Klaftern  und  Metern  gewidmet  ist,  wird  durch  einen  StralenbOndii 
durchsetzt,  welcher  der  Temperatur  der  Lutt  in  R.  Graden  entspricht.  Dadurch 
wird  das  Nachschlagen  einer  Tafel  und  die  Gorrection  wegen  der  Luftwi« 
erspart,  indem  man  mit  dem  beobachteten  und  vorher  mit  flüfe  einer  kieiaa 
Tafel  auf  0  reducierteu  Barometerstände  in  die  linke  Columne  eingeht,  da 
Zug  der  Parallele  zu  den  Horizontalen  bis  zur  beobachteten  Lufttemperats 
und  nach  dem  Zusammenstoß  aufwärts  den  Zug  der  Parallele  zu  den  Yer- 
ticalen  verfolgt,  und  am  Schnitt  der  Columnen- Grenze  die  gesuchte  Höhe  m 
Klaftern  oder  Metern  abliest.  Da  jedoch  die  Tafel  ihrer  Anlage  nach  vollstäB4| 
ausgeführt  über  30  Quadrat-Fuß  einnehmen  würde,  so  erscheint  nur  der  scfeatf 
sie  durchschneidende  Stralenbündel  mit  dem  ihn  umgebenden  Theile  da 
Quadratnetzes  herausgezogen,  und  weil  er  viel  zu  lang  ist,  um  als  GhuuH 
auf  einer  Platte  graviert  werden  zu  können,  so  erscheint  er  auf  der  beige- 
gebenen Tafel  in  12  getrennten  Stücken  untereinander,  denen  noch  6  aadece 
angefügt  sind,  welche  eine  Erweiterung  der  Tafel  auf  Basis  eines  kleinere 
Netzes  und  reducierter  Eingänge  bilden.  Bei  dieser  Einrichtung  wird  der  G<- 
brauch  von  Tafeln  (mit  Ausnahme  der  kleinen  dem  Texte  beigefügten  zur  St- 
dttction  auf  0^  entbehrlich,  es  steht  jedoch  dahin,  ob  nicht  die  Bequemiidikdl 
der  Resultatserlangung  ohne  Nachschlagen  und  Rechnen,  durch  die  Austra- 
gung der  Augen  und  die  möglichen  Fehler  beim  Ablesen  und  Schätzen  det 
Intervalle  aufgewogen  wird,  wie  auch  durch  den  oftmaligen  Wechsel  der  Slreifei? 


661 

weon  ganie  Reihen  von  Messungen  xnr  Anwendung  kommen.  Es  lAsst  sich  aneh 
mutmaßen,  dass,  so  wie  der  practische  Rechenschieber  das  logarithmische 
Quadrat  überflOgelt  hat,  eine  ähnliche  Anordnung  für  Höhenmessungen  erfinden 
werden  könnte,  deren  Anbringung  schon  auf  dem  Barometer  denkbar  wftre, 
wenn  die  Scala  für  die  Höhen  bezQglich  der  Theilung  nicht  in  so  großem  Ab* 
Stande  von  jener  der  Pariserlinien  oder  Millimeter  w&re.  — .8— 

Wandkarte  der  österreichisch-angarischen  Monar* 
chie  von  A.  Dole2al.  Gotha  bei  J.  Perthes  1870.  9  Blätter  im 
Masse  von  1  zu  864000.  der  Natur. 

Die  bisherigen  Wandkarten  der  österr.-ungar.  Monarchie  waren  ihrer 
ganzen  Anlage  nach  vorwiegend  politische  Uebersichtskarteu ,  auf  weichen 
me  physischen  Verhältnisse,  durch  möglichst  grelles  Colorit  ged&mpll,  nur  eine 
untergeordnete  Rolle  spielten.  Auf  dieser  Wandkarte,  die  bezüglich  der  Aus- 
tohrung  des  Terrains  an  die  schöne  Karte  der  Schweiz  im  Stieler'schen  Hand- 
atlas erinnert,  ist  ihnen  die  Hauptrolle  zugedacht.  Die  Bergzeichnung  erscheint 
in  loiiftigen  Zogen,  in  einem  befriedigenden  allgemeinen  Verhältnisse  und  wird 
die  Auffassung  der  Erhabenheit  noch  durch  farbige  Töne  untersttltzt ,  mittels 
welchen  durch  licht  und  dunkelbraun,  durchrissen  und  voll,  fiOnf  Höhenschichten 
markiert  werden,  von  ü  bis  500',  SOG  bis  1000',  1000  bis  2000',  2000  bis  SOOO', 
5000  bis  SOOO'.  Diese  Stufeuleiter  hat  ihre  Vorzüge  und  Nachtheile.  Da  der 
dunkelste  Ton  in  die  Mitte  fallt,  gewinnen  die  Hoch-Gebirge  an  plastischem 
Aasdruck,  und  im  flachen  Laude  genügt  die  Steigerung  des  blassen  Tons,  um 
die  Hebung  im  Großen  zu  characterisiereu  und  die  Grenzen  der  Schichten  er- 
aichtiicU  zu  macheu.  Im  höheren  Gebirge  deckt  die  kräftige  Schridßenuig  die 
S<dieidelinie  von  5000'  meistens  so  sehr,  dass  sie  nur  mit  Mühe  verfolgt  werden 
kann.  Die  Schichten  treten  überhaupt  mehr  unterstützend  auf  als  unabhängig-; 
sie  als  Hauptobject  hinzustellen,  lag  wahrscheinlich  gar  nicht  in  der  Abuoht 
des  Auton.  £iue  detailliertere  Ausführung  würde  den  ganzen  Typus  der  Karte 
verändert  habeu,  da  die  Schraffen  hatten  hin  wegfallen  müssen  und  die  Karte 
den  Charakter  eiuer  Schul  Wandkarte  zur  allgemeinen  Erkenntnis  der 
Terrainhauptverhältnisse  verloren  hätte.  Die  Ausführung  erstreckt  sich  so 
weit  über  die  Staatsgrenzen,  dass  jedes  Gebirge  als  Ganzes  au^efssst  werden 
kann,  jedoch  nicht  so  weit,  um  noch  weiter  gehende  Wünsche  zu  erfüllen,  die 
sich  bis  zu  einer  vollen  Ausfüllung  des  Kartenbildes  versteigen  könnten.  Doch 
kann  man  zugeben«  dass  eine  Einbeziehung  der  bairischen  Hochebene  das  Bild 
der  Alpen  bis  zur  äußersten  Umrandung  vor  Augen  gebracht  hätte,  und  dass 
das  Abbrechen  der  Schichten  hinter  den  österreichischeu  Alpen  störend  wirkt. 
Auch  das  Kebenkärtchen,  welches  den  Lauf  der  Donau  bis  in's  schwarze  Meer 
ergänzt,  verliert  viel  durch  das  HinwegLissen  der  Terrainzeichnung  in  dar 
Dobrutscha  und  am  bulgarischen  Ufer. 

Trotz  dieser  Lücken  kann  man  dieses  Erzeugnis  der  rührigen  Gothaer 
Anstalt  als  zweckentsprechend  für  den  Gebrauch  an  Mittelschulen  erklären  und 
es  wird  denselben  desto  mehr  zu  Gute  konmien,  je  weniger  die  bestehenden 
Wandkarten  den  Anforderungen  bezüglich  der  höchst  wichtigen  natürlichen  Ge- 
staltung des  Bodens  unserer  Länder  geuügen.  — s—- 

Encyclopädie   zur   Landeskunde   Galiziens.   3.  Heft. 

Nach  langer  Unterbrechung,  die  uns  schon  für  die  Fortsetzung  dieser 
höchst  verdiensdicheu  Arbeit  besorjgt  machte,  erscheint  das  dritte  Heft  der 
Encyclopädie  zur  Landeskunde  Galiziens  von  A.  Schneider,  und  eslässt  sich 
somit  annehmen,  dass  die  Schwierigkeiten  der  weitem  Herausgabe  ^cklich 
beseitigt  sind,  was  den  zahlreichen  Freunden  des  Werkes  nur  erwünscht  sein 
kann. 

Das  vorliegende  Heft  setzt  den  Buchstaben  A  unter  dem  Artikel  »Archive« 
fort  und  schließt  mit  der  chronolonschen  Folge  der  Erzbischöfe  (Arcybiskupi) 
Yon  Lemberg.  Der  Verfasser  weiß  den  trockenen  Angaben  eine  interessante 
Seite  abzugewinnen,  die  den  Leser  durch  die  historisdie  Bedeutung  fiessdt. 

So  heißt  es  S.  169,  dass  in  Polen  jede  halbwegs  angesehene  Familie 
schon  seit  alter  Zeit  für  die  Verzeichnung  der  wichtigsten  Begebenheiten  in 
besondem  Chroniken  Sorge  trug,   welche  von  Vater  auf  Sohn   übergehend, 

42* 


652 

stftndiff  fortgeführt  lud  im  FamilieDarrJuTe  aufbewahrt  werdeu.  So  ezistieile 
eine  Quroiiik  des  Geschlechtes  Toporczyk,  mit  dem  Anfang  Polens  begia- 
nend,  ein  prachtToU  gebandenes,  in  lateinischer  nnd  polnischer  Spradie  ge- 
ehrtes Buch,  im  Schlosse  Szubin  in  preußisch  Polen,  wo  sie  im  16.  Jahr- 
hundert ein  Baub  der  Flammen  wurde.  Femer  erz&hlt  Schneider  von  eioer 
Chronik  des  Geschlechtes  Odrow^z,    welche    bereits  im     IS.  Jahrhundert  in 

golnischer  Sprache  geschrieben  wurde.  Hiedurch  widerlegt  sich  die  Be- 
anptung  der  Geschichtschreiber,  als  ob  der  Gebrauch  der  pomisdien  Spradie 
in  Schrift  erst  in  der  H&lfte  des  i6.  Jahrhunderts  zur  Geltung  gekommen 
w&re.  Die  Chronik  des  berOhmten  Heldengesdilechtes  Chodkiewics  datiert 
aus  den  Zeiten  der  Kreuzritter  und  Lithauer,  namentlich  aus  dem  Jahre  lilfw  — 
Die  chronologische  Reihenfolge  der  Erzbischöfe  wQrd^  an  sich  wenig  des 
Interessanten  bieten,  wenn  nicht  jeder  Name  und  die  Zeit,  in  welche  er  fäUt, 
mit  80  viel  wissenswerten  und  aufklärenden  historischen  Daten  und  Skizzeo 
zur  Darstellung  von  Zeitbildern  und  zur  Vergegenwftrtigung  der  jeweiligen  biltoi 
so  viel  des  Anregenden  darböte. 

Wir  wflnsdien  dem  gemeinnützigen  Werke  den  besten  Fortgang  und  die 
weiteste  Verbreitung.  A.  Sk.  —  L 

Geologische  Karte  der  Schweiz  von  B.  Studer  und 
A.  Eseber  von  der  Linth.  2.  Aufl.  Maßstab  1:380000-  Vertag 
von  Wurster,  Randegger  &  Comp.,  Winterthur. 

Die  Freunde  der  Naturwissenschaft  und  Erdkunde  und  alle  TonristeB, 
welche  sich  nicht  nur  um  die  äußere  Schönheit,  sondern  auch 
um  den  Innern  Bau  des  Alpenlandes  interessieren,  werden  auf  die 
Neubearbeitung  der  geologischen  bchweizerkarte  von  6.  S  tud er  und  A.  £  s ch  er 
?.  d.  Lintii  aufmerluam  gemacht.  Diese  U.  Ausgabe  ist  nach  den  nenestei 
Publicationen  der  Autoren  und  der  Schweizer-Geologen  v.  Fritsch,  Gil- 
lern,  Jaccard,  Kaufmann,  Mösch,  Malier,  Steppani,  TheobaU 
von  J.  Bachmann  durchgesehen  und  vorbessert  worden. 

Als  Karte  Oberhaupt  gehört  sie  zu  den  vorzQglichen  Leistimgeii  der 
Topographen  in  Winterthur.  Sie  bietet  in  der  Zeichnung  der  Plastik,  der 
Hydrographie,  der  Topographie  und  Communicationen  alles Weseuft- 
licne  klar  und  deutlich  trotz  der  Eintragung  der  geologischen  Bilder.  Die  schwierige 
Bedaction,  das  gewaltige  Material  in  diesen  Rahmen  zu  bringen,  wurde  von  des 
berOhmten  Autoreu  Hm.  Bachmann  zu  Theil  und  diesem  damit  auch  ein 
Vertrauen  und  eine  Auszeichnung  von  der  oompetentesten  Seite«  die  nns 
weiteren  Lobes  äberhebt  Wirklich  zeigt  die  If.  Auflage,  mit  der  I.  ver^diea, 
die  enormen  Fortschritte  der  Geologie,  dieses  wesentlichen  und  interpretierende 
Zweites  der  physicalischen  Geographie.  ~  Der  Umstand,  dass  die  neoera 
Arbeiten  in  verschiedenen  Theilen  der  Alpen  nnd  des  Jurazuges  selbverständ- 
lieh  in  ffößenn  Maßstab  und  einlässlicher  ausgeführt  sind,  musste  allerdingi 
für  die  Beduction  auf  den  Maßstab  der  Zieg  1er 'sehen  HI.  Karte  erschwerend 
sein.  Damit  hängt  auch  die  etwas  ungleiche  Detaillierung  in  den  verschiedenea 
Gebieten  zusammen.  So  finden  wir  im  Aargauer  Jura,  in  den  Gebirgen  der 
Umgebung  des  Montblanc,  in  den  Kalkalpen  zwischen  Greverz  und  Jaun,  is 
der  Beminagrup^e  und  im  Engadin  eine  viel  reichere  Gliederung  als  in  da 
anstoßenden  Theilen,  ohne  dass  desswegen  anzunehmen  wäre,  die  rortdauemdea 
eifirigen  Untersuchungen  der  gegenwärüff  thätigen  Geologen  werden  in  des 
letzteren  Gegenden  nicht  dieselbe  Mannigmltigkeit  von  Formationen  nachweisea. 
Sind  doch  luif  der  neuen  Ausgabe  bereits  5l  theils  paläeontologiach,  thedi 
petrographisch  begrflndete  Formationsglieder  unterschieden,  yon  denen  aller- 
dmgs  ein  Theil,  zumal  vulcanischer  Gresteine,  eine  geringe  Bedeutung  besitzet 
und  nicht  einmal  in's  politische  Gebiet  der  Schweiz  gehören. 

Die  schöne  Karte  gewährt  einem  geflbten  Auge  ein  umfassendes  DetaS- 
bild  von  der  großen  Mannigfaltigkeit  in  der  Zusammensetznngsart  des  Schweizer- 
bodens und  von  dem  Zusammenhang  der  characteristischen  TerraingeataltooK 
mit  dem  geognostischen  Substrat.  J.  S.  Gerater. 


653 


Bücher  und  Karten,  *) 


«nidio  tiMik  als  GeMhank)  thaib  im  Wege  des  Schrtflontausdies  an  die  k.  k.  geognipiiisclie  Gesellschifll 

gelangt  sind. 

Vom  1.  September  bis  Ende  November  1870. 

Di«  Oeeohenkaezemplue  nad  mit  *  beseiehBei. 

Agram.  Bad  jagOBlayenske  akademiie  znanoBti  i  amjetnosti  Enjiga 
10,  11,  12.  1870. 

Albany.  Amend  cbaracter  of  the  äiy  of  A.  1870. 

—  Annnal  report  for  the  relief  of  nck  and  woonded  soldiers  of  the 
State  of  New- York. 

—  Compound  and  comminuted  Gun-shot  fractores  of  the  tigh  1864. 

—  Adjutant  general  report  L  n.  1864/5. 

—  The  memory  of  President  Lincoln  18. 

—  First  and  second  reports  of  the  State  Agricoltaral  sode^  (Binder- 
pest) 1867. 

—  The  comptroller  report  of  the  State  of  New- York  1870. 

—  Transactions  of  the  New- York  State  Agricultural  society  I.  n.  1867/8. 

—  New- York  Insurance  report  Vü.  1^6.  Vm.  1867.  IX.  1868.  X.  1869. 

—  Manuel  for  the  use  of  the  legislature  pf  the  State  of  N.  1870. 

—  Silk  and  Manufiäctures  report  1868. 

—  Annual  message  of  the  governor  of  the  State  of  N.  1870. 

~  Lewis  Taylor,  Prof.,  A  photograph  from  the  mins  of  andent 
Greece  1865. 

Bamberg.  Dreißigster  und  ein  und  dreißigster  Bericht  aber 
das  Wirken  und  den  Stand  des  historischen  Vereins  zu  Bambcog  im 
Jahre  1866-1868.  Bamberg  1868-69. 

Basel.  Beiträge  zur  vaterl&ndischen  Geschichte,  von  der  historischen 
Gesellschaft  in  Basel.  IX.  1870. 

Berlin.  Generalbericht  Aber  die  europäische  Gradmessung  für  das 
Jahr  1869.  Berlin  1870. 

*-—  Karte  der  Routen  Gerhard  BohlÜB  in  Cyrenaica  von  Richard 
Kiepert  1870. 

*—  Karte  der  Umgebungen  des  Bades  von  Wildungen,  von  Richard 
Kiepert  1870. 

—  Zeitschrift  für  die  gesammten  Naturwissenschaften.  Neue  Folge. 
1870.  B.  1. 

—  Zeitschrift  des  k.  preuü.  statistischen  Bureaus,  redigiert  v.  Dr.  Ernst 
Engel.  Jahrg.  X.  1  und  2.  1870. 

Berlin.  Zeitschrift  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft.  XXn.  3. 1870. 
^  Zeitschrift  der  Gesellschaft  f&r  ErcSninde  zu  B.  Y.  4.  1870. 

]^ern.  Mittheilungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Bern  1869. 
Nr.  684—711.  Bern  1870. 

Bologna.  Memorie  dell'  Academia  delle  sdenze  dell'  istituto  di  Bo- 
logna Serie  IL  T.  IX.  Fase.  4.  et  Serie  n.  T.  X.  Fobc.  1.  1870. 

—  Rendiconto  delle  sessioni  dell'  academia  1869—70. 

Bombay.  Transactions  of  the  Bombay  Geographical  Society,  from  Jan- 
nary  to  December  1869.  Vol.  19.  Part.  1.  1870. 

—  The  Times  of  India.  Nr.  21  und  26.  1870. 

Boston.  Proceedings  of  the  second  annual  meeting  of  the  Board  of 
trade  1870. 

*B raunschweig.  Wrede  Adolph  v.,  Reise  in  fladramaut,  heraus- 
g^eben  von  Freiherr  v.  Maltzan.  1870.  Braunschweig  bei  Vieweg. 


*  Das  erste  Verzeichnis  s.  Seite  82,  das  zweite  283,  das  dritte  Seite  529 
der  diesjährigen  Mittheilungen. 


654 

Brunn.  Programm  des  k.  k.  deutschen  Obergymnasiums  1870. 

—  Mittheilungen  der  k.  k.  Gesellschaft  tor  Ackerbau,  Natur-  und  Lan- 
deskunde. 12.  13.  1870. 

Emden.  Fünfundfünfzigster  Jahresbericht  der  naturforschenden  Gesell- 
schaft in  Emden  (1869)  1870. 

*—  Prestel  M.  A.  F.  Dr.,  Der  Boden  der  ostfriesischan  Halbinsel 
Beitrag  zur  Geognosie  und  Geologie.  1870. 

Florenz.  BoUetino  de  la  societä  geographica  italiana.  Fase.  5  (partie 
seconde)  1.  October  1870. 

Gotha.  Petermann  Mittheilungen.  16,  Band  1870.  9.  10.  11. 

*—  Petermann  Dr.,  Der  Golfstrom  und  Standpunkt  der  thennome- 
trischen  Kenntnis  des  atlantischen  Oceans  und  Landgebiets  im  J.  1870. 
Separatabdruck. 

^Geographie  und  Erforschung  derPolar-Begiouen.  Nr.  39.  Separatabdrock. 
*—  Gap.  Johannesen's  Fahrt  im  karischen  Meer  und  SUuid  der  Pohx- 
frage  im  J.  1870.  Separatabdruck. 

Graz.  Jahresbericht  des  k.  k.  ersten  Staatsgymnasinms  in  Graz,  Tom 
Director  Dr.  Richard  Peinlich.  1870. 

—  Mittheilungen  des  naturwissenschaftlichen.  Vereins  für  Steiermark  IL 

2.  1870. 

—  Der  steierische  Landbote.  20—23.  1870. 

—  Atti  c  memorie  delP  i.  r.  societÄ  agraria  IX.  18—21.  1870. 
He.lsingfors.  Bidrags  tili  kaennedom  of  Finlands  natur  och  folk  XY. 

u.  XVI. 

—  Oefersigt  of  F.  Vet.  Societetens  förhandliuger  1869—1870. 

Hermannstadt.   Programm   des    Gymnasiums   A.    0.    zu    HermanB- 

Stadt.  1870. 

—  Programm  des  evangelischen  Gymnasiums  und  der  mit  ihm  t» 
bondenen  Lehranstalten  in  Bistritz.  1870. 

Hildburghausen.  Erg&nzungsblätter  zur  Kenntnis  der  Gegenwart 
VL  2-11.  1870. 

Klagen  fürt.  Mittheilnngen  über  G^enstände  der  Land-,  Forst-  aod 
Hauswirtschaft.  19-21.  1870. 

Köln  und  Leipzig.  Gaea,  Natur  und  Leben.  IV.  Jahrg.  5,6,  7.  187a 

Kopenhagen.  Aarboger'for  nordisk  oldkyndighed  og  historie  udgiyiie 
af  det  kongelige  nordiske  oldskrift-Selskab  1869.  3.  4.  1870,  1. 

—  Tillaeg  til  aarboger  et  aorgang  1869. 

—  Memoires  de  la  soci6t6  royal  des  antiquaires  du  Nord.  NouFelk 
Serie  1869. 

Kronstadt.  Schriftsteller-Lexicon  oder  biographisch-literarische  Denk- 
blfttter  der  Siebenbürger  Deutschen,  von  Joseph  Trausch.  I.  B.  1868. 

—  Archiv  des  Vereins  für  siebenbürgische  Landeskunde.  Neue  Folge. 
VIII.  3  und  IX  1.  1869-1870. 

—  Jahresbericht  des  Vereins  für  siebenbürgische  Landeskunde  fdr 
1868/9.  Hermannstadt  1869. 

Leipzig.  Berichte  über  die  Verhandlungen  der  k.  sächs.  Gesellschift 
der  Wissenschaften.  Philolog.-histor.  Gl.  E.  m.  1868.  I.  U.  lU.  1869.      ' 

♦ —  Reatz  C.  F.  Dr.,  Geschichte  des  europäischen  Seeversichernngi- 
rechts.  Leipzig  1870. 

Lemberg.  Bolnik,  czasopismo  dla  gospodarzy.  wiejskicL  Tom.  d 
Zeszyt  3—5.  1870. 

—  Encyklopedya  do  Krajoznawstiva  Galicyi  etc.  zebral  i  wydal  Antom 
Schneider.  Tom.  L  Zeszyt  3.  1870. 

Linz.  Summarischer  Bericht,  betreffend  die  Verhältnisse  der  Indostne. 
des  Handels  und  Verkehrs  in  Oberösterreich  in  den  Jahren  1868—1869.  Han- 
dels- and  Gewerbekammer  1870. 

Linz.  Landwirtschaftl.  Zeitung.  19—21. 


655 

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in  Council.  London  1870. 

—  The  Journal  of  the  royal  geographical  society  IXL.  1869. 

Land.  Acta  universitatisLundensis  1869.  Theologie,  Philosophie,  Sprach- 
wissenschaft und  Geschichte,  Mathematik  und  Katurwissenscharben.  3  Bde. 
Land  1868-69. 

Mailand.  Atti  della  societä,  italiana  di  scienze  naturali  Vol.  XII.  Fajsc.  3 
f.  27-47)  und  4  (f.  48-51)   Maüand  1870. 

Manchester.  First  annual  report  upon  the  geology  of  the  State  of 
New  Hampshire  1869. 

Marburg  (Steiermark).  Programm  des  k.k.  Gymnasiums  in  Marburg  1870. 

Mons.  Memoires  et  Publications  de  la  soci^t6  des  sciences,  des  arts  et 
des  iettres  du  Hainant.  1870. 

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München.  Sitzungsberichte  der  k.  bayer.  Academie  der  Wissenschaften. 
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for  the  condition  of  the  poor.  1868,9. 

—  Report  of  the  State  of  the  New-York  hospital  1870. 

—  American  Society  of  civil  eugeneers  14.  1876. 

—  Rules  and  regulations  of  the  Green-wood  Cemeter}'  1870. 

—  The  V.  VII.  and  X.  annual  report  of  the  trustees  of  the  Cooper 
Union  1864—1869. ' 

—  Journal  of  the  American  geographical  and  Statistical  society  H.  2. 1870. 

—  Annual  message  of  the  govemor  of  the  State  of  N.  1870. 

—  Fifth  annual  report  of  the  metropolitan  Fire  Departement.  1870. 

—  Wilson's  Business  directory  of  the  city  of  N.  1867. 

—  XI.  annual  report  of  the  Chamber  of  commerce  1869. 

—  IV.  annual  repoit  of  the  metropolitan  Fire-Departement  1869. 

—  XXn.  annual-report  of  the  regeuts  of  the  university  cabinet  of 
natural  history.  1869. 

0  rleans.  Memoires  de  la  soci6t^  d'agriculture,  sciences,  belles-lettres 
et  arts  d'ürleans.  III.  3.  1870. 

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Paris.  Bulletin  de  la  soci6t6  de  Geographie.  Avril— Maie  Juin  1870. 

—  Revue  Maritime  et  coloriate  XXIX.  115.  Paris  1870. 

* —  Hervet  Emile.  L'ethnographie  de  la  Pologne,  memoire  lu  k  la 
societe  d'  ethographie  de  Paris.  1869. 

*Pest.  Hatsek  Ignaz,  Karte  der  Eirchengemeinden  der  Evan- 
gelischen beider  Bekenntnisse  und  Unitarier  in  den  zur  ungarischen  Krone 
gehörigen  Ländern.  1870. 

St.  Petersburg.  Schriften  topographische  des  Generalstabes.  Band 
XXXI  (russisch).  Petersburg  1870. 

—  Nachrichten  der  keiis.  russischen  geographischen  Gesellschaft  (russisch). 
T.  VI  4,  5,  6.  1870. 

—  Bulletin  de  1'  academie  imperiale  des  sciences  de  St.  Petersbouig. 
Tom.  XV.  (Feuilles  1—16).  Nr.  1  und  2.  1870. 

—  Memoires  de  V  academie  imperiale  des  sciences  de  St.  Petersbourg. 
VU.  Serie. 

Tom.  15.  Nr.  5.  J.  Frische.    Ueber  einen  eigenthümlichen  Molecular- 

zustand  des  Zinnes. 
Tom.  15.  Nr.  6.  Kokscharow.  Ueber  Olivin  aus  dem  Pallas-Eisen. 
Tom.  15.  Nr.  7.  Boutlerow.    Sur  la  structure   chimique  de  quelques 

Hydrocarbures  non-satur6s. 


666 

Tom.  15.  Nr.  8.  Grimm.  Die  unj^eschlechtliche  Fartpflanwing  der  Gklio- 
nomns-Art  und  deren  Entwicklong  aus  dem  nnbefrachteCeii  ES. 
St.  Petersburg  1870. 

Philadelphia.  Insurance  Statistic.  1870. 

Prag.  Gentndblatt  ffir  die  gesammte  Landescultur.  21.  Jahrg.  der  ueaei 
Folge.  2.  Jahrg.  9.  Heft  1870. 

Prag.  JechPs  land-  und  Volkswirtschaft!.  Wochenblatt.  39-44.  187a 

Rom.  Corrispondenza  scientifica  in  Roma.  8.  4.  1870. 

Solothurn.  Verhandlungen  der  schweizerischen  naturforadiendeD 
Qesellschaft  in  Solothurn  am  23.,  24.  und  25.  August  1869.  53.  Jahresm- 
Hummliing.  Solothurn  1870. 

Trenton.  Annual  report  of  the  slate  geologist  of  New-Yersey  1870. 

*Trie8t.  J  mari  d'  alghe  galleggianti.  Per  Antonio  Edoardo  Zhishman, 
professore  di  Storia,  geograna  e  statistica  alP  c.  k.  Accademia  di  eommerdo 
e  navigatione  in  Trieste.  1870. 

*—  Zishmau  A.  E.  Prof.  J  mari  d'alghe  galleggianti.  Triest  1870. 

*Turin.  Le  stelle  cadenti  des  periodi  di  novembre  1868  ed  agosto  1869 
oBservate  in  Piemonte  ed  in  altre  contrade  d'Italia.  Memoria  5  and  6  de  —  6. 
Fran  asco  Denza  1870. 

Venedig.  Atti  de  reale  Istituto  Veneto  di  sdenze,  lettere  ed  «ti 
1869 -187(».  T.  15.  Ser.  3. 

—  Memorie  del  reale  istituto  Veneto  di  scieuze,  lottere  ed  aitl 
Vol.  16.  1870. 

Villach.  Erste  Jahresschrift  des  k.  k.  Unterrealgymnasiums  zu  Villach 
für  das  Schuljahr  1869  -  70.  1870. 

Wien.  Mittheilungen  der  anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien.  L 
4.  1870. 

—  Supplement  zum  Katalog  der  im  Kriegsarehiv  befindlichen  gestochenei 
Karten  und  Pläne.  1870. 

—  Jahrbuch  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt.  Jahrgang  1870 
Band  XX.  Nr.  1  und  2. 

—  Die  feierliche  Sitzung  der  kais.  Academie  der  Wissenschaften  aa 
30.  Mai  1870. 

—  Mittheilungen  der  k.  k.  Ceutralcommissiou  zur  Erforschung  und  &- 
haltung  der  Baudenkmale  XV.  Juli— October  1870. 

—  Neunzehnter  Jahresbericht  der  k.  k.  Oberrealschule  im  111.  Bemfc 
(Landstralie)  in  Wien.  1870. 

—  Oesterreichische  Monatsschrift  für  Forstwesen.  Vom  österr.  Retchs- 
forstverein,  red.  v.  Jos.  Wessely.  XX.  Jahrg.  1870. 

*—  Reise  in  Südserbien  und  Nordbulgarien,  ausgeführt  im  J.  1864,  vob 
F.  Kanitz.  1868. 

—  Jahrbücher  der  k.  k.  Gentralanstalt  für  Meteorologie  und  Erdmag- 
netismus von  Carl  Jelinek  und  Carl  Fritsch.  Neue  Folge.  V.  B.  Jah^ 
gang  1868,  der  ganzen  Reihe  XIII.  Band  1870. 

*-  Höhengr&nzen  ftlr  die  Flora  von  Niederösterreich,  insbesondere  des 
Schneeberges  und  der  Raz.  Bestimmt  von  Carl  Fritsch  (Sep.  Abd.  au  d. 
Jahrb.  d.  österr.  Alpen- Vereins)  1870. 

*~  Mittheilungen  der  Handels-  und  Gewerbekammer  in  Wien  Nr.  62— 6i 
und  Verhandlungen  Seite  385—464.  1870. 

—  Tafeln  zur  Statistik  der  österr.  ungar.  Monarchie.  Von  der  k.  k 
statistischen  Centralcommission,  die  Jahre  1860  -  1865  umfassend,  7.  Heft  18711 

—  Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der  Statistik.  Von  der.  k.  k.  stai 
Centralcommission;  17.  Jahrg.  4.  Heft  1870. 

—  Summarische  Ergebnisse  der  Volkszählung  vom  31.  December  19GB- 
*—  Bestimmung  der  Seehöhen  von  Orten   auf'  graphischem  Wege,  nad 

beobachteten   Barometer-  und  Thermometerstande.    Von    F.  Rath  und  J.  G. 
Schoen  1871. 

—  Mittheilunffen  der  k.  k.  Central-Commissiou  zur  Erforschung  ood  Er- 
haltung der  Baudeiucmale.  XV.  Nov.  Dec.  1870. 

—  Tafeln  zur  Statistik  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie  (k.  k. 
statistische  Centralcommission  1876). 


657 

W  i  e  n. Verhandlungen  and  Mittheilangen  des  n.  ö.  GewerbevereinB.  XXXI.  33. 

—  Verhandlungen  der  k.  k.  zoologisch-botanischen  Gesellsdiaft  in  W. 
XX.  1-3.  1870. 

—  Sitiungsberichte  der  kais.  Academie  der  Wissenschaften  1870.  23.  24. 

—  Verhandlungen  und  Mittheilungen  des  nieder-österr.  Gewerberereins. 
XXXI.  35.  36.  1870. 

*— S  c  h  e  d  a  (Jos.  Ritter  v.).  Handatlas  der  neuesten  Geographie  unter 
Mitwirkung  des  k.  k.  Rathes  Steinhäuser  IL  6  Bl&tter.  Wien.  Artaria  1870. 

Supplement  xum  yorigen :  Karte  der  Wärmeverbreitung  auf  der  Erde, 
TOB  Steinhauser.  Wien,  Artaria  1870. 

*—  Hochstetter  Ferdinand  v.,  ffeologische  Uebersichtskarte  des 
östlichen  Theiles  der  europ&ische^  Türkei.  1870. 

^Znaim.  Elementare  und  angewandte  Terraiulehre,  nebst  einer  Abhand- 
lung aber  das  Situationszeichnen.  Von  Joseph  Zaflhuk,  k.  k.  Hauptmann, 
Professor  etc.  Znaim  1869. 

Zürich.  Mittheilungen  der  antiquarischen  Gesellschaft.  33.  und  116. 
AbÜL  2.  Heft  4.  1869-71. 


Monatsversamiiilaiig  der  geographischen  Gesellechafl 

am  22.  November  1870. 
Vorsitzender :  Kais.  Rath  Steinhauser. 

Der  Generalsecret&r  berichtet  über  die  Vorkommnisse  im  abgelaufenen 
Monat. 

Hen-  Ernst  Marno,  von  welchem  eine  Abhandlung  ,,über  die  Boden- 
und  Vegetationsverh&ltnisse  von  Nordost- Africa^  für  die  Imttheilungen  einge- 
sandt wurde,  hat  Privatnachrichten  zu  Folge  Chartum  verlassen,  ohne  dass 
über  das  n&chste  Ziel  seiner  Expedition  etwas  näheres  angedeutet  ist. 

Herr  F.  Kanitz,  der  von  seiner  längeren  Forschungsreise  in  den 
untern  Donauländem  zurückgekehrt  ist,  macht  eine  Mittheilung  über  die  er- 
folgreichen Bemühungen  des  Gouverneurs  von  Bagdad,  Mithad  Pascha,  um 
eine  leichtere  Verbindunff  für  den  Verkehr  zwischen  dem  persischen  Golf  und 
dem  Mittelmeer.  (S.  Mittheilungen  S.  648  u.  f.) 

Als  neu  eintretende  Mitglieder  werden  angemeldet  und  au&enommen 
die  Herren  Christian  E  ck  h  o  ff ,  k.  k.  Lieutenant  in  Wien.  Alfons  von  E 1  i  n  g  o  f- 
ström,  k.  k.  Hofrath  in  Wien  und  Fräulein  Berta  Filippi  in  Wien. 

Unter  den  neuen  Erscheinungen  in  der  geographischen  Literatur,  die 
der  Gesellschaft  im  Tauschwege  cnäer  als  Geschenke  zukamen  —  das  Ver- 
zeichnis s.  Mittheilungen  S.  653  —  macht  der  Gteneralsecretär  besonders  auf- 
merksam auf  die  letzten  Publicationen  des  Staates  und  der  wissenschaft- 
liclien  Vereine  in  New -York;  auf  den  ersten  Band  der  Beiseerlebnisse 
„unter  den  Tropen^  von  C.  F.  Appun  (Venezuela);  auf  die  vom  Freiherrn 
V.  Maltzan  besorgte  Herausgabe  der  Reise  Adolphs  v.  Wrede  in  Hadra- 
maut,  Beled  Beny  Yssä  und  Beled  el  Hadschar,  die  nächstens  in 
den  Mittheil unsen  besprochen  werden,  und  auf  die  zweite  Lieferung  des  bei 
Artaria  in  Wien  erscheinenden  j,Handatla8  der  neuesten  Geographie^  unter 
Mitwirkung  des  kais.  Rathes  Steinhauser,  von  Jos.  Ritter  von  Scheda, 
welche  die  Planigloben  und  die  Karten  von  Nord- America,  Süd- America,  Nord- 
russland, Frankreich,  Schweden  und  Norwegen  enthält. 

Von  den  Supplementkarten  zu  diesem  Atlas,  welche  in  6  Blättern  die 
wichtigsten  tellurischen  Erscheinungen  graphisch  darstellen  sollen,  lag  das 
Blatt  Über  die  Wärmeverbeitung  auf  der  Erde  der  Versammlung  vor. 

Die  Mitte  des  BUttes  nehmen  die  Planigloben  ein,  welche  zur  Dar- 
stellung der  mittleren  Jahreswärme  bestimmt  sind.  Diese  sind  von  zwölf 
kleinen  Kärtchen  der  nördlichen  Erdhälfte  umgeben,  auf  welchen  von  4  zu 
4  Graden  R.  die  mittlere  Monatwärme  aufigetragen  erscheint.  Die  Kältezonen 


$58 

sind  in  abgestuften  Tönen  von  Blau,  die  Wärmezonen  in  abgestuften  Tönen 
von  Rotli  gegeben,  wodurch  eine  deutliche  Uebersicht  des  Wechsels  zwischen 
Sommerhitze  und  Winterfi-ost  hen'orgeht. 

Hierauf  hält  der  k.  k.  Hauptmann  Herr  Eugen  Matz  einen  Vortrag 
über  die  von  ihm  benannte  »constructiv-scriptive"  Methode  beim  geo- 
graphischen Unterricht. 

In  der  Einleitung  bezeichnet  der  Vortragende  anter  den  Methoden  beim 
geographischen  Unterricht  die  analytische,  die  synthetische  und  die 
c on 6t ractive  als  diejenigen,  die  sich  auf  didactischem  Felde  die  meiste 
Geltung  verschafft  haben  und  berührte  namentlich  die  erfolgreichen  Bemühungen 
Ton  Sydow,  Deutsch,  Klöden  u.  a.,  um  die  Fortbildung  der  cos- 
structiven  Methode. 

Während  nun  die  constructive  Methode  sich  darauf  beschränkt,  das 
theilweise  und  je  nach  den  geographischen.  «Beziehungen,  die  eingeübt  werden 
sollen,  unausgefüllte  Kartenbild  durch  den  Schüler  ergänzen  zh 
lassen,  so  dass  dieser  einmal  in  die  Terrainkarte  die  Flussläufe,  ein  andennai 
in  die  Flusskarte  das  Terrain,  ein  drittesmal  in  die  stumme  Karte  die  topo- 
graphischen Punkte  mit  mehr  oder  minderer  Ausführlichkeit  einzutragen  be- 
müßigt wird,  lege  die  „constructiv-scriptive'*  Methode  das  größte  Ge- 
wicht darauf,  dass  in  einer  gewissen  stufenmäßigen  Aufeinanderfolge  das 
ganze  Kartenbild  und  zwar  sogleich  mit  Rücksicht  auf  die  geographisdie 
Position  des  Objectes  vom  Schüler  entworfen  und  ausgeführt  werde. 
Indem  der  Schüler  dabei  angehalten  wird,  einerseits  die  Contour  des  Landes, 
die  Veraderung  der  Flüsse,  die  Stellung  und  Richtung  der  Gebirge  u.  s.  w. 
nach  einer  bestimmten  systematischen  Folge  zu  zeichnen  und  anderer- 
seits jeden  topographischen  Punkt,  den  er  sich  merken  soll,  in  dem  Augen- 
blick, wo  er  mit  der  Zeichnung  bei  diesem  Punct  anlangt,  durch  einen  Buch- 
staben oder  eine  Ziffer  auf  dem  Bilde  zu  fixieren  und  unter  diesem Bucbr 
Stäben  oder  unter  dieser  Ziffer  in  einem  Nebenheft  mit  seiner  Benen- 
nung einzutragen,  hafte  nach  des  Vortragenden  Ansicht  der  Name  mit  den 
Bilde  leichter  im  Gedächtnis  und  werde  schneller  zum  geistigen 
Eigenthum  des  Lernenden.  Das  Verständnis  des  Kartenbildes  werde 
durch  die  freie  Constructiou  gefördert  und  die  Hinweisung  der  Buchstaben 
oder  Ziffern  auf  die  Benennung  der  im  Kartenbilde  markierten  topographischen 
Punkte  geben  einen  bequemen  Schlüssel  ab,  um  dem  Gedächtnis  in  jedem 
Augenblick  nachzuhelfen. 

Zur  nähern  Erklärung  des  gesagten  weiset  der  Vortragende  Schüler- 
hefte vor,  die  nach  dieser  „constructiv-scriptiven"  Methode  unter  seiner 
Leitung  gearbeitet  wurden,  versichert,  dass  er  in  mehijährigem  Unterricht 
von  dieser  Methode  den  besten  Erfolg  erfahren  habe  und  empfiehlt  sie 
der  besondern  Aufimerksamkeit  der  Lehrer. 

Hierauf  nimmt  Herr  Friedrich  von  Hellwald  das  Wort,  um  zur  Er- 
gänzung des  vom  Vorredner  gesagten  einiges  zu  bemerken.  Er  weist  zu- 
förderst auf  den  großen  und  bisher,  wie  es  ihm  scheine,  noch  wenig  beach- 
teten Unterschied  zwischen  Ortskunde  und  Erdkunde  hin,  von  denen 
die  erstcre,  obwol  die  fast  ausschließlich  gepflegte,  nur  einen  Theil 
des  letzteren  Wissenszweiges  bilde.  Er  tnüsse  daher  das  gründ- 
liche Studium  der  mathematischen  Geographie,  die  allein  das  richtige 
Verständnis  der  Karten  zu  vermitteln  vermag,  so  wie  der  physischen 
Geographie,  welche  das  Verständnis  der  im  gewöhnlichen  Leben  so 
wichtigen  tellurischen  Erscheinungen  anbahnt,  um  so  mehr  betonen,  als  eben 
auf  diesem  Grebiete  in  der  Regel  zu  wenig  gethau  werde.  Aber  auch  die  Ort»- 
künde  in  ihrer  weitesten  Ausdehnung,  worin  die  genaue  Kenntnis  der 
Länderumrisse  inbegriffen  sei  -  ein  Wissenszweig,  dem  der  Nachtheil  an- 
klebe, das  Gedächtnis  mit  Zahlen  und  Namen  zu  belasten  —  werde  zumeist 
in  wenig  anregender,  oft  geradezu  geisttötender  Weise  voi^etragen,  und 
darum  handle  es  sich  eben,  so  vorzutragen,  dass  aus  den  nothwendigen  Zahlec 
und  Namen  neben  der  nothwendigen  Anstrengung  keine  Belästigung  des 
Lernenden  erwachse.  Dies  werde  nach  seiner  Ansicht  nur  dadurch  erreicht, 
dass  man  den  Schüler  zum  Denken  zwinge,  auf  seinen  (reist  wirke  und 
^ÜßB  aus  dem  Unterricht  entferne,  was   das  Gegentheil  zur  Folge  hat.   Es- 


659 

fahniogsgemäß  präge  sich  leicht  iin(l  ohne  Mühe  dem  Gedächtnis  jeder 
Name,  jede  Zahl  ein,  welche  man  tax  mtere'ssante  Gegenstände  zu  knüpfen 
Terstanden  hat.  Redner  hofft,  (lass  diese  allgemeinen  Bemerkungen  durch  den 
passenden  Ort  tuid  die  nicht  minder  passende  Veranlassnng-  entschuldigt 
werden. 

Auf  eine  Entgegnung  des  Herrn  Hauptmanns  Matz,  dass  er  in  seinem 
Tortrage  sowol  der  analytischen  als  synthetischen  Methode  Erwähnung  ge- 
than  und  nicht  minder  die  mathematische,  wie  die  physische  Geographie  bei 
seiner  Methode  bedacht  wissen  wolle,  bemerkt  Redner,  es  sei  ihm  nicht  bei- 
gefallen, an  dem  gehörten  Vortrage  eine  Kritik  zu  üben,  sondern  nur,  wie  er 
auBdrücklich  betont  habe,  demselben  eine  ergänzende  Bemerkung  beizufügen. 

Schließlich  constatiert  der  Generalsecretär  das  lebhafte  Interesse 
am  Gegenstand,  das  durch  die  Discussion  über  denselben  angeregt  worden 
und  wie  wünschenswert  es  sei,  solche  Discussionen  in  den  Monatsversamm- 
langen  der  GesellBchaft  als  ein  anregendes  und  klärendes  Element  fortge- 
pflegt zu  sehen.  Es  sei  nicht  zu  verkennen,  dass  beide  Herren,  die  sich  über 
die  Bedingungen  des  erdkundlichen  Unterrichtes  vernehmen  ließen,  von  glei- 
chem Interesse  für  den  Gegenstand  geleitet  werden,  wenn  auch  jeder  von 
ihnen  auf  einem  andern  Standpunkt  stehe.  Darin  aber  zeige  sich  eben 
das  hochwichtige  Interesse,  welches  das  Studium  der  Erdkunde  einflößt,  dass 
demselben  auf  jedem  Standpuncte  neue,  geistbildende  Elemente  können  abge- 
wonnen werden.  "Wenn  der  eine  der  Herren  Redner  einer  intensivem  Pflege 
der  mathematischen  und  physicalischen  Geographie  das  Wort  redet,  so  habe 
er  gewiss  ein  wichtiges  Feld  des  Unterrichts  in's  Auge  gefasst,  und  die  Er- 
fahrung lehre,  dass  dieses  Feld ,  auf  dem  sich  so  viele  Erscheinungen  des  ge- 
wöhnlichen Lebens  begegnen,  auch  auf  der  elementaren  Stufe  des 
Unterrichts  mit  Erfolg  bearbeitet  werdeji  kann,  wenn  der  Lehrer  die  "Welt, 
die  das  Kind  umgibt,  als  Welt  des  Kindes  aufzufassen  und  zu  er- 
klären verstehe.  Durch  den  "Vortrag  des  andern  Herrn  Redners  sei  aber 
wieder  nahe  gelegt,  wie  der  Schüler  durch  eine  systematische  Anleitung  beim 
Entwurf  und  der  Ausführung  des  Kartonbildes  zum  Merken  und  Verstehen 
einer  großen  Zahl  geographischer  Begrift'e  und  Beziehungen  gebracht  werden 
könne  and  man  müsse  anerkennen,  das  von  seinem  Standpunkt  der  geehrte 
Herr  Redner  diesem  Zweck  mit  großer  Mühe  und  ausdauernder  Consequenz 
gerecht  geworden  sei.  Darin  eben  besteht  der  ganz  besondere  Reiz  des  erd- 
kundlichen Studiums,  dass  es  von  so  vielen  Seiten  angefasst  werden  kann  und 
auf  jeder  Seite  der  interessanten  Beziehungen  in  Fülle  bietet,  um  auf  die  Ent- 
wicklung und  Veredlung  des  Geistes  einzuwirken. 

Die  nächste  Versammlung  findet  am   27.  December  1870  statt.    Sie  ist 
zugleich  die  Jahresversammlung,  in  welcher  der  Ausschuss   der  geogra- 

S bischen  Gesellschaft  seinen  Jahresbericht  erstattet,  die  Wahl  des  Präsi- 
en tan  und  der  beiden  Vi cepräsidenten  für  die  nächsten  drei 
Jahre,  endlich  die  Wahl  von  5  Ausschussmitgliedern,  die  zur  Auslosung 
kommen,  vorgenommen  wird.  Die  zum  Austritt  bestimmten  Mitglieder  des 
Aii88chusse6  sind  die  Herren :  Artaria,  Becker,  Lorenz,  Petz  und 
der  im  Laufe  des  Gesellschaftsjahres  verstorbene  R.  v.  Streffleur. 


Im  Verzeichnis  der   nach   dem  Jahre   des   Eintritts   geordneten 
Mitglied  ex  der  Gesellschaft  ist  zu  berichtigen: 

Herr  Artaria  August  ist  Mitglied  seit  dem   Bestände  der  Ge- 
sellschaft 1856  und  nicht,  wie  im  Verzeichnis  angeführt  ist,  seit  1863. 

Ebenso  ist  Herr  Prof.  Cari  Heller  Mitglied   seit  1857  und  nicht,  wie 
im  Verzeichnis  steht,  seit  1868. 


660 

Stand 

der  k.  k.  geograplüseheii  GcselbehafI  am 

Schiasse  des  Jahres  1870. 

1.   Siatuteu   der   k.   k.    geographiscben   Qcsellschaft 

Von  Sr.  k.  k.  Apost.  Miüestftt  mit  A.  h.  Entscfaliegsting  vom  11.  August  1867 

genehmigt. 

Zweck  and  Mittel. 

§.  1.  Der  Zweck  der  Gesellschaft  ist,  das  Interesse  für  die  geo- 
graphische Wissenschaft  zu  beleben,  and  diese  selbst  in  ihren  Ter« 
schiedenen  Richtungen  zu  fördern. 

§.  2.  Die  Mittel  zar  Erreichung  dieses  Zweckes  sind  periodisdie 
Versammlungen,  Herausgabe  von  Druckschriften  and  Karten,  Unter- 
Stützungen,  Zuerkennung  von  Preisen,  Sammlung  von  Bflchem,  Karten 
und  anderen  zweckdienlichen  Gegenständen. 

§.  3.  Die  Gesellschaft  schöpft  die  Mittel  zur  Bestreitong  ihrer 
Aaslagen  und  Vermehrung  ihres  Besitzes  aus  Beiträgen,  welche  sie  er- 
hält an  Geld  und  anderen  Gegenständen. 

Mitglieder. 

§.  4.  Die  Gesellschaft  besteht  aus:  a)  ordentlichen  MitgUedeni, 
b)  außerordenlichen  Mitgliedern,  c)  correspondierenden  Mit£^edem  uod 
d)  Ehrenmitgliedern. 

§.  5.  Ordentliche  Mitglieder  sind  diejenigen,  welche  einen  Jahres- 
beitrag von  5  fl.  ö.  W.  oder  far  Lebenszeit  die  Außgleichssumme 
von  70  fl.  zahlen. 

Außerordentliche  Mitglieder  sind  diejenigen,  welche  einen  jähr- 
lichen Beitrag  von  10  fl.'  ö.  W.  leisten. 

§.  6.  Zur  Aufnahme  als  ordentliches  oder  außerordentliches  Mit^ 
glied  wird  der  Name  von  einem  Mitgliede  dem  Ausschusse  vorgesdüagen, 
von  diesem  der  nächsten  Gesammtversammlung  empfohlen,  und  durd 
absolute  Majorität  angenommen, 

§.  7.  Zu  correspondierenden  Mitgliedern  werden  jene  Personen  go* 
wählt,  welche  ohne  einen  Jahresbeitrag  zu  leisten,  die   Interessen    der  - 
geographischen  Gesellschaft   durch   ihre   persönliche  Thätigkeit  förderiL 

§.  8.  Zu  Ehrenmitgliedern  werden  solche  Personen  gewählt,  dena 
die  Gesellschaft  fOr  ihre  >usgezeichneten  Verdienste  um  die  Förderung 
der  geographischen  Wissenschaft  im  allgemeinen,  oder  um  die  Interessei 
dieser  Gesellschaft  insbesondere,  eine  Anerkennung  darzubriogen  wünscht 


661 

§.  9.  Sowol  die  correspondierenden  als  die  Ehrenmitglieder  Werden 
Tom  Ausschüsse  der  Gesammtversammlnng  voi^eschlagen  und  mit  ab- 
soluter Stimmenmehrheit  gewählt. 

Pflichten  und  Rechte. 

§.  10.  Alle  Mitglieder  haben  die  Aufgabe,  die  Zwecke  der  Gesell- 
schaft innerhalb  der  durch  die  Statuten  gezogenen  Grenzen  nach  Kräften 
zu  fördern.  Die  ordentlichen  und  außerordentlichen  Mitglieder  ver- 
pflichten sich  flberdies  auch  die  jährlich  zu  entrichtenden  Beiträge 
regelmäßig  zu  zahlen. 

Wenn  ein  Mitglied  seinen  Beitrag  durch  3  Jahre  nicht  entrichtet 
und  die  im  Laufe  dieser  Frist  erflossenen  Mahnungen  unberflcksichtigt 
lässt,  so  wird  dasselbe  als  ausgetreten  betrachtet. 

§.  11.  In  den  Gesammtversammlungen  hat  jedes  anwesende  Mitglied 
Eine  IStimme,  zur  BescblussfShigkeit  ist  die  Anwesenheit  von  wenigstens 
21  Mitgliedern  nothwendig. 

§.  12.  Die  ordentlichen  und  außerordentlichen  Mitglieder  erhalten 
unentgeltlich  die  periodischen  Druckschriften  der  Gesellschaft  Sie  be- 
nützen die  Sammlungen  nach  den  in  der  Geschäftsordnung  bestimmten 
Normen. 

Geschäftsführung  und  Leitung. 

§.  13.  Die  Geschäftsführung  geschieht:  a)  in  den  Gesammtver- 
sammlungen durch  die  versammelten  Mitglieder,  h)  durch  die  von  den- 
selben gewählten  FuncUonäre. 

§.  14  Den  Gesammtversammlungen  sind  vorbehalten:  a)Wahl 
der  Mitglieder,  b)  Aenderung  der  Statuten,  ffir  welche  die  allerhöchste 
Genehmigung  einzuholen  ist,  c)  Beschlussfassung  über  die  gestellten 
Antrage  nach  vorangegangener  Beratung  im  Ausschusse.  Der  Jahres- 
Versammlung  sind  vorbehalten:  a)  Wahl  des  Präsidenten,  der  Yice- 
Präsidenten  und  der  Mitglieder  des  Ausschusses,  h)  Entgegennahme  des 
Jahresberichtes  über  die  Thätigkeit  der  Gesellschaft,  c)  Prüfung  des 
Bechnungsberichtes  durch  die  von  ihr  .  in  derselben  außer  dem  Aus- 
schuss  zu  wählenden  Bechnungsoensoren,  d)  Beschluss  Ober  die  Auf«* 
Utaung  der  Gesellschaft. 

§.  15.  In  der  Regel  findet  jeden  Monat  eine  Gesammtversammlnng 
statt.  Der  Tag  derselben  wird  in  der  Wiener-Zeitung  bekannt  gemacht. 

§.  16.  Außerordentliche  Versai^mlungen  mit  den  Rechten  einer 
Jaliresversanmilung  werden  durch  den  Ansschuss  bestimmt  und  in  der 
Wiener-Zeitung  bekannt  gemacht. 


662 

§.  17.  Alle  Obrigen  Geschäfte  besorgt  der  AQsschass,  zu  welchem 
gehören:  der  Präsident,  zwei  Yiceprfisidenten  and  15  Ausschnssmitglieder. 

§.  18.  Die  Functionsdauer  sämmtlicher  Mitglieder  der  GeseU- 
schaftsleitung  ist  dreijährig,  bei  dem  Aasschusse  findet  jährlich  die 
£rneaerang  eines  Drittels  statt. 

§.  19.  Sammtliche  Aastretende  sind  wieder  wählbar. 

§.  20.  Die  Functionäre  der  Gesellschaft,  als:  den  Generalsecret&r, 
Bibliothekar,  Cassier  und  Rechnungsführer  wählt  der  Aasschuss  ans 
seiner  Mitte. 

§.  21.  Der  Präsident  leitet  die  Verhandlungen  in  den  Gesammt- 
und  Ausschuss-Sitzungen. 

§.  22.  Die  Vicepräsidenten  unterstützen  den  Präsidenten  in  der 
Geschäftsleitung  und  vertreten  denselben  im  Verhinderungsfalle. 

§.  23.  Der  General-Secretär  führt  die  ProtocoUe  in  den  Sitzungen, 
besorgt  die  Correspondenz,  und  legt  den  im  Aasschusse  beratenen, 
jährlich    zu   legenden  Rechenschafts-Bericht  der  Jahresversammlong  vor. 

§.  24.  Der  Bibliothekar  fiberwacht  die  wissenschaftlichen  Samm- 
lungen. 

§.  25.  Der  Cassier  und  Rechnungsführer  besorgen  die  Geldange- 
legenheiten der  Gesellschaft. 

§.  26.  Sämmtliche  Functionäre  werden  von  dem  Präsidenten  oder 
den  ihn  vertretenden  Vicepräsidenten  zu  Aosschoss-Sit^ongen  berufen,  in 
welchen  die  Anwesenden  Stimmen  haben. 

§.  27.  Jede  Abstimmang  geschieht  mit  absolater  Majorität  der 
Stimmen. 

Vertretung  und  Schlichtung  von  Streitigkeiten. 

§.  28.  Die  Gesellschaft  wird  dnrch  den  Präsidenten  oder  im  Falk 
seiner  Verhinderung  durch  einen  der  Vicepräsidenten  gemeinschaftlich 
mit  dem  Generalsecretär  nach  außen  und  den  Behörden  gegenaber 
vertreten« 

§.  29.  Verschiedenheiten  der  Ansichten,  die  sich  auf  die  Erreichung 
der  gesellschaftlichen  Zwecke  beziehen,  werden  in  den  Ansschass-Sitzungen 
vorgetragen  und  in  Anträge  formuliert,  in  einer  G^esammtsitznng  zur 
Entscheidung  vorgelegt. 

Auflösung  der  Gesellschaft 

§.  30.  lieber  die  Auflösung  der  Gesellschaft  and  die  Modalitäten 
derselben,  dann  über   die   Verfügungen   hinsichtUch    des   Gesellscbafto- 


Vermögens  beschließt  die  Jahresversammlnng.  In  derselben  muss 
mindestens  die  Hälfte  der  in  Wien  wohnenden  Mitglieder  anwesend  sein 
und  der  Beschluss  mit  zwei  Drittel  der  Anwesenden  gefasst  werden. 
Der  gefas8te  Beschluss  ist  sofort  zur  Kenntnis  der  politischen  Landes- 
Behörde  zu  bringen. 

:2.    Geschäftsordnung.  \ 

Der  Präsident. 

§.  1.  Der  Präsident  ffihrt  bei  allen  Sitzungen  den  Vorsitz,  er- 
öffnet dieselben,  leitet  die  Verhandlungen  und  schliesst  sie. 

§.  2.  Er  unterfertigt  die  Diplome  und  alle  wichtigeren  Acte,  nament- 
lich jene,  in  welchen  die  Gesellschaft  nach  außen  und  den  Behörden 
gegenüber  repräsentiert  ist. 

§.  3.  £r  beruft  die  Ausschuss-Sitzungen. 

§.  4.  Er  übernimmt  vom  Cassier  die  vollständig  belegte  Rechnung 
von  drei  zu  drei  Monaten  zur  Revision  und  setzt  den  Ausschuss  von 
dem  Befunde  derselben  in  Kenntnis.  Auch  ordnet  er  nach  Ermessen  eiii 
oder  mehrmal  des  Jahres  Cassa&contnerungen  an. 

§.  5.  Er  weist  die  von  den  betreffenden  Functionären  gegengezeich- 
neten Quittungen,  Rechnungen,  sowie  zu  berichtigende  Beträge  oder 
Vorschüsse  durch  den  Rechnungsführer  zur  Auszahlung   an  den  Cassier. 

§.  6.  Er  weißt  specielle  wissenschaftliche  oder  administrative  Gegen- 
stände in  vorkommenden  Fällen  eigenen  Referenten  aus  der  Zahl  der 
Ausschuss-  oder  der  übrigen  Mitglieder  zu. 

§.  7.  Er  überwacht  die  Wirksamkeit  der  Functionäre. 

§.  8.  Er  gibt  am  Schluss  eines  jeden  Jahres  seiner  Functions- 
daner  einen  Jahresbericht 

Vice-Präsidenten. 

§.  9.  Die  beiden  Vice-Präsidenten  vertreten  den  Präsidenten  im 
Verhinderungsfälle  abwechselnd  in  allen  seinen  Functionen. 

Generalsecretär. 

§.  10.  Alle  an  die  Gesellschaft  gerichteten  Zusendungen  gehen  an 
den  General-Secretär ;  er  beantwortet  alle  Briefe,  Anfragen  und  Acte  im 
Einverständnis  mit  dem  Präsidenten,  und  legt  sie  nöthigenfalls  Bericht 
erstattend  in  der  Ausschuss-Sitzung  vor. 

§.  11.  Er  trägt  die  in  den  Ausschuss-Sitzungen  formulierten  An- 
träge in  den  Gesammtsitzungen  zur  Entscheidung  vor. 


664 

§.  12.  Er  legt  ferner  alle  eingegangenen  Tausch-  oder  Gescfaeok- 
gegenstände  in  den  Gesammt- Versammlungen,  sowie  die  an  die  Gesell- 
schaft  eingesendeten    wissenschaftlichen    Aufs&tze   dem    Ansschuss   ?or. 

§.  13.  Er  fahrt  über  die  für  die  Gesammt-Yersammlung  ange- 
meldeten Vortrage  eine  eigene  Aufschreibung. 

§.  14.  Er  unterfertigt  mit  dem  Präsidenten  alle  Diplome  und  alle 
Acte,  sowie  allein  die  minder  wichtigen  currenten,  administrativen  Gegen- 
stände der  Correspondenz. 

§.  15.  Er  verfasst  den  am  Schluss  des  Jahres  zu  Inenden  Rechen- 
schaftsbericht und  legt  ihn  der  Ausschuss-Sitzung  und  der  allgemeinen 

Versammlung  vor. 

» 

§.  16.  Er  führt  die  Kaiizleidirection. 

§.  17.  Er  fahrt  bei  allen  Sitzungen  das  Protokoll. 

§.  18.  Er  führt  femer  über  alle  an  die  Gesellschaft  gerichteten 
Geschaftsstücke  und  in  seinen  Wirkungskreis  fallenden  Gegenstände 
eine  chronologische  Vormerkung  und  ein  eigenes  Inventar  über  die  der 
Gesellschaft    gehörigen  Utensilien. 

Bibliothekar. 

§.19.  Der  Bibliothekar  bewahrt  alle  an  die  Gesellschaft  einge- 
langten Druckschriften   und  Karten  in  der  Bibliothek. 

§.  20.  Er  führt  über  dieselben  einen  gehörigen  Gatalog,  sowie  dn 
chronologisches  Vormerkbuch  der  einlangenden  Gegenstände  und  hält  die 
Bibliothek  und  Sammlungen  in  Ordnung.  ^ 

§.21.  Gegen  jede  Entlehnung  aus  dem  Gesellschaftslocale  wird  eine 
Empfangsbestätigung  an  ihn  übergeben. 

§.  22.  Auch  andere  an  die  Gesellschaft  eingehende  wissenschaftliche 
Objecto  werden  in  der  Bibliothek  aufbewahrt,  und  vom  Bibliothekar  ein 
eigenes  Inventar  darüber  geführt 

Rechnungsführer. 

§.  23.  Der  Rechnungsführer  nimmt  alle  an  den  Verein  geUmgenden 
Gelder  in  Empfang  und  übergibt  sie  dem  Gassier  zur  Aufbewahrung, 
worüber  ein  eigenes  Vormerkungsbuch  zwischen  beiden  gefährt   wird. 

Gelder,  die  an  den  Cassier  gelangen,  können  von  diesem  blofi 
ziffermäßig  zur  Evidenzhaltung  des  Mitgliederverzeichnisses  dem  Bech- 
nungsfQhrer  bekannt  gegeben  werden. 

§.  24»  Er  übenmnmt  alle  vom  Präsidenten  zur  Zahlung  angewiese- 
nen Contos  und  leitet  sie  mit  seiner  Gegenzeichnung  zum  Cassier. 


665 

§.  25.  Er  führt  über  s&mmtliche  Einnahmen  und  Anggaben  eine 
eigene  Geldrechnung  and  übergibt  dem  Cassier  von  drei  zu  drei  Monaten 
den  Rechnungsabschlass. 

§.  26.  Er  verfasst  einen  jährlichen  Yoranschlag,  der  dem  Ansschuss 
vorgelegt,  von  diesem  beraten  und  darnach  genehmigt  wird. 

§.  27.  Er  führt  ein  genaues  Mitgliederverzeichnis  und  h&lt  die 
von  denselben  zu  leistenden  Zahlungen  in  Evidenz. 

§.  28.  Er  bereitet  alljährlich  einen  vollständigen  Jahresabschlüsse 
den  er  in  der  Generalversammlung  vorlegt. 

Cassier. 

§.  29.  Der  Cassier  nimmt  die  ihm  vo(p  Rechnungsfahrer  übei^- 
benen  Gesellschaftsgelder  in  Empfang  und  führt  hierüber  eine  genaue 
Anfschreibung.  Die  an  ihn  erfolgten  Beiträge  gibt  er  dem  Rechnungs- 
führer zur  Evidenzhaltung  des  Mitgliederverzeichnisses  bloß  nominell 
bekannt. 

§.  30.  Er  zahlt  alle  vom  Präsidenten  angewiesenen  und  vom  Rech- 
nungsführer gegengezeichneten  Contos. 

§.  31.  Sobald  die  Barschaft  Einhundert  Gulden  übersteigt,  legt  er 
sie  fruchtbringend  an. 

§.  32.  Er  übernimmt  die  vom  Rechnungsführer  verfassten  drei- 
monatlichen Rechnungsabschlüsse,  und  leitet  sie  vollständig  documentiert 
an  den  Präsidenten. 

Redactions-Comit^. 

§.  33.  Dem  Redactions-Comit^  liegt  die  Herausgabe  des  Jahrbuchs 
ob  und  die  Besorgung  der  Druckangelegenheiten,  um  die  rechtzeitige 
Erscheinung  desselben  zu  ermöglichen. 

§.  34.  Das  Jahrbuch  hat  zu  enthalten:  a)  die  Statuten;  b)  die 
Functionäre,  sowie  die  Veränderung  im  Stande  der  Mitglieder  des  be- 
treffenden Jahres,  und  nur  alle  drei  Jahre  ein  vollständiges  Yerzeich- 
Bis  derselben;  c)  den  Bericht  über  die  Versammlungen  sammt  den  in 
denselben  gehaltenen  Vorträgen,  insoweit  dieselben  nicht  in  den  Abhand- 
lungen erscheinen ;  d)  die  selbständigen  Abhandlungen.  Die  Abtheilungen 
sind  besonders  paginiert. 

§.  35.  Das  Redactions-Comit^,  dem  der  General-Secretär  jedenfalls 
angehört,  hat  noch  aus  zwei  Mitgliedern  zu  bestehen,  von  denen  das 
eine  dem  Ausschuss  angehören  muss,  das  andere  kann  der  Ausschnss  auch 
ans    seiner  Mitte  wählen. 

§.  36.  In  Bezug  auf  die  Aufnahme  eines  Aufsatzes  in  das  Jahrbuch 
hat   sich  das  Comit6  unter  Umständen  mit  betreffenden  Fachmännern  ins 

Mittheiliingen  d.  geogr.  Oesell.  1870.  14.  43 


666 

Einvernehmen  zu  setzen,  nnd  erforderlichen  Falls  ist  über  das  Ergebnis 
der  Bericht  dem  Ausschusse  vorzulegen. 

§.  37.  Die  Namen  der  Mitglieder  des  Redactions-Comit6*s  werden 
auf  dem  Titel  nicht  genannt 

§.  38.  Der  Obmann  des  Bedactions-Comit^'s  legt  rechtzeitig  Am 
Ausschuss  den  Antrag  über  das  für  das  bevorstehende  Jahr  zu  ver- 
fassende Jahrbuch  vor,  in  welchem  hinsichtlich  der  aufzulegenden  Bände- 
anzahl  als  Richtschnur  zu  gelten  hat,  dass  über  die  für  die  Mitglieder 
und  den  Schriftentausch  wirklich  nöthige  Anzahl  nur  höchstens  Ein- 
hundert Exemplare  als  Vorrat  gedruckt  werden;  in  Betreff  des  üm- 
fangs,  dieser  mit  der  im  Voranschlag  bewilligten  Summe  in  Einklang  zn 
bringen  ist. 

§.  39.  Jeder  Verfasser  erhalt  von  seiner  gelieferten  Abhandlang 
25  Separatabdracke  gratis.  Für  größere  Anzahl  und  besondere  Aus- 
stattung derselben  sind  die  Auslagen  zu  ersetzen. 

Oesammt*  Versammlungen. 

§.  40.  Gegenstände  der  Gesammtsitzungen  sind:  die  wissenschaft- 
lichen Vorträge,  die  die  Gesellschaft  betreffenden  Mittheilungen  und  die 
der  Gesammt- Versammlung  durch  die  Statuten   vorbehaltenen  Geschäfte. 

§.  41.  Die  Vorträge  werden  von  den  Mitgliedern  der  Gesellschaft 
gehalten. 

§.  42.  In  besonderen  Fällen  ladet  der  Präsident  oder  der  Generai- 
Secretär,  im  Einverständnis  mit  demselben,  zur  Abhaltung  eines  Vor- 
trages auch  solche  Personen  ein,  welche  nicht  Mitglider  der  Gesell- 
schaft sind. 

§.  43.  Wer  einen  Vortrag  zu  halten  beabsichtigt,  wird  ersucht,  dem 
General-Secretär  schriftlich  oder  mündlich,  wo  möglich  zwei  Tage  Yor 
der  Versammlung,  die  Mittheilung  zu  machen. 

§.  44.  Zur  Beschlussfähigkeit  der  Gesammt- Versammlung  ist  die 
Anwesenheit  von  mindestens  einundzwanzig  Mitgliedern  erforderlich. 

Jahr  es- Versammlung. 

§.  45.  Die  erste  Gesammt- Versammlung  im  Monate  December  eines 
jeden  Jahres  wird  zugleich  als  Jahres- Versammlung  betrachtet,  in  welcher 
der  Jahres-  und  der  Rechenschaftsbericht,  sowie  Rechnungsabschluß 
vorgelegt  wird  und  die  Wahlen  der  Functionäre  stattfinden. 

Ausschuss -Sitzungen. 

§.  46.  Zu  den  Ausschuss-Sitzungen  werden  die  Mitglieder  des 
Ausschusses  eingeladen. 


667 

§.  47.  Die  Sitzung  beginnt  mit  der  Verlesung  des  Protocolls  der 
vorhergegangenen  Ausschuss-Sitzung. 

§.  48.  Gegenstände  der  Ausscbuss-Sitzungen  sind:  die  Berichte  des 
General-Secretärs  über  die  gefassten  Beschlüsse,  die  wichtigsten  die 
Gesellschaft  betreffenden  Einlaufe  und  die  eingegangenen  Anträge. 

§.  49.  Zur  Beschlussfähigkeit  ist  die  Anwesenheit  von  mindestens 
fünf  Mitgliedern  erforderlich. 

§.  50.  Alle  anwesenden  Ausschussmitglieder  sind  stimmfähig;  bei 
gleicher  Stimmenzahl  entscheidet  der  Präsident. 

§.  51.  Auf  Verlangen  eines  Mitgliedes  ist  über  den  Schluss  der 
Debatte  abzustimmen.  Sobald  der  Schluss  der  Debatte  ausgesprochen  ist, 
hat  nur  noch  der  Antragsteller    oder    Berichterstatter   das    Recht   zum 

Worte. 

» 

§.  52.  Bei  der  Fragestellung  ist  ein  Antrag  auf  Aussetzung  des 
Beschlusses  auf  eine  spätere  Zeit  vor  allen  materiellen  Verbessemngs* 
vorschlagen  zur  Abstimmung  zu  bringen.  Von  zwei  selbständigen  An- 
trägen ist  derjenige  zuerst  zur  Abstimmung  zu  bringen,  durch  dessen 
Annahme  der  andere  Antrag  von  selbst  hinwegfällt.  Außer  diesem 
Falle  hat  der  weitergehende  Antrag  den  Vorrang  vor  den  anderen.  Im 
übrigen  gehen  Verbesserungs- Vorschläge  den  Hauptanträgen  vor. 

Hilfspersonale. 

§.  53.  Zur  weiteren  Besorgung  der  Geschäfte  wird  ein  Scriptor 
zur  Aushilfe,  ein  Bibliotheksadjunct  und  ein  Diener  gegen  voraus- 
bestimmte Entschädigung  bewüligt. 

3.  Leitung  der  k.  k.  geographischen  Gesellschaft. 

Präsident:  Dr.  Ferdinand  von  H ochste tter. 
Vicepräsidenten:  Dr.  Jos.  Alex.  Freiherr  von  H eifert. 

Kais.  Rath  Anton  Steinhauser. 
Aasschussmitglieder: 

Andrian-Werburg  Ferdinand,  Freiherr  von. 

Artaria  August   Cassier  der  Gesellschaft). 

Becker  M.  A,  Ritter  von,  (Generalsecretär  der  Gesellfichaft). 

Frauen feld  Georg,  Ritter  von. 

Hauer  Franz,  Ritter  von. 

Hauslab  Franz,  Ritter  von. 

Hellwald  Friedrich,  von. 

Kanitz  F. 

Lorenz,  Dr.  J.  R. 

Petz  Eduard. 

Polak,  Dr.  J.  E.  (Bibliothekar  der  Gesellschaft). 

Ruthner,  Dr.  Anton  Edler  von,  (Rechnungsführer  der  GeBellscfaaft). 

Simony,  Dr.  Friederich. 

Streffleur  Valentin,  Ritter  von,  (t  im  letzten  Gesellschaftsjahre). 

Türck  Joseph. 

43* 


668 

4.  Mitglieder  der  k.  k.  geographischen  Gesellschaft. 

a)    Ehrenmitglieder. 

Seine  kais.  Hoheit  der  durchlauchtigste  Herr  Erzherzog  Carl  Ludwig. 

Seine  kais.  Hoheit  der  durchlauchtigste  Herr  Erzherzog  Alhrecht.  ' 

Seine  kais.  Hoheit  der  durchlauchtigste  Herr  Erzherzog  Carl  Ferdinand. 

Seine  kais.  Hoheit  der  durchlauchtigste  Herr  Erzherzog  Wilhelm. 

Seine  kais.  Hoheit  der  durchlauchtigste  Herr  Erzherzog  Joseph. 

Seine  kais.  Hoheit  der  durchlauchtigste  Herr  Erzherzog  Rainer. 

Seine  kais.  Hoheit  der  durchlauchtigste  Herr  Erzherzog  Leopold. 

Seine  kais.  Hoheit  der  durchlauchtigste   Herr  Erzherzog  Ludwig  SaWator. 

Se.  Majestät  der  Kaiser  von  Brasilien  Dom  Pedro  II. 

Se.  Majestät  der  König  von  Schweden  und  Norwegen  Karl  XV. 

Seine  kais.  Hoheit  der  GroIifUrst  Constantin  v.  Russland. 

Ahendroth,  Heinrich  von,  in  Dresden. 

Baer,  Dr.  Carl  Ernst  von,  Staatsrath   und  Academiker  in  St.  Petersburg 

Baeyer,  Dr.  J.,  G.  L.  u.  Abtheilungschef  im  großen  Generalstabe  in  Berlin. 

Beaumont,  L.  E.  de,  Senator  und  beatändiger  Secretär  der  Academie  der 
Wissenschaften  in  Paris. , 

Bou^j  Dr.  Ami,  Mitgl.  d.  Academie  der  Wissenschaften  in  Wien. 

De  Candolle  Alfons  in  Genf. 

Daumas  Melchior,  Generallieutenant  in  Bordeaux. 

Dove  H.  W.,  Prof.  und  Mitglied  der  Academie  in  Berlin. 

Dupperey  Louis  Isidor,  Admiral  in  Paris. 

Dupin  Carl,  Baron  v.,  Mitglied  des  Instituts  v.  Frankreich,  in  Paris. 

Ehrenberg,  Dr.  Christian  Gottfried,  Mitglied  der  Academie  in  Berlin. 

Ermann,  Dr.  Adolph,  in  Berlin. 

Fremont  John  Christ,  in  Washington. 

Fries,  Dr.  Elias  in  üpsala. 

Grey  Sir  George  Esq.  in  London. 

GrineU  Henry  in  New-York. 

Haidinger,  Wilhelm  von,  k.  k.  Hofrath,  Gründer  der  geographischen  Gesell- 
schaft in  Wien. 

Hansteen  Christian  in  Christiania. 

Hermann,  Dr.  Fried.  Bened.  Wilhelm  von,  in  München. 

Ha  US  lab  Franz,  Ritter  von,  in  Wien. 

Keyserling  Alex.  Andreowitsch,  Graf  von,  in  Reval. 

Kuhn,  Freiherr  von,  Reichskriegsminister,  in  Wien. 

L  a  m  0  n  t ,  Dr.  Joh.  Ritter  von.  in  München. 

L  e  s  8  e  p  s ,  Ferdinand  von,  in  Paris. 

L  u  c  a ,  Cardinal-Erzbischof  von  Tarsus,  in  R  o  m. 

L ü t k e ,  Franz  von,  kais.  russischer  Admiral,  in  St.  Petersburg. 

Lyell,  Sir  Charles  Bar.,  in  London. 

Middendorf,  Ad.  Theod.  v.,  in  St.  Petersburg. 

Morean  de  Jonnes  Alex,  in  Paris. 

Murchison,  Sir  Roderich  in  London. 

Nostitz  Pauline,  Gräfin  von,  in  Schöndorf  bei  Neu-Arad  in  Ungarn. 

Petermann,  Dr.  August,  in  Gotha. 

Quetelet,  Dr.  Ad.  Lambert  Jacob,  in  Brüssel. 

Rawlinson  Sir  Henry  Creswike  in  London. 

Rohlfs,  Dr.  Gerhard,  in  Bremen. 

Rose,  Dr.  Gustav,  in  Berlin. 

Rüppel,  Dr.  Eduard,  in  Frankfurt. 

Sabine  Edward  in  London.' 

Sykes  William  Henry  in  London. 

Tschihatchef,  Peter  v.,  in  Paris. 

Tegetthoff  Wilhelm,  Ritter  v.,  in  Wien. 

Yerneuil  Philippe  Vicomte  de,  in  Paris. 

Zarco  de  Valle  y  Huet  in  Madrid. 


669 

b)  Correspondierende  Mitglieder. 

Abich  Hermann,  kais.  russischer  Staatsrath  und  Academiker  in  Tiflis. 

Anderson  Ch.  J.  in  Stockholm. 

Andr^e  Dr.  Carl  in  Dresden. 

Angelrodt  E.  J.,  österr.-ung.  Vicecousul  in  St.  Louis  «Missouri). 

d'Ayezae  M.  in  Paris. 

Bastian,  Dr.  Adolf,  in  Berlin. 

Berghaus,  Dr.  Heinrich,  Proftssor  in  Berlin. 

Bickertsch,  Dr.,  in  Capstadt. 

Blecker,  Dr.,  in  Batavia. 

Buben ik  Franz,  österr.-ung.  Consularkanzler  in  Rustschnk. 

Carrasco  Don  Eduardo  in  Lima. 

Castelneau  Graf  Francis  de,  in  Capstadt 

Dana,  Dr.  James,  in  New-Haven  (Connecticut j. 

Darwin  Charles  R.  in  Decon  (bei  Bromley  Kent). 

Devine  Thomas  in  Quebec  (Canada). 

Dragauchicz  Stanislaus,  Edler  v.  Drachenfels,  österr.-ung.  Consul  in  Ban- 

jaluka  (Bosnien \ 
Emory  W.  E.  in  Washington. 
Engel,  Dr.  Ch.  L.  K,  in  Berlin. 
Ewald  Ludwig  in  Darmstadt. 
Ferreira,  Lagos  Dr.  Manoclo,  in  Rio  de  Janeiro. 
Flügel,  Dr.  Felix  Philipp,  in  Leipzig. 
Forchhammer,  Dr.  Peter  in  Kiel. 
Galton  Francis  in  London. 
Gibbon  M.  Mac  Juppes  in  Capstadt. 
Grewinck,  Dr.  Constantin,  in  Dorpat. 
Griesebach,  Dr.  August,  in  Göttingen. 
Gnarmani  Carl  in  Jerusalem. 
Gumpert,  österr.  ung.  Generalconsul  in  Bombay. 
Haast,  Dr.  Julius,  in  Canterbury  <Neu-Seeland).* 
Rampe  Ernst  in  Blankenbnrg. 

Hansal  Martin,  österr.-ung.  Consularagent  in  Chart  um. 
Heer,  Dr.  Oswald,  in  Zürich. 
Helmersen,  Georg  von,  in  St.  Petersburg. 
Henry  Joseph  in  Washington. 
Heuglin  Theodor,  Rifter  von,  in  Stuttgart. 
Holding,  Dr.  J.  C,  in  Capstadt. 
Hooker  J.  Dalton  in  Kew  (England). 
Jakschitsch  Wladimir  in  Belgrad. 
Jaxa-Dembicki  Julius  in  Livno. 
Johnston,  Alex  Keith,  in  Edinburg. 
Kämtz,  Dr.  Ludw.  Friedr.,  in  Dorpat. 
Karsten,  Dr.  Hermann,  in  Berlin. 
Kiepert,  Dr.  Heinrich,  in  Berlin. 
Kolbing,  Dr.  J.,  zu  Gnadenthal  im  Capland. 
Koldewey  Capt.  Carl  in  Bremen. 
Krem  er  Alfred,  Ritter  v.,  österr.-ung.  Generalconsul. 
Kützing,  Dr.  Traugott  Friedrich,  in  Nordhausen. 
Lachian,  Mr.  Mac.,  zu  Stellenbosch  in  Capland. 
Laing,  Dr.  P.,  in  Capstadt. 
Lamansky  Eugen  in  St.  Petersburg. 
Lange  Henry  in  Dresden. 
Layard  M.  L.  in  Capstadt. 
Legoyt  August  in  Paris. 
Livingstone,  Dr.  David,  in  London. 
Maclear  M.  in  Capstadt. 
Mac  Millan  j.  in  Melbourne  (Australien). 
Malte-Brun  V.  A.  in  Paris. 
Maury  Alfred  in  Paris. 


670 

Maury  Mathew  Foutaiue  iu  London. 

Müller,  Dr.  Ferdinand,  zu  Melbourne  (Außtralien). 

Müller,  Dr.  Carl,  in  Halle. 

Munich  J.  in  Batavia. 

Negri  Cristoforo  in  Florenz. 

Netscher  M.  £.  in  Batavia. 

Nenmayer,  Dr.  Georg,  in  München. 

OmchikuB  Nicolaus  zu  Brdka  in  Bosnien. 

Pappe,  Dr.  C,  in  Capstadt. 

Pascoli  Antonio  zu  Veracruz  in  Mexico. 

Peroglio  Celestino  in  Turin. 

Peschel,  Dr.  Oskar,  in  Augsburg. 

Peters,  Dr.  Wilhelm,  in  Berlin. 

Poeppig,  Dr.  Eduard,  in  Leipzig. 

Prestel,  Dr.  M.  A.  T.,  in  Emden. 

RawBon  J.  in  Capstadt. 

Benard,  A.  von,  in  Moskau. 

Roser,  Dr.  E.,  in  Gnadenthal  (Capland). 

Roskiewicz  Jos.,  k.  k.  0))erstlieutonant,  in  A gram. 

Satorius  v.  Waltershausen,  Dr.  Wolfgang  Freiherr  von,  iu  Göttingen. 

Schaw,  Dr.  Norton,  in  St.  Croix  (Westiudien). 

Schlag! ntweit,  Dr.  Hermann  v.  Sakunlünski,  in  München. 

Seh  lagint  weit,  Dr.  Robert  v.  Sakünlünbki,  in  München. 

Schüch  de  Gapanema,  Dr.  Wilhelm,  iu  Rio  de  Janeiro. 

Scbulz  Adolph.  Ritter  v.,  k.  u.  k.  öbtcrr.-ung.  Consul  in  Widdin. 

Schwarz  Wilhelm,  Fn'iherr  von,  östeir.-unjr.  General-Consul  in  Paris. 

Schwegel  Joseph,  Ritter  v.,k.  u.  k.  österr.-ungar.  Consul  in  Constantinopel. 

Spruner,  Carl  von.  in  München. 

Straznicky  Eduard  in  New-York. 

Sturz  Joh.  Jakob  in  Berlin. 

Sydow,  Ernst  von,  in  Berlin. 

Thörner,  Dr.  Theodor,  in  St.  Peteisburg. 

Valenta,  Dr.  F.,  in  Belgrad. 

Versteeg  W.  E.  in  Batavia. 

Vivien  de  St.  Martin  in  Paris. 

Wappaeus,  Dr.  Joh.  Eduanl,  in  Göttingen. 

Weddel  Hugo  A.  in  Paris. 

Weitzel  A.  W.  P.  in  Batavia. 

Wyley  Mr.  G.  in  Capstadt. 

Ziegler  W.  P.  in  Palmgarten  bei  Winterthur  (Schweiz). 

c)  Ordentliche  Mitglieder.') 

Alt,  Dr.  Alois,  Universitäts-Professor  in  Krakau. 

Andriau-Werburg  Ferdinand,  Freiherr  v.,  k.  k.  Bergrath  in  Wien. 

Antoine  Franz,  k.  k.  Hofgarten- Di rector  in  Wien. 

Arenstciu,  Dr.  Joseph.  Gutsbesitzer  in   Stuppach 

Ajnsburg  IjOuis  Friedrich,  k.  k.  Hofschauspieler  in  Wien. 

Artaria  August,  Kunsthändler  in  Wien. 

Arthaber  Rudolph,  Edler  v.,  Kaufmann  in  Wien. 

Ascher  Adolph,  k.  k.  Regierungsrath  im  Ministerium  des  AeuÜern  in  Wien. 

Babanek  Wenzel,  Professor  am  k.  k.  Obergymnasium  in  Pisek  (Böhmen). 

(A.    M.)    Bach,  Dr.    Alexander,    Freiherr    von,  k.   k.  wirkl.  geheimer  Ratb 

in  Wie  n. 
Balogh  Peter  v.,  Director  einer  höheren  landwirtschaftlichen  Lehranstalt  io 

Debreczin. 


*)  Jene  P.  T.  Mitglieder,  welche  mehr  als  den  statutenmäßigen  Jahres- 
beitrag für  die  Zwecke  der  Gesellschaft  leisten,  sind  in  dem  Verzeischnisse  als 
aui3crordentliche  Mitglieder  (A.  M.)  bezeichnet. 


671 

Bauer.  Dr.  Alexaoder,  Professor  am  k.  k.  polytechnischen  Instkate  in  Wien. 
Bauer,  Dr.  Joseph,  Hof-  und  Gerichtsadvocat  und  Landesausschuss  in  Wien. 
Bechtinger,  Dr.  Joseph,  practischer  Arzt. 
Becker  Alois,  Ritter  von,  k.  k.  Schiffslieutenant  in  Triest. 
Becker  Moriz  Alois,  Ritter  v.,  k.  k.  Landes-Schulinspector  in  Wien. 
Beer,  Dr.  Adolph,  k.  k.  Minister ialrath  und  Professor  am  k.  k.  polytechnischen 
Institute  in  Wien. 

Beer,  J.  Q.,  in  Wien. 

Beinstingel  Alois,  k.  k.  Oherlieutenant  in  Wien. 
Bengough  Joh.,  Ingenieur  in  Döbling. 

Beraun  Carl,  Vorstand  des  technischen  Revisionsamtes  bei  der  Kaiser  Ferdi- 
nands-Nordbahn  in  Wien. 

Berecz  Anton,  Professor  am  Piaristen-Obergymnasium  in  Pest 
Bergmann  Joseph,   Ritter  v.,    Regierungsrath  und  Director  am  k.  k.  Münz- 
und  Antiken-Cabinete  in  Wien. 

Beust  Ferdinand,  Freiherr  v.,  Reichsgeolog  in  Wien. 
Beust  Friedrich,  Freiherr  v.,  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien. 
Beyer  Carl  von,  Ministerialrath   im  k.  k.  Ministerium  des  Innern  in  Wien. 
Beyer  F.,  k.  k.  Hauptmann -Auditor  in  Agram. 

U 1  a h a,   Franz  P.,  Gonsistorialrath  und Bezirksdechaut  inHeraltitz,  Mähren. 
Bloch linger  Carl  v.,  k.  k.  Rittmeister  in  Wien. 
B  cgi  sie,  Dr.  Balthasar,  k.  russischer  Universitäts-Professor  in  Odessa. 
Bolgar  Michael,  Piaristen-Ordenspriester  und  Professor  in  Pest. 
Bordini  Joseph,  Bureauchef  des  österr.  Lloyd  in  Triest. 
Bosch  an,  Dr.  Friedrich,  in  Wien. 

BoD^,  Dr.  Ami,  Mitglied  der  kais.  Academie  der  Wissenschaften  und  Ehren- 
mitglied der  geographischen  Gesollschaft. 

Branmüller  Wilhelm,  k.  k    Hof-Buchhändler  in  Wien. 

(A.  M.)  Brenn er-£nkevoirth  August  Graf,   v.,  k.  k.  Oberst-£rbland-Kämmerer 

in  Wien. 
Broiowsky  W.,  Beamter  im  k.  k.  Post-Cours-Bureau  in  Wien. 
Brühl,  Dr.  Moriz,  Professor  in  Wien. 
B  rujmann  Wilhelm,  k.  k.  Berghauptmann  in  Ofen  (Ungarn). 
Bruuner  v.  Wattenwyl  Carl,  k.  k.  Telegraphen-Director  in  Wien. 
Bruszkay  Anton,  k.  k.  Actuar  in  Kirchberg  am  Wagram. 
Bubi  CS  Sigmund,  Consistorialrath  in  Wien. 
Büchelen  Carl,  Ingenieur  in  Constantinopel. 
Bnchwald  Eugen  Raimund,  k.  k.  Postofficial  in  Wien. 
Burg  Adam,  Freiherr  v.,  k.  k.  Hofrathin  Wien. 
Buterweck  Carl,  k.  k.  Hauptmann- Auditor  in  Maros-Y asarhely. 
Camer  loher  W.  v.,  k.  und  k.  Consul  in  Suez. 
Colloredo-Mannsfeld  Joseph,  Fürst  von,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath 

in  Wien. 

Conrad  Michael,  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien. 
Copanizza  Anton,  Domherr  in  Ragusa. 
Costa,  Dr.  Erwin  Heinrich,  in  Laibach. 
Czartoryski  Constantin,  Fürst  von,  in  Wien. 
Czelechovsky  Rudolph,  k.  k.  Oberlieutenant  in  Wien. 
(A.  M.)  Czörnig  Carl,  Freiherr  von,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath  in  Ischl. 
Denk  Alois  in  Wien. 

Descovich,  Dr.  Joseph,  practischer  Arzt  in  Wien. 
Deutsch- D^chy  Moriz  in  Pest. 
Ditmar  Rudolph,  Fabriksbesitaer  in  Wien. 

Dolezal  Anton,  Revident  im  statistischen    Bureau  des   Handelsministeriums 
in  Wien. 

Dräsche  Richard,  Ritter  v.  Wartinberg,  in  Wien. 
Doli  Eduard,  Realschuldirector  in  Wien. 

Drathschmiedt  Friedrich, Edler  von  Mährentheim,  k.  k.  General-Auditor 

in  Wien. 
Dreer,  Dr.  Fr.  ▼.,  in  Triest. 


672 

Du  Nord  Wühelm,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien. 
Eberle  Ludwig,  Ritter  v.,  k.  k.  LinienschiffB-Capitän  in  Pola. 
Eckhardt  Friedrich,  k.  k.  Hauptmann  in  Gilli. 
E  c  k  h  0  f  f  Christian,  k.  k.  Lieutenant  in  Wien. 
Egg  er  Franz,  Dr.,  Hof-  und  Gerichlsadvocat  in  Wien. 
Engels  Franz,  Agent  und  Buchhalter  in  Wien. 
Enk  von  de»  Burg  Carl.  k.  k.  Lau  desschal  eninspector  in  Wien. 
Ester  mann  Anton,  Dr.  der  Medicin  in  Wien. 
Ettner  Moritz,  k.  k.  Major  im  Generalstabe. 
Faber,  Dr.  Carl  Maria,  Zahnarzt  in  Wien. 
Fa bisch  Joseph,  k.  k.  Generalmajor  in  Graz. 
Folkbeer  Anton,  k.  k.  Post-Controllor  in  Wien. 
Farkas  von  VucotinoTic  in  Agram. 
Feifalik  Hugo,  k.  k.  Hofsecretftr  in  Wien. 
Felder,  Dr.  Cajetan,  Bürgermeister  in  Wien. 

Fenzel,  Dr.  Eduard,  k.    k.  Regierungsrath,  Professor  und  Direktor  des  k.  k. 
botanischen  Gartens  in  Wien. 

Ferenda  Ignaz,  Rechnungsrath  bei  der  Marine- Section  des  Reichskriegsmini- 

Bteriums  in  Wien. 
Feyerfeil  Carl,  Director  des  Josefistädter  Gymnasiums  in  Wien. 
F  ick  er,  Dr  Adolph,  k.  k.  Miiiisterialrath  in  Wien. 
Figdor  Gustav,  Großhändler  in  Wien. 
Filippi  Eduard,  k.  k.  Generalmajor  in  Wien. 
Filippi  Berta  in  Wien. 

Fischer,  Dr.  Joseph,  Director  und  Inhaber  einer  Handelslehranstalt  in  Pest 
(A.  M.)  Fligely  August  v.,  k.  k.  Feldmarschallieutenaot.  Director  des  k.  t 

militär-geographischen  Institutes  in  Wien. 

Floch  Dr.  J.  H.,  Ritter  von,  k.  k.  Finanzrath  in  Pest. 

Foetterle  Franz,  k.  k.   Bergrath  in  Wien. 

Frauenfeld  Georg,  Ritter  von,  Gustos  am  k.  k  zoologischen  Cabinet  in  Wiea 

Frieden fels  Eugen,  Freiherr  v.,  k.  k.  Hofrath  in  Wien. 

Fried  mann,  Dr.  Sigismund,  Badearzt  in  Yöslau. 

Fries  ach,  Dr.  Carl,  k.  k.  Professor  in  Graz. 

F ritsch    Carl,    Yicedirector   der  k.   k.   Centralanstalt  ftir   Meteorologie  mA 

Erdmagnetismus  in  Wien. 
F ritsch  Joseph,  in  Zinnwald  (Böhmen). 
Gablenz  Ludwig,   Freiherr  v.,  k.   k.   wir  kl.  geheimer  Rath  and  Feldzeog- 

meister  iu  Ofen. 
Ganahl  Johann,  k.  k.  Oberst  in  Wien. 

Gatscher  A^  k.  k.  Gymnasialdirector  bei  den  Schotten  in  Wien. 
Gehringer  Carl,  Freiherr  von,  k.  k.  wu-kl.  geheimer  Rath  in  Wien! 
Gentilli  Amadeo,  Ingenieur  in  Wien. 
Gerok  Carl,  Architect  in  Constantinopel. 
Gigl  Alezander,  Archivar  im  k.  k.  Ministerium  des  Innern  in  Wien. 
Gigl  Johann,  Ingenieur  in  Tri  est. 
Gintl  Heinrich,  Betriebsdirector  der  Lemberg-Czemowitz-Jassyer-Bahn-GeaeU- 

Schaft  in  Lemberg. 
Gmelin,  Dr.  Otto,  Ingenieur  der  Staatseisenbahngeseltschaft  in  Wien. 
Gödel-Lannoy  Oskar,  Ritter  v.,  Präsident  der  k.  k.  Central  -  Seebehörde  ii 

Triest. 
Goehlert    T.    Y.    Ministerialsccretär    im    k.    k.    Ministerium    des     Innen 
Goethe  Wolfgang  v.,  k.  preußischer  Legationsrath. 
Gorizutti  Franz,  Freiherr  v.,  k.  k.   Feldmarschallieutenant  in  Marienhof 

(Steiermark). 
Graffenried-Burgenstein  Em.,   Freiherr  von,   Capitän,   Yilla  Schös- 

bOchl  in  der  Schweiz. 
Griesbach  Carl  Ludol^  Geolog. 
Grohmann  Paul  in  Wien. 

Gröl  1er  Gustav,  Ritter  von,  k.  k.  Fregattencapitän  in  Klagen  fürt. 
Gugg    von   Guggenthal   Yictor,  k.   k.   Obristlieuteoaut ,   Schloss   Ponigl 

(Steiermark). 


673 

Gülcher  Jacob  Theodor,  Fabrikant  in  Wien. 

GaiBlain    de     Lens     Ludwig,     Secretär    der     galizischen     Carl-Ludwigs- 

Bahn  in  Wien. 
Gatmann  David,  Grosshändler  in  Wien. 
Gotmannsthal  Ludwig,  Ritter  v.,  Wien. 
Gymnasium  in  Bochnia  (Galizien). 
Gymnasium  in  Bozen. 
Gymnasium  in  Bregenz  (Vorarlberg). 
Gymnasium  (deutsches)  iu  Brunn. 
Gymnasium  in  Brzezany  (Galizien). 
Gymnasium  in  Cilli. 
Gymnasium  in  Drohobycz  (Galizien). 
Gymnasium  in  Eger. 
Gymnasium  in  Görz. 
Gymnasium  in  Graz. 
Gymnasium  (zweites  Staats-)  in  Graz. 
Gymnasium  in  Hall  tXirol). 
Gymnasium  in  Hörn. 
Gymnasium  in  Innsbruck. 
Gymnasium  in  Keszthely  (Ungarn). 
Gymnasium  in  Klagenfurt. 
Gymnasium  in  Klattau. 
Gymnasium  in  Krems. 
Gymnasium  in  Kremsmünster. 
Gymnasium  in  Königgr&z  (Böhmen). 
Gymnasium  (St.  Anna-)  in  Krakau. 
Gymnasium    zweites  Ober-»  in  Krakau. 
Gymnasium  in  Böhmisch-Leipa. 
Gymnasium  ^academisches)  in  Lemberg. 
Gymnasium  (Franz  Josefs-)  in  Lemberg. 
Gymnasium  in  Linz. 
Gymnasium  in  Marburg  (Steiermark). 
Gymnasium  (slavisches)  in  Ol  mutz. 
Gymnasium   auf  der  Klßinseite)  Prag.  • 
Gymnasium  in  Salzburg. 
Gymnasium  in  Seitenstetten. 
Gymnasium  (katholisches/  in  T  eschen. 
Gymnasium  (in  der  Josephstadt)  in  Wien. 
Gymnasium  {zvl  den  Schotten)  in  Wien. 
Gymnasium  (theresianisches)  in  Wien. 
Gymnasium  in  Znaim. 

Haan  Friedrich,  Sectiousrath  im  k.  k.  Ministerium  des  Innern  in  Wien. 

Hai  ding  er  Wilhelm,  Ritter  v.,  k.  k.  Hofrath  in  Wien  (zugleich  Ehren- 
mitglied). 

Hammer-Purgstall  C,  Freiherr  y.,  Schloss  liainfeld  in  Steiermark. 

Hart n er  Friedrich,   Professor  am  k.  k.  polytechnischen  Institute  in  Wien. 

Hartuigg  Paul,  Bergwerksbeamter  in  Feistritz  (Steiermafk). 

Hauer  Franz,  Ritter  t.,  k.  k.  Sectiousrath  und  Directorder  k.  k.  geologischen 
Reichsanstalt  in  Wien. 

Hauer  Julius,  Ritter  v.,  k.  k.  Professor  in  Leoben. 
Hauke  Franz,  Director  der  Wiener  Handels- Academie. 
Haus  lab  Franz,  Ritter  t.,  k.  k.  wirklich,    geh.   Rath,  Feldzeugmeister  in  W  i  e  n 
(zugleich  Ehrenmitglied). 

Heine -Geldern  Gustav,  Freiherr  von,  in  Wien. 
Heinrich,  Dr.  Gustav,  Professor  in  Pest. 

Hei  sie  r,  Dr.  Ferdinand  von,  k.  k.  wirklich,  geh.  Rath  und  Senatspräsideut 
des  obersten  Gerichtshofes  in  Wien.  , 

Helfert,  Dr  Joseph  Alexander,  Freiherr  v.,  k.  k.  wirklich,  geh.  Rath  und 
Präsident  der  Centralcommission  für  £rhaltung  der  Baudenkmalein  Wien. 

Heller  von  Hellwald  Friedrich,  k.  k.  Lieutenant  in  Wien. 


674 

Heller  Carl,  Professor  am  Theresianum  in  Wien, 
H  e m p f  1  i n g  Jos.  v.,  k.  und  k.  Consul  in  Philippopel. 
Hengelmüller  Michael,  Präsident  des  k.  Laudesgerichts  in  Pressbarg. 
Henke  Ernst,  Kaufmann  in  Wien. 

Henneberg  Edmund,  Ritter  von,  k.  k.  Schiffslieutenant  in  Wien. 
Herr,  Dr.  Jos.,  k.  k.  Professor  am  polytechnischen  Institut  in  Wien. 
Hilgermann  Jos.  August,  Lehrer  in  Wien. 

Hingenau  Otto,  Freiherr  von,  k.  k.  wirkl.  Kämmerer  und  Miuisterialrath  io 
Wien. 

Hirtenfeld,  Dr.,  Redacleurder  Wehrzeitnng  in  Wien. 
Hochstetter,   Dr.    Ferdinand  von,    Professor  am  polytechnischen  Institut  in 
Wien. 

Hochstetter  Carl,  Fabriksbesitzer  in  Wien. 
Hoier  Joseph,  Professor  in  Wien. 

Ho  ff  er  Joseph,  Beamter  bei  der  Donau- DampfscbiffahrtsgeBellschaft  in  Wien 
Hoffinger,  Dr.  Johann,  Ritter  von,  k.  k.  Ministerialsecret&r  in  Wien. 
Hoffmann   Anton,   Sectionsrath   und   Chef  des  Post-Gours-Bureaus  im  k.  k. 
Handelsministerium. 

Ho  ff  mann  Johann,  k.  k.  Major  in  Wien. 
Hof  mann,  Dr.  Adolph,  in  Wien. 

Hof  mann  Leopold  von,  k.  k.  virkl.  geh.   Rath    und    Sectionschef  im   Mini- 
sterium des  Aeußern. 

Hölzel  Eduard,  Buch-  und  Kunsthändler  in  Ol  mutz. 
Hornig,  Dr.  Emil,  kais.  Rath  und  Professor  in  Wien. 
Hugl  Leopold,  Schuldirector  in  Wien. 
Hütter  Eduard  in  Wien. 

Illek  August,  k.  k.  Stabsarzt  im  Wien. 

Inkey-Pallin  Ferdinand  von,  k.  k.  Kämmerer  in  Rässina  (Groatien). 
Jak  ob  i  Jakob,  Generalsecrotär  der  Kaiser  Ferdinands-Nordbahn  in  Wien. 
J  i  r  e  d  e  k  Jos.,  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien. 

John  Fr.,  Freiherr  t..  k.  k.  wirklicher  geh.  Rath  und  Feldmarschall-Lieutenant 
in  Graz. 

Junker  Carl,  Ober-Ingenieur  in  Wien. 

K  a  1 1  a  y  Benjamin  v.,  k.  und  k.  Generalconsul  in  Belgrad. 
Kanitz  F.,  Privat  in  Wien. 
Kanitz  Isidor  in  Wien. 

Kastner  Leopold,  Vorstand  der  Registratur  der  Creditanslalt  in  Wien. 
Keler  Sigmund  von,  k.  k.  Oberstlieutenaut  im  25.  Infanterie-Regiment. 
Kern  er,  Dr.  Anton,  Universitätsprofessor  in  Innsbruck. 
Kerr  Louise  in  London. 
Kin.tzl  Leopold,  k.  k.  Generalmajor  in  Wien. 
Kleindl  Joseph,  k.  k.  Hofrath  in  Wien. 
Klinkow ström  Alfons,  v.,  k.  k.  Hofrath  in  Wien. 
Klun,  Dr.  Vincenz,  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien. 
Köchel,  Dr.  Ludwig,  Ritter  von,  kaiserl   Rath  in  Wien. 
Koffler  Johann,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien. 

Kögler  Wilhelm,   k.  k.  Schulrath  und  Director  der  Oberrealschule  in  Prag. 
Koke  Friedrich,   Besitzer  einer  lithographisch-artistischen  Anstalt  in  Wien. 
Kompert,  Dr.    Leopold,  Beamter  der  Credit-Anstait  in  Wien. 
Kofis tka,  Dr.  Carl,  Professor  am  k.  k.  Polytechnicum  in  Prag. 
Kornhube r,  Dr.  Gustav,  Professor  am  k.  k.  Polytechnicum  in  Wien. 
Kraft  Hermann  von.  Privat  in  Wien. 

K  r  a  i  n  s  k  i  Alois,  Ritter  von  J  e  1  i  t  a ,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien. 
(A.  M.),  Krasicki  Casimir,  Graf  v.,  k.  k.  wirkl.  geb.  Rath  in  L  emberg. 
Kropp  Wilhelm,  k.  k.  Linienschiffs-Lieutenant  in  Pola. 
Krummhaar  Josef,  Secret&r  im  k.  k.  Minsterium  des  Unterrichts. 
Kubinyi  Aug.  v.,  k.  k.   Rath,  Director   des  ungarischen  Nationalmnseums  in 
Pest. 

Knbinyi  Franz  von,  Gutsbesitzer  in  Pest. 

Kukula  Wilhelm,  Professor  an  der  k.  k.  Oberrealschole  in  Linz. 


675 

Euues  Albert,  Hydrograph  an  der  hydrographischen  Anstalt  der  k.  k. 
Kriegsmarine  in  Fiume. 

Langer,  Dr.  A.,  in  Wien. 

Lasser  Joseph,  Freiherr  von  Zollheim,  k.  k.  wirklicher  geh.  Rath  in 
Innsbruck. 

Laabe,  Dr.  Gustav,  k.  k.  Professor. 

1/ederer  Carl,  Freiherr  von,  k.  k.  Gesandter  in  Washington. 

Lerch,  Dr.  Johann,  in  Wien. 

Leschtina  Franz,  Dircctor  der  lithogiaphischen  Anstalt  des  Grundsteuer- 
Katasters  in  Wien. 

Letocha  Anton,  k.  k  Kriegscommissär  in  Wien. 

Lewin  Joseph,  Professor  an  der  liV^iener  Handels- Academie. 

Leyrer,  Dr.  E.,  Hof-  und  GBrichtsadvocat  in  Wien. 

Lichten  Stadt  Johann  C.  J.  in  Wien. 

Lieben  Leopold,  Grosshändler  in  Wien. 

Lind  he  im  Alfred  von,  Fabriksdirector  in  Wien. 

Lindner  Carl,  k.  k.  Fregattencapitän  in  Cilli  (Steiermark). 

Lipoid  Marcus  Vinconz,  k.  k.  Ober-Bergrath  in  Idria. 

Littrow  Heinrich,  Ritter  von,  k.  k.  Fregattencapitän  in  Fiume. 

Lorenz,  Dr.  Jos.  Roman,  k.  k.  SectionsratJi  in  Wien. 

(A.  M.)  Luby  Kaspar  E.,  Ingenieur  und  Hauverwalier  in  Gsakvär. 

Mally  Carl,  k.  k.  Ministerialbeamter  in  Wien. 

Mandel,  Dr.  Ferdinand,  in  Wien. 

M  a  n  d  e  1  e  s  Fried.,  Secretär  der  Versicherungsgesellschaft  „Donau**  in  Wien. 

Man  dl  Moriz,  Amts-  Ingenieur  der  Kaiser  1  erdinands-Nordbahn  in  Wien. 

Marno  Ernst,  in  Wien. 

Marschall  auf  Burghausen  August  Friedrich,  Graf  von,  k.  k.  Kämmerer 
in  Wien. 

Matz  Eugen,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien. 

Matzen  au  er  Joseph,  Piaristcnordenspriester  in  Wien. 

M  e  r  t  e  n  s  Carl,  Freiherr  v.,  k.  k.  wirkl.  geheimer  Rath,  Feldzeugmeister,  in  W  i  e  n. 

Miller  August  von  und  zu  Aichholz  in  Wien. 

Miller  Vincenz  von  und  zu  Aichholz  in  Wien. 

M  i  n  z  R.  A.,  Banquier  in  Wien. 

Mislin  Jacob,  Domherr  in  Wien. 

Möring  Alfred,  k.  k.  Obferlieutenant  in  Wien. 

Mojsisowics,  Dr.  Edmund  vooi,  Reichsgeolog  in  Wien. 

Montenuovo,  Fürst  v.,  General  der  Cavallerie,  Hauptmann  der  k.  k.  Tra- 
banten-Leibgarde in  Wien. 

Morelli  Hadrian,  k.  k.  Linienschiffscapitän,  Insel-  und    Festungs-Commandant 

in  Lissa. 
Morpurgo  Elio,  Freiherr  von,  Director  des  österr.  Lloyd  in  Triest. 
Müller  Robert,  Hydrograph  der  k.  k.  Kriegsmarine  in  Triest. 
Muszynski  Carl,  k.  k.  Major  in  Wr.-Neüstadt. 
Nenmayer,  Dr.  Melchior,  Reichsgeolog  in  Wien. 
Nordmann  Johann,  Redacteur  in  Wien. 

Nostitz  Pauline,  Gräfin  v.  (auch  Ehrenmitglied),  in  Schöndorf  bei  Neu-Arad. 
Orges,  Dr.  Hermann  von,  k.  k.  Regierungsrath  in  Wien. 
Overbeck  Gustav,  Ritter  v.,  k.  und  k.  General-Consul  in  Hongkong. 
Ozegovic  Ludwig,  Freiherr  v.  Barlabasevec,    k.   Statthalterei- Secretär  in 

Creutz  (Croatien). 

Pacor  Wilhelm  v.,  k.  k.  Oberlieutenant  in  Prag. 

Parmentier  Adolph,  Ritter  von,  k.  k.  Ministerialrath  in  P.  in  Wien. 

Pasetti  Florian,  Freiherr  von,  k   k.  Ministerialrath  i.  P.  in  Wien 

Payer  Julius,  k.  k.  Oberlieutenant. 

Pazzani  Julius,  Ingenieur  in  Wien. 

Pechmann  Eduard,  Ritter  von,  k.  k.  Generalmajor  in  Wien. 

Pejacsevich,  Graf  Nicolaus,  k.  k.  Generalmajor  in  Pressburg. 

Perkmann,  Dr.  Rochus,  Professor  an  der  Wiener  Handelsacademie. 

Peters  Dr.  Carl,    k.  k.  Universitätsprofessor  in  Graz. 

Petz  Eduard,  k.  k.  Oberstlieutenant  in  Wien. 


676 

Pfeiffer  Rudolph,  Bergingenieur  in  Wien.  . 

Pierre,  Dr.  Victor,  Professor  am  k.  k.  polytechnischen  Institute  in   Wien. 

Pino  Felix,  Freiherr  v.  Friedenthal,  k.  k.  Landespräsident  inCzernowi 

Pipitz,  Dr.  F.  E,  in  Triest. 

Pleutzner  Franz,  Ritter  von  Scharneck,  k.  k.  Lieutenant  in  lausbrm 

Poche  A.,  Freiherr  von,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath. 

Poche  Eugen,  Freiherr  von,  in  Wien. 

Pogatschnigg  Hugo,  k.  k.  Schiffsfthnrich  in  Pola. 

Pohl,  Dr.  Joseph,  Professor  am  k.  k.  polytechnischen  Institute  m  Wien. 

Polak,  Dr.  J.  E.,  in  Wien.  ,.        .     „     ., 

Potyka  Theodor,  Oberingenieur  der  k.  k.  priv.   Kaiser  Ferdinands -Nordto 

in  Krakau.  ' 
Prasch  Vincenz,  Professor  am  k.  k.  Obergyranasium  in  Brunn. 
Pratobevera-Wiesborn  Adolph,  Freiherr  von,  k.  k.  wirkl.  geheimer  B 

in  Wien. 

Presse,  die  Redaction  der  —  in  Wien. 

Pressel  W.,  Director  der  osmanischen  Bahnen  in  Wien. 

Proschko,  Dr.  Isidor,  k.  k.  Polizei-Obercommissär  in  Wien. 

Rakofsky  Stefan  von,  Gutsbesitzer  in  Press  bürg. 

Rathner  Franz,  k.  k.  Postofficial  in  Wien. 

Ratzesberg  Ludwig  von,  in  Wartenberg  tOberösterreich). 

Realgymnasium  (Landes-)  in  Chrudim. 

Realgymnasium  zu  Ung.  Hradisch  (Mähren). 

Realgymnasium  (Communal-)  in  Kolomea  (Galizien). 

Realgymnasium  zu  Leoben  (Steiermark). 

Realgymnasium  (Landes-)  in  Stockerau. 

Realgymnasium  in  Villach  (Kärnten). 

Realgymnasium  (Landes-)  in  Waidhofen  an  der  Thaya. 

Realgymnasium  zu  Wittingau  (Böhmen). 

Realgymnasium  (Communal)  in  der  Leopoldstadt  m  Wien. 

Realschule  (griechisch-orientalische)  zu  Czernowitz  (Bukowina). 

Realschule  in  Feldkirch  (Vorarlberg). 

Realschule  (Landes-)  zu  Graz. 

Realschule  (Communal-)  zu  Iglau  (Mähren). 

Realschule  .Landes-)  zu  Krems. 

Realschule  zu  Kuttenberg  (Böhmen). 

Realschule  (Communal-)  zu  Laibach  (Krain). 

Realschule  (Landes-)  zu  Böhmisch-Leipa. 

Realschule  zu  Linz. 

Realschule  zu  Olmütz. 

Realschule,  k.  k.  (böhmische»  in  Prag. 

Realschule,  k.  k.  (deutsche)  in  Prag. 

Realschule  (Communal-)  zu  Roveredo  (Tirol). 

Realschule  zu  Salzburg. 

Realschule  zu  Steyer  (Oberösterreich  . 

Realschule  zu  Troppau. 

Realschule  (Landes-)  zu  Waidhofen  a.  d.  Ips. 

Realschule,  k.  k.  am  Schottenfelde  in  Wien. 

Realschule  (Communal-;  auf  der  Wieden  in  Wien. 

Realschule  (Landes-)  zu  Wiener  Neustadt. 

Rechberg,  Graf  von,  k.  k.  wirkl.  geh.  Rath  in  Kettenhof. 

Redlich  Alexis,  k.  und  k.  Consul  zu  Bangkok  in  Siam. 

Reicher  Joseph,  k.  k.  Major  im  Generalstab  in  Wien. 

Reinisch,  Dr.  Leo,  k.  k.  Professor  in  Wien. 

Reissek,  Dr.  Siegfried,  Custos  am  k.  k.  botanischen  Museum  in   W  len. 

Repitsch  Johann,  Rcalschulprofeasor  in  Krems. 

Reslhuber  Augustin,  Abt  des  Benedictinerstiftes  in  Kremsmünster. 

Rettig  Andreas,  Schuldirector  zu  Nepomuk  (Böhmen). 

Rittmayer  J.  von,  Grosshändler  in  Triest. 

Roesler,  Dr.  E.  Robert,  k.  k.  Universitäta-Professor  in  Lemberg. 

Rosner  Franz,  Ritter  von,  Sectionsrath  im  k.  k.  Finanzministeriam. 


I  677 

I 

Rgther  Dr.  Anton,  Edler  ron,  Hof-  and  Gerichtsadvokat  in  Wien 

SifUa,  Dr.  Eduard,  k.  k.  Professor  in  Wien. 
jüitiran  lilmauael,  Freiherr  vüd,  k.  k.  Gcueralnisgor  in  Laiuz. 
[Sillioger  Michael,   k.  k.  Hauptmann  iu  Graz. 
ISiii-Reifferscheid-Krautheim  Hugo,  Kürst  von,  Wien. 

iA  U.  Sapiebu  Lt;ou,  Kürst  von,  in  Wien. 

jjflfriänder  Johann  Jacob  in  Wien. 

StxCari,  österr.-ungar.  Consul  in  Sera  je  wo. 

Scbiilhammer  Johann,   Kitter  von,  k.  k.   Postcontroller  i.  P.  in  Brizcu 
j       (Tirol). 

ickiambnrg-Lippe,  Prinz  von,  in  Ratiboriz  bei  NachoU  (Böhinen>. 
Iclierser,  Dr.  Carl,  Rittor  von,  k.  k.  Ministerialrath  in  Wien. 
Ickiesinger,  Dr.  Eduard,  tn  Wien. 

■einer] ing,  Dr.  AuIdu,  Ritter  von,  k.  k.  wirkl.  geheimer  Rath  und  Präsi- 
dent des  obersten  Gerichtshofes  in  Wien. 

Icliaerling  Joseph,  Ritter  von,  k.  k.  Feldzeugmeister  in  Wien. 
Ickaidburg  Rudolph,  Freiherr  von,  k.  k.  ('eucralm^or  iu  Graz. 
Irkiidt,  Dr.  Julius,  Director  der  köuigi    Sternwarte  in  Athen. 

Sch&eider  Eduard,  Banquier  in  Wien, 
chöffel  Joseph,  k.  k.  Oberlieutenant  i.  P.  in  Mödling. 
cbiz.  Dr.  Anton,  Profi^ssor  in  Prag, 
ckroeder  C.  M.,  Director  des  österreichischen  Lloyd  in  Tri  est. 
jkkrötter,  Dr.  Anton  Ritter  yon  Kristelli,  k.  k.  Hofrath  und  Director  des 
Münzamtes  in  Wien, 
kberth  W.,  k.  k.  Schulrath  und  Gymnasialdirector  in  T eschen  (Schlesien). 
Ivtrtz  Carl,    Ingenieur  der  Kaiser  Feidinands-Nordbahn  iu  M&hrisch- 

Ostrau. 
kvartz  Gustav,  Edler  von  Mohrenstern  in  Wien. 
H.)  Schwarzenberg  Johann  Adolph,  Kürst  von,  Herzog  zu  Krumau  in 

WieD. 
kweidler  Wilhelm,  Ritter  von,  k.  k.  Oberlieutenant  in  Prag, 
vftz  W.  August,  Piaristenordenspriester  und    Gymnasial  director  in  Hörn 
(Nieder  österreicb.) 
ivorella  Ludwig,  Vertreter  von  Justus  Perthes  in  Gotha  in  Wien. 
Uiiczek  Ernst,  k.  k.  Hauptmann  in  Steiuamanger  (Ungarn), 
idel  L.   W.,  Ruchhändler  iu  Wien. 
»M.)  Sei  Her,  Dr  Johanu  Caspar,  Freiherr  von,  in  Wien. 
ligmaDD,  Dr.  F.  A.,  k.  k.  Fregattenarzt  in  Triest. 
iijtmano,  Dr.  F.  B.,  k.  k.  Professor  in  Wien, 
abera  Alois  Ad.,  Universitätsprofessor  in  Wien, 
kfbel  Emil,  Fabriksbesitzer  in  Wien. 
Iibek,  Dr.  Rudolph,  Gartendirector  der  Stadt  Wien. 
gi  Georg,  Fabriksbesitzer  in  W'  i  e  n. 
kony,  Dr.  Friedrich,  L'niversitätsprofessor  iu  Wien. 
iger  Joseph,  k.  k.  Feldmarschall-Lieutenant  i.  P.  in  Wien. 
»ne  Alfred,  jun.,  in  Wien, 
ippa  O.,  k.  k.  Major  in  Bozen, 
itiwy  Vincenz.  k.  k.  Hauptmann  in  Agram. 
\o\  Franz,  k.  k.  Hauptmann  in  Olmtttz. 
pmaruga,  Dr.  Guido,  Freiherr  von,  in  Wien, 
raderleithuer  Georg,  k.  k.  Mioistenalconcipist  in  Wien, 
iklar  von  Instätten  Carl,  k.  k.  Oberst  in  WMener-Neustadt. 
iche,    Dr.  Guido,  k.   k.   Bergrath   und   Assistent  der  k.   k.   geologischen 
Reicbsanstalt  in  Wien. 

idha  rdtner,  Dr.  C,  Primarius  im  allgemeinen  Krankenhause  in  Wien. 

inhanaer  Anton,  kais.  Rath  in  Wien. 

ckert  Franz,  Inspector  der  Kaiser  Ferdinands-Nordbahn  in  Wien. 

ckert  Carl,  Gutsbesitzer  in  Freudenberg  (Kärnten), 
-doieka  Franz,  Professor  am  k.  k.  Polytechnicum  in  Prag. 
leg 8  Eduard,  k.  k.  Universitätsprofessor  in  Wien, 
ittner  Hermann,  Professor  am  k.  k.  Theresianum  in  Wien. 


678 

Tempi  e  Radolph,  Inspector  und  Bnreauchef  der  k.  k.   priv.    Assicuraziofll 

generale  in  Pest. 
Tettau  Otto,  Freiherr  von,  in  Berlin. 

T hürnen  Carl,  Freiherr  von,  in  Krems  (Niederösterreich).  ^ 

Thun-Hohenstein  Leo,  Graf  von,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath  in  P r t| 
Toula  Franz,  Assistent  am  k.  k.  polytechnischen  Institut  in  Wien. 
Truppenkörper,  k.  k. 

Offizierscorps  des  Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  1  in  Prag. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  2  in  der  Festung  Ar  ad. 

Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf.-Reg.  Nr.  2  in  Fogaras. 
Offfzierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  8  in  Prag. 
„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  7  in  Graz. 

„  .,    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  8  in  Znaim. 

„  „    10.  Liii.-Int.-Regt.-Reserve-Kommando's  in  P  r  z  e  m  y t 

„  „    Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  6  in  Temesvär. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  12  in  Eöniggr&tz. 

.,  „    Lin.-Int'.-Regiments  Nr.  14  in  Pressburg. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  15  in  Prag. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  16  in  Linz. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  18  in  Josephstadt. 

Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  19  in  Wien. 
Reserve-Commande  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  20  in  Neu-Sandec 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  22  in  Ragusa. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  23  in  Peterwardein. 

Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  2dinZombor  (Galiziei 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiment8  Nr.  24  in  Miskolcz. 

„  „    Reserve-Gommandos   des    Liu.-Inf.-Regimens    Nr.  1 

in  Eolomea. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  26  in  Pilsen. 
Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  26  in  Gran. 
Offiziersbibliohek  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  36  in  Eöniggrätz. 
Offizierscorps  des  Jan.-Inf.-Regiments  Nr.  32  in  Krems. 
„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  40  in  01m ätz. 

„  „    Reserve-Gommandos  des  Lin.-Inf.  Regiments  Nr. 

in  Gzernowitz. 

Reserve-Gommando  des  Lin. -Inf. -Regiments  Nr.  43  in  Versecz. 
Offiziers-Bibliothek  des  Lin. -Inf. -Regiments  Nr.  44  in  Zara. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  49  in  Wien. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  51  in  Olmütz. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiment8  Nr.  52  in  Tri  est. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  53  in  Wien. 

„  „    Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  54  in  Wien. 

„  „    Lin.-Inf.- Regiments  Nr.  55  in  Kaiser-Ebersdo 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  57  in  Pest 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  58  in  Pest. 

Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  58  in  Stanislaa. 
Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  61  in  Temesvär.  . 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  63  in  Maros-Yasarhel] 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  66  in  Lern  her  g, 

Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  66  in  ÜDgvär. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  67  in  Wien.  i 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  70  in  Krakau. 

Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  70  in  Neu  sohl. 
Offizierscorps  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  72  in  Wien. 

„  „    Lin.-Inf. -Regiments  Nr.  74  in  Olmütz. 

„  „    Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  75  in  Komorn. 

„  „    Lin  .-Inf. -Regiments  Nr.  78  in  Esseg. 

Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  79  in  Nyiregyha^ 

Reserve-Gommando  des  Lin.-Inf.-Regiments  Nr.  80  in  Zloc  zow.      | 

Offizierscorps  des  3.  Bataillon  des  Tiroler  Jäger- Regiments  in  Hainbaj 

„  „      1.  Feld-Jäger-Bataillons  in  Fünfkirchen. 


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679 

Trippen  kör  per,  k.  k. 

Ofifizierecorpe  des  6.  Feld-Jäger-BataUlons  in  Kaaden. 
„      9.  Feld-Jäger-Bataillons  in  Budua. 
„    15.  Feld-Jäger-Bataillons  in  Salzburg. 
„    17.  Feld-Jäger-Bataillons  in  S  t  a  n  i  s  1  a  u. 
„    30.  Feld- Jäger-Bataillons  in  Lemberg. 
„    32.  Feld- Jäger-Bataillons  in  Pettau. 
„    Feld-Artillerie-Begiments  Nr.  1  in  Lemberg. 
„    Artillerie-Regiments  Nr.  2  in  Comorn. 
„    Feld-Artillerie-Regiments  Nr.  3.   Munitions-Kolon nen- 
Kadre  in  Olmütz. 
Offizierscorpe  des  Feld- Artillerie-Regiments  Nr.  4  in  Pest. 

„  „    Feld-ArtDlerie-Regiments  Nr.  7  in  Laibach. 

,,  „    Feld-Artillerie-Regiments  Nr.  11  in  Wien. 

Zeugs- Artillerie-Commando  Nr.  2  in  Graz. 
Zeugs- Artillerie-Commando  Nr.  10  in  Stein  (Kraini. 
Offizierscorps  des  Grenz-Regiments  Nr.  2  in  Otoiac. 

„    Grenz-Regiments  Nr.  3  in  Ogulin. 
„     Grenz-Regiments  Nr.  4  In  Gar  Uta  dt. 
„    Grenz-Regiments  Nr.  6  in  Belovar. 
Offizierecorps  des  Grenz-Regiments  Nr.  12  in  Pancsova. 
„    Grenz-Regiments  Nr.  13  in  Caransebes. 
„    Grenz-Regiments  Nr.  14  in  Weiskirchen. 
„    Festungs- Artillerie-Bataillons  Nr.  3  in  Wien 
„    Festungs- Artillerie-Bataillons  Nr.  9  in  Innsbruck. 
„    Pionnier-Feld-Bataillons  Nr.  3  in  Pettau  (Steiermark). 
,         Pionnier-Cadetten- Schule  in  Hainburg  a.  d.  Donau. 
'        Offiziers-Bibliotheks-Verwaltung    des  Pionnier-Regiments   in    Kloster- 
neuburg. 
Militär-Lese-Yerein  in  B istritz  (Siebenbürgen). 
Militär-Casino  in  Temesvir. 

Cadettenschule  der  8.  und  24.  Truppen-Division  in  Lemberg. 
Offizierscorps  des  Genie-Regiments  Nr.  1  in  01m atz. 
Gamisons-Bibliothek  in  Peterwardein,  zu  Händen  des  Festungs-Comman- 

do^s  in  Peterwardein. 
Gamisons-Bibliothek  in  Krakau. 

Offiizierscorps  des  Dragoner  Regiments  Nr.  1  in  FOnfkirchen. 
„  „    Dragoner-Regiments  Nr.  4  in  N.  Karoly. 

„    Dragoner-Regiments  Nr.  7  in  Stuhlweissenburg. 
Dragoner- Regiments  Nr.  13  in  Enns. 
Dragoner-Regiments  Nr.  14  in  Wessely  (Mähren). 
Husaren-Regiments  Nr.  4  in  Klattau. 
Husaren-Regiments  Nr.  6  in  Klagenfurt. 
Husaren-Regiments  Nr.  8  in  Zolkiew  (Galizien). 
Husaren-Regiments  Nr.  10  in  Neuhäusel. 
Husaren-Regiments    Nr.    12,    Ergänzungs-Kadre ,    in 
Gyöngyös  (Ungarn). 

■ehermak,  Dr.  Gustav,   Director  des  k.  k.  Mineraliencabinetes   in  Wien. 
Rrck  Joseph,  k.  k.  Hof  Juwelier  in  Wien. 

«rczmanovicz  Paul, k.  k. Schichtmeister- Ad junct  in  Wieliczka  (Galizien). 

rlinger  Paul,  Pfarrer  in  Scheibs  (Niederösterreich). 

ilero  Cornelius,  Ritter  von,  Fabriksbesitzer  in  Neurettend  orf  (Böhmen). 

liero  Victor,  Fabriksbesitzer  in  Wien. 

ilmagini,  Don.  Julius,  Privat  in  Wien. 

ernier  de  Rougemont  et  Orchamp,  Freiherr  von,  k.  k.  wirkl.  geheimer  Rath 
and  Feldmarschall-Lieutenant  in  Wien. 

ivenot  Fr.  v.,  Reichsgeologe  in  Wien. 

lelker  George,  Banquier  in  Wien. 

Igel  Heinrich,  k.  k.  Hauptmann  in  Wien, 
feikard  Franz,  k.  k.  Oberstlieutenant  in  Wien, 
feiuling  Carl.  k.  k.  Bezirksvorsteher  i.  P.  in  Wien. 


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Weiser,  Dr.  Moriz,  practischer  Arzt  in  Wien. 

Weiü,  Dr.  Adolph,  Universitätsprofessor  in  Lemberg. 

Weiß,  Dr.  Edmund,  Professor  und  Adjunct  der  Sternwaite  in  Wien. 

Weißmann,  Dr.  Johann,  k.  k.  Sectionschef  i.  P.  in  Wien. 

Werner  Joseph.  Freiherr  von,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath  in  Qrai. 

Wiedenhofer  Franz,  Gymnasial- Lehramtscandidat  in  Wien. 

Wilczek  Johann,  (iraf  von.  k.  k.  Kämmerer  iu  Wien. 

Wilczek  Heinrich,  Graf  von,  k.  k.  Kämniorer  in  Wien. 

Wilkens  C.  T.,  Kaufmann  in  Wien. 

Wimpfen  Victor,  Graf  \on,  k.  k.  Corvettencapitän  in  Wien. 

Wöger  er  H.,  k.  k.  Ober-Landesgerichtsrath  in  Wien. 

W  0 1  d  f  i  c  h  C.  Job..  Professor  in  Wie  n. 

Wolf  Heinrich,  Reichsgeologe  in  W  i  c  ii. 

W 0 1  f  W.  P.,  Realschulprofessor  in  Korneuburg. 

Wüllerstorf-Urbair  Bernhard.  Freiherr  von,k.  k.  wirklicher  geheimer  Bathj 

Graz. 

Württemberg  Wilhelm,  Herzog  von,  k.  k.  Feldmarschall-Lieutenant  in  Pri 
Wurmbrandt,  Graf  Gundakar,  Schloss  Ankenstein  (Steiermark\ 
Zaffauk  Joseph,  k   k.  Hauptmann  und  Professor  in  Wien. 
Zezschvitz  triedrich   Oscar,   Freiherr   von,   k.  k.  Major  im   Generalslabe 

Wien. 
Zhishmann  Anton  Eduard,  Professor  an  der  Handels-  und  nautischen  Acad( 

in  Tri  est  , 

Zhishmann,  Dr.  Joseph,  Universitätsprofessor  in  Wien. 
Zschokke,  Dr.  Hermann,  k.  k   Üniversitätsprofessor  in  Wien. 
Zar  Helle  Alfred,  Ritter  von,  k.  k.  Rittmeister  und  Militärattache  in  C 

stantinopel. 

Im  Gesellschafts-Jahre  1869/70  gestorben: 

Ankershofen  Theophil,  Freiherr  von, 

Auer  Alois,  Ritter  von,  k.  k.  Hofrath 

Bayer  Anton,  k.  k.  Major  und  Director  der  Militär-Schwimmschale  ip  Wij 

Gatti  Bertram,  k.  k.  Major. 

Hahn,  Ritter  v.,  k.  und  k.  General-Consul  auf  &yra. 

Hess  Heinrich,  Freiherr  v.,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath  und  Feldi 

Homoky  £merich,  Abt  zu  Lecker. 

Mayer  Joseph,  Freiherr  von  Gravenegg,  k.  k.  wirkl.  geh.  Rath. 

Pfeffer  mann,  Dr.  Peter,  Zahnarzt. 

Revoltella  Pasquale,  Freiherr  von. 

Robert  Justin,  Fabriksbesitzer. 

Sie  her  er  Maurus,  Benedictiner-Ordensprieater  und  Dechant. 

Streffleur  Valentin,  Ritter  v.,  k.  und  k.  General-Kriegscommissär. 

Schloenbach,  Dr.  Urban,  Professor  in  Prag. 


Im  Gesellschafts- Jahre  1869/70  ausgetreten: 

Bilhuber,  Dr.  Hermann. 

Fl  od  er  Anton,  Adjunct  der  lithographischen  Anstalt  des  Katasters. 

Fränkl,  Dr.  Joseph  Adam  Paul. 

Gottschar  J.,  Abt  und  Consistorial-Rath. 

Lanckoronski-Brezie  Casimir,  Graf  v.,  k.  k.  Kämmerer. 

Ledochowsky  Anton,  Graf  von,  k.  k.  Kämmerer. 

Nemethy  Joseph  von,  k.  k.  Oberst  und  Director  des  Kriegsarchivs. 

Radonetz  Eduard,  k.  k.  Fregatten-Capitän. 

Seh a üb,  Dr.  Franz,  Director  der  hydrographischen  Anstalt  iu  Triest. 

Walderdorff  Adolph  Widerich,  Graf  von. 


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