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Full text of "Instrumentationslehre, von Hector Berlioz. Ergänzt und rev. von Richard Strauss"

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INSTRÜMENTÄTIÖNSLEHRE 


VON 


HECTOR  BERLIOZ. 


ERGÄNZT  UND  REVIDIERT  = 


RICHARD  STRAUSS 


TEILI. 


REVISION  UND  ÜBERSETZUNG  EIGENTUM  DES  VERLEGERS. 

(ALLE  RECHTE  VORBEHALTEN.) 


LEIPZIG  o  C.  F.  PETERS 


MUSIC  IIBRARY 
UNIVERSiTY  OF  CONNECTICUT 


Vorwort. 


Als  ich  um  die  Ergänzung  und  Revision  der 
Instrumentationslehre  von  Hector  Berlioz  seitens  der 
Verlagshandlung  ersucht  wurde,  war  ich  zuerst  der 
Meinung,  des  großen  Franzosen  Meisterwerk,  ein  in  sich 
geschlossenes  Ganzes  und  voU  genialer  Ahnungen,  deren 
Erfüllung  durch  Richard  Wagner  für  jeden  Kundigen  so 
deutlich  ist,  bedürfe  einer  solchen  Hilfe  nicht,  um  noch 
heute  für  jeden  Musiker  eine  Quelle  reichsten  Genusses 
und  fruchtbarster  Anregungen  zu  sein. 

Bei  genauerem  Dui'charbeiten  empfand  ich  aber 
doch  die  Lücken  des  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahr- 
himderts  abgeschlossenen  Buches  so  sehr,  daß  mii-  die 
Gefahr-  nicht  ausgeschlossen  schien,  Berlioz'  Werk  kömie, 
als  in  wichtigen  Punkten  veraltet,  nicht  mehr  nach  seinem 
hohen  bleibenden  Werte  beachtet  werden,  um  so  mehr 
als  inzwischen  manche  andere  verdienstvolle  Bücher  (be- 
sonders die  Instruraentationslehre  des  voi-züglichen  Meisters 
Gevaert  in  Brüssel)  mit  wissenschaftlicher  Sorgfalt  die 
Materie  ergänzt  haben. 

Der  unvergängliche  Wert  von  Berlioz'  Buch  liegt 
nun  aber  darin,  daß  Berlioz  der  als  erster  die  schwierige 
Materie  mit  größtem  Sammelfleiß  geordnet  und  bearbeitet 
hat,  sofort  mit  größter  Beharrlichkeit  nicht  nur  die 
mechanische  Seite  behandelte,  sondern  dui-chweg  die 
ästhetischen  Fragen  der  Orchestertechnik  in  den  Vorder- 
grund rückte.  Dieses  bleibende  Verdienst  des  Berlioz- 
schen  Werkes  und  die  in  ihm  leuchtende  Sehergabe,  die 
füi-  den  aufmerksamen  Leser  oft  in  wenigen  Zeilen  den 
ganzen  Wagner  vorausahnen  läßt,  dürfte  es  rechtfertigen, 
die  notwendigen  Ergänzungen  in  technischer  Hinsicht 
mit  wirkungsvoller  Beleuchtung  aller  neuen  Errungen- 
schaften und  besonderem  Hinweis  auf  die  Wagnerschen 
Werke  nachzutragen,  um  das  Berliozsche  Werk  auch 
für  den  oberflächhchen  Beobachter  lebendig  zu  erhalten. 

Die  Pietät  für  das  in  sich  durchaus  einheitliche 
Berliozsche  Meisterwerk  gebot  mir,  an  Berlioz'  Text 
nicht  das  Geringste  zu  verändern  (mit  einziger  Ausnahme 
des  Kapitels  , Orgel",  welches  durch  Herrn  Prof.  Ph. 
Wolfrum,  Heidelberg,  dem  Stande  der  Neuzeit  ent- 
sprechend teilweise  umgearbeitet,  bezw.  ergänzt  wurdej. 
Nur  Dörffels  t'Jbersetzung  ließ  ich  stellenweise  revidieren. 
Edition  Peters.  St 


Meine  Zusätze  sind  als  solche  durch  eine  seitlich  an- 
gebrachte Linie  deutlich  erkennbar.  Da  das  Material 
für  Notenbeispiele  stets  ein  überreiches  ist,  habe  ich 
vermieden,  wichtige  und  besonders  interessante  Beispiele, 
die  bei  Gevaert  angeführt  sind,  hier  hereinzunehmen 
zumal  Gevaerts  Buch  über  die  technische  Handhabung 
und  die  akustischen  Gesetze  des  Instrumentenbaues  allein 
schon  soviel  des  Lesenswerten  birgt,  daß  es  neben  der 
Lektüre  des  Berliozschen  Buches  zum  Studium  dringend 
zu  empfehlen  ist. 


In  der  Instrumentationskunst,  wie  wohl  in  allen 
künstlerischen  Dingen,  ist  es  mit  theoretischen  Büchern 
eine  mißliche  Sache.  Ich  behaupte:  ein  mit  Komposi- 
tionstalent begabter  Musiker,  der  als  Geiger  oder  Bläser 
in  einem  Orchester  tätig  ist,  wird  von  vornherein  ohne 
jede  Kenntnis  der  Instrumentationslehre  ein  größeres 
Geschick  für  Orchestrationskunst  besitzen,  als  der  eben- 
falls zum  Tondichter  berufene  Pianist  „So  und  So"  oder 
der  federgewandte  Kritiker  „Nie  und  Nimmer",  der  zwar 
fleißig  Instrumentationslehre  studiert,  aber  nie  Orchester- 
instrumente näher  zu  Gesicht  bekommen  hat^  als  in  einer 
Entfernung  von  der  Stuhlreihe  seines  Platzes  im  Konzert- 
saal bis  zum  Konzertpodium. 

Darum  sei  von  vornherein  jedem,  der  es  in  der 
Kunst  der  Instrumentierung  etwas  weiter  biingen  möchte, 
als  daß  es  ihm  nur  gelänge,  ein  paar  recht  wohlklingende 
(nach  heutigen  Begriffen  vorzüglich  instrumentierte)  Stücke 
der  Mitwelt  zu  schenken,  jedem,  dem  es  nicht  vergönnt 
ist,  als  Orchesterdirigent  eine  tägliche  Fühlung  mit  den 
dämonischen  Mächten  des  Orchesters  zu  haben,  dringendst 
empfohlen,  neben  dem  Studium  der  Partituren  unserer 
großen  Meister  die  Mühe  nicht  zu  scheuen,  sich  durch 
die  verschiedenen  Instrumentahsten  persönlich  mit  der 
genauen  Technik,  den  Eegistertimbres  und  den  Präludier- 
geheimnissen des  Stimmzimmers  für  jedes  einzelne  In- 
strument vertraut  zu  machen. 

Jede  Verbesserung,  die  ein  erfinderischer  Kopf  am 
Mundstück,  an  der  Klappenvorrichtung  oder  an  anderen 
Details   der  Ausarbeitung   und   des  Materials   seines  In- 


II 


ätruraentüs  ausgedacht  hat,  jede  technische  Spielerei,  die 
er  sich  in  müßiger  Stxindo  /.n  seinem  Vcrgiiügon  ersonnen, 
kann  einem  SchOpfor,  der  l'ür  neue  Ideiin  neue  Aus- 
druckslbrnien  sucht,  ungeahnte  l'erspektiven  erötl'nen  und 
für  den  Fortschritt  wertvoller  sein,  als  jedes  doch  vor- 
zugsweise nur  aus  Vorhandenem  resultierende  Theoriebuch. 
Regt  so  einerseits  der  ausübende  Musiker  durch 
seine  Fertigkeit  den  schöpferisch  Tiltigen  zu  neuen  Ideen 
an,  so  ist  andererseits  die  geniale  Idee,  die  jeder  Aus- 
führungsmöglichkeit vorerst  zu  spotten  scheint,  um  dann 
mich  und  nach  die  strebsamen  Techniker  zu  sich  her- 
aufzuziehen, im  Verlaufe  der  bisherigen  Entwicklung  von 
noch  größerem  Einfluß  auf  den  Fortschritt  im  Instrumen- 
tenbau, die  Steigerung  der  Kunstfertigkeit  in  der  Hand- 
habung der  Instrumente  und  die  Bereicherung  ihrer 
Ausdrucksmöj;liclikriten  gewesen. 


Die  Entwicklung  des  Orchesters  bis  zu  Berlioz' 
Eintritt  in  die  Musikgeschichte  ist  genügend  bekannt, 
so  daß  ich  mich  hierbei  nicht  allzu  lange  aufhalten  möchte. 
Ich  verweise  auf  die  herrlichen  Ausführungen  Richard 
Wagnei-s  in  seinen  Schriften,  besonders  in  „Oper  und 
Drama".  Auch  wäre  hier  nicht  der  Platz,  mit  wenigen 
Zeilen  ein  großes  Kapitel  der  Musikgeschichte  abhandeln 
zu  wollen,  wo  aus  tausend  Keimen,  Anregungen,  Irr- 
tümern und  Erfolgen  eine  so  fein  gegliederte,  organische 
Entwicklung  in  sorgfaltigster  Weise  zu  beobachten  wäre. 
Hier  kann  es  sich  nur  um  einen  kurz  zusammenfassenden, 
verdichteten  Überblick  handeln,  den  ich  wage,  im  Ver- 
trauen darauf,  daß  der  verständniswillige  Leser  es  sich 
klar  mache:  ich  beabsichtige  keine  Darstellung  nach  Art 
einer  in  Schubladen  fein  säuberlich  registrierenden  Ästhe- 
tik, sondern  möchte  nur  einige  ganz  besonders,  wich- 
tige Gesichtspunkte  plastisch  herausarbeiten,  um  es  dem 
gebildeten  Leser  zu  überlassen,  die  vielen  feineren  Über- 
gänge aus  eigenem  Wissen  und  Fühlen  sich  selbst  be- 
quem zu  ergänzen  ....  Unter  dieser  Einschränkung 
möchte  ich  zwei  Hauptstraßen  verfolgen,  auf  denen  sich 
das  Orchester  von  Händel,  Gluck  und  Haydn  her  bis 
zu  Wagner  entwickelt  hat.  Man  erlaube  mir,  diese 
beiden  Hauptstraßen  kurzerhand  den  symphonischen 
(polyphonen)  und  den  dramatischen  (homophonen) 
Weg  zu  nennen. 

Der Urspning  des  symphonischen  Orchesters  liegt 
(außer  in  Bachs  Orgelfugen)  hauptsächlich  in  den  Streich- 
quartetten  Haydns    und   Mozarts.     Alle    symphonischen 
Äußerungen  dieser  beiden  Meister  tragen  in  Stil,  Thematik, 
melodischer  Linienführang   und  Piguration   so    sehr  den 
Charakter   aller   polyphonen   Möglichkeiten   des   Streich-  i 
quartetts,   daß  man  sie  (stets  cum  grano  salis  natürlich)   | 
fast   als  Streichquartette   mit  obligaten  Holzbläsern  und  j 
tutti verstärkenden    Lärminstnimenten    (Hörnern,    Trom- 
peten, Pauken)  bezeichnen  kann.  j 


Das  größere  Hlllseraufgobot  in  15(!otli()vons  ,'').  und  9. 
Symphonie  kann  nicht  darüber  tiliischcn,  daß  auch  dioscH 
Meistors  Syniiihonien  den  Stil  ilcr  Kiinmiorniiisik  nicht 
verleugnen.  Mehr  als  bei  Haydn  und  Mozart  wirft  bei 
Heethovcn  der  (ieist  des  Klaviers  seine  charakteristischen 
Wendungen  herein,  die.ser  Geist  des  Klaviers,  der  später 
die  Orchesterwerke  eines  Schumann  und  Brahms  (leider 
nicht  immer  zu  ihrem  Vorteile  oder  zum  Vergnügen 
des  Hörers)  so  ganz  ausschließlich  beiierrscht.  Erst 
Franz  Liszts  Klangsiiui  war  es  vergönnt,  diesen  Geist 
des  Klaviers  auch  im  Orchester  zu  neuem  poetischen 
Tjeheii   wiiMlciv.urrwfckcn. 

In  dir  scliünon  Linienführung  der  vier  gleichge- 
stellten Melodieträger  des  klassischen  Streichquartetts, 
die  sich  in  den  10  letzten  Beethovenschen  Quartetten 
zu  einer  der  Bachschen  Chorpolyphonie  ebenbürtigen 
Freiheit  entwickelt  hat  —  einer  Freiheit,  die  keine 
seiner  9  Symphonien  aufzuweisen  vermag  -  -  hat  Richard 
Wagner  den  Stil  seines  Tristan-  und  Meistersinger- Or- 
chesters gefunden,  ihr  verdankt  er  die  unerhörten  Klang- 
wunder seines  polyphonen  Streichquintetts. 

Dabei  ist  natürlich  noch  nachzuholen,  daß  die  Ent- 
wicklung des  Melos  von  Haydn  bis  Beethoven  von  selbst 
die  technischen  Anforderungen  an  das  Orchester  steigerte 
und  koloristische  Momente  auslöste,  die  mehr  und  mehr 
aus  dem  Kammermusikstil  hinauswuchsen  und  der  zweiten 
Entwicklungsreihe  entgegenstrebten,  die  ich  oben  bereits 
als  dramaüschen  Weg  bezeichnet  habe. 

Händel  und  Haydn,  sowie  in  seinen  Opern  Gluck 
haben  mit  Bewußtsein  von  vornherein  bei  meist  homo- 
phoner Schreibweise  (die  vom  lieben  bequemen  Theater- 
publikum noch  heute  der  polyphonen  vorgezogen  wird) 
das  koloristische  Element  stärker  betont  in  dem  Be- 
streben, Dichtung  und  Bühnenbild  mit  den  stimmung- 
erzeugenden  Ausdrucksmitteln  des  Orchesters  zu  beleben, 
wobei  sich  von  selbst  ergab,  den  Chor  der  Instrumente 
zu  beseelten  Gruppen  und  schließlich  „sprechenden" 
Individuen  zu  entwickeln. 

Die  romantische  Schule,  besonders  Weber,  wurde 
schon  durch  das  gewählte  Stoffgebiet  (Freischütz-Oberon- 
Euryanthe)  zu  immer  weiteren  Entdeckungen  in  dieser 
Richtung  geti'ieben. 

Dem  Genius  Richard  Wagners  war  es  endlich  vor- 
behalten, eine  Synthese  der  beiden  Richtungen  zu  schaffen, 
d.  h.  er  hat  der  Kompositions-  und  Orchestertechnik  der 
symphonischen  (polyphonen)  Schule  die  reichen  Aus- 
drucksmittel der  dramatischen  (homophonen)  Schule 
zugeführt. 

Ein  gleiches  Ziel  mag  wohl  die  Sehnsucht  Hektor 
Berlioz'  gewesen  sein.  Wenn  man  nicht  befürchten 
müßte,  mißverstanden  zu  werden,  könnte  man  kurz  sagen, 
er  war  für  die  Bühne  nicht  dramatisch,  fürs  Konzert  nicht 
symphonisch  genug  veranlagt.  Seinem  Bestreben,  Schau- 
bühne   und    Konzertsaal    zu    vereinigen,     verdankt    die 


m 


Musikgeschichte  immerhin  die  Entdeckung  neuer  und 
reichster,  ganz  spezieller  Ausdrucksmittel  fürs  Orchester. 
Wenn  er  die  Übertragung  dramatisch-orchestraler  Effekte 
auf  symphonische  Werke  auch  nicht  durch  dramatische 
Gestaltimg  ihres  Gedankeninhaltes,  die  ohne  reichste 
Polyphonie  nicht  denkbar  ist,  rechtfertigte  (sein  Schaffen 
war  stets  lyiisch  vmd  episch),  so  hat  er  doch  als  erster 
konsequent  aus  der  Seele  der  Orchesterinstrumente  heraus 
seine  Werke  konzipiert  und  dabei  eine  Reihe  vor  ihm 
ungekannter  koloristischer  Möglichkeiten  und  feinster 
Klangdifferenzierimgen  durch  eine  glücklich  kombinierende 
Phantasie  einfach  entdeckt. 

Allerdings;  diesem  kühnen  Neuerer,  dem  genialen 
Farbenmischer,  diesem  eigentlichen  Schöpfer  des  modernen 
Orchesters  fehlte  vollständig  der  Sinn  für  die  Polyphonie. 
Ob  ihm  die  vielstimmigen  Mysterien  der  Wunderpartituren 
eines  Joh.  Seb.  Bach  unbekannt  waren,  sicher  ist,  daß 
seinem  —  rein  musikalisch  —  immerhin  etwas  primitiven 
„melodischen"  Empfinden  das  Verständnis  für  diese 
höchste  Blüte  des  musikaUschen  Genies,  wie  wir  sie  in 
Bachs  Kantaten,  in  Beethovens  letzten  Quartetten,  im  Mecha- 
nismus der  Poesie  des  dritten  Tristan-Aktes  als  höchste 
Emanationen  ungezügelten  Melodienreichtums  feiern,  ver- 
schlossen war.  Und  nur  wahrhaft  sinnvolle  Polyphonie 
erschließt  die  höchsten  Klangwunder  des  Orchesters.  Ein 
Orchestersatz,  in  dem  ungeschickt  oder,  sagen  wir  nur, 
gleichgültig  geführte  Mittel-  und  Unterstimmen  sich  be- 
finden, wii-d  selten  einer  gewissen  Härte  entbehren  und 
niemals  die  Klangfülle  ergeben,  in  der  eine  Partitur  er- 
strahlt, bei  deren  Ausführung  auch  die  zweiten  Bläser, 
zweiten  Violinen,  Bratschen,  Violoncelli,  Bässe  sich  in 
der  Belebung  schön  geschwungener  melodischer  Linien 
seelisch  beteiligen.  Dies  ist  das  Geheimnis  der  imer- 
hörten  Klangpoesie  der  Tristan-  und  Meistersingerpartitui-, 
wie  nicht  minder  des  für  „kleines  Orchester"  geschriebenen 
SiegfriedidyEs,  während  selbst  die  mit  so  großem  Klang- 
sinn aufgebauten  BerHozschen  Orchesterdramen,  die  Par- 
tituren Webers  und  Liszts  (von  welchen  Meistern  jeder 
in  seiner  Art  ein  großer  Instrumentaldichter  und  Farben- 
deuter war)  an  einer  starken  Sprödigkeit  des  Kolorits 
deutlich  erkennen  lassen,  daß  der  Chor  der  Begleitungs- 
und Füllstimmen  vom  Tonsetzer  nicht  melodischer  Selbst- 
ständigkeit für  würdig  erachtet  wurde,  daher  auch  vom 
Dirigenten  nicht  zu  der  seelischen  Teilnahme  am  Ganzen 
heranzuziehen  ist,  die  zur  gleichmäßigen  Durchwärmung 
des  gesamten  Orchesterkörpers  unbedingt  nötig  wäre. 

Es  wird  meistens  so  sehr  betont,  der  Fortschritt 
Richard  Wagners,  des  Vollenders  des  modernen  Orchesters, 
gegen  Hector  Berlioz,  dessen  Schöpfer,  liege  ausschließ- 
lich auf  dem  Gebiete  des  tieferen  Gehaltes  seiner  dichte- 
rischen und  musikalischen  Ideen.  Doch  sind  es  (nattii-- 
Uch  stets  mit  den  vernünftigen  Einschränkungen)  drei 
wesentlich  technische  Punkte,  auf  die  ausdräcklich  auf- 
merksam zu   machen   sich   schon  verlohnt,    da   in   ihnen 


die  Ursache  der  so  vollendeten  Gestaltung  der  Wagner- 
schen  Gedanken  im  heutigen  Orchester  liegt. 

Dies  ist:  erstens  die  Anwendung  des  reichsten 
polyphonen  Stiles;  zweitens  seine  Ermöglichung  im  größten 
Maßstabe  durch  Erfindung  und  Einführang  des  Ventil- 
hornes;  drittens  die  Übertragung  einer  bisher  nur  im 
Solokonzert  gewagten  Virtuosentechnik  auf  alle  Instrumente 
des  Orchesters  (von  Beethoven  allerdings  schon  in  seinen 
letzten  Streichquartetten,  wenn  auch  noch  nicht  in  der 
Symphonie,  gefordert). 


Wenn  also  nun  das  A  und  Q  meiner 
naturgemäß  die  Partituren  Richard  Wagners  sind  —  sie 
bedeuten  den  einzig  nennenswerten  Fortschritt  in  der 
Instrumentierungskunst  seit  Berlioz  —  so  ist  doch  gerade 
dem  Schüler  dringendst  anzuraten,  dieses  Studium  mit 
äußerster  Vorsicht  zu  betreiben.  Im  allgemeinen  dürfte 
für  den  vorgeschrittenen  Schiüer  die  Partitur  des  Lohen- 
grin  ein  Musterkompendium  darstellen,  dessen  Studium 
gründlichst  absolviei-t  sein  muß,  bevor  man  zui-  Poly- 
phonie des  Tristan  und  der  Meistersinger,  zum  Märchen- 
reiche des  Mbelungeniinges  fortschi-eitet.  Die  Bläser- 
behandlung im  Lohengrin  bedeutet,  in  ästhetischer 
Hinsicht,  einen  vorher  niemals  erreichten  Gipfelpunkt 
wahrhafter  Vollendung.  Die  zum  ersten  Male  dem  Holz 
eingereihten  sogenannten  dritten  Bläser  (Englisch  Horu 
und  Baßklarinette)  sind  hier  bereits  in  einer  Mannigfaltig- 
keit von  Klangkombinationen  verwendet,  die  Stimmen 
des  zweiten,  dritten  und  vierten  Hornes,  der  Trompeten 
und  Posarmen  bereits  zu  polyphoner  Selbständigkeit 
durchgebildet,  die  für  Wagner  so  besonders  charakte- 
ristische starke  Verdoppelung  aller  melodischen  Stimmen 
bereits  mit  einem  sichern  Tonbewußtsein  angewandt,  und 
mit  einem  Shm  für  Klangschönheit  ausgearbeitet,  die 
noch  heute  unbedingte  Bewunderung  erregt.  Ich  empfehle 
hier  zu  besonderem  Studium  die  Szene  zu  Beginn  des 
2.  Aufzuges  (Ortrud  und  Telramund),  die  herrliche 
Bläserstelle  bei  Elsas  Erscheinen  auf  dem  Söller,  Elsas 
Brautzug  nach  dem  Münster  und  den  Schluß  des  2.  Auf- 
zuges, wo  die  Orgelklänge,  die  Wagner  so  vü-tuos  dem 
Orchester  zu  entlocken  versteht,  die  „Königin  der  In- 
strumente"  selbst  besiegen. 

Aufs  ernstlichste  aber  ist  der  Anfänger  in  der  Kom- 
positions- und  Instrumentationstechnik  bei  seinen  ersten 
schüchternen  Schwimmversuchen  in  den  Wogen  des  Or- 
chestermeeres davor  zu  warnen,  daß  er  die  gewaltigen 
Klangphänomene,  die  das  Genie  eines  Hector  Berlioz 
und  Richard  Wagner  dem  Orchester  entlockte,  um  un- 
erhört neue  und  große  poetische  Gedanken,  Empfindungen 
und  Naturbilder  zu  tönendem  Leben  erstehen  zu  lassen, 
einfach  zum  Gemeingut  jedes  Stümpers,  zum  Spielzeug 
eines  Kindes  erniedrige.  Könnte  doch  jeder,  der  sich 
im  Orchestersatze  versuchen  wUl,  dazu  gezwungen  werden. 


IV 


seino  liimfbiihn  mit  der  Komjiosition  rinijjfr  Sü'oich- 
quiuti'tte  zu  beginnen.  Diese  Streicli(iimrtetto  müßte  er 
iliimi  ileni  Gutui'hten  von  zwei  Violinisten,  einem 
Hnit.sihisten  und  einem  Cellisten  unterbreiten.  Wenn 
diese  vier  braven  Instrumentidisten  erklären:  ja,  das  ist 
gut  geschrieben  für  die  Instrumente,  ,  wohlgereimt  und 
singebar",  dann  möge  der  Musensohn  seinen  Drang  weiter- 
hin für  (zunilchst  am  besten  kleines)  Orchester  betlltigen. 
Andernfalls  aber  lieber  die  ,Kamero  wechseln".  Wenn 
dann  schließlich  der  Drang  nach  gi-oßem  Orchester  nicht 
mehr  zu  bilndigen,  dann  vergleiche  der  gutwillige  «junge 
Meister»  die  11  Wagnei-schen  Partituren  untereinander, 
er  bemerke,  wie  jedes  dieser  Werke  seino  eigene  Or- 
chesterzusammenstellung, seinen  eigenen  Orchesterstil  be- 
sitzt, wie  jedes  den  einfachsten  Grad  des  Darzustellenden 
aufweist,  welch  edles  Maßhalten  in  der  Verwendung  aller 
Mittel  diese  Werke  durchzieht.  Dagegen  beachte  er  als 
warnendes  Beispiel   das  Verfahren   eines  lebenden  Kom- 


I  ponisten,  der  mir  einst  die  Partitur  einer  Lustspiel- 
ouverturo  zeigte,    in    welcher   die   vier   Nibchuigentuben 

I  mit  dem  übrigen  Blech  zusammen  in  lebhaftesten  Rliytlinien 
(als  einfache  Tuttiverstilrkor)  dahertanzten.  Als  ich  df^ri 
Autor,  einen  sonst  vortretl'lichen,  hochgebildeten  Musiker 
entsetzt  fragte,  was  denn,  di(^  von  Wagner  mit  so  großer 
Weisheil  und  sicherer  Phantasie  zur  Darstellung  der 
düsteren  Welt  der  Nibelungen,  man  kann  sagen  ,  er- 
fundenen" Tuben  in  dieser  heiteren  Lustspielouverluro 
sollten,  antwortete  er  mir  ganz  unbefangen:  ,aber  ich 
bitte  Sie,  Tuben  gibt's  doch  heutzutage  in  jedem  größeren 
Orchester,  warum  soll  ich  sie  denn  da  nicht  aucli  liiu- 
schreibenV  Da  schwieg  ich  still  und  dachte  Ixi  luir: 
,Dem  Manne  kann   nicht  geholfen  wc^-den». 

Berlin,   Weihnachten   1904. 


Richard  Strauü. 


INHALT. 


Seite 

Von  der  Instrumentation     1 

Die  Instrumente 2 

Saiteninstrumente 3 

Streicliinstrumente : 

Die  Violine 3 

Die  Viola 67 

Die  Viola  d'amour 82 

Die  Viola  da  gamba 84 

Das  Violoncell 84 

Der  Kontrabaß 104 

Instrumente,  deren  Saitnii  coznpft  werden: 

Die  Harfe     .    .  .146 

Die  Gitarre      .                                                          .    .  156 

Die  Mandoline 163 

Saiteninstrumente  mit  Klaviatur: 

Das  Pianoforte 164 

Blasinstrumente 175 

Instrumente  mit  Kohrblatt: 

Die  Oboe 177 

Die  Oboe  d'amore      197 

Das  Engliscbe  Hörn 199 

Das  Heokelphon  (Bariton-Oboe) 203 

Das  Fagott 204 

Das  Quintfagott 213 

Das  Kontrafagott 213 

Die  Klarinetten 214 

Die  Altklarinette 237 

Die  Baßklarinette 237 

Das  Bassethorn 241 

Die  Kontrabaßklarinette      241 

Verbesserungen  an  den  Klarinetten 241 

Instrumente  ohne  Rohrblatt: 

Die  Flöte  (die  große,  gewöhnliche  Flöte)    .    .    .  242 

Die  kleine  Flöte  (Piccolo-Flöte) 251 

Die  Terzflöte 257 

Die  kleine  Nouenflöte 257 

Die  kleine  Oktav-Terzflöte  (Dezimenflöte)   .    .    .  257 

Die  große  Sekundflöte 258 

Die  Liebesflöte  (Flute  d'amour) 258 

Die  Altflöte 258 

Blasinstrumente  mit  Klaviatur: 

Die  Orgel 259 

Instrumente  mit  Mundstück  von  Messing: 

Das  Hörn 264 

Das  Ventilhorn 278 

Die  Trompete 300 

Die  Ventiltrompete 307 

Die  Klappentrompete 307 

Die  Zugtrompete 307 

Das  Kornett 315 

Die  Posaunen 321 


oeite 

Die  Diskantposaune 321 

Die  Altposaune 321 

Die  Tenorposaune      321 

Die  Baßposaune 322 

Die  Altposaune  mit  Ventilen  (mit  Pistons  oder 

Zylindern) ■     ...  354 

Die  Tuben,  Kontrabaßtuba,  Kontrabaßposaune  854 

Das  Buglehorn  (Jagdhorn,  Signalhorn,  Clarin)  360 

Das  Buglehorn  mit  Klappen 360 

Das  Buglehorn  mit  Ventilen  (mit  Pistons  oder 

Zylindern) 360 

Die  Baßophikleide 361 

Die  Altophikleide      362 

Die  Kontrabaß-Ophikleide 362 

Das  Bombardon      362 

Die  Baßtuba  (Kontrabaß   der  Harmonie-Musik)  363 

Das  Bariton 371 

Holz-Blasinstrumente  mit  Mundstück: 

Der  Serpent 372 

Das  russische  Fagott 372 

Die  Singstimmen 372 

Schlaginstrumente 395 

Instrumente  von  fester  xmd  genau  bestimm- 
barer Tonhöhe: 

Die  Pauken 395 

Die  Glocken ■ 411 

Das  Glöckcheninstrument  (Les  jeux  de  timbres)  414 

Das  Glockenspiel 414 

Die  Klavierharmonika  (Glasharmonika)       .        .  417 

Die  Celesta     417 

Die  antiken  Zimbeln 417 

Instrumente  von  unbestimmter  Tonhöhe: 

Die  große  Trommel 417 

Die  Becken ,  418 

Das  Tamtam 422 

Das  Tamburin  (Tambour  Basque)     .    .  423 

Die  Trommel 423 

Die  Wirbeltrommel 423 

Der  Triangel 424 

Der  Halbmond 425 

Neue  Instrumente 426 

Die  Saxophone 426 

Die  Saxhörner 427 

Die  Saxtrompeten      428 

Die  Saxtuben      428 

Die  Konzertina 428 

Die  Melodium-Orgel.     (Das  Harmonium)    .    .    .  431 
Die  Pianofortes  und  Melodiums  mit  verlängertem 

(fortklingendem)  Tone 432 

Der  Okto-Baß 433 

Das  Orchester 434 

Der  Orchesterdirigent 439 


Partiturbeispiele. 


Aiibcr,  Stamme  von  Portici,  Akt  l:  Soito  21!) 
ItiH'lIloyou,  Es-ilur-Kouzort:   167 

Fidelio,  Akt  I:  80,  Akt  II:  133,  195 
Symphonie  III:   193,  267 
IV:   11,  407 
V:  60,  81,  205,  408 
VI:  129,  191,  251 
VII:   192,  271,  303 
Berlloz,  König  Lear:  43,  187 
Le  cinq  Mai:  138 
Lelio:   170,  229 
Requiem:  87,  325,  398 
Eomeo  und  Julie:  36,  40,  103 
Symphonie  fantastique:  201 
„  funebre:  348 

Bizet,  Carmen,  Akt  I  Vorspiel:  304 
(J-luck,  Alceste,  Akt  I:   14,  246,  331,  Akt  II;  39 
Armide,  Ait  HI;   184,  380 
Iphigenie  in  Aulis,  Akt  I:   181 

auf  Tauris,  Akt  I:  253.  302,  392,  419, 
424,  Akt  n:  68,  329,  Akt  IV:  393 
Orpheus,  Akt  U:  128,  244 
HaMvy,  Jüdin,  Akt  IV:  199 
Liszt,  Dante-Symphonie:   153  ~~\ 

Mazeppa:  23,  280 
Marsehner,  Hans  Heiling:   123 
Mehul,  Joseph,  Akt  m:  217 

Phrosine  und  Melidore:  273 
Meyerbeer,  Hugenotten,  Akt  I:  83,  Akt  H:  207,  Akt  IV: 
202,  411,  Akt  V:  237 
Robert  der  Teufel,  Akt  III:  206,  422, 
Akt  V:  319 


Mozart,  Ave  verum:  376 

Cosi  fan  tutte:  209,  236 
Don  Juan,  Akt  II:   132,  163 
Figaro,  Akt  I:   178 
Zauberfiöte,  Akt  I:  414,  Akt  II:  361 
Rossini,  Teil,  Akt  III:  387,  391 
Spontiiii,  Vestalin,  Akt  II:  388,  Akt  HI:  352 
Strauß,  Feuersnot:  31,  308,  310 

Sinfonia  domestica:  197,  198 
Till  Eulenspiegel:  220 
Tod  und  Verklärung:  212 
Zarathustra,  Fuge:   126 
Verdi,  Otello:  121,  160 
Wagner,  Faust-Ouverture:  363 

Götterdämmerung,  Akt  I:  232,  Akt  II:  346 
Holländer,  Akt  II:  292 
Lohengrin,  Akt  H:  247,  Akt  III:  72 
Meistersinger,  Akt  II:  235,  Akt  III:  48,  73,  SU 
96, 142,  204,  222,  291,  295,  296,  327,  3.'8 
Eheingold,   Szene  U:  65,  294,  Szene  III:  298 

Szene  IV:  47 
Siegfried,  Akt  I:    75,   210,    Akt  U:    26,    285, 

299,  364,  Akt  III:  4,  63 
Taiinhäuser,  Akt  U:  70,  189,  228,  Akt  III:  92, 

338,  Bacchanale  368 
Tristan,    Akt   I:    78,    98,    100,    141,   339,   342. 
Akt  II;    18,   238,   Akt  III:   46,  93,  126^ 
144,  240,  249,  254,  344 
Walküre,   Akt  I:   9,  12,  320,  Akt  II:  74,  106 
190,  224,  250,  355,  Akt  III:  51,  62 
Weber,  Freischütz,  Ouvertüre:  226,  Akt  II:  88 
Oberon,  Ouvertüre:  90 


Sachregister. 


Seite 

Altflöte 258 

Altklarinette 237 

Altophikleide 362 

Altposaune 321 

Altposaune  mit  Ventilen 354 

Bariton  (Blasinstrument) 371 

Bariton-Oboe 203 

Bassethorn 241 

Baßklarinette 237 


Bassophikleide  .    .    .    . 

Baßposaune    

Baßtuba 

Becken     

Blechklarinetten    . 

Bombardon 

Buglehom 

Celesta  (von  Mustel)  . 
Cellone  (von  Stelzner) 
Chanterelle 


361 
322 
863 
418 
242 
362 
360 
4\7 


Clarin 360 

Dezimenflöte 257 

Dezimentrompete  (von  Sax) 300 

Divisi 6 

Diskantposaune 321 

Dudelsack 160 

Englisch  Hern 199 

Enharmonische  Töne 429 

Flöte,  große 242 

Böhm-Flöten 242 

Metall-Flöten 242 

Triller 243 

Doppelzunge 243 

Flatterzunge 243 

Ausdruck 244 


Flöte,  kleine  (Piccolo)     . 
Fagott 

Triller 

Mitklingende  Obertön 
Fagott,  russisches     .    .    . 
Gitarre 


Arpeggii 


251 


157 


Flageolett 158 

Griasharmonika 417 

Glocken 411 

Glockenspiel 414 

Glöckcheninstrument 414 

Halbmond 425 

Harfe 146 

Alte  Harfe  in  Es 146 

Doppelpedalharfe 148 

Akkorde 149 

Oktaven,  Sexten 150 

Triller,  Hämmern 150 

Ausdruck 151 

Flageolett löl 

Synonymen 152 

Glissando 153 

Bisbigliando  (Tremolo) 155 

Harmonium 431 

Heckel-Clarina 203 


Seite 

Heckelphon 203 

Holzblasinstrumente,    alte  und  neue  zusammenge- 
stellt zu  einem  Orchester 204 

Hörn 264 

Umfang  der  verschiedenen  Stimmungen     .  264,  266 

Setzstück 265 

Gestopfte  Töne 265 

Verwendung  des  Horns  bei  den  alten  Meistern  267 

Triller 274 

Kreuzung  durch  verschiedene  Stimmungen  .     .  275 

Ausdruck 275 

Jagdfanfaren  (blecherner  Ton) 277 

Jagdhorn 360 

Klavierharmonika 417 

Kastagnetten 395 

Klarinette 214 

Sax-Klarinetten 214 

Triller 215 

Die  verschiedenen  Stimmungen   der  Klarinette  216 

Klangcharakter  der  Stimmungen 221 

Ausdruck 224 

Stellung    der  Klarinette    über   die   Oboen   bei 

Akkordmiscliungen 228 

Gedämpfte  Klarinette      229 

Verwendung  der  tiefen  Töne .  231 

Verbesserungen  an  der  Klarinette 241 

Schnäbel  von  Holz  und  von  Metall        .  .  242 

Klappentrompeten 307 

Kontrabaß 104 

Neue  Mechanik  (Poike) 105 

Flageolett 105 

Tremolo 120 

Schleifer 127,  129 

Verdoppelung     tiefer     Blasinstrumente     durch 

Kontrabaß 132 

Teilung  der  Kontrabässe .     .  138 

Pizzikato 141 

Dämpfer      146 

Kontrabaß-Klarinette 241 

Kontrabaß-Oboe 204 

Kontrabaß-Ophikleide 362 

Kontrabaß-Posaune 354 

Kontrabaß-Tuba 354 

Kontrafagott 213 

Konzertina 428 

Kornett 315 

Umfang 315 

Triller 316 

Ausdruck 318 

Gesamtübersicht  der  Stimmungen  von  Kornett, 

Trompete  und  Hörn 317 

liebesflöte  (Flute  d'amour) 258 

Mandoline 163 

Melodieverteilung  auf  mehrere  Instrumente  (Wagner)  190 

Melodiumorgel  (Harmonium) 431 

Melodium  mit  verlängertem  (fortklingendem)  Ton  .  432 

Nonenflöte,  kleine 257 

Oboe 177 

Triller 177 

Ausdruck 178 

Französische  und  deutsche  (Unterschied)  .    .     .  198 

Oboe  d'amore 197 

Oktav-Terzflöte,  kleine 257 


Solto 
OktftvtrompotP  (Sax)  ...  800 

Okt.)baU ...  488 

(.)rchostor 184 

'riiiiiitiT-  und  Konzortoichostor  4;M 

Orchcstcrrllumo .    Iil4 

Auf.Htolluiii; 484 

liosotzuiif;  ilor  Stroich-  und  Itlasinstrumonto    .  435 
k^ntwurf  zu  oiuom  Riesonoruboster  mit  Chor    .  48(i 

System  der  Proben 487 

OroJiosterdirigont 489 

Kunst  des  Taktierons 440 

Zusammentreffen  verscliiedenor  Taktarten     .    .  444 

Vorlmlten  beim  Bozitativ 445 

stuuil|iunkt  dos  Dirigenten 446 

Ol.ordiroktoion 447,  461 

Klektrischcs  Metronom  von  Verbrugghe    .    .     .  447 

Aufstellung  des  Orchesters 448 

Fohlorliafte  Gewohnlieiton  der  Orchosterspieler  449 

Übertreibung  der  Nuancen 450 

Einstudierungssystem 451 


DogloitungBarten  . 

Cliorsatz 

A  cniiella-Oesang,  iJi)|ii)clcliOro 
Stilarton  der  Instrumentierung    ,    . 


Orgel 


Zusammenwirken  von  Orgel  und  Orchester  .    . 
Ausdruck  in  der  geistlichen  Musik,  Orgelfugen 

Pauke  

Stimmung  der  Pauken 

M.liiiacho  Besetzung 

Piani.ssimo  der  Pauken 

Goditmpfte  Pauken 

Pedalpauken  (von  Schneller) 

Pianoforto 

Diimpferpedal 

Neues  Pedal  (Steinway)  .    .        

Pianoforte  als  Orchesterinstrument     .    .    .  166, 

Pianoforte  als  Soloinstrument 

Verschiebung  (una  corda) 

Pianoforto  mit  verlängertem   (fortklingendem)   Ton 
Posaune . 

Umfang   .        . 

Podaltöne    .    . 

Triller 

Ausdruck 

Pianissimo  der  Posaune 

Dämpfer 

Quinte  (Violine) .    . 

Quintfagott 

Ratsche  (Knarre),  Rute ^ 

Saxhömer 

Saxophone  

Saxtrompeten 

Saxtuben     

Sekundflöte,  große  (Des-Flöte) 

Serpent    

Signalhorn 

Singstimmen 

Umfang 

Franenchöre   

Männerchöre 374, 

Unterstützung   einer  Stimme   durch  die  andere 

Kopf-  oder  Falsett-Töne 

Haute-contre 

Kinderstimmen 

Kastratenstimmen 

Vokalisation 

Voix  mixte 

Dunkle  Tongebung 

Solostimmen 


Hi.lli. 
386 
89a 
....  895 
....     60 
Streichquintott,  allgonieine  llohandlung  imOrchoster  141 

Tamburin  (Tambour  Basquo) 423 

Tamtam 422 

Temperierte  Stimmung 429 

Teuorjjoaauno ilJl 

Touorposauno  mit  Ventil    .    .  H.'.  1 

Tenorposauno  mit  Zylindern ^.jI 


poniorondo   fnstn 


257 

175 

424 
417 
423 
800 
300 
801 


Terzflöte 

Transponierende   und   nii 
mente,  Übersicht 

Triangel 

Trommel,  groOe    .    . 

Trommel,  kleine  (Schnarrtromnicl) 

Trompete 

Umfang  der  verschiedenen  Stimmungen 

Triller 

Notierungsweise  der  Stimmungen 301 

Das  Piano  der  Trompete 302 

Ausdruck 307 

Dämpfer 307 

Tuben  Wagners 354 

Ventilhorn 278 

Fortschritte    der    Orchestertechnik    durch    die 

Ventilhörner 279 

Notierungsweise  der  Stimmungen 298 

Homer  in  hoch  F  und  in  hoch  C 299 

Ventiltrompeten 307 

Viola 67 

ViolE  alta  (von  Eitter) 81 

Violf   d'amour 82 

Viola  da  gamba 84 

Violine 3 

Triller 3 

Akkorde 6 

Arpeggien 8 

Tremolo 9 

Tremolo  am  Steg 13 

Gebrochenes  Tremolo 20 

Wallendes  Tremolo 20 

Teilung  der  Violinen 13 

Teilung    der'  Violinstimnie     bei    schwierigen 

Stellen .     49 

Stricharten 20 

Col  legno 23 

Flageolett 85 

Dämpfer 39 

Pizzikato 41 

Verdoppelung  der  Violine  I  durch  Violine  II  .     60 

Klangcharakter  der  Tonarten 61 

Avisdruok 62 

Solo-Violine 65 

Violoncell 84 

Flageolett ...     8.'. 

Violoncell  als  Baß 88,  130 

Ausdruck 90 

Tremolo 104 

Pizzikato 104 

Violotta  (von  Stelzner) 81 

Wirbeltrommel 423 

Zimbeln,  antike 417 

Zugtrompeten 307 


Von  der  Instrumentation. 


Einleitung. 


In  keiner  Epoche  der  Musikgeschichte  ist  soviel 
von  „Instrumentation"  die  Rede  gev?esen,  als  heutzu- 
tage. Veranlassung  dazu  war  wohl  die  rasche  Ent- 
wicklung dieses  Kunstzweiges  in  der  Neuzeit,  vielleicht 
auch  die  große  Menge  von  Kritiken,  verschiedenartigen 
Lehrsätzen  und  füi--  und  widersprechenden  Meinungs- 
äußerungen, denen  oft  Kompositionen  der  minderwertig- 
sten Art  als  Vorwand  dienen  mußten. 

Jedenfalls  ist  nicht  zu  verkennen,  daß  der  Instru- 
mentationskunst jetzt  große  Bedeutimg  beigelegt  wird, 
einer  Kunst,  von  der  man  zu  Anfang  des  vorigen  Jahr- 
hunderts *)  nichts  wußte  vmd  deren  Empoi-kommen  selbst 
von  wahren  Freunden  der  Musik  vor  ungefähr  60  Jahren 
noch  aufs  lebhafteste  bekämpft  wurde.  In  neuerer  Zeit 
werden  dafür  dem  musikalischen  Fortschritte  wieder  in 
anderer  Weise  Hindernisse  in  den  Weg  gelegt,  worüber 
sich  indes  niemand  zu  verwundern  braucht:  die  Erfahrung 
lehrt,  daß  es  von  jeher  so  gewesen  ist.  —  Nachdem  an- 
fangs nur  die  Aufeinanderfolge  konsonierender  Akkorde, 
vermischt  mit  einigen  Vorhalt-Dissonanzen,  als  „Musik" 
angesehen  wurde,  dann  aber  Monteverde  den  Versuch 
wagte,  den  Dominant-Septimen-Akkord  —  ohne  Vorbe- 
reitung —  einzufügen,  wurde  er  ob  dieser  Neuerung 
arg  getadelt  und  verlästert.  Trotz  alledem  bürgerte  sieb 
der  Gebrauch  dieses  Akkordes  —  mit  den  Vorhalten  — 
bald  ein,  und  Tonsetzer,  die  für  gelehrt  gelten  wollten, 
gingen  schließlich  so  weit,  auf  jede  einfach-klare,  natur- 
gemäße und  daher  wohlklingende  Harmoniefolge  mit  Ver- 
achtung herabzusehen  und  nur  solche  Kompositionen  als 
kunstgemäß  gelten  zu  lassen,  die  von  Anfang  bis  zu  Ende 
mit  den  härtesten  Dissonanzen  (kleinen  und  großen  Se- 
kunden, Septimen,  Nonen  u.  dgl.)  durchsetzt  waren. 
Daß  die  Anwendung  derselben  ohne  Sinn  und  Verstand 
geschah,  wurde  vollständig  außer  acht  gelassen,  fast 
schien  es,  als  hätte  man  nur  die  eine  Absicht:  dem  Ohre 
das  Anhören  solcher  Musik  so  unangenehm  als  möglich 
zu  machen.  Diese  Musiker  fanden  an  den  Dissonanzen 
ebensoviel  Geschmack,  wie  gewisse  Tiere  am  Salze,  an 
stachlichten  Pflanzen  und  dornigem  Gesträuche.  —  Die 
Reaktion  war  in  das  Stadium  der  Übertreibung  ge- 
treten. 


Melodie  war  in  diesen,  für  schön  gehaltenen,  mu- 
sikalischen Kombinationen  nicht  vorhanden;  als  sie  den- 
noch mit  der  Zeit  hier  und  da  auftauchte,  schrie  man 
über  Verflachung,  über  Verfall  der  Kunst  und  ihrer  ge- 
heiligten Regeln  und  glaubte,  alles  sei  verloren.  Jedo.ch 
auch  die  Melodie  gewann  mit  der  Zeit  festen  Boden,  bis 
schließlich  sogar  nach  dieser  Richtung  hin  die  Reaktion 
nicht  ausblieb.  Bald  gab  es  Fanatiker  der  Melodie,  denen 
ein  jedes,  mehr  als  dreistimmig  gesetzte  Musikstück  ein 
Greuel  war,  ja  es  fanden  sich  Leute,  die  den  Gesang 
in  der  Regel  nur  vom  Baß  allein  begleitet  wissen  wollten; 
vermutUch  sollte  dem  Zuhörer  das  Vergnügen  überlassen 
bleiben,  sich  die  fehlenden  Mittelstimmen  nach  Belieben 
hinzuzudenken.  Andere  gingen  noch  weiter  und  verwarfen 
jede  Begleitung  überhaupt;  nach  ihrer  Ansicht  war  die 
Harmonie  eine  barbarische  Erfindung. 

Nun  kam  die  Reihe  an  die  Modulationen.  Zur 
Zeit,  als  es  Gebrauch  war,  nur  in  verwandte  Tonarten 
zu  modulieren,  wurde  über  den  ersten,  der  es  sich  ein- 
fallen ließ,  in  entferntere  überzugehen,  das  Verdammungs- 
urteil gespi-ochen;  er  mußte  darauf  gefaßt  sein.  Die 
Wirkung  dieser  neuen  Modulation  mochte  sein,  wie  sie 
wollte,  die  Meister  tadelten  sie  aufs  strengste.  Der 
Neuerer  bat  vergeblich:  „Höret  sie  doch  nur  aufmerk- 
sam an,  überzeugt  euch,  wie  sanft  sie  herbeigeführt 
wird,  wie  gut  motiviert,  wie  geschickt  sie  mit  dem 
Vorhergehenden  und  Nachfolgenden  verbunden  ist  und 
wie  herrlich  sie  klingt!"  „Darauf  kommt  es 
nicht  an!"  entgegnete  man  ihm,  „diese  Modulation 
ist  verboten  und  muß  daher  unterbleiben."  Da  aber 
im  Gegenteil  alles  nur  darauf  ankommt,  so  fanden 
die  Modulationen  nach  fremden  Tonarten  in  großen 
Musikstücken  bald  Eingang  und  brachten  eben  so  glück- 
liche, wie  unerwartete  Eindriicke  hervor.  Fast  eben  so 
schnell  entstand  jedoch  eine  neue  Art  von  Pedanterie; 
es  gab  Leute,  die  sich  jede  Modulation  nach  der  Do- 
minante als  Schwäche  am-echneten  und  es  für  angebracht 
hielten,  im  einfachsten  Rondo  von  C  dur  nach  Fis  dur 
hinüberzutändeln. 

Die  Zeit  hat  alles  nach  und  nach  auf  das  rechte 
Maß   gebi-acht.      Man    lernte   Gebrauch   von    Mißbrauch, 


*)  Für   alle   in   diesem   Werke   vorkommenden   Zeitangal 

9039 


ist   die  Mitte   des  19.  Jahrhunderts   maßgebend. 


reaktionäre  Eitelkeit  von  Dummhoit  und  Eijjensinn  imtor- 
scheiden,  und  steht  lieutzut^igo  iillgcmeiu  auf  dem 
Standpunkt,  bezüglich  Harmonie,  Melodie  und  Mo- 
dulation alles  das  gutzuheißen,  was  von  guter  Wirkung 
ist,  alles  zu  verwerfen,  was  schlecht  wirkt,  und  sich 
selbst  durch  die  AutoritUt  von  hundert  alten  Herren 
(möchte  auch  jeder  von  ihnen  nn  die  hundertundzwanzig 
Jahre  zahlen)  nicht  davon  überzeugen  zu  lassen,  daß 
das  Häßliche  schön  und  das  Schöne  hilßlich  sei. 

Mit  Instrumentation,  Ausdruck  und  Rhyth- 
mus verhillt   es   sich   freilich   noch   anders.     An  sie  ist 


die  Reihe  viel  spttter  gekommen,  beachtet,  verworfen, 
zugelassen,  beschrankt,  befreit  und  übertrieben  zu  wer- 
den; sie  haben  zurzeit  den  Punkt  der  Entwicklung 
noch  nicht  erreicht,  den  die  anderen  Kunstzwoige  be- 
reits vor  ihnen  einnahmen.  Wir  können  jetzt  nur 
feststellen,  daß  die  Instrumentation  den  übrigen 
voranschreitet  und  nahe  daran  ist,  übertrieben  zu 
werden. 

Viel  Zeit  ist  nötig,  um  die  Weltenmeere*)  der 
Musik  aufzufinden,  noch  viel  mehr  aber,  sie  befahren 
zu  lernen. 


•)  Der  Ausdruck  des  Originales  lautet:   „los  möditerranöes  musicales" 


Die  Instrumeüte. 


Jeder  klangerzeugende  Körper,  den  der  Komponist 
in  Anwendung  bringt,  ist  ein  Musikinstrument.  Fol- 
gende Übersicht  zeigt  die  Mittel,  die  ihm  gegenwärtig 
zur  Verfügung  stehen. 

1.  Saiteninstrumente. 

a)  Deren  Saiten  durch  Bogen  zum  Klingen  gebracht 

werden  (Streichinstramente) :  die  Violine  (Geige), 
Viola  (Altviola,  Bratsche),  Viola  d'amour,  das 
Violoncell  und  der  Kontrabaß  (Violone,  Baß- 
geige). 

b)  Deren  Saiten  gezupft  werden:  die  Harfe,  Gitarre 

und  Mandoline. 

c)  Mit  Klaviatur:  das  Pianoforte. 

2.  Blasinstrumente. 

a)  Mit  Rohrblatt:    die  Oboe,    das  Englische   Hörn, 

das  Fagott,  Quint-  und  Kontrafagott,  die  Klari- 
nette, das  Bassetthom,  die  Baßklarinette,  die 
Saxophone  etc. 

b)  Ohne  Rohrblatt:   die  gi-oße  und  kleine  Flöte. 

c)  Mit  Klaviatur:  die  Orgel,  das  Melodium  (Harmo- 

nium), die  Konzertina. 

d)  Mit  Mundstück,    von  Messing:    das   Hörn,    die 

Trompete,  das  Kornett,  das  Jagdhorn  (Bugle- 
Horn),  die  Posaune,  die  Ophikleide,  das  Bom- 
bardon, die  Baßtuba. 

e)  Mit  Mundstück,  von  Holz:    das  russische  Pagott 

(Baßhorn),  der  Serpent. 

f)  Die  Stimmen   der  Männer,   Frauen,  Kinder  und 

Kastraten. 
3)  Schlaginstrumente. 

a.  Von  fester,  genau  bestimmbarer  Tonhöhe:  die 
Pauken,  die  antiken  Zimbeln,  das  Glöckchen- 
instrument  (les  jeux  timhres),  das  Glocken- 
spiel, die  Pflavier-Harmonika,  die  Glocken. 

b)  Von  unbestimmter  Tonhöhe  und  nur  der  Schall- 
wirkung  nach  von  verschiedenem  Charakter:  die 
Trommel  (Militärtrommel),  die  große  Trommel, 
das  Tamburin,  die  Becken,  der  Triangel,  das 
Tamtam,  der  Halbmond. 


5  Diese  Aufzählung    bedarf   heute    folgender    Er- 

\     gänzung: 

\  bei  1  b    die  Zither, 

I  .  2a   die  Oboe  d'amore,  die  Kontrabaßoboe, 

s  das  Heckelphon,  die  Kontrabaßklarinette, 

\  ,  2b   die  Altflöte, 

♦  ,  2d   die  Tuben  in  F  und  B,  das  Bariton, 

J  bei  3a   das    Holz-    und    Strohinstrument,    die 

J  Celesta, 

\  ,  3b    die  Rute  und  Schelle. 

In  dem  Gebrauche  dieser  verschiedenen  Klang- 
elemente nun  und  in  deren  Verwendung,  sei  es,  um  der 
Melodie,  der  Harmonie  und  dem  Rhythmus  eigentüm- 
liche Färbung  zu  geben,  oder  sei  es,  um,  unabhängig 
von  jedem  Zusammenwirken  mit  diesen  drei  musikalischen 
Großmächten,  Eindrücke  sui  generis  (ob  motiviert,  durch 
bestimmte  Absicht,  oder  nicht)  hervorzubringen,  —  be- 
steht die  Kunst  der  Instrumentation. 

Von  ihrer  poetischen  Seite  betrachtet,  läßt  sich 
diese  Kunst  ebensowenig  lehren,  als  die  Kunst,  schöne 
Melodien,  schöne  Akkordfolgen  und  originelle,  kräftig- 
rhythmische Formen  zu  erfinden.  Man  lernt  nur,  was 
den  verschiedenen  Instrumenten  zusagt,  was  ausführbar 
oder  nicht,  was  leicht  oder  schwer,  was  matt-  oder 
vollklingend  für  sie  ist;  man  kann  auch  sagen,  daß  dies 
oder  jenes  Instrument  geeigneter  als  ein  anderes  sei,  um 
gewisse  Wirkungen  beiTorzubringen,  um  gewisse  Gefühle 
auszudräcken;  was  aber  ihre  Verschmelzung  zu  Grappen, 
zu  kleinen  Orchestern  oder  zu  großen  Massen  anlangt, 
was  die  Kunst  betrifft,  sie  derart  zu  vereinigen  und  zu 
vermischen,  daß  der  Ton  der  einen  Instrumente  durch 
den  der  anderen  beeinflußt  wird,  und  hierdurch  ein  be- 
sonderer Gesamtklang  entsteht,  den  weder  ein  Instrument 
für  sich  allein,  noch  im  Zusammenwirken  mit  anderen 
Instrumenten  der  gleichen  Gattung  hervorbringen  würde, 
so  kann  man  nur  auf  die  Ergebnisse  hinweisen,  die  in 
den  Werken  der  Meister  enthalten  sind,  und  dem  Ver- 


fahren  der  letzteren  nachforschen;  Ergebnisse,  welche  ohne 
Zweifel  noch  auf  tausenderlei  Art,  gut  oder  übel,  von 
den  Komponisten,  die  Ähnliches  erstreben,  umgewandelt 
werden  können. 

Der  Zweck  des  vorliegenden  Werkes  ist  demnach 
zunächst  der  Nachweis  des  Ton-Umfanges  und  die 
Angabe  gewisser  Haupteigenschaften  der  Mechanik  der 
Instrumente:  sodann  das  —  bisher  sehr  vernachlässigte  — 


Studium  der  Natur  des  Klanges,  des  eigentümlichen 
Charakters  und  der  Ausdrucksfähigkeit  eines  jeden 
von  ihnen ;  und  endlich  das  Studium  der  besten  bekannten 
Arten  des  Verfahrens,  sie  angemessen  zusammenzustellen. 
Wollte  man  darüber  hinausgehen,  so  müßte  man  den 
Fuß  auf  das  Gebiet  schöpferischer  Eingebung  setzen,  ein 
Gebiet,  auf  welchem  nur  das  Genie  Entdeckungen  machen 
kann,  dem  allein  es  vergönnt  ist,  dasselbe  zu  durchstreifen. 


Streichinstrumente. 
Die  Violine. 


Die  vier  Saiten  der  Violine  werden  gewöhnlich  in 
Quinten  folgenderweise  gestimmt: 

r  Q        n  erste  Saite. 

r(ffl        '"'  zweite  Saite. 

*J       IS:  dritte  Saite. 

"SJ"  vierte  Saite. 

Die  hohe  Saite,  das  E,  wird  auch,  allgemein  üblich, 
die  Quinte  (la  chanterelle)  genannt. 

Diese  Saiten  werden,  wenn  die  Pinger  der  linken 
Hand  deren  Ton  nicht  dadurch  ändern,  daß  sie  den- 
jenigen Teil  der  Saite,  welchen  der  Bogen  zum 
Erklingen  bringt,  mehr  oder  weniger  verkürzen,  leere 
Saiten  genannt.  Man  bezeichnet  die  Noten,  die  auf 
leerer  Saite  gespielt  werden  sollen,  mit  einer  Null  (0), 
ober-  oder  unterhalb  derselben. 

Einige  große  Virtuosen  und  Komponisten  sind  von 
dieser  Art  der  Violin-Stimmung  abgewichen.  Paganini 
erhöhte,  um  dem  Instrumente  mehr  Glanz  zu  geben, 
alle  Saiten  um  einen  halben  Ton,  wie  neben- .-  Q  ^ — 
stehend  ersichtlich;  infolgedessen  transpo- p(|q)  [/'^^ 
nierte  er  die  Solostimme  um  einen  halben  »^  ^L^ 
Ton  und  spielte  z.  B.  in  D,  wenn  das  Orchester  in  Es, 
—  in  A,  wenn  das  Orchester  in  B  spielte;  auf  diese 
Weise  erhielt  er  sich  die  leeren  Saiten,  deren  Klangfülle 
an  und  für  sich  größer  ist,  als  wenn  die  Pinger  auf- 
gesetzt werden,  zimi  größten  Teile  auch  in  solchen  Ton- 
arten frei,  in  denen  sie  bei  gewöhnlicher  Stimmung  nicht 
hätten  zur  Anwendung  kommen  können.  De  Beriot  er- 
höht in  seinen  Konzerten  oft  das  G  allein  um  einen 
ganzen  Ton.  Baillot  hingegen  stimmte  bisweilen,  um 
zarter  und  schwermütiger  Wirkungen  willen,  das  G 
einen  halben  Ton  tiefer.  Winter  hat  in  derselben 
Absicht  statt  des  G  sogar  das  tiefere  F  in  Anwendung 
gebracht. 


Bei  dem  hohen  Grade  von  Geschicklichkeit,  den 
unsere  jungen  Violinspieler  heutzutage  erreicht  hab^u, 
läßt  sich  der  Violine  in  einem  guten  und  vollbesetzten 
Orchester  folgender  Umfang  zuweisen: 


Mit  allen  chromatischen  Zwischeutöneu. 


^«££iill 


Große  Virtuosen  erweitern  diesen  Umfang  nach  der 
Höhe  noch  um  einige  Töne,  und  mittelst  der  Flageolet- 
töne,  auf  die  wir  weiter  unten  zu  sprechen  kommen, 
kann  man,  selbst  im  Orchester,  eine  noch  viel  beträcht- 
lichere Höhe  erreichen. 

I  Im  Orchester  ist  inzwischen  dieser  Umfang  wohl 


erweitert  worden. 


Triller  sind  auf  allen  Stufen  dieser  weitgehenden 
Tonleiter  von  drei  und  einer  halben  Oktave  ausführbar; 
indes  muß  man  die  große  Schwierigkeit,  welche  die 
Triller  auf  den  drei  letzten  hohen  Noten  a,  h,  c  ver- 
ursachen, nicht  außer  acht  lassen;  ich  halte  es  sogar 
für  klug,  im  Orchester  keinen  Gebrauch  vom  Triller 
auf  diesen  Tönen  zu  machen. 

i  Es    sei    hier   auf  die    herrliche   Trillerstelle    im 

^  dritten  Akt  des  Siegfried  bei  Brünnhildens  Erwachen 
^  hingewiesen,  wo  diese  gleichzeitig  entzückt  und  vom 
\  ungewohnten  Glänze  geblendet  in  das  Licht  der 
{  Sonne  blickt.     (Partiturbeispiel  1.) 


NO  1.  Siegfried, Akt  lü. 


Viol.II 
4fach  geteilt, 


Engl.Hrn 


Brünh. 

Edition  Peters, 


Den  Triller  mit  kleiner  Sekunde  auf  der  vierten 
Saite  zwischen  ^  und  as  muß  man  so  viel  als  mög- 
lich vermeiden;  er  ist  hart  und  von  wenig  angeneh- 
mer Wirkung.  ft=r41-r-.  - 


Die  zwei;,  dreU  und  vierstimmigen  Akkorde, 
welche  man  auf  der  Violine  gleichzeitig  oder  gebro- 
chen (arpeggiert)  spielen  kann,  sind  außerordent- 
lich zahlreich  und  in  Ihren  Wirkungen  unter  sich 
ziemlich  verschieden. 

Die  zweistimmigen  Akkorde,  welche  aus  den 
sogenannten  Doppelgriffen  auf  zwei  Saiten  ent- 
stehen, eignen  sich,  im  Forte  wie  Im  Piano,  sowohl 


zu  melodischen  Phrasen  wie  auch  zu  iill'-n  Arten  der 
liegleitung  und  zum  Tremolo. 

Die  drei:  und  vi.Tstimmlsen  Akkorde  hingegen 
sind,  wenn  man  sie  piano  anstreicht,  nicht  von  guter 
Wirkung,  sie  erscheinen  nur  saft-  und  kraftvoll  Im 
FortCj  denn  nur  dann  vermag  der  Dogen  die  Saiten 
so  zusammenzufassen,  daß  sie  gut  und  sicher  zu 
gleicher  Zelt  ansprechen.  Man  darf  auch  nicht  ver- 
gessen, daß  bei  diesen  drei;  und  vierstimmigen 
Griffen  höchstens  zwei  Noten  ausgehalten  werden 
können,  da  der  Bogen  genötigt  Ist, die  anderen  sofort 
nach  deren  Anstrich  zu  verlassen.  In  einer  mäßi- 
gen oder  langsamen  Bewegung  Ist  es  demnach  un- 
nütz, so  zu  schreiben: 


denn  nur  die  beiden  oberen  Noten  können  ausgehalten  werden,  und  es  ist  In  diesem  Fall  besser,  die  Stelle 
auf  folgende  Weise  zu  notieren: 


Wie  sich  von  selbst  versteht,  sind  alle  Zwei  - 
klänge  zwischen  dem  tiefen  G  und  D  unmöglich,  well 
nur  eine  einzige  Saite  (das  G)  da  Ist,  um  die  beiden 
Noten  zu  Gehör  zu  bringen.  Ist  man  aber  doch 
genötigt,  an  diesem    äußersten  Ende  der  Tonleiter 


Akkorde  zu  setzen,  so  sind  sie  im  Orchester  nur 
dann  ausführbar,  wenn  man  die  Violinen  teilt;  diese 
Teilung  zeigt  man  Italienisch  mit:  divisi  oder  a  due, 
französisch  mit:  divises  oder  ä  deux,  deutsch  mit 
„geteilt"  oberhalb  der  betreffenden  Stelle  an.  Z.B. 


divisi  (geteüt.) 


Die  Violinspieler  teilen  sich  dann  so,  daß  die  einen  1  griffe  in  Sekunden,Terzen,Quarten,Quinten,Sexten,Septi- 
die  obere  Stimme,  die  anderen  die  untere  Stimme  aus-  menund  Oktaven  ausführbar,  nur  werden  sie  nach  und  nach 
führen.  Von  D,  der  dritten  Saite  an,  sind  alle  Doppel-  I   schwerer,jehöhermanauf  den  beiden  oberen  Saiten  steigt. 


Bisweilen  g-ebraucht  man  auch  den  Einklang  als 
Doppelgriff,  doch  ist  es  ratsam,  die  Anwendung 
desselben  auf  die  drei  Noten  D,  A  und  E  zu  be- 
schränken ;  nur  diese  vereinigen,  bei  leichter  Aus- 
führbarkeit, Verschiedenartigkeit  des  Klanges  und 
starke  Tonfülle,  infolge  der  Mitwirkung  der  leeren 
Saite: 


Bei  den  übrigen  Einklängen : 


kommt  keine  leere  Saite  vor;  ihre  Ausführung  ist 
ziemlich  schwierig,  demnach  auch  die  vollkommene 
Reinheit  derselben  sehr  selten. 

Eine  tiefe  Saite  kann  eine  höhere  leere  Saite 
durchkreuzen,  wenn  man  ihren  Tönen  eine  aufstei- 
gende Bewegung  gibt, während  die  leere  Saite  gleich- 
sam als  Orgelpunkt  fortklingt: 


Das  D  bleibt  als  leere  Saite,  während  die  aufstei- 
gende Tonleiter  durchweg  auf  der  vierten  Saite  ge- 
spielt wird. 

Nonen  und  Dezimengriffe  sind  ausführbar, 
doch  bei  weitem  weniger  bequem  als  die  vorher- 
gehenden, und  es  ist  besser  sie  für  das  Orchester 
nur  dann  vorzuschreiben,  wenn  die  tiefere  Saite 
leer  bleibt;  in  solchen  Fällen  bieten  sie  keine  Schwie- 
rigkeit: 


Ungemein  schwer,  um  nicht  zu  sagen  unmög  - 
lieh,  sind  die  Sprünge  in  Doppelgriffen, und  daher 
zu  vermeiden,  da  sie  eine  große  Veränderung  der 
Handlage  erfordern,  z.  B. 


Im  allgemeinen  darf  man  überhaupt  dergleichen 
Sprünge  nur  dann  schreiben,  wenn  die  beiden  hö- 
heren Noten  mit  den  unteren  zusammen  einen  vier- 
stimmigen Akkord  bilden,  der  auch  im  ganzen  an- 
gegeben werden   könnte;  z.B. 


Dies  ist  tunlich, 
weil  man  die  vier 
Noten  auch  g'leich- 
zeitig-  angeben  kann 


Im  folgenden  Beispiele  würden  sich  zwar  die 
vier  Noten  (außer  beim  letzten  Akkorde)  gleich- 
zeitig nur  mit  ziemlicher  Schwierigkeit  greifen 
lassen,  dennoch  ist  hier  der  Sprung  von  der  Tiefe 
zur  Höhe  leicht  ausführbar,  weil  die  beiden  tiefe- 
ren Noten  auf  leeren  Saiten,  die  beiden  anderen 
mit  dem  ersten  und  dritten  Finger  *)  genommen 
werden. 


Unter  den  drei;  und  namentlich  vierstimmigen 
Griffen  sind  die  besten  und  klangvollsten  immer 
diejenigen ,  bei  denen  am  meisten  leere  Saiten  vor- 
kommen. Ich  halte  es  sogar  für  besser,  man  begnügt 
sich  mit  einem  dreistimmigen  Akkord,  wenn  man 
bei  dem  vierstimmigen  nicht  eine  der  leeren  Sai- 
ten hinzuziehen  kann. 

Die  folgenden  Zusammenstellungen  geben  eine 
Übersicht  der  gebräuchlichsten,  klangvollsten  und 
wenigst  schwierigen  Akkorde  dieser  Art. 


Bei  den  mit  *  bezeichneten  ist  es  besser,  sich  mit  drei 
Noten  zu  begnügen,  also  die  tiefe  Note  wegzulassen. 


*)  Violin -Fingersatz:  1  Fingen  Zeigefinger;  2*£''  :  Mittelfinger    u. 
Edition  Peters.  9039 


mmmmuHmiMii 


Leicht  bei  niäUi^'-ei 


3,-  Bewegung:     ^   j  ||  |  ty'^'|^-^^  ^  "^^  ^^^'^^^  i 

Alle  auf  diese  Weise  aneinander  geschlossenen    1     d.h.  in  Aufeinanderfolge  ihrer  einzelnen  Töne  aus- 
Akkordfolgen    sind  nicht  schwierig.  geführt  werden,  woraus  sich,  zumal  im  Pianissimo, 

Sie   können   auch   gebrochen,  in  Arpeggien,    I     oft  sehr  glückliche  Wirkungen   ergeben: 


Außerdem  kommen  noch  ähnliche  Zusammen- 
stellungen, wie  die  früheren  vor,  bei  denen  die  vier 
Noten  nur  mit  großer  Schwierigkeit  auf  einmal 
anzugeben  wären,  die  aber  in  Arpeggien  sehr  gut 


ausführbar  sind,  und  zwar  mittelst  des  ersten  und 
zweiten  Fingers,  wenn  diese  von  der  vierten  zur 
ersten  Saite  übergehen,  um  die  tiefe  und  dann  die 
hohe  Note  zu  greifen: 


Läßt  man  in  den  vorhergegangenen  Beispielen 
die  hohe  oder  die  tiefe  Note  weg,  so  erhalt  man 
ebensoviel  dreistimmige  Akkorde  ;  hierzu  kommen 
noch  diejenigen,  welche  sich   aus   der  Verbindung 


der  verschiedenen  Töne  der  E- Saite  mit  den  bei- 
den mittelsten  leeren  Saiten,  oder  aus  denen  der 
E:  und  der  A- Saite  mit  der  leeren  D-Saite  er- 
geben: 


Handelt  es  sich  darum,  einen  einzeln  für  sich 
stehenden  D-moll:  oder  D-dur-Akkord  anzugeben, 
so  ist  es  nicht  ratsam,  die  im  vorigen  Beispiel 
mit  Ni.  bezeichnete  Tonlage  vorzuschreiben,  weil 
sie  ohne  vorausgehende  ähnliche  Griffe  zu  schwer 


ausführbar  wird;  besser  ist  es  dann,   die  hierne- 
benstehende Lage  zu  nehmen,    die  leicht  spielbar 

und  wegen  der  beiden  leeren  Saiten     [^  ^     [=1 
auch  klangvoller  ist:  «J    r      r 


Aus  den  bisherigen  Beispielen  kann  man  er- 
sehen, daß  alle  dreistimmigen  Akkorde  auf  der  Vio- 
line möglich  sind,  wenn  man,  abgesehen  von  denen 
mit  leeren  Saiten,   darauf  bedacht  ist,    ihre  ein- 


zelnen Töne  so  weit  auseinander  zu  legen,  daß 
sie  ein  Quinten:  oder  Sextenintervall  enthalten. 
Die  Sexte  kann  oben  oder  unten,  oder  auf  beiden 
Saiten   zugleich  liegen: 


Leicht    sind  auch   Folgen  von  verminderten 
Septimen-Akkorden,    weil  der  Fingersatz  beim 


;|  Sexte. 


Fortrücken  in  die  nächste  Lage  der  gleiche  bleibt, 
z.B. 


Gewisse  dreistimmige  Akkorde  sind  übrigens 
auf  zweierlei  Art  anwendbar,  und  man  wählt  immer 
am  besten  diejenige,  welche  die  Benutzung  einer 
leeren  Saite  zuläßt;    z.  B. 


Doppeltriller   in  Terzen  lassen   sich   vom 
ersten  tiefen  b    an  zwar  ausführen: 


da  sie  aber  schwieriger  als  die  einfachen  Triller 


sind  und  die  nämliche  Wirkung  sich  außerdem 
noch  besser  mittelst  Teilung  der  Violinen  errei- 
chen läßt,  so  ist  es  im  allgemeinen  ratsam,  fürs 
Orchester  davon  abzusehen. 

Das  Tremolo  eines  Violinchors  (einfach 
oder  doppelt)  bringt  mannigfache  vortreffliche  Wir- 
kungen hervor;  es  drückt  Unruhe,  Aufregung, 
Schrecken  in  den  Schattierungen  des  Piano,  Mezzo- 
forte und  Fortissimo  aus,  wenn  man  es  auf  einer 
oder  zwei  von  den  drei  Saiten  G,  D,  A,  anwen- 
det und  dabei  nicht  viel  über  das  mittlere  b  hin- 
aus geht. 

(  Doppelgriffe.) 


PS     "'/S      fft 


Von  Weber  und  Wagner  besonders  schön  ver-       {  Akt  der  Walküre,  bei  Siegmunds  Aasruf:  Wälse, 
wendet,  am  bedeutungsvollsten  vielleicht  im  ersten    I    \  Wälse!   (Partiturbeispiel  2.) 


NO 2.  Walküre,  Akt  I 


10 


Hörn  Hl  u.lV 
in  n. 


'^iF^i*ir~ii"iifii  wüm 


puco  a  pooo 
,  ■■'  ,   3      f>      

poco  a  poco  cresc. 


grir  <  pdf  ^if^r     >  I    h     pr  pnll    j,^ 


der  mich nunSehnsucht  zieht,       diemit  sü- ßemZau-ber  sehrt,  im      Zwan  -  ge hält  sieder  Mann,          der 


p  molto  cresc. 


SFag. 


Siegm. 


I   -   I    -    I    -    I     -    1-1    -        I     J 


mich  Wehr-losen  höhnt! 


Wäl-se!   Wäl-se!   Wo  istdein'Schwert,  dasstarke  Schwert,dasimSturmich 


12 


Welch  genialer  Einfall  ist  am  Anfsuig  der  Wal-     1     |     dahin  gotricbennn  Reifens  und  Hapels  durch  fol- 
kürp   dio   SihildtTunn-  des  einförmig   tobenden  I    gendo   wunderbare   Klangintuition; 

Sturmes,     das    IVitschen  des  schrüg  vom  Winde      '  (Purtiturbeispi«!  ».) 


N9  8.  Walk  Uns  Anfang-. 

stürmisch. 

(Immer  auf  doppelten  Saiten) 


Wagner. 


la 


Das  Tremolo  hat  etwas  Stürmisches,  Heftiges 
im  Fortissimo  auf  den  mittleren  Tönen  der  Er  und 


A-  Saite: 


Dagegen  wird   es     luftig, 


elfenhaft,  wenn  man  es,  auf  mehrere  Stimmen  ver- 
teilt, im  Pianissimo  in  den  hohen  Tönen  der  E- 
Saite  verwendet: 


Erste  Violinen. 


5weite  Violinen. 


Dritte  Violinen 
oder  Violen. 


Hier  muß  eingeschaltet  werden,  daß  man,  dem 
allgemeinen  Gebrauche  folgend,  die  Violinen  im 
Orchester  in  zwei  besondere  Gruppen  (Viol.  I  u.U.) 
teilt,  daß  aber  kein  Grund  vorhanden  ist, aus  die- 
sen beiden  Gruppen  je  nach  dem  Zwecke,  welchen 
der  Tonsetzer  vor  Augen  hat,  nicht  auch  wieder 
zwei  oder  drei  Unterabteilungen  zu  bilden .  Bis- 
weilen kann  man  die  Violinen  selbst  bis  zu  acht 
Gruppen  teilen,  sei  es,  daß  es  sich  darum  handelt^ 
aus  der  großen  Masse  acht  einzelne  Violinen  (acht 
verschiedene  Stimmen  spielend)  abzuheben,  oder 
sei  es,  daß  man  sämtliche  erste  und  sämtliche 
zweite  Violinen  in  je  vier  gleichmäßige  Chöre  son- 
dert. 

Ich  komme  zum  Tremolo  zurück.  Soll  seine 
Wirkung  vollständig  erreicht  werden,  so  ist  die 
Hauptsache,  daß  die  Bewegung  des  Bogens  schnell 
genug  sei,  um  ein  wirkliches  Beben  oder  Erzit- 
tern hervorzubringen.  Der  Komponist  muß  daher 
die  Ausführung  derselben  genau  vorschreiben,  je 
nach  der  Natur  des  Zeitmaßes,  in  welchem  das  be- 
treffende Musikstück  gesetzt  ist;  denn  die  Ausfüh- 
renden sind  nur  zu  sehr  geneigt,  einer  für  sie  er- 
müdenden Spielart  aus  dem  Wege  zu  gehen  und 
würden  sicher  nicht  verfehlen,  sich  allen  Spielraum, 
den  man  ihnen  in  dieser  Hinsicht  ließe,zunutze  zu  machen. 


Schreibt  man  also  in  dem  Zeitmaße  Allegro  assai 
ein  Tremolo  so  vor:   \^(;     °    |  mit  dieser  Wirkung; 


so  ist  dies  vollständig  genügend:  die  Bebung  wird 
vorhanden  sein;  wollte  man  aber  auch  in  einem 
Adagio  das  Tremolo  nur  durch  Sechzehntelnoten 
anzeigen,  so  würden  die  Ausführenden  eben  nur 
streng  Sechzehntel  spielen,undstatt  der  Bebung  hör- 
te man  nur  eine  schwerfällige,  ausdruckslose  Tonwie- 
derholung.   In  diesem  Falle  hat  man  so  zu  notieren: 

|ft)(s   °    I  und  manchmal  sogar,wenn  das  Zeitmaß  noch 

langsamer  als  Adagio  ist, in  dieser  Weise:  hfrtv-f — | 

Das  Tremolo  in  den  tiefen  und  mittleren  Tönen 
der  dritten  und  vierten  Saite  wird  im  Fortissimo 
noch  charakteristischer,  wenn  der  Bogen  die  Saiten 
nahe  beim  Stege  anstreicht .  In  großen  Orchestern 
bringt  es  dann,  (vorausgesetzt,  daß  die  Spieler  es 
gut  ausführen)  ein  Rauschen  hervor,  das  dem  eines 
reißenden,  mächtigen  Wasserfalles  ähnlich  ist.  Diese 
Spielweise  wird  durch  die  Worte  „am  Steg"  (sul 
ponticello)    angezeigt. 

Ein  prachtvolles  Beispiel  hierfür  findet  man 
in  der  Orakelszene  im  ersten  Akte  der  „Alceste'' 
von  Gluck.  Die  Wirkung  des  Tremolo  der  zweiten 
Violinen  und  Violen  wird  hier  noch  vergrößert  durch 
das  großartige, drohende  Einherschreiten  der  Bässe, 
durch  den  von  Zeit  zu  Zeit  geführten  Schlag  der 
ersten  Violinen,  durch  das  nach  und  nach  erfolgende 
Hinzutreten  der  Blasinstrumente,  endlich  durch 
das  erhabene  Rezitativ,  welches  von  diesem  wild- 
stürmenden Orchester  begleitet  wird. 

Ich  kenne  nichts  dieser  Art,  was  dramatischer, 
was  fürchterlicher  wäre.  Nur  der  Gedanke,  dieses 
Tremolo  „am  Steg"  ausführen  zu  lassen, dürfte  Gluck 
nicht  zuzuschreiben  sein,  denn  seine  Partitur  enthält 
nichts  darauf  Bezügliches.  Die  Ehre  hierfür  kommt 
lediglich  Herrn  Habeneck  zu,  welcher  beim  Einstu- 
dieren dieser  wunderbaren  Szene  im  Konservato- 
rium von  den  Violinen  diesen  energischen  Modus 
der  Ausführung  forderte,  dessen  Vorteil  in  solchem 
Falle  unbestreitbar  ist.  (Partiturbeispiel  4.) 


Edition  Peters. 


14 


N94.  Alceste,  Akt  I. 


II  gran  Sacerdote. 
(Hoherpriester. ) 


Bassi. 
(Vlc.u.  Kontrab.) 


I. 

Viol. 
II. 


et  des  si-gnes  cer-tains  m'en  donnentl'as-s 

Jedes  Merkmal  vergönntj  daß-  wir  es  gimsüff  deuten/ 


Viol.  < 

n.  I 


plein  de  les-prit     di  -   vin      qu'in-spi-re    sa  pre-sen-ce 
Von  seinem  Gei  -  ste    voll       empfind'  ich  sei-ne     Nä  -  he! 


je  me  sens    e  -  le  - 
sein  he -geisternder 


Edition  Peters. 


Viol.. 
II, 


ver        au     des-sus  dW  mor- tel. 
Hauch  scheint  TneinHerz  zu  durch-wehn 


Quel-le    lumiere  e  -  cla- 
Ha! welches  Glanzes Ent- 


I. 

Vi  Ol. 


iU 

j 

§i,tti 

Ff  iiTiiniiPrii 

~7 ' 

t           - 

' 

w~r     i    f — \ — 

f 

P^   1^ 

^^^ 

VE =1 

^               1- 

-V— « — . n-^ 

r'  r     '    1    1    1 

Tout 

^ ''II — ^    V  \      y   p  1  1 — ^■'^^^f 

man-non-ce  du     Dieu    la  pre-sen  -  ce    su-prS-me, 
-  zend  kun-det  er    vms,  daß  er  sich  jetzige  -  na-  het. 

1                   Ir 

1  V    1 

>):t^v,p  iriHf  i»r  v^t'f  ^  pT,|»f  p> 


Rei-ne,        de-pose  ä    son  as  -  pect       le  vain  or-gueil    de      la    puis-san-cef 
Für-stin!  menschlircher  Hoheit  Pracht  vmd  eit-ler Stolz  muß  sichhier  heu-gen! 


trem 
Zitt'- 


18 


Man  sehe  den  Anfang  des  zweiten  Aktes  von 
Tristiin,  wo  dieser  Effekt  des  Tremolo  am  Steg 
[hier  eine  Tonmalerei  vom  Rascheln   des    Laubes, 


Säuseln  des  Windes)  sich  für  den  Zuhörer  zu  ei- 
ner Empfindung  kalten  Schauers  und  gefahrvoller 
Erwartung  vertieft,  i  Partiturbeispitl  5j 


N9  5.  Tristan,  Akt  11. 


Wagner 


(Sehr  lebhaft.) 


Vcelli. 
(get.) 


Kontrab, 

Edition  Peters' 


20 


Für  ifewiase  Arten  der  Begleitung  von  drama- 
tischem,  sehr  belebtem   Charakter  macht  man  bis- 


weilen  mit  gutem   Erfolg  vom  gebrochenen  Tre- 
molo  Gebrauch,    bald  auf  einer  Saite: 


iild  auf  zwei  Saiten: 


Endlich  gibt  es  eine  letzte  Gattung  des  Tre- 
molo, die  man  zwar  heutigen  Tages  nie  anwendet, 
von  der  aber  Gluck  in  seinen  Rezitativen  auf  be- 
wundernswerte Weise  Gebrauch  gemacht  hat.  Ich 
möchte  es  das  wallende  Tremolo  (tremolo  on- 
dule  )  nennen  .  Es  besteht  darin,  daß  man, ohne  mit 
dem  Bogen  die  Saite  zu  verlassen,  verschiedene  un- 
ter sich  gebundene  Noten  auf  dem  nämlichen  Tone 
in  geringer  Schnelligkeit  spielt.    Bei  diesen  nicht 


streng  taktisch  gemessenen  Begleitungen  ist  es 
für  die  Ausführenden  kaum  möglich,  die  gleiche 
Anzahl  von  Noten  in  einem  Takte  zu  spielen;  die 
einen  spielen  mehr,  die  anderen  weniger,  und  aus 
dieser  Verschiedenheit  entsteht  eine  Art  von  Schwan- 
kung, von  Unentschlossenheit  im  Orchester,  die 
ganz  geeignet  ist,  die  Unruhe  und  Beängstigung 
gewisser  Szenen  wiederzugeben.  Gluck  schrieb 
es  so : 


Die  Bogenstriche  (Stricharten)  sind  von 
großer  Wichtigkeit  und  von  besonderem  Einflüsse 
auf  die  Klangfülle  und  den  Ausdruck  der  Motive 
und    Melodien.     Man   muß  sie  daher,  je  nach  der 


Art  des  Gedankens,  der  zur  Wiedergabe  kom- 
men soll,  sorgfältig  bezeichnen,  und  zwar  nach  den 
in  den  folgenden  Beispielen  angegebenen  Signa  - 
turen. 


Für  die  Trennung   der  Töne  de  detache): 


für  die  Bindung    von  je  zwei  Tönen; 


für  große  Bindungen   (Legato-Stellen): 


Für  das    Stakkato  oder  leichte  Detache,  ein- 
fach oder  doppelt,     welches  mit  dem  Bogen  seiner 


ganzen  Länge  nach  ausgeführt  wird  und  zwar  mittelst 
kleiner  Stöße,  durch  die  der  Bogen  nur  wenig  fortrückt: 


Für  das  große,  getragene  Stakkato fgrand 
detache  porte),  welches  den  Zweck  hat,  der  Saite 
so  viel  Klangfülle  als  möglich  zu  geben,  indem 
man  sie  nach  starkem  Anstrich  des  Bogens  allein 


fortvibrieren  läßt, eine  Strichart,  die  hauptsäch- 
lich in  Stücken  von  stolzem,  großartigem  Charak- 
ter und  mäßigem  Tempo  am  Platze  ist: 


Die  zwei:,  drei:  und  viermal  {je  nach  der 
Schnelligkeit  des  Tempos)  wiederholt  angestri- 
chenen   Noten     geben  dem  Klange  der  Violinen 


mehr  Kraft  und  Regsamkeit,  und  eignen  sich  zu 
vielen  Orchesterwirkungen  in  allen  Tonschattie- 
rungen: 


AllegTO. 


Bei  Stellen  in  breitem  Tempo  von  markigem  Char 
rakter,  sind  dagegen  die  einfachen  Noten  des 
großen    Stakkato,    wenn  man  nicht  das  wirk- 


liche Tremolo  auf  jeder  Note  anwenden  will, von 
weit  besserer  Wirkung.  So  wird  die  folgende  Pas- 
sage: 


im  vorgeschriebenen    langsamen   Tempo  ausgeführt, von  ungleich  edlerem  und  stärkerem  Klange  sein   als 
diese: 

Larffo. 


Die  Komponisten  würden  meiner  Meinung  nach 
gar  zu  ängstlich  verfahren,  wenn  sie,  wie  dies  in 
den  Studienwerken  und  Konzertstücken  für  die  Vio- 
line wohl  üblich  ist, in  ihren  Partituren  die  Strichwei- 
se des  Bogens  durch  Beisetzung  der  Zeichen  für 
den  Herunter:  und  Heraufstrich  anzeigten; 
doch  ist  es  gut  bei  Stellen,  die  entweder  Leich- 
tigkeit, besondere  Kraft  oder  Breite  des  Tones 
dringend  erfordern ,  die  Art  der  Ausführung  durch 
folgende  Worte  anzugeben:  „Mit  der  Spitze  des 
Bogens",  oder  „Am  Frosche"  (unteres  Ende  des 
Bogens),  oder  auch  „Mit  der  ganzen  Länge  des 
Bogens  auf  jeder  Note".  Ebenso  ist  es  der  Fall 
mit  den  Worten:  .,Am  Steg"  und  „Auf  dem  Griff- 
brette", Worte,  welche  die  Stelle  bezeichnen,  wo 
der  Bogen  näher  oder  enfernter  vom  Stege  die 
Saiten  anstreichen  soll.  Die  metallenen,  etwas 
rauhen  Töne,  welche  der  Bogen  in  größerer  Nä- 
he des  Steges  hervorzieht,  unterscheiden  sich 
merklich  von  den  sanften ,  verschwimmenden  Tö- 
nen, welche  bei  der  Spielweise  über  dem  Griff - 
brette  erklingen. 


über  Bogenstricheinteilung  und  Fingersatz  im 
Orchester  sei  mir  hier  vergönnt,  einige  Erfahrun- 
gen anzuführen.  Es  ist  in  vielen  Orchestern 
Brauch,  die  Violinstimmen  (wohl  auch  die  der 
übrigen  Streichinstrumente)  mit  einheitlichen  Bo- 
genstrichzeichen zu  versehen.  Die  hierdurch  ver- 
bürgte Gleichheit  des  Auf=  und  Abstriches  gibt 
zwai"  dem  Vortrag  des  Violinkörpers  Eleganz  und 
dem  Auge  des  Zuhörers  Beruhigung,  ich  möch- 
te aber  einer  konsequenten  Anwendung  dieses 
Brauches  aus  folgenden  Gründen  nicht  das  Wort 
reden: 

Die  Verschiedenheit  der  Temperamente  in  glei- 
che Bogenstriche  zu  bannen,  heißt,  dem  gefühl- 
vollen Vortrag  einer  Kantilene  jede  Seele  ent- 
ziehen. Ein  Geiger  wird  je  nach  seiner  Empfin- 
dung und  seinem  technischen  Vermögen  zur  aus- 
'.  drucksvollen  Wiedergabe  einer  Melodie  vielleicht 
4  Bogenstriche  brauchen,zu  der  ein  anderer  derer 
nur  2  bedarf.  Wird  der  erstere  verurteilt,  seine 
Melodie  auch  mit  nur  2  Bogenstrichen  auszufüh- 
ren, muß  sein  Vortrag  naturgemäß    an   Intensität 


verlieren,  mit  iuideren  Worten.iirmlich  uiiJ  iiUchtfrn 
werden.  Hut  weiterhin  der  Komponist  eine  Melodie 
von, sagen  wir  4  oder  mehr, längeren Tiikten  unter 
einem  einzigen  Bogenstrich  notiert,  so  würde  der 
großzügige  Charakter  der  Phrase  zerstört,  wenn 
dieselbe  von  allen  Geigern  gleichmäßig  in  etwa 
•1-H  Teile  zerpflückt  würde.  Mein  Prinzip  ist 
nun  in  einem  solchen  Falle,  den  vom  Komponisten 
vorgeschriebenen  Phrasierungsbogen  (das  Atem - 


zeichen  für  den  Vortrag  )  zu  Anfang  und  Endo 
streng  zu  beachten,  innerhalb  desselben  aber  je- 
den einzelnen  Geiger  nach  Belieben  mit  den  Bo- 
genstrichenwechseln zu  lassen. 

Als  sehr  wichtig  möchte  ich  den  Komponisten 
empfehlen,  die  Frage  des  Auf:  und  Niederstriches 
für  eine  bestimmte  Art  des  Vortrages  genau  ins  Auge 
zu  fiLssen.  So  erging  es  mir  in  New-York  bei  derersten 
Probe  meiner  Symphonia  domestica,  daß  das  Thema 


in  dieser  Bogeneinteilung  absolut  nicht  den  von 
mir  gewünschten  Eindruck  behaglicher  Heiter- 
keit erzielte,  sondern  lahm  und  gleichgültig  klaiig, 


bis  ich  auf  die  Idee  kam,  es  folgendermaßen  spie- 
len zu  lassen: 


Sofort  hatte  das  Thema  die  von  mir  gewünschte 
Lustigkeit,  der  Punkt  auf  dem  zweiten  und  vier- 
ten Achtel  kam  von  selbst, und  die  Stelle  leuchtete, 
ob  in  Oberstimmen,  Mittelstimmen  oder  im  Baß, 
durchs  ganze  Orchester  mit  derselben  Eindring- 
lichkeit, wie  auch  das  nunmehr  ebenso  phrasierte 
zweite  Thema  des  Stückes  : 


Also ,  werte  Kollegen  von  der  Notenfeder: 
Achtung  auf  Auf:  und  Herunterstrich !  Solch  eine 
kleine  Bogenstrichbezeichnung  am  richtigen  Platze 
ist  oft  wirkungsvoller  als  die  schönsten  Vortrags- 
angaben in  der  Partitur, wie:  „munter",  „grazioso'; 
i  „keck"',  „lächelnd",  „trotzig",  ,,zornig"etc.,  um  die 


sich  unsere  biederen  Orchestermusiker  samt  ih- 
ren werten  Herrn  Chefs  im  allgemeinen  herzlich 
wenig   bekümmern. 

Bezüglich  des  Fingersatzes  machte  ich  selber 
bei  der  Einstudierung  von  Berlioz'  „Fest  bei  Ca- 
pulet"  am  allerersten  Anfang  der  teilweise  chro- 
matischen Geigenphrase  die  Erfahrung,  daß  die- 
selbe nie  ganz  sauber  herauskam,  solange  auch 
nur  ein  Geiger  die  chromatische  Skala  durch  Auf: 
und  Abrutschen  des  Fingers  erzielte  _  bis  ich 
endlich  vorschrieb,  für  jede  Note  einen  besonde- 
ren Finger  zu  nehmen.  Sogleich  hörten  die  an 
dieser  Stelle  so  empfindlichen  Zwischengeräusche 
des  Herauf:  und  Herabziehens  des  Tones  auf  und  die 
Stelle  erschien  makellos.  Diese  Erfahrung  veran- 
laßte  mich,  folgende  sehr  rasche  Violinpassage  in 
meiner  Symphonia  domestica: 


folgendermaßen  zu  bezeichnen: 


da  die  Stelle  bei   dem  gewöhnlich  von  den  Geigern 
genommenen  Fingersatze ,  der  beim  Heulen  des  Stur- 


mes der  Pastoralsymphonie  wohl  angebracht  ist,  ab- 
solut undeutlich  und  verwischt  würde. 


23 


In  einem  symphonischen  Satze,  wo  sich  Fürch- 
terliches mit  Groteskem  einigt,  hat  man  die  Stan- 
ge des  Bogens  zum  Anschlage  auf  die  Saiten  be- 
nutzt, ein  Verfahren,  das  mit  „col  legno"(mit  dem 
Holze)  bezeichnet  wird.  Die  Anwendung  dieses  ab- 
sonderlichen Mittels  darf  nur  sehr  selten  gesche  - 
hen  und  muss  vollkommen  begründet  seiir.  übrigens 
ist  sie  nur  in  einem  großen  Orchester  von  merkli 
chem  Erfolge.      Die  Bogen,  welche  dabei  jählings 


auf  die  Saiten  fallen,  erzeugen  in  ihrer  Menge  eine 
Art  von  Knistern,  das  man  bei  einer  geringeren 
Anzahl  von  Violinen  kaum  bemerken  würde,so  schwach 
und  kurz  ist  der  Klang  in  diesem  Falle. 

Durch  dieses  col  legno  wird  in  Liszts  Mazep- 
pa  das  Schnauben  des  Pferdes,  in  Wagners  Sieg- 
fried das  teuflische  Kichern  des  Mime,  in  mei- 
ner Oper  Feuersnot  das  Knistern  brennenden 
Reisigs  versinnbildlicht.    (Partiturbeispiele  6,  7,8.^ 


N9  6.  Mazeppa. 


Liszt. 


Viol.II. 
(geteilt) 


Violen 
(get.)      I 


Vcelli, 
(get.) 


Verlas'    BrcHkopf  *  H.irtcl    Leipzig-. 


Trp.inEs. 


Edition  Peters. 


26 


N97.  Siegfried,  Akt  II, 


U'MVxj;. 


Wagner. 


Engl.Hrn 


Klar, 
in  B 


Baßklar 
in  B. 


braut? 
(Lustig  scherzend,  als  schild're  er  ihm  einen  angenehm  berauschten  Zustand,  den  ihm  der  Saft  bereiten  solle^ 


bald;  ohne   Wach  und  Wissen     stracks  streckst  du        die         Glie  -  der.  Liegst  du  nun  da, 

-tohne  D'ämpfer) ,  pizz. 


N?  8.  Feuersnot. 


Sgv.Fl 


2  Klar, 
in  A. 


Baßklar, 
in  A. 


Verlag- A.lolph  Färstner,  Berlin 


Eaition  Peters. 


35 


Die  sogenannten  Flageolettöne  (sons  harmo- 
niques;  entstehen,  wenn  man  die  Saiten  mit  den  Fin- 
gern der  linken  Hand  derartig  leicht  berührt ,  daß 
dieselben  in  ihrer  Länge  (an  gewissen  Schwin- 
gungsknoten) zwar  geteilt,  jedoch  nicht,  wie  bei 
gewöhnlichen  Tönen,  irgendwie  fest  auf  das  Griff- 
brett aufgedrückt  werden.  Diese  Flageolettöne  ha- 
ben einen  eigentümlichen  Charakter  geheimnisvol- 
ler Zartheit,  und  die  außerordentliche  Höhe  einiger 
von  ihnen  verleiht  der  Violine  nach  oben  einen  un- 
gemein großen  Umfang.  Man  unterscheidet  natür- 
liche und  künstliche  Flageolettöne.  Die  natür- 
lichen entstehen,  wenn  man  gewisse  Punkte  der 
leeren  Saiten  leicht  berührt.  Diejenigen, welche 
am  sichersten  und  klangvollsten  auf  jeder  Saite 
ansprechen,  findet  man  in  folgender  Tabelle  ver- 
zeichnet; die  schwarzen  (Viertel:)  Noten  stellen 
hierbei  die  wirkliche  Tonhöhe  der  Flageolettöne  dar, 
die  weißen  (ganzen)  Noten  dagegen  zeigen  die  Stelle 
an,  wo  die  leere  Saite  leicht  zu  berühren  ist. 

E-  Saite.  st 

^  i  s/i  ^    ^ J  i     ^3  ä  = 

A- Saite.  g„ 

*I  *?     i       ü  Ja  -eJ    *"  J    -ei  — 

D-  Saite.  ^^  


Die  künstlichen  Flageolettöne  erhält  man  sehr 
deutlich  auf  dem  ganzen  Umfange  der  Tonleitter,  wenn 
man  den  ersten  Finger,  welcher  als  beweglicher  Sat- 
tel dient,  fest  auf  die  Saite  drückt,  mit  den  anderen 
Fingern  aber  die  betreffenden  Punkte  der  Saite  leicht 
berührt.  In  den  folgenden  Beispielen  findet  man 
eine  Übersicht  der  leicht  zu  berührenden  Interval- 
le und  der  wirklichen  Töne,  welche  dadurch  hervor, 
gebracht  werden. 

wirkliche  Flageolettöne. 


Die  Oktave,  leicht    be- 
rührt,gibt  ihren  Einklang: 


^     ^     ^ 

°   iterping..,  fest  auflieg-cnd. 


Man  bedient  sich  dieses  Fingersatzes  seiner  Unbe- 
quemlichkeit wegen  kaum  anders  als  auf  der  vierten 
Saite. 

Wirkliche  Flag-eolettoiie. 


Die  Quinte,  leicht  berührt, 
gibt  deren  hohe  Oktave : 


lterFing-er,fest  auflieecjid. 

Dieser  Fingersatz  ist  leichter  als  der  vorhergehende 
und  weniger  leicht  als  der  folgende. 

Die  Quarte,  leicht  berührt,  gibt  deren  hohe  Duode- 
zime: 

te  £  ^ ':'\  *  Ä  #f 

Wirkliche  Flag-eolettb'ne 
leichte  Fing-er. 


^m 


-  y  ^  ^  r.  t  'C  I.  L  1.^ 


Dieser  Fingersatz  ist  am  leichtesten  und  darum  im 
Orchester  vorzuziehen,  es  sei  denn,  daß  es  sich  um 
den  wirklichen  Klang  der  Duodezime  einer  leeren 
Saite  handelte;  in  diesem  Falle  ist  dem  Fingersatz 
mittelst  Quinte  der  Vorzug  zu  geben.  Um  also  ein- 
zeln für  sich  -e- 

~  0 

ein    hohes     h       ü  —       ist  es  besser  diese  .  fi   "■ 
hören  zu  lassen.   Ig?  Lage  zunehmen:  1^  I       ', 

die  hier  benutzte  leere  E- Saite,  deren  Quinte  (h) , 
leicht  berührt,  die  höhere  Oktave  der  letzteren  zu 
hören  gibt,  ist  wohlklingender  als  eine  Saite,  die  mit 
dem  ersten  Finger  fest  niedergedrückt  werden  müßte. 


wie  z.B.: 


,  was  den  nämlichen  Ton  gibt: 


Der  Fingersatz  mittelst  berührter  großer  und 
kleiner  Terz  ist  sehr  wenig  im  Gebrauch ,  da  hierbei  die 
Flageolettöne  viel  weniger  gut  herauskommen. 


Die  große  Terz,  leicht  berührt, 
gibt  deren  höhere  Doppeloktave: 


Die  kleine  Terz,  leicht  berührt, 
gibt  deren  höhere  große  Septde- 


Die  große  Sexto,  leicht  berührt, 
gibt  deren  höhere  Duodeziine: 


l»erFi„pcr_  fest. 


Dieser  Fingersatz  ist  weniger  gebräuchlich  als  der 
mittelst  Berührung  der  Quarte,  trotzdem  aber  ziem- 
lich gut  und  oft  nützlich. 

Ich  wiederhole  es:  die  Lagen  mit  leicht  berühr- 
ter Quarte  und  Quinte  sind  bei  weitem  die  vorteil  - 
härtesten. 

Manche  Virtuosen  bringen  Doppelgriffe  in  Fla- 
geolettönen  heraus;  alleindiesor  Effekt  ist  so  schwie- 
rig und  in  Folge  dessen  so  gefährlich,  daß  man  die 
Autoren  davor  warnen  muß,  jemals  dergleichen  vor- 
zuschreiben. 

Die  Flageolettöne  der  vierten  Saite  haben  etwas 
vom  Klange  der  Flöte;  für  den  gesangsmäßigen  Vor- 
trag einer  langsamen  Melodie  sind  sie  vorzuziehen. 
Sie  sind  es,  die  Paganini  seiner  Zeit  mit  so  wunder- 
barem Erfolge  in  dem  Gebet  aus  ,,Moses" anwendete. 
Die  Flageolettöne  der  anderen  Saiten  klingenum  so 
feiner  und  zarter,  je  höher  sie  sind;  hierdurch,  so- 
wie durch  ihren  krystallhellen  Klang  sind  sie  ganz 
besonders  für  jene  Akkorde  geeignet,die  ich  feen  - 
haft  nennen  möchte,  das  heißt:   für  Harmonieeffekte, 


welche  unstTe  Einbildungskraft  mit  schillernden 
Träumereien  erfüllen,  indem  sie  uns  die  anmutig- 
sten Gebilde  einer  dichterischen,  übernatürlichen 
Welt  vorzaubern.  So  gut  auch  gegenwärtig  unsere 
jungen  Violinisten  mit  ihnen  vertraut  sein  mögen,  so 
darf  man  sie  doch  nicht  in  li^lihafter  Bewegung  an- 
wenden, oder  muß  wenigstens  darauf  bedacht  sein, 
ihnen  nicht  zu  schnelle  Notenfolgen  zu  geben,  falls 
man  einer  guten  Ausführung  sicher  sein  will. 

Selbstverständlich  ist  es  dem  Komponisten  frei- 
gestellt, sie  je  nach  der  Besetzung  der  Violinen 
zwei:,  drei:  und  vierstimmig  zu  verwenden.  Die 
Wirkung  solcher  gehaltenen  Akkorde  ist  sehr  ein- 
dringlich, wenn  dieselben  durch  den  Gegenstand  des 
Tonsatzes  begründet  sind  und  mit  dem  übrigen  Or- 
ehester  gut  in  Übereinstimmung  gebracht  werden. 
Ich  habe  dergleichen  Akkorde  zum  ersten  Male, 
und  zwar  dreistimmig  in  dem  Scherzo  einer  Sym- 
phonie verwendet,  schwebend  über  einer  vierten, 
nicht  im  Flageolet  gesetzten  Violinstimme,die  stän- 
dig auf  der  untersten  Note  zu  trillern  hat.  Die 
ungemeine  Zartheit  der  Flageolettöne  wird  bei  die- 
ser Stelle  noch  durch  die  Anwendung  von  Dämpfern 
gesteigert,  und,  so  abgeschwächt, erklingen  sie  nun 
in  den  verschwindenden  Höhen  der  musikalischen 
Sphäre,  wohin  mit  gewöhnlichen  Tönen  zu  gelan- 
gen beinahe  unmöglich  wäre.   (Partiturbeispiel  9.) 


N9  9.  Romeo  und  Julie,  Scherzo  (Fee  Mab.) 

Allegretto. 


Engl.  Hörn. 


VioI.I 
(geteilt)' 


Engl.Hrn 


Engl.H 


Meiner  Ansicht  nach  ist  es  unbedingt  nötig,  bei 
Aufzeichnung  solcher  aus  Flageolettönen  gebildeten 
Akkorde,  durch  übereinander  gestellte  Noten ,  wel- 
che sich  in  Form  und  Große  unterscheiden,  anzu- 
geben:  die  Note  des  die  Saite  leicht  berüh- 
renden Fingers  und  die  der  wirklichen  Ton- 
höhe (wenn  sie  eine  leere  Saite  betreffen \-sowie 
die  Note  des  fest  aufzudrückenden  Fingers, 
die  des  leicht  berührenden  Fingers  unddieder 
wirklichen  Tonhöhe,  in  den  anderen  Fällen.  Es 
entstehen  daraus  allerdings  zwei  bis  drei  Signa  - 


turen  für  einen  einzigen  Ton ,  doch  ohne  solche  Vor- 
sicht könnte  die  Ausführung  leicht  zu  einem  Kau- 
derwälsch  werden ,  in  welchem  selbst  der  Autor 
Mühe  haben  würde ,  seine  Intentionen  wiederzuer- 
kennen . 

Ist  heute  kaum  mehr  nötig.  Das  Zeichen  0  über 
der  Note,  in  ihrer  Klang^Höhe,  genügt  unseren 
jetzigen  Geigern  vollkommen  zum  Hinweis  auf  die 
Ausführung  als  Flageoletten.  Die  frühere  No- 
tierung ergibt  in  der  Partitur  ein  zu  schwer  zu 
entzifferndes  Bild. 


Die  Dämpfer  (Sordinen)  sind  kleine  hölzerne 
Geräte,  die  man  auf  dem  Steg  der  Streichinstru- 
mente befestigt,  um  deren  Klangfülle  abzuschwä- 
chen: sie  geben  denselben  zugleich  einen  trauri- 
gen, geheimnißvollen,  sanften  Ausdruck, der  häufig 
und  mit  Glück  in  allen  Gattungen  der  Musik  zu  ver- 
wenden ist.    Im  allgemeinen  bedient  man  sich  der 


Dämpfer  besonders  gern  bei  langsamen  Sätzen;  sie 
sind  jedoch,  wenn  der  Gegenstand  des  Stückes  dar- 
auf hinweist,  ebenso  gut  für  schnelle  und  leichte  Ton- 
gebilde, oder  für  Begleitungen  von  beschleunigtem 
Rhythmus  zu  gebrauchen.  Gluck  hat  dies  in  seinem 
erhabenen  Monologe  der  italienischen  Alce  st e,,Chi 
mi  parla"  vortrefflich  bewiesen.    (Partiturbeispiel  10.) 


N9  10.  Alceste,  Akt  H. 


Andante  non  molto. 


^ 


r    r  '    pHf    r  ^    p  p  p^ 


spon  -   do!  Ahlche  veer  -  go!  ah!    che  spa  -  ven 

Ant  -  wort?  Ha,was  seK    ich!  ha^welch Ent  -  set 


40 

Wenn  man  Dämpfer  anwendet,  80  läßt  man  sie  ge- 
wöhnlich vom  ganzen  Streichorchosternohmen; häufi- 
ger jedoch,  als  man  denkt,  treten  Umstände  ein, wo 
die  Dämpfer,  wenn  nur  von  einem  Teile  (den  ersten 
Violinen  z.B.)  genommen,  der  Instrumentation  durch 
die  Mischung  der  hellen  und  gedämpfti-ii  Tüne  eine 
ganz  eigentümliche  Färbung-  geben.  Auch  kommt  es 
vor,  dali  der  Charakter  der  Melodie  so  abweichend 
von  dem  der  Begleitungsstimmen  ist,  dal)  man  ihm 
durch  Anwendung  des  Dämpfers  Rechnung  tragen 
muß. 

Wenn  der  Komponist  den  Gebrauch  der  Dämpfer 
Vden  er  mit  den  Worten  con  sordini  anzeigt)  mit- 
ten in  einem  Tonstücke  einführt,    so  darf  er  nicht 


vergessen,  den  Spielern  die  nötige  Zeit  zu  geben, um 
dieselben  nehmen  und  aufstecken  zu  können;  er  muß 
demnach  vorsorglich  den  Violinstimmon  eine  Pause 
gewähren,  die  ungefähr  der  Dauer  von  zwei  Takten 
zu  vier  Vierteln  im  Tempo  Moderato  gleichkommt. 
Dagegen  braucht  die  Pause  nicht  so  lang  zu  sein,wenn 
die  Worte  senza  sordini  anzeigen,  daß  die  Däm- 
pfer wieder  entfernt  werden  sollen,  denn  dies  kann 
in  weit  kürzerer  Zeit  geschehen.  Der  plötzliche 
Übergang  von  solch'  gedämpften  Tönen  zu  den  hellen, 
natürlichen  (ohne  Dämpfer),  ist  bei  starker  Beset- 
zung der  Violinen  bisweilen  von  außerordentlicher 
Wirkung.       (Partiturbeispirl  11.) 


Prestissimo. 


N9  11.  Romeo  und  Julie,  Scherzo  (Fee  Mab). 


Berlioz. 


pocof 


41 


Im  dritten  Akt  der  Meistersinger  (Szene  zwi- 
schen Sachs  und  Walther)  wird  die  Stimmung  des 
traumbefangenen  Walther  im  Gespräch  mit  Sachs 
ebenso  einfach  wie  genial  (meistens  synonima) 
durch  den  Eintritt  der  zweiten  Violinen  mit  Däm- 
pfern getroffen.  Ein  ebenfalls  wunderbares  Bei- 
spiel bietet  die  Schluß-Szene  im  Tristan,dawosich 
Isolde  aus  der  Ohnmacht  der  Verzweiflung  zurletz- 
ten, weltentrückten  Vision  erhebt:  über  gedämpf- 
ten Hörnern  intonieren  die  ersten  Violinen  con  sot 
dini,  nachdem  diese  lange  geschwiegen  und  den  un- 
gedämpften zweiten  Violinen  die  Führung  überlas- 
sen haben,  vor  BrangänensWorten:„sie wacht,  sie 
lebt"  das  Thema  von  Isoldens  Liebestod. 

Die  Art  der  Thematik,Farbengebung  und  die  Tie- 
fe der  poetischen  Idee  vereinigen  sich  zu  einer  der 

erhabensten  Wirkungen 

Es  gibt  neue  Dämpfer,  die  am  unteren  Teil  des  Ste- 
ges befestigt  und  nur  aufgeklappt  zu  werden  brau- 
chen, den  Ton  aber  bedeutend  verschlechtern. 


Noch  ist  das  Pizzikato  (Zupfen  der  Saiten)  zu 
erwähnen,  das  bei  den  Streichinstrumenten  allgemein 
gebräuchlich  ist.Die  hierdurch  erlangten  Töne  bewirken 
Begleitungsarten,  welche  beiden  Sängern  sehr  be- 
liebt sind,  weil  sie  die  Stimme  nicht  verdecken;  auch 
in  Instrumentalsätzen  und  selbst  bei  kraftvollen  Aus- 
brüchen des  Orchesters  spielen  sie  eine  große  Rolle, 
sei  es,  daß  sie  in  der  ganzen  Gfesamtheit  der  Streich- 
instrumente, oder  nur  in  einer  oder  zwei  Stimmen 
derselben   zur  Anwendung  kommen. 

Das  Adagio  der  B- dur- Symphonie  von  Beetho- 
ven bietet  ein  reizendes  Beispiel  vom  Gebrauche 
des  Pizzikato  bei  den  zweiten  Violinen,  Violen  und 
Bässen,  während  die  ersten  Violinen  mit  dem  Bo- 
gen gespielt  werden.  Diese  kontrastierenden  Klän- 
ge vermählen  sich  bei  dieser  Stelle  in  wahrhaft 
wundervoller  Weise  mit  den  melodischen  Seufzern 
der  Klarinette ,  deren  Ausdruck  sie  noch  erhöhen. 
(Partiturbeispiel   12.) 


Adagio. 


N9 12.  B-dur- Symphonie,  Satz  H. 


42 


Klar, 
in  B. 


Horner 
in  Es. 


Viül. ' 
II. 


^^^j^f' 


Wendet  man  das  Pizzikato  im  Forte  an,  so  gilt  im 
allgemeinen  die  Regel,  es  weder  zu  hoch,  noch  zu 
tief  zu  legen;  die  Töne  der  äußersten  Höhe  sind 
grell  und  trocken,  die  dir  Tiefe  dagegen  zu  dumpf 
Bei  einem  kräftigen  Tutti  der  Blasinstrumente  wird 
demnach  ein  Pizzikato  von  sämtlichen  Streichinstru- 
menten, wie  das  folgende,  einen  sehr  bemerkbaren 
Eindruck   hervorbringen. 


Violen  u.  Bässe 


Die  zwei:,  dreir  und  vierstimmigen  Pizzikator 
Griffe  sind  im  Fortissimo  gleichfalls  von  Nutzen; 
der  eine  Finger,  dessen  die  Spieler  sich  dabei  be- 
dienen, streift  so  rasch  über  die  Saiten,  daß  diese 
beinahe  im  gleichen  Augenblicke  erklingen  und  alle 
auf  einmal  gefaßt  zu  werden  scheinen. Die  verschie- 
denen Arten  von  Pizzikato- Begleitungen  im  Piano 
sind  stets  von  anmutiger  Wirkung;  sie  gewähren 
dem  Zuhörer  gewissermaßen  Erholung  und  geben, 
wenn  man  nicht  übermäßigen  Gebrauch  davon  macht, 
der  Färbung- des  Orchesters  eine  angenehme  Ab- 
wechslung. 

In  Zukunft  wird  man  mit  dem  Pizzikato  ohne 
Zweifel  noch  viel  orrginellere  und  anziehendere  Wir- 
kungen zu  erzielen  wissen,  als  dies  gegenwärtig  der 
Fall  ist.  Die  Violinspieler,  welche  das  Pizzikato  nicht 
als  wesentlichen  Bestandteil  der  Kunst  des  Violin - 
Spiels  anzusehen  pflegen,  haben  sich  bis  jetzt  kaum 
ernstlich  damit  befaßt.  Sie  sind  nur  gewöhnt,  das 
Pizzikato  mit  Daumen  und  Zeigefinger  auszuführen 
und  können  infolgedessen  weder  Passagen  noch  Ar- 
peggien  schneller  als  in  Sechzehntelnoten  eines  Vier- 
vierteltaktes in  sehr  mäßigem  Tempo  spielen.   Wenn 


sie  statt  dessen  den  Bogen  bei  Seite  legten,  die 
rechte  Hand  mit  dem  kleinen  Finger  auf  den  Körper 
des  Instrumentes  aufstützten  und  wie  die  Gitarre- 
spieler sich  gleichzeitig  des  Daumens  und  der  an- 
deren drei  Finger  bedienten,  so  würden  sie  sehr 
bald  die  Geschicklichkeit  erlangen,  Passagen  piz- 
zikato auszuführen,  wie  sie  das  nächste  Beispiel 
enthält  und  wie  sie  zur  Zeit  noch  unmöglich  sind. 


(Die  über  den  Noten  befindlichen  Ziffern  g'elten  für  die 
Fing-er  der  rechten  Hand,  welche  das  Pizzikato  ausführen; 
der  Buchstabe   D    zeigt  den  Daumen  an. 


Alleg:ro  non  troppo 


Das  zweir  oder  dreifach  schnell  wiederholte  An- 
schlagen der  höheren  Noten  in  den  beiden  letztenAb- 
schnitten  dieses  Beispiels  wird  ungemein  leicht,wenn 
man  den  Zeige  =  und  Mittelfinger  abwechselnd  auf 
der  nämlichen  Saite  dazu  benutzt. 

Kleine  gebundene  Vorschlagsnoten  sind  im  Piz- 
zikatospiel  keineswegs  unausführbar.  Die  folgende 
Stelle  aus  dem  Scherzo  der  C -moll- Symphonie  von 
Beethoven  wird  immer  sehr  gut  ausgeführt. 

Allegro. 


EOition  Peters. 


Einige  unserer  jungen  Violinspieler  haben  von 
Paganini  die  schnell  absteigenden  Pizzikato-Tonlei- 
tern  gelernt,  wobei  die  Saiten  mit  den  Fingernder 
linken  Hand,  die  sich  fest  an  den  Hals  des  Instru- 
mentes stützt,  gerrissen,  und  die  so  (immermitder 
linken  Hand)  pizzikato  gespielten  Stellen  bald  mit 
vom  Bogen  angestrichenen  Tönen  untermischt,  bald 
sogar  auch  zur  Begleitung  einer  vom  Bogen  gespiel- 


ten Melodie  verwendet  werden.  Diese  verschiedenen 
Spielarten  werden  ohne  Zweifel  mit  der  Zeit  allen 
Spielern  geläufig  werden;  dann  wird  es  auch  mög- 
lich sein,  für  die  Komposition  Nutzen  daraus  zu 
ziehen . 

I  Als  Beispiel  einer  genialen  Verwertung  des  Piz- 
I  zikato  darf  folgende  Stelle  aus  der  Ouvertüre  zu 
{„König  Lear"von  Berlioz  gelten.  (Partiturbeispiel  13.) 


N9  13.  König  Lear,  Ouvertüre. 


Berlioz. 


44 


45 


46 


Ich  habe  bei  dieser  Stelle  stets  das  Gefühl, als  ob 
eine  Saite  in  Lears  Herzen  oder,  realistischer  aus- 
gedrückt, eine  Oehirnader  bei  dem  halbverrück- 
ten König  geplatzt  sei .  _ 

Dil-  Charakterisierungsfähigkeit  des  Pizzikato 
im   Orchester  ist  unbegrenzt.  Um  noch  ein    paar 


Beispiele   dafür  anzuführen  erwähne  ich: 
Tristan,  dritter   Akt.     I'artiturbeisplel  K») 
Rheingold,  (rurtiturbeispitl    15.) 
Meistersinger,  die  pantomimische   Szene  Bockmes- 
sers   im   dritten    Akt  (Purtiturbelspiel  16.) 


Mäßig  langsam. 


N9  14.  Tristan,  Akt  lU. 


Wagner. 


^^=-(Der  Hirt  erscheint  mit  dem  Oberleibe  über  der 
Mauerbrüstung',  und  blickt  teilnehmend  herein  ~ 


(Kurwenal  wendet  ein  wenig  das  Haupt  nach  ihm.: 


Kur-wenal!  He!      Sag'Kurwenal!  Hör'dochFreundlWaohternochnicht? 
pizz. 


N9  15.  Rheingold. 

riten.tempo. 


47 

Wagner. 


48  N9  U).  M(üst«Tsini'-er,  Akt  III. 


4'\  !■  UllL' 
4'i 


fß  stacc.  ynarc. 


MsMs 


lilslÄj 


Istbls 

crcsc.   . 

Mihi 

crrsc.    . 
crcsc.  -        . 

~  "Ig—  r  I  _p 


hlihls 


49 


Mit  dem  Bogen  führen  die  Violinspieler  heutzu- 
tage fast  alles  aus,  was  man  begehrt.  Sie  spielen 
in  den  hohen  Regionen  fast  ebenso  leicht  wie  in  den 
mittleren;  die  schnellsten  Gänge,  die  sonderbar- 
sten Tongebilde  führen  sie  leicht  aus.  Was  in  einem 
Orchester,  wo  sie  in  hinlänglicher  Zahl  vorhanden 
sind,  der  eine  von  ihnen  verfehlt,  das  führen  die 
anderen  aus,  so  daß  schließlich  das  gewonnene  Er- 
gebnis, ohne  daß  die  Fehler  besonders  hervorste- 
chen, mit  der  vom  Autor  beabsichtigten  Wirkung 
übereinstimmt.  Tritt  jedoch  der  Fall  ein,  daß  die 
Schnelligkeit,  die  Verflechtung  und  hohe  Lage  der 


Töne  eine  Stelle  zu  gefährlich  machen  würden,oder  auch 
nur,  daß  man  eine  solche  Stelle  besonders  sicher 
und  gut  zur  Ausführung  gebracht  haben  will,  dann 
muß  man  die  Violinen  teilen,  das  heißt:  ihre  Anzahl 
teilen  und  ein  Bruchstück  der  Stelle  den  einen, ein  an- 
deres Bruchstück  den  anderen  geben.  Auf  diese  Weise 
werden  die  Noten  jeder  Abteilung  mit  kleinen  Pau- 
sen durchflochten,  welche  der  Hörer  nicht  bemerkt, 
die  aber  den  Spielern  gleichsam  gestatten,  sich  zu  er- 
holen, und  die  ihnen  Zeit  gewähren,  die  schweren  Po- 
sitionen gut  zu  erfassen  und  zugleich  die  Saiten  mit 
dem  nötigen  Schwünge  kräftig  anzustreichen. 


Allegrro  assai  con  fuoco. 


Viol.I. 

(eetellt) 


^^=f 


rrrr^rrfflfrrr^^^l 


^ffffr^rr 


frrrr   ^ 


m 


^ 


^ 


^ 


]P  I    ffT 


f       fff 


m 


riTi 


f         'ff'f 


60 


Will  man  lihnliche  oder  noch  schwerere  Stellen 
wie  diese,  von  der  ganzen  Masse  der  Violinen  aus- 
geführt haben,  so  ist  es  (wie  im  vori^-en  Beispiele) 
immer  besser,  man  teilt  die  ersten  Violinen  in 
zwei  Abteilungen  für  sich  und  gibt  den  zweiten 
Violinen,  die  sich  wiederum  in  zwei  Gruppen  tei- 
len, einfach  die  Verdoppelung  der  beiden  Stimmen 
der  ersten  Violinen,  statt  allen  ersten  Violinen 
das  eine  Bruchstück  und  allen  zweiten  Violinen  das 
andere  Bruchstück  zu  überlassen.  Die  Entfernung 
zwischen  den  beiden  Ausgangspunkten  der  Töne  wüu 
de  den  einheitlichen   Fluß     der  Stelle  unterbrechen 


und  die  Absätze  der  einzelnen  Bruchstücke  zu  fühl- 
bar machen.  Wenn  aber  jede  Stimmabteilung  sich 
auf  beiden  Seiten  des  Orchesters  über  die  beiden 
Violinmassen  verbreitet,  dergestalt,  daü  an  jedem 
Pulte  der  eine  Spieler  dfe  erste  Stimme  der  betref- 
fenden Stelle,  der  andere  die  zweite  Stimme  der- 
selben ausführt,  dann  gehen  diese  beiden  geteilten 
Stimmen  so  in  einander  über,  daß  es  unmöglich  ist, 
die  Zerstückelung  der  Stelle  wahrzunehmen,  daß 
vielmehr  der  Zuhörer  glauben  muß,  sie  werde  un- 
unterbrochen von  allen  Violinen  zugleich  gespielt; 
man   schreibt  sie  demnach  so: 


Viel.  II 

1  geteilt  1 


Dieses  Verfahren  ist  übrigens  auf  eile  Orche- 
sterinstrumente, die  unter  sich  an  Klang  und  leich- 
ter Ansprache  übereinstimmen,  anwendbar  ;  man 
sollte  jedesmal  Gebrauch  davon  machen,  wenn  ei- 
ne Stelle  zu  schwierig  ist,  um  von  einem  einzelnen 
Instrument  oder  einer  einzelnen  Gruppe  gut  ausge- 
führt werden  zu  können. 

Diese  Auffassung  entspricht  dem  Stil  der  In- 
strumentation, den  ich  den  klassischen  nennen 
möchte,  und  der  sich  aus  dem  Geiste  der  Kammer- 
musik auf  die  Behandlung  des  Orchesters  über- 
tragen hat.  Diesem  Stil,  der  die  absolute  Klar- 
heit und  Ausführbarkeit  jeder  Figur  durch  jedes 
Instrument  als  Hauptmerkmal  trägt,  kann  ein  an- 
derer Stil  der  al  fresco-Behandlung  des  Orches- 
ters gegenübergestellt  werden,  der  von  Wagner 
so  recht  eigentlich  eingeführt  wurds  und  der  sich 
zum  ersten  verhält,  wie  der  Stil  der  aus  der  Mi- 
niatur-Malerei des  14.  und  15.  Jahrhunderts  her- 
vorgegangenen  Florentiner   Meister  zur  „breiten 


Mal  weise"  eines  Velasquez,  Rembrandt,Franz  Hals 
und  Turner  mit  ihren  wunderbar  getönten  Misch- 
farben und  differenzierten  Lichtwirkungen.  Das 
eklatanteste  Beispiel  ist  hierfür  die  Geigenbehand- 
lung im  Feuerzauber  des  dritten  Aktes  Walküre. 
Wagner  schrieb  da,  zur  Wiedergabe  des  lodern- 
den und  züngelnden  Feuers,  eine  Figur,  die  kaum 
von  einem  vorzüglichen  Solisten  in  allen  Teilen 
ausführbar  oder  ganz  sauber  wiederzugeben  ist, 
(Partiturbeispiel  17.)  Von  16  bis  32  Violinisten  ausge  - 
führt,  ist  die  Stelle  im  Ensemble  von  einer  so  wunder- 
vollen, seh  lagenden  Wirkung, daß  man  sich  eine  bessere 
Wiedergabe  des  lodernden ,  in  tausend  Mischtönen 
flimmernden  Feuers  absolut  nicht  vorstellen  kann. 
Wäre  eine  leichtere,  vielleicht  etwas  gemessene- 
re Figur  vorgeschrieben,  so  kb'nnte  leicht  der 
Eindruck  der  Steifheit  eintreten,  den  ich  per- 
sönlich im  Rheingold  beim  Gesang  der  das  Riff 
umschwimmenden  Rheintöchter  nicht  loswerden 
kann: 


N9  17.  Walküre,  Feuerzauber. 


Mäßig  bewegt 


jiiüf 


'.hUjJußuJUß  uJüiJtMjuiJ 


Edition  Peters. 


3gr.Fl. 


Engl. Hrn. 


Glocksp. 


64 


I    f  - 


8gr.Fl. 


unktl^u^ 


piüf 


2gT.Fl 


K-^r^ 


2g:r.Fl 


Ich  glaube,  daß  man  sich  die  Passagen  auf  der 
vierten  Saite  und,  für  gewisse  Melodien,  auch  die 
hohen  Töne  der  dritten  Saite  im  Orchester  noch  mehr 
zunutze  machen  könnte,  als  es  bisher g-eschehen  ist. 
Will  man  eine  Saite  auf  diese  Art  besonders  verwen- 
den, so  mul3  man  genau  anzeigen,  bis  wohin  sie  aus- 
schließlich benutzt  werden  soll;  die  Spieler  würden 
sonst  aus  alter  Gewohnheit,  und  der  leichteren  Aus- 
führbarkeit wegen,  die  sich  aus  dem  Übergang  von 
einer  Saite  zur  andern  ergibt,  sehr  bald  wieder  die 
gewöhnliche  Spielweise  anwenden. 


Nicht  selten  kommt  es  vor,  daß  man,  um  einer 
Stelle  besondere  Kraft  zugeben,  die  ersten  durch 
die  zweiten  Violinen  in  der  unteren  Oktave  verdop- 
pelt; doch  ist  es,  wenn  die  Töne  nicht  außerge  - 
wohnlich  hoch  liegen,  hei  weitem  besser,  sie  im  Ein- 


klänge zu  vordoppeln.  Die  Wirkung  ist  dann  un- 
gleich stärker  und  schöner.  Die  niederschmetternde 
Schallkraft  kurz  vor  dem  SchluU  des  ersten  Satzes 
der  C-moll- Symphonie  von  Beethoven  ist  dorn  Ein- 
klänge der  Violinen  zu  verdanken.  Wollte  man  bei 
solcher  Gelegenheit  die  Kraft  der  so  geeinigten 
Violinen  noch  dadurch  vermehren,  daß  man  ihnen 
die  Violen  in  der  unteren  Oktave  beigäbe,  so  könnte 
es  leicht  dahin  kommen,  daß  diese  tiefere  Verdop- 
pelung, die  doch  im  Verhältnis  zu  den  höheren  Tö- 
nen viel  /.xi  schwach  wäre,  ein  unnützes  Summen 
hervorbrächte,  wodurch  der  Klang  der  hohen  Vio- 
lintöne viel  eher  verdunkelt  als  verstärkt  würde. *i 
Darum  ist  es,  wenn  die  Stimme  der  Viola  nicht  mit 
hervorstechenden  Zügen  ausgestattet  werden  kann, 
geraten,  sie  zur  Verstärkung  des  Klanges  der  Vio- 
loncello zu  verwenden,  und  zwar  so,  daß  man  beide 
Instrumente  (soweit  dies  der  Umfang  der  Viola 
nach  der  Tiefe  zu  gestattet)  im  Einklang,und  nicht 
in  Oktaven  zusammengehen  läßt.  So  hat  es  Beet- 
hoven in  der  erwähnten  Symphonie  getan.  (Parti- 
turbeispiel 18.) 

I  *)Sehr  richtig'!     Trifft  auch  für  Hörner  und  Trompeten 


N9  18.  C-moll-Symphonie,  Satz  I 


in  Es. 
Tromp. 


Pken. 
n  C  G. 


Viola. 

Vcello.  I 

Kontrab.  ( 


61 


Ai  i^  AA  ii  ji 


Die  Violinen  glänzen  und  spielen  bequemer  in  den 
Tonarten,  die  ihnen  den  Gebrauch  der  leeren  Saiten 
gestatten .  Einzig  die  Tonart  C  scheint  hinsichtlich 
der  Klanghelle  eine  Ausnahme  von  dieser  Regel  zu 
machen;  die  Klanghelle  tritt  hier  weniger  hervor, 
als  in  den  Tonarten  A  und  E ,  obschon  in  C  alle  vier 
leeren  Saiten  zu  Gebote  stehen ,  dagegen  in  A  deren 
nu'r  drei  und  in  E  gar  nur  zwei  übrig  bleiben. 

Man  kann,  wie  ich  glaube,  den  Klangcharak  - 
ter  der  verschiedenen  Tonarten  bei  der  Violine  und 
den  durch  sie  bedingten  größeren  oder  geringeren 
Grad  der  Leichtigkeit  der  Ausführung  in  folgender 
Weise  angeben: 

Durtonarten. 


C      leicht 

Cis  sehr  schwer  : 

Des  schwer,  doch  minder 

schwer  als  Cis  : 
D     leicht 

Dis  fast  unausführbar  : 

Es    leicht  : 

E     nicht  sehr  schwer  : 
Fes  unausführbar 

F      leicht  : 

Fis  sehr   schwer  : 

Ges  sehr  schwer  = 


:  ernst,  aber  dumpf  und  trübe. 
:  weniger  trübe  und  hervoc 
stechender. 

:  majestätisch. 

:  heiter ,  lärmend ,  etwas  ge- 
wöhnlich. 

:  dumpf. 

:  majestätisch,  ziemlich  hell- 
klingend, sanft,  ernst. 

:  glänzend,  prachtvoll,  edel. 

:  markig,  kräftig. 

: glänzend,  einschneidend. 

:  weniger  glänzend ,  zarter. 


G     leicht  =  ziemlich  heiter,  doch  etwas 

gewöhnlich. 

Gis  fast  unausführbar  =  dumpf,  aber   edel . 

As    nicht  sehr  schwer  =  sanft, verschleiert,  sehr  edel. 

A     leicht  =  glänzend,  vornehm,  freudig. 
Ais  unausführbar 
B      leicht 

H      nicht  sehr  schwer 
Ces  fast  unausführbar 


:  edel,  aber  ohne  Glanz . 

:  edel,  hellklingendjStrahlend. 

:  edel, aber  wenig  hellklingend. 


Molltonarten. 


C      leicht 
Cis  ziemlich  leicht 
Des  sehr  schwer 
D     leicht 

Dis  fast  unausführbar 

Es    schwer 

E      leicht 

Fes  unausführbar 

F      etwas  schwer 

Fis  minder  schwer 

Ges  unausführbar 
G      leicht 

Gis  sehr  schwer 

As   sehr  schwer,  fast 
unausführbar 


:  düster,  wenig  hellklingend . 

:  tragisch,hellklingend,vornehm. 

:  düster,  wenig  hellklingend. 

;  klägjich,hellklingend,etwas 
gewöhnlich. 

:  dumpf. 
=  sehr  trübe  und  traurig. 
=  schreiend,  gewöhnlich. 

=  wenig  hellklingend,  düster, 

heftig. 
=  tragisch,  hellklingend,ein- 

schneidend. 

=  schwermütig,  ziemlich  hell- 
klingend, sanft . 

=  wenig  hellklingend ,  traurig, 
vornehm. 

=  sehr  dumpf, traurigaber  edel. 


62 

A     h>icht 


unausführbar 

schwer 

leicht 


Ai 
B 
H 

Ces  unausführb 


=  ziemlich  hollklingend,    sanft, 
traurig,  ziemlich  edel. 

=  düster.dumpf, rauh,  aber  edel. 
=  sehr  hellklingend, wild, herbe, 
unfreundlich,  heftig . 


Die  Streichinstrumente,  durch  deren  Ver- 
einigung das,  ziemlich  ungeeignet  so  genannte, 
Quartett  gebildet  wird,  sind  die  B<isis,daskonsti- 
tuirende  Element  des  ganzen  Orchesters.  Ihnen 
ist  die  gröüte  Macht  des  Ausdruckes  und  eine  un- 
bestreitbare Mannigfaltigkeit  in  denTonfärbungen 
verliehen.  Die  Violinen  namentlich  können  zu 
einer  Menge,  dem  Anscheine  nach  unvereinbarer 
Nuancen  verwendet  werden.  Sie  entfaltcnUn Masse) 
Kraft,  Leichtigkeit,  Anmut, düsteren  Ernstund hel- 
le Freude,  Träumerei  und  Leidenschaft.  Es  kommt 
nur  darauf  an,  sie  richtig  zum  Sprechen  zu  bringen. 
Übrigens  hat  man  bei  ihnen  nicht  nötig,  wie  bei  den 
Blasinstrumenten,  die  Zeitdauer  eines  gehaltenen 
Tones  in  Rechnung  zu  ziehen,  ihnen  schonungsvoll 
von  Zeit  zu  Zeit  Pausen  zu  geben-,man  ist  sicher,daO 
ihnen  der  Atem  nie  ausgehen  wird.  Die  Violinen 
sind  treue, verständige,tätige  und  unermüdliche  Die- 
ner. 


Ziirti'  und  lang-saino  Melodien,    die    man      heut- 
zutage allzu  oft  den    lllasinstrumenten   anvertraut, 
werden  /^li-ichwohl  niemals  besser  als  von  einer  Masse 
von  Violinen   wiedergegeben.     Nichts  kommt  dem  ein- 
dringlichen,   süssen  Wohlklang  einiger  zwanzig  K- 
Saiten  gleich,  die  durch  ebenso  viele   wohlgeschultc 
Bogen  in  Bewoguiiggosetzt  werden.  Hier  ist  die  wahre 
Frauenstimme  des  Orchesters,  eine  Stimme,  so    lei- 
denschaftlich als  keusch,  so  durchdringend  als  lieb- 
lich, die,  ob  sie  weinend,  laut  klagend,  betend    oder 
jubelnil  zu  uns  spricht,  von  keiner  anderen  Stimme     in 
d.T  Mannigfaltigkeit  dos  Oefühlsausdrucks   erreicht 
wird.    Kine  unscheinbare  Bewegung  des  Armes,   ein 
unbemerktes  Gefühl,  das  im  Vortragenden   sich  regt, 
alles  kaum  wahrzunehmen  bei  der  Ausführung   durch 
das  einzeln«!  Instrument,  bringen  in  der  Vervielfäl- 
tigung die  herrlichsten  Schattierungen  hervor,erwecken 
Empfindungen,diebis  ins  Innerste  des  Herzens  dringen. 
Brauche  ich  hier  an  die  cngelsgleiche, überirdische 
Reinheit  der  Violinen  des  Lohengrin -Vorspiels     zu 
erinnern,  dieselben  Violinen  die  in  der  wundervol- 
len Passage  im  dritten  Akt  der  Walküre  das  irdische 
Entzücken  der  Mutterliebe  so  hinreißend    zu  offen- 
baren vermögen    (l'iirtiturbeispiel  19  >,  um  dann  im  drit- 
ten Akte  des  Siegfried  die  „selige  Öde  auf  wonni- 
ger Höh»  in  so  wolkenloser  Klarheit  erstrahlen  zu 
lassen.  (Partiturbeispiel  20.) 


N9  19.  Walküre,  Akt  m. 


Wagner. 


Sehr  schnell  und  heftig 


4  Hrnr. 
in  E. 


3  Fagr. 
3Trp.in  E. 

I 

4  Pos.    " 


Sehr  schneU^und  heftig 


NO  20.  Siegfried,  Akt  HI. 


Immer  langsamer. 


Wagner. 


ptup        pp- 
her  auf  den  felsigen  Saum  der  Höhe,  und  zeig-t  sich  dort  zuerst  nur  mit  dem  Oberleibe ;  so  blickt  er  lang«  staunend  um  sich) 

sehr  ruhig. 


Sieg-fr. 


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f   PP  ^   1 

Dieselben  Violinen,  die  mit  gleicher  Treue  auch 
der  jungen  Liebe  des   Lehrbuben  ihre  Töne  leihen: 


Dieser  in  der   Symbolik  seiner  Orchestersprache 
unerschöpfliche  Dramatiker  individualisiert  sogar 


erste  und  zweite  Geigen  im  dritten  Akt  seines  Tri- 
stan in  der  Weise,  daß  er  die  durch  Gewöhnung 
im  Vortrag  und  Klang  etwas  untergeordneten  zwei- 
ten Violinen  den  Nebenfiguren  Kurwenal,Brangäne 
und  König  Marke  als  Begleiter  beigibt,  während 
die  wärmeren  und  vornehmeren,  an  die  Führung 
gewöhnten  ersten  Violinen  mit  den  beiden  Helden 
der  Handlung  jauchzen  und  leiden. 


Zum  Schluß  dieses  Kapitels  möchte  ich  warnend 
auf  den  gröblichen  Mißbrauch  hinweisen,  der  mit 
der  Solo-Violine  im  Orchester  g-etrieben  wird. 
Ihre  Wirkung  ist  stets  eine  so  besondere,  auf  fal- 
lende, daß  sie  ohne  zwingenden  poetischen  Grund 
meiner  Empfindung  nach  nicht  angewendet  werden 
sollte.    Unseren  großen  Meistern  diente   sie  stets 


nur  als  bedeutungsvolles  Symbol:  Beethoven,wenn 
er  im  Benedictus  seiner  Missa  eine  inbrünstig 
keusche  Seele  ihr  Loblied  dem  Höchsten  entgegen- 
;  singen  läßt;  Wagner,  wenn  er  im  Rheingold  die 
innersten  Geheimniße  der  Frauenseele  verrät. 
(Partiturbeispiel  21.) 


N9  21.  Rheingold. 


Wagner. 


An  dem  sparsamen  Gebrauch  der  Solovioline  in 
den  Partituren  des  letztgenannten  Meisters  gestatte 
man  mir  als  an  einem  Beispiel  für  viele  von  neuem 


die  bis  zum  Überdruß  gepredigte  Wahrheit  zu  exem- 
plifizieren: je  seltner  die  Anwendung  eines  besonde- 
ren Ausdrucksmittels,  desto  größer  dessen  Wirkung. 


67 


Die  Viola  (Bratsche). 


Die  vier  Saiten  der  Viola  (Bratsche)  werden 
gewöhnlich  in  Quinten  gestimmt,  wie  die  der  Violine, 
sämtlich  aber  um  eine  Quinte  tiefer  als  diese: 


_. .  .erste  Saite, 
z. . .  zweite  Saite. 
-. .  .dritte  Saite. 
•  •  -vierte  Saite. 


Ihr  gewöhnlicher  Umfang  beträgt  mindestens  drei 


Man  schreibt  sie  im  Altschlüssel  (C=  Schlüssel 
auf  der  dritten  Linie)  und  bei  den  ganz  hohen  Tönen 
im  Violinschlüssel. 

Alles,  was  wir  oben  in  Bezug  auf  Triller,  Bogen- 
striche, zwei:  und  mehrstimmige  Akkorde,  Arpeggien, 
Plageolettöne  u.s.w.  gesagt  haben,  ist  in  gleicher  Wei- 
se auf  die  Viola  anwendbar,  die  man  in  dieser  Bezieh- 
ung lediglich  als  eine  um  eine  Quinte  tiefer  stehende 
Violine  anzusehen  hat. 

Von  allen  Instrumenten  im  Orchester  ist  die  Viola 
dasjenige,  dessen  ausgezeichnete  Eigenschaften  man 
am  längsten  verkannt  hat.  Sie  ist  ebenso  behend\vie 
die  Violine,  der  Ton  ihrer  tiefer  Saiten  besitzt  einen 
eigentümlichen,  herben  Klang,  während  ihre  Töne  in 
der  Höhe  einen  traurig:  leidenschaftlichen  Ausdruck 
annehmen;  ihr  Klangcharakter  im  allgemeinen  istvon 
tiefer  Schwermut  und  unterscheidet  sich  merklich  von 
dem  der  anderen  Streichinstrumente.  Gleichwohl  ist 
sie  lange  Zeit  unberücksichtigt  geblieben,  oder  nur, 
ebenso  gehalt:  wie  nutzlos,  dazu  verwendet  worden: 
die  Ballstimme  in  der  höheren  Oktave  zu  verdoppeln. 
Verschiedene  Ursachen  vereinigten  sich  zu  dieser  un- 
gerechten Dienststellung  dieses  edlen  Instrumentes. 
Erstlich  wußten  die  Meister  des  18'?"  Jahrhunderts, 
da  sie  selten  real  vierstimmig  setzten,  zum  größten 
Teile  nicht  recht,  was  sie  mit  der  Viola  machen  soll- 
ten; wenn  sie  nicht  gleich  einige  Noten  fanden,  die 
sie  ihr  zur  Ausfüllung  der  Harmonie  geben  konnten, 
so  zögerten  sie  nicht,  das  leidige  col  basso  hinzu- 
schreiben, und  zwar  bisweilen  mit  so  großer  Unauf- 
merksamkeit, daß  eine  Oktavenverdoppelung  der  Baß- 
stimme daraus  entstand,  die  bald  mit  der  Harmonie, 
bald  mit  der  Melodieführung,  bald  mit  beiden  zu- 
gleich in  Widerspruch  geriet.  Ferner  war  es 
unglücklicherweise  nicht  möglich,  damals  für  die 
Viola  irgend  eine  bedeutsamere  Stelle,    die  selbst 


ein  nur  gewöhnliches  Talent  zur  Ausführung  erfor- 
dert hätte,  hinzuschreiben.  Die  Violaspieler  vnirden 
stets  aus  dem  Ausschusse  der  Violinspieler  entnom- 
men. War  ein  Musiker  unfähig,  den  Violiuposten 
genügend  zu  bekleiden,  so  wurde  er  zur  Viola  ver- 
setzt. Daher  kam  es,  daß  die  Bratschisten  weder 
Violine  noch  Viola  spielen  konnten.  Ich  muß  sogar 
gestehen,  daß  dieses  Vorurteil  gegen  die  Violastim- 
me auch  in  unserer  Zeit  nicht  gänzlich  erloschen  ist, 
daß  es  in  den  besten  Orchestern  noch  Viola spieler 
gibt,  die  so  wenig  die  Viola  wie  die  Violine  zu  be- 
handeln wissen.  Doch  sieht  man  neuerdings  immer 
mehr  die  Mißlichkeiten  ein,  die  aus  Duldung  solcher 
Leute  entstehen,  und  so  wird  die  Viola  nach  und 
nach,  ebenso  wie  die  anderen  Instrumente,  nur  ge- 
schickten Händen  anvertraut  werden.  Ihr  Klangcha- 
rakter erregt  und  fesselt  die  Aufmerksamkeit  derar- 
tig, daß  es  nicht  nötig  ist,  im  Orchester  die  Violen 
in  gleicher  Anzahl  wie  die  zweiten  Violinen  zu  beset- 
zen, und  die  ausdrucksvolle  Beschaffenheit  dieses 
Klangcharakters  ist  so  hervorstechend,  daß  er  in  den 
sehr  seltenen  Fällen,  wo  die  alten  Komponisten  ihn 
ans  Licht  treten  ließen,  niemals  verfehlt  hat,  ihren 
Erwartungen  zu  entsprechen.  Man  kennt  den  tiefen 
Eindruck,  welchen  er  stets  an  jener  Stelle  der  „Iphi- 
genieauf  Tauris"  hinterläßt,  wo  Orestes,  von  Müdig- 
keit übermannt,  keuchend,  von  Gewissensbissen  ge- 
peinigt, mit  den  Worten  einschlummert:  „Die  Ruhe 
kehret  mir  zurück!" —  während  das  Orchester  in 
dumpfer  Aufregung  schluchzende  Laute,  konvulsivi- 
sche Klagen  vernehmen  läßt,  welche  unaufhörlich 
von  dem  schrecklichen,  zäh  anhaltenden  Gemurmel  der 
Violen  übertönt  werden.  Obschon  bei  dieser  unver- 
gleichlichen Eingebung  keine  Note,  weder  in  der 
Singstimme  noch  in  den  Instrumenten  ist,  deren  Inten- 
tion nicht  erhaben  wäre,  so  muß  man  doch  erkennen, 
daß  der  Zauber,  den  sie  ausübt,  daß  die  Empfindung 
des  Schauderns,  welche  sich  in  den  weit  geöffneten, 
mit  Tränen  gefüllten  Augen  manches  Hörers  abspie- 
gelt, hauptsächlich  der  Violastimme  beizumessen  ist, 
und  zwar  der  Klangeigentümlichkeit  der  dritten  Saite 
dieses  Instrumentes,  seinem  synkopierten  Rhythmus 
und  der  seltsamen  Wirkung  des  Einklanges  zwischen 
seiner  Synkope  auf  A  und  einem  andern  A  der  Bäße, 
das  jene  Synkope,  im  Rhythmus  abweichend,  unge- 
stüm mitten  durchschneidet.  (Partiturbeispiel  22.) 


Edition  Peters. 


N'.>;22.  Ipliip'tiip  auf  Taiiris.  Akt  11. 


Gluck. 


(vio.u.K.B.) 


Edition  Peters. 


Bassi, 

Edition  Peters, 


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cocuri           (ll  5'endort  d'accablement.) 
riick!          iErsMSft  ennnttct  ei,i.) 

W^  ^  '^  -  II  ^    <      11      '      MI  .  P  ,  i'ir      1      lY     1      |ff     ff     II      1      II 

Einer  der  ersten,  der  die  Fiihif^ckeit  der  Brat- 
schen, dämonische  Wirkungen  hervorzubringen, er- 
kannt und  in  seinem  Robert  der  Teufel  als  kundi- 
ger Finder  diese  zum  Ausdruck  frommen  Schauers 
und  nagender  Gewissensbisse  verwendet  hat,  war 
Meyerbeer. 

In  der  Ouvertüre  zu  „Iphigenie  in  Aulis"  hat 
Gluck  die  Viola  zur  alleinigen  Grundlage  der  Har- 
monie verwendet,  nicht  diesmal  um  einer  Wirkung 
willen,  die  auf  der  Besonderheit  ihres  Klanges  be- 
ruht, sondern  um  so  zart  als  möglich  den  Gesang 
der  ersten  Violinen  zu  begleiten  und  den  Angriff 
der  Bässe,  die  nach  ziemlich  langer  Pause  im  Forte 
wieder  einsetzen,  um  so  fürchterlicher  zu  machen. 
Sacchini  hat  gleichfalls  die  Violen  allein   mit   der 


Führung  der  Unterstimme  betraut,  und  zwiiiindor 
Arie  des  Oedipus:  „Euer  Hof  gewährt  mir  Zullucht',' 
ohne  jedoch  d:imit  die  Vorbereitung  eines  derartigen 
Ausbruches  zu  beabsichtigen.  Im  Gegenteil  gibt 
hier  diese  Instrumentation  der  Gesangstelle,  welcher 
sie  zur  Begleitung  dient,  eine  angenehme  Frische  und 
Ruhe.  Der  Gesang  dtr  Violen  auf  den  hohen  Saiten  tut 
Wunder  in  Szenen  von  religiösem  und  antikem  Charakter. 
Z.  B.  in  Wolframs  Gesang  „  Blick  ich  umher" 
i  (zweiter  Akt  Tannhäuser),  Gralserzählung  (drit- 
;  ter  Akt  Lohcngrin)-  geteilte  Bratschen  in  hoher 
;  Lage  unisono  mit  den  Violinen,-  auch  die  wie  ferne 
::  OrgelkUinge  wirkenden  Bratschen  vor  Walthcrs 
i  Preislied  (dritter  Akt  Meistersinger)  gehören hier- 
:''    her.    (Partiturbeispiele   23,24,85.) 


N9  23.  Tannhäuser,  Akt  IL 


Wagner. 


tapfer,      deutsch  und    vei  -  se. 


ein  stolzer  Eichwald,herrlich/rischundgr 
9039 


71 


^  undholdund    tugendsam     er-blick' ich  Frauen,    lieb- li-cher  Blü-ten  düf-te-reichster  Kranz. 


78 


N9  24.  L..h.Mm'1-in.  Akt  ITI. 


Langsam 


einlichter Tempelstehetdort  inmit-ten,     so  kostbaralsauf  Erdennichtsbekanntj        drineinGe-fäß  vonwunderfat'g'cm 
'Durch  Flageo!'--t  hTvorzubringen. 


Viol.    J 


Loheng 


Scgenwu(ldortal3höchstcs Heiligtum bewaiht:  es  ward.daß  seijidcrMeiischen  reiii-ste  pflegen,her-at)  von  einer  Engel  -  schar  gebracht; 


4  Hrn 

in  F. 


NQ25.  Meistersinger,  Akt  III. 


Massig  langsam. 


Wagner. 


.cresc.  f    dtm.=~  PP  p  dolce 

(hat  sieh  zu  Hans  Sachs  am  Werktisch  gesetzt,  wo  dieser  das  Gedicht  Walthers  nachschreibt.) 


(Die  beiden  Fermaten  müssen  von  besonders  langer  Dauer  sein,  um  nach  dem  schneUeren  AnschweUen  ein  sehr  allmähliches  Ab 


nt'hmen  ausführen  zu  lassen. 


Spontini  kam  zuerst  auf  den  Gedanken,  denVLo. 
len  stellenweise  die  Melodie  in  seinen  wundervollen 
Gebeten  der  „Vestalin"  anzuvertrauen.  Mehul,  ver- 
leitet durch  die  innigen  Beziehungen,  die  zwischen 
dem  Tone  der  Violen  und  dem  träumerischen  Cha- 
rakter der  Ossianischen  Poesie  bestehen, kam  darauf, 
sich  ihrer  in  seiner  Oper„Uthal"  ständig  und  mit 
gänzlichem  Ausschlüsse  der  Violinen  zu  bedienen.  Die 
Folge  davon  war,  nach  dem  Ausspruche  der  Kritiker 
jener  Zeit,  eine  unerträgliche  Einförmigkeit,  welche 
dem  Erfolge  des  Werkes  schadete.  Hierauf  bezüglich 
war  es  auch,  daß  Gretry  ausrief:  „Einen  Louisd'or 
würd'  ich  für  eine  Quinte  geben."  In  der  Tat  muß 
diese  Klangfärbung,  so  kostbar,  wenn  sie  gut  ange- 


wendet und  dem  Klange  der  Violinen  und  anderen 
Instrumente  geschickt  gegenübergestellt  wird,  sehr 
bald  ermüden;  sie  trägt,  bei  wenig  Mannigfaltigkeit 
zu  sehr  das  Gepräge  der  Traurigkeit,  als  dal5  es  an- 
ders sein  könnte. 

Zu  einer  solchen  Stelle  tiefster  Trauer  im  zwei- 
ten Akt  der  Walküre  (nach  den  Worten  Brünnhil  - 
dcns  „Weh,  mein  Wälsung"),  wo  die  Violen  in  der 
höheren  Oktave  ilcr  Baüklarinette  von  Wotans 
Schwci'mut  singen,  bildet  einen  interessanten  Ge- 
gensatz die  in  feiger  Lustigkeit  hintanzende  Figur 
der  Violen  bei  Mimes  Antwort  an  den  drohenden 
Wotan  (Siegfried  erster  Akt).  (Partiturb^ispielc  26, 
87.) 


Noch  lansrsamer. 


NO  26.  Walküre,  Akt  IL 

poco  rit.  a  tempo 


Wa  gner. 

CO   rit. 


Engl.  Hörn 


75 


N9  27.  Siegfried,  Akt  I. 


Belebt. 


Wagner. 


4  Hörner 
in  F.      ' 


Baß- 

Trompete 

in  Es. 


fe^ 


fz    P'      "~"  /  dim.  p' 

(seine  gegenwärtige  Lage  immer  mehr  vergessend,  reibt  sich  vergnügt  die  Hände.) 


1    ■    ir     IJ-     IJ  J'pJ'Jii^iw.  \i  0  r  PI 


E-scheStamm  stieß  es  Wo-tan:     dem  sollt  es  ge- ziemen,    der  ausdemStamm'es   zog. 
pizz.  (alle  VIc.)  ( 


78 


Finde  ich  die  schönen  Bratschenkliinge  aus  dem 
letzten  Satz  der  neunten  Symphonie  von  Beethoven 
(bei „Ihr  stürzt  nieder,  Millionen")  und  die  humori- 
stisch gruselige  Solobratsche  in  Ännchens  Arie 
(zweiter  Akt,  Freischütz)  schon  bei  Gevaert erwähnt, 
darf  ich  ferner  die  feierliche  Einleitunjic  zum  Quar- 
tett im  Fidelio  als  allgemein  bekannt  und  verehrt 
voraussetzen,  so  möchte  ich  doch  der  extatischen 


Solo -Viola,  die  von  den  Wundern  des  Liobcstrankes 
kündet  (Tristan, erster  Akt)  und  der  eigenartigen 
Stelle  im  Fidelio,  wo  durch  das  Anschlagen  einer 
Terz  in  den  Bratschen  (bei„wic  ein  Schatten  schwebt  ) 
die  abgehärmte  Figur  FlorcRtans  vor  das  innere 
Auge  des  gerührt  lauschenden  teilnahmsvollen  Zu  - 
hörers  gezaubert  wird  -  noch  besonders  gedenken. 
(Partiturbiispiel  28,29.) 


N9  28.  Tristan,  Akt  I. 


Wagner. 


iBos.)PP 


80 


N«.>  2d.  Fid.'lin.  Akt   I. 


Beethoven. 


r'-^J3r. 


'  1 


^41. 


^"W 


m^ 


>        pp 


Edition  Petens. 


8J 


Man  teilt  heutzutage  die  "Violen  oft  in  erste 
und  zweite.  In  Orchestern,  wie  das  der  großen  Oper 
in  Paris,  wo  sie  allenfalls  in  hinlänglicher  Zahl  vor- 
handen sind,  erwächst  daraus  kein  Nachteil;  in  allen 
anderen  Orchestern  aber,  wo  kaum  vier  oder  fünf 
Violen  sich  vorfinden,  kann  eine  derartige  Teilung 
nur  ungünstig  wirken,  da  diese  an  sich  schon  so  schwa- 
che Instrumentalgruppe  ohnehin  in  steter  Gefahr  ist, 
von  den  anderen  Gruppen  erdrückt  zu  werden.  Hier 
muß  ich  noch  erwähnen,  daß  die  Viola:Instrumente, 
deren  man  sich  gegenwärtig  in  unseren  französi- 
schen Orchestern  bedient,  meist  nicht  die  erforder- 
liche Dimension  haben,  sie  sind  weder   der    Größe 


noch  der  Klangkraft  nach  wirkliche  Violen,  sondern 
fast  nur  mit  Violasaiten  bezogene  Violinen.*)  Die  Di- 
rigenten sollten  durchaus  auf  Abschaffung  dieser 
Zwitterinstrumente  dringen,  da  deren  geringe  Klang- 
kraft das  Orchester  um  einen  der  interessantesten  Be- 
standteile seiner  Tonfärbung  bringt,  und  ihm,  nament- 
lich in  den  tiefen  Tönen,  alle  Fülle  raubt. 

Sind  die  Violoncells  melodieführend  verwendet,so 
werden  sie  bisweilen  vortrefflich  durch  den  Einklang 
der  Violen  verdoppelt;  ihr  Ton  gewinnt  dadurch  sehr 
an  Rundung  und  Lauterkeit,  ohne  deshalb  sein  Über- 
gewicht einzubüßen.  Beispiel:  das  Thema  des  Andante 
der  C-moll  Symphonie  von  Beethoven. (Partiturbeispiel 30.) 


*)  Prof.  Herrn.  Ritter  in  Würzburg  hat  eine  „Viola  alta" 
gebaut,  die  zu  den  vier  Saiten  der  gewöhnlichen  Bratsche 

noch  eine  fünfte  in  der  Höhe  (auf  fe  f  gestimmt)  besitzt. 
Das  Instrument  weist  infolge  seines  größeren  Körperbau- 
es ein  viel  bedeutenderes  Tonvolumen  auf  und  hat  außer- 
dem durch  die  hinzugefügte  Quinte  den  Vorzug  einer  für 
die  modernen  Orchesterwerke  sehr  brauchbaren  Höhe. 

Ihre  Einführung  ist  bis  zum  heutigen  Tage  leider  noch 
eine  sehr  beschränkte,  was  wohl  vor  allem  dem  Umstände  zu- 
zuschreiben ist,  daß  zur  manuellen  Behandlung  der  Ritter- 
schen  Viola  alta  viel  physische  Kraft  erforderlich;  beson- 
ders Spieler  mit  kurzen  Armen  und  kurzen  Fingern  mögen 
Bedenken  tragen,  sie  gegen  die  bequemere  gewöhnliche  Brat- 
sche zu  vertauschen. 


Hier  wäre  auch  der  von  Herrn  Stelzner  in  Dresden  ge  - 
bauten  Violotta  und  Cellone  zu  gedenken- neue  Instrumente, 
die  das  Vorbild  der  Viola  resp.  des  Violoncells  hinsichtlich 
eines  ausgiebigeren  Umfanges  nach  der  Tiefe  zu,  zu  ver- 
vollkommnen suchen.  Die  praktischen  Resultate  sind  aber 
bis  jetzt  für  die  allgemeine  Musikpflege  noch  zu  gering,  als 
daß  von  einer  Einführung  dieser  Instrumente  ins  Orche- 
ster die  Rede  sein  könnte.  Hauptsächlich,  daß  sie  anders  ge- 
stimmt, daß  heißt  tiefere  Saiten  als  die  bisherigen  Bratschen 
und  Violoncells  haben,  macht  ihre  Anwendung  für  die  vor- 
handenen Aufgaben  illusorisch-  es  müßten  eben  neue  Or- 
chesterpartien für  sie  geschrieben  werden. 

Max  Schillings  hat  die  Violotta  mit  Glück  als  Solo- 
instrument im  tragt- komischen  III.  Akt  seiner  Oper: „Der 
Pfeifertag"  verwendet. 


NO  30.  Cmoll- Symphonie,   Satz  IL 

Andante  con  moto. 


Edition  Peters. 


CT- 


Die  Viola  iraniour. 


Dieses  Instrument  ist  etwas  größer  als  die  Vio- 
la. Es  ist  fast  überall  außer  Gebrauch  gekommen, 
und  ohne  Herrn  Urhan,  den  einzigen  Künstler  in  Paris, 
welcher  es  spielt,  würde  es  uns  nur  dem  Namen  nach 
bekannt  sein. 

Es  hat  sieben  Darmsaiten,  von  denen  die  drei  tief- 
sten, wie  das  C  und  G  der  Viola,  mit  Silberdraht  über- 
sponnen  sind.  Unterhalb  des  Griffbrettes  und  unter 
dem  Stege  weglaufend  befinden  sich  sieben  andere 
Saiten,  und  zwar  von  Metall,  die  im  Einklang  mit  er- 
steren  gestimmt  sind,  um,  mitklingend,  dem  Instru- 
mente einen  zweiten,  sanften  und  geheimniüvollen 
Rückschall  zu  verleihen.  Man  stimmte  dasselbe  ehe- 
mals auf  verschiedene  absonderliche  Arten;  Herr 
Urhan  hat  als  die  einfachste  und  vernunftgemäßeste 
Stimmung  folgende  in  Terzen  und  Quarten  ange- 
nommen: 

.f^        .   ■    .  erste  Sallc. 

.  zweite  Saite. 

.  dilttc  Saite. 

.  vierte  Saite. 

.  fünfte  Saite. 

.  sechste  Saite. 

.    .    .  siebente  Saite. 

Der  Umfang  der  Viola  d'amour  beträgt  minde- 
stens drei  und  eine  halbe  Oktave.  Man  notiert  sie 
wie  die  Viola  in  zwei  Schlüsseln. 


Aus  der  Anordnung  der  Saiten  ersieht  man,  daß 
die  Viola  d'amour  hauptsächlich  auf  Akkorde  zu  drei 
oder  vier  und  mehr  Noten  angewiesen  ist,  mögen  sie 
arpeggiert  oder  gleichzeitig  zum  Anschlag  gebracht 
oder  auch  ausgehalten  werden;  auch  ist  sie  beson- 
ders für  Melodien  in  Doppelgriffen  geeignet.  Ferner 
ist  zu  beachten,  daß  man  betreffs  der  Harmoniela- 
gen, die  man  für  sie  schreibt,  ein  anderes  System 
als  bei  Violine,  Viola  und  Violoncell,  die  sämtlich 
in  Quinten  gestimmt  sind,  zu  befolgen  hat,  sich  also 
hüten  muß,  die  einzelnen  Akkordtöne  im  allgemeinen 
weiter  als  eine  Terz  oder  Quarte  auseinander  zu  le- 
gen, falls  nicht  wenigstens  für  die  tiefere  Note  eine 
leere  Saite  dabei  in  Betracht  kommt.  So  kann  natür- 
lich zum  A  der  zweiten  Oktave  jeder  Ton  der  Tonlei- 
ter auf  der  hohen  D;  Saite  ihrem  ganzen  Umfange 
nach  genommen  werden. 


Wohl  überflüssig  ist  es,  die  Zusammenklänge 
der  kleinen  Terz  und  der  Sekunde  zum  tiefsten  Tone 


des   Instrumentes  wie: 


als  unausführbar  besonders  namhaft  zu  machen,  da 
die  Töne  dieser  Intervalle  beide  nur  von  der  D^Saite 
gegeben  werden  können.  Ähnliche  Unmöglichkeiten 
hinsichtlich  der  tiefen  Saite  wird  man  bei  den  übri- 
gen Streichinstrumenten  leicht  herauszufinden  wis- 
sen. 

Die  Flageolettöne  sind  auf  der  Viola  d'amour 
von  wunderbarer  Wirkung;  man  erhält  sie  ganz  auf 
dieselbe  Weise,  wie  bei  Violine  und  Viola.  Dabei 
macht  es  der  Umstand,  daß  die  sieben  leeren  Sai- 
ten als  vollkommener  Dreiklang  zusammenstimmen, 
der  Viola  d'amour  sehr  leicht,  ziemlich  schnelle  Ar- 
peggien  sowohl  ihres  Grundakkordes  D-dur  in  der 
höheren  Oktave: 

Wirkliche  Flageolettöne. 


und  Doppeloktave: 


Wirkliche  Flageoletfdne. 


als  auch  des  A-dur- Akkordes  in  der   höheren   Duo- 
dezime: 

Wirkliche  Flageolettöne. 


Die  Quinten  leicht  be- 
rührend. 


Edition   Peters. 


83 


und  des  Fis-dur-Akkordes  in  der  höheren   Sept. 
dezime: 

Wirkliche  Flageolcttöne. 


mit  Flageolettönen  hervorzubringen. 

Man  sieht  aus  den  gegebenen  Beispielen,  daß, 
wenn  man  sich  diese  reizenden  Arpeggien  der  Viola 
d'amour  zunutze  machen  wollte,  die  Tonarten  D-,  G-, 
A-,  Fis-oder  H-dur  die  meiste  Gelegenheit  zu  deren 
Verwendung  bieten  würden.  Da  nun  aber  jene  drei 
Akkorde  (D-,  A-,  Pis-dur)  ohne  Zweifel  nicht  hinrei- 
chen würden,  einen  etwas  modulierenden  Gesang 
ohne  Unterbrechung  zu  begleiten,  so  wäre  dem  durch 
Hinzunahme  einiger  anders  gestimmter  Violen  d'a- 
mour leicht  abzuhelfen,  z.B.  mit  Stimmung  in  C  oder 
in  Des,  je  nach  den  Akkorden,  die  der  Komponist 
für  sein  Tonstück  gebrauchte.  Der  außerordentliche 
Reiz  dieser  Flageolettöne    auf   leeren   Saiten     in 


Arpeggien  verdiente  es  wohl,  daß  man  alle  mög- 
lichen Mittel  anwendete,  um  Vorteil  daraus  zu 
ziehen. 

Die  Viola  d'amour  hat  einen  schwachen  und  sanf- 
ten Klang;  sie  hat  etwas  Seraphisches,  das  zugleich 
der  Viola  und  den  Flageolettönen  der  Violine  nahe- 
kommt. Sie  eignet  sich  hauptsächlich  zum  gebunde- 
nen Stil,  zu  träumerischen  Melodien,  zum  Ausdruck 
verzückter,  religiöser  Empfindungen.  Meyerbeer  hat 
sie  mit  Glück  in  der  Romanze  des  Raoul  im  ersten 
Akte  der  Hugenotten  verwendet.  (Partiturbeispiel  31.) 
Aber  hier  wirkt  sie  nur  als  Soloinstrument;  was  wür- 
de nicht  erst  in  einem  Andante  die  Wirkung  von  ei- 
ner Menge  Violen  d'amour  sein,  die  ein  schönes  Ge- 
bet zu  mehreren  Stimmen  ausführten,  oder  die  mit 
ihren  gehaltenen  Harmonien  einen  Gesang  der  Violen 
begleiteten,  oder  des  Violoncells,  oder  des  Englischen 
Hernes,  oder  des  Waldhornes,  oder  der  Flöte  in  der 
mittleren  Region,  verwebt  vielleicht  mit  Arpeggien 
der  Harfen!  Es  wäre  wahrhaftig  sehr  schade,wenn  die- 
ses herrliche  Instrument  dem  praktischen  Gebrauche 
verloren  ginge,  zumal  jeder  Violinspieler  es  nach  ei- 
nem Studium  von  wenigen  Wochen  erlernen  kann. 


NO  31.  Hugenotten,   Akt  I. 


Viola   d'amour. 


tu"»'!'  J  j N  rf-|p I  :'u: >\ 


Edition  Peters. 


Viola   da  Gamba. 


Die  Viola  da  Giimba  (d.h.  Kniegeige)  war  noch 
bis  in  die  zweite  Hallte  des  IS't"  Jahrhunderts  in 
Deutsehland  in  Gebrauch.  Erst  mit  fünf,  dann  mit 
sechs  Saiten  bezogen,  wurde  ihr  zu  Ende  des  17^1" 
Jahrhunderts  noch  eine  tiefe  Saite  hinzugefügt 
(das  große  A)  und  so  hatte  dieses  ehemals  sehr 
beliebte  und  mit  einem  schönen  sonoren  Klang  aus- 
gestattete Instrument  nachstehenden  Umfang: 


wie  ersichtlich,  in  Quarten  gestimmt  mit  einer 
einzigen  Ausnahme.  Das  Griffbrett  war,  wie  bei 
der  Laute,  mit  Bünden  versehen,  welche  die  Griffe 
für  die  Töne  der  Skala  abgrenzten. 

Die  Viola  da  Gamba   ist  die  Ahne  unseres  heu- 
tigen Violoncells,    war  nicht  ganz  so  groß  wie  die- 
ses und  wurde  je  nach  Bedarf  im   Baß:        "ja 
Tenor:     »n^    Alt:      H^       oder  Sopran: 
Schlüssel  notiert. 


Das  Violoncell. 


Seine  vier  Saiten  sind  in  Quinten  gestimmt, 
genau  in  der  tiefern  Oktave  der  vier  Saiten  der 
Viola: 

.  .  .  erste  Saite. 
*J'     o  ^  .  .   .  zweite  Saite. 

g .  .   .  dritte  Saite. 

•  ■  •  vierte  Saite. 

Sein  Umfang  kann,  auch  ün  Orchester,  drei  und 
eine  halbe  Oktave  sein: 


Mit  den  chromatische 


Die  großen  Virtuosen  steigen  noch  höher,  indes 
gebraucht  man  diese  überhohen  Noten,  welche  nur 
als  Abschluß  langsamer  Phrasen  Reiz  haben,  für 
gewöhnlich  nicht  als  natürliche  Töne,  sondern  nimmt 
sie  meist  im  Flageolet,  wo  sie  leichter  ansprechen 
und  von  viel  besserer  Klangwirkung  sind. 

Bevor  wir  weiter  gehen,  ist  es  notwendig,  den 
Leser  mit  der  doppelten  Deutung  bekannt  zu  ma- 
chen, die  man  in  der  Notierung  des  Violoncell  dem 
G:  Schlüssel  gibt.  Wenn  man  diesen  Schlüssel 
gleich  bei  Beginn  eines  Tonstückes  oder  unmit- 
telbar nach  vorhergehendem  Baßschlüssel  setzt, 
so   stellen  die  Noten  die  höhere   Oktave  der  wirk- 


ichen  Töne  dar: 


Seine  eigentliche  Geltung  hat  er  erst  dann,wenn 
er  dem  Tenorschlüssel  ( C=  Schlüssel  auf  der  vierten 
Linie)  folgt;  hier  nur  gibt  er  die  wirklichen  Töne 
an  und  nicht  deren  höhere  Oktave. 


Dieser  durch  nichts  gerechtfertigte  Gebrauch  führt 
um  so  häufiger  zu  Mißverständnissen,  als  manche 
Violoncellisten  keine  Notiz  davon  nehmen  und  den 
G=  Schlüssel  stets  nur  in  seiner  wirklichen  Bedeutung 
nehmen.  Um  jeder  falschen  Auslegung  vorzubeugen, 
werden  wir  uns  seiner  hier  nur  nach  dem  Tenorschlüs- 
sel, wenn  dieser  uns  zu  sehr  in  die  Hilfslinien  füh- 
ren würde,  bedienen,  so  daß  der  Violinschlüssel  im- 
mer nur  die  wirkliche  Tonhöhe,  wie  im  letzten  Bei- 
spiele, darstellen  wird. 


Edition  Peters. 


85 


Was  wir  in  Betreff  der  Doppelgriffe,  der  Arpeg- 
gien,  der  Triller,  sowie  der  Stricharten  bei  der  Vio- 
line gesagt  haben,  ist  überall  auch  auf  das  Violon- 
cell  anwendbar.  Nur  muß  man  nie  vergessen,  daß 
seine  Saiten,  da  sie  länger  als  die  der  Violine  sind, 
ein  beträchtlicheres  Auseinanderlegen  der  Pinger 
der  linken  Hand  erfordern,  woraus  wiederum  folgt, 
daß  die  für  Violine  und  Viola  möglichen  Dezimen - 
gänge  in  Doppelgriffen  keineswegs  auch  auf  dem 
Violoncell  ausführbar  sind,  und  daß  man  überhaupt 
nur  dann  eine  Dezime  schreiben  darf,  wenn  die  im- 
tere    Note   auf  eine  leere  Saite  trifft: 


Die  folgenden    Dezimen  würden  demnach  un- 


möglich sein: 


S 


^m 


Ebensowenig  ist  es  dem  Violoncell  wegen  der 
Tiefe  seines  Klanges  und  der  Dicke  seiner  Saiten 
möglich  die  außerordentliche  Behendigkeit  der  Vio- 
line und  Viola  zu  erreichen. 

Die  natürlichen  und  künstlichen  Plageolettöne, 
von  denen  man  auf  dem  Violoncell  im  Solo  häufig 
Gebrauch  macht,  erhält  man  auf  dieselbe  Weise 
wie  bei  der  Violine  und  Viola.  Die  Länge  der  Sai- 
ten des  Instrumentes  bewirkt,  dais  selbst  die  ganz 
hohen  natürlichen  Plageolettöne,  welche  in  der 
Nähe  des  Steges  entstehen,  viel  leichter  und  schö- 
ner als  bei  der  Violine  herauskommen.  Eine  Über- 
sicht derjenigen  Plageolettöne,  welche  auf  jeder 
Saite  am  besten  ansprechen,  folgt  hier: 


Flnper,   leicht  die  leere  Saite  berührend. 


t 

-f- 

^ 

^ 

^ 

il^V  r'jr  Mt 

-~f. 

Wirkliche    Flageoletfune. 
^0        "       -       r      frn 

*% 

0 

19- 

0 

p- 

.    0 

a» 

0 

19- 

0 

II 

II 

0 

b--k  ['  r  r  iiiB"!  1  1  ,fer  T  1  '  1  1  1  II 

Finger,  leicht  die  Saite  berührend. 
Dritte  Saite. 


Finger,   leicht  die  Saite  berührend. 


Vierte  Saite. 


Wirkliche  Flageolettön 
0         0        0  0        °i  0        0         0 


^ 0  00  "",  0         0  "■|g-.,^^l9-.0         0" 

^^  i  j  .1  I  'I  I  I  I  ^'"i  r,||,  r  ^ 


■inper,    leicht  die  Saite  berührend. 


Edition  Peters 


Die  künstliehen  Plageolettöne  erhält  man  am 
besten  dadurch,  daß  man  den  ersten  Finger  oder 
den  Daumen  als  künstlichen,  beweglichen  Sattel  fest 
aulsetzt  und  dann  die  Quarte  leicht  berührt: 


Dieser  Pingersatz  ist  fast  sogur  der  einzige 
auf  dem  Violoncell  anwendbare,  da  die  Position  mit 
der  leichtberührten  Quinte  höchstens  in  der  Nähe 
des  Steges  zu  nehmen  wäre,  wo  die  Entfernungen 
und  Verhältnisse  viel  kleiner  als  in  der  Tiefe  sind 
und  die  Spannungen  der  linken  Hand  daher  iii  glei- 
chem Maße  auch  geringer  werden;  in  diesem  Palle 
berührt  der  vierte  Pinger  die  Quinte  und  der  Dau- 
men dient  als  Sattel: 


(Das  Zeichen  Ö  gilt  fü 
welcher  quer  auf  die  Saiten  ; 


Tonleiter  in  natürlichen  und  künstlichen  Pla- 
geolettönen: 


Harmonien  aus  Violoncell:  Flageolettönen  wür- 
den in  einem  zarten  und  langsamen  Tonstücke  im 
Orchester  ohne  Zweifel  von  reizender  Wirkung  sein; 
indes  ist  es  bequemer  und  weniger  gefährlich,  das 
nämliche  Ergebnis  mittelst  geteilter  Violinen,  wel- 
che man  in  der  Höhe  der  £=  Saite  mit  Dämp- 
fern spielen  läßt,  herbeizuführen.  Diese  beiden 
Klangfarben  sind  einander  in  solchem  Grade  ahn  - 
lieh,  daß  es  beinahe  unmöglich  ist,  sie  zu  unter- 
scheiden. 


Die  folgende  Stelle,   zunächst  in  Flageolettönen 
der  Violoncells  notiert, 

8     2       3     2 

Violoncelli  I. 


Violoncelli  III. 


wird   ebenso  genau  und  viel  bequemer  von  gewöhn- 
lichen Tönen  der  Violinen  ausgeführt: 


^ 

.,.r  f  1  f 

=^=q 

r^^- 

'^ 

3'         pp  CO,,  sord  n> 

1 f   f      f  ^ 

- 

pp  con  Sordini 

n. = P 1 

■^ 

>      . 

„ 

Violinen  III. 

fti  n  1'-  r — 1    1  r    1 

1    r 

W- 

p'pcoyi  Sordini 

Im  Orchester  gibt  man  den  Violoncells  gewöhn- 
lich die  Stimme  des  Kontrabasses,  die  sie  alsdann 
in  der  höheren  Oktave  oder  im  Einklänge  verdop- 
peln; sehr  oft  ist  es  jedoch  gut,  die  Violoncells  ge- 
trennt vom  Kontrabaß  zu  halten;  sei  es  daß  man 
den  Violoncells  in  solchen  Fällen  eine  Melodie  auf 
den  hohen  Saiten  oder  sonst  eine  gesangvolle  Stelle 
gibt,  sei  es,  daß  man  sie,  um  aus  der  Klangeigen- 
tümlichkeit einer  leeren  Saite  Vorteil  zu  ziehen  oder 
um  eine  besondere  harmonische  Wirkung  zu  erzie- 
len, sogar  tiefer  als  die  Kontrabässe  setzt, sei  es 
endlich  daß  man  ihre  Stimme  zwar  ähnlich  wie  die 
der  Kontrabässe  schreibt,  aber  mit  schnelleren  No- 
ten ausstattet,  wie  solche  von  den  Kontrabässen  nicht 
gut  ausgeführt  Werden  könnten,  wie  z.  B.: 


Allegro  non  troppo.  (aus;  Berlioz,  Requiem.) 


Edition  Peters. 


87 


Die  Violoncellstimme  ist  hier  in  ihrer  Bewe  - 
gung-  zwar  erregter,  unruhiger,  bringt  aber  den- 
noch ziemlich  dieselben  Noten  wie  die  Stimme  der 
Kontrabässe  zu  Gehör  und  folgt  ihrer  Führung  fast 
überall. 

Gleich  nach  dieser  Stelle  in  demselben  Requiem 
trennen  sich  dagegen  die  Violoncells  ganz  und  gar 
von  den  Kontrabässen  und  steUen  sich  unter  diese. 


um  den  fürchterlichen  Zusammenstoß  der  kleinen  Se- 
kunde in  der  Tiefe  und  dabei  zugleich  die  rauhe 
Schwingung  des  C,  der  tiefsten  leeren  Saite  des 
Violoncell,  zu  erzielen,  während  die  Kontrabasse, 
zu  der  hohen  Oktave  von  diesem  C,  ein  H,  mit 
voller  Kraft  auf  ihrer  ersten  Saite  erdröhnen 
lassen.  (Partiturbeispiel  33.) 


NQ  32.  Requiem:  Rex  tremendae. 


Edition  Peters. 


Ohne  sutf'i  Grund,  das  heilit,  wi-nii  man  nicht 
sicher  ist,  eine  besondere  Wirkung  damit  zu  erzie- 
len, darf  man  sonst  niemals  die  Violoncells  gänz- 
lich von  den  Kontrabässen  absondern,  noch  auch, 
wie  einige  Komponisten  getan  haben,  sie  in  der  Dop- 
peloktave über  die  Bässe  schreiben.  Das  kann  nur 
dazu  führen,  die  Fundamentaltöne  der  Harmonie  in 
ihrer  Klangfülle  bedeutend  abzuschwächen.  Die  Baß- 
stimme, von  den  Violoncells  auf  diese  Weise  ver- 
lassen, wird  dumpf,  rauh  und  äußerst  schwerf'illig, 
und  kommt  mit  den  oberen  Stimmen  nur  schlecht 
in  Verbindung,  weil  die  Kontrabässe  durch  die  gro- 
ße Tiefe  ihres  Tones  zu  weit  entfernt  von  ihnen 
liegen. 

Dieses  Kapitel  hat  dadurch  die  größten  Verän- 
derungen erfahren,  als  man  im  Gebrauch  der  tie- 
fen Hörner,  der  ständigen  Einreihung  der  Baß- 
klarinette, in  der  ausgiebigen  Verwendung  der  Tuba 
als  melodisches  Element,  dem  Kontrabaß  reiche 
Hilfstruppen  zugeführt  hat. 

Die  bisher  zur  Baßverdoppelung  verwendeten  Fa- 
gotte erscheinen  mir  persönlich  bloß  als  Mittel- 
stimmen von  schöner  Wirkung,  aber  als  Baßin- 
strumente zu  einer  Gruppe  Holzbläser  nur  mit  Un- 
terstützung des  Kontrafagotts  geeignet. 

Dagegen  gibt  es  dem  Streichquartett  die  reich- 
ste Gliederung,  bei  nicht  zu  sehr  mit  Bläsern  über- 


huloiien  Stellen,  ilio  Violoncells  als  alleinigen  Baß 
zu  verwenden  und  ab  und  zu  nur  durch  Pizzicati 
der  Kontrabässe  zu  verstärken,  wenn  man  es  nicht 
vorzieht,-  wie  es  auch  Wagner  zuerst  in  den  Mei- 
stersingern mit  vollstem  Bewußtsein  getan-  die 
Kontrabässe  große  Strecken  weise  ganz  schweigen 
zu  lassen. 

Von  guter  Wirkung  ist's,  um  einer  von  Violon- 
cells und  Kontrabässen  geführten  Melodie  rech- 
te Intensivität  zu  verleihen,  die  Violoncells  eine 
Oktave  tiefer  als  die  Bässe  zu  schreiben,  so  daß 
sie  gleichsam  im  Einklang  spielen  -  oder  endlich 
eine  Anzahl  Violoncells  nur  durch  ein  Pult  Kon- 
trabässe  zu  unterstützen. 

Dagegen  ist  es,  wenn  man  eine  recht  sanfte 
Harmonie  von  Streichinstrumenten  erzielen  will, 
oft  viel  besser,  die  Baßstimme  nur  den  Violon- 
cells zu  übertragen  und  die  Kontrabässe  pausie  - 
ren  zu  lassen.  So  hat  es  Weber  bei  Begleitung 
des  Adagio  der  herrlichen  Arie  der  Agathe  im 
zweiten  Akte  vom  „Freischütz"  getan.  Bei  diesem 
Beispiel  ist  zu  bemerken,  daß  anfänglich  sogar  die 
Violen  allein  den  Baß  für  die  vierstimmige  Be- 
gleitung der  Violinen  abgeben;  erst  kurz  darauf 
treten  die  Violoncells  ein,  um  die  Violen  zu  ver- 
doppeln. (Partiturbeispiel  33.) 


N9  33.  Freischütz,  Akt  IL 

Andante.         i     '^  Adagio. 


Fa?. 


cresc.        f 
Andante. 


(Sie  tritt  auf  den     r^ß~ 
Altan  und  erhebt   ^^ 
in  frommer  Ruh-  AHno-in 
rung  die  Hände.) -^tlaglO. 


cresc.       f     p 


Edition  Peters. 


aufzumSternen-krei-se!      Lied     er  -  schalle,       fei    -    ernd  wal-le      mein     Ge.bet  zur  Himmelshai    -     le! 


Recit.   (hinausschauend) 


I  ■  IkJO^pp  iipJ'i'^/ipliipj  p-^r''%FFP7-^'^^^ 


1 


m 


0  wie  hell  die  gxsldVien  Sterne,  mit  wie  rei-nemGlanzsieglüiinlnurdort  in  der  Berge  Ferne  scheint  ein 


Die  Violoncell3,  zu  einer  Anzahl  von  acht  oder 
zehn  vereinigt,  sind  wesentlich  Ges;inffsinstruinentei 
ihr  Kl:»nff  auf  den  beiden  höheren  Saiten  ist  einer 
der  ausdrucksvollsten  vom  ganzen  Orchester  Nichts 
ist  so  schwerinutsvoU,  nichts  geeigneter,  zarte  und 
schmachtende  Melodien  zum  Ausdruck  zu  bringen, 
als  eine  Masse  von  Violoncells,  die  auf  der  hohen 
Saite  im  Einklänge  spielen.  Gleichfalls  vortrefflich 
sind  sie  auch  für  Gesangsstellen  von  religiösem  Cha- 
rakter zu  verwenden;  an  dem  Komponisten  ist  es 
dann,  die  Saiten  richtig  auszuwählen,  welche  der 
betreffenden  Stelle  zum  Vortrag  dienen  sollen.  Die 
beiden  tieferen   Saiten    C  und  G  haben,  zumal  in  den 


Tonarten,  wo  sie  oft  leer  gebraucht  werden  können, 
einen  sich  hierzu  eignenden,  salbungsvollen,crnsten 
Klanggehalt,  nur  macht  es  ihre  Tiefe  nicht  wohl 
tunlieh,  ihnen  anderes,  als  mehr  oder  weniger  me- 
lodische Bässe  zu  geben,  indem,  wie  erwähnt,  die 
eigentlichen  Gesangsmelodien  den  höhei"en  Saiten 
vorbehalten  sind.  In  seiner  Ouvertüre  zu  „Obe- 
ren" läßt  Weber  mit  seltenem  Glück  die  Violon- 
cells in  den  hohen  Tönen  singen,  während  zwei 
A:  Klarinetten  unter  ihnen  unisono  mit  ihren  tie- 
fen Tönen  hinzutreten.  Das  ist  neu  und  ergrei- 
fend. (Pa  titurbeisplel  84.) 


N9  34.  Oberon,  Ouvertüre. 


Adagio  sostenuto. 


Edition  Peters 


Welcher  Vielseitigkeit  ein  einziges  Instrument 
fähig  ist,  mögen  folgende  eklatante  Beispiele  aus 
Rieh.  Wagners  Werken  beweisen-.  Die  Violoncelli, die 
unisono  mit  den  Violinen,    in  den   Meistersingern 


91 

den  edlen  Schwung  des  feurigen  Preisliedes  in 
so  intensiver  Weise  erhöhen  (Partiturbeispiel  35)sind 
Ausdruck  tiefster  Zerknirschung  im  Vorspiel  des 
dritten  Aktes  im  Tannhäuser.  (Partiturbeispiel  36.) 


N9  35.  Meistersinger,  Akt  IE. 


Wagner. 


N9  :m.  TaimhaustM',  Akt  111.  (KiiiUMtung-.) 

Andante  assai  lento. 


Wagner. 


3  Trp.in  Es, 


Ein  gleich  beredter  Interpret  der  Extase  des  1  i  nimmt  das  Violoncell  ebenso  innigen  Anteil  bei 
sterbenden  Tristan  (Partiturbeispiel  37)  wie  der  rei-  I  der  Schilderung  der  ganzen  Skala  von  beelenstim- 
fen  Weltweisheit  Hans  Sachsens  (Rirtiturbeispiel  38)    I     }  mungen  des  Menschen  und  der  Natur. 

N9  37.  Tristan,  Akt  III . 

(Sehr  ruhig  und  nicht  schleppend.) 


Wagner. 


Edition  Peters 


N9  88.  MoistcrsiiiK«'!*,  Schluß. 


In  das  frühere  ZeitmaB    zurückkehrend. 


Wagner. 


Trp.in  F. 


poco    a     jjoco   cresc 


Man  denke  forner  ;in  don  Anfang  der  Walküre 
(vffl,  Partiturbcispul  8  Seit«  12)  (Unwetter),  ebendort 
im  ersten  Akt  an  die  Stelle  des  Violoncellsolo  (kei- 
mende Liebe)  (bei  Gevaert  erwähnt),  an   Tristan 


im  ersten  Akt  (Sehnsucht)  (I'urtilurbcispiel  89)  und 
ebendort  an  Kurwenals  Spottf^esang,  im  Verein 
mit  Bratschen  und  Hörnern  (Derbheit).  (I'urtitur- 
b.'ispi.l  '»0.) 


Wagner. 


Engl.H 


100 


N'.'40.  Tristan,  Akt  I. 

Lebhaft,  doch  nicht  zu  schnell. 


Wagner. 


IrlandsMaid ver-macht,    der   kannderMagdnichteigensein,dieselbstdemOhmerschenkt.  Ein    Herr    der 

Bog^  1  pizz. 


dim.      P 


/  ■  /r 

(Da  Tristan  durch  Gebärden  ihm  zu  wehren  sucht,  und  Brangäne  entrüstet  sich  zum  Weggehen  wendet,  singt  Kur- 
wenal  der  zögernd  sich  Entfernenden  mit  höchster  Stärke  nach:) 


ha  -   ben;ein    Eilandschwinuntaufö-demMeer,daliegternunbe-gra   -          -   ben!  SeinHauptdochhangti; 

Bog., 


Fag. 


I  -  renland, als  Zins  gezahlt  von     En-ge  -  land:  hei!  unser  HeldTris-tan,      wieder    Zins  zah-lenkann!' 

(,'   .   .   ,  pizz.      Bog. 


103 


Obschon  unsere  Violoncellisten  heutzutage  sehr 
geschickt  sind  und  alle  möglichen  Schwierigkei- 
ten ohne  Mühe  ausführen,  ist  es  doch  sehr  selten, 
daß  schnelle  Violoncellpassagen  in  der  Tiefe  nicht 
irgendwie  Verwirrung  anrichten.  Und  was  Gän- 
ge betrifft,  welche  mit  Einsatz  des  Daumens  in 
den  hohen  Tonregionen  sich  bewegen,  so  ist  da- 
von noch  weniger  Ersprießliches  zu  erwartenj  sie 
sind  nicht  sonderlich  klangvoll  und  ihre  Rein- 
heit ist  stets  sehr  zweifelhaft.  Passagen  in  die- 
sen hohen  Regionen  sagen  offenbar  den  Violen 
oder  zweiten  Violinen  besser  zu.  In  den  moder- 
nen, reich  ausgestatteten  Orchestern,  wodieVio- 
loncells  in    großer  Anzahl  vorhanden  sind,    teilt 


man  übrigens  dieselben  oft  in  erste  und  zweite; 
die  ersten  führen  melodisch  oder  harmonisch  eine 
besondere  Stimme  für  sich  aus,  die  zweiten  ver- 
doppeln die  Kontrabässe  in  der  Oktave  oder  im 
Einklänge. 

Für  Begleitungsformen  von  trübsinnigem,  ver- 
schleiertem, geheimnißvollem  Charakter  setzt  man 
bisweilen  sogar  über  die  Baßstimme,  dieselbe  den 
Kontrabässen  allein  überlassend,  zwei  verschie- 
dene Violoncellstimmen,  und  bildet  so  im  Verein 
mit  der  Violastimme  ein  Quatuor  von  tiefen  Har- 
monien. Diese  Anordnung  ist  aber  selten  wohl 
begründet,  man  muß  sich  vor  Mißbrauch  dersel- 
ben  hüten.       (Partiturbeispiel  41.) 


N9  41.  Romeo  und  Julie,  Abteilung  in  (Scene  d'amour). 


104 

Das  TrtMiiolo  zu  zwei  Saiten,  sowie  die  Arpeg- 
jyien  im  Forte  eignen  sich  sehr  gut  für  das  Vio- 
loncell;  sie  bereichern  die  Fiille  der  Harmonie 
bedeutend  und  vermehren  die  allgemeine  Klang- 
kraft des   Orchesters. 

In  der  Introduktion  der  Ouvertüre  zu  „Wil- 
helm Teir'  hat  Rossini  ein  Quintett  für  fünf  So- 
lo-Violoncells  geschrieben,  das  von  den  übrigen, 
in  erste  und  zweite  geteilten  Violoncells  mit  Piz- 
zik-ato  begleitet  wird.  Diese  tiefen  Klänge  glei- 
cher Natur  sind  hier  von  vortrefflicher  Wirkung 
und  dienen  dazu,  die  Orchestration  des  darauf 
folgenden  Allegro  noch  glänzender  erscheinen 
zu  lassen. 


Das  Pizzikato  darf  dorn  Violoncell  nicht  in  zu 
groLScr  Schnelligkeit  zugemutet  worden,  und  das 
Mittel,  das  wir  zur  Vervollkommnung  des  Pizzi- 
kato bei  den  Violinen  vorgeschlagen  habcn,würde 
bei  diesem  Instrument  wegen  der  Dicke  und  Span- 
nung seiner  Saiten,  sowie  wegen  des  zu  groüen 
Abstandes  dieser  letzteren  vom  Griffbrett  nicht 
so  leicht  anwendbar  sein.  Nach  dem  allgemein 
üblichen  Verfahren,  das  Pizzikato  auszuführen, 
darf  man  die  Schnelligkeit  von  acht  Achteln  im 
Allabreve- Takte  (Allegro  non  troppo)  oder  von 
zwölf  Sechzehnteln  in  einem  Sechsachteltakte 
(Andantino)  für  Pizzikato-Gänge  oder-Arpeggien 
nur  selten  überschreiten. 


Allegro  non  troppo. 


^^^^Mi^i^l-:i3       ^^^ 


Der  Kontrabaß. 


Es  gibt  zwei  Arten  von  Kontrabässen:  solche 
zu  drei  und  solche  zu  vier  Saiten.  Die  zu  drei 
Saiten  sind  in  Quinten, 

p  .  .erste  Saite. 
')'•  o  '■.  .  .zweite  Saite. 
*• .  .  .dritte  Saite. 

die  zu  vier  Saiten  sind  in  Quarten  gestimmt: 


.erste  Saite, 
.zweite  Saite, 
.dritte  Saite, 
.vierte  Saite. 


Der  Ton  der  einen  wie  der  anderen  erklingt  um 
eine  Oktave  tiefer  als  die  geschriebene  Note.  Ihr 
Umfang  im  Orchester  beträgt  zwei  Oktaven  und 
eine  Quarte,  beim  Kontrabaß  zu  drei  Saiten  je- 
doch in  der  Tiefe  drei  Töne  weniger. 

Kontrabaß  mit  vier  Saiten. 


Der  Kontrabaß  zu  vier  Saiten  ist  meiner  Mei- 
nung nach  dem  zu  drei  Saiten  vorzuziehen,  erst- 
lich in  Bezug  auf  die  Leichtigkeit  der  Ausführung, 
da  die  Stimmung  in  Quarten  den  Spieler  bei  Vor- 
trag der  Tonleiter  nicht  nötigt,  auf  dem  Griff- 
brette fortzurücken,  dann  aber  auch  wegen  des 
großen  Nutzens  der  drei  tiefen  Töne  E,  F  und 
Fis,  die  dem  in  Quinten  gestimmten    Kontrabasse 


fehlen,  und  deren  Mangel  jeden  Augenblick  auf 
die  Führung  der  sonst  bestangelegten  Fundamen- 
talstimme störend  einwirkt,  ein  Mangel,  der  oft 
notgedrungen  für  diese  wenigen  Noten  eine  un- 
angenehme, unbequeme  Umschreibung  nach  der 
Höhe  veranlaßt.  Dieser  Übelstand  macht  sich  in 
noch  höherem  Grade  bei  den  englischen  Kontra- 
bässen bemerkbar,  die,  obgleich  in  Quarten^  ge- 
stimmt, auch  nur  drei  Saiten  haben,  A,D,G:  9^0^ 
In  einem  guten  Orchester  sollte  man  mehrere  Kon- 
trabässe zu  vier  Saiten  haben,  und  zwar  einige 
davon  in  Terz  und  Quinten  gestimmt:     */~  S     [| 

man  erhielte  dann  mit  den  anderen,  in  Quarten 
gestimmten  Kontrabässen  eine  Kreuzung  von  lee- 
ren Saiten,  die  der  Klangkraft  sehr  zu  statten 
käme: 


Kontrabaß  in  Terz  und  Quinten  gestimmt. 


Um  den  Umfang  nach  der  Tiefe  zu  erwei- 
tern, hat  man  seit  vielen  Jahren  schon  Kontra- 
bässe mit  fünf  Saiten  bespannt,  das  heißt  eine 
neue  Saite  dem  alten  vier-saitigen  Kontrabas- 
se hinzugefügt,  die   das   -^    i  angibt.    So  viel 

Wert  der  Gewinn  dieses  tiefen  Tones  für  die  Er- 


105 


zielung  vibrierender  Sonorität  auch  besitzt,  hat 
dadurch  doch  das  Instrument  für  den  Spieler  den 
i  großen  Nachteil,  daß  das  Niederdrücken  der  Sai- 
5  ten  der  Hand  die  größte  Schwierigkeit  verur- 
5  sacht,  da  bei  einer  Bespannung  mit  fünf  Saiten 
5  die  mittleren  sehr  hoch  über  das  Griffbrett  zu 
I  liegen  kommen.  Dem  fünf-saitigen  Kontrabaß 
I  ist  daher  ein  vier-saitiger  mit  einer  Klappen- 
I  Vorrichtung,  die  das  tiefste  E  nach  Belieben  in 
5  das  tiefere  C  verwandelt,  entschieden  vorzu- 
5  ziehen. 

I  Am  besten  hat  sich  eine   von  dem    Berliner 

\  Kammermusiker  Max  Poike  erfundene  und  von 
l  Ludwig  Glaesel  in  Markneukirchen  ausgeführte 
l  Neuerung  bewährt,  die  darin  besteht,  daß  die 
j  E-Saite  und  ein  Teil  des  Griffbretts, der  Men- 
l  surlänge  eines  jeden  Instrumentes  entsprechend, 


bis  auf  Kontra-C 


verlängert  wird.    Um 


5  die  tiefer  als  E  liegenden  Kontratöne  bequem 
5  spielen  zu  können,  ist  an  der  Seite  des  Griff- 
5  bretts  eine  Mechanik  angebracht,  welche  aus 
5  vier  ineinanderliegenden  Messingröhrchen  be- 
1  steht,  deren  untere  Enden  mit  Fingergriff  tasten, 
I  die  oberen  mit  Saitendrucktasten  versehen  sind. 
I  Die  Tasten  heißen:  E,Es,D,  Des.  Bei  Nicht- 
I  gebrauch  der  Kontratöne  Es,  D,  Des,  C  wird  die 
I  Saitendrucktaste  E,  welche  eine  Polsterung  trägt 
I  und  den  Sattel  ersetzt,  für  gewöhnlich  geschlos- 
i  sen.  Die  Feststellung  geschiehtdurch  einen  Druck 
J  des  Daumens  gegen  einen  Hebel.  Die  Auslösung 
{  erfolgt  geräuschlos,  wenn  Fingergriff  taste  Ege- 
'.  halten  und  ein  Feststellhebel  durch  einen  Druck 
i  auf  Fingergrifftaste  Es  ausgelöst  wird. 
5  Wo  es  irgend  angeht  empfehle  ich  die  Besetz- 
j  ung  mit  Kontrabässen  verschiedenen  Systems,  da^ 
'  runter  jedenfalls  auch  den  italienischen  drei-sai- 
j  tigen,  der  sich  unvergleichlich  besser  zur  Kari- 
j  tilene  eignet  als  unsere  deutschen  Kontrabässe.. 
l  Was  die  Bögen  für  den  Kontrabaß  anbelangt, 
l  so  gibt  es  noch  heute  deren  zweierlei  Arten:  die 
f  mit  rund  gebogenem  Holz_  die  schwer  zur  Kan- 
i  tilene  zu  verwenden  sind  und  dem  Ton  etwas  har- 
5  tes  und  gerissenes  geben_  und  der  vergrößerte 
',  Violoncellbogen,  der  allein  alle  Spielarten  der 
1  Streichinstrumente  auch  auf  dem  Kontrabaß  er- 
*  möglicht. 

Die  Kontrabässe  sind  im  Orchester  für  die 
tiefsten  Töne  der  Harmonie  bestimmt.  Ich  habe 
bereits  oben  gesagt,  in  welchem  Falle  man  sie 
von  den  Violoncells  trennen  kannj  den  Nachteil, 
welcher  dadurch  für  die  Fundamentalstimme  er- 
wächst, kann  man  dann  (bis  zu  gewissen  Grenzen) 
dadurch  verdecken,  daß  man  die  Kontrabässe  (in 
der  Oktave  oder  im  Einklänge)  durch  Fagotte,Bas- 
sethörner,  Baßklarinetten,  oder  durch  die  tief- 
sten Töne  der  gewöhnlichen  Klarinetten  verdop- 


pelt;*^ aber  abscheulich  finde  ich  es,  wenn  man- 
che Musiker  bei  dieser  Gelegenheit  auch  Posau- 
nen und  Ophikleiden  verwenden,  deren  Klangcha- 
rakter ja  weder  innere  noch  äußere  Ähnlichkeit 
mit  dem  der  Kontrabässe  hat  und  sich  daher  sehr 
schlecht  mit  ihm  verbindet. 

i         Hauptsächlich  ist  die  Hinzuziehung  der  Po- 
i  saune  als  Baßverstärkung  gänzlich  zu    verwer- 
l  fen.     Es  kommt  eben  in  diesem  Punkte  allesauf 
5  die  geschmackvolle  Art  der  Verwendung  der  sich 
■  für  Baß -Verdopplungen  eignenden    Instrumente 
an.     Ich  erlaube  mir,    auf  die  Benutzung  der  ver- 
schiedenen  Baßtuben  in  den  Partituren  meines 
Zarathustra  und  Heldenleben  hinzuweisen  — 

In  großen  Tuttis  werden  häufig-  ich  selbst 
habe  den  Fehler  begangen-     wichtige  Baßthe- 
men,   die  von  den  drei  Posaunen  zu  blasen  wa- 
ren,  noch  durch  Fagotte,  Violoncelli  und   Kon- 
trabässe unterstützt.   Dies  ist  ganz  wertlos:  denn 
der  harte,    durchdringende  Ton  der   wuchtigen 
drei  Unisono -Posaunen  wird  eher   durch    diese 
Unterstützung   gemildert  als  verstärkt.     Wenn 
l  man  also  den   Fagotten   und      Streicherbässen 
5  nicht  Füllstimmen  oder  Figuration  zu  geben  hat, 
l  lasse  man  sie  bei  solchen   „marcatos"  der  Po- 
l  saunen  lieber  ganz  schweigen—  es  sei  denn,  daß 
I  man  deren  Klangkraft  zu  mildern  geradezu  be- 
J  absichtige. 

Nicht  unmöglich  ist  es,  daß  sich  hin  und  wie- 
der passende  Gelegenheit  bietet  von  den  Flageo- 
lettönen  der  Kontrabässe  mit  Erfolg  Gebrauch  zu 
machen.  Die  bedeutende  Spannung  der  Saiten, 
ihre  Länge  und  ihr  Abstand  vom  Griffbrett  be- 
dingen jedenfalls  von  den  künstlichen  Flageo- 
lettönen  ganz  abzusehen;  die  natürlichen  Fla- 
geolettöne  aber  sprechen  sehr  gut  an,  nament- 
lich von  der  Mitte  der  Saite  aus  (welche  die  hö- 
here Oktave  gibt)  nach  der  Höhe  zu;  es  sind  die 
nämlichen  Flageolettöne  wie  bei  den  Violoncells, 
doch  eine  Oktave  tiefer. 

Von  Doppeltönen  und  Arpeggien  kann  man 
auf  dem  Kontrabasse  im  Notfalle  Gebrauch  ma- 
chen, aber  nur  dann,  wenn  sie  aus  höchstens 
zwei  oder  drei  Noten  bestehen,  und  wenn  von 
diesen  Noten  höchstens  eine  zu  greifen  ist, 
z.B. 

Kontrabässe  in  Quarten  gestimmt: 

pocoy 


ff  ff  Jf  ff 


Kontrabässe  in  Quinten  gestimmt: 

poco  f 


)  Am  besten  benutzt   man  hierzu  das  Kontrafagott. 
Edition  Peters.  9039 


10« 


Sehr  Ifuht  erhält  mau  ein  unterbrochenes  Tre- 
molo (treinolo  intormitteiit),  und  zwar  vermötje 
der  Elastizität  des  Bo^'cns,  der  nach  einem  ein- 
zigen, ziemlich  lebhaften  Anschlag  mehrmals  auf 
die  Saiten    zurückprallt: 

AUofiio  Miodorato. 

Nicht  so  verhält  es  sich  mit  der  folgrenden  Stelle: 
AUegro  modcrato. 

i-f^f#fJL^UJJJJJJJjJ 


Diese  lälil  sich  nur  als  anhaltendes  Tremolo  uiid 
nicht  ohne  Mühe  bewci'kstelli{ccn,  indem  hierbei 
die  Saiten  mit  der  Spitze  des  BoRcns,  die  der 
Kraft  entbehrt  und  wenig  Ton  gibt,  gespielt  wer- 
den   müssen. 

Das  anhaltende  Tremolo  der  Kontrabässe,  wenn 
auch  weniger  dicht  als  das  oben  erwähnte,  ist 
jedoch  von  ausgezeichneter  dramatischer  Wir- 
kung;- 

i  und  der  Ausdruck  erhabensten  Schauers!  (Man 
?  sehe  Vorspiel  zu  Parsifal)._     Eine  in   ihrer  Art 

!  einzige  Verwendung  der  tiefsten  Instrumente 
des  Orchesters  findet  sich  im  II.  Akt  Walküre, 
bei   Wotans    Erzählung.     (Partiturbeispiel   42.) 


NO  43.  Walküre,  Akt  IL 


Mäßig  langsam 


Wagner. 


Was     kei-nem  in  Wor-ten  ich  kün-de,  un  -  aus-ge-sprochenbleiÜ     es  denn       e  -  wig: 


107 


Wu-ten  gejagt,    gewann  ich  mir  die  Welt.     Un-wissend  trug  voll  T^nti^u-e  übt'  ich,        band  durch  Ver- 


Edition  Peters. 


Edition  Peters. 


109 


Die  al-les\veiß,\vaseinsten\var,  Er-da,    dieweihlichwei-se-steWa-la, 


riet  mir  ab  von  dem  Ring,  warn-te  vor     e    -    wi-gem  En-de.  Von  dem  En- de  wollt'  ich  mehr  noch 

(nur  die  6  zweiten  Vlc.) 


110 


(»urüclchaltend) 


J^-W^'  P  pl»M  ^^■'^^- 


wis-senj        dochschweigendver-schwand  mir  das  Weib.           Da  ver  -    lor  ich  denleich-ten  Mut; 
.(6) pizz- Bog. 


Ein  wenif?  bewegter 


Hörn  II. 
iiiE. 


8  Pos. 

K.B.-Pos 

Pke. 

Wot. 


Mit       arht  Schwestern  Zop  ich  dich   auf;       durcheuch  Wal  -  kü-renwoUt  ich  wenden,was  mirdie 


Wa  -   la  zu  fürchten  schuf:  ein  schmähliches    En-deder    Ew'gen.    Daß        stark  zum  Streit        uns 


Edition  Peters 


113 


trü-ber  Ver-trä-ge  trü-gen-de  Ban  -  de  zu         blin  -  den    Ge-hor- sam  wir   uns     ge 


Edition  Peters. 


11« 

8  Klar,  in  A 


^^ 


i^=äJf  i   nJ)^ 


8Fa5. 


imm  grolltmirder  Niblung;  dochsche^^ichnunnichtseinenächti^enScharen,  meine Hel-denschüfenr 


pocoi 


Sieg. 


Nur  weimje  den  Ring  zurück  er  gewänne,  dannwä-reWal-hall    ver- 

pizz. 


^pptrem. 


Edlenend-loserSchmachjderHelden     Mutentwendet  er  mir,    dieKühnen  selber  zwäng' erzumKampf,  mit  ihrer 


Edition  Petens. 


119 


bin-den:  Der  durch Ver-trä  -     -      -  ge  ich     Herr,    denVer-trä -gen bin  ich  nun  Knecht 


Hoi  aller  Euit'iuhhoit  bedeutet  diese   Stelle    für 
mich  mit  das    unerhörteste  Wunder  eines    Ge- 
nius,   dem  es  wie  keinem   zweiten  vergönnt  war, 
alle  Regungen  des  Gemiits,    alle   Schwingungen 
der  Leidenschaft  mit  einer  Deutlichkeit  in    die 
Klangfarbe   des   Orchesters  umzusetzen,  die  je- 
den Hörer  unbezwinglich  bannt  und  überzeugt. 
—  nichts  verleiht  dem  Orchester  eine  drohen- 
dere Physiognomie;   aber  es  darf  nicht  lange  an- 
dauern, soiist  würde  es  wegen  der  Ermüdung  der- 
jenigen Spieler,    welche  sich  wirklich  bemühen  es 
gut   auszuführen,  bald  zur  Unmöglichkeit  werden. 
Ist  man  für  längere  Zeit  genötigt,  die  Tiefen  des 
Orchesters  in  dieser  Weise  aufzuwühlen,  so  ist  es 
besser,    man  teilt  die  Kontrabässe  in  zwei   Stim- 
men und  gibt  ihnen  nicht  ein  wirkliches  Tremolo, 
sondern  nur  wiederholte  beschleunigte  Anstöße, 
die  unter  sich  rhythmisch  verschieden  sind,  währ- 
end dann  die  Violoncells  das  echte  Tremolo  aus- 
führen: 


AUegro. 

^FT-^ 1 

^ 

i 

-^j — 1 

"'/ 

-<, 

F=f=^ 

^J— J 

mrr- 

1^ 

Kontrabaß  II. 

yL=£ 

Da  hier  die  Sechzehntel  der  einen  Stimme  nur 
bei  Beginn  jedes  Taktgliedes  mit  den  Triolenach- 
teln  der  anderen  Stimme  zusammentreffen,  so  ent- 
wickelt sich  daraus  ein  dumpfes  Gemurmel,  das 
dem  Tremolo  sehr  nahe  kommt,  dieses  also  ziem- 
lich gut  ersetzt.  Ich  glaube  sogar,  in  vielen  Fäl- 
len sind  diese  verschiedenartigen,  gleichzeitig 
zu  hörenden  Rhythmen  dem  eigentlichen  Tremo- 
lo vorzuziehen. 

Schnelle  diatonische  Läufe  zu  vier  oder  fünf 
Noten  sind  oft  von  ganz  treffender  Wirkung  und 
lassen  sich  sehr  gut  ausführen,  wenn  wenigstens 
eine  leere  Saite  dabei  vorkommt: 


schsverer,  wegen  des  abwärts  laufenden  Ganges: 


^'fV 


^^g^^^^^^S  ^^&i_i— a 


Wollte  man  durchaus  einen  längeren  raschen 
Lauf  der  Kontrabässe  in  Verwendung  bringen,  so 
wäre  es  am  besten,  man  teilte  sie  und  übertrüge 
auf  sie  jenes  Verfahren  der  Verteilung,  welches 
ich  bei  den  Violinen  gezeigt  habe;  man  müßte 
dann  aber  besonders  darauf  achten,  daß  die  er- 
sten Kontrabässe  den  zweiten  nicht  zu  fern  ste- 
hen. 


Kontrabaß  II. 


Sehr  unrecht  ist  es,  daß  man  dem  schwerfäl- 
ligsten aller  Instrumente  heutzutage  oft  Stellen 
von  solcher  Schnelligkeit  hinschreibt,  die  selbst 
die  Violoncells  Mühe  haben  würden  gut  heraus- 
zubringen. Daraus  entstehen  bedeutende  Miß- 
lichkeiten; die  Kontrabassisten,  zu  bequem  oder 
in  Wahrheit  unfähig,  um  gegen  dergleichen  Schwie- 
rigkeiten anzukämpfen,  leisten  gleich  anfangs 
Verzicht  darauf  und  sind  beflissen,  die  Stelle 
zu  vereinfachen;  da  aber  die  Vereinfachung  der 
einen  nicht  die  der  anderen  ist,  weil  sie  nicht 
alle  die  gleichen  Gedanken  ob  der  harmonischen 
Wichtigkeit  der  verschiedenen  dabei  vorkommen- 
den Noten  haben,  so  ergibt  sich  eine  Unordnung, 
eine  Verwirrung,  die  schrecklich  anzuhören  ist. 
Dieses  summende  Chaos  seltsamer  Geräusche, 
häßlicher  Grunzlaute,  wird  dadurch  noch  vergrö- 
ßert, daß  wieder  andere  Bassisten,  eifriger  oder 
auf  ihre  Geschicklichkeit  mehr  vertrauend,  sich 
in  unnützen  Anstrengungen  ergehen,  um  der  Stel- 
le, genau  so  wie  sie  geschrieben  steht,  Herr  zu 
werden. 

Die  Komponisten  müssen  also  wohl  darauf  be- 
dacht sein,  von  den  Kontrabässen  nur  das  Mög- 
liche zu  verlangen,  um  einer  guten  Ausführung 
sicher  zu  sein,  und  um  zugleich  das  alte  Verein- 
fachungssystem der  Kontrabassisten,  welches  in 
der  früheren  Instrumentalschule  allgemein  be- 
folgt ward  und  dessen  Gefährlichkeit  wir  soe- 
ben gezeigt  haben,    gänzlich  zu  beseitigen.    Hat 


Edition  Peters. 


lai 


der  Komponist  nur  Sachen  geschrieben,  die  der 
Natur  dts  Instrumentes  zusagen,  so  muß  sie  der 
Spieler  ausführen,  nichts  mehr,  nichts  weniger; 
ist  aber  der  Komponist  im  Unrecht,  so  hat  er  so- 
wohl wie  die  Zuhörer  die  Folgen  davon  zu  tra- 
gen, die  Ausführenden  sind  dann  für  nichts  mehr 
verantwortlich. 

i  Düsteres,    Schauriges,  Grübeln  und  Versun- 

l  kenheit  wiederzugeben,  dazu  eignen  sich  die  Kon- 


i  trabässe  ganz  besonders;   als  Beispiele  dienen 
\  hier  nur: 

Die  Solostelle  in  Verdis   Otello, 
Das  Lied  der  Alten  in  Marschne^s    Hans 
Helling, 

Tristans  Erwachen  (im  dritten  Akt) 
und  die  Fuge  in  meiner  Tondichtung:  Also  sprach 
i  Zarathustra. 

(Partiturbeispiele   43.  44.  45.  46.) 


NO  43.   Otello,  Akt  W. 

Poco  piü  mosso. 

Otello  tritt  mit  der  ersten  Note  durch  eine  geheime  Tür  in  Desdemonas  Schlafgemaj^ 
(N,ur  vier-saitiRe  Kontrabässe  Soli  mit  Sordinen  )  „      ^^     ,    ,-^  (Alle)  ,^  h^Tü^- 


Vcrlap  G.  Ricordi*  Co.,  Mailand 


122 


4Fdff. 


Edition  Peters. 


unpoco  marcato  cresc. 

9089 


NO  44.  Hans  Helling,  Akt  H. 


Andante  sostenuto 


(Durch  die  ganzeNummerhört  man  den  Wind  sausen,  aberiiiir  an  den  bezeich- 
neten Stellen  stark.) 


Fag. 


Hornl. 

inE. 


Eingei-zi-ger,  harther-zi-gerMann,denSchatz  zu  he-ben    kommt  er  an;       des  Nachts  wohl  auf  der  Hei 
.consord.  £ 1£ r^ 


>\  dim, 

Edition  Peters 


125 


N945.  Tristan,  Akt  III. 


Langsam 


Wagner. 


ingl.Horn. 


Verlag  Breitlmpf  4  Hartel,  Leipzig. 


6  Horner< 
in  F. 


Viol.  I.II. 

mit  Dämpfer. 


Viola. 


N946.  Zarathustra,  Fuge. 

Sehr  langsam.  („Von  der  vVissenschaft.") 


127 


Die  Schleifer    (fusees),    welche  man  in  kbinen 
Noten  den  größeren  Noten  voranzusetzen  pflegt: 


werden  durch  schnelles  Hinuntergleiten  auf  der 
Saite  ausgeführt,  ohne  daß  es  dabei  mit  der  Rein- 
heit eines  jeden  Zwischentones  zu  genau  genommen 
wird;  die  Wirkung  derselben  kann  ungemein  glück- 
lich sein.  Man  kennt  die  wutvollen  Stöße,  welche 
die  Kontrabässe  dem  Orchester  versetzen,  indem 
sie  das  hohe  F  mit  Anlauf  der  vier  kleinen  Noten 

Edition  Peters.  S 


h,  c,  d,  e   erfassen,  —  in  der  Höllenszene  des  „Orpheus", 
bei  den  Worten: 

„Wenn  ihm  mit  schrecklichem  Drohen 
Den  Eingang  der  Cerberus  wehrt!" 
Dieses  rauhe  Gebell,  eine  der  höchsten  Eingebungen 
Glucks,  ist  hier  noch  um  so  fürchterlicher,  als  der 
Tonsetzer  dabei  die  dritte  Umkehrung  des  vermin- 
derten Septimenakkordes  (f-gis-h-d)  anwendet  und, 
um  seinem  Gedanken  Prägnanz  und  möglichste  Hef- 
tigkeit zu  geben,  die  Kontrabässe  nicht  nur  mit  den 
Violoncells,  sondern  auch  mit  den  Violen  und  der 
ganzen  Masse  der  V^iolinen  in  der  Oktave  verdoppelt, 
^artiturbeispiel  47.) 


N9  47.  Orpheus,  Akt  II 


Gluck. 


Edition  Peters 


Beethoven  hat  ebenfalls  aus  solchen  nicht  deut- 
lich artikulierten  Noten  Vorteil  gezogen,  aber  in  ent- 
gegengesetzter Weise,  und  zwar  mit  Betonung  der 
Anfangsnote  einer  derartigen  Gruppe.  Diese 
Baßgänge  finden  sich  in  der  Gewitterszene  der  Pas- 
toralsymphonie, und  geben  treffend  den  Gedankender 
Anstöße  eines  heftigen,  den  Regen  peitschenden  Win- 
des und  des  dumpfen  Getöses  eines  stürmenden  Un- 
wetters  wieder.  Zu  bemerken  ist  hierbei,  daß  Beethoven 


129 

bei  dieser,  sowie  bei  vielen  anderen  Gelegenheiten 
den  Kontrabässen  in  der  Tiefe  Noten  gegeben  hat, 
die  sie  nicht  ausführen  können;  man  könnte  hier- 
aus schließen,  daß  das  Orchester,  wofür  er  schrieb, 
Kontrabässe  besaß,  die  bis  zum  C  der  tiefen  Ok- 
tave des  Violoncell-C  hinuntergingen, Kontrabässe, 
die  man  heutzutage  nicht  mehr  findet. 
(Partiturbeispiel  48.) 


N948.  Pastor alsymphonie,  Satz  III.  (Gewitter, stürm.) 


Allegro 


Beethoven . 


Trp.in  Es, 


Trp.in  Es, 


^.,.  & 


I.VZ 


Vom  vortrorilithor  Wirkung  ist's,  bei  reinoii 
RlHsorsttllen  die  in  den  Fagotten  oder  BiiUklari- 
netten  oder  tiefen  Hörnern,  oder  gar  Tosaunen 
oder  Haßtuben  liegenden  Unterstimmen  je  nach 
Krfordernis  durch  ein  oder  mehrere  Pulte  Kon- 
trabässe verdoppeln  zu  lassen,  wenn  man  nicht 
gleich   vorzieht,  durch    Kontrafagott    oder  Kon- 


frahalJklarinette  den  lf>  Fuß   zu  geben. 

So  wird  sehr  oft  die  Komturstcllo  in  Mozarts 
Don  Juan  von  Mlasern  allein  ausgeführt,  während 
gerade  Kontrabässe,  die  der  göttliche  Mozart  den 
Posaunen  beigegeben  hat,  (besonders  hinter  der 
Szene)  der  Stelle  eine  ganz  merkwürdig  geister- 
hafte Färbung  verleihen.  (Purtiturbeispiel  AOJ 


N9  49.  Don  Juan,  Akt  II. 


Adagio. 


«  Ob. 

:  Klar,  in  R. 

«Paff. 

Alt-Pos/ 
TenrPos.S 


Don  Juan 
Leporello. 
Kontrab. 


Wer   sprach  hier? 


')r,l   I 


oyia-nu.  Hier  r  U     • 

1 1     p  ^fH'iH^isi 


^^ 


Ach,    ein  Geist  war's  g-anzbe- 


133 


Bisweilen  wirkt  es  dramatisch  und  schön, wenn 
man  den  Violoncells  die  wirkliche  Fundamental  - 
stimme  oder  wenigstens  solche  Noten  gibt,  welche 
den  Akkord  bestimmen  und  auf  die  schweren  Takt- 
teile treffen,unt  er  ihnen  aber  dem  Kontrabaß  eine 
für  sich  bestehende  Stimme  zuerteilt  deren  Füh- 
rung,   von    Pausen    unterbrochen,    der  Harmonie 


gestattet,  sich  auf  die  Violoncells  zu  stützen.  In 
der  bewundernswerten  Szene  im  „Fidelio",  wo  Leo- 
nore  und  der  Kerkermeister  Florestans  Grab  gra- 
ben, hat  Beethoven  die  ganze  feierliche  Würde  des 
Ausdrucks,  die  düstere  Trauer  dieser  Art  der  In- 
strumentation gezeigt.  Er  hat  jedoch  in  diesem  Falle 
den  wirklichen  Baß  den  Kontrabässen   gegeben. 


N9  50.  Fidelio,  Akt  II. 


Andante  con  moto. 

Dieses  Stück  wird  durchaus  sehr  leise  gespielt  und  die  s/^und^  müssen  nicht  zu  stark  ausgedrückt  werden. 


Ten.-u. 
Baß-Pos. 


m.i:     i:    ^illVli^i:     l    ^  U  l    ^ 


(Rocco  fängt  gleich  mit  dem  RitorneU  an  zu  arbeiten,  während  dessen  benutzt  Leonore  die  Momente, wo  sich 
Rocco  bückt,  um  den  Gefangenen  zu  betrachten.) 


3  S         3  3     3      3  3 


137 


188 

Um  ein  trauervolles  Si-hwciRon  auszudrücken, 
habe  ich  in  einer  Kantate  den  Versuch  gemacht,  die 
Kontrabässe    in    vier    Stimmen  zu  teilen  und  sie  auf 


dioso  Weise  unter  einem  Decrescendo  des  ganzen 
übrigen  Orchesters  lange  Akkorde  im  Pianissimo 
aushalten   zu   lassen.    ( Purtiturbclspiel  51.) 


N951.  Le  cinq  Mai,  Kantate  für  Baß  und  Chor. 


Berlioz. 


139 


Edition  Peters. 


Das  Pizzikato  der  Kontrabässe,  stark  sowohl 
wie  schwach,  ist  von  guter  Klangfülle,  wenn  man 
es  nicht  gerade  bei  sehr  hohen  Tönen  anwendet ; 
aber  es  ändert  je  nach  den  Harmonien,  denen  es 
zur  Unterlage  dient,  den  Charakter.  So  wirkt  das  be- 
rühmte Pizzikato- A  in  der  Freischütz-Ouvertüre 
nur  durch   den  Widerhall   des   verminderten  Sep- 


timenakkordes (fis-a-c-es), der  dadurch,  auf  schledi- 
tem  Taktteile,  in  die  erste  Umkehrung  gestellt  wird, 
so  drohungsvoll  und  höllenbang.  Als  Dur- Tonika 
oder  Dominante,  halbstark  wie  im  vorliegenden 
Falle  angeschlagen,  würde  dies  A  nichts  Fremd- 
artiges mehr  an  sich  haben.  Siehe  Freischütz- Par- 
titur.   (Etition  Peters  N9  1000.) 


Man  vergleiche  ferner: 


NO  5S.  Tristan,  Akt  I. 


Wagner. 


Faff. 


Violen. 

((fctcilt) 


Wodortdie  grü-nen  Flu-ren  dem  Blick  noch  blau  sich  fär-ben ,  harrt  mein  Kö  -  nig-      mei-ner  Frau ; 


Bei  dieser  Stelle  ruft  in  mir  das  Pizzikato- 
G  der  Kontrabässe  zu  dem  Nonenakkord  stets 
eine  Farbenempfindung  hervor.    _  _         _ 

Wenn   ich  mir   vergönnen  darf  über  die  so  sehr 

schwierige  Behandlung     des    Streichkörpers 

der  so  oft  ein  ganz  merkwürdig  widerspensti- 
ges Instrument  in  der  He.nd  des  Stümpers  wird- 
einige  Winke  zu  geben,  so  möchte  ich  außer  den 
in  Stil  und  Technik  mustergiltigen  Streich- 
quartetten Mozarts  die  Partituren  Rich.Wagners 
insbesondere  auf  ihre  Streichquintett  -  Poly  - 
phonie  hin  zum  Studium  empfehlen.  Das  Sieg- 
fried-Idyll mit  seiner  herrlichen  Linienführung 


und  die  vom  Tremolo  fast  gereinigten  Tristan 
und  Meistersinger  sind  auf  jeder  Seite  für  sich 
schon  ein  wahres  Kompendium  für  die  Kunst,  den 
Streidikörper  zur  vollen  Klangentfaltung  zu 
bringen.  Ein  hervorragendes  Beispiel  in  Bezug 
auf  polyphone  Führung  und  Verwendung  der 
weiten  Lage- die  ein  reiches  Mitklingen  der 
Obertöne  gestattet-  sind  von  dem  in  diesem 
Punkte  überhaupt  mustergiltigen  Preisliede  die 
Takte,  wo  Walther  singt:  „Dort  unter  einem  Wun- 
derbaum, von  Früchten  reich  behangen,  zu  schau'n 
in  seligem  Liebestraum,  was  höchstem  Lustver- 
langen Erfüllung  kühn  verhieß,  das  schönste 
Weib".     (Partiturbeispiel  53.) 


»'»•.'  N958.  Meistersinger,  Akt  III.  (Pieisiied.) 

Sehr  mäfliy.  »ehr  lauir 


Wagner. 


Ein  weniff  zurückhaltend. 


143 


Wolihp  Instrumentalgruppe  könnte  an  der  als 
geniale  Eingebung  so  einzigen  Stelle  besser  den 
Eindruck  tiefster,  innerer  Vorsunkenheit  hervor- 
bringen, als  das  bei  Tristans  Worten  „Siehst  du  sie, 
siehst  du  sie  noch  nicht?"  in  tiefer  Lage  sammet- 


woich  eintretende  Streichquintett,  das  anscheinc^nd 
bewegungslos  und  doch  so  geheimnißvoll  schwin- 
gend und  leise  vibrierend  den  sehnsuchtsvoll  ster- 
benden Tristan  in  eine  schönere  Traumwelt  hin- 
überführt!  (Partiturbeispiel  54.) 


N9  54.  Tristan,  Akt  III 


Wagner. 


Wie   sie    se  -  lig-,  hehr      und    mil     -      de     wan  -    delt  durch      des    Meers       Ge  -  fil  -  de  ? 


146 


Dio  Dämpfer  kommen  bei  den  Kontrabässen  zwar 
ebensowie  bei  den  übrigen  Streichinstrumenten  zur 
Anwendung,  doch  ist  die  damit  erzielte  Wirkung  nicht 
eben  charakteristisch;  sie  verringern  den  Klangge- 
halt der  Kontrabässe  nur  ein  wenig  und  machon 
ihn   düsterer   und  matter. 

Ein  piemontesischer  Künstler,  Mr.Langlois,dtr 
sich  vor  ungefähr  fünfzehn  Jahren  in  Paris  höriMi 
ließ,  erzielte  auf  dem  Kontrabaß  (mit  Bogen),  indem 
er  die  hohe  Saite,  statt  sie  auf  das  Griffbret  auf- 
zudrücken, zwischen  den  Daumen   und   Zeigefinger 


der  linken  Hand  festklemmte  und  so  bis  nahe  an 
den  Steg  heranrückte,  sehr  eigcntümliclio  hoho  Töne, 
Töne  von  unglaublicher  Kraft.  Wäre  man  genötigt, 
im  Orchester  das  heftige  Aufschreien  einer  weib- 
lichen Stimme  wiederzugeben,  kein  anderes  Instru- 
ment als  die  Kontrabässe,  auf  diese  Art  behandelt, 
würde  hierzu  hesser  befähigt  sein.  Ich  bezweifle, 
daß  unseren  Künstlern  die  Mechanik  des  Herrn 
Lanriois  betreffs  der  hohen  Töne  bekannt  ist,  sie 
würden  sich  aber  leicht  und  in  kurzer  Zeit  damit 
vertraut   machen  können. 


Instruiuente,  deren  Saiten  gezupft  werden. 


Die  Harfe. 


Dieses  Instrument  ist  seinem  Wesen  nach  an- 
tichromatisch, das  heißt:  die  Folgen  in  halben  Tönen 
stehen  ihm   nicht   eigentlich  zu  Gebote. Warum  dies 


so  ist,  soll   zunächst    erörtert    werden.    Der  Um- 
fang der  Harfe    betrug  ehemals  nur  fünf  Oktaven 

und   eine   Sexte: 


Wie  man  sieht,  gehört  diese  Tonleiter  der 
Tonart  Es-dur  an;  in  ihr  waren  in  der  Tat  auch 
alle  Harfen  gestimmt,  bis  der  geschickte  Instru- 
mentenmacher Erard    einen  Mechanismus    ersann, 

Die  chromatischen  Zwischentöne  lassen  sich  auf  der 
alten  Harfe  nur  vermittelst  sieben  Pedalen  erlangen,welche 
der  Spieler  mit  dem  Fuße  beweg-en  und  je  eins  nach 
dem  andern  feststellen  kann;  ein  jedes  dieser  Pedale 
erhöht  die  Note,  auf  welche  der  betreffende  Mechanismus 
Bezug  hat,  der  ganzen  Ausdehnung  der  Tonleiter  nach, 
also  nicht  bloß  einzeln  für  sich,  um  einen  halben  Ton. 
Demnach  kann  z.B.  das  Fis-Pedal  nicht  ein  F  erhöhen, 
ohne  zu  gleicher  Zeit  nicht  auch  alle  anderen  F  in  der 
ganzen  Tonreihe  mit  zu  erhöhen.  Daraus  ergibt  sich  zu- 
nächst, daß  jede  chromatische    Tonleiter    (abgesehen  von 


der  den  Mißlichkeiten  dieses  Systems  abhalf;  er 
schlug  hierbei  die  Stimmung  der  Harfe  in  Ces  vor, 
eine  Einrichtung,  die  heutzutage  fast  alle  Harfen- 
spieler angenommen  haben. 

solchen  in  besonders  langsamer  Bewegung),  jede  Folge  von 
Akkorden,  welche  chromatische  Fortschreitungen  bedingen  oder 
nichtverwandten  Tonarten  angehören,  _  daß  ferner  zum  größ- 
ten Teil  auch  Verzierungen,  welche  aus  chromatisch  ver- 
setzten Vorschlägen  oder  mehreren  dergleichen  kleinen  Noten 
bestehen,  unausführbar  oder,  bei  Ausnahmefällen,  doch  über- 
trieben schwer  und  von  häßlicher  Wirkung  sind.  Vollständig' 
unmöglich  auf  der  Harfe  in  Es  sind  drei  große  Septimen- und 
drei  kleine  Nonenakkorde,  weshalb  man  dieselben  aus  der 
harmonischen  Vorratskammer  für  immer  verbannen  muß; 
es   sind  folgende: 


und  man  wird  leicht  daraus  ersehen,  daß  alle  Akkorde  in 
denen  zu  gleicher  Zeit  Ces  und  B  vorkommen,  nicht  mög- 
lich sind,  weil  (wenn  die  Harfe  in  Es  gestimmt  ist  und  die 
Pedale  jede  Saite  nur  um  einen  halben  Ton  erhöhen)  man 
Ces  nur  durch  Anwendung  des  H-Pedals  hervorbringen  kann, 
welches  seinerseits  sofort  alle  B  der  Tonleiter  unmöglich 
macht.  Ganz  ebenso  verhält  es  sich  mit  Des,  welches 
durch  Erhöhung  des  natürlichen  C  entsteht,  wie  auch 
mit  Ges,  das  aus  Erhöhung  des  F    hervorgeht. 

Da  die  Pedale  der  Harfe  in  Es  in  ihrer  Gesammt- 
heit  nur  die  drei  durch  t  erniedrigten  Töne  (b,es,  as)  in 
ihren  natürlichen  Stand  zurückversetzen,  vier  andere  Töne 
(f,  c,g,  d)  aber  nur  erhöhen  können,  so  folgt  daraus,  daß 


diese  Harfe  nur   in   acht  Tonarten  spielbar  ist,  nämlich   in 
Es,B,F,C,G,D,  A,E. 

Die  übrigen  vier  Tonarten  (As,  Des,  Ges,  Ces  )  kön- 
nen nur  durch  enharmonische  Verwechselungen,  indem 
man  eins  oder  mehrere  Pedale  nimmt  und  sogleich  wieder 
verläßt,  erlangt  werden.  In  As-dur  z.B.  ist  des  nichts  an- 
deres als  das  enharmonische  eis;  der  Spieler  muß  also 
das  Cis-Pedal  alsbald,  nachdem  er  es- genommen,  wieder 
verlassen,  damit  er  das  natürliche  c,  die  große  Terz  der 
eben  herrschenden  Tonart,  frei  behält;  außerdem  muß  er, 
diatonisch  aufwärts  gehend,  eine  Saite  (d)  überspringen, 
was  so  unbequem  ist,  daß  man  dergleichen  Tonleitern 
nahezu  als  unausführbar  betrachten  kann: 


147 


Noch  größer  werden  diese  Ubelstände  und  Schwierig-- 
keiten  in  Des- und  Ges-dur,  Tonarten,  denen,init  Ausnahme 
einiger  Akkorde,  fast  gar  nicht  beizukommen  ist.  Übrigens 
bietet  Ges-dur  sowohl  wie  Ces-dur  noch  eine  neue  Schwie- 
rigkeit dadurch,  daß  bei  ihren  Tonleitern  der  Spieler  teil- 
weise zu  einer  völligen  Transposition  genötigt  wird,  in- 
dem er  die  Saite  Fis  anschlagen  muß,  wenn  das  Auge  die 

Note  ges   vor  sich  hat, die  Saite  H,  für  die  Note  ces,_ 

die  Saite  Cis,  für  die  Note  des.  Allerdings  wird  die  Tonart 
Ces-dur  etwas  zugänglicher,  wenn  man  sie  in  ihrer  andern 
Gestalt,  als  H-dur  schreibt;  da  aber  hierbei  alle  Pedale  zu 
nehmen  sind,  so  hat  man  beim  Spiel  der  Tonleiter  doch 
immer,  wie  bei  As-dur,  die  abschreckende  Schwierigkeit 
zu  überwinden,  daß  man  eine  Saite  überspringen  und  das 
eine  Pedal  verlassen,  sogleich  aber  auch  wieder  nehmen 
muß,  weil  Leitton  Cenharmonisch)  und  Tonika  auf  ein  und 
derselben  Saite   befindlich  sind. 


Aus  dem  folgenden  Beispiel  ist  ersichtlich,  daß  man, 
um  eine  chromatische  Tonleiter  von  zwei  Oktaven  Umfang, 
wie  diese : 

Allegro. 


Fed.Ped.    Ped.   Pfd.  Bd. 

auszuführen,  genötigt  ist,  sehr  schnell  fünf  Pedale  nach 
einander  für  die  erste  Oktave  allein  in  Bewegung  zu  set- 
zen, sie  alle  ebenso  pünktlich  wieder  zu  verlassen,  damit 
die  durch  sie  erhöhten  Noten  in  ihren  ursprünglichen  Stand 
zurückversetzt  und  so  für  die  höhere  Oktave  wieder  ver- 
fügbar werden,  und  endlich  sie  noch  einmal  in  derselben 
Weise  zu  benutzen,  wie  bei  der  ersten  Oktave.  Eine  der- 
artige Tonleiter  ist  demnach,  selbst  in  sehr  mäßiger  Be- 
wegung,  für    alle    Harfen   unmöglich. 

Handelt  es  sich  um  eine  Folge  von  Akkorden  wel- 
che unverwandten  Tonarten  angehören,  so  fällt  die  Un- 
möglichkeit noch  mehr  in  die  Augen,  da  man  in  diesem 
Falle  gleichzeitig  mit  mehreren  Pedalen  auf  diese  Weise 
verfahren,  also  mehrere  auf  einmal  nehmen  und  wieder 
verlassen  müßte: 


Gewisse  Vorschläge  und  Verzierungen,  welche  chroma- 
tische Folgen  enthalten,  können  allerdings  wohl  oder  übel 
zu  Gehör  gebracht  werden;  die  meisten  von  ihnen  sind  je- 
doch wie  bereits  erwähnt,  kaum  ausführbar,  und  diejenigen, 
die  man  als  Ausnahmen  gelten  lassen  kann,  bleiben  immer- 
hin von  ziemlich  schlechter  Wirkung,  da  die  Bewegung 
des  erst  zu  nehmenden  und  im  gleichen  Augenblick  wie- 
der zu  verlassenden  Pedals  auf  die  Klangschwingungen 
der  Saite  einen  nachteiligen  Einfluß  ausübt.  So  ist  z.  B. 
das  Folgende  : 


Allegro. 


möglich: 


möglich: 


Figuren  dagegen  wie  die  nächsten,  und  ähnliche  Stellen,  die 
in  kurzen  Zwischenräumen  und  bei  lebhafter  Bewegung  meh- 
rere Halbtöne  in  sich  schließen,  sind  beinahe  unmöglich. 


Noch  ist  zu  erwähnen,  daß  man  die  Harfe,  da  sie  mit 
beiden  Händen  gespielt  wird,  auch  auf  zwei  Systemen  notiert. 
Das  untere  Notensystem  bekommt  gewöhnlich  den  BaJ3-,  das 
das  obere  den  Violinschlüssel;  steigen  aber  die  unteren 
Noten  in  die  Höhe  oder  die  oberen  Noten  in  die  Tiefe, 
dann  kann  jeder  der  beiden  Schlüssel  auch  bei  beiden 
Systemen  zugleich   zur  Anwendung  kommen. 

Durch  diese  Anordnung  wird  die  Zahl  der  unausführ- 
baren Passagen  für  die  Harfe  in  Es  noch  vermehrt,  weil 
eine  Stelle  für  die  rechte  Hand  wohl  leicht  sein,  doch 
aber  dann  unmöglich  werden  kann,  wenn  die  linke  Hand 
in  der  Begleitung  gewisse  Noten  hören  lassen  soll,  die 
in  der  Melodie  durch  ein  Pedal  chromatisch  verändert 
sind,  während  die  Harmonie  dieselben  unverändert 
gebraucht.  z.B. 


Die  beiden  mit  *  bezeichneten  Akkorde  sind  nicht 
spielbar,  weil  sie  ein  natürliches  f  enthalten,  das  in  der 
Oberstimme  erhöht  worden  ist.  In  solchen  Fällen  muß 
man  also  in  einer  oder  der  andern  Stimme  diejenige  Note, 
welche  sich  in  solcher  Doppelgestalt  zeigt,  unterdrücken . 
Im  vorliegenden  Beispiel  ist  es  besser,  man  läßt  den  Akkord 
der  linken  Hand  unvollständig  und  verzichtet  auf  das  natürliche  f. 

Soll  eine  Melodie,  die  vorher  von  anderen  Instru- 
menten bereits  vorgetragen  worden  ist,  von  der  Harfe 
wiedergegeben  werden,  so  muß  man  sie,  falls  sie  un- 
mögliche oder  auch  nur  gefährliche  chromatische  Stellen 
enthält,  geschickt  abändern,  indem  man  einen  oder  meh- 
rere der  alterierten  Töne  durch  andere,  der  Harmonie 
entnommene,  ersetzt.  Anstatt  also  der  Harfe  die  folgende 
Melodie  so  zu  geben,  wie  sie  vorher  die  Violinen  vor- 
getragen haben: 

AUegretto. 


glaubte  der  Verfasser  sie  für  die  Harfe  auf  diese  Weise: 
AUegretto. 


notieren  zu  müssen.  Die  Natur  der  Mechanik  der  Harfe 
erheischte  dieses  Opfer  der  vier  sich  folgenden  Halbtöne 
im  dritten  Takte. 


Alle  diese  bis  hierher  erwähnten,  schwer  ins 
Gewicht  fallenden  Mißlichkeiten  veranlaßten  vor  ei- 
nigen Jahren  Herrn  Erard,  einen  andern  Meiha  - 
nismus  zu  erdenken,  nach  welchem  die  Harfen: 
Doppel-Pedalharfen  oder  Harfen  mit  dop- 
pelter Verriickung  (a  double  mouvement )  genannt 
werden.  Worin  dieser  Mechanismus  besteht,  und 
wie  er  der  Harfe  gestattet,  wenn  auch  nicht  chro- 
matische Fortschreitungen  zu  machen,  so  doch  we- 
nigstens in  allen  Tonarten  zu  spielen  und  alle 
Akkorde  anzuschlagen  oder  zu  arpeggieren,  soll 
im  Folgenden  erläutert  werden. 

Die  Doppel-Pedalharfe  ist  in  Ces  gestimmt, ihr 
Umfang  beträgt  sechs  Oktaven  und  ein  Quarte. 


Die  sieben  Pedale,  mit  denen  sie  versehen  ist, 
sind  so  eingerichtet,  daß  der  Spieler  mittelst  eines 
jeden  derselben  nach  Belieben  die  betreffenden  Sai- 
ten sowohl  um  einen  ganzen  Ton  als  auch  nur 
um  einen  halben  Ton  erhohen  kann.  Nimmt  man 
nach  und  nach  die  sieben  Pedale  für  den  halben 
Ton,  so  wird  die  Harfe  in  Ces  in  die  Tonarten 
Ges,  Des,  As,  Es,  B,  F  und  C  umgestimmt  und  da- 
rin festgestellt;  erhöht  man  hierauf  jede  Saite 
um  den  andern  Halbton  mittelst  der  zweiten 
Verrückung  der  Pedale,  so  werden  dadurch  die 
sieben  Noten  der  natürlichen  Tonleiter  in  fis, 
eis,  gis,  dis,  ais,  eis  und  his  umgewandelt, wodurch 
dann  die  Harfe  die  Tonarten  G,  D,  A,  E,  H,  Fis 
und  eis  erhält. 

Somit  sind  nun  der  Harfe  alle  Tonarten  zu- 
gänglich. Die  Molltonleitern  aber  lassen  sich  nur 
dann  feststellen,  wenn  man  sie  aufwärts  so  wie 
abwärts  gehend  behandelt,  ohne  auf  die  übliche 
Abänderung  betreffs  der  sechsten  und  siebenten 
Stufe  Rücksicht  zu  nehmen;  im  entgegengesetzten 
Falle  müßte  man  noch  zwei  Pedale  nehmen  und 
wieder  verlassen. 


Behält  man  die  übermäßige  Sekunde  zwischen 
der  sechsten  und  siebenten  Stufe  in  beiden  Richtun- 
gen der  Molltonleiter  bei,  so  kann  dieselbe  gleich- 
falls festgestellt  werden,  und  die  zufällig  bedingte 
Anwendung  der  Pedale  ist  nicht  nötig,-  ein  Vorteil, 
beträchtlich  genug,  um  diese  Tonleiter  zu  bevorzugen: 


'''-^j  j  I  ^  'i^f  r  II  i'^i  '  '  I  I  ^ 


Was  die  sechs  der  Harfe  in  Es  versagten 
Akkorde  anbelangt,  so  worden  wir  sehen,  daß  die 
doppelte   Verrückung  sie   möglich    macht.   Der  Ak- 


kord: 


ist  sehr   leicht  ausführbar,  da  seine 


vier  Noten  in  der  Tonleiter  der  Harfe  in  Ces  vorhan- 
den sind.  Der  folgende:  ;^  i,J^[{  erfordert  nur 
die  Anwendung  der  beiden  Pedale  für  die  Halb- 
töne  (d,  f);  ebenso  braucht  auch  dieser:  ^  öM\ 
nur  zwei  (f,c).  Der  Akkord:  ^^^^^=  bedingt 
drei  Pedale  (c,e,g)  dagegen:  ft^^^^UlZ  nur  eins  (f), 
und  der  letzte:  yife||=     wieder  drei    (f,  a,c)  . 

Alles  das  ist  ohne  Schwierigkeit    auszuführen. 
Selbst  der  Akkord,  welcher   zu  gleicher   Zeit    das 
natürliche  und  das  erniedrigte     c     darzustellen 


scheint,  ist  ausführbar: 


Das    doppelt 


erniedrigte  d  (oder  natürliche  c)  erhält  man 
mittelst  des  Pedals,  welches  ces  um  einen  halben 
Ton  erhöht,  und  ces  ist  durch  das  Pedal  zu  er- 
zielen, welches  das  b  um  einen  halben  Ton  er- 
höht; das  doppelt  erniedrigte  a  entsteht  aus  dem 
um  einen  halben  Ton  erhöhten  ges;  das  fes  end- 
lich bedarf  gar  keines  Pedals,  da  es  in  der 
Tonleiter  der  Harfe  in  Ces  als  Normalton  ent- 
halten ist.  Dieser  Akkord,  geschrieben  wie  oben, 
würde   demnach   unter    dieser   seltsamen   Form : 

m  IiIjJImo^^^  ausgeführt  werden,  woraus  sich  er- 
gibt, daß  er  besser  in  C-dur  in  dieser  Gestalt: 
(fe    .LJo  =   zu  notieren  wäre.  Überhaupt  wäre  es 

besser,  wenn  man  die  Doppel- Pedalharfen  in  ei- 
nem Orchestersatze,  der  für  die  übrigen  Instru- 
mente in  H-dur  notiert  ist,  zu  verwenden  hätte, 
der  Klangfülle  und  der  bequemen  Ausführung  we- 
gen, die  Harfen  in  ihre  Normaltonart  Ces  umzu- 
schreiben: 


Edition  Peters. 


149 


Die  Komponisten  müssen  bei  Aussetzung  der 
Harfenstimme  Sorge  tragen,  daß  der  Spieler  einige 
Zeit  im  Voraus  auf  die  Veränderungen,  welche  er 
bezüglich  der  Pedale  vorzunehmen  hat,  aufmerksam 
werde,  indem  sie  z.B.  einige  Takte  vor  Eintritt 
der  betreffenden  Modulation  die  Worte  hinsetzen: 
„Gis  vorzubereiten",  „Pedal  für  C  zu  nehmen"  u. s.w. 

Nachdem  wir  die  Natur  der  Harfe  hinlänglich 
erklärt  haben,  sprechen  wir  jetzt  von  ihrem  Fin- 
gersatz, den  viele  Komponisten  irrigerweise  mit 
dem  Fingersatze  des  Pianoforte,  der  jenem  doch 
keineswegs  gleich  ist,  verwechseln. 

Man  kann  mit  jeder  Hand  Akkorde  zu  vier 
Noten  anschlagen,  wenn  die  beiden  äußersten  No- 
ten den  Umfang  einer  Oktave  nicht  überschreiten: 


Auch  sind  vermöge  der  großen  Spannfähig- 
keit zwischen  Daumen  und  kleinem  Finger  Dezimen 
zu  erreichen  und  demzufolge  Akkorde, wie  die  fol- 
genden, spielbar: 


Indes  ist  eine  solche  Lage  weniger  bequem  und 
weniger  natürlich,  also  auch  weniger  klangvoll, 
weil  kein  einziger  Finger  die  Saite  hierbei  mit 
derselben  Kraft  wie  bei  gewöhnlicher  Lage  er- 
fassen kann. 

Akkorde  in  der  äußersten  Tiefe  des  Instru- 
mentes sind,  wie  beiläufig  erwähnt  sei,  ohne  Klang- 
fülle und  erzeugen  verworrene  Harmonien;  z.B. 


Man  muß  sie  daher    vermeiden. 

Diese   tiefen  Töne  eignen  sich  nur  zur  Ver- 
doppelung eines   Baßganges    in  der  unterenOktave: 


Die  Töne  eines  Akkordes  nach  einan- 
der folgend  zu  spielen,  gleichviel  ob  in  auf- 
wärts oder  abwärts  gehender  Richtung,  liegt  recht 
eigentlich  in  der  Natur  der  Harfe;  nach  dem  ita- 
lienischen Namen  derselben  (Arpa)  bezeichnet  man 
ja  diese  Akkordfigurationen  mit  dem  Namen  Ar- 
peggien.  Im  allgemeinen  und  zumal  bei  lebhaf- 
ter Bewegung  dürfen  auch  sie  den  Umfang  einer 
Oktave  nicht  überschreiten,  da  sonst  eine  Ver- 
änderung der  Handlage  nötig  wird,  was  bedeu- 
tende  Schwierigkeiten  verursacht. 


AUegro. 


g 


fast  un- 
mög'Iich: 


Über  den  Umfang  der  Oktave  hinausgdien  darf 
eine  Note  nur  beim  Abschluß  einer  Stelle: 


gut: 

Auch  das  folgende  Beispiel  ist  sehr  leicht, 
weil  die  Veränderung  der  Handlage  in  der  Rich- 
tung von  der  Tiefe  nach  der  Höhe  zu  geschieht,- 
und  zur  Ausführung  der  kleine  Finger,  der  hier- 
bei kaum  verwendbar  wäre,  nicht  benutzt  wird- 
und  weil  ferner  auch  der  vierte  Finger  nicht 
genötigt  ist,  zwei  Noten  hinter  einander  zu  spielen. 


Im  allgemeinen  muß  man  darauf  bedacht  sein, 
die  beiden  Hände  nicht  zu  nahe  an  einander  zu 
bringen,  sondern  sie  eine  Oktave  oder  wenig- 
stens eine  Sexte  weit  auseinander  zu  halten, 
sonst  stören  sie  sich  gegenseitig.  Wenn  ferner 
beide  Hände  einen  Akkord  in  Terzentfernung  von 
einander  arpeggieren,  wenn  also  eine  und  die- 
selbe Saite  von  dem  Finger  der  einen  Hand  in 
demselben  Augenblick  wieder  erfaßt  wird,  wo 
der  Finger  der  andern  Hand  sie  eben  verlassen 
hat,  so  ist  unausbleibliche  Folge,  daß  die  Saite 
keine  Zeit  hat  zu  schwingen,  und  der  Ton  sofort 
nach  «einem  Entstehen  wieder   erstickt  wird. 


üJHjuüi^ 


P^iißjJüüM 


Dasselbe, 

sehr  K'ut,weg'en 
der  Entfernung' 
beider 


Alle  Tonfolgen,  bei  welchen  ein  und  derselbe 
Finger  sprungweise  von  einer  Saite  zur  andern 
übergehen  muß,  dürfen  nur  in  sehr  mäßigem 
Tempo   geschrieben  werden. 

Will  man  eine  schnelle  Fotgo  diatonischer 
Oktaven  haben,  so  muß  man  sie  im  allgemeinen 
für  beide  Hände  schreiben.  Der  gleiche  Fall  findet 
bei  Sextengängen  statt.  Letztere  sind  zwar  ebenso 
wie  die  Terztonleitern,  auch  für  eine  Hand  allein 
ausführbar,  jedoch  nur  in  abwärts  gehender 
Richtung,  wobei  der  Daumen  von  einer  zur  andern 
der  oberen  Noten  hinübergleitet,  während  die  un- 
teren Noten  von  den  drei  übrigen  Fingern  gespielt 
werden.  Folgender  Gang: 


ist  schwer  wegen  der  Entfernung,  die  der  Daumen 
mit  den  übrigen  Fingern  innezuhalten  hat;  die 
nächsten  beiden  sind  weniger    schwer: 


^  frtTRij.'i  ■ 


Was  wir  oben  betreffs  der  Auseinanderhaltung 
beider  Hände  gesagt  haben,  erleidet  bei  diesen  Terz- 
tonleitern insofern  eine  Ausnahme,  als  sie  sich  mit 
beiden  Händen  ausführen  lassen;  denn  bei  diatoni- 
schen Fortschreitungen  kommt  der  Übelstand,  daß 
der  eine  Finger  gleich  nach  dem  Anschlag  des  an- 
dern dieselbe  Saite  nehmen  muß,  viel  weniger  in 
Betracht,  da  hier  der  Saite,  wegen  der  darauf  fol- 
genden diatonischen  Zwischennote,  etwas  mehr  Zeit 
gelassen  wird,  zu  schwingen.  Gleichwohl  ist  es  im- 
mer besser,  entweder  solche  Terzenfolgen  zwei  Har- 
fen zu  übertragen,  indem  man  der  einen  Harfe  die 
Oberstimme,  der  andern  die  Unterstimme  gibt,  oder, 
wenn  man  nur  eine  Harfe  zur  Verfügung  hat  und  doch 
viel  Ton  haben  will,  daß  man  die  Stimmen  um  eine 
Oktave  auseinander  legt  und  so  lieber  Dezimenfolgen 
schreibt;  z.B. 


Will  man,  auf- oder  absteigend,  einen  Arpeg- 
giengang  in  schneller  Bewegung  hören  lassen, wel- 
cher den  Umfang  einer  Oktave  überschreitet,  dann 
muß  man  denselben,  statt  in  zwei  Stimmen  in 
einer,  geteilten,  schreiben,  so  daß  die  eine  Hand 


ein  Bruchstück  ausführt,  während  die  andere  Hand 
die  Lage  ändert  und  sich  für  das  nächste  Bruch- 
stück vorbereitet,  und  so  wechselweise  weiter,  wie 
aus  folgender  Notierung  zu  ersehen: 


Alle^ro 


In  Oktavenverdoppelung  würde  dieser  Arpeg- 
giengang  unausführbar  sein.  Das  nächste  Beispiel 
ist  in  lebhafter  Bewegung  ebenfalls  unausführbar, 
in  langsamer  aber  möglich: 


Im  Tannhäuser  (zweiter  Akt)  steht  zu  den 
Worten  Tannhäusers  „Zu  Gottes  Preis,  in  hoch 
erhab'ne  Fernen  u.  s.w."  eine  Harfenstelle,  die 
so  gut  wie   unausführbar  ist: 


f^ärl^-ftttm,  ^,  ffrwfcte 


Der  Triller  läßt  sich  auf  der  Harfe  machen, 
doch  ist  er  nur  in  den  höheren  Regionen  in  seiner 
Wirkung  erträglich.  Das  Hammern(martellement;auf 
einer  Note,  bei  den  alten  Harfen  schwer  und  unan- 
genehm wegen  des  zirpenden  Geräusches,  das  der 
Zeigefinger  gleich  nach  Anschlag  des  Daumens 
auf  der  Saite,  deren  Schwingungen  unterbrechend, 
verursacht: 


ist  bei  den  neuen  Harfen  leicht  und  wohlklingend, 
da  die  doppelte  Verrückung  der  Pedale  gestattet, 
die  Nachbarsaite  von  derjenigen,  welche  den  häm- 
mernden Ton  wiedergibt,  um  einen  ganzen  Ton 
zu  erhöhen  und  somit  das  Hämmern  auf  zwei 
Saiten    im   Einklänge    zu   bewirken: 


ais       ais       ais 


151 


Außerdem  kann  man  das  zwei- oder  vierstim- 
mige Hämmern,  das  bisweilen  im  Orchester  sehr  gut 
verwendbar  ist,  dadurch  erhalten,  daß  man  zwei  oder 
mehrere  Harfen  benutzt  und  ihnen  Akkordfiguren 
gibt,  die  sich  gegenseitig  kreuzen  (batteries  croi- 
sees);  diese  bieten  keine  Schwierigkeiten  und 
bringen  genau  die  beabsichtigte  Wirkung  hervor. 

AUegro. 


Alleg:ro. 


^^rnmmm- 


Die  Wirkung  der  Harfen  wird  (abgesehen  von 
einem  Vortrag  in  engerem  Kreise,  der  auf  die  Nähe 
der  Hörer  berechnet  ist)  um  so  besser,  je  zahlrei- 
cher sie  vorhanden  sind.  Die  Töne,  Akkorde  oder 
Arpeggien  sind  dann  von  außerordentlichstem  Glänze 
und  überstrahlen  Orchester  und  Gesang.  Nichts  ent- 
spricht in  so  hohem  Maße  unseren  Vorstellungen 
von  überirdischem  Festgepränge,  von  religiöser 
Pracht  und  Herrlichkeit,  als  die  Klänge  einer 
geistvoll  behandelten  großen  Anzahl  von  Harfen. 
Aber  auch  einzeln  gebraucht  oder  in  Gruppen  zu 
zwei,  drei  oder  vier,  sind  sie  von  sehr  glücklicher 
Wirkung,  sowohl  wenn  sie  sich  mit  dem  Orchester 
vereinigen,  als  wenn  sie  den  Singstimmen  oder 
Solo-Instrumenten  zur  Begleitung  dienen.  Es  ist 
merkwürdig,  daß  von  allen  bekannten  Klangfär- 
bungen gerade  diejenige  der  Hörner,  der  Posau- 
nen und  überhaupt  der  Blechinstrumente  sich  am 
besten  mit  der  ihrigen  vereinigt.  Die  tieferen 
Saiten,  deren  Ton  (die  weichen  und  dumpfen  Saiten 
der  äußersten  Tiefe  ausgenommen)  so  verschleiert, 
so  geheimnisvoll,  so  schön  ist,  sind  fast  nie  anders 
als  zu  Begleitungsbässen  der  linken  Hand  benutzt 
worden;  mit  Unrecht.  Es  ist  wohl  wahr,  daß  die 
Spieler  nicht  eben  Vorliebe  für  Stücke  besitzen, 
die  sich  in  diesen  Oktaven  bewegen;  die  betref- 
fenden Saiten  sind  ziemlich  entfernt  vom  Ausfüh- 
renden und  nötigen  ihn,  sich  vorwärts  zu  beugen, 
die  Arme  auszustrecken,  und  demnach  längere 
oder  kürzere  Zeit  eine  unbequeme  Stellung  ein- 
zunehmen; aber  dieser  Grund  ist  wohl  für  die 
Komponisten  schwerlich  maßgebend  gewesen.  Die 
Hauptsache  wird  sein,  daß  diese  gar  nicht  daran 
gedacht  haben,  jenen  eigentümlichen  Klangcha  - 
rakter   zu  verwerten. 


Beispiel  für  den  schönen,  anmutiger 
gehalt  der  tiefen  Saiten: 


Klang- 


Andantino. 

pry^fj-fp Ff  P F] 

.    . 

^^  y^ 

Ff^ 

1 

^^Ä=^= 

™™^ 

3 

^ 

^H:   i: 

H-^ 

^7. 1^ 

4r^ 

Die  Saiten  der  letzten  hohen  Oktave  geben 
einen  lieblichen,  krystallhellen,  sinnlich-  frischen 
Klang,  der  die  anmutigsten  Zauberbilder  in  uns 
zu  wecken  vermag  und  sich  vortrefflich  dazu  eignet, 
in  freundlich-holde  Melodien  zarte  Geheimnisse 
einzuflüstern-  nur  ist  es  erforderlich,  daß  sie 
niemals  vom  Spieler  mit  Kraft  angeschlagen  wer- 
den, denn  in  diesem  Falle  wird  ihr  Klang  trocken, 
hart,  ähnlich  dem  eines  zerbrechenden  Glases. 

Die  Flageolettöne  der  Harfe,  und  nament- 
lich mehrerer  Harfen  im  Einklang,  haben  noch  grö- 
ßeren Zauber.  Die  Solospieler  benutzen  sie  oft  in 
den  Kadenzen  ihrer  Phantasien,  Variationen  und 
Konzerte.  Aber  nichts  gleicht  dem  Wohlklange 
dieser  geheimnisvollen  Töne,  wenn  sie  sich  mit 
den  Flöten  und  den  mittleren  Tönen  der  Klari  - 
netten  vereinigen;  es  ist  zu  verwundern,  daß  erst 
ein  einziges  Mal,  und  zwar  vor  gar  nicht  langer 
Zeit,  die  Verwandtschaft  dieser  Klangfarben  und 
die  Poesie  ihrer  Verbindung  erkannt  und  prak- 
tisch verwertet  worden    ist.  *^ 

Die  besten  Flageolettöne,  und  so  ziemlich  die 
einzigen  auf  der  Harfe  anwendbaren,  erhält  man 
dadurch,  daß  man  mit  dem  unteren  fleischigen  Teile 
der  Hand  die  Mitte  der  Saite  leicht  berührt  und 
mit  dem  Daumen  und  den  beiden  ersten  Fingern 
derselben  Hand  dann  anspielt;  daraus  ergibt  sich 
die  höhere  Oktave  des  gewöhnlichen  Klanges. 
Man  kann  so  mit  beiden  Händen  zugleich  Fla- 
geolettöne angeben. 

Andantino. 

Flag-eolettijne.... 


Beispiel: 


Wirkung".' 


Es  ist  sogar  möglich,  zwei  oder  drei 
Flageolettöne  auf  einmal  mit  einer  Hand 
allein  hervorzubringen,  dann  ist  es  aber 
klug,  der  andern  Hand  nur  eine  einzige 
Note  zu  geben: 


♦)  Man  vergleiche  die  schon  früher  bei  den  Flageolet  - 
tönen  der  Violinen  erwähnte  Stelle  aus„Romeo  und  Julie", wel- 
che zugleich  auch  Flageolettöne  der  Harfen  in  Anwendung 
bringt.  (Partiturbeispiel  9.  Seite  36.) 


Nicht  alle  Saiten  der  Harfe  eignen  sich  zu 
Flageolettönen;  man  darf  hierzu  nur  die  der  bei- 
den vorletzten  tiefen  Oktaven  benutzen,  denn  nur 
diese  sind  sowohl  lang  genug,  um  durch  leichte 
Berührung  in  der  Mitte  geteilt  werden  zu  kön- 
nen, als  auch  gespannt  genug,  um  die  Flageo  - 
lettöne   deutlich   ansprechen  zu  lassen. 

Flageolcttöne 


Falls  der  Verlauf  eines  Tonstückes  oder  die 
Art  der  Instrumentation  den  plötzlichen  Über- 
gang der  Harfe  von  einer  Tonart  in  eine  sehr 
entfernte  andere  bedingt,  (von  Es-dur  nach 
E-dur  z.  B.),  kann  man  diesen  Übergang  nicht 
auf  ein  und  demselben  Instrumente  bewerkstel- 
ligen-, man  muß  dann  eine  zweite  Harfe  in  Be- 
reitschaft haben,  die,  in  der  Kreuz-Tonart  ge- 
stimmt, unmittelbar  die  Stimme  der  in  der  Be  = 
Tonart  tätig  gewesenen  Harfe  fortsetzt.  Ist  der 
Übergang  nicht  so  plötzlich  und  hat  man  nur 
ein  Instrument  zur  Verfügung,  dann  muß  der 
Komponist  dem  Spieler  immer  noch  eine  ziem- 
liche Anzahl  Pausen  geben,  damit  derselbe  Zeit 
hat,  alle  zur  Modulation  nötigen  Pedale  fest- 
zustellen. Werden  die  Harfen  bei  vorhandener 
größerer  Anzahl  als  wesentlich  zum  Orchester 
gehörige  Bestandteile  behandelt, (nicht  nur  dazu 
bestimmt,  ein  Vokal-  oder  Instrumentalsolo  zu  be- 
gleiten), so  teilt  man  sie  gewöhnlich  in  erste  und 
zweite  Harfen,  und  gibt  ihnen  zwei  getrennte 
Stimmen,  wodurch  ihre  Wirkung  bedeutend  reich- 
haltiger wird.  Auch  eine  größere  Anzahl  ver- 
schiedener Harfenstimmen  kann  ohne  Zweifel  wohl 
begründet  sein;  sie  wird  sogar,  wie  wir  bereits 
gesehen  haben,  unerläßlich,  sobald  ohne  Unter- 
brechung des  Harfenspiels  ein  plötzlicher  Über- 
gang in  entfernte  Tonarten  ermöglicht  wer- 
den   soll. 

Die  Basreliefs  von  Theben,  auf  denen  sich 
eine  genaue  Darstellung  der  antiken  Harfen 
befindet,  beweisen,  daß  dieselben  keine  Pedale 
hatten,  folglich  auch  niemals  modulierten.  Die 
nicht  minder  antiken,  heutigen  Tages  noch  bei 
den  gallischen  und  irischen  Barden  in  Gebrauch 
stehenden  Harfen  haben  mehrere  Reihen  Saiten; 
ohne  Zweifel  sind  sie  durch  diese  Einrichtung 
dem  chromatischen  Stile  und  den  Modulationen 
mehr   oder  weniger   zugänglich  gemacht. 


Ich  habe  oben  bei  Besprechung  der  gehäm- 
merten Töne  auf  die  vorteilhafte  Eigenschaft  der 
neuen  Harfen  hingewiesen,  die  es  ermöglicht,  mit- 
telst der  doppelten  Verrückung  der  Pedale    zwei 

Saiten  im  Einklang  stimmen   können:  z.B.  (^^^f  j 

wobei  das  eine  dieser  beiden  ces  von  der  Ces: 
Saite,  das   andere   von  der  um  einen    halben    Ton 

erhöhten  B  =  Saite  hervorgebracht,   oder    ffly  p— 1 

wo  das  eine  es  von  der  Es-Saite,  das  andere 
von  der  um  zwei  halbe  Töne  erhöhten  Des-Saite 
bewirkt  wird.  Man  sollte  kaum  glauben,  welche 
Ausbeute  die  großen  Harfenspieler  aus  diesen 
Doppelsaiten,  die  sie  Synonymen  nennen,  jetzt 
zu  machen  verstehen.  Parish-Alvars,  vielleicht  der 
außerordentlichste  Virtuos,  der  je  auf  diesem 
Instrumente  gehört  ward,  führt  Gange  und  Ar- 
peggien  aus,  die  beim  ersten  Anblick  absolut 
unmöglich  scheinen,  deren  ganze  Schwierigkeit 
jedoch  nur  in  dem  sinnreichen  Gebrauche  der 
Pedale  besteht.  Er  spielt  unter  anderen  auch 
den  folgenden  Gang  mit  außerordentlicher  Schnel- 
ligkeit: 

AllegTO    assai. 


Daß  ein  solcher  Gang  leicht  ausführbar  ist, 
erklärt  sich  daraus,  daß  der  Spieler  hierbei  nur 
mit  drei  Fingern  von  der  Höhe  nach  der  Tiefe 
über  die  Saiten  der  Harfe  zu  gleiten  hat,  und 
zwar  ohne  besondern  Fingersatz  und  so  schnell 
als  er  will,  weil  ja  mittelst  der  Synonymen  das 
Instrument  ausschließlich  in  einer  Folge  von  klei- 
nen Terzen,  die  den  verminderten  Septimenak- 
kord ergeben,  gestimmt  ist,  weil  also  anstatt 
der  Tonleiter : 


der   folgende    Intervallengang  die  Reihenfolge  der 
Saiten  darstellt: 


Edition  Peters. 


153 


Hierbei  muß  nur  der  Ton  a  beachtet  werden, 
der  nicht  doppelt  erscheinen,  folglich  auch  keinen 
Wiederanschlaff  haben  kann.  Denn  allerdings 
ist  es  nicht  möglich,  vier  Synonymen  auf  einmal 
herzustellen,  einfach  weil  es  in  der  Tonleiter 
eben  nur  sieben  Töne  gibt,  vier  Synonymen  aber 
acht  Saiten  voraussetzen  würden.  Außerdem  ist 
zu  bemerken,  daß  der  Ton  a  überhaupt  nur  von 
einer  einzigen  Saite:  von  as  aus  erlangt  werden 
kann,  nicht  auch  von  der  Nachbarseite  ges  aus, 
die  bei  doppelter  Verrückung  des  Pedals  sich 
nur  um  zwei  Halbtöne,  also  höchstens  bis  auf 
as  erhöhen  läßt.  Diesem  Übelstande  begegnet 
man  noch  auf  zwei  anderen  Saiten:  auf  dem 
ces   und   fes. 

Zur  Zeit  fehlen  demnach  der  Harfe  noch 
die  drei  Synonymen  d,  g  und  a;  aber  dieser 
Mangel  (denn  ein  solcher  ist  es  in  der  Tat ) 
würde  sofort  schwinden,  wenn  die  Instrumen- 
tenmacher, wie  Parish-Alvars  vorschlägt,  für  die 
Pedale  der  drei  Noten  ces,  fes,  ges  eine  drei- 
fache Verrückung  anbringen  wollten,  die  es 
gestattet  diese  Saiten  um  drei  Halbtöne  zu  erhöhen. 


Herr  Erard  täte  Unrecht,  wenn  er  eine  derartige 
Lücke  im  Mechanismus  dieses  Instrumentes  fort- 
bestehen ließe;  eines  so  geschickten  Instrumen- 
tenbauers wäre  es  würdig,  der  erste  zu  sein, 
der  sie   ausfüllte. 

Will  man  nicht  alle  synonymen  Saiten  auf 
einmal  gebrauchen,  so  kann  man  selbstverständlich 
auch  andere  Akkorde  als  die  der  verminderten 
Septime  erlangen;  diese  mannichfaltigen  Kombi- 
nationen, die  jeder  selbst  machen  kann,  wenn  er 
sich  von  der  Wirkung  der  Pedale  auf  die  Saiten 
genau  Rechenschaft  gibt,  werden  noch  bedeutend 
zahlreicher  werden,  wenn  durch  eine  dreifache 
Verrückung  der  Pedale  ces,  fes,  ges,  die  drei 
Synonymen,  welche  der  Harfe  zur  Zeit  noch  feh- 
len, gewonnen   sind. 

Von  der  obenerwähnten  Art  des  Glissando 
(in  verminderten  Septimenakkorden)  ist  ein 
glänzendes  Beispiel  in  Liszts  Dante- Sinfonie 
zu  finden,  als  Symbol  für  die  aus  dem  Inferno 
auftauchenden  Geistergestalten  der  unglückli- 
chen Francesca  da  Rimini  und  ihres  Geliebten. 
CPartiturbeispiel  55.) 


N9  55.  Dante- Symphonie,  Satz  I. 


Quasi  Andante,  ma  sempre  un  poco  mosso 


Liszt. 


Verlag-   Breitkopf  4  Härtel,  Leipzig-. 


154 


Wenn  ich  bei  der  Harfe  wieder  auf  den  vor- 
sichtigen Gebrauch  hinweise,  den  Rieh.  Wagner 
(siehe  Lohengrin  als  eklatantes  Beispiel,  oder 
auch  Tristan  im  zweiten  Akt)  mit  der  Harfe 
gemacht  hat,  um,  wenn  er  sie  verwendet,  stets 
außerordentliche  und  frappanteste  Wirkungen 
mit  den  Farbentönen  dieses  schönen  Instru- 
mentes zu  erzielen,  so  kann  ich  den  Anfänger 
nur  wiederum  warnen,  mit  allen  besonders 
grellen  und  charakteristischen  Farben  des  Or- 
chesters so  sparsam  wie  möglich  zu  verfahren 
und  sich,  bevor  er  sie  hinschreibt,  zehnmal  zu 
überlegen,  ob  diese  Farben  an  dieser  Stelle 
mibedingt  nötig  und  nicht  durch  einfachere 
zu    ersetzen   seien. 

Der  Mißbrauch,  der  heutzutage  mit  allen  die- 
sen besonderen  Leckerbissen  des  Orchesters  getriebai 
wird,  wie  Harfen,  Flageoletts,  Schlagwerk  (nur  als 
aufgetragene  Glanzlichter  zu  verwenden,  wenn 
sie  gut  und  eigentümlich  wirken  sollen_siehe 
den  einzigen  Triangel  schlag  am  Schluß  des 
zweiten  Aktes  im  Siegfried_)_dieser  Mißbrauch 
ist  schrecklich.  Das  Ohr  des  Zuhörers  wird 
unnötig  abgestumpft,  und  aus  feinen  Glanzlich- 
tern an  entscheidender  Stelle  sind  planlos  hin- 
geschmierte Farbenkleckse  geworden.  Berlioz 
besaß  eine  außerordentliche  Spezialkenntnis  der 
Harfe,  die  bei  ihrer  Schwierigkeit  nicht  von 
jedem  Autor  verlangt    werden   kann. 

Von  Rieh.  Wagner  existiert  das  komische  Wort, 
daß  er,  als  der  Harfenist  Tombo  in  München 
bei  der  ersten  Probe  des  Rheingoldschlusses  dem 
Meister    voller  Betrübnis    erklärte,  des  Meisters 


Harfenstimme  sei  absolut  unspielbar,  zu  dem  vor- 
trefflichem Künstler  sagte:  „Sie  können  nicht  von 
mir  verlangen,  daß  ich  auch  noch  Harfe  spiele; 
Sie  sehen, welche  Wirkungen  ich  erzielen  will, 
richten  Sie  sich  nun  die  Stimme  nach  Ihrem 
Gutdünken  ein".  Wer  nun  nicht  mit  Gewißheit 
in  sich  den  genialen  Instinkt  eines  Rich.Wagners 
fühlt,  der  beherzige  lieber  das  Sprichwort: 
quod   licet   Jovi,  non   licet   bovi. 

Die  Harfe  muß  auch  im  Orchester  stets  soli- 
stisd)  behandelt  werden,  will  man  nicht  unnützer- 
weise Noten  hinschreiben,  die  nicht  gehört  werden. 

Im  Tutti  des  modernen  Orchesters  ist  die 
Harfe  nur  in  vielfachen  Verdoppelungen  wirksam. 
Die  Harfenstimme  im  Tristan  wird  zu  Bayreuth 
vierfach  besetzt!  _    _ 

Ein  bei  Berlioz  nicht  erwähnter  Effekt  auf 
der  Harfe  ist  das  für  die  Ausführung  des  Tre- 
molo angewandte  B  i  sbigliando.*' Man  notiert 
das  Tremolo  in  derselben  Weise  wie  fürs  Klavier, 


z.B. 


der  Harfenist  führt  es  aber 


nicht  mit  einer  Hand  aus,  sondern  verteilt  es  zwi- 
schen Linke  u.  Rechte: : 

Es  lassen  sich  auf  diese  Weise  auch  Figuren  wie  fol- 

fj  ^<a         -«g      oder: 
gende  ausführen: 

0  d.  i.   leise  flüsternd,  rauschend. 


Die  Gitarre. 


Die  Gitarre  ist  ein  Instrument,  welches  sich 
Bur  Hegleitunp  der  Singstimme,  wie  auch  zur 
Verwendung  in  manchen  Instrumentalkompositionen 
intimen  Charakters  eignet;  ebenso  verwendbar  ist 
es  zum  Solovortrag  mehr  oder  minder  kompli- 
zierter mehrstimmiger  Tonstücke,  deren  Reiz 
nicht  zu  leugnen  ist,  wenn  wirkliche  Virtuosen 
sie   ausführen. 

Sie  hat  sechs  Saiten,  in  Quarten  und  Ter- 
zen  gestimmt    wie    folgt: 


Bisweilen   stimmt  man  sie  auch  auf  folgende  Weise, 
namentlich  für  Tonstücke    in  E-dur  : 


Die  drei  tiefen  Saiten  sind  von  Seide,  mit. 
Silberdraht  übersponnen,  die  drei  anderen  sind 
Darmsaiten.  Die  Gitarre  ist  ein  transponierendes 
Instrument  von  drei  Oktaven  und  einer  Quinte 
Umfang,  das  man  im  Violinschlüssel,  eine  Oktave 
höher   notiert,  als    es   tatsächlich   klingt. 


Notierung: 

Mit  den  chromatischen  Zwischentönen. 


Triller  mit  großer  und  kleiner  Sekunde  sind 
im  ganzen  Umfange   der  Tonleiter  ausführbar. 

Es  ist  fast  unmöglich,  gut  für  die  Gitarre 
zu  schreiben^  wenn  man  sie  nicht  selbst  spielt. 
Gleichwohl  sind  die  meisten  Komponisten,  die  sie 
anwenden,  weit  davon  entfernt,  sie  genau  zu 
kennen  und  geben  ihr  Dinge  zur  Ausführung, 
die  ungemein  schwer,  ohne  Klang  und  ohne  Wir- 
kung sind.  Wir  wollen  versuchen,  wenigstens 
die  Art  und  Weise,  wie  einfache  Begleitungen 
für   sie    zu   schreiben  sind,   hier   anzugeben. 

Bei  gewöhnlicher  Lage  der  rechten  Hand  stützt 
sich  der  kleine  Finger  auf  den  Boden  des  Instrumentes; 


der  Daumen   ist    bestimmt,  die   drei  tiefen  Saiten 


in  Schwingung   zu  versetzen,  der  Zeigefinger  über- 
nimmt das   G    -m^-  J    -^  ,    der    Mittelfinger    das 

H     Wn^      ,  dei   Ringfinger  das  hohe  E    a>-  ~^=. 


Hieraus  folgt,  daß,  wenn  Akkorde  zu  mehr  als 
vier  Noten  gespielt  werden  sollen,  der  Daumen 
genötigt  ist,  über  eine  oder  zwei  der  tieferen 
Saiten  hinwegzugleiten,  während  die  übrigen  drei 
Finger  die  drei  hohen  Saiten  direkt  anschlagen. 
Bei  Akkorden  von  vier  Noten  greift  jeder  Fin- 
ger nur  die  Saite,  die  für  ihn  bestimmt  ist;  die 
Finger  wechseln  die  Saiten  nur  dann,  wenn  es 
sich  um  den  Anschlag  tief  liegender  Akkorde 
handelt,    z.  B. 


Da  die  Gitarre  hauptsächlich  ein  Instrument 
der  Harmonie  ist,  so  ist  es  sehr  wichtig,  die 
Akkorde  und  also  auch  die  Arpeggien,  welche 
sie  ausführen  kann,  kennen  zu  lernen.  In  Fol- 
gendem geben  wir  eine  Anzahl  derselben  in  ver- 
schiedenen Tonarten. 

Wir  beginnen  mit  den  leichtesten;  das  sind 
die,  welche  sich  ohne  Anwendung  des  Quergriffes 
(barrage)  machen  lassen,  eines  Verfahrens,  wobei 
der  Zeigefinger  der  linken  Hand  sich  quer  auf 
das  Griffbrett  über  zwei,  drei  oder  vier  Saiten 
hinweg  legt  und  so  als  künstlicher  Sattel  dient. 
(Der  Sattel  ist,  wie  bekannt,  die  kleine  Querleiste 
am  Griffbrette,  auf  der  die  Saiten  ruhen,  und 
durch  welche  deren  Länge  so  weit,  als  die  Schwin- 
gungen  reichen  sollen,  abgegrenzt  wird.) 


InC. 


Ebenso  diese  Akkorde  in  allen  ihren  Bruchteilen. 


157 


InG. 


fr..jJ||J|J]|jll|^^ 


Die  Tonarten,  welche  B-Vorz;eichnung  haben, 
sind  ungleich  schwerer  als  die  vorhergehenden 
und  erfordern  alle  den  Quergriff.  Die  leichtesten 
Akkorde   sind   die    folgenden: 


Bei  allen  Akkorden  muß  man  vermeiden  die 
erste  und  dritte  der  tiefen  Saiten  zu  gebrau- 
chen, ohne  dabei  die  zweite  Saite  in  An- 
wendung zu  bringen,  der  Daumen  wäre  sonst 
genötigt,  über  diese  zweite  Saite  hinwegzusprin- 
gen, um  von  der  ersten  zur  dritten  zu  gelangen. 
Es  ist  daher  unmöglich,  die  folgenden  Akkorde 
anzuschlagen: 


fügt  man  aber  die   zweite  tiefe  Saite  hinzu,    so 
werden   sie   leicht: 


Auch  muß  man  sich  in  acht  nehmen,  die  Do- 
minantseptimenakkorde  in  der  gewöhnlichen  Lage 
von  drei  übereinander  gestellten  Terzen  zu  schrei- 
ben, wie   hier: 


Sie  sind  beinahe  unmöglich.  Der  folgende  ist 
zwar  schwer,  aber  ausführbar:  fe  n  =  weil 
das  g  eine  leere  Saite   ist;  nur  der    nächste     ist 


sehr  leicht  und  klangvoll:    fe  «{{I 
leeren  E- Saite. 

Die  drei  folgenden  Akkorde: 


wegen  der 


sind  leicht  und   lassen  sich  in  allen  Tonarten  gut 
aneinanderfügen. 

Ebenso  in  Fis-dur,  G-dur,  As-dur  u.s.w. 


Selbstverständlich  können  diese  Akkorde  manch- 
mal mehr  als  vier  Noten  haben  und  zwar  in  den 
Tonarten,  die  ihnen  eine  tiefe  leere  Saite  hinzu- 
zufügen gestatten,  wie  also  in  A-dur,  E-dur, 
G-dur,   F-dur,  und  überall,  wo   eine    dieser     drei 


Noten: 


als  Baß  dienen  kann. 


Die  nächste  Akkordfolge,  welche  den  Qupr- 
griff  über  vier  Saiten  erfordert,  ist  auf  den  bei- 
den unteren  Dritteln  des  Griffbrettes  der  Gitarre 
ausführbar: 


und  so  fort  in  halben  Tönen  aufsteigend  bis   zu : 


was  den  äußersten  Punkt  in  der  Höhe  bezeichnet, 
wo  dieser  Fingersatz  überhaupt  in  Anwendung 
kommen   kann. 

Die   folgenden  Arpeggien  sind  auf  der  Gitarre 
von  ausgezeichneter  Wirkung. 


r'^'i-  ^i^  '^i^  ^M^  '  H 


Die  im  letzten  dieser  Beispiele  befindlichen 
zwei  hohen  (gebundenen)  Noten  werden  mit  dem 
kleinen  Finger  der  linken  Hand  durch  Ann-ißen 
der   E-Saite  ausgeführt. 

Die  Arpeggien  in  der  Richtung  von  oben 
nach  unten  sind  ziemlich  unbequem,  jedoch  aus- 
führbar: 


'^::i]ä^^ 


in  umgekehrter  Richtung  sind    sie  dagegen    sehr 
leicht.  Die    folgenden: 


sind  wegen  der  bei  den  beiden  tiefen  Noten  rück- 
wärts zu  machenden  Bewegung  des  Daumens  viel 
schwerer  und  weniger   vorteilhaft. 

Die  mit  wiederholtem  Anschlag  einer  Note 
aus  je  zwei  und  zwei  gebundenen  Tonen  gebil- 
deten Tonleitern,  wie  im  nächsten  Beispiel,  sind 
zierlich  und  klingen  gut,  namentlich  in  den  gün- 
stigen Tonarten  des   Instrumentes;   wie    z.B. 


Die  Terzentonleitern,  obschon  an  den  beiden 
äußersten  Endpunkten  schwer,  können  bei  mäßi- 
gem Tempo   ausgeführt  werden: 


Derselbe   Fall   findet   bei    Sexten-  und   Okta- 
venfolgen   statt. 


Das  zwei-,  drei-,  vier-  und  selbst  scchs-oder 
achtmalige  Wiederanschlagen  ein  und  desselben  To- 
nes vollzieht  sich  leicht;  das  längere  Wirbeln  auf 
einem  solchen  ist  dagegen  nur  auf  der  hohen 
Saite  oder  allenfalls  auf  den  drei  hohen  Saiten 
gut   angebracht: 


Die  mit  D  bezeichneten  Töne  werden  mit 
dem  Daumen,  die  anderen  Töne  wechselweise  mit 
mit  dem  ersten  und  zweiten  Fiilger  angeschlagen. 
Beim  Wirbeln  wechselt  der  Daumen  mit  dem  ersten 
und   zweiten  Finger   auf  der  nämlichen   Saite: 


Alletr 


Die  Flageolettone  sprechen  auf  der  Gitarre 
sehr  gut  an  und  lassen  sich  in  manchen  Fällen 
vortrefflich  verwenden. 

Die  besten  sind  diejenigen,  welche  man  auf 
den  leeren  Saiten  durch  leichtes  Berühren  von 
Oktave,  Quinte,  Quart  oder  großer  Terz  hervor- 
bringt. Wie  wir  bereits  bei  Besprechung  der 
Streichinstrumente  gesagt  haben,  gibt  die  Oktave, 
leicht   berührt,  eben   diese  Oktave   selbst: 


159 


die  Quinte   gibt 
die  Duodezime: 


'irkliche  Flaeeolettüne. 


die  kleine  Terz 
endlich  die  höhere 
Oktave  der  Duo- 
dezime: 


Diese  letzten  Flageolettöne  klingen  am  we- 
nigsten hell  und  sprechen  schwer  an.  Nicht  zu 
übersehen  ist  bei  der  oben  gegebenen  Übersicht 
dieser  Töne,  daß  der  Ausdruck  „wirkliche  Fla- 
geolettöne" sich  nur  auf  das  der  Gitarre  eigen- 
tümliche Stimmungsverhältnis,  nicht  auf  das 
Stimmungsverhältnis  im  allgemeinen  bezieht;  denn 
der  absoluten  Tonhöhe  nach  stehen  diese  wirk- 
lichen Flageolettöne  ebenso  wie  alle  anderen 
Töne  dieses  Instrumentes  eine  Oktave  tiefer, 
als   die  geschriebenen  Noten   anzeigen. 

Man  kann  überdies  auch  chromatische  und 
diatonische  Tonreihen  in  künstlichen  Flageolet- 
tönen  auf  jeder  Saite  hervorbringen.  Zu  die  - 
sem  Zwecke  setzt  man  die  Finger  der  linken 
Hand   fest  auf  diejenigen  Töne,    deren      höhere 


Oktave  erklingen  soll;  die  Mitte  des  schwin- 
genden Teiles  der  Saite  berührt  man  dann  mit 
dem  Zeigefinger  der  rechten  Hand  und  bewirkt 
mit  dem  Daumen  derselben  Hand,  hinter  dem 
Zeigefinger,   den  Anschlag. 


I  ^"f  'ig"'  D  I  fauf  demG,  lauf  demH    i  laufdcml 


Ohne  sie  selbst  zu  spielen,  kann  man,  ich 
wiederhole  es,  nicht  Tonstücke  für  die  Gitarre 
schreiben,  die  auf  Mehrstimmigkeit  berechnet  und 
mit  Stellen  ausgestattet  sind,  bei  welchen  alle 
Hülfsmittel  des  Instrumentes  in  Frage  kommen. 
Will  man  eine  Vorstellung  davon  haben,  was  die 
Virtuosen  in  dieser  Hinsicht  zu  leisten  vermögen, 
so  muß  man  die  Kompositionen  berühmter  Gitar- 
respieler, wie  Zanni  de  Ferranti,  Huerta,  Sor 
u.  s.  w.  studieren. 

Seitdem  das  Pianoforte  in  allen  Häusern, 
wo  irgendwie  Musik  getrieben  wird,  heimisch 
geworden  ist,  findet  man  die  Gitarre,  ausge- 
nommen in  Spanien  und  Italien,  immer  seltener. 
Einige  Virtuosen  haben  sie  kultiviert  und  kul- 
tivieren sie  noch  heute  als  Solo- Instrument; 
sie  wissen  ebenso  anmutige  als  originelle  Wir- 
kungen darauf  zu  erzielen.  Die  Komponisten 
wenden  sie  sonst  weder  in  der  Kirche  noch 
im  Theater,  noch  im  Konzertsaal  an.  Der 
schwache  Klang,  der  ihr  anhaftet,  und  wel- 
cher nicht  gestattet,  sie  mit  anderen  Instru- 
menten oder  mehreren  Singstimmen  von  gewöhn- 
licher Tonstäike  in  Verbindung  zu  setzen,  ist 
hierfür  ohne  Zweifel  der  Grund.  Ihr  schwermü- 
tiger, träumerischer  Charakter  ließe  sich  nichts- 
destoweniger öfters  zur  Verwertung  bringen;  sein 
Reiz  ist  nicht  abzuleugnen,  und  es  ist  nicht  un- 
möglich, so  zu  schreiben,  daß  er  ans  Licht  träte. 
Übrigens  steht  die  Gitarre,  im  Gegensatz  zu  an- 
deren Instrumenten,  im  Nachteil,  wenn  sie  mehr- 
fach vertreten  wird.  Der  Klang  von  zwölf  Gitarren, 
die   im  Einklänge   spielen,  ist  beinahe  lächerlich. 


Edition  Peters. 


In  Verdis  Otello   findet  die   Gitarre  eine  sehr  Dudcisack    zur    RcKlcitunp:    dfs    Chores: 

feiiu»   Verwendung    im   Verein  mit   Mandoline  und     I     ' 


N956.  Otello,  Akt  IL 


AUegro  moderato 


Verlag    G.Rlcordl«    C?  Mailand. 


lebendenBlick      die  Blumen  blii  -  hen.   Schön-heit     will  uns  la-ben,ihremHoch-al- ta   -  re     brin- gen 


Au    -    gen     sanf  -  tes        Sprü-hen      läßt     mit        dem       be    -     le    -     ben     -     den —       Blick 


Die  Mandoline. 


163 


Dieses  Instrument  ist  heutigentages  fast  ganz 
in  Vergessenheit  gekommen,  und  das  ist  schade;  sein 
Xlang,  so  dünn  und  näselnd  er  sein  mag,  hat  etwas 
Pikantes  und  Originelles,  daß  man  es  sehr  oft  mit 
Glück  anwenden   könnte. 

Es  gibt  mehrere  Arten  von  Mandolinen;  die 
bekannteste  hat  vier  Doppelsaiten,  das  heißt  vier- 
mal zwei  Saiten  im  Einklänge,  die  in  Quinten,  wie 
bei  der  Violine,  gestimmt  sind.  Sie  wird  im  Violin- 
schlüssel notiert: 


Die  beiden  E  sind  Darmsaiten,  die  A  sind  aus  Stahl, 
die  D  aus  Messing,  die  G  endlich  aus  Darm  mit  Sil- 
berdraht übersponnen. 

Der  Umfang  der  Mandoline  beträgt  beinahe  drei 
Oktaven: 


Sie  ist  ein  Instrument,  welches  besser  melo- 
disch, als  harmonisch  zu  gebrauchen  ist;  ihre  Sai- 
ten, die  mittelst  einer  Feder-oder  Rindenspitze  durch- 
die  linke  Hand  des  Spielers  in  Schwingung  ver- 
setzt werden,  können  Akkorde  zu  vier  Noten  wie 
die    folgenden: 


zwar  hören  lassen,  wenn  man  mit  der  Federspitze 
schnell  über  die  vier  Doppelsaiten  hinwegfährt,  in- 
des ist  die  Wirkung  solcher  Gruppen  von  gleichzei- 
tigen Tönen   ziemlich  dürftig. 

Die  Mandoline  behauptet  ihren  wahren  Charak- 
ter und  ihre  Wirkung  nur  in  Begleitungen  melodi- 
scher Art,  wie  Mozart  im  zweiten  Akte  des  Don  Juan 
eine   geschrieben  hat.  (Partiturbeispiel   57.) 


Bassi 

Edition  Peters 


Die  Mandoline  ist  gegenwärtig  so  gänzlich 
bei  Seite  gesetzt,  daß  man  in  den  Theatern,  wo 
Don  Juan  aufgeführt  wird,  wegen  Vortrag  dieses 
Serenadenstückes  stets  in  Verlegenheit  kommt. 
Obschon  ein  Gitarren-  oder  selbst  ein  gewöhn- 
licher Violinspieler  im  Verlauf  von  wenigen  Tagen 
sich  mit  den  Griffen  der  Mandoline  vertraut  ma- 
chen könnte,  so  hat  man  doch  im  allgemeinen, 
wenn  von  alten  Gewohnheiten  auch  nur  das  Ge- 
ringste geopfert  werden  soll,  so  wenig  Achtung 
vor   den    Ideen   der  großen  Meister,  daß  man  sich 


fast  überall  und  selbst  in  der  großen  Opor  (dem 
letzten  Orte  der  Welt,  wo  man  sich  eine  solche 
Frt'iheit  herausnehmen  sollte)  erlaubt,  die  Partie 
der  Mandoline  des  Don  Juan  auf  Violinen 
pizzikato  oder  auf  Gitarren  auszuführen. 
Der  Klang  dieser  Instrumente  hat  durchaus 
nicht  die  eigentümliche  Feinheit  der  Mandoline, 
und  Mozart  wußte  recht  wohl,  was  er  tat, 
als  er  gerade  dieses  Instrument  zur  Beglei- 
tung des  liebesprühenden  Gesanges  seines  Hel- 
den  wählte! 


Saiteninstrumente  mit  Klaviatur. 


Das  Pianoforte. 


Das  Pianoforte  ist  ein  Instrument  mit  Kla- 
viatur und  Metallsaiten,  die  durch  Anschlag  von 
Hämmern  in  Schwingung  versetzt  werden.  Sein 
gegenwärtiger  Umfang  beträgt  sechs  Oktaven 
und  eine  Quarte,  oft  auch  sieben  Oktaven.  Es 
wird  gleichzeitig   in  zwei  verschiedenen  Schlüsseln 


notiert :  der  Baßschlüssel  gilt  für  die  linke,  der 
Violinschlüssel  für  die  rechte  Hand.  Bisweilen 
auch,  je  nach  dem  Grad  der  Tiefe  oder  Höhe,  den 
die  auszuführenden  Gänge  beider  Hände  errei- 
chen, schreibt  man  in  zwei  Baß-  oder  in  zwei 
Violinschlüsseln. 


'*••  ^jiJJ  JMrrrrrr^jjj,iJ.u-rrr 


^ 


rfffff^rff^ 


Mit  allen  chromatischen  Zwischentönen 


Der  Triller  ist  auf  allen  Stufen  der  Ton- 
leiter ausführbar.  Man  kann  auf  jede  Weise  und 
mit  jeder  Hand  einen  Akkord  zu  vier  und  selbst 
zu  fünf  Noten  anschlagen  oder  arpeggieren,  nur 
müssen  die  Töne  so  nahe  wie  möglich  zusam- 
menstehen, z.  B. 


Indes  sind  auch  Akkorde,  die  das  Intervall 
einer  Dezime  umfassen,  möglich;  dann  aber  läßt 
man,  der  größeren  Leichtigkeit  wegen,  die  Terz 
und  selbst  die  Oktave  ausfallen,  und  stellt  sie 
wie   folgt  dar: 


^ ^ « 


Man  kann  für  das  Pianoforte  zu  vier  und 
selbst  zu  fünf  Realstimmen  schreiben,  wenn  man 
darauf  bedacht  bleibt,  die  beiden  äußersten  Stim- 
men jeder  Hand  innerhalb  des  Raumes  einer  Ok- 
tave oder  höchstens  einer  Nene  zu  halten;  man 
müßte  denn  das  Pedal  dabei  benutzen,  welches 
die  Dämpfung  hebt  und  also  die  Verlängerung 
der  Töne  gestattet,  ohne  daß  der  Finger  des 
Spielers  auf  der  Taste  liegen  bleibt;  dann  hat 
man  die  Freiheit,  die  einzelnen  Stimmen  weiter 
auseinander    zu   legen. 


Edition  Peters. 


165 


eispiel    au   vier   Stimmen    ohne   Anwendung   des   Pedals. 


Beispiel    mit    Anwendung   des    Pedals. 


Das  Zeichen  *  (oder  ähnlich)  bei  letzterem 
Beispiel  bedeutet,  daß  man  das  Pedal  loslassen 
soll,  um  die  Dämpfung  wieder  in  Wirkung  zu 
setzen;  man  wendet  es  so  oft  an,  als  man  kann, 
und  zwar  stets  in  dem  Augenblick,  wo  die  Har- 
monie wechselt,  damit  das  Fortklingen  der  Töne 
des  letzten  Akkordes  in  die  des  folgenden  ver- 
hindert wird.  Mit  Rücksicht  auf  dieses  lange 
Fortklingen  jedes  einzelnen  Tones  muß  man  bei 
Anwendung  des  Pedals  so  viel  als  nur  möglich 
Wechsel-  und  Durchgangsnoten  in  der  mittleren 
Tonregion  des  Instrumentes  vermeiden;  denn  diese 
Noten  verursachen,  da  sie  ebenso  wie  alle  anderen 
Töne   mit   fortklingen  und   dadurch  als  Fremdlinge 


in  die  Harmonie  sich  einmischen,  unerträgliche  Miß- 
klänge. Nur  in  den  höchsten  Oktaven  der  Klavia- 
tur, wo  die  Saiten  sehr  kurz  sind  und  überhaupt 
weniger  Nachklang  haben,  sind  dergleichen  melo- 
dische Verzierungen  anwendbar. 

An  den  neueren  Steinway- Flügeln  ist   ein  drit- 
tes Pedal  angebracht,  dazu  bestimmt,  nach  Belieben 
einen  einzelnen  Ton  länger  fortklingen  zu  lassen, 
was  von  guter  Wirkung  und  unter    Umständen    im 
vielstimmigen  Satze  von  Hülfe  für  den  Spieler  ist. 
Bisweilen  läßt  man  die  Hände  sich  kreuzen, 
derart,  daß  entweder  die  rechte  Hand  über  die  linke,  oder 
umgekehrt    die    linke  über  die  rechte  Hand  hin- 
weggeht; z.B. 


Largo. 


»     *  ^ ^  tr^ — — 


Edition  Peters. 


Die  Ziihl  derartigor  Küinbinationen  untt-r  all' 
den  mannigfaltigen  Tonverbindungen,  die  auf  dem 
Pianoforte  ausführbar  sind,  ist  ganz  beträchtlich; 
es  wäre  in  der  Tat  unmöglich,  sie  alle  hier  zu 
nennen.  Nur  durch  das  Studium  der  Kompositio- 
nen großer  Virtuosen,  so  namentlich  derjenigen 
von  Liszt,  kann  man  sich  ein  klares  Bild  machen, 
bis  zu  welchem  Höhepunkte  die  Kunst  des  Kla- 
vierspiels heutzutage  fortgeschritten  ist.  Man 
wird   dann  gewahr   werden,  daß    die    Grenzen  des 


auf  diesem  Instrumente  Erreichbaren  noch  ganz 
unbekannt  sind,  und  daß  sich  dieselben  jeden  Tag 
durch  neue  Wunderdinge,  welche  die  Spieler  aus- 
führen, erweitern. 

Wie  bei  der  Harfe,  so  ist  es  auch  beim 
Pianoforte  in  gewissen  Fällen  (z.  B.  bei  Arpeg- 
giengängen)  ratsam,  die  beiden  Hände  nicht  zu 
nahe  aneinander  zu  bringen.  Eine  Stelle,  wie 
die  folgende  würde  ziemlich  unbequem  zu  spie- 
len  sein: 


ungleich  besser  wäre  es,  sie  so  zu  notieren: 


Diatonische  und  chromatische  Tonleitern  in 
Terzen  für  beide  Hände  sind  jedoch,  selbst  bei 
enger    Lage,  leicht: 


Derartige  Terzentonleitern  sind  audi  für  eine 
Hand  allein  ausführbar,  aber  bei  lebhafter  Bewegung 
schwierig.  Außerdem  kann  man  in  Tonarten,  die 
nicht  viel  Vorzeichnung  haben,  für  beide  Hände 
Terzsextenfolgen  zu  drei  Noten    schreiben: 


Das   Pianoforte    läßt    sich    bei    dem    hohen 
Grade    von  Vervollkommnung,  den  es  durch  unsere 


geschickten  Instrumentenbauer  gegenwärtig  er- 
reicht hat,  unter  einem  doppelten  Gesichtspunkt 
betrachten:  als  Orchesterinstrument  oder  als 
kleines,  vollständiges  Orchester  für  sich.  Erst 
ein  einziges  Mar'ist  seine  Verwendung  im  Or- 
chester in  gleicher  Art  wie  die  der  anderen 
Instrumente  erfolgt,  in  der  Absicht,  dem  Gesamt- 
klange des  Orchesters  durch  seine  Eigenart  neue 
Mittel  zuzuführen  und  damit  Klangwirkungen  zu 
erzielen,  die  im  beabsichtigten  Falle  nicht  an- 
ders   zu  ersetzen  wären. 

Gewisse  Stellen  in  den  Beethovenschen  Kon- 
zerten hätten  die  Aufmerksamkeit  der  Kompo  - 
nisten  längst  hierauf  lenken  sollen.  Man  hat 
sicher  die  wundervolle  Wirkung  bemerkt,  welche 
im  Es-dur-Konzerte  Beethovens  die  langsamen 
Akkordfiguren  beider  Hände  in  der  höheren 
Tonregion  des  Pianoforte  hervorbringen,  wäh- 
rend die  Melodie  von  Flöte,  Klarinette  und  Fa- 
gott geführt  wird,  unter  nachschlagenden  Achteln 
der  Streichinstrumente.  Bei  solcher  Umkleidung 
ist  der  Klang  des  Pianoforte  von  verführerischem 
Reiz,  er  ist  voll  Ruhe,  und  Frische,  ein  Urbild 
der  Anmut.  (Partiturbeispiel  58.) 
♦)  vpl.  Seite  170:„Lelio"  von  Berlioz. 


167 


N9  58.  Es-dur-Konzert,  Adagio. 


Adagio  un  poco  mosso 

(Solo.) 


Fas. 


16» 


Edition  Peters. 


170 

Oanz  verschieden  hiervon  ist  die  Verwen- 
dung des  Pianoforte  in  dem  vorher  erwähnten, 
einzeln  dastehendem  Falle.  In  einem  Chore  von 
Luftgeistern  hat  der  Verfasser  zwei  Klaviere  zu 
je  zwei  Händen  an  der  Begleitung  der  Singstim- 
men teilnehmen  lassen.  Die  tiefer  spielenden 
Hände  auf  dem  einen  P'anoforte  führen  von  der 
Tiefe  nach  der  Höhe  einen  schnellen  Arpeggien- 
gang  in  Triolen  aus,  dem  ein  anderer  dreistim  - 
miger   Arpeggiengang  von  Flöten  und   Klarinette 


in  entgegengesetzter  Bewegung  antwortet,  letz- 
terer umschwirrt  von  einem  Doppeltrillor  in  Ter- 
zen, welcher  von  den  beiden,  höher  spielenden 
Händen  des  anderen  Pianofortes  ausgeführt  wird. 
Kein  anderes  Instrument  würde  ein  derartiges 
harmonisches  Tongeschwirr  hervorbringen,  wie  es 
das  Pianoforte  mit  Leichtigk<;it  tun  kann,  und  wie 
es  hier  zur  Darstellung  des  sylphf^nglcichen  Cha- 
rakters des  Tonstückes  geboten  erschien. 
(PurtiturbiMspitl    59.) 


NQ59.  Lelio,  Monodrame  lyrique, Finale  (FantaisiesuriatempGte). 

Berlioz. 

^ J5" 


4Solo-Viol.I. 
mit  Sordinen. 


4Solo-Viol.II. 
mit  Sordinen . 


171 


17S 


Edition  Peters. 


Soll  dagegen  das  Pianoforto  über  seine  zar- 
ten Wirkungen  hinausgehen  und  mit  dem  Orchester 
an  Starke  wetteifern,  so  verschwindet  es  vollstän- 
dig. Es  muß  begleiten  oder  begleitet  werden;  es 
sei  denn,  man  verwendete  es,  ähnlich  wie  die  Har- 
fen, in  großer  Anzahl.  Das  wäre  meiner  Überzeu- 
gung nach  gar  nicht  zu  verachten;  indes  würde  es, 
in  Anbetracht  des  erforderlichen  großen  Raumes 
schwierig  sein,  ein  Dutzend  solcher  Instrumente 
in  einem  einigermaßen  starkbesetzten  Orchester 
unterzubringen. 

Als  ein  kleines  unabhängiges  Orchester  für 
sich  betrachtet,  muß  das  Pianoforte  seine  eigene 
Instrumentation  haben;  sie  geht  mit  der  Kunst 
des  ausübenden  Klavierspielers  Hand  in  Hand . 
Dem  Spieler  ist  es  bei  vielen  Gelegenheiten  an- 
heimgestellt, gewisse  Stimmen  hervorzuheben,  oder 
andere  zurücktreten  zu  lassen ;  eine  Stelle  der  mitt- 
leren Tonregion  stark  zu  spielen,  den  Ausschmük- 
kungen  in  höheren  Tonlagen  dagegen  Leichtigkeit 
zu  geben,  oder  die  Fülle  der  Bässe  zu  mäßigen; 
an  ihm  ist  es  zu  beurteilen,  wo  ein  Fingerwechsel 
geboten  erscheint,  oder  wo  Veranlassung  dazu  ist, 
sich  bei  dieser  oder  jener  Melodie  nur  des  Dau- 
mens zu  bedienen;  er  weiß,  wenn  er  für  sein  In- 
strument schreibt,  wann  er  enge  oder  zerstreute 
Harmonie  anwenden  soll;  er  unterscheidet  wie  nahe 
oder  entfernt  die  Töne  in  einem  Arpeggiengang 
gelegt  werden  können,  und  kennt  die  Verschie  - 
denheit  des  Klangcharakters,  die  daraus  hervorgeht. 
Besonders  wichtig  ist  außerdem  der  richtige  Ge- 
brauch der  Pedale.  Hervorragende  Klavierkompo- 
nisten haben  daher  stets  in  sorgfältigster  Weise 
diejenigen  Stellen  bezeichnet,  wo  das  Dämpferpedal 
genommen  und  wo  es  verlassen  werden  soll.  Sehr 
unrecht  ist  es  deshalb,  daß  viele  Virtuosen,  und 
darunter  manche  der  geschicktesten,  jene  Bezeich- 
nungen eigensinnigerweise  unberücksichtigt  lassen 
und  fast  unaufhörlich  mit  aufgehobenen  Dämpfern 
spielen.  Sie  lassen  dabei  vollständig  unbeachtet, 
daß  hierdurch  oft  die  ungleichartigsten  Harmo  - 
nien  ineinander  übergehen  und  die  abscheulich- 
sten Mißklänge  daraus  entstehen.  Diese  üble  Ge- 
wohnheit ist  in  der  Tat  ein  schlimmer  Mißbrauch 
einer  an  sich  guten  Einrichtung,  denn  die  daraus 
hervorgehende  Wirkung  ist  Lärm  und  verworre- 
nes Geräusch  statt  Wohlklang!  Es  ist  übrigens 
nur  die  natürliche  Folge  jenes  unerträglichen 
Hanges  der  Virtuosen,  großer  wie  kleiner,  Sänger 
wie  Instrumentalisten,  stets  das  Interesse  für  ihre 
eigene  Persönlichkeit  in  erste  Linie  zu  stellen. 

i         (Dieser  Vorwurf  ist  heute   auch    auf     eine    prol3e 
Anzahl  von  Dirigenten  auszudehnen!) 

Sie  kümmern  sich  wenig  um  die  unerläßli- 
che Achtung,  die  der  Ausführende  dem  Komponi- 
sten schuldet   und   um  die    stillschweigend,  aber 


tatsächlich  vorhandene  Verpflichtung,  dem  Zuhörer 
die  Gedanken  des  Komponisten  unversehrt  zu  über- 
mitteln, gleichviel  ob  er  einem  mittelmäßigen  Autor 
die  Ehre  gibt,  ihm  als  Dolmetsch  zu  dienen,  oder 
oh  ihm  stilhst  die  Ehre  zu  Teil  wird,  un.sterbliche 
Gedanken  eines  Genies  wiederzugeben.  In  einem 
wie  in  dem  anderen  Falle  sollte  der  Ausführende 
stets  bedenken,  wenn  er,  einer  augenblicklichen 
Laune  folgend,  den  Absichten  des  Komponisten 
zuwiderhandelt,  daß  der  Verfasser  des  vorzutra- 
genden Werkes,  möge  es  beschaffen  sein  wie  es 
wolle,  wahrscheinlich  hundertmal  mehr  Aufmerk- 
samkeit darauf  verwendet  hat,  Ort  und  Stelle, 
sowie  die  Dauer  gewisser  Effekte  genau  zu  be- 
stimmen, diese  oder  jene  Tempo-Angaben  zu  ma- 
chen, Melodie  und  Rhythmus  so  zu  gestalten, 
Akkorde  und  Instrumente  so  zu  wählen,  wie  er 
getan,- als  er,  der  Ausführende,  dara-uf  verwendet 
das  Gegenteil  zu  tun.  Man  kann  (und  täte  man 
es  bei  jeder  Gelegenheit)  nicht  genug  gegen  die- 
ses törichte  Vorrecht  Verwahrung  .einlegen,  das 
sich  Instrumentalisten,  Sänger  und  Orchesterdi  - 
rigenten  nur  allzuoft  anmaßen.  Eine  solche  Sucht 
ist  nicht  allein  lächerlich,  sie  muß  auch,  wenn 
sie  weiter  überhand  nimmt,  unsägliche  Verwir- 
rung und  die  schlimmsten  Nachteile  für  die  Kunst 
mit  sich  bringen.  An  Komponisten  und  Kritikern 
ist  es,  ihr  übereinstimmend  immerdar  und  unter 
allen  Umständen   entgegenzuarbeiten. 

(Goldene  Worte!  fDer  Herausgeber.)) 
Ein  Pedal,  das  man  viel  weniger  als  das  Dämp- 
ferpedal in  Gebrauch  nimmt,  welches  indes  Beet- 
hoven und  einige  andere  sehr  vorteilhaft  verwendet 
haben,  ist  die  sogenannte  Ve  r  s  chiebung.  Dem 
gewöhnlichen  Klange  des  Pianoforte  und  der  durch 
das  Dämpferpedal  erzeugten  prächtigen  Tonfülle 
gegenüber  wirkt  es  nicht  allein  durch  den  Kontrast 
(Abschwächung  des  Tons)  vortrefflich,  sondern  ist  auch 
mit  unbestreitbarem  Nutzen  bei  Begleitung  des 
Gesanges  zu  verwenden, besonders  wenn  die  Stim- 
me des  Sängers  schwach  ist,  oder  wenn,  wie  noch 
häufiger  der  Fall  sein  wird,  dem  ganzen  Vortrag 
der  Charakter  der  Zartheit  und  Innigkeit  beigelegt 
werden  soll.  Man  zeigt  seinen  Gebrauch  mit  den 
Worten  an:  „Mit  Verschiebung",  oder  auf  Italie- 
nisch „una  corda".  Die  Wirkung  dieses  Pedals  be- 
steht darin,  daß  es  die  ganze  Klaviatur  in  der 
Weise  verschiebt,  daß  die  Hämmer  nur  eine  der 
drei  Saiten  treffen  können,  welche,  im  Einklang 
gestimmt,  für  jeden  einzelnen  Ton  bei  allen  guten 
Instrumenten  heutzutage  vorhanden  sind.  Da  in- 
folgedessen nur  eine  Saite  in  Schwingung  kommt, 
vermindert  sich  die  Tonstärke  des  Instrumentes 
um  zwei  Drittel,  und  es  ergibt  sich  zugleich  eine 
sehr  bemerkenswerte  Verschiedenheit  im  Klang- 
charakter. 


Edition  Peters. 


17B 


Blasinstrumente. 


Bevor  wir  die  Glieder  dieser  großen  Familie 
einzeln  studieren,  wollen  wir  so  klar  wie  möglich 
ein  musikalisches  Wörterbuch  zusammenstellen  be- 
züglich der  verschiedenen  Abstufungen  in  Höhe 
und  Tiefe  gewisser  Instrumente,  bezüglich  der 
Transpositionen,  welche  diese  Unterschiede  her- 
beiführen, sowie  auch  der  üblichen  Notierungs - 
weise  und  der  Benennung  dieser   Instrumente. 


Wir  ziehen  zunächst  eine  Grenzlinie  zwi- 
schen den  Instrumenten,  deren  Ton  genau  so 
erklingt,  wie  die  musikalischen  Signaturen  ihn 
anzeigen,  und  den  Instrumenten,  deren  Ton  hö- 
her oder  tiefer  als  die  geschriebene  Note 
erklingt.  Aus  dieser  Teilung  ergeben  sich  fol- 
gende beide  Kategorien: 


Nichttransponierende  Instrumente, 

deren  Ton  so  erklingt,   wie    er 
geschrieben   ist. 


Transponierende  Instrumente, 

deren  Ton  von  der  geschriebenen   Note 


verschieden    ist. 


Die  Violine. 

Die  Viola. 

Die  Viola  d'amour,   die  Viola  da  gamba. 

Das  Violoncell Der  Kontrabaß. 

Die  gewöhnliche   Flöte Alle   anderen  Flöten  als  die  gewöhnliche   Flöte. 

Die  Oboe Die  Oboe  d'amore,  das  Englisch-Horn. 

Die  Klarinette   in  C Alle  anderen  Klarinetten  als  die  C-Klarinette. 

Das   Fagott Das   Quint-  und  Kontrafagott. 

Das   russische   Fagott. 

Das   Hörn  in  hoch  C Alle  anderen  Hörner  als  das  Hörn  in  hoch  C. 

Das   Kornett  in  C Alle   anderen  Kornetts  als  das  Kornett  in  C. 

Die    Trompete   in  C Alle  anderen  Trompeten  als  die  Trompete   in  C. 

Die    Altposaune Die  Altposaune  mit  Ventilen. 

Die   Tenorposaune. 

Die    Baßposaune. 

Die    Ophikleide  in  C Alle  anderen  Ophikleiden  als  die  Ophikleide    in  C. 

Das  Bombardon Der   Serpent. 

Die    Baßtuba Alle  anderen  Tuben. 

Die    Harfe,  die  Mandoline Die  Gitarre. 

Das  Pianoforte. 

Die    Orgel. 

Die   Singstimmen  (wenn  man  sie  in  ihren  betref-  Die  Tenöre  und  Bässe  (wenn  man  sie  im  G-Schlüs- 

fenden  Schlüsseln  und  nicht   alle  ohne  Unter-  sei    notiert,  indem  dann   ihre  Töne    eine    Ok- 

schied  im  G-Schlüssel  notiert.)  tave  tiefer  als  die  geschriebene  Note  erklingen). 

Die    Pauken. 

Die    Glocken. 

Die    antiken    Zimbeln. 

Das   Glöckcheninstrument. 

Das   Glockenspiel. 

Die   Klavier- Harmonika Die   Harmonika  mit  Stahlzungen. 


Die  Viola  alta. 
Die  Violotta. 
Die   Cellone. 


Das  Saxophon  in  C 
Die  Celesta. 


Die  Heckel-Clarina. 
Das  Heckelphon. 

Alle  anderen  Saxophone,  die  Saxhörner,  Saxtrompeten 
und  Saxtuben, 


Edition  Peters. 


17« 


Aus  dieser  Übersicht  ergibt  sich,  daß  alle 
nichttransponierenden  Instrumente  mit  dem  Zu- 
sätze „in  C",  deren  Töne  so  erklingen  wie  sie 
geschrieben  sind,  und  diejenigen  Instrumente, 
wie  Violine,  Oboe,  Flöto  u.s.w.  bei  denen  keine 
derartige  Bezeichnung  des  Tones  üblich  ist,  sich 
ganz  im  nämlichen  Falle  befinden;  letztere  sind 
für  den  Komponisten  in  dieser  Beziehung  den 
Instrumenten  in  C  völlig  gleich.  Indes  hat  die 
Benennung  mancher  Blasinstrumente,  soweit  sie 
sich  auf  den  dem  Rohre  eigentümlichen  Natur - 
klang  gründet,  die  sonderbarsten  und  ungereim- 
testen Folgerungen  herbeigeführt;  sie  hat  die 
Notierung  der  transponierenden  Instrumente  zu 
einer  sehr  verwickelten  Aufgabe  und  das  musi- 
kalische Wörterbuch  vollkommen  unlogisch  gemacht. 
Es  wird  daher  nötig  sein,  zunächst  diesen  Ge- 
brauch eingehend  zu  erörtern  und  da  wieder 
Ordnung  herzustellen,  wo  so  wenig  zu  finden   ist. 

Die  Ausführenden  sprechen  bisweilen  von 
der  Tenorposaune  als  von  der  Posaune  in  B,  von 
der  Altposaune  als  von  der  in  Es,  und_  noch 
häufiger  _  von  der  gewöhnlichen  Flöte  als  von 
der  Flöte   in  D. 

Diese  Bezeichnungen  sind  dem  Sinne  nach 
insofern  richtig,  als  das  Rohr  der  beiden  Po- 
saunen bei  geschlossenem  Zuge  in  der  Tat  bei 
der  einen  die  Töne  des  B-dur- Akkordes,  bei  der 
anderen  die  Töne  des  Es- dur- Akkordes  hören 
läßt,  ebenso  gibt  die  gewöhnliche  Flöte  bei 
durchgängig  geschlossenen  Löchern  und  Klappen 
den  Ton  D.  Da  aber  die  Ausführenden  auf  die- 
sen Naturklang  des  Rohres  in  keiner  Weise 
Rücksicht  zu  nehmen  brauchen,  sondern  einfach 
die  geschriebenen  Noten  der  wirklichen  Tonhöhe 
nach  wiedergeben,  also  das  C  einer  Tenorposaune 
ein  C  und  nicht  ein  B,  das  C  einer  Altposaune 
gleichfalls  ein  C  und  nicht  ein  Es,  das  C  der 
Flöte  endlich  wiederum  ein  C  und  nicht  ein  D 
ist,  so  folgt  daraus  offenbar,  daß  diese  Instru- 
mente nicht  in  die  Kategorie  der  transpo  - 
nierenden  sondern  in  die  der  nichttrans- 
ponierenden Instrumente  gehören,  und  daß 
sie  ebensogut  als  in  C  stehend  anzusehen  sind 
wie  die  Oboen,  oder  wie  die  Klarinetten,  Hörner, 
Kornetts  und  Trompeten  in  C.  Eine  nähere  Be- 
zeichnung des  Tones  ist  bei  ihnen  nicht  nötig, 
man  müßte  denn  „in  C"  hinzusetzen.  Es  geht  zu- 
gleich hieraus  hervor,  wie  wichtig  es  ist,  die 
gewöhnliche  Flöte  nicht  Flöte  in  D  zu  nennen; 
denn  da  man  die  anderen,  in  höherer  Stimmung 
stehenden  Flöten  nach  dem  Unterschiede  zwischen 
ihrem  Stimmungsverhältnis    und  dem  der    gewöhn- 


lichen Flöto  benannte,  kam  man  dahin,  .statt  ein- 
fach „Terzf  löte",  und  „Nonenflöte"  zu  sagen  (was 
doch  immerhin  wenigstens  nicht  Verwirrung  in 
die  Ausdrücke  gebracht  hätte)  diese  Instrumente 
„Flöte  in  F"  und„Flöto  in  Es"  zu  benennen.  Wohin 
dies  führt,  mag  das  Folgende  zeigen.  In  einer 
Partitur  kann  die  kleine  Klarinette  in  Es,  deren 
C  in  Wirklichkeit  wie  Es  klingt,  ganz  die  nämliche 
Stelle  wie  eine  „Flöte  in  F"  genannte  Terzflöte  aus- 
führen, und  diese  beiden,  dem  Namen  nach  schein- 
bar in  verschiedener  Stimmung  stehenden  Instru- 
mente bringen  gleichwohl  ein  und  denselben  Ton 
hervor.  Ist  daher  die  Benennung  nicht  hier  oder 
dort  falsch?  und  ist  es  nicht  sinnlos  bei  den 
Flöten  allein  einen  Modus  für  Benennung  und 
Bezeichnung  der  Stimmung  anzunehmen,  der  von 
dem  bei  den  übrigen  In  strume  nte  n  befolg- 
ten Modus   vollständig  abweichend  ist? 

Als  festzuhaltenden  Grundsatz,  der  jede 
falsche  Auslegung  unmöglich  macht,  schlage  ich 
daher  vor:  Der  Ton  C  ist  der  alleinige  Ver- 
gleichungspunkt, von  dem  man  bei  Bezeichnung 
der  Stimmung  transponierender  Instrumente  aus- 
zugehen hat.  Das  natürliche  Stimmungsverhältnis 
des  Rohres  nichttransponierendcr  Blasinstrumente 
kann  niemals  in  Betracht  kommen.  Jedes  nicht- 
transponierende  oder  nur  in  die  Oktave  trans- 
ponierende Instrument,  bei  dem  also  das  geschrie- 
bene C  den  wirklichen  Ton  C  gibt,  wird  als 
„in   C"   stehend   angesehen. 

Steht  also  ein  Instrument  der  gleichen  Gat- 
tung ober-  oder  unterhalb  der  Stimmungshöhe  des 
Stamminstrumentes,  so  wird  dieser  Unterschied 
nach  dem  Verhältnis  zum  Tone  C  bestimmt.  Folg- 
lich sind  die  Violine,  die  Flöte,  die  Oboe,  welche 
unisono  mit  der  Klarinette  in  C,  der  Trompete 
in  C,  dem  Home  in  C  spielen,  „in  C",  während, 
wenn  man  eine  Violine,  eine  Flöte,  eine  Oboe 
in  Gebrauch  nimmt,  die  einen  Ton  höher  als  die 
gewöhnlichen  Instrumente  dieses  Namens  gestimmt 
sind,  so  stehen  diese  Violine,  diese  Flöte,  diese 
Oboe,  weil  sie  unisono  mit  der  Klarinette  in  D 
und   der   Trompete    in  D   spielen,  „in  D". 

Hieraus  folgt,  daß  man  betreffs  der  Flö- 
ten die  alte  Bezeichnungsweise  abschaffen,  daß 
man  die  Terzflöte  nicht  mehr  Flöte  in  F,  wohl 
aber,  da  ihr  C  wie  Es  klingt,  Flöte  in  Es, 
wie  auch  die  in  kleiner  None  und  Sekunde 
stehenden  Flöten  nicht  Flöten  in  Es,  sondern, 
da  ihr  C  den  Ton  Des  ergibt,  große  oder  kleine 
Flöte  in  Des  nennen  muß;  und  so  weiter  be- 
treffs   der   anderen  Stimmungen. 


177 


Instrumente  mit  Rohrblatt. 


Unter  diesen  ist  die  Familie  der  Instrumente 
mit  doppeltem  Rohrblatte  von  derjenigen  der  Instru- 
mente mit  einfachem  Rohrblatt  zu  unterscheiden. 
Erstere    besteht    aus    fünf    Gliedern:    Oboe,  Eng- 


lisches Hörn,  Fagott,  Quintfagott  und  Kontrafa- 
gott; die  andere  umfaßt  die  Klarinetten,  Basset- 
hörner,  Saxhörner   u.s.w. 


Die  Oboe. 


Sie  hat  einen  Umfang  von   zwei   Oktaven   und 
einer  Quinte.  Man  notiert  sie  im  Violinschlüssel: 


Die  beiden  letzten  hohen  Noten  müssen  sehr 
behutsam  angewendet  werden;  das  f  zumal  ist 
nicht   ohne   Gefahr,  wenn  es  schnell  eintreten  soll.*^ 


Manche   Oboen  besitzen  das  tiefe   b 


da 


aber  dieser  Ton  dem  Instrumente  nicht  allgemein 
eigen  ist,  so  muss  man  ihn  lieber  vermeiden. 
Mit  Anwendung    des   Böhmschen  Systemes  werden 


die  Schwierigkeiten  der  Applikatur  schwinden,  wel- 
che die  Oboe  in  ihrem  heutigen  Zustande  noch  bietet, 
Schwierigkeiten,  welche  bei  schnellen  Gängen  z.  B. 
vom  eis  (des)  der  Mittellage  nach  der  höheren 
Tonstufe 


und  vom  gis  zum  fis 


Die  Triller  mit  großer  Sekunde  sind  daher 
auf  diesen  Tonstufen,  und  noch  auf  einigen  an- 
deren unmöglich  oder  sehr  schwer  auszuführen 
und  von  schlechter  Wirkung,  wie  aus  folgender 
Tabelle   zu  ersehen    ist. 


I  Schwerl  1  Unmöglich  I 


Das  System  Conservatoire,  Paris,  mit  einigen 
Änderungen  von  Flemming,  ermöglicht  alle  diese 
mit  •  bezeichneten  Triller  und  auch  den  ge- 
brochenen  Fis- dur- Akkord: 


ganz   sauber  und  rein,  sogar  ziemlich  schnell. 


*)  Trifft   bei  den   heutig'en   französischen  Oboen  nicht  mehr 
zu,  da  dieselben  bis  zum    (^    '  noch  p  blasen  können 


und  darüber  hinaus    ^    '        und   (jk    '         zu  bring'en 
Stande  sind-  diese  allerdings  nur  mehr   legato. 


Edition  Peters, 


178 


Wie  alle  anderen  Instrumente  bewegen  sich 
auch  die  Oboen  am  bequemsten  in  Tonarten,  die 
wenig   Vorzeichnungen    haben. 

Skalen    in   H-dur   sind   schwierig,  in    As-dur 
leichter,  dagegen   Des-dur  wieder  schwieriger. 
Leicht   ausführbar  sind    folgende    Passagen 
auch    im   schnellsten   Zeitmaß: 

Für  gesangvolle  Stellen  ist  es  gut,  den  folgen- 
den Umfang  nicht  zu  überschreiten: 


Die  in  der  Tiefe  und  Höhe  darüber  hinaus  lie- 
genden  Töne  erklingen  matt  oder  dünn,  hart  oder 
schreiend;  sie  sind  sämtlich  von  schlechter  Beschaf- 
fenheit. Schnelle  chromatische  oder  diatonische  Gänge 
lassen  sich  auf  der  Oboe  zwar  ziemlich  gut  ausführen, 
bringen  jedoch  eine  unangenehme,  fast  lächerliche 
Wirkung  hervor;  mit  den  Arpeggien  verhält  es  sich 
ebenso.  Eine  Veranlassung,  derartige  Tonfolgen  vor- 
zuschreiben, dürfte  nur  ganz  selten  vorkommen,  wir 
gestehen  sogar,  noch  keiner  begegnet  zu  sein,  und 
was  die  Virtuosen  in  ihren  Phantasien  oder  Variatio- 
nen hierin  versuchen,  ist  wenig  geeignet,  das  Gegen- 
teil zu  beweisen.  Die  Oboe  ist  vor  allem  ein  melo- 
disches Instrument;  sie  hat  einen  ländlichen  Cha- 
rakter, voll  Zärtlichkeit,  fast  möchte  ich  sagen:  voll 
Schüchternheit. 

In  den  Tutti stellen  des  Orchesters  verwendet 
man  sie  indes  ohne  auf  den  Ausdruck  des  Klanges 
besondere  Rücksicht  zu  nehmen;  denn  hier  verliert 
sie  sich  in  der  Gesamtheit  und  die  Besonderheit 
ihres  Ausdruckes  kann  nicht  mehr  unterschieden 
werden.   Ganz    so  verhält  es   sich   auch,    wie     im 


voraus  hierbei  erwähnt  sei,  mit  dem  groliten  Teile 
der  übrigen  Ulasinstrumi.'nte.  Nur  diejenigen  machen 
eine  Ausnahme,  deren  Tonfülle  äuUerst  stark  oder 
deren  Klangeigentümlichkeit  besonders  hervorstech- 
end ist.  Diese  dürfen,  wenn  man  Kunst  und  ge- 
sunden Menschenverstand  nicht  mit  Füßen  treten 
will,  unmöglich  wie  einfache  Harmonieinstrumente 
behandelt  werden;  es  sind  die  Posaunen, Ophiklei'- 
den,  Kontrafagotte  und  in  vielen  Fällen  auch  die 
Trompeten   und  Kornetts. 

Naive  Anmut,  unberührte  Unschuld,  .stille  Freude 
wie  Schmerz  eines  zarten  Wesens,  alles  dies  ver- 
mag die  Oboe  im  Kantabile  aufs  glücklich.ste  wie- 
derzugeben. Auch  ein  gewisser  Grad  von  Erregung 
ist  ihr  zugänglich,  doch  muß  man  sich  hüten,  ihn 
bis  zum  Schrei  der  Leidenschaft,  bis  zum  stürmi- 
schen Ausbruch  des  Zornes,  der  Drohung  oder  des 
Heldenmutes  steigern  zu  wollen;  denn  ihre  kleine, 
herb-liebliche  Stimme  wird  dann  machtlos  und  ver- 
fällt vollständig  ins  Unnatürliche.  Diesen  Fehler 
haben  selbst  einige  große  Meister,  Mozart  unter 
anderen,  nicht  vermieden.  Man  findet  in  ihren 
Partituren  Stellen,  deren  leidenschaftliche  Bewe  - 
gung  und  kriegerischer  Anklang  mit  dem  Tone 
der  Oboen,  die  sie  auszuführen  haben,  seltsam  kon- 
trastieren; daraus  entstehen  nicht  allein  verfehlte 
Wirkungen,  sondern  auch  störende  Mißverhältnisse 
zwischen  Szene  und  Orchester,  zwischen  Melodie 
und  Instrumentation.  Das  frischste,  schönste,  edel- 
ste Marschthema  verliert  Adel,  Frische  und  Schön- 
heit, wenn  es  die  Oboen  hören  lassen;  gibt  man 
es  den  Flöten,  so  kann  es  seinen  Charakter  allen- 
falls noch  bewahren;  von  den  Klarinetten  vorge- 
tragen, wird  es    fast    nichts    verlieren. 

Nur    im  pp  sind   kriegerische  Marschrhyth- 
men als   Nachahmung   eines  von  Ferne  erklin  - 
genden   Trompeterchores    mit    Glück     (speziell 
von   Mozart)    angewendet    worden.    Vergleiche 
Arie    des   Figaro.  (Partiturbeispiel  60.) 


y   Allegro 


N9  60.  Hochzeit  des  Figaro,  Akt  I. 


Mozart. 


179 


Fa?.         z^ 


Trp. in  C. 


Figraro. 


lockt  dich  derTrompe-ten  Ton,  dei-ner  Fein- de  ban-  ges   Stau- 


ei    der   ed     -      len  Ta      -      ten 


Trp.  in  C. 


Fig'aro. 


Lohn,  sei    der  ed    -     len  Ta     -      ten     Lohn,  sei  der  ed     -      len  Ta     -      ten    Lohn. 


^ 


^^ 


181 


Wenn  indes  doch  der  Fall  eintreten  sollte, 
in  einem  Tonstück  von  oben  erwähntem  Charakter, 
Oboen  verwenden  zu  müssen,  um  der  Harmonie 
mehr  Klanggehalt  und  den  andern  Blasinstru  - 
menten  mehr  Kraft  zu  geben,  so  müßte  man  sie 
wenigstens  so  schreiben,  daß  ihr  einem  solchen 
Stile  widerstreitender  Klangcharakter  vollständig 
von  dem  Klange  der  übrigen  Instrumente  gedeckt 
und  derart  mit  der  ganzen  Tonmasse  verschmol- 
zen würde,  daß  er  nicht  mehr  für  sich  allein 
bemerkbar  wäre.  Die  tiefen  Töne  der  Oboe,  un- 
angenehm, sobald  sie  offen  hervortreten,  können 
in  gewissen,  fremdartigen,  klagenden  Harmonien, 
vereint   mit  den  tiefen   Tönen  der  Klarinetten  und 


mit  dem  tiefen  d,  e,  f,  g  der  Flöten  und  Englischen 
Hörner,  wirksam  zur  Verwendung   kommen. 

Gluck  und  Beethoven  haben  den  Gebrauch  die- 
ses wertvollen  Instrumentes  bewunderungswürdig 
gut  verstanden;  ihm  verdanken  beide  die  tiefe  Wir- 
kung mehrerer  der  schönsten  Partien  ihrer  Werke. 
Was  Gluck  anbelangt,  so  brauche  ich  nur  das  Oboen:: 
Colo  in  der  Arie  des  Agamemnon  in  der  „Iphigenie 
in  Aulis"  anzuführen: „Welch'  ein  grausam  Gebot: 
ein  Vater  führ' mit  eigner  Hand."  Kann  dieses  Kla- 
gen einer  unschuldigen  Stimme,  dieses  beständige, 
immer  dringlichere  Flehen  wohl  von  irgend  einem 
Instrumente  so,  wie  von  der  Oboe  ausgeführt 
werden?     (Partiturbeispiel  61.) 


N961.  Iphigenie  in  Aulis,  Aktl. 


Flöten  U.Oboen 


Bassi. 

(Vlc.U.K.B.) 


Peu-vent-ils      or- don-ner  qu'un    pe  -     re     de     sa     main   pre-sente     ä     l'au 
WelcheingravsamGe  bot:  ein     Va  -   ter  führ' mit    eig-nerHand  zum  AI  ■ 


As. 


Edition  Peters 


tel  et    _pa-re  d'un  bandeau  mor- tel 

tar  die  Tochter,  die  erzärt-lich  lieht 


le    front  du-ne  vic  -  time  et    si      ten -  dre     et    si 
die  einzi-ge  teVrTe  Toch-ter,sovollUnschuld,so  voll 


ik^S€i0^t^^^f 


che-re,  peu-vent-ils         l'or-don  -   ner?          Je        n'o-  be- i  -  rai  point  a  cet  ordre  in-hu-main,    je 

Lie-be:         welch  ein  grau- sam  Ge  -    bot!       Nein,  ich   be-geHsienichtjiievmmeTischli-che  Tat,    nein. 


i'o- be'-i  -  rai  point    a  cet   ordre    in-hu-mainl 
ich  be-geK sie  nicht,  die  unmensch-li- che  Tat! 


Jen-tends    re-ten-tir     dansmon 
Das  Kla  -  ge-ge-schrei  derNa- 


le     cri    piain  -  tif     de    la    na-  tu  -  re,  el- le       parle —     ä,     mon 

twr^  in    Tnei-nem    Bu-senhalltes     roie-der!         ach! sie  spricht  zu  mei-nem      Her-zen, 


^ 


ik9L 


1^"    I       1^1-  r^  I 


Viol. 
II. 


et  sa     voix         est     plus     su  -  re  que  le?  o  -   ra- des     du     des-  tin,  que  les  o  -    ra-cles 

vmdih/rWort      faßt  mich  mächt'ffer       als  des  0  -  ra-kels    Bon-ner.wort ,  als  des  0  -  ra-kels 


A.^\.   I  -  i"^-i       ir>     1^ 


^ 


r^-'     'r^ 


Viol. 
II. 


du     des  -   tin! 
Bon-ner-wort! 


Je     n'o-be-i-raipoint  ä  cet  ordre    in-hu-main,     je     n'o- be-i-raipoint  ä  cet 
Nein,ich  be-gehsiewwht/iieun'meTischH-che  Tat,     nein^ich  be-geh'sie nicht (iieun- 
^  arco 


1S4 


l)ani\  das  berühmte   Ritornell  in  licr  Aiio  der 
„lphifi:enu>.iulTiuirisV   „0  lal.U   mich    Tict{;ubeut,nc 

wpineii"  (Akt  U  Szene  4) Und  dieses  Kindes - 

schreien  des  Orchesters,  als  Alceste  mitten  in  der 
Begeisterung  ihrer  heUlenmütij;en  Aufopferung 
plötzlich  von  dem  Gedanken  an  ihre  kleinen  Söhne 
ergriffen  wird  und  die  Stelle  des  Thema:  „Leben 
ohne  dich,  mein  Gemahl"  hastig-  unterbricht,  um 
dem  rührenden  Appell  der  Instrumente  mit  dem 
herzzerreißenden  Ausrufe:  „Geliebte  Kinder"  zu 
antworten  (Akt  I  Szene  5) Und  die  in  der  Arie 


der  Ariniilt-  voikomiiKuule  Dissonanz  der  kleinen  .-.c- 
kuMdc,  bei  den  Worten:  „Rutti,'  mich  vor  der  Lie- 
be Glut"  (HartiturbeispiHl  «SS).  Uas  alles  ist  erha- 
ben, nicht  nur  durch  die  dramatische  Idee,  die 
Tiefe  des  Ausdrucks,  die  Hoheit  und  Schönheit 
der  Melodie,  sondern  auch  durch  die  Instrumen- 
tation und  die  bewundernswerte  Wahl  gerade  der 
Oboe  unter  der  Menge  der  übrigen  Instrumente, 
die  sich  sämtlich  hierzu  als  unzulänglich  oder  un- 
fähig  erweisen   würdci\. 


N9  62.  Armido,  Akt  III. 


haine     im-pla  -    ca  -    ble,  sor  -  tez  du  gouffre  e -pouvan  -  ta    -    ble,  oü  vous      fai    -    tes 

Haß.   un-ver  -  söh  .netlher-  auf        aus  grauenvol-ler  Tie  -  fe!        Dort,        wo       e    -    wi-ge 

B."i.  Ibyf^i-r  uVjr  iJfjr  urjr  ur Jr  ur  M-  I  i'T  if  I 


185 


Fag. 
Hrn.  in  F, 
1-  I 


Viol. 


gner  une  e        -        ter  -  nelle  hör 

Nacht,  wo      Schre    -     cken    nur  re  .  giert,         her  -    auf, 


ve    -    nez,haine  im  -  pla  - 
her.  auf,Haß,un.ver- 


ca       -        ble,  sor  -    tez  du    Rouffre  e  -  pou-van  -    ta      -      ble,    sauvez-moi  de    l'a 

söh      -       net,  her  -  atif  aus   grau.en-vol-ler     Tie    .     fe!  Ret-te  mich,     ret-te 


......  jyy^  JJiJ  r  ri—tin-rr  ir  ^j  u  JJrm    i^j  ^  J  r  i 


^ 


\^^^ 


^ 


Ob.      (L\>u 


%9. 


m 


mour,      sau-vez   -  moi       de   Ta  -    mour !  Rien      n'est  si  re-dou   -    ta  -  ble, 

mich      vorder    Lie  .  be  Glut!  Kei  -  ne  Qual     ist  so   furcht-bar! 


^ 

Edition  Peters. 


'  contre  un  en.ne-mi     trop  ai  -  ma  -  ble; 
Ge -gen  einen Feindjden  idi  lie  .   be, 


ren-dez-moi     tnon  cour- roux,    r'al-lu     -     mez  . 
waffne  mich,  gib  mir    Haß   undent  -  flamm'. 


187 


Als  Beispiele  lang  ausgedehnter,  aus  dem  be- 
sondern Charakter  des  Instrumentes  heraus  er- 
fundener Oboen -Melodien  sind  Stellen  aus  Berlioz' 


Werken  anzuführen,  wie  in  den  Ouvertüren  zu 
König  Lear,  zu  Cellini  und  in  der  Symphoiüe  fan- 
tastique.  (Partiturbeispiel  63  a/b.) 


N9  639^  König  Xiear,   Ouvertüre. 


Poco  ritenuto. 


N9  63l>  König   Lear,  Ouvertüre. 


188 


tempo 


189 

Kein  anderes  Instrument  könnte  in  so  herz  -     [     |   scher  Liebe  uns  verraten  als  die  Oboe  im  Tann- 
bezwingenden   Tönen  das  süsse  Geheimnis  keu-     I     ?   häuser: 


N?  64.  Tannhäuser,  Akt  II. 


J 

Andante.    J  = 

76. 

^_ 

rr^  v^ 

^  _„ 

1      1           1 

Wagner. 

Violen.) 
(geteilt)) 

P              -= 

H T- 

Ä 

£ä= 

P 

■^1   r 

^k_^ 

J  J>' 

( 

P      '       ~= 

'-^ 

1    u 

1    o"     ^             U        =J 

M^ — J- 

-p — ^^. — ' 

'-^5^ ' 

F#=^ 

-a- 

^ 

T—TT r-f ■     .'^ .-^ 

Noch  bici-b 

-  f  ■        7-1——= 

e  denn 

1  '   1   MI    r '  1 ' 1   1  ^  1  =^ 

un-aus-ge.spro-chen           dem  süß  Ge-heimnis       kur  -  ze 

( 

>(1>0>7j^ 

JJ  J 

iT  1 J  »fI  J 

^ — i- 

r    T 

,1  j"h 

(geteilt)  j 

P              _ 

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T,r>  '        = 

...  -  -i\- 

^  >., 

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p            ~= 

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i — H^ 

'          3^         ' 

r     "^ 

-^ . 

L-e . 

LL^ 

Lndgrf. 


Lndgrf. 


190 


Im  allgeinoiiion  finden  sich  aber  gerade  bei 
Wagner  sehr  selten  Fälle,  wo  er  ein  Instrument 
allein  längere   Zeit  die  Melodie  tragen  läUt,  da 


bei  ihm  das  Prinzip  der  Molodiotuilung  in  die  fein- 
sten Mischungen  vorherrscht.  Musterbeispiel  dafür 
im  zweiten  Akt  der  Walküre: 


Bewegt. 


NO  65.  Walküre,  Akt  TT. 

molto  ritenuto 


Wagner. 


Klar.  I 
in  B. 


Engl.H. 


Fag.I. 


i   Hrnr. 
in  F.    ^ 


(Sieglinde  blickt  Siegmund  mit  wachsendemEntzücken 
in  die  Augenj  dann  umschlingt  sie  leidenschaftlich  sei- 
nen Hals  und  verweilt  so.) 


I  Mit  ihrer  dicken  und  patzigen  Tiefe,  ihrer 
I  spitzigen,  schneiderhaft  dünnen  Höhe  dagegen 
5  eignet  sich  die  Oboe,  besonders  wenn  ihr  Ton 
\  übertrieben  wird,  sehr  gut  zu  humoristischen Wir- 
I  kungen  und  zur  Karrikatur:  die  Oboe  kann  sduiar- 
I  ren,  blocken,  kreischen,  wie  sie  edel,  keusch  sin- 
{  gen  und  klagen,  kindlich  heiter  spielen  und  schal- 
}    meien  kann. 

Beethoven  hat  mehr  den  freudigen  Ausdruck 
der  Oboen  verwertet:  dies  bezeugt  das  Solo  im 
Scherzo  der  Pastoralsymphonie  (Partiturbeispiel  66), 
das  im  Scherzo  der  neunten  Symphonie    (Ed.  Peters 


N?1020i),das  im  ersten  Satze  der  B-dur- Symphonie 
( Ed.  Peters  NoiOSOd)  u.a.m.;  gleichwohl  ist  es  ihm  nicht 
weniger  gut  gelungen,  den  Oboen  auch  Töne  der 
Trauer  oder  der  Verzweiflung  anzuvertrauen.  Man 
findet  sie  in  dem  Mollsolo  der  zweiten  Hälfte  des 
ersten  Satzes  der  A-dur- Symphonie,  in  dem  episo- 
dischen Andante  des  Pinale  der  Eroica,  und  na- 
mentlich in  der  Arie  im  „Pideliof  wo  Florestan, ster- 
bend vor  Hunger,  im  Wahnsinne  der  Todesangst  die 
weinende  Gattin  zu  sehen  glaubt,  und  seine  Angst- 
rufe, von  den  schluchzenden  Lauten  der  Oboe  beglei- 
tet, ertönen .    (  Partiturbeispiele  67,  68,  69.) 


Edition  Peters. 


N9  66.  Pastoralsymphonie,  Satz  EI. 


Beethoven. 

^ 

1 , 

FP^ 

^ 

rH 

^ 

R^ 

^^ 

f^ 

^i^f^ 

^^ 

Oboe  I. 

1^4 

p 

Klar,  in  B. 

Pl         - 

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— = — 

— "~^=^ 

^ff     ^ 

Tt:.  a . 

I. 

^^^ 

Fag. 

-^■^i 

0  .  ., 1 — 1 — 1 

1 1 — h- 

1 1 — h 

1 — 1 — i— 

1 1 — h 

1 h-f- 

^ ' 

Hi — M-1 

I.  / 

pir  J  ^ 

=M^ 

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=H=^ 

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.f=^=^ 

r  r  r 

r  ^^ 

Viol.        } 

^        k-mz«. 

pp 

II.  ( 

L^b  i>  J  1  1 

\H=^ 

kN^ 

-J..J— j-- 

N=^ 

^^ 

^=^ 

^it^=^ 

-^=^=^ 

^* 

dimin. 

. 

pp 

Edition  Peteps. 


N«.M)7.  A-(lm--Syiii|>li()iiit\   Satz  I, 


Fag. 


Edition  Peters. 


193 


N9  68.  Sinfonia  eroica,  Finale. 

Poco  Andante. 


Vlc.u, 
K.  B. 


Edition  Peters. 


195 


N9  69.  Fidelio,  Akt  II. 


Poco  Allegro 


I     i',  7  j'7  jl7  j)-/ j)|7i)-r  i)7J)-/j)  I  7J7  J)-^  jVJh  Jl7  J)7  i)-?|  -/ J)7  i)-/jy)h  ^)y)-/pr)7  ^)| 


Hrnr. 

in  F. 


Flore- 
stan. 


19« 


no-ren,  Le.o  -  noren,  der  Gat-tin,so  g-leichjder,         der    führt  mich  zur  Freiheit  ins    himm-lische  Reich. 


Die  Oboe  d'amore. 


Sie  steht  eine  kleine  Terz  tiefer  als  die  Oboe 
und  hat  folgenden  Umfang: 

mit  allen  chrom.  Intervallen: 


wirklicher  Klang 


Ihre  Klangfarbe  ist  milder  und  von  ruhigerem 
Charakter,  auch  ist  ihre  Beweglichkeit  in  Kreuz- 
tonarten größer  als  die  der  Oboe. 

Von  J.  S.  Bach  und  seinen  Zeitgenossen  vielfach 


verwendet,  bediente  man  sich  ihrer  in  den  mei- 
sten Fällen  als  konzertierendes  Instrument,  wo- 
bei man  mit  Vorliebe  zwei  Oboen  d'amore  beschäf- 
tigte. 

Zu  Beginn  des  zweiten  Teiles  seines  Weih  - 
nachtsoratoriums  bringt  sie  Bach  zu  zweien  in 
Verbindung  mit  Engl.  Hörnern  —  eine  entzücken- 
de Darstellung  der  friedlichen  Hirtenmusik. 

Als  Beispiel  der  Verwendung  dieses  Instru- 
mentes in  neuerer  Zeit  erlaube  ich  mir  auf  meine 
Sinfonia  domestica  hinzuweisen, wo  die  Oboe  d'a- 
more als  Symbol  ebenso  des  unschuldig  dahinträu- 
menden,  wie  des  heiter  spielenden  Kindes  dient. 
(Partiturbeispiele70  a/b.) 


N9  70a  Sinfonia  domestica. 


id  alhnählich  ausdrucksvoller) 


1  Pult 
Violen. 


Solo- 
Vcello. 


molto   ritard. 


-P-r- 

}  j  j 

^-+-^ 

.■"TTi 

1  1     1 1  1  r 

-.. 

- 

P"^      p         L           , 

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^^ 

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3^ 

^ 

^=33 

Verlag   Kd.  Bote  «  G.  Bock,  Berlin. 


N9  70b  Sinfonia  domestiua,  Scherzo. 


Wie  die  französischen  Instrumente  feiner  gearbei - 
tet  sind,  mehr  Gleichmäßigkeit  der  Register  aufweisen, 
leichter  in  der  Höhe  ansprechen  und  in  der  Tiefe  ein 
zarteres  pp  ermöglichen,  ist  auch  die  Spielweise,  Ton- 
gebung  der  französischen  Oboisten  derjenigen  der  deut- 
schen weit  vorzuziehen.  Einige  deutsche  „Schulen"  be- 
mühen sich  der  Erzeugung  eines  möglichst  dicken  trom- 
petenartigen Tones,  der  sich  nun  mit  Flöten  und  Kla- 
rinetten in  keiner  Weise  vermischt  und  oft  in  unange  - 
nehmster  Weise  hervorsticht. 

Der  französische  Ton,  wenn  auch  dünner  und  oft 
vibrierend,    ist  viel    modulatlons=    und   anpassungsfä- 


higer, aber  trotzdem,  wenn  es  darauf  ankommt,  im 
Forte  durchdringend  und  auch  besser  in  die  Ferne  tra- 
gend. 

Ganz  besonders  trifft  dies  fürs  Englische  Hörn  zu; 
man  beachte  seine  musterhafte  Anwendung  und  Mischung 
mit  Flöten,  Oboen,  Klarinetten,  Fagotten  im  ersten  und 
zweiten  Akte  Lohengrin,  deren  Wirkung  durchaus  ver- 
fehlt und  gegen  die  Absicht  des  Autors  wäre,  wenn  das 
Engl.  Hörn,  wie  es  bei  deutscher  Behandlung  oft  der  Fall, 
als  selbstständiger  Körper  hervorstechen  würde,  statt 
als  feiner  Kitt  und  Vermittler  der  Klangfarben  der  üb- 
rigen  Holzbläser  zu  wirken. 


Edition  Peters. 


199 


Das  Englische  Hörn. 


Dieses  Instrument  ist  sozusagen  der  Alt  der 
Oboe  und  besitzt  beinahe  den  ganzen  Umfang  der- 
selben; manche  Englische  Hörner  besitzen  auch  das 
tiefe  b.  Man  schreibt  es  im  Violinschlüssel  wie  eine 
Oboe  in  tief  F,  folglich  eine  Quinte  höher,  als  es  in 
Wirklichkeit   ertönt.    Seine  Tonleiter 


Wenn  das  Orchester  in  C  spielt,  muß  das  Englische 
Hörn  in  G,  wenn  das  Orchester  in  D  spielt,  muß  es 
in  A  geschrieben  werden    u.s.w. 

Was  wir  schon  bei  der  Oboe  bezüglich  der  Schwie- 
rigkeiten der  Applikatur  beim  Zusammentreffen  ge- 
wisser erhöhter  oder  erniedrigter  Töne  gesagt  ha- 
ben, findet  auch  auf  das  Englische  Hörn    Anwendüngj ) 


nur  sind  bei  ihm  schnelle  Tonfolgen  von  noch  schlechte- 
rer Wirkung.  Sein  Klang,  weniger  durchdringend, 
mehr  verschleiert  und  schwerer  als  der  der  Oboe,  eig- 
net sich  nicht  so  wie  dieser  zur  Fröhlichkeit  ländli- 
cher Melodien.  Ebensowenig  würde  es  herzzerrei- 
ßende Klagen  wiedergeben  können;  die  Laute  leb- 
haften Schmerzes  sind  ihm  beinahe  versagt.  Seine 
Töne  sind  schwermütig,  träumerisch,  edel,  etwas 
verschwommen,  gleichsam  aus  der  Ferne  kommend; 
kein  anderes  Instrument  ist  so  gut  geeignet  Bil- 
der und  Empfindungen  vergangener  Zeiten  aufs 
neue  zu  erwecken,  wenn  der  Komponist  die  ver- 
borgenen Saiten  zarter  Erinnerungen  erklingen 
lassen  will. 

So  sind  von  Halevy  mit  außerordentlichem  Glück 
zwei  Englische  Hörner  im  Ritornell  der  Arie  des 
Eleazar  im  vierten  Akte  der  „Jüdin"  verwendet; 

(Partiturbeispiel  71  ) 
i         am  herrlichsten  von  Wagner  in  der  traurigen 
I    Hirtenweise  im  dritten  Akt  seines  Tristan    (vgl. 
l    Partiturbeispiel  14.  Seite  46). 


NO  71.  Jüdin,  Akt  IV: 

Andantino  espressivo. 


Halevy. 


Vlc.  u 
K.  B. 


»*)    Dies  trifft,  wie  bei  der  Oboe,    nicht  mehr  zu,   da  heute  das  technische  Vermögen  des   Engl.  Horns  demjenigen  der  Oboe 
!        gleichkommen  dürfte. 

Edition  Peters.  9039 


Im  Adagio  einer  meiner  Symphonien  bringt 
das  Englische  Hörn,  nachdem  es  in  der  tieferen  Ok- 
tave die  Melodiegänge  der  Oboe  wiederholt  hat, ähn- 
lich wie  in  einem  Zwiegespräch  pastoralen  Charak- 
ters die  Stimme  eines  Jünglings  der  Stimme  einer 
Jungfrau  antworten  würde,  dieselben  bruchstück- 
weise am  Schlüsse  des  Stückes  wieder,  und  zwar 
mit  einer  dumpfen  Begleitung  von  vier  Pauken, 
während  das  ganze  übrige  Orchestersich  schwei- 


gend verhält.  Die  Gefühle  der  Abwesenheit,  der 
Vergessenheit,  der  schmerzlichen  Vereinsamung, 
welche  in  der  Seele  mancher  Zuhörer  beim  Auf- 
leben dieser  schwermütigen  Weise  entstehen, 
würden  nicht  zum  vierten  Teil  so  eindringlich 
wirken,  wenn  dieselbe  von  einem  anderen  In- 
strument als  dem  Englischen  Hörn  wiedergege- 
ben würde. 

(Partiturbeispiel  72.) 


Edition  Peters. 


201 


N9  72.  Symphonie  fantastique,  Scene  aux  champs. 


Adagio. 


Engl.  Hörn 


Pauke  I  inB,Fhoch. 
(Zwei  Paukenschläger.)! 


202 

Die  VerciMit;-ung-  der  tiefen  Töne  dos  Eiif,dischou 
Hernes  mit  den  tiefen  Tönen  der  Klarinetten  und  Hör- 
ner während  eines  Tremolo  der  Kontnibiisso  {^ibt 
eine  ebenso  charakteristisihe  als  neue  Klanj^wir- 
kunj^,  die  sich  besonders  ei{;;net,um  musikalische  Ge- 
danken, in  denen  Furcht  und  Angst  herrschen,  mit  be- 


drohlichem Widerscheine  zu  färben.  Dieser  Effekt 
war  weder  Mozart,  noch  Weber,  noch  Rccthoven  be- 
kannt. Man  findet  ein  prächtiges  Heispiel  davon  in 
dem  Duo  des  vierten  Aktes  der,, Hugenotten"  und  ich 
glaube,  dali  Meyerbeer  der  erste  ist,  der  ihn  auf  dem 
Theater  zu  Gehör  gebracht  hat.  (Piniiiurbcispi-a  73.) 


N9  7.S.  IItii.vnütt(Mi,  Akt  IV. 


Meyerbeer. 


Edition  Peters. 


203 


Engl.H 


Man  studiere  die  Mischungen  des  Engl.Horns 
mit  Flöten  und  Klarinetten  im  ersten  und  zwei- 
ten Akte  des  Lohengrin. 

Hier  sei  auch  der  von  Heekel  in  Biebrich  erfunde- 
nen Heckel-Clarina  gedacht;  sie  steht  in  B  und 
hat  folgenden  Umfang: 

mit  allen  chrom. Stufen. 

Die  obersten  -^^  f  ■ 
Töne  vom  eis:  <u 
an  aufwärts  sind  „heikel'/  Dieses  Instrument  ent- 
spricht dem  Alphorn  und  eignet  sich  besser  als  das 
zu  schwache  Engl.  Hörn  oder  die  im  Klang  unmög- 
liche Trompete  zur  Wiedergabe  der  lustigen  Wei- 
se im  dritten  Akt  vom  Tristan. 

In  Kompositionen,  deren  allgemeines  Kolorit 
das  Gepräge  der  Schwermut  tragen  soll,  ist  die 
häufige  Anwendung  des  Englischen  Hornes,  wenn 
durch  die  ganze  Instrumentalmasse  verborgen,  voll- 
kommen am  Platze.  Dann  braucht  man  aber  nur 
eine  Oboenstimme  zu  schreiben  und  besetzt  die  an- 
dere  mit  dem  Englischen  Hörn.    Gluck  hat    dieses 


Instrument  in  seinen  italienischen  Opern  „Tele- 
mach"  und  „Orpheus"  angewandt,  jedoch  ohne  be- 
sonders erkennbare  Absicht  und  ohne  großen  Vor- 
teil; in  seinen  französischen  Partituren  kommt  es 
niemals  vor.  Weder  Mozart  noch  Beethoven  und 
Weber  haben  sich  seiner  bedient;  warum,  ist  mir 
unbekannt. 

Einen  neuen  Gewinn  für  das  Orchester  bildet 
die  aus  der  Fabrik  von  F.  Loree  in  Paris  stam- 
mende Bariton-Oboe,  der  unlängst  in  dem  von  Wilh. 
Heekel  in  Biebrich  erbauten  Heckelphon  ein  ge- 
fährlicher Rivale  erwachsen  ist.  Es  hat  einen 
Umfang  von 

(mit  allen  chrom.  Intervallen.) 

Eine  Oktave  tiefer  als  die  Oboe  klingend  ist  es 
von  reichem  und  wohltönendem  Timbre.  —    Die 


letzten  vier  Töne  (\ 


sind  nur   im 


Forte,  und  dann  ohne  Gewähr  für  sichere    An 
spräche,  zu  gebrauchen. 


Edition  Peters. 


Das   Fagott. 


Das  Pagott  ist  der  Bali  dt>r  Oboe,*)  es  hat 
mehr  als  drei  Oktaven  im  Umfang,  und  man  schreibt 
es  in  zwei  Schlüsseln,  dem  Bali:  und  TenorschUissel : 

ihcii  Zwisihentüiu-n.       _l^         -  •!>• 


Über  das  letzte  b  hinauszugehen  ist  nicht  ratsam. 
<         Wagner  führt  das  Fagott  bis  zum  hohen  c    in 
I    den   Meistersingern,  da  wo  er  die  jänunerlichc  Zer. 
»    schundenhcit  Beckmessers  schildert. 


I  gefährlich  I 

N9  74.  Meistersinger,  Akt  III. 


Sehr  niäliig. 


W.ipner. 


ist    heute    ganz   gut    zu 
bringen,  doch  wirkt   das 


Anblasen  desselben  verderblich  auf  den   Ansatz 
des  Spielers. 


*)  Ich  hörte  im  Konservatorium  zu  Brüssel  durch  die 
Güte  des  Direktor  Gevaert  eine  Kontrabaß-  Oboe  bla- 
sen, deren  Klan?  nicht  das  Geringste  mit  den  tiefen 
Fagott-  Tönen  gemein  hatte.  Es  war  der  spezifische 
Schalmeienklang  der  Oboe  bis  in  die  tiefsten  Tiefen 
hinab  und  ich  weiß  nicht,  ob  wir  dieses  Instrument  als 
Baß  der  Oboenwelt,  wenn  unser  Ohr  in  Kürze  erst  noch 
feinere  Klangdifferenzierungen  und  einen  größeren 
Reichtum  von  Klangfarben  verlangen  wird,  nicht  wie- 
der ins  Orchester  einführen  werden,  um,  statt  wie  bis- 
her von  jeder  Klangindividualität  nur  ein  bis  zwei  Ver- 
treter, nunmehr  ganze  Familiengruppen  vertreten  zu  sehen. 
Welcher  Reichtum  an  Gegensätzen  zeigt  sich  bei  ei- 
ner Zusammenstellung  von: 

2   kl.  Flöten         | 

4   gr.  Flöten          /    Flötenfamilie. 

lod.2  Altflöten   ) 


Oboen 

Oboen  d'amore 

engl.  Hörnern 

Heckelphon 

Kontrabaß- Oboi 

As- Klarinette 
F- Klarinetten 


Oboenfamilie. 


Es-  Klarinetten 
oder  6  B-Klarinetten 
Bassethörnern 
Baßklarinette 
Kontrabaßklarinette 


Klarinettenfamilie. 


Auf  den  Ausbau  dieser  Idee  brachte  mich  zuerst  ein 
Erlebnis  im  Brüsseler  Konservatorium,  wo  mir  einer 
der  Herren  Professoren  die  G  moll-  Symphonie  von  Mo- 
zart,   für  22  Klarinetten  arrangiert,  vorblasen    ließ, 


1  As- Klarinette. 

2  Es- Klarinetten. 
12  B-Klarinetten. 
4  Bassethörner. 

2  Baßklarinetten. 

1  Kontrabaßklarinette. 

Der  Reichtum  von  Klangfarben,der  mir  aus  den  ver- 
schiedensten Mischungen  dieser  Klarinettenfamilie  ent- 
gegenstrahlte, brachte  mir  zum  Bewußtsein,wie  viel  unge- 
hobene Schätze  das  Orchester  noch  in  sieh  birgt,  für  den 
Dramatiker  und  Tonpoeten,  der  es  verstünde,  sie  zum 
sinnvollen  Ausdruck  neuer  Farben-  Symbole  und  zur 
Charakteristik  neuer  und  feinerer  Seelenregungen,  Ner- 
venschwingungen zu  deuten. 


Edition  Peters. 


805 


Die   Klappen,  mit  denen  das  Fagott  neuerdings 
versehen  ist,  ermöglichen  auch  die   beiden   tiefen 


die  ihm  früher  versagt  waren. 


Für  das  tiefe  A 


im  Tristan   haben 


die    Fagottisten   eine   sogenannte    Doppelstürze 
aufzusetzen,  mit  A-  Klappe.     Die  tiefen    Töne: 


werden  mit  dem  Daumen  der  lin- 

I   ken    Hand  gegriffen,  nur:         i  t=    mit    dem 

\  kleinen   Finger.  |<*^und  "* 

Der  Fingersatz  des  Fagott  gleicht  dem  der 
Flöte.  An  den  beiden  äußersten  Enden  seiner  Ton- 
leiter sind  viele  Triller  unmöglich: 


(Die  mit  *)  bezeichneten  Triller  sind  heute  alle  gut  ausführbar 


In  Bezug  auf  Reinheit  läßt  dieses  Instrument 
viel  zu  wünschen  übrig;  es  dürfte  mehr  als  jedes 
andere  Blasinstrument  gewinnen,  wenn  es  nach 
Böhms   System  gearbeitet  würde. 

Das  Fagott  ist  dem  Orchester  in  vielen  Fäl- 
len von  großem  Nutzen.  Sein  Klang  ist  nicht  sehr 
stark  und  neigt,  weil  vollständig  ohne  Glanz  und 
Adel,  sehr  leicht  dem  Grotesken  zu,  was  stets  zu  be- 
rücksichtigen ist,  weim  man  das  Instrument  her- 
vortreten lassen  will.  Seine  tiefen  Töne  geben 
der  ganzen  Gruppe  der  Holzblasinstrumente  vor- 
treffliche Bässe.  Für  gewöhnlich  schreibt  man  die 
Fagotte  zu  zwei  Stimmen,  da  jedoch  in  großen 
Orchestern  immer  vier  davon  vorhanden  sind,kann 
man  sie  auch  ohne    Bedenken  zu  vier,    oder  besser 


noch  zu  drei  Realstimmen  schreiben,  weil  man 
dann,  zur  Kräftigung  des  Basses,  die  tiefe  Stim- 
me in  der  unteren  Oktave  verdoppeln  kann.  Der 
Charakter  ihrer  hohen  Töne  hat  etwas  Gequäl- 
tes, Leidendes,  ich  möchte  fast  sagen  Erbärmli- 
ches, das  man  bei  einer  langsamen  Melodie  oder 
bei  einer  Begleitungsformel  bisweilen  mit  über- 
raschendster Wirkung  benutzen  kenn.  So  werden 
die  kurzen,  seltsamen  Gluckslaute,  welche  in  dem 
Scherzo  der  C-moll-Symphonie  von  Beethoven  ge- 
gen das  Ende  des  Decrescendo  hin  zu  hören  sind, 
nur  von  den  etwas  forciert  klingenden  hohen 
Tönen  (as  und  g  )   der  Fagotte  hervorgebracht. 

(Partiturbeispiel  75.) 


N9  75.  C-moll-Symphonie,  Satz  IE. 


Allegro. 


Edition  Peters. 


Dagegen  hat  Meyerbeer  für  die  Auferste- 
hung der  Nonnen  in  „Robert  der  Teufel"  durch 
die  schlaffen  Töne  der  mittleren  Tonlage  der  Fa- 


gotte die  bleiche,   kalte,  leichenartige  Tonfärbung 
erzielt,  die  er  haben  wollte.  (Partiturbeispiel  76.) 


NO  76.  Robert  der  Teufel,   Akt  IE. 


Meyerbeer. 


Andante. 


Fa?.(Soli.) 


Edition  Peters. 


207 


Schnelle  Passagen  in  gebundenen  Noten  kön- 
nen mit  Erfolg  verwendet  werden;  sie  kommen 
gut  heraus,  falls  sie  in  den  Lieblingstonarten  des 
Instrumentes,  also  in  D-,  G-,  C-,  P-,  B-, 
Es-,   A-dur  oder  den  bezüglichen    Molltonarten 


geschrieben  sind.  So  bringen  z.B.  die  Pagottpas- 
sagen in  der  Badeszene  des  zweiten  Aktes  der 
„  Hugenotten"  eine  ausgezeichnete  Wirkung  her- 
vor.   (Partiturbeispiel  77.) 


N9  77.  Hugenotten,  Akt  IL 


Fa^. 


l  (tief). 


Meyerbeer. 


Chor 
junger  Mädchen. 


leii'ato  dolcemente 


Edition  Peters. 


Edition  Peters. 


209 


Den  Charakter  zärtlicher  Schüchternheit,  der 
dem  Fagott  in  der  oberen  und  mittleren  Lage 
im  Piano  so  eigen  ist,  hat  Mozart  wundervoll 
zum  Ausdruck  gebracht  im  Duett  „  Reich'  mir 
die  Hand,  mein  Leben"  (Don  Juan)  bei  Zerli- 
nens  Worten:  „Nein,  ich  kanns  nicht  wagen" 

Eine  Eigentümlichkeit  der  Partituren  Haydns, 
Mozarts  und  Beethovens  ist  das  in  ein  bis  zwei 
Oktaven  mit  der  Diskantmelodie  mitsingende  Fa- 
gott. Man  glaubt  hierbei  oft  —  wie  z.B.  in  Fi- 
garos Hochzeit—  die  Stimme  eines  alten  Mannes 


zu  hören,   der  die  aus  seiner  Jugendzeit  ihm  teu- 
ren  Melodien  mitsummt. 

Bei  Mozart  wäre  noch  eines  Beispiels  zu 
gedenken,  wo  er  das  Fagott  mit  der  Oboe,  zwei 
Oktaven  tiefer,  zum  Ausdrucke  gezierter  Sprö- 
digkeit  gebraucht:  in  Cosi  fan  tutte  und  zwar  in 
der  Szene,  wo  Fiordiligi  ihre  Schwäche  in  hoch- 
tönenden Worten  gegenüber  den  Bewerbungen 
ihrer  verkleideten  Liebhaber  zu  verbergen 
sucht.    (Partiturbeispiel  78.) 


N9  78.  Cosi  fan  tutte. 


210 


Siehe  auch   den   Ausdruck  \vrlep:eMcr  Schl.ui-    1      |     sti-n   Akt    von   Waf,Miurs    Siegfried: 
heit    in    Mimos    nachdonkiichoii   Terzen  im  er-     I      \ 


N9  79.   Siegfried,  Akt  I. 


l,Lebhttft,  doch  nicht  zu  schnell.)        ^  ^^ 


Wagner. 


K.  B. 

Tuba. 


:n-l.Hrn 


>  VP 

Edition  Peters 


Weber  entlockt  in  der  Kavatine  (dritter  Akt) 
seiner  einsam  im  Walde  verschmachtenden  Flury- 
anthe  dem  Fapott  herzergreifende  Töne  der  lei- 
denden Unschuld. 

Besonders  stark  sind  die  mitklingenden  Ober- 
töne des  Fagotts.      So  ist  es  mir  einmal  ergangen, 


daß  sich  im  As- moll- Akkord,  in  meiner  Ton- 
dichtung: Tod  und  Verklarung,  geblasen  von  Po- 
saunen,Engl.  Hörn,  Fagott  und  Kontrafagott,  des 
öfteren  ein  C  hören  lioL!,  offenbar  ein  Oberton 
des  Fagott  oder  des  Kontrafagott. 
(I'iirtiturbiMspiel  HO.) 


N9  80.  Tod  und  Vorklärung. 


Verlag  Jos.  AibI, Leipzig. 


213 


Das  Quintfagott. 


In  der  Form  eine  Verkleinerung  des  vorigen,be- 
sitzt  das  Quintfagott,  dessen  Stimmung  um  eine 
Quinte  höher  ist,  ziemlich  den  nämlichen  Umfang 
wie  jenes  und  wird  gleichfalls  in  zwei  Schlüsseln, 
aber  transponiert,  geschrieben.  Seine  B- Ton- 
leiter : 


Mit  den  chromatischen  Zwischentonen.  ]^  L 


erklingt  in  Wirklichkeit  als  P-Tonleiter: 


Das  Quintfagott  ist  für  das  eigentliche  Fagott 
in  der  Höhe  dasselbe,    was  das  Englische    Hörn 


für  die  Oboe  in  der  Tiefe  ist.  Das  Englische  Hörn 
muß  in  der  Quinte  oberhalb,  das  Quintfagott  da- 
gegen in  der  Quinte  unterhalb  der  wirklichen 
Tonhöhe  geschrieben  werden;  das  Quintfagott  spielt 
also  in  F,  wenn  die  eigentlichen  Fagotte  in  C  spie- 
len, es  steht  in  G,  wenn  diese  in  Dstehenu.s.w.  Die- 
ses Instrument  fehlt  in  den  meisten  Orchestern, 
wird  jedoch  in  seinen  beiden  höheren  Oktaven  vor- 
teilhaft durch  das  Englische  Hörn  ersetzt.  Sein 
Klang  hat  weniger  Empfindsamkeit,  aber  mehr 
Kraft  als  der  des  Englischen  Hernes,  und  würde 
in  der  Militärmusik  von  vortrefflicher  Wirkung 
sein.  Es  ist  sehr  zu  beklagen  und  von  großem 
Nachteil  für  die  Blasinstrument -Orchester,  daß 
man  die  Fagotte  fast  ganz  aus  ihnen  verbannt  hat; 
der  rauhe, scharfe  Klangcharakter  solcher  Orche- 
ster würde  durch  eine  entsprechende  Anzahl  gro- 
ßer und  kleiner  Fagotte  erheblich  gemildert  wer- 
den. 


Das  Kontrafagott. 


Das  Kontrafagott  verhält  sich  zum  gewöhnli- 
chen Fagott  wie  der  Kontrabaß  zum  Violoncell,das 
heißt:  seine  Töne  erklingen  gleichfalls  eine  Ok- 
tave tiefer  als  sie  geschrieben  sind.  Man  gibt  ihm 
nicht  mehr  als  den  Umfang  von  zwei  Oktaven  und 
einer  Quinte: 


erklingt  so: 


Die  beiden  ersten  Noten  dieser  Tonleiter  spre- 
chen schwer  an  und  sind  infolge  ihrer  großen  Tie- 
fe kaum  zu  unterscheiden. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  dieses  Instru- 
ment seiner  außerordentlichen  Schwerfälligkeit  we- 
gen nur  für  große  Harmoniewirkungen  und  für  Baß- 
gänge von  mäßiger  Bewegung  geeignet  ist.  Beet- 
hoven hat  es  in  dem  Finale  seiner  C-moll  und  in 
dem  seiner  neunten  Symphonie  benutzt. 
i  Und  in  der  Kerkerszene  seines  Fidelio!  (vgl.Parti- 
5  turbeispiel50.S.133)Wie  schon  bei  den  Violoncells  be- 
I  merkt,  haben  die  Fagotte  auch  in  ihren  tiefsten 
>  Tönen  für  mein  Gefühl  (wenn  sie  nicht  etwa  durch 


tiefe  Hörner  verdoppelt  werden)  keinen  Baßcha- 
rakter. Im  heutigen  Orchester,  dessen  Streich- 
quartett der  kleinsten  Stärke  mindestens  Sechs 
;  Kontrabässe  belasten,  brauchen  die  Holzbläser 
ein  Baßschwergewicht  von  mindestens  einem  Kon- 
trafagott- dem  natürlichen  Baß  der  Holzbläser- 
einer Baßklarinette  und  etwa  einer  Kontrabaß- 
;  oboe,  will  der  Komponist  der  ganzen  Gruppe  der 
Holzbläser  eine  dem  Streichquintett  einigerma- 
ßen ebenbürtige  Selbständigkeit  verleihen. 
(Schon  die  einfache  Baßklarinette  ist  ein  richti- 
ger Baß  zu  den  drei  Fagotten.  Siehe  hierüber 
in  dem  betreffenden  Kapitel)—  Das  Kontrafagott 
st  heute  (durch  Wilhelm  Heckel  in  Biebrich^'/Rh.) 
sehr  verbessert  und  seine  Verwendung  dringend 
zu  empfehlen. 

Für  große  Harmoniemusik-Orchester  ist  das 
Kontrafagott  sehr  wertvoll,  jedoch  entschließen 
sich  nur  wenige  Künstler,  es  zu  spielen.  Biswei- 
len versucht  man  es  durch  die  Ophikleide  zu  erset- 
zen, deren  Ton  aber  nicht  dieselbe  Tiefe  hat,  da 
er  im  Einklang  und  nicht  in  der  tieferen  Oktave 
mit  dem  gewöhnlichen  Fagotte  steht;  außerdem  ist 
ihr  Klangcharakter  ein  ganz  anderer  als  der  des 
Kontrafagottes.  Ich  glaube  daher,  daß  es  in  den 
allermeisten  Fällen  besser  ist,  von  der  Verwend- 
ung dieses  Instrumentes  abzusehen,  als  es  auf  die- 
se Art  zu  ersetzen. 


Edition  Peters. 


Dir  Klai-inctton.''' 


Die  Instrumente  mit  einfachem  Rohiblatt, 
wie  die  Klarinetten  und  das  Bassethorn,  bilden  ei- 
ne Familie,  die  mit  derjenigen  der  Oboe  keines- 
wegs so  nahe  verwandt  ist,  als  man  vermuten  könn- 
te. Was  sie  hauptsächlich  von  einander  unterschei- 
det, ist  die  Natur  ihres  Klanges.  Die  Klarinetten 
haben  tatsächlich  in  der  Mittellage  eine  klarere, 
vollere,  reinere  Stimme,  als  die  Instrumente  mit 
doppeltem  Rohrblatt,  deren  Ton  niemals  von  einer 
gewissen  Schärfe  oder  Herbheit  frei  ist,  selbst  wenn 
die  Kunstfertigkeit  der  Ausführenden  dies  mehr 
oder  weniger  zu  verdecken  sucht.  Nur  die  spitzen 
Töne  der  letzten  Oktave  der  Klarinette  vom  ^^T 
an  haben  etwas  von  der  Herbheit  der  starken  Tö- 
ne der  Oboe,  während  sich  die  tiefsten  Töne  infol- 
ge ihres  etwas  rauhen  Klanges  dem  Charakter  ge- 
wisser Töne  des  Fagottes  nähern. 

Die  Klarinette  wird  im  Violinschlüssel  geschrie- 
ben, ihr  Umfang  beträgt  drei  und  eine  halbe  Okta- 
ve, und  darüber: 

Mit  denchron 


ehwer||sehrgefahrlich| 

Man  zählt  auf  der  Klarinette  vier  Register: 
das  tiefe,  das  Schalmei -Register,  das  mittlere  und 
das  hohe  Register.  Das  erste  umfaßt  folgenden 
Teil  der  Tonleiter: 


5  (Die  tiefen  Töne  klingen  nicht  gut,  sondern  hohl.) 


das  zweite  diesen: 


(seine  Töne  sind  im 

allgemeinen  dumpf);    das  dritte  Register  erstreckt 
sich  auf  folgende  Tonstufen: 


:,    und    das 


vierte  endlich  auf  die  übrigen  Töne  der  Tonleiter 
bis  zum  höchsten   d: 


Eine  ziemlich  große  Anzahl  von  diatonischen  Ton- 
folgen, von  Arpeggien  und  Trillern  war  früher  auf 
der  Klarinette  nicht  möglich,  ist  es  aber  heute, 
dank  dem  sinnreichen  Mechanismus  der  dem  Instru- 
mente zugefügten  Klappen  und  wird  sogar  leicht 
ausführbar  sein,  wenn  das  Saxsche  System  erst 
überall  Eingang  gefunden  hat. 

I  Auf  den  Saxschen  Klarinetten  blasen  sich  die 
}  Kreuztonarten  besser,  auf  den  deutschen  (von  Iwan 
5  Müller,  verbessert  durch  Bärmann)  die  B-Tonarten. 
Es  wird  daher  gut  sein,  Passagen,  wie  die  folgen- 
den, einstweilen  noch  zu  vermeiden,  oder  wenig- 
stens nur  dann  vorzuschreiben,  wenn  die  Bewegung 
nicht  sehr  schnell  ist. 


Klarinette  auf  ßuinten  gebaut,  Flöten,  Oboen  und  Fagotte  dagegen  auf  Okta 


*)  Die  französischen  Klarinetten  haben  einen  flachen,näselnden  Ton,  während  die  deutschen  sich  der  menschlichen  Gesanpjs- 

stimme  nähern. 

Edition  Peters.  9039 


I  uuttclsch 


215 


^tt'       ^*     *i 
(dagegen  sehr  schwer 


Die  Zahl  der  auf  der  Klarinette  ausführbaren     1    unsicher  sind,    werden  in  der  folgenden     Tabelle 
Triller  mit  großer  und  kleiner  Sekunde   ist     be-         näher  bezeichnet, 
trächtlich;  diejenigen,  welche  in  der  Ausführung     I 


irsFii^ 


^J^ijy iju  bji.|j  i^i^Jijii^i^  \4Mm^^^\t^^  vj^^^^^  ly^ 


|Alle  mit  •)  bezeichneten  Triller  sind  heute  ausführbar.  Für  die  mit  0  bezeichneten  gibt  es  Hülfsklappen 
iN.B.  Die  obersten  fünf  Triller  bei  großem  Druck  mit  Hülfsklappen  möglich. 


ist  sehr  hell  und  gut. 


Lieblingstonarte«  Jor  Khirii\ctte  sind   haupt- 
sächlich C-,  F-,  G-dur,   ferner  auch   B-,  Es-,  As-, 
D-dur,  und  die  bezüglichen  Molltonarten. 
1  Ist  heute  ein  überwundener  Standpunkt.  Mein 

i  erster  Klarinettist  in  Berlin  teilt  mir  mit,  daU  er 
mit  der  heutigen  Klappenverbesserung  auf  der 
B- Klarinette  sogar  lieber  H- dur  als  B-dur  bläst. 
Da  man  Klarinetten  in  verschiedenen  Stim- 
mungen besitzt,  ist  es  bei  geeigneter  Anwendung 
derselben  leicht  zu  vermeiden,  den  Spieler  in  Ton- 
arten mit  viel  Vorzeichnung  spielen  zulassen, wie 
in  A-,  E-,  H-,  Des-,  Ges-dur  und  den  entsprechen- 
den  Molltonarten . 

Im  allgemeinen  sind  gegenwärtig  deren   vier    im 
Gebrauch: 

Die  kleine  Klarinette  in  Es,  der  man  in 
der  Regel  nur  den  Umfang  von  drei  Oktaven  und 
zwei  Noten  gibt: 


nur  mit  Vorsicht,    oder  ff  im  Tutti 
au  gebrauchen! 


Sie  steht  eine  kleine  Terz  höher  als  die  Klarinet- 
te in  C  und  wird  transponiert  geschrieben;  man 
muß  also  eine  Stelle,   die  so  erklingen  soll: 


in  folgender  Weise  notieren: 


Die  Klarinette  in  C,  die  Klarinette  in 
B  und  die  in  A.  Die  beiden  letzteren  haben  den 
gleichen  Umfang  wie  die  Klarinette  in  C.     Da  die 


eine  um  einen  Ton,  die  andere  um  eine  kleine  Terz 
tiefer  als  diese  steht,  so  mul5  erstere  einen  Ton, 
letztere  eine  kleine  Terz  höher,  als  sie  erklin- 
gen sollen,    notiert  werden. 


T>       I  gut      ^^1^    II  gut  11        sehr  schlecht       ~| 

; — ^cf^ff>iii.h,  ^^\\'4\Kf^^\ 


Die  Ausdrücke  „gut,  schlecht,  leidlich"  bezie- 
hen sich  in  diesem  Falle  nicht  auf  die  Schwierig- 
keit der  Ausführung  der  als  Beispiel  gebrauchten 
Phrasen  selbst,  sondern  nur  auf  die  Schwierig- 
keit der  Stimmung,  in  welcher  sie  geschrieben 
sind.  Übrigens  ist  zu  bemerken,  daß  die  schwie- 
rigeren Tonarten,  wie  A-  und  E-dur  für  einfache 
und  langsam  gehende  Stellen  nicht  gänzlich  zu  ver- 
meiden sind. 

^  Für  gewisse  Stellen  schwungvollen  Charak- 
\  ters  ist  die  C-Klarinette  unentbehrlich.  Siehe 
i  Entreacte  in  Mehuls  Joseph  (Partiturbeispiel  81), 
<  Ballet  in  Aubers  Stumme  von  Portici  (Parti- 
I  turbeispiel  82).  Auch  für  Passagen,  die  eine  hellere 
*  Klangfarbe  vertragen,   ist  sie  vorzuziehen. 


N981.  Joseph,  Akt  III  (Entreacte). 

Allegro.  Soioj 


Mehul. 


N9  82.  Stumme  von  Portici,  Akt  I. 


Allegretto. 


Vcello  u. 
K.B. 


# 

)    1  .>i    U  t-  1    1     1 

lJ  ?  jd  j  j  j  Jd 

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r^rji'j 

N  -  ^  'n~n  - 

-  j .  J^  rm  - 

^):'.\    K    h-TJ — h-h- 

j  .j^j  j  1  1- 

l-'       ^  - 

J  ?idJ-j  n 

.i^^-^ J  w 

1^  •?  ^^^-^  j  j 

j  j 

L__J2 S—S — 1 

'Z-:o 


Die  Khirinetto  in  D  ist  wenig  verbreitet,  sollte 
es  aber  mehr  sein;  ihr  Klang  ist  rein  und  besitzt 
eine  beträchtliche  Schärfe,  wäre  also  bei  mancher 
Golef;enheit  ausgezeichnet  zu  verwerten. 
I  Wird  auch  heute  leider  noch  last  stets  diiivhdie 
/  Es- Klarinette  ersetzt,   trotzdem  ihr  inzwischen  in 


Liszts  Mazeppa  und  Wagners  Walkürenritt  eine 
wichtige  Rolle  anvertraut  worden  ist.  Ich  selbst 
habe  sie  als  den  Humoristen  in  meinem  Till  Eu- 
len spie  gel  verwendet.  Sie  ist  hier  von  einer 
derb-drolligen  Komik: 


N9  8:^  a  u.b. 'Fill  I^^iilciispicc^««!. 


Vorlag  Jos.  Aibl,  LcipzifT. 


Z21 


Man  sieht,  daß  unabhängig  vom  eigentümlichen 
Charakter  ihres  Klanges,  von  welchem  wir  noch  spre- 
chen werden,  diese  verschiedenen  Klarinetten  für 
die  Leichtigkeit  der  Ausführung  sehr  nützlich  sind. 
{  (Heutzutage  nicht  mehr  nötig.) 

Zu  bedauern  ist  nur,  daß  es  nicht  noch  mehrere 
gibt.  So  konnten  z.B.  die  Stimmungen  in  H  und  D, 
die  man  nur  selten  findet,  den  Komponisten  bei  zahl- 
reichen Gelegenheiten  von  großem  Vorteil  sein. 

Die  hohe  Klarinette  in  P  ist  die  empfehlens- 
werteste, sie  ist  jetzt  in  allen  Militärkapellen  ein- 
geführt  Man  hat  auch  Klarinetten  in  As. 

Hohe  Klarinetten,  und  diese  wiederum  in  Fund 
Es,  sind  in  größerer  Anzahl  fürs  moderne  Orche- 
ster zu  empfehlen,   da  sie  die  einzigen  Instrumen- 
te sind,  die,  gegenüber  der  in  der  Höhe  unbrauch- 
baren Oboe  und  der  im  Forte  ganz  charakterlosen 
Flöte,     gegen  stark  besetzte  Streicher  und     die 
I  starken  Wirkungen  des  Blechs  ein  entsprechendes 
J  Gegengewicht  bilden  (besonders  bei     polyphoner 
I  Schreibweise).    Siehe  z.B.  die  Symphonieen    von 
I  G.  Mahler. _    Bei  dieser  Gelegenheit  sei  erwähnt, 
I  daß  auch  eine  Vervollkommnung  des  Piccolos  leb- 
I  haft  anzustreben  wäre,  da  es  noch  heute  in    Ton 
I  und  Technik  sich  in  ziemlich  primitivem    Zustan- 
t  de  befindet. 

Die  kleine  Klarinette  in  hoch  F,  die  man  früher 
bei  Militärmusiken  viel  gebrauchte,  ist  durch  die 
Klarinette  in  Es  fast  ganz  verdrängt  worden,  und 
dies  nicht  mit  Unrecht,  da  letztere  weniger  schrei- 
end klingt  und  für  die  bei  Musikstücken  für  Blas- 
harmonie gebräuchlichen  Tonarten  ausreichend  ist. 
Die  Klarinetten  verlieren  in  demselben  Maße  an 
Reinheit,  Lieblichkeit  und  Vornehmheit,  je  weiter 
sich  ihre  Stimmung  von  der  B-Stimmung,  einer  der 
schönsten  dieses  Instrumentes,  nach  der  Höhe  zu 
entfernt. 

Die  Klarinette  in  C  ist  härter  als  die  in  B,  ihr 
Klang  hat  bei  weitem  weniger  Reiz.  Die  kleine  Kla- 
rinette in  Es  hat  durchdringende  Töne,  die  vom  a 
über  den  Notenlinien  an  sehr  leicht  unedel  werden. 
In  einer  neueren  Symphonie  hat  man  sie  sogar  da- 
zu benutzt,  eine  Melodie  zu  parodieren,  sie  herun- 
terzuziehen, zu  verlumpen,  wenn  der  Ausdruck  ge- 
stattet ist;  der  dramatische  Sinn  des  Werkes  erfor- 
derte diese  seltsame  Umgestaltung.  Die  kleine  Kla- 
rinette in  F  zeigt  nach  dieser  Richtung  hin  eine 
noch  stärkere  Neigung.  Im  Gegensatze  hierzu  bringt 
das  Instrument,  je  tiefer  es  wird,  um  so  mehr  ver- 
schleierte, schwermütige  Töne  hervor. 

Im  allgemeinen  sollten  sich  die  Ausführenden 
nur  derjenigen  Instrumente  bedienen,  die  der  Au- 
tor vorgeschrieben  hat.  Da  jedes  dieser  Instru- 
mente seinen  eigentümlichen  Charakter  besitzt,  so 
ist  anzunehmen,    daß  der  Komponist  das  eine     oder 


andere  Instrument  für  diese  oder  jene  Klangfärbung 
vorgezogen,  nicht  aber  aus  zufälliger  Laune  ge- 
wählt hat.  Wollen  nun  manche  Spieler,  nach  Art 
gewisser  Virtuosen,  eigensinnig  darauf  bestehen, 
alles  (transponierend)  auf  der  B-Klarinette  auszu- 
führen, so  begehen  sie  fast  ausnahmslos  eine  Un- 
treue gegen  den  Komponisten.  Und  diese  Untreue 
wird  um  so  offenkundiger  und  strafbarer,  wenn  es 
sich  zum  Beispiel  um  die  A- Klarinette  handelt. 
Es  kann  oft  vorkommen,  daß  der  Komponist  sie 
nur  deshalb  vorgeschrieben  hat,  um  ihr  tiefes  e 
zur  Verfügung  zu  haben,  welches  bekanntlich  wie 
eis  klingt: 


Klarinette  in  A: 


I  Wirklicher  Klang: 


Wie  hilft  sich  nun  der  Spieler  der  B-Klarinette,  der- 
en tiefstes  e  nur  den  Ton  d  erreicht? 


Klarinette  in 


I  Wirklicher  Klang: 


Er  wird  die  Note  in  die  höhere  Oktave  transponie- 
ren und  so  die  vom  Autor  beabsichtigte  Wirkung 
zerstören! . . .  Das  ist  unverzeihlich! 
I  Die  neuen  B-Klarinetten  und  Baßklarinetten 
l  besitzen  eine  Cis-Klappe.  Baßklarinetten  in  A  wer- 
I  den  sehr  selten  mehr  geblasen  j  man  sieht  sich 
5  oft  gezwungen  sie  nach  B  umschreiben  zu  lassen. 
Wir  haben  oben  gesagt,  daß  die  Klarinette  vier 
Register  habe;  jedes  dieser  Register  zeigt  einen 
unterscheidbaren  Klangcharakter:  der  des  hohen 
Registers  hat  etwas  Schneidendes,  das  man  nur  in 
den  Fortissimo-Stellen  des  Orchesters  oder  in  küh- 
nen Läufen  eines  glänzenden  Solos  verwenden  kann, 
(einige  der  sehr  hohen  Noten  können  indessen  pi- 
ano ausgehalten  werden,  wenn  man  den  Ansatz 
des  Tones  genügend  vorbereitet);  dem  mittleren 
und  dem  Schalmei-Register  kommen,  ihrem  Cha- 
rakter nach,  die  Gesangsmelodien,  Arpeggien  und 
Passagen  zu;  das  tiefe  Register  endlich  eignet  sich, 
zumal  in  gehaltenen  Tönen,  zu  jenen  kalt  dro- 
henden Wirkungen,  zu  jenen  finsteren  Lauten 
starrer  Wut,  deren  geistreicher  Erfinder  Weber 
war. 

i       Diesen  Registerwechsel  hat  Wagner  sinnreich 
I  ausgebeutet  im  dritten  Akt  seiner   Meistersinger 
I  bei  den  Worten  Davids  „Nur  gestern,  weil  der  Jun- 
{  ker  versungen". 
*  (Partiturbeispiel  84.) 


Kl.ir.lin  A. 
Hrn.  1  in  E. 


N9S4.  Mcistcrsiiii^-cc,  Akt  III 


Sehr  gomiichlic'h 


..I 


1\  :  ,;  ;  1      L.e-newie      ich,  dannver-päbt    ihrmi 


223 


Will  iiuui  die  iliirchdrinf;enden  Kliiiif^e  der  höch- 
sten Noten  besonders  hervortretend  gebrauchen, 
fürchtet  aber  dein  Bläser  mit  dein  hastigen  Ansatz 
der  gefährlichen  Noten  zu  viel  zuzumuten,  so  nuiU 
man  den  Einsatz  der  Klarinette  mit  einem  starken 
Akkord  der  ganzen  Orchestennasse  verdecken,  und 
zwar  so  lange,  bis  sich  der  Ton  festgesetzt  und  ge- 
läutert hat;  dann  kann  man  jenen  Akkord  abbre- 
chen und  das  Instrument  ohne  Gefahr  frei  austö- 
nen lassen: 


Die  Gelegenheit,   solche  hohe  gehaltene    Töne 
gut  anzubringen,  findet  sich  indes  ziemlich  selten. 


Der  (Charakter  der  Töne  der  MittoU.vge, welcher 
gewissermaßen  das  Gepräge  eines  durch  edle  Zäi-t- 
lichkcit  gemäiligten  Stolzes  an  sich  trägt,  befäh- 
igt dieselben  zur  Darstellung  der  poetischsten  Ge- 
fühle und  Ideen.  Nur  au.sgulassene  Fröhlichkeit 
und  selbst  kindlich  unbefangene  Freude  scheinen 
diesem  Instrumente  versagt  zu  sein.  Die  Klarinet- 
te ist  weniger  idyllischen,  sondern  vielmehr  epi- 
schen Charakters,  gleich  den  Hörnern,  Trompe- 
ten und  Posaunen.  Ihre  Stimme  ist  die  der  helden- 
mütigen Liebe;  und  wenn  die  Massen  der  Blechin- 
strumente in  großen  Militärsymphonien  den  Gedan- 
ken an  eine  Kriegerschar  wachrufen,  die,  mit  fun- 
kelnden Rüstungen  bedeckt,  dem  Ruhme  oder  dem 
Tode  entgegen  eilt,  so  scheinen  die  zahlreichen  zu 
gleicher  Zeit  im  Unisono  erklingenden  Klarinetten 
die  geliebten  Frauen  vorzustellen,  die  liebenden 
Jungfrauen,  die  mit  stolzem  Blick  und  tiefer  Lei- 
denschaft, durch  den  Waffenlärm  begeistert,  mit- 
ten im  Kampfe  singen,  die  Sieger  krönen  oder  mit 
den  Besiegten  sterben. 

i        Man  vergleiche  hiermit  Brünnhildens  Abgang  im 
\  zweiten  Akt  der  Walküre.  (Partiturbeispiel  85.) 


N9  85.  Walküre,  Al^t  H. 


Wagner. 


225 


Ich  habe  niemals  eine  Militärmusik  von  weitem 
anhören  können,  ohne  von  diesem  weiblichen  Klang- 
charakter der  Klarinetten  aufs  lebhafteste  bewegt 
zu  werden  und  Eindrücke  ähnlicher  Art,  wie  sie 
das  Lesen  alter  Heldengedichte  zurückläßt,  zu  er- 
halten. Dieser  schöne  Instrumental-Sopran,  bei 
starker  Besetzung  so  widerhallend,  so  reich  an 
eindringlichen  Lauten,  gewinnt  im  Solo  soviel  an 
Zartheit,  an  Farbenreichtum,  an  geheimnißvoll  Rüh- 
rendem, als  er  an  Kraft  und  Glanz  einbüßt.  Es  gibt 
nichts  so  Jungfräuliches,  nichts  so  Lauteres  als 
das  Kolorit,  welches  gewisse  Melodien  durch  den 
Klang  einer  Klarinette  in  mittlerer  Tonlage  erhal- 
ten, falls  ein  geschickter  Virtuos  sie  spielt. 

So  schön  dies  empfunden  ist,  es  ist  doch  etwas 
einseitig.  Nach  meiner  Ansicht  gibt  die  Klarinet- 
te bei  richtiger  Registeranwendung,  Melodiefüh- 
rung und  entsprechender  Mischung  mit  anderen 
Gruppen  alle  Gefühlsabstufungen  her.  So  ist  die- 
selbe bei  Weber  so  süß  jungfräuliche  Klarinette  in 
Wagners  Parsifal  zur  Verkörperung  der  dämoni- 
schen Sinnlichkeit  geworden  und  läßt  in  den  Kun- 
dry-Szenen  die  schauerlich  beängstigenden  Stim- 


men der  Verführung  ertönen,  die  keiner  verges- 
sen wird, dem  sie  jemals  ans  Ohr  schlugen.  Dabei 
ist  nicht  zu  vergessen,  daß  es  natürlich  nicht 
die  Klangfarbe  des  Instrumentes  allein  ist,  son- 
dern mit  ihr  die  Gestalt  des  Themas,  Rhythmik, 
Melodik  und  Harmonik,  die  den  jeweiligen  Cha- 
rakter so  genau  bestimmen. 

Unter  allen  Blasinstrumenten  ist  keines  zu  fin- 
den, das  den  Ton  so  gut  entstehen,  anschwellen, 
abnehmen  und  verhallen  lassen  kann, wie  die  Klari- 
nette. Daher  ihre  unschätzbare  Eigenschaft,  den 
Fernklang,  das  Echo,  den  Widerhall  des  Echo,  oder 
den  Zauber  der  Dämmerung  wiederzugeben.  Kein 
bewunderungswürdigeres  Beispiel  der  Verwertung 
solcher  Schattierungen  könnte  ich  anführen,  als  die 
träumerische  Melodie  der  Klarinette,  begleitet  vom 
Tremolo  der  Streichinstrumente,  im  Allegro  der 
Freischütz-Ouvertüre!  Ist  dies  nicht  die  einsame 
Jungfrau,  die  blonde  Braut  des  Jägers,  die  mit  gen 
Himmel  gerichtetem  Auge  ihr  zartes  Klagen  im  Rau- 
schen des  tiefen,  vom  Sturme  erschütterten  Waldes 
ertönen  läßt?. . .    0   Weber!! 

(Partiturbeispiel  86.) 


Edition  Peters. 


22« 


N9  8().  l'^rcischiitz,  Ouvrrtiii'c 
Molto  vivace.  as. 


Weber. 


321 


Da  ihr  mehr  wie  jedem  anderen  Holzblasinstru- 
mente auch  alle  dynamischen  Abstufuiifjen  vom  ge- 
hauchtesten jyp  bis  zum  schreiensten  ff  zur  Ver- 
fügung stehen,  kann  die  der  Klarinette  anvertrau- 
te Melodie  die  feinsten  Nervenerregungen  im  schön 
gegliederten  Körper  des  modernen  Orchesters  dem 
Gefühle  des  Hörers  übermitteln.  Schon  der  enor- 
me Umfang  von  beinahe  vier  Oktaven  befähigt  sie 
hierzu  mehr,  als  jedes  andere  Holzblasinstrument. 


In  der  Oktave: 


ist  der  Toncharak- 


:  ter  im  p  indifferent,    stark  angeblasen,  erhält  er 
i  etwas  durchaus  Ordinäres.      Da  nun  die   Anord- 


nung der  heutigen  Partitur  die  Klarinetten  stets 
ein  System  unter  die  Oboen  stellt,  begeht  die  Nach- 
lässigkeit der  Tonsetzer  und  die  Unkenntnis  des 
Unerfahrenen  häufig  den  Fehler,  bei  Akkordmisch- 
ungen die  Klarinette  auch  tiefer  als  die  Oboen 
zu  setzen.  Man  gebe  vielmehr  bei  vierstimmigen 
Akkorden  die  beiden  Unterstimmen  den  Oboen,  der- 
en kräftige,  tiefe  Töne  viel  besser  das  Sopran- 
register der  Klarinetten  fundieren  als  das  schlaf- 
fe und  dumpfe  Mittelregister  der  letzteren  sich 
zum  Basse  darüberliegender  Oboen  eignet.  Ein 
Beispiel  hierfür  bietet  der  Marsch  im  Tannhäu- 
ser.   (.Partiturbeispiel   87.) 


N9  87.  Tannhäuser,  Akt  II  (Marsch] 


Wagner. 


Kleine   Fl. 
vauf  der  ?r.  Fl.) 


2\Vald-Hrnr. 
in  H. 


2Fa5. 


^ 


t  -    iJi  -    iJt-    i|j<-    m 


^ 


Wo   lau  -    fic  nochdcrfro-he      Ruf er- schalle:  Thu-ringens   Fu 


Landgraf  Hermann  He 


/// 


229 


Ich  erlaube  mir  noch  die,  wenn  auch  nicht  glei- 
che, doch  immerhin  analoge  Wirkung  einer  Gesangs- 
stelle der  Klarinette  in  meinem  Monodrama  „Lelio" 
anzuführen,  deren  von  Pausen  unterbrochene  Frag- 
mente ebenfalls  vom  Tremolo  eines  Teiles  der  Streich- 
instrumente begleitet  werden,  während  die  Kontra- 
bässe von  Zeit  zu  Zeit  eine  tiefe  Note  pizzikato  an- 
geben und  dadurch  der  Harmonie  einen  schwerfälli- 
gen Pulsschlag  geben,  eine  Harfe  aber,  kaum  hör- 
bar, Bruchstücke  von  Arpeggien  hören  läßt.  Um 
jedoch  in  diesem  Falle  dem  Tone  der  Klarinette  ei- 
nen möglichst  unbestimmten  Pernklang  zu    geben, 


habe  ich  das  Instrument  in  einen  Beutel  von  Leder 
einhüllen  lassen,  der  die  Stelle  des  Dämpfers  ver- 
tritt. Der  traurig  murmelnde  und  halb  verwischte 
Klang  dieses  Solo,  welches  eine  schon  in  einem  an- 
dern Stück  gehörte  Melodie  wiedererstehen  läßt,  hat 
stets  einen  lebhaften  Eindruck  auf  die  Zuhörer  ge- 
macht. Diese  schattenhafte  Musik  erweckt  düste- 
re Traurigkeit  und  vermag  —  mehr  als  dies  die 
schmerzlichsten  Töne  könnten—  zu  Tränen  zu  rüh- 
ren, in  ihrer  Schwermut  den  zitternden  Harmonien 
der  Aeolsharfe  ähnlich.   (Partiturbeispiel  88.) 


N9  88.  Lelio,  Monodrame  lyrique,  Le  retour  ä  la  vie. 


»J/= — p 


Beethoven  hat,  mit  Rücksicht  auf  den  schwer- 
mütigen, edlen  Charakter  der  A-dur  Melodie  im  un- 
sterblichen Andante  seiner  siebenten  Symphonie  und 
um  alles,  was  diese  Stelle  zu  gleicher  Zeit  Schmerz- 
lich-Klagendes in  sich  birgt,  treffend  wiederzuge- 
ben, ebenfalls  diese  Melodie  den  mittleren  Tönen 
der  Klarinette  anvertraut.  Gluck  hatte  das  Ritor- 
nell  der  Arie  der  Alceste:  „Ach!  ihr  zerschmelzt 
mein  Herz  durch  eure  Thränen"  (Akt  II,  letzte  A- 
rie)  anfänglich  für  eine  Flöte  geschrieben j  da  er 
aber  ohne  Zweifel  bemerkte,  daß  der  Klang  dieses 
Instrumentes  zu  schwach  und  nicht  edel  genug  zur 
Wiedergabe  eines  Thema  von  solcher  TVostlosigkeit 
und  trauriger  Erhabenheit  war,  so  übertrug  er  es  der 
Klarinette.  Wiederum  sind  es  die  Klarinetten, wel- 
che gleichzeitig  mit  der  Singstimme  jene  andere 
Arie  der  Alceste  singen,  die  so  schmerzvolle  Hin- 
gebung atmet:  „Götter  ew'ger  Nacht,  strenge  Her- 
ren" (Akt  III,  erste  Arie). 

Eine  Wirkung  ganz  anderer  Art  entspringt  aus 
den  drei  langsam  sich  hinziehenden  Terzen  der  Kla- 
rinetten in  einer  Arie  der  Oper  Ödipus  (von  Sacchi- 
ni)  „Euer  Hof  ward  meine  Zuflucht".  Nach  dem 
Abschlüsse  des  Themas  wendet  sich  Polynikes,  be- 
vor er  zu  singen  fortfährt,  zu  der  Tochter  des  The- 
seus  und  fügt,  sie  anblickend,  hinzu:  „Ja  ich  kann- 
te, ja  ich  liebte  die  holde  Eryphile".  Diese  beiden 
in  Terzen  gehenden  Klarinetten,  welche  bis  zum 
Eintritte  der  Singstimme,  im  Augenblick,  wo  die 
beiden  Liebenden  einen  zärtlichen  Blick  austau- 
schen, sanft  herabsteigen,  sind  von  ausgezeichne- 
ter dramatischer  Berechnung  und  ergeben  eine  vor- 
treffliche musikalische  Wirkung.  Die  beiden  In- 
strumentalstimmen sind  hier  ein  Sinnbild  der  Lie- 
be und  Reinheit.  Wenn  man  sie  hört,  glaubt  man 
Eryphile,  hold  verschämt,  die  Augen  niederschlagen 
zu  sehen.     Es  ist  bewundernswürdig! 


Andante. 


Polynikes 


Je con -niis,  fardo-railackarmaiiUE-ry-phi-le. 
Jaichkanntejaichliebtedie  holde  E-ry-phi-le. 


Man  setze  zwei  Oboen  an  Stelle  der  beiden  Kla- 
rinetten und  die  Wirkung  ist  zerstört.  Dieser  kost^ 
bare  Orchestereffekt  fehlt  zwar  in  der  gestoche- 
nen Partitur  des  Meisterwerkes  Sacchinis;  aber 
er  ist  mir  bei  Aufführung  desselben  zu  oft  aufge- 
fallen, als  daß  mich  mein  Gedächtnis  täuschen 
könnte. 

Weder  Sacchini,  noch  Gluck,  noch  irgend  ein 
großer  Meister  jener  Zeit  haben  die  tiefen  Töne 
des  Instrumentes  zu  wirklicher  Verwertung  ge- 
bracht. Den  Grund  dafür  kann  ich  nicht  finden.  Mo- 
zart scheint  der  erste  zu  sein,  der  sie  zu  Beglei- 
tungen von  düsterem  Charakter  benutzt  hat;  so 
zum  Beispiel  im  Maskenterzett  des  „Don  Juan". 
Erst  Weber  war  es  vorbehalten,  alles  das  zu  ent- 
decken, was  der  Klang  dieser  tiefen  Töne  Schau- 
erliches an  sich  hat,  wenn  man  sich  ihrer  zimi  Aus- 
halten unheimlicher  Harmonien  bedient.  In  sol- 
chem Falle  ist  es  besser,  die  Klarinetten  zweistim- 
mig zu  setzen,  als  sie  im  Einklang  oder  in  Okta- 
ven zusammengehen  zu  lassen.  Je  zahlreicher 
alsdann  die  harmonischen  Noten  sind,  desto  auf- 
fallender ist  die  Wirkung.  Hätte  man  zum  Bei- 
spiel drei  Klarinetten  für  den  Akkord  cis-e-b  zur 
Verfügung,  so  würde  diese  verminderte  Septime, 
wenn  gut  motiviert,  gut  herbeigeführt  und  eben- 
so instrumentiert,  eine  furchtbare  Physiognomie 
erhalten,  die  man  durch  Hinzufügung  des  tiefen 
g  einer  Baßklarinette  noch  mehr  verdüstern  könn- 
te: 


i  Das  Bangen  iltM-  in  sohnsuchtsvoUor  Erinnerung- 
Jan  den  fernen  Siogl'ried  versunkenen  Hriinnluldc, 
>  die  Ahnung?  nahenden  Unheils  könnte  nicht  hcrrli- 


her  wiedergegeben  werden,  als  es  in  der   unver- 


Hlci(  lilii-hun  Solostcllc  der  zwei  Klarinetten  bei 
(loi-  Verwatidlungsniusik  zur  letzten  Szene  im  er- 
sten Akt  der  Oöttcrdiininierung  geschehen  ist: 


N9  89.  CnittcrdainiiHM'iiiiii:,  Akt  I. 

r\och  mehr  zurückhaltend^ 


Wagner. 


233 


Dritte  Szene.— Der  Vorhang  wird  wieder  aufgezogen.  Die  Felsenhö! 
he  wie  im  Vorspiel. -(Brünnhilde  sitzt  am  Eingänge  des  Steingemarh' 
in  stununemSinnen  Siegfrieds  Ring  betrachtend.)  '     '^ 


(Von  wonnigen  Erinnerungen  ergriffen,be- 
deckt  sie  den  Ring  mit  ihren  Küssen.) 


235 

Seit  Wagners  herrlichem  Amselruf  (II  Akt  Mei-    1    i  nette  reichlich  als  Vogelstimmen-Imitator  verwen- 
stersinger,  vor  Eintritt  des  Abends)  ist  die  Klari-    I    ]  det  worden: 


N9  90.  Meistersinger,  Akt  II. 


Wagner. 


Pogn, 


Auch  zu  Bof^leitungsfiguren  ernsten  und  humo- 
ristischen Inhaltes  eignet  sich  die  Klarinette  bes- 
ser als  jedes  andere  Holzblasinstrument.  Bei  ei- 
ner Klarinettisten-Prüfunp  hörte  ich  unliinpst  die 
I  sehr  {;ut  wirkende  und  sehr  leicht     ausführbare 


auf.  Seite  2ir)  am  SohluD  der  Beispiele  stehende 
Figur. 

Man  vergleiche  auch  in  Mozarts„Cosi  fiuitutto" 
die  Arie  des  Fernando  in  H: 


N9  91.  Cosi  fan  tutte. 


Ja,    ich      se  -  he  die   schönsteder    Frau-en,  siekannlan-ger mir   nichtwider-stehn,       und       ich 


darfmeinemGlückever-trau-en, sie  er-  hör-temein  in-ni-ges Flehen, ja,     ich  darfmeinemGlückever-trauen  etc. 


S37 


Die  Altklarinette. 


Sie  ist  nichts  anderes  als  eine  Klarinette  in 
tief  P  oder  in  tief  Es,  also  eine  Quinte  unterhalb  der 
C-,  bez.  B-Klarinette  stehend,  und  hat  den  ganzen 


Umfang  derselben.  Man  schreibt  sie  demnach  trans- 
ponierend, erstere  in  der  Quinte,  letztere  in  der  gro- 
ßen Sexte  oberhalb  ihres  wirklichen  Klanges: 


Alt- Klar,  in  F. 


Wirkliche  Tonhöhe 


Alt-Klar,  in  Es. 


Wirkliche  Tonhöhe 


Sie  ist  ein  sehr  schönes  Instrument,    bedauerlicherweise  aber  nicht  in  allen,  sonst  gut  besetzten   Orche- 
stern anzutreffen. 


Die  Baßklarinette. 


Noch  tiefer  als  die  vorhergehende,  steht  diesel- 
be eine  volle  Oktave  unter  der  B-Klarinette;  zwar 
gibt  es  auch  eine  in  C  (in  der  tieferen  Oktave  der 
C-Klarinette),  doch  ist  die  in  B  viel  mehr  verbrei- 
tet. Da  es  ganz  das  nämliche,  nur  in  größeren  Ver- 
hältnissen angefertigte  Instrument,  wie  die  gewöhn- 
liche Klarinette  ist,  bleibt  auch  sein  Umfang  ziem- 
lich derselbe.  Das  Rohrblatt  der  Baßklarinette  ist 
etwas  schwächer  und  bedeckter,  als  das  der  ande- 
ren Klarinetten.  Die  Baßklarinette  hat  nicht  die 
Bestimmung,  die  hohen  Klarinetten  zu  ersetzen,son- 
dern  deren  Umfang  nach  der  Tiefe  zu  ergänzen.  Sehr 
schön  jedoch  ist  die  Wirkung,  wenn  die  hohen  Tö- 
ne der  B-Klarinette  von  der  Baßklarinette  in  der 
tieferen  Oktave  verdoppelt  werden.      Letztere  no- 


tiert man  wie  die  übrigen  Klarinetten  im  Violin- 
schlüssel. 


Ihre  tiefsten  Noten  sind  die  besten,  man  darf 
sie  aber  mit  Rücksicht  auf  die  Langsamkeit  ihrer 
Schwingungen  nicht  zu  schnell  auf  einander  folgen 
lassen.  Meyerbeer  hat  der  Baßklarinette  in  dem 
Terzett  des  fünften  Aktes  der  „Hugenotten" einen 
beredsamen  Monolog  zuerteilt.  (Partiturbeispiel  92.) 


N9  93.  Hugenotten,  Akt  V. 


Meyerbeer. 


a-vez  vous  qu'enjoi-gnant  vosmainsdansceste- 
Wisset  ihr,wennichjetzt  verbin -de  eu-re 


^  ne    -     bres,        je  cun-sacre'et   be  -  nis le  banquet  des     a  -  dieux  et  des   no-ces   fu- 

Hän  ■  de,       dqßnichtQualenvmdTod, nichtseuchtrermenmehrkann,       wie  das  Schicksal  sich 


BaÜklar.inB 


Nous   sa  -  vons 
Was  ver-  eint 
JLPE 


qu'au  Ciel    seul nous  de-vions    etre    u 

uns  be  -  droht, was  uns  trifft,  wis-sen    wir. 


Nous   sa  -  vons qu'au  Ciel    seul nous  de-vions    etre    u   -    nis. 

Was  ver -eint uns   be  -  droht, wasunstrifft,  wissen    wir. 


Je  nach  der  Art  und  Weise,  wie  man  für  die- 
ses Instrument  schreit,  und  je  nach  der  Geschick- 
lichkeit des  Spielers,  vermag  es  in  seiner  tiefen  Re- 
gion den  wilden  Klangcharakter  der  tiefen  Töne  der 
gewöhnlichen  Klarinette,  oder  auch  den  ruhigen,  fei- 
erlichen, weihevollen  Ausdruck  gewisser  Register 
der  Orgel  anzunehmen.  Es  kann  demnach  häufig  und 
gut  verwendet  werden;  außerdem  gibt  es,  unisono  in 


vier-bis  fünffacher  Besetzung  verwendet,  den  Bäs- 
sen der  Blasinstrument- Orchester  einen  salbungs- 
vollen, vortrefflichen  Klang. 

\  Wagner  hat  die  Baßklarinette  stets  im  Charak- 
\  ter  der  feierlichen  Entsagung  angewendet.  Siehe 
I  Gebet  der  Elisabeth,—  König  Markes  große  Sze- 
\  ne  am  Schluß  des  zweiten  Aktes  vom  Tristan: 


N9  93.  Tristan,  Akt  II. 

Mäßig  langsam. 

(immer  sehr  ausdrucksvoll) 


Wagner. 


Baßklar,  in  A. 


.f^P 


239 


Vlc.(get.) 


Baßklar,  in  A, 


sollt    ich  hoffen,wassein  Trügen  mir     ge-trof-fen,        seidxirchMelot'sRat      redlich  mir  be-wahrt? 


240 


I  Die  Bal(kl;irinctte  ist,  da  die  tiefen  Töne  der  Fa- 
I  f;'otte  noch  immer  jeder  Modulationsfähifi^keit  ent- 
Jbehren,  der  schönste  und  weichste  BaU    für    die 


Holzbläser,    besonders  als  tiefste  Stiiniimii{f  zu  drei 
Fiif;otteii,  wie  bei  Isoldeiis  Liebestod: 


N9  94.  Tristan,  Isoldens  Liebestod. 


Wagner. 


Klaffifche  Klaviermufik 


BACHJ.S. 

Sämtliche  Werke   in    23  Bänden 

1/2    Wohliemperlfrtes  Klavltr  <C2trny>,  2  Hilf . 

I»/b  Wohli«nip«ri<rio  Klavier  <Kroll>,  2B3n(]e. 

2790a/bWohlt«inpericrt«s  Klavier  <Ruthardt>,  2B<ie. 

3180      Wohliemperiene»  Klavier.  Ausw.<Tausig), 

Band  III — XXII  herausgegeben  von 

Cierny,  Griepenkerl  und  Roitzsch. 

200     Kleine  Präludien  und  Fugen. 

20!      Zwei»  und  dreistimmige  Inventionen. 

202     Sei-hs  französische  Suilen,   Dmoll,   Cmoll. 

Hmoll,  Esdur,  Cidur,  Edur. 
203/4  Sedis  engllidie  Suiien,  2  Bände. 
205/6  SeAs  Partiten,  Bdur,  Cmoll,  Amoll, 
Ddur,  Gdur,  Emoll,  2  Bände. 

207  Italienisdics  Konzert,  Phantasie  usw. 

208  OuvertOre,  Phantasie  und  Fuge  usw. 

209  Aria  c  30  Var.  <Goldberg  \'arialionen>. 

210  VierToccaten,Emoll,FismolI,  Cmoll,  Dmoll. 

211  Toccata,  Präludium,  Phantasie. 

2i;  Phaaiasien,  Fugen,  Suite  F  moll  usw. 

:i3  Sonaten  Amoll,  Cdur,  Dmoll. 

214  Präludien,  Suiten  und  Fugen. 

215  Phantasien,  Toccata,  OuvertOre  usw. 

216  Capriccio,  Sonata  Ddur,  Fugen  usw. 

217  16  Konzerte  nach  Vivaldi,  Marcello  ujw. 

218  Die  Kunst  der  Fuge. 

219  Das  musikalisdie  Opfer. 

1959     Supplement ;  Klavierbflchlein  usw.  <Seifferi>. 


2791/98  Band  III— X  herausgegeben  von  Ruthardt. 


BEETHOVEN 


Sämtliche  Werke 


ind« 


ISOla/c  Sonaten  <Pauer>,  3  Bände. 

296a,'b  Sonaten  <K5hIer  und  Ruthardt),  2  Bände. 

3  Sonaten  in  1  Bande.  Volksausgabe. 

1231  Sonatinen  (Köhler  und  Ruthardt). 

297  Stüdte,  Rondos,  Bagatellen  usw. 

298a/b  Variationen,  2  Bände. 

144  Konzerte  und  Phantasie  Op.  80. 

2894a/e  Konzerte  In  Einzel-Ausgaben  (Ruthardt). 


BRAHMS 


Klavierwerke  in  2  Bänden 

herausgegeben  von  Emil  von  Sauer 
3300a    Op.  1,  2,  5,  Sonaten,  Op.  4  SAerzo. 

Op.  9  Variationen,  Op.  10  Balladen. 

Op   21,  24,  Variationen. 
3300b   Op.  76,  118,  119,  KlavierjttlAe. 

Op.  79  Rhapsodien,    Op.  116  Phantasien. 

Op.  117  Intermezzi  und  5  Studien. 


CHOPIN 


Snmtilche  Werke  in  3  oder 
12  Bänden 

herausgegeben  von  Herrntann  Sdioltz 
1900a;c  Ausgabe  in  3  Bänden. 
1901        Walzer.  Volksausgabe. 
1804       Walzer. 

1902/3  Mazurkas,  Polonaisen,  2  Bände. 
1904/5  Nocturnes,  Balladen  u.  Impromptus,  2  Bde. 
1906/7  Sdierzosu.FmolI-Phantasie,  Etüden,  2  Bde. 
1908/9  Präludien  und  Rondos,  Sonaten,  2  Bände. 
1910  Stücke  (Berceuse,  Barcarolle,  Bolero  usw  >. 
1911/12  Konzerte,  Konzertstücke,  2  Bände. 
2895a/b  Konzerte  in  Einzel- Ausgaben  (Ruthardi). 

HÄNDEL 

Ausgewählte  Werke    <Ruthardt> 

4  a  Suiie  I- VIII:  Adur,  Fdur,  Dmoll,  Emoll  usw. 

4b  Suite  IX-XVI:  Gmoll,  Dmoll,  Emoll  usw. 

4  c  Kom  Positionen  :Le(;ons,Pieces,Fugues  usw. 

4d  Six  Fughettes:  Cdur,  Ddur,  Fdur  usw. 

2669  Die  ersten  Studien. 


HAyDN 


Ausgewählte  Werke 

713a/d  Sonaten  (Ruthardt),  4  Bände. 
1120       Ewölf  kleine  Stücke. 
484       Kompositionen:  Fantasia,  Capricci 


LISZT 


Werke  in   12  Bänden 

herausgegeben  von   Emil  von  Sauer 
3600a/b  Rhapsodien,  2  Bände. 
3600c/d  Etüden,  2  Bände. 
3601a/b  Original-Kompositionen,  2  Bände. 
3601c/d  Opern-Phantasien,  2  Bände. 
3602a     Lieder-Bearbeitungen. 
3602b     Bearbeitungen. 

3602c     Konzerte  u.  a.  Werke  mit  Orchester. 
3602d      Supplement. 

MENDELSSOHN 

Sämtliche  Werke  in  5  Bänden 


1704a 

Lieder  ohne  Worte 

1703 

Lieder  ohne  Worte 

Volksausgabe. 

2619 

Zwölf  Lieder  ohne 

Worte  für  die  Jugend. 

1704b 

Op.    5  Capriccio  . 

Op.  7  Charakterstücke. 

Op.l4  Rondo 

Op.  16  Fantaisies. 

Op.  33  Caprices  . . 

Op.  72  Kinderstücke. 

1704c 

Op.  28  Phantasie  . . 

Op.  35  Präludien. 

Op.  54  Variations 

e'rieuses,    Variationen, 

Etüden,  Scherzos. 

1704d 

Op.25,40,Konzerte 

Op.  22  Capriccio. 

Op.  29  Rondo 

Op.  43  Serenade. 

1704e 

Supplement  (3  Sona 
Op.  117-119  usw.) 

len,  Op.  104  Präludien, 

2896a/b  Konzerte  in  Einzel 

•Ausgaben   (Ruthardt). 

MOZART 

Ausgewählte  Werke  in  5  Bänden 

486a/b  Sonaten    (Köhler  und  Ruthardt),  2  Binde. 

48Ü       Sonaten  In  1  Bande.  Volksausgabe. 
6       Stücke  (Phantasien.  Rondos). 

273       Variationen  (Köhler). 

765       8  berühmte  Konzerte. 
2897a/c  3  Konzerte  In  EInzel-Auigaben  (Ruthardt). 
3309a/d  4  Konzerte  In  Einzel-Ausgaben  (Ruthardt). 

SCHUBERT 

Ausgewählte  Werke  in  5Bänden 

488  i/b  Sonaten  (Köhler  und  Ruthardt),  2  Bände. 
716       Kompositionen  (Niemann).  Fantaisie,  Im- 
promptus, Moments  musicaux. 

3235       Impromptus  und  Moments  musicaux. 
150       Tänze  (Walzer,  Ländler  usw.). 
718       Supplement  (Adagios,  Sdierzi). 

SCHUMANN 

Sämtliche  Werke  in  5  Bänden 
und  in  Heften 

herausgegeben  von  Emil  von  Sauer 

2300  a  Band  I 
Op.  1)8  Album  für  d.  Jugend  Op.  18  Arabeske. 

Op.  15  Kinderszenen Op.  19  Blumenstock. 

Op.  124  AIbumblä;ter  ....  Op.  82  Waldszenen. 
Op.  U9  Bunte  Blätcer Op.  28  Romanzen. 

2300  b  Band  II 
Op.    6  DavidsbOndlertänze  Op.  21  Novelletten. 

Op.    9  Camaval Op.  12  Phantasiestücke 

Op.  16  Kreisleriana 

2300c  Band  III 

Op.  20  Hamorcste Op.    2  Papillons. 

Op.  26  Faschingsscbwank  .  Op.    7  Toccata. 

Op.  13  Etudcs Op.    8  Allegro. 

Op.  17  Phantasie   Op.    4  Intermezzi. 

Op.    1  Abegg-Variationen  Op.    5  Impromptus. 

2300  d  Band  IV 
Op.  32  Klavierstücke  ..  Op.  126  Fughciten. 
Op.  72  Vier  Fugen  ...  Op.  133  Gesänge  der  Frühe 
Op.  23  Nadilstücke  . . .  Op.     3  Paganini-Studlen. 
Op.  111  Phantasiestücke  Op.lOEtud.d'apresPaganlnl 
Op.  76  Märsdie Op.  118  Jugend-Sonaten. 

2300 e  Band  V 
Op.  11  Sonate  Fismoll  ...  Od.  92  Konzertstück. 
Op.  22  Sonate  G  moll    ...  Op.l34Konzert-AIIegro 

Op.  14  Sonate  Fmoll Nachlafi.  Sdierzo  Fmoll 

Op.  54  Konzert  A  moll . . .  Nadilaß.  Presto  G  moll 
Nachlaß.  Kanon  „An  Alexis". 

WEBER 

Sämtliche  Werke  in   1   Bande 
oder  3  Bänden 

489  Ausgabe  in  1  Bande. 
717a/c  Ausgabe  in  3  Bänden. 
717a      Sonaten. 

717b  Polonaise,  Rondo  brillant,  Polacca  usw. 

717c  Variationen  und  Konzerte. 

2899  Op.  79  Konzertstück  (Ruthardt). 

2879  Op.  65  Aufforderung  iura  Tanz. 


BEETHOVEN,  KLAVIER-SONATEN 

NEUE  AUSGABE  IN  3  BANDEN    •    HERAUSGEGEBEN  VON  MAX  PAUER 

zum  100.  Todestage  von  Beethoven  erschienen 


REPTE.  LEIPZIS