Pkase
handle this volume
with care.
TheUmver.ityofConn«licu»
Librari«, Stom
^"'■"" MT 70.B51S9
,,,,,„,, Instrumentatlonslehre, von Hector
Illllillll!ll'i'!!|i1'f^!lfi''
3 TISB ÜGÖS=m71 ?
MUSIC LIBRARY
JT
um: -^UT
n ^-«e kept ovit
INSTRÜMENTÄTIÖNSLEHRE
VON
HECTOR BERLIOZ.
ERGÄNZT UND REVIDIERT =
RICHARD STRAUSS
TEILI.
REVISION UND ÜBERSETZUNG EIGENTUM DES VERLEGERS.
(ALLE RECHTE VORBEHALTEN.)
LEIPZIG o C. F. PETERS
MUSIC IIBRARY
UNIVERSiTY OF CONNECTICUT
Vorwort.
Als ich um die Ergänzung und Revision der
Instrumentationslehre von Hector Berlioz seitens der
Verlagshandlung ersucht wurde, war ich zuerst der
Meinung, des großen Franzosen Meisterwerk, ein in sich
geschlossenes Ganzes und voU genialer Ahnungen, deren
Erfüllung durch Richard Wagner für jeden Kundigen so
deutlich ist, bedürfe einer solchen Hilfe nicht, um noch
heute für jeden Musiker eine Quelle reichsten Genusses
und fruchtbarster Anregungen zu sein.
Bei genauerem Dui'charbeiten empfand ich aber
doch die Lücken des in der Mitte des vorigen Jahr-
himderts abgeschlossenen Buches so sehr, daß mii- die
Gefahr- nicht ausgeschlossen schien, Berlioz' Werk kömie,
als in wichtigen Punkten veraltet, nicht mehr nach seinem
hohen bleibenden Werte beachtet werden, um so mehr
als inzwischen manche andere verdienstvolle Bücher (be-
sonders die Instruraentationslehre des voi-züglichen Meisters
Gevaert in Brüssel) mit wissenschaftlicher Sorgfalt die
Materie ergänzt haben.
Der unvergängliche Wert von Berlioz' Buch liegt
nun aber darin, daß Berlioz der als erster die schwierige
Materie mit größtem Sammelfleiß geordnet und bearbeitet
hat, sofort mit größter Beharrlichkeit nicht nur die
mechanische Seite behandelte, sondern dui-chweg die
ästhetischen Fragen der Orchestertechnik in den Vorder-
grund rückte. Dieses bleibende Verdienst des Berlioz-
schen Werkes und die in ihm leuchtende Sehergabe, die
füi- den aufmerksamen Leser oft in wenigen Zeilen den
ganzen Wagner vorausahnen läßt, dürfte es rechtfertigen,
die notwendigen Ergänzungen in technischer Hinsicht
mit wirkungsvoller Beleuchtung aller neuen Errungen-
schaften und besonderem Hinweis auf die Wagnerschen
Werke nachzutragen, um das Berliozsche Werk auch
für den oberflächhchen Beobachter lebendig zu erhalten.
Die Pietät für das in sich durchaus einheitliche
Berliozsche Meisterwerk gebot mir, an Berlioz' Text
nicht das Geringste zu verändern (mit einziger Ausnahme
des Kapitels , Orgel", welches durch Herrn Prof. Ph.
Wolfrum, Heidelberg, dem Stande der Neuzeit ent-
sprechend teilweise umgearbeitet, bezw. ergänzt wurdej.
Nur Dörffels t'Jbersetzung ließ ich stellenweise revidieren.
Edition Peters. St
Meine Zusätze sind als solche durch eine seitlich an-
gebrachte Linie deutlich erkennbar. Da das Material
für Notenbeispiele stets ein überreiches ist, habe ich
vermieden, wichtige und besonders interessante Beispiele,
die bei Gevaert angeführt sind, hier hereinzunehmen
zumal Gevaerts Buch über die technische Handhabung
und die akustischen Gesetze des Instrumentenbaues allein
schon soviel des Lesenswerten birgt, daß es neben der
Lektüre des Berliozschen Buches zum Studium dringend
zu empfehlen ist.
In der Instrumentationskunst, wie wohl in allen
künstlerischen Dingen, ist es mit theoretischen Büchern
eine mißliche Sache. Ich behaupte: ein mit Komposi-
tionstalent begabter Musiker, der als Geiger oder Bläser
in einem Orchester tätig ist, wird von vornherein ohne
jede Kenntnis der Instrumentationslehre ein größeres
Geschick für Orchestrationskunst besitzen, als der eben-
falls zum Tondichter berufene Pianist „So und So" oder
der federgewandte Kritiker „Nie und Nimmer", der zwar
fleißig Instrumentationslehre studiert, aber nie Orchester-
instrumente näher zu Gesicht bekommen hat^ als in einer
Entfernung von der Stuhlreihe seines Platzes im Konzert-
saal bis zum Konzertpodium.
Darum sei von vornherein jedem, der es in der
Kunst der Instrumentierung etwas weiter biingen möchte,
als daß es ihm nur gelänge, ein paar recht wohlklingende
(nach heutigen Begriffen vorzüglich instrumentierte) Stücke
der Mitwelt zu schenken, jedem, dem es nicht vergönnt
ist, als Orchesterdirigent eine tägliche Fühlung mit den
dämonischen Mächten des Orchesters zu haben, dringendst
empfohlen, neben dem Studium der Partituren unserer
großen Meister die Mühe nicht zu scheuen, sich durch
die verschiedenen Instrumentahsten persönlich mit der
genauen Technik, den Eegistertimbres und den Präludier-
geheimnissen des Stimmzimmers für jedes einzelne In-
strument vertraut zu machen.
Jede Verbesserung, die ein erfinderischer Kopf am
Mundstück, an der Klappenvorrichtung oder an anderen
Details der Ausarbeitung und des Materials seines In-
II
ätruraentüs ausgedacht hat, jede technische Spielerei, die
er sich in müßiger Stxindo /.n seinem Vcrgiiügon ersonnen,
kann einem SchOpfor, der l'ür neue Ideiin neue Aus-
druckslbrnien sucht, ungeahnte l'erspektiven erötl'nen und
für den Fortschritt wertvoller sein, als jedes doch vor-
zugsweise nur aus Vorhandenem resultierende Theoriebuch.
Regt so einerseits der ausübende Musiker durch
seine Fertigkeit den schöpferisch Tiltigen zu neuen Ideen
an, so ist andererseits die geniale Idee, die jeder Aus-
führungsmöglichkeit vorerst zu spotten scheint, um dann
mich und nach die strebsamen Techniker zu sich her-
aufzuziehen, im Verlaufe der bisherigen Entwicklung von
noch größerem Einfluß auf den Fortschritt im Instrumen-
tenbau, die Steigerung der Kunstfertigkeit in der Hand-
habung der Instrumente und die Bereicherung ihrer
Ausdrucksmöj;liclikriten gewesen.
Die Entwicklung des Orchesters bis zu Berlioz'
Eintritt in die Musikgeschichte ist genügend bekannt,
so daß ich mich hierbei nicht allzu lange aufhalten möchte.
Ich verweise auf die herrlichen Ausführungen Richard
Wagnei-s in seinen Schriften, besonders in „Oper und
Drama". Auch wäre hier nicht der Platz, mit wenigen
Zeilen ein großes Kapitel der Musikgeschichte abhandeln
zu wollen, wo aus tausend Keimen, Anregungen, Irr-
tümern und Erfolgen eine so fein gegliederte, organische
Entwicklung in sorgfaltigster Weise zu beobachten wäre.
Hier kann es sich nur um einen kurz zusammenfassenden,
verdichteten Überblick handeln, den ich wage, im Ver-
trauen darauf, daß der verständniswillige Leser es sich
klar mache: ich beabsichtige keine Darstellung nach Art
einer in Schubladen fein säuberlich registrierenden Ästhe-
tik, sondern möchte nur einige ganz besonders, wich-
tige Gesichtspunkte plastisch herausarbeiten, um es dem
gebildeten Leser zu überlassen, die vielen feineren Über-
gänge aus eigenem Wissen und Fühlen sich selbst be-
quem zu ergänzen .... Unter dieser Einschränkung
möchte ich zwei Hauptstraßen verfolgen, auf denen sich
das Orchester von Händel, Gluck und Haydn her bis
zu Wagner entwickelt hat. Man erlaube mir, diese
beiden Hauptstraßen kurzerhand den symphonischen
(polyphonen) und den dramatischen (homophonen)
Weg zu nennen.
Der Urspning des symphonischen Orchesters liegt
(außer in Bachs Orgelfugen) hauptsächlich in den Streich-
quartetten Haydns und Mozarts. Alle symphonischen
Äußerungen dieser beiden Meister tragen in Stil, Thematik,
melodischer Linienführang und Piguration so sehr den
Charakter aller polyphonen Möglichkeiten des Streich- i
quartetts, daß man sie (stets cum grano salis natürlich) |
fast als Streichquartette mit obligaten Holzbläsern und j
tutti verstärkenden Lärminstnimenten (Hörnern, Trom-
peten, Pauken) bezeichnen kann. j
Das größere Hlllseraufgobot in 15(!otli()vons ,''). und 9.
Symphonie kann nicht darüber tiliischcn, daß auch dioscH
Meistors Syniiihonien den Stil ilcr Kiinmiorniiisik nicht
verleugnen. Mehr als bei Haydn und Mozart wirft bei
Heethovcn der (ieist des Klaviers seine charakteristischen
Wendungen herein, die.ser Geist des Klaviers, der später
die Orchesterwerke eines Schumann und Brahms (leider
nicht immer zu ihrem Vorteile oder zum Vergnügen
des Hörers) so ganz ausschließlich beiierrscht. Erst
Franz Liszts Klangsiiui war es vergönnt, diesen Geist
des Klaviers auch im Orchester zu neuem poetischen
Tjeheii wiiMlciv.urrwfckcn.
In dir scliünon Linienführung der vier gleichge-
stellten Melodieträger des klassischen Streichquartetts,
die sich in den 10 letzten Beethovenschen Quartetten
zu einer der Bachschen Chorpolyphonie ebenbürtigen
Freiheit entwickelt hat — einer Freiheit, die keine
seiner 9 Symphonien aufzuweisen vermag - - hat Richard
Wagner den Stil seines Tristan- und Meistersinger- Or-
chesters gefunden, ihr verdankt er die unerhörten Klang-
wunder seines polyphonen Streichquintetts.
Dabei ist natürlich noch nachzuholen, daß die Ent-
wicklung des Melos von Haydn bis Beethoven von selbst
die technischen Anforderungen an das Orchester steigerte
und koloristische Momente auslöste, die mehr und mehr
aus dem Kammermusikstil hinauswuchsen und der zweiten
Entwicklungsreihe entgegenstrebten, die ich oben bereits
als dramaüschen Weg bezeichnet habe.
Händel und Haydn, sowie in seinen Opern Gluck
haben mit Bewußtsein von vornherein bei meist homo-
phoner Schreibweise (die vom lieben bequemen Theater-
publikum noch heute der polyphonen vorgezogen wird)
das koloristische Element stärker betont in dem Be-
streben, Dichtung und Bühnenbild mit den stimmung-
erzeugenden Ausdrucksmitteln des Orchesters zu beleben,
wobei sich von selbst ergab, den Chor der Instrumente
zu beseelten Gruppen und schließlich „sprechenden"
Individuen zu entwickeln.
Die romantische Schule, besonders Weber, wurde
schon durch das gewählte Stoffgebiet (Freischütz-Oberon-
Euryanthe) zu immer weiteren Entdeckungen in dieser
Richtung geti'ieben.
Dem Genius Richard Wagners war es endlich vor-
behalten, eine Synthese der beiden Richtungen zu schaffen,
d. h. er hat der Kompositions- und Orchestertechnik der
symphonischen (polyphonen) Schule die reichen Aus-
drucksmittel der dramatischen (homophonen) Schule
zugeführt.
Ein gleiches Ziel mag wohl die Sehnsucht Hektor
Berlioz' gewesen sein. Wenn man nicht befürchten
müßte, mißverstanden zu werden, könnte man kurz sagen,
er war für die Bühne nicht dramatisch, fürs Konzert nicht
symphonisch genug veranlagt. Seinem Bestreben, Schau-
bühne und Konzertsaal zu vereinigen, verdankt die
m
Musikgeschichte immerhin die Entdeckung neuer und
reichster, ganz spezieller Ausdrucksmittel fürs Orchester.
Wenn er die Übertragung dramatisch-orchestraler Effekte
auf symphonische Werke auch nicht durch dramatische
Gestaltimg ihres Gedankeninhaltes, die ohne reichste
Polyphonie nicht denkbar ist, rechtfertigte (sein Schaffen
war stets lyiisch vmd episch), so hat er doch als erster
konsequent aus der Seele der Orchesterinstrumente heraus
seine Werke konzipiert und dabei eine Reihe vor ihm
ungekannter koloristischer Möglichkeiten und feinster
Klangdifferenzierimgen durch eine glücklich kombinierende
Phantasie einfach entdeckt.
Allerdings; diesem kühnen Neuerer, dem genialen
Farbenmischer, diesem eigentlichen Schöpfer des modernen
Orchesters fehlte vollständig der Sinn für die Polyphonie.
Ob ihm die vielstimmigen Mysterien der Wunderpartituren
eines Joh. Seb. Bach unbekannt waren, sicher ist, daß
seinem — rein musikalisch — immerhin etwas primitiven
„melodischen" Empfinden das Verständnis für diese
höchste Blüte des musikaUschen Genies, wie wir sie in
Bachs Kantaten, in Beethovens letzten Quartetten, im Mecha-
nismus der Poesie des dritten Tristan-Aktes als höchste
Emanationen ungezügelten Melodienreichtums feiern, ver-
schlossen war. Und nur wahrhaft sinnvolle Polyphonie
erschließt die höchsten Klangwunder des Orchesters. Ein
Orchestersatz, in dem ungeschickt oder, sagen wir nur,
gleichgültig geführte Mittel- und Unterstimmen sich be-
finden, wii-d selten einer gewissen Härte entbehren und
niemals die Klangfülle ergeben, in der eine Partitur er-
strahlt, bei deren Ausführung auch die zweiten Bläser,
zweiten Violinen, Bratschen, Violoncelli, Bässe sich in
der Belebung schön geschwungener melodischer Linien
seelisch beteiligen. Dies ist das Geheimnis der imer-
hörten Klangpoesie der Tristan- und Meistersingerpartitui-,
wie nicht minder des für „kleines Orchester" geschriebenen
SiegfriedidyEs, während selbst die mit so großem Klang-
sinn aufgebauten BerHozschen Orchesterdramen, die Par-
tituren Webers und Liszts (von welchen Meistern jeder
in seiner Art ein großer Instrumentaldichter und Farben-
deuter war) an einer starken Sprödigkeit des Kolorits
deutlich erkennen lassen, daß der Chor der Begleitungs-
und Füllstimmen vom Tonsetzer nicht melodischer Selbst-
ständigkeit für würdig erachtet wurde, daher auch vom
Dirigenten nicht zu der seelischen Teilnahme am Ganzen
heranzuziehen ist, die zur gleichmäßigen Durchwärmung
des gesamten Orchesterkörpers unbedingt nötig wäre.
Es wird meistens so sehr betont, der Fortschritt
Richard Wagners, des Vollenders des modernen Orchesters,
gegen Hector Berlioz, dessen Schöpfer, liege ausschließ-
lich auf dem Gebiete des tieferen Gehaltes seiner dichte-
rischen und musikalischen Ideen. Doch sind es (nattii--
Uch stets mit den vernünftigen Einschränkungen) drei
wesentlich technische Punkte, auf die ausdräcklich auf-
merksam zu machen sich schon verlohnt, da in ihnen
die Ursache der so vollendeten Gestaltung der Wagner-
schen Gedanken im heutigen Orchester liegt.
Dies ist: erstens die Anwendung des reichsten
polyphonen Stiles; zweitens seine Ermöglichung im größten
Maßstabe durch Erfindung und Einführang des Ventil-
hornes; drittens die Übertragung einer bisher nur im
Solokonzert gewagten Virtuosentechnik auf alle Instrumente
des Orchesters (von Beethoven allerdings schon in seinen
letzten Streichquartetten, wenn auch noch nicht in der
Symphonie, gefordert).
Wenn also nun das A und Q meiner
naturgemäß die Partituren Richard Wagners sind — sie
bedeuten den einzig nennenswerten Fortschritt in der
Instrumentierungskunst seit Berlioz — so ist doch gerade
dem Schüler dringendst anzuraten, dieses Studium mit
äußerster Vorsicht zu betreiben. Im allgemeinen dürfte
für den vorgeschrittenen Schiüer die Partitur des Lohen-
grin ein Musterkompendium darstellen, dessen Studium
gründlichst absolviei-t sein muß, bevor man zui- Poly-
phonie des Tristan und der Meistersinger, zum Märchen-
reiche des Mbelungeniinges fortschi-eitet. Die Bläser-
behandlung im Lohengrin bedeutet, in ästhetischer
Hinsicht, einen vorher niemals erreichten Gipfelpunkt
wahrhafter Vollendung. Die zum ersten Male dem Holz
eingereihten sogenannten dritten Bläser (Englisch Horu
und Baßklarinette) sind hier bereits in einer Mannigfaltig-
keit von Klangkombinationen verwendet, die Stimmen
des zweiten, dritten und vierten Hornes, der Trompeten
und Posarmen bereits zu polyphoner Selbständigkeit
durchgebildet, die für Wagner so besonders charakte-
ristische starke Verdoppelung aller melodischen Stimmen
bereits mit einem sichern Tonbewußtsein angewandt, und
mit einem Shm für Klangschönheit ausgearbeitet, die
noch heute unbedingte Bewunderung erregt. Ich empfehle
hier zu besonderem Studium die Szene zu Beginn des
2. Aufzuges (Ortrud und Telramund), die herrliche
Bläserstelle bei Elsas Erscheinen auf dem Söller, Elsas
Brautzug nach dem Münster und den Schluß des 2. Auf-
zuges, wo die Orgelklänge, die Wagner so vü-tuos dem
Orchester zu entlocken versteht, die „Königin der In-
strumente" selbst besiegen.
Aufs ernstlichste aber ist der Anfänger in der Kom-
positions- und Instrumentationstechnik bei seinen ersten
schüchternen Schwimmversuchen in den Wogen des Or-
chestermeeres davor zu warnen, daß er die gewaltigen
Klangphänomene, die das Genie eines Hector Berlioz
und Richard Wagner dem Orchester entlockte, um un-
erhört neue und große poetische Gedanken, Empfindungen
und Naturbilder zu tönendem Leben erstehen zu lassen,
einfach zum Gemeingut jedes Stümpers, zum Spielzeug
eines Kindes erniedrige. Könnte doch jeder, der sich
im Orchestersatze versuchen wUl, dazu gezwungen werden.
IV
seino liimfbiihn mit der Komjiosition rinijjfr Sü'oich-
quiuti'tte zu beginnen. Diese Streicli(iimrtetto müßte er
iliimi ileni Gutui'hten von zwei Violinisten, einem
Hnit.sihisten und einem Cellisten unterbreiten. Wenn
diese vier braven Instrumentidisten erklären: ja, das ist
gut geschrieben für die Instrumente, , wohlgereimt und
singebar", dann möge der Musensohn seinen Drang weiter-
hin für (zunilchst am besten kleines) Orchester betlltigen.
Andernfalls aber lieber die ,Kamero wechseln". Wenn
dann schließlich der Drang nach gi-oßem Orchester nicht
mehr zu bilndigen, dann vergleiche der gutwillige «junge
Meister» die 11 Wagnei-schen Partituren untereinander,
er bemerke, wie jedes dieser Werke seino eigene Or-
chesterzusammenstellung, seinen eigenen Orchesterstil be-
sitzt, wie jedes den einfachsten Grad des Darzustellenden
aufweist, welch edles Maßhalten in der Verwendung aller
Mittel diese Werke durchzieht. Dagegen beachte er als
warnendes Beispiel das Verfahren eines lebenden Kom-
I ponisten, der mir einst die Partitur einer Lustspiel-
ouverturo zeigte, in welcher die vier Nibchuigentuben
I mit dem übrigen Blech zusammen in lebhaftesten Rliytlinien
(als einfache Tuttiverstilrkor) dahertanzten. Als ich df^ri
Autor, einen sonst vortretl'lichen, hochgebildeten Musiker
entsetzt fragte, was denn, di(^ von Wagner mit so großer
Weisheil und sicherer Phantasie zur Darstellung der
düsteren Welt der Nibelungen, man kann sagen , er-
fundenen" Tuben in dieser heiteren Lustspielouverluro
sollten, antwortete er mir ganz unbefangen: ,aber ich
bitte Sie, Tuben gibt's doch heutzutage in jedem größeren
Orchester, warum soll ich sie denn da nicht aucli liiu-
schreibenV Da schwieg ich still und dachte Ixi luir:
,Dem Manne kann nicht geholfen wc^-den».
Berlin, Weihnachten 1904.
Richard Strauü.
INHALT.
Seite
Von der Instrumentation 1
Die Instrumente 2
Saiteninstrumente 3
Streicliinstrumente :
Die Violine 3
Die Viola 67
Die Viola d'amour 82
Die Viola da gamba 84
Das Violoncell 84
Der Kontrabaß 104
Instrumente, deren Saitnii coznpft werden:
Die Harfe . . .146
Die Gitarre . . . 156
Die Mandoline 163
Saiteninstrumente mit Klaviatur:
Das Pianoforte 164
Blasinstrumente 175
Instrumente mit Kohrblatt:
Die Oboe 177
Die Oboe d'amore 197
Das Engliscbe Hörn 199
Das Heokelphon (Bariton-Oboe) 203
Das Fagott 204
Das Quintfagott 213
Das Kontrafagott 213
Die Klarinetten 214
Die Altklarinette 237
Die Baßklarinette 237
Das Bassethorn 241
Die Kontrabaßklarinette 241
Verbesserungen an den Klarinetten 241
Instrumente ohne Rohrblatt:
Die Flöte (die große, gewöhnliche Flöte) . . . 242
Die kleine Flöte (Piccolo-Flöte) 251
Die Terzflöte 257
Die kleine Nouenflöte 257
Die kleine Oktav-Terzflöte (Dezimenflöte) . . . 257
Die große Sekundflöte 258
Die Liebesflöte (Flute d'amour) 258
Die Altflöte 258
Blasinstrumente mit Klaviatur:
Die Orgel 259
Instrumente mit Mundstück von Messing:
Das Hörn 264
Das Ventilhorn 278
Die Trompete 300
Die Ventiltrompete 307
Die Klappentrompete 307
Die Zugtrompete 307
Das Kornett 315
Die Posaunen 321
oeite
Die Diskantposaune 321
Die Altposaune 321
Die Tenorposaune 321
Die Baßposaune 322
Die Altposaune mit Ventilen (mit Pistons oder
Zylindern) ■ ... 354
Die Tuben, Kontrabaßtuba, Kontrabaßposaune 854
Das Buglehorn (Jagdhorn, Signalhorn, Clarin) 360
Das Buglehorn mit Klappen 360
Das Buglehorn mit Ventilen (mit Pistons oder
Zylindern) 360
Die Baßophikleide 361
Die Altophikleide 362
Die Kontrabaß-Ophikleide 362
Das Bombardon 362
Die Baßtuba (Kontrabaß der Harmonie-Musik) 363
Das Bariton 371
Holz-Blasinstrumente mit Mundstück:
Der Serpent 372
Das russische Fagott 372
Die Singstimmen 372
Schlaginstrumente 395
Instrumente von fester xmd genau bestimm-
barer Tonhöhe:
Die Pauken 395
Die Glocken ■ 411
Das Glöckcheninstrument (Les jeux de timbres) 414
Das Glockenspiel 414
Die Klavierharmonika (Glasharmonika) . . 417
Die Celesta 417
Die antiken Zimbeln 417
Instrumente von unbestimmter Tonhöhe:
Die große Trommel 417
Die Becken , 418
Das Tamtam 422
Das Tamburin (Tambour Basque) . . 423
Die Trommel 423
Die Wirbeltrommel 423
Der Triangel 424
Der Halbmond 425
Neue Instrumente 426
Die Saxophone 426
Die Saxhörner 427
Die Saxtrompeten 428
Die Saxtuben 428
Die Konzertina 428
Die Melodium-Orgel. (Das Harmonium) . . . 431
Die Pianofortes und Melodiums mit verlängertem
(fortklingendem) Tone 432
Der Okto-Baß 433
Das Orchester 434
Der Orchesterdirigent 439
Partiturbeispiele.
Aiibcr, Stamme von Portici, Akt l: Soito 21!)
ItiH'lIloyou, Es-ilur-Kouzort: 167
Fidelio, Akt I: 80, Akt II: 133, 195
Symphonie III: 193, 267
IV: 11, 407
V: 60, 81, 205, 408
VI: 129, 191, 251
VII: 192, 271, 303
Berlloz, König Lear: 43, 187
Le cinq Mai: 138
Lelio: 170, 229
Requiem: 87, 325, 398
Eomeo und Julie: 36, 40, 103
Symphonie fantastique: 201
„ funebre: 348
Bizet, Carmen, Akt I Vorspiel: 304
(J-luck, Alceste, Akt I: 14, 246, 331, Akt II; 39
Armide, Ait HI; 184, 380
Iphigenie in Aulis, Akt I: 181
auf Tauris, Akt I: 253. 302, 392, 419,
424, Akt n: 68, 329, Akt IV: 393
Orpheus, Akt U: 128, 244
HaMvy, Jüdin, Akt IV: 199
Liszt, Dante-Symphonie: 153 ~~\
Mazeppa: 23, 280
Marsehner, Hans Heiling: 123
Mehul, Joseph, Akt m: 217
Phrosine und Melidore: 273
Meyerbeer, Hugenotten, Akt I: 83, Akt H: 207, Akt IV:
202, 411, Akt V: 237
Robert der Teufel, Akt III: 206, 422,
Akt V: 319
Mozart, Ave verum: 376
Cosi fan tutte: 209, 236
Don Juan, Akt II: 132, 163
Figaro, Akt I: 178
Zauberfiöte, Akt I: 414, Akt II: 361
Rossini, Teil, Akt III: 387, 391
Spontiiii, Vestalin, Akt II: 388, Akt HI: 352
Strauß, Feuersnot: 31, 308, 310
Sinfonia domestica: 197, 198
Till Eulenspiegel: 220
Tod und Verklärung: 212
Zarathustra, Fuge: 126
Verdi, Otello: 121, 160
Wagner, Faust-Ouverture: 363
Götterdämmerung, Akt I: 232, Akt II: 346
Holländer, Akt II: 292
Lohengrin, Akt H: 247, Akt III: 72
Meistersinger, Akt II: 235, Akt III: 48, 73, SU
96, 142, 204, 222, 291, 295, 296, 327, 3.'8
Eheingold, Szene U: 65, 294, Szene III: 298
Szene IV: 47
Siegfried, Akt I: 75, 210, Akt U: 26, 285,
299, 364, Akt III: 4, 63
Taiinhäuser, Akt U: 70, 189, 228, Akt III: 92,
338, Bacchanale 368
Tristan, Akt I: 78, 98, 100, 141, 339, 342.
Akt II; 18, 238, Akt III: 46, 93, 126^
144, 240, 249, 254, 344
Walküre, Akt I: 9, 12, 320, Akt II: 74, 106
190, 224, 250, 355, Akt III: 51, 62
Weber, Freischütz, Ouvertüre: 226, Akt II: 88
Oberon, Ouvertüre: 90
Sachregister.
Seite
Altflöte 258
Altklarinette 237
Altophikleide 362
Altposaune 321
Altposaune mit Ventilen 354
Bariton (Blasinstrument) 371
Bariton-Oboe 203
Bassethorn 241
Baßklarinette 237
Bassophikleide . . . .
Baßposaune
Baßtuba
Becken
Blechklarinetten .
Bombardon
Buglehom
Celesta (von Mustel) .
Cellone (von Stelzner)
Chanterelle
361
322
863
418
242
362
360
4\7
Clarin 360
Dezimenflöte 257
Dezimentrompete (von Sax) 300
Divisi 6
Diskantposaune 321
Dudelsack 160
Englisch Hern 199
Enharmonische Töne 429
Flöte, große 242
Böhm-Flöten 242
Metall-Flöten 242
Triller 243
Doppelzunge 243
Flatterzunge 243
Ausdruck 244
Flöte, kleine (Piccolo) .
Fagott
Triller
Mitklingende Obertön
Fagott, russisches . . .
Gitarre
Arpeggii
251
157
Flageolett 158
Griasharmonika 417
Glocken 411
Glockenspiel 414
Glöckcheninstrument 414
Halbmond 425
Harfe 146
Alte Harfe in Es 146
Doppelpedalharfe 148
Akkorde 149
Oktaven, Sexten 150
Triller, Hämmern 150
Ausdruck 151
Flageolett löl
Synonymen 152
Glissando 153
Bisbigliando (Tremolo) 155
Harmonium 431
Heckel-Clarina 203
Seite
Heckelphon 203
Holzblasinstrumente, alte und neue zusammenge-
stellt zu einem Orchester 204
Hörn 264
Umfang der verschiedenen Stimmungen . 264, 266
Setzstück 265
Gestopfte Töne 265
Verwendung des Horns bei den alten Meistern 267
Triller 274
Kreuzung durch verschiedene Stimmungen . . 275
Ausdruck 275
Jagdfanfaren (blecherner Ton) 277
Jagdhorn 360
Klavierharmonika 417
Kastagnetten 395
Klarinette 214
Sax-Klarinetten 214
Triller 215
Die verschiedenen Stimmungen der Klarinette 216
Klangcharakter der Stimmungen 221
Ausdruck 224
Stellung der Klarinette über die Oboen bei
Akkordmiscliungen 228
Gedämpfte Klarinette 229
Verwendung der tiefen Töne . 231
Verbesserungen an der Klarinette 241
Schnäbel von Holz und von Metall . . 242
Klappentrompeten 307
Kontrabaß 104
Neue Mechanik (Poike) 105
Flageolett 105
Tremolo 120
Schleifer 127, 129
Verdoppelung tiefer Blasinstrumente durch
Kontrabaß 132
Teilung der Kontrabässe . . 138
Pizzikato 141
Dämpfer 146
Kontrabaß-Klarinette 241
Kontrabaß-Oboe 204
Kontrabaß-Ophikleide 362
Kontrabaß-Posaune 354
Kontrabaß-Tuba 354
Kontrafagott 213
Konzertina 428
Kornett 315
Umfang 315
Triller 316
Ausdruck 318
Gesamtübersicht der Stimmungen von Kornett,
Trompete und Hörn 317
liebesflöte (Flute d'amour) 258
Mandoline 163
Melodieverteilung auf mehrere Instrumente (Wagner) 190
Melodiumorgel (Harmonium) 431
Melodium mit verlängertem (fortklingendem) Ton . 432
Nonenflöte, kleine 257
Oboe 177
Triller 177
Ausdruck 178
Französische und deutsche (Unterschied) . . . 198
Oboe d'amore 197
Oktav-Terzflöte, kleine 257
Solto
OktftvtrompotP (Sax) ... 800
Okt.)baU ... 488
(.)rchostor 184
'riiiiiitiT- und Konzortoichostor 4;M
Orchcstcrrllumo . Iil4
Auf.Htolluiii; 484
liosotzuiif; ilor Stroich- und Itlasinstrumonto . 435
k^ntwurf zu oiuom Riesonoruboster mit Chor . 48(i
System der Proben 487
OroJiosterdirigont 489
Kunst des Taktierons 440
Zusammentreffen verscliiedenor Taktarten . . 444
Vorlmlten beim Bozitativ 445
stuuil|iunkt dos Dirigenten 446
Ol.ordiroktoion 447, 461
Klektrischcs Metronom von Verbrugghe . . . 447
Aufstellung des Orchesters 448
Fohlorliafte Gewohnlieiton der Orchosterspieler 449
Übertreibung der Nuancen 450
Einstudierungssystem 451
DogloitungBarten .
Cliorsatz
A cniiella-Oesang, iJi)|ii)clcliOro
Stilarton der Instrumentierung , .
Orgel
Zusammenwirken von Orgel und Orchester . .
Ausdruck in der geistlichen Musik, Orgelfugen
Pauke
Stimmung der Pauken
M.liiiacho Besetzung
Piani.ssimo der Pauken
Goditmpfte Pauken
Pedalpauken (von Schneller)
Pianoforto
Diimpferpedal
Neues Pedal (Steinway) . .
Pianoforte als Orchesterinstrument . . . 166,
Pianoforte als Soloinstrument
Verschiebung (una corda)
Pianoforto mit verlängertem (fortklingendem) Ton
Posaune .
Umfang . .
Podaltöne . .
Triller
Ausdruck
Pianissimo der Posaune
Dämpfer
Quinte (Violine) . .
Quintfagott
Ratsche (Knarre), Rute ^
Saxhömer
Saxophone
Saxtrompeten
Saxtuben
Sekundflöte, große (Des-Flöte)
Serpent
Signalhorn
Singstimmen
Umfang
Franenchöre
Männerchöre 374,
Unterstützung einer Stimme durch die andere
Kopf- oder Falsett-Töne
Haute-contre
Kinderstimmen
Kastratenstimmen
Vokalisation
Voix mixte
Dunkle Tongebung
Solostimmen
Hi.lli.
386
89a
.... 895
.... 60
Streichquintott, allgonieine llohandlung imOrchoster 141
Tamburin (Tambour Basquo) 423
Tamtam 422
Temperierte Stimmung 429
Teuorjjoaauno ilJl
Touorposauno mit Ventil . . H.'. 1
Tenorposauno mit Zylindern ^.jI
poniorondo fnstn
257
175
424
417
423
800
300
801
Terzflöte
Transponierende und nii
mente, Übersicht
Triangel
Trommel, groOe . .
Trommel, kleine (Schnarrtromnicl)
Trompete
Umfang der verschiedenen Stimmungen
Triller
Notierungsweise der Stimmungen 301
Das Piano der Trompete 302
Ausdruck 307
Dämpfer 307
Tuben Wagners 354
Ventilhorn 278
Fortschritte der Orchestertechnik durch die
Ventilhörner 279
Notierungsweise der Stimmungen 298
Homer in hoch F und in hoch C 299
Ventiltrompeten 307
Viola 67
ViolE alta (von Eitter) 81
Violf d'amour 82
Viola da gamba 84
Violine 3
Triller 3
Akkorde 6
Arpeggien 8
Tremolo 9
Tremolo am Steg 13
Gebrochenes Tremolo 20
Wallendes Tremolo 20
Teilung der Violinen 13
Teilung der' Violinstimnie bei schwierigen
Stellen . 49
Stricharten 20
Col legno 23
Flageolett 85
Dämpfer 39
Pizzikato 41
Verdoppelung der Violine I durch Violine II . 60
Klangcharakter der Tonarten 61
Avisdruok 62
Solo-Violine 65
Violoncell 84
Flageolett ... 8.'.
Violoncell als Baß 88, 130
Ausdruck 90
Tremolo 104
Pizzikato 104
Violotta (von Stelzner) 81
Wirbeltrommel 423
Zimbeln, antike 417
Zugtrompeten 307
Von der Instrumentation.
Einleitung.
In keiner Epoche der Musikgeschichte ist soviel
von „Instrumentation" die Rede gev?esen, als heutzu-
tage. Veranlassung dazu war wohl die rasche Ent-
wicklung dieses Kunstzweiges in der Neuzeit, vielleicht
auch die große Menge von Kritiken, verschiedenartigen
Lehrsätzen und füi-- und widersprechenden Meinungs-
äußerungen, denen oft Kompositionen der minderwertig-
sten Art als Vorwand dienen mußten.
Jedenfalls ist nicht zu verkennen, daß der Instru-
mentationskunst jetzt große Bedeutimg beigelegt wird,
einer Kunst, von der man zu Anfang des vorigen Jahr-
hunderts *) nichts wußte vmd deren Empoi-kommen selbst
von wahren Freunden der Musik vor ungefähr 60 Jahren
noch aufs lebhafteste bekämpft wurde. In neuerer Zeit
werden dafür dem musikalischen Fortschritte wieder in
anderer Weise Hindernisse in den Weg gelegt, worüber
sich indes niemand zu verwundern braucht: die Erfahrung
lehrt, daß es von jeher so gewesen ist. — Nachdem an-
fangs nur die Aufeinanderfolge konsonierender Akkorde,
vermischt mit einigen Vorhalt-Dissonanzen, als „Musik"
angesehen wurde, dann aber Monteverde den Versuch
wagte, den Dominant-Septimen-Akkord — ohne Vorbe-
reitung — einzufügen, wurde er ob dieser Neuerung
arg getadelt und verlästert. Trotz alledem bürgerte sieb
der Gebrauch dieses Akkordes — mit den Vorhalten —
bald ein, und Tonsetzer, die für gelehrt gelten wollten,
gingen schließlich so weit, auf jede einfach-klare, natur-
gemäße und daher wohlklingende Harmoniefolge mit Ver-
achtung herabzusehen und nur solche Kompositionen als
kunstgemäß gelten zu lassen, die von Anfang bis zu Ende
mit den härtesten Dissonanzen (kleinen und großen Se-
kunden, Septimen, Nonen u. dgl.) durchsetzt waren.
Daß die Anwendung derselben ohne Sinn und Verstand
geschah, wurde vollständig außer acht gelassen, fast
schien es, als hätte man nur die eine Absicht: dem Ohre
das Anhören solcher Musik so unangenehm als möglich
zu machen. Diese Musiker fanden an den Dissonanzen
ebensoviel Geschmack, wie gewisse Tiere am Salze, an
stachlichten Pflanzen und dornigem Gesträuche. — Die
Reaktion war in das Stadium der Übertreibung ge-
treten.
Melodie war in diesen, für schön gehaltenen, mu-
sikalischen Kombinationen nicht vorhanden; als sie den-
noch mit der Zeit hier und da auftauchte, schrie man
über Verflachung, über Verfall der Kunst und ihrer ge-
heiligten Regeln und glaubte, alles sei verloren. Jedo.ch
auch die Melodie gewann mit der Zeit festen Boden, bis
schließlich sogar nach dieser Richtung hin die Reaktion
nicht ausblieb. Bald gab es Fanatiker der Melodie, denen
ein jedes, mehr als dreistimmig gesetzte Musikstück ein
Greuel war, ja es fanden sich Leute, die den Gesang
in der Regel nur vom Baß allein begleitet wissen wollten;
vermutUch sollte dem Zuhörer das Vergnügen überlassen
bleiben, sich die fehlenden Mittelstimmen nach Belieben
hinzuzudenken. Andere gingen noch weiter und verwarfen
jede Begleitung überhaupt; nach ihrer Ansicht war die
Harmonie eine barbarische Erfindung.
Nun kam die Reihe an die Modulationen. Zur
Zeit, als es Gebrauch war, nur in verwandte Tonarten
zu modulieren, wurde über den ersten, der es sich ein-
fallen ließ, in entferntere überzugehen, das Verdammungs-
urteil gespi-ochen; er mußte darauf gefaßt sein. Die
Wirkung dieser neuen Modulation mochte sein, wie sie
wollte, die Meister tadelten sie aufs strengste. Der
Neuerer bat vergeblich: „Höret sie doch nur aufmerk-
sam an, überzeugt euch, wie sanft sie herbeigeführt
wird, wie gut motiviert, wie geschickt sie mit dem
Vorhergehenden und Nachfolgenden verbunden ist und
wie herrlich sie klingt!" „Darauf kommt es
nicht an!" entgegnete man ihm, „diese Modulation
ist verboten und muß daher unterbleiben." Da aber
im Gegenteil alles nur darauf ankommt, so fanden
die Modulationen nach fremden Tonarten in großen
Musikstücken bald Eingang und brachten eben so glück-
liche, wie unerwartete Eindriicke hervor. Fast eben so
schnell entstand jedoch eine neue Art von Pedanterie;
es gab Leute, die sich jede Modulation nach der Do-
minante als Schwäche am-echneten und es für angebracht
hielten, im einfachsten Rondo von C dur nach Fis dur
hinüberzutändeln.
Die Zeit hat alles nach und nach auf das rechte
Maß gebi-acht. Man lernte Gebrauch von Mißbrauch,
*) Für alle in diesem Werke vorkommenden Zeitangal
9039
ist die Mitte des 19. Jahrhunderts maßgebend.
reaktionäre Eitelkeit von Dummhoit und Eijjensinn imtor-
scheiden, und steht lieutzut^igo iillgcmeiu auf dem
Standpunkt, bezüglich Harmonie, Melodie und Mo-
dulation alles das gutzuheißen, was von guter Wirkung
ist, alles zu verwerfen, was schlecht wirkt, und sich
selbst durch die AutoritUt von hundert alten Herren
(möchte auch jeder von ihnen nn die hundertundzwanzig
Jahre zahlen) nicht davon überzeugen zu lassen, daß
das Häßliche schön und das Schöne hilßlich sei.
Mit Instrumentation, Ausdruck und Rhyth-
mus verhillt es sich freilich noch anders. An sie ist
die Reihe viel spttter gekommen, beachtet, verworfen,
zugelassen, beschrankt, befreit und übertrieben zu wer-
den; sie haben zurzeit den Punkt der Entwicklung
noch nicht erreicht, den die anderen Kunstzwoige be-
reits vor ihnen einnahmen. Wir können jetzt nur
feststellen, daß die Instrumentation den übrigen
voranschreitet und nahe daran ist, übertrieben zu
werden.
Viel Zeit ist nötig, um die Weltenmeere*) der
Musik aufzufinden, noch viel mehr aber, sie befahren
zu lernen.
•) Der Ausdruck des Originales lautet: „los möditerranöes musicales"
Die Instrumeüte.
Jeder klangerzeugende Körper, den der Komponist
in Anwendung bringt, ist ein Musikinstrument. Fol-
gende Übersicht zeigt die Mittel, die ihm gegenwärtig
zur Verfügung stehen.
1. Saiteninstrumente.
a) Deren Saiten durch Bogen zum Klingen gebracht
werden (Streichinstramente) : die Violine (Geige),
Viola (Altviola, Bratsche), Viola d'amour, das
Violoncell und der Kontrabaß (Violone, Baß-
geige).
b) Deren Saiten gezupft werden: die Harfe, Gitarre
und Mandoline.
c) Mit Klaviatur: das Pianoforte.
2. Blasinstrumente.
a) Mit Rohrblatt: die Oboe, das Englische Hörn,
das Fagott, Quint- und Kontrafagott, die Klari-
nette, das Bassetthom, die Baßklarinette, die
Saxophone etc.
b) Ohne Rohrblatt: die gi-oße und kleine Flöte.
c) Mit Klaviatur: die Orgel, das Melodium (Harmo-
nium), die Konzertina.
d) Mit Mundstück, von Messing: das Hörn, die
Trompete, das Kornett, das Jagdhorn (Bugle-
Horn), die Posaune, die Ophikleide, das Bom-
bardon, die Baßtuba.
e) Mit Mundstück, von Holz: das russische Pagott
(Baßhorn), der Serpent.
f) Die Stimmen der Männer, Frauen, Kinder und
Kastraten.
3) Schlaginstrumente.
a. Von fester, genau bestimmbarer Tonhöhe: die
Pauken, die antiken Zimbeln, das Glöckchen-
instrument (les jeux timhres), das Glocken-
spiel, die Pflavier-Harmonika, die Glocken.
b) Von unbestimmter Tonhöhe und nur der Schall-
wirkung nach von verschiedenem Charakter: die
Trommel (Militärtrommel), die große Trommel,
das Tamburin, die Becken, der Triangel, das
Tamtam, der Halbmond.
5 Diese Aufzählung bedarf heute folgender Er-
\ gänzung:
\ bei 1 b die Zither,
I . 2a die Oboe d'amore, die Kontrabaßoboe,
s das Heckelphon, die Kontrabaßklarinette,
\ , 2b die Altflöte,
♦ , 2d die Tuben in F und B, das Bariton,
J bei 3a das Holz- und Strohinstrument, die
J Celesta,
\ , 3b die Rute und Schelle.
In dem Gebrauche dieser verschiedenen Klang-
elemente nun und in deren Verwendung, sei es, um der
Melodie, der Harmonie und dem Rhythmus eigentüm-
liche Färbung zu geben, oder sei es, um, unabhängig
von jedem Zusammenwirken mit diesen drei musikalischen
Großmächten, Eindrücke sui generis (ob motiviert, durch
bestimmte Absicht, oder nicht) hervorzubringen, — be-
steht die Kunst der Instrumentation.
Von ihrer poetischen Seite betrachtet, läßt sich
diese Kunst ebensowenig lehren, als die Kunst, schöne
Melodien, schöne Akkordfolgen und originelle, kräftig-
rhythmische Formen zu erfinden. Man lernt nur, was
den verschiedenen Instrumenten zusagt, was ausführbar
oder nicht, was leicht oder schwer, was matt- oder
vollklingend für sie ist; man kann auch sagen, daß dies
oder jenes Instrument geeigneter als ein anderes sei, um
gewisse Wirkungen beiTorzubringen, um gewisse Gefühle
auszudräcken; was aber ihre Verschmelzung zu Grappen,
zu kleinen Orchestern oder zu großen Massen anlangt,
was die Kunst betrifft, sie derart zu vereinigen und zu
vermischen, daß der Ton der einen Instrumente durch
den der anderen beeinflußt wird, und hierdurch ein be-
sonderer Gesamtklang entsteht, den weder ein Instrument
für sich allein, noch im Zusammenwirken mit anderen
Instrumenten der gleichen Gattung hervorbringen würde,
so kann man nur auf die Ergebnisse hinweisen, die in
den Werken der Meister enthalten sind, und dem Ver-
fahren der letzteren nachforschen; Ergebnisse, welche ohne
Zweifel noch auf tausenderlei Art, gut oder übel, von
den Komponisten, die Ähnliches erstreben, umgewandelt
werden können.
Der Zweck des vorliegenden Werkes ist demnach
zunächst der Nachweis des Ton-Umfanges und die
Angabe gewisser Haupteigenschaften der Mechanik der
Instrumente: sodann das — bisher sehr vernachlässigte —
Studium der Natur des Klanges, des eigentümlichen
Charakters und der Ausdrucksfähigkeit eines jeden
von ihnen ; und endlich das Studium der besten bekannten
Arten des Verfahrens, sie angemessen zusammenzustellen.
Wollte man darüber hinausgehen, so müßte man den
Fuß auf das Gebiet schöpferischer Eingebung setzen, ein
Gebiet, auf welchem nur das Genie Entdeckungen machen
kann, dem allein es vergönnt ist, dasselbe zu durchstreifen.
Streichinstrumente.
Die Violine.
Die vier Saiten der Violine werden gewöhnlich in
Quinten folgenderweise gestimmt:
r Q n erste Saite.
r(ffl '"' zweite Saite.
*J IS: dritte Saite.
"SJ" vierte Saite.
Die hohe Saite, das E, wird auch, allgemein üblich,
die Quinte (la chanterelle) genannt.
Diese Saiten werden, wenn die Pinger der linken
Hand deren Ton nicht dadurch ändern, daß sie den-
jenigen Teil der Saite, welchen der Bogen zum
Erklingen bringt, mehr oder weniger verkürzen, leere
Saiten genannt. Man bezeichnet die Noten, die auf
leerer Saite gespielt werden sollen, mit einer Null (0),
ober- oder unterhalb derselben.
Einige große Virtuosen und Komponisten sind von
dieser Art der Violin-Stimmung abgewichen. Paganini
erhöhte, um dem Instrumente mehr Glanz zu geben,
alle Saiten um einen halben Ton, wie neben- .- Q ^ —
stehend ersichtlich; infolgedessen transpo- p(|q) [/'^^
nierte er die Solostimme um einen halben »^ ^L^
Ton und spielte z. B. in D, wenn das Orchester in Es,
— in A, wenn das Orchester in B spielte; auf diese
Weise erhielt er sich die leeren Saiten, deren Klangfülle
an und für sich größer ist, als wenn die Pinger auf-
gesetzt werden, zimi größten Teile auch in solchen Ton-
arten frei, in denen sie bei gewöhnlicher Stimmung nicht
hätten zur Anwendung kommen können. De Beriot er-
höht in seinen Konzerten oft das G allein um einen
ganzen Ton. Baillot hingegen stimmte bisweilen, um
zarter und schwermütiger Wirkungen willen, das G
einen halben Ton tiefer. Winter hat in derselben
Absicht statt des G sogar das tiefere F in Anwendung
gebracht.
Bei dem hohen Grade von Geschicklichkeit, den
unsere jungen Violinspieler heutzutage erreicht hab^u,
läßt sich der Violine in einem guten und vollbesetzten
Orchester folgender Umfang zuweisen:
Mit allen chromatischen Zwischeutöneu.
^«££iill
Große Virtuosen erweitern diesen Umfang nach der
Höhe noch um einige Töne, und mittelst der Flageolet-
töne, auf die wir weiter unten zu sprechen kommen,
kann man, selbst im Orchester, eine noch viel beträcht-
lichere Höhe erreichen.
I Im Orchester ist inzwischen dieser Umfang wohl
erweitert worden.
Triller sind auf allen Stufen dieser weitgehenden
Tonleiter von drei und einer halben Oktave ausführbar;
indes muß man die große Schwierigkeit, welche die
Triller auf den drei letzten hohen Noten a, h, c ver-
ursachen, nicht außer acht lassen; ich halte es sogar
für klug, im Orchester keinen Gebrauch vom Triller
auf diesen Tönen zu machen.
i Es sei hier auf die herrliche Trillerstelle im
^ dritten Akt des Siegfried bei Brünnhildens Erwachen
^ hingewiesen, wo diese gleichzeitig entzückt und vom
\ ungewohnten Glänze geblendet in das Licht der
{ Sonne blickt. (Partiturbeispiel 1.)
NO 1. Siegfried, Akt lü.
Viol.II
4fach geteilt,
Engl.Hrn
Brünh.
Edition Peters,
Den Triller mit kleiner Sekunde auf der vierten
Saite zwischen ^ und as muß man so viel als mög-
lich vermeiden; er ist hart und von wenig angeneh-
mer Wirkung. ft=r41-r-. -
Die zwei;, dreU und vierstimmigen Akkorde,
welche man auf der Violine gleichzeitig oder gebro-
chen (arpeggiert) spielen kann, sind außerordent-
lich zahlreich und in Ihren Wirkungen unter sich
ziemlich verschieden.
Die zweistimmigen Akkorde, welche aus den
sogenannten Doppelgriffen auf zwei Saiten ent-
stehen, eignen sich, im Forte wie Im Piano, sowohl
zu melodischen Phrasen wie auch zu iill'-n Arten der
liegleitung und zum Tremolo.
Die drei: und vi.Tstimmlsen Akkorde hingegen
sind, wenn man sie piano anstreicht, nicht von guter
Wirkung, sie erscheinen nur saft- und kraftvoll Im
FortCj denn nur dann vermag der Dogen die Saiten
so zusammenzufassen, daß sie gut und sicher zu
gleicher Zelt ansprechen. Man darf auch nicht ver-
gessen, daß bei diesen drei; und vierstimmigen
Griffen höchstens zwei Noten ausgehalten werden
können, da der Bogen genötigt Ist, die anderen sofort
nach deren Anstrich zu verlassen. In einer mäßi-
gen oder langsamen Bewegung Ist es demnach un-
nütz, so zu schreiben:
denn nur die beiden oberen Noten können ausgehalten werden, und es ist In diesem Fall besser, die Stelle
auf folgende Weise zu notieren:
Wie sich von selbst versteht, sind alle Zwei -
klänge zwischen dem tiefen G und D unmöglich, well
nur eine einzige Saite (das G) da Ist, um die beiden
Noten zu Gehör zu bringen. Ist man aber doch
genötigt, an diesem äußersten Ende der Tonleiter
Akkorde zu setzen, so sind sie im Orchester nur
dann ausführbar, wenn man die Violinen teilt; diese
Teilung zeigt man Italienisch mit: divisi oder a due,
französisch mit: divises oder ä deux, deutsch mit
„geteilt" oberhalb der betreffenden Stelle an. Z.B.
divisi (geteüt.)
Die Violinspieler teilen sich dann so, daß die einen 1 griffe in Sekunden,Terzen,Quarten,Quinten,Sexten,Septi-
die obere Stimme, die anderen die untere Stimme aus- menund Oktaven ausführbar, nur werden sie nach und nach
führen. Von D, der dritten Saite an, sind alle Doppel- I schwerer,jehöhermanauf den beiden oberen Saiten steigt.
Bisweilen g-ebraucht man auch den Einklang als
Doppelgriff, doch ist es ratsam, die Anwendung
desselben auf die drei Noten D, A und E zu be-
schränken ; nur diese vereinigen, bei leichter Aus-
führbarkeit, Verschiedenartigkeit des Klanges und
starke Tonfülle, infolge der Mitwirkung der leeren
Saite:
Bei den übrigen Einklängen :
kommt keine leere Saite vor; ihre Ausführung ist
ziemlich schwierig, demnach auch die vollkommene
Reinheit derselben sehr selten.
Eine tiefe Saite kann eine höhere leere Saite
durchkreuzen, wenn man ihren Tönen eine aufstei-
gende Bewegung gibt, während die leere Saite gleich-
sam als Orgelpunkt fortklingt:
Das D bleibt als leere Saite, während die aufstei-
gende Tonleiter durchweg auf der vierten Saite ge-
spielt wird.
Nonen und Dezimengriffe sind ausführbar,
doch bei weitem weniger bequem als die vorher-
gehenden, und es ist besser sie für das Orchester
nur dann vorzuschreiben, wenn die tiefere Saite
leer bleibt; in solchen Fällen bieten sie keine Schwie-
rigkeit:
Ungemein schwer, um nicht zu sagen unmög -
lieh, sind die Sprünge in Doppelgriffen, und daher
zu vermeiden, da sie eine große Veränderung der
Handlage erfordern, z. B.
Im allgemeinen darf man überhaupt dergleichen
Sprünge nur dann schreiben, wenn die beiden hö-
heren Noten mit den unteren zusammen einen vier-
stimmigen Akkord bilden, der auch im ganzen an-
gegeben werden könnte; z.B.
Dies ist tunlich,
weil man die vier
Noten auch g'leich-
zeitig- angeben kann
Im folgenden Beispiele würden sich zwar die
vier Noten (außer beim letzten Akkorde) gleich-
zeitig nur mit ziemlicher Schwierigkeit greifen
lassen, dennoch ist hier der Sprung von der Tiefe
zur Höhe leicht ausführbar, weil die beiden tiefe-
ren Noten auf leeren Saiten, die beiden anderen
mit dem ersten und dritten Finger *) genommen
werden.
Unter den drei; und namentlich vierstimmigen
Griffen sind die besten und klangvollsten immer
diejenigen , bei denen am meisten leere Saiten vor-
kommen. Ich halte es sogar für besser, man begnügt
sich mit einem dreistimmigen Akkord, wenn man
bei dem vierstimmigen nicht eine der leeren Sai-
ten hinzuziehen kann.
Die folgenden Zusammenstellungen geben eine
Übersicht der gebräuchlichsten, klangvollsten und
wenigst schwierigen Akkorde dieser Art.
Bei den mit * bezeichneten ist es besser, sich mit drei
Noten zu begnügen, also die tiefe Note wegzulassen.
*) Violin -Fingersatz: 1 Fingen Zeigefinger; 2*£'' : Mittelfinger u.
Edition Peters. 9039
mmmmuHmiMii
Leicht bei niäUi^'-ei
3,- Bewegung: ^ j || | ty'^'|^-^^ ^ "^^ ^^^'^^^ i
Alle auf diese Weise aneinander geschlossenen 1 d.h. in Aufeinanderfolge ihrer einzelnen Töne aus-
Akkordfolgen sind nicht schwierig. geführt werden, woraus sich, zumal im Pianissimo,
Sie können auch gebrochen, in Arpeggien, I oft sehr glückliche Wirkungen ergeben:
Außerdem kommen noch ähnliche Zusammen-
stellungen, wie die früheren vor, bei denen die vier
Noten nur mit großer Schwierigkeit auf einmal
anzugeben wären, die aber in Arpeggien sehr gut
ausführbar sind, und zwar mittelst des ersten und
zweiten Fingers, wenn diese von der vierten zur
ersten Saite übergehen, um die tiefe und dann die
hohe Note zu greifen:
Läßt man in den vorhergegangenen Beispielen
die hohe oder die tiefe Note weg, so erhalt man
ebensoviel dreistimmige Akkorde ; hierzu kommen
noch diejenigen, welche sich aus der Verbindung
der verschiedenen Töne der E- Saite mit den bei-
den mittelsten leeren Saiten, oder aus denen der
E: und der A- Saite mit der leeren D-Saite er-
geben:
Handelt es sich darum, einen einzeln für sich
stehenden D-moll: oder D-dur-Akkord anzugeben,
so ist es nicht ratsam, die im vorigen Beispiel
mit Ni. bezeichnete Tonlage vorzuschreiben, weil
sie ohne vorausgehende ähnliche Griffe zu schwer
ausführbar wird; besser ist es dann, die hierne-
benstehende Lage zu nehmen, die leicht spielbar
und wegen der beiden leeren Saiten [^ ^ [=1
auch klangvoller ist: «J r r
Aus den bisherigen Beispielen kann man er-
sehen, daß alle dreistimmigen Akkorde auf der Vio-
line möglich sind, wenn man, abgesehen von denen
mit leeren Saiten, darauf bedacht ist, ihre ein-
zelnen Töne so weit auseinander zu legen, daß
sie ein Quinten: oder Sextenintervall enthalten.
Die Sexte kann oben oder unten, oder auf beiden
Saiten zugleich liegen:
Leicht sind auch Folgen von verminderten
Septimen-Akkorden, weil der Fingersatz beim
;| Sexte.
Fortrücken in die nächste Lage der gleiche bleibt,
z.B.
Gewisse dreistimmige Akkorde sind übrigens
auf zweierlei Art anwendbar, und man wählt immer
am besten diejenige, welche die Benutzung einer
leeren Saite zuläßt; z. B.
Doppeltriller in Terzen lassen sich vom
ersten tiefen b an zwar ausführen:
da sie aber schwieriger als die einfachen Triller
sind und die nämliche Wirkung sich außerdem
noch besser mittelst Teilung der Violinen errei-
chen läßt, so ist es im allgemeinen ratsam, fürs
Orchester davon abzusehen.
Das Tremolo eines Violinchors (einfach
oder doppelt) bringt mannigfache vortreffliche Wir-
kungen hervor; es drückt Unruhe, Aufregung,
Schrecken in den Schattierungen des Piano, Mezzo-
forte und Fortissimo aus, wenn man es auf einer
oder zwei von den drei Saiten G, D, A, anwen-
det und dabei nicht viel über das mittlere b hin-
aus geht.
( Doppelgriffe.)
PS "'/S fft
Von Weber und Wagner besonders schön ver- { Akt der Walküre, bei Siegmunds Aasruf: Wälse,
wendet, am bedeutungsvollsten vielleicht im ersten I \ Wälse! (Partiturbeispiel 2.)
NO 2. Walküre, Akt I
10
Hörn Hl u.lV
in n.
'^iF^i*ir~ii"iifii wüm
puco a pooo
, ■■' , 3 f>
poco a poco cresc.
grir < pdf ^if^r > I h pr pnll j,^
der mich nunSehnsucht zieht, diemit sü- ßemZau-ber sehrt, im Zwan - ge hält sieder Mann, der
p molto cresc.
SFag.
Siegm.
I - I - I - I - 1-1 - I J
mich Wehr-losen höhnt!
Wäl-se! Wäl-se! Wo istdein'Schwert, dasstarke Schwert,dasimSturmich
12
Welch genialer Einfall ist am Anfsuig der Wal- 1 | dahin gotricbennn Reifens und Hapels durch fol-
kürp dio SihildtTunn- des einförmig tobenden I gendo wunderbare Klangintuition;
Sturmes, das IVitschen des schrüg vom Winde ' (Purtiturbeispi«! ».)
N9 8. Walk Uns Anfang-.
stürmisch.
(Immer auf doppelten Saiten)
Wagner.
la
Das Tremolo hat etwas Stürmisches, Heftiges
im Fortissimo auf den mittleren Tönen der Er und
A- Saite:
Dagegen wird es luftig,
elfenhaft, wenn man es, auf mehrere Stimmen ver-
teilt, im Pianissimo in den hohen Tönen der E-
Saite verwendet:
Erste Violinen.
5weite Violinen.
Dritte Violinen
oder Violen.
Hier muß eingeschaltet werden, daß man, dem
allgemeinen Gebrauche folgend, die Violinen im
Orchester in zwei besondere Gruppen (Viol. I u.U.)
teilt, daß aber kein Grund vorhanden ist, aus die-
sen beiden Gruppen je nach dem Zwecke, welchen
der Tonsetzer vor Augen hat, nicht auch wieder
zwei oder drei Unterabteilungen zu bilden . Bis-
weilen kann man die Violinen selbst bis zu acht
Gruppen teilen, sei es, daß es sich darum handelt^
aus der großen Masse acht einzelne Violinen (acht
verschiedene Stimmen spielend) abzuheben, oder
sei es, daß man sämtliche erste und sämtliche
zweite Violinen in je vier gleichmäßige Chöre son-
dert.
Ich komme zum Tremolo zurück. Soll seine
Wirkung vollständig erreicht werden, so ist die
Hauptsache, daß die Bewegung des Bogens schnell
genug sei, um ein wirkliches Beben oder Erzit-
tern hervorzubringen. Der Komponist muß daher
die Ausführung derselben genau vorschreiben, je
nach der Natur des Zeitmaßes, in welchem das be-
treffende Musikstück gesetzt ist; denn die Ausfüh-
renden sind nur zu sehr geneigt, einer für sie er-
müdenden Spielart aus dem Wege zu gehen und
würden sicher nicht verfehlen, sich allen Spielraum,
den man ihnen in dieser Hinsicht ließe,zunutze zu machen.
Schreibt man also in dem Zeitmaße Allegro assai
ein Tremolo so vor: \^(; ° | mit dieser Wirkung;
so ist dies vollständig genügend: die Bebung wird
vorhanden sein; wollte man aber auch in einem
Adagio das Tremolo nur durch Sechzehntelnoten
anzeigen, so würden die Ausführenden eben nur
streng Sechzehntel spielen,undstatt der Bebung hör-
te man nur eine schwerfällige, ausdruckslose Tonwie-
derholung. In diesem Falle hat man so zu notieren:
|ft)(s ° I und manchmal sogar,wenn das Zeitmaß noch
langsamer als Adagio ist, in dieser Weise: hfrtv-f — |
Das Tremolo in den tiefen und mittleren Tönen
der dritten und vierten Saite wird im Fortissimo
noch charakteristischer, wenn der Bogen die Saiten
nahe beim Stege anstreicht . In großen Orchestern
bringt es dann, (vorausgesetzt, daß die Spieler es
gut ausführen) ein Rauschen hervor, das dem eines
reißenden, mächtigen Wasserfalles ähnlich ist. Diese
Spielweise wird durch die Worte „am Steg" (sul
ponticello) angezeigt.
Ein prachtvolles Beispiel hierfür findet man
in der Orakelszene im ersten Akte der „Alceste''
von Gluck. Die Wirkung des Tremolo der zweiten
Violinen und Violen wird hier noch vergrößert durch
das großartige, drohende Einherschreiten der Bässe,
durch den von Zeit zu Zeit geführten Schlag der
ersten Violinen, durch das nach und nach erfolgende
Hinzutreten der Blasinstrumente, endlich durch
das erhabene Rezitativ, welches von diesem wild-
stürmenden Orchester begleitet wird.
Ich kenne nichts dieser Art, was dramatischer,
was fürchterlicher wäre. Nur der Gedanke, dieses
Tremolo „am Steg" ausführen zu lassen, dürfte Gluck
nicht zuzuschreiben sein, denn seine Partitur enthält
nichts darauf Bezügliches. Die Ehre hierfür kommt
lediglich Herrn Habeneck zu, welcher beim Einstu-
dieren dieser wunderbaren Szene im Konservato-
rium von den Violinen diesen energischen Modus
der Ausführung forderte, dessen Vorteil in solchem
Falle unbestreitbar ist. (Partiturbeispiel 4.)
Edition Peters.
14
N94. Alceste, Akt I.
II gran Sacerdote.
(Hoherpriester. )
Bassi.
(Vlc.u. Kontrab.)
I.
Viol.
II.
et des si-gnes cer-tains m'en donnentl'as-s
Jedes Merkmal vergönntj daß- wir es gimsüff deuten/
Viol. <
n. I
plein de les-prit di - vin qu'in-spi-re sa pre-sen-ce
Von seinem Gei - ste voll empfind' ich sei-ne Nä - he!
je me sens e - le -
sein he -geisternder
Edition Peters.
Viol..
II,
ver au des-sus dW mor- tel.
Hauch scheint TneinHerz zu durch-wehn
Quel-le lumiere e - cla-
Ha! welches Glanzes Ent-
I.
Vi Ol.
iU
j
§i,tti
Ff iiTiiniiPrii
~7 '
t -
'
w~r i f — \ —
f
P^ 1^
^^^
VE =1
^ 1-
-V— « — . n-^
r' r ' 1 1 1
Tout
^ ''II — ^ V \ y p 1 1 — ^■'^^^f
man-non-ce du Dieu la pre-sen - ce su-prS-me,
- zend kun-det er vms, daß er sich jetzige - na- het.
1 Ir
1 V 1
>):t^v,p iriHf i»r v^t'f ^ pT,|»f p>
Rei-ne, de-pose ä son as - pect le vain or-gueil de la puis-san-cef
Für-stin! menschlircher Hoheit Pracht vmd eit-ler Stolz muß sichhier heu-gen!
trem
Zitt'-
18
Man sehe den Anfang des zweiten Aktes von
Tristiin, wo dieser Effekt des Tremolo am Steg
[hier eine Tonmalerei vom Rascheln des Laubes,
Säuseln des Windes) sich für den Zuhörer zu ei-
ner Empfindung kalten Schauers und gefahrvoller
Erwartung vertieft, i Partiturbeispitl 5j
N9 5. Tristan, Akt 11.
Wagner
(Sehr lebhaft.)
Vcelli.
(get.)
Kontrab,
Edition Peters'
20
Für ifewiase Arten der Begleitung von drama-
tischem, sehr belebtem Charakter macht man bis-
weilen mit gutem Erfolg vom gebrochenen Tre-
molo Gebrauch, bald auf einer Saite:
iild auf zwei Saiten:
Endlich gibt es eine letzte Gattung des Tre-
molo, die man zwar heutigen Tages nie anwendet,
von der aber Gluck in seinen Rezitativen auf be-
wundernswerte Weise Gebrauch gemacht hat. Ich
möchte es das wallende Tremolo (tremolo on-
dule ) nennen . Es besteht darin, daß man, ohne mit
dem Bogen die Saite zu verlassen, verschiedene un-
ter sich gebundene Noten auf dem nämlichen Tone
in geringer Schnelligkeit spielt. Bei diesen nicht
streng taktisch gemessenen Begleitungen ist es
für die Ausführenden kaum möglich, die gleiche
Anzahl von Noten in einem Takte zu spielen; die
einen spielen mehr, die anderen weniger, und aus
dieser Verschiedenheit entsteht eine Art von Schwan-
kung, von Unentschlossenheit im Orchester, die
ganz geeignet ist, die Unruhe und Beängstigung
gewisser Szenen wiederzugeben. Gluck schrieb
es so :
Die Bogenstriche (Stricharten) sind von
großer Wichtigkeit und von besonderem Einflüsse
auf die Klangfülle und den Ausdruck der Motive
und Melodien. Man muß sie daher, je nach der
Art des Gedankens, der zur Wiedergabe kom-
men soll, sorgfältig bezeichnen, und zwar nach den
in den folgenden Beispielen angegebenen Signa -
turen.
Für die Trennung der Töne de detache):
für die Bindung von je zwei Tönen;
für große Bindungen (Legato-Stellen):
Für das Stakkato oder leichte Detache, ein-
fach oder doppelt, welches mit dem Bogen seiner
ganzen Länge nach ausgeführt wird und zwar mittelst
kleiner Stöße, durch die der Bogen nur wenig fortrückt:
Für das große, getragene Stakkato fgrand
detache porte), welches den Zweck hat, der Saite
so viel Klangfülle als möglich zu geben, indem
man sie nach starkem Anstrich des Bogens allein
fortvibrieren läßt, eine Strichart, die hauptsäch-
lich in Stücken von stolzem, großartigem Charak-
ter und mäßigem Tempo am Platze ist:
Die zwei:, drei: und viermal {je nach der
Schnelligkeit des Tempos) wiederholt angestri-
chenen Noten geben dem Klange der Violinen
mehr Kraft und Regsamkeit, und eignen sich zu
vielen Orchesterwirkungen in allen Tonschattie-
rungen:
AllegTO.
Bei Stellen in breitem Tempo von markigem Char
rakter, sind dagegen die einfachen Noten des
großen Stakkato, wenn man nicht das wirk-
liche Tremolo auf jeder Note anwenden will, von
weit besserer Wirkung. So wird die folgende Pas-
sage:
im vorgeschriebenen langsamen Tempo ausgeführt, von ungleich edlerem und stärkerem Klange sein als
diese:
Larffo.
Die Komponisten würden meiner Meinung nach
gar zu ängstlich verfahren, wenn sie, wie dies in
den Studienwerken und Konzertstücken für die Vio-
line wohl üblich ist, in ihren Partituren die Strichwei-
se des Bogens durch Beisetzung der Zeichen für
den Herunter: und Heraufstrich anzeigten;
doch ist es gut bei Stellen, die entweder Leich-
tigkeit, besondere Kraft oder Breite des Tones
dringend erfordern , die Art der Ausführung durch
folgende Worte anzugeben: „Mit der Spitze des
Bogens", oder „Am Frosche" (unteres Ende des
Bogens), oder auch „Mit der ganzen Länge des
Bogens auf jeder Note". Ebenso ist es der Fall
mit den Worten: .,Am Steg" und „Auf dem Griff-
brette", Worte, welche die Stelle bezeichnen, wo
der Bogen näher oder enfernter vom Stege die
Saiten anstreichen soll. Die metallenen, etwas
rauhen Töne, welche der Bogen in größerer Nä-
he des Steges hervorzieht, unterscheiden sich
merklich von den sanften , verschwimmenden Tö-
nen, welche bei der Spielweise über dem Griff -
brette erklingen.
über Bogenstricheinteilung und Fingersatz im
Orchester sei mir hier vergönnt, einige Erfahrun-
gen anzuführen. Es ist in vielen Orchestern
Brauch, die Violinstimmen (wohl auch die der
übrigen Streichinstrumente) mit einheitlichen Bo-
genstrichzeichen zu versehen. Die hierdurch ver-
bürgte Gleichheit des Auf= und Abstriches gibt
zwai" dem Vortrag des Violinkörpers Eleganz und
dem Auge des Zuhörers Beruhigung, ich möch-
te aber einer konsequenten Anwendung dieses
Brauches aus folgenden Gründen nicht das Wort
reden:
Die Verschiedenheit der Temperamente in glei-
che Bogenstriche zu bannen, heißt, dem gefühl-
vollen Vortrag einer Kantilene jede Seele ent-
ziehen. Ein Geiger wird je nach seiner Empfin-
dung und seinem technischen Vermögen zur aus-
'. drucksvollen Wiedergabe einer Melodie vielleicht
4 Bogenstriche brauchen,zu der ein anderer derer
nur 2 bedarf. Wird der erstere verurteilt, seine
Melodie auch mit nur 2 Bogenstrichen auszufüh-
ren, muß sein Vortrag naturgemäß an Intensität
verlieren, mit iuideren Worten.iirmlich uiiJ iiUchtfrn
werden. Hut weiterhin der Komponist eine Melodie
von, sagen wir 4 oder mehr, längeren Tiikten unter
einem einzigen Bogenstrich notiert, so würde der
großzügige Charakter der Phrase zerstört, wenn
dieselbe von allen Geigern gleichmäßig in etwa
•1-H Teile zerpflückt würde. Mein Prinzip ist
nun in einem solchen Falle, den vom Komponisten
vorgeschriebenen Phrasierungsbogen (das Atem -
zeichen für den Vortrag ) zu Anfang und Endo
streng zu beachten, innerhalb desselben aber je-
den einzelnen Geiger nach Belieben mit den Bo-
genstrichenwechseln zu lassen.
Als sehr wichtig möchte ich den Komponisten
empfehlen, die Frage des Auf: und Niederstriches
für eine bestimmte Art des Vortrages genau ins Auge
zu fiLssen. So erging es mir in New-York bei derersten
Probe meiner Symphonia domestica, daß das Thema
in dieser Bogeneinteilung absolut nicht den von
mir gewünschten Eindruck behaglicher Heiter-
keit erzielte, sondern lahm und gleichgültig klaiig,
bis ich auf die Idee kam, es folgendermaßen spie-
len zu lassen:
Sofort hatte das Thema die von mir gewünschte
Lustigkeit, der Punkt auf dem zweiten und vier-
ten Achtel kam von selbst, und die Stelle leuchtete,
ob in Oberstimmen, Mittelstimmen oder im Baß,
durchs ganze Orchester mit derselben Eindring-
lichkeit, wie auch das nunmehr ebenso phrasierte
zweite Thema des Stückes :
Also , werte Kollegen von der Notenfeder:
Achtung auf Auf: und Herunterstrich ! Solch eine
kleine Bogenstrichbezeichnung am richtigen Platze
ist oft wirkungsvoller als die schönsten Vortrags-
angaben in der Partitur, wie: „munter", „grazioso';
i „keck"', „lächelnd", „trotzig", ,,zornig"etc., um die
sich unsere biederen Orchestermusiker samt ih-
ren werten Herrn Chefs im allgemeinen herzlich
wenig bekümmern.
Bezüglich des Fingersatzes machte ich selber
bei der Einstudierung von Berlioz' „Fest bei Ca-
pulet" am allerersten Anfang der teilweise chro-
matischen Geigenphrase die Erfahrung, daß die-
selbe nie ganz sauber herauskam, solange auch
nur ein Geiger die chromatische Skala durch Auf:
und Abrutschen des Fingers erzielte _ bis ich
endlich vorschrieb, für jede Note einen besonde-
ren Finger zu nehmen. Sogleich hörten die an
dieser Stelle so empfindlichen Zwischengeräusche
des Herauf: und Herabziehens des Tones auf und die
Stelle erschien makellos. Diese Erfahrung veran-
laßte mich, folgende sehr rasche Violinpassage in
meiner Symphonia domestica:
folgendermaßen zu bezeichnen:
da die Stelle bei dem gewöhnlich von den Geigern
genommenen Fingersatze , der beim Heulen des Stur-
mes der Pastoralsymphonie wohl angebracht ist, ab-
solut undeutlich und verwischt würde.
23
In einem symphonischen Satze, wo sich Fürch-
terliches mit Groteskem einigt, hat man die Stan-
ge des Bogens zum Anschlage auf die Saiten be-
nutzt, ein Verfahren, das mit „col legno"(mit dem
Holze) bezeichnet wird. Die Anwendung dieses ab-
sonderlichen Mittels darf nur sehr selten gesche -
hen und muss vollkommen begründet seiir. übrigens
ist sie nur in einem großen Orchester von merkli
chem Erfolge. Die Bogen, welche dabei jählings
auf die Saiten fallen, erzeugen in ihrer Menge eine
Art von Knistern, das man bei einer geringeren
Anzahl von Violinen kaum bemerken würde,so schwach
und kurz ist der Klang in diesem Falle.
Durch dieses col legno wird in Liszts Mazep-
pa das Schnauben des Pferdes, in Wagners Sieg-
fried das teuflische Kichern des Mime, in mei-
ner Oper Feuersnot das Knistern brennenden
Reisigs versinnbildlicht. (Partiturbeispiele 6, 7,8.^
N9 6. Mazeppa.
Liszt.
Viol.II.
(geteilt)
Violen
(get.) I
Vcelli,
(get.)
Verlas' BrcHkopf * H.irtcl Leipzig-.
Trp.inEs.
Edition Peters.
26
N97. Siegfried, Akt II,
U'MVxj;.
Wagner.
Engl.Hrn
Klar,
in B
Baßklar
in B.
braut?
(Lustig scherzend, als schild're er ihm einen angenehm berauschten Zustand, den ihm der Saft bereiten solle^
bald; ohne Wach und Wissen stracks streckst du die Glie - der. Liegst du nun da,
-tohne D'ämpfer) , pizz.
N? 8. Feuersnot.
Sgv.Fl
2 Klar,
in A.
Baßklar,
in A.
Verlag- A.lolph Färstner, Berlin
Eaition Peters.
35
Die sogenannten Flageolettöne (sons harmo-
niques; entstehen, wenn man die Saiten mit den Fin-
gern der linken Hand derartig leicht berührt , daß
dieselben in ihrer Länge (an gewissen Schwin-
gungsknoten) zwar geteilt, jedoch nicht, wie bei
gewöhnlichen Tönen, irgendwie fest auf das Griff-
brett aufgedrückt werden. Diese Flageolettöne ha-
ben einen eigentümlichen Charakter geheimnisvol-
ler Zartheit, und die außerordentliche Höhe einiger
von ihnen verleiht der Violine nach oben einen un-
gemein großen Umfang. Man unterscheidet natür-
liche und künstliche Flageolettöne. Die natür-
lichen entstehen, wenn man gewisse Punkte der
leeren Saiten leicht berührt. Diejenigen, welche
am sichersten und klangvollsten auf jeder Saite
ansprechen, findet man in folgender Tabelle ver-
zeichnet; die schwarzen (Viertel:) Noten stellen
hierbei die wirkliche Tonhöhe der Flageolettöne dar,
die weißen (ganzen) Noten dagegen zeigen die Stelle
an, wo die leere Saite leicht zu berühren ist.
E- Saite. st
^ i s/i ^ ^ J i ^3 ä =
A- Saite. g„
*I *? i ü Ja -eJ *" J -ei —
D- Saite. ^^
Die künstlichen Flageolettöne erhält man sehr
deutlich auf dem ganzen Umfange der Tonleitter, wenn
man den ersten Finger, welcher als beweglicher Sat-
tel dient, fest auf die Saite drückt, mit den anderen
Fingern aber die betreffenden Punkte der Saite leicht
berührt. In den folgenden Beispielen findet man
eine Übersicht der leicht zu berührenden Interval-
le und der wirklichen Töne, welche dadurch hervor,
gebracht werden.
wirkliche Flageolettöne.
Die Oktave, leicht be-
rührt,gibt ihren Einklang:
^ ^ ^
° iterping.., fest auflieg-cnd.
Man bedient sich dieses Fingersatzes seiner Unbe-
quemlichkeit wegen kaum anders als auf der vierten
Saite.
Wirkliche Flag-eolettoiie.
Die Quinte, leicht berührt,
gibt deren hohe Oktave :
lterFing-er,fest auflieecjid.
Dieser Fingersatz ist leichter als der vorhergehende
und weniger leicht als der folgende.
Die Quarte, leicht berührt, gibt deren hohe Duode-
zime:
te £ ^ ':'\ * Ä #f
Wirkliche Flag-eolettb'ne
leichte Fing-er.
^m
- y ^ ^ r. t 'C I. L 1.^
Dieser Fingersatz ist am leichtesten und darum im
Orchester vorzuziehen, es sei denn, daß es sich um
den wirklichen Klang der Duodezime einer leeren
Saite handelte; in diesem Falle ist dem Fingersatz
mittelst Quinte der Vorzug zu geben. Um also ein-
zeln für sich -e-
~ 0
ein hohes h ü — ist es besser diese . fi "■
hören zu lassen. Ig? Lage zunehmen: 1^ I ',
die hier benutzte leere E- Saite, deren Quinte (h) ,
leicht berührt, die höhere Oktave der letzteren zu
hören gibt, ist wohlklingender als eine Saite, die mit
dem ersten Finger fest niedergedrückt werden müßte.
wie z.B.:
, was den nämlichen Ton gibt:
Der Fingersatz mittelst berührter großer und
kleiner Terz ist sehr wenig im Gebrauch , da hierbei die
Flageolettöne viel weniger gut herauskommen.
Die große Terz, leicht berührt,
gibt deren höhere Doppeloktave:
Die kleine Terz, leicht berührt,
gibt deren höhere große Septde-
Die große Sexto, leicht berührt,
gibt deren höhere Duodeziine:
l»erFi„pcr_ fest.
Dieser Fingersatz ist weniger gebräuchlich als der
mittelst Berührung der Quarte, trotzdem aber ziem-
lich gut und oft nützlich.
Ich wiederhole es: die Lagen mit leicht berühr-
ter Quarte und Quinte sind bei weitem die vorteil -
härtesten.
Manche Virtuosen bringen Doppelgriffe in Fla-
geolettönen heraus; alleindiesor Effekt ist so schwie-
rig und in Folge dessen so gefährlich, daß man die
Autoren davor warnen muß, jemals dergleichen vor-
zuschreiben.
Die Flageolettöne der vierten Saite haben etwas
vom Klange der Flöte; für den gesangsmäßigen Vor-
trag einer langsamen Melodie sind sie vorzuziehen.
Sie sind es, die Paganini seiner Zeit mit so wunder-
barem Erfolge in dem Gebet aus ,,Moses" anwendete.
Die Flageolettöne der anderen Saiten klingenum so
feiner und zarter, je höher sie sind; hierdurch, so-
wie durch ihren krystallhellen Klang sind sie ganz
besonders für jene Akkorde geeignet,die ich feen -
haft nennen möchte, das heißt: für Harmonieeffekte,
welche unstTe Einbildungskraft mit schillernden
Träumereien erfüllen, indem sie uns die anmutig-
sten Gebilde einer dichterischen, übernatürlichen
Welt vorzaubern. So gut auch gegenwärtig unsere
jungen Violinisten mit ihnen vertraut sein mögen, so
darf man sie doch nicht in li^lihafter Bewegung an-
wenden, oder muß wenigstens darauf bedacht sein,
ihnen nicht zu schnelle Notenfolgen zu geben, falls
man einer guten Ausführung sicher sein will.
Selbstverständlich ist es dem Komponisten frei-
gestellt, sie je nach der Besetzung der Violinen
zwei:, drei: und vierstimmig zu verwenden. Die
Wirkung solcher gehaltenen Akkorde ist sehr ein-
dringlich, wenn dieselben durch den Gegenstand des
Tonsatzes begründet sind und mit dem übrigen Or-
ehester gut in Übereinstimmung gebracht werden.
Ich habe dergleichen Akkorde zum ersten Male,
und zwar dreistimmig in dem Scherzo einer Sym-
phonie verwendet, schwebend über einer vierten,
nicht im Flageolet gesetzten Violinstimme,die stän-
dig auf der untersten Note zu trillern hat. Die
ungemeine Zartheit der Flageolettöne wird bei die-
ser Stelle noch durch die Anwendung von Dämpfern
gesteigert, und, so abgeschwächt, erklingen sie nun
in den verschwindenden Höhen der musikalischen
Sphäre, wohin mit gewöhnlichen Tönen zu gelan-
gen beinahe unmöglich wäre. (Partiturbeispiel 9.)
N9 9. Romeo und Julie, Scherzo (Fee Mab.)
Allegretto.
Engl. Hörn.
VioI.I
(geteilt)'
Engl.Hrn
Engl.H
Meiner Ansicht nach ist es unbedingt nötig, bei
Aufzeichnung solcher aus Flageolettönen gebildeten
Akkorde, durch übereinander gestellte Noten , wel-
che sich in Form und Große unterscheiden, anzu-
geben: die Note des die Saite leicht berüh-
renden Fingers und die der wirklichen Ton-
höhe (wenn sie eine leere Saite betreffen \-sowie
die Note des fest aufzudrückenden Fingers,
die des leicht berührenden Fingers unddieder
wirklichen Tonhöhe, in den anderen Fällen. Es
entstehen daraus allerdings zwei bis drei Signa -
turen für einen einzigen Ton , doch ohne solche Vor-
sicht könnte die Ausführung leicht zu einem Kau-
derwälsch werden , in welchem selbst der Autor
Mühe haben würde , seine Intentionen wiederzuer-
kennen .
Ist heute kaum mehr nötig. Das Zeichen 0 über
der Note, in ihrer Klang^Höhe, genügt unseren
jetzigen Geigern vollkommen zum Hinweis auf die
Ausführung als Flageoletten. Die frühere No-
tierung ergibt in der Partitur ein zu schwer zu
entzifferndes Bild.
Die Dämpfer (Sordinen) sind kleine hölzerne
Geräte, die man auf dem Steg der Streichinstru-
mente befestigt, um deren Klangfülle abzuschwä-
chen: sie geben denselben zugleich einen trauri-
gen, geheimnißvollen, sanften Ausdruck, der häufig
und mit Glück in allen Gattungen der Musik zu ver-
wenden ist. Im allgemeinen bedient man sich der
Dämpfer besonders gern bei langsamen Sätzen; sie
sind jedoch, wenn der Gegenstand des Stückes dar-
auf hinweist, ebenso gut für schnelle und leichte Ton-
gebilde, oder für Begleitungen von beschleunigtem
Rhythmus zu gebrauchen. Gluck hat dies in seinem
erhabenen Monologe der italienischen Alce st e,,Chi
mi parla" vortrefflich bewiesen. (Partiturbeispiel 10.)
N9 10. Alceste, Akt H.
Andante non molto.
^
r r ' pHf r ^ p p p^
spon - do! Ahlche veer - go! ah! che spa - ven
Ant - wort? Ha,was seK ich! ha^welch Ent - set
40
Wenn man Dämpfer anwendet, 80 läßt man sie ge-
wöhnlich vom ganzen Streichorchosternohmen; häufi-
ger jedoch, als man denkt, treten Umstände ein, wo
die Dämpfer, wenn nur von einem Teile (den ersten
Violinen z.B.) genommen, der Instrumentation durch
die Mischung der hellen und gedämpfti-ii Tüne eine
ganz eigentümliche Färbung- geben. Auch kommt es
vor, dali der Charakter der Melodie so abweichend
von dem der Begleitungsstimmen ist, dal) man ihm
durch Anwendung des Dämpfers Rechnung tragen
muß.
Wenn der Komponist den Gebrauch der Dämpfer
Vden er mit den Worten con sordini anzeigt) mit-
ten in einem Tonstücke einführt, so darf er nicht
vergessen, den Spielern die nötige Zeit zu geben, um
dieselben nehmen und aufstecken zu können; er muß
demnach vorsorglich den Violinstimmon eine Pause
gewähren, die ungefähr der Dauer von zwei Takten
zu vier Vierteln im Tempo Moderato gleichkommt.
Dagegen braucht die Pause nicht so lang zu sein,wenn
die Worte senza sordini anzeigen, daß die Däm-
pfer wieder entfernt werden sollen, denn dies kann
in weit kürzerer Zeit geschehen. Der plötzliche
Übergang von solch' gedämpften Tönen zu den hellen,
natürlichen (ohne Dämpfer), ist bei starker Beset-
zung der Violinen bisweilen von außerordentlicher
Wirkung. (Partiturbeispirl 11.)
Prestissimo.
N9 11. Romeo und Julie, Scherzo (Fee Mab).
Berlioz.
pocof
41
Im dritten Akt der Meistersinger (Szene zwi-
schen Sachs und Walther) wird die Stimmung des
traumbefangenen Walther im Gespräch mit Sachs
ebenso einfach wie genial (meistens synonima)
durch den Eintritt der zweiten Violinen mit Däm-
pfern getroffen. Ein ebenfalls wunderbares Bei-
spiel bietet die Schluß-Szene im Tristan,dawosich
Isolde aus der Ohnmacht der Verzweiflung zurletz-
ten, weltentrückten Vision erhebt: über gedämpf-
ten Hörnern intonieren die ersten Violinen con sot
dini, nachdem diese lange geschwiegen und den un-
gedämpften zweiten Violinen die Führung überlas-
sen haben, vor BrangänensWorten:„sie wacht, sie
lebt" das Thema von Isoldens Liebestod.
Die Art der Thematik,Farbengebung und die Tie-
fe der poetischen Idee vereinigen sich zu einer der
erhabensten Wirkungen
Es gibt neue Dämpfer, die am unteren Teil des Ste-
ges befestigt und nur aufgeklappt zu werden brau-
chen, den Ton aber bedeutend verschlechtern.
Noch ist das Pizzikato (Zupfen der Saiten) zu
erwähnen, das bei den Streichinstrumenten allgemein
gebräuchlich ist.Die hierdurch erlangten Töne bewirken
Begleitungsarten, welche beiden Sängern sehr be-
liebt sind, weil sie die Stimme nicht verdecken; auch
in Instrumentalsätzen und selbst bei kraftvollen Aus-
brüchen des Orchesters spielen sie eine große Rolle,
sei es, daß sie in der ganzen Gfesamtheit der Streich-
instrumente, oder nur in einer oder zwei Stimmen
derselben zur Anwendung kommen.
Das Adagio der B- dur- Symphonie von Beetho-
ven bietet ein reizendes Beispiel vom Gebrauche
des Pizzikato bei den zweiten Violinen, Violen und
Bässen, während die ersten Violinen mit dem Bo-
gen gespielt werden. Diese kontrastierenden Klän-
ge vermählen sich bei dieser Stelle in wahrhaft
wundervoller Weise mit den melodischen Seufzern
der Klarinette , deren Ausdruck sie noch erhöhen.
(Partiturbeispiel 12.)
Adagio.
N9 12. B-dur- Symphonie, Satz H.
42
Klar,
in B.
Horner
in Es.
Viül. '
II.
^^^j^f'
Wendet man das Pizzikato im Forte an, so gilt im
allgemeinen die Regel, es weder zu hoch, noch zu
tief zu legen; die Töne der äußersten Höhe sind
grell und trocken, die dir Tiefe dagegen zu dumpf
Bei einem kräftigen Tutti der Blasinstrumente wird
demnach ein Pizzikato von sämtlichen Streichinstru-
menten, wie das folgende, einen sehr bemerkbaren
Eindruck hervorbringen.
Violen u. Bässe
Die zwei:, dreir und vierstimmigen Pizzikator
Griffe sind im Fortissimo gleichfalls von Nutzen;
der eine Finger, dessen die Spieler sich dabei be-
dienen, streift so rasch über die Saiten, daß diese
beinahe im gleichen Augenblicke erklingen und alle
auf einmal gefaßt zu werden scheinen. Die verschie-
denen Arten von Pizzikato- Begleitungen im Piano
sind stets von anmutiger Wirkung; sie gewähren
dem Zuhörer gewissermaßen Erholung und geben,
wenn man nicht übermäßigen Gebrauch davon macht,
der Färbung- des Orchesters eine angenehme Ab-
wechslung.
In Zukunft wird man mit dem Pizzikato ohne
Zweifel noch viel orrginellere und anziehendere Wir-
kungen zu erzielen wissen, als dies gegenwärtig der
Fall ist. Die Violinspieler, welche das Pizzikato nicht
als wesentlichen Bestandteil der Kunst des Violin -
Spiels anzusehen pflegen, haben sich bis jetzt kaum
ernstlich damit befaßt. Sie sind nur gewöhnt, das
Pizzikato mit Daumen und Zeigefinger auszuführen
und können infolgedessen weder Passagen noch Ar-
peggien schneller als in Sechzehntelnoten eines Vier-
vierteltaktes in sehr mäßigem Tempo spielen. Wenn
sie statt dessen den Bogen bei Seite legten, die
rechte Hand mit dem kleinen Finger auf den Körper
des Instrumentes aufstützten und wie die Gitarre-
spieler sich gleichzeitig des Daumens und der an-
deren drei Finger bedienten, so würden sie sehr
bald die Geschicklichkeit erlangen, Passagen piz-
zikato auszuführen, wie sie das nächste Beispiel
enthält und wie sie zur Zeit noch unmöglich sind.
(Die über den Noten befindlichen Ziffern g'elten für die
Fing-er der rechten Hand, welche das Pizzikato ausführen;
der Buchstabe D zeigt den Daumen an.
Alleg:ro non troppo
Das zweir oder dreifach schnell wiederholte An-
schlagen der höheren Noten in den beiden letztenAb-
schnitten dieses Beispiels wird ungemein leicht,wenn
man den Zeige = und Mittelfinger abwechselnd auf
der nämlichen Saite dazu benutzt.
Kleine gebundene Vorschlagsnoten sind im Piz-
zikatospiel keineswegs unausführbar. Die folgende
Stelle aus dem Scherzo der C -moll- Symphonie von
Beethoven wird immer sehr gut ausgeführt.
Allegro.
EOition Peters.
Einige unserer jungen Violinspieler haben von
Paganini die schnell absteigenden Pizzikato-Tonlei-
tern gelernt, wobei die Saiten mit den Fingernder
linken Hand, die sich fest an den Hals des Instru-
mentes stützt, gerrissen, und die so (immermitder
linken Hand) pizzikato gespielten Stellen bald mit
vom Bogen angestrichenen Tönen untermischt, bald
sogar auch zur Begleitung einer vom Bogen gespiel-
ten Melodie verwendet werden. Diese verschiedenen
Spielarten werden ohne Zweifel mit der Zeit allen
Spielern geläufig werden; dann wird es auch mög-
lich sein, für die Komposition Nutzen daraus zu
ziehen .
I Als Beispiel einer genialen Verwertung des Piz-
I zikato darf folgende Stelle aus der Ouvertüre zu
{„König Lear"von Berlioz gelten. (Partiturbeispiel 13.)
N9 13. König Lear, Ouvertüre.
Berlioz.
44
45
46
Ich habe bei dieser Stelle stets das Gefühl, als ob
eine Saite in Lears Herzen oder, realistischer aus-
gedrückt, eine Oehirnader bei dem halbverrück-
ten König geplatzt sei . _
Dil- Charakterisierungsfähigkeit des Pizzikato
im Orchester ist unbegrenzt. Um noch ein paar
Beispiele dafür anzuführen erwähne ich:
Tristan, dritter Akt. I'artiturbeisplel K»)
Rheingold, (rurtiturbeispitl 15.)
Meistersinger, die pantomimische Szene Bockmes-
sers im dritten Akt (Purtiturbelspiel 16.)
Mäßig langsam.
N9 14. Tristan, Akt lU.
Wagner.
^^=-(Der Hirt erscheint mit dem Oberleibe über der
Mauerbrüstung', und blickt teilnehmend herein ~
(Kurwenal wendet ein wenig das Haupt nach ihm.:
Kur-wenal! He! Sag'Kurwenal! Hör'dochFreundlWaohternochnicht?
pizz.
N9 15. Rheingold.
riten.tempo.
47
Wagner.
48 N9 U). M(üst«Tsini'-er, Akt III.
4'\ !■ UllL'
4'i
fß stacc. ynarc.
MsMs
lilslÄj
Istbls
crcsc. .
Mihi
crrsc. .
crcsc. - .
~ "Ig— r I _p
hlihls
49
Mit dem Bogen führen die Violinspieler heutzu-
tage fast alles aus, was man begehrt. Sie spielen
in den hohen Regionen fast ebenso leicht wie in den
mittleren; die schnellsten Gänge, die sonderbar-
sten Tongebilde führen sie leicht aus. Was in einem
Orchester, wo sie in hinlänglicher Zahl vorhanden
sind, der eine von ihnen verfehlt, das führen die
anderen aus, so daß schließlich das gewonnene Er-
gebnis, ohne daß die Fehler besonders hervorste-
chen, mit der vom Autor beabsichtigten Wirkung
übereinstimmt. Tritt jedoch der Fall ein, daß die
Schnelligkeit, die Verflechtung und hohe Lage der
Töne eine Stelle zu gefährlich machen würden,oder auch
nur, daß man eine solche Stelle besonders sicher
und gut zur Ausführung gebracht haben will, dann
muß man die Violinen teilen, das heißt: ihre Anzahl
teilen und ein Bruchstück der Stelle den einen, ein an-
deres Bruchstück den anderen geben. Auf diese Weise
werden die Noten jeder Abteilung mit kleinen Pau-
sen durchflochten, welche der Hörer nicht bemerkt,
die aber den Spielern gleichsam gestatten, sich zu er-
holen, und die ihnen Zeit gewähren, die schweren Po-
sitionen gut zu erfassen und zugleich die Saiten mit
dem nötigen Schwünge kräftig anzustreichen.
Allegrro assai con fuoco.
Viol.I.
(eetellt)
^^=f
rrrr^rrfflfrrr^^^l
^ffffr^rr
frrrr ^
m
^
^
^
]P I ffT
f fff
m
riTi
f 'ff'f
60
Will man lihnliche oder noch schwerere Stellen
wie diese, von der ganzen Masse der Violinen aus-
geführt haben, so ist es (wie im vori^-en Beispiele)
immer besser, man teilt die ersten Violinen in
zwei Abteilungen für sich und gibt den zweiten
Violinen, die sich wiederum in zwei Gruppen tei-
len, einfach die Verdoppelung der beiden Stimmen
der ersten Violinen, statt allen ersten Violinen
das eine Bruchstück und allen zweiten Violinen das
andere Bruchstück zu überlassen. Die Entfernung
zwischen den beiden Ausgangspunkten der Töne wüu
de den einheitlichen Fluß der Stelle unterbrechen
und die Absätze der einzelnen Bruchstücke zu fühl-
bar machen. Wenn aber jede Stimmabteilung sich
auf beiden Seiten des Orchesters über die beiden
Violinmassen verbreitet, dergestalt, daü an jedem
Pulte der eine Spieler dfe erste Stimme der betref-
fenden Stelle, der andere die zweite Stimme der-
selben ausführt, dann gehen diese beiden geteilten
Stimmen so in einander über, daß es unmöglich ist,
die Zerstückelung der Stelle wahrzunehmen, daß
vielmehr der Zuhörer glauben muß, sie werde un-
unterbrochen von allen Violinen zugleich gespielt;
man schreibt sie demnach so:
Viel. II
1 geteilt 1
Dieses Verfahren ist übrigens auf eile Orche-
sterinstrumente, die unter sich an Klang und leich-
ter Ansprache übereinstimmen, anwendbar ; man
sollte jedesmal Gebrauch davon machen, wenn ei-
ne Stelle zu schwierig ist, um von einem einzelnen
Instrument oder einer einzelnen Gruppe gut ausge-
führt werden zu können.
Diese Auffassung entspricht dem Stil der In-
strumentation, den ich den klassischen nennen
möchte, und der sich aus dem Geiste der Kammer-
musik auf die Behandlung des Orchesters über-
tragen hat. Diesem Stil, der die absolute Klar-
heit und Ausführbarkeit jeder Figur durch jedes
Instrument als Hauptmerkmal trägt, kann ein an-
derer Stil der al fresco-Behandlung des Orches-
ters gegenübergestellt werden, der von Wagner
so recht eigentlich eingeführt wurds und der sich
zum ersten verhält, wie der Stil der aus der Mi-
niatur-Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts her-
vorgegangenen Florentiner Meister zur „breiten
Mal weise" eines Velasquez, Rembrandt,Franz Hals
und Turner mit ihren wunderbar getönten Misch-
farben und differenzierten Lichtwirkungen. Das
eklatanteste Beispiel ist hierfür die Geigenbehand-
lung im Feuerzauber des dritten Aktes Walküre.
Wagner schrieb da, zur Wiedergabe des lodern-
den und züngelnden Feuers, eine Figur, die kaum
von einem vorzüglichen Solisten in allen Teilen
ausführbar oder ganz sauber wiederzugeben ist,
(Partiturbeispiel 17.) Von 16 bis 32 Violinisten ausge -
führt, ist die Stelle im Ensemble von einer so wunder-
vollen, seh lagenden Wirkung, daß man sich eine bessere
Wiedergabe des lodernden , in tausend Mischtönen
flimmernden Feuers absolut nicht vorstellen kann.
Wäre eine leichtere, vielleicht etwas gemessene-
re Figur vorgeschrieben, so kb'nnte leicht der
Eindruck der Steifheit eintreten, den ich per-
sönlich im Rheingold beim Gesang der das Riff
umschwimmenden Rheintöchter nicht loswerden
kann:
N9 17. Walküre, Feuerzauber.
Mäßig bewegt
jiiüf
'.hUjJußuJUß uJüiJtMjuiJ
Edition Peters.
3gr.Fl.
Engl. Hrn.
Glocksp.
64
I f -
8gr.Fl.
unktl^u^
piüf
2gT.Fl
K-^r^
2g:r.Fl
Ich glaube, daß man sich die Passagen auf der
vierten Saite und, für gewisse Melodien, auch die
hohen Töne der dritten Saite im Orchester noch mehr
zunutze machen könnte, als es bisher g-eschehen ist.
Will man eine Saite auf diese Art besonders verwen-
den, so mul3 man genau anzeigen, bis wohin sie aus-
schließlich benutzt werden soll; die Spieler würden
sonst aus alter Gewohnheit, und der leichteren Aus-
führbarkeit wegen, die sich aus dem Übergang von
einer Saite zur andern ergibt, sehr bald wieder die
gewöhnliche Spielweise anwenden.
Nicht selten kommt es vor, daß man, um einer
Stelle besondere Kraft zugeben, die ersten durch
die zweiten Violinen in der unteren Oktave verdop-
pelt; doch ist es, wenn die Töne nicht außerge -
wohnlich hoch liegen, hei weitem besser, sie im Ein-
klänge zu vordoppeln. Die Wirkung ist dann un-
gleich stärker und schöner. Die niederschmetternde
Schallkraft kurz vor dem SchluU des ersten Satzes
der C-moll- Symphonie von Beethoven ist dorn Ein-
klänge der Violinen zu verdanken. Wollte man bei
solcher Gelegenheit die Kraft der so geeinigten
Violinen noch dadurch vermehren, daß man ihnen
die Violen in der unteren Oktave beigäbe, so könnte
es leicht dahin kommen, daß diese tiefere Verdop-
pelung, die doch im Verhältnis zu den höheren Tö-
nen viel /.xi schwach wäre, ein unnützes Summen
hervorbrächte, wodurch der Klang der hohen Vio-
lintöne viel eher verdunkelt als verstärkt würde. *i
Darum ist es, wenn die Stimme der Viola nicht mit
hervorstechenden Zügen ausgestattet werden kann,
geraten, sie zur Verstärkung des Klanges der Vio-
loncello zu verwenden, und zwar so, daß man beide
Instrumente (soweit dies der Umfang der Viola
nach der Tiefe zu gestattet) im Einklang,und nicht
in Oktaven zusammengehen läßt. So hat es Beet-
hoven in der erwähnten Symphonie getan. (Parti-
turbeispiel 18.)
I *)Sehr richtig'! Trifft auch für Hörner und Trompeten
N9 18. C-moll-Symphonie, Satz I
in Es.
Tromp.
Pken.
n C G.
Viola.
Vcello. I
Kontrab. (
61
Ai i^ AA ii ji
Die Violinen glänzen und spielen bequemer in den
Tonarten, die ihnen den Gebrauch der leeren Saiten
gestatten . Einzig die Tonart C scheint hinsichtlich
der Klanghelle eine Ausnahme von dieser Regel zu
machen; die Klanghelle tritt hier weniger hervor,
als in den Tonarten A und E , obschon in C alle vier
leeren Saiten zu Gebote stehen , dagegen in A deren
nu'r drei und in E gar nur zwei übrig bleiben.
Man kann, wie ich glaube, den Klangcharak -
ter der verschiedenen Tonarten bei der Violine und
den durch sie bedingten größeren oder geringeren
Grad der Leichtigkeit der Ausführung in folgender
Weise angeben:
Durtonarten.
C leicht
Cis sehr schwer :
Des schwer, doch minder
schwer als Cis :
D leicht
Dis fast unausführbar :
Es leicht :
E nicht sehr schwer :
Fes unausführbar
F leicht :
Fis sehr schwer :
Ges sehr schwer =
: ernst, aber dumpf und trübe.
: weniger trübe und hervoc
stechender.
: majestätisch.
: heiter , lärmend , etwas ge-
wöhnlich.
: dumpf.
: majestätisch, ziemlich hell-
klingend, sanft, ernst.
: glänzend, prachtvoll, edel.
: markig, kräftig.
: glänzend, einschneidend.
: weniger glänzend , zarter.
G leicht = ziemlich heiter, doch etwas
gewöhnlich.
Gis fast unausführbar = dumpf, aber edel .
As nicht sehr schwer = sanft, verschleiert, sehr edel.
A leicht = glänzend, vornehm, freudig.
Ais unausführbar
B leicht
H nicht sehr schwer
Ces fast unausführbar
: edel, aber ohne Glanz .
: edel, hellklingendjStrahlend.
: edel, aber wenig hellklingend.
Molltonarten.
C leicht
Cis ziemlich leicht
Des sehr schwer
D leicht
Dis fast unausführbar
Es schwer
E leicht
Fes unausführbar
F etwas schwer
Fis minder schwer
Ges unausführbar
G leicht
Gis sehr schwer
As sehr schwer, fast
unausführbar
: düster, wenig hellklingend .
: tragisch,hellklingend,vornehm.
: düster, wenig hellklingend.
; klägjich,hellklingend,etwas
gewöhnlich.
: dumpf.
= sehr trübe und traurig.
= schreiend, gewöhnlich.
= wenig hellklingend, düster,
heftig.
= tragisch, hellklingend,ein-
schneidend.
= schwermütig, ziemlich hell-
klingend, sanft .
= wenig hellklingend , traurig,
vornehm.
= sehr dumpf, traurigaber edel.
62
A h>icht
unausführbar
schwer
leicht
Ai
B
H
Ces unausführb
= ziemlich hollklingend, sanft,
traurig, ziemlich edel.
= düster.dumpf, rauh, aber edel.
= sehr hellklingend, wild, herbe,
unfreundlich, heftig .
Die Streichinstrumente, durch deren Ver-
einigung das, ziemlich ungeeignet so genannte,
Quartett gebildet wird, sind die B<isis,daskonsti-
tuirende Element des ganzen Orchesters. Ihnen
ist die gröüte Macht des Ausdruckes und eine un-
bestreitbare Mannigfaltigkeit in denTonfärbungen
verliehen. Die Violinen namentlich können zu
einer Menge, dem Anscheine nach unvereinbarer
Nuancen verwendet werden. Sie entfaltcnUn Masse)
Kraft, Leichtigkeit, Anmut, düsteren Ernstund hel-
le Freude, Träumerei und Leidenschaft. Es kommt
nur darauf an, sie richtig zum Sprechen zu bringen.
Übrigens hat man bei ihnen nicht nötig, wie bei den
Blasinstrumenten, die Zeitdauer eines gehaltenen
Tones in Rechnung zu ziehen, ihnen schonungsvoll
von Zeit zu Zeit Pausen zu geben-,man ist sicher,daO
ihnen der Atem nie ausgehen wird. Die Violinen
sind treue, verständige,tätige und unermüdliche Die-
ner.
Ziirti' und lang-saino Melodien, die man heut-
zutage allzu oft den lllasinstrumenten anvertraut,
werden /^li-ichwohl niemals besser als von einer Masse
von Violinen wiedergegeben. Nichts kommt dem ein-
dringlichen, süssen Wohlklang einiger zwanzig K-
Saiten gleich, die durch ebenso viele wohlgeschultc
Bogen in Bewoguiiggosetzt werden. Hier ist die wahre
Frauenstimme des Orchesters, eine Stimme, so lei-
denschaftlich als keusch, so durchdringend als lieb-
lich, die, ob sie weinend, laut klagend, betend oder
jubelnil zu uns spricht, von keiner anderen Stimme in
d.T Mannigfaltigkeit dos Oefühlsausdrucks erreicht
wird. Kine unscheinbare Bewegung des Armes, ein
unbemerktes Gefühl, das im Vortragenden sich regt,
alles kaum wahrzunehmen bei der Ausführung durch
das einzeln«! Instrument, bringen in der Vervielfäl-
tigung die herrlichsten Schattierungen hervor,erwecken
Empfindungen,diebis ins Innerste des Herzens dringen.
Brauche ich hier an die cngelsgleiche, überirdische
Reinheit der Violinen des Lohengrin -Vorspiels zu
erinnern, dieselben Violinen die in der wundervol-
len Passage im dritten Akt der Walküre das irdische
Entzücken der Mutterliebe so hinreißend zu offen-
baren vermögen (l'iirtiturbeispiel 19 >, um dann im drit-
ten Akte des Siegfried die „selige Öde auf wonni-
ger Höh» in so wolkenloser Klarheit erstrahlen zu
lassen. (Partiturbeispiel 20.)
N9 19. Walküre, Akt m.
Wagner.
Sehr schnell und heftig
4 Hrnr.
in E.
3 Fagr.
3Trp.in E.
I
4 Pos. "
Sehr schneU^und heftig
NO 20. Siegfried, Akt HI.
Immer langsamer.
Wagner.
ptup pp-
her auf den felsigen Saum der Höhe, und zeig-t sich dort zuerst nur mit dem Oberleibe ; so blickt er lang« staunend um sich)
sehr ruhig.
Sieg-fr.
^^ ._=
^F— TT
^^■^ j^J^
^
■«■
r Tf^r,
^
^h — — - — '
-^M-J^
^M
W
ptup
fe=
U. Half
pp
[^ —
%^
110 # J|i
(3. Hälfte)
ffet.
tu ■
4r.
f ,a,il - ^
— 1 — . —
^^(leise
- ^^
^
A
# .1 1
—
=H
^
[. p p 1
f PP ^ 1
Dieselben Violinen, die mit gleicher Treue auch
der jungen Liebe des Lehrbuben ihre Töne leihen:
Dieser in der Symbolik seiner Orchestersprache
unerschöpfliche Dramatiker individualisiert sogar
erste und zweite Geigen im dritten Akt seines Tri-
stan in der Weise, daß er die durch Gewöhnung
im Vortrag und Klang etwas untergeordneten zwei-
ten Violinen den Nebenfiguren Kurwenal,Brangäne
und König Marke als Begleiter beigibt, während
die wärmeren und vornehmeren, an die Führung
gewöhnten ersten Violinen mit den beiden Helden
der Handlung jauchzen und leiden.
Zum Schluß dieses Kapitels möchte ich warnend
auf den gröblichen Mißbrauch hinweisen, der mit
der Solo-Violine im Orchester g-etrieben wird.
Ihre Wirkung ist stets eine so besondere, auf fal-
lende, daß sie ohne zwingenden poetischen Grund
meiner Empfindung nach nicht angewendet werden
sollte. Unseren großen Meistern diente sie stets
nur als bedeutungsvolles Symbol: Beethoven,wenn
er im Benedictus seiner Missa eine inbrünstig
keusche Seele ihr Loblied dem Höchsten entgegen-
; singen läßt; Wagner, wenn er im Rheingold die
innersten Geheimniße der Frauenseele verrät.
(Partiturbeispiel 21.)
N9 21. Rheingold.
Wagner.
An dem sparsamen Gebrauch der Solovioline in
den Partituren des letztgenannten Meisters gestatte
man mir als an einem Beispiel für viele von neuem
die bis zum Überdruß gepredigte Wahrheit zu exem-
plifizieren: je seltner die Anwendung eines besonde-
ren Ausdrucksmittels, desto größer dessen Wirkung.
67
Die Viola (Bratsche).
Die vier Saiten der Viola (Bratsche) werden
gewöhnlich in Quinten gestimmt, wie die der Violine,
sämtlich aber um eine Quinte tiefer als diese:
_. . .erste Saite,
z. . . zweite Saite.
-. . .dritte Saite.
• • -vierte Saite.
Ihr gewöhnlicher Umfang beträgt mindestens drei
Man schreibt sie im Altschlüssel (C= Schlüssel
auf der dritten Linie) und bei den ganz hohen Tönen
im Violinschlüssel.
Alles, was wir oben in Bezug auf Triller, Bogen-
striche, zwei: und mehrstimmige Akkorde, Arpeggien,
Plageolettöne u.s.w. gesagt haben, ist in gleicher Wei-
se auf die Viola anwendbar, die man in dieser Bezieh-
ung lediglich als eine um eine Quinte tiefer stehende
Violine anzusehen hat.
Von allen Instrumenten im Orchester ist die Viola
dasjenige, dessen ausgezeichnete Eigenschaften man
am längsten verkannt hat. Sie ist ebenso behend\vie
die Violine, der Ton ihrer tiefer Saiten besitzt einen
eigentümlichen, herben Klang, während ihre Töne in
der Höhe einen traurig: leidenschaftlichen Ausdruck
annehmen; ihr Klangcharakter im allgemeinen istvon
tiefer Schwermut und unterscheidet sich merklich von
dem der anderen Streichinstrumente. Gleichwohl ist
sie lange Zeit unberücksichtigt geblieben, oder nur,
ebenso gehalt: wie nutzlos, dazu verwendet worden:
die Ballstimme in der höheren Oktave zu verdoppeln.
Verschiedene Ursachen vereinigten sich zu dieser un-
gerechten Dienststellung dieses edlen Instrumentes.
Erstlich wußten die Meister des 18'?" Jahrhunderts,
da sie selten real vierstimmig setzten, zum größten
Teile nicht recht, was sie mit der Viola machen soll-
ten; wenn sie nicht gleich einige Noten fanden, die
sie ihr zur Ausfüllung der Harmonie geben konnten,
so zögerten sie nicht, das leidige col basso hinzu-
schreiben, und zwar bisweilen mit so großer Unauf-
merksamkeit, daß eine Oktavenverdoppelung der Baß-
stimme daraus entstand, die bald mit der Harmonie,
bald mit der Melodieführung, bald mit beiden zu-
gleich in Widerspruch geriet. Ferner war es
unglücklicherweise nicht möglich, damals für die
Viola irgend eine bedeutsamere Stelle, die selbst
ein nur gewöhnliches Talent zur Ausführung erfor-
dert hätte, hinzuschreiben. Die Violaspieler vnirden
stets aus dem Ausschusse der Violinspieler entnom-
men. War ein Musiker unfähig, den Violiuposten
genügend zu bekleiden, so wurde er zur Viola ver-
setzt. Daher kam es, daß die Bratschisten weder
Violine noch Viola spielen konnten. Ich muß sogar
gestehen, daß dieses Vorurteil gegen die Violastim-
me auch in unserer Zeit nicht gänzlich erloschen ist,
daß es in den besten Orchestern noch Viola spieler
gibt, die so wenig die Viola wie die Violine zu be-
handeln wissen. Doch sieht man neuerdings immer
mehr die Mißlichkeiten ein, die aus Duldung solcher
Leute entstehen, und so wird die Viola nach und
nach, ebenso wie die anderen Instrumente, nur ge-
schickten Händen anvertraut werden. Ihr Klangcha-
rakter erregt und fesselt die Aufmerksamkeit derar-
tig, daß es nicht nötig ist, im Orchester die Violen
in gleicher Anzahl wie die zweiten Violinen zu beset-
zen, und die ausdrucksvolle Beschaffenheit dieses
Klangcharakters ist so hervorstechend, daß er in den
sehr seltenen Fällen, wo die alten Komponisten ihn
ans Licht treten ließen, niemals verfehlt hat, ihren
Erwartungen zu entsprechen. Man kennt den tiefen
Eindruck, welchen er stets an jener Stelle der „Iphi-
genieauf Tauris" hinterläßt, wo Orestes, von Müdig-
keit übermannt, keuchend, von Gewissensbissen ge-
peinigt, mit den Worten einschlummert: „Die Ruhe
kehret mir zurück!" — während das Orchester in
dumpfer Aufregung schluchzende Laute, konvulsivi-
sche Klagen vernehmen läßt, welche unaufhörlich
von dem schrecklichen, zäh anhaltenden Gemurmel der
Violen übertönt werden. Obschon bei dieser unver-
gleichlichen Eingebung keine Note, weder in der
Singstimme noch in den Instrumenten ist, deren Inten-
tion nicht erhaben wäre, so muß man doch erkennen,
daß der Zauber, den sie ausübt, daß die Empfindung
des Schauderns, welche sich in den weit geöffneten,
mit Tränen gefüllten Augen manches Hörers abspie-
gelt, hauptsächlich der Violastimme beizumessen ist,
und zwar der Klangeigentümlichkeit der dritten Saite
dieses Instrumentes, seinem synkopierten Rhythmus
und der seltsamen Wirkung des Einklanges zwischen
seiner Synkope auf A und einem andern A der Bäße,
das jene Synkope, im Rhythmus abweichend, unge-
stüm mitten durchschneidet. (Partiturbeispiel 22.)
Edition Peters.
N'.>;22. Ipliip'tiip auf Taiiris. Akt 11.
Gluck.
(vio.u.K.B.)
Edition Peters.
Bassi,
Edition Peters,
^a « , L — j^
^^ — 1 — r~i
T — tv-=i — («r^
; ^11 , . -. .
J'w^
-- 1 1 1-
' l|^^ ' *^
^=t^^
-#=^
' J' ^ J''
^^^^
üy " ' ^i> ' i' -
nHi"
-i*y=
^ ;-^ >
'^m
-1^^^
' ^' "' ^■'
' i> ' j)-
>>-frt r ^ 1 - 1 ^^^=^
sf^ P
"f p
sf P
s/p
^™
cocuri (ll 5'endort d'accablement.)
riick! iErsMSft ennnttct ei,i.)
W^ ^ '^ - II ^ < 11 ' MI . P , i'ir 1 lY 1 |ff ff II 1 II
Einer der ersten, der die Fiihif^ckeit der Brat-
schen, dämonische Wirkungen hervorzubringen, er-
kannt und in seinem Robert der Teufel als kundi-
ger Finder diese zum Ausdruck frommen Schauers
und nagender Gewissensbisse verwendet hat, war
Meyerbeer.
In der Ouvertüre zu „Iphigenie in Aulis" hat
Gluck die Viola zur alleinigen Grundlage der Har-
monie verwendet, nicht diesmal um einer Wirkung
willen, die auf der Besonderheit ihres Klanges be-
ruht, sondern um so zart als möglich den Gesang
der ersten Violinen zu begleiten und den Angriff
der Bässe, die nach ziemlich langer Pause im Forte
wieder einsetzen, um so fürchterlicher zu machen.
Sacchini hat gleichfalls die Violen allein mit der
Führung der Unterstimme betraut, und zwiiiindor
Arie des Oedipus: „Euer Hof gewährt mir Zullucht','
ohne jedoch d:imit die Vorbereitung eines derartigen
Ausbruches zu beabsichtigen. Im Gegenteil gibt
hier diese Instrumentation der Gesangstelle, welcher
sie zur Begleitung dient, eine angenehme Frische und
Ruhe. Der Gesang dtr Violen auf den hohen Saiten tut
Wunder in Szenen von religiösem und antikem Charakter.
Z. B. in Wolframs Gesang „ Blick ich umher"
i (zweiter Akt Tannhäuser), Gralserzählung (drit-
; ter Akt Lohcngrin)- geteilte Bratschen in hoher
; Lage unisono mit den Violinen,- auch die wie ferne
:: OrgelkUinge wirkenden Bratschen vor Walthcrs
i Preislied (dritter Akt Meistersinger) gehören hier-
:'' her. (Partiturbeispiele 23,24,85.)
N9 23. Tannhäuser, Akt IL
Wagner.
tapfer, deutsch und vei - se.
ein stolzer Eichwald,herrlich/rischundgr
9039
71
^ undholdund tugendsam er-blick' ich Frauen, lieb- li-cher Blü-ten düf-te-reichster Kranz.
78
N9 24. L..h.Mm'1-in. Akt ITI.
Langsam
einlichter Tempelstehetdort inmit-ten, so kostbaralsauf Erdennichtsbekanntj drineinGe-fäß vonwunderfat'g'cm
'Durch Flageo!'--t hTvorzubringen.
Viol. J
Loheng
Scgenwu(ldortal3höchstcs Heiligtum bewaiht: es ward.daß seijidcrMeiischen reiii-ste pflegen,her-at) von einer Engel - schar gebracht;
4 Hrn
in F.
NQ25. Meistersinger, Akt III.
Massig langsam.
Wagner.
.cresc. f dtm.=~ PP p dolce
(hat sieh zu Hans Sachs am Werktisch gesetzt, wo dieser das Gedicht Walthers nachschreibt.)
(Die beiden Fermaten müssen von besonders langer Dauer sein, um nach dem schneUeren AnschweUen ein sehr allmähliches Ab
nt'hmen ausführen zu lassen.
Spontini kam zuerst auf den Gedanken, denVLo.
len stellenweise die Melodie in seinen wundervollen
Gebeten der „Vestalin" anzuvertrauen. Mehul, ver-
leitet durch die innigen Beziehungen, die zwischen
dem Tone der Violen und dem träumerischen Cha-
rakter der Ossianischen Poesie bestehen, kam darauf,
sich ihrer in seiner Oper„Uthal" ständig und mit
gänzlichem Ausschlüsse der Violinen zu bedienen. Die
Folge davon war, nach dem Ausspruche der Kritiker
jener Zeit, eine unerträgliche Einförmigkeit, welche
dem Erfolge des Werkes schadete. Hierauf bezüglich
war es auch, daß Gretry ausrief: „Einen Louisd'or
würd' ich für eine Quinte geben." In der Tat muß
diese Klangfärbung, so kostbar, wenn sie gut ange-
wendet und dem Klange der Violinen und anderen
Instrumente geschickt gegenübergestellt wird, sehr
bald ermüden; sie trägt, bei wenig Mannigfaltigkeit
zu sehr das Gepräge der Traurigkeit, als dal5 es an-
ders sein könnte.
Zu einer solchen Stelle tiefster Trauer im zwei-
ten Akt der Walküre (nach den Worten Brünnhil -
dcns „Weh, mein Wälsung"), wo die Violen in der
höheren Oktave ilcr Baüklarinette von Wotans
Schwci'mut singen, bildet einen interessanten Ge-
gensatz die in feiger Lustigkeit hintanzende Figur
der Violen bei Mimes Antwort an den drohenden
Wotan (Siegfried erster Akt). (Partiturb^ispielc 26,
87.)
Noch lansrsamer.
NO 26. Walküre, Akt IL
poco rit. a tempo
Wa gner.
CO rit.
Engl. Hörn
75
N9 27. Siegfried, Akt I.
Belebt.
Wagner.
4 Hörner
in F. '
Baß-
Trompete
in Es.
fe^
fz P' "~" / dim. p'
(seine gegenwärtige Lage immer mehr vergessend, reibt sich vergnügt die Hände.)
1 ■ ir IJ- IJ J'pJ'Jii^iw. \i 0 r PI
E-scheStamm stieß es Wo-tan: dem sollt es ge- ziemen, der ausdemStamm'es zog.
pizz. (alle VIc.) (
78
Finde ich die schönen Bratschenkliinge aus dem
letzten Satz der neunten Symphonie von Beethoven
(bei „Ihr stürzt nieder, Millionen") und die humori-
stisch gruselige Solobratsche in Ännchens Arie
(zweiter Akt, Freischütz) schon bei Gevaert erwähnt,
darf ich ferner die feierliche Einleitunjic zum Quar-
tett im Fidelio als allgemein bekannt und verehrt
voraussetzen, so möchte ich doch der extatischen
Solo -Viola, die von den Wundern des Liobcstrankes
kündet (Tristan, erster Akt) und der eigenartigen
Stelle im Fidelio, wo durch das Anschlagen einer
Terz in den Bratschen (bei„wic ein Schatten schwebt )
die abgehärmte Figur FlorcRtans vor das innere
Auge des gerührt lauschenden teilnahmsvollen Zu -
hörers gezaubert wird - noch besonders gedenken.
(Partiturbiispiel 28,29.)
N9 28. Tristan, Akt I.
Wagner.
iBos.)PP
80
N«.> 2d. Fid.'lin. Akt I.
Beethoven.
r'-^J3r.
' 1
^41.
^"W
m^
> pp
Edition Petens.
8J
Man teilt heutzutage die "Violen oft in erste
und zweite. In Orchestern, wie das der großen Oper
in Paris, wo sie allenfalls in hinlänglicher Zahl vor-
handen sind, erwächst daraus kein Nachteil; in allen
anderen Orchestern aber, wo kaum vier oder fünf
Violen sich vorfinden, kann eine derartige Teilung
nur ungünstig wirken, da diese an sich schon so schwa-
che Instrumentalgruppe ohnehin in steter Gefahr ist,
von den anderen Gruppen erdrückt zu werden. Hier
muß ich noch erwähnen, daß die Viola:Instrumente,
deren man sich gegenwärtig in unseren französi-
schen Orchestern bedient, meist nicht die erforder-
liche Dimension haben, sie sind weder der Größe
noch der Klangkraft nach wirkliche Violen, sondern
fast nur mit Violasaiten bezogene Violinen.*) Die Di-
rigenten sollten durchaus auf Abschaffung dieser
Zwitterinstrumente dringen, da deren geringe Klang-
kraft das Orchester um einen der interessantesten Be-
standteile seiner Tonfärbung bringt, und ihm, nament-
lich in den tiefen Tönen, alle Fülle raubt.
Sind die Violoncells melodieführend verwendet,so
werden sie bisweilen vortrefflich durch den Einklang
der Violen verdoppelt; ihr Ton gewinnt dadurch sehr
an Rundung und Lauterkeit, ohne deshalb sein Über-
gewicht einzubüßen. Beispiel: das Thema des Andante
der C-moll Symphonie von Beethoven. (Partiturbeispiel 30.)
*) Prof. Herrn. Ritter in Würzburg hat eine „Viola alta"
gebaut, die zu den vier Saiten der gewöhnlichen Bratsche
noch eine fünfte in der Höhe (auf fe f gestimmt) besitzt.
Das Instrument weist infolge seines größeren Körperbau-
es ein viel bedeutenderes Tonvolumen auf und hat außer-
dem durch die hinzugefügte Quinte den Vorzug einer für
die modernen Orchesterwerke sehr brauchbaren Höhe.
Ihre Einführung ist bis zum heutigen Tage leider noch
eine sehr beschränkte, was wohl vor allem dem Umstände zu-
zuschreiben ist, daß zur manuellen Behandlung der Ritter-
schen Viola alta viel physische Kraft erforderlich; beson-
ders Spieler mit kurzen Armen und kurzen Fingern mögen
Bedenken tragen, sie gegen die bequemere gewöhnliche Brat-
sche zu vertauschen.
Hier wäre auch der von Herrn Stelzner in Dresden ge -
bauten Violotta und Cellone zu gedenken- neue Instrumente,
die das Vorbild der Viola resp. des Violoncells hinsichtlich
eines ausgiebigeren Umfanges nach der Tiefe zu, zu ver-
vollkommnen suchen. Die praktischen Resultate sind aber
bis jetzt für die allgemeine Musikpflege noch zu gering, als
daß von einer Einführung dieser Instrumente ins Orche-
ster die Rede sein könnte. Hauptsächlich, daß sie anders ge-
stimmt, daß heißt tiefere Saiten als die bisherigen Bratschen
und Violoncells haben, macht ihre Anwendung für die vor-
handenen Aufgaben illusorisch- es müßten eben neue Or-
chesterpartien für sie geschrieben werden.
Max Schillings hat die Violotta mit Glück als Solo-
instrument im tragt- komischen III. Akt seiner Oper: „Der
Pfeifertag" verwendet.
NO 30. Cmoll- Symphonie, Satz IL
Andante con moto.
Edition Peters.
CT-
Die Viola iraniour.
Dieses Instrument ist etwas größer als die Vio-
la. Es ist fast überall außer Gebrauch gekommen,
und ohne Herrn Urhan, den einzigen Künstler in Paris,
welcher es spielt, würde es uns nur dem Namen nach
bekannt sein.
Es hat sieben Darmsaiten, von denen die drei tief-
sten, wie das C und G der Viola, mit Silberdraht über-
sponnen sind. Unterhalb des Griffbrettes und unter
dem Stege weglaufend befinden sich sieben andere
Saiten, und zwar von Metall, die im Einklang mit er-
steren gestimmt sind, um, mitklingend, dem Instru-
mente einen zweiten, sanften und geheimniüvollen
Rückschall zu verleihen. Man stimmte dasselbe ehe-
mals auf verschiedene absonderliche Arten; Herr
Urhan hat als die einfachste und vernunftgemäßeste
Stimmung folgende in Terzen und Quarten ange-
nommen:
.f^ . ■ . erste Sallc.
. zweite Saite.
. dilttc Saite.
. vierte Saite.
. fünfte Saite.
. sechste Saite.
. . . siebente Saite.
Der Umfang der Viola d'amour beträgt minde-
stens drei und eine halbe Oktave. Man notiert sie
wie die Viola in zwei Schlüsseln.
Aus der Anordnung der Saiten ersieht man, daß
die Viola d'amour hauptsächlich auf Akkorde zu drei
oder vier und mehr Noten angewiesen ist, mögen sie
arpeggiert oder gleichzeitig zum Anschlag gebracht
oder auch ausgehalten werden; auch ist sie beson-
ders für Melodien in Doppelgriffen geeignet. Ferner
ist zu beachten, daß man betreffs der Harmoniela-
gen, die man für sie schreibt, ein anderes System
als bei Violine, Viola und Violoncell, die sämtlich
in Quinten gestimmt sind, zu befolgen hat, sich also
hüten muß, die einzelnen Akkordtöne im allgemeinen
weiter als eine Terz oder Quarte auseinander zu le-
gen, falls nicht wenigstens für die tiefere Note eine
leere Saite dabei in Betracht kommt. So kann natür-
lich zum A der zweiten Oktave jeder Ton der Tonlei-
ter auf der hohen D; Saite ihrem ganzen Umfange
nach genommen werden.
Wohl überflüssig ist es, die Zusammenklänge
der kleinen Terz und der Sekunde zum tiefsten Tone
des Instrumentes wie:
als unausführbar besonders namhaft zu machen, da
die Töne dieser Intervalle beide nur von der D^Saite
gegeben werden können. Ähnliche Unmöglichkeiten
hinsichtlich der tiefen Saite wird man bei den übri-
gen Streichinstrumenten leicht herauszufinden wis-
sen.
Die Flageolettöne sind auf der Viola d'amour
von wunderbarer Wirkung; man erhält sie ganz auf
dieselbe Weise, wie bei Violine und Viola. Dabei
macht es der Umstand, daß die sieben leeren Sai-
ten als vollkommener Dreiklang zusammenstimmen,
der Viola d'amour sehr leicht, ziemlich schnelle Ar-
peggien sowohl ihres Grundakkordes D-dur in der
höheren Oktave:
Wirkliche Flageolettöne.
und Doppeloktave:
Wirkliche Flageoletfdne.
als auch des A-dur- Akkordes in der höheren Duo-
dezime:
Wirkliche Flageolettöne.
Die Quinten leicht be-
rührend.
Edition Peters.
83
und des Fis-dur-Akkordes in der höheren Sept.
dezime:
Wirkliche Flageolcttöne.
mit Flageolettönen hervorzubringen.
Man sieht aus den gegebenen Beispielen, daß,
wenn man sich diese reizenden Arpeggien der Viola
d'amour zunutze machen wollte, die Tonarten D-, G-,
A-, Fis-oder H-dur die meiste Gelegenheit zu deren
Verwendung bieten würden. Da nun aber jene drei
Akkorde (D-, A-, Pis-dur) ohne Zweifel nicht hinrei-
chen würden, einen etwas modulierenden Gesang
ohne Unterbrechung zu begleiten, so wäre dem durch
Hinzunahme einiger anders gestimmter Violen d'a-
mour leicht abzuhelfen, z.B. mit Stimmung in C oder
in Des, je nach den Akkorden, die der Komponist
für sein Tonstück gebrauchte. Der außerordentliche
Reiz dieser Flageolettöne auf leeren Saiten in
Arpeggien verdiente es wohl, daß man alle mög-
lichen Mittel anwendete, um Vorteil daraus zu
ziehen.
Die Viola d'amour hat einen schwachen und sanf-
ten Klang; sie hat etwas Seraphisches, das zugleich
der Viola und den Flageolettönen der Violine nahe-
kommt. Sie eignet sich hauptsächlich zum gebunde-
nen Stil, zu träumerischen Melodien, zum Ausdruck
verzückter, religiöser Empfindungen. Meyerbeer hat
sie mit Glück in der Romanze des Raoul im ersten
Akte der Hugenotten verwendet. (Partiturbeispiel 31.)
Aber hier wirkt sie nur als Soloinstrument; was wür-
de nicht erst in einem Andante die Wirkung von ei-
ner Menge Violen d'amour sein, die ein schönes Ge-
bet zu mehreren Stimmen ausführten, oder die mit
ihren gehaltenen Harmonien einen Gesang der Violen
begleiteten, oder des Violoncells, oder des Englischen
Hernes, oder des Waldhornes, oder der Flöte in der
mittleren Region, verwebt vielleicht mit Arpeggien
der Harfen! Es wäre wahrhaftig sehr schade,wenn die-
ses herrliche Instrument dem praktischen Gebrauche
verloren ginge, zumal jeder Violinspieler es nach ei-
nem Studium von wenigen Wochen erlernen kann.
NO 31. Hugenotten, Akt I.
Viola d'amour.
tu"»'!' J j N rf-|p I :'u: >\
Edition Peters.
Viola da Gamba.
Die Viola da Giimba (d.h. Kniegeige) war noch
bis in die zweite Hallte des IS't" Jahrhunderts in
Deutsehland in Gebrauch. Erst mit fünf, dann mit
sechs Saiten bezogen, wurde ihr zu Ende des 17^1"
Jahrhunderts noch eine tiefe Saite hinzugefügt
(das große A) und so hatte dieses ehemals sehr
beliebte und mit einem schönen sonoren Klang aus-
gestattete Instrument nachstehenden Umfang:
wie ersichtlich, in Quarten gestimmt mit einer
einzigen Ausnahme. Das Griffbrett war, wie bei
der Laute, mit Bünden versehen, welche die Griffe
für die Töne der Skala abgrenzten.
Die Viola da Gamba ist die Ahne unseres heu-
tigen Violoncells, war nicht ganz so groß wie die-
ses und wurde je nach Bedarf im Baß: "ja
Tenor: »n^ Alt: H^ oder Sopran:
Schlüssel notiert.
Das Violoncell.
Seine vier Saiten sind in Quinten gestimmt,
genau in der tiefern Oktave der vier Saiten der
Viola:
. . . erste Saite.
*J' o ^ . . . zweite Saite.
g . . . dritte Saite.
• ■ • vierte Saite.
Sein Umfang kann, auch ün Orchester, drei und
eine halbe Oktave sein:
Mit den chromatische
Die großen Virtuosen steigen noch höher, indes
gebraucht man diese überhohen Noten, welche nur
als Abschluß langsamer Phrasen Reiz haben, für
gewöhnlich nicht als natürliche Töne, sondern nimmt
sie meist im Flageolet, wo sie leichter ansprechen
und von viel besserer Klangwirkung sind.
Bevor wir weiter gehen, ist es notwendig, den
Leser mit der doppelten Deutung bekannt zu ma-
chen, die man in der Notierung des Violoncell dem
G: Schlüssel gibt. Wenn man diesen Schlüssel
gleich bei Beginn eines Tonstückes oder unmit-
telbar nach vorhergehendem Baßschlüssel setzt,
so stellen die Noten die höhere Oktave der wirk-
ichen Töne dar:
Seine eigentliche Geltung hat er erst dann,wenn
er dem Tenorschlüssel ( C= Schlüssel auf der vierten
Linie) folgt; hier nur gibt er die wirklichen Töne
an und nicht deren höhere Oktave.
Dieser durch nichts gerechtfertigte Gebrauch führt
um so häufiger zu Mißverständnissen, als manche
Violoncellisten keine Notiz davon nehmen und den
G= Schlüssel stets nur in seiner wirklichen Bedeutung
nehmen. Um jeder falschen Auslegung vorzubeugen,
werden wir uns seiner hier nur nach dem Tenorschlüs-
sel, wenn dieser uns zu sehr in die Hilfslinien füh-
ren würde, bedienen, so daß der Violinschlüssel im-
mer nur die wirkliche Tonhöhe, wie im letzten Bei-
spiele, darstellen wird.
Edition Peters.
85
Was wir in Betreff der Doppelgriffe, der Arpeg-
gien, der Triller, sowie der Stricharten bei der Vio-
line gesagt haben, ist überall auch auf das Violon-
cell anwendbar. Nur muß man nie vergessen, daß
seine Saiten, da sie länger als die der Violine sind,
ein beträchtlicheres Auseinanderlegen der Pinger
der linken Hand erfordern, woraus wiederum folgt,
daß die für Violine und Viola möglichen Dezimen -
gänge in Doppelgriffen keineswegs auch auf dem
Violoncell ausführbar sind, und daß man überhaupt
nur dann eine Dezime schreiben darf, wenn die im-
tere Note auf eine leere Saite trifft:
Die folgenden Dezimen würden demnach un-
möglich sein:
S
^m
Ebensowenig ist es dem Violoncell wegen der
Tiefe seines Klanges und der Dicke seiner Saiten
möglich die außerordentliche Behendigkeit der Vio-
line und Viola zu erreichen.
Die natürlichen und künstlichen Plageolettöne,
von denen man auf dem Violoncell im Solo häufig
Gebrauch macht, erhält man auf dieselbe Weise
wie bei der Violine und Viola. Die Länge der Sai-
ten des Instrumentes bewirkt, dais selbst die ganz
hohen natürlichen Plageolettöne, welche in der
Nähe des Steges entstehen, viel leichter und schö-
ner als bei der Violine herauskommen. Eine Über-
sicht derjenigen Plageolettöne, welche auf jeder
Saite am besten ansprechen, folgt hier:
Flnper, leicht die leere Saite berührend.
t
-f-
^
^
^
il^V r'jr Mt
-~f.
Wirkliche Flageoletfune.
^0 " - r frn
*%
0
19-
0
p-
. 0
a»
0
19-
0
II
II
0
b--k [' r r iiiB"! 1 1 ,fer T 1 ' 1 1 1 II
Finger, leicht die Saite berührend.
Dritte Saite.
Finger, leicht die Saite berührend.
Vierte Saite.
Wirkliche Flageolettön
0 0 0 0 °i 0 0 0
^ 0 00 "", 0 0 "■|g-.,^^l9-.0 0"
^^ i j .1 I 'I I I I ^'"i r,||, r ^
■inper, leicht die Saite berührend.
Edition Peters
Die künstliehen Plageolettöne erhält man am
besten dadurch, daß man den ersten Finger oder
den Daumen als künstlichen, beweglichen Sattel fest
aulsetzt und dann die Quarte leicht berührt:
Dieser Pingersatz ist fast sogur der einzige
auf dem Violoncell anwendbare, da die Position mit
der leichtberührten Quinte höchstens in der Nähe
des Steges zu nehmen wäre, wo die Entfernungen
und Verhältnisse viel kleiner als in der Tiefe sind
und die Spannungen der linken Hand daher iii glei-
chem Maße auch geringer werden; in diesem Palle
berührt der vierte Pinger die Quinte und der Dau-
men dient als Sattel:
(Das Zeichen Ö gilt fü
welcher quer auf die Saiten ;
Tonleiter in natürlichen und künstlichen Pla-
geolettönen:
Harmonien aus Violoncell: Flageolettönen wür-
den in einem zarten und langsamen Tonstücke im
Orchester ohne Zweifel von reizender Wirkung sein;
indes ist es bequemer und weniger gefährlich, das
nämliche Ergebnis mittelst geteilter Violinen, wel-
che man in der Höhe der £= Saite mit Dämp-
fern spielen läßt, herbeizuführen. Diese beiden
Klangfarben sind einander in solchem Grade ahn -
lieh, daß es beinahe unmöglich ist, sie zu unter-
scheiden.
Die folgende Stelle, zunächst in Flageolettönen
der Violoncells notiert,
8 2 3 2
Violoncelli I.
Violoncelli III.
wird ebenso genau und viel bequemer von gewöhn-
lichen Tönen der Violinen ausgeführt:
^
.,.r f 1 f
=^=q
r^^-
'^
3' pp CO,, sord n>
1 f f f ^
-
pp con Sordini
n. = P 1
■^
> .
„
Violinen III.
fti n 1'- r — 1 1 r 1
1 r
W-
p'pcoyi Sordini
Im Orchester gibt man den Violoncells gewöhn-
lich die Stimme des Kontrabasses, die sie alsdann
in der höheren Oktave oder im Einklänge verdop-
peln; sehr oft ist es jedoch gut, die Violoncells ge-
trennt vom Kontrabaß zu halten; sei es daß man
den Violoncells in solchen Fällen eine Melodie auf
den hohen Saiten oder sonst eine gesangvolle Stelle
gibt, sei es, daß man sie, um aus der Klangeigen-
tümlichkeit einer leeren Saite Vorteil zu ziehen oder
um eine besondere harmonische Wirkung zu erzie-
len, sogar tiefer als die Kontrabässe setzt, sei es
endlich daß man ihre Stimme zwar ähnlich wie die
der Kontrabässe schreibt, aber mit schnelleren No-
ten ausstattet, wie solche von den Kontrabässen nicht
gut ausgeführt Werden könnten, wie z. B.:
Allegro non troppo. (aus; Berlioz, Requiem.)
Edition Peters.
87
Die Violoncellstimme ist hier in ihrer Bewe -
gung- zwar erregter, unruhiger, bringt aber den-
noch ziemlich dieselben Noten wie die Stimme der
Kontrabässe zu Gehör und folgt ihrer Führung fast
überall.
Gleich nach dieser Stelle in demselben Requiem
trennen sich dagegen die Violoncells ganz und gar
von den Kontrabässen und steUen sich unter diese.
um den fürchterlichen Zusammenstoß der kleinen Se-
kunde in der Tiefe und dabei zugleich die rauhe
Schwingung des C, der tiefsten leeren Saite des
Violoncell, zu erzielen, während die Kontrabasse,
zu der hohen Oktave von diesem C, ein H, mit
voller Kraft auf ihrer ersten Saite erdröhnen
lassen. (Partiturbeispiel 33.)
NQ 32. Requiem: Rex tremendae.
Edition Peters.
Ohne sutf'i Grund, das heilit, wi-nii man nicht
sicher ist, eine besondere Wirkung damit zu erzie-
len, darf man sonst niemals die Violoncells gänz-
lich von den Kontrabässen absondern, noch auch,
wie einige Komponisten getan haben, sie in der Dop-
peloktave über die Bässe schreiben. Das kann nur
dazu führen, die Fundamentaltöne der Harmonie in
ihrer Klangfülle bedeutend abzuschwächen. Die Baß-
stimme, von den Violoncells auf diese Weise ver-
lassen, wird dumpf, rauh und äußerst schwerf'illig,
und kommt mit den oberen Stimmen nur schlecht
in Verbindung, weil die Kontrabässe durch die gro-
ße Tiefe ihres Tones zu weit entfernt von ihnen
liegen.
Dieses Kapitel hat dadurch die größten Verän-
derungen erfahren, als man im Gebrauch der tie-
fen Hörner, der ständigen Einreihung der Baß-
klarinette, in der ausgiebigen Verwendung der Tuba
als melodisches Element, dem Kontrabaß reiche
Hilfstruppen zugeführt hat.
Die bisher zur Baßverdoppelung verwendeten Fa-
gotte erscheinen mir persönlich bloß als Mittel-
stimmen von schöner Wirkung, aber als Baßin-
strumente zu einer Gruppe Holzbläser nur mit Un-
terstützung des Kontrafagotts geeignet.
Dagegen gibt es dem Streichquartett die reich-
ste Gliederung, bei nicht zu sehr mit Bläsern über-
huloiien Stellen, ilio Violoncells als alleinigen Baß
zu verwenden und ab und zu nur durch Pizzicati
der Kontrabässe zu verstärken, wenn man es nicht
vorzieht,- wie es auch Wagner zuerst in den Mei-
stersingern mit vollstem Bewußtsein getan- die
Kontrabässe große Strecken weise ganz schweigen
zu lassen.
Von guter Wirkung ist's, um einer von Violon-
cells und Kontrabässen geführten Melodie rech-
te Intensivität zu verleihen, die Violoncells eine
Oktave tiefer als die Bässe zu schreiben, so daß
sie gleichsam im Einklang spielen - oder endlich
eine Anzahl Violoncells nur durch ein Pult Kon-
trabässe zu unterstützen.
Dagegen ist es, wenn man eine recht sanfte
Harmonie von Streichinstrumenten erzielen will,
oft viel besser, die Baßstimme nur den Violon-
cells zu übertragen und die Kontrabässe pausie -
ren zu lassen. So hat es Weber bei Begleitung
des Adagio der herrlichen Arie der Agathe im
zweiten Akte vom „Freischütz" getan. Bei diesem
Beispiel ist zu bemerken, daß anfänglich sogar die
Violen allein den Baß für die vierstimmige Be-
gleitung der Violinen abgeben; erst kurz darauf
treten die Violoncells ein, um die Violen zu ver-
doppeln. (Partiturbeispiel 33.)
N9 33. Freischütz, Akt IL
Andante. i '^ Adagio.
Fa?.
cresc. f
Andante.
(Sie tritt auf den r^ß~
Altan und erhebt ^^
in frommer Ruh- AHno-in
rung die Hände.) -^tlaglO.
cresc. f p
Edition Peters.
aufzumSternen-krei-se! Lied er - schalle, fei - ernd wal-le mein Ge.bet zur Himmelshai - le!
Recit. (hinausschauend)
I ■ IkJO^pp iipJ'i'^/ipliipj p-^r''%FFP7-^'^^^
1
m
0 wie hell die gxsldVien Sterne, mit wie rei-nemGlanzsieglüiinlnurdort in der Berge Ferne scheint ein
Die Violoncell3, zu einer Anzahl von acht oder
zehn vereinigt, sind wesentlich Ges;inffsinstruinentei
ihr Kl:»nff auf den beiden höheren Saiten ist einer
der ausdrucksvollsten vom ganzen Orchester Nichts
ist so schwerinutsvoU, nichts geeigneter, zarte und
schmachtende Melodien zum Ausdruck zu bringen,
als eine Masse von Violoncells, die auf der hohen
Saite im Einklänge spielen. Gleichfalls vortrefflich
sind sie auch für Gesangsstellen von religiösem Cha-
rakter zu verwenden; an dem Komponisten ist es
dann, die Saiten richtig auszuwählen, welche der
betreffenden Stelle zum Vortrag dienen sollen. Die
beiden tieferen Saiten C und G haben, zumal in den
Tonarten, wo sie oft leer gebraucht werden können,
einen sich hierzu eignenden, salbungsvollen,crnsten
Klanggehalt, nur macht es ihre Tiefe nicht wohl
tunlieh, ihnen anderes, als mehr oder weniger me-
lodische Bässe zu geben, indem, wie erwähnt, die
eigentlichen Gesangsmelodien den höhei"en Saiten
vorbehalten sind. In seiner Ouvertüre zu „Obe-
ren" läßt Weber mit seltenem Glück die Violon-
cells in den hohen Tönen singen, während zwei
A: Klarinetten unter ihnen unisono mit ihren tie-
fen Tönen hinzutreten. Das ist neu und ergrei-
fend. (Pa titurbeisplel 84.)
N9 34. Oberon, Ouvertüre.
Adagio sostenuto.
Edition Peters
Welcher Vielseitigkeit ein einziges Instrument
fähig ist, mögen folgende eklatante Beispiele aus
Rieh. Wagners Werken beweisen-. Die Violoncelli, die
unisono mit den Violinen, in den Meistersingern
91
den edlen Schwung des feurigen Preisliedes in
so intensiver Weise erhöhen (Partiturbeispiel 35)sind
Ausdruck tiefster Zerknirschung im Vorspiel des
dritten Aktes im Tannhäuser. (Partiturbeispiel 36.)
N9 35. Meistersinger, Akt IE.
Wagner.
N9 :m. TaimhaustM', Akt 111. (KiiiUMtung-.)
Andante assai lento.
Wagner.
3 Trp.in Es,
Ein gleich beredter Interpret der Extase des 1 i nimmt das Violoncell ebenso innigen Anteil bei
sterbenden Tristan (Partiturbeispiel 37) wie der rei- I der Schilderung der ganzen Skala von beelenstim-
fen Weltweisheit Hans Sachsens (Rirtiturbeispiel 38) I } mungen des Menschen und der Natur.
N9 37. Tristan, Akt III .
(Sehr ruhig und nicht schleppend.)
Wagner.
Edition Peters
N9 88. MoistcrsiiiK«'!*, Schluß.
In das frühere ZeitmaB zurückkehrend.
Wagner.
Trp.in F.
poco a jjoco cresc
Man denke forner ;in don Anfang der Walküre
(vffl, Partiturbcispul 8 Seit« 12) (Unwetter), ebendort
im ersten Akt an die Stelle des Violoncellsolo (kei-
mende Liebe) (bei Gevaert erwähnt), an Tristan
im ersten Akt (Sehnsucht) (I'urtilurbcispiel 89) und
ebendort an Kurwenals Spottf^esang, im Verein
mit Bratschen und Hörnern (Derbheit). (I'urtitur-
b.'ispi.l '»0.)
Wagner.
Engl.H
100
N'.'40. Tristan, Akt I.
Lebhaft, doch nicht zu schnell.
Wagner.
IrlandsMaid ver-macht, der kannderMagdnichteigensein,dieselbstdemOhmerschenkt. Ein Herr der
Bog^ 1 pizz.
dim. P
/ ■ /r
(Da Tristan durch Gebärden ihm zu wehren sucht, und Brangäne entrüstet sich zum Weggehen wendet, singt Kur-
wenal der zögernd sich Entfernenden mit höchster Stärke nach:)
ha - ben;ein Eilandschwinuntaufö-demMeer,daliegternunbe-gra - - ben! SeinHauptdochhangti;
Bog.,
Fag.
I - renland, als Zins gezahlt von En-ge - land: hei! unser HeldTris-tan, wieder Zins zah-lenkann!'
(,' . . , pizz. Bog.
103
Obschon unsere Violoncellisten heutzutage sehr
geschickt sind und alle möglichen Schwierigkei-
ten ohne Mühe ausführen, ist es doch sehr selten,
daß schnelle Violoncellpassagen in der Tiefe nicht
irgendwie Verwirrung anrichten. Und was Gän-
ge betrifft, welche mit Einsatz des Daumens in
den hohen Tonregionen sich bewegen, so ist da-
von noch weniger Ersprießliches zu erwartenj sie
sind nicht sonderlich klangvoll und ihre Rein-
heit ist stets sehr zweifelhaft. Passagen in die-
sen hohen Regionen sagen offenbar den Violen
oder zweiten Violinen besser zu. In den moder-
nen, reich ausgestatteten Orchestern, wodieVio-
loncells in großer Anzahl vorhanden sind, teilt
man übrigens dieselben oft in erste und zweite;
die ersten führen melodisch oder harmonisch eine
besondere Stimme für sich aus, die zweiten ver-
doppeln die Kontrabässe in der Oktave oder im
Einklänge.
Für Begleitungsformen von trübsinnigem, ver-
schleiertem, geheimnißvollem Charakter setzt man
bisweilen sogar über die Baßstimme, dieselbe den
Kontrabässen allein überlassend, zwei verschie-
dene Violoncellstimmen, und bildet so im Verein
mit der Violastimme ein Quatuor von tiefen Har-
monien. Diese Anordnung ist aber selten wohl
begründet, man muß sich vor Mißbrauch dersel-
ben hüten. (Partiturbeispiel 41.)
N9 41. Romeo und Julie, Abteilung in (Scene d'amour).
104
Das TrtMiiolo zu zwei Saiten, sowie die Arpeg-
jyien im Forte eignen sich sehr gut für das Vio-
loncell; sie bereichern die Fiille der Harmonie
bedeutend und vermehren die allgemeine Klang-
kraft des Orchesters.
In der Introduktion der Ouvertüre zu „Wil-
helm Teir' hat Rossini ein Quintett für fünf So-
lo-Violoncells geschrieben, das von den übrigen,
in erste und zweite geteilten Violoncells mit Piz-
zik-ato begleitet wird. Diese tiefen Klänge glei-
cher Natur sind hier von vortrefflicher Wirkung
und dienen dazu, die Orchestration des darauf
folgenden Allegro noch glänzender erscheinen
zu lassen.
Das Pizzikato darf dorn Violoncell nicht in zu
groLScr Schnelligkeit zugemutet worden, und das
Mittel, das wir zur Vervollkommnung des Pizzi-
kato bei den Violinen vorgeschlagen habcn,würde
bei diesem Instrument wegen der Dicke und Span-
nung seiner Saiten, sowie wegen des zu groüen
Abstandes dieser letzteren vom Griffbrett nicht
so leicht anwendbar sein. Nach dem allgemein
üblichen Verfahren, das Pizzikato auszuführen,
darf man die Schnelligkeit von acht Achteln im
Allabreve- Takte (Allegro non troppo) oder von
zwölf Sechzehnteln in einem Sechsachteltakte
(Andantino) für Pizzikato-Gänge oder-Arpeggien
nur selten überschreiten.
Allegro non troppo.
^^^^Mi^i^l-:i3 ^^^
Der Kontrabaß.
Es gibt zwei Arten von Kontrabässen: solche
zu drei und solche zu vier Saiten. Die zu drei
Saiten sind in Quinten,
p . .erste Saite.
')'• o '■. . .zweite Saite.
*• . . .dritte Saite.
die zu vier Saiten sind in Quarten gestimmt:
.erste Saite,
.zweite Saite,
.dritte Saite,
.vierte Saite.
Der Ton der einen wie der anderen erklingt um
eine Oktave tiefer als die geschriebene Note. Ihr
Umfang im Orchester beträgt zwei Oktaven und
eine Quarte, beim Kontrabaß zu drei Saiten je-
doch in der Tiefe drei Töne weniger.
Kontrabaß mit vier Saiten.
Der Kontrabaß zu vier Saiten ist meiner Mei-
nung nach dem zu drei Saiten vorzuziehen, erst-
lich in Bezug auf die Leichtigkeit der Ausführung,
da die Stimmung in Quarten den Spieler bei Vor-
trag der Tonleiter nicht nötigt, auf dem Griff-
brette fortzurücken, dann aber auch wegen des
großen Nutzens der drei tiefen Töne E, F und
Fis, die dem in Quinten gestimmten Kontrabasse
fehlen, und deren Mangel jeden Augenblick auf
die Führung der sonst bestangelegten Fundamen-
talstimme störend einwirkt, ein Mangel, der oft
notgedrungen für diese wenigen Noten eine un-
angenehme, unbequeme Umschreibung nach der
Höhe veranlaßt. Dieser Übelstand macht sich in
noch höherem Grade bei den englischen Kontra-
bässen bemerkbar, die, obgleich in Quarten^ ge-
stimmt, auch nur drei Saiten haben, A,D,G: 9^0^
In einem guten Orchester sollte man mehrere Kon-
trabässe zu vier Saiten haben, und zwar einige
davon in Terz und Quinten gestimmt: */~ S [|
man erhielte dann mit den anderen, in Quarten
gestimmten Kontrabässen eine Kreuzung von lee-
ren Saiten, die der Klangkraft sehr zu statten
käme:
Kontrabaß in Terz und Quinten gestimmt.
Um den Umfang nach der Tiefe zu erwei-
tern, hat man seit vielen Jahren schon Kontra-
bässe mit fünf Saiten bespannt, das heißt eine
neue Saite dem alten vier-saitigen Kontrabas-
se hinzugefügt, die das -^ i angibt. So viel
Wert der Gewinn dieses tiefen Tones für die Er-
105
zielung vibrierender Sonorität auch besitzt, hat
dadurch doch das Instrument für den Spieler den
i großen Nachteil, daß das Niederdrücken der Sai-
5 ten der Hand die größte Schwierigkeit verur-
5 sacht, da bei einer Bespannung mit fünf Saiten
5 die mittleren sehr hoch über das Griffbrett zu
I liegen kommen. Dem fünf-saitigen Kontrabaß
I ist daher ein vier-saitiger mit einer Klappen-
I Vorrichtung, die das tiefste E nach Belieben in
5 das tiefere C verwandelt, entschieden vorzu-
5 ziehen.
I Am besten hat sich eine von dem Berliner
\ Kammermusiker Max Poike erfundene und von
l Ludwig Glaesel in Markneukirchen ausgeführte
l Neuerung bewährt, die darin besteht, daß die
j E-Saite und ein Teil des Griffbretts, der Men-
l surlänge eines jeden Instrumentes entsprechend,
bis auf Kontra-C
verlängert wird. Um
5 die tiefer als E liegenden Kontratöne bequem
5 spielen zu können, ist an der Seite des Griff-
5 bretts eine Mechanik angebracht, welche aus
5 vier ineinanderliegenden Messingröhrchen be-
1 steht, deren untere Enden mit Fingergriff tasten,
I die oberen mit Saitendrucktasten versehen sind.
I Die Tasten heißen: E,Es,D, Des. Bei Nicht-
I gebrauch der Kontratöne Es, D, Des, C wird die
I Saitendrucktaste E, welche eine Polsterung trägt
I und den Sattel ersetzt, für gewöhnlich geschlos-
i sen. Die Feststellung geschiehtdurch einen Druck
J des Daumens gegen einen Hebel. Die Auslösung
{ erfolgt geräuschlos, wenn Fingergriff taste Ege-
'. halten und ein Feststellhebel durch einen Druck
i auf Fingergrifftaste Es ausgelöst wird.
5 Wo es irgend angeht empfehle ich die Besetz-
j ung mit Kontrabässen verschiedenen Systems, da^
' runter jedenfalls auch den italienischen drei-sai-
j tigen, der sich unvergleichlich besser zur Kari-
j tilene eignet als unsere deutschen Kontrabässe..
l Was die Bögen für den Kontrabaß anbelangt,
l so gibt es noch heute deren zweierlei Arten: die
f mit rund gebogenem Holz_ die schwer zur Kan-
i tilene zu verwenden sind und dem Ton etwas har-
5 tes und gerissenes geben_ und der vergrößerte
', Violoncellbogen, der allein alle Spielarten der
1 Streichinstrumente auch auf dem Kontrabaß er-
* möglicht.
Die Kontrabässe sind im Orchester für die
tiefsten Töne der Harmonie bestimmt. Ich habe
bereits oben gesagt, in welchem Falle man sie
von den Violoncells trennen kannj den Nachteil,
welcher dadurch für die Fundamentalstimme er-
wächst, kann man dann (bis zu gewissen Grenzen)
dadurch verdecken, daß man die Kontrabässe (in
der Oktave oder im Einklänge) durch Fagotte,Bas-
sethörner, Baßklarinetten, oder durch die tief-
sten Töne der gewöhnlichen Klarinetten verdop-
pelt;*^ aber abscheulich finde ich es, wenn man-
che Musiker bei dieser Gelegenheit auch Posau-
nen und Ophikleiden verwenden, deren Klangcha-
rakter ja weder innere noch äußere Ähnlichkeit
mit dem der Kontrabässe hat und sich daher sehr
schlecht mit ihm verbindet.
i Hauptsächlich ist die Hinzuziehung der Po-
i saune als Baßverstärkung gänzlich zu verwer-
l fen. Es kommt eben in diesem Punkte allesauf
5 die geschmackvolle Art der Verwendung der sich
■ für Baß -Verdopplungen eignenden Instrumente
an. Ich erlaube mir, auf die Benutzung der ver-
schiedenen Baßtuben in den Partituren meines
Zarathustra und Heldenleben hinzuweisen —
In großen Tuttis werden häufig- ich selbst
habe den Fehler begangen- wichtige Baßthe-
men, die von den drei Posaunen zu blasen wa-
ren, noch durch Fagotte, Violoncelli und Kon-
trabässe unterstützt. Dies ist ganz wertlos: denn
der harte, durchdringende Ton der wuchtigen
drei Unisono -Posaunen wird eher durch diese
Unterstützung gemildert als verstärkt. Wenn
l man also den Fagotten und Streicherbässen
5 nicht Füllstimmen oder Figuration zu geben hat,
l lasse man sie bei solchen „marcatos" der Po-
l saunen lieber ganz schweigen— es sei denn, daß
I man deren Klangkraft zu mildern geradezu be-
J absichtige.
Nicht unmöglich ist es, daß sich hin und wie-
der passende Gelegenheit bietet von den Flageo-
lettönen der Kontrabässe mit Erfolg Gebrauch zu
machen. Die bedeutende Spannung der Saiten,
ihre Länge und ihr Abstand vom Griffbrett be-
dingen jedenfalls von den künstlichen Flageo-
lettönen ganz abzusehen; die natürlichen Fla-
geolettöne aber sprechen sehr gut an, nament-
lich von der Mitte der Saite aus (welche die hö-
here Oktave gibt) nach der Höhe zu; es sind die
nämlichen Flageolettöne wie bei den Violoncells,
doch eine Oktave tiefer.
Von Doppeltönen und Arpeggien kann man
auf dem Kontrabasse im Notfalle Gebrauch ma-
chen, aber nur dann, wenn sie aus höchstens
zwei oder drei Noten bestehen, und wenn von
diesen Noten höchstens eine zu greifen ist,
z.B.
Kontrabässe in Quarten gestimmt:
pocoy
ff ff Jf ff
Kontrabässe in Quinten gestimmt:
poco f
) Am besten benutzt man hierzu das Kontrafagott.
Edition Peters. 9039
10«
Sehr Ifuht erhält mau ein unterbrochenes Tre-
molo (treinolo intormitteiit), und zwar vermötje
der Elastizität des Bo^'cns, der nach einem ein-
zigen, ziemlich lebhaften Anschlag mehrmals auf
die Saiten zurückprallt:
AUofiio Miodorato.
Nicht so verhält es sich mit der folgrenden Stelle:
AUegro modcrato.
i-f^f#fJL^UJJJJJJJjJ
Diese lälil sich nur als anhaltendes Tremolo uiid
nicht ohne Mühe bewci'kstelli{ccn, indem hierbei
die Saiten mit der Spitze des BoRcns, die der
Kraft entbehrt und wenig Ton gibt, gespielt wer-
den müssen.
Das anhaltende Tremolo der Kontrabässe, wenn
auch weniger dicht als das oben erwähnte, ist
jedoch von ausgezeichneter dramatischer Wir-
kung;-
i und der Ausdruck erhabensten Schauers! (Man
? sehe Vorspiel zu Parsifal)._ Eine in ihrer Art
! einzige Verwendung der tiefsten Instrumente
des Orchesters findet sich im II. Akt Walküre,
bei Wotans Erzählung. (Partiturbeispiel 42.)
NO 43. Walküre, Akt IL
Mäßig langsam
Wagner.
Was kei-nem in Wor-ten ich kün-de, un - aus-ge-sprochenbleiÜ es denn e - wig:
107
Wu-ten gejagt, gewann ich mir die Welt. Un-wissend trug voll T^nti^u-e übt' ich, band durch Ver-
Edition Peters.
Edition Peters.
109
Die al-les\veiß,\vaseinsten\var, Er-da, dieweihlichwei-se-steWa-la,
riet mir ab von dem Ring, warn-te vor e - wi-gem En-de. Von dem En- de wollt' ich mehr noch
(nur die 6 zweiten Vlc.)
110
(»urüclchaltend)
J^-W^' P pl»M ^^■'^^-
wis-senj dochschweigendver-schwand mir das Weib. Da ver - lor ich denleich-ten Mut;
.(6) pizz- Bog.
Ein wenif? bewegter
Hörn II.
iiiE.
8 Pos.
K.B.-Pos
Pke.
Wot.
Mit arht Schwestern Zop ich dich auf; durcheuch Wal - kü-renwoUt ich wenden,was mirdie
Wa - la zu fürchten schuf: ein schmähliches En-deder Ew'gen. Daß stark zum Streit uns
Edition Peters
113
trü-ber Ver-trä-ge trü-gen-de Ban - de zu blin - den Ge-hor- sam wir uns ge
Edition Peters.
11«
8 Klar, in A
^^
i^=äJf i nJ)^
8Fa5.
imm grolltmirder Niblung; dochsche^^ichnunnichtseinenächti^enScharen, meine Hel-denschüfenr
pocoi
Sieg.
Nur weimje den Ring zurück er gewänne, dannwä-reWal-hall ver-
pizz.
^pptrem.
Edlenend-loserSchmachjderHelden Mutentwendet er mir, dieKühnen selber zwäng' erzumKampf, mit ihrer
Edition Petens.
119
bin-den: Der durch Ver-trä - - - ge ich Herr, denVer-trä -gen bin ich nun Knecht
Hoi aller Euit'iuhhoit bedeutet diese Stelle für
mich mit das unerhörteste Wunder eines Ge-
nius, dem es wie keinem zweiten vergönnt war,
alle Regungen des Gemiits, alle Schwingungen
der Leidenschaft mit einer Deutlichkeit in die
Klangfarbe des Orchesters umzusetzen, die je-
den Hörer unbezwinglich bannt und überzeugt.
— nichts verleiht dem Orchester eine drohen-
dere Physiognomie; aber es darf nicht lange an-
dauern, soiist würde es wegen der Ermüdung der-
jenigen Spieler, welche sich wirklich bemühen es
gut auszuführen, bald zur Unmöglichkeit werden.
Ist man für längere Zeit genötigt, die Tiefen des
Orchesters in dieser Weise aufzuwühlen, so ist es
besser, man teilt die Kontrabässe in zwei Stim-
men und gibt ihnen nicht ein wirkliches Tremolo,
sondern nur wiederholte beschleunigte Anstöße,
die unter sich rhythmisch verschieden sind, währ-
end dann die Violoncells das echte Tremolo aus-
führen:
AUegro.
^FT-^ 1
^
i
-^j — 1
"'/
-<,
F=f=^
^J— J
mrr-
1^
Kontrabaß II.
yL=£
Da hier die Sechzehntel der einen Stimme nur
bei Beginn jedes Taktgliedes mit den Triolenach-
teln der anderen Stimme zusammentreffen, so ent-
wickelt sich daraus ein dumpfes Gemurmel, das
dem Tremolo sehr nahe kommt, dieses also ziem-
lich gut ersetzt. Ich glaube sogar, in vielen Fäl-
len sind diese verschiedenartigen, gleichzeitig
zu hörenden Rhythmen dem eigentlichen Tremo-
lo vorzuziehen.
Schnelle diatonische Läufe zu vier oder fünf
Noten sind oft von ganz treffender Wirkung und
lassen sich sehr gut ausführen, wenn wenigstens
eine leere Saite dabei vorkommt:
schsverer, wegen des abwärts laufenden Ganges:
^'fV
^^g^^^^^^S ^^&i_i— a
Wollte man durchaus einen längeren raschen
Lauf der Kontrabässe in Verwendung bringen, so
wäre es am besten, man teilte sie und übertrüge
auf sie jenes Verfahren der Verteilung, welches
ich bei den Violinen gezeigt habe; man müßte
dann aber besonders darauf achten, daß die er-
sten Kontrabässe den zweiten nicht zu fern ste-
hen.
Kontrabaß II.
Sehr unrecht ist es, daß man dem schwerfäl-
ligsten aller Instrumente heutzutage oft Stellen
von solcher Schnelligkeit hinschreibt, die selbst
die Violoncells Mühe haben würden gut heraus-
zubringen. Daraus entstehen bedeutende Miß-
lichkeiten; die Kontrabassisten, zu bequem oder
in Wahrheit unfähig, um gegen dergleichen Schwie-
rigkeiten anzukämpfen, leisten gleich anfangs
Verzicht darauf und sind beflissen, die Stelle
zu vereinfachen; da aber die Vereinfachung der
einen nicht die der anderen ist, weil sie nicht
alle die gleichen Gedanken ob der harmonischen
Wichtigkeit der verschiedenen dabei vorkommen-
den Noten haben, so ergibt sich eine Unordnung,
eine Verwirrung, die schrecklich anzuhören ist.
Dieses summende Chaos seltsamer Geräusche,
häßlicher Grunzlaute, wird dadurch noch vergrö-
ßert, daß wieder andere Bassisten, eifriger oder
auf ihre Geschicklichkeit mehr vertrauend, sich
in unnützen Anstrengungen ergehen, um der Stel-
le, genau so wie sie geschrieben steht, Herr zu
werden.
Die Komponisten müssen also wohl darauf be-
dacht sein, von den Kontrabässen nur das Mög-
liche zu verlangen, um einer guten Ausführung
sicher zu sein, und um zugleich das alte Verein-
fachungssystem der Kontrabassisten, welches in
der früheren Instrumentalschule allgemein be-
folgt ward und dessen Gefährlichkeit wir soe-
ben gezeigt haben, gänzlich zu beseitigen. Hat
Edition Peters.
lai
der Komponist nur Sachen geschrieben, die der
Natur dts Instrumentes zusagen, so muß sie der
Spieler ausführen, nichts mehr, nichts weniger;
ist aber der Komponist im Unrecht, so hat er so-
wohl wie die Zuhörer die Folgen davon zu tra-
gen, die Ausführenden sind dann für nichts mehr
verantwortlich.
i Düsteres, Schauriges, Grübeln und Versun-
l kenheit wiederzugeben, dazu eignen sich die Kon-
i trabässe ganz besonders; als Beispiele dienen
\ hier nur:
Die Solostelle in Verdis Otello,
Das Lied der Alten in Marschne^s Hans
Helling,
Tristans Erwachen (im dritten Akt)
und die Fuge in meiner Tondichtung: Also sprach
i Zarathustra.
(Partiturbeispiele 43. 44. 45. 46.)
NO 43. Otello, Akt W.
Poco piü mosso.
Otello tritt mit der ersten Note durch eine geheime Tür in Desdemonas Schlafgemaj^
(N,ur vier-saitiRe Kontrabässe Soli mit Sordinen ) „ ^^ , ,-^ (Alle) ,^ h^Tü^-
Vcrlap G. Ricordi* Co., Mailand
122
4Fdff.
Edition Peters.
unpoco marcato cresc.
9089
NO 44. Hans Helling, Akt H.
Andante sostenuto
(Durch die ganzeNummerhört man den Wind sausen, aberiiiir an den bezeich-
neten Stellen stark.)
Fag.
Hornl.
inE.
Eingei-zi-ger, harther-zi-gerMann,denSchatz zu he-ben kommt er an; des Nachts wohl auf der Hei
.consord. £ 1£ r^
>\ dim,
Edition Peters
125
N945. Tristan, Akt III.
Langsam
Wagner.
ingl.Horn.
Verlag Breitlmpf 4 Hartel, Leipzig.
6 Horner<
in F.
Viol. I.II.
mit Dämpfer.
Viola.
N946. Zarathustra, Fuge.
Sehr langsam. („Von der vVissenschaft.")
127
Die Schleifer (fusees), welche man in kbinen
Noten den größeren Noten voranzusetzen pflegt:
werden durch schnelles Hinuntergleiten auf der
Saite ausgeführt, ohne daß es dabei mit der Rein-
heit eines jeden Zwischentones zu genau genommen
wird; die Wirkung derselben kann ungemein glück-
lich sein. Man kennt die wutvollen Stöße, welche
die Kontrabässe dem Orchester versetzen, indem
sie das hohe F mit Anlauf der vier kleinen Noten
Edition Peters. S
h, c, d, e erfassen, — in der Höllenszene des „Orpheus",
bei den Worten:
„Wenn ihm mit schrecklichem Drohen
Den Eingang der Cerberus wehrt!"
Dieses rauhe Gebell, eine der höchsten Eingebungen
Glucks, ist hier noch um so fürchterlicher, als der
Tonsetzer dabei die dritte Umkehrung des vermin-
derten Septimenakkordes (f-gis-h-d) anwendet und,
um seinem Gedanken Prägnanz und möglichste Hef-
tigkeit zu geben, die Kontrabässe nicht nur mit den
Violoncells, sondern auch mit den Violen und der
ganzen Masse der V^iolinen in der Oktave verdoppelt,
^artiturbeispiel 47.)
N9 47. Orpheus, Akt II
Gluck.
Edition Peters
Beethoven hat ebenfalls aus solchen nicht deut-
lich artikulierten Noten Vorteil gezogen, aber in ent-
gegengesetzter Weise, und zwar mit Betonung der
Anfangsnote einer derartigen Gruppe. Diese
Baßgänge finden sich in der Gewitterszene der Pas-
toralsymphonie, und geben treffend den Gedankender
Anstöße eines heftigen, den Regen peitschenden Win-
des und des dumpfen Getöses eines stürmenden Un-
wetters wieder. Zu bemerken ist hierbei, daß Beethoven
129
bei dieser, sowie bei vielen anderen Gelegenheiten
den Kontrabässen in der Tiefe Noten gegeben hat,
die sie nicht ausführen können; man könnte hier-
aus schließen, daß das Orchester, wofür er schrieb,
Kontrabässe besaß, die bis zum C der tiefen Ok-
tave des Violoncell-C hinuntergingen, Kontrabässe,
die man heutzutage nicht mehr findet.
(Partiturbeispiel 48.)
N948. Pastor alsymphonie, Satz III. (Gewitter, stürm.)
Allegro
Beethoven .
Trp.in Es,
Trp.in Es,
^.,. &
I.VZ
Vom vortrorilithor Wirkung ist's, bei reinoii
RlHsorsttllen die in den Fagotten oder BiiUklari-
netten oder tiefen Hörnern, oder gar Tosaunen
oder Haßtuben liegenden Unterstimmen je nach
Krfordernis durch ein oder mehrere Pulte Kon-
trabässe verdoppeln zu lassen, wenn man nicht
gleich vorzieht, durch Kontrafagott oder Kon-
frahalJklarinette den lf> Fuß zu geben.
So wird sehr oft die Komturstcllo in Mozarts
Don Juan von Mlasern allein ausgeführt, während
gerade Kontrabässe, die der göttliche Mozart den
Posaunen beigegeben hat, (besonders hinter der
Szene) der Stelle eine ganz merkwürdig geister-
hafte Färbung verleihen. (Purtiturbeispiel AOJ
N9 49. Don Juan, Akt II.
Adagio.
« Ob.
: Klar, in R.
«Paff.
Alt-Pos/
TenrPos.S
Don Juan
Leporello.
Kontrab.
Wer sprach hier?
')r,l I
oyia-nu. Hier r U •
1 1 p ^fH'iH^isi
^^
Ach, ein Geist war's g-anzbe-
133
Bisweilen wirkt es dramatisch und schön, wenn
man den Violoncells die wirkliche Fundamental -
stimme oder wenigstens solche Noten gibt, welche
den Akkord bestimmen und auf die schweren Takt-
teile treffen,unt er ihnen aber dem Kontrabaß eine
für sich bestehende Stimme zuerteilt deren Füh-
rung, von Pausen unterbrochen, der Harmonie
gestattet, sich auf die Violoncells zu stützen. In
der bewundernswerten Szene im „Fidelio", wo Leo-
nore und der Kerkermeister Florestans Grab gra-
ben, hat Beethoven die ganze feierliche Würde des
Ausdrucks, die düstere Trauer dieser Art der In-
strumentation gezeigt. Er hat jedoch in diesem Falle
den wirklichen Baß den Kontrabässen gegeben.
N9 50. Fidelio, Akt II.
Andante con moto.
Dieses Stück wird durchaus sehr leise gespielt und die s/^und^ müssen nicht zu stark ausgedrückt werden.
Ten.-u.
Baß-Pos.
m.i: i: ^illVli^i: l ^ U l ^
(Rocco fängt gleich mit dem RitorneU an zu arbeiten, während dessen benutzt Leonore die Momente, wo sich
Rocco bückt, um den Gefangenen zu betrachten.)
3 S 3 3 3 3 3
137
188
Um ein trauervolles Si-hwciRon auszudrücken,
habe ich in einer Kantate den Versuch gemacht, die
Kontrabässe in vier Stimmen zu teilen und sie auf
dioso Weise unter einem Decrescendo des ganzen
übrigen Orchesters lange Akkorde im Pianissimo
aushalten zu lassen. ( Purtiturbclspiel 51.)
N951. Le cinq Mai, Kantate für Baß und Chor.
Berlioz.
139
Edition Peters.
Das Pizzikato der Kontrabässe, stark sowohl
wie schwach, ist von guter Klangfülle, wenn man
es nicht gerade bei sehr hohen Tönen anwendet ;
aber es ändert je nach den Harmonien, denen es
zur Unterlage dient, den Charakter. So wirkt das be-
rühmte Pizzikato- A in der Freischütz-Ouvertüre
nur durch den Widerhall des verminderten Sep-
timenakkordes (fis-a-c-es), der dadurch, auf schledi-
tem Taktteile, in die erste Umkehrung gestellt wird,
so drohungsvoll und höllenbang. Als Dur- Tonika
oder Dominante, halbstark wie im vorliegenden
Falle angeschlagen, würde dies A nichts Fremd-
artiges mehr an sich haben. Siehe Freischütz- Par-
titur. (Etition Peters N9 1000.)
Man vergleiche ferner:
NO 5S. Tristan, Akt I.
Wagner.
Faff.
Violen.
((fctcilt)
Wodortdie grü-nen Flu-ren dem Blick noch blau sich fär-ben , harrt mein Kö - nig- mei-ner Frau ;
Bei dieser Stelle ruft in mir das Pizzikato-
G der Kontrabässe zu dem Nonenakkord stets
eine Farbenempfindung hervor. _ _ _
Wenn ich mir vergönnen darf über die so sehr
schwierige Behandlung des Streichkörpers
der so oft ein ganz merkwürdig widerspensti-
ges Instrument in der He.nd des Stümpers wird-
einige Winke zu geben, so möchte ich außer den
in Stil und Technik mustergiltigen Streich-
quartetten Mozarts die Partituren Rich.Wagners
insbesondere auf ihre Streichquintett - Poly -
phonie hin zum Studium empfehlen. Das Sieg-
fried-Idyll mit seiner herrlichen Linienführung
und die vom Tremolo fast gereinigten Tristan
und Meistersinger sind auf jeder Seite für sich
schon ein wahres Kompendium für die Kunst, den
Streidikörper zur vollen Klangentfaltung zu
bringen. Ein hervorragendes Beispiel in Bezug
auf polyphone Führung und Verwendung der
weiten Lage- die ein reiches Mitklingen der
Obertöne gestattet- sind von dem in diesem
Punkte überhaupt mustergiltigen Preisliede die
Takte, wo Walther singt: „Dort unter einem Wun-
derbaum, von Früchten reich behangen, zu schau'n
in seligem Liebestraum, was höchstem Lustver-
langen Erfüllung kühn verhieß, das schönste
Weib". (Partiturbeispiel 53.)
»'»•.' N958. Meistersinger, Akt III. (Pieisiied.)
Sehr mäfliy. »ehr lauir
Wagner.
Ein weniff zurückhaltend.
143
Wolihp Instrumentalgruppe könnte an der als
geniale Eingebung so einzigen Stelle besser den
Eindruck tiefster, innerer Vorsunkenheit hervor-
bringen, als das bei Tristans Worten „Siehst du sie,
siehst du sie noch nicht?" in tiefer Lage sammet-
woich eintretende Streichquintett, das anscheinc^nd
bewegungslos und doch so geheimnißvoll schwin-
gend und leise vibrierend den sehnsuchtsvoll ster-
benden Tristan in eine schönere Traumwelt hin-
überführt! (Partiturbeispiel 54.)
N9 54. Tristan, Akt III
Wagner.
Wie sie se - lig-, hehr und mil - de wan - delt durch des Meers Ge - fil - de ?
146
Dio Dämpfer kommen bei den Kontrabässen zwar
ebensowie bei den übrigen Streichinstrumenten zur
Anwendung, doch ist die damit erzielte Wirkung nicht
eben charakteristisch; sie verringern den Klangge-
halt der Kontrabässe nur ein wenig und machon
ihn düsterer und matter.
Ein piemontesischer Künstler, Mr.Langlois,dtr
sich vor ungefähr fünfzehn Jahren in Paris höriMi
ließ, erzielte auf dem Kontrabaß (mit Bogen), indem
er die hohe Saite, statt sie auf das Griffbret auf-
zudrücken, zwischen den Daumen und Zeigefinger
der linken Hand festklemmte und so bis nahe an
den Steg heranrückte, sehr eigcntümliclio hoho Töne,
Töne von unglaublicher Kraft. Wäre man genötigt,
im Orchester das heftige Aufschreien einer weib-
lichen Stimme wiederzugeben, kein anderes Instru-
ment als die Kontrabässe, auf diese Art behandelt,
würde hierzu hesser befähigt sein. Ich bezweifle,
daß unseren Künstlern die Mechanik des Herrn
Lanriois betreffs der hohen Töne bekannt ist, sie
würden sich aber leicht und in kurzer Zeit damit
vertraut machen können.
Instruiuente, deren Saiten gezupft werden.
Die Harfe.
Dieses Instrument ist seinem Wesen nach an-
tichromatisch, das heißt: die Folgen in halben Tönen
stehen ihm nicht eigentlich zu Gebote. Warum dies
so ist, soll zunächst erörtert werden. Der Um-
fang der Harfe betrug ehemals nur fünf Oktaven
und eine Sexte:
Wie man sieht, gehört diese Tonleiter der
Tonart Es-dur an; in ihr waren in der Tat auch
alle Harfen gestimmt, bis der geschickte Instru-
mentenmacher Erard einen Mechanismus ersann,
Die chromatischen Zwischentöne lassen sich auf der
alten Harfe nur vermittelst sieben Pedalen erlangen,welche
der Spieler mit dem Fuße beweg-en und je eins nach
dem andern feststellen kann; ein jedes dieser Pedale
erhöht die Note, auf welche der betreffende Mechanismus
Bezug hat, der ganzen Ausdehnung der Tonleiter nach,
also nicht bloß einzeln für sich, um einen halben Ton.
Demnach kann z.B. das Fis-Pedal nicht ein F erhöhen,
ohne zu gleicher Zeit nicht auch alle anderen F in der
ganzen Tonreihe mit zu erhöhen. Daraus ergibt sich zu-
nächst, daß jede chromatische Tonleiter (abgesehen von
der den Mißlichkeiten dieses Systems abhalf; er
schlug hierbei die Stimmung der Harfe in Ces vor,
eine Einrichtung, die heutzutage fast alle Harfen-
spieler angenommen haben.
solchen in besonders langsamer Bewegung), jede Folge von
Akkorden, welche chromatische Fortschreitungen bedingen oder
nichtverwandten Tonarten angehören, _ daß ferner zum größ-
ten Teil auch Verzierungen, welche aus chromatisch ver-
setzten Vorschlägen oder mehreren dergleichen kleinen Noten
bestehen, unausführbar oder, bei Ausnahmefällen, doch über-
trieben schwer und von häßlicher Wirkung sind. Vollständig'
unmöglich auf der Harfe in Es sind drei große Septimen- und
drei kleine Nonenakkorde, weshalb man dieselben aus der
harmonischen Vorratskammer für immer verbannen muß;
es sind folgende:
und man wird leicht daraus ersehen, daß alle Akkorde in
denen zu gleicher Zeit Ces und B vorkommen, nicht mög-
lich sind, weil (wenn die Harfe in Es gestimmt ist und die
Pedale jede Saite nur um einen halben Ton erhöhen) man
Ces nur durch Anwendung des H-Pedals hervorbringen kann,
welches seinerseits sofort alle B der Tonleiter unmöglich
macht. Ganz ebenso verhält es sich mit Des, welches
durch Erhöhung des natürlichen C entsteht, wie auch
mit Ges, das aus Erhöhung des F hervorgeht.
Da die Pedale der Harfe in Es in ihrer Gesammt-
heit nur die drei durch t erniedrigten Töne (b,es, as) in
ihren natürlichen Stand zurückversetzen, vier andere Töne
(f, c,g, d) aber nur erhöhen können, so folgt daraus, daß
diese Harfe nur in acht Tonarten spielbar ist, nämlich in
Es,B,F,C,G,D, A,E.
Die übrigen vier Tonarten (As, Des, Ges, Ces ) kön-
nen nur durch enharmonische Verwechselungen, indem
man eins oder mehrere Pedale nimmt und sogleich wieder
verläßt, erlangt werden. In As-dur z.B. ist des nichts an-
deres als das enharmonische eis; der Spieler muß also
das Cis-Pedal alsbald, nachdem er es- genommen, wieder
verlassen, damit er das natürliche c, die große Terz der
eben herrschenden Tonart, frei behält; außerdem muß er,
diatonisch aufwärts gehend, eine Saite (d) überspringen,
was so unbequem ist, daß man dergleichen Tonleitern
nahezu als unausführbar betrachten kann:
147
Noch größer werden diese Ubelstände und Schwierig--
keiten in Des- und Ges-dur, Tonarten, denen,init Ausnahme
einiger Akkorde, fast gar nicht beizukommen ist. Übrigens
bietet Ges-dur sowohl wie Ces-dur noch eine neue Schwie-
rigkeit dadurch, daß bei ihren Tonleitern der Spieler teil-
weise zu einer völligen Transposition genötigt wird, in-
dem er die Saite Fis anschlagen muß, wenn das Auge die
Note ges vor sich hat, die Saite H, für die Note ces,_
die Saite Cis, für die Note des. Allerdings wird die Tonart
Ces-dur etwas zugänglicher, wenn man sie in ihrer andern
Gestalt, als H-dur schreibt; da aber hierbei alle Pedale zu
nehmen sind, so hat man beim Spiel der Tonleiter doch
immer, wie bei As-dur, die abschreckende Schwierigkeit
zu überwinden, daß man eine Saite überspringen und das
eine Pedal verlassen, sogleich aber auch wieder nehmen
muß, weil Leitton Cenharmonisch) und Tonika auf ein und
derselben Saite befindlich sind.
Aus dem folgenden Beispiel ist ersichtlich, daß man,
um eine chromatische Tonleiter von zwei Oktaven Umfang,
wie diese :
Allegro.
Fed.Ped. Ped. Pfd. Bd.
auszuführen, genötigt ist, sehr schnell fünf Pedale nach
einander für die erste Oktave allein in Bewegung zu set-
zen, sie alle ebenso pünktlich wieder zu verlassen, damit
die durch sie erhöhten Noten in ihren ursprünglichen Stand
zurückversetzt und so für die höhere Oktave wieder ver-
fügbar werden, und endlich sie noch einmal in derselben
Weise zu benutzen, wie bei der ersten Oktave. Eine der-
artige Tonleiter ist demnach, selbst in sehr mäßiger Be-
wegung, für alle Harfen unmöglich.
Handelt es sich um eine Folge von Akkorden wel-
che unverwandten Tonarten angehören, so fällt die Un-
möglichkeit noch mehr in die Augen, da man in diesem
Falle gleichzeitig mit mehreren Pedalen auf diese Weise
verfahren, also mehrere auf einmal nehmen und wieder
verlassen müßte:
Gewisse Vorschläge und Verzierungen, welche chroma-
tische Folgen enthalten, können allerdings wohl oder übel
zu Gehör gebracht werden; die meisten von ihnen sind je-
doch wie bereits erwähnt, kaum ausführbar, und diejenigen,
die man als Ausnahmen gelten lassen kann, bleiben immer-
hin von ziemlich schlechter Wirkung, da die Bewegung
des erst zu nehmenden und im gleichen Augenblick wie-
der zu verlassenden Pedals auf die Klangschwingungen
der Saite einen nachteiligen Einfluß ausübt. So ist z. B.
das Folgende :
Allegro.
möglich:
möglich:
Figuren dagegen wie die nächsten, und ähnliche Stellen, die
in kurzen Zwischenräumen und bei lebhafter Bewegung meh-
rere Halbtöne in sich schließen, sind beinahe unmöglich.
Noch ist zu erwähnen, daß man die Harfe, da sie mit
beiden Händen gespielt wird, auch auf zwei Systemen notiert.
Das untere Notensystem bekommt gewöhnlich den BaJ3-, das
das obere den Violinschlüssel; steigen aber die unteren
Noten in die Höhe oder die oberen Noten in die Tiefe,
dann kann jeder der beiden Schlüssel auch bei beiden
Systemen zugleich zur Anwendung kommen.
Durch diese Anordnung wird die Zahl der unausführ-
baren Passagen für die Harfe in Es noch vermehrt, weil
eine Stelle für die rechte Hand wohl leicht sein, doch
aber dann unmöglich werden kann, wenn die linke Hand
in der Begleitung gewisse Noten hören lassen soll, die
in der Melodie durch ein Pedal chromatisch verändert
sind, während die Harmonie dieselben unverändert
gebraucht. z.B.
Die beiden mit * bezeichneten Akkorde sind nicht
spielbar, weil sie ein natürliches f enthalten, das in der
Oberstimme erhöht worden ist. In solchen Fällen muß
man also in einer oder der andern Stimme diejenige Note,
welche sich in solcher Doppelgestalt zeigt, unterdrücken .
Im vorliegenden Beispiel ist es besser, man läßt den Akkord
der linken Hand unvollständig und verzichtet auf das natürliche f.
Soll eine Melodie, die vorher von anderen Instru-
menten bereits vorgetragen worden ist, von der Harfe
wiedergegeben werden, so muß man sie, falls sie un-
mögliche oder auch nur gefährliche chromatische Stellen
enthält, geschickt abändern, indem man einen oder meh-
rere der alterierten Töne durch andere, der Harmonie
entnommene, ersetzt. Anstatt also der Harfe die folgende
Melodie so zu geben, wie sie vorher die Violinen vor-
getragen haben:
AUegretto.
glaubte der Verfasser sie für die Harfe auf diese Weise:
AUegretto.
notieren zu müssen. Die Natur der Mechanik der Harfe
erheischte dieses Opfer der vier sich folgenden Halbtöne
im dritten Takte.
Alle diese bis hierher erwähnten, schwer ins
Gewicht fallenden Mißlichkeiten veranlaßten vor ei-
nigen Jahren Herrn Erard, einen andern Meiha -
nismus zu erdenken, nach welchem die Harfen:
Doppel-Pedalharfen oder Harfen mit dop-
pelter Verriickung (a double mouvement ) genannt
werden. Worin dieser Mechanismus besteht, und
wie er der Harfe gestattet, wenn auch nicht chro-
matische Fortschreitungen zu machen, so doch we-
nigstens in allen Tonarten zu spielen und alle
Akkorde anzuschlagen oder zu arpeggieren, soll
im Folgenden erläutert werden.
Die Doppel-Pedalharfe ist in Ces gestimmt, ihr
Umfang beträgt sechs Oktaven und ein Quarte.
Die sieben Pedale, mit denen sie versehen ist,
sind so eingerichtet, daß der Spieler mittelst eines
jeden derselben nach Belieben die betreffenden Sai-
ten sowohl um einen ganzen Ton als auch nur
um einen halben Ton erhohen kann. Nimmt man
nach und nach die sieben Pedale für den halben
Ton, so wird die Harfe in Ces in die Tonarten
Ges, Des, As, Es, B, F und C umgestimmt und da-
rin festgestellt; erhöht man hierauf jede Saite
um den andern Halbton mittelst der zweiten
Verrückung der Pedale, so werden dadurch die
sieben Noten der natürlichen Tonleiter in fis,
eis, gis, dis, ais, eis und his umgewandelt, wodurch
dann die Harfe die Tonarten G, D, A, E, H, Fis
und eis erhält.
Somit sind nun der Harfe alle Tonarten zu-
gänglich. Die Molltonleitern aber lassen sich nur
dann feststellen, wenn man sie aufwärts so wie
abwärts gehend behandelt, ohne auf die übliche
Abänderung betreffs der sechsten und siebenten
Stufe Rücksicht zu nehmen; im entgegengesetzten
Falle müßte man noch zwei Pedale nehmen und
wieder verlassen.
Behält man die übermäßige Sekunde zwischen
der sechsten und siebenten Stufe in beiden Richtun-
gen der Molltonleiter bei, so kann dieselbe gleich-
falls festgestellt werden, und die zufällig bedingte
Anwendung der Pedale ist nicht nötig,- ein Vorteil,
beträchtlich genug, um diese Tonleiter zu bevorzugen:
'''-^j j I ^ 'i^f r II i'^i ' ' I I ^
Was die sechs der Harfe in Es versagten
Akkorde anbelangt, so worden wir sehen, daß die
doppelte Verrückung sie möglich macht. Der Ak-
kord:
ist sehr leicht ausführbar, da seine
vier Noten in der Tonleiter der Harfe in Ces vorhan-
den sind. Der folgende: ;^ i,J^[{ erfordert nur
die Anwendung der beiden Pedale für die Halb-
töne (d, f); ebenso braucht auch dieser: ^ öM\
nur zwei (f,c). Der Akkord: ^^^^^= bedingt
drei Pedale (c,e,g) dagegen: ft^^^^UlZ nur eins (f),
und der letzte: yife||= wieder drei (f, a,c) .
Alles das ist ohne Schwierigkeit auszuführen.
Selbst der Akkord, welcher zu gleicher Zeit das
natürliche und das erniedrigte c darzustellen
scheint, ist ausführbar:
Das doppelt
erniedrigte d (oder natürliche c) erhält man
mittelst des Pedals, welches ces um einen halben
Ton erhöht, und ces ist durch das Pedal zu er-
zielen, welches das b um einen halben Ton er-
höht; das doppelt erniedrigte a entsteht aus dem
um einen halben Ton erhöhten ges; das fes end-
lich bedarf gar keines Pedals, da es in der
Tonleiter der Harfe in Ces als Normalton ent-
halten ist. Dieser Akkord, geschrieben wie oben,
würde demnach unter dieser seltsamen Form :
m IiIjJImo^^^ ausgeführt werden, woraus sich er-
gibt, daß er besser in C-dur in dieser Gestalt:
(fe .LJo = zu notieren wäre. Überhaupt wäre es
besser, wenn man die Doppel- Pedalharfen in ei-
nem Orchestersatze, der für die übrigen Instru-
mente in H-dur notiert ist, zu verwenden hätte,
der Klangfülle und der bequemen Ausführung we-
gen, die Harfen in ihre Normaltonart Ces umzu-
schreiben:
Edition Peters.
149
Die Komponisten müssen bei Aussetzung der
Harfenstimme Sorge tragen, daß der Spieler einige
Zeit im Voraus auf die Veränderungen, welche er
bezüglich der Pedale vorzunehmen hat, aufmerksam
werde, indem sie z.B. einige Takte vor Eintritt
der betreffenden Modulation die Worte hinsetzen:
„Gis vorzubereiten", „Pedal für C zu nehmen" u. s.w.
Nachdem wir die Natur der Harfe hinlänglich
erklärt haben, sprechen wir jetzt von ihrem Fin-
gersatz, den viele Komponisten irrigerweise mit
dem Fingersatze des Pianoforte, der jenem doch
keineswegs gleich ist, verwechseln.
Man kann mit jeder Hand Akkorde zu vier
Noten anschlagen, wenn die beiden äußersten No-
ten den Umfang einer Oktave nicht überschreiten:
Auch sind vermöge der großen Spannfähig-
keit zwischen Daumen und kleinem Finger Dezimen
zu erreichen und demzufolge Akkorde, wie die fol-
genden, spielbar:
Indes ist eine solche Lage weniger bequem und
weniger natürlich, also auch weniger klangvoll,
weil kein einziger Finger die Saite hierbei mit
derselben Kraft wie bei gewöhnlicher Lage er-
fassen kann.
Akkorde in der äußersten Tiefe des Instru-
mentes sind, wie beiläufig erwähnt sei, ohne Klang-
fülle und erzeugen verworrene Harmonien; z.B.
Man muß sie daher vermeiden.
Diese tiefen Töne eignen sich nur zur Ver-
doppelung eines Baßganges in der unterenOktave:
Die Töne eines Akkordes nach einan-
der folgend zu spielen, gleichviel ob in auf-
wärts oder abwärts gehender Richtung, liegt recht
eigentlich in der Natur der Harfe; nach dem ita-
lienischen Namen derselben (Arpa) bezeichnet man
ja diese Akkordfigurationen mit dem Namen Ar-
peggien. Im allgemeinen und zumal bei lebhaf-
ter Bewegung dürfen auch sie den Umfang einer
Oktave nicht überschreiten, da sonst eine Ver-
änderung der Handlage nötig wird, was bedeu-
tende Schwierigkeiten verursacht.
AUegro.
g
fast un-
mög'Iich:
Über den Umfang der Oktave hinausgdien darf
eine Note nur beim Abschluß einer Stelle:
gut:
Auch das folgende Beispiel ist sehr leicht,
weil die Veränderung der Handlage in der Rich-
tung von der Tiefe nach der Höhe zu geschieht,-
und zur Ausführung der kleine Finger, der hier-
bei kaum verwendbar wäre, nicht benutzt wird-
und weil ferner auch der vierte Finger nicht
genötigt ist, zwei Noten hinter einander zu spielen.
Im allgemeinen muß man darauf bedacht sein,
die beiden Hände nicht zu nahe an einander zu
bringen, sondern sie eine Oktave oder wenig-
stens eine Sexte weit auseinander zu halten,
sonst stören sie sich gegenseitig. Wenn ferner
beide Hände einen Akkord in Terzentfernung von
einander arpeggieren, wenn also eine und die-
selbe Saite von dem Finger der einen Hand in
demselben Augenblick wieder erfaßt wird, wo
der Finger der andern Hand sie eben verlassen
hat, so ist unausbleibliche Folge, daß die Saite
keine Zeit hat zu schwingen, und der Ton sofort
nach «einem Entstehen wieder erstickt wird.
üJHjuüi^
P^iißjJüüM
Dasselbe,
sehr K'ut,weg'en
der Entfernung'
beider
Alle Tonfolgen, bei welchen ein und derselbe
Finger sprungweise von einer Saite zur andern
übergehen muß, dürfen nur in sehr mäßigem
Tempo geschrieben werden.
Will man eine schnelle Fotgo diatonischer
Oktaven haben, so muß man sie im allgemeinen
für beide Hände schreiben. Der gleiche Fall findet
bei Sextengängen statt. Letztere sind zwar ebenso
wie die Terztonleitern, auch für eine Hand allein
ausführbar, jedoch nur in abwärts gehender
Richtung, wobei der Daumen von einer zur andern
der oberen Noten hinübergleitet, während die un-
teren Noten von den drei übrigen Fingern gespielt
werden. Folgender Gang:
ist schwer wegen der Entfernung, die der Daumen
mit den übrigen Fingern innezuhalten hat; die
nächsten beiden sind weniger schwer:
^ frtTRij.'i ■
Was wir oben betreffs der Auseinanderhaltung
beider Hände gesagt haben, erleidet bei diesen Terz-
tonleitern insofern eine Ausnahme, als sie sich mit
beiden Händen ausführen lassen; denn bei diatoni-
schen Fortschreitungen kommt der Übelstand, daß
der eine Finger gleich nach dem Anschlag des an-
dern dieselbe Saite nehmen muß, viel weniger in
Betracht, da hier der Saite, wegen der darauf fol-
genden diatonischen Zwischennote, etwas mehr Zeit
gelassen wird, zu schwingen. Gleichwohl ist es im-
mer besser, entweder solche Terzenfolgen zwei Har-
fen zu übertragen, indem man der einen Harfe die
Oberstimme, der andern die Unterstimme gibt, oder,
wenn man nur eine Harfe zur Verfügung hat und doch
viel Ton haben will, daß man die Stimmen um eine
Oktave auseinander legt und so lieber Dezimenfolgen
schreibt; z.B.
Will man, auf- oder absteigend, einen Arpeg-
giengang in schneller Bewegung hören lassen, wel-
cher den Umfang einer Oktave überschreitet, dann
muß man denselben, statt in zwei Stimmen in
einer, geteilten, schreiben, so daß die eine Hand
ein Bruchstück ausführt, während die andere Hand
die Lage ändert und sich für das nächste Bruch-
stück vorbereitet, und so wechselweise weiter, wie
aus folgender Notierung zu ersehen:
Alle^ro
In Oktavenverdoppelung würde dieser Arpeg-
giengang unausführbar sein. Das nächste Beispiel
ist in lebhafter Bewegung ebenfalls unausführbar,
in langsamer aber möglich:
Im Tannhäuser (zweiter Akt) steht zu den
Worten Tannhäusers „Zu Gottes Preis, in hoch
erhab'ne Fernen u. s.w." eine Harfenstelle, die
so gut wie unausführbar ist:
f^ärl^-ftttm, ^, ffrwfcte
Der Triller läßt sich auf der Harfe machen,
doch ist er nur in den höheren Regionen in seiner
Wirkung erträglich. Das Hammern(martellement;auf
einer Note, bei den alten Harfen schwer und unan-
genehm wegen des zirpenden Geräusches, das der
Zeigefinger gleich nach Anschlag des Daumens
auf der Saite, deren Schwingungen unterbrechend,
verursacht:
ist bei den neuen Harfen leicht und wohlklingend,
da die doppelte Verrückung der Pedale gestattet,
die Nachbarsaite von derjenigen, welche den häm-
mernden Ton wiedergibt, um einen ganzen Ton
zu erhöhen und somit das Hämmern auf zwei
Saiten im Einklänge zu bewirken:
ais ais ais
151
Außerdem kann man das zwei- oder vierstim-
mige Hämmern, das bisweilen im Orchester sehr gut
verwendbar ist, dadurch erhalten, daß man zwei oder
mehrere Harfen benutzt und ihnen Akkordfiguren
gibt, die sich gegenseitig kreuzen (batteries croi-
sees); diese bieten keine Schwierigkeiten und
bringen genau die beabsichtigte Wirkung hervor.
AUegro.
Alleg:ro.
^^rnmmm-
Die Wirkung der Harfen wird (abgesehen von
einem Vortrag in engerem Kreise, der auf die Nähe
der Hörer berechnet ist) um so besser, je zahlrei-
cher sie vorhanden sind. Die Töne, Akkorde oder
Arpeggien sind dann von außerordentlichstem Glänze
und überstrahlen Orchester und Gesang. Nichts ent-
spricht in so hohem Maße unseren Vorstellungen
von überirdischem Festgepränge, von religiöser
Pracht und Herrlichkeit, als die Klänge einer
geistvoll behandelten großen Anzahl von Harfen.
Aber auch einzeln gebraucht oder in Gruppen zu
zwei, drei oder vier, sind sie von sehr glücklicher
Wirkung, sowohl wenn sie sich mit dem Orchester
vereinigen, als wenn sie den Singstimmen oder
Solo-Instrumenten zur Begleitung dienen. Es ist
merkwürdig, daß von allen bekannten Klangfär-
bungen gerade diejenige der Hörner, der Posau-
nen und überhaupt der Blechinstrumente sich am
besten mit der ihrigen vereinigt. Die tieferen
Saiten, deren Ton (die weichen und dumpfen Saiten
der äußersten Tiefe ausgenommen) so verschleiert,
so geheimnisvoll, so schön ist, sind fast nie anders
als zu Begleitungsbässen der linken Hand benutzt
worden; mit Unrecht. Es ist wohl wahr, daß die
Spieler nicht eben Vorliebe für Stücke besitzen,
die sich in diesen Oktaven bewegen; die betref-
fenden Saiten sind ziemlich entfernt vom Ausfüh-
renden und nötigen ihn, sich vorwärts zu beugen,
die Arme auszustrecken, und demnach längere
oder kürzere Zeit eine unbequeme Stellung ein-
zunehmen; aber dieser Grund ist wohl für die
Komponisten schwerlich maßgebend gewesen. Die
Hauptsache wird sein, daß diese gar nicht daran
gedacht haben, jenen eigentümlichen Klangcha -
rakter zu verwerten.
Beispiel für den schönen, anmutiger
gehalt der tiefen Saiten:
Klang-
Andantino.
pry^fj-fp Ff P F]
. .
^^ y^
Ff^
1
^^Ä=^=
™™^
3
^
^H: i:
H-^
^7. 1^
4r^
Die Saiten der letzten hohen Oktave geben
einen lieblichen, krystallhellen, sinnlich- frischen
Klang, der die anmutigsten Zauberbilder in uns
zu wecken vermag und sich vortrefflich dazu eignet,
in freundlich-holde Melodien zarte Geheimnisse
einzuflüstern- nur ist es erforderlich, daß sie
niemals vom Spieler mit Kraft angeschlagen wer-
den, denn in diesem Falle wird ihr Klang trocken,
hart, ähnlich dem eines zerbrechenden Glases.
Die Flageolettöne der Harfe, und nament-
lich mehrerer Harfen im Einklang, haben noch grö-
ßeren Zauber. Die Solospieler benutzen sie oft in
den Kadenzen ihrer Phantasien, Variationen und
Konzerte. Aber nichts gleicht dem Wohlklange
dieser geheimnisvollen Töne, wenn sie sich mit
den Flöten und den mittleren Tönen der Klari -
netten vereinigen; es ist zu verwundern, daß erst
ein einziges Mal, und zwar vor gar nicht langer
Zeit, die Verwandtschaft dieser Klangfarben und
die Poesie ihrer Verbindung erkannt und prak-
tisch verwertet worden ist. *^
Die besten Flageolettöne, und so ziemlich die
einzigen auf der Harfe anwendbaren, erhält man
dadurch, daß man mit dem unteren fleischigen Teile
der Hand die Mitte der Saite leicht berührt und
mit dem Daumen und den beiden ersten Fingern
derselben Hand dann anspielt; daraus ergibt sich
die höhere Oktave des gewöhnlichen Klanges.
Man kann so mit beiden Händen zugleich Fla-
geolettöne angeben.
Andantino.
Flag-eolettijne....
Beispiel:
Wirkung".'
Es ist sogar möglich, zwei oder drei
Flageolettöne auf einmal mit einer Hand
allein hervorzubringen, dann ist es aber
klug, der andern Hand nur eine einzige
Note zu geben:
♦) Man vergleiche die schon früher bei den Flageolet -
tönen der Violinen erwähnte Stelle aus„Romeo und Julie", wel-
che zugleich auch Flageolettöne der Harfen in Anwendung
bringt. (Partiturbeispiel 9. Seite 36.)
Nicht alle Saiten der Harfe eignen sich zu
Flageolettönen; man darf hierzu nur die der bei-
den vorletzten tiefen Oktaven benutzen, denn nur
diese sind sowohl lang genug, um durch leichte
Berührung in der Mitte geteilt werden zu kön-
nen, als auch gespannt genug, um die Flageo -
lettöne deutlich ansprechen zu lassen.
Flageolcttöne
Falls der Verlauf eines Tonstückes oder die
Art der Instrumentation den plötzlichen Über-
gang der Harfe von einer Tonart in eine sehr
entfernte andere bedingt, (von Es-dur nach
E-dur z. B.), kann man diesen Übergang nicht
auf ein und demselben Instrumente bewerkstel-
ligen-, man muß dann eine zweite Harfe in Be-
reitschaft haben, die, in der Kreuz-Tonart ge-
stimmt, unmittelbar die Stimme der in der Be =
Tonart tätig gewesenen Harfe fortsetzt. Ist der
Übergang nicht so plötzlich und hat man nur
ein Instrument zur Verfügung, dann muß der
Komponist dem Spieler immer noch eine ziem-
liche Anzahl Pausen geben, damit derselbe Zeit
hat, alle zur Modulation nötigen Pedale fest-
zustellen. Werden die Harfen bei vorhandener
größerer Anzahl als wesentlich zum Orchester
gehörige Bestandteile behandelt, (nicht nur dazu
bestimmt, ein Vokal- oder Instrumentalsolo zu be-
gleiten), so teilt man sie gewöhnlich in erste und
zweite Harfen, und gibt ihnen zwei getrennte
Stimmen, wodurch ihre Wirkung bedeutend reich-
haltiger wird. Auch eine größere Anzahl ver-
schiedener Harfenstimmen kann ohne Zweifel wohl
begründet sein; sie wird sogar, wie wir bereits
gesehen haben, unerläßlich, sobald ohne Unter-
brechung des Harfenspiels ein plötzlicher Über-
gang in entfernte Tonarten ermöglicht wer-
den soll.
Die Basreliefs von Theben, auf denen sich
eine genaue Darstellung der antiken Harfen
befindet, beweisen, daß dieselben keine Pedale
hatten, folglich auch niemals modulierten. Die
nicht minder antiken, heutigen Tages noch bei
den gallischen und irischen Barden in Gebrauch
stehenden Harfen haben mehrere Reihen Saiten;
ohne Zweifel sind sie durch diese Einrichtung
dem chromatischen Stile und den Modulationen
mehr oder weniger zugänglich gemacht.
Ich habe oben bei Besprechung der gehäm-
merten Töne auf die vorteilhafte Eigenschaft der
neuen Harfen hingewiesen, die es ermöglicht, mit-
telst der doppelten Verrückung der Pedale zwei
Saiten im Einklang stimmen können: z.B. (^^^f j
wobei das eine dieser beiden ces von der Ces:
Saite, das andere von der um einen halben Ton
erhöhten B = Saite hervorgebracht, oder ffly p— 1
wo das eine es von der Es-Saite, das andere
von der um zwei halbe Töne erhöhten Des-Saite
bewirkt wird. Man sollte kaum glauben, welche
Ausbeute die großen Harfenspieler aus diesen
Doppelsaiten, die sie Synonymen nennen, jetzt
zu machen verstehen. Parish-Alvars, vielleicht der
außerordentlichste Virtuos, der je auf diesem
Instrumente gehört ward, führt Gange und Ar-
peggien aus, die beim ersten Anblick absolut
unmöglich scheinen, deren ganze Schwierigkeit
jedoch nur in dem sinnreichen Gebrauche der
Pedale besteht. Er spielt unter anderen auch
den folgenden Gang mit außerordentlicher Schnel-
ligkeit:
AllegTO assai.
Daß ein solcher Gang leicht ausführbar ist,
erklärt sich daraus, daß der Spieler hierbei nur
mit drei Fingern von der Höhe nach der Tiefe
über die Saiten der Harfe zu gleiten hat, und
zwar ohne besondern Fingersatz und so schnell
als er will, weil ja mittelst der Synonymen das
Instrument ausschließlich in einer Folge von klei-
nen Terzen, die den verminderten Septimenak-
kord ergeben, gestimmt ist, weil also anstatt
der Tonleiter :
der folgende Intervallengang die Reihenfolge der
Saiten darstellt:
Edition Peters.
153
Hierbei muß nur der Ton a beachtet werden,
der nicht doppelt erscheinen, folglich auch keinen
Wiederanschlaff haben kann. Denn allerdings
ist es nicht möglich, vier Synonymen auf einmal
herzustellen, einfach weil es in der Tonleiter
eben nur sieben Töne gibt, vier Synonymen aber
acht Saiten voraussetzen würden. Außerdem ist
zu bemerken, daß der Ton a überhaupt nur von
einer einzigen Saite: von as aus erlangt werden
kann, nicht auch von der Nachbarseite ges aus,
die bei doppelter Verrückung des Pedals sich
nur um zwei Halbtöne, also höchstens bis auf
as erhöhen läßt. Diesem Übelstande begegnet
man noch auf zwei anderen Saiten: auf dem
ces und fes.
Zur Zeit fehlen demnach der Harfe noch
die drei Synonymen d, g und a; aber dieser
Mangel (denn ein solcher ist es in der Tat )
würde sofort schwinden, wenn die Instrumen-
tenmacher, wie Parish-Alvars vorschlägt, für die
Pedale der drei Noten ces, fes, ges eine drei-
fache Verrückung anbringen wollten, die es
gestattet diese Saiten um drei Halbtöne zu erhöhen.
Herr Erard täte Unrecht, wenn er eine derartige
Lücke im Mechanismus dieses Instrumentes fort-
bestehen ließe; eines so geschickten Instrumen-
tenbauers wäre es würdig, der erste zu sein,
der sie ausfüllte.
Will man nicht alle synonymen Saiten auf
einmal gebrauchen, so kann man selbstverständlich
auch andere Akkorde als die der verminderten
Septime erlangen; diese mannichfaltigen Kombi-
nationen, die jeder selbst machen kann, wenn er
sich von der Wirkung der Pedale auf die Saiten
genau Rechenschaft gibt, werden noch bedeutend
zahlreicher werden, wenn durch eine dreifache
Verrückung der Pedale ces, fes, ges, die drei
Synonymen, welche der Harfe zur Zeit noch feh-
len, gewonnen sind.
Von der obenerwähnten Art des Glissando
(in verminderten Septimenakkorden) ist ein
glänzendes Beispiel in Liszts Dante- Sinfonie
zu finden, als Symbol für die aus dem Inferno
auftauchenden Geistergestalten der unglückli-
chen Francesca da Rimini und ihres Geliebten.
CPartiturbeispiel 55.)
N9 55. Dante- Symphonie, Satz I.
Quasi Andante, ma sempre un poco mosso
Liszt.
Verlag- Breitkopf 4 Härtel, Leipzig-.
154
Wenn ich bei der Harfe wieder auf den vor-
sichtigen Gebrauch hinweise, den Rieh. Wagner
(siehe Lohengrin als eklatantes Beispiel, oder
auch Tristan im zweiten Akt) mit der Harfe
gemacht hat, um, wenn er sie verwendet, stets
außerordentliche und frappanteste Wirkungen
mit den Farbentönen dieses schönen Instru-
mentes zu erzielen, so kann ich den Anfänger
nur wiederum warnen, mit allen besonders
grellen und charakteristischen Farben des Or-
chesters so sparsam wie möglich zu verfahren
und sich, bevor er sie hinschreibt, zehnmal zu
überlegen, ob diese Farben an dieser Stelle
mibedingt nötig und nicht durch einfachere
zu ersetzen seien.
Der Mißbrauch, der heutzutage mit allen die-
sen besonderen Leckerbissen des Orchesters getriebai
wird, wie Harfen, Flageoletts, Schlagwerk (nur als
aufgetragene Glanzlichter zu verwenden, wenn
sie gut und eigentümlich wirken sollen_siehe
den einzigen Triangel schlag am Schluß des
zweiten Aktes im Siegfried_)_dieser Mißbrauch
ist schrecklich. Das Ohr des Zuhörers wird
unnötig abgestumpft, und aus feinen Glanzlich-
tern an entscheidender Stelle sind planlos hin-
geschmierte Farbenkleckse geworden. Berlioz
besaß eine außerordentliche Spezialkenntnis der
Harfe, die bei ihrer Schwierigkeit nicht von
jedem Autor verlangt werden kann.
Von Rieh. Wagner existiert das komische Wort,
daß er, als der Harfenist Tombo in München
bei der ersten Probe des Rheingoldschlusses dem
Meister voller Betrübnis erklärte, des Meisters
Harfenstimme sei absolut unspielbar, zu dem vor-
trefflichem Künstler sagte: „Sie können nicht von
mir verlangen, daß ich auch noch Harfe spiele;
Sie sehen, welche Wirkungen ich erzielen will,
richten Sie sich nun die Stimme nach Ihrem
Gutdünken ein". Wer nun nicht mit Gewißheit
in sich den genialen Instinkt eines Rich.Wagners
fühlt, der beherzige lieber das Sprichwort:
quod licet Jovi, non licet bovi.
Die Harfe muß auch im Orchester stets soli-
stisd) behandelt werden, will man nicht unnützer-
weise Noten hinschreiben, die nicht gehört werden.
Im Tutti des modernen Orchesters ist die
Harfe nur in vielfachen Verdoppelungen wirksam.
Die Harfenstimme im Tristan wird zu Bayreuth
vierfach besetzt! _ _
Ein bei Berlioz nicht erwähnter Effekt auf
der Harfe ist das für die Ausführung des Tre-
molo angewandte B i sbigliando.*' Man notiert
das Tremolo in derselben Weise wie fürs Klavier,
z.B.
der Harfenist führt es aber
nicht mit einer Hand aus, sondern verteilt es zwi-
schen Linke u. Rechte: :
Es lassen sich auf diese Weise auch Figuren wie fol-
fj ^<a -«g oder:
gende ausführen:
0 d. i. leise flüsternd, rauschend.
Die Gitarre.
Die Gitarre ist ein Instrument, welches sich
Bur Hegleitunp der Singstimme, wie auch zur
Verwendung in manchen Instrumentalkompositionen
intimen Charakters eignet; ebenso verwendbar ist
es zum Solovortrag mehr oder minder kompli-
zierter mehrstimmiger Tonstücke, deren Reiz
nicht zu leugnen ist, wenn wirkliche Virtuosen
sie ausführen.
Sie hat sechs Saiten, in Quarten und Ter-
zen gestimmt wie folgt:
Bisweilen stimmt man sie auch auf folgende Weise,
namentlich für Tonstücke in E-dur :
Die drei tiefen Saiten sind von Seide, mit.
Silberdraht übersponnen, die drei anderen sind
Darmsaiten. Die Gitarre ist ein transponierendes
Instrument von drei Oktaven und einer Quinte
Umfang, das man im Violinschlüssel, eine Oktave
höher notiert, als es tatsächlich klingt.
Notierung:
Mit den chromatischen Zwischentönen.
Triller mit großer und kleiner Sekunde sind
im ganzen Umfange der Tonleiter ausführbar.
Es ist fast unmöglich, gut für die Gitarre
zu schreiben^ wenn man sie nicht selbst spielt.
Gleichwohl sind die meisten Komponisten, die sie
anwenden, weit davon entfernt, sie genau zu
kennen und geben ihr Dinge zur Ausführung,
die ungemein schwer, ohne Klang und ohne Wir-
kung sind. Wir wollen versuchen, wenigstens
die Art und Weise, wie einfache Begleitungen
für sie zu schreiben sind, hier anzugeben.
Bei gewöhnlicher Lage der rechten Hand stützt
sich der kleine Finger auf den Boden des Instrumentes;
der Daumen ist bestimmt, die drei tiefen Saiten
in Schwingung zu versetzen, der Zeigefinger über-
nimmt das G -m^- J -^ , der Mittelfinger das
H Wn^ , dei Ringfinger das hohe E a>- ~^=.
Hieraus folgt, daß, wenn Akkorde zu mehr als
vier Noten gespielt werden sollen, der Daumen
genötigt ist, über eine oder zwei der tieferen
Saiten hinwegzugleiten, während die übrigen drei
Finger die drei hohen Saiten direkt anschlagen.
Bei Akkorden von vier Noten greift jeder Fin-
ger nur die Saite, die für ihn bestimmt ist; die
Finger wechseln die Saiten nur dann, wenn es
sich um den Anschlag tief liegender Akkorde
handelt, z. B.
Da die Gitarre hauptsächlich ein Instrument
der Harmonie ist, so ist es sehr wichtig, die
Akkorde und also auch die Arpeggien, welche
sie ausführen kann, kennen zu lernen. In Fol-
gendem geben wir eine Anzahl derselben in ver-
schiedenen Tonarten.
Wir beginnen mit den leichtesten; das sind
die, welche sich ohne Anwendung des Quergriffes
(barrage) machen lassen, eines Verfahrens, wobei
der Zeigefinger der linken Hand sich quer auf
das Griffbrett über zwei, drei oder vier Saiten
hinweg legt und so als künstlicher Sattel dient.
(Der Sattel ist, wie bekannt, die kleine Querleiste
am Griffbrette, auf der die Saiten ruhen, und
durch welche deren Länge so weit, als die Schwin-
gungen reichen sollen, abgegrenzt wird.)
InC.
Ebenso diese Akkorde in allen ihren Bruchteilen.
157
InG.
fr..jJ||J|J]|jll|^^
Die Tonarten, welche B-Vorz;eichnung haben,
sind ungleich schwerer als die vorhergehenden
und erfordern alle den Quergriff. Die leichtesten
Akkorde sind die folgenden:
Bei allen Akkorden muß man vermeiden die
erste und dritte der tiefen Saiten zu gebrau-
chen, ohne dabei die zweite Saite in An-
wendung zu bringen, der Daumen wäre sonst
genötigt, über diese zweite Saite hinwegzusprin-
gen, um von der ersten zur dritten zu gelangen.
Es ist daher unmöglich, die folgenden Akkorde
anzuschlagen:
fügt man aber die zweite tiefe Saite hinzu, so
werden sie leicht:
Auch muß man sich in acht nehmen, die Do-
minantseptimenakkorde in der gewöhnlichen Lage
von drei übereinander gestellten Terzen zu schrei-
ben, wie hier:
Sie sind beinahe unmöglich. Der folgende ist
zwar schwer, aber ausführbar: fe n = weil
das g eine leere Saite ist; nur der nächste ist
sehr leicht und klangvoll: fe «{{I
leeren E- Saite.
Die drei folgenden Akkorde:
wegen der
sind leicht und lassen sich in allen Tonarten gut
aneinanderfügen.
Ebenso in Fis-dur, G-dur, As-dur u.s.w.
Selbstverständlich können diese Akkorde manch-
mal mehr als vier Noten haben und zwar in den
Tonarten, die ihnen eine tiefe leere Saite hinzu-
zufügen gestatten, wie also in A-dur, E-dur,
G-dur, F-dur, und überall, wo eine dieser drei
Noten:
als Baß dienen kann.
Die nächste Akkordfolge, welche den Qupr-
griff über vier Saiten erfordert, ist auf den bei-
den unteren Dritteln des Griffbrettes der Gitarre
ausführbar:
und so fort in halben Tönen aufsteigend bis zu :
was den äußersten Punkt in der Höhe bezeichnet,
wo dieser Fingersatz überhaupt in Anwendung
kommen kann.
Die folgenden Arpeggien sind auf der Gitarre
von ausgezeichneter Wirkung.
r'^'i- ^i^ '^i^ ^M^ ' H
Die im letzten dieser Beispiele befindlichen
zwei hohen (gebundenen) Noten werden mit dem
kleinen Finger der linken Hand durch Ann-ißen
der E-Saite ausgeführt.
Die Arpeggien in der Richtung von oben
nach unten sind ziemlich unbequem, jedoch aus-
führbar:
'^::i]ä^^
in umgekehrter Richtung sind sie dagegen sehr
leicht. Die folgenden:
sind wegen der bei den beiden tiefen Noten rück-
wärts zu machenden Bewegung des Daumens viel
schwerer und weniger vorteilhaft.
Die mit wiederholtem Anschlag einer Note
aus je zwei und zwei gebundenen Tonen gebil-
deten Tonleitern, wie im nächsten Beispiel, sind
zierlich und klingen gut, namentlich in den gün-
stigen Tonarten des Instrumentes; wie z.B.
Die Terzentonleitern, obschon an den beiden
äußersten Endpunkten schwer, können bei mäßi-
gem Tempo ausgeführt werden:
Derselbe Fall findet bei Sexten- und Okta-
venfolgen statt.
Das zwei-, drei-, vier- und selbst scchs-oder
achtmalige Wiederanschlagen ein und desselben To-
nes vollzieht sich leicht; das längere Wirbeln auf
einem solchen ist dagegen nur auf der hohen
Saite oder allenfalls auf den drei hohen Saiten
gut angebracht:
Die mit D bezeichneten Töne werden mit
dem Daumen, die anderen Töne wechselweise mit
mit dem ersten und zweiten Fiilger angeschlagen.
Beim Wirbeln wechselt der Daumen mit dem ersten
und zweiten Finger auf der nämlichen Saite:
Alletr
Die Flageolettone sprechen auf der Gitarre
sehr gut an und lassen sich in manchen Fällen
vortrefflich verwenden.
Die besten sind diejenigen, welche man auf
den leeren Saiten durch leichtes Berühren von
Oktave, Quinte, Quart oder großer Terz hervor-
bringt. Wie wir bereits bei Besprechung der
Streichinstrumente gesagt haben, gibt die Oktave,
leicht berührt, eben diese Oktave selbst:
159
die Quinte gibt
die Duodezime:
'irkliche Flaeeolettüne.
die kleine Terz
endlich die höhere
Oktave der Duo-
dezime:
Diese letzten Flageolettöne klingen am we-
nigsten hell und sprechen schwer an. Nicht zu
übersehen ist bei der oben gegebenen Übersicht
dieser Töne, daß der Ausdruck „wirkliche Fla-
geolettöne" sich nur auf das der Gitarre eigen-
tümliche Stimmungsverhältnis, nicht auf das
Stimmungsverhältnis im allgemeinen bezieht; denn
der absoluten Tonhöhe nach stehen diese wirk-
lichen Flageolettöne ebenso wie alle anderen
Töne dieses Instrumentes eine Oktave tiefer,
als die geschriebenen Noten anzeigen.
Man kann überdies auch chromatische und
diatonische Tonreihen in künstlichen Flageolet-
tönen auf jeder Saite hervorbringen. Zu die -
sem Zwecke setzt man die Finger der linken
Hand fest auf diejenigen Töne, deren höhere
Oktave erklingen soll; die Mitte des schwin-
genden Teiles der Saite berührt man dann mit
dem Zeigefinger der rechten Hand und bewirkt
mit dem Daumen derselben Hand, hinter dem
Zeigefinger, den Anschlag.
I ^"f 'ig"' D I fauf demG, lauf demH i laufdcml
Ohne sie selbst zu spielen, kann man, ich
wiederhole es, nicht Tonstücke für die Gitarre
schreiben, die auf Mehrstimmigkeit berechnet und
mit Stellen ausgestattet sind, bei welchen alle
Hülfsmittel des Instrumentes in Frage kommen.
Will man eine Vorstellung davon haben, was die
Virtuosen in dieser Hinsicht zu leisten vermögen,
so muß man die Kompositionen berühmter Gitar-
respieler, wie Zanni de Ferranti, Huerta, Sor
u. s. w. studieren.
Seitdem das Pianoforte in allen Häusern,
wo irgendwie Musik getrieben wird, heimisch
geworden ist, findet man die Gitarre, ausge-
nommen in Spanien und Italien, immer seltener.
Einige Virtuosen haben sie kultiviert und kul-
tivieren sie noch heute als Solo- Instrument;
sie wissen ebenso anmutige als originelle Wir-
kungen darauf zu erzielen. Die Komponisten
wenden sie sonst weder in der Kirche noch
im Theater, noch im Konzertsaal an. Der
schwache Klang, der ihr anhaftet, und wel-
cher nicht gestattet, sie mit anderen Instru-
menten oder mehreren Singstimmen von gewöhn-
licher Tonstäike in Verbindung zu setzen, ist
hierfür ohne Zweifel der Grund. Ihr schwermü-
tiger, träumerischer Charakter ließe sich nichts-
destoweniger öfters zur Verwertung bringen; sein
Reiz ist nicht abzuleugnen, und es ist nicht un-
möglich, so zu schreiben, daß er ans Licht träte.
Übrigens steht die Gitarre, im Gegensatz zu an-
deren Instrumenten, im Nachteil, wenn sie mehr-
fach vertreten wird. Der Klang von zwölf Gitarren,
die im Einklänge spielen, ist beinahe lächerlich.
Edition Peters.
In Verdis Otello findet die Gitarre eine sehr Dudcisack zur RcKlcitunp: dfs Chores:
feiiu» Verwendung im Verein mit Mandoline und I '
N956. Otello, Akt IL
AUegro moderato
Verlag G.Rlcordl« C? Mailand.
lebendenBlick die Blumen blii - hen. Schön-heit will uns la-ben,ihremHoch-al- ta - re brin- gen
Au - gen sanf - tes Sprü-hen läßt mit dem be - le - ben - den — Blick
Die Mandoline.
163
Dieses Instrument ist heutigentages fast ganz
in Vergessenheit gekommen, und das ist schade; sein
Xlang, so dünn und näselnd er sein mag, hat etwas
Pikantes und Originelles, daß man es sehr oft mit
Glück anwenden könnte.
Es gibt mehrere Arten von Mandolinen; die
bekannteste hat vier Doppelsaiten, das heißt vier-
mal zwei Saiten im Einklänge, die in Quinten, wie
bei der Violine, gestimmt sind. Sie wird im Violin-
schlüssel notiert:
Die beiden E sind Darmsaiten, die A sind aus Stahl,
die D aus Messing, die G endlich aus Darm mit Sil-
berdraht übersponnen.
Der Umfang der Mandoline beträgt beinahe drei
Oktaven:
Sie ist ein Instrument, welches besser melo-
disch, als harmonisch zu gebrauchen ist; ihre Sai-
ten, die mittelst einer Feder-oder Rindenspitze durch-
die linke Hand des Spielers in Schwingung ver-
setzt werden, können Akkorde zu vier Noten wie
die folgenden:
zwar hören lassen, wenn man mit der Federspitze
schnell über die vier Doppelsaiten hinwegfährt, in-
des ist die Wirkung solcher Gruppen von gleichzei-
tigen Tönen ziemlich dürftig.
Die Mandoline behauptet ihren wahren Charak-
ter und ihre Wirkung nur in Begleitungen melodi-
scher Art, wie Mozart im zweiten Akte des Don Juan
eine geschrieben hat. (Partiturbeispiel 57.)
Bassi
Edition Peters
Die Mandoline ist gegenwärtig so gänzlich
bei Seite gesetzt, daß man in den Theatern, wo
Don Juan aufgeführt wird, wegen Vortrag dieses
Serenadenstückes stets in Verlegenheit kommt.
Obschon ein Gitarren- oder selbst ein gewöhn-
licher Violinspieler im Verlauf von wenigen Tagen
sich mit den Griffen der Mandoline vertraut ma-
chen könnte, so hat man doch im allgemeinen,
wenn von alten Gewohnheiten auch nur das Ge-
ringste geopfert werden soll, so wenig Achtung
vor den Ideen der großen Meister, daß man sich
fast überall und selbst in der großen Opor (dem
letzten Orte der Welt, wo man sich eine solche
Frt'iheit herausnehmen sollte) erlaubt, die Partie
der Mandoline des Don Juan auf Violinen
pizzikato oder auf Gitarren auszuführen.
Der Klang dieser Instrumente hat durchaus
nicht die eigentümliche Feinheit der Mandoline,
und Mozart wußte recht wohl, was er tat,
als er gerade dieses Instrument zur Beglei-
tung des liebesprühenden Gesanges seines Hel-
den wählte!
Saiteninstrumente mit Klaviatur.
Das Pianoforte.
Das Pianoforte ist ein Instrument mit Kla-
viatur und Metallsaiten, die durch Anschlag von
Hämmern in Schwingung versetzt werden. Sein
gegenwärtiger Umfang beträgt sechs Oktaven
und eine Quarte, oft auch sieben Oktaven. Es
wird gleichzeitig in zwei verschiedenen Schlüsseln
notiert : der Baßschlüssel gilt für die linke, der
Violinschlüssel für die rechte Hand. Bisweilen
auch, je nach dem Grad der Tiefe oder Höhe, den
die auszuführenden Gänge beider Hände errei-
chen, schreibt man in zwei Baß- oder in zwei
Violinschlüsseln.
'*•• ^jiJJ JMrrrrrr^jjj,iJ.u-rrr
^
rfffff^rff^
Mit allen chromatischen Zwischentönen
Der Triller ist auf allen Stufen der Ton-
leiter ausführbar. Man kann auf jede Weise und
mit jeder Hand einen Akkord zu vier und selbst
zu fünf Noten anschlagen oder arpeggieren, nur
müssen die Töne so nahe wie möglich zusam-
menstehen, z. B.
Indes sind auch Akkorde, die das Intervall
einer Dezime umfassen, möglich; dann aber läßt
man, der größeren Leichtigkeit wegen, die Terz
und selbst die Oktave ausfallen, und stellt sie
wie folgt dar:
^ ^ «
Man kann für das Pianoforte zu vier und
selbst zu fünf Realstimmen schreiben, wenn man
darauf bedacht bleibt, die beiden äußersten Stim-
men jeder Hand innerhalb des Raumes einer Ok-
tave oder höchstens einer Nene zu halten; man
müßte denn das Pedal dabei benutzen, welches
die Dämpfung hebt und also die Verlängerung
der Töne gestattet, ohne daß der Finger des
Spielers auf der Taste liegen bleibt; dann hat
man die Freiheit, die einzelnen Stimmen weiter
auseinander zu legen.
Edition Peters.
165
eispiel au vier Stimmen ohne Anwendung des Pedals.
Beispiel mit Anwendung des Pedals.
Das Zeichen * (oder ähnlich) bei letzterem
Beispiel bedeutet, daß man das Pedal loslassen
soll, um die Dämpfung wieder in Wirkung zu
setzen; man wendet es so oft an, als man kann,
und zwar stets in dem Augenblick, wo die Har-
monie wechselt, damit das Fortklingen der Töne
des letzten Akkordes in die des folgenden ver-
hindert wird. Mit Rücksicht auf dieses lange
Fortklingen jedes einzelnen Tones muß man bei
Anwendung des Pedals so viel als nur möglich
Wechsel- und Durchgangsnoten in der mittleren
Tonregion des Instrumentes vermeiden; denn diese
Noten verursachen, da sie ebenso wie alle anderen
Töne mit fortklingen und dadurch als Fremdlinge
in die Harmonie sich einmischen, unerträgliche Miß-
klänge. Nur in den höchsten Oktaven der Klavia-
tur, wo die Saiten sehr kurz sind und überhaupt
weniger Nachklang haben, sind dergleichen melo-
dische Verzierungen anwendbar.
An den neueren Steinway- Flügeln ist ein drit-
tes Pedal angebracht, dazu bestimmt, nach Belieben
einen einzelnen Ton länger fortklingen zu lassen,
was von guter Wirkung und unter Umständen im
vielstimmigen Satze von Hülfe für den Spieler ist.
Bisweilen läßt man die Hände sich kreuzen,
derart, daß entweder die rechte Hand über die linke, oder
umgekehrt die linke über die rechte Hand hin-
weggeht; z.B.
Largo.
» * ^ ^ tr^ — —
Edition Peters.
Die Ziihl derartigor Küinbinationen untt-r all'
den mannigfaltigen Tonverbindungen, die auf dem
Pianoforte ausführbar sind, ist ganz beträchtlich;
es wäre in der Tat unmöglich, sie alle hier zu
nennen. Nur durch das Studium der Kompositio-
nen großer Virtuosen, so namentlich derjenigen
von Liszt, kann man sich ein klares Bild machen,
bis zu welchem Höhepunkte die Kunst des Kla-
vierspiels heutzutage fortgeschritten ist. Man
wird dann gewahr werden, daß die Grenzen des
auf diesem Instrumente Erreichbaren noch ganz
unbekannt sind, und daß sich dieselben jeden Tag
durch neue Wunderdinge, welche die Spieler aus-
führen, erweitern.
Wie bei der Harfe, so ist es auch beim
Pianoforte in gewissen Fällen (z. B. bei Arpeg-
giengängen) ratsam, die beiden Hände nicht zu
nahe aneinander zu bringen. Eine Stelle, wie
die folgende würde ziemlich unbequem zu spie-
len sein:
ungleich besser wäre es, sie so zu notieren:
Diatonische und chromatische Tonleitern in
Terzen für beide Hände sind jedoch, selbst bei
enger Lage, leicht:
Derartige Terzentonleitern sind audi für eine
Hand allein ausführbar, aber bei lebhafter Bewegung
schwierig. Außerdem kann man in Tonarten, die
nicht viel Vorzeichnung haben, für beide Hände
Terzsextenfolgen zu drei Noten schreiben:
Das Pianoforte läßt sich bei dem hohen
Grade von Vervollkommnung, den es durch unsere
geschickten Instrumentenbauer gegenwärtig er-
reicht hat, unter einem doppelten Gesichtspunkt
betrachten: als Orchesterinstrument oder als
kleines, vollständiges Orchester für sich. Erst
ein einziges Mar'ist seine Verwendung im Or-
chester in gleicher Art wie die der anderen
Instrumente erfolgt, in der Absicht, dem Gesamt-
klange des Orchesters durch seine Eigenart neue
Mittel zuzuführen und damit Klangwirkungen zu
erzielen, die im beabsichtigten Falle nicht an-
ders zu ersetzen wären.
Gewisse Stellen in den Beethovenschen Kon-
zerten hätten die Aufmerksamkeit der Kompo -
nisten längst hierauf lenken sollen. Man hat
sicher die wundervolle Wirkung bemerkt, welche
im Es-dur-Konzerte Beethovens die langsamen
Akkordfiguren beider Hände in der höheren
Tonregion des Pianoforte hervorbringen, wäh-
rend die Melodie von Flöte, Klarinette und Fa-
gott geführt wird, unter nachschlagenden Achteln
der Streichinstrumente. Bei solcher Umkleidung
ist der Klang des Pianoforte von verführerischem
Reiz, er ist voll Ruhe, und Frische, ein Urbild
der Anmut. (Partiturbeispiel 58.)
♦) vpl. Seite 170:„Lelio" von Berlioz.
167
N9 58. Es-dur-Konzert, Adagio.
Adagio un poco mosso
(Solo.)
Fas.
16»
Edition Peters.
170
Oanz verschieden hiervon ist die Verwen-
dung des Pianoforte in dem vorher erwähnten,
einzeln dastehendem Falle. In einem Chore von
Luftgeistern hat der Verfasser zwei Klaviere zu
je zwei Händen an der Begleitung der Singstim-
men teilnehmen lassen. Die tiefer spielenden
Hände auf dem einen P'anoforte führen von der
Tiefe nach der Höhe einen schnellen Arpeggien-
gang in Triolen aus, dem ein anderer dreistim -
miger Arpeggiengang von Flöten und Klarinette
in entgegengesetzter Bewegung antwortet, letz-
terer umschwirrt von einem Doppeltrillor in Ter-
zen, welcher von den beiden, höher spielenden
Händen des anderen Pianofortes ausgeführt wird.
Kein anderes Instrument würde ein derartiges
harmonisches Tongeschwirr hervorbringen, wie es
das Pianoforte mit Leichtigk<;it tun kann, und wie
es hier zur Darstellung des sylphf^nglcichen Cha-
rakters des Tonstückes geboten erschien.
(PurtiturbiMspitl 59.)
NQ59. Lelio, Monodrame lyrique, Finale (FantaisiesuriatempGte).
Berlioz.
^ J5"
4Solo-Viol.I.
mit Sordinen.
4Solo-Viol.II.
mit Sordinen .
171
17S
Edition Peters.
Soll dagegen das Pianoforto über seine zar-
ten Wirkungen hinausgehen und mit dem Orchester
an Starke wetteifern, so verschwindet es vollstän-
dig. Es muß begleiten oder begleitet werden; es
sei denn, man verwendete es, ähnlich wie die Har-
fen, in großer Anzahl. Das wäre meiner Überzeu-
gung nach gar nicht zu verachten; indes würde es,
in Anbetracht des erforderlichen großen Raumes
schwierig sein, ein Dutzend solcher Instrumente
in einem einigermaßen starkbesetzten Orchester
unterzubringen.
Als ein kleines unabhängiges Orchester für
sich betrachtet, muß das Pianoforte seine eigene
Instrumentation haben; sie geht mit der Kunst
des ausübenden Klavierspielers Hand in Hand .
Dem Spieler ist es bei vielen Gelegenheiten an-
heimgestellt, gewisse Stimmen hervorzuheben, oder
andere zurücktreten zu lassen ; eine Stelle der mitt-
leren Tonregion stark zu spielen, den Ausschmük-
kungen in höheren Tonlagen dagegen Leichtigkeit
zu geben, oder die Fülle der Bässe zu mäßigen;
an ihm ist es zu beurteilen, wo ein Fingerwechsel
geboten erscheint, oder wo Veranlassung dazu ist,
sich bei dieser oder jener Melodie nur des Dau-
mens zu bedienen; er weiß, wenn er für sein In-
strument schreibt, wann er enge oder zerstreute
Harmonie anwenden soll; er unterscheidet wie nahe
oder entfernt die Töne in einem Arpeggiengang
gelegt werden können, und kennt die Verschie -
denheit des Klangcharakters, die daraus hervorgeht.
Besonders wichtig ist außerdem der richtige Ge-
brauch der Pedale. Hervorragende Klavierkompo-
nisten haben daher stets in sorgfältigster Weise
diejenigen Stellen bezeichnet, wo das Dämpferpedal
genommen und wo es verlassen werden soll. Sehr
unrecht ist es deshalb, daß viele Virtuosen, und
darunter manche der geschicktesten, jene Bezeich-
nungen eigensinnigerweise unberücksichtigt lassen
und fast unaufhörlich mit aufgehobenen Dämpfern
spielen. Sie lassen dabei vollständig unbeachtet,
daß hierdurch oft die ungleichartigsten Harmo -
nien ineinander übergehen und die abscheulich-
sten Mißklänge daraus entstehen. Diese üble Ge-
wohnheit ist in der Tat ein schlimmer Mißbrauch
einer an sich guten Einrichtung, denn die daraus
hervorgehende Wirkung ist Lärm und verworre-
nes Geräusch statt Wohlklang! Es ist übrigens
nur die natürliche Folge jenes unerträglichen
Hanges der Virtuosen, großer wie kleiner, Sänger
wie Instrumentalisten, stets das Interesse für ihre
eigene Persönlichkeit in erste Linie zu stellen.
i (Dieser Vorwurf ist heute auch auf eine prol3e
Anzahl von Dirigenten auszudehnen!)
Sie kümmern sich wenig um die unerläßli-
che Achtung, die der Ausführende dem Komponi-
sten schuldet und um die stillschweigend, aber
tatsächlich vorhandene Verpflichtung, dem Zuhörer
die Gedanken des Komponisten unversehrt zu über-
mitteln, gleichviel ob er einem mittelmäßigen Autor
die Ehre gibt, ihm als Dolmetsch zu dienen, oder
oh ihm stilhst die Ehre zu Teil wird, un.sterbliche
Gedanken eines Genies wiederzugeben. In einem
wie in dem anderen Falle sollte der Ausführende
stets bedenken, wenn er, einer augenblicklichen
Laune folgend, den Absichten des Komponisten
zuwiderhandelt, daß der Verfasser des vorzutra-
genden Werkes, möge es beschaffen sein wie es
wolle, wahrscheinlich hundertmal mehr Aufmerk-
samkeit darauf verwendet hat, Ort und Stelle,
sowie die Dauer gewisser Effekte genau zu be-
stimmen, diese oder jene Tempo-Angaben zu ma-
chen, Melodie und Rhythmus so zu gestalten,
Akkorde und Instrumente so zu wählen, wie er
getan,- als er, der Ausführende, dara-uf verwendet
das Gegenteil zu tun. Man kann (und täte man
es bei jeder Gelegenheit) nicht genug gegen die-
ses törichte Vorrecht Verwahrung .einlegen, das
sich Instrumentalisten, Sänger und Orchesterdi -
rigenten nur allzuoft anmaßen. Eine solche Sucht
ist nicht allein lächerlich, sie muß auch, wenn
sie weiter überhand nimmt, unsägliche Verwir-
rung und die schlimmsten Nachteile für die Kunst
mit sich bringen. An Komponisten und Kritikern
ist es, ihr übereinstimmend immerdar und unter
allen Umständen entgegenzuarbeiten.
(Goldene Worte! fDer Herausgeber.))
Ein Pedal, das man viel weniger als das Dämp-
ferpedal in Gebrauch nimmt, welches indes Beet-
hoven und einige andere sehr vorteilhaft verwendet
haben, ist die sogenannte Ve r s chiebung. Dem
gewöhnlichen Klange des Pianoforte und der durch
das Dämpferpedal erzeugten prächtigen Tonfülle
gegenüber wirkt es nicht allein durch den Kontrast
(Abschwächung des Tons) vortrefflich, sondern ist auch
mit unbestreitbarem Nutzen bei Begleitung des
Gesanges zu verwenden, besonders wenn die Stim-
me des Sängers schwach ist, oder wenn, wie noch
häufiger der Fall sein wird, dem ganzen Vortrag
der Charakter der Zartheit und Innigkeit beigelegt
werden soll. Man zeigt seinen Gebrauch mit den
Worten an: „Mit Verschiebung", oder auf Italie-
nisch „una corda". Die Wirkung dieses Pedals be-
steht darin, daß es die ganze Klaviatur in der
Weise verschiebt, daß die Hämmer nur eine der
drei Saiten treffen können, welche, im Einklang
gestimmt, für jeden einzelnen Ton bei allen guten
Instrumenten heutzutage vorhanden sind. Da in-
folgedessen nur eine Saite in Schwingung kommt,
vermindert sich die Tonstärke des Instrumentes
um zwei Drittel, und es ergibt sich zugleich eine
sehr bemerkenswerte Verschiedenheit im Klang-
charakter.
Edition Peters.
17B
Blasinstrumente.
Bevor wir die Glieder dieser großen Familie
einzeln studieren, wollen wir so klar wie möglich
ein musikalisches Wörterbuch zusammenstellen be-
züglich der verschiedenen Abstufungen in Höhe
und Tiefe gewisser Instrumente, bezüglich der
Transpositionen, welche diese Unterschiede her-
beiführen, sowie auch der üblichen Notierungs -
weise und der Benennung dieser Instrumente.
Wir ziehen zunächst eine Grenzlinie zwi-
schen den Instrumenten, deren Ton genau so
erklingt, wie die musikalischen Signaturen ihn
anzeigen, und den Instrumenten, deren Ton hö-
her oder tiefer als die geschriebene Note
erklingt. Aus dieser Teilung ergeben sich fol-
gende beide Kategorien:
Nichttransponierende Instrumente,
deren Ton so erklingt, wie er
geschrieben ist.
Transponierende Instrumente,
deren Ton von der geschriebenen Note
verschieden ist.
Die Violine.
Die Viola.
Die Viola d'amour, die Viola da gamba.
Das Violoncell Der Kontrabaß.
Die gewöhnliche Flöte Alle anderen Flöten als die gewöhnliche Flöte.
Die Oboe Die Oboe d'amore, das Englisch-Horn.
Die Klarinette in C Alle anderen Klarinetten als die C-Klarinette.
Das Fagott Das Quint- und Kontrafagott.
Das russische Fagott.
Das Hörn in hoch C Alle anderen Hörner als das Hörn in hoch C.
Das Kornett in C Alle anderen Kornetts als das Kornett in C.
Die Trompete in C Alle anderen Trompeten als die Trompete in C.
Die Altposaune Die Altposaune mit Ventilen.
Die Tenorposaune.
Die Baßposaune.
Die Ophikleide in C Alle anderen Ophikleiden als die Ophikleide in C.
Das Bombardon Der Serpent.
Die Baßtuba Alle anderen Tuben.
Die Harfe, die Mandoline Die Gitarre.
Das Pianoforte.
Die Orgel.
Die Singstimmen (wenn man sie in ihren betref- Die Tenöre und Bässe (wenn man sie im G-Schlüs-
fenden Schlüsseln und nicht alle ohne Unter- sei notiert, indem dann ihre Töne eine Ok-
schied im G-Schlüssel notiert.) tave tiefer als die geschriebene Note erklingen).
Die Pauken.
Die Glocken.
Die antiken Zimbeln.
Das Glöckcheninstrument.
Das Glockenspiel.
Die Klavier- Harmonika Die Harmonika mit Stahlzungen.
Die Viola alta.
Die Violotta.
Die Cellone.
Das Saxophon in C
Die Celesta.
Die Heckel-Clarina.
Das Heckelphon.
Alle anderen Saxophone, die Saxhörner, Saxtrompeten
und Saxtuben,
Edition Peters.
17«
Aus dieser Übersicht ergibt sich, daß alle
nichttransponierenden Instrumente mit dem Zu-
sätze „in C", deren Töne so erklingen wie sie
geschrieben sind, und diejenigen Instrumente,
wie Violine, Oboe, Flöto u.s.w. bei denen keine
derartige Bezeichnung des Tones üblich ist, sich
ganz im nämlichen Falle befinden; letztere sind
für den Komponisten in dieser Beziehung den
Instrumenten in C völlig gleich. Indes hat die
Benennung mancher Blasinstrumente, soweit sie
sich auf den dem Rohre eigentümlichen Natur -
klang gründet, die sonderbarsten und ungereim-
testen Folgerungen herbeigeführt; sie hat die
Notierung der transponierenden Instrumente zu
einer sehr verwickelten Aufgabe und das musi-
kalische Wörterbuch vollkommen unlogisch gemacht.
Es wird daher nötig sein, zunächst diesen Ge-
brauch eingehend zu erörtern und da wieder
Ordnung herzustellen, wo so wenig zu finden ist.
Die Ausführenden sprechen bisweilen von
der Tenorposaune als von der Posaune in B, von
der Altposaune als von der in Es, und_ noch
häufiger _ von der gewöhnlichen Flöte als von
der Flöte in D.
Diese Bezeichnungen sind dem Sinne nach
insofern richtig, als das Rohr der beiden Po-
saunen bei geschlossenem Zuge in der Tat bei
der einen die Töne des B-dur- Akkordes, bei der
anderen die Töne des Es- dur- Akkordes hören
läßt, ebenso gibt die gewöhnliche Flöte bei
durchgängig geschlossenen Löchern und Klappen
den Ton D. Da aber die Ausführenden auf die-
sen Naturklang des Rohres in keiner Weise
Rücksicht zu nehmen brauchen, sondern einfach
die geschriebenen Noten der wirklichen Tonhöhe
nach wiedergeben, also das C einer Tenorposaune
ein C und nicht ein B, das C einer Altposaune
gleichfalls ein C und nicht ein Es, das C der
Flöte endlich wiederum ein C und nicht ein D
ist, so folgt daraus offenbar, daß diese Instru-
mente nicht in die Kategorie der transpo -
nierenden sondern in die der nichttrans-
ponierenden Instrumente gehören, und daß
sie ebensogut als in C stehend anzusehen sind
wie die Oboen, oder wie die Klarinetten, Hörner,
Kornetts und Trompeten in C. Eine nähere Be-
zeichnung des Tones ist bei ihnen nicht nötig,
man müßte denn „in C" hinzusetzen. Es geht zu-
gleich hieraus hervor, wie wichtig es ist, die
gewöhnliche Flöte nicht Flöte in D zu nennen;
denn da man die anderen, in höherer Stimmung
stehenden Flöten nach dem Unterschiede zwischen
ihrem Stimmungsverhältnis und dem der gewöhn-
lichen Flöto benannte, kam man dahin, .statt ein-
fach „Terzf löte", und „Nonenflöte" zu sagen (was
doch immerhin wenigstens nicht Verwirrung in
die Ausdrücke gebracht hätte) diese Instrumente
„Flöte in F" und„Flöto in Es" zu benennen. Wohin
dies führt, mag das Folgende zeigen. In einer
Partitur kann die kleine Klarinette in Es, deren
C in Wirklichkeit wie Es klingt, ganz die nämliche
Stelle wie eine „Flöte in F" genannte Terzflöte aus-
führen, und diese beiden, dem Namen nach schein-
bar in verschiedener Stimmung stehenden Instru-
mente bringen gleichwohl ein und denselben Ton
hervor. Ist daher die Benennung nicht hier oder
dort falsch? und ist es nicht sinnlos bei den
Flöten allein einen Modus für Benennung und
Bezeichnung der Stimmung anzunehmen, der von
dem bei den übrigen In strume nte n befolg-
ten Modus vollständig abweichend ist?
Als festzuhaltenden Grundsatz, der jede
falsche Auslegung unmöglich macht, schlage ich
daher vor: Der Ton C ist der alleinige Ver-
gleichungspunkt, von dem man bei Bezeichnung
der Stimmung transponierender Instrumente aus-
zugehen hat. Das natürliche Stimmungsverhältnis
des Rohres nichttransponierendcr Blasinstrumente
kann niemals in Betracht kommen. Jedes nicht-
transponierende oder nur in die Oktave trans-
ponierende Instrument, bei dem also das geschrie-
bene C den wirklichen Ton C gibt, wird als
„in C" stehend angesehen.
Steht also ein Instrument der gleichen Gat-
tung ober- oder unterhalb der Stimmungshöhe des
Stamminstrumentes, so wird dieser Unterschied
nach dem Verhältnis zum Tone C bestimmt. Folg-
lich sind die Violine, die Flöte, die Oboe, welche
unisono mit der Klarinette in C, der Trompete
in C, dem Home in C spielen, „in C", während,
wenn man eine Violine, eine Flöte, eine Oboe
in Gebrauch nimmt, die einen Ton höher als die
gewöhnlichen Instrumente dieses Namens gestimmt
sind, so stehen diese Violine, diese Flöte, diese
Oboe, weil sie unisono mit der Klarinette in D
und der Trompete in D spielen, „in D".
Hieraus folgt, daß man betreffs der Flö-
ten die alte Bezeichnungsweise abschaffen, daß
man die Terzflöte nicht mehr Flöte in F, wohl
aber, da ihr C wie Es klingt, Flöte in Es,
wie auch die in kleiner None und Sekunde
stehenden Flöten nicht Flöten in Es, sondern,
da ihr C den Ton Des ergibt, große oder kleine
Flöte in Des nennen muß; und so weiter be-
treffs der anderen Stimmungen.
177
Instrumente mit Rohrblatt.
Unter diesen ist die Familie der Instrumente
mit doppeltem Rohrblatte von derjenigen der Instru-
mente mit einfachem Rohrblatt zu unterscheiden.
Erstere besteht aus fünf Gliedern: Oboe, Eng-
lisches Hörn, Fagott, Quintfagott und Kontrafa-
gott; die andere umfaßt die Klarinetten, Basset-
hörner, Saxhörner u.s.w.
Die Oboe.
Sie hat einen Umfang von zwei Oktaven und
einer Quinte. Man notiert sie im Violinschlüssel:
Die beiden letzten hohen Noten müssen sehr
behutsam angewendet werden; das f zumal ist
nicht ohne Gefahr, wenn es schnell eintreten soll.*^
Manche Oboen besitzen das tiefe b
da
aber dieser Ton dem Instrumente nicht allgemein
eigen ist, so muss man ihn lieber vermeiden.
Mit Anwendung des Böhmschen Systemes werden
die Schwierigkeiten der Applikatur schwinden, wel-
che die Oboe in ihrem heutigen Zustande noch bietet,
Schwierigkeiten, welche bei schnellen Gängen z. B.
vom eis (des) der Mittellage nach der höheren
Tonstufe
und vom gis zum fis
Die Triller mit großer Sekunde sind daher
auf diesen Tonstufen, und noch auf einigen an-
deren unmöglich oder sehr schwer auszuführen
und von schlechter Wirkung, wie aus folgender
Tabelle zu ersehen ist.
I Schwerl 1 Unmöglich I
Das System Conservatoire, Paris, mit einigen
Änderungen von Flemming, ermöglicht alle diese
mit • bezeichneten Triller und auch den ge-
brochenen Fis- dur- Akkord:
ganz sauber und rein, sogar ziemlich schnell.
*) Trifft bei den heutig'en französischen Oboen nicht mehr
zu, da dieselben bis zum (^ ' noch p blasen können
und darüber hinaus ^ ' und (jk ' zu bring'en
Stande sind- diese allerdings nur mehr legato.
Edition Peters,
178
Wie alle anderen Instrumente bewegen sich
auch die Oboen am bequemsten in Tonarten, die
wenig Vorzeichnungen haben.
Skalen in H-dur sind schwierig, in As-dur
leichter, dagegen Des-dur wieder schwieriger.
Leicht ausführbar sind folgende Passagen
auch im schnellsten Zeitmaß:
Für gesangvolle Stellen ist es gut, den folgen-
den Umfang nicht zu überschreiten:
Die in der Tiefe und Höhe darüber hinaus lie-
genden Töne erklingen matt oder dünn, hart oder
schreiend; sie sind sämtlich von schlechter Beschaf-
fenheit. Schnelle chromatische oder diatonische Gänge
lassen sich auf der Oboe zwar ziemlich gut ausführen,
bringen jedoch eine unangenehme, fast lächerliche
Wirkung hervor; mit den Arpeggien verhält es sich
ebenso. Eine Veranlassung, derartige Tonfolgen vor-
zuschreiben, dürfte nur ganz selten vorkommen, wir
gestehen sogar, noch keiner begegnet zu sein, und
was die Virtuosen in ihren Phantasien oder Variatio-
nen hierin versuchen, ist wenig geeignet, das Gegen-
teil zu beweisen. Die Oboe ist vor allem ein melo-
disches Instrument; sie hat einen ländlichen Cha-
rakter, voll Zärtlichkeit, fast möchte ich sagen: voll
Schüchternheit.
In den Tutti stellen des Orchesters verwendet
man sie indes ohne auf den Ausdruck des Klanges
besondere Rücksicht zu nehmen; denn hier verliert
sie sich in der Gesamtheit und die Besonderheit
ihres Ausdruckes kann nicht mehr unterschieden
werden. Ganz so verhält es sich auch, wie im
voraus hierbei erwähnt sei, mit dem groliten Teile
der übrigen Ulasinstrumi.'nte. Nur diejenigen machen
eine Ausnahme, deren Tonfülle äuUerst stark oder
deren Klangeigentümlichkeit besonders hervorstech-
end ist. Diese dürfen, wenn man Kunst und ge-
sunden Menschenverstand nicht mit Füßen treten
will, unmöglich wie einfache Harmonieinstrumente
behandelt werden; es sind die Posaunen, Ophiklei'-
den, Kontrafagotte und in vielen Fällen auch die
Trompeten und Kornetts.
Naive Anmut, unberührte Unschuld, .stille Freude
wie Schmerz eines zarten Wesens, alles dies ver-
mag die Oboe im Kantabile aufs glücklich.ste wie-
derzugeben. Auch ein gewisser Grad von Erregung
ist ihr zugänglich, doch muß man sich hüten, ihn
bis zum Schrei der Leidenschaft, bis zum stürmi-
schen Ausbruch des Zornes, der Drohung oder des
Heldenmutes steigern zu wollen; denn ihre kleine,
herb-liebliche Stimme wird dann machtlos und ver-
fällt vollständig ins Unnatürliche. Diesen Fehler
haben selbst einige große Meister, Mozart unter
anderen, nicht vermieden. Man findet in ihren
Partituren Stellen, deren leidenschaftliche Bewe -
gung und kriegerischer Anklang mit dem Tone
der Oboen, die sie auszuführen haben, seltsam kon-
trastieren; daraus entstehen nicht allein verfehlte
Wirkungen, sondern auch störende Mißverhältnisse
zwischen Szene und Orchester, zwischen Melodie
und Instrumentation. Das frischste, schönste, edel-
ste Marschthema verliert Adel, Frische und Schön-
heit, wenn es die Oboen hören lassen; gibt man
es den Flöten, so kann es seinen Charakter allen-
falls noch bewahren; von den Klarinetten vorge-
tragen, wird es fast nichts verlieren.
Nur im pp sind kriegerische Marschrhyth-
men als Nachahmung eines von Ferne erklin -
genden Trompeterchores mit Glück (speziell
von Mozart) angewendet worden. Vergleiche
Arie des Figaro. (Partiturbeispiel 60.)
y Allegro
N9 60. Hochzeit des Figaro, Akt I.
Mozart.
179
Fa?. z^
Trp. in C.
Figraro.
lockt dich derTrompe-ten Ton, dei-ner Fein- de ban- ges Stau-
ei der ed - len Ta - ten
Trp. in C.
Fig'aro.
Lohn, sei der ed - len Ta - ten Lohn, sei der ed - len Ta - ten Lohn.
^
^^
181
Wenn indes doch der Fall eintreten sollte,
in einem Tonstück von oben erwähntem Charakter,
Oboen verwenden zu müssen, um der Harmonie
mehr Klanggehalt und den andern Blasinstru -
menten mehr Kraft zu geben, so müßte man sie
wenigstens so schreiben, daß ihr einem solchen
Stile widerstreitender Klangcharakter vollständig
von dem Klange der übrigen Instrumente gedeckt
und derart mit der ganzen Tonmasse verschmol-
zen würde, daß er nicht mehr für sich allein
bemerkbar wäre. Die tiefen Töne der Oboe, un-
angenehm, sobald sie offen hervortreten, können
in gewissen, fremdartigen, klagenden Harmonien,
vereint mit den tiefen Tönen der Klarinetten und
mit dem tiefen d, e, f, g der Flöten und Englischen
Hörner, wirksam zur Verwendung kommen.
Gluck und Beethoven haben den Gebrauch die-
ses wertvollen Instrumentes bewunderungswürdig
gut verstanden; ihm verdanken beide die tiefe Wir-
kung mehrerer der schönsten Partien ihrer Werke.
Was Gluck anbelangt, so brauche ich nur das Oboen::
Colo in der Arie des Agamemnon in der „Iphigenie
in Aulis" anzuführen: „Welch' ein grausam Gebot:
ein Vater führ' mit eigner Hand." Kann dieses Kla-
gen einer unschuldigen Stimme, dieses beständige,
immer dringlichere Flehen wohl von irgend einem
Instrumente so, wie von der Oboe ausgeführt
werden? (Partiturbeispiel 61.)
N961. Iphigenie in Aulis, Aktl.
Flöten U.Oboen
Bassi.
(Vlc.U.K.B.)
Peu-vent-ils or- don-ner qu'un pe - re de sa main pre-sente ä l'au
WelcheingravsamGe bot: ein Va - ter führ' mit eig-nerHand zum AI ■
As.
Edition Peters
tel et _pa-re d'un bandeau mor- tel
tar die Tochter, die erzärt-lich lieht
le front du-ne vic - time et si ten - dre et si
die einzi-ge teVrTe Toch-ter,sovollUnschuld,so voll
ik^S€i0^t^^^f
che-re, peu-vent-ils l'or-don - ner? Je n'o- be- i - rai point a cet ordre in-hu-main, je
Lie-be: welch ein grau- sam Ge - bot! Nein, ich be-geHsienichtjiievmmeTischli-che Tat, nein.
i'o- be'-i - rai point a cet ordre in-hu-mainl
ich be-geK sie nicht, die unmensch-li- che Tat!
Jen-tends re-ten-tir dansmon
Das Kla - ge-ge-schrei derNa-
le cri piain - tif de la na- tu - re, el- le parle — ä, mon
twr^ in Tnei-nem Bu-senhalltes roie-der! ach! sie spricht zu mei-nem Her-zen,
^
ik9L
1^" I 1^1- r^ I
Viol.
II.
et sa voix est plus su - re que le? o - ra- des du des- tin, que les o - ra-cles
vmdih/rWort faßt mich mächt'ffer als des 0 - ra-kels Bon-ner.wort , als des 0 - ra-kels
A.^\. I - i"^-i ir> 1^
^
r^-' 'r^
Viol.
II.
du des - tin!
Bon-ner-wort!
Je n'o-be-i-raipoint ä cet ordre in-hu-main, je n'o- be-i-raipoint ä cet
Nein,ich be-gehsiewwht/iieun'meTischH-che Tat, nein^ich be-geh'sie nicht (iieun-
^ arco
1S4
l)ani\ das berühmte Ritornell in licr Aiio der
„lphifi:enu>.iulTiuirisV „0 lal.U mich Tict{;ubeut,nc
wpineii" (Akt U Szene 4) Und dieses Kindes -
schreien des Orchesters, als Alceste mitten in der
Begeisterung ihrer heUlenmütij;en Aufopferung
plötzlich von dem Gedanken an ihre kleinen Söhne
ergriffen wird und die Stelle des Thema: „Leben
ohne dich, mein Gemahl" hastig- unterbricht, um
dem rührenden Appell der Instrumente mit dem
herzzerreißenden Ausrufe: „Geliebte Kinder" zu
antworten (Akt I Szene 5) Und die in der Arie
der Ariniilt- voikomiiKuule Dissonanz der kleinen .-.c-
kuMdc, bei den Worten: „Rutti,' mich vor der Lie-
be Glut" (HartiturbeispiHl «SS). Uas alles ist erha-
ben, nicht nur durch die dramatische Idee, die
Tiefe des Ausdrucks, die Hoheit und Schönheit
der Melodie, sondern auch durch die Instrumen-
tation und die bewundernswerte Wahl gerade der
Oboe unter der Menge der übrigen Instrumente,
die sich sämtlich hierzu als unzulänglich oder un-
fähig erweisen würdci\.
N9 62. Armido, Akt III.
haine im-pla - ca - ble, sor - tez du gouffre e -pouvan - ta - ble, oü vous fai - tes
Haß. un-ver - söh .netlher- auf aus grauenvol-ler Tie - fe! Dort, wo e - wi-ge
B."i. Ibyf^i-r uVjr iJfjr urjr ur Jr ur M- I i'T if I
185
Fag.
Hrn. in F,
1- I
Viol.
gner une e - ter - nelle hör
Nacht, wo Schre - cken nur re . giert, her - auf,
ve - nez,haine im - pla -
her. auf,Haß,un.ver-
ca - ble, sor - tez du Rouffre e - pou-van - ta - ble, sauvez-moi de l'a
söh - net, her - atif aus grau.en-vol-ler Tie . fe! Ret-te mich, ret-te
...... jyy^ JJiJ r ri—tin-rr ir ^j u JJrm i^j ^ J r i
^
\^^^
^
Ob. (L\>u
%9.
m
mour, sau-vez - moi de Ta - mour ! Rien n'est si re-dou - ta - ble,
mich vorder Lie . be Glut! Kei - ne Qual ist so furcht-bar!
^
Edition Peters.
' contre un en.ne-mi trop ai - ma - ble;
Ge -gen einen Feindjden idi lie . be,
ren-dez-moi tnon cour- roux, r'al-lu - mez .
waffne mich, gib mir Haß undent - flamm'.
187
Als Beispiele lang ausgedehnter, aus dem be-
sondern Charakter des Instrumentes heraus er-
fundener Oboen -Melodien sind Stellen aus Berlioz'
Werken anzuführen, wie in den Ouvertüren zu
König Lear, zu Cellini und in der Symphoiüe fan-
tastique. (Partiturbeispiel 63 a/b.)
N9 639^ König Xiear, Ouvertüre.
Poco ritenuto.
N9 63l> König Lear, Ouvertüre.
188
tempo
189
Kein anderes Instrument könnte in so herz - [ | scher Liebe uns verraten als die Oboe im Tann-
bezwingenden Tönen das süsse Geheimnis keu- I ? häuser:
N? 64. Tannhäuser, Akt II.
J
Andante. J =
76.
^_
rr^ v^
^ _„
1 1 1
Wagner.
Violen.)
(geteilt))
P -=
H T-
Ä
£ä=
P
■^1 r
^k_^
J J>'
(
P ' ~=
'-^
1 u
1 o" ^ U =J
M^ — J-
-p — ^^. — '
'-^5^ '
F#=^
-a-
^
T—TT r-f ■ .'^ .-^
Noch bici-b
- f ■ 7-1——=
e denn
1 ' 1 MI r ' 1 ' 1 1 ^ 1 =^
un-aus-ge.spro-chen dem süß Ge-heimnis kur - ze
(
>(1>0>7j^
JJ J
iT 1 J »fI J
^ — i-
r T
,1 j"h
(geteilt) j
P _
>ifl^
=-
i»
T,r> ' =
... - -i\-
^ >.,
\
■>
p ~=
^w —
i — H^
' 3^ '
r "^
-^ .
L-e .
LL^
Lndgrf.
Lndgrf.
190
Im allgeinoiiion finden sich aber gerade bei
Wagner sehr selten Fälle, wo er ein Instrument
allein längere Zeit die Melodie tragen läUt, da
bei ihm das Prinzip der Molodiotuilung in die fein-
sten Mischungen vorherrscht. Musterbeispiel dafür
im zweiten Akt der Walküre:
Bewegt.
NO 65. Walküre, Akt TT.
molto ritenuto
Wagner.
Klar. I
in B.
Engl.H.
Fag.I.
i Hrnr.
in F. ^
(Sieglinde blickt Siegmund mit wachsendemEntzücken
in die Augenj dann umschlingt sie leidenschaftlich sei-
nen Hals und verweilt so.)
I Mit ihrer dicken und patzigen Tiefe, ihrer
I spitzigen, schneiderhaft dünnen Höhe dagegen
5 eignet sich die Oboe, besonders wenn ihr Ton
\ übertrieben wird, sehr gut zu humoristischen Wir-
I kungen und zur Karrikatur: die Oboe kann sduiar-
I ren, blocken, kreischen, wie sie edel, keusch sin-
{ gen und klagen, kindlich heiter spielen und schal-
} meien kann.
Beethoven hat mehr den freudigen Ausdruck
der Oboen verwertet: dies bezeugt das Solo im
Scherzo der Pastoralsymphonie (Partiturbeispiel 66),
das im Scherzo der neunten Symphonie (Ed. Peters
N?1020i),das im ersten Satze der B-dur- Symphonie
( Ed. Peters NoiOSOd) u.a.m.; gleichwohl ist es ihm nicht
weniger gut gelungen, den Oboen auch Töne der
Trauer oder der Verzweiflung anzuvertrauen. Man
findet sie in dem Mollsolo der zweiten Hälfte des
ersten Satzes der A-dur- Symphonie, in dem episo-
dischen Andante des Pinale der Eroica, und na-
mentlich in der Arie im „Pideliof wo Florestan, ster-
bend vor Hunger, im Wahnsinne der Todesangst die
weinende Gattin zu sehen glaubt, und seine Angst-
rufe, von den schluchzenden Lauten der Oboe beglei-
tet, ertönen . ( Partiturbeispiele 67, 68, 69.)
Edition Peters.
N9 66. Pastoralsymphonie, Satz EI.
Beethoven.
^
1 ,
FP^
^
rH
^
R^
^^
f^
^i^f^
^^
Oboe I.
1^4
p
Klar, in B.
Pl -
=
— = —
— "~^=^
^ff ^
Tt:. a .
I.
^^^
Fag.
-^■^i
0 . ., 1 — 1 — 1
1 1 — h-
1 1 — h
1 — 1 — i—
1 1 — h
1 h-f-
^ '
Hi — M-1
I. /
pir J ^
=M^
=H^
=H=^
=N^
.f=^=^
r r r
r ^^
Viol. }
^ k-mz«.
pp
II. (
L^b i> J 1 1
\H=^
kN^
-J..J— j--
N=^
^^
^=^
^it^=^
-^=^=^
^*
dimin.
.
pp
Edition Peteps.
N«.M)7. A-(lm--Syiii|>li()iiit\ Satz I,
Fag.
Edition Peters.
193
N9 68. Sinfonia eroica, Finale.
Poco Andante.
Vlc.u,
K. B.
Edition Peters.
195
N9 69. Fidelio, Akt II.
Poco Allegro
I i', 7 j'7 jl7 j)-/ j)|7i)-r i)7J)-/j) I 7J7 J)-^ jVJh Jl7 J)7 i)-?| -/ J)7 i)-/jy)h ^)y)-/pr)7 ^)|
Hrnr.
in F.
Flore-
stan.
19«
no-ren, Le.o - noren, der Gat-tin,so g-leichjder, der führt mich zur Freiheit ins himm-lische Reich.
Die Oboe d'amore.
Sie steht eine kleine Terz tiefer als die Oboe
und hat folgenden Umfang:
mit allen chrom. Intervallen:
wirklicher Klang
Ihre Klangfarbe ist milder und von ruhigerem
Charakter, auch ist ihre Beweglichkeit in Kreuz-
tonarten größer als die der Oboe.
Von J. S. Bach und seinen Zeitgenossen vielfach
verwendet, bediente man sich ihrer in den mei-
sten Fällen als konzertierendes Instrument, wo-
bei man mit Vorliebe zwei Oboen d'amore beschäf-
tigte.
Zu Beginn des zweiten Teiles seines Weih -
nachtsoratoriums bringt sie Bach zu zweien in
Verbindung mit Engl. Hörnern — eine entzücken-
de Darstellung der friedlichen Hirtenmusik.
Als Beispiel der Verwendung dieses Instru-
mentes in neuerer Zeit erlaube ich mir auf meine
Sinfonia domestica hinzuweisen, wo die Oboe d'a-
more als Symbol ebenso des unschuldig dahinträu-
menden, wie des heiter spielenden Kindes dient.
(Partiturbeispiele70 a/b.)
N9 70a Sinfonia domestica.
id alhnählich ausdrucksvoller)
1 Pult
Violen.
Solo-
Vcello.
molto ritard.
-P-r-
} j j
^-+-^
.■"TTi
1 1 1 1 1 r
-..
-
P"^ p L ,
^^
=f=
^ 1
^^
^=t=P
t#^
I"" ^
-j — ^—
dim.
PP
-i.g
^n
/^i-
W^ fi
-f—
"^
^==
£pj=
4^
1 - 1 -
^
ti ^—
' r — ■
1
PP
W[ —
=#^
4=
^
rt^
^^
^
^
1^
^
W'
tfr-
4=
*fe
4=
=^
^
dim.
PP
5
S
^
LpZZJ
^^
=\=
3^
^
^=33
Verlag Kd. Bote « G. Bock, Berlin.
N9 70b Sinfonia domestiua, Scherzo.
Wie die französischen Instrumente feiner gearbei -
tet sind, mehr Gleichmäßigkeit der Register aufweisen,
leichter in der Höhe ansprechen und in der Tiefe ein
zarteres pp ermöglichen, ist auch die Spielweise, Ton-
gebung der französischen Oboisten derjenigen der deut-
schen weit vorzuziehen. Einige deutsche „Schulen" be-
mühen sich der Erzeugung eines möglichst dicken trom-
petenartigen Tones, der sich nun mit Flöten und Kla-
rinetten in keiner Weise vermischt und oft in unange -
nehmster Weise hervorsticht.
Der französische Ton, wenn auch dünner und oft
vibrierend, ist viel modulatlons= und anpassungsfä-
higer, aber trotzdem, wenn es darauf ankommt, im
Forte durchdringend und auch besser in die Ferne tra-
gend.
Ganz besonders trifft dies fürs Englische Hörn zu;
man beachte seine musterhafte Anwendung und Mischung
mit Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten im ersten und
zweiten Akte Lohengrin, deren Wirkung durchaus ver-
fehlt und gegen die Absicht des Autors wäre, wenn das
Engl. Hörn, wie es bei deutscher Behandlung oft der Fall,
als selbstständiger Körper hervorstechen würde, statt
als feiner Kitt und Vermittler der Klangfarben der üb-
rigen Holzbläser zu wirken.
Edition Peters.
199
Das Englische Hörn.
Dieses Instrument ist sozusagen der Alt der
Oboe und besitzt beinahe den ganzen Umfang der-
selben; manche Englische Hörner besitzen auch das
tiefe b. Man schreibt es im Violinschlüssel wie eine
Oboe in tief F, folglich eine Quinte höher, als es in
Wirklichkeit ertönt. Seine Tonleiter
Wenn das Orchester in C spielt, muß das Englische
Hörn in G, wenn das Orchester in D spielt, muß es
in A geschrieben werden u.s.w.
Was wir schon bei der Oboe bezüglich der Schwie-
rigkeiten der Applikatur beim Zusammentreffen ge-
wisser erhöhter oder erniedrigter Töne gesagt ha-
ben, findet auch auf das Englische Hörn Anwendüngj )
nur sind bei ihm schnelle Tonfolgen von noch schlechte-
rer Wirkung. Sein Klang, weniger durchdringend,
mehr verschleiert und schwerer als der der Oboe, eig-
net sich nicht so wie dieser zur Fröhlichkeit ländli-
cher Melodien. Ebensowenig würde es herzzerrei-
ßende Klagen wiedergeben können; die Laute leb-
haften Schmerzes sind ihm beinahe versagt. Seine
Töne sind schwermütig, träumerisch, edel, etwas
verschwommen, gleichsam aus der Ferne kommend;
kein anderes Instrument ist so gut geeignet Bil-
der und Empfindungen vergangener Zeiten aufs
neue zu erwecken, wenn der Komponist die ver-
borgenen Saiten zarter Erinnerungen erklingen
lassen will.
So sind von Halevy mit außerordentlichem Glück
zwei Englische Hörner im Ritornell der Arie des
Eleazar im vierten Akte der „Jüdin" verwendet;
(Partiturbeispiel 71 )
i am herrlichsten von Wagner in der traurigen
I Hirtenweise im dritten Akt seines Tristan (vgl.
l Partiturbeispiel 14. Seite 46).
NO 71. Jüdin, Akt IV:
Andantino espressivo.
Halevy.
Vlc. u
K. B.
»*) Dies trifft, wie bei der Oboe, nicht mehr zu, da heute das technische Vermögen des Engl. Horns demjenigen der Oboe
! gleichkommen dürfte.
Edition Peters. 9039
Im Adagio einer meiner Symphonien bringt
das Englische Hörn, nachdem es in der tieferen Ok-
tave die Melodiegänge der Oboe wiederholt hat, ähn-
lich wie in einem Zwiegespräch pastoralen Charak-
ters die Stimme eines Jünglings der Stimme einer
Jungfrau antworten würde, dieselben bruchstück-
weise am Schlüsse des Stückes wieder, und zwar
mit einer dumpfen Begleitung von vier Pauken,
während das ganze übrige Orchestersich schwei-
gend verhält. Die Gefühle der Abwesenheit, der
Vergessenheit, der schmerzlichen Vereinsamung,
welche in der Seele mancher Zuhörer beim Auf-
leben dieser schwermütigen Weise entstehen,
würden nicht zum vierten Teil so eindringlich
wirken, wenn dieselbe von einem anderen In-
strument als dem Englischen Hörn wiedergege-
ben würde.
(Partiturbeispiel 72.)
Edition Peters.
201
N9 72. Symphonie fantastique, Scene aux champs.
Adagio.
Engl. Hörn
Pauke I inB,Fhoch.
(Zwei Paukenschläger.)!
202
Die VerciMit;-ung- der tiefen Töne dos Eiif,dischou
Hernes mit den tiefen Tönen der Klarinetten und Hör-
ner während eines Tremolo der Kontnibiisso {^ibt
eine ebenso charakteristisihe als neue Klanj^wir-
kunj^, die sich besonders ei{;;net,um musikalische Ge-
danken, in denen Furcht und Angst herrschen, mit be-
drohlichem Widerscheine zu färben. Dieser Effekt
war weder Mozart, noch Weber, noch Rccthoven be-
kannt. Man findet ein prächtiges Heispiel davon in
dem Duo des vierten Aktes der,, Hugenotten" und ich
glaube, dali Meyerbeer der erste ist, der ihn auf dem
Theater zu Gehör gebracht hat. (Piniiiurbcispi-a 73.)
N9 7.S. IItii.vnütt(Mi, Akt IV.
Meyerbeer.
Edition Peters.
203
Engl.H
Man studiere die Mischungen des Engl.Horns
mit Flöten und Klarinetten im ersten und zwei-
ten Akte des Lohengrin.
Hier sei auch der von Heekel in Biebrich erfunde-
nen Heckel-Clarina gedacht; sie steht in B und
hat folgenden Umfang:
mit allen chrom. Stufen.
Die obersten -^^ f ■
Töne vom eis: <u
an aufwärts sind „heikel'/ Dieses Instrument ent-
spricht dem Alphorn und eignet sich besser als das
zu schwache Engl. Hörn oder die im Klang unmög-
liche Trompete zur Wiedergabe der lustigen Wei-
se im dritten Akt vom Tristan.
In Kompositionen, deren allgemeines Kolorit
das Gepräge der Schwermut tragen soll, ist die
häufige Anwendung des Englischen Hornes, wenn
durch die ganze Instrumentalmasse verborgen, voll-
kommen am Platze. Dann braucht man aber nur
eine Oboenstimme zu schreiben und besetzt die an-
dere mit dem Englischen Hörn. Gluck hat dieses
Instrument in seinen italienischen Opern „Tele-
mach" und „Orpheus" angewandt, jedoch ohne be-
sonders erkennbare Absicht und ohne großen Vor-
teil; in seinen französischen Partituren kommt es
niemals vor. Weder Mozart noch Beethoven und
Weber haben sich seiner bedient; warum, ist mir
unbekannt.
Einen neuen Gewinn für das Orchester bildet
die aus der Fabrik von F. Loree in Paris stam-
mende Bariton-Oboe, der unlängst in dem von Wilh.
Heekel in Biebrich erbauten Heckelphon ein ge-
fährlicher Rivale erwachsen ist. Es hat einen
Umfang von
(mit allen chrom. Intervallen.)
Eine Oktave tiefer als die Oboe klingend ist es
von reichem und wohltönendem Timbre. — Die
letzten vier Töne (\
sind nur im
Forte, und dann ohne Gewähr für sichere An
spräche, zu gebrauchen.
Edition Peters.
Das Fagott.
Das Pagott ist der Bali dt>r Oboe,*) es hat
mehr als drei Oktaven im Umfang, und man schreibt
es in zwei Schlüsseln, dem Bali: und TenorschUissel :
ihcii Zwisihentüiu-n. _l^ - •!>•
Über das letzte b hinauszugehen ist nicht ratsam.
< Wagner führt das Fagott bis zum hohen c in
I den Meistersingern, da wo er die jänunerlichc Zer.
» schundenhcit Beckmessers schildert.
I gefährlich I
N9 74. Meistersinger, Akt III.
Sehr niäliig.
W.ipner.
ist heute ganz gut zu
bringen, doch wirkt das
Anblasen desselben verderblich auf den Ansatz
des Spielers.
*) Ich hörte im Konservatorium zu Brüssel durch die
Güte des Direktor Gevaert eine Kontrabaß- Oboe bla-
sen, deren Klan? nicht das Geringste mit den tiefen
Fagott- Tönen gemein hatte. Es war der spezifische
Schalmeienklang der Oboe bis in die tiefsten Tiefen
hinab und ich weiß nicht, ob wir dieses Instrument als
Baß der Oboenwelt, wenn unser Ohr in Kürze erst noch
feinere Klangdifferenzierungen und einen größeren
Reichtum von Klangfarben verlangen wird, nicht wie-
der ins Orchester einführen werden, um, statt wie bis-
her von jeder Klangindividualität nur ein bis zwei Ver-
treter, nunmehr ganze Familiengruppen vertreten zu sehen.
Welcher Reichtum an Gegensätzen zeigt sich bei ei-
ner Zusammenstellung von:
2 kl. Flöten |
4 gr. Flöten / Flötenfamilie.
lod.2 Altflöten )
Oboen
Oboen d'amore
engl. Hörnern
Heckelphon
Kontrabaß- Oboi
As- Klarinette
F- Klarinetten
Oboenfamilie.
Es- Klarinetten
oder 6 B-Klarinetten
Bassethörnern
Baßklarinette
Kontrabaßklarinette
Klarinettenfamilie.
Auf den Ausbau dieser Idee brachte mich zuerst ein
Erlebnis im Brüsseler Konservatorium, wo mir einer
der Herren Professoren die G moll- Symphonie von Mo-
zart, für 22 Klarinetten arrangiert, vorblasen ließ,
1 As- Klarinette.
2 Es- Klarinetten.
12 B-Klarinetten.
4 Bassethörner.
2 Baßklarinetten.
1 Kontrabaßklarinette.
Der Reichtum von Klangfarben,der mir aus den ver-
schiedensten Mischungen dieser Klarinettenfamilie ent-
gegenstrahlte, brachte mir zum Bewußtsein,wie viel unge-
hobene Schätze das Orchester noch in sieh birgt, für den
Dramatiker und Tonpoeten, der es verstünde, sie zum
sinnvollen Ausdruck neuer Farben- Symbole und zur
Charakteristik neuer und feinerer Seelenregungen, Ner-
venschwingungen zu deuten.
Edition Peters.
805
Die Klappen, mit denen das Fagott neuerdings
versehen ist, ermöglichen auch die beiden tiefen
die ihm früher versagt waren.
Für das tiefe A
im Tristan haben
die Fagottisten eine sogenannte Doppelstürze
aufzusetzen, mit A- Klappe. Die tiefen Töne:
werden mit dem Daumen der lin-
I ken Hand gegriffen, nur: i t= mit dem
\ kleinen Finger. |<*^und "*
Der Fingersatz des Fagott gleicht dem der
Flöte. An den beiden äußersten Enden seiner Ton-
leiter sind viele Triller unmöglich:
(Die mit *) bezeichneten Triller sind heute alle gut ausführbar
In Bezug auf Reinheit läßt dieses Instrument
viel zu wünschen übrig; es dürfte mehr als jedes
andere Blasinstrument gewinnen, wenn es nach
Böhms System gearbeitet würde.
Das Fagott ist dem Orchester in vielen Fäl-
len von großem Nutzen. Sein Klang ist nicht sehr
stark und neigt, weil vollständig ohne Glanz und
Adel, sehr leicht dem Grotesken zu, was stets zu be-
rücksichtigen ist, weim man das Instrument her-
vortreten lassen will. Seine tiefen Töne geben
der ganzen Gruppe der Holzblasinstrumente vor-
treffliche Bässe. Für gewöhnlich schreibt man die
Fagotte zu zwei Stimmen, da jedoch in großen
Orchestern immer vier davon vorhanden sind,kann
man sie auch ohne Bedenken zu vier, oder besser
noch zu drei Realstimmen schreiben, weil man
dann, zur Kräftigung des Basses, die tiefe Stim-
me in der unteren Oktave verdoppeln kann. Der
Charakter ihrer hohen Töne hat etwas Gequäl-
tes, Leidendes, ich möchte fast sagen Erbärmli-
ches, das man bei einer langsamen Melodie oder
bei einer Begleitungsformel bisweilen mit über-
raschendster Wirkung benutzen kenn. So werden
die kurzen, seltsamen Gluckslaute, welche in dem
Scherzo der C-moll-Symphonie von Beethoven ge-
gen das Ende des Decrescendo hin zu hören sind,
nur von den etwas forciert klingenden hohen
Tönen (as und g ) der Fagotte hervorgebracht.
(Partiturbeispiel 75.)
N9 75. C-moll-Symphonie, Satz IE.
Allegro.
Edition Peters.
Dagegen hat Meyerbeer für die Auferste-
hung der Nonnen in „Robert der Teufel" durch
die schlaffen Töne der mittleren Tonlage der Fa-
gotte die bleiche, kalte, leichenartige Tonfärbung
erzielt, die er haben wollte. (Partiturbeispiel 76.)
NO 76. Robert der Teufel, Akt IE.
Meyerbeer.
Andante.
Fa?.(Soli.)
Edition Peters.
207
Schnelle Passagen in gebundenen Noten kön-
nen mit Erfolg verwendet werden; sie kommen
gut heraus, falls sie in den Lieblingstonarten des
Instrumentes, also in D-, G-, C-, P-, B-,
Es-, A-dur oder den bezüglichen Molltonarten
geschrieben sind. So bringen z.B. die Pagottpas-
sagen in der Badeszene des zweiten Aktes der
„ Hugenotten" eine ausgezeichnete Wirkung her-
vor. (Partiturbeispiel 77.)
N9 77. Hugenotten, Akt IL
Fa^.
l (tief).
Meyerbeer.
Chor
junger Mädchen.
leii'ato dolcemente
Edition Peters.
Edition Peters.
209
Den Charakter zärtlicher Schüchternheit, der
dem Fagott in der oberen und mittleren Lage
im Piano so eigen ist, hat Mozart wundervoll
zum Ausdruck gebracht im Duett „ Reich' mir
die Hand, mein Leben" (Don Juan) bei Zerli-
nens Worten: „Nein, ich kanns nicht wagen"
Eine Eigentümlichkeit der Partituren Haydns,
Mozarts und Beethovens ist das in ein bis zwei
Oktaven mit der Diskantmelodie mitsingende Fa-
gott. Man glaubt hierbei oft — wie z.B. in Fi-
garos Hochzeit— die Stimme eines alten Mannes
zu hören, der die aus seiner Jugendzeit ihm teu-
ren Melodien mitsummt.
Bei Mozart wäre noch eines Beispiels zu
gedenken, wo er das Fagott mit der Oboe, zwei
Oktaven tiefer, zum Ausdrucke gezierter Sprö-
digkeit gebraucht: in Cosi fan tutte und zwar in
der Szene, wo Fiordiligi ihre Schwäche in hoch-
tönenden Worten gegenüber den Bewerbungen
ihrer verkleideten Liebhaber zu verbergen
sucht. (Partiturbeispiel 78.)
N9 78. Cosi fan tutte.
210
Siehe auch den Ausdruck \vrlep:eMcr Schl.ui- 1 | sti-n Akt von Waf,Miurs Siegfried:
heit in Mimos nachdonkiichoii Terzen im er- I \
N9 79. Siegfried, Akt I.
l,Lebhttft, doch nicht zu schnell.) ^ ^^
Wagner.
K. B.
Tuba.
:n-l.Hrn
> VP
Edition Peters
Weber entlockt in der Kavatine (dritter Akt)
seiner einsam im Walde verschmachtenden Flury-
anthe dem Fapott herzergreifende Töne der lei-
denden Unschuld.
Besonders stark sind die mitklingenden Ober-
töne des Fagotts. So ist es mir einmal ergangen,
daß sich im As- moll- Akkord, in meiner Ton-
dichtung: Tod und Verklarung, geblasen von Po-
saunen,Engl. Hörn, Fagott und Kontrafagott, des
öfteren ein C hören lioL!, offenbar ein Oberton
des Fagott oder des Kontrafagott.
(I'iirtiturbiMspiel HO.)
N9 80. Tod und Vorklärung.
Verlag Jos. AibI, Leipzig.
213
Das Quintfagott.
In der Form eine Verkleinerung des vorigen,be-
sitzt das Quintfagott, dessen Stimmung um eine
Quinte höher ist, ziemlich den nämlichen Umfang
wie jenes und wird gleichfalls in zwei Schlüsseln,
aber transponiert, geschrieben. Seine B- Ton-
leiter :
Mit den chromatischen Zwischentonen. ]^ L
erklingt in Wirklichkeit als P-Tonleiter:
Das Quintfagott ist für das eigentliche Fagott
in der Höhe dasselbe, was das Englische Hörn
für die Oboe in der Tiefe ist. Das Englische Hörn
muß in der Quinte oberhalb, das Quintfagott da-
gegen in der Quinte unterhalb der wirklichen
Tonhöhe geschrieben werden; das Quintfagott spielt
also in F, wenn die eigentlichen Fagotte in C spie-
len, es steht in G, wenn diese in Dstehenu.s.w. Die-
ses Instrument fehlt in den meisten Orchestern,
wird jedoch in seinen beiden höheren Oktaven vor-
teilhaft durch das Englische Hörn ersetzt. Sein
Klang hat weniger Empfindsamkeit, aber mehr
Kraft als der des Englischen Hernes, und würde
in der Militärmusik von vortrefflicher Wirkung
sein. Es ist sehr zu beklagen und von großem
Nachteil für die Blasinstrument -Orchester, daß
man die Fagotte fast ganz aus ihnen verbannt hat;
der rauhe, scharfe Klangcharakter solcher Orche-
ster würde durch eine entsprechende Anzahl gro-
ßer und kleiner Fagotte erheblich gemildert wer-
den.
Das Kontrafagott.
Das Kontrafagott verhält sich zum gewöhnli-
chen Fagott wie der Kontrabaß zum Violoncell,das
heißt: seine Töne erklingen gleichfalls eine Ok-
tave tiefer als sie geschrieben sind. Man gibt ihm
nicht mehr als den Umfang von zwei Oktaven und
einer Quinte:
erklingt so:
Die beiden ersten Noten dieser Tonleiter spre-
chen schwer an und sind infolge ihrer großen Tie-
fe kaum zu unterscheiden.
Es versteht sich von selbst, daß dieses Instru-
ment seiner außerordentlichen Schwerfälligkeit we-
gen nur für große Harmoniewirkungen und für Baß-
gänge von mäßiger Bewegung geeignet ist. Beet-
hoven hat es in dem Finale seiner C-moll und in
dem seiner neunten Symphonie benutzt.
i Und in der Kerkerszene seines Fidelio! (vgl.Parti-
5 turbeispiel50.S.133)Wie schon bei den Violoncells be-
I merkt, haben die Fagotte auch in ihren tiefsten
> Tönen für mein Gefühl (wenn sie nicht etwa durch
tiefe Hörner verdoppelt werden) keinen Baßcha-
rakter. Im heutigen Orchester, dessen Streich-
quartett der kleinsten Stärke mindestens Sechs
; Kontrabässe belasten, brauchen die Holzbläser
ein Baßschwergewicht von mindestens einem Kon-
trafagott- dem natürlichen Baß der Holzbläser-
einer Baßklarinette und etwa einer Kontrabaß-
; oboe, will der Komponist der ganzen Gruppe der
Holzbläser eine dem Streichquintett einigerma-
ßen ebenbürtige Selbständigkeit verleihen.
(Schon die einfache Baßklarinette ist ein richti-
ger Baß zu den drei Fagotten. Siehe hierüber
in dem betreffenden Kapitel)— Das Kontrafagott
st heute (durch Wilhelm Heckel in Biebrich^'/Rh.)
sehr verbessert und seine Verwendung dringend
zu empfehlen.
Für große Harmoniemusik-Orchester ist das
Kontrafagott sehr wertvoll, jedoch entschließen
sich nur wenige Künstler, es zu spielen. Biswei-
len versucht man es durch die Ophikleide zu erset-
zen, deren Ton aber nicht dieselbe Tiefe hat, da
er im Einklang und nicht in der tieferen Oktave
mit dem gewöhnlichen Fagotte steht; außerdem ist
ihr Klangcharakter ein ganz anderer als der des
Kontrafagottes. Ich glaube daher, daß es in den
allermeisten Fällen besser ist, von der Verwend-
ung dieses Instrumentes abzusehen, als es auf die-
se Art zu ersetzen.
Edition Peters.
Dir Klai-inctton.'''
Die Instrumente mit einfachem Rohiblatt,
wie die Klarinetten und das Bassethorn, bilden ei-
ne Familie, die mit derjenigen der Oboe keines-
wegs so nahe verwandt ist, als man vermuten könn-
te. Was sie hauptsächlich von einander unterschei-
det, ist die Natur ihres Klanges. Die Klarinetten
haben tatsächlich in der Mittellage eine klarere,
vollere, reinere Stimme, als die Instrumente mit
doppeltem Rohrblatt, deren Ton niemals von einer
gewissen Schärfe oder Herbheit frei ist, selbst wenn
die Kunstfertigkeit der Ausführenden dies mehr
oder weniger zu verdecken sucht. Nur die spitzen
Töne der letzten Oktave der Klarinette vom ^^T
an haben etwas von der Herbheit der starken Tö-
ne der Oboe, während sich die tiefsten Töne infol-
ge ihres etwas rauhen Klanges dem Charakter ge-
wisser Töne des Fagottes nähern.
Die Klarinette wird im Violinschlüssel geschrie-
ben, ihr Umfang beträgt drei und eine halbe Okta-
ve, und darüber:
Mit denchron
ehwer||sehrgefahrlich|
Man zählt auf der Klarinette vier Register:
das tiefe, das Schalmei -Register, das mittlere und
das hohe Register. Das erste umfaßt folgenden
Teil der Tonleiter:
5 (Die tiefen Töne klingen nicht gut, sondern hohl.)
das zweite diesen:
(seine Töne sind im
allgemeinen dumpf); das dritte Register erstreckt
sich auf folgende Tonstufen:
:, und das
vierte endlich auf die übrigen Töne der Tonleiter
bis zum höchsten d:
Eine ziemlich große Anzahl von diatonischen Ton-
folgen, von Arpeggien und Trillern war früher auf
der Klarinette nicht möglich, ist es aber heute,
dank dem sinnreichen Mechanismus der dem Instru-
mente zugefügten Klappen und wird sogar leicht
ausführbar sein, wenn das Saxsche System erst
überall Eingang gefunden hat.
I Auf den Saxschen Klarinetten blasen sich die
} Kreuztonarten besser, auf den deutschen (von Iwan
5 Müller, verbessert durch Bärmann) die B-Tonarten.
Es wird daher gut sein, Passagen, wie die folgen-
den, einstweilen noch zu vermeiden, oder wenig-
stens nur dann vorzuschreiben, wenn die Bewegung
nicht sehr schnell ist.
Klarinette auf ßuinten gebaut, Flöten, Oboen und Fagotte dagegen auf Okta
*) Die französischen Klarinetten haben einen flachen,näselnden Ton, während die deutschen sich der menschlichen Gesanpjs-
stimme nähern.
Edition Peters. 9039
I uuttclsch
215
^tt' ^* *i
(dagegen sehr schwer
Die Zahl der auf der Klarinette ausführbaren 1 unsicher sind, werden in der folgenden Tabelle
Triller mit großer und kleiner Sekunde ist be- näher bezeichnet,
trächtlich; diejenigen, welche in der Ausführung I
irsFii^
^J^ijy iju bji.|j i^i^Jijii^i^ \4Mm^^^\t^^ vj^^^^^ ly^
|Alle mit •) bezeichneten Triller sind heute ausführbar. Für die mit 0 bezeichneten gibt es Hülfsklappen
iN.B. Die obersten fünf Triller bei großem Druck mit Hülfsklappen möglich.
ist sehr hell und gut.
Lieblingstonarte« Jor Khirii\ctte sind haupt-
sächlich C-, F-, G-dur, ferner auch B-, Es-, As-,
D-dur, und die bezüglichen Molltonarten.
1 Ist heute ein überwundener Standpunkt. Mein
i erster Klarinettist in Berlin teilt mir mit, daU er
mit der heutigen Klappenverbesserung auf der
B- Klarinette sogar lieber H- dur als B-dur bläst.
Da man Klarinetten in verschiedenen Stim-
mungen besitzt, ist es bei geeigneter Anwendung
derselben leicht zu vermeiden, den Spieler in Ton-
arten mit viel Vorzeichnung spielen zulassen, wie
in A-, E-, H-, Des-, Ges-dur und den entsprechen-
den Molltonarten .
Im allgemeinen sind gegenwärtig deren vier im
Gebrauch:
Die kleine Klarinette in Es, der man in
der Regel nur den Umfang von drei Oktaven und
zwei Noten gibt:
nur mit Vorsicht, oder ff im Tutti
au gebrauchen!
Sie steht eine kleine Terz höher als die Klarinet-
te in C und wird transponiert geschrieben; man
muß also eine Stelle, die so erklingen soll:
in folgender Weise notieren:
Die Klarinette in C, die Klarinette in
B und die in A. Die beiden letzteren haben den
gleichen Umfang wie die Klarinette in C. Da die
eine um einen Ton, die andere um eine kleine Terz
tiefer als diese steht, so mul5 erstere einen Ton,
letztere eine kleine Terz höher, als sie erklin-
gen sollen, notiert werden.
T> I gut ^^1^ II gut 11 sehr schlecht ~|
; — ^cf^ff>iii.h, ^^\\'4\Kf^^\
Die Ausdrücke „gut, schlecht, leidlich" bezie-
hen sich in diesem Falle nicht auf die Schwierig-
keit der Ausführung der als Beispiel gebrauchten
Phrasen selbst, sondern nur auf die Schwierig-
keit der Stimmung, in welcher sie geschrieben
sind. Übrigens ist zu bemerken, daß die schwie-
rigeren Tonarten, wie A- und E-dur für einfache
und langsam gehende Stellen nicht gänzlich zu ver-
meiden sind.
^ Für gewisse Stellen schwungvollen Charak-
\ ters ist die C-Klarinette unentbehrlich. Siehe
i Entreacte in Mehuls Joseph (Partiturbeispiel 81),
< Ballet in Aubers Stumme von Portici (Parti-
I turbeispiel 82). Auch für Passagen, die eine hellere
* Klangfarbe vertragen, ist sie vorzuziehen.
N981. Joseph, Akt III (Entreacte).
Allegro. Soioj
Mehul.
N9 82. Stumme von Portici, Akt I.
Allegretto.
Vcello u.
K.B.
#
) 1 .>i U t- 1 1 1
lJ ? jd j j j Jd
> '"
=►
m* j •? jj j j j j
r^rji'j
N - ^ 'n~n -
- j . J^ rm -
^):'.\ K h-TJ — h-h-
j .j^j j 1 1-
l-' ^ -
J ?idJ-j n
.i^^-^ J w
1^ •? ^^^-^ j j
j j
L__J2 S—S — 1
'Z-:o
Die Khirinetto in D ist wenig verbreitet, sollte
es aber mehr sein; ihr Klang ist rein und besitzt
eine beträchtliche Schärfe, wäre also bei mancher
Golef;enheit ausgezeichnet zu verwerten.
I Wird auch heute leider noch last stets diiivhdie
/ Es- Klarinette ersetzt, trotzdem ihr inzwischen in
Liszts Mazeppa und Wagners Walkürenritt eine
wichtige Rolle anvertraut worden ist. Ich selbst
habe sie als den Humoristen in meinem Till Eu-
len spie gel verwendet. Sie ist hier von einer
derb-drolligen Komik:
N9 8:^ a u.b. 'Fill I^^iilciispicc^««!.
Vorlag Jos. Aibl, LcipzifT.
Z21
Man sieht, daß unabhängig vom eigentümlichen
Charakter ihres Klanges, von welchem wir noch spre-
chen werden, diese verschiedenen Klarinetten für
die Leichtigkeit der Ausführung sehr nützlich sind.
{ (Heutzutage nicht mehr nötig.)
Zu bedauern ist nur, daß es nicht noch mehrere
gibt. So konnten z.B. die Stimmungen in H und D,
die man nur selten findet, den Komponisten bei zahl-
reichen Gelegenheiten von großem Vorteil sein.
Die hohe Klarinette in P ist die empfehlens-
werteste, sie ist jetzt in allen Militärkapellen ein-
geführt Man hat auch Klarinetten in As.
Hohe Klarinetten, und diese wiederum in Fund
Es, sind in größerer Anzahl fürs moderne Orche-
ster zu empfehlen, da sie die einzigen Instrumen-
te sind, die, gegenüber der in der Höhe unbrauch-
baren Oboe und der im Forte ganz charakterlosen
Flöte, gegen stark besetzte Streicher und die
I starken Wirkungen des Blechs ein entsprechendes
J Gegengewicht bilden (besonders bei polyphoner
I Schreibweise). Siehe z.B. die Symphonieen von
I G. Mahler. _ Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt,
I daß auch eine Vervollkommnung des Piccolos leb-
I haft anzustreben wäre, da es noch heute in Ton
I und Technik sich in ziemlich primitivem Zustan-
t de befindet.
Die kleine Klarinette in hoch F, die man früher
bei Militärmusiken viel gebrauchte, ist durch die
Klarinette in Es fast ganz verdrängt worden, und
dies nicht mit Unrecht, da letztere weniger schrei-
end klingt und für die bei Musikstücken für Blas-
harmonie gebräuchlichen Tonarten ausreichend ist.
Die Klarinetten verlieren in demselben Maße an
Reinheit, Lieblichkeit und Vornehmheit, je weiter
sich ihre Stimmung von der B-Stimmung, einer der
schönsten dieses Instrumentes, nach der Höhe zu
entfernt.
Die Klarinette in C ist härter als die in B, ihr
Klang hat bei weitem weniger Reiz. Die kleine Kla-
rinette in Es hat durchdringende Töne, die vom a
über den Notenlinien an sehr leicht unedel werden.
In einer neueren Symphonie hat man sie sogar da-
zu benutzt, eine Melodie zu parodieren, sie herun-
terzuziehen, zu verlumpen, wenn der Ausdruck ge-
stattet ist; der dramatische Sinn des Werkes erfor-
derte diese seltsame Umgestaltung. Die kleine Kla-
rinette in F zeigt nach dieser Richtung hin eine
noch stärkere Neigung. Im Gegensatze hierzu bringt
das Instrument, je tiefer es wird, um so mehr ver-
schleierte, schwermütige Töne hervor.
Im allgemeinen sollten sich die Ausführenden
nur derjenigen Instrumente bedienen, die der Au-
tor vorgeschrieben hat. Da jedes dieser Instru-
mente seinen eigentümlichen Charakter besitzt, so
ist anzunehmen, daß der Komponist das eine oder
andere Instrument für diese oder jene Klangfärbung
vorgezogen, nicht aber aus zufälliger Laune ge-
wählt hat. Wollen nun manche Spieler, nach Art
gewisser Virtuosen, eigensinnig darauf bestehen,
alles (transponierend) auf der B-Klarinette auszu-
führen, so begehen sie fast ausnahmslos eine Un-
treue gegen den Komponisten. Und diese Untreue
wird um so offenkundiger und strafbarer, wenn es
sich zum Beispiel um die A- Klarinette handelt.
Es kann oft vorkommen, daß der Komponist sie
nur deshalb vorgeschrieben hat, um ihr tiefes e
zur Verfügung zu haben, welches bekanntlich wie
eis klingt:
Klarinette in A:
I Wirklicher Klang:
Wie hilft sich nun der Spieler der B-Klarinette, der-
en tiefstes e nur den Ton d erreicht?
Klarinette in
I Wirklicher Klang:
Er wird die Note in die höhere Oktave transponie-
ren und so die vom Autor beabsichtigte Wirkung
zerstören! . . . Das ist unverzeihlich!
I Die neuen B-Klarinetten und Baßklarinetten
l besitzen eine Cis-Klappe. Baßklarinetten in A wer-
I den sehr selten mehr geblasen j man sieht sich
5 oft gezwungen sie nach B umschreiben zu lassen.
Wir haben oben gesagt, daß die Klarinette vier
Register habe; jedes dieser Register zeigt einen
unterscheidbaren Klangcharakter: der des hohen
Registers hat etwas Schneidendes, das man nur in
den Fortissimo-Stellen des Orchesters oder in küh-
nen Läufen eines glänzenden Solos verwenden kann,
(einige der sehr hohen Noten können indessen pi-
ano ausgehalten werden, wenn man den Ansatz
des Tones genügend vorbereitet); dem mittleren
und dem Schalmei-Register kommen, ihrem Cha-
rakter nach, die Gesangsmelodien, Arpeggien und
Passagen zu; das tiefe Register endlich eignet sich,
zumal in gehaltenen Tönen, zu jenen kalt dro-
henden Wirkungen, zu jenen finsteren Lauten
starrer Wut, deren geistreicher Erfinder Weber
war.
i Diesen Registerwechsel hat Wagner sinnreich
I ausgebeutet im dritten Akt seiner Meistersinger
I bei den Worten Davids „Nur gestern, weil der Jun-
{ ker versungen".
* (Partiturbeispiel 84.)
Kl.ir.lin A.
Hrn. 1 in E.
N9S4. Mcistcrsiiii^-cc, Akt III
Sehr gomiichlic'h
..I
1\ : ,; ; 1 L.e-newie ich, dannver-päbt ihrmi
223
Will iiuui die iliirchdrinf;enden Kliiiif^e der höch-
sten Noten besonders hervortretend gebrauchen,
fürchtet aber dein Bläser mit dein hastigen Ansatz
der gefährlichen Noten zu viel zuzumuten, so nuiU
man den Einsatz der Klarinette mit einem starken
Akkord der ganzen Orchestennasse verdecken, und
zwar so lange, bis sich der Ton festgesetzt und ge-
läutert hat; dann kann man jenen Akkord abbre-
chen und das Instrument ohne Gefahr frei austö-
nen lassen:
Die Gelegenheit, solche hohe gehaltene Töne
gut anzubringen, findet sich indes ziemlich selten.
Der (Charakter der Töne der MittoU.vge, welcher
gewissermaßen das Gepräge eines durch edle Zäi-t-
lichkcit gemäiligten Stolzes an sich trägt, befäh-
igt dieselben zur Darstellung der poetischsten Ge-
fühle und Ideen. Nur au.sgulassene Fröhlichkeit
und selbst kindlich unbefangene Freude scheinen
diesem Instrumente versagt zu sein. Die Klarinet-
te ist weniger idyllischen, sondern vielmehr epi-
schen Charakters, gleich den Hörnern, Trompe-
ten und Posaunen. Ihre Stimme ist die der helden-
mütigen Liebe; und wenn die Massen der Blechin-
strumente in großen Militärsymphonien den Gedan-
ken an eine Kriegerschar wachrufen, die, mit fun-
kelnden Rüstungen bedeckt, dem Ruhme oder dem
Tode entgegen eilt, so scheinen die zahlreichen zu
gleicher Zeit im Unisono erklingenden Klarinetten
die geliebten Frauen vorzustellen, die liebenden
Jungfrauen, die mit stolzem Blick und tiefer Lei-
denschaft, durch den Waffenlärm begeistert, mit-
ten im Kampfe singen, die Sieger krönen oder mit
den Besiegten sterben.
i Man vergleiche hiermit Brünnhildens Abgang im
\ zweiten Akt der Walküre. (Partiturbeispiel 85.)
N9 85. Walküre, Al^t H.
Wagner.
225
Ich habe niemals eine Militärmusik von weitem
anhören können, ohne von diesem weiblichen Klang-
charakter der Klarinetten aufs lebhafteste bewegt
zu werden und Eindrücke ähnlicher Art, wie sie
das Lesen alter Heldengedichte zurückläßt, zu er-
halten. Dieser schöne Instrumental-Sopran, bei
starker Besetzung so widerhallend, so reich an
eindringlichen Lauten, gewinnt im Solo soviel an
Zartheit, an Farbenreichtum, an geheimnißvoll Rüh-
rendem, als er an Kraft und Glanz einbüßt. Es gibt
nichts so Jungfräuliches, nichts so Lauteres als
das Kolorit, welches gewisse Melodien durch den
Klang einer Klarinette in mittlerer Tonlage erhal-
ten, falls ein geschickter Virtuos sie spielt.
So schön dies empfunden ist, es ist doch etwas
einseitig. Nach meiner Ansicht gibt die Klarinet-
te bei richtiger Registeranwendung, Melodiefüh-
rung und entsprechender Mischung mit anderen
Gruppen alle Gefühlsabstufungen her. So ist die-
selbe bei Weber so süß jungfräuliche Klarinette in
Wagners Parsifal zur Verkörperung der dämoni-
schen Sinnlichkeit geworden und läßt in den Kun-
dry-Szenen die schauerlich beängstigenden Stim-
men der Verführung ertönen, die keiner verges-
sen wird, dem sie jemals ans Ohr schlugen. Dabei
ist nicht zu vergessen, daß es natürlich nicht
die Klangfarbe des Instrumentes allein ist, son-
dern mit ihr die Gestalt des Themas, Rhythmik,
Melodik und Harmonik, die den jeweiligen Cha-
rakter so genau bestimmen.
Unter allen Blasinstrumenten ist keines zu fin-
den, das den Ton so gut entstehen, anschwellen,
abnehmen und verhallen lassen kann, wie die Klari-
nette. Daher ihre unschätzbare Eigenschaft, den
Fernklang, das Echo, den Widerhall des Echo, oder
den Zauber der Dämmerung wiederzugeben. Kein
bewunderungswürdigeres Beispiel der Verwertung
solcher Schattierungen könnte ich anführen, als die
träumerische Melodie der Klarinette, begleitet vom
Tremolo der Streichinstrumente, im Allegro der
Freischütz-Ouvertüre! Ist dies nicht die einsame
Jungfrau, die blonde Braut des Jägers, die mit gen
Himmel gerichtetem Auge ihr zartes Klagen im Rau-
schen des tiefen, vom Sturme erschütterten Waldes
ertönen läßt?. . . 0 Weber!!
(Partiturbeispiel 86.)
Edition Peters.
22«
N9 8(). l'^rcischiitz, Ouvrrtiii'c
Molto vivace. as.
Weber.
321
Da ihr mehr wie jedem anderen Holzblasinstru-
mente auch alle dynamischen Abstufuiifjen vom ge-
hauchtesten jyp bis zum schreiensten ff zur Ver-
fügung stehen, kann die der Klarinette anvertrau-
te Melodie die feinsten Nervenerregungen im schön
gegliederten Körper des modernen Orchesters dem
Gefühle des Hörers übermitteln. Schon der enor-
me Umfang von beinahe vier Oktaven befähigt sie
hierzu mehr, als jedes andere Holzblasinstrument.
In der Oktave:
ist der Toncharak-
: ter im p indifferent, stark angeblasen, erhält er
i etwas durchaus Ordinäres. Da nun die Anord-
nung der heutigen Partitur die Klarinetten stets
ein System unter die Oboen stellt, begeht die Nach-
lässigkeit der Tonsetzer und die Unkenntnis des
Unerfahrenen häufig den Fehler, bei Akkordmisch-
ungen die Klarinette auch tiefer als die Oboen
zu setzen. Man gebe vielmehr bei vierstimmigen
Akkorden die beiden Unterstimmen den Oboen, der-
en kräftige, tiefe Töne viel besser das Sopran-
register der Klarinetten fundieren als das schlaf-
fe und dumpfe Mittelregister der letzteren sich
zum Basse darüberliegender Oboen eignet. Ein
Beispiel hierfür bietet der Marsch im Tannhäu-
ser. (.Partiturbeispiel 87.)
N9 87. Tannhäuser, Akt II (Marsch]
Wagner.
Kleine Fl.
vauf der ?r. Fl.)
2\Vald-Hrnr.
in H.
2Fa5.
^
t - iJi - iJt- i|j<- m
^
Wo lau - fic nochdcrfro-he Ruf er- schalle: Thu-ringens Fu
Landgraf Hermann He
///
229
Ich erlaube mir noch die, wenn auch nicht glei-
che, doch immerhin analoge Wirkung einer Gesangs-
stelle der Klarinette in meinem Monodrama „Lelio"
anzuführen, deren von Pausen unterbrochene Frag-
mente ebenfalls vom Tremolo eines Teiles der Streich-
instrumente begleitet werden, während die Kontra-
bässe von Zeit zu Zeit eine tiefe Note pizzikato an-
geben und dadurch der Harmonie einen schwerfälli-
gen Pulsschlag geben, eine Harfe aber, kaum hör-
bar, Bruchstücke von Arpeggien hören läßt. Um
jedoch in diesem Falle dem Tone der Klarinette ei-
nen möglichst unbestimmten Pernklang zu geben,
habe ich das Instrument in einen Beutel von Leder
einhüllen lassen, der die Stelle des Dämpfers ver-
tritt. Der traurig murmelnde und halb verwischte
Klang dieses Solo, welches eine schon in einem an-
dern Stück gehörte Melodie wiedererstehen läßt, hat
stets einen lebhaften Eindruck auf die Zuhörer ge-
macht. Diese schattenhafte Musik erweckt düste-
re Traurigkeit und vermag — mehr als dies die
schmerzlichsten Töne könnten— zu Tränen zu rüh-
ren, in ihrer Schwermut den zitternden Harmonien
der Aeolsharfe ähnlich. (Partiturbeispiel 88.)
N9 88. Lelio, Monodrame lyrique, Le retour ä la vie.
»J/= — p
Beethoven hat, mit Rücksicht auf den schwer-
mütigen, edlen Charakter der A-dur Melodie im un-
sterblichen Andante seiner siebenten Symphonie und
um alles, was diese Stelle zu gleicher Zeit Schmerz-
lich-Klagendes in sich birgt, treffend wiederzuge-
ben, ebenfalls diese Melodie den mittleren Tönen
der Klarinette anvertraut. Gluck hatte das Ritor-
nell der Arie der Alceste: „Ach! ihr zerschmelzt
mein Herz durch eure Thränen" (Akt II, letzte A-
rie) anfänglich für eine Flöte geschrieben j da er
aber ohne Zweifel bemerkte, daß der Klang dieses
Instrumentes zu schwach und nicht edel genug zur
Wiedergabe eines Thema von solcher TVostlosigkeit
und trauriger Erhabenheit war, so übertrug er es der
Klarinette. Wiederum sind es die Klarinetten, wel-
che gleichzeitig mit der Singstimme jene andere
Arie der Alceste singen, die so schmerzvolle Hin-
gebung atmet: „Götter ew'ger Nacht, strenge Her-
ren" (Akt III, erste Arie).
Eine Wirkung ganz anderer Art entspringt aus
den drei langsam sich hinziehenden Terzen der Kla-
rinetten in einer Arie der Oper Ödipus (von Sacchi-
ni) „Euer Hof ward meine Zuflucht". Nach dem
Abschlüsse des Themas wendet sich Polynikes, be-
vor er zu singen fortfährt, zu der Tochter des The-
seus und fügt, sie anblickend, hinzu: „Ja ich kann-
te, ja ich liebte die holde Eryphile". Diese beiden
in Terzen gehenden Klarinetten, welche bis zum
Eintritte der Singstimme, im Augenblick, wo die
beiden Liebenden einen zärtlichen Blick austau-
schen, sanft herabsteigen, sind von ausgezeichne-
ter dramatischer Berechnung und ergeben eine vor-
treffliche musikalische Wirkung. Die beiden In-
strumentalstimmen sind hier ein Sinnbild der Lie-
be und Reinheit. Wenn man sie hört, glaubt man
Eryphile, hold verschämt, die Augen niederschlagen
zu sehen. Es ist bewundernswürdig!
Andante.
Polynikes
Je con -niis, fardo-railackarmaiiUE-ry-phi-le.
Jaichkanntejaichliebtedie holde E-ry-phi-le.
Man setze zwei Oboen an Stelle der beiden Kla-
rinetten und die Wirkung ist zerstört. Dieser kost^
bare Orchestereffekt fehlt zwar in der gestoche-
nen Partitur des Meisterwerkes Sacchinis; aber
er ist mir bei Aufführung desselben zu oft aufge-
fallen, als daß mich mein Gedächtnis täuschen
könnte.
Weder Sacchini, noch Gluck, noch irgend ein
großer Meister jener Zeit haben die tiefen Töne
des Instrumentes zu wirklicher Verwertung ge-
bracht. Den Grund dafür kann ich nicht finden. Mo-
zart scheint der erste zu sein, der sie zu Beglei-
tungen von düsterem Charakter benutzt hat; so
zum Beispiel im Maskenterzett des „Don Juan".
Erst Weber war es vorbehalten, alles das zu ent-
decken, was der Klang dieser tiefen Töne Schau-
erliches an sich hat, wenn man sich ihrer zimi Aus-
halten unheimlicher Harmonien bedient. In sol-
chem Falle ist es besser, die Klarinetten zweistim-
mig zu setzen, als sie im Einklang oder in Okta-
ven zusammengehen zu lassen. Je zahlreicher
alsdann die harmonischen Noten sind, desto auf-
fallender ist die Wirkung. Hätte man zum Bei-
spiel drei Klarinetten für den Akkord cis-e-b zur
Verfügung, so würde diese verminderte Septime,
wenn gut motiviert, gut herbeigeführt und eben-
so instrumentiert, eine furchtbare Physiognomie
erhalten, die man durch Hinzufügung des tiefen
g einer Baßklarinette noch mehr verdüstern könn-
te:
i Das Bangen iltM- in sohnsuchtsvoUor Erinnerung-
Jan den fernen Siogl'ried versunkenen Hriinnluldc,
> die Ahnung? nahenden Unheils könnte nicht hcrrli-
her wiedergegeben werden, als es in der unver-
Hlci( lilii-hun Solostcllc der zwei Klarinetten bei
(loi- Verwatidlungsniusik zur letzten Szene im er-
sten Akt der Oöttcrdiininierung geschehen ist:
N9 89. CnittcrdainiiHM'iiiiii:, Akt I.
r\och mehr zurückhaltend^
Wagner.
233
Dritte Szene.— Der Vorhang wird wieder aufgezogen. Die Felsenhö!
he wie im Vorspiel. -(Brünnhilde sitzt am Eingänge des Steingemarh'
in stununemSinnen Siegfrieds Ring betrachtend.) ' '^
(Von wonnigen Erinnerungen ergriffen,be-
deckt sie den Ring mit ihren Küssen.)
235
Seit Wagners herrlichem Amselruf (II Akt Mei- 1 i nette reichlich als Vogelstimmen-Imitator verwen-
stersinger, vor Eintritt des Abends) ist die Klari- I ] det worden:
N9 90. Meistersinger, Akt II.
Wagner.
Pogn,
Auch zu Bof^leitungsfiguren ernsten und humo-
ristischen Inhaltes eignet sich die Klarinette bes-
ser als jedes andere Holzblasinstrument. Bei ei-
ner Klarinettisten-Prüfunp hörte ich unliinpst die
I sehr {;ut wirkende und sehr leicht ausführbare
auf. Seite 2ir) am SohluD der Beispiele stehende
Figur.
Man vergleiche auch in Mozarts„Cosi fiuitutto"
die Arie des Fernando in H:
N9 91. Cosi fan tutte.
Ja, ich se - he die schönsteder Frau-en, siekannlan-ger mir nichtwider-stehn, und ich
darfmeinemGlückever-trau-en, sie er- hör-temein in-ni-ges Flehen, ja, ich darfmeinemGlückever-trauen etc.
S37
Die Altklarinette.
Sie ist nichts anderes als eine Klarinette in
tief P oder in tief Es, also eine Quinte unterhalb der
C-, bez. B-Klarinette stehend, und hat den ganzen
Umfang derselben. Man schreibt sie demnach trans-
ponierend, erstere in der Quinte, letztere in der gro-
ßen Sexte oberhalb ihres wirklichen Klanges:
Alt- Klar, in F.
Wirkliche Tonhöhe
Alt-Klar, in Es.
Wirkliche Tonhöhe
Sie ist ein sehr schönes Instrument, bedauerlicherweise aber nicht in allen, sonst gut besetzten Orche-
stern anzutreffen.
Die Baßklarinette.
Noch tiefer als die vorhergehende, steht diesel-
be eine volle Oktave unter der B-Klarinette; zwar
gibt es auch eine in C (in der tieferen Oktave der
C-Klarinette), doch ist die in B viel mehr verbrei-
tet. Da es ganz das nämliche, nur in größeren Ver-
hältnissen angefertigte Instrument, wie die gewöhn-
liche Klarinette ist, bleibt auch sein Umfang ziem-
lich derselbe. Das Rohrblatt der Baßklarinette ist
etwas schwächer und bedeckter, als das der ande-
ren Klarinetten. Die Baßklarinette hat nicht die
Bestimmung, die hohen Klarinetten zu ersetzen,son-
dern deren Umfang nach der Tiefe zu ergänzen. Sehr
schön jedoch ist die Wirkung, wenn die hohen Tö-
ne der B-Klarinette von der Baßklarinette in der
tieferen Oktave verdoppelt werden. Letztere no-
tiert man wie die übrigen Klarinetten im Violin-
schlüssel.
Ihre tiefsten Noten sind die besten, man darf
sie aber mit Rücksicht auf die Langsamkeit ihrer
Schwingungen nicht zu schnell auf einander folgen
lassen. Meyerbeer hat der Baßklarinette in dem
Terzett des fünften Aktes der „Hugenotten" einen
beredsamen Monolog zuerteilt. (Partiturbeispiel 92.)
N9 93. Hugenotten, Akt V.
Meyerbeer.
a-vez vous qu'enjoi-gnant vosmainsdansceste-
Wisset ihr,wennichjetzt verbin -de eu-re
^ ne - bres, je cun-sacre'et be - nis le banquet des a - dieux et des no-ces fu-
Hän ■ de, dqßnichtQualenvmdTod, nichtseuchtrermenmehrkann, wie das Schicksal sich
BaÜklar.inB
Nous sa - vons
Was ver- eint
JLPE
qu'au Ciel seul nous de-vions etre u
uns be - droht, was uns trifft, wis-sen wir.
Nous sa - vons qu'au Ciel seul nous de-vions etre u - nis.
Was ver -eint uns be - droht, wasunstrifft, wissen wir.
Je nach der Art und Weise, wie man für die-
ses Instrument schreit, und je nach der Geschick-
lichkeit des Spielers, vermag es in seiner tiefen Re-
gion den wilden Klangcharakter der tiefen Töne der
gewöhnlichen Klarinette, oder auch den ruhigen, fei-
erlichen, weihevollen Ausdruck gewisser Register
der Orgel anzunehmen. Es kann demnach häufig und
gut verwendet werden; außerdem gibt es, unisono in
vier-bis fünffacher Besetzung verwendet, den Bäs-
sen der Blasinstrument- Orchester einen salbungs-
vollen, vortrefflichen Klang.
\ Wagner hat die Baßklarinette stets im Charak-
\ ter der feierlichen Entsagung angewendet. Siehe
I Gebet der Elisabeth,— König Markes große Sze-
\ ne am Schluß des zweiten Aktes vom Tristan:
N9 93. Tristan, Akt II.
Mäßig langsam.
(immer sehr ausdrucksvoll)
Wagner.
Baßklar, in A.
.f^P
239
Vlc.(get.)
Baßklar, in A,
sollt ich hoffen,wassein Trügen mir ge-trof-fen, seidxirchMelot'sRat redlich mir be-wahrt?
240
I Die Bal(kl;irinctte ist, da die tiefen Töne der Fa-
I f;'otte noch immer jeder Modulationsfähifi^keit ent-
Jbehren, der schönste und weichste BaU für die
Holzbläser, besonders als tiefste Stiiniimii{f zu drei
Fiif;otteii, wie bei Isoldeiis Liebestod:
N9 94. Tristan, Isoldens Liebestod.
Wagner.
Klaffifche Klaviermufik
BACHJ.S.
Sämtliche Werke in 23 Bänden
1/2 Wohliemperlfrtes Klavltr <C2trny>, 2 Hilf .
I»/b Wohli«nip«ri<rio Klavier <Kroll>, 2B3n(]e.
2790a/bWohlt«inpericrt«s Klavier <Ruthardt>, 2B<ie.
3180 Wohliemperiene» Klavier. Ausw.<Tausig),
Band III — XXII herausgegeben von
Cierny, Griepenkerl und Roitzsch.
200 Kleine Präludien und Fugen.
20! Zwei» und dreistimmige Inventionen.
202 Sei-hs französische Suilen, Dmoll, Cmoll.
Hmoll, Esdur, Cidur, Edur.
203/4 Sedis engllidie Suiien, 2 Bände.
205/6 SeAs Partiten, Bdur, Cmoll, Amoll,
Ddur, Gdur, Emoll, 2 Bände.
207 Italienisdics Konzert, Phantasie usw.
208 OuvertOre, Phantasie und Fuge usw.
209 Aria c 30 Var. <Goldberg \'arialionen>.
210 VierToccaten,Emoll,FismolI, Cmoll, Dmoll.
211 Toccata, Präludium, Phantasie.
2i; Phaaiasien, Fugen, Suite F moll usw.
:i3 Sonaten Amoll, Cdur, Dmoll.
214 Präludien, Suiten und Fugen.
215 Phantasien, Toccata, OuvertOre usw.
216 Capriccio, Sonata Ddur, Fugen usw.
217 16 Konzerte nach Vivaldi, Marcello ujw.
218 Die Kunst der Fuge.
219 Das musikalisdie Opfer.
1959 Supplement ; Klavierbflchlein usw. <Seifferi>.
2791/98 Band III— X herausgegeben von Ruthardt.
BEETHOVEN
Sämtliche Werke
ind«
ISOla/c Sonaten <Pauer>, 3 Bände.
296a,'b Sonaten <K5hIer und Ruthardt), 2 Bände.
3 Sonaten in 1 Bande. Volksausgabe.
1231 Sonatinen (Köhler und Ruthardt).
297 Stüdte, Rondos, Bagatellen usw.
298a/b Variationen, 2 Bände.
144 Konzerte und Phantasie Op. 80.
2894a/e Konzerte In Einzel-Ausgaben (Ruthardt).
BRAHMS
Klavierwerke in 2 Bänden
herausgegeben von Emil von Sauer
3300a Op. 1, 2, 5, Sonaten, Op. 4 SAerzo.
Op. 9 Variationen, Op. 10 Balladen.
Op 21, 24, Variationen.
3300b Op. 76, 118, 119, KlavierjttlAe.
Op. 79 Rhapsodien, Op. 116 Phantasien.
Op. 117 Intermezzi und 5 Studien.
CHOPIN
Snmtilche Werke in 3 oder
12 Bänden
herausgegeben von Herrntann Sdioltz
1900a;c Ausgabe in 3 Bänden.
1901 Walzer. Volksausgabe.
1804 Walzer.
1902/3 Mazurkas, Polonaisen, 2 Bände.
1904/5 Nocturnes, Balladen u. Impromptus, 2 Bde.
1906/7 Sdierzosu.FmolI-Phantasie, Etüden, 2 Bde.
1908/9 Präludien und Rondos, Sonaten, 2 Bände.
1910 Stücke (Berceuse, Barcarolle, Bolero usw >.
1911/12 Konzerte, Konzertstücke, 2 Bände.
2895a/b Konzerte in Einzel- Ausgaben (Ruthardi).
HÄNDEL
Ausgewählte Werke <Ruthardt>
4 a Suiie I- VIII: Adur, Fdur, Dmoll, Emoll usw.
4b Suite IX-XVI: Gmoll, Dmoll, Emoll usw.
4 c Kom Positionen :Le(;ons,Pieces,Fugues usw.
4d Six Fughettes: Cdur, Ddur, Fdur usw.
2669 Die ersten Studien.
HAyDN
Ausgewählte Werke
713a/d Sonaten (Ruthardt), 4 Bände.
1120 Ewölf kleine Stücke.
484 Kompositionen: Fantasia, Capricci
LISZT
Werke in 12 Bänden
herausgegeben von Emil von Sauer
3600a/b Rhapsodien, 2 Bände.
3600c/d Etüden, 2 Bände.
3601a/b Original-Kompositionen, 2 Bände.
3601c/d Opern-Phantasien, 2 Bände.
3602a Lieder-Bearbeitungen.
3602b Bearbeitungen.
3602c Konzerte u. a. Werke mit Orchester.
3602d Supplement.
MENDELSSOHN
Sämtliche Werke in 5 Bänden
1704a
Lieder ohne Worte
1703
Lieder ohne Worte
Volksausgabe.
2619
Zwölf Lieder ohne
Worte für die Jugend.
1704b
Op. 5 Capriccio .
Op. 7 Charakterstücke.
Op.l4 Rondo
Op. 16 Fantaisies.
Op. 33 Caprices . .
Op. 72 Kinderstücke.
1704c
Op. 28 Phantasie . .
Op. 35 Präludien.
Op. 54 Variations
e'rieuses, Variationen,
Etüden, Scherzos.
1704d
Op.25,40,Konzerte
Op. 22 Capriccio.
Op. 29 Rondo
Op. 43 Serenade.
1704e
Supplement (3 Sona
Op. 117-119 usw.)
len, Op. 104 Präludien,
2896a/b Konzerte in Einzel
•Ausgaben (Ruthardt).
MOZART
Ausgewählte Werke in 5 Bänden
486a/b Sonaten (Köhler und Ruthardt), 2 Binde.
48Ü Sonaten In 1 Bande. Volksausgabe.
6 Stücke (Phantasien. Rondos).
273 Variationen (Köhler).
765 8 berühmte Konzerte.
2897a/c 3 Konzerte In EInzel-Auigaben (Ruthardt).
3309a/d 4 Konzerte In Einzel-Ausgaben (Ruthardt).
SCHUBERT
Ausgewählte Werke in 5Bänden
488 i/b Sonaten (Köhler und Ruthardt), 2 Bände.
716 Kompositionen (Niemann). Fantaisie, Im-
promptus, Moments musicaux.
3235 Impromptus und Moments musicaux.
150 Tänze (Walzer, Ländler usw.).
718 Supplement (Adagios, Sdierzi).
SCHUMANN
Sämtliche Werke in 5 Bänden
und in Heften
herausgegeben von Emil von Sauer
2300 a Band I
Op. 1)8 Album für d. Jugend Op. 18 Arabeske.
Op. 15 Kinderszenen Op. 19 Blumenstock.
Op. 124 AIbumblä;ter .... Op. 82 Waldszenen.
Op. U9 Bunte Blätcer Op. 28 Romanzen.
2300 b Band II
Op. 6 DavidsbOndlertänze Op. 21 Novelletten.
Op. 9 Camaval Op. 12 Phantasiestücke
Op. 16 Kreisleriana
2300c Band III
Op. 20 Hamorcste Op. 2 Papillons.
Op. 26 Faschingsscbwank . Op. 7 Toccata.
Op. 13 Etudcs Op. 8 Allegro.
Op. 17 Phantasie Op. 4 Intermezzi.
Op. 1 Abegg-Variationen Op. 5 Impromptus.
2300 d Band IV
Op. 32 Klavierstücke .. Op. 126 Fughciten.
Op. 72 Vier Fugen ... Op. 133 Gesänge der Frühe
Op. 23 Nadilstücke . . . Op. 3 Paganini-Studlen.
Op. 111 Phantasiestücke Op.lOEtud.d'apresPaganlnl
Op. 76 Märsdie Op. 118 Jugend-Sonaten.
2300 e Band V
Op. 11 Sonate Fismoll ... Od. 92 Konzertstück.
Op. 22 Sonate G moll ... Op.l34Konzert-AIIegro
Op. 14 Sonate Fmoll Nachlafi. Sdierzo Fmoll
Op. 54 Konzert A moll . . . Nadilaß. Presto G moll
Nachlaß. Kanon „An Alexis".
WEBER
Sämtliche Werke in 1 Bande
oder 3 Bänden
489 Ausgabe in 1 Bande.
717a/c Ausgabe in 3 Bänden.
717a Sonaten.
717b Polonaise, Rondo brillant, Polacca usw.
717c Variationen und Konzerte.
2899 Op. 79 Konzertstück (Ruthardt).
2879 Op. 65 Aufforderung iura Tanz.
BEETHOVEN, KLAVIER-SONATEN
NEUE AUSGABE IN 3 BANDEN • HERAUSGEGEBEN VON MAX PAUER
zum 100. Todestage von Beethoven erschienen
REPTE. LEIPZIS