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Full text of "Insel-Almanach auf das Jahr .."

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Bleibt uns nur das Ewige jeden Augenblick gegenwärtig, 
ſo leiden wir nicht an der vergänglichen Zeit. 


Goethe an Auguſte Stolberg 


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Der Tag geht über mein Geſicht, 
Die Nacht, ſie taſtet leis vorbei, 


Und Tag und Nacht ein gleich Gewicht 
Und Nacht und Tag ein Einerlei. 


Es ſchreibt die dunkle Schrift der Tag, 
Und dunkler noch ſchreibt ſie die Nacht, 
Und keiner lebt, der deuten mag, 

Was beider Schatten ihm gebracht. 


Und ewig kreiſt die Schattenſchrift; 
Leblang ſtehſt du im dunklen Spiel, 
Bis einmal dich die Deutung trifft: 
Die Zeit iſt um. Du biſt am Ziel. 


Rudolf G. Binding 


Spruch für eine Sonnenuhr 


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ürer: Die apokalyptiſchen Reiter 


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Rudolf Alexander Schröder: Deutſchland 


m grünen Rheinſtrom ſchütteſt du Segen aus; 

Und um der Moſel ſchmächtige Windungen 
Blüht, hügelab geſtuft, der Blonde 

Über cäſariſchem Schutt, dein Weinſtock. 


Und wo zuhöchſt an ſtarrender Alpen Firſt 
Dein Adler kreiſt, jungfräulichen Firnen nah, 
Südabwärts ſpähend, wo in Waſſern 
Funkelnd das wärmere Blau ſich ſpiegelt, 


Wo jäh vom Fels die trunkene Welle bricht 
Und abwärts ſtill eindringender Wald den Fluß 
Vorm Durſt des Tages birgt, bis mächtig 
Ihm die gebreitete Laſt ins Meer ſtrömt: 


Das füllt mit Gütern glückliche Häfen dir; 
Doch birgt dein Schoß verlockenden Reichtum auch, 
Auch Gold — doch mehr noch gutes Eiſen, 
Unten in Gängen verhehlt und Adern. 


Du ſchwillſt von Korn; dir rundet die Baumfrucht ſich 
Im goldnen Herbſt, dir wimmelt von Weidevieh 
Die blanke Trift: ſo gibſt du allen, 
Bürgern und Bauern, ein fröhlich Erbteil. 


Wem fehlt die Zunge, deiner gedenk? O wer, 
Den du gebarſt, weiß anderes Zeugnis ſich 
Als dies: es ſei, in dir zu wohnen, 
Stolz und Gewährung und Glück, herztröſtlich? 


Ernſt Moritz Arndt: Von Freiheit und 
Vaterland 


s ſind elende und kalte Klügler aufgeſtanden in dieſen 
Tagen, die ſprechen in der Nichtigkeit ihrer Herzen: 

Vaterland und Freiheit, leere Namen ohne Sinn, ſchöne 
Klänge, womit man die Einfältigen betört! Wo es dem 
Menſchen wohlgeht, da iſt ſein Vaterland; wo er am wenig⸗ 
ſten geplagt wird, da blüht ſeine Freiheit. 

Dieſe ſind wie die dummen Tiere nur auf den Bauch und 
auf ſeine Gelüſte gerichtet und vernehmen nichts von dem 
Wehen des himmliſchen Geiſtes. 

Sie graſen wie das Vieh nur die Speiſe des Tages, 
und was ihnen Wolluſt bringt, deucht ihnen das Einzig⸗ 
gewiſſe. 

Darum heckt Lüge in ihrem eitlen Geſchwätz, und die Strafe 
der Lüge brütet aus ihren Lehren. 

Auch ein Tier liebet; ſolche Menſchen aber lieben nicht, die 
Gottes Ebenbild und das Siegel der göttlichen Vernunft nur 
äußerlich tragen. 

Der Menſch aber ſoll lieben bis in den Tod und von ſeiner 
Liebe nimmer laſſen noch ſcheiden. 

Das kann kein Tier, weil es leicht vergiſſet, und kein fie- 
riſcher Menſch, weil ihm Genuß nur behagt. 

Darum, o Menſch, haſt du ein Vaterland, ein heiliges Land, 
ein geliebtes Land, eine Erde, wonach deine Sehnſucht ewig 
dichtet und trachtet. 

Wo dir Gottes Sonne zuerſt ſchien, wo dir die Sterne des 
Himmels zuerſt leuchteten, wo feine Blitze dir zuerſt feine AU- 
macht offenbarten und ſeine Sturmwinde dir mit heiligen 


10 


Schrecken durch die Seele brauſeten, da iſt deine Liebe, da iſt 
dein Vaterland. 

Wo das erſte Menſchenaug ſich liebend über deine 
Wiege neigte, wo deine Mutter dich zuerſt mit Freuden 
auf dem Schoße trug und dein Vater dir die Lehren 
der Weisheit ins Herz grub, da iſt deine Liebe, da iſt dein 
Vaterland. 

Und ſeien es kahle Felſen und öde Inſeln, und wohne Ar⸗ 
mut und Mühe dort mit dir, du mußt das Land ewig lieb— 
haben; denn du biſt ein Menſch und ſollſt nicht vergeſſen, 
ſondern behalten in deinem Herzen. 

Auch iſt die Freiheit kein leerer Traum und kein wüſter 
Wahn, ſondern in ihr lebt dein Mut und dein Stolz und die 
Gewißheit, daß du vom Himmel ſtammeſt. 

Da iſt Freiheit, wo du leben darfſt, wie es dem tapfern 
Herzen gefällt; wo du in den Sitten und Weiſen und Ge— 
ſetzen deiner Väter leben darfſt; wo dich beglücket, was ſchon 
deinen Ureltervater beglückte; wo keine fremden Henker über 
dich gebieten und keine fremden Treiber dich treiben, wie man 
das Vieh mit dem Stecken treibt. 

Dieſes Vaterland und dieſe Freiheit ſind das Allerheiligſte 
auf Erden, ein Schatz, der eine unendliche Liebe und Treue in 
ſich verſchließt, das edelſte Gut, was ein guter Menſch auf 
Erden beſitzt und zu beſitzen begehrt. 

Darum auch ſind ſie gemeinen Seelen ein Wahn und eine 
Torheit allen, die für den Augenblick leben. 

Aber die Tapfern heben ſie zum Himmel empor und wirken 
Wunder in dem Herzen der Einfältigen. 

Auf denn, redlicher Deutſcher! Bete täglich zu Gott, daß 
er dir das Herz mit Stärke fülle und deine Seele entflamme 
mit Zuverſicht und Mut. 


Daß keine Liebe dir heiliger ſei als die Liebe des Vaterlandes 
und keine Freude dir ſüßer als die Freude der Freiheit. 

Damit du wiedergewinneſt, worum dich Verräter betrogen, 
und mit Blut erwerbeſt, was Toren verſäumten. 

Denn der Stklav ift ein liſtiges und geiziges Tier, und der 
Menſch ohne Vaterland der unſeligſte von allen. 


Karl von Clauſewitz: Krieg und Politik 


er Krieg iſt nichts als die fortgeſetzte Staatspolitik mit 
anderen Mitteln. 
* 

Je großartiger und ſtärker die Motive des Krieges ſind, je 
mehr ſie das ganze Daſein der Völker umfaſſen, je gewalt⸗ 
ſamer die Spannung iſt, die dem Kriege vorhergeht, um ſo 
mehr wird ſich der Krieg ſeiner abſtrakten Geſtalt nähern, um 
ſo mehr wird es ſich um das Niederwerfen des Feindes handeln, 
um ſo mehr fallen das kriegeriſche Ziel und der politiſche Zweck 
zuſammen, um ſo rein kriegeriſch, weniger politiſch ſcheint der 
Krieg zu ſein. 

* 

Gehört der Krieg der Politik an, ſo wird er ihren Charakter 
annehmen. Iſt ſie großartig und kräftig, ſo wird es auch der 
Krieg. Nur durch dieſe Vorſtellungsart wird der Krieg zur 
Einheit, nur mit ihr kann man alle Kriege als Dinge einer Art 
betrachten, und nur durch ſie wird dem Urteil der rechte und 
genaue Stand⸗ und Geſichtspunkt gegeben. Aber auch nur 
von einem Standpunkt aus können wir die Maſſe der Er⸗ 
ſcheinungen in ihrer Einheit auffaſſen, und nur die Einheit des 
Standpunktes kann uns vor Widerſprüchen ſichern. 


* 


12 


Daß der politische Geſichtspunkt mit dem Beginne des Krieges 
ganz auf hören ſollte, wäre nur denkbar, wenn die Kriege Kämpfe 
auf Leben und Tod aus bloßer Feindſchaft wären. Wie ſie 
find, find fie nichts als Äußerungen der Politik ſelbſt. Das 
Unterordnen des politiſchen Standpunkts unter den militäri⸗ 
ſchen wäre widerſinnig, denn die Politik hat den Krieg erzeugt. 
Sie iſt der Geiſt, der Krieg aber bloß das Werkzeug — und 
nicht umgekehrt. 

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Man ſagt eigentlich etwas ganz anderes, als man fagen will, 
wenn man — was häufig geſchieht — vom ſchädlichen Einfluß 
der Politik auf die Führung des Krieges ſpricht. Es iſt nicht 
dieſer Einfluß, ſondern die Politik ſelbſt, die man tadeln ſollte. 
Iſt die Politik richtig, d. h. trifft ſie ihr Ziel, ſo kann ſie auf 
den Krieg in ihrem Sinne auch nur vorteilhaft wirken; und 
wo dieſe Einwirkung vom Ziel entfernt, iſt die Quelle mir in 
der verkehrten Politik zu ſuchen. 

* 

Die Aufgabe und das Recht der Kriegskunſt der Politik gegen⸗ 
über iſt es hauptſächlich, zu verhüten, daß die Politik Dinge 
fordere, die gegen die Natur des Krieges ſind, daß ſie aus Un— 
kenntnis über die Wirkungen des Werkzeugs Fehler begehe im 
Gebrauche desfelben. 

* 

Der Krieg iſt unter allen Umſtänden als kein ſelbſtändiges 
Ding, ſondern als ein politiſches Werkzeug zu denken. Nur mit 
dieſer Vorſtellungsart iſt es möglich, nicht mit der ſämtlichen 
Kriegsgeſchichte in Widerſpruch zu geraten. 

* 

Die Kriegskunſt auf ihrem höchſten Standpunkte wird zur 

Politik, aber freilich einer Politik, die ſtatt Noten zu ſchreiben, 


13 


Schlachten liefert. Alſo noch einmal: der Krieg ift ein Werk⸗ 
zeug der Politik. Er muß notwendig ihren Charakter tragen, er 
muß mit ihrem Maße meſſen. Die Führung des Krieges in 
feinen Hauptumriſſen iſt die Politik ſelbſt, die die Feder mit dem 
Degen vertauſcht, aber darum nicht aufgehört hat, nach ihren 
eigenen Geſetzen zu denken. 


Nur dann, wenn ſich die Politik von gewiſſen kriegeriſchen 
Mitteln und Maßregeln eine falſche, ihrer Natur nicht ange⸗ 
meſſene Wirkung verſpricht, kann ſie mit ihren Beſtimmungen 
einen ſchädlichen Einfluß auf den Krieg haben. Dies iſt unend- 
lich oft vorgekommen und zeigt dann, daß eine gewiſſe Einſicht 
in das Kriegsweſen der Führung des politiſchen Verkehrs nicht 
fehlen ſollte. 

* 

Soll ein Krieg ganz den Abſichten der Politik entſprechen 
und ſoll die Politik den Mitteln zum Kriege angemeſſen ſein, 
ſo bleibt, wo der Staatsmann und der Soldat nicht in einer 
Perſon vereinigt ſind, nur ein gutes Mittel übrig, nämlich den 
oberſten Feldherrn zum Mitglied des Kabinetts zu machen, 
damit er in den wichtigſten Augenblicken an deſſen Beratungen 
und Beſchlüſſen teilnehme. 

Wir ſind weit entfernt, zu glauben, daß ein in Akten ver⸗ 
grabener Kriegsminiſter oder auch ſelbſt ein im Felde tüchtiger 
Soldat den beſten Staatsminiſter geben würde, wo der Fürſt 
es nicht ſelbſt iſt, oder mit anderen Worten: wir meinen durch⸗ 
aus nicht, daß die Einſicht in das Kriegsweſen die Haupteigen⸗ 
ſchaft eines Staatsminiſters ſei. Ein großartiger, ausgezeichneter 
Kopf, ein ſtarker Charakter, das ſind die Haupteigenſchaften, 
die er beſitzen muß. Jene Einſicht läßt ſich auf die eine oder die 


14 


andere Weiſe wohl ergänzen. Frankreich ift in feinen Friegeri- 
ſchen und politiſchen Händeln nie ſchlechter beraten geweſen als 
unter den Gebrüdern Belle⸗Isle und dem Herzog von Choiſeul, 
obgleich alle drei gute Soldaten waren. 

* 

Die ungeheuren Wirkungen der Franzöſiſchen Revolution 
nach außen ſind offenbar viel weniger in neuen Mitteln und 
Anſichten der franzöſiſchen Kriegsführung zu ſuchen, als in der 
ganz veränderten Staats- und Verwaltungskunſt, im Charak⸗ 
fer der Regierung, im Zuſtande des Volkes uſw. Daß die an: 
deren Regierungen alle dieſe Dinge unrichtig anſahen, — daß fie 
mit gewöhnlichen Mitteln Kräften die Wage halten wollten, 
die neu und überwältigend waren: das alles ſind Fehler der 
Politik. Man kann ſagen: die zwanzigjährigen Siege der Re⸗ 
volution ſind hauptſächlich die Folge der fehlerhaften Politik 
der ihr gegenüberſtehenden Regierungen geweſen, wenn auch 
der eigentliche Überfall, von dem ſich die Intelligenz getroffen 
fühlte, innerhalb der Kriegführung ſtattfand. 

(Aus dem Werke „Vom Kriege“) 


Blücher: Fünf Briefe an ſeinen König 


1 
Münſter, 25. Juli 1806. 
Aller dorglaugtigſter Konig 
aller gnedigſter König und HErr. 


ufgefordert durch Treu und Redliges attachement an 
Euer Königl. Majäſtedt allerhögſten Perſohn, aufgefor⸗ 
dert durch lebhafte Teilnahme an den Ruhm, der Ehre und 
der wohlfahrt Euer Königl. majäſtät Staten und armee, und 
endlich aufgefordert durch die täglig imer bedenkligere lage 


15 


und gefährliger werdende Schritte, welche Frankreich ſich in 
nulitariſcher Rückſicht hier gegen Euer Kögl. majeſtat grentzen 
erlaubet, muß ich endlich mein hertz zu den Füßen des Königes 
meines HErrn auß ſchütten; muß als treuer und grau gewor⸗ 
dener diner von högſt dehro erhabnen hauße meine anſichten 
unſrer lage gegen Frankreich zum erſten und zum letzſten mahle 
— zu Euer majeſtad Füßen legen. 

Geruhen allerhögſt dieſelben, dieſe ehrerbitige anſicht nicht 
allein gnädigſt auf zu nehmen, ſondern auch eine gnädige auf- 
merkſahmkeit zu würdigen; ſie verdinen letzſters gantz beſonders. 

Frankreich meint es mit keiner Puiſſance redlig und gut — 
am allerwenigſten mit Euer Königl. Majeſted — als der ein⸗ 
zigen macht, die ſein Eroberungs und unterjochungs Syſtem 
in teutſchland noch allein im wege ſteth. es verbirgt fogar feine 
abſicht nicht — den wen gleich es mit unter ſüße vorſpigelung 
macht, ſo widerſprechen alle ſeine Handlungen gegen Euer 
Königl. Majeſtädt dieſen grade zu. Die invaſion von Hano⸗ 
wer, der letzſte gewaldſame Durchmarſch durch anspachſche — 
und die erſt kürtzlig Reuberiſche beſetzung von Eſſen und Wer⸗ 
den — fo wie der gantze arogante ton, den der francoiſche mon— 
arch ſich erlaubt, beweiſen Euer Kögl. Majeſtedt gewiß mehr 
als zu ſehr, waß ich zuvor geſagt habe. Alle treue untertanen 
Euer Kögl. Majeſtedt — alle ächte Preußen — und die armee 
beſonders hat daß herabwürdigende dieſer franzöſiſchen De— 
marchen tif gefühlt, und fühlt ſie noch, und alles wünſcht die 
gekränkte national Ehre bald — recht bald — blutig zu rächen. 

Wer daß betragen und benehmen Frankreichs Euer Königl. 
Magiſtedt auß einem andern geſichtspunkt darſtellt — wer 
Euer Königligen Majeſtäd zu fortwährenden nachgeben — zum 
Friden mit dieſer nation räth — der iſt entweder ſehr — ſehr 
gutmüttig, ſehr kurtzſichtig, oder er iſt mit Franzoiſiſchem gollde 


16 


erkauft. Fragen Euer Köngl. majeſtad nur Ihre aufgeklärtes⸗ 
ten, ihre talentvollſten — ihre treuſten — ihre kraftvollſten 
Diner, den Staatsminiſter von Hardenberg, den General Lieu— 
tenant von Rüchell, den Generall der Cavallerie Graff von d. 
Schulenburg, den Staatsminiſter von Stein, und ich verbürge 
es mit meinem leben, alle dieſe Männer werden Euer Kögl. 
Majeſtadt eben daß ſagen — waß ich hir in allertiffſter Devo⸗ 
tion ehrerbitigſt vorzuſtellen wage. 

Jeder tag früher wo wihr Frankreich den Krig erklären — 
iſt der größte gewin vor Euer Königl. Majeſtadt, den mit ieder 
Stunde befeſtiget der franzöſiſche Kaiſer ſein anſehen, ſeinen 
einfluß — feine uſurpirte Sterke mehr — organiſiert feine armen 
beßer — ſchafft ſich mehr tributaire Könige und Fürſten, erpreſt 
ſich mehr Reſourcen. Führen Euer Königl. majeſtad nur ſelbſt 
unſre brawe armee, die von den Wunſch glüht - die franzoſen 
zu bekrigen und die Menſchheit an dieſe Reuber zu rächen, und 
in der kein Tambour iſt, der dieſen Feind nicht haße — verachte 
— und im vorauß des Siges gewiß ſey; den unglaublig — und 
größer als Euer Königl. Majeſtad es ſich denken können, iſt der 
Haß und verachtung der armee gegen die Francoſen — und nur 
ein Wunſch exiſtiert in ihr — recht balldiger blutiger Krig 
gegen dieſe nation. 

Nur eine glücklige Schlacht — und wir haben allirte, gelld 
und Reſourcen, von allen orten und Enden Europens; Rus⸗ 
land, Engeland, Schweden, der größte Teil des teutſchen Reichs, 
und ſelbſt Oſtreich werden ſich an unſeren ſigreichen Fahnen 
gerne anſchlißen, gerne die Ehre mit uns feillen wollen — be- 
ſiger der Franzoſen zu ſein. Und welch ein Ruhm vor Euer 
Mageſted! — welch ein Ruhm vor unſre brawe arme, jene 
Reuber Horden zu demüttigen, die bißher weit mehr durch Liſt 
und durch daß elende Benehmen ihrer gegner ſigten als durch 


= 


Tapfferkeit; den nie überwinden fie ein rech heer, — und 
nie werden ſie uns überwinden. 

Kommen Euer Königl. Magiſtad nur in die Mitte Ihrer 
brawen armee — führen Euer Magiſtad uns nur Zur Ehre 
und zum Sige - hören Euer Königl. Magiſtedt nuhr ſelbſt den 
Rath und die Ideen erprobter und krafftvoller, für Ihren 
Ruhm beſorgter Generalle und den Eignen hohen Preuſiſchen 
Durſt und Ruff nach Ruhm und Ehre, der in Euer Königl. 
magiſtad bruſt wohnt, und wir werden immer ſiegen — wir 
werden die Schönen, ehren vollen Zeitten Friedrichs des Gro— 
ßen und des großen Churfürſten wieder empohr blühen — wer- 
den unſer Vaterland, werden den Namen Preußen wider ge— 
ehrt — und unfere armee wider gefürchtet und geehrt ſehen. Diß 
gebe Gott der Allmegtige, den wir unter Euer Köngl. Magi⸗ 
ſtadt Führung feſt vertrauen, und mit dieſem heißen Wunſch 
lebe und Sterbe ich mit der ehrfurchtvollſten Devotion für 
Euer Königl. Magiſtedt, und für aller högſt dehro Ruhm und 
wollfahrt, als 

Euer königligen Magiſtadt 
alleruntertänigſt treu gehorſamſter knecht 
G. Blücher. 


2 
Stargard, 18. Juli 180g. 

lle Nachrichten, ſo mir zukommen, beſtätigen die mißliche 
Lage der franzöſiſchen Armee, wenngleich der Kaiſer Na⸗ 
poleon Scheinvortheile durch den Übergang über die Donau 
errungen, fo kömmt feine Armee nun in ein Land, wo ſie an- 
gefeindet wird und wo ſein Gegner dagegen alle mögliche Unter⸗ 

ſtützung erhält und ſeine Subſiſtance erleichtert wird. 
Ganz Baiern iſt gleichſam von Inſurgenten überſchwemmt. 


18 


Chatteler! maneuprirt mit dem glücklichſten Erfolg, die Ver: 
bündeten? werden lau und die erſten Niederlagen der Fran— 
zoſen bringen ihren Entſchluß, den Kaiſer zu verlaſſen, zur 
Reife. Der Herzog von Abrantes? iſt geſchlagen, General 
Am Ende ſteht mit einem Corps von 8000 Mann in Garen, 
der König in Weſtphalen hat gleichfalls gelitten, die Eng⸗ 
länder find der Angabe nach mit 30,000 Mann gelandet; die⸗ 
ſes Alles gewährt eine ruinöſe Anſicht der franzöſiſchen Armee. 
Allergnädigſter König, gewähren Sie die Bitte eines in Ihrem 
Dienſt grau gewordenen Mannes, der ſo ehrlich, wie er Ihnen 
von Herzen ergeben iſt, der bereit iſt, ſich für Sie aufzuopfern, 
und deſſen heißeſter Wunſch darin beſteht, feine letzten Lebens— 
tage für Sie und Ihre Macht nützlich zu verwenden. 
Genehmigen Ew. Königl. Majeſtät, daß ich mit einem Corps 
Ihrer Truppen über die Elbe gehen darf, ſo bürge ich mit mei— 
nem Kopf dafür, daß ich die von uns getrennten Provinzen 
wieder in Beſitz nehme. Halten Ew. Königl. Majeſtät meine 
Anſichten nicht für übertrieben, ſie ſind es nicht; ich weiß, was 
ich mir jenſeit der Elbe und in Weſtphalen zu verſprechen habe 
und wozu ich täglich aufgefordert werde. Erwägen Sie, aller⸗ 
gnädigſter König, die Freude, ſo ſich in den Hertzen Ihrer treuen 
Untertanen ergießen wird, wenn ſie ſehen, daß zu ihrer Befrei— 
ung ſo kräftig gewürkt wird, welche Verſicherung Ew. K. M. 
der Grafſchaft Mark gegeben, daß dieſe treuen Untertanen nie— 
mahls von der Preußiſchen Monarchie getrennt werden ſollten. 
Welchen Dank wird Ihnen die ganze deutſche Nation zollen, 
wenn fie ſieht, daß Sie entſchloſſen find, fie von ihrem uner⸗ 
träglichen Joch zu befreien; wenn man die Hannoveraner und 
1 Chaſteler, öſterreichiſcher General, in Tirol. — ? Napoleons (die 


füddeutfchen Rheinbundſtaaten). — ? Marſchall Junot, 8. Juni bei 
Berneck. 


19 


Heſſen die Verſicherung giebt, daß fie ihren alten Fürſten wie— 
der angehören ſollen, ſo ſind dieſe beiden Nationen gewonnen, 
ſo bringen ſie Gut und Blut zum Opfer. Wenn die Truppen, 
ſo Ew. K. M. mir anvertrauen, 4 Wochen vom Tage des 
Überganges über die Elbe bezahlt ſind, ſo will ich ſie nachher 
verpflegen und beſolden, und dieſes ſoll ohne Murren der Be— 
wohner geſchehen. 

Einen Waffenplatz werde ich mir ohne große Aufopferung 
zu verſchaffen wiſſen. 

Findet mein Vorſchlag nicht den allerhöchſten Beifall, nun, 
ſo habe ich mein Hertz erleichtert und mein Abſcheu, fremde 
Feſſeln zu tragen, dargetan. Ich bin frei geboren und muß auch 
ſo ſterben. Zeit, allergnädigſter König, iſt nicht zu verliehren, 
damit Feinde unſere Provinzen nicht auszehren und es ſchwer 
wird, ſie dereinſt aus ihren Händen zu erhalten. 


3 
Stargard, g. Oktober 180g. 

7: dem innigſten Schmerz muß ich Ew. Königlichen 

Majeſtät die erhaltene Nachricht von dem Abſchluß 
des für Oſterreich höchſt nachteiligen Friedens! melden. Das 
Unglück, welches uns bevorſteht, iſt ſchrecklich, da Napoleon 
ſich beſtimmt geäußert haben ſoll, die rückſtändigen Kontribu- 
tionen ſelbſt beitreiben zu wollen. 


Im Frieden von Wien (14. Oktober 180g) trat Oſterreich Salz— 
burg und einen größeren Teil Oberöſterreichs an Bayern; Neugalizien 
an Warſchau; Oberkärnten, Krain, Görz, Trieſt, Iſtrien, Dalmatien, 
einen Teil Kroatiens an Frankreich ab, und gab Tirol, entgegen den 
feierlichſten Verſprechungen des Kaiſers Franz, an Napoleon preis. — 
„Die Erhebung der Völker Sſterreichs verſank in Blut und Kot.“ 
Treitſchke I 348. 


20 


Noch vor wenigen Monaten kounten E. K. M. der allge 
meinen Sache aller Völker durch einen kühnen Eutſchluß den 
Ausſchlag geben. Höchſt ſchmerzhaft iſt es mir, daß Sie, 
Allergnädigſter Herr, meine dringend ehrerbietige Bitte ver 
worfen haben, die ich aus wahrer unbegrenzter Anhänglichkeit 
wagte. 

Die Wiederbeſetzung des größten Teils E. K. M. Staaten 
durch die Franzoſen iſt nicht zu bezweifeln. Wir werden das 
Schickſal der Heſſen haben und durch einen Federſtrich Napo— 
leous fallen. Wir haben alſo nichts mehr zu verlieren, denn 
ein ehrenvoller Tod iſt beſſer als ein vor der Welt gebrand— 
marktes Leben. E. K. M. können noch ſich, die Königliche 
Familie und das Land retten, wenn Sie uns die Waffen in 
die Hand geben. Mit weit geringeren Mitteln widerſtand 
einſt Friedrich der Große der Unterjochung, denn E. K. M. 
können auf eine Armee von 60,000 Mann, auf noch einmal 
fo viel teils exerzierte teils waffenfähige Mannſchaft und auf 
das ganze Land rechnen, welches gewiß lieber für ſeinen König 
fechten und ſich auf ſeines Königs Stimme aufopfern als ein 
fremdes Joch tragen wird. Ganz Deutſchland, deſſen Freiheit 
am letzten Ende von E. K. M. gehalten wird, kann und wird 
mit uns gemeinſchaftliche Sache machen. Was könnten, was 
wollten wir nicht tun, wenn unſer König nur ſich unſerer an— 
nehmen, nur mit uns kämpfen und lieber den Tod als Schmach 
teilen wollte! Ich, der ich meinem angeborenen König bis in 
den Tod getreu bleibe, ich verbürge mich, daß es gut gehen muß, 
wenn man nur die rechten Mittel ergreift .. 

Auf jeden Fall bitte ich E. K. M. um Verhaltungsbefehle, 
wie ich mich benehmen ſoll, was aus den Truppen in der Mark 
werden wird, wohin ich ſie ſchicken ſoll, wenn der Feind Berlin 
wieder beſetzt und jene Truppen in mein Gouvernement kom— 


21 


men. Alle diefe Fälle, welche ich beſtimmt vorauszuſehen 
glaube, dürfen nicht unerwartet kommen, wenn ich nicht gegen 
die Intentionen E. K. M. handeln ſoll. 

Kein falſcher Ehrgeiz, keine verkehrte Anſicht, nicht die Ahnung 
der Möglichkeit, meinen König und Herrn durch verderbliche 
Ratſchläge in den Abgrund zu ſtürzen, wie fo viele leidige Kaf- 
geber der Könige, die den natürlichen Mut und die Entſchloſſen⸗ 
heit meines grenzenlos geliebten Monarchen durch Kleinmütig⸗ 
keit und verkehrte Liebe, das Land zu ſchonen, irrezuleiten ſuch⸗ 
ten, ſondern allein der innigſte Wunſch, das Königliche Haus 
auf dem Thron zu erhalten und unſer armes Land nicht unter 
die Füße getreten zu ſehen, leiten mich bei meiner allerunter⸗ 
känigſten Bitte. Die bisherigen Begebenheiten, der aus ſicherer 
Quelle erfahrene Entſchluß Napoleons und die Überzeugung, 
daß dieſer Kaiſer E. K. M. Staaten gebraucht, um Weſtfalen 
feſt zu ſtellen, daß er Ihnen, Allergnädigſter Herr, weder die 
rückſtändige Kontribution noch ſo manches andere erlaſſen und 
endlich in jedem Falle einen Vorwand finden wird — dieſe 
Überzeugung zwingt mich, C. K. M. dieſe Vorſtellungen zu 
Füßen zu legen. Geruhen Sie, Allergnädigſter König, mir 
nur einen Strahl von Hoffnung zu geben, ſo werde ich mich 
beruhigen. Warum ſollten wir uns denn geringer als die 
Spanier und Tiroler achten! Wir haben größere Hilfsmittel 
als ſie. Wenn wir unſeren Herd zu verteidigen wiſſen, ſo 
werden wir es wert fein, forfzudauern. Unwert der Fort⸗ 
dauer werden wir untergehen. 


4 

24. Juni 1815. 
Tch bitte nun alleruntertänigſt die Diplomatiker anzuweiſen, 
58 daß ſie nicht wieder das verlieren, was der Soldat mit 


22 


feinem Blute errungen hat. Dieſer Augenblick iſt der einzige 
und letzte, um Deutſchland gegen Frankreich zu ſichern. E. M. 
werden als Gründer von Deutſchlands Sicherheit verehrt 
werden, und auch wir werden die Früchte unſrer Anſtren— 
gungen genießen, wenn wir nicht mehr nötig haben, immer 
mit gezücktem Schwerte dazuſtehn. 


5 
Aachen, 20. November 1815. 

.. . Bei meinem Abgang von der Armee kann ich nicht um— 
hin, E. K. M. für die mir erzeigte Gnade und geſchenkte Güte 
nun alleruntertänigſt zu danken und die Armee fortwährend 
E. K. M. Gnade und unmittelbaren Schutz zu empfehlen. 
Die Zeit, wo E. K. M. Paris verließen, bis jetzt, hat viel- 
leicht zu den unangenehmſten meines Lebens gehört. Von un— 
entſchloſſenen und ſchwankenden Diplomaten abhängig, habe 
ich recht gefühlt, wie traurig und nachteilig es iſt, von Pre— 
mierminiſtern abzuhängen, und wie zerſtörend für die Armee, 
wenn dieſer Einfluß fortdauerte und E. K. M. nicht die uns 
mittelbare Leitung der Armee beibehielten. 

Überhaupt iſt es wohl die höchſte Zeit, daß dieſe ſonderbare 
Verſammlung, die bis jetzt unter dem Namen der bevollmäch— 
tigten Miniſter der verbündeten Höfe Europa beherrſchtel, 
aufhört und daß die Männer, die zwar nur Untertanen, doch 
unter dieſem Titel ihre eigenen Monarchen beherrſchten und 
Geſetze geben, wieder in ihre vorigen Schranken zurücktreten, 
um ſo mehr, da ihr elendes Machwerk ſie in der Meinung der 
ganzen Welt zurückgeſetzt hat, und Preußen und Deutſchland, 
trotz ſeiner Anſtrengungen, immer wieder als das betrogene 


1 Der Wiener Kongreß. 


vor der ganzen Welt daſteht und Englands Einfluß auf 
Deutſchland ſich ganz feſt begründet.! 


Sebaſtian Münſter: Von dem Elſaß und feiner 
großen Fruchtbarkeit, dem kein Land am Rhein: 
ſtrom mag verglichen werden 


1553 


un wie fruchtbar das Elſaß ſei, magſt du daraus merken, 

daß in dem engen Begriff alle Jahr ein ſolich groß Gut 
von Wein und Korn gefalt, daß nit allein darvom ſeine In— 
wohner, der treff lich viel ſeind, zu leben haben, ſunder man 
führt daraus mit Schiffen und Wägen den köſtlichen Wein 
in Schweizerland, Schwabenland, Bayerland, Niederland, ja 
Engelland. Im Sunggöw, ja im ganzen Elſaß uf der Ebne 
wächſt ein groß Gut von Korn, darvon Lothringen, Burgund 
und Schweizerland auch zu eſſen haben. An den Bergen kocht 
ſich der gut Wein, und uf der Ebne wächſt das Korn und viel 
fruchtbarer Obſtbůum. Man findt auch ganz Wäld mit Köſten 
(Kaſtanien) Bäumen in den Bergen. Darzu weißt man wohl, 
wie ſo groß Gut jährlich von Silber in dem Lebertal gegraben 
wird. Es ſeind do nit minder dann 30 Silbergruben, die haben 
all ihre beſondere Namen ... Weiter was koſtlicher Weid in 
dieſem Gebirg gefunden wird, zeigen an die guten Münſter 
Käſ', fo man daraus bringt. Und daß ich es mit kurzen Wor— 
len ſag, es iſt in dem ganzen deutſchen Land kein Gegenheit, die 
dieſem Elſaß möcht verglichen werden. Man findt wohl Länder 


1 Ein großer Teil der Originale von Blüchers Briefen iſt nur ſchwer 
erreichbar; eine wiſſenſchaftliche Geſamtausgabe fehlt noch; daher mußten 
die Briefe Nr. 2—5 in der Faſſung wiedergegeben werden, die fie durch 
ihre Herausgeber Pertz, Colomb, Pierſon und Unger erfahren haben. 


— 


in Deutſchland, do guter Wein wacht, der ſich dem Elſaſſer 
vergleicht, ſie haben aber nit darbei ſolichen vollen Brotkaſten 
und luſtige Obſtgärten wie das Elſaß. Dann in dieſem Land 
findeſt du an dem Gebirg kein Ort, das nit erbauen ſei mit 
Flecken, Weingärten oder Üdern. Aber am Rhein iſt es an 
manchem Ort ſumpfig, hat do ſelbigen gute Weid für das 
Vieh. Dies Land iſt alſo wohl mit menſchlichen Wohnungen 
erbauen, daß darin ſechsundvierzig Städt' und Städtlin, die 
all ummauert ſeind, gefunden werden und fünfzig Schlöſſer auf 
den Bergen und der Ebne gebauen. Der Dörfer aber und 
Weiler iſt kein Zahl ... Man findt nit einerlei, ſunder man—⸗ 
cherlei Volk in dieſem Land. Aus Schwaben, Bayern, Bur— 
gund und Lothringen laufen ſie darin und kommen ſelten wie— 
der daraus. Die Schwaben werden am meiſten da gefunden. 
Man laßt jedermann darin ſitzen, der das Erdreich will helfen 
bauen. 


Aus dem „Cherubiniſchen Wandersmann“ 
des Angelus Sileſius (1657) 


lüh auf, gefrorner Chriſt, der Mai iſt für der Tür: 
Du bleibeſt ewig tot, blühſt du nicht jetzt und hier. 


Die Braut verdient ſich mehr mit einem Kuß um Golt, 
Als alle Mietlinge mit Arbeit bis in Tod. 


Gott iſt mur eigentlich: er liebt und lebet nicht, 
Wie man von mir und dir und andren Dingen ſpricht. 


Gott iſt ſo viel an mir, als mir an ihm gelegen, 
Sein Weſen helf ich ihm, wie er das meine, hegen. 


25 


Gott hat nicht Unterſcheid, es iſt ihm alles ein: 
Er machet ſich ſo viel der Flieg als dir gemein. 


Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben, 
Werd ich zunicht, er muß von Not den Geiſt aufgeben. 


Gott iſt ein lauter Nichts, ihn rührt kein Nun noch Hier: 
Je mehr du nach ihm greifſt, je mehr entwird er dir. 


In Gott iſt alles Gott: ein einzigs Würmelein, 
Das iſt in Gott ſo viel als tauſend Gotte ſein. 


Gott gleicht ſich einem Brunn: er fleußt ganz mildiglich 
Heraus in ſein Geſchöpf und bleibet doch in ſich. 


Gott iſt ein Geiſt, ein Feur, ein Weſen und ein Licht, 
Und iſt doch wiederum auch dieſes alles nicht. 


Gott iſt noch nie geweſt und wird auch niemals ſein 
Und bleibt doch nach der Welt, war auch vor ihr allein. 


Man redt von Zeit und Ort, von Nun und Ewigkeit: 
Was iſt dann Zeit und Ort und Nun und Ewigkeit? 


Zeit iſt wie Ewigkeit und Ewigkeit wie Zeit, 
So du nur ſelber nicht machſt einen Unterſcheid. 


Nichts iſt, als ich und du: und wenn wir zwei nicht ſein, 
So iſt Gott nicht mehr Gott und fällt der Himmel ein. 


Nichts iſt, das dich bewegt, du ſelber biſt das Rad, 
Das aus ſich ſelbſten läuft und keine Ruhe hat. 


26 


Menſch, was du liebſt, in das wirft du verwandelt werden, 
Gott wirſt du, liebſt du Gott, und Erde, liebſt du Erden. 


Je mehr du dich aus dir kannſt austun und entgießen: 
Je mehr muß Gott in dich mit ſeiner Gottheit fließen. 


Das Weſen Gottes macht ſich keinem Ding gemein 
Und muß notwendig doch auch in den Teufeln ſein. 


Du ſprichſt, du wirſt noch wohl Gott ſehen und ſein Licht: 
O Narr, du ſiehſt ihn nie, ſiehſt du ihn heute nicht. 


Gott ſelber, wenn er dir will leben, muß erſterben: 
Wie denkſt du ohne Tod ſein Leben zu ererben? 


Ich ſterb und leb auch nicht: Gott ſelber ſtirbt in mir: 
Und was ich leben ſoll, lebt er auch für und für. 


Ich ſterb und lebe Gott: will ich ihm ewig leben, 
So muß ich ewig auch für ihm den Geiſt aufgeben. 


Ich glaube keinen Tod: ſterb ich gleich alle Stunden, 
So hab ich jedesmal ein beſſer Leben funden. 


Der Tod, aus welchem nicht ein neues Leben blühet, 
Der iſts, den meine Seel aus allen Töden fliehet. 


Tod iſt ein ſelig Ding: je kräftiger er iſt, 
Je herrlicher daraus das Leben wird erkieſt. 


Ich muß Maria ſein und Gott aus mir gebären, 
Soll er mich ewiglich der Seligkeit gewähren. 


Ich ſelbſt muß Sonne fein, ich muß mit meinen Strahlen 
Das farbenloſe Meer der ganzen Gottheit malen. 


Du ſelber machſt die Zeit: das Uhrwerk ſind die Sinnen; 
Hemmſt du die Unruh nur, ſo iſt die Zeit von binnen. 


Der Weiſe, wann er ſtirbt, begehrt in Himmel nicht: 
Er iſt zuvor darin, eh ihm das Herze bricht. 


Wer in der Hölle nicht kann ohne Hölle leben, 
Der hat ſich noch nicht ganz dem Höchſten übergeben. 


Gott find die Werke gleich; der Heilge, wann er trinkt, 
Gefället ihm ſo wohl, als wann er bet't und ſingt. 


Menſch, alles was du willſt, iſt ſchon zuvor in dir: 
Es lieget nur an dem, daß dus nicht wirkſt herfür. 


Die Roſe, welche hier dein äußres Auge ſieht, 
Die hat von Ewigkeit in Gott alſo geblüht. 


Die Ros iſt ohn Warum, ſie blühet, weil ſie blühet, 
Sie acht't nicht ihrer ſelbſt, fragt nicht, ob man ſie ſiehet. 


Der Regen fällt nicht ihm, die Sonne ſcheint nicht ihr; 
Du auch biſt anderen geſchaffen und nicht dir. 


Gott gibet ſo genau auf das Koaxen acht, 
Als auf das Direliern, das ihm die Lerche macht. 


Dies alles iſt ein Spiel, das ihr die Gottheit macht: 
Sie hat die Kreatur um ihretwilln erdacht. 


Ihr Menſchen, lernet doch von Wieſenblümelein, 
Wie ihr könnt Gott gefalln und gleichwohl ſchöne ſein. 


Freund, ſolln wir alleſamt wie immer Eines ſchrein, 
Was wird das vor ein Lied und vor Geſinge ſein? 


Freund, es iſt auch genug. Im Fall du mehr willſt leſen, 
So geh und werde ſelbſt die Schrift und ſelbſt das Weſen. 


Jacob Grimm: Über den Purismus 


egen die Puriſten, wie ſie heutigestags unter uns aufgetreten 

ſind, wird ſich jeder erklären, der einen richtigen Blick in 
die Natur der deutſchen Sprache getan hat. Sie wollen nicht 
nur alles Fremde bis auf die letzte Faſer aus ihr geſtoßen wiſſen, 
ſondern fie überdem durch die gewaltſamſten Mittel wohl⸗ 
lautender, kräftiger und reicher machen. Die Geſinnung, welcher 
das Abwerfen des verhaßten Fremden recht iſt und an ſich ſelbſt 
möglich ſcheint, verdient unbedenklich geehrt und gehegt zu 
werden, nur ſollte man ſich beſcheiden, daß ſchon zur Ausmitte— 
lung der ſeit allen Zeiten eingeſchlichenen undeutſchen Wörter 
eine tiefe Forſchung vorgehen müßte !, wenn auch die noch jetzt 
tunliche Entfernung derſelben eingeräumt werden könnte. So— 
dann muß mit Dank und Vertrauen anerkannt werden, wie 
die edle Natur unſerer Sprache ſeit fünfzig Jahren ſo manches 
Unkraut ganz von ſelbſt ausgejätet hat, und dies allein iſt der 
1 Wörter wie Natur, Kirche, Altar, Perſon und dergleichen mit dem 
Chriſtentum eingeführte ſind leichter zu erkennen als andere, deren Freind— 
heit vielen ſicher nicht beifällt, 3 B. Preis, klar, fein uſw., die vermutlich 
erſt im dreizehnten Jahrhundert durch die Minneſänger aus dem Fran— 


zöſiſchen (das Niederdeutſche vermittelte etwa) entlehnt wurden und zur 
Galanterieſprache gehörten. 


rechte Weg, auf dem es geſchehen foll; ihr find alle Gewächſe 
und Wurzeln in ihrem Garten aus der langen Pflege her be- 
kannt und lieb, eine fremde Hand, die ſich dareinmiſchen wollte, 
würde plump mehr gute Kräuter zerdrücken und mitreißen, als 
ſchädliche ausrotten, oder würde mit ſtief mütterlicher Vorliebe 
gewiſſe Pflanzen hervorziehen und andere verfäumen. Abſtrakte 
Wörter, d. h. Geiſtigwerdung ſinnlicher Wurzeln, entſpringen 
nur mit den Ideen ſelbſt. Nimmt eine Sprache fremde Wör⸗ 
ter auf, ſo zeigt ſie, entweder daß ſie noch unreif für die damit 
verbundenen Begriffe iſt oder daß ihr dieſe unnationell, un- 
anſtändig find. So erſcheint als ein Vorteil, daß man die fran- 
zöſiſche Hof- und Galanterieſprache bei ihren Wörtern gelaſſen; 
wären ſie überſetzt worden, ſo müßte der Deutſche außer der 
Sache auch die Wörter übel empfinden. Der Gebrauch latei— 
niſcher Wörter in Wiſſenſchaft und Philoſophie erſcheint auch 
nicht gerade ungünſtig, vielmehr mag das Still- und gleichſam 
Brachliegen der deutſchen Sprache durch lange Zeiten hindurch 
der darauf gefolgten Fruchtbarkeit und Friſche nützlich geworden 
ſein. Mit dem, wozu man ſie wirklich braucht, gehen auch die 
neuen Wörter auf.] Der Geiſt aber, welcher gewaltet hat, 
wird auch inskünftige fühlen, wieviel des Fremden bleiben 
könne oder dürfe und wo die Zeit erſcheine, da das noch An— 
ſtößige am beſten abgelegt werde, wenn wir nur ſelbſt Herz und 
Sinn, was die Hauptſumme iſt, der das übrige nachfolgt, un⸗ 
ſerm Vaterland treu bewahren. Der andere Grundſatz neuer 
Sprachreinigung, durch Ausſcheidung einzelner Buchſtaben und 
Umlaute, ſowie durch gezerrte Vervielfachung gewiſſer Bil- 
dungsmittel Wohllaut und Wortreichtum zu vermehren, ſcheint 
mir aufs höchſte verwerflich. Wollte man ihm Raum geben, 
fo würde unſere mit Ehren zum Mannesalter heranreifende 
Sprache, der die früheren vollen Formen jetzt nicht mehr an— 


30 


ſtehen, einer verlebten Schönheit gleichen, die ſich durch falfche 
Künſte jugendlich, durch Flitterſtaat anſehnlich machen möchte 
und in welcher bald unſer eigenes Bild nicht mehr zu erkennen 
wäre. Dieſe Sprachkünſtler ſcheinen nicht zu fühlen, daß es 
kaum eine Regel gibt, die ſich ſteif überall durchführen läßt; 
jedes Wort hat ſeine Geſchichte und lebt ſein eigenes Leben, es 
gilt daher gar kein ſicherer Schluß von den Biegungen und Ent⸗ 
faltungen des einen auf die des andern, ſondern erſt das, was 
der Gebrauch in beiden gemeinſchaftlich anerkennt, darf von der 
Grammatik angenommen werden. Es iſt ein großes Geſetz der 
Natur, das auch in der Sprache Anomalien und Mängel neben 
den uns erkennbaren Regeln beſtehen laſſen will, ja es wäre ohne 
dieſes keine Verſchiedenheit und Beſonderheit der aus einem 
Quell gefloſſenen Mundarten denkbar, wogegen dievollſtändige, 
gleichartige Entwicklung aller Wurzeln, wie jeder unmäßige 
Reichtum, wieder arm machen würde. Auf jeden Fall iſt ſo 
viel einleuchtend, wenn man beabſichtigte, das Gebiet der jetzt 
vorhandenen Wörter und Formen zu erweitern, daß die gründ— 
lichſte, durchdringendſte Kenntnis aller Eigenſchaften und Triebe 
der Sprache vorausgeſetzt werden müßte, um die vermeintlichen 
Lücken und Schwächen von nicht bloß einer Seite zu beleuchten 
und die vorgeſchlagene Ergänzung oder Beſſerung vernünftig 
zu berechnen. Was aber bisher zur Frage gebracht worden iſt, 
ſcheint mir dürftig aus dem bloßen heutigen Beſtand, vollends 
ohne alle eingehende Berückſichtigung der früheren Grundlagen, 
hergegriffen, und man kann ſich ſelten dabei der Bedenklichkeit 
erwehren, warum gerade ein oder einige Gegenſtände und nicht 
ebenſogut viele andere angeregt werden ſollen. Hunderte ſolcher 
neuen, ungetauften Wörter in Scharen zuſammentreiben, iſt 
keine beſondere Kunſt, nach weniger Zeit wären die Wörter⸗ 
bücher zwar um tauſende reicher, aber der Verluſt von zehn 


31 


Wurzeln und Formen, die wir vorzeiten wirklich einmal be- 
ſeſſen, könnte durch den unwillkommenen Zuwachs nimmermehr 
ausgeglichen werden. Die Sprache hat mancherlei Schaden 
erlitten und muß ihn tragen. Die wahre, allein zuträgliche 
Ausgleichung ſteht in der Macht des unermüdlich ſchaffenden 
Sprachgeiſtes, der wie ein niſtender Vogel wieder von neuem 
brütet, nachdem ihm die Eier weggetan worden; fein unſicht⸗ 
bares Walten vernehmen aber Dichter und Schriftſteller in 
der Begeiſterung und Bewegung durch ihr Gefühl.! 

Sobald die Kritik geſetzgeberiſch werden will, verleiht ſie 
dem gegenwärtigen Zuſtand der Sprache kein neues Leben, 
ſondern ſtört es gerade auf das empfindlichſte. Weiß ſie ſich 
hingegen von dieſer falſchen Anſicht frei zu halten, ſo iſt ſie eine 
weſentliche Stütze und Bedingung für das Studium der 
Sprache und Poeſie. 

Bei ſorgſamem Leſen altdeutſcher Quellen entdeckte ich täg⸗ 
lich Formen und Vollkommenheiten, um die wir Griechen und 
Römer zu neiden pflegen, wenn wir die Beſchaffenheit unfrer 
jetzigen Sprache erwägen; Spuren, die noch in dieſer trümmer⸗ 
haft und gleichſam verſteint ſtehen geblieben, wurden mir all⸗ 
mählich deutlich und die Übergänge gelöſt, wenn das Neue ſich 
zu dem Mitteln reihen konnte und das Mittele dem Alten die 
Hand bot. Zugleich aber zeigten ſich die überraſchendſten Ahnlich⸗ 
keiten zwiſchen allen verſchwiſterten Mundarten und noch ganz 
überſehene Verhältniſſe ihrer Abweichungen. 


Goethe hat recht ſchön geſagt (Runjt und Altertum, 3, 51): „Es gibt 
gar viele Arten von Reinigung und Bereicherung, die eigentlich alle zu— 
ſammengreifen müſſen, wenn die Sprache lebendig wachſen ſoll. Poeſie 
und leidenſchaftliche Rede ſind die einzigen Quellen, aus denen dieſes 
Leben hervordringt, und ſollte ſie in ihrer Heftigkeit auch etwas Bergſchutt 
mitführen, er ſetzt ſich zu Boden, und die reine Welle fließt darüber her.“ 


32 
9 


Kein Volk auf Erden hat eine ſolche Geſchichte für feine 
Sprache wie das deutſche. Zweitauſend Jahre reichen die 
Quellen zurück in ſeine Vergangenheit, in dieſen zweitauſenden 
iſt kein Jahrhundert ohne Zeugnis und Denkmal. Welche 
ältere Sprache der Welt mag eine ſo lange Reihe von Be— 
gebenheiten aufweiſen, und jede an ſich betrachtet vollkommnere, 
wie die indiſche oder griechiſche, wird ſie für das Leben und 
den Gang der Sprache überhaupt in gleicher Weiſe lehrreich 
fein? 


Emanuel Hiel: Dproep 
1870 


Nang zijn der Dietſchers 
Schoone geweſten 
Geſcheurd en geſpleten 
En weerlos gemaakt. 
Lang worden Dietſchers, 
Zij eens den beſten 
Mannen geheeten, 
Miskend en verzaakt. 


Voegt u fe zamen 
Zuiden en Noorden, 
Vereenigt uw ſtreven 
Voor 't nieuwe gebied! 
Staten en namen 

Kan men vermoorden, 
Volk dat wil leven 
Vernietigt men niet! 


Vrij van gedachten 
Machtig door werken, 


Vol koenheid en blijheid 
Beheerſcht weer de zee! 
Door uwe krachten 
Wordt weer de ſterken, 
Voert tot de vrijheid 
De volkeren met. 


Jacob Burckhardt: Auswärtige Politik der ita— 
lieniſchen Staaten im Zeitalter der Renaiſſance 


ie die meiſten italieniſchen Staaten in ihrem Innern 

Kunſtwerke, d. h. bewußte, von der Reflexion ab⸗ 
hängige, auf genau berechneten ſichtbaren Grundlagen ruhende 
Schöpfungen waren, ſo mußte auch ihr Verhältnis zueinander 
und zum Ausland ein Werk der Kunſt ſein. Daß ſie faſt 
ſämtlich auf ziemlich neuen Uſurpationen beruhen, iſt für ihre 
auswärtigen Beziehungen ſo verhängnisvoll wie für das In⸗ 
nere. Keiner erkennt den andern ohne Rückhalt an; dasſelbe 
Glücks ſpiel, welches bei Gründung und Befeſtigung der eigenen 
Herrſchaft gewaltet hat, mag auch gegen den Nachbar walten. 
Hängt es doch gar nicht immer von dem Gewaltherrſcher ab, 
ob er ruhig ſitzen wird oder nicht. Das Bedürfnis ſich zu ver⸗ 
größern, ſich überhaupt zu rühren, iſt allen Illegitimen eigen. 
So wird Italien die Heimat einer „auswärtigen Politik“, 
welche dann allmählich auch in anderen Ländern die Stelle eines 
anerkannten Rechtszuſtandes vertreten hat. Die völlig objektive, 
von Vorurteilen wie von ſittlichen Bedenken freie Behand⸗ 
lung der internationalen Dinge erreicht bisweilen eine Vollen⸗ 
dung, in welcher ſie elegant und großartig erſcheint, während 
das Ganze den Eindruck eines bodenloſen Abgrundes hervor⸗ 
bringt. 


34 


Dieſe Ränke, Ligen, Rüſtungen, Beſtechungen und Ber 
räfereien machen zuſammen die äußere Geſchichte des damaligen 
Italiens aus. Lange Zeit war beſonders Venedig der Gegen— 
ſtand allgemeiner Anklagen, als wollte es ganz Italien er⸗ 
obern oder allgemach ſo herunterbringen, daß ein Staat nach 
dem andern ihm ohnmächtig in die Arme fallen müſſe. Bei 
näherm Zuſehen wird man jedoch inne, daß dieſer Weheruf ſich 
nicht aus dem Volk, ſondern aus der Umgebung der Fürſten 
und Regierungen erhebt, welche faſt ſämtlich bei ihren Unter⸗ 
tanen ſchwer verhaßt find, während Venedig durch ſein leidlich 
mildes Regiment ein allgemeines Zutrauen genießt. Auch 
Florenz mit ſeinen knirſchenden Untertanenſtädten fand ſich 
Venedig gegenüber in mehr als ſchiefer Stellung, ſelbſt wenn 
man den Handelsneid und das Fortſchreiten Venedigs in der 
Romagna nicht in Betracht zog. Endlich brachte es die Liga 
von Cambrai wirklich dahin, denjenigen Staat zu ſchwächen, 
den ganz Italien mit vereinten Kräften hätte ſtützen ſollen. 

Allein auch alle übrigen verſehen ſich des Allerſchlimmſten 
zueinander, wie das eigene böſe Gewiſſen es jedem eingibt, und 
find fortwährend zum Außerſten bereik. Lodovico Moro, die 
Aragoneſen von Neapel, Sixtus IV. hielten in ganz Italien 
die allergefährlichſte Unruhe wach, der Kleineren zu geſchweigen. 
Hätte ſich dieſes entſetzliche Spiel nur auf Italien beſchränkt! 
Allein die Natur der Dinge brachte es mit ſich, daß man ſich 
nach fremder Intervention und Hilfe umſah, hauptſächlich 
nach Franzoſen und Türken. 

Zunächſt find die Bevölkerungen ſelber durchweg für Frank— 
reich eingenommen. Mit einer grauenerregenden Naivität ge: 
ſteht Florenz von jeher ſeine alte guelfiſche Sympathie für die 
Franzoſen ein. Und als Karl VIII. wirklich im Süden der Alpen 
erſchien, fiel ihm ganz Italien mit einem Jubel zu, welcher ihm 


35 


und feinen Leuten felber ganz wunderlich vorkam. In der Phan⸗ 
taſie der Italiener (man denke an Savonarola) lebte das Ideal⸗ 
bild eines großen, weiſen und gerechten Retters und Herrſchers, 
nur war es nicht mehr wie bei Dante der Kaiſer, ſondern der ca⸗ 
petingiſche König von Frankreich. Mit ſeinem Rückzug war die 
Täuſchung im ganzen dahin, doch hat es noch lange gedauert, bis 
man einſah, wie vollſtändig Karl VIII., Ludwig XII. und Franzl. 
ihr wahres Verhältnis zu Italien verkannten und von welch 
untergeordneten Beweggründen ſie ſich leiten ließen. Anders als 
das Volk ſuchten die Fürſten ſich Frankreichs zu bedienen. Als 
die franzöſiſch⸗engliſchen Kriege zu Ende waren, als Ludwig XI. 
ſeine diplomatiſchen Netze nach allen Seiten hin auswarf, als 
vollends Karl von Burgund ſich in abenteuerlichen Plänen 
wiegte, da kamen ihnen die italieniſchen Kabinette von allen 
Seiten entgegen, und die franzöſiſche Intervention mußte 
früher oder ſpäter eintreten, auch ohne die Anſprüche auf 
Neapel und Mailand, ſo gewiß als ſie z. B. in Genua und 
Piemont ſchon längſt ſtattgefunden hatte. Die Venezianer er⸗ 
warteten ſie ſchon 1462. Welche Todesangſt Herzog Galeazzo 
Maria von Mailand während des Burgunderkrieges aus⸗ 
ſtand, als er, ſcheinbar ſowohl mit Ludwig XI. als mit Karl 
verbündet, den Überfall beider fürchten mußte, zeigt feine Kor⸗ 
reſpondenz in ſchlagender Weiſe. Das Syſtem eines Gleich⸗ 
gewichtes der vier ifalienifi chen Hauptſtaaten, wie Lorenzo ma⸗ 
gnifico es verſtand, war doch nur das Poſtulat eines lichten, 
optimiſtiſchen Geiſtes, welcher über frevelnde Experimental⸗ 
politik wie über florentiniſchen Guelfenaberglauben hinaus 
war und ſich bemühte, das Beſte zu hoffen. Als Ludwig XI. 
ihm im Kriege gegen Ferrante von Neapel und Sixtus IV. 
Hilfstruppen anbot, ſagte er: „Ich vermag noch nicht, meinen 
Nutzen der Gefahr ganz Italiens vorzuziehen; wollte Gott, 


36 


es fiele den franzöſiſchen Königen niemals ein, ihre Kräfte in 
dieſem Lande zu verſuchen! Wenn es dazu kommt, fo iſt Ita⸗ 
lien verloren.“ Für andere Fürſten dagegen iſt der König von 
Frankreich abwechſelnd Mittel oder Gegenſtand des Schreckens, 
und ſie drohen mit ihm, ſobald ſie aus irgendeiner Verlegenheit 
keinen bequemern Ausweg wiſſen. Vollends glaubten die 
Päpſte, ohne alle eigene Gefahr mit Frankreich operieren zu 
dürfen, und Innocenz VIII. meinte noch, er könne ſchmollend 
ſich nach dem Norden zurückziehen, um von da mit einem fran- 
zöſiſchen Heer als Eroberer nach Italien zurückzukehren. 

Denkende Menſchen ſahen alſo die fremde Eroberung ſchon 
lange vor dem Zuge Karls VIII. voraus. Und als Karl wieder 
über die Alpen zurück war, lag es erſt recht klar vor aller 
Augen, daß nunmehr eine Ira der Interventionen begonnen 
habe. Fortan verflicht ſich Unglück mit Unglück, man wird zu 
ſpät inne, daß Frankreich und Spanien, die beiden Haupt— 
intervenienten, inzwiſchen moderne Großmächte geworden ſind, 
daß ſie ſich nicht mehr mit oberflächlichen Huldigungen be— 
gnügen können, ſondern um Einfluß und Beſitz in Italien auf 
den Tod kämpfen müſſen. Sie haben angefangen, den zentrali⸗ 
ſierken italieniſchen Staaten zu gleichen, ja dieſelben nachzu— 
ahmen, nur in koloſſalem Maßſtab. Die Abſichten auf Länder⸗ 
raub und Ländertauſch nehmen eine Zeitlang einen Flug ins 
Unbedingte hinaus. Das Ende aber war bekanntlich ein totales 
Übergewicht Spaniens, welches als Schwert und Schild der 
Gegenreformation auch das Papſttum in eine lange Abhängig⸗ 
keit brachte. Die traurige Reflexion der Philoſophen beſtand 
dann einzig darin, nachzuweiſen, wie alle die, welche die Bar: 
baren gerufen, ein ſchlechtes Ende genommen hätten. 

Offen und ohne alle Scheu ſetzte man ſich im 18. Jahrhun⸗ 
dert auch mit den Türken in Verbindung; es ſchien dies ein 


37 


Mittel polififcher Wirkung wie ein anderes. Der Begriff 
einer ſolidariſchen „abendländiſchen Chriſtenheit“ hatte ſchon 
im Verlauf der Kreuzzüge bedenklich gewankt, und Friedrich II. 
mochte demſelben bereits entwachſen ſein; allein das erneute 
Vordringen des Orients, die Not und der Untergang des grie— 
chiſchen Reiches hatte im ganzen wieder die frühere Stimmung 
der Abendländer (wenn auch nicht ihren Eifer) erneuert. Hier⸗ 
von macht Italien eine durchgängige Ausnahme; ſo groß der 
Schrecken vor den Türken und die wirkliche Gefahr ſein mochte, 
ſo iſt doch kaum eine bedeutendere Regierung, welche nicht 
irgend einmal frevelhaft mit Mohammed II. und feinen Nach⸗ 
folgern einverftanden geweſen wäre gegen andere italieniſche 
Staaten. Und wo es nicht geſchah, da traute es doch jeder 
dem andern zu es war noch immer nicht fo ſchlimm, als was 
3. B. die Venezianer dem Thronerben Alfons von Neapel ſchuld 
gaben, daß er Leute geſchickt habe, um die Ziſternen von Vene- 
dig zu vergiften. Von einem Verbrecher wie Sigismondo 
Malateſta erwartete man nichts Beſſeres, als daß er die 
Türken nach Italien rufen möchte. Aber auch die Aragoneſen 
von Neapel, welchen Mohammed — angeblich von andern 
italieniſchen Regierungen aufgereizt — eines Tages Otranto 
wegnahm (1480), hetzten hernach den Sultan Bajazeth II. 
gegen Venedig. Ebendasſelbe ließ ſich Lodovico Moro zu— 
ſchulden kommen; „das Blut der Gefallenen und der Jammer 
der bei den Türken Gefangenen ſchreit gegen ihn zu Gott um 
Rache“, ſagt der Annaliſt des Staates. In Venedig, wo 
man alles wußte, war es auch bekannt, daß Giovanni Sforza, 
Fürſt von Peſaro, der Vetter des Moro, die nach Mailand 
reiſenden türkiſchen Geſandten beherbergt hatte. Von den 
Päpſten des 18. Jahrhunderts ſind die beiden ehrenwerteſten, 
Nikolaus V. und Pius II., in tiefſtem Kummer wegen der 


38 


Türken geſtorben, letzterer ſogar unter den Anſtalten einer 
Kreuzfahrt, die er ſelber leiten wollte; ihre Nachfolger dagegen 
veruntreuen die aus der ganzen Chriſtenheit geſammelten Türken⸗ 
gelder und entweihen den darauf gegründeten Ablaß zu einer 
Geldſpekulation für ſich. Innocenz VIII. gibt ſich zum Kerker⸗ 
meiſter des geflüchteten Prinzen Dſchem her, gegen ein von 
deſſen Bruder Bajazeth II. zu zahlendes Jahrgeld, und Alex⸗ 
ander VI. unterſtützt in Konſtantinopel die Schritte des Lodo— 
vico Moro zur Förderung eines kürkiſchen Angriffs auf Vene⸗ 
dig (1498), worauf ihm dieſes mit einem Konzil droht. Man 
ſieht, daß das berüchtigte Bündnis Franz' J. mit Soliman II. 
nichts in ſeiner Art Neues und Unerhörtes war. 

Übrigens gab es auch einzelne Bevölkerungen, welchen ſogar der 
Übergang an die Türken nicht mehr als etwas beſonders Schreck— 
liches erſchien. Selbſt wenn ſie nur gegen drückende Regierungen 
damit gedroht haben ſollten, ſo wäre dies doch ein Zeichen, daß 
man mit dem Gedanken halbenweges vertraut geworden war. 
Schon um 1480 gibt Battiſta Mantovano deutlich zu verſtehen, 
daß die meiſten Anwohner der adriatiſchen Küſte etwas der Art 
vorausſähen und daß namentlich Ancona es wünſche. Als die 
Romagna unter Leo X. ſich ſehr bedrückt fühlte, ſagte einſt ein Ab⸗ 
geordneter von Ravenna dem Legaten Kardinal Giulio Medici 
ins Geſicht: „Monſignore, die erlauchte Republik Venedig will 
uns nicht, um keinen Streit mit der Kirche zu bekommen, wenn aber 
der Türke nach Raguſa kommt, ſo werden wir uns ihmübergeben.“ 

Angeſichts der damals ſchon begonnenen Unterjochung Ita⸗ 
liens durch die Spanier iſt es ein leidiger, aber doch gar nicht 
grundloſer Troſt, daß nunmehr das Land wenigſtens vor der 
Barbariſierung durch die Türkenherrſchaft geſchützt war. Sich 
ſelber hätte es bei der Entzweiung ſeiner Herrſcher ſchwerlich 
vor dieſem Schickſal bewahrt. 


39 


Wenn man nach all dieſem von der damaligen italieniſchen 
Staatskunſt etwas Gutes ſagen ſoll, ſo kann ſich dies nur auf 
die objektive, vorurteilsloſe Behandlung folder Fragen be- 
ziehen, welche nicht durch Furcht, Leidenſchaft oder Bosheit 
bereits getrübt waren. Hier gibt es kein Lehnsweſen im nordi— 
ſchen Sinne mit künſtlich abgeleiteten Rechten, ſondern die 
Macht, welche jeder beſitzt, beſitzt er (in der Regel) wenigſtens 
faktiſch ganz. Hier gibt es keinen Geleitsadel, der im Gemüt 
der Fürſten den abſtrakten Ehrenpunkt mit all ſeinen wunder⸗ 
lichen Folgerungen aufrecht hielte, ſondern Fürſten und Rat⸗ 
geber ſind darin eins, daß nur nach der Lage der Dinge, nach 
den zu erreichenden Zwecken zu handeln ſei. Gegen die Men⸗ 
ſchen, die man benützt, gegen die Verbündeten, woher ſie auch 
kommen mögen, exiſtiert kein Kaſtenhochmut, der irgend jeman⸗ 
den abſchrecken könnte, und zu allem Überfluß redet der Stand 
der Kondottieren, wo die Herkunft völlig gleichgültig iſt, ver- 
nehmlich genug von der wirklichen Macht. Endlich kennen die 
Regierungen, als gebildete Deſpoten, ihr eigenes Land und die 
Länder ihrer Nachbarn ungleich genauer, als ihre nordiſchen 
Zeitgenoſſen die ihrigen, und berechnen die Leiſtungsfähigkeit 
von Freund und Feind in ökonomiſcher wie in moraliſcher Hin— 
ſicht bis ins einzelſte; fie erſcheinen, trotz den ſchwerſten Irr⸗ 
tümern, als geborene Statiſtiker. 

Mit ſolchen Menſchen konnte man unterhandeln, man 
konnte ſie zu überzeugen, d. h. durch tatſächliche Gründe zu 
beſtimmen hoffen. Als der große Alfonſo von Neapel (1433) 
Gefangener des Filippo Maria Visconti geworden war, wußte 
er dieſen zu überzeugen, daß die Herrſchaft des Hauſes Anjou 
über Neapel ſtatt der ſeinigen die Franzoſen zu Herren von 
Italien machen würde, und jener ließ ihn ohne Löſegeld frei 
und ſchloß ein Bündnis mit ihm. Schwerlich hätte ein nor- 


40 


diſcher Fürſt fo gehandelt und gewiß keiner von der ſonſtigen 
Moralität des Visconti. Ein feſtes Vertrauen auf die Macht 
tatſächlicher Gründe beweiſt auch der berühmte Beſuch, wel- 
chen Lorenzo magnifico — unter allgemeiner Beſtürzung der 
Florentiner — dem treuloſen Ferrante in Neapel abſtattete 
(1478), der gewiß in der Verſuchung und nicht zu gut dazu 
war, ihn als Gefangenen da zu behalten. Denn daß man einen 
mächtigen Fürſten verhaften und dann nach Ausſtellung einiger 
Unterſchriften und andern tiefen Kränkungen wieder lebendig 
entlaſſen könne, wie Karl der Kühne mit Ludwig XI. zu Pe 
ronne tat (1468), erſchien den Italienern als Torheit, fo daß 
Lorenzo entweder gar nicht mehr oder ruhmbedeckt zurück— 
erwartet wurde. Es iſt in dieſer Zeit, zumal von venezianiſchen 
Geſandten, eine Kunſt der politiſchen Überredung aufgewandt 
worden, von welcher man diesſeits der Alpen erſt durch die Ita— 
liener einen Begriff bekam, und welche ja nicht nach den offiziellen 
Empfangsreden beurteilt werden darf, denn dieſe gehören der 
humaniſtiſchen Schulrhetorik an. An Derbheiten und Naivi— 
täten fehlte es im diplomatiſchen Verkehr auch nicht, trotz aller 
ſonſt ſehr entwickelten Etikette. Faſt rührend aber erſcheint uns 
ein Geiſt wie Machiavelli in ſeinen „Legazioni“. Mangelhaft 
inſtruiert, kümmerlich ausg ſtattet, als untergeordneter Agent 
behandelt, verliert er niemals feinen freien, hohen Beobachtungs— 
geiſt und ſeine Luſt des anſchaulichen Berichtens. 


Kaiſer Friedrich III: Einweihungsfahrt auf 
dem Suezkanal 
An Bord der „Grille“, den 17. November 1869 


Wi befinden uns nunmehr auf dem neueſten Wunder 
werk unſeres Zeitalters, weihen den Suezkanal ein 


41 


und fühlen, daß wir Zeugen eines Ereigniſſes find, das für 
den Weltverkehr von ganz außerordentlicher Bedeutung fein 
wird und den Beweis liefert, was menſchliche Einſicht, Aus⸗ 
dauer und Willenskraft vermögen. Gott gebe ſeinen Segen 
für die daraus erſchloſſenen Verkehrsquellen und für die 
neuen Unternehmungen, die ſich notwendigerweiſe daran an— 
ſchließen werden. Möchte doch Deutſchland ſich bald ähnlich 
großer Leiſtungen auf dem Gebiete der Verkehrswege rühmen 
können. | 

Die Abfahrt war auf ſechs Uhr früh angeſetzt, voran „l' Aigle“ 
mit der Kaiſerin Eugenie an Bord, dann „Greif“ mit dem 
Kaiſer von Oſterreich, darauf ich an Bord der „Grille“, end— 
lich der niederländiſche Dampfer mit Prinz und Prinzeſſin 
Heinrich der Niederlande, gefolgt von den Botſchaftern und 
etlichen fünfzig anderen Dampfern. 

Aber erſt um halb zehn Uhr ſetzte ſich der Zug in Bewegung, 
weil ein der äußerſten Vorſicht wegen vorausgeſendetes ägyp⸗ 
tiſches Dampfſchiff erft ſpät die Möglichkeit der Durchfahrt 
als zweifellos telegraphiert hatte. Wir fuhren nun in den 
Kanal ein, deſſen Mündung zwei Obelisken, aus Fachwerk 
erbaut, bezeichnen. 

Von dieſem Augenblick ab bis zur Ankunft in Ismailia bot 
die Fahrt nichts anderes als den Blick auf einen gradlinig ge: 
zogenen Kanal, der durchweg von ſandigen Ufern eingefaßt iſt. 
Belehrend waren dabei die Mitteilungen eines der erſten fran- 
zöſiſchen Ingenieure des Unternehmens, Mr. Laroche, der un- 
ſeren Begleiter abgab. Dreimal geriet das eine der öſterrei— 
chiſchen Schiffe, „Eliſabeth“, auf den Sand und hielt uns fo- 
wie die ſämtlichen Schiffe dadurch gehörig auf, ſonſt ging die 
ſiebenſtündige Fahrt ohne Anſtoß vonſtatten; doch ward natür⸗ 
lich ſehr vorſichtig gedampft. 


42 


Suez, den 20. November 1869 

Die Kanalfahrt iſt glücklich durchgeführt; keins der Schiffe, 
auf denen die Hauptbeteiligten ſich befanden, hat irgendwelche 
Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, und auch wo einige 
geführliche Felsengen vorhanden waren, ſind dieſelben glück— 
lich überſchifft und durch beſtändiges Lotſen oder langſames 
Fahren überwunden worden. 

Klar liegt nunmehr die Tatſache vor der ganzen Welt, daß 
man auch mit großen Schiffen aus dem Roten Meer in das 
Mittelländiſche gelangen kann, und es wird fortan der Fünf: 
tige Handel mit außerordentlichem Zeitgewinn auf der kürze⸗ 
ſten Strecke aus Indien und dem Stillen Ozean nach Europa 
ſeine Bahn nehmen können. 

Mit Tagesanbruch lichteten wir in den Bitterſeen, in wel: 
chen geſtern abend der Wind ſtark geweht und Wellenſchlag 
uns geſchaukelt hatte, die Anker. Dieſes Becken, erſt ſeit dem 
Frühjahr mit Seewaſſer angefüllt und bis dahin ein trockener 
Laudſtrich, gibt ſich wahrhaftig ſchon das Anſehen eines wirk— 
lichen Meeres. 

Obwohl vom Wüſtenſande eingefaßt, ſieht die Landſchaft 
dennoch nicht ſandig oder kahl aus, weil hier ſtets eine eigen— 
tümlich roſige Beleuchtung herrſcht, die zu allen Tageszeiten, 
ja ſelbſt in der Dunkelheit, einen unbeſchreiblich lebendigen 
Schimmer beſitzt. — Sonſt war rings um uns her kein leben- 
diges Weſen zu ſehen, außer denen, die uns auf etwa zwanzig 
Dampfern umgaben. 

Ich hatte mich bereits geſtern abend den Majeſtäten an 
Bord ihrer Schiffe empfohlen; Kaiſer Franz Joſeph war ſehr 
höflich und erwiderte auch noch ſpäter meinen Beſuch. 

Um zwölf Uhr gewahrten wir das kleine, recht unanſehnliche 
Suez, reizend am Fuße maleriſcher Felsberge gelegen und von 


43 


den „blauen“ Fluten des „Roten“ Meeres beſpült. Somit 
habe ich denn auch dieſes Meer kennen gelernt, nachdem ich erſt 
vier Wochen zuvor im Schwarzen geweſen und im Laufe des 
verſtrichenen Sommers mich in den Fluten der Nordſee ge— 
badet hatte. Ich kann nicht leugnen, daß in dieſem Moment 
meine Blicke ſich über des Roten Meeres Fluten mit einem 
kleinen Seufzer nach Oſten richteten. War ich doch hier dem 
Zauber Indiens und des Himalaja ſo nahe gerückt, wie nie 
zuvor und wie es mir auch künftig niemals wieder im Leben 
geſtattet ſein wird!! Dann aber verſcheuchen der Donner der 
Geſchütze und das „Hurra“ der Mannſchaften auf den Rahen 
der Oſtindien⸗Transportſchiffe und mehrerer anderer Fahrzeuge 
alle Sentimentalität, und es trat die proſaiſche Realität an 
uns heran, ſo raſch wie möglich an das Ausſchiffen zu denken, 
weil ich der erſte auf der Eiſenbahn dem Vizekönig nachreiſen 
ſollte, um noch am heutigen Abend mich zur Milfahrt einzu- 
ſchiffen. 

Die Fahrt auf dem Suezkanal bietet an ſich keine Reize; 
nur der Umſtand, daß die Wüſte und der recht heimatliche Ge— 
fühle erweckende Sand wirklich einen Lichtſchimmer beſitzen, 
den man ſehen muß, um ihn zu begreifen, läßt die lebloſe Land⸗ 
ſchaft weniger eintönig erſcheinen. Nun könnte man glauben, 
daß bei einer zweieinhalbtägigen Waſſerfahrt ſich allmählich 
Langeweile einſtellen müßte, dies war aber durchaus nicht der 
Fall, denn zunächſt fanden wir alle willkommene Gelegenheit 
zum ungeſtörten Schreiben oder Leſen, und dann war unſere 
eng genug an Bord untergebrachte Geſellſchaft keineswegs 
melancholiſch geſtimmt. Der Glanzpunkt dieſer Tage für mich 
bleibt unſtreitig der Anblick des arabiſchen Zeltlagers in Is⸗ 
mailia, und wird der Eindruck der hier empfangenen Bilder 
ſtets unzertrennlich von dem Gedenken der Suezkanaleröffnung 


44 


bleiben. Dieſes Leben, fo ganz verſchieden von jeglichem Volks- 
feſt und Volkstreiben, das mir bis jetzt auf meinen mannig- 
fachen Wanderungen vorgekommen, bot einen Reiz dar, der 
einzig in ſeiner Art bleibt. 

Die Märchenbilder aus der Kinderzeit fanden hier ein gut 
Stück Wirklichkeit, ohne daß eine Zutat von Einbildungskraft 
nötig geweſen wäre, und einige Stunden Luſtwandelns in 
dieſem orientaliſchen Getriebe geben jedem Neuankommenden 
ein klareres Bild des Lebens in der Levante, als es wochenlange 
Reiſen vermögen. Dabei war es ein Glück für uns, daß wir 
dreimal herumwanderten, ohne daß unſer Inkognito gebrochen 
ward, mithin ſich alles ungeſtört und ungezwungen in ſeiner 
Natürlichkeit um uns her bewegte. Als dagegen der Khedive 
eine offizielle Umfahrt für uns alle veranſtaltete und Fantaſias 
auf Befehl vorgeführt wurden, ſank ſofort das Bild zu einer 
gemachten Sache herab. 

Beſonders intereſſiert hat mich das vornehme Phlegma, mit 
dem Scheiks ſowohl wie Vaſallen und Sklaven ſich bewegten 
und mit einer allerdings erklärlichen Geringſchätzung aus ihren 
herrlichen Kaftans heraus auf unfere Ziwilanzüge blickten. 
Der ſchwärzeſte, zerlumpteſte Mohr trägt hierzulande ſein 
Hemd oder ſeinen Kaftan nebſt „Abbaya“ mit ebenſoviel 
Würde wie der Edelmann. 


Prinz Eugen und die Feſtung Lille 
Etwa 1708 


Prinz Eugen: 
Galant, nicht ſchnell. Weiſe zuerſt 1720. 


> 
Lille, du al- ler- fhön:-fte Stadt, Die du biſt fo 


45 


46 


fein und glatt, Mei ne Lieb die brennt vor Flammen, 


Dich lieb ich vor al = len Da- men, Lille, du al: ler: 


pp 
ſchön⸗ ſte Stadt, ſchön-ſte Stadt, Lille, du al: ler⸗ſchön⸗ ſte Stadt. 


Feſtung Lille: 
Lieber Herr, was ſaget Ihr? 
Wer ſeid Ihr? was macht Ihr hier? 
Was die Reuter, die Soldaten, 
Eure tapfre Kameraden? 
Liebſter, das erzählet mir! 


Prinz Eugen: 
Ich bin der Savoyer Held, 
Bekannt genug in aller Welt, 
Prinz Eugenius genennet, 
Der in deiner Liebe brennet, 
Lille, meine allerſchönſte Braut! 


Feſt ung Lille: 
Lieber Herr, fort packet Euch! 
Gehet in das deutſche Reich, 
Denn ich habe zum Galanten, 
Zum Gemahl und Kareſſanten 
König Ludwig von Frankreich. 


Prinz Eugen: 
Liebſte, deine Schönheit groß 
Ziehet mich in deinen Schoß. 
Laß dich ſchrecken meine Waffen, 
Mit Gewalt will ich bei dir ſchlafen, 
Du magſt ſagen, was du willſt. 


Feſtung Lille: 
Wollt Ihr handeln mit Gewalt, 
Lieber Herr, nit dergeſtalt 
Schalten möget Ihr und walten: 
Boufflers der kann mich erhalten 


Und beſchützen meine Ehr. 


Prinz Eugen: 
Liebe, laß doch ſagen dir: 
Meine Stücke ſind Mortier; 
Bomben: und Granatenfeuer 
Sollen ſein dein Hochzeitfeuer, 
Das ich dir zu Ehren halt. 


Feſtung Lille: 
Lieber Herr, von großer Macht, 
Glaubet mir, es iſt geſagt: 
Meine Werk und Baſtionen, 
Zitadell und halbe Monden 
Lachen und verſpotten Euch. 


Prinz Eugen: 
Halt das Maul und ſchweige ſtill! 
Hör, was ich dir ſagen will: 


4 


Hab ich nicht in Ungarlanden 
Die Türken gemacht zuſchanden, 
Hunderttauſend, noch viel mehr? 


Feſtung Lille: 
Lieber Herr, das glaub ich wohl, 
Daß Ihr damals waret toll, 
Aber Ihr habt nichts zu ſchaffen 
Jetzo mit den fremden Affen, 
Sondern mit der Franzen Blut. 


Prinz Eugen: 
Lille, ſei nicht ſo ſtolz und frech, 
Weiſe mich nicht von dir weg! 
Sieh, ich will dich bombardieren, 
Deine Mauern ruinieren 


Und zerſchießen Stein für Stein. 


Feſtung Lille: 
Ei fo komm, mein Prinz, (ich will! 
Der du auch noch liebeſt Lille! 
Gott der ſegne deine Waffen; 
Die Holländer wirſt du ſtrafen 
Und ſie ſchlagen aus dem Feld. 


Prinz Eugen: 
Ihr Konſtabler, friſch daran, 
Feuert, hunderttauſend Mann, 
Donnert, daß es kracht in Flammen, 
Lille, die ſchöne Stadt, zuſammen, 
Lille, das allerſchönſte Weib! 


Feſtung Lille: 
Meint Ihr denn, daß mein Vendöme 
Mir nicht bald zu Hilfe komm, 
Der mit hunderttauſend Franzen 
Die Holländer wird lernen tanzen 
Aus dem edlen Flanderland? 


Prinz Eugen: 
Liebſte, denk an meine Macht, 
Alle Prinzen unveracht, 
Glaube mir, das liebe Mailand 
Und das auserwählte Deutſchland 
Hab quittiert aus Lieb zu dir. 


Lille, mein allerſchönſtes Kind, 
Warum biſt du doch ſo blind, 

Daß du mich nicht willſt annehmen? 
Tuſt du dich denn meiner ſchämen, 
Oder ſag, was fehlet dir? 


Lille, mein Engel und mein Lamm, 
Ich weiß dir ein'n Bräutigam, 
Carolus, der weltbekannte, 

Ich bin nur ſein Abgeſandte 

Und des Kaiſers General. 


Feſtung Lille: 
Ei wohlan, ſo ſoll es ſein! 
Carolus ſei der Liebſte mein; 
Denn der Ludewig veraltet, 
Und die Lieb iſt ganz verkaltet, 
Karl iſt noch ein junger Held. 


49 


Maſuriſche Sagen 
Das Teufelswerder 

On der Mitte des Spirdingſees liegt ein kleines Eiland, das 

Teufelswerder. Es beſteht aus einem ſteilen und ziemlich 
hohen Berge, und begreift etwa drittehalb preußiſche Hufen in 
ſich. Der Boden iſt faſt durchweg ſandig und wird beinahe gar 
nicht zum Ackerbau benutzt. Den Bewohnern des gegenüber⸗ 
liegenden Dorfes Eckersberg zeigt es, je nachdem es näher oder 
entfernter ſcheint, die bevorſtehenden Veränderungen des Wet⸗ 
ters an. Dieſe Juſel iſt von böſen Geiſtern bewohnt, woher ſie 
denn auch ihren Namen erhalten. Bald zeigen dieſelben ſich in 
Geſtalt von Löwen, bald von ſchwarzen Hunden, bald unter 
anderen Formen, necken die Menſchen, die in die Nähe kommen, 
und fügen ihnen allerlei Schaden zu. Der Geſchichten, die die 
Umwohner des Sees und vor allem die Bienenbeutner, die ihre 
Beuten auf dem Werder halten und des Sturmes halber oft 
drei und mehr Mächte darauf feſtgehalten werden, hiervon zu 
erzählen wiſſen, ſind unzählige. Beſonders aber haben die Ge⸗ 
ſpenſter es auf die Fiſcher abgeſehen, denen ſie bald die Netze 
zerreißen, bald große Schätze zeigen, die, wenn jene ſie nach 
langer Mühe endlich heben wollen, plötzlich verſchwinden oder 
ſich in unbrauchbare Dinge verwandeln. 


Die Kirche zu Engelſtein 

(Cue Meile von Angerburg liegt das Dörf lein Engelſtein 

mit einer Kirche darinnen. Anfangs ſtand das Dorf nicht 
an ſeinem jetzigen Orte, ſondern eine halbe Meile weiter an dem 
See Röſau, wo ſich die Spuren noch finden. Es hatten näm⸗ 
lich die Begründer des Dorfes von dem Deutſchen Orden ein 
Stück Wald von 64 Hufen gekauft. Wie fie min den Wald 
ausrodeten, da fanden ſie mitten darin eine lichte Stelle, die 


5⁰ 


ganz wie eine Kirche ausſah, mit vier Wänden und einer Tres⸗ 
kammer. Sie war 36 Fuß lang und 24 breit, und die Sakriſtei 
maß 12 Fuß in die Länge und 6 Fuß in die Breite. Die Wände 
waren von uralten Bäumen gebildet und ganz verwachſen. 
Da erkannten die Engelſteiner, daß ſie hier ihre Kirche bauen 
und ſich niederlaſſen ſollten; ſie brachen daher ihre Wohnungen 
und die Kirche am See ab und trugen ſie in den Wald an die 
Stelle, wo ſie jetzt noch ſtehen. 


Der Konopka-Berg 

er Wirk Konopka aus dem Dorfe Ogonken, welches eine 

halbe Meile öſtlich von Angerburg gelegen iſt, geht eines 
Abends bei hellem Mondſchein aus dem Amte Angerburg, wo 
er kagüber Scharwerksdienſte verrichtet hatte, einen Spaten 
in der Hand, nach Hauſe. Als er auf ſeinem Wege in die Nähe 
eines Berges kommt, ſieht er, wie jemand auf einer Art Schlit— 
ten wiederholt den Berg aufwärts und abwärts fährt. Er 
kommt näher und wird gewahr, daß auf dem Schlitten eine 
alte Frau ſitzt und ein Mann den Schlitten ſchiebt. Nahe 
herangekommen, fragt er verwundert den Mann, was er hier 
mache. Der Mann antwortet: „Ich bin der Teufel. Weil ich 
einen dummen Streich begangen habe, bin ich verurteilt, hier 
das alte Weib (bis zu ihrem Tode) bergauf und bergab zu fahren. 
Bergab gehts wohl, aber bergauf hab ichs ſo ſchwer, daß mir 
der Schweiß von der Stirne rinnt, wie du ſiehſt. Doch es fällt 
mir ein, vielleicht könnteſt du mir helfen! Heute höre ich bald 
auf zu fahren, weil der Hahn gleich krähen wird; aber künftigen 
Donnerstag kannſt du hier um elf Uhr abends eine tiefe Grube 
graben, und wenn ich dann mit dem Weibe den Berg herunter— 
komme, ſo werf ich ſie, wie zufällig, in das Loch, und du kommſt 
und vergräbſt ſie. Tu das, ich will dirs lohnen!“ 


51 


Konopka bekreuzt ſich und meint, mit dem Teufel wolle er 
nichts zu tun haben; doch ſchließlich läßt er ſich bereden. Er 
gräbt die Grube, der Teufel wirft die alte Frau hinein, und 
Konopka verſcharrt ſie. 

Und nun der Lohn. Der Teufel ſagt: „Geld habe ich nicht, aber 
höre zu! Ich werde in Angerburg im Schloſſe ſpuken. Dann 
kommſt du und ſagſt, daß du mich bannen kannſt; dafür ver⸗ 
large hundert Taler. Ich werde dann von dort fort nach Stein— 
ort mich ins Schloß begeben. Dort melde dich auch und verlange 
vom Grafen für die Bannung zweihundert Taler. Damit mußt 
du aber ſchon zufrieden ſein und ja nicht weiter verſuchen, mich 
zu vertreiben, wo ich auch ſein ſollte, ſonſt kann dirs ſchlecht 
gehen!“ 

Bald darauf heißt es: Im Angerburger Schloſſe hauſt der 
Teufel, man kann da nicht mehr aushalten! Konopka meldet 
ſich als Banner und erhält, nachdem er den Teufel vertrieben, 
hundert Taler. Der Teufel verließ aber das alte Schloß nicht 
durch die Tür, ſondern er ſtieß eine Ecke der Wand aus und 
ſchlüpfte durch die fo entſtandene Offnung, und bis heute noch 
ſieht man an einer Ecke des Schloſſes eine abgeriſſene Mauer. 
Nach kurzer Zeit ſpukt es im Schloſſe Steinort, und der dortige 
Graf weiß ſich nicht zu raten, nicht zu helfen. Konopka meldet 
ſich bei ihm als Teufelsbanner und erhält, nachdem ihm die 
Bannung gelungen, zweihundert Taler. 

Mit dem gewonnenen Gelde verbeſſert Konopka feine Wirt— 
ſchaft und denkt nun ruhig zu leben. Das ſollte aber nicht ſein. 
Nach einem Jahre wird überall bekanntgemacht: Im Schloſſe 
zu Berlin ſpuke der Teufel; es möge ſich melden, wer ihn bannen 
könne. Konopka, eingedenk der Warnung des Teufels, bleibt 
ſtill. Doch der Graf von Steinort meldet nach Berlin, daß 
der Bauer Konopka aus Ogonken bei ihm den Teufel vertrieben 


52 


habe, alſo auch dort das werde fun können. Sogleich wird 
Konopka nach Berlin gefordert, und ob er ſich auch ſträubt, er 
muß hin. 

In Berlin angekommen, wird er ſofort ins Schloß geführt 
und erhält den Auftrag, den Teufel zu bannen. In größter 
Verzweiflung bittet er um drei Tage Bedenkzeit, die ihm auch 
bewilligt wird. Überlegend, was zu tun und das Herz voll 
Sorge, treibt Konopka ſich in den Straßen Berlins umher. 
Da fällt ihm am dritten Tage eine alte Frau in die Augen, 
die ganz ſo ausſieht wie das Weib, welches der Teufel gefahren 
und er verſcharrt hat. „Die iſts, die kann mir helfen!“ ſagt er 
bei ſich ſelbſt, läßt ſich mit der Frau in ein Geſpräch ein und 
fragt ſie nach ihrem Namen und ihrer Wohnung. 

Getroſten Mutes geht er zum Schloſſe und erklärt hier, daß 
er in der nächſten Nacht den Teufel vertreiben wolle, aber er 
brauche dabei die alte Frau, deren Namen und Wohnung er 
angibt. 

Die Frau wird herbeigeholt. Konopka trinkt ihr fleißig zu, 
und die Mitternachtsſtunde rückt heran. Als der Teufel ſich 
polternd naht, reißt Konopka ſchnell die Tür auf und ruft ihm 
entgegen: „Da haſt du dein Weib, ich habe ſie nicht vergraben!“ 
Der Teufel erſchrickt, fängt an zu zittern und ſpricht: „Konopka, 
nimm ſie zurück, ich werde auch von hier fortgehen und hier nie 
mehr ſpuken!“ — „Mag es denn ſein!“ ſagt Konopka, und 
der Teufel verſchwindet. 

So hatte Konopka den Teufel aus dem Berliner Schloſſe 
vertrieben. Er erhielt zum Lohne ſein Grundſtück als ſchuld— 
freies Eigentum, auch Abgaben durfte er nicht zahlen. Der 
Berg aber, an welchem Konopka das alte Weib vergraben, 
wird ſeit jener Zeit der Konopka-Berg genannt. 


Albrecht Schaeffer: In memoriam „Mimoſe“ 
Prothoe: 
O, dir war beſſer, 
In des Verſtandes Sonnenfinſternis 
Umherzuwandeln, ewig, ewig, ewig... 
Kleiſt 
in Schweißfuchs, dunkelbraun, mit einem Hauch von Rot, 
Wie wenn das edle Blut das Fell durchleuchte, 
(Gleichwie in Trauben, ſüdlichen, gedörrten), 
Feinhaarig dünnen Schweifs, hochaufgeſetzt, 
Auf kurzen Beinen ſchlanke Stämmigkeit, 
Gedrungnen Halſes, von der tiefen Schwanenbruſt 
Aufſteigend, raſch verjüngt zum kleinen Haupte 
Mir dieſen großen, funkelnd ſtarren Augen, 
Gläſernen (wie bei Käfern), und den breiten, 
Großoffnen Müſtern, innen glühend von Rubin, 
Und immer anmutvoll (uralter Würde 
Erlauchter Ahnen eingedenk): im Stand die Füße 
Leicht voreinander, und die Schenkel ſchwenkend, 
Tänzelnd im Gang, wie Jephthas Tochter: Nie 
Wird mir dein Wuchs vergeſſen ſein, du zarte 
Tochter der Wüſten, ſcheue, feurige, 
Wie Samums Wirbel heiß, — wo biſt du nun? 


Damals Mimoſe mir genannt, als noch 

Mein ſanfter Schenkeldruck dich lenkte, einwärts 
Die Wieſenpfade in die ewig grünen 

Weiden Oſtfrieslands; als das herzerſchütternd 
Mächtige Trommeln deiner kleinen Hufe 

Unter mir dröhnte, wenn dein Bug im Sauſen 
Die hohen Halme ſchnitt, am Fuß der langen 


54 


Deiche, am Dollart hin, der ſtillen Bucht; 

Als aus der tiefen, ehrnen, freudevollen Bruſt 
Dein tapfres Wiehern auf brach unter mir, 
Unheimlich, unterirdiſch, rollend, hin 

Trompetend über Strand und Brandung, weit 
Hinaus aufs Nordmeer; und als noch des Abends 
Im dunklen Stalle ich in deine Müſtern, 

Die zuckenden, mit Surenanfang leis 

Einflüſterte das Nachtgebet: Im Namen 

Des allbarmherzigen Gottes! möge friedlich 
Mein Schlummer ſein, wie es der deine ſein wird! — 


Mimoſe damals .. . Aber ſeit auch dich, 

Des Morgenlandes heimatlos gewordnes Kind, 
Gehorſam — den zu weigern je dir fremd war — 
Einforderte zum Dienſte für das fremde, 
Harterdige Land (o weiche Sandbahn endlos 
Flutender Wüſtenei!), zu bluten und zu ſterben 
Vielleicht, für Unbekanntes, nur gehorſam: 
Deucht mir ein andrer, löwenhafter Name 

Dir ziemlicher. Mag ſein, du moderſt ſchon 
Auf windiger Steppe grablos; doch dein Geiſt, 
Leicht nun wie Düfte des Mimoſenſtrauchs, 
Trägt Heldengeiſter weiter ſchlachtwärts, ſchnobernd 
Und zitternd im Gehorſamsungeſtüm, 

Dem preußiſchen. Pentheſtlea ſollſt du 

Mir heißen jetzt, des Sängers eingedenk, 

Des heimatloſen, glühenden, des Junkers 
Heinrich von Kleiſt, der ſchuf die Amazone. 


Auch du, jungfräulich ſtarbſt du. Kind, du haſt 
Mich ſehr geliebt, ich weiß es, und das Auge 


Des blonden Fremdlings war der einzige Stern 
Von allen, der dir wohlbekannt und traulich war. 
Sein Schritt, der gleich erkannte, hob dein Haupt 
Und dunkles Auge flugs, wenn er im Dämmer 
Des Stalls erſcholl, und ſeines Leibes fremdlicher 
Geruch war ſüß dir, deine Wange feſt 

Zu ſcheuern an des Menſchen Schulter, während 
Die liebe Hand dir Hals und Kruppe klatſchte. 


Sei lebend oder tot: doch von uns einer 
Wird tot ſein, ehe wir uns wiederſehn, 
Denn meine Zeit iſt um. Aber ich will 
Ein Bildnis von dir machen, dankbarlich 
Der ſchönen Zeit geneigt, allwo dein immer 
Verträumter Geiſt, in Liebe dumpf bewußt, 
Mir gern gehorſam war, du unerlöſte 
Schweſter Gülnares! daß du wieder lebeſt 
Im Herzen guter Menſchen, welche wiffen: 
Weit voneinander wohnen Menſch und Menſch, 
Wo aber Güte iſt, Vertraun, Gehorchen 
Und Dankbarkeit, da iſt nicht Menſch, nicht Tier, 
Sondern iſt Ewiges; dem Gang der Sterne 
Verſchwiſtert und der Blume Lieblichkeit. 

+ 
Nachdem verzehrt die karge Abendſpeiſe 
(Schwarzbrot, getunkt in Zuckerbrei von Rotwein), — 
Als vor den Reihen Pferden in der großen, 
Nächtlichen Scheune, von Laternen matt erhellt, 
Heuberge aufgeſchüttet lagen, und ſie fraßen, — 
Ein letztes Mal der Brunnen klang, — die Stimmen 
Der ſchon in ihren Mänteln lagernden 


56 


Dragoner ſpärlicher und leiſer gingen, 
Bald nur ein Seufzen und in langen Pauſen 
Der Schritt des Poſtens draußen in dem Schwarzen 
Der Sommernacht: warf auch der Offizier 
Sich nieder hinter ſeines Pferdes Hufen. 
Die Stute ſtand, den linken Hinterfuß erhoben, 
Den Kopf geſenkt ins Futter, ganz verſunken 
In ihre Müdigkeit. 
Und noch von Sorge 
Ergriffen ſprang er wieder auf; ſie hörte 
Gleich auf mit Kauen, wandte ſich und blickte 
Aus trübem Auge, und er bückte ſich 
Zu ihren Vorderfeſſeln, traurig drin das Fiebern 
Der heißen Sehnen ſpürend; wandte ſich, warf ſich 
Wieder aufs Lager und wollte dies vergeſſen. 


So kam viel andres. Um die vorgeſchobne 
Patrouille tief im feindlichen Land Beſorgnis 

So mancherlei; danach die alten Bilder: 

Das Paar der Betten im verhangnen Zimmer, 
Das eine leer, im andern, halbverhüllt, 
Verlaſſenheit, zerwühlt und blond und lieblich ... 


Leis nagte Pein an den zerrittnen Gliedern. 
Die Lider hoben ſich. 
Am Pfoſten die Laterne 
Schien grell, dahinter ſtand die ſchwarze Torfahrt, 
Gewölbe, ausgeziert mit kleinen Sternen; 
Schlaf lag am Boden, graue Haufen, darüber 
Beine und Schweife und Kruppen der freſſenden Pferde. 
Doch wie er zu dem eignen aufwärts blickte, 


Hatte ſie längſt den Hals gedreht und ſchaute 
Starräugig her; es glänzte die Pupille, 
Vom Licht getroffen. Lange blickte ſie 
So her; bis er das Auge ſchloß, und dieſes 
Zweimal und dreimal: immer wieder, tat er 
Die Lider auf, kam, hergebogen magiſch, 
Langſam der Pferdekopf; die kleinen Ohren 
Bewegten ſich und ſtanden ſpitz; das Auge 
Suchte, die Lippen ſtanden ſtill; dann ſchnob es, 
Wieherte zart; ſein Atem ſtrich. 

Da ſtieg ihm nun, 
Den Einſamkeit und Schlaf und Müdigkeit 
Bezwang, im aufgebrochnen Herzen Süße auf 
Wie Lindenduft, Baumkuppeln nächtig, Sterne; 
Ein Brunnen plätſcherte — und es war Heimat 
Und Sommerfriedlichkeit — und eine Stimme 
Sang auf und ſchwebte, klar wie ein Geſtirn, 
Dem Mond zureiſend über leiſe nieder 
Sinkende Silberwolken durch das Dunkel. 


Er wollte noch einmal die Augen öffnen, 
Als ſei noch Dank zu ſagen — wem nur, wem? — 
Jedoch vermocht ers nicht; nur ein Verworrnes 
Deucht' ihm im Finſtern, wieſenhaft, und Duft 
Von Heu, und Atem, und Geräuſch 
Von einem Pferde, das ſich niederlegt 
Beſchwerlich. 

Jählings fuhr er wieder auf, 
Da alles grau war; dunkler Morgen. Unterm Tor 
Ein Schatten ſtand, behelmt, eine Laterne 
Gewaltig ſtrahlend vor der Bruſt; der kam 


58 


Schwerfüßig, kniete bei ihm hin und las 
Von einem Zettel Wichtiges und Kluges. 
Stand auf und grüßte, löſchte die Laterne 
Und warf ſich hin und ſeufzte und entſchlief. 


Draußen im Dunkel, wo die Frühe dampfte, 
Standen jetzt drei Dragoner, ihm die Rücken 
Zuwendend, rötlich grau im Lichtſchein; jeder 
Hielt auf dem hochgeſtellten Knie den Eimer 
Voll Waſſer, und vor jedem drängten ſich 
Drei, vier der Roſſe; ihre weißen Bleſſen 
Schimmerten ſeltſam; ihre Mäuler, ſchnobernd 
Und pruſtend, ſuchten nach dem Waſſer; zweie 
Schlürften in langen Zügen; ihre Mähnen 
Bewegte Frühwind gleichwie Gras; die Rücken 
Schwanden im Dunkel. 

Aber ſchon, indem er 
Schlaftrunken hinſah, hob der Trinkenden eines 
Den Kopf; das Waſſer troff mit Feuerflocken 
Vom Maul ihm; ſtill ſtand Haupt und Auge. Wieder 
Senkt' es den Nacken, wollte trinken, tats nicht, 
Trat ſeitwärts, zauderte und riet. Am Ende 
Fing es zu gehen an, und durch die grauen 
Hügel der Schlafenden kam es herbei, 
Behutſam taſtend mit den Hufen, etwas 
Emporgedreht den Kopf — wie Blinde wandern — 
So bis zu ihm. Da ſenkt' es nun den Hals, 
Zeigte die Zähne, blies und rang mit ſich 
Und wußte nichts, — was kam es nur, was wollt es? — 
Doch ſtumm blieb alles. Endlich löſte ſich 
Ein angſtvoll weiches Wiehern, gleich verhallend. — 


Der Iltenfch, allwiffend, legte feine Hand 

Ihm auf die warme Lippe, fühlte hier 

Die ſamtne Haut, den Odem, und verſtand: 

Tier ſpricht zu Menſch; Menſch ſpricht zu Gott; Menſch 
ſpricht wie Tier. 


Graf Helmuth von Moltke: Die Friedens: 


präſenzſtärke des deutſchen Heeres 
Rede in der Reichstagsſitzung vom 14. Mai 1890 


Ds kann Befremden erregt haben, daß neue und erhebliche 
Opfer für militäriſche Zwecke gefordert werden, eben jetzt, 
wo anſcheinend der politiſche Horizont freier iſt von drohenden 
Wolken, als ſelbſt noch kurz zuvor, und wo wir von allen 
auswärtigen Mächten die beſtimmte Verſicherung ihrer fried— 
lichen Abſichten haben. Dennoch wollen Sie mir geſtatten, 
mit wenigen Worten auf den Grad von Sicherheit hinzuwei— 
ſen, welche für uns aus dieſen Umſtänden hervorgehen kann. 
Noch unlängſt, meine Herren, iſt von jener Seite des Hauſes, 
allerdings von der äußerſten Linken, wiederholt die Behaup— 
kung aufgeſtellt worden, daß alle unſere militäriſchen Wor- 
kehrungen nur im Intereſſe der beſitzenden Klaſſe erfolgen und 
daß es die Fürſten ſind, welche die Kriege hervorrufen; ohne 
ſie würden die Völker in Frieden und Freundſchaft nebenein— 
ander wohnen. Was nun vorweg die beſitzende Klaſſe betrifft, 
— und das iſt jedoch eine ſehr große, ſie umfaßt in gewiſſem 
Sinne nahezu die ganze Nation, denn wer hätte nicht etwas 
zu verlieren? — die beſitzende Klaſſe hat ja allerdings ein In— 
tereſſe an allen Einrichtungen, welche jedem ſeinen Beſitz ge— 
währleiſten. Aber die Fürſten und überhaupt die Regierungen 
find es wirklich nicht, welche in unſeren Tagen die Kriege her: 


60 


beiführen. Die Zeit der Kabinettskriege liegt hinter uns — wir 
haben jetzt nur noch den Volkskrieg, und einen ſolchen mit allen 
ſeinen unabſehbaren Folgen heraufzubeſchwören, dazu wird 
eine irgend beſonnene Regierung ſich ſehr ſchwer entſchließen. 
Nein, meine Herren, die Elemente, welche den Frieden bedro— 
hen, liegen bei den Völkern. Das ſind im Innern die Begehr— 
lichkeit der vom Schickſal minder begünſtigten Klaſſen und ihre 
zeitweiſen Verſuche, durch gewaltſame Maßregeln ſchnell eine 
Beſſerung ihrer Lage zu erreichen, eine Beſſerung, die nur durch 
organiſche Geſetze und auf dem allerdings laugſamen und 
mühevollen Wege der Arbeit herbeigeführt werden kann. Von 
außerhalb find es gewiſſe Nationalitäts- und Raſſenbeſtrebun— 
gen, überall die Unzufriedenheit mit dem Beſtehenden. Das 
kann jederzeit den Ausbruch eines Krieges herbeiführen, ohne 
den Willen der Regierungen und auch gegen ihren Willen; 
denn eine Regierung, welche nicht ſtark genug iſt, um den 
Volksleidenſchaften und den Parteibeſtrebungen entgegenzutre— 
ten, — eine ſchwache Regierung iſt eine dauernde Kriegsgefahr. 
Ich glaube, daß man den Wert und den Segen einer ſtarken 
Regierung nicht hoch genug anſchlagen kann. Nur eine ſtarke 
Regierung kann heilſame Reformen durchführen, nur eine ſtarke 
Regierung kann den Frieden verbürgen. 

Meine Herren, wenn der Krieg, der jetzt ſchon mehr als 
zehn Jahre lang wie ein Damoklesſchwert über unſeren Häup— 
tern ſchwebt, — wenn dieſer Krieg zum Ausbruch kommt, ſo 
iſt ſeine Dauer und ſein Ende nicht abzuſehen. Es ſind die 
größten Mächte Europas, welche, gerüſtet wie nie zuvor, gegen— 
einander in den Kampf treten; keine derſelben kann in einem 
oder in zwei Feldzügen ſo vollſtändig niedergeworfen werden, 
daß ſie ſich für überwunden erklärte, daß ſie auf harte Bedin— 
gungen hin Frieden ſchließen müßte, daß ſie ſich nicht wieder 


61 


aufrichten follfe, wenn auch erſt nach Jahresfrift, um den 
Kampf zu erneuern. Meine Herren, es kann ein ſiebenjähriger, 
es kann ein dreißigjähriger Krieg werden, — und wehe dem, 
der Europa in Brand ſteckt, der zuerſt die Lunte in das Pulver⸗ 
faß ſchleudert! 

Nun, wo es ſich um ſo große Dinge handelt, wo es ſich 
handelt um was wir mit ſchweren Opfern erreicht haben: um den 
Beſtand des Reiches, vielleicht um die Fortdauer der geſell— 
ſchaftlichen Ordnung und der Ziviliſation, jedenfalls um Hun⸗ 
derttauſende von Menſchenleben, da kann allerdings die Geld⸗ 
frage erſt in zweiter Linie in Betracht kommen, da erſcheint 
jedes pekuniäre Opfer im voraus gerechtfertigt. 

Es iſt ja richtig, was hier mehrfach betont worden, daß der 
Krieg ſelbſt Geld und abermals Geld fordert, und daß wir 
unſere Finanzen nicht vor der Zeit zugrunde richten ſollen. 
Ja, hätten wir die ſehr großen Ausgaben nicht gemacht für 
militäriſche Zwecke, für welche der Patriotismus dieſes Hauſes 
und der Nation die Mittel gewährt hat, ſo würden allerdings 
unſere Finanzen heute ſehr viel günſtiger liegen, als es gegen- 
wärtig der Fall iſt. Aber die glänzendſte Finanzlage hätte 
nicht verhindert, daß wir bei mangelnden Widerſtandsmitteln 
heute am Tage den Feind im Lande hätten; denn lange ſchon 
und auch jetzt noch iſt es nur das Schwert, welches die Schwer⸗ 
fer in der Scheide zurückhält. Der Feind im Lande — nun, wir 
haben das zu Anfang des Jahrhunderts ſechs Jahre lang ge: 
fragen, und Kaiſer Napoleon konnte ſich rühmen, aus dem da— 
mals kleinen und armen Lande eine Milliarde herausgepreßt 
zu haben — der Feind im Lande würde nicht viel fragen, ob 
Reichsbank oder Privatbank. Sahen wir doch im Jahre 1813, 
als er ſchon im vollen Abzuge war, wie in Hamburg — damals 
eine franzöſiſche Stadt — ein franzöſiſcher Marſchall zum Ab— 


62 


ſchied die Hamburger Bank in die Taſche ſteckte. Der Feind 
im Lande würde ſchnell mit unſeren Finanzen aufräumen. Nur 
ein waffenſtarkes Deutſchland hat es möglich machen können, 
mit ſeinen Verbündeten den Bruch des Friedens ſo lange Jahre 
hindurch hinzuhalten. 

Je beſſer unſere Streitmacht zu Waſſer und zu Lande or: 
ganifier£ iſt, je vollſtändiger ausgerüſtet, je bereiter für den 
Krieg, um ſo eher dürfen wir hoffen, vielleicht den Frieden noch 
länger zu bewahren oder aber den unvermeidlichen Kampf mit 
Ehren und Erfolg zu beſtehen. 

Alle Regierungen, jede in ihrem Lande, ſtehen Aufgaben von 
der höchſten ſozialen Wichtigkeit gegenüber, Lebensfragen, 
welche der Krieg hinausſchieben, aber niemals löſen kann. Ich 
glaube, daß alle Regierungen aufrichtig bemüht ſind, den Frie— 
den zu halten — es fragt ſich nur, ob fie ſtark genug fein werden, 
um es zu können. Ich glaube, daß in allen Ländern die bei 
weitem überwiegende Maſſe der Bevölkerung den Frieden 
will, nur daß nicht ſie, ſondern die Parteien die Entſcheidung 
haben, welche ſich an ihre Spitze geſtellt haben. 

Meine Herren, die friedlichen Verſicherungen unſerer beiden 
Nachbarn in Oſt und Weſt — während übrigens ihre kriege— 
riſchen Vorbereitungen unausgeſetzt fortſchreiten — dieſe fried- 
lichen und alle übrigen Kundgebungen ſind gewiß ſehr wertvoll; 
aber Sicherheit finden wir nur bei uns ſelbſt. 


Frauz Dingelſtedt: Themſefahrt 
1845 
un fu dich auf, mein deutſches Herz, 
Nun iſt die Welt der Wunder dein, 
Nun ſtürm durch Brücken hin von Erz, 
Durch Brücken hin aus Quaderſtein. 


64 


Erhebe ſtolz dich in die Luft, 

Wie Türm und Segel ringsumher, 
Verlier dich wie im Märchenduft 
Im Kohlendampf, im Nebelmeer. 


Hier auf dem Strome fleucht ein Schiff, 
Tief drunter zeucht und keucht ein Roß, 
Hoch drüber, ohne Roſſe, pfiff 

Ein ſchwarzer, ſchwerer Wagentroß. 


Und mitten in der Rieſenſtadt 
Winkt plötzlich ein Idyll dir zu, 
Ein grüner Park, ein grünes Blatt, 
Ein Schäf lein, eine bunte Kuh. 


Ja, Wunder fern und Wunder nah, 
Du gehſt, du ſtehſt recht mitten drin: 
Links liegt der alte Tower, da 
Saint⸗Paul, der Kirchen Königin. 


Dort unten ſtammt das Feuermal, 
Wie ein Komet durch Wolken bricht, 
Im Dock da flaggen ohne Zahl 

Die Maſten, turmhoch, waldesdicht. 


Mein Herz, mein dummes, deutſches Herz, 
Was tuſt du denn, ſtatt auf, dich zu? 

Wo Schiff' und Brücken ſind von Erz, 
Sinds auch die Menſchen, ſeis auch du! 


Hier, ſtatt des Gottes, den du ehrſt, 
Herrſcht einer, dem du fluchſt: das Geld; 


Wenn du ihr erſter Krämer wärſt, 
So wäreſt du ihr erſter Held. 


Hier ſtiehlt kein Menſch, allein hier raubt 
Nach dem Geſetze Volk und Land: 

Dem Rinderdieb ein Strick ums Haupt, 
Dem Länderdieb ums Knie ein Band. 


Und alles, was du weit und breit 
Erblickſt an Pracht und Herrlichkeit, 
Geſammelt iſts aus fremder Zeit, 
Aus fremder Zone weit und breit. 


Und alles das warum? wozu? 

Wie lange noch? — Herz, laß es ſein; 
Dein Gott hält eben Mittagsruh, 
Stör du ſie nicht mit Träumerein! 


Kaſſandra klagt um Priams Fall, 
Und Troja lebt in Jubilo! 
Karthago, wo dein Hannibal? 
Und ach, wo Rom? wo Scipio!? 


Otto Fürſt von Bismarck: Zwei Reden 
I 

An Deutſch-Amerikaner. Dienſtag, 8. Juli 1890 
TIch danke Ihnen, daß Sie den weiten Weg nicht geſcheut 
= haben, erſtens zu Waſſer von Amerika herüber, um Ihre 
alten Landsleute zu beſuchen, und dann auch von Berlin nach 
Friedrichsruh, um mich mit Ihrem Beſuche zu beehren. Ich 
heiße Sie alle herzlich willkommen. 


65 


Ich habe mich fehr gewundert, foeben durchweg deutſche 
Namen gehört zu haben; ich hatte geglaubt, zu Amerikanern 
nur Engliſch ſprechen zu müſſen, und höre nun, daß alle Herren 
Deutſch ſprechen und auch Deutſche ſind. Das freut mich ſehr. 
Seit ich als Miniſter in Preußen und ſpäter in Deutſchland 
die Politik geleitet habe, bin ich ſtets beſtrebt geweſen, in den 
Beziehungen zu dem Nordamerikaniſchen Freiſtaat das Entgegen— 
kommen zu betätigen, zu dem der große König Friedrich II. vor 
mehr als hundert Jahren die Grundlage gelegt hat, indem er 
als erſter die Freiſtaaten anerkannte. Das freundſchaftliche 
Verhältnis zwiſchen Deutſchland und den Vereinigten Staaten 
iſt wie ein Vermächtnis Friedrichs des Großen ſeit jener Zeit 
von der preußiſchen Politik immer hochgehalten worden. Deutſch⸗ 
land und Nordamerika gehören zu den Staaten, die ſo glücklich 
ſind, nicht nötig zu haben, ſich in ihren gegenſeitigen Beziehungen 
um etwas zu beneiden. Ein freundſchaftliches Verhältnis iſt 
nakürlich, ſchon wegen der alten Stammesverwandtſchaft mit 
den Angelſachſen und der noch engern mit dem neudeutſchen 
Stamm, der drüben ſeit einigen Jahren ſo außerordentlich an 
Größe und Bedeutung gewonnen hat. Die Deutſch-Amerikaner 
haben ſchon zu einer Zeit, zu der ſich im alten Vaterlande Nord 
und Süd noch feindlich gegenüberſtanden, miteinander in Ein— 
tracht gelebt und ſich auch ſtets als zuſammengehörig betrachtet. 
Seit der Gegenſatz zwiſchen den Deutſchen in Europa aufgehoben 
iſt, ſind jetzt einige zwanzig Jahre vergangen. Gottes Segen 
iſt es, für den wir dankbar zu ſein haben, daß dieſer alte Sauer⸗ 
teig vollſtändig ausgefegt worden iſt, und daß das Vertrauen 
zwiſchen den Dynaſtien und, was noch ſchwerer zu erreichen war, 
das Vertrauen der deutſchen Stämme zueinander gegen alle 
Anfechtung feſt begründet worden iſt. — Jetzt wird der nord— 
deutſche Touriſt in den bayriſchen Alpen und der oſtdeutſche am 


66 


Rhein mit landsmannſchaftlichem Wohlwollen behandelt, was 
früher nicht immer der Fall geweſen iſt. 

Dieſes Band der Einheit, das ſich um alle Stämme in der 
alten Heimat ſchlingt, iſt feſt genug, um dieſe auch mit dem 
verwandten Volk in der Neuen Welt in enger Verbindung zu 
halten. Die Einheit des urſprünglichen Vaterlandes iſt ein 
Hauptgewinn geweſen grade auch für die Deutſchen im Aus— 
lande. Sie drüben in Amerika können die Einigung Deutſchlands 
ſehr wohl verſpüren. Es hat Zeiten gegeben, wo der eine ſich 
rühmte, ein Sachſe zu ſein, der andre ein Preuße, der dritte ein 
Heſſe, und nur die aus den kleinen Staaten Kommenden ſagten 
ſchüchtern, daß ſie aus Deutſchland ſeien. Jetzt aber ſagen alle, 
fie wären Deutſche, und wenn das Gefühl einer gewiſſen Blödig— 
keit, mit der man dies früher eingeſtand, jetzt noch beſtünde, ſo 
würden die Herren nicht nach Berlin herübergekommen ſein. 
Wie ich an der Ausſprache der verſchiedenen Herrn merke, ſind 
Sie ſowohl Süddeutſche wie Norddeutſche. Aber Sie machen 
doch gewiß jetzt in Amerika hierin keinen Unterſchied mehr. 
(Rufe: Nein, nur Deutſche!) Das iſt recht, ſo habe ich es mir 
auch gedacht. 

Ich hoffe, daß Gott in allen unſern amerikaniſchen Lands— 
leuten dieſe Empfindung lebendig erhalten und ſtärken werde. 
Zwieſpalt zwiſchen Anglo⸗ und Deutſch-⸗Amerikanern braucht 
es deswegen nicht zu geben, denn letztre tun ihrem Gefühl als 
Amerikaner keinen Abbruch, wenn ſie auch an ihrem alten Vater⸗ 
lande hängen. Ich erblicke in jedem Deutſchen, der hinüber 
nach Amerika geht, einen Pionier, der dazu beitragen wird, die 
beſtehenden guten Beziehungen zu fördern. Das gegenſeitige 
Vertrauen zwiſchen Deutſchland und Nordamerika hat ſchon 
ſchwierige Proben beſtanden. 

Wir werden, ſo Gott will, mit Amerika nie Streit haben. 


67 


Es hat allerdings Momente gegeben, wo ängſtliche Gemüter 
glaubten, es könne zu einem Konflikt zwiſchen Deutſchland und 
Amerika kommen in der Samoa-Angelegenheit. Das war aber 
ſo unbegründet wie möglich; ich würde es direkt unvernünftig 
genannt haben, wenn man wegen dieſer Bagatelle einen ernſten 
Streit hätte anfangen wollen. Ich habe mir immer geſagt: 
Iſt das ganze Samoa denn nur annähernd ſo viel wert, daß 
man deshalb die alte Freundſchaft zwiſchen den beiden Völkern, 
die ſich brüderlich nahe ſtehn, ſtören ſollte? Es trat dann die 
bekannte Gamoa-Konferenz zuſammen, und es iſt mir nicht 
ſchwer geworden, die Sache friedlich zu ordnen. Uhnlich ver- 
hielt es ſich ſeinerzeit mit dem Konflikt mit Spanien wegen der 
Karolineninſeln. Auch damals glaubten Heißſporne an Krieg. 
Im Ernſt konnte man aber doch nicht glauben, daß wegen der 
Intereſſen vielleicht nur eines einzigen in Betracht kommenden 
Handelshauſes wir in Madrid oder die Spanier in Berlin 
einmarſchieren würden. Höchſtens wären einige Küſtenſtädte 
zerſtört worden, und auch das wäre ſchon zu viel geweſen. Ich 
habe das Vertrauen, daß nichts das gute Einvernehmen zwi⸗ 
ſchen Deutſchland und Amerika ſtören kann; ich bin ſicher, daß 
Amerika gegenüber auch mein Nachfolger ganz ſo denkt wie ich, 
und hoffe, daß die naturgemäße Verbindung, wie fie zwiſchen 
den beiden Ländern beſteht, durch Sie immer feſter gekettet 
werden wird. 


An Deutfh-Dfterreicher. Montag, 15. April 1895 
Sale Herrn, ich danke Ihnen für Ihren Beſuch, für 


Ihr Hierherkommen zu dieſem Zweck und in dieſer 
Zeit, und ſehe in dieſem Strauße, gemiſcht aus den Blu— 
men der Ebene, dem Heidekraut, und der Alpen, ein Sym— 


68 


bol unſrer Zuſammengehörigkeit. Man kann wohl fagen, 
die Farben kleiden ſich gegenſeitig, und ſie paſſen zuſammen. 
(Heil!) 

Unter allen Auszeichnungen, die mir an meinem achtzigſten 
Geburtstage erwieſen worden find, ſchätze ich dieſe ganz beſonders 
wegen ihrer geſchichtlichen Bedeutung; ich ſchätze fie um fo höher, 
als Ihr Beſuch ſich anſchließt an eine huldreiche Begrüßung, 
mit der Se. Majeſtät der Kaiſer, Ihr Landesherr, mich beehrt 
hat. Darin und in Ihrem Beſuch vergegenwärtigt ſich mir die 
Erinnerung an die Zeit vor ſechzehn Jahren, als ich von Gaſtein 
über Linz nach Wien fuhr, nur durch deutſches Land und 
deutſche Bevölkerung, als ich in Wien ankam, wo ich mit einer 
Herzlichkeit empfangen wurde, die mich befeſtigte in dem Ge— 
danken, daß wir irgendeinen Erſatz für die alten Beziehun— 
gen der Bundesgenoſſenſchaft, die uns verbunden hatte, her— 
ſtellen müßten, trotz aller Hinderniſſe, die ſich dagegen auf— 
türmten. 

Unſre Zuſammengehörigkeit iſt ja, wie der erſte Herr Redner 
bemerkte, älter wie ein Jahrtauſend und reicht bis in die 
Sagenzeit zurück; aber auch die weitergehenden Konſequenzen, 
das Bündnis, welches wir vor ſechzehn Jahren in Wien ab— 
ſchloſſen, und dann der Dreibund, reichen in ihren Urſprüngen 
doch faſt auf dieſelbe Zeit zurück. Die alte deutſche Kaiſerherr— 
ſchaft des Heiligen Römiſchen Reichs erſtreckte ſich ja von der 
Nordſee bis nach Apulien, und theoretiſch gehörte ganz Italien 
dazu — tatſächlich nicht immer —, und die Kämpfe in dieſer 
großen Gemeinſchaft blieben uns nicht erſpart. Es iſt eine eigen- 
tümliche Fügung des Schickſals und der göttlichen Vorſehung, 
daß dieſes große gewaltige Gebiet von ganz Zentraleuropa, 
was ich eben bezeichnete, ſich, nachdem es durch Schickſals— 
fügungen und viele Kämpfe getrennt und zerriſſen war, doch 


69 


ſchließlich heutzutage wieder zuſammengefunden hat. Unſer 
Dreibund deckt ungefähr die alte anſpruchsvolle Kaiſerherrſchaft 
der Nachfolger Karls des Großen nach Ausſonderung von 
Gallien, dem heutigen Frankreich: daß in dieſer Verbindung 
ein Beweis von imponderabeln Verbänden und Beziehungen 
gegeben iſt, ift meine Überzeugung — ich muß es den Geſchichts⸗ 
lehrern überlaſſen, ſie zu vertreten, wenn ſie ſie mit mir teilen. 
Ich glaube, wir werden dauernd zuſammengehören und zu- 
ſammenbleiben können, mit mehr Dauer, als wir früher in 
Frieden miteinander gelebt haben. 

Wenn wir zurückblicken auf die innere Geſchichte dieſer großen 
Ländermaſſe, welches das alte, angeblich Heilige Römiſche Reich 
Heiterkeit) in ſich vereinigte, ſo finden wir doch kein Jahr⸗ 
hundert ohne die ſchwerſten Kämpfe der Reichsangehörigen 
untereinander. Aber wir müſſen uns dadurch nicht entmutigen 
laſſen, denn dieſelbe Erſcheinung fehlt in keinem der andern 
europäiſchen Länder, auch in denjenigen nicht, die durch eine von 
Haus aus einheitliche Nationalität auf innern Frieden viel mehr 
angewieſen waren wie dieſes Moſaik von Zuſammenſetzung, 
was das alte deutſche Reich war. Sehn Sie nach England, 
wie es im Mittelalter von Bürgerkriegen erfüllt war; ſie haben 
im vorigen Jahrhundert mit der Schlacht von Culloden ein 
Ende gefunden, und der innere Frieden iſt doch im heutigen Eng⸗ 
land auch noch nicht vorhanden. Sehn Sie nach Frankreich: 
eine ſcharf und leidenſchaftlich entwickelte einheitliche Mationali⸗ 
tät; wir haben die letzten Bürgerkriege noch ſelbſt vor fünfund⸗ 
zwanzig Jahren vor Paris mit anſehn können — Gott gebe, daß 
es die letzten ſeien. Sehn Sie nach Spanien: eine ſtolze einheit⸗ 
liche Nationalität, die innern Kriege hören nicht auf. Auch 
Italien iſt davon nicht frei geweſen. Ich will die Beiſpiele nicht 
weiter ausdehnen, ich will nur daraus deduzieren, daß wir 


70 


Deutſche doch darum nicht an unſrer einheitlichen Zukunft ver— 
zweifeln müſſen, weil wir uns mitunter im Laufe der letzten 
Jahrhunderte miteinander gerauft haben. (Große Heiterkeit.) Ich 
hoffe, es wird in Zukunft nicht wieder vorkommen (Rufe: Nein, 
nein!), ich hoffe, wir haben eine Form gefunden, in der wir neben- 
einander leben können und die in bewußter Weiſe — wenigſtens 
von den leitenden Prinzipien kann ich das ſagen — nicht zer- 
brochen, nicht geſchädigt und nicht beſchränkt wird; dazu gehört 
vor allem unſre Einigkeit mit dem öſterreichiſch-ungariſchen 
Reiche, auf die wir geſchichtlich angewieſen ſind ſeit langen Zeiten. 
Wir können wohl einmal in Zorn geraten und vom Leder ziehn, 
aber wir kommen immer wieder zuſammen, weil wir aufein— 
ander angewieſen find; und namentlich fo, wie das heutige euro— 
päiſche Staatsgebilde iſt, können wir gar nicht, ohne einander 
Treue und Freundſchaft zu halten, in eine ruhige Zukunft 
Europas blicken. 

Der einzelne Staat in Europa wird immer der Möglichkeit 
einer Koalition ausgeſetzt ſein. Ein Bündnis von dem Gewicht, 
wie es der heutige Dreibund repräſentiert, kann immer von ſich 
fagen mit dem alten ſchottiſchen Spruch: Nemo me impune 
lacessit!« und wird imſtande fein, ſich zu wehren. Wenn man 
alſo das Bedürfnis hat, um Anlehnung ſich umzuſehn, ſo liegt 
für uns doch die Anlehnung an Oſtreich-Ungarn näher wie 
irgendeine andre. Auch auf die an Italien ſind wir durch die 
Geſchichte angewieſen. Wir haben in beiden Ländern durch das 
Ungeſchick der gemeinſamen kaiſerlichen Regierung gelitten, indem 
wir zerfallen find in nicht exiſtenzfähige Größen nebeneinander; 
wir mußten uns wieder zuſammenfinden, wir haben eingeſehn, 
daß das zu unſerm Heile notwendig iſt ... 


7 


Vier chineſiſche Kriegsgedichte 
Übertragen von Klabund 
1. Lisfai-pe: Die weiße und die rote Roſe 
5 ich mich über meine Stickerei am Fenſter 
bückte, 

Stach mich meine Nadel in den Daumen. Weiße Roſe, 
Die ich ſtickte, 

Wurde rote Roſe. 


In der kriegeriſchen Weite bei des Vaterlandes Söhnen 
Weilt mein Freund, vergießt vielleicht ſein Blut. 
Roſſehufe hör ich dröhnen. 

Iſts ſein Pferd? Es iſt mein Herz, das wie ein Fohlen tut. 


Tränen fallen mir aus meinen Blicken 
Übern Rahmen in die Stickerein. 

Und ich will die Tränen in die Seide ſticken, 
Und ſie ſollen weiße Perlen ſein. 


2. Schi⸗king: Chineſiſches Soldatenlied 
oldat, du biſt mein Kamerad, 
Marſchiereſt mir zur Seite. 

Der Kaiſer, der befehligt uns. 
Kein Mädchen mehr beſeligt uns. 
Soldat, du biſt mein Kamerad, 
Marſchiereſt mir zur Seite. 


Soldat, du biſt mein Kamerad, 
Wenn du das Schwert verloren, 


72 


So deck ich dich mit meinem Schild 
Und bin als Bruder dir gewillt. 
Soldat, du biſt mein Kamerad, 
Wenn du das Schwert verloren. 


Soldat, du biſt mein Kamerad, 

Wenn unſre Knochen bleichen. 

Mond fällt auf uns wie gelber Rauch, 
Der Affe ſchreit im Bambusſtrauch. 
Soldat, du biſt mein Kamerad, 

Wenn unſre Knochen bleichen. 


3. Thu⸗fu: Omein Heimatland 


ſchangan, o mein Heimatland, 
Spielt man noch in dir das Spiel der Spiele? 


Ach, der Kinder wurden wenig, und der Toten viele .. 


Im Palaſte herrſcht der Günſtling Leid. 
Eine ſpitze grüne Kappe trägt er — 


Tſchangan, o mein Heimatland! — 


Und ein ſilbergrünes Kleid. 


Tſchangan, o mein Heimatland, 

Hoch im Norden klingen alle Felſen von Trompeten, 
Und die Straßen ſtehn voll Kriegsgeräten. 

Selbſt der Bote mit der kaiſerlichen Feder weilt — 


Tſchangan, o mein Heimatland! — 


Und die Stunde des Befehls enteilt. 


Tſchangan, o mein Heimatland, 
Tiefer tauchen ſchon die Fiſche unter, 
Und der Herbſt färbt mein Gewand nicht bunter ... 


Junger Schmetterling — auf meinen Flügeln trug — 
Tſchangan, o mein Heimatland! — 
Ich des goldnen Staubes einſt genug... . 


Tſchangan, o mein Heimatland — 

Sah Soldaten durch das Oſttor reiten, 

Sah ein Blumenſchiff im Nebel gleiten, 

Und beſeligt neigte ich mich einem Fächer zu — 
Tſchangan, o mein Heimatland! — 

Hinter allen Wolken leuchteſt du! 


4. Li⸗tai⸗pe: Das Friedensfeſt 


ie Türme des Schloſſes durchſtoßen den Himmel, 

Um blinkende Säulen ringeln ſich Drachen. 
Florhänge wallen empor, und ſchöner Frauen Gewimmel 
Singt zur Sonne, und tönende Steine lachen. 


Der Kaiſer hört im Frühlingswind die zarten Noten. 

Es iſt das Lied: Ach irgendwann muß ja geſchieden ſein. 

Wir fahren nach den ergrünenden Inſeln auf zeltüberdachten 
Booten, 

Kleine Wellen ſpringen wie fliegende Fiſche herein. 


Dreitauſend Mädchen huldigen dem Herrn mit heitern Tänzen, 

Mit Glockenſchlag, der wie ein Schwarm von Vögeln durch 
die Lüfte zieht. 

Palaſt und Erde zittern in den Grenzen. 

Menſchen jubeln tanzend das Friedenslied. 


Die ſechsunddreißig unſterblichen Kaiſer lenken ihre Wolken— 
wagen zur Erde, 


Sie locken den Gefährten, doch feſter hält er nur die goldnen 
Zügel. 
Er bleibt und will, daß China durch ihn glücklich werde. 
Und als der Friedenskaiſer ragt fortan ſein Name ſteil und 
ewig wie ein heiliger Hügel. 


Heinrich von Stein: Der große König 
Das Lager — Wachtfeuer — ſchlafende Soldaten — Poſten etwas 
entfernter — Blick über Höhen und weites Land in mattem Sternenlichte. 
Friedrich 
kommt langſam einher, ſteht im Lichte des Feuers ſtille. 
Einige Soldaten regen ſich — „Was will der Alte?“ — — 
Friedrich (drohend) 

Der Teufel holt euch, wenn ihr noch einmal mein Stroh 
vergeßt, daß ich auf der bloßen Erde im Zelte liege und nicht 
einſchlafen kann. — (Die Soldaten machen Miene aufzuſtehen.) 
Haltet euch ruhig, Kerls, daß ihr die andern nicht weckt. 


Er tritt etwas zurück und ſetzt ſich auf eine der mit der Fahne vorne an 
den Gewehren niedergeſetzten Trommeln. 


Eine Geſtalt richtet ſich am Feuer auf: Zieten. Er nähert ſich dem 
ſtarr vor ſich hinblickenden Friedrich, der ihn endlich bemerkt 
Friedrich 

Was macht Er ſo ſpät noch auf, Zieten? 

Zieten 
Auch Ihro Majeſtät ſuchen den Schlaf vergebens. 
Friedrich 

Wer ſagt Ihm, daß ich den Schlaf ſuche. Es gibt im 
Grunde nichts Alberneres als den Schlaf. Es verlohnt ſich 
nicht zu leben, wenn man die Hälfte des Lebens den Toten 
gleicht. 


Zieten 
Ihro Majeſtät vergeben Ihrem alten Zieten, wenn er 
Ders Philoſophie in dieſem Augenblicke für eine Ausflucht 
hält, die jeden anderen täuſchen könnte, mur nicht Ihro Maje⸗ 
ſtät treuen Diener. Unſere ganz und gar verzweifelte Lage — 
Friedrich 
Was fällt Ihm ein, Zieten! Das Wort bin ich in Seinem 
Munde nicht gewohnt. 
Zieten 
Majeſtät halten zu Gnaden: vermutlich die Sache ſelbſt 
nicht. Die begegnet nur einmal. 
Friedrich 
Ach was! Nach Kolin hatt ich keine Soldaten mehr. 
Heute ſieht Er intakte Truppen und ein unangreif bares Lager. 


Zieten 

Das in feiner Unangreif barkeit die letzten Hilfsmittel von 
Dero Staaten aufzehrt. Kolin war die erſte verlorene Schlacht; 
wir erfuhren erſt, wie viele Hoffnungen und Ausſichten wir 
noch hatten. — Wenn wir heute ſiegten — 

Friedrich 

Zieten, Zieten, was macht Er? Weiß Er etwa nicht, daß 
die letzten Wochen aus mir einen alten Mann gemacht haben? 
Als ich vorhin Kolin ſagte, fo war es mir, als dächt ich funf⸗ 
zig Jahre zurück — das find die Sorgen, die unaufhörlichen 
Cvenements, die die Berechnung von Monaten über den 
Haufen werfen, und nun in einer Nacht verlangen, ſie wieder 
eufzubauen, und das immer wieder, immer wieder. Nach 
jedem Erfolg die Hoffnung auf Frieden, der mir nichts ver- 
bürgen ſoll als meinen unangetaſteten Beſitz, will ſagen meine 
Ehre — jedesmal vereitelt durch die Habgier der drei Weiber, 


76 


1 


die mir weder Ehre noch Leben gönnen — — feit wann Laffen 
meine Generals mich ihnen etwas vorklagen, anſtatt meinen 
Klagen den Grund zu benehmen! 

Zieten 5 

Ihro Majeſtät wollen den General einen Moment aus dem 
Auge laſſen, ſo würde Dero treuer Diener vielleicht noch Tröſt— 
liches vorzubringen haben. 

Friedrich 

Er überraſcht mich immer mehr. Iſt Er unter die Diplo— 
maten gegangen, weil Er am Militär verzweifelt, und hat da 
auf eigene Hand etwas ausgemittelt? Ein neues Bündnis? 
Wie? Laß Er ſich ſagen: darauf trau ich nun gar nicht mehr. 

Zieten (ftreng) 

Ich habe einen Verbündeten, der allerwege hilft und mit 
dem ich Ew. Majeſtät zuſammenbringen möchte, und koſtete es 
mein Leben. Er wohnt da oben, über den Sternen. Vor ihm 
ſind Ew. Majeſtät unſägliche Mühen und Sorgen der letzten 
Jahre nichts, und daher auch unſere verzweifelte Lage ein eitler 
Anſchein. Als ich Ew. Majeſtät ſoeben daſitzen ſah und mir 
etwa dachte, was Ew. Majeſtät augenblicks bewegen möchte 
da war es mir, als ſähe ich Ihn, der ein weit größerer König 
iſt als Dero Königliche Majeſtät, über Dero Sorgen lächeln. 
Er ſorgt ja auch für Ew. Majeſtät und Ew. Majeſtät Tun 
und Unternehmen — 

Friedrich 

Nein, Zieten, da irrt Er ſich. Es gibt kein Haupt über den 
Wolken, das für uns denkt. Das muß unſer eigenes Hirn be- 
ſorgen, ſo übel es ihm oft gerät. 

Zieten 
Da hör ich nun — Ew. Majeſtät halten zu Gnaden — Dero 


77 


Freunde, die verfluchten Franzoſenkerls. Das ift meines aller- 

gnädigſten Königs wahre Meinung nicht. Das ſollte in Dero 

chriſtgläubigen Landen nicht ausgeſprochen werden dürfen. 
Friedrich 

Nun kommen die Franzoſen daran. Gönn Er mir die, da 
die deutſchen Fäuſte mir nicht helfen und die deutſchen Schrift— 
ſteller mich langweilen. 

Zieten (tieftraurig) 

So hat der deutſche Huſarengeneral auch nichts weiter vor— 
zubringen und muß nun doch Ew. Majeſtät Ihrem eigenen 
Nachſinnen überlaſſen. 

Friedrich 

Wenn Er brummen will, Zieten, ſo geh Er nur immer 
ſeiner Wege. Ich ſchätze ſeinen Glauben, das weiß Er. Nur 
verſuche Er einmal, auch den meinigen zu verſtehen. Komm 
Er, wir wollen das beſprechen, wenn es Ihm recht iſt. Nehm 
Er fi) ein paar Scheit Holz — die Kerls brauchen nicht alles 
in einer Nacht zu verbrennen, und mach Er ſich einen Sitz zu- 
recht. — Seh Er, Zieten: irgend etwas der Art habe ich auch 
immer wieder verſucht zu glauben. Aber — wie ſoll ich Ihm 
das deutlich machen — ich habe es nie über den Wolken geſucht, 
und überhaupt nicht draußen, außer meiner Haut, in dem, was 
mich von außen her betrifft — da hab ichs nicht gefunden. Das 
weiß Er ganz gut, daß ich die Nichtswürdigen verachte, die 
gar keinen Glauben haben. Ich bin darauf gekommen, daß ein 
honetter Menſch zu fo einem Gefühl von ſich und feinem Schick— 
ſal gelangt, welches er dann Glauben nennt. Worauf dies 
Gefühl aber in der Tat beruht, das kann Er mir ſo wenig 
ſagen, wie ich Ihm. 

Zieten 
Den Glauben, den Ew. Majeſtät da beſchreiben, haben die 


( 
78 


Heiden auch. Unſere Kirche lehrt, daß Gott unſer gütiger 
Vater iſt und für uns ſorgt: das weiß der Chriſt, und Ew. 
Majeſtät könnten es wiſſen, wenn Sie nur wollten. 


Friedrich 
Zieten, ſeh Er ſich einmal um: was ſieht Er da? Die Werke 
eines gütigen Gottes? — 

Da Zieten den Blick immer feſt auf den König gerichtet hält: 
Vor ſich, mein lieber Zieten, ſieht Er einen vorzeitigen Greis, 
der ſeine Jugend ſeinem Vater, und ſein Mannesalter dem 
Staate aufgeopfert hat und, weil kein Menſch das Wünſchen 
je verlernt, etwa noch einige Abendſtunden für ſich behalten 
möchte. Doch der gütige Vater da oben verſagt ihm den 
Wunſch. 

Zieten 
Nein, Ew. Majeſtät, ich ſehe etwas anderes vor mir: ich 
ſehe den großen König vor mir, der in allen Preußenherzen ein 
ewiges Beiſpiel bleibt, wenn er längſt nicht mehr um ein paar 
Jahre ſeines Erdenlebens mit dem Schöpfer hadert. — Das 
ſeh ich vor mir mit meinen alten Augen. 


Friedrich 

Meint Er, meint Er, Zieten — — es wird etwas von mir 
bleiben, ſagt Er? — Ja, Geduld — das werden ſie von mir 
lernen können, wenn ſie künftig ſich an mich erinnern. Geduld. 
Nichts weiter. Kein Warten irgend worauf, kein Streben 
irgendwohin. Das war vordem. Wenn die Zeit um iſt, ſieht 
man, daß man vergeblich gewartet hat; und, was das Streben 
anbetrifft, daß man ſich in Ziel und Wegen irrte. 

Wozu denn aber Geduld haben, fragt Er. — Nun das frag 
ich Ihn, weiß Er das, hat Ihm das fein gütiger Gott er- 
ſchloſſen? 


79 


Zieten 
Das hat mir mein gütiger Gott hienieden verhüllt; er ver⸗ 
hüllt ſich hier, um ſich dereinſt zu offenbaren. 


Friedrich 

Er verhüllt ſich? Nein, ſag ich Ihm. Es liegt ja alles 
offen zutage. Deutlich, mit Millionen eherner Zungen ſpricht 
uns die Natur der Dinge an. Nein! Wenn uns ein himm⸗ 
liſcher Zauberer etwas vorſpiegelte, wie Er meint, dann könnten 
wir dies klare Auge für die Dinge nicht haben, dann hätte er 
vor allem unſer Auge verſchleiert, dann hätte er uns ein Be⸗ 
wußffein gegeben, weiß Er, wie zwiſchen Schlafen und Wachen, 
wo wir nicht wiſſen, was wir ſehen. Ach, es iſt nicht an dem, 
Zieten. Wir ſehen unerbittlich klar! — Und das iſt das Große 
an unſerem Geſchick. Gerade das gibt uns Geduld. 


Zieten 
Ew. Majeſtät wollen mit Dero hohem Verſtand den mei- 
ſtern, der über alle Vernunft ift. Die Rechnung kann nicht 
aufgehen. Wollen Ew. Mafjeſtät den Anſatz prüfen: da ſteckt 
der Fehler. Gott will allerdings ſolche Fügſamkeit, wie ein 
Kind ſie beim Einſchlafen hat, wo es nicht mehr weiß, was es 
ſieht: dann fühlt und weiß man Ihn. 
Friedrich 
Ja, ja, da hat Er in feiner Art recht — das Gefühl kenn ich 
— — aber, ſieht Er wohl, dann iſt ja fein Gott eben nicht das 
ſinnende Haupt, das für uns denkt — ſonſt brächten die Ge— 
danken uns ihm nahe —, aber der Boden, das Schlummernde 
da zu unſeren Füßen, dem wir gleichen, wenn wir auf ihm — 
in ihm ruhn. 
Er iſt in Bewegung und Ergriffenheit aufgeſtanden und wendet feine 
Blicke nach dem nächſten Wachtfeuer. 


80 


Seh Er, die Leute wollt ich glücklich machen. Tas erring 
ich ihnen? Da, eine Stunde Schlaf hinter ein paar Schanzen, 
die ſie für kurze Zeit vor dem Feinde ſichern. 

Und ich bin ſchuld an ihrem namenloſen Unglück. Ich. 

Zieten 

Ew. Majeſtät find ſchuld, daß Dero Untertanen tauſendmal 
ſterben und tauſendmal wieder aufleben möchten für ihren 
König, weil ſie ihn aus treueſter Seele lieben. 

Friedrich 

Da liegt es, das Rätſel!! Das hält uns am Leben feſt, ohne 
daß wir ſagen können, warum. Geh Er mir mit Seinen Reden 
von einem verborgenen Gott — Vorſehung — Güte. — Wenn 
ſo ein Kerl mir ſagen kann, warum er mich liebt, ſo weiß ich 
mehr als alle ſeine Pfaffen. 

He, du da! — — (Er lauſcht.) 

Zieten, hört Er — das war ein Widerhall — ein Kommando— 
ruf — da — rollende Räder. Gerettet, Viktoria, fie greifen an. 
— Beſorg Er uns die Pferde, Zieten. — (Leiſer als vorhin, mit ver: 
änderter Stimme.) He, du da! He ihr Kerls! Aufgeſtanden! 
Euer König muß Wache ſtehen, ſonſt brächen die Feinde im 
Schlaf euch das Genick. — Zu einem Meldenden, der herantritt.) 
Jawohl, jawohl, hab es ſchon gehört. — Die Herren Kom— 
mandeure. — 

Ein Reitknecht bringt des Königs Pferd. Zieten und die Generale. In 
den dunklen Zwiſchenräumen zwiſchen den Wachtfeuern treten die Kom— 


pagnien zuſammen. Der König reitet ſchweigend, ſtark auf die Soldaten 
ſtarrend, zwiſchen den dicht an ihn gedrängten Generalen durch die Nacht. 


Willibald Alexis: Friedericus Rex 


8 


riedericus Rex, unſer König und Herr, 

Der rief ſeine Soldaten alleſamt ins Gewehr, 
Zweihundert Bataillons und an die tauſend Schwadronen. 
Und jeder Grenadier kriegte ſechzig Patronen. 


„Ihr verfluchten Kerls, ſprach Seine Majeſtät,) 

Daß jeder in der Bataille ſeinen Mann mir ſteht; 

Sie gönnen mir nicht Schleſien und die Grafſchaft Glatz 
Und die hundert Millionen in meinem Schatz. 


82 


Die Kaiferin hat ſich mit den Franzoſen alliiert 

Und das Römiſche Reich gegen mich revoltiert; 

Die Ruſſen ſind gefallen in Preußen ein; 

Auf, laßt uns ſie zeigen, daß wir brave Landskinder ſein. 


Meine Generale Schwerin und Feldmarſchall von Keith 
Und der Generalmajor von Zieten, ſind allmal bereit. 
Kotz Mohren, Blitz und Kreuzelement, 

Wer den Fritz und ſeine Soldaten noch nicht kennt.“ 


„Nun adjö, Lowiſe, wiſch ab dein Geſicht, 
Eine jede Kugel die trifft ja nicht; 

Denn träf jede Kugel apart ihren Mann, 
Wo kriegten die Könige ihre Soldaten dann? 


Die Musketenkugel macht ein kleines Loch, 
Die Kanonenkugel ein weit größeres noch. 
Die Kugeln ſind alle von Eiſen und Blei, 
Und manche Kugel geht manchem vorbei. 


Unſere Artillerie hat ein vortreff liches Kaliber, 

Und von den Preußen geht keiner nicht zum Feinde über, 
Die Schweden, die haben verflucht ſchlechtes Geld, 
Wer weiß, ob der Oſterreicher befferes hält. 


Mit Pomade bezahlt den Franzoſen ſein König, 

Wir kriegens alle Wochen bei Heller und Pfennig. 
Kotz Mohren, Blitz und Kreuzſackerment! 

Wer kriegt ſo prompt wie der Preuß ſein Traktement. 


Friedericus, mein König, den der Lorbeerkranz ziert, 
Ach hätteſt du nur öfters zu plündern permittiert; 

Friedericus Rex, mein König und Held, 

Wir ſchlügen den Teufel für dich aus der Welt.“ 


83 


Felix Braun: Totenmeſſe für die Untergegan— 
genen des Deutſchen Auslandsgeſchwaders 


Geiſter des Südmeers: 


us den purpurenen 

Dämmerungslüften 
Zu den azurenen 
Waſſergeklüften 
Schweben wir hin. 


Selig umſchweifen wir 
Inſeln und Riffe; 
Unſichtbar ſtreifen wir 
Palmen und Schiffe; 
Spielend auch greifen wir 
Nieder zur Welle: 

Wo iſt die Stelle, 

Da ſie geſunken ſind, 

Da ſie ertrunken ſind? 
Hoch her, aus Himmelhöhn, 
Kamen wir, es zu ſehn. 
Aber wie eh und je 

Lagert die See. 


Fern großer Schiffe Rauch, 

Nah Wind und Salzeshauch; 
Dämmerung welkt und graut; 
Wie ſchwillt die Brandung laut! 
Schweben wir, ſchweben wir! 
Geiſter, tief leben wir. 

Mächtlich hin ſchwinden wir, 


84 


Sternenweg finden wir. 
Von den purpurenen 
Abendglutwogen 

Zu dem azurenen 
Nachthimmelsbogen 
Schweben wir auf. 


Deutſche Möwen: 
Klage! Klage! 


Paradiesvögel an der Küſte: 
Ihr fremden, grauen Vögel, 
Gönnt euch doch Ruh! 
Wir ſehen eurem ewigen Kreiſen 
Verwundert zu. 
Ihr laſſet die Fiſche über die Wellen 
Fliegen und ſchnellen. — 
Ihr fremden, grauen Vögel 
Was ſucht ihr denn? 


Deutſche Möwen: 


Ihr Schönen in eurem Gefieder 
Von Regenbogen und goldenem Licht: 
Hier ſanken die Schiffe nieder — 
Wißt ihr es nicht? 

Vom nordiſchen Meer 
Kommen wir her. 

Wir flogen als Heimatgedanken 
Dahin nach ihrem Rauch. 

Sie ſanken, alle verſanken, 

So wollen wir ſinken auch. 
Wir kreiſten ihnen zu Häupten 


Ihre Häupter ruhen am Grund, 
Wohl zwiſchen Tang und Korallen, 
Wohl unter Fiſchen und Quallen, 
Bis einſt die Poſaunen ſchallen 
Den letzten Tag, die letzte Stund. 
Ihre Augen, wer hat ſie geſchloſſen? 
Aus ihnen werden ſproſſen 

Alge und Waſſerroſe, 

Die dunkle Meerzeitloſe. 

D Klage! 

Die Haie näher ſchwimmen, 

Die Schlangenaugen glimmen, 
Polyp mit wilden Armen greift, 
Rieſig der Wal vorüberſchweift. 

D Klage! O Klage! 

Dieſelben Waſſerſtätten, 

Wir kreiſen ſie nicht aus, 

Als könnten wir ſie retten 

Aus ihrem tiefen Totenhaus. 

Klagt mit uns! 

Klagt mit uns, ihr ſchönen bunten Vögel! 


Paradiesvögel: 


Ihr fremden grauen Vögel, 

Was iſt das: Klage? 

Was iſt das: Tod? 

Wir wiſſen nur: Es ſind Nächte und Tage, 
Morgen- und Abendrot. 

Ihr fremden grauen Vögel, 

Dient ihr der Nacht, daß früher Dunkel werde? 
Fliegt fort! Ihr laſtet über Meer und Erde! 


86 


Deutſche Möwen: 


So ſei die Welt verſchattet 

Von deutſchem Jammer! 

Da liegen ſie beſtattet 

In rieſiger Totenkammer. 

Wie können die Seelen aufſchweben? 

Sie müſſen im Waſſer fortleben! 

D Klage! 

Sie können nicht in den Himmel hinein, 

Sie müſſen bei ſchrecklichen Meergöttern ſein! 
O Klage! O Klage —! 


Paradiesvögel: 


Schrecklich ſind die Götter Südamerikas: 

Aus der Inkas alten Geſchlechtern. 

Sie lagern auf Klippen unter der Flut. 

Ihre Geſichter ſind bemalt. 

Aus ihren Augen ſtrahlt 

Durſt nach Blut. 

Ihr Mund iſt breit, Zahn ſtarrt an Zahn, 
Ihre Haare ſind grün, von giftigen Blumen gekränzt, 
An ihrer Stirne glänzt 

Ein Sternbild in Geſtalt des Kormoran. 

Ihre Hände und Füße ſind floſſenhaft, 

Doch von wohl faufender Löwen Kraft. 

Ihr Schweif endigt in der Seeſchlange Haupt. 
Wen ſie erfaſſen, 

Der muß mehr als das Leben laſſen: 

— Ihm iſt das ewige Leben geraubt! 


87 


Deutſche Möwen: 
Weh! o Weh! 
Grauſamer Tod! Grauſame See! 
Laßt uns von hinnen fliehn, 
Wieder nach Deutſchland ziehn! 
Engel, errettet ſie! 
Legt ſie hin! Bettet ſie! 
Brechet der Götter Liſt, 
Daß ihnen gnädig iſt 
Gott und der gute Chriſt! 
Daß ſie der Heilige Geiſt 
Ein in den Himmel weiſt, 
Wie es das Buch verheißt! 
Das bitten wir. 


Paradiesvögel: 
Ihr fremden grauen Vögel, 
Wir haben euch belogen, 
Wir haben euch betrogen: 
Die Götter leben nicht! 
— Da fliegen ſie, da ſchweben ſie 
Ins Abendlicht! 
Wir fliegen nach ein kurzes Stück, 
Dann kehren wir zurück. 


Der deutſche Tod aus den Waſſern tauchend: 
Dem letzten denn die Augen zugedrückt. 
Es war nicht ſchwer: ſie ließens gern geſchehn. 
Nur einer wollte nicht: der Admiral. 
Ihm tat ichs mit Tewalt: Nun iſt auch er 


88 


In jener andern Inſelwelt zu Haus, 
Die, unermeßlich, ohne Horizont, 
Der Seele daliegt. Zwar dies weiß ich nicht, 
Was dieſe, die hier ruhen auf dem Grund, 
Beginnen werden in der ſeligen Luft 
Der Sterne und des heiligen Geſangs. 
Sie werden ſchauen. Schauen übten ſie 
Von je, ich ſah ſie oft auf ihrer Fahrt: 
Junge Matroſen, an die Reling feſt 
Geklammert, überſee den Blick geſtellt: 
Ob ein geliebtes Antlitz, ob ein Dorf, 
Ein Baum, ein Haus, ein kleines Licht erſcheint. 
Und wie erſt er, der auf der Brücke ſtand! 
Sein Auge war nicht menſchlich mehr: in ihm 
War alles Fernhintreffende: der Pfeil, 
Der Blick des Adlers und mein eigner Flug. 
Schlaft! Schlaft, ihr deutſchen Seelen! Möge euch 
Das Paradies erſcheinen anders nicht 
Als Deutſchland: ſüßer nicht und goldner nicht, 
Nur deutſch, ſoweit es eure Liebe faßt. 

Schlaft wohl! 


Deutſche Seelen aus der Tiefe: 


Gute Ruh... Gute Ruh 
Macht Tür und Fenſter zu. 
Daß uns nichts ſchrecke mehr, 
Daß uns nichts wecke mehr. 
Alles, was uns betraf, 

Es iſt geworden Schlaf. 

Das tut uns wohl. 


89 


Engel ferneber: 


Gloria 


In excelsis Deo! 


Engel nahe: 


Gloria 
In infimis homini! 


Erzengel Michael: 


Wachet auf, wachet auf, ihr deutſchen Seelen! 
Himmliſche Botſchaft nah ich euch zu befehlen. 
Ihr ſeid erkoren zum ewigen Leben. 
Aus dem tiefen Meere ſollt ihr aufſchweben. 
Aus der wilden Fremdnis, aus alle dem Böſen 
Kommen wir freudig euch erlöfen. 
Gottes Angeſicht iſt euch zugewandt: 
Sein Reich ward euer Heimatland. 

Wachet auf! 


Engelchöre: 


90 


Wir ſind erſchienen, 
Wie einſt vorzeiten, 

Um euch zu dienen, 
Euch zu geleiten. 

Greift nur vom Waſſer auf 
Nach unſern Händen, 
Wir ziehen euch herauf 
Ins ſüße Licht. 
Schlingt eure Arme nur 
Um unſre Schultern, 
Lehnt eure Wange an 
Unſer Geſicht. 


Deutſche Seelen aus der Tiefe: 
Was weckt ihr uns aus der tiefen Zeit, 
Was müſſen wir aufſtehn? 
Wir ſollen in die Ewigkeit 
Hinübergehn. 
Wir ſollen aus unſerm dunklen Saal 
In einen andern 
Hinüberwandern, 
Der liegt in tauſender Kerzen Strahl. 
Ob Meereswelt, ob Himmelswelt, 
Allort iſt Schlaf für uns beſtellt. 
Nirgend mehr iſt die Erde. 


Jungfrau Maria: 
Wie ſie tauchen, wie ſie ſteigen! 
Meine Engel hin ſich neigen. 
Bleiches Antlitz, wie es fällt, 
Hier an Schultern, dort an Wangen, 
Schwer von bitterm Schlaf behangen, 
Daß es kaum die Liebe hält. 


Seht ihr mich nicht? — Daß ich trüge 
Alle eurer Mütter Züge, 

Eurer Liebſten Liebreiz auch! — 

Ach, im Steigen, ach, im Schweben 
Wechſelt ihr das dunkle Leben, 

Und ihr atmet Himmelshauch. 


Tod und Erde von euch fallen, 
Süße Stimmen euch umſchallen, 
Und ihr ſteht, von Licht bedrängt. 


Doch ſchon ſchreit ich euch entgegen, 
Daß euch auf den neuen Wegen 
Eine Frau zuerſt empfängt. 


Seliger Chor: 
Animae candidae 
Introite! 
Portae apertae sunt. 
Deus Deus Deus 
Vos accepit. 


Urkunde über die Stiftung des Eiſernen Kreuzes 


ir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von 
Preußen ec. 

In der jetzigen großen Kataſtrophe, von welcher für das 
Vaterland alles abhängt, verdient der kräftige Sinn, der die 
Nation ſo hoch erhebt, durch ganz eigentümliche Monumente 
geehrt und verewigt zu werden. Daß die Standhaftigkeit, mit 
welcher das Volk die unwiderſtehlichen Übel einer eiſernen Zeit 
ertrug, nicht zur Kleinmütigkeit herabſank, bewährt der hohe 
Mut, welcher jetzt jede Bruſt belebt und welcher nur, auf 
Religion und auf treue Anhänglichkeit an König und Vater⸗ 
land ſich ſtützend, ausharren konnte. 

Wir haben daher beſchloſſen, das Verdienſt, welches in dem 
jetzt ausbrechenden Kriege entweder im wirklichen Kampf mit 
dem Feinde, oder außerdem, im Felde oder daheim, jedoch in 
Beziehung auf dieſen großen Kampf um Freiheit und Selb⸗ 
ſtändigkeit, erworben wird, beſonders auszuzeichnen, und dieſe 
eigentümliche Auszeichnung nach dieſem Kriege nicht weiter zu 
verleihen. 


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Demgemäß verordnen Wir, wie folgef. 

1. Die nur für dieſen Krieg beſtehende Auszeichnung des 
Verdienſtes Unſerer Untertanen um das Vaterland iſt 

das Eiſerne Kreuz 
von zwei Klaſſen und einem Großkreuz. 

2. Beide Klaſſen haben ein ganz gleiches in Silber gefaßtes 
ſchwarzes Kreuz von Gußeiſen, die Vorderſeite ohne Inſchrift, 
die Kehrſeite zu oberſt Unſern Namenszug F. W. mit der Krone, 
in der Mitte drei Eichenblätter, und unten die Jahreszahl 1813, 
und beide Klaſſen werden an einem ſchwarzen Bande mit weißer 
Einfaſſung, wenn das Verdienſt im Kampf mit dem Feinde 
erworben iſt, und an einem weißen Bande mit ſchwarzer Ein— 
faſſung, wenn dies nicht der Fall iſt, im Knopf loch getragen; 
die erſte Klaſſe hat neben dieſer Dekoration noch ein Kreuz von 
ſchwarzem Bande mit weißer Einfaſſung auf der linken Bruſt; 
und das Groß⸗Kreuz, noch einmal fo groß als das der beiden 
Klaſſen, wird an dem ſchwarzen Bande mit weißer Einfaſſung 
um den Hals getragen. 

3. Die Militär⸗Ehrenzeichen erſter und zweiter Klaſſe werden 
während der Dauer dieſes Krieges nicht ausgegeben; auch wird 
die Erteilung des Roten Adlerordens zweiter und dritter Klaſſe, 
ſowie des Ordens Pour le mérite, bis auf einige einzelne Fälle, 
in der Regel ſuspendiert. Das Eiſerne Kreuz erſetzt dieſe Orden 
und Ehrenzeichen, und wird durchgängig von Höheren und Ge— 
ringeren auf gleiche Weiſe in den angeordneten zwei Klaſſen ge- 
tragen. Der Orden Pour le mérite wird in außerordentlichen 
Fällen mit drei goldenen Eichenblättern am Ringe erteilt. 

4. Die zweite Klaſſe des Eiſernen Kreuzes ſoll durchgängig 
zuerſt verliehen werden; die erſte kann nicht anders erfolgen, als 
wenn die zweite ſchon erworben war. 

5. Daraus folgt, daß auch diejenigen, welche Orden und 


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Ehrenzeichen ſchon beſitzen und ſich in dieſem Kriege auszeichnen, 
zunächſt nur das Eiſerne Kreuz zweiter Klaſſe erhalten können. 

6. Das Großkreuz kann ausſchließlich nur für eine gewonnene 
entſcheidende Schlacht, nach welcher der Feind ſeine Poſition 
verlaſſen muß, desgleichen für die Wegnahme einer bedeutenden 
Feſtung, oder für die anhaltende Verteidigung einer Feſtung, die 
nicht in feindliche Hände fällt, der Kommandierende erhalten. 

7. Die jetzt ſchon vorhandenen Orden und Ehrenzeichen werden 
mit dem Eiſernen Kreuz zuſammen getragen. 

8. Alle Vorzüge, die bisher mit dem Beſitz des Ehrenzeichens 
erſter und zweiter Klaſſe verbunden waren, gehen auf das Eiſerne 
Kreuz über. Der Soldat, der jetzt ſchon das Ehrenzeichen zweiter 
Klaſſe beſitzt, kann bei anderweitiger Auszeichnung nur zuerſt 
das Eiſerne Kreuz der zweiten Klaſſe erhalten; jedoch erhält er 
mit demſelben zugleich die mit dem Beſitz des Ehrenzeichens 
erſter Klaſſe verbundene monatliche Zulage, die aber fernerhin 
nicht weiter vermehrt werden kann. 

9. In Rückſicht der Art des verwirkten Verluſtes dieſer 
Auszeichnung hat es bei den in Anſehung Unſerer übrigen 
Orden und Ehrenzeichen gegebenen Vorſchriften ſein Bewenden. 

Urkundlich unter Unſerer Allerhöchſt eigenhändigen Unter⸗ 
ſchrift und beigedrucktem Königlichen Inſiegel. 

Gegeben Breslau, den 10. März 18132. 

Friedrich Wilhelm. 


Johann Peter Hebel: Der Schneider in Penſa 


m Jahr 1812, als Rußland nimmer Straßen genug hatte 
50 für die Kriegsgefangenen an der Bereſina oder in Wilna, 
ging eine auch durch Penſa, welches für ſich ſchon mehr als ein- 
hundert Tagereiſen weit von Lahr oder Pforzheim entfernt iſt, 


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und wo die befte deutſche oder engliſche Uhr, wer eine hat, nimmer 
recht geht, fondern ein paar Stunden zu ſpät. In Penſa iſt der 
Sitz des erſten ruſſiſchen Statthalters in Aſien, wenn man aus 
Europa hineinkommt. Alſo wurden dort die Kriegsgefangenen 
abgegeben und übernommen, und alsdann weiter abgeführt in 
das tiefe, fremde Aſien hinein, wo die Chriſtenheit ein Ende hat 
und niemand mehr das Vaterunſer kennt, wenns nicht einer, 
gleichſam als eine fremde Ware, aus Europa mitbringt. Alſo 
kamen eines Tages mit Franzoſen meliert auch ſechzehn rhein— 
ländiſche Offiziere, die damals unter den Fahnen Napoleons ge— 
dient hatten, über die Schlachtfelder und Brandſtätten von Eu— 
ropa, ermattet, krank, mit erfrorenen Gliedmaßen und ſchlecht 
geheilten Wunden, ohne Geld, ohne Kleidung, ohne Troſt in 
Penſa an und fanden in dieſem unheimlichen Land kein Ohr mehr, 
das ihre Sprache verſtand, kein Herz mehr, das ſich über ihre 
Leiden erbarmte. Als aber einer den andern mit troſtloſer Miene 
anblickte: „Was wird aus uns werden?“ oder: „Wann wird 
der Tod unſerm Elend ein Ende machen, und wer wird den Letz— 
ten begraben?“ da vernahmen fie mitten durch das ruſſiſche und 
koſakiſche Kauderwelſch wie ein Evangelium vom Himmel un— 
vermutet eine Stimme: „Sind keine Deutſche da?“ und es ſtand 
vor ihnen auf zwei nicht ganz gleichen Füßen eine liebe, freund— 
liche Geſtalt. Das war der Schneider von Penfa, Franz Anton 
Egetmaier, gebürtig aus Bretten im Neckarkreis, Großherzogtum 
Baden. Hat er nicht im Jahr 1779 das Handwerk gelernt in 
Mannheim? Hernach ging er auf die Wanderſchaft nach Nürn— 
berg, hernach ein wenig nach Petersburg hinein. Ein Pfälzer 
Schneider ſchlägt fieben- bis achtmal hundert Stunden Weges 
nicht hoch an, wenns ihn inwendig treibt. In Petersburg aber 
ließ er ſich unter ein ruſſiſches Kavallerieregiment als Regiments⸗ 
ſchneider engagieren und ritt mit ihnen in die fremde ruſſiſche 


95 


Welt hinein, wo alles anders ift, nach Penfa, bald mit der Na⸗ 
del ſtechend, bald mit dem Schwert. In Penſa aber, wo er ſich 
nachher häuslich und bürgerlich niederließ, iſt er jetzt ein angeſehe⸗ 
nes Männlein. Will jemand in ganz Aſien ein ſauberes Kleid 
nach der Mode haben, ſo ſchickt er zu dem deutſchen Schneider 
in Penſa. Verlangt er etwas von dem Statthalter, der doch ein 
vornehmer Herr iſt und mit dem Kaiſer reden darf, ſo hats ein 
guter Freund vom andern verlangt; und hat auf dreißig Stun⸗ 
den Wegs ein Menſch ein Unglück oder einen Schmerz, ſo ver⸗ 
traut er ſich dem Schneider von Penſa an, er findet bei ihm, was 
ihm fehlt: Troſt, Rat, Hilfe, ein Herz und ein Auge voll Liebe, 
Obdach, Tiſch und Bett, nur kein Geld. 

Einem Gemüte, wie dieſes war, das nur in Liebe und Wohl— 
tun reich iſt, blühte auf den Schlachtfeldern des Jahres 1812 
eine ſchöne Freudenernte. Sooft ein Transport von unglück⸗ 
lichen Gefangenen kam, warf er Schere und Elle weg und war 
der erſte auf dem Platze, und: „Sind keine Deutſche da?“ war 
ſeine erſte Frage. Denn er hoffte von einem Tag zum andern, 
unter den Gefangenen Landsleute anzutreffen, und freute ſich, 
wie er ihnen Gutes tun wollte, und liebte ſie ſchon im voraus 
ungeſehenerweiſe, wie eine Frau ihr Kindlein ſchon liebt und ihm 
Brei geben kann, ehe ſie es hat. „Wenn ſie nur ſo oder ſo aus— 
fähen“, dachte er. „Wenn ihnen nur auch recht viel fehlt, damit 
ich ihnen recht viel Gutes erweiſen kann.“ Doch nahm er, wenn 
feine Deutſchen da waren, auch mit Franzoſen vorlieb und er: 
leichterte ihnen, bis ſie weitergeführt wurden, ihr Elend, als nach 
Kräften er konnte. Diesmal aber, als er mitten unter fo viele 
Landsleute, auch Darmſtädter und andere, hineinrief: „Sind 
keine Deutſche da?“ — er mußte zum zweitenmal fragen, denn 
das erſtemal konnten ſie vor Staunen und Ungewißheit nicht ant⸗ 
worten, ſondern das ſüße deutſche Wort in Aſien verklang in 


96 


ihren Ohren wie ein Harfenton — und als er hörte: „Deutſche 
genug“, und von jedem erfragte, woher er ſei — er wär mit Meck— 
lenburgern oder Kurſachſen auch zufrieden geweſen, aber einer 
ſagte von Mannheim am Rheinſtrom, als wenn der Schneider 
nicht vor ihm gewußt hätte, wo Mannheim liegt, der andere 
ſagte von Bruchſal, der dritte von Heidelberg, der vierte von 
Gochsheim =: da zog es wie ein warmes, auf löſendes Tauwetter 
durch den ganzen Schneider hindurch. „Und ich bin von Bret— 
ten,“ ſagte das herrliche Gemüte, „Franz Anton Egetmaier von 
Bretten !, wie Joſeph in Agypten zu den Söhnen Iſtaels ſagte: 
„Ich bin Joſeph, euer Bruder“ — und die Tränen der Freude, 
der Wehmut und der heiligen Heimatsliebe traten allen in die 
Augen, und es war ſchwer zu ſagen, ob ſie einen freudigeren Fund 
an dem Schneider oder der Schneider an ſeinen Landsleuten 
machte, und welcher Teil am gerührteſten war. Jetzt führte der 
gute Menſch ſeine teuern Landsleute im Triumph in ſeine Woh⸗ 
nung und bewirtete ſie mit einem erquicklichen Mahl, wie in der 
Geſchwindigkeit es aufzutreiben war. 

Jetzt eilte er zu dem Statthalter und bat ihn um die Gnade, 
daß er ſeine Landsleute in Penſa behalten dürfe. „Anton,“ ſagte 
der Statthalter, „wann hab ich Euch etwas abgeſchlagen?“ 
Jetzt lief er in der Stadt herum und ſuchte für diejenigen, welche 
in ſeinem Hauſe nicht Platz hatten, bei ſeinen Freunden und Be⸗ 
kannten die beſten Quartiere aus. Jetzt muſterte er ſeine Gäſte, 
einen nach dem andern. „Herr Landsmann,“ ſagte er zu einem, 
„mit Eurem Weißzeug ſiehts windig aus. Ich werde Euch für 
ein halbes Dutzend neuer Hemden ſorgen. — Ihr braucht auch 
ein neues Röcklein“, ſagte er zu einem andern. — „Euers kann 
noch gewendet und ausgebeſſert werden“, zu einem dritten, und 
ſo zu allen, und augenblicklich wurde zugeſchnitten, und alle 
ſechsundzwanzig Geſellen arbeiteten Tag und Nacht an Klei- 


97 


dungsſtücken für feine werten rheinländiſchen Freunde. In wenig 
Tagen waren alle neu oder anſtändig ausſtaffiert. Ein guter 
Menſch, auch wenn er in Nöten iſt, mißbraucht niemals fremde 
Gutmütigkeit; deswegen ſagten zu ihm die rheinländiſchen 
Freunde: „Herr Landsmann, verrechnet Euch nicht. Ein Kriegs⸗ 
gefangener bringt keine Münze mit. So wiſſen wir auch nicht, 
wie wir Euch für Eure großen Auslagen werden ſchadlos halten 
können, und wann.“ Darauf erwiderte der Schneider: „Ich finde 
hinlängliche Entſchädigung in dem Gefühl, Ihnen helfen zu kön⸗ 
nen. Benutzen Sie alles, was ich habe! Sehen Sie mein Haus 
und meinen Garten als den Ihrigen an.“ So kurzweg und ab, 
wie ein Kaiſer oder König ſpricht, wenn, eingefaßt in Würde, die 
Güte hervorblickt. Denn nicht nur die hohe fürſtliche Geburt und 
Großmut, ſondern auch die liebe häusliche Demut gibt, ohne es 
zu wiſſen, bisweilen dem Herzen königliche Sprüche ein, Ge⸗ 
ſinnungen ohnehin. Jetzt führte er ſie freudig wie ein Kind in 
der Stadt bei ſeinen Freunden herum und machte Staat mit 
ihnen. So ſehr ſie zufrieden waren, ſo wenig war er es. Jeden 
Tag erfand er neue Mittel, ihnen den unangenehmen Zuſtand 
der Kriegsgefangenſchaft zu erleichtern und das fremde Leben in 
Aſien angenehm zu machen. War in der lieben Heimat ein hohes 
Geburts- oder Namensfeſt, es wurde am nämlichen Tage von 
den Treuen auch in Aſten mit Gaſtmahl, mit Vivat und Freuden⸗ 
feuer gehalten, nur etwas früher, weil dort die Uhren falſch 
gehen. Kam eine frohe Nachricht von dem Vorrücken und dem 
Siege der hohen Alliierten in Deutſchland an, der Schneider 
war der erſte, der fie wußte und feinen Kindern — er nannte fie 
nur noch ſeine Kinder — mit Freudentränen zubrachte, darum, 
daß ſich ihre Erlöfung nahte. Als einmal Geld zur Unterſtützung 
der Gefangenen aus dem Vaterlande ankam, war die erſte Sorge, 
ihrem Wohltäter ſeine Auslagen zu vergüten. „Kinder,“ ſagte 


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er, „verbittert mir meine Freude nicht.“ — „Vater Egetmaier,“ 
ſagten fie, „tut unſerm Herzen nicht wehe.“ Alſo machte er ihnen 
zum Schein eine kleine Rechnung, nur um ſie nicht zu betrüben 
und um das Geld wieder zu ihrem Vergnügen anzuwenden, bis 
die letzte Kopeke aus den Händen war. Das gute Geld war für 
einen andern Gebrauch zu beſtimmen, aber man kann nicht an 
alles denken. Denn als endlich die Stunde der Erlöſung ſchlug, 
gefell£e ſich zur Freude ohne Maß der bittere Schmerz der Tren—⸗ 
nung, und zu dem bittern Schmerz die Not. Dennes fehlte an 
allem, was zur Notdurft und zur Vorſorge auf eine fo lange 
Reiſe in den Schreckniſſen des ruſſiſchen Winters und einer un— 
wirtbaren Gegend nötig war, und ob auch auf den Mann, ſo⸗ 
lange fie durch Rußland zu reifen hatten, täglich 13 Kreuzer ver- 
abreicht wurden, ſo reichte doch das wenige nirgends hin. Darum 
ging in dieſen letzten Tagen der Schneider, fonft fo frohen, leich— 
ten Mutes, ſtill und nach denklich herum, als der etwas im Sinn 
hat, und war wenig mehr zu Hauſe. „Es geht ihm recht zu 
Herzen!, ſagten die rheinländiſchen Freunde und merkten nichts. 
Aber auf einmal kam er mit großen Freudenſchritten, ja mit ver⸗ 
klärtem Antlitz zurück. „Kinder, es iſt Rat. Geld genug!“ — 
Was wars? Die gute Seele hatte für zweitauſend Rubel das 
Haus verkauft. „Ich will ſchon eine Unterkunft finden,“ ſagte 
er, „wenn nur ihr ohne Leid und Mangel nach Deutſchland 
kommt.“ O du heiliges, lebendig gewordenes Sprüchlein des 
Evangeliums und ſeiner Liebe: „Verkaufe, was du haſt, und gib 
es denen, die es bedürftig find, fo wirft du einen Schatz im Him— 
mel haben.“ Der wird einſt weit oben rechts zu erfragen ſein, 
wenn die Stimme geſprochen hat: „Kommt, ihr Geſegneten! 
Ich bin hungrig geweſen, und ihr habt mich geſpeiſt, ich bin nackt 
geweſen, und ihr habt mich gekleidet, ich bin krank und gefangen 
geweſen, und ihr habt euch meiner angenommen.“ Doch der 


99 


Kauf wurde zu großem Troſt für die edeln Gefangenen wieder 
rückgängig gemacht. Nichtsdeſtoweniger brachte er auf andere 
Art noch einige hundert Rubel für ſie zuſammen und nötigte ſie, 
was er hatte von koſtbarem ruſſiſchen Pelzwerk, mitzunehmen, 
um es unterwegs zu verkaufen, wenn ſie Geldes bedürftig wären 
oder einem ein Unglück widerführe. Sie ſchieden ſchließlich unter 
tauſend Segenswünſchen und Tränen des Dankes und der Liebe, 
und der Schneider geſtand, daß dieſes für ihn der ſchmerzlichſte 
Tag ſeines Lebens ſei. Die Reiſenden aber ſprachen unterwegs 
unaufhörlich und noch immer von ihrem Vater in Penſa, und 
als ſie in Bialyſtok in Polen wohlbehalten ankamen und Geld 
antrafen, ſchickten ſie ihm dankbar das vorgeſchoſſene Reiſegeld 


zurück. 
Oskar Woehrle: Nach einem Begräbnis 
N. haben wir begraben 
einen treuen Bruder ein, 
und die Erde mußt ihn haben 
in ihr Mutterherz hinein. 
Heimwärts ſind wir dann gegangen 
längs dem grünen Waldkanal, 
und die Mordgeſchütze ſangen 
weither ihren Blutchoral. 


Und wir ſahen grün die Felder, 

und wir ſahen grün das Gras, 

ſahn die Pracht der grünen Wälder, 
wo gottnackt der Frühling ſaß, 

und wir ſahn die jungen Saaten 
von des Daſeins Luſt geſchwellt, 
und wir wußten: wir Soldaten 
fallen, wie dies Korn einſt fällt. 


100 


Ach, mit fünfundzwanzig Jahren 
weiß man erft: die Welt iſt dein! 
Ach, erſt dann kann man erfahren, 
was es heißt, ein Menſch zu ſein. 
Ach, wenn die Kanonen ſprechen, 
während draußen Frühling iſt, 
fühlt man aus dem Herzen brechen, 
wie ſo ſchwer das Sterben iſt! 


Fr. G. Klopſtock: Weihtrunk an die toten 
Freunde 


aß euer ſtilles Gebein, und was ihr mehr noch wart 
Als vermodernd Gebein, dieſen geweihten Wunſch 
In dem Schoße der Erde 
Und Elyſiums Tal vernehm'! 


Daß wir weiſe, wie ihr, und der Erinnerung 
Eures Todes getreu, leben, zwar fröhlich ſei'n; 
Doch als ſtündet ihr alle 

Mit den glücklichern Freunden hier. 


Landsknechtſchwänke 
1. Der Luzifer ſchickt ſeiner Diener einen nach 
einem Landsknecht 
in ſeltſam Tier ifts um ein Landsknecht, daß ihn auch der 
Teufel nichts kann abgewinnen, ſunder ſie förchten muß. 
Davon hör dieſe Hiſtorie! 
Uf ein Zeit ſchicket der öbriſt Teufel ein Diener aus, er ſollte 
ſehen, wo doch die Landsknecht wären, daß keiner in die Hell 
käm, und ſollte lugen, wo er doch einen möcht mit ihm bringen. 


101 


Der Diener zoge aus und kam in eines Hahnen Geſtalt in ein 
Würtshaus, da er ſich hinter den Ofen ſetzet und den Lands⸗ 
knechten zuſahe, wie ſie zechten. Nun als die Landsknecht voll 
waren, fingen ſie an, Kanten und Gläſer zu zerbrechen und alles 
zu verwüſten, was auf dem Tiſch ſtund, und ein ſolich Rumor 
anfingen, daß ihme der Teufel hinter dem Ofen förchten ward. 
Letzlich fing einer hinter dem Tiſch an: „Potztauſend Sack voll 
Enten! Wohlauf, wir wöllen den Hahn hinter dem Ofen be⸗ 
rupfen und die Federn uf die Hüt ſtecken, darnach den Hahnen 
freſſen.“ Als ſolches der Teufel hort, zur Stuben hinaus der 
Hell zulief und ſeinem Meiſter anzeigt, wie kein böſer Tier uf 
Erden wär weder ein Landsknecht. 

Wann darnach ein Landsknecht für die Hell kam, beſchloß 
man alle Tür und Tor vor ihm zu, ſie möchten ſunſt alle Teufel 
verjagen. 


2. Wo der Landsknecht Wohnung ſein werd, 

wann fie gefterben 

Nach der großen Schlacht zu Mailand oder Marianen 
wollten die erſchlagnen Landsknecht uf der Walſtatt bei den 
Schweizern nit liegen bleiben, wurden rhätig, richten ein Fähnlin 
uf, das was weiß mit einem roten Kreuz, zugend in der Ordnung 
alle der Hellen zu. 

Als aber die Teufel das Fähnlin und das rot Kreuz darinnen 
erſahend, erſchraken ſie hart (dann durch das Zeichen iſt ihnen 
vormals die Helle und ſie darzu beſtritten worden), verriegleten, 
verbollwerkten, verſperrten und beſetzten die Tor, die Wehren, 
die Porten und Mauren an allen Orten und ſtellten ſich zur 
Wehr. Wie aber die Landsknecht daherziehen, ſo ſchießend die 
Teufel und werfend zu ihnen, ſagen: „O lieben Männer, 
ziehend auf die rechte Hand dem Himmel zu! Wir geben euch 


102 


Hans Burgkmair: Sturm auf eine Landwehr 


kein Herberg, laſſend euch auch nit in.“ Und habend damit die 
Landsknecht den Weg gegen dem Himmel zu gewieſen. 

Die guten frummen Landsknecht zugen mit ihrem Regiment 
und Fähnlin in guter gehabter Ordnung für den Himmel, be⸗ 
gehrten, man ſollte ſie inlaſſen. Petrus fragt, wer ſie wären. 
Sie ſagten, ſie wärend frumme Landsknecht und in der Schlacht 
von Mailand umkommen, begehrten ingelaſſen zu werden. 
„Wer hat euch“, ſagt Petrus, „hieher kommen heißen? 
Ziehend fort, nur fort, ihr Blutzapfen! Dann darum, daß ihr 
in euerem Leben alle Zeit den Frieden gehaßt haben, ſo iſt es nit 
billig, daß ihr die ewige Ruhe beſitzen ſollend.“ 

Uf ſolchs ſagt ihr Hauptmann: „Wo bleiben wir aber hinde⸗ 
nach? In der Hellen verſperrt man uns Tür und Tor, im 
Himmel will man uns nit inlaſſen; nun müſſen wir dannocht 
je auch einen Ort haben, da wir wiſſen zu bleiben.“ — „Ihr habt 
mich“, ſagt Petrus, „wohl verſtanden. Trollt euch fort, oder 
ihr werden bald etwas Neues vernehmen. Ihr ſind nichts dann 
Bluthund, Gottsläſterer, Armeleutmacher, verfluchte, verzwei⸗ 
felte und gottlos Leut.“ 

Da ward ihr Hauptmann erzürnt und ſagt in eim Grimmen 
zu Petro: „Was verweiſt der Wolf dem Fuchs von wegen des 
Raubs? Sind fie nit beide Rauber? Weiſtu nit, was du ge- 
ton haſt? Deinen Herren, Meiſter und deinen Gott haſtu 
fälſchlich meineidiglich zum dritten Mal verleugnet und ver⸗ 
ſchworn. Das hat unſer keiner noch geton. Solchs will ich vor 
allem himmliſchen Heer reden, daß du ärger, meineidiger, freu- 
loſer und böſer geweſen biſt, weder unſer keiner iſt, und willt 
uns ſchänden und ſchmähen und darzu nit inlaſſen. Nun müſſen 
wir je dannochter wiſſen, wo wir hin ſollen.“ 

Petrus was ſchamrot worden und forcht übel, dieweil der 
Hauptmann ſo laut ſchriee, daß es die andern im Himmel hören 


104 


würden, und ſagt zu ihnen: „Lieben Landsknecht, ſeind ſtill und 
ſchweigend! Ich will euch ein eigen Dorf ingeben; liegt aller⸗ 
nächſt hiebei, das heißt Beit ein Weil. Daſelbſt werden mit der 
Zeit noch mehr Landsknecht zu euch kommen; da habt ihr euer 
Weſen allein, können ſpielen, mummſchanzen, zechen und fröh— 
lich ſein.“ 

Darauf hat fie Petrus von Stund an gen Beit ein Weil ge- 
wieſen, daſelbſt halten ſie noch ihr Regiment. Was auch für 
Landsknecht für den Himmel kommen, die weiſt Petrus alle 
gen Beit ein Weil zu dem alten Haufen. Ich glaub, es ſei ihren 
jetzunder ein große Menge beieinander. 


3. Von einem Landsknecht, der nur drei Wort 

begehrt mit ſeinem Hauptmann zu reden 
Ein armer einfacher Landsknecht leidet großen Hunger; wie⸗ 
wohl Proviant gnug im Leger war, ſo hat er doch kein Geld, 
daß ers kaufet, derhalben treib ihn die Not dahin, daß er für 
den Hauptmann begehrt in Hoffnung, er ſollt ihm etwas für- 
ſetzen. Es hat aber der Hauptmann etlich groß Hanſen zo Gaſt 
geladen, deshalben die Trabanten dieſen armen Knecht nit für 
ihn laſſen wollten. Als er nun ohn Unterlaß bat, man ſollt ihn 
doch für den Hauptmann laſſen, er hätte nit mehr dann drei 
Wort mit ihm zu reden, was da auch ein naſſer Vogel unter 
den Trabanten, den wundert, was er doch mit drei Worten 
könnte ausrichten, und ſagt es dem Hauptmann bei der Läng, 
wie ſich die Red hat zugetragen. Der Hauptmann mitſamt 
ſeinen Gäſten, die auch wohl bezecht waren, ſprachen: „Laß ihn 
herein, und redt er mehr dann drei Wort, ſo wöllen wir ihn 
in die Eiſen ſchlahen laſſen. Alſo ward er für den Hauptmann 
in den Saal gelaſſen, der ihn fragt: „Was begehrſt du, das du 
mit drei Worten willt ausrichten?“ Antwort' der Landsknecht: 


105 


„Geld oder Urlaub.“ Do lachet der Hauptmann und alle feine 
Gäſt, und ſetzt ihm der Hauptmann ein Monat Sold für bis 
zur Bezahlung. 


Die fünf Heiligen Fetwas 


ls am 11. November 1914 das Osmaniſche Reich den 

Krieg erklärte, wurden dem Scheich ulislam Chairi Ben 
Awni Al⸗urkubi fünf Fragen zur Begutachtung vorgelegt. Die 
Stellung des Scheich ul⸗islam entſpricht ungefähr der eines 
Miniſters der Geiſtlichen Angelegenheiten im Geſamtminiſte⸗ 
rium, ſeine Unterſchrift folgt unmittelbar der des Großweſirs 
bei allen wichtigen Staatsurkunden. Ihm liegt die Wahrung 
des alten, auf dem Koran beruhenden Heiligen Geſetzes ob, und 
er antwortet auf alle an ihn geſtellten Fragen nur mit ja oder 
nein. Der Sultan der Türkei konnte in ſeiner Eigenſchaft als 
Kalif nur auf Grund eines ſolchen Rechtsgutachtens alle 
Muslime der ganzen Welt zum Dſchihad, dem Heiligen 
Kriege, auffordern, und ſo wird auch in dem gleichzeitigen 
Aufrufe des Sultan-Kalifen an Heer und Flotte von dem 
„großen Glaubenskrieg, zu welchem Ich mit den Heiligen 
Fetwas die dreihundert Millionen Muslime eingeladen habe“, 
geſprochen. 

Die Rechtsgutachten wurden zuerſt in der Stambuler Tages⸗ 
zeitung „Sabah“ vom 15. November 1914 in osmaniſch⸗türki⸗ 
ſcher Sprache veröffentlicht und gleichzeitig vier andere Faſſungen 
in arabiſcher, perſiſcher, katariſch⸗türkiſcher und Urdu⸗Sprache 
(Hindoſtani) verbreitet. Wir entnehmen ihre, von einem unfrer 
hervorragendſten Drientaliſten gefertigte deutſche ÜUberſetzung 
der „Welt des Islams“, Zeitſchrift der Deutſchen Geſellſchaft 
für Islamkunde Bd. III 1918. 


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Nr. 1. Wenn Seine Majeſtät der Padiſchah des Islams, 
ſobald der Angriff der Feinde auf die Islamwelt ſtattgefunden 
hat und Beraubung und Plünderung der islamiſchen Länder 
und Gefangennehmung von islamiſchen Perſonen feſtgeſtellt iſt, 
durch allgemeinen Aufruf den Glaubenskrieg befohlen hat, iſt 
dann der Glaubenskrieg nach Maßgabe des Hohen Koran— 
ſpruches [9,41]: „Ziehet aus, leicht und ſchwer, und kämpfet 
mit euerm Vermögen und euerm Leben auf dem Pfade Gottes!“ 
Pflicht für ſämtliche Muslime, und iſt es individuelle Pflicht 
ſämtlicher in allen Erdteilen wohnender Muslime, jung und 
alt, Berittene und Unberittene, mit ihrem Gut und mit Leib 
und Leben zum Glaubenskrieg zu eilen? — Antwort: Ja! 

Nr. 2. Es iſt feſtgeſtellt, daß Rußland, England und Frank⸗ 
reich dem islamiſchen Kalifat feindlich ſind und alle Anſtren— 
gungen machen — Gott verhüte es! —, das hohe Licht des Islams 
auszulöſchen, indem ſie auf ſolche Weiſe gegenwärtig die Hohe 
Stelle des islamiſchen Kalifats und die Kaiſerlichen Länder mit 
ihren Kriegsſchiffen und Landheeren angriffen; iſt es da Pflicht 
ſämtlicher Muslime, die ſich unter der Verwaltung jener Re— 
gierungen und der ſie unterſtützenden Regierungen befinden, auch 
gegen die erwähnten Regierungen den Glaubenskrieg zu erklären 
und zum tätlichen Überfall zu eilen? — Antwort: Ja. 

Nr. 3. Die Erreichung ſolches Zieles hängt davon ab, daß 
ſämtliche Muslime zum Glaubenskriege eilen; wenn davon 
einige — Gott verhüte es! — ſich ſaumſelig zeigen, iſt dann ihre 
Saumſeligkeit eine große Sünde, und verdienen ſie den göttlichen 
Zorn und die Beſtrafung dieſer argen Sünde? — Antwort: Ja. 

Nr. 4. Sollten auch die islamiſchen Angehörigen der auf 
ſolche Weiſe mit der islamiſchen Regierung kämpfenden vor— 
erwähnten Regierungen durch die Bedrohung mit Tötung ihrer 
eigenen Perſon und Vernichtung ihrer ſämtlichen Familienange— 


107 


hörigen in eine Zwangslage verſetzt werden, iſt es dann dennoch 
nach dem Rechte unverbrüchliches Verbot für ſie, gegen die 
Truppen der islamiſchen Regierung zu kämpfen, und verdienen 
fie, wenn fie es dennoch tun, die Höllenſtrafe? — Antwort: Ja. 

Nr. 5. Die im gegenwärtigen Kriege unter der Verwaltung 
der Regierungen von England, Frankreich, Rußland, Serbien, 
Montenegro und ihrer Helfer ſich befindenden Muslime würden 
durch Kampf gegen die die Hohe Islamiſche Regierung unter⸗ 
ſtützenden Staaten Deutſchland und Oſterreich dem islamiſchen 
Kalifat Schaden zufügen; iſt ein ſolches Verhalten eine große 
Sünde, und verdienen fie dadurch ſchmerzvolle Strafe? — Ant⸗ 
wort: Ja. 

Geſchrieben von dem Gottesbedürftigen Chairi Ben Awni 
Al⸗urkubi. 


Ernſt Moritz Arndt: Grabesgrün 


ie Helden ſchlafen — all ihr Schall und Schein 

Wie ſtumm und dunkel unterm Leichenſtein! 
Wie ſchließt das Grab — ſie nennens ſanfte Ruh — 
Für alle gleich ſo Klang als Wonne zu! 


Die Helden ſchlafen — roſtend hangt ihr Schwert 
Mit Schild und Helm und Fahnen ehrenwert, 
Friſch wirkt die Motte drein und webt der Wurm, 
Kalt brauſt vorbei des Tages wilder Sturm. 


O Zeit, du graue Totengräberin, 

Ob allem Leid und Weh Hinſchweberin, 
O Zeit, nur du allein haſt nimmer Zeit, 
Hinfliegen heißet dir Unſterblichkeit. 


108 


+ armer 


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Lithographie von Honoré Daumier 


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Unſterblichkeit? Wohl mir! Ich fehe grün 

Aus deinem Grau das Leben wieder blühn, 

Im Zeugen und Gebären ewig jung 

Schwingſt du der Welt geheimnisvollen Schwung. 


Unſterblichkeit? Wohl mir! Drum Heldenmacht 
Erbebe nicht dem Schlaf der langen Nacht! 
Verklinget, Namen und Gedächtnis, gar! 

Nichts ſtirbt, was wirklich gut und göttlich war. 


Friſch kämpft die Tat, hell klingt das mächtge Wort 
Gleich Blitz und Licht allgegenwärtig fort, 

Geburt und Tod im ſteten Wechſellauf, 

Hier ſchläfts, und dort wachts luſtig wieder auf. 


So kreiſet denn, Jahrtauſend, euren Tanz, 
So greife, Geiſt, den höchſten Wonneglanz, 
Zerſchlage das Sekundenglas der Zeit 

Und greife und begreife Ewigkeit. 


Kaiſer Wilhelm J.: Letztwillige Aufzeichnung 

31. Dezember 1871 

1870 bis 1871. 
Gott war mit uns! 

Ihm ſei Lob, Ehre, Dank! 
ls ich am Schluß des Jahres 1866 mit dankerfülltem 
Herzen Gottes Gnade dankend preiſen durfte für ſo un— 
erwartet glorreiche Ereigniſſe, die ſich zum Heile Preußens ge- 
ſtalteten und den Anfang zu einer Neueinigung Deutſchlands 
nach ſich zogen, da mußte ich glauben, daß das von Gott mir 
aufgetragene Tagewerk vollbracht ſei und ich, dasſelbe nun in 
Ruhe und Frieden fortbildend, dereinſt meinem Sohne glück— 


109 


bringend hinterlaſſen würde, vorausfehend, daß ihm es beſchieden 
ſein werde, die ſüdliche Hälfte Deutſchlands mit der nördlichen 
zu einem Ganzen zu einen. 

Aber nach Gottes unerforſchlichem Ratſchluß ſollte ich be— 
rufen werden, ſelbſt noch dieſe Einigung herbeizuführen, wie ſie 
ſich nach dem von Frankreich auf das frivolſte herbeigeführten, 
ebenſo glorreichen als blutigen ſiebenmonatlichen Kriege nun⸗ 
mehr darſtellt! Wenn je in der Geſchichte ſich Gottes Finger 
ſichtlich gezeigt hat, ſo iſt dies in den Jahren 1866, 1870 und 
1871 geſchehen. 

Der Deutſch⸗Franzöſiſche Krieg, der wie ein Blitz aus heiterem 
Himmel herabfiel, einte ganz Deutſchland in wenig Tagen, und 
ſeine Heere ſchritten von Sieg zu Sieg und erkämpften mit 
ſchmerzlichen Opfern Ereigniſſe, die nur durch Gottes Willen 
möglich waren. Dieſer Wille ſtellte mir Männer zur Seite, 
um ſo Großes vollbringen zu ſollen. Dieſer Wille ſtählte die 
Geſinnung der Kämpfenden in Hingebung und Ausdauer und 
nie gekannter Tapferkeit, ſo daß an Preußens Fahnen und an 
die feiner Verbündeten ſich unvergänglicher Ruhm und neue 
Ehre knüpfte. Dieſer Wille begeiſterte das Volk zu nie gekannter 
Opferwilligkeit, zur Linderung der Leiden, die der Krieg unver: 
meidlich ſchlägt! 

Mit demütig dankerfülltem Herzen preiſe ich Gottes Gnade, 
die uns würdig befunden hat, ſo Großes nach ſeinem Willen 
vollbringen zu ſollen! Möge dieſe Gnade ferner uns zur Seite 
ſtehen beim Auf- und Ausbau des neugeeinten Deutſchlands, 
zu dem erſt der Grund gelegt iſt, und Frieden uns beſchieden 
ſein, „die Güter in Demut zu genießen“, die in blutigen heißen 
Kämpfen errungen wurden!! — 

Herr, Dein Wille geſchehe im Himmel, alfo auch auf Erden!!! 
Amen! Wilhelm. 


110 


Ernſt Hardt: Zum zweiten September 1914 


inmal ſchon ſchwand und wuchs der Mond ſeither! 
Die Sonne kam und ging zu dreißig Malen 
Von Oſt nach Weſt. Aus Blut hebt ſie das Haupt 
Und birgt das Haupt in Blut. 
Du goldner Ball, der uns geſegnet und geliebt, 
Uns Deutſche! Sieh, wie war es dir verwandt, 
Was aus Millionen deutſcher Männerhirne, 
Aus deutſchen Händen und aus deutſchen Herzen 
Sieghaft und licht hinſtürmte durch die Welt 
Als Ruhm und höchſte Tat des Menſchentums: 
Gedankentat und Händetat, Geſtttung und Gefühl. 
Geſegnet haſt du, goldner Ball, die ſonnenhafte, 
Die ungeheure Friedensarbeit deutſcher Menſchen! 


Nun kommt und geht dein Haupt aus rotem Blut 
Zu rotem Blut und trinkt. 


In gierem Wahnwitz und in ſchwarzer Tollwut 
Griffen ſie rings mit neidverkrampften Fingern 
Feige nach dieſer deutſchen Friedenskrone, 

Gehetzt vom Racheteufel und von einer Hure, 

Der kühlen Lügenmetze Politik. 

Es kam ein Augenblick, da wir erſchraken: 

Es ſchien, als ſei in dieſer großen Welt 

Ein Menſch der Deutſche nur, rings um ihn Tiere! 
Und wie die Tiere biſſen ſie nach ihm! 


Und was ein Ich war und zerſpalten war 
Im Friedenswähnen und im Friedenswollen, 
Das wuchs in Eins zuſammen vor dem Tier, 
Geheimnisvoll geſpeiſt aus ſchuttbefreiten 


Urtiefen Brunnen der Vergangenheit, 

Und ſchaute in dein Antlitz, deutſche Sonne, 
So heilig ernft und fo zum Tod entſchloſſen, 
Daß wieder wir erſchraken, tief in Ehrfurcht, 
Vor dieſem Volke, das wir ſelber ſind! 


Als dus verließeſt, heut vor dreißig Tagen, 

Da war es arbeitstreu und mild, ein Volk, 
Beſonnen, gütig, helfend und mitfühlend 

Ein jedes Menſchenleid auf fernſter Erde. 

Und was du wiederfandeſt nach der einen Nacht, 
Das war ein einziger Held aus ſiebenzig Millionen 
Kriegsfroher Helden: Mann und Frau und Kind. 


Der hob den Rieſenleib und ſprang zum Kampfe 
So heiter wie zum Tanz und ſang dabei. 

Sang aus Millionen Kehlen, daß es klang, 

Als ſei das ganze Land ein Sommerwald, 

Ein ſingender Wald das ganze deutſche Land. 

Und alle, die es hörten, mußten weinen! 

Dann hat der Held geſchwiegen und getanzt 

Zur dröhnenden Muſik des Muts in ſeinem Blut, 
Und wieder dir verwandt und ſonnenhaft 
Hinſtürmt ein Ruhm durch alle Welt: Des Krieges deutſche 
Gedankentat und Händetat, Geſittung und Gefühl! 


Noch kämpfen wir, Vergangenheit und Zukunft bindend, 
Dich ſchützend, heilige Muttererde, deutſches Land! 

Drei Brüder gabſt du uns für dieſe Stunde, 

Die halten wir umſchlungen: Mann und Frau und Kind: 


Den deutſchen Tod, den deutſchen Sieg 
Und unfre deutſche Ehre. 


112 


Helmuth von Moltke: Die Dardanellen. — 
Alexandria Troas 


Pera, Anfang April 1836 


en 2. April abends verließ ich mit einem öſterreichiſchen 
Dampfſchiff Konſtantinopel und erblickte am folgenden 
Morgen die hohen ſchönen Gebirge der Jnſel Marmara. Rechts 
zeigten ſich die Berge von Rodoſto mit Weingärten und Dör- 
fern. Bald traten die Küſten Europas und Aſiens näher zu— 
ſammen, und Gallipoli erſchien auf ſchroffen zerriſſenen Klippen, 
mit einem alten Kaſtell und zahlloſen Windmühlen am Ufer. 
Hier war es, wo die Türken zuerſt nach Europaüberſetzten (1387). 
Gegen Mittag tauchte das Fort Nagara mit ſeinen weißen 
Mauern aus der hellblauen klaren Flut des Hellespont empor. 
Dieſe Meerenge iſt bei weitem nicht ſo ſchön wie der Bos— 
porus, die Ufer ſind kahl und beträchtlich weiter entfernt als 
dort, aber die geſchichtlichen Erinnerungen machen ſie anziehend. 
Von jenem ſeltſam ausſehenden Hügel (vielleicht von Menſchen— 
händen aufgetürmt) blickte Xerxes auf feine zahlloſen Scharen, 
die er nach Griechenland führte; jene Steintrümmer, welche die 
ganze flache Landzunge überdecken, waren einſt Abydos, und 
hier ſchwamm Leander von Europa nach Aſien, um Hero zu 
ſehen. Ein einziger unförmlicher Mauerreſt ſteht noch aufrecht 
auf dem Platz, den einſt die Stadt einnahm, aber es iſt ſchwer 
zu ſagen, was dieſe Ruine geweſen; dagegen ift es ſehr wahr: 
ſcheinlich, daß eine Quelle ſüßen Waſſers, die noch heut auf 
dem flachen, vom Meer umgebenen Iſthmus in einem unter— 
irdiſchen Gewölbe ſprudelt, die Einwohner jener Stadt, vielleicht 
die ſchöne Hero ſelbſt, getränkt hat. 
Die gewaltige Strömung führte uns ſchnell bis an die engſte 
Stelle der Meerenge, „wo die altersgrauen Schlöſſer ſich ent— 


113 


gegen ſchauen“. Hinter dem europäiſchen Strand erhebt ſich 
ſteil eine weiße Felswand, in welcher eine kleine Grotte für das 
Grab der Hekuba gilt.! Die aſtatiſche Küſte hingegen iſt flach 
und zeigt hinter dem Kaſtell, welches einft die Genueſer hier auf— 
kürmten, im Schatten mächtiger Platanen und umgeben von 
Gärten und Weinbergen, ein Städtchen, welches die Türken 
Tſchanak⸗Kaleſſi, das Scherbenſchloß, nennen, wegen der vielen 
Töpfer, die dort arbeiten. Dort reſidiert in einer beſcheidenen 
Wohnung der Boghas Paſcha, zu welchem ich mich verfügte, 
um die Briefe des Seraskiers zu übergeben und einige münd⸗ 
liche Aufträge auszurichten. Er ließ mir ein kleines hübſches 
Häuschen am Ufer einräumen, und nachdem ich die Forts und 
Batterien beſichtigt, nahm ich den Plan der Dardanellenſtraße 
und ihrer Ufer auf. 

Was ich Dir von dem Ergebnis meines für mich ſehr in— 
fereffanten Auftrages mitteilen kann, iſt freilich nur das Allge⸗ 
meinſte und meiſt ſchon Bekannte. 

An der Einfahrt zu den Dardanellen erheben ſich die foge- 
nannten neuen Schlöſſer, welche die Türken nach dem Muſter 
der alten erbaut. Das europäiſche heißt Gedd-ül-bahr — „das 
Schloß am Meeresdamm“ —; das aſiatiſche Kumkaleh — „das 
Sandſchloß“ —. Die Breite dieſer Mündung beträgt beinahe 
eine halbe geographiſche Meile, und jene Schlöſſer ſind faſt 
nur als vorgeſchobene Poſten zu betrachten, welche von der 
Annäherung feindlicher Flotten benachrichtigen und ſie zu— 
gleich verhindern, innerhalb der Meerenge vor Anker zu gehen. 
Die eigentliche Verteidigung fängt zwei Meilen weiter oben an 
und beruht auf den Batterien, welche auf der ungefähr eine 
Das Vorgebirge, welches das Schloß Kilid-ül-bahr (Schlüſſel des 
Meeres) trägt, nannten die Alten Kynoſſema, Grabmal des Hundes, weil 
dort Hekuba, in einen Hund verwandelt, beſtattet ſein ſollte. 


114 


Meile langen Strecke zwiſchen Tſchanak-Kaleſſi und Nagara 
erbaut find. Zwiſchen Sultani⸗Hiſſar und Kilid-Bahr, dem 
Meerſchloß, verengt ſich die Straße auf 1986 Schritt, und die 
Kugeln dieſer ſehr ſtark gebauten Forts und der großen nebenan 
liegenden Batterien reichen von einem Ufer auf das andere. 
Bei Nagara erweitert ſich die Straße ſchon auf 2833 Schritt.! 

Zur Verteidigung der Dardanellen find 880 Geſchütze vor- 
handen, welche in Hinſicht auf ihre Kaliber eine Stufenfolge 
von 1⸗ bis 1600-Pfünder bilden. Es gibt Geſchütze, die 5, und 
deren, die bis zu 32 Kaliber lang ſind, und man findet türkiſche, 
engliſche, franzöſiſche und öſterreichiſche, ſelbſt Kanonen, welche 
mit einem Kurhut bezeichnet find. Aber die große Mehrzahl 
der Geſchütze iſt von mittlerem, dem Zweck entſprechendem 
Kaliber, und faſt alle find von Bronze. In Seddaül⸗bahr liegen 
einige merkwürdige Piecen ſehr großen Kalibers aus geſchmie— 
detem Eiſen. Man hatte ſtarke Eiſenbarren der Länge nach 
zuſammengelegt und mit anderen Barren umwunden, was in— 
des ſchlecht gelungen iſt. Es ſteckt ein ungeheueres Geldkapital 
in dieſem Vorrat. 

Merkwürdig ſind die großen Kemerliks, welche Steinkugeln 
von Granit oder Marmor ſchießen. Sie liegen ohne Lafetten 
unter gewölbten Torwegen in der Mauer des Forts auf loſen 
Klötzen an der Erde. Die größeren derſelben wiegen bis zu 
300 Ztr. und werden mit 148 Pfund Pulver geladen. Der 
Durchmeſſer des Kalibers iſt 2 Fuß 9 Zoll, und man kann bis 
zur Kammer hineinkriechen. Man hat Mauern von großen 
Quaderſteinen hinter dem Bodenſtück aufgeführt, um den Rück⸗ 
lauf zu verhindern; dieſe werden jedoch nach wenigen Schüſſen 
zertrümmert. Die Steinkugeln rikoſchettieren übrigens auf der 
Doch werden jetzt 1350 m gleich 1800 Schritt angegeben, entſprechend 
den ſieben Stadien der Alten. 


Waſſerfläche von Aſien nach Europa und umgekehrt und rollen 
noch ein gut Stück auf dem Lande fort. Wenn eine ſolche 
Kugel das Schiff im Waſſergang trifft, fo iſt gar nicht abzu⸗ 
ſehen, wie ein Leck von drittehalb Fuß im Durchmeſſer geſtopft 
werden kann. Einige kühne und glückliche Unternehmungen der 
Engländer zur See haben ziemlich allgemein die Anſicht ver: 
breitet, daß Landbatterien ſich gegen Flotten, die ihnen an Zahl 
der Geſchütze freilich weit überlegen ſind, nicht verteidigen 
können. Eine ſolche Unternehmung war die Lord Duckworths 
im Jahre 1807. Die Verteidigungsanſtalten der Dardanellen 
befanden ſich damals im kläglichſten Zuſtande; die engliſche 
Eskader ſegelte durch, faſt ohne Widerſtand zu finden, und am 
20. Februar erſchien zum erſtenmal eine feindliche Flotte unter 
den Mauern der osmaniſchen Hauptſtadt. 

Je weniger die Türken ſich die Möglichkeit eines ſolchen 
Ereigniſſes gedacht, um ſo größer war die anfängliche Beſtürzung. 
Es iſt bekannt, wie der Einfluß und die Tätigkeit des franzöſiſchen 
Bolſchafters damals den Diwan abhielt, in jede Forderung der 
Engländer zu willigen; Batterien wuchſen an den Ufern von 
Tophane und des Serajs empor, während die Dardanellen im 
Rücken der Eingedrungenen eiligſt in wehrhaften Stand geſetzt 
wurden, und bald wußte der britiſche Botſchafter ſelbſt nicht 
mehr, was er mit dem militäriſchen Erfolg ſeines Admirals 
anzufangen habe. Nach Verlauf von acht Tagen mußte Lord 
Duckworth ſich glücklich ſchätzen, mit Verluſt von zwei Kor⸗ 
vetten und weſentlicher Beſchädigung faſt aller übrigen Fahr⸗ 
zeuge die Reede von Tenedos wiederzugewinnen. 

Die von einem Schiffe gegen eine Landbatterie geſchoſſene 
Kugel tötet im günſtigſten Fall einige Menſchen und demon— 
tiert ein Geſchütz, während die von einer Landbatterie abge— 
ſchoſſene möglicherweiſe ein Schiff außer Gefecht ſetzen kann. 


116 


Taunſchaft, Geſchütz und Munition find in der Landbatterie 
ungleich ſicherer aufgehoben als hinter den Wänden eines Schiffs. 
Beſonders wichtig aber iſt der Umſtand, daß bei den Schwan— 
kungen des Fahrzeugs ein genaues Richten ganz unmöglich iſt. 
Die Landbatterie bietet dem Treffen ein Ziel von etwa viertehalb 
Fuß Höhe, eine geringe Schwankung vergrößert oder verringert 
die Elevation der Geſchütze daher ſchon in dem Maße, daß eine 
ganze Lage zu hoch oder zu niedrig geht. Die Feuerſchlünde 
einer Landbatterie hingegen ſtehen feſt, der Artilleriſt nimmt 
feine Richtung genau, fein Ziel iſt eine 20 bis 30 Fuß hohe, 
100 Fuß lange, überall verwundbare Wand. Die Kugeln, 
welche zu niedrig gehen, können noch par ricochet einſchlagen; 
die, welche zu hoch, Maſten, Rahen und Segel zerſtören. Die 
größere Zahl der Geſchütze iſt auf der Seite der Flotte, die 
günſtigeren Verhältniſſe aber ſind auf ſeiten der Landbatterie. 

Noch iſt ein Umſtand zu bemerken, welcher beſonders un— 
günſtig für das Einlaufen von Schiffen durch die Dardanellen 
in die Propontis iſt; es weht nämlich den ganzen Sommer hin- 
durch faſt unausgeſetzt der Nordwind, die Kauffahrer liegen oft 
vier bis ſechs Wochen, ehe ſie die Straße hinaufgelangen, und 
wenn endlich ein Südwind eintritt, ſo muß er ſchon recht ſcharf 
ſein, um die ſtarke Strömung des Hellespont, welche konſtant 
gegen Süden fließt, zu überwinden. Dabei tritt oft der Fall 
ein, daß bei Kumkaleh der Wind aus Süden weht, während 
er in der Höhe von Nagara vollkommen auf hört. Wenn das 
Artilleriematerial in den Dardanellen geordnet ſein wird, ſo 
glaube ich nicht, daß irgendeine feindliche Flotte der Welt es 
wagen dürfte, die Straße hinauf zu ſegeln; man würde immer 
genötigt ſein, Truppen zu debarkieren und die Batterien in der 
Kehle anzugreifen. Aber das dürfte keineswegs ſo leicht ge— 
funden werden, wie man darüber reden hört. Forts mit 40 Fuß 


117 


hohen Mauern, wie die alten und die neuen Schlöſſer, mögen 
immerhin dominiert ſein, man kann ſich doch eine hübſche Weile 
drin verteidigen, wenn man ſonſt nur Luſt hat, und überdies 
ſind die Schlöſſer Kumkaleh und Sultani⸗Hiſſar durchaus nicht 
überhöht. 

Ich machte nun noch einen Ausflug nach Alexandria Troas, 
den Ruinen einer Stadt, welche Antigonus, einer der Feld⸗ 
herren Alexanders des Großen, ſeinem Herrn zur Ehre nahe 
der Stelle gegründet hatte, wo die Reede zwiſchen Tenedos und 
der flachen aſiatiſchen Küſte noch heute den größten Flotten einen 
guten Ankerplatz gewährt.! Wir ritten an dem Grabe des 
Patroklus vorbei, von welchem ich mir einen Olzweig mit: 
nahm, längs des öden Sandufers, wo der Pelide um die ſchöne 
Briſeis getrauert, nach dem Vorgebirge Sigeum zu, welches 
hinausſchaut auf das prachtvolle Meer und ſeine Inſeln, die 
rauh umſtarrte Imbros, die thrakiſche Samos? und Tenedos, 
hinter welcher die Flotte der Achäer ſich verbarg. Auf einem 
Hügel, der von Menſchenhänden erbaut ſchien, lag ein griechiſches 
Dorfs, Aya⸗Dimitri, deſſen dicht aneinandergedrängte Häuſer⸗ 
maſſe ein burgartiges Anſehen hat. Obwohl ich wußte, daß 
Pergamus! nicht hier, ſondern landeinwärts gelegen, ſo machte 
es mir Vergnügen, mir vorzuſtellen, daß dies die viel durch⸗ 
wanderte Feſte ſei, und wahrſcheinlich waren auch die von 
Göttern abſtammenden Helden nicht beſſer logiert als in dieſen 


Es iſt die Beſikabai, wo in der Tat beim Krimkriege die engliſche 
und franzöſiſche Flotte und im Jahre 1877 bis 1878 das engliſche Ge— 
ſchwader Platz fand, welches eventuell Konſtantinopel gegen die Ruſſen 
ſchützen ſollte. — 2 Samothrake. — Es ift das Dorf Jenikoei, griechiſch 
Neochori, gemeint, von dem nördlich Hügel und Kapelle des Heiligen 
(Hagios) Demetrios liegen; der Hügel von Jenikoei iſt aber als ein natür— 
licher Felſen erwieſen. — Name der Burg von Troja. 


118 


Lehmhütten. Die Gegend iſt faſt ohne Anbau, junge Kamele 
weiden in dem hohen dürren Graſe, und nur einzeln ſtehende 
Palamuts oder Färbeeichen ſchmücken die Flur. 

Die Sonne ſenkte ſich hinter einem ſchönen Gebirge herab, 
als wir unſer Nachtquartier, ein großes türkiſches Dorf, er— 
reichten. Wir ritten zum Alteſten des Dorfs, welcher uns mit 
der üblichen Gaſtfreiheit empfing: „Akscham scherif ler 
chair olsun“ — „möge dein ‚edler‘ Abend glücklich fein, 
Herr!“ — „Chosch bulduck, sefa geldin“ — „wohl ge 
troffen, willkommen!“ ſagte er, räumte mir ſein Zimmer, ſein 
Lager, ſein Haus ein und reichte mir die Pfeife, welche er ſelbſt 
rauchte. — Es fand an dieſem Tage ein Erdbeben ſtatt. Der 
erſte Stoß war nachmittags empfunden, ich hatte aber zu Pferde 
nichts davon gemerkt, ebenſowenig von der zweiten Repriſe 
abends, wo ich ſchon im feſten Schlaf lag. Gegen Morgen 
aber fühlte ich mich auf meinem Lager geſchüttelt und erwachte 
von dem Klappern aller Fenſter und Türen. In den Darda- 
nellen hatte man die drei Stöße ſehr merklich verſpürt. 

Am folgenden Morgen, nachdem wir durch ein ſchönes Tal 
mit Pappeln, Kaſtanien und Nußbäumen geritten, ſahen wir 
das Fundament der alten Stadtmauer von Alexandria Troas 
vor uns. Es beſtand aus 6 bis 10 Fuß langen, 3, oft 6 Fuß 
mächtigen Steinblöcken und erſtreckte ſich, ſoweit das Auge durch 
das Gebüſch folgen konnte. Wir ritten wohl tauſend Schritt 
auf dieſem Wall entlang und fanden mächtige Steintrümmer, 
Granitſäulen, Gewölbe, die mit ſechsſeitigen Steinen zierlich 
bekleidet geweſen, Trümmer von Architraven und ſchönen Kapı: 
fälern auf der Ebene herumgeſtreut. Plötzlich ſtanden wir vor 
einer mächtigen Ruine, aus rieſenhaften Quadern aufgetürmt. 
Die großen Bogen des ſchönen Portals trotzen allen Erdbeben 
und Jahrhunderten, und es macht einen eigenen wehmütigen 


119 


Eindruck, einen ſolchen Rieſenbau in dieſer ganz menfchenleeren 
Einöde zu finden. 

Die Türken nennen den Ort Eski⸗Stambul, das alte Kon⸗ 
ſtantinopel. Sie benutzen die Sarkophage zu Waſſerkufen, ihre 
Deckel zu Brücken über die Bäche und die Säulenſchäfte zu 
Kugeln für ihre Steinkanonen. 


Guftav Freytag: Ein Dank für Charles Dickens 
Geſchrieben 1870 


n der Weſtminſterabtei iſt die Hülle des Dichters beigeſetzt, 

der ſo reichlich und tief auf ſeine Zeitgenoſſen gewirkt hat 
wie wenige; und die Totenklage in der Preſſe Englands rühmt 
mit Recht, daß der Geſtorbene Millionen das Herz gerührt, 
das Leben ſchöner gemacht habe. Er war uns Deutſchen kaum 
weniger vertraut als ſeinen Landsleuten, er war auch uns ein 
guter Freund, zuweilen ein liebevoller Erzieher. 

Ja er hat in mancher Hinſicht uns mehr gegeben als den Eng⸗ 
ländern. Denn dort iſt die Literatur, welche Charaktere und 
geheimſtes Empfinden der Menſchen darzuſtellen weiß, ungleich 
älter und reicher an volkstümlichen Talenten. Wir entbehren 
aus den Jahrhunderten von Shakeſpeare bis Addiſon nur zu 
ſehr die entſprechenden Dichterkräfte, und ſelbſt die edle Kunſt 
Goethes und Schillers gab der deutſchen Schriftſprache nicht 
ſofort den Reichtum an Farben, und dem ſchillernden Stil nicht 
die behagliche Fülle, welche für die künſtleriſche Behandlung 
des modernen Lebens unentbehrlich ſind. 

Es war in Deutſchland um 1837, wo Bos zuerſt unter uns 
bekannt wurde, eine Zeit froſtigen Mißbehagens. Das Volk 
ſaß noch in der alten Geteiltheit, in engem Hauſe, und arbeitete 
ſich langſam zu größerem Wohlſtand herauf; es merkte ein wenig 


120 


. 


W 


89 


die größere Freiheit des Binnenverkehrs, die neue Dampfkraft 
an Landſtraßen und Fabriken, aber es bildete über den Grund— 
lagen feiner Kraft und Größe noch ohne jedes Selbſtpertrauen. 
Die Gefühle des Hauſes waren ſtark, die Charakterbildung durch 
den Staat ſehr ſchwächlich. Das junge Geſchlecht hatte nichts, 
was ihm Begeiſterung und Hingabe leicht machte, und gebär- 
dete ſich deshalb widerwärtig, krittlig, revolutionär. Die bei- 
miſche äſthetiſche Literatur, dieſe zarteſte Blüte des Volkslebens, 
ſiechte an demſelben Mangel von Wärme. Das letzte Geſchlecht 
deutſcher Lyriker zwiſchen verblaßter Romantik und unreifen 
politiſchen Wünſchen fand reizvoll, in ſein inniges Lied neue 
Mißtöne zu miſchen; wer von den Jüngern die Zeit ſchilderte, 
ſtand in Abhängigkeit von franzöſiſchem Weſen, das er un— 
geſchickt nachahmte; ſtatt zu plaudern, ſchrieb er Klatſch, und 
geärgert durch das Hausbackene höherer Weiblichkeit in ſeiner 
Heimat, quälte er ſich, Pariſer Kokotten und Gräfinnen mit 
ganz unbegreif lichen und ſehr verzwickten Gefühlen zu er— 
denken. 

Da kamen „Die Pickwickier“ in das Land. Man muß jene 
Zeit in gebildeten bürgerlichen Familien durchlebt haben, um die 
ſchöne Wirkung zu begreifen, welche das Buch auf Männer 
und Frauen ausübte. Die fröhliche Auffaſſung des Lebens, das 
unendliche Behagen, der wackere Sinn, welcher hinter der 
drolligen Art hervorleuchtete, waren dem Deutſchen damals 
fo rührend, wie dem Wandrer eine Melodie aus dem Vater— 
hauſe, die unerwartet in ſein Ohr tönt. Und alles war modernes 
Leben, im Grunde alltägliche Wirklichkeit und die eigene Weiſe 
zu empfinden, nur verklärt durch das liebevolle Gemüt eines 
echten Dichters. Hunderttauſenden gab das Buch frohe Stun— 
den, gehobene Stimmung. Jeder bekannte ältliche Herr mit 
einem Bäuchlein wurde von den Frauen des Hauſes als Herr 


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Pickwick aufgefaßt, fogar dem ausgewetterten Droſchkenkutſcher 
kam bei Rückgabe kleiner Münze zugute, daß man ſich ihn als 
Vater eines Sam Weller dachte, knorrig, doch treuherzig. 
Ernſte Geſchäftsmänner, welche ſich ſonſt um Romane wenig 
kümmerten, vergaßen über der Dichtung die Nachtruhe und 
fochten mit Feuer für die Schönheiten des Werkes, junge Damen 
und Herren fanden in der Freude über die Charaktere des Ro⸗ 
mans einander ſehr liebenswert, und wenn Boz alle Kuppel⸗ 
pelzlein hätte auftragen müſſen, die er ſich damals in Deutſch⸗ 
land verdient, er wäre bis an ſein Lebensende einhergewandelt, 
rauh und vermummt wie ein Eskimo. 

Dieſe Wirkung des erſten Werkes, das den Deutſchen über⸗ 
fragen wurde, hielt an, und ſie wurde faft durch jeden der ſpäteren 
Romane bis zu „David Copperfield“ geſteigert. In jedem Band 
fand der Leſer einen oder mehrere Charaktere, die ihm Menſchen⸗ 
natur liebenswert und ehrwürdig machten, und in jedem einige 
gewaltige Schilderungen von Schuld und Strafe, von menſch⸗ 
lichen Torheiten und Laſtern, von dem innern Verderb, den dieſe 
in den Seelen hervorbringen, und von der gerechten Vergeltung, 
welche durch die Miſſetat ſelbſt in die Verbrecher geführt wird. 
Überall kündeten feine Bücher, daß eine ewige Vernunft und 
Weisheit in den Schickſalen der Menſchen ſichtbar wird und 
daß der einzelne nicht nur unter den eigenen Fehlern, auch unter 
der Verbildung ſeines Volkes krankt. Und das war nicht 
trockene Lehre, ſondern nur ſtiller Hintergrund einer Erfindung, 
die an luſtigen Situationen, drolligen Käuzen und ſpannenden 
Momenten faſt überreich iſt. Faſt aus jedem Roman blieben 
rührende oder lebensfriſche Geſtalten feſt in der Seele des Leſers, 
welche ihm unmerklich ſelbſt die innige Auffaſſung alles Leben⸗ 
den, das ihn umgab, und die gute Laune im eigenen Kampf mit 
dem Leben ſteigerten. 


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Denn wer da meint, daß die Traumgebilde eines Dichters 
nur wie flüchtige Schatten durch die Seelen der Leſer gleiten, 
der verkennt die beſte Wirkung der Poeſie. Wie alles, was wir 
erleben, ſo läßt auch alles Wirkſame, das wir gern laſen, ſeinen 
Abdruck in unſerer Seele zurück. Aus der Sprache des Dich— 
ters geht in unſere über, ſeine Gedanken werden unſer Eigentum, 
auch der Humor lebt in uns fort, er färbt immer wieder unſere 
Betrachtung der Menſchen und erhöht uns zu heiterer Freiheit, 
ſooft die empfangene Stimmung in uns lebendig wird. Sehr 
ernſt iſt unſer Leben zwiſchen deutſchen Wintern und Sommern, 
vielen wird es ein ſchwerer Kampf, leicht wird unſere Hingabe 
in einem engen Kreis von Standesintereſſen beſchränkt. Da 
iſt uns die Mahnung an eine ewige Vernunft der Dinge, die 
Vorführung anderer Lebenskreiſe, vor allem ein fröhliches Herz, 
das aus der Iberfülle feiner warmen Empfindung Freude mit⸗ 
feil£, faſt unentbehrlich. Solche bildende Gewalt über die Zeit— 
genoſſen erhält freilich nur der wahre Dichter, der aus dem 
vollen gibt und wie mühelos ſeine Schätze ſpendet. Und er 
bildet am kräftigſten an der Jugend und an denen, die verhältnis— 
mäßig wenig leſen. 

Daß dieſe kräftige Einwirkung des engliſchen Dichters uns 
Deutſchen gerade in den Jahren half, wo die eigene ſchöpferiſche 
Kraft ſchwach, das nationale Leben krank, das Einſtrömen der 
franzöſiſchen Oppoſitionsliteratur, ſozialiſtiſcher Ideen und 
frecher Hetärengeſchichten übermächtig zu werden drohte, das 
ift ſehr vielen der jetzt tätigen Generation ein Segen geworden, 
für den wir dem Toten recht innigen Dank ſchulden. 

Er hat darum auch einen politiſchen Einfluß geübt, den wir 
wohl zu würdigen wiſſen und dem die Engländer Anerkennung 
zollen mögen. Vornehmlich durch ihn wurde uns engliſches 
Weſen heimiſch und vertraulich in Jahren, wo uns die eng— 


232 
123 


liſchen Politiker keineswegs freundlichen Anteil bewieſen. Frei⸗ 
lich leitete nicht er allein dieſe geheime Miſſion zugunſten einer 
politiſchen Annäherung. Viele bedeutende Dichter Englands 
ſind auch die unſeren geworden: Shakeſpeare, Walter Scott, 
Byron, noch kurz vor ihm und neben ihm war Bulwer in der⸗ 
ſelben Richtung ſehr tätig. Aber ſeit ſeinem Auftreten darf 
doch er den größten Anteil an ſolchem Liebeswerk beanſpruchen. 
Sein London hat er uns ſo nahe gelegt, daß wir zuweilen beſſer 
darin Beſcheid wiſſen, auch wenn wir nie dort waren, als der 
Sũddeutſche in Berlin, der Rheinländer in Wien. Dieſe ſchlauen 
Taſchendiebe und das Stäbchen der hilfreichen Konſtabler, Ver⸗ 
kehr und Schrecken der Themſe, die unübertreff liche Schlauheit 
der Entdeckungsbeamten! Durch ihn kennen wir freilich auch 
genau gewiſſe ſoziale Leiden der Vettern von drüben: die Heuchelei, 
die Vornehmtuerei, die unbehilfliche Rechtspflege. Aber das 
Licht iſt in den beſten ſeiner Romane ſo hell und kräftig über 
die Schatten geſetzt, daß die Summa der Eindrücke, die er uns 
gibt, doch ſtarke gemütliche Annäherung an ſein Volk und Land 
hervorbringt. Jedem Engländer, der als Gaſt in unſere Fa⸗ 
milien trat, wurde ein Willkommen wie einem guten Bekannten, 
er war uns ein Neffe des Herrn Pickwick, der liebe arme Pinch, 
einer von den Gebrüdern Wohlgemuth, oder gar bei ſtruppigem 
Haar der treue Trawles, und wenn der Deutſche noch heute 
geneigt iſt, jeden vorgeſtellten Engländer als einen guten und 
tüchtigen Kerl zu achten, vielleicht ſteif, aber von ſehr tiefem 
Gemüt, wahrhaft, zuverläſſig, treu, fo iſt dieſe poetiſche Aluf- 
faſſung zum großen Teil daher zu erklären, daß der Fremde ein 
Landsmann von Charles Dickens iſt. 

Aber ſolche Anſchauungen, aus den Büchern eines Dichters 
gezogen: welchen Anſpruch auf Wahrheit und Wert vermögen 
ſie gegenüber realer Wirklichkeit zu erheben? Wer zweifelnd 


124 


jo frägt, dem fei zur Antwort eine andere Frage geſtellt: aus 
welchem Schrein entnehmen wir denn ein beſſeres Urteil über 
fremde Menſchen und Verhältniſſe? Iſt das Urteil über neue 
Bekannte, das wir aus der Form ihrer Naſe, dem Ton ihrer 
Stimme, aus Außerungen einer Stunde abziehen, genauer und 
zuverläſſiger? Iſt die Anſicht, die ſich der Mann der Geſchäfte 
nach Hörenſagen, zum Teil aus ſchlechtem Geſchwätz über andere 
bilden muß, in der Regel ſicherer? Ja, find ſelbſt ſorgfältige 
Beſchreibungen eines Lebens, einer Gegend, die Daguerreotypen 
der Wirklichkeit, in der Hauptſache belehrender als die poetiſche 
Wahrheit des Dichters, der das Vorrecht ſeines Handwerks 
zu gebrauchen verſteht: auf wenig Seiten mehr von den innerſten 
Geheimniſſen der Menſchennatur auszuplaudern, als der Philo- 
log, Hiſtoriker und Naturforſcher in vielen Bänden darzuſtellen 
imſtande ſind? Was er uns gibt, das mag in allen Einzelheiten 
ganz anders erſcheinen, als es in Wirklichkeit ausſieht. In der 
Hauptſache hat doch er, und nur er die höchſte Wahrheit ge— 
funden, welche dem Menſchen darzuſtellen verſtattet iſt. Er 
hat die ungeheuere, furchtbare, unverſtändliche Welt ins 
Menſchliche umgedeutet nach den Bedürfniſſen eines edlen und 
ſehnſuchtsvollen Gemütes. 

Jetzt ſind wir betroffen, weil der Dichter, der ſo reich und 
machtvoll über den Geheinmiſſen des Erdenlebens waltete, ſelbſt 
das eigene Leben dem alten Zwang des Todes hingeben mußte. 
Aber der Tod, der ihn entzog, vermochte dennoch nichts von 
dem Leben zu nehmen, welches Charles Dickens unvergänglich 
in Millionen fortlebt. Und das iſt der erhebende Humor beim 
Tode dieſes guten Dichters. 


a 


Charles Dickens: Brief an Heinrich Künzel 
Broadſtairs, Kent. Montag, den 13. September 1847 


I verehrter Herr! Ich würde Ihren Brief ſofort be- 
0 antwortet haben; aber ich verbringe den Herbſt ſtets 
in dieſem Teile Englands und erhielt ihn daher erſt geſtern. 
Nehmen Sie meinen beſten Dank für Ihren liebenswürdigen 
Brief und verſichern Sie dem Herrn, der ſich in der durch Sie 
übermittelten Anlage ſo freundlich und ſchmeichelhaft meiner 
erinnert, daß ich ihm ſehr verbunden bin und mich durch ſeine 
Anerkennung geehrt fühle. Was kann ich Ihnen hinſichtlich 
der „Britannia“ ſagen? Daß ich die beſten Wünſche für Sie 
hege und daß meine herzliche Sympathie und mein Intereſſe 
mit Ihnen iſt? Sie wiſſen es ja ſchon. 

Glauben Sie mir, mein verehrter Herr, ich kann ohne jede 
Schmeichelei ſagen, daß nächſt der Gunſt und guten Meinung 
meiner eigenen Landsleute ich die Achtung des deutſchen Vol⸗ 
kes über alle Maßen hochſchätze. Ich verehre und bewundere 
es mehr, als ich ausdrücken kann. Ich weiß, daß es mit ſeinen 
großen geiſtigen Fähigkeiten und der Höhe ſeiner Kultur das 
auserwählte Volk der Erde iſt; und niemals war ich ſtolzer und 
glücklicher, als da ich zum erſtenmal hörte, daß meine Werke 
vor ſeinen Augen Gnade gefunden hatten. Nichts, was die eng⸗ 
liſche Literatur mit Deutſchland verbindet, kann mir gleichgül⸗ 
fig fein. Das Ziel Ihrer neuen Zeitſchrift iſt mein Ziel und das 
jedes Engländers, der Intereſſe hat und Freude empfindet an 
dem Fortſchritt des menſchlichen Geiſtes. Gott fördere ihn und 
Sie! Ich wünſchte bei Gott, Deutſch ſprechen zu können, und 
wäre es noch ſo ſchlecht. Könnte ich es, ſo würde ich in ſechs 
Monaten Ihr Mitarbeiter ſein. Ich bin, mein verehrter Herr, 

Ihr ſtets ſehr ergebener Charles Dickens. 


126 


Richard Dehmel: Gebet um Erleuchtung 


Nach einer Chormelodie von Mozart aus der „Zauberflöte“ 


Getragen 


Tenor I. II 


Licht = geift 


hilf uns 


Him mel ſehn wir of -fen, doch ach ver:ſchlei - ert 


er, 4 n | 
— — — — 


find uns dei = ne Zie = le; du biſt nur ei=ner, 


von dei - ner Spur, fremd, fremd, 


| | | | | — 
5 S 
RI 22 ——ñ— 2 


fremd, im mer ein- ner vom an dern ge- hemmt, 


ze ten TE — 
Be hc. Sr 
X — — — 
e — . —— 
— — — ß. ——— 


N Be 
— — — 
. — — — . Br — — - 


ſtevts voll Wahn, möchten gern ein = an = der 


nahn; hilf uns, je -den Schritt zu weihn, E- wi - 
I. Baß hervortretend 


? — u en a 
—4 74 = — = — — . — 
8 2 2 er, A — 
— Bert . 
7 7 
dei » nem Werk als lein! 
— — 2 
| N N Lo) 
— === 
— — — 8 I ———— 


Gedichtet zu einer Gedenkfeier für Alfred Lichtwark 


Hugo von Hofmannsthal: 


Worte zum Gedächtnis des Prinzen Eugen 
(Geſchrieben am Tage der Räumung Belgrads) 

Wenn wir das Andenken großer Männer feiern, fo ge: 
ſchieht es, um uns mit großen Gedanken vertraut zu machen, 
zu verbannen, was zerknirſcht, was den Aufflug lähmen 
kann. Güterverluft läßt ſich erfegen, über andern Verluſt 
trõſtet die Zeit; nur ein Übel iſt unheilbar: wenn der Menſch 
ſich ſelbſt aufgibt. 

Johannes v. Müllers Rede auf Friedrich den Großen. 

roßen Schwierigkeiten muß das Gemüt, wenn es ſich nicht 

ſelber verlieren will, neuen und immer neuen Aufſchwung 
entgegenſetzen; die Kraft hiezu kann ihm nur der Geiſt verleihen. 
Wenn das Geſchehen übermächtig und furchtbar wird und wie 
ein Gewölk über dem Meere ſich aus dunklen Tiefen unabläffig 
erneuert, das mit Opfern Errungene zeitweilig wieder dahinfällt, 
unſägliche Anſtrengung vergeudet erſcheint, wiſſen wir nicht aus 
noch ein. Unſer Geiſt ſchweift angſtvoll umher nach einem Sinn 
ſolchen Geſchehens; auch über das Härteſte könnte er ſich be— 
ruhigen, wo er die höhere Notwendigkeit erkennte. Die Gewalt 
aber, die ſcheinbar gleichgültig über alle hinſchreitet, iſt zu 
ſtark für unſere Faſſung; wahllos ſehen wir ſie die Einzelnen 
zu Tauſenden und Tauſenden vernichten, da müſſen wir uns 
ſelber, die wir Einzelne ſind, bis zur Vernichtung gedemütigt 
fühlen. Die Liebe ſelbſt, in der wir erſt wahrhaft leben, wird 
von einem unbegreiflichen Gedanken ins Herz zurückgeängſtet, 
ſie getraut ſich nicht mehr, an dem Einzelnen zu haften, und doch 
behauptet ſich auch in einer ſolchen Lage das Tiefſte unſerer 
Natur, ein großes Wort vermag uns für Augenblicke aufzu— 
richten, die Erzählung einer herrlichen Tat ſetzt alle unſere Kräfte 
in Bewegung. Nie ſind wir würdiger als in dieſer Verfaſſung, 
unſere Gedanken auf einen großen Mann zu richten. 


130 


Jetzt ſteht uns die Gewalt vor Augen, gegen die er ſich zu 
behaupten hatte; wie er gerungen und womit er gerungen, wovon 
in gewöhnlichen Verhältniſſen wir auch nicht die Vorſtellung 
auf bringen, jetzt tritt es uns vor die Seele. Die Vergangenheit 
erſcheint nicht als ein abgeſchloſſenes, friedlich daliegendes Bild, 
wir erkennen ſie in ſteter furchtbarer Bewegung wie unſere eigene 
Zeit, und das Leben der Völker enthüllt ſich uns als ein unab— 
läſſiges Gegeneinander; nur in welchem Verhältnis ſie als 
Gegner antreten und ſich verbünden, wechſelt. Wir ſehen eine 
große, für ein Vierteljahrtauſend entſcheidende Epoche, Europa 
in Brand, und die Linie des Kampfes gezogen von Lille bis 
Belgrad, wie heute; aus dieſen Kämpfen, erfahren wir, wird 
unſer Oſterreich geboren. Wir ſehen nicht, daß es geſchehen konnte, 
nur daß es geſchah; wir erkennen nirgend den vorgezeichneten 
Weg, nur daß immer alles unſicher, zerfahren und bedrohlich 
war, und daß einer es war, der das Mögliche ſchuf, wo keinem 
ſtumpferen Blick ein Mögliches vorher erſchienen wäre; da wird 
unſere Bruſt frei, wir fühlen, was ein Menſch vermag, die 
Gewalt des Geiſtes hebt uns empor, wir vermögen eines 
Menſchen Großheit zu erkennen und müſſen ihn unbedingt 
lieben; ſo ſtehen die heutigen Preußen zu ihrem Friedrich, ſo 
wir Oſterreicher zu dem größten Oſterreicher, zu Eugen von 
Savoyen. 

Zwiſchen ihm und uns liegt freilich ein Vierteljahrtauſend; 
aber was ſoll uns dieſer Schein? Der Materie iſt auch der 
eben verfloſſene Augenblick unwiederbringlich dahin, ihrem 
dumpfen Reich müſſen wir das ungeiſtige Walten vieler zu— 
rechnen, die noch vor Dezennien, vor wenigen Jahren, Lebende 
waren: der Geiſt kennt nichts als Gegenwart. Dem Geiſte nach 
iſt Prinz Eugen ein Lebender unter uns, ſeine Taten erneuern 
fi) in dieſen Kriegstaten unſeres Geſchlechtes, und feine unver: 


131 


weslichen Gedanken find das einzige politiſche Arkauum in 
einer ungewiſſen, zukunftsſchwangeren Gegenwart. Die 
ſchöpferiſche Gewalt eines ſolchen Mannes iſt ohne Grenzen, 
und ihren Wirkungen hat es nichts an, ob Generationen dahin⸗ 
gehen, die nicht fähig ſind zu erkennen, wer die Fundamente 
legte, auf denen der Umkreis ihres Daſeins ruht. Aber wenn 
ſich die große Kriſe der Weltgeſchichte erneuert, wenn in ſchweren 
Stunden das Gemüt der Denkenden mit Entſchiedenheit ver⸗ 
langt, hinter dem Unzulänglichen, das als halbvergangenes Ge- 
ſchehen ſich ſchwer auf die Seele legt, ein Höheres zu erkennen, 
dem es den Zoll unbedingter Ehrfurcht entrichten kann, wenn 
das Verworrene und kaum zu Entwirrende, die Zerfahrenheit 
und die wechſelſeitige Verſchuldung durch einen Strahl aus 
höheren Welten geſpalten werden muß, ſollen wir dem Druck 
der Gegenwart ſtandhalten —, fo tritt die Geſtalt dieſes Heros 
aus dem ehrwürdigen Dunkel, und Staunen durchfährt uns: 
jedes Atom an ihr iſt lebendig. 

Oſterreich iſt das Reich des Friedens, und es wurde in Kämpfen 
geboren; es iſt feine Schickung, daß es Gegenfäße ausgleiche, 
und es muß ſich in Kämpfen behaupten und erneuen. Der Mann, 
der dieſen Staat aus dem Chaos in die Welt des Geſtalteten 
zu rufen hatte, mußte ein großer Feldherr ſein und zugleich der 
höchſten Staatskunſt mächtig. So war Eugen: ein gewaltiges 
Jahrhundert hatte ihn geboren: unter den rieſigen Söhnen jener 
Zeit, Richelieu, Wallenſtein, Kurfürſt Friedrich Wilhelm von 
Brandenburg, Wilhelm von Oranien, hebt ſich auch ſeine Ge— 
ſtalt empor; in der unerſchütterlichen Folge ſeiner Entſchlüſſe 
und der Gewalt, ſie auszuführen, weicht er ihrer keinem, noch 
auch in der fortwirkenden Jahrhunderte durchdauernden Groß⸗ 
heit des Erreichten; durch die Reinheit und Redlichkeit ſeines 
Gemütes, den Reichtum und die Anmut ſeines Geiſtes bei ſo 


132 


gewaltigem Tun iſt er unſerem Herzen lebendiger und näher als 
irgendeiner jener anderen. 

Aus fremdem Land rief ihn ſein Geſchick hieher, ſo rief ein 
Jahrhundert ſpäter Frankreichs Geſchick Napoleon von ſeiner 
JInſel. Er war ein Fürſtenſohn und hatte über dieſem eine fürft- 
liche Seele; es war ihm eingeboren, daß er nur dem Herrn dienen 
konnte, der ihm das Höchſte verkörperte. So kam er hieher und 
diente dem Kaiſer und dem Reich. Er kam aus der Fremde, er 
hat die deutſche Sprache nie beherrſchen gelernt, und er wurde 
ein deutſcher Nationalheld; allezeit und auf allen Schlacht⸗ 
feldern Europas haben Deutſche unter ihm gefochten; die ver: 
brannte Pfalz und das verwüſtete unterrheiniſche Land hat er 
gerächt; Straßburg und Metz gewann er wieder, wo nicht die 
ſittlichen Kräfte - mehr als die kriegeriſchen — des erniedrigten, 
zerſpaltenen Deutſchland ihm verſagten. Wien war des 
Römiſchen Kaiſers Reſidenz; fo kam Eugen nach Dfterreich, ſich 
ſein Geſchick zu ſuchen, und er ſchuf unſer Geſchick. Das Ent— 
ſcheidende lag in ihm; die Mittel, die Gelegenheiten bot das Glück. 
Ein Reiterkommando und eine große Epoche, dies war, was ihm 
gegeben war. Vor Wien lagen die Türken; Ungarn war ihr 
Land, die Erblande ſchutzlos. Von Weſten her drohte ein Frank— 
reich, wie es kühner, übergreifender nur einmal wieder dage- 
ſtanden hat; nur ob er für ſein Haupt oder für das des Dauphin 
die Rö miſche Kaiſerkrene verlangen werde, war Ludwig XIV. 
im Schwanken; nicht über die Geſtalt, die er Europa zu geben 
gewillt war. Ungarn und Polen waren zu vereinigen; an ihrer 
Spitze eine Herrſchaft des Adels, ein gemeinſamer Reichsrat 
oder ein König, ein vaſalliſches Werkzeug von Frankreichs 
Thron, dieſer wie jener. Tirol kam an die Schweizer Eidge— 
noſſen zur Bildung einer „granitnen Neutralitätswand“, öfter: 
reichiſchen Heeren den Weg nach Italien zu verſchließen. Beide 


133 


Sizilien an Frankreich, die Barbareskenſtaaten zerſtört und 
koloniſiert, Agypten franzöſiſche Provinz. Wer denkt nicht bei 
einer ſo gewaltigen durchgreifenden Politik, bei dieſer größten 
und ausſichtsreichſten Bedrohung, welcher das Herz Europas 
jemals ausgeſetzt war, an den heutigen Tag und erkennt die 
Staaten als ein Lebendiges und ihren Machtwillen als das 
Leben ihres Lebens? In dieſe Konſtellation tritt ein großer Mann 
und gibt der Landkarte Europas für ein Jahrhundert eine ge⸗ 
naue Zeichnung, für ein Vierteljahrtauſend uns die geren 
linien des politiſchen Beſtehens. 

Mit neunundzwanzig Jahren iſt Eugen von Saboyen 
kaiſerlicher Feldmarſchall. Er ſchlägt ſieben Hauptſchlachten 
der Weltgeſchichte; durch die Siege von Zenta, Peterwardein, 
Belgrad nimmt er den Türken für ewige Zeiten Ungarn ab; 
bei Höchſtädt gewinnt er Bayern und Deutſchland, bei Turin 
das obere Italien, durch Oudenarde und Malplaquet die Mieder⸗ 
lande. Er iſt der große Stratege ſeiner Zeit, der anerkannte 
Lehrer Friedrichs des Großen; einer der ſieben Feldherren aller 
Jahrhunderte, deren Heereszüge Napoleon des Studiums der 
Nachwelt wert hielt. Keine Trägheit des Vorſtellungsver⸗ 
mögens darf uns verführen, die Schlachten jenes höchſt kriege— 
riſchen Jahrhunderts um der geringeren Zahl der Streitkräfte 
und des minder ausgebildeten Geſchützes willen für leichter zu 
löſende Aufgaben zu halten, als es die heutigen Schlachten ſind. 
In jeder Epoche drängt ſich in ſolche Entſcheidungen das Höchſte 
an Forderungen zuſammen, die an Menſchen geſtellt werden 
können. Immer gleich bliebe, wenn fie errechenbar wäre, die ge: 
heimnisvolle Kurve, in der ſich das Verhältnis des ſchöpferiſchen 
Geiſtes zu den jeweils erlernbaren handwerksmäßigen Be⸗ 
dingungen und Umſtänden des Krieges ausſpräche, und immer 
gleich ſelten und koſtbar bleibt die Erſcheinung des großen Heer⸗ 


134 


führers. Eugens Schlachten zählen zu den blutigſten jener 
blutigen Epoche, feine Märſche zu den erſtaunlichſten, feine Ent⸗ 
ſchließungen in ſchwieriger Lage zu den kühnſten und erfolg— 
reichſten, welche die Kriegsgeſchichte kennt. Jede ſeiner kriege— 
riſchen Großtaten trägt den Stempel eines großen, wahrhaft 
urſprünglichen Geiſtes: der ſeinen Zeitgenoſſen kaum faßliche 
Alpenübergang bei Rovereto mit Reiterei und Geſchütz, indes 
der Feind ihn am Ausgang der Veroneſer Klauſe erwartet; bei 
Chiari das Herankommenlaſſen des überlegenen Feindes bis dicht 
an die Laufgräben; bei Höchſtädt der Bachübergang in vollem 
feindlichen Feuer; bei Malplaquet die unerhörte Wucht des 
entſcheidenden Stoßes; bei Zenta das Erreichen des Feindes im 
Augenblick des Überſchreitens der Theiß; der Handſtreich von 
Cremona, und endlich Belgrad, die Tat aller Taten, wo der 
Belagernde, mit ſeinem durch Seuchen entkräfteten Heer vom 
überlegenen Entſatzheer umringt, ſelber zum Belagerten ge— 
worden, aus einer Lage, die jeder kleinen Seele hoffnungslos 
erſchienen wäre, durch nichts als die Schwungkraft des Genius 
ſich herausreißt, gegen ſechsfache Ubermacht nach zwei Fronten 
ſchlägt und zugleich den Beſitz der Feſte und den größten Sieg 
in offener Feldſchlacht davonträgt. Mit dieſem aber wird nur 
von einzelnen berühmteſten Taten einzelnes angemerkt; wie wäre 
es möglich, in Verfolg einer bloßen Rede, die an Großes er— 
innern, nicht es darſtellen will, mehr als die Namen jener ruhm⸗ 
vollen Schlachten einzuflechten? Ruhnwoll, ſie waren es, und 
Kindern gleich tragen ſie die Zeichen des väterlichen Geiſtes an 
der Stirn. Und dennoch iſt eines größer und ſeltener noch als 
die Feldherrntugend, mit der er vierundzwanzig Schlachten 
ſchlug: daß er die Weisheit hatte, die Schlacht und den Sieg 
einzig nur als ein Werkzeug politiſchen Vollbringens anzuſehen 
und zu nützen. Es gibt ſolche unter ſeinen kriegeriſchen Aktionen, 


135 


ja vielleicht find es die mehreren, von welchen man nicht weiß, 
ob man ſie mit mehr Recht zu den Kunſtwerken der Strategie 
oder der hohen Politik rechnen ſoll. So war der Einfall von 
Italien aus in die Provence, ſo der ganze niederländiſche Feld— 
zug. Der Krieg iſt das Werk der Zerſtörung; aber ſeine größten 
Meiſter find über ihrem Werk; Alexander, Hannibal, Cäſar, 
Guſtav Adolf, Friedrich, Eugen waren ſchöpferiſche Politiker 
über dem, daß ſie große Feldherren waren. Eugen, der große 
Meiſter des Krieges, war der mäßigſte und wirkſamſte Unter⸗ 
händler des Friedens. Er ſchuf Bündniſſe und wußte die Alli— 
anzen der Gegner zu fprengen. In einer Zeit der verſchlagenen 
Kabinettspolitik ruhte in ſeinen Händen die diplomatiſche Vor⸗ 
bereitung der großen, auf weite Ziele eingeſtellten Aktionen. Wir 
haben ſeine Memoiren, feine Noten und Briefe. Mit der höchſten 
Klarheit iſt darin die verworrene Gegenwart behandelt, mit der 
höchſten Vorausſicht — ſeltenſte Gabe, und gar in Oſterreich! — 
die Zukunft. Aus dem unabſehbaren Material ſeiner politiſchen 
Korreſpondenz blickt uns ein Auge an, fo feurig, fo menſchlich, 
ſo nahe, ſo gegenwärtig! Alles, wovon er redet, iſt von heute. 
Denn was er redet, iſt Geiſt, und was der Geiſt ergreift, bleibt 
lebendig, denn er ergreift nur das Weſentliche. Wie aber wäre 
es möglich, hier ſein geiſtiges Walten aufzurufen, wo auf alles 
bloß hingedeutet werden kann! Er erobert, und wo er erobert, 
dort ſichert er; er gewinnt Provinzen mit dem Schwerte zurück 
und gewinnt fie auch wirklich. Unverſehens blühen ihm unter 
ſchöpferiſchen Händen und überall aus kriegeriſchen Taten die 
Werke des Friedens hervor. Hinter ſeinem Heer geht der Pflug 
und im Walde die Axt des Koloniften. Er befiedelt das ver: 
ödete Kroatien, Syrmien, das Banat. Die Warasdiner Grenzer, 
die Banater Schwaben ſind von ihm angepflanzt. Er rodet 
Dickicht aus, er legt Sümpfe trocken, er baut Straßen und 


136 


Brücken. Sein Feldherruſtab, das Symbol der zerftörenden 
Kriegsherrſchaft, befruchtet die Länder und weckt das erſtarrte 
Leben auf. Er unterwirft und verſöhnt, er vereint und leitet. 
Dies Heer, in dem zum erſtenmal die Ungarn mit Oſterreichern 
Seite an Seite fechten, iſt das Werk ſeiner großen Seele. Er 
gründet, wo er hinkommt, und was er gründet, hat Beſtand. 
Trieſt iſt fein Werk. Er baut, er ſchmückt, er veredelt, er be- 
ſchenkt. 

Was von ihm getan wurde, hier wäre es dürftig aufgezählt, 
aber dies ſind nur Worte, die Schattenbilder der Taten. Den 
gedachten Grundriß ſeiner Taten zu entwerfen, ſchon dazu hätte 
es einer großen Seele bedurft was aber gehörte dazu, fie wirk⸗ 
lich zu tun? Iſt etwas in uns, das ſich aufſchwingen kann, 
dieſem Gedanken nachzukommen? Wir fürchten, nein; denn 
die Tat iſt undurchdringlich, wahrnehmbar nur die Folge, das 
Geſchehene. Aber großen Taten nachzudenken, iſt dennoch frucht— 
bar, und ein Etwas bringen wir davon in unſere Seele, wenn 
wir uns mühen, und gewinnen Mut und eine unzerſtörbare 
Ahnung des Höheren. Ein Heer zu führen und immer wieder zu 
führen, wie er es führte, zu Schlachten und neuen Schlachten, 
Belagerungen und neuen Belagerungen, zweiundfünfzig Jahre 
lang. Es heraufzuführen von der Save in die Lombardei und 
wieder zurück durch Tirol nach Bayern und an den Rhein und 
wiederum hinab ins Banat und wieder herauf nach Flandern. 
Und dreizehnmal verwundet hinzuſinken und wieder aufs Pferd, 
wieder ins Zelt, wieder in den Laufgraben. Und fein Adler⸗ 
blick über alle dieſe Dinge, über das Heer und den Troß und 
die Artillerie und das Gelände und den Feind. Und ſein 
winziges Stoßgebet vor dem Beginn der Aktion, dieſes ſein 
„Mon Dieu!“ mi£ einem Blick zum Himmel, und dann das 
Zeichen „Avancez!“ mit einer einzigen kleinen Bewegung ſeiner 


137 


Hand. Er, der fo viel von den Leiden des Krieges wußte! Von 
den zerſchmetterten Leibern, dem Webgeſchrei der Verwundeten, 
dem furchtbaren Geruch des Schlachtfeldes, den Qualen der 
Packknechte, den Seuchen, den brennenden Dörfern, den greu- 
lichen Kämpfen in den Approchen, den Brandgranaten, dem 
Hunger, der Näſſe. Dies alles immer wieder nach vorne zu be— 
wegen, durch die einzige Kraft ſeines Willens. Und es am Leben 
zu erhalten, es mit Lebenskraft zu durchſetzen, es zu entlohnen, 
es zu nähren, es mit ſeinem Geiſt zu durchdringen, zweiund⸗ 
fünfzig Jahre lang. Welche Arbeit des Herkules! Und der un⸗ 
abſehbare beſtändige Kampf nach rückwärts hin, gegen die Miß⸗ 
gunſt, den Neid, die Torheit, die Unredlichkeit. Dies unabſeh⸗ 
bare Durchgreifen⸗Müſſen, der Kampf gegen die Anciennität, 
„dieſe Mutter der Eiferſucht, des Eigenſinns und der Kabale“; 
der Kampf ohne Raſt und ohne Ende gegen den amtlichen Dünkel, 
die Intrige, die dumme Verleumdung, die geiſtreiche Nieder⸗ 
tracht. Eine Welt von Feinden vor ihm; welch eine Welt aber 
hinter ihm: aus einer Wurzel entſproſſen, dem öſterreichiſchen 
Erbübel, aber in tauſend Schößlingen auftreibend; die Wurzel 
immer die gleiche Trägheit der Seele, dumpfe Gedankenloſigkeit, 
die geringe Schärfe des Pflichtgefühles, die Flucht aus dem 
Widrigen in die Zerſtreuung, nicht Schlechtigkeit zumeiſt, aber 
ein ſchlimmeres, verhaßteres Übel, einer ſchweren dumpfen Leib⸗ 
lichkeit entſprungen — im Kampf mit dieſem allen bis ans Ende 
und nie ermüdet, und Sieger und Schöpfer, Organiſator der 
widerſpenſtigſten Materie — ein Menſch, ein großer, guter 
Menſch, und in ihm verborgen das Geheimnis aller Geheimniſſe: 
ſchöpferiſche Natur. Unverfiegbar in ihm iſt die Liebe zu dieſem 
Oſterreich und in dieſer Liebe der feſte Punkt, von dem aus er 
die Welt aus den Angeln hob; und die Krone von Polen, der 
Herzogsmantel von Mantua zurückgewieſen aus dieſer Liebe 


138 


heraus. Eine fürftliche Seele, die in der Welt geſucht hatte, 
wem ſie dienen könne, und die dann diente bis ans Ende. 

Es iſt alles, im großen, ſo verblieben, wie er es hinter ſich 
ließ, denn die Staaten verändern nicht ihr Weſen, und zwei 
Jahrhunderte ſind eine geringe Zeit in der Geſchichte. Jung, 
rein und unverſehrt ſind heute noch die Völker, wie er ſie mit 
dem Goldband ſeiner Taten zuſammenband. Lange waren die 
Herzen von dumpfen, ſtockenden Zeiten gequält bis zum Ver⸗ 
zagen, nun ſind ſie betäubt vom ungeheuerlichen Geſchehenen; 
aber unerſchöpfliche Hoffnung geht ihnen allen aus von dieſer 
einen Geſtalt: Eugen. Dies Oſterreich iſt ein Gebilde des Geiſtes, 
und immer wieder will eine neidiſche Gewalt es zurückreißen 
ins Chaos; unſäglich viel aber vermag ein Mann, und immer 
wieder, im gemeſſenen Abſtand, ruft ja die Vorſehung den Mann 
herbei, von dem das Gewaltige verlangt wird und der dem Ge— 
waltigen gewachſen iſt. 


Ferdinand Freiligrath: Prinz Eugen, der edle 
Ritter 
elte, Poſten, Werda⸗Rufer! 

3 Luſtge Nacht am Donauufer! 

Pferde ſtehn im Kreis umher 

Angebunden an den Pflöcken; 

An den engen Sattelböcken 

Hangen Karabiner ſchwer. 


Um das Feuer auf der Erde, 

Vor den Hufen ſeiner Pferde 
Liegt das öſtreichſche Pikett. 

Auf dem Mantel liegt ein jeder; 
Von den Tſchakos weht die Feder, 
Leutnant würfelt und Kornett. 


139 


140 


Neben ſeinem müden Schecken 
Ruht auf einer wollnen Decken 
Der Trompeter ganz allein: 

„Laßt die Knöchel, laßt die Karten! 
Kaiſerliche Feldſtandarten 

Wird ein Reiterlied erfreun! 


Vor acht Tagen die Affäre 

Hab ich, zu Nutz dem ganzen Heere, 
In gehörgen Reim gebracht; 
Selber auch geſetzt die Noten. 
Drum, ihr Weißen und ihr Roten! 
Merket auf und gebet acht!“ 


Und er ſingt die neue Weiſe 
Einmal, zweimal, dreimal leiſe 
Denen Reitersleuten vor; 


Und wie er zum letzten Male 
Endet, bricht mit einem Male 
Los der volle, kräftge Chor: 


„Prinz Eugen, der edle Ritter!“ 

Hei, das klang wie Ungewitter 

Weit ins Türkenlager hin. 

Der Trompeter tät den Schnurrbart ſtreichen 
Und ſich auf die Seite ſchleichen 

Zu der Marketenderin. 


Wilhelm Cahn: Viktor Hugos Rückkehr 
nach Paris 

5. September 1870 
Ich war bei Doktor Otterburg zum Diner; bei Tiſche ſagke 
Ah er: „Ich habe Ihnen heute etwas Beſonderes zu bieten. 
Viktor Hugo trifft mit dem Neunuhrzug am Nordbahnhof ein 
— nach neunzehnjähriger Verbannung! Der Empfang wird 
großartig fein. Ich habe ein laissez-passer für den Perron, und 

in einer Stunde, wenn es Ihnen recht iſt, fahren wir hin!“ 
Wir plauderten noch ein Stündchen bei Kaffee und treffli— 
cher Londres und fuhren dann nach dem Bahnhof. In die Rue 
Dunkerque einzufahren war nicht möglich. Durch Seitengäß⸗ 
chen gelangten wir zu einem Nebeneingang des Bahnhofs, lie⸗ 
ßen den Wagen halten und gingen nach der Wartehalle, wo 
der Zug ſchon angezeigt war. Um ſich die Zeit zu vertreiben, 
ſang die Menge draußen die „Marſeillaiſe“. Man ſparte auch 
nicht zur Abwechſlung mit dem Rufe: „Vive la rẽpublique!“; 
ſie war ja noch ſo jung, die Republik, und es trug unſtreitig zu 

ihrer Kräftigung bei, wenn man ſie recht oft hochleben ließ. 
Gegen halb zehn Uhr ein langer Pfiff der Lokomotive, der 


141 


Zug läuft ein. Ein immenſer Schrei: „Vive la république!“ 
und zugleich ein Drängen und Stoßen nach den Eiſenbahnwa⸗ 
gen. Im Nu bin ich von Doktor Otterburgs Seite geriſſen und 
nach einem Coupe geſchoben, aus deſſen Fenſter ein friſches, 
weißbärtiges Geſicht herausſchaut und zwei die Menge grü- 
ßende Hände ſichtbar werden. Es iſt Viktor Hugo! „C'est lui, 
c'est lui!“ ruft es um mich herum, und „Vive la république, 
vive Hugo!“ ſchallt der tauſendſtimmige Ruf des in die Halle 
einbrechenden Volkes. Das Gedränge wird bedenklich. Einige 
Freunde, die ſich raſch um Viktor Hugo ſcharen, bringen ihn 
nur mit Mühe vorwärts; endlich iſt man an der vor dem Bahn⸗ 
hofe haltenden Equipage ſeines Sohnes Charles angelangt, aber 
die Menge keilt ſich dazwiſchen ein — fie will ihn ſehen, den Dich⸗ 
ter, den Märtyrer, ſie will ihn reden hören! Man bringt ihn 
in das gegenüberliegende Kaffeehaus, auf deſſen Terraſſe er nach 
einigen Minuten ſichtbar wird. „Vive Victor Hugo!“ erſchallt 
es wieder von allen Ecken und Enden. Hugo gibt ein Zeichen, 
und die Worte: „Ruhe, er will ſprechen!“ bewirken, daß es 
mit einem Male ganz ſtill wird. 

„Die Worte fehlen mir,“ ſpricht eine kräftige, wohllautende 
Stimme, „um auszudrücken, wie ſehr mich dieſer herzliche Emp- 
fang bewegt. Bürger“ — die Stimme wird lauter, faft ſchrei⸗ 
end — „ich hatte euch geſagt: „An dem Tage, da die Republik 
wiederkehrt, werde auch ich wiederkehren. Hier bin ich!“ Unge⸗ 
heurer Beifall! Viktor Hugo wartet. „Zwei große Dinge ru: 
fen mich: die Republik und die Gefahr.“ 

Unruhe; einige Leute in meiner Umgebung haben die letzten 
Worte oder deren Sinn nicht verftanden, und bei dem Hin⸗ 
und Herreden der Nachbarn habe ich die folgenden Sätze nicht 
gehört; doch der Lärm legt ſich allmahlich, und ich höre wieder 
den etwas feierlichen Ton. 


142 


„Paris retten ift mehr, als Frankreich retten, das heißt: Er 
rettung der Welt. Paris iſt der Mittelpunkt der Menſchheit. 
Paris iſt die geheiligte Stadt! Wer Paris angreift, vergreift 
ſich am Menſchengeſchlecht!“ 

Frenetiſcher Beifall! Man klatſcht, man ſchreit: „Hugo! 
France! A bas la Prusse! Vive la république!“ 

„Das rührt mich zu Tränen“, ſagte eine Dame in meine 
Nähe. „Mich auch“, ſagte ein freundlicher Nachbar. 

„Und wißt ihr, warum Paris die Stadt der Ziviliſation iſt? 
Weil Paris die Stadt der Revolution iſt!“ Erneutes Bravo: 
rufen. „Daß ein ſolcher Herd des Lichts, ein ſolcher Mittel 
punkt der Geiſter, der Herzen und der Seelen, das Hirn des 
Weltgedankens, vergewaltigt, zerſchmettert, im Sturm ge 
nommen werden könnte, durch wen? durch einen Überfall 
von Wilden? Das kann nicht fein, das wird nicht fein! Nie, 
nie, nie!“ 

Die ganze vieltauſendköpfige Menge brüllt: „Nie, nie!“ 
Die Leute ſind in höchſter Ekſtaſe; ich muß geſtehen, daß dieſer 
erſte Erwiderungsſchren der Menge: „Nie, nie!“ einen erſchüt— 
ternden Eindruck auf mich gemacht hat. Allerdings ging dieſer 
Eindruck wieder dadurch verloren, daß das Volk es nicht bei 
dieſem einen Schrei bewenden, ſondern wieder die ganze Litanei: 
Hugo, la république, la France hochleben läßt, und da die 
überall ſich vorfindenden Nachzügler dazwiſchen ihr „Nie, nie!“ 
rufen, ſo wirkt das Ganze wie eine Poſſe. Die Unruhe iſt ſehr 
groß. Ich höre nur einzelne Sätze: 

„Paris wird triumphieren! Durch Einheit werdet ihr ſie— 
gen! Seid einig, und ihr ſeid unüberwindlich! Laßt uns Brü— 
der ſein, und wir werden ſiegen! Nur durch die Brüderlichkeit 
retten wir die Freiheit!“ 

Viktor Hugo grüßt nach allen Seiten, aus tauſend Kehlen 


143 


rufts: „Vive Victor Hugo!“ Alles ſtürmt nach dem Kaffee: 
hauſe, um den Märtyrer zu ſehen, ihm, wenn möglich, die 
Hand zu drücken. Einer Kompagnie Mobilgardiſten gelingt es 
endlich, die Paſſage ein wenig freizumachen. 

Die Anſprache hat mich ſehr erregt; beim Leſen würde ich 
nicht begreifen, wie ſolche bombaſtiſchen Sätze das Volk; fo elek⸗ 
triſieren können; aber mitten in der Menge verſtehe ich es voll- 
kommen. Dieſe in jedem Worte klug vorausberechneten kurzen 
Phraſen, die wie die Sätze des Dekalogs in die andächtig lau⸗ 
ſchende Menge geworfen werden, müſſen zünden, denn ſchon 
wegen ihrer Kürze werden fie von der Menge ſofort erfaßt und 
deren geiſtiges Eigentum. Ich bin feſt überzeugt, daß die mei⸗ 
ſten der Zuhörer ihren Freundeskreiſen Hugos Rede in ihren 
Kernpunkten wörtlich wiederholen können. Welcher deutſche 
Redner könnte ſich eines ſolchen Erfolges rühmen? 

Mit dieſen Gedanken beſchäftigt, kam ich an die Stelle, wo 
Doktor Otterburgs Wagen hielt; auf dem Bock ſaß niemand. 
Wo war Martin, der Kutſcher und biedere Normanne? Ich 
machte den Wagenſchlag auf, — da huſchte zur anderen Seite 
etwas Leichtfüßiges hinaus. 

„Pardon, Monsieur le Docteur,“ hörte ich Martins Stim⸗ 
me, „j'ètais bien fatigué ...“ 

„O Paris, Mittelpunkt der Menſchheit, heilige Stadt.“ 


Aus dem Buche „Im belagerten Paris 1870-71“ 


Joſef Winckler: Der Fähnrich 
(Sd ihr den deukſchen Fähnrich marſchiern 


Feldgrau, Sturmkette ums Kinn, 
Wie der Schritt im Waffenklirrn, 
Fauſt am Degen, gradhin? 


144 


Er ſaß vielleicht geſtern auf Prima noch 
Und kam mitten aus ſeinem Homer, 

Und von Marathon, vom Olympos hoch, 
Von Alexander dem Großen her. 


Seine Lippen ſchwollen wie von Pindars Geſang, 
Er trug Jupiter im Blick; 

Die Sohlen klangen von ſeinem Gang, 
Schönwildes Heldenglück! 


Der frug nach Wein und Madchen nicht — 
Adlerreines Knabentum; 

In ſeiner Seele träumte ein Gedicht 

Von unſterblichem Ruhm. 


Den Leib zurück, das Kinn voraus, 

Genick ſteif — wie der ſchritt 

Und glitt: der Siegesgöttin voraus, 
Und alle Sterne die ſchweiften mit. 


Ich ſah den deutſchen Fähnrich marſchiern 
Wie einen Kriegs-Genius ſo kühn, 
Gewaltig ſich ſchwingend im Waffenklirrn 
Schritt er auf Flügeln dahin! 


Karl Scheffler: Der Goethe-Deutſche und der 
Schiller-Deutſche 

as Genie legitimiert ſich dadurch, daß es nichts Wichtiges 

ſagen oder tun kann, ohne das Allgemeingültige zu be- 

rühren. Selbſt feine gelegentlichen, feine privaten Äußerungen 


145 


haben darum fo oft ein aufregendes Gegenwartsintereſſe noch 
für die Nachlebenden. 

Als einer der ſchönſten Beweiſe für dieſe Eigenſchaft des Ge— 
nies, in jeder Weiſe gleichnishaft zu leben, iſt mir immer einer 
der erſten Briefe Schillers an Goethe erſchienen, jener bekannte 
Brief, worin der Jüngere dem neugewonnenen Freund darlegt, 
worin ihm die Eigenart und der Gegenſatz ihrer beiden Naturen 
zu beſtehen ſcheint. Schiller wollte in dieſem Brief nur ſich ſelbſt 
und die Art Goethes charakteriſieren und die beiden Ergebniſſe 
antithetiſch zuſpitzen; über den immerhin zufälligen Anlaß, über 
das Beſondere und Individuelle hinaus aber iſt es ihm gelumn- 
gen, zwei Weſensſeiten der Deutſchen überhaupt darzuſtellen. 
Mir ſcheint dieſer Brief darum zu dem Wichtigſten zu gehören, 
was die deutſche Literatur an Dokumenten der Erkenntnis beſitzt. 
Es vergeht kaum ein Monat, ohne daß mich nicht Perſönlich— 
keiten oder Ereigniſſe, ohne daß mein eigenes Erleben mich nicht 
unmittelbar an dieſe Auseinanderſetzungen erinnerten. 

Es ſeien die wichtigſten Stellen des Briefes in Erinnerung 
gebracht. Schiller ſchrieb: 

„Die neulichen Unterhaltungen mit Ihnen haben meine ganze 
Ideen⸗Maſſe in Bewegung gebracht, denn fie betrafen einen 
Gegenſtand, der mich ſeit etlichen Jahren lebhaft beſchäftigt. 
Über fo manches, worüber ich mit mir ſelbſt nicht recht einig wer⸗ 
den konnte, hat die Anſchauung Ihres Geiſtes (denn ſo muß ich 
den Totaleindruck Ihrer Ideen auf mich nennen) ein unerwar⸗ 
tetes Licht in mir angeſteckt. Mir fehlte das Objekt, der Körper, 
zu mehreren fpefulativifchen Ideen, und Sie brachten mich auf 
die Spur davon, Ihr beobachtender Blick, der ſo ſtill und rein 
auf den Dingen ruht, ſetzt Sie nie in Gefahr, auf den Abweg 
zu geraten, in den ſowohl die Spekulation als die willkürliche 
und bloß ſich ſelbſt gehorchende Einbildungskraft ſich ſo leicht 


146 


verirrt. In Ihrer richtigen Intuition liegt alles und weit voll- 
ftändiger, was die Analyſis mühſam ſucht, und nur weil es als 
ein Ganzes in Ihnen liegt, iſt Ihnen Ihr eigener Reichtum ver⸗ 
borgen; denn leider wiſſen wir nur das, was wir ſcheiden. Geiſter 
Ihrer Art wiſſen daher ſelten, wie weit ſie gedrungen ſind und wie 
wenig Urſache ſie haben, von der Philoſophie zu borgen, die nur 
von ihnen lernen kann. Dieſe kann bloß zergliedern, was ihr ge: 
geben wird, aber das Geben ſelbſt iſt nicht die Sache des Analy⸗ 
tikers, ſondern des Genies, welches unter dem dunkeln, aber ſichern 
Einfluß reiner Vernunft nach objektiven Geſetzen verbindet. 

Lange ſchon habe ich, obgleich aus ziemlicher Ferne, dem Gang 
Ihres Geiſtes zugeſehen, und den Weg, den Sie ſich vorgezeich⸗ 
net haben, mit immer erneuerter Bewunderung bemerkt. Sie 
ſuchen das Notwendige der Natur, aber Sie ſuchen es auf dem 
ſchwereſten Wege, vor welchem jede ſchwächere Kraft ſich wohl 
hüten wird. Sie nehmen die ganze Natur zuſammen, um über 
das Einzelne Licht zu bekommen; in der Allheit ihrer Erſchei— 
nungsarten ſuchen Sie den Erklärungsgrund für das Indivi⸗ 
duum auf. Von der einfachen Organiſation ſteigen Sie, Schritt 
vor Schritt, zu den mehr verwickelten hinauf, um endlich die 
verwickeltſte von allen, den Menſchen, genetiſch aus den Make⸗ 
rialien des ganzen Naturgebäudes zu erbauen. Dadurch, daß 
Sie ihn der Natur gleichſam nacherſchaffen, ſuchen Sie in ſeine 
verborgene Technik einzudringen. Eine große und wahrhaft 
heldenmäßige Idee, die zur Genüge zeigt, wie ſehr Ihr Geiſt das 
reiche Ganze feiner Vorſtellungen in einer ſchönen Einheit zu— 
ſammenhält. Sie können niemals gehofft haben, daß Ihr Leben 
zu einem ſolchen Ziele zureichen werde, aber einen ſolchen Weg 
auch nur einzuſchlagen, iſt mehr wert, als jeden andern zu 
endigen, — und Sie haben gewählt, wie Achill in der Ilias 
zwiſchen Phthia und der Unſterblichkeit ... 


147 


Aber dieſe logiſche Richtung, welche der Geiſt bei der Re— 
flerion zu nehmen genötiget iſt, verträgt ſich nicht wohl mit der 
äſthetiſchen, durch welche allein er bildet. Sie hatten alſo eine 
Arbeit mehr: denn fo wie Sie von der Anſchauung zur Abſtrak⸗ 
tion übergingen, ſo mußten Sie nun rückwärts Begriffe wieder 
in Intuitionen umſetzen und Gedanken in Gefühle verwandeln, 
weil nur durch dieſe das Genie hervorbringen kann ...“ 

Wer dieſen Brief mit einem Ernft lieſt, der dem des Schrei⸗ 
bers verwandt iſt, dem wird es ſein, als werde vom Geheimnis 
der deutſchen Geiſtesanlage ein Schleier fortgezogen, und von 
überallher werden ſich ihm die Beſtätigungen förmlich auf— 
drängen. 

Blicken wir auf unſere Kunſt, fo ſehen wir die beiden Geiſtes⸗ 
formen, wie Schiller fie darſtellt, während des ganzen neun⸗ 
zehnten Jahrhunderts ſich gegenüberſtehen. Dem Schiller⸗ 
Typus entſprechen die Nazarener und Deutſch⸗Römer, denn ſie 
alle gingen von Vollkommenheitsideen aus und ſuchten rück— 
wärts immer für ihre ſpekulativen Ideen die Körper. Dem 
Goethe⸗Typus entſprechen dagegen die Wirklichkeitsmaler, die 
Leibl und Trübner, Menzel und Liebermann — trotzdem Goethe 
ſelbſt, beſtimmt von äußeren Umſtänden, ſich in ſeinen Kunſt⸗ 
überzeugungen als Helleniſt gab —, weil ſie alle ſtreng von der 
Anſchauung ausgingen und weil in ihrer richtigen Intuition 
oft „alles und weit vollſtändiger“ lag als in der Spekulation 
der Idealiſten. Der Vergleich gilt naturgemäß weder hier noch 
dort für den Grad, er gilt nur für die Art. Kein Maler oder 
Bildhauer iſt in Deutſchland verhältnismäßig fo hoch hinauf 
gelangt wie Schiller oder Goethe; aber wir ſehen trotzdem hinter 
beiden Dichtern große Künſtlerkolonnen. Den Schiller-Deut⸗ 
ſchen gehört in der bildenden Kunſt faſt unumſchränkt die erſte 
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts; die Goethe⸗Deutſchen 


148 


haben in der zweiten Hälfte das Übergewicht. In gewiſſem 
Sinne kann der ganze Impreſſionismus im Geiſte Goethes 
genannt werden; denn er ſucht ſtets das Wirkliche zum Idealen 
zu ſteigern, nie aber ſucht er von einer Idealvorſtellung herab 
in zweiter Linie erſt das Wirkliche. In der letzten Zeit macht 
ſich dagegen wieder ein Rückſchlag bemerkbar, ein Denken von 
der ſpekulativen Idee aus und infolgedeſſen eine ſtarke Be— 
fonung deſſen, was man „Stil“ nennt, und es ſcheint, als ob 
dieſer, mehr der Art Schillers verwandten Geiſtesrichtung die 
nächſten Jahrzehnte gehören ſollen. 

In der Dichtkunſt iſt es nicht viel anders. Es ſtirbt unter 
uns nie der Dichter aus, der mehr Philoſoph iſt als Sinnen— 
menſch. Man braucht dabei nicht nur an die Schiller⸗Epigo⸗ 
nen zu denken; ſelbſt ein moderner Lyriker wie Dehmel gehört 
dem Schiller⸗Typus an. Als eine Reaktion auf die im Ge— 
wohnheitsmäßigen entartete Ideen- und Gedankendichtung iſt 
dann der Realismus der letzten Jahrzehnte zu verſtehen. Daß 
beide Dichtungsarten ſo ſchroff wie Parteien und eben darum 
einſeitig und unvollkommen ſich gegenüberſtehen, iſt unſer be— 
ſonderes Unglück. Anderen Nationen iſt es inſofern beſſer ge— 
worden, als ihre Anlage ſich auf eine der beiden Geiſtesformen 
beſchränkt und als fie bei folcher natürlichen Beſchränkung einen 
viel höheren Grad in den einzelnen Werken erreichen kann — 
die franzöſiſche Kunſt z. B. geht im weſentlichen von der An— 
ſchauung aus, ſie kennt einen Idealismus im Sinne Schillers 
kaum, und es ſind ihr eben darum ſo viele reine Meiſterwerke 
gelungen =; oder es vereinigen ſich in den genialen Individuen 
anderer Nationen beide Geiſtesformen leichter und natürlicher. 
Man braucht nur an die glückliche Miſchung von Anſchauung 
und Idee in Dichtern wie Tolſtoi, Doſtojewskij oder Ibſen zu 
denken. 


149 


In Deutſchland ift diefe Miſchung — Leſſing hatte ſie in 
hohem Grade — felbft bei Schriftſtellern ſelten. Sogar in der 
Kritik gibt es bei uns den Schiller⸗Deutſchen und den Goethe⸗ 
Deutſchen. Jener ſucht die allgemeinen Zeitideale zu erkennen 
und betrachtet die einzelnen Werke immer nur in ihrem Bezug 
zu dieſem Kulturprogramm; dieſer betrachtet das einzelne Kunſt⸗ 
werk dagegen iſoliert, er geht von der Erfahrung der Sinne 
aus und bleibt bei den Empfindungen, die das Werk unmittel⸗ 
bar erweckt. Beide Betrachtungsweiſen haben ihre Vorzüge 
und Nachteile; beide zuſammen, in einem Individuum vereinigt, 
ergeben jedoch erſt den Meiſter der Kritik. 

Blicken wir in die Politik, ſo finden wir denſelben Dualis⸗ 
mus auch dort. Erſcheinungen wie die Bismarcks und die Staats⸗ 
männer feiner Art gehören dem Goethe-Typus an. Denn Bis⸗ 
marck leitete das Geſetz ſeines Handelns in erſter Linie aus der 
Erfahrung, aus der Anſchauung ab. Ihm iſt mit Recht darum 
die Bezeichnung eines Realpolitikers zuteil geworden. Eine Par⸗ 
tei dagegen wie die Sozialdemokratie und alle ihre hervorragen⸗ 
den Führer gehen im weſentlichen von einer Idee, von einer 
Idee der Entwicklung aus und ſuchen die politiſchen Tatſachen 
dieſer abſtrakten Idee anzupaſſen. Mit der Denkweiſe des Real⸗ 
politikers im Sinne Bismarcks iſt ſtets die Skepſis verknüpft, 
von der Denkweiſe des Sozialdemokraten hingegen iſt die Utopie 
untrennbar. Beide Denkformen ſtehen ſich ſchroff gegenüber; 
offenbar wird es dem Deutſchen in der Politik beſonders ſchwer, 
ſie zu verſchmelzen. Geht man an der Hand dieſes flüchtigen 
Hinweiſes unſer politiſches Leben durch, ſo wird man finden, 
daß die Parteien und Menſchen entweder mehr zur Ideologie 
oder zu einer materialiſtiſchen Zweckmäßigkeitspolitik neigen. 
Darum ſind wir ſo arm an genialen Politikern. 

Sogar im Geſchäftsleben gibt es denſelben Zwieſpalt. Es 


180 


gibt Geſchäftsleute, die zu ihren Ideen die Wirklichkeiten hin— 
zuzwingen ſuchen, und andere, die allein von gegebenen Reali— 
täten ausgehen. Die erſten erſinnen und ſchaffen neue Bedürf— 
niſſe; die zweiten nutzen die vorhandenen oder bilden ſie aus. 
Sehr charakteriſtiſch war, zum Beiſpiel, neuerdings die Ver— 
bindung der Kulturutopie mit der Induſtriearbeit. Alles, was 
eine Vereinigung, wie der „Werkbund“, unternimmt, ſodann 
die Gartenſtadtgründungen, gewiſſe Genoſſenſchaftsbewegun— 
gen, umfaſſende Truſtideen, die Bearbeitung der Städtebau— 
fragen und vieles andere beruht auf ſpekulativ konſtruierten 
Entwicklungsidealen. Ganz realiſtiſch gehen hingegen unſere 
großen Schiffahrtsgeſellſchaften, unſere großen Metallbear— 
beitungsfabriken und Banken vor. Jene kalkulieren oft falſch 
und erleiden dadurch Schaden, dieſe reüſſieren ſicherer, verlieren 
aber auch leicht die höhere Arbeitsidee aus den Augen. 

Endlich weiſt auch der Widerſtreit von Religion und Wiſſen— 
ſchaft auf den Gegenſatz des Denkens von der Idee und von 
der Erfahrung aus. Der Drang zum Religiöſen, der zu An— 
fang des neunzehnten Jahrhunderts die geiſtigen Kreiſe Deutſch— 
lands mächtig ergriff, weiſt entſchieden zum Idealismus Schil— 
lers hinüber, wenn er deſſen Niveau auch niemals erreichte; und 
der Sieg der exakten wiſſenſchaftlichen Forſchung in der zweiten 
Hälfte des Jahrhunderts iſt durchaus im Geiſte Goethes, trotz— 
dem die mächtige Phantaſie Goethes darin nur ſelten zu ſpüren 
iſt. Aber auch innerhalb der Wiſſenſchaft und der Theologie 
ſelbſt gibt es wieder denſelben Dualismus. 

Auf dieſem Punkte iſt auf eine intereſſante Umkehrung auf: 
merkſam zu machen. In dem Geſpräch zwiſchen Schiller und 
Goethe, das dem hier zitierten Brief vorausging und in dem 
Goethe ſeine Naturanſchauung — es iſt von dieſer Anſchauung 
ſpäter manches in den Darwinismus übergegangen — darlegte, 


151 


platzte Schiller mit dem Einwand heraus: „Das ift keine Er— 
fahrung, das iſt eine Idee.“ In der neueſten Zeit, wo der Dar- 
winismus ſeine Unzulänglichkeit erweiſt, hat dieſer Einwand 
Schillers viel Aktualität. In der Tat, auch in den „Erfah⸗ 
rungen“ Goethes, auch in den ſinnlichen Erlebniſſen des Goethe⸗ 
Deutſchen iſt immer noch viel Idee, weil es Erfahrungen an 
ſich ja gar nicht gibt. Und andererſeits war zum Beiſpiel in 
der rein ideellen Freiheitsidee Schillers inſofern ſchon vorgeahnte 
Realität, als dieſe Idee einige Jahrzehnte ſpäter in manchem 
Punkte politiſch verwirklicht wurde. Man möchte ſagen: der 
Schiller⸗Deutſche ſucht die Realitäten einer mehr oder weniger 
fernen Zukunft vorwegzunehmen und gerät dadurch leicht in 
Konflikt mit den Forderungen der Gegenwart; der Goethe⸗ 
Deutſche dagegen ſucht alles im ſinnlich Gegenwärtigen auf 
und verliert dadurch leicht den Weitblick für die Fülle der 
Möglichkeiten. 

Verlegt man die beiden Geiſtesformen in die Empfindung 
hinein, ſo ergibt ſich als Eigenſchaft des Goethe⸗Deutſchen das 
Naive, und als Eigenſchaft des Schiller-Deutſchen das Sen⸗ 
timentaliſche. Es war darum nur wie eine Ausarbeitung ſeines 
Briefes, als Schiller in ſeiner berühmten Abhandlung das 
Naive dem Sentimentaliſchen in der Dichtung grundſätzlich 
entgegenſtellte. Man leſe in dieſer Abhandlung nach, und die 
Perſpektiven werden ſich immer weiter auftun; es wird ſich 
zeigen, daß ganze Zeitepochen ſich wie Individuen gegenüber⸗ 
ſtehen können, indem ſie einmal die Idee und ein andermal die 
Erfahrung, hier das Subjekt, dort das Objekt betonen. 

Schiller hat ſeinen Brief nun aber nicht geſchloſſen, ohne 
eine feines Genies und Menſchentums würdige Nutzanwen⸗ 
dung zu ziehen. Es heißt in ſeinem Schreiben weiter: 

„Beim erſten Anblicke zwar ſcheint es, als könnte es keine 


182 


größere Oppoſita geben, als den ſpekulativen Geiſt, der von 
der Einheit, und den intuitiven, der von der Mannigfaltigkeit 
ausgeht. Sucht aber der erſte mit keuſchem und treuem Sinn 
die Erfahrung, und ſucht der letzte mit ſelbſttätiger freier Denk— 
kraft das Geſetz, ſo kann es gar nicht fehlen, daß nicht beide 
einander auf halbem Wege begegnen werden. Zwar hat der 
intuitive Geiſt nur mit Individuen und der ſpekulative nur mit 
Gattungen zu tun. Iſt aber der intuitive genialiſch und ſucht 
er in dem Empiriſchen den Charakter der Notwendigkeit auf, ſo 
wird er zwar immer Individuen, aber mit dem Charakter der 
Gattung erzeugen; und iſt der ſpekulative Geiſt genialiſch und 
verliert er, indem er ſich darüber erhebt, die Erfahrung nicht, 
fo wird er zwar immer nur Gattungen, aber mit der Möglich— 
keit des Lebens und mit gegründeter Beziehung auf wirkliche 
Objekte erzeugen.“ 

In dieſen ſchönen Worten liegt etwas wie eine ſittliche 
Forderung, die jeden Deutſchen angeht. Denn alles kommt 
darauf an, daß wir nicht dauernd in Gegenſätzen leben, daß die 
Schiller⸗Deutſchen vielmehr mit „keuſchem und treuem Sinn“ 
die Erfahrung ſuchen, und die Goethe-Deutſchen mit „ſelbſt— 
tätiger freier Denkkraft das Geſetz“, daß ſich beide „auf halbem 
Wege begegnen“, wie ſich die beiden Dichter begegneten, um 
miteinander fortzuwandern. Begegnet ſich die ganze Nation 
nicht in dieſem Sinne auf halbem Wege, ſo wird auch die 
Kultur der Deutſchen immer hin und her ſchwanken zwiſchen 
Ideologie und Materialismus. Denn dieſes find die notwen— 
digen Folgen, wenn der Schiller⸗Typus und der Goethe-Typus 
ſich nicht genial vervollkommnen und vertiefen. Fehlt der hohe 
menſchliche Grad, ſo ſinkt Schillers mächtiger Idealismus 
gleich zum Redensartlichen herab, fo gerät Goethes phantaſie— 
voller Realismus gleich ins Gemeine. Eben darun iſt es eine 


153 


nationale Aufgabe, nach Kräften zu vereinigen, was unferer 
Anlage nach getrennt iſt, und in den beiden großen Männern 
in dieſem Sinne immer wieder Vorbilder und Vertreter der 
ganzen Nation zu erblicken. 


Hans Caroſſa: Viel Blut, viel Blut muß in 
die Erde ſinken .. 
er Himmel dröhnt von Tod. Die Erde blutet 
Aus Wunden treuer Söhne Tag und Nacht. 

Welt⸗Ende künden trauernde Propheten. 

Doch während manche dumpf ihr Schickſal ſuchen, 
Hörſt du, mein Volk, noch über Sein und Nichtſein 
Die Rufe klaren Heils und wägſt kein Opfer, 

Auf daß du lebeſt. Denn dir iſt geweisſagt, 

Gott werde auf dich ſchaun und dich nicht haſſen, 
Wenn du jetzt viel, was er dir ſchenkte, hingibſt. 
Veräußert iſt dein ſüßes, altes Träumen, 

Und all dein Gold prägſt du in harte Taten 

Und ſingſt nicht mehr und ſchämſt dich faſt des Weiſen, 
Des einſam Wagenden der eignen Tat. 

Der aber ſchützt im gläubigen Gemüt 

Das tief Gemeinſame all-aller Menſchen. 

Und, wenn ihr auszieht, hingeweihte Brüder, 

Iſt er mit euch, und jeden ruft er: komm, 

Komm noch einmal in meinen freien Wald! 

Hier ſpringt aus Urgeſtein ein kühler Quell, 
Geſchenkt vom Himmel und gewürzt von Erde, 

Da netzen Vögel oft die heißen Flügel .. 

O ſchöpfet! Wer hier trinkt, der iſt getröſtet. 

Er ſchaut die großen Väter ſeiner Gegner 

Mit ſich und ſeinem Ahnenreihn im Bund. 


154 


Und wie ſich Wandrer Zeichen hinterlaſſen 
In ödem Land, ſind ihm im Tal des Mordes 
Die Spuren gütigerer Geiſter kennbar. 

Und ob er tötet, ob er ſtirbt, er ahnt: 

Dies iſt nur dunkler Samen großer Liebe. 
Viel Blut, viel Blut muß in die Erde ſinken; 
Mie wird fie ſonſt den Menſchen heimatlich .. 


Ricarda Huch: Das Kriegsjahr 
ies iſt der große Herbſt, der Freiheit Feſt. 
Der Himmel flammt, entfeſſelt jagen Stürme, 
Schwarz trieft der Wein aus voller Frucht gepreßt, 
Die Garben wachſen hoch wie goldne Türme. 


Der Schwarm der Blätter rauſcht ein letztes Lied, 
Dumpf pocht der Trommel Marſch und heißes Werben. 
Da ſteht der Menſchheit Heerſchar auf und zieht, 

Den Kranz im Haar, hinaus zum Opferſterben. 


Ihr aufgeſchloßner Blick erkennt den Gott 
Mit liebeſtrengem Antlitz mächtig winken. 
Erglühend drängen ſie zu Kampf und Tod, 
Dort, wo das Leben quillt, ſich jung zu trinken. 


Goethes Geſpräch mit Luden 
13. Dezember 1813 


ertuch ließ anfragen, wann Se. Exzellenz mich wohl emp- 
fangen könnte. Sogleich nach Tiſche; etwa um drei Uhr, 
war die Antwort. Bei meinem Eintritt, und es war das erſte— 


155 


mal, daß ich ihm in Weimar meine Aufwartung machte, 
kam Goethe mir entgegen, reichte mir die Hand und ſagte mir 
in der verbindlichſten Weiſe höchſt freundliche Worte. Aber 
er erleichterte mir nicht, wie Herr von Voigt getan hatte, das 
Anbringen meines Anliegens wegen der Herausgabe der 
Zeitfehrift Nemeſis!]; vielmehr ſprachen wir von gewöhnlichen 
Dingen, jedoch bald auch von den jüngſten Ereigniſſen. An 
dieſes Geſpräch knüpfte ich dann an: Er würde, ſagte ich, 
ſchon von Bertuch gehört haben, daß ich die Abſicht hätte, 
eine politiſche Zeitſchrift im Induſtriekontor herauszugeben. 
Ja, antwortete Goethe, Bertuch hat mir davon geſprochen. 
Wie aber ſind Sie auf dieſen Gedanken gekommen? Ich 
erzählte ihm mein Abenteuer mit Herrn von Grolman.! 
Freilich, ſagte Goethe, bei der gegenwärtigen Aufregung, um 
nicht zu ſagen — Begeiſterung, finde ich das natürlich genug. 
Haben Sie denn ſchon mit Bertuch abgeſchloſſen, und ſteht 
Ihr Entſchluß unwiderruflich feſt? Die Ankündigung, er⸗ 
widerte ich, iſt ſchon in der Druckerei und wird in wenigen 
Tagen ausgegeben werden, wenn nicht etwa auf ſeiten des 
hohen Miniſteriums eine Bedenklichkeit obwaltet. Eben des⸗ 
wegen, ſetzte ich hinzu, möchte ich das Unternehmen der Protek⸗ 
tion Ew. Exzellenz empfehlen. — Goethe ſchwieg wohl eine 
Minute lang; fein Geſicht wurde ſehr eruſt. Alsdann hob er 
an und ſagte ungefähr folgendes: Ich habe ſchon vor Jahren 
offen zu Ihnen geſprochen, auf Ihre Diskretion rechnend; das 
will ich auch jetzt tun, Herr Hofrat. Als öffentlicher Beamter habe 
ich gegen die Herausgabe einer Zeitſchrift nichts einzuwenden. 
Unſere Regierung würde ſich auch gewiß in dieſer Zeit hartem 
1 Der damalige Major, ſpätere General von Grolman hatte Luden das 
Vorhaben, als Freiwilliger einzutreten, ausgeredet und ihn aufgefordert, 
vielmehr mit Wort und Schrift dem Vaterlande zu dienen. 


156 


Tadel ausfegen, wenn fie ſich erlaubte, einem ſolchen Unter— 
nehmen entgegenzutreten. Wir haben ja — die Freiheit mit 
vielem Blute ruhmvoll erkämpft; was ſollte uns die Freiheit, 
wenn wir ſie nicht benutzen. Und gewiß ſind wir am geneigte— 
ſten ſie durch Wort und Schrift zu benutzen, auch ſchon darum, 
weil dieſes der bequemſte Modus iſt. Alſo wird die herzogliche 
Regierung Ihnen und Bertuch ohne Zweifel vollkommen freie 
Hand laſſen. Eine Protektion zwar kann Ihnen niemand ver- 
ſprechen und niemand gewähren; ein jeder bleibt billig für feine 
Handlungen verantwortlich; Sie werden jedoch wohl auch keiner 
Protektion bedürfen; und ſollten Sie ſich jemals verleiten laſſen, 
über die Schnur hinauszugehen, ſo wird Bertuch, der ſich auf 
ſolche Dinge verſteht, Sie ſchon an die Schranke mit der In— 
ſchrift Noli me tangere freundlich erinnern. — Hätten Sie mich 
aber, ehe Sie ſich verbindlich gemacht hatten, vertraulich um 
meine Meinung gefragt, ſo würde ich Ihnen gewiß das ganze 
Unternehmen widerraten und Sie aufgefordert haben, bei 
Ihren gelehrten geſchichtlichen Arbeiten zu bleiben, oder viel— 
mehr, da Sie ſich ſchon in politica eingelaſſen und ſogar ein 
Handbuch der Staatsweisheit geſchrieben haben, zu Ihren ge— 
lehrten geſchichtlichen Arbeiten zurückzukehren, die Welt ihren 
Gang gehen zu laſſen und ſich nicht in die Zwiſte der Könige 
zu miſchen, in welchen doch niemals auf Ihre und meine Stimme 
gehört werden wird. 

Dieſe Worte überraſchten mich ſehr; ich fühlte mich auf das 
tiefſte verletzt. Indes ſuchte ich mich ſo gut als möglich zu 
faſſen, konnte aber nicht umhin, etwas zu erwidern. Ich muß 
geſtehen, daß es mir faſt lieb iſt, Ew. Exzellenz Meinung nicht 
früher und nicht vertraulich eingeholt zu haben. Denn wie hoch 
ich auch jedes Wort Ew. Exzellenz verehre, und wie glücklich 
ich ſein würde, mit Ihnen zuſammenzuſtimmen, ſo fürchte ich 


157 


doch, daß ich diesmal den Rat Ew. Exzellenz nicht befolgt haben 
würde. Denn gerade das, daß der deutſche Michel bisher nur 
für ſich ſelbſt geſorgt, ſein eigenes Steckenpferd geritten, alsdann 
ſeinen Kloß gegeſſen und ſich behaglich den Mund abgewiſcht 
hat, unbekümmert um das gemeine Weſen, um Vaterland und 
Volk — gerade dieſes iſt es ja, was Schimpf, Schande und 
unermeßliches Unglück über Deutſchland gebracht hat; und 
all dieſe Schande und all dieſes Unglück wird von neuem 
über uns kommen, wenn wir zurückkehren zu der alten faulen 
Weiſe und gleichgültig ausſprechen, was vor einem halben 
Jahre, als ich eben durch eine Gaſſe in Jena ging, ein ehrſamer 
Bürger ſeinem Nachbar zurief: Ja, Herr Nachbar, wie ſollte 
es gehen? Gut. Die Franzoſen ſind fort, die Stuben ſind ge— 
ſcheuert, nun mögen die Ruſſen kommen, wenn ſie wollen. — 
Und nun ſprach ich einige Minuten fort: von der großen Ent— 
ſcheidung vor unſern Augen, von der Erhebung des deutſchen 
Volkes, von den Proklamationen der Fürſten, von Vaterland, 
von Freiheit, von der Notwendigkeit, gerade jetzt eine beſſere 
Zukunft zu begründen, und von der heiligen Pflicht eines jeden 
guten Menſchen, nach ſeiner Stellung und nach ſeinen Kräften 
mitzuwirken zur Benutzung dieſer großen Tage des neuen 
Heiles. 

Goethe ſaß ruhig. Endlich hob er mit einem leichten Lächeln 
die rechte Hand. Ich ſchwieg. Sogleich fing Goethe mit einer 
ungemein ſanften Stimme, die zuweilen etwas bewegt zu 
werden ſchien, zu reden an, und ſprach ohne Unterbrechung 
ziemlich lange .. .. Ich habe Ihnen, ſagte Goethe, ruhig zu— 
gehört und recht .. Sie aber find in einigen Eifer hinein- 
geraten, und de ft eben nicht nötig geweſen, da Sie gewiß 
ſelbſt nicht glauben, daß Sie mir etwas Neues, daß Sie mir 
etwas geſagt haben, was mir unbekannt geweſen wäre. Ich 


158 


ſpreche über ſolche Dinge ſehr, ſehr ungern, und Sie dürfen 
überzeugt ſein, daß ich meine guten Gründe habe. Ich würde 
mich auch mit Ihnen nicht in ein ſolches Geſpräch eingelaſſen 
haben, wenn von etwas Geſchehenem, von einem facto, oder 
auch von einer einzelnen vorübergehenden Handlung, die erſt 
geſchehen ſoll, die Rede wäre. Es gilt aber um etwas anderes. 
Sie wollen in dieſer wunderlichen und furchtbaren Zeit ein 
Journal herausgeben, ein politiſches Journal. Sie gedenken, 
dasſelbe gegen Napoleon zu richten und gegen die Franzoſen. 
Aber, glauben Sie mir: Sie mögen ſich ſtellen, wie Sie wollen, 
ſo werden Sie auf dieſer Bahn bald ermüden. Sie werden 
bald daran erinnert werden, daß die Windroſe viele Strahlen 
hat. Alsdann werden Sie an die Throne ſtoßen und, wenn 
auch nicht denen, welche auf denſelben ſitzen, doch denen miß— 
fallen, welche dieſelben umgeben. Sie werden alles gegen ſich 
haben, was groß und vornehm in der Welt iſt; denn Sie 
werden die Hütten vertreten gegen die Paläſte und die Sache 
der Schwachen führen gegen die Hand der Starken. Zugleich 
werden Sie von Gleichen Widerſpruch erfahren teils über 
Grundſätze, teils über Tatſachen. Sie werden ſich verteidigen 
und, wie ich hoffen will, glücklich, und dadurch werden Sie 
neue Feindſchaft wider ſich erwecken. Mit einem Worte, Sie 
werden in mannigfaltige Händel verwickelt werden. Mit den 
Gleichen dürften Sie vielleicht fertig werden: wen Sie nicht 
überwinden, den können Sie ignorieren, und manchem geſchieht 
mit Verachtung zu viele Ehre. Aber anders iſt es mit den 
Mächtigen und Großen. Mit denſelben iſt nicht gut Kirſchen 
zu eſſen; Sie wiſſen aus welchen Gründe. Den Waffen der: 
ſelben hat man nichts einzufegen. — Da ig "res alles ganz 
klar vorausſehe, ſo bin ich allerdings bedenklich. Ich möchte 
unſerm fürſtlichen Hauſe, für welches auch Sie fromme Wünſche 


159 


hegen, keine Unannehmlichkeiten bereiten; ich möchte unfer 
Gouvernement, das nicht über hunderttauſend Bajonette zu 
verfügen hat, in keine verdrießlichen Verhandlungen verwickelt 
ſehen; ich möchte von der Univerſität, deren Mitglied Sie find, 
jeden Nachteil abwenden; ich denke endlich, warum ſollte ich 
es nicht ſagen, auch an meine Ruhe und Ihr Wohl. 

Hier trat eine Pauſe ein. Ich ſchwieg ſtill, weil ich, was ich 
etwa zu ſagen vermocht hätte, nicht zu ſagen wagte, und weil 
ich auch dieſem Manne gegenüber in der Tat ſehr bewegt war. 
Bald fuhr Goethe fort: 

Glauben Sie ja nicht, daß ich gleichgültig wäre gegen die 
großen Ideen: Freiheit, Volk, Vaterland. Nein; dieſe Ideen 
ſind in uns; ſie ſind ein Teil unſers Weſens, und niemand ver⸗ 
mag ſie von ſich zu werfen. Auch liegt mir Deutſchland warm 
am Herzen. Ich habe oft einen bittern Schmerz empfunden 
bei dem Gedanken an das deutſche Volk, das ſo achtbar im 
einzelnen und ſo miſerabel im ganzen iſt. Eine Vergleichung 
des deutſchen Volkes mit andern Völkern erregt uns peinliche 
Gefühle, über welche ich auf jegliche Weiſe hinwegzukommen 
ſuche; und in der Wiſſenſchaft und in der Kunſt habe ich die 
Schwingen gefunden, durch welche man ſich darüber hinweg⸗ 
zuheben vermag: denn Wiſſenſchaft und Kunſt gehören der 
Welt an, und vor ihnen verſchwinden die Schranken der Natio⸗ 
nalität; aber der Troſt, den ſie gewähren, iſt doch nur ein leidiger 
Troſt und erſetzt das ſtolze Bewußtſein nicht, einem großen, 
ſtarken, geachteten und gefürchteten Volke anzugehören. In 
derſelben Weiſe tröſtet auch nur der Gedanke an Deutſchlands 
Zukunft. Ich halte ihn ſo feſt, als Sie, dieſen Glauben. Ja, 
das deutſche Volk verſpricht eine Zukunft, hat eine Zukunft. 
Das Schickſal der Deutſchen iſt, mit Napoleon zu reden, noch 
nicht erfüllt. Hätten fie keine andere Aufgabe zu erfüllen ge- 


160 


habt, als das römiſche Reich zu zerbrechen und eine neue Welt 
zu ſchaffen und zu ordnen, ſie würden längſt zugrunde gegangen 
ſein. Da ſie aber fortbeſtanden ſind, und in ſolcher Kraft und 
Tüchtigkeit, ſo müſſen ſie nach meinem Glauben noch eine große 
Zukunft haben, eine Beſtimmung, welche um ſo viel größer 
fein wird, denn jenes gewaltige Werk der Zerſtörung des römi— 
ſchen Reiches und der Geſtaltung des Mittelalters, als ihre 
Bildung jetzt höher ſteht. Aber die Zeit, die Gelegenheit ver⸗ 
mag ein menſchliches Auge nicht vorauszuſehen und menfchliche 
Kraft nicht zu beſchleunigen oder herbeizuführen. Uns einzelnen 
bleibt inzwiſchen nur übrig, einem jeden nach ſeinen Talenten, 
ſeiner Neigung und ſeiner Stellung, die Bildung des Volkes 
zu mehren, zu ſtärken und durch dasſelbe zu verbreiten nach 
allen Seiten, und wie nach unten, ſo auch, und vorzugsweiſe, 
nach oben, damit es nicht zurückbleibe hinter den andern Völkern, 
ſondern wenigſtens hierin voraufſtehe, damit der Geiſt nicht 
verkümmere, ſondern friſch und heiter bleibe, damit es nicht ver⸗ 
zage, nicht kleinmütig werde, ſondern fähig bleibe zu jeglicher 
großen Tat, wenn der Tag des Ruhmes anbricht. — Aber wir 
haben es jetzt nicht mit der Zukunft zu tun, nicht mit unſern 
Wünſchen, unſern Hoffnungen, unſerm Glauben, und auch 
nicht mit den Schickſalen, die uns und unſerm Vaterlande be- 
vorſtehen mögen, ſondern wir ſprechen von der Gegenwart, von 
den Verhältniſſen, unter welchen Sie Ihre Zeitſchrift beginnen 
wollen. Nun ſagen Sie zwar: die Entſcheidung iſt gefallen. 
Freilich. Aber die Entſcheidung iſt doch im beſten Falle erſt der 
Anfang vom Ende. Noch zwei Fälle ſind möglich: entweder 
der Gewaltige befieg£ feine Feinde alleſamt noch einmal, oder 
er wird von ihnen beſiegt. Ein Abkommen halte ich kaum für 
möglich; und wüßte man es auch zuſtande zu bringen, ſo würde 
es nichts helfen: wir wären auf der alten Stelle. Setzen wir 


161 


nun den erſten Fall: Napoleon beſiegt feine Feinde; -unmöglich! 
ſagen Sie? So ſicher ſind wir nicht. Indes halte ich es ſelbſt 
nicht für wahrſcheinlich. Wir wollen alſo den Fall fallen laſſen 
und ihn für unmöglich erklären. Es bliebe mithin nur der Fall 
übrig, daß Napoleon beſiegt würde, gänzlich beſiegk. Nun? 
und was ſoll nun werden? Sie ſprechen von dem Erwachen, 
von der Erhebung des deutſchen Volks und meinen, dieſes Volk 
werde ſich nicht wieder entreißen laſſen, was es errungen und 
mit Gut und Blut teuer erkauft hat, nämlich die Freiheit. Iſt 
denn wirklich das Volk erwacht? Weiß es, was es will? 
Haben Sie das prächtige Wort vergeſſen, was der ehrliche 
Philiſter in Jena ſeinem Nachbar in ſeiner Freude zurief, als 
er ſeine Stuben geſcheuert ſah und nun nach dem Abzuge der 
Franzoſen die Ruſſen bequemlich empfangen konnte? Der 
Schlaf iſt zu tief geweſen, als daß auch die ſtärkſte Rüttelung 
ſo ſchnell zur Beſinnung zurückzuführen vermöchte. Und iſt 
denn jede Bewegung eine Erhebung? Erhebt ſich, wer gewalt⸗ 
ſam aufgeſtöbert wird? Wir ſprechen nicht von den Tauſenden 
gebildeter Jünglinge und Männer, wir ſprechen von der Menge, 
den Millionen. Und was iſt denn errungen oder gewonnen 
worden? Sie ſagen: die Freiheit; vielleicht würden wir es aber 
Befreiung nennen: nämlich Befreiung nicht vom Joche der 
Fremden, ſondern von einem fremden Joche. Es iſt wahr: 
Franzoſen ſehe ich nicht mehr und nicht mehr Italiener, dafür 
aber ſehe ich Koſaken, Baſchkiren, Kroaten, Magyaren, Kaſſu⸗ 
ben, Samländer, braune und andere Huſaren. Wir haben 
uns ſeit einer langen Zeit gewöhnt, unſern Blick nur nach 
Weſten zu richten und alle Gefahr nur von dorther zu erwarten, 
aber die Erde dehnt ſich auch noch weithin nach Morgen aus. 
Selbſt wenn wir all das Volk vor unſern Augen ſehen, fällt 
uns keine Beſorgnis ein, und ſchöne Frauen haben Roß und 


162 


Mann umarmt. Laſſen Sie mich nicht mehr ſagen. Sie zwar 
berufen ſich auf die vortreff lichen Proklamationen fremder Herren 
und einheimiſcher. Ja, ja! Ein Pferd, ein Pferd! Ein König: 
reich für ein Pferd! 

Als ich auf dieſes Wort etwas erwiderte, entſtand ein Ge— 
ſpräch, in welchem Goethes Worte immer beſtimmter, ſchärfer 
und ich möchte ſagen individueller wurden. Aber ich frage 
Bedenken niederzuſchreiben, was geſprochen worden iſt. Auch 
wüßte ich nicht, wozu es dienen ſollte. Nur das eine will ich 
bemerken, daß ich in dieſer Stunde auf das innigſte überzeugt 
worden bin, daß diejenigen im ärgſten Irrtum ſind, welche 
Goethe beſchuldigen, er habe keine Vaterlandsliebe gehabt, 
keine deutſche Geſinnung, keinen Glauben an unſer Volk, kein 
Gefühl für Deutſchlands Ehre oder Schande, Glück oder Un— 
glück. Sein Schweigen bei den großen Ereigniſſen und den 
wirren Verhandlungen dieſer Zeit war lediglich eine ſchmerz— 
volle Reſignation, zu welcher er ſich in ſeiner Stellung und bei 
ſeiner genauen Kenntnis von den Menſchen und von den Dingen 
wohl entſchließen mußte. 

Als ich endlich auf brach, waren meine Augen mit Tränen 
angefüllt. Ich faßte Goethes beide Hände, weiß aber durchaus 
nicht, was ich geſagt, und ebenſowenig, was Goethe geanf- 
worfef hat. Gewiß iſt, er war ſehr herzlich. Als ich ſchon aus 
der Türe getreten war, wandte ich mich nochmal zurück: Bei 
meinem Eintritt hatte ich die Abſicht, Ew. Exzellenz noch eine 
Bitte vorzutragen; ich habe es aber unterlaſſen und will es auch 
jetzt nicht kun. Ich wollte Ew. Exzellenz bitten, mein Journal 
doch mit einigen, wenigſtens mit einem Beitrag zu beehren. — 
Ich danke Ihnen, fiel Goethe ein, daß Sie es nicht getan 
haben. Ungern hätte ich es Ihnen abgeſchlagen, aber ich hätte 
es Ihnen abſchlagen müſſen, und Sie wiſſen nunmehr warum. 


163 


Ricarda Huch: An die Frauen 


I 
Frauen, wie das Los der Erde falle, 
Nie wechſelt eures: Leiden, Kampf und Not. 
Ob Frieden blühe, ob das Schlachthorn ſchalle, 
Ein ewger Brand von eurem Opfer loht. 


Die weiche Hand, die fremdes Weh verbunden, 

Die ſchöne Hand, zu niedrem Dienſt bequemt, 

Verdeckt beſchämt die eignen bittren Wunden; 

Euch ſtützt kein Glücklicher, wenn Schmerz euch lähmt. 


Die edles Denken haucht wie eine Blume, 

Die freie Stirne ſchmückt kein Ehrenkranz, 
Von eurer tapfren Herzen Heldentume 

Singt keine Chronik, prahlt kein Ordensglanz. 


So hold tragt ihr das Haus, ihr aufrecht Schlanken, 
Als wär ein Diadem das Marmordach; 

Wer dächte, der euch lächeln ſieht, zu danken? 

Den lautlos Scheidenden blickt keiner nach. 


Die zartſte Bruſt ſchirmt nicht des Ritters Eiſen, 
Wie Sklaven kämpft ihr, ſchutzlos, namenlos, 
Und ſteigt, wenn Völker ihre Helden preiſen, 
Vergeßne Sieger, in den dunklen Schoß. 


2 
Liebe ſtürzte ſich vom Himmel, 
Um im Staube zu verbluten, 
Liebe nährt, was darbt und ſchmachtet, 
Mit des Herzens ſtarken Fluten. 


164 


Teilt an jene, die entbehren, 
Lorbeerkranz und Ehrenzeichen; 
Nicht an uns, die wir entſtammen 
Immergrünen Sonnenreichen. 


Keiner Indien Fabelſchätze 
Wiegen auf, was wir verſchwenden, 
Übermaß verſchenkter Gabe 
Keimt aufs neu aus unſern Händen. 


Wie ins Meer die Ströme münden 
Ewig voll und in Kaskaden 
Welten endlos ſich ergießen, 
Strömen unſrer Liebe Gnaden. 


Könnte Dank und Lohn beglücken 
Wie die Wonne ſolchen Lebens? 
Ruhmlos kämpfend, leidend, ſterbend 
Jubeln wir den Pſalm des Lebens. 


Klein-Kerſtin 
Schwediſches Volkslied 
lein⸗Kerſtin und ihre Mutter, die zählten Gold in die Truh. 
— Wer bricht das Blatt vom Liljenbaum? — 
Klein⸗Kerſtin weint den Liebſten hervor aus Grabesruh. 
In Freude all eure Tage. 


Er trat in ihre Kammer wohl vor die Türe dort. 
— Wer bricht das Blatt vom Liljenbaum? — 
Steh auf, Klein⸗Kerſtin, den Riegel ſchieb fort. 
In Freude all eure Tage. 


165 


Sie hieß ihn fißen auf goldrotem Schrein, 

Sie wuſch ſeine Füße in klar⸗klarſtem Wein, 
Und ſie ſaß rechts, und links ſaß er, 

Sie ſprachen ſo viel, daß ſie ſchliefen nicht mehr. 


Und hörſt du, Klein-Kerftin, die Hähne ſchrein? 
— Wer bricht das Blatt vom Liljenbaum? — 
Und die Toten müſſen im Grabe ſein. 

In Freude all eure Tage. 


Und Klein-Kerftin ſtand auf, in die Schuh trat ſie bald, 
So folgt ſie dem Liebſten hin durch den Wald. 

Und als ſie kamen zum Kirchhof dann, 

Sein goldſchönes Haar zu ſchwinden begann. 


Und ſiehſt du, Klein-Kerſtin, des Mondes Schein? 
— Wer bricht das Blatt vom Liljenbaum? — 

Und der Tote ſank in den Hügel hinein. 

Sie ſetzte ſich auf den Hügel ſtill: 

Allhier den Tod ich erwarten will. 


Da hat ſie vernommen des Liebſten Wort. 

— Wer bricht das Blatt vom Liljenbaum? — 
Und hörſt du, Klein⸗Kerſtin, nun geh wieder fort. 
In Freude all eure Tage. 


Von jeder deiner Tränen, die hin zur Erde ſank, 

— Wer bricht das Blatt vom Liljenbaum? — 

Ward voll von ſchwarzem Blute mein enger Leichenſchrank. 
In Freude all eure Tage. 


166 


Bei einem jeden Mahle, wenn du recht fröhlich bift, 
— Wer bricht das Blatt vom Liljenbaum? — 
Von lichten Roſenblättern mein Sarg erfüllet ift. 


In Freude all eure Tage. 
(Übertragen von Etta Federn) 


Ein neu Lied Herrn Ulrichs von Hutten 


1521 


ch habs gewagt mit Sinnen 
8 und trag des noch kein Reu, 
mag ich nit dran gewinnen, 

noch muß man ſpüren Treu; 

darmit ich mein nit eim allein, 

wenn man es wollt erkennen: 

dem Land zu gut, wie wohl man tut 
ein Pfaffenfeind mich nennen. 


Da laß ich jeden lügen 

und reden, was er will; 

hätt Wahrheit ich geſchwiegen, 

mir wären hulder viel: 

nun hab ichs gſagt, bin drum verjagt, 
das klag ich allen Frummen, 
wiewohl noch ich nit weiter flich, 
vielleicht werd wiederkummen. 


Um Gnad will ich nit bitten, 
dieweil ich bin ohn Schuld; 
ich hätt das Recht gelitten, 
ſo hindert Ungeduld, 


167 


daß man mich nit nach altem Sitt 

zu Ghör hat kummen laſſen; 

vielleicht wills Gott und zwingt ſie Not, 
zu handeln dieſermaßen. 


Nun iſt oft dieſergleichen 

geſchehen auch hievor, 

daß einer von den Reichen 

ein gutes Spiel verlor; 

oft großer Flamm von Fünklin kam, 
wer weiß, ob ichs werd rächen! 

ſtaht ſchon im Lauf, ſo ſetz ich drauf: 
muß gahn oder brechen! 


Darneben mich zu tröſten 

mit gutem Gwiſſen hab, 

daß keiner von den Böf’ten 

mir Ehr mag brechen ab, 

noch ſagen, daß uf einig Maß 
ich anders ſei gegangen 

dann Ehren nach, hab dieſe Sach 


in gutem angefangen. 


Will nun ihr ſelbs nit raten 
dies frumme Nation, 

ihrs Schadens ſich ergatten, 
als ich vermahnet han, 

ſo iſt mir leid; hiemit ich ſcheid, 
will mengen baß die Karten, 
bin unverzagf, ich habs gewagt 
und will des Ends erwarten. 


168 


> Nr S 
IIIIUNNSUNN RÄNSSÄN EN 


Wars 
Nr 


tere 
8 


rr 
Were 


Ulrich von Hutten 


Ob dann mir nach tut denken 

der Kurtiſanen Liſt: 

ein Herz laßt ſich nit kränken, 

das rechter Meinung iſt; 

ich weiß noch viel, wölln auch ins Spiel, 
und ſolltens drüber ſterben: 

Auf, Landsknecht gut und Reuters Mut, 
laßt Hutten nit verderben! 


Der Rembrandtdeutſche (Julius Langbehn): 
Die deutſche Weltherrſchaft — Nordweſtliches 
1890 


(En Volk, das ſich auf ſich ſelbſt konzentriert, wird dadurch 
unwillkürlich auch mächtig über andere; Griechenland hat 
es bewieſen; Deutſchland wird es hoffentlich beweiſen. Schon 
allein durch ſeine Lage iſt es beſtimmt, im europäiſchen Staats⸗ 
leben entweder zu dominieren oder dominiert zu werden; ein 
drittes gibt es nicht; und ſolange es einig iſt, dominiert es. 
Eben darum muß und wird es auch im europäiſchen Geiſtes⸗ 
leben die Führung übernehmen — wenn es wieder den Mut zu 
einer beſonderen und nur ihm eigentümlichen Bildung findet. 
Konzentration iſt Attraktion. Gründet ſich die Herrſchaft 
eines Volkes gegenüber einem anderen auf die innere Überlegen- 
heit des erſteren, ſo iſt ſie durchaus berechtigt und iſt dem letz⸗ 
teren nur nützlich; wie innerhalb eines jeden einzelnen Volkes, 
fo bedarf es auch innerhalb der Menſchheit einer Über- und 
Unterordnung der einzelnen Teile; die Kunſt, dieſelbe ehrlich 
und ſachgemäß durchzuführen, könnte man Menſchheitspolitik 
oder in bezug darauf, daß ſie alle Bewohner unſeres Planeten 
umfaßt, planetariſche Politik nennen. Die von Bismarck 


170 


inaugurierte Politik der Aufrichtigkeit und Wahrheit, alfo 
eine geniale Politik, iſt für ſie eine gute Vorbereitung; ſie wo— 
möglich in einem noch größeren Maßſtabe zu handhaben als 
bisher, wird der Zukunft vorbehalten fein. Das jetzt begin: 
nende Zeitalter einer interkontinentalen Politik leitet allmäb- 
lich zu ihr hinüber. Was der Deutſche Kaiſer unter den deut⸗ 
ſchen Fürſten iſt, das geborene Haupt, ſollte Deutſchland unter 
den übrigen Ländern der Erde ſein. Teilweiſe iſt es dies bereits. 
Die deutſchen Fürſten ſind, objektiv genommen, der koſtbarſte 
Beſitz der deutſchen Nation; daß ſie es, ſubjektiv genommen, 
nicht immer ſind, beweiſt durchaus nichts dagegen. Sämtliche 
europäiſche Monarchen ſind, mit ſehr geringer Ausnahme, 
direkt oder indirekt von deutſcher Abſtammung; auch der ganze 
höhere Adel Europas iſt von vorwiegend germaniſchem Ur— 
ſprung. Es gibt gemeinſame politiſche wie geiſtige Intereſſen 
für den Geſamtadel Europas; ſie beruhen im letzten Grunde 
auf der Kontinuität des Blutes und ſollten an ſie wieder an— 
knüpfen. Wie der echte Deutſche durchweg als ein Ariſtokrat, 
wird der echte Ariſtokrat durchweg als ein Deutſcher geboren; 
kurzlebige Schlagwörter des Tages können jene, und jahrhun⸗ 
dertelanger Aufenthalt in der Fremde dieſe Eigenheit nicht auf— 
heben. 

Der Deutſche beherrſcht alſo, als Ariſtokrat, bereits Europa; 
und er beherrſcht, als Demokrat, auch Amerika; es wird viel— 
leicht nicht lange dauern, bis er, als Menſch, die Welt be— 
herrſcht. Möge er ſich einer ſolchen Rolle würdig zeigen. Er 
iſt zu derſelben nur berechtigt und befähigt, wenn und inſofern 
er in jeder Lage und unter allen Umſtänden das deutſche Prinzip 
des Individualismus hochhält. Auf der Achtung fremden 
Rechtes und nicht am wenigſten fremden Geiſtesrechtes beruht 
die deutſche, auf dem Gegenteil beruhte die römiſche Weltherr— 


171 


ſchaft; darum iſt jene beſſer als dieſe. Die Deutſchen find be- 
ſtimmt, den Adel der Welt darzuſtellen. Deutſchlands Welt⸗ 
herrſchaft kann nur eine innerliche fein; wie auch fein Ariſto⸗ 
kratismus nur ein innerlicher ſein kann; aber beide werden ſich 
trotzdem äußerlich betätigen und geltend machen müſſen. Das 
deutſche Wahrwort muß auch ein Machtwort ſein. Dann 
kann wieder deutſche Unparteilichkeit, aber ohne deutſche 
Schwäche, ſich bewähren; dann erſt wird Deutſchland ver⸗ 
dienterweiſe auf dem Richterſtuhl der Nationen ſitzen. Die 
Geige iſt das ſpezifiſch deutſche Muſtkinſtrument; der Deutſche 
hat ſie erfunden, kultiviert und führt ſie noch immer meiſter⸗ 
haft; er iſt berufen, auch im politiſchen Weltkonzert die erſte 
Geige zu ſpielen. Primus inter pares. Die Geige iſt ein Frie⸗ 
densinſtrument; ſie beſänftigt, ſie reizt nicht auf wie die Kriegs⸗ 
trompete; auch die deutſche Politik, wenn ſie in jenem Sinne 
geführt wird, muß ſich vorzugsweiſe darauf richten, politiſche 
„Friedensinſtrumente“ zu handhaben. Sie ſoll den Chor der 
Völker führe a, aber zur Harmonie. Suum cuique. Die Geige 
iſt ein ariſtokratiſches Inſtrument; fie wirkt nicht durch lär⸗ 
mende, ſondern durch gehaltene Töne; ihr Weſen iſt feinſte 
Nuancierung, edelſte Abſtufung. Wie für die innere ſoll ſie 
auch für die äußere Politik des Deutſchen Reiches vorbildlich 
ſein; Macht und Recht hat dieſe letztere, von oben nach unten, 
in ſanften Übergängen und gerecht zu verteilen. Decrescendo. 

Die Deutſchen haben ſchon jetzt die politiſche mastership of 
the world; ihre ſonſtigen Anlagen befähigen ſie, ſich dieſelbe 
auch geiſtig zu erringen; jene werden ſie ſich durch ſtarke Kriegs⸗ 
bereitſchaft erhalten und dieſe durch echte Kunſtgeſinnung er⸗ 
werben. Um dieſen hohen Zweck zu erreichen, bedarf es eines 
vermittelnden Organs, eines Bindeglieds, einer Brücke — 
zwiſchen Deuffchland und der übrigen Welt. Sie iſt in der 


172 


See gegeben. Und als ein Brückenkopf dient ihr jener Kranz 
von dominierenden germaniſchen Staaten, welcher das heutige 
Deutſche Reich nach Nordweſten hin halbkreisförmig umſchließt. 
Die jetzige deutſche Politik ift eine Politik der Blutsverwandt⸗ 
ſchaft; ſie erſtreckt ſich vorwiegend auf die inneren Stämme 
Deutſchlands; ſie ſollte ſich aber auch, zunächſt geiſtig und 
ſpäter vielleicht wirklich, auf die äußeren Stämme desſelben er⸗ 
ſtrecken. Hier liegt die Reſerve ſeiner Kraft! Der amphibiſche 
Teil Deutſchlands, die Seeſtämme, müſſen möglichſt in ſeine 
künſtleriſche Intereſſenſphäre mit einbezogen werden. Richtet 
ſich künftighin die Achſe der deutſchen Bildung auf die Nord— 
ſee, ſo wird dieſer geiſtige gerade wie der phyſiſche Nordpol einen 
Strahlenkranz magnetiſcher Strömungen wie Gegenſtrö— 
mungen um ſich herum fordern und erzeugen. Holland, auf 
das ſchon hingewieſen worden iſt, umfaßt einen Teil derſelben. 
In dieſem Lande begegnen ſich indirekt Frankreich, England, 
Deutſchland; es wendet ſeine drei Seiten gleichmäßig dieſen 
drei beſonders ſo zu nennenden modernen Staaten zu; es iſt eine 
Art von Triangulationsdreieck für die europäiſche Kultur. Da⸗ 
durch war es ſtets ſtarken äußeren Einflüſſen ausgeſetzt; aber 
es wußte ihnen gegenüber feine beſondere Eigenart zu wahren; 
und das iſt ihm nützlich geworden. Holland ſelbſt iſt wie eine 
fette Scholle, die am Meere liegt; von ihm aus kann ſich der 
weltumfaſſende Geiſt des Individualismus über Deutſchland, 
und von Deutſchland aus über die bewohnte Erde in befruch— 
tender Strömung ergießen. Holland endlich iſt während der 
ſogenannten Auf klärungsperiode die Hohe Schule für die 
deutſchen wie nordiſchen Fürſten geweſen; Wilhelm III. von 
Oranien und der Große Kurfürſt, Peter der Große und Fried— 
rich II. von Preußen haben ſich durch einen längeren oder kür⸗ 
zeren dortigen Aufenthalt für ihre ſpätere große geſchichtliche 


173 


Rolle vorbereitet; fie haben dort, zunächſt für ſich und dann 
für ihre Völker, Freiheit und Selbſtändigkeit gelernt; es iſt 
zu wünſchen, daß ſich für das künftige geiſtige Leben Deutſch— 
lands ein ähnlicher Einfluß wieder geltend mache. Ein Volk 
bedarf einer größeren Arena, um zu lernen, als ein Fürſt; da 
das deutſche Volk nun mündig geworden iſt, wird es ſeine 
Kräfte auch geiſtig auf einem weiten Schauplatz üben und an- 
ſtrengen müſſen. Jene nordweſtgermaniſchen Stämme und 
Staaten, die wie ein Groß-Holland zwiſchen Ozean und Feſt⸗ 
land liegen, ſind dazu geeignet, beſtimmt, unerläßlich. Sie können 
geiſtige Befreier ihres Mutterlandes werden; ihre verwandte 
und doch fremde Bildung iſt ein paſſendes Gegengewicht gegen 
jene drückende Laſt antiker Geiſtestradition, unter welcher die 
jetzigen Deutſchen ſeufzen. Der Nordweſten kann den Südoſten 
wohl aufwiegen. Die deutſche Geiſteskraft muß ſich, ſoweit ſie 
von außen empfangen und nach außen hin geben will, dieſer 
Himmelsrichtung zuwenden; hier findet ſie ihre nordweſtliche 
Durchfahrt! Germania hat alle ihre Kinder um ſich zu ſammeln; 
das iſt die beſte Staats⸗ und Geiſtespolitik; es iſt eine Familien⸗ 
politik. 

Nord- und Oſtſee find die beiden mächtigen Ausfallstore, 
welche das deutſche Land und der deutſche Geiſt ſich vorbehalten 
hat. In den gebildeten Klaſſen der Oſtſeeprovinzen iſt noch 
Individualität, in den ungebildeten Klaſſen Norwegens noch 
Natur vorhanden; in Dänemark iſt der Sinn für feineres ge⸗ 
ſelliges und ſoziales Leben zu Hauſe. In Kopenhagen lebt ein 
Bierbrauer, der mehr für däniſche Kunſt getan hat als irgend⸗ 
ein deutſcher Edelmann für die deutſche; er heißt Jacobſen. Die 
Dänen wollen nicht gern Deutſche ſein; dennoch aber ſind ſie, 
im weitern Sinne, Niederdeutſche; Dänemark heißt ſogar wört⸗ 
lich „die niedere Mark“. Vielleicht wird es den Dänen einmal 


174 


leichter werden, ſich an Niederdeutſchland als an Deutſchland 
anzuſchließen; ihr berühmteſter König, Chriſtian IV., war 
Kreishauptmann des niederſächſiſchen Kreiſes; das „Kong 
Chriſtiern ſtod ved hoie Maſt“ hat eine viel ſchönere Melodie 
als der „tappre Landſoldat“. Dänemarks eigentlicher Beruf, 
Dänemarks Blüte und Ruhm wird immer „am hohen Maſt“, 
nicht unter den „Landſoldaten“ zu ſuchen ſein. Es könnte in 
dem künftigen Großdeutſchland, natürlich zunächſt nur dem 
geiſtigen, recht gut ein Seitenſtück zu Holland darſtellen; neben 
den Generalſtaaten der Admiralſtaat; der erlöſende Hauch der 
See wird alsdann von beiden ausgehen: wie von Holland Frei— 
heit, könnte von Dänemark Feinheit nach Deutſchland importiert 
werden. Schottland und England waren ſich fünfhundert 
Jahre lang feind, ehe fie ſich für immer vereinigten; Deutſch⸗ 
land und Dänemark ſind ſich jetzt fünfzig Jahre feind; weshalb 
ſollten nicht auch ſie ſich für immer einigen können? Zwiſchen 
Holland und Dänemark endlich liegt, geiſtig wie geographiſch 
England. „Jeder Engländer iſt eine Inſel“, hat Novalis ge- 
ſagt und damit die individuelle Abgeſchloſſenheit des engliſchen 
Charakters treffend gekennzeichnet; in dieſem Sinne ſoll auch 
Deutſchland ſich geiſtig inſulieren und iſolieren; es wird dadurch 
einerſeits ſeine angeborene Eigenart vertiefen, alſo das Ziel der 
echten Bildung erreichen und andererſeits fein früheres Schwer: 
fen in die Fremde aufgeben, alfo die Fehler feiner Vergangen⸗ 
heit gutmachen. Amſterdam, London, Hamburg, Kopenhagen, 
Stockholm find die gewaltigen Elemente einer elektriſchen Bat⸗ 
terie, deren Strom ſich auch hier durch den Kontakt von Feuch⸗ 
tem und Trockenem, von Land und See, erzeugt, und durch 
welchen der deutſche Geiſt, wenn er ernſtlich will, die Welt in 
Bewegung ſetzen kann. 

Es kommt nun darauf an, daß dieſe große Aufgabe in, wie 


175 


außerhalb Deutſchlands richtig verftanden wird. „Ich gebe 
Ihnen nur eine einzige Inſtruktion mit, ein gutes Einwernehmen 
mit England“, ſagte Fürſt Bismarck zu dem Hauptmann Wiſſ⸗ 
mann, als dieſer nach Oſtafrika abreiſte; ſie gilt auch im wei⸗ 
teren Sinne und für gewiſſe weitere Aufgaben des Deutſchen; 
es gibt für ihn, wenn er eine geiſtige und künſtleriſche Welt 
politik betreiben will, nur eine einzige Inſtruktion: ein gutes 
Einvernehmen mit ſeinen Verwandten an der See. Anderer⸗ 
ſeits bedürfen mindeſtens die kleineren unter jenen Staaten, wie 
Dänemark und das heutige Holland, des inneren Anſchluſſes 
an ein großes nationales Ganze, wenn ſie nicht in der Enge 
ihres eigenen Horizontes verdumpfen ſollen. Wie die Einheit 
Deutſchlands ſeinerzeit durch gemeinſame Handelsintereſſen, 
wird die Einheit Germaniens jetzt durch gemeinſame Geiſtes⸗ 
intereſſen gefordert und gefördert. Dieſe liegen ſogar noch tiefer 
und führen daher, in gewiſſer Hinſicht, weiter als jene. Teil⸗ 
weiſe ſcheint man ſich dieſer Tatſache, diesſeits wie jenſeits der 
See, ſchon bewußt zu ſein. In England fängt nunmehr deutſche 
Sprache, Kunſt und Literatur an, Mode zu werden; Carlyle 
hat ſie dort früher ſchon ernſtlich empfohlen; Holbein, Händel, 
Beethoven ſind zuerſt jenſeits, Shakeſpeare iſt zuerſt diesſeits 
der Nordſee voll gewürdigt worden. Die betreffende Wechſel⸗ 
wirkung zeigt ſich in großen wie kleinen Dingen. Der Schotte 
Burns und der Schwede Bellman haben ganz im Geiſte Rem⸗ 
brandts gedichtet; das Volkstümliche, Humoriſtiſche, Seelen⸗ 
volle und dabei zuweilen Viſionäre iſt ihnen allen dreien in 
auffallender Weiſe gemeinſam. Die Anglomanie, welche in 
gewiſſen politiſchen wie ſozialen Kreiſen des heutigen Deutſch⸗ 
lands herrſcht, ſowie die neueſte Schwärmerei der Deutſchen 
für norwegiſche Literatur erſcheinen gleichfalls als unbeſtimmte, 
wiewohl etwas ungeſunde Fühler nach der obgenannten Rich⸗ 


176 


tung hin. Dieſe flüchtigen Kräuſelungen an der Oberfläche des 
Meeres deuten auf bleibende Strömungen in ſeiner Tiefe. Wie 
die Schwärmereien und Eitelkeiten des Jünglings dem Ernſt 
des Mannes, ſo gehen die hier genannten Neigungen einem 
ſicher zu erwartenden ſpäteren innerlichen Anſchluß der Deut— 
ſchen an ihre auswärtigen Vettern voraus. Sie wohnen von 
Riga bis Amſterdam; und wo das Auge eines einheimiſchen 
Deutſchen dem eines ausheimiſchen Deutſchen begegnet, da er— 
kennen ſie ſich; da verſtehen ſie ſich. Wie dem Deutſchen in 
Shakeſpeare und Rembrandt, ſo ſchlägt ihm auch in Cromwell 
und Pitt verwandtes Blut entgegen; ſicher wird noch einmal 
die Zeit kommen, wo die Holländer, Engländer, Dänen, Schwe— 
den nicht nur in Luther, ſondern auch in Bismarck ihren Geiftes- 
verwandten begrüßen. Kants intimſter Freund, Green, war 
ein Engländer, Bismarcks intimſter Freund, Motley, ein 
Amerikaner; ſo knüpft auch geiſtig das eine Ende des großen 
niederdeutſchen Halbkreiſes an das andere an. Stimme des 
Bluts! 


Fr. L. Graf zu Stolberg: Deutſchlands Beruf 
1813 


Da, Herz Europens ſollt du, o Deutfchland, fein! 
1 So dein Beruf! Es ſtrömt die Empfindung dir 
Aus vollen Adern, kehret ſtrömend 
Wieder zu dir in den vollen Adern! 


Gerecht in Spendung, gönneſt du jedem Glied, 
Was ihm gegeben; eigneſt, veredelnd, dir 
Das Gute zu vor allen, gibſt es 
Allen veredelt zurück, unkundig 


Des eitlen Neides, weil du, fo gut als reich, 

In eigner Fülle ſchaltend, des Heimiſchen 
Mit Liebe pflegſt, doch auch des Fremden 
Pflegeſt mit Liebe des weiten Herzens. 


Nicht würdig dein, o Mutter Teutonia, 
Verkennen deiner Söhne nicht wenige 
Das Eigne; auch unwürdig dein ſind 
Jene, die fremdes Verdienſt verkennen. 


Denn Herz Europens ſollt du, o Deutſchland, ſein, 
Gerecht und wahrhaft, ſollt in der Rechten hoch 
Die Fackel heben, die der Wahrheit 
Strahl, und die Glut des Gefühls verbreitet! 


Undeutſcher iſt der blinde Bewunderer nicht 
Des Fremden, als des Fremden Verächter; laßt 
Dem Arn die Ehre, laßt dem Fuß ſie, 


Denn ſie erwarmen an Glut des Herzens. 


Alfred Lichtwark: Der Deutſche der Zukunft 
Rede am erften Kunſterziehungstag (1901) 

ir haben das Problem der künſtleriſchen Erziehung vom 

Standpunkt des Erziehers, des Volkswirts und des 
Künſtlers ſo eingehend verhandeln hören, daß es geboten ſcheint, 
den Standpunkt in der Nähe mit einem weiteren Abſtand zu 
vertauſchen, damit ſich uns die Größenverhältniſſe nicht ver- 
ſchieben. In Wirklichkeit bedeutet die künſtleriſche Erziehung 
doch nur eine Provinz in dem großen Reich der Geſamterziehung 
unſeres Volkes, für die wir neue Grundlagen zu ſuchen und 
auszubauen die Pflicht haben. 


za, 
178 


Die Forderung nach einer künſtleriſchen Erziehung tritt nicht 
als eine vereinzelte Erſcheinung auf, ſie iſt von der erſten Stunde 
untrennbar verbunden mit dem gleichzeitig etwa um die Mitte 
der achtziger Jahre — deutlicher formulierten Ruf nach einer 
ſittlichen Erneuerung unſeres Lebens. Die beiden Gebiete ſind 
nicht zu trennen. Aus den Jahrhunderten der Armut und Be— 
ſchränktheit, der Hörigkeit und Knechtſchaft nach innen und 
außen haften dem Weſen des Deutſchen ſo viele beklagenswerte 
Züge an, daß wir als politiſch und wirtſchaftlich vorangekom— 
menes Geſchlecht mit Ruhe und Entſchloſſenheit nicht nur an 
die erbarmungsloſe Ausrottung alter Fehler, ſondern vor allem 
an die Entwickelung aller zurückgebliebenen edlen Kräfte zu 
gehen haben. Kein Beobachter kann dies Streben nach neuer 
Bildung im deutſchen Volk verkennen. Es iſt einer der Grund— 
züge der Erhebung des vierten Standes, es bewegt die Frauen— 
welt und hat bisher nur die oberen Schichten des Bürgertums 
noch kaum berührt. 

Im achtzehnten Jahrhundert wurde die Denkweiſe und 
Lebensführung der Deutſchen durch die Kirche, den Hof, die 
Univerſität und die zunftartigen Körperſchaften weſentlich mit— 
beſtimmt. Nach den Jahren des Überganges zeigeen ſich im neun— 
zehnten Jahrhundert Auf bau, Zuſammenſetzung und Wir— 
kungsgebiet der wirkenden Kräfte von Grund aus verändert. 
Der Kirche, die früher unmittelbar jede Geſellſchaftsſchicht und 
jeden einzelnen mit tauſend Fäden umſpannt hielt, haben ſich 
einzelne, haben ſich ganze Geſellſchaftsſchichten entzogen. Die 
zugleich geiſtliche und weltliche Oberherrſchaft iſt ihr nicht er— 
halten geblieben. Der Hof ſteht nicht mehr als maßgebend für 
Lebensauffaſſung und Lebenshaltung im Mittelpunkt der neuen 
bürgerlichen wie früher der ariſtokratiſchen Geſellſchaft. Er iſt 
ſelbſt in vielen Stücken verbürgerlicht. Die Zünfte ſind auf— 


179 


gelöſt worden. Von den alten Mächten hat nur die Univerſität 
als Schöpferin der alles beherrſchenden Wiſſenſchaft im neun⸗ 
zehnten Jahrhundert einen erheblichen Zuwachs an Macht 
und Anſehen erhalten. Um die Mitte des Zeitabſchnitts hatte 
ſie faſt hoheprieſterliche Geltung. 

Aber andere Lebensmächte haben ſich neben ihr erhoben, von 
denen im achtzehnten Jahrhundert nichts oder doch nur die 
Keime vorhanden waren. Die politiſche Partei, die Preſſe, 
die Erhebung und politiſche Organiſation des vierten Standes, 
die Frauenbewegung und als Folge der Schulpflicht und 
Wehrpflicht Schule und Heer. 

Alle dieſe Faktoren haben fühlbaren Einfluß auf die 
Bildung des Deutſchen der Zukunft. Aber die Kirche, die 
politiſche Partei, die Preſſe, die Organiſation des vierten 
Standes und der Frauenbewegung wirken doch nur auf 
einzelne Kreiſe oder auf Teile des Volkes. Mittelbar oder 
unmittelbar beſtimmend für alle ſtehen nur die Univerſität, 
die Schule und das Heer da. Ihre Träger, der Profeſſor, 
der Lehrer, der Offizier, bilden feſtgeſchloſſene Stände mit 
eigener Überlieferung und eigenem Standesideal. Und ſie 
wirken nicht nur auf Kreiſe und Teile, ſondern auf alle 
Stände, und nicht aus der Ferne und unperſönlich durch das 
Wort, ſondern unmittelbar durch das Vorbild ihrer lebendigen 
Perſönlichkeit. 

Dieſe drei Stände, der Profeſſor, der Lehrer und der Offizier, 
die unſere Lebensauffaſſung und Lebensführung allein durch 
ihre Allgegenwart ſtärker beeinfluſſen als ſelbſt die Kirche, deren 
Vertreter in größere Ferne gerückt ſind, haben in keinem anderen 
Volk dieſelbe Stellung und Bedeutung. Was wir an guten 
Eigenſchaften des Charakters, an Kräften und Fähigkeiten für 
den Deutſchen der Zukunft erſtreben, wird ihm am ſicherſten 


180 


und ſchnellſten übermittelt, wenn es der Profeffor, der Lehrer 
und der Offizier durch ihr Beiſpiel ihm vorleben. 
1 


Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderks, das ſich als 
Neubegründer, als Vollender aller Wiſſenſchaften fühlte, ge— 
noß in Deutſchland die Univerſität als Hüterin und Mehrerin 
des koſtbarſten aller Schätze eine faſt religiöfe Verehrung, und 
der Stand des Profeſſors bildete eines der Lebensideale des 
deutſchen Volkes. Der Profeſſor war der vornehmſte Held im 
Roman, ein Gefäß aller äußeren und inneren Vollkommen⸗ 
heiten. Gegen das Ende des Jahrhunderts war eine Verſchie— 
bung eingetreten, die — im Roman — den Offizier und den 
Künſtler und- im Leben den Techniker, den Induſtriellen, den 
Kaufmann in den Vordergrund gerückt hatte. Der Profeſſor 
hatte in der Dichtung und im Leben den erſten Platz nicht be— 
haupten können. Die Intereſſen waren andere Wege gegangen. 

Wir find mit gutem Rechte ſtolz auf die Taten unferer Ted): 
niker, Induſtriellen und Kaufleute, und wir ſehen in der wirt— 
ſchaftlichen Macht, die ſie uns im Lauf eines Menſchenalters 
zurückgewonnen haben, eine der Sicherungen für den Beſtand 
unſeres Volkstums. Auch ſteht nicht zu fürchten, daß das 
deutſche Volk von nun an in der Anhäufung und im Genuß 
weltlicher Güter den Zweck ſeiner Arbeit und ſeines Daſeins 
ſehen wird. Daß es einen Moment faſt ſo ſcheinen konnte, darf 
nicht ungerecht machen. Dasſelbe Geſchlecht, das die neuen 
Güter erwarb, war nur in einzelnen Ausnahmefällen in der 
Lage, ſich die Kultur zu erwerben, der ſie zu dienen beſtimmt 
ſind. Auch der Reichtum braucht Überlieferung, um ſich aus— 
zudrücken, und Überlieferung gab es in Deutſchland nicht. Wir 
hatten keinen über das ganze Land verteilten Stand mit ererb- 
tem Reichtum und überliefertem Kulturleben, dem der neue 


181 


Reichtum hätte nachftreben können. So kommt es, daß er keiner⸗ 
lei Verpflichtung zu fühlen oder anzuerkennen braucht. Man 
kann in Deutſchland ſehr reich, ſehr ungebildet, zu keinerlei 
Opfer für irgendeinen Kulturzweck bereit ſein, ohne der Ver⸗ 
achtung anheimzufallen. Das geſellige Leben hat dieſer neue 
Reichtum auf eine rein materielle Baſis geſtellt und dadurch 
zu einem Fluch gemacht für die, die ſich ihm nicht entziehen 
können. 

Es wäre ſchlimm, wenn die Peſſimiſten recht hätten, die dem 
Vertreter von Kunſt und Wiſſenſchaft, ſoweit er nicht mit 
eigenen Gütern geſegnet iſt, eine Art ſozialer Hörigkeit im Kreis 
der Beſitzenden weisſagen. 

In dieſer Kriſis ſehen wir im deutſchen Profeſſorenſtande 
Beſtrebungen einſetzen und ſtärker werden, die eine neue Zeit 
mit heraufführen können. Der Profeſſor, der früher in uner⸗ 
reichbarer Höhe über der Welt ſtand und es unter ſeiner Würde 
hielt, das himmliſche Feuer ſelber den Sterblichen hinabzutra⸗ 
gen, beginnt ſich Menſch unter Menſchen zu fühlen. Er hat 
erfahren, daß die hochmütige Abwehr jeder Laienteilnahme an 
der Wiſſenſchaft ihren Beſtand gefährdet. Vielleicht iſt das 
Vorurteil gegen die künſtleriſche Darſtellung der Ergebniſſe 
ſeiner Forſchungen, die ſie der Welt zugänglich macht, noch 
nicht überall gebrochen, aber es iſt doch ſchon Breſche gelegt. 

Auch andere Vorurteile ſind gefallen. Mehr und mehr zeigt 
ſich die Neigung, das Leben der Gegenwart zu erforſchen und 
als ein vollwertiges Objekt der wiſſenſchaftlichen Unterſuchung 
gelten zu laffen. Auf politiſchem, wirtſchaftlichem und litera⸗ 
riſchem Gebiete erhalten wir Beobachtungen und Erläuterun⸗ 
gen des Lebens, wie ſie unſere Vorfahren aus ihrer eigenen Zeit 
nicht gekannt haben. Man beginnt ſodann an den Univerſitä⸗ 
ten zu erkennen, daß die Unwilligkeit, wiſſenſchaftliche Zwecke 


182 


zu fördern, die den deutſchen Reichtum neben dem englifchen 
und namentlich dem amerikaniſchen ſo dunkel erſcheinen läßt, 
nicht ohne Verſchulden der Wiſſenſchaftler zuſtande gekommen 
iſt. Der deutſche Profeſſor zeigt ſich hie und da geneigt, gewiſſe 
Überlieferungen mittelalterlicher Barbarei in der Form gelehrter 
Streitigkeiten als eines gebildeten Mannes und Ehrenmannes 
unwürdig zu verlaſſen. Er fängt an, ſeine körperliche Erzie— 
hung und Erholung in die Hand zu nehmen. Und die frühere 
Gleichgültigkeit gegen die äußere Erſcheinung beginnt der beſſeren 
Einſicht zu weichen, daß ſich in der werdenden deutſchen Ge— 
ſellſchaft der Nachläſſige, nicht peinlich Saubere und Gepflegte 
je Länger deſto ſicherer deklaſſieren wird. 

Dies alles und andere verwandte Beſtrebungen im Profeſſo— 
reuſtand laſſen erkennen, wie auch er von dem Strom künſtle— 
riſcher und ethiſcher Bewegung ergriffen iſt, der unſer ganzes 
Volk mit ſich zu reißen beginnt. Angeſichts der unermeßlichen 
Tragweite ſeines Einfluſſes ein troſtreiches Vorzeichen. Bei 
der inneren Miſſion künſtleriſcher und ethiſcher Kultur können 
wir den Profeſſor ſo wenig entbehren wie den Lehrer. Aber 
was ſie lehren wollen, müſſen ſie auch in ſich und an ſich zur 
Erſcheinung bringen. 

Was das neunzehnte Jahrhundert in der Entwickelung der 
Schule, vom Gymnaſium bis zur Volksſchule, geleiſtet hat, 
iſt von ihm ſelbſt mit als eine ſeiner großen Taten angeſehen 
worden. Es hat damit eine Organiſation geſchaffen, die noch 
kein Kulturvolk jemals für ſeine eigene Erziehung beſeſſen hat. 
Und die Deutſchen haben ſich nicht mit der mechaniſchen Ein— 
richtung begnügt, ſie haben Unterrichtsmethoden geſchaffen, die 
den Zugang zu jeder Art von Wiſſen von allen überflüſſigen 
Schwierigkeiten der Wegführung befreit haben. 

Doch bleibt dem zwanzigſten Jahrhundert zu tun genug, 


183 


einmal, weil überhaupt noch nicht alle methodiſche Arbeit er- 
ledigt iſt, dann, weil jede neue Zeit neue Anforderungen ſtellt, 
und ſchließlich und nicht zum wenigſten, weil alle menſchlichen 
Einrichtungen nur auf Sicht getroffen werden können, ſelbſt 
wo man meint, Grundmauern für die Ewigkeit zu legen. Auch 
die Schule befindet ſich dauernd im Zuſtand der Revolution. 

Daß wir trotz der außerordentlichen Leiſtungen der Schule 
noch Wünſche haben oder ſtellenweiſe gar noch unzufrieden 
ſind, iſt nur ein Beweis für ihre lebendige Kraft. Zufrieden- 
heit und Wunſchloſigkeit wären ein Anzeichen von Verftei- 
nerung. 

Unſerer Bildung fehlt heute noch die feſte nationale Grund- 
lage. Mag auch die theoretiſche Pädagogik ſie fordern, mag 
auch der Wortlaut der Lehrpläne beſagen, daß ſie angeſtrebt 
wird, das geiſtige Leben unſerer Gebildeten beweiſt, daß eine 
wirkliche Lebensgemeinſchaft mit den führenden Geiſtern der 
deutſchen Politik, Literatur, Kunſt und Wiſſenſchaft nicht be⸗ 
ſteht oder höchſtens da, wo in der Muſik ein außerhalb der 
Schule gewachſener Dilettantismus großen Stils die Grund- 
lage bildet. Vor allem wäre zu wünſchen, daß unſer Volk 
mit ſeinen großen Dichtern und Schriftſtellern in engerer Ver⸗ 
trautheit aufwüchſe. Der gebildete Deutſche empfängt heute noch 
mindeſtens ebenſoviel Anregung und Genuß von der engliſchen 
und franzöſiſchen Literatur wie von der des eigenen Volkes. 
Vielleicht trägt eine etwas zu enge Faſſung des Begriffs der 
ſchönen Literatur mit zu der ungenügenden Schätzung des deut⸗ 
ſchen Schrifttums in Deutſchland bei. Zur ſchönen Literatur ge- 
hört nicht nur das Gedicht in gebundener Sprache, das Drama, 
der Roman, die Novelle, ſondern ebenſogut jede Art künſtleri⸗ 
ſcher Geſtaltung eines wiſſenſchaftlichen Stoffs. Es erfordert 
ebenſoviel künſtleriſche Phantaſie, Kraft und Technik, einen 


184 


philoſophiſchen oder wiſſenſchaftlichen Vorwurf als Erlebnis 
zu geſtalten, wie der Auf bau und die Ausarbeitung eines Ro⸗ 
mans, und es liegt gar keine Veranlaſſung vor, den, der Ge— 
dichte oder Romane ſchreibt, ohne weiteres für ein höheres Weſen 
zu halten als den „dichtenden“ Philoſophen, Gelehrten oder 
Staatsmann. 

Die Bekanntſchaft nicht nur mit den Namen, ſondern mit 
den Werken der großen bildenden Künſtler, die das deutſche 
Weſen ausdrücken, der Jugend zu vermitteln, hat die Schule 
bisher überhaupt nicht als ihre Aufgabe angeſehen. 

Dieſer ungenügende nationale Inhalt unſerer Bildung hat 
den ſehr bedauerlichen Zuſtand zur Folge, daß die Art der Bil— 
dung in Deutſchland Kaſte macht. Wer die klaſſiſche Bildung 
ſelbſt nur in der unzulänglichen Geſtalt erworben hat, in der 
das heutige Gymnaſium ſie vermittelt, glaubt als höherer 
Menſch mit Geringſchätzung auf den, der nur die moderne 
Dreiſprachenbildung beſitzt, herabſehen zu dürfen. Wer Eng⸗ 
liſch und Franzöſiſch kann, fühlt ſich erhaben über den noch ſo 
gebildeten einſprachigen Deutſchen. 

Wenn man uns, auf die Stundenpläne geſtützt, zu beweiſen 
verſucht, daß das nationale Schrifttum eifrig gepflegt würde, 
ſo brauche ich nur zu fragen: Was lebt denn im Geiſt und im 
Herzen unſerer Gebildeten aus unſerer großen Literatur? Und 
von welcher Koſt nährt ſich unſer Volk? Daß nicht alle für 
den Genuß des Beſten die natürliche Begabung haben, weiß 
ich wohl. Aber ich habe mich ſehr viel umgetan, um zu prüfen, 
wie viele, die von Haus aus befähigt und geneigt wären, ein⸗ 
fach vernachläſſigt ſind. Ihre Zahl iſt in allen Ständen, ſelbſt 
in den oberen, Legion. 

Für die Entwickelung unſeres Volkstums müſſen wir von 
der Erziehung verlangen, daß ſie die liebende Hingabe an unſere 


185 


— 


eigene Sprache, Literatur und Kunſt in allen Kreiſen erweckt. 
Darin liegt eine unſchätzbare, alle Stände des Volkes zujam- 
menſchließende Kraft. Wer hat es nicht erlebt, wie ihn Ver⸗ 
trautheit mit Goethe, Gotthelf, Keller oder Jakob Burckhardt 
— ich nenne die erſten beſten Namen — einem Fremden, der 
dieſelben geiſtigen Erlebniſſe gehabt, bei flüchtiger Berührung 
nahegebracht hat! 

Hätten wir dieſe allen Ständen zugängliche gemeinſame 
Bildung, ſo würde die klaſſiſche Kultur kaum ernſtliche Wider⸗ 
ſacher finden. 

Der Gedanke der deutſchen Schule verkörpert ſich im Lehrer. 
In ſeiner gegenwärtigen Ausdehnung und Organiſation iſt der 
Lehrerſtand jung und, als Folge der Schulpflicht, eine Schöp— 
fung des neunzehnten Jahrhunderts. Er hat keine alten, ge 
feſtigten Traditionen, es ſteht kein Ahnengeſchlecht hinter ihm. 
Nach gut deutſcher Art iſt er ſcharf zerklüftet, und als unver⸗ 
ſöhnte Gegenſätze ſtehen ſich Volksſchullehrer und Lehrer der 
höheren Schulen gegenüber, genau, wie die Lehrer der höheren 
Schulen ſich leicht in einem Gegenſatz zu den Lehrern der Hoch— 
ſchule fühlen. Unter dieſen Zuſtänden pflegt ein junger Stand 
wie der des Lehrers beſonders zu leiden. Die ältern Stände 
haben äußere Macht und äußeres Anſehen ererbt, der neue be⸗ 
ſitzt noch kein ſolches Kapital. Nach deutſcher Gewohnheit 
verweigern die ältern Kaſten jedem neuen Stand (der notge⸗ 
drungen das Weſen der Kaſte annehmen muß) gleiches Recht. 

Mancher Charakterzug des heutigen Lehrers ſtammt aus 
dieſer Lage. 

Nun können uns aber Stimmung und Gemütsverfaſſung 
des Lehrers um ſo weniger gleichgültig ſein, als es von ihm 
allein abhängen wird, ob die Schule im zwanzigſten Jahrhun⸗ 
dert noch ferner wie ein Fremdkörper auf unſerm Leben laſtet, 


186 


oder ob fie vom Kind, das fie beſucht, von den Eltern, die ihre 
Kinder hinſenden, geliebt wird. 

Alle Schulreform ſteht und fällt mit dem Lehrer. Die beſten 
Stundenpläne können ihn nicht beflügeln, die ſchlechteſten ihn 
nicht hemmen. Der Kern ſeiner Wirkungsfähigkeit liegt in der 
lebendigen Kraft, die er entfaltet, und in der Kraft, die er in 
ſeinen Schülern entwickelt. 

Daß dazu auch die künſtleriſchen Kräfte gehör die das 
Leben geſtalten ſollen, ohne deren Ausbildung, ohne deren Ein— 
wirkung auf Sprache, äußere Erſcheinung, Lebenseinrichtung 
und Lebensführung, auf Schaffen und Genuß in jeder Geſtalt 
das Daſein auch in der Fülle materiellen Wohlſtandes ein 
Vegetieren bleibt, hal die Theorie niemals bezweifelt, ſoll aber 
für das Leben unſeres Volkes als ein neues Ziel der Entwick— 
lung erſt erobert werden. 

* 

Wie mit der Schulpflicht hat ſich das deutſche Volk mit 
der Wehrpflicht im neunzehnten Jahrhundert in vorbildlich 
gewordenem Entſchluß eine ſchwere Laſt auferlegt, aber zugleich 
eine Einrichtung von unſchätzbarem erziehlichem Einfluß ge— 
ſchaffen. 

Der Träger dieſes Einfluſſes, der Offizier, iſt in feiner heuti— 
gen Ausprägung ein Erzeugnis des neunzehnten Jahrhunderts. 
Aber er hat viele Wandlungen durchgemacht und iſt beſtändig 
im Werden und Wachſen begriffen. Eine Geſchichte der Ent— 
wickelung des deutſchen Offiziers ſcheint noch nicht verſucht zu 
ſein, ſo wichtig ſie für die Klärung der Vorſtellungen ſein würde. 
Der nächſte Vorfahr des deutſchen Offiziers ſind die Führer 
der ſtehenden Heere ſeit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. 
Weiter zurück geht ſeine Abſtammung auf die Söldnerführer, 
die Ritter und in fernerer Folge die kriegeriſchen Adelsge— 


187 


ſchlechter. Vom Dreißigjährigen Kriege ab lag die Entwickelung 
des Typus weſentlich in der Hand der Hohenzollern. Zur ſelben 
Zeit, als Ludwig XIV. den franzöſiſchen Adligen zum Höfling 
machte und dadurch den Grund zu ſeinem Untergang in der 
Revolution legte, hat der Große Kurfürſt die Kraft des preußi⸗ 
ſchen Adels dem Staat zuzuführen begonnen. Von Geſchlecht 
zu Geſchlecht hat der Typus des Offiziers feſtere Züge ange⸗ 
nommen, bis er ſchließlich die Hohenzollern und die deutſchen 
Fürſten, die ihn geſchaffen, in feinen Bann zwang. Es iſt be- 
kannt, daß Kaiſer Wilhelm J., wenn er vor einer Schickſals⸗ 
lage ſtand, deren Entſcheidung ihm ſchwer wurde, ſich wohl zu 
fragen pflegte, was er als Offizier zu tun habe. Dann hätte 
er es gleich gewußt, fügte Bismarck hinzu, der dieſen Zug be- 
richtet hat. Bei Friedrich dem Großen wäre dies noch nicht 
denkbar. 

Die eigenartige Stellung des Offiziers in unſerem öffenf- 
lichen Leben und unſerer Geſellſchaft iſt ohne einen Blick auf 
ſeinen Urſprung nicht zu verſtehen. Er allein ſteht heute, wie 
früher der Adel ſtand. 

Wenn wir die höchſten Formen des Lehrer-, des Profefforen- 
und des Offizierstypus vergleichen — und nur dieſe ſollte man 
zum Vergleich nebeneinander ſtellen —, ſo treten beim Offizier 
eine Reihe von Eigenſchaften ſchärfer hervor, die bei ſeinen 
Miterziehern unſeres Volkes wohl vorhanden ſein können und 
auch mehr und mehr auf kommen, aber noch nicht als notwen⸗ 
dig gelten. Das iſt die Ausbildung des Körpers, die Erziehung 
des Willens und die drakoniſch durchgeführte formale Er- 
zogenheit, die ſich beim höchſten Typus nicht bloß auf die äußere 
Haltung, ſondern auch auf die Bildung des Herzens erſtreckt, 
auf der die Fähigkeit beruht, in jedem Augenblick Herr ſeiner 
ſelbſt zu ſein und Worte und Taten des Takts zu finden. 


188 


In dieſer feiner höchſten Entwickelung, in der er nun Vorbild 
geworden iſt, haben wir im deutſchen Offizier den einzigen deut— 
ſchen Mannestypus, an den allſeitige Anforderungen geſtellt 
werden. Profeſſor und Lehrer können bei beſonderer Begabung 
und Leiſtungsfähigkeit ſehr einſeitig entwickelt ſein, vom höch— 
ſten Typus des Offiziers darf man ſagen, daß er ſelbſt bei 
der äußerſten Intelligenz und Bildung des Geiſtes nicht 
denkbar iſt, wenn der Körper nicht tauglich iſt, der Charakter, 
die formale Bildung zu wünſchen übrig laſſen. Es gibt in der 
Tat keine körperlichen, ſeeliſchen oder geiſtigen Mängel, keine 
Unzulänglichkeit der Erziehung, die nicht einzeln unter Umſtän⸗ 
den genügten, um dem deutſchen Offizier eine große Lauf bahn 
abzuſchneiden. In keinem Stand findet eine ſo ſchroffe Aus— 
leſe ftaff. 

Alles dies hat ihn als Typus ſo ſtark gemacht, daß er ſich 
dem ganzen Volk aufzuprägen beginnt, vom Fürſten bis zum 
Tagelöhner. 

Durch die Tatſache der Wehrpflicht iſt dieſe Wirkung auch 
für die Zukunft feſtgelegt. Auch künftig durchſchreitet das 
ganze Volk einmal die Sphäre des Offiziers. Alles Gute und 
Edle, was der Offizier ſich erhält und erwirbt, wird ſich von 
ihm aus als äußere Haltung und innere Geſinnung dem ganzen 
Volke mitteilen. Alle Arbeit, die der einzelne Offizier an ſeine 
Entwickelung zum Ideal ſeines Standes ſetzt, wird, wie dieſelbe 
Arbeit des Lehrers und Profeſſors, zugleich für die Erhöhung 
unſeres Volkstums geleiſtet, denn nichts wirkt mit fo lebendiger 
Kraft wie das Beiſpiel. 


Aus der vieltauſendjährigen Geſchichte unſerer Raſſe kennen 
wir genauer ein paar hundert Jahre. Schon wie unſere Vor: 
fahren vor fünf hundert Jahren ausgeſehen haben, müſſen wir 


189 


aus Bruchſtücken erraten. Was ſie dachten und fühlten, iſt 
uns weiter zurück noch — mit großen Lücken — auf ein paar 
Jahrhunderte zu enträtſeln, aus früherer Zeit wird nur ge- 
legentlich eine kurze Strecke durch ein Licht, das von außen auf 
den Pfad unſerer Entwicklung fällt, aus tiefer Nacht hervor⸗ 
gehoben. 

Aber trotz aller Trümmer und Lücken der Überlieferung ver⸗ 
mögen wir ſelbſt aus den Tatſachen, die jedem geläufig ſind, 
zu erkennen, welche tiefen Wandlungen Seele und Charakter 
unſeres Volkes in der kurzen Spanne von zweitauſend Jahren 
durchgemacht hat. Aus dem Deutſchen des Tacitus, einem 
Jäger und Krieger, der den Ackerbau, Induſtrie und Handel 
verachtete, ſehen wir in wenigen Jahrhunderten den Ackerbauer, 
dann den Städtebewohner, den Kaufmann, Geldmann und 
Induſtriellen werden und in dieſen Tätigkeiten neue Charak⸗ 
terzüge annehmen. Kaum ein Jahrtauſend nach der Völker⸗ 
wanderung — eine ſehr kurze Spanne Zeit — war der Deutſche 
Ackerbauer geworden, war ſchon Hofmann geweſen, der alle 
Kultur des Abend- und Morgenlandes in ſich vereinte, hatte 
Römerſtädte auf ſeinem Boden zu neuem Leben entwickelt, 
hatte auf jungfräulichem Boden neue gegründet, war aus dem 
freien Bauern ein Höriger geworden und ſchickte ſich an — der 
ehemalige Städtehaſſer — innerhalb feiner feſten Mauern zum 
engherzigen, kurzſichtigen, kleinlichen Spießbürger zu werden, 
dem jeder der großen Züge des kaiſerlichen deutſchen Mannes, 
wie ihn Walther beſungen und der große Bildhauer von 
Naumburg körperhaft vor unſere Augen geſtellt hat, einge- 
ſchlafen war. Und dann kam die Zeit des Kräfteverfalls, wo 
aus dem freien Deutſchen die Knechtsnatur wurde, die wir 
heute noch nicht überwunden haben. Die Beobachtung der 
unendlichen Mannigfaltigkeit der Mannestypen, die unſer 


190 


Volk allein im letzten Jahrtauſend hervorgebracht hat, der 
zahlloſen Seelenzuſtände, die es durchlaufen hat, gibt uns heute 
das Recht, unſere Erziehung in die Hand zu nehmen, um aus 
unſerem Charakter auszumerzen, was an beklagenswerten Fol⸗ 
gen der Jahrhunderte der nationalen Schmach noch in uns 
ſteckt. Wir haben zu lange weſentlich der Intelligenz gelebt. 
Es iſt Zeit, daß nun die ſittlich religiöſen und die künſtleriſchen 
Kräfte zur Entfaltung kommen. 

Wenn im Fichtenwalde ein Stamm gefällt iſt und die 
Wurzel wird nicht ausgerodet, ſo ſtirbt der Stumpf nicht ab. 
Die Wurzeln, die im Dunkel der Tiefe ihre Arbeit verrichten, 
ſpüren es kaum in ihrer lichtloſen Heimſtätte, daß oben ſich ein 
Schickſal erfüllt hat, denn ſie ſind mit denen der Machbarbäume 
eng verwachſen und geben ihnen die Nahrung ab, die ſie aus 
der Erde ziehen. In den Nachbarſtämmen ſteigen ihre Säfte hin- 
auf in die Kronen, die ſich in Luft und Licht des Himmels wie— 
gen, und ſteigen herab und nähren auch die Wurzeln und den 
Stumpf des entkronten Baumes, ſo daß ſie nicht faul werden. 

Im Wald der Kulturvölker hat unſer Volk durch Jahr: 
hunderte als Baumſtumpf geſtanden, deſſen Wurzeln die 
Nachbarſtämme nährten, deſſen Stumpf von ihnen Nahrung 
zurückempfing. 

Aus den uralten Wurzeln haben wir nun aufs neue einen 
Stamm zum Himmel hinaufgeſandt und treiben unſere Lebens⸗ 
ſäfte zum eigenen Wipfel empor. 

Aber die Mächte, die dem erſten Stamme den Untergang 
bereitet haben, find noch nicht überwunden und lauern — immer 
noch dieſelben — in uns und um uns her. 

Schutz vor erneuter Vernichtung gewähren uns nicht die 
äußeren Einrichtungen unſeres Volkstums, nicht unſere Bünd— 
niſſe. Das alles kann der Sturm einer Nacht hinwegfegen. 


191 


Aber unbeſiegbar werden wir ſtehen bleiben, wenn jeder ein- 
zelne in jeder Stunde, bei jedem Werk, an jedem Ort, wohin 
ihn Mut und Schickſal geſtellt haben, das höchſte Maß ſeines 
Willens und ſeiner Kraft entfalten lernt. 

Daß dies Gefühl der Verpflichtung gegen ſein Volk im 
Deutſchen der Zukunft erweckt und lebendig erhalten wird, dar⸗ 
auf kann niemand durch fein Beiſpiel ſtärker, ſtetiger und un- 
mittelbarer hinwirken als der deutſche Profeſſor, der deutſche 
Lehrer und der deutſche Offtzier. 


Schiller: Nänie 


Ip das Schöne muß ſterben! Das Menſchen und Götter 
bezwinget, 

Nicht die eherne Bruſt rührt es des ſtygiſchen Zeus. 

Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrſcher, 

Und an der Schwelle noch, ſtreng, rief er zurück ſein Geſchenk. 

Nicht ſtillt Aphrodite dem ſchönen Knaben die Wunde, 

Die in den zierlichen Leib grauſam der Eber geritzt. 

Nicht errettet den göttlichen Held die unſterbliche Mutter, 

Wann er, am ſkäiſchen Tor fallend, fein Schickſal erfüllt. 

Aber ſie ſteigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus, 

Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn. 

Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle, 

Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene ſtirbt. 

Auch ein Klaglied zu ſein im Mund der Geliebten, iſt herrlich, 

Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab. 


192 


PHALLESEHEILTOTELETTETETSTERTELETEELTEENSSEEESTETTTSTRRETERSTELELTRTLTETSLEFSEDSLELSELEFSTHEALSLEPFETELELEFERDESLELDLEED SERIE DELL 


Bücher aus dem 
guſel⸗ Verlag 


IIIIumummummunmuunmumuemnmmmuuummunmnnnnne 


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Viel muß man leſen, nicht vielerlei ... Ich meine nicht 
vieles, ſondern viel: ein weniges, aber mit Fleiß. 


Leſſing 


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Das nachfolgende Verzeichnis gibt nur eine Auswahl; das voll- 
Ständige Bücerverzeichnis des Verlages wird unberechnet geliefert. 


o- 00-040 0 00-00-0000 09-000 99-0009 . 0--9--9- 0-9 9--9- 0-0 


Abälard und Heloife: Briefe. Herausgegeben von W. Fred. 
In Leinen M. 6.—; in Halbleder M. 8.—. 


Als der Großvater die Großmutter nahm. Ein Lieder— 
buch für altmodiſche Leute. Herausgegeben von Guſtav Wuſt— 
mann. Vierte Auflage. In Halbpergament M. 7.—; in 
Leder M. 10.—. 

Alteſte deutſche Dichtungen. Überſetzt und herausgegeben 

von Karl Wolfskehl und Friedrich von der Leyen. Ju 
Pappband M. 6.—; in Pergament M. 10.—. 
Deutſche Dichtungen aus dem 8.— 11. Jahrhundert. 


Anderſens Märchen. Unter Benutzung der von Anderſen be— 
ſorgten deutſchen Ausgabe übertragen von Mathilde Mann. 
Initialen, Titel und Einband von Carl Weidemeyer-Worps— 
wede. Zwei Bände. In Leinen M. 12.—; in Leder M. 18.—. 


Anderſen Nexö, Martin: Pelle der Eroberer. Roman in 

zwei Bänden. In Halbleinen M. 10.—. 
Ein Roman — und unendlich viel mehr .. . ein Roman in dem Sinne, in 
dem wir den „Wilhelm Meiſter“ und die „Flegeljahre“, Kellers „Grünen 
Heinrich“ und Raabes „Schüdderump“, den „Copperfield“ und den „Niels 
Lyhne“ Romane nennen: ein Lebensbuch, das vom Kritiker ohne weiteres 
den höchſten Maßſtab heiſcht, eines der wenigen, die wir als notwendig emp— 
finden, nicht als ſchwarz auf weiß gedruckte Literatur, ſondern als ein in allen 
Farben des Daſeins leuchtendes Erlebnis. Rhein.⸗Weſtf. Zeitung. 

Arabiſche Nächte. Nachdichtungen arabiſcher Lyrik von Hans 
Bethge. In Pappband M. 5.—. 

Arnim, Achim von: Werke. Auswahl in drei Bänden. Im 
Auftrag und mit Unterſtützung der Familie von Arnim heraus— 
gegeben von Reinhold Steig. Mit Arnims Bildnis in Licht— 
druck. In Pappbänden M. 3.—; in Leinen M. 4.50; in Halb: 
pergament M. 6.50. 

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Zweite Auflage. Zwei 
Bände. In Leinen M. 8.—z; in Leder M. 12.—. 


Bahr, Hermann: Eſſays. Zweite Aufl. In Pappb. M. 6.—. 


195 


Balzac: Die meuſchliche Komödie. Deutſche Ausgabe in 

16 Bänden mit Einleitung von Hugo von Hofmannsthal und 
einem Eſſay über Balzac von Wilhelm Weigand. In Leinen 
M. 35.—, in Leder M. 112. 
Unter dem Geſamttitel, Die menſchliche Komödie“ hat Balzac dieſen gewal— 
tigen, aus unzähligen Menſchen, Zuſtänden und Begebenheiten beſtehenden 
Organismus zuſammengefaßt. Er fehlte zu lange dem geiſtigen Daſein unſe— 
res Volkes, als daß es einer beſonderen Rechtfertigung bedurfte, wenn wir ihn 
durch dieſe neue Ausgabe wiederum zugänglich und wirkſam gemacht haben. 
Die Romane, die in dieſen Bänden enthalten ſind, können auch einzeln 
bezogen werden, worüber ein beſonderes Verzeichnis unterrichtet. 

Balzac: Diedreißigtolldreiſten Geſchichten, genannt Con— 
tes Drolatiques. Übertragen v. Benno Rüttenauer. Zweite 
Auflage (4.—6. Tauſend). In Leinen M. 10. zin Leder M. 14.—. 

Balzac: Die Phyſiologie der Ehe. Eklektiſch-philoſophiſche 
Betrachtungen über Glück und Unglück in der Ehe. Übertragen 
von Heinrich Conrad. Zweite Auflage. In Leinen M. 5.50; 
in Leder M. 7.30. 

Balzac: Briefe an die Fremde (Frau von Hanska). Über- 
tragen von Eugenie Faber. Eingeleitet von Wilhelm Wei— 
gand. Zwei Bände. Mit einem Bilde Balzacs in Lichtdruck. 
In Leinen M. 10.—; in Leder M. 14.—. 

Beethovens Perſönlichkeit. Urteile der Zeitgenoſſen, geſam— 
melt und erläutert von Albert Leitzmann. Mit 8 Bildertafeln. 
Zwei Bände. In Pappbänden M. 6.—; in Halbleder M. g.—. 
Die ſchönſte Ergänzung zu allen Beethoven-Biographien. 

Bergmann, Anton: Ernſt Staas, Advokat. Skizzen und 
Bilder. Aus dem Vlämiſchen übertragen. Einband von Carl 
Walſer. Geheftet M. 3.—; in Leinen M. 4.—. (Erſchienen 1915.) 
Eines der berühmteſten und ſchönſten Bücher der neueren vlämifchen 
Dichtkunſt. 

Binding, Rudolf G.: Die Geige. Vier Novellen. In Papp- 
band M. 4.50. 

Boccaccio: Das Dekameron. 11.—2o. Tauſend. Zwei Aus— 
gaben: a) Zwei Bände. In Leinen oder Halbpergament M. 10.—. 
b) Drei Bände. In Leder M. 14.—. 


Beide Ausgaben ſind durchaus vollſtändig. 


196 


Briefe eines Unbekannten (Alexander von Villers). Aus 
deſſen Nachlaß neu herausgegeben von Karl Graf Lanckoronski 
und Wilhelm Weigand. Mit zwei Bildniſſen in Heliograpüre. 
Zwei Bände. In Leinen M. 12.—; in Halbleder M. 13.—. 

In dieſen formvollendeten, an Geiſt und Eſprit reichen Briefen findet ſich 
ſo viel Schönes, und die Sprache iſt von einer ſolchen klaſſiſchen Glätte 
und Eleganz, daß ſie reife Menſchen immer mit Genuß leſen werden. 

Allgemeines Literaturblatt, Wien. 


Brillat-Savarin: Phyſiologie des Geſchmacks. In ge— 

kürzter Form deutſch herausgegeben von Emil Ludwig. Mit 
Wiedergabe vieler Holzſchnitte aus der Ausgabe von 1864. In 
Halbleder M. 6.—. 
Dies klaſſiſche Buch erſchien zuerſt anonym 1826 und iſt ſeitdem in vielen 
Auflagen und Ausgaben in Frankreich verbreitet. Nur ein Franzoſe 
konnte dieſes geiſtvolle und launige, graziöſe und weltkluge Buch ſchreiben, 
das in anmutiger, anekdotengewürzter Form die materiellen Genüſſe der 
Tafel preijt. — Eine beſondere Zierde dieſer Ausgabe bilden die vielen 
amüſanten, in den Text verſtreuten Bilder. 


Das Buch der Fabeln. Zuſammengeſtellt von Chr. H. Kleu— 
kens. Eingeleitet von Otto Cruſius. In Pappband M. 7.—; 
in Halbleder M. 9.—. 

Enthält das Beſte und Charakteriſtiſchſte aller Fabeln der Weltliteratur 


von Babrios über Phädrus, Behaim, Leonardo da Vinci, Luther, Bürger, 
Goethe, Schopenhauer, Kleiſt, Grillparzer, Turgenjeff bis zu Wilh. Buſch. 


Büchner, Georg: Geſammelte Werke nebſt einer Aus— 
wahlſeiner Briefe. Eingeleitet von Wilhelm Hauſenſtein. 
In Pappe M. 4.—; in Halbleder M. 6.—. (Erſchienen 1915.) 


Cahn, Wilhelm: Imbelagerten Paris 1870/1. Tagebuch— 
blätter. Geheftet M. 3.—; in Pappband M. 3.50. Erſchienen 1915.) 
Als der einzige Deutſche, der in offizieller Stellung die Belagerung und 
die Schreckensherrſchaft der Kommune in Paris mitgemacht hat, ſchildert 
der Legationsrat Cahn ſeine Erlebniſſe. Damals wie heute verbreitete die 
Agence Havas die ungeheuerlichſten Lügenmeldungen, witterte man hinter 
jedem militäriſchen Mißgeſchick Verrat. Aber es will uns ſcheinen, als ſei 
das Frankreich ohne Bundesgenoſſen unendlich viel naiver, unbedachter 
und liebenswürdiger in ſeinen Fehlern geweſen. — Mommſen ſagte von 
dieſem Buch, daß es ihn beſſer in den Geiſt der Zeit eingeführt habe 
als dickleibige Geſchichtswerke. 


* 


Caroline: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg 
Waitz vermehrt herausgegeben von Erich Schmidt. Mit drei 
Porträts und einem Brief an Goethe in Fakſimile. Zwei Bände. 
In Leinen M. 14.—; in Leder M. 20.—. 


Carolinens Leben in ihren Briefen. Herausgegeben von 
Reinhard Buchwald. Mit einer Einleitung von Ricarda 
Huch. Mit 18 Bildertafeln. In Pappband M. 4.-; in Halb: 
leder M. 6.—. 


Eine volkstümliche Auswahl aus der vorſtehenden Geſamtausgabe. 


Cervantes: Der ſcharfſinnige Ritter Don Quixote von 
der Mancha. 4.—10. Tauſend. Vollſtändige Taſchenausgabe 
in 2 Bänden. In Leinen M. 10.—; in Leder M. 15.—. 


Cervantes: Novellen. Vollſtändige Ausgabe in 2 Bänden. In 
Leinen M. 10.—; in Leder M. 12.—. 


In dieſen vier Bänden liegt das Bleibende von Cervantes’ Werken in 
vorzüglicher Übertragung vor. 


Die chineſiſche Flöte. Nachdichtungen chineſiſcher Lyrik von 
Hans Bethge. Fünfte Auflage. In Pappband M. 5.—. 


Chineſiſche Novellen. Nach dem Urtext übertragen von 
H. Rudelsberger. In zwei Pappbänden M. 7.50. Vorzugs— 
ausgabe: 350 Exemplare auf Chinapapier in Seide gebunden 
M. 30.—. 
Von keiner anderen Warte aus kann ein beſſerer Einblick in die Sitte 
und Denkart des chineſiſchen Volkes gewonnen werden als aus ſeinen 
volkstümlichen Erzählungen. Wie der Chineſe zu Hauſe und unter ſeines— 
gleichen wirklich ſich gibt, ſo ſpiegeln ihn die buntfarbigen Geſtalten der 
ſchöngeiſtigen Literatur ſeines Volkes. Zum erſtenmal gibt hier eine 
Auswahl aus allen bedeutenden Novellenſammlungen Chinas einen 
Geſamtüberblick über die Belletriſtik des chineſiſchen Reiches. 


Dickens, Charles: Werke. Ausgewählt und eingeleitet von 
Stefan Zweig. Mit den Federzeichnungen von Phiz, Cruikſhank, 
Seymour u. a. Taſchenausgabe auf Dünndruckpapier: 6 Bände 


in Leinen M. 36.—z; in Leder M. 45.—. Bibliotheksausgabe auf 
ſtarkem Papier: 12 Bände in Leinen M. 48.—. 


198 


Jeder Band der Taſchenausgabe (in Leinen M. 6.—, in Leder M. 7.50) 
entſpricht zwei Bänden der Bibliotheksausgabe: 

David Copperfield. Mit 40 Federzeichnungen von Phiz. 

Der Raritätenladen. Mit 73 Federzeichnungen und 8 Initialen von 

Browne, Cruikſhank u. a. 

Die Pickwickier. Mit 43 Federzeichnungen von R. Seymour, Buß u. Phiz. 

Martin Chuzzlewit. Mit 40 Federzeichnungen von Phiz, Hablot und 

Browne. 

Nikolaus Nickleby. Mit 38 Federzeichnungen von Phiz. 

Oliver Twiſt und Weihnachtserzählungen. Mit 71 Federzeich— 

nungen von Phiz u. a. 


Droyſen: Das Leben des Feldmarſchalls Grafen Yorck 
von Wartenburg. Zwei Bände. Neue Ausgabe. Mit 8 Bild: 
niſſen und 8 Karten. In Leinen M. 14.—; in Halbleder M. 16.—. 
Die Erneuerung dieſer klaſſiſchen Biographie des eiſernen Nord wird jetzt bo 
ſonders willkommen ſein. Das Leben des Mannes der trotz aller Mühen und 
Aufopferung die Schmach des Jahres 1806 mit erleben mußte, endlich aber die 
Zeit der Befreiung kommen ſah und fie ſchneller herbei: und mitwirkend durch— 
führte: das alles zieht in der ſtiliſtiſch wie fachlich unübertrefflichen Darſtel— 
lung Droyſens an unferen Augen vorüber im biographiſchen Rahmen das 
niederſchmetterndſte und das erhebendſte Stück preußiſcher Staatsgeſchichte. 


Eichendorffs Dichtungen. Zwei Bände. In Pappbänden 
M. 3.—; in Leinen M. 4.—; in Leder M. 10.—. 


Eliſabeth Charlotte, Herzogin von Orleans (iſelotte): 
Briefe. Auswahl in 2 Bänden, herausgegeben von Hans F. Hels 
molt. Mit 2 Bildniſſen in Heliogravüre. Zweite Auflage. In 
Halbpergament M. 16.—. 


Deutſche Erzähler. Ausgewählt und eingeleitet von Hugo 
von Hofmannsthal. Vier Bände. In Pappbänden M. 12.—; 
in Halbleder M. 20.—. 

Inhalt: Band I: Goethe: Novelle — Kleiſt: Das Erdbeben in Chili — 
Hebbel: Aus meiner Jugend — Keller: Spiegel, das Kätzchen — Jean 
Paul: Leben des vergnügten Schulmeiſterlein Maria Wuz — Mörike: 
Mozart auf der Reife nach Prag. — Band II: Eichendorff: Taugenichts — 
Büchner: Lenz — Arnim: Der tolle Invalide — Droſte-Hülshoff: Die 
Judenbuche — Schiller: Der Geiſterſeher. — Band III: Gotthelf: 
Barthli der Korber — Fouqué: Undine — Tieck: Der blonde Eckbert — 
Brentano: Geſchichte vom braven Kaſperl und dem ſchönen Annerl — 
Sealsfield: Erzählung des Oberſten Morſe. — Band IV: Grillparzer: 
Der arme Spielmann — Hauff: Das kalte Herz — Stifter: Der Hageſtolz. 


199 


Gefta Romanorum. Das älteſte Märchen- und Legendenbuch 
des chriſtlichen Mittelalters. Ausgewählt von Hermann Heffe. 
In Pappe M. 5.—; in Halbleder M. 7.—. (Erſchienen 1913.) 

Gobineau: Die Renaiſſance. Hiſtoriſche Szenen. (Savo— 
narola, Ceſare Borgia, Julius II., Leo X., Michelangelo.) 
Mit 23 Lichtdrucktafeln. 2. Auflage. Kartoniert M. 12.—; in 
Halbleder M. 16.—. 

Gobineau: Die Renaiſſance. Hiſtoriſche Szenen. Wohl— 
feile Ausgabe. 11.20. Tauſend. Mit 20 Porträts und 
Szenenbildern in Autotypie. In Pappband M. 4.—; in Halb- 
leder M. 6.—. 


Goethes ſämtliche Werke in ſechzehn Bänden 


Von dieſer beſonders zur Verſendung ins Feld geeigneten Taſchenausgabe 
auf Dünndruckpapier ſind bisher erſchienen und einzeln käuf lich: 


I. II: Romane und Novellen. Vollſtändig in zwei Bänden. 
In Leinen M. 9.—; in Leder M. 11.—. 

III. Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. In 
Leinen M. 5.—; in Leder M. 6.—. 

IV: Italieniſche Reife; Kampagne in Frankreich 1792; 
Belagerung von Mainz 1793. In Leinen M. 5.—; in 
Leder M. 6.—. 

V. Annalen und kleinere autobiographiſche Schriften. 
In Leinen M. 4.50; in Leder M. 5.50. 

VI-VIII: Dramatiſche Dichtungen. 3 Bände. In Leinen 
M. 14.50; in Leder M. 17.50. 

IX. X: Kunſt⸗Schriften. Vollſtändig in zwei Bänden. In 
Leinen M. 10.-; in Leder M. 12.—. 


XI: Überſetzungen und Bearbeitungen fremder Dich— 
tungen. In Leinen M. 5.50; in Leder M. 6.50. 


XII. XIII: Aufſätze zur Kultur-,Theater-und Literatur— 
geſchichte. Maximen. Reflexionen. Zwei Bände. In 
Leinen M. 10.—; in Leder M. 12.—. 


200 


Goethe-Kriegsausgabe 
10 Bände (geheftet und beſchnitten) 
Jeder Band 30 Pf.: 

Fauſt / Götz / Egmont / Iphigenie / Hermann und Dorothea; 
Achilleis / Werther / Drei Novellen Kampagne in Frankreich 1792. 
Jeder Band 30 Pf.: 

Gedichte in Auswahl von Erich Schmidt / Goethes Jugend (aus 
Dichtung und Wahrheit). 


Goethes Werke in ſechs Bänden. Im Auftrage der Goethe— 
Geſellſchaft herausgegeben von Erich Schmidt. 51.—70. Tau. 
In Pappbänden M. 7. — zin Leinen M. 9. zin Halbleder M. 1 5.—. 


Goethes Fauſt. Taſchenausgabe auf Dünndruckpapier. In— 
halt: Urfauſt, das Fragment (1790), die Tragödie, I. und 
II. Teil, Paralipomena. 16.25. Tauſend. In Leinen M. 3.—; 
in Leder M. 4.50. 


Goethes Italieniſche Reiſe. Mit 167 Zeichnungen Goethes, 
ſeiner Freunde und Kunſtgenoſſen (auf 122 Lichtdrucktafeln). Mit 
Unterſtützung des Goethe-National-Muſeums herausgegeben von 
George v. Graevenitz. In Halbleder M. 40.—z in Leder M. 60.—. 


Goethes Italieniſche Reiſe. Wohlfeile illuſtrierte Ausgabe. 

Mit 58 Handzeichnungen Goethes und 10 Porträts von Goethe 
und ſeinen Reiſegenoſſen. Im Auftrag des Goethe-National— 
Muſeums herausgegeben von H. T. Kröber. Zwei Bände. In 
Pappbänden M. 6.—; in Halbpergament M. 7.50. 
Die große illuſtrierte Ausgabe der „Italieniſchen Reiſe“, die vor vier 
Jahren erſchien, hat einen Erfolg gehabt, wie er wohl ſelten einem Werke 
ähnlichen Umfangs und Preiſes zuteil geworden iſt. Mit der Direktion 
des Goethe⸗National⸗Muſeums aber begegnete der Verlag ſich in dem 
Wunſche, den neu erſchloſſenen Schatz an Goethe-Zeichnungen und -Por— 
träts nicht auf einen immerhin kleinen Kreis Wohlhabender zu beſchränken, 
vielmehr einen großen Teil davon in dieſer „Wohlfeilen Ausgabe“ all— 
gemein zugänglich zu machen. 

Goethe: Die Leiden des jungen Werther. Mit den elf 
Kupfern von Daniel Chodowiecki in Nachſtich und einer 
Rötelſtudie. Zweite Auflage. In Leder M. 10.—. 


201 


Goethes Liebesgedichte. Herausgegeben von H. G. Gräf.“ 


In Pappband M. 3.—; in Leder M. 6.—. 


Goethes Briefe an Charlotte von Stein. Vollſtändige 
Ausgabe in drei Bänden. In Leinen M. 10. — zin Leder M. 14.—. 


Der Briefwechſel zwiſchen Schiller und Goethe. Im Auf— 
trag des Goethe- und Schiller-Archivs nach den Handſchriften 
vollſtändig herausgegeben von H. G. Gräf und A. Leitzmann. 
Drei Bände. In Halbleinen M. 10.—; in Leder M. 20.—. 


Der Briefwechſelzwiſchen Goethe und Zelter. Im Auftrage 
des Goethe- und Schiller-Archivs nach den Handſchriften heraus— 
gegeben von Max Hecker. Vier Bände. Mit Fakſimiles und 
4 Bildniſſen. Jeder Band in Leinen M. 6.50; in Leder M. 9.—. 
Band I und II find erſchienen; die weiteren folgen Ende 1915 und 1916. 
Dieſer Briefwechſel umfaßt den letzten großen Lebensabſchnitt Goethes, 
die Zeit der Reife und Vollendung (von 17991832); in Zelter, dem 
Begründer der Berliner Liedertafel, hat der Dichter für den verſtorbenen 
Freund in Weimar einen würdigen Erſatz gefunden. Goethe ſpricht zu 
Zelter von allem, was ihn beſchäftigt: von ſeinen Werken, von der Li— 
teratur jener Zeit, von ſeinem Privatleben, von öffentlichen Vorgängen 
und von ſeinen Gefühlen. Und Zelter, ein ganz vorzüglicher Erzähler, 
plaudert vom Hofleben, von der Politik, von Forſchungen, Reiſen, Studien. 
Erſt jetzt erſcheint diefer Briefwechſel in einer feiner Bedeutung zukommen⸗ 
den vollſtändigen und wiſſenſchaftlich zuverläſſigen Ausgabe. 


Goethes Briefwechſel mit Marianne von Willemer. 
Dritte Auflage. In Leinen M. 5.—; in Leder M. 8.—. 


Goethes Geſpräche mit Eckermann. Vollſtändige Ausgabe 
in zwei Bänden. Mit zwei Porträts. 6.— 10. Tauſend. In 
Pappbänden M. 5.—; in Leinen M. 7.—; in Leder M. 10.—. 


Der junge Goethe. Begründet von Salomon Hirzel. Neu 
herausgegeben von Max Morris. Sechs Bände mit 66 Licht— 
drucktafeln. Geheftet M. 27.—; in Leinen M. 36.—; in Leder 
M. 45.—. 

Die vollſtändige Sammlung aller Dichtungen, Briefe, Geſpräche, Zeich- 
nungen und Radierungen Goethes bis zu feiner Überſiedlung nach Weimar. 


202 


E A EEE 


Goethes äußere Erſcheinung in literariſchen und künſtleri— 
ſchen Dokumenten ſeiner Zeitgenoſſen. Von Emil Schaeffer. 
Mit 80 Vollbildern. In Halbleinen M. 3.—; in Leder M. 8.—. 


Die Briefe der Frau Rath Goethe. Geſammelt und heraus— 
gegeben von Albert Köſter. Zwei Bände. Fünfte Auflage. In 
Halbleder M. 15.—. 


Die Märchen der Brüder Grimm. Vollſtändige Ausgabe. 
Ausſtattung von Carl Weidemeyer-Worpswede. Zwei 
Bände. In Leinen M. 10.-; in Leder M. 16.—. 


Grimmelshauſen: Der abenteuerliche Simpliciſſimus. 
Vollſtändige Taſchenausgabe in drei Bänden. Mit den vier Ra- 
dierungen von Max Klinger in Lichtdruck. In Pappbänden 
M. 8.—; in Pergament M. 14.—. 


Groth, Klaus: Quickborn. Volksleben in plattdeutſchen Ge— 
dichten dithmarſcher Mundart. 450 Exemplare auf Strathmore— 
Japan, in Halbpergament M. 20.—. 

Gedruckt auf der Ernſt-Ludwig-Preſſe in Darmſtadt. 


Hafis: Nachdichtungen ſeiner Lieder von Hans Bethge. 
In Pappband M. 3.—. 


Hallſtröm, Per: Ein Schelmenroman. In Halbpergament 
WM 3.30. 

Hallſtröm, Per: Die vier Elemente. Erzählungen. In Halb— 
pergament M. 5.—. 

Hallſtröm, Per: Der tote Fall. Ein Roman. In Pappband 
M. 4.—. 

Hallſtröm, Per: Frühling. Roman. In Halbpergament 
M. 5.—. 

Hallſtröm, Per: Eine alte Geſchichte. Roman. In Halb: 
pergament M. 5.—. 

Hallſtröm, Per: Ein geheimes Idyll. In Halbpergament 
M. 5.—. 


203 


Hallſtröm, Per: Verirrte Vögel. Novellen. In Halbperga— 
ment M. 5.—. 
Per Hallſtröm gehört zu den Erſten und Eigengeſtaltenden, die man viel 
leſen ſollte; ſeine Novellen beweiſen ihn als eine ganz nach innen ge— 
richtete Natur von leiſer Harmonie. Er hat das Ohr für die ganz un— 
wirklichen Töne der Seele, wenn ſie irgendwie erwachen will und nicht 
recht weiß, wohin ſie langen wird in den Tag. Und wenn er uns ent— 
läßt, ſind wir um vieles Wiſſen reicher aus dem dunklen Untergrund, 
den wir Seele nennen. Königsberger Allg. Zeitung. 


Hardt, Ernſt: Geſammelte Erzählungen. Zweite Auflage. 
In Pappband M. 4.—. 


Hauffs Märchen. Vollſtändige Ausgabe. Initialen, Titel und 
Einband von Carl Weidemeyer-Worpswede. In Leinen 
M. 6.—; in Leder M. 9.—. 


Der Heiligen Leben und Leiden, anders genannt das 

Paffional. Aus alten deutſchen Drucken übertragen und miteinem 
Nachwort herausgegeben durch Severin Rüttgers. Mit Wieder— 
gabe von 146 Holzſchnitten aus dem Lübecker Druck von 1492. 
Zwei Bände. In Halbleinen M. 12.—; in Halbpergament M. 14.—. 
Vorzugsausgabe: 200 Exemplare mit handkolorierten Holz— 
ſchnitten, in Schweinsleder M. 50.—. 
Dies iſt ein Buch, auf das der Verlag beſonders ſtolz ſein darf. Die 
meiſten Stücke der Sammlung alter deutſcher Legenden bot das Augs— 
burger Paſſional, deſſen Hauptquelle die lateiniſche Sammlung des Ja— 
cobus de Voragine, die ſogenannte Legenda aurea iſt, das aber mehr 
als ſechzig Legenden, namentlich deutſcher Heiligen, enthält, die in der 
Legenda aurea nicht ſtehen. Darüber hinaus wurde aus fpäteren Drucken 
noch eine ſtattliche Zahl bedeutender Stücke gewonnen, die ſonſt in keiner 
Sammlung enthalten waren. 


Heines ſämtliche Werke. Herausgegeben von Oskar Walzel. 
Zehn Bände. In Halbpergament M. 30.—. Vorzugsaus⸗ 
gabe: 1000 Exemplare auf Inſel-Hadernpapier, in Halbleder 
M. 70.—; in Leder M. 100.—. 

Heines Buch der Lieder. In Leinen M. 3.—; in Leder M. 4.50. 

Heymel, Alfred Walter: Geſammelte Gedichte 1895 bis 


1914. In Halbpergament M. 6.—; 30 numerierte Exemplare 
auf Büttenpapier, mit der Hand in Leder gebunden M. 30.—. 


204 


Hoffmann, E. T. A.: Lebens-Anſichten des Katers Murr. 
Neu herausgegeben von Hans von Müller. In Pappe M. 7.—. 
(Erſchienen 1915.) 

Hofmannsthal, Hugo von: Die Gedichte und kleinen 
Dramen. 11-20. Tauſend. In Pappband M. 3.—; in Halb— 
leder M. 5.—. 

Holbein, Hans: Bilder des Todes. Nach den Probedrucken 
der erſten Ausgabe fakſimiliert in der Reichsdruckerei zu Berlin. 
800 numerierte Exemplare: Nr. 1 bis 100 mit der Hand in Leder 
gebunden M. 34.—; Nr. 101 bis 800 in Pappband M. 12.—; 
in Leder M. 18.—. 

Hölderlins ſämtliche Werke und Briefe. In fünf Bänden. 
Kritiſch⸗hiſtoriſche Ausgabe von F. Zinkernagel. Mit mehreren 
Bildern und Fakſimiles. Jeder Band in Halbleder M. 6.—; Vor— 
zugsausgabe: 30 numerierte Exemplare auf van Gelder-Bütten, 
jeder Band in Leder (Handeinband) M. 30.—. 

Dieſe Hölderlin-Ausgabe tritt mit dem Anſpruche auf, die Werke des 
Dichters in wiſſenſchaftlich abſchließender Geſtalt darzubieten. 

Homers Odyſſee. Neu übertragen von Rudolf Alexander 
Schröder. In Halbpergament M. 3.—.; in Leder M. 3.—. 

Huch, Ricarda: Der große Krieg in Deutſchland. (Roman 
aus dem Dreißigjährigen Kriege.) Drei Bände. 4.—6. Tauſend. 
In Leinen M. 15.—; in Halbleder M. 20.—. 

Huch, Ricarda: Merkwürdige Menſchen und Schickſale 
aus dem Zeitalter des Riſorgimento. In Pappbd. M. 5.—; 
in Leder M. 7.—. 

Huch, Ricarda: Das Lebendes Grafen Federigo Confa— 
lonieri. 3.—5. Tauſend. In Leinen M. 6.—; in Leder M. 7.50. 


Huch, Ricarda: Die Geſchichten von Garibaldi. Hiſtori— 
ſcher Roman. Zwei Bände. Vierte Auflage. In Leinen M. 12.—. 
Band I: Die Verteidigung Roms. Band II: Der Kampf um Rom. 


Huch, Ricarda: Nichaellluger. Des Romans » Vita somnium 
breve« fünfte Auflage. In Leinen M. 6.—; in Leder M. 7.50. 


205 


Huch, Ricarda: Von den Königen und der Krone. Sechſte 
Auflage. In Leinen M. 6.—; in Leder M. 7.50. 


Huch, Ricarda: Wallenftein. Geheftet M. 3.—; in Leinen 
M. 4.50. (Erſchienen 1913.) 


Humboldts Briefe an eine Freundin [Charlotte Diede ]. Zum 
erſten Male nach den Handſchriften herausgegeben. Zwei Bände. 
In Leinen M. 8.—; in Leder M. 10.—. 


Jacobs, Monty: Deutſche Schauſpielkunſt. Zeugniſſe zur 
Bühnengeſchichte klaſſiſcher Rollen. Mit 33 Bildertafeln. In 
Leinen M. 7.50. 


Jacobſen, Jens Peter: Sämtliche Werke. Autoriſierte 
Übertragung. Mit Reproduktionen von Zeichnungen des Dich— 
ters und dem von A. Helſtedt 1885 radierten Porträt. In 
Leinen M. 8.—; in Leder M. 11.—. 

Inhalt: Frau Marie Grubbe — Niels Lyhne — Novellen — Gedichte 
und Entwürfe — Naturwiſſenſchaftliche Schriften. 


Kants ſämtliche Werke in ſechs Bänden. Taſchenausgabe 
im Format und Schrift der Großherzog-Wilhelm-Ernſt-Ausgabe. 
Jeder Band in Leinen M. 6.—; in Leder M. 7.50. 

Bisher ſind erſchienen: 
Band I: Vermiſchte Schriften (darin: Anthropologie, Streit der Fakul- 


täten u. a.). — Band II: Naturwiſſenſchaftliche Schriften. — Band III: 
Kritik der reinen Vernunft. 


Kants Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von F. Oh— 
mann. In Leinen M. 3.—; in Leder M. 5.—. 


Katharina II., Kaiſerin von Rußland: Memoiren. 
Nach den zum erſten Male veröffentlichten eigenhändigen Manu— 
ſkripten der Kaiſerin. Mit 12 Porträts in Lichtdruck und 
4 Stammtafeln. 2 Bände. In Halbleder M. 16.—. 

Eines der Hauptwerke zur Kenntnis der ruſſiſchen Geſchichte. 


Kleiſts ſämtliche Werke und Briefe in ſechs Bänden. Mit 
einem Bildnis und verſchiedenen Fakſimiles. In Leinen M. 32.—3 
in Halbpergament M. 36.—. 


206 


Klödens Jugenderinnerungen. In Leinen M. 3.—; in 


Leder M. 5.—. 


Ihrem Inhalt nach laſſen ſich Klödens Jugenderinnerungen mit dem 
bekannten Buch von Kügelgen vergleichen, ihrem Wert nach werden ſie 
von vielen noch darüber geſtellt. 


Körners Werke in einem Bande (Großherzog-Wilhelm-Ernſt— 
Ausgabe deutſcher Klaſſiker). In Leder M. 3.50. 


Kortum: Die Jobſiade. Ein komiſches Heldengedicht in drei 
Teilen. Mit den Bildern der Originalausgabe und einer Einlei— 
tung in Verſen von Otto Julius Bierbaum. 4. und 5. Tau- 
ſend. In Pappband M. 5.—; in Schweinsleder M. 12.—. 


Kriegs-Almanach für 1915. Mit 12 Bildern und 1 Fak— 
ſimile. 61.—73. Tauſend. Kartoniert M. —.30. 


Kromer, Heinrich E.: Guſtav Hänfling. Denkwürdigkeiten 
eines Porzellanmalers. In Pappb. M. 3.50; in Halbled. M. 5.—. 
Von dieſen Denkwürdigkeiten, die ein Künſtler des Gefühls und der 
Ironie in einer ganz erſtaunlich großen, klaſſiſch reinen und klaren 
Sprache aufgezeichnet hat, ſchrieb die Kritik, ſie gehörten zu jenen Taten 
des Geiſtes und Herzens, die, losgelöſt von Zeit und Zeitgeſchehen, das 
nationale Gut eines Volkes bereichern und befruchten. 


Lagerlöf: Göſta Berling. Erzählungen aus dem alten Werm— 
land. Liebhaber-Ausgabe in zwei Bänden. In Pappbänden 
M. 7.—; in Leder M. 10.—. 


Lenaus ſämtliche Werke und Briefe in ſechs Bänden. Voll— 
ſtändige kritiſche Ausgabe herausgegeben von Eduard Caſtle. 
Mit verſchiedenen Bildern und Fakſimiles. In Leinen M. 36.—; 
in Halbleder M. 42.—. Vorzugsausgabe: 200 Exemplare auf 
Inſel⸗Hadernpapier, in Leder M. 72.—. 


Luthers Briefe. In Auswahl herausgegeben von Reinhard 
Buchwald. Zwei Bände. In Leinen M. 12.—; in Leder M. 18.—. 


Lüthgen, Eugen: Belgiſche Baudenkmäler. Mit 96 Voll— 
bildern. In Halbleinen M. 3.—. (Erſchienen 1915.) 


207 


Die vier Zweige des 1 Ein keltiſches Sagenbuch. 

Übertragen von Martin Buber. In Halbpergament M. 4.— 
in „5 M. 7.—. 
„Die vier Zweige des Mabinogi⸗ ſind das reifſte und bedeutendſte Werk 
keltiſcher erzühlender Proſa das auf uns gekommen iſt. Sie können mit 
keinem anderen Werk der Weltliteratur verglichen werden als der jünge— 
ren Edda und ſind einzigartig als der erſchütternde Bericht eines Zyklus 
ungeheuerer Vorgänge und als ein monumentales Gedicht. 


Mann, Heinrich: Die kleine Stadt. Ein Roman. Fünfte 
Auflage. In Leinen M. 5.—. 


Meinhold: Die Bernſteinhexe. Hiſtoriſcher Roman. In 
Halbpergament M. 4.50; in Ganzpergament M. 7.— 


Meinhold: Sidonia von Bork, die Kioſterg Hiſtori— 
ſcher Roman. Zwei Bände. In Halbpergament M. 8.—; in 
Ganzpergament M. 12.—. 

Zwei in Deutſchland mit Unrecht vergeſſene, im Auslande viel geleſene 
8 deutſche Romane, die in der Zeit der Hexenverfolgungen ſpielen. 
„Die Bernſteinhere“ hielt man ſeinerzeit für eine echte alte Chronik, ſo 
daß der Dichter, um der Be Meldung zu fteuern, ein anderes ähn- 
liches Werk ſchreiben mußte „Die Kloſterhexe. durch das er bewies, daß 
er kein Chronikenabſchreiber, ſondern ein wirklicher Dichter war. 


Morgenländiſche Erzählungen für die reifere Jugend. 
(Palmblätter.) Neu herausgegeben von Hermann Heſſe. In 
Leinen M. 4.—, in Leder M. 5.— 

Dieſer einſt ſo viel geleſenen, nun faſt vergeſſenen Sammlung hat ſich 
Hermann Heſſe liebevoll angenommen und die ſchönſten Geſchichten 
daraus zuſammengeſtellt. 

Morier, James: Die Abenteuer des Hadſchi-Baba von 

Ispahan. Roman. Übertragen von A. v. Kühlmann. In 
Leinen M. 6.—. 
Morier war um 1830 Mitglied der engliſchen Geſandtſchaft in Teheran. 
Sein „Hadſchi-Baba“, der zu den klaſſiſchen Werken der Erzählungs- 
kunſt gehört, iſt ein perſiſcher Abenteurerroman, der in erſter Linie durch 
die bunten Lebenswirrſale dieſes orientaliſchen Gil Blas feſſelt und unter— 
hält, außerdem aber ſich die Aufgabe ſtellt, ein zuverläſſiges Geſamtbild 
perſiſchen Lebens und Denkens zu vermitteln. 

Mörike: Das en und andere Märchen. In 
Leinen M. 4.—; in Leder M. 3 


208 


Mörike: Mozart auf der Reiſe nach Prag. Zweite Auf: 
lage. In Leinen M. 3.50; in Leder M. 4.50. 

Mozarts Perſönlichkeit. Urteile der Zeitgenoſſen, geſammelt 
und erläutert von A. Leitzmann. Mit 11 Bildertafeln. In 
Halbleinen M. 4.—; in Halbleder M. 5.50. 

„Die Schaubühne“ bringt Proben aus dieſem Werk und ſagt, es ſei ein 
Buch, das man verſchlingt und das man am liebſten noch einmal ganz 
abdrucken würde. 

Napoleon-Briefe. In Auswahl herausgegeben von Friedr. 
Schulze, übertragen von Hedwig Lachmann. Mit 19 zeit— 
genöſſiſchen Bildern. In Pappband M. 4.-; in Leder M. 10.—. 

Nietzſches Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von Ri— 
chard Oehler. In Leinen M. 3.—; in Leder M. 5.—. 


Altfranzöſiſche Novellen. Zwei Bände. Übertragen von 
Paul Hansmann. Mit Titelholzſchnitten und Zierſtücken nach 
alten Originalen. In Pappbänden M. 10.—; in Leder M. 14.—. 


Altitalieniſche Novellen. Zwei Bände. Ausgewählt und 
überſetzt von Paul Ernſt. Mit altvenezianiſchen Titelholzſchnitten 
und Zierſtücken. In Pappbänden M. 8.—; in Leder M. 12.—. 


Geſchichten aus dem alten Pitaval. Herausgegeben nach 
der von Schiller getroffenen Auswahl und um weitere Stücke 
vermehrt von Paul Ernft. Drei Bände. Geheftet M. 9.—; 
in Leinen M. 12.—; in Leder M. 15.—. 


Pocci: Luſtiges Komödienbüchlein. Auswahl in zwei 
Bänden. Mit vielen Bildern nach Zeichnungen Poccis. In Halb— 
pergament M. 10.—. 


Pontoppidan, Henrik: Hans im Glück. Ein Roman in zwei 
Bänden. Dritte Auflage. In Leinen M. 10.—. 
Als Pontoppidans großer Roman erſchien, war er das Ereignis ſeines 
Jahrgangs. Inzwiſchen iſt eine Flut von Romanen an uns vorüber— 
gegangen, und immer noch iſt „Hans im Glück“ das Buch, das den ſtärk— 
ſten und geſchloſſenſten Eindruck von ihnen allen macht. Seit dem 
„Niels Lyhne“ hat das kleine Dänemark dem übrigen Europa kein ſo 
vollgewichtiges Werk mehr gegeben. Joſef Hofmiller. 
Die Pfalmen. Taſchenausgabe. In Leinen M. 3.—; in 
Leder M. 4.50. (Erſchienen 1913.) a 


209 


Reinke Voß. Neu erzählt v. Chriſtian Heinrich Kleukens. 
Mit farbigem Titel, farbigen Bildern und Einband von F. W. 
Kleukens. 400 Exemplare auf van Gelder-Papier; 50 Erem: 
plare in Pergament (Handeinband) M. 70.—; 330 Erempl. in 
Halbpergament M. 40.—. 

Gedruckt auf der Ernſt-Ludwig-Preſſe in Darmſtadt. 


Rilke, Rainer Maria: Die Aufzeichnungen des Malte 
Laurids Brigge. Zwei Bände. Dritte Auflage. In Papp: 
bänden M. 6.—; in Leder M. 10.—. 


Rilke, Rainer Maria: Erſte Gedichte. In Halbleder M. 6. 30. 


Rilke, Rainer Maria: Das Buch der Bilder. Einmalige 
Vorzugsausgabe: 250 Exemplare auf Hadernpapier, in Halb— 
leder M. 20.—. 

Gedruckt auf der Ernſt-Ludwig-Preſſe in Darmſtadt. 

Rilke, Rainer Maria: Die frühen Gedichte. Dritte Auf— 
lage. In Halbleder M. 6.50. 

Rilke, Rainer Maria: Neue Gedichte. Dritte Auflage. In 
Halbleder M. 6.50. 


Rilke, Rainer Maria: Der neuen Gedichte anderer eil. 
Zweite Auflage. In Halbleder M. 6.50. 

Rilke, Rainer Maria: Geſchichten vom lieben Gott. Vierte 
Auflage. Geheftet M. 3.—; in Leinen M. 4.—. 

Rilke, Rainer Maria: Auguſte Rodin. Mit g6 Abbildungen 


nach Skulpturen und Zeichnungen des Meiſters. In Halbleinen 
M. 4.—; in Leder M. 8.50. 


Rilke, Rainer Maria: Das Stundenbuch. (Enthaltend die 
drei Bücher: Vom mönchiſchen Leben; Von der Pilgerſchaft; 
Von der Armut und vom Tode.) Sechſte Auflage. In Halb⸗ 

leinen M. 3.50; in Pergament M. 6.—. | 


Rouſſeaus Bekenntniſſe. Aus dem Franzöſiſchen üben 
von Ernſt Hardt. Vollſtändige Ausgabe in einem Band. In 
Leder M. 8.—. 


210 


Rübezahl-Geſchichten: das find wahrhafftige, und über alle 
Maßen poſſierliche oder anmuthige Fratzen, von dem wunderbar— 
lichen, ſehr alten und weitbeſchrienen Geſpenſte, dem Rübezahl, 
für den Curiöſen Liebhaber auffs Neue an Tag gegeben. Mit 
Wiedergabe von 16 Holzſchnitten der Ausgabe von 1738. 800 
numerierte Exemplare in Pappband M. 10.—. 


Sachs, Hans: Ausgewählte Werke (Gedichte und Dramen). 
Mit Reproduktionen von 60 zu den Gedichten gehörigen Holz— 
ſchnitten von Dürer, Beham u. a. nach den Originaldrucken. Zwei 
Bände. Zweite Auflage. In Halbleinen M. 12.—; in Halbperga— 
ment M. 14.—. 

Saint-Simon: Der Hof Ludwigs XIV. Nach den Denk: 
würdigkeiten des Herzogs von Saint-Simon. Herausgegeben 
von Wilhelm Weigand. Mit 34zeitgenöſſiſchen Bildern. Kar: 
toniert M. 12.—; in Halbleder M. 16.—. 

Schaeffer, Albrecht: Attiſche Dämmerung. Gedichte. In 
Pappband M. 4.—; in Halbleder M. 5.—. (Erſchienen 1915.) 

Schaeffer, Albrecht: Heroiſche Fahrt. Gedichte. In 
Pappband M. 4.—; in Halbleder M. 5.—. (Erſchienen 1915.) 

Schaeffer, Albrecht: Des Michael Schwertlos Vater— 
ländiſche Gedichte. In Pappband M. 6.— in Halbleder 
M. 7.50. (Erſchienen 1915.) 

Scheffler, Karl: Deutſche Maler und Zeichner im neun— 
zehnten Jahrhundert. Mit 78 Vollbildern. Zweite Auflage. 
In Halbpergament M. 12.—. 

Scheffler, Karl: Italien. Mit 118 Vollbildern. In Halb— 
pergament M. 12.—. 

Schefflers Buch iſt die Auseinanderſetzung eines bewußten, fertigen Deut: 
ſchen mit der italieniſchen Renaiſſance. Sein Urteil iſt wie ein Scheide— 
waſſer, das aus dem Komplex der Renaiſſance nur das bejahend heraus: 
zieht, was dem Deutſchen wahlverwandt iſt. Der Wert des Buches — es 
ift im höchſten Grade feſſelnd und anziehend geſchrieben — liegt gerade darin, 
daß hier deutſches Empfinden ehrlich und ſicher Stellung nimmt zu den 


großen Problemen, die uns ſeit Winckelmann und Goethe beſchäftigen. 
Scheffler, der Deutſche von 1913, verneint, wo Goethe bejaht. Die Tat. 


Scheffler, Karl: Leben, Kunſt und Staat. Geſammelte 
Eſſays. In Halbpergament M. 8.—. 


Scheffler, Karl: Paris. Mit 71 Vollbildern. Dritte Auflage. 
In Halbpergament M. 12.—. 


Schillers ſämtliche Werke in ſechs Bänden (Großherzog— 

Wilhelm-Ernſt-Ausgabe deutſcher Klaſſiker). In Leinen M. 20.—; 
in Leder M. 28.—. 
Die einzelnen Bände ſind auch unter beſonderen Titeln zum Preiſe von 
je M. 4.— in Leinen und M. 5. in Leder erſchienen: Dramen I. Teil — 
Dramen II. Teil — Gedichte und Erzählungen — Hiſtoriſche Schriften 
— Philoſophiſche Schriften — Überſetzungen. 

Schillers Geſpräche. Berichte ſeiner Zeitgenoſſen über ihn. 
Mit vier Bildern. In Pappband M. 3.—; in Leinen M. 4.—; 
in Leder M. 6.—. 


Schopenhauers Werke in fünf Bänden. Taſchenausgabe. In 
Leinen M. 20.—; in Leder M. 26.—. 


Schopenhauers Aphorismen zur Lebensweisheit. 
Taſchenausgabe. In Leinen M. 3.—; in Leder M. 4.50. 


Schopenhauer: Briefwechſel und andere Dokumente 
ſeines Lebens. Ausgewählt von Max Brahn. In Leinen 
M. 3.—; in Leder M. 5.—. 


Schröder, Rudolf Alexander: Geſammelte Gedichte. In 
Pappband M. 6.—; in Leder M. 10.—. 

Schröder, Rudolf Alexander: Heilig Vaterland. Kriegs— 
gedichte. Geheftet 30 Pf. 

Schurig, Arthur: Wolfgang Amadeus Mozart. Sein Leben 
und ſein Werk auf Grund der vornehmlich durch Nikolaus von 
Niſſen geſammelten biographiſchen Quellen und der Ergebniſſe der 
neueſten Forſchung. Zwei Bände. Mit 32 Vollbildern in Lichtdruck 
und 5 Fakſimiles. Kartoniert M. 24.—; in Halbleder M. 30.—. 
Die große Mozartgemeinde wird dieſes Werk mit großer Freude auf— 
nehmen. Auf Grund aller zeitgenöſſiſchen Quellen — unter denen die 
Briefe des Vaters, hier genau nach den Handſchriften wiedergegeben, 
eine große Rolle ſpielen — und der neueſten Mozartforſchung ſtellt es, viele 
frühere Irrtümer berichtigend, den fo wehmütigen Erdengang des Meiſters 
in ſchöner Form dar. Den beiden ſtattlichen Bänden find 32 Bilder und 
Handſchriftenfakſimiles beigegeben; unter ihnen befinden ſich ſämtliche 
Mozartportrãts, die zum Teil noch niemals veröffentlicht waren und faſt aus⸗ 
nahmslos nach den weit verſtreuten Originalen neu aufgenommen wurden. 


212 


Schwab: Die ſchönſten Sagem des klaſſiſchen Alter— 
tums. Vollſtändige Ausgabe. a) Nichtilluſtrierte Ausgabe in 
zwei Bänden, in Leinen M. 8.—; b) Illuſtrierte Ausgabe in drei 
Bänden (mit Flaxmans Zeichnungen), in Leinen M. 12.—. 

Seidel, Willy: Der Garten des Schuch an. Novellen. In 
Leinen M. 6.—. 


Seidel, Willy: Der Sang der Sakije. Roman. In Leinen 
M. 5.—. . 
Dieſer neue Roman von Willy Seidel führt uns nach Agypten und 
ſchildert das Schickſal des Emporkömmlings Daüd-ibn-Zabal, der als 
ausgeſetzter Baſtard bei armen Fellachen aufwächſt, bis er, getrieben 
von einem immer bewußter auftretenden Lebenswillen, zum Eſeltreiber, 
Herrſchaftsdiener, Baſarverkäufer und Bey aufſteigt. Er geht zugrunde, 
weil ſeinem glühenden Drange nach Gleichſtellung mit dem Europäer 
die menſchlichen Grundlagen fehlen. Es iſt nicht ein Einzelſchickſal, das 
hier zur Behandlung ſteht, ſondern ein Problem, wie es eben jetzt in un— 
geheuerſtem Umfange entrollt wird: der Kampf der braunen Raſſe gegen 
das übermächtige Andringen der engliſchen Weltherrſchaft. Den leiden— 
ſchaftlichen Fortgang der Geſchehniſſe begleiten Schilderungen des Landes 
und ſeiner Menſchen, wie ſie nur wenigen Oichtern unſerer Tage ge— 
lungen ſind. 

Sindbads des Seefahrers Abenteuer, wie ſie aufgezeichnet 
find in dem Buch genannt „Tauſend und eine Nacht“. Illu— 
ſtrierte Ausgabe mit acht farbigen Vollbildern, Doppeltitel, In— 
itialen und Einbandzeichnung von Agnes Peters. Geb. M. 5.—. 

Sokrates, geſchildert von ſeinen Schülern. Übertragung und 
Erläuterungen von E. Müller. Zwei Bände. Mit Wiedergabe 
der Neapler Sokrates-Herme in Lichtdruck. In Leinen M. 12.—. 
Erſter Band: Kenophon: Erinnerungen an Sokrates, Die Kunſt der 
Haushaltung. Plato: Protagoras, Ein Gaſtmahl. Zweiter Band: 
Kenophon: Ein Gaſtmahl. Plato: Gorgias, Verteidigung des Sokrates, 
Kriton, Phädon; Anhang: Drei Sokratesjünger. 

Stauffer-Bern: Familienbriefe und Gedichte. Heraus- 
gegeben von U. W. Züricher. Mit einem Selbſtporträt des 
Künſtlers. In Leinen M. 6.—; in Leder M. 8.—. 

Stein, Heinrich von: Geſammelte Dichtungen. Herausge— 
geben von Friedrich Poske. 3 Bände. In Pappe M. 9.-; 
in Halbleder M. 12.—. (Erſchienen 1915.) 

Inhalt: Die Ideale des Materialismus — Vermächtnis — Helden und 
Welt — Dramatiſche Bilder und Erzählungen. 


Stifter: Aus dem alten Wien. Mit 20 Vollbildern. In 
Leinen M. 6.—; in Leder M. 8.—. 

Stifter: Erzählungen. Vollſtändige Ausgabe der „Studien“ 
in zwei Bänden. 4.8. Zauf. In Leinen M. 7.50; in Led. M. 10.—. 

Strauß, David Friedrich: Ulrich von Hutten. Herausge— 
geben von Otto Clemen. Mit 32 Lichtdrucktafeln. Kartoniert 
M. 12.—; in Halbled. M. 16.—. Vorzugsausgabe: 100 Erem: 
plare auf van Gelder-Bütten, in Rindleder M. 50.—. 

Ulrich von Hutten iſt von jeher eine Lieblingsgeſtalt des deutſchen Volkes 
geweſen. Hineingeboren und verwoben in eine Zeit geiſtiger, religiöfer 
und politiſcher Erregung und Erneuerung, in eine Zeit, da es, nach ſeinen 
eigenen Worten, „eine Luſt war zu leben“, hat er im Kampfe der Geiſter 
in vorderſter Reihe geſtanden. 

Taube, Otto Freiherr von: Der verborgene Herbſt. 
Roman. In Halbpergament M. 6.—. 

Die Erzählungen aus den Tauſend und ein Nächten. 
Erſte vollſtändige deutſche Ausgabe. Mit einer Einleitung von 
Hugo von Hofmannsthal. In Leinen M. 72.— in Leder 
M. 84.—. 

Zwölf wunderbare Bände, deren kunſtreiche Ausſtattung uns vortäuſcht, 
wir hielten ein altes arabiſches Buch in den Händen, geben uns die alten 
Märchen wieder ... Ein Kulturdokument allererſten Ranges, gehören 
dieſe Märchen zu den großen Menſchheitsepen ... Die Art der Darftel- 
lung erinnert oft zwingend an Homer in ihrer Naivität und ihrem Reichtum. 

Deutſche Rundſchau. 

Tauſend und eine Nacht. Mittlere Ausgabe.) Ausgewählt 
und herausgegeben von Paul Ernſt. 4 Bände. In Halbleinen 
M. 16.—; in Leder M. 28.—. 

Aus der großen vollſtändigen Ausgabe wurden die dichteriſch ſchönſten 
Erzählungen in einer Auswahl von vier Bänden vereinigt. 

Die ſchönſten Geſchichten aus Tauſend und einer Nacht. 
Volksausgabe (563 Seiten). In Pappband M. 4.—; in 
Halbleder M. 6.—. 

Die einbändige Auswahl kann ohne Bedenken auch der reiferen 
Jugend in die Hand gegeben werden. 

Ühde-Bernays: Anſelm Feuerbach. Mit 80 ganzſeitigen 
Abbildungen nach Gemälden und Zeichnungen Feuerbachs. In 
Halbleinen M. 3.—; in Leder M. 8.—. 


214 


Ulfeldt, Gräfin Leonora Chriſtina: Denkwürdigkeiten 
(genannt Leidensgedächtnis) aus ihrer Gefangenſchaft 
im Blauen Turm des Königsſchloſſes zu Kopenhagen 
1663-1685. Bearbeitet und neu herausgegeben von Clara 
Prieß. Mit fünf Bildniſſen in Lichtdruck. In Pappband 
M. 5.—; in Leder M. 7.50. 


Valois, Margaretha von (Königin von Frankreich und Na— 
varra). Memoiren, Briefe und ſonſtige Dokumente ihres Lebens. 
Herausgegeben von W. Fred. Zwei Bände. Mit zwei Porträts 
in Lichtdruck. In Pappbänden M. 7.—; in Halbleder M. 10.—. 


Verhaeren, Emile: Rembrandt. Mit 80 ganzſeitigen Abbil— 
dungen nach Gemälden und Zeichnungen Rembrandts. 10. bis 
15. Tauſend. In Halbleinen M. 3.—; in Leder M. 8.—. 


Verhaeren, Emile. Rubens. Mit gz ganzſeitigen Abbildungen 
nach Gemälden und Zeichnungen von Rubens. In Halbleinen 
M. 3.—; in Leder M. 8.—. 


Verlaine: Ausgewählte Gedichte. Übertragen von Wolf 
Graf von Kalckreuth. Zweite Aufl. In Halbperg. M. 4.—. 


Voll, Karl: Entwicklungsgeſchichte der MalereiinEin— 
zeldarftellungen. 1. Band: Altniederländiſche und altdeutſche 
Meiſter. Mit 29 Bildertafeln. In Leinen M. 10.—. 2. Band: 
Italieniſche Meiſter. Mit 25 Bildertafeln. In Leinen M. 10.—. 
Ein dritter Band wird im Jahre 1916 das Werk abſchließen. 


Voltaires Erzählungen. Übertragen von Ernſt Hardt. In 
Leder M. 10.—. 


Inhalt: Der Weiße und der Schwarze — Hans und Klaas — Die 
Prinzeſſin von Babylon — Die beiden Getröſteten — Candid — Scar— 
mentado — Zadig — Mikromegas — Der Harmlofe. 

Walzel, Oskar: Vom Geiſtesleben des 18. und 19. Jahr— 
hunderts. Aufſätze. In Leinen M. 12.—. 
Aus dem Inhalt: Schiller und die Romantik — Goethe und das 
Problem der fauſtiſchen Natur — Clemens Brentano und Sophie 


Mereau — Goethes Wahlverwandtſchaften im Rahmen ihrer Zeit — 
Rheinromantik uſw. 


Weigand, Wilhelm: Der King. Ein Novellenkreis. In Leinen 


M. 6.—. 


Weimar in den Befreiungskriegen. Drei Teile. In Leinen 
M. 10.—. 
Die Bände ſind auch einzeln käuflich: 
Erſter Teil: Erinnerungen aus den Kriegszeiten von 1806-1813. 
Von Kanzler Friedrich von Müller. In Leinen M. 3.30. 


Zweiter Teil: Johannes Falks Kriegsbüchlein. Darſtellung der Kriegs: 
drangfale Weimars in dem Zeitraum von 1806— 1813. In Leinen M. 3.—. 


Dritter Teil: Weimariſche Berichte und Briefe aus den Freiheitskriegen 
1806-1815. Mit 16 Vollbildern. In Leinen M. 5.—. 


Wielands Werke. In drei Bänden. Neue Taſchenausgabe, 
beſorgt von Franz Deibel. In Pappbänden M. 8.—; in Leder 
M. 15.—; in Pergament M. 20.—. 


Wilde, Oscar: Die Erzählungen und Märchen. Mit 
10 Vollbildern ſowie Initialen, Titel- und Einbandzeichnung von 
Heinrich Vogeler⸗ er 31.—40. Tauſend. In Pappband 
M. 3.—; in Leder M. 9.—. 


Wilde, Oscar: Die Ballade vom Zuchthauſe zuReading. 


Übertragen von Wilhelm Schölermann. Fünfte Auflage. 
In Pappband M. 2.—. 


Wilde, Oscar: Gedichte. (Die Sphinx; aus den »Poems«.) 
Überfragen von Giſela Etzel. Mit Titelholzſchnitt von Marcus 
Behmer. Geheftet M. 6.—; in Halbpergament M. 8.—. 


Wilde, Oscar: Salome. Tragödie in einem Akt. Übertragen 
von Hedwig Lachmann. Mit Doppeltitel, zwei Vollbildern 
und Einband von Marcus Behmer. Fünfte Auflage. Geheftet 
M. 2.—; in Pappband M. 3.—. 


Kaiſer Wilhelms I. Briefe. Nebſt Denkſchriften und anderen 
Aufzeichnungen herausgegeben von Erich Brandenburg. In 
Leinen M. 3.—; in Leder M. 5.—. 

Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth: Memoiren. 
Deutſch von Annette Kolb. Mit drei Heliogravüren. Zwei 
Bände. Zweite Auflage. In Leinen M. 14. ; in Halbleder Me 16.—. 


216 


Winckelmann: Kleine Schriften zur Geſchichte der Kunſt 
des Altertums. Herausgegeben von Hermann Ühde-Ber— 
nays. Mit 10 Vollbildern. In Halbpergament M. 7.—. 

Winckler, Joſef: Mitten im Weltkrieg. Gedichte. In 
Halbpergament M. 3.50. (Erſchienen 1913.) 

Zweig, Stefan: Erſtes Erlebnis. Vier Erzählungen aus 
Kinderland. In Pappband M. 5.—. 


ite 


Mark Bände 


Jeder Band in Pappband M. 2.—; in Leder M. 4.50 


Ludwig van Beethovens Humboldts Briefe an eine 
Briefe. 11.20. Tauſend. Freundin. 


Die Bibel, ausgewählt. Kant⸗Ausſprüche. Heraus⸗ 
gegeben von Raoul Richter. 
Fichtes Reden an die deut— 


ſche Nation. Eingeleitet von e 115 he a 
} Ei itet von Eri 
Rudolf Eucken. ungen. Eingelei 0 


Schmidt. 
Goethes Briefe an Frauſgeffi g 
8 B - H Sge⸗ 
von Stein. 11.20. Tauſend. len: tiefe. Herausge 


ben von Julius Pet N 
Mit drei Silhouetten. ge 285 ee » 28 
8 ; Ludwig, Otto: Die Heitere— 
Goethes Sprüche in Proſa. thei. Roman. 
Goethes Sprüche in Reimen. Mozarts Briefe. 
Aus Goethes Tagebüchern. Die Briefe des jungen 
Briefe von Goethes Mut- Schiller. Miteiner Silhouette. 
ter. In Auswahl herausge-Der junge Schumann. 
geben von Albert Köſter. Dichtungen und Briefe. 
40. Tauſend. Mit einer Gil- | Wagner, Richard: Auswahl 
houette. ſeiner Schriften. Herausge— 
Grimms deutſche Sagen. geben von H. St. Chamber: 
Herder: Ideen zur Kultur- lain. 
philoſophie. Des Knaben Wunderhorn. 


217 


Die Bibliothek der Romane 


Jeder Band in Leinen M. 3.— 


; in Leder M. 5.—. 


Alexis, Willibald: Die Ho- Frangois, Louiſe von: Die 


fen des Herrn von Bredow. 
Vaterländiſcher Roman. (IT. 


bis 15. Tauſend.) 


Coſter, Charles de: Uilen— 
ſpiegelu. LammeGoedzack. 
Ein fröhliches Buch trotz Tod 
und Tränen. 

Die Bibel des flämiſchen Volkes, ſo 


hat Verhaeren dieſen Roman ge- | 
nannt, der von jedem Deutſchen ge- 


kannt werden ſollte, denn an den 


Stätten, an denen feine Handlung 


ſich abſpielt, werden heute die großen | 


Entſcheidungsſchlachten geſchlagen: 
nirgends werden Landſchaft und 
Volk deutlicher als in dieſem Buche. 


Defoe, Daniel: Robinſon 
Cruſoe. Nach der älteſten 


deutſchen Übertragung heraus⸗ 


gegeben von Severin Rüttgers. 


Doſtojewski: Schuld und 
Sühne. (Raskolnikov.) 


Flaubert: Frau Bovpary. 


Flaubert: Salambo. Ein Ro- 


man aus dem alten Karthago. 


Erdmuthens Zwillings— 
ſöhne. Ein Roman aus der 
Zeit der Befreiungskriege. 


218 


Gotthelf: Wie Uli 


[Hoffmann, E. T. A.: 


Jacobſen, 
Frangois, Louiſe von: Frau 


Jacobſen, 


letzte Reckenburgerin. 2. 
Auflage (16.20. Tauſend). 


Außerordentlich iſt der Gehalt dieſes 
Buches an jener lebendigen Weis⸗ 
heit, die aus der Fülle eines gütigen 
Frauenherzens ſtrömt. Wir wagen 
die Behauptung, daß der Freund un⸗ 
ſerer Dichterin, Conrad Ferdinand 
Meyer, deſſen hohe Kunſt wir ge— 
wiß nicht gering anſchlagen, einen 
Roman wie „Die legte Redenbur: 
gerin“ nicht ſchreiben gekonnt hätte. 
Seine mehr artiſtiſche Kunſt hätte 
nicht dieſe Blutwärme aufgebracht, 
die dem Roman ſeiner Freundin ein 
ſo ſeelenvolles Leben gibt. 


Joſeph Viktor Widmann. 


der 
Knecht glücklich wird. 
Gottfried Keller nannte Gotthelf das 
größte epiſche Talent, welches feit 
langer Zeit und vielleicht für lange 
Zeit lebte. 


Der 
goldene Topf. Klein Za— 
ches. Meiſter Martinder 
Küfner und ſeine Geſellen. 


Jens Peter: 
Niels Lyhne. 


Jens Peter: 
arie Grubbe. 


Frau M 


Jean Paul: Titan. Gekürzt 
herausgegeben von Hermann 


Heſſe. 2 Bände. 


Lagerlöf, Selma: Göſta 
Berling. Erzählungen aus 
dem alten Wermland. 


Mörike: Maler Nolten. In 
urſprünglicher Geſtalt. 


Moritz, Karl Phil.: Anton 

Reiſer. Ein pſpychologiſcher 
Roman. 
Den „Anton Reiſer“ hat kein Ge— 
ringerer als Goethe zuerſt empfoh— 
len, und gleich ihm iſt er ſpäter ſo 
verſchieden gearteten Geiſtern wie 
Heine, Hebbel und Schopenhauer 
in vielem Sinne wert geweſen. 

Murger, Henri: Die Bo— 
beme. Szenen aus dem Pariſer 
Künſtlerleben. 


Scott, Walter: Der Talis— 
man. In der revidierten Uber⸗ 
tragung von Auguſt Schäfer. 

Scott, Walter: Ivanhoe. 


In der revidierten Übertragung 
von L. Tafel. 


Sealsfield, Charles: Das 
Kajütenbuch. 
Das klaſſiſche Buch des wilden 
Weſtens. Die Geſchichten werden 
im Hauſe des Kapitäns Morſe, der 
fog. Kajüte, erzählt: daher ſtammt 
ſein Name. 

Stendhal: Rot u. Schwarz. 
Ein Roman aus dem Frankreich 
um 1830. 


bona. 


Thackeray: Die Geſchichte 
des Henry Esmond, von 
ihm ſelbſt erzählt. 

Ein hiſtoriſcher Roman des be— 


rühmten Zeitgenoſſen von Charles 
Dickens. 


Tieck: Vittoria Accorom— 


Ein Roman aus der 
Renaiſſance. 


Tillier: Mein Onkel Ben— 
jamin. 
Tolſtoi: Anna Karenina. 
2 Bände. 


Tolſtoi: Auferſtehung. 


Tolſtoi: Krieg und Frieden. 
Ein Roman in fünfzehn Teilen 
mit einem Epilog. 3 Bände. 


Turgenjeff: Väter und 
Söhne. 


Tuti-Nameh (Das Papa— 
geienbuch). Nach türkiſcher 
Faſſung überſetzt von Georg 
Roſen. 


Weigand, Wilhelm: Die 
Frankenthaler. 


Ein fränkiſcher Kleinſtadtroman, 
eines der beſten humoriſtiſchen Bi: 
cher der Gegenwart. 


Wilde, Oscar: Das Bildnis 
des Dorian Gray. 


S * — * 77 | r 
Die Inſel Büch 
Jeder Band gebunden mit farbigem Überzug 30 Pfennig. 

Bisher ſind 187 Bände erſchienen. 


Im Jahre 1915 veröffentlichte Bände: 


Anekdoten von Friedrich dem 
Großen. Mit 6 Holzſchnitten von 
Adolph von Menzel (Nr. 159). 


Arndt, Ernſt Moritz: Gedichte 
(Nr. 163). 

Reden Bismarcks nach ſeinem 
Ausſcheiden aus dem Amte 
(Nr. 166). 

Blüchers Briefe. Ausgewählt und 
eingeleitet von W. Capelle (170). 


Brentano, Clemens: Die Ge— 
ſchichte vombraven Kaſperlu. 
dem ſchönen Annerl (Nr. 175). 


Clauſewitz, General Karl von: 
Grundgedanken über Krieg 
und Kriegführung (Nr. 16g). 


Dumpfe Trommel und be— 
rauſchtes Gong. Nachdichtun— 
gen chineſiſcher Kriegslyrik von 
Klabund (Nr. 183). 

Fechner, Guſtav Theodor: 
Das Büchlein vom Leben nach 
dem Tode. Mit einem Geleitwort 
von Wilhelm Wundt (Nr. 187). 


Geibel, Emanuel: Herolds— 
rufe. Ausgewählt (Nr. 173). 
Goethe: Geſchichte Gottfrie— 
dens von Berlichingen mit 
der eifernen Hand („Der Ur— 
götz“) (Nr. 160). 

Hebel, Johann Peter: Die 
ſchönſten Erzählungen aus 
dem Schatzkäſtlein des rhein— 
ländiſch. Hausfreundes (177). 


220 


Hölderlin, Friedrich: Hymnen 
an die Ideale der Menſchheit. 
Herausgegeben von Emil Lehmann 
(Nr. 180). 


Kleiſt, Heinrich von: Michael 
Kohlhaas (Nr. 167). 


Der Koran. In Auswahl heraus⸗ 
gegeben yon E. Harder (Nr. 172). 


Krieg und Friede 1870. Zwei 
Briefe von David Friedrich Strauß 
an Ernſt Renan und deſſen Ant: 
wort. Mit einem Anhang: Carlyle 
an die Times (Nr. 164). 


Der alte deutſche Kriegsge— 
ſang in Worten und Weiſen 
It. 171% 


Lafontaine: Fabeln. Übertragen 
von Theodor Etzel. Mit 8 Holz: 
ſchnitten von J. J. Grandville 
(Nr. 185). 


Die deutſchen Lande im deut⸗— 
ſchen Gedicht (Nr. 174). 


Lieder der Landsknechte. Mit 
acht alten Holzſchnitten (Nr. 158). 


Mombert, Alfred: Muſik der 
Welt aus meinem Werk (181). 


Oſtpreußiſches Sagenbuch. 
Herausgegeben von C. Krollmann 


(Nr. 176). 


Schiller: Belagerung von 
Antwerpen durch den Prin— 
zen von Parma in den Jahren 
1584 und 1585 (Nr. 165). 


Friedrich Schlegels 
mente. Ausgewählt und heraus— 
gegeben von Carl Enders (Nr. 179). 


Frag- Der Wandsbecker Bote. Eine 


Auswahl aus den Werken von 
Matthias Claudius. Herausgegeb. 
von Hermann Heſſe (Nr. 186). 


Tieck, Ludwig: Des Lebens Weigand, Wilhelm: Wende— 


Überfluß. Novelle (Nr. 184). 


Treitſchke, Heinrich von: Das 
deutſche Ordensland Preu— 
ßen (Nr. 182). 


Ullmann, Regina: Feldpre— 
digt. 


einem Akt (Nr. 178). 


lins Heimkehr. Eine Erzählung 
aus der Fremdenlegion (Nr. 167). 


Weimars Kriegsdrangſale in 


den Jahren 1806—1814. Be— 
richte der Zeitgenoſſen, geſammelt 
von Friedrich Schulze (Nr. 162). 


Dramatiſche Dichtung in Kaiſer Wilhelms J. Briefe aus 


den Kriegsjahr. 1870/71 (Nr. 168). 


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Oſterreichiſche Bibliothek 
Herausgegeben von Hugo von Hofmannsthal 


Preis jedes Bandes gebunden 60 Pfennig = 80 Heller 
Bisher ſind erſchienen: 


I. Grillparzers politiſches 
Vermächtnis. Zuſammengeſt. 
von Hugo v. Hofmannsthal. 

2. Heldentaten der Deutſch— 
meiſter 1697 bis 1914. Mit 
einem Nachwort von Max Mell. 

3. Cuſtoza und Liſſa. Von Hein— 
rich Friedjung. 

4. Bismarck und Sſterreich. Her: 
ausgegeb. v. Franz Zweybrück. 

3. Audienzen bei Kaiſer Jo- 
feph. Nach zeitgenöſſ. Dokumen— 
ten zuſammengeſtellt u. mit einem 
Nachwort verſeh. v. Felix Braun. 

6. Achtzehnhundertneun. Do— 
kumente aus Oſterreichs Krieg 
gegen Napoleon. 

7. Fürſt Friedrich zu Schwar— 
zenberg, „der Landsknecht“: 
Bilder aus Alt-Oſterreich. 
Ausgewählt und eingeleitet von 
Helene Bettelheim-Gabillon. 


8. Abraham a Sancta Clara. 
Ausgewählt und eingeleitet von 
Richard von Kralik. 


9. Beethoven im Geſpräch. 
Mit einem Nachwort von Fe— 
lir Braun. 


10. Radetzky: Sein Leben und 
Wirken. Nach Briefen, Berich— 
ten und autobiographiſchen Skiz⸗ 
zen zuſammengeſtellt von Ernſt 

olden. 


11. Auf der Südoſtbaſtion 
unſeres Reiches. Von Ro— 
bert Michel. 


12. Oſterreichiſche Gedichte 
1914/15. Von A. Wildgans. 


13. Comenius und die Böhmi⸗ 
ſchen Brüder. Ausgewählt und 
eingeleitet von Friedrich Eck— 
ſtein. 


U CCC ˙ Ü ĩ . ĩ Ä ⁵ . ]ĩVĩ2—2—2—22 ——- n 


Inhalt des Almanachs 


Kalendarium für das Jahr 1916 

Rudolf G. Binding: Spruch für eine Sonnenuhr .... 

Rudolf Alexander Schröder: Deutſchland 

Ernſt Moritz Arndt: Von Freiheit und Vaterland ... 

Karl von Clauſewitz: Krieg und Politik 

Blücher: Fünf Briefe an ſeinen König 

Sebaſtian Münſter: Von dem Elſaß und ſeiner großen 
Fruchtbarkeit 

Aus dem „Cherubiniſchen Wandersmann“ des Angelus 
Sileſius 

Jacob Grimm: Über den Purismus 

Emanuel Hiel: Oproep 

Jacob Burckhardt: Auswärtige Politik der italieniſchen 
Staaten im Zeitalter der Renaiſſance (Aus der „Cultur 
der Renaiſſance“) 

Kaiſer Friedrich III.: Einweihungsfahrt auf dem Suez— 
Fanl s „„ 

Prinz Eugen und die Feſtung Lille 

Maſuriſche Sagen 

Albrecht Schaeffer: In memoriam „Mimoſe“ 

Helmuth von Moltke: Die Friedenspräſenzſtärke des 
deutſchen Heeres 

Franz Dingelſtedt: Themſefahrt 

Otto Fürſt von Bismarck: Zwei Reden 

Vier chineſiſche Kriegsgedichte 

Heinrich von Stein: Der große König 

Willibald Alexis: Friedericus Rex 
(Mit einem Holzſchnitt von Hans Speckter) 

Felix Braun: Totenmeſſe für die Untergegangenen des 
deutſchen Auslandsgeſchwaders 

Urkunde über die Stiftung des Eiſernen Kreuzes 

Johann Peter Hebel: Der Schneider in Penſa 

Oskar Woehrle: Nach einem Begräbnis 

Fr. G. Klopſtock: Weihtrunk an die toten Freunde ... 

Landsknechtſchwänke (Mit einem Holzſchnitt von Hans 
Burgkmair) 

Die fünf Heiligen Fetwas 


LITEDFFTITTTETETTERLSELTRTEEERSTTTTTITTTTTTITTELLSLRELLTETETELTTITTERIEOHTESTESTTLLTRTELTELELERLELELESTETETITTELLRIELSELELELTLLELLSLTLETITTETLELTSLESLLELLELTLTTLELLETEEETEELETDELEELELTZTELELTELELLLTLLLLTTCHTTSTETTETTECEEELEETTTTETEEE 


ULIALILORIDEENITOTIRENOTEERRDROREREUDEDKDOODCRERDERER OLE DEROOKROKDEKEOROOEROERE DOREEN EOROKOREROOOEEOEKDONDERLKEINCRCE TITISTERIKEETEÄTELELEE ROOKIE OERORT REKORDE KROCKERNEDENEICEEEKENIOHEEICREK LEKENKEKTEENEECKEERTETTETGES 


AEIV CH TFÜTOETEROEEISTEHÜESETEERIEHSTRENRLÄHENTENKFEHEENEEFEETEHNTNERRUKHEEHÄNENKUEÄHTTERDHLTUEHNLN EV RRRRRRNEHHERUEEEE finn 


Ernſt Moritz Arndt: Grabesgrnrn nnn 108 

Kaiſer Wilhelm J.: Letztwillige Aufzeichnung 31. Dezem— 
v RE RE ET FE 109 

Ernſt Hardt: Zum 2. September 11dca444— 111 


Helmuth von Moltke: Die Dardanellen (Aus „Werke“) 113 
Guſtav Freytag: Ein Dank für Charles Dickens (Aus 


CC ͤ RV 120 
Charles Dickens: Brief an Heinrich Künzel ......... 126 
Richard Dehmel: Gebet um Erleuchtung.... 127 
Hugo von Hofmannsthal: Worte zum Gedächtnis des 

c Ä „ 130 
Ferdinand Freiligrath: Prinz Eugen, der edle Ritter 

(Mit einem Holzſchnitt von Hans Speckter . 139 
Wilhelm Cahn: Viktor Hugos Rückkehr nach Paris... 141 
Der Fähnrich 144 
Karl Scheffler: Der Goethe-Deutſche und der Schiller— 

I EEE EEE EEE IER 145 
Hans Caroſſa: Viel Blut, viel Blu 134 
di Das Kriegsjah eee 135 
Goethes Geſpräch mit Luden 133 
wan dn Frauen 164 
WW sera enge 165 
Ein neu Lied Herrn Ulrichs von Hutten (Mit einem 

1r%ö˙%ͤ˙0—5?! 0 ee 167 


Der Rembrandtdeutſche (Julius Langbehn): Die deuſche 
Weltherrſchaft — Nordweſtliches (Aus „Rembrandt 


p ²⅛ —⁵2A ²m̃qqĩA m ee 17 
Fr. L. Graf zu Stolberg: Deutſchlands Beruf ....... 377 
Alfred Lichtwark: Der Deutſche der Zukunft (Aus dem 

Tr.. ͤ//ô» !!!!!! ee a 178 
. ⁰¹a ²²r²¹ð ⅛ ꝓevet 192 
ee aus dem Inſel⸗ Verlag 193 
Beilagen: 


Dürer: Die apokalyptiſchen Reiter 
J. G. Zieſenis: Friedrich der Große 
Honoré Daumier: Lithographie 
Helmuth von Moltke: Kumkaleh 
Dürer: Antwerpen (Scheldetor) 


8 IIIIIIIHIIIIHHHmnnmnnmnmnnmnunnmnmeereeeenemmnnam 


Der Druck des Inſel-Almanachs ıgı6 
erfolgte in der Spamerſchen Buch— 
druckerei in Leipzig. — Den Umſchlag 
zeichnete Profeſſor Walter Tiemann. 


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