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Full text of "Italische landeskunde"

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ITALISCHE 

LANDESKUNDE 


VON 


HEINRICH  NISSEN 


ZWEITER  BMI) 
DIE    STAEDTE 

ZWEITE  HAELFTE 


BERLIN 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG 

1902 


Haec  est  Italia  diis  Sacra,  hae  gentes  eius,  haec  oppida  populorum. 

Plinius 


INHALT 

KAPITEL  IX 

Rom 

Seite 

1.  Die  Anfänge 488 

2.  Die  Altstadt 499 

3.  Die  Sladterweiterunp 509 

4.  Die  Kaiserstadt 523 

5.  Die  Stadttheile 530 

6.  Das  Weichbild 541 

KAPITEL  X 
Latium 

1.  Alt  Latium 555 

2.  Die  Seekäste 566 

3.  Das  Albaner  Gebirge 579 

4.  Das  Anioland 604 

KAPITEL  XI 

Neu  Latium 

1.  Die  Volsker  Mark 626 

2.  Die  Herniker 647 

3.  Die  Aurunker 656 

4.  Die  Volsker 667 

KAPITEL  XII 
Camp  anien 

1.  Die  Nordmark 685 

2.  Capua 696 

3.  Die  Seestädte 717 

4.  Der  Süden 753 


lY  Inhalt. 

KAPITEL  XIII 

8  a  m  n  i  u  m  S^j^^ 

1.  Die  Frentaner 778 

2.  Die  Nordsamniten 785 

3.  Die  Hirpiner 803 

4.  Die  Picentiner 823 

5.  Die  Mark  Venusia 826 

KAPITEL  XIV 

Ap  Uli  en 

1.  Die  Ebene 835 

2.  Das  Hügelland 850 

3.  Calabrien 861 

KAPITEL  XV 

liucanien 

1.  Das  Westland 890 

2.  Das  Ostland 906 

KAPITEL  XVI 

Bruttium 

1.  Das  Nordland 927 

2.  Das  Südland 945 

ANTIKE  ORTSNAMEN 968 


KAPITEL  IX. 


Rom. 


Die  Siebenhügelstadt  beherrscht  ein  reiches  und  vvechselvolles 
Gesichtsfeld.  Das  Auge  umfafst  gen  Süden  die  latinische  Ebene 
mit  dem  Albaner  Gebi^^e:  den  Ra&d  des  lacv?  AJbavus,  in  25  km 
Abstand  den  mons  Alhanus,  dessen  Spitze  (954  m)  das  Eeüifjtunj 
des  Juppiter  Latiaris  einnahm,  Castrimoenium,  Tmculum  (67^"*  m;, 
die  alten  Lalinerburgen  von  Rocca  Priora  (768  m)  und  Colon  na 
(347  m).  Ueber  die  Einsenkung  hinweg  die  das  vulkanische  Ring- 
gebirge von  der  Appenninkette  scheidet,  werden  einzelne  Höhen  aus 
dem  Trerusthal  sichtbar.  Nach  Südost  bildet  das  in  der  Luftlinie 
35  km  entfernte  Praeneste  den  Abschlufs.  Von  dieser  in  die  Höhe 
(752  m)  steigenden  Stadt  ab  auf  einer  Strecke  von  30  km  hemmt 
der  Appennin  einer  Mauer  gleich  die  Fernsicht  nach  Osten  und  läfst 
nur  die  beiden  schlanken  Gipfel  des  2487  m  hohen  M.  VeUno  ober- 
halb des  lacus  Fucinus  bei  80  km  Abstand  emportauchen.  Unge- 
fähr in  der  Mitte  der  Mauer  bricht  der  Anio  durch,  über  dessen 
Absturz  (245  m)  Tibur  thront.  Nach  Nordost  erhält  sie  im  mons 
Lucretilis  M.  Gennaro  ihre  höchste  Erhebung  (1269  m).  Aber  nun- 
mehr treten  die  Berge  zurück  und  lassen  den  Blick  über  die  Oliven- 
hügel des  ager  Sabinus  75  km  weit  bis  zu  den  hohen  Gurgures 
(2213  m)  am  Reatiner  Becken  schweifen,  deren  Schneedecke  im 
Frühling  und  Herbst  eine  fremdartige  Welt  kündet.  Aus  der  trans- 
tiberinischen  Landschaft  tritt  am  Ausdruckvollsten  40  km  nach  Nord 
der  zackige  Rücken  des  Soracte  (691  m)  hervor,  in  gröfserer  Nähe 
die  Veit  überragenden  vulkanischen  Höhen  der  M.  Musino  (402  m) 
M.  Razzano  (436  m)  u.  a.  Die  Aussicht  in  westlicher  und  nord- 
westlicher Richtung  ist  von  den  sieben  Hügeln  durch  das  hart  an 
den  Flufs  gerückte  Janiculum  (85  m)  gesperrt.     Draufsen  vor  dem 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.    II.  31 


482  Kapitel  IX.     Rom. 

Thor  scliaul  man  darilber  hinweg  nach  dem  moyis  Ciminins  (1056  m), 
der  Rocca  Romana  (601  m)  am  lacus  Sahatinns,  dem  Tolfagebirge 
(615  m)  das  die  Gebiete  von  Caere  und  Tarqiiinn  trennt.  Ein  Kreis 
von  100  km  Durchmesser  breitet  sich  vor  dem  Reschauer  aus,  lauter 
festes  Land :  das  Meer  zu  ersp«1hen  trotz  dessen  blofse  25  km  be- 
tragenden Nähe  reicht  der  Standort  nicht  aus;  die  Kuppel  von  St. 
Peter  oder  M.  Mario  hat  die  erforderliche  Flöhe;  der  gewohnliche 
Pfahlbiirger  kann  in  Rom  aufwachsen  und  sterben,  ohne  jemals 
der  blauen  Salzflut  gewahr  zu  werden.  —  Wol  sind  das  östliche 
Etrurien,  Umbrien,  die  Sabina  und  Latium,  die  Landschaften  die 
das  ganze  340  d.  Q  M.  grofse  Stromgebiet  des  Tiber  ausmachen, 
von  Natur  auf  den  Flufs  als  Handelsstrafse,  auf  Rom  als  Absatz- 
markt für  ihre  Producte  hingewiesen  (1309);  wol  erkennen  wir 
mit  den  Alten  in  der  günstigen  Handelsstellung  Roms  zum  Rinnen- 
Jand  wie  zum  Meer  eine  Vorbedingung  seiner  Gröfse  (I  316):  aber 
der  Ausblick  von  den  sieben  Flügeln  lehrt  uns  zugleich  verstehen, 
warum  die  nationale  Sinnesart  ein  so  verzweifelt  bäuerliches  unsee- 
männisches Gepräge  bewahrt  hat  (1  88).  Flandel  und  Schiffahrt 
erzeugen  andere  Lebensbedingungen  als  Ackerbau  und  Viehzucht,  in 
allen  Staaten  verschmelzen  wirtschaftliche  Gegensätze  mit  politischen. 
Fn  FFellas  drängt  die  Demokratie  auf  die  See,  werden  die  grofsen 
Freiheitschlachten  auf  der  See  geschlagen,  erhält  der  nationale  Ge- 
danke an  Bord  seinen  kräftigsten  Ausdruck.  Fn  Rom  ist  der  Adel 
mit  seiner  fremden  Bildung,  seinen  Sklaven  und  Freigelassenen 
Träger  der  maritimen  F^olitik,  führt  die  Kriege  mit  Tarent  und 
Karthago,  mit  Makedonien  und  Asien  herbei,  betreibt  den  Erwerb 
ausländischer  Besitzungen.  An  Wagemut  und  Unternehmungslust 
hat  die  Volkspartei  dem  Adel  nicht  nachgestanden;  aber  sie  will  in- 
ländische Eroberungen,  will  die  Grenzen  Ftaliens  erweitern,  erzwingt 
dem  Senat  zum  Trotz  das  Vorrücken  bis  an  den  Po  und  den  Ful's 
der  Alpen.  Beide  Richtungen  haben  im  Widerstreit  mit  einander 
dem  nämlichen  Ziel  zugeführt:  eine  jede  Vergröfserung  des  ager 
Romanus  d.  h.  des  festländischen  Gebiets  diente  nur  dazu  die 
Basis  auf  der  die  Weltherrschaft  ruht,  breiter  und  sicherer  zu  ge- 
stalten. —  Bis  zum  Anfang  des  vierten  vorchristlichen  Jahrhunderts 
bedeutete  trayis  Tiberim  Feindesland.  Freilich  gieht  der  Strom  hier 
so  wenig  wie  anderswo  die  scharfe  Grenze  ab  welche  die  gemeine 
Vorstellung  mit  Wasserläufen  zu  verbinden  pflegt,  König  Romulus 
hat  der  Sage  nach  bereits  seine  Herrschaft  am  rechten  ITfer  bis  ans 


Rom.  483 

Meer  vorgerückt,  ohne  Zweifel  sind  auf  demselben  uralte  Bestand- 
tlieile  der  römischen  Feldfliir  zu  erkennen;  aber  erst  mit  dem  Fall 
Veji's  396  V.  Chr.  gewinnt  die  Feldflur  diejenige  Ausdehnung  die 
ihr  von  Natur  vorgeschrieben  ist.  Die  Höhenzüge  die  das  etrurische 
Tafelland  von  der  Südmark  scheiden ,  bestimmen  im  Norden  wie 
das  Albanergebirge  im  Süden  und  die  Appenninkette  im  Osten  das 
Gebiet,  das  die  Götter  vor  den  Augen  der  Quirlten  als  erstrebens- 
werten Besitz  ausgebreitet  hatten.  Indessen  war  menschlicher  Hab- 
sucht nach  keiner  Seite  hin  eine  Schranke  gesteckt,  die  60  d.  D  M. 
grofse  die  Mitte  der  Halbinsel  einnehmende  Ebene  ist  nach  allen 
Himmelsrichtungen  geöffnet.  Sie  setzt  sich  südwärts  durch  die 
pomptinische  Niederung  bis  Tarracina,  durch  das  Thal  des  Trerus 
bis  an  den  Liris  fort,  nordwärts  erschliefst  der  Flufs  das  ganze 
Binnenland,  sogar  im  Osten  winken  die  Schneegipfel,  zum  Ein- 
dringen in  das  Hochgebirg  auffordernd.  Die  Eroberung  schreitet 
mit  der  unerbittlichen  Gewalt  eines  Natuigesetzes  vor,  da  sie  sich 
dem  Bau  des  Landes,  der  Anordnung  der  Hebungen  und  Senkungen 
aufs  Engste  anschmiegt.  Seiner  Lage  nach  ist  Rom  die  natürliche 
Hauptstadt  der  mittehtahschen  Ebene.  Nachdem  es  diesen  Anspruch 
durchgefochten  hatte,  fällt  ihm  als  Siegespreis  eines  hundertjährigen 
Ringens  die  Führerschaft  der  Halbinsel  anheim.  Solche  Stellung 
entspricht  durchaus  den  räumlichen  Verhältnissen  des  langgestreckten 
Appenninlandes;  denn  wenn  man  seinen  Anfang  bei  Luna  (44  o  5') 
wo  es  den  continentalen  Charakter  aufgiebt,  sein  Ende  bei  Thurii 
{39^41')  ansetzt,  also  das  als  Gegenstück  zu  Sicilien  betrachtete 
und  vom  Appennin  losgelöste  insulare  Brultium  bei  Seite  läfst,  dann 
ergiebt  die  Breite  Roms  (41  "  54')  genau  das  Mittel  zwischen  beiden 
Endpuncleu.  Weiter  hat  das  geeinte  Itahen  zwei  Menschenalter 
hindurch  um  die  ihm  von  Natur  zugewiesenen  Aufsenlande,  um 
Sicilien  Sardinien  Corsica  und  den  Po  gekämpft.  Auch  für  dies 
von  Trient  bis  Cap  Pachynum  und  vom  Var  bis  Otranto,  der  Länge 
wie  der  Breite  nach  über  mehr  als  llo  ausgedehnte  Gebiet  das 
eine  geographische  Einheit  bildet,  bezeichnet  Rom  die  Mitte  die 
vom  äufsersten  Norden  und  Süden  gleich,  vom  äufsersten  Westen 
und  Osten  nahezu  gleich  weit  entfernt  ist.  Endlich  wird  es  theils 
durch  die  Schwerkraft  der  Verhältnisse  theils  durch  den  Ehrgeiz 
seiner  Leiter  zur  Hauptstadt  und  Herrin  der  Welt  erhohen :  einer 
Aufgabe  die  viel  weniger  als  die  bisherigen  Aufgaben  mit  den 
natUrhchen  Bedingungen   im  Einklang   stand.     Dies  wirkt   auf  den 

31* 


484  Kapitel  IX.    Rom. 

Gang   der  Ereignisse   entscheidend   ein.     Rom  erwies  sich    unfähig 
das  Erbe  Alexanders  des  Grofsen  anzutreten :  sowie  der  Schwerpunct 
der  Weltbegebenheilen  an  dem  Ufer  des  Tiber  ruht,  wird  das  Abend- 
land vom  Indus  an  den  Euphrat  zurückgeworfen  und   mufs  sich  an 
einer  um  30  o  nach  Westen  verschobenen  Grenze   genügen  lassen. 
Man    begreift    dafs   Caesar    der   den    Entwürfen    Alexanders    nach- 
eiferte, an  eine  Verlegung  der  Hauptstadt  gedacht,   dafs  Constantin 
sie  wirklich  ausgeführt  hat.   Freilich  macht  die  Trennung  des  Mittel- 
meers  in  zwei  Hauplbecken  es  unmöglich   eine  einzelne  Stadt    als 
notwendiges  Centrum  des  ganzen  hinzustellen.  —  Ein  halbes  Jahr- 
tausend war  Rom  Sitz  der  Weltherrschaft,  und  damit  wiederholt  sich 
die    eben  vorgetragene  Wahrnehmung.     So   wenig  seine   Lage    die 
räumliche  Mitte  des  Reiches  ausdrückt,  ist  die  Bildung  seines  Bodens 
für  die  Aufnahme  einer  Weltstadt  geeignet.   Der  grofsstädtische  Ver- 
kehr wird  durch  deii  bunten  Wschse!,  die  regellose  Verbindung  steil 
ansteigender    Hügel    und    tief    eingeschnittener    Thäler    behindert. 
Gegen    diese   Hemmnisse   hat  Altertum  wie   Neuzeit   mit   dem  Auf- 
wand liesiger  Mittel  angekämpft,   hat  Berglehnen  abgetragen,  Nie- 
derungen   ausgefüllt,    Erdmassen    in    Bewegung    gesetzt    die   nach 
Millionen  von    Cubikmetern    berechnet   werden.     In    unabsehbaren 
Mengen    von    nah   und    fern    ist   Baustein   herangeschafft  worden: 
Ziegel,  Tuff,  Lava  aus  der  Umgebung,  Travertin  vom  Anio,  Sperone 
vom  Gabiner,    Peperin  vom  Albaner  See,    Marmor  von  Luna,    der 
Forsten  des  Appennin  nicht  zu  gedenken;  durch  Bauschutt  ist  der 
Boden    überall  gewachsen.     Viermal   sodann    hat  in  geschichtUcher 
Zeit  eine  rauhe  schonungslose  Hand  die  Stadt  von  Grund  aus   um- 
gestaltet:  die   Gallier   vernichteten  390  v.  Chr.  die   Schöpfung   der 
Könige;  Nero  rief  64  n.  Chr.  das  Feuer  zu  Hülfe,  um  das  republi- 
kanische Rom  in  eine  würdige  Kaiserresidenz  zu  verwandeln;    auf 
den  Trümmern  des  Mittelalters  gab  Sixtus  V  den  Ideen  päpstUcher 
Allgewalt  ihren  monumentalen  Ausdruck;  endlich  seit  1870  werden 
die  Ansprüche   der   Kirche   den   Ansprüchen    der   Nation    und  des 
modernen  Lebens    geopfert.     Die  Umwälzung   die  wir  vor  unseren 
Augen  sich  vollziehen  sehen,  gewährt  einen  Anhalt  zum  Verständnifs 
ähnlicher  Vorgänge  im  Altertum.     Allein  nicht   nur  durch  die  ge- 
steigerte Thätigkeit  einzelner  Epochen,  auch  im  gewöhnlichen  Lauf 
der  Dinge  verändert  das  Stadtbild  unablässig  seine  Züge.     Nirgends 
wird  mehr  Altes  zerstört,  mehr  Neues  geschaffen,  mit  dem  rastlosen 
Betrieb  den  Gewinnsucht  und  Luxus   der  Reichen  entfalten,    eifert 


Rom.  485 

die  Baulust  des  Staats  um  die  Wette.  Seit  dem  Verfall  der  Republik 
gehört  eine  umfassende  Baulhäligkeit  zu  den  ständigen  Gepflogen- 
heiten der  Regierenden.  Grofse  und  bewundernswerte  Werke  sind 
im  Dienst  des  Gemeinwols,  aber  auch  im  Dienst  persönlicher  Eitel- 
keit entstanden.  Denn  da  die  Herrschaft  selten  in  ruhiger  Ent- 
wicklung vom  Vater  auf  den  Sohn  vererbte,  meistens  durch  Gewalt 
oder  als  Spielball  hadernder  Factionen  in  eine  fremde  Hand  ge- 
langte, haben  Imperatoren  und  Päpste  die  Leistungen  der  Vorgänger 
zu  übertreffen,  deren  Namen  zu  verdrängen,  dem  eigenen  die  Un- 
sterbhchkeit  zu  sichern  gesucht,  wol  wissend  dafs  auf  die  Pietät  der 
Nachfolger  kein  Verlafs  sei.  Auf  Schritt  und  Tritt  wird  der  Be- 
sucher Roms  daran  gemahnt,  dafs  die  Völker  des  Erdkreises  haben 
steuern  müssen,  damit  die  Gewaltigen  ihren  Ehrgeiz  stillen  konnten 
durch  mafs-  und  sinnlose  Errichtung  von  Tempeln  und  Theatern, 
Thermen  und  Palästen,  Kirchen  und  Klöstern.  Wenn  Rom  einen 
Herrn  hat,  wird  gebaut,  mag  die  Zeit  auch  noch  so  trostlos,  die 
Menschheit  auch  noch  so  arm  und  herabgekommen  sein ;  bezeich- 
nender Weise  bietet  das  Exil  von  Avignou  die  einzige  gröfsere 
Pause.  —  Es  giebt  keine  Stadt  auf  Erden  die  einen  gleicher  Mafsen 
historischen  Charakter  trüge.  Die  Fülle  der  Denkmäler  welche  die 
Entwicklung  Europa's  von  den  Anfängen  bis  auf  die  Gegenwart 
wiederspiegelt,  ist  geeignet  den  Beschauer  zu  überwältigen.  Viel 
Fleifs  und  Scharfsinn  ist  auf  ihre  Erforschung  verwandt  worden.*) 
Indem  wir  daran  gehen  die  Ergebnisse  der  bisherigen  Arbeiten  zu- 
sammen zu  fassen,  fliefst  uns  unwillkürlich  das  Wort  Goethe's  in 
die  Feder;  „wenn  man  so  eine  Existenz  ansieht,  die  zweitausend 
Jahre  und  darüber  alt  ist,  durch  den  Wechsel  der  Zeiten  so  mannich- 
fahig  und  von  Grund  aus  verändert,  und  doch  noch  derselbe  Boden, 
derselbe  Berg,  ja  oft  dieselbe  Säule  und  Mauer,  und  im  Volke  noch 
die  Spuren  des  alten  Charakters,  so  wird  man  ein  Mitgenosse  der 
grofsen  Ratschlüsse  des  Schicksals,  und  so  wird  es  dem  Betrachter 
von  Anfang  schwer  zu  entwickeln ,  wie  Rom  auf  Rom  folgt ,  und 
nicht  allein  das  neue  auf  das  alte,  sondern  die  verschiedenen  Epochen 
des  alten  und  neuen  selbst  auf  einander"  (7.  Nov.  1786). 

*)  Karten:  J.  H.  Westphal,  die  Römische  Kampagne  in  topographischer 
und  antiquarischer  Hinsicht,  Berlin  und  Stettin  1829.  4,  mit  einer  modernen 
Karte  und  einer  antiken  Wegekarte  beide  1  :210  00U.  Derselbe  Carta  topografica 
della  parte  piü  interessante  della  Gampagna  di  Roma,  R.  1827,  1 :  60  000.  Diese 
grundlegende  Leistung  hat  erst  nach  dem  Tode  des  Verfassers  die  gebührende 
Anerkennung  gefunden:    er  war  der  ausdauerndste   Wanderer  der  je  Italien 


486  Kapitel  IX.    Rom. 

durchforscht  hat  und  fand,  wie  ein  Held  auf  dem  Schlachtfeld,  auf  der  Wander- 
schaft seinen  Tod  der  ihn  %-on  den  erbärmlichen  Sorgen  ums  tägliche  Brot  be- 
freite. —  Als  Adjutant  des  Prinzen  Heinrich  von  Preufsen  hat  Moltke  1845.  46 
die  Aufnahmen  gemacht  die  zur  Herstellung  dienten  seiner  Carla  topografica  di 
Roma  e  dei  suoi  contorni  fino  alla  distanza  di  10  miglia  fuori  le  mura,  Berlin 
1852,  1:25  000  und  reducirt  Berlin  1859,  1  :  50000.  Zu  vergleichen  sind  die 
anschaulichen  Schilderungen  in  Feldmarschall  Mollke's  Wanderbuch,  Berlin 
1892".  —  Auf  Aufnahmen  des  französischen  Generalstabs  beruht  die  Carte  de 
la  partie  SO  des  E(ats  de  l'cgiise  3  Bl.,  Paris  1856,  1  :  80  000  nebst  dem  Plan 
de  Rome  et  de  ses  environs,  1  :  20  000.  —  Die  genaueste  Darstellung  mit  Hori- 
zontalcurven  von  5  zu  5  m  enthält  die  vom  Istitnto  topografico  militare  1872 — 74 
aufgenommene  und  mit  Nachträgen  bis  zum  Erscheinen  versehene  Carla  topo- 
graßca  dei  dintorni  di  Roma  9  Bl.,  Firenze  1884,  1:25  000:  sie  reicht  11  km 
nach  0  und  W,  9  km  nach  N  und  S  von  der  Mauer.  Eine  Terrainkarte 
1:30  000  giebt  Fr.  degli  Abbati,  Del  suolo  fisico  di  Roma  e  suoi  contorni, 
Cosenza  1869. 

Stadtpläne:  über  die  neuerdings  vermehrten  Bruchstücke  des  antiken 
sog.  capitolinischen  Stadtplans  vgl.  I  27.  Eine  Anzahl  mittelalterlicher  Veduten 
hat  Giov.  Bat.  de  Rossi,  Pianfe  icnografiche  e  prospettiche  di  Roma  anteriori 
al  secoio  XVI,  Roma  1879,  veröfTentlicht.  Ueber  die  neueren  Pläne  handelt 
eingehend  Jordan,  Top.  I  1,  105 — 114.  Zu  erwähnen  La  pianta  di  Roma  di 
Leonardo  Bufalini  (1551)  in  der  Gröfse  des  Originals  veröffentlicht  vom  Unter- 
richtsministerium,  R.  1879.  Grundlegend  Giov.  Bat.  Nolii,  Nuova  pianta  di 
Roma  12  Bl.,  R.  1748,  1:3000.  Sodann  nach  Aufnahmen  von  1802fg.  der 
Katasterplan,  Pianta  topografica  della  Direzione  generale  dei  Censo  4  Bl.,  Roma 
1842,  2.  Aufl.  1866,  1  :  4000.  Ein  grofser  alle  antiken  Funde  berücksichtigen- 
der Plan  ist  von  Rodoifo  Lanciani  seit  1893  erschienen,  Mailand  1:1000 
46  Blatt.  A.  Schneider,  Das  alte  Rom,  Entwickelung  seines  Grundrisses  und 
Geschichte  seiner  Bauten,  Leipzig  1896.  Die  beste  Uebersicht  gewähren  : 
Formae  urbis  Romae  antiquae,  delineaverunt  H.  Kiepert  et  Ch.  Huelsen,  ac- 
cedit  nomenclator  topographicus,  Berolini   1896. 

Stadtbeschreibung:  Slrabo  V  229fg.  234—36  lebendig  und  sach- 
kundig. Plinius  ni  65 fg.  mit  Angaben  über  die  Vermessung  73  n.Chr.  Trockene 
Aufzählung  der  wichtigsten  Gebäude  nebst  der  Zahl  von  Vici  Miefswohnungen 
Palaesten  Speichern  Badestuben  Brunnen  Bäckereien  in  den  14  Regionen  aus 
dem  4.  Jahrhund<>rt.  Sie  liegt  in  zwei  Redactionen  vor,  der  334  abgeschlossenen 
sog.  Notitia  und  dem  um  357  geschriebenen  Curiosum  urbis  Romae  regionum  XIHI 
cum  breviariis  suis,  und  geht  auf  ein  älteres  Reisehandbuch  zurück.  Aus 
christlicher  Zeit  ist  uns  eine  Stadtbeschreibung  sowie  die  älteste  Sammlung 
römischer  Inschriften  im  Anonymus  von  Einsiedeln  (8.  Jahrh.)  erhalten.  Das 
nahezu  völlige  Erlöschen  der  antiken  Tradition  bekunden  um  1 150  die  Mirabilia 
Romae  sowie  deren  jüngere  Fassung  Graphia  aureae  urbis  Romae.  Die  sämt- 
lichen Schriften  des  ausgehenden  Altertums  und  Mittelalters  sind  in  einer  Hand- 
ausgabe vereinigt  von  C.  L.  Urlichs,  Codex  urbis  Romae  topographicus,  Wirce- 
burgi  1871.  Die  heidnischen  Inschriften  CIL.  VI  in  6  Bänden  und  XV  1  Ziegel- 
stempel, die  christlichen  Inscr.  christianae  ed.  de  Rossi  2  B.,  R.  1857.  88.  — 
Eingehend    wird  die   topographische  Forschung   seit   dem  15.  Jahrhundert  er- 


Rom.  487 

öitert  von  Jordan  Top.  I  1,  75—104.  Den  Reigen  der  wissenschaftlichen  Topo- 
graphen eröffnet  Flavio  Biondo  1445  mit  seiner  Ro.-na  instaurata  (I  49).  Die 
Wiedererweckung  des  Altertums  hat  zu  einer  eifrigen  und  begeisterten  Pflege 
der  Topographie  geführt.  Freilich  wurde  der  künstlerische  Aufschwung  den 
die  Stadt  im  15.  und  16.  Jahrhundert  nahm,  für  den  Bestand  der  antiken 
Bauwerke  verhängnisvoll.  Nachdem  das  ganze  Mittelalter  seinen  Bedarf  an 
Baumaterial  ihnen  entnommen  hatte  (I  41),  wird  die  Zerstörung  durch  die  ge- 
wallige Bauthätigkeit  der  Renaissance  unendlich  gesteigert.  Ihren  Höhepunct 
und  im  Wesentlichen  ihren  Abschlufs  erreicht  die  Zerstörung  durch  Sixtus  V. 
Leider  auch  wurde  die  wissenschaftliche  Arbeit  dieser  schönheittrunkenen  Zeit 
durch  das  nämliche  Handwerk  beeinträchtigt  dem  wir  in  der  Municipalgeschichle 
begegnet  sind  (I  50).  Für  Rom  knüpft  die  Fälschung  an  die  Interpolation  der 
olien  erwähnten  Regionenbeschreibung  an,  die  erst  im  19.  Jahrhundert  er- 
kannt worden  ist,  und  macht  sich  ferner  auf  dem  Felde  der  Epigraphik  breit. 
Aufser  Pirro  Ligorio  (1  48)  ist  als  Hauptsünder  Onufrio  Panvinio  (1529 — 68)  zu 
nennen.  Von  achtungswerten  Darstellungen  seien  erwähnt:  B.  Marliani,  Anti- 
quae  urbis  Romae  topographia,  R.  1534  und  umgearbeitet  1544;  G.  Fabricius 
aus  Chemnitz,  Roma,  Basel  1550;  Alexander  Donatus,  Roma  velus  ac  recens, 
R.  1638.  Sie  alle  jedoch  wurden  durch  Famiano  Nardini  verdrängt,  dessen 
unkritische  und  phantastische  Roma  antica,  R.  1666,  zuletzt  in  4  B.  von  Nibby 
1818  herausgegeben,  die  Wissenschaft  bis  ins  19.  Jahrhundert  hinein  beherrscht 
hat.  Wenn  man  absieht  von  den  Einzeluntersuchungen  R.  Fabretti's  (De  aquis 
et  aquaeductibus  veleris  Romae,  R.  1680  u.  a.)  und  der  Förderung  der  Denk- 
mälerkunde  namentlich  durch  Giamb.  Piranesi  (1706 — 78),  so  liegt  dies  Feld 
lange  Zeit  völlig  brach.  —  Die  Anregung  die  von  Winckelmann  ausging,  leitet 
einen  Umschwung  der  Forschung  ein  dessen  hauptsächlicher  Träger  Carlo  Fea 
(1753 — 1834)  ist,  gestützt  auf  methodische  Ausgrabungen  die  allein  festen 
Untergrund  schaffen  können.  Nach  ihm  übernimmt  Luigi  Canina  (1795  — 1S56) 
die  Führung:  Indicazione  topograßca  di  Roma  antica,  R.  1831,  1850''.  Edifizi 
di  Roma  antica,  6  B.  fol.,  R.  1848—56.  Inzwischen  erschien  das  von  Niebuhr's 
Gedanken  getragene  deutsche  Hauptwerk:  Beschreibung  der  Stadt  Rom  von 
E.  Platner  C.  Bunsen  E.  Gerhard  und  W.  Böstell,  abgeschlossen  durch  L.  Urlichs, 
6  B.,  Stuttgart  1830  -42.  Dasselbe  wurde  an  philologischer  Schärfe  und  Be- 
herrschung der  antiken  Litteratur  überholt  durch  W.  A.  Becker,  Topographie 
der  Stadt  Rom  (Handbuch  der  römischen  Altertümer  1),  Leipzig  1843.  Neben 
dieser  bahnbrechenden  Leistung  behaupten  die  besonderen  Arbeiten  L.  Prellers, 
Die  Regionen  der  Stadt  Rom,  Jena  1846,  u.  a.  einen  bleibenden  Wert.  —  Die 
Verlegung  der  Hauptstadt  Italiens  nach  Rom  hat  das  ersehnte  goldene  Zeitalter 
für  die  antike  Topographie  herbeigeführt,  lieber  die  Funde  wird  fortlaufend 
berichtet  in  dem  seit  1872  in  4  Jahresheflen  erscheinenden  Bullettino  della 
commissione  archeologica  municipale  (comunale)  di  Roma,  sowie  seit  1876  in 
den  monatlichen  Notizie  degli  Scavi.  An  einen  weiteren  Leserkreis  wendet  sich 
der  durch  eine  Reihe  glänzender  Untersuchungen  bewährte  Leiter  der  städti- 
schen Archaeologie  R.  Lanciani  in  seinem  Ancient  Rome  in  the  light  of  recent 
discoveries,  London  1889,  Pagan  and  Christian  Rome,  London  1S92,  The  ruins 
and  excavations  of  ancient  Rome,  London  1897,  The  destruction  of  ancient  Rome, 
New  York  1899.    Den  Fortschritt  der  Entdeckungen  der  deutschen  Wissenschaft 


488  Kapitel  IX.    Rom. 

zu  übermitteln  ist  H.  Jordan  mit  unermüdlichem  Fleifs  bemüht  gewesen,  bis 
der  Tod  sein  unvollendetes  Werk  unterbrach:  Topographie  der  Stadt  Rom  im 
Altertum  3  B.,  Berlin  1872—85.  Einen  klaren  üeberblick  gewährt  0.  Richter, 
Topographie  von  Rom  in  Jwan  Müllers  Handbuch  III  725 — 920,  Nördlingen 
1888:  in  2.  Auflage,  München  1901,  auf  den  doppelten  Umfang  erweitert. 
Eigene  Wege  geht  J.  H.  Middleton,  The  remains  of  ancient  Rome  2  vol.,  London 
and  Edinburgh  1S92.  Sehr  dankenswert  sind  Ch.  Hülsens  Jahresberichte  über 
neue  Funde  und  Forschungen  in  den  Mittheiingen  des  deutschen  archaeolo- 
gischen  Instituts  seit  1889.  Endlich  sei  auf  die  allgemeine  Förderung  hinge- 
wiesen die  der  Erforschung  des  christlichen  Rom  durch  G.  B.  de  Rossi  (1822 — 94) 
verdankt  wird:  Roma  sotterranea  3  v.,  R,  1864— 77,  BuUettino  di  archeologia 
cristiana  seit  1863  u.  a. 

Stadtgeschichte:  C.  Sachse,  Geschichte  und  Beschreibung  der  alten 
Stadt  Rom  2  B.,  Hannover  1824.  28.  0.  Gilbert,  Geschichte  und  Topographie 
der  Stadt  Rom  im  Altertum  3  B.,  Leipzig  1883 — 90.  Grundlegend  und  in 
blühender  Darstellung  F.  Gregoiovius,  Geschichte  der  Stadt  Rom  im  Mittelalter 
vom  5.— 16.  Jahrh.  8  B.,  Stuttgart  1858—72,  seitdem  in  4.  Auflage.  Eine 
Uebersicht  von  der  Gründung  bis  1846  giebt  A.  v.  Reumont,  Geschichte  der 
Stadt  Rom  3  B.,  Berlin  1867—70.  Wichtige  Beiträge  in  der  Monografia  della 
cittä  di  Roma  e  della  Campagna  romana  2  vol.  R.  1878  mit  Atlas. 

§  1.     Die  Anfänge. 

Die  mittelitalische  Ebene,  welche  durch  die  Thätigkeit  der  Vul- 
kane dem  Meer  abgewonnen  worden  ist,  dacht  sich  in  drei  grofsen 
Terrassen  von  Nord  nach  Süd  hin  ab:  die  volsinische  Landschaft 
liegt  150  m  höher  als  die  vejentische,  diese  um  ungefähr  den 
gleichen  Betrag  über  der  latinischen  (I  254  fg.).  Das  breit  aus- 
gewaschene Thal  des  Tiber  trennt  die  beiden  letztgenannten  Gebiete, 
und  in  den  Uferräiidern  findet  dasselbe  Verhältnifs  seinen  Ausdruck. 
Der  Tiber  beschreibt  unaufhörlich  Windungen  und  weist  damit  den 
gröfseren  Theil  seiner  Thalsohle  bald  dein  rechten,  bald  dem  linken 
Ufer  zu.  Da  wo  die  Mulvische  Brücke  die  Via  Flaminia  hinüber- 
leilet,  hält  er  sich  an  der  etrurischen  Seite;  die  steil  ansteigenden 
Höhen  übertreflen  die  jenseitigen  latinischen  um  70 — 80  m.  Aber 
bei  der  höchsten  Erhebung,  dem  vorspringenden  M.  Mario  (146  m) 
biegt  der  Flufs  nach  Südost  um ,  so  dafs  die  vom  Fosso  dell'  In- 
ferno durchströmten  Prati  di  Caslello,  die  vatikanischen  Gefilde  an 
Etrurien  fallen.  Alsdann  tritt  ein  neuer  Wechsel  ein :  hüben  wird 
das  Marsfeld  in  weitem  Halbkreis  vom  M.  Pincio  Quirinal  und 
Capitol  umschlossen,  drüben  zieht  sich  der  lange,  70 — 90  m  hohe 
Rücken  des  Gianicolo  hin,  einen  schmalen  Saum  am  Flufs  frei 
lassend.     Bei  der  Insel  geht  der  Saum  in  eine  kleine  Ebene  über, 


§  1.    Die  Anfänge.  489 

während  jenseit  Capitol  Palatin  und  vor  allem  Aventin  dem  Tiber 
nahe  rücken.  Aufserhalb  des  Thors  nach  Ostia  dreht  sich  das  Ver- 
hältnifs  wieder  um.  Der  gröfseren  Erhebung  entspricht  das  höhere 
Alter  das  die  Bildung  der  rechtstiberinischen  Hügel  zur  Schau  trägt. 
Als  Giiindschicht  finden  wir  den  graublauen  pliocänen  Thon  den 
die  vaticanische  Tüpferei  ausbeutet  (I  255).  Darüber  ist  als  Haupt- 
beslandtheil  des  Höhenzugs  gelber  Sand  in  verschiedenen  Stufen 
gelagert.  Die  Austern  und  Schallhiere,  die  in  ganzen  Bänken  am 
M.  Mario  angetroffen  werden,  zeigen  dafs  einst  im  pliocänen  Meer 
der  Bergrücken  eine  Untiefe  dargestellt  hat.  In  der  Folge  ist  er 
von  vulkanischem  Tuff  bedeckt  worden,  der  jedoch  nur  eine  geringe 
Mächtigkeit  entfaltet.  Bezeichnender  Weise  werden  aus  dem  Alter- 
tum keine  fest  umschriebenen  Namen  für  diese  mehr  als  6  km 
langen  im  Angesicht  der  ewigen  Stadt  hingestreckten  Höhen  über- 
hefert.  Wie  die  Vorstadt  an  ihrem  Fufs  die  in  der  späteren  Re- 
publik entstanden,  von  Augustus  als  14.  Polizeibezirk  eingerichtet 
wurde,  unbestimmt  Irans  Tiberim  hiefs,  so  der  ganze  Höhenzug  Ja- 
niculum  oder  mons  Vaticanus.  Er  überragt  das  gegenüber  Hegende 
Marsfeld  um  60 — 70  m ,  so  dafs  nach  Cicero's  Worten  eine  hier 
lagernde  Truppe  den  Römern  auf  Haupt  und  Nacken  sitzen  würde,  i) 
Ein  von  Norden  kommender  Feind  fand  hier  seinen  natürhchen 
Stützpunct.2)  Insonderheit  war  die  Stadt  durch  den  gleichmäfsig 
auf  das  Marsfeld,  die  Insel  und  den  Ochsenmarkt  zu  gerichteten 
Vorsprung  (70  m)  den  die  Kirche  S.  Pietro  in  Montorio  krönt,  be- 
droht. Deshalb  wurde  derselbe  zur  Sicherung  gegen  eine  plötzliche 
üeberrumpelung  besetzt  gehalten,  wenn  das  BUrgerheer  zu  den  Cen- 
turiatcomitien  ausrückte.^)  In  den  Bürgerkriegen  erscheint  er  stark 
befestigt  und  gilt  als  Schlüssel  von  Rom,  gerade  wie  heutigen  Tages. *) 
Es  klingt  durchaus  glauMich,  wenn  die  Annalen  die  Befestigung 
mit  dem  Bau  der  hölzernen  Brücke  in  Verbindung  setzen  und  dem 
König  Ancus  zuschreiben ;  ä)  denn  ohne  ständige  Grenzwacht  und 
ohne  den  Zugang  zur  Brücke  zu  beherrschen,  würde  diese  in  alten 

1)  Gic.  de  leg.  agr.  1,16  ubi  enim  cavetur  ne  in  Janiculo  coloniam  con- 
stituatig,  ne  urbem  hanc  urbe  alia  premere  atque  urgere  possitis?  2,74  quid 
igitur  est  cautae  quin  coloniam  in  Janiculum  possint  deducere  et  suum 
praesidium  in  capite  atque  cervicibus  nustris  conlocare? 

2)  Liv.  11  10.  51  XXIV  10  Dion.  H.  V  22  IX  26. 

3)  Dio  XXXVII  28  vgl.  Liv.  XXXIX  15. 

4)  Appian  b.  civ.  1  67  fg.  111  94  Dio  XLVI  44. 

5)  Liv.  I  33  Dion.  H.  III  45. 


490  Kapilcl  IX.     Rom. 

Zeiten  Rom  jedem  Ilandslieich  geöITiiet  haben.  Dauernd  vertbeidigt 
zu  uerden  war  das  Vorwerk  urspriingUcii  nicbt  bestimmt:  deshalb 
geschieht  seiner  auch  in  den  Etruskerkriegen  keine  Erwähnung. 
Man  kann  aus  dem  Namen  Janicnlnm,  der  Thor  und  was  damit  zu- 
sammenhängt bedeutet,  folgern  dafs  es  einfach  eine  Sperre  der 
Sirafse  nach  Etrurien  gewesen  sei  i) ;  der  Name  wird  aber  für  den  ge- 
samten Rücken  bis  M.  Mario  oinschliefslich  gebraucht.^)  Ebenso 
verhält  es  sich  mit  der  Bezeichnung  mons  oder  collis  Vaticanus: 
wenn  Horaz  an  ihm  den  Reifall  des  Pompeiustheaters  wiederhallen 
läfst,  so  ist  klärlich  das  heutige  Gianicolo,  die  Hohe  von  S.  Onofrio 
und  S.  Pietro  in  Montorio  gemeint.^)  Seit  dem  Ausgang  des  Alter- 
tums versteht  man  unter  Monte  Vaticano  die  Anhöhe  hinter  dem 
päpstlichen  Palast  und  der  Apostelkirche:  indefs  ist  eine  vom  Rücken 
losgelöste  Kuppe  hier  überhaupt  nicht  vorhanden,  das  begrenzende 
Thal  deir  Inferno  verdankt  seine  jetzige  Ausdehnung  lediglich  den 
Töpfergiuben.  Der  Höhenzug  wie  das  ganze  Gebiet  ager  Vaticanus 
hiefs  so  nach  einer  verschollenen  Gemeinde  die  dem  Schwert  eines 
römischen  Königs  erlag.  Dafs  das  Gebiet  zu  Etrurien  gehörte,  wird 
einstimmig  bezeugt  4);  dafs  es  unter  Veji's  Herrschaft  gestanden  hatte, 
ehrt  die  Benennung  des  Flufsufers  bei  der  Farnesina  als  ripa  Veien- 
tana.^)  Es  ist  nicht  möglich  das  Zurückdrängen  der  Vejenter  vom 
Tiber  Schritt  für  Schritt  zu  verfolgen  (S.  359),  die  Eroberung  des 
vatikanischen  Gebiets  wird  nirgends  ausdrücklich  erwähnt.  Nach 
den  Annalen  hat  entweder  Romulus  oder  Ancus  Marcius  das  rechte 
Tiberufer  bis  zum  Meer  den  Etruskern  entrissen.  So  viel  jedoch 
ist  sicher,  dafs  dieser  Grenzstrich  bis  zum  Fall  Veji's  hart  um- 
stritten war,  und  erst  nach  dem  Erwerb  der  Weltherischaft,  wie  die 
fortschreitende  Anlage  von  Rrücken  bekundet,  in  den  Rereich  stä- 


1)  Fest.  104  Janiculum  dictum,  quod  per  eum  (sc.  coUem)  Romanus  po- 
pulus  primitus  transierit  in  agrum  Etrtiscuvi,  vgl.  clavicula  das  Vorwerk  vor 
dem  Thor  Hygin  55.  Gewölinlicli  wird  es  als  Burg  des  Janus  gedeutet:  Varro 
bei  Auguslin  civ.  dei  VII  4  Solin  2,5  Verg.  Aen.  VIII  358  Ov.  Fast.  1  245.  Andere 
nennen  die  Burg  Aenea  Dion.  H.  I  73  oder  Anlipolis  Plin.  III  68.  Janiculus 
mons  kommt  bei  den  Alten  nicht  vor, 

2)  So  Martial  IV  64  und  der  in  Rom  heimische  Dionys,  der  IX  14.  24  die 
Entfernung  von  Rom  auf  16  oder  20  Stadien  beziffert. 

3)  Hör.  Od.  I  20  Cic.  All.  XIII  33,4  Elter  Rhein.  Mus.  XLVI  112  fg. 
4j  Fest.  379  Gell.  N.  A.  XVI  17  Plin.  III  54  XVI  237  Liv.  X  26. 

5)  Hülsen,  Millheil.  d.  arch.  Inst.  1889  p.  287,  der  mit  Recht  das  lilus 
Etnucum  Hör.  Od.  I  2,14  hierauf  bezieht. 


§  1.    Die  Anfänge.  491 

dtischer  EntwickluDg   hineingezogen    wurde.     Das    ältere  Rom  be- 
schränkt sich  durchaus  auf  das  hnke  Ufer  des  Flusses. 

Die  Masse  der  latinischen  Hügel  besteht  aus  den  I  256  be- 
schriebenen Tuffarten,  welche  die  pliocänen  Sand-  und  Thonschichten 
völlig  verdecken.  An  beiden  Ufern  stimmt  der  Bau  darin  überein 
dafs  der  Steilrand  der  Einsenkung  des  Tiber  zugekehrt  ist,  während 
die  Hochflächen  landeinwärts  niedriger  werden.  Im  Uebrigen  hat 
die  Thätigkeit  des  Wassers  die  latinische  Seite  stärker  betroffen  und 
ungleich  mannichfaltiger  gestaltet  als  den  langen  einförmigen  Rücken 
des  Janiculum.  Der  Gang  der  städtischen  Entwicklung  war  durch 
die  vom  Wasser  in  Urzeiten  durch  die  Tuffmassen  ausgespülten 
Rinnen  bedingt.  Das  hierfür  in  Frage  kommende  Gebiet  erstreckt 
sich  in  weitester  Ausdehnung  8  km  von  Nord  nach  Süd,  5  km  von 
West  nach  Ost.  Wie  der  Tiber  die  Westgrenze  bildet,  macht  der 
Anio  im  Norden  einen  ähnlichen,  wenn  auch  minder  scharfen  Ein- 
schnitt: er  war  im  Altertum  schiffbar  (I  314);  sein  Thal  hat  17  m 
Meereshöhe,  wenig  mehr  als  das  des  Haupiflusses  bei  ihrem  Zu- 
sammenstofs.  Wo  der  Anio  eine  grofse  vom  mons  sacer  (37  m) 
ausgefüllte  Schleife  beschreibt,  nimmt  er  den  von  Süd  nach  Nord 
fliefsenden  Fosso  della  Maranella  auf,  dessen  auf  19  m,  bei  der  Via 
Praenestina  22  m  eingesenktes  Thalbett  die  Ostgrenze  des  Stadt- 
gebiets bezeichnet.  EndHch  an  der  Südseite  tritt  das  weite  Thal 
des  Älmo  Acquataccio  oder  Marrana  della  Caffarella  (an  der  Via 
Ostiensis  13  m,  an  der  Via  Appia  14  ni)  als  Scheide  ein.  Zwischen 
den  beiden  Bächen  bleibt  ein  Isthmus  von  2  km  Breite  übrig,  der 
das  römische  Plateau  mit  dem  latinischen  verbindet:  die  Boden- 
gestaltung wird  durch  den  Umstand  veranschaulicht,  dafs  3  Haupt- 
strafsen  und  10  Wasserleitungen  auf  diesem  Isthmus  zusammen- 
gedrängt sind.  —  Von  dem  derart  abgesonderten  Raum  ist  der 
südwestliche  Theil  aus  dem  einfachen  Grunde  Träger  der  Stadt- 
bildung gewesen,  weil  die  Höhen  bis  hart  an  den  Tiber  vorspringen 
und  dessen  Thal  schhefslich  auf  750  m  —  nicht  mehr  beträgt  der 
Abstand  zwischen  Aventin  und  Janiculum  —  einengen.  Die  feste 
und  dabei  gesunde  Höhenlage  in  der  Nähe  des  Flusses  hat  den  Ort 
der  ältesten  Gründungen  i),  ihre  Beherrschung  des  Flufsverkehrs 
(I  316  fg.)   den   weiteren    Aufschwung   bestimmt.     Allmälich    nach 

1)  Cic.  Rep.  li  11  {Romulus)  locumque  delegit  et  fontibus  abundantem 
et  in  regione  pestilenli  salubi'em;  colles  enim  sunt  qui  cum  perflantur  ipsi, 
tum  adferunt  timbram  vallibus. 


492  Kapitel  IX.     Rom. 

laoger  Arbeit  sind  danu  auch  die  Niederungen  entsumpft  und  be- 
siedelt worden.  Im  Einzelnen  weist  der  Boden  folgende  Gliederung 
auf.  —  Dem  vatikanischen  Feld  gegenüber  ist  der  Tiber  vom  Hügel- 
rand nur  300  m  entfernt,  bis  jener  nach  West  umbiegt,  während 
dieser  nach  Südost  streicht.  Der  Hügel,  52  m  hoch,  hiefs  nach  den 
Villen  die  er  trug  coUis  Hortulorum,  in  der  späteren  vaiserzeit 
mons  Pincius,  wahrscheinlich  nach  einer  hier  wohnenden  Familie. i) 
Ein  zugespitztes  Thal  trennt  ihn  von  dem  laug  gestreckten  Rücken 
des  collis  Quirinalis,  der  nach  Südwesten  läuft  und  seine  anfäng- 
liche Höhe  von  64  m  bis  auf  47  m  ermäfsigt.  Eine  Fortsetzung 
des  Rückens  ist  der  mons  Tarpeius-):  der  beide  mit  einander  ver- 
bindende Sattel  hat  seit  der  Anlage  des  traianischen  Forum  nur 
31  m  Meereshöhe,  mufs  aber  früher  mehr  gehabt  haben.  Der  tar- 
peische  Berg  besteht  aus  zwei  Kuppen,  der  nordöstlichen  mit  der 
arx  (50  m),  der  südwestlichen  mit  dem  Capüoliwn  (46  m),  die  durch 
die  Einsenkung  tnter  duos  liicos  (37  m)  getrennt  sind.  Die  Ent- 
fernung des  Capitols  vom  Flufs  mifst  200  m.  In  derselben  Rich- 
tung wie  der  Quirinal  streicht  der  collis  Viminalis  (56  m),  ohne  jedoch 
dessen  Ausdehnung  zu  erreichen. 3)  Schmale  Thäler  fassen  ihn  an 
beiden  Seiten  ein.  Die  folgende  unregelmäfsige  Erhebung  heifst 
Esqiiiliae,  welchen  Namen  die  Römer  nach  Art  der  Stadtnamen  ge- 
brauchen.4)  Au  ihr  werden  zwei  Theile  unterschieden,  der  Norden 
als  mo7is  Cispius  (53  m)  der  Süden  als  mons  Oppius  (55  m).5)  Die 
genannten  Höhen  hängen  sämtlich  an  ihrer  Wurzel  mit  einander  zu- 
sammen: dies  gilt  auch  von  dem  letzten  Ausläufer  dem  mons  Cae- 
lius  (60  m).6)  Dagegen  erscheint  der  westlich  vom  Caelius  gelegene 
mons  Palatium  (51  m)   fast   völlig    isolirt"),    da    nur    der    niedrige 

1)  Suel.  Nero  50;  Cassiod.  Var.  III  10. 

2)  Varro  LL.  V  41  Liv.  I  55  Cornif.  Rhet.  IV  43  Plin.  VII  143  XXVIII  15  Tac. 
Hisl.  III  71  Suet.  Caes.  44  u.  a.  Die  Bezeichnung  7nons  CapitoUnus  ist  nicht  antik. 

3)  Der  Name  wird  vom  Weidengebüsch  abgeleitet  Varro  LL  V  51  Fest. 
376  Plin.  XVI  37  Juvenal  3,71. 

4)  Die  Schreibung  Exq.  kommt  neben  der  häufigeren  Esq.  vor.  —  Esqui- 
liat  ire  Esquüiis  ohne  in  Cic,  Deorum  nat.  III  63  Leg.  II  28  Hör.  Sat.  I  8,14 
u.  a.    Selten  muns  oder  collis  Esquilinus  Cic.  Rep.  II  11  Liv.  I  48  Ov.  Fast.  II  435. 

5)  Varro  LL.  V  50  Fest.  42.  348  Gell.  N.  A,  XV  1,2. 

6)  Varro  LL.  V  46  Fest.  44  Liv.  I  30  Dion.  H.  II  36.  50  III  1. 

7)  Verschiedene  Ableitungen  Varro  LL.  V  53  Fest.  220  Liv.  I  5  Plin.  IV  20 
Dion.  H.  I  31  fg,  Verg.  Aen.  VIII  54  u.  a.  Aeufserst  selten  Jtions  Palatinus  Gell. 
N.  A.  XIII  14,2  Tac.  Ann.  XII  24  XV  88  vita  Heliog.  3,  und  wol  erst  nachdem 
der  Name  die  Bedeutung  der  Kaiserresidenz  erhalten,  aufgekommen. 


§  1.     Die  Anfänge.  493 

Sattel  der  Velia  (29  m)  ihn  mit  dem  Esquilin  verknüpft.^)  Er  hat 
die  Gestalt  eines  unregelmäfsigen  Vierecks  mit  annähernd  l^j-i  km 
Umfang  und  10  ha  Flächeninhalt,  ist  vom  Flufs  300  m  entfernt  und 
iimfafst  ähnlich  wie  der  tarpeische  Berg  zwei  geschiedene  Kuppen. 
Die  Niederung  des  Circus  Maximus  trennt  ihn  von  dem  unmittelbar 
an  den  F'lufs  anstofsenden  mons  Aventinus  (46  m).^)  Die  Alten  be- 
schränken den  Namen  auf  die  westliche  Kuppe  am  Flufs  und  schliefsen 
die  durch  eine  Einsenkung  geschiedene  Höhe  von  S.  Saba  (43  m) 
davon  aus.  —  Die  heutigen  Höhenlinien  gewähren  ein  unvollstän- 
diges Bild  von  den  ursprünglichen  Verhältnissen  (I  295).  Der 
Boden  ist  nicht  nur  in  den  Thälern,  sondern  vielfach  auch  auf  den 
Hügeln  durch  Bauschult  gewachsen  3);  z.  B.  wurde  auf  dem  Quirinal 
eine  antike  Strafse  in  der  überraschenden  Tiefe  von  18  m  unter  der 
heutigen  Oberfläche  angetroffen.  Immerhin  wird  man  nach  allge- 
meinen Naturgesetzen  eine  weit  durchgreifendere  Umgestaltung  der 
Niederungen  annehmen  müssen.  Dies  erhellt  schon  aus  dem  Um- 
stand dafs  die  in  ihnen  laufenden  Bäche  im  Altertum  sichtbar  waren, 
gegenwärtig  aber  sich  den  Blicken  entziehen.  So  flofs  aus  dem 
Thaleinschnitt  zwischen  Pincio  und  Quirinal  ein  längerer  Bach  ah 
und  wurde  durch  eine  am  Fufs  des  Quirinal  hervorbrechende  Quelle 
gespeist.  Dieser  Wasserlauf  nördlich  von  der  Altstadt  ist  die  amnis 
Petronia,  die  der  im  Marsfeld  thätige  Magistrat  nur  nach  Einholung 
von  Anspielen  überschreiten  durfte.^)  Die  Stelle  des  Circus  Fla- 
minius  war  ehedem  von  Wiesen  eingenommen  5);  an  eine  sumpüge 
Strecke  derselben  erinnerte  die  Bezeichnung  paliis  Caprae.*^)  Aus- 
führlicher verbreiten  sich  die  Alten  über  das  Thal  zwischen  Pala- 
tium  und  Capitol '') : 

hoc  ubi  nunc  fora  sunt,  udae  tenuere  paludes, 

amne  redundatis  fossa  madebat  aquis. 
Curtius  nie  lacus  siccas  qui  sustinet  aras, 

nunc  solida  est  tellus  sed  lacus  ante  fuit. 


1)  Varro  LL.  V  54  Gic.  Rep.  II  53  Liv.  II  7. 

2)  Varro  LL.  V  43  Serv.  Y.  Aen.  VII  657  Liv.  I  3  Fest.  19. 

3)  Fronlin  aqu.  18  nam  ?iunc  colles  qui  sunt,  propter  frequentiam   in- 
<;endiorum  excreverunt  rudere. 

4)  Fest.  45.  250  vgl.  Gic.  Deor.  nat.  II  11. 

5)  Liv.  III  54. 

6)  Liv.  I  16  Ov.  Fast.  11491. 

7)  Üv.  Fast.  VI  401   Varro  LL.  V  149  Liv.  I  12.  38  Dion.  H.  II  42.  50. 


494  Kapitel  IX.     Rom. 

qua  Velabra  söhnt  in  Circum  ducere  pompas, 
nil  praeter  salices  cassaque  canna  fuit. 
Sie  erklären  auch  den  Namen  Velabrum  von  einer  Nachenfähre  und 
lassen  das  Palalium  sowol  im  Nordwesten  nach  dem  Capitol  als  im 
Südwesten  nach  dem  Aventin  zu  von  Gewässern  umgeben  sein.i) 
Diese  Vorstellung  entspricht  durchans  den  physischen  Bedingungen. 
Das  alte  Strafsenptlaster  im  Circus  liegt  nur  3  m,  im  Velabrum  und 
tiefsten  Theil  des  Forum  5  m  über  dem  mittleren  Stand  des  Tiber, 
wird  mithin  von  jeder  Hochflut  betrofl'en  (I  322).  Durch  das  Circus- 
thal  fliefst  ein  vom  Albanergebirg  her  kommender  Bach,  der  den 
Caelius  vom  Aventin  und  dessen  Fortsetzungen  absondert  und  die 
letzte  Strecke  vor  seiner  Mündung  überwölbt  ist:  sein  jetziger  Name 
ist  Marrana,  der  frühere  unbekannt.  Bei  der  Kirche  S.  Giorgio  in 
Velabro  nimmt  er  die  Cloaca  maxima  auf.  Dies  kann  nach  Hülsens 
einleuchtender  Beobachtung  ursprünglich  auch  nichts  Anderes  als 
ein  Wasserlauf  wie  die  Petronia  gewesen  sein ,  der  am  Fufs  des 
Esquilin  entspringend  durch  den  Sumpf  nach  dem  Tiber  strebte, 
allmälich  eingeengt  und  geregelt,  schliefslich  nach  bedeutenden  Auf- 
schüttungen in  einen  unterirdischen  Abzugscanal  verwandelt  worden 
ist.2)  Die  Natur  selbst  arbeitete  an  der  Einebnung  des  Bodens: 
der  Tuff  ist  durchlässig,  das  einsickernde  Wasser  höhlt  sich  im 
Innern  der  Hügel  Gänge  aus  und  sprengt  die  Ränder  ab;  gegen 
Felsstürze  haben  die  am  Fufs  belegenen  Quartiere,  z.  B,  am  Capitol, 
durch  Mauern  geschützt  werden  müssen. 3)  Indessen  war  die  Aus- 
gleichung zwischen  Berg  und  Thal  im  Altertum  lange  nicht  bis  zu 
dem  Grade  gediehen  den  sie  heute  erreicht  hat:  der  im  Mittel 
30  m  betragende  Niveauunterschied  wurde  durch  steile  Aufgänge 
clivi  und  scalae  überwunden.  Vollends  zur  Zeit  der  Gründung 
können  die  Verbindungswege  nur  spärlich  an  Zahl  und  recht  be- 
schwerlich gewesen  sein.  Endlich  um  das  Bild  zu  vervollständigen 
sei  daran  erinnert  dafs  die  ganze  Gegend  einst  mit  Wald  bedeckt 
war;  noch  im  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  verirrten  sich  bisweilen  Wölfe 
in  die  Stadt;  die  Namen  von  Oerthchkeiten  und  die  zahlreichen 
heiligen  Haine,    mochten    sie   auch   auf  wenige  Bäume  zusammen- 


1)  Varro  LL  V  43.  54.  156  Properz  V  2,7  9,5  TibuUII  5,33  Ov.  Fast.  II  391 
Plut.  Rom.  5,5  Solin  1,14. 

2)  Die  Aufschüttung  bezeugt  DioD.  H.  II  42.  50   vom  Forum,  III  43  vom 
Circusthal. 

3)  Liv.  XXXV  21  XXXVIII  28. 


§  1.     Die  Anfänge.  495 

geschrumplt  sein,  gaben  dem  Forscher  einen  Fingerzeig,  wie  er 
sich  das  Aussehen  des  von  einem  Häusermeer  bedeckten  Septimon- 
tium  in  Urzeiten  zu  denken  habe.i) 

Als  das  erste  Licht  der  Geschichte  auf  diese  Stätte  Tällt,  wird 
sie  bereits  von  einer  starken  Macht  eingenommen.  In  dem  509 
V.  Chr.  mit  Karthago  vereinbarten  Bündnifs  beansprucht  Rom  die 
Oberhoheit  über  die  ganze  lalinische  Küste.  Wenn  ein  paar  Menschen- 
aller  später  Antiochos  von  Syrakus  die  Sikeler  nicht  aus  Latium, 
sondern  aus  Rom  vertrieben  sein  läfst  (I  520),  so  wurde  er  hierzu 
durch  die  Thatsache  bestimmt  dafs  aufser  Kroton  damals  keine 
Stadt  des  italischen  Festlands  dieser  an  Umfang  und  Gröfse  gleich 
kam.  Aber  wie  die  Schöpfung  selbst  kann  auch  deren  Name  nicht 
höher  als  das  6.  Jahrhundert  hinauf  reichen.  Der  einzigartige 
Sprachgebrauch  Esqiiib'ae  als  Stadtoamen  zu  behandeln  (S.  492), 
hat  längst  schon  zu  dem  Schlufs  geführt  dafs  ihm  eine  ursprüng- 
lich selbständige  Niederlassung  entsprochen  haben  müsse.2)  Ein 
Thor  in  Tibur,  offenbar  das  nach  Rom  zu  gewandte,  heifst  [jior]ta 
Esquüina  und  bestätigt  damit  den  Schlufs  den  das  grammatische 
Gefühl  an  die  Hand  gegeben  halte. 3)  Die  Grenze  dieser  esqui- 
linischen  Stadt  nach  Osten  wird  durch  die  Gräber  bestimmt  die 
innerhalb  der  servianischen  Mauer  entdeckt  worden  sind.  Die  Aus- 
stattung der  Todten,  das  ohne  Drehscheibe  geformte  roh  verzierte 
schlecht  gebrannte  Thongeschirr  kennzeichnet  den  Beginn  einer 
Entwicklung  die  wir  zeitlich  nicht  zu  umschreiben  vermögen. *)  Es 
ist  wol  möglich  dafs  die  esquilinische  Ansiedlung  bereits  auf  dem 
Zusammenschlufs  mehrerer  Gemeinden  beruhte  uud  nicht  verschieden 
ist  vom  Septimonlium,  das  ein  heiliger  Lenz  der  Sabiner  nach  Verrius 
Flaccus  den  Ligurern  und  Sikelern  abnahm. 0)  In  der  That  erkennt 
auch  die  amtliche  üeberlieferung  an  dafs  hier  wie  anderswo  dreierlei 
Ursachen  an  der  Stadtbildung  zusammen  gewirkt  haben:  neben  der 
freiwilligen  Einwanderung  und  der  gewaltsamen  Verpflanzung  findet 
die  erzwungene  Aufnahme  fremder  Kriegshaufen  ihre  Stelle.  —  Die 


1)  Liv.  XXXII  29  XLI  9  Vario  LL.  V  50.  152  PJin.  XVI  37  Dion.  H.  II  50. 

2)  Vgl.  Jordan  Top.  I  1,183 fg. 

3)  CIL.  XIV  3679. 

4)  Es  wäre  erwünscht  dafs  die  Topographie  der  ältesten  Funde  festge- 
stellt würde,  um  dadurch  einen  Anhalt  für  den  Sitz  und  die  Ausdehnung  der 
ursprünglichen  Ansiedlungen  auf  dem  Boden  Roms  zu  gewinnen. 

5)  Dion.  H.  I  16.  22.  73  Fest.  321  M. 


496  Kapitel  IX.    Rom. 

einheimische  Ueberheferung  bewegt  sich  hinsichtlich  der  Anfänge 
in  unlösbaren  Widersprüchen,  da  sie  zu  verschiedenen  Zeiten  aus 
verschiedenartigen  Quellen  latinischen  sabinischen  fremden  (etrus- 
kischen  campanischen  griechischen)  Ursprungs  zusammen  geflossen 
ist.  Als  sichere  Thatsache  gilt  ihr  dafs  die  Vereinigung  eines  lati- 
nischen Stammes  der  Ramnes  und  eines  sabinischen  der  Tities  den 
Grundslein  zur  römischen  Machteutfaltung  gelegt  habe.  Die  That- 
sache erhält  ihre  mythische  Einkleidung  darin  dafs  zwei  Hügel  am 
Anfang  aller  Dinge  besiedelt  werden :  der  tarpeische  auf  dem  Saturn 
oder  auch  heimatlose  Argiver  die  Stadt  Saturnia  i),  der  palatinische 
auf  dem  der  Arkader  Evander  die  Stadt  Palatium  gründen ;  auf 
beiden  wurde  die  casa  Romuli  die  strohgedeckte  Hütte  des  ersten 
Königs  und  Stifters  gezeigt.^)  Es  ist  ein  aussichtsloses  Unterfangen 
die  ältesten  Niederlassungen  auf  diesem  schicksalreichen  Boden  nach 
Zeilfolge  und  Zusammengehörigkeit  unterscheiden  zu  wollen.  Da- 
gegen tritt,  nachdem  vermutlich  viele  Kämpfe  und  Wechselfälle  vor- 
ausgegangen waren,  die  Doppelstadt  der  Ramner  und  Titier  in 
greifbarer  Gestall  uns  entgegen.  Die  Titier  bewohnen  Quirinal  und 
Viminal  die  ein  willkürlicher  aber  strenger  Sprachgebrauch  colles  im 
Gegensatz  zu  den  latinischen  montes  benennt,  deren  Sonderstellung 
bis  zur  Schöpfung  Grofs  Roms  durch  Servius  Tullius  gedauert  hat.3) 
Von  der  Mauer  welche  die  Ramnerstadt  Palatium  einfafste,  sind  be- 
merkenswerte Ueberreste  vorhanden ;  das  Pomerium  d.  h.  der  freie 
Raum  vor  der  Mauer  der  die  Grenze  des  Gottesfriedens  ankündigte, 
war  noch  in  der  Kaiserzeit  deutlich  erkennbar.  Es  mag  wol  sein 
dafs  die  Gründung  jünger  ist  als  die  esquilinische  und  mit  Gewalt 
ins  Werk  gesetzt  ward.  Capitol  Palatium  und  Aventin  sind  ehedem 
durch  den  Tiber  und  die  von  ihm  versumpften  Thäler  zu  starken 
Festungen  gemacht  worden.  Indessen  überragt  der  Palatin  die 
beiden  anderen  Bollwerke  am  Flufs  einerseits  durch  seine  gröfsere 
Ausdehnung,  anderseits  durch  seine  centrale  Lage.  Da  nämlich  die 
Stadterweiterung  bis  nach  dem  Erwerb  der  Weltherrschaft  vom 
Marsfeld  absieht,  bildet  er  den  natürlichen  Kern  von  dem  nach 
allen  Richtungen  neue  Siedlungen  ausgehen  können.  Die  Ein- 
wanderung von  Handwerkern  und  Kaufleuten,  die  Verpflanzung  be- 
nachbarter   Gemeinden   drängte   zur  V'ermehrung   des  Wohnraums. 

1)  Varro  LL.  V  42.  45  Fest.  322  Dion.  H.  I  34.  44  11  1  u,  a. 

2)  Viliuv  11  1,5. 

3)  Liv.  I  44  Dion.  H.  11  5U  Slrab.  V  234. 


§  1.    Die  Anfänge.  497 

Nach  und  nach  werden  nicht  nur  die  Höhen  sondern  auch  die  da- 
zwischen liegenden  Thäler  angebaut.  Es  entstehen  Ortschaften  oder 
Vorstädte  die  durch  Erd-  und  Pfahl  werke  geschützt  sind.i)  Die 
spätere  Entwicklung  hat  die  Festungswerke  beseitigt,  dagegen  die 
Commurialverbände  bis  zum  Ausgang  der  Repubhk  verschont.  Man 
unterschied  damals  noch  zwischen  montani  und  paganiß)  Auf  der 
Höhe  wohnen  ursprünghch  die  herrschenden  Geschlechter,  die  Alt- 
bürger. Die  Vororte  werden  als  pagi  Dörfer  bezeichnet:  wir  kennen 
den  pagus  Janicolensis  am  rechten  Tiberufer  3),  den  pagus  Aventinen- 
sis'^),  pagus  Montanus  vom  Esquilin  ^J,  pagus  Sucusanus  die  Subura.^) 
Aufserdem  tritt  zu  den  beiden  Stämmen  der  Ramner  und  Titier 
ein  dritter  hinzu:  die  Luceres  die  möglicher  Weise  den  Caehus  be- 
wohnt haben.')  Unter  Ausschlufs  von  Quirinal  und  Caelius  wird 
die  Mitte  als  ein  engerer  Verband  zusammengefafst  unter  dem 
Namen  Septimontium^);  sieben  klinische  Kirchspiele  nehmen  an 
dem  am  11.  December  gefeierten  Fest  der  sieben  Berge  Theil: 
Palatium  und  Cermalus  (die  nordwestliche  Kuppe  dieses  Hügels), 
Fe/m,  Oppius,  Cispius,  Fagutal  (die  Thalmulde  zwischen  den  beiden 
letztgenannten  Höhen),  endlich  die  Niederung  der  Subura.  —  Die 
städtische  Entwicklung  ist  am  Tiber  wie  aller  Orten  sonst  von  den 
einfachen  Formen  bäuerlichen  Lebens  ausgegangen.  Die  Verkehrs- 
lage  hat  viel  frühere  und  schnellere  Fortschritte  gezeitigt  als  in  den 
Dörfern  des  Polands  (S.  10).  Die  winzige  Hütte  die  dem  Bauer 
bei  Nacht  und  Unwetter  Unterschlupf  gewährte,  wird  zum  Hause 
erweitert.  Aber  man  darf  den  Fortschritt  nicht  zu  hoch  einschätzen. 
Die  Häuser  haben  ein  einziges  Geschofs,  ein  spitzes  Strohdach,  sind 
aus  Holz,  die  Wände  aus  Flechtwerk  und  Lehm.9j  Den  Göttern 
werden  Haine  und  Altäre  geweiht,  der  Bau  steinerner  Tempel  hat 
noch   nicht   begonnen.     Mit    der  zunehmenden   Rodung    wird  der 


1)  Varro  LL.  V  48. 

2)  Cic.  de  domo  74  Fest.  340  unter  sifus.  Bull.  mun.  1887  p.  156  mon- 
tani montis  Oppi. 

3)  CIL. I  801.  802. 

4)  CIL.  XIV  2105. 

5)  CIL.  VI  3823. 

6)  Varro  LL.  V  48  Fest.  302.  309. 

7)  Varro  LL.  V  55.  81  Fest.  119  Liv.  I  13.  30. 

8)  Varro  LL.  V  41  VI  24  Fest.  340.  348.  321  TertuUian    de  idol.    10  Plut. 
qu.  Rom.  69  CIL.    p.  407. 

9)  Vitruv  II  1,5  Fest.  12  Ovid  Fast.  I  199  III  183  VI  261  Isid.  Or.  XV  8. 
Nissen,  Ital.  Landeskunde.    11.  32 


498  Kapitel  IX.    Rom, 

Holzbau  laugsam  durch  den  Steinbau  zurück  gedrängt:  zuerst  für 
Wasser-  und  Befestigungsanlagen  (S.  41).  Im  Tullianum  dem 
Quellhaus  am  Fufs  der  Arx,  den  ebendort  befindlichen  Latomien, 
der  palatinischen  Umfassungsmauer  kündigt  sich  die  allmähche 
Wandlung  an,  bis  die  Herrschaft  der  Tarquinier  ihr  zum  Sieg  ver- 
hilft und  eine  wirkliche  Stadt  schafft. 

Wie  die  Ueberlieferung  Rom  aus  kleinen  Anfängen  heran- 
wachsen läfst,  beschränkt  sie  auch  dessen  älteste  Feldmark  auf  einen 
bescheidenen  Umfang.  „Zwischen  dem  5.  und  6.  Meilenstein  von 
Rom,  schreibt  Strabo  i),  liegt  ein  Ort  Namens  Festi:  diesen  erklärt 
man  für  die  Stadtgrenze  unter  Romulus,  und  die  Priester  richten 
hier  und  an  mehreren  anderen  Grenzorten  am  nämhchen  Tage  ein 
Opfer  aus  das  sie  amharvia  Flurweihe  heifsen."  Die  Angabe  trifft 
auf  den  Arvalenhain  an  der  Via  Campana  zu,  ohne  Bedenken  wird 
auf  diesen  der  anderweitig  nicht  vorkommende  Name  Festi  bezogen 
werden  dürfen.  Wenn  demnach  am  rechten  Tiberufer  das  römische 
Gebiet  seewärts  den  6.  Meilenstein  nicht  überschritt,  so  wird  das 
Gleiche  für  das  linke  bezeugt,  wo  man  ebenfalls  am  6.  Meilenstein 
der  Via  Laurentina  dem  Terminus  opferte.^)  Landeinwärts  5  Milben 
von  Rom  scheint  ein  Graben  fossa  Cluilia  oder  Cloelia  die  Grenze 
gegen  Alba  gebildet  zu  haben. 3)  EndHch  im  Norden  ist  die  Anio- 
linie  nicht  erreicht,  da  Antemnae  diesseit  mit  nur  3  Millien  Ab- 
sland von  Rom  sich  dazwischen  schiebt.  Aus  diesen  Angaben  ist 
ersichthch  dafs  das  ursprünghche  Gebiet  Roms  kaum  einen  Flächen- 
inhalt von  2  d.  Geviertmeilen  befafst  hat.  Unter  der  kraftvollen 
Führung  seiner  Könige  wird  es  um  den  acht-  oder  neunfachen  Be- 
trag erweitert.  Nach  Aufnahme  der  Albaner  wird  die  Tibermündung 
dauernd  gewonnen ,  zu  ihrer  Sicherung  Ostia  gegründet.  Ein 
schmaler  Streifen  an  beiden  Flufsufern  ist  römisch:  nördhch  vom 
Tiber  sind  die  Vejenter  bis  jenseit  der  Lagune  verdrängt  worden, 
wo  Fregenae  das  245  v.  Chr.  eine  Bürgercolonie  erhielt,  auf  vejen- 
tischem  Boden  lag  (S.  350);  an  der  Südseite  erstreckt  sich  die 
Feldmark  von  Laurentum  bis  zum  Abflufs  der  Lagune  2 — 3  km  von 
Ostia.4)     Durch   den  Anschlufs  Alba's   ist   die   römische  Grenze  in 


1)  Strab.  V  230  vgl.  Jordan  Top.  I  1,289  Benzen  Acta  fr.  Arvalium  47. 

2)  Ovid  Fast.  II  681. 

3)  Liv.  1  23  II  39;   Cloeliae  fossae  Fest.  56  M.  Dion.  H.  III  4  Vlll  22  Plut. 
Coriol.  30,1. 

4)  CIL.  XIV  126. 


:§  2.     Die  Altstadt.  499 

ähnlicher  Weise  nach  Süden  bis  über  M.  Cavi  vergröfsert  worden. 
Das  linke  Anioufer  15  km  aufwärts  bis  Collatia  erscheint  als  römischer 
Besitz.  Endlich  sind  am  rechten  Ufer  ihm  einverleibt  worden  die 
Gemeinden  Corniculum  Ficulea  Crustumerium,  so  dafs  Rom  seinen 
Arm  am  Tiber  16  Milben  zu  Berg,  ebenso  weit  als  zu  Thal  aus- 
gestreckt hat.i)  Am  Ende  der  königlichen  Zeit  ist  demnach  das 
Stadtgebiet  auf  15 — 20  d.  Quadratmeilen  angewachsen.  Daneben 
hat  Rom  an  der  Vergrölserung  seines  Machtgebiets  unablässig  ge- 
arbeitet. Wie  es  im  Innern  die  grofsen  Flufsthäler  Tiber  und  Anio 
in  seine  Gewalt  bringt,  so  sucht  es  auch  vor  allem  die  Seeküste  zu 
unterwerfen.  In  dem  509  v.  Chr.  abgeschlossenen  Vertrag  erkennt 
Karthago  die  römische  Herrschaft  über  die  ganze  120  km  lange 
Küstenstrecke  von  der  Tibermündung  bis  Tarracina  an.  Diese 
Thatsachen  deuten  schon  auf  eine  bedeutende  Entwicklung  im  städti- 
schen Sinne  hin:  die  gesonderten  Gemeinden  werden  zur  Einheit 
verbunden  durch  eine  neue  Gründung,  welche  die  Sage  dem  Ser- 
vius  Tullius  zuschreibt.  Mit  ihr  betritt  die  Stadtgeschichte  festen 
Boden. 

§  2.    Die  Altstadt. 

Rom  heifst  die  Siebenhügelstadt  2);  aber  die  Bestimmung  der 
einzelnen  Hügel  hat  ebenso  geschwankt  wie  bei  unserem  Sieben- 
gebirge am  Rhein.  Am  Ausgang  des  Altertums  wird  das  Janiculum, 
in  den  Regionbeschreibungen  auch  noch  der  Vatican  eingerechnet. 3) 
Unter  Septimontium  versteht  der  ältere  Sprachgebrauch  das  Pala- 
tium  und  seine  Vorstädte  mit  Ausschlufs  von  Aventin  Caelius  Viminal 
und  Quirinal  (S.  497).  Dagegen  zählen  die  Geschichtschreiber  der  Re- 
pubhk  sieben  Hügel  auf  die  Servins  Tullius  mit  einer  gemeinsamen 
Mauer  umgab:  Palatium  Capitol  Quirinal  Viminal  Esquilien  Caeüus 
Aventin. 4)  In  der  That  sind  sie  es  gewesen  deren  Zusammenschlufs 
die  gröfste  und  stärkste  Festung  ergab  die  ganz  Italien,  von  einigen 
wenigen  hellenischen  Seestädten  im  Süden  abgesehen,  aufzuweisen 
hatte.  —  Cicero  preist  die  Weisheit  der  römischen  Könige  welche 
die  Mauer  rings  an  steilen  und  abschüssigen  Bergen  hinführten,  so 


1)  Plin.  m  54. 

2)  Cic.   an  Att.  VI  5,2  Varro  LL.  V  41   Verg.   Georg.  II  535  Aen.  VI  783 
TibuU  II  5,55  Gell.  N.  A.  XUl  14,4  Plin.  III  66  Marlial  IV  64,11, 

3)  Serv.  V.  Aen.  VI  784. 

4)  Strab.  V  234  Dion.  H.  IV  13  Liv.  1  44. 

32* 


500  Kapitel  IX.    Rom. 

dafs  nur  an  einer  Seite  zwischen  Quirinal  und  Esquilin  ein  bequemer 
Zugang  war  der  durch  mächtige  Werke  gedeckt  werden  mufste.i) 
Nach  dem  Erwerb  der  Weltherrschaft  sprengt  Rom  seinen  Mauer- 
gUrtel:  neue  Thore  werden  hiudurchgebrochen,  Häuser  lehnen  sich 
an  der  Innen-  und  Aufsenseite  an,  zur  Zeit  des  Augustus  hielt  es 
schon  schwer  den  Ring  im  Einzelnen  zu  verfolgen.^)  Die  letzten 
Jahrzehnte  haben  an  40 — 50  Stellen  Ueberreste  ans  Licht  gefördert, 
die  verstatten  ein  klares  Rild  von  der  gesamten  Anlage  zu  ent- 
werfen. Drei  Viertel  des  rund  6,6  MiUien  9,8  km  messenden  Um- 
fangs  sind  von  iNatur  gedeckt,  da  die  Hügel  durchweg  30  m  über 
den  sumpflgen  Niederungen  ansteigen.  An  den  Hügeln  wurden 
entweder  die  Tuffwände  künstlich  abgeschrofft  (wie  am  Capitol  und 
Quirinal  ersichtlich);  oder  man  bettete  in  halber  Höhe  eine  Quader- 
mauer in  den  Felsen  ein  und  führte  sie  bis  über  den  Rand  des 
Berges,  den  leeren  Hinterraum  mit  Schutt  ausfüllend.  Mancherlei 
Abweichungen  werden  an  den  vorhandenen  Stücken  wahrgenommen, 
wie  nicht  anders  sein  kann  bei  einem  Werk  das  4 — 500  Jahre  in 
sturmfreiem  Zustande  erhalten  3)  und  hierauf  langsamer  Zerstörung 
preisgegeben  wurde.  Die  Ueberlieferung  schreibt  es  mehreren 
Königen  zu:  Ancus  Marcius,  Tarquinius  Priscus,  Servius  TuUius, 
Tarquinius  Superbus  4);  ohne  Zweifel  sind  vielfach  ältere  Befestigungen 
der  Hügel  in  diese  neue  aufgenommen  worden.  Aber  im  Gro/sen 
und  Ganzen  trägt  die  Anlage  den  gleichen  Stempel  und  ist  nach 
einheitlichem  Plan  ins  Leben  gerufen :  wie  begreiflich  da  der  Plan 
durch  die  Bodengeslallung  an  die  Hand  gegeben  wurde.  Die  Mauer 
ist  aus  regelmäfsigen  Tufl^quadern  von  1'  röm.  Schichthöhe  (S.  63) 
im  Wechsel  von  Läufern  und  Bindern  ohne  Anwendung  von  Mörtel 
errichtet.  Nur  an  der  Angriffsfront  im  Osten  und  an  drei  Stellen 
wo  die  Thalsohle  zu  durchqueren  war,  bedurfte  sie  einer  Ver- 
stärkung an  Höhe  und  Breite  sowie  der  Beigabe  von  Thürmen. 
Der  umschlossene  Raum  mifst  bei  gröfster  Länge  in  der  Luftlinie 
von  Nordost  nach  Südwest  4  km ,  bei  gröfster  Breite  2  km ;  doch 
spotten  die  Umrisse  der  Hügel  jeglichen  Vergleichs  mit  einer  künst- 
hchen  Figur.    —   Den  Abstand  zwischen  Tiber  und  Capitol  sperrt 


1)  Cic.  Rep.  II  11. 

2)  Dion.  H.  IV  13  Liv.  1  44. 

3)  Noch  im  hannibalischen  Krieg  212  v.  Chr.  viferden  Mauern  und  Thürme 
durch  eine  aufserordentliche  Commission  hergestellt  Liv.  XXV  7. 

4)  Strab.  V  234  Liv.  I  36.  44  Dion.  H.  III  66  IV  13.  54  Plin.III  67. 


§  2.    Die  Altstadt.  501 

ein  200  m  langes  Mauerstück  das  unmittelbar  am  Flufs  dem  Süd- 
ostende der  Insel  gegenüber  die  porta  Flumentana  ') ,  landeinwärts 
die  porta  Carmentalis  ein  Doppelthor  enthält.  Das  Capitol  ist  als 
Citadelle  behandelt  und  nach  dem  Fall  der  übrigen  Stadt  ver- 
theidigurigsfähig2):  es  hat  einen  einzigen  Aufgang  von  Südosten 
her,  ist  im  Altertum  vom  Marsfeld  aus  unzugänglich  gewesen,  wo- 
durch späterhin  dem  entwickelten  Verkehr  ein  unerträgliches  Hinder- 
nifs  bereitet  war.  lieber  den  Nacken  der  Capitol  und  Quirinal 
verbindet,  läuft  in  einem  tiefen  Einschnitt  eine  zweite  Strafse  nach 
dem  Marsfeld :  der  Einschnitt  wie  die  hier  befindUchen  Steinbrüche 
dienen  dazu  die  Nordostecke  der  Burg  zu  verstärken.  Der  lange 
Rücken  des  Quirinal  ist  durch  das  Thal  nach  dem  Pincio  hin  ge- 
sichert: wir  dürfen  uns  die  Versumpfung  im  Marsfeld  durch  die 
Petronia  (S.  493)  älterer  Zeit  so  ausgedehnt  denken  dafs  jeder  An- 
griff auf  die  Stadt  von  Nordwest  her  aussichtslos  war.  Anders  ver- 
hält es  sich  im  Nordosten,  wo  die  Landzungen  des  Quirinal  Viminal 
und  Cispius  an  den  Grundstock  des  Hügelplateau's  austofsen.  Die 
Hochfläche  bei  ihrer  Vereinigung  im  Norden  64  m,  nach  Süden  auf 
dem  Esquilin  bis  52  m  sich  abdachend,  überragt  und  beherrscht 
die  gesamte  Stadt,  steckt  damit  auch  dem  anrückenden  Feind  ein 
deutliches  Ziel.  Von  der  porta  Collina  dem  quirinalischen  Thor  her 
droht  die  schwerste  Gefahr,  hier  pflegt  sich  das  Schicksal  der 
Festung  zu  entscheiden  3);  die  via  Salaria  und  via  Nomentana  die 
von  Nord  und  Ost  kommenden  Heerstrafsen  münden  hier  ein.  Der 
gefährdete  Abschnitt  reicht  bis  zur  porta  Esquilina  dem  Ausgang 
der  Ost  und  Südost  nach  Tibur  und  Praeneste  laufenden  Strafsen. 
Zwischen  beiden  in  der  Mitte  liegt  die  porta  Viminalis.  Zum  Schutz 
wurde  der  agger  eine  grofsartige  Verschanzung  erbaut,  die  noch  in 
der  Kaiserzeit  Bewunderung  erregte.*)  Ihre  Länge  mafs  nach  Dionys 
7,  nach  Strabo  6  Stadien,  in  Wirklichkeit  etwas  mehr  nämlich  rund 
1300  m.  Im  Uebrigen  stimmt  die  Beschreibung  des  Dionys  mit 
den  Ergebnissen  der  neueren  Ausgrabungen  überein.  Auf  der 
Hochfläche   war   ein  Graben   von   mindestens   100'  Breite   und  30' 


1)  Die  Lage  wird  bestimmt  durch  Fest.  89  appellata  quod  Tiberis  partem 
ea  fluxisse  affirmant. 

2)  Cic.  Rep.  II  11. 

3)  Liv.  II  11.  51  III  51  V  41  XXVI  10  Dion.  H.  IX  24.  68   Appian   b.   civ. 
I  67.  93  Plut.  Sulla  9.  29  Tac.  Eist.  III  82  Juvenal  6,291. 

4)  Dion.  H.  IX  68  Strab.  V  234  Plin.  III  67. 


602  Kapitel  IX.     Rom. 

Tiefe  gezogen.  Dahinter  war  mit  der  ausgehobenen  Masse  ein 
gewaltiger  Wall  aufgeschüttet  den  Quadermauern  an  beiden  Seiten 
einfafsten:  die  äufsere  war  4  m  dick  und  mindestens  15  m  hoch; 
von  der  inneren  steht  noch  ein  ansehnlicher  Rest.  Bei  einer  Ge- 
samtstärke von  reichlich  30  m  war  dem  Wall  weder  mit  Sturm- 
böckeo  noch  mit  Minen  beizukommen.  Die  Befestigung  der  Südost- 
und  Südseite,  deren  Gang  auf  weiten  Strecken  nicht  durch  Ueber- 
bleibsel  erläutert  wird,  wies  zwei  schwache  Stellen  auf:  dieEinsenkung 
zwischen  Esquilin  und  Caelius  und  die  Einsenkung  zwischen  Caelius 
und  Aventin;  in  der  letzteren  befindet  sich  die  porta  Capena,  das 
belebteste  aller  römischen  Thore  durch  das  die  grofsen  Strafsen 
nach  Süden,  die  via  Latina  und  via  Appia  ausziehen.  Der  Aventin 
ist  durch  einen  Bach  die  Marrana  (S.  494)  von  Caelius  und  Palatin 
geschieden,  stellt  aber  trotzdem  ein  notwendiges  Glied  in  der  ge- 
samten Anlage,  man  darf  sagen  den  Schlufsstein  dar;  denn  von 
den  drei  Hügeln  am  Tiber  beherrscht  keiner  den  Wasserverkehr 
in  gleichem  Grade  wie  dieser,  und  Herrschaft  über  den  Flufs  ist 
der  Gedanke  der  den  Erbauern  Roms  vorgeschwebt  hat.  Ohnedem 
ward  durch  die  Aufnahme  des  Aventin  eine  unverächtliche  Südfront 
gewonnen:  der  Almo  erschwerte  das  Vorgehen  des  Feindes  und  die 
am  nürdüchen  Fufs  des  Berges  und  dem  Flufs  belegene  porta  Tri- 
gemina  war  ganz  unnahbar,  indem  die  offene  Schwertseite  des  An- 
greifers auf  mehrere  hundert  Schritt  von  der  den  Hohlweg  über- 
ragenden Mauer  bestrichen  werden  konnte.  Endlich  auf  einer 
Entfernung  von  300  m  zwischen  Porta  Trigemina  und  Carmentalis 
hütete  der  Tiber  die  Stadt. i)  Das  Ufer  war  bis  auf  den  Grund 
mit  einer  Quadermauer  eingefafst,  deren  Brüstung  für  die  damaligen 
Aufgaben  der  Vertheidigung  ausreichte  ohne  das  Anlegen  oder 
Schleppen  der  Schiffe  zu  behindern.  Der  pons  sublicius,  eine  auf 
schnellen  Abbruch  berechnete  Holzbrücke  stellte  die  Verbindung 
mit  dem  rechten  Ufer  her.  Die  Zahl  der  Thore  läfst  sich  nicht 
mehr  mit  Sicherheit  ermitteln:  während  man  in  der  Kaiserzeit 
deren  19  unterschied,  wird  ungefähr  der  dritte  Theil  nicht  als  ur- 
sprünglich anzusehen  sein. 

Das  servianische  Rom  umfafst  nach  Beloch's  Berechnung  einen 
Flächeninhalt  von  426  ha.  Es  steht  den  hellenischen  Seestädten 
Syrakus  und  Akragas  Kroton  und  Tarent  an  Gröfse  nach,  wird  aber 


1)  Liv.  II  10  Dion.  H.  V  23  IX  68. 


§  2.    Die  Altstadt.  503 

in  den  italischen  Landschaften  nirgends  erreicht  oder  gar  über- 
Iroffen :  von  den  Zwölfstädten  der  Etrusiier  kommt  ihm  allein  Veji 
nahe  (S.  37).  Der  Wettbewerb  auf  den  die  Natur  beide  hinge- 
wiesen hatte,  wird  die  aufserordentliche  Kraftentfaltung  bewirkt 
haben  (S.  38).  Viele  unter  den  Städten  deren  Beschreibung  diese 
Blätter  füllt,  erfreuen  sich  kraft  ihrer  Lage  vollkommener  Sicher- 
heit vor  jedem  feindlichen  üeberfall  und  sind  durch  offene  Gewalt 
nicht  zu  bezwingen.  Bom  dagegen  nimmt  die  strategische  Mitte 
der  Halbinsel  ein ,  ist  von  allen  Himmelsrichtungen  her  Angriffen 
ausgesetzt  und  keineswegs  von  Natur  in  gleichem  Mafse  geschützt 
wie  jene.  Trotzdem  darf  man  ihm  eine  höhere  Stärke  beilegen: 
während  die  Bergfestungen  im  Appennin  und  Etrurien  eingeschlossen 
und  ausgehungert  werden  können ,  ist  dies  bei  der  Tiberfestung 
nicht  möghch.  In  alter  und  neuer  Zeit  haben  Geschichtschreiber 
sich  die  Köpfe  darüber  zerbrochen,  warum  Pyrrhos  und  Hannibal 
nach  den  glänzendsten  Siegen  von  der  Belagerung  Abstand  nahmen. 
Der  Grund  ist  einfach  der  dafs  das  Unternehmen  nur  unter  der 
Voraussetzung  durchführbar  war,  dafs  der  Angreifer  gleichzeitig  an 
beiden  Flufsufern  überlegene  Streitmassen  zu  seiner  Verfügung 
haben  mufste.  Das  servianische  Rom  gleicht  nach  der  Auffassung 
seiner  Bewohner  einem  Feldlager:  auf  dem  Janiculum  erwartet  das 
Heer  den  von  Etrurien,  am  CoUinischen  Thor  den  vom  Anio  an- 
rückenden Feind  und  wechselt  den  Standort  vermittelst  eines  5  km 
langen  Marsches,  während  der  Belagerer  von  einer  Angriffsfront  zur 
anderen  die  vierfache  Entfernung  zurückzulegen  und  den  reifsenden 
Strom  zu  überbrücken  hatte.  Seine  Aussichten  würden  sich  erheb- 
lich gebessert  haben,  wenn  er  über  eine  Flotte  geboten,  den  Aus- 
weg zum  Meer  und  den  ganzen  Flufslauf  beherrscht  hätte:  ein 
solcher  Fall  ist  indefs  in  den  älteren  Kriegen  nie  und  erst  87  v. 
Chr.  eingetreten,  nachdem  inzwischen  die  VVehrhaftigkeit  der  Festung 
durch  den  Anbau  von  Vorstädten  sehr  beeinträchtigt  worden  war. 
—  Die  servianische  Mauer  hat  den  Gang  der  städtischen  Entwicklung 
bestimmt;  dies  gilt  auch  von  der  Anordnung  des  Wohnraums  die 
König  Servius  getroffen.  Auf  ihn  wird  die  Einrichtung  der  vier 
städtischen  Tribus  zurückgeführt:  des  Palatium  der  Ramner  als  tribus 
Palatino,  der  latinischen  Vorstadt  auf  dem  Caelius  und  in  der  Subura 
als  tribus  Suburana,  der  alten  Esquiliae  als  tribiis  Esquilina,  der 
Sabinerstadt  auf  dem  Quirinal  als  tribus  Collina.  Diese  vier  Quar- 
tiere bilden   eine  sacrale  Einheit:  zweimal  des  Jahres   werden   die 


504  Kapitel  IX,     Rom. 

27  Kapellen  der  Argeer  die  über  sie  verlheilt  sind,  in  feierlicher 
Procession  besucht,  i)  Sie  stellen  auch  ein  bevorzugtes  Rechts- 
gebiet dar.  Wie  der  Wall  des  Lagers  Bürger  und  Bundesgenossen 
umschliefsl,  so  die  Stadtmauer  Bürger  und  Bauern:  noch  am  Aus- 
gang der  Republik  werden  die  Bewohner  Roms  als  montani  und 
pagani  unterschieden  (S.  497).  Beide  sind  getrennt  durch  das 
Pomerium.  In  der  Kaiserzeit  war  das  Verständnifs  des  Begriffs  mit 
seiner  praktischen  Bedeutung  aus  dem  allgemeinen  Bewufstsein  ent- 
schwunden. Ehedem  in  den  Tagen  des  alten  Ständekampfs  war 
es  keineswegs  gleichgiltig  gewesen,  ob  ein  Stadtviertel  innerhalb 
oder  aufserhalb  des  Pomerium  lag:  aufserhalb  gebot  der  Magistrat 
unumschränkt  über  Leben  und  Tod,  innerhalb  hatte  er  den  Blut- 
bann nicht,  mufsten  seine  Lictoren  das  Beil  aus  dem  Ruthenbündel 
fortthun.  Die  Grenze  zwischen  den  beiden  Rechtsgebieten  domi  und 
militiae,  wie  die  römische  Ausdrucksweise  lautet,  ist  mehrfach  ver- 
schoben worden. 2)  Der  Aventin  lag  bis  zum  J.  49  n.  Chr.  aufser- 
halb des  Pomerium;  dasselbe  gilt  ursprünglich  auch  vom  Capitol 
und  den  zwischen  ihm  und  dem  Aventin  befindlichen  Niederungen. 
Dafs  das  Vorrücken  des  Pomerium  und  die  Verleihung  der  Privi- 
legien der  City  die  darin  enthalten  war,  für  die  bauliche  Gestaltung 
der  Stadt  von  Bedeutung  gewesen  sei,  versteht  sich  von  selbst: 
leider  läfst  uns  die  Ueberlieferung  im  Einzelnen  im  Stich.  Bürger 
höheren  und  niederen  Rechts  sind  im  Rahmen  der  Centurienver- 
fassung  zum  gegliederten  Ganzen  vereinigt,  eine  gemeinsame  Mauer 
schützt  die  Quartiere  ob  sie  nun  innerhalb  der  städtischen  Frei- 
grenze liegen  oder  aufserhalb.  Das  Feldlager  hat  im  Praetorium 
seine  beherrschende  Mitte,  der  Imperator  hält  die  zwiespältigen  Heer- 
genossen zusammen,  da  ihm  Alle  mit  Leib  und  Leben  bedingungs- 
los überantwortet  sind.  Zum  Praetorium  von  Rom  wird  der  450  m 
lange  150  m  breite  tarpeische  Berg  erhoben,  gleich  jenem  die 
letzte  widerstandsfähige  Wehr  wenn  Wall  und  Mauer  vom  Feinde 
durchbrochen  sind.  Die  südwestliche  Kuppe  heifst  Capitoliwn  der 
IIauptberg3);  sie  trägt  den  hochragenden  Tempel  des  besten  obersten 
Juppiter  des  wahren  Königs  von  Rom  4),  den  die  Tarquinier  erbaut 
und   die   ersten    Consuln   geweiht  haben.     Ein   schwerer  massiger 


1)  Varro  LL.  V  45 fg. 

2)  Tac.  Ann.  XII  24  Liv.  I  44  Sen.  Diel.  X  13,8  Gell.  N.  A.  XIII  14. 

3)  Varro  LL.  V  41  Dion.  H.  IV  59  Plin.  XXVIII  15. 

4)  Dio  XLIV  11. 


§  2.     Die  Altstadt.  505 

Bau   (Grundfläche   59  X  55  m)   aus  unverputzten  Tuffriuadern  mit 
hölzernem  Gebälk   und   thönernem  Bilderschmuck,   hat   er  für  alle 
Zeiten    als  die   Verkörperung   römischer  Macht  und    als    höchstes 
Heiligtum  des  Erdkreises  gegolten.     Er  brannte  83  v.  Chr.  69.  80 
n.  Chr.  ab  und  erstand  jedesmal  prächtiger  aus  seiner  Asche.     Die 
nordöstliche  Kuppe  wird  von  der  Arx  eingenommen,  die  sich  zum 
Capitol  verhält    wie    das  Quaestorium    im   Lager    zum   Praetorium. 
Hier  ist  344  v.  Chr.   der  Gemahlin  Juppiters  der  Juno  Moneta  ein 
Tempel   errichtet   worden,    an    den    sich    die  Münzstätte   anschlofs 
(S.  68).     Vom  Praetorium    im   Lager   läuft   die    Hauptstrafse   nach 
der  Frontseite  die  Via  Praetoria  aus;  an  dasselbe  schliefst  sich  das 
Forum  an.     Die  nämliche  Anordnung  wird   in  Rom   befolgt.     Von 
Südost  her  führt   die   Sacra  via  die   palatinische  Altstadt  von  der 
Subura  scheidend  auf  die  Einsattelung  des  Capitols  hinauf:  der  ein- 
zige Fahrweg  der  Burg  und  Stadt  verbindet.     Die  starke  Steigung 
des  clivus  Capitolinus  (1 :  15)  machte  seine  Benutzung   recht  unbe- 
quem.   Das  sumpfige  Thal  zwischen  Capitol  und  Palatin  wurde  durch 
ungeheuere  Aufschüttungen  erhöht,  der  Abflufs  geregelt  und  schliefs- 
lich  überwölbt,   wie  wir  ihn    in  der  cloaca  maxima  vor   uns  sehen 
(S.  494).     Die   Sage   läfst  mit  Recht  einen    langen   Zeitraum   über 
der  Austrocknung  verstreichen,   da    sie   die  Eröffnung   des  Forums 
dem  Romulus  und  Titus  Tatius,   den  Bau   der  Kloake  dem  letzten 
Tarquinier  zuweist.    Das  eigentliche  Forum  ein  länglicher  Platz  von 
154  X  52  m   wird   an   der   Südseite   von    der  Sacra  via  eingefafst: 
hier  erhebt  sich  am  Fufs  des  Capitol   seit  497  v,  Chr.   der  Tempel 
des   Saturn,   am   unteren   Ende  seit  484   der  Tempel  des   Castor. 
Die  gegenüberliegende  Nordseite  weist  den  Carcer  auf,  sodann  die 
Curie,  das  Haus  des  Senats  dessen  Bau  von  König  Tullus  Hostilius 
herrührt.     Vor  der  Curie  erstreckt   sich   das  Comitium,   die  Ding- 
stätte auf  der  Recht  gesprochen  wird  und  die  Bürger  der  drei  alten 
Tribus  Ramner   Titier   und   Lucerer  zusammentreten.     Endlich  die 
Ostseite  wird  durch  den  Hain   der  Vesta  und   die  Regia  die  Amts- 
wohnung  des    Oberponlifex   begrenzt.   —   Während    das  staatliche 
Leben   seinen    Brennpunct   im    Capitol   und    Forum   findet,   drängt 
Handel  und  Verkehr  dem  Flufs  zu.    Die  Niederung  zwischen  Capitol 
Palatium    und    Aventin    ist    die    bevolkertste    Geschäftsgegend    der 
Stadt.     Zu  Füfsen   des   obersten  Juppiter  auf  dem   forum  boarinm 
laufen   sämtliche   Hauptstrafsen    als   dem   gewiesenen   Centrum    zu- 
sammen:  auf  diesen   Platz  führt   die   Fortsetzuns;  der   Alta  semita 


506  Kapitel  IX.    Rom. 

vom  Qurinal,  des  vtcus  Patricius  vom  Viminal,  der  Subura  vom  Es- 
quilin,  die  nahe  Porta  Capena  und  die  noch  näheren  Flufsthore 
Trigemina  und  Carmentalis;  von  diesem  Platz  führt  die  Holzbrücke 
die  einzige  l'esle  Verbindung  nach  dem  jenseitigen  Ufer  hinüber. 
An  ihn  stöfst  der  circus  maximus  etwa  10  ha  grofs,  600  m  lang 
und  150  ni  breit,  an  Werkeltagen  ein  Krammarkt,  an  hohen  Fest- 
tagen Rennbahn.  Der  Grund  und  Boden  über  den  das  städtische 
Leben  ein-  und  ausströmte  wie  das  Blut  im  Herzen,  ist  durch  die 
Tarquinier  entsumpft  worden.  Er  war  bis  88  v.  Chr.  vom  Pomerium 
ausgeschlossen  und  angebUch  durch  König  Numa  den  grofsen  Priester- 
schaften zur  Nutzniefsung  überwiesen  worden,  in  deren  Gasse  die 
Platzmiete  der  hier  hausenden  Handwerker  und  Krämer  der  collegia 
Capitolitiorum  und  Mercurialium  Hofs,  i)  Der  Verkehr  ist  so  alt 
wie  die  Ansiedlung  auf  dem  Palatium:  daran  erinnerte  die  ara 
maxitna  auf  dem  Ochsenmarkt  die  der  fromme  Evauder  dem  Her- 
cules geweiht  hatte.  Aber  der  Uebergang  von  den  Schilfhütten 
und  Bretterbuden  die  bei  Gelegenheit  der  Messe  aufgeschlagen 
wurden ,  zu  festen  VVohnstätten  mufs  sich  durch  eine  Reihe  von 
Jahrhunderten  hingezogen  haben.  Er  erfolgt  zuerst  an  der  Haupt- 
ader die  das  Forum  mit  dem  Ochsenmarkt  verbindet,  dem  vicua 
Ttiscus:  die  Erbauung  wird  unter  Romulus  oder  Tarquinius  Priscus, 
von  unseren  Annalen  508  v.  Chr.  angesetzt.^)  Sodann  nach  der 
Auswanderung  der  Plebs  wird  493  der  Cerestempel  am  Circus  ein- 
geweiht und  zum  Mittelpunct  der  plebejischen  Sondergemeinde  er- 
hoben. Endlich  ertrotzt  die  Plebs  456  die  Auftheilung  des  Aventin 
zu  Bauplätzen:  auf  diesem  Hügel  lag  der  unter  Servius  TuUius  von 
Römern  und  Latinern  gemeinschaftlich  gestiftete  Tempel  der  Diana ; 
der  Boden  befand  sich  nur  zum  kleineren  Theil  in  Privathänden, 
zum  gröfseren  Theil  in  öffentlichem  Besitz.  Nunmehr  wird  das 
Gemeinland  zu  vollem  Eigentum  überwiesen ,  ein  dichtes  Plebejer- 
viertel entsteht,  das  in  allen  bürgerlichen  Zwistigkeiten  bis  auf  die 
Gracchen  herab  recht  eigentlich  als  Festung  dieses  Standes  ge- 
dient hat.  3) 

Das  Kriegslager  das  König  Servius  errichtet  hatte,  fiel  390  v. 
Chr.  ohne  Schwertstreich  in  die  Hände  der  Kelten,  nachdem  das 
römische  Heer  an  der  Allia  vom  Rückzug  in  dasselbe  abgeschnitten 

1)  Gros.  V  t8,27  Appian  Mithr.  22. 

2)  Varro  LL.  V  46  Tac.  Ann.  IV  65  Liv.  II  14  Dion.  H.  V  36  Fest.  354  u.  a. 

3)  Dion.  H.  X  31.  32  Liv.  lU  31. 


§  2.    Die  Altstadt.  507 

worden  war.  Es  verblieb  sieben  Monate  lang  in  ihrem  Besitz, 
währenddem  gingen  die  leichten  Holzhäuser  meistentheils  in  Flammen 
auf.  Der  binnen  Jahresfrist  erfolgende  Neubau  hat  in  mehr  als 
einer  Richtung  das  Aussehen  der  Stadt  bestimmt,  i)  Allerdings  hatte 
die  Gestaltung  des  Bodens  2)  und  die  gesonderte  Entstehung  der 
einzelnen  Viertel  den  Königen  die  Durchführung  eines  einheitlichen 
Strafsenzugs  erschwert.  Aber  die  zwölf  Tafeln  enthalten  genaue 
Vorschriften  über  die  Breite  der  Vici  3) ,  und  das  weitverzweigte 
Netz  der  unterirdischen  .\bzugscanäle  setzt  eine  regelmäfsige  Anlage 
der  verschiedenen  Quartiere  voraus.  Diese  ward  durch  den  Neu- 
bau verwischt:  die  Anlieger  rückten  über  die  Fluchtlinie  vor, 
schlugen  auch  wol  die  ganze  Gasse  zu  ihrem  Grundstück  und  leiteten 
damit  jene  zweck-  und  gesundheitswidrige  Vertheilung  des  Raums 
ein  die  für  die  spätere  Weltstadt  verhängnilsvoU  werden  sollte.  — 
Ursprünghch  bildete  Landwirtschaft  die  vorwiegende  Beschäftigung 
der  Bewohner:  die  Sage  läfst  jedem  Bürger  zwei  Morgen  durch 
König  Romulus  als  Erbe  zugetheilt  werden  und  führt  auf  diese 
Anweisung  die  Entstehung  des  Privateigentums  an  Grund  und 
Boden  zurück.^)  Daneben  blüht  das  Gewerbe  auf:  König  Numa 
hat  die  acht  Zünfte  der  Musikanten  Goldschmiede  Zimmerleute  Färber 
Schuster  Gerber  Kupferschmiede  Töpfer  eingerichtet  und  alle  übrigen 
Handwerke  in  einer  neunten  zusammengefafst. ')  Beide  Lebens- 
richtungen sind  der  Natur  der  Dinge  wie  der  geschichthchen  Ent- 
wicklung nach  im  Grofseu  und  Ganzen  räumhch  getrennt.  In  den 
ältesten  Stadttheilen  auf  den  Höhen  hat  der  Ackerbau  seinen  Sitz, 
die  geschützten  und  gesunden  Hügel  weiden  von  den  Adelshöfen 
eingenommen. 6)  In  den  Niederungen,  in  der  Subura  am  Fufs  des 
Palatium  am  Flufs  siedeln  die  Gewerbsleute.  Dort  wiegt  das  Bauern- 
haus mit  Giebeldach  und  Stallung,  hier  die  Bretlerhütte  vor:  diese 
wie  jenes  nach  dem  Mafsstab  kommender  Zeiten  beschränkt  und 
ärmHch.7)  —  Das  Vorbild   das   der  Staat  mit  seinen  Tempeln  und 

1)  Diod.  XIV  116  Liv.  V  55  Plul.  Cam.  32  Tac.  Ann.  XV  38. 43  Juvenal  3.236. 

2)  Cic.  de  lege  agr.  2,96   Romam    in  montibus  positam    et    convallibus, 
cenaculis  sublatam  atque  suspensam,  ?ioti  optiinis  viis  angustissimis  semitis. 

3)  Schoell  fr.  p.  138. 

4)  Varro  RR.  I  10. 

5)  Plut.  Numa  17. 

6)  Cic.  de  domo  101  fg.  de  har.  resp.  32  Liv.  II  7  VIII  19  V  46. 

7)  Varro  bei  Neu.  55  Val.  Max.  IV  4,8  Tac.  Aan.  II  33  re  publica  tenui 
angustas  civium  domos. 


508  Kapitel  IX.     Rom. 

Befestigungen  gegeben,  wirkt  auf  die  bürgerliche  Bauweise  ein,  das 
Blockhaus  beginnt  in  ein  Steinhaus  sich  umzuwandeln:  die  Grund- 
schichten werden  aus  Quadern,  die  Wände  aus  Luftziegeln  aufge- 
führt.!) Das  Strohdach  wird  zunächst  durch  Schindeln  ersetzt,  nach 
dem  Gallischen  Brand  hefert  der  Staat  seinen  Bürgern  gebrannte 
Dachziegel,  erst  um  280  v.  Chr.  jedoch  verschwinden  die  Schindel- 
dächer.2)  Damit  hängt  eine  andere  folgenreiche  Neuerung  zusammen. 
Das  Landrecht  von  450  bestimmt  dafs  die  Häuser  durch  einen  Ab- 
stand von  2V2'  für  die  Dachtraufe  getrennt  seien;  später  haben  sie 
durchgehends  gemeinsame  Zwischenwände  für  die  das  Gesetz  eine 
Stärke  von  IV2'  vorschreibt. 3)  Die  hierin  liegende  bedeutende 
Raumersparnifs  wird  dadurch  erzielt  dafs  das  tuscanische  Atrium 
das  den  Regen  durch  eine  Oeffnung  des  einwärts  geneigten  Daches 
im  Inneren  des  Hauses  zusammenfliefsen  läfst,  an  die  Stelle  des 
bisher  üblichen  Giebeldachs  tritt.  Man  darf  vermuten  dafs  der 
Neubau  von  390  diesen  Umschwung,  den  Uebergang  von  der  offenen 
zur  geschlossenen  Bauart  veranlafst  hat.  Wenn  hiermit  dem  Wachs- 
tum der  Bevölkerung  Rechnung  getragen  wird,  so  geschieht  dies 
in  noch  höherem  Mafse  durch  die  Entwicklung  des  Hochbaus.  Die 
Annalisten  weisen  in  glaubhafter  Weise  bereits  dem  tarquinischen 
Königshause  ein  Obergeschofs  zu. 4)  Aber  naturgemäfs  sind  es  die 
Geschäftsgegenden  die  den  Raum  zu  vervielfältigen  in  die  Höhe 
streben:  am  Ochsenmarkt  gab  es  218  v.  Chr.  dreistöckige  Häuser; 
bei  der  Besiedelung  des  Aventin  456  soll  das  Rechtsverhältnifs  nach 
welchem  die  einzelnen  Stockwerke  verschiedenen  Eigentümern  ge- 
hörten, zur  Anwendung  gelangt  sein.^)  —  Ein  Zeugnifs  für  die 
allmäliche  Verdrängung  der  Ackerwirtschaft  aus  den  Mauern  und 
die  fortschreitende  Ausbildung  städtischer  Wohnweise  erkennen  wir 
in  dem  Umstand  dafs  der  Gebrauch  des  Wagens  je  länger  desto 
mehr  beschränkt  wird.  Die  Enge  der  Strafsen  macht  es  begreif- 
lich, dafs  die  Gesetzgebung  um  dieselben  frei  zu  halten  schon  sehr 
früh  zum  Einschreiten  genötigt  wurde.  Man  wufste  in  Rom  dafs 
die  höheren  Beamten  einst  in  der  Stadt  fuhren,  dafs  sie  auch  nach 


1)  Vgl.  Pomp.  Studien  25. 

2)  Pomp.  Stud.  23. 

3)  Pomp.  Stud.  79.  567.  630.     Die  communio  parietum  wird  durch  Nero 
untersagt  Tac.  Ann.  XV  43. 

4)  Liv.  I  41  Dion.  H.  IV  5. 

5)  Liv.  XXI  62  XXXVI  37  XXXIX  14  Dion.  H.  X  32. 


§  3.    Die  Stadterweiterung.  509 

Ablauf  ihres  Amis  zu  den  Senalssitzungen  fahren  durften:  aber 
dies  Vorrecht  ist  beseitigt  worden  bevor  es  eine  ausführHche  Chronik 
gab;  denn  die  Chronik  verzeichnete  nur  einen  einzigen  Fall  vom 
J.  241  wo  die  entsprechende  Erlaubnifs  dem  blinden  Pontilex 
Metellus  vom  Volk  ertheilt  ward.i)  Was  der  Freistaat  den  Männern 
untersagte,  gewährte  er  gleichwol  den  Frauen:  als  Entgelt  für  die 
fromme  Hingabe  ihres  Coldschmucks  wurde  ihnen  395  gestaltet  an 
Festtagen  vierräderig,  Werktags  zweiräderig  durch  die  Stadt  zu  fahren. 
Sie  behaupteten  dieses  Vorrecht,  von  einer  kurzen  Unterbrechung 
(215 — 195)  abgesehen,  bis  auf  die  Monarchie.^)  Das  46  erlassene 
Stadtrecht  Caesars  schliefst  mit  wenigen  Ausnahmen  jeglichen 
Wagenverkehr  innerhalb  der  bewohnten  Fläche  für  die  Geschäfts- 
zeit von  Sonnenaufgang  bis  zur  zehnten  Tagesstunde  aus.  Erst  im 
3.  und  4.  Jahrhundert  n.  Chr.,  seitdem  die  Strafsen  Roms  ent- 
völkert waren,  verlor  das  strenge  Fahrverbot  seine  bindende  Kraft. 

§  3.    Die  Stadterweiterung. 

Die  palatinische  Gründung  des  Romulus,  wenn  wir  der  Tra- 
dition folgen,  ist  durch  den  Anschlufs  von  Vororten  bis  zu  dem 
Umfang  gewachsen  den  die  servianische  Mauer  anzeigt.  Auch  dies 
gewaltige  Werk  wird  bald  nach  seiner  Errichtung  durch  die  treiben- 
den Kräfte  des  römischen  Staats  bedroht.  Zunächst  am  Tiber 
breitet  sich  der  Verkehr  aufserhalb  der  schützenden  Thore  aus. 
Vor  der  Porta  Trigemina  am  Aventin  ist  ein  Stapelplatz  für  Salz 
von  Ostia  und  bereits  im  5.  Jahrhundert  auch  für  Getreide  nach- 
weisbar. 3)  Nach  Norden  im  Marsfeld  werden  die  navalia  Docks  für 
die  Kriegsmarine  zuerst  338  erwähnt.^)  Eine  ganze  Reihe  von 
Tempeln  ausländischer  Götter  werden  im  Umkreis  der  Stadt  erbaut 
und  geben  den  Kern  neuer  Ansiedlungen  ab.  Das  Vorrücken  nach 
Norden  wird  durch  die  Tempel  der  Bellona  495  und  des  Apollo 
431  eingeleitet;  291  nimmt  Aesculap  von  der  etwa  300  m  langen 
Tiberinsel  Besitz.  Im  Süden  liegt  ein  alter  3Iarstempel  eine  reich- 
liche Millie  vor  Porta  Capena:  der  Zwischenraum  zwischen  Thor 
und  Tempel  beginnt  schon  im  4.  Jahrhundert  ausgefüllt  zu  werden. 


1)  Fest.  49  Gell.  N.  A.  III  18,4  Plin.  VII  141. 

2)  Liv.  I  48  V  25  XIX  XXXIV  1.  8  Fest.  245  Pol.  XXXII  12,4  Suet.  Tib.  2. 

3)  Frontin  aqu.  5  Liv.  IV  16. 

4)  Liv.  Vm  14  vgl.  III  26. 


610  Kapitel  IX.     Rom. 

Seit  der  Eroberung  Campaniens  nämlich,  im  Zeitalter  der  Samniter- 
kriege  dehnt  sich  die  Stadt  nach  dieser  Himmelsgegend  aus:  312 
wird  die  Via  .\ppia  die  älteste  römische  Kunststrafse  nach  Capua 
geführt;  ihr  Urheber  der  Censor  Appius  Claudius  hat  zugleich  die 
erste  römische  Wasserleitung  geschaffen.  Die  11  Millien  lange 
unterirdische  aqua  Appia  die  über  den  Aventin  nach  Porta  Trige- 
mina  läuft  und  hier  endigt,  versorgt  im  Süden  die  plebejischen 
Viertel  innerhalb  wie  aufserhalb  der  Mauer.  Nach  dem  Krieg  mit 
Pyrrhos  wird  die  gleiche  Wolthat  dem  Esquilin  zu  Theil  durch  die 
Anio  vetus  genannte  Leitung,  die  in  den  J.  272 — 261  erbaut  43 
Millien  weit  Gebirgswasser  aus  dem  Anio  herschaffte.  Als  die 
Römer  in  Sicilien  und  Sardinien  festen  Fufs  gefafst  hatten,  sodann 
den  Po  und  die  Alpen  als  Landesgrenze  in  Aussicht  nahmen,  er- 
folgt der  entscheidende  Schritt  zur  Erweiterung  der  Stadt  durch 
das  Marsfeld.  Vor  Porta  Carmentalis  lag  bereits  der  Gemüsemarkt 
(forum  olitorium),  und  das  Flufsufer  wurde  je  länger  desto  mehr 
von  Gebäuden  eingerahmt.  Aber  die  Censur  des  Gaius  Flaminius 
220  verlieh  der  im  Entstehen  begriffenen  Vorstadt  durch  die  An- 
lage des  circus  Flaminius  einen  ähnlichen  centralen  Platz  wie  die 
Altstadt  im  circus  maximus  besafs,  und  schuf  ihr  in  der  via  Flami- 
nia  ein  festes  Rückgrat.  Unter  allen  Strafsen  Roms  steht  die 
Flaminia  einzig  und  allein  der  Appia  an  Redeutung  nach,  wie  sie 
denn  auch  als  deren  nördliche  Fortsetzung  aufgefafst  werden  kann. 
Ihr  Anfang  vom  Capitol  ab  heifst  via  lata  jetzt  Corso,  und  ist  die 
Hauptverkehrsader  des  Marsfeldes  im  Altertum  nicht  minder  als  in 
der  Neuzeit.  41/2  km  vom  Capitol  überschreitet  sie  auf  dem  pons 
Mulvius  Ponte  Molle  den  Tiber:  der  ersten  oder  zweiten  Rrücke 
welche  aufserhalb  des  Mauergürtels  geduldet  wurde. i)  Man  kann 
Dämlich  vermuten  dafs  die  Insel  —  inter  duos  pontes  heifst  sie 
öfters  —  seit  ihrer  Weihung  an  Aesculap  mit  den  beiden  Ufern 
eine  feste  Verbindung  gehabt  habe. 2) 

Durch  die  ringsum  anschliefsenden  Vororte  ist  die  Entfestigung 
Roms  angebahnt  worden.  Indessen  geht  es  damit  äufserst  lang- 
sam, und  erst  am  Ausgang  der  Republik  hat  die  von  den  Königen 
errichtete  Wehr  ihre  militärische  Bedeutung  eingebüfst.  Im  hanni- 
baUschen  Kriege  217.  212  werden  Mauer  und  Thürme  ausgebessert. 3) 

1)  Liv.  XXII  8  XXVII  51  Zonar.  VIII  25. 

2)  Zuerst  192  erwähnt  Liv.  XXXV  21. 

3)  Liv.  XXn  8  XXV  7. 


§  3.     Die  Stadterweiterung.  511 

Nach  überstandener  Gefahr  als  nirgends  ein  Feind  mehr  drohte, 
dringen  an  der  Innen-  und  Aiifsenseite  Hänser  an  die  Mauer  her- 
an.i)  Die  beiden  Hauptwerke  auf  dem  Esquilin  und  Janiculum 
bleiben  sturmfrei  erhalten;  im  Uebrigen  mufs  Rom  87  gegen  Cinna 
und  Marius  durch  neue  Schanzen  gedeckt  werden  2),  nicht  der 
Mauerkampf  sondern  die  Feldschlacht  entscheidet  82  und  in  den 
späteren  Kriegen  über  sein  Schicksal.  Wie  schwer  die  Regierung 
sich  dazu  verstanden  hat  den  Anforderungen  des  Verkehrs  gehorchend 
die  Festung  zu  entwaffnen,  zeigt  ihr  Verhalten  im  Brückenbau. 
Der  Tiber  gilt  seit  Alters  mit  Recht  als  Schützer  und  Schirmer: 
so  sehr  alles  darauf  hindrängte  das  rechte  Ufer  in  den  Kreis  des 
städtischen  Lebens  hineinzuziehen ,  beschränkt  sich  die  ältere  Zeit 
auf  drei  feste  Verbindungen ,  und  alle  drei  der  Pons  Sublicius 
innerhalb  wie  die  Inselbrücke  aulserhalb  des  Thores  endlich  die 
Mulvische  im  Norden  sind  aus  Holz  erbaut,  können  mithin  in 
kürzester  Frist  abgebrochen  werden.  Weniger  durch  Menschenhand 
als  durch  die  Elemente  sind  diese  spärlichen  Verbindungen  oft 
genug  zerstört  worden,  z.  B.  wird  der  Pons  Sublicius  am  Ochsen- 
markt in  den  J.  60.  32.  23  v.  Chr.  69  n.  Chr.  von  den  Fluten  fort- 
gerissen.3)  Er  hatte  den  ganzen  Verkehr  der  servianischen  Alt- 
stadt mit  dem  jenseitigen  Ufer  zu  bewältigen  und  wird  trotzdem 
einer  eingerosteten  Satzung  zu  Liebe  nach  jedem  Einsturz  ohne 
Verwendung  von  Erz  und  Eisen  neu  gezimmert.^)  Um  ihn  zu  ent- 
lasten und  zugleich  dem  Hochwasser  wirksamer  zu  begegnen  wird 
oberhalb  in  seiner  unmittelbaren  Nähe  der  steinerne  pons  Aemilius 
Ponte  Rotto  erbaut:  die  Pfeiler  werden  179  eingesenkt,  aber  bis 
zu  ihrer  Ueberwölbung  142  lälst  die  Regierung  mehr  als  ein 
Menschenalter  verstreichen. 5)  Es  dauert  ein  weiteres  Menschenalter 
bevor  die  Mulvische  Brücke  110  in  Stein  hergestellt  wird. 6)  Dann 
kommt  62  die  Inselbrücke  pons  Fabricius  an  die  Reihe. '^)     EndHch 


1)  Wie  aus  Fest.  249  hervorzugehen  scheint. 

2)  Appian  b.  civ.  1  67  oi  vnarot  xo   fiev  aarv  raf^ote  xaL  zeixdjv  dni- 
axevdis  (oxvqovv  xal  /urixavTjuaTa  ifiaravov  vgl.  c.  92. 

3)  Dio  XXXVII  58  L  8  LUI  33  Tac.  Hist.  I  86  vita  Anton.  Pii  8. 

4)  Varro  LL.  V  83  Dion.  H.  III  45  Plut.  Numa  9  Plin.  XXXVI    100  Ovid 
Fast.  V  622. 

5)  Liv.  XL  51  Plut.  Numa  9  in   AtutXiov  ra/uievovroe  vgl.  den  Denar  bei 
Mommsen  Münzw.  N.  124. 

6)  Aur.  Victor,  v.  ili.  72  Ammian  XXVII  3,9. 

7)  Dio  XXXVII  45  CIL.  I  600. 


512  Kapitel  IX.     Rom. 

hat  M.  Agrippa  mit  den  veralteten  Anschauungen  völlig  gebrochen, 
als  er  160  m  oberhalb  Ponte  Sisto  zwischen  der  rechts-  und  links- 
seitigen Neustadt  einen  weiteren  Uebergang  schuf.  lu  der  Tliat 
war  Rom  schon  vorher  rechtlich  als  ofleue  Stadt  anerkannt  worden : 
den  ersten  uns  erhaltenen  Ausdruck  davon  finden  wir  in  dem  cae- 
sarischen Municipalgesetz  von  46,  das  den  Umfang  Roms  nicht 
durch  die  Mauer  sondern  durch  die  städtische  Wohnweise  bestimmt 
(nbei  continente  habitatur).  Damit  war  der  Untergang  der  alten 
Festungswerke  besiegelt;  wie  mit  so  vielen  Wällen  in  der  Neuzeit 
geschehen  ist,  dient  die  mächtige  Wehr  auf  dem  EsquiHn  fortan 
als  öfl'enthcher  Spaziergang. i) 

Die  iMauer  ist  nicht  die  einzige  Fessel,  welche  die  freie  Ent- 
faltung der  wirtschaftlichen  Kräfte  hinderte.  Auch  das  Pomerium 
die  städtische  Freigrenze  hat  ihren  Spielraum  eingeengt.  Von  Hause 
aus  der  freie  Platz  zu  beiden  Seiten  der  Mauer,  den  die  Ver- 
theidigung  erheischt,  ist  der  Begriff  schon  unter  den  Königen  von 
seiner  ursprünglichen  Beziehung  losgelöst  und  als  Grenze  ver- 
schiedener Rechtsgebiete  aufgefafst  worden  (S.  504).  Durch  die 
Entwicklung  der  Volksfreiheit  gegenüber  der  Magistratur  verliert 
der  Gegensatz  zwischen  beiden  seine  ursprüngliche  Schärfe.  Aber 
noch  die  Monarchie  bindet  sich  an  die  äufseren  Formen  des  Stadt- 
friedens: der  Kaiser  trägt  daheim  die  Toga  statt  des  Feldherrn- 
mantels, seine  Lictoren  führen  zwar  Beile  im  Bündel,  doch  sind 
die  Beile  wie  beim  Triumph  mit  Lorbeer  verhüllt,  die  Garde  lagert 
aufserhalb  des  Pomerium,  die  Palastwache  zieht  im  Bürgerkleid, 
nicht  im  Kriegskleid  auf.  Desgleichen  bleibt  die  Vorschrift  in 
Kraft,  dafs  Fremde,  Götter  wie  Menschen,  vom  Wohnsitz  innerhalb 
des  Pomerium  ausgeschlossen  sind.  In  den  Fremdenvierteln  greift 
die  Polizeigewalt  mit  geringerer  Rücksicht  ein  als  der  Bürger  be- 
ansprucht. Wichtiger  ist  die  auf  ihnen  vielfach  lastende  Beschrän- 
kung des  Eigentums.  Der  Grund  und  Boden  im  Umkreis  der 
Mauer  gehört  in  ausgedehntem  Mafse  der  Gemeinde,  kann  vvol  mit 
oder  ohne  Rente  zur  Bebauung  überlassen,  aber  nach  jeglicher 
Verjährungsfrist  wieder  eingezogen  werden.  Wie  sehr  dies  Rechts- 
verhältnifs  in  die  Baugeschichte  eingegriffen  hat,  vermögen  wir  mehr 
zu  ahnen  als  klar  nachzuweisen.  Während  der  ganzen  älteren  Zeit 
von  König  Servius  bis  Sulla  ist  die  Freigrenze  unverändert  geblieben. 

1)  Hör.  Sat.  I  8,15. 


§  3.    Die  Stadterweiterung.  613 

Nachdem  88  v.  Chr.  für  die  KriegsrüstuDg  gegen  Mithridat  die 
Liegenschaften  am  Capitol  (S.  506)  um  9000  Pfund  Gold  (8  Million 
Mark)  losgeschlagen  worden  waren,  rückt  dieselbe  zum  ersten  Mal 
vor.  Die  Monarchie  hat  sich  minder  spröde  gezeigt:  von  Caesar 
Augustus  Claudius  Nero  Vespasian  Traian  Aurelian  wird  die  Er- 
weiterung des  Pomerium  überliefert. 

Die  Sage  läfst  König  Romulus  ein  Asyl  eröffnen  um  Einwohner 
für  seine  Gründung  anzulocken,  das  geschichtliche  Rom  hat  mit 
gewaltsamen  Mitteln  den  Andrang  abzuwehren  gesucht.  Die  Ueber- 
lieferung  erwähnt  zuerst  187  v.  Chr.  als  12  000  Latiner  ausgewiesen 
wurden,  die  einreifsende  Uebervölkerung.i)  Fortan  ist  dies  Uebel 
bis  zum  Ausgang  des  Altertums  ohne  bleibenden  Erfolg  bekämpft, 
worden.^j  Zur  Entfernung  der  Latiner  und  Fremden  genügte  ein 
Machtwort  der  Magistrate  3) ;  gegen  die  Orientalen  wurde  gelegent- 
lich mit  äufserster  Härte  eingeschritten  4);  insonderheit  mufsten  die 
Nichtrömer  bei  drohender  Theuerung  die  Stadt  räumen.^)  Anders 
verhielt  es  sich  mit  den  Bürgern :  für  An-  und  Abziehende  bestand 
allerdings  die  Meldepflicht  beim  Consul  oder  Praetor  6) ;  aber  keine 
gesetzliche  Schranke  hinderte  oder  erschwerte  die  Einwanderung. 
Deshalb  ergofs  sich  aus  der  bürgerlichen  Bevölkerung  ein  ungleich 
stärkerer  Strom  nach  der  Hauptstadt  als  aus  der  Fremde.  Da  Rom 
Sitz  der  Gerichte  der  Regierung  und  Verwaltung  ist,  da  die  ver- 
schiedenen Seiten  des  Staatslebeus  einen  bedeutenden  Aufwand  an 
Personen  beanspruchen,  so  mufs  eine  jede  Vermehrung  der  Bürger- 
schaft zugleich  die  Einwohnerzahl  steigern.  Vollends  nach  dem 
Erwerb  der  Provinzen,  als  der  Thron  der  Herrschaft  und  der  erste 
Geldmarkt  der  Welt  hier  aufgeschlagen  wurde,  ging  die  Erweiterung 
der  Stadt  mit  derjenigen  des  Reiches  Hand  in  Hand.  Das  aus  dem 
Reich  erprefste  Capital  trieb  den  Bauer  von  seiner  Hufe,  der  Bauer 
suchte  naturgemäfs  seine  Zuflucht  in  der  Stadt.  Wol  blühten  zu 
Rom  verschiedene  Gewerbe  welche  an  die  Landschaften  Tuch- 
Metall-   und   Thonwaaren  absetzten. 'j     Aber  der   Wettbewerb   des 

1)  Liv.  XXXIX   3  iatn  tum  muUitudine  alieuigenarum  urbem  onerantt. 

2)  R.  Pöhlmann,  DieUebervölkerung  der  antiken  Grofsstädte  im  Zusammen- 
hang städtischer  Givilisation  dargestellt,  Preisschr.  Leipzig  1884.  4. 

3)  Liv.  XLI  9  XLII  10  Cic.  pro  Sest.  3U  Off.  III  47  Dio  XXXVII  9. 

4)  Tac.  Ann.  II  85  Suet.  Tib.  36. 

5)  Dio  LV  26  Suet.  Aug.  42  Gros.  VII  3,6  Atimian  XIV  6,19  XXVIII  4,32. 

6)  Cic.  pro  Archia  7  fg.  CIL.  I  2U6,lfg.  Rhein.  Mus.  XLV  103. 

7)  Cato  RR.  135. 

Nissen,  Ital.  Landeskande.    II.  33 


514  Kapitel  IX.     Rom. 

Capitals  und  der  Sklavenarbeit,  der  Makel  der  an  dem  Handwerk 
haftete,  veisperrte  den  brotlosen  Bauern  die  Unterkunft  die  sie  bei 
der  analogen  Entwicklung  Englands  in  den  Fabriken  gefunden 
haben.  Die  darbende  Menge  forderte  ihren  Antlieil  an  den  Früchten 
der  Herrschaft,  wie  sie  ihn  seit  Alters  durch  Gründung  von  Colonien 
empfangen  halte.')  Als  die  Regierung  keinen  Acker  mehr  verfüg- 
bar halte,  und  Tiberius  Gracchus  sie  eines  Besseren  belehren  wollte, 
da  slrümten  nach  den  Worten  eines  alten  Gewährsmannes  die 
Massen  vom  Lande  nach  Rom  zusammen  wie  Flüsse  in  das  all- 
umfassende Meer;  nach  dem  Zeugnifs  eines  Zeitgenossen  liefs  sich 
der  Volksführer  während  seines  Tribunals  von  einem  3 — 4000  Mann 
starken  Gefolge  geleiten. 2)  Vollends  nachdem  sein  Bruder  die 
Kornvertheilung  an  die  hauptstädtische  Plebs  eingerichtet  hatte,  und 
die  Republik  ihrem  Verderben  rettungslos  entgegen  trieb,  machte 
sich  nicht  allein  das  Gesindel  aus  der  ganzen  Halbinsel  auf  den 
Weg,  auch  der  Tagelöhner  liefs  Weinberg  und  Saalfeld  im  Stich 
um  in  Rom  die  Welt  regieren  zu  helfen  und  zu  faulenzen. 3)  Aufser- 
dem  trug  die  Gewinnsucht  der  Herren  welche  ihre  Sklaven  frei 
hefsen  um  durch  deren  Vermittlung  von  den  üffenthchen  Spenden 
Nutzen  zu  ziehen,  zur  Vermehrung  des  Proletariats  bei  (S.  124).^) 
So  waren  schliefslich  unter  Caesar  320000  Bürger  in  die  Listen 
der  Getreideempfänger  eingetragen:  in  den  ersten  beiden  Jahr- 
hunderten unserer  Zeilrechnung  ist  die  Ziffer  kaum  unter  200000 
gesunken.^)  Neben  dem  Ungeheuern  Wachstum  der  freien  Ein- 
wohnerschaft nahm  auch  die  unfreie  stetig  zu:  leider  fehlen  be- 
stimmte Angaben  um  die  Kopfzahl  des  im  Dienst  der  Begüterten 
verwandten  Gesindes  sowie  der  öffentlichen  und  privaten  Arbeit- 
sklaven zu  schätzen  (S.  119).  Immerhin  erscheint  es  dem  in  den 
nordischen    Anschauungen    der    Gegenwart    befangenen    Betrachter 


1)  Liv.  III  1  IV  47  VI  16  VIII  16X6  Dlon.  H,  VI  44  VII  13.  28  IX  59  Piut. 
Coriol.  12  Pol.  II  21,8. 

2)  Diod.  XXXIV  6  Asellio  bei  Gell.  N.  A.  II  13. 

3)  Sallust  Cat.  37  iuvenlus  quae  in  agris  manuum  mercede  inopiam  tole- 
raverat,  privatis  atque  publicis  largiliunibus  excila  urbanum  otium  ingraio 
labori  praetulerat.  Appian  b.  civ.  II  120  tö  le  aiiTjqiat.ov  toIs  nivr,at.  x^QV' 
yovfievov  iv  ftovrj  'Pco/itj  tov  aQyov  xal  TixcaxBVOvra  xai  raxvspyov  r/js 
^IjaXiae  Xecov  is  xfjv  'Pcüfirjv  inäyerat. 

4)  Dion.  H.  IV  24  Suet.  Aug.  42. 

5)  Suet.  Caes.  41  Flut.  Caes.  55  Mon.  Ancyr.  c,  15  Dio  LXXVI  1, 


§  3.    Die  Statiterweiterung.  515 

ein  wahres  Rätsel  wie    die  im  republikanischen  Rom  zusammenge- 
pferchte Menschenmenge  ihr  Obdach  gefunden  hat. 

So  lange  Rom  den  Charakter  als  Festung  bewahrte,  d.  h.  bis 
in  die  sullanische  Zeit  war  der  Haupttheil  der  Bevölkerung  auf  die 
Altstadt  beschränkt.  Einer  wirksamen  Entlastung  durch  die  Vorstädte 
stand  auf  dem  Esquilin  der  Wall  des  Servius,  gegenüber  dem  Mars- 
feld der  schroffe  Rücken  des  Capitol,  gegenüber  dem  rechten  Flufs- 
ufer  die  Unzulänglichkeit  der  Brücken  im  Wege.  Die  eigenthche 
Geschäftsgegend  gaben  die  enlsumpften  Niederungen  am  Fufs  der 
Hügel  ab.  Aber  um  auf  das  Forum  im  Herzen  der  Stadt  aus 
weiter  Ferne  den  Strom  des  täglichen  Lebens  hin  und  her  zu 
leiten,  um  Geschäft  und  Wohnung  von  einander  zu  trennen,  wie 
London  und  andere  Grofsstädte  durch  die  modernen  Verkehrsmittel 
erreicht  haben,  dazu  fehlten  nicht  weniger  als  alle  Vorbedingungen. 
Es  genügt  auf  die  Beschaffenheit  der  Strafsen  hinzuweisen.  Die 
Canalisirung  war  184,  die  Anlage  von  Gangsteigen  sowie  die 
Pflasterung  des  Fahrdamms  174  v.  Chr.  theils  durchgeführt  theils  an- 
gebahnt worden.^)  Aber  die  Strafsen  waren  viel  zu  eng  um  einen  regen 
Wagenverkehr  zu  gestatten. 2)  Der  Sprachgebrauch  erkannte  inner- 
halb der  Altstadt  nur  2  als  viae  Fahrwege  an ,  die  Sacra  via  und 
die  Nova  via  auf  dem  Palatin,  während  alle  übrigen  als  vi«  be- 
zeichnet wurden.  Man  mufs  annehmen  dafs  die  Kaiserzeit  eine 
durchgängige  Verbreiterung  bewirkt  hat,  und  doch  messen  die  vor- 
handenen Reste  im  Mittel  nur  4  m,  für  die  Hauptstrafsen  6 — 7  m.  Es 
klingt  schier  unglaubUch  dafs  dieser  dürftige  Raum  von  den  Anliegern 
durch  vorspringende  Tabernen  und  Erker  weiter  verkürzt  wurde, 
wogegen  die  Polizei  des  öfteren  einschreiten  mufste.3)  Bezüghch 
der  freien  Bewegung  ihrer  Ellbogen  waren  die  Quiriten  eben  ge- 
nügsame Leute.  Um  170 — 160  v.  Chr.  bewohnten  16  Aelier  mit 
Weib  und  Kind  zusammen  ein  Häuschen,  und  des  AemiHus  Paullus 
Tochter  trug  kein  Bedenken  in  derartige  Wirtschaft  einzuheiraten.'*) 
Um  dieselbe  Zeit  wird  die  Höbe  der  Mieten  erwähnt,  unter  Caesar 
betrug  sie  im  Durchschnitt  das  Vierfache  des  in  italischen  Städten 


t)  Liv.  XXXIX  44  XLI  27. 

2)  Cic.   de   lege   agr.   2,96  Tac.   Ann.  XV  38  Seneca  Controv.  II  1,11  Ju- 
venal  3,236. 

3)  Liv.  XXXIX  44  Martial  VII  61  Herodian  VII  12,5  Ammian  XXVII  9,10. 
V                  4)  Plut.  Aem.  Paul.  5,4  Val.  Max.  IV  4,8. 

33* 


516  Kapitel  IX.    Rom. 

ilbliclien  SatzesJ)  Die  ungeheuere  Nachfrage  führt  eine  Umwälzung 
der  römischen  Besitz-  und  Wohnverhältnisse  herbei.  Aehnlich  wie 
die  Bauerhufen  von  den  Latifundien,  werden  die  Bürgerhäuser  von 
den  Mietcasernen  verschlungen  (S.  46).  Der  städtische  Wohnraum 
fallt  dem  Grofscapital  als  Beute  anheim,  wird  ohne  Erbarmen  aus- 
genutzt und  zum  Gegenstand  einer  wüsten  Speculation  gemacht.2) 
Das  Geld  verzinst  sich  hier  bedeutend  besser  als  bei  der  Anlage  in 
ländlichen  Grundstücken,  ist  freilich  auch  gröfserer  Gefahr  ausge- 
setzt.3)  Von  Brand  und  Einsturz  abgesehen,  kommt  es  sogar  ver- 
einzelt vor  dafs  auf  das  Drängen  der  Masse  hin  eine  Jahresmiete 
von  der  Begierung  erlassen  wird.4)  Immerhin  wird  durch  derartige 
Zwischenfälle  der  Schwung  des  Geschäftes  nur  vorübergehend  ge- 
stört. Der  Grund  und  Boden  erreichte  Preise  wie  sie  in  unseren 
heutigen  Weltstädten  gezahlt  werden.  So  kam  die  Baustelle  von 
Caesars  Forum  in  der  wertvollsten  Gegend  auf  100  Millionen  Sesterzen 
(21  3/4  Mill.  Mark)  zu  stehen  d.  h.  bei  rund  9000  Dm  der  Quadrat- 
meter auf  2400  Mark. 5)  Vielleicht  der  fünffache  oder  ein  noch 
höherer  Betrag  mufste  54  v.  Chr.  für  den  Erwerb  der  an  der  Nord- 
seite des  Forums  belegenen  Tabernen  aufgewandt  werden. ß)  Bei 
dem  Hause  auf  dem  Palatin  das  Cicero  für  3^2  Millionen  von 
Crassus  gekauft  hatte,  wurden  nach  amtlicher  Schätzung  II/2  Million 
43  Procent  des  Wertes  für  die  Grundfläche  gerechnet '^);  setzen  wir 
solche  zu  1000,  höchstens  2000  Dm  an,  so  ergiebt  sich  ein  Preis 
von  2  —  300  Mark  für  den  Meter.  Die  Ursache  für  das  späte  Auf- 
treten von  Palästen  in  Rom  ist  vornehmlich  in  dem  hohen  Boden- 
wert zu  suchen :  erst  nachdem  durch  die  allmäliche  Auflassung 
der  Festungswerke  I^uft  geschafft  war,  konnte  der  Palastbau  der 
im  Altertum  sich  in  der  Ausdehnung  der  Grundfläche  bethätigt, 
zur  freien  Entfaltung  gelangen. 

Die  Weltherrscherin  galt  den  Fremden  als  eine  häfsliche  Stadt.S) 


1)  Diod.  XXXI  18  Dind.  Suet.  Caes.  38  Juvenal  3,225. 

2)  Sltab.Y  2'ib  fieran^aasie  aSidXsiTiTOi  xal  aiirai  ovaaiGic.ai  Qu.fr.Il3,7. 

3)  Gic.  Off.  II  88  Gell.  N.  A.  XV  1,3.  Cicero  zieht  aus  seinen  Mielhäusern 
SU  000  Sesterzen  ad  Att.  XVI  1,5  XII  32.  Ertrag  einer  Insula  60  000  Dig.  XIX 
2,7  und  40  0UÜ  eb.  30. 

4)  Caes.  b.  civ.  III  21  Cic.  Off.  II  83  Suet.  Caes.  38  Dio  XLII  51  XLVIII  9. 

5)  Suet.  Caes.  26  Plin.  XXXVI  103. 

6)  Cic.  ad  Att.  IV  16,8  vgl.  Suet.  Aug.  56. 

7)  Cic.  ad  Fam.  V  6,2  Att.  IV  2,5. 

8)  Liv.  XL  5. 


§  3.     Die  Stadterweiterung.  517 

Man  wird  auf  die  verrufeosten  Gegenden  der  Neuzeit,  die  Heimstätten 
von  Elend   und  Siechtum   wie   das  Gängeviertel   in   Hamburg   oder 
die  alten  Theile  Neapels  zurückgreifen  müssen  um  ihren  Eindruck 
zu    veranschaulichen.      Ein    Haus    im    ursprüngUchen    Sinne    des 
Wortes   d.  h.   ein  Erdgeschofs    zu  bewohnen    ist   ein  Vorrecht  der 
Reichen    geworden,   der   grofse  Haufe   ist   auf  die   Mietgelasse  die 
insulae  angewiesen. i)    Vergleichsweise  günstig  sind  die  Krämer  und 
Handwerker   daran   welche   die  jetzt   alle   Gassen    und  Durchgänge 
einfassenden    Tabernen   bevölkern.     Aber  solcher  Gunst    erfreuen 
sich   nur  die  Patricier  der  Plebs.     Bei  einer  Dichtigkeit   der  Be- 
völkerung die  1500  Köpfe  auf  den  Hektar  (das  Vierfache  des  heutigen 
Köln  innerhalb    der  früheren  ümwallung)   in    der  Altstadt  erreicht 
oder   überschritten    haben    mag,    waren    die   nötigen   Wohn-   oder 
richtiger  gesagt  Schlafstellen   nur   durch   gewaltige   Steigerung   des 
Hochbaus  (S.  508)  zu  gewinnen.    Dagegen  haben  einsichtige  Staats- 
männer seit  Beginn  des  letzten  Jahrhunderts  v.  Chr.  mit  weWichen 
und  kirchhchen  Mitteln  erfolglos  aogekämpft.^)  Augustus  beschränkte 
die  für  Neubauten  an  öflentlichen  Strafsen  zulässige  Höhe   auf  70' 
21  m,  Traian  ging  bis  auf  60'  18  m  herunter.3)     Es  liegt  auf  der 
Hand  dafs  dies  Mafs  in  Wirkhchkeit,  insonderheit  bei  Hintergebäuden 
weit  überschritten  wurde.^)     Zieht  man  die  heutigen  Bauordnungen 
europaeischer  Hauptstädte  zum  Vergleich  heran,   so  erscheinen  die 
Höhengrenzen  durchweg    niedriger  gesteckt,   und   zwar  richten  sie 
sich  nach  der  Stralsenbreite:  z.B.  gestattet  Paris  bei  7,80  m  Strafsen- 
breite  11,90  m  Haushöhe,  bei  7,80—9,75  m  Strafse  14,60  m,  bei 
9,75—20  m  Strafse  17,55  m,  bei  20  m  und  darüber  20  m.    An  den 
Pariser  Boulevards  kommt  also  nicht  einmal  die  Haushöhe  vor,  die 
Kaiser  Augustus  für  4  m  breite  Gassen  erlaubt  hat.    Die  Bedeutung 
dieser  Ziffern  für  die  öffentliche  Wolfahrt  ist  jedem  Gebildeten  ge- 
läufig; in  vortrefflicher  Weise  hat  R.  Pöhlmann  die  Ergebnisse  der 
neueren  Volkswirtschaftslehre  zur  Aufhellung  der  socialen  Krankheits- 

1)  0.  Richter,  Herrn.  XX  91  fg.  Attilio  de  Marchi,  Ricerche  intorno  alle  in- 
sulae ©  case  a  pigione  di  Roma  antica,  Milano  inst.  Lonab.  1891. 

2)  Suet.  Aug.  89  Gic.  Off.  111  66. 

3)  Strab.  V  235  Aar.  Victor  ep.  27. 

4)  Am  Capitol  erreichen  70  n.  Chr.  die  angebauten  Häuser  die  Höhe  des 
Sattels  Tac.  Hist.  III  71.  Gell.  N.  A.  XV  1,2.  Die  als  Merkwürdigkeit  von  den 
Stadtbeschreibungen  in  der  neunten  Region  aufgeführte  insula  Feliculae  ist 
eine  Vorgängerin  heutiger  Himmelkratzer  Tertullian  adv.  Valent.  7.  Marl. 
VlI  20,20  wohnt  ein  Client  200  Stufen  hoch.    Juvenal  6,31  Slat,  Silv.  IV  4,14. 


618  Kapitel  IX.     Rom. 

erscheiniingen  im  alten  Rom  verwertet.  Wir  verzichten  darauf  bei 
den  Einzelheiten  des  täglichen  Lebens,  der  Verpestung  der  Luft, 
dem  Schmutz  und  Gestank,  den  steilen  Stiegen,  den  Dachkammern 
und  Kellern,  der  Tyrannei  der  Vermieter,  dem  Laster  und  Ver- 
brechen das  diese  Wohnart  erzeugte,  zu  verveeilen.  Nur  die  be- 
sonderen Hauptzüge  welche  die  Entwicklung  der  Republik  heraus- 
gebildet hat,  sollen  hier  bezeichnet  werden.  Selten  ist  mit  so 
frevelhaftem  Leichtsinn  gebaut  worden.  Der  ungebrannte  Lehmziegel 
den  Pompeji  seit  Alters  verschmähte,  behauptet  sich  bis  zu  einem 
von  Augustus  erlassenen  und  kraftvoll  durchgeführten  Verbot  im 
allgemeinen  Gebrauch,  i)  Dies  Material  gereicht  den  niedrigen  der 
üeberschwemmung  unterworfenen  Quartieren  zum  Verderben  (1323); 
da  es  dem  Wasser  keinen  Widerstand  leistet,  brechen  die  Häuser 
zusammen,  ihre  Insassen  werden  von  den  Fluten  fortgerissen.  Zwei 
andere  Uebel  haben  auch  durch  kaiserliche  Fürsorge  nicht  ausge- 
rottet werden  können.  Die  alte  nach  unserer  Vermutung  vom 
Gallischen  Brande  datirende  Vorschrift  welche  als  Dicke  der  gemein- 
samen Wände  eine  Elle  festsetzt  (S.  62),  blieb  für  den  entwickelten 
Hochbau  in  Kraft.  Es  khngt  schier  unglaubHch  und  wird  doch 
durch  einen  Fachmann  verbürgt  dafs  auf  45  cm  starken  Grund- 
mauern 5 — 6  Geschosse  aufgethürmt  wurden. 2)  Bei  näherer  Er- 
wägung erkennt  man  dafs  zwei  Umstände  dies  ermöghchten:  einer- 
seits ruhte  die  Last  nicht  auf  den  Aufsenwänden  sondern  war  über 
viele  Zwischenwände  gleicher  Stärke  vertheilt;  anderseits  wurde  die 
Last  dadurch  vermindert  dafs  der  ganze  Oberbau  in  leichtem  Hok- 
fachwerk  ausgeführt  war.  Freilich  verschaffte  diese  Bauart  den 
beiden  Würgengeln  Einsturz  und  Brand  in  der  ewigen  Stadt 
Bürgerrecht.^)  W^as  in  geordneten  Ländern  der  Gegenwart  zu  den 
seltensten  Vorkommnissen  gehört,  dafs  ein  baufälliges  Haus  die  Be- 
wohner unter  seinen  Trümmern  begräbt,  ist  hier  bis  zum  Ausgang 


1)  Darauf  bezieht  sich  das  bekannte  Wort  von  der  Umwandlung  der  Lehm- 
in eine  Marmorstadt  Suet.  28  Dio  LVI  30.  Das  Verbot  fallt  vor  der  Abfassung 
von  Vitruv  II  8,1",  also  geraume  Zeit  vor  15  v.  Chr.  Letzte  Erwähnung  der 
Lehmwände  54  v.  Chr.  Dio  XXXIX  61  vgl.  Cic.  Divin.  II  99. 

2)  Vitruv  II  8,16  mit  dem  wichtigen  Zusatz  Plin.  XXXV  173. 

3)  Plut.  Grass.  2,4  ras  avyyevEis  xai  avvoixovs  t^s  Prö/j-rje  xrjQas  ifingr]- 
<f/iois  xal  avvit,r,aEii  Sia  ßaQOi  xai  nXi&oi  oixoSofiTjfidzcov.  Oft  zusammen 
genannt  Strab.  V  235  XIV  670  Plin.  XXXVI  106  Seneca  Ep.  90,43  103,1  CatuU 
23,9  Juvenal  3,6  fg.  190  fg.  Symmach.  Ep.  VI  37,  mehr  bei  Friedländer, 
Silteng.  16  30. 


§  3.    Die  StadterweiteruDg.  519 

des  Altertums   an   der  Tagesordoung   gewesen.     Packend  schildert 
Juvenal  die  Gefahr  die  über  dem  Schlummer  der  Quiriten  schwebte: 
nos  nrbem  colimus  tenui  tibkine  fultam 
magna  'parte  sui;  nam  sie  labentibus  obstat 
■  viltcus,  et  veteris  rimae  cum  texit  hiatum, 
securos  pendente  iubet  dormire  ruina. 
vivendiim  est  Ulk  nbi  nulla  incendia  milli 
nocte  metus.  iam  poscit  aquam,  iam  frivola  transfert 
Vcalegon,  tabnlata  tibi  iam  tertia  fumant: 
tu  nescis;  nam  si  gradibus  trepidatur  ab  imis, 
ultimns  ardebit  quem  tegula  sola  tuetur 
a  pluvia,  molles  ubi  reddunt  ova  columbae. 

Im  Unterschied  von  anderen  Grofsstädten  des  Altertums  und 
der  Gegenwart,  in  Uebereinstimmung  mit  unserem  Mittelalter  war 
Rom  durch  seinen  Holzbau  häufigen  und  verheerenden  Feuers- 
brünsten ausgesetzt.!)  Die  riesige  aus  feuerfestem  Peperin  36  m 
hoch  errichtete  Mauer  durch  die  Augustus  sein  Forum  gegen  die 
Geschäftsgegend  absperrte,  führt  uns  vor  Augen  wie  sehr  der  lauernde 
Feind  gefürchtet  wurde.  Der  Freistaat  trat  ihm  mit  beschämender 
Ohnmacht  entgegen.  Wol  halte  ein  Dutzend  hoher  Beamter  vom 
Consul  abwärts  bei  jedem  Grofsfeuer  zu  erscheinen,  wol  unterhielt 
die  Gemeinde  eine  unfreie  Mannschaft  zur  Hülfleistung,  aber  so 
kläglich  war  das  öffentliche  Löschwesen  bestellt  dafs  es  dem  Wett- 
bewerb der  Grundherren  das  Feld  räumte. 2)  Ein  Speculant  grofsen 
Stils  wie  M.  Crassus  besafs  eine  geschulte  Feuerwehr  von  500  Mann 
mit  der  er  auf  jede  Brandstätte  rückte;  aber  das  Löschen  begann 
erst  nachdem  die  geängstigten  Eigentümer  die  brennenden  und  be- 
drohten Häuser  um  einen  Spottpreis  losgeschlagen  hatten:  auf  diesem 
Wege  brachte  der  Biedermann  den  grüfsten  Grundbesitz  in  Rom 
zusammen.  Seinen  Nachfolgern  legte  freilich  die  Monarchie  das 
Handwerk:  indefs  hat  auch  sie  wegen  der  Enge  der  Gassen  und 
der  Entzündhchkeit  der  Häuser  nicht  diejenige  Sicherheit  erreicht 
die  Lian  nach  dem  Aufgebot  ihrer  Mittel  hätte  erwarten  sollen.  Von 
bedeutenden  Bränden  erwähnt  die  lückenhafte  Chronik  folgende: 


1)  Hirtius  b.  AI.  1  nam  incendio  fere  tula  est  Alexandria,  quod  sine 
contignatione  ac  materia  sunt  aedißcia  et  strucluris  ac  fornicibus  conti- 
nentvr  tectaque  sunt  rudere  aut  pavimenlis  hebt  den  Gegensatz  hervor. 

2)  Dig.  I  15,1  Plut.  Grass.  2,4  Vell.  II  91  Dio  LIII  24  UV  2. 


520  Kapitel  IX.    Rom. 

241  V.  Chr.  am  Forum  und  rings  in  der  Stadt,  viele  Menschen  kommen 

um  Oros.  IV  11,8. 
213  zwei     Nächte    und     einen     Tag    am    ganzen    Flufsufer 

Liv.  XXIV  47. 
210  am  Forum  Nacht  und  Tag  Liv.  XXVI  27. 

203  am  Aventin  Liv.  XXX  26. 

195?  am  Forum  Fest.  241  probrum  vgl.  Liv.  XXXIV  44. 

192  am  Tiber  beim  Ochsenmarkt  Tag  und  Nacht  Liv.  XXXV  40. 

178  am  Forum  Obseq.  8. 

111  grofser  Theil  der  Stadt  Obseq.  39. 

50  14  Vici  gehen  zu  Grunde  Oros.;^VI  14,4  VII  2,11  Obs.  65. 

49  durch  Blitz  Dio  XLI  14. 

32  unbestimmt  Dio  L  8. 

31  am  Circiis  maximus  und  anderwärts  Dio  L  10. 

23  unbestimmt  Dio  LIII  33. 

14  am  Forum  Dio  LIV  24. 

12  auf  dem  Palatin  Dio  LIV  29. 

9  durch  Blitz  Dio  LV  1. 

7  am  Forum  Dio  LV  8. 

3  n.  Chr.  Palatin  Dio  LV  12. 

6  wegen    der   vielen    Brände   wird   die    Wehr   der    Vigiles 

gebildet  Dio  LV  26. 
16  schwerer  Brandschaden  Dio  LVII  16. 

27  Caelius  Tac.  Ann.  IV  64  Suet.  Tib.  48. 

36  Circus   und   Aventin,   Tiberius   schenkt   100  Mill.   Sest. 

Unterstützung  Tac.  Ann.  VI  51  (45)  Dio  LVIII  26.      "" 
38  Caligula  zahlt  Unterstützungen  Dio  LIX  9  Suet.  Cal.  16. 

50?  grofser  Brand  Zonar.  XI  11  Suet.  Claud.  18. 

64  von    den    14   Regionen   bleiben    nur   4   verschont   Tac. 

Ann.  XV  40  Dio  LXII  18. 
80  drei   Tage  und   Nächte   im    Marsfeld    Suet.   Tit.   8  Dio 

LXVI  24. 
ca.  150.        340  Häuser  brennen  ab  vita  Ant.  Pii  9. 
191  Friedenstempel  und  Palatin    Dio   LXXII   24   Herodian  I 

14  Galen  XIII  362  K. 
238  viele   Menschen    kommen    um    Herodian    VII    12,5   vita 

Maximini  20,6  Max.  et  Balb.  9,2. 
unter  Aurelian  Carinus  Maxentius  verzeichnet  der  Chronograph  von 
354  Brände. 


§  3.    Die  Stadterweiterung.  521 

Für  das  Verhältnifs  des  bebauten  Raumes  inoerhalb  der  Alt- 
stadt zum  unbebauten  fehlt  uns  ein  ziffermäfsiger  Ausdruck;  doch 
mufs  es  ein  erschreckend  ungünstiges  gewesen  sein.  Mit  dem 
Wachstum  der  Bevölkerung  macht  sich  deshalb  das  Bestreben  be- 
merkbar lind  zieht  sich  durch  sieben  Jahrhunderte  der  Stadtgeschichte 
hin  den  freien  Raum  zu  vergröfsern,  durch  Niederreifsen  von  Häusern 
dem  öfTentiichen  Leben  Platz  zu  schaffen.  So  wird  das  Capitol 
bereits  384  v.  Chr.  gesäubert.^)  Nicht  lange  darauf  werden  die 
Fleischer  vom  Forum  entfernt  und  in  ein  eigenes  Schlachthaus 
verwiesen. 2)  320  v.  Chr.  erhält  das  Forum  Gallerien;  zu  seiner 
Entlastung  werden  184.  179.  169  v.  Chr.  Häuser  angekauft  und 
die  porcische  fulvische  aemihsche  Basilika  errichtet. 3)  Aber  während 
das  Raumbedürfnifs  andauernd  steigt,  versagen  der  Regierung  die 
Mittel  es  zu  befriedigen,  bis  schliefslich  Caesar  durchgreift  und  aus 
der  gaUischen  Beute  die  Grundfläche  des  Forums  verdreifacht.  — 
Besser  als  mit  Luft  hat  der  Freistaat  seine  Bürger  mit  Wasser  ver- 
sorgt. Für  die  Mietcasernen  reichten  die  vorhandenen  Brunnen 
nicht  aus,  die  zunehmende  Verunreinigung  des  Tibers  war  geeignet 
die  Trinkbarkeit  des  Flufswassers  zu  schmälern. *)  Wenn  daher  in 
den  Samniterkriegen  die  erste,  nach  dem  Sieg  über  Pyrrhos  die 
zweite  künsthche  Leitung  angelegt  war  (S.  510),  so  wurde  144  mit 
einem  Aufwand  von  180  Millionen  Sesterzen  die  62  Millien  lange 
vortreffHche  Aqua  Marcia,  endlich  125  die  Aqua  Tepula  hinzugefügt. 
Freilich  genügte  das  gelieferte  Quantum  den  Ansprüchen  keines- 
wegs, und  was  schlimmer  war,  mit  der  einreifsenden  Anarchie  ge- 
rieten die  Leitungen  in  Verfall. 5)  —  Als  hervorragende  Leistung 
der  Römer  wird  neben  der  Strafsenpflasterung  und  Wasserzufuhr 
auch  die  Anlage  unterirdischer  Abzugscanäle  betrachtet. 6)  Durch 
sie  sind  die  Niederungen  der  Altstadt  und  des  Marsfeldes  entsumpft 
(S.  494),  die  Hügel  ihres  Unrates  entledigt  worden.  Die  Cloaken 
erfüllen  ihre  Aufgabe  noch  heutigen  Tages.  Das  weit  verzweigte 
Netz  ist  von  den  Königen  begonnen,  im  Lauf  der  Zeiten  ausgedehnt 
und  vervollkommnet  worden.     Die  Regierung  hat  nach  dem  hanni- 


1)  Liv.  VI  20  vgl.  V  50  Val.  Max.  VI  3,1  Plut.  Cam.  36,7. 

2)  Pomp.  Stud.  275. 

3)  Liv.  XXXIX  44  XL  51  XLIV  16. 

4)  Vgl.  I  315  A.  4  Frontin  aq.  4. 

5)  Frontin  aq.  9. 

6)  Strab.  V  235  Dion.  H.  III  67  Liv.  I  56  Plin.  XXXVI  104  fg. 


522  Kapitel  IX.    Rom. 

balischen  Kriege  bedeutende  Summen  für  diesen  Zweck  verwandt; 
aber  mit  der  Auflösung  der  Republik  wurden  die  Werke  verwahr- 
lost J)  —  Wie  der  römische  Capitalismus  in  roher  Selbstsucht  be- 
fangen die  üfTentliche  Gesundheit  gefährdete,  zeigt  endlich  die  Be- 
handlung der  Todten.  Während  an  allen  Landstrafsen  Grabmäler 
in  thörichtem  Prunk  mit  den  Pyramiden  wetteiferten ,  nahm  der 
Schindanger  vor  dem  esquilinischen  Thor  die  Masse  der  Armen 
auf.2)  Er  wurde  in  den  dreifsiger  Jahren  v.  Chr.  dem  Maecenas 
überlassen,  mit  einer  8  m  hohen  Erdschicht  verdeckt  und  in  einen 
vielgepriesenen  Garten  umgewandelt.  Darauf  nimmt  die  bekannte 
Schilderung  des  Horaz  Bezug: 

huc  prius  angustis  eiecta  cadavera  cellis 
conservus  vili  portanda  locabat  in  arca; 
hoc  miserae  plehi  stabat  commune  sepulcrum, 
Pantolabo  scurrae  Nomentanoque  nepoti. 
mille  pedes  in  fronte  trecentos  cippus  in  agrum, 
hie  dahat  heredes  monumentum  ne  sequeretur. 
nunc  licet  Esquiliis  habitare  salubribus  atque 
aggere  in  aprico  spatiari,  qua  modo  tristes 
albis  informem  spectabant  ossibus  agrum. 
Der  Dichter  bleibt  hinter  der  Wirkhchkeit  zurück  die  bei  der  1872 
begonnenen  Anlage  des  esquilinischen  Stadtviertels  enthüllt  wurde.^) 
Das  abgesteckte   Feld   war  von   10  m   tiefen  Gruben  durchlöchert: 
Lanciani   hat   deren    75   untersucht.     Menschen  Thiere  Unrat  aller 
Art  war  in  den  Gruben    durch  einander  gehäuft,   trotz  der  langen 
Verwesung  stiegen  ekelhafte  Dünste  die  Arbeit  hindernd  aus  der  Masse 
auf.    Inschriften   mit  wiederholten  Strafandrohungen  kündeten  dafs 
man  kurzer  Hand  auch  auf  den  benachbarten  Grundstücken  Leichen 
ablud.     Es  zeigte  sich  sogar  dafs  der  Graben  der  servianischen  Be- 
festigung  bis   an   den   Rand  mit  Leichen  angefüllt    war:     auf  dem 
kleinen    Stück   von   50  m   Länge    an   dem   die  Thatsache    erkannt 
wurde,  mögen  Zehntausende  gemodert  haben. 

Die  allgemeinen  städtischen  Verhältnisse  erklären  die  Haltung 
der  Bevölkerung  in  der  langen  Uebergangszeit  vom  Freistaat  zur 
Monarchie.  Die  armen  Schelme  die  der  Hohn  des  Schicksals 
Herren  der  Welt  nannte,   hatten  wahrlich  keinen  Beruf  ihre  Haut 

1)  Liv.  XXXIX  44  Dion.  H.  III  67  Dio  XXXXIX  43  Plin.  XXXVI  104. 

2)  Varro  LL.  V  25  Fest.  217  Hör.  Sat.  I  8,8  fg.  mit  Schol. 

3)  Vgl.  Lanciani,  Ancient  Rome  64  fg. 


§  4.    Die  Kaiserstadt.  523 

für  die  Erhaltung  des  Bestehenden  zu  Markte  zu  tragen :  jede  Um- 
wälzung versprach  ihnen  eine  Besserung  ihres  Loses.  Die  Plebs 
war  und  blieb  caesarisch,  weil  der  Kaiser  sie  mit  Wolthaten  über- 
häufle, für  die  tägliche  Notdurft  Luft  und  Licht  Brot  und  Wasser 
sorgte,  den  Leib  und  Leben  bedrohenden  Gefahren  nach  Kräften 
wehrte,  gelegentüch  freien  Mietzins  und  ein  baares  Stück  Geld 
spendete,  märchenhafte  Augenweide  und  unaufhörliche  Feste  zum 
Besten  gab.  Die  Stadt  die  vermeintlich  den  ganzen  Erdkreis  be- 
herrschte, sah  die  eigene  ^Yolfahrt  von  der  starken  Hand  ihres 
Gebieters  umschlossen.  Freilich  hatten  die  von  der  Entwicklung 
der  Weltstadt  und  des  Weltreichs  unzertrennlichen  Schäden  so  tiefe 
W^urzelu  geschlagen  dafs  sie  von  der  Monarchie  nur  beschnitten, 
nicht  ausgerottet  werden  konnten. 

§  4.  Die  Kaiserstadt. 
An  äufserem  Glanz  stand  das  republikanische  Rom  hinter  den 
Residenz-  und  Handelsstädten  des  Ostens,  ja  selbst  hinter  manchen 
Landstädten  Italiens  weit  zurück.  Während  diese  mit  Theatern 
Odeen  Amphitheatern  Palaestren  Thermen  und  endlosen  Säulenhallen 
sich  schmückten,  dadurch  dem  gemeinen  Manne  das  Dasein  behag- 
licher und  anmutiger  gestaUeteu,  blieben  alle  solche  Herrlichkeiten 
der  römischen  Plebs  bis  auf  die  Monarchie  versagt.  Dem  Pompeius 
wurde  das  erste  steinerne  Theater,  Caesar  die  erste  bedeutende 
Erweiterung  des  Forums  verdankt.  Sodann  verwandelte  Augustus 
nach  seinen  eigenen  Worten  die  Lehm-  in  eine  Marmorstadt,  um 
deren  Verschönerung  die  Nachfolger  bis  auf  Constantin  wetteifernd 
bemüht  waren.  Die  Kaiserbauten  bestimmen  unsere  sinnliche  An- 
schauung vom  antiken  Rom,  die  Litteratur  bringt  durch  ihre  Reich- 
haltigkeit unserem  Verständnifs  die  Kaiserzeit  näher  als  frühere 
Epochen. 1)  Die  erhaltenen  Bauwerke  sind  indessen  geeignet  das 
Urtheil  über  die  städtische  Entwicklung  zu  verwirren.  Während  sie 
theils  durch  den  Ehrgeiz  ihrer  Urheber  theils  durch  die  fort- 
schreitende Verfeinerung  der  Sitten  ins  Leben  gerufen  worden  sind, 
erwecken  sie  unwillkürlich  die  Vorstellung  als  ob  die  Einwohner- 
Schaft,  wie  trügerische  Erfahrungen  der  Gegenwart  zu  lehren  scheinen, 
seit  Begründung  des  Reichs  bis  zu  der  Verlegung  der  Hauptstadt 
nach  Byzanz  in  steter  Zunahme  begriffen  gewesen  sei,  mindestens 


1)  L.  Friedländer,  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte  Roms  in  der  Zeit 
von  August  bis  zum  Ausgang  der  Antonine,  3  B.  Leipzig^  18SS— 90. 


524  Kapitel  IX.     Rom. 

die  anfängliche  Höhe  behauptet  habe.  Wäre  dies  richtig,  so  be- 
fänden wir  uns  dem  Gang  der  Wellbegebenheiten  gegenüber  in 
schwerer  Verlegenheit.  In  Wirklichkeit  jedoch  läfst  sich  der  Irrtum 
als  solcher  nachweisen. 

Etwa  vier  Jahrhunderte  lang  von  den  Gracchen  bis  Aurelian  war 
Rom  eine  offene  Stadt  deren  Ausdehnung  nur  annähernd  ermittelt 
werden  kann.')  Zwar  beschränkt  der  strenge  Sprachgebrauch  die 
Bezeichnung  urbs  auf  die  Allstadt  innerhalb  der  servianischen  Mauer. 
Aber  nur  der  Wall  auf  dem  Esquilin  bleibt  als  Sleuergrenze  erhalten, 
der  übrige  Umkreis  ist  eingerissen  überbaut  und  unkenntlich  geworden. 
Die  Mauer  wird  in  der  Kaiserzeit  ersetzt  durch  das  Pomerium. 
Die  wiederholte  Erweiterung  desselben  an  die  S.  513  erinnert 
wurde,  hängt  mit  dem  Vorgehen  in  der  Altstadt  zusammen.  Um 
Licht  und  Luft  in  die  grauenhaft  übervölkerten  Quartiere  zu  schaffen, 
werden  Iläuserblücke  niedergerissen  und  räumen  öfl'entlichen  An- 
lagen den  Platz.  Den  Umfang  der  Enteignungen  veranschauhcht 
z.  B.  die  Thatsache  dafs  die  Bauten  auf  dem  Palatin  10  ha,  die 
Kaiserfora  6  ha,  die  Thermen  Traians  7  ha  Privatbesitz  verschlangen. 
Zum  Ersatz  haben  die  Schöpfer  dieser  Werke  von  Caesar  bis  Aure- 
lian das  Pomerium  vorgerückt,  d.  h.  den  Bezirk  des  vollen  keiner 
Bodensteuer  unterworfenen  Eigentums  vergrüfsert.  Die  Grenze  des 
steuerfreien  Stadigebiets  wird  seit  Claudius  durch  beschriebene 
Steine  hervorgehoben. 2)  Unler  diesem  Kaiser  ändert  sich  auch  die 
bisher  gellende  räumliche  Auffassung  des  Pomerium.  Man  bezog 
dasselbe  früher  auf  die  Mauer  die  Romulus  um  den  Palatin  er- 
richtet hatte.  .Aber  durch  Augustus  werden  die  romulischen  Er- 
innerungen mit  den  caesarischen  für  immer  verschwistert.  Palatium 
erhält  die  Bedeutung  Kaisersitz  und  wird  als  arx  imperii  wie  bis- 
lang die  arx  Romana  das  Capitol  von  der  urbs  ausgeschieden. 3) 
Im  Zusammenhang  damit  wird  fortan  das  Pomerium  auf  die  Mauer 
des  Servius  bezogen,  wird  der  Aventin  ihm  einverleibt.  In  weitester 
Ausdehnung  beschreiben  die  von  Vespasian  gesetzten  Grenzsteine 
eine  ungefähr  T'/i  Millien  11  km  lange  Linie,  die  annähernd  600  ha 
freien  Grund  und  Boden  umschliefst.  Die  aufserhalb  gelegenen 
Stadttheile  sind  minder  bevorrechtet  und  haben  vielfach  Bodenzins 


1)  Dion.  H.  IV  13. 

2)  Hülsen,  Hermes  XXll615fg. 

3)  Dio  Uli  16  Tacit.  Hist.  III  70.  71. 


§  4.     Die  Kaiserstadt,  525 

an  den  Staal  zu  entrichten.  Dazu  gehören  das  ganze  rechte  Tiberufer, 
das  eigentliche  Marsfeld  sowie  Abschnitte  verschiedener  Bezirke.  — 
Seit  Caesar  reicht  Rom  so  weit  wie  die  Strafsen  von  geschlossenen 
Häuserreihen  eingefafst  sind  (S.  512).  Die  Eingemeindung  der 
Neustadt  wird  7  v.  Chr.  zum  Abschlufs  gebracht,  da  in  diesem  Jahr 
die  Eintheilung  des  Ganzen  in  14  Regionen  oder  Polizeibezirke  er- 
folgt.') Die  Stadtgrenze  wird  auf  dem  Esquihn  durch  den  ser- 
vianischen  Wall  gebildet,  mufs  aber  im  ganzen  Umkreis  seit  Ein- 
führung einer  Verbrauchsteuer  durch  Caligula  scharf  umschrieben 
gewesen  sein,  so  dafs  der  Ein-  und  Ausgang  auf  19  Thore  beschränkt 
blieb. ^)  Die  Grenze  hat  nachweislich  geschwankt,  ihre  gröfste  Aus- 
dehnung 73  n.  Chr.  durch  Vespasian  erlangt.  Damals  mafs  sie 
13,2  Milben  19,5  km,  während  die  aurebanische  Mauer  nur  18,8  km 
lang  ist.3)  Da  sie  aber  das  von  dieser  einbezogene  Praetorianer- 
lager  ausschliefst,  mufs  sie  nach  anderen  Richtungen  bedeutend 
über  die  jetzigen  Thore,  namentlich  am  Flufs  hinausgegriffen  haben. 
Der  innerhalb  der  Zollgrenze  befindliche  Flächenraum  kann  auf  an- 
nähernd 2000  ha  veranschlagt  werden.  Für  dies  Gebiet  bleibt  das 
S.  509  besprochene  Fahrverbot  bis  zum  Anfang  des  dritten  Jahr- 
hunderts in  Kraft.4)  Wenn  Wein,  Oel,  zeitweise  auch  Obst  und 
Gemüse  hier  zollpflichtig  sind,  so  kommen  anderseits  den  Bewohnern 
allein  die  Kornspenden  aus  den  Staalsmagazinen  zu  Gute,  die  nur 
ausnahmsweise  auf  die  Vorstädte  ausgedehnt  werden.^)  —  Jenseit 
der  Zollgrenze  reicht  das  städtische  Weichbild  noch  eine  Millie 
weiter. 6)  Es  mifst  20  Milben  30  km  im  Umfang,  erstreckt  sich 
bis  in  die  Nähe  von  M.  Mario  Ponte  Molle  S.  Agnese  und  den 
Katakomben  der  Via  Appia.  Die  christlichen  Friedhofe  meiden  dies 
Gebiet,  auf  dem  orientahscber  Gottesdienst  nicht  geduldet  wird.^) 
Es  bezeichnet  die  Grenze  der  bürgerlichen  Rechtsprechung  die  tief 
in   das  Verkehrsleben   eingreift. *)  —  Nicht  zur  Stadt  gehörig  und 


1)  Dio  LV  6.  8.  26.  Säet.  Aug.  30. 

2)  Dig.  L  16,2.  87.  139.  147.  173:  urbis  appellatio   muris ,  Romae  autem 
continentibus  aedificiis  finitur  quod  latius  patet. 

3)  Plin.  III  65fg.  und  meine  Erklärung  Rhein.  Mus.  XüX  275  fg. 

4)  Friediänder  a.  0.  I^  71  fg. 

5)  Vita  Heliogabali  27,7. 

6)  Dig.  L  16,154  mille  passus  non  a  miliario   urbis  sed  a   continentibus 
aedificiis  numerandi  sunt. 

7)  Dio  LIV  6  vgl.  Val.  Max.  II  4,2. 

8)  Gaius  IV  104  Dig.  XXXIII  9,4  L  16,2.  87.  139.  147.  173. 


526  Kapitel  IX.     Rom. 

doch  durchaus  von  ihr  ahhSngig  fafst  ein  breiter  Villengürlel  das 
Weichbild  ein,  das  nicht  rechtlich,  aber  thatsdchhch  erst  nach  4—5 
MiUien  sein  Ende  findet.  Die  ganze  bauHche  Entwickhing  seit 
dem  Ausgang  der  Repubhk  wird  von  dem  Streben  nach  Ver- 
gröfserung  des  Wohnraums  beherrscht.  Erst  nach  einer  langen 
Periode  des  Stillstands  und  Verfalls  hat  die  Mauer  Aurelians  diesem 
Streben  ein  Ziel  gesetzt.  Man  darf  aus  der  anhaltenden  Raum- 
erweiterung nicht  so  sehr  auf  einen  Zuwachs  der  Bevölkerung  als 
auf  eine  Steigerung  der  Lebensansprilche  schliefsen,  die  für  die 
oberen  Schichten  der  Gesellschaft  bezeugt  wird  und  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  wie  in  den  Landstädten  so  auch  hier  den  Mittel- 
stand ergriffen  hat.  Angesichts  der  vorhandenen  Ueberreste  kann 
man  den  Alten  die  über  keine  heutigen  Verkehrsmittel  verfügten, 
wol  nachfühlen  dafs  Rom  den  Eindruck  des  Unermefslichen  wach 
rief.  Von  welchem  Standort,  meint  Aristides  in  einer  um  145  ge- 
schriebenen Lobrede,  konnte  man  soviel  mit  Gebäuden  bedeckte 
Hügel,  in  Städte  verwandelte  Thäler,  oder  richtiger  so  viel  in  einer 
Stadt  vereinigtes  Land  übersehen?  Man  befindet  sich  immer  in 
der  Mitte  wo  man  auch  hingeht.  Die  Wirkung  wurde  durch  die 
Höhe  der  die  engen  Gassen  einfassenden  Mielhäuser  verstärkt 
(S.  518).  Wird  die  Höhe  neben  der  Ausdehnung  berücksichtigt, 
sagt  Plinius,  so  kommt  keine  Stadt  auf  Erden  dieser  gleich.  Ari- 
stides läfst  Rom  wie  einen  starken  Mann  der  andere  in  die  Höhe 
hebt,  Städte  auf  Städten  tragen :  würden  sie  auf  dem  Boden  aus- 
gebreitet, so  wäre  ganz  Italien  bis  zur  Adria  von  einer  zusammen- 
hängenden Stadt  eingenommen.!) 

Die  Bevölkerung  hat  in  der  Zeit  des  höchsten  Aufschwungs 
unter  den  iuhschen  Kaisern  eine  Million,  vielleicht  selbst  andert- 
halb Millionen,  letztere  Ziffer  jedoch  nicht  erheblich  überstiegen. 2) 
Im  J.  5  V.  Chr.  zählte  man  320  000  Bürger,  von  denen  200000 
Korn  aus  den  öffentlichen  Magazinen  empfingen:  da  aber  das  weib- 
liche Geschlecht  weit  schwächer  vertreten  war  als  das  männliche, 
kann  die  gesamte  Plebs  kaum  800  000  Köpfe  erreicht  haben. 3) 
Dazu  kam  der  Adel,  mindestens  5000  Ritter  mit  einem  Census 
von  400000   Sesterzen*),  600   Senatoren    mit  einem    Census  von 


1)  Arist.  Gr.  XIV  p.  198  fg.  J.  Plin.  III  67. 

2)  Darin  kommen  die  besonnenen  Erörterungen  so  ziemlich  überein  vgl.  Fried- 
länder a.  0. 1  p.  58  fg.  Marquardt,  Staatsverw.II p.  1 17  fg.  Beloch, Bevölkerung  392  fg. 

3)  Monum.  Anc.  c.  15  Dio  LIV  16  LVI  7.  4)  Dion.  Hai.  VI  13. 


§  4.    Die  Kaiserstadf.  527 

einer  Million,  ferner  eine  Garnison  von  20  000  Mann  und  eine 
Masse  von  Fremden,  ^'ach  Aeufserungen  alter  Schriftsteller  soll 
die  freie  Bevölkerung  hinter  der  unfreien  zurückgestanden  haben. i) 
Ihr  Blick  ist  jedoch  getäuscht  worden  durch  die  Sklavenmenge 
welche  die  Paläste  erfüllte  und  in  der  Gegenwart  nur  in  Indien 
oder  an  slavischen  Adelshöfen  ihres  Gleichen  findet.  Für  jedes 
Kutschenpferd  einer  europäischen  Grofsstadt  brauchte  Rom  vier 
Sänftenträger,  die  Dienerschaft  eines  heutigen  Fürsten  genügte 
höchstens  den  Ansprüchen  eines  gewöhnlichen  Ritters,  das  Haus- 
gesinde des  Stadtpraefecten  61  n.Chr.  umfafste  400  Sklaven  (S.  119). 
Auch  hat  das  in  den  verschiedenen  Zweigen  der  Staatsverwaltung 
verwandte  öffentliche  Gesinde,  insonderheit  die  grofsen  Gladiatoren- 
banden, für  die  allgemeine  Sicherheit  Besorgnifs  einflöfsen  können. 
Allein  wenn  wir  erwägen  dafs  Rom  von  der  Arbeit  der  Provinzen 
lebte  und  keine  nennenswerte  Ausfuhr  besafs,  so  fehlte  der  An- 
lafs  eine  unfreie  Fabrikbevölkerung  anzuhäufen  der  an  anderen 
Orten  gegeben  war.  Deshalb  ist  es  ratsam  die  Zahl  der  Sklaven 
geringer  anzuschlagen  als  gewöhnlich  geschieht:  300  000  dürfte 
eher  zu  hoch  als  zu  niedrig  gegriffen  sein.  Der  jährliche  Verbrauch 
an  Weizen  der  sich  unter  Augustus  auf  60  Millionen  Scheffel 
(5,2  Mill.  hl)  belief,  bestätigt  das  gewonnene  Ergebnifs  dafs  die 
Einwohnerschaft  mehr  als  eine  Million  betragen  habe.^)  Ihre  Er- 
nährung hat  zu  den  schwierigsten  Aufgaben  der  kaiserlichen  Politik 
gehört;  oft  genug  wenn  die  Zufuhr  aus  Afrika  und  Aegypten 
stockte,  sind  Fremde  und  Sklaven  ausgetrieben  worden.  Da  das 
Gedeihen  der  Stadt  ausschliefslich  von  der  Regierung  abhing,  war 
von  einem  Wachstum  aus  eigener  Kraft  keine  Rede,  In  viel 
höherem  Mafse  als  es  von  modernen  Grofsstädten  gilt,  war  ihr  Be- 
stand auf  Einfuhr  von  Sklaven  und  Einwanderung  angewiesen.  Mit 
dem  19.  Juli  64,  dem  Neronischen  Brande  hebt  der  sichtliche 
Niedergang  an ,  dem  Brande  folgte  Schlag  auf  Schlag  die  Pest  die 
im  Herbst  65  30000  Menschen  hinraffte  3) ,  die  Thronkriege,  die 
Erstürmung  Roms  an  den  Saturnalien  69.  In  den  ersten  Jahren 
Vespasians  lagen  noch  viele  Brandstätten  wüst.^)  Die  beiden  nächsten 


1)  Tacit.  Ann.  IV  27  Sen.  de  dem.  I  24. 

2)  Aegypten  lieferte  20  Mül.  Aur.  V.  ep.  2,  ein  Drittel  des  jährlichen  Be- 
darfs Joseph  b.  J.  II  16,4. 

3)  Tac.  Ann.  XVI  13  Suet.  Nero  39. 

4)  Suet.  Vesp.  9  CIL.  VI  931. 


528  Kapitel  IX.     Rom. 

Geschlechter  sahen  die  herrlichsten  Prachtbauten  erstehen,  aber  es 
ist  wenig  wahrscheinlich  dafs  die  Bevölkerungsziffer  je  wieder  ihre 
frühere  Ilühe  erreicht  habe  (S.  129).  Die  Malaria  greift  um  sich 
(1  417),  verheerende  Seuchen,  wie  eine  solche  im  Herbst  79  10000 
Menschen  täghch  hinraffle'),  die  an  20  Jahre  unter  Marc  Aurel 
und  Commodus  wütenden  lilaltern-),  die  Pest  unter  Gallien  mit 
5000  täglichen  Stei  befallen  '^),  reifsen  Lücken  die  nicht  wieder  aus- 
gefüllt werden  konnten.  Um  200  unter  Septimius  Severus  ist  der 
Gelreidebedarf  auf  26 '/a  Millionen  Scheffel  gesunken,  weniger  als 
die  lliilfle  des  zur  Zeit  des  Augustus  benotigten  Quantums:  dafs 
die  Einwohnerzahl  in  entsprechender  Weise  zurückgegangen  war, 
leuchtet  von  selbst  ein.^j  IVun  stand  auch  kein  Gedränge  der 
Strafsen  dem  Fahren  mehr  im  Wege  (S.  509).  Und  nach  abermals 
zwei  Jahrhunderten,  nachdem  das  neue  Rom  am  Bosporos  das  alte 
am  Tiber  zur  l^umpelkanimer  herabgedrückt  halte,  reichten  5  Mil- 
lionen Scheffel  zum  Unterhalt  aus.^)  Wenn  vollends  Konig  Theo- 
derich nur  eine  Jahreslieferuug  von  120  000  Scheffel,  nach  früherer 
Rechnung  die  Quote  für  2000  Bürger,  aussetzte,  so  mufs  die  Stadt 
um  51)0  bereits  menschenleer  gewesen  sein, 6)  Schliefslich  bricht 
mit  den  Gollienkriegen  die  Nacht  der  Verödung  und  Zerstörung  ein. 
Die  wechselnden  Bilder  welche  die  Geschichte  der  Weltstadt 
von  den  Gracchen  bis  Kaiser  Coustantin  aufrollt,  wiederholen  alle 
den  nämlichen  übereinstimmenden  Grundzug:  die  Stadt  nimmt  un- 
unterbrochen zu  an  Gesundheit  Ordnung  Sicherheit,  an  Schönheit 
und  Pracht,  sie  nimmt  ununterbrochen  ab  an  Kraft  Ansehen  und 
Geltung  im  öffentlichen  Leben.  Um  die  Zeit  Sullas  beginnen  die 
Reichen  ihre  Wohnungen  umzugestalten:  die  Säule,  dasjenige  Ele- 
ment welches  die  Wandlung  des  Hauses  in  den  Palast  ermöglichte, 
dringt  in  den  Privatbau  ein.  Die  Baulust  wird  zum  Bauheber:  das 
schönste  Haus  Roms  78  v.  Chr.  wurde  nach  Verlauf  eines  Menschen- 
alters von  hundert  anderen  übertrolfen.')     Seitdem  die  Schranken 


1)  Hieron.  a.  Abr.  2093  Dio  LXVl  23  Suet.  Tit.  «. 

2)  Galen  XJX  15  IV  788  X  360  Kühn  vila  M.  Ant.  13  Dio  LXXIl  14  Hero- 
diaii  I  12. 

3)  Vila  Gallieni  5. 

4)  Vila  Sepl.  Sev.  23  vgl.  Hirschfeld  Phil.  XXIX  25. 

5)  Ich  glaube  inil  Hirschfeld  a.  0.,  dafs  die  Nachricht  Olympiodors  Phot. 
cod.  80  p.  59,30  Bk.  so  zu  deuten  sei. 

tJ)  Anonymus  Val.  67.     vgl.  Prokop  b.  Golh.  11  3. 
7)  Plin.  XXXVI  7.  45.  lU9fg. 


§  4.     Die  Kaiserstadt.  529 

gefallen   waren    die  die  Erweiterung  der  Wohnfläche   behinderten, 
dehnen   sich   die   Säulenhallen    und    Gärten   der  Grofsen    in  einem 
Umfang  aus  dafs  4  Morgen  (1  ha),  wie  man  spottete,  nur  ein  be- 
engtes Wohnen  gestalteten. i)     Nero  nahm   für  sein  Goldenes  Haus 
im  Mittelpunct  der  Stadt  einen  Raum  von  50  ha  in  Anspruch  und 
meinte  damit  eine  menschenwürdige  Stätte  erlangt  zu  haben. 2)     Er- 
freuhcher  und  bedeutsamer  als  die  Offenbarungen  mafsloser  Selbst- 
sucht und  Ueppigkeit  die  auf  den  Höhen  der  Gesellschaft  zu  Tage 
treten,  erscheint  die  von  Caesar  geplante  und  von  seinem  Sohn  in 
halbhundertjähriger    Friedensarbeit    durchgeführte    Besserung    der 
Dinge  im  Grofsen.     Von  Augustus  rührt  die  neue  Bauordnung  her 
(S.  517.  18),  von  ihm  die  fortan  herrschende  Bauweise:  der  schlechte 
Luftziegel   wird   verdrängt  durch   stahlharten  Backslein,    der  matte 
stumpfe  Peperin  und  Sperone  durch  leuchtenden  Travertin  (I  263) 
und  den  schimmernden  Marmor  von  Luna  (S.  285).    Er  verdoppelt 
die  Ausdehnung  des  Forum  und  stellt  dem  alten  ein  neues  glänzen- 
des Rom   im  Marsfeld   an    die  Seite.     Was  er   alles   im  Dienst  des 
Gemeinwesens  gebaut  hat,  zählt  seine  Grabschrift  mit  berechtigtem 
Stolze  auf;  um  das  Bild  zu  vervollständigen  müssen  wir  der  langen 
Liste  die  Leistungen  seiner  Genossen   anfügen. 3)     Freilich  spiegelt 
das  Bild  den  Zwiespalt  wieder  der  das  ganze  Staatsleben  durchzieht: 
Altes  und  Neues,  Imperium  und  Republik  stehen  im  Aeufseren  der 
Stadt  sich  unvermittelt  gegenüber.     Langsam  gleitet   die  städtische 
Verwaltung,  ein  Zweig  nach  dem  anderen,  in  die  Hand  des  Kaisers. 
Nero  verleiht  den  thatsächhchen  Verhäliuisseu  einen  ungewöhnlichen 
Ausdruck:  nicht  durch  die  Mittel  durch  die  Napoleon  Hl  das  könig- 
liche Paris   in    ein   kaiserhches    umschuf,   nicht   durch  Enteignung 
und  Umbau,  sondern  durch  Feuer  vernichtete  er  das  alte  Rom  mit 
seinen  ehrwürdigen  Ueberlieferungeu.-'j     Unter   all  den  Gewalligen 
die  die  lange  Stadtgeschichte  vorführt,  hat  keiner  so  tief  eingegriffen 
wie  dieser  Lotterbube.     Aber  ein  gerechtes  Schicksal  bat  seiu  An- 
denken von  dem  entweihten  Boden  ausgetilgt   und   den  Ruhm  der 
Gründung  einer  neuen  einheilhchen  strahlenden  Kaiserresidenz  dem 
Vespasian   und   seinen   Söhnen   vorbehalten.     Amtlich    heifst   Rom 


1)  Val.  Max.  IV  4,7  Sallust  Cal.  12  Seneca   Ep.  90,43    114,9  Plin.  XIX  50 
Stat.  Silv.  I2,t52fg.  Maitial  Xil57,19fg.  Olympiod.  Phot.   cod.  80  p.  63a  ßk. 

2)  Suetoa  N.  31.  38  Otho  7  Tac.  Ann.  XV  42. 

3)  iMonum.  Anc.  c.  19—21  Sueton  28—30  Strabo  V  236. 

4)  Vgl.  meine  Bemerkungen  Sybels  Hist.  Zeilschr.  XXXII  337  fg. 
Xissen,  Ital.  Landes^onde.    II.  34 


630  Kapitel  IX.     Rom. 

Sacra   %irbs    Kaiserstadt    erst    seit    Septimius    Severus,    thatsächlich 
wurde  es  dazu  durch  Nero  gemacht.    Von  den  14  Regionen  waren 
3   vüUig,   7   grofsentheils  eingeäschert,   die  4  äufseren   allein   ver- 
schont gebliehen:    der  Aulbau   hat   ein  Jahrzehnt   und  länger  ge- 
dauert  (S.  527).      Er  ging  planmäfsig   von    Statten :    die   Strafsen 
wurden  gestreckt,   verbreitert  (S.  515),   von   forllaufenden   Bogen- 
gängen  eingefafst,   den   Hausbesitzern   die  Verwendung   feuerfesten 
vulkanischen  Gesteins   im  Erdgeschofs  vorgeschrieben,  gemeinsame 
Zwischenwände  untersagt.")     Es  war  auch  jetzt  die  Müghchkeit  ge- 
boten die  in   der  Mitte  befindlichen  Gegenden   von  Privatgebäuden 
frei  zu  halten,  dafs  sie  wie  die  Lungen  dem  Körper  die  Luft  den 
Mietvierteln    zuführten.      Mit    dem    Schlagwort   exhilarata   servitus 
halte  einst  Cicero  die  Monarchie  begrüfst;   jeder  Schritt   den  Rom 
vom  Freistaat  zur  unverhüllten  Despotie  hin  macht,  bringt  ihm  einen 
neuen    Schmuck,    neue    Annehmlichkeit    und    Unterhaltung.      Das 
Leben  war  und  bUeb  kostspielig;  der  schäbige  Client  der  um  einen 
Hungerlohn  hinter  der  Sänfte  seines  Herrn  herlrottete,  wohnte  er- 
bärmlich ;  die  Grofsstadt  verschlang  Jahr  aus  Jahr  ein  ein  Heer  von 
Menschen    nach   dem  Niemand  fragte.     Trotz  Allem  war  es  besser 
geworden  seit  jenen  Tagen  wo  Salurninus  und  Clodius  die  Quirlten 
zur  Wahlschlacht  führten.     Rom  hatte   mehr  Luft   und  Licht   und 
Grün    erhalten,    fliefsendes    Wasser    in    verschwenderischer    Fülle, 
Prachtbauten   und   Kunstwerke   ohne  Zahl   wie   nie  eine  Stadt  auf 
Erden  besessen  hat.     Die  überschwengliche  Bewunderung  die  ihm 
von  den  Berichterstattern  aus  fünf  Jahrhunderten  gezollt  wird,  er- 
scheint auch  den  nüchternen  Sinnen  der  Gegenwart  wolverdient.2) 

§  5.    Die  Stadttheile. 

Acht  Jahrhunderte  waren  seit  dem  Bau  der  servianischen  Mauer 
verflossen,  halb  so  viel  seit  ihrem  Verfall,  als  die  Furcht  vor  den 
Germanen  wieder  eine  grofse  Festung  am  Tiber  schuf.  Kaiser 
Aurelian  begann  271  das  Werk,  Kaiser  Probus  vollendete  es.  Die 
Mauer  18,8  km  lang,  16  m  hoch,  ist  aus  Backstein  aufgeführt,  mit 
Thürmen  wol  ausgerüstet,  ohne  Graben,  hat  14  (15)  Thore,  12  (13) 


1)  Tac.  Ann.  XV  43.  Die  Vorschriften  sind  immer  wieder  übertreten  worden 
Marlial  VII  61  Herodian  Vll  12,5  Ammian  XXVII  9,10,  über  die  liederliche  Bau- 
art der  Zinshäuser  S.  518. 

2)  blrabo  V  235fg.  Plin.  XXXVI  101  fg.  Ammian  XVI  10. 


§  5.     Die  Stadttheile.  531 

am  linken,  2  am  rechten  Flufsufer.i)  Sie  hat,  von  Honorius  Belisar 
u.  a.  hergestellt,  den  Wechsel  der  Zeiten  überdauert  und  steht  im 
Wesentlichen  noch  heute.  Unwillkürlich  erweckt  sie  eine  Vor- 
stellung vom  alten  Rom  die  nicht  zutrifft,  da  sie  nicht  die  Blüte 
sondern  den  Verfall  zum  Ausdruck  bringt.  Wenn  der  eingeschlossene 
Raum  nur  1230  ha  (Beloch)  mifst,  so  umfafst  die  von  Vespasian 
gezogene  Stadtgrenze  eine  mehr  als  anderthalb  mal  so  grofse  Fläche 
(S.  525).  Auch  die  statistischen  Verzeichnisse  des  vierten  Jahr- 
hunderts (S.  486  A.)  haben  das  Urtheil  verwirrt.  Ihre  Angabe  dafs 
Rom  1790  Einzelhäuser  und  46602  Mietwohnungen  enthielt,  führt 
auf  eine  Bevölkerungsziffer  von  etwa  ein  Drittel  Million  die  den 
damaligen  Verhältnissen,  nicht  aber  früheren  angemessen  erscheint. 
Die  öffentlichen  Anlagen  deren  trockne  Aufzählung  so  inhaltsvoll  ist, 
waren  auf  gröfsere  Menschenraassen  berechnet.  Die  Statistik  ver- 
zeichnet u.  a.  28  Bibliotheken  (davon  werden  7  anderweitig  mit 
Namen  erwähnt),  11  grofse  Thermenanlagen,  856  Badestuben,  1352 
fliefsende  Brunnen,  19  Wasserleitungen,  2  Circus,  2  Amphitheater, 
4  Gladiatorencasernen,  5?  Naumachien,  3  Theater,  36  Marmorbögen, 
22  grofse  Reiterbilder,  80  goldene  und  74  Götterbilder  aus  Elfen- 
bein. Die  Menge  der  öffentlichen  Stand-  und  Reiterbilder  die  noch 
unter  Theoderichs  Regierung  vorhanden  waren,  gab  seinem  Minister 
die  Wendung  populus  copiosissimus  statuarum,  greges  etiam  abun- 
dantissimi  equorum  in  die  Feder.*) 

Für  die  Zwecke  der  Verwaltung  hatte  Augustus  14  Regionen 
eingerichtet  (S.  525),  die  7000  Mann  starke  Pohzei  und  Feuerwehr 
der  vigües  zerfiel  in  7  Cohorten,  so  dafs  der  Regel  nach  die  einzelne 
Cohorte  den  Dienst  in  zwei  Regionen  versehen  haben  wird.  Aber 
die  herrschende  Annahme  als  ob  die  einmal  getroffene  Eintheilung 
ohne  Rücksicht  auf  die  bedeutenden  Schwankungen  der  Stadtgrenze, 
die  Einführung  einer  Verbrauchsteuer,  die  ausgedehnten  Enteig- 
nungen im  Inneren ,  die  Befestigung  usw.  unverrückbar  bis  ins 
vierte  Jahrhundert  fortbestanden  haben  sollte,  sieht  recht  unwahr- 
scheinlich aus.  Das  Gegentheil  lehrt  die  mit  den  kleinsten  Ver- 
waltungskörpern den  viel  vorgenommene  Veränderung:  73  n.  Chr. 
gab  es  ihrer  265,  im  4.  Jahrhundert  auf  zwei  Dritteln  der  früheren 
Grundfläche  nach  der  Summe  der  in  der  Statistik  angeführten  Einzel- 


1)  Prokop  b.  Goth.  I  19  II  9. 

2)  Cassiodor  Var.  VII  13. 

34' 


532  Kapitel  IX.     Rom. 

ansiitze  304  oder  307,  nach  der  ebendort  enthaltenen  Hauptsnmme 
gar  423.  Rlärhch  sind  die  Stadtbezirke  im  letzeren  Falle  viel  kleiner 
gewesen  als  im  ersteren.  Aus  dem  Gesagten  erhellt  zugleich  warum 
wir  bei  unserer  Umschau  die  constanfinische  Beschreibung  nur  be- 
dingt als  Filhrerin  wählen  dürfen. 

Wir  beginnen  mit  der  14.  Region  traiis  Tiberim  der  ausge- 
dehntesten von  allen,  die  im  Lauf  der  Zeiten  allmälich  eng  und 
i-n^er  mit  der  Stadt  verwachsen  war.  Schliefslich  führten  6  Brücken 
hinüber,  halb  soviel  wie  heute,  nämlich  von  Norden  beginnend: 
pons  Aelins  oder  Hadriani  Ponte  S.  Angelo,  pons  Aurelius  Ponte 
Sisto  (Ersatz  für  den  abgebrochenen  pons  Agrippae  S.  512),  die 
beiden  Inselbrücken  pons  Fabrkins  Ponte  Quattro  capi  und  pons 
Cestins  oder  pons  Gratiani  Ponte  S.  Bartolomeo,  pons  Aemiltns  Ponte 
rolto,  jetzt  verschwunden  wie  der  nahe  pons  sublmus  (S.  511)  und 
der  pons  Probi  oder  Theodosii  am  Aventin.  In  früheren  Jahr- 
hunderten halten  Mucius  Scaevola  und  Cincinnatus  ihre  Hufen  die 
ihnen  hier  auf  etruskischem  Grund  und  Boden  angewiesen  worden 
waren,  bestellt.  Sodann  hatten  sich  Fischer  Gerber  Töpfer  ange- 
siedelt und  am  Ausgang  der  Bepublik  eine  Masse  orientalischer 
'Freigelassener,  namenthch  Juden.')  Von  dem  Umfang  der  Juden- 
schaft zeugt  die  Nachricht  dafs  ihrer  8000  den  Gesandten  des 
Königs  Ilerodes  das  Geleit  zur  Audienz  bei  Augustus  gaben,  dafs 
4000  im  J.  19  n.  Chr.  nach  Sardinien  gegen  die  Briganten  ver- 
schickt wurden,  zeugen  vier  aufgefundene  jüdische  Katakomben. 
Und  obwol  sie  sich  auch  in  der  Vorstadt  an  der  Via  Appia  2)  sowie 
auf  dem  Esquilin^)  eingenistet  hatten,  blieb  Trastevere  doch  ihr 
Hauplsitz  bis  1556,  wo  Paul  IV.  sie  nach  dem  1887  niedergerisseneu 
Ghetto  an  der  Porticus  Octaviae  verpflanzte.  Das  ganze  Flufsufer 
bis  weit  jenseit  der  Engelbrücke  war  ebenso  wie  das  gegenüber 
liegende  in  den  Bereich  des  Verkehrs  gezogen  und  mit  Magazinen 
bedeckt.  Für  diese  dicht  bevölkerte  Begion  die  78  Viel  zählte, 
während  die  ihr  zunächst  kommende  nur  35  hat,  war  von  Augustus 
eine  Wasserleitung  aus  dem  Alsietiner,  von  Traian  eine  zweite  aus 
der  Gegend  des  Sabatiner  Sees  angelegt  worden;  die  letztere  ist 
als  Aequa  Paola  seit  1611  wieder  in  Betrieb.     Wie   die  Niederung 


1)  Philo  Leg.  ad  Gaium  11  Cic.   pro   Fiacco  67   Josephus  Ant.  XVII  11,1 
Tac.  Ann.  II  85  Sueton  Tib.  36  Glaud.  25  Uio  LX  6  Friedländer  llie    p.   618. 

2)  Juvenal  3,1 4 fg.,  liier  befinden  sich  zwei  Goemeterien. 

3)  Bull,  crist.  1883  p.  79. 


§  5.     Die  Stadtlheile.  53B 

eine  ärmliche  und  fleifsige  Einwohnerschaft  festhielt,  wurde  der 
Reichtum  durch  den  Hügelrücken  mit  seiner  weiten  Aussicht  an- 
gelockt 1) : 

hinc  Septem  domtnos  videre  montes 

et  totam  licet  aestimare  Romain 

Albanos  quoque  Tnsculosque  coUes 

et  quodcunque  iacet  sub  urbe  frigus. 

Viel  genannt  ist  die  Villa  Caesars  in  der  die  letzte  Königin 
von  Aegypten  Hof  hielt,  mit  prachtvollen  Gärten  die  vom  Eigen- 
tümer letztvvillig  dem  Volk  vermacht  wurden.  Die  ausgedehnten 
Gärten  der  älteren  Agrippina  reichten  his  an  den  Flufs:  ihr  Sohn 
Caligula  legte  darin  einen  Circus  an,  dessen  Stelle  die  Peterskirche 
einnimmt,  der  grofse  Ohelisk  vor  St.  Peter  stand  auf  der  Spina. 
Kaiser  Nero  pflegte  in  diesem  Circus  als  Wagenlenker  zu  glänzen 
und  hat  durch  greuelvolle  Marter  der  Christen  die  Stätte  ehrwürdig 
gemacht.^)  Bis  zum  Ausgang  des  vierten  Jahrhunderts  haben 
Mithras  und  Kybele  um  den  blutgedüngten  Boden  mit  dem  Christen- 
gott gerungen,  ein  Jahrhundert  später  ergriff  der  Statthalter  Christi 
dauernd  Besitz.  Dafs  er  ihn  durch  alle  Stürme  des  Mittelalters 
hindurch  bis  auf  unsere  Tage  behaupten  konnte,  war  zum  guten 
Theil  durch  das  Grabmal  veranlafst  das  Hadrian  in  den  Gärten  der 
Domitia  begonnen  und  sein  Nachfolger  139  beendet  halte.  Für 
die  Asche  der  Kaiser  bestimmt  die  bis  Caracalla  in  ihm  Aufnahme 
fanden,  stellte  der  wuchtige  Quaderbau  —  ein  Unterbau  von  104  m 
im  Geviert,  darüber  ein  Cyhnder  von  73  m  Durchmesser,  im  Ganzen 
50  m  hoch  —  einen  natürlichen  Brückenkopf  für  den  Rons  AeHus 
dar  der  zum  Marsfeld  hinüberführte.  Dafs  ihm  solche  Bestimmung 
im  Plan  der  aurelianischen  Befestigung  zugedacht  war,  hegt  auf  der 
Hand.  Er  erfüllte  sie  zum  ersten  Mal  537,  als  die  Gothen  unter 
Vitiges  an  seinen  Mauern  sich  die  Köpfe  einrannten,  und  hat  —  nach 
einer  Pest  von  590  dem  Erzengel  Michael  geweiht  und  daher  Engels- 
burg benannt  —  seitdem  als  Zwingburg  der  ewigen  Stadt  gedient. 

Die  Errichtung  des  Aesculaptempels  auf  der  Insel  291  v.  Chr. 
bahnt  den  Uebergang  auf  das  rechte  Ufer  an  (S.  510).  Inzwischen 
war  bereits  auf  dem  hnken  eine  bedeutende  Vorstadt  im  Entstehen 
begriffen.    Wir  haben  S.  443.  501  darauf  hingewiesen  dafs  ein  Bach 


1)  Martial  IV  64,11  vgl.  Cic.  pro  Caelio  36,  I  316  A.  6. 

2)  Seneca  Dial.  V  18,4  Dio  LIX  14  Plin.  XXXVI  74  Tac.  Ann.  XIV  14  XV  44. 


534  Kapitel  IX.    Rom. 

die  Ebene  nördlich  vom  Capitol  und  Quirinal  durchflofs,  dafs 
Sümpfe  einen  AngrilT  auf  die  servianische  Festung  von  dieser  Seite 
her  erschwerten.  Nach  der  Sage  war  das  ganze  Feld  Krongut  der 
Tarquinier  und  ging  nach  deren  Vertreibung  in  den  Besitz  des 
Staates  über.')  Daraus  sind  Stücke  an  Privatleute  verliehen  oder 
verkauft  worden,  verliehen  z.  B.  für  Grabstätten,  verkauft  nament- 
lich 88  V.  Clir.  (S.  513),  und  damit  hängt  das  Vorrücken  des  Po- 
merium  zusammen.  Weil  die  Strecke  zwischen  Capitol  und  Flufs 
die  einzigen  bequemen  Ausgänge  aus  der  Stadt  bot,  beginnt  der 
Anbau  vor  Porta  Flumenlana  und  Porta  Carmentalis  (S.  501).  Hier 
erwächst  ein  Gegenbild  zum  Ochsenmarkt  im  forum  olitorium  auf 
dem  die  Oberländer  das  Gemüse  das  sie  auf  Kähnen  herangeschafft 
hatten,  feil  boten.  Ein  dicht  bewohntes  gewerbliches  Viertel  schliefst 
sich  an.  Es  wurde  S.  510  erwähnt  dafs  Gaius  Flaminius  dieser 
Neustadt  ihren  Stempel  bis  auf  die  Gegenwart  aufgedrückt  hat. 
Die  via  lata  Corso,  der  Anfang  der  von  ihm  erbauten  Strafsc  trennt 
in  der  späteren  Einlheilung  die  9.  {circus  Flaminius)  nach  dem 
Flufs  zu  gelegene  von  der  7.  (via  lata)  nach  dem  Pincio  zu  gelegenen 
Region,  Jene  hat  den  wesentlichsten  Theil  der  mittelalterlichen 
Stadt  ausgemacht.  —  Die  Alten  unterschieden  darin  zwei  Hälften:  die 
kleinere  am  Fufs  des  Capilols  wurde  nach  dem  Circus  Flaminius 
benannt,  der  als  Markt-  Renn-  und  Versammlungsplatz  für  die  Plebs 
diente.  In  den  anstofsenden  alten  Tempeln  der  Bellona  und  des 
Apollo  (S.  509)  fanden  Senatssitzungen  aufserhalb  des  Pomerium 
statt.  Die  grüfsere  Hälfte  der  Ebene  hiefs  nach  dem  campus  Martins, 
auf  dem  in  alten  Zeiten  die  bewaffnete  Bürgerschaft  zur  Ausübung 
ihrer  höchsten  Rechte  antrat.  Als  die  Bürger  der  Waffen  entwöhnt 
waren  und  kein  äufserer  Feind  ihre  Sicherheit  bedrohte,  sind  die 
Machthaber  ans  Werk  gegangen  in  dem  Häusergewirr  das  nach  und 
nach  aus  dem  Boden  aufgeschossen  war,  Ordnung  zu  schaffen  und 
es  mit  zeitgemäfsen  Anlagen  zu  schmücken.  So  erbaute  Pompeius 
55  V.  Chr.  ein  steinernes  Theater  mit  40  000  Sitzplätzen  und  eine 
grofse  Säulenhalle  daneben.  So  begann  Caesar  die  saepta  Julia 
für  die  Tributcomitien  in  Marmor  herstellen  und  mit  hohen  Säulen- 
hallen von  1000  Schritt  Länge  einfassen  zu  lassen. 2)  Das  Gebäude 
das  später  als  Bazar  verwendet  wurde,  ist,  von  anderen  Plänen  zu 
schweigen,  erst  durch  seinen  Nachfolger  vollendet  worden.  Augustus, 

1)  Liv.  II  5  Dion.  Hai.  V  13. 

2)  Cic.  Att.  IV  16,8  vgl.  XIII  33,4. 


§  5.    Die  Stadttheile.  535 

Agrippa  und  die  anderen  Stützen  des  Kaisertums  statteten  das 
Marsfeld  mit  jener  überschwänglichen  Pracht  aus,  die  in  den  Augen 
fremder  Besucher  das  alte  Rom  der  Repubhk  zu  einem  blofsen  An- 
hängsel des  neuen  herabdrückle.i)  Die  Porticus  der  Octavia,  des 
Philippus,  das  Theater  des  Marcellus,  des  ßalbus,  das  Amphitheater 
des  Statilius  Taurus,  von  Agrippa  das  Pantheon,  die  Thermen,  der 
Neptuntempel,  endUch  das  kaiserliche  Mausoleum  legen  dafür  zum 
Theil  auch  uns  Zeugnifs  ab.  Der  Reichtum  ist  andauernd  vermehrt 
worden:  durch  Domitian  (Tempel  der  Minerva,  Stadium,  Odeum) 
Hadrian  (Strafse  nach  seiner  Brücke  via  tecta)  Marc  Aurel  (Sieges- 
säule) u.  a.  Die  Säulenhallen  der  9.  Region  mafsen  nach  einer 
Schätzung  4^2  km  Länge.  Dem  Agrippa  verdankt  sie  noch  jetzt 
ihr  treffliches  Trinkwasser  (aqua  Virgo  19  v.  Chr.).  Die  Anlagen 
des  Marsfeldes  erstrecken  sich  noch  über  den  östlichen  Abschnitt 
der  Ebene,  der  amtlich  der  7.  Region  zugewiesen  war.  Erwähnt 
wird  hier  die  Porticus  der  Pola  mit  der  Weltkarte  ihres  Bruders 
Agrippa,  der  Sonuentempel  Aurelians;  vier  Triumphbögen  über- 
spannten die  Via  Lata.  —  An  Volkszahl  stand  die  7.  Region  hinter 
der  9.  zurück,  da  letztere  35,  erstere  nur  15  vici  umfafste.  An 
Ausdehnung  keineswegs;  denn  das  Pomeriura  griff  über  die  aure- 
lianische  Mauer  hinaus.  Aber  während  die  Massen  in  der  Niederung 
gedrängt  wohnten,  war  der  Pincio  (S.  492j  von  wenigen  Gärten  in 
Anspruch  genommen:  Luculi  entfaltete  auf  ihm  seinen  Geschmack 
und  seine  Schätze,  desgleichen  Pompeius  und  Sallust;  die  Besitzung 
des  Geschichtschreibers  reichte  bis  auf  den  Quirinal.  Es  entspricht 
dem  Gang  der  Zeiten  dafs  alles  schhefslich  in  die  Hand  des  Kaisers 
gelangte  und  die  Wenigen  die  von  dieser  anmutigen  Höhe  auf  das 
Gewimmel  zu  ihren  Füfsen  herabblickten,  von  einem  einzigen  Herrn 
abgelöst  wurden. 

Die  Aussicht  vom  Pincio  wird  im  Süden  durch  das  Capitol 
begrenzt,  dessen  Höhe  zuerst  1348  durch  die  Treppe  nach  Araceli, 
dann  1536  durch  zwei  neue  Wege  vom  Marsfeld  her  zugänglich 
gemacht  worden  ist.  Derart  erscheint  die  Stadterweiterung  nach 
dieser  Richtung  ebenso  wie  Trastevere  als  ein  fremdartiger  Zusatz. 
Dagegen  ist  die  servianische  Altstadt  in  natürlichem  Fortschreiten 
nach  Ost  und  Süd  gewachsen  und  bildet  mit  den  Aufsenringen 
eine  zusammenhängende  Einheit.     Die  Mitte  von  Stadt  und   Reich, 

.)  Strabo  V  236. 


536  Kapitel  IX.    Rom. 

von  urbs  und  oibis  nehmen  Capitol  (S.  504)  und  Palatium  (S.  524) 
ein:  dort  thront  der  Herrscher  des  Himmels,  hier  thront  der  Herr- 
scher der  Erde.  Es  entspracli  den  Gedanken  die  er  von  der 
kaiserlichen  Allmacht  nährte,  wenn  Caligula  die  beiden  Herrscher- 
sitze äiifserlich  durch  eine  Brücke  mit  einander  verband.  Anfäng- 
lich hatten  die  Gebieter  andere  Beisassen  neben  sich  geduldet.  Seit 
384  V,  Chr.  jedoch  war  den  Adlichen  untersagt  auf  dem  Capitol  zu 
wohnen.  Die  alte  Stadt  des  Romulus  verblieb  ihnen  bis  zum  Aus- 
gang der  Republik.  Fulvius  Flaccns  der  Verbündete  der  Gracchen, 
Lulatius  Catulus,  Cicero,  Catilina,  Clodius,  die  Redner  Licinius  Cal- 
vus  und  Hortensius,  Antonius,  Agrippa,  Messalla,  um  ein  paar  be- 
kannte Namen  zu  nennen,  haben  in  den  Mauern  des  Palatium  ihr 
Heim  aufgeschlagen.  Hier  stand  die  Wiege  des  Augustus,  hier  das 
Haus  des  neuen  StadtgrUnders.  Unmerklich  im  Stillen  wird  der 
ganze  Berg  den  einst  die  Gelahrten  des  Romulus  bevölkert  hatten, 
in  kaiserliches  Eigentum  verwandelt.  Die  Ruinen  weisen  neben  den 
von  Augustus  Tiberius  Domitian  Septimius  Severus  herrührenden 
Prunkräun)en  eine  Unzahl  kleiner  Zimmer  und  Kammern  auf,  der- 
art den  Umlang  des  Hofgesindes  veranschaulichend.  In  der  That 
mufsten,  von  den  Luxussklaven  abgesehen,  Tausende  fleifsiger 
Köpfe  und  Hände  sich  regen  um  die  hier  zusammen  strömenden 
Geschäfte  zu  bewältigen.  —  Auch  die  Anlage  der  Kaiserfora  ist  keines- 
wegs allein  auf  persönlichen  Ehrgeiz  und  das  Streben  nach  Ver- 
schönerung Roms  zurückzuführen.  Vielmehr  ist  sie  zunächst  durch 
praktische  Bedürfnisse  veranlafst  worden.  Innerhalb  eines  Menschen- 
alters von  Augustus  bis  Claudius  stieg  die  Bürgerschaft  um  die 
Hälfte,  von  4  auf  6  Millionen,  und  hat  seitdem  nicht  durch  natür- 
lichen Zuwachs,  wol  aber  durch  weitere  Verleihungen  dauernd  zu- 
genommen. Entsprechend  wuchs  die  Zahl  der  Rechlshändel,  die  in 
letzter  Instanz  auf  dem  Forum  zum  Austrag  gelangten.  Augustus 
gab  dem  Forum  der  Republik  diejenige  Gestalt  die  nach  Abzug  der 
späteren  Zulhaten  (Vespasianstempel  Severusbogen  Schola  Xantha) 
in  ihren  Trümmern  vor  uns  liegt.  Die  östliche  Schmalseite  nimmt 
der  Tempel  des  Divus  Julius  ein,  die  südliche  Langseite  an»  Clivus 
Capitolinus  der  Saturn-,  am  unteren  Ende  der  Castortempel,  beide 
umgebaut,  dazwischen  durch  die  nach  dem  Flufs  laufenden  vicus 
ivgarius  und  vicus  Tuscvs  begrenzt,  die  Basilica  Julia  die  annähernd 
i/i  ha  die  gleiche  Fläche  wie  das  Forum  bedeckt.  An  der  Nord- 
seite liegt  die  Curie  und  die  Basilica  Aemilia.    Nach  dieser  Richtung 


§  5.    Die  Stadttheile.  537 

hin  wurde  mit  dem  Aufwand  riesiger  Geldmittel  (S.  516)  Raum  ge- 
schafft für  das  Forum  Julium  mit  dem  Tempel  der  Venus  Genetrix, 
dahinter  das  Forum  Auguslum  mit  dem  Tempel  des  Mars  Ultor. 
Bis  Vespasian  ist  man  mit  dem  verfügbaren  Platz  ausgekommen. 
Dieser  fügte  das  Forum  mit  dem  Friedenstempel  hinzu.  Die  zwischen 
letzterem  und  dem  Augustusforum  befindliche  Lücke  wurde  von 
Domitian  und  Nerva  durch  das  Durchgangsforum  ausgefüllt.  Eins 
prächtiger  als  das  andere,  und  doch  wurden  sie  weit  übertroffen 
durch  das  Forum  Traians  „ein  ganz  einziges  Werk  unter  dem 
Himmel ,  dem  auch  die  Götter  ihre  Bewunderung  nicht  versagen 
können".  1)  Apollodor  aus  Damaskos  hat  den  Bau  geleitet.  Der 
Baugrund  wurde  gewonnen  durch  Abtragung  der  Quirinal  und 
Capitol  verbindenden  Höhe  und  Herstellung  eines  ebenen  Durch- 
gangs von  der  Altstadt  zum  Marsfeld.  Die  ganze  Anlage,  Basilica 
Bibliothek  Reiterbild  Siegessäule  Ehrenbogen  und  Tempel  des  Kaisers 
umfassend,  nimmt  eine  Fläche  von  gegen  4  ha  ein;  die  abgegrabene 
Erdschicht  erreicht  eine  Tiefe  von  100'.  —  Die  constantinische  Sladl- 
beschreibung  giebt  für  die  8.  Region  forum  Romanum  vel  magnum 
nicht  weniger  als  34  vici  3480  insuJae  180  domus  an,  für  die  10. 
Region  Palatium  nicht  weniger  als  20  vici  2642  insulae  89  domus. 
Diese  Ziffern  lassen  sich  nur  so  erklären  dafs  einerseits  die  Gelasse 
der  Tempel  und  öffentlichen  Gebäude,  in  denen  die  zugehörige 
Dienerschaft  hauste,  eingerechnet  wurden,  anderseits  der  im  Privat- 
besitz verbliebene  Raum  aufs  Aeufserste  ausgenutzt  war.  Es  war 
zwar  verboten ,  nichts  desto  weniger  wurde  immer  wieder  an  die 
Tempel  angebaut.'^)  Das  Capitol  halte  schon  durch  das  von  Catulus 
errichtete  Tabularium  viel  von  seiner  Festigkeit  eingebufst;  69  n. 
Chr.  konnte  es  von  den  Dächern  der  an  den  Felsen  angeklebten 
Gebäude  erstiegen  werden. 3)  Derart  sind  auch  die  beiden  vor- 
nehmsten und  glänzendsten  Stadtviertel  dicht  bewohnt. 

Vom  Capitol  führt  die  Hauptstrafse  Roms  die  sacra  via  zum 
Forum  hinab  (S.  505),  steigt  von  hier  an  dem  Kloster  der  Vestalen, 
der  Regia  (Amtswohnung  des  Oberpontifex),  den  Tempeln  der  Pena- 
ten und  Laren  vorüber  die  Velia  hinauf,  erreichte  die  stattUche 
Breite  von    12  m,   mit  den    Gangsteigen  23  m:    Schmuck-  Salben- 


1)  Ammian  XVI  10,15  Gell.  N.  A.  XIII  25,1  Cassiod.  Var.  VII  6,1. 

2)  Ammian  XXVII  9,10. 

3)  Tac.  Hist.  111  71  nee  sisti  poterant  scandentes  per  coniuncta  aedificia 
quae  ut  in  mtiUa  pace  in  altum  edita  solum  Capiiulii  aequabant. 


538  Kapitel  IX.    Rom. 

Blumen-  und  Obslläden  fafsten  sie  ein;  auf  dem  Scheitel  steht 
der  Titusbogen,  davor  der  Tempel  des  Juppiter  Stator.  Das  Atrium 
von  Nero's  Goldenem  Hause  nahm  den  östlichen  Theil  der  Velia 
ein:  Hadrian  errichtete  den  grofsen  Doppeltempel  der  Venus  und 
Roma  an  dessen  Stelle.  Nachdem  Maxentius  den  Zwischenraum 
zwischen  diesem  und  dem  Friedenstempel  durch  seine  kühn  ge- 
wölbte Basilica  geschlossen  halte,  reihte  sich  2  km  lang  vom  Mars- 
feld bis  an  den  Fufs  des  Caelius  in  ununterbrochener  Folge  ein 
kaiserlicher  Prachtbau  an  den  andern.  Keiner  von  allen  verkörpert 
so  eindrucksvoll  die  Majestät  des  römischen  Namens  wie  das  Am- 
phitlieater,  das  Vespasian  in  der  Tiefe  zwischen  Velia  Caelius  und 
Esquilin  aufführte.  Nero  halte  hier  einen  Teich  für  seinen  Garten 
angebracht.  Das  Amphitheater  aus  Travertin  erbaut  steigt  in  4 
Stockwerken  48,5  m  auf,  mifst  im  Umfang  365^4  Schritt  540,6  m, 
enthält  angebhch  87  000  Plätze.  Das  Mittelalter  erblickte  darin 
einen  Sonnentempel  und  übertrug  darauf  den  Namen  des  mehr  als 
100'  hohen  Colusses,  der  der  Sonne  geweiht  75  n.  Chr.  als  Schutz- 
geist der  flavischen  Stadt  an  der  heiligen  Strafse  aufgerichtet  worden 
war.  An  dies  Bildnifs  knüpft  die  von  Beda  dem  Ehrwürdigen  auf- 
bewahrte Weissagung  an:  quamdiu  slat  colysaeus,  stat  et  Roma; 
quando  cadet  colysaeus,  cadet  et  Roma;  quando  cadet  Roma,  cadet  et 
mundns.  Zwei  Drittel  der  Quadern  sind  verschleppt,  den  Wert  des 
noch  vorhandenen  Restes  berechnete  ein  Architekt  des  18.  Jahr- 
hunderts nach  damaligen  Tagespreisen  auf  Vj-i  Million  Scudi  8 
Millionen  Franken.  Auf  dem  anstofsenden  Caelius  und  Oppius  be- 
fanden sich  die  Casernen  und  Zeughäuser  welche  das  Fechterwesen 
erforderte.  Man  sieht  noch  auf  dem  Caelius  die  Bogen  der  Leitung 
die  Nero  für  die  Wasserkünste  seines  Gartens  angelegt  hatte.  In 
der  Periode  der  Anfänge  eine  geschlossene  Einheit  mit  besonderer 
Befestigung,  bildet  das  Caelimontium  die  2.  Region  des  Augustus 
und  wird  in  der  Kaiserzeit  vom  Adel  bevorzugt.  Das  Haus  der 
Laterani  kam  nach  mancherlei  Schicksalen  durch  Constantins  Schen- 
kung an  den  Papst  und  wurde  die  Mutterkirche  der  abendländischen 
Christenheit:  seine  Reste  liegen  7,5  m  unter  der  heutigen  Kirche. 
Die  Bauthätigkeit  der  Flavier  ist  besonders  der  3.  und  4.  Region 
zugewandt  gewesen.  Die  3.  in  der  Stadtbeschreibung  Isis  et  Serapis 
beoannt,  enthält  aufser  dem  Amphitheater  die  grofsen  Thermen  die 
Titus  und  Traian  aus  einem  Theil  des  Goldenen  Hauses  herstellten. 
Sie  liegen  auf  dem  Oppius  dem  südHchen  Vorsprung  des  Esquiün 


§  5.    Die  Stadttheile.  539 

(S.  492);  der  Westrand  hiefs  Carinae  und  bewahrte  lange  die  Spuren 
eines  alten  Walles.  Ihm  zu  Filfsen  erstreckte  sich  die  Subura, 
die  als  4.  Region  nach  dem  Hauptgebäude  den  Namen  templum 
Pacis  erhielt.  Da  die  Strafsen  von  den  drei  Thoren  des  esquili- 
nischen  Rückens  (S.  501)  hier  einmünden,  ist  die  Subura  ein  Hanpt- 
sitz  von  Gewerbe  und  Verkehr. 

Aber  die  eigentliche  Geschäftsgegend  befindet  sich  westhch 
vom  Forum  nach  dem  Flufs  zu  (S.  505),  in  diesen  Niederungen  ist 
der  älteste  Hochbau  nachweisbar  (S.  508).  So  oft  auch  der  Brand 
in  den  engen  Gassen  tobte,  haben  die  Kaiser  doch  davon  Abstand 
genommen  diesen  Stadttheil  umzugestalten  oder  in  die  Central- 
anlagen  einzubeziehen.  Die  11.  Region  hiefs  circus  maximus  nach 
dem  grüfsten  Marktplatz  Roms  (S.  506).  Den  auf  ihm  abgehaltenen 
Wagenrennen  konnten  unter  Augustus  150000,  unter  Nero  angeb- 
lich 250  000,  nach  der  Stadtbeschreibung  gar  485000  Zuschauer 
beiwohnen.  Die  Gewölbe  welche  die  aufsteigenden  Sitzreihen  trugen, 
waren  an  kleine  Leute  vermietet  und  dicht  bewohnt.  Die  aus  Holz 
bestehenden  oberen  Stockwerke  gaben  häufig  Anlafs  zu  verheeren- 
den Bränden,  stürzten  auch  gelegentlich  unter  dem  Zudrang  der 
Massen  ein :  die  Chronik  von  354  meldet  dafs  unter  Antoninus  Pius 
1112,  unter  Diocletian  13000  Menschen  durch  Einstürze  im  Circus 
umkamen.  —  Rein  geschäftlichen  Zwecken  dienten  das  Velabrum 
(S.  494)  und  das  Forum  Boarium  (S.  505).  Die  Flufsufer  waren  wie 
bemerkt  hüben  und  drüben  in  den  Kreis  des  Verkehrs  gezogen 
und  mit  Speichern  besetzt.  Aber  der  wichtigste  und  älteste  Stapel- 
platz lag  südlich  von  der  Altstadt  in  der  13.  Region  Aventinus. 
Der  fahrbare  clivu?,  Publtcius  führte  auf  diesen  seit  456  v.  Chr.  von 
der  Plebs  besiedelten  Berg  (S.  506)  hinauf.  Aufserhalb  der  Porta 
Trigemina  werden  zuerst  Salz-,  dann  Kornlager  erwähnt  (S.  509); 
193  V.  Chr.  erfolgt  die  Einrichtung  eines  besonderen  Emporium, 
und  schliefslich  bedeckt  sich  die  weite  Ebene  am  Fufs  des  Aventin 
mit  grofsen  Speichern.  Wir  kennen  il  horrea  mit  Namen,  die 
verschiedensten  Waaren  lagerten  in  ihnen,  von  der  Masse  bunten 
Marmors  der  aus  Asien  Africa  Griechenland  angefahren  und  wie 
es  scheint  in  Folge  einer  Ueberschwemmung  preisgegeben  wurde, 
zeugen  die  seit  1867  gemachten  Funde.  Als  redendes  Zeugnifs 
von  der  Grofsartigkeit  des  Verkehrs  steht  der  Monte  Testaccio  da 
der  am  Fufs  über  1  km  im  Umfang  35  m  (50  m  ü.  M.)  hoch  auf- 
steigt und  ausschhefslich   aus  zerbrochenen   Thonkrügen   die  Wein 


540  Kapitel  IX.     Rom. 

Oel  Getreide  aus  Spanien  entliallen  hatten,  besteht  (S.  129).  Aehn- 
lichen  Scherbenbergeo  begegnen  wir  auf  beiden  Tiberufern,  freiHch 
in  unendlich  kleinerem  Mafsslab.  —  Die  ostUche  Kuppe  des  Aventin 
(S.  493)  nebst  einem  Theil  der  Vorstadt  vor  Porta  Capena  ist  der 
12.  Hegion  pisciiia  publica  zugewiesen:  so  heifst  sie  nach  einem 
alten  später  beseitigten  Teich.  Die  Via  Appia  bildet  die  Grenze 
gegen  die  1.  Region  porla  Capena,  nach  dem  am  Abhang  des  Caelius 
gelegenen  Thor  der  servianischen  Mauer  benannt.  Der  Umstand 
dafs  sie  zur  Bildung  von  zwei  Regionen  ausreichte,  beweist  die 
Ausdehnung  dieser  ältesten  Vorstadt  (S.  509).  Die  Regionenbeschrei- 
bung greift  hier  mit  der  Anführung  des  Almo  '/2  km  über  das 
aurelianische  Thor  hinaus;  2  km  weiter  hegt  der  309  n.  Chr.  erbaute 
Circus  des  Maxentius  mit  18  000  Sitzplätzen.  Das  hervorragendste 
Denkmal  dieses  Stadttheils  sind  die  212  von  Caracalla  begonnenen 
Thermen  die  einen  Flächenraum  von  11ha  einnehmen  und  alle 
früheren  Anlagen  übertreffen. 

Im  Osten  bildete  die  gewaltige  Mauer  der  Kouigszeit  (S.  501) 
bis  auf  Aurelian  die  Stadtgrenze  (S.  525).  Die  Hebung  des  Osl- 
viertels  wurde  von  Augustus  eingeleitet:  der  allen  Gefühlen  Hohn 
sprechende  Schindanger  verschwand  (S.  522),  vor  dem  esquilinischen 
Thor  errichtete  die  Kaiserin  Livia  ein  Schlachthaus,  innerhalb  eine 
Säulenhalle.  Den  Kern  einer  neuen  Vorstadt  schuf  Tiberius  durch 
den  Bau  der  20  ha  messenden  castra  praetoria  vor  dem  viminalischen 
Thor,  wo  fortan  die  Garde  lagerte.  Die  Anlage  ist  ebenso  wie  das 
zur  Unterhaltung  der  Soldaten  bestimmte  Amphitheater  bei  S.  Croce 
in  den  Lauf  der  aurelianischen  Mauer  einbezogen  worden.  Auch 
die  anderen  Truppenkörper  mit  Ausnahme  der  Vigiles  waren  wie 
die  Garde  im  äufseren  Sladtring  untergebracht.  Die  bürgerliche 
Eintheilung  befafst  die  alte  Sabinerstadt  auf  dem  Quirinal  als 
6.  Region  alta  semüa  —  der  Name  bezeichnet  wahrscheinlich  die 
Hauptstrafse  Via  Venti  Settembre  —  sowie  die  5.  Region  Esquiliae. 
Der  Quirinal  wies  ein  Capüolium  vetus  auf  d.  h.  ein  Heiligtum  von 
Juppiter  Juno  Minerva,  dem  ein  höheres  .Aller  zugeschrieben  wurde 
als  dem  von  König  Tarquinius  errichteten,  desgleichen  manche  an- 
dere Heiligtümer  aus  der  sabinischen  Vergangenheit.  In  dieser 
heimatlichen  Umgebung  lag  die  Grabstätte  des  flavischen  Kaiser- 
hauses das  durch  besondere  AnhängUchkeit  an  seinen  sabinischen 
Ursprung  (S.  468)  sich  hervorthat.  Einen  glänzenden  Schmuck 
erhielt   dies   Viertel    durch   die  305  n.  Chr.   eingeweihten    Thermen 


§  6.     Das  Weichbild.  541 

des  üioclelian:  eine  Anlage  die  diejenige  Caracalla's  weit  hinter 
sich  hefs,  da  sie  eine  Fläche  von  20  ha  bedeckte  und  3000  Badende 
aufnehmen  konnte.  Und  damit  nicht  genug  fügte  Constantin  eine 
letzte  Thermenanlage  oberhalb  des  Traiansforum  hinzu.  Mit  der 
Abnahme  der  Bevölkerung  war  der  Baugrund  billig  geworden  und 
gestaltete  derartige  Ausschreitungen  des  Luxus. 

§  6.  Das  Weichbild. 
In  der  Zeit  höchsten  Glanzes  haben  die  Römer  sich  gewöhnt 
in  Tibur  und  Praeneste  Aricia  und  Laurentum,  kurz  in  all  den 
Ortschaften  die  an  den  Sabiuer-  und  Albanerbergen,  wie  auf  der 
weiten  Ebene  vur  ihren  Bhcken  auftauchten  (S.  481),  blofse  Vor- 
städte der  eigenen  zu  sehen.')  Wenn  wir  ihnen  darin  auch  nicht 
folgen  und  das  suburbium  auf  die  zur  Stadtgemeinde  gehörigen  und 
vom  städtischen  Leben  abhängenden  Weiler  Gehöfte  und  Villen  be- 
schränken, so  bleibt  die  Ausdehnung  dieses  Bezirks  stattlich  genug. 
Die  älteste  Feldflur  (S.  498)  ist  von  Rom  und  seinen  Vororten 
nach  und  nach  ausgefüllt,  ja  überschritten  worden;  denn  es  be- 
deckt mit  diesen  einen  Flächenraum  von  rund  120  Dkm,  wovon 
ungefähr  die  Hälfte  innerhalb  der  Rechtsgrenze,  ein  Sechstel  inner- 
halb der  Mauthgrenze  fällt  (S.  525).  Das  allmäliche  Wachstum  ist 
den  Alten  durch  Grabmäler  veranschaulicht  worden  und  wird  es  auch 
uns.  Jene  sahen  auf  dem  Comitium  Aventin  und  in  den  Argeer- 
capellen  Gräber  die  in  die  erste  Zeit  der  Anfänge  hinaufreichten; 
die  Ausgrabungen  auf  dem  Esquiün  haben  ein  Todtenfeld  inner- 
halb der  Serviusmauer  ans  Licht  gebracht.  Dann  werden  die 
Todten  vor  die  Thore  gedrängt  und  behaupten  sich  im  Umkreis  der 
Altstadt  bis  in  die  erste  Kaiserzeit.  Aber  mit  der  grofsen  Er- 
weiterung des  Pomerium  durch  Claudius  müssen  sie  \  ieder  weichen 
und  hinaus  rücken,  so  dafs  sie  die  von  Rom  auslaufenden  Strafsen 
8  km  und  mehr  ohne  Unterbrechung  einfassen.  Auch  die  unter- 
irdischen Friedhöfe  der  Christen  die  wir  Katakc'mben  zu  nennen 
pflegen,  umgeben  die  aurelianische  Mauer  in  ^^inem  Abstand  von 
2 — 5  km.  Einige  fünfzig  sind  bisher  bekannt  geworden,  die  vom 
Ende  des  ersten  Jahrhunderts  ab  angelegt  uad  bis  in  den  Anfang 
des  fünften  benutzt  worden  sind.  Ihr  Areal  wird  auf  246,7  ha 
berechnet,   aber  da  die  Gänge   in  der  Tiefe   von  mehreren  Stock- 


1)  Ovid  Ars  amat.  I  259  Fast.  VI  58  Varro  LL.  VI  18  Flor.  I  5,7. 


542  Kapitel  IX.     Rom. 

werken  über  einander  ausgehöhlt  sind,  stellt  sich  ihre  Gesamtlänge 
aul  876km,  die  Zahl  der  Bestatteten  auf  27-2  Millionen:  da  diese 
Zahl  einen  Zeitraum  von  reichlich  drei  Jahrhunderten  umspannt, 
ist  sie  geeignet  vor  einer  Ueberschätzung  der  Stärke  der  Christen- 
gemeinde und  der  Bevölkerungsziffer  der  späteren  Kaiserzeit  über- 
haupt zu  warnen.  Als  der  Gothenkönig  Alarich  Rom  belagert  und 
geplündert  hatte,  wird  das  Begraben  in  den  Katakomben  durch  das 
Begraben  in  den  Kirchen  ersetzt:  Lebende  und  Todte  flüchten  gleicher 
Mafsen  in  den  Schutz  der  Festung. 

Die  centrale  Lage  Roms  als  natürlicher  Hauptstadt  der  vom 
Tiber  durchflossenen  Ebene  erhält  in  der  Menge  der  von  seinen 
Thoren  auslaufenden  Strafsen  ihren  Ausdruck.  Die  älteren  sind 
durchweg  nach  ihrem  Endziel,  die  jüngeren  nach  ihrem  Erbauer 
benannt.  Wenn  in  der  Friedenszeit  die  Wohnweise  durch  den 
Gang  der  Verkehrswege  bedingt  wird  (S.  58),  so  tritt  der  Wandel 
hier  in  besonderer  Stärke  iu  die  Erscheinung.  Augustus  hat  20  v. 
Chr.  die  Herstellung  der  italischen  Strafsen  in  die  Hand  genommen 
und  als  Denkmal  seiner  Thätigkeit  das  miliarium  anreum  mit  einem 
Verzeichnifs  derselben  oberhalb  des  Forums  errichtet. i)  Die  goldene 
Säule  ist  seit  den  Flaviern  als  Mittelpunct  der  Stadt  betrachtet  worden. 
Mit  verzeihlichem  Irrtum  hat  man  darin  auch  den  Endpunct  der 
itahschen  Strafsen  erblickt:  in  Wirklichkeit  werden  die  Entfernungen 
von  den  servianischen  Thoren  aus  bestimmt.  Als  solche  erkannte 
die  Kaiserzeit  19  an  (S.  525);  die  Regionenbeschreibung  läfst  von 
den  15  Thoren  Aurelians  29  Strafsen  ausgehen,  und  diese  Ziffer 
trifft  annähernd  zu.  Wir  beginnen  die  Aufzählung  auf  dem  rechten 
Lfer  im  Süden. 

Aus  porta  Portuensis  führt  die  belebte  via  Portuensis^)  15  Mil- 
lien  lang  nach  dem  von  Claudius  angelegten  neuen  Hafen  an  der 
Tibermündung.  Sie  hält  sich  nicht  im  Flufsthal,  sondern  schlägt 
die  gerade  Richtung  über  den  Hügelrand  ein.  Reichlich  1  MiUie 
vom  Thor  zweigt  dem  Flufs  folgend  die  via  Campana^)  ab  und 
fällt  am  11.  Meilenstein  wieder  mit  ihr  zusammen.     Am  5.  Meilen- 


1)  Dio  LIV  8  Plin.  111  66  Tac.  Bist.  I  27  Plut.  Galba  24  SueL  Otho  6  Dig. 
L  16,154. 

2)  It.  Ant.  300  Regionär. 

3)  Acta  fr.  Arv.  a.  224  v.  3.  14  Suet.  Aug.  94  (vgl.  Dio  XLV  2)  Regionär. 
CIL.  VI  1610  X  1795. 


§  6.    Das  Weichbild.  543 

Stein  der  Via  Campana  liegt  in  der  Vigna  Ceccarelli  der  Rundtempel 
der  Dea  Dia  mit  dem  Hain  der  Arvalen  (S.  498).  Nicht  nur  dies 
Heiligtum,  auch  der  Name  lehrt  dafs  ihr  ein  höheres  Alter  zukommt 
als  der  Portuensis;  denn  er  ist  klärlich  vom  campns  salinarum 
Romanarum  Campo  Salino,  der  grofsen  Salzwiese  am  rechten 
Flufsufer  (S.  359)  abgeleitet,  i) 

Von  porla  Aurelia  P.  San  Pancrazio  auf  der  Höhe  des  Janicu- 
lum  läuft  die  via  Aurelia  die  grofse  Küstenstrafse  nach  Pisa  aus 
(S,  299).  Unweit  des  Thores  geht  links  eine  antike  Strafse  nach 
der  Kirche  S.  Pancrazio  ab,  verliert  sich  aber  weiterhin  im  Felde. 
Man  hat  mit  Grund  vermutet  dafs  sie  sich  bis  zur  Küste  fortsetzte 
und  ehedem  via  Viiellia,  später  via  Janiculensis  hiefs.2)  Inschrift- 
lich wird  eine  Aurelia  vetus  et  nova  unterschieden. 3)  Um  den 
steilen  Anstieg  nach  S.  Pancrazio  zu  vermeiden  wurde  nämlich  ein 
Umweg  über  den  10  m  niedrigeren  Rücken  hinter  S.  Peter  eröffnet, 
der  nach  372  Millien  in  die  alte  Strafse  einmündet.  Von  der  neuen, 
bei  etwa  2  Millien  Abstand  von  der  heutigen  Porta  Cavalleggieri,  trennt 
sich  die  via  Cornelia  deren  nach  Caere  führender  Gang  noch  erkenn- 
bar ist^):  wer  sie  erbaut  hat  wissen  wir  nicht.  Unbekannt  ist  des- 
gleichen der  Grund  der  Benennung  wie  die  Entstehungszeit  der 
via  triumphalis^);  sie  mündet,  von  Porta  Angelica  am  Vatican  über 
M.  Mario  hinführend,  in  die  Via  (Claudia)  Cassia  zwischen  dem  8. 
und  9.  Meilenstein  aus. 

Vom  Capitol  sind  3,  von  porta  Flaminia  Porla  del  Popolo 
2  Millien  bis  zum  pons  Mulvius  Ponte  Molle,  der  als  Holzbau  schon 
im  hannibaUschen  Kriege  (S.  510),  in  Stein  seit  110  v.  Chr.  be- 
stand (S.  511);  die  mittleren  4  Bogen  stammen  aus  dem  Altertum. 
Die  Brücke  wird  oft  erwähnt  6);  ihre  militärische  Wichtigkeil  trat 
312  beim  Untergang  des  Maxentius  zu  Tage.")  Ein  Ehrenbogen 
war  an  ihr  dem  Augustus  zum  Dank  für  die  Herstellung  der  flami- 


1)  Allein  bekannt  durch  die  Weihinschrift  Not.  d.  Scavi  1888  p.  228. 

2)  Suet.  Vit.  1  Regionär.     Nibby  III  568. 

3)  CIL.  XIV  3610. 

4)  Regionär.     CIL.  XIV  361U,   in  christlichen    Quellen   Jordan  Top.  I  1,376 
A.  51  Nibby  III  569. 

5)  Regionär.  CIL.  XIV  3610. 

6)  Sali.   Cat.  45   Cic.   Alt.  XIII  33,4   Mon.   Anc.   c.  20  Stat.  Silv.  II  1,176 
Claudian  28,544. 

7)  Lactanz   de  mort.   pers.  44   Aur.    Vict.   Caes.   40;   vgl.  Tac.  Bist.  I  87 
II  89  III  82. 


544  Kapitel  IX.     Rom. 

nischen  Strafse  errichtet.')  Ein  Vorort  war  durch  den  Verkehr  ins 
Leben  gerufen  worden. 2)  Jenseit  des  Tiber  folgt  die  via  Flaminia 
dem  Fhifsthal  bis  Prima  Porta  wo  sie  landeinwärts  zieht,  während 
die  via  Tiberina  die  anfängUche  Richtung  beibehält  (S.  372).  Links 
von  der  Flaminia  zweigt  bei  Ponte  Molle  die  via  Claudia  ab  (S.  353). 
Am  6.  Meilenstein  der  Claudia  bei  einem  Grabmal  das  der  Volks- 
mund dem  Nero  beilegt,  führt  rechts  eine  Strafse  nach  Veji  (S.  356); 
am  11..  Meilenstein  trennen  sich  die  Claudia  und  die  via  Cassia. 

Von  der  jetzt  geschlossenen  porta  Pinciana  lief  keine  Haupt- 
strafse  aus.  Es  folgt  porta  Salaria  400  m  aufserhalb  des  viel  ge- 
nannten coUinischen  Thors  (S.  501).  Die  uralte  via  Salaria  (S.  477) 
überschreitet  zwischen  dem  2.  und  3.  Meilenstein  den  Anio:  die 
oft  zerstörte  Brücke  wird  zuerst  in  den  Kämpfen  gegen  die  Gallier 
358  V.  Chr.  erwähnt.3)  Am  Zusammenflufs  von  Anio  und  Tiber  er- 
hebt sich  in  beherrschender  Höhe  (62  m)  ein  Hügel  nahezu  gleichen 
Umfangs  wie  der  palatinische  und  überaus  fest,  wie  er  denn  auch 
gegenwärtig  ein  Fort  trägt.  In  grauer  Vorzeit  trug  er  das  thurm- 
bewehrte  Antemnae,  dessen  Name  aus  der  Lage  vor  den  Flüssen  her- 
rührt.^) Stiabo  giebt  seine  Entfernung  von  Palatium  richtig  zu 
30  Stadien  ==  3  Mühen  an.^)  Bei  solcher  Nähe  hat  es  die  Unab- 
hängigkeit früh,  nach  der  Sage  durch  Romulus  eingebüfst  und  ist  zu 
einem  Dorf,  dann  einer  Villa  herabgesunken. o)  Die  am  1.  Novem- 
ber 82  V.  Chr.  am  coUinischen  Thor  von  Sulla  geschlagenen  Sam- 
niten  suchten  hier  ihre  letzte  Zuflucht. '') 

Mit  der  Salaria  lief  ursprünglich  auch  die  via  Nomentaiia  vom 
coUinischen  Thor  aus 8),  seit  dem  aurelianischen  Mauerbau  aus  der 
300  m  davor  liegenden  porla  Nomentaiia  Porta  Pia.  Sie  mündet  bei 
Eretum  wieder  in  jene  ein  (S.  er  479).  Grab  kennzeichnen  ihren 
Gang,  so  das  von  Constantins  Tochter  Constantia  (mit  zwei  Kata- 
komben in  der  Nähe)  vor  dem  2.  Meilenstein;  zwischen  dem  2.  und 


1)  Dio  LIIl  22. 

2)  Tac.  Ann.  XIII  47. 

3)  Liv.  VII  9. 

4)  Vario  LL.  V  28  Fest.   17  M.   Verg.   Aen.  VII  631    turrigerae  A.   dazu 
Serv.  Sil.  It.  VIII  365  Antemna  ebenso  die  Griechen:  Dion.  H.  Plut.  Steph.  Byz. 

5)  Strab.  V  230. 

6)  Liv.  I  9.  11  Plut.  Rom.  17  Dion.  H.  I  16  II  35  IV  3  VI  55  Plin.  III  68  Gate 
Or.  I  25  Jordan  Not.  d.  Scavi  1886  p.  24  18S7  p.  64. 

7)  Plut.  Sulla  30. 

8)  Strab.  V  228. 


§  6.    Das  Weichbild.  545 

3.  führt  eine  antike  Brücke  über  den  Anio.  Auf  dem  jenseitigen 
Ufer  3  Millien  von  Rom  zur  Rechten  der  Strafse  erinnerte  der 
mons  Sacer  den  Plebejer  an  den  Auszug  seiner  Vorfahren  494  und 
449  V.  Chr.,  dem  er  Recht  und  Freiheit  verdankte.  Die  Ortsangaben 
der  Alten  stimmen  überein. i)  Auch  kann  über  den  zur  Abwehr 
eines  von  Rom  kommenden  Gegners  wie  für  Einfälle  in  römisches 
Gebiet  gleich  geeigneten  Hügel  auf  dem  die  Plebs  lagerte,  kein 
Zweifel  sein.  Er  steigt  20  m  über  der  Thalsohle  auf  und  wird  an 
drei  Seiten  von  dem  eine  Schleife  bildenden  Anio  umflossen,  aufser- 
dem  im  Rücken  durch  einen  in  den  Anio  mündenden  Bach  gedeckt. 

Südlich  vom  Lager  der  Praetorianer  befindet  sich  ein  früh 
vermauertes  Nebenlhor,  aus  dem  so  wenig  wie  aus  der  500  m  ein- 
wärts gelegenen  Porta  Viminalis  eine  Heerstrafse  ausgegangen  ist. 
Die  Oerllichkeit  vor  der  Angriffsfront  zwischen  dem  colliuischen 
und  esquilinischen  Thor  die  Hannibal  211  v.  Chr.  vom  Anio  her 
erkundete,  kennzeichnet  Livius  durch  die  Worte  inter  cotwalles  tec- 
taque  hortorum  et  sepulcra  aut  caoas  uniiqne  vias.-)  Das  esqui- 
hnische  Thor  ist  in  der  Befestigung  Aurelians  durch  zwei  ersetzt 
worden,  zunächst  die  800  m  entfernte  porta  Tiburtt'na  Porta  S. 
Lorenzo,  wie  sie  jetzt  nach  der  von  Constantin  gegründeten  Patriar- 
chalkirche  heifst.  Kurz  vor  dem  5.  Meilenstein  überschreitet  die 
via  Tihurtina  (in  ihrer  Fortsetzung  Valeria)  den  Anio  auf  einer, 
man  weifs  nicht  weshalb,  Ponte  Mammolo  benannten  Brücke,  deren 
geringe  Breite  (4,85  m)  ein  hohes  Alter  verrät.  Nach  Strabo  sind 
diese,  die  appische  und  laliuische  die  drei  berühmtesten  Strafsen.^) 

Fast  1  Millie  auswärts  vom  esquilinischen  liegt  ein  Doppelthor 
porta  Praenestina  Porta  Maggiore.  Der  linke  Thorbogen  entsendet 
die  via  Praenestina,  der  rechte  die  via  Labicana^):  zwischen  beiden 
steht  das  Denkmal  des  Bäckers  Eurysaces  vom  Ausgang  der  Republik. 
Da  die  erstgenannte  Gabii  berührt,  heifst  sie  in  alten  Annalen  via 
Gabina.^)  Am  3.  Meilenstein  liegen  die  ausgedehnten  Ruinen  von 
Tor  de'  Schiavi  aus  Diocletians  Zeit.    Eine  iNebenstrafse  der  Praene- 


1)  Gic.  Brut.  54  Rep.  II  58.  63  fr.  p.   14,24  Baiter  Fest.   318  M.  Liv.  II  32 
III  52  Dion.  H.  VI  45  X  35  Val.  Max.  VIII  9,1. 

2)  Liv.  XXVI  10. 

3)  Strab.  V  236.  37. 

4)  Strab.  V  237. 

5)  Liv.  II  11  1116  V49. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.    II.  35 


646  Kapitel  IX.     Rom. 

stioa  ist  die  via  CoUatina.^)  An  der  Labicana  am  3.  Meilenstein 
bezeichnen  die  Ruinen  Tone  IMgnaltara  das  angebliche  Grabmal 
der  Helena  Mutter  Constantins.  Aelmlich  wie  in  Lorium  (S.  351) 
hatte  sich  um  einen  Kaiserpalasl  eine  ausgedehnte  Vorstadt  ange- 
siedelt die  ein  eigenes  Bistum  Subangnsta  bildete.^) 

Der  Absland  der  porta  Asinaria  Porta  S.  Giovanni  von  dem 
servianischen  Thor  am  Caelius  beträgt  700  m.  Die  von  hier  aus- 
laufende via  Asinaria  ist  eine  Nebenstrafse  recht  alten  Ursprungs, 
welche  die  Latina  und  Appia  schneidend  am  3.  Meilenstein  der 
Ardeatina  endigt. 3)  Es  folgt  die  jetzt  geschlossene  porta  Metrovia. 
Da  im  3.  Jahrhundert  v.  Chr.  eine  via  Latina  vetus  und  nova  unter- 
schieden wird,  ist  es  müghch  dafs  einer  von  beiden  Armen  dies 
Thor  benutzt  habe.*) 

Wie  dem  auch  sei,  so  sind  sicher  zwei  andere  aurelianische 
Thore  an  die  Stelle  der  Porta  Capena  (S.  502)  getreten,  die  ehedem 
den  ganzen  grofsen  Verkehr  von  Süden  aufnahm:  die  vermauerte 
porta  Latina  und  die  porta  Appia  Porta  S.  Sebastiano.  Die  via 
Latina  und  via  Appia  gehen  650  m  vor  Porta  Capena  in  spitzem 
Winkel  auseinander,  um  kurz  vor  Capua  sich  wieder  zu  vereinigen. 
Während  Strabo  beide  mit  der  Valeria  auf  gleiche  Stufe  stellt 
(S.  545),  kann  in  der  Schätzung  der  Gegenwart  keine  römische 
Strafse  auch  nur  von  Weitem  mit  der  appischen  verglichen  werden. 
Der  Wanderer  der  im  Colosseum  die  Gröfse  Roms  angestaunt  hat, 
sieht  auf  ihr  einen  nach  dem  anderen  die  Zeugen  einer  reichen 
Vergangenheit,  von  dem  Ringen  mit  Samnium  und  Karthago  bis  zu 
den  Kämpfen  und  Siegen  der  Kirche  und  dem  Fehdeleben  des 
Mittelalters,  an  seinem  Auge  vorüberziehen.  Wenn  er  sich  Rechen- 
schaft zu  geben  sucht  von  dem  stillen  Zauber  der  ihm  den  Sinn 
gefangen  hält^),  so  wirken  drei  verschiedene  Ursachen  zusammen. 
Vom  3.  Meilenstein  ab  läuft  die  Strafse  auf  dem  Rücken  eines  un- 
geheueren Lavastroms  (I  262),  dessen  Höhenlage  einen  freien  Rund- 
blick  nach   allen  Seiten    gewährt.     Sodann   haben  Raubburgen  die 


1)  Regionär.     Fionlin  aqu.  5.  10. 

2)  ad  duos  laui'os,  inter  duas  latiros,  ad  laurum  Cliron.  min.  1  303.  490 
III  296;  Duchesne  Archivio  rom.  XV  497. 

3)  Fest.  282  M.  Regionär,  vgl.  Prokop  b.  Golh.  114  III  20. 

4)  Eph.  epigr.  I  p.  133. 

5)  Dies  ist  in  Erinnerung  an  die  päpstliche  Zeit   gesagt:   seither  und  be- 
sonders im  letzten  Jahrzehnt  hat  die  Strafse  von   ihren  Reizen   viel  verloren. 


§  6.     Pas  Weichbild.  647 

in  den  Denkmälern  sich  eingenistet  hatten  (Caeciha  Melella,  Tor  ili 
Selce),  den  Verkehr  frühzeitig  fortgescheucht  und  dadurch  die  Er- 
haltung der  Ruinen  begünstigt:  erst  1850fg.  wurde  der  Fahrdanim 
wieder  aufgedeckt.  Endlich  ist  nach  dem  eigenen  Zeugnifs  der 
Römer  die  Appia  die  belebteste  und  glänzendste,  die  Königin  ihrer 
Slrafsen  gewesen,  hat  noch  im  6.  Jahrhundert  Prokop's  Bewunderung 
erregt.')  Daher  hatten  schon  die  Grofsen  der  Republik  mit  Vor- 
liebe ihre  Ruhestätte  vor  Porta  Capena  gewählt.^)  Der  erste 
Meilenstein  steht  aufserhalb  der  aurelianischen  Mauer.  Die  Strafse 
senkt  sich  zum  Thal  des  Almo  Acquataccio  herab  das  im  Süden 
das  Stadtgebiet  begrenzt  (S.  491).  Der  am  Fufs  der  Albanerberge 
entspringende  kaum  15  km  langt;  Bach  setzte  gelegentlich  den  Grund 
unter  Wasser  und  richtete  in  der  Vorstadt  bemerkenswerten  Schaden 
an. 3)  Der  Marstempel  der  den  Kern  der  Vorstadt  abgegeben  hatte 
(S.  509),  lag  auf  der  Anhöhe  über  dem  Bach  links  von  der  Strafse. 
Jenseit  des  Almo  geht  rechts  die  via  Ardeatina  ab.  Am  3.  Meilen- 
stein erreicht  die  Appia  das  Grabmal  der  Caecilia  Metella  des  jungem 
Crassus  Gemahlin,  einen  Rundbau  von  20  m  Durchmesser  der  am 
Absturz  des  Lavastroms  (64  m)  weithin  sichtbar  thront.  Erst  nach 
weiteren  5  Millien  lichtet  sich  die  Gräberreihe. 

Auch  der  via  Ostiensis  hat  es,  wie  die  am  gleichnamigen  Thor 
in  die  Mauer  eingefügte  aus  carrarischem  Marmor  erbaute  Pyramide 
des  Cestius  lehrt,  an  stattHchen  Denkmälern  nicht  gefehlt.  Sie  hält 
sich  in  der  Nähe  des  Flusses.  Die  Lage  der  Paulskirche  zwischen 
dem  1.  und  2.  Meilenstein  läfst  schon  schliefsen  dafs  Vororte  sich 
weit  hinaus  erstreckt  haben.  In  der  That  wird  am  3.  Meilenstein 
der  vicus  Alexandri  als  Anlegeplatz  für  grofse  Schiffe  erwähnt 
(l  317  A.  5).  Die  Angabe  trifft  auf  den  Porto  della  Pozzolana  zu, 
wo  aus  den  nahen  Gruben  die  treffliche  Erde  von  den  seewärts 
fahrenden  Schiffen  als  Rückfracht  oder  Ballast  eingenommen  wird.^) 
I/o  Millie  vorher  zweigt  die  via  Laurentina  ab:  an  ihr  liegen  3  Millien 
von  der  Stadt  die  aquae  Salviae  Tre  Fontane,  deren  Ursprung  von 


1)  Sta..  Silv.  n  2,12  Martial  IX  101,2  Prokop  b.  Goth.  I  14. 

2)  Cic.  Tuscul.  I  13  CIL.  I  p.  11  fg. 

3)  Cic.  ad  Quint.  111  7  de  üeor.  nat.  111  52  Ovid  Met.  XIV  329  Fast.  IV  337  fg. 
Lucan  I  600  Martial  III  47,2  Stat.  Silv.  V  1,222  Sil.  It.  VIII  363  Vib.  Seq.  p. 
146  R.  Ammian  XXUI  3,7  CIL.  I  p.  390. 

4)  Nibby  III  491  Wesiphal  4,  Not.  d.  Scavi  1897  p.  195  1898  p. 
450  fg. 

35* 


548  Kapitel  IX,     Rom. 

der  Legende  mit  der  Hinrichtung  des  Apostels  Paulus  in  Verbindung 
gebracht  wird.') 

Die  Grabniäler  sind  es  nicht  allein  die  der  Campagna  ihren 
historischen  Charakter  verleihen;  die  meilenlangen  Bogenreihen  der 
Aquäducte  machen  ihnen  den  Rang  streitig.  Die  Alten  haben  mit 
Lobsprüchen  auf  die  Wasserversorgung  Roms  nicht  gekargt  und  sie 
unter  die  >Yellwunder  gerechnet.^)  Im  Lauf  von  sechs  Jahrhunder- 
ten sind  riesenhafte  Mittel  zur  Lösung  der  Aufgabe  verwandt 
worden.  Die  Gesamtlänge  der  Leitungen  beträgt  359  Millien  wovon 
304  unterirdisch,  55  bis  zur  Höhe  von  100'  und  mehr  überirdisch 
geführt  sind.  Da  die  Römer  aufser  Stande  waren  Röhren  herzu- 
stellen ,  die  den  Unebenheiten  des  Bodens  folgend  den  Druck  der 
hier  bewegten  Wassermengen  auszuhalten  vermocht  hätten ,  waren 
jene  Bogenstellungen  nach  dem  Mafsstab  damaliger  Technik  ebenso 
notwendig  als  sie  nach  heutigem  Mafsstab  eine  zweckwidrige  Ver- 
geudung der  Mittel  bedeuten  würden.  Die  4  jetzt  wieder  thätigen 
Leitungen  schaffen  täglich  380  000  cbm:  ein  Ergebnifs  um  das 
Rom  von  anderen  Grofsstädten  beneidet  wird.  Unter  Augustus  er- 
reichte das  gelieferte  Quantum  rund  eine,  am  Abschlufs  des  Alter- 
tums gar  zwei  Millionen  cbm.  Als  Einheit  gefafst  entsprechen  die 
Leitungen  einem  Flufs  mit  gegenwärtig  4,4,  unter  Augustus  11,3, 
unter  Traian  18,5  cbm  Abflufs  in  der  Secunde,  d.  h.  Vco  ^li  Vis 
vom  Gehalt  des  Tiber  (1  317).3)  Diese  Bergströme  genügten  nicht 
nur  um  all  die  öffentlichen  Bäder  Brunnen  und  Wasserwerke  (S.  531) 
zu  speisen,  sondern  auch  unentgeltlich  die  Privathäuser  mit  treff- 
lichem Quellwasser  zu  versorgen.  Der  Segen  der  daraus  der  all- 
gemeinen Wolfahrt  zuströmte,  wird  nicht  leicht  überschätzt  werden 
können.  Ueber  die  Geschichte  der  Wasserversorgung  bis  auf  Nerva 
sind  wir  durch  die  sachkundige  Denkschrift  Frontins  gut  unter- 
richtet, recht  ungenügend  über  die  späteren  Leistungen. *)  Die 
einzelnen  Leitungen  fols:en  zeithch  so  aufeinander: 


t)  Der  Name  erst  in  christlicher  Zeit  bezeugt  u.  a.  Gregor  M.  Reg.  XIV  14. 

2)  Fronlin  de  aq.  16  tot  aquarum  tarn  mullis  necessariis  molibus  pyra- 
viidas  videlicet  oliosas  compares  atit  incrtia  sed  fama  celebrata  opera  Grae- 
curiun?  Dion.  H.  111  67  Strab.  V  235  Plin.  XXXVI  123  Galen  XVII  2,159  K. 
Rutil.  Nam.  I  97  fg.  Cassiod.  Var.  VII  6  Prokop.  b.  Goth.  I  19. 

3)  Es  ist  ein  Versehen  wenn  Lanciani,  Ruins  p.  59  den  Gehalt  der  Lei- 
tungen höher  ansetzt  als  den  des  Tiber. 

4)  Fabretli  (S.  487)  Betocchi  in  Monografia  di  Roma  II  (S.  488);  einen  aus- 
führlichen Gommentar  zuFronlin  giebtLanciani  in  Atlide'Lincei  1880  p. 215— 614. 


§  6.    Das  Weichbild.  549 

1.  Aqua  Appia  312  v.  Chr.  11  Millien  (S.  510),  Tagesleistung 
115  000  cbm. 

2.  Ani'o  (vetus)  272  v.  Chr.  43  Millien  (S.  510),  Tagesleistung 
278  000  cbm. 

3.  Aqtia  Marcia  144  v.  Chr.  62  Mühen  (S.  521),  davon  71/2  i>ber- 
irdisch  meist  bei  Rom,  1869  hergestellt.  Die  Porta  Tiburtina 
ist  ein  Bogen  derselben.  Tagesleistung  im  Altertum  296314, 
gegenwärtig  121305  cbm. 

4.  Aqua  Tepula  125  v.  Chr.  aus  dem  Albanergebirge  auf  denselben 
Bogen  wie  die  Marcia,  Tagesleistung  28  000  cbm. 

5.  Aqua  Julia  33  v.  Chr.  I5V2  Millien,  aus  demselben  Quellgebiet  und 
auf  denselben  Bogen  wie  die  Tepula,  Tagesleistung  76  000  cbm. 

6.  Virgo  19  v.  Chr.  (S.  535)  14  Millien  bis  auf  1 '/4  unterirdisch, 
als  Acqua  Vergine  nie  ganz  unterbrochen;  liefert  heute  täglich 
155271  cbm,  im  Altertum  unbedeutend  mehr. 

7.  Aqua  Alsietina  oder  Augusta  2  v.  Chr.  22  Millien  unterirdisch, 
aus  dem  gleichnamigen  See  (S.  350)  von  Augustus  zur  Speisung 
einer  Naumachie  in  Trastevere  hergeleitet  und  nur  im  Notfall 
als  Trinkwasser  verwandt,     Tagesleistung  25  000  cbm. 

8.  Aqua  Claudia  52  n.  Chr.,  von  Caligula  38  begonnen,  46  V2  Millien 
davon  10  zu  Tage,  die  mächtigste  unter  den  Bogenreihen  der 
Campagna.  Die  Porta  Praenestina  ist  ein  Bogen  derselben. 
Tagesleistung  209000  cbm. 

9.  Anio  novus  gleichzeitig  mit  der  vorigen  und  zuletzt  auf  dem- 
selben Unterbau,  59  Millien  davon  9  oberirdisch.  Tagesleistung 
299000  cbm. 

10.  Aqua  Traiana  110  n.  Chr.  35  Milben,  für  Trastevere  bestimmt. 
Das  südliche  Etrurien  ist  arm  an  Quellen:  man  fafste  solche 
bei  der  Rocca  Romana  nürdhch  vom  Sabatiner  See  (I  259). 
Bei  der  Herstellung  der  Leitung  (Acqua  Paola  1611)  wurde 
Seewasser  hinzugefügt  (S.  351)  und  dadurch  die  geringe  Be- 
schaffenheit des  Wassers  wesentlich  verschlechtert.  Es  kam  auf 
die  Vermehrung  des  Quantums  an  um  die  auf  dem  Janiculum 
belegenen  Mühlen  zu  treiben.  Solche  waren  schon  im  4.  Jahr- 
hundert in  Betrieb.^)  Tagesleistung  im  Altertum  118000,  gegen- 
wärtig 81  000  cbm. 

11.  Aqua  Alexandrina   von  Alexander  Severus   angelegt,    1585  von 


1)  CIL.  VI  1711  Prokop  b.  Golh.  I  19. 


650  Kapitel  IX.     Rom. 

Sixtus  V   als  Acqua  Feiice  hergestellt,    vom  Albanergebirge  22 

Millien.     Tagesleistung  heute  2l633cbni. 

Um  die  Zahl  14  die  Prokop  angiebt,  oder  die  Zahl  19  der 
Stadtbeschreibung  heraus  zu  bringen  lassen  sich  mit  mehr  oder 
weniger  Ilechl  Nebenleitungen  einrechnen,  da  mehrere  Hauptleitungen 
nachträglich  durch  neue  Quellen  verstärkt  worden  sind.  Die  Ueber- 
sicht  spiegelt  in  lehrreicher  Weise  die  geschichtliche  Entwicklung 
wieder.  Als  Rom  nach  der  Niederlage  der  Samniten  und  Hellenen 
Vormacht  Italiens  geworden  war,  schafft  es  für  die  wachsende  Ein- 
wohnermenge täglich  2y'5  MilHon  cbm  Leitungswasser  an.  Es  be- 
eilt sich  damit  nicht,  wird  aber  durch  den  Ungeheuern  Zudrang 
den  die  Weltherrschaft  im  Gefolge  hatte,  scbliefslich  doch  genötigt 
3/io  Million  cbm  hinzuzufügen.  Dann  bewirkt  das  Jahrhundert  der 
Revolution  einen  langen  Stillstand.  Auguslus  hat  bei  seiner  Ordnung 
der  städtischen  Verhältnisse  den  vorhandenen  Schatz  um  1/4  Million 
vermehrt  und  damit  hauptsächlich  die  neue  Kaiserstadt  im  Marsfeld 
bedacht  (S.  535).  Die  Regierung  des  Claudius  bringt  die  über- 
raschende Steigerung  von  V2  Million  cbm.  Ein  DedUrfnifs  lag 
hierfür  nicht  vor:  der  Gröfsenwahn  Caligula's  hat  das  Unternehmen 
begonnen,  der  unpraktische  Gemeinsinn  seines  Nachfolgers  hat  es 
mit  einem  ähnlichen  Aufwand  wie  die  Trockenlegung  des  Fuciner 
Sees  erforderte  (S.  453),  zur  Ausführung  gebracht,  i)  Dem  gegen- 
über fallen  die  späteren  Leitungen  nicht  ins  Gewicht:  sie  dienen 
wesentlich  zur  Versorgung  jener  ausgedehnten  Thermen  die  den 
zunehmenden  Verfall  in  so  merkwürdigem  Gegensatz  begleiten 
(S.  540).  Dies  hört  im  3.  Jahrhundert  auf.  Die  Erbauer  der 
Diocletians-  und  Constantinsthermen  haben  trotz»  des  gewaltigen 
Redarfs  den  diese  Anlagen  verursachten,  von  weiterer  Zufuhr  Ab- 
stand nehmen  können,  weil  der  anderweitige  Verbrauch  mit  der 
Devölkerung  zugleich  zurück  gegangen  war.  Die  Gothen  schnitten 
537  die  Leitungen  ab  und  seitdem  hat  der  gröfsere  Theil  keinen 
anderen  Zweken    als  zum   Schmuck  der  Landschaft  gedient. 


1)  Frontin  13  C.  Caesar  qtii  Tiherio  successit,  cum  painim  e  publicis 
usibus  et  privalis  voluptatibus  Septem  ductus  aquarum  sufficere  viderentur, . . . 
duos  ductus  inchoavit:  quod  opus  Claudius  magnificentissime  consummavit 
dedicavilque. 


KAPITEL  X. 


Latium. 

Die  erste  Region  des  Augustus  reicht  vom  Tiber  bis  zum 
Silerus,  umfafst  damit  eine  Küste  von  mehr  als  300  km  Länge 
mit  den  Mündungsgebieten  des  Tiber  Liris  Volturnus  d.  h.  der  drei 
gröfslen  Ströme,  wenn  man  von  dem  die  Grenze  bildenden  Aruus 
absieht,  die  die  Halbinsel  aufweist.  Bis  auf  den  obersten  Lauf  ge- 
hört der  Liris  mit  seinen  Zuflüssen  ihr  ganz  an.  Aber  da  er  wie 
die  übrigen  Appenninflüsse  der  Richtungsaxe  des  Gebirges  folgt, 
so  übersteigt  in  der  Luftlinie  gemessen  die  Ausdehnung  der  Region 
vom  Meer  landeinwärts  nirgends  80  km,  während  sie  am  Nord-  und 
Süd-Ende  auf  die  Hälfte  und  darunter  sinkt.  Der  Flächeninhalt 
mit  rund  15  500  Dkm  280  d.  qM  steht  nicht  erheblich  hinter  der 
anstofsenden  vierten  Region  zurück.  Die  Gegensätze  welche  die 
Natur  und  Geschichte  Italiens  erfüllen,  erhallen  in  beiden  den 
sprechendsten  Ausdruck.  Ungefähr  das  halbe  Küstenland  ist  durch 
die  Thätigkeit  der  Vulkane  und  der  Flüsse  dem  Meer  abgewonnen, 
verdankt  der  glücklichen  ßodenmischung  seine  unerschöpfliche 
Fruchtbarkeit,  der  geringen  Erhebung  sein  mildes  Klima.  Auf 
gleichem  Raum  vermag  es  mit  Leichtigkeit  die  fünf-  und  sechsfache 
Zahl  von  Bewohnern  zu  ernähren  wie  das  Gebirg.  Wenn  gegen- 
wärtig Campanien  an  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  von  keiner  andern 
Provinz  erreicht  wird,  so  traf  dasselbe  im  Altertum  auf  die  erste 
Region  in  ihrer  Gesamtheit  gegenüber  den  zehn  folgenden  zu.  An 
Umfang  nahm  sie  den  achten,  an  Städten  den  allerobersten  Platz 
ein.  Sie  zählte  ihrer  86,  darunter  manche  denen  der  Kaiser  die 
Selbstverwaltung  lediglich  aus  antiquarischer  Liebhaberei  belassen 
hat,  aber  auch  9  Colonien  und  Rom  ungerechnet  4  Grofsstädte  mit 
50 — 100000  Einwohnern  (S.  122).  Die  Brennpuncte  des  städtischen 
Lebens  hegen  an  den  Enden,  im  Norden  am  Tiber,  im  Süden  am 


5Ö2  Kapitel  X.     Laliuni. 

Golf  von  ^caI)el,  beitle  auf  vulkanistlieni  Boden.  Die  breite  Masse 
der  Volskeiieige  trennt  diese  bevorzugten  Gebiete  jüngerer  Bildung 
von  einander  (I  239.  263)  Wie  die  Ausläufer  des  Appennin  eine 
räumlicbe  Sclirauke  zv\isclien  ibnen  aufgericbtel  haben,  macht  auch 
die  Erstreckung  des  Küstenlandes  über  P/2  Breitengrade  sich  kli- 
matisch fühlbar:  die  Jahres^ arme  Neapels  übertrifft  um  2^  diejenige 
Roms  (I  379.  396).  Der  natürlichen  Scheidung  entspricht  die  ge- 
schichtliche: im  Süden  hat  das  Hellenentum  Wurzel  geschlagen  und 
aus  nächster  Nähe  auf  die  Eingebornen  gewiikt,  hat  die  unter 
solchem  Einflufs  erzeugte  Cullur  der  Osker  ihre  reichste  Blüte  ent- 
faltet. Freilich  ^ —  und  darin  war  das  Verhängnifs  Italiens  be- 
schlossen —  ei^vies  sich  der  Widerstreit  von  Küsten-  und  Binnen- 
land mächtiger -als  die  Gemeinschaft  von  Sprache  und  Abstammung. 
Als  die  campanischen  Städte  343  v.  Chr.  unter  Roms  Fittichen  Schutz 
suchten  gegen  die  Slammesverwandten  in  den  Bergen,  war  die 
Freiheit  der  ganzen  Halbinsel  bedroht.  Ali-bald  rückt  das  Latiner- 
tum  unaufhaltsam  vor;  aber  es  hat  doch  drei  Jahrhunderte  gedauert, 
bis  nach  dem  Bundesgenossenkrieg  und  der  Ertheilung  des  Bürger- 
rechts die  oskifcche  Sprache  ausstirbt  I  523).  Der  Süden  ist  von 
Natur  vseit  mehr  begünstigt  worden  durch  den  Reichtum  seines 
Bodens  und  die  VorlrefTlichkeit  seiner  Häfen,  dem  Norden  sicherte 
ein  entwickeltes  Flufsnelz  den  entscheidenden  Vorrang  (1  293).  Wenn 
auch  nicht  an  Wehi kraft,  so  dcch  in  den  Künsten  des  Friedens 
an  Grüfse  und  Wols-tand  hat  Capiia  mit  Rom  wetteifern  können. 
Daher  ist  es  gekommen  dafs  die  Landschaft  den  von  ihrer  Haupt- 
stadt entlehnten  Namen  bewahrt  und  dafs  ein  die  gesamte  Region 
befassender  Name  bis  zum  Ausgang  des  Altertums  gefehlt  hat. 

Es  wurde  schon  bemerkt  (I  520)  dafs  Lathini  vermutlich  das- 
selbe bedeute  wie  Campania,  nämlich  die  Ebene  im  Gegensatz  zum 
Gebirg.  In  seiner  ältesten  An^^endung  im  Vertrag  mit  Karthago 
von  509  v.  Chr.  bezeichnet  es  das  ganze  den  Römern  verbündete 
oder  unterthänige  Küstenland  von  der  Tibermündung  bis  einschliefs- 
lich  Tarracina.i)  Die  Geographen  rücken  seit  Skylax  die  Grenze 
zum  Vorgebirge  der  Kirke  zurück,  das  bei  der  veränderten  Küsten- 
richtuug  dem  Seefahrer  als  Landmarke  in  die  Augen  fällt.^)  Bei 
Skylax  um  die  Mitte  des  4.  Jahrhunderts    ist  die  Küste   der  ersten 


1)  Pol.  III  22,11   vgl.  24,16. 

2)  Skylax  8 fg.  vgl.  Thcophrast  bist,  plant.  V  8,3. 


Lalium.  ^53 

Region  derart  unter  die  Stämme  vertheilt  dafs  den  Latinern  ^/g, 
den  Volskern  2/9,  den  Canipanern  2 '9  und  endlich  bis  zur  luca- 
nischen  Grenze  den  Samniten  1/9  gehört.  Der  Ansatz  ist  für  die 
späteren  Geographen  mafsgebend  geworden :  zwar  der  Name  der 
Volsker  verschwindet  mit  der  politischen  Vernichtung  dieses  Volkes; 
aber  man  rechnet,  schwerlich  mit  Recht,  das  alte  Latium  antiquum^) 
nur  bis  Circeii,  das  neue  Latium  adiectum^)  oder  novum^)  von 
hier  bis  zur  campanischen  Grenze.  Sinuessa  (106  Millien  von  Rom) 
wird  bald  Campanien^),  bald  Latium  zugewiesen  s),  so  dafs  die  po- 
litische Grenze  scheinbar  schwankt,  während  die  natürliche  durch 
den  M.  Massico  gegeben  ist.  Im  Binnenland  läuft  sie  zwischen 
Casinum  und  Teanum  ungefähr  am  100.  Meilenstein  der  Via  Latina 
vorbei.6)  Die  Festsetzung  der  Grenze  hat  im  Rechtsleben  späterhin 
die  praktische  Bedeutung  gehabt  dafs  die  Ausweisung  aus  Rom 
zugleich  einen  Umkreis  von  100  MiUien,  also  Latium  mit  einschlofs.") 
Dagegen  waren  in  der  Epoche  der  Samniterkriege  in  welche  die 
Scheidung  von  Latium  und  Campanien  zurück  reicht,  wesentlich 
andere  Rücksichten  entscheidend.  Die  beiden  Heerstrafsen  die 
Rom  und  Capua  verbanden,  die  312  erbaute  Rüstenstrafse  und  die 
binnenländische  Via  Latina  führten,  jene  ausschhefslich  durch  ro- 
misches, diese  bis  jenseit  Casinum  durch  latinisches  und  römisches 
Rechtsgebiet.  Allerdings  waren  auch  die  südlichen  Gemeinden  in 
den  Bürgerverband  ohne  Stimmrecht  aufgenommen  worden,  be- 
haupteten aber  eine  derart  bevorzugte  Sonderstellung  dafs  sie  häufig 
als  selbständige  Bundesgenossen  bezeichnet  werden. 8)  Sie  bildeten 
eigene  Legionen 'J),  halfen  eigene  Verfassung  Verwaltung  Münze, 
vor  allem  ihre  eigene  Sprache.  Die  Unterscheidung  von  Latium 
und  Campanien  hat  demnach  ursprünglich  den  Sinn  gehabt  dafs  in 
jenem  Latein    allein,    in    diesem  daneben  Oskisch   im    öffentlichen 


1)  Strab.  V  231  Plin.  III  56.  70. 

2)  Plin.  III  59. 

3)  Serv.  V.  Aen.  I  6. 

4)  Pol.  lU  91,4  Plin.  III  56  XXXI  8  Ptol.  III  1,6. 

5)  Slrab.  V  219.  231.  237  Meia  II  70  Plin.  III  59  Serv.  V.  Aen.  I  6. 

6)  Pol.  III  91,5  Strab.  V  237  Ptol.  III  1,54.  59. 

7)  Gaius  I  27  Tac.  Ann.  XIII  26  Dio  LV  26  Herodian  II  13,9  Cod.  Theod. 
XVI  5,62. 

8)  Liv.  IX  6.  7  XXIII  5.  10.  18  XXXI  31. 

9)  Pol.  II  24,12  Oros.  IV  13,7  Liv.   XII  XV  Gros.  IV  3,4    Val.  Max.  U  7,15 
Pol.  I  7  Dien.  H.  XX  4  Frontin  Str.  IV  1,38. 


554  Kapilel  X.     Latium. 

Verkehr  gebraucht  wird.  Eine  Nachricht  läfst  das  alte  Latium  vom 
Tiber  bis  Fundi  sich  erstrecken,  das  neue  von  Fundi  bis  zum  Vol- 
turnus.i)  Indem  wir  erwägen  dafs  das  lalernische  Gebiet  seit  340, 
Fundi  seit  338  romisch  war,  die  Bürgercolonien  Minturnae  und 
Sinuessa  erst  296  gegründet  wurden,  dürfen  wir  darin  ein  Zeugnifs 
vom  Fortschritt  der  lateinischen  Amtsprache  erkennen.  Au  der 
Via  Appia  liegt  9  Millien  von  Sinuessa,  115  von  Rom,  der  Weiler 
Pons  Campanus  bei  einer  über  den  Savo  führenden  Brücke '-^j:  der 
IVame  kündet  klärlich  die  Grenze  der  alten  campanischen  Feldmark 
an.  Freilich  hatte  nach  dem  Untergang  Capua's  und  dem  hanni- 
balischen  Kriege  eine  strenge  Scheidung  im  allgemeinen  Bewufst- 
sein  die  Wichtigkeit  verloren  die  sie  im  dritten  und  vierten  Jahr- 
hundert besafs.  Daraus  erklärt  sich  dals  die  Geographen  von 
Polybios  ab  die  natürliche  Grenze  welche  die  Kocca  Monfina  (1037  m) 
und  der  M.  Massico  (811  m)  zwischen  dem  Unterlauf  des  Liris  und 
Volturnus  aufrichten,  an  Stelle  der  politischen  auf  die  Landschaft 
übertragen. 

Als  292  die  Grundsteuer  in  Italien  eingeführt  wurde  (l  84), 
erhielt  die  erste  Region  des  Augustus  die  Bezeichnung  provincia 
Campania  3)  und  galt  als  die  Speisekammer  für  Rom.*)  Der  Name 
Latium  verschwindet  aus  dem  Gebrauch,  Campania  dagegen  geht 
allmälich  in  die  allgemeine  Bedeutung  der  Feldflur  im  Unterschied 
von  der  Stadt  über.^)  So  hiefs  der  ager  Romanus  das  alte  Stadt- 
gebiet römisches  Campanien^),  während  der  Name  in  seiner  Heimat, 
der  reichen  Landschaft  um  Capua  erlosch.  —  Der  innere  Zu- 
sammenhang sowol  als  die  Fülle  des  Stoffes  macht  es  unthuulich 
die  ganze  Region  im  Rahmen  eines  einzigen  Kapitels  abzuhandeln. 
Deshalb  sollen  nach  einander  das  alte  und  das  neue  Latium  sowie 
Campanien  getrennt  beschrieben  werden.  Die  einzelnen  Theile 
lassen  sich  freilich  nicht  ohne  Willkür  abgrenzen.  Latium  ist  der 
vorUegende  Abschnitt  betitelt,  verzichtet  jedoch  auf  die  Ausdehnung 
die  Slrabo  und  Plinius  dem  Namen    geben.      Im  Süden  fallen   die 


1)  Serv.  V.  Aen.  I  6. 

2)  Hor.  Sat.  1  5,45  Plin.  XIV  62  Tab.  Peut.  lt.  Hier.  Gll. 

3)  CIL.  X  p.  1117  Paul.   h.   Lang.  II  17  Feldm.  3.  48.   178.  179.  221.  229 
Schol.  Juvenal  3,224.  319  Serv.  V.  Aen.  VIII  9.  564. 

4)  Exposiüo  tolius  mundi  54  (Riese  p.  119)  Cod.  Theod.  XIV  2  Gothofredus. 

5)  Cassiodor  Var.  XII  22,3  Gregor  v.  Tours  h.  Franc.  111  15  V  2  u.  a. 

6)  Prokop  b.  Gotli.  I  15. 


§  1.    Alt  Latium.  555 

natUrlicheu  und  politischen  Grenzen  aus  einander,  die  letzteren 
haben  mehrere  Jahrhunderle  hindurch  geschwankt.  Deshalb  be- 
schränken wir  uns  im  Wesentlichen  auf  die  Landschaft  die  das 
Auge  von  Rom  aus  umspannt.  Sie  ist  dreifach  gegliedert:  in  Küste 
Mitte  und  Appennin.  Voraus  geht  ein  Ueberbhck  über  die  abge- 
storbenen Bildungen  die  fremdartig  in  die  geschichtlich  bekannten 
Zeiten  hineinragen. i) 

§  1.  Alt  Latium. 
Die  Sage  läfst  Latium  nach  dem  König  der  Aboriginer  Latinus 
benannt  sein :  soweit  wie  dessen  Scepter  reicht  auch  der  Name.^) 
Da  Lalinus  über  die  Laurenter  herrscht  von  der  Tibermündung 
bis  zu  den  Rutulern ,  ist  die  ursprüngliche  Geltung  des  Namens 
eng  begrenzt  gewesen.  Latium  bezeichnet  die  Küste,  Alba  das 
Bergland  (I  140).  Von  den  Hüben  des  Ringwalls  den  die  vulka- 
nische Kraft  südlich  vom  Tiber  mit  ungetheilter  Arbeit  aufgeschüttet 
hat  (I  260),  umspannt  der  Bhck  viele  Meilen  in  der  Runde.  Als 
in  längst  vergangenen  Zeiten  der  albanische  König  Umschau  hielt, 
gehorchte  der  nähere  Umkreis,  ein  gut  Stück  der  Lande  die  vor 
dem  Auge  ausgebreitet  lagen,  seineu  Befehlen :  der  albanische  Name 
hat  sich  in  den  Anfängen  ungleich  viel  weiter  erstreckt  als  der 
latinische.  Das  Verzeichnifs  der  populi  Albenses,  der  30  Gemeinden 
die  den  ältesten  albanischen  Bund  bildeten,  ist  erhalten. 3)  Es  sind 
folgende: 

1)  Quellen:  Strabo  V  228—32.  236-40  Plin.  III  53—70  Ptol.  III  1,5.  54 
CIL,  XIV  (Dessau)  X  1  p.  675  (Mommsen).  Kaibel  Inscr.  Graecae  p.  239—531. 
—  "Weslphal,  Nibby,  Gell  S.  346  A.  1.  Albert  Bormann,  Alllatinische  Choro- 
graphie  und  Städtegeschichte,  Halle  1852.  G.  Tomassetti,  della  Campagna 
Romana  nel  medio  evo,  Archivio  della  societä  Romana  di  storia  patria,  vol. 
II  (1879)  —  IX.  XI.  XII.  XIV.  XV.  XVII.  XIX.  XX.  XXlI.  XXUI  (1900).  —  Ueber 
Karten  vgl.  S.  485.  Von  der  italienischen  Generalstabskarte  1:  100000  entfallen 
auf  diesen  Abschnitt  Bl.  144.  149—51.  158. 

2)  Varro  LL.  V  32  Liv.  I  2  Cato  Or.  I  5  Jordan. 

3)  Die  plinianische  Beschreibung  von  Latium  stammt  aus  vier  verschieden- 
artigen Quellen:  1.  einer  Küstenbeschreibung  §  56 — 60:  2.  der  alphabetischen 
Statistik  des  Augustus  §  63.  64;  3.  einer  ohne  erkennbare  Ordnung  gemachten 
Zusammenstellung  von  20  Städten,  deren  Zerstörung  in  den  römischen  Annalen 
überliefert  wird;  4.eineralphabetischenListe§69  von  30  verschollenen  Gemeinden, 
die  am  albanischen  Fest  nach  wie  vor  aufgerufen  wurden,  ihren  Antheil  vom 
Opferfleisch  in  Empfang  zu  nehmen.  Der  Zähigkeit  mit  der  die  römische 
Religion  am  Alten  fest  hielt,  verdanken  wir  dafs  die  Namen  auf  die  Nachwelt 
gelangten.  Vermutlich  hat  Plinius  die  Liste  den  Antiquitäten  Varro's  entlehnt; 
die  richtige  Deutung  hat  Niebuhr  I  223  angebahnt. 


556  Kapitel  X.      Latium. 

Albani  als  Miinicipium  Alba  Longa  von   Augustus  anerkannt. 

Aesolani  vielleicht  verschrieben  für  Aefnhni  Süd  von  Tibiir. 

Accienses  anderweitig  nicht  bekannt. 

Aholani  anderweitig  nicht  bekannt. 
5.  Bubetani  499  erwähnt  Dion.  II.  V  61,  Sitz  unbekannt. 

Bolani  in  der  Gegend  von  Labici  und  Praeneste. 

Cusnetani  vielleicht  die  Carventani  an    der  aequischen  Grenze. 

Coriolani  Süd  vom  Albaner  Gebirg. 

Fidenates  nürdlich  von  Rom  am  Tiber. 
10.  Forelt  unbekannt,  vielleicht  gleich  den  499  erwähnten  Fortinei 

Dion.  H.  V  61. 

Hortenses  vielleicht  Ortona  an  der  aequischen  Grenze. 

Latinienses   in    unmittelbarer  Nähe  von  Rom  Cic.  de  har.  resp. 

20.  62.   (Plin.  III  54  XIV  67    Dio  XXXIX  20  Varro  LL.  V  52) 

und  noch  in  der  Gemeindeliste  des  Augustus   als  ager  Latinns 

aufgeführt  Plin.  III  63. 

Longani  wol  Longnia  an  der  volskischen  Grenze. 

Manates  anderweitig  nicht  bekannt. 
15.  Macrales  anderweitig  nicht  bekannt. 

Munienses   unbekannt,    vielleicht    das   spätere   Municipium  Ca- 

strimoenium. 

Numinienses  anderweitig  nicht  bekannt. 

OUiculani  anderweitig  nicht  bekannt. 

Octulani  anderweitig  nicht  bekannt. 
20.  Pedani  zwischen  Tibur  und  Praeneste. 

Foletaurini  vielleicht  gleich  dem  §  68  erwähnten   Politorium. 

Querqnelnlani  erwähnt  Dion.  V  61,   hängen  wol  mit  der  porta 

Querquelulana  des  servianischen  Rom  zusammen. 

Skani  Wohnsitz  unbekannt  vgl  Verg.  Aen.  XI  317  VIII  328. 

Sisolenses  anderweitig  nicht  bekannt. 
25.  Tolerienses     am  oberen  Tolero  (Sacco). 

Tntienses  wol  nach  dem  Fliifschen   Tutia  6  Millien  von  Rom. 

VimileUari  anderweitig  nicht  bekannt. 

Velienses  erinnern  an  die  romische  Velia,   eine  der  Gemeinden 

des  Septimontium. 

Venetulani  anderweitig  nicht  bekannt. 
30.  Vilellenses  an  der  ae(juischen  Grenze. 

Die  Liste   trägt    das  Gepräge    hohen  Altertums   an  der  Stirn: 
von    Fidenae    abgesehen    begegnet   in    ihr    keine   einzige    von  den 


§  1.    AU  Lalium.  557 

Städteo  die  sich  einen  Namen  iu  der  Geschichte  gemacht  haben. 
Diese  sind  jüngeren  Ursprungs.  Durch  Einverleibung  der  Dorf- 
schaften sind  Rom  Tibur  Praeneste  Tusculum  Aricia  Gabii  ent- 
standen und  gewachsen.  In  ihrem  Schofs  haben  jene  verschollenen 
Pagi  sich  fortgepflanzt,  ähnlich  wie  die  Kirchspiele  des  Septimontium 
zu  Rom  (S.  497).  Es  ist  nicht  möglich  die  Grenzen  des  albanischen 
Vereins  zu  ziehen.  Aber  es  sieht  nicht  gerade  wie  ein  Zufall  aus 
dafs  unter  den  12  Gemeinden  deren  Sitz  annähernd  bestimmbar  ist, 
keine  der  Küste  angehört.  Vielmehr  wird  der  aus  dem  Namen  ge- 
zogene Schlufs  dafs  der  Bund  ein  binnenländischer  war,  hierdurch 
bestätigt.  Die  römischen  Geschichtschreiber  kennen  das  Verzeichnifs 
nicht,  sondern  erklären  die  Städte  des  späteren  Lalium  i)  kurzer 
Hand  für  Colonien  Alba's  und  bestimmen  deren  Zahl  auf  8^)  oder 
18  3)  oder  gar  30.*)  In  ihrem  Bestreben  die  Herrschaft  Roms 
durch  uralte  Rechtsausprüche  zu  verklären  scheuen  sie  vor  der  Er- 
findung nicht  zurück  Alba  zur  Tochterstadt  von  Lavinium  zu 
machen.  Glaubhafter  khngl  die  Erzählung  von  den  Fortschritten 
der  römischen  Waffen  die  einzelnen  Königen  zugeschrieben  werden, 
nur  dafs  wir  unter  den  zerstörten  Städten  Gauburgen  verstehen 
und  deren  Besitzer  in  der  albanischen  Gemeindeliste  suchen. 

Nachdem  der  Vorort  des  Bundes  von  König  Tullus  Hostilius 
bezwungen  worden  war,  verliert  der  Name  albanisch  seine  poli- 
tische Bedeutung;  die  binnenländischen  Gaue  die  ihre  Selbständig- 
keit bewahrten,  heifsen  jetzt  wie  die  an  der  Küste  wohnenden 
Laliner,  dieser  Name  dient  fortan  um  den  Gegensalz  zwischen  rö- 
mischen Bürgern  und  Bundesgenossen  zum  Ausdruck  zu  bringen. 
Der  Zusatz  prisci  Latini  bezieht  sich  auf  den  Bundesstaat  der  493 
durch  den  Vertrag  des  Sp.  Cassius  von  Rom  als  gleichberechtigt 
anerkannt,  aber  338  in  seine  Bestandlheile  aufgelöst  wurde. ^)  Der 
Bund  hat  sich  allmälich  unter  dem  Druck  äufserer  namentlich  von 
Rom  drohender  Gefahr  gebildet.  Zur  Zeit  der  Tarquinier  befafste 
er   8  Gemeinden:    Tusculum   Aricia   Lanuvium    am    Albanergebirg, 


1)  Liv.  1  3.  52. 

2)  Verg.  Aen.  VI  773  fg. 

3)  Eusebios  2S7  Schoene  aus  Diodor  VII. 

4)  Dion.  H.  I  45  III  10.  31.  34  VI  20,   womit   die  V  61    aufgeführten    ge- 
meint sind. 

5)  Plin.  XXXIV  20;    der   Name    wird  in  der  Regel  misbräuchlich  auf  die 
Urzeit  bezogen  (I  521). 


558  Kapitel  X.     Latiuoi. 

Tibur  am  Appennin ,  Cora  Pometia  im  später  volskischen  Gebiet, 
Laurentes  und  Ardeates  Rutuli  an  der  Küste.  Ihr  Oberhaupt  {dic- 
tator  Latinus,  die  erste  verbürgte  Ausdehnung  des  Namens  auf  das 
Binnenland)  weiht  das  Heihgtum  der  Diana  am  See  von  Nemi.i) 
In  der  nämhchen  Gegend  von  Aricia  am  südwestlichen  Fufs  des 
Albanergebirgs  ist  die  Quelle  und  der  Hain  der  aqua  Ferentina  zu 
suchen,  an  dem  die  unabhängigen  Latiner  ihre  Zusammenkünfte 
abhielten.^)  Wegen  der  hier  entstandenen  Wohngebäude  wird  auch 
von  einer  Ortschaft  Ferentinum  gesprochen. -^j  Seit  Cluver  hat  man 
sie  nach  Marino  verlegt:  im  Widerspruch  mit  den  Geschicht- 
schreibern nach  denen  die  Strafse  von  Rom  ins  Volskerland,  d.  h. 
die  spätere  Via  Appia  vorbeiführte.^)  Keinenfalls  darf  der  Ort  auf 
römischem  Grund  und  Boden  gesucht  werden.  Unter  der  Quelle 
mag  vielleicht  geradezu  der  Abflufs  des  Nemisees  der  in  dem  Thal 
von  Aricia  zu  Tage  tritt  (I  262)  und  nach  Ardea  läuft,  zu  ver- 
stehen sein.  Der  Bund  der  8  Städte  hat  den  Kern  abgegeben  und 
durch  den  Anschlufs  anderer  Gemeinden  eine  bedeutende  Erweite- 
rung erfahren.  Wenn  die  Ueberlieferung  der  am  Quell  der  Feren- 
tina versammelten  Eidgenossenschaft  gedenkt,  läfst  sie  diese  aus 
30  Gliedern  bestehen. &)  Die  Zahl,  wie  männiglich  aus  der  Aeneas- 
fabel  bekannt,  ist  für  Latium  typisch;  bereits  Timaeos  schreibt  dem 
Aeneas  die  Gründung  von  30  Burgen  im  Lande  der  Aboriginer 
zu.^)  Ebensoviel  befafst  das  Festverzeichnifs  der  albanischen  Ge- 
meinden das  mit  dem  Latinerbund  als  solchem  nichts  gemein  hat. 
Der  letztere  ist  weit  jünger,  nach  den  Annalen  499  entstanden. '') 
Die  Liste  der  30  Theilnehmer  ist  alphabetisch  geordnet,  nach  der- 
jenigen Folge  der  Buchstaben  die  um  die  Mitte  des  dritten  Jahr- 
hunderts üblich  wurde,  kann  also  nicht  einer  gleichzeitigen  Ur- 
kunde entstammen.  Jedoch  erheben  sich  keine  triftigen  Gründe 
gegen  ihre  Richtigkeit,  vielmehr  enthält  sie  eine  vertrauenswürdige 
Ueberlieferung.  Die  8  Gemeinden  die  das  Heiligtum  am  Nemisee 
gestiftet  hatten  §),  kehren  hier  wieder :  das  von  Tarquinius  Superbus 

1)  Cato  Or.  II  21  Jordan. 

2)  Liv.  I  50.  51.  52.  ü  38  VII  25  Fest.  241  praetor. 

3)  Dion.  H.  MI  34.  51  IV  45  V  61. 

4)  Liv.  II  38  Dion.  H.  VIII  4. 

5)  Liv.  II  18  Dion.  H.  VI  63.  74.  75. 

6)  Lykophron  AI.  1255. 

7)  Dion.  H.  V  61. 

8)  KoQvcov  ist  in  KoQavcöv  zu  ändern. 


§  1.     AU  Latium.  559 

zerstörte  Pometia  fehlt,  umgekehrt  wird  Lavinium  neben  den  Lau- 
renlern  als  selbständiges  Glied  aufgeführt,  was  es  auch  späterhin 
war.  Ferner  begegnen  6  oder  7  Namen  aus  der  albanischen  Ge- 
meinschaft.') Von  der  Gesamtzahl  behaupten  17  ihren  Platz  als 
Verwaltungskürper  bis  in  die  Kaiserzeit,  die  übrigen  13  werden 
der  Mehrzahl  nach  in  der  Kriegsgeschichte  erwähnt.^)  Geographisch 
lassen  sie  sich  in  folgende  Gruppen  einordnen: 

I.  Oestliche  Gruppe. 

Nomentum  wird  338  römisches  Municipium. 
Tibur  bleibt  bis  90  selbständig. 
Scaptia  genaue  Lage  nicht  bekannt,  seit  338  römisch. 
Pedum  338  zerstört,  geht  in  römischen  Besitz  über. 
5.  Bola  früh  zerstört,  wegen  der  Lesung  A.  1. 
Praeneste  bleibt  bis  90  selbständig. 
Tolerium  seit  488  verschollen. 

IL  Mittlere  Gruppe. 

Gabii  wird  früh  von  den  Römern  erobert. 

Labia  wird  418  von  den  Römern  erobert. 
10.  Corbio  wird  457  von  den  Römern  zerstört. 

Tusculum  seit  381  römisches  Municipium. 

Cabenses  stehen  noch  in  der  Censusliste  des  Augustus. 

Aricia  wird  338  römisches  Municipium. 

Lanuvium  wird  338  römisches  Municipium. 
15.  Corioli  seit  488  volskisch  und  verschollen. 

IIL  Küstengruppe. 

LaureiUes  Landgemeinde. 

Lavinium  bis  338  selbständig. 

Ardea  442  von  den  Römern  colonisirt  (S.  27). 

Tellenae  früh  verschollen. 


1)  Bcohtva-v  (so  mit  der  lateinischen  Uebersetzung  zu  lesen  statt  de» 
handschriftlich  überlieferten  Boia.Xavd.v)  Bivßevxavüv  Kaoovevxavöiv  (S.  556)^ 
KoQioXavüv  <Po^iveia)7>  (S.  556)  IleBavcüv  KoqxoxovXavdJv 

2)  TQiüQivcov  der  Vulgata  an  vorletzter  Stelle  ist  notwendig  am  die  Zahl 
30  zu  füllen:  der  Name  sonst  nirgends  erwähnt,  ist  möglicher  Weise  verderbt, 
vgl.  Schwegler  II  328  A. 


560  Kapitel  X.    Lalium. 

IV.  Südliche  Gruppe. 

20.   Velitrae  bald  volskisch,  338  endgiltig  unterworfen. 

Carveutani  Lage  unsicher. 

Coro  bald  volskisch,  vor  330  römisch. 

Norba  492  colonisirt  (S.  27). 

Setia  382  colonisirt  (S.  27). 
25.  Satricum  385  colonisirt  (S.  27),  346  zerstört. 

Ctrcei  488  volskisch,  393 — 90  latinische  Colonie. 

Unbestimmbar. 

Bubetani  ehedem  albanisch  (S.  556). 
Fortinei  vielleicht  die  albanischen  Foreti. 
Querquetulani  ehedem  albanisch  (S.  556). 
30.  Tricrini  über  den  Namen  S.  559  A.  2. 

Das  in  diesem  Bunde  vereinigte  Gebiet  mag  40  d.  D  Meilen 
umfafst  und  bei  der  Gründung  499  das  römische  an  Umfang  um 
mehr  als  das  Doppelte  übertrolTen  haben.  Aber  die  innere  Einheit 
fehlt,  Rom  nimmt  die  natürliche  Mitte  ein.  Wie  es  den  Unterlauf 
des  Tiber  in  seiner  Hand  hat,  sucht  es  auch  die  Küste  sowie  die 
grofsen  Strafsen  nach  Süden  zu  gewinnen  und  damit  den  Zusammen- 
hang der  Bundesgenossen  zu  zerreifsen.  Das  Vordringen  der  Ge- 
birgslämme  anderseits  führt  zum  mannichfachsten  Wechsel  in  der 
Parteinahme  und  verleiht  den  Kämpfen  der  beiden  nächsten  Jahr- 
hunderte ein  bewegtes  Aussehen.  Im  Allgemeinen  wird  durch 
diese  Kämpfe  die  städtische  Entwicklung,  die  Unterordnung  der 
kleinen  Gemeinden  unter  eine  gröfsere,  die  Erweiterung  der  Burg 
zur  Stadtfestung  befördert.  Es  nimmt  nicht  Wunder  dafs  aufser 
den  mitgelheilten  Verzeichnissen  noch  eine  Menge  von  Gauen  mit 
Namen  erwähnt  werden.  —  Nach  Plinius  sind  in  AUlatium  50  Ge- 
meinden spurlos  zu  Grunde  gegangen. i)  Ihre  Wohnsitze  lassen  sich 
in  der  Regel  nur  annähernd  auf  der  Karte  unterbringen.  Romulus 
hat  gleich  nach  dem  Raub  der  Sabinerinnen  das  römische  Ge- 
biet nach  Norden  hin  erweitert  und  Caenina  Antemnae  Crustumerium 
ihm  einverleibt.^)  Von  den  drei  Namen  ist  der  an  erster  Stelle 
genannte  der   berühmteste:  Romulus  tödlete    den   caeninensischen 


1)  Plin.  III  70  steht  53,  aber  es  sind  nur  20  +  30. 

2)  Liv.  I  10 fg.  Dion.  H.  11  32 fg.  Plut.  Rom.  16  fg. 


§  1.     Alt  Latium.  561 

König  Acron  im  Kampf  und  weihte  die  Rüstung  im  Tempel  des 
Jiippiter  Feretrius.i)  Zu  Ehren  seines  Vorgängers  hat  Kaiser 
Aiiguslus  den  Gottesdienst  der  Gemeinde  neu  belebt  und  zum  Be- 
trieb eigene  sacerdotes  Caetiinenses  eingesetzt.^)  Die  Lage  des 
Herculestempels  an  den  der  Dienst  anknüpfte,  ist  unbekannt 3): 
wir  suchen  ihn  am  linken  Anioufer  in  der  Gegend  der  Via  Nomen- 
tana  und  Tiburtina.  —  Genau  bestimmbar  ist  die  Oertlichkeit  von 
Antemnae,  wovon  S.  554  die  Rede  war.  Ebenso  erhielt  sich  das 
Andenken  der  dritten  Gemeinde  in  dem  ager  Crustnminus  von  dem 
die  493  errichtete  tribns  Clustumina  ihren  Namen  erhielt.^)  Er 
begegnete  uns  bereits  an  der  Adria  in  Umbrien  (S.  374).  Wenn 
er  aufserdem  mit  einer  verschollenen  Stadt  aus  Etrurien  angeführt 
wird,  ist  man  um  so  mehr  geneigt  diese  Feldmark  an  beiden  Ufern 
des  Tiber  zu  suchen  als  die  Stadt  nach  der  die  Tribus  heifst,  einem 
beachtenswerten  Gewährsmann  zufolge  den  Etruskern  gehörte.^) 
Die  crustuminische  Mark  am  rechten  Ufer  ist  ganz  oder  gröfstenteils 
an  Veji  gefallen;  denn  vom  16.  Meilenstein  der  Via  Salaria  ab 
schied  der  Fliifs  vejentisches  und  crustuminisches  Gefilde.  6)  Der 
linkstiberinische  Theil  zog  sich  zwischen  Eretum  (S.  479)  und 
Fidenae  etwa  vom  16.  bis  zum  6.  Meilenstein  hin  und  umfafste 
landeinwärts  noch  den  Mons  sacer  am  Anio  (S,  545).')  Der  Boden 
war  fruchtbar  s),  braclite  sehr  geschätzte  Birnen  hervor.'')  Man 
begreift  dafs  der  Dichter  solch  ausgedehntem  Gau  in  den  Kämpfen 
der  Vorzeit   einen   ausgezeichneten  Platz  anweist lO);   nicht  minder 


1)  Erst  seit  der  Herstellung  des  Tempels  durch  Augustus  (Liv.  IV  20)  er- 
hält der  in  den  Annalen  namenlose  König  diesen  Namen  CIL.  I  p.  283  Fest. 
189  M.  Properz  V  10,5  fg.  Val.  Max.  III  2,3  Flor.  I  1,11  Solin  1,20  Ampel.  21 
Aur.  Vict.  2  Serv.  V.  Aen.  VI  860. 

2)  Marquardt  Staatsverw.  III  460. 

3)  Properz  V  10,9  Fest.  45  Dion.  H.  I  79. 

4)  Die  ältere  Schreibung  mit  1  wiegt  durchaus  auf  den  Inschriften  vor 
(Kubitschek,  de  Rom.  tribuum  origine,  Wien  1882,  p.  38),  findet  sich  auch  Cic. 
pro  Plane.  38  Balb.  57 ,  ferner  wol  nach  der  Stellung  Fest.  55  vgl.  Serv.  V. 
Aen.  VII  631. 

5)  Plin.  III  52  Fest.  55  M. 

6)  Plin.  III  54  vgl.  Liv.  XLl  9.13. 

7)  Liv.  II  64  V  37  Varro  LL.  V.  81  RR.  I  14. 

8)  Cic.  pro  Flacco  71  Plin.  II  211  Liv.  I  11. 

9)  Verg.  Georg.  II  88  Colum.  V  10  Plin.  XV  53  XXIIl  115. 
10)  Verg.  Aen.  VII  631. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.    11.  36 


562  Kapitel  10.     Latium. 

dafs  in  diesen  von  Sabinern  All)anern  Etruskern  Römern  umstrittenen 
Strichen  die  Angaben  über  seine  Herkunft ')  sowie  seine  Unter- 
werfung aus  einander  gehen. 2)  Der  Hauptort  Crustumeria  oder 
Crustumerinm  ^)  kommt  in  historischen  Zeiten  nicht  vor;  er  lag 
stromaufwärts  von  Fidenae  zwischen  diesem  und  Eretum.^) 

Unter  Tullus  Hostihus  wurden  die  Albaner  auf  dem  Caelius  an- 
gesiedelt. Ancus  Marcius  besiedelt  den  Aventin  uud  erweitert  das 
Gebiet  bis  zur  Tibermündung.  Von  den  genommenen  Ortschaften 
wird  Ficana  ausdrücklich  an  den  11.  Meilenstein  der  Via  Ostiensis 
gesetzt.^)  Die  Hügel  von  Decima  springen  hier  gegen  den  Flufs 
vor  und  zwingen  ihn  einen  spitzen  Winkel  zu  beschreiben :  der  ab- 
fallende Fels,  jetzt  nach  dem  Hof  von  Dragoncello  benannt,  hiefs 
den  Alten  Puilia  saxa  und  schuf  einen  Hafen  für  den  Ort  den  er 
auf  seinem  Rücken  trug.  Den  12.  Meilenstein  der  Ostiensis  um- 
fafste  der  ager  Solonius:  weiter  erstreckte  sich  dieser  Landstrich 
an  der  Feldmark  der  Laurenter  und  Ardeaten  hin  bis  zu  den 
Grenzen  von  Anlium  und  Lanuvium.ß)  Eine  vereinzelte  Nachricht 
läfst  einen  Etruskerfürsten  aus  Sohnium  dem  Romulus  Hilfe 
bringen''):  wahrscheinlich  gehören  die  Namen  von  Stadt  und  Land- 
schaft zusammen.  In  dem  nämlichen  Strich  nach  der  See  zu 
sind  die  zugleich  mit  Ficana  eroberten  Orte  Politorium^)  und  Tel- 
lenae^)  zu  suchen.  Ersteres  begegnet  vielleicht  in  der  Liste  der 
albanischen  Gemeinden  (S.  556,  21);  letzleres  wird  unter  den  30 
Rundesstädten  Latiums  aufgeführt  und  scheint  nach  Aricia  und 
Antium  hin  gelegen  zu  haben.  —  In  derselben  Richtung  weiter 
schieben  sich  die  Eroberungen   der  Tarquinier  gegen  das  Volsker- 


1)  Sabiniscli  Plul.  Rom.  IT  Stepli.  Byz.;  albanisch  Diod.  VII  3a,  7  Liv.  I 
38  Dion.  H.  II  36;   etruskiscli  Fest.  55;  sikelisch  Serv.  V.  Aen.  VII  631. 

2)  Liv.  I  11.  38  II  19  Dion.  H.  II  32.  36  III  49  XI  23.  25.  27. 

3)  Beide  Formen  bei  Livius  und  Dionys,  dichterisch  Crustumerii  Verg, 
Aen.  VII  631  Cruslumium  Sil.  It.  VIII  366.  Adjectiv  CrusUiminus ,  seltener 
Crustumerinus  und   Crustumius. 

4)  Liv.  III  42  Dion.  H.  XI  23. 

5)  Fest.  250  M.  Liv.  I  33  Dion.  H.  III  38  Plin.  III  68  Nibby  II  40. 

6)  Fest.  250  M.  Plut.  Mar.  35,5  Liv.  VIII  12  Gic.  Att.  II  3,3  9,1  Div.  I  79  II  66. 

7)  Dion.  H.  II  37. 

8)  Liv.  I  33  Dion.  H.  III  37.  38.  43  Plin.  III  68  Cato  Or.  II  26  Jordan. 

9)  Liv.  I  33  Dion.  H.  I  16  lil  38.  43  V  61  Diod.  VII  3  a,  7  Plin,  11168 
Strab.  V  231.  Der  Ursprung  der  Redensart  tricae  Tellenae  Varro  bei  Non.  I  26 
Arnob.  adv.  nat.  V  28  bleibt  dunkel. 


§  1.    Alt  Latium.  563 

land  vor.  Priscus  zerstört  Apiolae  und  erntet  reiche  Beute. i)  So- 
dann kehrt  er  die  Waffen  gegen  die  sabinische  Grenze,  zunächst 
gegen  die  Stadt  an  die  das  Verderben  seines  Hauses  anknüpfen 
sollte,  Collatia.^)  Von  den  Albanern  oder  Sabinern  gegründet 3) 
hat  sie  in-  geschichthchen  Zeiten  nichts  zu  bedeuten.^)  Dafs  dem 
nicht  immer  so  war,  beweist  die  Lage  und  beweist  die  Via  Col- 
latina  (S.  546).  An  dieser  Nebenstrafse  8  Milben  von  Rom  bei 
Salone  werden  die  Quellen  der  Aqua  Virgo  gefafst  (S.  549)^); 
10  Milben  von  Rom  an  der  Einmündung  der  Üsa  in  den  Anio  er- 
hebt sich  durch  die  Wasserläufe  geschirmt  ein  Hügel  der  das  Castell 
Lunghezza  trägt  und  ehedem  CoUatia  trug. 6)  Nachdem  er  diese 
starke  Festung  am  linken  Anioufer  bezwungen,  nimmt  Tarquinius 
jeuseit  des  Anio  7  altlatinische  oder  zu  den  Latinern  abgefallene 
Ortschaften  ein.  Unter  diesen  befinden  sich  die  bekannten  Muni- 
cipien  Ficulea  und  Nomentum  sowie  das  annähernd  bestimmbare 
Crustumerium.  Aber  4  bleiben  übrig  deren  Lage  nicht  genau  an- 
gegeben werden  kann :  Corniculiim '')  Cameria  ^)  Ameriola  ^)  Medullia.^^) 
Im  Gesichtsfeld  der  Römer  heben  sich  die  Kalkberge  ab  die  dem 
Fufs  des  Lucretilis  vorgelagert  sind:  Monticelli  (389  m)  und  S.  An- 
gelo  in  Capoccia  (400  m),  beide  im  Altertum  wie  jetzt  von  Ort- 
schaften eingenommen,  dazwischen  Poggio  Cesi  (415  m).  Man  will 
in  diesen  Hügeln  die  Corniculani  montes  und  in  Monticelli  Corni- 
culum  wieder  finden  1'):  eine  ansprechende  Vermutung  aber  nichts 
mehr. 

Wie  die  Stadt  Rom  in  4,  wurde  ihre  Feldmark  495  in  17  Tribus 
getheilt.     Nach   den  Eroberungen   der  Königszeit  fafsten  die  länd- 

1)  Liv.  1  35  Dion.  H.  III  49  Plin.  III  70  Strab.  V  231. 

2)  Liv.  I  38.  57  fg.  Dion.  H.  III  50  IV  64  Ov.  Fast.  II  733  Sil.  It.  VIII  361. 

3)  Verg.  Aen.  VI  774  dazu  Servius  Fest.  37  M;  nach  Livius  sabinisch. 

4)  Cic.  de  lege  agr.  2,96  Strab.  V  230  Plin.  lil  68. 

5)  Frontin  5.  10  Plin.  XXXI  42. 

6)  So  Westphal  p.  100;  Nibby  I  478  zieht  das  2  Millien  entfernte  Gastel- 
laccio  an  der  Osa  vor,  das  aber  minder  fest  ist.  Vielleicht  hat  der  Ort  nach 
dem  Ausdruck  Vergils  a.  0.  aus  zwei  getrennten  Burgen  bestanden. 

7)  Liv.  I  38.  39  Dion.  H.  III  50  IV  1  Ov.  Fast.  VI  628  Flor.  1  5,6  Plin.  III  68. 

8)  Liv.  I  38  Dion.  H.  II  50.  54  III  51  V  21.  40.  49.  51  Diod.  VII  3a,  7  Plut. 
Rom.  24,  Plin.  III  68  Cameinuvi. 

9)  Liv,  I  38  Plin.  III  68  (durch  Conjectur  hergestellt). 

10)  Liv.  I  33.  38  Dion.  II  36  III  1.  34.  38  VI  34.  55  Diod.  VII  3a,7  Plin.  III 
68  Medullum  Steph.  Byz. 

11)  Dion.  H.  I  16. 

36* 


564  Kapitel  X.     Latium. 

liehen  Tribus  als  geschlossene  Bezirke,  im  Mittel  etwa  eine  d.  Ge- 
viertmeile grofs,  die  Mauer  rings  ein.  Nur  von  einzelnen  wird  die 
Stelle  überliefert.  Am  rechten  Tiberuler  ist  die  Romulia  oder  Romilia 
die  älteste  ij,  vermutlich  bis  zum  Arvalenhain  an  der  Grenze  des 
Weichbilds  reichend  (S.  498).  Stromabwärts  folgte  die  Galeria:  es 
ist  nämlich  wahrscheinlich  dafs  ihr  Name  mit  dem  am  10.  Meilen- 
stein in  den  Tiber  mündenden  Rio  Galera  zusammenhängt.^)  Der 
Bach  wird  erst  seit  dem  11.  Jahrhundert  erwähnt;  aber  in  ähnhcher 
Weise  verhält  es  sich  mit  dem  Arrone  und  der  Tribus  Arnensis 
(S.  352).  Stromauf  ist  die  Fabia  nicht  ohne  Grund  an  der  Cremera 
der  Grenze  gegen  Veji  (S.  360)  angenommen  worden. 3)  Am  rechten 
Ufer  des  Anio  sind  die  Clustumma  (S.  561)  und  Claudia  bezeugt.*) 
Uebel  berufen  war  die  Pupim'a  wegen  ihres  unfruchtbaren  unge- 
sunden Bodens,  8  Mühen  von  Rom  an  die  tusculanische  Flur 
stofsend."')  Die  bezeichnete  Gegend,  die  Tenuten  von  Torre  nuova 
Tor  Vergato  Carcariola  usw..  weist  in  der  That  die  gerügten  Eigen- 
schaften auf. 6)  Auch  die  Papiria  scheint  an  Tusculum  gegrenzt  zu 
haben,  insofern  diese  Gemeinde  ihr  einverleibt  wurde.")  Endlich 
erstreckte  sich  die  nach  einem  Pagus  benannte  Lemonia  vor  Porta 
Capena  an  der  Via  Latina  hin.s)  Das  von  den  Tribus  umschlossene 
Gebiet  bezeichnet  nur  einen  Bruchtheil  der  Herrlichkeit  die  Rom 
unter  den  Tarquiniern  besessen  und  nach  deren  Vertreibung  im 
jähen  Zusammenbruch  seiner  Macht  eingebüfst  hatte.  Es  wird  an 
Ausdehnung  von  dem  Gebiet  der  verbündeten  Herniker  überholt, 
von  dem  Gebiet  der  30  Lalinerstädte  um  mehr  als  das  Doppelte 
übertroffen.  Wenn  auch  keine  einzelne  Bundesstadt  sich  entfernt 
mit  Rom  messen  konnte,  war  dieses  doch  der  Gesamtheit  gegenüber 
auf  Menschenalter  hinaus  zu  einer  bescheidenen  Haltung  genötigt. 
Mit  Hilfe  seiner  Bundesgenossen  erobert  es  das  südliche  Etrurien 
und  die  volskische  Mark,   wächst    und  wächst,   zerbricht   338   den 


1)  Varro  LL.  V  56  Fest.  270.  71  M. 

2)  Nach  Nibby  IP  92. 

3)  Kubitschek  de  trib.  orig.  12. 

4)  Liv,  II  16  Dion.  H.  V  40. 

5)  Fest.  233  M.  Liv.  XXVI  9  Val.  Max.  IV  4,4.  6  8,1  Gic.  de  lege  agr.  2,96 
Varro  RR.  I  9  Colum.  I  4  (Liv.  IX  41). 

6)  Nibby  11*  666. 

7)  Fest.  232.  33  M.  Kubitschek  a.  0.  12. 

8)  Fest.  115  M. 


§  l.     Alt  Latiiim.  565 

latinischen  Bund,  die  Stütze  seines  Wachstums.  Etwa  ein  Viertel 
wird  zur  römischen  Feldmark  geschlagen,  die  übrigen  Gemeinden 
fuhren  ein  getrenntes  Sonderleben  bis  die  Umwälzung  des  Jahres 
90  alle  bisherigen  Rechtsschranken  auf  der  Halbinsel  niederreifst.  *) 
Die  freien  Bauern  die  einst  den  latinischen  Boden  pflügten, 
wurden  durch  das  aus  dem  Reich  einströmende  Capital  vernichtet.^) 
Die  Gauburgen  an  deren  Mauern  die  Kraft  eines  jugendlichen  Volkes 
sich  erprobt  hatte,  mufsten  von  Sklaven  erfüllten  Gutshofen  Platz 
machen. 3)  Das  Bild  das  um  den  Beginn  unserer  Zeitrechnung  von 
den  sieben  Hügeln  aus  den  Beschauer  entzückte,  die  Stadt  mit  ihrem 
schwellenden  Kranz  von  Landhäusern  und  Fruchtgärten,  den  Vor- 
städten am  Abhang  des  Gebirgs  (S.  541)  erinnert  uns  an  die  leuch- 
tende Sonne  welche  die  Planeten  umkreisen.  Mit  dem  Erkalten 
der  Sonne  erstarrt  das  Leben  das  sie  genährt  hatte.  Von  der 
Malaria  die  jetzt  die  Gegend  beherrscht,  ihrem  Ursprung  und  Wachs- 
tum ist  früher  (1416  fg.)  die  Rede  gewesen.  Nach  den  Erfahrungen 
der  letzten  Jahrzehnte  steht  das  parlamentarische  Regiment  ihr 
ebenso  ohnmächtig  gegenüber  wie  weiland  das  päpstliche.  Die 
Schriftsteller  des  Altertums  erkannten  in  den  Latifundien  die  Ur- 
sache der  unheilbaren  Krankheit  an  der  ihr  Volk  dahin  siechte. 4) 
Sie  konnten  nicht  ahnen  dafs  dies  vom  Reichtum  des  Erdkreises 
strotzende  Land  im  weiteren  Verlauf  der  Krankheit  sich  wandeln 
würde  in  jene  baumlose  Einöde  welche  die  heutige  Hauptstadt  Italiens 
umgiebt,  wo  weder  ein  Bauer  die  ererbte  Scholle  noch  ein  fremder 
Knecht  die  Scholle  seines  Herrn  umwirft,  wo  nur  ein  Zehntel  der 
weiten  Fläche  obenhin  beackert  wird,  während  der  Rest  als  W'eide 
dient.  Auf  Schritt  und  Tritt  drängt  sich  dem  einsamen  Wanderer 
die  Vergangenheit  auf,  und  wenn  es  nur  unförmliche  Trümmor 
sind  die  das  Gesichtsfeld  füllen,  so  fördert  der  Spaten,  mag  man 
ihn  in  der  Campagna  ansetzen  wo  man  will,  anmutige  glänzende 
Zeugen  einstiger  Pracht  ans  Licht.  Damals  als  die  Zeitgenossen 
der  Caesaren  sich  ihrer  erfreuten,  gab  es  nur  eine  Stadt  in 
der  das  Leben  begehrenswert  schien,  oder  mit  den  Worten  des 
Dichters  -^) : 


1)  Liv.  VllI  14. 

2)  Plin.  XVIII  6—21  Fest.  371  M. 

3)  Strab.  V  230  tote  /usv  TtoXixfia,  vvv  Si  xcöfiai  xrr'ffcts  iSimTcöv. 

4)  Plin.  XVIII  35  Liv.  VI  12  Flut.  Tib.Gr.  8,7  App.  b.  civ.  I  7.  11  Sali.  Gat.  12. 

5)  Juvenal  10,99. 


566  Kapitel  X.     Latium. 

huius  qui  trahitur  praetextam  sumere  mavis, 
an  Fidenarum  Gabiorumque  esse  potestas 
et  de  mensura  ins  dicere,  vasa  minora 
frangere  pannosus  vacuis  aedilis  Ulubris? 
Der  Freund  geschichtlicher    Betrachtung   wird    gern    bei    der 
Spiefsbürgerei  verweilen,  da  solche  eine  Brücke  schlägt  um  die  Ge- 
danken in  die  Vorzeit  zurückzuführen   in    welcher   der  Grund   zur 
römischen  Weltherrschaft  gelegt  wurde. 

§  2.    Die  Seeküste. 

Am  12.  Meilenstein  der  Via  Ostiensis  hören  die  Tulfhügel  auf 
und  werden  von  dem  Strandgürtel  abgelöst  der  von  den  Ausläufern 
des  Tolfagebirgs  bis  südlich  von  Ardea  über  70  km  lang  und 
3 — 10  km  breit  aus  den  vom  Meer  ausgeworfenen  Schwemmstoffen 
des  Tiber  entstanden  ist.  Die  regste  Thätigkeit  herrscht  naturgemäfs 
unmittelbar  an  der  Mündung.  An  beiden  Ufern  hat  der  Flufs  durch 
Dünen  lang  gestreckte  Lagunen  abgeschnitten  (I  202) :  am  rechten 
das  Stagno  di  Ponente,  am  linken  das  Stagno  di  Levante.  Das  eine 
wie  das  andere  ist  seit  Urzeiten  zur  Salzgewinnung  ausgebeutet 
worden.  Die  Salzvviesen  des  rechten  Ufers  den  campus  salinarum 
Romanarum  (S.  543)  nahm  Romulus  den  Vejentern  ab  (I  108),  am 
linken  drang  Ancus  Marcius  erobernd  bis  zum  Meer  (S.  562)  und 
gründete  Ostia  Gemünd  die  älteste  römische  Colonie.^)  Die  Gründung 
war  an  der  Landseite  durch  den  Strandsee  geschützt,  dem  das  alte 
Tiberbelte  mit  einer  grofsen  Krümmung  bis  auf  ein  paar  hundert 
Schritt  sich  nähert,  während  das  jetzige  um  den  dreifachen  Betrag 
abgerückt  ist.  Die  Salinen  wurden  in  der  Folge  bis  auf  die  Gegen- 
wart hinab  fortbetrieben.^)  Aber  der  Dichter  betont  mit  Recht  dafs 
König  Ancus  nicht  blos  nach  dem  Ruhm  des  eisten  Salzgrafen 
strebte  3): 

Ostia  munita  est;  idem  loca  navibus  pulchris 
munda  facit  nautisque  mari  quaesentibus  vitam. 


1)  Die  Singularform  Ostia  -ae  ist  die  ältere  und  gewöhnlichere  Fest.  197 
M.  Charisius  1  p.  98  K.;  aber  bereits  Sallust  braucht  Ostia  -orum  und  dies 
scheint  durch  die  Hafenanlage  des  Claudius  und  die  Verdoppelung  des  Wohn- 
raums empfohlen  worden  zu  sein  CIL.  XIV  p.  4. 

2)  Liv.  I  33  Plin.  XXXI  89  Aur.  Victor  5.  Auf  die  Häufigkeit  des  Namens 
Salinalor  in  Ostia  macht  Dessau  CIL.  XIV  p.  4  aufmerksam. 

3)  Ennius  fr.  145  Vahlen  (Fest.  258  M.)  Dion.  H.  111  44. 


§  2.     Die  Seeküste.  567 

An   der  einförmigen    Küste   die  zwischen    dem  Argentaro  und 
Circello   200  km    lang   hinstreicht  (I  324),   bot  die   gröfste  Fiufs- 
mündung  den  geeignetsten  Ankerplatz.  Seit  440  wird  er  als  Handels- 
hafen i),  seit  den  panischen  Kriegen  als  Kriegshafen  oft  erwähnt.'^) 
Mit  dem  Wachstum  Roms  wuchs  seine  Bedeutung;  vollends  seitdem 
die  Weltstadt  für  den  Lebensunterhalt  auf  ausländische  Kornzufuhr 
angewiesen  war,  hing  ihr  Schicksal  von  der  Behauptung  des  Hafens 
ab  und  hat  in  der  Kriegsgeschichte  mehrfach  (87  v.  Chr.  409.  537 
n.  Chr.)   sich  nach    dessen  Fall  zum  Schlechteren   gewendet.^)     In 
alten  Zeiten    wurden    daher   auch   die  Colonisten    als  stehende  Be- 
satzung betrachtet  und  selbst   in  Notlagen  von  der  Aushebung  für 
das  Landheer  befreit,  später  zum  Dienst  auf  der  Flotte  herangezogen.*) 
Seit  267  v.  Chr.  erhielt   ein  eigener  Quaestor   in  Ostia  seinen  Sitz 
mit  der  lästigen  und  verwickelten  Aufgabe  den  Kornhandel  zu  über- 
wachen.5)  —  Die  Tibermündung  ist  dem  Südwest,  dem  Sturmwind 
dieser  Küste  (I  386)  ausgesetzt:  ihr  eifrigster  Bewunderer  mufs  das 
zugeben.     Von  dem  Umfang  des  angerichteten  Schadens  zeugt  die 
beiläufige  Nachricht  dafs  er  62  n.  Chr.  in  dem  inzwischen  geschaffenen 
Hafen  200  beladene  Schiffe  zum  Sinken  biachte.6)     Dazu  kam  die 
zunehmende  Versandung   die   grofse  Kauffahrer  nötigte   auf  offener 
Rhede  ganz  oder  theilweise    zu  loschen    (I  318.  324).     Und  wenn 
die  Flufsbarre  glückHch  überwunden  war "),  mufs  auf  dem  schmalen 
Strom  ein  ebenso  beängstigendes  Gedränge   gewaltet  haben  wie  in 
den  Gassen  Roms.     Die  Stadenlänge  in  Ostia  von  Torre  di  Bovac- 
ciana,  der  alten  Strandmarke,    bis  zum  Thor  nach  Rom  übersteigt 
keine  IV2  km.      Das   ehemalige   Aussehen   der   Gegend   ist  freilich 
sowol   durch   künstliche    Aufschüttung  8)   als   durch   natürhche  An- 
schwemmung verwischt  worden.     Es   mag  wol   sein  dafs  der  Flufs 


1)  Dion.  H.XII  1  Pol.  XXXI  20,tl  Justin.  XLIII  3,4  Liv.  XXII  11.  37  XXIX  14. 

2)  Liv.  XXII  11.  57  XXIil  38  XXV  20  XXVII  22  Cic.  de  imp.  Pomp.  33 
Dio  XXXVl  22. 

3)  Appian  b,  civ.  I  67.  88  Zosim.  VI  6  Prokop  b.  Goth.  I  26. 

4)  Liv.  XXVII  38  XXXVl  3. 

5)  Gic.  pro  Sest.  39  pro  Mur.  18  de  har.  resp.  43  Vell.  II  94  Suet.  Claud. 
24  Diod.  XXXVI  12. 

6)  Dion.  H.  Ill  44  Tac.  Ann.  XV  18  Petron  76  Amniian  XIX  10,1.  Der 
Tauchergilde  (urinatores)  in  Ostia  hat  es  an  Beschäftigung  nicht  gefehlt  CIL. 
XIV  303  Dig.  XIV  2,4. 

7)  Strab.  V  232  Liv.  XXIX  14. 

8)  Tac.  Ann.  XV  43. 


568  Kapitel  X.     Lalium. 

beim  Austritt  sich  früher  ausbiichtete  i)  und  am  rechten  Ufer  mehr 
Raum  bot.  Nichtsdestoweniger  ist  unverkennbar  dafs  alle  Vor- 
bedingungen für  die  Aufnahme  des  Weltverkehrs  hier  ebenso  fehl- 
ten wie  auf  den  sieben  Hügeln  (S.  484).  Caesar  hat  an  Abhilfe 
gedacht.2)  Die  Ausführbarkeit  wurde  bezweifelt  3),  bis  Kaiser  Claudius 
dessen  Regierung  wie  keine  zweite  die  kühnsten  grofsarligsten 
Entwürfe  zum  gemeinen  Resten  ausgeführt  hat,  sofort  nach  seiner 
Thronbesteigung  ans  Werk  ging.^)  Mit  Ungeheuern  Kosten  wurde 
4  km  uördlich  von  Ostia  ein  neuer  Hafen  geschaffen,  theils  am 
Strande  ausgegraben,  theils  durch  zwei  Molen  der  See  abgewonnen. 
Zwischen  den  gleich  riesigen  Armen  ausgreifenden  Molen  von  je 
700  m  Länge  lag  in  der  Mitte  der  Einfahrt  eine  künstliche  Insel 
mit  hohem  Leuchlthurm.^)  Der  Hafen  umschlofs  einen  Flächen- 
raum von  70  ha,  fünfmal  so  viel  wie  der  von  Centumcellae  (S.  333) 
der  für  den  maritimen  Verkehr  des  heutigen  Rom  ausreicht.  Der 
Abschlufs  der  Arbeiten  hat  viele  Jahre  gedauert  und  zu  guter  letzt 
den  Urheber  um  den  verdienten  Ruhm  dafs  das  Werk  seinen  Namen 
empfing  betrogen.  Nero  taufte  es  mit  schillernder  Zweideutigkeit 
Partus  Augusti.^)  Um  den  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  fügte 
Traian  einen  geschützten  Rinnenhafen  von  40  ha  Grundfläche  in 
Gestalt  eines  Sechsecks  hinzu.  Seitdem  lautet  die  amtliche  Re- 
zeichnung  Partus  Augusli  et  Traiani  oder  Partus  nterque  und  wiid 
im  vierten  Jahrhundert  durch  Partus  urbis,  Ramae,  Romanus  er- 
setzt.") Der  Hafen  wurde  von  grofsen  Speichern  in  regelmäfsigen 
Zeilen  eingefafst,  von  einer  aus  Rom  verlegten  Cohorte  und  Kriegs- 
schiffen aus  Misenum  bewacht  *),  zwischen  dem  inneren  und  äufseren 
Recken  lag  ein  Kaiserpalast:  kurz  und  gut  an  dem  Ort  der  den 
Verkehr  der  Provinzen  mit  Rom  vermitteln  sollte,  war  in  wenigen 
Jahren  eine  Wohnstätte  vom  Umfang  eines  Municipium  ins  Dasein 


1)  Wie  Dion.  H.  III  44  angiebt,  vgl,  Ov.  Fast.  IV  291.  329  Tiberina  atria. 

2)  Plut.  Caes.  58  Suet.  Claud.  20. 

3)  Ouintil.  1121,18  111  8,16. 

4)  Dio  LX  11  Suet.  Claud.  20  Plin.  IX  14  XVI  202  CIL.  XIV  85. 

5)  Juvenal  12,75  Val.  Flacc.  Arg.  VII  83  Plin.  XXXVI  70.  83. 

6)  Eckhel  D.  N.  VI  276  Dio  LXXV   16  It.  mar.  493.  94.  98  Ammian  XIX 
10,1  Schol.  Juv.  12,75  Cluver  p.  877  Dessau  a.  0.  p.  6. 

7)  Belege  bei  Dessau  p.  6.  7. 

8)  Suet.  Claud.  25  Vesp.  8  Tac.  Bist.  I  80  II  63  Plut.  Oth.  3  Dessau  p.  9 
Hirschfeld,  Verwaltungsgeschichte  p.  139  fg. 


§  2.    Die  Seeküste.  569 

gerufen  worden.')  Diesem  seinen  Hafen  gegenüber  sah  sich  das 
alte  Ostia  in  die  Rolle  des  Rentners  gedrängt,  dessen  Händen  die 
Geschäfte  der  Firma  entgleiten  um  dem  Sohn  und  Theilhaber  an- 
heim  zu  fallen.  Kaiser  Claudius,  heifst  es  in  einer  Inschrift  46  n. 
Chr.,  hat  durch  die  Canäle  die  er  für  die  Hafenanlagen  aus  dem 
Tiber  ins  Meer  leitete,  Rom  von  Ueberschwemmungsgefahr  befreit.^) 
Das  war  eine  schwere  wenn  auch  verzeihliche  Täuschung  (I  322  A). 
Wol  aber  glückte  es  dem  Strom  den  künstlich  geschaffenen  kürzeren 
Weg  zum  Meer  anzuweisen  den  er  seitdem  eingehalten  hat  (I  315). 
Damit  wurde  zugleich  dem  alten  Flufsbette  die  Kraft  entzogen  um 
die  Senkstoffe  fortzuspülen.  Die  im  Laufe  dreier  Jahrhunderte 
hervorgebrachte  Wirkung  schildert  Rutilius  als  er  416  zur  Heim- 
kehr rüstete  3): 

tum  demum  ad  naves  gradior,  qua  fronte  bicorni 
dwiduus  Tiberis  dexteriora  secat. 

laevus  inaccessis  fluvius  vitatur  arenis, 
hospitis  Aeneae  gloria  sola  manet. 
Die  neueren  Ausgrabungen  nebst  2000  Inschriften  bringen  uns 
diese  Epoche  in  anschauliche  Nähe.^)  Ostia  zieht  sich  von  der 
alten  Mündung  ab  eine  Mühe  am  Flufs  hin  und  bedeckt  annähernd 
ein  Feld  von  130  ha.  Rechnet  man  den  Hafen  und  die  Vorstädte 
ein,  so  wird  die  Einwohnerzahl  auf  höher  als  50000  geschätzt 
werden  dürfen. 5)  Von  Hause  aus  gehörte  die  Colonie  zur  Tribus 
Voturia,  später  wog  die  Palatina  vor  weil  die  Freigelassenen  ähnlich 
wie  in  Rom  behandelt,  also  in  eine  städtische  Tribus  eingetragen 
wurden.  An  der  Spitze  der  Verwaltung  begegnet  das  in  Colonien 
übliche  Reamtentum.  Der  Platz  der  Duovirn  scheint  aber  früher 
von  Praetoren  eingenommen  gewesen  zu  sein,  die  als  praetores 
sacris  Volkani  fadundis  im  Gottesdienst  fortleben.  Dieser  Gott  stellt 
alle  übrigen  so  sehr  in  den  Schatten,  dafs  der  oberste  und  ursprüng- 
lich alleinige  Priester  der  Stadt  pontifex  Volkani  et  aedium  sacrarum 
heifst.  Den  Dioskuren  als  Patronen  der  Schiffahrt  wurde  vom 
Stadtpraetor  oder  -praefecten  alljährlich  eine  Feier  des  Staates  aus- 


1)  Lanciani,  suUa  cittä  di  Porto,  Ann.  dell'  Inst.  1868  p.  144 fg. 

2)  CIL.  XIV  85  vgl.  Plin.  Ep.  VIII  17,2. 

3)  Rutil.  Nam.  I  179. 

4)  Not.  d.  Scavi  1888.  89  Eph.  ep.  VII  p.  356—72,    Boissier,  Promenades 
archeologiques,  Paris  1880,  p.  249 — S6. 

5)  Galen  XVllI  1,348  Kühn. 


570  Kapitel  X.    Latium. 

gerichtet J)  Den  heimischen  Güttern  machten  die  fremden,  Isis 
Serapis  Kybele  Milhras  scharfen  Wettbewerb.  Viel  Wolstand  war  in 
Ostia  aufgehäuft:  davon  zeugen  die  Ruinen  und  die  Kunstschätze 
die  sie  bergen,  zeugen  die  ötfenllichen  Aufwendungen  seiner  Millio- 
näre; von  hier  wurden  64  n.  Chr.  die  Abgebrannten  in  Rom  mit 
Hausrat  versorgt.-)  Die  Feldmark,  so  hoch  entwickelt  auch  der 
Gartenbau  war 3),  konnte  bei  ihrer  geringen  Ausdehnung  nur  einen 
Bruchtheil  des  Wolstandes  beisteuern.  Dessen  Quelle  entsprang 
der  Aufgabe  „die  Schätze  und  Zufuhren  der  ganzen  Welt  gleichsam 
als  Roms  Seeherberge  aufzunehmen".*)  Die  Inschriften  auf  denen 
auch  nicht  selten  griechische  Sprache  erscheint »),  stellen  uns  die 
einkehrenden  Fremden  vor,  lehren  die  zahlreichen  Gilden  von  See- 
und  Flufsschiffern  Lastträgern  Kornmessern  Weinhändlern  SchifTs- 
zimmerleuten  usw.  kennen.  Die  stattlichen  Strafsen,  deren  eine  die 
für  antike  Verhältnisse  ungewöhnliche  Breite  von  50'  15  m  erreicht, 
Kaufhallen  Tempel  Thermen  Theater  sind  gefälhg  dem  Geschmack 
der  Kaiserzeit  angepafst.  Die  geringe  Entfernung  von  16  Millien  ♦') 
machte  einen  Ausflug  von  Rom  nach  dieser  anmutenden  Stadt  und 
ihren  Seebädern  leicht  ausführbar.'')  Das  Gestade  war  mit  Land- 
häusern bedeckt. 8)  Von  Claudius  ab  haben  die  Kaiser  mit  ihrer 
Gnade  gegen  Ostia  nicht  gekargt:  zu  Anfang  des  4.  Jahrhunderts 
befand  sich  hier  auch  eine  Münzstätte. 9)  Der  Vorrang  Ostia's  vor 
allen  Städten  der  römischen  Landschaft  kommt  noch  in  der  christ- 
lichen Hierarchie  zum  Ausdruck,  insofern  sein  Bischof  an  der  Spitze 
der  Cardinäle  steht  {decanus  sacri  collegii).  Jedoch  hat  Portus  be- 
reits in  consiantinischer  Zeit  einen  eigenen  Bischof. i^)  Mit  dem  ein- 
brechenden Verfall  sieht  sich  Rom  aufser  Stande  beide  Zugänge  zum 
Meer  zu  behaupten :  der  Hafen  wird  befestigt,  die  Stadt  bleibt  un- 
beschützt.  In  den  Gothenkriegen  hat  sich  der  Verkehr  ausschUefs- 
lich  auf  das   rechte   Flufsufer    beschränkt. ii)      Die   Ueberfälle    der 


1)  CIL.  XIV  1.  Aethicus  Gosm.  25  (p.  83  Riese)  Suidas  /iaiovftäs{p.  679  Bk.) 

2)  Tac.  Ann.  XV  39  vgl.  Plin.  Ep.  II  17,26. 

3)  Maulbeere  Plin.  XV  97,  Lauch  Plin.  XIX  110,  Melone  vita  Clod.  Alb.  11. 

4)  Florus  I  4  Plin.  II  121  XIX  4  Strab.  HI  145. 

5)  Kaibel  inscr.  Gr.  913—50  vgl.  p.  694. 

6)  It.  Ant.  301  Eutrop  I  5  Hier.  a.  Abr.  1397  Plin.  III  38. 

7)  Gell.  N.  A.  XVIII  1  Minuc.  Felix  Oct.  3%. 

8)  Cic.  Atl.  XII  29,2  Vairo  RR.  III  2  Symmach.  Ep.  I  6  II  52  VI  35.  72. 

9)  Dessau  zu  CIL.  XIV  1878.  10)  Dessau  a.  0.  p.  7. 
U)  Prokop  b.  Gotli.  I  26  II  7  vgl.  Cassiodor  Var.  VII  9, 


§  2.    Die  Seeküste.  571 

Barbaresken  die  vom  7.  bis  zum  19.  Jahrhundert  anhielten  ([  114), 
vollendeten  die  Verödung  dieser  Rüsten  und  machten  wiederholte 
Versuche  sie  dem  Fieber  zu  entreifsen  zu  Schanden,  inzwischen 
arbeitete  Vater  Tiber  ungestört  weiter,  füllte  die  kaiserlichen  Häfen 
aus  und  rückte  sie  2 — 3  km  vom  Strande  ab  (I  315).  Den  Umfang 
der  Insel  die  beide  Flufsarme  umschliefsen ,  hat  er  seit  dem  Aus- 
gang des  Altertums  mehr  als  verdreifacht:  Prokop  bestimmt  ihre 
Breite  richtig  auf  2  Millien  und  benennt  sie  Sacra  insula;  nach 
einem  anderen  Schriftsteller  soll  sie  wegen  ihres  Rosendufts  „der 
holden  Venus  Weihrauch"  geheifsen  haben.')  Der  heutige  Besucher 
hört  die  alten  Namen  Porto  Isola  Sagra  Ostia  erklingen,  erblickt 
aber  in  den  Trägern  nur  blutlose  Schatten  der  Vergangenheit.  Hatte 
er  unter  den  Trümmern  des  Campo  vaccino  unter  denen  Gibbon 
den  Plan  zu  seinem  Geschichtswerk  fafste,  die  nötige  Stille  und 
Stimmung  vermifst  um  über  Roms  Gröfse  und  Untergang  nachzu- 
sinnen, hier  ist  er  sicher  beides  zu  finden. 

Die  Via  Aurelia  die  an  der  Küste  Etruriens  hinzieht,  mündet 
durch  einen  Seitenarm  in  Ostia  aus  (S.  350)  und  setzt  sich  südwärts 
als  via  Severiana  an  der  latinischen  Küste  fort.^)  Der  IVame  rührt 
von  Septimius  Severus  her  der  die  Uferstrafse  umgebaut  oder  ge- 
pflastert haben  wird:  dafs  die  latinischen  Seestädte  seit  Alters  durch 
eine  solche  verbunden  waren,  liegt  in  der  Natur  der  Dinge.  Ihre 
Länge  von  Ostia  bis  Antium  beträgt  30,  bis  Terracina  73  Millien. 
Am  2.  Meilenstein  überschreitet  sie  den  Abflufs  der  Ostlagune  der 
die  Feldmark  Ostia's  von  der  laurentinischen  scheidet. 3)  Nach  der 
Sage  reichte  die  laurentinische  Feldmark  ursprünglich  bis  zur  Tiber- 
mündung ^):  es  kann  auch  nicht  füglich  bezweifelt  werden  dafs  ein 
2  Milben  breiter  Streifen  von  ihr  für  die  Gründung  von  Ostia  ab- 
getrennt worden  ist.  Die  Südgrenze  bildete  der  Numicius  oder 
Numicus.^)  Uebereinstimmend  wird  von  diesem  Flufs  ausgesagt 
dafs  er  zwischen  schilfbewachsenen  Ufern  in  Schlangenwindungen 
hinkriecht  und   in  einer  Lagune  endigt:    das  trifft   auf  den  25  km 


1)  Prokop  b.  Goth.  I  26  Aethicus  Gosm.  25  (p.  83  Riese). 

2)  GIL.  X  1,6811  Tab.  Peut. 

3)  CIL.  XIV  126. 

4)  Verg.  Aen.  VII  30  fg.  VIII  31  fg.  IX  70.  469.  790.  815  XI  316  Serv.  zu 
VII  661. 

.5)  Verg.  Aen,  VII  150.  242.  797,  ISumicius   Ovid  Met.  XIV  599  Fast.  III 
647  Plin.  III  56,  Numicus  GIL.  XIV  2065,  beide  Formen  Sil.  It.  VIII  179.  190. 


672  Kapitel  X.    Latium. 

langen  Rio  Torlo  zu.i)  Unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  hätte 
freilich  Aeneas  in  ihm  nicht  ertrinken  können :  nach  starken  Regen- 
güssen war  solches  recht  wol  möglich.  Der  ager  Laurens  2)  befafste 
mithin  einen  Küstenstrich  von  ursprünghch  16,  später  14  Millien 
Länge.  Da  er  landeinwärts  an  die  solonische  Landschaft  stiefs 
(S.  562),  kann  sein  Flächeninhalt  4 — 5  d.  D  M.  nicht  überschritten 
haben.  Dünen  und  Moräste  erfüllen  den  Strand  und  machen  die 
Klage  verständlich  die  ein  Annalist  dem  Aeneas  in  den  Mund  legt: 
in  eum  deveiiisse  agruni  macerrimnm  lüorosissimnmque.^)  Der  Rusch- 
wald Silva  Laxirentina  dehnte  sich  in  den  sumpügen  Niederungen 
aus^):  der  Lorbeer  der  an  der  ganzen  Küste  weit  verbreitet  war 
(l  432),  hat  dem  Völkchen  den  Namen  Lauretites  verschafft.  5)  Hier 
fand  der  Eber  eine  zusagende  Stätte  ^),  wurden  von  römischen  Grofsen 
Wildparks  angelegt.')  Immerhin  so  ungünstig  die  Verhältnisse  lagen, 
haben  die  Laurenter  Seefischerei  betrieben  8)  und  wurden  im  4.  Jahr- 
hundert V.  Chr.  in  sicilischen  Häfen  angetroffen. 'J)  Als  sie  noch  im 
Resitz  der  Tibermündung  waren,  muls  ihr  Verkehr  und  ihre  See- 
stellung bedeutend  gewesen  sein.  Daraus  erklärt  sich  einerseits  die 
frühe  Aufnahme  griechischer  Culte,  anderseits  die  Verbreitung  des 
hier  heimischen  Latinernamens  im  Rinnenland.  Die  Aeneasfabel 
die  nach  dem  Zeugnifs  des  Timaeos  bereits  um  300  v.  Chr.  einge- 
bürgert war,  hat  allerdings  in  der  von  den  Römern  empfangenen 
Gestalt  wirksam  dazu  beigetragen  die  geschichtlichen  Zusammenhänge 
zu  verdunkeln.  Alba  kann  unmöglich  eine  Tochterstadt  von  Lavi- 
nium  gewesen  sein,  die  Ausdehnung  des  Namens  laurentisch  über 
Latium  bis  an  den  Liris  beruht  lediglich  auf  dichterischer  Willkür.  *") 
Der  Grundzug  der  Erzählung  dafs  Lavinium  auf  abgetretenem  Ge- 


1)  Nibby  IP  41 6  fg. 

2)  Oder  Laurentinus  Plin.  Ep.  II  17,1. 

3)  Fab.  Max.  bei  Serv.  V.  Aen.  I  3  vgl.  Dion.  H.  I  56. 

4)  Obseq.  24  Val.  Max.  I  6,7  Verg.  Aen.  XI  134  Symmacli.  Ep.  VII  15. 

5)  Varro  LL  V  152  Verg.  Aen.  VII  59  Herodian  I  12,2. 

6)  Verg.  Aen.  X  7ü9  Hör.  Sal.  II  4,42  Martial  IX  48. 

7)  Varro  RR.  111  13. 

8)  Martial  X  37,6  Plin.  Ep.  II  17,28. 

9)  Wo  Tinnaeos  seine  Dion.  H.  I  67  erwähnten  Nachrichten  von  ihnen  ein- 
gezogen haben  wird. 

10)  Laurentisch  heifst  Ardea  Verg.  Aen.  VII  650  Stat.  Silv.  I  3,83;  Astura 
Fest.  317  M.  u.  Stura;  Marica  die  Göttin  von  Minturnae  Verg.  Aen.  VII  47;  bei 
Silius  Italiens  so  viel  wie  römisch  oder  italisch. 


§  2.     Die  Seeküsle.  573 

biet  erbaut  wiid ,  spiegelt  übrigens  die  thatsächlichen  Verhältnisse 
wieder  die  durch  die  Stellung  Delphi's  zu  den  Phokiern  erläutert 
werden  mögen. 

Eine  eigene  Strafse  die  via  Lanrentina  verbindet  Rom  mit  der 
heiligen  Stadt. i)  Sie  zweigt  zwischen  dem  2.  und  3.  Meilenstein  von 
der  Ostiensis  ab  (S.  547),  läuft  mit  stellenweise  erhaltenem  Pflaster 
durch  Decimo  (ad  Decimum)  und  erreicht  nach  19  Millien  Lavintum 
Pratica.2)  Von  Ostia  16  Millien  3),  vom  Meer  3  entfernt  4)  nimmt 
es  einen  reichlich  100  m  ansteigenden  steilen  Hügel  von  1200  m 
Umfang  ein.  Der  dazu  gehörige  Acker  beschränkte  sich  zeitweise 
auf  einige  hundert  oder  lausend  Morgen. 5)  Nichts  desto  weniger 
hat  dies  geistliche  Gemeinwesen  der  Landesgemeinde  gegenüber  eine 
unabhängige  Haltung  gewahrt.  Unter  Romulus  gehört  es  den  Lau- 
rentern ß);  bei  der  Stiftung  des  Heiligtums  von  Nemi  (S.  558),  im 
römisch-karthagischen  Vertrag  von  509  wird  es  nicht  erwähnt. 'i) 
Dagegen  tritt  es  in  dem  neuen  latinischen  Bunde  von  499  als 
selbständiges  Glied  auf  (S.  559).  Aus  dieser  Zeil  schreibt  sich  der 
Glaube  her  der  in  Lavinium  die  Mutlerstadt  der  launischen  Nation 
erblickte.  Der  Glaube  erhielt  seine  äufsere  Verkörperung  in  einem 
allen  Latinern  gemeinsamen  Venustempel,  dessen  Dienst  Priester 
von  Ardea  besorgten.^)  Demgemäfs  fochten  die  Lavinaten  in  dem 
entscheidenden  Waffengang  338  v.  Chr.  auf  latinischer  Seite,  während 
die   Laurenter   sich    ruhig  verhieUen.-')     Nunmehr   hebt   ein    neuer 


1)  Vai.  Max.  VIII  5,6  Ovid  Fast.  II  679  Plin,  Ep.  II  17,2  Gell.  N.  A.  X  2,2 
Regionär.  CIL.  XIV  4086.  87. 

2)  Varro  LL.  V  144  Dion.  H.  I  56.  67  fg.  CIL.  XIV  p.  186  Schwegler  I  2S3  fg. 
Nibby  IP  206fg.  Toroassetti  Bull.  com.  1895  p.  132fg. 

3)  It.  Ant.  301  Tab.  Peut.  verwirrt. 

4)  Strab.  V  229  Dion.  H.  I  56. 

5)  Nur  500  Cassius  Hemina  bei  Solin  2,14;  2700  wie  es  scheint  Gate  Or. 
I  fr.  9  Jordan;  die  Dion.  H.  I  59  gemeinte  Ziffer  ist  nicht  mit  Sicherheit  aus- 
zurechnen. 

6)  Liv.  I  14  Dion.  H.  II  51  fg. 

7)  Pol.  11122,11  wird  das  überlieferte  agevrivoiv  richtig  AaQsvTlvtov  er- 
gänzt, von  Polybios,  der  die  Gegend  kannte,  c.  24,16  als  Landgemeinde  ab- 
sichtlich übergangen. 

8)  Strab.  V  232.  Da  Dionys  überall  die  Lavinaten  statt  der  Laurenter 
nennt,  ist  die  Angabe  III  34,  dafs  einer  der  beiden  ersten  Praetoren  des  Bundes 
aus  Lavinium  stammte,  ohne  Bedeutung. 

9)  Nach  den  Capitolinischen  Fasten  triumphirt  Consul  Maenius  de  Antia- 
tibus  Lavinieis  Felitemeis.    Hier  sowie  Liv.  VIII  11.  12.  13  Lavinium  in  Lanu- 


574  Kapitel  X.    Latium. 

Abschüitt  ihrer  Geschichte  an.  Mit  der  Sprengung  des  Bundes  hört 
Lavinium  auf  der  religiöse  Mitlelpunct  Latiums  zu  sein,  statt  dessen 
wird  es  die  Penatenstadl  von  Rom.  Es  kehrt  unter  die  Hoheit  der 
Laurenter  zurück,  mit  denen  nach  dem  Geheifs  der  sihyllinischen 
Bücher  das  römische  Volk  alljährlich  sein  feierliches  Bündnifs  er- 
neuert.') Bei  ihrem  Amtsantritt  opfern  Consuln  Praetoren  und 
Dictatoren  in  Lavinium  den  Penaten  und  der  Vesta,^)  Der  Ort  barg 
kostbare  Gnadenschätze:  Heroldstäbe  und  einen  Topf  aus  Troia, 
wovon  schon  Timaeos  gehört  hatte  3),  die  Sau  welche  die  30  Ferkel 
warf,  in  Salzlake  4);  am  nahen  INumicius  lag  der  Hain  des  Juppiter 
Indiges  der  für  den  göttlichen  Aeneas  ausgegeben  wurde.^)  Aber 
mit  dem  Verfall  des  Freistaats  verödeten  die  geweihten  Stätten  und 
der  Dichter  klagt  c): 

Albanosque  lares  Lanrenttnosque  penates 
rus  vacuum,  quod  non  habitet  iiisi  nocte  coacta 
invüns  qneshisque  Numam  iussisse  Senator, 
non  aetas  haec  carpsit  edax  monumentaque  rerum 
putria  desiiluü:  crimen  civile  videmns 
tot  vacuas  urbes. 
Wir  wissen  nicht  einmal  welcher  Tribus  die  Laurenter  bei  der 
Verleihung  des  Bürgerrechts  90  v.  Chr.  zugetheilt  wurden.    Erst  als 
die  Aeneaden  den  Thron  der  Weltherrschaft  bestiegen,  feierten  die 
alten  Erinnerungen  ihre  Auferstehung.    Sie  wurden  nicht  nur  von 
der  Muse  besungen,  die  zahlreiche  aus  römischen  Rittern  gebildete 
Priesterschaft  der  Lanrentes  Lavinates  übernahm  ihre  Pflege.')    Den- 
selben Namen    odei*   kurzweg  Lanrentes   führt  die  Stadtgemeinde^), 

vium  zu  ändern  ist  unbegründet.  Neben  der  üblichen  Form  Lavinas  braucht 
Varro  RR.  11  4  Laviniensis,  Plin.  111  64  Verg.  Aen.  1  2  IV  236  Prop.  111  32,64 
Lavinius. 

1)  Liv.  VllI  11  CIL.  X  797. 

2)  Macrob.  Sat.  III  4,11  Obseq.  24  Val.  Max.  1  6,7  Serv.  V.  Aen.  II  296  III  12 
Schol.  Veron.  V.  Aen.  1  260. 

3)  Dion.  H.  1  67. 

4)  Varro  RR.  II  4. 

5)  Flin.  III  56  Liv.  I  2  Dion.  H.  I  64  Tibull  II  5,43. 

6)  Strab.  V  232  Lucan  VII  394. 

7)  Marquardt  Staatsverw.  111  457  Dessau  a.  0.  p.  187. 

8)  In  dem  Gemeindenverzeichnifs  Plin.  III  64  llionenses  Lavini  ist  ersteres 
allem  Anschein  nach  ein  Zusatz  des  Plinius,  jedesfalls  anderweitig  nicht  zu  be- 
legen. Die  Aenderung  des  zweiten  Namens  in  Lanivini  ist  nicht  zu  billigen, 
vielmehr  mufs  der  Ausfall  von  Lanuvini  angenommen  werden. 


§  2.     Die  Seeküste.  575 

am  Ausgang  des  Altertums  ist  daraus  das  unziemliche  Laurolavinium 
gemacht  worden.')  Die  kaiserliche  Huld  ist  ihr  fortan  treu  ge- 
blieben 2),  bis  mit  dem  Erlöschen  des  Heidentums  die  religiosa  civitas 
um  400  n.  Chr.  unseren  Blicken  entschwindet.^) 

Der  erbliche  Zwiespalt  zwischen  Stadt  und  Land  ist  von  der 
Monarchie  nicht  versöhnt  worden.  !Nach  der  Gemeindeordnung  des 
Augustus  gehört  nur  die  südliche  Hälfte  des  laurentischen  Gebiets 
zu  Lavinium.  Das  au  Ostia  grenzende  Stück  hat  eigene  Municipal- 
verfassung  mit  Quattuorvirn  und  Decurionen  (in  Lavinium  lauten  die 
Titel  vornehmer  Praetoren  und  Senat).  Sein  Hauptort  galt  nicht 
als  Stadt  sondern  als  Flecken,  der  nach  Aussage  des  in  der  Nähe 
ansässigen  PHnius  für  die  Befriedigung  bescheidener  Ansprüche  aus- 
reichte, u.  a.  drei  Badeanstalten  besafs.^)  Aus  Inschriften  erfahren 
wir  dafs  er  nach  dem  ersten  Kaiser  amtlich  vi'cus  Augustanus  heifst, 
die  Gemeinde  Laurentes  vico  Augustano.'^)  In  der  Litteratur,  damit 
wol  auch  im  Volksmund  heifst  er  seit  Alters  Laurentum.^)  Die  Ent- 
fernung von  Rom  beträgt  17,  von  Ostia  5  Millien  '),  di«;  Lage  inner- 
halb des  königlichen  Jagdreviers  Castel  Porziano  (Porcigliano)  ist 
durch  Inschriftenfunde  gesichert.  Seit  den  punisehen  Kriegen 
greifen  die  Latifundien  um  sich^),  in  der  Kaiserzeit  drängte  am 
Strande  ein  Landhaus  das  andere. 9)  Der  jüngere  Plinius  hat  das 
seinige  ausführlich  beschrieben.  Was  er  von  dem  Ritt  dorthin  be- 
richtet auf  sandigen  Wegen  durch  Feld  und  Wiesen  wo  Schaf-  und 
Rofsheerden  überwintern,  entspricht  dem  Ton  der  heutigen  Land- 
schaft. Aber  der  Lorbeer  der  ihr  einst  den  Namen  verliehen ,  ist 
selten  geworden,  und  dafs  sie  um  200  n.  Chr.  wegen  ihrer  Gesund- 
heit aufgesucht  wurde,  klingt  der  Gegenwart  wie  ein  Märchen.'") 

Von  der  Porta  Naevia  in  der  servianischen  Mauer  am  Aventin 
läuft  die  via  Ardeatina  aus"),    kreuzt   den  Almo  (S.  547)    und  die 


1)  Feldm.  234  Serv.  V.  Aen.  13.5  IV  620  VI  760  VII  59.  131.  170  XI  100 

2)  CIL.  XIV  2070  Vita  M.  Ant.  Phil.  27. 

3)  So  heifst  sie  Symmach.  Ep.  I  71  VII  26  vgl.  Cod.  Theod.  VIII  5,46. 

4)  Plin.  Ep.  II  17,26. 

5)  CIL.  XIV  p.  183. 

6)  Cic.  de  or.  II  22  Strab.   V  229.  232  Mela  11  71  Plin.  III  56  Herodian  I 
12,2  It.  Ant.  301  Tab.  Peut. 

7)  Plin.  Ep.  II  17,2. 

8)  Cic.  de  or.  II  22  Varro  RR.  III  13  Jlacrob.  Sat.  I  11,21. 

9)  Plin.  Ep.  II  17,27.  10)  Herodian  1  12,2. 
11)  Fest.  282  M.  CIL.  VI  13074  Regionär. 


676  Kapitel  X.    Latium. 

appische  Strafse'),  erreiclit  ohne  weitere  Ortschaften  zu  berühren 
nach  23  Mühen  Ardear)  Das  Gebiet  dieser  Stadt  wird  durch  den 
Nuniicius  vom  laurentischen  geschieden,  läfst  sich  nach  Nordost 
gegen  Aricia  und  Lanuvium,  nach  Süden  gegen  Antium  nicht  näher 
abgrenzen,  kann  aber  kaum  3  d.  D  M.  erreicht  haben.  Die  nach 
Südwest  geöll'nete  und  durch  Kraterseen  bezeichnete  Seite  des  alba- 
nischen Hingwalls  ist  vom  Meer  20  km  entfernt,  auf  der  kurzen 
Strecke  hat  der  Boden  eine  Neigung  von  2 — 300  m,  die  strahlen- 
förmig abströmenden  Gewässer  haben  tiefe  Rinnen  durch  den  lockeren 
Tuff  genagt  (1  261).  Ein  reichhches  Dutzend  solcher  Wildbäche 
münden  als  Fosso  degli  Incastri  in  einem  gemeinsamen  Bette  ins 
Meer;  3  Millien  von  der  Mündung  wo  die  Hauptbäche  sich  ver- 
einigen, den  ranken  Aesten  vergleichbar  die  vom  Stamm  einer  nach 
den  Regeln  französischer  Gartenkunst  gestutzten  Ulme  aufschiefsen, 
fesselt  eine  der  lehrreichsten  Stätten  des  latinischen  Altertums  den 
Betrachter  3) : 

locus  Ardea  quondam 

dictns  avis,  et  nunc  magnnm  manet  Ardea  nomen 

sed  fortnna  fuit. 

Den    Lavinaten    gelang  es   nicht  den    Namen   des  Gaus  durch 

den  der  Stadt  zu  verdrängen;   dafs   es   ihren  Nachbarn  jenseit  des 

Numicius  gelang  und  gehngen  mufste,  wird  uns  durch  die  Oertlich- 

keit  und  die  erhaltenen  Befestigungen  veranschaulicht.^)     Der  Gau 

heifst   Rutuli,   von   der   Sage   in    nachbarlichen    Gegensatz  zu   den 

Laurentern  oder  Latinern  gesetzt  (1  521),  aber  in  keiner  Weise  als 

stammfremd  von  ihnen  unterschieden. &)     Bei  der  Stiftung  in  Nemi 

(S.  558)   führt  die   Gemeinde   den   Doppelnamen   populus   Ardeatis 

Rutulus,    in    den    Zeiten    vor   dem   gallischen    Brande   spricht    die 

Chronik   gelegentlich   von  Rutulern^),   später  kennt  man    sie  nicht 

mehr  und  schon  die  altertümliche  Weihung  vom  Albanerberg  lautet 

Divei  (Diovei)  Ardeates.')     Die  Bodengestaltung  beförderte  den  Zu- 

1)  Hülsen  in  Pauly-Wissowa  Encl.  II  613. 

2)  Strab.  V  232  Mela  II  71  Plin.  III  57  Ptol.  III  1,54  CIL.  X  1  p.  675. 

3)  Verg.  Aen.  VII  411. 

4)  0.  Richter,   Ann.  dell'  Inst.  18S4p.  90fg.  mit  Plan  Mon.  XII  2  Not.  d. 
Scavi  1900  p.  53. 

5)  Verg.  Aen.  XII  40  consaJiguinei  vgl.  S.  572  A.  10.   Silius  braucht  rutu- 
lisch  im  Sinne  von  römisch. 

6)  Liv.  I  57  IV  11   Dion.  H.  V  62  Zonar.  VII  23. 

7)  Rom.  Mitth.  1895  p.  65  ebenso  Pol.  III  22,11   Dion.  H.  V  61. 


§  2.    Die  Seeküste.  577 

sammenhalt  des  Gaus,  als  natürliche  Mitte  war  der  Ort  gegeben  wo 
die  verschiedenen  Thalmulden  zusammenstofseu.  Hier  auf  dem  lang- 
gestreckten Rücken  zwischen  dem  Fosso  della  Mola,  dem  Abflufs 
des  Nemisees,  und  dem  Fosso  dell'  Äcqua  buona  hegt  die  Stadt. 
Den  äufsersten  Vorsprung  nach  dem  Meer  zu  nahm  der  älteste 
Theil  und  nimmt  der  heutige  Weiler  ein.  Er  ist  360  m  lang,  halb 
so  breit  und  6  ha  grofs.  Bei  einer  Meereshöhe  von  36  m  fallen 
die  Tuffwände  20  m  senkrecht  nach  dem  Thalgrund  ab  und  bedürfen 
keines  künstlichen  Schutzes;  an  der  Landseite  ist  eine  Mauer  im 
Läufer  und  Bindersystem  errichtet.  Drei  Thore  vermitteln  den  Zu- 
tritt, das  nach  der  See  führende  ist  in  tiefem  Einschnitt  aus  dem 
Felsen  ausgehauen.  Die  Stadt  oder  Burg  des  Königs  Turnus  wurde 
durch  eine  erste  Erweiterung  auf  rund  50  ha  gebracht.  Sie  rückte 
über  die  53  m  ü.  M.  ansteigende  Hochfläche  1/2  km  vor,  bis  wo 
diese  von  beiden  Seiten  her  ausgehöhlt  und  auf  eine  Breite  von 
450  m  eingeengt  wird.  Die  nötige  Deckung  für  die  offene  Strecke 
gewährte  eine  mächtige  Schanze  die  an  die  servianische  auf  dem 
Esquihn  erinnert:  der  Wall  ist  rund  620  m  lang,  40  m  breit,  20  m 
hoch,  der  Graben  25  m  breit.  Die  Zahl  der  Thore  beträgt  jetzt  5. 
Später  hat  Ardea  ein  zweites  Stück  der  Hochfläche  (60  m  ü.  M.)  ein- 
verleibt und  durch  neue  umfassende  Werke  gesichert.  In  dieser 
seiner  gröfsten  Ausdehnung  ist  die  Zahl  der  Thore  auf  8,  der  Längen- 
durchmesser auf  1,6  km,  der  Umfang  auf  4,5  km,  der  Flächeninhalt 
(ßeloch)  auf  85  ha  gewachsen.  Es  konnte  sich  nicht  mit  dem 
königlichen  Rom  messen,  fand  aber  in  Latium  weit  und  breit  nirgends 
seines  Gleichen.  —  Wie  der  Reiher  dessen  Namen  Ardea  trägt  ^), 
haben  seine  Bürger  sich  auf  dem  Wasser  getummelt.  Eine  unver- 
bürgte Nachricht  schreibt  ihnen  in  Gemeinschaft  mit  den  Zakyn- 
thiern  die  Gründung  des  spanischen  Saguntum  zu,'-')  Meistens  gilt 
Danae  aus  Argos  des  Perseus  Mutter  als  Stifterin  von  Ardea. 3) 
Verständlicher  khngt  es  wenn  ein  griechischer  Geschichtschreiber 
den  Ursprung  der  drei  hervorragendsten  Städte  zwischen  Circei 
und  Tiber  den  Söhnen  von  Odysseus  und  Rirke  dem  Romos  Antias 
Ardeas  beilegt. *)  Die  Eroberung  des  reichen  Ardea  sollte  das  Macht- 
gebäude der  Tarquinier  als  Schlufsstein  krönen:  in  der  That  heifst 


1)  Ovid  iMet.  XIV  580  Serv.  V.  Aen.  VII  412. 

2)  Liv.  XXI  7  Sil.  It.  1  293. 

3)  Verg.  Aen.  VII  410  Serv.  zu  VII  372  Plin.  111  56  Solin  2,5. 

4)  Xenagoras  bei  Dion.  H.  1  72  Steph.  Byz.  'yivTsia. 
Nissen,  Ital.  Landeskunde.    IL  37 


$78  Kapitel  X.    Latium. 

die  Gemeinde  509  im  karthagischen  Vertrag  den  Römern  unler- 
Ihänig.')  Sie  nimmt  an  der  Errichtung  des  Latiuerbundes  eifrigen 
Anlheil  (S.  558)  und  erlangt  die  Vorstandschaft  am  Bundestempel  zu 
Lavinium  (S.  573).  Zwei  Menschenalter  später  entspinnt  sich  aus 
einem  Grenzstreit  mit  Aricia  der  Bürgerkrieg:  den  Gemeinen  kommen 
die  Volsker,  dem  Rat  die  Römer  zu  Hilfe,  nach  blutigem  Siege 
wird  Ardea  442  von  den  Römern  neu  besiedelt.^)  Unter  Anführung 
des  verbannten  Camillus  schlug  es  die  Kelten  zurück^),  wurde  von 
den  Samniten  schwer  heimgesucht^),  gehorte  zu  den  12  latinischen 
Colonien  die  209  ihr  Unvermögen  erklärten  Soldaten  und  Geld 
gegen  Hannibal  zu  liefern. &)  Endlich  hören  wir  186  dafs  es  wie 
Alba  und  Setia  seiner  Festigkeit  wegen  als  Staatsgefangnifs  diente. 6) 
Während  die  Ueberlieferung  verstummt,  schreitet  der  Verfall  rüstig 
fort.  Er  ist  früh  eingebrochen:  Ueberreste  römischer  Bauten  finden 
sich  nur  innerhalb  des  ersten  Walls,  so  dafs  allem  Anschein  nach 
die  äufsere  Stadt  in  römischer  Zeit  verlassen  war.  Die  Handels- 
eifersucht des  herrschenden  Volkes  mag  dabei  mit  gesprochen  haben : 
Münzen  giebt  es  von  Ardea  so  wenig  wie  von  Antium.  Aber  es 
wird  bezeugt  dafs  die  Bildung  in  grauer  Vorzeit  Aufnahme  und 
auch  in  der  Zeit  des  Niedergangs  andauernde  Pflege  fand :  auf  den 
Gebieten  von  Recht''),  Geschichtschreibung s),  Dichtung 9)  und 
3Ialerei.*°)  Seit  Augustus  ist  die  Gegend  wegen  ihrer  schlechten 
Luft  verrufen");  im  Busch  weiden  die  kaiserhchen  Elephanten.'"'') 
Eine  ungewifs  wann  hergeführte  Colonie  hat  kein  erkennbares  Ge- 
deihen hervorgebracht.'^)  Die  Inschriften  von  Ardea  sind  spärlich 
und  lassen  uns  über  die  Tribus  im  Unklaren. 


1)  Liv.  I  57  Dion.  H,  IV  64.  So  Dio  fr.  11,13  Bk.  Pol.  III  22,11. 

2)  Diodor  XII  34  Liv.  III  71  IV  1.  7.  9—11  Dion.  H.  XI  52.  54.  62. 

3)  Liv.  V  43  fg.  Dion.  H.  XIII  5  Plut.  Cam.  23  Appian  It.  8. 

4)  Strab.  V  232. 

5)  Liv.  XXVII  9  XXIX  15. 

6)  Liv.  XXXI X  19. 

7)  Dion.  H.  II  72. 

8)  Varro  RR.  11  11  (Plin.  VII  211). 

9)  Plin.  XXXV  115. 

10)  Serv.  V.  Aen.  I  44  Plin.  XXXV  17.  115. 

11)  Strab.  V  231  Seneca  Ep.  105,1  Martial  IV  60. 

12)  Juvenal  12,105.     Uebrigens   besafs    in    höherer  Lage   Columella  III  9 
ein  Weingut. 

13)  Feldm.  231.  251  CIL.  X  p.  676. 


§  3.     Das  Albaner  Gebirge.  579 

Das  Fieber  hat  sich  zunächst  der  Niederungen  bemächtigt.  Es 
ist  in  pohtischer  Hinsicht  nicht  ohne  Bedeutung  dafs  der  Hafen 
Ardea's  am  Ersten  verödete:  kein  Geograph  nennt  ihn,  die  Erklärer 
Vergils  versetzen  ihn  gar  nach  Etrurien  (S.  334).  Aber  im  ersten 
Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  lebt  er  noch  in  der  Erinnerung 
und  heifst  kurzweg  Caslrum ')  oder  mit  vollem  Namen  nach  dem 
Gott  der  Zeugung  Castrum  Inui.^)  Vergil  weist  die  Gründung  den 
albanischen  Konigen  zu :  die  Angabe  erklärt  sich  einfach  sobald  wir 
den  ehedem  in  der  Nähe  von  Ardea  gelegenen  Venustempel  an  dem 
die  Latiner  eine  gemeinsame  Messe  abhielten,  eben  am  Hafen  suchen. -^j 
Die  Geographen  kennen  den  verschwundenen  Tempel  der  sein  Da- 
sein etwas  länger  fristete  als  der  Ort.  Es  sieht  auch  ganz  darnach 
aus  als  ob  der  alte  Name  in  dem  heutigen  Incastro  erhalten  sei.'*) 
Der  Incastro  ist  der  ansehnlichste  Wasserlauf  zwischen  Tiber  und 
Astura:  dafs  seine  Mündung  in  alten  Zeiten  die  Entwicklung  der 
Schiffahrt  befördert  habe,  bedarf  keines  Beweises.  Da  die  letzten 
Jahrlausende  grofse  Massen  von  Schwemmstoffen  hier  abgelagert 
haben,  werden  die  natürlichen  Bedingungen  ehedem  günstiger  ge- 
wesen sein  als  der  Anschein  gegenwärtig  lehrt.  Nibby  hat  die 
Spuren  des  Hafenorts  auf  den  letzten  Vorsprüngen  der  Tuffhügel 
am  hnken  Ufer  des  Incastro  aufgefunden. s)  Von  hier  bis  Antium 
sind  13  Mühen.  Wie  der  Gott  der  Zeugung  verehrt  wurde,  gilt 
dies  auch  von  der  Geburtsgötlin  Natio.^)  Endlich  werden  kalte 
Schwefelquellen  in  der  Ardeatiner  Feldflur  erwähnt.') 

§  3.    Das  Albaner  Gebirge. 

In  ahen  Tagen  ist  das  vulkanische  Ringgebirge  im  Süden  des 
Tiber  von  verschiedenen  Stämmen,  von  Aequern  Volskern  Latinern 
umlagert  worden.  Wie  wenige  ist  es  einheithch  aufgebaut,  aber 
die  Einheit  kam  erst  der  Gegenwart  zum  Bewufstsein.  Den  Ge- 
sichtskieis  des  Römers  begrenzten  die  Hügel  von  Tusculum  und 
Alba  *),  beide  Gruppen  und  vollends  den  Algidus  den  seinen  Bhcken 


1)  üvid  Met.  XV  727  Sil.  It.  VIII  359  Marlial  IV  60. 

2)  Verg.  Aen.  VI  775  vgl.  S.  334. 

3)  Strab.  V  232  Plin.  III  57  Mela  II  71. 

4)  Nibby  IF  155. 

5)  Nibby  P  440. 

0)  Cic.  deor.  nat.  III  47. 

7)  Vitiuv  Vlll  3,2. 

8)  Cic.  pro  Mi).  85  Strab.  V  237.  239  Martial  IV  64. 


680  Kapitel  X.     Latium. 

entzogenen  Südrand  als  ein  Ganzes  zusammenzufassen  und  mit 
einem  gemeinschaftlichen  Namen  zu  bezeichnen  lag  seiner  Denkweise 
sehr  fern.  Auch  heute  ist  der  uns  Fremden  geläufige  Gebrauch 
von  Albanergebirge  bei  den  Umwohnern  nichts  weuiger  als  einge- 
bürgert. Im  Altertum  heifst  mons  Albanus  der  Berg  auf  dem  die 
feriae  Latinae  das  rümisch-latinische  Bundesfest  gefeiert  wurde. 
Aber  dieser  eine  Berg  hat  von  Urzeiten  ab  im  ganzen  Verlauf  der 
Geschichte  eine  Wichtigkeit  besessen  die  alle  anderen  Ueberlieferungen 
der  Umgegend  verdunkelt  und  die  Ausdehnung  des  Namens  im  an- 
gegebenen Sinne  vollauf  rechtfertigt.  Es  ist  eine  der  höchsten 
Spitzen  (949  ni  Italien.  Generalstab)  vom  Rand  des  Centralkraters 
den  der  Volksmund  irrig  Campo  d'Annibale  getauft  hat  (1  261):  sie 
gebietet  über  eine  weite  Aussicht  auf  Land  und  Meer  ^),  bei  klarem 
Welter  sollen  selbst  die  Berge  Sardiniens  zu  erspähen  sein.  Die 
schmale  (8')  gepflasterte  Strafse  die  den  einst  wie  jetzt  bewaldeten 
Abhang  steil  hinabsteigt,  ist  wol  erhalten.  Auf  der  Kuppe  lag  der 
Tempel  des  Juppiter  Latiaris,  das  Wort  nicht  in  der  üblichen,  son- 
dern in  seiner  eigentlichen  Bedeutung  angewandt,  d.  h.  ein  einge- 
hegter Bezirk  (65  X  48  m)  mit  Altar  und  kleinem  wie  es  scheint 
nachträglichem  Einbau. '■')  Das  Passionistenkloster  das  seit  1777  die 
Stelle  einnimmt,  fällt  fernhin  in  die  Augen :  im  Altertum  erinnerten 
keine  ragenden  Giebel  und  Säulenhallen  daran  dafs  die  Hohe  das 
Heiligtum  der  Bundesgenossen  sei  wie  das  Capitol  das  Heiligtum 
der  Bürger. 3)  Daraus  wird  man  folgern  dafs  die  Verehrung  in 
eine  Zeit  hinaufreicht,  wo  die  Gottheit  nicht  im  geschlossenen  Raum 
sondern  unter  freiem  Himmel  angebetet  wurde.  Zu  dem  Schlufs 
stimmt  der  Befund  an  Weihgaben  der  zwar  kein  Steingerät,  dagegen 
viel  ungemünztes  Kupfer  und  rohe  Irdenwaare  aufweist.  Das  merk- 
würdigste Zeugnifs  liefert  die  Sprache:  albanisch  hiefs  der  Berg  von 
Hause  aus  nicht,  der  Volksmund  hat  im  heutigen  Monte  Gavo  oder 
Cavi  den  ursprünglichen  Namen  bis  auf  die  Gegenwart  erhalten.*) 
Ein  Collegium  der  Cabenses  sacerdotes  feriarum  Latinarum  montis 
Albani  oder   kürzer  sacerdotes  Cabenses  montis  Albani  ist  noch  für 


1)  Verg.  Aen.  XII  134. 

2)  Michele  de  Rossi  Ann.  dell'  Inst.  1876  p.  314fg. 

3)  Dafs  im  Laufe  der  Zeiten  Capelien  errichtet  Liv.  XLV  15,  Statuen  auf- 
gestellt Dio  L  8,  Inschriften  angebracht  wurden  CIL,  XIV  p.  213,  thut  dem  Ge- 
sagten keinen  Eintrag. 

4)  Mommsen  Bull,  dell'  Inst.  1861  p.  206. 


§  3.     Das  Albaner  Gebirge.  581 

275  n.  Chr.  bezeugt.')  Die  gleichnamige  Gemeinde  wird  unter  den 
Gliedern  des  Latinerbundes  von  499  und  in  der  Censuslisle  des 
Augustus  aufgeführt''):  anderweitig  kommt  sie  nicht  vor.  Sie  mag 
im  Campo  d'Annibale  oder  Atrio  nach  dem  äufseren  Ringwall  zu 
gesessen  und  von  dem  ausgehöhlten  Thal  den  Namen  erhalten  haben. 
Die  Uebertragung  des  Namens  auf  den  Berg  legt  die  Annahme  nahe, 
dafs  dieser  au  ihre  Grenzen  stiefs  oder  von  ihnen  eingeschlossen  war. 
Die  von  Rocca  di  Papa  eingenommene  Höhe  (623  m)  würde  als  Ort 
.  des  Pagus  passen. 3)  —  In  Betreff  des  Festes  waren  die  alten  Gelehrten 
uneinig,  indem  sie  dessen  Stiftung  entweder  der  latinischen  Vorzeit 
oder  den  Tarquiniern  zuschrieben.^)  Beides  ist  richtig.  Die  ausge- 
zeichnete Hohe  war  von  Natur  zur  Cultstälte  bestimmt.  Aber 
welche  Gemeinden  ursprünglich  an  ihr  Antheil  hatten,  läfst  sich 
nicht  erraten:  den  Mittelpunct  des  albanischen  Vereins  hier  zu 
suchen  verv^■ehrt  der  Umstand  dafs  die  Cabenser  in  dem  bezüglichen 
Verzeichnifs  (S.  556)  fehlen.  Es  ist  daher  auch  ganz  in  der  Ordnung 
wenn  die  Tradition  den  neuen  Inhalt  der  unter  Anlehnung  an  die 
bisherigen  Formen  dem  Feste  verliehen  wurde,  nicht  etwa  mit  der 
Zerstörung  Alba's  sondern  ein  paar  Menschenalter  später  mit  der 
Unterwerfung  Latiums  in  Verbindung  bringt.  Bei  der  Stiftung 
nahm  König  Tarquinius  die  Verbündung  aller  Waffengefährten  Roms 
Latiner  Herniker  Volsker  in  Aussicht.  Nach  den  Wechselfällen  der 
nächsten  Jahrhunderte  wurde  ein  engerer  Kreis  von  47  Gemeinden 
ausgesondert  die  das  Vorrecht  genossen  von  dem  Fleisch  der  Opfer- 
thiere,  weifser  Farren,  ihr  Stück  zu  empfangen:  30  davon  zählt 
Plinius  aut  (S.  555  A.),  anderweitig  erwähnt  werden  die  Ardeaten  Bo- 
villenser  Gabiner  Labicaner  Lanuviner  Laurenter. ^)  Das  war  eine 
Antiquität,  aber  als  eines  der  höchsten  Staats-  und  Volksfeste  ist 
das  Latiar  bis  zum  Ausgang  des  Heidentums  gefeiert  worden.  6) 


1)  Marquardt  Staatsverw.  III  459. 

2)  Dion.  H.  V  61  KaßavöJv  Plin.  III  64  überliefert  Gabienses  in  monte 
Albano,  nach  der  Folge  des  Alphabets  gefordert  Cabienses  oder  vielmehr 
Cabenses. 

3)  Toraassetti  Arch.  rom.  IX  380. 

4)  Schol.  Bob.  zu  Cic.  pro  Plane.  23  Orelli  p.  255  Cic.  pro  Mil.  85  Serv. 
V.  Aen.  XII  135;  Tarquinius  Priscus  Dion.  H.  VI  95  Schol.  Bob.;  Superbus 
Dion.  H.  IV  49  Aur.  Vict.  v.  ill.  8. 

5)  Cic.  pro  Plane.  23  ad  Att.  I  3,1  Liv.  XXXII  1  XXXVIl  3  XLI  IG  Varro 
LL.  VI  25. 

6)  Preller  Myth.  F  210  Marquardt  Staatsverw.  III  2S4. 


682  Kapitel  X.     Latium. 

Die  Oberherrschaft  in  Laliiim  beanspruchte  Rom  als  Rechts- 
nachfolgerin von  Alba  Longa.  Den  Namen  dieser  ihrer  Mutter- 
stadl  leiteten  die  Römer  irrig  (I  140)  von  der  weifseo  Sau  her  die 
dem  Aeneas  den  Weg  wies,  «len  Beinamen  von  der  gestreckten 
Gestalt  der  Ansiedlung.')  Da  sie  seit  König  TuUus  vom  Erdboden 
verschwunden  war,  nimmt  es  weder  Wunder  dafs  Ausländer  sie 
nach  dem  Gipfel  des  M.  Cavo  verlegt''),  noch  dafs  die  Neueren  sie 
an  verschiedenen  Seiten  des  Sees  gesucht  haben.  Nach  Aussage 
der  Geschichtschreiber  lag  Alba  unter  M.  Cavo,  auf  einem  Rücken 
am  See,  über  der  vom  See  aus  bewässerten  Ebene.3)  Im  Einklang 
mit  diesen  Kennzeichen  hat  WiUiam  Gell  die  Stätte  am  nordöstlichen 
Ufer  des  Sees  nachgewiesen. *)  Hier  zwischen  Marino  und  dem 
Kloster  von  Palazzuola  &)  zog  sich  die  Stadt  mehr  als  eine  Millie 
lang  auf  dem  schmalen  Uferrand  (369  m)  hin ,  der  durch  seinen 
jähen  Absturz  vom  See  her  unangreifbar,  auch  nach  dem  Lande  zu 
eine  gute  Deckung  bot.  In  dem  tiefen  Thalgrund  der  den  Rücken 
von  der  Hohe  von  Marino  (403  m)  scheidet,  fliefst  ein  Bach  der 
mit  einem  Bündel  anderer  Bäche  vereinigt  schliefslich  als  Fosso  di 
Tor  Sapienza  bei  Ponte  Mammolo  (S.  545)  in  den  Anio  mündet 
Man  hält  den  Bach  fälschlich  für  die  aqiia  Ferentina  (S.  558):  nach 
einer  Inschrift  heifst  er  vielmehr  aqua  Albana.^)  Zu  uns  reden  noch 
die  Gräber  die  das  Schwert  des  Siegers  nicht  erreichen  konnte, 
jene  alte  Nekropole  von  der  bereits  in  anderem  Zusammenhang  die 
Rede  war  (l  252).  Sie  erstreckt  sich  bis  zum  M.  Crescenzo  (385  m) 
unweit  Alba's  und  birgt  gerade  hier  Hüttenurnen  und  ähnUche 
Merkmale  einfacher  Lebensformen  in  besonderer  Fülle,  während 
weiter  südlich  im  Bereich  anderer  Ortschaften  die  Funde  eine  fort- 


1)  Fabius  bei  Diod.  VII  S  Varro  RR.  II  4  LL.  V  144  Verg.  Aen.  VllI  45  Liv. 
I  3  Dion.  H.  1  66  Juvenal  12,72  Properz  V  1,35.  Der  Farbe  des  vulkanischen 
Bodens  entsprechend  läfst  der  älteste  Zeuge  Lykophron  AI.  1256  die  Sau  viel- 
mehr schwarz  sein. 

2)  Strab.  V  229.  231  Plut.  Caes.  6ü  Nikol.  Dam.  vit.  Caes.  5  vgl.  Lucan 
m  87  V  400. 

3)  Liv.  I  3  Dion.  H.  I  Ü6  vgl.  Liv.  VII  39. 

4)  Gell,  topography  of  Rome  and  its  vicinity,  London^  1846,  I  p.  17 fg. 
Nibby  P  59fg.  Hülsen,  Wissowa  Encycl.  I  1301. 

5)  Die  Terrasse  bei  Palazzuola,  an  die  seit  Cluver  die  Meisten,  auch  West- 
phal  p.  31  denken,  entspricht  nicht  den  Anforderungen  der  Festigkeit,  recht- 
fertigt ebenso  wenig  den  Ausdruck  porreclae  in  dorso  urbis. 

6)  CIL.  XIV  2466. 


§  3.     Das  Albaner  Gebirge.  583 

schreitende  Eatwicklung  bekunden.  —  Bei  der  Zerstörung  Alba's 
wurden  einzig  und  allein  die  Heiligtümer  verschont');  die  mit 
ihrem  Dienst  betrauten  Priesterschaften  werden  öfters,  das  Kloster 
der  Vestalen  noch  um  400  n.  Chr.  erwähnt.")  Bei  ausführlicher 
Bezeichnung  dieser  "Würden  nennen  die  Inschriften  als  Ort  des 
Dienstes  die  arx  Albana,  die  auch  in  dem  Keltenkrieg  350  v.  Chr. 
vorkommt. 3)  Die  Burg  welche  die  Erinnerung  an  den  sagenhaften 
Herr?chersitz  wach  hielt,  hat  4  km  von  der  Stadt  entfernt  auf  dem 
westhchen  Üferrand  bei  Castel  Gandolfo  (426  m)  gestanden.  Holste 
suchte  hier  Albalonga  und  neuere  Forscher  sind  ihm  gefolgt.^)  Der 
Ansatz  ist  unvereinbar  mit  der  Aussage  des  Livius  dafs  Alba  unter 
M.  Cavo  lag,  vollends  mit  der  Aussage  des  Dionys  dafs  Alba  zwischen 
M.  Cavo  und  dem  See  lag.  Allein  eben  so  unumstofslich  geht  aus 
den  Erwähnungen  Cicero's  und  mehrerer  Schriftsteller  der  Kaiserzeit 
hervor,  dafs  für  die  Burg  mit  den  Heiligtümern  lediglich  Castel  Gan- 
dolfo in  Betracht  kommt. 5)  Stadt  und  Burg  sind  oft  räumlich  von 
einander  getrennt:  dafs  der  Abstand  auf  mehrere  Millien  anwächst, 
ist  selten  der  Fall,  aber  z.  B.  bei  Fregellae.  Ohne  Zweifel  war  das 
Westufer  seiner  Zugänglichkeit  wegen  viel  geeigneter  den  Mittel- 
punct  einer  ausgedehnten  Herrschaft  abzugeben  als  das  östhche,  eine 
so  ausgezeichnete  Lage  wie  die  von  Castel  Gandolfo  wird  nicht  erst 
von  den  Bömern  ausgenutzt  worden  sein. 6) 

Die  Feldmark  Alba's  läfst  sich  nur  annähernd  umschreiben. 
Die  Römer  nennen  albanisch  die  Südhälfte  des  vor  ihren  Augen 
ausgebreiteten  Gebirges,  tusculanisch  die  Nordhälfte  (S.  579).    Auch 


1)  Liv.  I  29  Dion.  H.  III  27.  31. 

2)  Ascon.  zu  Mil.  p.  35  Kiefs.  Juvenal  4,61  Symraach.  Ep.  IX  147.  48  CIL. 
XIV  p.  231. 

3)  Liv.  VII  24. 

4)  Holste  zu  Gluver  902. 

5)  Wie  Thomas  Ashby,  Journal  of  Phüology  (London  1899)  XXVII  p. 
37  fg.  richtig  ausführt. 

6)  Spätestens  ist  der  Ort  bei  der  Anlage  des  Emissärs,  die  um  400  erfolgt 
sein  soll,  befestigt  gewesen ;  denn  in  der  Zeit  des  Faustrechts  setzt  ein  der- 
artiges Werk,  die  Hut  der  Schleusen  und  die  Regelung  des  Abflusses  eine 
ständige  Wache  voraus.  Bezeichnender  Weise  führt  Dionys  I  66  unter  den 
Vorzügen  Alba's  auch  den  auf,  dafs  es  vermittelst  Schleusen  aus  dem  See  den 
Bewohnern  der  Ebene  Wasser  für  ihre  Felder  nach  Belieben  zuleiten  konnte. 
Das  ist  ein  Anachronismus,  der  den  Emissar  als  bereits  vorhanden  hinstellt. 
Immerhin  beweist  er  die  Lage  der  Burg  am  westlichen  Ufer,  weil  ein  Abflufs 
des  Sees  in  anderer  Richtune:  ausgeschlossen  ist. 


584  Kapitel  X.     Latium. 

die  Einsenkung  bei  Grotta  Ferrata  (350  m)  die  beide  Hälftea 
trennt  und  von  der  Via  Latina  durchzogen  wird,  heifst  ihnen  Albana 
valh's.^)  Aber  bis  hierhin  kann  das  Stadtgebiet  nicht  gereicht  haben. 
In  unmittelbarer  Nähe  des  heutigen  Marino  und  damit  in  geringer 
Entfernung  von  Alba  lag  das  Municipium  Castrimoenium.'^)  Die 
Geschichte  kennt  es  nicht;  immerhin  läfst  sich  die  Vermutung  die 
hier  den  Sitz  der  Munienses  wieder  (indel  (S.  556),  recht  wol  boren. 
Unter  allen  Umständen  ist  an  eine  späte  Gemeindebildung  nicht  zu 
denken.  Wenn  derart  eine  nurdhche  Grenze  gegeben  ist,  so  hat 
das  Stadtgebiet  zweifellos  den  lacus  Albajms.  Lago  di  Castello  oder 
Albano  (I  261)  umschlossen.  Die  steilen  Ufer  sind  mit  Baum-  und 
Rebenpflanzungen  bedeckt 3)  und  weisen  verschiedene  Ueberreste  von 
den  Anlagen  römischer  Villenbesitzer  auf.  Der  Aufmerksamkeit 
würdiger  ist  das  nützliche  Werk  das  den  Abflufs  künstlich  regelt. 
Der  See  wird  durch  unterirdische  Zuflüsse  gespeist  und  flofs  auch 
ehedem  auf  natürlichem  Wege  durch  unterirdische  Spalten  ab.  Wenn 
diese  sich  verstopften,  mufste  der  See  anschwellen  und  ähnlich  wie 
am  Fucinus  (S.  452)  der  Wasserstand  Schwankungen  unterworfen 
sein.  Nach  der  Sage  stieg  das  Wasser  398  v.  Chr.  bis  an  und  über 
den  Rand  und  strömte  die  Aecker  und  Gärten  verheerend  ins  Meer: 
als  es  im  nächsten  Jahr  in  anderer  Richtung  abgeleitet  und  zur  Be- 
rieselung der  Felder  verwandt  wurde,  war  nach  dem  Ratschlufs  der 
Götter  Veji's  Fall  besiegelt.-*)  Die  Verbindung  in  die  das  W^erk 
mit  einem  derartigen  Wendepunct  der  älteren  Geschichte  gesetzt 
wurde,  deutet  schon  auf  den  mächtigen  Eindruck  hin  den  es  bei 
den  Zeitgenossen  der  Republik  gemacht  hat.  Auch  Cicero  zollt  ihm 
eine  wol  verdiente  Anerkennung.  Der  Stollen  ist  1,8  km  lang  und 
liegt  120  m  unter  dem  zu  durchbohrenden  Uferrand,  die  anfängliche 
Weite  von  2  m  Höhe  und  1  m  Breite  sinkt  bald  auf  die  Hälfte  und 
weniger.  Einzelne  von  den  Schachten  die  von  der  Oberfläche  auf 
die  Sohle  getrieben  werden  mufsten  um  die  Arbeit  gleichzeitig  an 
verschiedenen  Stellen  in  Angriff  nehmen,  den  Schult  heraus  und 
Luft  hinein  schaflen  zu  können,  sind  noch  kenntlich.  Der  Abflufs 
erfolgt  durch  eine  Schleuse.     Bei  la  Mola  tritt  er  zu  Tage  und  er- 


1)  Liv.  lU  7. 

2)  Plin.  III  63  Feldm.  233  Caslrimonienses  Castrimonium,  die  Sclireibung^ 
mit  oe  ist  durch  Inschriften  der  besten  Zeit  gesichert  CIL.  XIV  p.  239. 

3)  Liv.  V  15  lacus  in  Albano  nemore. 

4)  Cic.  de  divin.  1  100  II  69  Liv.  V  15  fg.  Dion.  H.  XII  lOfg.  Plut.  Cam.  3. 


§  3.    Das  Albaner  Gebirge.  585 

reicht  nach  einem  Lauf  von  22  km  bei  Tor  di  Valie  an  der  Via 
Ostiensis  5  km  unterhalb  Roms  den  Tiber.  Er  dient  nicht  nur  um 
die  Seeufer  vor  Ueberschwemmung  zu  bewahren,  sondern  auch  —  und 
dies  war  wol  der  Hauptzweck  der  Anlage  —  um  die  Campagna  zu 
bewässern.  In  den  Schicksalsbüchern  stand  geschrieben:  wenn  das 
Wasser  des  Albaner  Sees  zum  Meer  geleitet  würde,  wäre  Rom  vom 
Verderben  bedroht.  Dieser  Zug  der  Sage  gehört  dem  im  Süden 
schier  unerschöpflichen  Kapitel  vom  Streit  um  die  VV'assernutzung 
an  (I  301).  Man  hatte  die  Wahl  den  See  entweder  nach  dem  Meer 
oder  nach  dem  Tiber  hin  abzuleiten:  in  jenem  Falle  strömte  der 
Canal  durch  latinisches  Land,  kam  den  Aricinern  und  Ardeaten  zu 
Gute,  in  diesem  römischen  Bürgern.  —  Der  Vermutung  wurde 
S.  498  gedacht  dafs  der  cluilische  Graben  5  Millien  von  Rom  die 
älteste  Grenze  zwischen  ihm  und  Alba  gebildet  habe.  Sie  wird 
durch  gewichtige  Gründe  gestützt.  Alba  kam  der  Tochterstadt  unter 
ihrem  dritten  König  an  Macht  und  Einwohnerzahl  gleich.  Seine 
Feldmark  jedoch  ist  nach  dem  Gebirge  zu  auf  allen  Seiten  durch 
andere  Gemeinden  auf  einen  ziemlich  engen  Umfang  beschränkt  ge- 
wesen und  kann  allein  in  der  Ebene  gegen  Rom  hin  die  notwendig 
vorauszusetzende  Ausdehnung  besessen  haben.  Innerhalb  dieses  von 
der  Appia  durchzogenen  Landstrichs  kommen  die  Eigentumsansprüche 
von  zwei  Gemeinden  in  Frage.  3  km  westlich  von  der  Appia,  10  km 
nordwestlich  von  Alba  bezeichnet  die  Giostra  benannte  OertHchkeit 
die  Stelle  einer  altlatinischen  Stadt.  Ihr  Entdecker  Nibby  sucht 
hier  Tellenae  (S.  559).*)  —  Näheres  wissen  wir  von  der  zweiten. 
Bei  der  Zerstörung  Alba's  wurden  die  Einwohner  nach  Rom  ver- 
pflanzt.2)  Begreiflicher  Weise  konnte  die  Feldflur  von  solcher  Ent- 
fernung aus  nicht  bestellt  werden:  deshalb  erhielt  sie  3  km  unter- 
halb der  früheren  Stadt  einen  neuen  Mittelpunct  in  Bovülae.^)  Das 
Alter  der  Ansiedlung  4)  erhellt  sowol  aus  ihrem  Antheil  am  römisch- 
latinischen  Bundesfest  als  aus  dem  Umstand  dafs  sie  Stammsitz  der 
Gens  Julia  war. 5)     Aus  ihrer  älteren  Geschichte  ist  nichts  Sicheres 


1)  Nibby  IIP  146. 

2)  Liv.  I  30  Dion.  H.  III  31. 

3)  CIL.  XIV  p.  230  Westphal  19.  68  Nibby  P  302. 

4)  Ueber  den  Ursprung  des   Namens  Nonius  p.  122  M.  {Bohilla?)  Schol. 
Pers.  6,55. 

5)  Cic.  pro  Plane.  23  CIL.  XIV  2387. 


586  Kapitel  X.    Latium. 

bekannt.')  Sie  wird  erwähnt  52  v.  Clir.  bei  der  etwa  am  12.  Meilen- 
stein erfolgten  Rauferei  zwischen  dem  von  Aricia  kommenden  Clodius 
und  dem  auf  der  Reise  nach  Lanuvium  begrid'enen  Milo,  die  jenem 
das  Leben  kostete.")  Einen  ungeahnten  Aufschwung  brachte  die 
Erhebung  der  Jnlier.  In  Rovillae  nahm  die  römische  Ritterschaft 
die  Leiche  des  Augustus  in  Empfang,  wurde  16  n.  Chr.  das  Heilig- 
tum des  iulischen  Geschlechts  eingeweiht,  fanden  ihm  zu  Ehren 
jährlich  Circusspiele  statt.3)  Selbstverständlich  erlangten  jetzt  die 
albanischen  Priestertümer  neues  Ansehen,  vielleicht  auch  rührt  das 
Stadtrecht  von  Caesar  oder  Augustus  her.^)  Auf  den  Inschriften 
der  Kaiserzeit  heifsen  die  Rürger  Albani  Longatii  Bovillenses.^)  Die 
Liste  bei  Plinius  führt  Alba  Longa  und  Rovillae  als  zwei  getrennte 
Gemeinden  auf.*>)  Angesichts  der  antiquarischen  Liebhaberei  der 
in  den  kaiserlichen  Ordnungen  ein  so  weiter  Spielraum  vergönnt 
war,  mag  die  Rurg  von  Alba  zu  ihren  geistlichen  Vorrechten  bürger- 
liche hinzu  erhalten  haben.  Wenn  sie  beim  Census  eine  besondere 
Rubrik  einnimmt,  so  hat  sie  auch  eigene  vom  Rovillaner  Stadtrat 
unabhängige  Vermögensverwaltung  gehabt.  Im  Uebrigen  ist  aus  den 
Urkunden  eine  Scheidung  zwischen  Albanern  von  Alba  und  Albanern 
von  Rovillae  nicht  durchführbar,  auch  ohne  besondere  Wichtigkeit. 
Die  Römer  betrachteten  Rovillae  als  ihre  Vorstadt '^):  die  fast  un- 
unterbrochene Reihe  von  Rauten  an  der  Via  Appia  legte  solche 
Vorstellung  nahe.     Zwischen  dem    11.  und  12.  Meilenstein   wo  die 


1)  Die  gewähnliche  Annahme,  dafs  Bovillae  zum  Latinerbunde  gehört  habe, 
beruht  auf  einer  falschen  Lesung  bei  Dionys  (S.  559  A.  1).  Wäre  sie  richtig, 
so  müfste  der  Ort  von  den  Römern  abgefallen  und  später  zurück  gewonnen 
sein,  wovon  die  Ueberlieferung  nichts  weifs.  Der  angebliche  Triumph  über 
Bovillae  Flor.  I  5,6  entstammt  nicht  den  Annalen,  sondern  der  Phantasie  des 
Rhetors.  Endlich  die  Zerstörung  durch  Coriolan  Dion.  H.  VIII  20  (Piut.  Cor.  29) 
ist  möglich,  aber  fehlt  bei  Livius  und  erinnert  in  verdächtiger  Weise  an  die 
c.  18  voraufgehende  Zerstörung  von  Bola:  diese  beiden  Namen  liefen  den 
Alten  durch  einander  Diod.  VII  3a, 7.  Somit  bleibt  nur  die  Pflasterung  der 
Appia  bis  Bovillae  293  übrig  Liv.  X  47. 

2)  Asconius  p.  27.  30.  35.  48  Kiefs.  Cic.  Att.  V  13,1  Appian  b.  civ.  II  21. 

3)  Sueton  Aug.  100  Tac.  Ann.  II  41  XV  23. 

4)  Auf  Feldm.  231  das  von  einer  Colonie  Sulla's  spricht,  ist  kein  Verlafs. 

5)  Cicero  und  Asconius  Bovillani. 

6)  Plin.  III  63;  da  Alba  §  69  nochmals  als  verschollen  wiederkehrt,  ist  die 
Annahme  wenig  wahrscheinlich,  dafs  Plinius  die  Namen  eigenmächtig  ge- 
lrennt habe. 

7)  Ovid  Fast.  III  667  Prop.  V  1,33  vgl.  Martial  II  6,15  Tac.  Hist.  IV  2.  46. 


§  3.     Das  Albaner  Gebirge.  587 

Strafse  nach  Antium  abzweigt,  lag  Bovillae  westlich  von  der  Appia 
im  Thalgrund.')  Festung  ist  es  wol  nie  gewesen.  Die  durch  den 
Kaisercult  ins  Leben  gerufenen  Anlagen ,  Circus  Theater  Capelle 
sind  noch  in  Trümmern  erhalten. 

Der  albanische  Wein  gehörte  zu  den  besten  Gewächsen  die 
Italien  hervorbrachte');  die  Weinberge  wurden  hoch  eingeschätzt.^) 
Die  Gesundheit  und  Anmut  der  Gegend  erhöhten  ihren  W^ert.  Seit 
den  punischen  Kriegen  kaufen  sich  die  Grofsen  an  4) :  Pompeius 
Clodius  Gurio  u.  a.  Die  Villa  des  Clodius  lag  oberhalb  Bovillae  zur 
Linken  der  Appia:  ihre  sinnlosen  Unterbauten  sollen  die  ehrwürdigen 
Götterhaine  Alba's  entweiht  haben  &);  weiter  nach  Aricia  bin  folgte 
die  Villa  in  der  Pompeius  gerne  Hof  hielt  und  auch  sein  Grab 
fand, 6)  Es  ist  nicht  möglich  die  zahlreichen  Ruinen  bei  Castel 
Gandolfo  und  Albano  zu  sondern  und  bestimmten  Eigentümern  an- 
zuweisen, zumal  da  in  der  Kaiserzeit  grofse  Veränderungen  vorge- 
nommen wurden.  Den  Gründer  der  Monarchie  zogen  die  Erinnerungen 
an  das  Königtum  und  den  Ursprung  seines  Geschlechts  an:  unmerk- 
lich erhält  Albanum  ähnlich  wie  es  mit  Palatium  ging  (S.  524),  die 
Bedeutung  Kaiserresidenz.'')  Darin  gab  Domitian  den  Ausschlag: 
Jahre  lang  hat  er  von  „der  albanischen  Burg"  aus  die  Regierung 
geführt.8)  Die  Burg  übertraf  freilich  an  Ausdehnung  ihre  Vor- 
gängerin in  der  die  Silvier  gebaust  hatten,  wie  ihre  rs'achfolgerin 
den  päpstlichen  Sommerpalast  von  Castel  Gandolfo,  ebenso  weit  als 
die  Herrschaft  der  Caesaren  den  Kirchenstaat  und  den  Albanerbund. 
Nibby  giebt  ihr  einen  Umfang  von  6  Millien,  sie  nahm  den  West- 
rand des  Sees  von  Castel  Gandolfo  und  Albano  ein,  die  Unterbauten 


1)  Tab.  Peut.  10  Millien  zu  verbessern  in  12;  richtig  Plut.  Cor.  29  Schol. 
Fers.  6,55  Eutrop.  I  4. 

2)  Golum.  III  2.  8.  9  Plin.  XIV  25.  30.  64  XXIII  35  Dioskorides  V  10  Galen 
VI  275  X  833  K.  Hör.  Od.  IV  11  Sat.  II  8,16  Juvenal  13,214  Martial  XIII  109 
Dion.  H.  I  66  Strab.  V  234  Athen.  I  26  d.  33  a. 

3)  Plut.  Sulla  31. 

4)  Cic.  de  or.  II  224  pro  Cluent.  141  Sueton  Rel.  p.  27  Reiflf. 

5)  Cic.  pro  Mil.  29.  46.  48.  51.  85  Ascon.  30.  Kiels. 

6)  Cic.  pro  Rabir.  Post.  6  in  Pis.  77  Phil.  XIII  11  ad  Att.  IV  11,  1  VII  5,  3 
Plut.  Pomp.  53,4  80,6  Cic.  31,2. 

7)  Dio  Llll  32  LVIII  24  Seneca  Dial.  XI  17,4  Suet.  Nero  25  vgl.  Dig.  XXX 
39,8.  Immerhin  hatte  nicht  blos  Statius  sondern  auch  Seneca  Ep.  123,1  sein 
Albanum. 

8)  Tac.  Agric.  45  Juvenal  4,145  Dio  LXVII 1. 14  Suet.  Dom.  4.  19  Stat.  Silv. 
V  2,168  Martial  XI  7,3  Plin.  Ep.  IV  11,6. 


588  Kapitel  X.     Laüum. 

welche  die  beide  Ortschaften  verbindenden  Wege  stützen,  das 
Amphitheater  bei  Albano  gehören  ihrem  Bereich  an.  Im  Süden  er- 
richtete Seplimius  Severus  das  Lager  der  neugcbildeten  zweiten 
parthischen  Legion,  dessen  Ueberreste  im  heutigen  Albano  wahrge- 
nommen werden.i;  Die  Soldaten  erhielten  von  dem  Standort  den 
Beinamen  Albanier-)  und  haben  ihn  mit  Weib  und  Kind  ungefähr 
ein  Jahrhundert  lang  inne  gehabt.^)  Derart  ist  hier  eine  Stadt  ent- 
standen den  Lagerstädten  an  Rhein  und  Donau  vergleichbar:  während 
man  bis  dahin  Albano  und  Alba  Longa  gleich  setzte,  hat  zuerst 
Cluver  den  Ursprung  richtig  erkannt.^)  Seit  Constantin  wird  die 
civüas  Albana  oder  Albanensis  in  der  Geschichte  genannt s)  und  hat 
sich  bei  der  zunehmenden  Verödung  der  Ebene  kraft  ihrer  festen 
und  gesunden  Lage  (415  m)  behauptet. 

Das  Gegenstück  zum  Albaner  See  sowol  seiner  natürlichen 
Bildung  wie  seiner  geschichtlichen  Bedeutung  nach  giebt  der  lacus 
Nemorensis  Lago  di  Nemi  ab.ß)  Ein  2  km  breiter  Rücken  (530 — 660  m) 
trennt  die  beiden  Kessel  (I  261):  die  Axe  des  grüfseren  ist  nach 
Nordwest  auf  Rom  zu  gerichtet,  an  dieser  Seite  sinkt  der  Krater- 
wall ein,  der  kleinere  schaut  gegen  Süden  nach  Circei  und  der 
latinischen  Küste.  Auch  der  Nemisee  in  steiles  Gehänge  tief  ein- 
gesenkt empfängt  reichen  Zutlufs  und  wird  auf  künstlichem  Wege 
vom  Ueberschufs  befreit.  Der  im  Südwesten  durchgebrochene  1,6  km 
lange  Stollen  fördert  im  Thal  von  Aricia  den  mächtigen  Quell  ans 
Licht,  der  als  Rio  di  Nemi  nach  Ardea  fliefst  und  vermutungsweise 
S.  558  als  Aqua  Ferentina  gedeutet  wurde.  Die  römische  Ueber- 
lieferung  hat  für  dies  Werk  der  alten  Latiner  keine  Worte.')  Die 
Arbeit  ist  roher,  das  Gefälle  ungleich,  man  wird  es  einer  früheren 
Zeit  zuschreiben  als  den  albanischen  Stollen. s)  Meeraugen  heifsen 
die  Seen  in  den  Karpathen,  Spiegel  der  Diana  bei  den  Latinern,") 


1)  Henzen  Ann.  dell'  Inst.  1867  p.  73  fg. 

2)  Dio  LXXVIII  13.34  LXXIX  2.4. 

3)  Herodian  VUI  5,8  vila  Maximin.  23. 

4)  Cluver  p,  914  Nibby  F  78  Firanesi,  Antichitä  di  Albano   e  Gaste!  Gan- 
doifo,  Roma  1762  fol. 

5)  ll.  Hier.  612   verschrieben  JlOona    Prokop  b.  Goth.  II.  4.  7    CiL.  XIV 
p.  217. 

6)  Properz  IV  22,25,  7)  Slrab.  V  240. 

8)  Abeken  Mittelitalien  167, 

9)  Nemi  Serv.  V.  Aen.  VII  515,  zweifelhaft  der  Laghetto   bei  Labici  CIL. 
XIV  2772. 


§  3.    Das  Albaner  Gebirge.  589 

Das  tiefe  stille  Wasser  im  Waldgebirge  kündete  die  Gegenwart  der 
Gottheit  an  und  fesselte  die  Andacht  der  Menschen  ein  Jahrtausend 
und  länger.  Die  Vereinigung  der  acht  Gemeinden  die  später  zum 
Latinerbund  erweitert  wurde,  hat  das  Heiligtum  der  Diana  gestiftet 
(S.  557).  Es  verdient  Erwähnung  dafs  eine  der  Teilnehmerinnen 
Tibur  den  Dienst  der  Bundesgüttin  innerhalb  der  eigenen  Mauern 
pflegte.*)  Die  ursprüngliche  Cultstätte  wird  als  Hain  bezeichnet.'') 
Der  Hain  hat  später  einer  grofsartigen  Anlage  Platz  machen  müssen, 
die  terrassenförmig  vom  See  aufsteigend  einen  prächtigen  Tempel 
trug. 3)  Im  Tempelhof  haben  ausländische  Gottheiten  wie  Isis  und 
Bubastis  Gastrecht  und  Capellen  erhalten.  Die  Ruinen  liegen  am 
nördlichen  Ende  des  Sees  in  den  sog.  Giardini  unterhalb  des  heutigen 
INemi  das  den  Namen  Nemus  bewahrt  hat  4);  denn  die  Alten  brauchen 
ihn  auch  ohne  den  Zusatz  Dianae  oder  Aricinum  als  Eigennamen  ^) 
und  bezeichnen  die  Göttin  als  Diana  Nemorensis.  Die  starke  Quelle 
die  unterhalb  Nemi  hervorbricht  und  eine  Mühle  treibt,  war  der 
Egeria  geweiht.^)  Der  Tempel  zählte  zu  den  reichsten  im  Umkreise 
Roms.'')  Seine  Legenden  Feste  und  altertümlichen  Riten  haben  die 
Römer  der  Kaiserzeit  lebhaft  beschäftigt.'*)  An  der  Spitze  stand  ein 
König,  der  das  Priestertum  so  lange  inne  hatte  bis  ein  anderer  ihn 
im  Zweikampfe  erlegte;  die  Bekleidung  war  damals  Freien  unter- 
sagt und  entlaufenen  Sklaven  vorbehalten.*^)  Das  war  ein  fremd- 
artiges Erbstück  aus  gesellschaftlichen  Zuständen,  wo  die  Wildheit 
der  Sitte  der  Wildheit  der  Natur  entsprochen  hatte.  Inzwischen 
waren  Hirt  und  Köhler  längst  dem  Winzer  und  Gärtner  gewichen; 
Landhäuser  umsäumten   den  lieblichen  See.'")     Caesar   begann  den 


1)  CIL.  XIV  3537. 

2)  Calo  Or.  II  21  Jordan  Fest.  145  M. 

3)  Vitruv  iV  8,4  Plin.  XXXV  52. 

4)  P.  Rosa  Ann.  dell'  Inst.  1856  p.  5. 

5)  Strab.  V  239  Vitruv  IV  8,4  Cic.  ad.  Att.  VI  1,25  XV  4,5  Appian  b.  civ. 
V  24  Piiilostr.  Ap.  Tyan.  IV  36. 

6)  Verg.  Aen.  VII  763  Ovid  Fast,  ill  263  fg.  Md.  XV  4S7. 

7)  Appian  b.  civ.  V  24  vgl.  das  von  Henzen  Herrn.  VI  8  behandelte  Inven- 
tar. Verg.  Aen.  VII  764  pingnis  et  ylacabilis  ara  Dianae,  CIL.  XIV  p.  210 
487.  499.  Eph.  ep.  VII  p.  373. 

8)  Preller  Myth.  F  314  fg. 

9)  Strab.  V  239  Suet.  Cal.  35  Pansan.  II  27,4  Serv.  V.  Aen.  VI  136  u.  a. 
10)  Cic.  ad  Att.  VI  1,25  XV  4,5. 


590  Kapitel  X.    Latium. 

Bau  einer  grofsen  Villa,  Caiigula  schuf  einen  schwimmenden  Garten 
auf  dem  See  von  dem  Reste  aufgetischt  worden  sind.') 

Der  Kraler  von  Aricia  (l  262)^)  bildet  mit  dem  albanischen 
und  nemorensischen  ein  Dreieck,  kommt  jenem  an  Meereshöhe 
diesem  au  Grüfse  gleich.  In  frühen  Zeiten  ist  es  menschUcher 
Einsicht  gelungen  die  Seen  von  Alba  und  Nenii  zu  bändigen  und 
im  Gleichmafs  zu  hallen,  sowie  das  Seebecken  von  Aricia  in  einen 
fruchtbaren  Gemüsegarten  umzuwandeln.  Die  Trockenlegung  scheint 
Hand  in  Hand  mit  dem  Durchstich  nach  Nemi  erfolgt  zu  sein; 
denn  der  Rio  di  Nemi  dient  zugleich  als  Entwässerungsgraben  für 
das  Thal. 3)  Es  hielt  wie  bemerkt  nicht  schwer  den  eingesunkenen 
Kraterwall  im  Süden  zu  öffnen:  aber  um  der  Versumpfung  durch 
die  schwankenden  unterirdischen  Abflüsse  vom  Nemisee  her  zu 
wehren,  war  es  notwendig  diese  zu  regeln.  Im  Glauben  und  Staats- 
leben der  Vorzeit  haben  derartige  Arbeiten  tiefe  Eindrücke  hinter- 
lassen. Am  Austritt  des  Stollens  suchen  wir  den  Quell  der  Feren- 
tina  (S.  558/;  auf  dem  durch  ihn  gewonnenen  Seeboden  hegt  das 
Bundesheiligtum  der  Diana.  —  in  den  Bereich  der  zwischen  Rom 
und  Latium  spielenden  V\^asserfragen  (S.  585)  führt  uns  der  laais 
Turnt,  nach  seiner  Austrocknung  ein  berühmtes  Kohlfeld. 4)  Ein 
verfallenes  Schlofs  hielt  die  Erinnerung  an  den  sagenhaften  Rutuler- 
fürsten  und  seine  Schwester  Julurna  wach :  in  geschichtüchen  Zeiten 
gehörte  der  See  zur  Flur  Aricia's.^)  Der  Laghetto  di  Turno  (kurz- 
we«'  auch  Laghetto)  ein  kleines  Maar  von  188  m  Meereshöhe  und 
4  km  Umfang  liegt  2  km  vom  Albaner  See  der  Mündung  des  Emissärs 
gegenüber.  Im  Mittelaller  nahm  er  einen  Arm  des  Rio  Albano  auf, 
war  voll  Wasser  und  verseuchte  die  Umgegend;  zu  Anfang  des  17. 
Jahrhunderts  wurde  er  nach  dem  Fosso  di  Malafede  der  8  km  vor 


1)  Suet.  Caes.  46  Tac.  Hist.  III  36  CIL.  XiV.  2225.  26  Mitth.  d.  Inst.  1S96 
p.  189fg. 

2)  Strab.  V  239  xoUos  S'  kaxiv  6  rönoe. 

3)  Abeken  Miltelitalien  167. 

4)  Der  Name  gesichert  durch  Coium.  X  138  Lib.  pont.  I  69  ed.  Mommsea 
iiiufs  auch  Plin.  XIX  141  statt  lacuturres  oder  laculurreses  hergestellt  werden. 

5)  Die  Worte  ubi  quondain  f'uit  lacus  turrisque  quae  remanet,  die  Plinius 
zur  Erklärung  des  Namens  Lacuturnerises  beifügte,  können  nicht  als  Glossem 
gestrichen,  ebensowenig  auf  das  Thal  von  Aricia  bezogen  werden.  Der  See 
heifst  convallis  Aricijia  wie  der  nemorensische  vallis  Aricina  Ovid  Met.  XV 
488  Fast.  III  263.  Auch  Vergil  Aen.  XU  134  scheint  den  See  im  Sinne  gehabt 
zu  haben. 


§  3.    Das  Albaner  Gebirge.  591 

Ostia  in  den  Tiber  mündet,  durch  einen  unterirdischen  Canal  ab- 
geleitet.*) Die  Regelung  der  Wasserläufe  von  der  die  Fruchtbarkeit 
und  Gesundheit  der  Niederungen  abhing,  konnte  auf  verschiedenen 
Wegen  gelöst  werden,  hat  ehedem  Bündnisse  und  Kriege  veranlafst, 
wo  in  der  Folge  das  Gericht  ihren  Hader  schüchtet. 

Aricia  war  durch  Gemüse-  und  alten  Weinbau  bekannt*),  durch 
das  Heiligtum  von  IS'emi  das  ihm  sogar  den  Beinamen  Nemoralts 
eintrugt),  endlich  allen  Reisenden  als  erste  Hauptstation  der  Via 
Appia  (von  Rom  aus  gerechnet).*)  Die  Slrafse  hält  wo  es  irgend 
anging,  eine  schnurgerade  Richtung  ein,  überwindet  von  Bovillae 
bis  Albano  eine  bequeme  Steigung  von  200  m,  ebenso  den  Abstieg 
von  90  m  nach  dem  Thalkessel  wo  das  spätere  Aricia  16  MiUien 
von  Rom  entfernt  lag.^)  Dann  läuft  sie  steil  den  110  m  höheren 
Kraterrand  hinauf  nach  Genzano  zu,  ihre  mächtigen  Unterbauten 
sind  noch  sichtbar:  dies  ist  der  berüchtigte  clivus  Aricinus^),  von 
Nemipilgern  nach  einem  dort  verehrten  Daemon  auch  cliviis  Virbi 
benannt'),  ein  Standort  der  Bettler.^)  In  der  Epoche  des  Land- 
friedens hatte  sich  die  Stadt  in  der  Ebene,  wie  S.  558  vermutet  an 
der  Stelle  des  Marktes  Ferentinum,  ausgebreitet.  Darüber  thronte 
in  fester  Lage  (416  m)  die  Altstadt:  Reste  ihrer  Mauer  sind  vor- 
handen. Die  Gründung  wird  der  Urzeit  zugeschrieben,  sei  es  dem 
Siculer  Archilochus  sei  es  dem  Ascanius  zugleich  mit  Alba  und 
Fidenae.9)  Die  Blüte  fällt  dem  6.  und  5.  Jahrhundert  v.  Chr.  an- 
heira.  Als  die  Gemeinden  der  Küste  und  des  Binnenlands  zur 
Wahrung  ihrer  Unabhängigkeit  gegen  Rom  sich  zusammen  schlössen, 
gab  Aricia  den  natürhchen  Mittelpunct  des  Bundes  ab.  Es  über- 
nahm auch  die  Leitung."*)  Nachdem  König  Porsena  Rom  gedemütigt 
hatte,  schickt  er  alsbald  seinen  Sohn  Aruns   aus   um  die  latiuische 

1)  Westphal  26.  37. 

2)  Colum.  X  138.  39   Plin.  XIX  110.140.41    Hör.  Ep.  11  2,167   Martial  XIII 
19;  Plin.  XIV  12  XVII  213. 

3)  Ovid  Fast.  Vi  59  Lucan  VI  75  Martial  XIll  19. 

4)  Hör.  Sat.  1  5,1  Val.  Max.  Vlll  2,4  Philostr.  Ap.  Tyan.  V  43. 

5)  It.  Ant.  107   Hier.  612   Tab.  Peut.  Dion.  H.  VI  32    120  Stad.  =  15  Mill. 
Strab.  V  239  160  Stad.  =  16  Mill.  Schol.  Pers.  6,56  4  Mül.  von  Bovillae. 

6)  Val.  Max.  VIII  2,4  Martial  II 19  XU  32,10  Symmach.  Ep.  VII  69. 

7)  Pers.  6,56  m.  Schol. 

8)  Juvenal  4,117  m.  Schol. 

9)  Solin.  2,10.  16  nach  unbekannter  Quelle;   albanische  Colonie  nach  der 
jüngeren  Tradition  DiodorVlI3a. 

10)  Liv.  I  50.  51. 


592  Kapilel  X.     Latium. 

Nebenbuhlerin  zu  bezwingen,  die  Hellenen  von  Kyme  bringen  Hülfe, 
die  Etrusker  werden  aufs  Haupt  geschlagen.')  Dies  ist  das  glänzendste 
Ulatt  das  die  aricinische  Chronik  enthält.  Aber  die  Eintracht 
unter  den  Bundesgliedern  ging  in  die  Brüche:  der  Grenzstreit  mit 
Ardea  kostete  diesem  seine  Selbständigkeit  (S.  578),  von  Aricia  ist 
fürder  keine  Rede  bis  zum  J.  338,  da  es  zum  letzten  Mal  und  ohne 
Glück  die  Waffen  gegen  Rom  erhoben  hatte.  ^)  Der  Sieger  verfuhr 
glimpflich,  verbürgte  vertragsmäfsig  die  Selbstverwaltung,  gewährte 
zunächst  römisches  Bürgerrecht  ohne  Wahlrecht,  hob  in  der  Folge 
auch  diese  Beschränkung  auf.^)  Hieraus  erklärt  sich  dafs  die  Ari- 
ciner  bis  Caesar  ihren  eigenen  Kalender  brauchen  4)  und  noch  in 
der  Kaiserzeit  Bürgermeister  und  Rat  mit  dem  stolzen  Namen  Dic- 
tator  und  Senat  bezeichnen.^)  Das  Ansehen  des  Dianatempels  be- 
wirkte dafs  Prodigien  aus  Aricia  in  ziemlicher  Zahl  der  Nachwell 
gemeldet  worden  sind.ß)  Seit  169  v.  Chr.  begegnen  die  Municipalen 
in  den  Reihen  des  römischen  Amtsadels,  Octavians  Mutter  Atia  war 
von  dort  gebürtig:  ein  Umstand  der  Cicero  zu  warmen  Lobsprüchen 
auf  die  Stadt  begeistert  hat.')  Sie  stimmte  in  der  Tribus  Horatia, 
hatte  87  v.  Chr.  durch  Marius  schwer  zu  leiden  ^) ,  ist  schliefslich 
durch  das  in  nächster  Nähe  aufblühende  Albanum  überflügelt 
worden.  Immerhin  vermochte  es  in  den  festen  Mauern  seiner 
Gründer  allen  Stürmen  zum  Trotz  sich  unter  altem  Namen  (la  Riccia 
oder  l'Ariccia)  zu  behaupten. 

Die  Via  Appia  läuft  auf  der  Hübe  des  Kraterwalls  (400  m)  an 
Genzano  vorbei,  am  19.  Meilenstein  9)  zweigt  eine  Seitenstrafse  rechts 
ab  nach  dem  20  Millien  von  Rom  auf  einem  Ausläufer  des  Gebirges 
(324  m)  hoch  und  fest  gelegenen  Lanuvium.  In  der  Kaiserzeit 
wurde  die  Form  Lanivium  üblich  und  damit  die  Verwechslung  mit 
Lavinium  die  in  den  Handschriften  oft  begegnet,  befördert.'")     Das 


IJ  Liv.  11  14  riion.  H.  V  36.  51.  62  VII  5.  6.  2)  Liv.  VIII  13. 

3)  Cic.  Phil.  III  15  Liv.  VIII  14  Fest.  127  M. 

4)  Ovid  Fast.  III  91  VI  59  Censorin  d.  n.  22,6  Macrob,  Sat.  I  12,30. 

5)  CIL.  XIV  p.  203.  487  Epli.  ep.  VII  p.  372. 

6)  Liv.  XXII  36  XXiV  44  XXX  3S  XXXV  9  Obseq.  18.  44. 

7)  Cic.  Phil.  111  15. 

8)  Liv.  LXXX  Oros.  V  19,19  Appian  b.  civ.  I  69  Feldm.  230. 

9)  Hier  oder  am  20.,  wo  die  südliche  Verbindungsstrafse  mündet,  ist  die 
Station  Sublanubio  der  Reisekarte  zu  suchen.  Appian  b.  civ.  II  20  giebt  die 
Entfernung  von  Rom  nach  Lanuvium  richtig  auf  150  Stadien  =  20  Millien  an. 

10)  CIL.  XIV  p.  191. 


§  3.     Das  Albaner  Gebirge.  593 

Mittelalter  übertrug  den  Ruhm  der  verschollenen  Penatenstadt  kurzer 
Hand  auf  diesen  Ort,  wie  der  jetzige  Name  Civita  Lavinia  lehrt, 
nicht  zu  reden  von  dem  Eisenring  eines  Thurms  an  dem  der  Orts- 
glaube den  landenden  Aeueas  sein  Schiff  anbinden  läfst,  als  ob  der 
Meeresspiegel  seitdem  300  m  gesunken  wäre.  „Die  See  und  Antium 
sind  von  hier  aus  sichtbar",  bemerkt  Strabo'j,  wir  fügen  hinzu  die 
pontinische  Ebene  bis  Terracina,  die  Inseln  und  Circei,  die  Berge 
der  Volsker.  Damit  ist  schon  ausgesprochen  dafs  Lanuvium  Grenz- 
stadt war  und  gelegentüch  mit  den  südhchen  Nachbarn  gemeinsame 
Sache  machen  konnte.^)  Im  Uebrigen  bekunden  seine  Schicksale 
eine  auffallende  Uebereinstimmung  mit  den  Schicksalen  des  anstofsen- 
den  Aricia,  dem  allerdings  die  Gunst  der  Lage  den  Vorrang  sicherte. 
Angeblich  von  Diomedes  oder  Konig  Silvius  gegründet,  nahm  es  an 
dem  engeren  wie  an  dem  weiteren  Latinerbund  Theil  (S.  557)  und 
erlitt  in  Gemeinschaft  mit  den  Nachbargemeinden  Aricia  Velitrae 
und  Antium  338  v.  Chr.  am  Asturaflufs  eine  Niederlage,  die  ihm  die 
Selbständigkeit  kostete.^)  Die  Lanuviner  erhielten  zunächst  be- 
schränktes 4),  aber  wenn  eine  Vermutung  Niebuhrs  richtig  ist,  be- 
reits 332  volles  Bürgerrecht  und  Aufnahme  in  die  in  dortiger 
Gegend  neu  gebildete  Tribus  Maecia.-^)  Sie  haben  in  der  Folge 
dem  römischen  Adel  neues  Blut  zugeführt,  62  v.  Chr.  den  ersten 
Consul,  später  die  Kaiser  Antoninus  Pius  und  Commodus.ß)  Wie 
in  Aricia  führen  Dictator  und  Senat  das  Regiment"),  blüht  Obst- 
und   Gemüsebau  S),   wird   die  Stadt  87  v.  Chr.  von  Marius  heimge- 


1)  Strab.  V  239,  wo  mit  Recht  ytavoiiov  z\x&  Aaoviviov  von  Cluver  her- 
gestellt ist.     Sil.  It.  Vllf  360  eelso  devexa  iugo  lunonia  sedes. 

2)  Liv.  VI  21. 

3)  Appian  h.  civ.  II  20  Diodor  VII  3  a  Liv.  VllI  13. 

4)  Liv.  Vm  14. 

5)  Niebuhr  III 164  aufgenommen  von  Dessau.  Die  Iribus  Maecia  (Liv.  VIII 
17)  ist  benannt  a  quodam  castro  Fest.  136.  In  der  Nähe  von  Lanuvium 
schlagen  die  Römer  389  ein  Lager  auf  ad  Mecium  [andere  Cod.  Metium  Mestium] 
ii  locus  dicitur  Liv.  VI  2,  200  Stadien  von  Rom  sv  rc^  xaXovfisvco  MaQxico 
Diod.  XIV  117,  nsoi  rö  Md^xiov  o^os  Plut,  Cani.  34  Suid.  Dafs  Maecium  in 
der  gemeinsamen  Quelle  gestanden  habe,  ist  sehr  wahrscheinlich.  Es  wird  ein 
Ausläufer  des  Albaner  Gebirgs  nach  der  pontinischen  Ebene  5  Millien  von 
Lanuvium  zu  verstehen  sein,  der  ein  verschollenes  Dorf  trug. 

6)  Gic.  pro  Murena  86.  90  de  Divin.  I  79  de  Fin,  II  63  Ascon.  zu  Mil  95 
p.  47  Kiefs.  vita  Ant.  P.  1  Gomm.  1. 

7)  Gic.  pro  Mil.  45. 

8)  Macrob.  Sat.  III  18,6  19,6. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde,    ü.  38 


694  Kapitel  X.    Latium. 

sucht.  1)  In  einer  Hinsicht  ist  Lanuvium  jedoch  der  Nachbarin 
überlegen:  im  Ruf  der  Frümmigkeit.2)  Seine  oberste  Göttin  heifst 
nicht  Diana  sondern  Juno,  mitvollem  Namen  Juno  Sospita  Mater  Regina : 
sie  trägt  ein  Ziegenfell  zum  Schutz  von  Kopf  und  Leib,  Schnabelschuhe, 
ausgeschnittenen  Schild  und  Jagdspeer,  weicht  in  ihren  Reziehungen 
zum  Leben  kaum  oder  nur  unwesenthch  von  der  nemorensischen  ab.3) 
Ihr  Tempel  auf  Terrassen  ruhend  nahm  den  höchsten  Punct  des 
Stadthügels  ein;  er  wurde  von  Antoninus  Pius  neu  gebaut;  von  den 
ausgedehnten  Anlagen  sind  Reste  vorhanden.*)  Reim  Friedensschlufs 
338  bedang  sich  Rom  den  Mitbesitz  des  Heihgtums  aus:  fortan 
zählt  die  lanuvinische  Juno  zu  den  Staatsgöttern,  die  Consuln  müssen 
persönlich  ihr  opfern,  ein  Collegium  zu  ihrem  Dienst  wird  aus 
romischen  Rittern  gebildet.^)  Derart  wurde  gegen  den  lalinischen 
Rundesterapel  in  Nemi  aus  nächster  Nähe  ein  gefährlicher  Wett- 
bewerb eröü'net;  an  Glanz  Reichtum  Ansehen  mochte  die  neue 
Nebenbuhlerin  zeitweihg  den  Vorsprung  haben. ß)  Wir  hören  zu- 
letzt noch  von  besonderen  Gunstbezeugungen  welche  die  beiden 
oben  erwähnten  Kaiser  ihrer  Geburtstadt  zuwandten.  Die  erhal- 
tenen baulichen  üeberreste  (Tempel  Theater  Mauer)  sind  unschein- 
bar, unter  den  Inschriften  gewährt  die  Satzung  einer  Regräbnifs- 
genossenschaft  von  136  n.  Chr.  einen  lehrreichen  Einblick  in  das 
Leben  der  unteren  Stände. 

Die  bisher  besprochene  Westseite  des  Gebirges  ist  nach  dem 
Tiber  und  dem  Meer  hin  geöffnet,  hat  deshalb  auch  eine  Fülle 
geschichtlicher  Rildungen  hervorgerufen.  Wo  aber  der  vulkanische 
Ringwall  erhalten  ist,  was  für  zwei  Drittel  des  ursprünglichen  Um- 
fangs  zutrifft,  übt  er  vermöge  seiner  bedeutenden  Erhebung  von 
5 — 600  m  über  der  Ebene  eine  trennende  Wirkung  aus  (l  260), 
ist  in  der  Neuzeit  zur  ursprünglichen  Waldwirtschaft  zurück  ge- 
kehrt und  gehört  wegen  der  Unsicherheit  zu  den  unbekanntesten 
Strichen   Mittelitaliens.      Der  Wall   zerfällt   in  zwei    gleiche  Hälften 


1)  Liv.  LXXX  Appian  b.  civ.  I  69  Feldm.  235. 

2)  Cic.  de  Fin.  II  63. 

3)  Preller  Myth.  13  276. 

4)  Abeken  Mittelitalien  215  vita  Ant.  P.  8. 

5)  Liv.  VllI  14  Cic.  pro  Mur.  90  Dessau  p.  192. 

6)  Plin.  XXXV  17  Liv.  XXI  62  Appian  b.  civ.  V  24  Varro  LL.  V  162  Cic. 
de  Divin.  I  99  II  59;  Prodigien  Liv.  XXIII  31  XXIV  10  XXIX  14  XXXI  12 
XXXII  9  XXXV  9  XL  19  XLI  21  XLII  2  XLV  16  Obs.  12.  20,  46. 


§  3.     Das  Albaner  Gebirge.  596 

voD  je  12  km  Länge  (auf  dem  Kamm  gemessen).  Die  südliche  mit 
Gipfeln  von  940  m  ist  die  höhere;  der  Zug  zwischen  Nemi  und 
Velletri  heifst  M.  Artemisio  (812  m).  Aber  ob  er  diesen  Namen  der 
Diana  von  Nemi,  der  Diana  vom  Algidus  oder  einem  anderen  Heilig- 
tum verdankt,  steht  dahin.  Weiter  nördlich  auf  einer  nach  dem 
Castell  Ariano  oder  Lariano  benannten  Höhe  (891  m)  befinden  sich 
altertümliche  Befestigungen  mit  dreifacher  Mauer. i)  Die  Anlage  ist 
nach  Südost  den  Volskern  zugewandt.  Die  Besucher  verlegen  hier- 
hin das  HeiHgtum  der  Diana  vom  Algidus.^)  Ihre  Beschreibung 
jedoch  pafst  besser  für  eine  Burg:  man  könnte  z.  B.  an  die  in  den 
Aequerkriegen  erwähnte  arx  Carventana  denken. 3)  Ueberhaupt  fehlt 
ein  bestimmtes  Zeugnifs  das  den  Namen  Algidus  auf  den  südlichen 
Theil  des  Bingwalls  ausdehnte,  so  verständlich  auch  ein  solcher 
Sprachgebrauch  sein  würde.  —  Eine  Einsenkung  (540  m)  scheidet 
die  beiden  Hälften  des  Ringwalls  und  eröffnet  den  Zutritt  in  das 
halbmondförmige  Hochthal  um  den  Centralkrater,  damit  zugleich 
einen  Weg  vom  Sacco  nach  Tusculum  und  Rom.  Die  Via  Latina 
erreicht  am  15.  Meilenstein  (500  m)  den  Fufs  des  Stadthügels  von 
Tusculum  und  läuft  nun  die  nächsten  6  Millieu  fast  eben  hin. 
,,Der  Gegensatz  dieser  einsamen  und  schauerlichen  Gegend  —  be- 
merkt Westphal  —  mit  der  freundlichen  und  belebten  auf  der 
andern  Seile  des  Gebirges  ist  wirklich  höchst  auffallend."  Der  Eng- 
pafs  la  Cava  dell'  Aglio  den  die  Strafse  durchmifst,  ist  eine  halbe 
Millie  lang,  dann  wird  der  Blick  nach  dem  Thal  des  Sacco  frei. 
Dies  ist  die  Einfallspforte  der  Aequer  im  5.  Jahrhundert  v.  Chr. 
Eine  Millie  weiter  nördlich  befindet  sich  ein  zweiter  etwas  höherer 
(619  m)  Uebergang  über  den  Ringwall  der  hier  Selva  dell'  Aglio 
heifst.  Beide  Wege  wurden  durch  das  Castell  Algidum  beherrscht, 
von  dem  Reste  in  der  durch  Sixtus  V  zerstörten  Räuberburg  sicht- 
bar gewesen  sein  sollen. 4)  Es  nimmt  die  Spitze  des  zwischen  beiden 
Wegen  aus  dem  Hochlhal  aufsteigenden  M.  Piore  ein  (715  m),  liegt 

1)  Nibby  P  121  Abeken  Mittelitalien  215  vgl.  Holste  zu  Cluver  778,49; 
Tomassetti  Arch.  rom.  IX  417  giebt  einen  Plan. 

2)  üafs  es  nur  Horaz  Od.  I  21  carm.  saec.  69,  dafür  bei  so  feierlicher 
Gelegenheit  vorkommt,  läfst  vermuten,  dafs  Augustus  —  die  Octavier  waren 
ja  in  Velitrae  zu  Hause  —  ererbte  Beziehungen  zu  ihm  hatte.  Forlunae  in 
Algido  ordnet  der  Staat  218  v.  Chr.  ein  ßittfest  an  Liv.  XXI  62. 

3)  Vgl.  S.  556,7  Dion.  H.  V  61  Steph.  Byz.  Liv.  IV  53.  55. 

4)  Holste  zu  Cluver  778,25  vgl.  Westphal  76.  Strab.  V  237  noXixviov 
Dion.  H.  X  21  XI  3.  23.  28.  40.  44  iioXis  Steph.  Byz.  "MyiSos  TiShs. 

38* 


596  Kapitel  X.    Latium. 

also  350  m  hoher  als  Alba:  ein  Umstand  der  die  Benennung  kalt 
vollauf  rechtfertigt.  1)  Der  Name  lebt  mit  geringer  Entstellung  in 
der  Umgebung  des  Ortes  fort,  die  Alten  brauchen  ihn  aber  in  viel 
weiterem  Sinne,  namenthch  vom  Hochthal  wo  der  Grenzkrieg  einst 
spielte: 

scilicet  hie  olim  Volscos  Aequosque  fugatos 
viderat  in  campis  Algida  terra  tuis. 
Sie  dehnen  ihn  wie  es  scheint  auf  denjenigen  Theil  der  weder 
tusculanisch  noch  albanisch  hiefs,  d.  h.  die  Hälfte  des  ganzen  Ge- 
birges aus. 2)  Strabo  beschränkt  ihn  noch  auf  das  Hochthal,  erst 
in  der  Kaiserzeit  ist  vom  mons  Algidus  die  Rede. 3)  Dies  hängt  mit 
der  wirtschaftlichen  Entwicklung  zusammen.  Unter  den  Juliern 
standen  noch  grofse  Eichwälder,  wurden  Rüben  und  Reitige  die 
Kälte  lieben  gebaut. 4)  Nachdem  die  Hügel  von  Tusculum  und  Alba 
seit  Jahrhunderten  von  Villen  bedeckt  waren,  lernte  man  endlich 
auch  diese  Gegend  als  Sommerfrische  schätzen. &)  Sollte  eine  ähn- 
liche Wendung  in  der  Gegenwart  eintreten,  dann  darf  man  wichtige 
Aufschlüsse  für  die  Geschichte  hoffen.  Welchen  Gemeinden  das 
Algidum  gehört  hat,  wissen  wir  nicht.^j  Im  5.  Jahrhundert  sind 
die  Aequer  Herren  und  werden  schliefslich  durch  die  römischen 
Festungsanlagen  im  Rücken  zum  Abzug  genötigt.  —  Der  nördliche 
Ringwall  erreicht  seine  höchste  Erhebung  in  der  Selva  dell*'  Aglio 
mit  787  m.  Dann  folgt  die  Höhe  von  Rocca  Priora  768  m.  Dies 
mittelallerhche  Dorf  bewahrt  mancherlei  antike  Reste  die  auf  eine 
Villa  und  eine  dieser  vorausgehende  Ortschaft  hinweisen.  Nach 
einer  mit  Beifall  begrüfsten  Vermutung  Holste's  ist  Corbio  hier  zu 
suchen.')      Die    Gemeinde    gehörte    zum    Latinerbund    von    499.^) 

1)  Horaz  Od.  I  21,6  gettdo  A.  III  23,9  nivali  A.  Symmach.  Ep,  III  50  ut 
aestas  mihi  Pracnestino  Algido  fraiigeretur  Schol.  Hör.  carm.  saec.  69  Fronto 
ad  Marc.  II  6  p.  31  N. 

2)  Ovid  Fast.  VI  721  Liv.  III  2.  23.  25.  27.  29.  30  IV  26  XXVI  9  Diodoi  XII 
24  Cic.  Rep.  II  63  Dig.  1  2,2,  24. 

3)  Strab.  V  239  Stal.  Silv.  IV  4,16  Eutrop.  I  17,  18  Aur.  V.  v.  ill.  17  Hieron. 
a.  Abr.  1528. 

4)  Horaz  Od.  IV  4,58  Piin.  XVHI  130  XIX  81. 

5)  Martial  X  30,6  Sil.  It.  XII  536  amoena  Algida. 

6)  Schol.  Cruq.  zu  Hör.  Od.  IV  4,58  theilt  den  mons  A.  dem  ag-er  Tuscu- 
lanus  zu. 

7)  Hülste  zu  Cluver  780,18  Nibby  IIP  21. 

8)  Dion.  H.  V  61  KoqßivxMv  von  Kiefsling  nach  Steph.  Byz,  Koqovioov  in 
KoQßiiovitov  verbessert. 


§  3.  Das  Albaner  Gebirge.  597 

Was  von  der  Stadt  in  den  Kämpfen  der  Römer  Latiner  Volsker 
Aequer  und  ihren  wechselnden  Schicksalen  erzählt  wird,  pafst  gut 
zu  der  angenommenen  Lage:  457  wurde  sie  von  den  Römern  zer- 
stört, als  Ortsbestimmung  kommt  der  >'ame  noch  ein  Mal  446  vor.') 
Weiter  steigt  der  Ringwall  im  M.  Salomone  auf  773  m,  sinkt  bis 
608  m  ein  und  endigt  jenseit  des  Einschnitts  in  den  tusculanischen 
Hügeln. 

Die  Via  Latina  langt  am  Fufs  des  Gebirgs  bei  der  Station  ad 
Decimum  Ciampino  an :  die  Rewohner  heifsen  auf  einer  Inschrift 
der  Kaiserzeit  Decimienses  und  haben  eine  Dorfschaft  gebildet. 2) 
Von  hier  folgt  sie  der  Vallis  Albana  der  Einsenkung  zwischen  den 
Tusculaner  und  Albaner  Hügeln  (S.  584)  und  mufs  auf  den  nächsten 
5  iMillien  eine  Steigung  von  400  m  überwinden,  bis  Val  di  Molara 
das  Hochthal  von  Algidum  erreicht  ist.'^)  Mehrere  Nebenstrafsen 
führen  von  ihr  hinauf  nach  der  alten  15  Milben  von  Rom  entfern- 
ten Stadt  TnscidiimJ)  Die  Rurg  nimmt  die  höchste  Kuppe  des 
Ringwalls  (670  m)*mit  einem  Umfang  von  reichlich  800  m  ein.^) 
Sie  ist  überaus  fest  6):  die  künstlich  abgeschrofften  Felswände  fallen 
nach  allen  Seiten  jäh  ab,  am  Wenigsten  gegen  Westen  der  Stadt 
zu;  doch  auch  hier  mifst  der  Abfall  50  m.  Einem  Adlerhorst  ver- 
gleichbar überschaut  sie  die  Lande  bis  zum  Soracte  und  Ciminer- 
wald.  In  den  Zeiten  des  Faustrechts  Sitz  der  Macht  hat  sie  den 
Römern  des  Mittelalters  zu  schaffen  gemacht,  bis  diese  1191  ihr 
Mütchen  kühlen  konnten  und  keinen  Stein  auf  dem  andern  liefsen. 
Von   den  Tbaten    welche  die   Rurgherren    Jahrtausende  zuvor  ver- 


1)  Liv.  II  39  III  28.  30.  66.  69  Dion.  H.  VI  3  VIH  19  X  24.  26.  30. 

2)  It.  Ant.  305  CIL.  XIV  p.  492  Xibby  F  4«!  Hl  294  Tomasselli  Arch.  rom. 
IX  378  A. 

3)  Die  Station  Roboraria  It.  Ant.  305  wird  von  den  Handschriften  13 
Millien  von  Rom  angesetzt  und  ist  nach  dem  Wildpark  einer  Villa  benannt 
Gell.  N.  A.  n20,5:  die  Lesung  16  ist  schlecht  beglaubigt  vgl.  Westphal  97 
Nibby  HP  296. 

4)  Josephus  XVIII  6,6  giebt  den  Abstand  der  kaiserlichen  Villa  von  Rom 
auf  100  Stadien  =  I2Y2  Millien  an:  dies  trifft  auf  das  heutige  Frascati  zu. 
Vermutlich  hat  mit  der  gleichen  Ziffer  Dion.  H.  X  20  auch  den  Endpunct  im 
Sinn,  überträgt  ihn  aber  fälschlich  auf  die  alte  Stadt,  die  300  m  höher  liegt 
und  2300  Schritt  von  Frascati  entfernt  ist  (Nibby).  Die  Polemik  CIL.  XIV  4088 
gegen  die  Ortskundigen  wird  damit  hinfällig. 

5)  Canina,  Descrizione  dell'  antico  Tusculum,  Roma  1S41.  Nibby  IIP 
293  CIL.  XIV  p.  252. 

6)  Dion.  H.  X  20. 


598  Kapitel  X.     Latium. 

richtet,  meldet  weder  Lied  noch  Sage.  Aber  dafs  aus  dieser  Burg 
keine  Verkehrs-  und  Grofsstadt  entstehen  konnte,  wird  dem  Be- 
sucher sofort  klar.  Zu  ihren  Füfsen  dehnt  sich  die  langgestreckte 
Stadt  auf  dem  geneigten  Ringwall  hin  (620 — 572  m)  ungefähr  1  km 
lang  und  150  m  breit.  Den  Flächeninhalt  berechnet  Beloch  zu  14  ha, 
dem  Anderthalbfachen  des  römischen  Palatium.  Das  herrschende 
Geschlecht  der  Mamilier  führte  seinen  Stammbaum  auf  Telegonus 
Sohn  von  Odysseus  und  Kirke  zurück. i)  Römische  Gelehrte  haben 
Tusculum  zu  einer  Gründung  Alba's  gestempelt  oder  mit  der 
Deutung  des  Namens  sich  abgemüht. 2)  Ein  früher  Glanz  umschwebt 
ihn :  der  latinische  Dictator  der  das  Heiligtum  am  Nemisee  weihte 
(S.  558),  stammte  aus  Tusculum,  einen  Mamilier  erkor  sich  König 
Tarquinius  zum  Eidam  und  gedachte  mit  dessen  Beistand  den  ge- 
stürzten Thron  wieder  aufzurichten. 3)  Ohne  Zweifel  hat  die  Ge- 
meinde zu  den  kräftigsten  im  Latinerbunde  gehört  und  manchen 
Straufs  mit  ihren  Nachbarn  ausgefochten.  Die  jüngeren  Annalen 
wissen  viel  von  ihrer  Freundschaft  mit  Rom  zu  erzählen  4);  Oert- 
lichkeiten  in  Rom  waren  nach  Tusculanern  zum  Dank  für  geleistete 
Hülfe  benannt. °)  Aber  nach  besseren  Berichten  machten  sie  auch 
mit  dessen  Feinden  gemeinsame  Sache:  484  v,  Chr.  mit  den  Aequern, 
381  den  Volskern,  340  den  Latinern,  323  den  Samniten.ß)  Im 
letzt  erwähnten  Falle  wurde  vor  dem  Volksgericht  eine  peinHche 
Anklage  erhohen:  alle  Tribus  aufser  der  PoUia  sprachen  die 
Schuldigen  frei;  davon  schreibt  sich  der  nachhaltige  Groll  der  Pa- 
piria  der  die  Tusculaner  einverleibt  waren,  gegen  die  PoUia  her. 7) 
Wann  sie  volles  Bürgerrecht  erlangten,  ist  nicht  bekannt;  beschränk- 
tes ohne  Stimmrecht  besafsen    sie  seit  38 1.^)     Der  Stadtrat  behält 

1)  Aul  itiren  Münzen  seit  150  v.  Chr.  Mommsen  Münzwesen  n.  83.  230. 
Fest.  131  M.  Liv.  I  49  Dion.  H.  IV  45  Horaz  Od.  III  29,8  Epod.  1,30  Ovid.  Fast. 
III  92  Prop.  111  30,4  Stat.  Silv.  I  3,83  Sil.  It.  VII  692  XII  535  Hygin  Fab.  127. 
Bei  Vergil  kommt  Tusculum  nicht  vor. 

2)  Diodor  VII  3a  Fest.  355  M. 

3)  Liv.  I  49  II  19  Dion.  H.  IV  45  V  21.  50  fg.  VI  12. 

4)  So  460  Liv.  III  18  Dion.  H.  X  16;  459  Liv.  III  23  Dion.  H.  X  20;  455 
Liv.  III  31  Dion.  H.  X  43;  449  Liv.  III  38.  42  Dion.  H.  XI  3.  23;  443  Liv.  IV  10; 
394  Liv,  V28;  377  Liv.  VI  33. 

5)  Fest.  348.  131  M. 

6)  Diod.  XI  40;  Liv.  VI  25;  Liv.  VIII  7.  14;  Plin.  VII  136. 

7)  Liv.  VIII  37  Val.  Max.  IX  10,1  Schol.  Bob.  p.  254  Cr. 

8)  Liv.  VI  26.  33.  36  VUI  14  Dion.  H.  XIV  6  Plut.  Cam.  38  Dio  fr.  28 
Fest.  127  M. 


§  3.     Das  Albaner  Gebirge.  599 

seitdem  zwar  den  anspruchsvollen  Namen  Senat  bei,  aber  der  Dic- 
talor  als  Oberbeamter  räumt  einfachen  Aedilen  den  Platz.*)  Es 
gab  kein  Municipium  aus  dem  so  viele  Familien  in  die  Reihen  des 
römischen  Adels  eingedrungen  wären. 2)  Von  Tusculum  leiteten 
Catonen  Coruncanier  Fonteier  Fulvier  Juventier  Mamiher  ihre  Ab- 
kunft her.  Zur  Pflege  der  heimischen  Götter,  unter  denen  die 
Dioskuren  besonders  verehrt  wurden,  war  aus  römischen  Rittern 
ein  eigenes  Collegium  gebildet. 3)  Die  ansässigen  Bürger  jedoch 
waren  am  Ausgang  der  Republik  weder  zahlreich  noch  von  Be- 
deutung.^) Wie  es  mit  manchen  Villenstädten  der  Gegenwart  ge- 
gangen ist,  die  alte  Festung  wurde  durch  ihre  Umgebung  erdrückt. 
An  den  Ruinen  läfst  sich  das  noch  erkennen.  Von  dem  Quellhaus 
mit  seinem  altertümlichen  Spitzgewölbe  und  den  Befestigungen 
welche  die  Kraft  eines  kriegerischen  Zeitalters  künden,  sehen  wir 
dabei  ab.  Die  jüngeren  Bauten  Theater  und  Amphitheater  (70  X  ^^m 
Arena  48  X  ^9  m  mit  Raum  für  3000  Zuschauer)  sind  mit  be- 
scheidenen Mitteln  hergestellt  und  auf  bescheidene  Verhältnisse  be- 
rechnet. Das  heutige  Frascati  verdankt  seinen  Ruf  den  prächtigen 
Landhäusern  die  Roms  Kirchenfürsten  rings  um  das  Städtchen  er- 
baut haben.  In  noch  höherem  Grade  war  dies  bei  dem  Vorgänger 
im  Altertum  der  Fall;  denn  die  päpstlichen  Nipoten  konnten  mit 
dem  Reichtum  der  früheren  ^YeUherrscher  nicht  wetteifern.  Die 
Nähe  Gesundheit  und  Anmut  der  Gegend  lockte  sie  aus  der  dum- 
pfigen Hauptstadt  hinaus. s)  Der  Zug  nach  Tusculum  scheint  be- 
reits im  dritten  Jahrhundert  v.  Chr.  begonnen  zu  haben.'')  Aus 
Cicero  erfahren  wir  die  Namen  von  18  Villenbesitzern  alldort;  er 
selbst  hat  seiner  Vorliebe  für  den  Aufenthalt  bleibenden  Ausdruck 
verheben.  „Tusculum  —  schreibt  Strabo "')  —  auf  hohem  Berg- 
rücken gelegen  ist  keine  übel  bestellte  Stadt:  ihren  Schmuck  bilden 
die  Gärten  und  Häuser  im  Umkreis,  zumal  auf  der  Seite  nach  Rom; 
denn  hier  ist  eine  fruchtbare  wasserreiche  Hügellandschaft  deren 
sanfte  Höhen  für  die  Anlage  der  vornehmsten  Herrensitze  geeigneten 


1)  Dessau  a.  0.  p.  254. 

2)  Gic.  pro  Plane.  19  fg. 

3)  Dessau  a.  0.  p.  253  Varro  LL.  VI  16. 

4)  Gic.  pro  Plane.  21  de  leg.  agr.  II  96. 

5)  Gic.  Rep.  I  1  salubri  et  propinquo  loco. 

6)  Val.  Max.  I  4,5. 

7)  Strab.  V  239. 


600  -      Kapitel  X.     Latium. 

Platz  bieten."  In  der  Kaiserzeit  hat  die  älteste  Villenstadt  Roms 
ihren  zahlreichen  Nebenbuhlerinnen  zum  Trotz  das  alle  Ansehen 
bewahrt');  Tiberius  Agrippina  Galba  weilten  hier. 2)  Die  Neuzeit 
sah  nach  dem  Sturz  der  Grafen  von  Tusculum  an  Frascati  die  näm- 
liche Wandlung  die  eben  geschildert  wurde,  sich  wiederhole». 

Der  Wasserreichtum  der  Tusculaner  Hügel  kam  der  Hauptstadt 
durch  zwei  Leitungen  aqua  Tepula  und  Julia  zu  Gute  (S.  549);  die 
aqua  Crabra  verblieb  der  Gemeinde  und  wurde  an  die  anstofsenden 
Villen  verpachtet. 3)  Alle  drei  entspringen  auf  dem  Atrio  Algidum. 
Dafs  der  Gartenbau  meisterhaft  betrieben  wurde,  versteht  sich  von 
selbst. 4)  Die  Grenzen  der  Feldflur  vermögen  wir  nur  annähernd 
zu  bestimmen.  Dafs  der  Algidus  dazu  gehörte,  wie  gesagt  wird 
(S.  596  A.  6),  ist  fraglich.  Die  Flur  umfafste  vornehmlich  das  Rom 
zugewandte  Hügelland  und  erstreckte  sich  einerseits  über  das  Thal 
von  Grottaferrata  hinaus  s),  anderseits  nach  Monte  Porzio  dessen  seit 
dem  12.  Jahrhundert  vorkommender  Name  mit  dem  tusculanischen 
Geschlecht  der  Porcier  zusammenhängen  kann. 6)  4  Millien  unter- 
halb der  alten  Stadt  hegt  ein  kleiner  Krater  von  2  km  Umfang 
Pantano  Secco,  früher  ein  Seebecken  das  wir  wissen  nicht  wann 
ausgetrocknet  wurde.")  Dies  scheint  der  lacus  Regillus  zu  sein, 
dessen  Name  mit  dem  Sieg  verschwistert  ist  den  Roms  Ritterschaft 
496  V.  Chr.  über  den  Tyrannen  und  seine  Helfershelfer  erfocht. 8) 
Ausdrückhch  wird  der  See  dem  Gebiet  von  Tusculum  zugeschrieben. 

Im  Nordosten  grenzt  Tusculum  an  den  durch  Weinbau  bekannt 
gewordenen  ager  Labicanus.^)  In  der  Gemeindeliste  des  Augustus 
wird  er  unter  diesem  Namen  aufgeführt,  weil  die  alte  Stadt  seit  Aus- 
gang der  Republik  verlassen  war.'")     Später  hat  die  15  Milben  von 


1)  Horaz  Od.  III  29,8  Epod.  1,29  Seneca  de  Benef.  IV  12,3  Suetoa  Rel.  83. 
109.  112  Beiff.  Plin.  Ep.  IV  13,1  V  6,45  Sfat.  Silv.  I  3,83  Macrob.  Sat.  VII  7,14. 

2)  Joseph.  XVIII  6,6  Dio  LVIII  24  LXXVIII  21  Tac.  Ann.  XIV  3  Suet.  Galb. 
4.  18  Marlial  X  30,6;  Lanciani  Bull.  com.  d.  R.  1884  p.  172  fg.  weist  4  kaiser- 
liche und  40  Privatvillen  nach,  Tomassetti  Arch.  rom.  IX  40  handelt  von  43. 

3)  Fronlin  de  aq.  8.  9  Cic.  Fam.  XVI  18,3  de  leg.  agr.  III  9  pro  Balb.  45. 

4)  Plin.  XV  97  XVI  138  XIX  102.  105  XXI  27. 

5)  Dessau  a.  0.  p.  244.  6)  Nibby  IP  357. 

7)  Nibby  IIP  6  vgl.  Abeken  67. 

8)  Liv.  II  19.  21  III  20  VI  2  Dion.  H.  VI  3  Cic.  Deor.  Nat.  II  6  III  11  Plin. 
XXXIII  38. 

9)  Athen.  126  f.  vita  Clod.  Alb.  11,3. 

10)  Plin.  III  63  Cic.  pro  Plane.  23  Strab.  V  230.  237. 


§  3.    Das  Albaner  Gebirge.  601 

Rom  entfernte  Postslation  ad  Quintanas  einen  solchen  Aufschwung 
genommen ,  dafs  sie  als  städtischer  Miltelpuncl  der  Gemeinde  gilt, 
und  deren  Glieder  Lavicani  Quintanenses  oder  kurzweg  Quintanenses 
heifsen.i)  Die  Via  Labicana  zwischen  der  Praenestina  und  Latina 
laufend  (S.  545)  ist  für  die  Verbindung  mit  der  418  v.  Chr.  ge- 
gründeten Colonie  angelegt  worden.  In  der  Folge  wurde  sie  nach 
Südost  fortgesetzt  und  damit  für  den  grofsen  Verkehr  bequemer  als 
die  Latina,  insofern  die  Entfernung  von  Rom  2  Miliieu  und  die 
Steigung  300  m  weniger  beträgt  als  auf  dem  Weg  durchs  Algidum. 
Sie  läuft  nämhch  an  der  Aufsenseite  des  Ringwalls  zwischen  diesem 
und  dem  vereinzelten  Seitenkegel  la  Colonna  (347  m)  hindurch.^) 
Am  Fufs  des  Kegels  lag  Quintanae  der  oben  erwähnte  Hauptort  der 
Gemeinde.  Der  seit  dem  11.  Jahrhundert  bezeugte  Name  Columna 
stammt  aus  dem  Altertum;  denn  es  entspricht  der  strategischen 
Wichtigkeit  des  Hügels  wenn  die  Römer  459  an  ihm,  ad  Columen, 
ein  Lager  gegen  die  Aequer  aufschlagen. 3)  Seit  Hülste  pflegte  man 
das  viel  umstrittene  Labici  oder  Labicum^)  nach  Colonna  zu  setzen.^) 
Die  Stadt  lag  aber  nach  Strabo's  ausdrücklichen  W^orten  ebenso  wie 
Tusculum  dem  von  Rom  kommenden  Reisenden  auf  der  Höhe  zur 
Rechten  und  mufs  deshalb  in  Monte  Compatri  (583  m)  oder  auf 
einem  anderen  benachbarten  Hügel  gesucht  werden.  Sie  gehörte 
dem  Latinerbunde  an  6),  fiel  488  in  die  Hände  Coriolans,  schlofs 
sich  419  den  Aequern  an  und  wurde  418  erstürmt.')  Die  Römer 
siedelten  eine  Colonie  von  1500  Rürgern  au,  die  den  Einfällen  der 
Aequer  ins  Algidum  ein  Ende  machte  und  vergebHch  398  von  diesen 
belagert  wurde. *)  Mit  den  Aequerkriegen  entschwindet  sie  unseren 
Blicken ;  vermöge  ihrer  Abgelegenheit  verödet  die  Festung  und  geht 
in   ein  Gut  über. 9)     Fortan  wird   nur   die  labicanische  Gemarkung 


\)  It.  Ant.  304  Tab.  Peut.  CIL.  XIV  p.  275. 

2)  Rosa  Bull,  deil'  Inst.  1856  p.  154. 

3)  Liv.  III  23  der  Widerspruch  von  Cluver  779  Nibby  II ^  162  ist  unbegründet. 

4)  Labici  Liv.  II  39  IV  45  V  16  Verg.  Aen.  VII  796  Sil.  It.  VIII  366 
Diod.  XIII  6  LaLicum  Sil.  It.  XII  534  Slrab.  a.  0.  Die  Schreibung  mit  v 
ist  häufig. 

5)  Eine  Uebersicht  über  die  lange  Controverse  giebt  Dessau  a.  0. 

6)  Dion.  H.  V  61  Cic.  pro  Plane.  23.  Von  Glaukos  dem  Sohn  des  Minos 
gegründet  Serv.  V.  Aen.  VII  796,  albanische  Colonie  Diod.  VII  3a. 

7)  Liv.  II  39  IV  45—47  Dion.  H.  VIII  19  Diod.  XIII  6. 

8)  Liv.  V  16  vgl.  VI  21. 

9)  Strab.  V  230. 


602  Kapitel  X.     Latium. 

erwähnt:  sie  umschlofs  seit  Caesar  kaiserliche  Besitzungen. ij  —  In 
dieser  Gegend  an  der  Aufsenseite  des  Ringwalls  scheinen  mehrere 
in  der  älteren  Kriegsgeschichte  genannte  Ortschaften  gelegen  zu 
haben.  So  Orlona'^)  in  der  Nähe  von  Corbio  (S.  596)  wol  die 
Hortenses  des  albanischen  Bundes  (S.  556,  12);  Trebium^);  und 
gleichlalls  ein  Glied  des  Albanerbundes  (S.  556,  30)  Vitellia  das 
die  Römer  394  mit  einer  Colonie  besetzten:  diese  mufste  jedoch 
vor  den  Aequern  weichen  und  kommt  nicht  wieder  vor.**) 

Vom  selben  Ausgangspunct  und  mit  der  labicanischen  parallel 
läuft  die  Strafse  nach  Praeneste  die  ehedem  in  ihrer  ersten  Hälfte 
via  Gabina  hiefs.^)  Unter  den  Ueberresten  ist  der  aus  Quadern 
erbaute  Ponte  di  Nona  der  am  9.  Meilenstein  mit  7  Bogen  eine 
Schlucht  überspannt,  beachtenswert.  Halbwegs  am  12.  Meilenstein  ") 
liegt  Gabii.')  Es  nimmt  den  Ostrand  eines  kleinen  Maar  von  1  Millie 
Durchmesser,  Lago  di  Castiglione  ein.  Der  Ringwall  erscheint  als 
blofse  Anschwellung  des  Bodens:  im  Nordosten  wo  die  Arx  voraus- 
zusetzen ist,  steigt  er  100  m  ü.  M.  an,  im  Süden  74  m,  noch  weniger 
im  Westen.  An  der  letztgenannten  Seite  ist  der  See  durch  einen 
vor  70  Jahren  angelegten  Abieiter  in  die  Osa  entwässert  worden. 
Zuvor  jedoch  hatten  die  Alten  durch  einen  die  gleiche  Richtung 
einhaltenden  Caual  die  Wasserfläche  auf  einen  bescheidenen  Umfang 
zurückgebracht.^)  Es  nimmt  daher  nicht  Wunder  dafs  dieser  Teich 
von  den  Schriftstellern  des  Altertums  mit  Stillschweigen  übergangen 
wird,  während  seiner  seit  dem  5.  Jahrhundert  n.  Chr.  öfter  Er- 
wähnung geschieht,  nachdem  der  Abllufs  verstopft  und  damit  der 
See  in  früherer  Ausdehnung  hergestellt  war.  Der  natürliche  Schutz 
den  der  See  gegen  einen  Angriff  im  Rücken  gewährte,  mufste  zur 
Zeit  der  Landfehde  die  Ansiedler  anlocken.  Aehnlich  wie  Alba 
streckte  sich  die  Stadt  lang  hin,  geringe  Reste  der  Mauer  sind  vor- 
handen. Ob  aber  ihr  Umfang  mit  Recht  zu  3  Millien  angenommen 
wird,  ist  fraghch;  denn  sie  hat  im  friedlichen  Lauf  der  Dinge  die 


1)  Liv.  XXVI  9  Sueton  Caes.  83  Cic.  Parad.  50. 

2)  Liv.  II  43  111  30  Dlon.  H.  VIII  91  cod.  'OQÖliva  X  26  cod.  Biqrdjva. 

3)  Liv.  II  39. 

4)  Liv.  II  39  V  24.  29  Sueton  Vit.  1. 

5)  Liv.  II  11  111  6  V49. 

6)  Strab.  V  238  Dion.  H.  IV  53  Appian  b.  civ,  V  23  It.  Ant.  302  Tab.  Peut. 

7)  E.  (i.  Visconti  Monumenli  Gabini,  Roma  1797,  Milano^  1835. 

8)  Abeken  168. 


§  3.    Das  Albaner  Gebirge.  603 

Höhe  preisgegeben  und  an  der  südlich  vom  See  vorüberziehenden 
Landstrafse  sich  eingenistet. i)  Auf  die  Landstrafse  öffnet  das  Forum 
mit  Kaufhallen,  ein  bescheidener  Platz  (etwa  50  X  40m);  hier 
steht  die  Cella  eines  Tempels  noch  aufrecht  den  man  vfillkürlich 
der  Juno  zuweist.2)  Freilich  ohne  dafs  es  einer  monumentalen  Be- 
stätigung bedürfte,  bleibt  das  Ansehen  und  die  einstige  Wichtigkeit 
des  Ortes  ausreichend  beglaubigt.  Dahin  rechnen  wir  weder  die 
Angaben  über  die  Gründung  3),  noch  über  die  hier  erfolgte  Erziehung 
von  Romulus  und  Remus*)  oder  die  Arglist  des  Königs  Tarquinius.'') 
Aber  wenn  die  Gürtung  der  Toga  welche  die  Römer  ehemals  im 
Kriege  und  später  noch  beim  Opfer  vornahmen,  die  gabinische  hiefs, 
wenn  in  der  Augurallehre  dem  gabinischen  Land  eine  Sonderstellung 
angewiesen  wurde,  so  mufs  diese  Stadt  bedeutsame  Beziehungen 
zum  ältesten  Rom  gehabt  haben. ß)  Ein  Vertrag  zwischen  beiden 
der  auf  einer  über  einen  hölzernen  Schild  gespannten  Rindshaut 
geschrieben  war,  kam  unter  Augustus  zum  Vorschein.')  Nun  ist  es 
höchst  merkwürdig  dafs  Gabii,  von  seiner  Aufzählung  unter  den  la- 
tinischen Bundesgliedern  abgesehen,  in  der  Ueberlieferung  der  Re- 
pubük  nur  beiläufig  als  leidender  Theil  erwähnt  wird.^)  Deshalb 
ist  die  in  Ritualbüchern  enthaltene  iSachricht  von  seiner  Zerstörung 
durch  Rom  keineswegs  unbedingt  zu  verwerfen. 9)  Wie  dem  auch 
sei,  ob  ihm  die  Kraft  gewaltsam  gebrochen  oder  allmälich  ausge- 
sogen wurde,  vor  den  Thoren  der  Weltstadt  konnte  ein  unabhängiges 
Gemeinwesen  nicht  gedeihen.  Die  Schriftsteller  verbreiten  sich  öfters 
über  seine  Verlassenheit/")  Die  Inschriften  der  Kaiserzeit  führen 
eine  municipale  Selbstverwaltung  vor,  in  der  Krämer  und  kleine 
Leute   den   Mund  voll  nehmen.")     Die  Bauten    wie  angedeutet  er- 


1)  Dion.  H.  IV  53. 

2)  Nach  Verg.  Aen.  VII  682  Schol,  Sil.  lt.  XII  537,  Apoll  Liv.  XL!  16. 

3)  Durch  'Siculer   Solin   2,tO;   von  Alba  Verg.   Aen.  VI  773  Diod.  VII  3  a 
Dion.  H.  IV  53. 

4)  Dion.  H.  I  84  Plut.  Rom.  6  Steph.  Byz.  Täßiot  verschrieben  für  rdßioi. 

5)  Liv.  I  53  fg.  Dion.  H.  IV  53 fg.  Ovid.  Fast.  11  690. 

6)  Varro  LL.  V  33  0.  Müller  Etrusker  I  265. 

7)  Dion.  H.  IV  58  Fest.  56  M.  Horaz  Ep.  II  1,25. 

8)  Liv.  HI  8  VI  21  XXIV  10  XXVI  9  XLl  16  Obseq.  14  Feldm.  234. 

9)  Macrob.  Sat.  III  9,13. 

10)  Cic.  pro   Plane.   23   Dion.  H.   IV  53  Horaz   Ep.  I  11,7  Properz  V  1,34 
Lucan  VII 392  Juvenal  3.192  6,56  10,100. 

11)  Wie  Dessau  CIL.  XIV  p.  278  trefflich  ausführt. 


604  Kapitel  X.     Latium. 

wecken  einen  dürftigen  Einilriick.  Der  Wein  von  Gabii  wird  er- 
wähnt i);  öfter  der  Sperone  (I  262)  den  die  Römer  hier  brachen 
und  ausgiebig  verwandten. 2)  Eine  Kaltwasseranstalt  zog  die  Auf- 
merksamkeit der  Patienten  auf  sich. 3) 

§4.   DasAnioland. 

Der  Appennin  fällt  einer  Mauer  gleich  gegen  das  vulkanische 
Land  ab  (I  238).  Von  seinem  Austritt  aus  dem  Gebirge  bis  zur 
Mündung  in  den  Tiber  kann  der  Anio  Aniene^)  einem  Graben  ver- 
glichen werden  der  Rom  und  Latium  gegen  jeden  von  INorden  her 
anrückenden  Feind  schützt:  in  der  Kriegsgeschichte  alter  und  neuer 
Zeit  hat  die  Flufslinie  eine  wichtige  Rolle  gespielt.^)  Sie  bildet  auch 
noch  im  5.  Jahrhundert  die  Grenze  des  geschlossenen  römischen  Gebiets 
und  Irans  Anienem  hat  gerade  wie  Irans  Tiberim  die  Nebenbedeutung 
Ausland.^*)  Allerdings  wohnen  hier  eine  Reihe  von  Gemeinden  die 
zu  den  Genossen  des  latinischen  und  des  älteren  albanischen  Rundes 
gehören.  Aber  diese  sind  in  den  wiederholten  Vorstöfsen  der  Sa- 
biner  (S.  466)  so  oft  überraunt  worden,  dafs  man  mit  gleichem 
Rechte  den  Anio  als  sabinische  wie  den  Tiber  als  etruskische  Grenze 
bezeichnen  konnte.  Wenn  daher  Augustus  das  jenseitige  Land  nicht 
der  ersten  sondern  der  vierten  Region  einverleibte,  so  huldigte  er  alten 
tiefgewurzelten  Anschauungen  des  Römers  dem  Hochgebirg  und 
sabinisch  verwandte  Regriffe  darstellen  (S.  463). 

Die  grofse  Naturstrafse  die  aus  dem  Herzen  des  Hochgebirgs 
von  der  Reatiner  Ebene  in  das  Tiberthal  und  nach  Rom  führt, 
wird  gesperrt  durch  Fidenae.')  Die  Entfernung  von  der  Porta  Col- 
lina  mifst  5  Millien^),    die  Angabe  6  kann  sich  auf  das  Nordende 


1)  Galen  VI  334  K. 

2)  Strab.  V  238  Tac.  Ann.  XV  43. 

3)  Horaz  Ep.  I  15,9  Juvenal  7,4.  Ob  die  Angabe  Plin.  II  209  sich  auf  vul- 
kanische Hohlräume  (so  Nibby  II-  53)  oder  auf  früheren  Seeboden  bezieht, 
steht  dahin. 

4)  Aellere  Form  Anien  Priscian  VI  p.  208  Hertz  Slat.  Silv.  I  3,20  5,25 
Dien.  H.  ^Avir^s  -rjxos,  gewöhnlich  Ii4vt7]v  ^Avirjvoe. 

5)  Liv.  I  27.  36  II  26  IV  17  VI  42  VII  9  XXVI  10  Dion.  H.  III  23.  55.  63.  64 
Pol.  IX  5,9  7,4  Plut.  Cam.  41,1  Prokop  b.  Golh.  III  24. 

6)  Dion.  H.  V  37  Liv.  H  16.  32  IV  17. 

7)  Fidena  Verg.  Aen.  VI  773  Sil.  It.  XV  91  Plin.  XVI  11  Tac.  Ann.  IV  62 
Dion.  H.  Plut.  Steph.  Byz.;  der  Plural  ist  die  Regel. 

8)  Dion.  H.  II  53  HI  27  X  22  CIL.  XIV  p.  453. 


§  4.    Das  Anioland.  605 

bezieheo');  denn  soweit  erstreckt  sich  die  Stadt  von  Villa  Spada 
bis  Castel  Giubbileo.  Gegenüber  der  Mündung  der  Cremera  (S.  358) 
beschreibt  der  Tiber  einen  Bogen  nach  dem  linken  Ufer  und 
kommt  dem  Fufs  der  Tuffhügel  bis  auf  50  m  nahe.  Die  Stadt  mit 
etwa  3  Millien  Umfang  nimmt  die  Hügel  ein  (62  m)  ein ;  der  höchste 
nach  Nordwest  vorspringende  Punct  (63  m)  der  bequem  nach  Veji 
hinüberschauen  konnte,  trug  die  Arx,  heute  Castel  Giubbileo.  Der 
Abfall  um  30 — 40  m  macht  die  Lage  nach  Westen  und  Norden 
sehr  fest,  weniger  an  den  beiden  andern  Seiten  wo  die  lange  An- 
griffsfront die  Vertheidigung  erschwerte.^)  Fidenae  sperrt  die  Via 
Salaria,  kann  aber  zu  Lande  über  Nomentum  ohne  sonderliche  Mühe 
umgangen  werden.  Die  Tiberstrafse  sperit  es  vüUigS):  die  Freiheit 
der  Schiffahrt  zu  Berg  und  Thal  war  für  Rom  wie  für  Fidenae  eine 
Lebensfrage,  die  zu  einer  endlosen  Reihe  von  Verwicklungen  führen 
mufste.  Die  Stammesangehörigkeit  spricht  hierbei  entweder  über- 
haupt nicht,  oder  doch  nicht  entscheidend  mit.  Wir  haben  die 
Fidenaten  als  Glied  der  albanischen  Genossenschaft  kennen  gelernt 
(S.  556,  9).  Ihre  Stadt  gilt  als  Gründung  Alba's.'*)  Wenn  sie 
anderseits  den  Etruskern  zugeschrieben  wird,  so  erklärt  sich  dies 
aus  der  langjährigen  Waffenbrüderschaft  mit  Veji. 5)  Rings  von 
römischem  Gebiet  umklammert,  war  Fidenae  von  Latium  abgeschnitten 
—  es  fehlt  unter  den  latinischen  Bundesgenossen  von  499  —  und 
hatte  zu  wählen  zwischen  Anschlufs  an  Rom  oder  an  Veji.  Für 
dieses  war  es  ein  Brückenkopf  zum  Einfall  in  die  römische,  für 
jenes  ein  Lager  zum  Einfall  in  die  vejentische  Feldflur.  Die  Annalen 
erzählen,  und  die  innere  W^ahrscheinlichkeit  bestätigt,  dafs  es  häufig 
aus  der  einen  Hand  in  die  andere  übergegangen  ist. 6)  Als  schliefs- 
lich  426  Fidenae  vom  Erdboden  vertilgt  worden,  war  Veji's  Schick- 
sal zugleich  mit  besiegelt.'')    Die  Gemeinde  als  solche  blieb  bestehen, 


1)  Eutrop.  I  4.  19;  Tab.  Peut.  fehlt  die  Ziffer. 

2)  Liv.  IV  22. 

3)  Dion.  H.  11  53  vgl.  Liv.  IV  34. 

4)  Diod.  VII  3a  Flegenmn  zu  verbessern  in  Fideiiam;  Verg.  Aen.  VI  773 
Dion.  H.  II  53  Solin  2,16  Steph.  Byz. 

5)  Liv.  I  15.  27  Strab.  V  226. 

6)  Liv.  I  14.  27  II  19  IV  17.  21.  22.  33.  34  Dion.  H.  II  53 fg.  III  6fg.  23 fg. 
39  fg.  50  fg.  IV  51  V  40  fg.  52  fg.  VI  55  X  22.  26  XI  27.  44  XII  5  Diod.  XII  80 
Plut.  Rom.  17.  23.  25  Publ.  22  Cic.  PhiL  IX  4. 

7)  Macrob.  Sat.  III  9,13  Flor.  I  6,4  Eutrop.  I  19. 


606  Kapitel  X.     Latium. 

hat  auch  an  eine  Erhebung  nach  dem  GalHschen  Brande  gedacht '), 
sank  jedoch  zu  völliger  Dichtigkeit  herab.  Die  Stadt  wurde  wieder 
aulgebaut,  die  Einwohner  fehlten;  und  es  klingt  wie  Spott  wenn 
sie  ihren  Stadtrat  Senat,  ihre  Bürgermeister  Dictatoren  betiteln. 2) 
Der  Einsturz  eines  27  n.  Chr.  zum  Gelderwerb  errichteten  Amphi- 
theaters, wobei  50000  Meuschen  getodtet  oder  geschädigt  wurden, 
ist  die  einzige  Thatsache  welche  die  späteren  Annalen  aus  Fidenae 
melden.^)  Ferner  werden  seine  noch  kenntlichen  Steinbrüche  er- 
wähnt.^) 

Die  nördliche  Seite  des  Stadihügels  wird  durch  ein  Thal  ge- 
deckt (21  m),  das  der  12  km  lange  Fosso  della  Buffalotta  entwässert. 
Dies  ist  das  Flüfschen  Tutia  am  6.  Meilenstein  der  Via  Salaria^); 
au  der  Mündung  nimmt  es  den  Fosso  di  Maipasso  auf:  wie  bemerkt 
(S.  556,  26)  führt  eine  albanische  Gemeinde  seinen  Namen.  Kleiner 
aber  berühmter  ist  die  Allia  oder  Alia  am  11.  Meilenstein. 6)  Hier- 
unter kann,  wenn  man  an  der  Entfernungsangabe  fest  hält,  kein 
anderer  Bach  verstanden  werden  als  der  Fosso  della  Bettina  der  von 
den  Crustumini  montes  (154  m)  bei  Nomentum  zwischen  hohen  Ufern 
herabkommt,  die  Stralse  kurz  vor  dem  11.  Meilenstein  kreuzt,  nun 
in  südwestlicher  Bichtung  nach  Aufnahme  eines  zweiten  Rinnsals 
als  Fosso  Maestro  3  km  lang  neben  der  Strafse  her  läuft  und  am 
9.  Meilenstein  in  den  Tiber  mündet.  Die  Ebene  von  Marcigliana 
die  der  Flufs  in  grofser  Windung  hier  dem  hnken  Ufer  zulheilt,  um- 
fafst  4  km  Länge  und  2  km  mittlere  Breite  vom  9.  bis  11.  Meilen- 
stein. Die  Stellung  der  Romer  am  18.  Juli  390  ist  durch  die  Be- 
schaffenheit des  Bodens  gegeben :  die  Hauptmacht  nahm  mit  reichlich 
2  km  Front  die  Ebene,  der  schwache  rechte  Flügel  die  Höhen  über 
der  Allia  ein.  Der  Bach  ist  im  Sommer  wasserleer,  aber  das  70  m 
und  mehr  eingeschnittene  Bette  gewährte  eine  starke  Flügeldeckung. 
Die  Gallier   haben  vermöge  ihrer  Ueberzahl  den  Feind    umgangen, 


1)  Varro  LL.  VI  IS  Macrob.  Sa 1. 1  11,37. 

2)  Cic.  de  leg.  agr.  II  96  Slrab.  V  230  Horaz  Ep.  1  11,8  Juvenal  6,57  10,100 
CIL.  XIV  p.  453. 

3)  Tac.  Ann.  IV  62  Sueton  Tib.  40  Cal.  31  Oros.  VII  4,11. 

4)  Vilruv  II  7,1  Plin.  XXXVI  167. 

5)  Liv.  XXVI  11  Sil.  ll.  Xill  5.  Der  Versuch  Nibby's  PH  den  Tutia  für 
Acqua  Traversa  am  recliten  Tiberufer  zu  erklären  ist  verfehlt. 

6)  Liv.  V  37  VI  28  Plut.  Cam.  18,6  Eutrop  I  20  Verg.  Aen.  VII  717,  von 
Vib.  Seq.  irrig  an  den  14.  Meilenstein  der  V.  Saiaria  gesetzt.  Die  Schreibung 
Jlia  wiegt  vielleicht  vor. 


§  4.     Das  Anioland.  607 

vom  Rückzug  nach  Rom  abgeschnitten  und  genötigt  durch  den 
Tiber  nach  Veji  zu  entweichen.  Der  Tiber  hat  oberhalb  der  Anio- 
mündung  im  Sommer  zahheiche  Furten,  die  Flucht  verliert  damit 
viel  von  dem  Schrecken  mit  dem  Livius  sie  ausschmückt.  Livius 
ist  kein  Soldat,  schreibt  nahezu  4  Jahrhunderte  nach  der  Schlacht, 
seine  Schilderung  verträgt  nicht  den  Mafsstab  einer  modernen  Ge- 
fechtsrelation, Indessen,  von  Einzelheiten  abgesehen,  wird  der  Gang 
der  Schlacht  in  durchaus  verständlicher  Weise  entwickelt.  Eine 
Schwierigkeit  erwächst  allein  daraus  dafs  Diodor,  der  durchweg  eine 
reinere  Ueberlieferung  enthält  als  Livius,  die  Romer  über  den  Tiber 
rücken  und  die  Schlacht  auf  dem  rechten  Ufer  jenseit  der  bekann- 
ten Saxa  Rubra  (S.  372)  schlagen  läfst.i)  Beide  Berichte  sind  im 
Uebrigen  nahe  verwandt  und  mittelbar  aus  der  nämlichen  Quelle 
abgeleitet,  einer  kürzeren  Aufzeichnung  die  gegen  2  Jahrhunderte 
nach  der  Schlacht  fällt.  Auf  welcher  Seite  liegt  der  Irrtum?  Diodor 
war  Ausländer,  sein  unmittelbarer  Gewährsmann  desgleichen:  er 
begeht  topographische  Verstöfse  vor  denen  ein  Einheimischer  ge- 
sichert war.  Im  gegebenen  Falle  ist  die  einfachste  Lösung  die  dafs 
der  Grieche  das  Ausrücken  der  Römer  über  den  Anio  mit  einem 
Ausrücken  über  den  Tiber  verwechselt  und  den  Gang  der  Ereig- 
nisse dem  Fehlgrifl"  angepafst  hat.  Umgekehrt  hatte  Livius  über  die 
an  der  Salaria  spielenden  Kämpfe  besondere  Erkundigungen  einge- 
zogen, wurde  unter  Augustus  in  der  Nähe  des  Schlachtfeldes  ein 
jährhcbes  Erinnerungsl'est  gefeiert.^)  Es  hält  schwer  zu  glauben 
dafs  ein  so  eindrucksvoller  Ort  wie  das  Schlachtfeld  im  Gedächtnifs 
der  Römer  unvermerkt  vom  einen  auf  das  andere  Ufer  hätte  hin- 
über wandern  sollen.  Zum  Glück  redet  die  Kriegslage  selbst  eine 
eindringliche  Sprache.  Einfältige  Kinder  die  nicht  wufsten  ob  Rom 
auf  dem  linken  oder  rechten  Flufsufer  gelegen  wäre,  obwol  ihre 
Gesandten  so  eben  die  Stadt  ausgekundschaftet  hatten ,  waren  die 
Gallier  nicht.  Viel  gescheidter  ist  es  auch  nicht  wenn  ihnen  die  Ele- 
mente der  Kriegskunst  aberkannt  werden.  Wollten  aber  die  Gallier 
angreifen,  so  mufsten  sie  den  Tiber  durchschreiten  wo  er  gangbar 
ist  d.  h.  oberhalb  der  Aniomündung;  denn  der  Anio  bietet  zwar 
ein  Hindernifs,  doch  entfernt  kein  Hindernifs  wie  der  Tiber.  Weil 
dieser  unterhalb  des  Anio  nicht  durchwatet  werden  kann,  haben  die 


1)  Diod.  XIV  114.     Die   Richtigkeit   dieses  Ansatzes   suchen  zu   beweisen 
Hülsen  und  Lindner,  die  Alliaschlacht  eine   topographische  Studie,  Rom  1890. 

2)  Liv.  IV20.  31  Fest.  119  M. 


608  Kapitel  X.     Lalium. 

Gallier  regeltnäfsig  den  Uehergang  vorher  bewerkstelligt  und  auf  dem 
linken  Ufer  angegrifTen.  Ferner  ist  es  ganz  begreiflich  warum  die 
Römer  den  AngrifT  statt  am  Anio  8  Millien  vorwärts  aufnahmen ; 
denn  so  hielten  sie  die  Herrschaft  über  Latiiim  und  ihre  unzuver- 
lässigen Bundesgenossen  fest,  die  andernfalls  preisgegeben  worden 
wäre.  Die  Wahl  der  Stellung  an  der  AUia  ist  nicht  zu  tadeln,  da- 
gegen der  Mangel  an  Vorsicht  und  an  genügenden  Streitkräften  um 
die  von  Nomenlum  her  drohende  Umfassung  abzuwehren. 

Die  Via  Salaria  verläfst  am  16.  Meilenstein  das  Tiberthal  um 
sich  landeinwärts  zu  wenden  und  in  Eretum  (S.  479)  18  Millien 
von  Rom  mit  der  Nomentana  zu  vereinigen.  Letztere  hiefs  ehedem 
via  Ficuhnsis.^)  Wie  andere  latinische  Städte  hat  auch  Fictilea  oder 
Ficolea  im  Lauf  der  Zeiten  den  Platz  gewechselt.^)  Ficulea  vetus 
lag  an  den  Corniculanischen  Bergen  (S.  563)  unweit  Nomentum, 
vielleicht  auf  dem  Hügel  M.  Gentile  (138  m)  oder  Torre  Lupara 
11  Millien  von  Rom. 3)  Nach  Inschriftfunden  ist  der  Sitz  der  Ge- 
meinde später  näher  an  Rom,  etwa  in  die  Gegend  der  Katakombe 
von  S.  Alessandro  (59  m)  am  7.  Meilenstein  gerückt  worden.  Von 
ihren  Schicksalen  hören  wir  wenig.  Die  Ficuleaten  erscheinen 
weder  unter  den  Genossen  des  albanischen  noch  des  latinischen 
Bundes,  denken  aber  wie  die  benachbarten  Fidenaten  nach  dem 
gallischen  Brande  an  Empörung.4)  Sie  werden  wie  die  Nomentaner 
in  der  ersten  und  vierten  Region  des  Augustus  aufgeführt:  beide 
müssen  demgemäfs  auch  am  linken  Anioufer  Grundslücke  besessen 
haben. 5)  Der  Bach  der  östlich  vom  h.  Berg  in  den  Anio  fliefst  (S.  545) 
Fosso  della  Cecchina  wird  den  pagus  Ulmanus  und  p.  Transulmanus 
Pelecianus  getrennt  haben,  deren  bei  einem  Slrafsenbau  regione  Fi- 
cu/ense  Erwähnung  geschieht. 6)  —  Die  via  Nomentana')  steigt  vom 


1)  Liv.  III  52. 

2)  Beide  Formen  sind  gleich  gut  bezeugt  CIL,  XIV  p.  447.  Martial  VI  27,2 
braucht  den  Plural  veteres  Ficelias  vielleicht  eben  deshalb,  weil  er  beide  Ort- 
schaften kannte. 

3)  Liv,  I  38  Dion.  H.  I  16  III  51  Martial  VI  27,2.  Die  Nähe  von  Nomentum 
folgt  daraus,  dafs  das  Gut  des  Atticus  bald  Ficulense  Cic.  ad  Att.  XII  34,1, 
bald  Nomentanum  genannt  wird  Nepos  Att.  14,3,  sowie  dafs  beide  Gemeinden 
seit  Innocenz  I  kirchlich  vereinigt  sind  Holste  zu  Cluver  660,35. 

4)  Varro  LL.  VI  18. 

5)  Plin.  III  64.  107  an  letzter  Stelle  irrig  von  den  Sabinern  unter  die 
Samniten  geraten,  Feldm.  256. 

6)  CIL.  XIV  4012.  7)  Strab.  V  228  Tab.  Peut.  CIL  XIV  3955. 


§  4.     Das  Anioland.  609 

Anio  ab  (S.  545)  etwa  100  m  und  langt  zwischen  dem  14.  und 
15.  Meilenstein  bei  Nomentum  an,  das  mit  geringer  Veränderung 
in  dem  Dorf  la  Mentana  Namen  und  Platz  behauptet  hat.i)  Die 
Einen  erklären  es  für  eine  Gründung  Alba's  und  rechnen  es  zu  den 
Latinern  2),  die  andern  zu  den  Sabinern.^)  Jedoch  gebort  es  dem 
launischen  Bunde  an,  hat  33S  dessen  Los  getheilt  und  minderes 
Bürgerrecht  erhalten.^)  Später  heifst  es  Municipium  mit  einem 
Dictator  an  der  Spitze.  In  seinem  Gebiet  wurde  ein  ertragreicher 
Weinbau  betrieben  5);  manche  in  der  Lilteratur  bekannte  Männer 
haben  sich  darin  mit  Erfolg  versucht.^)  Es  umschliefst  die  3  Mil- 
ben von  der  Stadt  nalie  Eretum  gelegenen  aquae  Labanae,  eine 
kalte  Schwefelquelle  jetzt  ßagni  di  Grotta  Marozza  (146  m).'') 

Aus  der  Breite  des  Ponte  Mammolo  (S.  545)  verglichen  mit 
den  Brücken  der  Via  Valeria  ersieht  man  dafs  die  alte  Strafse 
nach  Tibur  nur  4,85  m,  ihre  Fortsetzung  (S.  435)  dagegen  7,25  m 
mafs.  Von  Ponte  Mammolo  aufwärts  zu  beiden  Seiten  des  Anio 
erstrecken  sich  die  lapidicinae  Rubrae  Tuffsteinbrücbe,  von  deren 
Ausbeutung  die  sog.  Cervara  Grotten  Zeugnifs  geben.  5)  Der  Tuff 
wurde  nach  Rom  verschifft,  ebenso  wie  der  nach  Tibur  benannte 
Travertin  der  sich  vom  13.  Meilenstein  aufwärts  in  mächtigen 
Lagern  vorfindet  (I  263.  314).  Die  Kalkniederschläge  haben  all- 
mälich  ein  Seebecken  ausgefüllt,  das  einst  die  Niederung  bis  an 
den  Fufs  des  Stadthügels  von  Tibur  einnahm.  Reste  des  Sees  sind 
der  jetzt  verschwundene  Lage  de'  Tartari  und  nordwärts  in  der 
Richtung  auf  Monticelli  drei  Teiche  von  bedeutender  Tiefe  (bis 
50  m)  aber  geringem  Umfang:  der  grüfsle  hat  150  m  Durchmesser 
und  heifst  Lago  delle  Isole  Natanti  von  jener  übrigens  hier  bei  den 
Allen  nicht  erwähnten  Erscheinung  schwimmender  Inseln  die  früher 
(S.  342)    besprochen    wurde.      Er    wird   ebenso    wie    der    kleinste 


1)  Nibby  11-409  CIL.  XIV  p.  440  Not.  d.  Scavi  1901  p.  205. 

2)  Liv.  I  38  Dion.  H.  II  53  III  50  Verg.  Aen.  VI  773  Ptol.  lll  1,54. 

3)  Strab.  V  228  (S.  464)  Verg.  Aen.  VII  712  Plin.  III  107  Feldm.  257. 

4)  Dion.  II.  V  61  Liv.  IV  22.  32  VllI  14. 

5)  Golum.  111  2.  3  Plin.  XIV  23.  48  fg.  Martial  II  38  X  48,19  XIII  119 
Athen.  1  27^. 

6)  Atlicus  Nep.  14,  Remmius  und  Seneca  Plin.  XIV  49  fg.  Seneca  Ep,  104,1 
110,1,  vor  allen  Martial  und  seine  Freunde  VI  43  VII  93  X  44.94  XII  57 
XIII  42  u.  a. 

7)  Strab.  V  238  Nibby  IP  143. 

8)  Vitruv  II  7,1  Strab.  V  238. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.     IL  39 


610  Kapitel  X.    Latium. 

(Lago  delle  Colonnelle)  von  SchwefeU|uellen,  der  mittlere  (Lago  di 
San  Giovanni)  von  einem  Sauerbrunnen  gespeist.  Die  Teiche  sind 
in  den  letzten  Jahrhunderten  durch  den  Ralkansatz  bedeutend  ein- 
geschrumpft; da  Strabo  von  vielen  Quellen  spricht,  haben  wol  im 
Altertum  noch  andere  jetzt  verschwundene  bestanden.  Sie  wurden 
als  aq\iac  Alhulae  zusammengefafst  Oi  ein  1549  erneuerter  Canal 
von  2  Millien  Länge  führt  das  Wasser  in  den  Anio  und  hält  die 
Ebene  trocken,  er  hiefs  Albvla.'^)  Die  Bezeichnung  rührt  von  der 
weifslichen  Farbe  des  Schwefelwassers  her.  3)  Die  älteste  Strafse 
mied  die  überschwemmte  Ebene  und  umging  sie  im  Norden.  Nach 
der  Anlage  jenes  Canals  wurde  der  Weg  verkürzt.  Die  Reisekarte 
rechnet  bis  zum  Bade  16,  das  Reisebuch  bis  Tibur  20  Milben.  4) 
Die  kalten  Schwefelquellen  (25*^  C)  wurden  zum  Baden  und  Trinken 
namentlich  gegen  Wundschäden  verwandt;  von  ihrer  Schätzung 
zeugen  die  Schriftsteller  und  die  Ruinen.  Neuerdings  ist  das  Bad 
wieder  in  Betrieb  genommen  worden. 

Bei   seinem  Austritt  aus  dem  Gebirg  in  die  Ebene  beschreibt 
der  Anio  einen  nach  Süd  gerichteten  Bogen  um  den  mons  CatiUns 
oder  Catellns  M.  Catillo  (348  m)5),  darauf  nach  der  entgegengesetzten 
Seite  einen  zweiten  um  den  Ausläufer  des  M.  Ripoli.    Der  Höhen- 
unterschied auf  einer  Strecke  von  2  km  beträgt  186  m    (1  314)  und 
kann  nur  durch  Absturz  der  Wassermassen  überwunden  werden."^) 
Der  Hauptfall  war   im  Altertum   wie  jetzt   an  der  Ostseite  Tiburs, 
überragt  von  der  Arx  deren  Stelle  zwei  zierliche  Tempel  anzeigen : 
domus  AUmneae  resotiantis 
et  praeceps  Anio  ac  Tiburni  hicns  et  uda 
mobilibus  pomaria  rivis. 

Die  Schönheit  des  Bildes  ist  geblieben,  die  einzelnen  Umrisse 
haben  sich  verändert.  Der  Flufs  setzt  unablässig  Sinter  ab  und 
arbeitet  ebenso  unermüdlich  an  der  Zerstörung  des  eigenen  Werks. 
Er  unterhöhlt   den  weichen  Felsen,  bringt  ihn  zum  Einsturz,  ver- 

1)  Slrab.  V  238  Pausan.  IV  35,10  Plin.  XXXI  10  Galen  X  536  XI  393K. 
Suet.  Aug.  82  Ner.  31  Slat.  Silv.  I  3,75  Tab.  Peuf.  CIL.  XIV  p.  435. 

2)  Vilruv  VIII  3,2  Martial  1  12,2. 

3)  Serv.  V.  Aen.  VII  83  vgl.  die  I  312  A.  2  angeführten  Stellen. 

4)  lt.  Ant.  309,  Artemidor  bei  Steph.  Byz.  147  Stadien?  Prokop  b.  Goth. 
II  4  140  Stadien  =  20  Millien. 

5)  Serv.  V.  Aen.  VII  672. 

6)  Horaz  Od.  I  7,12  Strab.  V  238  Dion.  H.  V  37  Properz  IV  15,4  Stat.  Silv. 
I  3,73  5,25 ;  nach  älterer  Bezeichnung  tullii  Tiburtes  Fest.  352  M.  Plin.  XVII  120. 


§  4.     Das  Anioland.  611 

Stopft  sein  Bette  und  dringt  verheerend  in  die  Stadt.  Die  Ueber- 
schwemmung  von  1826  die  den  Anlafs  zum  Durchstich  des  iM.  Catillo 
und  der  jetzigen  Regelung  des  Abflusses  gab,  erinnert  an  das  Un- 
heil das  der  Anio  unter  Traian  anrichtete,  i)  Der  Hauptfall  ist, 
wie  überall  zu  geschehen  pflegt,  seit  dem  Altertum  rückwärts  ge- 
wandert. Spuren  eines  alten  Wehrs  das  dem  Nagen  des  Wassers  Ein- 
halt thun  sollte,  sind  weiter  unterhalb  noch  kenntlich:  der  Fluls 
hat  sein  neckisches  Spiel  fortgetrieben,  das  Wehr  und  die  beiden 
Brücken  die  zur  Römerzeit  von  der  Stadt  auf  das  rechte  Ufer  hin- 
überführten, weggespült.  Die  Nachtheile  der  Lage  wurden  freilich 
durch  die  Vortheile  übertroffen.  Die  Oertlichkeit  an  der  Mündung 
einer  ausgedehnten  Thalschaft  lud  zur  städtischen  Ansiedlung  ein 
und  gewährte  Sicherheit  gegen  feindlichen  Angriff.  Tibur  Tivoli 
ist  an  drei  Seiten  durch  den  tief  gebetteten  Strom,  an  der  vierten 
nach  der  Ebene  durch  den  steilen  Abhang  des  Stadthügels  geschützt.^) 
Der  Umfang  der  Mauer  wird  von  Nibby  auf  21/2  km,  die  Zahl  der 
Thore  auf  5  bestimmt.  3)  Für  das  hohe  Alter  der  Gründung  spricht 
der  Umstand  dals  das  Rum  zugewandte  Thor  (Porta  del  Colle) 
porla  Esquilina  hiefs  und  damit  an  eine  Zeit  erinnerte  wo  Esquiliae 
als  Stadtname  diente,  vermuthch  auch  ein  besonderes  Gemeinwesen 
darstellte  (S.  495),  jedenfalls  aber  noch  nicht  in  einem  Gesamtnamen 
Rom  einbegriflen  war.  *)  Uebereinstimmend  läfst  die  Geschicht- 
schreibung Tibur  mehrere  Jahrhunderte  vor  Rom  erbaut  sein.  Nach 
dem  jüngsten  Ansatz  ward  es  von  Alba  longa  gestiftet.^)  Ein 
Gelehrter  fand  in  der  Bezeichnung  eines  Stadttheils  das  Andenken 
der  Sikeler  fortleben,  die  einst  vor  den  Aboriginern  hatten  weichen 
müssen.  6)  Gemeinighch  jedoch  leitete  man  seit  Cato  das  Geschlecht 
der  Gründer  aus  Griechenland  her  und  gab  heimische  Götter  als 
Söhne   oder  Enkel   des  Königs  Amphiaraos   aus. '')     Dem  Tiburnus 


1)  Beschrieben  von  Plin.  Ep.  VIII  17. 

2)  Volksname  Tiburs,  jünger  Tiburtinus.  Den  Griechen  macht  die  Stadt 
viel  Not:  TißvQ  Tißvqov  Tißv^öv  TißvQis  Tißv^a  Tlßovqa  kommen  vor 
CIL.  XIV  p.  365. 

3)  Nibby  IIP  162—229. 

4)  CIL.  XIV  3679a;  Frontin  aq.  6  erwähnt  aufserdem  eine  forta  Barana 
(Varianal)  vor  der  die  Leitung  Anio  vetus  entspringt. 

5)  Diodor  VII  3  a. 

6)  Dien.  H.  I  16  Solin.  2,8. 

7)  Solin  2,8  Verg.  Aen.  VII  670  dazu  Serv.  Hör,  Od.  I  18,2  II  6,5  Ovid  Amor. 
lil  6,46  Fast.  IV  72  Plin.  XVI  237  Artemidor  bei  Steph.  Byz. 

39* 


612  Kapitel  X.    Latium. 

oder  Tibiirlus  nach  dem  die  Stadt  benannt  sein  sollte,  war  ein 
Hain  geweiht  i) ;  der  zweite  Bruder  Catillus  kehrt  als  der  Tibiir  im 
Otiten  überragende  Berg  wieder;  auch  der  drille  Coras  wird  der 
nächsten  Umgebung  entlehnt  sein.  Bei  Vergil  heifst  Tibur  super- 
bum'^):  das  Beiwort  entspricht  der  Ausdehnung  seines  Gebiets  und 
dem  Selbstbewufslsein  seiner  geschichtlichen  Haltung.  Es  nahm 
an  dem  engeren  wie  an  dem  weiteren  Latiuerbund  Theil  (S.  558). 
Die  Ueberlieferung  seiner  Kämpfe  mit  Volskern  und  anderen 
Völkern  ist  verschollen.  3)  Gegen  Bom  machte  es  mit  den  Galhern 
361  V.  Chr.,  mit  den  Latinern  338  gemeinsame  Sache:  nach  den 
Fasten  wurden  360.  354.  338  Triumphe  über  die  Tiburter  gefeiert.^) 
Alle  Schläge  und  Landverlusle  hatten  ihren  Unabhängigkeitssinn 
nicht  erstickt,  der  wie  eine  merkwürdige  Urkunde  lehrt,  durch  die 
Nachbarschaft  der  kräftigen  Bergstämme  genährt,  noch  im  2.  Jahr- 
hundert fortglomm.  •■>)  Indessen  gewann  die  von  der  Weltstadt 
ausgehende  Anziehung  das  Ueberge wicht.  Ausgleichend  wirkte 
das  Exilrecht  von  dem  die  V^erbannlen  der  Nähe  wegen  ausgiebigen 
Gebrauch  gemacht  zu  haben  scheinen  6),  Römer  erwerben  in  Tibur 
Grundbesitz 'j,  einzelne  Geschlechter  von  dort  finden  Aufnahme  unter 
den  römischen  Adel.^)  Der  Ausgleich  kam  90  v.  Chr.  durch  Ver- 
leihung des  Bürgerrechts  in  der  Tribus  Camilia  zum  Abschlufs.  9) 
—  In  der  nachfolgenden  Friedenszeit  entwickelte  sich  Tibur  als 
Villenstadt  und  Nebenbuhlerin  von  Tusculum.  i^j  Der  höheren  Er- 
hebung gemäfs  ist  der  Wasserreichtum  gröfser,  die  Luft  kühler,  die 
Landschaft  gewaltiger,  ii)  Doch  gebricht  es  nicht  an  stilleren  Reizen. 
Die  hohen  Cypressen  dergleichen  den  Besucher  der  Villa  d'Este 
fesseln,    haben    auch  das  Auge   der  Allen    entzückt.  ^2)     Das  graue 

1)  Horaz  Od.  I  7,13  Sueton  rel.  p.  47  Reiff.  Plin.  XVI  237  Stepli,  Byz. 

2)  Verg.  Aen.  Vll  630  dazu  Serv.  Symmach.  Ep.  VII  15. 

3)  Serv.  V.  Aen.  VIII  285  Fest.  321  M. 

4)  Liv.  VII  9.  11.  12.  18.  19  VIII  12—14. 

5)  CIL.  XIV  3584. 

6)  Pol.  VI  14,8  Liv.  ill  58  IX  30  XLIII  2  Ovid  ex  Ponto  I  3,82  Fast.  VI  665. 

7)  Cic.  de  Or.  11224.  263.  276  pro  Cluent.  141  Phih  V  19. 

8)  Cic.  pro  ßalb.  53. 

9)  Appian  b.  civ.  I  65  Dessau  a.  0.  p.  366. 

10)  Seneca  de  Benef.  IV  12,3. 

11)  Tibur  udum  Her.  Od.  III  29,6  IV  2,30  Ov.  Fast.  IV  71  frigidum  Symm. 
Ep.  VII  31  glaciale  Stat.  Silv.  13,1  vgl.  Martial  Vll  13  Prop.  V  7,82  Sil.  It. 
XII  229. 

12)  Symmach.  Ep.  VII  31. 


§  4.     Das  Anioland.  613 

Olivenkleifl  aber  das  jetzt  die  Hügel  umhüllt,  liat  ein  buntes  Laub- 
dach verdrängt.  Wein-  und  Obstgärten  bedeckten  ehemals  die  Flur, 
die  Feige  hatte  besonderen  Ruf,  pomosa  arva  lautet  ein  ständiges 
Beiwort,  i)  Aus  dem  vvechselvoUen  Grün  leuchteten  die  weifsen 
Landhäuser  hervor  die  nicht  an  Zahl,  dafür  an  Pracht  die  tuscu- 
lanischen  überboten.  Der  Weltstreit  zwischen  Republik  und  Monar- 
chie hat  sich  hier  gewisser  Mafsen  wiederholt.  Caesar  und  seine 
Nachfolger  Antonius  Augustus  Germanicus  brachten  Tibur  in  die 
Mode.2)  Schliefslich  hat  Hadrian  auf  dem  linken  Flufsufer  in  der 
Ebene  während  seiner  letzten  Lebensjahre  jene  V'illa  geschaffen, 
deren  Trümmer  eine  Fläche  von  70  ha  einnehmen  (I  459)  und  die 
reichste  Ausbeute  an  Kunstwerken  lieferten :  er  liefs  damit  die 
Schlösser  der  Vorgänger  ebenso  weit  hinler  sich  wie  mit  seinem 
Mausoleum  deren  Pyramiden.  Unweit  der  Villa  hat  die  Königin 
Zenobia  gehaust.  3)  Seinen  Weltruf  jedoch  verdankt  Tivoli  keinem 
Kaiser  oder  König,  sondern  den  Dichtern  die  von  Catull  bis  Statins 
die  Schönheit  der  Gegend  gepriesen  haben,  in  erster  Linie  dem 
Horaz.  4)  Im  Hinblick  auf  Tusculum  darf  man  wol  sagen,  dafs  das 
Lied  weiter  reicht  als  die  Rede,  dafs  der  Sänger  der  mächtigste 
Mann  auf  Erden  ist.  —  Ungleich  kräftiger  als  am  Albaner  Gebirg 
erhält  sich  das  städtische  Leben  in  Tibur.  Neben  den  Erzeugnissen 
des  Bodens  gelangen  auch  Töpferwaaren  auf  den  Markt.  ^)  Die 
Verwaltung  mit  Senat  Quattuorvirn  Quaestoren  mehreren  Beamten 
für  Wasserbau  ist  reich  gegliedert.  6)  Noch  reicher  die  Priester- 
schaft mit  Pontifices  Augurn  Saliern  einem  Flamen  Dialis  und 
Vestalen.  An  der  Spitze  der  Götlerschar  steht  Hercules  mit  dem 
Beinamen  Victor,  nach  dem  Tibur  häufig  die  Herculesstadt  heifst. ^ 
Seinem  Dienst  war  das  Collegium  der  Salier  geweiht:    es  gab  ein 


1)  Colum.  X  138  Plin.  XIV  38  XV  70  Hör.  Od.  I  7,14  18,2  IV  3,10  Sat.  II 
4,70  Prop.  V  7,81  Athen.  I  26e  Galen  XIV  15 K.  Sil.  It.  IV  225    Marlial  IX  60. 

2)  Gic.  in  Salust.  19  Phil.  V  19  VI  10  XIII  19  ad  Alt.  XVI  3,1  Suet.  Aug. 
72.  82  Cal.  8  Claud.  34. 

3)  Vita  Hadr.  23.  26  tyr.  trig.  30,27.     Winnefeld,  Die   Villa   des  Hadrian 
bei  Tivoli,  Ergänzungsheft  HI  der  Jahrb.  d.  arch.  Inst.,  Berlin  1895. 

4)  GatuU  44  Prop.  IV  15  V  7,81  Stat.  Silv.  I  3  Suet,  rel.  p.  47  Reiff. 

5)  Seneca  Ep.  119,3. 

6)  Dessau  a.  0.  p,  367,  ebd.  ein  Verzeichnifs  der  Zünfte,  vgl,  Dig.  XXXII 
1,  35,  3. 

7)  Suet.  Gal.  8  Prop.  III  30,5   Martial   I  12,1  IV  62  VH  13  Sil.  It.  IV  224 
Stat.  Silv.  III  1,183  Symm.  Ep.  VH  19. 


614  Kapitel  X.    Latium. 

eigenes  Buch  darüber,  i)  Ein  Orakel  schlofs  sich  an.-)  Der  Tempel 
gehorte  zu  den  grüfsten  und  reichsten  in  Latium,  enthielt  eine  gut 
ausgestattete  Bibliothek,  bot  für  Gerichtsverhandlungen  Raum.  3) 
Zu  beiderseitigem  Nutzen  wurde  die  Verehrung  des  Kaisers  mit  der- 
jenigen des  Hercules  verschmolzen.'*)  Die  Lage  des  ausgedehnten 
Heiligtums  ist  bestritten :  man  sucht  es  in  der  sog.  Villa  des  Mae- 
cenas  vor  dem  Thor  oder  bei  dem  Dom.  Eher  dürfte  an  das 
Burgviertel  im  Nordosten  zu  denken  sein  (S.  610);  denn  hier  hauste 
Albunea  die  tiburtinische  Sibylla,  die  füglich  nicht  von  der  Orakel- 
stätte getrennt  werden  darf.  ^)  Mancherlei  Ueberreste  von  Thermen 
Villen  Brücken  sind  erhalten.  Auf  dem  Ponte  dell'Acquoria  über- 
schreitet die  alte  von  den  Schwefelseen  kommende,  auf  dem  Ponte 
Lucano  wo  das  Grabmal  der  Plautier  liegt,  die  jüngere  Via  Tibur- 
tina  den  Anio.  Beide  münden  durch  die  Porta  del  Colle  oder 
Romana  in  die  Stadt:  noch  um  350  n.  Chr.  ist  auf  Staatskosten 
der  Zugang  bequemer  gemacht  worden.  ^)  In  den  Gothenkriegen 
hat  Tibur  seine  Festigkeit  bewiesen,  in  die  Kämpfe  des  Mittelalters 
machtvoll  eingegriffen.  7) 

Das  Gebiet  Tiburs  hatte  einen  bedeutenden  Umfang,  befafste 
den  grofseren  Theil  des  Aniothals  von  Ponte  Mammolo  bis  Subiaco 
d.  h.  in  weitester  Ausdehnung  eine  Strecke  von  40  Millien.  Im 
Einzelnen  lassen  sich  die  Grenzen  nicht  genau  feststellen,  haben 
auch  nachweisbar  geschwankt.  Etwa  5  km  in  der  Luftlinie  von 
der  Stadt  nach  Süden  lag  Aefula,  dem  Anschein  nach  eine  der  ver- 
schollenen albanischen  Gemeinden  (S.556,  2).  Die  Burg  wurde  211  v. 
Chr.  zur  Beobachtung  der  Via  Latina  besetzt  und  fiel  bei  einem  Ausblick 
vom  Es(iuilin  in  das  Gesichtsfeld  zwischen  Tibur  und  Tusculum.  s) 
Ein  Bauunternehmer  stellte  88  n.  Chr.  die  Leitung  der  Aqua 
Claudia  unter  dem  mons  Aeflmius  her  und  erneuerte  zum  Dank  für 
die  Hülfe  der  Bona  Dea  ihren  verfallenen  Tempel.  ^)     Die  hervor- 


1)  Macrob.  Sat.  III  12,7  Seiv.  V.  Aen.  Vlil  285. 

2)  Tibull  II  5,69  (?)  Stat.  Silv.  I  3,79. 

3)  Ap|)ian  b.  civ.  V  24  Sliab.  V  238  Suet.  Aug.  72  Juvenal  14,90  Gell.  N. 
A.  XIX  5  (IX  14,3). 

4)  Dessau  a.  0.  p.  367.  68. 

5)  Laclanz  Inst.  I  G  Hör.  Od.  I  7,12  Verg.  Aen.  VII  83  vgl.  Juvenal  14,87. 

6)  CIL.  XIV  3582.  83. 

7)  Prokop  b.  Golh.  11  4  III  11.  24. 

8)  Liv.  XXVI  9  XXXll  29  Hör.  Od.  III  29,6. 

9)  CIL.  XIV  3530. 


§  4.     Das  Anioland.  61B 

gehobenen  Merkmale  treffen  sämtlich  auf  den  M.  S.  Angelo  in 
Arcese,  einen  Ausläufer  des  M.  Ripoli,  zu.  Die  Höhe  (598  m)  ist 
weithin  sichtbar  i),  bewahrt  noch  Reste  von  Befestigungen  und  dem 
Unterbau  eines  Tempels;  der  Stollen  der  Aqua  Claudia  von  dem 
die  Bauinschrift  spricht,  mifst  4950  m.^)  Die  Gemeinde  hatte  ihre 
Selbständigkeit  längst  eiugebülst  und  war  zu  Tibur  gezogen 
worden.  3}  —  Die  Annalen  erwähnen  dafs  eine  Reihe  fester  Plätze 
diesem  angehörte,  machen  darunter  Empulum  und  Sassula  aus- 
drücklich namhaft:  jenes  ward  355,  dieses  354  v.  Chr.  von  den 
Romern  eingenommen. 4)  Ihre  Lage  ist  unbekannt.  Empulum 
wird  5  Millien  von  TivoH  im  Thal  von  Ampiglione  unterhalb  Castel 
Madama  gesucht  5);  Sassula  2  Millien  weiter  nach  CiciUano  zu.  ß)  Dafs 
die  bezeichnete  Gegend  tiburtinisch  war,  scheint  gewifs. '')  Dagegen 
finden  sich  bei  Ciciliano  8  Mühen  von  Tivoli  Mauern  polygonaler 
Bauart  die  einem  selbständigen  Gemeinwesen  zuzuschreiben  sind. 
Die  Inschriften  lehren  uns  die  Verfassung,  leider  nicht  den  Namen 
kennen.  ^) 

Von  Tibur  ab  läuft  die  Via  Valeria  auf  dem  rechten  Ufer  des 
Anio  und  erreicht  nach  8  Millien  Varia,  wie  der  heutige  Name 
Vicovaro  andeutet,  einen  Vicus  der  Tiburter.  9)  Er  war  befestigt  und 
bestand  aus  einem  oberen  und  unteren  Dorf,  zwischen  denen  die 
Strafse  hindurch  fühlte.  lO)  Nach  Varia  pflegten  die  Hausväter  der 
fünf  Feuerstellen  die  zum  Gut  des  Horaz  gehörten,  zu  Markt  und 
zur  Versammlung  der  Bauerschaft  zu  geben. 'i)  Das  Gut  war  von 
den  Grenzen  der  tiburtinischen  Feldmark  umschlossen  i-),  wird  aber 
vom  Dichter  sabinisch  genannt. ^3)     jjan  ersieht  daraus  dafs  Augustus 


1)  Nibby  12  26. 

2)  Lauciani,  Rom.  Mitth.  1891  p.  153.     Ders.  Fronlin  p.  352. 

3)  Dessau  p.  364. 

4)  Liv.  VII  18.  19. 

5)  Nibby  II  ^  5. 

6)  Nibby  IIP  62. 

7)  CIL.  XIV  p.  362. 

8)  Nibby  111  ^^  97  CIL.  XIV  p.  360   Trebula  SuflFenas  vermutet    Dessau:  mit 
Unrecht  s.  S.  475. 

9)  Strab.  V  238  verschrieben  Olaleqia  für  Oiaqia  Tab.  Peut.  Cluver  783 
CIL.  XIV  p.  357. 

10)  Nibby  IIP  478. 

11)  Hör.  Ep.  I  14,3. 

12)  Sueton.  rel.  47  Reiß. 

13)  Hör.  Od.  I  20,1  22,9  H  18,14  III  1,47  4,22  Sat.  II  7,118. 


616  Kapitel  X.    Latium. 

volkstümlichen  Auscliauungen  folgte,  als  er  Tibur  deü  Sabinern 
und  der  vierten  Region  zutheilte.  i)  2  Millien  hinler  Varia  mündet 
ein  kühler  Bach  Digentia  Licenza,  der  nur  15  km  lang  dennoch 
gelegentlich  die  anslofsenden  Wiegen  versandet  2): 
addü  opus  pigro  rivns,  si  decidit  imher, 
miilta  mole  docendus  aprico  parcere  pralo. 
Das  Thal  streicht  von  Süd  nach  Nord,  veird  von  6 — 700  m 
hohen  Bergen  im  Osten  eingefafst,  während  nach  Westen  die  Fort- 
setzungen des  M.  Gennaro  1000  m  übersteigen.  3)  Am  Eingang 
nimmt  Cantahipo  oder  Bardella  die  östliche  Hübe  (487  m)  ein,  das 
Dorf  hat  neuerdings  den  alten  Namen  Mandela  wieder  angenommen. 
Da  der  rugosus  frigore  pagus  sein  Wasser  aus  dem  Bach  holte, 
wird  man  versucht  ihn  mehr  in  die  Tiefe  zu  rücken:  die  Lage  in 
dieser  Umgebung  ist  inschriftlich  gesichert.  4)  Nach  3  km  schnüren 
die  Berge  das  Thal  ein  und  trennen  es  in  eine  untere  und  obere 
Hälfte.  Jenseit  der  Enge  an  der  Westseite  thront  das  Dörfchen 
Rocca  Giovine  auf  steilem  Felsen.  Eine  hier  befindliche  Inschrift 
meldet  dafs  Kaiser  Vespasian  den  verfallenen  Tempel  der  Victoria 
hergestellt  habe.  '^)  Da  die  sabinische  Göttin  Vacnna  von  Varro  als 
Victoria  erklärt  wird,  hat  Holste  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  die  In- 
schrift auf  das  famim  putre  Vacunae  hinter  dem  Horaz  die  Epistel  an 
Aristius  abfafste,  bezogen.  6)  In  der  That  ist  der  Kreis  innerhalb 
dessen  das  vom  Dichter  verherrlichte  Sabinum  gesucht  werden  darf, 
ziemhch  eng  umschrieben :  es  lag  im  oberen  Thal  der  Digentia  an 
der  Westseite.  P.  Rosa  bestimmt  den  Ort  genauer  1  km  Nordwest 
von  Rocca  Giovine  bei  der  Madonna  delle  Gase,  Andere  anderswo. ") 
Mehrere  Quellen  erheben  Anspruch  auf  den  Namen  Bandusia.  ^) 
Welche  Berglehne  unter  Ustica  zu  verstehen  sei,  ist  schwer  zu  sagen.  9) 
Ob  Lucretilis  einen  einzelnen  Berg  oder  eine  ganze  Gruppe  bedeute, 
ist  ungewifs:  wir  haben  uns  für  letzteres  entschieden  und  die  her- 


1)  Plin.  III  107. 

2)  Hör.  Ep.  I  14,29  16,12  18,104  Nibby  IIP  719. 

3)  Hör.  Ep.  I  16,5. 

4)  Hör.  Ep.  I  18,105  CIL.  XIV  3482. 

5)  CIL.  XIV  3485. 

6)  Hör.  Ep.  1  10,49  mit   Schol.   Holste    zu   It.    ant.   676,43   Preller  Myth. 
F  408. 

7)  Bull,  deir  Inst.  1857  p.  30.  105.  151. 

8)  Hör.  Od.  HI  13  vgl.  Kap.  XIII  5. 

9)  Hör.  Od.  I  17,11  mit  Scbol. 


§  4.     Das  Anioland.  617 

kömmliche  üeberlragung  des  Namens  auf  die  im  M.  Gennaro 
gipfelnde  Gruppe  beibehalten,  weil  solcher  Sprachgebrauch  bei  den 
Römern  sehr  verbreitet  ist.  i)  Auf  die  Einzelheiten  kommt  nicht 
allzu  viel  an :  der  Gesamteindruck  den  das  schöne  Bergthal  erweckt, 
stimmt  mit  den  Schilderungen  bei  Horaz  völlig  überein. 

Die  Station  ad  Lamnas  Hegt  33  Millien  von  Rom,  13  von 
Tibur  bei  der  heutigen  Osteria  della  Ferrata2):  hier  verliifst  die  alle 
Via  Valeria  den  Anio  um  landeinwärts  nach  9  Millien  Carsioli  zu 
erreichen  (S.  460).  Die  bisherige  Richtung  wird  fortgesetzt  durch 
die  von  Kaiser  Nero  gebaute  via  Sublacensis.  3)  Nach  3  Millien  wo 
links  der  Rio  freddo  herab  kommt,  erweitert  sich  das  Thal:  hier 
geht  die  neue  fahrbare  Strafse  nach  Carsioli  ab,  an  der  die  Quellen 
der  Aqua  Marcia  bei  der  Kirche  S.  Maria  di  Arsoli  entspringen.^) 
Am  38.  Meilenstein  der  Sublacensis  wird  die  Aqua  Claudia  gefafst.  ^) 
Das  den  oberen  Anio  und  Turano  trennende  Gebirge  steigt  im 
M.  Autore  bis  zu  1853  m  und  engt  das  Thal  ein.  Am  42.  Meilen- 
stein wird  die  Anio  novus  benannte  Leitung  dem  Flufs  entnommen  6); 
am  45.  an  der  Stelle  des  heutigen  Subiaco  (408  m)  lag  die  kaiser- 
liche Villa  die  den  Bau  der  Strafse  veranlafst  hatte.  Beide  Oert- 
lichkeiten  fielen  innerhalb  des  Simbrtiinus  ager  der  nach  einem  ver- 
schollenen Gau  so  geheifsen  haben  wird. ')  In  der  Kaiserzeit  war 
er  der  Gemarkung  von  Tibur  einverleibt,  gehörte  aber  ehedem  zu 
den  Aequern.  §)  Genau  lassen  sich  die  Grenzen  die  dies  Volk 
während  seiner  gröfsten  Machtentfaltung  im  fünften  Jahrhundert 
inne  gehabt  hat,  nicht  bestimmen.  Aber  man  erkennt  dafs  es  einen 
zusammenhängenden  Strich  vom  Fucinus  bis  zum  Albaner  Gebirg 
behauptete  (I  515).  An  Tibur  scheint  das  obere  Aniothal  spät, 
vielleicht  erst  durch  Augustus  gekommen  zu  sein.  Einen  flüchtigen 
Glanz  brachte  Nero's  Regierung  in  die  Wildnifs.  Wie  das  Goldene 
Haus  und  der  Umbau  Roms  gegen  die  herrschende  Anschauung 
verstiefs,  wird  es  auch  die  Zeitgenossen  hochhebst  befremdet  haben 


1)  Hör.  Od.  I  17,1  Fest.  119  M. 

2)  Tab.  Peut.  Nibby  11 2  36. 

3)  Frontin  de  aq.  7.  14.  15.  93  Tab.  Peut.  verwirrt. 

4)  Frontin  7. 

5)  Frontin  14. 

6)  Frontin  15. 

7)  Tac.  Ann.  XI  13  XIV  22  Frontin  15  Sil.  It.  VUI  369. 

8)  Tac.  Ann.  XIV  22  Sil.  It.  VIII  369. 


618  Kapitel  X.    Latium. 

als  der  Fürst  bald  nach  seiner  TlnoDbesteigung  eine  riesenhafte 
Villenanlage  in  diesem  engen  von  steilen  Felsen  überragten  Winkel 
schuf.  Siiblaqueum  hiefs  sie,  weil  der  Flufs  oberhalb  durch  Stau- 
werke in  drei  auf  einander  folgende  Becken  umgewandelt  worden 
war.i)  Die  Augenweide  die  diese  Wasserkunst  bot,  ist  im  Altertum 
berühmt  gewesen ;  doch  wird  die  Villa  seit  Nero 's  Sturz  nicht  wieder 
als  Residenz  erwähnt.  Die  Ufer  der  Seen  waren  zur  Wildnifs  zu- 
rück gekehrt,  als  S.  Benedict  aus  Nursia  (S.  468)  494  hierhin  vor 
der  Welt  flüchtete.  Der  Anio  hat  die  Sleindämme  nach  einander, 
den  letzten  1305  fortgespült.  Die  unscheinbaren  Reste  der  kaiser- 
lichen Bauten  bleiben  unbeachtet,  das  Andenken  des  Stifters,  des 
Ordens  und  seiner  Grofsthaten  hat  die  Stätte  geweiht. 2) 

Von  Tivoli  bis  Subiaco  hat  der  Anio  117  m  Fall,  von  da  ab 
nimmt  die  Neigung  zu.  12  Milben  von  Subiaco  8  Milben  unterhalb 
der  Quellen  liegt  Treba  Augusta  in  der  ersten  Region. 3)  Es  war 
Bischofsitz  der  erst  1015  nach  Anagni  übertragen  ward.  Uns  ver- 
anschaulicht der  Ort  wie  die  Adulation  in  der  Einsamkeit  des  Ge- 
birges sich  nicht  minder  einnistet  als  im  Gewühl  des  Flachlands. 
Nach  Ausweis  der  Inschriften  haben  die  Trebaner  ihre  Beziehungen 
zum  Kaiserbaus  eifrig  gepflegt,  sogar  ihre  Stadträte  decuriones  Com- 
modtani  benannt.  Ob  sie  ursprünglich  Aequer  waren,  vielleicht 
durch  Augustus  Stadtrechl  erhielten,  läfst  sich  lediglich  erraten.  Die 
Ueberreste  im  heutigen  Trevi  sind  unbedeutend.  —  5  Millien  süd- 
lich von  Subiaco  liegt  die  Bergstadt  Aßlae  (684  m)  die  gleichfalls 
der  ersten  Region  zugewiesen  und  vermutlich  ehedem  aequiscb  war. 4} 
Sie  halte  eigene  Verwaltung.  Dafs  das  Dorf  Affile  mit  dem  Namen 
zugleich  den  Platz  bewahrt  hat,  lehren  die  Fundstücke. '^)  Ferner 
sind  in  Civitclla  ^>)  oder  wie  es  neuerdings  umgetauft  ward,  Bellegra 
(815  m),  sowie  in  Olevano  (571  m)'')  Reste  der  Befestigung  erbalten, 
die  aus  unbehauenen  Steinen  errichtet  in  jene  Vorzeit  hinauf  weisen, 
wo  Aequer  Ilerniker  Latiner  hier  mit  einander  rangen.     Die  Namen 


1)  Plin.  III  109  Tac.  Ann.  XIV  22  Frontin  93  Tab.  Peut.  CIL.  XIV  p.  354. 

2)  iNIbby  1112  120. 

3)  Plin.  III  64.   109    Fiontin    de    aq.    93    Plol.  III   1,54   Tab.   Peut.   CIL. 
XIV  p.  353. 

4)  Die   Endung   unsicher:   Plin.  111  63    verderbt,   Feldm.   230    /ifile    CIL. 
XIV  p.  351. 

5)  Nibby  P  37. 

6)  CIL.  XIV  3437  Nibby  P  466. 

7)  CIL.  XIV  3438  fg.  Nibby  IP  421. 


§  4.     Das  Anioland.  619 

der  Burgen  sind   nicht  überliefert;    ebenso  wenig  läfst   sich  sagen 
wie  weit  die  Herrschaft  Praeneste's  in  den  Bergen  reichte. 

Mit  dem  Verfall  von  Gabii  (S.  603)  wird  die  Bezeichnung  via 
Praenestina  für  die  ganze  23  Millien  lange  Strafse  von  Rom  bis 
Praeneste  übhch.i)  Mit  der  Annäherung  an  das  Gebirge  hinter 
Gabii  steigt  sie  und  überschreitet  nach  einander  5  nach  Nordwest 
dem  Anio  zufliefsende  Bäche.  In  diesem  zwischen  Algidus  und 
Appenoin  einer-  Tibur  und  Praeneste  anderseits  beündlichen  Land- 
strich sind  mehrere  Ortschaften  zu  suchen,  die  ihre  Unabhängigkeit 
an  die  beiden  Städte  eingebüfst  hatten,  in  der  Folge  aber  an  Rom 
abgetreten  werden  mufsten.  Unter  ihnen  hat  Scaptia  der  332  er- 
richteten tribus  Scaptia  den  Namen  verliehen. 2)  Die  Gemeinde  nahm 
an  dem  latinischen  Bunde  von  499  Theil,  wird  aber  in  der  Geschichte 
nirgends  erwähnt  und  gilt  als  verschollen. 3)  Seit  Cluver  versetzt 
man  sie  nach  Passerano  Ost  von  Gabii,  wo  die  Spuren  auf  einen 
alten  Ort  hinweisen:  doch  fehlt  jeglicher  Anhalt  für  die  Benennung.*) 
—  Sicherer  ist  Pedum  in  Gallicano  an  der  praenestinischen  Strafse 
19  Millien  von  Rom  untergebracht  worden. ä)  Die  Lage  war  durch 
zwei  Wasserläufe  gedeckt  und  entspricht  den  strategischen  Be- 
dingungen welche  die  Kriegsgeschichte  an  den  Ort  stellt.  Zuerst 
Glied  des  albanischen  (S.  556,20),  dann  des  latinischen  Bundes 
wurde  er  488  von  Coriolan  genommen  der  von  hier  auf  Rom 
marschirte.6)  358  lagerten  die  Gallier  bei  Pedum  und  erlitten  eine 
Niederlage.")  In  dem  letzten  Freiheitskampf  339 — 38  dessen  Last 
auf  den  Schultern  der  Tiburter  und  Praenestiner  ruhte,  war  mit 
der  Zerstörung  der  Stadt  die  Kraft  Latiums  gebrochen.»)  Die  Ge- 
meinde erhielt  beschränktes  Bürgerrecht,  lOst  sich  aber  in  der  Folge 
auf,  so  dafs  ihr  Andenken  nur  in  der  landschaftlichen  Bezeichnung 
regio  Pedana  fortlelbt.9)  —  Dem  nämlichen  Kreise  gehört  die  alba- 


1)  Strab.  V  238  It.  Ant.  302  Tab.  Peut.  CIL.  XIV  169. 

2)  Liv.  VIII  17  Fest.  343  M.  Suet.  Aug.  40. 

3)  Dion.  H.  V  61  Plin.  III  68  Sil.  It.  VIII  395. 

4)  Cluver  It.  Ant.  966  wurde  durch  die  Conjectur  des  Ursinus  getäuscht, 
der  an  der  angeführten  Stelle  bei  Festus  die  Pedaner  in  Scaptia  wohnen  läfst; 
Nibby  lU^  67. 

5)  Cluver  965  Nibby  II  ^  551  Dessau  p.  288  A.  6. 

6)  Liv.  U  39  Dion.  H.  V  61  VIII  19.  26  Plut.  Cor.  28. 

7)  Liv.  VII  12.  8)  Liv.  VIII  12.  13.  14. 

9)  Hör.  Ep.  I  4,2  mit  Schol.  Cic.  ad  Att.  IX  18,3;  von  Geographen  allein 
Steph.  Byz.  IleSa  ausonische  Stadt. 


620  Kapitel  X,     Latium. 

nische  (S.  556,6),  später  lalinische  (S.  559  A.  1)  Gemeinde  Bola  anJ) 
Sie  stiefs  an  die  Grenzen  von  Labici  und  wurde  Jalirzehnte  lanc 
von  Apcjuern  und  Rümern  umstritten.  Die  Stadt  fiel  angeblich  488 
in  Coriolans  Hände  2),  ward  411  den  Aequern  entrissen  und  von 
diesen  389  vorgeblicii  belagert.^)  Seitdem  kommt  sie  nicht  mehr 
vor  und  wird  in  den  Kämpfen  zu  Grunde  gegangen  sein.  Man 
suchte  sie  in  Lugnano  oder  in  Zagarolo:  eher  möchte  an  Cesareo 
ad  Statuas  eine  Station  der  Labicana  3  Millien  hinter  Quintanae 
(S.  601)  zu  denken  sein.-*) 

Die  Bodenschwelle  welche  diese  Städte  trug  (I  238),  trennt  das 
Stromgebiet  des  Tiber  von  dem  des  Liris.  Der  Appennin  der  das 
vulkanische  Land  begrenzend  eine  nahezu  südliche  Richtung  einge- 
halten hatte,  biegt  ostwärts  um.  Den  Vorsprung  an  der  Ecke  nimmt 
Praeneste  Palestrina  ein.^)  Für  den  römischen  Beschauer  ist  das 
Beiwort  hoch  und  die  Deutung  des  Namens,  als  ob  es  vor  den 
Bergen  stehe,  gerechtfertigt. "0  Die  Spitze  mit  der  Arx  jetzt  Castel 
S.  Pietro  mifst  752  m,  der  Boden  vor  der  Stadt  415  m:  wenn  da- 
her Strabo  die  senkrechte  Erhebung  auf  2  Stadien  angiebt,  so  trifft 
das  zu.')  In  5  Terrassen  klettert  die  Stadt  den  Abhang  hinan  und 
ist  durch  Schenkelmauern  mit  der  Burg  verbunden.  Obwol  der 
umschlossene  Raum  nur  32  ha  (Beloch)  betragen  soll,  erreichen  die 
einfassenden  Mauern  ungefähr  eine  Länge  von  3  Millien  4  72  km. 
Nimmt  man  die  Stützmauern  der  Terrassen  innerhalb  des  Rings  hinzu, 
so  legte  der  Anblick  in  der  That  nahe  die  Stadt  IloXvörecpavog 
die  zinnenreiche  zu  benennen.*)  Strabo  vergleicht  die  beiden  nach 
ihrer  Lage  und  Geschichte  verwandten  Appenninstädte  Tibur  und 
Praeneste  mit  einander:  jene  sei  fest,  diese  aber  viel  fester;  die 
Burg  werde  durch  einen  Einschnitt  von  dem  übrigen  Gebirge  ab- 
gesondert, der  Boden  sei  von  Gängen  unterhöhlt  die  nicht  nur  der 


1)  Albanische  Gründung  Diod.  VIF  3  a  Verg.  Aen.  VI  775. 

2)  Dion.  H.  VIII  18  Plut.  Cor.  28  Steph.  Byz. 

3)  Diod.  Xlll  42  XIV  117  Liv.  IV  49  fg.  VI  2. 

4)  Tab.  Peut.  CIL.  XIV  2825  fg.  Nibby  IIF  115. 

5)  Neutrum,  vereinzelt  Veig.  Aen.  VIII  5(51    weiblich.     Meistens  rj   ÜQai- 
vearoe,  vereinzelt  rb  ü^aivearov  nnd  to  ÜQuivtaxe. 

6)  Cato  b.  Serv.  V.  Aen.  VII  682  Fest.  224  M.  Plaut.  Capt.  882. 

7)  Slrab.  V  238,  die  Angabe    beruht  auf  Schätzung,    nicht    auf  Messung; 
denn  sonst  würde  die  Breite  Plol.  III  1,54  anders  bestimmt  sein  (vgl.  I  32). 

8)  Strab.  a.O. ;  Steph,   Byz.  überträgt   durch   Verwechslung   das   Beiwort 
auf  Tibur;  Plin.  III  64  Suidas  ^rsfdvfj. 


§  4.     Das  Anioland.  621 

Wasserversorgu ug  sondern  auch  für  heimliche  Ausfälle  dienen. 
„Andere  Stallte  schätzen  eine  starke  Wehr  als  kostbares  Gut, 
den  Praenestinern  gereichte  sie  zum  Verderben  wegen  der  Un- 
ruhen in  Rom.  Denn  die  Umstürzler  flüchten  hierhin  und 
wenn  sie  zur  Uebergabe  genötigt  worden  sind,  trägt  die  Stadt  den 
Schaden  der  Belagerung  und  büfst  obendrein  ihr  Land  ein,  weil 
die  Schuld  den  Unschuldigen  in  die  Schuiie  geschoben  wird."  Zahl- 
reiche Beispiele  lassen  sich  für  die  Richtigkeit  dieses  Salzes  bei- 
bringen. Schon  198  v.  Chr.  drohte  Praeneste  in  die  Hände  der 
aufständischen  Sklaven  zu  falleu.i)  82  wurde  es  von  dem  jüngeren 
Marius  zum  Hauptquartier  erwählt  uud  sah  die  ganze  Bürgerschaft, 
5000  an  der  Zahl,  unter  Sulla's  Beilen  enden. 2)  Am  1.  November 
63  versuchte  Catilina  einen  Handstreich,  den  die  Wachsamkeit  des 
Consuls  vereitelte. 3)  41  entging  es  noch  eben  dem  Ungewitter  das 
sich  über  Perusia  entlud.-*)  Gleiche  Schicksale  haben  die  Stadt  in 
christlichen  Zeiten  verfolgt:  um  von  geringeren  Schlägen  zu  schweigen, 
wurde  sie  1298  von  Bonifaz  VHI,  1437  von  Eugen  IV  in  Grund 
und  Boden  zerstört.  —  Die  Festigkeit  liefert  den  einen  Schlüssel 
zum  Verständnifs  der  Geschichte  Praeneste's,  als  zweiter  kommt  die 
geographische  Lage  hinzu.  Von  seiner  Hohe  aus  übersieht  der 
Bürger  die  Küste  von  Astura  bis  Caere,  hat  die  Häfen  von  Antium 
und  Ostia  in  gleichem  Abstand  von  45  km  vor  sich,  sieht  zur 
Rechten  die  weite  vulkanische  Ebene  bis  zum  Ciminischen  Wald 
ausgebreitet,  zur  Linken  die  Gebirge  der  Volsker  und  Herniker  mit 
dem  geräumigen  Thalgrund  der  den  Wanderer  nach  Süden  lockt. 
Der  Ausblick  lehrt  dafs  diese  Bastion  des  Appennin  dazu  bestimmt 
war  eine  Handels-  und  Hauptstadt  der  Umlande  zu  werden,  aber 
auch  am  Schniltpunct  zweier  Kreise  befindlich  von  der  Anziehungs- 
kraft Latiums  und  Roms  minder  betrofl'en  wurde  als  Aricia  Tusculum 
oder  Tibur.  —  Die  erhaltenen  Mauern  zeugen  von  der  Zeit  ihrer  Ent- 
stehung, führen  von  Mörtel-  Quader-  gefugtem  Polygonalbau  schliefs- 
lich  zur  sog.  kyklopischen  Schichtung  unbehauener  Steine  und  da- 
mit zu  fernen  Jahrhunderten  hinauf.  Die  einheimische  Legende 
schrieb   die   Gründung   dem   Caeculus    einem   Sohne    Vulcans    zu.°) 


1)  Liv.  XXXII  26. 

2)  Val.  Max.  IX  2,1  Lucan  II  193  Plut.  Sulla  32  Appian  b.  civ.  I  94. 

3)  Cic.  in  Cat.  I  8. 

4)  Appian  b.  civ.  V  21  Dio  XLVIII  10  Suet.  Tib.  4. 

5)  Solin  2,9  Gato  Or.  II  22  Jord.  Veig.  Aen.  YII  678  dazu  Scrv. 


622  Kapitel  X.     Latium. 

Die  Griechen  leiteten  sie  von  Praenestos  dem  Sohn  des  Latinns, 
Enkel  des  Odysseus  und  der  Kirke  her.i)  Nach  der  jüngsten 
Fassung  war  sie  eine  Colonie  Aiha's.2)  Obwol  in  der  Bundes- 
matrikel von  499  aufgeführt,  hat  Praeneste  alsbald  die  latinische 
Sache  verlassen. 3)  Mit  Aequern  und  Volskern  die  im  5.  Jahr- 
hundert so  schwer  auf  Latium  drückten,  hatte  es  ein  Abkommen 
getroffen:  wir  hüren  462  von  einer  einzigen  unbedeulenden  Strei- 
ferei.**) 383  beginnt  der  Kampf  gegen  Rom  der  nach  mancherlei 
Wechselfällen  338  mit  der  Unterwerfung  abschliefst. ^)  Auf  die 
Periode  der  Unabhängigkeit  folgt  338—90  die  Periode  der  Bundes- 
genossenschaft. Die  Stadt  hatte  Exilrccht^)  und  schickte  ihre  Co- 
horten  unter  eigenen  Praetoren  zum  römischen  Heer,'')  Den  er- 
littenen Gcbietsverhist  mag  sie  schwer  verschmerzt  haben,  vor  der 
Landung  des  Königs  Pyrrlios  Hefs  Rom  einige  Patrioten  hinrichten. 8) 
Es  zeugt  für  das  Selbstgefühl  der  Praenestiner  dafs  die  Vertheidiger 
von  Casilinum  216  das  ihnen  zum  Lohn  für  ihre  Tapferkeit  ange- 
botene römische  Bürgerrecht  ablehnten. 9)  —  ,, Ruhmredig  wie  ein 
Praenestiner"  heifst  es  bei  Plautus.io)  An  altererbtem  Wolstand  und 
Bildung  kam  keine  Landstadt  Mittelitaliens  dieser  gleich.^*)  Der 
Gartenbau  war  hoch  entwickelt:  aufser  Wein^^)  und  Zwiebeln  i3)  wer- 
den unter  seinen  Erzeugnissen  vor  allem  Nüsse  i^)  und  Rosen  i^)  er- 
wähnt. Auf  ähnlicher  Stufe  stand  das  Gewerbe  i^),  dessen  Richtung 
durch  Rosenoeli'')   und  Geschmeide  i*)    hinlänglich    gekennzeichnet 


1)  Steph.  Byz.  Solin  2,9;  von  Telegonos  PInt.  Parall.  41. 

2)  Diodor  VII  3a. 

3)  Dion.  H.  V  61  Liv.  II  19. 

4)  Liv.  111  8. 

5)  Diod.  XV  47  XVI  45  Liv.  VI  21.  27-30  VIII  12—14  Flut.  Cam.  37  Fest. 
363  M.  Plin.  XXXIII  17. 

6)  Pol.  VI  14,8  Liv.  XLIII  2. 

7)  Liv.  IX  16  XXIII  19. 

8)  Zonar.  VIII  3.  9)  Liv.  XXIll  20. 

10)  Plaut,  ßacch.  24  Liv.  XLil  1. 

11)  Appian  b.  civ.  I  94. 

12)  Athen.  I  26f. 

13)  Plin.  XIX  97. 

14)  Gate  RR.  8  Plin.  XV  90  XVII  96  Naevius  bei  Macrob.  Sat.  III  18,5  da- 
her nuculae  Spitzname  der  Praenestiner  Fest.  172  M. 

15)  Plin.  XXI  16.  20  Martial  IX  60,3. 

16)  CIL.  XIV  2874—82. 

17)  Plin.  Xlll  5.  IS)  Plin.  XXXIII  61. 


§  4.     Das  Anioland.  623 

wird:  einem  hiesigen  Goldschmied  danken  wir  eines  der  ältesten 
unter  den  vorhandenen  Denkmälern  lateinischer  Sprache. i)  Der  süd- 
lich vor  den  Thoren  bei  der  Landkirche  S,  Rocco  belegene  Fried- 
hof birgt  in  5  m  Tiefe  und  mehr  die  urkundlichen  Beweise  einer 
bedeutenden  Vergangenheit.^)  Ihm  entstiegen  Arbeiten  aus  Edel- 
metall und  Elfenbein  die  orientalischen  Werkstätten  entstammend, 
etwa  im  6.  Jahrhundert  v.  Chr.  eingeführt  sein  mögen,  weist  doch 
eine  Silberschale  den  Namen  des  phönizischen  iMeisters  auf. 3)  Sehr 
zahlreich  sind  die  Gegenstände  aus  Erz  die  sich  über  einen  langen 
Zeitraum  erstrecken,  darunter  Spiegel  und  die  fast  ausschliefslich 
hier  vorkommenden  sog.  Cisten,  deren  Zeichnung  von  etruskischen 
griechischen  latinischen  Händen  herrührt. 4)  Die  Gräber  waren  durch 
pinienförmige  Denksteine  mit  den  Namen  des  Todten  bestimmt:  die 
Form  begegnet  anderswo  nirgends.  Wenn  man  in  Rom  sich  über 
die  örthche  Färbung  des  Praenestiuer  Latein  aufhielt  ^j,  so  fällt  dem 
gegenüber  der  Umstand  dafs  ein  von  hier  gebürtiger  Schauspieler 
die  Stücke  des  Terenz  auf  die  Bühne  brachte  6),  weniger  ins  Ge- 
wicht als  die  Verbreitung  der  Schrift  die  an  300  bisher  bekannt 
gewordene  Steine  jenes  Friedhofs  bekunden.  Die  lebhafte  Einfuhr 
griechischer  Weine  im  2.  Jahrhundert  lehren  die  in  derselben  Gegend 
gefundenen  Stempel  aus  Rhodos  kennen.')  Umgekehrt  kommen  im 
Freihafen  Delos  die  Namen  praenestinischer  Kaufleute  ans  Licht.  ^ 
—  Den  Uebermut  des  römischen  Adels  kosteten  von  allen  Bundes- 
genossen zuerst  die  Praenestiner.^)  Sie  traten  nach  Erlangung  des 
Bürgerrechts  auf  die  demokratische  Seite  lO)  und  büfsten  82  mit  der 
Vernichtung.il)  Die  alten  Geschlechter  der  Anicier  Magulnier  Orce- 
vier  Saufeier  Vatronier  erlöschen,  SuUa's  Veteranen  Iheilen  den  Be- 


1)  CIL.  XIV  4123  Goldspange  mit  der  linksläufigen  Inschrift  Manios  med 
fhe  fhaked  Numasioi  =  Manius  me  fecit  Numerio. 

2)  CiL.  XIV  p.  328  f?. 

3)  Ann.  dell'  Inst.  1876  p.  197—294  1879  p.  5—23   Bull,  dell'  Inst.  1876 
p.  117—131. 

4)  Ann.  dell'  Inst.  1866  p.  150—209  CIL.  XIV  p.  473. 

5)  Plaut.  Irin.  609  Truc.  691  Luciiius  bei  Quint.  I  5,56  Fest.  163.  357.  359  M. 

6)  Nach  den  Didascalien. 

7)  BulL  deir  Inst.  1865  p.  68.  72—78. 

8)  Dessau  a.  0.  p.  289. 

9)  Liv.  XLII  1. 

10)  Appian  b.  civ.  I  65. 

11)  Flor.  II  9,27. 


624  Kapitel  X.     Latium. 

sitz  ohne  die  Standhaftigkeit  ihrer  Vorgänger  (S.  94) J)  Die  ver- 
änderte Sinnesart  erhält  in  der  Vorliebe  für  Gladiatoreukämpfe  die 
bis  ins  6.  Jahrhundert  n.  Chr.  fortdauern,  den  treffendsten  Aus- 
druck.2)  Auguslus  und  andere  Kaiser  wandten  ihre  Gunst  Praeneste 
ZU.3)  Es  wird  seiner  kühlen  Luft  halber  als  Somnaeraufenthalt  ge- 
wählt, ohne  doch  die  Anziehung  von  Tibur  oder  Tusculum  zu  üben.*) 
In  römischer  Zeit  entfaltet  sich  das  städische  Leben  am  Fufs  des 
Hügels  aufserhalb  der  Thore;  man  nimmt  an,  dafs  der  Raum  der 
alten  Festung  grüfstentheils  dem  Bereich  des  Fortunatempels  ein- 
verleibt worden  wäre. 5)  Die  Fortuna  Primigenia  gehorte  zu  den 
angesehensten  Gottheiten  Latiums^);  ein  halbes  Jahrtausend  lang 
wurde  ihr  Rat  von  Consuln  und  Caesaren  eingeholt.'')  Das  Heilig- 
tum ein  Rundbau  thronte  oberhalb  der  Stadt:  dafs  aber  diese  von 
Sulla*»)  in  eine  gigantische  Treppenanlage  von  135  m  senkrechter 
Höhe  umgewandelt  worden  wäre,  wird  doch  erst  nach  gründlicher 
Lokalforschung  glaubhaft  erscheinen  können. 9)  Was  die  Verfassung 
betrifft,  so  ist  Praeneste  seit  Sulla  Colonie  und  nur  vorübergehend 
unter  TiberiusMunicipium  gewesen. lO)  An  den  wissenschaftlichen  Be- 
strebungen der  Kaiserzeit  hat  es  Antheil  gehabt  durch  Verrius  Flaccus 
dessen  Kalender  zur  Hälfte  gerettet  ist,  sowie  durch  Aelian.^^)  Es 
hat  durch  alle  Wechselfälle  hindurch  seinen  Bestand  behauptet,  mit 
geringer  Aenderung  auch  seinen  Namen:  die.  Form  Palestrina  aus 
civüas  Praenestina  entstellt,  begegnet  schon  873.^^) 


1)  Cic.  de  leg.  agr.  II  78. 

2)  Cic.  pro  Plane.  63  ad  Alt.  Xil  2,2  CIL.  XIV  3010  Bau  eines  Amphi- 
theaters, eh.  3014  Bau  einer  Gladiatorenschule,  Tac.  Ann.  XV  46  Cassiod.  Var. 
VI  15. 

3)  Suet.  Aug.  72.  82  Gell.  N.  A.  XVI  13  vita  M.  Ant.  21. 

4)  aeslivae  deliciae  Flor.  I  5,7  frigidum  Hör.  Od.  III  4,23  Ep.  I  2,2  Prop. 
III  30,3  Stat.  Silv.  IV  4,15  Mart.  IV  64,33  Juvenal  14,88  Plin.  Ep.  V  6,45  Sym- 
mach.  Ep.  I  5  111  50  VII  35  IX  83. 

5)  Nibby  I12  475fg. 

6)  Strab.  V  238  Cic.  de  Divin.  II  85  Liv.  XXIII  19  XLV  44  CIL.  XIV  p.  295 
Preller  Myth.  IM  189. 

7)  Val.  Max.  I  3,2  Suet.  Tib.  63  Domit.  15  vita  Ale.\.  Sev.  4. 

8)  Plin.  XXXVI  189. 

9)  Bull,  dell'  lust.  1881  p.  248. 

10)  Dessau  a.  0.  p.  289. 

11)  Suet.  rel.  p.  113  Reiff.  Suidas. 

12)  Prokop  b.  Goth.  1 18.  19.  22  haben  die  Handschriften  nvXrjv  Uevsar^ivap. 


KAPITEL  XI. 


Neu  Latiiim. 

Das  appenniniscbe  Land  das  die  beiden  grofsen  vom  Tiber  und 
Volturnus  durchströmten  Vulkangebiete  scheidet,  wird  im  vorliegen- 
den Abschnitt  beschrieben.  Die  Eigenart  des  italischen  Stamm- 
gebirges in  parallelen  Ketten  zu  streichen  ist  in  der  Mitte  der 
Halbinsel  am  Schärfsten  ausgeprägt  (I  239).  Der  bezeichnete  Theil 
weist  drei  über  einander  gelagerte  Längenthäler  auf  die  zur  Auf- 
nahme besonderer  staathcher  Bildungen  bestimmt  waren:  das 
pomptinische  Küstenthal,  das  Thal  des  Trerus  und  das  Thal  des 
oberen  Liris.  Die  beiden  ersten  hängen  räumlich  mit  der  Tiber- 
ebene zusammen  und  haben  seit  ältesten  Zeiten  die  geschichtliche 
Anziehung  die  der  gröfste  Flufs  und  die  gröfste  Ebene  der  Halb- 
insel ausübte,  auf  ihre  Geschicke  wirken  lassen.  Aber  der  Liris 
fliefst  nach  Süden  in  den  Golf  von  Gaeta,  am  Vorgebirge  von 
Tarracina  endigt  der  150  km  lange  Küstenstrich  den  die  Tiber- 
mündung beherrscht,  eine  neue  klimatische  Zone  hebt  an  (I  379). 
Daher  leitet  das  Mündungsgebiet  des  Liris  den  Uebergang  nach 
Campanien  ein.  Wenn  also  die  ganze  Landschaft  vierfach  geghedert 
ist,  haben  auch  vier  Stämme  sich  in  den  Besitz  getheilt:  Latiner 
und  Aurunker  an  der  Küste,  Herniker  und  Volsker  im  Gebirg. 
Von  diesen  entfalten  die  an  letzter  Stelle  genannten  in  den  An- 
fängen der  römischen  Repubhk  die  gröfste  Macht  und  entreifsen 
den  andern  Stämmen  ansehnUche  Gebietstrecken.  Auch  Rom  hat 
die  Eroberungen  die  es  seinen  Königen  verdankte,  eingebüfst  und 
ist  erst  durch  die  im  Norden  auf  Kosten  Etruriens  errungene  Er- 
weiterung der  Herrschaft  hinreichend  erstarkt  um  den  im  Süden 
verlorenen  Besitz  zurück  fordern  zu  können.  Der  Anschlufs  Capua's 
folgte  und  das  Bündnifs  mit  Samnium,  die  volskische  Nation  wurde 
im  Lauf   des    4.  Jahrhunderts    vernichtet  (I  519).     Ihr  Land   wird 

Nissen,  Ital.  Laadeskande.     II.  40 


626  Kapitel  XI.    Neu  Latium. 

fortan  von  römischen  Bürgern  und  lalinischen  Bundesgenossen 
bewohnt  und  unter  dem  Namen  Latium  einbegriffen,  weil  Latein 
die  allein  gültige  Amisprache  ist  (S.  553).  >) 

§  1.     Die  Volsker  Mark. 
Was  jenseit  der  Albaner  Berge  liegt,  ist  den  Blicken  des  Römers 
entzogen;    von    den    albanischen  Höhen    aus    umspannt    das   Auge 
Meer  und  Küste  bis  zu  den  Vorgebirgen  von  Circei  und  Tarracina. 
Die    ganze    früher    (1  324)   beschriebene  Ebene   ist   vom  Tiber  ab 
nirgends   von    einer  Naturgrenze   durchschnitten,    die    Wahrschein- 
lichkeit spricht  dafür  dafs  sie  ursprünglich  von  ein  und  demselben 
Stamm   bewohnt   war.     Die  Ueberlieferung   sieht  die  Sache  ebenso 
an.     Nach  Cato  war  die  Ebene  in  den  Händen  der  Aboriginer  die 
nach  der  Ankunft  des  Aeneas  Latiner  getauft  wurden. ^j    Die  Städte 
Cora  Pometia  Salricum  gelten  als  Colonien  Alba's.  3)     In  Wirklich- 
keit gehören  Cora  und  Pometia  zu  den  Stiftern  des  engeren  Bundes 
(S.  558),  nehmen  Cora  Circei  Corioli  Norba  Satricum  Setia  Velitrae 
an  dem  Latinerbund  von  499  Theil.  4)   Nach  römischer  Anschauung 
reicht  das  alte  Latium  bis  Circei  (S.  553),  nach  urkundlichem  Zeug- 
nifs    das    römische  Machtgebiet    im   J.  509   bis   Tarracina.     Livius 
läfst  den  letzten  Tarquinier  den  Krieg  gegen  die  Volsker  eröffnen 
der  sich   durch    mehr  als   zwei  Jahrhunderte   fortspinnen   sollte.  &) 
Mit  dem  Sturz  des  Königtums  geben  die  Dämme  nach  die  bis  dahin 
die  Bergslämme  zurück  gehalten  hatten,  ihre  Scharen  überschwemmen 
das  flache  Land,  die  Sage  von  Coriolan  die  den  Feind  488  an  der 
Grenze    des    alten    Weichbildes    5  Millien    von    Rom    lagern    läfst, 
bezeichnet  den  höchsten  Stand  der  Flut.     Die  Ebene  südwärts  vom 
Albaner  Gebirg  ist  verloren;  es  gilt  sie  zurück  zu  erobern,  mindes- 
tens  den   latinischen   Namen  vor  weiteren  Verlusten   zu  bewahren. 
Die  Erzählung  der  langen  Fehde  gereicht  dem  Leser  zum  Verdrufs: 
er  wundert  sich  mit  Livius  über  die  unerschöpfliche  Wehrkraft  von 


1)  Quellen:  Strabo  V  231—34.  37.  38  Plinius  HI  57-59.  63.  64  Ptolc- 
maeos  III  1,  5.  6.  54  CIL.  X  I  p.  498—675  (Mommsen)  Eph.  ep.  Vllf  p.  146—63 
(Ihm)  Kaibel  inscr.  Gr.  p.  236 — 38.  Von  der  italienischen  Generalstabskarte 
kommen  in  Betracht  Bl.  150—52.  158—60.  170.  71. 

2)  Cato  Or.  I  4  (vgl.  5)  Jordan  agrum  quem  Folsci  habuerunt  campestris 
plerus  Jboriginuin  fuil. 

3)  Diodor  VII  3a. 

4)  Dion.  H.  V  61. 

5)  Liv.  1  53,  König  Ancus  üion.  H.  III  41  IV  49.  52. 


§  1.     Die  Volsker  Mark.  627 

Gegenden,  die  nachmals  dem  kaiserlichen  Heer  spärliche  Rekruten 
lieferten  und  allein  durch  Sklavenhorden  vor  der  Verödung  geschützt 
wurden.^)  Das  Rätsel  findet  seine  Lösung,  wenn  wir  diese  Kämpfe 
von  den  üebertreihungen  ruhmrediger  Annahsten  loslösen  und  auf 
den  bescheidenen  Roden  herabsetzen,  den  der  Grenzstreit  von  Nach- 
barn in  der  Regel  nicht  überschreitet.  Gröfseren  Umfang  nimmt 
er  erst  an  wo  es  sich  um  das  Schicksal  einer  Stadt  handelt:  der 
heutigen  Skepsis  gegenüber  wird  die  Ueberlieferung  vollkommen  im 
Rechte  sein,  wenn  sie  diese  Machtstützen  mehrfach  aus  der  einen 
in  die  andere  Hand  übergehen  läfst. 

Dies  gilt  auch  von  der  Hauptstadt  der  Volsker  AntiumS^)  Sie 
ist  mit  dem  Hafen  von  Ardea  (13  MiJlien  S.  579)  und  Ostia  (30  MillienS) 
durch  die  Via  Severiana,  mit  Rom  (36  Milben)  durch  eine  bei  Ro- 
villae  von  der  Appia  abzweigende  Strafse  verbunden  (S.  587).  Die 
Küste  die  vom  alten  Ostia  in  schnurgerader  Linie  nach  Südost 
streicht,  biegt  hier  nach  Ost  um  und  beschreibt  einen  flachen  Bogen 
der  durch  die  Vorgebirge  von  Antium  und  Astura  begrenzt  wird : 
der  Abstand  beider,  die  Sehne  des  Rogens  mifst  12  km.  Die  offene 
Bai  ist  zwar  allen  Tücken  des  Südwinds  preisgegeben,  aber  in  den 
Zeiten  der  Anfänge  als  man  die  Schiffe  am  Ende  der  Fahrt  auf  den 
Strand  schleppte,  boten  diese  Vorsprünge  brauchbare  Rheden  und 
wurden  Sitze  einer  seemännischen  Revölkerung.  Das  antiatische 
Vorgebirge  (14  m)  das  jetzt  von  den  Trümmern  eines  ausgedehnten, 
vermutlich  kaiserlichen  Palastes  bedeckt  wird,  trug  den  alten  Hafen- 
ort. Rei  Gelegenheit  seiner  Zerstörung  durch  den  Consul  des  J. 
469  erfahren  wir  dafs  er  Caeno  hiefs.*)  Die  Rewohner  lagen  dem 
Seeraub  eifrig  ob,  suchten  noch  unter  römischer  Herrschaft  die 
griechischen  Gewässer  heim,  so  dafs  sowol  Alexander  der  Grofse 
als  Demetrios  der  Städteeroberer  in  Rom  Beschwerde  erhoben. &) 
In  geringer  Entfernung  vom  Strand  nördlich  vom  heutigen  Anzio 
erstreckte   sich   auf  dem    38  m   hohen    aus   Sandstein    bestehenden 


1)  Liv.  VI  12  vgl.  S.  102. 

2)  Elhnikon  Antias  Adj.  Antianus  Antiatinus  Antiensis.  Dafs  der  Name 
ursprünglich  "-(rfv^eta  oA^v^Avd'tov  gelautet  habe,  behaupten  Spätere  beiSleph. 
Byz.  (Philostr.  Ap.  Tyan.  VIII  20  Prokop  b.  Goth.  I  26)  um  ihn  von  ävd-o6 
ableiten  zu  können. 

3)  Strabo  V  232  rechnet  260  Stadien,  also  je  nach  der  Reduction  ent- 
weder weniger  oder  unbedeutend  mehr. 

4)  Liv.  II  63  Dion.  H.  IX  56. 

5)  Dion.  H.  VII  37  IX  56  Strab.  V  232. 

40* 


628  Kapitel  XI.     Neu  Latium. 

Uferrantl  die  eigentliche  Stadt  lang  hin.  Nibby  der  den  geringen 
Resten  der  alten  Mauer  nachgespürt  hat,  schätzt  den  Umfang  auf 
3  Millien,  also  ebenso  grofs  wie  in  Ardea  (S.  38).i)  Der  beachtens- 
werten Ueberheferung  welche  die  Gründung  von  Rom  Ardea  und 
Antium  den  Söhnen  des  Odysseus  und  der  Kirke  zuschreibt,  wurde 
früher  (S.  577)  gedacht.  An  dem  latinischen  Ursprung  kann  nicht 
gezweifelt  werden.  Wenn  Antium  in  den  Annalen  stets  volskisch 
genannt  wird,  so  hat  eben  hier  ein  ähnlicher  Hergang  statt  ge- 
funden wie  in  den  Griechenstädten  des  Südens,  die  samnitische 
Scharen  in  ihren  Gemeindeverband  aufnehmen  mufsten.  Dem  rö- 
mischen König  unterthänig,  ist  es  um  500  v.  Chr.  an  die  Volsker 
gekommen. 2)  Seitdem  heifst  Antium  die  reichste  angesehenste 
wichtigste  Stadt  des  Volkes  3),  haben  die  Antiates  Volsci  ihre  Schwerter 
oft  mit  den  Römern  gekreuzt.*)  Das  Verhältnifs  zum  Hinterlande, 
der  Wettbewerb  den  Ostia  und  Antium  als  Ausfuhrhäfen  einander 
machten,  hat  den  Gang  der  Verwicklungen  beeinflufst.  Die  Neben- 
buhlerin kam  vorübergehend  467.  377  in  römische  Gewalt,  dauernd 
338  nach  dem  Aufstand  der  Latiner  deren  Niederlagen  sie  getheilt 
hatte.5)  Die  Kriegsschiffe,  6  an  der  Zahl,  wurden  ausgeliefert,  ihre 
Schnäbel  prangten  an  der  Rednerbühne  zu  Rom,  Antium  erhielt 
eine  Bürgercolonie,  317  eine  entsprechende  Verfassung  und  die 
gleiche  Befreiung  vom  Kriegsdienst  wie  Ostia  (S.  567). '^)  Freilich 
sank  der  Verkehr  ebenso  herunter  wie  er  dort  stieg,  die  Rhede 
versandete  immer  mehr  (l  325) ,  am  Ausgang  der  Republik  ist  die 
Wandlung  eingetreten  die  sich  in  der  Gegenwart  wiederholt.'')  Als 
bevorzugte  Sommerfrische  am  Meer  läfst  jedoch  das  alte  Antium 
die  Schöpfung  unseres  Jahrhunderts  himmelweit  hinter  sich.  Von 
Torre  Caldara  im  Nordf^n  bis  Nettuno  eine  Strecke  von  5  Millien 
ziehen  sich  am  Strande  in  ununterbrochener  Folge  die  Unterbauten 


1)  Nibby  1^  181.  Not.  d.  Scavi   1884  p.  240. 

2)  Pol.  11122,11  Dion.  H.  IV  49,  es  fehlt  im  Latinerbund  499. 

3)  Liv.  II  63  lü  1  VI  9  Dion.  H.  VI  3  VIII  1  IX  56  Plut.  Gor.  22,1. 

4)  Liv.  II  33  Vlll  13  Triumphalfasfen  u.  c.  408. 

5)  Liv.  II  65  III  1.  4  VI  33  VIII  12—14  Dion.  H.  IX  58  X  21  Pol.  III  24,16 
Plin.  XXXIV  20  Flor.  I  5,  10. 

6)  Liv.  Vm  14  IX  20  XXVll  38  XXXVJ  3  Plin.  III  57  Feidm.  229  CIL.  X  1  p. 
660.  —  Prodigien  Liv.  XXII  1  XXVIII  11  XXX  2  Plut.  Fab.  2  Dio  fr.  57,60. 
—  Später  war  Antium  der  Tribus  Quirina  zugetheilt. 

7)  Strab.  V  232  Cic.  ad  Att.  jl  1,1  6,2  IV  8a,l  IX  9,4  XII  19,1  XV  12,1 
Liv.  XLIII  4. 


§  1.     Die  Volsker  Mark.  629 

von  Villen   hin,   vornehmlich   Stützmauern    bestimmt   den    weichen 
Sandstein  gegen  die  Brandung  zu  schützen.    Derart  ist  Antium  von 
der  Verödung  der  das  nachbarliche  Ardea  anheim  fiel  (S.  578),  im 
Altertum  verschont  gebheben,  hat  trotz  der  im  Bürgerkrieg  erhtlenen 
Verluste  1)  einen  gewissen  Wolstand  gerettet.     Seine  Tempelschätze 
konnten  sich  mit  denen  von  Lanuvium  Nemi  und  Tibur  messen. 2) 
Fortuna  war  die  Hauptgötlin,  in  doppeller  Gestalt   als  Kriegs-  und 
Friedensgöttin   verehrt,   daher   auch   von   Schwestern  Fortunae   ge- 
sprochen wird:    sie  gaben    Orakel.3)     Die    Schriftsteller    erwähnen 
lerner  Aesculap-^);   von  einem  Tempel   des  Neptun  leitet   man  den 
Namen  Nettuno  her.     Der  neben  diesem  Ort  mündende  Bach  Caca- 
mele  wird  als  der  Loracina  angesehen,  aus  dem  Antium  170  v,  Chr. 
auf  Staatskosten   mit   Wasser  versorgt  wurde.^)      Eine   neue   Blüte 
brachte  die  Monarchie:  von  Augustus  ab  wurde  dies  ein  Lieblings- 
aufenthalt des   Hofes,   Cahgula  und  Nero  sind  hier  geborene);    die 
Inschriften   bestätigen  das  Hervortreten  des  kaiserlichen  Gesindes  im 
städtischen  Leben."?)     Nero  siedelt  eine  Colonie  Veteranen  in  seiner 
Geburtstadt   an   und  beschenkt  sie   mit    einem    künstlichen   Hafen, 
dessen   Molen    einen  Flächenraum   von    etwa  60  ha  schirmend  um- 
gaben.«)    Der  Hafen  wurde   noch  537    gebraucht »),   im   Mittelalter 
aus  Furcht  vor   den  Saracenen    verlassen    und   bei  der  Anlage  des 
jetzigen  Hafens  unter  Innocenz  XU.  zerstört. 

"Das  Gebiet  von  Antium  grenzte  an  der  Küste  an  die  Gebiete 
von  Ardea  und  Circei,  mag  somit  über  25  Millien  oder  mehr  sich 
erstreckt  haben.  Ausdrücklich  wird  ihm  Astura  7  Millien  Südost 
von  Antium  zugesprochen.^«)  Dies  ist  eine  kleine  durch  einen  Damm 
mit   dem  Festland   verbundene  Insel   welche   die   flache   antiatische 


1)  Liv.  LXXX  Appiaa  b.  civ.  I  69. 

2)  Appian  b.  civ.  V  24. 

3)  Hör  Od  I  35  Tac.  Ann.  III  71  Suet.  Cal.  57  Marlial  V  1,3  Macrob. 
Sat.  I  23,13  Preller  Myth.  IF  192  CIL.  X  1  6555.  6638  C  2,28  Epi).  ep.  VIII  647. 

4)  V3l.  Max.  I  8,2  Ovid  Met.  XV  718. 

5)  Liv.  XLIII  4  vita  Anton.  P.  8  vgl.  CIL.  X  1,6656. 

6)  Strab.  V  232  Plin.  XXXII  4  Suet.  Au^.  58  Tib.  38  Cal.  8.  49  Nero  6. 
9.  25  Tac.  Ann.  XIV  3.  4  XV  23.  39  Die  LVIII  25  LXIl  15  vita  Anton.  P.  8 
Philostr.  Ap.  Tyan.  VIII  20. 

7)  Plin.  XXXV  52  CIL.  X  1,  6638.  66  fg.  79.  6706. 

8)  Tac.  Ann.  XIV  27  Suet.  Nero  9. 

9)  Prokop  b.  Goth.  I  26. 

10)  Plin.  m  57.  81  Tab.  Peut. 


630  Kapitel  XI.    Neu  Latium. 

Bai  abschliefst  (S.  627).  Etwa  1  km  weiter  mündet  der  gleich- 
namige, auch  wol  Stura  bezeichnete  Fliifs  nach  einem  Lauf  von 
40  km,  vom  Südrand  des  albanischen  Ringwalls  kommend. i)  Die 
dort  ansässigen  Gemeinden  Aricia  Lanuvium  Velitrae  die  zu  den 
Anliaten  stiefsen,  erlitten  338  an  seinen  Ufern  eine  entscheidende 
Niederlage.2)  Zwischen  Mündung  und  Insel  befand  sich  ein  erträg- 
licher Ankerplatz  und  eine  Ortschaft. 3)  Cieero  hat  hier  ein  Land- 
haus besessen  4);  ferner  wird  der  Aufenthalt  der  ersten  Kaiser  be- 
zeugt. &)  Ein  leerer  Zwischenraum  von  4  Millien  trennt  die  antia- 
tische  Villenreihe  von  der  asturischen  deren  Trümmer  zwar  hinter 
jener  zurückstehen,  aber  ansehnlich  genug  sind. 6)  Von  Astura  bis 
zum  Vorgebirge  der  Kirke  folgt  wieder  ein  flacher  Bogen  der  auf 
der  Via  Severiana  22  Millien  mifst.  ')  Hinter  dem  Dünengürtel 
ziehen  sich  langgestreckte  Lagunen  hin.  Das  Aussehen  der  Gegend 
hat  seit  dem  Altertum  Aenderungen  erlitten.  Ehedem  mündete  der 
von  Norba  kommende  Nymphaeus  Ninfa  9  Millien  von  Astura  ins 
Meer  8);  jetzt  wird  er  von  dem  Entwässeriingscanal  Sixtus'  V  abge- 
fangen. An  seinem  linken  Ufer  lag  die  Station  Clostra  oder  Clo- 
stra  Romana.^)  Der  Name  deutet  auf  eine  alte  Befestigung  hin,  die 
vielleicht  in  der  Epoche  der  Volskerkriege  zum  Schutz  Circei's  oder 
Anliums  angelegt  war  und  die  Grenzen  beider  Gemeinden  angab. io) 
Denselben  Ursprung  verrät  die  Station  ad  Turres  albas  welche  die 
Reisekarte  3  Millien  weiter  verzeichnet,  i^)  Von  hier  bis  zur  Stadt 
Circei  sind  12  Mühen.  —  Für  die  Bestimmung  der  binnenländischen 
Grenzen  Antiums  fehlen  feste  Anhallspuncte.  Um  4  altlatinische 
Gemeinden    hat  sich  der  Streit  zwischen  Antiaten  und  Römern  sre- 


1)  Die  verkürzte  Form  Fest,  317  M.  Strab.  V  232;  Jlstura  Liv.  Plin.  Serv. 

2)  Liv.  VIII  13. 

3)  Strab.  V  232  Serv.  V.  Aen.  VH  801  Steph.  Byz. 

4)  Cic.  ad  Farn.  VI  19,2  ad  Att.  Xil  40,2  XIII  26,2  Plut.  Gic.  47. 

5)  Sueton  Aug.  97  Tib.  72  Plin.  XXXII  4. 

6)  Nibby  P  266  fg. 

7)  Strab.  V  232  rechnet  von  Antium  bis  zum  Vorgebirge  ziemlich  zutreffend 
290  Stadien  =  29  Millien. 

8)  Plin.  III  57  Holsle  zu  Cluver  992. 

9)  Plin.  III  57  Ptol.  III  1,5  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav,  IV  32  V  2. 

10)  vgl.  Liv.  VI  9,4  IX  32,1  XXXI  48,7  XLV  11,4.  Holste  a.  0.  denkt  an 
Molen  zum  Schutz  der  Flufsmündung  gegen  Versandung,  Elter  (S.  633  A.  10) 
an  Schleusen :   dagegen   spricht  das  Beiwort  Romana. 

11)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 


§  1,     Die  Volsker  Mark.  631 

dreht.  Unter  diesen  ist  Corioli  am  Weitesten  nach  Rom  zu  vor- 
geschoben. Es  gehörte  zum  albanischen  (S.  556,8)  und  latinischen 
(S.  559,15)  Bund,  fiel  aber  bald  nach  dessen  Stiftung  an  die  Vols- 
ker, wurde  493  zurückerobert,  488  von  Neuem  verloren  und  ist  in 
diesen  Kämpfen  zu  Grunde  gegangen,  i)  Seine  Feldflur  stiefs  an 
die  Fluren  von  Ardea  und  Aricia:  Nibby  sucht  die  Stadt  oberhalb 
Fontana  di  Papa  auf  dem  Hügel  M.  Giove  (247  m)  westlich  von 
Lanuvium,2)  Tn  der  nämlichen  Gegend  und  im  gleichen  Zusammen- 
hang werden  erwähnt:  Pollusca  nach  Nibby  Osteria  di  Civita  in  der 
Mitte  zwischen  Corioli  und  Longula,  wo  die  Strafsen  nach  Antium 
und  Satricum  sich  trennen,  21  Millien  von  Rom  16  von  Antium 3); 
Longula  albanische  Gemeinde  (S.  556,13),  nach  Nibby  Buon  Riposo 
westUch  von  der  antiatinischen  Strafse  nach  Ardea  zu,  27  Milben 
von  Rom  10  von  Antium.^)  —  Wichtiger  als  die  genannten  Ortschaf- 
ten ist  Satricum.  Angeblich  von  Alba  gegründet,  nahm  es  499  an 
dem  Latinerbunde  Theil  (S.  560,25)  und  wurde  488  volskisch.^) 
In  der  Folge  ist  es  mehrfach  von  den  Rümern  gewonnen  und 
wieder  verloren,  zweimal  durch  Feuer  zerstört  worden.**)  Seit  346 
erinnerte  nur  der  Tempel  der  Mater  Matuta  an  das  ehemalige  Dasein 
der  Stadl,'^)  Bei  diesen  Kämpfen  hat  es  sich  für  die  Römer  darum 
gehandelt  Antium  zu  umklammern  und  von  seinen  Verbindungen 
mit  dem  Binnenland  abzuschneiden,  für  die  Antiaten  darum  die 
natürliche  Slrafse  die  der  Astura  bietet,  offen  zu  halten.  Mit 
sicherem  Blick  hat  Nibby  Satricum  bei  Conca  (27  m)  wo  die  ver- 
schiedenen Quellbäche  des  Astura  zusammen  fliefsen,  gesucht:  die 
Lage  erinnnert  an  Ardea.  Er  wies  hier  eine  Burg  von  7 — 800  m 
Umfang  nach.  Neuerdings  ist  in  westnordwestlicher  Richtung 
1  Millie  entfernt  ein  altertümlicher  Tempel  aufgedeckt  worden  den 


1)  Liv.  n  33.  39  in  71  Dion.  H.  IV  45  [cod.  KÖqiXU  Steph.  Byz.]  V  61 
VI  92  VIII  19  [cod.  KontoXavmv]  36  Plut.  Gor.  8. 

2)  Nibby  I^  512,  beistimmend  Westphal  37. 

3)  Liv.  II  33.  39  Dion.  H.  VI  91  VI»  36  Nibby  P  402. 

4)  Liv.  II  33.  39  Dion.  H.  VI  91  VIII  36.  85  Nibby  P  326. 

5)  Diod.  VII  3  a  Dion.  H.  V  61  VIII  36  Liv.  II  39. 

6)  Nach  Diod.  XIV  102  fiel  es  393  von  Rom  ab;  nach  Liv.  VI  7.  8.  22. 
32.  33  wurde  es  386  von  Camillus  erobert,  alsbald  colonisirt,  aber  381  von 
den  Volskern  erstürmt,  377  von  den  Latinern  verbrannt. 

7)  Fast.  Gap.  Liv.  VII  27  VIII  1  XXVIII  11  Plin.  III  68.  Nicht  zu  ver- 
wechseln mit  der  gleichnamigen  Stadt  am  Liris. 


632  Kapitel  XI.     Neu  Laliiim. 

man  der  Mater  Maluta  zuschreibt.    Die  Ausdehnung  der  Stadt  bleibt 
noch  zu  ermitteln.^) 

Eine  ähnüche  aber  selbständigere  Stellung  nimmt  Velürae  Vel- 
letri  ein. 2)  Auf  einem  Seitenkegel  (400  m)  südhch  vor  dem  al- 
banischen Wall  gelegen,  ist  es  20  Millien  von  Antium,  15  von 
Praeneste,  25  von  Rom  entfernt.^)  Unter  allen  Städten  in  denen 
einst  Volsker  geherrscht  haben,  ist  dies  die  einzige  aus  der  ein 
Denkmal  ihrer  Sprache  auf  uns  gelangt  ist:  die  Inschrift  entstammt 
dem  4.  Jahrhundert  und  benennt  die  beiden  obersten  Magistrate 
medix,  den  Rat  couehriu  d.  h.  curia J)  Die  Annalen  nehmen  für 
Velitrae  keinen  latinischen  Ursprung  in  Anspruch,  sondern  lassen 
es  zur  Königszeit  volskisch  sein.^)  Gegen  die  Richtigkeit  dieser  An- 
gabe spricht  der  Umstand  dafs  die  Gemeinde  dem  Latinerbund  von 
499  angehört  (S.  560,20).  Der  Platz  war  überaus  wichtig,  weil  er 
ein  sei  es  gegen  Süden  sei  es  gegen  Norden  vorgeschobenes  Boll- 
werk darstellt  und  die  Einsenkung  zwischen  den  Albaner  und  Vols- 
ker Bergen ,  also  die  Strafse  von  Antium  nach  dem  inneren  Ap- 
pennin  beherrscht.  Es  fällt  bald  nach  499  (einige  Jahre  später 
als  Antium)  in  die  Hände  der  Volsker,  wird  494  ihnen  entrisssen 
und  von  einer  492.  404  verstärkten  römischen  Colonie  besetzt. 6) 
Trotzdem  sagen  sich  die  Veliterner  (vermutlich  nach  Aufnahme  eines 
volskischen  Haufens)  393  von  Rom  los  und  sind  bis  zur  Vernich- 
tung der  latinischen  Freiheit  338  dessen  eifrigste  Gegner  verblieben.'') 
Der  Niederlage  folgte  die  Strafe  auf  dem  Fufse  nach;  die  Mauer 
wird  geschleift,  der  Stadtrat  nach  Etrurien  verschickt,  dessen  Land- 
besitz römischen  Colonisten  überwiesen,  die  Masse  der  Bevölkerung 
wird  entweder  unterthänig  oder  erhält  minderes  Bürgerrecht.  In 
der  Kaiserzeit  hat  Velitrae  Colonialverfassung;  welcher  Tribus  es  zu- 


1)  Nibby  IIP  64  Rom.  Mitlli.  d.  Inst.  1896  p.  t57. 

2)  Velitrae  Sil.  It.  VIII  377  Xlll  229,  volsk.  Feiestrom  =  Feliieniormn 
Mommsen  Unterit.  Dial.  324. 

3)  Strab.  V  237  Piin.  III  64  Feldm.  238  Sleph.  ßyz.  BeXuQa  CIL.  X  1  p. 
651  Nibby  IIF  438. 

4)  Mommsen  Unterit.  Dial.  320  Fabrelti  2736. 

5)  Dion.  H.  III  41  Sueton  Aug.  1  Dio  XLV  1. 

6)  Liv.  II  30.  31.  34  Dion.  H.  VI  42.  43  VII  12.  13  Diod.  XIV  34  Plut. 
Cor.  12. 

7)  Den  Abfall  setzt  393  Diod.  XIV  102,  ein  Jahrzehnt  später  Liv.  VI  12. 
13.  17.  21.  22.  29.  36.  38.  42  VII  15  Vlll  3.  12—14  Plut.  Cam.  42  Sueton 
Aug.  94. 


§  1.     Die  Volsker  Mark.  633 

getheilt  war,  steht  nicht  fest.i)  Ueberhaupt  verschwindet  sein  Name 
aus  der  Uebedieferiing^)  und  wird  nur  heziiglich  der  Herkunft  des 
Augustus  —  die  Oclavier  waren  von  hier  gebürtig  —  erwähnt. 3) 
Da  es  5  Milben  abseits  von  der  Via  Appia  lag,  erklärt  sich  das 
Schweigen.  Auch  fehlen  Ruinen.  Immerhin  mag  der  Umfang  der 
Stadt,  nach  der  mittelalterlichen  Mauer  zu  schHefsen,  an  3  Millien 
betragen  haben.  Sie  besafs  ein  Amphitheater. *)  Caligula  hatte  im 
Veliternischen  ein  Gut;  unter  den  Erzeugnissen  des  Landbaus 
standen  Wein  und  Schnecken  in  besonderem  Ruf.^) 

Die  Ktlstenebene  die  von  Vehtrae  ab  40  Milben  nach  Süden 
hinzieht,  ist  I  326  fg.  im  Zusammenhang  geschildert  worden.  Die 
natürbchen  Bedingungen  sind  die  gleichen  gebheben,  das  geschicht- 
liche Bild  hat  im  Lauf  der  Zeiten  mehrfach  seine  Züge  gewechselt. 
Die  Blüte  wie  der  Verfall  dieser  Malariagegenden  gebt  mit  dem  Wol- 
befinden  des  ganzen  Landes,  dessen  jeweiligen  politischen  und  so- 
cialen Zuständen  Hand  in  Hand.  Es  hiefse  gegen  unzweideutige 
Thatsachen  verstofsen,  wollte  man  die  düstern  Farben  der  Gegen- 
wart unbesehens  zur  Ausmalung  der  Vergangenheit  verwenden.^) 
Im  5.  Jahrhundert  ist  hier  die  Kornkammer,  zu  der  Rom  bei  Mis- 
wachs  und  Not  seine  Zuflucht  nimmt.")  Die  Küste  ist  mit  präch- 
tigem Hochwald  bestanden  (I  432),  wo  das  Wildschwein  gejagt  wird^) 
und  der  Räuber  ein  Versteck  findet:  in  alten  wie  in  neuen  Tagen. 9) 
Die  Strandseen  der  Lago  di  Fogliano  L.  dei  Monaci  L.  di  Capro- 
lace  L.  di  Paola  dienen  als  Fischleiche,  die  Zucht  wird  mit  jener 
verfeinerten  Sorgfalt  betrieben  die  romische  Gutswirtschaft  aus- 
zeichnet, i*^)  Die  Republik  hat  zu  wiederholten  Malen  umfassende 
Ansiedlungen  im  pomptinischen  Gebiet  vorgenommen.  Der  Nieder- 
gang der  Bauerschaft,  die  Verwandlung  von  Korn-  in  Weideland 
hat    die    Ausbreitung    von    Sumpf    und    Fieber    befördert    (I  416). 


1)  CIL.  X  1  p.  652. 

2)  Prodigien  Liv.  XXX  38  XXXII  1.  9. 

3)  Sueton  1.  6.  94  Dio  XLV  1. 

4)  CIL.  X  1,6565. 

5)  Plin.  VIII  140  XII  10  XIV  65. 

6)  Nicolai,  De    bonificamenli  delle  terre  Pontine,  Roma  1800,   De  Prony, 
Description  des  marais  Pontlns,  Paris  1823. 

7)  Liv.  II  34  IV  25  VI  5.  21  Dion.  H.  IV  50  V  26  VI  29  Vü  2. 

8)  Pol.  XXXI  22  XXXII  15,8. 

9)  Juvenal  3,307. 

10)  Elter  Bull,  dell'  Inst.  1884  p.  73  fg. 


634  Kapitel  XF,    Neu  Latium. 

Aber  wie  wenig  der  heutige  Mafsstab  auf  die  Kaiserzeil  zutrifft, 
lehren  Anlagen  wie  die  grofsen  Villen  am  Lago  di  Fogliano  und 
Lago  di  Paola.i)  Gegenwärtig  ist  das  Land  von  Anfang  Juni  bis 
Ende  November  menschenleer;  ehedem  waren  eine  ganze  Reihe  von 
Orten  im  Sommer  bewohnbar.  Immerhin  ist  die  Luft  dieser  Nie- 
derungen auch  in  den  besten  Zeiten  keine  gute  gewesen  2)  und  hat 
die  dichte  Besiedlung  die  gesunden  Gegenden  eignet,  ausgeschlossen. 
Vielmehr  suchen  die  Städte  denen  die  Ausbeulung  der  Ebene  zu- 
fällt, die  Höhe  auf,  um  sich  nicht  so  sehr  gegen  feindlichen  An- 
griff als  gegen  das  Fieber  zu  schützen.  Der  ganze  Landstrich  hat 
von  dem  Volk  der  Pomptini  oder  Pometini  seinen  Namen  erhalten.-^) 
Die  Hauptstadt  Siiessa  Pometia,  auch  wol  nur  mit  letzterem  Namen 
bezeichnet*),  scheint  zwischen  Velletri  und  Cisterna  (77  m)  wo  das 
Land  sich  allmälich  gegen  die  Niederung  abdacht,  gesucht  werden 
zu  müssen. 5)  Sie  gilt  der  Ueberheferung  als  sehr  reich,  ist  aber 
von  Tarquinius  Superbus,  sodann  495  zerstört  worden  und  seitdem 
verschollen. 6)  Da  die  Pometiner  zu  den  Stiftern  des  Heihgtums  von 
Nemi  gehören  (S.  558),  kann  an  ihrem  lalinischen  Volkstum  nicht 
gezweifelt  werden.')  Das  Vordringen  der  Volsker  um  500  —  Po- 
metia fehlt  im  Verzeichnils  der  Bundesgenossen  von  499  —  hat 
die  Einsicht  in  den  wirklichen  Sachverhalt  verdunkelt:  die  jüngerrn 
AnnaUsten  schreiben  diesem  Stamm  einen  Besitzstand  als  ursprüng- 
lich vorhanden  zu  der  erst  nach  Vertreibung  der  Könige  erreicht 
wurde.8)  Die  Erinnerung  an  die  Gemeinde  blieb  an  ihrer  Feldflur 
haften;  die  Römer  übertrugen  den  Namen  auf  die  358  errichtete 
tribus  Pomptina,  zu  der  nachmals  Setia  und  Circei  geschlagen  wur- 
den 9),  und  dehnten  ihn  folgerichtig  auch  auf  die  untere  Niederung, 


1)  Eiter  Bull,  dell'  Inst.  1884  p.  56  fg. 

2)  Gic.  de  Or.  II  290  tamquam  in  Pomptinum  diverleris  neque  amoenum 
neque  salubrem  locum  vgl.  ad  Fam.  VII  18,  3  ad  Att.  VII  5,3. 

3)  Die  Gleichheit  beider  Formen  bezeugt  Fest.  232  M.  Pometinus  Gato  Or. 
II  21  Jordan  Fabius  bei  Liv.  I  55;  die  Griechen  ncofievrlvoe. 

4)  Liv.  1116.  17.  22.  25  Plin.  111  68  Diod.  VII  3a;  Pomelii  Verg.  Aen.  VI  775. 

5)  Wie  aus  Dion.  H.  VI  29  Liv.  II  16  und  der  Theilnahme  an  der  Stiftung 
von  Nemi  hervorgeht. 

6)  Gic.    Rep.   II  44   Li  vi   I  53.  55  II  17   Dion.  H.  IV  50  VI  29   Plin.  III  68 
VII  69  Tac.  Bist.  III  72  Strab.  V  231. 

7)  Gato  Or.  II  21   Verg.  VI  775  Diod.  VII  3  a  Liv.  II  16. 

8)  So  Liv.  Dion.  H.  Strab.,  ersterer  II  16  mit  Schwankungen. 

9)  Liv,  VI  5.  6,  21  VII  15  Fest.  232  M. 


§  1.     Die  Volsker  Mark.  635 

das  Gebiet  der  318  errichteten  tribus  Oufentina  mit  Privernum  und 
Tarracina  aus.^) 

Der  Dünengürtel  der  die  Niederung  einschliefst,  ist  9 — 10  km 
breit  und  20 — 40  m  hoch.  Aber  die  Sandhügel  umfassen  aufser 
den  oben  namhaft  gemachten  Seen  ein  paar  Dutzend  Teiche  und 
Tümpel  die  zur  Verschlechterung  der  Luft  das  Ihre  beitragen.  In 
dem  weiten  Waldrevier  war  für  eine  Stadt  kein  Platz;  dazu  hatte 
die  Natur  den  mons  Circaeus  oder  pronwnturinm  Circaeum  bestimmt. 2) 
Dies  Vorgebirge  von  West  nach  Ostsüdost  5  km  streichend  steigt 
im  Westen  bis  541  m;  den  Umfang  beziffert  Theophrast  ziemlich 
richtig  auf  80  Stadien.  Es  gehört  einer  älteren  geologischen  Bildung 
an  (I  222),  ist  nach  einer  richtigen  Beobachtung  der  Alten  ehedem 
eine  Insel  gewesen  die  nachträglich  durch  Anschwemmung  mit  dem 
Festland  verbunden  wurde.  3)  In  der  Küste  macht  dieser  Bergstock 
einen  Abschnitt,  indem  er  den  mittelitalischen  Busen  der  nach 
Norden  von  dem  200  km  entfernten  Argentaro  begrenzt  wird,  ab- 
schlielst.  Nunmehr  biegt  die  Rüste  nach  Osten  um,  und  hebt  jene 
engere  Verbindung  zwischen  Land  und  Meer  an  die  einen  Vorzug 
Campaniens  gegenüber  Latium  bedeutet.  In  geologischer  Hinsicht 
erhält  die  Insel  der  Kirke  bei  120  km  Abstand  ihr  Gegenstück  in 
Capri,  geographisch  betrachtet  in  den  phlegraeischen  Vulkanen. 
Zwischen  beiden  Endpuncten  wölbt  sich  der  aurunkisch- campa- 
nische Busen  mit  einer  Sehne  von  90  km:  die  pontinischen  Inseln 
sind  ihm  vorgelagert,  auf  dem  Scheitel  mündet  der  Liris  aus.  Die 
in  Kyme  und  Aenaria  wohnenden  Hellenen  benannten  naturgemäfs 
den  Nordwestwind  Kig/Jag*);  der  Name  erlangte  in  der  Folge 
weitere  Verbreitung  und  blieb  namentlich  am  Mistral  hängen  (I  384). 
Wie  sie  aber  mit  ihrem  poetischen  Gewissen  sich  abfanden  als  sie 

VfjaOV    TijV    TtBQi    TtÖVTOg    dftBlQBTOg    eOXECpdVMTaL' 

ttVXYi   dfi  yß-aixa'KYi  Y.el'ta.t'  '/.ciTtvbv  d^ivl  f-UGOrj 
eÖQay.ov  6(p-9^alfj.otOL  did  ÖQVfxd  Ttvy.vd  y.al  v).vv 


1)  Liv.  IX  20  Fest.  194  xM.  Dion.  H.  II  49  Plin.  III  59. 

2)  Verg.  Aen.  VII  799  Sil.  It.  VIII  390;  to  KiQxaXov  oder  Ki^xaiov  Sky- 
lax  8  Theophrast  h.  pl.  V  8,3  Pol.  XXXI  22,2  23,2  Diod.  IV  45,5  Slrab.  I  23 
V  231.   32;  Kipxaiov  axgov  Ptol.  111  1,5. 

3)  Freilich  nicht  in  historischer  Zeit,  wie  I  4  im  Anschlufs  an  Plin.  III  58 
(vgl.  Theophr.  h.  pl.  V  8,3  Varro  bei  Serv.  V.  Aen.  III  386  Prokop  b.  Goth. 
I  11)  als  möglich  hingestellt  wurde. 

4)  Ausdrücklich  bezeugt  Aristoteles  de  signis;  überliefert  ist  KiQxas. 


636  Kapilel  XI.     Neu  Latium. 

in  diesem  hochragenden  Cap  erbHckten,  ist  schwer  zu  sagen  i):  es 
sei  denn  dafs  die  Furcht  vor  den  Bewohnern  jede  Annäherung 
untersagte. 2)  Bereits  Hesiod  kennt  die  Verbindung  der  Kirke  mit 
Latium  (I  5);  im  4.  Jahrhundert  v.  Chr.  wurde  Elpenors  Grab  von 
den  Eingebornen  gezeigt,  später  auch  die  Trinkschale  des  Odysseus.3) 
In  römischer  Zeit  genofs  Kirke  gütUicher  Ehren  und  halte  einen 
TempeH);  man  will  ihn  in  den  Trümmern  auf  der  höchsten  Spitze 
wieder  finden.  So  alt  nun  auch  die  durch  Namensähnlichkeit  ver- 
anlal'ste  Anknüpfung  der  Fabel  an  diesen  Ort  sein  mag,  wird  doch 
um  deswegen  ihr  Ursprung  anderswo  zu  suchen  sein,  weil  in 
besserer  Schrift  den  Römern  die  Stadt  Cercei,  der  Wind  Cercius 
hiefs.5)  —  Die  Stadt  lag  etwa  300  m  hoch  an  der  Nordseite:  an- 
sehnliche Polygonalmanern  sind  noch  vorhanden  (Cittadella  vecchia). 
Als  Hafen  diente  der  4  km  westlich  entfernte  Strandsee  Lago  di 
Paola.6)  Die  Herrschaft  über  die  zu  ihren  Fufsen  ausgebreitete 
Ebene  hing  vom  Besitz  dieser  Stadt  ab.  Den  römischen  Königen 
unterthänig,  499  Mitglied  des  latinischen  Bundes,  wird  sie  488  von 
den  Volskern  gewonnen,  393  zurück  erobert Jj  Wenn  die  Reisekarte 
an  der  Küstenstrafse  12  Millien  von  Circei  eine  Station  ad  Turres 
albas,  4  Millien  östlich  eine  zweite  ad  Turres  aufführt,  so  mögen 
die  Namen  von  Grenzbefestigungen  gegen  Antium  und  Tarracina 
herrühren,  aus  einer  Zeit  als  das  Schicksal  dieser  Stadt  hin  und 
her  schwankte.  Das  Streben  nach  Selbständigkeit  verleugnet  Circei 
nicht,  ein  Bürger  von  hier  steht  im  kritischen  Jahr  340  an  der 
Spitze  des  lalinischen  Bundes.^)  Indessen  hat  es  keinen  hervor- 
ragenden   Antheil  am    Kriege    genommen    und    seine   Stellung   als 


1)  Hom.  Od.  X  195.  Der  Bildung  seiner  Zeit  gemäfs  bezeichnet  Apoll. 
Rhod.  III  312  ay.xi]v  r^nei^ov  Tv^ar^viSos  als  Sitz  der  Kirke. 

2)  Verg.  Aen.  VII  10  fg. 

3)  Skylax  8  Theophr.  h.  pl.  V  8,3  Sliab.  V  232  (Arist.)  Mirab.  78  Plin. 
XV  119. 

4)  Gic.  de  deorum  nat.  III  48  Strab.  a.  0. 

5)  Mommsen  CIL.  X  1  p.  635;  vielleicht  wie  Ardea  nach  einem  Wasser- 
vogel (cerceris  Varro  LL.  V  79  vgl.  xiqxos)  benannt.  In  der  Kaiserzeit  dringt 
die  griechische  Form  durch. 

6)  Holste  zu  It.  ant.  1002,29.  Auf  eine  Reinigung  des  leicht  versanden- 
den Ausflufskanals  scheint  CIL.  X  1,6428  sich  zu  beziehen. 

7)  Pol.  III  22,11  24,16  Liv.  I  56  II  39  Dion.  H.  IV  63  V  61  VIII  14  Flut. 
Cor.  28  Diod.  XIV  102. 

8)  Liv.  VI  12.  13.  17.  21   VIII  3. 


§  1.     Die  Volsker  Mark.  637 

launische  Colonie  bis  zur  Verleihung  des  Bürgerrechts  90  v.  Chr. 
bewahrt.')  Der  GroCsgrundbesitz  wog  bereits  um  200  v.  Chr.  vor2), 
Gartenbau  und  Austernzucht  blühen  3),  prächtige  Landhäuser  ent- 
stehen, darunter  ein  kaiserHches.4)  Das  Städtchen  besafs  ein  Am- 
phitheater &),  verdankte  übrigens  der  Zauberin,  deren  Namen  es 
trug,  seinen  Nachruhm.  6) 

Das  Dünenland  wird  durch  den  Fiume  Sisto  gegen  die  Nie- 
derung abgrenzt:  dieser  Canal  leitet  die  Abflüsse  des  nördlichen 
Abschnitts  Fiume  Teppia  und  Ninfa  die  im  Altertum  unterhalb  Astura 
nach  Westen  mündeten  (S.  630),  gen  Süden  in  den  Golf  von  Tar- 
racina.  In  der  Absicht  die  kürzeste  Linie  nach  Capua  einzuhalten 
ist  die  Via  Appia  mit  ungeheuren  Kosten  ')  für  Aufschüttungen 
Gräben  Brücken  schnurgerade  durch  die  Sümpfe  geführt  worden. 
Die  Anlage  von  312  machte,  wie  bemerkt  (1327),  mehrfache  Er- 
neuerungen nötig:  Meilensteine  der  Kaiser  Vespasian  Nerva  Traiau 
Caracalla  Diocletian  Maxentius  Constantin  Jovian  Theodosius  be- 
zeugen die  öffentliche  Fürsorge,  der  grofsen  Herstellungsarbeiten  zu 
geschweigen.s)  Am  Fufs  von  Lanuvium  (S.  592  A.  9)  hat  die  Via 
Appia  ungefähr  300  m  Meereshohe  und  fällt  allmähch  200  m  bis 
zur  nächsten  Station  ad  Sponsas,  die  30  Mühen  von  Rom  unweit 
des  mittelalterlichen  Cisterna  (77  m)  zu  suchen  ist, 9)  —  Den  In- 
schriften zufolge  hat  Ulubrae  zwischen  Cisterna  und  Sermoneta  in 
der  Niederung  gelegen.  Die  zur  pomptinischen  Tribus  gehörende 
Stadt  ist  wegen  ihrer  Verlassenheit  sprichwörthch  lOj,  bewahrt  ihre 
Verfassung  aber  noch  im  2.  Jahrhundert  n.  Chr.n)  —  Bei  der  Sta- 
tion Tres  Tabernae  33  Milben  von  Rom  hat  die  Strafse  noch  48  m 
Höhe.  12)    Sie  wird  hier  von  einer  anderen  gekreuzt  die  von  Antium 


1)  Liv.  XXVII  9  XXIX  15  Cic.  Fin.  IV  7. 

2)  Liv.  XXXII  26  CIL.  X  1,6838. 

3)  Plin.  XIX  134  XXXII  60.  62.  63  Hör.  Sat.  II  4,33  Juvenal  4,140. 

4)  Cic.  ad  Att.  XII  19,1  XV  10  Suet.  Aug.  16  IIb.  72  Martial  V  1,5  XI  7,4. 

5)  CIL.  X  1,6429  Suet.  Tib.  72. 


6) 

Plin. 

XXV  11. 

T) 

Diod, 

.  XX  36. 

8) 

CIL. 

X  l  p.  683  fg. 

9) 

It.  H 

ier.  612  Nibby  P 

463. 

10) 

Cic. 

ad  Fam.  VII  12.2 

18,3 

Hör. 

Ep. 

I  11,30 

Juvenal 

10,102, 

11) 

Plin. 

III  64  Feldm.  23^ 

>  CIL, 

.  X 

1   p. 

642. 

12)  Cic.  ad  Att.   I  13,1   H  10.  12,2    13,1   Apostelgesch.   28,15   lt.   Ant.    107 
Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34  Zosim.  II  10,2  Aur.  V.  ep.  55. 


638  Kapitel  XI.  Neu  Latium. 

(20  Millien)  über  Satricum  herkommt  und  sich  nach  Norba  fort- 
setzt. Der  Verkehr  hat  eine  Ortschaft  ins  Leben  gerufen  die  Bi- 
schofsitz war  und  wegen  ihrer  Verödung  592  mit  Vellelri  vereinigt 
werden  mufste.*)  —  Bei  Tripontium  Tone  Tre  Ponli  39  Millien 
von  Rom  beträgt  die  Meereshöhe  noch  10  m.2)  Statt  der  ehe- 
mahgen  drei  Brücken  genügt  jetzt  eine,  weil  Treppia  Ninfa  und 
andere  Bäche  in  einem  gemeinsamen  Bette  vereinigt  sind.  Am  Aus- 
gang des  Altertums  waren  die  Flüsse  unbotmäfsig  geworden,  man 
rechnete  von  hier  ab  den  Beginn  der  Sümpfe.^)  Dem  entsprechend 
wurde  bei  der  Erneuerung  der  Via  Appia  der  Abzugscanal  der  fortan 
an  ihrer  Rechten  herläuft  (Linea  Pia),  von  Tre  Ponti  aus  gegraben. 
Der  Canal  wird  jede  Millie  von  einem  Quergraben  rechtwinklig  ge- 
schnitten: da  der  42.  und  46.  römische  Meilenstein  noch  aufrecht 
standen  und  annähernd  genau  als  Mafs  der  Millie  658,5  Canne 
Romane  oder  1471  m  ergaben,  so  haben  die  päpstlichen  Ingenieure 
ihren  antiken  Vorgängern  eine  verdiente  Huldigung  dargebracht, 
indem  sie  an  denjenigen  Puncten  ihre  Gräben  zogen,  wo  allemal 
ein  alter  Meilenstein  gestanden  haben  mufs.  Wenn  daher  die  heu- 
tige Karte  den  Beschauer  an  die  Thätigkeit  der  Agrimensoren  er- 
innert, so  entfaltet  sie  in  Wahrheit  ein  Bild  aus  dem  18.  Jahr- 
hundert. Allerdings  hatte  die  Linea  Pia  ihren  Vorläufer.  —  Eine 
Tagereise  von  Rom  am  43.  Meilenstein  bezeichnet  Forum  Appi  (7  m) 
differtum  nautis  cauponibus  atque  malignis  den  eigentlichen  Eingang 
der  Sümpfe.4)  Der  312  gegründete  und  in  der  Clientel  der  Clau- 
dier  verbliebene  Markt  hatte  Stadtrecht. 5)  Mit  der  zunehmenden 
Versumpfung  ging  er  ein  und  war  im  6.  Jahrhundert  n.  Chr.  durch 
Regeta  am  40.  Meilenstein  ersetzt. 6)  Ein  halbes  Jahrtausend  lang 
kann  es  ihm  an  Leben  nicht  gefehlt  haben ;  denn  hier  war 
der  Ort  wo,  ähnlich  wie  am  unteren  Po  (I  200)  oder  im  heutigen 
Holland  (l  327),  die  leistungsfähigere  Wasserstrafse  mit  der  Land- 
strafse  in  Wettbewerb  trat.  Dies  war  für  die  nächsten  19  Millien 
bis  Tarracina  der  Fall :  die  Strecke  hiefs  Deceimovium  und  wird  als 


1)  Gregor  M.  Reg.  11  48. 

2)  CIL.  X  1,6824.  50  Strab.  V  237  hält  es  irrig  für  eine  Stadt. 

3)  CIL.  X  1,6850. 

4)  Cic.  ad  Att.  11  10   Hör.  Sat.  I  5,3   Plin.  XIV  61   Apostelgesch.  28,15  lt. 
Ant.  107    Hieros.  611   Geogr.  Rav.  IV  34   Vib.  Seq.  154   Riese  CIL.  X  1,6824. 

5)  Suet.  Tib.  2  Plin.  III  64. 

6)  Prokop  b.  Goth.  I  11. 


§  l.     Die  Volsker  Mark.  639 

selbständiges  Ganzes  behandelt,  derart  dafs  die  Meilensteine  neben 
der  von  Rom  ab  laufenden  Bezifferung  zur  Bequemlichkeit  der 
Reisenden  noch  besonders  die  Entfernung  von  Forum  Appi  angeben. i) 
So  geschieht  es  bereits  auf  einem  Stein  aus  der  Mitte  des  3.  Jahr- 
hunderts V.  Chr. 2)  Es  liegt  aber  auf  der  Hand  dafs  Strafse  und 
Canal  gleichzeitig  entstanden  sind;  denn  ohne  die  eine  hat  die 
andere  Anlage  keinen  Sinn.  Wie  in  der  Kaiserzeit  der  Name  einer 
Strafse  mehrfach  auf  die  anstofsende  Landschaft  übergeht,  so  be- 
zeichnet man  um  500  n.  Chr.  das  ganze  Gebiet  von  Tripontium  bis 
Tarracina  als  Decennovium  3)  und  redet  nicht  mehr  von  pomptini- 
schen  Sumpfen. 4)  Der  rivtis  Decennovius  wird  vom  Flufs  la  Cavata 
gespeist. 5)  Er  hat  in  seiner  oberen  Hälfte  bis  mittwegs  zur  Station 
ad  Medias  Posta  la  Mesa  (2,37  m)  6)  eine  leidliche  Neigung  (1  :  3000), 
in  der  unteren  um  so  weniger.  Ob  im  Altertum  ein  Abzugscanal 
an  den  Dünen  hin  dem  Fiume  Sisto  entsprechend  gezogen  war, 
wissen  wir  nicht.  An  der  linken  Seite  haben  die  Gebirgsbäche  den 
Römern  viel  zu  schaffen  gemacht.  Sie  betrachten  den  bei  Setia 
entspringenden  Ufens,  in  älterer  Schreibung  Oufens  üffente,  weil 
die  318  errichtete  Tribus  nach  ihm  heifst,  als  Hauptflufs,")  Be- 
deutend länger  (gegen  50  km)  ist  der  an  Privernum  vorbeifliefsende 
Amasenus  Amaseno.*)  Ob  sich  beide  ehedem  wie  jetzt  am  55.  Meilen- 
stein vereinigten,  ist  zweifelhaft;  das  jetzige  Bett  ist  künstlich.  Am 
55.  Meilenstein  liegt  das  berüchtigte  Pantano  dell'  Inferno  die 
Saturae  atra  palns  die  Silius  als  Nachahmer  Vergils  mit  den  Worten 
schildert  9): 

et  qiios  pestifera  Pomptini  uligine  campi, 
qua  Saturae  nebulosa  palus  restagnat  et  atro 
liventis  coeno  per  squalida  turbidus  arva 
cogit  aquas  Ufens  atque  inficit  aequora  limo, 
ducit  .  .  . 


1)  CIL.  X  1  p.  684.  2)  CIL.  X  2  p.  1019. 

.3)  C'L.  X  1,  p.  690  Cassiod.  Var.  II  32.  33. 

4)  Erwähnungen  aus  der  Kaiserzeit  Lucan  III  85  Martial  X  74,10  Tac.  Ann. 
XV  42,  zuletzt  Dio  an  den  I  327  angef.  Stellen. 

5)  Prokop.  b.  Goth.  111.  6)  It.  Hieros.  611. 

7)  Fest.  194  M.  Strab.  V  233  Vib.  Seq.  152  Riese  Claudian  1,257  tarda- 
ius  suis  erroribus.  Inschriftlich  lautet  die  Tribus  meist  Ouf.,  dann  Off.  Of.,  ver- 
einzelt Uf.  —  Plin.  III  59  ßumen  Aufenlum  scheint  verschrieben. 

8)  Verg.  Aen.  VII  685  XI  547  m.  Schol.  Vib.  Seq.  146  R. 

9)  Verg.  Aen.  Vil  801  Sil.  It.  VIII  379. 


640  Kapitel  XI.     Neu  Latium. 

Wenn  man  dtMi  Spuren  der  Alten  im  Einzelnen  nachgeht  und  dann 
zusammen ra>send  erwägt  was  sie  im  Kampf  mit  Wasser  und  Fieher 
aus  diesem  grofsen  Marschland  gemacht  haben  (I  327),  wird  ihnen 
gebührende  Anerkennung  nicht  versagt  werden.  Sodann  aber,  wie 
die  Karle  des  Näheren  zeigt,  sind  eine  Reihe  von  Stellen  der  Feld- 
flur von  Setia  Privernum  und  Tarracina  so  tief  eingesunken  dafs 
ohne  Dampfkraft  und  moderne  Technik  ihre  Entsumpfung  aufser- 
halb  des  Bereichs  der  Möglichkeit  lag. 

Als  letzte  Canalstation  wird  Feronia  genannt,  ein  angesehenes 
Heiligtum  mit  mächtiger  Quelle  am  Fufs  des  M.  Leano  3  MiUien 
von  Terracina.^)  Der  Punct  ist  militärisch  wichtig.  Der  vom  Ama- 
seno  umflossene  Gebirgsstock  läuft  in  zwei  Rücken  gegen  das  Meer 
hin  aus:  im  M.  Leano  (676  m)  dessen  äufserste  Spitze  (481  m)  3  km 
von  der  Küste  entfernt  ist,  sowie  im  M.  Giusto  (670  m)  der  zuletzt  M. 
S.  Angelo  geheifsen  (228  m)  unmittelbar  ins  Meer  abfällt  und  die 
Stadt  trägt.  Die  beiden  Berge  umschHefsen  ein  Thal  mit  450  ha 
Gartenland  in  gesunder  Lage  (15  m),  dessen  von  den  Alten  be- 
schriebene Vermessung  noch  in  den  Grundzügen  erkennbar  ist. 2) 
Der  von  Norden  her  anrückende  Angreifer  schlug  naturgemäfs  am 
Heiligtum  der  Feronia  sein  Lager  auf.^)  Deshalb  wollten  die  Opti- 
niaten  49  v.  Chr.  Stadt  und  Heiligtum  durch  Thürme  mit  einander 
verbinden  4):  damit  wäre  eine  grofse  Verschanzung  geschaffen  worden 
deren  Graben  der  Canal  darstellte.  In  den  gewöhnlichen  Kriegs- 
läuften  hat  die  Stadt  ohne  derartige  Vorwerke  zur  Sperrung  der 
Via  Appia  ausgereicht.  Sie  heifst  volskisch  Anxur  oder  vulgär 
Axur^),  lateinisch  Tarracina  oder  Tarricina.^)  Treffend  wird  die 
Lage  mit  den  W^orten  wr&s  ^rona  m  pfl^wdes  gekennzeichnet.'')  An- 
xur vom  Strand   1/2  km    entfernt  schaut  nach   der  Niederung.     Mit 


1)  Hor.  Sat.  I  5,24  mit  Schol.  Geogr.  Rav.  IV  34;  Veig.  Aen.  VII  800  mit 
Scliol.  und  zu  VIII  5G4  Vib.  Seq.  t53  R.  Dion.  H.  II  49  Preller  Mytli.  F  267.  429. 

2)  Feldm.  179.  238  (fig.  153).  —  M.  R.  de  la  Blanchere,  Terracine,  essai 
d'histoire  locale,  Paris  1884. 

3)  Tac.  Hist.  111  76. 

4)  Plin.  II  146  (nach  Detlefsen)  Caes.  b.  civ.  I  24  Cic.  ad  Att.  VI»  llb,l. 

5)  Fest.  22  M.  Liv.  IV  59  Diod.  XIV  Xf," Av^coq ;  in  den  Handschriften  oft 
Anxyr  so  auch  Serv.  V.  Aen.  VII  799;  neutral  Hor.  Sat.  I  5,26,  männlich  Mar- 
lial  V  1,6  VI  42,6  X  51,8;  Axur  Feldm.  179  und  Inschriften  CIL.  X  1  p.  623. 

6)  Letzteres  auf  Inschriften  vorwiegend;  der  Plural  Tarrachiae  Liv.  IV  59 
Appian  b.  civ.  III  12  Ptol.  III  1,5  Athen.  VI  224c. 

7)  Liv.  IV  59  V  13. 


§  1.    Die  Volsker  Mark.  641 

einem  Umfang  von  1  V2  Um  (gegen  600  m  lang  200  m  breit)  klettert 
es  an  Praeneste  erinnernd  am  M.  Teodorico  oder  S.  Angelo  in  die 
Hohe.  Unterhalb  des  Gipfels  (228  m)  ragen  mächtige  Unterbauten 
die  vom  Volksmund  einem  Palast  Konig  Theoderichs  beigelegt 
wurden,  in  Wirklichkeit  einem  Tempel  angehören:  ob  der  Inhaber 
Venus  oder  vielmehr  Juppiter  Anxur  hiefs,  steht  dahin.^)  Die  Via 
Appia  durchmafs  die  Stadt  und  mufste  das  steile  V'orgebirge  über- 
schreiten, bevor  am  64.  Meilenstein  die  Kiistenebene  von  Fundi  er- 
reicht wurde.  Der  Schweifs  den  der  Weg  einem  gelehrten  Mann 
kostete,  wird  den  Einfall  erzeugt  haben  dafs  der  Stadtname  eigent- 
lich Trachas  oder  Trachine  lauten  müfste.2)  An  vielen  Stellen  sind 
die  Stutzmauern  der  Strafse  noch  vorhanden. 3)  Man  ist  aber  zeitig 
darauf  bedacht  gewesen  die  lästige  Steigung  zu  vermindern.  Schon 
184  V.  Chr.  wurde  der  Versuch  gemacht  das  Vorgebirge  durch  einen 
etwa  100  Schritt  langen  ins  Meer  geschütteten  Damm  zu  umgehen. 4) 
Die  umgangene  Felsnadel  heifst  gegenwärtig  Pesco  Montano,  im 
Altertum  ad  Neptmiias  aquas  von  den  hervorbrechenden  Quellen: 
sie  enthalten  Schwefel  Eisen,  eine  auch  Arsen;  letztere  ist  von  den 
Alten  und  wieder  1839  aus  Vorsicht  verschüttet  worden.^)  Die 
Quellen  ziehen  sich  ein  paar  Millien  am  Ufer  hin  und  wurden  nach 
Ausweis  der  Ruinen  von  Badegästen  viel  besucht. 6)  In  der  ersten 
Kaiserzeit  wurde  die  Via  Appia  endgiltig  ans  Meer  gelegt.  Da  der 
jilte  Damm  entweder  überhaupt  nur  auf  Fufsgänger  berechnet  oder 
durch  die  Brandung  und  herabstürzendes  Gestein  zerstört  war,  unter- 
nahm sei  es  Auguslus  sei  es  einer  seiner  Nachfolger  auf  einer 
Strecke  von  2  Millien  eine  ebene  Strafse  aus  dem  Felsen  aushauen 
zu  lassen.  Die  von  10  zu  10'  über  einander  angebrachten  Marken 
zeigen  dafs  am  Pesco  Monlano  eine  senkrechte  Wand  von  125' 
Höhe  abgetragen  worden  ist.")  Wenn  man  berechnet  dafs  hier 
allein  40000  cbm  Gestein  mit  dem  Schlägel  abgesprengt  werden 
mufsten,  wozu  in  der  Folge  noch  mindere  Leistungen  hinzu  kommen, 
wird   man   die   Anerkennung   verstehen   die    neuere  Techniker   der 


1)  Millh.  d.  Inst.  1895  p.  86  Preller,  Mytli.  P  267. 

2)  Ovid  Met.  XV  717  Sliab.  V  233. 

3)  Westphal  p.  62. 

4)  Westphal  p.  65. 

5)  Liv.  XXXIX  44  XL  51  Vitruv.  VIII  3,15. 

6)  Martial  V  1,6  VI  42,6  X  51,7. 

7)  CiL.  X  1,6849. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.    II.  'il 


642  Kapitel  XI.     Neu  Latiuro. 

Arbeit  gezollt  haben.  Die  Via  Appia  landeinwärts  gewandt,  wird 
bis  zum  68.  Meilenstein  auf  der  einen  Seite  vom  Gebirge,  auf  der 
anderen  vom  Lago  di  Fondi  und  dessen  Abflufs  (Fosso  di  Canneto) 
eingefafst.  Der  Pafs,  in  der  Neuzeit  an  drei  Stellen  durch  Thore  ge- 
sperrt und  die  politische  Grenze  zwischen  dem  Kirchenstaat  und  dem 
Königreich  Neapel  bildend,  heifst  in  der  Kriegsgeschichte  ad  Lau- 
/j//as, vermittelt  denThermopylen  vergleichbar  den  Uebergang  von  Süd- 
nach  Miltelilalien  und  erlebte  315  v.  Chr.  einen  blutigen  Sieg  der 
Samniten  über  Rom. 9  In  diesem  Pafs  mufs  ein  von  Süden  kommen- 
der Angriff  abgewehrt  werden;  denn  läfst  man  den  Feind  die  Höhe 
des  M.  S.  Angelo  gewinnen,  so  wird  die  Stadt  unhaltbar  und  der 
Weg  nach  Rom  frei. 2)  Dergestalt  erscheint  Anxur  als  Ausfallsthor 
in  den  Händen  der  Volsker,  als  Hauptstadt  der  pomptinischen 
Marsch,  was  es  jetzt  wieder  ist,  in  latinischem  Besitz  gegründet  zu 
sein.  Aber  über  seinen  Ursprung  schweigt  die  Ueberlieferung. 
Unter  römischer  Oberhoheit  509,  fehlt  es  im  Latinerbund  von  499, 
wird  von  den  Römern  406  erstürmt,  402  verloren,  400  zurück  er- 
obert, 397  von  den  Volskern  belagert,  endgiltig  329  durch  eine 
Bürgercolonie  gesichert.^)  Letztere  begegnet  in  den  Annalen  oft. 4) 
Die  Stadt  war  nicht  nur  ein  Knotenpunct  der  Via  Appia  und  Se- 
veriana  5),  sondern  besafs  seit  Allers  einen  jetzt  verlandeten  künst- 
lichen Hafen  dessen  Molen  einen  Ankergrund  bescheidener  Aus- 
dehnung (12  ha)  umschliefsen.^)  Mit  der  Monarchie  siedelt  sie  in 
die  Ebene  über,  ähnlich  wie  Pius  VI.  hier  die  Neustadt  erbaut  hat. 
Von  Duovirn  und  Senat  gelenkt,  erhält  sie  ein  neues  zierliches 
Forum  mit  einem  Tempel  des  Augustus  (der  heuligen  Kathedrale) 
als  Heiligtum,  ein  kleines  Amphitheater  und  aus  35  Millien  Absland 
hergeleitet  gutes  Trinkwasser.  Das  Vorgebirge  mit  seiner  südlichen 
Pflanzenwelt)  und  seiner  herrlichen  Aussicht  hatte  schon  um  200 


1)  Liv.  VII  39  IX  23  XXII  15  Diod.  XIX  72  Dion.  H.  XV  3. 

2)  Liv.  IV  59. 

3)  Pol.  III  22,11  24,16   Ennius   bei   Fest.  22    f^ulseuhis   perdidit   Anxvr 
Diod.  XIV  16  Liv.  IV  59  V  8.  13.  16  VIII  21   Vell.  I  14. 

4)  Liv.  XXII  15  XXIV  44  XXVII  4.  38  XXVIli  1 1  XXXVI  3  XL  45.  51  Obseq. 
12.  14.  24.  28  Tac.  Hist.  III  57.  76  IV  3  Vai.  Max.  VIII  1,13. 

5)  Cic.  de  Gr.  II  240  ad    Fam.  VII  23,3   ad   All.  VII  5,3  Hör.  Sat.  I  5,26 
Tac.  Ann.  III  2  It.  Ant.  107.  121.   122  Hieios.  611   Tab.  Pcut.  Mela  II  71, 

6)  Liv.  XXVII  4  Plut.  Mar.  36,1  Caes.  58,4  Tac.  Hist,  III  77  vita  Anton.  P,  8 
It,  mar.  515  CiL.  X  2,8399. 

7)  Plin.  XVI  138  XIV  34. 


§  1.    Die  Volsker  Mark.  643 

V.  Chr.  römische  AilHche  angezogen:  Galba  und  Domitian  besafsen 
daselbst  Landhäuser. i)  Die  Inschriften  und  die  vor  den  Aulagen 
Pius'  VI.  zahlreicher  als  jetzt  vorhandenen  Ruinen  erwecken  deu 
Eindruck  frühhchen  Gedeihens.  Die  zunehmende  Verödung  machte 
dem  ein  Ende,  aber  die  Verkehrslage  bewahrte  dem  Platz  sein  An- 
sehen: aus  der  Epoche  der  Gothenkriege  mögen  die  ausgedehnten 
Mauern  stammen  die  den  Gipfel  des  Vorgebirges  umspannen.^) 

Vor  dem  Bau  und  nach  dem  Verfall  der  Via  Appia  zog  sich 
der  grofse  Verkehr,  wie  gegenwärtig  wieder  die  Eisenbahn  thut, 
am  Fufs  des  Gebirges  hin  das  wir  mit  dem  Namen  der  Volsker 
bezeichnen ;  denn  ob  der  ein  einziges  Mal  erwähnte  mons  Lepinus 
auf  den  ganzen  Zug  ausgedehnt  werden  darf  uud  nicht  vielmehr 
auf  den  Rücken  bei  Signia  beschränkt  werden  mufs,  ist  recht 
zweifelhaft  (I  238).  Die  Städte  von  denen  aus  die  Niederung  be- 
stellt wurde,  nehmen  den  Abhang  iu  ansehnlicher  Höhe  ein.  Die 
nördlichste  unter  ihnen  ist  Coro  Cori,  12  Millieu  von  Velitrae,  8 
von  Signia,  10  von  Cisterna  an  der  Via  Appia  enlfernt.S)  Nach 
Südwest  der  Ebene  zugewandt  steigt  Cora  einen  Hügel  (397  m) 
hinan,  der  sich  aus  einer  Einbuchtung  des  Gebirges  abgesondert 
erhebt.  Zwei  Bäche  die  nachher  in  den  reifsenden  Teppia  münden, 
fassen  tief  eingeklüftet  den  Hügel  ein:  über  den  südlichen  vor  dem 
Thor  nach  Norba  wölbt  sich  der  Ponte  della  Catena  der  in  seiner 
Bauart  (drei  Lagen  TufTquadern)  an  den  Bogen  der  Cloaca  maxima 
am  Tiber  erinnert.  Die  natürliche  Festigkeit  ist  durch  mächtige 
Mauern  in  polygonalem  Stil  verstärkt  worden.  Ein  dreifacher 
Gürtel  bot  den  Feinden  Trotz.  In  der  Unterstadt  zunächst  führen 
grofse  Cisternen  die  Thatsaclie  vor  Augen  dafs  Cora  einst  wie  heute 
auf  Regenwasser  angewiesen  war. 4)  Die  Obersladt  birgt  noch  Ueber- 
reste  des  Tempels  der  in  sullanischer  Zeit  dem  Castor  und  PoUux 
geweiht  wurde.  EndHch  der  dritte  Ring  umschliefst  die  Burg  auf 
dem  Gipfel  mit  dem  Tempel  des  Stadtgoltes,  als  welcher  herkömm- 
lich aber  grundlos  Hercules  ausgegeben  wird.  Die  erhaltenen  be- 
deutenden Denkmäler  gehören  der  Republik  an.  Früh  hat  Cora 
allem  Anschein  nach  Anschlufs  an  den  campanischen  Handel  gesucht 


1)  Liv.  XL  51  Suet.  Galba  4  Martial  V  1,G  X  51,7  58,1. 

2)  Prokop  b.  Gotli.  I  11.  15  11  2.  4.  5  vgl.  Symmacli.  Ep.  II  3.  6  X  40  Cod. 
Theod.  XIV  6,3. 

3)  Nibby  1M87  Westphal  42  CIL.  X  1  p.  645. 

4)  CIL.  X  1,6526. 

41* 


644  Kapitel  XI.     Neu  Latium. 

und  um  300  v.  Chr.,  wenn  auch  in  beschränkter  Zahl,  Silber-  und 
Kupfermünzen  geschlagen  (S.  74).')  Die  Ueberlieferung  führt  seinen 
Ursprung  auf  Alba  longa  2)  oder  auf  griechische  Heroen,  sei  es  Dar- 
danosS),  sei  es  Koras  zurück.*)  Urkundlich  wird  es  unter  den 
Stiftern  des  engeren  (S.  558)  und  weiteren  (S.  560)  Latinerbundes 
aufgeführt.  Nach  den  Annalen  stand  zu  Konig  Tullus  Zeiten  einer 
seiner  Bürger  an  der  Spitze  des  Bundes. &)  Dann  ging  die  Stadt 
an  die  Volsker  verloren,  wurde  zurück  erobert,  erscheint  330  auf 
römischer  Seite.*^)  Municipium  heifst  sie  211  und  war  der  Tribus 
Papiria  zugetheilt."')  Nach  dem  hannibalischen  Kriege  wird  sie  ihrer 
Abgelegenheit  wegen  selten  erwähnt  S)  und  gilt  als  verödet  9):  nur 
ihre  Steinbrüche  hatten  Ruf.io)  Im  13.  Jahrhundert  erst  ward  sie 
neu  besiedelt. 

Verwandte  Schicksale  hat  die  5  Millien  weiter  südlich  gelegene 
Nachbarin  Norba  gehabt.  Der  Stadthügel  stürzt  mehr  als  400  m 
nach  der  Niederung  steil  ab  und  ist  auch  an  der  inneren  Hälfte 
seines  Umfangs  gegen  das  Gebirge  hin  leidlich  gedeckt.  Der  2^/2  km 
lange  Mauerring  bietet  ein  hervorragendes  Beispiel  der  älteren  Be- 
festigungskuiist:  man  sieht  ein  Thor,  mehrere  Thürme,  unterirdische 
Ausfallsgänge,  im  Inneren  Unterbauten  vielleicht  von  Tempeln,  alles 
in  polygonalem  Stil  mit  späteren  Ausbesserungen. i')  Norba  war  eine 
der  angesehenen  Latinerstädte  im  Bunde  von  499  ^'^)  und  erhielt 
492  zur  Beherrschung  des  pomptinischeu  Gebiets  eine  Colonie.i-*) 
Ob  diese  sich  der  Volsker  erwehrt  hat,  wissen  wir  nicht.  Doch 
taucht  sie  in  gleicher  Eigenschaft  342.  330  wieder  auf,  gehört  209 
zu  den   18  latinischen  Colonien  die  Rom  ihre  letzte  Kraft  zur  Ver- 


1)  Mommsen,  Münzweseii  210. 

2)  Verg.  Aen.  VI  775  Diod.  VII  3  a. 

3)  Plin.  tu  63  Solin  2,7. 

4)  Serv.  V.  Aen.  VII  670.  72  Solin  2,8. 

5)  bion.  ü.  III  34. 

6)  Liv.  II  16.  22  VIII  19  Piopeiz  V  10,26;  ein  Patricier  Coranus  Plin.  XI  244. 

7)  Liv.  XXVI  8. 

8)  Streb.  V  237  Sil.  It.  IV  220  VllI  378. 

9)  Lucan  VII  392  Symm.  Ep.  I  8  rustica. 

10)  Plin.  XXXVI  135. 

11)  Ann.  dell'  Inst,  1829  p.  3üfg.  und  Mon.  I  1  fg. 

12)  Dion.  H.  V  61  McoqeavöJv  nach  der  alphabetisclien  Folge  verbessert  in 
NcoQßavcäv, 

13)  Liv.  II  34  Dion.  H.  VII  13  Dio  fr.  18,4. 


§  1.    Die  Volsker  Mark.  645 

fügung  stellten,  dient  199  den  karthagischen  Geiseln  zum  Aufent- 
halt.^} Zum  Verderben  gereichte  Norba  seine  Festigkeit  im  sulla- 
nischen  Bürgerkrieg:  es  setzte  nach  der  Einnahme  f*raeneste's  den 
Widerstand  kräftig  fort,  ward  Ende  82  v.  Chr.  durch  Verrat  einge- 
nommen und  ging  in  Flammen  auf.2)  Seitdem  ist  die  Stätte  ver- 
lassen. Der  Forlbestand  der  Gemeinde  wird  durch  das  Verzeichnifs 
des  Angustus  verbürgt;  Inschriften  fehlen. 3)  Vermutlich  ist  sie  nach 
der  Ebene  übergesiedelt  und  wird  durch  das  mittelalterliche  Ninfa 
an  der  Quelle  des  Nymphaeus  dargestellt:  der  Flufs  kommt  aus 
einem  kleinen  See  mit  schwimmenden  Inseln  Saliares.*)  Die  Un- 
sicherheit hat  die  Bewohner  aus  diesem  Ort  verjagt  und  bewogen 
im  heutigen  Norma  unweit  der  alten  Stadt  den  Schutz  der  Hohe 
(472  m)  aufzusuchen.  —  In  dem  4  Millien  von  iNorba  entfernten 
Sermoneta  (257  m)  vermutet  Cluver  das  verschollene  altlatinische 
Sulmo;  Beweise  für  die  Annahme  fehlen.^) 

Von  Tripontium  (S.  638)  oder  bald  darauf  zweigt  eine  Strafse 
ab,  die  an  Setia  vorbei  über  Privernum  ins  Thal  des  Trerus  führt 
und  für  die  Reise  nach  Campanien  in  Betracht  kam  wenn  die  Via 
Appia  unter  Wasser  war.  Der  280  m  betragende  Aufstieg  nach 
Setia  Sezze  (319  m)  heifst  dem  Lucilius  opus  diinimJ)  Die  Stadt 
nahm  499  am  latinischen  Bunde  Theil,  traf  allem  Anschein  nach 
mit  den  vordringenden  Volskern  ein  Abkommen,  erbat  382  oder 
379  eine  Colonie.')  Als  Bundeshaupt  trat  einer  ihrer  Bürger  340 
für  die  Ansprüche  der  Latiner  in  die  Schranken;  im  übrigen  hat 
sie  die  Grenzwacht  gegen  die  volskischen  Bergstämme  gehalten  und 
den  Krieg  gegen  Rom  nicht  mitgemacht.*)  Sie  zählte  zu  den  12 
latinischeo  Colonien  die  209  versagten,  ward  198  durch  eine  Ver- 
schwörung africanischer  Sklaven  bedroht.^)  Endlich  wurde  sie  82 
V.  Chr.  von  Sulla  eingenommen  lO)  und  verschwindet  damit  aus  der 


1)  Liv.  VII  42  Vlil  1.  19  XXVII  10  XXXII  2.  26. 

2)  Appian  b.  civ.  I  94  Plin.  III  68. 

3)  Plin.  III  64  Snid.  CIL.  X  1  p.  642. 

4)  Plin.  II  209  überliefert  Saltares. 

5)  Plin.  III  68  Verg.  Aen.  X  517  Cluver  It.  ant.   1022. 

6)  Lucilius  bei  Gell.  N.  A.  XVI  9  (fr.  III  7  L.  Müller).  Der  Dichter  geht 
mit  einem  Umweg  von  36  Millien  (fr.  4)  nach  der  Latina,  um  den  Kot  der 
Appia  (fr.  6  omne  Her  hoc  labosum  atque  lutosum)  zu  vermeiden. 

7)  Dien.  H.  V  61  Vell.  I  14  Liv.  VI  30. 

8)  Liv.  VII  42  VIII  1.  3. 

9)  Liv.  XXVII  9  XXIX  15  XXXII  26.  10)  Appian  b.  civ.  I  87. 


646  Kapitel  XI.    Neu  Laliutn. 

Geschichte.  •)     Aber   seit   Augustus   erlangt  der  Wein   ihrer  Berge 
unter  den  Edelgevvächsen  Itahens  eine  der  obersten  Stellen  2); 

pendula  Pomptinos  qnae  spectat  Setia  campos 

exigua  vetulos  misit  ab  iirbe  cados. 
Setia  war  Municipium  mit  Quattuorvirn,  früher  Praetoren  genannt, 
an  der  Spitze. 3)  Reste  der  Ringmauer  und  anderer  Bauten  fallen 
durch  ihre  Rusticabehandlung  auf.  —  Jenseit  Setia  wird  das  Ge- 
birge durch  breite  Thäler  aufgelockert,  die  der  Amasenus  und  seine 
Zuflüsse  entwässern.  Bequeme  Zugänge  nach  dem  Trerus  hin 
werden  dadurch  eröffnet:  die  Strafse  nach  Frusino  hat  keine  höhere 
Steigung  als  253  m,  die  Strafse  nach  Fregellae  nur  155  m  zu  über- 
winden. Die  Thalschaft  giebt  den  Hauptsitz  ab  für  die  Privernates 
einen  volskischen  Stamm. 4)  Die  Ruinen  des  römischen  Privernum 
liegen  2  km  nördlich  vom  heutigen  Piperno  (150  m)  in  der  Ebene 
(36  m)  an  einer  Strafsenkreuzung  unweit  des  Amasenus.^)  Das 
Beiwort  hoch  das  ein  Dichter  dem  Namen  giebt,  schickt  sich  nicht 
für  diesen  Ort.^)  Ebenso  wenig  kann  nach  den  wirtschaftlichen 
Zuständen  und  der  Kriegführung  älterer  Jahrhunderte  erwartet 
werden  dafs  ein  unabhängiges  Bergvolk  eine  derartige  Hauptstadt 
sich  geschaffen  habe.  Für  den  bäuerlichen  Charakter  des  Gemein- 
wesens zeugt  die  Thatsache  dafs  ein  römischer  Praefect  späterhin 
ihm  Recht  sprach.^)  Man  wird  daher  die  Frage  aufwerfeu  dürfen 
ob  das  Privernum  dessen  Einnahme  die  Annalen  zweimal  melden, 
nicht  auf  ein  oder  zwei  Bergfestungeu  zu  beziehen  und  die  Ver- 
kehrsstadt der  Ebene  als  eine  Schöpfung  des  Landfriedens  zu  be- 
trachten sei.  Darüber  kann  allein  die  Localforschung  Gewifsheit 
bringen. 8)  Die  Eroberungen  Roms  im  Pomptinischen  haben  die  Pri- 
vernaten  358.  342.  330  zu  den  Waffen  gerufen.^)     Aus  den  abge- 


1)  Erwähnt  Cic.  de  leg.  agr.  2,66  Strab.  V  231.  237  Plin.  III  64  Ptol.  111 
1,54  Steph.  Byz.  Feldm.  237.  Titinius  hat  eine  Setina  geschrieben  Ribbeck 
fr.  com.  p.  148. 

2)  Strab.  V  234.  237  Plin.  III  60  XIV  52.  61  XXIII  36  Martial  X  36.  74,10 
XllI  112  Juvenal  10,27  Sil,  It.  VIII  376  X  33  Stat.  Silv.  II  6,90. 

3)  CIL.  X  1  p.  640.  4)  Verg.  Aen.  VII  685  XI  540. 

5)  Strab.  V  237  Plin.  IH  64  Ptol.  III  1,54  Steph.  Byz.  Feldm.  236  CIL.  X 
1  p.  637. 

6)  Sil.  It.  VI  43  vgl.  VIII  393.  7)  Fest.  233  M. 

8)  Not.  d.  Scavi  1899  p.  88 fg.  96. 

9)  Liv.  VII  15.  16.  42  VIII  1.  19—21  Fast.  Cap.  357.  329  Dio  fr.  35,11  Val. 
Max.  VI  2.1. 


§  2.    Die  Herniker.  647 

tretenen  Läudereien  wurde  318  die  Tribus  Oufentina  gebildet 
(S.  639).^)  Die  Besiegten  erhielten  im  Hinblick  auf  das  Vorrücken 
der  Samniten  an  den  Liris  Bürgerrecht,  vermutlich  einstweilen  ohne 
Stimmrecht.  In  der  Folge  wird  die  Gemeinde  nur  beiläufig  er- 
wähnt^),  unter  anderem  wegen  ihres  Weinbaus.^) 

§  2.  D  i  e  H  e  r  n  i  k  e  r. 
Die  Volskerberge  werden  von  der  Masse  des  Appennin  durch 
eine  Einsenkung  getrennt,  die  bei  10 — 12  km  mittlerer  Breite  bis 
zum  Liris  60  km  lang  ist.  Der  Trerus  Sacco  oder  Tolero  führt 
ihre  nicht  eben  bedeutenden  Abflüsse  (I  330)  dem  genannten  Strom 
zu. 4)  Die  Vermutung  Nibby's  dafs  das  nur  einmal  vorkommende 
Trerus  verschrieben  sei  aus  Tolerus,  läfst  sich  hören;  denn  der 
heutige  Name  erinnert  an  die  zum  albanischen  (S.  556,  25),  später 
zum  latinischen  (S.  559,  7)  Bunde  gehörende  Gemeinde  der  Toleri- 
enses  die  nach  ihrer  Einnahme  durch  Coriolan  aus  der  Ueber- 
Heferung  verschwindet.-^)  Angemessen  sucht  Nibby  Tolerium  in  Val- 
montone  das  5  Millien  südlich  von  Praeneste  einen  von  zwei  Quell- 
bächen des  Sacco  umflossenen  Tuflhügel  (303  m)  einnimmt  und 
Spuren  alter  Besiedlung  aufweist. 6)  Der  wichtigste  Zuflufs  des  Sacco 
hiefs  im  Altertum  wie  jetzt  Cosa'):  an  ihm  liegen  Aletrium  und 
Frusino,  das  Thal  des  Sacco  erreicht  bei  seiner  Einmündung  die 
gröfste  Ausdehnung.  Die  Fruchtbarkeit  der  Niederung  wird  gerühmt. 
Einst  gehörte  das  ganze  linke  Flufsufer  welches  an  Gröfse  das 
rechte  weit  überragt,  bis  zum  Liris  hin  den  Hernikern:  aber  der 
Süden  mit  Fabrateria  und  Frusino  ging  an  die  Volsker  verloren; 
im  Norden  machten  die  Aequer  von  ihren  Bergen  aus  unaufhörlich 
Vorstöfse  ins  offene  Land.  Der  Umklammerung  dieser  beiden  mit 
einander  verbündeten  Völker  erwehrten  sich  die  Herniker  durch 
Anschlufs  an  Latium  und  Rom.     Es  khngt  nicht  unglaublich  wenn 


1)  Fest.  194  M.  Liv.  VIII  1. 

?.)  Cic.  de  leg.  agr.  2,66  de  divin.  I  97  de  or.  11  224  pro  Cluent.  141 ;  Liv. 
XXVII  11  XXXI  12  XLII  2  Obseq.  14.  36.  38. 

3)  Plin.  XIV  65  Athen.  I26e. 

4)  Strab.  V  237. 

5)  Plin.  III  69  Dion.  H.  V  61  VIII  17.  26  Flut.  Coriol.  28  Steph.  Byz.  Merk- 
würdiger Weise  erwähnt  Livius  Tolerium  gar  nicht,  statt  dessen  in  dem  näm- 
lichen Zusammenhang  II  39  das  anderweitig  unbekannte  Trebiian  (S.  602). 

6)  Nibby  III 2  369 fg. 

7)  Strab.  V  237. 


648  Kapitel  XL     Neu  Latiiim. 

ihre  freuntlschaftlichen  Beziehungen  zu  Rom  his  in  die  Königszeit 
zurück  verfolgt  wurden  i):  eine  feste  Gestalt  jedoch  nahmen  sie  erst 
486  durch  das  von  Sp.  Cassius  geschlossene  Bündnifs  an.^)  Von 
der  Verfassung  der  hernikischen  Eidgenossenschaft  erfahren  wir 
nichts,  auch  weder  Zahl  noch  Namen  der  Theilnehmer.  Es  ist  aber 
klar  dafs  sie  aufsor  den  in  den  Annalen  erwähnten  Städten  Anagnia 
Ferentinum  Aletrium  Verulae  eine  ganze  Reihe  selbständiger  Land- 
gemeinden befafste^),  welche  die  roscida  rivis  Hernka  saxa,  das 
gegen  den  Liris  bis  2000  m  aufsteigende  Grenzgebirge  bewohnend 
dem  Volk  seinen  Namen  verschafft  haben  (l  515).  Diese  Districle 
haben  ihre  eigene  Verwaltung  in  die  Kaiserzeit  hinüber  gerettet: 
die  Censusliste  des  Augustus  führt  aufser  dem  Bergstädtchen  Capi- 
tulum  auch  den  ager  üernkus  als  Gemeindeverband  auf. 4)  Wenn 
der  Dreibund  von  486  jedem  Mitglied  gleiche  Lasten  auferlegte  und 
gleichen  Beuteantheil  zusagte,  kann  damals  die  Wehrkraft  der  Her- 
niker  hinter  derjenigen  ihrer  Verbündeten  nicht  zurück  gestanden 
haben  (S.  560).  Auch  hatten  sie  ein  Jahrhundert  lang  den  ersten 
Anprall  von  Aequern  und  Volskern  zu  brechen. &)  Die  Machter- 
weiterung Roms  im  Norden  verschob  das  bisherige  Gleichgewicht. 
Deshalb  unterstützen  die  Herniker  zuerst  den  Feind  heimlich  und 
gehen  362  zum  offenen  Kriege  über,  der  erst  358  mit  ihrer  Nieder- 
lage beendigt  wird. 6)  Zum  letzten  Mal  erheben  sie  306  für  die 
Freiheit  Italiens  die  Waffen,  aber  nur  Anagnia  mit  den  Landge- 
meinden im  Norden.  Die  Aufständischen  werden  der  römischen 
Bürgerschaft  ohne  Stimmrecht  einverleibt,  die  Städte  Ferentinum 
Aletrium  Verulae  ziehen  vor  Bundesgenossen  zu  bleiben.^)  Sie 
alle  scheinen  erst  90  v,  Chr.  volles  Bürgerrecht  erlangt  zu  haben, 
jedenfalls  nicht  viel  früher.^)  Ihr  Slammesgefühl  ist  in  der  Kaiser- 
zeit noch  nicht  erloschen. 

Die  via  Latina  ist  die  grofse  Verkehrsader  der  Landschaft,  vor 
Eröffnung  der  kürzeren  und  bequemeren  Appia  zugleich  die  wich- 

1)  Fest.  351   M.  Dion.  H.  IV  49. 

2)  Liv.  II  22.  40.  41  Dion.  H.  V  20.  62  VI  5.  7.  25.  50.  76  VIII  64.  78.  83. 

3)  Liv.  IX  42. 

4)  Plin.  III  63. 

5)  Liv.  MI  6  IV  51  VI  10  Dion.  H.  IX  5.  16.  35.  62.  67  fg.  X  15.  20  XI  2.  47. 

6)  Liv.  VI  2.  6—10  VII  6—9.  12.  15  Fast.  Cap. 

7)  Liv.  IX  42.  43  Cic.  Phil.  VI  13  Plin.  XXXIV  23. 

8)  Dem  ans  Cic.  pro  Baib.  31  OIT.  I  35    Shab.  V  231    gezogenen    gegen- 
theiligen  Schlufs  widerspricht  Liv.  XXXIV  42  Gell.  N.  A.  X  3,3. 


§  2.     Die  Herniker.  649 

ligste  Verbinduugslinie  zwischen  Rom  und  Campanien.  Für  das 
erste  Drittel  des  Weges  hatte  der  Reisende  die  Wahl  zwischen  3 
Strafsen  der  Praenestina  Labicana  LatinaJ)  Von  diesen  verdiente 
die  via  Labicana  ihrer  geringeren  Steigung  und  aufserdem  ihrer 
Abkürzung  halber  entschieden  den  Vorzug  (S.  601),  wurde  demge- 
mäfs  auch  als  Hauptstralse  betrachtet.  Alle  drei  sind  durch  ver- 
schiedene Querstrafsen  verbunden:  zuerst  treffen  Labicana  und  La- 
tina  ad  Pictasz)  unterhalb  Lugnano  25  bezw.  27,  alsdann  ad  Bi- 
vium^)  an  der  Rrilcke  über  den  Sacco  30  bezw.  32,  endlich  am 
Compitum  Anagninum*)  Osteria  della  Fontana  40  bezw.  42  Millien 
von  Rom  zusammen.  Hier  mündet  auch  die  47  Millien  lange 
Strafse  von  Rom  über  Praeneste  ein. 5)  —  Von  diesen  Linien  ist 
die  am  rechten  Saccoufer  laufende  und  im  Reisebuch  Latina  be- 
nannte als  die  älteste  anzusehen,  weil  sie  Signia  und  Ecelra  an 
Latium  anschliefst.  Beide  Städte  liegen  an  den  Abhängen  des 
Volskergebirgs.  Vom  Pafs  Algidum  (S.  595)  langt  die  Via  Latina 
nach  6  Millien  am  Fufs  (277  m)  von  Monte  Fortino  oder,  wie  es 
neuerdings  heifst,  Artena  an.  Oberhalb  dieses  Ortes  bewahrt  das 
Piano  della  Civita  das  Andenken  einer  verschollenen  Stadt  mit  ab- 
gesonderter Arx  (621  m).  Die  Lage  ist  überaus  fest,  die  Mauer 
von  altertümlicher  Roheit. 6)  Nibby  vermutet  hier  das  volskische 
Artena  das  404  durch  Verrat  erobert  und  zerstört  wurde"'):  seinem 
Vorschlag  ist  die  amtliche  Namengebung  gefolgt.  Mit  grölserem 
Recht  nimmt  Abeken  die  Stätte  für  Ecetra  in  Anspruch.*)  Dies 
Bollwerk  der  Volsker  mufs  in  der  Nachbarschaft  von  Latinern  Ae- 
quern  und  Hernikern  gesucht  werden :  was  auf  den  bezeichneten 
Platz  in  befriedigender  Weise  zutrifft. 9)  Der  Name  verschwindet 
seit  378  spurlos  aus  der  Ueberlieferung.  Ebenso  die  zwischen  dem 
Albaner-  und  Volskergebirg  ungewifs  wo  gelegene  Grenzfestung 
Verrugo.^'^^)     Wenn  unter  König  Tarquinius  die   volskischen    Städte 


1)  It.  Ant.  302—306  CIL.  X  1  p.  695. 

2)  Strab.  V  237  It.  Ant.  304.  5  Tab.  Geogr.  Rav.  IV  33  vgl.  S.  59. 

3)  Tab.  Peut.  ad  birium  Geogr.  Rav.  IV  33  bribila. 

4)  Liv.  XXVII  4  It.  305.  6  Tab.  Peut.;  sub  Anagniae  It.  Ant.  302. 

5)  It.  Ant.  302. 

6)  Nibby  I »  262. 

7)  Liv.  IV  61. 

8)  Abeken,  Mittelitalien  75. 

9)  Liv.  II  25  III  4  IV  61  VI  31  Dion.  H.  VI  32  Vlil  4X21  Steph.  Byz. 
10)  Diod.  XIV  11  'E^^ovxav  eb.  98  Ox  eQQ^ylvoi  Liv.  IV  1.  55.  58  V  28. 


650  Kapitel  XI.     Neu  Latium. 

Antium  und  Ecetra  als  Genossen  des  von  ihm  gestifteten  Bundes  auf- 
geführt weiden,  so  vermutet  man  dafs  damals  die  eine  wie  die 
andere  (S.  627)  im  Besitz  der  Latiner  war.i)  —  Dauernd  behaupte- 
ten diese  das  10  Millien  weiter  entfernte  Signia  Segni,  das  gemein- 
schaftlich mit  dem  gegenüber  hegenden  Anagnia  den  Eintritt  in 
das  Saccothal  bewacht.  Die  Thalsohle  niifst  180  m  ü.  M.,  in  Ge- 
stalt einer  Birne  mit  16  ha  Grundfläche  (Beloch)  steigt  die  Stadt 
den  mons  Lepinus  hinan,  die  Spitze  mit  der  Kirche  S.  Pietro,  einem 
ehemahgen  Tempel,  erreicht  668  m.^)  Die  2  km  lange  aus  poly- 
gonalen Blöcken  erbaute  Mauer  ist  grofsen  Theils  erhalten,  des- 
gleichen zwei  Thore  die  ohne  Anwendung  des  Bogenschnitts  die 
Wölbung  durch  Vorschrägen  der  Seitenwände  ersetzen. 3)  Die  An- 
nalen  schreiben  die  Gründung  dem  letzten  Tarquinius  zu,  die  Er- 
neuerung der  Colonie  dem  J.  495. 4)  Sie  hat  gegen  Latiner  und 
Herniker  wie  im  hannibalischen  Kriege  treu  zu  Rom  gestanden, 
nach  letzterem  ihrer  Festigkeit  wegen  den  karthagischen  Geiseln 
zum  Aufenthalt  gedient. 5)  Mancherlei  Thatsachen  bekunden  die 
Blüte  des  Gemeinwesens.  Wie  Cora,  aber  dem  Anschein  nach  um- 
fassender, hat  es  in  Silber  geprägt. ^j  Der  Cementbelag  der  den 
früheren  Lehmboden  verdrängte  {opus  Signinum),  ist  hier  erfunden. '') 
Sein  herber  Wein  wurde  als  Heilmittel  geschätzt. §)  Berühmt  waren 
seine  Birnen  9)  und  sein  Kohl. lO)  Aus  der  Colonie  latinischen  Rech- 
tes wurde  90  v.  Chr.  ein  römisches  Municipium  das  Senat  und  Prae- 
toren  lenkten,  i')     Im   darauf  folgenden  Bürgerkriege   hielt   es  zur 


1)  Dion.  H.  IV  49.  2)  Plaut.  Capt.  882. 

3)  Ann.  dell'  Inst.  1829  p.  57.  78  1834  p.  360  Abeken  160. 

4)  Liv.  I  56  II  21  Dion.  H.  IV  63.  Wenn  die  Römer  508  einen  Platz  ^i- 
ovvQiov  Dion.  H.  V  20  oder  2!iyXiovQiav  Plut.  Pub!.  16  gegen  Latiner  und 
Herniker  besetzen,  so  ist  es  sachlich  angemessen  hierunter  Signia  zu  ver- 
stehen, von  wem  auch  die  Corruptel  herrühren  mag.  Dafs  Signia  im  Latiner- 
bund  von  499  fehlt,  erklärt  sich  aus  der  Sachlage  dafs  es  in  römischer  Ge- 
walt war. 

5)  Liv.  VII  8  VIII  3  XXVIl  10  XXXII  2  Dion.  H.  V  58. 

6)  Mommsen,  Münzwesen  253. 

7)  Vitruv  VIll  7,14  Colum.  RR.  I  6  VIII  15  Plin.  XVII  46  XXXV  165  Pallad. 
I  17.  40. 

8)  Strab.  V  237  Plin.  XIV  65  XXIII  36  XXXII  109  Gels.  IV  12  Galen  VI 
334  K.  u,  0.  Athen.  I  27  b  Martial  XIII  116  Sil.  It.  VIII  378. 

9)  Colum.  V  10  Plin.  XV  55  Juvenal  11,73  Gels.  II  24  IV  26. 

10)  Colum.  X   131. 

11)  Plin.11164  Feldm.  237  Geogr.  Rav.IV33  CIL.X  1  p.  591  Eph.  ep.  VIH  p.  154. 


§  2.    Die  Herniker.  651 

demokratischen  Regierung.  1)  Von  hier  rückte  82  Marius  nach  Sacri- 
portus  zwischen  den  Abhängen  des  Albaner  und  Volskergebirgs 
dem  Gegner  die  Strafse  sperrend;  er  ward  aufs  Haupt  geschlagen 
und  rettete  sich  mit  Mühe  nach  Praeneste.2)  Die  Eigenschaft  und 
die  genaue  Lage  des  Schlachtorts  ist  unbekannt.  Seit  jenem  Kriege 
wird  Signia  in  der  Geschichte  nicht  wieder  erwähnt,  bis  es  im 
MittelaUer  als  päpstUche  Festung  zu  Ehren  gelangt. 

Der  Sacco  scheint  die  Grenze  der  hernikischen  Eidgenossen- 
schaft im  Grofsen  und  Ganzen  gebildet  zu  haben.  Von  den  Berg- 
gauen vermögen  wir  einen  Gemeindesitz  in  dem  Städtchen  Capitu- 
lum  Hernicvm  nachzuweisen.^)  Das  Dorf  Piglio  (621  m)  17  Millien 
von  Praeneste,  je  8  von  Treba  und  Anagnia  entfernt,  bezeichnet 
annähernd  dessen  Stelle.  Bei  Erzählung  des  Aufstandes  von  306 
wird  Anagnia  als  selbständige  Macht  von  den  Hernikern  d.  h.  den 
Berggauen  unterschieden.^)  Es  beruft  den  Landtag  der  verbündeten 
Gemeinden  der  im  Circus  maritimus  —  wie  anzunehmen  ist  aufser- 
halb  der  Mauer  am  Compitum  —  sich  versammelt.^)  Es  soll  bereits 
dem  König  Tullus  Hilfstruppen  nach  Rom  gesandt  haben.'')  Seine 
führende  Rolle  erregte  naturgemäfs  die  Eifersucht  der  südlichen 
Städte  und  den  Neid  der  latinischen  Nebenbuhlerin  Signia.  Die 
Dichter  priesen  die  Fruchtbarkeit  seiner  Fluren.')  Ferner  ist  seine 
Verkehrslage  ungleich  günstiger:  zum  Compitum  dem  Knotenpunct 
der  verschiedeneu  Strafsen  (S.  649)  hatten  die  Anagniner  eine  starke 
Millie^),  die  Signiner  die  sechsfache  Entfernung  zurückzulegen. 
Das  Compitum  wo  sich  ein  Heiligtum  der  Diana  und  wahrschein- 
lich später  auch   ein  Vorort  befand,    hat  222  m,   die  Stadt  460  m 

1)  Plut.  Sulla  28,4. 

2)  Plut.  a.  0.  Appian  b.  civ.  I  87  Liv.  LXXXVII  Vell.  II  26  Lucan  II  134 
Flor.  II  9,24. 

3)  Strab.  V  238  Fun.  III  63  Feldm.  232  CIL.  X  1  p.  590  Nibby  P  382. 

4)  Liv.  IX  43  Fast.  Cap.  Diod.  XX  80  Plin.  XXXIV  23  Cic.  Phil.  VI  13. 

5)  Liv.  IX  42. 

6)  Fest.  351  M.  Es  heifst  marsische  Sdiol.  zu  V.  Aen.  VII  684  oder  pe- 
lasgische  Gründung  Macrob.  Sat.  V  18,15. 

7)  Verg.  Aen.  VII  684  dives  Sil.  lt.  VllI  392  pinguis  XII  533  Cerealis. 

8)  Cic.  Phil.  II  106  devii,  Fronto  ad  iM.  Caes.  IV  4.  —  Bei  der  Flucht  des 
Demetrios  162  v.  Chr.  dient  eine  Jagdpartie  nach  Circei  als  Deckmantel,  zu 
der  eis  ^Avayveiai  geschickt  wird  um  die  Meute  zu  holen  Pol,  XXXI  21,6  22,2. 
5  23,2 fg.  Ein  Blick  auf  die  Karte  lehrt,  dafs  darunter  nicht  die  bekannte 
Stadt,  sondern  irgend  eine  Oertlichkeit  jenseit  der  Volskerberge  im  Pomptini- 
schen  zu  verstehen  ist. 


652  Kapitel  XI.     Neu  Lalium. 

Meereshuhe.  Sie  nimmt  einen  besonderen  Ilügelrücken  ein  der 
ohne  den  Verkehr  allzu  sehr  zu  erschweren  ausreichenden  Schulz 
gewährt.  Von  der  aus  Quadern  IrelTlich  gel'ügten  Mauer  sind  grofse 
Stücke  erhalten.!)  Die  misgliickte  Schilderhebung  306  versetzte  dem 
Gedeihen  Anagnia's  einen  harten  Stofs.  Der  Landtag  und  die  Ehe- 
gemeinschaft der  hernikischen  Gemeinden  wurde  aufgehoben,  die 
abtrünnigen  Gemeinden  erhielten  Bürgerrecht  ohne  Stimmrecht  und 
ohne  Selbstverwaltung  die  an  einen  Praefecten  überging. 2)  Man 
begreift  darnach  dafs  die  Anagniner  in  der  Abwehr  gegen  König 
Pyrrhos  sich  nicht  sonderlich  anstrengten. 3)  Wann  sie  Aufnahme 
in  die  Tribus  Publiha  und  volles  Bürgerrecht  empfingen,  wird  nicht 
berichtet.  Sie  bilden  in  der  Folge  ein  Mtmicipium  mit  Senat  Prae- 
foren  und  anderen  Magistraten. 4)  Als  solches  zählt  es,  wie  die  In- 
schriften bestätigen,  zu  den  angesehenen  Landstädten. &)  Vor  allem 
genofs  es  den  Ruhm  und  Vortheil  altvaterischer  Frömmigkeit:  seine 
geistlichen  Vorrechte  bei  den  Hernikern  waren  ihm  306  belassen 
worden. 6)  Dieser  Umstand  bewog  Kaiser  Marc  Aurel  zu  einem 
Besuch  über  den  er  seinem  Lehrer  schreibt:  „wir  sahen  die  alte 
Stadt  die  zwar  klein  ist,  aber  viele  Altertümer  in  sich  birgt,  Gottes- 
häuser und  heihge  Gegenstände  über  die  Mafsen.  Kein  Winkel  war 
da  wo  nicht  ein  Sühnort  oder  eine  Capelle  oder  ein  Tempel  stände. 
Aufserdem  viele  linnene  Bücher  über  den  Gottesdienst.""?)  Auch 
im  Mittelalter  hat  sich  Anagni  als  treue  Tochter  der  Kirche  be- 
währt. Von  bekannten  Persönlichkeiten  der  Kaiserzeit  waren  Valens 
der  Feldherr  des  Vitellius  und  Marcia  die  Gattin  des  Commodus 
von  hier  gebürtig. »)  Die  reizende  Umgegend  hatte  Cicero  Brutus 
und    andere    Grofse    zu    Gutskäufen    veranlafst.^)      Später    ist    ein 


1)  Bull,  deir  Inst.  1885  p.  190. 

2)  Liv.  IX  43  Fest.  127.  233  M. 

3)  Appian  Samn.  10.   Der  Marsch  Hannibals  Liv.  XXVI  9  ist  ungeschichtlich. 

4)  Cic.  pro  domo  81  Feldm.  230  CIL.  X  1  p.  584. 

5)  Strab.  V  238  Plin.  III  63  Ptol.  III  1,54. 

6)  Die  Inschriften  erwähnen  Pontifices  Augurn  Salier,  Darstellung  der  Salier 
Ann.  dell'  Inst.  1869  p.  75. 

7)  Fronto  IV  4  Charis.  p.  242  Keil.  Die  Prodigien  sind  zahlreich:  Liv. 
XXVI  23  XXVII  4  XXIX  14  XXX  2  XLIII  13  XLV  16  Obseq.  11.  15.  27. 

6)  Tac.  Bist.  III  62;  Mommsen  zu  CIL.  X  5918;  Serv.  V.  Aen.  VII  684 
ist  ungereimt. 

9)  Cic.  ad  Att.  XII  1,1  XV  26,1  ad  Qu.  fr.  II  5,4,  daher  Nachbar  der  Ale- 
trinaten  pro  Ciuent.  49.  56. 


§  2.     Die  Heriiiker.  Ö53 

kaiserliches  Gut  villa  Magna  am  rechten  Ufer  des  Sacco  6  Miliieii 
von  Anagni  nachweisbar:  den  Namen  lernen  wir  aus  einer  Wege- 
bauinschrift  kennen;  er  lebt  am  alten  Orte  (Villamagna)  fort.^) 

Die  drei  südhchen  Städte  der  Herniker  haben  ihr  Buudesrecht 
von  486  das  dem  latinischen  entsprach ,  bis  90  v.  Chr.  behalten 
(S.  648  A.  8).  Von  ihnen  stufst  Ferentinum  Ferentino  8  Millien 
vom  Compitum  Anaguinum  an  die  Via  Latina.-)  Der  Stadthügel 
überragt  die  Strafse  um  150  m,  die  Ringmauer  ist  in  polygonalem 
Stil  erbaut.  Den  Gipfel  (393  m)  nimmt  die  Burg  ein:  zwei  Cen- 
soren  haben  sie  mit  einer  33'  (9,075  m)  hohen  und  ebenso  tief 
fundirten  Stützmaner  umzogen. =^)  Welche  Gottheit  dort  thronte, 
wissen  wir  leider  nicht.  Der  Bau  stammt  aus  der  Zeit  vor  Ver- 
leihung des  Bürgerrechts,  als  die  Ferentinaten  die  Ungebühr  romi- 
scher Beamten  und  den  Spott  der  hauptstädtischen  Bühne  über  sich 
ergehen  lassen  mufsten.*)  Ferentinum  begegnet  zuerst  413,  als  es 
in  die  Hände  der  Volsker  gefallen  war  und  durch  die  Römer  be- 
freit ward;  diese  nehmen  es  361  ein;  am  Aufstand  306  unbelheiligt, 
hat  es  wie  Signia  199  die  karthagischen  Geiseln  bewacht,  195  bei 
der  Gründung  von  Colonien  gleiches  Recht  wie  die  Römer  bean- 
sprucht.-^) Sodann  Municipium  in  der  Tribus  Publilia  wird  es  kaum 
noch  erwähnt "^j,  allenfalls  als  Beispiel  für  einen  stillen  Ort.")  Er 
hatte  sich  zwar  aufserhalb  der  Mauer  ausgebreitet:  aber  da  die 
Zinsen  einer  Stiftung  im  Betrag  von  4200  Sesterzeu  913  Mark  zur 
jährlichen  Bewirtung  der  ganzen  freien  Einwohnerschaft  ausreichten, 
kann  diese  nur  ein  paar  tausend  Kopfe  gezählt  haben. s)  Nach  In- 
schriften des  3.  Jahrhunderts  die  von  Ferentinates  novani  reden, 
scheint  sie  von  Staats  wegen  verstärkt  worden  zu  sein.'^)  —  Ihre 
eigentliche  Blüte  entfallen  diese  Städte,  bevor  sie  von  der  römischen 


1)  Marc  Aurel  an  Fioiilo  IV  4  CIL.  X  1,5909. 

2)  Slrab.  V  237  lt.  Aiit.  302.  305  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  33. 

3)  Ann.  dell'  Inst.  1834  p.  144  CIL.  X  1,5S3S;  bei  der  Erklärung  der  In- 
schrift ist  der  italische  Fufs  (S.  65)  anzuwenden. 

4)  Gell.  N.  A.  X  3,3  Titinius  85  (Ribbeck  p.  146)  Ferenlinatis  populus  res 
Graecas  sludet, 

5)  Liv.  IV  51.  56.  61  VII  9  IX  42.  43  XXVI  9  XXXII  2   XXXIV  42  Sil.  It. 
VllI  393. 

6)  Strab.  V  237  Plin.  111  64  Plol.  III  1,54  Feldni.  234. 

7)  Hör.  Ep.  I  17,8  mit  Schol. 

8)  CIL.  X  1,5853. 

9)  CIL.  X  1,5825.  28. 


654  Kapitel  XI.     Neu  Latium. 

Hürgerschaft  verschluckt  wurden.  Solche  Bemerkung  drängt  sich 
vor  allem  bei  Aktrium  Alatri  auf,  das  den  stolzen  Trotz  des  alten 
Fehdelebens  in  hervorrragender  Weise  verkörpert.  Von  Ferentinum 
7  Millien  und  ebensoviel  von  Frusino  entfernt,  am  rechten  Ufer 
des  Cosa  gelegen,  beherrscht  es  das  Hügelland  des  unteren  wie  das 
Engthal  des  oberen  Laufes.  Der  2  km  lange  Ring  umschliefst  eine 
Grundfläche  von  25  ha;  in  Mitten  auf  dem  Gipfel  (502  m)  stellt  die 
längliche  Burg  (600  m  Umfang)  die  innere  Festung  dar.  Die  Mauer 
im  Durchschnitt  9  m  hoch  schmiegt  sich  den  steilen  Abhängen  an 
und  ist  mit  Sorgfalt  aus  vieleckigen  Blöcken  gefügt,  von  denen 
manche  eine  seltene  Grüfse  erreichen:  so  mifst  der  Sturz  des  Burg- 
thors über  5  m  Länge  1,60  m  Höhe  1,75  m  Breite  und  wiegt 
6 — 700  Centner.  Von  den  4  Stadllhoren  rühren  2  aus  dem  Aher- 
tum  her,  die  beiden  anderen  sind  umgebaut;  denn  die  Hernikerfesle 
hat  den  Nachfahren  als  das  Faustrecht  wieder  zur  Geltung  kam, 
sicheren  Schutz  geboten. i)  Von  den  Erbauern  und  ihren  Kämpfen 
meldet  keine  Ueberlieferung.  Aletrium  wird  nach  306  und  nach 
90  als  es  römisches  Municipium  geworden  war,  nur  beiläufig  ge- 
nannt.^) Aber  aus  der  Zeit  der  Unabhängigkeit  entwirft  die  In- 
schrift des  Betilienus  Varus  ein  anziehendes  Bild,  wie  um  120  v. 
Chr.  die  Stadt  der  Segnungen  des  Friedens  sich  erfreute.  Zweimal 
Censor  hat  er  nach  Beschlufs  des  Senats  alle  städtischen  Strafsen 
mit  Gangsteigen  versehen,  eine  Säulenhalle  nach  der  Burg,  einen 
Spielplatz,  eine  Uhr,  Sitzbänke,  ein  Schlachthaus,  ein  Badebassin, 
eine  Schwemme  am  Thore  erbaut  bezw.  angelegt,  die  Basilica  mit 
Stuck  überzogen,  eine  Wasserleitung  in  die  Stadt  geführt,  deren 
Röhren  von  der  Thalsohle  das  Wasser  340'  93,5  m  hoch  trieben : 
letzteres  eine  bemerkenswerte  Leistung.^)  —  Die  letzte  von  den  drei 
Hernikerslädten  Verulae  Veroli  liegt  hoch  (664  m)  und  fest  7  Millien 
Südwest  von  Alatri,  ebenso  viel  Nordost  von  Frosinone.  Reste  der 
polygonalen  Mauer  sind  vorhanden.  Seit  90  v.  Chr.  römisches  Muni- 
cipium wird  es  in  der  Litteratur  kaum  beachtet.^) 

1)  iMiUh.  d.  röm.  Inst.  1889  p.  126—152  mit  Plan. 

2)  Liv.  IX  42.  43  Plaut.  Capt.  883  Cic.  pro  Cluent.  46.  49.  56  Strab.  V  237 
Piin.  III63;  Feldm.  230  hat  die  Form  Alatrium,  Geogr.  Rav.  IV  33  Alatrum; 
CIL.  X  1  p.  566. 

3)  CIL.  X  5807  p.  566.  980;  bei  den  technischen  Untersuchungen  der  zu- 
treffenden Angabe  ist  verkannt  worden,   dafs    der  italische  Fufs  gemeint  sei. 

4)  Fior.I  5,6  als  Beispiel  der  Kleinheil;  Liv.  IX  42.  43  Plin.  III  64  Feldm. 
239  CIL.  X  1  p.  565. 


§  2.    Die  Herniker.  6Ö5 

Ein  Gebirgswall  mit  Gipfeln  von  2000  m  und  darüber  schützt 
die  Herniker  im  Osten  gegen  die  Volsker.  Aber  wo  der  Liris  nach 
Süden  umbiegt,  bei  Sora  wird  der  Wall  von  einer  breiten  Lücke 
unterbrochen,  das  2— 300  m  hohe  Hügelland  setzt  dem  Eroberer 
keine  Schranken.  So  scheint  zunächst  Frusino  Frosinone  in  vols- 
kischen  Besitz  gelangt  zu  sein.  Es  nimmt  einen  Hügel  (291  m) 
am  linken  Ufer  des  Cosa  ein,  auf  der  Via  Laiina  7  Milben  von 
Ferentinum  entfernt.')  Es  wurde  306  von  den  Römern  erobert 
und  verlor  ein  Drittel  seines  Gebiets  das  der  Staat  versteigern  liefs.2) 
Die  Bewohner  denen  ein  Praefect  Recht  sprach,  werden  minderes 
Bürgerrecht  bekommen  haben. 3)  Der  Titel  Colonie  stammt  aus  der 
Kaiserzeit.4)  Die  litterarischen  Erwähnungen  berechtigen  nicht  bei 
der  Stadt  zu  verweilen  s),  so  wenig  wie  die  spärbchen  Inschriften 
und  Ruinen:  unter  letzleren  soll  sich  ein  Amphitheater  befinden. 
—  5  Millien  südbch  von  Frosinone  hart  am  linken  Ufer  des  Sacco 
dem  heutigen  Ceccano  gegenüber  gelegen,  enthält  die  Kirche  S. 
Maria  del  Fiume  eine  Anzahl  Inschriften  von  Fahrateria  vetus.^) 
Die  Trägerin  dieses  Namens  mufs  in  der  Nähe  gesucht  werden, 
wenn  auch  die  genaue  Oertlichkeit  noch  nicht  ermittelt  ist.  330  v. 
Chr.  erbitten  die  volskischen  Gemeinden  der  Fuhraterni  und  Lucani 
Schutz  von  Rom  gegen  die  Samniten.')  Die  Lucaner  haben  ihre 
Selbstverwallung  eingebUfst  und  kommen  nicht  mehr  vor.  Jene 
bilden  ein  ursprünglich  von  Dictaloren  später  von  Quattuorvirn  ge- 
leitetes Municipium,  das  vermutlich  124  in  der  Ausdehnung  be- 
schränkt, bei  seiner  Kleinheit  und  Abgeschiedenheit  nicht  allzu  viel 
bedeutet^).  —  Die  Via  Latina  läuft  von  Frosinone  durch  das  Hügel- 
land fort  und  langt  nach  14  Millien  bei  Fregellannm  Ceprano  am 
Liris  an  welches  die  Station  für  den  am  jenseitigen  Ufer  befind- 
lichen  Markt   Fregellae   (S.  675)   isl.^)     Dem   Liris   folgend    über- 


1)  it.  Ant.  303.  305  Plaut.  Capt.  8S3. 

2)  So  Diod.  XX  80   nacti   dem    man    die  Stadt    den   Hernikern    zuweisen 
könnte,  von  denen  Liv.  X  1,  der  das  Ereignifs  303  ansetzt,  sie  unterscheidet. 

3)  Fest.  233  M.  Prodigien  Liv.  (XXVI  9)  XXVll  37  XXX  2.  38  XXXI  12 
XXXIl  29  Obseq.  15.20. 

4)  CIL.  X  1  p.  554. 

5)  Cic.  ad  Att.  XI  4,1   13,4  Strab.  V  237  Plin.  111  (i4  Ptol.  III  1,54  Juvenal 
3,224  Sil.  lt.  VIII  398  XII  532  Feldm.  233. 

6)  CIL.  X  1  p.  552.  7)  Liv.  VIII  19. 

8)  Plin.  III  64  Sil.  It.  VIII  396  Cod.  Justin.  XI  40. 

9)  lt.  Ant.  303.  305. 


666  Kapitel  XI.     Neu  Latiuni. 

schreitet  sie  den  Trerus,  erreicht  nach  3  Millien  Fahrateria  nova 
und  gehl  von  hier  üher  den  Liris  nach  Aquinum,  Reste  der 
Brücken  sind  vorhanden.')  Den  Namen  bewahrt  das  Dorf  Falva- 
terra  auf  der  Höhe  (38 1  m).  Die  alte  Stadt  lag  in  der  Ebene  (120  m) 
beim  Zusammenflufs  von  Trerus  und  Liris  zwischen  S.  Giovanni  in 
Carico  und  Isoletta.  Sie  ist  124  v.  Chr.  nach  Fregellae's  Zerstörung 
erbaut  worden. 2)  Aus  dem  Namen  ersieht  man  dafs  die  Gemeinde 
der  Fabraterner  getheilt  wurde.  Das  südliche  Stück  erhielt  wesent- 
hchen  Zuwachs  aus  Fregellaner  Gebiet,  so  dafs  die  Feldmark  an 
Arpinum  und  Aquinum  grenzte. 3)  Das  neue  Gemeinwesen  war 
BUrgercolonie  und  der  Tribus  Tromentina  zugewiesen,  hat  auch 
Duovirn  an  der  Spitze,  mufs  sich  aber  in  der  Kaiserzeit  mit  dem 
Namen  Municipium  begnügen.  So  selten  sie  erwähnt  wird,  darf 
man  sie  doch  nach  ihren  Inschriften  den  ansehnlichen  Gemeinden 
zuzählen. 4) 

§  3.  Die  Aurunker. 
Die  Küste  von  Tarracina  bis  Sinuessa  kann  als  Gegenstück  zu 
dem  vorhin  beschriebenen  Abschnitt  von  Anlium  bis  Tarracina 
gelten.  Die  physischen  Unterschiede  fallen  in  die  Augen:  das  breite 
Hinterland  fehlt,  der  Appennin  in  geschlossener  Masse,  weiter  der 
Massiciis  rücken  ans  Meer  vor  und  weisen  der  Ebene  eine  be- 
scheidene Ausdehnung  zu,  dafür  ist  die  Strandlinie  geschwungener 
und  macht  die  Annäherung  an  den  Süden  sich  fühlbar.  Aber  was 
den  Vergleich  herausfordert,  ist  die  üebereinstimmung  der  geschicht- 
lichen Verhältnisse.  Wie  in  der  römischen  Chronik  das  ganze 
pomptinische  Land,  so  heifst  den  griechischen  Seefahrern  die  Küste 
von  Circei  bis  Campanien  volskisch  (S.  553).  Die  Herrschaft  dieses 
Volkes  hat  hier  wie  dort  bleibende  Spuren  hinterlassen:  volskisch 
ist  einst  in  Vehtrae  geschrieben  (S.  632),  in  Formiae  und  Fundi 
gesprochen  worden. s)  In  beiden  Fällen  jedoch  lagert  die  Herrschaft 
über  einer  älteren  Culturschicht  und  dauert  nur  anderthalb  Jahr- 
hundert. Der  Zeitraum  war  zu  kurz  um  die  voraufgegangene 
Stammesart  zu  vertilgen.  Ein  vereinzeltes  Denkmal  läfst  schliefsen 
dafs  das  oskische  Sprachgebiet   einst   bei  Tarracina    seinen  Anfang 


1)  It.  Ant.  303  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  33  CIL.  X  1  p.  547.  697  fg. 

2)  Vell.  I  15. 

3)  Cic.  pro  Cluent,  192  ad  Farn.  IX  24,1. 

4)  Slrab.  V  237  Plin.  lil  64  Juvenal  3,224  Feldm.  234. 

5)  Fest.  293  M.  Chaiis.  p.  111  Keil. 


§  3.    Die  Aurunker.  657 

genommen  habe  (l  531  A.  2).  Die  Geschichte  der  Umwälzung  die 
Mittelilahen  vom  Tiber  bis  zum  Volturnus  im  5.  Jahrhundert  heim- 
suchte, ist  für  uns  verloren.  Wo  die  Chronik  den  Namen  zum 
ersten  Mal  erwähnt,  503  sagt  sie  Pometia  und  Cora  seien  zu  den 
Aurunkern  abgefallen;  495  rücken  ihre  Scharen,  wilde  schrecklich 
aussehende  Leute  bis  Aricia  und  werden  aufs  Haupt  geschlagen. i) 
Dann  ist  es  von  ihnen  bis  zu  den  samnitischen  Kriegen  still.  Hatten 
nach  Vertreibung  der  Könige  die  Aurunker  in  kühnem  Aufschwung 
das  südhche  Latium  zu  gewinnen  getrachtet,  so  ist  mittlerweile  ihr 
Reich  auf  einen  winzigen  Umfang  zusammen  geschrumpft  (I  532). 
Es  umfafst  314  noch  3  Gemeinden  und  geht  jetzt  völlig  zu  Grunde.^) 
Da  der  IName  den  hellenischen  Geschichtschreibern  des  5.  Jahr- 
hunderts geläufig  gewesen  war,  hat  er  späteren  Gelehrten  Anlafs 
zu  verschiedenartiger  Betrachtung  geboten.  Wenn  die  Aurunker 
einerseits  als  wilde  Barbaren  bezeichnet  werden,  so  scheint  diese 
Vorstellung  von  Gebirgsdorfern  entlehnt  zu  sein  die  unter  der  Bot- 
mäfsigkeit  der  latinischen  Städte  ihre  Eigenart  lange  bewahrten.^) 
Umgekehrt  aber  versetzt  die  Deutung  des  Namens  als  ,,die  Herren, 
die  Kühnen,,  in  die  Zeiten  früheren  Glanzes  zurück.^)  Auch  ist  die 
Einsicht  dafs  ehemals  die  launische  Küste  bei  Circei  von  der  auso- 
nischen  abgelöst  wurde,  gelegentlich  zu  Worte  gelangt.-^j 

Die  nördUchen  Städte  Fundi  und  Formiae  sind  im  4.  Jahr- 
hundert volskisch,  halten  mithin  wie  solches  in  Latium  und  Campa- 
uien  geschah,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  volskische  Streithaufen 
in  ihren  Gemeindeverband  aufnehmen  müssen.  Ihre  Iriedfertige 
Haltung  gegen  Rom  erklärt  sich  ungezwungen  bei  einer  gemischten 
Bevölkerung  und  der  davon  unzertrennlichen  Schwäche  der  Wehr- 
kraft. Die  von  Rom  verhehene  Verfassung  steht  mit  solcher  An- 
nahme in  Einklang.  Sie  erhalten  zunächst  338  minderes  Bürgerrecht*»), 
alsdann  188  volles  Bürgerrecht  und  Aufnahme  in  die  Tribus  Aemi- 
lia.")  Trotzdem  bleibt  ihnen  die  freie  Bewegung  der  Municipien 
versagt:  vielmehr  tritt  zu  den  gewählten  Beamten,  drei  Aedilen,  ein 


1)  Liv.  II  16.  17.  26  Dion.  H.  VI  32  vgl.  I  21. 

2)  Liv.  IX  25. 

3)  Dion.  H.  I  21  VI  32  Verg.  Aen.  VII  727. 

4)  Suidas  Alaoviav  vgl.  Et.  Magn.  171. 

5)  Strab.  V  232.  233. 

6)  Liv.  VIII  14  Vell.  I  14  Dion.  H.  XV  7  Fest.  127  M. 

7)  Liv.  XXXVIIl  36. 

Nissen,  ItaJ.  Landeskunde.    IL  42 


658  Kapitel  XI.    Neu  Latium. 

vom  römischen  Praetor  bestellter  Praefect  hinzu  der  nicht  nur 
Recht  spricht,  sondern  auch  die  Beschlüsse  des  Stadtrats  bestätigt. i) 
Den  Grund  dieser  Einrichtung  darf  man  in  der  Ausdehnung  der 
zu  den  Städten  gehörigen  Bergdistricte  erblicken  welche  die  Er- 
haltung nationaler  Gegensätze  beförderte.  —  Die  Appenninkette  die 
wir  mit  dem  Namen  der  Volsker  bezeichnen  (I  238),  zerfällt  in  vier 
durch  Einsenkungen  geschiedene  Theile.  Der  Stock  der  im  Vor- 
gebirge von  Tarracina  endigt,  wird  nach  Norden  durch  den  Ama- 
senus  begrenzt  (S.  639).  Im  Süden  bildet  das  Thal  von  Vallecorsa 
einen  Einschnitt  und  leitet  von  den  Fabraternern  am  Tierus  be- 
quem hinüber  an  die  Küste:  nur  am  Abschlufs  bei  Acquaviva  ist 
ein  Rücken  von  615  m  zu  überwinden.  Die  nächste  bis  zum  Au- 
sente reichende  Bergmasse  fällt  auf  einer  Strecke  von  15  km  un- 
mittelbar ins  Meer;  die  Gipfel  die  landeinwärts  1000  m  überragen 
(M.  Petrella  1533  m),  ermäfsigen  sich  hier  auf  200  m.  Zwischen 
diesem  Vorsprung  und  dem  von  Tarracina  entsteht  eine  13  km  breite 
10  km  tiefe  Ausbuchtung  die  vom  Schutt  des  Gebirges  ausgelullt, 
ein  verkleinertes  Abbild  des  pomptinischen  Gefildes  darstellt  (l  329). 
Die  Alten  benennen  die  Bai  sitius  Amyndanus-)  oder  mare  Amucla- 
num^),  die  Lagune  lacus  Amyclanus ^) ^  nach  einer  verschollenen 
Stadt  AnnmcJae  oder  Amyclae,  deren  Bewohner  durch  die  Menge 
von  Schlangen  verjagt  sein  sollen. 5)  Daneben  wird  die  Sage  nach 
welcher  die  altlakonische  Königssladt  Amyklae  durch  unzeitiges 
Schweigen  ihrer  Bürger  eine  Beute  Sparta's  wurde,  auf  diesen  Ort 
übertragen  und  damit  für  ihn  ein  lakonischer  Ursprung  behauptet. c) 
—  In  geschichtlichen  Zeiten  ist  Fundi  Fondi  Herrin  des  ausgedehnten 
Gebiets.  Sie  liegt  am  Nordende  der  Ebene  8  m  ü.  M.,  je  13  Milben 
von  Tarracina  und  Formiae  entfernt.^)  Sie  bildet  ein  regelmäfsiges 
Viereck  mit  etwa  16  ha  Grundfläche;  ein  Thor  und  Reste  der  alten 
Ringmauer  sind  noch  sichtbar.  Die  Via  Appia,  durch  Sümpfe  zu 
einem  Umweg   um    den  8  Dkm  haltenden  lacus  Fundanus  Lago  di 


1)  Fest.  233  M.  CIL.  X  1  p.  6U3.  617. 

2)  Plin.  X1V61. 

3J  Tac.  Ann.  IV  59  vgl.  Athen.  111  121a. 

4)  Isigonos  fr.  17  Müller  FHG.  IV  437  Xitivr^v  MvnXainv. 

5)  Plin.  HI  59  VIII  104    Isigonos  a.  0.  Solin.  2,32   Seiv.    V.  Aen.  X  564; 
Amyclae  Fundanae  Maitial  Xlil  115. 

6)  Verg.  Aen.  X  564  mit  Schol.  Sil.  It.  VIII  528. 

7)  II.  Ant.  108.  121  Hieros.  611  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  GIU 
X  1  p.  691. 


.    §  3.    Die  Aurunker.  659 

Fondii)  gezwungen,  durchschnitt  das  Städtchen  und  machte  es  den 
Reisenden  verlraut.2)  Indem  Horaz  bei  seinem  Besuch  den  hoch- 
mügenden  Aedil  als  Praetor  betitelt,  verleiht  er  mit  dichterischer 
Freiheit  dem  Narren  eine  Rangerhöhung. 3)  Von  der  Verfassung 
und  Geschichte  des  Gemeinwesens  war  oben  die  Rede.  Es  bleibt 
nachzutragen  dafs  einer  der  vornehmsten  Bürger  330  den  Auf- 
sland der  Privernaten  mitmachte,  dafs  die  Familie  der  Kaiserin  Livia 
von  hier  stammle. *)  Der  Fundaner  Wein  hatte  Ruf  5),  wurde  frei- 
lich durch  den  Caecuber  völlig  in  den  Schatten  gestellt.  Der  ager 
Caecuhus  ist  die  INiederung  an  der  Küste,  wo  an  Pappeln  die  edle 
Traube  gezogen  wurde  die  gelegentlich  den  ersten  Preis  unter  allen 
Gewächsen  Italiens  errang.*^)  Den  Abschlufs  der  Mederung  bildet 
ein  Vorgebirge  mit  dem  Fischerdorf  Sperlonga  das  im  Altertum  den 
amyclaeischen  Thunfisch  auf  den  Markt  brachte.")  Der  Name  des 
Orts  lautete  Spelnnca  nach  der  natürlichen  Grotte  die  Kaiser  Tiberius, 
ein  Liebhaber  solcher  Naturspiele,  seiner  hier  befindUchen  Villa  ein- 
gefügt halte. ^)  Die  Hauptgrotte  bewahrt  noch  die  Spuren  künst- 
lerischen Schmuckes;  ebenso  sind  Reste  der  Villa  erhalten. 

Von  Fundi  zieht  die  Via  Appia  schnurgerade  auf  die  Schlucht 
von  Itri  zu,  in  der  sie  bis  277  m  zu  steigen  hat.  Hinler  dem 
Kessel  in  dem  Itri  hegt  (207  m),  folgt  der  Abstieg  an  den  Golf 
von  Gaeta  nach  Formiae  Mola  di  Gaeta,  neuerdings  Formia  umge- 
tauft, 88  Milben  von  Rom.»)  Die  Stadt  am  Fuls  (50  m)  des  M.  Mola 
(270  m),  hinter  dem  Gipfel  von  13 — 1500  m  empor  ragen,  nimmt 
die  Mitte  der  Rucht  ein  die  einen  nach  Südost  geöffneten  Halbkreis 
mit  8  km  Durchmesser  beschreibt.     Die  Bucht  wird  von  zwei  Vor- 


1)  Plin.  III  59. 

2)  Cic.  ad  Att.  XIV  6,1  Slrab.  V  233  Mela  II  71  (Plin.  III  59  oder  64  ver- 
gessen) Plol.  III  1,54. 

3)  Hör.  Sal.  1  5,34  Mommsen  Herrn.  XIII  113. 

4)  Liv.  VIII  19  XU  27  Cic.  de  lege  agr.  II  66  Sueton  Tib.  5  Cal.  23  Galb.  8 
Vit.  6  Feld-Ti.  234  CiL.  X  1  p,  617. 

5)  Plin.  XIV  65  Marlial  XIII  113  Strab.  V  234  Athen.  I  27  a. 

6)  Hör.  Od.  I  2u,9  11  14,25  Strab.  V  234  Cokim.  111  8  Plin.  II  209  HI  60 
XIV  52.  61  XVI  173  XVII  31  XXIII  35  Martial  XII  17  XIII  115  Athen.  I  27a  Galen 
VI  805  K.  Dioskor.  V  10. 

7)  Athen.  III  121a. 

8)  Slrab.  V  233  Plin.  III  59  Tac.  Ann.  IV  59  Suet.  Tib.  39. 

9)  It.  Ant.  108.  121  Hieros.  611  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  Wege- 
bau Liv.  XXXIX  44  CIL.  X  1  p.  692. 

42* 


660  Kapitel  XI.     Neu  Latium. 

gebirgen  begrenzt:  im  Osten  M.  Scavori  (125  m)  im  Westen  Torre 
d'Orlando  (167  m).  Rolandsthurm  nennt  der  Volksmund  das  mäch- 
tige Grabmal  (einen  Rundbau  aus  Travertinquadern  nach  Art  der 
Caeciha  Metella)  das  Munatius  Plancus,  Gründer  von  Lyon  und  Basel 
(42  V.  Chr.)  sich  auf  dieser  stolzen  Höhe  errichtete.  Das  Gap  fordert 
zum  Vergleich  mit  dem  Cap  von  Misenum  auf,  beide  erwecken  aus 
der  Ferne  den  Eindruck  riesiger  Tumuli,  der  Dichter  wies  diesen 
dem  Trompeter,  jenen  der  Amme  seines  Helden  an.  i)  Ein  feiner 
Natursinn  spricht  aus  der  Erfindung.  Aeltere  Fabeln  entrollen  ver- 
schiedenartige Bilder.  An  den  Hügeln  angew^achsen  wie  der  Finger  an 
der  Hand,  springt  ein  niedriger  Felsrücken  vor  und  schafft  den  nach 
Nord  gewandten  portus  Caietae  oder  Caieta"^)  einen  der  geschützte- 
sten Häfen  Italiens.  3)  Er  ist  5  Millien  von  Formiae  entfernt  4)  und 
oberhalb  der  Stadt  durch  einen  Richtweg  mit  derViaAppia  verbunden. 
Der  belebte  Platz  wird  oft  erwähnt  5),  hat  aber  im  Altertum  keine 
Selbständigkeit  erlangt.*^)  Erst  nachdem  die  Saracenen  856  Formiae 
zerstörten  und  die  Bevölkerung  dicht  gedrängt  den  Schutz  des 
Vorgebirges  aufsuchte,  hat  das  frühere  Verhältnifs  beider  Ortschaften 
sich  umgekehrt.  Gaeta's  Ruhm  füllt  die  Blätter  der  Geschichte :  von 
den  Thaten  der  alten  Ausoner  und  Volsker  singt  keine  Muse.  Man 
könnte  sich  versucht  fühlen  einen  Nachhall  ihrer  Kämpfe  mit  den 
Hellenen  in  dem  Umstand  zu  erblicken  dafs  die  Laestrygonen  und 
Lamos'  hohe  Stadt  nach  Formiae  versetzt  werden,  wenn  die  Gleichung 
nicht  gar  so  jung  wäre  und  auf  einen  Stammbaum  für  den  reichen 


1)  Verg.  Aen.  VII  2  Ovid  Met.  XIV  443  Dioii.  H.  I  53  Slrab.  V  233  Solin 
2,13  Stat.  Silv.  I  3,87  Martial  V  1,5  X  30,8. 

2)  Der  Genetiv  hebt  den  Hafen,  der  Nominativ  den  Ort  hervor.  Dion.  H. 
I  53  überträgt  den  Namen  auf  das  Vorgebirge,  Strab.  V  233  auf  den  Golf. 

3)  Cic.  de  imp.  Gn.  Pomp.  33  porium  Caietae  celebefrimum  ac  plenissi- 
mum  navium,  Tac.  Ann.  XV  46  Flor.  I  11,4  nobilis. 

4)  Wie  Strab.  V  233  richtig  angiebt. 

5)  Plin.  111  59  Vita  Ant.  P.  8  Ant.  Phil.  19  Piut.  Cic.  47,4. 

6)  Deshalb  auch  mit  einer  Praeposition  verbunden,  doch  sieht  man  früh 
von  dieser  Strenge  ab  und  behandelt  es  als  Stadtnamen:  Cic.  ad  Att.  VIJI  3,6 
XIV  7,1  (in  Rasur)  in  Caieta  de  Or.  II  22  ad  Caietam  =  Val.  Max.  VIII  8,1 
Caietae  ders.  V  3,4  Cassiod.  ehr.  a.  711  Appian  b.  civ.  IV  19  (xfiq>l  Kuit^ttjv 
nöXiv  (Schweighäuser)  CIL.  VI  8583  Obseq.  5  =  Liv.  XL  2.  Ob  aber  Livius 
doch  nicht  a  Formiis  aedem  ApolUnis  ac  Caietae  geschrieben,  da  er  fr.  50 
ab  Caieta  sagt,  bleibt  unsicher.  Gegebenen  Falles  könnte  die  einheimische 
Schutzgöttiu  gemeint  sein. 


§  3.     Die  Aurunker.  661 

Lamia  abzielte, i)  Timaeos  hat  die  Argonauten  herangezogen  und 
Caieta  von  Medea's  Vater  Aietes  hergeleitet.'^)  Mit  Beifall  wurde  ein 
Gelehrter  begrüfst  der  in  dem  Namen  die  Spuren  der  Lakonen  ent- 
deckte.3)  Wir  geben  ihm  gern  den  Laufpafs  und  bescheiden  uns 
das  Wenige  zu  wissen  das  S.  657  über  die  ältere  Geschichte  und 
Verfassung  Formiae's  beigebracht  ward.  Von  den  Piraten  und  Sexlus 
Pompeius  geplündert,  ist  die  Stadt  durch  Hadrian  zur  Colonie  er- 
hoben worden :  ihre  Bürgermeister  heifsen  fortan  Duovirn  statt 
Aedilen,4)  Die  Inschriften  allein  müssen  sie  vergegenwärtigen;  denn 
die  zahlreichen  Ruinen  gehören  Villen  an  die  den  ganzen  Zwischen- 
raum zwischen  Stadt  und  Hafen  ausfüllten.  Das  temperatae  dulce 
Formiae  litus  von  Bergen  umhegt  in  südHchem  Pflanzenschmuck 
prangend,  die  Reize  Neapels  in  stiller  Ruhe  entfaltend  &),  hat  seit  den 
punischen  Kriegen  unter  dem  Adel  Roms  Verehrer  gefunden  und 
bei  allen  Wechseln  der  Mode  sich  bewahrt.^)  Cicero's  Manen  um- 
schweben das  gastliche  Gestade  an  dem  er  tür  die  Freiheit  in  den 
Tod  ging:  sein  Formianum  lag  nur  eine  starke  Millie  von  Gaeta, 
wird  deshalb  von  ihm  auch  Caietanum  benannt.")  Dies  bescheidene 
Landhaus  ist  es  freilich  nicht,  sondern  die  Pracht  die  Mamurra 
(ein  Bürger  der  Stadt)  und  seines  Gleichen  mit  keltischem  Golde 
aufthürmten,  deren  Trümmer  das  Auge  fesseln. *)  Der  Formianer 
Wein  wird  gelobt.  9) 

Auf  das  östliche  Vorgebirge  des  Golfs  von  Gaeta  folgt  die 
Küstenebene  die  der  Liris  ausgefüllt  hat  (I  330).  Sie  erstreckt  sich 
am  Strande  16  km  lang  hin,  landeinwärts  14  km.  Gen  Osten  dacht 
sich  der  vulkanische  Ringwall  der  Rocca  Monfina  (I  266)  allmälich 


1)  Cic.  ad  Att.  II  13  bedarf  die  Anspielung  59  v.  Chr.  einen  Commentar, 
Hör.  Od.  111  17  Plin.  111  59  Sil.  lt.  Vll  41Ü  Vlll  529. 

2)  Lykophr.  AI.  1274  Diod.  IV  56. 

3)  Strab.  V  233  Plin.  111  59  Fest.  83  M.  Serv.  V.  Aen.  VII  695  <PoQ!iCai  = 
'Ogfiiai  Siä  To  sioQfiov  Kaiäja  =  KaiäSa  (Thuk.  I  134  Strab.  VIII  367). 

4)  Cic.  de  imp.  Cn.  Pomp.  33  Flor.  II  18,2  CIL.  X  1  p.  603.  —  Andere  Er- 
wähnungen Liv.  XXXII  1.  29  XXXV  21  XL  2  Obseq.  14  Mela  11  71  Ptol.  III  1,5 
Feldm.  234  Sueton  Vit.  7. 

5)  Martial  X  30. 

6)  Cic.  de  Rep.  I  61  de  Or.  II  22  (Laelius)  Phil.  XIII  11  ad  Att.  VII  8,4 
(Pompeius)  de  Deor.  nat.  Ill  86  ad  Att.  XV  13,5  Tac.  Ann.  XVI  10  vita  Ant. 
Phil.  19  Aelian  Tact.  praef.  Dig.  I  8,4. 

7)  Liv.  fr.  50  Appian  b.  civ.  IV  19  Plut.  Cic.  47,4  Cic.  ad  Att.  I  3  u.  4  XIV  7. 

8)  Hör.  Sat.  I  5,37  m.  Schol.  Plin.  XXXVI  48. 

9)  Hör.  Od.  I  20,11  III  16,34  Athen.  I  26e. 


662  Kapitel  XI.    Neu  Latium. 

ab  und  wird  durch  den  Massicus  (I  264)  fortgesetzt.  An  der  gegen- 
überliegenden Nordseite  fehlt  die  Vermittlung  zwischen  dem  Appennin 
und  der  Ebene.  Der  volskische  Appennin  zerfällt  wie  S.  658  be- 
merkt ward,  in  vier  Abschnitte:  der  vom  Liris  umflossene  Südost- 
abschnitt hat  die  geringste  Ausdehnung  und  Erhebung  (M.  Majo 
940  m).  Das  Thal  des  Ausente  trennt  ihn  von  den  höheren  for- 
mianischen  Bergen.  Der  Ausente  wie  der  rechts  in  ihn  einmün- 
dende Ausentello  erinnern  durch  ihre  Namen  an  die  ehemaligen 
Bewohner.  Nach  Ausweis  der  Inschriften  bestand  hier  in  römischer 
Zeit  ein  Vicus.i)  Der  heutige  Hauptort  des  Thals  Tratte  ist  Auso- 
nia  umgetauft  worden:  was  besser  kHugt,  aber  auf  blofsem  Belieben 
beruht.  Die  3  d.  GM.  grofse  Küstenebene  und  das  Gebirge  das 
sie  schützend  umgiebt,  war  den  Aurunkern  bis  zum  Ausgang  des 
4.  Jahrhunderts  verblieben.  Als  sie  nach  dem  Sieg  der  Samniten 
bei  Lautulae  315  auf  deren  Seite  traten,  wurde  im  nächsten  Feld- 
zug ihre  Selbständigkeit  aufgehoben.")  Von  den  3  namhaft  ge- 
machten Städten  die  damals  den  Rest  der  aurunkischen  Gemein- 
schaft darstellten,  war  Minturnae  oder  nach  älterer  Schreibung 
Menturnae^)  der  Hafen  der  beiden  anderen.  Es  liegt  am  rechten 
Ufer  des  Liris  2  km  oberhalb  der  Mündung,  oder  wenn  man  die 
Vorstadt  jenseit  der  Brücke  mit  zur  Stadt  rechnen  will,  an  beiden 
Ufern  des  Liris. 4)  Die  Brücke  auf  der  die  appische  Strafse  den 
Flufs  überschreitet,  hiefs  pons  Tiretius.^)  Unweit  der  Mündung 
wurde  Marica  eine  altitalische  Göttin  in  einem  heiligen  Hain  ver- 
ehrt.6)  In  dem  anstofsenden  Sumpf  suchte  der  flüchtige  Marius 
ein  Versteck:  mit  minderem  Glück  als  Garibaldi  in  den  Sümpfen 
von  Ravenna.'^)  Ein  1 — 2  km  breiter  Sumpfgürlel  fafst  den  Strand  in 
seiner  ganzen  Ausdehnung  ein.^)  Jenseit  bei  8  m  Meereshöhe 
liegt  die  Stadt  und  läuft  die  Via  Appia.  Die  Luft  war  in  solcher 
Nachbarschaft   keine   gute  9),   aber  die  Vortheile  des  Platzes  hefsen 


1)  CiL  X  1  p.  529.  2)  Liv.  IX  25. 

3)  CIL.  X  1  p.  595. 

4)  Streb.  V  233  Plin.  III  59  (vgl.  I  329  A.  2)  Mela  II  71  Ptol.  III  1,54. 

5)  Cic.  ad  Alt.  XVI13a,l. 

6)  Strab.  V  233  Plut.  Mar.  39  Liv.  XXVII  37  Hör.  Od,  III  17,8  Serv.  V.  Aen. 
VII  47  Lucan  II  424  Marlial  X  30,9  XIII  83  Vib.  Seq.  149.  153  Riese  Glaudian 
I  259  Preller  Mylh.  13  412. 

7)  Plut.  Mar.  36—40  Appiau  b.  civ.  I  61.  62  Vell.  II  19  Juvenal  10,276  u.  a. 

8)  Weidenpflanzung  Cic.  de  lege  agr.  2,36. 

9)  Ovid  Met.  XV  716  Minturnae  graves. 


§  3.     Die  Aurunker.  663 

darüber  hinwegsehen.  Er  ist  durch  die  Appia  mit  Formiae  und 
Sinuessa  verbunden,  von  beiden  je  9,  von  Rom  97  Milben  ent- 
fernt.*) Ferner  zweigt  hier  eine  Strafse  ab  au  Suessa  (10  Millien) 
vorbei  nach  Teanum  (18  Milben)  und  Benevent  (78  3IiUien).'')  End- 
lich führt  eine  Strafse  den  Ausente  hinauf  der  bei  Minturnae  in  den 
Liris  einfliefst,  bat  eine  Steigung  von  160  m  zu  überwinden  und 
erreicht  nach  25  Millien  Aquinum.3)  Die  günstige  Verkebrslage  4) 
bat  den  Aufschwung  des  Gewerbes  befördert  °)  und  die  Geschicke 
der  Stadt  bestimmt.  Sie  verlor  ihren  oskischen  Charakter  6)  durch 
die  Bürgercolonie  die  295  gegründet  und  nachmals  der  Tribus 
Teretina  zugewiesen  ward.')  Sie  gebort  zu  den  Colonien  des 
Augustup'^)  und  erhielt  von  ihm  eine  Gebietserweiterung.^)  Inschrif- 
ten und  Ruinen  (darunter  ein  Amphitheater)  bekunden  die  Blüte 
des  Gemeinwesens.  Es  wird  noch  im  6.  Jahrhundert  erwähnt J<>) 
In  der  Folge  wurde  die  Stätte  verlassen :  2  Millien  oberhalb  an 
einem  gesünderen  und  geschützteren  Ort  (140  m)  bot  Traetto  das 
jetzt  Minturno  beifst,  den  Bewohnern  Unterkunft.  —  Als  Schwester- 
colonie  wurde  295  in  sahn  Vesctno  Sinuessa  gestiftet,  die  Grenz- 
festung des  erweiterten  Latium  gegen  Campanien  und  von  hervor- 
ragender strategischer  Bedeutung.")  Das  Bergland  das  den  Unterlauf 
des  Liris  von  dem  des  Volturnus  scheidet,  umfafst  verschiedenartige 
Bestandtheile.  Dem  Meer  zunächst  vollzieht  ein  5  km  breiter  12  km 
langer  Rücken  die  Trennung.  Er  mifst  im  Mittel  500  m,  die  höchste 
Spitze  811  m,  bestebt  aus  Kalk  mit  einem  Mantel  von  pliocaenen 
und  vulkanischen  Massen,  bat  in  einer  früheren  geologischen  Periode 


1)  Strab.  V  233  80  Stadien  It.  Ant.  108  Hieros.  611  Tab.  Peut.  Geogr,  Rav. 
IV  32  V  2  CIL.  X  1  p.  693. 

2)  lt.  Ant.  121  Tab.  Peut. 

3)  Cic.  ad  All.  XVJ  10  zu  interpungiren  verti  igäur  me  a  Minturnis  Ar- 
pinum  versus  constitueravi,  ut  .  .  .  eb.  13  a, 2  via  mala. 

4)  Cic.  ad  Fam.  XIV  14,2  ad  Att.  V  1,5  3,2  VII  13,6. 

5)  Cato  RR.  135. 

6)  Wenn  Dionys  nach  Sleph.  Byz.  sie  den  Samniten   zuschreibt,   wird  er 
an  die  oskische  Nationalität  gedacht  haben. 

7)  Veli.  I  14  Liv.  X  21  XXVII  38  XXXVI  3  Cic.    pro  Plane.  26;    Prodigien 
Liv.  XXVII  37  XXXVI  37  XLIII  13  Obseq.  27. 

8)  Plin.  III  59  Dion.  H.  I  9  Plol.  III  1,54. 

9)  Feldm.  178.  235. 

10)  Prokop  b.  Goth.  III  26. 

11)  Vell.  I  14  Liv.  X  21  XXil  14  XXVII  38  XXXVI  3. 


664  Kapitel  XI.     Neu  Latium. 

eine  Insel  gebildet  (I  264).  Der  glücklichen  Bodenmischung  ver- 
dankt er  seinen  Ruf:  denn  dies  ist  der  weinberiihmte  mons  Massi- 
cus.^)  Gegen  das  Meer  vorspringend  läfst  er  am  Strand  einen 
Durchgang  den  saltus  Vesctmis  frei,  der  in  der  Kriegsgeschichte  ge- 
nannt wird  gleich  dem  Pafs  von  Lautulae  bei  Tarracina  (S.  642). 
Durch  ihn  entkamen  340  die  am  Vesuv  geschlagenen  Latiner,  durch 
ihn  drangen  die  Samniten  296  ins  Falernerland,  von  hier  sah  Fabius 
217  dessen  Verwüstung  abwartend  an. 2)  Die  Aurunkerstadt  Vescia 
ist  seit  314  verschollen  3),  ihr  Name  haftet  nicht  blofs  am  Pafs, 
sondern  ähnlich  wie  das  mit  Pometia  geschah  (S.  634),  diente  ager 
Vescinns  zur  Bezeichnung  der  ganzen  Küstenebene  am  unteren 
Liris.4)  Die  Stadt  wird  am  Massicus  zu  suchen  sein ;  ihre  Nach- 
folgerin Sinuessa  sperrt  den  nördlichen  Eingang  des  Passes,  am 
Strande  zwischen  zwei  Bächen  gelegen:  Torre  S.  Limato,  4  Millien 
Nord  vom  heutigen  Mondragone,  bezeichnet  den  Ort.  Die  Feldmark 
erstreckte  sich  bis  ans  Falernische  hin.^)  Die  älteste  Namensform 
lautet  Senuisa,  die  jüngere  Sinuesa  oder  gewöhnlich  Sinuessa  und 
scheint  einheimisch  zu  sein. 6)  Die  Stadt  ist  106  Millien  von  Rom''), 
fällt  daher  aufserhalb  der  rechtlichen,  innerhalb  der  natürlichen 
Grenze  Latiums  und  wird  bald  zu  diesem  bald  zu  Campanien  ge- 
rechnet (S.  553).  Die  Republik  hat  in  der  Colonie  viel  bauen 
lassen. s)  Augustus  freihch  wandte  seine  Gunst  der  Nachbarin 
Minlurnae  zu.  Dann  aber  ist  sie  vermutlich  durch  Domitian  und 
im  Zusammenbang  mit  der  Anlage  der  Via  Domitiana  nach  Puteoli 
wieder  zum  Rang  einer  colonia  Flavia  erhoben  worden. 9)  Die 
Reisenden   rasteten  gern    in  Sinuessa'")  und   priesen  seine   weiche 


1)  Verg.  Georg.  II  143  III  526  Aen.  VII  726  Hör.  Od.  I  1,19  III  21,5  Colum. 
m  8  Plin.  III  60  XIV  64  Martial  I  26,8  XIII  111  Sil.  It.  VII  166.  207.  263. 

2)  Liv.  YIII  11  X20  XXII  14. 

3)  Liv,  VIII  11  IX  25  Sleph.  Byz.  Beaxia. 

4)  Liv.  X  20.  31  Cic.  de  lege  agr.  II  66  Lucan  II  425  Cluver  1083. 

5)  Liv.  XXil  14. 

6)  CIL.  X  1  p.  463;  von  sinus  abgeleitet  Strab.  V  234;  die  Angabe  eine 
griechische  Stadt  Sinope  sei  hier  vorausgegangen  Liv.  X  21  Plin.  III  59,  sieht 
darnach  aus,  als  ob  sie  aus  dem  heimischen  Namen  herausgesponnen  wäre. 

7)  It.  Ant.  108  Hieros.  61 1  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  CIL.  X  1  p.  693. 

8)  Hemina  fr.  38  (Serv.  V.  Aen.  I  421)  Liv.  XLI  27;  Prodigien  Liv,  XXVII 
11  XXXI  12  XXXIl  9  XLI  21. 

9)  CIL.  X  4735  Feldm.  237  vgl.  Eph.  ep.  VIII  p.  141  fg. 

10)  Cic.  ad  Att.  IX  15,6  16,1   Hör.  Sat.  I  5,40  Ovid  Met.  XV  715. 


§  3.     Die  Aurunker.  665 

Luft*);  Cicero  hatte  hier  ein  Absteigequartier.'^)  Die  Ueberreste 
der  von  den  Saracenen  zerstörten  Stadt  sind  nachgerade  vom  Erd- 
boden verschwunden:  ein  Amphitheater  war  darunter. 3)  Eine  kleine 
aber  ausgewählte  Gesellschaft  wurde  durch  die  2  km  südlich  an  der 
engsten  Stelle  des  Pafses  beündlichen  aqnae  St'nuessanae  Bagni 
Minerali  angezogen :  das  Wasser  half  gegen  Unfruchtbarkeit  der 
Weiber  und  gegen  Tollheit  der  Männer. 4)  Das  Gebiet  von  Sinuessa 
scheint  bis  zum  pons  Campanns  115  Midien  von  Rom  (S,  554)  ge- 
reicht zu  haben:  sicher  gehört  ihm  der  am  112.  Meilenstein  der 
Appia  gelegene  vicus  Caedkms  an^);  desgleichen  der  vicus  Petrtnus 
der  näher  am  Meer  etwa  bei  Mondragone  zu  suchen  ist.ß)  Um  die 
Feldmark  gegen  Minturnae  und  Suessa  abzugrenzen,  fehlt  jeglicher 
Anhalt.  Vielleicht  stiefsen  alle  drei  Gemeinden  bei  Trifannm  zu- 
sammen, wo  340  die  latinische  Landwehr  geschlagen  ward.") 

An  den  Massicus  schliefst  der  Ringwall  der  Rocca  Monfina  an 
(I  266).  Dieses  einen  Flächenraum  von  250  dkm  bedeckende  Ge- 
birge erinnert  in  seinem  Bau  an  das  albanische,  desgleichen  in 
seiner  Geschichte.  Es  ist  die  Hochburg  der  aurunkischen  Nation 
gewesen  wie  jenes  der  latinischen :  gegen  beide  laufen  andere 
Stämme  Sturm.  Aber  im  Norden  erleichterte  die  Bodengestaltung 
den  Vertbeidigern  ihre  Aufgabe;  denn  an  der  Angriffsfront  den 
Aequern  uud  Volskern  zugewandt  steht  der  Ringwall  unversehrt  da. 
Umgekehrt  ist  hier  an  der  bedrohten  Seite  nach  Samnium  hin  der 
schützende  Wall  verschwunden  und  durch  ein  niedriges  Hügelland 
ersetzt:  in  ihm  konnten  die  vom  Volturnus  her  einbrechenden  Sidi- 
ciner  sich  ausbreiten  und  den  Zusammenhang  der  Nation  sprengen. 
Die  alte  Hauptstadt  Aurunca  oder  Ausoyia  lag  bei  700  m  Meereshöhe 
ähnhch    wie  Alba   lang  hingestreckt   auf  dem  erhaltenen  Theil   des 


1)  Tac.  Ann.  XII  66  Sil.  lt.  VIII  527  Martial  VI  42,5. 

2)  Cic.  ad  Fam.  XII  20  ad  Alt.  XIV  8,1  XV   lb,l  XVIIO.  13a,l. 

3)  CIL.  X  4727.  37. 

4)  Liv.  XXII  13  Tac.  Ann.  XII  66  Hist.  I  72  Plut.  Oth.  2  Plin.  XXXI  8  Mar- 
tial VI  42,5.     Eine  Mofetta  erwähnt  Plin.  II  20S. 

5)  CIL.  X  4727  Plin.  XIV  62  Fest.  45  iM.  Auch  Liv.  XXII  36,8  wird  caedes 
aquas  in  Caedicias  zu  verbessern  sein.  Wenn  aber  Cluver  1083  unbedachter 
Weise  Plin.  XI  241  den  vestinischen  Käse  zu  einem  vescinischen  machen  will, 
so  vergifst  er,  dafs  Weinbau  und  Alpenwirtschaft  unvereinbare  Dinge  sind, 
sowie  dafs  der  Name  vescinisch  auf  die  Gegend  Süd  vom  Massicus  nicht  zutrifft. 

6)  Cic.  ad  Fam.  VI  19,1  Hör.  Ep.  I  5,5  mit.Schol. 

7)  Liv.  VIII  11  Diod.  XVJ  90. 


666  Kapitel  XI.     Neu  Latium. 

Ringwalls  (Serra  orler  Cortinella)  im  Südwesten:  von  Mauern  und 
Gebäuden  sind  in  roher  und  polygonaler  Art  geschichtete  Reste  vor- 
banden, i)  TrelTend  schildert  Vergil  die  Machtvertheilung  wie  sie 
sich  beim  Eingreifen  der  Römer  um  die  Mitte  des  4.  Jahrhunderts 
gestaltet  hatte: 

mille  rapit  populos,  vertmit  felicia  Baccho 
Massica  qni  rastris  et  qnos  de  coUibus  altis 
Anrunci  misere  patres,  Sididnaque  iuxla 
aequora  guique  Cales  lincnnt,  amnisque  vadosi 
accola  Voltnrni  .  .  . 
Unter  dem  Druck  der  Sidiciner  wurde  die  alte  Stätte  337  preisge- 
geben, die  Bewohner  siedelten  5  Millien  unterhalb  nach  dem  Hügel 
von  Suessa  (203  m)  über,   der  die  Strafse  vom  unteren  Liris  nach 
Teanum  beherrscht  (S.  663).     Die  Verlegung  der  Hauptstadt  wie  es 
scheint  in  einen  bereits  bestehenden  und  nunmehr  erweiterten  Ort 
bezweckt   ein   Bollwerk   aufzurichten ,   das   Teanum    den    Widerpart 
halten  kann. 2)  Nur  24  Jahr  hat  die  neue  Gründung  den  stolzen  Namen 
Aurnnca   geführt. ^j     Sie   räumt  313  der  latinischen  Colonie  Suessa 
den  Platz.4j    Die  Colonie  war  nicht  nur  eine  Stütze  römischer  Macht, 
sondern  auch  römischer  Bildung   und   hat  dieser   einen  mächtigen 
Kämpfer  gestellt.     Allein  magnus  Anruncae  alumnns  konnte  Lucilius 
erst  genannt  werden  nach  dem  Erlöschen  der  oskischcn  Sprache.^) 
Das  Beiwort  Aurunca  wird  amtlich  überhaupt  nicht,  in  der  Littera- 
tur  seit  Angustus  gebraucht  ß);    zwei  Menschenalter  früher  mufs  es 
unliebsam  geklungen   haben.     Suessa   gehört    zu   den    Prägestätten 
und  hat  sowol  Silber-  wie  Kupfermünzen  geschlagen.'')     Es  hat  das 
Handwerk  gepflegt,  z.  B.  Wagen  Dreschmaschinen  Körbe  geliefert.^) 
Es  stellte  zum  Bundesheer  eine  Cohorte,  versagte  aber  im  hanniba- 
lischen  Kriege.«)     Es   kam  90   bei  Verleihung   des  Bürgerrechts  in 


1)  Fest.  18  M.  Verg.  Aen.  VII  725  Abekeii  Ann.  dell'  Inst.  1839  p.  199fg. 

2)  Liv.  VIII  15  vgl.  Diod.  XVI  90. 

3)  Liv.  IX  25  heifst  die  Stadt  Aiisona.  Die  I  531  A.  2  erwähnte  Münze 
mit  der  Aufschrift  Aumnknd  gehört  nach  Neapel,  der  oskische  Name  war  falsch 
gelesen,  Dressel  Berliner  Katalog  148. 

4)  Liv.  IX  28  Vell.  I  14. 

5)  Juvenal  1,20  Auson.  Ep.  15.9. 

6)  CIL.  X  3969  Liv.  VIII  15  XXXII  9  Vell.  I  14  Feldm.  3.  237. 

7)  Mommsen  Münzwesen  166.  355. 

8)  Cato  RR.  135,1.  3. 

9)  Liv.  X  33  XXVII  9  XXIX  15  Prodigien  XXXII  1.  9. 


.    §  4.     Die  Volsker.  667 

die  aemilische  Tribus»),    ergriff  83  für  Sulla  Partei^),   heifst  dem 
Cicero  lautissimum  oppidum  nunc  municipum  honesttssimorum  quon- 
dam  colonorum.^)    Die  Triumvirn  siedellen  Veteranen  an,  daher  zählt 
die  colonia  Julia  Felix  Classica  Suessa  zu  den  bevorzugten  Städten 
des  Augustus.4)     Da  die  Strafse  an  ihr  vorbei  führt,  wird  ihr  Name 
in  der  Kaiserzeit  kaum  erwähnt.^)    Indessen  hat  sie  als  Sessa  (neuer- 
dings  Sessa  Aurunca)    die  Stürme   der  Zeiten   überdauert  und    be- 
wahrt aus  dem  Altertum  un verächtliche  üeberreste  (Brücke,  Amphi- 
theater).    Der  Mauerring  mafs  ungefähr  2V2  km.  —  Suessa  wird  in 
der   Kaiserzeit  zu  Campanien  gerechnet  ß),    liegt   auch    107  Millien 
von  Rom,  also  jenseit  der  Banngrenze.    Vom  Regionenverband  aus- 
geschlossen   ist   die    im   nämlichen  Jahr  313    gegründete   latinische 
Colonie  Pontiae.')     Die  Alten  bezeichnen  mit  diesem  Namen  einer- 
seits die  Hauptinsel  Ponza  —  nur  die  Griechen  brauchen  den  Sin- 
gular  Pontia'^)   — ,   dehnen    ihn    anderseits  auf  die  Nachbarinseln 
Sinonia  Zannone^)  und    Palmaria  Palmarola  lO)   aus.ii)     Die    ganze 
vulkanische    Gruppe    (I  272)   liegt  von   festländischen  Häfen    Circei 
am  Nächsten  (30—40  km),  aber  doch  so  sehr  innerhalb  des  Macht- 
bereichs der  Volsker  von  Formiae  Tarracina  und  Antium  dafs  diese 
bis  zur  römischen  Besitzergreifung   die  Herren  waren.     Was  über 
ihre  Geschichte  zu  sagen ,  ist  früher  (1  369)  beigebracht  worden.'*) 

§  4.    Die  Volsker. 

Die  Ponzainseln,  Formiae  und  Tarracina.  Antium  und  Velitrae 

sind  erst  um  500  volskisch  geworden.    Auch  Fregellae  am  mittleren 

Liris  der  Mündung  des  Trerus  gegenüber  hat  ehedem  einen  anderen 

Herrn  gehabt.    Neben  dem  Landgewinn  der  auf  Kosten  der  Latiner 


1)  CIL.  X  1  p.  465. 

2)  Appian  b.  civ.  I  85.  86.  108  CIL.  X  4751. 

3)  Cic.  Phil.  HI  10  IV  4  XIII  18. 

4)  CIL.  X  4832  Plin.  III  63  Feldm.  3.  15.  48.  79.  237. 

5)  Sil.  It.  VIII  398  Geogr.  Rav.  IV  34. 

6)  Feldm.  3.  48.  79  Ptol.  III  1,59. 

7)  Liv.  1X28  Diod.  XIXIOI. 

8)  Strab.  II  123  V  233  Diod.  XIX  101  Ptol.  III  1,69  Euseb.  a.  Abr.  2112  (p. 
162.  63  Schoene). 

9)  Plin.  III  81  Mela  11  121. 

10)  Plin.  Mela  a.  0.  Varro  RR.  III  5. 

11)  Plin.  XXXII  154  Athen.  VI  224c  Dio  LIX  22  It.  mar.  515. 

12)  Spärliche  Inschriften  CIL.  X  1  p.  677. 


668  Kapitel  XI.    Neu  Lalium. 

Aurunker  Herniker  Sidiciner  gemacht  wurde,  verzeichnen  die  An- 
nalen  nur  Eine  erhebliche  Einbufse,  indem  sie  das  volskische  Ge- 
biet um  400  bis  an  den  Fucinersee  ausdehnen  (S.  456  A.  6).  Die 
innere  Wahrscheinhchkeit  spricht  dafür  dafs  die  Ausbreitung  des 
Stammes  durch  den  Druck  den  Marser  und  Samniten  ausübten,  be- 
fördert wurde,  dafs  manche  Weide  und  mancher  Thalgrund  den 
Drängern  als  Beute  anheim  fiel.  Die  an  der  Küste  und  in  der 
Ebene  errungenen  Erfolge  haben  den  Zusammenhalt  des  Stammes 
weit  mehr  geschwächt  als  gestärkt.  Gröfsere  Verbände  wird  es 
sicherlich  innerhalb  desselben  gegeben  haben :  aber  man  schaut  ver- 
gebens nach  Spuren  einer  religiösen  oder  politischen  Gemeinschaft 
aus  welche  die  in  Dorf  und  Stadt  weit  verstreuten  Genossen  gleichen 
Blutes  und  gleicher  Sprache  vereinigt  hätte.  Bei  dem  zwischen 
Rom  und  Samnium  getroffenen  Abkommen  wurde  letzterem  im 
Binnenland  die  Lirisgrenze  zugestanden.  Als  beide  Mächte  mit  ein- 
ander handgemein  wurden,  schwankten  die  Volsker  in  ihrer  Partei- 
nahme hin  und  her.  Um  sich  ihrer  Treue  zu  versichern  errichtete 
Rom  in  Sora  Fregellae  und  Interamna  starke  latinische  Colonien  und 
nahm  die  Gesamtheit  der  Volsker  in  den  Bürgerverband  ohne  Stimm- 
recht auf.')  Einzelnen  wenn  nicht  allen  Gemeinden  ist  auch  das 
Stimmrecht  lange  vor  dem  Bundesgenossenkrieg  verliehen  worden. 
Dergestalt  dienen  die  Grenzen  Neu  Latiums  zugleich  zur  Bestimmung 
der  Volskergrenze. 

Die  Wiege  des  streitbaren  Volkes  hat  in  dem  Hochland  südhch 
vom  Fucinus  gestanden.  Die  Hauptkette  welche  die  Wasserscheide 
zwischen  dem  adriatischen  und  tyrrhenischen  Meer,  dem  Sagrus  und 
Liris  bildet,  streicht  45  km  lang  in  Südost  Richtung  mit  Gipfeln 
von  17 — 1900  m.  Dann  stöfst  sie  auf  einen  höheren  in  Absätzen 
von  Nord  nach  Süd  laufenden  Zug  an  den  sie  in  rechtem  Winkel 
anschliefst.  Ein  15  km  langes  Stück  dieses  Zuges  das  in  La  Meta 
(2241  m)  seinen  Knotenpunct  hat,  begrenzt  das  Stromgebiet  des 
Liris  gegen  den  Volturnus  im  Osten.  Endlich  erstreckt  sich  zwischen 
beiden  Flüssen  von  West  nach  Ost  auf  50  km  Entfernung  ein  mehr- 
fach durchbrochenes  niedriges  Gebirge  (höchster  Gipfel  M.  Cairo 
1669  m)  das  zusammen  mit  den  gegenüber  befindlichen  Bergen 
von  Formiae  die  Ebene  des  mittleren  Liris  einrahmt.  In  Mitten 
der   drei  unterschiedenen   Züge   liegt   ein    unregelmäfsig  gestalteter 


1)  Cic.  pro  Balb.  31  Off.  I  35  Streb.  V  231. 


§  4.    Die  Volsker.  669 

Kessel  mit  4 — 500  m  minierer  Erhebung  und  10  km  Durchmesser. 
Er  senkt  sich  von  Nord  nach  Süd,  wird  vom  60  km  langen  Melpis 
Melfa  1)  und  dessen  Nebenbächen  entwässert.  An  der  Südseite  des 
Kessels  150  m  über  der  Melfa  490  m  über  Meer  nimmt  Ätina  einen 
beherrschenden  Hügel  ein,  12  Millien  von  Casinum,  wenig  mehr 
von  Arpinum  entfernt:  monte  nivoso  descendens  heifst  es  bei  Silius 
(in  der  That  drückt  seine  Umgebung  die  Jahreswärme  herab),  prisca 
bei  Martial,  potens  bei  Vergil.2)  Der  heutige  Ort  bewahrt  den 
Namen,  füllt  aber  den  allen  aus  sorgfältig  behaueuen  vieleckigen 
Blöcken  erbauten  Mauerring  nur  zum  Theil  aus.  Ein  Gebiet  von 
3 — 400  Dkm  meist  Wald  und  Weide  hat  dazu  gehört.  Auf  gleicher 
Stufe  wirtschaftlicher  Entwicklung  wie  das  angrenzende  Samnium 
stehend,  hat  Atina  313-  293  am  Kampf  gegen  Rom  Theil  ge- 
nommen. 3)  Wann  es  Aufnahme  in  die  römische  Bürgerschaft  und 
die  Tribus  Teretina  fand ,  wird  nicht  überhefert.  Der  Gebirgs- 
charakter  der  Landschaft  erklärt  uns  warum  das  Gemeinwesen 
noch  zu  Cicero's  Zeit  von  Praefecten  geleitet  wurde.  Cicero  be- 
kundet seinen  Nachbarn  aufrichtiges  WolwoUen ,  hebt  insonderheit 
die  wehrhafte  freie  Bauerschaft  hervor  die  noch  nicht  vom  Grofs- 
grundbesitz  verdrängt  worden  war. 4)  Unter  der  Monarchie  ist  Atina 
ein  blühendes  Municipium  mit  Duovirn  an  der  Spitze,  wie  die  In- 
schriften lehren  5);  denn  die  Schriftsteller  erwähnen  es  kaum. 6) 
Vor  der  römischen  Herrschaft  hat  eine  selbständige  Gemeinde  wie 
es  scheint  den  nördlichen  Thalkessel  bewohnt.  Der  Name  von 
Cominium  ist  das  Mittelalter  hindurch  an  diesem  Landstrich  haften 
geblieben.  Aber  der  Punct  wo  die  von  den  Römern  293  eroberte 
Ortschaft  gestanden '),  ist  strittig:  man  kann  an  die  alte  Landkirche 
S.  Mario  del  Campo  (515  m)  1  Mühe  von  Alvito  die  die  Stelle 
eines  Tempels  einnimmt,  denken  oder  an  das  Dorf  S.  Donato  Val 


1)  Von  Strabo  V  237  allein  erwähnt  und  überschätzt  (I  330).  Die  Reise- 
karte verzeichnet  halbwegs  zwischen  Fabrateria  und  Aquinum  Melfel,  Geogr. 
Rav.  IV  33  Mulfe:  vielleicht  ist  die  heutige  Form  Melfa  einzusetzen. 

2)  Sil.  It.  Vlil  397  Martial  X  92  Verg.  Aen.  VII  630  XI  869  XII  661. 

3)  Liv.  IX  28  X  39. 

4)  Cic.  pro  Plane.  19.  21.  22.  30.  32.  47  de  Divin.  I  59  II  137. 
5).  CIL.  X  1  p.  499. 

6)  Plin.  HI  63  Ptol.  III  1,54  Feldm.  230. 

7)  Liv.  X  39—43  nach  einem  ganz  romanhaften  Bericht;  Dion.  H.  XVIII  4.  5 
setzt  die  Einnahme  ein  Jahr  früher,  wenn  er  nicht  an  ein  anderes  Cominium 
denkt. 


670  Kapitel  XI.    Neu  Latium. 

di  Comino  (728  m)  5  Millien  von  Alvito;  von  hier  geht  ein  Saum- 
weg nach  dem  Thal  des  Sagrus  hhiüber.i)  Aber  Spuren  einer  be- 
Jesligten  Stadt  fehlen.  Die  zahlreichen  Inschriften  erweisen  für  die 
romische  Zeit  die  Zugehörigkeit  des  Vicus  oder  Pagus  zu  Atina. 

Das  Becken  von  Atina  ist  allein  von  Westen  vom  Liris  her 
bequem  zugänghch:  nach  dieser  Richtung  fliefst  der  15  km  lange 
Fibrenus  Fibreno  oder  Fiume  della  I^sta  (I  329).  Der  klare  kalte 
wasserreiche  Bach  ist  durch  Cicero  berühmt  geworden. 2)  Sein 
Vaterhaus  und  Gut  Arpinas  lag  —  vermutlich  am  linken  Ufer  — 
bei  der  Einmündung  in  den  Liris  (280  m)  3):  das  Kloster  S.  Do- 
menico ungefähr  4  km  von  Sora  2  km  von  Isola  enthält  Werkslücke 
und  Säulen  die  von  einem  Umbau  des  Silius  oder  irgend  eines 
späteren  Besitzers  herrühren.^)  Der  Fibrenus  ist  mehrmals  gespalten: 
eine  dieser  Auen  in  der  Nähe  der  Villa  ist  die  insula  Arpinas  wo 
das  zweite  Gespräch  über  die  Gesetze  statt  fand.^)  Eine  römische 
Brücke  von  der  ein  Bogen  steht  (Ponte  di  Cicerone),  überschritt 
hier  den  Liris;  die  Strafse  leitete  nach  dem  7  Millien  entfernten 
Cereatae  Marianae,  dessen  Andenken  in  dem  alten  Kloster  Casamari 
(290  m)  am  Amaseno  6  Milben  von  Verulae  (S.  654)  fortlebt. 6) 
Dies  ist  die  Heimat  des  Gaius  Marius'),  ehedem  ein  arpinalischer 
Flecken,  von  den  Triumvirn  losgetrennt  theils  um  die  Stadt  Cicero's  zu 
schwächen,  theils  um  den  demokratischen  Helden  zu  ehren.  Den 
Hang  eines  Municipium  mit  Duovirn  Pontifices  usw.  hat  er  in  der 
Kaiserzeit  behalten.'^)  Wenn  derart  das  Gebiet  von  Arpinum  während 
der  Republik  im  Norden  bis  nahe  an  Sora  reichte,  im  Westen  an 
Verulae,  im  Süden  au  Fabrateria  (S.  656),  im  Osten  an  Atina  (S.  669) 
grenzte,  mag  es  einen  Flächeninhalt  von  250  Dkm  gehabt  haben. 
Es  ist  grolstentheils  gebirgig,  wie  die  umliegende  Landschaft  die 
Cicero  von  Sora  bis  Venafrum  zusammenfafst  als  nostra  illa  aspera 
et  montuosa  et  fidelis  et  simplex  et  fautrix  suorum  regio ß)    Die  Be- 


1)  JVlaiicini,  Giornale  degli  Scavi  di  Ponipel  IV  28  fg. 

2)  Der  Name  wird  erwähnt  Cic.  de  Leg.  II  1.  6  Sil.  lt.  YllI  399. 

3)  Cic.  Tusc.  V  74  ad  Farn.  XIV  7,3  ad  Att.  I  16,10  de  leg.  agr.  III  8. 

4)  Martial  XI  48  CIL.  X  1  p.  558. 

5)  Cic.  ad  Att.  XII  12,1  de  Leg.  II  1. 

6)  Bull,  dell'  Inst.  1851  p.  10  fg.  CIL.  X  1  p.  5G4  Eph.  ep.  VIII  p.  152. 

7)  Plut.  Mar.  3  ^v  xcÖ/utj  Ki^Quidrcovi  ti^e  'AQnivrjs  Feldm.  233. 

8)  Plin.  III  63  Cernetani  [nach  den  Inschriften  in  Cereatini  zu  verbessern] 
qui  Mariani  cognominantur  Slrab.  V  238. 

9)  Cic.  pro  Plane.  22  ad  Alt.  1111,2. 


§  4.    Die  Volsker.  671 

wunderer  des  grol'sen  Redners  führen  seinen  Stammbau  auf  die 
volskischen  Könige  zurück.')  Elier  schenken  wir  den  Gegnern 
Glauben  die  den  Wolsland  des  Vaters  aus  dem  Betrieb  von  Walker- 
grubeii  —  die  Stadt  besafs  solche  —  und  ahnlichem  Erwerb  ab- 
leiten.*) Immerhin  konnte  Arpiniim  Arpino  den  Eindruck  einer 
ehemaligen  Konigsstadt  erwecken.  Es  nimmt  einen  unregelmäfsig 
geformten  Hügel  ein  der  bis  627  m  aufsteigt.  Der  westliche  Theil 
hängt  nur  durch  einen  schmalen  Rücken  mit  der  eigentlichen  Stadt 
zusammen;  er  liegt  niedriger  als  die  Altstadt,  wird  aber  wegen 
seiner  Abgeschlossenheit  und  Festigkeit  als  die  Arx  angesehen. 
Der  gesamte  Umfang  der  Mauer  mifsl  ungefähr  3  km  und  befafst 
50  ha  Inhalt  (S.  38j;  sie  ist  aus  vieleckigeu  Blocken  errichtet; 
ein  Thor  auf  der  Höhe  (Porta  dell'  Arco)  wird  durch  einen  Spitz- 
bugen geschlossen  und  sieht  sehr  altertümlich  aus.  Die  Gemeinde 
hat  während  der  Republik  wie  im  Mittelaller  ihre  Wehr  in  Stand 
gehalten:  unter  den  wenigen  vorhandenen  Inschiifteu  beziehen  sich 
drei  auf  Mauer-  und  Thurmbau.  Die  Geschichte  Arpinums  beginnt 
für  uns  erst  im  Samnilerkrieg,  wo  diese  volskischen  Städte  den 
Kampfpreis  der  streitenden  Mächte  abgeben.  Es  wird  305  von  den 
Römern  zurück  erobert  und  303  mit  minderem  Bürgerrecht  bedachl.S) 
Es  erhält  18&  Stimmrecht  und  Aufnahme  in  die  Tribus  Cornelia, 
bleibt  aber  Praefectur  mit  drei  Aedilen  als  höchsten  einheimischen 
Beamten :  gerade  wie  in  Fuudi  und  Formiae  die  durch  den  näm- 
lichen Volksbeschlufs  Stimmrecht  erlangt  hatten  (S.  657).^)  Zu 
Cicero 's  Zeiten  war  Arpinum  Älunicipium  geworden,  ohne  dafs  die 
drei  Aedilen  durch  Qualtuorvirn  ersetzt  worden  wäreu.ä)  Der  Stadt- 
rat heilst  Senat. ^)  Die  Gemeinde  halte  Grundbesitz  in  Oberitaheu 
auf  dessen  Erträgen  ihr  Haushall  beruhte.')  in  der  Kaiseizeit  scheint 
sie  durch  den  erhtlenen  Gebietsverlusl  herabgekoninien  zu  sein  und 
wird  aufser  in  Verbindung  mit  ihren  beiden  grofsen  Söhnen  kaum 
erwähnt.^)    Die  Schriften  Cicero's  mit  ihren  so  zahlreichen  Bezügen 


1)  Plul.  Cic.  1  Sil.  It.  Vill  4U4  Suet.  rei.  p.  &U  Reilf.  Auf.  V.  v.  ill.  81. 

2)  Dio  XLVI  4.  5  CIL.  X  56S2. 

3)  Diod.  XX  yo  Liv.  IX  44  X  1. 

4)  Liv.  XXXVIII  36  Fest.  233  M. 

5)  Cic.  ad  Fam.  XllI  II.  12. 
b)  CIL.  X  1  p.  556. 

7)  Cic.  ad  Fam.  XIII  11. 

6)  Plin.  111  63  Varro  RR.  I  8,2  Sciiol.  Bob.  363  Oi.  Juvenai  8,237.  245  Päd. 
Lang.  VI  27. 


672  Kapitel  XI.    Neu  Latium. 

auf  die   geliebte   Heimat   haben  dieser  ein  bleibendes  Denkmal  ge- 
stiftet, i) 

Der    Liris    in    seinem   Oberlauf   durch    das   Thal   von   Roveto 
(l  329)  fliefst  45  km  lang  nach  Südost,   wird  hierauf  von    den  be- 
gleitenden Bergzügen   eingeengt   und   genötigt  um  den  rechts  vor- 
springenden Colle  S.  Angelo  (880  m)   einen  grofsen  Bogen  zu  be- 
schreiben.   Dann  folgt  ein  weites  Becken  bis  zu  den  Fällen  von  Isola 
in  welchem  der  Strom    eine  südüche  Richtung   einhält.      Die  Enge 
wird  durch  Sota  gesperrt,  in  alten  und  neuen  Zeiten  eine  wichtige 
Festung,  gewisser  Mafsen  der  Schlüssel  der  Abruzzen.    Sie  hat  weder 
Namen  noch  Stelle  verändert  ohne  doch  erhebliche  Ueberreste  auf- 
zuweisen.    Die  Stadt  erstreckte  sich  bei  ein  Drittel  Breite  reichlich 
1  km  lang  in  der  Ebene  (280  m)    am  rechten  Ufer   hin  und  wird 
im  Halbkreis  vom  Liris  umflossen  der  eine  starke  Schutzwehr  über- 
flüssig machte.    Im  Rücken  der  Stadt  steigt  ein  schmaler  Felsrücken 
steil  (539  m)  auf,   der  die  Arx   trug  und  einige  Reste   ihrer  poly- 
gonalen  Mauer  enthält.     Angreifbar  sind    nur  die   beiden    kurzen 
Strecken  in  Nord  und  Süd  die  zwischen  dem  Fufs  des  Felsens  und 
dem   Fluls   oflen    liegen.      Gelingt   es   freilich    wie  314  v.  Chr.  auf 
Ziegenpfaden  die  Burg  zu  beschleichen ,   so  wird   die  Stadt  unhalt- 
bar."*)   345  erobert,  metzelte  sie  315  die  römische  Besatzung  nieder; 
die  Anstifter,   225   an   der  Zahl,   wurden  314   auf  dem  Forum  zu 
Rom  hingerichtet;  306  von  den  Samniten  erstürmt,   ward  sie  305 
zurück  gewonnen.     Bald   darauf  803   ging   das   alte  Bollwerk  der 
Volsker  gegen  die  Marser  für  immer  in  den  Besitz  des  latinischen 
Stammes  über,   als    es  4000   Ansiedler    erhielt  deren    Aecker  vor- 
wiegend im  Thal  von  Roveto  gesucht  werden  müssen. 3)    Wie  diese 
Bauern  in  fremder  Umgebung  die  lateinische  Sprache  gepflegt  haben, 
führt  uns  eine  altertümhche  Weihinschrift  vor  Augen. 4)    Im  hanni- 
balischen  Kriege  versagte  Sora  209   mil  der  Minderheit  der  latini- 
schen Colonieri^);  bei  der  Aufnahme  in  den  Bürgerverband  kam  es 
in  die  Tribus  Romilia.ö)    Von  den  Triumvirn  wurde  eine  hier  aus- 
gehobene Legion  nach  der  Schlacht  bei  Philippi  in  der  Heimat  an- 


1)  0.    E.    Schmidt,     Arpinum    eine     topographisch -historische      Skizze, 
Meifsen  1900.  2)  Liv.  IX  24. 

3)  Diod.  XIX  72  XX  80  Liv.  Vli  28  IX  23.  24.  43.  44  X  I  Vell.  I  14. 

4)  CIL.  X  5708;  über  jüngere  soranische  Redner  Cic.  Brut.  169  de  Gr.  III  43 
vgl.  pro  Plane.  22. 

5)  Liv.  XX VII  9  XXIX  15.  6)  CIL.  X  1  p.  560. 


§  4.    Die  Volsker.  673 

gesiedelt.  1)     Daher   gehört   Sora  zu   den    Colonien  des   Augustus^) 
und  den  ansehnUcheu  Landstädten  des  kaiserlichen  Italien. 3) 

Unterhalb  der  Fälle  von  Isola  ist  der  Liris  bei  190  m  Meeres- 
höhe angelangt,  die  sich  nachdem  er  ein  Hügelland  durchmessen, 
beim  Austritt  in  die  Ebene  von  Fregellae  auf  140  m  vermindert 
hat.  Die  nach  Südost  gewandte  Ebene  ist  30  km  lang  10  km  breit 
und  nach  Süden  geneigt.  Deshalb  {liefst  der  Liris  hier  am  Fufs 
der  aurunkischen  Berge  hin.  Wo  er  den  Trerus  aufnimmt,  hat  er 
100  m  Meereshohe  und  kann  nirgends  mehr  durchwatet  werden 
(I  330).  Durch  den  Zusammenstofs  der  Thäler  wird  ein  Brenn- 
punct  des  Verkehrs  geschaffen :  flufsauf  geht  es  in  die  viel  ver- 
zweigten Landschaften  des  Hochappennin,  abwärts  zu  den  Aurun- 
kern  an  der  Küste  oder  um  die  Rocca  Monfina  herum  an  den 
Volturnus  nach  Campanien  und  Samnium;  anderseits  eröffnet  der 
Trerus  eine  Hauptstrafse  nach  Latium  und  Etrurien.  Selbst  wenn 
die  Ueberlieferung  vöUig  verstummt  wäre,  könnte  ein  Blick  auf  die 
Karte  lehren  dafs  die  Stämme  und  Mächte  des  unabhängigen  Italien 
auf  dem  weiten  Blachfeld  um  den  Vorrang  gekämpft  haben.  Fre- 
gellae beherrscht  die  Lirisbrücke.*)  Ob  die  Stadt  ursprünglich  den 
Hernikern  oder  Sidicinern  oder  wem  sonst  angehört  habe,  ist  nicht 
zu  sagen. ^)  Alsdann  gelangte  sie  in  volskischen  Besitz,  wurde  von 
den  Samniten  zerstört,  328  durch  eine  Colonie  latinischen  Rechtes 
ersetzt,  deren  Gründung  den  Ausbruch  des  zweiten  samnitischen 
Kriegs  verursachte. 6)  Für  das  Versländnifs  der  Begebenheiten  ist 
der  Umstand  von  Wichtigkeit  dafs  es  ein  altes  und  ein  neues 
Fregellae  gegeben  hat,  die  durch  einen  Zwischenraum  von  8  km 
getrennt  waren.  Jenes  wird  in  den  Aunaleu  Arx  Fregellana'^)  später 
kurzweg  Arx  *)  genannt  und  heifst  jetzt  noch  Arce.  Es  liegt  8  km 
in  der  Luftlinie  Süd  von  Arpiuum  auf  den  Hohen  zur  Linken  des 
Liris   bei  dessen   Austritt  in    die  Ebene.     Ueber  dem  Dorf   erhebt 


1)  Mommsen  zu  CIL.  X  5713. 

2)  Plin.  III  63  Feldm.  237.  244  CIL.  X  5670.  5711.  13. 

3)  Strab.  V  23S  Ptol.  HI  1.54  Juvenal  3,223  SiL  It.  VIII  394. 

4)  Liv.  XXVI  9. 

5)  Liv,  VIII  22  wird  Sidicinorum  oder  Hernicorum  hergestellt;  das  hand- 
schriftliche Segninorum  kann  richtig  sein. 

6)  Liv.  VIII  22.  23  IX  4  Dion.  H.  XV  8.  10  Appian  Samn.  4,1. 

7)  Liv.  IX  28  Diod.  XIX  101  wo  der  Name  von  Sora   ausgefallen  ist  tj^v 
IS  <pQeysX}.avcöv  [uxqotioXiv  xal  ttjv  ^co(>apcüv]  nöXiv  elXe. 

8)  Geogr.  Rav.  IV  33  Paul.  h.  Lang.  VI  27. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.    II.  43 


674  Kapitel  XI.     Neu  Latium.; 

sich  die  Burg  Rocca  d'Arce  (504  m)  welche-  die  Ebene  um  mehr 
als  300  m  überragt,  durch  die  Steilheit  des  von  Natur  und  Menschen- 
hand abgeschrofften  Felsens,  an  der  zugänglichsten  Seite  durch  eine 
polygonale  Mauer  gesichert  ist.  Die  Burg  galt  im  Mittelalter  für 
uneinnehmbar.  Während  des  Landfriedens,  wol  erst  seit  125  v. 
Chr.,  war  sie  der  arpinatischen  Feldmark  einverleibt;  denn  von 
dieser  war  das  Arcamim  das  mehrfach  erwähnte  Landgut  des  Q. 
Cicero  umschlossen. i)  Man  schreibt  letzterem  die  unterhalb  Arce 
befindhchen  römischen  Trümmer  (Fontana  buona)  zu:  die  Entfernung 
12  Millien  vom  Arpinas  des  Redners,  15  MiUien  von  Aquinum  würde 
stimmen. 2)  —  Ein  zweites  Landgut  des  Q.  Cicero  Laterium  gewährt 
die  Mittel  um  den  Sitz  einer  verschollenen  Gemeinde  aus  der  Epoche 
der  samnitischen  Kriege  zu  bestimmen.  Nach  der  stark  gefärbten 
Erzählung  der  Annalen  fallen  die  Satricani  trotz  ihres  Bürgerrechts 
in  Folge  der  caudinischen  Niederlage  321  ab,  betheiligen  sich  an 
der  Zerstörung  Fregellae's  und  nehmen  eine  samnitische  Besatzung 
in  ihre  Mauern  auf.  Als  319  der  Consul  anrückt,  gewinnt  die  rö- 
mische Partei  die  Oberhand,  giebt  Besatzung  und  Stadt  preis;  die 
Schuldigen  werden  hingerichtet,  die  Gemeinde  des  Waffenrechtes 
und  damit  der  Selbständigkeit  beraubt. 3)  In  ciceronischer  Zeit  be- 
fand sich  ein  Dorf  Satricum  in  der  Gegend  des  Laterium. *)  Diese 
Villa  war  eine  ganze  Tagereise  von  Anagnia,  eine  halbe  vom  Ar- 
pinas, d.  1).  nach  dem  gemächlichen  Tempo  das  die  Ausflüge  des 
Redners  einhalten,  rund  20  bezw.  10  Milben  entfernt 5)  und  zu 
Arpinum  gehörig  6),  mufs  demnach  in  der  Nachbarschaft  von  Cer- 
eatae  (S.  670)  gesucht  werden.  Mit  Sicherheit  kann  Satricum  dem 
rechten  Lirisufer  zugewiesen ,  vielleicht  in  Bauco  (487  m)  oder  M. 
S.  Giovanni  (420  m)  10  Millien  oberhalb  Fregellae  angesetzt  werden. "^j 
Zu  Arpinum  wird  es  entweder  303  oder  188  geschlagen  (S.  671), 
von  den  Triumvirn  wieder  abgetrennt  worden  sein.  —  Im  Unter- 
schied von  den  Bergstädten  im  Umkreise  haben  die  Römer  828  in 


1)  Cic.  ad  Att.  1  6,2  V  1,3.  4  VII  5,3  X  2,1.  3  XVI  10,1  ad  Qu.  fr.  II  5,4 
JII  1,1  3,1  9,7  CIL.  X  1  p.  555. 
2j  Cic.  ad  Att.  V  1  u.  a. 

3)  Liv.  IX  12.  16. 

4)  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1,4. 

5)  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  5,4  III  1,4  3,1   ad  Att.  X  1,1. 

6)  Cic.  ad  Att.  IV  7,3. 

7)  Vielleicht  gehört  ihm  die  Weihinschrift  CIL.  X  5779  an  und  kann  zur 
genaueren  Bestimmung  der  Lage  dienen. 


§  4.     Die  Volsker.  675 

der  Ebene  am  linken  Ufer  des  Liris  ein  neues  Fregellae  als  Ersatz 
des  von  den  Samniten  zerstörten  erbaut.  Bei  der  Einmündung  des 
Trerus  macht  der  Liris  einen  rechten  Winkel,  indem  er  die  bis- 
herige Südrichtung  mit  der  Ostrichtung  des  Trerus  vertauscht.  In 
diesem  Winkel  ist  die  Colonie  angelegt,  so  dafs  Rücken  und  rechte 
Flanke  durch  den  Flufs  geschützt  sind.  Auf  dem  hohen  Uferrand 
gelegen  (124  m)  hat  sie  auch  eine  durch  einen  Bachgrund  gedeckte 
Front,  ^'ur  die  linke  Flanke  nach  Norden  kann  mit  Erfolg  an- 
gegriffen werden.  Die  Stätte  (Opi)  ist  früh  verödet  und  seitdem 
als  Steinbruch  von  den  anliegenden  Ortschaften  Ceprano  und  Iso- 
letta  ausgebeutet  worden;  die  Fundamente  liegen  in  der  Tiefe,  plan- 
mäfsige  Grabungen  können  allein  Grundrifs  und  Ausdehnung  der 
Stadt  feststellen.!)  Sie  wurde  nach  dem  eaudinischen  Frieden  zer- 
stört, die  Bewohner  scheinen  die  frühere  Stätte  wieder  aufgesucht 
zu  haben,  der  Neubau  wird  nicht  ausdrückhch  erzählt,  wird  aber 
am  Ausgang  des  Krieges  nach  den  Siegen  der  römischen  Waffen 
erfolgt  sein. 2)  Fregellae  hat  dem  Pyrrhos  wie  dem  Hannibal 
widerstanden  und  seine  Bundespflichten  treulich  erfüllt.3)  Im 
Frieden  übte  es  kraft  seiner  günstigen  Lage  eine  starke  An- 
ziehung aus:  177  erheben  die  Samniten  und  Paeligner  Be- 
schwerde dafs  aus  ihrer  Mitte  4000  Familien  übergesiedelt  seien. *) 
Während  der  gracchischen  Bewegung  stellt  es  den  Wortführer  um 
für  die  Latiner  das  Stimmrecht  zu  verlangen^),  ergreift  die  Waffen 
als  in  Güte  nichts  zu  erreichen  war. 6)  Aber  es  fällt  125  durch 
Verrat  und  seine  Blüte  ist  für  immer  dahin.'')  Nach  Aussage  der 
Schriftsteller  ward  die  Stadt  zerstört;  jedoch  blieben  die  Tempel 
stehen  ^)  und  nach  dem  Bundesgenossenkrieg  erscheint  Fregellae  als 
selbständiges  Municipium,  wird  in  solcher  Eigenschaft  auch  von 
Augustus  anerkannt. 9)    In  Wirklichkeit  war  es  durch  die  bedeutende 


1)  Auf  de  Chaupy,  Decouverte  de  la  maison  de  campagne  d'  Horace,  Rome 
1769,  III  475  gehen  unsere  Nachrichten  im  Wesentlichen  zurück. 

2)  Liv.  Vm  22.  23  IX  12.  28  Diod.  XIX  101  (vgl.  S.  673  A.  7). 

3)  Flor.  I  13,24  Liv.  XXVI  9  XXVIl  10.  26.  27  XXXVII  34  Plut.  Marc.  29 
Sil.  II.  V  542  XII  529  Prodigien  XXVI  23  XXVIII  11  XLIII  13. 

4)  Liv.  XLl  8.  5)  Cic.  Brut.  170. 

6)  Cornif.  (ad  Herenn.)  IV  13.  22.  37   Cic.  de  inv.  I  11  de  leg.    agr.  2,90. 

7)  Cic.  de  Fin.  V  62  Phil.  III  17  Liv.  LX  Obseq.  30  Val.  Max.  II  8,4  Vell. 
II  6,3  Ascon.   15  Kiefs.  Plut.  C.  Gracch.  3,1. 

8)  Obseq.  52  Strab.  V  233.  237.  238. 

9)  Cic.  ad  Fam.  Xlil  76  Plin.  III  64. 

43* 


676  Kapitel  XL     Neu  Latium. 

Schmälerung  seines  Gebiets  und  durch  die  künstliche  Ablenkung 
des  Verkehrs  zum  Dorl'  herabgesunken.  Die  Via  Latin»  läuft  seit 
124  V.  Chr.  durch  Faluateria  (S.  656),  überschreitet  ein  paar  hun- 
dert Schritt  unterhalb  der  jetzigen  Brücke  bei  Isoletta  den  Liris, 
läfst  mithin  Fregellae  links  liegen.  Wenn  bei  Columella  eine  Reben- 
art diesen  INamen  trägt,  so  ist  dies  ein  Nachklang  aus  glücklicheren 
Tagen.') 

Uebrigeus  war  nicht  Fabrateria  Haupterbe,  sondern  Aquinum 
Aquino.  Die  Dinerariengeben  die  Entfernungbeider  Städte  von  einander 
richtig  zu  8  Millien  an ;  der  Melpis  mit  der  Station  gleichen  Namens 
(S.  669  A.  1)  fällt  in  die  Mitte.2)  Aquinum  80  Millien  von  Rom, 
liegt  in  der  Ebene  (102  m)  an  einem  Bach.  Inschriften  wie  Ruinen 
weisen  ihm  unter  den  Landstädten  einen  höheren  Rang  an.  Ein 
Thor,  Reste  der  aus  Travertlnquadern  erbauten  Mauer,  Spuren  des 
Grabens,  zwei  Tempel,  Theater,  Amphitheater  u.a.  sind  sichtbar. 
Ferner  hat  es  Kupfermünzen  mit  lateinischer  Aufschrift  geschlagen. 3) 
Derart  werden  die  Angaben  der  Schriftsteller  durch  die  Denkmäler 
bestätigt.  Freilich  kommt  der  Name  in  der  älteren  Geschichte  nicht 
vor,  wird  zum  ersten  Mal  211  beiläuGg  erwähnt. 4)  Aber  nach  dem 
Sturz  Fregellae's  ist  der  Aufschwung  ein  derartiger  dafs  Cicero  von 
einer  belebten,  Strabo  von  einer  grofsen  Stadt  spricht.^)  Sie  gehörte 
als  Municipium  zur  Tribus  Oufentina,  erhielt  eine  Colonie  durch  die 
Triumvirn  und  wird  als  solche  im  Verzeichniis  des  Augustus  aufgeführt.'^) 
Die  Verkehrslage  ist  günstig:  einerseits  wird  Aquinum  von  der  Via 
Latina  durchzogen,  anderseits  steht  es  durch  die  Strafse  nach  Min- 
turnae  (S.  663)  mit  dem  Meer  in  Verbindung.  In  gewerblicher  Hinsicht 
boren  wir  von  der  Blüte  der  Färberei.")  Seinen  bleibenden  Ruhm 
verdankt  Aquinum  dem  grofsen  Dichter  *)  und  dem  grofsen  Scholastiker 
die  es  der  Welt  geschenkt  hat.  Auch  die  Familie  des  Kaisers  i'escen- 
nius  Niger  soll  von  hier  stammen.»)  —  Die  Via  Latina  erreicht  nach 

1)  Colum.  III  2. 

2)  It.  Ant.  303  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  33  CIL.  X  1  p.  698. 

3)  iMommsen  Münzwesen  117.  355. 

4)  Liv.  XXVI  9. 

5)  Cic.  Phil.  II  106  pro  Ciuent.  192  pro  Plane.  22   ad  Atl.  V  1  XVI   10. 
13 a  ad  Farn.  IX  24  XVI  24,  Strab.  V  237,  ingens  Sil.  It.  VIII  403  XII  528. 

6)  Feldm.  229  Piin.  III  63  Tac.  Bist.  I  88  II  63  CIL.  X  1  p.  530  Eph.  ep. 
VIIl^p.  150. 

7)  Her.  Ep.  I  10,26  m.  Schol.  8)  Jiivenal  3,318  fg.  CIL.  X  5382. 
9)  ViU  Pesc.   1 ;  sonst  noch  erwähnt  Ptol.  III  1,54. 


§  4.    Die  Volsker.  677 

7  Millien,  87  Millien  von  Romi),  Casimim  San  Germano,  umge- 
tauft Cassino,  die  letzte  Stadt  in  Neu  Latium.^)  Sie  liegt  am  Fufs 
eines  Ausläufers  den  der  M.  Cairo  (1669  m)  gen  Süden  entsendet: 
den  Gipfel  (519  m)  nimmt  seit  529  die  vom  h.  Benedict,  wie  es 
heifst,  an  der  Stelle  eines  Apollotempels  gegründete  weltberühmte 
Abtei  Montecassino  ein.  Der  Appennin  umzieht  hier  eine  5  km 
breite  längliche  Bucht  deren  eine  Seite  von  der  Gruppe  des  M.  Cairo, 
die  andere  von  den  die  Wasserscheide  zwischen  Liris  und  Volturnus 
bildenden  Bergen  eingenommen  wird.  Derart  erstreckt  sich  über 
15  km  von  Nord  nach  Süd  ebenes  Land  das  von  dem  30  km  langen 
Rapido  durchflössen  wird:  nach  Norden  läuft  eine  Strafse  nach 
Alina  aus,  gen  Süden  biegt  der  Liris  nach  Minturnae  um.  Diese 
Linie  wird  von  der  Aquinum  und  Teanum  verbindenden  Via  Latina 
geschnitten.  Casinum  liegt  am  Schnittpunct:  die  Erklärung  des 
Namens  Aller  Markt  trifft  sachlich  zu. 3)  Indessen  kann  die  Stadt 
erst  nachträglich  in  die  Ebene  hinabgestiegen  sein:  vordem  nutzte 
sie  den  Schutz  des  Berges  aus,  die  Höhe  von  Montecassino  wird  im 
Leben  S.  Benedicts  als  Arx  bezeichnet.^)  Der  Rapido  fliefst  an  der 
Stadt  vorbei;  aufserdem  brechen  viele  Quellen  ringsum  am  Saum 
der  Berge  hervor. s)  Der  Wasserreichtum  erfüllt  den  Thalkessel 
häufig  mit  Nebel,  das  Beiwort  nebulosi  rura  Casini  ist  nicht  unver- 
dient.6)  Aber  die  Hügel  tragen  Oel "),  das  Gefilde  ist  fruchtbar  und 
gesegnet,  daher  auch  fremden  Eingriffen  ausgesetzt.^)  Von  den 
Samniten  kam  es  an  die  Romer. 9)  Jene  werden  es  den  Volskern 
entrissen,  bezw.  die  Herrschaft  über  das  volskische  Land  errungen 
haben.  Man  kann  solches  aus  dem  Vorgehen  der  Römer  schliefseo, 
die  einen  Theil  des  Landes  der  312  gegründeten  Colonie  Interamna 
zuwandten,  den  Casinaten  dagegen  minderes  Bürgerrecht  verliehen.  'O) 
An  der  Spitze  des  Gemeinwesens  standen  Praefecten,  später  wurde 


1)  It.  Ant.  303  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  33  CIL.  X  l  p.  698. 

2)  Strab.  V  23"  Plin.  III  63;  Ptol.  III  1,54  ausgefallen. 

3)  Varro  LL.  VII  29  vgl.  Cato  RR.  135. 

4)  Paul.  h.  Lang.  I  26  Gregor  M.  Dial.  U  8. 

5)  Der  Plin.  II  227  erwähnte  Scalebra  ist  nicht  sicher  bestimmbar,  Cluver 
1042  Holste  221. 

6)  Sil.  It.  IV  227  XII  527  nymphis  habitata  Casmis  rura,  vgl.  die  Wid- 
mung Nymphis  aelemis  CIL.  X  5163. 

7)  Lucil.  fr.  ine.  129  L.  Müller,  Varro  Macrob.  Sat.  III  16,12. 

8)  Cato  RR.  136  Cic.  de  leg.  agr.  III  14  Varro  RR.  II  3. 

9)  Varro  LL.  VII  29.  10)  Liv.  XXVII  23  Plin.  VII  36  Obseq.  12. 


678  Kapitel  XI.     Neu  Latium. 

es  Municipium  in  der  Tribus  Teretina,  schliefslich  nach  Äugustns 
ColonieJ)  Die  hochgelegene  Stadt  2)  hat  sich  unter  der  Herrschaft 
des  Landfriedens  an  der  Via  Laiina  ausgebreitet  und  die  Neben- 
buhlerin Interamna  weit  überflügelt. 3)  Unter  den  Ruinen  ist  das 
Amphitheater  hervorzuheben,  das  Ummidia  Quadratilla  eine  schau- 
lustige Dame  aus  dem  Kreise  des  jüngeren  Plinius  gestiftet  hat.^j 
Auch  von  der  Villa  wo  Varro  Vogel  gemästet  und  Bücher  geschrieben, 
wo  M.  Antonius  gezecht  hat  5),  sind  Ueberreste  vorhanden,  um  von 
anderen  Gebäuden  zu  schweigen.  Casinum  wird  bei  den  Zügen 
Hannibals  erwähnt 6),  was  sich  aus  der  Lage  erklärt.  —  Indessen 
hatten  die  Rümer  ihre  Festung  zur  Behauptung  der  Landschaft  in 
der  Ebene  angelegt,  indem  sie  312  die  latinische  Colonie  Interamna 
Lirenas  Sucasina  gründeten.")  Zur  Unterscheidung  von  den  gleich- 
namigen Städten  in  Umbrien  (S.  405)  und  Picenum  (S.  430)  wird 
das  eine  oder  das  andere  Beiwort  hinzugefügt,  von  den  Schriftstellern 
die  Tieflage  gegenüber  Casinum,  von  den  Inschriften  die  Nähe  des 
Liris  hervorgehoben. 8)  Genauer  ausgedrückt  nimmt  die  amtliche 
Bezeichnung  nicht  auf  den  Flufs,  sondern  auf  die  nach  ihm  be- 
nannte Gemeinde  der  Lirenates  Bezug,  gerade  wie  beim  Nar  und 
den  Nahartern  der  Fall  ist. 9)  Für  die  Wichtigkeit  der  Gründung 
spricht  die  Zahl  der  Colonisten  die  4000  betrug  (S.  103).  Sie  hat 
denn  auch  als  Stützpuncl  im  Kampfe  gegen  Samnium  gedient,  da- 
gegen im  haunibalischen  Kriege  209  mit  der  Minderheit  der  latini- 
schen Colonien  versagt.i*')  Bei  der  Ertheilung  des  Bürgerrechts  90 
wurde  sie  Municipium  in  der  Tribus  Teretina,  solches  kommt  in  der 
Litteratur  kaum  vor.^i)  Dies  hängt  damit  zusammen  dafs  es  abseits 
der  Via  Latina  lag.     Freilich  lag  es  nach  einem  bestimmten  Zeug- 

1)  Feldro.  232  CIL.  X  l  p.  51Ü  Eph.  ep.  VIII  p.  147  fg. 

2)  sulj  Casinum  Liv.  XXVI  9  Varro  RR.  III  4,2  5,9. 

3)  TiöXis  (i^iöloyoi  Slrab.  V  237. 

4)  CIL.  X  5183  Plin.  Ep.  VII  24  Varro  RR.  III  3,9. 

5)  Varro  RR.  III  4.  5  Colum.  VIII  16  Cic.  Phil.  II  103. 

6)  Liv.  XXII  13  XXllI  17  XXVI  9  Plut.  Fab.  6;  aufserdem  erwähnt  Cic.  pro 
Plane.  22. 

7)  Liv.  IX  2S  Diod.  XIX  105  Vell.  I  14. 

8)  Plin.  III  64  Jnleratnnates  Sucasini  qui  et  Lirenates  vocantw;  Liv.  IX  28 
Internam  Catinam  von  Mommsen  verbessert  Inter[am]na7n  [Sü]casinam;  CIL. 
X   1  p.  525. 

9)  Bei  der  Aufzählung  der  volskischen  Völker  Sil.  It.  VIII  402  ist  Lari- 
naiium  klärlich  in  Lirinalium  zu  ändern. 

10)  Liv.  X  36.  39  XXVII  9  XXIX  15.  11)  Cic.  Phil.  II  105  Feldm.  234. 


§  4.    Die  Volsker.  679 

nifs  294  und  211  an  derselben  i);  auch  versteht  sich  im  Grunde 
von  selbst  dafs  die  Römer  ihre  Militärstrafsen  zu  ihren  Waffenplätzen 
ohne  Umweg  führten.  Aber  während  Rom  sich  ursprünglich  auf 
die  Latiner  gegenüber  den  Volskern  stützte,  hat  es  später  den 
Spiefs  umgedreht  und  den  Eingeborenen  früher  als  jenen  Bürger- 
recht verliehen.  Die  Verlegung  der  Via  Latina  nach  Casinum  ist 
den  Meilensteinen  zufolge  39  v.  Chr.  durchgeführt,  reicht  vermut- 
lich bis  124  zurück  wo  nach  dem  Aufstand  ihr  Lauf  von  Fregellae 
abgelenkt  ward  (S.  676)/  Interamna  hat  noch  im  5.  Jahrhundert 
bestanden  2),  war  im  Mittelalter  eine  Burg  Terame  oder  Termine 
wie  die  verlassene  Stätte  jetzt  noch  heifst.  Der  Zusammenflufs  von 
dem  der  Name  herrührt  3),  wird  bewirkt  durch  den  Bach  von  Aquino 
(le  Forme  d'Aquino)  der  die  westliche,  einen  kleinen  Bach  (Spalla 
bassa)  der  die  östliche,  endhch  den  beide  aufnehmenden  Liris  der 
die  südliche  Seite  des  Stadthügels  deckt.  Der  Hügel  steigt  von  39 
bis  67  m  an  und  entbehrt  nur  im  Norden  natürlichen  Schutzes,  so 
dafs  der  Ort  für  eine  Festung  weislich  ausgesucht  war.  Die  Ent- 
fernung von  den  beiden  Volskerstädten  die  sie  beobachtet,  beträgt 
von  Casinum  6,  von  Aquinum  5  Millien.  —  Aus  dem  Kessel  von 
Casinum  geht  die  Via  Latina  über  in  das  Thal  der  Peccia:  dieser 
30  km  lange  Bach  entspringt  auf  der  Rocca  Monßna,  fliefst  in  einer 
Schleife  um  den  Stock  des  M.  Camino  (963  m)  und  mündet  in 
den  Liris.  Der  96.  Meilenstein  ist  bei  M.  Rotondo  gefunden  wor- 
den.*)  Hinter  Mignano  auf  der  Wasserscheide  gegen  den  Volturnus 
hat  der  100.  der  Grenzstein  des  neuen  Latium  (S.  553)  gestanden: 
davon  scheint  der  ihn  im  Osten  überragende  M.  Cesimo  (1170  m) 
benannt  zu  sein.    Nunmehr  betritt  die  Strafse  campanischen  Boden. s) 


1)  Liv.  X  36  XXVI  9.  2)  CIL.  X  5349. 

3)  Strab.  V  237.  4)  CIL.  X  6901. 

5)  In  dem  Liv.  X  39  berichteten  Feldzug  293  werden  von  den  Consuln 
Amiternum  und  Dtironia  erstürmt.  Carmelo  Mancini,  Giorn.  d.  Sc.  di  Pompei 
IV  40 fg.  vermutet  ersteres  am  Nord-Ende  des  Thals  von  Casinum  bei  S.  Elia 
Fiumerapido  (wo  1  km  entfernt  bei  der  alten  Landkirche  S.  Maria  Maggiore 
Reste  von  Polygonalmauern  sichtbar  sein  sollen),  Duronia  am  linken  Ufer  der 
Melfa  im  Gebiet  von  Aquinum  bei  Roccasecca  (wo  gleichfalls  Reste  von 
Polygonalmauern  bei  Colle  granaro).  An  beiden  Orten  weisen  die  lateinischen 
Inschriften  das  Dasein  von  Ortschaften  nach.  Aber  die  Benennung  entbehrt 
jedes  festen  Anhalts  und  wie  S.  472  A.  1  bemerkt,  es  liegt  näher  an  das  sa- 
binische  Amiternum  zu  denken. 


KAPITEL  XII. 


Campanien, 

Die  vom  Volturniis  dem  grOfslen  Flufs  des  Südens  durch- 
strömte Ebene  verdankt  vulkanischer  Thätigkeit  ihren  Ursprung. 
Die  Erdkraft  hat  hier  länger  und  stetiger  geschafft  als  in  Etrurien 
und  Latium,  hat  dadurch  einerseits  die  jenen  Landschaften  eigen- 
liiniliche  Zerklüftung  des  Bodens  durch  das  Wasser  verhindert, 
anderseits  dorn  Boden  eine  schier  unerschöpfliche  Fruchtbarkeit  be- 
scheert  (i  265).  Der  beste  Spelt  im  Umkreis  des  Mittelmeers  wuchs 
in  Campanien,  Sommer-  und  Winterkorn  hinter  einander,  worauf 
Hirse  und  wohl  gar  noch  Küchenkräuter  nachfolgten,  so  dafs  ein 
einziges  Jahr  drei  bis  vier  Ernten  lieferte,  auch  heutigen  Tages 
liefert  (I  449).  Der  Ceres  machte  Vater  Liber  den  Vorrang  streitig: 
von  den  Weingauen  Italiens  war  dies  der  küstlichste.  Als  drittes 
Erfordernis  für  des  Leibes  Notdurft  brachten  die  angrenzenden 
Berge  vorzügliches  Oel  hervor.  Mit  derselben  verschwenderischen 
Freigebigkeit  wie  das  Land  spendete  das  Meer  zum  Unterhalt  des 
Menschen  seine  Früchte  (I  109).  Nach  den  Worten  des  IMinius 
hatte  die  Natur  Freude  an  der  Arbeit,  als  sie  diese  Küste  nebst 
ihrer  reichen  glückseligen  Anmut  schuf,  i)  Während  dem  nördlichen 
Vulkangebiet  ein  einförmiger  Strand  vorgelagert  ist  (I  99),  wird  das 
südliche  durch  einen  weiten  mit  trefflichen  Häfen  ausgestatteten 
Busen  aufgeschlossen,  mit  dem  Weltverkehr  in  Verbindung  gesetzt 
und  zu  dessen  Träger  für  die  italische  Halbinsel  bestimmt.  In 
seiner  Beschreibung  rückt  Polybios  diesen  entscheidenden  Gesichts- 
punct  in  den  Vordergrund  2):  „die  campanische  ist  die  ausgezeich- 

1)  Plin.  III  40  qualiter  [narrari   debel]    Campaniae   ora  per   se   felixque 
illa  ac  beata  amocnilas,  ut  palam  sit  uno  in  loco  gaitdentis  opus  esse  nalurael 

2)  Pol.  111  91  vgl.  II  17. 


Campanien.  681 

netste  Ebene  Italiens  sowol  ihrer  Fruchtbarkeit  und  Schönheit 
wegen,  als  weil  sie  unmittelbar  an  die  See  stufst  und  die  Häfen 
umfafst,  in  die  fast  vom  ganzen  Erdkreis  die  nach  Italien  segelnden 
Schiffe  einlaufen;  sie  enthält  auch  die  ausgezeichnetsten  und  schön- 
sten Städte  Italiens  auf  ihren  Fluren.'*  Timaeos  und  ältere  Schrift- 
steller hatten  nach  den  Ausbrüchen  des  Vesuv  das  umliegende  Ge- 
filde das  verbrannte  benannt  und  in  ihm  den  Schauplatz  des  Gigan- 
tenkampfes erblickt  (I  266).  Bei  Polybios  begegnen  wir  zuerst  der 
seitdem  üblich  gewordenen  ümdeutung  des  Namens  und  der 
Fabel:  die  Götter  selbst  hätten  um  den  Besitz  des  gesegneten  Landes 
gestritten.  Die  Vorstellungen  der  Römer  wurden  nicht  nur  durch 
den  Vergleich  zwischen  latinischem  und  campanischem  Boden  be- 
stimmt, sondern  auch  durch  das  mildere  wärmere  Klima  (I  379.  396). 
In  zahllosen  Aussprüchen  kehren  die  Beiworte  fruchtbar  anmutig 
schön  gesegnet  immer  wieder,  i)  Es  genügt  die  Schilderung  anzu- 
führen die  Florus  beim  Ausbruch  des  ersten  Samnitenkriegs  ent- 
wirft 2):  „von  allen  Landschaften  Italiens  nicht  nur  sondern  auf 
dem  ganzen  Erdenrund  ist  Campanien  die  schönste.  Nirgends  ist 
der  Himmel  weicher:  in  Folge  dessen  bringt  er  einen  zweimaligen 
Blütenfrühling.  Nirgends  ist  das  Land  ertragreicher:  daher  heifst 
es  ein  Zankapfel  von  Liber  und  Ceres.  Nirgends  ist  das  Meer  so 
gastlich."  Seit  der  Niederlage  Hannibals  bis  zum  Ausgang  des 
Altertums  hat  dies  reizvolle  Gestade  eine  unverminderte  Anziehung 
auf  die  Erholungsbedürftigen  ausgeübt.  Die  Reize  waren  ein  Ge- 
schenk der  Natur,  aber  durch  die  geschichtliche  Entwicklung  er- 
höht worden. 

Zu  den  Vorzügen  Campaniens  rechnet  Polybios  auch  den  Schutz 
der  Grenze  durch  hohe  zusammenhängende  Gebirge,  die  nur  von 
drei  schwierigen  Engpässen  unterbrochen  und  für  das  Binnenland 
wegsam  gemacht  würden.  In  seinem  Bestreben  den  Zug  den  Hanni- 
bal  217  ins  falernische  Gebiet  nördlich  vom  Volturnus  unternahm, 
zu  veranschaulichen  hat  der  Geschichtschreiber  die  für  diesen  Theil 
gültigen  Verhältnisse  unrichtig  auf  das  Ganze  übertragen    und  den 


1)  Cic.  de  lege  agr.  II  95 fg.  Phil.  II  101  Liv.  VII  31.  38  Dion.  H.  I  37  Strab. 
V  242  fg.  Verg.  Georg.  11  224  Tibull  I  9,33  Properz  IV  4,5  Golum.  III  8  Mela 
II  70  Sen.  Dial.  1X2,13  Plin.  III  40.  60  XVIIl  109  fg.  Tac.  Hist.  I  2  III  60.  66 
Plut.  Grass.  22,5  Martial  IV  44  XUI  118  Philostr.  Ap.  Tyan.  VII  10  Symmach. 
£p.  I  5.  7  Gassiod.  Var.  IV  50. 

2)  Flor.  I  U. 


682  Kapitel  XII.     Campanien. 

Wert  der  natürlichen  Deckung  weit  überschätzt.  Die  Berge  welche 
die  Ebene  einem  Theater  gleich  umrahmen,  sind  au  einem  Dutzend 
Stellen  eingeseukt  und  bieten  beiiueme  Einfallslhore.  Diese  zu  be- 
nutzen war  in  alten  Zeiten  die  Lockung  für  die  Nachbarn  gar 
grols.  Anderseits  erleichterte  die  Zugänglichkeit  der  Küste  den 
Hellenen  in  Irühen  Jahrhunderten  festen  Fufs  zu  fassen  und  den 
Nordrand  des  Golfs  von  Neapel  in  Besitz  zu  nehmen.  Das  Hinter- 
land bewohnten  die  Osker.i)  Nachdem  der  Ausbreitung  der  Hellenen 
auf  dem  tyrrhenischen  Meer  durch  Karthager  und  Etrusker  Halt 
geboten  war  (I  121),  als  der  letzte  König  in  Rom  regierte,  richten 
die  Etrusker  ihre  Angriffe  gegen  Kyme.2)  Eine  junge  Chronik 
dieser  Stadt  erzählt  von  gewaltigen  Heerzügen  die  524  und  504 
abgeschlagen  wurden  3);  in  der  ersten  pythischen  Ode  preist  Pindar 
den  Sieg  den  König  Hieron  als  Schützer  des  Hellenentums  über 
die  etruskische  Flotte  474  bei  Kyme  erfocht.4)  Aber  solche  ver- 
einzelten Erfolge  können  an  der  Thatsache  nichts  ändern  dafs  die 
Etrusker  die  Herrschaft  behaupteten ,  zumal  nachdem  sie  um  470 
Capua  und  Nola  gegründet  hatten:  daher  erhält  die  Landschaft  im 
5.  Jahrhundert  ihren  Namen. 5)  iVlünzen  und  Inschriften  bezeugen 
dafs  die  etruskische  Sprache  im  3.  Jahrhundert  hier  noch  nicht 
erloschen  war.  Neben  dem  mafsgebenden  Einflufs  den  die  beiden 
genannten  Völker  auf  die  Cultur  der  Landschaft  ausübten,  fällt  nicht 
ins  Gewicht,  verdient  aber  Erwähnung  dafs  auch  die  halbhellenischen 
Daunier  ein  Stück  derselben  sich  angeeignet  hatten  (I  544  A  4). 
Wenn  schliefslich  der  eingeborene  oskische  Stamm  die  Fremdherr- 
schaft abschüttelte,  so  war  dies  weniger  sein  eigenes  als  das  Ver- 
dienst der  samnitischen  Nachbarn.  Aus  ihrer  Mitte  gingen  die  Cam- 
paner  hervor,  die  438  einen  Staat  bihleten,   423  den  etruskischen 


1)  Tliuk.  VI  4,5  KvfiTjs  T^s  dp  'Omxia  XnXxiStxije  nöXecas  Strab.  V  242 
Aiii,t.  Pol.  VII  9,3  Dion.  H.  I  22.  53  VII  3  Skymn.  236. 

2)  Die  I  500  erwäiinle  Angabe  Vell.  I  7,  nach  der  die  Etrusker  Capua  und 
Nola  um  800  v.  Chr.  gegründet  haben  sollen,  ist  kaum  möglich.  In  Ueber- 
einstimmung  mit  dem  monumentalen  Thatbestand  rückt  Gato  dies  Ereignifs 
auf  470  herab.  Dion.  H.  VII  3  setzt  ganz  entsprechend  den  ersten  Zug  der 
Etrusker  gegen  Kyme  524  und  bringt  ihn  mit  der  gallischen  Einwanderung  in 
Überitalien  in  Verbindung.  Auf  den  pragmatischen  Zusammenhang  zwischen 
diesen  Kämpfen  und  der  Gründung  Gapua's  weist  schon  Niebuhr  I  85   hin. 

3)  Dion.  H.   VII  3.  5. 

4)  Roehl  I.  Gr.  antiquiss.  510  Diod.  XI  51. 

h)  Sophokles  bei  Dion.  H.  I  12  Theophr.  h.  pl.  IX  16,6  Philistos  fr.  41  Müller. 


Gampanien.  683 

Adel    in   Capua    niedermeUelten ,   420  Kyme  mil  Sturm  nahineD.i) 
Neapel  mufste  eine  campanische  Schar  seiner  Bürgerschaft  einver- 
leiben.2)     Es  schickte  413  den  Athenern  vor  Syrakus  campanische 
Söldner  zu  Hülfe;  die  nächsten  anderthalb   Jahrhunderte  verbreitet 
dieser   Name   in    Sicilien    Furcht   und  Schrecken  (1  525  A.  2).     So 
erklärt  sich  dafs  er  in  der  Litteratur  Eingang  findet  und  die  älteren 
Bezeichnungen    Opikia   und   Tyrrhenia   verdrängt.     Um   350    setzt 
die  Küstenbeschreibung  des  Skylax  die  Campaner  zwischen  Volskern 
und  Samniten  an,  so  dafs  Neapel  noch  zu  Gampanien  gehurt,  während 
etwa    von   Herculaneum    ab    bis    zum   Silarus  Samniten    wohnen. ») 
Man   ersieht   daraus   dafs   selbst  in   den    Zeiten   des  höchsten  Auf- 
schwungs,   als  aus   der  etruskischen    und   hellenischen  Schrift   die 
oskische  abgeleitet   wurde  und   eine   nationale  Cultur   erstand,   die 
von  Rocca  Monfina  bis  zu  den  Surrentiner  Bergen  zusammenhängend 
sich  erstreckende  Ebene  keine  staathche  Einheit  erreicht  hat.     Wie 
im  Süden  Nola  Pompeji  Nuceria,   so  sind  im  Norden  Teanum  und 
Cales   davon    ausgeschlossen.      Auch    die   Küste   ging  ihre   eigenen 
Wege:   die   Feindschaft   zwischen  den  Seestädten   und  der  binnen- 
ländischen Hauptstadt  lebt  noch   in  der  Kaiserzeit  fort.     Die  bunte 
Mischung  der  Stämme,  da  neben  und  über  dem  oskischen  oder  au- 
sonischen  Grundstock  im  Lauf  der  Zeiten  Hellenen   Etrusker  Dau- 
nier  Samniten   eine  herrschende   Stelle  errungen   hatten,   hefs  das 
Gefühl  landsmännischer  Gemeinschaft  nicht  aufkommen.    Ueberhaupt 
fehlte  dem  südlichen  Vulkangebiet  die  natürliche  Mitte  die  das  nörd- 
liche  in    Rom   besafs.      Der    einförmige   latinische    Strand   könnt«' 
kein   urwüchsiges  Seeleben    erzeugen,    Ostia   ist  nie  etwas  anderes 
gewesen  als  der  Hafen  Roms.    Aber  der  Golf  von  Neapel  mit  seinen 
tiefen  Buchten  und  vorgelagerten  Inseln,  von  den  beiden  Enden  des 
lauggestreckten  Festlands  gleich  weit  entfernt,  war  zum  Träger  des 


1)  Diod.  XII  31.  76  Liv.  IV  37.  44  gehen  nicht  auf  die  römische  Stadt- 
chronik, sondern  auf  griechische  Ueberlieferung  zurück.  Die  Archontenlisle 
bei  Diodor  ergiebt  für  die  Einnahme  Kyme's  dasselbe  Jahr  das  Livius  hat: 
darnach  ist  sie  auch  für  die  Zeitbestimmung  der  ersten  Notiz  zu  Grunde  zu 
legen  und  die  um  7  Jahr  rückständige  Consuiliste  aufser  Acht  zu  lassen,  wo- 
mit die  Bemerkung  I  525  A.  1  sich  erledigt.  Die  Bildung  der  campanischeu 
Nation  und  das  Blutbad  in  Capua  werden  ohne  Not  zusammen  geworfen. 

2)  Strab.  V  246  Velleius  I  4. 

3)  Skylax  10.  Der  Ansatz  kehrt  Ptol.  111  1,6  wieder,  nur  dafs  hier  die 
Mündungen  von  Liris  und  Sarnus  zur  Hervorhebung  der  Grenzen  gewählt 
werden. 


684  Kapitel  XII.     Campanien. 

Weltvorkehrs  und  eine  selbständige  Aufgabe  zu  lösen  bestimmt. 
Die  bewegte  Gestaltung  seiner  Küste  hat  Campanien  wie  zum  Segen 
so  zum  Verderben  gereicht.  In  etruskischer  Zeit  stand  Capua  als 
Ilaujit  an  der  Spitze  eines  Bundes  von  angeblich  zwölf  Städten; 
als  die  Verwicklung  mit  Samnium  begann,  war  etwa  die  halbe 
Ebene  unter  seiner  Führung  geeinigt.  340  mufs  es  die  falernische 
Besitzung  nürdlich  vom  Vollurnus  abtreten,  die  an  römische  An- 
siedler aufgellieilt  wird.  Im  rechtlichen  Sinne  befafst  seitdem  Cam- 
pania  oder  ager  Campmms  Capua  und  die  ihm  verbündeten  Ge- 
meinen,  ein  Gebiet  von  rund  1000  Gkm.  Es  büfste  211  seine 
Selbstverwaltung  ein,  wurde  eine  Domäne  des  römischen  Staats. 
Damit  war  das  Oskertum  auf  die  südliche  Ebene  am  Vesuv  be- 
schränkt und  erhielt  sich  allhier  noch  bis  zum  Bundesgenossenkrieg. 
Seit  Sulla  ist  sein  Untergang  besiegelt,  nur  die  Griechenstadt  Neapel 
erinnerte  an  die  Quelle  der  italischen  Cultur  aus  der  von  einander 
unabhängig  Etrusker  Latiner  Osker  geschöpft  hatten. 

Durch  zwei  Canäle  strömte  die  fremde  Bildung  in  älterer  Zeit 
nach  Rom  ein,  in  mächtiger  Fülle  aus  dem  nahen  Etrurien,  schwächer 
von  Kyme  und  den  hellenischen  Städten  des  Südens.  Als  die  Le- 
gionen an  und  über  den  Volturnus  vordrangen,  kehrt  sich  das  Ver- 
hältnifs  beider  Zuflüsse  um:  jener  versiegt,  dieser  nimmt  stetig  an 
Umfang  zu.  Freilich  begegnete  die  latinische  Sonderart  zunächst 
(ienj  überlegenen  Wettbewerb  der  campanischen  Cultur.  Die  Dich- 
tigkeit der  Bevölkerung  hatte  hier  eine  fortschreitende  Arbeits- 
theilung,  eine  Blüte  von  Handel  und  Gewerbe,  von  Kunst  und 
Wissenschaft  (I  538)  hervorgebracht,  desgleichen  der  Norden  nicht 
kannte.  Bis  auf  Augustus  entbehrte  die  Wellherrscherin  am  Tiber 
all  jener  der  Gesundheit  und  Annehmlichkeit  dienenden  öffentlichen 
Anstalten,  die  seit  Jahrhunderten  in  Campanien  zum  städtischen 
Hausrat  gehört  halten  (S.  523).  Hinter  den  Ausbrüchen  von  Hafs 
Neid  Verachtung  mit  denen  die  Litleratur  des  Freistaals  nicht  kargt 
gegenüber  den  oskischen  Vettern,  lauert  die  Selbsterkenntnifs  die 
der  Halbbarbar  im  Angesicht  feinerer  Lebensformen  empfindet.^) 
Nachdem  schliefslich  die  Gegensätze  ausgeglichen  waren,  hegt  über 
der  Landschaft  jener  stille  Zauber  ausgebreitet  den  das  Andenken 
welterscbütternder   Kämpfe   webt.     In    der   Thal    stellte    sich    dem 

1)  Plaut.  Trin.  545  Calo  bei  Plin.  XXIX  14  Hör.  Sat.  I  5,62  Gell.  N.  A. 
I  24,2  Juvenal  3,207  6,455  Cic.  de  leg.  agr.  I  20  II  91.  95  in  Pis.  25  Val. 
Max.  1!  4,6. 


§  1.     Die  Nordmark.  685 

nachdenklichen  Beschauer  die  geschichlUche  Vergangenheit  nicht 
minder  bewegt  und  wechselvoll  dar  als  das  Ringen  der  tellurischen 
Mächte. 

Wir  verzichten  darauf  das  letzte  Drittel  der  ersten  Region  in 
der  Ausdehnung  zu  behandeln  die  ihr  Augustus  verliehen  hat. 
Amtlich  reicht  sie  im  Süden  bis  zum  Silarus:  obwol  dieser  Flufs 
eine  alte  Völkergrenze  bezeichnet,  so  gehört  der  kleine  Strich  am 
Golf  von  Salerno  natürlich  betrachtet  nicht  mehr  zu  Campanien. 
Noch  weniger  vermögen  wir  aus  physischen  und  aus  geschicht- 
lichen Gründen  dem  Kaiser  zu  folgen,  wenn  er  durch  Rücksichten 
der  Verwaltung  bewogen  wurde  das  mittlere  Volturnusthal  und  ver- 
schiedene Gemeinden  des  Appeunin  in  die  KUsteulaudschaft  einzu- 
beziehen.  Die  Beschreibung  zerfällt  in  vier  Theile,  was  die  räum- 
liche Gliederung  und  die  geschichtliche  Entwicklung  gleichmäfsig 
an  die  Haod  giebt.  Der  Unterlauf  des  Vollurnus  vollzieht  eine 
ähnliche  Scheidung  wie  der  Tiber:  somit  bildet  der  Strich  nördhch 
vom  Flufs  den  ersten  Abschnitt.  Dann  folgt  der  ager  Campanus 
im  engeren  Sinne  des  Worts,  das  von  Capua  beherrschte  Gebiet; 
hierauf  die  Phlegraea  mit  den  hellenischen  Seestädten ,  an  letzter 
Stelle  der  Süden  den  Skylax  den  Samniten  anweist,  wo  das  oskische 
V^^esen  sich  am  längsten  erhielt.^) 

§  1.  Die  Nordmark. 
Die  Appenninbucht  die  von  den  Vulkanen  ausgefüllt  worden 
ist,  wird  durch  die  beiden  Vorgebirge  von  Gaeta  und  Sorrent  um- 
schlossen (I  264).  Der  geringe  Unterschied  der  Polhohe  (38')  er- 
klärt die  Uebereinstimmung  von  Klima  und  Vegetation  an  dieser 
ganzen  Küste  (I  379).  Den  natürlichen  Verhältnissen  zufolge  müfste 
Gaeta  und  Formiae  zu  Campanien  gerechnet  werden,  wie  im  zweiten 
Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  geschieht. 2)  Die  geschichtliche 
Entwicklung  hat  vordem  zu  anderen  Ansätzen  der  Grenze  geführt. 

1)  Quellen:  Pol.  II  17,1  III  91  Slrab.  V  242— 51  Plin.  III  60—65  Ptol.  Ill 
1,6.  T.  59.  60.  Conway,  The  Italic  Dialects,  Cambridge  1S97,  2  vol.  CiL.  X  l 
(Mommsen)  Eph.  ep.  VIII  p.  85  —  141  (Ihm).  Kaibel  Inscr.  Graecae  p.  186—234. 
—  Nicola  Corcia,  Storia  delie  Due  Sicilie,  torao  secondo,  Napoli  1845.  Julius 
Beioch,  Campanien,  Breslau  1879,  mit  Nachträgen  189Ü.  —  Carla  topografica 
ed  idrografica  dei  contorni  di  Napoli  1:  25000,  15  Bl.  1818  mit  Nachträgen 
bis  1876.  Von  der  Generalstabskarte  1:  100  000  entfallen  auf  diesen  Theil 
Bl.  161.  171.  72.  183—85.  196.  97. 

2)  Flor.  I  11,4  II  18,2. 


68ö  Kapitel  XII.     Caropanien. 

Bei  Skylax  werden  die  Volsker  von  den  Campanern  abgelöst,  sind 
also  die  Auninker  unter  letzteren  IV'amen  einbegriffen:  ganz  überein- 
stimmend gehört  bei  Ptolemaeos  Forniiae  zu  Latium,  die  Mündung 
des  Liris  zu  Campanien  (S.  683  A.  3).  Wie  sodann  unter  römischer 
Herrschaft  Sprache  und  Recht  eingriffen,  wie  die  Geographen  die 
Wasserscheide  zwischen  Liris  und  Volturnus  als  Grenzbestimmung 
im  Nordwesten  festhielten,  ist  früher  erörtert  worden  (S.  553).  Im 
Nordosten  gegen  Samniuni  ist  solche  durch  den  Appennin  gegeben. 
Der  Mittellauf  des  Volturnus  wird  vom  Stock  des  Matese  und  einer 
niedrigen  Seitenkette  eingefafst  (I  332).  Eine  Kette  darf  man  das 
streng  genommen  nicht  nennen.  Bei  Rufrae  Presenzano  gähnt 
eine  6  km  breite  Lücke  durch  welche  die  Bäche  von  der  Rocca 
Monfina  ungehindert  in  den  Volturnus  fliefsen ,  so  dafs  das  Flufs- 
thal  hier  unmittelbar  an  das  Vulkangebirge  anstöfst.  Dann  springt 
der  Qiierriegel  von  Vairano  (580  m)  vor  und  schliefst  nach  Norden 
das  Becken  von  Teanum  ab.  Das  ungefähr  100  Gkm  enthaltende 
120  m  ü.  M.  und  darüber  gelegene  Becken  wird  gröfstentheils  in 
den  Volturnus  entwässert  durch  Bäche  die  im  Westen  und  Süd- 
osten um  den  Querriegel  von  Vairano  herum  fliefsen,  zum  Theil  in 
den  Savo  Savone.i)  Dieser  50  km  lange  Flufs  eutpringt  im  Atrio 
der  Rocca  Monfina  bei  etwa  600  m  Meereshöhe,  erreicht  unterhalb 
Teanum  (196  m)  die  Ebene  und  weiter  an  den  Ausläufern  des  M. 
Maggiore  hin  das  falernische  Gefilde,  die  grofse  Niederung  am 
unteren  Volturnus,  Nach  dem  Gesagten  ist  das  Becken  von  Teanum 
den  Samniten  an  der  Nordseite  bequem  zugänglich.  Auch  die  in 
einer  Breite  von  4  und  einer  Länge  von  10  km  das  Becken  nach 
Nordost  einfassenden  3 — 500  m  ansteigenden  Berge  eröffnen  leichte 
I»ässe  z«im  Volturnusthal.  Dann  ändert  sich  das  bisherige  Verhältnifs. 
Eine  Gebirgsmasse,  in  der  Luftlinie  18  km  in  nordsüdlicher  20  km 
in  westöstlicher  Richtung  messend,  füllt  den  Bogen  aus,  den  der 
Flufs  zwischen  Mittel-  und  Unterlauf  beschreibt.  Den  Kern  stellt 
der  nach  Südwest  streichende  Rücken  des  M.  Maggiore  dar,  der  als 
Südwand  des  teanensischen  Beckens  bis  1037  m  aufsteigt.  Fast 
im  rechten  Winkel  läuft  von  ihm  nach  Südsüdost  eine  15  km  lange 
Kette  aus,  deren  anfängliche  Höhe  von  720  m  sich  zuletzt  auf 
2 — 300  m  ermäfsigt.  Sie  springt  bis  hart  an  den  Flufs  heran  und 
wird   am  jenseitigen   Ufer    durch    den    Tifata    (602  m)    fortgesetzt. 

1)  Plin.  III  Kl  Slat.  Silv.  IV  3,66  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 


§  1.    Die  Nordmark.  687 

Die  Enge  durch  die  der  Volturnus  in  die  weite  Tuffebene  hinaus 
tritt,  ist  einem  Thor,  der  Bergzug  einer  schützenden  Mauer  ver- 
gleichbar. 

Die  30  km  lange  und  im  Mittel  10  km  breite  Ebene,  im  Süden 
durch  den  liefen  Flufs  im  Westen  durch  das  Meer  gedeckt,  war 
nach  dem  Zeugnifs  des  Polybios  217  v.  Chr.  nur  auf  3  schwierigen 
Wegen  vom  Binnenland  aus  für  ein  feindhches  Heer  zu  erreichen.^) 
Unter  diesen  kam  der  aus  dem  Hirpinerland  von  Benevent  her  den 
Flufs  entlang  führende  Weg  für  Hannibal  nicht  in  Frage,  weil  die 
Flufsenge  von  dem  5  km  unterhalb  gelegenen  Casilinum  leicht  zu 
sperren  war. 2)  Die  schwache  Stelle  der  Verschanzung  welche  der 
Berggeist  um  dies  reiche  Gefilde  aufgeworfen  hatte,  befand  sich  im 
Norden  zwischen  dem  Vulkan  und  dem  Appennin.  Die  südwest- 
lichen Fortsetzungen  des  M.  Maggiore  werden  niedriger.  Zunächst 
folgt  das  6  km  lange  4 — 500  m  hohe  Massiv  von  Bocchetta  als  Ver- 
kehrshindernifs,  sodann  aber  eine  breite  Mulde  durch  welche  die 
Via  Latina  mit  geringfügiger  Steigung  von  10 — 20  m  von  Teanum 
nach  Cales  und  in  die  weite  Ebene  gelangt.  Die  Länge  des  Passes 
beträgt  reichlich  2  km.  Er  wird  im  Norden  von  dem  erwähnten 
Massiv  überragt,  im  Süden  von  dem  Hügeldreieck  (211 — 226  m) 
oberhalb  Sparanise  (70  m).  An  dies  Dreieck  stöfst  eine  1  km  breite 
Einsenkung  die  von  der  Eisenbahn  benutzt  wird,  endlich  beschliefst 
als  losgelöstes  Ghed  der  Hügel  von  Francolise  (143  m)  den  ganzen 
vom  M.  Maggiore  ausgehenden  Zug.  Aus  den  angeführten  Daten 
läfst  sich  die  Erzählung  bei  Polybios  leicht  erklären."^)  Hannibal 
marschirte  von  Benevent  aus  im  geräumigen  Thal  des  Volturnus 
aufwärts  bis  jenseit  Allifae,  schwenkte  von  hier  links  in  das  Becken 
von  Teanum  ab.  Er  hatte  nunmehr  die  Wahl  entweder  südwest- 
lich dem  Savo  entlang  durch  die  8  km  lange  1 — 2  km  breite  Oeff- 
nung  zwischen  dem  Fufs  der  Bocca  Monfina  und  den  Ausläufern 
des  M.  Maggiore  nach  dem  Meer  hinzustofsen  oder  südwärts  der 
Via  Latina  folgend  die  kürzeste  Linie  nach  dem  Volturnus  und 
Capua  einzuschlagen.  Für  den  letzteren  Weg  gab  die  Hoffnung 
Capua   zu  gewinnen    den  Ausschlag.     In  einem  Abstand   von  1 — 2 


1)  Pol.  III  91,8. 

2)  Liv.  XXII  15.  16. 

3)  In  der  Lücke  111  91,9  hat  etwa  gestanden  (lia  fisv  anb  t^s  J^awinSos 
[Sia  T^S  rwv  TiavittZv  ;fö;^«s,  SevTtQa  Se  xaru  rov  Eoißiavov  xetl  rove 
Ka^tjvove],  r,  Se  xarä/oinos. 


688  Kupilel  XII.     Campanien. 

Tagemarjcheu  rückte  Fabius  hinlerdiein  uud  hielt  sich  au  die 
Festungen  Siuuessa  Teauum  Cales  gelehnt  auf  den  Bergen  im  Um- 
kreise, (dine  durch  eine  FeUischlacht  die  römischen  Hufen  und 
Weiler  im  Falernerland  vor  der  greulichsten  Verwüstung  zu  retten.') 
Aber  die  Beule  gedachte  er  dem  Feinde  abzujagen.  Zu  dem  Zweck 
sperrte  Fabius  die  Flufsenge  durch  Besetzung  Casilinums,  den  l'afs 
der  Via  Latina  bei  Cales  durch  eine  Abtheilung  von  4000  Mann 
und  schlug  mit  dem  Hauptheer  sein  Lager  auf  den  Höhen  bei  Spa- 
ranise auf,  von  wo  aus  der  Weg  am  Savone  entlang  und  die  lati- 
uische  Strafse  gleicher  Mafsen  beobachtet  und  angegriffen  werden 
konnten.  Jener  war  für  den  Abzug  der  Karthager  mit  ihrem  Un- 
geheuern Trofs  deshalb  ungeeignet,  weil  er  auf  8  km  hinaus  von 
beiden  Seiten  belästigt  werden  kann,  während  die  gefährliche  Strecke 
auf  der  Latina  nur  ein  Viertel  so  lang  ist.  Indem  Hannibal  2000 
Ochsen  mit  brennenden  Reisigbündeln  auf  den  Hörnern  die  seit- 
liche Anhöhe  d.  h.  eine  Steigung  von  100  m  hinauf  treiben  liefs, 
eilte  die  römische  Besatzung  dem  vermeintUchen  Feind  entgegen 
und  gab  den  Thalgrund  frei,  so  dafs  Heer  und  Trofs  im  Verlauf 
einer  INachtwache  ungehindert  hindurch  rückten.  Livius  benennt 
den  Schauplatz  Calltcula  mons  iugum  Calliculae  d.  h.  kleine  Trift  — 
mehrere  IMade  durchkreuzen  das  Hügeldreieck  von  Sparanise  — ; 
Polybios  aus  kailhagischer  Quelle  schöpfend  nach  dem  Eribiaims 
colUs,  sei  es  dafs  darunter  die  ganze  Gruppe  oder  eine  einzelne 
Höhe  zu  verstehen  ist."-*) 

Die  zwischen  Rocca  Monfina  und  Ai)pennin  klaffende  Lücke 
hat  seit  Alters  Heer-  uud  Völkerzügen  Durchlafs  gewährt.  Ueber 
die  einheimische  Bevölkerung  der  Ausoner  sind  zuerst  die  Etrusker 
und  Umbrer  eingebrochen. 3)  Verschiedene  Ortsnamen  z.  B.  slella- 
tinisches  und  falernisches  Gehlde  kehren  bei  Capenaten  und  Falis- 
kern  wieder,  legen  damit  den  Schlufs  nahe  dafs  die  Masse  der  An- 
siedler die  unter  Führung  des  etruskischen  Adels  von  diesen  frucht- 
baren   Fluren  Besitz  ergriff,   gerade   wie   in  der  Heimat   am  Tiber 


1)  Die  Nachricht  Liv.  XXII  13,  dafs  Hannibal  eigentlich  nach  Casinum  ge- 
wollt, sowie  die  Nachricht  c.  15,  dafs  der  Reiteranführer  Minucius  40  km 
rückwärts  zur  Deckung  von  Lautulae  entsandt  worden,  sind  schwer  verständlich 
und  wol  nur  auf  Irrtum  eines  Annalisten  zurückzuführen,  in  dessen  Kopf  die 
Ortsnamen  wie  in  einem  Kaleidoskop  herumwirbeiten. 

2)  Liv.  XXII  15.  16  vgl.  XXVI  9  Pol.  III  92,1. 

3)  Dion.  H.  I  21  Plin.  III  60    ienuere    Osci   Graeci   Umbri  Tusci  Campani. 


§  1.     Die  Nordmark.  689 

italischen  Bluts  gewesen  sei.i)  Die  Herrschaft  der  Etrusker  mag 
etwa  ein  Jahrhundert  gedauert  haben,  die  Herrschaft  der  Campaner 
die  sie  ablöste,  hat  dies  Zeitmafs  nicht  erreicht.  Mittlerweile  war 
der  Zusammenhang  der  aurunkischen  Nation  die  in  dem  umgebenden 
Gebirge  ihre  Unabhängigkeit  behauptete,  durch  einen  anderen  Stamm 
gesprengt  worden:  die  Sidiciner  halten  sich  auf  der  Innenseite  der 
Rocca  Monfina  eingenistet  (S.  665)  und  damit  die  Thorwacht  für 
die  Ebene  bezogen.  Als  solche  um  345  in  die  Hände  der  Samniten 
zu  fallen  drohte,  rückten  die  Campaner  in  eigener  Sache  zum  Schulz 
der  Nachbarn  aus.  Die  daraus  entspringende  Verwicklung  führte 
das  El  gebnifs  herbei  dafs  zu  den  drei  oskischen  Volkern  der  Nord- 
mark, Aurunkern  Sidicinern  Campanern,  340  als  Mitbesitzer  die 
Römer  hinzu  kamen,  denen  Capua  den  ager  Falernus  abtreten 
mufste.2)  Diese  Bezeichnung  wird  in  engerem  und  weiterem  Sinne 
gebraucht.  Im  letzteren  Falle  umfafst  sie  das  ganze  Flachland  nörd- 
hch  vom  Volturnus^),  wenn  aber  die  Rechtsstellung  berücksichtigt 
wird,  nur  den  dritten  Theil.  Im  Westen  reichte  die  Feldmark  der 
296  gegründeten  Colonie  Siuuessa  bis  an  den  Savo  und  die  cam- 
panische Brücke  (S,  665),  hier  hef  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
im  4.  Jahrhundert  die  Grenze  zwischen  Campanern  und  Aurunkern 
(S.  554).  Die  östhche  Ebene  hiefs  campus  Stellas  und  verblieb  bei 
Capua  bis  zur  Zerstörung  211.*)  Genau  läfst  sich  sein  Umfang 
gegen  das  anstofsende  Cales  das  eine  porta  Stellatina  hatte,  nicht 
umschreiben  5);  ebenso  wenig  wie  weit  er  nach  Westen  ging. 
Zwischen  das  calenische  und  falernische  Gebiet  war  aufserdem  der 
ager'  Statanus  eingeschoben  der  allein  als  Weingau  erwähnt,  ebenso 
wie  die  anderen  seinen  an  Südetrurien  erinnernden  Namen  (S.  335) 
von  einer  verschollenen  Ortschaft  bekommen  haben  wird. 6)  In  der 
Raiserzeit  wuchs  der  Wein  der  die  Marke  Falerner  trug,  in  den 
Lagen  jenseit  der  campanischen  Brücke  nördlich  von  der  Via  Appia.") 
Aber  die  Geschichtschreiber  der  Repubhk  dehnen  den  Bezirk  dieses 


1)  Fest.  343  M.  Müller,  Etrusker  I  176. 

2)  Liv.  VIII  11. 

3)  Pol.  III  90.  92.  94  Diod.  XX  90  (vgl.  Liv.  IX  44)  Liv.  VII  26  X  21. 

4)  Liv.  IX  44  campum  Stellalem  agri  Campani  X  31  XXII  13  Cic.  de  leg. 
agr.  I  20  II  85  Suet.  Gaes.  20  Sil.  It.  XI  266  Obseq.  14.  37. 

5)  CIL.  X  4660. 

6)  Strab.  V  234.  243  Plin.  XIV  65  XXIII  36  Athen.  I  26  e. 

7)  Plin.  XIV  62. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.    II.  44 


690  Kapitel  XII.     Campanien. 

Namens  ausdrücklich  bis  an  den  Volturnus  und  ostwärts  bis  Casi- 
linum  aus.')  Er  befand  sich  —  so  scheint  es  —  340  als  campa- 
nische Domäne  im  ßillbesilz  von  1600  Rittern  die  für  ihren  Ver- 
lust bei  der  Abtretung  durch  eine  der  campanischen  Staatscasse  zur 
Last  gelegte  Rente  (450  Denar  für  Jahr  und  Kopf)  entschädigt 
wurden.  Das  Land  ward  sofort  in  Losen  von  10  Vorsus  3/4  ha 
an  romische  Bürger  aufgelheilt.  Die  Zahl  der  Empfänger  kann 
nicht  niedriger  als  6000  veranschlagt  werden,  weil  sie  zur  Stiftung 
der  tribiis  Falerna  die  318  erfolgte,  ausreichend  erschien.^)  Da 
ferner  für  Almende  Hofraum  Wege  mindestens  der  gleiche  Betrag 
wie  für  die  Ackerlose  gerechnet  werden  mufs,  so  hat  das  von  Capua 
340  abgetretene  Land  einen  Flächeninhalt  von  rund  100  Dkm  be- 
fafst  und  200—250  Küpfe  auf  den  Kilometer  ernährt  (S.  104). 
Das  alsbald  in  Menge  hier  gegossene  Schvverkupfer  kennzeichnet 
äufserlich  die  römische  Enclave  innerhalb  einer  vorgeschrittenen 
Umgebung  (S.  74).  Der  Gau  blieb  auch  nachher  dicht  bewohnt, 
aber  nicht  von  den  Nachkommen  der  römischen  Ansiedler.  Die 
Bauern  wurden  durch  die  Kriegsnot  und  das  Capital  zu  Grunde 
gerichtet.  Schon  217  hören  wir  von  Gütern  in  dieser  Gegend  3); 
am  Ausgang  der  Republik  sind  die  Hufen  zu  Besitzungen  von  1000 
Morgen  Gröfse  zusammengeschlagen  worden.-*)  Das  Fehlen  der  In- 
schriften giebt  einen  Fingerzeig  für  das  Fehlen  des  Mittelstandes.^) 
Freilich  hat  der  Wandel  der  Wirtschaft  den  Ruhm  des  Namens  be- 
gründet. Seit  Caesar  gehurt  der  Falerner  zu  den  edelsten  Weinen 
der  W^elt  (1452)*')  und  wenn  ihm  auch  ein  Jahrhundert  später 
Stataner  Calener  und  viele  andere  den  Rang  streitig  machten ''),  so 
wurde  er  schliefslich  zum  Gattungsbegriff. ^j  Der  Obstbau  stand 
gleichfalls   auf  hoher   Stufe. 9)      Mit  dem  Verfall  des  Altertums   hat 


1)  Li V.  VIII  n  XXII  15. 

2)  Diod.  XIX  10  Liv.  IX  20. 

3)  Liv.  XXII  23  Piut.  Fab.  7. 

4)  Hör.  Epod.  4,13  Cic.   pro   Cluent.  175   Phil.  XIII  11   ad   Fam.  VI  19,1 
Cornif.  ad  Herenn.  IV  64. 

5)  Mommsen  CIL.  X  1  p.  460. 

6)  Catull  27  Varro  RR.  I  2,6  Cic.  Brut.  287;  Verg.  Georg  II  96  Martial  IX 
93,1  Athen.  I  26  c. 

7)  Strab.  V  234.  243  flin.  III  60  XIV  62  fg.  Hör.  Od.  I  20,9. 

8)  Galen  XIV  77  K.  Sil.  It.  VII  165  fg.    Sidon.  Ap.  Ep.  II  13,7  IX  13,5,59 
Carm.  17,15  CIL.  IV  1679.  2565a.  66. 

9)  Plin.  XV  53. 


§  1.    Die  Nordmark.  691 

sich  Malaria  eingenistet,  die  in  den  Lagunen  der  Küste  und  manchen 
Sunipfsheckeu  landeinwärts  geeignete  Brutstätten  fand.i) 

Am  Flufs  zieht  sich  eine  Niederung  hin  die  von  Casilinum  ab- 
wärts bis  zur  Breite  von  6  km  anwächst  und  im  Mittel  10 — 11  m, 
an  manchen  Stellen  nur  1 — 2  m  Meereshöhe  hat.  Die  Via  Appia 
führt  oberhalb  der  Niederung  hin,  der  126.  Meilenstein  stand  bei 
Annunziatella  29  m;  sie  erreicht  Casilinum  14  Millien  von  Pons 
Campanus  129  Millien  von  Rom.^)  Sulla  halte  an  der  Strafse  eine 
Colonie  Urbätia  gegründet  die  unter  Auguslus  Stadtrecht  besafs, 
aber  57  n.  Chr.  in  Capua  eingemeindet  wurde.3)  Seitdem  kommt 
ihr  Name  nur  noch  in  den  Reisebüchern  als  Station  9  Millien  von 
Casihuum  vor.*)  —  Seinen  städtischen  Mittelpunct  hatte  das  Falerner- 
land  in  Forum  Popüi:  die  Censusliste  fügt  ex  Falerno  zur  Unter- 
scheidung von  den  gleichnamigen  Gemeinden  der  Aemilia  und  Lu- 
caniens  hinzu. ^)  INach  Inschriftfunden  lag  es  am  Fufs  der  Rocca 
Monfina  (79  ra)  8  km  südlich  von  Teanum,  5  km  östlich  von  Carinola, 
reichhch  2  km  nordwesthch  von  Francolise,  an  oder  in  der  Nähe 
einer  Strafseukreuzung.^)  Wie  früher  bemerkt  (S.  663J,  kennen  die 
Itinerarien  eine  Strafse,  die  an  Suessa  vorbei  über  den  Rücken 
zwischen  Rocca  Monfina  und  Massicus  läuft  und  Minturnae  mit 
Teanum  verbindet.  Auf  der  Höhe  des  Rückens  (22U  m)  zweigt  von 
ihr  sUdösthch  auf  Capua  zu  eine  zweite  ab,  die  in  der  Neuzeit  vor 
Entstehung  der  Eisenbahnen  den  Hauptverkehr  zwischeu  Rom  und 


1)  Eine  seit  Alters  oft  genannte  und  in  vielen  Spielarten  verbreitete  Rebe 
ist  die  aminaeische,  Olck  in  Pauly-Wissowa's  Encycl.  I  1836.  Als  ihre  Heimat 
wird  Macrob.  Sat.  III  20,7  der  Falernergau  bezeichnet;  richtiger  ist  an  die  Um- 
gegend von  Neapel  zu  denken  Galen  X  833  XIV  16  K.  In  den  Politien  soll 
Aristoteles  den  Namen  von  thessalischen  Aminei,  die  ihre  Reben  nach  Italien 
verpflanzten,  abgeleitet  haben  Philarg.  zu  V.  Georg.  II  97.  Dagegen  erklärt 
Hesychios  ^Afitveia  als  Namen  von  Peuketia.  Man  kann  ja  alles  combiniren, 
die  Rebe  zuerst  von  Thessalien  nach  Apulien,  sodann  mit  den  Dauniern  nach 
dem  südlichen  Campanien  einwandern  und  von  hier  aus  sich  über  viele  Länder 
verbreiten  lassen.  Aber  die. Geschichte  dieser  wichtigen  wirtschaftlichen  Vor- 
gänge ist  verloren.  Wir  bescheiden  uns  in  den  Aminaeern  ein  verschollenes 
Volk  sei  es  Campaniens  sei  es  Apuliens  zu  erblicken. 

2)  CIL.  X  1  p.  694. 

3)  Plin.  III  64  XIV  62  Tac.  Ann.  XIII  31. 

4)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav,  IV  34,  die  Zahlen  sind  mit  It.  Ant.  108  Hieros. 
611  verglichen  um  2  zu  klein. 

5)  Plin.  HI  64  Plol.  111  1,59  Feldm.  233  Forum  Populi  CIL.  X  1  p.  460. 

6)  CIL.  X  4724.  22.  27. 

44* 


692  Kapitel  Xll.    Campanien. 

Campanien  vermittelte.  Es  spricht  alle  Wahrscheinlichkeit  dafür  dafs 
um  die  Festungen  Suessa  (313)  und  Cales  (334)  anzuschliefsen  die 
Via  Appia  ursprünglich  diese  Richtung  eingehalten  habe.  Später 
nach  der  Gründung  von  Sinuessa  (296)  zog  man  den  Weg  über 
letztere  Sladl  vor,  der  kaum  eine  Millie  länger  die  Steigung  von 
200  m  vermied.  Das  Forum  ging  übrigens  der  Via  Appia  zeitlich 
voraus,  insofern  sein  Ursprung  mit  der  Errichtung  der  falernischen 
Tribus  zusammenhängen  wird  und  auf  M.  Popilius  Consul  316  als 
Stifter  recht  gut  pafst.i)  In  der  Nähe  wurde  eine  verlassene  Burg 
Larisa  gezeigt  und  den  Pelasgern,  wir  sagen  wol  richtiger  Faliskern, 
zugesciirieben.2)  Das  Gemeinwesen  hat  noch  im  4.  Jahrhundert 
Ehrenbeschlüsse  gefafst:  Näheres  hören  wir  von  ihm  nicht. 

Als  nördlichste  Stadt  Campaniens  wird  Teanum  Teano  hinge- 
stellt (S.  553  A.  6).  Man  kann  die  Landschaft  bis  zum  100.  Meilen- 
stein der  Via  Latina  unweit  Mignano  wo  Latium  endigt,  ausdehnen 
(S.  679).  Aber  da  der  Vicus  Rufrae  wie  es  scheint  zum  Gebiet 
von  Venafrum  gehört  hat,  das  wir  im  Hinblick  auf  die  ältere  Ge- 
schichte zu  Samnium  rechnen,  so  fährt  die  Beschreibung  ungefähr 
am  HO.  Meilenstein  fort.  In  der  That  bildet  der  Querriegel  von 
Vairano  der  das  teanensische  Becken  im  Norden  abschliefst  und  bis 
auf  1  km  Absland  sich  dem  Fufs  der  Rocca  Monfina  nähert,  die 
natürliche  Grenze  des  ager  Sidicinus.^)  Der  oskische  Canton  der 
Sidicini  ist  ja  durch  den  Umstand  berühmt  geworden  dafs  er  den 
Anstofs  zum  ersten  Samnitenkrieg  gab  (I  532).  Er  hat  die  Aurun- 
ker  aus  dem  Atrio  der  Rocca  Monfina  verdrängt  (S.  665)  und  ein 
Gebiet  von  etwa  300  Gkm  erworben.  Es  ist  möglich  dafs  er  ehe- 
dem sich  bedeutend  weiter  nach  Norden  erstreckte;  aber  lediglich 
durch  eine  ganz  unsichere  Vermutung  ist  er  bis  Fregellae  am  Liris 
gerückt  worden  (S.  673  A.  5).  Die  Sidiciner  haben  gemeinschaft- 
lich mit  Campanern  und  Latinern  gegen  Samnium,  mit  den  Aurun- 
kern  von  Cales  gegen  Rom  gefochten,  sodann  während  Cales  in 
eine  laiinische  Colonie  verwandelt  wurde,  334  gleich  den  Campanern 
minderes  Bürgerrecht  erhalten.'*)     Demgemäfs  sind  ihre  Truppen  mit 


1)  Nach  Liv.  1X21  ohne  Heer. 

2)  Dion.  H.  I  2t. 

3)  Liv.  VIII  17  X  14.  XXVI  9. 

4)  Liv.  VII  29  VIII  1.  2.  4.5.  15.  16.  17.  Die  Unterwerfung  der  Sidiciner 
felilt  bei  Livius,  aber  ohne  Zweifel  sind  sie  unter  der  pars  Samnitiiim,  die 
zugleich  mit  den  Campanern  in   die  Bürgerschaft   aufgenommen  werden,  Vell. 


§  1.     Die  Nordmark.  693 

den  campanischen  zu  besonderen  oskischen  Legionen  vereinigt.!) 
Ihre  Münzen  in  Silber  und  Kupfer  tragen  die  oskische  Aufschrift 
Teianud  Sidikinnd,  gewöhnUch  nur  Teianud,  jüngere  Kupfermünzen 
die  lateinische  Tiano  {==  Teanorum).'^)  Sie  halten  treu  zu  Rom  im 
hannihalischen  sowol  als  im  marsischen  Krieg. 3)  Dabei  fällt  freilich 
ins  Gewicht  dafs  an  beiden  Seiten  latiuische  Colonien  Suessa  und 
Cales  die  Treue  verbürgten.  Der  Gau  hatte  in  Teanum  Sidicinum 
einen  Mittelpunct  gefunden;  die  Schriftsteller  brauchen  gleichbe- 
deutend den  Stadt-  wie  den  Volksnamen,  wenn  auch  jener  in  der 
amtlichen  Sprache  diesen  verdrängt. 4)  Ohne  Zweifel  hat  die  Stadt 
in  älterer  wie  jüngerer  Zeit  die  Haltung  des  Gaus  bestimmt.  Sie 
nimmt  am  südöstlichen  Fufs  der  Rocca  Monfina  einen  Hügel  von 
196  m  Höhe  und  etwa  2  km  Umfang  ein;  nach  Ausweis  der  Ruinen, 
unter  denen  ein  Theater  Erwähnung  verdient  (140  m),  hat  sie  sich's 
in  der  Kaiserzeit  weiter  abwärts  am  Savone  bequem  gemacht.  Dieser 
Bach  setzt  sie  mit  dem  Hochthal  des  vulkanischen  Ringgebirges  in 
Verbindung  (S.  686).  Von  INorden  her  trifft  die  Via  Laiina  unge- 
fähr 115  Millien  von  Rom  hier  ein  und  erreicht  nach  weiteren 
5  Millien  Cales.^)  In  Südrichtung  führt  eine  Strafse  ins  Falerner- 
land  mit  seinem  6  Milben  entfernten  Forum  (S.  691).  Die  nord- 
südlichen Verbindungen  werden  durch  die  Querstrafse  geschnitten 
die  von  Benevent  und  dem  inneren  Samnium  aus  an  Teanum  vor- 
bei laufend  in  den  Hafen  Minturnae  einmündet  (S.  663).  Dergestalt 
in  Mitten  von  fünf  Strafsen  gelegen ,  hat  die  Stadt  in  der  Kriegs- 
geschichte erwähnt  zu  werden  Anspruch. 6)  Ihrer  Wichtigkeit  ent- 
sprechend gehört  sie  zu  den  Colonien  des  Augustus.")    Später  scheint 


I  14,3  zu  verstehen.  Vielleicht  ist  eben  diese  Aufnahme  ein  Kriegsgrund  für 
die  Samniten  gewesen  Appian  Samn.  4. 

1)  Die  meuterische  Besatzung  von  Rhegion,  gewöhnlich  als  Legion  be- 
zeichnet (S. 553  A,  9), bestand  nach  Dion.H.  XX4  aus  einer  sidicinischen  und  zwei 
campanischen  Cohorten. 

2)  Artemidor  bei  Sleph.  Byz.  Teavov. 

3)  Liv.  XXII  57  XXIII  24  XXVI  9.  14.  15  Appian  Hann.  27  b.  civ.  I  45.  85 
Sil.  It.  XII  524. 

4)  Gic.  Phil.  II  107  ad  Alt.  VI  1,23  Sidicini  (nie   Teanenses),  ad  Att.  VIII 

II  B  2  HD  2  Teanum  Sidicinum,  wo  Verwechslung  ausgeschlossen  Phil. 
XII  27  de  leg.  agr.  II  86.  96  ad  Alt.  VII  13,7  14,1  XVI  11,6  Teanum;  Piin.  ill  63 
Teanum  Sidicinum  cognomine;  CIL.  X  4782.  84.  85.  6013  Teanenses. 

5)  Tab.  Peut.  ist  verwirrt.  It.  Ant.  303  giebt  den  Umweg  über  Venafrum. 

6)  Appian  b.  civ.  V  20  Gic.  ad  Att.  Vll  13,7  und  die  A.  4  angeführten 
Stellen.  7)  Plin.  III  63  Feldm.  238. 


694  Kapitel  XII.    Campanien. 

sie  nach  einer  inschrifllichen  Bezeichnung  colonia  Claudia  Firma 
Teanum  von  Claudius  neu  colonisirt  worden  zu  sein :  auf  die  repu- 
blikanische Liebhaberei  dieses  Kaisers  mag  zurückgehen  dafs  unter 
den  Magistrnten  ein  tribitnus  plehis  und  ein  praefectus  rebus  divinis 
vorkommt.')  Was  das  bürgerliche  Leben  betrifft,  so  schildert  eine 
Hede  des  Gaius  Gracchus  die  Ungebühr  der  die  Landstädte  von 
Seiten  römischer  Beamten  ausgesetzt  waren. 2)  Welcher  Tribus  die 
Sidiciner  90  zugewiesen  wurden,  ist  nicht  bekannt.  Nach  Strabo's 
Zeugnifs  ist  Teanum  die  gröfste  Stadt  an  der  Via  Latina  und  im 
campanischen  Binnenland. 3) 

Zwei  Capellen  der  Fortuna  zu  beiden  Seiten  der  Via  Latina 
zeigten  die  Grenze  zwischen  Teanum  und  Cales  an*):  man  wird  sie 
am  Eingang  des  oben  (S.  687)  behandelten  Passes  suchen.  Dem 
15  km  langen  Rücken  der  dies  Flachland  im  Osten  abschliefst 
(S.  686),  sind  niedrige  Berge  vorgelagert:  die  Höhen  von  Vitulazio 
(216  m)  Pastorano  (206  m)  Pignataro  (362  m)  M.  Calvento  (412  m). 
Sie  bilden  mit  den  Hügeln  von  Sparanise  und  Francolise  (S.  687) 
einen  18  km  langen  Bogen  dessen  Scheitel  auf  l^/a  km  eingesunken 
ist.  Hinter  der  Einsenkung  breitet  sich  ein  vom  Stock  der  Roc- 
chetta  überragtes  Thal  (120  m)  aus.  Zwischen  zwei  ihm  enlfliefsen- 
den  Bächen  (Rio  dei  Lanzi)  liegt  in  der  Einsenkung  etwa  100  m 
hoch  Cales  Calvi.^)  Der  Ort  ist  noch  Bischofsitz  obwol  auf  wenige 
Häuser  beschränkt.  Die  Ruinen  aus  dem  Altertum,  u.  a.  Amphitheater 
und  Theater,  übertreffen  die  teanensischen  und  lehren  dafs  ehedem 
an  dieser  ungesunden  Stätte  ein  kraftvolles  Leben  pulsirt  hat.  Der 
Consul  des  J.  335  triumphirte  über  die  Calener:  gleich  ihren 
Schwestern  wurde  auch  diese  Aurunkerstadt  334  in  eine  Colonie  und 
zwar  latinischen  Rechts  mit  2500  Colonisten  umgewandelt.^)  Von 
Teanum  5  von  Casilinum  8  Millien  entfernt,  ist  dies  der  am  wei- 
testen vorgeschobene  Posten  des  römischen  Staats  gegenüber  seinen 
oskischen  Angehörigen.     Für  das  ihm  zukommende  Ansehen  zeugt 


1)  CIL.  X  1  p.  471  Eph.  ep.  VIII  p.  143. 

2)  Gell.  N.  A.  X  3,3. 

3)  Sirab.  V  237.  248;  Ptol.  III  1,59. 

4)  Strab.  V  249  CIL.  X  4633  vgl.  Cic.  Phil.  XII  27  Appian  b.  civ.  I  84. 

5)  Sil.  It.  VIII  512  XII  525  braucht  neben  dem  Plural  auch  den  Singular 
Tlireiciam  Calcn  wegen  angeblicher  Gründung  durch  den  Thraker  Calais; 
Plin.  III  63  Calcnum;  Cic.  de  leg.  agr.  II  86  ad  Farn.  IX  13,3  Calenum  muni- 
cipium,  gewöhnlich  Calet  Calibus,  Tab.  Peul.  Cale,  Steph.  ßyz.  KaXrjala. 

6)  Liv.  VIII  16  Vell.  1  14  Fast.  Cap. 


§  1.     Die  Nordmark.  695 

der  Umstand  dafs  seit  der  Errichtung  der  italischen  Quaesturen  267 
der  mit  dem  südlichen  Sprengel  betraute  Quaestor  hier  seinen  Amt- 
sitz hatte,  i)  Die  Feldmark  stiefs  im  Westen  bei  Francolise2)  an  die 
falernische,  im  Süden  an  das  zu  Capua  gehörende  stellatinische  Ge- 
filde, im  Osten  und  Norden  an  die  Bergzüge  die  gegen  Trebula  und 
Teanum  die  Grenze  bilden.  Sie  mag  150 — 200  Dkm  umfafst  haben 
und  war  dicht  bewohnt.  Aufserhalb  der  Stadt  von  der  6  Thore  in- 
schrifthch  namhaft  gemacht  werden  3),  kennen  wir  einen  vicus  Pa- 
latius  zwischen  Calvi  und  Pignataro.*)  Die  Rebberge  trugen  den 
edlen  Calener  den  der  Dichter  preist. 5)  Das  Gewerbe  stand  früher 
als  der  Weinbau  in  hoher  Blüte.  So  die  Töpferei  deren  aus  dem 
3.  Jahrhundert  v.  Chr.  stammende  Erzeugnisse  nach  Etrurien  aus- 
geführt wurden. 6)  Cato  nennt  Cales  und  Minturnae  als  beste  Be- 
zugsquellen für  Kapuzen  und  Ackergerät  aller  Art.'^)  Endlich  hat 
die  Stadt  in  ausgedehnter  Weise  Silber-  uud  Kupfermünzen  ge- 
schlagen (S.  75).  Sie  wurde  im  samnitischen  uud  noch  härter  im 
hannibalischen  Kriege  mitgenommen,  so  dafs  sie  209  ihre  Unfähig- 
keit zu  weiteren  Leistungen  erklärte. *)  Nach  dem  Krieg  wurden 
zur  Verstärkung  neue  Ansiedler  entsandt. 9)  Das  J,  90  verlieh  ihr 
das  Bürgerrecht  und  Aufnahme  in  die  Tribus  Pobhlia.  Cicero  unter- 
hielt freundliche  Beziehungen  zum  Municipium.io)  Der  Stadtrat  heifst 
Senat,  die  obersten  Beamten  Censoren  und  Praetoren.ii)  Im  3. 
Jahrhundert  n.  Chr.  führt  es  den  Titel  Colonie.  Cales  wird  oft  mit 
Teanum  zusammen  als  ansehnliche  Stadt  aufgeführt,  diesem  jedoch 
nachgesetzt  1^):  die  Denkmäler  würden  eher  das  Gegentheil  schUefsen 


1)  Tac.  Ann.  IV  27. 

2)  Hier  befindet  sich  der  Plin.  II  230  Val.  Max.  I  8  ext.  18  erwähnte  Sauer- 
brunnen, der  XXXI  9  Vitruv  VIII  3,17  nach  anderer  Quelle  als  aqua  Aeidula 
4  Millien  von  Teanum  aufgeführt  wird. 

3)  CIL.  X  4650.  60. 

4)  CIL.  X  4641. 

5)  Hör.  Od.  I  20,9  31,9  IV  12,14  Juvenal  1,69  Strab.  V  243  Plin.  III  60 
XIV  65  Athen.  I  27  a. 

6)  CIL.  X  2  p.  885  Varro  Men.  114  Buch. 

7)  Cato  RR.  135, 

8)  Liv.  X  20  XXII 13.  15  XXIII  31  XXIV  45  XXVI  9.  15.  16  XXVII  9  XXIX 
15  Val.  Max.  111  2  ext.  1.  8,1. 

9)  CIL.  P  p.  200. 

10)  Cic.  ad  Fam.  IX  13,3  u.  a. 

11)  CIL.  X  1  p.  451  Eph.  ep.  VIII  p.  134  fg. 

12)  PoL  III  91,5  Strab.  V  237.  249  Cic.  de  leg.  assr.  II  86.  96. 


696  Kapitel  XII.    Campanien. 

lassen.     In  der  Litteratiir  kommt  es  als  Geburlsort  des  M.  Vinicius 
dem  der  Geschiclitsabrifs  des  Velleius  gewidmet  ist,  vor.i) 

§  2.  Capua. 
Keinem  der  Stämme  die  einander  in  der  Herrschaft  ablösten, 
gelang  es  die  vulkanische  Ebene  am  Volturnus  dem  Rahmen  eines 
Staatswesens  einzufügen.  Immerhin  hat  die  Trägerin  der  einheit- 
lichen Bestrebungen  eine  Stellung  errungen  die  dem  Ehrgeiz  den 
höchsten  Preis  vorgaukeln  konnte.  In  den  grofsen  Kriegen  der 
Republik  galt  Capua  unbestritten  als  zweite  Stadt  Italiens  und  nährte 
nach  der  Schlacht  bei  Cannae  die  trügerische  Hoffnung  binnen 
kurzem  die  erste  zu  werden. 2)  Die  Selbsterhallung  hat  nach  ihrer 
eigenen  Aussage  die  Römer  zur  Vernichtung  von  Karthago  Korinth 
und  Capua  genötigt. 3)  In  dieser  stolzen  Trias  nimmt  Capua  keinen 
unziemlichen  Platz  ein.  Die  Länge  seiner  Mauer  wird  allerdings 
nicht  nur  von  der  römischen  sondern  auch  in  mehreren  Zwölf- 
städten Etruriens  übertroffen  (S.  37).  Aber  da  sie  ein  dem  Qua- 
drat genähertes  Rechteck  beschreibt,  umfafst  sie  mehr  Flächenraum 
als  letztere  und  wenn  die  Fläche  (182  Dkm)  noch  nicht  die  Hälfte 
des  servianischen  Rom  oder  des  etruskischen  Veji  erreicht,  gestattet 
sie  dafür  eine  viel  stärkere  Ausnutzung  und  dichtere  Bebauung, 
weil  alle  örtlichen  Hindernisse  fortfallen.  Im  Unterschied  von  der 
Masse  italischer  Städte  deren  Gestalt  durch  natürliche  Bedingungen, 
vor  allem  die  Rücksicht  auf  natürlichen  Schutz  vorgeschrieben  war, 
trägt  Capua  den  Stempel  einer  fortgeschrittenen  Entwicklung  an  der 
Stirn.  Es  liegt  ohne  alle  Deckung  im  freien  Felde,  so  weit  wir 
erkennen  können ,  mit  regelmäfsig  sich  schneidenden  Strafsen  als 
ob  die  Landmesser  ein  riesiges  Lager  abgesteckt  hätten.  Die  Ueber- 
lieferung  bestätigt,  was  der  Augenschein  lehrt,  dafs  dies  das  Werk 
einer  jüngeren  Zeit  sei.  Zwar  hat  municipale  Eitelkeit  es  um  einige 
Jahrhunderte  höher  hinaufschieben  wollen:  der  hier  gebürtige  oder 
sefshatte  Velleius  pflichtet  eifrig  einem  Vorgänger  bei  der  die 
Gründung  800  v.  Chr.  ansetzt. 4)  Er  hätte  nach  dem  damals  einge- 
bürgerten Datum  von  Troia's  Fall  füglich  noch  vier  Jahrhunderte 
der  Almeureihe  hinzulegen  können.    Kurz  vor  Caesars  Tode  deckten 


1)  Tac.  Ann.  VI  21.     Andere  Erwähnungen  Ptol.  III  1,59  Feldm.  232. 

2)  Liv.  VII  30  XXIII  10.  11  Pol.  III  91,6  Plut.  Fab.  17. 

3)  Cic.  de  leg.  agr.  II  86.  87  Phil.  XII  7  Flor.  I  11,6  34,1. 

4)  Vell.  I  7  Mommsen  CIL.  X  1  p.  367  A.  1. 


§  2.    Capua.  697 

Schatzgräber  die  Gruft  des  Stadfgründers  Capys  auf.i)  So  hiefs  der 
Vetter  des  Aeneas  nach  ihrem  aus  Homer  bekannten  Grofsvater.^) 
Der  gemeinsame  Ursprung  Roms  UMd  Capua's  wird  von  den  Dich- 
tern der  Kaiserzeit  ohne  Anstofs  anerkannt. 3)  In  der  Epoche  der 
samnitischen  Kriege  werden  beide  Städte  sogar  als  Schwestern  be- 
trachtet, da  sie  von  Romulus  und  Remus  gegründet  sein  sollen. 4) 
Das  Rild  der  säugenden  Wölfin  mit  den  Zwillingen  wird  296  am 
ruminalischen  Feigenbaum  errichtet  und  gleichzeitig  den  campanischen 
Didrachmen  aufgedrückt.^)  Demselben  Zusammenhang  mag  die 
Aufnahme  des  Volturnus  in  den  römischen  Gottesdienst  ange- 
hören (I  331).  Von  dem  Gewebe  in  das  Dichtung  und  Slaats- 
kunst  vereint  die  Anfänge  der  oskischen  und  latinischen  Grofsstadt 
einhüllten,  sind  nur  vereinzelte  Fäden  nachweisbar.  Es  wurde  216 
von  starker  Hand  zerrissen,  als  die  altera  Roma  Rlut  und  Recht 
verratend  sich  dem  Unhold  aus  Africa  an  den  Hals  warf.  Ein  jeder 
Römer  in  dem  das  Andenken  an  die  Not  und  Gefahr  jener  Tage 
fortlebte,  hatte  allen  Grund  sich  der  angeblichen  Verwandten  von 
Herzen  zu  schämen.  Da  nun  aber  die  Abstammung  der  Gründer 
Roms  von  Aeneas  allgemein  angenommen  war,  blieb  der  nationalen 
Geschichtscbreibung  nichts  übrig  als  die  Zugehörigkeit  Capua's  zur 
troianischen  Sippe  zu  leugnen.  Sie  schob  die  mythischen  Gebilde  bei 
Seite,  sah  der  WirkHchkeit  ins  Auge  und  setzte  die  Etrusker  in  ihr 
verkümmertes  Recht  ein.^)  Nach  Cato  hat  Capua  vor  seiner  Ein- 
nahme (211)  ungefähr  260  Jahre  bestanden.  Der  Gewährsmann 
bat  im  hannibalischen  Krieg  mitgefochten ,  hat  dem  Ursprung  der 
italischen  Städte  nachgeforscht  wie  kein  anderer  vor-  oder  nach- 
her, seine  Aussage  erweckt  volles  Vertrauen.  Den  etruskischen 
Namen  der  Gründung  giebt  weder  Cato  noch  Polybios  an.  Nach 
Livius  lautete  er  Volturnum,  oder  nach  einem  anderen  Annalisten 
Alitermim  im  Auschlufs  an  die  einheimische  Renennung  des  Flusses 
(I  331).  Auch  fehlt  es  nicht  an  Gelehrten  die  capys  für  etruskisch 
ausgeben    und   durch  falco  (voltur)   erklären.     Doch    braucht   man 


1)  Sueton  Caes.  81. 

2)  Hom.  II.  XX  239  Coelius  Antipater  fr.  52  Peter   Enn.  Ann.  31  Vahlen. 

3)  Verg.  Aen.  X  145  Ovid  Fast.  IV  45  Lucan  II  393  Stat.  Silv.  III  5,77. 

4)  Dion.  H.  I  72.  73  Etym.  M.  490,1. 

5)  Liv.  X  23  Mommsen  Münzwesen  254. 

6)  Cato  bei  Veil.  1  7  Pol.  II  17  Strab.  V  242  Liv.  IV  37  Fest.  43  M.  Serv. 
Aen.  X  145. 


698  Kapitel  XH.     Campanien. 

dabei  nicht  zu  verweilen,  ila  die  ächte  Ueberlieferung  wie  die  Stadt  in 
den  ersten  Jahrzehnten  ihres  Bestehens  geheifsen  habe,  verstummt  ist.^) 
Ein  wichtiges  Zeugnifs  bietet  die  porta  Capena,  vielleicht  das  einzige 
Thor  2)  des  servianischen  Rom  das  nach  einer  auswärtigen  Gemeinde 
benannt  ist. 3)  Dafs  darunter  Capua  zu  verstehen  sei,  wo  das  ent- 
sprechende .\ord\vestthor  porta  Romana  heilst  *),  scheint  sicher;  aber 
ebenso  sicher  dafs  die  eine  wie  die  andere  Benennung  nicht  vor 
der  Anlage  der  appischen  Strafse  oder  frühestens  dem  politischen 
Zusammenschlufs  beider  Städte  aufgekommen  sein  kann. 

Unter  den  verschiedenen  Deutungen  des  Namens  leitet  eine 
Capua  von  capnt  ab  und  läfst  es  als  Haupt  eines  Bundes  von  12 
Städten  gegründet  sein.^)  Die  sprachliche  Zuläi5::igkeit  mag  auf  sich 
beruhen.  Von  einer  Reihe  campanischer  Städte  wird  der  etruskische 
Ursprung  durch  Schriftsteller,  von  anderen  wie  Irnthi  und  Velecha 
durch  Münzen  bezeugt.  Indefs  hält  es  schwer  die  Zahl  voll  zu 
machen  oder  den  Umfang  dieses  Bundes  näher  zu  bestimmen  (I  500). 
Aber  wenn  der  Urheber  jener  Deutung  die  alle  weit  überragende 
Stellung  Capua's  betonte^  war  er  zweifellos  im  Recht.  Der  Abstand 
vom  Volturnus  beträgt  genau  3  Millien  ß),  vom  Fufs  des  Tifata  un- 
gefähr die  Hälfte.  Der  Stadtboden  im  Nordosten  44  m ,  im  Mittel 
36  m  ü.  M.,  ist  nach  Westen  und  Süden  geneigt.  Wie  wenig  die 
Oertlichkeit  den  Anforderungen  an  natürliche  Festigkeit  genügte, 
lehren  ihre  Schicksale  im  Mittelalter.  Nach  der  Zerstörung  durch 
die  Saracenen  840  siedelten  die  Bewohner  nach  der  Stätte  von  Ca- 
silinum  am  Volturnus  um  und  übertrugen  auf  diese  den  Namen 
Capua.  Die  Kirche  S.  Maria  hielt  unter  den  Trümmern  das  An- 
denken der  Rümerzeit  wach,  das  um  sie  erwachsene  Städtchen  hat 
erst  seit  Kurzem  als  Capua  Vetere  den  Wettbewerb  mit  der  mittel- 

1)  Dafs  Steph.  Byz.  Kania  noXts  ^IzaXiae  'Exaxalos  EvqcCtiti  ano  KanvoS 
rov  TQüutxov  nicht  einer  ailionischen  Erdbeschreibung  entstammen  könne, 
vurde  schon  I  7  bemerkt. 

2)  Die  porta  Quevquclulana  S.  556  giebt  möglicher  Weise  ein  zweites 
Beispiel. 

3)  Serv.  V,  Aen.  VII  697  bringt  es  mit  Gapena  zusammen  das  in  der  ent- 
gegengesetzten Himmelsrichtung  liegt. 

4)  Liv.  XL  45. 

5)  Strab.  V  242.  248,  nicht  Polybios  wie  irrig  behauptet  wird;  Geogr.  Rav. 
IV  34  h'apua  caput  Campaniae. 

6)  Lucil.  fr.  11!  16  L.  M.  terminus  hie  est  FollurJius  Capua  longe  tvia 
milia  passum;  Tab.  Peut.  Ps.  Ascon.  zu  Cic.  Verr.  II  p.  193  Or.  Dion.  H.  XV 
4  sagt  30  Stadien  =  3  Millien;  Strab.  V  237  nur  19  Stadien. 


§  2,     Capua.  699 

alterlichen  Festung  aufgenommen.  Der  heutige  Boden  liegt  2 — 3  m 
über  dem  antiken,  keine  sichtbaren  Kennzeichen  verraten  die  Um- 
risse der  Etruskerstadt,  an  wissenschaftHcher  Nachforschung  hat  es 
bisher  gefehlt.  Aber  die  eifrig  betriebene  Ausbeute  der  Gräberschätze 
in  der  die  Nachfahren  mit  den  Colonisten  Caesars  wetteifern  i),  hat 
Dank  dem  glücklichen  Scharfblick  Beloch's  wenigstens  zu  annähernd 
sicheren  Ergebnissen  geführt.2)  Die  oskische  Nekropole  umfafst  das 
heutige  S.  Maria  nebst  den  östlich  anstofsenden  Feldern  von  allen 
Seiten:  einen  Raum  von  rund  200  ha  auf  dem  keine  alten  Gräber 
sondern  nur  Ziegelgräber  des  ausgehenden  Altertums  sich  finden, 
wie  solche  allerwärts  bei  der  fortschreitenden  Verödung  an  früher 
städtisch  bewohnten  Orten  vorkommen.  Die  Ausstattung  der  alten 
Gräber  reicht  nicht  über  den  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  hinauf. 3) 
Wo  die  Via  Appia  den  umschriebenen  Raum  betritt  und  wieder  ver- 
läfst,  fällt  sie  beidemal  in  scharfem  Knick  aus  ihrer  geraden  Rich- 
tung heraus,  und  zwar  aus  keinem  anderen  denkbaren  Grunde  als 
weil  sie  hier  eine  Hauptstrafse  der  Stadt  darstellt.  Die  gedachte 
Strecke  mifst  1650  m  6000  italische  Fufs,  und  soweit  erstreckte 
sich  die  Stadt  der  Länge  nach  von  West  nach  Ost:  der  Endpunct 
im  Osten  steht  zudem  durch  aufgefundene  Reste  des  Thores  fest. 
Ein  ähnlicher  Anhalt  um  die  Breitenausdehnung  von  Nord  nach  Süd 
zu  bestimmen  wird  vermifst.  Nach  den  umgebenden  Gräberfeldern 
kann  sie  zu  1100  m  4000'  angesetzt  werden.  Die  Alten  bewunder- 
ten die  Gesundheit  Planmäfsigkeit  Schönheit  der  Anlage,  die  ebenen 
breiten  Strafsen  die  vortheilhaft  gegen  die  Bauart  Roms  abstachen.^) 
Alle  Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür  dafs  das  Ganze  ein  Rechteck 
bildete  und  von  einem  rechtwinkhgen  Strafsennetz  durchzogen  war. 
Die  Länge  desselben  von  West  nach  Ost  war  bei  der  Erbauung 
oder  Fortführung  der  Via  Appia  312  bezw,  268  v.  Chr.  gegeben. 
Es  sieht  aber  nicht  danach  aus  und  ist  nach  den  bisherigen  Grab- 
funden überhaupt  ausgeschlossen  dafs  die  ursprüngliche  Mauer  kleiner 
gewesen    und   erst  nachträglich  erweitert   worden   sei.     Fragt  man 


1)  Suef.  Caes.  81. 

2)  Belöch  Catnpanien  344. 

3)  Nach  einer  Mittheilung  G.  Karo's.  Die  zahlreichen  Äusgrahungsberichte 
in  den  Schriften  des  Arch.  Instituts,  den  Not.  d.  Scavi,  den  Atti  della  com- 
missione  conservatrice  dei  monumenti  nella  provincia  di  Terra  di  Lavoro» 
Caserta  1870  fg.,  harren  einer  zusammenfassenden  Bearbeitung. 

4)  Cic.  de  lege  agr,  II  95.  96. 


700  Kapitel  XII.     Campanien. 

nach  dem  Ziel  das  den  Erbauern  dieses  gewaltigen  Feldlagers  vor- 
schwebte, so  ist  es  offenbar  gegen  die  15 — 16  Millien  entfernten 
Griecbenst.'idte  Kyme  und  Neapel  gerichtet.  Und  wenn  nach  Strabo's 
Worten  der  Besitz  der  fruchtl)aren  Ebene  von  den  Kymaeern  auf 
die  Etnisker  überging,  so  hängt  der  Uebergang  mit  der  Gründung 
Capua's  zusammen.  Aber  von  weiteren  Betrachtungen  sehen  wir 
ab,  obwol  nicht  allein  etruskische  Metallarbeiten  den  älteren  Gräbern 
entsteigen,  um  von  der  ersten  Periode  der  Stadtgeschichte  Kunde 
zu  geben,  sondern  kürzlich  ein  hervorragendes  Schriftstück  dem 
Zweifel  Slillschweigen  geboten  hat.^) 

Nach  langen  Kämpfen  ward  423  die  etruskische  Herrschaft  von 
der  campanischen  abgelost  (S.  682).  Das  Volk  das  438  die  ge- 
schichtliche Bühne  betreten  hatte,  nennt  sich  Campani  Bewohner 
der  Ebene  zur  Unterscheidung  von  den  samnitischen  Stammvätern 
im  Gebirg.2)  So  lautete  auch  mit  mancherlei  Abweichungen  die 
halbgriechische  Aufschrift  auf  Silbermünzen  von  Neapel.  Damit  hat 
der  oskische  Stadtname  Jcapv[o]  nichts  gemein.  Er  steht  auf  der 
älteren  Silbermünze,  verschwindet  seit  338  und  wird  durch  Roma 
Romano  verdrängt:  nur  auf  Kupfer  bleibt  er  bis  zum  Ende  der 
Prägung  211  erhalten  (S.  75).  Die  Römer  leiten  ihn  entweder 
von  Capys  dem  Anführer  der  siegreichen  Samniten  oder  gewöhn- 
lich von  Campus  ab. 3)  Letzteres  deshalb  weil  ihnen  die  Stadtbe- 
wohner in  der  Regel  Campaner  heifsen.  Daran  nahm  ihr  Sprach- 
gefühl mit  Recht  Anstofs^);  richtige  Bildungen  zeigt  die  alte  Be- 
nennung der  Porta  Capena  (S.  698)  oder  der  me(I[is]  kapva{ns]  = 
praetor  Capnnnus  einer  altoskischen  Inschrift.'')  Trotzdem  wird  jene 
Bezeichnung  mit  Capuensis  erst  dann  vertauscht  nachdem  Campania 
auf  die  ganze  erste  Region  ausgedehnt  worden  war. 6)  Der  Grund 
aber  weshalb  die  Römer  den  Volksnamen  kurzer  Hand  auf  die  Be- 
wohner der  Hauptstadt  übertragen ,  ist  einfach  der  dafs  Atellaner 
Calatiner  Casiliner  Sabatiner  und  wie  die  sonstigen  Angehörigen 
des  campanischen  Bundes  heifsen  mögen,  neben  dem  Vorort  völlig 


1)  Bücheier  Rhein.  Mus.  LV  Ifg. 

2)  Diod.  XII  31. 

3)  Liv.  IV  37  Fest.  43  M.  Plin.  HI  63  Seiv.  V.  Aen.  X  145  Paul.  h.  Lang.  II 17. 

4)  Varro  LL.  X  16  und  bei  Serv.  a.  0.  vgl.  Lucil.   fr.  III  17  L.  M.    Cam- 
pana Capua. 

5)  Mommsen  Unt.  Dial.  177  Conway  119. 

6)  CIL.  X  3857.  60  Schol.  Bob.  zu  Cic.  p.  red.  i.  s.  17  p.  249  Or. 


§  2.     Capua.  701 

in  den  Schatten  treten.  Wie  aus  den  Trümmern  des  etruskischen 
Reiches  diese  pohtische  Gemeinschaft  entstand  und  80  Jahre  später 
mit  Rom  vereinigt  wurde,  meldet  keine  glaubwürdige  Ueberlieferung. 
Was  Annahsten  von  einer  343  erfolgten  bedingungslosen  Uebergabe 
erzählen,  trägt  den  Stempel  der  Erfindung  an  der  Stirn,  i)  Freihch 
mufsten  die  Campaner  den  Falernergau  abtreten  und  auf  eine 
eigene  äufsere  Politik  Verzicht  leisten.  Dafür  gewährte  ein  gleiches 
Bündnifs  die  Selbstverwaltung  2),  aufserdem  aber  die  Verleihung  des 
minderen  Bürgerrechts  alle  damit  verbundenen  privatrechllichen 
Vortheile  (S.  553). 3)  Letzteres  gilt  von  Hause  aus  nur  für  die 
Ritterschaft  und  die  herrschende  samnitische  Gemeinde,  der  Zwie- 
spalt zwischen  ihr  und  der  einheimischen  Plebs  veranlafste  seit 
318  die  jährhche  Entsendung  eines  Praefecten  aus  Rom  als  Schieds- 
richter und  Aufseher,  aber  in  der  Folge  sind  die  oskischen  und 
etruskischen  Plebejer  gleichberechtigte  Campaner  geworden. ■*)  An 
der  Spitze  stand  der  medix  tulicus:  die  Würde  war  allen  Ständen 
und  Gemeinden  zugängUch,  wurde  z.  B.  214  von  einem  Bürger  aus 
Alella  bekleidet.  5j 

Das  Bundesgebiet  auf  dem  rechten  Volturnusufer  war  durch 
die  Römer  auf  das  stellatische  Gefilde  beschränkt  worden  (S.  689). 
Es  befafste  das  linke  Ufer  von  der  Mündung  ununterbrochen  bis 
weit  aufwärts  von  der  Flufsenge  den  Zug  des  Tifata  einschliefsend, 
reichte  im  Süden  bis  nahe  an  Cumae  und  den  Golf  von  Neapel,  im 
Südosten  bis  Maddaloni.  Rechnet  man  den  Flächeninhalt  zu  rund 
1000  Dkm,  so  entfallen  davon  drei  Viertel  auf  Capua,  kaum  ein 
Viertel  auf  die  verbündeten  Gemeinden. 6)  Die  aufserordenthche 
Dichtigkeit  der  Bevölkerung  (S.  104)  wird  durch  zwei  Zeugnisse  er- 
härtet:   216   waren   in   den    Censuslisten   als   zum   Felddienst    ver- 


1)  Liv.  VII  29  fg.  VIII  2  XXIII  5. 

2)  Liv.  XXIII  5  XXXI  31,  bestätigt  durch  die  Goldmünze  mit  dem  ßundes- 
opfer  Mommsen  Münzwesen  p.  260. 

3)  Die  Regelung  des  verwicliellen  Verhältnisses  ist  durch  eine  Reihe  ver- 
schiedener Acte  erfolgt,  über  die  wir  ungenügend  unterrichtet  sind  Liv.  VIII 
11.  14  IX  20  Vell.  I  14.  Ennius  Ann.  174  Vahlen  cives  Romani  tunc  facti 
sunt  Campani. 

4)  Die  Ritterstellen  wachsen  zwischen  340  und  211  von  1600  auf  4000 
Liv.  VIII  11  XXIII  5. 

5)  Liv.XXlII  35  XXIV  19  XXVI  6  Ennius  Ann.  296  Vahlen. 

6)  Daraus  erklärt  sich  der  Sprachgebrauch  des  Polybios  nie  Ka/inavia 
sondern  rä  nsQi  oder  Marä  Kanir^v  nsSia  zu  sagen. 


702  Kapitel  XII.     Campanien. 

ptlichlel  eingetragen  30  000  Mann  zu  Fufs  4000  zu  Pferde  i);  59 
ward  das  verfügbare  Domanialland  (etwa  500  Dkm)  an  20000  Bürger 
die  drei  und  mehr  Kinder  hatten,  aufgetheilt.2)  Die  Unfreien  ein- 
gerechnet die  bereits  im  hannibahschen  Krieg  in  den  Städten  be- 
merkbar waren  3),  mufs  die  Bevölkerung  schon  damals  200  Köpfe 
auf  den  Quadratkilometer  überschritten  haben.  Von  der  Fruchtbar- 
keit des  Landes  war  wiederholt  die  Rede  (S.  680).  Der  lockere 
durchlässige  Boden  der  bei  Dürre  vom  Wind  in  schwarzen  Staub- 
wolken •*)  aufgewirbelt  wird  (I  389),  die  terra  pulla  der  alten  Land- 
wirte  setzte  der  Bestellung  geringe  Schwierigkeit  entgegen :  Kühe 
oder  Esel  wurden  vor  den  leichten  Pflug  gespannt. &)  Das  Haupt- 
koru  war  der  Spelt  (1  446)  der  zu  Graupen  (alica)  verarbeitet  wurde, 
ähnlich  wie  heutigen  Tages  der  Weizen  zu  Maccaroni.*^)  Doch 
wurde  auch  feiner  Weizen  gebaut ')  und  sehr  viel  Hirse  (I  446). 
Campanisches  Getreide  hat  in  alleren  Zeiten  mehrfach  den  Romern 
die  grüfsten  Dienste  geleistet. 8)  Ferner  hatte  der  W^ein  Ruf:  er 
wuchs  ebenso  wie  heute  (1  453)  an  Ulmen  die  in  Zeilen  die  Felder 
durchziehen.^)  Durch  ihren  Reichtum  an  Blumen,  namentlich  an 
Rosen  (Ceulifolien)  war  die  Landschaft  vor  allem  ausgezeichnet  und 
in  Folge  dessen  nach  Aegypten  der  Hauptsitz  für  die  Bereitung  von 
Salben.  10)  Der  Bedarf  an  Oel  den  dies  Gewerbe  halte,  wurde  von 
den  angrenzenden  Hügeln  kaum  bestritten;  ein  Sprichwort  liefs  in 
Campanien  mehr  Salbe  erzeugen  als  anderswo  Oel.'i)  Der  Platz  in 
Capua  wo  die  Salbenhändler  verkehrten,  hiefs  Seplasia^^):  grofse 
Summen  wurden  hier  umgesetzt  '>')?  der  Name  verbreitete  sich  über 


1)  Liv.  XX1II5  vgl.  Pol.  II  24,14. 

2)  Vell.  II  44  Suelon  Caes.  20  Appian  b.  civ.  II  10. 

3)  Liv.  XXIV  19  XXVI  4. 

4)  Ilor.  Sat.  II  8,55. 

5)  Cato  RR.  135.  151  Vairo  I  20  Gohnn.  II  10  VI  1  Plin.  XVII  36. 

6)  Varro  RR.  I  2  Plin.  XVIII  82.  109—116  Fest.  7  M. 

7)  Plin.  XVIII  86. 

8)  Liv.  II  52  Cic.  de  leg.  agr.  II  80. 

9j  Pol.  XXXI V  11,1  Plin.  XIV  10.  49.  69  Athen.  I  27  b. 

10)  Plin.  XII  106  XIII  5.  26  XVIII  Hl  XXI  16.  17.  20.  53  Cato  RR.  107  Athen. 
XV  688e. 

11)  Plin.  XVIII  111  Dig.  XLV  1,00. 

12)  Cic.  de  leg.  agr.  11  94  pro  Sest.  19   in  Pis.  24   dazu   Ascod,  9  Schoell 
Fest.  317.  340;  un^uenlarU  CIL.  X  3968.  74.  75.  79.  82. 

13)  Varro  Sat.  Men.  38.  511  Plaut.  Rudens,631  Plin.  XXXIII  164  XXXIV  108. 


§  2.    Capua.  703 

Westeuropa  zur  Bezeichnung  des  Gewerbes. i)  Pomade  und  Schminke 
waren  in  römischer  Vorstellung  von  dieser  Sladt  unzertrennlich 
gleichwie  in  teutonischer  von  Paris.2)  Auf  anderen  Gebieten  des 
Schaffens  hat  es  ebenso  wenig  an  reger  Thätigkeit  gefehlt.  3)  Die 
Erzarbeiten  standen  in  hohem  Ansehen.^)  Sodann  wird  Teppich- 
weberei»),  Tischlerei^),  Seilerei"),  Töpferei^)  rühmend  erwähnt. 
Viel  Geld  und  Gut  strömte  in  Capua  zusammen:  die  Zahl  der  ritter- 
lichen Vermögen  ist  verhältuifsmäfsig  grofs.^)  Die  Cultur  die  hier 
aus  der  Mischung  oskischer  etruskischer  hellenischer  Elemente  ent- 
stand und  zwei  Jahrhunderte  blühte,  hat  auf  Rom  stärker  einge- 
wirkt als  wir  im  Einzelnen  nachweisen  können.  Seit  dem  Abfall 
216  wird  der  ehemaligen  Schwester  nur  mit  giftigem  Hafs  gedacht: 
Hochmut  und  Schwelgerei  sind  die  ständigen  Beiwörter.  Aber  der 
Campaner  Naevius  war  es  doch  der  zuerst  die  Geschichte  der  römi- 
schen Vorzeit  in  ihr  Bette  leitete.  Die  Verschwägerung  des  cam- 
panischen und  römischen  Adels  stellte  die  Einfachheit  der  Sitten 
am  Tiber  auf  eine  harte  Probe.  lO)  Den  im  Süden  hoch  entwickelten 
Rennsport  darf  man  loben. ii)  Aber  das  Gladiatorentum,  dies  ekle 
Geschwür  das  seit  264  immer  weiter  um  sich  frafs,  hatte  seine 
Wurzeln  in  Capua.  Dessen  Bewohnern  wurde  nachgesagt  dafs  sie 
bei  Gastmählern  zur  Erhöhung  der  Lustbarkeit  Kämpfe  veranstalte- 
ten und  die  Zahl  der  Fechter  nach  dem  Rang  der  Gäste  bemafsen.^2) 
In  der  langen  Zeit  wo  die  römische  Polizei  dem  Lasier  entgegen 
arbeitete,  hatte  es  in  Capua  seine  Hochschule.  Aus  ihr  gingen 
Spartacus  und  die  Anführer  im  Sklavenkrieg  73  hervor;  auf  ihr 
unterhielt   Caesar    49   eine  Bande   von,   wenn   die  Zahl  richtig  ist, 


1)  Petron  76  vita  Heliog.  30,1    Gloss.    Labb.    CIL.  XI  1621    aus  Florenz, 
Brambach  J.  Rh.  416  aus  Köln  u.  a. 

2)  Cic.  in  Pis.  25. 

3)  Cassiod.  Var.  VIII  33,3  induslriosa  Campania. 

4)  Plin.  XXXIV  2.  95  Porph.  zu  Hör.  Sat.  I  6,117  Isidor  XVI  19  Cato  RR.  135. 

5)  Plaut.  Pseud.  146. 

6)  Plin.  XVI  225. 

7)  Cato  RR.  135. 

8)  Cato  RR.  135  Hör.  Sat.  I  6,117  II  3,144. 

9)  Pol.  III  91,6  TTjv  naawv  noze  fiaxaoicoxarTjv  yeyovvlav  noXiv  KaTtvr^v 
ders.  VII  1. 

10)  .Liv.  XXIII  2.  4  XXVI  33  Val.  Max.  IV  4. 

11)  Lucil.  fr.  XV  14  L.  M. 

12j  Strab.  V  250  Sil.  It.  XI  51;  Gleiches  wird  von  den  Römern  ausgesagt 
Athen.  IV  153  f. 


704  Kapitel  XII.     Campanien. 

50U0  Manu,  jedesfalls  von  Besorguifs  erregeuder  Stärke. i)  Eine 
kaiserliclie  Anstalt  blieb  am  Ort  bestehen,  nachdem  der  Hauptbetrieb 
nach  Rom  verlegt  worden  war. 2)  Was  endlich  die  viel  berufenen 
Genüsse  belritTt  die  Hannibals  Heer  in  Capua  verdorben  haben 
sollen  3),  so  wird  das  Gerede  durch  die  Thatsacheu  Lügen  gestraft. 
Die  stolze  üppige  Stadt  ward  auch  nicht  durch  das  Schwert,  sondern 
(hirch  den  Hunger  bezwungen,  weil  sie  der  Umklammerung  des 
Feindes  sich  nicht  zu  erwehren,  vor  allem  nicht  den  Zugang  zur 
See  frei  zu  machen  vermochte. 

Auf  die  oskische  folgt  die  römische  Periode,  zunächst  eine  von 
211  bis  59  währende  Uebergangszeit,  in  der  diese  reiche  Landschaft 
den  Parteien  der  Republik  zum  Zankapfel  diente.^)  Nach  der 
Uebergabe  wurde  der  Adel  hingerichtet  oder  verbannt,  die  Plebs  in 
die  Clientel,  das  Bundesgebiet  in  das  Eigentum  des  Staates  über- 
nommen.&)  Allerdings  erlangen  die  Campaner  nach  dem  Kriege 
189  die  privaten  Rechte  römischer  Bürger  wieder,  dienen  in  der 
Legion,  aber  bleiben  vom  Wahlrecht  und  der  Selbstverwaltung  aus- 
geschlossen. Sie  sind  weder  Herren  der  Stadt  die  sie  bewohnen, 
noch  der  Scholle  die  sie  bebauen,  sondern  Pächter  die  der  Staat 
jederzeit  aus  ihrem  Besitz  austreiben  kann.  Capua  ist  keine  Stadt 
mehr,  sondern  das  Scheinbild  einer  solchen,  der  Sammelplatz  für 
die  Landschaft  wo  der  Bauer  kaufen  und  verkaufen  kann.  Recht 
sprechen  die  Praefecten  die  der  l'raetor  aus  Rom  als  seine  Ver- 
treter, später  das  Volk  durch  Wahl  entsendet:  einheimische  Magi- 
strale fehlen.  Wenn  der  Verein  römischer  Bürger  in  Capua  Cicero 
zum  Patron  ernannte  und  durch  ein  Standbild  ehrte,  so  hat  die 
Auszeichnung  ungefähr  den  nämlichen  Wert  wie  das  Diplom  durch 
das  eine  heutige  Schützengesellschaft  einen  vornehmen  Gönner  zum 
Hauptmann  bestellt.*^)  Oeffentliches  Leben  pflanzt  sich  allein  in  den 
Dorfschaften  (pagi)  anerkannter  Mafsen  fort:  Dörfer  jedoch  bilden 
nur  kirchliche,  nicht  politische  Gemeinden.'^)     Es  leuchtet  ein  dafs 

1)  Cic.  ad  Alt.  VII  14,2  Caes.  b.  civ.  I  14. 

2)  CIL.  IV  1182  vita  Did.  Jul.  8. 

3)  Liv.  XXlil  18  (vgl.  VII  38)  Val.  Max.  IX  1  ext.  1  Cic.  de  leg.  agr.  I  20 
II  95  Slrab.  V  250.  51. 

4)  Mommsen  CIL.  X  1  p.366f^t. 

5)  Liv.  XXVI  16.  33 fg.  XXX VIII  28.  36  Vell.  II  44  Cic.  de  leg.  agr.  II  84. 
88  fg.  95  fg.  6)  Cic.  pro  Sest.  9  in  Pis.  25. 

7)  CIL.  X  3772  nennt  den  pagiis  Hercula7ieus ,  den  man  im  Dorfe  Ercole 
bei  Caserla  wiederfinden  will;  eb.  3783  fehlt  der  Name. 


§  2.     Capua.  705 

ein  derartiger  Reclitszusland  der  ein  Stück  Inland  zur  Provinz 
stempelte,  den  uacbgeborenen  Geschlechtern  unleidlich  erscheinen 
mufste.  Wichtiger  war  noch  die  finanzielle  Seite  der  Frage.  Der 
ager  Campanus  blieb  nicht  in  seinem  ganzen  Umfang  Staatseigen- 
tum. Das  stellalische  Feld  wurde  den  Göttern  geweiht,  Geld  zwang 
205  und  199  zu  Verkäufen  an  der  Küste  wie  am  Tifata,  endhch 
erhielten  je  300  Colonisten  in  Volturnum  und  Liternum  Landlose. i) 
Jedoch  war  genug  übrig  um  in  kleinen  Parcellen  verpachtet  eine 
erkleckliche  Rente  abzuwerfen.  Da  die  angrenzenden  Gutsherren 
weite  Strecken  öffentlichen  Grund  und  Bodens  immer  wieder  sich 
aneigneten,  kaufte  man  sie  165  aus  und  stellte  einen  abgerundeten 
Bezirk  von  125  Dkm  vor  ferneren  Uebergriffen  sicher. 2)  Dies  Vor- 
gehen betraf  etwa  den  vierten  Theil  der  Domäne.  Die  regierenden 
Kreise  erblickten  in  den  campanischen  Einkünften  den  festen 
Grundpfeiler  für  einen  geordneten  Staatshaushalt. 3)  Die  Volkspartei 
wollte  das  Besitztum  an  bedürftige  Bürger  zu  freiem  Eigen  ver- 
theilen.  Gaius  Gracchus  hatte  die  Gründung  einer  Colonie  geplant, 
sein  Sturz  vereitelte  sie.^)  Die  Colonie  wurde  83  angelegt,  von 
dem  siegreichen  Sulla  alsbald  wieder  aufgehoben. s)  Hierauf  stellte 
der  Tribun  Rulkis  63  seinen  von  Cicero  bekämpften  Antrag.  End- 
lich ward  er  59  von  Caesar  in  grofsem  Stil  verwirklicht  und  Capua 
als  Colonie  unter  die  Sfadtgemeinden  Itahens  aufgenommen. 6)  Wie 
schon  bemerkt  (S.  702  A.  2)  wurden  500  Dkm  Domanialland  an 
20  000  kinderreiche  Bürger  aufgetheilt.")  Die  Ordnung  der  Dinge 
hielt  nur  bis  zu  Caesars  Tode  vor,  da  Antonius  sofort  eine  neue 
Colonie  beabsichtigte  und  in  unmittelbare  Nachbarschaft  nach  Casi- 
linum  führte.*')    Die  Triumvirn  beschlossen  43  Capua  ihren  Soldaten 


1)  Sueton  Caes.  20  Liv.  XXVIII  46  XXXIl  7  XXXIV  45. 

2)  Liv.  XXVII  3.  11  XLIl  1.  19  Gran.  Licinian.  15  Bonn  Gic.  ad  AU.  II  16,1 
de  leg.  agr.  II  76.  82. 

3)  Gic.  ad  Alt.  II  16,1  de  leg.  agr.  II  80  fundmn  pulcherrimum  populi 
Romani,  caput  vestrae  pecujiiae,  pacis  ornamentum,  subsidimn  belli,  funda- 
mentum  vectigalium,  horreum  legionum,  solacium  amionae. 

4)  Die  Nachricht  Plut.  8  wird  zwar  von  Cicero  de  leg.  agr.  II  81  bestritten, 
aber  der  Stein  CIL.  X  3861  lehrt,  dafs  die  Vermessung  für  die  Anlage  bereits 
statt  gefunden  hatte. 

5)  Gic.  de  leg.  agr.  II  92  fg. 

6)  Cic.  pro  Sest.  9  Caes.  b.  civ.  I  14  Suet.  Gaes.  81  Dio  XXXVIII  7. 

7)  Varro  RR.  I  2,10  Plut.  Gat.  min.  33,1  Suet.  Gaes.  20. 

8)  Cic.  Phil.  II  101  fg. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.     II.  45 


706  Kapitel  XII.     Campanien, 

auszuliefern. •)  Da  die  Ausführung  dieses  Beschlusses  nacii  der 
Schlacht  bei  IMiilippi  dem  Octavian  zufiel  und  die  Campaner  dessen 
Anhänger  waren,  wurde  eine  abermalige  Umwälzung  der  Besitzver- 
hältnisse verhütet. 2)  Sie  beschränkte  sich  darauf  dafs  Octavian  36 
mit  dem  Gemeindeland  von  Capua  Veteranen  ausstattete  und  dafür 
eine  reiche  Entschädigung  bewilligte.  Die  Stadt  erhielt  Ländereien 
auf  Kreta  die  ihr  jährlich  1200  000  Sesterzen  (261  000  M)  ein- 
brachten, eine  viel  gepriesene  Wasserleitung  die  aqua  Julia  von  der 
Reste  im  Osten  oberhalb  S.  Prisco  nachgewiesen  sind. 3)  Aufserdem 
erbielt  sie  auf  ihre  Vorstellungen  dafs  die  Graupenfabriken  den  Thon 
des  coUis  Leucogeus  nicht  entbehren  könnten  (S.  702),  den  Bezirk 
von  Astroni:  der  bisherigen  Besitzerin  Neapel  wurde  als  Kaufpreis 
eine  Rente  von  200000  Sesterzen  (43  500  M.)  auf  den  Fiscus  an- 
gewiesen.4)  Nach  derartigen  Wolthaten  ist  es  nicht  zu  verwundern 
dafs  die  Colonie  als  Gründung  des  Augustus  galt  und  colonia 
Julia  Felix  Augusta  hiefs.^)  Ihre  Feldmark  wird  an  800  Dkm  um- 
fafst  haben.  Seit  57  n.  Chr.  griff  sie  auf  das  rechte  Flufsufer  in 
den  allen  340  v.  Chr.  abgetretenen  Falernergau  über,  als  Nero  Ve- 
teranen ansiedelte  und  Urbana  zu  Capua  schlug  (S.  691).  Die 
Wirren  nach  Nero's  Sturz  verursachten  empfindlichen  Schaden. 
Puteoli  erktärte  sich  für  Vespasian:  Grund  genug  für  Capua  die 
Fahne  des  Vitellius  hoch  zu  halten.  Die  bewaffnete  Macht  schritt 
ein. 6)  Es  scheint  dafs  Capua  zur  Strafe  im  Süden  den  Landstrich 
um  Aversa  der  Rivalin  hat  abtreten  müssen,  was  einen  Gebietsver- 
lust von  100  Dkm  oder  mehr  bedeuten  würde.'')  Dem  einbrechen- 
den Verfall  hat  Capua  länger  widerstehen  können  als  die  kleinen 
Nachbarstädte.  Um  200  n.  Ciir.  fand  hier  Dio  die  Sammlung  an 
seiner  Geschichte  zu  schreiben  und  die  Stille  die  er  in  Rom  ent- 
behrte. S)  Aber  am  Ausgang  des  4  Jahrhunderts  nimmt  es  noch 
unter  den  Städten  des  Reiches  die  achte,  unter  den  Städten  Italiens 
nach  Rom  und  Mailand  die  dritte  Stelle  ein.*^)     Ebenso  bewahrt  es 

1)  Appian  b.  civ.  IV  3. 

2)  Dio  XLV  12  Appian  b.  civ.  V  24, 

3)  Vell.  II  81  Dio  XLIX  14  CIL.  X  3938. 

4)  Plin.  XVIII  114. 

5)  Piin.  III  63  Feldm.  231   CIL.  X  3832. 
«)  Tac.  Hisl.  III  57  IV  3. 

7)  Nach   den   Inschriften    wie  CIL.  X  3735.  50    erscheint    die    Gegend    als 
puteolanisch,  was  sie  vordem  nicht  war. 

8)  Dio  LXXVl  2.  9)  Auson.  Op.  19,46  fg. 


§  2.     Capua.  707 

io  der  Langobardenzeit  sein  Ansehen. i)     Der  Zerstörung  durch  die 
Saracenen  ward  oben  (S.  698)  gedacht. 

Von  dem  Glänze  der  Vergangenheit  ist  heule  verhältnifsmäfsig 
wenig  zu  schauen:  für  die  Erhaltung  der  Denkmäler  bietet  das 
lachende  Land  keinen  günstigen  Boden.  Und  doch  haben  die 
wechselnden  Geschicke  seinem  Antlitz  untilgbare  Spuren  eingegraben. 
Der  Lauf  der  Via  Appia  liefs  das  Bild  der  etruskischen  und  oski- 
schen  Stadt  vor  unserem  geistigen  Auge  aufsteigen  (S.  699),  die 
Umgegend  erinnert  an  die  socialen  Kämpfe  die  das  römische 
Italien  erschütterten.  Das  Wegenetz  zwischen  S.  Maria  Caserla  und 
Maddaloni  im  Osten,  nach  Süden  bis  jenseit  Marcianise  wo  das 
Land  im  Mittelalter  versumpft  war  und  durch  neue  Canäle  (Regi 
Lagni)  ein  ganz  abweichendes  Aussehen  erhalten  hat,  entspricht 
noch  vielfach  den  Vorschriften  der  alten  Feldmesser.  Es  grenzt 
gleiche  Quadrate  von  710  m  Seitenfläche  d.  h.  Centurien  von  200 
Juchert  50,5  ha  ab  und  rührt  von  den  abschliefsenden  Landver- 
theilungen  des  Caesar  und  Augustus  her.^)  Der  Decumanus,  die 
Basis  der  Vermessung  lief  von  Norden  nach  Süden,  weil  das  Terri- 
torium sich  in  dieser  Richtung  am  Weitesten  erstreckte. 3)  Aus 
Inschriften  erfahren  wir  dafs  Augustus  das  Pomerium  der  Stadt  be- 
stimmte (S.  524)  und  damit  eine  neue  Periode  ihrer  Geschichte  er- 
öfFnete.4)  Bisher  war  Capua  Festung  gewesen ,  und  zwar  wegen 
seiner  Gröfse  und  Hülfsquellen ,  seiner  beherrschenden  Lage  im 
Mittelpunct  der  italischen  Hauptstrafsen  von  hervorragender  Wichtig- 
keit. Auch  nach  dem  samnitischen  und  hannibalischen  Kriege  tritt 
dies  zu  Tage.  Es  diente  88.  83.  63.  49.  41  in  den  Kämpfen  gegen 
die  Italiker,  gegen  Sulla  Catilina  Caesar  L.  Antonius  als  Waffen  platz.  5) 
Allerdings  lag  schon  in  oskischer  Zeit  150  Schritt  vor  dem  Ostthor 
im  Fondo  Pattorelli  ein  viel  besuchter  Tempel.  Aber  die  Ent- 
festigung  hebt  hier  wie  anderswo  erst  mit  Augustus  an.  Die  grofsen 
Bauten  an  der  Nord-  und  Westseite  zeigen  dafs  ein  feindlicher  An- 
griff nicht  mehr  befürchtet  wurde:  als  solcher  im  5.  und  6.  Jahr- 


1)  Paul.  h.  Lang.  II  17. 

2)  Beloch  p.  309,  dem  der  Hinweis  auf  diese  Ersciieinung  verdankt  wird, 
führt  sie  auf  den  Praetor  Lentulus  162  v.  Chr.  und  Gaius  Gracchus  zurück; 
Meitzen  Siedelung  und  Agrarwesen  I  320  Anlage  29  auf  Caesar. 

3)  Feldu).  29.  170.  209,21. 

4)  CIL  X  3825. 

5)  Appian  b.  civ,  I  56.  63  fg.  84.  86  II  29.  37  V  24  Sali.  Cat.  30  Cic.  pro 
Sest.  9  Caes.  b.  civ.  I  14  u.  a. 

45* 


708  Kapitel  XII.    Gampanien. 

liiindert  erfolgte,  war  Capua  wehrlos. i)  Von  der  Blüte  die  sich  unter 
der  Herrschalt  des  Friedens  entl'altele,  ist  wenig  zu  melden.  Capua 
gehurt  mit  Casilinum  Aleila  Calatia  zur  falernischen  Tribus.  Die 
Verfassung  weicht  nicht  von  dem  in  Colonien  üblichen  Schema  ab.^) 
Desgleichen  der  Gottesdienst:  nur  das  Vorkommen  einer  Judenge- 
meinde verdient  erwähnt  zu  werden. 3)  Das  Papstbuch  läfst  Con- 
stantin  eine  Kirche  der  Apostel  erbauen. *)  —  Wie  allgemein  in  der 
Kaiserzeit  ühhch  war,  zerfiel  die  Stadt  in  Regionen:  eine  davon 
hiefs  regio  Compüi.''>)  Die  beiden  oft  erwähnten  Plätze,  die  Seplasia 
mit  dem  Salbenmarkt  (S.  702)  und  die  Albana  mit  dem  Weifsen 
Uaus,  worunter  das  Stadthaus  gemeint  scheint  6),  lassen  sich  topo- 
graphisch nicht  unterbringen.  An  der  Via  Appia  sind  nordwestlich 
vor  der  Porta  Romana  (S.  698)  Reste  eines  Ehrenbogens  vorhanden, 
innerhalb  des  Thores  rechts  ein  Theater  links  ausgedehnte  Thermen. '') 
Dafs  die  Appia  die  vornehmste  Gräberstrafse  in  römischer  Zeit  ge- 
wesen sei  ^j,  bestätigen  ein  paar  Grabthürme  östlich  vor  der  Stadt. 
Aufserhalb  der  Stadt  an  der  Nordseite  werden  Reste  einer  zweiten 
Thermenrmlage  bemerkt,  mehr  indefs  lenkt  das  Amphitheater  die 
Aufmerksamkeit  auf  sich.  Den  mächtigen  Bau  hatte  die  Colonie 
des  Augustus  errichtet,  Kaiser  Hadrian  hergestellt,  Antoninus  Pius 
neu  geweiht.-^)  Die  äufsere  Umfassung  80  Bogen  4  Stockwerk  hoch 
besteht  aus  Travertin,  das  Innere  aus  Backstein.  Nach  seinen  Ab- 
messungen (170  X  140  m,  Arena  76  X  46  m,  Zahl  der  Zuschauer 
42  500)  ist  dies  Gebäude  ein  Jahrhundert  lang  ohne  Gleichen  ge- 
wesen und  erst  durch  die  von  den  Flaviern  in  Rom  aufgebotenen 
Mittel  übertrolTen  worden.  Wenn  aber  das  Colosseum  als  Wahr- 
zeichen der  ewigen  Stadt  galt  (S.  538),  so  hat  ein  richtiges  Gefühl 
den  Stadtrat  von  Capua  seit  der  Renaissance  beseelt  und  das  cam- 
panische Amphitheater  vor  weiterer  Zerstörung  zu  schützen  veran- 
lafst.     Diese  Steinmassen  geben  ein  Gleichnifs  von  der  elruskischen 


1)  Prokop  b,  Goth.  I  14. 

2)  CIL.  X  1  p.  368. 

3)  CIL.  X  3905. 

4)  Gestorum  pontificum  Romanorum  I  p.  70  (ed.  Mommsen  Mon.  Germ.  hist. 
Ber.  1898).     Christliche  Inschriften  CIL.  X  4485  fg.  Eph.  ep.  VIII  514  fg. 

5)  CIL.  X  3857. 

6)  Liv.  XXXII  9  XL  45  Cic.  de  leg.  agr.  II  94  Val.  Max.  IX  1  ext.,   1. 

7)  Liv.  XXIII  7. 

8)  CIL.  X  3903,17. 

9)  CIL.  X  3832. 


§  2.     Capua,  709 

oskischen  und  römischen  Vergangenheit,  spiegeln  deren  fernreichende 
Wirkungen  wieder. 

Aus  dem  Nordthor  porta  Volturnensis  läuft  die  Strafse  nach 
Samnium  aus.^)  Sie  erreicht  in  gerader  Richtung  nach  kaum  4 
Millien  den  Flufs  westlich  von  der  Enge  und  überschreitet  ihn  auf 
einer  alten  Brücke  (unterhalb  der  heutigen),  deren  Trümmer  der 
Volksmund  Ponte  d'Annibale  tauft.  Auf  dem  rechten  Ufer  geht's 
zunächst  nach  Caiatia  das  11  Millien  von  Capua  entfernt  ist.  —  In 
spitzem  Winkel  zur  Hauptstrafse  führt  aus  demselben  Thor  die  via 
Dianae  in  3  Millien  zu  dem  berühmten  Tempel  der  Gottin  und  dem 
Vicus  der  bei  ihm  entstanden  war.-)  Die  verlassene  Benedictiner- 
abtoi  S.  Angelo  in  Formis  am  westlichen  Fuls  (75  m)  des  Tifata 
kennzeichnet  die  Stätte.  Das  Gebirge  das  Capua  und  dessen  Um- 
gebung überragt,  wird  im  Norden  vom  Volturno  umflossen,  nach 
Osten  durch  eine  Einsenkung  der  die  Bahn  Neapel — Foggia  folgt, 
die  Valle  di  Maddaloni  begrenzt.  Es  mifst  in  der  Luftlinie  von 
West  nach  Ost  16  km,  von  Nord  nach  Süd  14  km.  Der  mauer- 
fürmige  Abfall  gegen  die  Ebene  hält  zuerst  eine  südöstliche  Richtung 
inne  und  beschreibt  dann  um  Caserta  einen  Bogen  au  dessen  süd- 
lichem Vorsprung  (171  m)  Maddaloni  liegt.  Dieser  Abfall  weist  die 
höchste  Erhebung  auf:  M.  Tifata  oberhalb  Capua  602  m,  M.  Virgo 
oberhalb  Caserta  620  m.  Landeinwärts  erreichen  die  Gipfel  nirgend 
400  m.  Gegenwärtig  verraten  die  nackten  Berglehnen  nichts  von 
den  Eichwäldern  denen  sie  den  Namen  Tifata  verdankten  3):  im  4. 
Jahrhundert  n.  Chr.  boten  sie  herrliche  Birsch.^)  Der  Name  um- 
fafste  gerade  wie  der  neuere  Monti  di  Maddaloni  die  ganze  Gruppe 
innerhalb  der  bezeichneten  Grenzen;  ihn  auf  den  Berg  bei  Capua 
zu  beschränken,  wie  vielfach  geschieht,  ist  für  das  Altertum  unzu- 
lässig. Das  Waldgebirge  gewährte  Bandenführern  geeigneten  Unter- 
schlupfs),  der  Ebene  Schutz  gegen  Ueberfall.  Jedoch  kann  es  von 
Heeren  im  Norden  wie  im  Süden  umgangen,  auch  nötigenfalls  an 
verschiedenen  Orten  der  Mitte  durchzogen  werden.     Die  Reisekarte 


1)  Tab.  Peut.  CIL.  X  3913. 

2)  Tab.  Peut.  ad  I)iana{m)\erwmt,  Pausan.  V  12,3  30  Stadien  =  3  Millien, 
CIL.  X  3913.  3T92. 

3)  Fest.  366  M.  Liv.  VII  29  Tifata  imminentes  Capuae  colles,  XXVI  5 
post  Tifata  montem  imminentem  Capuae,  Dio  XLII  25  la  Ticparriva  oqt].  Als 
Singular  nur  einmal  dichterisch  CIL.  X  3796. 

4)  CIL.  X  3796  Sil.  It.  XIII  219. 

5)  Dio  XLII  25. 


710  Kapitel  XII.     Campanien. 

verzeicliuel  im  Rücken  des  Tifata  eine  Ortschaft  Castra  Haimibalis, 
die  in  der  Gegend  der  Einmündung  des  Isclero  in  den  Volturnus 
zu  suchen  ist.')  Hier  hatten  die  Karthager  seit  215  ein  Lager  zur 
Beherrschung  der  grofsen  Strafsen  die  der  Flufs  mitsamt  seinen 
Zuflüssen  erolTnet,  angelegt'-^);  von  hier  brach  Hannibal  211  durch 
das  Thal  von  Maddaloni  zum  Entsatz  von  Capua  vor,  von  hier  unter- 
nahm er  nach  dem  Scheitern  dieses  Versuchs  den  Volturnus  und 
weiter  den  Liris  hinauf  den  berühmten  Marsch  gegen  Rom. 3)  Aus 
der  Reisekarte  entnimmt  man  dafs  zur  Kaiserzeit  durch  das  Thal 
von  Maddaloni  eine  Strafse  nach  Telesia  führte:  die  Entfernung 
dieser  Stadt  von  Capua  beträgt  22  Millien.  Ebendahin  führte  am 
linken  Ufer  des  Volturnus  nordlich  um  den  Tifata  herum  eine  zweite 
Strafse.  An  diese  verlegt  die  Karte  6  Millien  jenseit  des  Dianen- 
lempels  einen  Ort  Syllae,  der  Caialia  gegenüber  fallen  würde. ^) 
Der  Name  hängt  mit  dem  Sieg  zusammen  den  Sulla  83  in  der  Nähe 
des  Tempels  zwischen  dem  Volturnus  und  Capua  über  Consul  Nor- 
banus  erfocht.^)  Die  Göttin  wird  hier  seit  Alters  verehrt  worden 
sein,  auch  ohne  den  homerischen  Weihgeschenken  die  sie  besafs, 
Gewicht  beizulegen. 6)  Sulla  bedachte  sie  fürstlich,  indem  er  ihr 
die  am  Fufs  des  Berges  entspringenden  Mineralquellen  sowie  die 
anstofsenden  Aecker  verlieh.  Die  Stiftung  die  gleicher  Mafsen  die 
Habsucht  der  Stadtgemeinde  wie  der  Anlieger  erwecken  konnte,  ist 
von  Augustus  und  Vespasian  gegen  Uebergriffe  geschützt  worden.'^) 
Das  Tempelgebiet  heifst  mons  Dianae  Tifatinae  und  hat  seinen 
eigenen  Praefecten  der  Recht  spricht.*)  Es  mag  den  gröfseren 
Theil  des  Waldgebirges  umschlossen  haben,  aber  nicht  das  ganze. 
Einen  Nebenbuhler  der  Diana  lehrt  uns  die  Karte  im  Jovis  Tifa- 
tinus  kennen  den  sie  weiter  nach  Süden  vom  Hannibalslager  westlich 
rückt. 0)     Das    Glück    hat    ihm   minder   gelächelt.     Man   sucht    das 


1)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  33. 

2)  Liv.  XXIII  36.  39. 

3)  Liv.  XXVi  5  in  volle  occulta  post  Tifata  monlem  durch  die  gleich  er- 
wähnie  Kinnahme  von  Galatia  bestimmt.     Dichterisch  Sil.  It.  XII  486fg. 

4)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  33  Sila. 

5)  Vell.  II  25  Flor.  II  9,19  Obseq.  57. 

6)  Athen.  XI  466  e  489  b  Pausan.  V  12,3, 

7)  Vell.  II  25  CIL.  X  3828.  8)  CIL.  X  3933.  4564. 

9)  Mit  dem  Capilol  das  Tiberius  in  Capua  weiht,  hat  dies  nichts  zu 
schafTen;  denn  apud  Capiiam.  Tac.  Ann.  IV  57  besagt  nach  taciteischem  Ge-: 
brauch  dasselbe  wie  Capuae  Sueton  Tib.  40  Cal.  57. 


§  2.    Capua.  711 

Heiligtum  entweder  oberhalb  Casagiove  oder  in  Piedimonte  ober- 
halb Caserta.  Immerhin  scheint  ein  Hauptlhor  Capua's  die  porta 
Jovis  nach  ihm  benannt  zu  sein.  Darunter  ist  das  Thor  zu  ver- 
stehen, durch  das  die  Appia  und  unter  einem  Winkel  von  75*^  eine 
Strafse  nach  S.  Prisco  ausläult  d.  h.  in  der  Richtung  wo  der  Tem- 
pel gelegen  haben  mufs.  Durch  das  gedachte  Thor  hielt  das  römi- 
sche Heer  seinen  Einzug  211   in  die  bezwungene  Sladt.i) 

Das  gegenüber  liegende  Thor  an  der  Westseite  ist  die  porla 
Romana  (S.  698).  IN'ach  3  Millien  erreicht  die  Appia  den  Flufs 
(S.  698  A.  6)  und  überschreitet  ihn  auf  einer  antiken  Brücke.  Das 
heutige  Capua  nimmt  nordlich  von  der  Brücke  eine  schmale  Land- 
zunge von  1  km  Länge  und  300  m  Breite  ein  und  beschränkt  sich 
auf  das  linke  Ufer.  Seine  Vorgängerin  Casilinnm  war  auf  beiden 
Ufern,  vornehmlich  dem  rechten  ausgebreitet^) ;  die  Brücke  die  sie 
zu  beherrschen  hatte,  konnte  füglich  nicht  an  der  Stadt  vorbei, 
sondern  nur  durch  die  Stadt  hindurch  führen.  Aber  das  Bild  das 
der  Reisende  im  Altertum  schaute,  ist  nicht  wieder  zu  erkennen, 
weil  seine  Umrisse  verwischt  sind.  Der  Volturnus  beschrieb  damals 
andere  Windungen  und  hat  sein  Betle  wie  seine  Ufer  ansehnlich 
erhöht,  so  dafs  die  Tiefe  4 — 8  m  beträgt  in  der  die  alten  Bauwerke 
hüben  wie  drüben  angetroffen  werden.  Rings  von  der  Feldmark 
Capua's  umgeben,  kann  Casilinum  von  Hause  aus  kein  selbständiges 
Gemeinwesen  gebildet  haben.  Es  ist  der  Brückenkopf  der  den 
Uebergang  über  den  Volturnus  und  das  östliche  Thor  der  falernischen 
Ebene  (S.  687)  sperrt,  bis  auf  die  Gegenwart  herab  von  hervor- 
ragender militärischer  Bedeutung.  Fabius  besetzte  ihn  217,  Hanni- 
bal  eroberte  ihn  nach  hartnäckiger  Vertheidigung  im  Winter  216/15. 
Bereits  214  fiel  der  Platz  den  Römern  wieder  in  die  Hände  und 
gewährte  ihnen  einen  festen  Rückhalt  zum  Angriff  auf  Capua. 3) 
Dann  verschwindet  der  iName  bis  in  caesarische  Zeit. 4)  Ob  bei  der 
Auflheilung  der  campanischen  Domäne  Casilinum  als  besondere  Co- 

1)  Liv.  XXVI  14. 

2)  Liv.  XXIII  17  Dion.  H.  XV  4  Slrab.  V  249  ini  Se  'Pcouris  Kaadlvov 
iS^rat  ini  reo  OvovXrovovco  jioxa/i(ü  Plin.  XVII  7. 

3)  Liv.  XXII  15  XXIin?.  19.  20  XXIV  19  XXV  20.  22  Plin.  VIII  222  Strab. 
V  249:  nach  dem  Gang  der  Belagerung  sollte  man  meinen,  dafs  Casilinum  auf 
dem  linken  Ufer  lag,  was  der  ausdrücklichen  Angabe  des  Livius  widerspricht. 
Ganz  abenteuerlich  ist  die  Vorstellung  (Liv.  XXVI  9  üion.  H.  XV  4),  dafs  der 
Volturnus  ohne  Brücke  gewesen  sei. 

4   Praefectur  Fest.  233  M. 


712  Kapitel  XII.     Campanien. 

lonie  eingerichtet  wurde,  steht  dahin:  sicher  geschah  es  44  durch 
Antonius.')  Aber  sein  Gegner  hat  sie  vermuthch  bei  der  Neu- 
ordnung von  Capua  (S.  706)  aufgehoben:  sie  fehlt  deshalb  in  der 
Liste  der  italischen  Gemeinden.  Der  Ort  wurde  durch  die  Nach- 
barsclialt  der  mächtigen  Hauptstadt  erdrückt. 2)  Da  die  Flufsschiff- 
fahrl  wenig  zu  bedeuten  hatte  (I  333),  sicherten  allein  die  einmün- 
denden Strafsen  ihn  vor  völliger  Vergessenheit. 3) 

An  der  Westseite  lag  ein  zweites  Thor  durch  das  eine  Haupt- 
strafse  nach  der  18  Millien  entfernten  Flufsmündung  auslief. 4)  Seit 
dem  Altertum  hat  der  Volturnus  seine  Mündung  um  2 — 3  km  vor- 
gerückt. Dafs  hier  lange  Zeit  vor  dem  Eingreifen  der  Romer  ein 
Hafen  gewesen  sei,  ward  schon  in  anderem  Zusammenhang  be- 
merkt (I  333).  Beloch  äufsert  die  Vermutung  das  nur  aus  Milnzen 
bekannte  Velecha  könne  die  alte  Bezeichnung  des  Platzes  sein:  eine 
monumentale  Stütze  dafür  wird  noch  vermifst;  nur  das  Schwer- 
kupfer das  auf  regen  Verkehr  mit  den  Ansiedlern  im  Falernergau 
hinweist,  liel'se  sich  geltend  machen  (S.  74).  Den  Hümern  hiefs 
der  Platz  nach  dem  Flufs  Volturmim.  Sie  befestigten  ihn  212  und 
errichteten  daselbst  die  Magazine  für  das  Belagerungsheer. s)  Nach- 
dem die  Canipaner  Casilinum  am  rechten ,  Volturnum  am  linken 
Ufer  und  damit  die  ganze  Flufslinie  verloren  hatten,  rückte  die  Ein- 
schliefsung  und  Aushungerung  ihrer  Stadt  unabwendbar  heran. 
Eine  Colonie  von  300  Bürgern  wurde  194  angesiedelt;  die  von  Rom 
entsandten  Praefecten  sprachen  hier  wie  im  übrigen  Campanien 
Recht. 'J)  Die  Colonisten  waren  zum  Schutz  der  Küste  bestimmt  die 
im  2.  Jahrhundert  von  Piraten  heimgesucht  wurde.")  Volturnum 
selbst  fiel  38  dem  Sextus  Pompeius  in  die  Hände. *)  Durch  die  Un- 
gunst seiner   Umgebung   herabgedrückt,    nahm    es   unter   Domitian 


t)  Cic.  Pliil.  II  102  ad  Alt.  XVI  8,1  10,1  Vell.  II  61  Appian  b.  civ.  III  40. 
Das  Ethnikon  Casilinemes  Cic.  de  inv.  II  171  Casilinates  Val.  Max.  VII  6,2 
vgl.  Sil.  It.  XII  426. 

2)  Plin.  III  70  sunt  morientes  Casilini  reliquiae  CIL.  X  1  p.  369. 

3)  Sirab.  V  237.  38.  49  VI  283  Ptol.  III  1,59  Tab.  Peut.  CIL.  X  3792. 

4)  Der  Angriff  auf  die  porta  quae  Follurnum  ferl  Liv.  XXVI  6  wird  211 
durch  Geschützfeuer  abgewiesen;  das  Fehlen  der  Praeposition  zeigt,  dafs  die 
Hafenstadt  gemeint  sei. 

5)  Liv.  XXV  20.  22  XXVI  6. 

6)  Liv.  XXXII  29  XXXIV  45  Varro  LL.  V  29  Fest.  233  M.  Vib.  Sequ.  152  R. 

7)  Val.  Max.  II  10,2. 

8)  Dio  XLVIll  46. 


§  2.    Capua.  713 

einen  unerwarteten  Aufschwung.  Die  95  n.  Chr.  vollendete  via 
Domüiana  die  von  Sinuessa  ah  an  der  Küste  hin  nach  Putooli  führt, 
verkürzte  die  Verbindung  dieses  Hafens  mit  Rom  gegenüber  dem 
Umweg  den  die  Appia  über  Capua  machte,  um  16  Millien.')  Der 
Flufs  wurde  an  seiner  Mündung  überbrückt  —  von  diesem  hervor- 
ragenden Werk  sind  Reste  vorhanden  —  und  durchgreifend  geregelt, 
desgleichen  für  die  Hebung  der  verwahrlosten  Gegend  viel  gethan. 
Dadurch  war  Volturnum  an  eine  grofse  Verkehrstrafse  gebracht, 
wird  auch  bei  dieser  Gelegenheit  ebenso  wie  Sinuessa  (S.  664)  den 
Titel  Colonie  den  es  später  führt,  erhalten  haben. ^)  Es  lag  am 
linken  Ufer  hart  am  Meer  3);  Castel  Volturno  giebt  annähernd  die 
Stelle  an.  —  Die  ganze  campanische  Küste  vom  M.  Massico  bis  zu 
den  phlegraeischen  Hüben,  eine  Strecke  von  25  Millien  ist  von 
einem  breiten  Gürtel  von  Sanddünen  und  Lagunen  eingefafst.  Die 
Bildung  Latiums  wiederholt  sich.  Aber  dem  Volturnus  der  die 
Auswurfstoffe  lieferte  ^),  gebrach  es  an  der  nötigen  Kraft  um  einen 
Sitz  des  Verkehrs  zu  schaden  wie  solchen  der  Tiber  ins  Leben  ge- 
rufen hatte.  Zu  beiden  Seiten  dehnt  und  dehnte  sich  auf  den 
Dünen  meilenweit  der  Buschwald  hin,  seit  dem  Mittelalter  nach  dem 
vorwiegenden  Baum  Pineta  benannt.  Den  Alten  hiefs  der  Pinien- 
wald südlich  von  Volturnum  von  seinen  Haselhühnern  silva  Gal- 
linaria,  ein  bekannter  Versteck  für  die  Corsarenhäuptlinge  des  Sex- 
tus  Pompeius  und  die  Wegelagerer  der  Kaiserzeit. ^)  Gerade  wie  im 
pomptinischen  Gebiet  lastet,  wenn  auch  in  abgeschwächtem  Grade, 
auf  dem  campanischen  das  Verhängnifs  dafs  die  Dünenkette  die 
Entwässerung  des  Hinterlandes  erschwert.  Fast  die  ganze  Ebene 
Süd  vom  Volturnus  mit  rund  1500  Dkm  war  auf  den  bei  Mola 
entspringenden  Clanins  angewiesen  (I  333).  Die  Verheerungen  die 
er  anrichtete,  worauf  gelegentlich  zurück  zu  kommen  ist,  haben  ihn 
den  Hellenen  früh  bekannt  gemacht.^)    Seit  der  im  16.  Jahrhundert 


1)  Dio  LXVIl  14  Stat.  Silv.  IV  3  Teiherilicht  den  Bau;   It.  Ant.  122  Tab. 
Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 

2)  Unter  Augiistus  oppidum  Plin.  III  61,  Feldm.    239   kaum   richtig,  CIL. 
X  1  p.  357. 

3)  Strab.  V  243  Mela  II  70  Plin.  111  61  Plol.  III  1,6  Sil.  It.  VIII  528  fluctu- 
que  sonorinn  f'uUurniim. 

4)  Plin.  XXXVI  194. 

5)  Cic.  Farn.  IX  23  Strab.  V  243  Juvenal  3,307  vgl.  S.  142  A.  3. 

6)  Ljkophr.  AI,  718  Dion.  H.  VII  3  rkävn,  die  Dichter  nnd  Commentatoren 
Clanuts. 


714  Kapitel  XII.    Campanien. 

begonnenen  Canalisirung  mündet  er  in  einem  Durciistich  6  km  süd- 
lich von  Volturnum  ins  Meer  und  steht  nur  durch  einen  Neben- 
arm mit  der  palus  Literna  Lago  di  Patria  in  Verbindung,  die  ehe- 
dem seine  Gewässer  aufgenommen  hatte,  i)  Dieser  reichlich  2  Dkm 
grofse  150  m  tiefe  fischreiche  See  niuis  im  Altertum  sich  weiter 
ausgedehnt  haben.  Er  hat  im  Süden  einen  natürlichen  Abflufs  ins 
Meer  von  1  km  Länge  Foce  di  Patria,  von  den  Alten  Liternus  he- 
naonl.'^)  Daran  oder  in  der  Nähe  lag  Liternum^);  die  Reisebücher 
geben  die  Entfernung  von  Sinuessa  zu  24,  von  Volturnum  zu  12 
Millien  an,  was  um  4  bezw.  2  zu  hoch  erscheint.^)  Die  sandige 
und  sumpdge  Gegend  war  bei  den  Römern  verrufen. s)  Der  Ort 
wurde  215  von  ihnen  besetzt  und  194  wie  Volturnum  300  Bürgern 
angewiesen,  denen  gleichfalls  ein  Praefect  Recht  sprach.'')  Er  be- 
wahrte sein  Stadtrecht")  trotzdem  er  als  vicus  ignobüts,  seine  Um- 
gebung als  deserta  palus  bezeichnet  wird.^)  Das  Andenken  des 
älteren  Scipio  der  durch  die  Parteikämpfe  aus  Rom  vertrieben  die 
letzten  Lebensjahre  (j*  183)  in  dieser  Wildnifs  zugebracht  hatte, 
verlieh  ihm  einen  unverdienten  Glanz.  Das  Landhaus  aus  Quadern 
erbaut,  mit  Thürmen  bewehrt  und  von  einer  Mauer  umgeben,  wie 
die  Unsicherheit  der  Gegend  mit  sich  brachte,  konnte  den  Zeitge- 
nossen Nero's  die  frühere  Einfachheit  der  Sitten  vor  Augen  führen: 
das  Gut  war  durch  seine  Baumzucht  berühmt. 9)  Das  Grab  Scipio's 
wurde  von  den  Geschichtsclireibern  aufgesucht:  die  Aufschrift  soll 
den  Undank  der  Vaterstadt  gegen  den  Todten  erwähnt  und  dadurch 
den  Anlafs  zur  mittelalterlichen  Umnennung  von  Liternum  in  Pa- 
tria gegeben  haben.  lO)  Durch  den  Strafsenbau  Domilians  kam  neues 
Leben  in  den  stillen  Ort,  der  gleich  Sinuessa  und  Volturnum  seit- 


1)  Slat.  Silv.  IV  3,66  Sil.  I».  VII  278. 

2)  Liv.  XXXII  29  Stiab.  V  243,  vgl.  I  329  A.  2. 

3)  Bull,  (leir  Insl.  1885  p.  13  Not.  d.  Scavi  1885  p.  80. 

4)  lt.  Ant.  122  Tab.  Peut. 

5)  Liv,  XXII  16  Lilerni  arenas  stagnaque  perhorrida  situ. 

6)  Liv.  XXIII  35  XXXII  29  XXXIV  45  Fest.  233  M. 

7)  Cic.  de  leg.  agr.  11  66  ad  Alt.  X  13,2  Strab.  V  243   Mela  II  70  Plin.  III 
61   Ptol.  III  1,6  Ov.  .Met.  XV  714. 

8)  Val.  Max.  V  3,2. 

9)  Seneca  Ep.  86.  51,11  Val.  Max.  II  10,2  Plin.  XIV  49  XVI  234. 

10)  Liv.  XXXVIII  52.  53.    56    Val.   Max.    V   3,2   Stiab.    V  243  Dio   fr.    63 
XXXVIII  26. 


§  2.     Capua.  715 

dem  colonia  Lüernina  heifst.i)  Er  verödete  erst  im  8.  Jahrhundert. 2) 
—  Vor  der  römischen  Herrschaft  hat  Liternum  unter  der  Ober- 
hoheit Capua's  gestanden. 3)  Noch  früher  hatten  die  Hellenen  durch 
Wasserbauten  das  Sumpfland  urbar  zu  machen  gesucht:  daran  er- 
innerte die  fossa  Graeca,  vielleicht  der  Canal  der  nördhch  in  den 
Lago  di  Licüla  mündet.  Wenn  die  Deutung  richtig  ist,  so  hat  der 
Staat  205  in  seiner  Geldnot  den  zwischen  dem  Canal  und  dem 
Meer  befindhchen  Wald  versilbert.^)  In  diesem  Lagunengebiet  die 
verschollene  Gemeinde  der  Sabalini  anzusetzen  die  einzig  und  allein 
bei  dem  210  über  sie  verhängten  Strafgericht  vorkommt,  wird  man 
durch  den  Namen  versucht.^)  Ein  altes  Heiligtum  des  campanischen 
Bundes  lag  bei  Hamae  3  Millien  von  Cumae.  Da  seine  Fortdauer 
in  der  Kaiserzeit  bezeugt  ist,  scheint  es  statthaft  die  im  campani- 
schen Festkalender  unter  dem  27.  Juli  erwähnte  Wallfahrt  profeclio 
ad  Her  Averni  mit  der  ehemaligen  Bundesfeier  zu  gleichen. 6)  Der 
Kreis  innerhalb  dessen  Hamae  vermutlich  entdeckt  werden  wird 
(S.  Teodoro  S.  Severino  Sa.  Chiara),  ist  ziemhch  eug  umschrieben. 
Volle  Klarheit  kann  nur  die  archaeologische  Erschliefsung  dieses 
unbekannten  Landstrichs  bringen. 

Die  Namen  der  südlichen  Thore  Capua's  sind  nicht  überliefert. 
Ihre  hervoragende  Wichtigkeit  leuchtet  sofort  ein,  da  der  Verkehr 
mit  den  grofsen  Seestädten  durch  sie  einmündet.  Zwei  Strafsen- 
züge  sind  zu  unterscheiden,")  Der  westliche  als  Consularstrafse  be- 
zeichnet geht  nach  Cumae  und  Puleoli.»)  Am  Fufs  der  phlegraei- 
schen  Höhen  etwa  bei  Qualiano  am  14.  Meilenstein  theilt  sich  die 
Strafse,  die  Entfernung  beider  Städte  von  Capua  ist  ungefähr  die 
gleiche,   nämlich  22  Millien. 9)     Der    östliche  Zug    verbindet  Capua 

1)  Bull,  dell'  Inst.  1885  p.  15. 

2)  Symmach.  Ep.  VI  5.  Die  spärlichen  Inschriften  CIL.  X  1  p.  356  sind 
später  vermehrt  worden  Eph.  ep.  Vlli  p.  118  (S.  714  A.  3). 

3)  Sil.  It.  VI  653  fg. 

4)  Liv.  XXVIII  46. 

5)  Liv.  XXVI  33  vgl.  Fada  Sabatia  (S.  143)  lacus  SabaÜnus  (S.  351)  Sa- 
batiu  a.nnis  in  Bruttium. 

6)  Liv.  XXIII  35.  36  Not.  de  Scavi  1885  p.  81  CIL.  CIL.  X  3792;  vielleicht 
steckt  der  Name  Cato  RR.  135,2  fiscinae  cainpanicae  Hamae  oder  Hamis  [cod. 
eame]  utiles  sunt. 

7)  CIL.  X  l  p.  705. 

8)  Plin.  XVIII  111,  von  den  Neueren  Via  Campana  benannt  nach  Sueton 
Aug.  94,  das  sich  aber  auf  die  Umgegend  von  Rom  bezieht  (S.  542). 

9)  Tab.  Peut.  giebt  21  für  Puteoli  an. 


716  Kapitel  XII.     Campanien. 

mit  Neapel  und  ist  18  Millien  lang.')  llalhwegs  liegt  Atella,  oskisch 
nach  Ausweis  seiner  Münzen  Aderl[o]  geheil'sen  (S.  75).  Als  Glied 
des  campanischen  Bundes  hat  es  die  wechselnden  Schicksale  der 
Hauptstadt  gelheilt.  Vor  dieser  fiel  es  nach  der  cannensischen 
Schlacht  zu  Ilannibal  ab  und  hielt  nach  ihrer  Einnahme  noch  aus. 2) 
Deshalb  war  die  von  den  Römern  210  verhängte  Strafe  um  so  strenger: 
die  Bewohner,  so  viele  ihrer  nicht  mit  Hannibal  nach  Thurii  ge- 
zogen waren,  mufsten  die  Heimat  räumen.  Atella  zeitweise  den 
vertriebenen  Nucerinern  überlassen,  wurde  Eigentum  des  Staates 
und  einem  Praefecten  unterstellt.*)  Ob  seiner  Haltung  im  hanni- 
balischen  Krieg  oder  welchem  anderen  Umstand  es  die  zweifelhalte 
Ehre  verdankte  als  Krähwinkel  der  römischen  Posse  zu  dienen,  ist 
nicht  bekannt.  Ebenso  wenig  wissen  wir  wann  das  Gemeinwesen 
wieder  hergestellt  ward.  Cicero  der  freundliche  Beziehungen  zu  ihm 
hatte,  erwähnt  63.  54.  45  das  Municipiura  und  verwendet  sich  da- 
filr  dafs  die  Besitzungen  in  Gallien  aus  denen  die  Stadtcasse  erheb- 
liche Einkünfte  erhielt,  ihm  nicht  entzogen  werden  möchten. 4)  In 
der  Folge  wird  es  zu  den  Mittelstädten  in  Campanien  gerechnet  &); 
eine  nicht  einwandfreie  Nachricht  spricht  von  seinem  Amphi- 
theater.i*)  Die  Gemeinde  ist  erst  1030  nach  Aversa  verpflanzt 
worden.  Die  Kirche  Sa.  Maria  di  Atella,  die  Dörfer  Sant  Arpino 
und  Pomigliano  führen  noch  den  Beinamen.  Mancherlei  üeber- 
reste  sind  erkennbar;  auch  wurden  solche  von  einer  Wasserleitung 
entdeckt. 

An  der  Ostseite  laufen  aus  der  porta  Jovis  nach  Nordosten  die 
Strafse  nach  dem  Heiligtum  des  tifatinischen  Juppiter,  nach  Südosten 
die  Via  Appia  aus  (S.  711).  Letztere  erreicht  nach  6  Millien  Cala- 
tia.')  Die  Kirche  S.  Giacomo  und  das  Grundstück  delle  Gallazze  oder 
Galluzze  nebst  Schutt  und  Trümmern  kennzeichnen  den  Ort.  Beloch 
weist  darauf  hin  dafs  die  Appia  an  dieser  Stelle  gerade  wie  in  Capua 
(S.  699)  ohne  sichtbaren    Grund   die  südöstliche  Richtung   verläfst, 

1)  Tab.  Pent.  Geogr.  Rav.  IV  34. 

2)  Liv.  XXII  61  XXVI  16.  33.  34  XXVII  3  Pol.  IX  45  Appian  Hann.  49  Sil. 
It.  XI  14.     Ein  Atcllaner  war  214  Bundeshaupt  (S.  701). 

3)  Liv.  XXVII  37  Fest.  233  M. 

4)  Cic.  de  lege  agr.  II  SG  fr.  p.  3.  IV  Kayser  ad  Qu.  fr.  II  12,3  ad  Farn.  XIII  7. 

5)  Strab.  V  249  Plin.  111  63  Ptol.  111  1,59,  die   angebliclie   Coionie  des  Au- 
gostus  Feldm.  230  ist  schlecht  beglaubigt,  CIL.  X  1  p.  359. 

6)  Sueton  Tib.  75. 

7)  Tab.  Pcut.  Holsten.  ann.  p.  268  CIL.  X  6909. 


§  3.    Die  Seeslädte,  717 

550  m  2000'  nach  Osten  läuft  und  dann  wieder  zur  anßinglichen 
Richtung  zuriiciv  kehrt.  Er  zieht  daraus  den  berechtigten  Schlufs 
dafs  die  Appia  auf  der  gedachten  Strecke  die  alte  Stadt  der  Länge 
nach  durchschnitten  habe.i)  In  der  Ebene  (51  ni)  planmäfsig  an- 
angelegt kann  diese  füglich  nicht  mehr  als  20 — 25  ha  Flächeninhalt 
umschlossen  haben,  war  also  wie  die  Allen  sagen,  in  Wirklichkeit 
klein. 2)  Sie  hat  dem  campanischen  Bunde  angehört  und  gemünzt, 
wenn  auch  die  Stücke  mit  der  oskischen  Aufschrift  Kalati  weit 
seltener  begegnen  als  die  von  Atella.  Vom  Ausgang  der  Valle  di 
Maddaloni  nur  2  Millien  entfernt  (S.  709  fg.)  und  zugleich  die  Appia 
sperrend  ein  Vorwerk  von  Capua,  hat  der  Platz  strategische  Be- 
deutung gehabt.  Bei  ihm  lagerten  die  Consuln  321  bevor  sie  den 
verhängnifsvollen  Marsch  durch  den  caudinischen  Pafs  antraten;  313 
ward  er  den  Samniten  entrissen,  ging  aber  307  wieder  verloren. 3) 
Gemeinschaftlich  mit  Atella  ergriff  Calatia  216  die  karthagische 
Partei,  fiel  212  in  die  Gewalt  des  römischen  Belagerungsheeres, 
ward  211  von  Hannibal  befreit.-*)  Bald  darauf  wurde  es  Domäne 
und  mit  den  ausgewiesenen  Atellanern  bevölkert.^)  Bei  der  Auf- 
theilung  der  campanischen  Domäne  scheint  Calalia  aus  einer  Prae- 
fectur  die  es  bis  dahin  gewesen,  in  eine  Colonie  umgewandelt  worden 
zu  sein. 6)  Aber  Augustus  hat  sie  ebenso  wie  Casiliuum  (S.  712) 
aufgehoben  und  mit  Capua  vereinigt.")  Die  Ortschaft  ging  im  9.  Jahr- 
hundert zu  Grunde. 

§  3.  Die  Seestädte. 
Die  vulkanische  Kraft  hat  in  dem  weiten  Bereich  ihrer  Thätig- 
keit  verschieden  gewirkt.  Sie  hat  einzelne  Massen  aufgethürmt  wie 
den  M.  Amiata  den  Ciminerwald  das  Albanergebirg  Rocca  Monfina 
Vesuv  Vultur  Aetna.  Im  Fehdeleben  der  Vorzeit  haben  diese  Berg- 
massen den  Stämmen  Schutz  geboten ,  sie  auch  wohl  als  Grenze 
von  einander  geschieden.     Ein  nachhaltiger  jedoch  oder  tiefgreifen- 


1)  Beloch  Campanien  372. 

2)  Liv.  XXVI  5  castellum  Sil.  It.  VIII  542  parvis  muris. 

3)  Liv.  IX  2.  28.  43  Diod.  XIX  101  KsXiav  XX  80  'Axiav  in  KaXaxiav  zu 
verbessern. 

4)  Liv.  XXII  6t  XXVI  5.  Sil.  It.  VllI  542  XI  t4. 

5)  Liv.  XXVI  16.  33  XXVII  3  XLl  27  XLII  20  XLV  16  Fest.  233  M. 

6)  Cic.  ad  Att.  XVI  8,1  Veli.  II  61   Appian   b.   civ.  lil  40  Nie.  Damasc.  v. 
Caes.  31. 

7)  Feldm.  232  Strab.  V  249  VI  283  CiL.  X  1  p.  369. 


718  Kapitel  XII.    Canipanien. 

der  Einniifs  aiil  den  Gang  der  Geschichte  kann  ihnen  nicht  beige- 
legt werden.  Am  Nordrand  des  Golfs  von  Neapel  ist  der  Erdgeist 
auf  einer  45  km  langen  Linie  an  der  Arbeit  gewesen,  hat  nicht  an 
einer  einzigen  Stelle,  sondern  scheinbar  planlos  bald  hier  bald  dort 
gebaut  (1  267).  Den  verzettelten  Angriffen  leistete  die  See  erfolg- 
reiche Gegenwehr,  rifs  was  jener  errichtet  hatte,  zum  grofsen  Theil 
in  ihren  gierigen  Schlund.  Schliefslich  blieben  die  Phlegraeischen 
Gefilde  übrig,  in  dem  Sinne  den  die  Geologen  mit  dem  Wort  ver- 
binden, ein  Gebiet,  die  anstofsenden  Inseln  eingerechnet,  von  reichlich 
4  d.  DM.  d.  h.  unerheblich  mehr  als  der  Vesuv  einnimmt.  Sein  höch- 
ster Gipfel  (M.  Epomeo  auf  Ischia  792  m)  erreicht  zwei,  der  höch- 
ste Gipfel  auf  dem  Festland  (Camaldoli  458  m)  ein  Drittel  der  Vesuv- 
höhe, die  übrigen  stehen  mit  1 — 300  m  noch  weiter  zurück.  Sie 
sind  längst  erkaltet  und  erwecken  dem  Auge  das  auf  der  Flammen- 
säule des  Vesuv  ruhte,  den  Eindruck  von  Zwergen  neben  einem 
Riesen.  Der  Feuerberg  vom  Seespiegel  unvermittelt  1282  m  auf- 
steigend, ragt  weit  und  breit  sichtbar  als  Wahrzeichen  Campaniens 
in  die  Luft.  Aber  so  sehr  er  den  Naturfreund  fesselt,  kommt  ihm 
in  geschichtlicher  Hinsicht  keine  allgemeine,  nur  eine  landschaft- 
liche Bedeutung  zu.  Wer  den  Beziehungen  nachspürt  die  zwischen 
der  Gestalt  der  Erdoberfläche  und  den  Geschicken  der  Menschheit 
obwalten,  dem  bieten  die  krausen  Züge  der  Phlegraea  den  Stoff  zu 
leiflichem  Nachdenken :  möglicher  Weise  wird  er  zu  dem  Ergebnifs 
gelangen  dafs  nicht  blinder  Zufall  sondern  schöpferische  Weisheit 
diese  Hügel  geschichtet  hat,  unter  allen  Umständen  an  eine  gemein- 
gültige Erfahrung  erinnert  werden ,  wenn  er  den  tieferen  Grund 
dem  dieser  Schauplatz  seine  bevorzugte  Stelle  in  der  Entwicklung 
Italiens  verdankt,  auf  den  heifsen  Kampf  zurückführt  den  die  un- 
versöhnlichen Mächte  des  Schafl'ens  und  Zerstörens,  Erde  und  Wasser 
hier  gekämpft  haben,  —  Der  Satz  Strabo's  laut  dessen  Italien  zu- 
meist hafenlos  ist,  die  vorhandenen  Häfen  aber  durch  ihre  Gröfse 
und  Trefliichkeit  Bewunderung  verdienen  (I  99),  gilt  für  die  gesamte 
Küste  und  im  Besonderen  für  die  campanische.  Nach  dem  Golf 
von  Gaela  folgt  60  km  lang  ein  glatter  nur  von  Flufsläufen  durch- 
brochener Strand.  Die  Flüsse  sind  zu  klein,  als  dafs  sie  ihrem 
Beruf  genügen  könnten  das  Binnenland  dem  Meer  zu  erschliefsen. 
Liris  und  Vnlturnus  zusammen  haben  noch  nicht  die  halbe  Wassermenge 
des  Tiber.  Ihre  Mündungen  so  wenig  wie  die  von  ihnen  geschaffenen 
Lagunen  vermögen  den  grofsen  Verkehr  aufzunehmen.     Eine  neue 


§  3.    Die  Seestädte.  719 

Welt  tliul  sicli  auf,  der  einförmige  Strand  wird  von  einer  grofsen 
Einbuchtung  abgelost,  die  nnit  all  ihren  Biegungen  jenen  an  LSnge 
reichlich  um  die  Hälfte  übertrifft.  Polybios  hat  sie  KQazrjQ  Kessel 
benannt  nach  einem  für  seine  Zeit  und  seine  Leser  angemessenen 
Gleichnifs  i),  das  auch  die  Zeichnung  der  älteren  Karten  beeinflufst, 
gegenwärtig  aber  die  Anwendbarkeit  verloren  hat.  >Yill  man  die 
Gestalt  des  Golfs  durch  eine  mathematische  Figur  veranschaulichen, 
so  liegt  ihm  ein  nach  Südwest  geöffnetes  ungleichseitiges  Viereck 
zu  Grunde.  Die  Oef!'nung  zwischen  den  beiden  Vorgebirgen  von 
Misenum  und  Campanella  mifst  30  km,  die  Nordseite  in  der  Luft- 
linie 15  km,  die  südliche  20  km.  Werden  die  anstofsenden  Inseln 
hinzugefügt,  so  erhöht  sich  der  Betrag  für  die  nördliche  um  20  km, 
für  die  Südseite  um  10  km.  Der  Rahmen  von  dem  eine  Meeres- 
fläche von  reichlich  1000  Dkm  umschlossen  ist,  zeigt  in  der  Bildung 
und  der  Geltung  seiner  Theile  erhebliche  Unterschiede.  Im  Süden 
ist  er  ein  hoher  und  schmaler  Vorsprung  des  Appennin,  der  in 
jähem  Absturz  nur  für  kleine  Ebenen  Raum  bietet  und  an  die 
Riviera  sowol  in  physischer  als  historischer  Hinsicht  erinnert.  Im 
Osten  wird  die  campanische  Ebene  von  den  Wogen  bespült:  sie 
streicht  ganzrandig  und  bekommt  auch  nicht  durch  den  Kegel  des 
Vesuv  belebtere  Umrisse.  Dagegen  haben  die  Ueberreste  zerstörter 
Kraterwälle  im  Norden  mannichfach  gewölbte  Ufer  und  alle  Vorbe- 
dingungen für  die  Aufnahme  des  Welthandels  geschaffen.  Der 
Rücken  des  Posilip  gliedert  sie  in  zwei  Hälften.  Davon  ist  die  öst- 
liche die  Bai  von  Neapel  weit  offener,  aber  durch  den  Umstand  be- 
günstigt, dafs  sie  unmittelbar  an  die  freie  Ebene  angrenzt.  Die 
Westhälfte,  der  Golf  von  Pozzuoli  ist  zu  drei  Vierteln  seines  Um- 
fangs  von  Land  eingefafst  und  gewährt  gelegentlich  den  Schutz 
eines  Binnensees.  Aus  diesem  Grunde  ist  er  der  Hauptsitz  des 
Seeverkehrs  im  Altertum  gewesen.  Wie  im  Lauf  der  Zeiten  der 
Verkehr  landeinwärts  von  West  nach  Ost,  von  Stadt  zu  Stadt  ge- 
wandert ist,  spiegelt  die  wechselnde  Benennung  des  grofsen  Golfs 
wieder:  den  Hellenen  hiefs  er  Kv/.iarog^),  den  Römern  vereinzelt 
Sinus  Campamis  ^),    öfter  smus  Ptiteolanus  *) ,   erst   in   der   Neuzeit 


1)  Polybios  bei  Strab.  V  242  Cic.  ad  Att.  II  8,2. 

2)  Eratosthenesbei  Strab..V22.  23(Aristot.)  Mir.  103  Stefh.Byz. ^eiQtlvovaai. 

3)  Plin.  II  203. 

4)  -Mela  II  70  Plin.  III  82  Stat.  Silv.  II  2,3 ;  natürlich  auch  in  beschränktem 
Sinne  der  Golf  von  Pozzuoli  Sueton  Aug.  98  Aur.  Vict.  ep.  Caes.  9. 


720  Kapitel  XU.     Campanien. 

Golfo  di  ^apoli.  Der  Wechsel  des  Vororts  und  die  Slelliing  die 
diese  Siadte  in  der  Gesci)ichte  Campaniens  und  ganz  Italiens  ein- 
genommen haben,  werden  verständlich  durch  den  Bau  der  sie  um- 
gebenden Landschaft. 

Das  Hügelland  am  Nordrand  des  Golfs  von  Neapel  ist  aus  etwa 
27  theils  erhaltenen  theils  zerstörten  Ringwällen  zusammen  gesetzt. 
Da  Schöpfung  und  Zerstörung  den  verschiedensten  Jahrhunderten 
angehörte,  entstand  ein  unwegsames  Gewirre  das  bequem  zugäng- 
lich zu  machen  die  Technik  der  Alten  zu  den  äufsersten  An- 
strengungen genötigt  hat.  Der  Centralheerd  der  vulkanischen 
Thatigkeit  lag  am  und  im  Meer,  die  schwachen  Seiten  der  Kraler- 
ringe sind  dem  Meer  zugewandt.  Daraus  folgt  dafs  die  Hochränder 
gegen  die  Ebene  hin  abfallen  und  das  Vordringen  von  ihr  aus  er- 
schweren. Man  kann  das  ganze  3  d.  DM.  haltende  Gebiet  als  eine 
riesige  Festung  betrachten,  die  nach  Osten  durch  Posilip  (170  m) 
S.  Elmo  (224  m)  Capodimonte  (152  ni),  nach  Norden  durch  Höhen 
die  von  385  m  320  m  gen  Westen  auf  129  m  und  weniger  sinken, 
nach  West  und  Süd  durch  das  Meer  gedeckt  ist.  Hinter  dem 
aufseren  schützt  ein  zweiter  innerer  Kreis  mit  Camaldoli  (45S  m) 
Toccio  Romano  (287  m)  M.  Spaccata  (70  m)  M.  Corvara  (319  m): 
erst  wenn  auch  dieser  durchbrochen  ist,  wird  der  Zugang  zum  Meer 
frei.  In  den  Anfängen  der  Geschichte  als  die  Höhen  bewaldet 
waren,  spotteten  sie  jeden  Angriffs  der  Binnenländer.  Jedoch  hat 
die  Festung  im  Westen  ihre  verwundbare  Stelle;  am  Strande  hin 
kann  der  Angreifer  die  Schutzvvehren  umgehen,  ohne  sonderliche 
Hemmnisse  an  die  Ufer  des  Golfs  von  Pozzuoli  und  in  die  Thäler 
der  Kraterwälle  gelangen.  Als  Domitian  die  Küslenstrafse  erneute 
(S.  713),  stellte  er  eine  Verbindung  wieder  her,  die  zeitweise 
die  wichtigste  in  Campanien  gewesen  war.  Im  Einzelnen  ist 
die  Gegend  noch  nicht  durchforscht  worden.  Immerhin  liegt 
die  Vermutung  nahe  dafs  die  S.  715  erwähnte  fossa  Graeca  nicht 
blos  zu  Culturzwecken,  sondern  auch  zum  Besten  der  Grenzver- 
tbeidigung  gedient  hahe.i)  5,4  km  von  Liternum  mündet  der  Lago 
di  Licola  ins  Meer:  eine  2,5  km  lange  0,3  km  breite  Lagune  deren 
im  Altertum  nicht  gedacht  wird.  Man  hat  deshalb  ihre  Entstehung 
den  Canalbauten  Nero 's  (I  333)  zuschreiben  wollen:  schwerlich  mit 
Recht.     Wie  dem  auch  sei,   füllte  der  Sumpf  den  2  km  messenden 


1)  Vgl.  Plut.  de  mul.  virt.  26. 


§  3.    Die  Seestädte.  721 

Abstaad  vom  M.  Ruscello  (138  m)  zum  Meer  gröfsteotheils  aus,  be- 
schränkte den  Zugang  auf  zwei  kurze  leicht  zu  sperrende  Strecken 
am  Fufs  des  Kraters  und  auf  der  Düne.  Man  mufs  diese  Verliält- 
nisse  im  Auge  behalten  um  die  Berichte  der  cumanischen  Chronik 
über  die  Kriege  mit  Etruskern  und  Carapanern  nicht  für  schlechter 
zu  halten  als  sie  sind.i)  —  Südlich  vom  Lago  di  Licola,  wie  die 
Reisebücher  richtig  angehen,'^)  6  Millien  von  Liternum  steigt 
1 — 200  m  vom  Meer  ein  82  m  hoher  Trachytfelsen  mit  der  Burg 
Kvfxri  auf.  Ihre  Mauer  ist  1400  m  lang  wie  das  Palatium  des  Ro- 
mulus  (S.  493),  das  sie  indefs  an  Festigkeit  übertrifft;  denn  der 
Fels  ist  von  Natur  so  schroff  und  künstlich  so  abgeglättet  worden 
dafs  er  ein  einziges  Thor  im  Südosten  hat  und  hier  allein  einen 
Sturm  zuläfst.3)  An  seinem  Fufs  nimmt  die  Unterstadt  eine  nach 
Ost  abgedachte  Fläche  ein  die  nach  der  See  hin  abfällt,  im  Uebrigen 
aber  auf  den  Schutz  ihrer  starken  Mauer  angewiesen  ist. 4)  Der 
Umfang,  soweit  er  sich  verfolgen  läfst,  beträgt  annähernd  3  km,  der 
Flächeninhalt  von  Stadt  und  Burg  etwa  60  ha.  Dem  Besucher  der 
Trümmerstälte  kommt  Agamemnons  Herrschersitz  in  den  Sinn.  E. 
Curtius  veranschauUcht  die  Lage  von  Mykenae  das  am  Ende  der 
Inachosebene  versteckt  die  Strafsen  nach  Korinth  bewacht,  durch 
das  Bild  einer  Kieuzspinne  die  am  Rande  ihres  Netzes  auf  Beute 
lauert:  mag  der  Wanderer  kommen  woher  er  will,  die  Feste  taucht  vor 
seinen  Bücken  erst  auf  wenn  er  unmittelbar  davor  steht.  So  lauert 
Kyme  im  äufsersten  Winkel  der  campanischen  Niederung  und  hütet  den 
Eintritt  in  die  W^aldwildnifs  mit  ihren  fruchtbaren  Gründen  und  land- 
umgürteten Buchten.  Auf  der  Akropolis  von  Kyme  denkt  Niemand 
an  einen  ehrsamen  Kaufherrn  der  in  der  Fremde  eine  Factorei 
stiftet,  gewaltige  Seekönige  haben  hier  ihren  Thron  aufgeschlagen. 
Dies  konnte  nicht  geschehen  bevor  die  Hellenen  in  den  campani- 
schen Gewässern  heimisch  geworden  waren;  die  Nachricht  die  sie 
von  Ischia  auf  das  Festland  übersiedeln  läfst,  klingt  verständig  und 
glaubhaft.  5)  Die  Gründung  der  Burg  zu  der  die  Stadt  einen  jün- 
geren Zuv7achs  bildet,  wird  dem  8.  Jahrhundert  zuzuschreiben  sein. 6) 

i)  Dion.  H.  VII  4. 

2)  It.  Ant.  122  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 

3)  Die  Festigkeit  wird  bei  der  Belagerung  durch  Narses  552  n.  Chr.  her- 
vorgehoben Agath.  I  8  vgl.  Prokop  b.  Goth,  IV  34. 

4)  Liv.  XXill  37  Vell.  I  4. 

5)  Liv.  Vlll  22  Dieis,  Sibyilinische  Blätter  p.  98. 

6)  An  dem  Ansatz  1047  v.  Chr.  bei  Eusebios   und   ähnlich   Vell,  I  4  hat 
Nissen,  Ital.  Landeslnmde.    II.  4Ö 


722  Kapitel  XII.     Campanien. 

Die  Coloiiisten  kamen  von  Clialkis  auf  Euboeai);  die  engen  Be- 
ziehungen welche  deren  Nachkommen  zu  Athen  unterhielten,  ruhten 
auf  Gemeinschaft  des  Stammes.  An  der  Ausbreitung  der  hellenischen 
Seemacht  hat  Kyme  durch  Besetzung  von  Zankle  an  der  Strafse  von 
Messina  mitgewirkt  2),  vorzugsweise  jedoch  seine  Kraft  auf  die 
Schöpfung  einer  festländischen  Herrschaft  verwandt.  Es  unterwarf 
nicht  nur  das  Waldgebirge  das  man  ihm  als  natürliches  Weichbild 
zusprechen  kann,  sondern  nach  Aussage  der  Alten  die  ganze  cam- 
panische Ebene.3)  Auf  diese  wird  der  am  Stadtgebiet  haftende 
Name  Tteöiov  Oleygalov  übertragen  (1  267).  Nach  Kyme  wenden 
sich  die  Bomer  um  Korn  einzukaufen  4),  von  ihm  beziehen  die  Osker 
das  Thongeschirr  und  den  Schmuck  den  sie  ihren  Todten  ins  Grab 
legen,  von  ihm  erhält  Italien  die  Schrift,  die  griechische  Beligion, 
die  Elemente  der  Cultur.  Die  Münzen  und  Todtengaben  sind  für 
uns  die  einzigen  gleichzeitigen  Zeugen  dieser  glänzenden  Entwick- 
lung; sie  hat  507  durch  den  Sieg  bei  Aricia  (S.  592)  einen  Platz 
in  der  fortlaufenden  Erzählung  der  Chronik  erhalten.  Im  5.  Jahr- 
hundert geht  es  rasch  bergab:  der  Hader  zwischen  Adel  und  Volk  5), 
mafsloser  Aufwand'')  schwächt  die  Stadt;  vor  den  Etruskern  mufs 
sie  zu  König  Hieron  von  Syrakus  ihre  Zuflucht  nehmen  (S.  682); 
das  fortschreitende  Leben  siedelt  über  nach  dem  minder  fest,  aber 
für  den  Verkehr  ungleich  bequemer  und  günstiger  gelegenen  Neapel, 
dem  neuen  Kyme. 

Das  alte  ward  420  von  den  Campanern  mit  Sturm  genommen 
(S.  683  A.  1).  Auf  die  griechische  folgt  die  oskische  Periode,  die 
reichlich    zwei   Jahrhunderte   gedauert   hat.^)     Die   Sieger    hausten 


schon  Niebulir  I  174  mit  Recht  Anstofs  genommen:  er  hängt  mit  der  Anknüpfung 
der  Aeneastabel,  die  Naevius  Vergii  u.  A.  vornahmen,  zusammen.  Dasselbe 
Moment  hat  die  Annahme  der  Beziehungen  zur  Troas  und  dem  aeolischen  Kyme 
(A.   1)  empfohlen. 

1)  Die  Betheiligung  des  aeolischen  Kyme  wird  von  dem  Localstolz  des 
Ephoros  hinzugethan  sein  Skymn.  238  Slrab.  V  243fg.  Heibig,  Das  homerische 
Epos,  321  fg;  nach  Steph.  Byz.  gab  es  auch  auf  Euboea  ein  Kyme  von  dem 
der  Name  herröhren  mag. 

2)  Thukyd.  VI  4,5  Pausan.  VII  22,8. 

3)  Slrab.  V  242  Plin.  III  60  Dion.  H.  VII  3. 

4)  Liv.  II  9.  34  Dion.  H.  V  26  VII  2  XII  1. 

5)  Dion.  H.  VH  2fg.  Pliit.  de  mul.  virt.  26  vgl.  quaest.   Gr.  2. 

6)  Athen.  XII  528d. 

7)  Vell.  I  4  Cumanos  Osca  mulavil  vicinia. 


§  3.     Die  Seestädte.  723 

übel:  die  mäunliche  Bevölkerung  mufste  über  die  Klinge  springen, 
in  die  Sklaverei  oder  Verbannung  wandern.^)  Dennoch,  bemerkt 
Strabo ,  waren  zu  seiner  Zeit  viele  Spuren  der  hellenischen  Ein- 
richtungen im  kirchlichen  und  bürgerlichen  Leben  vorhanden.  Die 
Aussage  des  Augenzeugen  wird  durch  die  Denkmäler  bestätigt:  so 
geringfügig  an  sich  der  griechische  Inschriftenbestand  erscheint, 
überlrifl'l  er  den  oskischen  weitaus.'^)  Was  das  Hellenentum  in 
Kyme  vor  völligem  Untergang  rettete,  war  seine  Bildung,  vor  allem 
seine  Religion.  Aus  dem  Festkalender  ersehen  wir  dafs  die  heiligen 
Orte  dieser  Stadt  vom  campanischen  Bunde  in  den  Kreis  allgemeiner 
Verehrung  gezogen  wurden. 3)  Ihre  Goiter,  ApoUon  Demeter  Dio- 
nysos fanden  überall  Aufnahme.  Die  Thätigkeit  ihrer  Prieslerschaft 
in  der  Ausbildung  des  campanischen  Gottesdienstes  wird  durch  keinen 
Strahl  der  Ueberlieferung  erhellt.  Klarer  liegt  die  Mitwirkung  zu 
Tage  die  sie  bei  der  Einbürgerung  des  ritus  Graecus  in  Rom,  bei 
dessen  Vorgeschichte  Schrifttum  und  was  damit  zusammenhängt, 
ausgeübt  hat.  Die  Fäden  waren  unter  den  Tarquiniern  angeknüpft, 
seit  338  wo  die  Kymaeer  mit  den  übrigen  Campauern  minderes 
Bürgerrecht  erhielten  ^),  fortgespounen,  durch  den  hannibalischen 
Krieg  eingewoben  worden.  Kyme  machte  den  Abfall  seiner  Bundes- 
genossen nicht  mit,  der  Angriff  Hanuibals  ward  215  abgeschlagen, 
damit  war  der  Kette  die  Capua  erwürgen  sollte,  ein  wichtiges  Glied 
eingefügt.  Es  galt  den  Römern  wie  die  Benennung  der  praefecti 
Capuam  Cumas  zeigt,  als  zweite  Stadt  des  römischen  Campanien.^) 
Aber  wenn  ihm  auch  180  der  Gebrauch  der  lateinischen  Amtsprache 
und  etwa  ein  Menschenalter  später  volles  Bürgerrecht  zu  Theil 
wurde  C),  seine  Blüte  war  unwiederbringHch  dahin.  Den  Hafen  von 
Puleoh  erhoben  die  Römer  194  zur  Bürgercolouie,  den  Hafen  von 
Misenum  eignete  sich  Augustus  au.  Das  Weltbad  Baiae  verblieb 
ihm,  C%imae  selbst  wurde  eine  bescheidene  Kleinstadt,  für  ruhe- 
liebende Leute  und  arme  Gelehrte  ein  passender  Aufenthalt. '')     Die 

1)  Diod.  XII  76  Slrab.  V  243  Dion.  H.  XV  6,   letzterer  setzt   wol   irrig   die 
Verlreibuug  ein  Mensclienalter  später  an. 

2)  Kaibel  86Ü — 72  Gonway  88— 92.   Bemerkenswert  die  amtliche  Benennung 
aedem  Demelros  CIL.  X  3685, 

3)  Liv.  XXIII  35  CIL.  X  3792. 

4)  Liv.  VIII  14. 

5)  Liv.  XXllI  15.  31.  35-37  XXIV  13  XXVll  23  Fest.  233  M  CIL.  XI  3717. 

6)  Liv.  XL  42  Obseq.  28.  54. 

7)  Juvenal  3,2  Slat.  Silv.  IV  3,65  Veli.  I  4  Sueton  Rel.  p.  92.  t06  Reiff. 

46* 


724  Kapitel  XII.     Campanien. 

Feldmark  kann  eine  Ausdehnung  von  60  Ckm  kaum  überschritten 
haben.  \Vährend  der  frühere  Sprachgebrauch  campus  Phlegrams 
auf  ganz  Campanien  anwandte,  begrenzt  er  ihn  jetzt  nach  Ost  und 
>'ord  durch  die  von  Capua  kommenden  Strafsen  (S.  715).  In  solcher 
Umschreibung  benennt  er  ihn  auch  Lehoriae  campus  LeborinusA) 
Die  Alten  erklären  Campanien  für  die  fruchtbarste  Landschaft  auf 
Erden ,  das  leborinische  Gefilde  für  den  fruchtbarsten  Theil  Cam- 
paniens.  Daher  mag  es  rühren  dafs  der  Name  in  Terra  di  Lavoro 
entstellt,  seit  dem  Mittelalter  als  Ersatz  für  den  verloren  gegangenen 
ISamen  Campanien  dient,  volle  5000  Ckm  also  mehr  als  je  phle- 
graeisch  geheifsen  hatte,  umspannt,  aber  nach  jenem  bei  der 
Wanderung  von  Namen  oft  wiederkehrenden  Spiel  des  Zufalls  seine 
Hf'imat  ausschliefst,  die  mit  den  Küsten  des  Golfs  zur  Provinz  Neapel 
gehört.  Nach  dem  Gesagten  begreift  man  dafs  die  Erzeugnisse  des 
cumanischen  Landbaus  Ruf  hatten:  Flachs 2)  Kohl 3)  Wein. 4)  Cumae 
besafs  vortreffliche  Tonuaren  (I  111)^),  heferte  Jagd-  und  Fisch- 
netze von  unübertrefflicher  Feinheit  und  Festigkeit''),  betrieb  eine 
schwunghafte  Töpferei.'^)  Die  Mittel  reichten  für  allerlei  Bauten, 
sogar  für  ein  Amphitheater  aus.  Auch  erhielt  das  Municipium^) 
im  Lauf  der  Kaiserzeit  den  Titel  einer  Colonie.")  Leider  hatte  ihm 
bei  der  entscheidenden  Wendung  der  Dinge,  bei  dem  Uebergang 
des  Freistaats  zur  Monarchie  kein  glücklicher  Stern  geleuchtet. 
W^ährend  der  Cumaner  Blossius  der  vornehmste  Ratgeber  des 
alteren  Gracchus  gewesen  war  ^^),  hielt  die  Geistlichkeit  später  zum 


1)  Plin.  m  60  Leburini  campt  XVH  28  Leborino  XVIII  111  Leboriae  (oder 
Laboriae)  vgl.  CIL.  X  2225,  vielleictit  von  lebes  die  Tlialkessel  Itezeichnend, 
ähnlich  wie  crater  den  Golf  (S.  719). 

2)  Flin.  XIX  10 fg.  Gratti  Gyneg.  35  Hör.  Ep.  I  18,46. 
•6)  Colum.  X  137   Plin.  XiX  14U. 

4)  Athen.  I  26  f. 

5)  Strab.  V  243  vgl.  Ennius  p.  166,6  Vahlen. 

6)  S.  A.  2. 

7)  Plin.  XXXV  164,  mehr  bei  Marquardt  Privatleben  640  A.  2,  Varro  Men. 
114  Bücheier. 

8)  Cic.  de  leg.  agr.  11  66.  86.  96  fr.  3  IV  Kayser  ad  Att.  X  13,1  ad  Fam, 
VllI  1,2  CIL.  X  3711   Plin.  III  61. 

9)  Vermutlich  durch  Domitian  vgl.  S.  713:  die  Angabe  Feldm.  232  bezieht 
sich  auf  Misenum ;  der  Roman  Pelrons  spielt  hier  nicht  wie  Mommsen  Hertn. 
XIII  109  CIL.  X  1  p.  351  meint. 

10)  Plut.  Tib.  Gr.  8.  17.20  Cic.  Lael.  37  Val.  Max.  IV  7,1. 


§  3.    Die  Seestädte.  725 

Senat  und  zog  sich  Caesars  Ungnade  zu.i)  Caesars  Sohn  legte  die 
Axt  an  die  geweihten  Haine  und  die  Hand  auf  den  städtischen 
Hafeu,  ohne  dal's  wir  von  einer  Entschädigung  an  die  Beraubten 
horten.  Die  Tage  wo  Arislodemos  dem  letzten  König  von  Rom  ein 
Asyl  bot  und  die  Etrusker  niederschlugt),  waren  längst  vergangen. 
Aber  die  Politik  des  Augustiis  hat  den  Abstand  zwischen  Vergangen- 
heit und  Gegenwart  noch  erweitert.  Sie  schlofs  der  Sibylla  die 
mit  ihren  Sprüchen  die  Gemüter  so  oft  erregt  halle,  die  Lippen. 
Im  zweiten  Jalnhundert  unserer  Zeitrechnung  erfuhr  der  Reisende 
aus  dem  Munde  des  herumführenden  Küsters  die  Bestätigung  dafs 
die  greise  Seherin  endlich  von  der  Last  des  Lebens  erlöst  worden 
sei.3)  Er  besuchte  ihre  leere  Höhle  an  der  Ostseite  bei  dem  Burg- 
aufgang, eine  weite  Halle  wo  einst  die  Gläubigen  der  Antwort 
warteten  die  aus  dem  inneren  Gemach  hervorschoU.  Die  Höhle  ist 
jetzt  verschwunden,  da  Narses  552  um  zu  stürmen  ihre  Decke  nebst 
der  darüber  hinziehenden  Mauer  zum  Einsturz  gebracht  hatte.'*)  Seit- 
dem die  Dienerin  verstummt  war,  gab  Apoll  im  Burglempel  wo 
sein  15'  hohes  Holzbild  stand,  auf  Fragen  durch  die  an  vielen  Orten 
iibUchen  Lose  Bescheid:  dies  Orakel  fand  auch  fremden  Zuspruch.^) 
Unmerklich  sank  die  Vergessenheil  herab.  Im  langen  Frieden 
waren  die  Mauern  wie  wir  sehen  überbaut  worden,  aber  die  alters- 
graue Burg  chalkidischer  Corsaren  wurde  von  den  Gothen  als  sicherer 
Ort  für  die  Aufbewahrung  ihrer  Schätze  gewählt.*')  Nachdem  die 
Neapolitaner  sie  1207  als  Räubernest  zerstört  haben,  ist  die  Stätte 
völlig  verödet.  Die  Ueberresle  des  Altertums  sind  unter  Pflanzungen 
und  Gestrüpp  versteckt:  auf  der  Burg  im  Osten  der  dem  Apoll  ge- 
weihte Haupltempel,  im  Süden  ein  zweiler'),  dann  in  der  Stadt  der 


1)  Cic.  ad  Au.  X  13,1  de  Div.  I  98  Hin.  XVII  243;  die  römischen  Quinde- 
cimvirn  liallen  die  Obeiaufsiclil  über  den  cupanischen  Goltesdiensl  CIL.  X 
3Ü98.  99. 

2)  Liv.  11  21.  34  Cic.  Tusc.  III  27  Dion.  H.  V  36  VI  21  Vll  2  fg.  Plut.  de 
mul.  virl.  26. 

3)  Petron  48  Juvenal  3,3  Pausan.  VIII  24,5  X  12,8. 

4)  (Alislot.)  Mir.  95  Verg.  Aen.  VI  42  Stat.  Silv.  V  3,172  Justin,  Marl. 
coli.  37  Agalli.  I  10.  Ausführlicli  hat  Cluver  1107—14  gegen  die  gewöhnliche 
Annahme  die  an  den  Avernus  die  Grotta  della  Sibilla  verlegt,  den  Sachverhalt 
aufgehellt. 

5)  Vita  Clod.  Alb.  5  Serv.  V.  Aen.  VI  9. 

6)  Prokop  b.  Golh.  I  14  III  6  IV  34.  35  Agath.  I  8—11.  20. 

7)  Von  Beloch  nach  Liv.  XXVII  23  dem  Zeus  zugeschrieben. 


726  Kapitel  XII.     Campanien. 

Tempel  tler  Demeter,  vor  der  Stadt  das  Amphitheater,  der  Viaduct 
(Aren  FeUce)  w.  a.  Der  ganze  Biirgfelsen  ist  von  unterirdischen 
Gängen  durchzogen  die  des  ['fadfinders  harren.  Um  so  reichere 
Ausbeute  hat  die  Nekropole  für  Kunst-  und  Culturgeschichte  gehefert. 
Was  Delphi  für  Hellas,  ist  Kyme  fiir  Italien  gewesen.  Die  er- 
habensten Dichlungen  die  in  alter  und  neuer  Zeit  der  romanische 
Genius,  die  Vergil  und  Dante  geschaffen  haben,  wurzeln  in  diesem 
Boden.  Der  verworrene  Bau  des  Landes,  die  bewaldeten  Ringwälle, 
die  tiefen  Gründe,  die  tödtlichen  Dünste,  die  heifseu  Quellen,  die 
ausströmenden  Dampfwolken,  die  Erschütterungen  der  Erde,  und 
vollends  ein  Ausbruch  mit  all  seinen  Schrecken  stellten  an  den 
Mut  der  ionischen  Ansiedler  die  höchsten  Anforderungen,  regten 
ihre  Phantasie  in  den  innersten  Tiefen  auf.  Dafs  Homer  ihren  Er- 
zählungen Farben  für  die  Ausmalung  von  Odysseus'  Hüllenfahrt 
entlehnt  habe,  ist  eine  nicht  zu  beweisende  aber  wahrscheinliche 
Annahme  (l  4).  Unter  allen  Umständen  war  eine  so  ungewöhnliche 
rätselhafte  furchtbare  Natur  geeignet  den  Gedanken  an  die  Unter- 
welt zu  erzeugen  und  mit  ihren  Erscheinungen  unauflöslich  zu 
verknüpfen.  Ursprung  und  Wachstum  der  cumanischen  Theologie 
läfst  sich  nicht  verfolgen.  Im  Licht  der  späteren  Aufklärung  zer- 
rann das  Geheimnifs  ihrer  Wunder  und  Gnadenorte.  Acherusia  palns 
hiefs  der  2  km  südlich  von  Cumae  gelegene  durch  seine  Austern 
bekannte  Lago  del  Fusaro^):  ein  Sirandsee  von  2  km  Länge  kaum 
halber  Breite  und  7  m  höchster  Tiefe.  Die  Alten  halten  ihm  am 
Südende  bei  Tor  di  Gaveta  durch  einen  180  m  langen  unterirdischen 
Stollen  einen  Abflufs  ins  tyrrhenische  Meer  eröffnet.  An  der 
Mündung  erblickt  man  die  ausgedehnten  Trümmer  der  Villa  des 
Servilius  Vatia^),  wie  denn  nach  Ausweis  der  Ueberresle  der  dem 
Lärm  von  Baiae  entrückte  Strand  in  der  Kaiserzeit  auch  andere 
Verehrer  gefunden  hat.  Der  campanische  Festkalender  von  387  n. 
Chr.  verzeichnet  unter  dem  15.  October  ein  Erntefest  Acerusae  an 
einem  Heiligtum  dieser  Gegend. 3)  Der  Acheron  wird  von  den 
älteren  Schriftstellern  im  Lucriner  oder  im  Averner  See  erblickt 4): 
die  dortigen  Hafenbauten  werden  ihn  wol  zur  Auswanderung  ge- 
nötigt haben.     Uebrigens   beträgt  die  Entfernung   des  Fusaro   von 


1)  Siral).  V  243  Plin.  Ili  61  Tab.  Peut.  Vib.  Seq.  153  Riese. 

2)  Beschrieben  Seii.  Ep.  55  Beloch  Camp.  188. 

3)  CIL.  X  3792. 

4)  Lykophr.  AI.  695  Strab.  I  26  V  244.  245  Serv.  V.  Aen.  VI  107. 


§  3.    Die  Seestädte.  727 

Baiae  kaum  eine  Millie.  Dann  wird  die  Halbinsel  wieder  breiter, 
reichlich  3  km:  im  Osten  steigen  die  Höhen  von  Baiae  127  m  an, 
durch  eine  Einsenkung  davon  gelrennt  im  Südwesten  der  M.  di 
Procida  145  ni.  —  Die  Halbinsel  endigt  im  promunturium  Misenum 
das  den  Golf  von  Pozzuoh  und  den  ganzen  Golf  von  Neapel  im 
Norden  begrenzt.^)  Dies  1  km  lange  0,4  km  breite  168  m  hohe 
Gap,  der  Rest  eines  zerstörten  Kraterwalls  hängt  mit  dem  Festland 
(M.  di  Procida)  nur  durch  die  2  km  lange  schmale  Düne  von  Mini- 
scola zusammen.  Weithin  sichtbar  konnte  es  in  der  That  den 
Eindruck  eines  riesigen  Grabhügels  machen,  den  man  ehedem  einem 
Gefährten  des  Odysseus^),  seit  Vergil  dem  Trompeter  des  Aeneas 
errichtet  sein  liefs.^)  Wie  die  ganze  Umgegend  ist  auch  dies  Vor- 
gebirge mit  seinem  einzigartigen  Rundbhck  seit  dem  2.  Jahrhundert 
V.  Chr.  zum  Landsitz  gewählt  worden. 4)  Von  der  kaiserlichen  Villa 
in  der  Tiberius  37  n.  Chr.  starb,  sind  zahlreiche  Ruinen  erhalten: 
sie  hatte  früher  dem  Marius  und  LucuUus  gehört. &)  Das  Vorgebirge 
und  daran  anschüefsend  der  Strand  von  Miuiscola  begrenzen  im 
Süden  den  nach  Ost  geöffneten  portus  Misenus  ß),  den  „tiefen  und 
schönen  Hafen  im  Opikerland"  der  einst  das  5  Millien  entfernte 
Kyme  mit  der  Heimat  verbunden  hatte.'')  Mit  der  Festigung  des 
Landfriedens  war  er  für  den  Handelsverkehr  zu  abgelegen,  als 
Kriegshafen  für  das  westliche  Mittelmeer  dagegen  vorzüglich  ge- 
eignet. Seit  Augustus  ankerte  hier  die  classis  [praetoria]  Misenensis 
die  Hauptflotte  der  Kaiserzeit  und  bestand  noch  um  400  n.  Chr.*^) 
Die  Bucht  mifst  reichlich  2  km  Länge  0,5  km  Breite  und  gegen- 
wärtig 14  m    höchster   Tiefe.     Sie   zerfällt    in   zwei    Hälften.     Der 


1)  Strab.  V  243  Miseni  promunlurium  Liv.  XXIV  13  Tac.  Ann.  VI  50  XV  46. 

2)  Strab.  1  26  V  245  Lykophr.  AI.  737. 

3)  Verg.  Aen.  VI  162  fg.  Dion.  H.  I  53  u.  a. 

4)  Plut.  G.  Gracch.  19,1  Cic.  de  or.  II  60  ad  Att.  I  13,5  X  8,10fg.  Phil. 
II  48.  73. 

5)  Plut.  Mar.  34,2  Tac.  Ann.  VI  50  Sueton  Tib.  73  Plin.  XVIII  32;  die  Be- 
schreibung Phaedr.  II  5,7  fg.  würde  allenfalls  auch  auf  den  M.  di  Procida  zu- 
treffen, wo  aber  die  Ruinen  fehlen. 

6)  Flor.  I  11,4. 

7)  Dion.  H.  I  53  VII  3  XU  1  Liv.  XXIV  13. 

8)  Suet.  Aug.  49  Tac.  Ann.  IV  5  Veget.  IV  31  Not.  Dign.  Occ.  118  CiL. 
X  1  p.  317  fg.  Epli.  ep.  VIII  p.  111  fg.  Fiebiger  Leipz.  Stud.  XV  (1894).  Aus  den 
Inschriften  kennen  wir  gegen  80  Namen  von  misenensischen,  kaum  die  Hälfte 
von  ravennatischen  KriegsscliifTen ;  Dreiruderer  machen  reichlich  zwei  Drillrl 
des  Bestandes  aus. 


728  Kapitel  XII.    Campanien. 

Innenhafen  ist  in  der  Neuzeit  zum  Zweck  der  Salzgewinnung  durch 
einen  Damm  abgeschnitten  und  in  eine  Lagune  (Mare  morto)  um- 
gewandelt worden,  die  rasch  versandet  und  die  Luft  verschlechtert. 
Im  Altertum  führte  eine  hölzerne  Brücke  hinüber,  die  von  Baiae 
kommende  Strafse  aufnehmend. i)  Am  Eingang  des  Vorderhafens 
sind  Pfeiler  von  zwei  Wellenbrechern  bemerkbar:  der  längere  springt 
von  der  Südspitze  180  m  vor.  Die  INordspitze  (Punta  della  Pennata) 
ist  durchstochen  um  einer  Versandung  der  Hafenmündung  vorzu- 
beugen. Ein  Fischerdorf  Misenum  oder  Miseni'^)  hatte  hier  längst 
bestanden. 3)  Die  Kriegsflotte  verlieh  ihm  einen  neuen  Aufschwung 
und  einen  neuen  Anstrich.  Es  erhielt  Stadtrecht  und  den  Titel 
colonia  J(ulia)  von  einem  der  ersten  Kaiser.^)  Da  die  Gemarkung 
keine  1000  ha  befafst,  handelt  es  sich  nicht  um  eine  Machtstütze 
in  dem  Sinn  den  Augustus  mit  dem  Worte  verband,  sondern  um 
eine  Ehrung  mit  der  die  Nachfolger  Veteranen  gegenüber  nicht 
kargten.  Aehnlich  wie  in  Ravenna  (S.  254)  war  die  Selbstverwaltung 
durch  die  Admiralität  beschränkt.^)  Die  Stadt  lag  am  Fuf's  des 
Vorgebirges  bei  dem  heuligen  Weiler  und  war  durch  zwei  Slrafsen 
mit  Cumae  verbunden:  die  eine  lief  über  iMiniscola^)  am  Fusaro 
hin,  die  andere  über  die  Holzbrücke  und  Baiae  wird  zu  6  Millien 
gerechnet.')  Ein  Theater,  Wasserleitung  ^j,  manche  andere  Ueber- 
reste  sind  wahrnehmbar.  Nach  langer  Trennung  wurden  die  Ge- 
meinden Cumae  und  Misenum  592  kirchlich  wieder  vereinigt. 9) 
Misenum  ist  im  9.  Jahrhundert  von  den  Saracenen  zerstört  worden. 


1)  CIL.  X  3344. 

2)  Der  Plural  Properz  I  11,4  CIL.  X  3342a.  3675.  3336  Plul.  C.  Gracch.  19,1 
Mar.  34,2  Ant.  32,2  Joseph.  A.  XIX  1,1  Ptol.  III  1,6. 

3)  Diod.  IV  22  Cic.  de  imp.  Pomp.  33  Hör.  Sat.  li  4,33. 

4)  CIL.  X  3703.  04  geiiören  offenbar  nach  Misenum,  dessen  Eigenschaft 
als  Colonie  durch  n.  3674.  78  ohnehin  festsieht.  Die  Nachricht  Feldm.  232 
von  einer  Ansiedlung  durch  Augustus  und  einer  Landvertheilung  an  Veteranen 
durch  Claudius  in  Cumae  geht  auf  Misenum,  das  ja  eben  auf  cumanischem  Ge- 
biet angelegt  ist. 

5)  CIL.  X  3334.  44,  Duovirn  eb.  3678  Eph.  ep.  VIII  445. 

6)  Der  Name  soll  aus  milüum  schula  entstanden  sein:  in  der  That  ist 
CIL.  X  3344  mit  der  üeberschrift  schola  ainnaturlarum]  hier  gefunden.  Auf 
diesem  Wege  spielten  sich  die  vom  jüngeren  Plinius  Ep.  VI  20  beschriebenen 
Vorgänge  am  25.  Aug.  79  ab  (I  282). 

7)  II.  Ant.  123  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 

8)  Der  grofse  Piscina  Mirabilis  benannte  Behälter  bei  Bacoli  gehörte  dazu. 

9)  Gregor  M.  Registr.  II  44. 


§  3.    Die  Seestädte.  729 

Die  4  km  entfernte  Insel  Prochyta  Procida  besitzt  gegenwärtig 
auf  dem  Festland  das  Gebiet  von  Misenum:    im  Altertum  wird  die 
Sache  umgekehrt  gewesen  sein.     Obwol  nur  4  Dkm  grofs  zählt  sie 
doch  14  000' Bewohner.     Sie  ist  aus  den  Westrändern  von  3  (das 
losgerissene    Vivara    hinzugerechnet   4)    eingestürzten    Kratern    zu- 
sammen gesetzt.     Diese   gehören   in  geologischer  Hinsicht   zu   den 
Phlegraeischen  Gefilden  des  Festlands  (l  266).    Die  Alten  erblickten 
in    Procida   ein   abgetrenntes   Stück   von  Ischia   und  erklärten    den 
griechischen  Namen  aus  vulkanischen  Vorgängen. i)     Dagegen  rührte 
er  nach  Naevius  von  der  Amme  des  Aeneas  her.^)    Was  die  Dichter 
sonst   von    dem    liebhchen  Eiland  aussagen ,    zeugt  nicht   eben  vou 
Orlskenntnifs.3)  —  Die  grüfsere  Nachbarin  (46  Gkm)  nimmt  in  der 
Ueberlieferung  mehr  Platz  ein.    Den  Hellenen  heifst  sie  IIi^rjTioüaaa 
oder  Ilid-rjxovoaat  ^),  den  Römern  Aenaria  ^j,  dichterisch  seit  Vergil 
Inarime.^)     Die  Deutung  des   ersten  Namens   als  Affeninsel")   wird 
dahin  verstanden  dafs  die  Hellenen  wirkUch  Vierhänder  vorgefunden 
hätten*):    was  aus   klimatischen  Gründen    uicht  möglich   ist.     Der 
zweite  jüngere  wird   mit  Aeneas  zusammen  gebracht. 9)     Den    Kern 
der  Insel  bildet  ein  Kraler  dessen  792  ra  hoher  Nordrand  von  den 


1)  Plin.  II  203  Hl  82  Serv.  V.  Aen.  IX  715  von  n^oxrvac,  It.  mar,  515 
Procita. 

2)  Dion.  H.  I  53  Plin.  Ili  82  Serv.  V.  Aen.  IX  715. 

3)  Die  Ränder  fallen  zwar  bis  75  m  steil  ab,  rechtfertigten  aber  weder  das 
Beiwort  alla  Verg.  Aen.  IX  715  noch  aspera  Stat,  Silv.  II  2,76.  Auch  war  die 
Insel  schwerlich  so  menschenleer  wie  Juvenal  3,5  andeutet. 

4)  Der  Singular  Skylax  lU  Strab.  I  6U  li  123  Ptol.  III  1,69  Mela  11  121  Plin. 
III  82;  der  Plural  (Arisl.)  Mir.  37  Strab.  V  247  VI  258  Liv.  Vlll  22  Ov.  Met. 
XIV  90  Plin.  U  203  Appiau  b.  civ.  V  69  wird  ausdrücklich  auf  Ischia  allein 
bezogen;  nichtsdestoweniger  liegt  die  Annahme  nahe,  dafs  er  ursprünglich 
Procida  u.  Vivara  mit  einschlofs,  vgl.  Steph.  Byz. 

5)  Cic.  ad  Alt.  X  13,1  Appian  b.  civ.  V  69.  71.  81  Plut.  Mar.  37.  40  It. 
mar.  515.  Dafs  Liv.  VIII  22  Mela  II  121  Aenaria  und  Pilhecusae  für  ver- 
schiedene Inseln  halten,  kommt  auf  das  allgemeine  Conto  der  Unwissenheit  der 
Römer  in  Geographie. 

6)  Verg.  Aen.  IX  716  dazu  Serv.  Ov.  Met.  XIV  89  Lucan  V  101  Plin.  III  82 
u.  a.  fälschlich  nach  Hom.  II.  II  783  vgl.  Strab.  XIII  626  Steph.   Byz.  'AQt/ia. 

7)  Lykophr.  AI.  691  Strab.  Xill  626  Plin.  III  82  Ov.  Met.  XIV  90  Xenagoras 
bei  Harpokr.  und  Suidas  KeQxarp. 

8)  So  0.  Keiler,  Thiere  des  class.  Alt.,  p.  1.  Der  Name  kommt  auch  in 
Nord  Africa  vor  Diod.  XX  58  Steph.  Byz. 

9)  Fest.  20  M.  Plin.  III  82. 


730  Kapilel  XII.     Campanien. 

Hellenen  als  Schaiiberg  'Emonevg  bezeichnet  wurde. i)  Er  wird 
von  einer  Anzahl  niedriger  Auswurfslellen  umgeben.  Ihrer  Thätig- 
keit  und  des  vom  Meer  geleisteten  Widerstandes  ist  früher  gedacht 
worden  (1  252.  266.  283).  Die  Fruchtbarkeit  der  Insel  die  heute 
25  000  Köpfe  nährt,  ihre  günstige  Lage  vor  dem  campanischen  Golf 
bestimmten  sie  zum  natürlichen  Slützpunct  für  die  Besiedlung  des 
Festlands  (S.  721).  Dafs  die  Eretrier  und  Chalkidier  von  Euboea 
auch  durch  Bergbau  auf  Gold  zum  Bleiben  bewogen  worden  seien  2), 
ist  mit  dem  sonstigen  Vorkommen  des  Metalls  unvereinbar.  Da- 
gegen wild  man  den  Alten  gern  glauben  dafs  die  Bewohner  mehr- 
fach durch  vulkanische  Vorgänge  vertrieben  wurden.  Um  470  halte 
König  Hieron  von  Syrakus  eine  Besatzung  gegen  die  Etrusker  hin- 
verlegt. Sodann  kam  der  Besitz  an  Neapel  3),  ging  aber  sei  es  an 
die  Campaner  sei  es  an  die  Römer  verloren.  Hierauf  ist  Ischia 
römisch  gewesen  bis  Augustus  es  im  Tausch  gegen  Capri  den  Nea- 
politanern verlieh.'*)  Die  hellenische  Stadt  die  Skylax  um  350  er- 
wähnt, nahm  den  an  der  nordwestlichen  Küste  bei  Lacco  vor- 
springenden M.  di  Vico  (121  m)  ein.  Am  Fufse  liegt  S.  Restituta 
die  Hauptkirche  der  Insel  sowie  die  Nekropole  der  Stadt.  Da  ihr, 
wenigstens  in  bekannter  Zeit,  die  Selbstverwaltung  abging,  ist  die 
Ausbeute  an  Inschriften  nicht  erheblich. &)  Die  meisten  rühren  von 
Curgästen  her,  die  warmen  Quellen  übten  im  Altertum  wie  heute 
ihre  Zugkraft  aus. 6)  Der  Name  der  Nymphae  Nitrodae  oder  Nitro- 
des  hat  sich  in  Nitroli  bei  Moropano  erhalten :  diese  Quelle  liegt  im 
Süden,  während  gegenwärtig  die  Quellen  der  Nordküste  bei  Casa- 
micciola  und  Ischia  aufgesucht  werden. 

Die  Ufer  des  campanischen  Golfs  waren  seit  Augustus  mit  Ort- 
schaften und  Landhäusern  so  dicht  bevölkert  dafs  sie  den  Eindruck 
einer  einzigen  zusammenhängenden  Stadt  machten.'')  Wer  aus  weit- 
räumigen Gegenden    kommend    heute   seinen  Blick   über  dies  Bild 


1)  Timaeos  bei  Slrab.  V  248  Plin.  II  203;  aus  einer  unrichtigen  Lesart  ist 
das  moderne  M.  Epomeo  entstanden,  der  volkstümliche  Name  lautet  M.  S.  Nicola. 

2)  Slrab.  V  247. 

3)  Aus  dieser  Zeit  scheint  zu   stammen   die    Soldaleninschrift  Kaibel   894 
Mommsen  Unterit.  Dial.  197. 

4)  Obseq.  54  Sueton  Aug.  92  Strab.   V  248. 

5)  CIL  X  1  p.  679  Kaibel  891—94. 

6)  Strab.  V  248  Plin.  XXXI  9;  andere  Erwähnungen  II  227  XVI  141  XXXII 
154  nach  eigener  Anschauung. 

7)  Slrab.  V  247. 


§  3.     Die  Seeslädte.  731 

gleiten  läfst,  wird  ähnlich  zu  urtheilen  geneigt  sein.  Nur  die  Nord- 
weslecke,  gerade  derjenige  Theil  der  im  Alterlum  die  höchste  Pracht 
entfallet  hatte,  fällt  aus  dem  Rahmen  des  Ganzen  heraus:  den  An- 
griffen der  Seeräuher  am  Meisten  ausgesetzt,  wurde  sie  früh  ver- 
lassen und  dem  Fieber  preisgegeben.  In  Folge  dessen  bestimmen 
Ruinen  ihren  landschaftlichen  Charakter.  Diese  gehören  vorzugs- 
weise Villen  an  die  den  Besitzer  oft  gewechselt  haben:  es  ist  ziem- 
lich aussichtslos  dem  Wandel  im  Einzelnen  nachzugehen  und  ohne 
sonderliche  Bedeutung.  Dazu  kommt  dafs  der  Meeresspiegel  an  der 
Küste  von  Misenum  bis  Puteoli  gegen  früher  gestiegen  ist,  der 
Strand  ehedem  breiter  war  (1290);  ferner  dafs  der  M.  nuovo  das 
Aussehen  seiner  Umgebung  völlig  umgestaltet  hat  (l  267).  Um  so 
mehr  haben  wir  uns  auf  die  allgemeinen  Züge  zu  beschränken. 
Die  Reisebücher  rechnen  3  Millien  von  3Iisenum  bis  Baiae^)  Die 
Halbinsel  wird  eingeengt  durch  den  See  von  Fusaro  (S.  726)  auf 
der  einen ,  den  Baianns  sinus  auf  der  anderen  Seite.^)  Die  flach 
gewölbte  Bucht  wird  im  Süden  von  dem  Vorsprung  den  das  im 
16.  Jahrhundert  erbaute  Castell  von  Baja  einnimmt,  im  Norden  von 
der  Punta  dell'  Epitaffio  begrenzt:  beide  Spitzen  sind  1,2  km  von 
einander  entfernt,  über  der  Sehne  dringt  die  Bucht  400  m  ins 
Land,  früher  weniger.  Mit  dem  durch  sie  gebildeten  portus  Baia- 
rum''^)  kann  es  nicht  weit  her  gewesen  sein,  da  dem  Hafen  sowol 
Schutz  als  die  nötige  Tiefe  fehlte. *)  Für  die  Cumaner  freilich  be- 
safs  er  mit  dem  misenatischen  verglichen  den  Vorzug  gröfserer 
Nähe,  soll  denn  auch  gleich  diesem  nach  dem  Steuermann  des 
Odysseus  benannt  sein.»)  Weltruf  hat  die  Gegend  durch  ihre  Heil- 
quellen erlangt.  INirgends,  meint  Plinius  ß),  brechen  sie  in  solcher 
Fülle  und  mit  so  verschiedenen  Heilkräften  ausgestattet  hervor  als 
hier:  es  giebt  schwefelhaltige  W^asser,  alaunhaltigc  salzhaltige  erd- 
pechhaltige,  auch  salzige  Säuerlinge;  einige  Quellen  nützen  durch 
ihren  Dampf  und  sind  mächtig  genug  um  Badestuben  zu  heizen  und 
kaltes  Wasser  in  den  Wannen  zum  Kochen  zu  bringen.     Der  Name 


1)  It.  Ant.   123  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 

2)  Plin.  II  227  XXXI  4  Hör.  Ep.  I  1,83. 

3)  Plin.  III  61  Slat.  Silv.  IV  7,17  Flor.  I  11,4  Athen.  II  43b. 

4)  Cluver  U19,  gegenwärtig  höchstens  6  m. 

5)  Lykophr.  AI.  694  Strab.  I  26  V  245  Varro  bei  Serv.  V.  Aen.  IX  710 
III  441  Sil.  It.  Vlil  539  XII  114;  vereinzelt  als  Gefährte  des  Aeneas  ausgegeben 
Serv.  V.  Aen.  IX  710. 

6)  Plin.  XXXI  4  Vitruv  II  6,2  Celsus  II  17  Pio  XLVIII  51. 


732  Kapitel  XII.     Campanien. 

Baiae  wird  über  das  ganze  Gebiet  der  Tbernialqiiellen  vom  Vorge- 
birge Miseüum  1)  bis  au  das  Weichbild  von  Piileoü^),  namentlich 
auch  den  Kessel  des  Averner  Sees  ausgedehnt  3);  daher  erklärt  sich 
der  Sprachgebrauch  den  Lucrinus  als  Baianus  lacus  zu  bezeichnen.*) 
In  der  rOniisicben  Ueberlieferung  begegnen  die  (Juellen  zuerst  als 
aquae  Cumanae  und  zwar  176  v.  Chr. 5)  Zu  Marius  Zeiten  sind  sie 
unter  dem  ^a^le^  Baiae  bekannt'»);  ein  Menschenalter  später  ist 
dies  da^  erste  Bad  der  Welt  und  behauptet  seinen  Hang  bis  zum 
Ausgang  des  Altertums.'')  Es  vereinigt  die  Gesellschalt  im  Frühling; 
nach  einer  vereinzelten  Aeuf::erung  galt  die  Lult  im  Spätjahr  für 
ungesund.^)  Von  dem  Badeleben  und  seiner  Zügellosigkeit  ist  oft 
in  starken  Worten  die  Rede.'-*)  Der  Zudrang  war  so  stark  und  es 
wurde  so  viel  gebaut  dal's  Baiae  an  Grolse  hinter  Puteoli  nicht  zu- 
rück stand. '0)  Drei  Glasgeläfse  die  ziemlich  roh  die  Sehenswürdig- 
keiten der  Küste  vorführen  und  durch  Beischriften  erläutern,  lehren 
dals  wenigstens  in  der  späteren  Kaiserzeit  auch  ein  Publicum  hier 
verkehrte  das  derartige  Dulzendwaaie  als  Andenken  mitzunehmen 
nicht  verschmähte. *i)  Freilich  waren  es  die  l*rachtbauten  der 
Grofsen  mit  ihren  Gärten  und  Fischleichen  die  das  Aussehen  der 
Gegend  bestimmten.  Eine  Ruine  unter  Wasser  50  m  Nord  von 
Punta  del  Fortino  dient  als  Beleg  für  die  Liebhaberei  dem  Meer 
den  Baugrund  abzulroizen.i^)  Obenan  standen  die  kaiserlichen 
Schöpfungen  in  denen  der  INachfulger  seine  Vorgänger  zu  über- 
bieten suchte:  ein  Bestreben  das  mit  Kero  einen  gewissen  Abschluis 
erreichte.     Auf  der  Hohe  südwestlich    über  dem  Hafen  thronte  die 


1)  Varro  RR.  III   17,9. 

2)  Joseph.  Arcli.  XVIII  7,2  giebt  den  Absland  zwischen  Baiae  und  Puteoli 
zu  5  Stadien  an. 

3)  Dio  XLVm  51. 

4j  Fun.  IX  168  XIV  Gl  Tac.  Ann.  XIV  4. 

5)  Liv.  XU  16  Lucrez  VI  747. 

6)  Plul.  Mar.  34,1. 

7)  Hör.  Ejj.  I   1,83  Marlial  VI  42,7  Friedländer  Darstellungen  11«  119. 

8)  Cic.    ad    Fain.  IX  12,1,    dagegen    die    blühende    Schilderung    Cassiod. 
Var.  IX  6. 

9)  Cic.  pro  Cael.  27.  35.  38.  47.  49  frg.  p.  29  IV  Kayser  Varro  Men.  fr.  44 
Buech.  Seneca   Ep.  51   Froperz  1  11   Slat.  Silv.  IV  7,19  desides  Baiae. 

10)  Slrab.  V  246. 

11)  H.  Jordan,  Arch.  Zeil.   1868  p.  91. 

12)  Sallu.>.t  Cal.  13,1  2ü,ll  Hör.  Od.  li  18,20  Verg.  Aen.  IX  710  Plin.  Ep. 
IX  7,2. 


§  3.    Die  SeestäJte.  733 

Villa  Caesars,  in  der  Hadrian  138  von  seinen  Leiden  erlöst  ward.') 
Die  Oertlichkeit  wird  als  Bat'ae  veteres  bezeichnet:  so  hiefs  der  zu 
Cumae  gehörige  Vicns  im  Unterschied  von  >'eu  Baiae  das  nach 
Puteoli  zu  auf  fiscalischem  Grund  entstanden  war.2)  —  Von  Alt 
Baiae  wird  der  Villenort  BauJi  unterschieden ,  der  nach  der  her- 
kömmlichen und  allem  Anschein  nach  richtigen  Annahme  in  dem 
heutigen  Dorf  Bacoli  (28  m)  nahe  beim  Hafen  von  Misenum  fort- 
lebt. 3)  Man  brachte  den  Namen  mit  den  Ställen  (ßoav'/ua)  zu- 
sammen in  denen  Hercules  die  Rinder  des  Geryones  barg,  während 
er  einen  Damm  am  Lucriner  See  aufschüttete.*)  Auf  der  Höhe 
nicht  weit  von  der  seines  iVebenbuhlers  entfernt  lag  die  Villa  des 
Pompeius.ö)  Am  Ufer  lag  die  berühmte  Villa  des  IJedners  Horten- 
sius  die  nachher  in  den  Besitz  des  Kaiserhauses  gelangte:  berühmt 
bei  der  Menge  wegen  ihrer  zahmen  Muränen  ß),  bei  den  Gebildeten 
als  Schauplatz  des  LucuUus  betitelten  Buchs  der  Academica  Cicero's "), 
bei  den  Geschichtskundigen  als  Schauplatz  der  Ermordung  Agrippi- 
na's  durch  Kaiser  IXero  ihren  Sohn.*)  Von  Bauli  schlug  Caligula 
eine  Schiffbrücke  nach  dem  Molo  von  Puteoli  um  einen  kindischen 
Triumph  zu  feiern:  der  Abstand  wird  zu  3600  Schritt  angegeben, 
beträgt  aber  weniger. 9)     Inschriftlich   wird    ein  ordo  und  coUegtum 


t)  Cic.  ad  Alt.  XII  40,3  Seneca  Ep.  ot,ll  Tac.  Ann.  XIV  9. 

2)  Ctir.  a.  354  (in  Momniseu  Ghron.  min.  1  146);  Hör.  Ep.  1  15,7  CIL. 
X  3698  Joseph.  Arcli.  XVIII  7,2 

3)  Belocti  Camp.  176 f^.  suclit  Bauli  auf  Punta  dell'  Epitaffio,  dem  Vor- 
gebirge das  die  Bucht  von  Baiae  im  Norden  begrenzt  (S.  731).  Der  einzige 
Grund  der  sich  dafür  anführen  iäfst,  ist  die  Reihenfolge  Plin.  III  61  Misenum 
portus  ßaiarum  Bauli  lacus  Lucrinus:  jedoch  scheint  es  bedenklich  ihr  ein 
entscheidendes  Gewicht  beizulegen.  Die  Berichte  über  Agrippina's  Ermordung 
(A.  8),  so  wenig  sie  sich  auch  durch  topographische  Klarheit  empfehlen, 
sprechen  eher  für  Bacoli.     Dasselbe  gilt  vom   Brückenschlag  Galigula's  (A.  9), 

4)  Sil.  It.  XII  156  Symm.  Ep.  I  1  Serv.  V.  Aen.  VI  107. 

5)  Cic,  ad  Farn.  VIII  1,4  Seneca  Ep.  51,11. 

6)  Varro  RR.  lli  17,5  Plin.  IX  172  vgl.  X  193  Martial  iV  30. 

7)  Cic.  Acad.  prior.  II  9.  125. 

8)  Tac.  Ann.  XIV  4 fg.  Sueton  Ner,  34  Oio  LXl  13. 

9)  Die  Entfernung  von  Punta  dell'  Epitaffio  aus  beträgt  3  km,  von  der 
Bucht  von  Baiae  oder  dem  Strand  von  Bacoli  aus  3,6  km,  also  höchstens  ^3 
der  überlieferten  Zahl.  Diese  gehl  aber  nicht  auf  eine  Messung  der  Brücke 
zurück.  Cic.  Acad.  prior.  II  100  rechnet  von  Bauli  nach  Puteoli  zu  Wasser 
30  Stadien  d.  h.  wahrscheinlich  4,44  km  oder  höchstens  4,95  km  (S.  66).  Die 
Angabe  triflfl  genau  zu,  wenn  man  die  Bucht  von  iMisenum  als  den  gewiesenen 
Ausgangspunct  betrachtet.     Aehnlich    wird   It.  mar.  515   die   Entfernung  von 


734  Kapitel  XII.     Campanien. 

Baulanorum  erwähnt:  darunter  ist  das  kaiserliche  Gesinde  der 
Schlüsser  von  Misenuni  Hauh  Alt  Baiae  Neu  Baiae  zu  verstehen.') 
Am  Scheitel  des  Bogens  den  der  Golf  von  l'uteoli  beschreibt, 
wird  der  Zusammenhang  der  Küste  unterbrochen  durcii  den  lacus 
Lncrinus,  einen  Strandsee  den  der  M.  nuovo  1538  bis  auf  einen 
Bi  uchtheil  an  der  Seite  von  Baiae  zugeschüttet  hat  (I  267).  Eine 
niedrige  schmale  Düne  trennte  ihn  vom  Meer:  die  kürzeste  Ver- 
bindung zu  Lande  zwischen  den  Häfen  von  Baiae  und  Puleoli  und 
deshalb  früh  in  einen  Slrafsendamm  verwandelt. 2)  Dies  ist  die 
1  Millie  lange  via  Herculanea  die  oll  von  den  Wogen  überflutet, 
durch  Agrippa  und  Claudius  hergestellt  werden  mufsle.3)  Agrippa 
hatte  aus  der  Lagune  den  Vorhafen  zum  Avernus  dem  neu  ge- 
schaffenen Kriegshafen  machen  wollen :  der  Plan  scheiterte  weil  die 
Lagune  für  Kriegsschiffe  zu  seicht  war.4)  Statt  dessen  bot  sie  ein 
vorzügliches  Fischrevier,  das  seit  dem  hannibalischen  Kriege  in  den 
Besitz  des  Staates  übergegangen  war  und  bei  der  Verpachtung  der 
Domänen  von  den  Censoren  herkömmlich  an  erster  Stelle  ausge- 
boten wurde,  der  guten  Vorbedeutung  wegen  die  der  Klang  des 
Namens  weckte. 5)  Um  100  v.  Chi-,  legte  ein  Feinschmecker  einen 
Austernpark  an*»);  die  Auslern  wurden  an  Pfählen  gezogen')  und 
errangen  auf  dem  Markte  den  Preis.^)  Damals  waren  die  Ufer  noch 
still,  hallten  aber  bald  von  dem  Lärm  der  Badegäste  wieder:  der 
See  wurde  der  Miltelpuncl  des  aufblühenden  Neu  Baiae,  Kahnfahr- 
ten   bei  Ta<(    und  Nacht   gehörten    zu    den    besonderen  Reizen    des 


Piocida  nacli  Miseiiuin  zu  3U  Stadien  beslimml.  üer  Gewährsmann  Suetons 
Cal.  19  hat  den  Ansatz  des  campanischen  Poitulans  leichthin  mit  der  Länge 
der  Brücke  gogiirlien  und  nach  allischer  Rechnung  (S.  (17)  S'/a  Stadien  der  Millie 
zugelheill.  Somit  erhielt  er  3,6  Miliien  oder  5,33  km.  Eben  dasselbe  Mafs 
drückt  Dio  LIX  17  der  7 V2  Stadien  auf  die  Millie  rechnet,  durch  26  Stadien 
aus:  eigentlich  hätte  er  27  schreiben  sollen. 

1)  iMommsen  zu  CIL.  X  1746—48. 

2)  Die  ältesten  Zeugen  für  die  Einbürgerung  des  Heraklesmythos  in  Kyme 
sind  die  Vasen:  den  Kampf  mit  Geryones  stellt  CIGr.  IV  7582  dar;  Cacus  die 
Bronzeurne  Mon.  deli'  Inst.  V  tav  25. 

3)  Cic.  de  lege  agr.  II  36  Slrab.  V  245  Lykophr.  AI.  697  m.  Schoi.  Diod. 
IV  22  Properz  IV  17,4  Sil.  It.  Xll  118  Plin.  XXXVI  125  Serv.  V.  Georg.  II  161. 

4)  Strab.  V  245. 

5)  Cic.  de  lege  agr.  11  36  Fest.  121  M.  Serv.  V.  Georg.  II  161. 

6)  Plin.  IX  168  Val.  Max.  IX  1,1  Strab.  V  245. 

7)  Auson.  Ep,  9,30  und  die  S.  732  erwähnten  Gläser. 

8)  Cic.  ad  Att.  IV  10,1  Her.  Epod.  2,49  Sat.  114,32  Plin.  XXXII  61  Pe- 
iron  119,34  Varro  Men.  501  Buech.  Juvenal  4,141  Marlial  VI  11,5  XIII  90. 


§  3.     Die  Seestädte.  735 

Badelebens. ')  Unter  den  Villenbesitzern  werden  Varro  und  Cicero 
genannt.  Das  Academia  oder  meistens  nach  der  Ortsangehorigkeit 
als  Cumanum  bezeichnete  Landhaus,  ein  I.ieblingsaufenthalt  des 
Redners  lag  an  der  Ostseite  des  Sees  2)  und  liegt  jetzt  unter  dem 
M.  nuovo  begraben:  im  16.  Jahrhundert  befand  sich  hier  ein  be- 
suchter Badeort  Tripergole.  —  Der  Lucrinus  stand  mit  dem  lacus 
Avernus  in  Verbindung:  der  trennende  Landrücken  ist  jetzt  600  m 
breit,  war  aber  vor  1538  viel  schmäler.  Der  runde  See  ist  ein 
ehemaliger  Krater,  von  steilen  nur  im  Süden  eingestürzten  Wänden 
umgeben ,  haX  an  1  km  Durchmesser  bei  65  m  Tiefe.  Die  herr- 
schende Waldesstille,  die  Verlassenheit,  die  Fieberluft,  die  langen 
unterirdischen  Gänge  rufen  in  der  Brust  des  Besuchers  eine 
Stimmung  wach,  die  den  Eindruck  verständlich  macht  den  in  grauer 
Vorzeit  die  hellenischen  Ansiedler  empfangen  haben  mögen.  Weil 
kein  Vogel  sollte  hinüberfliegen  können  ohne  von  den  Dünsten  be- 
täubt zu  fallen,  nannten  sie  den  See  ^'Aoqvog  den  vügellosen  und 
weihten  ihn  der  Persephone,  3)  Hier  entsprang  die  Quelle  der  Styx 
aus  der  kein  Frommer  trank,  hier  wurden  die  Toten  beschworen, 
hier  war  Odysseus  und  nach  ihm  Aeneas  ins  Schattenreich  hinab- 
gestiegen, hier  hausten  die  Kimmerier  die  niemals  ein  Sonnenstrahl 
traf.  Hannibal  brachte  214  der  heiligen  Stätte  seine  Verehrung 
dar;  noch  6  Jahrhunderte  später  fand  am  27.  Juli  eine  Wallfahrt 
zu  ihr  statt. 4)  Mittlerweile  indefs  war  ihre  Weihe  unwiederbring- 
lich geraubt  worden.  Um  einen  gegen  jeden  Angriff  feindlicher 
Flotten  geschützten  Kriegshafen  zu  gewinnen,  schuf  Agrippa  37  v. 
Chr.  den  See  in  den  portits  Julius  um.^)  Der  Wald  wurde  ge- 
schlagen, die  Verbindungscanäle  zwischen  Avernus  und  Lucrinus, 
Lucrinus  und  Golf  erweitert,  Werften  und  Arsenale  angelegt,  im 
Einzelnen  vermögen  wir  von  der  Ausdehnung  dieser  Arbeiten  keine 
Rechenschaft  zu  geben.  Aber  der  über  1  km  lange  Tunnel  (Grotta 
della  Face)   der  durch   den  M.  Grillo  gebrochen   ist   um  den  Weg 

1)  Cic.  pro  Cael.  35.  49  Hör.  Od.  1115,3  Seneca  Ep.  51,12  Tac.  Ann.  XIV 
4.  5  Prcperz  I  11,10  Juvenal  12,80  Martial  III  20,20  I  62. 

2)  Plin.  XXXI  6fg.  Cic.  ad  Att.  XIV  16,1  17,1  Acad.  post.  I  1  u,  oft. 

3)  Diod.  IV  22  Skymn.  237  Et.  iMagn.  Strab.  I  26  V  244  Lykophr.  AI.  704 
m.  Schol.  (Aristol.)  Mir.  102  Max.  Tyr.  Diss.  14,2  Plin.  III  61  XXXI  21  Lucrez 
VI  738  Cic.  Tusc.  I  37  Verg.  Aen.  III  442  VI  237  Lucan  II  668  Sil.  It.  XII  121. 

4)  Liv.  XXIV  12  vgl.  Sil.  It.  XIII  414;  GIL.  X  3792. 

5)  Dio  XLVIII  50  Flor.  II  18,6  Cassiod.  a.  717/37  (Chron.  min.  II  134)  Strab. 
V  244.  45  Verg.  Georg.  II  161  m.  Schol.  Suel.  Aug.   16  Vell.  II  79. 


736  Kapilel  XII.     Campanien. 

vom  Avernus  nach  Cumae  abzukürzen,  zeugt  von  der  Gröfse  der 
verlflgbaren  Mittel.  Sie  wurden  zur  Niederkrimpfung  des  Sextus 
Pompeius  aufgeboten.  Nachdem  dies  Ziel  erreicht  war,  gab  der 
Kaiser  den  bei  der  Seichtigkeit  des  Lucrinus  und  der  Enge  der 
Einfahrten  auf  die  Dauer  ungeeigneten  Portus  Julius  auf  und  ver- 
legte die  Flolte  nach  der  prächtigen  Bucht  von  Misenum.  Damit 
war  dem  Aufschwung  des  neuen  Baiae  die  Bahn  frei  gegeben:  der 
Avernus  erweiterte  das  Becken  des  Lucrinus'),  an  seinen  Ufern 
entstanden  grofse  Thermen,  zahlreiche  Ueberreste  sind  davon  er- 
halten. 

An  der  Punta  Caruso  endet  der  Damm  des  Hercules,  aber  jen- 
seit  des  l.ucrinus  setzen  sich  Heilquellen  Thermen  Villen  ohne 
Unterbrechung  fort.  Nahe  bei  Puleoli  lag  ein  grofser  Fischteich 
und  der  Palast  in  dem  Nero  am  Minervafest  59  die  Henkersmahl- 
zeit der  Mutter  bereitete.'^)  Dahinter  1  km  landeinwärts  erhebt  sich 
der  M.  Barbaro  329  m,  der  Siidrand  des  Kraters  von  Campiglione, 
der  weinberiihmte  mons  Gaurus.^)  Er  gehörte  seit  dem  hanniba- 
lischen  Krieg  zum  Staatsgut.'*)  In  seiner  Nähe  haben  340  Römer 
und  Samniten  ihre  erste  Schlacht  geschlagen. 5)  Die  Oerllichkeit 
wird  durch  den  Umstand  erläutert,  dafs  südlich  am  Fufs  die  4  Mil- 
ben lange  Strafse  von  Cumae  nach  Puteoli  vorbeiführt  6),  im  Osten 
die  Strafse  von  Capua  nach  Puteoli.  Jene  überschreitet  den  M.  Grillo 
und  läuft  nördlich  um  den  Avernus  und  Lucrinus  herum.  Die  von 
Capua  kommende  Strafse  wendet  sich  von  Qnaliano  (S.  715)  dem 
Nordrand  (129  m)  eines  grofsen  Kraters  zu.  Der  Kessel  (37  m) 
mit  4  km  Durchmesser  heifst  Piano  di  Quarto,  weil  die  Entfernung 
von  Puteoli  4  Milben  beträgt,   und  ist  durch  Fruchtbarkeit  ausge- 


1)  Ausleinzuchl  Plin.  XXXll  61  Cassiodor  Var.  IX  6,  Kahnfahrt  Ammiaa 
XXVIII  4,18. 

2)  Der  Tac.  Ann.  XIV  4  gemeinte  Ort  wird  durch  den  Zusammenhang, 
die  Glasgefäfse  (S.  732)  und  Joseph.  XVIII  7,2  bestimmt. 

3)  Die  Gleichung  ist  gesichert  durch  Plin.  XIV  64  Stat.  Silv.  III  1,147 
Lucan  II  667  Sil.  It.  XII  160  Sidon.  Ap.  carm.  V  345  Symmach.  Ep.  I  8  VIII  23. 
Gauriis  manis  Juvenal  9,57  geht  nicht  auf  die  Kraterhöhlung  sondern  ist  über- 
setzt, vgl.  Gaurana  oslrea  8,86.  Wein  Plin.  11160  XIV  38.  64  Flor.  111,5 
Stat.  Silv.  IV  3,64  Athen.  I  26  f.  und  die  angef.  Stellen. 

4)  Cic.  de  leg.  agr.  II  36  vgl.  die  Juno  Gaura  in  Capua  CIL.  X  3783. 

5)  Liv.  VII  32. 

6)  It.  Am.  123  [4  nach  cod.  Esc.];  bei  der  Station  in  Fineis  Tab.  Peut. 
Geogr.  Rav.  IV  32  V  2,  1  Millie  vor  der  Stadt  treffen  beide  zusammen. 


§  2.     Die  Seestädte.  737 

zeichnet.  Die  Ruinen  von  Grabniälern  der  Kaiserzeit  geleiten  die 
Strafse  in  fast  ununterbrochener  Folge. i)  Der  südliche  Rand  des 
Kessels  Montagna  Spaccata  mifst  70  m.  ^Yeite^  läuft  die  Strafse 
hindurch  zwischen  den  Kratern  von  Campighone  im  Westen,  Fossa 
Lupara  und  Cighano,  dahinter  Astroni  im  Osten.  Der  Rand  von 
Astroni  steigt  bis  251  m,  ein  1  km  langer  Rücken  verbindet  ihn 
mit  der  Solfatara,  einem  kleinen  Krater  von  3 — 400  m  Durchmesser 
dem  aus  Ritzen  unaufhörlich  Schwefeldämpfe  entquellen.  Solche 
Thätigkeit  in  unmittelbarer  INachbarschaft  eines  Welthafens  mufste 
die  Aufmerksamkeit  der  Alten  fesseln ,  ganz  abgesehen  von  der 
reichen  Ausbeute  an  Schwefel  die  hier  gemacht  wurde.2)  Indem 
sie  die  umhegte  Stätte  einem  Marktplatz  glichen  und  dem  Gott  des 
Feuers  zuwiesen,  gaben  sie  ihr  den  Namen  Forum  Volcani.'^)  — 
Südlich  davon  steigt  M.  Ohbano  156  m  und  fällt  schroff  nach  dem 
Meer  ab,  oder  richtiger  zu  dem  flachen  Strand  der  von  hier  nach 
Westen  bis  zum  Lucrinus  1 — 200  m  breit  hinzieht.  Der  Strand 
wird  durch  einen  ins  Meer  vorspringenden  Tuffhügel  (36  m)  unter- 
brochen, den  die  Natur  selbst  für  die  Anlage  einer  Stadt  empfohlen 
hatte.  Denn  er  liegt  in  der  Mitte  des  grofsen  Busens  den  Mise- 
num  und  Posilip  begrenzen,  in  der  Mitte  des  phlegraeischen  Landes, 
an  der  Mündung  der  bequemsten  Strafse  die  Capua  mit  dem  Meer 
verbindend  die  Hügel  durchschneidet,  endlich  gut  geschützt.-*)  Die 
Kymaeer  besetzten  den  günstigen  Ort-^)  Die  Nachricht  dafs  Samier 
um  525  Dicaearchia  gegründet  haben,  mag  richtig  sein,  wenn  sie 
auf  eine  Einwanderung  und  Ansiedlung  unter  kymaeischer  Hoheit 
beschränkt  wird :  das  Fehlen  von  Münzen  lehrt  dafs  der  Hafen 
keiner  staatlichen  Selbständigkeit  genofs.^)  Der  ursprüngliche  Name 
wird  in  römischer  Zeit  vielfach  sowol  in  griechischer  Prosa  als  in 
lateinischer  Poesie  beibehalten.")  Von  der  oskischen  Periode  schweigt 
die  Ueberheferung.  Aber  die  Karte  lehrt  uns  dafs  die  phlegraeische 
Bergfestung  (S.  720)  in  der  Mitte,   wo  die  Strafse  von  Capua  ein- 

1)  An  ihr  spielt  die  Erzählung  Petron  62. 

2)  Aetna  431  Petron  120,67  Sil.  h.  XII  133. 

3)  Ausdrücklich  benannt  nur  Streb.  V  246. 

4)  Liv.  XXIV  13  locus  munimento  qiioque  non  natura  modo  tutus. 

5)  Strab.  V  245. 

6)  Steph.  Byz.  norioXoi  Hieron.  a.  Abr.    1489  Fest.  72.  122  M.    Andere 
mythische  Ableitung  Gic.  ad  Att.  XIV  14,1  Sil.  It.  XII  159. 

7)  Pol.  III  91  Diod.  IV  22  V  13  Strabo  stets  Pausanias  Plutarch  o.a.;  von 
Dichtern  Lucilius  Petron  Statius  Silius. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.    II.  47 


738  Kapitel  XII.     Campanien. 

liiiift,  ihre  schwächste  Stelle  hat.  liier  mögen  die  Campaner  ein- 
gehrochen sein,  bevor  sie  den  Sturm  auf  das  starke  Kyme  wagten. 
In  der  That  scheint  Dikaearchia  als  Haupthafen  des  campanischen 
Bundes  die  früher  vermifste  Unabhängigkeit  erlangt  zu  haben.  Mit 
gutem  Grund  hat  man  ihm  die  zahlreichen  Silbermünzen  zugewiesen, 
welche  die  oskische  Aufschrift  Fistlns  daneben  zuweilen  die  grie- 
chische (DtazeUa  tragen,  desgleichen  Fistlus  als  gleichbedeutend 
mit  Piiteoli  erkannt. i)  Die  Römer  erklären  den  Namen  sei  es  von 
der  Mt^nge  der  hier  befindlichen  Quellen  als  Brunnenstadt,  sei  es 
vom  (.estank  des  Schwefelwassers.^)  Von  den  Schicksalen  der  Be- 
wohner hören  wir  bis  zum  hannibalischen  Kriege  nichts.  Nach  dem 
Abfall  Capua's  gelang  es  den  Römern  rechtzeitig  eine  Besatzung 
von  6000  Mann  nach  Puteoli  zu  werfen,  die  214  den  Angriff 
Hannibals  abschlug.  In  den  nächsten  Jahren  wie  im  ganzen  Ver- 
lauf des  Krieges  ist  der  Flafen  ihnen  von  wesentlichem  Nutzen  ge- 
wesen.3)  Sie  behandelten  ihn  als  Eigentum,  richteten  199  einen 
Zoll  ein  und  siedelten  194  eine  Colonie  von  300  Bürgern  an,  denen 
ein  Praefect  Recht  sprach. 4)  Da  das  Stadtgebiet  nur  einige  hundert 
Hektar  umfafst,  kann  nach  Ausstattung  der  Colonisten  für  die  alt- 
angesessene griechisch-oskische  Bevölkerung  wenig  Land  übrig  ge- 
blieben sein.  Diese  war  auf  Handel  und  Gewerbe  angewiesen  und 
wenn  Lucilius  Puteoli  ein  Abbild  von  Delos  dem  zu  seiner  Zeit 
blühendsten  Hafen  des  Reichs  benennt,  so  trifft  der  Vergleich  in 
mehr  als  einer  Beziehung  zu. 5)  Der  unruhige  Geist,  der  Seeleute 
und  Handwerker  im  Unterschied  von  Ackerbürgern  erfüllt,  hat  ge- 
legenthch  zu  inneren  Wirren  geführt,  die  das  Einschreiten  der 
Staatsgewalt  nötig  machten. 6)  Er  ihut  sich  in  nachbarlicher  Feind- 
schaft gegen  Capua  kund  (S.  706).  In  den  grofsen  Verwicklungen 
ergreift  er  Partei  für  den  Herrn  der  See,  hält  demzufolge  49  zu 
Pompeius,  43  v.  Chr.  zu  Brutus  und  Cassius,  70  n.  Chr.  zu  Vespa- 
sian.'O     Nero  verlieh  der  Stadt  60  den  Rang  einer  Colonie  den  sie 

1)  Mommsen,  Unterit.  Dial.  105.  201.  309. 

2)  Varro  LL.  V  25  Fest.  218.  19  M.  Strab.   V  245  Steph.  Byz.  Jixaia^xeia 
Plin.  XXXI  4.  3)  Liv.  XXIV  12.  13  XXV  20.  22  XXVI  17  XXX  21. 

4)  Liv.  XXXII  7  XXXIV  45  Strab.  V  245  Vell.  I  15  Fest.  233  M;  das  Jahr 
der  Gründung  wird  durch  CIL.  X  1781   bestätigt. 

5)  Bei  Fest.  122  inde  Dicarchitum  populos  Delumque  minorem  fr.  III  18 
L.  iMüller. 

6)  Piut.  Sulla  37  Val.  Max.  IX  3,8;  Tac.  Ann.  XIII  48  Cic.  de  leg.  agr.  II  86. 

7)  Cic.  Tusc.  I  86  in  Vatin.  12  Phil.  II  107  Tac.  Bist.  III  57. 


§  3.     Die  Seestädte.  739 

in  der  Zwischenzeit  eingebilfst  halte,  und  den  Namen  colonia  Nero- 
nensis  Clandia  Augusta  Puteolorwn,  der  nach  seinem  Sturz  in 
Flavia  Augusta  umgewandelt  wurde J)  Bei  derselben  Gelegenheit 
erhielt  sie,  so  scheint  es,  zum  Lohn  für  ihre  Parteinahme  gegen 
Vitellius  einen  Capua  abgenommenen  Landstrich  der  ihr  bisheriges 
Gebiet  vervielfachte  (S.  706). 

Da  Puteoli  bei  der  Besitzergreifung  um  200  v.  Chr.  der  einzige 
römische  Hafen  am  Golf  von  Neapel  war,  insofern  Misenum  dem 
Hinterland  zu  fern  lag,  hat  die  Staatsverwaltung  sein  Emporkommen 
Neapel  gegenüber  nach  Kräften  begünstigt.  Der  Hafen  war  so 
sicher  und  war  mit  so  vorzüglichen  Anlagen  ausgerüstet  dafs  nach 
Born  bestimmte  Beisende  es  vorzogen  in  Puteoli  statt  in  Ostia  zu 
landen.2)  Desgleichen  wurde  ein  grofser  Theil  der  Einfuhr  hier 
gelöscht  um  in  den  campanischen  Fabriken  verarbeitet  zu  werden. 
Es  kam  dahin  dafs  Puteoli  trotzdem  der  Abstand  auf  der  appischen 
Strafse  155  Millien  betrug,  als  der  Haupthafen  Boms  betrachtet 
werden  konnte.3)  Gerade  wie  in  Ostia  (S.  569)  wog  die  palati- 
nische  Tribus  unter  den  Bewohnern  vor,  wie  dieses  erhielt  es 
eine  Cohoite  Feuerwehr  zum  Schutz  gegen  Brandschaden. *)  Im 
2.  Jahrhundert  v.  Chr.  entfaltet  sich  seine  Blüte  s),  wird  durch 
die  zunehmende  Versandung  der  Tibermündung  befördert  und 
beginnt  nach  dem  neuen  Aufschwung  den  Ostia  durch  die 
Schöpfung  von  Portus  nahm  (S.  568)  zu  welken.  Bereits  105  v. 
Chr.  hatte  es  einen  Tempel  des  Serapis  aufzuweisen^):  ein  Be- 
weis dafs  die  aus  Papier  Glas  Linnen  Teppichen  Korn  Aegyptens, 
Gewürzen  und  Kostbarkeiten  Indiens  bestehende  alexandrinische 
Einfuhr  auf  den  31arkt  von  Puteoli  gelangte.^)  Es  war  ein  Ereig- 
nifs  und  die  iMenge  drängte  sich  auf  den  Molen ,  wenn  Schnell- 
segler erspäht  wurden  als  Vorboten  des  nachfolgenden  Convois  der 
Lastschiffe.  Die  Alexandriner  allein  genossen  das  Vorrecht  die  Top- 
segel  innerhalb   des  Golfs   beibehalten   zu  dürfen,   daran  erkannte 


1)  CIL.  X  1  p.  182  Rendiconti  de'  Lincei  VI  (1897)  389  Tac.  Ann.  XIV  27. 

2)  Cir.  pro  Cael.  23  pro  Plane.  65    Apostelgesch.  28,13  Philo  in  Flacc. 
533  M.  Sueton  Tit.  5. 

3)  Strab.  V  231.  245. 

4)  Sueton  Claud.  25  Petron  78,  Inschriften  von  Vigiles  fehlen. 

5)  Pol.  JII  91,2  Stat.  Silv.  III  5.75  Dicarchei  portus  et  litora  mundi  hot- 
pila  vgl.  738  A.  5. 

6)  CIL.  X  1781. 

7)  Cic.  pro  Rabir.  Post.  40  Sueton  Aug.  98  Strab.  XVII  793. 

47* 


740  Kapitel  XII.     Campanien. 

man  sie  von  NVeiteni ,  Andere  inulsten  sie  an  der  Durchlahrt  bei 
Capri  senken:  eine  Vorschrilt  römischer  Seepolizei  deren  Sinn  un- 
erlindlich  sciieint. ')  Alcxandria  sieht  obenan.  Die  übrigen  Handels- 
städte des  Ostens  sind  gleichlalls  durch  zahlreiche  und  begüterte 
Angehörige  vertreten,  so  Tyros  Kibyra  Berytos  HehopoHs.'^)  Das 
Denkn)al  ^velches  14  asiatische  Slädle  30  n.  Chr.  dem  Kaiser  Tiberius 
zum  Dank  für  seine  Freigebigkeit  in  Rom  errichteten,  wiederholten 
die  Augustalen  von  Puteoli  wegen  ihrer  Beziehungen  zu  den  ge- 
nannten Slädteu.3)  Nach  den  Grabschritlen  und  namentlich  den 
Culten  zu  schliel'sen  mula  das  orientalische  Element  sich  bemerk- 
bar genug  geniacht  haben,  um  die  Bezeichnung  urbs  Graeca  im 
Roman  Feirons  zu  rechtrertigen.4)  Das  Hauptgeschäft  wird  mit  der 
Levante  gemacht. &)  Daneben  ist  der  aliicanische  und  spanische 
Verkehr  sehr  bedeutend,'')  Zur  Ausfuhr  lieferte  das  Hinterland  vor 
allen  Dingen  Wein;  von  anderen  Artikeln  in  denen  er  speculirt 
hatte,  nennt  Trimalchio  Speck  Bohnen  Salbe  Sklaven.')  Die  Ge- 
werbthätigkeit  kann  nicht  gering  gewesen  sein.  In  Puteoli  wurde 
das  treiniche  Eisen  Elba's  verarbeitet^),  wurde  Färberei  und  Be- 
reitung von  Farben  mit  bestem  Erfolg  betrieben. y)  Ferner  trägt 
die  Puzzolana,  der  vulkanische  Sand  der  dem  Kalkmörtel  eine  un- 
verwüstliche Bindekraft  verleiht,  seinen  Namen. lO)  Sie  kommt  am 
Vesuv  und  den  phlograeischen  Hügeln  wie  an  vielen  anderen  Orten 
vor;  ihre  hervorragenden  Eigenschaften  lernte  man  aber  erst  an 
den  puteolanischen  Wasserbauten  kennen 'i)  und  führte  sie  von 
diesem  Hafen  aus:  so  allein  läfsl  sich  die  Benennung  befriedigend 
erklären. 

Wie  in  Colonien  üblich  hiefsen  die  obersten  Beamten  Duovirn. 


1)  Seneca  Ep.  77,1  Cic.  pro  Caelio  23. 

2)  Kaibel  Inser.  Gr.  830.  31  829  CIL.  X  1576.  78.  79  1634. 

3)  CIL.  X  1624. 

4)  Pelron  81. 

5)  CIL.  X  1797  fafst  zusammen  mercatores  qui  Alexandreai  Asiat  Syriai 
negotiantur. 

b)  Strab.  111  145  Philostr.  Ap.  Tyan.  VII  11  p.  134  Plin.  VIII  6  Cic.  Verr. 
V  154  fg. 

7)  Pelron  76. 

8)  Diod.  V  13  CIL.  X  1931  neguLialur  ferrariaruni  et  vinariariae. 

9)  Plin.  XXXIII  106.  161.  62  XXXV  45    CIL.  X  1952.  62  540.    Auch   der 
syrische  beidenweber  Kaibel  785  wird  nach  Puteoli  gehören. 

10)  Zuerst  Seneca  Nat.  Qu.   III  20,3   Plin.  XVI  202  XXXV  166   XXXVI  70. 

11)  Strab.  V  245  Plin.  XXXVI  70. 


§  3.     Die  Seestädte.  741 

Die  Zahl  der  Stadtrate  war  grofs,  wurden  doch  hei  einem  Ehren- 
heschlufs  92  Anwesende  ermittelt,  i)  Immerhin  begreift  man  aus 
dem  Charakter  der  Stadt  und  dem  raschen  Wechsel  der  in  der 
Gesellschaft  der  Kaiserzeit  sich  vollzieht  (S.  126),  wenn  der  zweite 
Stand  den  Adel  in  den  Hintergrund  drängt.  Die  Augustalen  haben 
Corporationsrecht,  zerfallen  in  Decurien,  kennen  unter  sich  dupli- 
ciarti  die  den  andern  vorgehen  ähnlich  wie  Geheime  Commerzien- 
räthe  den  gewöhnlichen. 2)  Neben  den  orientalischen  Culten  zu 
denen  Juden-  und  Christentum  gehören  3),  ist  nichts  den  Geist  der 
Bevölkerung  zu  kennzeichnen  geeigneter  als  die  Thatsache,  dafs  ein 
Bürger  dem  lebenden  Augustus  den  prächtigen  Tempel  errichtet 
hat,  der  in  der  heutigen  Kathedralkirche  erhalten  ist.^)  Das  Protzen- 
tiim  dieser  Kreise  schildert  Petron  in  ergötzlicher  Weise,  ohne  zu 
verschweigen  dafs  doch  auch  Kunst  und  Wissenschaft  ihre  Bechnung 
fanden. 5)  Dafür  fehlt  es  nicht  an  weiteren  Belegen. 6)  Gelehrte 
und  gebildete  Männer  nahmen  in  Puteoli  Aufenthalt:  Cicero  u.  a. 
besafs  ein  Landhaus,  .in  dem  später  Kaiser  Hadrian  vorläufig  be- 
stattet ward.'')  —  Ansehnliche  Ueberreste  bekunden  den  Glanz  und 
die  Gröfse  der  alten  Stadt.  Den  Kern  bildete  der  vorspringende 
Tuffhügel  (S.  737)  von  wenig  mehr  als  1  km  Umfang,  auf  den  das 
mittelalterliche  Pozzuoli  sich  zurückgezogen  und  Dikaearchia  sich 
beschränkt  hatte.  Der  natürliche  Schutz  den  der  Stadthügel  den 
Schiffen  gewährt,  wird  zwar  in  Misenum  übertroffen,  aber  in  keiner 
anderen  Bucht  des  Golfs  von  Neapel  erreicht.  Er  wurde  durch 
Bauten  verstärkt  welche  die  Aufmerksamkeit  der  Alten  fesselten  und 
die  ihnen  gezollte  Bewunderung  wol  verdienten.*)  Nach  Westen 
war  ein  11 — 16  m  breiter  Molo  386  m  weit  ins  Meer  hinaus  ge- 
führt: so  viel  ist  nachweisbar,  wahrscheinlich  war  er  noch  länger. 9) 
Man   unterscheidet   16   massige    Pfeiler   (bis  16  m   im  Geviert)    die 


1)  CIL.  X  1783. 

2)  CIL.  X  l  p.  183. 

3)  CIL.  X  2258  Apostelgesch.  28,14. 

4)  CIL.  X  1613. 

5)  Petron  83.  88. 

6)  Plin.  IX  25  Gell.  N.  A.  XVIII  5  Steph.  Byz.  Jtx.  Sueton  Rel.  40  Reiff. 

7)  Cic.  ad  Farn.  V  15,2  ad  Alt.  XIV  16,1  20,1    XV  la,2  1  b,l    de  Fato  2 
Vita  Hadr.  25  Philostr.  Ap.  Tyan.  VII  11  p.  133. 

8)  Antiphilos  von  Byzanz  Anlh.  Pal.  VII  379  Dueb.  Strab.  V  245. 

9)  pilae  Seneca  Ep.  77,1  Glasgefäfse,   opus  pilarum  CIL.  X  1641,  Puteo- 
lanae  moles  Sueton  Cal.   19. 


742  Kapitel  XII.    Campanien. 

durch  jetzt  eingestürzte  Bogen  verbunden  waren:  die  Ocffnungen 
sollten  der  Verschlammung  des  Hafens  vorbeugen.  Die  an  den 
Pfeilern  befindlichen  Ringe  zum  Festmachen  der  Schiffe  sind  in 
Folge  der  Senkung  der  Küste  (I  290)  jetzt  2  m  unter  Wasstr. 
Durch  die  Flut  zerstört,  wurde  der  Molo  noch  einmal  139  n.  Chr. 
hergestellt.')  Von  hier  erstreckt  sich  nach  Westen  der  gegen  2  km 
lange  Staden  (ripa)  mit  seinen  Hallen  Speichern  und  Docks. 2)  Ein 
redendes  Zeugnifs  von  der  Pracht  der  Anlagen  steht  uns  im  Ma- 
cellum  (sog.  Serapislempel)  einer  Markthalle  von  45  X  38,5  m  vor 
Augen,  von  dem  früher  in  anderem  Zusammenhang  (I  290)  gesprochen 
ward.  Unförmliche  Trümmer  am  und  im  Wasser  fassen  das  ganze 
Ufer  ein.  Dies  ist  das  Emporium  die  Geschäftsgegend  von  Puteoli.-*) 
Freilich  keineswegs  die  einzige:  um  den  Anlegeplatz  zu  vermehren 
ist  südlich  vom  grofsen  Molo  ein  kleiner  von  80  m  Länge  erbaut, 
namentlich  aber  südlich  vom  Stadtfelsen  durch  Pfeiler  eine  ge- 
schützte Fläche  von  2  ha  umhegt  worden.  Es  trifft  also  zu  wenn 
die  Alten  von  puteolauischen  Häfen  reden. *)  Unter  den  Sehens- 
würdigkeiten dieser  Küste  führen  die  Glasgefäfse  den  sonst  nirgends 
erwähnten  Leuchtthurm  auf;  er  wird  einen  Vorsprung  des  Stadt- 
hügels eingenommen  haben.  Wie  über  den  Strand  breitet  sich  die 
mächtig  anwachsende  Stadt  auch  landeinwärts  auf  den  Hügeln  aus 
etwa  2  km  von  Ost  nach  West  reichend.  Ummauert  wurde  sie 
nicht  und  war  in  Folge  dessen  den  späteren  Angrifl'en  der  Bar- 
baren wehrlos  preisgegeben.  Sie  war  in  Regionen  eingetheilt:  von 
vier  kennen  wir  den  Namen,  s)  Sie  erhielt  durch  zwei  Leitungen 
Wasser:  die  eine  unterirdische  kommt  von  Norden  und  versorgt 
noch  jetzt  Pozzuoli,  die  andere  vermittelt  das  Wasser  des  Serino 
der  ganzen  Küste  von  Neapel  bis  Misenum.  Mancherlei  ötfentliche 
Gebäude  wie  Thermen  Basiliken  Tempel  sind  uns  aus  Inschriften 
undUeberresten  bekannt.  Erwähnung  verdient  derCircus(375X45  m) 
am   westlichen   Ende   der  Stadt   und   das   dem   capuanischen  nach- 

1)  CIL.  X  1641. 

2)  Cic.  Acad.  II  80  porticus  Neptuni,  Petron  106  porticus  HereuUs,  Cic. 
Fin,  II  84  granaria,  Plin.  XXXVI  70  naoalia,  CIL.  X  1690—92  und  Glasge- 
fäfse ripa. 

3)  Cic.  ad  Alt.  V  2,2  CIL.  X  1698. 

4)  Strab.  V  245  Stat.  Silv.  IV  8,7. 

5)  Petron  78  CIL.  X  1700  r.  Palalina  1695  r.  portae  triumphalis  1631 
r.  vici  yesloriani  et  Calpurniani;  (1680  gehört  nach  Neapel);  Eph.  ep.  Vlil 
365  r.  clivi  vilriari  sive  vici  turari. 


§  3.    Die  Seestädte.  743 

Stehende  aber  sehr  stattliche  Amphitheater  (147  X  117  m  Arena 
72  X  42  m)  nach  der  Solfalara  zu.  Die  Bauten,  die  Gräberstralseu, 
(S.  737),  die  Inschriften  (etwa  1800  lateinische,  einige  30  griechi- 
sche) entsprechen  nach  antikem  Mafsstab  einer  Grofssladt  die  hinter 
einer  Einwohnerzahl  von  100000  nicht  allzuweit  zurück  gehHeben 
sein  kann.  Ihre  Höhe  erreicht  sie  unter  Claudius  und  Nero,  wurde 
alsdann  durch  Ostia  völlig  überholt  und  sank  ziemlich  schnell. i) 
Der  Bettelbrief  den  die  ansässigen  Tyrier  174  n.  Chr.  an  ihre  Hei- 
mat richten^  führt  uns  den  Fortschritt  des  Verfalls  vor  Augen.2) 
Zum  Unterhalt  der  Bürgerschaft  mufste  die  Mildthätigkeit  des  Kaisers 
beisteuern;  doch  zwang  die  Not  der  Zeit  im  4.  Jahrhundert  mehr- 
fach zur  Verminderung  der  ausgeworfenen  Kornspenden. 3) 

Das  Stadtgebiet  war  im  Osten  ebenso  beschränkt  wie  im  Westen; 
denn  der  collis  Leiicogeus  den  Augustus  den  Capuanern  für  ihre 
Graupenfabriken  schenkte  (S.  706),  sowie  die  colles  Leucogei  mit 
Schwefeladern  und  Heilquellen  gehörten  zu  Neapel.^)  Dafs  der 
Name  an  den  Höhen  um  Astroni  und  Solfatara  haftet  und  von  dem 
durch  die  Gase  entfärbten  Gestein  herrührt,  unterliegt  keinem 
Zweifel.  Für  die  Anfänge  Neapels  ist  die  Thatsache  bedeutungsvoll 
dafs  seine  Feldmark  bis  2  km  oder  näher  an  Puteoli  heranreichte. 
Die  Entfernung  beider  Städte  wird  in  den  Reisebüchern  zu  10  Mil- 
lien  angesetzt,  ö)  Der  150 — 200  m  hohe  Rücken  der  das  phle- 
graeische  Land  nach  Osten  abschhefst  (S.  720),  fällt  jäh  ab  und 
stellt  ein  sehr  lästiges  Verkehrshindernifs  dar.  Von  den  3  Slrafsen 
die  es  überwinden,  läuft  die  eine  landeinwärts  zwischen  Solfatara 
und  M.  Olibano  hindurch,  nördlich  um  den  1870  ausgetrockneten 
Kratersee  von  Agnano,  steigt  nach  Soccavo,  über  den  Vomero  (200  m) 
nach  Antignano ,  nördUch  an  S.  Elmo  (224  m)  vorbei  nach  Porta 
di  Costantinopoli.  Die  Strafse  ist  nach  den  Meilensteinen  102  n.  Chr. 
erbaut  und  10  Millien  lang. 6)  Die  beiden  anderen  ziehen  vereinigt 
4  km  am  Strande  hin  bis  Bagnoli,  wo  nach  Nordost  eine  4  km  lange 
Ebene  sich    öffnet.     Die  Hauptstrafse   folgt  der  Ebene  und  durch- 


1)  Petron    44  haec  colonia  retroversus  crescit  tanquam  coda  vituli. 

2)  Kaibel  Inscr.  Gr.  830. 

3)  CIL.  X  1562  Symmach.  Ep.  X  40  unter  Constantin  150  000  Modii,  während 
das  freilich  weit  mehr  begünstigte  Rom  etwa  5  Millionen  erhielt  (S.  528) 

4)  Plin.  XVllI  114  XXXI  12  XXXV  174  Stobaeos  Anth.  III  p.  244  Mein. 

5)  It.  Ant.  123  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  CIL.  X  1  p.  702 fg. 

6)  CIL.  X  6926—28. 


744  Kapitel  XII.    Campanien. 

bricht  den  einer  Mauer  gleich  sperrenden  Bergrücken  vermittelst 
eines  Tunnels  von  707  m  Länge  3 — 4  m  Breite  3 — 5  m  Höhe  (in 
der  Neuzeit  auf  das  Doppelte  und  mehr  erweitert,  seit  1885  durch 
die  734  m  lange  neue  Grotte  ersetzt).  Die  andere  Strafse  bleibt 
von  Bagnoli  aus  an  der  Küste  und  führt  unter  der  Spitze  des  Po- 
sihp  in  der  sog.  Grotta  di  Seiano,  einem  770  m  langen  4 — 6  m 
breiten  4 — 8  m  hohen  Tunnel  hindurch.  Sie  wurde  im  4.  Jahr- 
hundert erneuert,  wie  der  bei  La  Gaiola  gefundene  7.  Meilenstein 
bezeugt.  1)  Da  sie  den  Windungen  der  Küste  folgt,  beträgt  der 
Umweg  der  binnenländischen  gegenüber  2  Milben.  Beide  stofsen 
wieder  an  der  Chiaia  7  bezw.  9  Millien  von  Puteoli  zusammen. 
Die  Reisekarle  verzeichnet  die  eine  wie  die  andere  crypta,  Strabo 
kennt  nur  eine  und  schreibt  sie  Cocceius  dem  Erbauer  des  Tunnels 
von  Cumae  (S.  735)  zu. 2).  Wenn  er  ihr  ferner  doppelte  Wagen- 
breite und  zahlreiche  Lichtschachte  beilegt,  so  trifft  dies  allein  auf 
die  Grotta  di  Seiano  zu,  da  die  andere  keine  Lichtschachte  und 
kaum  die  verlangte  Breite  hatte.  Es  ist  auch  ganz  verständlich  bei 
den  ausschliefslich  für  Kriegszwecke  bestimmten  Anlagen  des  J. 
37  V.  Chr.,  wenn  die  Verbindung  unmittelbar  an  der  Küste  durch 
einen  Tunnel  erleichtert  wurde.  Der  andere  dagegen  bei  Fuori- 
grotta  der  im  Leben  Neapels  bis  in  die  jüngste  Zeit  eine  so  grofse 
Rolle  gespielt  hat,  kürzte  den  Verkehr  ab  und  drängte  jenen  in 
den  Hintergrund.  Er  ist  mit  geringeren  Mitteln  ausgeführt,  etwa 
unter  Claudius:  auf  ihn  pafsl  Seneca's  Beschreibung  der  crypta 
Neapolitana.^)  —  Seinen  Namen  hat  der  Bergrücken  die  letzten 
3  Millien  bis  zur  Spitze  von  Pmisüypum  Sorgenfrei,  einer  Villa  des 
Fischzüchters  Vedius  I'oUio  erhalten ,  die  durch  Vermächtnifs  an 
Augustus  kam  und  seitdem  kaiserlicher  Besitz  war.^)  Das  Cap 
Coroglio  in  dem  der  Posilip  endigt,  begrenzt  den  Busen  von  Pu- 
teoli; es  wird  fortgesetzt  durch  kleinere  Klippen  und  bei  800  m 
Abstand  Nesis  Nisida  einen  runden  Krater. s)  Der  Nordrand  steigt 
109  m  auf,  der  Südrand  ist  eingesunken  und  läfst  das  Meer  in  den 
Porto  Paone  eintreten.     Auch   an  der  Landseite  war  durch  Pfeiler 


1)  CIL.  X  1488.  6930. 

2)  Strab.  V  2.45.  46. 

3)  Seneca  Ep.  57  Petron  fr.  16  Buech.  Geogr.  Rav.  V  2. 

4)  Dio  LIV  23  Plin.  III  82  IX  167  CIL.  X  1488.     Der  Name  begegnet  auch 
am  Sabatiner  See  (S.  353). 

5)  Seneca  Ep.  53,1 ;  über  die  hier  erwähnte  Mofetta  I  252  A.  2. 


§  3.    Die  Seestädte.  745 

nach  Art  der  putcolanischen  ein  geschützter  Ankerplatz  geschaffen. 
Wie  gegenwärtig  auf  der  Höhe  ein  Zuchthaus,  ragte  einst  ein  Park 
weithin  sichtbar  über  den  Golf.i)  Das  Gut  war  durch  seinen  wilden 
Spargel  berühmt.2)  Brutus  hatte  im  Juli  44  auf  ihm  Zuflucht  ge- 
nommen ;  Nesis  geborte  damals  dem  Lucullus.3)  Auf  dem  gegen- 
über liegenden  Festland  sind  mancherlei  Trümmer,  jenseit  des 
Tunnels  z.B.  ein  kleines  Theater  und  Odeon  vorhanden.  Die  Ab- 
hänge des  Posihp  nach  Osten  dem  Meer  zu  sind  minder  schroff  als 
auf  der  Westseite  und  daher  zum  Anbau  geeignet.  —  Jenseit  Fuori- 
grotta  breitet  sich  der  schmale  Rücken  des  Posilip,  der  die  Rich- 
tung von  SSW  nach  NNO  eingehalten  hatte,  plateauarlig  aus.  Auf 
einer  Sehne  von  nahezu  3  km  zieht  der  flache  Bogen  des  Vomero 
(166  m)  gen  Osten  bis  zum  Knotenpunct  von  S.  Elmo  (224  m). 
Letzterer  entsendet  nach  Süden  einen  steilen  Ausläufer  von  1  km 
Länge,  den  Pizzofalcone;  dieser  wird  seinerseits  durch  eine  Klippe 
fortgesetzt,  die  nach  ihrer  Gestalt  Castel  dell'  Ovo  heifst,  bei  den 
Alten  Megaris  oder  Megalia  hiefs.^)  Die  Villen  die  den  Bogen,  die 
heutige  Mergellina  und  Chiaia  ausfüllten  s),  wurden  überstrahlt  durch 
die  grofsartigen  Anlagen  und  Fischteiche  des  Lucullus  die  an  beiden 
Seiten  des  Pizzofalcone  sich  weithin  erstreckten. 6)  Sein  IN'ame  lebte 
im  castellum  Lncullannm  fort,  wohin  Odoaker  476  den  Romulus 
Augustulus  verbannte,  das  später  mehrfach  erwähnt  wird  und  den 
Pizzofalcone  nebst  Umgebungen  bezeichnet.^)  Von  S.  Elmo  bis 
Capodimonte  (152  m)  auf  einer  Sehne  von  nahezu  3  km  beschreibt 
der  Höhenzug  wieder  einen  nach  Ostsüdost  geöffneten  Rogen,  der 
das  alte  Neapel  im  Westen  und  Norden  steil  überragt,  während  an 
der  Aufsenseite  die  Höhen  von  Capodimonte  nordwärts  nach  der 
campanischen  Ebene  sich  abdachen,  die  Höhen  von  S.  Elmo  west- 
wärts mit  Camaldoli  und  dem  Krater  von  Pianura  zusammenhängen. 
Obwol  aufserhalb   des  Schutzes  der   phlegraeischen    Rergwälle 


1)  Stat.  Silv.  III  1,148. 

2)  Plin.  XIX  146. 

3)  Gic.  ad  Att.  XVI  1,1  2,3  3,6  4,1  Phil.  X  8. 

4)  Plin.  III  82  Stat.  Silv.  II  2,80. 

5)  lieber  Limon   und  Euploea   (La  Gaiola?)   Staf.   Silv.  lil  1,149  2,79.  82 
vgl.  Mommsen  Herrn.  XVllI  158,  anders  Beloch  Camp.  83.  466. 

6)  Gic.  Acad.  prior.  II  9  Varro  RR.  III  17,9  Men.  160  Buech.  Plin.  IX  170 
Plut.  Luc.  39,3  Vell.  II  33. 

7)  Marc,   comes   ehr.   min.  II  91  Jordanes   Rom.  344  Gel.  243   Gregor  M. 
Registr.  I  23  III  1  X  7  Eugipp.  v.  S.  Severin.  46,2. 


746  Kapitel  XII.     Campaiiien. 

gelegen ,  galt  Neapel  nicht  niintler  als  Kyme  (S.  721  A.  3)  für 
eine  starke  Festung.  Weder  König  Pyrrhos  noch  Hannibal  haben 
sich  getraut  sie  zu  belagern.')  Belisar  machte  536  die  Erfahrung 
dafs  ihre  Mauer  theils  durcli  das  Meer  theils  durch  die  Bodenge- 
staltUDg  geschützt  und  wegen  der  Abschüssigkeit  nirgends  ersteig- 
bar sei.2)  Die  bauliche  Entwicklung  der  letzten  vier  Jahrhunderte 
hat  die  Schärfe  der  Umrisse  verwischt,  doch  läfsl  sich  der  Zug  der 
antiken  Mauer,  ihr  Verhältnifs  zur  Umgebung,  die  Anordnung  der 
Slrafsen  innerhalb  der  heutigen  Altstadt  (Ost  vom  Toledo)  noch 
nachweisen. 3)  —  Das  Weichbild  der  Stadt  wird  im  Osten  durch 
den  am  Fufs  des  M.  Somma  entspringenden  kleinen  Sebethus  Fiume 
della  Maddalena  begrenzt,  der  mit  mehreren  anderen  Bächen  eine 
ehedem  sumpfige  Niederung  durchtliefst.^)  Von  der  Mündung  bis 
zum  Eiland  Megaris  beträgt  der  gerade  Abstand  3  km:  auf  dieser 
Sehne  wülbt  sich  ein  Bogen  von  1  km  Scheitelhühe.  Der  Bogen 
drang  ehedem  30 — 50  m  tiefer  ein,  um  welchen  Betrag  das  Ufer 
vorgerückt  ist:  indessen  konnte  sich  die  offene  Rhede  entfernt  nicht 
mit  den  sicheren  Häfen  von  Puteoli  und  Misenum  messen.  2 — 300  m 
von  der  Uferlinie  erhebt  sich  über  den  tlachen  Strand  eine  Boden- 
schwellung,  die  an  der  Nord-  Ost-  und  Südseite  durch  einen  Ab- 
fall von  10 — 20  m  (im  Westen  weniger)  gedeckt  und  für  eine  Stadt- 
anlage vorzügUch  geeignet  war.  Der  Umfang  der  Mauer  mifst  rund 
4  km,  der  Durchmesser  von  West  nach  Ost  1200  m  von  Nord  nach 
Süd  825  m.  ihr  Lauf  steht  ziemlich  fest,  bis  auf  die  Westseile  wo 
der  Uebergang  nach  dem  Toledo  hin  minder  deutlich  sich  vollzog. 
Die  Nordseite  reicht  von  S.  Maria  di  Costantinopoli  dem  Museum 
gegenüber  bis  SS.  Apostoli:  der  Largo  delle  Pigne  (Piazza  Cavour) 
und  Strada  S.  Carlo  all'  Arena  liegen  merklich  tiefer  als  diese  Linie, 
sind  zudem  seit  dem  Altertum  um  10 — 20  m  aufgefüllt  worden. 
In  gleicher  Weise  kennzeichnet  nach  Osten  die  Str.  Carbonara  als 
äufsere  Ringstrafse  den  Gang  der  Mauer  von  SS.  Apostoli  bis  Gaste! 
Capuano.     Die  Mauer  durchschneidet  das  Gastell,  überragt  die  Str. 


1)  Zonar.  VllI  4  Liv.  XXIII  1.  14.  15  XXIV  13. 

2)  Prokop  b.  Golh.  1  8.  10  111  8. 

3)  Beloch  Campanien  62 fg.  vgl.  Capasso  Plan  von  Neapel  im  11.  Jahih. 
Archivio  storico  nap.  XVI  fg.  der  Plan  XVII  (1892). 

4)  Auf  einer  Münze  ^ensid-oe  (mit  aiqnaiv  und  dem  Sumpf  zusammen- 
hängend?) Verg.  Aen.  VII  734  Colum.  X  134  Stat.  Silv.  I  2,263  Vib.  Seq. 
CIL.  X  14S0. 


§  3.    Die  Seestädte.  747 

della  Maddaleiia  und  biegt  in  südwestlicher  Richtung  nach  dem  Vico 
Sopramuro  und  S.  Agostino  alla  Zecca  um.  Im  Süden  ist  der 
Unterschied  zwischen  Stadt  und  Strand  besonders  fülilbar,  da  mehr- 
fach Treppen  ihn  ausgleichen  müssen.  Die  Mauer  schmiegt  sich 
dem  ausgezackten  Hochrand  eng  an,  von  S.  Agostino  alla  Zecca  über 
S.  Seveiino,  S.  Marcellino,  Universität,  S.  Giovanni  Maggiore  nach 
S.  Maria  la  Nuova  ziehend.  Endlich  an  der  Westseite  dienen  von 
S.  Maria  la  Nuova  ab  die  Str.  Montoliveto,  S.  Pietro  a  Maiella  und 
die  Str.  S.  3Iaria  di  Costanlinopoli  als  Hauptpuncte  um  den  Gang 
zu  bestimmen.  Das  ursprüngliche  Strafsennetz  ist  in  der  Haupt- 
sache erhalten.  Nur  3  parallele  Decuraani  durchziehen  die  Stadt 
von  Ost  nach  West  und  theilen  sie  in  4  annähernd  gleiche  Viertel: 
nämlich  Str.  della  Sapieuza  Anticaglia  SS.  Apostoli ;  Str.  de'  Tribu- 
nali; Sir.  S.  Trinilä  Kilo  S.  Biagio  de'Librai  Forcella.  Diese  werden 
rechtwinklig  von  einigen  20  Kardines  geschnitten,  so  dafs  der 
Wohnraum  100  oder  mehr  lange  schmale  Häuserblocke  enthält. 
Von  späteren  Erweiterungen  abgesehen,  scheinen  alle  Strafsen  ur- 
sprünglich die  gleiche  Breite  von  ungefähr  4  m  gehabt  zu  haben. 
Ihre  Anordnung  ist  durch  gesundheitliche  Rücksichten  bestimmt 
worden,  indem  man  den  Zutritt  der  Sumpfluft  von  Osten  vom  Se- 
bethos  her  möglichst  ausschlofs,  dagegen  dem  Seewind  die  ganze 
Stadt  öffnete.  Die  Allen  forderten  dafs  die  Strafseurichtung  mit 
den  wahren  Himmelsgegenden  und  den  herrschenden  Winden  nicht 
zusammen  fallen  dürfe,  i)  Auch  dies  Gebot  der  Theorie  ist  befolgt, 
da  die  Abweichung  vom  Meridian  26^  beträgt,  die  Kardines  also 
von  NNW  nach  SSO  streichen.  Ein  Vergleich  der  Altstadt  mit 
den  jüngeren  Stadttheilen  ist  geeignet  die  Vorzüge  ihrer  Bauweise 
die  auf  engem  Raum  ausreichende  Lüftung  mit  Schutz  gegen  Sonne 
und  Wind  zu  verbinden  weifs,  in  das  richtige  Licht  zu  rücken. 
Aus  dem  Thatbestand  ergiebt  sich  dafs  Neapel  mit  einem  Flächen- 
inhalt von  reichlich  100  ha  (anderlhalbmal  so  viel  wie  Kyme  oder 
Pompeji  S.  37)  nach  einheitlichem  Plan  der  an  die  Lehren  des 
Hippodamos  von  Milet  erinnert,  nicht  früher  als  450—40  v.  Chr. 
gegründet  sein  kann. 2)  Eben  dieser  Epoche  wird  die  älteste 
Münze  mit  der  zwischen  chalkidischem  und  ionischem  Alphabet  hin 

1)  Vitruv  1  6. 

2)  Die  von  Beloch  Camp.  70  angenommene  Uebereinslimmung  mit  dem 
Plan  von  Tliurioi  Diod  XII  10  ist  bei  unserer  ünkenntnifs  von  der  Zahl  und 
Lage  der  neapolitanischen  Thore  nicht  beweisbar. 


748  Kapitel  XII.     Campanien. 

und  her  scliwankenden  Aufschrift  NeoTtoXlrrjg  NerjTtokig  zuge- 
wiesen. Das  Gepräge  (Pallas  mit  Oelkranz)  deutet  auf  Beziehungen 
zu  Athen,  die  bis  zu  dessen  Niederlage  413  sehr  enge  gewesen 
sein  müssen.  Athener  beiheiligten  sich  an  der  Gründung,  433  oder 
32  erschien  ein  attischer  Strateg  und  richtete  in  Neapel  einen 
Fackellauf  ein,  es  warb  413  campanische  Söldner  für  die  Belagerung 
von  Syrakus.')  Dies  ist  ein  vereinzelter  Lichtstrahl  der  in  die 
Dunkelheit  der  älteren  Stadtgeschichte  fällt. 

Die  ,,neue"  Stadt  hatte  eine  Vorgängerin:  dafs  Kyme  den  Ost- 
rand der  phlegraeischen  Hügel  besetzte,  von  hier  aus  die  Ebene 
beherrschte  und  mit  den  Eingeborenen  Handel  trieb,  wird  über- 
liefert und  entspricht  der  Natur  der  Dinge.  Ferner  ist  der  Pizzo- 
falcone  mit  dem  Eiland  »egaris  der  gewiesene  Ort,  wo  man  eine 
frühe  Niederlassung  der  Kymaeer  annehmen  kann.  Ihr  Name  soll 
nag^evÖTCt]  gewesen  sein,  nach  einer  Sirene  die  in  aller  Folgezeit 
göttlicher  Ehren  genofs.2)  Als  sodann  Neapel  gegründet  ward, 
überflügelte  diese  Grofsstadt  kraft  ihrer  günstigen  Verkehrslage  das 
alte  Kyme  und  wurde  nach  dessen  Eroberung  durch  die  Campaner 
die  letzte  Zufluchtstätte  des  hellernschen  Stammes  an  den  aiisoni- 
schen  Gestaden  (S.  723).  Durch  Aufnahme  einer  campanischen 
Schar  in  ihren  Gemeindeverband  rettete  sie  ihre  Unabhängigkeit. 
Zeitweise  erscheint  auf  den  Stadtmünzen  der  Name  der  Eindring- 
linge KarCTtavog  oder  Ka/.i7tavo.^)  Es  ist  wol  möglich  dafs  diese 
Schar,  die  sich  von  der  campanischen  Nation  losgetrennt  hatte,  den 
Pizzofalcone  zum  Wohnsitz  erhielt.  Die  Annahme  würde  erklären 
warum  die  Annalen  328  eine  Palaepob's  neben  Neapel  kennen  und 
den  Consul  326  über  die  Samniten  von  Palaeopolis  triumphiren 
lassen;  denn  Campaner  waren  in  römischem  Munde  die  Leute  nicht 
und  die  Bezeichnung  Altstadt  ergab  sich  für  den  Pizzofalcone  von 
selbst.'*)  Wie  dem  auch  sei,  wir  sehen  Neapel  eine  kraftvolle  Poli- 
tik entfalten,  Ischia  und  Capri  besetzen  (S.  730),  in  die  sicilischen 


1)  Sfrab.  V  246  Timaeos  bei  Schol.  zu  Lykophr.  AI.  732  Diod.  XIII  44,2. 
Auch  die  Benennung  ^öXtiqov  Lykophr.  AI.  717  Steph.  Byz.  weist  nach  Athen. 

2)  Strab.  I  23.  26  V  246  XIV  654  Steph.  Byz.  Verg.  Georg.  IV  564  mit 
Schol.  Ovid  Met.  XV  712  Piin.  III  62  Soiin  2,9  Sil.  It.  VIII  534  XII  2S. 

3)  Dressel  Berliner  Katalog  70. 

4)  Liv.  VIII  22  fg.  Fast.  Gap.  Es  ist  zu  beachten  dafs  die  Gampaner  rö- 
mische Bürger  und  die  Neapolitaner  treue  Bundesgenossen  waren  in  der  Er- 
innerung der  ältesten  Annalisten. 


§  3.    Die  Seestädte.  74& 

Händel  eingreifen. i)  Gegen  den  canipanischen  Bund  und  dessen 
Wettbewerb  von  Puteoli  und  Cumae  aus  stützt  es  sich  auf  die  süd- 
liche Landschaft  und  Samnium.2)  Seine  Münze  beherrscht  den 
Verkehr  in  Campanien  und  Samnium.  —  Seitdem  Capua  römisch 
geworden,  war  ein  Zusamnienstofs  unvermeidHch.  ISach  kurzem 
Schwanken  schlössen  die  Hellenen  326  mit  Rom  ein  gleiches 
Bündnifs  ab,  an  dem  sie  in  der  schwersten  Bedrängnifs  mit  unver- 
brüchlicher Treue  lest  gehalten  haben. 3)  Neapel  behält  seine 
Sprache  und  Verfassung 4) ,  seine  Marine^),  Münze 6),  Asylrecht '), 
wüd  durch  den  Demetercullus  mit  der  Staatskirche  verbunden.*) 
Aber  der  Vorrang  als  erste  Handelsstadt  Miltelilaliens  den  es  im  4. 
und  3.  Jahrhundert  dem  oskischen  Puteoli  gegenüber  behauptet 
hatte,  geht  an  das  römische  verloren  (S.  739). '-^j  Von  den  Sulla- 
nern 82  duich  Verrat  genommen,  wird  es  grausam  bestraft. i'^')  ISach 
heftigem  Sträuben  halten  sich  seine  Bürger  zum  Eintritt  in  den 
römischen  Gemeindeverband  und  die  Tribus  Maecia  verstanden,  je- 
doch nicht  ohne  die  an  erster  Stelle  erwähnten  Vorrechte  mit  her- 
über zu  nehmen. 11)  Als  Municipium  12)  bedient  es  sich  noch  unter 
den  Flaviern  der  griechischen  Amisprache,  auch  wol  des  griechi- 
schen Kalenders  13),  die  Bürgerschaft  ist  nach  wie  vor  in  Phretrien 
eingetheilt  i*),  neben  den  römischen  Municipalbeamlen  kommen  De- 
marchen und  Laukelarchen  noch  im  4.  Jahrhundert  vor. i^)  Wenn 
das  Gedränge   semitischer  Handelsleute    im  Emporium   von    Puteoli 


1)  Diod.  XVI  18  Timaeos  Athen.  VI  250  d. 

2)  Liv.  VllI  22.  23  Appian  Sainn.  4,5. 

3)  Vell.    1  4   exijfiia   semper    in  Romanos  ftdes  Liv.  XXII  32  XXIII  1,   15 
XXIV  13  Plut.  iMarc.  10,1  Diod.  XXVI  13. 

4)  Strab.  V  246  vgl.  Cic.  pro  Atchia  5.  10. 

5)  Pol.  I  20,14  Liv.  XXXV  16  XXXVI  42  Appian  b.  civ.  I  89. 

6)  Mommsen  Münzwesen  p.  115.  117.  325. 

7)  Pol.  VI  14,8. 

8)  Cic.  pro  Balbo  55. 

9)  Der  Hafen  wird  noch  ISO  erwähnt  Liv.  XL  41. 

10)  Appian  b.  civ.  I  89. 

11)  Cic.  pro  Balbo  21  CIL.  X  1  p.  171. 

12)  Cic.  ad  Farn.  XIII  30,1  ad  Att..X  13,1. 

13)  Kaibel  Inscr.  Gr.  757 — 60. 

14)  Von  9  sind  die  Namen  bekannt  Kaibel  p.  191. 

15)  CIL.  X  1492.  Mit  der  Gleichstellung  von  Demarch  (Hadrian  bekleidet 
die  Würde,  vita  19)  und  Duovir  ist  Kaibel  756  a  unvereinbar.  Was  die  Lau- 
kelarchie  betrifTt,  so  sind  Wort  und  Sinn  beide  dunkel  Kaibel  p.  191. 


750  Kapitel  XII.     Campanien. 

Potron  wol  den  Anlafs  gewäliren  konnte  von  einer  Graeca  urbs  zu 
sj)rechen  (S.  740),  so  traf  die  Bezeichnung  auf  Neapel  im  wahren 
Sinne  des  Wortes  zu.^)  Die  Mehrzahl  der  erhaltenen  Inschriften 
ist  hier  griechisch  wie  dort  lateinisch.  Von  den  jungen  Göttern 
der  orientalischen  Mischcultur  die  der  Handel  an  alle  Gestade  trug, 
wollten  die  Nachkommen  der  Chalkidier  nichts  wissen. 2)  Sie  bUeben 
dem  überlieferten  Glauben  an  Apoll  und  die  in  Weihen  verehrte 
Demeter,  an  Hebon  3)  und  Aphrodite,  Herakles  und  die  Dioskuren, 
Aphrodite  und  Sebethos,  die  Tyche  der  Stadt  und  die  Schulzpatrone 
der  Phretrien  treu.-*)  Ihr  Dienst  verabscheute  die  Schlächterei  der 
Arena  an  welcher  der  Römer  seine  Augenweide  fand,  förderte  statt 
dessen  die  F*flege  der  Gymnastik  und  der  musischen  Künste.  Jene 
stand  in  solchen  Ehren  dafs  Kaiser  Titus  die  jährlich  wechselnde 
und  mit  erheblichen  Kosten  verbundene  Vorstandschaft  des  Gymna- 
siums einmal  übernommen  bat.^)  Das  seit  Alters  im  Hochsommer 
der  Stadtgöltin  Parthenope  dargebrachte  Fesf')  wurde  2  v.  Chr.  er- 
weitert zu  einer  vierjährigen  Feier,  die  man  mit  gymnischen  und 
musischen  Wetlkämpfen  dem  Augustus  und  seiner  Stammutter 
Aphrodite  zur  Verherrlichung  beging."^)  Sie  lüeh^Iralixa' Pcoi^mla 
^eßaGTcc  iao).vf.in:ia,  hatte  in  Italien  nicht  ihres  Gleichen  und  galt 
als  den  grofsen  Nationalfesten  von  Hellas  ebenbürlig.S)  Verschiedene 
Kaiser  haben  den  Vorsitz  an  den  Spielen  nicht  verschmäht. 9)  — 
W'as  die  äufseren  Lebensbedingungen  anlangt,  so  war  Neapel  dem 
nachbarlichen  Puteoli  darin  überlegen  dafs  es  ein  Gebiet  von  etwa 
200  Dkm  besafs.  Dies  grenzte  in  der  Ebene  an  das  nolanische  ^^), 
umfafste  den  westlichen  Theil  der  phlegraeischen  Hügel  (S.  743) 
aufserdem  Ischia  (S.  730),  seit  79  vielleicht  auch  die  Flur  von  Her- 

1)  blrab.  V  246  VI  253  Cic.  Tusc.  I  86  pro  Arcliia  5.  10  Tac.  Ann.  XV  33 
Sueton  Nero  20. 

2)  Die  Weihungen  an  Isis  Kaibel  719  und  Milhras  CIL.  X  1479  rühren  von 
vornehmen  Römern  her. 

3)  Kaibel  716. 17  d'eoe  knitpavsaxaroe  gleich  Liber  pa<er Macrob.Saf.  1 18,9. 

4)  Slat.  Silv.  IV  8,45  fg. 

5)  CIL.  X  1481. 

6)  Lykophr.  AI.  732  mit  Schol. 

7)  Dio  LV  10  bestätigt  durch  Kaibel  748. 

8)  Oft  erwähnt  Strab.  V  246  Dio  LVI  29  Sueton  Aug.  98  Vell.  IT  123  CIL. 
XII  3232  Kaibel  p.  191.  Der  86  von  Domitian  gestiftete  capitolinische  Agon 
ging  ihm  an  Rang  vor  Stat.  Silv.  III  5,92. 

9)  Sueton  Claud.  11  Dio  LX  6  Titus  dreimal  CIL.  X  1481. 
10)  Cic.  de  Off.  I  33. 


§  3.     Die  Seestädte.  751 

culaneum  (S.  760).  Der  fetten  Fluren  der  ehrwürdigen  Parthenope 
wird  gelegentlich  gedacht. >)  Ihre  Weine  gehörten  gerade  nicht  zu 
den  besten  Marken  2),  aber  Kastanien  ^)  und  Quitten  *)  hatten  Ruf. 
Auch  mufs  der  Anbau  der  Rose  bedeutend  gewesen  sein,  da  Neapel 
in  der  Bereitung  von  Rosenöl  mit  Capua  wetteifert.^)  Ferner 
wird  an  den  leukogaeischen  Hügeln  (S,  743)  Schwefel  gegraben. ß) 
Bezeichnender  für  die  Eigenart  der  Stadt  ist  die  Korallenindustrie.'') 
Das  hastende  Treiben,  das  Profzentum  das  bei  Puteoli  so  sehr  in 
die  Augen  stach,  fällt  fort.  Die  Vergangenheit  herrscht,  beschau- 
liche Stille,  während  es  weder  an  Mitteln  noch  an  Gemeinsinn  fehlt 
um  die  Stadt  mit  prächtigen  Bauten  und  Kunstwerken  zu  schmücken. 8) 
Statins  preist  die  Tempel,  den  Säulenwald,  Theater  und  Odeon,  die 
reizvolle  Umgegend. 9)  Zwei  Leitungen  führten  Wasser  herbei:  die 
ältere  unterirdische  (Acqua  della  BoUa)  wird  den  Quellen  des  Sebe- 
thos  entnommen  und  ist  seit  ihrer  Anlage  in  ununterbrochener 
Thätigkeit  gewesen;  die  jüngere  1885  wieder  erneuert  (Acqua  di 
Serino)  ist  ein  grofsartiges  Werk  der  ersten  Kaiserzeit,  entspringt  im 
Hirpinerland  bei  Serino  im  Thal  des  Sabato  oberhalb  AveUino,  fliefst 
theils  unter-  theils  oberirdisch,  versorgt  aus  den  reinen  Quellen  des 
Appennin  das  östliche  und  nördhche  Ufer  des  Golfs,  endigt  nach  einem 
Lauf  von  70  Millien  bei  Misenum  (S.  728).  Gerühmt  werden  auch  die 
Thermen  Neapels  die  denen  von  Baiae  zwar  in  der  Menge  aber  nicht 
in  der  Einrichtung  nachstanden. lO)  Ein  Modebad  war  es  freilich  nicht: 
dagegen  wer  die  Stille  suchte,  ausruhen  wollte  von  Arbeit  Krank- 
heit oder  Last  der  Jahre,  wer  für  feinere  Bildung  Sinn  hatte,  fand 
seine  Rechnung.^i)    Einst  der  verbannten,  ward  es  seit  dem  letzten 


1)  Dionys  Per.  357  Schol.  zu  \erg.  Georg.  IV  564. 

2)  Plin.  XIV  69  Galen  X  833  XIV  19  K.  Athen.  I  27  c. 

3)  Plin.  XV  94  XVII  122  Martial  V  78,14. 

4)  Plin.  XV  37. 

5)  Varro  Men.  511  Buech.  Plin.  XIII  5  Athen.  XV  688  e. 

6)  Piin.  XVIII  114  XXXI  12  XXXV  174. 

7)  Plin.  XXXII  21.   Der  Seiden  weber  Kaibel  785  wird  nach  Puteoli  gehören. 

8)  Plin.  XXIX  8  XXXV  147  Philostr.  Im.  prooem. 

9)  Stat.  Silv.  III  5,89. 

10)  Strab.  V  246. 

11)  Cic.  pro  Sulla  17  locus  est  ipse  non  tarn,  ad  in fl ammandos  calamito- 
sorum  animos  quam  ad  consolandos  adcommodatus.  Hör.  Epod.  5,43  oliosa  iV. 
Ovid.  Met.  XV  711  in  otia  natam  Parthenopen.  Sil.  It.  XII  31  nunc  malles 
urbi  ritus  atque  hospita  Musis  otia  et  exemptum  curis  gravioribus  aevum. 
Stat.  Silv.  III  5,S5  Strab.  V  246. 


752  Kapitel  XII.     Campanien. 

voichrislliclien  Jalniuindeit  der  ruhebediiiriigeii  Römer  Asyl  und 
deren  Zahl  war  grofs.ij  Man  hat  aus  einer  Redewendung  bei  Pro- 
kop  scbliefscn  wollen  Neapel  sei  eine  kleine  Stadt  gewesen. 2)  Aber 
solches  ist  mit  dem  Flächeninhalt  innerhalb  der  Mauer  und  den 
V'orstadten  die  4 — 5  Stockwerk  hohe  Häuser  zählten,  unvereinbar.^) 
Einen  starken  Fremdenzuflurs  brachten  die  Bildungsanstalten*),  die 
ihm  den  Beinamen  doda  Neapolis  eintrugen. 5)  Unter  seinen  Bürgern 
halte  es  Diciiter ^),  Philosophen'),  GeschichlscbreiberS)  aulzuweisen. 
Die  Manen  Vergils  der  an  ihm  den  Landbau  besang,  umschweben 
das  liebliche  Gestade:  sein  Grab  lag  gegen  2  Millien  vor  der  Stadt 
an  der  puteolanischen  Strafse,  etwa  in  der  heuligen  Villa  INazionale.^) 
Im  3.  Jahrhundert  erhält  Neapel  den  Titel  Colouie  und  erscheint 
völlig  lalinisirt.io)  Nachdem  um  440  n.  Chr.  seine  Mauer  hergestellt 
worden  war^),  hat  es  alle  Stürme  überdauert,  im  6.  wie  im  7.  Jahr- 
hundert geblüht  12)  und  im  12.  den  Herrsebersitz  über  den  Süden 
erlangt,  auf  den  es  kraft  seiner  Lage  gegründeten  Anspruch  hatte. 
Die  ereignifsvolle  Geschichte  hat  begreitlicher  Weise  unter  den 
Denkmälern  des  Altertums  gründlich  aufgeräumt:  immerhin  sind 
Reste  eines  Theaters  (Anticaglia)  und  Tempels  der  Dioskuren 
(S.  Paolo  Maggiore)  vorhanden,  die  ausgedehnten  Grabfelder  insonder- 
heit die  Katakomben  von  S.  Gennaroi^)  bringen  die  Dichtigkeit  der 
Bevölkerung  zur  Anschauung.  Sie  mag  in  der  Blütezeit  die  Vor- 
städte einbegriflen  Puteoli  nahe  gekommen  sein  (S.  743),  hat  aber 
seit  dem  2.  Jahrhundert  einen  gewaltigen  Vorsprung  gewonnen. 


1)  Cic.  pro  Rabir.   Post.  26  celeberriinum  oppidum. 

2)  Prokop  b.  Goth.  I  8  die  Gesandten  sagen  so  im  Vergleich  mit  den 
Römern  zn  den  Gotlien. 

3)  Philostr.  Im.  prooem.  4)  Slat.  Silv.  V  3,162  fg. 

5)  Colum.  X  134  Martial  V  78,14. 

6)  Statins  und  sein  Vater  Siiv.  111  5,78 fg.  V  3,112.  205;  Silius  Italicus 
Plin.  Ep.  1117;  Lucilius?  Seneca  Ep.  49,1  53,1  70,1. 

7)  Cic.  de  Fin.  V  8.  75  Seneca  Ep.  76,4  93,1. 

8)  Eumachos  Müller  FHGr.  III  102;  Clodius  ebd.  IV  364. 

9)  Sueton  Rel.  p.  43.  63.  ReifT.  V.  Georg.  IV  564.  Die  Grotta  di  Posilipo 
an  deren  Eingang  die  vulgäre  Tradition  das  Grab  verlegt,  war  damals  noch 
nicht  vorhanden. 

10)  Eph.  ep.  VIII  871  vgl.  CIL.  X  1  p.  171. 

11)  CIL.  X  1485. 

12)  Cassiod.  Var.  VI  23  urbs  ornata  mullitudine  civium,  abundans  marinis 
terreiiisque  deliciis.    Paul.  h.  Lang.  II  17  (und  seine  Quelle)  opulentissima. 

13)  CIL.  X  l  p.  179  Kaibel  p.  218. 


§  4.    Der  Süden.  76S 

§  4.    Der  Süden. 

Der  Bau  der  phlegraeischen  Hügel  hat  die  Einigung  Cam- 
paniens  verhindert:  er  verslattete  den  Seestädten  ein  Sonderleben 
zu  führen  und  zog  den  südlichen  Theil  der  Ebene  in  diesen  Kreis 
hinein.  Das  Land  das  Capua  in  einem  Bundesstaat  vereinigt  hatte, 
reicht  nur  bis  zum  caudinischen  Pafs  durch  den  die  Hauptstrafse 
von  Samnium  nach  dem  Meer  läuft.  Eine  Linie  von  Benevent  über 
Caudium  nach  Neapel  gezogen  dient  dazu  zwei  politische  Gegensätze 
zu  trennen ;  denn  bei  den  grofsen  Verwicklungen  der  Halbinsel 
fechten  Nord  und  Süd  regelmäfsig  unter  feindlichen  Fahnen,  und 
während  jener  seit  338  dem  römischen  ßürgerverband  einverleibt 
ist,  bewahrt  dieser  seine  Unabhängigkeit  und  Nationalität  bis  zum 
Bundesgenossenkrieg.  Ob  die  südlichen  Gemeinden  sich  zu  einer 
Einheit  zusammengeschlossen  hatten,  ist  nicht  mit  Bestimmtheit  zu 
sagen:  die  Gemeinschaft  ihres  Handelns  wird  durch  die  Ueberein- 
stimmung  ihrer  Lage  genügend  erklärt.  Unter  allen  Umständen 
überwog  keine  Stadt  in  dem  Mafse  um  die  Leitung  in  der  Art 
Capua's  beanspruchen  zu  können.  Den  Uebergang  von  Nord  nach 
Süd  vermittelt  der  von  der  samnitischen  Strafse  durchzogene 
Grenzstrich. 

Die  Via  Appia  biegt  von  Calatia  (S.  716)  ostwärts  um  in  das 
trichterförmige  Thal  das  den  caudinischen  Pafs  einleitet;  sie  erreicht 
6  Millien  von  der  genannten  Stadt,  12  von  Capua  den  vicus  Nova- 
nensis  oder  ad  Novas.^)  S.  Maria  a  Vico  bei  Arienzo  bezeichnet  an- 
nähernd die  Stelle.  Der  Vicus  gehörte  zu  Suessula  das  2 — 3  km 
westlich  von  der  Eisenbahnstation  Cancello  in  einer  Niederung 
(Pantano  d'Acerra)  lag.  Es  wurde  im  Mittelalter  der  Malaria  wegen 
verlassen ,  kann  aber  nach  den  Ruinen  zu  schliefsen  nicht  viel 
grüfser  als  Calatia  (S.  717)  gewesen  sein.  Die  nach  Regium  führende 
Via  Popilia  zweigt  3  Milben  vor  Capua  2)  von  der  Via  Appia  ab 
und  läuft  über  Suessula  nach  Nola:  die  Reisekarte  setzt  Suessula  in 
die  Mitte,  von  beiden  Orten  je  9  Millien  entfernt.  Die  Popilia 
wird  hier  geschnitten  von  der  Strafse  Benevent — Neapel,  letzteres 
ist  13,  Acerrae  3  Millien  von  Suessula  entfernt.  Aus  dem  Gesag- 
ten erklärt  sich  die  strategische  Wichtigkeit  des  Platzes:  er  wird 
343  als  Schlachtfeld  erwähnt;  216 — 12  als  Hannibal  und  die  Römer 


1)  Tab.  Peut.  lt.  Hieros.  610  CIL.  X  3764.  6910  fg. 

2)  Liv.  XXVI  5  via  quae  Suessulam  fert  vgl.  VIII  2. 
Nissen,  Ital.  Landeskunde.    IL  48 


754  Kapitel  XII.     Campanien. 

um  den  Besitz  Campaniens  rangen,  hatte  Marcellus  ein  festes  Lager 
auf  dem  Ausldufer  des  Appennin  oberhalb  Cancello,  wo  später  eine 
mittelalterUche  Burg  stand  (207  m),  aufgeschlagen. i)  Die  Gemeinde 
erhielt  338  minderes  Bürgerrecht,  später  eine  Ansiedlung  suUani- 
scher  Veteranen  und  bietet  keinen  Anlafs  zu  längerem  Verweilen. 2) 
—  So  wenig  wie  Suessula  hat  Acerrae  zum  campanischen  Bunde 
gehurt,  dagegen  engere  Beziehungen  zu  Nola  und  Nuceria  unter- 
halten. 3)  Der  Name  kehrt  in  Umbrien  und  jenseit  des  Po  wieder, 
vermutlich  hängt  die  Gründung  mit  dem  Einbruch  der  Etrusker 
zusammen.  Das  heutige  Acerra  ein  regelmäfsiges  Rechteck  von 
709  X  500  m  giebt  allem  Anschein  nach  den  Grundplan  wieder, 
obwol  eine  monumentale  Bestätigung  vermifst  wird.  Die  Stadt  liegt 
völlig  eben  (27  m),  wurde  durch  den  jetzt  canalisirten  Clanius  gegen 
feindhchen  Angriff  geschützt,  in  friedlichen  Zeiten  aber  selbst  arg 
belästigt.'*)  Sie  erlangte  332  minderes  Bürgerrecht,  in  der  Folge 
als  Municipium  Aufnahme  in  die  Tribus  Falerna.^)  Von  Hannibal 
ward  sie  216  zerstört.  Sie  bewies  210  wieder  hergestellt  ihre  Treue 
abermals  beim  Abfall  der  Bundesgenossen,  da  sie  90  als  römisches 
Hauptquartier  eine  Belagerung  aushielt  und  dem  Vordringen  der 
Aufständischen  ein  Ziel  setzte. 6)  Später  wird  ihrer  nicht  weiter 
gedacht.") 

Durch  den  Golf  von  Neapel  wird  die  südliche  Ebene  auf  15  km, 
die  halbe  Breite  der  nördlichen  eingeengt.  Die  W^egsamkeit  des 
Grenzgebirges  hört  auf,  bequeme  Zugänge  ins  Hochland  wie  sie  der 
Volturnus,  die  Thäler  von  Maddaloni  und  Gaudium  darbieten,  sucht 
man  vergebens.  Südlich  vom  caudinischen  Thal  wachsen  die  Gipfel 
bis  1500  m  und  darüber  (M.  Giesco  Alto  1495  m  M.  Avella  1591  m 
M.  Vallatrone  1511  m  M,  Vergine  1480  m);  der  Hauptstock  ent- 
sendet drei  Ausläufer  nach  Westen,  unter  denen  der  schon  namhaft 
gemachte  oberhalb  Suessula  endigende  der  längste  ist.  Dieser  und 
der  mittlere  Ausläufer  schliefsen  das  Hochlhal  von  Abella  ein.    Das 


1)  Liv.  VII  37  XXIII  14.  17.  32.  39  XXIV  46  XXV  7.  22. 

2)  Liv.   VIII  14   Fest.  233   M.  Feldm.  237    Strab.  V  249    Plin.  III  64  «L 
X  1  p.  363.     V.  Duhn  Rom.  Mitth.  II  (1887)  235-68. 

3)  Strab.  V  247. 

4)  Verg.  Georg.  li  225  mit  Schoi.  Sil.  It.  VIII  535. 

5)  Liv.  VIII  17  Fest.  233  M.  CIL.  X  1  p.  362. 

6)  Liv.  XXIII  17.  19  XXVII  3  Appian  Lib.  63   Sil.  It.  XII  422;   Appian  b. 
civ.  I  42.  45. 

7)  Strab.  V  249  Plin.  III  63  Feldm.  229. 


§  4.    Der  Süden.  755 

Gebiet  der  Stadt  wird  zu  2  d.  D  M.  gerechnet  i),  aber  enthielt  wenig 
Getreideland. 2)  Um  so  gröfser  war  der  Ruf  ihres  Obstes:  die  aus 
dem  Pontos  stammenden  Lamberts-  oder  lombardischen  Nüsse  werden 
unter  7iuces  avellanae  verstanden,  sind  also  hier  zuerst  eingebürgert 
worden. 3)  Für  den  Verkehr  mit  den  Hellenen  zeugt  auch  der 
Umstand  dafs  Abella  wie  Nola  als  chalkidische  Colonie  betrachtet 
wurde.  4)  Die  älteste  zuverlässige  Kunde  giebt  ein  in  oskischer 
Sprache  abgefafster  Vertrag  den  beide  Städte  im  2.  Jahrhundert  v.  Chr. 
über  ein  gemeinsames  Heiligtum  des  Hercules  vereinbart  haben. 5) 
Im  Bundesgenossenkrieg  ward  Abella  von  den  Aufständischen  nieder- 
gebrannt, sodann  von  den  Römern  mit  den  gleichfalls  treu  ver- 
bliebenen hirpinischen  Nachbarn  zusammen  der  Tribus  Galeria  zu- 
getheilt.6)  Als  Colonie  wird  es  in  der  früheren  Kaiserzeit  bezeichnet, 
ohne  dafs  Näheres  über  die  Verleihung  des  Titels  bekannt  wäre.') 
Es  lag  nördlich  oberhalb  des  heutigen  Avella  (200  m)  6  Millien  von 
Nola  und  hat  trotz  seiner  Kleinheit  ein  Amphitheater  nebst  einer 
stattlichen  Zahl  von  Inschriften  aufzuweisen.^)  Die  Festigkeit  des 
Platzes  erhellt  schon  aus  der  Höhe:  Avella  vecchia  333  m;  seine 
Strafsen  sind  erst  um  340  n.  Chr.  gepflastert  worden. 9)  —  Man 
begreift  dafs  diese  Bergstadt  in  der  Ueberlieferung  vöUig  in  den 
Schatten  gerückt  wird  durch  das  angrenzende  Nola  das  als  Haupt 
von  Südcampanien  gelegentlich  an  der  Seite  Capua's  eine  Stelle 
findet.  10)  Freilich  sind  die  beiderseitigen  Machtmittel  recht  ungleich. 
Der  dritte  Vorsprung  des  Appennin  an  dessen  Fufs  das  heutige 
Palma  liegt,  rückt  dem  äufseren  Ringwall  des  Vesuv  (Ottaiano  241  m) 
bis  auf  5  km  nahe  und  bewirkt  damit  eine  natürliche  Scheidung: 
der  letzte  vom  Sarnus  durchflossene  Abschnitt  der  Ebene  hat  durch- 
aus seine  Selbständigkeit  bewahrt.     Immerhin  umfalst  die  nolanische 


1)  Beloch  Camp.  18. 

2)  Sil.  It.  VIII  543. 

3)  Calo  RR.  8,2  Verg.  Aen.  VII  740  mit  Schol.  Plin.  XV  88  Serv.  V.  Georg. 
II  65  Colum.  V  10  u.  a. 

4)  Justin  XX  1,13   Serv.  V.  Aen.  VII  740:    mit  Recht  weist  der  Dichter 
selbst  auf  die  rauhe  Art  der  Bergbewohner  hin. 

5)  Gonway  95. 

6)  Gran.  Licinian.  p.  27  Bonn  CIL.  X  1  p,  137, 

7)  Feldm.  230  schreibt  sie  fälschlich  Vespasian  zu. 

8)  Strab.  V  249  Plin.  III  63  Ptol.  III  1,59  Paulin.  Nol.  carm.  XXI  711. 

9)  CIL.  X  1199  Cod.  Theod.  I  2,4. 
10)  Pol.  II  17,1  Vell.  I  7. 

48* 


756  Kapitel  XII.    Campanien. 

Feldmark  reichlich  6  d.  DM.  350  Dkm,  grenzt  im  Westen  etwa  bei 
Pomigliano  d'Arco  an  Neapel,  hierauf  an  Acerrae  Suessiila  Abella 
AhelHnum,  endlich  im  Süden  an  Pompeji.  Der  Boden  zählt  zu  den 
besten  Campaniens.^)  Aus  Inschriften  lernen  wir  vier  Dörfer  der 
Feldmark  kennen :  den  pag^is  Agrifanus  p.  Capricidanus  p.  Lanita 
p.  Mytlianus;  der  zweite  gehört  nach  dem  Fundort  zu  schliefsen 
in  die  Gegend  von  Val  di  Lauro.")  Dies  zwischen  dem  zweiten  und 
dritten  Ausläufer  des  Appennin  bei  kaum  1  km  Breite  10  km  nach 
Südost  sich  hinziehende  Thal  hat  den  Namen  der  Laurinienses  eines 
Vicus  oder  Pagus  erhalten,  dessen  Kenntnifs  wir  gleichfalls  einer 
Inschrift  verdanken. 3)  Die  von  Vergil  aufgeführten  Orte  Batulum  und 
Celemna  haben  keine  Spur  hinterlassen. *)  —  In  der  Mitte  seiner 
Feldmark  vor  dem  zweiten  Seitenast  des  Stammgebirges  (M.  Visci- 
ano  478  m)  in  der  Ebene  gelegen  (40  m)  entbehrt  Nola  der  natür- 
lichen Deckung.6)  Nach  der  heutigen  Stadt  zu  urtheilen  die  den 
Sitz  nicht  gewechselt  hat,  und  den  oskischen  Gräbern  vor  ihren 
Mauern  kann  der  Umfang  kaum  2  km  erreicht  haben.  Indessen 
wäre  es  unbegreiflich  dafs  eine  so  winzige  Festung  nicht  nur  den 
wiederholten  Angriffen  Hannibals  widerstand  6),  sondern  88  von 
Sulla  mit  6  Legionen  vergeblich  belagert  wurde  und  erst  80  seinen 
Waffen  erlag.")  In  der  Raiserzeit  hat  sie  sich  weit  über  den 
jetzigen  Umkreis  nach  West  und  Süd  erstreckt:  ein  Amphitheater 
ist  noch  kenntlich,  früher  sind  Tempel  und  ein  Theater  nachge- 
wiesen worden.  Bereits  313  war  eine  dicht  bewohnte  Vorstadt  vor- 
handen, die  von  den  Römern  in  Brand  gesteckt  ward.^)  Unter 
solchen  Umständen  gewinnt  das  Zeugnifs  Ambrogio  Leone's  der 
die  Reste  der  Umfassungsmauer  gesehen  und  ihre  Länge  auf  3  Mil- 
lien  geschätzt  hat,  an    innerer    Glaubwürdigkeit.*^)     Man    thut   wol 


1)  Gell.  N.  A.  VI  20,1    über  Verg.  Georg.  II  225;    Cassiod.   Var.  IV  50,2. 

2)  CIL.  X  1278-80  Not.  d.  Scavi  1900  p.  101.  3)  CIL.  X  1238. 

4)  Verg.  Aen.  VII  739  mit  Schol. 

5)  Liv.  XXIII  45  Sil.  It.  XII  162. 

6)  Liv.  XXIII  14-16.  39.  43-46  XXIV  13.  17  Plut.  Marc.  10—12  ii.  a. 

7)  Appian  b.  civ.  I  42.  50.  65  Plut.  Sulla  8  Vell.  II  17.  18.  20  Plin.  XXII  12 
Liv.  LXXXIX  Cic.  de  Divin.  I  72  Gran.  Licinian.  p.  39  Bonn. 

8)  Liv.  IX  28.  Ich  lege  kein  Gewicht  darauf  dafs  die  Stadt  Diod.  XIX  101 
Akropolis  heifst,  weil  der  Gleichklang  der  Namen  in  diesem  Stack  Auslassungen 
und  Verwechslungen  veranlafst  hat  vgl.  S.  673  A.  7. 

9)  Ambr.  Leo,  de  Nola.  Venet.  1514  fol.  abgedruckt  in  Burmann  Thes. 
lt.  IX  pars  IV. 


§  4.     Der  Süden.  767 

sich  dabei  zu  beruhigen  bis  die  wissenschaftliche  Topographie  die 
in  Nola  weniger  als  anderswo  gepflegt  worden  ist,  den  wirklichen 
Sachverhalt  ermittelt  haben  wird.  Nach  der  Rolle  die  sie  in  der 
Geschichte  gespielt  hat,  ist  die  Stadt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
ansehnlich  gewesen.  Jedoch  sind  zwei  Stufen  in  ihrer  Entwicklung 
zu  unterscheiden.  Nach  den  theils  griechischen  theils  oskischen 
theiJs  aus  beiden  Sprachen  gemischten  Aufschriften  der  älteren  aus 
dem  4.  Jahrhundert  stammenden  Münzen  hiefs  sie  ursprüngHch 
Hyria  Uria  oder  OrinaJ)  Der  Name  ist  bei  den  Japygern  zu 
Hause;  da  ferner  in  der  ethnographischen  üebersicht  bei  Poly- 
bios  Daunier  und  Nolaner  verbunden  werden  2),  ist  der  Schlufs 
Friedländer's  durchaus  berechtigt  dafs  Uria  die  nolanische  Altstadt, 
vielleicht  innerhalb  ihrer  heutigen  Grenzen,  bezeichne.  Das  oski- 
sehe  Novla  bedeutet  Neustadt^);  die  jüngeren  Münzen  ungefähr  seit 
300  führen  den  Namen  in  griechischer  Form,  die  Litteratur  kennt 
ihn  allein.  Im  Uebrigen  lassen  sich  ihre  Nachrichten  mit  dem 
Thatbestand  ungezwungen  vereinigen.  —  Die  Gründung  von  Uria 
fällt  kurz  nach  470:  Calo  schreibt  sie  den  Elruskern  zu;  da  die 
Daunier  zu  dem  Völkerbunde  gehörten  der  unter  etruskischer 
Führung  die  Herrschaft  der  Hellenen  über  Campanien  brach,  ist 
dies  unwesentlich. 4)  Die  Lage  deutet  klar  auf  eine  fortgeschrittene 
Zeit  hin.  Die  Stadterweiterung  und  der  damit  zusammenhängende 
Namenswechsel  scheinen  erst  nach  dem  Anschlufs  an  Rom  erfolgt 
zu  sein.  Den  einzigen  Anhalt  zur  näheren  Restimmung  gewähren 
die  Münzen;  in  Kupfer  hat  Uria  nicht  geprägt,  wol  aber  Nola.^) 
An  die  Verbindung  mit  den  Etruskern  erinnern  die  an  nolaner  Ge- 
fäfsen  beündüchen  Aufschriften  in  dieser  Sprache.  Nachdem  die 
Samniten  Campanien  erobert  hatten,  bildete  sich  ein  freundnachbar- 
hches  Verhältnifs  zu  Neapel  heraus.  Dies  erhellt  nicht  so  sehr 
aus  dem  Gepräge  seiner  Münzen  und  den  griechischen  Vasen  die 
in  grofser  Menge  den  Nekropolen  Nola's  enthoben  wurden,  als  aus 


1)  Julius  Friedländer,  Oskische  Münzen,  Leipzig  1850,  p.  37;  Dressel 
Berliner  Katalog  98. 

2)  Pol.  III  91,5. 

3)  Mommsen,  Unterit.  Diai.  p.  283. 

4)  Vell.  I  7  Dion.  H.  VII  3  Solin  2,16  verwechselt  Tyrier  und  Tyrrhener. 
Dafs  Steph.  ßyz.  NäXa  nöXn  Avaövcov  '' ExaraXoe  Ev^cüTtrj  nicht  einer  all- 
ionischen Erdbeschreibung  entstammen  könne,  liegt  auf  der  Hand  vgl.  S.  698  A.  l 

5)  Mommsen  Münzwesen  163.  64.  355. 


758  Kapitel  XII.     Campanien. 

liislorischen  Zeugnissen. i)  Bei  der  Verwicklung  die  327  zum  Kriege 
mit  Rom  führte,  befanden  sich  noianische  llülfslruppen  in  Neapel. 2) 
313  ward  Nola  eingenommen  und  niufste  der  römischen  Bundes- 
genossenschaft beitreten. 3)  Nach  der  Schlacht  bei  Cannae  war  die 
Plebs  zum  Abfall  geneigt,  der  Adel  hielt  zu  Rom,  das  Scheitern  der 
karthagischen  Angriffe  wurde  für  Campanien  verhängnifsvoll.4)  Das 
Gewerbe  kann  in  dieser  Stadt  nicht  unerheblich  gewesen  sein:  ihre 
Oelpressen  Thon-  und  Kupferwaren  werden  empfohlen.^)  Sie  ward 
90  trotz  der  römischen  Besatzung  von  den  Samniten  eingenommen 
und  ein  Jahrzehnt  lang  behauptet''),  dann  73  von  Spartacus  ver- 
wüstet.') Mit  dem  Bürgerrecht  in  der  Tribus  Falerna  hatte  sie 
Veteranen  Sulla's  aufzunehmen, s)  Auguslus  reihte  sie  als  Colonie 
ein  unter  die  Stützen  seiner  Macht 0):  ein  Beweis  für  die  ihr  ge- 
bührende Geltung  der  bei  dem  sonstigen  Schweigen  der  Litleratur 
hervorgehoben  werden  mufs.^o)  Augustus  liat  hier  im  väterlichen 
Hause  seine  Tage  beschlossen,  Tiberius  schuf  das  Sterbehaus  in 
einen  Tempel  um.n)  Auch  Vespasian  soll  Colonislen  angesiedelt 
haben. i2j  Von  den  Ruinen  der  Kaiserzeit  war  oben  die  Rede.  Die 
Serinoleitung  (S.  751)  durchzog  die  Feldmark  von  Palma  bis  Po- 
migliano  d'Arco  und  entsandte  einen  Zweig  in  die  Stadt;  auch  von 
Abella  her  wurde  sie  mit  Wasser  versorgt.^^)  In  der  Christenheit 
verdankt  Nola  seinem  Bischof  Paulin us  dem  die  Einführung  der 
Glocken  in  den  Gottesdienst  beigelegt  wird,  einen  ehrenvollen  Namen. 
Der  Heilige  erlebte  die  Plünderung  Alarichs  410,  aber  nicht  mehr 
die  Heimsuchung  durch  Genserich  der  455  die  Stadt  zerstörte  und 


Ij  Dion.   H.   XV  5;   dahin   gehört  auch   die  angebliche  chalkidische  Ab- 
stammung der  Nolaner  Justin  XX  1,13  Sil.  It.  XII  161. 

2)  Liv.  VIII  23.  26  Dion.  H.  XV  5. 

3)  Liv.  IX  28  Diod.  XIX  101. 

4)  Sil.  lt.  VIII  534  Poeno  no7i  pervia  Nola    und  die   Stellen  S.  756  A.  6. 

5)  Gato  RR.  135,2.  Die  Ueppigkeit  der  Nolaner  erwähnt  Auson.  Epigr.  67,5 

6)  Liv.  LXXIII  wo  sie  irrig  Colonie  heifst  und  die  S.756  A.7  angef.  Stellen. 

7)  Flor.  II  8,5. 

8)  Für  solche  Annahme  (S.  31)   spricht  sowol   die   innere  Wahrscheinlich- 
keit  als   Feldm.  236   und   der  Name   colojüa  Felix  Augusta  CIL.  X  1  p.  142. 

9)  Plin.  III  63. 

10)  Strab.  V  247.  49  Ptol.  III  1,60  Gic.  ad  Alt.  XIII  8  Feldm.  162. 

11)  Vell.  II  123   Tac.  Ann.  I  5.  9  IV  57    Sueton  Aug.  98.  100    Tib.  40  Die 
LVI  29.  46. 

12)  Feldm.  236. 

13)  Paulin.  Nol.  carm.  XXI  712. 


§  4.     Der  Süden.  759 

die   Bewohner   in    die  Sklaverei  verkaufte.')      Von   diesem  Schlage 
hat  sie  sich  nie  wieder  erholt. 

Von  Neapel  erreicht  die  Küstenstrafse  nach  5  Millien  Hercu- 
laneum  Resina.2)  Da  die  Schlammflüsse  von  79  und  die  nach- 
folgenden Ausbrüche  des  Vesuvs  den  Boden  um  12 — 30  m  erhöht 
sowie  auf  Kosten  des  Meers  erweitert  haben,  wird  die  Einsicht  in 
die  ursprünglichen  Verhältnisse  erschwert.  Auch  haben  die  im  18. 
und  19.  Jahrhundert  unternommenen  Ausgrabungen  für  Kunst- 
und  Lilteraturgeschichte  reichere  Ausbeute  geliefert  als  für  Topo- 
graphie.3)  Die  Stadt  war  klein.'*)  Sie  nahm  ein  nach  Südwest 
gerichtetes  Vorgebirge  ein,  hatte  einen  sicheren  Hafen  und  war 
durch  zwei  einfassende  Schluchten  geschützt. s)  Gegenwärtig  streicht 
die  Küste  in  gerader  Linie,  weil  der  Ausbruch  von  1631  die  Buchten 
zur  Seite  des  Vorgebirges  ausgefüllt  und  das  Land  um  mehrere  hundert 
Meter  vorgerückt  hat.  Obwol  die  Stadtmauer  kurz  vor  Beginn 
unserer  Zeitrechnung  hergestellt  worden  war  ß),  sind  keine  Spuren 
von  ihr  zu  Tage  getreten.  Dies  hängt  mit  der  Regelmäfsigkeit  der 
Anlage,  der  auffallenden  Breite  der  Strafsen,  der  jungen  Bauart  der 
Häuser  zusammen :  Herculaneum  sieht  nicht  so  geflickt  wie  Pom- 
peji, vielmehr  ganz  einheitlich  aus.  Der  Schlufs  drängt  sich  auf 
dafs  jenes  am  5.  Februar  63  gründlicher  vom  Erdbeben  zerstört 
und  in  den  folgenden  Jahren  erneut  worden  sei.')  Bei  dem  Neu- 
bau wird  denn  auch  die  Ringmauer  als  zwecklos  beseitigt  worden 
sein.  So  viel  man  erkennt,  war  der  Stadtfels  bei  geringer  Breite 
stark  nach  Südwesten  dem  Meer  zu  geneigt  und  bot  nur  für  eine 
kleine  Ansiedlung  Raum.  Sie  hat  die  Schicksale  der  ansehnlicheren 
Nachbarin  getheilt.  Die  Mythenschreiber  führten  ihren  Ursprung  auf 
die  Wanderungen  des  Hercules  zurück. s)  Die  geschichtliche  Ueber- 
lieferung  liefs  Osker  Etrusker  Samniten  einander  in  der  Herrschaft 


1)  Augustin  Giv.  Dei  1  10  Hist.  Miscella  XVIII  15. 

2)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 

3)  Michele  Ruggiero,  Storia  degli  Scavi  di  Ercolano,  Napoli  1885.  4. 

4)  Sisenna  fr.  53  Peter  parvis  moenibus,  Strab.  V  246  ipQoioiov,  Dion.  H. 
I  44  noXixvrj. 

5)  Sisenna  (A.  4)  spricht  von  fluviae:  aber  viel  Wasser  können  sie  nicht 
enthalten  haben. 

6)  CIL.  X  1425. 

7)  Seneca  Nat.  Qu.  VI  1,2  26,5,  Tac.  Ann.    XV  22  übergeht  neben  dem 
celebre  oppidum  Pompei  das  benachbarte  Herculaneum  als  zu  unbedeutend. 

8)  Dion.  H.  144  Ovid.  Met.  XV  711. 


760  Kapitel  XII.     Campanien. 

ablösen.!)  Ein  Meddix  tuticiis  stand  an  der  Spitze  der  Genieinde.2) 
Sie  nahm  an  der  Erhebung  der  Ilahker  Theil,  ward  89  von  den 
Römern  erobert  und  darauf  als  Municipium  der  Tribus  Menenia 
zugewiesen. 3)  In  der  folgenden  Friedenszeit  erfüllten  Landhäuser 
des  römischen  Adels  die  Umgegend. 4)  Die  Pracht  ihrer  Ausstattung 
hat  die  kaum  200  m  vom  Theater  entfernte  1752  aufgefundene 
Casa  de'  Papiri  in  erfreulichster  Weise  bewiesen:  dieser  Villa  ver- 
dankt das  Nationalmuseum  in  Neapel  seinen  herrlichen  Schatz  an 
Bronzen ,  die  Litteratur  die  Bücherei  eines  epikureischen  Philo- 
sophen deren  1800  Rollen  leider  eine  etwas  einseitige  Geistesrich- 
tung des  Besitzers  bekunden.  Die  Verschiedenartigkeit  der  Ver- 
schüttung (I  281)  bewirkt  dafs  die  Funde  in  Herculaneum  ungleich 
reichhaltiger  ausfallen  als  in  Pompeji :  dort  war  es  für  die  Ueber- 
lebenden  ebenso  mühsam  ihre  Kostbarkeiten  hervor  zu  holen  als 
hier  leicht.  Die  allen  Schatzgräber  haben  an  beiden  Orten  Spuren 
ihrer  Thäligkeit  hinterlassen;  in  Herculaneum  stöfst  man  auf  ange- 
fangene Schachte  wo  die  Arbeit  als  aussichtslos  aufgegeben  worden 
ist.  Für  die  Gegenwart  sind  die  Schwierigkeiten  noch  erheblich 
gewachsen,  vor  allem  durch  den  Umstand  dafs  eine  dicht  bevölkerte 
Ortschaft  über  den  Trümmern  liegt,  die  Höhe  der  Kosten  schreckt 
von  einer  umfassenden  Nachforschung  ab.  Den  adlichen  Grund- 
herren verdankte  das  Städtchen  eine  Reihe  öffentlicher  Gebäude: 
Basilica  Macellum  Thermen  ein  Theater  für  3000  Zuschauer  usw. 
Der  Name  blieb  nach  der  Zerstörung  an  der  Oertlichkeit  haften, 
aber  die  Stadtgemeinde  verschwand,  indem  ihr  Gebiet,  wie  es 
scheint,  zu  Neapel  geschlagen  wurde. ^)  Beloch  schätzt  das  Gebiet 
auf  eine  deutsche  Quadratmeile.  Die  Grenze  gegen  Pompeji 
zwischen  Torre  del  Greco  und  Torre  dell'  Annunziata  war  durch 
Lagunen  bezeichnet,  aus  denen  beide  Städte  Salz  gewannen.  6) 

Der  letzte  Abschnitt  der  campanischen  Ebene  wird  vom  Samus 
Sarno  durchflofsen  (I  334).  Die  Quellbäche  der  hirpinischen  Berge 
vereinigen  sich  bei  S.  Severino   und  treten  bei  Nuceria   ins  Flach- 


1)  Strab.  V247. 

2)  Conway  87. 

3)  Vell.  II  16  Sisenna  fr.  54  CIL.  X  1  p.  156. 

4)  Seneca  Dia).  V  21,5  Plin.  Ep.  VI  16,8  Kaibel  707fg. 

5),Mela  II  7Ü  Plin.  III  62  Marc  Aurel  IV  48  Dio  LXVI  23  Tab.  Peut.  Geogr. 
Rav.  IV  32  V  2  Flor.  I  11,6  nach  älterer  Onelie. 
6)  Colum.  X  135  CIL.  IV  128.  1611. 


§  4.     Der  Süden.  761 

land  hinaus.  1)  Der  von  Süden  kommende  Bach  der  hier  einmündet, 
scheint  Draco  geheifsen  zu  hahen.^)  Gegenwärtig  haltet  der  Name 
Sarno  an  den  reichen  Quellen  die  im  Norden  hei  dem  Slädtchen 
Sarno  und  an  dem  Bergstock  Schlappe  di  Sarno  (763  m)  ent- 
springen und  zur  Bewässerung  abgeleitet  sind.  Im  Altertum  ver- 
stärkten sie  den  Ilauptslrom  der  in  sanftem  Lauf  das  Gefilde  durch- 
mafs,  vermöge  seiner  Wasserfülle  nicht  durchschritten  werden 
konnte  und  in  seiner  Mündung  einen  brauchbaren  Hafen  darbot.") 
Mit  dem  Flufsnamen  hängen  die  populi  Sarrastes  zusammen  die 
Nuceria  gegründet  haben  sollen  *);  der  Flufs  wurde  göttlich  ver- 
ehrt. &)  Polybios  läfst  den  Ost-  und  SUdrand  des  campanischen 
Golfs  vom  Volk  der  Nuceriner  bewohnt  sein.^)  Verschiedene  That- 
sachen  deuten  darauf  hin  dafs  die  Gemeinden  des  Südens  von  Her- 
culaneum  ab  einst  einen  Bund  gebildet  haben.")  Obvvol  vier  von 
ihnen  durch  ihre  maritime  Lage  auf  den  Handel  angewiesen  sind, 
hat  einzig  und  allein  der  binnenländische  Vorort  gemünzt,  während 
doch  Capua  seinen  Verbündeten  die  Münzfreiheit  beliefs.  Im  zweiten 
Samnitenkrieg  haben  die  Städte  gegen  Rom  gefochten,  aber  zuletzt 
einen  günstigen  Frieden  erlangt.  Sie  schlössen  sich  89  den  sam- 
nitischen  Slammesgeuossen  an  mit  Ausnahme  des  Vororts,  wurden 
später  der  Tribus  Äjenenia  zugewiesen.  Von  der  Bundesverfassung 
wissen  wir  nichts,  dürfen  vermuten  dafs  sie  auf  Betreiben  Roms 
nach  dem  hannibaliscben  Kriege  gelockert  wurde,  indefs  unter 
keinen  Umsländen  in  den  Weddices  von  Herculaneum  und  Pompeji 
Bundesbeanite  suchen.  Die  sacralen  und  persönlichen  Bande  wirkten 
noch  lauge  fort.  Der  Nuceriner  P.  Sittius  ein  Parteigänger  Caesars 
übertrug  heimatliche  Erinnerungen  auf  das  von  ihm  in  Numidien 
begründete  Gemeinwesen :  der  Hauplorl  Cirta  nahm  eine  Stellung  ein 


1)  Es  beruht  wol  auf  Verwirrung  wenn  Vibius  Satmus  Niiceriae  sowol 
unter  den  fluvii  als  den  montes  aufzählt. 

2)  In  Urkunden  von  La  Cava  Draconcello  (Beloch  Camp.  213),  von  Prokop. 
b.  Goth.  IV  35  irrig  auf  den  Hauplflufs  übertragen. 

3)  Verg.  Aen.  VII  738  Sil.  lt.  VIII  537  Slat.  Silv.  I  2,205  Lucan  II  424 
Strab.  V  247  Plin.  III  62  Ptoi.  III  1,7  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  Prokop  b.  Goth. 
IV  35  (A.  2).     Oros.  IV  15,2  (mit  Arnus  verwechselt). 

4)  Verg.  Aen.  VII  738  dazu  Serv.  Sil.  It.  VIII  536,  als  Beiname  vielleicht 
auf  einer  Münze  von  Nuceria  Mommsen  Unt.  Dial.  293. 

5)  Sueton  de  gramm.  28  (p.  124  Reiff.). 

6)  Pol.  III  91,4. 

7)  Beloch  Camp.  240. 


762  Kapitel  XIF.     Campanien. 

wie  vormals  Niiceria,  der  Hafen  Rusicade  liiefs  Veneria  nach  Pom- 
peji, das  binnenländische  Mileu  Sarnensis  nach  Stabiae,  die  am 
Meer  belegene  Grenzstadt  Chullu  Minervia  nach  Surrenlum.  Die 
Entfernungen  dieser  Orle  untereinander  sind  gröfser  als  in  Cam- 
l)anien,  ihre  Anordnung  die  nämliche.^) 

Die  Reisekarte  setzt  6  Millien  von  Herculaneum  die  Station 
Oplontis,  3  Millien  weiter  Pompeis  an. 2)  Das  Andenken  der  79  n. 
Chr.  verschütteten  Stadt  ging  allmälich  verloren:  die  Anwohner 
bezeichneten  die  Tril  mm  erst  alte  la  Civita,  Holste  erkannte  dafs  dies 
Pompeji  sei;  bis  dahin  war  Pompeji  in  Oltaiano,  von  Biondo  in 
Torre  Annunziata,  von  Cluver  in  Scafati  gesucht  worden,^)  1748 
begann  die  Ausgrabung  und  ist  anderthalb  Jahrhunderte  lang  mit 
wechselndem  Eifer  so  weit  gefördert  worden  dafs  reichlich  die  Hälfte 
des  von  der  Ringmauer  umschlossenen  Gebiets  frei  liegt.*)  Die  Länge 
der   Mauer   beträgt   rund    3  km,    der  Flächeninhalt   64,7  ha.     Die 


1)  Mommsen  Herrn.  I  4"  fg. 

2)  Tab.  Peul.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 

3)  Biondo  It.  ill.  236  (übersetzt)  Alberti  It.  187  Cluver  lt.  ant.  1155  dazu 
Holste. 

4)  Reiche  Litteratur:  Fr.  Furchlieim,  Bibliotheca  Pompeiana,  Napoli^  1892. 
Quellenwerke:  Geschichte  der  Ausgrabungen,  Giuseppe  Fiorelli,  Pompeianarum 
antiquilalum  historia,  2  vol.  Napoli  1870.  72.  Ders.  Gii  scavi  di  P.  dal  1861 
ai  1872,  Napoli  1873,4.  Ders.  Descrizione  di  P.,  Napoli  1875.  Giornale  degli 
scavi  di  P.  4  vol.  foi.  Napoli  1868 — 78.  (M.  Ruggiero)  Pompei  e  la  regione 
sotterrala  dal  Vesuvio  nell'  anno  LXXIX,  Napoli  1879,4.  —  Inschriften  Gon- 
way  inscr.  ose.  n.  39—86  Kaibel  inscr.  gr.  n.  701 — 6  Zangemeister  CiL.  IV 
(Pinsel-  und  Griffelschrift)  Mommsen  CIL  X  1  p.  89fg.  Ihm  Eph.  ep.  VIII  p. 
86 — 90.  —  Architektur  Charles  Franfois  Mazois,  Les  ruines  de  Pomp6i  des- 
sinies  et  mesur^es  pendant  les  ann^es  1809  —  11;  ouvrage  continuc  par  M.  Gau 
4  vol.  fol.  Paris  1812—38.  Ernest  Breton,  Pompeia,  Paris  ^  1869.  —  Malerei 
W'oifgang  Heibig,  Wandgemälde  der  verschütteten  Städte  Campaniens,  Leipzig 
1869.  Ders.  Untersuchungen  über  die  campanische  Wandmalerei,  Leipzig  1873. 
August  Mau,  Geschichte  der  decorativen  Wandmalerei  in  Pompeji,  Berlin  1882. 
—  Dafs  es  möglich  sei  durch  eine  technische  Analyse  der  Bauwerke  im  engen 
Anschlufs  an  die  allgemeine  Entwicklung  des  Landes  die  Geschichte  der  Stadt 
aufzuhellen  wurde  von  mir  1865  erkannt  und  auf  Grund  von  Vorarbeiten 
Richard  Schöne's  dargelegt:  Pompeianische  Studien  zur  Städtekunde  des  Alter- 
tums, Leipzig  1877.  Daran  schliefst  an  A.  Mau,  Pompejanische  Beiträge,  Ber- 
lin 1879.  Ders.  in  seiner  Bearbeitung  von  Johannes  Overbeck  Pompeji,  Leip- 
zig^ 1885.  Ders.  Pompeji  in  Leben  und  Kunst,  Leipzig  1900.  —  Nachdem 
das  Material  in  den  drei  letzten  Jahrzehnten  so  sehr  vermehrt  worden  und  die 
Kenntnifs  des  alten  Städtewesens  gewachsen  ist,  wäre  es  an  der  Zeit  eine  neue 
Chronik  von  Pompeji  zu  schreiben. 


§  4.     Der  Süden.  763 

Sladt  ist  erbaut  auf  dem  Absturz  eines  Lavastroms  der  alle  vesu- 
vischen Strome  an  Länge  und  Mächtigkeit  übertrifft  (1  270).  Die 
Meereshohe  sinkt  von  42,5  im  Nordwesten  bis  12,8  m  im  Südosten 
der  Stadt.  Das  Meer  war  fast  1  km  (I  334),  der  Sarnus  ungefähr 
ebenso  viel  entfernt.  Jenseit  der  Sarnobrücke  wo  nach  dem  Ra- 
vennaten  eine  Station  Samum  lag,  theilt  sich  die  Strafse:  nach 
Slabiae  rechnet  die  Reisekarte  3,  nach  Nuceria  12  Millien.i)  Ferner 
führte  eine  Slrafse  von  Pompeji  nach  dem  12  Millien  entfernten 
Nola.  „Stapelplatz,  schreibt  Strabo  2),  von  INola  Nuceria  und  Acer- 
rae  ist  Pompeji  am  Flusse  Sarous  der  die  Waaren  sowol  in  Em- 
pfang nimmt  als  ausführt."  Acerrae  war  seit  332  römisch  und 
hatte  nur  halb  so  weit  nach  dem  Hafen  von  Neapel:  die  Bemerkung 
pafst  nicht  auf  die  Zeit  des  Landfriedens,  mufs  sich  vielmehr  auf 
eine  Zeit  beziehen  wo  der  politische  Gegen  salz  zu  den  Hellenen 
die  Landesbewohner  zum  Zusammenschlufs  und  zur  Schaffung  eines 
o^kischen  Hafens  nütigte.  Nach  demselben  Gewährsmann  war  der 
Hafen  zuerst  in  Händen  der  Osker,  dann  der  Etrusker,  hierauf  der 
Samniteu.  Dies  führt  ins  6.  Jahrhundert  im  Einklang  mit  dem 
monumentalen  Thatbestand.  Die  Ueberreste  des  Minervatempels 
auf  der  Burg  reichen  über  500  v.  Chr.  hinauf  und  rücken  damit 
die  Gründung  der  Stadt  ein  halbes  oder  ganzes  Jahrhundert  hoher 
hinauf  als  Neapel.  Der  Plan  ist  durchaus  einheitlich:  die  ovale 
Fläche  wird  durch  zwei  von  Ost  nach  West  laufende  Hauptslrafsen 
in  3  Drittel,  sodann  durch  von  Nord  nach  Süd  laufende  Haupt- 
stralsen  in  12  (?)  Quartiere  ungleicher  Gröfse  getheilt,  die  durch 
ein  regelmäfsiges  Netz  kleiner  Gassen  in  etwa  150  Häuserblöcke 
zerfallen.  Die  Zahl  der  Thore  war  8,  nach  jeder  Himmelsgegend  2. 
Man  kann  vermuten  dafs  die  südcampanischen  Gemeinden  deren 
Vertreter  jene  drei  von  Strabo  namhaft  geraachten  Städte  sind, 
gemeinschaftlich  Pompeji  gestiftet  haben. 3)     Die  Namen  der  Städte 


1)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 

2)  Strab.  V  247. 

3)  Die  Deutung  des  Namens  ist  zweifelhaft.  Pompeii  nofintjia  Dion.  H. 
I  44  Strab.  V  247.  51  {Ilofinrjioi,  nach  lateinischen  Quellen  Plut.  Cic.  8  Dio 
LXVI  23)  oskisch  nach  dem  Adjectiv  Pompaü[a]  wird  von  den  Alten  von  pompa 
und  dem  Zuge  des  Hercules  mit  den  erbeuteten  Rindern  (Solin  2,5  Serv.  V, 
Aen.  VII  662  Mart.  Cap.  VI  642  Isid.  XV  1,51)  oder  von  nE/insiv  (so  Strab. 
a.  0.  wie  es  scheint)  abgeleitet.  Nach  dieser  Wurzel  würde  es  nicht  etwa 
Golonie,  sondern  portus  ausdrücken.  Der  Erklärung  von  einem  Zahlwort  pompe 
steht  der  Umstand  im  Wege  dafs  weder   die  Anlage  noch  die  geschichtlichen 


764  Kapitel  XII.    Campanien. 

weisen  in  eine  jüngere  Zeit  als  500  v.  Chr.,  aber  umfassen  eben 
die  Gesamtheit  des  unabhängigen  Südens.  In  der  Folge  gehurt 
Pompeji  dem  oucerinischen  Bunde  an  ohne  seinen  Ursprung  zu 
verleugnen.')  Für  uns  bietet  es  in  seinen  älteren  Theilen  den  reinsten 
Typus  der  uskischen  Cultur.  —  Das  Gebiet  umfafste  die  Abhänge 
des  Vesuv,  dessen  Bimstein^)  und  Wein  3)  von  hier  verschifft  wurde. 
In  der  Niederung  die  voitrefflichen  Kohl  lieferte'*),  gab  der  Sarnus 
die  Grenze  gegen  Stabiae  ab.  Für  die  Grenzbestimmung  gegen 
Nola  und  Nuceria  fehlt  ein  sicherer  Anhalt:  immerhin  läfst  sich  die 
Ausdehnung  der  Feldmark  zu  80 — 100  Dkm  ansetzen.  Das  älteste 
Zeugnifs  für  gewerbliche  Thätigkeit  rührt  von  Cato  her,  der  den 
Ankauf  von  Oeipressen  in  Pompeji  empfiehlt.^)  In  der  Kaiserzeit 
hat  sein  Fischextract  Ruf  erlangt.*^)  Die  Ausgrabungen  haben  uns 
eine  Menge  der  verschiedensten  Zünfte  und  Werkstätten  vorgeführt; 
namentlich  stand  das  Tuchgewerbe  in  Blüte."')  Pompeji  wurde  zu 
den  ansehnlichen  Städten  Campaniens  gerechnet  8);  Cicero  kenn- 
zeichnet das  herrschende  Selbstgefühl  durch  den  Witz  in  den  rö- 
mischen Senat  zu  gelangen  sei  leicht,  in  den  pompejanischen  Stadt- 
rat schwierig.'')  Unter  den  öffentlichen  Gebäuden  sei  verwiesen 
auf  das  Amphitheater  mit  etwa  20  000,  das  Theater  mit  5000,  das 
Odeon  mit  1500  Sitzplätzen ;  ferner  auf  die  Thermen  deren  vier 
aufser  zahlreichen  Anlagen  in  den  Privathäusern  vorhanden  sind. 
Einen  unerschöpflichen  Quell  von  Belehrung  bietet  der  W'ohnraum 
und  sein  Wandel  im  Laufe  der  Zeiten  dar.  Von  der  ältesten  Bau- 
weise als  man  mit  Kalkstein  den  die  Niederschläge  des  Sarnus  her- 
vorgebracht hatten  (I  263),  und  mit  Lehm  baute,  sind  Ueberreste 
genug  erhalten    dafs    wir  das  ursprüngliche  Bürgerhaus  nebst  dem 

Verhältnisse  die  Bezeictinuiig  Fünfstadl  rechtfertigen.  Jedoch  erinnert  Buecheler 
an  quinqu(ire=luslrare  Charis.  81,22,  so  dafs  der  Name  etwas  Aehnliches  wie 
Sacriportus  besagen  könnte. 

1)  Aehniich   haben   nach  Strab.  V  242  Paeligner  und  Marruciner    an  dem 
vestinischen  Hafen  Antheil  (S.  439). 

2)  Vitruv  II  6,2. 

3)  Colum.  III  2,27  Piin.  XIV  35.  38.  70. 

4)  Colum.  X  135  Plin.  XIX  140;  ob  auch  Zwiebeln?  Colum.  XII  10,1. 

5)  Cato  RR.  22.  135. 

6)  Plin.  XXXI  94  CIL.  IV  2574fg. 

7)  Damit  hängt  die   bedeutende   Schafzucht   zusammen   Seneca   Nat.   Qu. 
VI  27,1. 

8)  Appian  b.  civ.  1  39  Cic.  de  lege  agr.  II  86.  96. 

9)  Macrob.  Sat.  113,11. 


§  4.     Der  Süden.  765 

ganzen  Bebauungsplan  in  den  Hauptzügen  wieder  herstellen  können. 
Bei  der  Gründung  enthielt  die  Stadt  ungefähr  3000  kleine  ein- 
stöckige Atrien.  Im  3.  Jahrhundert  bahnt  die  Einführung  des 
Kalkraörtels  eine  Aenderung  der  Technik,  bahnt  die  Zunahme  von 
Industrie  und  Wolstand  eine  Aenderung  der  Wohnweise  an.  Die 
Zahl  der  selbständigen  Atrien  nimmt  andauernd  ab,  sie  werden  zu 
herrschaftlichen  Häusern  vereinigt,  die  verdrängten  Besitzer  finden 
in  Mietgelassen,  in  den  Tabernen  an  der  Strafse  sowie  den  oberen 
Stockwerken  Unterkunft.  Die  Umbildung  der  Gesellschaft,  der 
Niedergang  des  Mittelstandes,  die  Scheidung  in  Reich  und  Arm 
läfst  sich  Schritt  für  Schritt  verfolgen.  Damit  geht  nicht  etwa  eine 
Abnahme  sondern  eine  Zunahme  der  Bevölkerung  Hand  in  Hand. 
Wohnten  in  vorrömischer  Zeit  mindestens  12  000  Menschen  inner- 
halb der  Ringmauer,  so  steigt  unter  den  Kaisern  die  Ziffer  auf 
20  000.  Dazu  kamen  die  Vorstädte:  die  Niederlassung  am  Hafen 
und  seit  80  v.  Chr.  der  pagus  Augustus  felix  suburbanus  vor  dem 
Hereulaner  Thor.  Erst  das  Erdbeben  am  5.  Febr.  63  n.  Chr.  schlug 
eine  Wunde  die  nicht  wieder  heilen  sollte.  —  Die  Ueberlieferung 
erwähnt  den  Namen  310  v.  Chr.,  indem  die  römische  Flotte  bei 
Pompeji  landete  und  einen  verunglückten  Streifzug  ins  Nucerinische 
unternahm. 1)  Nach  dem  hannibalischen  Kriege  erhält  das  öffent- 
liche wie  das  private  Bauwesen  einen  glänzenden  Aufschwung.  Im 
trügerischen  Gefühl  der  Sicherheit  läfst  man  die  Ringmauer  ver- 
fallen. Sie  wurde  eilfertig  hergestellt  und  durch  12  Thürme  ver- 
stärkt, da  Pompeji  mit  den  aufständischen  Bundesgenossen  gemein- 
same Sache  machte:  89  v.  Chr.  lagerte  Sulla  im  Norden  am  Fufs 
des  Vesuv,  Wegweiser  für  die  italische  Besatzung  sind  an  den 
Strafsenecken  noch  zu  lesen.2)  Zur  Strafe  mufste  die  Stadt  80  v. 
Chr.  Veteranen  aufnehmen ,  heifst  fortan  colonia  Veneria  Cornelia 
Pompeianorum,  gehört  der  Tribus  Menenia  an  und  wird  nach  lang- 
jährigen Reibungen  zwischen  Alt-  und  Neubürgern  schliefshch  ro- 
manisirt."*)  —  Die  anmutige  Gegend  wurde  von  den  Vornehmen 
zum  Landaufenthalt  gewählt:  Cicero  besafs  hier  eine  Villa,  des- 
gleichen die  kaiserliche  Familie.'*)  Luxus  und  Verweichlichung 
nahmen  ständig  zu,   für  öffentHche   Wolfahrt  um   den  Massen  das 


1)  Liv.  IX  38. 

2)  Appian  b.  civ.  I  39.  50  ne^l  rä  üofmaia  öqt}  Conway  60 fg. 

3)  Cic.  pro  Sulla  60  fg.  CIL.  X  1  p,  89. 

4)  Sueton  Glaud.  27. 


766  Kapitel  Xil.     Campanien. 

Dasein  begehrenswert  zu  machen  geschah  sehr  viel.  Das  Genufs- 
leben  der  Kaiserzeit  spricht  aus  den  Ruinen  mit  wunderbarer  Klar- 
heit. An  der  Wand  einer  ärmlichen  Wohnung  stehen  die  tief- 
sinnigen Namen  Sodoma  Gomora:  der  Jude  oder  Christ  der  sie 
eingeritzt  hat,  kennzeichnet  also  seine  Umgebung.  Lehrreich  ist  es 
den  schrittweisen  Forlgang  von  der  verschämten  zur  nackten  Ver- 
götterung der  Caesaren  zu  begleiten.  Nero  ist  besonders  verehrt 
und  bereits  als  junger  Prinz  durch  einen  eigenen  Priester  ausge- 
zeichnet worden.  Seinen  Dank  bethätigte  der  Selbstherrscher  später 
dadurch  dafs  er,  wie  es  scheint,  den  Titel  neronische  Colonie  an 
Pompeji  verlieh.  1)  Durch  eine  grolse  Schlägerei  die  sie  59  n.  Chr. 
im  Amphitheater  den  Nucerinern  lieferten,  kamen  die  Pompejaner 
nochmals  in  der  Leute  Mund. 2)  Sie  waren  beschäftigt  die  Schäden 
des  Erdbebens  von  63  auszubessern  und  ihre  Stadt  nach  neuester 
Mode  auszuschmücken  als  der  Vesuv  diese  lachende  Welt  begrub 
(I  281).  Die  Feldmark  wurde  mit  der  nolanischen  vereinigt.  Die 
zerstörten  Städte  wieder  aufzubauen  fehlten  die  Mittel,  ein  Zeit- 
genosse klagt  3): 

cuncla  iacent  flammis  et  tristi  mersa  favilla 
nee  superi  vellent  hoc  licuisse  sibi. 
Vor  der  SarnusmUudung  liegt  die  Khppe  Revigliano  mit  einem 
Castell,  im  Altertum  Herculis  pelra  geheifsen.^)  Die  Brücke  über 
den  Flufs  wo  die  Strafsen  nach  Nuceria  und  Stabiae  sich  trennten, 
hiefs  in  Pompeji  pons  Stabiatius  und  begrenzte  die  Gemarkung. 5) 
Die  Heisekarte  rechnet  3  Millien  von  Pompeji  bis  Stabiae.  Der 
Fleck  wo  die  alte  oskische  Stadt  stand,  ist  bisher  noch  nicht  er- 
mittelt worden,  Sie  ward  90  v.  Chr.  von  den  Italikern  eingenommen, 
aber  am  30.  April  89  von  Sulla  zerstört. o)  Ihr  Gebiet  kam  an  das 
den  Römern  treu  gebliebene  Nuceria.")  Eine  Ortschaft  jedoch  er- 
hielt den  Namen;  denn  die  Gegend  war  ihrer  Reize  und  Heilquellen 


1)  Sogliano,  Rendiconti  de'  Lincei  VI  (1897)  389  fg. 

2)  Tac.  Ann.  XIV  17,    in   Pompeji    bildlich   dargestellt  und  in  Kritzeleien 
erwähnt. 

3)  Martial  IV  44  Sueton  Tit.  8  Dio  LXVI  24  Marc  Aurel  IV  48  Euseb.  a, 
Abr.  2095  Piut.  de  Pvthiae  orac.  9  de  sera  num.  vind.  21  (566e). 

4)  Plin.  XXXII  17. 

5)  Conway  39  CIL.  X  1064. 

6)  Appian  b.  civ.  I  42  Plin.  III  70. 

7)  In  der  Küstenbeschreibung  Plin.  III  62  nimmt  der  ager  Nucerinus  den 
Platz  zwischen  Pompeji  und  Surrentum  ein. 


§  4.    Der  Süden.  767 

wegen  sehr  beliebt. i)  Die  Villenstadt  zog  sich  nach  Ausweis  der 
1749 — 82  unternommenen  Ausgrabungen  1  km  vom  Strande  nach 
Gragnano  zu  hin.')  IV'ach  der  Verschütlung  79  wurde  sie  am 
Strande  selbst  dem  heutigen  Castellamare  di  Stabia  entsprechend 
aufgebaut  3)  und  gewann  als  Milchcurort  einen  grofsen  Ruf.^)  Die 
Curanstalt  war  4  Millien  entfernt  am  Lactarius  mons  dessen  Name  im 
M.  Lattaro  (an  der  Strafse  von  Castellamare  nach  Agerola  und  Amalti) 
lortlebt.5)  König  Teias  fiel  553  in  diesen  Bergen.  Der  Querzug 
der  die  campanische  Ebene  im  Süden  abschhefst  und  Italien  der 
Breite  nach  durchstreicht,  hat  oberhalb  Stabiae  im  M.  S.  Angelo 
1443  m  einen  Knotenpunct  (I  242).  Von  hier  läuft  ein  20  km 
langer  Rücken  mit  Gipfeln  von  5 — 900  m  aus  nach  Südwest,  in  der 
Punta  Campanella  (47  m)  endigend,  lieber  dem  Cap  steigt  in  drei 
Spitzen  der  M.  S.  Costanzo  (498  m)  auf,  der  einen  berühmten  Tem- 
pel der  Minerva  trug.  Das  promutiturium  Minervae  das  die  Golfe 
von  Kyme  und  Posidonia  scheidet  und  an  einer  VVeltstrafse  liegt, 
war  in  seemännischen  Kreisen  weit  bekannt. 6)  Die  Vorüberfahren- 
den spendeten  der  Göttin  Wein  ^),  Odysseus  galt  als  Gründer  ihres 
Heiligtums.*)  Da  in  der  Bocca  piccola,  der  Durchfahrt  zwischen 
Capri  und  dem  Festland  gelegentlich  rauhe  See  steht,  fanden  die 
Gebilde  der  Schiftersage  geeignete  Unterkunft.  Das  Vorgebirge 
hiefs  auch  promunturium  Sir enum  ^) ,  die  drei  unbewohnten  Khppen 
die  8  km  östlich  im  Golf  von  Posidonia  liegen,  Sirenum  pelrae,  jetzt 
H  Galli.io)  Die  unholden  Sängerinnen  hatten  an  der  Nordseite  einen 
Tempel  in  der  Gegend  von  Massa  Lubrenseii);  auch  wird  ein  Theil 


1)  Cic.  ad  Farn.  VII  1,1  Ovid.  Met.  XV  711  Colum.  X  133  Seneca  Nat.  Qu. 
VI  1,1  Plin.  XXXI  9  XXXII  17  CIL.  X  l  p.  84. 

2)  Michele  Ruggiero,  Degli  scavi  di  Stabia,  Napoli  1881.  4. 

3)  Plin.  Ep.  VI  16,12. 

4)  Galen  X  363  fg.  Symmach.  Ep.  VI  17. 

5)  Gassiod.  Var.  XI  10  Prokop  b.  Golh.  IV  35  vgl.  II  4,  gewöhnlich  findet 
man  den  Namen  im  heuligen  Lettere  wieder. 

6)  Liv.  XL  18  XLII  20  Lucil.  fr.  III  19  L.  M.  Appian  b.  civ.  V  98  Eratos- 
thenes  Slrab.  I  22  V  247  Ovid.  iMet.  XV  709  Mela  II  69  Seneca  Ep.  77,2  Stat- 
Silv.  III  1,109. 

7)  Stat.  Silv.  III  2,24. 

8)  Strab.  V  247. 

9)  Strab.  V  247  Dion.  Perieg.  360  mit  Schol. 

10)  Strab.  I  22  V  247  Mela  II  69  Ptol.  III  1,69  Verg.  Aen.  V  864. 

11)  Strab.  122  V  247. 


768  Kapitel  XII.     Campanien. 

des  Gebirges  mons  Sirenianus  genannt. i)  V^ereinzelt  kommt  end- 
lich noch  die  Bezeichnung  Surrentinum  promunturium  vor. 2)  — 
Die  Halbinsel  hat  in  der  Luftlinie  eine  Mittelbreite  von  5  km,  stürzt 
nach  Süden  jäh  ab,  breitet  sich  dagegen  nach  Norden  in  Flächen 
aus  die  den  Meeresspiegel  nur  um  50 — 100  m  überragen.  Die 
grufsle  das  Piano  di  Sorrento  erstreckt  sich  5  km  lang  zwischen 
zwei  Vorgebirgen  Punta  di  Sorrento  und  Punta  di  Scutolo.  Am 
Wesiende  liegt  Surrentum  von  zwei  Schluchten  eingefafst:  die  öst- 
liche mündet  in  die  kleine,  die  westliche  in  die  grofse  Marina  aus. 
Die  Lage  ist  fest,  nur  im  Südwesten  ist  eine  Strecke  von  300  m 
angreifbar.  Der  Umfang  der  Stadt  mifst  reichlich  2  km ,  ihr  In- 
halt 22  ha.  Die  regelmäfsige  Anlage  mit  rechtwinkligen  Häuser- 
blücken  darf  dem  Altertum  zugeschrieben  werden,  da  die  äufseren 
Umrisse  von  Natur  gegeben  sind.  Nur  der  Strand  war  ehedem 
breiter:  zahlreiche  Trümmer  unter  Wasser  beweisen  dafs  die  ganze 
Küste  seit  der  Romerzeit  gesunken  ist.  Die  Halbinsel  soll  von 
Lipara  aus  besetzt  worden  sein  3):  man  begreift  dafs  die  Hellenen 
wie  das  nahe  Capri  so  auch  diesen  vom  Festland  her  schwer  zu- 
gänglichen Strich  sich  angeeignet  hatten.  Die  Feldmesser  berichten 
dafs  er  der  Minerva  geweiht  und  von  Griechen  bebaut  worden  sei. 4) 
Wirklich  führte  Sorrent  ehemals  den  Beinamen  Minervium.^)  Den 
Hellenen  erging  es  aber  am  Südrand  des  Golfs  nicht  besser  als  am 
Nordrand.  Sie  erlagen  den  Samniten  von  deren  Herrschaft  oskische 
Inschriften  und  Gräber  zeugen. <*)  Wie  Stabiae  schlofs  sich  Sorrent 
90  v.  Chr.  den  Italikern  an,  ward  nachher  der  menenischen  Tribus 
zugetheilt.  An  der  Spitze  des  Municipium  stehen  Duovirn.^)  Eine 
reizvolle  Gegend  ein  herrliches  Klima  machen  und  machten  den 
Aufenthalt  begehrenswert. s)     An  20  km  lang  von  Punta  di  Scutolo 

1)  Feldm.  237,2. 

2)  Tac.  Ann.  IV  67  Stat.  Silv.  V  3,165. 

3)  Diod.  V  7,6. 

4)  Feidm.  236,22  vgl.  Stat.  Silv.  II  2,95. 

5)  Appian  b.  civ.  I  42  wo  nach  dem  Zusammenhang  nur  die  Stadt  Surren- 
tum gemeint  sein  kann,  ist  Mivosqvov  zu  verbessern  in  Mivi^oviov,  vgl.  oben 
S.  762  Minervia  ChuUu. 

6)  Conway  p.  53  Strab.  V  247  2:vQQevr6v  iwv  Kaftnav£v.  Etruskische 
Spuren  fehlen,  Steph.  Byz.  ^.  nohs  TvoQTjviae  gehört  in  die  Reihe  der  S.  682 
A.  5  angeführten  Zeugnisse. 

7)  CIL.  X  1  p.  76. 

8)  Hör.  Ep.  I  17,52  Surrentum  amoenum  Sil.  It.  V  466  Zephyro  Surren- 
tum molle  talubri. 


§  4.     Der  Süden.  769 

bis  Punta  tlella  Campanella  folgte  ein  Landhaus  dem  anderen. 
Die  Ceberreste  lassen  oft  genug  die  Pracht  ahnen,  die  einst  diese 
Küste  bedeckte.  Die  Vorliebe  der  ersten  Kaiser  für  Capri  kam 
auch  ihr  zu  Gute,  eine  kaiserliche  Villa  lag  bei  Sorrent.i)  Unter 
den  Privatvillen  ist  diejenige  des  Puteolaners  Pollius  Felix  durch 
die  Schilderungen  seines  Freundes  Statins  bekannt  geworden:  die 
Marina  di  Puolo  zwischen  dem  Capo  di  Massa  und  der  Punta  di 
Sorrento  bewahrt  den  Namen  des  Besitzers,  die  Ruinen  erfüllen 
das  Vorgebirge.^)  Inzwischen  hat  die  Landschaft  ihr  Kleid  ge- 
wechselt: Hochwald  schmückte,  als  Statins  dichtete,  die  nackten 
Berge  3) ;  der  VVeinstock  behauptete  das  Feld  das  er  in  der  Neuzeit 
den  Agrumen  hat  räumen  müssen.  Der  Surrentiner  erlangte  erst 
mit  25  Jahren  seine  Reife  und  stand  vornehmlich  bei  den  Aerzten 
in  Ehren. 4)  Lange  vorher  hatte  Ennius  den  hier  gefangenen  See- 
fisch empfohlen.^)  In  gewerblicher  Hinsicht  wurde  das  Thonge- 
schirr  von  Sorrent  geschätzt. 6)  —  Eine  alte  Strafse  von  der  viele 
Spuren  vorhanden  sind,  lief  vom  Vorgebirge  der  Minerva  über 
Sorrent  nach  Stabiae.')  Während  die  heutige  1832  gesprengte 
Strafse  aus  der  Sorrentiner  Ebene  in  einem  grofsen  Bogen  um 
die  Punta  di  Scutolo  herumführt,  stieg  die  alte  den  Pafs  von  Ca- 
maldoli  steil  hinauf  zwischen  dem  kleinen  M.  S.  Augelo  (431  m) 
und  Alberi  (411  m).  Dieser  Höhenzug  der  weiter  nördlich  215  m 
mifst  und  in  dem  erwähnten  Vorgebirge  endigt,  scheidet  das  Piano 
di  Sorrento  von  Aeqiiatia.^)  Darunter  ist  das  zweite  gröfsere  Thal- 
land der  Halbinsel  zu  verstehen;  es  wird  gegen  Stabiae  durch  den 
hohen  Rücken  den  der  M.  S.  Angelo  (S.  767)  nach  Norden  zum 
Capo  d'Orlando  vorschickt  (M.  Faito  1280  m  M.  delle  Fragole  452  m) 
scharf  begrenzt.     Der  Name  hat  sich  in  dem  Weiler  Massa  Equana 


1)  Sueton  Aug.  65  CIL.  X  691—713. 

2)  Stat.  Silv.  II  2  III  1  Beloch  Camp.  269. 

3)  Stat.  Silv.  III  1,118. 

4)  Hör.  Sat.  II  4,55  Ovid.  Met.  XV  710  Slrab.  V  243  Colum.  III  2.  8  Plin. 
III  60  XIV  22.  34.  38.  64  Stat.  Silv.  III  5,102  Martial  XIII  110  Athen.  I  26d  Galen 
XIV  15  K.  u.  0.  Marquardt  Privatleben  11  435  A.  16. 

5)  Ennius  p.  166,6  Vahlen. 

6)  Plin.  XXXV  160  Martial  XIII  110  XIV  102. 

7)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  vgl.  Mela  II  69  Plin.  III  62  Ptol. 
III  1,7. 

8)  Allein  genannt  Sil.  It.  V  465  felicia  Baccho  Aequana,  und  zwar  in 
Verbindung  mit  Surrentum. 

Nissen,  Ital.  Landeskaade.    II.  49 


770  Kapitel  XU.     Campanien. 

lind  der  Marina  di  Equa  erhalten.  Der  Haiiptort  Vico  auf  einem 
Vorsprung  am  Meer,  aller  Bischofsitz,  hat  im  17.  Jahrhundert  den 
ßeinamen  Equense  angenommen.  Auch  hier  sind  Ruinen  voo  Villen 
vorhanden,  doch  in  geringer  Zahl.  Aequana  gehörte  im  Altertum 
zu  Surrentum  1),  so  dafs  dessen  Gebiet  nahezu  100  Dkm  erreichte. 
Reichlich  3  Millien  ist  Capreae  vom  Festland  entfernt.^)  Die 
Insel  mit  11  Millien  Umfangt)  und  10,5  Dkm  Inhalt  setzt  das  Ge- 
birge von  Sorrent  fort  und  wiederholt  dessen  Bau:  der  kleinere 
oestliche  Theil  (340  m)  ist  durch  einen  Sattel  mit  dem  westlichen 
Haupttheil  (M.  Solaro  585  m)  verbunden.  Der  Felsen  fällt  ringsum 
schroff  ab:  das  Oberland  Anacapri  war  bis  1874  für  seinen  Ver- 
kehr mit  der  Aufsenwelt  auf  eine  Treppe  von  784  Stufen  ange- 
wiesen, nur  die  Nordseite  bietet  einen  erträglichen  Landeplatz 
(Marina  grande).^)  An  Wasser  mangelt  es:  das  Unterland  besitzt 
4  Quellen,  Anacapri  nur  Cisternen.  Ziegeninsel  war  in  der  Thal 
die  passendste  Bezeichnung  5),  die  plurale  Bildung  des  Namens  in 
Campanien  beliebt. 6)  Immerhin  hatte  der  Besitz  für  eine  Seemacht 
grofsen  Wert;  die  Hellenen  haben  ihn  ergriffen  und  dauernd  fest- 
gehalten ,  während  das  surrenlinische  Gegengestade  der  Samniten 
Beute  wurde.')  Die  Bewohner  bewahrten  griechische  Sprache  und 
Sitte  noch  in  der  Kaiserzeit.S)  So  ungastlich  das  Felseneiland  wie 
der  Horst  eines  Seeadlers  aus  den  Wogen  emporragt,  birgt  es  des 
Lieblichen  gar  viel,  bietet  dem  Winzer  und  Gärtner  geeigneten 
Boden.  Der  Herrscher  fand  in  seinem  weiten  Reich  keinen  schöneren 
passenderen  Ort  um  von  der  Arbeit  auszuruhen  und  lästiges  Ge- 
dränge zu  verbannen.  Augustus  erwarb  Capri  von  Neapel  29  v.  Chr., 
als  er  noch  unumschränkt  über  Land    und  Leute  verfügte,   gegen 


1)  CIL.  X  1  p.  83. 

2)  Tac.  Ann.  IV  67. 

3)  Plin.  III  82. 

4)  Sueton  Tib.  40.  60  Tac.  Ann,  IV  67. 

5)  Hesych.  xon^a  al'l  Tv^Qiqvoi,  da  auch  auf  Sicilien  ein  oqoe  KanqMvöv 
vorkommt  Diod.  XXXVI  4,  ist  anzunehmen  dafs  den  Weslhellenen  diese  Be- 
deutung geläufig  war. 

6)  Cnmae  Baiae  Pithecussae  Pideoli  Acerrae  Pompeii  Stabiae  Aequana; 
vereinzeil  Kanqia  Sleph.  Byz.  Dio  LH  43  LVIII  5  LXXII  4  Capruria  It.  mar.  516. 

7)  Verg.  Aen.  Vll  735  kleidet  die  Herrschaft  Neapels  in  ein  mythisches 
Gewand   ein,   Tac.  Ann.  IV  67. 

8)  Sueton  Aug.  98  Kaibel  896—902.  Der  Dichter  Blaesos  stammle  aus- 
Capri  Steph.  Byz. 


§  4.     Der  Süden.  771 

Abtretung  von  Ischia  zum  Eigentum  und  richtete  sich  häuslich  ein.i) 
Sein  Nachfolger  hielt  hier  die  letzten  zehn  Jahre  seiner  Regierung 
Hof:  das  römische  Volk  hat  ihm  die  darin  ausgedrückte  Verachtung 
nie  verziehen  und  den  ehrhchen  Namen  beschmutzt.  Die  Ungunst 
wurde  auf  die  Insel  mit  übertragen:  dem  Aufenthalt  des  Tiberius, 
meint  Dio,  verdanke  sie  ihren  Ruf,  etwas  Nützliches  sei  dort  nicht. 2) 
Sie  hat  in  der  Folge  nach  Landesart  (I  367)  als  Kerker  gedient. 3) 
Allerdings  konnte  der  Dichter  des  Golfs  vom  reichen  Capreae 
sprechen.'*)  Tiberius  hatte  an  den  schönsten  Stellen  zwölf  Villen 
errichtet  die  noch  nachweisbar  sind  und  der  gebührenden  Aus- 
stattung sicherHch  nicht  entbehrten. s)  Besondere  Erwähnung  ver- 
dienen die  üeberreste  eines  Leuchtthurms  dem  Vorgebirge  der 
Minerva  gegenüber,  der  wol  bereits  von  Augustus  herrührt. «)  Die 
Insel  hatte  wie  heutigen  Tages  und  den  Verhältnissen  entsprechend 
ursprünglich  zwei  Ortschaften,  seit  der  Monarchie  nur  eine."^  Sie 
lag  —  daran  erinnert  die  alte  Kirche  S.  Costanzo  —  an  der  Marina 
beim  Aufstieg  nach  Anacapri:  Agoranomen  leiteten  die  Verwaltung^), 
Fischerei  war  das  wichtigste  Gewerbe.^) 

Das  Gebirge  östüch  vom  M.  S.  Angelo  (S.  767)  weist  noch 
Gipfel  von  12 — 1300  m  auf,  bis  eine  Thalseokung  den  Zusammen- 
hang unterbricht.  Das  Thal  hat  in  seiner  Wurzel  oberhalb  des 
Golfs  von  Salerno  etwa  200  m  Meereshöhe  und  vermittelt  vom 
Golf  einen  bequemen  Zugang  nach  Campanien.  Es  mündet  nach 
8  km  in  einen  Kessel  von  4  km  Länge  und  2  km  Breite  aus  (63  m) 
den  der  von  Norden  kommende  Sarnus  durchfliefst.  Die  umfassenden 
Höhen  erreichen  im  Süden  1130  m  im  Osten  482  m  im  Norden 
283  m  im  Westen  197  m.  Im  Westen  ist  es  nur  ein  schmaler 
"Rücken  der  den  Verschlufs  bewirkt  und  den  Austritt  des  Sarnus  in 
die  grofse  Ebene  einengt.  Das  heutige  Nocera  de'  Pagani  nimmt 
die  Flufsenge  ein,  das  alte  lag  im  Kessel.     Die  Taulkirche  S.  Maria 


1)  Strab.   V  248   Dio  LH  43   Sueton   Aug.   72.  92.  98.      Unter  der  insula 
ApragopoUs  (Sueton  98)  ist  Sorrent  zu  verstehen. 

2)  Dio  LH  43. 

3)  Dio  LXXII  4. 

4)  Stat.  Silv.  III  1,128. 

5)  Tac.  Ann.  IV  67  Sueton  Tib.  65  villa  Jovis. 

6)  Sueton  Tib.  74. 

7)  Strab.  V  248. 

8)  Kaibel  896.  97. 

9)  Plin.  XXX  45  Sueton  Tib.  60. 

49* 


772  Kapitel  XII.    Campanien. 

Maggiore  sehr  früher  Gründung  giebt  einen  Anhalt  für  die  Oert- 
hchkeit;  an  den  südUchen  Abliängen  besonders  bei  Pareli  finden 
sich  aufserdem  Unterbauten,  wie  es  scheint,  von  Villen  sowie  Gräber. 
Im  Uebrigen  bleibt  Plan  und  Ausdehnung  von  Nuceria  Alfatema 
noch  durch  Grabung  zu  bestimmen.  Seine  Bedeutung  im  Verkehrs- 
leben ist  von  Natur  gegeben,  insofern  die  von  Norden  nach  Süden 
von  Capua  nach  Regium  laufende  Via  Popilia  und  die  von  Vi^esten 
nach  Osten  von  Pompeji  über  Abellinum  nach  Benevent  laufende 
Strafso  sich  hier  kreuzen.  Die  Entfernungen  von  Nuceria  betragen: 
nach  Nola  16,  Salernum  8,  Pompeji  12,  AbeUinum  22  MiUien.^) 
Wie  ihre  wiederholte  Einnahme  zeigt,  ist  die  Stadt  weder  grofs  noch 
fest  gewesen.  Sie  hat  den  umwohnenden  Berggemeinden  als  Markt 
und  dem  südHchen  Campanien  als  politischer  Mittelpunct  gedient 
(S.  761).  Ihre  Silber-  und  Kupfermünzen  tragen  die  oskische  Auf- 
schrift Nuvkrinum  Alafaternum.'^)  Der  Name  Nuceria  3)  begegnet 
mehrfach  in  Italien  und  scheint  Neuburg  zu  bedeuten,  der  an 
zweiter  Stelle  stehende  kehrt  noch  einmal  bei  einer  vorschoUenen 
Gemeinde  der  Aequer  wieder  und  enthält  in  seiner  Vorderhälfte 
die  verbreitete  Wurzel  alb,  bedeutet  mithin  Hochländer.  Die  Cen- 
susliste  des  Augustus  führt  die  Stadt  unter  Alfaterni  auf.*)  Dies  ist 
eine  Ausnahme:  wie  in  den  meisten  anderen  Fällen  hat  der  Sprach- 
gebrauch den  Stammnamen  durch  den  Stadtnamen  verdrängt.  So 
bereits  bei  Philistos.^)  Das  Gebiet  nach  der  Einverleibung  Stabiae's 
(S.  766)  wird  von  Beloch  zu  220  Dkm  angesetzt.  —  Im  zweiten 
Samniterkrieg  ergriffen  316  die  Alfaterner  die  Waffen  gegen  Rom, 
mufsten  aber  308  nach  Erstürmung  ihrer  Stadt  sich  dessen  Bundes- 
genossen beigesellen.'')  Das  Bündnifs  gewährte  ihnen  Münz-  und 
Asylrecht.^)  Sie  haben  fortan  standhaft  zu  Rom  gehahen,  216 
Nuceria  durch  Hannibal  zerstören  sehen  und  die  nächsten  Jahre 
vertrieben   in  Atella  gewohnt  (S.  716).^)     Papius   Mutilus  brannte 


1)  It.   Ant.   109.  123  Tab.   Peut.   Geogr.  Rav.  IV  32.  34  V  2   CIL.  X  1  p, 
704.  707. 

2)  Mommsen  Münzwesen  165.  356. 

3)  Nouceria  CIL.  X  6950  Nucherini  eb.  1429  CIL.  IV  2183. 

4)  Plin.  III  63. 

5)  fr.  41  Müller  vgl.  S.  682  A.  5. 

6)  Diod.  XIX  65  Liv.  IX  38.  41. 

7)  Cic.  pro  Balbo  28. 

8)  Liv.  XXIII  15  XXVII  3  Sil.  It.  XII  424  Appian  Kann.  49   Lib.  63  Val. 
Max.  IX  6  ext.  2  Dio  fr.  57,35. 


§  4.     Der  Süden.  773 

89  die  Vorstädte  nieder  um  sie  zur  Tlieilnahme  am  Aufstand  zu 
zwingen.')  Wiederum  litten  sie  schwer  73  im  Sklavenkrieg.2)  Nach- 
dem Nuceria  mit  Bürgerrecht  ausgestattet  und  der  menenischen 
Tribus  eingefügt  war,  hatte  der  Verfall  des  Mittelstandes  so  um  sich 
gegriffen  3)  dafs  dies  Gemeinwesen  passender  Weise  zur  Einziehung 
ins  Auge  gefafst  werden  konnte.^)  Die  Triumvirn  hatten  es  ihren 
Veteranen  zugedacht.  Aus  den  Jahren  nach  der  Schlacht  bei  Phi- 
lippi  rührt  die  colonia  Nuceria  Constantia  her,  die  jedoch  —  wir 
wissen  nicht  weshalb  —  in  der  Liste  der  Colonien  des  Augustus 
fehlt.5)  57  n.  Chr.  wurde  sie  durch  neue  Ansiedler  verstärkt. 6) 
Hinter  Pompeji  stand  die  städtische  Entwicklung  weit  zurück'); 
der  nachbarlichen  Eifersucht  zwischen  beiden  Orten  ist  oben 
(S.  766)  gedacht  worden.  Das  Erdbeben  von  63  hat  beide  heim- 
gesucht^); desgleichen  hat  der  Vesuv  seinen  Aschenregen  auch 
über  Nuceria  niedergehen  lassen.  Im  Gothenkrieg  wird  die  Stadt 
noch  erwähnt. 9)  üebrigeus  waren  die  Vitellier  denen  der  Kaiser 
von  69  angehört,  hier  zu  Hause.io) 


1)  Appian  b.  civ.  142  Flor.  116,11. 

2)  f  lor.  II  8,5. 

3)  Diod.  XXXVI  2,  2  a. 

4)  Cic.  de  leg.  agr.  II  86.  96  Appian  b.  civ.  IV  3. 

5)  Feldm.  235  lt.  Ant.  123  Geogr.  Rav.  IV  34  Ptol.  III  1,60  CIL.  X  1  p.  124. 

6)  Tac.  Ann.  XIII  31. 

7)  Strab.  V  247.  49.  51. 

8)  Seneca  Nat.  Quaest.  VI  1,2. 

9)  Piokop  b.  Goth.  IV  35. 
10)  Sueton  Vit.  1.  2. 


KAPITEL  XIII. 


Samnium. 

Am  1.  November  82  v.  Chr.  rückten  die  Samniten  vor  das 
Collinische  Thor  um  Rom  vom  Erdboden  zu  vertilgen.  Ihr  Anführer 
Pontius  Telesinus  rief  aus:  „die  Wolfe  die  Italiens  Freiheit  raubten, 
würden  immer  wiederkehren,  so  lange  der  Wald  in  dem  sie  ihre 
Zuflucht  fänden,  von  der  Axt  verschont  bliebe.')"  Das  Glück  der 
Schlachten  war  Sulla  hold;  der  Sieger  ruhte  und  rastete  nicht  bis 
alle  namhaften  Männer  jenes  Volkes  getödtet  oder  aus  dem  Lande 
gejagt  waren:  nach  seiner  Ueberzeugung  könnte  kein  Römer  je  in 
Frieden  leben  wenn  samnitische  Gemeinden  fortbestehen  blieben. 2) 
Die  letzte  Entscheidung  in  dem  dreihundertjährigen  Ringen  zwischen 
Stadt  und  Land  Küste  und  Gebirg  Einheit  und  Freiheit  war  ge- 
fallen; sechs  lange  Kriege  hatten  die  Vorkämpfer  der  Unabhängig- 
keit allein,  mit  anderen  Stämmen  gemeinschaftlich,  im  Runde  mit 
Fremden  und  immer  voll  unversöhnlichen  Hasses  gegen  Rom  aus- 
gefochten,  bevor  sie  von  der  geschichtlichen  Rühne  verschwanden. 
Ihre  Freiheitsliebe  hat  dem  Gegner  Achtung  abgenötigt  3),  ihre 
Kämpfe  werden  von  den  Annalisten  in  breiter  Ausführlichkeit  er- 
zählt. Aber  wir  sind  aufser  Stande  dem  Gang  der  Feldzüge  zu 
folgen  oder  die  Mehrzahl  der  dabei  erwähnten  Ortsnamen  topo- 
graphisch zu  bestimmen.  Daran  ist  die  Rhetorik  der  Geschicht- 
schreiber und  die  Unkenntnifs  im  eigenen  Lande  Schuld,  freilich  nicht 
allein :  nach  einem  Ausspruch  des  Florus  hatte  der  Sieger  keinen  Stein 
auf  dem  anderen  gelassen,  so  dafs  man  in  Samnium  nach  Samnium 
suchen  mufsle  und  nicht  begriff  woher  es  den  Stoff  zu  24  Trium- 


1)  Vdl.  II  27,2 

2)  Strab.  V  249. 

3)  Liv.  X  31  nee  suis  nee  externis  viribus  tarn  stare  poterant —  tarnen  hello 
Tion  abslinebant :  adeo  ne  infelieiler  quidetn  defensae  libertatis  taedebat,  et 
vinci  quam  non  temptare  vietoriam  malebant  vgl.  VII  29  Strab.  V  250. 


Samnium.  775 

pheü  geliefert  habe,^)  Sulla  hatte  ein  siebentägiges  Fest  der  Vic- 
toria zum  Andenken  der  Schlacht  am  Collinischen  Thor  und  des 
Untergangs  der  Samniten  eingesetzt;  das  Fest  wurde  auch  unter 
den  Caesaren  gefeiert,  ist  jedoch  im  4.  Jahrhundert  verschollen.  Es 
sieht  wie  eine  Nachwirkung  der  alten  Todfeindschaft  aus,  wenn 
Augustus  in  seiner  Regionentheilung  Samnium  auf  8  Gemeinden 
beschränkt  (I  531).  Die  Aechtung  des  Namens  ist  erst  aufgehoben 
worden ,  als  der  sullanische  Sieg  mit  anderen  Erinnerungen  der 
Republik  verblafsle  und  Italien  dem  übrigen  Reich  gleichgestellt 
wurde.  Im  4.  Jahrhundert  diente  er  zur  Bezeichnung  einer  Pro- 
vinz deren  Umfang  geschwankt  hat. 2)  Sie  war  anTänghch  in  der 
Verwaltung  mit  Campanien  verbunden,  erhielt  aber  später  einen 
besonderen  Statthalter  (rector).^)  Nach  einer  Angabe  befafsten  ihre 
Grenzen  3  von  den  8  Landschaften  welche  die  vierte  augustische 
Region  enthielt,  nämUch  das  Land  der  Paeligner  Frentaner  und 
Samniten.^)  Noch  weiter  erstreckten  sie  sich  unter  den  Lango- 
barden, da  die  14.  Provinz  Samnium  im  Norden  bis  an  den  Aternus 
reichte,  im  Süden  als  ihre  Hauptstadt  Benevent  aus  der  zweiten 
Region  des  Augustus  umschlofs.^)  Aber  mit  der  Eintheilung  ist 
auch  der  Name  untergegangen ;  die  Provinz  Molise  oder  wie  sie 
neuerdings  heifst,  Campobasso  (4381  Dkm)  deckt  sich  nur  ganz  an- 
nähernd mit  dem  Samnium  des  ersten  Kaisers.  Der  Abstand  gegen- 
über der  Vergangenheit  ist  grofs.  Um  350  v.  Chr.  in  der  Küsten- 
beschreibung des  Skylax  wo  der  Name  zum  ersten  Male  in  der 
Ueberlieferung  auftaucht,  sitzen  die  Samniten  vom  Ufer  der  tyrrhe- 
nischen  See  zwischen  Neapel  und  Posidonia  über  die  ganze  Breite 
der  Halbinsel  bis  zur  Adria,  an  der  sie  zwischen  Apulien  und  An- 
cona  den  Raum  von  zwei  Tages-  und  einer  Nachtfahrt  einnehmen. 6) 
FreiUch  macht  eine  nachträglich  eingefügte  Notiz  darauf  aufmerk- 
sam dafs  dies  weite  Gebiet  in  5  verschiedene  Mundarten  zerfallen 
sei.  Von  den  einzelnen  Cantonen  wie  Frentaner  Larinaten  Cara- 
cenei-  Pentrer   Hirpiner  AbeUinaten  Caudiner  Alfalerner  die  es  um- 


1)  Flor.  I  11,8. 

2)  Aelteste  Erwähnuna:  vila  Tetric.  sen.  5,  sodann  364  Cod.  Theod.  IX 
30,1  Not.  Dign.  Occ.  10.  436  Nov.  Valent.  35,1.  4  (452)  Cassiodor  Var.  III  13 
IV  10  V  26.  27  XI  36. 

3)  CIL.  IX  p.  203. 

4)  Feldm.  259. 

5)  Paul.  h.  Lang.  II  20  und  dessen  Quelle. 

6)  Skylax  11.  15,   der  I  523  A.  3  geäufserte  Zweifel   ist   nicht  berechtigt. 


776  Kapitel  XIII.     Samnium. 

fafste,  ist  uns  vielleicht  nur  die  Minderzahl  namentlich  bekannt. 
In  Belren"  der  Verfassung  die  die  Stämme  zu  einem  Bunde  ver- 
einigte, versagt  die  Ueberlieferung  völlig.  Mufsten  wir  es  ablehnen 
das  italische  Hochland  im  engen  Anschlufs  an  die  Ordnungen  des 
Augustus  zu  beschreiben  (S.  433),  so  fehlt  leider  ein  Gewährsmann 
der  uns  durch  die  politischen  Bildungen  der  alten  Zeit  die  Wege 
weisen  konnte.  Es  ist  früher  dargelegt  worden  (1  529)  wie  dies 
tapfere  Bauernvolk  auf  Kosten  seiner  Nachbarn  um  sich  griff  und 
sodann  schrittweise  durch  die  römischen  Festungen  zurückgedrängt 
wurde.  Der  ganze  Hergang  die  ziclbewufste  Politik  Roms  wird 
nicht  durch  die  Ueberlieferung  erklärt,  wol  aber  durch  den  Bau 
des  Landes. 

Nach  der  heutigen  Eintheilung  sind  die  Provinzen  Molise  (Cam- 
I)obasso)  Benevento  und  Principato  ulteriore  (Avellino)  mit  Stücken 
von  Abruzzo  citeriore  (Chieti)  Abruzzo  ulteriore  II  (Aquila)  Terra 
di  Lavoro  (Caserta)  Principato  citeriore  (Salerno)  Basilicata  (Potenza) 
d.  h.  im  Osten  beginnend  die  Kreise  Lanciano,  Vasto,  Larino,  Cam- 
pobasso,  Jsernia,  Solmona,  Avezzano,  Piedimonte  d'Alife,  Caserta, 
Benevento,  Cerreto  Sannita,  S.  Bartolommeo  in  Galdo,  Avellino, 
Ariano,  Sant'  Angelo  de'  Lombardi,  Salerno,  Melfi,  im  Ganzen  ein 
Gebiet  von  rund  280  d.  D  M.  15300  nl<m  zu  einem  Hauptabschnitt 
vereinigt.  Die  Anordnung  wird  durch  physische  sowol  als  histo- 
rische Rücksichten  begründet.  Das  tiefe  Thal  des  Sangro  macht 
einen  deutlichen  Einschnitt  im  Aufbau  des  Appennin  (I  240)  und 
begrenzt  zugleich  die  Herrschaft  der  oskischen  Sprache  gegenüber 
den  Mundarten  der  Mittelstämme.  Im  Süden  sodann  wird  durch 
den  Querzug  der  mit  Capri  und  den  Bergen  von  Sorrent  beginnend 
die  Breite  der  Halbinsel  durchzieht,  die  veränderte  Axenstellung  des 
Appennin  eingeleitet  (I  240.  42).  Eine  Sprachgrenze  läuft  hier  nicht, 
aber  eine  politische  von  nachhaltiger  Bedeutung.  Endlich  stellen 
im  Westen  und  Osten  die  grofsen  Ebenen  Campaniens  und  Apuliens 
natürliche  Gegensätze  zu  dem  umschriebenen  Hochland  dar.  Letz- 
teres wurde  I  241  als  ein  Gewirre  von  Hügeln  und  Bergen,  deren 
Vertheilung  auf  kein  deutliches  Princip  zurückgeführt  werden 
könne,  bezeichnet.  Immerhin  verdient  Beachtung  dafs  der  Ueber- 
gang  von  der  Axenstellung  des  Nord-  und  Centralappennins  zu  der 
dem  Süden  eigentümlichen  bereits  hier  beginnt.  Dort  steht  die  Ent- 
fernung vom  tyrrbenischen  Meer  im  Verhältnifs  von  1:3,  in  Sam- 
nium dagegen  im  Verhältnifs  5  :  2.     Der   Oslrand   des  sabellischen 


Samniuni.  777 

Gebirgsvierecks  mit  den  höchsten  Erhebungen  des  Appennin  weist 
in  seinen  Forlsetzungen  jenseit  des  Sangro  im  M.  Capraro  noch 
einen  stattlichen  Gipfel  von  1721  m  auf;  dann  aber  nimmt  die  Höhe 
stark  ab.  Das  Hauptgebirge  von  Samniura  schliefst  vielmehr  an 
den  Westrand  der  Abruzzen  an.  Vom  Fuciner  Becken  läuft 
nach  Südost  zwischen  dem  oberen  Liris  und  Sangro  eine  Kette  mit 
Gipfeln  von  1800  m  und  darüber  aus,  die  dann  nach  Süden  ge- 
wandt ihre  höchste  Erhebung  im  M.  Petroso  2247  m  und  La  Meta 
2241  m  erreicht.  La  Meta  bildet  den  Knotenpunct  der  Gebirgs- 
masse  die  das  Stromgebiet  des  Liris  von  dem  des  Volturnus  scheidet. 
Das  5  km  breite  Thal  des  Volturnus  unterbricht  ihren  Zusammen- 
hang. Hierauf  folgt  die  Montagna  del  Matese  mit  dem  M.  iMiletto 
2050  m,  ein  Stock  von  etwa  50  km  Länge  und  25  km  Breite  der 
einer  Festung  gleich  im  Herzen  des  Landes  aufsteigt.  .Als  Gräben 
umfassen  den  Matese  im  Westen  und  Südwesten  der  Volturnus,  im 
Süden  der  Calor,  im  Osten  der  Tamarus;  nur  im  Nordosten  und 
Norden  im  Quellgebiet  von  Tifernus  und  Vandra  ist  er  mit  den 
nach  der  Adria  gerichteten  Zügen  verbunden.  Die  Hohe  nimmt 
nach  Süden  dem  Calor  zu  bis  wenig  über  200  m  ab.  Jenseit  dieses 
Flufses  wächst  sie  sofort  ansehnlich,  da  M.  Camposanto  1394  m  und 
M.  Taburno  oberhalb  Caudium  1393  m  aufweist,  wächst  dann  weiter 
südwärts  bis  zum  lucaniscben  Grenzgebirge,  jenem  Querzug  dessen 
17 — 1800  m  messende  Gipfel  früher  (I  242)  aufgezähll  wurden. 
Ihre  Bäche  fliefsen  nach  .Norden  und  vereinigen  sich  in  jener  oben 
angedeuteten  Spalte  die  den  Stock  des  Matese  von  dem  des  Taburno 
trennt  und  vom  Calor  durchströmt  wird.  Wie  der  samnitische 
Fhifs  —  so  darf  man  den  Volturnus  benennen  —  aus  einem 
wasserreicheren  nordlichen  .Arm  und  einem  minder  mächtigen  aber 
fast  gleich  langen  südbchen  Arm  entsteht  (I  331),  so  zerfällt  nach 
dem  Gesagten  das  Binnenland  in  eine  rauhere  Nordhälfte  die  den 
Namen  Samnium  am  längsten  bewahrt  hat,  und  eine  gemäfsigtere 
Südhälfte  den  ager  Hirpinus.  Der  Südhälfte  schliefsen  wir  die 
Mark  von  Venusia  an,  die  eine  Sonderstellung  behauptet  und  den 
Uebergang  nach  Apulien  vermittelt.  Zu  diesen  drei  Theilen  kommt 
das  adriatische  und  soweit  es  sich  dem  gegebenen  Rahmen  einfügt, 
das  lyrrheuische  Litoral  hinzu.  "Demnach  ist  die  Beschreibung  fünf- 
fach gegliedert;  sie  beginnt  im  Osten. i) 


1)  Quellen:    Slrab.  V  242.  49—51    Plin.  III  63.  64.  70.  103.  105—7   Ptol. 


778  Kapitel  XIII.     Samnium. 

§  1,  Die  Frentaner, 
Die  natürliche  Grenze  zwischen  Apuhen  und  dem  adriatischen 
Küstenland  stellt  der  Unterlauf  des  98  km  langen  Fertur  Fortore 
dari):  von  seiner  Mündung  zieht  sich  der  22  km  lange  Strandsee 
von  Lesina  nach  dem  Garganus  hin;  sein  rechter  Uferrand  bildet 
die  Wasserscheide  gegen  den  im  rechten  Winkel  zu  den  adriatischen 
Flüssen  nach  Südost  gerichteten  Candelaro  (I  242).  Augustus  hatte 
die  zweite  Region  bis  zum  nächsten  Flufs  der  dem  Fortore  an 
Gröfse  wenig  nachsteht  (I  339-  343),  dem  Tifernm  Biferuo  vorge- 
rückt 2);  auch  hat  der  zwischen  beiden  Flüssen  wohnende  Canton 
der  Larinaten  eine  selbständige  Haltung  eingenommen  (1  527). 
Immerhin  ist  an  seiner  Stammesangehürigkeit  kein  Zweifel  möglich. 
Im  INorden  bezeichnet  der  Sagrus  Sangro  im  Allgemeinen  sowol 
eine  Natur-  als  eine  Sprachgrenze. 3)  Genauer  ist  sie  durch  das 
FlUfschen  Foro  gegeben,  wo  bei  den  Marrucinern  die  Herrschaft 
des  lateinischen  Alphabets  beginnt  (S.  443).  Während  die  Aus- 
dehnung der  Frentaner  an  der  Küste  durch  feste  Puncte  bestimm- 
bar ist,  läfst  sie  sich  landeinwärts  nur  durch  eine  verschlungene  Linie 
umschreiben.  Den  Marrucinern  gegenüber  gehört  ihnen  das  Strom- 
gebiet des  Sangro.  Gegen  die  Paehgner  hat  die  hohe  Maiella  eine 
Scheidewand  aufgerichtet.  Sodann  zeigen  Flufsengen  des  Sangro 
Trigno  Biferno  Fortore  den  Uebergang  vom  Ober-  zum  unterlauf 
und  damit  von  Samnium  zum  Küstenland  an.  Die  heutigen  Kreise 
Lanciano  Vasto  Larino  mit  3544  Dkm  drücken  den  Umfang  des 
Stammes  aus.  Seinen  Wohnsitzen  wie  seiner  Geschichte  nach  ist 
er  als  Bindeglied  zwischen  den  Samniten  und  den  Mittelslämmeu 
zu  betrachten.  Die  Sprache  ist  ihm  mit  jenen  gemeinsam  (1  527) ; 
Wein  und  Oel  die  auf  den  subappenninischen  Hügeln  wachsen, 
finden  den  Flufsthälern  fokend  ihren  gewiesenen  Absatz  im  Ober- 


HI  1,7.  15.  56-59.  62.  64  Conway  (S.  685  A.  1)  I  p.  169—217.  CIL.  IX  X 
(Mommsen)  Eph.  ep.  VIII  p.  18-26.  82—85  (Ihm).  Kaibel  Inscr.  Gr.  p.  184-86. 
—  Coreia  Storia  delle  Due  Sicilie  I,  Napoli  1S43.  —  Von  der  Generalstabs- 
karte 1:100000  sind  zu  verwerten  Bl.  146—48.  152—55.  160—63.  172—75. 
185-88. 

1)  Plin.   III  103   /lumen   portuosuin   Ferlur   [cod.  Par.]   Fer   [cod.  Leid.] 
Frentu  [vulg.],  sonst  nirgends  erwähnt. 

2)  Meia  II  65  Plin.  III  103.  106,  während  Strab.  V  242  Ptol.  lU  1,15  Apulien 
mit  Teanum  und  dem  Garganus  beginnen  lassen. 

3)  Strab.  V  242;  Plol.  III  1,16  irrig  ^ä^os:  beide  fassen  ihn  irrig  als  Grenz- 
fluTs  zwischen  Frentanern  und  Paelignern. 


§  1.     Die  Frentaner.  779 

land  das  beider  Erzeugnisse  entbehrt.  Anderseits  werden  die  Hügel 
von  den  Triftvvegen  durchzogen,  auf  denen  die  Heerden  vom  Hoch- 
appennin  nach  Apulien  wandern  (S.  434).  Die  wirtschaftliche  Ab- 
hängigkeit des  Gebirgs  von  der  Ebene  und  umgekehrt  der  Ebene 
vom  Gebirg  ist  stark  genug  gewesen,  um  auch  das  trennende  Durch- 
gangsland zu  verketten.  Man  begreift  dafs  seine  Haltung  in  den 
grofsen  Kriegen  geschwankt  hat.  —  Nach  dem  caudinischen  Frieden 
steht  es  auf  samnitischer  Seite.  Consul  Aulius  schlägt  319  die 
Frentaner  aufs  Haupt  und  zwingt  die  Stadt  in  die  das  geschlagene 
Heer  sich  geflüchtet  halte,  Geiseln  zu  stellen.  Ausdrückhch  be- 
nannt wird  die  Stadt  nicht,  kann  aber  nach  dem  ganzen  Zusammen- 
hang nur  gleichnamig  mit  dem  Volk  gewesen  sein.i)  Aus  einer 
nach  268  geprägten  ziemlich  liäufigen  Rupfermünze  mit  der  oski- 
schen  Aufschrift  Frentrei  im  Locativ  (S.  76)  ersehen  wir  dafs  die 
Stadt  Frentrum  geheifsen  hat.^)  Darunter  ist  Anxanum  das  den 
Beinamen  noch  in  der  Kaiserzeit  geführt  hat,  zu  verstehen. 3)  Der 
sattsam  bekannte  Hergang  dafs  der  Stamm-  im  Lauf  der  Zeiten 
durch  den  Sladtnamen  verdrängt  wird,  spielt  sich  in  diesem  Falle 
ab.  Wie  das  heutige  Lanciano  (283  m)  stellt  auch  das  mittelalter- 
liche und  antike  den  Markt-  und  Sammelplatz  eines  weiten  Bezirks 
dar.  Der  nördlich  vom  Aternus  aus  dem  Vestinerland  kommende 
Triftweg  läuft  unmittelbar  an  der  Mauer  vorbei,  in  nur  5  km  Ab- 
stand der  von  der  Flufsenge  des  Aternus  durch  das  Marrucinische 
fuhrende  Triftweg  den  die  Römer  auf  dem  Marsch  nach  Apulien 
einhalten  mufsten.  Er  wird  wie  den  Gegenstand  so  auch  den  Schau- 
platz des  Kampfes  von  319  abgegeben  haben.  Hatten  sie  bislang 
nur  den  Durchzug  gestattet,  so  schlössen  die  Frentaner  304  ein 
Freundschaftsbündnifs  mit  Rom^),  schickten  ihre  Truppen  gegen 
Pyrrhos^)  sowol  als  Hannibal^)  und  erhoben  erst  91  mit  den 
Bundesgenossen  die  Waffen  für  die  gemeinsame  Freiheit.")     Sie  er- 


1)  Liv.  IX  16  urbem. 

2)  Mommsen,  Unlerit.  Dial.  309  Conway  196.  Steph.  Byz.  <pQevravov 
noXts  ^IxaXiae  angeblich  aus  Strab.  V  241.  42.  Die  Dissimilation  ist  im  Latei- 
nischen nicht  unbedingt  durchgedrungen:  Frentra  villa  Mela  II  65,  Frentranus 
CIL  VI  200  col.  5,56. 

3)  Pliu.  III  106  CIL.  IX  3314. 

4)  Liv.  IX  45  vgl.  Diod.  XX  101. 

5)  Plut.  Pyrrh.  16,10  Dion.  H.  XX  1   Flor.  I  13,7. 

6)  Pol.  1124,12  Sil.  It.  XV  567  vgl.  VIII  519  Liv.  XXII  61. 

7)  Appian  b.  civ.  I  39.  52  Cic.  pro  Gluent.  21. 


780  Kapitel  XIII.     Samnium. 

langten  Bürgerrecht  in  der  Tribus  Arnensis,  während  Larinum  der 
Clustumina  zugetheill  wurde. •)  Die  Abtrennung  des  Südens  von  der 
Landesgemeinde  reicht  in  die  Zeit  der  Unabhängigkeit  zurück:  er  hat 
mit  der  Aufschrift  Larinom  in  griechischem,  später  Larinei  Lari- 
nor[um]  in  lateinischem  Alphabet  Kupfermünzen  geschlagen. 2)  Dem- 
gemäfs  unterscheiden  die  Schriftsteller  zwischen  larinatischem  und 
frentanischem  Gebiet.^)  Die  Einheit  des  letzteren  wurde  von  den 
Römern  in  Stadtbezirke  aufgelöst. 

Die  S.  409  fg.  von  Picenum  gegebene  Schilderung  trifft  auch 
auf  diese  Landschaft  zu,  nur  dafs  in  Folge  der  Nähe  des  Hochge- 
birgs  die  Erhebung  im  Norden  gröfser  ist  und  nach  Süden  hin  ab- 
nimmt. Die  spätestens  im  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  vermessene  Küsten- 
strafse*)  stellt  die  Hauptverkehrsader  dar.  Die  Reisebücher  ver- 
zeichnen die  Stationen;  doch  fehlen  Meilensteine  um  ihre  Angaben 
im  Einzelnen  nachzuprüfen.  Die  Karte  rechnet  16,  das  Reisebuch 
gar  21  Millien  (die  Eisenbahn  20  km)  von  Ostia  Aterni  (S.  439)  bis 
Hortona  das  seinen  alten  Namen  Ortona  bewahrt  hat.  Es  nimmt 
ein  Vorgebirge  (68  m)  mit  einer  kleinen  Marina  zu  Fufsen  ein,  war 
vermutlich  Municipium  und  heifst  Hafen  der  Frentaner.^)  —  Letz- 
teres mit  Bezug  auf  die  11  Millien  landeinwärts  gelegene  Hauptstadt 
Anxanum  Lanciano.^)  Dafs  dies  das  oskische  Frentrum  sei,  ward 
oben  bemerkt:  die  Bewohner  heifsen  in  der  Kaiserzeit  inxam  oder 
Anxates  Frentani.'')  Sie  hatten  die  Verfassung  eines  Municipium 
und  bewohnten  ein  ausgedehntes  Territorium  dem  der  Umfang  der 
Stadt  entsprach.  Die  römische  Stadt  beschränkte  sich  nicht  auf  die 
drei  Hügel  der  heutigen  (283  m),  sondern  hatte  auch  den  jenseit 
des  Triftwegs  sich  erhebenden  Hügel  von  Sa.  Giusta  (261  m)  in 
ihren  Bereich  gezogen.  Ueberreste  einer  Wasserleitung,  eines 
Theaters   (Palast  des    Erzbischofs)  und   besonders   die   zwei    Hügel 


1)  Kubitschek,  imp.  rom.  tributim  discr.  p.  41.  49. 

2)  Conway  195. 

3)  Liv.  XXVII  43  Caes.  b.  civ.  I  23  Sil.  It.  XV  565  Cic.  pro  Cluent.  197.  98. 

4)  Poiybios  bei  Strab.  VI  285. 

5)  Strab.  V  242  Plin.  III  106  (dieser  allein  hat  die  Aspiration)  Ptol.  III 
1,16  It.  Ant.  313  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  VI  Marceil.  Comes  a.  538 
(chron.  min.  II  p.  105)  CIL.  IX  p.  281.  677, 

6)  It.  Ant.  313  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  Vi  Plin.  III  106  Ptol.  III 
1,56  CIL.  IX  p.  278. 

7)  Erstere  Form  Plin.  III  106,  letztere  CIL.  IX  3314.  Die  späte  Form  An- 
xianus  eb.  2998  leitet   den  Uebergang  zur  heutigen  ein. 


§  1.     Die  Frentaner.  781 

verbindende  Backsteinbrücke  auf  der  die  Kathedrale  S.  Maria  del 
Ponte  erbaut  ist,  bekunden  ihren  ehemaligen  Glanz.  Der  gerade 
Abstand  vom  Meer  beträgt  8  Milben,  etwas  weniger  vom  Sangro; 
Reste  der  alten  Brücke  sind  vorhanden.  —  Der  Sangro  empfängt 
20  km  von  der  Mündung  seinen  bedeutendsten  Zuflufs  den  40  km 
langen  Aventino.  Dieser  entspringt  am  M.  Secine  (1883  m)  dem 
höchsten  Gipfel  einer  Bergmasse  die  im  Westen  die  Stromgebiete 
von  Gizio  (Aterno)  und  Sangro  scheidet,  dann  niedriger  werdend 
sich  bis  zum  Zusammenflufs  von  Aventino  und  Sangro  fortsetzt. 
In  dem  Hochland  zwischen  Monlenerodomo  (1192  m)  und  Fallas- 
coso  (920  m)  lag  bei  S.  Maria  del  Palazzo  (981  m)  das  Municipium 
der  Juvanenses:  die  Censusliste  bei  Plinius  hat  den  Namen  entweder 
ausgelassen  oder  verschrieben  in  Lanuenses  die  sonst  nirgends  vor- 
kommen.') Die  verhältnifsmäfsig  zahlreichen  Inschriften  erläutern 
wie  zur  Kaiserzeit  die  Formen  des  städtischen  Regiments  sich  in 
diesen  Bergen  eingebürgert  hatten.  Der  IName  Aventino  sieht  alt 
aus  und  erinnert  an  Rom.  8  km  vor  seinem  Einflufs  in  den  San- 
gro nimmt  er  links  die  Bäche  Lajo  und  Avello  auf  zwischen  denen 
eine  Hochfläche  Piano  della  Roma  hinzieht.  Hier  hatte  entweder 
der  pagus  Urbanus  oder  ein  Municipium  seinen  Sitz.2)  Der  San- 
gro begrenzt  den  954  Dkm  haltenden  Kreis  Lanciano. 

Es  folgt  der  Kreis  Vasto  mit  1113  Dkm  bis  zum  Trinius  Tri- 
gno.3)  Dieser  85  km  lange  Strom  (1  343)  entspringt  an  dem  Berg- 
zug der  den  Mittellauf  des  Sangro  einfafst  und  im  M.  Capraro 
1721  m  erreicht,  beschreibt  alsdann  nach  Südost  einen  Bogen  um 
das  Hochland  des  alten  Bovianum  und  wendet  sich  nordöstlich  dem 
Meere  zu:  jenseit  Terventum  mufs  er  noch  zwei  Engen  überwinden 
bevor  die  Bahn  frei  wird.  Die  Ortschaften  dieses  Bezirks  sind  nur 
zum  Theil  dem  Namen  nach  bekannt.  —  Die  Reisekarte  verzeich- 
net Süd  vom  Sangro  7  Millien  von  Anxanum  die  Station  Pallanum 
die  ungefähr  dem  heutigen  Paglieta  (234  m)  am  Triftweg  entspricht. 4) 
Von   hier  werden    12  Millien   bis    Histonium  Vasto   gezählt.^)     Die 


1)  Plin.  III  106  Feldm.  260,12  CIL.  IX  p.  274. 

2)  CIL.  IX  p.  277  Not.  d.  Scavi  1895  p.  95. 

3)  Allein  erwähnt  Plin.  III  106   der  ihm  einen  Hafen  beilegt,   was  nicht 
mehr  zutrifft. 

4)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  Vi. 

5)  So  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  VI;  irrig  It.  Ant.  314  von  Anxanum 
25  Millien. 


782  Kapitel  XIII.     Samnium. 

Stadt  ragt  144  m  hoch  am  Meer,  von  Olivenhainen  umgeben;  aber 
ein  Hafen  lehlt.  Solchen  bot  im  Altertum  das  7  km  nach  ^ord 
gelegene  Vorgebirge  (24  m)  Punta  della  Penna,  wo  oskische  und 
römische  Ueberrestc  gefunden  wurden.  Obwol  nur  von  den  Geo- 
graphen erwähnt,  hat  Histonium  nach  dem  Zeugnifs  seiner  Denk- 
mäler, insonderheit  seiner  vielen  Inschrilten  ein  blühendes  Gemein- 
wesen dargestellt.  1)  Unter  den  Denkmälern  befindet  sich  der  grofse 
Doppelsarkophag  des  Paquius  Scaeva  Proconsul  von  Cypern ,  die 
Ehreninschrill  für  Valerius  Pudens  der  mit  13  Jahren  als  lateinischer 
Dichter  beim  Capitohnischen  Agon  106  n.  Chr.  gekrönt  wurde,  be- 
fand sich  ein  Capitolium  d.  h.  Tempel  des  Juppiter,  ein  Macellum 
u.  a.  Histonium  heifst  Municipium  mit  Quattuorvirn  und  Aedilen 
an  der  Spitze.  Aus  der  Epoche  der  Unabhängigkeit  werden  Cen- 
soren  erwähnt.^)  —  Freilich  ist  kaum  glaubhch  dafs  der  ganze 
Kreis  dem  Rahmen  eines  einzigen  Municipium  eingefügt  gewesen 
sei.  Am  rechten  Ufer  des  Sangro  zwischen  Bomba  (424  m)  und 
Alessa  (475  m)  liegt  der  M.  Pallano  (1020  m)  mit  einer  aus  gewal- 
tigen Blöcken  ohne  Mörtel  errichteten  Ringmauer.  Sowol  oskische 
als  lateinische  Inschrilten  sind  in  der  Gegend  gefunden  worden. 
Der  Nalurgrenze  wegen  die  der  Flufs  bildet,  ist  es  nicht  möghch 
die  Landschaft  um  Atessa  dem  Municipium  Juvanum  am  jenseitigen 
Ufer  zuzutheilen.3)  Vielmehr  scheint  der  in  der  Inschrift  vereias 
Lovkanateeis  =  iuventulis  Lucanatis  vorkommende  Name  Lucania 
hier  fortgelebt  zu  haben. *)  Es  wäre  sogar  denkbar  dafs  Lamienses 
der  Censusliste  in  Lucanenses  zu  ändern  sei.'')  Leider  sind  wir  aufs 
Raten  angewiesen,  fehlt  doch  jeder  Anhalt  wo  die  unter  den  fren- 
tanischen  Gemeinden  stehenden  Carelini  Supernates  et  Infernales  zu 
suchen  sind. 6) 

Der    Kreis    Larino    zwischen     Trigno    und    Fortore    umfafst 
1477  Dkm.'')     In  dem  Abschnitt  zwischen  Trigno  und  Biferno  ist 


1)  xMela  II  65  Plin.  111  106  Ptol.  III  1,15  Feldm.  260  CIL.  IX  p.  265  Eph. 
ep,  VIII  p.  25. 

2)  Conway  189  fg. 

3)  CIL.  IX  2972  fg. 

4)  Mommsen,  Unterit.  Dial.  169  Conway  193. 

5)  Plin.  III  106. 

6)  Vielleicht  ist  Carecini  zu  schreiben  vgl,  S.  790. 

7)  Nach  dem  Fundort  des  Schiedspruchs  CIL.  IX  2827  hat  Histonium  Be- 
sitzungen jenseit  des  Tifernus  gehabt:  natürlich  aufserhalb  der  geschlossenen 
Feldmark. 


§  1.    Die  Frentaner.  783 

keiner  Ortschaft  mit  Sicherheit  SelbgtverwaUung  beizulegen.  Das  Reise- 
buch setzt  Uscosium  15  Millien  von  Histonium  l4Millien  von  Larinum 
an:  was  auf  den  Fufs  von  iM.  Antico  (178  m)  an)  Triflweg  bei 
S.  Giacomo  degU  Schiavoni  führt. i)  Ferner  kommt  der  Hafen  Buca 
hinzu  der  dem  apuhschen  Teanum  benachbart  war  und  nach 
200  Stadien  =  25  Millien  Fahrt  vom  Lago  di  Lesina  aus  erreicht 
wurde.2)  Daraus  folgt  dafs  Buca  die  Stelle  des  heutigen  Termoli 
einnahm.  Das  Vorgebirge  (34  m)  von  Termoli  trat  im  Altertum 
schärfer  aus  der  Küstenlinie  hervor,  weil  der  nur  4  km  entfernte 
Biferno  (desgleichen  weiterhin  der  Forlore)  seine  Mündung  merkbar 
vorgeschoben  hat.  Es  leuchtet  ohne  weiteres  ein  dafs  der  Schutz  des 
Vorgebirges  an  dieser  hafenlosen  Küste  im  Mittelalter  wie  in  früherer 
Zeil  den  Seefahrern  von  doppeltem  Wert  war.  Aufserdem  läuft 
am  Biferno  eine  von  Samnium  und  Campanien  kommende  die  Adria 
mit  dem  Golf  von  Neapel  verbindende  Strafse  aus.  Trotz  alledem 
beruht  das  Stadtrecht  von  Buca  auf  dem  blofsen  Zeugnifs  der  Geo- 
graphen.3)  —  16  Milben  landeinwärts  thront  Larinum  auf  dem 
rechten  Ufer  des  Tifernus  6  km  von  diesem  entfernt.  Es  nimmt 
die  Höhe  eines  Bergrückens  (475  m)  M.  Arone  ein,  der  nach  dem 
Tifernus  hin  bis  294  m  einsinkt,  nach  allen  anderen  Seiten  an 
200  m  abfällt.  Im  Süden  und  Osten  wird  er  vom  Cigno,  dessen 
Bette  200  m  ü.  M.  zeigt,  dem  längsten  der  in  den  Tifernus  ein- 
mündenden Bäche  umflossen.  Gen  Westen  wird  er  durch  einen 
Einschnitt  (etwa  250  m)  vom  heutigen  Larino  (300  m)  gelrennt  das 
nach  Zerstörung  des  alten  in  1  km  Abstand,  wie  man  meint  seit 
dem  9.  Jahrhundert  entstanden  ist.  Endhch  nach  Norden  erstrecken 
sich  die  Piani  di  Larino  in  sanfter  Neigung  von  260  m  bis  25  m 
am  Zusammenflufs  von  Cigno  und  Biferno  der  10  km  abliegt.  Der- 
gestalt überragt  die  Stadt  das  weite  Hügelland  zwischen  Tifernus 
und  Fertur  bis  zum  Meer,  findet  in  dieser  Richtung  auch  jenseit 
der  Flüsse  nirgends  ihres  Gleichen.  Der  festen  ausgezeichneten 
Lage  entspricht  der  Umfang  der  Mauer:  er  mifst  rund  4  km.  In 
der  That  war  hier  ein  ßrennpunct  des  Verkehrs  gegeben.  Die 
drei  von  der  Ostseite   der  Abruzzen  kommenden  Triftwege   führen 


1)  lt.  Ant.  314  ^renio   für  Larino;    Tab.   Peut.   (Geogr.   Rav.  IV  31  Vi) 
giebt  die  Entfernung  Histonium — Larinum  mit  23  Millien  zu  niedrig  an. 

2)  Strab.  V  242  VI  285  womit  Ptol.  III  1,15  gut  stimmt.     Mela  11  65  und 
durch  ihn  verführt  Plin.  III  106  rücken  sinnlos  Buca  nördlich  von  Histonium. 

3)  CIL.  IX  p.  263. 


784  Kapitel  XIII.     Samnium. 

in  3 — 9  km  Entfenuing  unter  d^n  iMauern  vorbei,')  Die  von  den 
Paelignerii  und  Marsern  aus  durch  Samnium 'laufenden  Triflwege 
sind  rückwärts  15  bezw.  30  km  entfernt.  Die  frentanische  Heer- 
slrafse  bringt  Larinum  einerseits  mit  Histonium  (S.  782)  anderseits 
mildem  apulischen  Teanum  in  Verbindung:  dorthin  sind  es  18  Mil- 
lien.2)  Eine  andere  Strafse  geht  nach  Bovianum  in  Samnium,  setzt 
sich  sei  es  nach  Aesernia  und  dem  Volturnus  sei  es  nach  ßeneven- 
tum  fort,  erreicht  damit  Campanien  und  die  tyrrhenische  See.3) 
Die  Landschaft  zwischen  Tifernus  und  Ferlur  vermittelt  den  Ueher- 
gang  nach  Apulien;  in  der  Pflanzenwelt  zeigen  ihn  die  bei  Ter- 
moU  zuerst  auftretenden  Cacteen  an  (I  427).  Seitdem  Larinum  der 
zweiten  Region  einverleibt  war,  gilt  es  vielfach  als  apulisch.^) 
Aber  in  dem  Gemeindeverzeichnifs  heifst  es  ausdrücklich  Larinates 
cognomine  Frentani^);  im  4.  Jahrhundert  werden  sie  zu  Samnium 
geschlagen. ö)  ihrer  frühen  Absonderung  von  den  nördlichen  Fren- 
lanern  ward  oben  (S.  780)  gedacht.  In  der  Kriegsgeschichte  kommt 
dies  Gebiet  als  Schauplatz  und  die  Stadt  als  StUtzpunct  häufig  vor: 
217  207  168  89  49  v.  Chr.,  was  nach  dem  Gesagten  nicht  zu  ver- 
wundern ist.')  Sodann  entwirft  Cicero  in  seiner  für  den  Larina- 
ten  Aulus  Cluentius  66  gehaltenen  Vertheidigungsrede  ein  grauen- 
haltes  Bild  von  der  Ruchlosigkeit  des  dortigen  Adels.  Inzwischen 
war  Larinum  römisches  Municipium  geworden  dessen  Ruhm  In- 
schriften künden  8),  mehr  noch  der  Grundrifs  von  Amphitheater  und 
anderen  Gebäuden.  Der  einheimische  Stammgott  war  Mars;  er  ver- 
fügte über  eine  zahlreiche  Dienerschaft.'^)  Aufser  der  Hauptstadt 
läfst  sich  in  diesem  Landstrich  keine  Ortschaft  mit  Bestimmtheit 
nachweisen.  Nach  dem  Meer  zu  hat  Claternia  oder  Clitemia  ge- 
legen: ob  dies  einen  Vicus  oder  ein  Municipium  bedeutet,  wissen 
wir  nicht.  10 j    Von  besonderer  Wichtigkeit  wäre  die  Ermittelung  von 


1)  Cic.  pro  Cluent.  161. 

2)  Cic.  pro  Cluent.  27  Tab.  Peut. 

3)  Cic.  ad  Att.  VII  12,2  13,7  Tab.  Peut. 

4)  Mela  II  65  Plin.  III  103  Steph.  Byz.  y/ä^iva. 

5)  Plin.  III  105  Ptol.  III  1,56. 

6)  Feidm.  260. 

7)  Pol.  III  101,3  Liv.  XXII  18.  24  XXVII  40.  43  XLV  2  Appian  b.  civ.  I  52 
<:ic.  ad  Att.  VII  12,2  13,7  Caes.  b.  civ.  I  23. 

8)  CIL.  IX  p.  69. 

9)  Cic.  pro  Cluent.  43. 

10)  Mela  II  65  hat  die  erste,  Plin.  III  103  die  zweite  Form. 


§  2.    Die  Nordsamniten.  785 

Gerunium  oder  Gereonium,  das  Haonibal  217  eroberte  und  unter 
den  grüfsten  Schwierigkeiten  den  nachfolgenden  Winter  behauptete.') 
Die  örtliche  Forschung  sucht  es  an  der  samnitischen  Strafse  8  km 
oberhalb  Larino  an  einem  Berg  Gerione  (611  m)  und  erklärt  das 
4  km  weiter  entfernte  Casacalenda  (626  m)  für  die  arx  Calena  die 
der  Reiterführer  Minucius  besetzte/^)  Allein  der  trügerische  An- 
klang der  Namen  hat  zu  Annahmen  verleitet  die  in  jeder  Hinsicht 
unsinnig  sind.  Zur  Winterzeit  spendet  das  Gebirge  keine  Nahrung : 
um  nicht  zu  verhungern ,  um  sich  frei  zu  bewegen  mufste  das 
karthagische  Reiterheer  in  der  Ebene  hausen.  Uebereinslimmend 
verlegen  die  Gewährsmänner  Gerunium  nach  Apulien,  das  römische 
Slandlager  ins  Larinatische.  Appian  läfst  die  feindlichen  Heere  bei 
einem  Abstand  von  10  Stadien  durch  einen  Flufs  gelrennt  sein:  der 
Name  ist  verschrieben,  aber  gemeint  ist  der  Fortore.3)  Da  ferner 
von  Gerunium  nach  Luceria  25  Millien  sind,  bat  schon  Cluver  mit 
sicherem  Blick  den  gesuchten  Ort  in  Castel  Dragonara  (118  m)  er- 
kannt.^) Die  Gegend  entspricht  allen  Anforderungen  der  Erzählung. 
Hügel  mäfsiger  Erhebung  (1 — 200  m  ü.  M.)  umrahmen  den  Fluls, 
ein  samnitischer  und  ein  frentanischer  Triftweg  überschreiten  ihn 
im  Angesicht  von  Dragonara,  thalabwärts  in  greifbarer  Nähe  die 
übrigen.  Wo  nun  am  rechten  Ufer  Gerunium  und  am  linken  Arx 
Calena  stand,  genau  zu  bestimmen  sowie  den  Feldzug  im  Einzelnen 
zu  erörtern  ist  nur  im  Gelände  selbst  möglich.  Es  stimmt  zu  dem 
getroffenen  Ansatz,  wenn  die  Reisekarte  auf  der  zwischen  Larinum 
und  Teanum  nach  Samnium  abgehenden  Strafse  als  erste  Station 
Geronum  mit  8  Millien  nennt:  die  folgenden  Stationen  sowie  der 
Lauf  der  Strafsen  sind  nicht  bekannt.  Die  Entfernung  von  Lari- 
num nach  Gerunium  beträgt  14  Millien. 

§  2.    Die  Nordsamniten. 
Die  Wasserscheide  zwischen  dem  adriatischen  und  tyrrhenischen 
Meer  beschreibt  im  Hochland  von  Samnium  eine  höchst  verwickelte 
Linie  (1  241).     Die  Quelle  des  Sangro  liegt  bei  41  o  52'  N.  Br.  lO 


1)  Pol.  111  100.  101.  102.  107  V  108,9  re^ovviov  ebenso  Steph.  Byz.  mit 
der  Nebenform  Fe^wia;  Appian  Hann.  15.  16  rsQcovia;  Liv.  XXll  18.  23.  24. 
32.  39.  44  Gereonium,  Tab,  Peut.  Geronum. 

2)  Pol.  III  101,3. 

3)  Appian  Hann.  16  äipsilov  ofilov,  verfehlt  Schweighäuser  AvfiSov, 
eher  zu  schreiben  <PeQroga. 

4)  Pol.  III  100,3  Cluver  It.  ant.  1213. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.    11.  50 


786  Kapitel  XIII.    Samnium. 

17'  0.  von  Rom;  M.  di  Mezzo  (1286  m)  wo  die  Vandra  (ein  Quellflufs 
des  Volturno  I  332),  und  M.  Pizzi  (1372  m)  wo  der  Trigno  ent- 
springt, sind  nur  6'  nach  Süden  aber  30'  weiter  nach  Ost  gerückt. 
Die  Nordseite  des  Matese  entsendet  von  Boviaoum  aus  unter  41  o 
29'  N.  Br.  2"  1'  0.  L.  den  Biferno  zur  Adria,  unter  41»  27'  N.  Br. 
2^  7'  0.  L.  den  Tammaro  in  den  Calore  und  das  tyrrhenische 
Meer.  Der  Fortore  tritt  unter  41 »  19'  N.  Br.  2»  35'  0.  L.  zu 
Tage,  die  L'tila  (ein  Nebenflufs  des  Calore)  unter  41  o  1'  N.  Br. 
2^  49'  0.  L.  Die  Daten  erläutern  die  Wegsamkeil  des  Gebirges, 
das  dem  Durchzug  vom  einen  Meer  zum  anderen  nirgends  eine 
unüberwindhche  Schranke  entgegensetzt.  Auch  das  bedeutendste 
Verkehrshindernifs  die  Montagna  del  Matese  (S.  777)  kann  im  Süden 
und  Norden  umgangen  werden.  Im  Uebrigen  hat  diese  wuchtige 
Bergmasse  entscheidend  auf  das  Leben  der  Landschaft  eingewirkt. 
Sie  ist  aus  zwei  Zügen  zusammengesetzt.  Der  südliche  Zug  mit 
Gipfeln  von  10 — 1300  m  steigt  mauerartig  über  dem  Thal  des  Vol- 
turnus  (100  m  im  Mittel)  auf.  Ein  längliches  Hochthal  mit  einem 
4  Dkm  haltenden  See  (1007  m)  trennt  ihn  von  der  Hauptkette  die 
15 — 2000  m  Gipfelhöhe  aufweist.  Das  Thal  zu  ihren  Füfsen  im 
Norden  liegt  500  m,  die  von  ihm  durch  das  Bergland  nach  Aesernia 
führende  Strafse  an  höchster  Stelle  735  m.  Es  leuchtet  ein  dafs 
der  Matese  etwa  1000  Dkm  Wald  und  Weide  umfassend  der  Sennerei 
eine  wichtige  Heimstätte  darbot.  Von  Bovianum  aus  läuft  ein  Trift- 
weg über  Benevent  nach  Apulien.  Ein  Erlafs  von  168  n.  Chr. 
schärft  den  Saepinaten  und  Bovianensern  ein  sich  der  Uebergrifl'e 
gegen  die  kaiserlichen  Heerden  zu  enthalten:  zugleich  ein  merk- 
würdiges Zeugnifs  für  die  Thatsache  dafs  bei  dieser  rohesten  Wirt- 
schaftsform die  Gewalt  am  Längsten  geübt  worden  ist.^)  Es  leuchtet 
ein  dafs  der  Matese  seinen  Umwohnern  im  Kampfe  gegen  Rom  als 
unnahbare  Zufluchtstätte  gedient  hat,  gleichwie  die  Sila  den  Brettiern. 
Nach  den  Annalen  sind  die  Römer  zum  ersten  Male  295  v.  Chr. 
in  die  Bergfestung  eingedrungen:  bei  dieser  Gelegenheit  lernen  wir 
mons   Tifernus  als  alten  Namen  des  Matese  kennen. 2)     Es  leuchtet 


1)  CIL.  IX  2438  vgl.  Cic.  pro  Cluent.  161. 

2)  Liv.  X  30.  Dafs  hierunter  nicht  ein  einzelner  Berg  etwa  an  der  Quelle 
des  Tifeinus  bei  Bovianum,  sondern  die  ganze  Gruppe  verstanden  wird,  lehrt 
Pol.  III  100,2.  Hannibal  will  217  vom  Falernerfjfau  nach  Gerunium,  hat  also 
von  Teanum  (S.  693)  um  den  Südfufs  des  Matese  bis  Ponlelandolfo  rund  80  km, 
dann  auf  der    larinatischen   Strafse  (S.  784  A.  3)  über  Gampobasso  bis  S.  Elia 


§  2.    Die  Nordsamniten.  787 

endlich  ein  dafs  der  Matese  die  landschaftliche  Gliederung  und  die 
Sonderung  des  Stammes  in  einzelne  Cantone  bestimmt  hat.  Nach 
der  S.  776  gegebenen  Ausführung  weisen  wir  den  Nordsamniten 
zu:  die  Kreise  Campobasso,  Isernia,  Piedimonte  d'Aiife,  nebst 
Stücken  von  Solmona,  Avezzano,  Caserta  und  Cerreto  Sannita,  ein 
Gebiet  von  rund  5000  Dkm.  Davon  trägt  das  südwestliche  Drittel, 
das  5  km  breite  70  km  lange  Thal  des  Volturnus  nebst  dem  Grenz- 
gebirge ein  freundliches  Gepräge.  Man  kaun  es  eine  Erweiterung 
Campaniens  nennen,  mit  dem  es  bei  Teanum  im  Norden  durch 
eine  weite  Oeffnung  des  Bergwalls  zusammen  hängt,  und  zwar  eine 
willkommene  Erweiterung;  denn  die  Hänge  des  Gebirgs  lieferten 
der  Salbeninduslrie  von  Capua  (S.  702)  und  Neapel  (S.  751)  jenes 
küsthche  Oel,  das  auf  dem  Erdrund  seines  Gleichen  nicht  fand 
(I  454).  Aus  wirtschaftlichen  Gründen  war  es  demnach  wol  be- 
rechtigt wenn  Augustus  diesen  fruchtbaren  Strich  der  ersten  Region 
zuwies,  wie  er  auch  jetzt  zum  Theil  der  Terra  di  Lavoro  (Provinz 
Caserta)  angehört.  Aber  ein  paar  Jahrhunderte  zuvor  als  die  Baum- 
zucht noch  in  ihren  Anfängen  stand,  haben  die  Ufer  des  Volturnus 
zumal  für  das  heifse  Ringen  zwischen  Rom  und  Samnium  den 
Schauplatz  abgegeben.  Wie  die  Grenzleute  hiefsen  die  der  erste 
Angriff  des  Feindes  traf,  wird  nicht  überliefert.  Ein  verkleinertes 
Gegenstück  zum  reichen  Thal  des  Volturnus  bietet  im  Nordosten 
des  Matese  eine  Einsenkung  dar,  wo  Tifernus  und  Tamarus  ent- 
springen. Sie  liegt  im  Mittel  500  m  ü.  M.,  erstreckt  sich  bei  3  km 
mittlerer  Breite  an  30  km  lang  hin  und  hat  dem  Volk  der  Pentrer 
als  Sammelplatz  gedient  (I  529).  Noch  höher,  über  800  m  erhebt 
sich  am  mittleren  Sangro  das  9  km  lange  2  km  breite  Thal  das 
Aufldena  die  Hauptstadt  der  Caracener  einnahm  (1  528).  Das  ganze 
übrige  Land  enthält  aufser  den  schmalen  Gründen  an  den  Rändern 
seiner  Bäche  nur  Berge  und  Hochflächen :  es  ist  bezeichnend  dafs 
das  alte  Bovianum  bei  Pietrabbondante,  ein  Heiligtum  der  ganzen 
Nation  von  allen  Verkehrstrafsen|  entrückt  1027  m  Meereshöhe 
zeigt.     Man  darf  bei  der  Dürftigkeit  unserer  Nachrichten  in  diesen 


80  km,  endlich  auf  dem  Triftweg  bis  Gerunium  30  km,  im  Ganzen  7 — 8  Märsche 
zurück  zu  legen.  Wenn  er  sich  nun  in  Bewegung  setzt  naQo.  xb  Aißvqvov 
oQoe,  so  kann  schlechterdings  kein  anderes  Gebirge  verslanden  werden  als  der 
Matese  und  ist  zu  schreiben  TißvQvov,  Schweighäusers  Aenderung  TaßvQvov 
ist  unmöglich.  Liv.  XXII  18  trotz  des  topographischen  Unsinns  bestätigt  den 
Weg. 


50^ 


788  Kapitel  XIII.     Samnium. 

Berggaiien  weder  nach  Namen  noch  Grenzen  fragen.  Dagegen  er- 
klärt die  Beschaffenheit  des  Landes  die  hartnäckige  Gegenwehr  die 
es  seinen  römischen  Unterdrückern  geleistet  hat  (l  530).  Als  Zwing- 
hurg  wurde  von  diesen  263  v.  Chr.  .\esernia  gegründet:  am  nord- 
westlichen Fufs  des  Matese  (457  m)  und  am  Abschlul's  der  Niederung 
des  Volturnus  gelegen  (I  331),  beherrscht  sie  die  beiden  Haupt- 
strafsen  die  von  Campanien  und  Benevent  aus  den  Matese  umfassen, 
bei  Ponte  S.  Leonardo  1  Millie  Nord  von  der  Stadt  zusammenstofsen 
und  nun  vereint  nach  dem  Thal  des  Sangro  und  von  dort  über 
das  l'iiino  di  Cinque  Miglia  nach  Sulmo  laufen  (S.  436).  Die  Festung 
fiel  90  V.  Chr.  in  die  Hände  der  Saniniten  und  ist  ein  Jahrzehnt 
hindurch  behauptet  worden.  Als  nun  schliefslich  auch  ihnen  das 
römische  Bürgerrecht  verliehen  wurde,  hat  man  die  von  Augustus 
förmlich  ausgesprochene  Trennung  der  Landschaft  bereits  angebahnt, 
iosofero  der  ganze  gebirgige  Nordosten  in  die  Tribus  Voltinia,  das 
Thal  des  Volturnus  in  verschiedene  andere  Tribus  kam.  Die  Wunden 
die  das  Schwert  Sulla's  geschlagen  hatte,  sind  freilich  nie  wieder 
geheilt,  Strabo  will  keiner  einzigen  Ortschaft  den  Rang  einer  Stadt 
zuerkennen.  1)  Die  Beschreibung  beginnt  im  Norden  an  der  paelig- 
nischen  Grenze. 

Von  Sulmo  (S.  449)  erreicht  eine  Hauptstrafse ,  vielleicht  Via 
Minucia  geheifsen  (S.  436),  nach  etwa  30  Millien  Aufidena.^)  Sie 
hat  das  gefürchtete  Piano  di  Cinque  Miglia  zu  überschreiten  (S.  445); 
wie  heutigen  Tages  die  Madonna  del  Carmine  am  nördlichen  Ende 
der  Hochfläche  (1267  m)  so  stärkte  dereinst  Juppiter  den  einsamen 
Wanderer.  Die  Reisekarle  verzeichnet  weiter  unten  7  Millien  von 
Sulmo  eine  Station  unter  dem  entstellten  Namen  Jovis  Larene.^) 
Vom  Joch  geht  ein  Triftweg  aus,  der  nach  35  km  an  Bovianuni 
Vetus  vorbeiführt.  Die  Slrafse  durchmifst  die  5  Millien  nach  denen 
die  Ebene  benannt  ist,  darauf  weitere  3  bis  Roccaraso  (1236  m)  und 
fällt  ziemlich  scharf  zum  Sangro  (800  m)  ab.  Am  nördlichen  Ende  des 
oben  erwähnten  Flufsthals  an  der  Stelle  von  Castel  di  Sangro  dessen 
Burg  1009  m  aufsteigt,  ist  nach  den  Itinerarien  wie  den  Inschriften 
AuQdena  anzusetzen.*)     Es  ward  298  v.  Chr.   von  den  Römern  er- 


1)  Sirab.  V  250.  2)  It.  Ant.  102  rechnet  24  Tab.  Peut.  32  Millien. 

3)  CIL.   IX  2795—7.     Die    Aenderung   Cluvers   It.    ant.   759   Palenus    die 
Holste's  Beifall  fand,  wird  durch  die  Inschriften  widerlegt. 

4)  CIL.   IX  p.  259  Garraelo  Mancini,  Giornale  degli  Scavi  di  Pompei   IV 
(1878)  p.  47. 


§  2.     Die  Nordsamniten,  789 

stürmt  und  später  als  Municipium  von  Duovirn  geleitet.^)  Da  Ptole- 
maeos  dem  Stamm  der  Caraceni  diese  Stadt  alleio  zuweist,  so  ist 
sie  kläriich  als  dessen  Hauptort  anzusehen.  Ursprünglich  war  sie 
das  nicht,  die  Burg  umschlofs  innerhalb  ihrer  rohen  Mauer  nur 
einen  Raum  von  4/5  ha.  Die  städtische  Entwicklung  wird  dem 
Landfrieden  und  der  grofsen  Strafse  verdankt.  Nach  vielen  Jahr- 
hunderten hat  das  Blatt  sich  gewandt.  Im  Mittelalter,  man  weifs 
nicht  wann,  sind  die  Bewohner  an  das  andere  Ende  des  Thals 
übergesiedelt  und  haben  ähnlich  wie  die  Capuaner  (S.  698)  auf  die 
neue  Ansiedlung  (893  m)  den  Namen  Alfedena  übertragen.  Die 
Höhe  oberhalb  (Civitalta  1154  m)  an  deren  Fufs  der  Sangro  sich 
durch  eine  Schlucht  den  Austritt  in  die  Ebene  bahnt,  hat  Reste 
einer  altertümhchen  Ringmauer  erhalten.  Sie  ist  1,74  km  lang 
und  befafst  einen  Flächeninhalt  von  13,4  ha.  Wahrscheiuhch 
ist  dies  die  Mauer  des  293  v.  Chr.  zerstörten  Aquüonia:  die  bei 
Livius  zu  20  Millien  angegebene  Entfernung  von  Cominium  (S.  669) 
stimmt,  desgleichen  hält  es  schwer  für  die  blühende  Schilderung 
der  Schlacht  einen  so  geeigneten  Schauplatz  ausfindig  zu  machen 
wie  die  Ebene  am  Sangro;  von  ihr  läuft  der  marsische  Triftweg 
über  Pescolanciano  unweit  Bovianum  Vetus  wohin  die  samnitischen 
Reiter  flohen  und  nach  einem  Ritt  von  40  km  gelangten. 2)  Der 
Triftweg  nimmt  13  Milben  stromauf  bei  Opi  (1250  m)  seinen  An- 
fang: ob  das  Hochthal  des  Sangro  (1147  m)  zu  beiden  Seiten  von 
Opi  in  der  Kaiserzeit  mit  Atina  (S.  669)  vereinigt  war,  steht  dahin  3) ; 
geographisch  gehört  es  zu  Aufidena.  Dem  caracenischen,  nicht  dem 
hirpinischen  Aquilonia  wird  die  seltene  Kupfermünze  mit  der  Auf- 
schrift Akudunniad  beizulegen  sein.*)  Den  Culturstand  der  Gegend 
haben  die  neueren  Ausgrabungen  zur  Anschauung  gebracht.^)  Die 
alten  Grabfunde  hören  im  3.  Jahrhundert  mit  der  Zerstörung  der 
Sladt  auf.  In  römischer  Zeit  ist  sie  zu  einem  Pagus  von  Aufidena 
herabgesunken,  —  Eine  andere  Stadt  der  Caracener  ist  Cluviae,  die 
Heimat  des  Helvidius  Priscus  der  unter  Nero  und  Vespasian  die 
Rechte  des  Freistaals  verfocht. 6)    Sie  hatte  311  v.  Chr.  eine  römi- 


1)  Liv.  X  12  Plin.  III  107  Ptol.  III  1,57  Feldm.  259.   Bruchstücke  oskischer 
Inschriften  Conway  177—80  Paul.  h.  Lang.  II  20.  2)  Liv.  X  39-44. 

3)  CIL.  X  5142,  45.  46.  47  mit  der  Tribus  von  Atina. 

4)  Dressel,  Berl.  Münzkat.  III  1,53  Garrucci  100, 

5)  Mariani  Aufidena,  Monumenti  de'  Lincei  X  (1901)  p.  225 — 638. 

6)  Tac,  Bist.  IV  5. 


790  Kapitel  XIII.     Samnium. 

sehe  Besatzung,  ward  von  den  Samniten  ausgehungert,  aber  vom 
Cnnsul  Junius  zurück  erobert. i)  Ihr  Fehlen  bei  Plinius  wird  daher 
rühren  dafs  sie  erst  nach  Augiistus  Municipalrecht  erhalten  hat. 
Die  Lage  ist  unbekannt,  jedoch  nicht  gar  zu  weit  von  Anxanuni, 
also  am  Mittellauf  des  Sangro  zu  suchen. 2)  Ebenso  scheint  zu 
Hadrians  Zeit  ein  Municipium  Trebula  am  linken  Flufsufer  30  km 
unterhalb  Castel  di  Sangro  bestanden  zu  haben:  die  Kirche  der 
Madonna  degli  Spineti  (696  m)  unweit  Quadri  auf  antiken  Mauern 
erbaut  giebt  den  Mittelpunct  dieser  ländlichen  Gemeinde  an. 3)  Im 
Hintergrunde  steigt  der  quer  vor  der  Maiella  gelagerte  Zug  des 
M.  Secine  (1883  m)  auf. 4)  Die  Caracener  werden  bei  Ptolemaeos 
ausdrücklich  von  den  Samniten  unterschieden.  Ebenso  geschieht 
es  in  der  Erzählung  wie  die  Consuln  269  v.  Chr.  einen  samnitischen 
Bandenführer  aufhoben,  alsdann  sich  gegen  die  Caracener  wandten 
bei  denen  er  seine  Beute  in  Sicherheit  gebracht  hatte.ö)  Sie  ge- 
raten vor  der  Burg  durch  nächtliches  Schneegestöber  in  äufserste 
Gefahr  aus  der  das  Mondlicht  sie  errettet:  ein  Zug  der  die  beschwer- 
liche Kriegführung  in  dieser  unwirtlichen  Gegend  veranschaulicht. 
Der  Stamm  war  auf  das  obere  und  mittlere  Stromgebiet  des  Sangro 
beschränkt.  Wenn  die  S.  782  A.  6  angedeutete  Vermutung  dafs  für 
Carelini  zu  schreiben  sei  Carecini,  das  Bichtige  treffen  sollte,  so 
würde  das  Fehlen  von  Inschriften  die  diese  beiden  Verwaltungs- 
kürper  des  Augustus  erwähnten,  sowie  umgekehrt  die  inschriftliche 
Erwähnung  von  Mnnicipien  die  in  der  Liste  des  ersten  Kaisers 
nicht  stehen,  von  Juvanum  Cluviae  Trebula  einfach  zu  erklären 
sein.  Gerade  wie  bei  den  unter  ähnlichen  Verhältnissen  lebenden 
Vestinern  (S.  438)  scheint  auch  bei  den  Caracenern  die  Auflösung 
der  Landesgemeinde  in  kleine  Sondergemeinden  während  der  Kaiser- 
zeit Fortschritte  gemacht  zu  haben. 6)     Uebrigens  rechnet  Augustus 

1)  Liv.  1X31. 

2)  CIL.  IX  2999  Feldm.  260  Cltfjes. 

3)  CIL.  IX  p.  262. 

4)  Die  Serra  Carracino  (2404  m)  6  km  S  vom  höchsten  Gipfel  der  Maielia 
(M.  Amaro  2795  m)  W  von  Juvanum  (S.  781)  bewahrt  möglicher  Weise  die 
Erinnerung  an  die  KeQxcüXa[v^T]]  die  90  v.  Chr.  den  Amtsbezirk  des  marsischen 
und  samnitischen  Consuls  trennten  Diod.  XXXVII  2,7,  da  beide  Namen  wol  mit 
den  Caracenern  zusammenhängen  und  hier  in  der  That  eine  Völkergrenze  läuft. 

5)  Zonar.  VIII  7  (vgl.  Dion.  H.  XX  17)  inl  Kaotxivovs  oder  KaQxivove  mit 
Unrecht  von  Cluver  1194  in  Ka^ixiov  verändert. 

6)  Die  vielfach  beanstandete  Wendung  Tac.  Hist.  IV  5  rcgione  Ilaliae 
Carecina  e  municipio  Ctuvio  deutet  den  Uebergang  an. 


§  2.    Die  Nordsamniten.  791 

tlen    Samniten    die    AuQdenaten    zu,    dagegen    die    Careliner    dea 
Frentanern. 

Die  Bergkette  deren  höchste  Erhebung  >I.  Capraro  (1721  m) 
ist,  begrenzt  die  Flufsgebiele  des  Sangro  und  des  Trigno.  Im 
letzteren  bei  12  km  Abstand  vom  genannten  Gipfel  in  südöstlicher 
Richtung  nimmt  der  M.  Seraceno  (1211  m)  unsere  besondere  Auf- 
merksamkeit in  Anspruch.  Er  weist  die  Reste  einer  alten  Burg- 
befestigung auf,  an  die  gegen  200  m  tiefer  die  Stadt  sich  anschlofs. 
Ausgrabungen  haben  u.  a.  einen  Tempel  zu  Tage  gefördert  sowie 
ein  kleines  Theater  das  in  Einzelheiten  an  das  Odeon  zu  Pompeji 
erinnert,  besonders  aber  durch  die  Steinlehnen  der  drei  unteren 
Sitzreihen  auffällt.  Die  Ausdehnung  der  Stadt  ist  unermittelt,  unter 
allen  Umständen  gering.»)  2  km  unterhalb  führt  der  paelignische 
Triftweg  vorbei,  in  9  km  Entfernung  bei  Pescolanciano  jenseit  des 
Trigno  (770  m)  der  marsische.  Wenn  die  Nachfolgerin  Pietrabbon- 
<lante  (1027  m)  dem  heutigen  Verkehr  völlig  entrückt  ist,  so  war 
nach  dem  Mafsstab  ältester  Zeiten  ehedem  das  gerade  Gegentheil 
der  Fall.  Auf  dem  Triftweg  war  der  heilige  Lenz  der  Sabiner  den 
Stier  des  Mars  an  der  Spitze  herangezogen,  hatte  ihn  wo  er  sich 
lagerte,  dem  Gott  geopfert,  eine  Stadt  gegründet  und  dem  Führer 
zu  Ehren  Bovianum  benannt  (I  528).  Oskische  Inschriften  bezeugen 
dafs  der  Name  hier  haftete,  dafs  die  Meddices  und  Censoren  der 
Safineis  den  oben  erwähnten  Tempel  erbaut  und  ausgeschmückt 
haben.-)  Es  fragt  sich  ob  darunter  die  Gesamtheit  der  Nation 
oder  der  im  Stromgebiet  des  Trigno  sefshafte  Stamm  zu  verstehen 
sei:  bei  unserer  Unkeuntnifs  der  samnitischen  Bundesverfassung 
läfst  sich  darauf  nicht  antworten. 3)  Ebenso  ist  nur  mit  annähernder 
Sicherheit  zu  entscheiden  wenn  der  Name  in  den  älteren  Kriegen 
vorkommt,  ob  dies  Bovianum  oder  das  am  Matese  gelegene  gemeint 
sei. 4)  Plinius  fügt  zur  Unterscheidung  das  Beiwort  Vetits  hinzu 
und  nennt  es  Colonie.^)  In  der  ganzen  vierten  Region  hat  Kaiser 
Augustus   keiner  anderen  Gemeinde   solchen  Rang  eingeräumt;    er 

1)  Giulio  de  Petra,  Giorn.  d.  Sc.  di  Pompei  II  117  fg.  eb.  A.  Caraba  p.  395  fg. 

2)  Conway  168—74.     Die  I  528  A.  8  erwähnte  Inschrift  eines  Censors  ist 
wesentlich  anders  zu  ergänzen  als  dort  gesagt  wurde. 

3)  Die  von  Mommsen  (zuerst  Unterital.  Dial.  173)  geäuTserte  Vermutung, 
es  sei  Hauptstadt  der  Caracener,  widerspricht  den  Angaben  der  Alten. 

4)  Erst  im  dritten  Krieg  scheinen  die  römischen  Waffen  Pietrabbondantc 
erreicht  zu  haben  Liv.  X  12.  41. 

5)  Plin.  III  107  Feldm.  231.  259  Ptol.  III  1,58  CIL.  IX  p.  257. 


792  Kapitel  XIII.    Samnium. 

scheint  nach  dem  Sieg  bei  Phihppi  Veteranen  angesiedelt  zu  haben. 
Indessen  ist  der  Ort  dadurch  nicht  in  die  Höhe  gekommen  und 
früh  verödet.  —  Eine  für  uns  namenlose  Stadt  lag  15  km  nördlich 
von  Bovianum,  je  5  km  von  Agnone  und  Capracolta  entfernt,  beim 
Fönte  Romito  (954  mj  am  Fiifs  des  M.  S.  Nicola  (1177  m).  In 
der  Nähe  befand  sich  ein  Heiligtum  der  Ceres  dem  die  sog.  Weih- 
inschrift von  Agnone,  eins  der  längsten  Denkmäler  der  oskischen 
Sprache  entstammt. i)  Weiter  nach  Ost  in  dem  Bergland  das  den 
Mittellauf  des  Trigno  einengt,  ist  Schiavi  di  Abruzzo  (1168  m)  am 
linken  Ufer  Sitz  einer  Gemeinde  gewesen:  die  verhällnifsmäfsig 
zahlreichen  Inschriften  geben  den  Schlufs  an  die  Hand.'-^)  —  Die 
Höhen  des  rechten  Ufers  sind  niedriger.  Eine  Hügelgruppe  (599  m) 
Schiavi  in  südöstlicher  Richtung  gegenüber  trägt  Terventum  Tn\eaio: 
der  Flufs  im  Nordwesten,  ein  einmündender  Bach  im  Südosten  ver- 
leihen Schutz  gegen  feindlichen  Angriff;  6  km  oberhalb  läuft  der 
paelignische  Triftweg  vorüber,  auf  dem  man  nach  weiteren  18  km 
Bovianum  erreicht.  Eine  unsichere  Nachricht  redet  von  einer  drei- 
maligen Belagerung;  die  erhaltenen  Annalen  wissen  davon  nichts. 
Immerhin  gehört  Terventum  zu  den  wenigen  Gemeinden  Samniums 
die  Sladtrecht  hatten  und  erweckt  durch  seine  römischen  Inschriften 
den  Eindruck  der  Blüte.^)  —  Gleichfalls  am  rechten  Ufer  und  zwar 
im  Quellgebiet  wird  eine  alte  Ortschaft  5  km  von  Molise  vom  mar- 
sischen Triftweg  gestreift.  Sie  hiefs  früher  Civita  vecchia  (918  m) 
und  heifst  neuerdings  Duronia:  allein  diese  an  einer  einzigen  Stelle 
erwähnte  Burg  mufs  dem  Zusammenhang  nach  anderswo  gesucht 
werden  (S.  679  A.  5). 

Vom  heutigen  Duronia  sind  es  12  km  bis  zum  Uebergang  des 
marsischen  Triltwegs  über  den  Tifernus  (348  m),  sodann  6  km  bis 
Madonna  della  Neve  (773  m);  6  km  von  dort  nach  Norden  liegt  die 
Kirche  S.  Maria  a  Faif'oli  (597  m)  westlich  unterhalb  Montagano 
(807  m).  Der  Beiname  ist  aus  Fagifulae  entstellt,  dessen  Stätte  sie 
bezeichnet.  Auch  einzelne  Inschriften  legen  von  diesem  in  der 
Liste  des  Augustus  enthaltenen  Municipium  Zeugnifs  ab. *)  In  der 
Geschichte    kommt   es  214  v.  Chr.   unter  den  abgefallenen  Städten 


1)  Conway   175.  7G  Mommsen  Unterit.  Dial.  128fg. 

2)  CIL.  IX  p.  257. 

3)  Plin.  III  107  Feldm.  238  CIL.  IX  p.  241  ;    die    Form    Tervmtum   wiegt 
vor,  doch  begegnet  auch    Terevenlum. 

4)  Plin.  ill  107  Liv.  XXIV  20  (verschrieben  Fugifulae)  CIL.  IX  p.  237. 


§  2.     Die  Nordsamoiteo.  793 

Tor  die  der  alte  Fabius  zurück  eruberle.  Da  die  Penirer  nach  der 
Schlacht  vou  Cannae  treu  geblieben  waren,  su  kann  es  ihnen  nicht 
zugerechnet  werden,  wie  denn  überhaupt  die  Grenzen  des  Canlons 
enger  zu  ziehen  sind  als  gemeinhin  geschieht.  —  Immerhin  weist 
ihre  Absonderung  von  der  gemeinsamen  Sache  dtr  Nation  sowie 
ihre  .Namensnennung  in  den  Anualen  darauf  hin,  dafs  die  Pentri 
Samnites  über  eine  ansehnliche  Macht  verfügten. ')  Da  sie  die  an 
100  Zkm  haltende  Ebene  am  nordostlichen  Fufs  des  Matese.  die 
grofste  im  inneren  Samnium  besafseu,  mögen  sie  wol  eine  leitende 
Rolle  beanspruclit  haben.  t)araut  deutet  der  Umstand  dafs  ihre 
Hauptstadt  Bovianum  hiefs  und  somit  nach  der  Wandersage  den 
Ursprung  der  Niition  mit  dem  eigenen  Urspi  ung  verknüpfte.-) 
Phnius  fügt  das  Beiwort  Undecumamorum  hinzu,  weil  Vespasian  eine 
Colonie  Veteranen  dieser  ihm  ergebenen  Legion  hier  angesiedelt 
hatte.  -1  Vurdem  war  es  Municipium.  Die  rümische  Stadt  lag  in 
der  Ebene  (455  m)  und  ist  durch  Abschwemmung  von  den  Bergen 
10  m  und  tiefer  verschüttet  worden.  Das  heutige  ßojano  ist  an 
die  Bergwand  angelehnt  (550  mj.  darüber  thront  die  Burg  Civita 
superiore  (75U  m).  Die  samnitische  Stadt  hatte  nicht  weniger  als 
drei  Burgen*);  Reste  der  Polygonalmauer  finden  sich  in  Civiia.  In 
den  grofsen  Kriegen  der  Repubük  ist  sie  oft  umstritten  wurden. 
Die  Consulü  lagern  zum  ersten  Mal  314  v,  Chr.  vor  Bovianum, 
nehmen  es  311  und  machen  reiche  Beute;  bei  der  zweiten  Ein- 
nahme 305  wird  die  Widerstandskraft  der  Samniten  gebrochen.  ^) 
In  den  nächsten  Kriegen  treten  die  Pentrer  in  den  Hinlergrund, 
halten  216  zu  Rom  und  geben  212  einem  romischen  Heer  Quartier.  ^) 
Sodann  ist  Bovianum  bei  der  Erhebung  der  Bundesgenossen  Sitz 
der  samnitischen  Ral^versammlung;  Sulla  greift  die  Burgen  von  der 
Hube  im  Rücken  an  und  erstürmt  nach  dreistündigem  Kampf  59 
die  Stadt;  im  nächsten  Jahr  hält  Silo  wieder  seinen  siegreichen 
Einzug,  "j     Obwol  sie  nach  wie  vor  als  Mitlelpunct  des  Berglandes 

1)  üv.  IX  bl  XXII  61  Dion.  H.  XVll  4. 

2j  Liv.  IX  31   Caput   hoc    erat    Penlrorum   Samnitium   lange    dilitsimum 
alque  opulentiitimum  armis  virUqut:. 

3)  Plin.  III  luT  Feldm.  131  CIL.  JX  p.  239. 

4)  Appian  b.  civ.  I  51. 

5)  Liv.  IX  2S.  31.  44  Diod.  XX  90  wo  durch  ein  Versehen  des  Autors  oder 
seiner  Abschreiber  BdJiay  für  Bovätoy  steht. 

6»  Liv.  XXII  61  XXV  13. 

')  Appian  b.  civ.  1  51   übseq.  56. 


794  Kapitel  XIII.     Samnium. 

betrachtet  wird  i),  müssen  die  Wunden  des  letzten  Krieges  unheil- 
bar gewesen  sein.  2)  Erst  die  Colonie  Vespasians  brachte  einen 
neuen  Aufschwung  der  durch  die  Verkehrslage  befördert  wurde. 
Ein  Triftweg  ging  von  hier  über  Benevent  (S.  786),  desgleichen 
eine  Strafse  über  Gerunium  (S.  785)  nach  Apulien  aus;  von  der 
Strafse  nach  Benevent  und  Aesernia  wird  unten  die  Rede  sein. 
Endlich  geschieht  auch  der  Jagd  im  Matese  beiläufig  Erwähnung.  3) 
—  Der  bei  Bovianum  entspringende  Tifernus  hat  Tifernum 
den  Namen  verliehen.  Dieser  Ort  scheint  nördlich  in  mäfsiger 
Entfernung  von  Bovianum  gelegen  zu  haben,  ist  aber  früh  ver- 
schollen. 4)  —  Der  pentrische  Triflweg  überschreitet  10  km  von 
Bovianum  die  Bodenschwelle  (570  m)  welche  die  Wasserscheide 
zwischen  adriatischem  und  tyrrhenischem  Meer,  zunächst  zwischen 
Tifernus  und  Tamarus  (1332)  bildet.^)  Er  langt  4  km  weiter 
bei  dem  römischen  Saepinum  an,  dessen  Ruinen  jetzt  Altilia  heifsen. 
Sie  verdienen  zunächst  wegen  ihrer  genauen  Datirung  beachtet  zu 
werden.  Mauer  Thore  Thürme  sind  um  Christi  Geburt  (zwischen 
2  V.  u.  4  n.Chr.)  auf  Kosten  des  Tiberius  errichtet  worden  6); 
Haustein  ist  nur  in  den  Thorbögen  verwandt,  alles  Uebrige  schönes 
Netzwerk.  Mit  einem  Umfang  von  II/2  km  ist  die  Stadt  rechtwinklig 
mit  4  Thoren  angelegt,  enthält  ein  Theater  und  andere  öffentliche 
Gebäude.  Das  samnitische  Saepinum  das  293  belagert  und  ge- 
nommen ward  '),  haben  wir  nicht  vor  uns  —  solches  mufs  in  fester 
Höhenlage  angesetzt  werden  — ,  sondern  einen  Versuch  mit  kaiser- 
lichen Mitteln  der  verwahrlosten  Gegend  aufzuhelfen,  wie  ihn  später 
Vespasian  in  Bovianum  wiederholte.  8)  Mit  dem  Unterschied  jedoch 
dafs  Saepinum  stets  Municipium  verblieb.  ^)    Ob  diese  Versuche  mit 

1)  Cic.  pro  Cluent.  197. 

2)  Slrab.  V  250. 

3)  Sil.  It.  VIII  564. 

4)  Liv.  IX  44  X  14,  an  dem  Bestand  des  Ortes  zn  zweifeln  fehlt  ein  Grund. 
Roccaspromonte  (696  m)  am  linken  Ufer  des  Tifernus  20  km  Nord  von  Bovia- 
num unweit  des  marsisclien  Triftwegs,  wo  ein  samnitisches  Heiligtum  stand 
(Mommsen  Unterit.  Dial.  174  Gonway  165)  entspricht  den  Anforderungen  der 
Erzählung. 

5)  Der  antike  mit  dem  heutigen  übereinstimmende  Name  kommt  nur  It. 
Ant.  103  vor. 

6)  CIL.  IX  2443. 

7)  Liv.  X  44.  45  Gonway  164. 

8)  Strabo  hat  Saepinum  völlig  übergangen. 

9)  Plin.  III  107  Ptol.  III  1,58  Feldm.  237  CIL.  IX  p.  227.  675. 


§  2.    Die  Nordsamniten.  795 

der  fiscalischen  Nutzung  des  Matese  zusammenhingen  (S.  786)  und 
wie  das  Weiderecht  geordnet  war,  wissen  wir  nicht.  Tm  7.  Jahr- 
hundert sind  beide  Städte  verödet,  i)  Das  heutige  Sepino  liegt 
3  km  südlich  vom  römischen  am  Berghang  (698  m).  Die  6  km 
lange  Enge  durch  die  der  Tamarus  abfliefst,  kann  als  Südgrenze 
der  Pentrer  betrachtet  werden. 

Das  Land  südwestlich  vom  Matese  vermittelt  den  Uebergang 
zwischen  dem  Hochgebirg  und  Campanieu  (S.  787).  Der  Volturnus 
der  es  durchströmt,  wird  dreimal  durch  Querzüge  eingeengt,  dergestalt 
bis  zur  Vereinigung  mit  dem  Calor  sein  Thal  in  vier  an  Höhe  ab- 
nehmende Becken  gegliedert.  Das  nördlichste  hat  zur  Hauptstadt 
Aesernia,  das  zweite  und  gröfste  Venafrum,  das  dritte  Allifae,  end- 
lich das  letzte  Telesia.  Zu  diesen  vier  Kreisen  kommt  als  fünfter 
das  die  Grenze  bildende  Bergland  am  rechten  Ufer  hinzu.  —  Die 
Via  Traiana  ist  durch  zwei  Strafsen  mit  dem  nördlichen  Samnium 
verbunden.  Die  eine  läuft  von  Benevent  am  rechten  Ufer  des 
Tamarus  aufwärts,  langt  nach  18  Millien  bei  Sirpium  unweit  Mor- 
cone  und  von  hier  nach  12  Millien  in  Saepinum  an.  2)  Die  zweite 
geht  von  dem  22  Millien  Ost  von  Benevent  nach  Apulien  zu  be- 
legenen Aequum  Tuticum  aus,  erreicht  nach  21  Millien  den  Tamarus 
und  ferneren  16  Saepinum.  3)  Von  Bovianum  führt  die  Strafse 
durch  das  Bergland  (S.  788)  in  18  Millien  nach  Aesernia.^)  Die 
Wichtigkeit  des  Platzes  auf  die  S.  788  hingewiesen  wurde,  erklärt 
da(s  die  Bömer  ihn  bereits  295  besetzt  hielten,  s)  Jedoch  haben  sie 
erst  263  eine  latinische  Colonie  hergeführt,  deren  Kupfermünzen  halb 
oskische  halb  latinische  Aufschrift  tragen.  ^)  Die  Festung  ist  das 
Gegenstück  zu  Benevent,  mit  dem  zwei  Strafsen  die  Verbindung 
unterhalten:  eine  kürzere  über  Bovianum  und  Saepinum  58  Millien, 
eine  längere  am  Volturnus  66  Millien.  Sie  ist  ein  gegen  das  Ge- 
birge vorgeschobener  Posten  und  beherrscht  dessen  Verkehrswege 
nach  der  Ebene:  die  beiden  Uebergänge  zu  den  Caracenern  am 
Sangro,    wovon    der    eine  durch  das  Hochthal  des  Volturnus  nach 

1)  Paul.  h.  Lang.  V  29. 

2)  Tab.  Peut,  Geogr.  Rav.  IV  34,  ein  Gognomen  Serpicanus  in  der  saepi- 
natischen  Inschrift  2465. 

3)  It.  Ant.  103  nennt  statt  Saepinum  vielmehr  Bovianum,  doch  mufs  eine 
Station  mit  etwa  10  Millien  ausgefallen  sein. 

4)  So  richtig  die  älteste  Handschrift  It.  Ant.  102. 

5)  Liv.  X  31  was  ohne  Grund  beanstandet  wird. 

6)  Liv.  XVI  Vell.  I  14  Conway  185. 


796  Kapitel  XIII.    Samnium. 

A(|uilonia  Alfedeua  (Pafshühe  1077  m),  der  andere  im  Reisebuch 
zu  28  Millieu  beslimmle  nach  Aufidena  Castel  di  Sangro  (f^afshühe 
1081  m)  hinfuhrt  •);  desgleichen  nach  Nordosten  den  18  Milüen 
langen  Weg  nach  Bovianum  Vetus  sowie  die  beiden  Kunststrafsen 
nach  Süden,  eudhch  im  Westen  die  Saumpfade  (Pafshühe  1025  m) 
auf  denen  Atina  erreicht  wird.  Der  Platz  selbst  auf  einer  von 
zwei  zusammen  fliefsenden  Bächen  gedeckten  Landspitze  (457  m) 
ist  stark,  am  Wenigsten  die  an  die  Hochebene  anslofsende  INord- 
seile.  Reste  der  Ringmauer  theils  in  Polygonal-  theils  in  Quader- 
bau sind  erhalten,  ferner  eine  W'asserleitung  nebst  vielen  Inschriften. 
Die  auf  Aesernia  gesetzten  Erwartungen  sind  im  hannibalischen 
Kriege  reichlich  erfüllt  worden.  2)  In  der  Folge  angesehen  3),  üeferte 
es  den  römischen  Fechterschulen  Mannschaft. ^J  Der  Buudesgenossen- 
krieg  knickte  seine  Blüte:  durch  Hunger  bezwungen  fiel  es  90  in 
die  Hände  der  Samniten  ^),  wurde  nach  der  Räumung  von  Corfinium 
der  Hauptsitz  des  Aufstandes  und  erst  80  von  Sulla  wieder  ge- 
nommen.^) Strabo  spricht  von  völliger  Vernichtung^);  doch  hat 
es  als  Municipium  in  der  Tribus  Tromentina  vermöge  seiner  gün- 
stigen Verkehrslage  ein  leidliches  Dasein  etwa  wie  am  selben  Fleck 
Isernia  gefristet:  so  läfst  sich  aus  den  Inschriften  schhefsen.  ^) 

In  der  Friedenszeit  hat  das  benachbarte  Venafrum  Venafro 
eine  ungleich  gröfsere  Bedeutung  gehabt.  Es  wird  zu  Campanien 
gerechnet  und  von  Augustus  als  Colonie  in  der  ersten  Region  an- 
erkannt. 9)  Nachdem  unterhalb  Aesernia  die  verschiedenen  Quell- 
arme mit  dem  Volturnus  zusammen  geflossen  sind  (I  332),  wird 
das  Thal  auf  2  km  eingeengt  und  alsbald  auf  6  km  erbreitert.  Der 
westliche  Bergzug  beschreibt  einen  Halbkreis  von  15  km  Durch- 
messer,  in    dessen  Scheitel  Venafrum   (220  m)   dem  Hang  sich  an- 


1)  Cic.  ad  Alt.   VIII  lld,2. 

2)  Liv.  XXVII  10  XLIV  40  Sil.  It.  VIII  566. 

3)  Cic.  Brut.  136. 

4)  Lucil.  IV  15  L.  M. 

5)  Liv.  LXXII.  LXXIII  Oros.  V  18,14.  16  Sisenna  fr.  6.  16  Peter  Appian  b. 
civ.  141.  51   Diod.  XXXVII  19. 

6)  Diod.  XXXVII  2,9  Liv.  LXXXIX  7r)tam  kann  füglich  nur  Aesernia  sein. 

7)  Slrab.  V  238.  5(t. 

8)  Piin.  III  107  Ptol.  III  1,58  Feldm.  233.  60  Esernia  Paul,  h.  Lang.  II  20 
Bisernia  CIL.  IX  p.  245. 

9)  Plin.  III  63  Feldm.  239  Ptol.  III  1,59  Strab.  V  238.  43  CIL.  X  1  p.  477. 


§  2.     Die  Nordsananiten.  797 

schmiegt,  den  5  km  östlich  enlfernten  Strom  um  60  m  überragend,  i) 
Der  westliche  Bergzug  wird  nach  Süden  niedriger  und  schmaler, 
bei  ad  Flexum  am  95.  Meilenstein  der  Via  Latina  ist  er  auf  einen 
Rücken  von  451  m  Höhe  eingeschrumpft,  eine  9  Millien  lange 
Strafse  führt  von  der  Latina  hinüber  nach  Venafrum.-)  Die  ge- 
dachte Station  entspricht  dem  heutigen  S.  Pietro  in  Fine;  letzteres 
Beiwort  bezieht  sich  auf  die  Grenze  der  casinatischeo  und  venafraner 
Feldmark.  3)  Südlich  von  dem  Bergsattel  steigt  noch  der  M.  Cesimo 
1170  m  auf  (S.  679),  dann  klafft  ein  6  km  breite  Lücke,  das  Ein- 
fallsthor von  Samnium  nach  Campanien  (S.  686)  durch  das  eine 
18  Millien  lange  Strafse  Venafrum  mit  dem  sidicinischen  Teanum 
verbindet.  4)  An  der  Ecke  des  Bergzuges,  ungefähr  am  103.  Meilen- 
stein der  Via  Latina  zeigt  die  Kirche  S.  Feiice  a  Rufo  unweit  der 
Eisenbahnstation  Presenzano  den  Ort  der  allen  Samniterstadt  Ru- 
frium  an,  die  326  in  römische  Hände  fiel.  ^)  Ihre  Oelpressen,  aus 
der  Lava  der  Rocca  Monfina  gearbeitet,  werden  von  Cato  empfohlen. ß) 
Aber  die  Selbstverwaltung  geht  verloren  und  der  stattliche  Vicus 
Rufrae  wie  die  jüngere  Form  lautet,  ist  zu  Venafrum  geschlagen.  ^) 
Der  Querriegel  von  Vairano  (S.  686)  der  das  Becken  von  Teanum 
im  Norden  abschliefst  und  das  Volturnuslhal  auf  weniger  als  3  km 
einschnürt,  stellt  die  natürliche  Grenze  des  Stadtgebiets  gegen 
Teanum  und  Allifae  dar.  Ebenso  auf  der  anderen  Seite  gegen  das 
13  Millien  entfernte  Aesernia  der  halbwegs  vollzogene  Strafsen- 
übergang  vom  rechten  auf  das  Unke  Ufer:  die  Strafse  war  von 
Augustus  erneuert,  der  110.  Meilenstein  (von  Rom  aus)  stand  unter- 
halb Monteroduni  am  linken  Ufer. 8)  Nach  den  getroffenen  Be- 
stimmungen mag  das  Gebiet  an  500  Ckm  umfafst  haben.  Die  Ge- 
birgsbewohner blickten  mit  Neid  auf  die  Oelwälder,  die  es  bedeckten 9) 
und   mit  ihrem  Ruhm  die  Welt  erfüllten  (I  454).     Oel  wurde  hier 


1)  Darnach  ist  Strab.  V  23S  einzuschränken. 

2)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  33  CIL.  X  1  p.  699. 

3)  Möglicher  Weise  kann  hier   in   älterer  Zeit   der    100.  Meilenstein  und 
damit  der  Grenzstein  des  erweiterten  Latium  gestanden  haben  (S.  679). 

4)  Gic.  ad  Att.  VII  13,7  It.  Ant.  303  CIL.  X  1  p.  699. 

5)  Liv.  VIII  25  Verg,  Aen.  VII  739  mit  Schol.  Sil.  It.  VIII  566. 

6)  Cato  RR.  22.  135. 

7)  CIL.  X  1  p.  475. 

8)  CIL.  IX  p.  589;  Aielleicht  ist  hier  ad  Rotas  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV 
34  anzusetzen. 

9)  Cic.  pro  Plane.  22  de  leg.  agr.  II  66  Plin.  XVII  31. 


798  Kapitel  Xlll.     Samnium. 

schon  zu  Cato's  Zeilen  erzeugt,  bei  dem  Venafrum  zuerst  begegnet, 
vermutlich  viel  früher. i)  In  der  älteren  Geschichte  wird  es  nicht 
erwähnt.2)  Minderes  Bürgerrecht  wird  ihm  ungewifs  wann  verliehen 
worden  sein,  weshalb  es  unter  den  l'raefecturen  erscheint.')  Wann 
die  Aufnahme  in  die  Tribus  Teretina  erfolgte^  ist  gleichfalls  unbe- 
kannt. Die  Samniten  nahmen  die  Stadt  90  durch  Verrat  ein  und 
metzelten  die  reimische  Besatzung  nieder. 4)  Als  colonia  Augusta 
Julia  Venafrum  sodann  gehört  sie  zu  den  Stützen  der  kaiserhchen 
Macht;  von  Augustus  rührt  die  Vergröfserung  des  Territoriums,  die 
Herstellung  der  grofsen  Landstrafsen,  die  Anlage  einer  Wasserleitung 
her.  Ziegeleien  und  Eisenarbeiten  werden  schon  von  Cato  er- 
wähnt^); aus  der  Menge  der  Vereine  kann  man  auf  die  fortdauernde 
Blüte  des  Gewerbes  und  die  Einwohnerzahl  einen  Schlufs  thun.^) 
Aber  von  Bauwerken,  z.  B.  einem  Amphitheater,  ist  so  gut  wie 
Nichts  übrig  geblieben. 

Von  Venafrum  sind  reichlich  20  Millien  bis  Allifae  das  eine 
Durchgangstrafse  mitTeanum  (17)  uudTelesia  (15Millien)  verbindet.'^) 
Alife  ist  zwar  Sitz  eines  Bischofs,  aber  ein  ärmUcher  Ort  dem  das 
Gewand  aus  dem  Altertum  um  den  mageren  Leib  schlottert;  denn 
die  im  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  erbaute  Mauer  umschliefst  ein 
Rechleck  von  über  2  km  Umfang.  In  der  INahe  sind  die  Ruinen 
der  grofsartigen  Herculesthermen ,  eines  Theaters,  vielleicht  auch 
Amphitheaters  erhallen.  Diese  ansehnliche  Rümerstadt  liegt  in  der 
Ebene  (110  m)  3  km  vom  Volluruus  am  linken  Ufer.  Vermutlich 
hat  die  samnitische  Stadt  eine  natürliche  Deckung  gesucht  und 
4  km  oberhalb  den  Platz  von  Castello  d'Ahfe  (470  m)  eingenommen, 
wo  der  Zutritt  in  das  Innere  des  Matesegebirgs  sich  üflnet  und 
bei  Piedimunle  d'Alife  der  jetzigen  Kreisstadt  (207  m)  die  oskische 
Nekropole  ist.  Vor  Ankunft  der  Römer  war  der  Verkehr  bereits 
entwickelt  und  hatte  eine  ausgedehnte  Silberprägung  veranlafst:  die 
Münzen  tragen  theils  griechische  theils  oskische  theils  aus  beiden 
Alphabeten  gemischte  Aufschrift    und  gehören  dem  4.  Jahrhundert 

1)  Cato  RR.  146  vgl.  136. 

2)  Sei  V.  V.  Aen.  XI  246  fabelt  von  einer  Gründung  durch  Diomedes.    Dafs 
es  gemünzt  habe  (Garrucci  91),  ist  unsicher  (Conway  p.  146). 

3)  Fest.  233  M. 

4)  Appian  b.  civ.  1  41. 

5)  Cato  RR.  135. 

6)  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1,3  Hör.  Od.  111  5,55  Plin.  XXXI  9. 

7)  lt.  Ant.  122.  304  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34. 


§  2.    Die  Nordsamniten.  791^ 

V.  Chr.  an.i)  AUifae  ergab  sich  326  deu  Römern,  wurde  durch 
den  caudinischen  Frieden  wieder  frei,  aber  310  erstürmt;  unter 
seinen  Mauern  erUtten  die  Samniten  307  eine  neue  Niederlage.^) 
Mit  der  Münzherrlichkeit  ist  es  seitdem  für  immer  vorbei.  Die 
Durchmärsche  Hannibals  217  und  211  fügten  der  Gegend  empfind- 
lichen Schaden  zu. 3)  Im  übrigen  wird  ihre  Fruchtbarkeit  gerühmt 
und  neben  der  venafranischen  genannt.'*)  Beide  Städte  haben 
während  der  Republik  im  Wesentlichen  gleiche  Schicksale  gehabt, 
sind  Praefecturen  gewesen  und  nachher  der  Tribus  Teretina  ein- 
verleibt worden.^)  Aber  während  AUifae  in  der  Epoche  der  Unab- 
hängigkeit einen  weiten  Vorsprung  hatte,  wurde  es  in  der  Folge 
von  der  IVachbarin  überholt.  Für  die  städtische  Entwicklung  in 
Samnium  war  ehedem  die  Nähe  Capua's  entscheidend  und  AUifae 
von  diesem  Handelscentrum  nur  25  Milben  (Venafrum  34)  abgerückt. 
Nach  der  Unterwerfung  Italiens  dagegen  gab  das  Verhältnils  zu 
den  grofsen  von  Rom  auslaufenden  Strafsen  den  Ausschlag.  AUifae 
lag  jetzt  an  einer  blofsen  Nebenstrafso,  durch  das  Grenzgebirge 
verdeckt  so  dafs  es  zwar  amtlich  zu  Campanien,  von  den  Geographen 
jedoch  zu  Samnium  gerechnet  wurde. 6)  Augustus  hat  denn  auch 
Venafrum  zur  Colonie  erhoben,  nicht  AUifae:  der  Gnade  eines 
Nachfolgers  verdankt  letzteres  diesen  Titel.')  Dafs  es  trotz  aUem 
ein  blühendes  Gemeinwesen  war,  le^jren  wie  gesagt  die  Ruinen, 
lehren  desgleichen  die  Inschriften.^) 

Das  etwa  350  Dkm  messende  Bergland  südlich  von  AUifae  das 
am  rechten  Ufer  den  vom  Volturnus  beschrieben  Bogen  ausfüllt 
(S.  686),  hat  drei  Gemeinden  mit  Selbstverwaltung  aufzuweisen. 
Eine  vom  Telia  durchflossene  Einsenkung  trennt  das  östliche 
Drittel  von  der  Hauptmasse.  Damit  ist  auch  der  Weg  von  AUifae 
nach  Capua  vorgezeichnet.  An  ihm  kündet  9  km  von  jenem  Ort, 
2  km    vom  Volturnus   entfernt,    auf  einer   mäfsigen   Anhöhe   (etwa 


1)  Dressel  Berliner  Kat.  72. 

2)  Liv.  VIII  25  IX  38.  42  Diod.  XX  35.  Das  326  zugleich  mit  Rufrium 
(S.  797)  und  AUifae  unterworfene  Callifae  mag  zwischen  beiden  Orten  ge- 
legen haben,  ist  aber  anderweitig  nicht  bekannt. 

3)  Liv.  XXII  13.  17.  18  XXVI  9  Sil.  It.  VllI  535  XII  526. 

4)  Cic.  pro  Plane.  22  de  leg.  agr,  II  66  Sil.  It.  XII  526. 

5)  Fest.  233  M.  CIL.  IX  p.  214. 

6)  Plin.  III  63  Feldm.  231,  Strab.  V  238  Ptol.  III  1,58. 

7)  Feldm.  231  CIL.  IX  2354  X  4590. 

8)  Hör.  Sat.  II  8,39  m.  Schol.  erwähnt  die  hier  gefertigten  Becher. 


800  Kapitel  XIII.     Samniam. 

120  m)  die  Kirche  S,  Ferdinando,  früher  S.  Maria  di  Covultere  ge- 
heifsen,  unweit  Alvignano  die  Stätte  von  Cubulteria  an.^  Ihre 
Kupfermünzen  tragen  die  oskische  Aufschrift  Knpeltermim.^)  Die 
Stadt  fiel  zu  Hannibal  ab,  ward  aber  schon  215  vom  alten  Fabius 
bezwungen.^)  Sonst  wissen  wir  nur  dafs  sie  als  Municipium  in  der 
Kaiserzeit  bestanden  hat.  —  Weiter  aufwärts  20  km  von  Allifae  er- 
reicht die  Strafse  Caialia  Cajazzo  (241  m).  Es  liegt  auf  dem  Berg- 
rücken der  steil  nach  Süd  zum  Volturnus  (36  m)  abfällt.  Der 
Strafse  nach  Capua  ist  S.  709  gedacht  worden ;  ferner  führt  nach 
Osten  dem  Bach  Felcio  entlang  über  den  Flufs  nach  Telesia  (16  km) 
eine  andere.  Immerhin  ist  die  militärische  Bedeutung  des  Platzes 
gering.  Er  war  im  hannibalischen  Krieg  in  den  Händen  der 
Bömer.'i)  Kupfermünzen  mit  der  lateinischen  Aufschrift  Caiatino 
die  dem  3.  Jahrhundert  angehören,  lassen  vermuten  dafs  die  Ge- 
meinde damals  minderes  Bürgerrecht  besafs.^)  Ferner  erfahren  wir 
dafs  sie  als  Municipium  mit  Duovirn  gleich  ihren  Nachbarinnen  zur 
ersten  Begion  zählte.^)  —  In  der  westlichen  Hauptmasse  des  Berg- 
landes 20  km  Nord  von  Capua  wird  Trebula  durch  das  Dorf  Treglia 
dargestellt:  selbst  300  m  hoch,  ist  es  von  6 — 700  m  hohen  Bergen 
rings  umgeben.  Trotz  dieser  Lage  war  sein  Wein  in  neronischer 
Zeit  zu  Ansehen  gelangt.'')  Zur  Unterscheidung  von  einer  ver- 
scholleneu Gemeinde  südlich  vom  Volturnus  und  von  den  drei 
gleichnamigen  Gemeinden  der  4.  Begion  heifsen  die  in  der  Liste 
der  ersten  Begion  aufgeführten  Trehulani  Balliensesß)  Sie  fielen 
zu  Hannibal  ab  und  wurden  215  von  Fabius  zum  Gehorsam  zurück 
gebracht.9)  Ihre  Feldflur  war  ausgedehnt  genug  um  bei  den  Acker- 
vertheilungen  die  man  plante  oder  ins  Werk  setzte,  in  Betracht  zu 

1)  .so  iiischriftlich  CIL.  X  1  p.  449  und  Plin.  iil  63,  Liv.  XXllI  39  Com- 
bulleria  XXIV  20  Conpiilteria. 

2)  Dressel  Berliner  Katalog  88. 

3)  Irrig  von  Livius  nach  anderer  Quelle  unter  214  wiederholt. 

4)  Liv.  XXII  13  XXIU  14. 

5)  Mommsen  Münzwesen  117  CIL.  X  1  p.  444. 

6)  Plin.  III  63  irrig  Calatiae  statt  Caiatia.  Ob  die  eine  oder  andere  Er- 
wähnung aus  den  Samniterkriegen  die  wir  S.  717  Galatia  zuwiesen,  etwa  auf 
Caialia  zu  beziehen  sei,  läfst  sich  bei  der  leicht  möglichen  Verwechslung  nicht 
sicher  sagen. 

7)  Plin.  XIV  69. 

8)  Plin.  III  64  so  die  Leidener  Handschrift,  die  übrigen  Ballinienses.  Ptol. 
III  1,59  und  die  anderen  Autoren  ohne  Beiwort. 

9)  Liv.  XXIII  39. 


§  2.     Die  Nordsamniten.  801 

kommen!);  sie  erstreckte  sich  vermutlich  über  das  7  km  lange 
Thal  von  Pontelatone  hinunter  bis  an  den  Volturnus.  Vermutlich 
hat  sie  auch  die  Samniterstadt  Austicula  mit  umfafst  die  215  von 
Fabius  erobert  ward  und  seitdem  unseren  ßhcken  entschwindet. 2) 
Von  Trebula  sind  Reste  der  Mauer,  einer  Wasserleitung,  Gräber 
erhalten.  Es  war  Municipium  von  Quattuorvirn,  späterhin  Duovirn 
regiert.  3) 

Das  Becken  von  AUifae  wird  4  Milhen  unterhalb  der  Stadt 
durch  die  Enge  abgeschlossen  in  die  links  CoUe  Petrito  (243  m) 
rechts  M.  Carofalo  (240  m)  den  Fluls  einzwängen,  Jenseit  empfängt 
er  vom  Matese  den  Titerno  dessen  Name  alt  khngt.  Am  oberen 
Lauf  liegt  die  jetzige  Kreisstadt  Cerreto  Sannita  (290  m).  Wo  der 
Titerno  in  die  Ebene  hinaustritt  (125  m),  umströmt  er  den  2  km 
langen  von  450  m  bis  733  m  ansteigenden  Rücken  des  M.  Acero. 
Der  Berg  trug  das  samnitische  Telesia,  von  dem  es  seltene  Kupfer- 
münzen mit  der  Aufschrift  Telis  giebt.*)  Die  einzige  geschichtliche 
Erwähnung  betrifft  seinen  Abfall  zu  Hannibal  und  seine  Erstürmung 
214  durch  Fabius.^)  Allerdings  weifs  Livius  von  einer  voraus- 
gehenden Einnahme  von  Seiten  der  Karthager  217  zu  berichten: 
aber  die  Proben  von  Ortskunde  die  er  oder  vielmehr  der  von  ihm 
benutzte  Gewährsmann  in  diesem  Kapitel  beibringt,  zeugen  von 
ebenso  viel  Geschmack-  als  Gedankenlosigkeit.  In  der  gemeinsamen 
Quelle  die  Polybios  getreu  wieder  giebt,  stand  zu  lesen  dafs  die 
Karthager  nach  Verwüstung  des  ßeneventanischen  sich  der  reichen 
Vorräte  einer  mauerlosen  Stadt  Vemisia  bemächtigten.  Der  Annähst 
dem  solcher  Name  nur  am  Voltur  geläufig  war,  setzt  alles  üebrige 
streichend  biiiuilings  Telesia  ein,  ohne  zu  erwägen  ob  Hannibal 
mit  einem  römischen  Heer  im  Rücken  eine  ßergfestung  die  nicht 
durch  blofsen  Handstreich  zu  nehmen  war,  überhaupt  hätte  an- 
greifen können. »i)  Eine  Ortschaft  Venusia  am  Volturnus  kommt 
sonst  nirgends  vor.  Aber  man  darf  die  Frage  aufwerfen  ob  nicht 
sein  Andenken  in  dem  3  Millien  nordösthch  vom  römischen  Telesia 


1)  Cic.  de  leg.  agr.  II  66  Feldm.  238. 

2)  Liv.  XXIII  39. 

3)  CIL.  X  l  p.  442. 

4)  Garrucci  91  Conway  182. 

5)  Liv.  XXIV  20. 

6)  Pol.  III  90,8  Liv.  XXII  13   Cluver  It.   ant.    1224   will    den  Unsinn   des 
Livius  in  den  giiecliischen  Text  hinein  emendiren  und  findet  damit  Beifall. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde    II.  51 


802  Kapitel  XIII.     Samnium. 

in  etwa  120  m  Meereshühe  gelegenen  Dorf  Castelvenere  fortlebt. 
Unter  den  mehr  als  200  Gemeinden  des  Königreichs  Italien  deren 
Namen  mit  Castei  anfängt,  wiederholt  sich  diese  Zusammensetzung 
nicht,  begegnet  nur  noch  einmal  in  Istrien.  Das  gleichfalls  allein 
dastehende  Portovenere  stammt  aus  dem  Altertum  (S.  147).  Da  die 
Oertlichkeit  den  Anforderungen  der  Erzählung  genügt,  würde  eine 
nähere  Untersuchung  sich  lohnen.  —  Fabius  Maximus  durchzog 
214  die  Gegend  mit  Sengen  und  Brennen,  trieb  das  Vieh  fort  und 
machte  die  Bewohner  zu  Sklaven.  Dafs  die  Nachkommen  der  Ge- 
retteten mit  dem  Landsturm  82  auf  Rom  marschirten ,  ist  sicher 
genug.  Aber  wenn  ihr  Anführer  Telesinus  hiefs  (S.  774),  so  folgt 
daraus  keineswegs  dafs  er  ein  Bürger  dieser  Stadt  war  ^);  vollends 
ohne  Grund  hat  man  ihr  auch  den  Sieger  von  Caudium  glorreichen 
Gedenkens  zu  Gute  schreiben  wollen.  Die  Geschichte  des  römischen 
Telesia  ist  in  verschiedenen  Stücken  unklar.  Es  gehört  zur  faler- 
nischen  Tribus  und  heifst  Colonie,  seine  Bürgermeister  praetores 
duoviri.'^)  Ob  aber  die  Colonie  nach  Aussage  der  Feldmesser  von 
den  Triumvirn  oder  nach  Mommsens  Vermutung  von  Sulla  ge- 
gründet war,  läfst  sich  kaum  sagen. 3)  Augustus  erkennt  die  Colonie 
nicht  an,  sondern  rechnet  sie  zu  den  Municipien  der  ersten  Region. *) 
Wenn  indefs  Strabo  von  einer  Verödung  Telesia's  redet,  so  trifft 
dies  nach  Ausweis  der  Denkmäler  wol  auf  die  Zeit  des  Gewährs- 
mannes, nicht  aber  des  Schreibenden  zu. 5)  Am  Südfufs  des  M.  Acero 
(S.  801)  bezeichnet  das  Dorf  S.  Salvatore  (95  m)  die  Stätte  eines 
Herculestempels,  an  den  sich  vermutlich  ein  Vicus  aiischlofs.  Von 
hier  liegt  2  Millien  nach  Südost  1  km  vom  Volturnus  entfernt  das 
im  9.  Jahrhundert  entstandene  heutige  Telese  (60  m),  zwar  Bischof- 
sitz, aber  verödet  und  vom  Fieber  geplagt.  Zwischen  beiden  Orten 
in  der  Mitte  finden  sich  die  Trümmer  der  Römerstadt.  Der  Um- 
fang der  aus  Netzwerk  in  Gestalt  eines  Achtecks  errichteten  Mauer 


1)  Gic.  pro  Gaec.  87  Vell.  II  16.  27  Val.  Max.  VI  8,2  Flor.  II  6,6  9,22 
Oros.  V  21,8  Appian  b.  civ.  1  90.  93  brauchen  übereinstimmend  Telesinus  als 
Cognomen  des  G.  Pontius. 

2)  CIL.  IX  p.  205. 

3)  Feldm.  238.  Die  Ergänzung  von  CIL.  IX  2219  eol(oniae)  Herc{uliae 
Tel(esiae)  ist  nicht  einwandfrei,  da  man  z.  B.  auch  an  col(legio)  Herc{ulaniorum) 
Tel(esinornm)  denken  könnte.  Ein  Tempel  des  Gottes  stand  in  S.  Salvatore 
Telesino. 

4)  Fun.  111  64,  Ptol.  III  1,58  setzt  sie  nach  Samnium. 

5)  Strab.  V  250. 


§  3.    Die  Hirpiner.  803 

beträgt  reichlich  2  km;  repubUkanische  Inschriften  erwähnen  den 
Bau  von  Thürmen.i)  Eine  etwa  12  km  lange  Leitung  schaffte  Ge- 
birgswasser  aus  dem  Titerno  heran.  Ein  Amphitheater  liegt  im 
Westen  vor  der  Stadt;  in  den  gegen  2  km  östlich  hervor  brechenden 
jetzt  viel  benutzten  Schwefelquellen  wird  man  die  thermae  Sabinianae 
erkennen,  von  deren  Herstellung  die  Rede  ist. 2)  Die  Entfernung 
von  Telesia  nach  Benevent  beträgt  24,  nach  Capua  über  Caiatia 
(S.  800)  oder  am  linken  Ufer  über  Syllae  (S.  710)  22  Millien.3) 

§3.  Die  Hirpiner. 
Das  südliche  Samnium  stöfst  unmittelbar  an  die  campanische 
und  apuhsche  Ebene.  Die  Strafse  die  beide  verbindet,  ist  60  Millien 
lang;  auf  ihr  drängt  sich  der  Verkehr  zwischen  dem  weiten  Hügel- 
land der  adriatischen  Südostküste  und  der  tyrrhenischen  Westküste, 
zwischen  den  besten  Häfen  die  Italien  an  beiden  Meeren  besafs, 
zusammen;  sie  stellt  den  kürzesten  Weg  vom  unteren  Tiber  nach 
Hellas  und  dem  Orient  dar.  Zur  Zeit  der  römischen  Weltherrschaft 
hat  der  hin  und  her  wogende  Verkehr  diese  Thäler  und  Berge 
berührt  und  dem  Ganzen  den  Ausdruck  eines  Durchgangslandes 
verliehen.  Dazu  war  es  von  Natur  wol  geeignet:  Gipfel  Pässe 
und  mittlere  Erhebung  stehen  um  2 — 300  m  hinter  dem  nördlichen 
Samnium  zurück.  Ein  anderer  Unterschied  fällt  noch  mehr  in  die 
Augen.  Die  natürhche  Mitte  die  dort  fehlt,  ist  im  Süden  vorhanden. 
Die  Gewässer  die  den  zweiten  Hauptarm  des  Volturnus  schaffen, 
treffen  nahe  bei  einander  zusammen  und  bewirken  damit  dafs  das 
3000  Dkm  haltende  Stromgebiet  ein  beherrschendes  Centrum  er- 
hält, das  seit  268  v.  Chr.  von  der  Römerfestung  Benevent  einge- 
nommen wird  (I  332).  Diese  liegt  300  m  tiefer  als  die  Schwester 
Aesernia  (S.  795)  und  öffnet  ihre  Thore  nicht  für  Saumpfade  des 
Hochgebirgs,  sondern  für  Strafsen  die  nach  allen  Gegenden  der 
Windrose  zu  den  Sitzen  von  Handel  und  Gewerbe  ausstrahlen. 
Seit  seiner  Gründung  ist  denn  auch  Benevent  eine  Hauptstadt  des 
Binnenlands  gewesen,  wie  das  durch  den  Wall  des  Appennins  von 
ihm  getrennte  Capua  ein  Haupt  der  Küstenebene,  hat  von  der 
Völkerwanderung  bis  auf  unsere  Tage  einem  Herzogtum  den  Namen 


1)  CIL.  IX  2230.  35. 

2)  CIL.  IX  2212. 

3)  It.  Ant.   122.  304    Tab.   Peut.  Geogr.  Kav,  IV  34   mit   verschiedenen 
Irrtümern. 

51* 


804  Kapitel  XIII.     Saiiinium. 

fjegebi'ii.  Die  Gunst  seiner  Lage  konnte  es  freilich  erst  voll  ent- 
lallen  nachdem  der  Sondergeisl  dei-  Canlone  gebrochen  war.  In 
der  Vorzeit  als  die  jetzt  so  nackten  Berge  ihr  Waldeskleid  trugen 
(I  432),  Stellleu  sich  dem  friedlichen  wie  dem  kriegerischen  Durch- 
zug Hindernisse  in  den  Weg,  die  fortzuräumen  hunderijährige  Kämpfe 
erforderte.  Es  leuchtet  ein  dafs  diese  Kämpfe  in  den  besten  frucht- 
barsten Gegenden  getobt  haben;  im  Hinblick  auf  die  Wein-  und 
Obstgärten  die  Saalfelder  und  Gehöfte  des  römischen  Gebiets  meinte 
König  I'yrrhos:  das  Land  seiner  Bundesgenossen  wäre  so  gründ- 
lich v.Mwüstei  dafs  man  ihm  nicht  ansehen  könne  ob  es  überhaupt 
je  bewohnt  gewesen  sei  (1  530).  Es  leuchtet  ferner  ein  dafs  Rom 
seine  Siege  vor  allem  ausnutzte  um  die  grofse  Durchgangstrafse  zu 
sichern.  Zu  diesem  Zweck  gründete  es  Beuevent  und  verpflanzte 
180  ihm  zum  Rückhalt  zwei  ligurische  Berggaue  in  die  Nähe,  da- 
mit die  wilde  Kraft  der  Apuaner  Alpen  der  ^Yildheit  Samniums  die 
Stange  hielte.  Dergestalt  war  eine  1000  Dkm  oder  mehr  befassende 
lateinische  Sprachinsel  im  Herzen  des  feindlichen  Landes  umfriedet, 
damit  zugleich  dessen  Trennung  in  zwei  Hälften  bewirkt.  Die 
ältere  Geschichte  kennt  solche  nicht:  in  der  Stammliste  von  225  v. 
Chr.  ist  die  waflenpflichlige  Mannschaft  beider  Landeshälften  als 
eine  Emheit  aufgeführt  (l  530).  Aber  die  Geschichtschreiber  des 
hannibalischen  Krieges,  zuerst  Polybios,  unterscheiden  zwischen 
Samniten  und  Hirpinern  (I  529  A.  4).  Die  Grenze  wird  in  doppelter 
Weise  bestimmt:  entweder  beschränkt  man  den  Namen  hirpinisch 
auf  den  an  das  lucanische  Gebirge  sich  anlehnenden  höhereu 
Theil,  rechnet  also  Benevent  und  die  mittleren  Striche  zu  Samnium^); 
oder  im  Anschlul's  an  die  natürlichen  Verhältnisse  (S.  777)  voll- 
zieht man  die  Sclieidung  nach  dem  Stromgebiet.'-)  Wie  die  einzelnen 
Cantone  vor  den  Kriegen  mit  Rom  angeordnet  waren,  läfst  sich 
nicht  erraten.  In  den  bekannten  Zeiten  sind  die  Hirpini  auf  die 
Uochlhäler  beschränkt,  leben  dem  Wolfe  gleich  der  sie  der  Sage 
nach  auf  der  W^anderschaft  geführt  hatte,  vom  Ertrage  der  Jagd; 
die  römischen  Feslungen  Venusia  im  Rücken,  Benevent  und  Luceria 
von  vorn  schützen  das  Fruchtland  gegen  ihre  Slreifereien:  deshalb 
ist  unter  den  Stämmen  Samniums  dies  der  unversöhnlichste  Feind 


1)  Liv.  XXil  13  XXIH  41.  43  Ptol.  III  1,58  tlieilt  Gaudium  Benevent  Tuti- 
cum  den  Samniten  zu,  vgl.  Strab.  V  250. 

2)  So  Itereits  Pol.  111  91,9  nach  den  Ausführungen  S.  687. 


§  3.    Die  Hirpiner.  805 

gewesen J)  Einen  noch  übleren  Klang  für  das  Ohr  der  Römer 
hatte  der  INanie  der  Caudini.  Er  haftet  an  dem  Gebirge  zwischen 
Capua  und  Benevent;  aber  seine  ehemabge  Ausdehnung  läfst  sich 
nicht  mehr  bestimmen.-)  Wir  folgen  der  Eintheilung  des  Augustus, 
welche  die  Naturgrenze  zu  Grunde  gelegt  und  den  Hirpinern  in  der 
zweiten  Region  9  Gemeinden  mit  Selbstverwaltung  zugewiesen  hat, 
fügen  aber  noch  Abellinum  bei  das  der  Kaiser  unter  Campanieti 
gestellt  hat.  Der  Abschnitt  befafst  mithin  die  Kreise  S.  Bartolommeo 
in  Galdü,  Benevent,  Avellino,  Ariano,  Sant'  Angelo  de'  Lombardi, 
rund  80  d.  G  M.  oder  4400  Gkm.  Der  lange  Friede  hat  die  ehe- 
maligen Gegensätze  ausgeglichen  und  den  Namen  der  Hirpiner 
früher  dem  Gedächtnifs  entrückt  als  den  samnitischen,  er  wird  zu- 
letzt von  Ptolemaeos  gebraucht.  Dafs  die  Trennung  von  Nord  und 
Süd  seit  Diocletian  verschwindet,  wurde  bereits  S.  775  vermerkt. 
Die  grofse  Durchgangstrafse  von  Rom  nach  Brundisium  wird 
zu  360  Millien  gerechnet  und  Via  Appia  benannt. 3)  Letzteres  hat 
die  unsinnige  Meinung  veranlafst,  als  ob  der  Censor  von  312  v.  Chr. 
dies  Ziel  bereits  erreicht  hätte,  üeber  die  Weilerführung  seines 
Werkes  von  Capua  wo  es  endigte,  fehlen  die  Nachrichten ;  indessen 
ist  nicht  daran  zu  zweifeln  dafs  sie  in  verschiedenen  Absätzen  mit 
dem  Fortgang  der  Eroberung  und  der  Anlage  romischer  Colonien 
erfolgte.  Aus  diesem  Grunde  kommen  mehrere  Linien  in  Betracht 
die  nach  wechselnden  Verhältnissen  im  Lauf  der  Zeiten  ausgebaut 
worden  sind.  Nur  das  erste  32  Millien  lange  Stück  von  Capua  bis 
Benevent  giebt  den  gemeinsamen  Anfang  aller  ab  und  ist  keinen 
Schwankungen  unterworfen  gewesen,  weil  die  Natur  die  einzu- 
haltende Richtung  deutlich  vorgezeichnet  hatte.  Der  Appenniu  der 
scheinbar  als  undurchdringUche  Mauer  gegen  die  campanische 
Ebene  abfällt,  besteht  in  Wirklichkeit  aus  einzelnen  von  West  nach 
Ost  streichenden  Stocken  die  vielfach  nur  locker  zusammenhängen, 
auch  durch  Spalten  getrennt  sind  und  so  den  Zutritt  ins  Binnen- 
land eroffnen.  —  Ein  solches  Eingangsthal  ist  die  Valle  di  Madda- 
loni  zwischen  der  Tifatagruppe  und  M.  Longano  (S.  710).     Daran 


1)  Sil.  It.  VIII 569  Hirpinaque pubes  horrebat  teils  et  tergo  hirsuta  ferarum. 
hos  venatus  alit.  litstra  incoluere  sitimque  averlunt  fluvio  somnique  labore 
paranlur.  Ders.  XI  11  gens  Hirpini  vana  inducilisque  quieti  et  rupisse 
iiidigna  ftdem. 

2)  Liv.  XXIII  41.  43  XXIV  20  Vell.  II  1,5. 

3)  Strab.   VI  283  Aur.  Vict.  v.  ill.  34. 


806  Kapitel  XIII.    Samnium. 

stufst  unter  einem  Winkel  von  70*^  ein  zweites  das  wegen  seiner 
Ostrichtung  den  kürzesten  Weg  nach  Apulien  anzeigt  und  die 
trichterfürmige  Höhhing  der  Ebene  zukehrt,  während  das  Thal  von 
Maddaloni  gleichsam  umgestülpt  ihr  die  Spitze  aufsetzt.  Wir  haben 
S.  753  die  Via  Appia  bis  zum  Vicus  Novanensis  bei  Arienzo  12  Millien 
von  Capua  verfolgt.  Die  Meilensteine  von  denen  die  ältesten  die 
Herstellung  durch  Augustus  17  v.  Chr.  melden,  zählen  von  Capua 
aus.i)  Ungefähr  am  14.  geht  der  Trichter  in  die  Spitze  über. 
Der  Engpafs  ist  3  Millien  lang,  steigt  auf  dieser  Strecke  150  m  und 
wird  von  den  einschliefsenden  Bergen  im  Norden  um  500  m  im 
Süden  um  6 — 700  m  überragt.  Da  der  Grund  in  Folge  der  Ent- 
waldung durch  abgeschwemmte  Erdmassen  bedeutend  erhöht  worden 
ist,  mufs  der  Wanderer  ehemals  in  der  Tiefe  weit  mehr  den  Ein- 
druck einer  Schlucht  empfangen  haben  als  gegenwärtig  wo  die 
Slrafse  höher  am  Abhang  gelegt  ist:  dadurch  wird  es  verständlich 
dafs  Livius  die  Römer  321  hier  per  cavam  rupem  marschiren  läfst.-) 
Das  Dorf  Forchia  an  der  Südseite  und  der  ganze  Pafs  hat  durch 
das  Mittelalter  hindurch  seinen  römischen  Namen  Furculae  oder 
Furcae  Caudinae  gerettet.^)  —  Gleiches  gilt  von  der  Valle  Caudina 
in  die  der  Pafs  ausmündet.  Dies  Hochlhal  ist  250 — 300  m  ü.  M.  also 
200 — 250  m  über  der  campanischen  Ebene  gelegen.  Sein  gröfster 
Durchmesser  in  der  Länge  von  Süd  nach  Nord  beträgt  7 — 8 ,  in 
der  Breite  von  West  nach  Ost  5  Millien.  Es  ist  kesselartig  von 
Bergen  eingeschlossen  die  von  der  Thalsohle  4 — 600  m  und  mehr 
ansteigen:  der  höchste  unter  ihnen  der  schroffe  mons  Tahurnus 
(1393  m)  im  Norden  bewahrt  seinen  Namen  der  übrigens  im  Alter- 
tum nicht  auf  diesen  Gipfel  beschränkt,  sondern  auf  die  ganze 
Gruppe  bis  zum  Volturnus  hin  (S.  777)  ausgedehnt  wurde.*)  Das 
Becken  in  vorgeschichtlicher  Zeit  ein  See  ist  nach  Norden  geneigt 
und  wird  durch  den  Isclero  (im  Volksmund  Schito)  entwässert.  Es 
hätte  auch  nach  Westen  durch  die  Furculae  Caudinae  oder  nach 
Osten  Benevent  zu  durch   den  Serretello  abfliefsen  können,   wenn 


1)  CIL.  IX  p.  590. 

2)  Liv.  IX  2. 

3)  Holsle  zu  Cluver  1196,43;  Liv,  IX  2.  3,  11  Oros.  III  15,2  V  7,1  Flor.  I 
11,9  Aur.  Viel.  v.  ill.  30  Plut.  Par.  3  p.  306  C,  Furcae  nur  Val.  Max.  V  ext. 
1,5  VlI  2,17,  Fauces  Col.  X  132. 

4)  Verg.  Georg.  II  38  Aen.  XII  715  mit  Schol.  Vib.  Seq.  157  Riese  Gratt. 
Cyneg.  509   Caudini  saxa  Taburni. 


§  3.    Die  Hirpiner.  807 

nicht  an  beiden  Stellen  eine  Anschwellung  des  Bodens  um  20  m 
gegenüber  der  Mitte  der  Thalsohle  den  Abflufs  verwehrte.  Daraus 
ergiebt  sich  dafs  die  Valle  Caudina  3  Zugänge  hatte,  die  wie  das 
Thal  selbst  in  der  Kriegsgeschichte  einen  hervorragenden  Platz  be- 
anspruchen. —  Die  Via  Appia  durchschneidet  das  Thal  der  Breite 
nach  und  langt  21  Millien  von  Capua,  4  vom  Pafs  nach  Aussage 
der  Reisebücher  bei  Caudium  an.i)  Darunter  ist  zunächst  die  Post- 
station in  der  Ebene  zu  verstehen,  die  der  Verkehr  während  des 
Landfriedens  ins  Leben  gerufen  hatte.^)  Die  samnitische  Sladt  die 
den  Namen  des  Cantons  trug,  hat  des  natürlichen  Schutzes  nicht 
entbehren  können.  Da  aber  der  Hügel  an  den  Montesarchio  sich 
anlehnt  (427  m),  in  bevorzugter  Weise  aus  der  Bergwand  vor- 
springend nach  allen  Seiten  geschützt  ist,  kommt  er  allein  in  Frage. 
Mithin  lag  die  Stadt  abseits  I1/2  Millien  nördlich  von  der  Via 
Appia.3)  Diese  verläfst  das  Hochthal  durch  den  steilen  Pafs  Sferra- 
cavallo  und  senkt  sich  die  nächsten  IV2  Millien  um  110  m  zum 
Serretello.4)  Sie  folgt  dem  Bach  bis  Benevent;  mehrere  Brücken 
bestätigen  den  Lauf  im  Einzelnen. s)  Gewöhnlich  hat  man  nach 
Holste's  Vorgang  Caudium  am  nördlichen  Ausgang  der  Furculae 
auf  den  Bergabhang  Costa  Cauda  bei  Arpaia  verlegt:  der  Ansatz  ist 
durch  die  Reisebücher  ausgeschlossen.  Allerdings  weist  Montesarchio 
nur  geringe  Spuren  alter  Ansiedlnng  auf.  Jedoch  nimmt  solches 
nicht  Wunder:  Caudium  war  Municipium  in  der  Tribus  Falerna, 
aber  ein  Schatten  ohne  ßlut.ß)  Augustus  hatte  das  ganze  Gebiet 
der  Colonie  Benevent  zugetheilt;  wenn  der  Reisende  aus  der  be- 
engenden Schlucht  in  das  schöne  von  Olivenhainen  umkränzte  Thal 
hinaustrat,  konnte   er   lesen    dafs  dies  Alles   bis   an  die  Mauer  des 


1)  Hor.  Sat.  I  5,51  Strab.  V  249  VI  283  It.  Ant.  111  Hieros.  610  Tab.  Peut. 
Geogr.  Ray.  IV  33  CIL.  IX  p.  198. 

2)  Die  Caudi  cauponae  des  Horaz.  It.  Hier.  610  unterscheidet  ausdrück- 
lich zwischen  civitas  et  mansio  Caudiis  [irrig  Claudiis]  und  giebt  gegenüber 
den  anderen  Itinerarien  die  Entfernung  von  Benevent  1  Millie  zu  hoch  an,  was 
für  die  civitas  vollkonamen  zutrifft.  Aehnlich  vi'ird  612  civitas  Aricia  et 
Albano  zusammengefafst;  andere  Beispiele  finden  sich  nicht. 

3)  Nach  dem  Fundort  von  CIL.  IX  5994  ergiebt  sich  die  Entfernung.  In 
der  That  fehlte  für  die  Römer  jeglicher  Grund  ihre  Strafse  im  Winkel  über 
Montesarchio  zu  führen. 

4)  Liv.  IX  2  per  aliiim  saltum  arliorem  impeditioremque ,  Holste  a.  0. 
nennt  ihn  saltum  difficilem  et  silvosum. 

5)  CIL.  IX  2122  Garrucci,  Dissertazioni  archeologiche,  Roma  1864,  p.  82. 

6)  Plin.  m  105  Ptol.  III  1,58  CIL.  IX  p.  198. 


808  Kapitel  XIII.     Samnium. 

verfallenen  Nestes  drüben  am  Berge  weder  dessen  Insassen  noch 
den  Kneipwirten  deren  rote  Dächer  aus  der  Ferne  zur  Einkehr 
einladend  winkten,  gehöre,  dafs  dies  nicht  caudinisches  Eigentum 
sei  sondern  heneventanisches.i)  Ein  Bischof  von  Gaudium  wird 
noch  499  erwähnt  2);  oh  die  Stadt  damals  noch  bestand  oder  das 
Thal  gemeint  ist,  bleibt  unentschieden.  —  Ein  Romanschreiber  läfst 
3  römische  Legionen  mitsamt  ihren  Feldherrn  in  den  Furculae 
fallen. 3)  Durch  List  wurden  321  beide  Consuln  in  das  Hochthal 
gelockt,  zur  WafTenstreckung  und  einem  demütigenden  Frieden  ge- 
zwungen.4)  Der  Feind  halte  sie  ungestört  von  Calatia  (S.  717)  ab 
den  Engpafs  durchziehen  lassen;  aber  als  die  römische  Heersäule 
vor  dem  Pafs  von  Sferracavallo  anlangt,  findet  sie  ihn  stark  ver- 
schanzt und  mittlerweile  ist  auch  der  Rückweg  bei  Arpaia  versperrt. 
Die  Schilderung  die  Livius  von  der  Oerllichkeit  entwirft,  ist  Zug 
um  Zug  der  Gegend  abgelauscht.  Die  Erzählung  der  Vorgänge  da- 
gegen fällt  aus  dem  Bereich  des  Möglichen  heiaus  und  verdankt 
einer  mit  Raum  und  Zeit  frei  schallenden  Phantasie  ihren  Ursprung. 
Gewifs  befanden  sich  die  in  der  Valle  Caudina  umzingelten  Römer 
in  der  ungünstigsten  Lage;  jedoch  ist  es  ganz  undenkbar  dafs  sie 
ohne  ernsten  Kampf,  ohne  wiederholte  Versuche  durchzubrechen 
unter  dem  Joch  entlassen  worden  wären  wie  eine  Heerde  Schafe 
aus  dem  Pferch.  Die  herkömmliche  Dichtung  ist  nach  den  gracchi- 
schen  Unruhen  entstanden. s)  Andere  Annalisten  bei  denen  der 
samnitische  Anführer  Pontius  Telesinus  heifst  und  damit  zum  Ahn- 
herrn von  Sulla's  Gegner  gestempelt  wird  (S.  802),  haben  sie  mit 
jüngeren  Farben  ausgemalt. ß)  —  Volles  Verständnifs  erhält  die 
Katastrophe  von  Gaudium  durch  die  Betrachtung  des  dritten  Zu- 
gangs der  in  das  Hochthal  führt.')  Im  Nordwesten  1  km  hinter 
dem  Dorf  Moiano  (264  m)  windet  sich  der  Isclero  4  km  lang  durch 
den  Bergwall,  bis  bei  S.  Agala  de'  Goti  die  Bahn  zum  Volturnus 
fiei  wird.     Die  Thalränder  überragen  den  Grund    um  etwa  200  m 


1)  Feldm.  232  CIL.  IX  2165. 

2)  Acta  Synhod.  in  Mommsens  Cassiodor  p.  400,33  408,38. 

3)  Plut.  Par.  4  p.  306  G. 

4)  Liv.  IX  1—12.  27   Appian    Samn.  4   Dion.  H.  XVI  1,3    Dio    fr.   36,9fg:. 
Zonar.  Vi!  26  Cic.  Cat.  m.  41  Off.  III  109  Geil.  N.  A.  XVII  21,36  vgl.  S.  806  A.  8. 

5)  Ri)eiii.  Mus.  XXV  1  fg. 

6)  Eiitrop.  X  17  Aur.  Vict.  v.  ill.  30. 

7)  Slürenburg,  zum  Schlachtfeld  in  den  caud.  Pässen,  Progr.  d.  Thomas- 
schuie,  Leipzig  1869. 


§  3.    Die  Hirpiner.  809 

und  sind  mühsam  zu  erklimmen.  Halbwegs  wird  der  Grund  durch 
eine  Seitenschlucht  unerheblich  erweitert.  Der  Pafs  läfst  sich  leicht 
sperren.  Den  Eingang  beherrscht  S.  Agata  de'  Goli.  Dieser  Ort 
nimmt  eine  Landzunge  ein  (153  m)  die  gegen  den  Isclero  (70  m) 
vorspringt,  an  drei  Seiten  um  80  m  steil  abfällt  und  nur  an  der 
südlichen  Schmalseite  angreifbar  ist.  Nach  Süden  führt  ein  Berg- 
weg zwischen  dem  Rücken  des  M.  Longano  (580  m)  und  M.  Burrano 
(776  m)  über  Durazzano  (298  m)  und  ein  etwa  360  m  hohes  Joch  i) 
hinunter  in  die  Ebene  oberhalb  Suessula  (S.  753);  die  Entfernung 
von  S.  Agata  bis  Suessula  beträgt  12  iMillien.  Nach  Westen  läuft 
eine  Strafse  aus  die  nach  3  Millien  den  Ausgang  des  Thals  von 
Maddaloni,  nach  5  den  Volturnus  erreicht.  Die  Wichtigkeit  des 
Platzes  beruht  also  darin  dafs  er  ein  Thor  von  Samnium  bewacht 
und  eine  Wegekreuzung  im  Grenzgebirge  beherrscht.  Wie  monu- 
mental fest  steht,  ist  S.  Agata  die  Nachfolgerin  einer  alten  Stadt: 
obwol  die  inschriftliche  Bestätigung  noch  fehlt,  hat  man  sie  mit 
Recht  Saticula  getauft.  Die  Rümer  richten  gleich  im  ersten  Kriegs- 
jahr 343  einen  Vorstofs  gegen  die  Festung,  geraten  aber  auf  dem 
Marsch  nach  Suessula  etwa  bei  Forchia  di  Durazzano  in  arge  Not, 
bis  der  Mut  des  P.  Decius  Rettung  schafft.-)  Als  sie  321  durch 
den  caudinischen  Pafs  vorrücken,  befindet  sich  Saticula  noch  immer 
in  samnitischen  Händen  und  schneidet  den  Rückzug  am  Isclero  ab. 
316  lagert  ein  Heer  vor  den  Mauern,  weist  den  zum  Entsatz  an- 
dringenden Feind  zurück  und  erzwingt  315  die  Uebergabe.3)  Zur 
Sicherung  ward  313  eine  latinische  Colonie  gegründet.*)  Der  Wert 
dieses  Punctes  für  den  Kampf  gegen  Samnium  leuchtet  von  selbst 
ein;  bei  der  schweren  Not  die  216  anhob,  wird  er  ausdrücklich 
erwähnt.  Als  Capua's  Abfall  den  geraden  Weg  durch  die  Ebene 
versperrte,  konnte  Marcellus  von  Casilinum  aus  bei  Caiatia  den 
Volturnus  überschreiten  und  auf  Saticula  und  Suessula  gestützt  das 


1)  Im  Unterschied  von  der  heutigen  führte  die  alte  Strafse  in  die  Schlucht 
von  Forchia  di  Durazzano  hinunter,  in  saltum  cava  valle  pervium  wie  es 
treffend  Liv.  Vil  34  heifst.  Der  Name  stammt  ohne  Zweifel  aus  dem  Altertum; 
es  verdient  Beachtung:,  dafs  Furculae  in  dieser  Gegend  zweimal,  sonst  sehr 
selten  in  Italien  vorkommt. 

2)  Liv.  VII  34 — 37,  Aur.  Vict.  v.  ill.  26  läfst  die  beiden  Heere  vertauschend 
den  Vorgang  am  Gaurus  sich  abspielen". 

3)  Liv.  IX  21.  22  Diod.  XiX  72. 

4)  Fest.  340  M.  Veli.  I  14,4  von  Livius  ausgelassen,  aber  nachträglich 
XXVII  lU  erwälmt. 


810  Kapitel  XIII.     Samniutn. 

gefährdete  Nola  retten  i):  damals  wurden  beide  Zugänge  nach  Caudium 
von  den  Römern  gehalten  (S.  753).  Seitdem  gerät  der  Ort  in  Ver- 
gessenheit; er  ehrt  noch  den  Triumvir  Octavian ,  fehlt  jedoch  in 
der  Censiislisle  bei  Plinius,  was  verschiedenartige  Erklärungen  zu- 
läfst.2)  —  Durch  Saticula  wird  zugleich  ein  anderer  verschollener 
Ort  näher  bestimmt.  Zwischen  seinem  und  dem  Gebiet  von  Suessula 
war  der  ager  Trebulanus  eingeschoben  und  grenzte  wie  anderweitig 
mehrfach  bezeugt  wird,  an  die  Via  Appia.3)  Die  Stadt  ist  durch 
den  Vicus  Novanensis  an  der  Strafse  (S.  753),  eine  junge  Gründung 
nach  Ausweis  des  Namens,  ersetzt  worden.  Sie  lag  nach  der  Karte 
zu  schliefsen  auf  der  Höhe  Tripaola  (etwa  350  m)  unmittelbar  über 
dem  Eingang  zum  Thal  von  Maddaloni  und  2  km  vom  Joch  von 
Forchia  di  Durazzano.4)  Wahrscheinlich  sind  es  diese  Trebulaner, 
nicht  die  BaUienser  denen  303  minderes  Bürgerrecht  verliehen 
wurde. ^)  Der  Verlust  ihrer  Selbständigkeit  wird  mit  der  Ansiedlung 
sullanischer  Veteranen  in  Suessula  wo  sie  später  eingemeindet  sind, 
in  Zusammenhang  gebracht  werden  dürfen.  —  Wie  weit  sich  west- 
lich vom  Thal  von  Maddaloni  das  Tempelgebiet  des  Juppiter  Tifa- 
tinus  erstreckte  (S.  710),  ist  nicht  zu  sagen. 6)  Ebenso  wenig 
welche  ältere  Gemeinden  in  dem  ganzen  Strich  um  M.  Virgo  herum 
gesessen  haben  mögen. 

Die  Einnahme  Saticula's  leitet  eine  Wendung  im  Kampf  gegen 
Samnium  ein.  Es  gelingt  den  Römern  den  mächtigen  Gebirgswall 
den  die  Natur  gegen  Campanion  aufgerichtet  hatte,  zu  durchbrechen 
und  das  Herz  des  Landes  mit  ihren  Stöfsen  zu  treffen.  Hinter 
den  Mauern  der  Hauptstadt  müssen  die  geschlagenen  Samniten  314, 
wo   sie   zum    ersten   Mal   in   der   Ueberlieferung   begegnet,  Schutz 

1)  Liv.  XXIII  14. 

2)  Verg.  Acn.  VII  729  Saticulus  asper  dazu  Serv.,  Steph.  Byz.  CIL.  IX  p.  196. 

3)  Die  Handschriften  Liv.  XXIII  14  geben  Trebianum,  zu  verbessern  nach 
Cic.  ad  Att,  V  2,1  3  4,1  VII  2,2  3,12  adTam.  XI  27,3.  Cicero  legt  am  10.  Mai 
51  von  Pompeji,  je  nachdem  man  das  Landhaus  des  Pontius  ansetzt,  die  für 
seine  Verhältnisse  lange  Reise  von  25 — 28  Millien  zurück,  am  nächsten  Tag 
18 — 20  bis  Benevent. 

4)  Nach  CIL.  X  3764,  'die  rätselhafte  Inschrift  ist  vielleicht  aufzulösen 
cultoi'ies)  2[ovis)  o{[ttimi)  m(aximi)  S(uessulani)  Hortense[n\s.  Colum.  X  132 
kennzeichnet  unter  den  berühmten  Kohlgegenden  diese  durch  die  Wendung 
Cavdinis  fandbus  horti.     Hat   die  Stadt   einst  Trebula    llortensis   geheifsen? 

5)  Liv,  X  1. 

6)  Am  Ende  hat  in  ihm  die  Widmung  der  Stadt  Telesia  CIL.  X  3835  ge- 
standen. 


§  3.    Die  Hirpiner.  811 

suchen.  1)  Ihr  damahger  Name  lautete  im  Munde  der  Römer  Male- 
ventum  oder  Maluentum'-),  entsprechend  der  Aufschrift  Malies  die 
hierher  gehörige  seltene  Kupfermünzen  tragen. 3)  Als  Gründer  galt 
in  der  Kaiserzeit  Diomedes,  der  auch  die  mächtigen  Hauer  des 
kalydonischen  Ebers,  ein  Erbstück  von  seinem  Oheim  Meleager  den 
Einwohnern  als  köstliche  Reliquie  hinterlassen  hatte.*)  Verständiger 
klingt  die  Nachricht  die  den  einstigen  Besitz  der  Gegend  den  Au- 
sonern  zuschreibt.^)  In  der  Folge  hat  das  Schicksal  der  Stadt  den 
Untergang  der  samnitischen  Freiheit  entschieden.  Sie  scheint  erst 
um  278 — 76  während  Pyrrhos'  Abwesenheit  in  Sicilien  in  die 
Hände  der  Römer  gefallen  zu  sein  und  dient  ihnen  275  als  Stütz- 
punct  in  dem  letzten  Feldzug  den  der  König  in  Italien  unternahm.^) 
Durch  eine  latinische  Golonie  wird  sie  268  dauernd  gesichert '')  und 
hat  das  Omen  bewahrheitet  das  den  Namen  in  Beneventiin  zu 
ändern  gebot. §)  Die  Gunst  der  Lage  auf  die  schon  S.  803  hinge- 
wiesen wurde,  leuchtet  sofort  ein.  Wo  der  Calor  ^)  nach  Aufnahme 
der  üfita  deren  alten  Namen  wir  nicht  kennen,  im  rechten  Winkel 
nach  Westen  umbiegt,  hat  er  153  m  Meereshöhe.  Bis  zur  Mündung 
des  Tamarus  sind  8  km:  von  hier  fliefst  er  4  km  weiter  gen  West 
und  beschreibt  alsdann  eine  Windung  in  Gestalt  eines  W  dessen 
obere  Schafte  2  km  von  einander  abstehen.  Hierauf  nimmt  er  bei 
110  m  Meereshöhe  den  Sabatus^^)  auf,  dann  ein  paar  andere  Bäche, 

1)  Liv.  IX  27. 

2)  Fest.  34.  340  M.  Liv.  IX  27  Pliri.  UI  105  Steph.  Byz.  BaveßevTos  Prokop. 
b.  Goth.  I  15. 

3)  Dresse!  in  Saliets  Zeitschr.  f.  Numism.  XIV  (1886)  171. 

4)  Solin.  2,10  Serv.  V.  Aen.  VIII  9  XI  246  Mart.  Gap,  VI  642  Prokop  b. 
Goth.  I  15  Steph.  Byz.  a.  0. 

5)  Fest.  18  M. 

6)  Plut.  Pyrrh.  25,  Frontin  IV  1,14  läfst  den  König  besiegt  werden  in 
campis  Arusinis  circa  urbem  Maleventum  [Cod.  Fatuenlum  oder  Slatuentum). 
Da  die  Schlacht  an  der  Strafse  nach  Lucanien,  vielleicht  mehrere  Märsche  von 
Benevent  entfernt  geschlagen  wurde,  iäfst  sich  begreifen,  dafs  die  livianische 
Tradition  Flor.  I  13,11  Oros.  IV  2,3  die  campi  Arnsini  nach  Lucanien  verlegte. 
Bestimmbar  sind  sie  um  so  weniger  als  wir  nicht  wissen  welche  Strafse  Pyrrhos 
einschlug. 

7)  Vell.  I  14  Liv.  XV  Pol.  III  90,8  Eutrop.  II  16. 

8)  S.  die  A.  2  angef.  Stellen. 

9)  Liv.  XXIV  14  XXV  17  Appian  Kann.  36  Vib.  Seq.  147  Riese  Serv.  V. 
Aen.  VII  563  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  33. 

10)  So  nach  dem  heutigen  Sabbato  vorauszusetzen,  aber  durch  kein  Zeugnifs 
belegt. 


812  Kapitel  Xlll.     Samnium. 

um  im  grofsen  Bogen  um  den  Taburnus  herum  seinen  Weg  sich 
zum  Volturnus  zu  bahnen  (I  332).  Dem  Sabbato  parallel  fliefst 
ein  kleiner  Bach  S.  iViccola ;  beide  fassen  einen  2  km  breiten 
Rücken  ein  der  von  337  m  auf  190  m  und  nach  West  umgebogen 
150  m  einsinkt.  Benevent  ist  auf  der  Beugung  lang  hingestreckt: 
die  am  Fufs  des  Stadthilgels  fliefsenden  Sabbato  und  Calore  ge- 
wahren volle  Sicherheit;  auch  im  Osten  wo  die  mittelalterhche  und 
antike  Burg  lag,  wird  der  Angriff  durch  den  vom  Bach  S.  Niecola 
gebildeten  Einschnitt  sehr  erschwert.  Der  Umfang  der  mittelalter- 
lichen Mauer  mifst  reichlich  3  km  und  wird  den  Umfang  der  sam- 
nitischen  und  römischen  Festung  annähernd  wiedergeben.  Von 
dieser  ist  aufser  vielen  VVerkstücken  nur  ein  Thor  vorhanden;  denn 
die  Mauer  wurde  542  n.  Chr.  von  Totilas  geschleift,  i)  Damals  war 
die  Verweichlichung  eines  langen  Friedens  vorausgegangen.  Aber 
als  die  Waffen  in  Italien  noch  nicht  rosteten,  hat  Benevent  seine 
Stärke  bewährt.  So  oft  die  Karthager  in  den  Jahren  217 — 11  vor- 
über gezogen  sind,  so  wichtig  der  Gewinn  der  Stadt  gewesen  wäre, 
haben  sie  jeden  dahin  zielenden  Versuch  unterlassen.'-)  Auch  beim 
Aufstand  der  Bundesgenossen  ist  dies  Bollwerk  der  suUanischen 
Partei  unberührt  geblieben. 3)  —  Die  strategische  Bedeutung  des 
l'latzes  wird  durch  den  Umstand  erläutert  dafs  nicht  weniger  als 
6  Ilauptstrafsen  einlaufen:  1,  die  campanische,  die  Fortsetzung  der 
Via  Appia  von  Capua  (S.  805),  überschreitet  den  Sabbato  am  West- 
ende der  Stadt  vermittelst  des  Ponte  Leproso  (der  jetzt  eine  3Iühle 
trägt);  2,  an  der  ISordseite  den  Calore  überschreitend  die  Volturnus- 
strafse  von  Telesia  (S.  803)  und  Aesernia  (S.  788);  3,  ebendaselbst 
die  Tifernusstrafse  von  Bovianum  (S.  793)  und  Aesernia  (S.  795), 
zugleich  mit  dem  Triftvvcg  (S.  794);  4,  im  Nordosten  die  apulische 
von  Luceria  und  später  auch  Brundisium,  als  solche  Via  Traiana 
genannt;  5,  im  Südosten  die  tarentinische  gewöhnlich  Via  Appia 
benannte  von  Tarent  und  Brundisium;  6,  im  Süden  die  lucanisclie 
von  Salernum.  Demgemäfs  ist  nicht  zu  verwundern  dafs  Benevent 
von  Reisenden  viel  besucht  wurde.-*)     Auf  solche  scheint  auch  die 


1)  Piokop  b.  Goth.  III  6. 

2)  Pol.  III  9Ü,8  Liv.  XXII  13  XXIV  14  fg.  XXV  13—17  XXVII  10  Val.  Max. 
V  6,8  Appian  Hann.  36.  37. 

3)  Cic.  Verr.  I  38  mit  Schol.  p.   169  Gr. 

4)  Cic.  ad  Att.  V  3,3  4,1  Hör.  Sat.  I  5,71   Strab.  V  249  VI  282.  83  Vell. 
II  123  Tac.  Ann.  XV  34  Die  LXVI  9  Suet.  Aug.  97  Nero  36. 


§  3.     Die  Hirpiner.  813 

gewerbliche  Thätigkeit  berechnet  zu  sein.')  Die  Aerzle  sind  be- 
sonders stark  vertreten. 2)  Daneben  blühten  die  Wissenschaften:  die 
Stadt  errichtete  einheimischen  Dichtern  und  Gelehrten  z.  B.  dem 
aus  Horaz  bekannten  Orbilius  Standbilder  auf  ihrem  Capitol.3)  Das 
Griechentum  drang  ein,  wie  weniger  durch  fremdsprachige  In- 
schriften*) als  durch  Gülte  s)  und  unter  Domitian  errichtete  Obelisken, 
ein  ungewöhnliches  Schaustück  aufserhalb  Roms  gezeigt  wird.^) 
Mit  gutem  Grund  nimmt  Strabo  von  seinem  geringschätzigen  Ur- 
theil  über  die  samnitischen  Städte  Benevent  aus.'^)  —  Die  Colonie 
war  bei  ihrer  Gründung  mit  einer  ansehnlichen  Feldmark  und 
manchen  Vorrechten  ausgestattet  worden.  Sie  münzt  in  Kupfer  8), 
nennt  ihre  Bürgermeister  Consuln^),  überträgt  die  Oertlichkeiten 
Roms  vom  Tiber  an  den  Caior.i<))  Durch  den  Bundesgenossenkrieg 
wurde  sie  Municipium  in  der  Tribus  Stellatina,  alsdann  42  v.  Chr. 
von  den  Triumvirn  eingezogen  ii);  Munatius  Planen»  vertheilte  die 
Landlose  i2j,  unter  Einverleibung  von  Gaudium  (S.  807)  siedelte 
Augustus  neue  Veteranen  an  und  erhob  die  colonia  Julia  Concordia 
Augusta  Felix  Beneventum  unter  die  Stützen  seiner  Herrschaft.  i3) 
Die  Stadt  dehnte  sich  weit  über  den  alten  Mauerring  hinaus;  die 
zahlreichen  Inschriften,  die  Reste  von  Bauwerken  wie  Theater  und 
Thermen ,  die  Porta  Aurea  der  schone  nirgends  erreichte  Ehren- 
bogen den  die  romische  Regierung  115  n.  Chr.  dem  Kaiser  Traian 
widmete,  sind  laute  Zeugen  ehemaliger  Blüte. i*)  Es  ward  schon 
S.  803  bemerkt  dafs   sie  unter  der  veränderten  Weltlage  eine  be- 


1)  Plin.  XXXII  19  CIL.  IX  1707—13.  17—24. 

2)  CIL.  IX  1618  coUegium  medicorum  1655    archiater  1714.  15   inedicus. 

3)  Suet.  de  grarom.  9  CIL.  IX  1571.  72.  1663. 

4)  Kaibel  691  fg.  vgl.  Eph.  ep.  VllI  p.  20  fg. 

5)  CIL.  IX  1538-42. 

6)  Noi.  d.  Sc.  1893  p.  267  fg.  Rom.  Milt.  1S93  p.  210  fg. 

7)  Sirab.   V  250. 

8)  Conway  159. 

9)  Nach  Empfang  des  Bürgerrechts  Praetoren,  dann  Quattuorvirn,  schliefs- 
lich  Duoviin  CIL.  IX  p.  136. 

10)  Capilolium    Suet.  de  gramm.  9,    regio  Esquilhia  CiL.  IX  1569,   regio 
viae  Jiovae  el>.  1596. 

llj  Appian  b.  civ.  IV  3. 

12)  CIL.  X  60S7  Feldm.  159.  210,  231.  232. 

13)  Plin.  III  105  CIL.  IX  p.  136. 

14)  Synimach.  Ep.  I  3    nennt   sie    unter    vielen    Lobsprüchen    375    n.  Chr. 
urbs  maxima. 


814  Kapitel  XIII.     Samnium. 

scheidene  Nachblüte  getrieben  hat.i)  —  Unter  den  Ortschal'ten  der 
Feldmark  sind  der  Lage  nach  bekannt:  Folianum  F'ogHanise  (350  m) 
nördhch  von  Gaudium  im  Bergland  von  Vitulano  das  sich  Ost  vom 
Camposanto  (1394  m)  nach  dem  Calore  hinzieht 2);  Nuceriola  Pastena 
(307  m)  am  4.  Meilenstein  der  Via  Appia  nach  Aeclanum  zu,  mit 
einem  Heiligtum  der  Beueventaner^);  pagus  Veianus  Pago  Vejano 
(437  m)  am  rechten  Ufer  des  Tammaro  12  MilUen  Nordnordost  von 
Benevent.'')  Auf  der  AHmentartafel  der  Ligurer  werden  als  beneven- 
tanisch  bezeichnet  die  pagi  Aeqnanus  Caelanus  Catillinns  Cetanus 
Ltgustinus  Mefanus  Meflanus  Romanus  Saeculanus  Tncianus.^)  Von 
diesen  erhält  der  an  1.  und  der  an  8.  Stelle  genannte  in  Ligustino 
beigefügt:  ein  Zusatz  der  sich  aus  den  Schicksalen  der  Gegend  er- 
klärt. Der  Consul  Scipio  Barbatus  hat  298  v.  Chr.,  wie  seine  Grab- 
schrift meldet,  Taurasia  und  Cisauna  in  Samnium  eingenommen. 6) 
Das  Gebiet  verblieb  römische  Domäne  und  reichte  aus  um  180  eine 
Ansiedlung  vou  40  000  Apuanern  zu  denen  nachträglich  weitere 
7000  Köpfe  hinzukamen,  aufnehmen  zu  können.^)  Es  entsprach 
ungefähr  dem  heutigen  Kreise  S.  Bartolommeo  in  Galdo  am  oberen 
Tammaro  und  Fortore  der  auf  654  Dkm  59000  Einwohner  ernährt 
(S.  104).  Als  ehemalige  Eigentümer  werden  nur  die  Taurasini 
namhaft  gemacht,  sei  es  dafs  Cisauna  anderswo  zu  suchen  oder 
wegen  seiner  Kleinheit  übergangen  ist.^)  Aus  den  neuen  Ansiedlern 
werden  zwei  Gemeinden  gebildet  die  vermutlich  zuerst  minderes, 
später  volles  Bürgerrecht  in  der  Tribus  Velina  erlangen.  Sie 
heifsen  nach  den  beiden  Consuln  die  180  ihre  Verpflanzung  be- 
wirkt hatten,  Ligures  Baebiani  und  Ligures  Corneliani,  werden  auch 
in  der  Censusliste  des  Auguslus  als  selbständige  Municipien  aufge- 
führt.^) Die  Stadt  der  Baebianer  liegt  15  Millien  nördlich  von 
Benevenl,  reichlich  2  südlich  von  Circello,  wie  die  Ruinen  im  Busch- 


1)  Paul.  h.  Lang.  II  20. 

2)  CIL.  IX  p.  194. 

3)  Nueriola  Tab.  Peul.  JSucerulas  Geogr.  Rav.  IV  33  Nuceria  Guido  40, 
CIL.  IX  p.  190. 

4)  CIL.  IX  p.  133. 

5)  CIL.  IX  1455. 

6)  Mommsen  CIL.  I  30. 

7)  Liv.  XL  38.  41. 

8)  Das  in  Campanien  untergegangene  Taurania  Plin.  III  70,  auf  das  auch 
Steph.  Byz.   Tavqavla  zu  beziehen  ist,  gehört  nicht  hierher. 

9)  Plin.  III  105. 


§  3.     Die  Hirpiner.  815 

wald  (etwa  600  m)  bezeugen. t)  Sie  hat  die  Aufmerksamkeit  ge- 
fesselt durch  die  Stiftung  die  Traian  101  n.  Chr.  zum  Besten  armer 
Kinder  ihr  zuwandte  (S.  94).  Das  Capital  betrug  401  800  Sesterz  und 
genügte  nach  dem  Mafsstab  der  veleialischen  Urkunde  zum  Unter- 
halt von  etwa  llOZöghngen,  stand  also  beträchthch  hinter  jener 
Stiftung  zurück  (S.  276).  Desgleichen  ist  die  Tafel  viel  nachlässiger 
geschrieben.  Sie  führt  als  baebianisch  auf  die  pagi  Albanus  Articu- 
tanus  Beneventamis  Fascianus  Hercidaneus  Horlimlanus  Libicanus 
Libitinus  Martialis  Salutaris.  Um  diese  oder  die  oben  hergezählten 
Pagi  von  Benevent  näher  zu  bestimmen  fehlt  jeglicher  Anhalt. 
Sogar  der  Wohnsitz  der  Ligures  Corneliani  bleibt  im  Unklaren. 
Man  kann  vermuten  dafs  ein  Theil  ihrer  Feldmark  zu  Traians  Zeit 
an  Benevent  gekommen  war  —  anders  läfst  sich  der  Zusatz  in 
Ligustino  bei  zwei  ßeneventaner  Pagi  kaum  erklären.  Der  Rest  ist 
dann  später  mit  den  Baebianern  verschmolzen  worden;  denn  die 
Feldmesser  kennen  die  beiden  ligurischen  Gemeinden  nur  als  eine 
einzige.-) 

Von  Benevent  an  begannen  vor  den  Augen  des  Horaz  die  ver- 
trauten Berge  Apuliens  aufzusteigen. 3)  Der  Berggürtel  der  das 
innere  Samnium  vom  östlichen  Flachland  scheidet,  ist  breiter  als 
der  campanische  aber  auch  300  m  niedriger.  Unter  den  Strafsen 
die  ihn  durchziehen,  hat  in  älterer  Zeit  diejenige  welche  Benevent 
in  Verbindung  setzt  mit  Luceria,  seil  314  der  rümischeu  Haupt- 
festung, sowie  mit  Sipontum,  seit  194  dem  romischen  llaupthafen 
Apuliens  eine  besondere  Wichtigkeit  beansprucht.  Nachdem  Rechts- 
gleichheit in  Italien  eingeführt  war,  verloren  die  militärischen  Rück- 
sichten ihre  Geltung:  solche  offenbaren  sich  indefs  in  dem  Umstand 
dafs  die  Strafse  bis  an  oder  auf  die  Pafshöhe  30  Mühen  östlich  von 
Benevent  von  beneventanischem  oder  ligurischem  Gebiet  eingefafst 
ist.  In  jüngerer  Zeit  wurde  sie  als  eine  Hauptlinie  nach  Brundisium 
betrachtet  obvvol  sie  nicht  fahrbar  war  4);  erst  109  n.  Chr.  ist  durch 
Traian  ein  Fahrweg  von  6V2  m  geringster  Breite  im  Gebirge,  8V2  m 
in  der  Ebene  erbaut  worden  und  heifst  fortan  via  Traiana.'^)     Von 


1)  CIL.  IX  p.  125. 

2)  Feldm.  235,  ein    curalor  Ligurum   CorneUanorum  kommt   noch    CIL 
IX  2354  vor. 

3)  Hör.  Sat.  I  5,77. 

4)  Cic.  ad  Att.  VI  1,1  Strab.  VI  282. 

5)  CIL.  IX  p.  592. 


816  Kapitel  XllI,     Samniutn. 

(It'in  oben  erwähnten  Ehrenhugen  ausgehend  überschreitet  sie  nach 
3  Müllen  den  Calor  bei  der  Einmündung  des  Tamarus  (Ponte  Valen- 
lino)  und  steigt  nun  am  lecliten  UlVr  zuerst  von  Calor,  dann  Ufita, 
endlich  Miscauo  (der  in  die  L'lita  einfliefst)  ähnlich  wie  die  heutige 
Eisenbahn  langsam  aufwärts.  Am  10.  Meilenstein  also  in  der  Nähe 
von  S.  Arcangelo  Trimonti  (früher  Montemale)  setzen  die  Itinerarien 
Forum  novum  an,  einen  Vicus  wol  jüngeren  Ursprungs.')  Der 
weitere  Lauf  der  Strafse  ist  durch  Meilensteine  und  Brücken  übei" 
die  Wildbäche  (wie  Ponte  delle  Chianche  unterhalb  ßuonalbergo) 
gesichert.  Sie  langt  22  Millien  von  ßenevent2)  bei  der  altin 
Samniterstadl  Aequum  Tuticum^)  an,  die  bei  einem  Gehöft  S.  Eleu- 
terio  6  km  südlich  von  Castelfranco  in  Miscano  500  m  hoch  lag.^) 
Von  den  Römern  im  3.  oder  4.  Krieg  erobert  ^j  sank  der  Markt 
den  Diomedes  gegründet  haben  sollte  <>),  zu  einem  Vicus  der  Bene- 
ventaner  herab.')  Der  auch  anderswo  begegnende  erste  Theil  des 
INamens  der  vielleicht  Dingstatt  bedeutet,  ging  im  Munde  der  Römer 
vielfach  in  Equus  über,  wie  der  Ort  selbst  in  eine  Poststation.'*) 
Wenn  es  schliefslich  im  Pilgerbuch  von  333  heifst  mansio  ad  Equum 
magnum,  so  sieht  man  wie  auch  die  letzte  Erinnerung  an  die  o>- 
kische  Vergangenheil  erloschen  ist. 9)  Ein  Verkehrscentrum  Wiir 
seit  Alters  vorhanden,  weil  die  apulische  von  West  nach  Ost  laufende 
Strafse  hier  von  der  binnenländischen  gekreuzt  wird.  Letztere  im 
Ueisebuch  als  Strafse  von  Mailand  nach  Sicilien  betrachtet  kommt 
zunächst  von  Saepinum  (S.  795)  und  setzt  sich  nach  Venusia  fort 
das  64  Mühen  von  Aequum  entfernt  ist. 'O)  Die  Via  Traiana  steigt 
von  Aequum  die  nächsten  8  Millien  auf  die  Pafshühe  mit  der  mutatio 
Aquilonis  die  der  Capelle  S.  Vito  (915  m)  entspricht.  Sie  hat  dt-n 
Buccolo   di   Troia    (905  m)   stellenweise   durch    Felseinschnilte,   im 

1)  It.  Hieros.  610  Forno  novo,  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34. 

2)  It.  Hieros.  610  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34,21  Millien  It.  Ant.  112. 

3)  Ptoi.  ill  1,58  Tovrixov  unter  den  samiiitischen  Städten. 

4)  CiL.  IX  p.  122. 

5)  Nach    der    apokryphen    Quelle    Plut.  Parall.    37    Toi^iov   fnjTQÖnoXiv 

6)  Serv.  V.  Aen.  VIII  9. 

7)  CIL.  IX  1418.  19. 

8)  Porphyr,  zu  Hör.  Sat.  1  5.87   Serv.  V.    Aen.   VIII  9   Tab.    Peut.    geben 
Aequuvi  titticum,  Cic.  ad  Att.  VI  1,1  It.  Ant.  103.  11.  12.  15  Equum  tuticum. 

9)  Ein  Pferd  wird  das  Wahrzeichen  gewesen  sein,  Mominsen  Unterit.  Dial. 
305  vgl.  CIL.  X  1081. 

10)  It.  Ant.   103. 


§  3.    Die  Hirpiner.  817 

Ganzen  3  Millien  in  gleicher  Höhe  zu  überschreiten,  wo  der 
Reisende  die  Wildheit  des  Nordwinds  (I  384)  kosten  kann  heute 
wie  vor  zweitausend  Jahren,  i)  Nach  der  apulischen  Seite  folgt  in 
drei  Kehren  ein  steiler  Abfall  von  300  m;  40  Millien  von  Benevent 
wird  Aecae  Troia  (439  m)  erreicht,  in  weiteren  12  Millien  Luceria. 
Die  291  v.  Chr.  gegründete  Colonie  Venusia,  die  grüf^te  die 
überhaupt  jemals  von  den  Römern  ausgesandt  worden  ist,  bot  für 
die  Fortsetzung  der  Via  Appia  das  nächste  Ziel.  Aber  die  in  dei- 
Luftlinie  90  km  messende  Strecke  ist  von  Bergen  angefüllt,  deren 
Ueberwindung  auf  verschiedenen  Wegen  versucht  werden  kann  und 
versucht  worden  ist.  Zu  Aenderungen  lag  um  so  mehr  Anlafs  vor, 
als  es  bis  109  n.  Chr.  keine  andere  Fahrstrafse  von  Benevent  nach 
ßrundisium  gab  (S.  815)  und  die  Reise  durch  den  Wechsel  von 
Auf-  und  Abstieg  ermUdete.2)  Die  wenigen  erhaltenen  Meilensteine 
stammen  aus  jüngerer  Zeit,  von  Hadrian  und  Constantin.^)  Der 
Anfang  der  Strafse  stand  fest:  sie  langt  über  Nuceriola  (S.  814) 
nach  10  Millien  am  Calor  an  —  Reste  der  alten  Brücke  Ponte 
Rotto  sind  erhalten  —  15  Millien  von  Benevent  bei  Aeculanum  oder 
Äedanum.*}  Dies  lag  1  Millie  nördlich  von  Mirabella  Eclano  bei 
der  Taverna  del  Passo  oder  le  Grotte  (400  m)  und  war  Ausgangs- 
punct  von  3  verschiedenen  Strafsen  nach  Apulien.  Ob  der  Ort  im 
2.  Samniterkrieg  vorkam,  ist  fraglich. s)  Nachdem  Benevent  römisch 
geworden  war,  erhebt  er  sich  zum  Haupt  des  hirpiniscben  Stammes.^) 
Sulla  steckt  89  v.  Chr.  die  aus  Pfahlwerk  bestehende  Mauer  in 
Brand,  erzwingt  die  Uebergabe  der  Stadt  und  unterwirft  damit  auch 
das  Volk.')  Der  Urgrofsvater  des  Geschichtschreibers  Velleius,  Bürger 
von  Aeclanum  hatte  mit  einer  hirpiniscben  Legion  auf  SuUa's  Seite 
gefochten,  der  Grofsvater  ist  einer  der  Quattuorvirn  die  eine  neue 
Befestigung  aufführen.*)  Die  Stadt  wird  Municipium  in  der  Tribus 
Cornelia,  erlangt  später  durch  Hadrian,  der  auch  die  Via  Appia  von 

1)  It.  Hieros.  610  Ghaupy,  Maison  d'  Horace  III  491. 

2)  Sirab.  V  233.  49  Vi  283  Gell.  N.  A.  X  3,  5. 

3)  CIL.  IX  p.  602. 

4)  It.  Ant.  120  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  33;  Cic.  ad  Aft.  VII  3, 1  XVI  2,  4; 
die  volle  Form  bei  den  älteren  Schriftstellern,  die  verkürzte  bei  den  jüngeren 
und  auf  zahlreiehen  Inschriften  CIL.  IX  p.  98. 

5)  Nach  Sieph.  Byz.  erwähnt  Dion.  H.  XVI  Atxalov  (pgovqtov  ttjs  ^IxaXiat. 

6)  Plin.  111  105  (Leid.  Aeculani)  Ptol.  III  1,62  Vell.  II  16. 

7)  Appian  b.  civ.  I  51. 

8)  Vell.  II  16  CIL.  IX  1140. 

Nissen,  Ital.  Landeekande.    II.  52 


818  Kapitel  XIII.     Samnium. 

Benevent  bis  hierher  (15,75  Millien)  erneuerle,  den  Rang  einer 
Colonie.i)  d\q  Hiiinen  der  Sladimauer  Wasserleitung  Thermen,  ein 
Amphitheater  bekunden  ihre  Blüte,  noch  mehr  die  überraschende 
Fülle  von  Inschriflen,  die  sich  auf  gegen  400  belaufen.-)  Von  ge- 
werbhcher  Thäligkeil  ist  darin  nicht  die  Rede,  aber  wir  lesen  dafs 
ein  Bürgermeister  der  traianischen  Epoche  Menander  übersetzt  und 
Komödien  gedichtet  hat. 3)  Nach  der  Eintheilung  Diocietians  ist 
Aeclaniim  mit  Apulien  vereinigt.^)  Sein  Bischof  Julianus  nimmt  in 
der  Kirchengeschichte  als  Anhänger  des  Pelagius  und  Gegner 
Augustins  einen  hervorragenden  Platz  ein.^)  Nach  der  Zeistörung 
669  ist  es  als  Quintodecimum  (nach  der  Entfernung  von  Benevent 
so  benannt)  wieder  aufgetaucht,  bis  im  11.  Jahrhundert  die  Ein- 
wohner nach  dem  nahen  Castell  Mirabella  und  der  Bischof  nach 
Frigenlo  übersiedelten. 6)  —  Die  Ufita  durchmifst  auf  ihrem  nach 
Nordwest  gerichteten  Lauf  ein  unter  350—400  m  gelegenes  ge- 
räumiges Thal,  das  sich  bei  12  km  Länge  5  und  schliefslich  10  km 
in  die  Breite  erstreckt;  alsdann  nach  ihrem  Austritt  bei  Melito 
(305  m)  wird  sie  wieder  von  Höhen  bis  zur  Mündung  in  den  Calor 
eingeengt.  Das  Thal  stellt  die  natürliche  Vereinigung  des  ganzen 
von  der  Ufita  entwässerten  Berglands  dar;  Aeclanum  am  wesi liehen 
Ende  des  Thals  gelegen  und  nur  3  Millien  vom  Calor  entfernt,  ver- 
mittelt den  Verkehr  einerseits  nach  Benevent  anderseits  nach  dem 
Sabbato  und  dem  Golf  von  Salerno.  Den  zuletzt  angedeuleten  Weg 
schlug  in  der  Neuzeit  die  Poststrafse  von  Neapel  nach  Apulien  ein: 
er  führt  vom  Thal  der  Ufita  nordwärts  in  allmälicher  Steigung 
hinauf  nach  Ariane  (817  m)  und  fällt  dann  ab  in  die  Valle  di  Bo- 
vino  (Vihinum)  die  vom  Cerbalus  Cervaro  durchströmt  wiid.')  Die 
letzten  20  km  vor  der  Ausmündung  in  die  apulische  Ebene  wird 
das  Thal  von  steilen  Bergwänden  um  3 — 4U0  m  überragt  und 
bildet  einen  nur  vom  Anfangs-  und  Endpiinct  aus  zugänglichen 
Pafs  (3 — 400  m).     Aber  der  Pafs  verbindet  Samnium  und  Apulien 


1)  CIL.  IX  1095.  tili.  23.  60.  1414.  6075  vgl.  Feldm.  210.  2fil. 

2)  Darunter  2   oskisclie   Conway    156.  57;   2    giiechisclie   Kaibel    689.  90 
deren  erstere  den  Archiater  der  Stadt  nennt. 

3)  CIL.  IX   1164. 

4)  Feldm.  210.  261  CIL.  IX  p.  99. 

5)  Frosper  a.  439  (Mommsen  Chron.  min.  I  p.  477). 

6)  Hülste  zu  Gluver  1203,43  Ughelli  It.  sacra  X  6. 

7)  Der  Flufs  allein  genannt  Plin.  111  103. 


.     §  3.     Üie  Hirpiner.  819 

in  so  bequemer  Weise,  dafs  er  von   der  Poststrafse   wie   der   über 
Benevent   geleiteten  Eisenbahn    l)enutzt   wird.     Bereits   in    republi- 
kanischer Zeit  ist   dieser   Weg   von   Aeclanum    ab   ausgebauli),  im 
2.  Jahrhundert  n.  Chr.  aus  Gemeindemitteln  hergestellt^)  und  schliefs- 
lich  als  via  Aurelia  Aeclanensis  unter  die  Staatstrafsen  aufgenommen 
worden. 3)     Begreiflicher  Weise  gewährte  er  Aeclanum  den  gröfsten 
Vorlheil:  von  der  Appia  bei  Grotta  Minarda  4  Millien  von  Aeclanum 
abzweigend  mifst  er  bis  Herdoniae  44  Millien.'*)  —  Einen  zweiten 
Weg  nach  Apulien  zeichnet  der  Flufs  vor  der  im  oberen  Lauf  Ca- 
laggio,  im    unteren    Carapella   heifst;   der  antike  Name  wird   nicht 
überliefert.     Horaz  hat  37  v.  Chr.  diesen  Weg  genommen  und  be- 
zeugt  ausdrückhch    die    Fahrbarkeit.     Von    Benevent  aus  erreichte 
er  nach   einer   mühseligen    Tagereise  von    30 — 35    Millien    Trivici 
villa.^)     Die   aus   3  Vici    bestehende   Ortschaft    hat    vermutlich    zu 
Aeclanum  gehört  und    schon    im  5.   Jahrhundert   einen    Bischofsitz 
erlangt. 6)     Man  wird  sie   nordlich   vom   heutigen  Trevico,   das  die 
Spitze  (1090  m)  der  östlich  vom  Thal  der  Ufita  aufsteigenden  Berge 
einnimmt,  an  der  Wasserscheide  in  einer  Höhenlage  von  7 — 800  m 
zu  suchen  haben.   Von  Trivicum  fuhr  der  Dichter  24  Millien  bergab, 
zu  einem  Städtchen  das  nicht  in  den  Vers  pafste.    Darunter  wird  mit 
Recht  Ausculum  verstanden,  wo  nach  den  Meilensteinen  die  Via  Trai- 
ana,  die  grofse  Landstrafse  nach  Brundisium  hindurchführte.')    Die 
Strecke  von  Aeclanum    bis  Ausculum    mifst  42 — 45  Millien,   harrt 
aber  noch  genauer  Feststellung.  —  Die  dritte  Strafse  von  Aeclanum 
nach  Apulien   steht  in  den  Reisebüchern  und  mufs  für  die  spätere 
Kaiserzeit  als  die  am  Meisten  benutzte  angesehen  werden.    Sie  folgt 
in  7 — 800  m    Höhe   der  Wasserscheide   zwischen   Uüta   und   Calor, 
zwischen    Ufita    und   Aiifidus,   endlich   Calaggio    und    Aufidus.     Der 
Reisende  konnte  10  Millien  von  Aeclanum  dem  unweit  der  Strafse 
nach  Süden  zu  befindlichen   lacus  Ampsanctus  mit  einem  Heiligtum 
der  Mefitis  seinen  Besuch  abstatten.     Die  starken  Kohlensäure  und 
Schwefelwasserstoff  auswerfenden  Quellen  (le  Mußte,  Mefita)  machen 

1)  CiL.  IX  6073  gehört  nach  dem  Fundort  ihr  an,  nicht  der  Via  Appia. 

2)  CIL.  IX  670  [Her]donilana,   1156  via  ducens  Herdonias,  1414  vj'a  ewn- 
tibus  in  ApiiUam. 

3)  CIL.  IX  p.  601. 

4)  CIL.  IX  670;   1175  erwähnt  das  caput  viae  bei  Grotta  Minarda. 

5)  Hör.  Sat.  I  5,  79  mit  Schol.  CIL.  IX  p.  121. 

6)  Ugheili  It.  sacr.  VIII  536. 

7)  CIL.  IX  6016  fg. 

52* 


820  Kapitel  XIII.    Samnium. 

sich  weithin  bemerkbar  und  wirken  in  unmittelbarer  Nähe  tödthch 
(I  242.  271).  Sie  haben  begreil'licher  Weise  die  Aufmerksamkeit 
der  Alten  gefesselt,  Vergii  entwirft  eine  eindrucksvolle  Schilderung 
der  Ampsancti  volles  ohne  sich  an  die  Wirklichkeit  ängstlich  zu 
binden;  denn  die  hohen  Berge  die  ihre  Einfassung  bilden  sollen, 
sind  volle  15  km  abgerückt. i)  Es  sind  zwei  Tümpel  in  einer  wal- 
digen Schlucht  zwischen  Kalksteinhügeln,  die  das  Gas  ausströmen, 
der  grüfsere  hat  5.0  m  Umfang  2  m  Tiefe.  Der  Tempel  der  Mefitis 
wird  gegenwärtig  durch  das  Heiligtum  der  Märtyrerin  Sa.  Felicita 
ersetzt;  ein  Weiler  hatte  sich  um  ihn  gebildet.^)  —  Die  Reisebücher 
führen  22  Millien  von  Aeclanum  die  Station  sub  Romula  auf,  die 
nach  der  gemachten  Angabe  in  die  Nähe  von  Bisaccia  (973  m)  fällt.^) 
Dies  ist  ein  alter  Bischofsilz  und  wahrscheinlich  Romulea  das  296 
V.  Chr.  von  den  Römern  erstürmt  ward.*)  Stadirecht  hat  der  Ort 
nicht  gehabt,  war  vielmehr  eingemeindet  in  dem  5  Millien  entfernten 
Aquilonia.  Im  Unterschied  von  der  samnitischen  Stadt  dieses  Namens 
(S.  789)  wird  die  hirpinische  in  der  Geschichte  nicht  erwähnt,  da- 
gegen als  Municipium  durch  Schriftsteller  und  Inschriften  verbürgt.^) 
Wie  Hülste  ei kannte,  giebt  Lacedonia  (734  m)  alter  Bischofsitz  mit 
Resten  von  Thermen  und  einem  Tempel  sowie  vielen  Inschriften 
die  Hirpinerstadt  wieder:  der  Name  greift  auf  die  oskische  Form 
zurück.  Irrig  hatte  Cluver  ihn  dem  10  km  südöstlich  entfernten 
Carbonara  zugewiesen ,  letzteres  hat  sich  das  zu  Nutzen  gemacht 
und  heifst  seit  1862  amtlich  Aquilonia. 6)  Die  Strafse  erreichte  nach 
weiteren  7  Millien  bergab  die  Station  am  pons  Avfidi  Ponte  Sa. 
Venere  (212  m),  von  wo  19  Millien  bis  Venusia  gerechnet  wurden.') 
—  Die  drei  von  Aeclanuni  nach  Apulien  laufenden  Strafsen  werden 
von  der  binnenländischen  geschnitten,  von  der  bei  Aequum  Tuticum 
bereits  die  Rede  war  (S.  816).  Sie  hiefs  nach  den  Meilensteinen 
via  Herculia  und  war  unter  der  Regierung  des  Diocletian  und  Maxi- 
mian erbaut.    Das  Reisebuch  unterscheidet  zwei  Linien  von  Aequum 


1)  Cic.  de  Divin.  I  79  Plin.  II  2ü8  Verg:.  Aen.  VI!  563  mit  Schot.  Claudian 
de  rapiu  Pros.  11  350  Sidon.  Ep.  III  13,  8  Vib.  Seq.  p.  153  Riese  CIL.  IX  p.  91 
Cluver  lu  ant.  12U1. 

2)  CIL.  IX  1027-34. 

3)  II.  Ant.  120  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  35. 

4)  Liv.  X  17  Stepb.  Byz.  Ughelti  ll.  sacr.  VI  1024  Cluver  It.  ant.  1204. 

5)  Plin.  III  105  Plol.  III  1,  62  Tab.  Peul.  Geogr.  Rav.  IV  35  CIL.  IX  p.  88.  668. 

6)  Cluver  lt.  anl.  1204  dazu  Holste. 

7)  lt.  Ant.  121  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  35. 


§  3.    Die  Hirpiner.  821 

bis  Venusia,  die  eine  64  die  andere  68  Millien  lang.i)  Ueber  ihren 
Gang  und  die  Lage  der  Stationen  lassen  sich  nur  Vermutungen  bei- 
bringen.^) 

Im  Süden  wird  das  Hirpinerland  durch  ein  hohes  Gebirge  (I  242) 
von  Lucanien  getrennt,  doch  fehlt  es  nicht  an  bequemen  Durch- 
gängen. Zwischen  dem  Stock  der  im  M.  Cervialto  (1809  m)  und 
dem  Stock  der  im  M.  Marzano  (1530  m)  gipfelt,  öffnet  sich  eine 
breite  Thalmulde  die  am  oberen  Ende  nur  472  m  höchste  Meeres- 
höhe hat.  Durch  sie  fliefst  der  Silarus  in  den  Busen  von  Paestum 
al)  und  hat  sich  ohne  Zweifel  ein  reger  Verkehr  der  Stämme  bewegt, 
wenn  wir  auch  Nichts  davon  erfahren.  Der  Süd  vom  Ampsauctus 
entspringende  Aufidus,  der  gröfste  unter  den  apulischen  Flüssen, 
strömt  in  raschem  Lauf  am  nördlichen  Fufs  des  Grenzgebirges  hin 
(1  337).  In  der  Richtung  jener  Thalmulde  50  Millien  von  der  Mün- 
dung des  Silarus  entfernt,  steigt  unmittelbar  am  rechten  Ufer  des 
Auüdus  ihn  um  200  m  überragend  ein  Hügelrücken  (609  m)  mit 
der  Stadt  Compsa  Conza  della  Campania  auf.  Den  älteren  Gewährs- 
männern war  dies  eine  Stadt  der  Hirpiner 3),  die  späteren,  denen 
die  Slammesunterschiede  nicht  mehr  geläufig  waren,  verlegten  sie 
nach  Lucanien  4)  oder  Apulien.^)  Die  Festigkeit  der  Lage  machte 
sie  zum  natürlichen  Haupt  der  ganzen  Landschaft  am  oberen  Au- 
fidus. Hannibal  gewann  in  ihr  nach  der  Schlacht  bei  Cannae  eine 
sichere  Unterkunft  für  Leute  und  Gepäck;  aber  214  nahm  Fabius 
die  Festung  mit  Sturm  wieder. 6)  Im  ßundesgenossenkrieg  ward 
Compsa  89  von  Sulla  besetzt.'')  Dann  erhielt  es  Bürgerrecht  und 
gehörte  zur  Tribus  Galeria.^)  Sein  Name  kommt  nachmals  bei  den 
Unruhen  48  v.  Chr.  vor,  indem  die  eine  Ueberlieferung  Milo  beim 
Angriff  auf  diese  Stadt  durch  einen  Steinvvurf  getödtet  werden  läfst, 
die  andere  den  Vorgang  nach  Cosa  im  Gebiet  von  Thurii  verlegt. 9) 


1)  lt.  Ant.  103.  112  CIL.  IX  p.  599. 

2)  CIL.  IX  6060.  61  passen  nicht  hierher,  weil  die  ZiEfern  zu  niedrig  sind. 

3)  Liv.  XXm  1  VeH.  II  68  Plin.  lil  105. 

4)  Ptol.  111  1,  61  vgl.  Serv.  V.  Aen.  VII  563. 

5)  Dio  XLll  25  Feldm.  210.  261. 

6)  Liv.  XXIII  t  XXIV  20. 

7)  Vell.  II  16  die  Handschriften  haben  Cosam,  Cic.  Verr.  V  158  fg.  municeps 
Cunsanus  dem  heutigen  Conza  entsprechend. 

8)  CIL.  IX  p.  88. 

9)  Die  erste  Version  vertreten  durch  den  ortskundigen  Velleius  II  68  ver- 
dient den  Vorzug,  ihr  scheint  Dio  XLII  25  zu   folgen  (A.  5).    Caes.  b.  civ.  III  22 


822  Kapitel  XIII.     Samnium. 

Die  Entfernung  von  den  grofsen  Stiafsen  schlofs  eine  städtische 
Entwicklung  in  der  Zeil  des  Landfriedens  aus,  im  Mittelalter  kam 
die  Festung  zu  neuen  Ehren,  zählt  aher  gegenwärtig  nur  1300  Ein- 
wohner.') —  Aus  den  Hochthälern  des  Calor  und  Sabbato  leiten 
nur  Saumpfade  nach  Lucanien  hinüber.  Dagegen  kann  man  vom 
mittleren  Sabbato  nach  200  m  Steigung  unter  Bewältigung  einer 
Meereshöhe  von  500  m,  sei  es  in  die  campanische  Ebene,  sei  es 
an  den  Golf  von  Salerno  gelangen.  Wie  in  der  Neuzeit  Poststrafse 
und  Eisenbahn  dieser  Einsenkung  gefolgt  sind,  so  war  auch  im 
Altertum  Benevent  mit  Salerno  durch  eine  40  Millien  lange  Strafse 
verbunden.^)  Nahezu  halbwegs  —  der  Ansatz  der  Reisekarte  von 
16  Millien  ist  um  2  zu  niedrig  —  wo  das  Thal  des  Sabbato  durch 
eine  Ausbuchtung  nach  Westen  um  8  km  erweitert  wird,  lag  am 
linken  Ufer  des  Flufses  Abellinnm  (307  m).  Die  Stätte  ist  verödet, 
die  Trägerin  des  Namens  die  Provinzialhauptstadt  Avellino  2  Millien 
weiter  nach  Westen  an  einen  festeren  Ort  (390  m)  gerückt.  Die 
alten  Annalen  verzeichnen  den  Namen  nicht;  auch  lehrt  die  Lage 
und  lehren  die  Reste  der  in  Netzwerk  errichteten  Bauten  (Stadt- 
mauer Amphitheater),  dafs  der  Ort  seine  Blüte  dem  entwickelten 
Verkehr  und  seine  Gründung  dem  Landfrieden  verdankt.  Darüber 
gestaltet  die  Censusliste  des  Augustus  einen  einleuchtenden  Schlufs. 
Sie  Iheilt  das  oppidum  Abellinum  der  ersten  Region  Campanien  zu, 
führt  aber  aufserdem  in  der  zweiten  unter  den  Ilirpinern  Abelli- 
nates  cognomine  Protropi  und  unter  den  Apulern  Abellinales  cogno- 
minati  Marsi  auf. 3)  Die  beiden  letzteren  sind  offenbar  Landge- 
meinden mit  Selbstverwaltung,  wie  solche  in  verschiedenen  Theilen 
des  Hochgebirgs  begegnen:  inschriftlich  sind  sie  bisher  noch  nicht 
bezeugt,  die  Ermittelung  ihrer  Dingstätten  hängt  von  genauerer 
Nachforschung  oder  einem  glücklichen  Zufall  ab.  Immerhin  ersieht 
man  aus  der  Censusliste,  dafs  die  apulische  Gemeinde  im  Osten,  die 


Cosa  in  agro  Thurino  wird  auf  Flüchtigkeit  beruhen  und  da  es  einen  solchen 
Ort  überhaupt  nicht  gab,  Plin.  II  147  durch  caslellum  Carissanum  ersetzt  worden 
sein.  Die  Aenderung  des  letzteren  in  Compsanum  ist  unstatthaft,  da  Compsa 
kein  Dorf  war. 

1)  Liv.  XXIV  44  erwähnt  ein  Prodigium  in  lovis  Ficiltni  templo  quod  in 
Compsano  agro  est:  die  Oertlichkeit  ist  nicht  bekannt. 

2)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34. 

3)  Plin.  III  63.  105,    Ptol.  III  1,  62   schreibt  Abellinum   den  Hirpinern   zu, 
dagegen  Feldm.  229  Cod.  Theod.  XII  1,  68  Campanien. 


§  4.     Die  Picentiner.  823 

hirpinische  in  der  Mitte  zu  suchen,  endlich  die  campanische  die 
kein  unlersclieidendes  Beiwort  führt,  als  die  wichtigste  aufzufassen 
sei.  Alle  drei  müssen  einst  eine  Völkerschaft  der  Abellinates  ge- 
bildet  haben ,  deren  politischer  Zusammenhang  beim  Empfang  des 
römischen  Bürgerrechts  zerrissen,  aber  ähnlich  wie  bei  Vestinem 
(S.  438)  und  Marsern  (S.  455)  durch  den  gemeinsamen  Namen  in 
der  Erinnerung  fest  gehallen  wurde.  Wenn  auch  die  nähere  Ab- 
grenzung unmöglich  ist,  wird  man  im  Aligemeinen  die  Abellinaten 
südlich  von  den  Hirpinern  ansetzen  dürfen.  Die  Hauptgemeinde 
am  Sabbato  wurde  Municipium  in  der  Tribus  Galeria.^)  In  der 
Kaiserzeit  führte  sie  den  Titel  Colonie:  seit  wann  ist  unbekannt. 
Sie  wird  im  Westen  von  dem  campanischen  Grenzgebirge  überragt: 
aus  ihm  hebt  sich  der  M.  Vergine  (1480  m)  mit  einem  berühmten 
W'allfahrtsort  ab  der  die  Stelle  eines  Tempels  der  Güttermutter  ein- 
nehmen soll. 

§4.     DiePicentiner. 

Das  Los  der  Samniten,  welche  die  Verbindung  zwischen  dem 
Binnenland  und  der  tyrrbenischen  See  unterhielten,  ist  ein  ver- 
schiedenartiges gewesen.  Die  Gemeinden  am  Golf  von  Neapel  haben 
zwar  auch  an  dem  grofsen  Krieg  gegen  Rom  Theil  genommen,  aber 
gegen  Ende  des  Kriegs  Frieden  geschlossen  und  als  Bundesgenossen 
gegenüber  den  Lockungen  Hannihals,  vereinzelt  sogar  der  Stammes- 
genossen 90  V.  Chr.  die  Treue  bewahrt.  Deshalb  hat  sich  hier  das 
oskische  Wesen  bis  zu  seinem  Ausgang  behauptet.  Am  Golf  von 
Salerno  dagegen  wurden  die  Samniten  völlig  vertrieben.  Um  die 
Strafsen  die  aus  Lucanien  nach  Samnium  führen,  in  der  Gewalt  zu 
haben  gründete  Rom  273  die  Colonie  Paestum  und  verstärkte  solche 
268  durch  Verpflanzung  der  unterworfenen  Picenter,  nach  demselben 
Verfahren  das  mit  den  Ligurern  bei  Benevenl  wiederholt  wurde. 
Die  Kopfzahl  der  Ansiedler  ist  unbekannt,  doch  mag  es  sich  um 
10  d.  DM.  oder  mehr  gehandelt  haben  die  ihre  Bewohner  ver- 
tauschten. Der  ager  Picentinus  reicht  an  der  Küste  30  oder  32  V2  Mil- 
ben hin  von  der  Inseln  der  Sirenen  (S.  767)  bis  zum  Silerus  dem 
Grenzflufs  des  alten  Italiens. 2)  Obwol  von  Augustus  der  ersten  Re- 
gion zugetheilt,  nimmt  er  bei  den  Geographen  eine  Sonderstellung 


1)  CIL.  X  p.  127. 

2)  Strab.  V  251  Plin.  III  38.  70. 


824  Kapitel  XIII.     Samnium. 

zwischen  Campanien  und  Lucanien  ein,  was  auch  den  natürlichen 
Verhältnissen  entspricht.^)  Die  binnenländische  Grenze  ist  im  All- 
gemeinen durch  das  Gebirge  gegeben,  läfst  sich  aber  nicht  genau 
bestimmen.  Ebenso  bleibt  die  staatsrechtliche  Stellung  der  Picentiner 
ob  sie  minderes  Bürgerrecht  hatten  oder  Bundesgenossen  waren,  im 
Unklaren.^)  Der  Damm  den  Rom  durch  dies  Völkchen  zwischen 
Lucanern  und  Hirpinern  aufgerichtet  glaubte,  hielt  einer  ernsthaften 
Sturmflut  nicht  Stand.  Als  die  beiderseitigen  Nachbarn  zu  Hannibal 
abfielen,  folgte  es  ihrem  Beispiel.  In  der  Kriegsgeschichte  geschieht 
seiner  keine  Erwähnung,  wol  aber  der  Strafe  die  es  nach  dem  Kriege 
erhielt.  Die  Picentiner  büfsten  Selbstverwaltung  Eigentum  an  Grund 
und  Boden  das  Waffenrecht  ein ,  wurden  im  Felde  als  Boten  und 
Diener  verwandt.^)  Wann  sie  aus  dieser  Hörigkeit  zum  Genufs 
bürgerlicher  Gleichheit  aufrückten,  ist  nicht  überliefert. 

Der  Golf  von  Salerno  IIoasidioviccTrjg  -aölTtog^)  sinus  Pae- 
stanus^)  wird  vom  surrenliner  Vorgebirge  und  der  Punta  Licosa 
eingefafst,  der  Abstand  beider  beträgt  60  km,  doppelt  so  viel  wie 
beim  Golf  von  Neapel  (S.  719).  Demgemäfs  sind  auch  die  übrigen 
Verhältnisse  gröfser.  An  der  40  km  langen  Oslseite  mündet  der 
bedeutende  Siler  oder  Silarus  Sele  6)  und  hat  eine  Ebene  von  über 
200  Dkm  aufgebaut  (I  335):  hier  hatte  Paestum  seine  Herrschaft 
gegründet,  wovon  in  einem  der  nächsten  Abschnitte  zu  handeln  ist. 
Im  Ganzen  betrachtet  fehlen  die  natürlichen  Bedingungen  um  ein 
Seeleben  und  einen  Verkehr  zu  erzeugen  wie  ihn  der  campanische 
Golf  aufweist.  Am  Meisten  scheint  hierfür  die  Nordseite  geeignet 
wo  die  surrentiner  Berge  500  m  und  mehr  jäh  abstürzen  (S.  768), 
zahllose  Buchten  und  Ankerplätze  bilden,  den  Strandbewohner  nötigen 
auf  weitem  Meer  den  Unterhalt  zu  suchen  den  die  eng  umgrenzte 
Heimat  versagt.     Die  Erfahrung   dafs   Steilküsten    die   Entwicklung 


1)  Nur  Mela  II  69  dehnt  Lucanien  bis  zum  surrentinischen  Vorgebirge  aus; 
anderseits  läfst  Ptol.  III  1,  7.  60  die  Picentiner  vom  Sarnus  ab  wohnen  und  Nola 
Nuceria  Surientum  Salernum  umfassen. 

2)  Sil.  It.  VIII  578. 

3)  Strab.  V  251. 

4)  Strab.  1  21.  22  V  209.  211.  251   VI  252. 

5)  Cic.  ad  Alt.  XVI  6,  1  Mela  II  69  Plin.  III  71.  85  Strab.  V  251. 

6)  Die  Kurzform  Colum.  X  136  Lucan  II  426  Vib.  Seq.  Paul.  h.  Lang.  II  17 
ist  nach  Ausweis  der  heutigen  als  die  einheimische  zu  betrachten,  Silerus  Mela 
II  69  Plin.  II  70,  Silarus  Lucil.  fr.  III  21  L.  M.  Verg.  Georg.  III  146  Sil.  It.  VIII  580 
Tab.  Peul.  2iXaQH  Strab.  V  251  VI  252.  55. 


§  4.    Die  Picentiner.  825 

der  Schiffahrt  befördern  (I  114),  wird  auch  in  diesem  Falle  bestätigt: 
seit  dem  frühen  Mittelalter  strahlt  der  Name  Amalfi  in  hellem  Glanz. 
Als  Vorläuferin  von  Amalfi  lernen  wir  aus  Strabo  Marcina  kennen, 
eine  Gründung  der  Etrusker  später  von  Samniten  bewohnt. i)  Dafs 
das  Land  bis  zum  Silarus  einst  den  Etruskern  gehorcht  habe,  wird 
anderweitig  bezeugt  ohne  Erwähnung  der  Stadt. 2)  Sie  wird  früh 
verblüht  sein,  mag  aber  vordem  die  Hellenen  belästigt  haben  und 
diesem  Umstand  die  Erhaltung  ihres  Andenkens  verdanken.  INach 
Strabo's  Angabe  hat  sie  bei  Vietri  gelegen  wo  die  Strafse  von  Nu- 
ceria  mündet  (S.  772).  Mit  der  Ansiedlung  der  Picenter  bekam  die 
Landschaft  eine  neue  Hauptstadt  in  Picentia.^)  Diese  lag  7  Millien 
südöstlich  von  Salerno  jenseit  des  Baches  Picentino  bei  S.  Maria 
a  Vico  oder  Vicenza.  Nach  der  Reisekarte  stiefsen  die  von  Benevent 
über  AbelUnum  kommende  Strafse  und  die  aus  Campanien  über 
Nuceria  und  Salernum  kommende  Strafse  hier  zusammen  um  sich 
nach  Lucanien  fortzusetzen.  Nach  dem  hannibalischen  Krieg  wurde 
die  Stadt  in  einen  von  Salernum  abhängigen  Flecken  verwandelt, 
sodann  89  v.  Chr.  von  den  Samniten  zerstört.*)  Der  Verkehr  den 
die  Gabelung  der  Strafsen  mit  sich  brachte,  rief  ihn  wieder  ins 
Leben.  Es  ist  sogar  nicht  ausgeschlossen  dafs  er  im  Laufe  der 
Kaiserzeit  sein  Stadirecht  zurück  erlangte. s)  Zur  Bewachung  der 
Picentiner  ward  194  v.  Chr.  eine  Colonie  von  300  römischen  Bürgern 
nach  Salernum  oder  castrum  Salerni  ausgesandt. ß)  Letztere  Fassung 
des  Namens  deutet  an  dafs  ein  vorhandenes  Dorf  zur  Aufnahme 
der  Colonie  gewählt  wurde.")  Der  Hafen  nimmt  den  Scheitel  eines 
Bogens  ein  der  sich  über  einer  12  km  langen  Sehne  wölbt,  ist  von 
Nuceria  9  und  von  AbeUinum  das  Thal  des  Irno  hinauf  einige 
20  Millien  entfernt.  Der  flache  Strand  dehnt  sich  bis  1/2  km  Breite 
aus,  darüber  steigt  die  Altstadt  die  einfassende  Hohe  an,  das  lango- 
bardische  Castell  bis  275  m.  Im  Allgemeinen  haben  die  antiken 
Verhältnisse  den  mittelalterlichen  entsprochen;  jedoch  fehlen  sowol 


1)  Strab.  V  251. 

2)  Plin.  m  70. 

3)  Strab.  V  251  Mela  II  69  Plin.  111  70  Steph.  Byz.  Tab.  Peut.  Georg.  Rav. 
IV  34  CIL.  X  p.  60. 

4)  Flor.  II  6,  11. 

5)  CIL.  X  3608. 

6)  Liv.  XXXII  29  XXXIV  45  Vell.  l  15. 

7)  Sil.  It.  VIII  582. 


826  Kapitel  XIII.     Samnium. 

Ueberreste  als  feste  Aiihaltspuncte  um  den  Grundrifs  der  römischen 
Anlage  zu  entwerfen.  Da  das  ganze  picentinische  Gebiet  bis  zum 
Silarus  ihr  untergeordnet  wurde,  mufs  die  Stadt  einen  bedeutenden 
Aufschwung  erhalten  haben. i)  Eine  zeitweilige  Unterbrechung  be- 
wirkte Papius  Mutilus  89  v.  Chr.,  da  er  die  Zwingburg  eroberte  und 
die  Unfreien  zu  den  Waffen  rief. 2)  lo  der  nachfolgenden  Friedens- 
zeit wird  ihr  mildes  Klima  gerühmt  3),  sonst  nichts  Bemerkenswertes 
gemeldet.^)  Auch  die  Inschriften  geben  weder  über  die  Tiibus  noch 
die  Verfassung  der  Stadt  nähere  Auskunft.^)  Immerhin  zeugt  der 
Titel  Colonie  den  sie  unter  den  Kaisern  führt,  von  einem  gewissen 
Ansehen.  Im  4.  Jahrhundert  haben  die  Correctoren  von  Lucanien 
und  Bruttium  hier  ihren  Sitz.^)  Als  die  Langobarden  herrschten, 
heifsen  Capua  Neapel  und  Salerno  die  reichsten  Städte  Campaniens ''); 
noch  später  ist  die  salernitaner  Hochschule  eine  Wiege  der  modernen 
Medicin  geworden. 

§5.     Die  Mark  Venusia. 

Unter  den  Flüssen  die  das  samnitische  Hochland  nach  der  Adria 
entsendet,  ist  der  Aufidus  der  längste  und  der  am  Weitesten  nach 
Westen  vordringende;  die  Quellen  am  M.  Calvello  (1580  m)  sind 
in  der  Luftlinie  nur  35  km  vom  Golf  von  Salerno  entfernt.  Er 
entspringt  im  Lande  der  Hirpiner,  durchmifst  das  von  diesen  be- 
wohnte Hochthal  von  Compsa  (S.  821),  wendet  sich  hierauf  nach 
Norden  und  beschreibt  einen  weiten  Bogen  um  den  Vultur.  Von 
der  angegebenen  Wendung  bis  zu  seinem  Austritt  in  die  Ebene  wird 
er  zum  Grenzwächter  zwischen  den  Provinzen  Principato  ulteriore 
(Avellino)  und  Basilicata  (Potenza)  in  der  Neuzeit,  den  Hirpinern 
und  Apulien  im  Altertum.  Der  geschichtlichen  Scheidung  hat  die 
Natur  vorgearbeitet.  Der  Querzug  des  Appennin  dessen  Gewässer 
nach  Südost  dem  Busen  von  Tarent,  nach  Norden  in  den  Aufidus 
der  Adria  zuströmen,  schliefst  Samnium  gegen  Lucanien  ab.    Allein 


1)  Strab.  V  251  Lucan  11  425. 

2)  Appian  c.  civ.  I  42. 

3)  Hör.  Ep.  I  15,  1. 

4)  Val.  Max.  VI  8,  5  Plin.  III  70  XIII  25  Ptol,  III  1,  7  It.  Ant.  109  Tab.  Peut. 
Geogr.  Ray.  V  2. 

5)  CIL.  X  1   p.  61,  eine  regio  Ilortensiaria  erwähnt  n.  521. 

6)  Böcking  zu  Not.  Dign.  Occ  435  CIL.  X  p.  1. 

7)  Paul.  h.  Lang.  II  17. 


§  5.     Die  Mark  Venusia.  827 

im  Osten  wird  er  so  niedrig  dafs  von  einer  scharfen  Trennung  nicht 
mehr  die  Rede  sein  kann.  Das  Gleiche  gilt  dem  apulischen  Tiefland 
gegenüber;  die  Gebirgsmaiier  die  vom  Fortore  ab  es  einfafst,  sinkt 
nach  Süden  zu  ein,  mifst  zwischen  dem  Calaggio  und  Auüdus  2 — 300m 
weniger  als  in  den  früheren  Abschnitten.  Bei  Ponte  S.  Venere  wird 
der  Aufidus  frei  und  vertauscht  die  zuletzt  eingehaltene  nordliche  mit 
einer  Ostlichen,  sodann  nordöstlichen  Richtung,  dem  Meer  zustrebend. 
Der  Höhenzug  der  ihn  auf  dieser  25  km  langen  nach  Ost  gewandten 
Strecke  bei  10  km  Abstand  geleitet,  erreicht  in  la  Bicocca  673  m, 
durchgängig  nur  3—400  m.  Als  einen  Wall  läfst  er  sich  nicht 
betrachten,  vielmehr  als  eine  Anschwellung  die  langsam  und  regel- 
mäfsig  zum  Stammgebirge  hinaufführt.  Dem  entspricht  die  Ge- 
staltung des  Bodens.  Während  der  AuQdus  unterhalb  des  Hochthals 
von  Compsa  auf  der  linken  Seite  von  appennischen  Bergen  ein- 
geengt ist  die  nur  kleine  Thäler  besitzen  und  kurze  Bäche  erzeugen, 
hat  er  zur  Rechten  ein  ausgedehntes  bewegtes  Gelände  das  ihn  speist. 
In  der  Tertiärzeit  schnitt  hier  ein  Meerbusen  in  die  appenninischen 
Massen  ein,  die  vulkanische  Kraft  machte  sich  daran  ihn  auszufüllen. 
Sie  baute  den  mächtigen  VoUur  oder  VuUur  bis  zur  Höhe  von  1330  m 
auf.  Apulisch  heifst  der  Berg  mit  Recht^);  denn  alle  anderen  Berge 
weit  überragend  beherrscht  er  das  Gesichtsfeld  Apuliens  und  wird 
dessen  Wahrzeichen  gleich  dem  Vesuv  in  Campanien.  Beide  stimmen 
in  der  Erhebung  und  im  Umfang  nahezu  völlig  überein;  aber  der 
Vultur  hat  seine  Arbeit  Jahrlausende  vor  dem  westlichen  Bruder 
beendigt  ([  271).  In  Folge  dessen  hat  er  weder  die  Umgebung 
einebnen  noch  ihr  die  unerschöpfliche  Triebkraft  verleihen  können 
die  das  gesegnete  Campanien  auszeichnet.  Die  Landschaft  zwischen 
Appennin  und  Aufidus  ist  aus  einem  bunten  Wechsel  von  Hügeln 
tertiärer  und  vulkanischer  Bildung  zusammen  gesetzt  der  jeder  Regel 
spottet.  Immerhin  ist  der  Boden  fruchtbar,  trägt  gegenwärtig  einen 
geschätzten  Wein:  Nachrichten  über  die  Erzeugnisse  im  Altertum 
fehlen.  Für  die  Römer  gewann  dieser  Strich  durch  seine  geogra- 
phische Lage  einen  doppelten  Wert.  Sie  haben  hier  zum  ersten 
Male  das  Verfahren  angewandt  das  sie  ein  Menschenalter  später  am 
Calor  und   am  oberen  Volturnus  wiederholten.    Wie  der  Holzfäller 


1)  Hör.  Od.  III  4,  9  vgl.  Sat.  II  1,  34  Lucan  IX  1S5.  Der  Flufs  Volturnus 
letirt  dafs  der  Name  der  oskischen  Sprache  angehört  und  Berg  bedeutet.  Der 
aus  der  Schlacht  bei  Cannae  bekannte  Wind  ist  nicht  nach  dem  Vulkan  be- 
nannt, sondern  bedeutet  allgemein  SO,  ursprünglich  wol  Bergwind  (I  389). 


828  Kapitel  XIII.     Samnium. 

Keile  in  den  Baum  treibt  nm  die  Saftströmung  zu  stören,  haben 
die  Römer  an  drei  Stellen  den  Zusammenhang  des  samnitischen 
Gebirgstamms  durch  starke  Festungen  und  grofse  latinische  An- 
siedlungen  zu  zerreifsen  gesucht.  Horaz  meldet  was  er  in  der  Heimat 
vernommen^): 

sequor  hunc,  Lucanus  an  Apulus,  anceps; 
natu  Venusinns  arat  fitiem  sub  utrumque  colonns, 
misstts  ad  hoc  piilsis,  velus  est  ut  fama,  Sabellis, 
quo  ne  per  vacuum  Romano  incurreret  hostis, 
sive  quod  Apula  gens  seu  quod  Lucania  bellum 
meuteret  violenta. 
Der  Dichter  überschätzt  die  Bedeutung  der  ihm  vertrauten  Nach- 
barn, verglichen  mit  der  Gefahr  die  dem  römischen  Volke  von  Sam- 
nium drohte.    Einer  allgemeinen  Landeskunde  trägt  Strabo  Rechnung 
wenn   er  diese  Mark   als  Grenze  zwischen  Lucanien  und  Samnium 
betrachtet   und  letzlerem  zuweist.^)     Sie  wurde  291  v.  Chr.  durch 
die  Stiftung  der  lalinischen  Colonie  Venusia  errichtet  und  mit  20000 
Colonisten   d.  h.   einer   bürgerhchen  Bevölkerung  von  80 — 100000 
Seelen  besiedelt.»)     Der  Kreis  Melfi  der  auf  29  d.  DM.  1583  Dkm 
reichlich  100000  Einwohner  ausschliefslich  von  der  Landwirtschaft 
ernährt  (S.  103),  giebt  soviel  wir  sehen,  den  Umfang  der  Mark  getreu 
wieder.    Von  der  Hauptstadt  reichte  sie  in  der  Lufthnie  nach  Norden 
20  km  bis  an  den  Unterlauf  des  Aufidus  und  die  Flur  von  Canusium; 
ebenso  viel   betrug  die  Entfernung  zu  den  lucanischen  Grenzorten 
Bantia   und  Aceruntia;    der  Blick   auf  die  Berge   der  Hirpiner  war 
dem  Städter  durch  den  Vultur  versperrt.     Die  in  Mitten  der  Osker 
und  Daunier  geschaffene  lateinische  Sprachinsel  hat  ihre  Bestimmung 
ein  Jahrhundert   und    länger   erfüllt.     Im  Einzelnen  führt  uns  dies 
die  Ueberlieferung  des  hannibalischen  Krieges  vor. 4)    Der  Krieg  hatte 
solchen  Menschenverlust  verursacht  dafs  200  nach  seinem  Abschlufs 
eine  Verstärkung  durch  neue  Colonisten  sich  als  notwendig  erwies. 5) 
in  der   nachfolgenden  Friedenszeit  jedoch  wurde  der  Gegensatz  zu 
den  Umwohnern  bis  zu  dem  Grade  abgeschliffen  dafs  Venusia  deren 


1)  Hör.  Sat.  II  1,  34. 

2)  Strab.  VI  254.  283. 

3)  Dion.  H.  XVI  17  Vell.  I  14. 

4)  Pol.  III  116,  13.  117,  2  Liv.  XXII  49.  54   XXVII  2.  10.  20.  25.  40  Piut. 
Fab.  16,  5  Marc.  29,  1  Appian  Kann.  50  Nepos  Hann.  5  Cic.  Tusc.  I  89. 

5)  Liv.  XXXI  49. 


§  5.     Die  Mark  Venusia.  829 

Empörung  mitmachte  und  89  von  den  römischen  Waffen  bezwungen 
werden  mufste.  i)  Nunmehr  wurde  es  Municipium  in  der  Tribus 
Horatia.'^)  Die  Gröfse  und  Blüte  der  Stadt  veranlafste  ihre  Ein- 
ziehung durch  die  Triumvirn,  Augustus  führt  sie  unter  seinen  Co- 
lonien  auf.3)  Die  Kämpfe  der  Stämme  in  alten  Zeiten  verblafsten 
in  der  Erinnerung  vor  den  Umwälzungen  die  der  Bundesgenossen- 
krieg und  die  Revolution  verhängt  hatten.  Fortan  rechnete  man 
Venusia  zu  Apulien:  im  gewöhnlichen  Leben  wie  in  der  kaiserlichen 
Verwaltung.*)     Erst  die  Neuzeit  hat  es  davon  abgetrennt. 

Auf  der  Aufidusbrücke  (S.  820)  geht  die  Via  Appia  vom  hir- 
pinischen  auf  veousiner  Gebiet  über,  steigt  etwa  300  m  um  die 
Höhen  zu  gewinnen  die  das  apulische  Küstenland  abschUefsen  (S.  827), 
erreicht  nach  manchem  Auf-  und  Abstieg  19  Millien  von  der  Brücke 
die  Stadt.  Diese  nimmt  einen  länglichen  Rücken  (410  m)  des  ge- 
dachten Zuges  ein  und  ist  nach  Norden  geneigt.  Eine  etwa  100  m 
eingeschnittene  Fiumara  die  dem  Aufidus  zueilt,  erschwert  die  An- 
näherung von  der  Nordseite  &) ;  auch  die  Langseiten  sind  durch 
Thaleinschnitte  ausreichend  gedeckt,  die  eigentliche  Angriffsfront  ist 
nach  Süden  dem  Gebirge  zugewandt.  Der  Platz  ist  ausersehen  um 
den  Verkehr  des  Hochlands  mit  der  Küste  zu  vermitteln  und  eine 
weitgreifende  Herrschaft  auszuüben.  Bereits  in  der  samnitischen 
Periode  war  er  stark  bevölkert. 6)  Der  Umfang  der  Mauer  ist  nicht 
bekannt,  mag  aber  3 — 4  km  betragen  haben.  Wenn  ein  Ortskundiger 
die  vorhandenen  Ruinen  antiker  Gebäude  einen  Kreis  von  16  km 
ausfüllen  läfst,  so  kann  dies  höchstens  vom  gesamten  Weichbild 
in  der  Kaiserzeit  seine  Richtigkeit  haben. ^)  Es  versteht  sich  von 
selbst  dafs  die  291  verpflanzte  Menschenmasse  nicht  in  der  Stadt 
wohnte,  sondern  über  den  ihr  angewiesenen  Bezirk  von  29  d.  DM. 
verstreut  wurde.     Daraus   erklärt  sich   eine  Besonderheit   der  Ver- 


1)  Diod.  XXXVII  2,  10  Appian  b.  civ.  I  39.  42.  52  vgl.  Gell.  N.  A.  X  3,  5. 

2)  CIL.  IX  p.  44. 

3)  Appian  b.  civ,  IV  3  Hör.  Ep.  II  2,  50  Plin.  III  104  (105)  CIL.  IX  449.  472. 

4)  Hör.  Od.  m  4,  9.  16,  26  Sat.  I  5,  77  Diod.  XXXVH  2,  10  Plin.  III  104.  105 
Ptol.  III  1,64  Feldm.  210.  261  Paul.  h.  Lang.  II  21.  Dem  entsprechend  wird 
Diomedes  wie  im  übrigen  Apulien  zum  Stadtgründer  gemacht  Serv.  V.  Aen. 
XI  246. 

5)  Dafs  der  Bach  nach  Hör.  Od.  HI  30,  11  Daunus  geheifsen  habe,  ist 
möglich  aber  unsicher  vgl.  Od.  IV  14,  26, 

6)  Dion.  H,  XVI  17. 

7)  Cimaglia,  Antiquitates  Venusinae,  Neap.  1757.  4. 


830  Kapitel  Xlll.     Samnium. 

fassung:  die  latinische  Colonie  halte  Volkstribunen,  einen  Magistrat 
der  von  Hause  aus  zum  Schulze  der  Bauern  bestimmt  war.i)  Auf 
die  Wichtigkeit  die  Venusia  für  die  kriegerische  Unterwerfung  SUd- 
italiens  gehabt  hat,  wurde  oben  hingewiesen.  Seine  Stellung  im 
Verkehrsleben  wird  für  die  Epoche  der  Unabhängigkeit  durch  zahl- 
reiche Kupfermünzen  erläutert. 2)  Zur  vollen  Entfaltung  gelangte 
die  Blüle  der  Stadt  mit  der  Sicherung  des  Landfriedens.  Zwischen 
Benevent  und  Tarent  in  der  Mille  gelegen,  von  beiden  Punclen 
annähernd  80  Milhen  entfernt,  wurde  sie  durch  die  Via  Appia  be- 
lebt.3)  Ferner  läuft  die  binnenländische  Strafse  von  Aequum  Tu- 
ticum  ein  (S.  816)  um  sich  nach  Potenlia  und  Sicilien  fortzusetzen. 4) 
Von  dem  städtischen  Gewerbe  schweigt  die  Ueberlieferung,  auf  eine 
ausgedehnte  kleinbürgerliche  Bevölkerung  lassen  die  Inschriften 
schliefsen.5)  Damit  steht  der  schwunghafte  Beirieb  des  Fechter- 
handwerks  in  Einklänge);  Reste  eines  Amphitheaters  sind  noch  vor- 
handen. Ein  kaiserlicher  Erlafs  von  398  erwähnt  die  Verbreitung 
der  Juden  in  Apulien  und  Calabrien :  eine  etwa  aus  dem  6.  Jahr- 
hundert stammende  Katakombe  nördlich  von  der  Stadt  bei  der  Fiu- 
mara  bestätigt  das  für  den  vorHegenden  Fall."')  Die  Magistratur  mit 
Duovirn  Aedilen  Quaestoren  Curatoren  ist  auf  ein  ansehnliches  Ge- 
meinwesen zugeschnitten. s)  Von  291  v,  Chr.  wo  der  Name  auf- 
taucht, bis  ins  4.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  wird  seine  Blüte 
hervorgehoben. 9)  Unter  den  Langobarden  ist  sie  verwelkt,  Venusia 
kommt  bei  Paulus  Diaconus  nicht  vor;  das  heutige  Venosa  besitzt 
stattliche  Denkmäler  aus  dem  Mittelalter,  aber  nicht  aus  dem  Alter- 
tum. Von  der  samnitischen  Vergangenheit  sind  keine  Spuren 
übrig. 

Geschichtliche  Erinnerungen  haben  freilich  mit  dem  Ruhm  Ve- 
nusia's  nichts  zu  thun,  die  Welt  nennt  die  Geburtsladt  eines  Dichters. 


1)  CIL.  IX  438. 

2)  Mommsen  Münzwesen  243  fg. 

3)  Cic.   ad  AU.  V  5,  1    XVI  5,  3   ad  Farn.  XIV  20  It.   Ant.  121   Tab.   Peut. 
Geogr.  Rav.  IV  35  Strab.  VI  283  Gell.  N.  A.  X  3,  5. 

4)  It.  Ant.  104.  113. 

5)  Aerzte  CIL.  IX  467.  470.  6213. 

6)  CIL.  IX  465.  66.  86. 

7)  Cod.  Theod.  XII  1,  158  CIL.  IX  p.  660. 

8)  CIL.  IX  p.  45. 

9)  Dion.  H.  XVI  17  Appian  b.  civ.  IV  3  Strab.  V  250  VI  254  CIL.  IX  430 
splendida  civitat  Fenusinorum. 


§  5.     Die  Mark  Vennsia.  831 

Horaz  der  Vater  gehörte  jenem  Stand  kleiner  Geschäftsleute  an  der 
vorhin  erwähnt  wurde. i)  Der  Sohn  ist  in  zarter  Kindheit  hinaus- 
geschickt worden  und  hat  die  Heimat  nur  vorübergehend  wieder 
gesehen.  Aber  in  der  Fremde  bleibt  er  ihr  mit  unwandelbarer 
Treue  zugethan  und  flicht  die  Eindrücke  die  seine  jungen  Sinne 
empfangen  hatten,  den  stolzesten  Schöpfungen  seiner  Muse  ein.  Zu 
einem  geschlossenen  Bilde  lassen  sich  die  einzelnen  Züge  nicht  ver- 
einigen, die  Lage  des  väterlichen  Landguts  ist  unbestimmbar. 2j  Von 
den  3  bei  Horaz  erwähnten  Nachbarstädten  fallen  Aceruntia  und 
Bantia  aufserhalb  dieser  Region  nach  Lucanien  (Kap.  XV  2).  Somit 
bleibt  für  den  jetzigen  Rahmen  das  15  km  Süd  von  Venosa  ent- 
fernte Forentum  Forenza  übrig.  Es  liegt  6  km  von  der  lucanischen 
Grenze  762  m  ü.  M. ;  das  arvum  pingue  humüt's  Forenti  von  dem 
Horaz  spricht,  pafst  zu  den  Höhenlinien  der  Gegend  nicht. ^j  Die 
Annahme  dafs  die  Bewohner  während  des  Landfriedens  300  m  unter- 
halb der  alten  Festung  und  4  km  näher  an  Venosa  auf  den  Feldern 
von  S.  Martino  sich  angebaut  hatten,  klingt  wahrscheinlich.  Als 
das  Faustrecht  sodann  Geltung  erlangte,  suchten  sie  den  Schutz  der 
frUhereri  Wohnstätte  wieder  auf.  Forenza  ist  unter  der  festen  Stadt 
Forentum  zu  versteheu  die  von  den  Römern  317  v.  Chr.  erstürmt 
ward;  dem  späteren  Sprachgebrauch  gemäfs  theilen  die  Annalen  sie 
Apulien  zu  und  lassen  sie  an  Lucanien  stofsen.^j  unter  Augustus 
hatte  sie  Selbstverwaltung^):  im  Hinblick  auf  die  hohe  Zahl  der 
Colonisten  (S.  828)  möchte  man  vermuten  dafs  sie  ehedem  in  Venusia 


1)  Ilor.  Sat.  I  6,  6.  45.  S6  Ep.  1  20,  20  Suet.  rel.  p.  44  ReifF. 

2)  Der  fons  Bandusiae  Od.  111  13  wird  von  den  Scholien  nach  der  Sabina 
verlegt,  wie  auch  Ep.  1  16,  12  fordert  (S.  616).  Anderseits  hat  Chaupy,  Maison 
d'  Hör.  lil  364.  53S  fg.  nachgewiesen  dafs  ein  Quell  bei  Venusia  in  einer 
Bulle  von  1103  so  heifst.  Der  durch  die  Ode  verherrlichte  und  nicht  aus. 
drücklich  der  Sabina  zugeschriebene  Name  wird  von  einem  patriotischen  Ve- 
nusiner  hierhin  übertragen  sein,  wie  ähnlich  mit  Pausilypon  Jcademia  Tempe 
usw.  geschehen  ist.  Die  Oertlichkeit  der  Quelle  11  km  S  von  Venosa  pafst 
nicht  auf  das  väterliche  Landgut,  das  andere  Verse  am  Vultur  (Od.  III  4,  9) 
und  in  der  Nähe  des  Aufidus  (Od.  IV  9,  2)  zu  suchen  gebieten.  Daher  ist  es 
nicht  wahrscheinlich  dafs  der  Dichter  den  Namen  aus  der  allen  Heimat  für 
die  neue  entlehnt  habe,  ebenso\»enig  dafs  er  hier  wie  dort  ursprünglich  ge- 
wesen sei. 

3)  Hör.  Od.  III  4,  16  dazu  Porphyrio  der  Ferente  oppidum  nach  Lucanien 
in  ein  Thai  verlegt. 

4)  Liv.  IX  20  Diod.  XIX  65  <pEQ£VTr,  CIL.  IX  p.  43. 

5)  Plin.  111  105. 


832  Kapitel  XIII.     Samnium. 

eingemeindet  war  und  etwa  in  den  Wirren  des  letzten  Jahrhunderts 
losgetrennt  ward.  Der  Abfall  der  Colonie  89  v.  Chr.  mag  auch 
weitere  Verluste  bewirkt  haben  und  die  eine  oder  andere  der  in 
der  Censusliste  aufgeführten  unbekannten  Gemeinden  innerhalb  der 
alten  Mark  der  Venusiner  versteckt  sein.  Für  die  Einzelforschung 
bleibt  in  dem  behandelten  Gebiet  viel  zu  thun  übrig.^) 


1)  CIL.  IX  p.  61  erwähnt  das  Vorhandensein  unbekannter  Inschriften. 


KAPITEL  XIV. 

Apulien. 

Wie  das  Poland  den  Uebergang  von  der  Culturwelt  des  Südens 
nach  Mitteleuropa  einleitet,  kann  das  letzte  Drittel  der  Halbinsel 
als  Bindeglied  zwischen  Rom  und  Hellas  betrachtet  werden.  Jenseit 
des  lucanisch-samnitischen  Grenzgebirges  rückt  der  Appennin  an 
das  tyrrhenische  Meer  heran  und  entsendet  seine  Flüsse  in  den  Busen 
von  Tarent  (I  239).  Die  Natur  erleichterte  die  Einwanderung  über 
See  von  Osten  her:  in  einer  Zeit  die  älter  ist  als  unsere  Ueber- 
lieferung,  haben  halbhellenische  Stämme  die  ihnen  zugewandten 
Ebenen  und  Hügel  in  Besitz  genommen;  seit  dem  Ausgang  des 
8.  Jahrhunderts  wurden  die  Küsten  der  gebirgigen  Westhälfte  von 
Ansiedlungen  hellenischer  Cullurstaaten  erfüllt.  Auf  einem  Raum 
von  rund  1000  d.  Quadratmeilen  vollzieht  sich  eine  Entwicklung  der 
es  an  buntem  Wechsel  nicht  gebricht:  Fremde  und  Eingeborene 
Stadt  und  Land,  Königtum  und  Freistaat,  Stadt  und  Stadt,  die  viel- 
seitigsten Gegensätze  ringen  mit  einander;  auch  greifen  auswärtige 
Mächte  von  Sicilien  und  Griechenland  her  in  diese  Kämpfe  ein.  Im 
Lauf  des  4.  Jahrhunderts  bringt  die  oskische  Nation  nahezu  den 
ganzen  Westen  in  ihre  Gewalt  und  richtet  ihre  Angriffe  gegen  den 
Osten  der  unter  dem  Einflufs  Tarents  steht.  Dann  fällt  die  nor- 
dische Grofsmacht  den  Samniten  in  den  Rücken,  aber  übernimmt 
zugleich  mit  den  fortschreitenden  Erfolgen  ihrer  Waffen  die  Rolle 
der  bisherigen  Dränger.  In  dem  Bündnifs  das  Rom  306  mit  Karthago 
schliefst,  bezeichnet  es  Italien  d.  h.  den  hellenischen  Süden  als  das 
ihm  zukommende  Machtgebiet  (I  66).  Um  solchen  Anspruch  zu 
erhärten  hat  es  die  schweren  Kriege  geführt  die  den  Namen  des 
Pyrrhos  und  Hannibal  tragen.  Man  begreift  dafs  die  Gegenden  die 
den  Preis,  auch  den  Schauplatz  des  Kampfes  abgegeben  haben.  Als 
der  Friede  endhch  einzog,  ist  er  aufser  Stande  gewesen  die  ihnen 
geschlagenen  Wunden  zu  heilen.    Die  Blüte  dieser  Landschaften  fällt 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.     II.  53 


834  Kapitel  XiV.    Apulien. 

aus  dem  Bereich  unserer  Darstellung  heraus,  für  die  Römerzeit  genügt 
ein  geringer  Raum  im  Verhällnifs  zur  Ausdehnung  der  behandelten 
Fläche.  In  seiner  allgemeinen  Erdbeschreibung  hat  Strabo  den 
Stoff  derart  gegliedert  dafs  das  fünfte  Buch  Norden  und  Mitte  als 
das  römische  Italien  umfafst,  das  sechste  Buch  Lucanien  Bruttium 
Sicilien  Apulien  als  das  griechische  Italien  umfafst.  Ein  anderer 
Weg  ist  gewiesen  für  den  Versuch  die  Geschichte  Roms  zu  erläutern. 
Im  Anschlufs  an  den  Bau  des  Landes,  seine  Besiedlung  und 
Geschichte  hat  Augustus  das  griechische  Italien  in  zwei  Regionen 
getheilt  und  ist  nur  darin  von  den  natürlichen  Verhältnissen  ab- 
gewichen ,  dafs  er  der  kleinereu  das  südliche  Samnium  anfügte. 
Nachdem  letzteres  dem  gebührenden  Zusammenhang  zurück  gegeben 
worden  ist,  bleiben  von  der  zweiten  Region  die  drei  apulischen 
Provinzen  Capitanata  (Foggia)  Terra  di  Bari  (Bari)  Terra  d'  Otranto 
(Lecce)  übrig  die  in  diesem  Abschnitt  beschrieben  werden  sollen. 
Das  Annuario  statistico  berechnet  den  Flächeninhalt  zu  19110  Dkm, 
die  frühere  amtliche  Angabe  22115  Dkm  war  viel  zu  hoch  gegriffen. 
Vom  Garganus  abgesehen  der  eine  Gebirgsinsel  darstellt  uud  im 
M.  Calvo  bis  1056  m  ansteigt,  mifst  der  höchste  Gipfel  des  Höhen- 
zugs der  parallel  mit  der  Küste  streicht,  Torre  Disperata  686  m; 
durchweg  sind  die  Hügel  der  Murgie  oder  Serre  weit  niedriger  und 
nehmen  südwärts  beständig  an  Erhebung  ab  (I  243).  Ohne  äufseren 
Zusammenhang  mit  dem  Appennin  gehört  doch  der  Kern  des  Höhen- 
zugs sowol  als  der  Garganus  der  nämlichen  Secundärformation  wie 
jener  an.  Aber  im  Grofsen  und  Ganzen  ist  die  Landschaft  erst  in 
der  jüngeren  Tertiärzeit  entstanden.  Von  Zeugen  der  Vergangen- 
heit hat  sie  vorzugsweise  Gräber  aufzuweisen :  da  die  widerstands- 
fähigen Gesteine  des  Appennin  fehlen,  sind  ihre  Mauern  und  Bauten 
früh  zu  Grunde  gegangen.  Vor  Allem  erklärt  sich  aus  der  Durch- 
lässigkeit des  Kreidebodens  die  dem  Osten  eigentümliche  Dürre  (1337); 
denn  die  Wirkung  der  Niederschläge,  die  ohnehin  viel  spärlicher 
fallen  als  an  der  appenninischen  Seite,  wird  hierdurch  stark  beein- 
trächtigt. Vom  Cap  Leuca  bis  zum  Aufidus  auf  einer  Küstenlänge 
von  300  km  giebt  es  keinen  ständigen  Wasserlauf,  nur  das  nörd- 
liche Drittel  wird  vom  Vorrat  des  Appennin  gespeist.  Ohne  Zweifel 
ist  der  Mangel  durch  die  zunehmende  Entwaldung  vergröfsert 
worden:  doch  gilt  schon  den  Alten  Wasserarmut  als  besonderes 
Merkmal  Apuliens.  Man  kann  es  nicht  zu  den  gesegnetsten  Theilen 
Italiens  rechnen.     Immerhin  war  die  Ebene  im  Norden  als  Weide- 


§  1.    Die  Ebene.  835 

und  Kornland  ein  begehrenswerter  Besitz;  während  der  breite  Hügel- 
rücken südlich  vom  AuQdus  mageren  Boden  und  dünne  Bevölkerung 
aufweist,  zeichnet  sich  ein  Küstenstrich  von  lOü  km  Länge  und 
15  km  Breite  durch  Fruchtbarkeit  aus;  auch  der  Halbinsel  sind  an 
Oel  Wein  und  Garten  fruchten  reiche  Erträge  abgewonnen  worden. 
Was  in  Betreff  der  Einwanderung,  der  Sprache  und  Abstammung, 
der  Verfassung  und  Cultur  der  Bewohner,  ihren  Kämpfen  mit  Hellenen 
und  Samniten  zu  sagen  ist,  ward  früher  (I  539 — 46)  zusammen 
gefafst.  Die  von  der  Natur  gegebene  Drittelung  des  Landes  ist  in 
den  politischen  Einlheilungen  von  Altertum  und  Neuzeit  mehrfach 
zum  Ausdruck  gelangt,  i) 

§  1.     Die  Ebene. 

Zwischen  Fortore  und  Ofanto  zieht  der  Appennin  mit  einer 
Kammhöhe  von  6 — 700  m  und  Gipfeln  von  10—1100  m  mauer- 
artig hin  und  bildet  eine  scharf  ausgesprochene  Grenze.  Nach 
Norden  hat  Augustus  die  zweite  oder  regio  Apulia  et  Calabria"^)  bis 
an  den  Biferno  vorgeschoben,  während  die  heulige  Eintheilung  am 
Forlore  Hall  macht,  was  den  natürlichen  und  geschichtlichen  Ver- 
hältnissen entspricht  (S.  778).  Den  Namen  Apulien  der  am  Fortore 
heimisch  zu  sein  scheint,  dehnten  die  Römer  über  die  ganze  adria- 
tische  Küste  bis  zur  Halbinsel  aus,  während  die  Griechen  die  Ebene 
als  Daunia  von  dem  anstofsenden  Hügelland  unterschieden  (I  541). 
Der  Aufidus  macht  zwischen  beiden  einen  Abschnitt  (I  242),  dient 
auch  gegenwärtig  als  Provinzialgrenze.  Die  Provinz  heifst  jetzt 
nach  der  7  km  südHch  von  Arpi  in  der  Mitte  gelegenen  Hauptstadt 
Foggia,  unter  den  Bourbonen  Capilanata,  entstellt  aus  Karartavög 
welchen  Titel  der  byzantinische  Statthalter  führte.  Die  Gröfse  wurde 
amthch  früher  zu  7648  Dkm  angegeben,  jetzt  auf  6963  Dkm  be- 
schränkt. Seit  dem  Altertum  ist  das  feste  Land  durch  Ausfüllung 
der  Strandseen,  insbesondere  in  dem  ausgedehnten  Lagunengebiet 
das  sich  50  km  lang  vom  Garganus  bis  zur  Mündung  des  Aufidus 
erstreckt,   um  mehrere  d.  Quadratmeilen    erweitert  worden  (I  338). 

1)  Quellen:  Strab.  VI  277—85  Mela  II  65—68  Plin.  III  99—105  Ptol.  IH 
l,  10  —  14.  63,  64.  67.  68.  Kaibel  Inscr.  Gr.  p.  180—83.  CIL.  IX  (Mommsen) 
Eph.  ep.  VIII  p,  3—17  (Ihm).  Corcia,  Storia  delle  Due  Sicilie  III,  Napoii  1847. 
Von  der  Generalstabskarte  1:100  000  gehören  hierher  Bl.  154—57.  163—65. 
174—78.  188—91.  201—4.  213—15.  223. 

2)  So  lautet  die  amtliche  Bezeichnung  CIL.  IX  p.  762  corrector  iuridicus 
Böcking  zu  Not.  Dign,  Occ.  436. 

53* 


836  Kapitel  XIV.    Apulien. 

Man  glaubt  ein  Abbild  des  padanischen  Italien  auf  die  Halbinsel 
übertragen  vor  sich  zu  sehen.  Der  Mafsstab  ist  zwar  sehr  verkürzt, 
die  Ebene  auf  ein  Zwölftel  der  nördlichen  gebracht,  die  Berge 
Samniums  und  die  Wildbäche  die  sie  entsenden,  mit  den  Alpen  und 
ihren  Strumen  zu  vergleichen  künnte  auf  den  ersten  Blick  als  ge- 
schmacklose Spielerei  erscheinen.  Aber  Aehnlichkeiten  sind  vor- 
handen, nirgends  weist  das  Appenninland  eine  so  einförmige  weit- 
räumige Bodengestaltung  auf.  In  einer  früheren  Epoche  der  Erd- 
geschichte trennte  ein  Meerestheil  den  Garganus  vom  Appennin  und 
wurde  dann  langsam  zurückgedrängt  (I  241).  Zuerst  hat  sich  im 
Norden  eine  Nehrung  gebildet  und  die  Insel  landfest  gemacht:  der 
vom  unteren  Fortore  in  einer  Länge  von  20  km  und  einer  mittleren 
Erhebung  von  140  m  zum  Garganus  führende  Rücken  giebt  diese 
älteste  Nehrung  wieder.  Jenseit  ist  durch  die  Schwemmsloffe  des 
Fortore  und  der  vom  Garganus  abstürzenden  Rinnsei  der  Ufenand 
um  8  km  vorgerückt  worden.  Eine  schmale  und  niedrige  (3  m) 
Zunge  schliefst  jetzt  den  25  km  langen  70  Dkm  haltenden  Lago  di 
Lesina  ein.  i)  Dieser  wird  durch  den  M  d'  Elio  (252  m)  von  dem 
75  Dkm  grofsen  trapezförmigen  Lago  di  Varano  geschieden  den 
gleichfalls  eine  Düne  gegen  das  Meer  abgrenzt.  2)  Freilich  haben  die 
landbauenden  Kiäfte  im  Norden  vergleichsweise  wenig  geleistet,  das 
eigentliche  Feld  ihrer  Thätigkeit  erstreckt  sich  in  südösllicher  Richtung 
von  jenem  Höhenzug  der  zuerst  den  Garganus  mit  dem  Appennin 
verknüpfte.  Da  letzterer  vorwiegend  die  Schuttmassen  zur  Erhöhung 
des  Meerbodens  lieferte,  so  gelten  hier  die  nämlichen  Bildungs- 
geselze  die  für  den  Polauf  dargelegt  wurden  (I  177).  Vom  Fufs 
der  Appenninkette  dacht  sich  das  Land  nach  Nordost  ab,  der  tiefsten 
Einsenkung  zu  die  unweit  des  Garganus  hinzieht.  Hier  (liefst  als 
Sammelrinne  die  Bäche  von  Samnium  aufnehmend  der  Candelaro, 
dessen  alten  Namen  wir  nicht  kennen  (I  338).  Er  entspringt  un- 
weit Teanum  auf  dem  Uferrand  des  Fortore  bei  140  m  Meereshöhe 
und  mündet  nach  60  km  Lauf  in  die  Lagune  von  Sipontum.  Mithin 
ist  der  Boden  von    der   ältesten  Nehrung  aus  nach  Südost  geneigt. 


1)  Wahrscheinlich  ist  dies  der  locus  Pantanus  den  Plin.  III  103  neben  der 
Mündung  des  Ferlur  nennt  vgl.  Strab.  VI  285.  Das  Wort,  zuerst  wieder  belegt 
durch  eine  karolingische  Urkunde,  bedeutet  im  Mittellatein  und  Italienischen 
Sumpf  und  entstammt  klärlich  der  Volkssprache. 

2)  Dafs  an  ihm  der  porlus  Gamae  zu  suchen  sei  Plin,  III  103,  ist  möglich, 
aber  unsicher. 


§  1.    Die  Ebene.  837 

Aber  die  Appenninflüsse  durchbrechen  die  Bergkette  unter  2 — 300  m 
Meereshühe:  daher  ist  die  Neigung  in  nordüstUcher  Richtung  der 
Sammelrinne  zu  viel  bedeutender.  Der  Meeresarm  der  in  tausend- 
jähriger Arbeit  ausgefüllt  wurde,  mifst  von  Nord  nach  Süd  rund 
100  km  nnd  wächst  dabei  in  der  Breite  von  20  auf  50  km.  Das 
Ringen  des  Festen  und  Flüssigen  das  die  Gegenwart  beobachtet 
(I  337),  mufs  in  vorgeschichtliche  Zeiten  zurück  verfolgt  werden 
um  das  Relief  der  Landschaft  im  Einzelnen  zu  erklären.  Dem 
Gebirge  gegenüber  ist  es  ein  Tiefland  und  erscheint  als  eine  einzige 
baumlose  Steppe  die  unter  den  Strahlen  der  Sommersonne  verdorrt 
und  von  den  Herbstregen  befruchtet  sich  in  saftiges  Grün  kleidet. 
Aber  die  Steppe  ist  nicht  glatt  wie  eine  Tenne,  sondern  weist  Un- 
gleichheiten der  Erhebung,  Wechsel  zwischen  Sand-  und  Thon- 
lageru,  mageren  und  fetten  Boden  auf:  die  Laune  des  Wassers  hat 
dies  bewirkt. 

Trotz  seiner  Gröfse  und  Abgeschlossenheit  hat  der  Garganus 
früh  die  Selbständigkeit  eingebüfst  und  ist  zu  einem  Anhängsel  des 
Neulands  herabgesunken  von  dem  Niemand  spricht.  Daran  trägt 
sein  Bau  die  Schuld.  Er  hat  annähernd  die  Form  einer  Ellipse 
mit  60  km  Durchmesser  von  West  nach  Ost  30  km  von  Nord  nach 
Süd;  Strabo  rechnet  die  Küste  von  Sipontum  bis  zum  promunturium 
Gargani  Testa  del  Gargano  300  Stadien  53  km.  i)  Die  Gipfel  er- 
reichen im  Westen  und  Süden  1000  m  und  darüber,  nach  Osten 
und  Norden  nimmt  die  Erhebung  ab.  Von  hoher  Warte  über- 
schaute der  Hirte  die  nächtlichen  Waldbrände  durch  die  der  Cala- 
brer  seiner  Heerde  fette  Weiden  bereitete.  2)  Ob  er  selbst  dieses 
im  Süden  üblichen  Mittels  sich  enthalten  habe,  steht  dahin:  jeden- 
falls sind  die  Eichenwälder  des  Garganus  die  unter  der  Wucht  des 
Boreas  ächzten ,  völlig  verschwunden.  3)  Dem  Gebirge  fehlt  es  an 
durchgreifender  Gliederung,  fehlt  ein  beherrschendes  Thal,  ein  ge- 
räumiger Hafen.  Immerhin  hat  dieser  massige  so  weit  in  die 
Wogen  hinein  ragende  Vorsprung  sich  nicht  blos  den  Geographen 
zur  Bestimmung  der  Meeresgrenzen  empfohlen  4),  sondern  auch  die 
Seefahrer  angelockt.  Dafs  in  der  Küstenbeschreibung  des  Skylax 
unter  ^'Aqlov  der  Garganus  zu  verstehen  sei,  ward  schon  bemerkt 


1)  Strab.  VI  284  Plin.  III  103.  111  Lucan  V  380. 

2)  Sil.  lt.  VII  366. 

3)  Horaz  Od.  II  9,  7  Ep.  II  1,  202  Sil.  It.  VIII  629. 

4)  Ptol.  III  1,  1.  14  Dion.  Per.  380. 


838  Kapitel  XIV.    Apulien. 

(I  539  A.  5).  Der  Name  ist  längst  mit  leichter  Aenderung  in  Jqiov 
verbessert  worden.  So  hiefs  nach  Strabo  ein  Hügel  der  auf  der 
Spitze  eine  Orakelstätte  des  Kalchas,  unterhalb  100  Stadien  vom 
Meer  die  Capelle  des  Podalirios  mit  einer  Heilquelle  trug  ').  Seit 
493  hat  der  Erzengel  Michael  Besitz  ergriffen,  auf  steiler  Höhe  (843  m) 
überragt  der  weltberühmte  Wallfahrtsort  Monte  S.  Angelo  die  Lagune 
von  Sipontum.  Der  fromme  Betrieb  hat  sowol  die  Namen  als  die 
Formen  gewechselt:  der  Bach  Althaenus  in  welchem  die  Daunier 
ihre  kranken  Glieder  und  ihr  krankes  Vieh  wuschen,  heifst  jetzt 
Rio  degli  Angeli,  in  der  Kirche  trinkt  der  Pilger  das  heilbringende 
Wasser.  Aber  wie  die  Gläubigen  in  der  Neuzeit  den  Garganus  nach 
der  Gnadenstätte  M.  S.  Angelo  getauft  haben,  so  hiefsen  beide  den 
griechischen  Seefahrern  gleichlautend  Drium  Wald.  —  Der  Bergzug 
an  dem  diese  Bezeichnungen  im  engeren  Sinne  haften,  endigt  in  der 
I'unta  Rossa  (199  m).  Dann  folgt  ein  flacher  Strand  von  2  km 
Länge  und  Breite  mit  einer  offenen  Rhede;  hinter  dem  Strand 
setzt  sich  das  Binnenland  muldenförmig  bis  an  die  Nordküste  fort 
und  erreicht  nur  in  einzelnen  Kuppen  700  m,  während  an  beiden 
Seiten  2 — 300  m  höhere  Bergketten  aufsteigen.  In  dieser  Einsenkung 
hatten  die  Malinates  ex  Gargano  ihren  Sitz  die  in  der  Gemeinde- 
liste des  Auguslus  aufgeführt  werden.  2)  Das  Dorf  Mattinata  (100  m) 
oberhalb  jener  eben  erwähnten  Rhede  bewahrt  ihr  Andenken. 
Archytas  hatte  hier  Schiffbruch  gelitten ,  viel  ßuchsbaum  wuchs  in 
der  Gegend  den  Bienen  zur  Nahrung,  Horaz  braucht  Matina  cacumma 
für  den  ganzen  Garganus.  3)  In  der  That  ist  auf  der  Halbinsel  keine 
zweite  Gemeinde  mit  Selbstverwallung  sicher  nachweisbar.  An  der 
Nordseite  den  Diomedes-  oder  Tremiliinseln  (I  371)  gegenüber  lag 
ein  Städtchen  Urium  Uria  Hyrium*):  mit  der  letzten  Form  über- 
einstimmend tragen  seine  Kupfermünzen  die  griechische  Aufschrift 
YgLarivcov.  ^)  Ferner  wird  der  sinus  Urias  in  Worten  erwähnt 
die  füglich  auf  den  Lage  di  Varano  (S.  836)  passen,  der  im  Alter- 


1)  Strab.  VI  284  Lykophr.  AI.  1047  fg.  m.  Schol. 

2)  Pün.  III  105  überliefert  Melinates,  gewöhnlich  in  Merinates  geändert  was 
irrig  ist  CIL.  IX  p.  66. 

3)  Hör.  Od.  I  28,  3  IV  2,  27  Epod.  16,  28  mit  Schol.  Lucan  IX  185.  Ob  die 
Kupfermünze  mit  der  Aufschrift  Mal  (S.  78)  dieser  Gemeinde  oder  den  Mateo- 
lani  (Plin.  III  105)  zukommt,  ist  nicht  zu  entscheiden,  Dressel  Berliner  Kat.  195. 

4)  Strab.  VI  284  Plin.  III  103  Ptol.  III  1,  14  Dion.  Per.  379. 

5)  Garrucci  109  Dressel  Berliner  Katalog  191. 


§  1.    Die  Ebene.  839 

tum  noch  nicht  gegen  das  Meer  abgeschlossen  war. ')  Damit  ist 
die  Lage  des  Ortes  annähernd  gegeben:  man  setzt  ihn  nach  Rodi 
am  Meer  oder  5  km  landeinwärts  nach  Vico  del  Gargano.'-^)  Jedoch 
bleibt  eine  genaue  Durchforschung  dieser  entrückten  Landschaft 
vorläufig  ein  frommer  Wunsch.  Für  die  Schiffahrt  am  Wichtigsten 
ist  der  Hafen  von  Vieste  an  der  Ostseile,  insofern  er  dem  Küsten- 
fahrer Unterkunft  bietet  um  den  Wechsel  des  Windes  abzuwarten. 
Ob  dies  etwa  der  von  Plinius  erwähnte  portus  Aggasus  sei,  läfst 
sich  um  so  weniger  entscheiden  als  die  Anordnung  der  Namen  bei 
ihm  gestört  ist.  3) 

Das  Tiefland  hiefs  den  Hellenen  Javvla  (I  541)  den  Römern 
vereinzelt  Apulia  Dauniorum.  *)  Es  wird  gegenwärtig  als  Puglia 
piana  von  der  gebirgigen  Puglia  petrosa  unterschieden  oder  als 
Tavohere  di  Puglia  d.  h.  Schachbrett  bezeichnet,  weil  breite  erhöhte 
Flächen  mit  weiten  Mulden  abwechseln  wie  altem  Meeresboden 
eignet.  Das  Klima  ist  heifs^)  —  geerntet  wird  Anfang  .Juni  —  und 
im  Rereich  der  Lagunen  ungesund  (I  337).  Sofern  nicht  aufser- 
gewöhnliche  Dürre  ^)  oder  Heuschrecken  ^)  die  Frucht  vernichten, 
bringt  der  Weizen  gute  Erträge,  wurde  auch  im  Altertum  ausgeführt.  ^) 
Rekannter  jedoch  war  und  ist  die  apulische  Wolle  9),  ehedem  auch 
die  Pferdezucht.  10)  Das  Verhältnifs  von  Korn-  und  Weideland  zu 
einander  hat  stark  geschwankt  und  von  dem  Angebot  auf  dem  Welt- 
markt abgehangen.  Während  früher  eine  MilUon  Schafe  auf  dem 
apulischen  Kronland  graste,  ist  die  Ziffer  jetzt  auf  ein  Drittel  ge- 
sunken. Nach  den  Herbstregen  mit  Einbruch  des  Winters  Ende 
October  rücken  sie  von  den  Rergen  ein,  im  Mai  rücken  sie  wieder 

1)  Mela  II  66.  Das  Miltelstück  der  Nehrung  heifst  Isola,  das  östliche  Stück 
ist  in  den  letzten  Jahrhunderten  angefüllt. 

2)  CIL.  IX  p.  66,  der  letztere  Name  ist  wol  antik  und  schliefst  damit  die 
ohnehin  bedenkliche  Annahme  aus  die  die  Jrini  der  Censusliste  Plin.  III  105 
hierher  ziehen  will. 

3)  Plin.  III  103. 

4)  Plin.  III  103  vgl.  Fest.  69. 

5)  Varro  RR.  I  6,  3  Hör.  Epod.  2,  41. 

6)  Paul.  h.  Lang.  II  21  Apulia  autem  a  perdäione  nominalur;  cilius  enim 
ibi  solis  fervoribus  terrae  virentia  perduntur:  leitet  also  nach  unbekannter 
Quelle  den  Namen  von  anöXlvfii  her. 

7)  Liv.  XLII  10. 

8)  Varro  RR.  I  2.  29.  57  Colum.  III  8  Strab.  VI  284. 

9)  Varro  LL.  IX  39  Colum.  VII  2  Plin.  VllI  190  Martial  XIV  155. 
10)  Pol.  11  24,  11  Liv.  XXIV  20. 


840  Kapitel  XIV.    Apulien.; 

ab.  Zur  Düngung  des  Bodens  für  den  kommenden  Winter  legten 
die  Alten  beim  Abzug  Feuer  an ;  vom  Garganus  oder  Vultur  aus 
erschien  dann  die  Steppe  als  ein  einziges  Flammenmeer,  i)  Es 
gewährt  einen  eigentümlichen  Reiz  diese  Wanderzüge  zu  beobachten. 
Eine  ungeheure  Staubwolke  kündet  sie  von  fern  an,  dicht  geschlossen 
den  Hirten  und  die  Hunde  voran  eilt  Haufe  auf  Haufe  vorüber; 
denn  wie  die  Legion  in  Cohorten,  ist  die  Hauptheerde  in  Einzei- 
heerden gesondert.  2)  Die  Triftwege  von  350  Fufs  Breite  (tratturi 
delle  pecore)  ebenso  wie  die  Rastfelder  wo  die  Heerdeo  auf  dem 
Marsche  grasen  dürfen^  sind  genau  vorgezeichnet.  3)  Im  vorigen 
Kapitel  ist  öfter  von  diesen  Naturstrafsen  die  Rede  gewesen,  unter 
der  Annahme  dafs  ihr  Lauf  sich  seit  dem  Altertum  nicht  wesentlich 
verändert  habe.  Die  Annahme  wird  durch  den  Umstand  empfohlen 
dafs  Anfang  und  Ende  der  Triftwege  die  nämlichen  geblieben  sind; 
aufserdem  aber  liegt  für  den  bei  Termoli  vorbeiführenden  (S.  783) 
ein  Zeugnifs  aus  der  Gothenzeit^),  für  den  vom  Matese  ausgehenden 
ein  Zeugnifs  aus  dem  2.  Jahrhundert  vor  (S.  786).  Die  Wanderung 
erstreckte  sich  im  Altertum  nicht  blos  nach  Samnium,  sondern  bis 
zur  Gruppe  der  Sibilla  oberhalb  Reate  d.  h.  über  einen  Marsch  von 
250  km.  5)  Den  Wechsel  zwischen  Sommer-  und  Winterweide  giebt 
der  Kreislauf  der  Sonne  an  die  Hand.  Wann  der  Wechsel  eine 
solche  Ausdehnung  wie  unter  römischer  Herrschaft  gewonnen  hatte, 
wird  nicht  überliefert:  jedoch  darf  man  vermuten  dafs  er  durch 
den  Aufschwung  der  Industrie  Tarents  einen  starken  Anstofs  em- 
pfangen habe.  Die  Annalisten  lassen  321  apulische  Hirten  auf 
dem  campanisch-samnitischen  Grenzgebirge  weiden,  ß)  Wie  S.  434 
angedeutet,  hat  der  Trieb  zur  Weide  und  deren  Nutzung  zahllose 
Streitigkeiten  die  mit  den  Waffen  geschlichtet  wurden,  unter  den 
Cantonen    hervorrufen    müssen.      Durch    die    Kriege    des    4.    und 


1)  Lucan  IX  182. 

2)  Von  einer  solchen  Begegnung  bemerkt  Westphal  (Justus  Tommasini, 
Spatziergang  usw.  p.  261)  launig  und  zutreffend:  „da  that  ich  nun  in  meinem 
Herzen  dem  verständigen  von  mir  sehr  hochgeschätzten  Ritter  Don  Quixote 
feierliche  Abbitte,  weil  ich  es  früherhin  für  gar  zu  unklug  gehalten  hatte,  dafs 
der  vortreffliche  Mann  Schafheerden  für  Kriegsheere  angesehen  habe;  denn  ich 
war  nahe  daran  gewesen  in  denselben  Irrtum  zu  verfallen". 

3)  CIL  IX  2826  designati  et  stationales  calles. 

4)  CIL  IX  2826. 

5)  Varro  RR.  II  j>raef.  6  II  1,  16  lil  17,  9. 

6)  Liv.  IX  2  die  Deutung  ergiebt  sich  aus  dem  Zusammenhang. 


§  l.     Die  Ebene.  841 

3.  Jahrhunderts  gelangte  ein  grofser  Theil  der  apulischen  Ebene  in 
den  Besitz  des  rumischen  Staats^);  für  jedes  Stück  Vieh  wurde 
Weidegeld  an  den  Steuerpächter,  späterhin  den  kaiserlichen  Procurator 
gezahlt. 2)  Die  Hirten  waren  unfrei.  3)  „Ehemals,  sagt  Strabo*), 
blühte  dieses  ganze  Land,  Hannibal  aber  und  die  späteren  Kriege 
haben  es  verödet."  Die  Zustände  die  sich  nach  dem  hannibalischen 
Kriege  entwickelt  hatten,  werden  durch  eine  Angabe  der  Chronik 
grell  beleuchtet  5) :  „eine  grofse  Sklavenbewegung  fand  dieses  Jahr 
(185  V.  Chr.)  in  Apulien  statt.  Den  Amtsbezirk  Tarent  halte  der 
Praetor  L.  Postumiiis  inne.  Er  stellte  über  die  Verschwörung  der 
Hirten  welche  die  Landstrafsen  und  Staatsweiden  durch  ihre  Räu- 
bereien unsicher  gemacht  hatten,  eine  strenge  Untersuchung  an. 
Er  verurlheilte  gegen  7000  Menschen;  viele  davon  flohen,  viele 
wurden  hingerichtet".  Auch  in  ruhigen  Zeiten  blieben  Streitig- 
keiten zwischen  den  Anliegern  und  durchziehenden  Hirten  an  der 
Tagesordnung.  6)  Kaiserliche  Erlasse  von  364  und  399  verbieten  die 
Hirten  beritten  zu  machen  aus  Furcht  vor  ihrer  Raublust. ')  Vom 
Mittelalter  bis  zur  Gegenwart  herab  soweit  die  Geschichte  des  Ta- 
voliere  genauer  zu  verfolgen  ist,  hat  der  Grofsbetrieb  der  Weide- 
wirtschaft mit  dem  fiscalischen  Druck  und  den  Eingriffen  in  die 
Rechte  der  Grundbesitzer,  denen  z.  B.  Baumzucht  auf  ihren  Aeckern 
untersagt  war,  gleich  einem  Bleigewicht  auf  Apulien  gelastet  und 
jede  höhere  Regung  erstickt.  W^enn  man  so  will,  beruhte  das 
Verhängnifs  der  Landschaft  auf  einem  Naturgesetz ;  durch  die  Römer 
ist  es  in  die  Erscheinung  getreten.  Gegen  das  fremde  Joch  sind 
die  apulischen  Städte  wiederholt,  zum  letzten  Mal  90  v.  Chr.  auf- 
gestanden. S)  In  der  Friedenszeit  fallen  sie  der  Vergessenheit  an- 
heim  und  bieten  keinen  Stoff  zu  längerem  Verweilen.  9) 

Wo  der  frentanische  Triftweg  den  Fortore  kreuzt,  18  Millien 
von  Larinum  (S.  784  A.  2)  8  vom  Meer  lag  die  in  älterer  Zeit 
Teate,   in   jüngerer  Teanum  Apulum   (vereinzelt  Teanum  Apulorum) 

1)  Liv.  XXXIX  29  pascua  publica. 

2)  Varro  RR.  II  1,  16  CIL  IX  2438. 

3)  Liv.  XXXIX  29  Sueton  Gaes.  42  CIL.  IX  947. 

4)  Strab.  VI  285. 

5)  Liv.  XXXIX  29. 

6)  Gic.  pro  Gluent.  161  CIL.  IX  2335.  2438.  2826. 

7)  Cod.  Theod.  IX  30,  2.  5. 

8)  Appian  b.  civ.  I  39.  42.  52. 

9)  Seneca  Ep.  87,  7  deserta  Apuliae  vgL  Juvenal  4,  27. 


842  Kapitel  XIV.    Apulien. 

benannte  Grenzstadt.')  Nach  der  oskischen  Aufschrift  ihrer  Münzen 
zu  schHefsen  gehörte  sie  im  4.  Jahrhundert  v.  Chr.  den  Samniten 
(I  528.  41).  318  ergab  sie  sich  den  Romern  und  galt  damals  als 
das  Haupt  von  Apuhen.2)  In  der  That  steht  sie  unter  den  Münz- 
stätten des  Landes  obenan,  hat  auch  die  Didrachmen  von  Tarent 
nachgepiägt.3)  Diese  Blüte  wurde  durch  den  hannibalischen  Krieg 
geknickt.  In  der  Folge  war  Teanum  Municipium  und  vielleicht  der 
Tribus  Cornelia  zugewiesen.  *)  Später  Sitz  eines  Bischofs  verödete 
es  während  des  Mittelalters.  Die  Reste  der  Kirche  (Pezza  della 
Chiesa)  5  km  von  S.  Paolo  di  Civitate  zeigen  den  Platz  an,  den  die 
Stadt  auf  dem  Uferrand  (etwa  180  m)  oberhalb  der  alten  Brücke 
über  den  Fortore  (Ponte  di  Civitate)  einnahm.  Sie  beherrschte  den 
Uebergang  und  mufs  strategische  Bedeutung  gehabt  haben.  ^)  Die 
Strafse  lief  von  hier  über  das  unbekannte  Ergitmm  nach  dem 
43  Millien  entfernten  Hafen  von  Sipontum.  ^)  —  Wie  Teanum  heifst 
auch  die  20  km  südlich  gelegene  Stadt  öfters  auf  Inschriften  wie 
bei  Schriftstellern  Luceria  Apula. '')  Im  ersten  Fall  kann  das  Bei- 
wort zur  Unterscheidung  von  dem  sidicinischen  Teanum  gesetzt  sein, 
im  zweiten  Fall  ist  solche  Erklärung  ausgeschlossen ,  weil  es  kein 
anderes  Luceria  gab.  Eher  konnte  der  Zusatz  die  Hauptstadt  des 
römischen  Apulien  kennzeichnen  sollen.  Indessen  haben  bezeugter 
Mafsen  die  Apuler  westlich  vom  Garganus,  nördlich  von  den  Dauniern 
gewohnt  8)  und  so  wird  am  Wahrscheinlichsten  das  Fortwirken  ein- 
heimischer Ueberlieferung  in  jenem  Beinamen  erblickt  werden  dürfen. 
Der  Minervatempel  in  Luceria  besafs  unter  anderen  Weibgeschenken 


1)  Bronzemünzen  in  oskischer  Schrift  (vor  300)  Tiialmm  ==  Teatium, 
Silber-  u  Bronzemünzen  (nach  300)  in  lateinischer  oder  griechischer  Schrift 
Tiati,  desgleichen  Liv.  IX  20,  7  Feldm.  210  Theatinus  (A)  261  Teate.  Die 
jüngere  Form  Cic.  pro  Cluent.  27.  197  ad  Alt.  VII  12,  2  Liv  IX  20,  4  Mela  II  65 
Plin.  III  103  Strab.  VI  285  Ptol.  11!  1,  63  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  V  1.  Im 
4.  Jahrhundert  civitas  Theanensis  CIL.  IX  703. 

2)  Liv.  IX  20. 

3)  Dressel  Berl.  Katalog  204. 

4)  CIL.  IX  p.  67. 

5)  Cic.  ad  Att.  VII  12,  2. 

6)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  V  1. 

7)  Ptol.  III  1,  63  AovicEQia  ^AnovXöüv  (verschrieben  Novxsoia)  Tab.  Peut. 
(verschrieben  A'mc.  Ap.)  Geogr.  Rav.  IV  35  Luceria  Apuliae  Aur.  V.  v.  ill,  30  L. 
Apula  CIL.  IX  p.  74;  Aovxaoia  Pol.  lil  88,  5  100,  1.  3  bestätigt  durch  Steph.  Byz, 

8)  Strab.  VI  283.  85  PUn.  III  104. 


§  1.    Die  Ebene.  843 

die  Diomedes  gestiftet,  auch  das  trojanische  Palladium,  i)  Das  war 
frommer  Betrug:  aber  sicherlich  ist  eiu  so  hervorragender  Platz  der 
an  mihtärischer  Wichtigkeit  in  der  ganzen  Landschaft  seines  Gleichen 
nicht  findet,  früh  besiedelt  und  oft  umstritten  worden.  Zwischen 
zwei  Bächen  Salsola  und  Volgane  die  vereint  in  den  Candelaro 
münden,  zieht  sich  eine  lang  gestreckte  Hochfläche  hin  deren  höchste 
Erhebung  die  Stadt  trägt.  Der  Stadtboden  fällt  im  Norden  und 
Westen  etwa  100  m  steil  zur  Salsola  ab,  sinkt  dagegen  nach  Süden 
und  Osten  ganz  allmälich.  Das  heutige  Lucera  hat  aufser  In- 
schriften keine  antiken  üeberreste  aufzuweisen;  ein  Amphitheater 
oestlich  aufserhalb  ist  kaum  kenntlich.  Noch  unter  den  Lango- 
barden blühend  wurde  die  Stadt  663  von  Kaiser  Constans  IL  von 
Grund  aus  zerstört.'-^)  Sie  verdankt  ihre  Auferstehung  dem  Hohen- 
staufen  Friedrich  IL,  der  eine  Colonie  von  Saracenen  ansiedelte  und 
damit  einen  Eckpfeiler  seiner  Macht  in  Apulien  schuf.  Das  Werk 
des  Mittelalters  macht  uns  eine  anderthalb  Jahrlausend  weiter  ent- 
rückte Vergangenheit  lebendig.  Oberhalb  auf  einem  nach  Westen 
gerichteten  Vorsprung  (251  m)  liegt  das  Kastell,  die  alte  Arx.  Von 
hier  umspannt  der  Blick  den  langen  Bergwall  der  Samnium  be- 
grenzt, erfafst  im  äufsersten  Süden  den  Vultur,  umspannt  das  weite 
vom  Garganus  und  vom  Meer  eingerahmte  Flachland.  Die  Festung 
beherrscht  das  Flachland  und  schützt  es  gegen  Angriffe  vom  Gebirg 
denen  sie  trotzig  die  Stirn  bietet.  In  ihrem  Bereich  münden 
nordlich  und  südlich  Triftvvege  aus,  sie  war  mit  Arpi  und  Aecae 
(9  bezw.  12  MiUien)  verbunden.  3)  Luceria  stand  321  v.  Chr.  auf 
römischer  Seite,  wurde  im  caudinischen  Frieden  den  Samniten  aus- 
geliefert, nach  dem  Wiederausbruch  der  Feindsehgkeiten  zurück 
erobert,  hierauf  315  oder  314  mit  einer  lalinischen  Colonie  von 
2500  Mann  belegt.  4)  „Aus  Furcht  ihren  Einflufs  in  Apulien  vöUig 
einzubüfsen,  schreibt  ein  kundiger  Gewährsmann  5),  entsandten  die 
Römer  eine  Colonie  nach  Luceria  einer  sehr  ausgezeichneten  Stadt 
in  dortiger  Gegend:  von  ihr  aus  führten  sie  den  Kampf  gegen  die 
Samniten    und   haben    nicht  schlecht  für  die  eigene  Sicherheit  ge- 


1)  Strab.  VI  264.  84  vgl.  (Arist.)  de  mir.  ausc.  109. 

2)  Paul.  h.  Lang.  II  21  V  7. 

3)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  35. 

4)  Liv.  IX  2.  12.  13.  15.  26,  die  Colonie  wird  von  Livius  314,   von  Diodor 
XIX  72.  315,  von  Velleius  I  14  323  angesetzt. 

5)  Diodor  XIX  72  vielleicht  nach  Posidonios. 


844  Kapitel  XIV.    Apulien. 

sorgt.  Denn  dieser  Stadt  verdankten  sie  nicht  allein  die  Oberhand 
im  zweiten  samnilischen  Krieg,  auch  in  den  folgenden  Kriegen  bis 
auf  die  Gegenwart  herab  bedienten  sie  sich  ihrer  als  Stützpunct  gegen 
die  benachbarten  Stämme."  Dies  wird  ausdrücklich  für  den  Feld- 
zug 294  ^),  für  die  Dauer  des  Kampfes  gegen  nannibal2),  endlich 
für  den  Bürgerkrieg  49  bestätigt.  '^)  Im  Frieden  war  Luceria  ein 
Sitz  des  Wollhandels  4)  und  unterhielt  während  seiner  Unabhängig- 
keit eine  reichhaltige  Kupferprägung.  ^)  Der  hervorgehobenen  Be- 
deutung entspricht  es  dafs  die  Stadt  zu  den  Colonien  des  Augustus 
gehört.  *»)     Sie  war  in  die  claudische  Tribus  eingetragen. ") 

Von  Luceria  12  Millien  südlich  lag  Aecae  bei  dem  heutigen 
Troja  in  hoher  (439  m)  und  fester  Lage,  als  erste  apulische  Stadt 
die  von  der  Via  Traiana  berührt  wurde  (S.  817).^)  Sie  wird  217 
erwähnt  als  Fabius  hier  sein  Lager  gegen  Hannibal  aufschlug,  fiel 
zu  letzterem  nach  der  Schlacht  bei  Cannae  ab,  ward  aber  schon 
214  von  den  Römern  zurück  gewonnen.  9)  Ohne  nähere  Kunde 
bleiben  wir  von  dem  Municipium  das  bis  zum  Ausgang  des  Alter- 
tums fortbestanden  hatJOj  —  Die  Strafse  die  von  Aeclanum  über 
Ariano  durch  das  Thal  des  Cerbalus  nach  Apulien  führte,  ist  S.  818 
beschrieben  worden.  Sie  wird  am  Ausgang  des  Passes  überragt 
von  Vibinum,  das  am  rechten  Flufsufer  3 — 400  m  über  der  Thal- 
sühle,  647  m  hoch  liegt.  In  dieser  Gegend  wählte  Hannibal  217 
seinen  Standort  zur  Verwüstung  der  Ebene,  rückte  auch  nachher 
durch   den  Pafs  nach  Samnium  und  Campanien  ab.n)     Das  Muni- 


1)  Liv.  X  35.  36. 

2)  Pol.  lil  88,  5.  100,  1.  3  Liv.  XXII  9  XXIII  33.  37  XXVII  10  XXIV  3. 
14.  20. 

3)  Cic.  ad  Fam.  XV  15,  4  ad  Alt.  VII  12,  2.  20,  1  VIII  1.  2,  3.  3,  5.  16,  2 
Caes.  b.  civ.  I  24  Lucan  11  473  Appian  b.  civ.  II  38  Oros.  VI  15,  1. 

4)  Horaz  Od.  III  15,  14  Cic.  pro  Ciuent.  197  CIL.  IX  826. 

5)  Dressel  BerL  Kat.  26.  192. 

6)  Piin.  III  104  Feldm.  210.  261,  die  Inschriften  nennen  die  Oberbeamten 
Quattuorvirn  und  erwähnen  die  Colonie  erst  im  3.  Jahrhundert  n.  Chr.,  so  dafs 
der  Rang  zeitweise  aberkannt  gewesen  zu  sein  scheint. 

7)  CIL.  IX  p.  74.  Die  Reisekarte  zeichnet  bei  Luceria  ein  grofses  Gebäude 
mit  der  Beischrift  Pretorium  Lavcriaimm :  was  das  bedeuten  soll,  ist  unklar. 

8)  It.  Ant.  116  Hier.  610  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  35  Guido  47.  51. 

9)  Pol.  111  88,  9  Liv.  XXIV  20. 

10)  Plin.  III  105  Feldm.  210,  8  CIL.  IX  p.  85  Meiste  zu  Cluver  It.  ant.  1202,  40. 

11)  Pol.  III  88,  6  Olßoüviov. 


§  1.    Die  Ebene.  846 

cipium  halte  Duovirn  an  der  Spitze ');  der  Name  lautete  im  Mittel- 
alter Divinum  oder  Bibinum,  jetzt  Bovino.  2)  —  Die  Via  Traiana 
erreichte  22  Millien  von  Aecae  Ausculum  wo  eine  von  Aeclanum 
kommende  Fahrstrafse  einmündete  (S.  819).  Die  dem  4.  und  3.  Jahr- 
hundert angehörigen  Bronzemünzen  geben  in  griechischen  Lettern 
die  oskische  Form  Auhuscl  Auhuscli  Auscia  Ausclin.^)  Der  Diphthong 
der  Anfangsilbe  findet  sich  auf  Inschriften  und  bei  Schriftstellern  ^), 
wird  auch  wol  in  o  verdumpft  ^),  aber  meistens  in  den  Handschriften 
durch  a  wiedergegeben  "^axXov  Asculum.  Dies  ist  das  Städtchen 
dessen  Name  wegen  der  Kürze  der  zweiten  Silbe  nicht  in  den 
Vers  ging  (S.  819),  wo  das  Wasser  knapp  aber  vorzügliches  Weizen- 
brot feil  war.  6)  Es  liegt  auf  einem  Hügel  (410  m)  am  rechten  Ufer 
des  Carapella,  diesen  um  fast  300  m  überragend  und  durch  die 
Wegekreuzung  strategisch  bedeutsam;  denn  die  Via  Traiana  setzte 
sich  nach  Canusium  (30  Millien)  und  die  hirpinische  Strafse  nach 
Herdoniae  (10  Millien)  fort.  Die  Sprache  der  Münzen  läfst  schliefsen 
dafs  Ausculum  samnitisch  geworden  war  (I  530).  Zu  seinen  Füfsen 
in  der  Ebene  am  Carapella  gewann  König  Pyrrhos  279  nach  zwei- 
tägigem Kampf  einen  Sieg  über  die  Römer.  '^)  Beim  Aufstand  des 
J.  90  hielt  es  zu  den  Bundesgenossen,  s)  Dann  hat  es  Bürger- 
und Municipalrecht  in  der  Tribus  Papiria  erhalten.  9)  Das  heutige 
Ascoli  Satriano  bewahrt  den  Namen  nebst  Inschriften  und  Ueber- 
resten  der  alten  Stadt. 

Während  ein  breiter  Saum  des  an  den  Appennin  angelehnten 
höheren  Landes  von  den  Samniten  beherrscht  wurde,  haben  die 
Daunier  das  Tiefland  behauptet:  ihre  Kernwaffe  die  Reiterei  (I  545) 
kam  in  der  weiten  Ebene  zu  voller  Geltung.  Seit  dem  Mittelalter 
ist  Foggia  die  Hauptstadt ,  kraft  seiner  centralen  Lage  in  raschem 
Aufschwung  begriffen.  5  Millien  nördlich  erinnern  die  Höfe  1'  .\rpetta 


1)  Plin.  III  105  Feldm.  210,  8  Ptol.  III  1,  63  Omßdgva  CIL.  IX  p.  86. 

2)  Holste  zu  Cluver  It.  ant.  1202,  40. 

3)  Conway  29  Dressel  Berl.  Kai.  183. 

4)  CIL.  IX  661.  65,  Feldm.  210.  60.  61  ager  Aiueulinut,  Plin.  III  105  ist  aus 
Aeulani  oder  Eculani  herzustellen  Ausculani. 

5)  Fest.  197  M. 

6)  Hör.  Sat.  1  5,  87. 

7)  Plut.  Pyrrh.  21  Dion.  H.  XX  1  fg.  Fest.  197  Zonar.  VUI  5  Frontin  II  3,  21 
Flor.  I  13,  9. 

8)  Appian  b.  civ.  I  52. 

9)  CIL.  IX  p.  62. 


846  Kapilel  XIV.    Apulien. 

antica  (54  m)  1'  Arpa  (49  m)  am  rechten ,  die  Capelle  S.  Nicola 
d'  Arpe  (57  m)  am  linken  Ufer  des  Celone  ^)  an  die  antike  Vor- 
gängerin Arpi.  Diese  von  den  Römern  gebrauchte  Namensform 
wird  durch  die  zahlreichen  aus  dem  3.  Jahrhundert  stammenden 
Silber-  und  Kupiermünzen  mit  der  griechischen  Aufschrift  AqTtavov 
Aqtkx  bestätigt.  -)  Sie  findet  aber  erst  allmälich  bei  griechischen 
Schriftstellern  Eingang,  denen  die  Stadt '^(»yii^itTr/ra  heifst.  3)  Das 
soll  aus  "Aqyog  "^'l/tTtiov  verkürzt  sein,  wie  aus  jenem  ^Aqnoi.  Als 
Wappenlhier  erscheint  ein  Rofs  auf  den  Münzen,  die  einst  blühende 
Rossezucht  mag  den  Namen  veranlafst  haben,  wie  auch  die  Fabel 
von  der  Gründung  durch  Diomedes.  ^)  Aus  dem  Umfang  der  Mauer 
konnte  man  nach  Strabo  entnehmen  dafs  sie  einst  zu  den  grüfsten 
Städten  Italiens  gehört  habe.  In  der  Schlacht  bei  Ausculum  schickte 
sie  den  Romern  4000  Mann  400  Reiter  zu  Hülfe,  zwei  Menschen- 
alter später  betrug  die  heimische  Besatzung  3000  Mann.  5)  Ihr 
Gebiet  reichte  bis  an  das  20  Millien  entfernte  Meer:  ein  durch  die 
Lagunen  geführter  Canal  wurde  als  Werk  des  Diomedes  betrachtet; 
jedoch  hatte  der  Held  ihn  unvollendet  gelassen,  ö)  Die  Uebergriffe 
der  Sanmiten  trieben  Arpi  zum  Anschlufs  an  die  Römer,  denen  es 
z.B.  315  und  279  wesentliche  Dienste  leistete.'')  In  seiner  Treue 
wurde  es  auch  nicht  217  durch  die  planmäfsigen  Verwüstungen 
Hannibals  wankend  gemacht;  erst  nach  der  Schlacht  bei  Cannae 
erfolgte  der  Uebertrilt.  8)  Ein  Jahrhundert  zuvor  hatte  das  römische 
Heer  sich  auf  Arpi  gestützt  um  das  20  km  entfernte  Luceria  zu 
bekämpfen ;  jetzt  waren  die  Rollen  vertauscht.  Als  es  dem  Fabius 
213  glückte  die  von  5000  Mann  karthagischer  Truppen  bewachte 
Stadt   zu   überrumpeln,   entzog   er   dem  Feinde   in  Apulien  dessen 


1)  Lykophroa  AI.  593  neunt  ihn  <PvXafios,  Stepli.  Byz.  Avaav  p.  148,  6 
Mein,   bestätigt   die  Lesung,  giebt    aber  Xaovia  p,  686,  16  Mein,  statt  dessen 

2)  Dressel,  Beri.  Kat.  179  fg. 

3)  Lykophr.  AI.  592  Polemo  Schol.  vet.  zu  Find.  Nenn.  X  12  Pol.  III  88,  6 
118,  3  Dion.  H.  XX  3  Strab.  VI  283  Appian  Kann.  31  Steph.  Byz.  Plin.  III  104 
Verg.  Aen.  XI  246  dazu  Serv.  Argyripa  X  28  XI  250.  428  Arpi,  beide  Formen 
auch  Sil.  It.,  Ptoi.  III  1,  63  'Aquoi. 

4)  Justin  XX  1, 10  Lykophr.  Slrab.  usw.  Appian  Hann.  31. 

5)  Dion.  H.  XX  3  Liv.  XXIV  47. 

6)  Liv.  XXXIV  45  Strab.  VI  284. 

7)  Liv.  IX  13  Dion.  H.  XX  3. 

8)  Pol.  III  88,  6.  118,  3  Liv.  XXII  9.  12.  61  Oros.  IV  15,  1. 


§  1,     Die  Ebene.  847 

stärksten  Halt. ')  Damit  hat  Arpi  seine  geschichtliche  Rolle  aus- 
gespielt. Es  wurde  nach  Kriegsrecht  durch  den  Verlust  der  See- 
küste bestraft 2),  die  Colonien  in  Sipontum  und  Luceria  fafsten  es 
seitdem  in  der  Mitte  ein  und  verbürgten  sein  Wolverhallen.  Zwar 
kommt  der  Name  einigemal  vor,  erscheint  auch  in  der  Liste  des 
Augustus^);  jedoch  wird  der  Niedergang  des  Municipium  von  Strabo 
erwähnt  und  sprechend  durch  das  gänzliche  Fehlen  lateinischer  In- 
schriften erläutert.  4)  —  Nach  der  Reisekarte  führt  nur  eine  Quer- 
strafse  von  Luceria  nach  Sipontum  über  Arpi;  unseren  Itinerarien 
zufolge  ist  Herdoniae  der  Knotenpunct  des  apulischen  Strafsen- 
netzes.  ^)  Sie  lassen  im  Widerspruch  mit  den  Meilensteinen  Traians 
die  Via  Traiana  nicht  mehr  über  Ausculum  gehen ,  sondern  über 
Herdoniae  dessen  Entfernung  von  Aecae  zu  19,  von  Canusium  zu 
26  Millien  gerechnet  wird.  Derart  laufen  3  Appenninstrafsen  von 
hier  aus:  die  Via  Traiana  nach  Benevent,  die  Via  Herdonitana  über 
Vibinum  nach  Aeclanum  (S.  818),  eben  dorthin  die  Strafse  über 
Ausculum  (S.  819).  Der  Name  der  Stadt 6j  lautetauf  ihren  Kupfer- 
mürzen  Ogöaviov'^)  und  lebt  fort  in  dem  Weiler  Ordona  mit  allerlei 
Ueberresten  von  römischem  Netzwerk.  Sie  nimmt  den  rechten  üfer- 
rand  (120  m)  des  Carapella  ein,  wo  dieser  von  einem  Triftweg  ge- 
kreuzt wird.  Der  wichtige  Platz  schlofs  sich  216  an  Hannibal 
an  und  wurde  seit  214  wiederholt  auf  längere  Zeit  von  den  Römern 
belagert.  8)  Obgleich  das  Einschliefsungsheer  212  und  210  ver- 
nichtet ward,  blieb  zuletzt  doch  nichts  übrig  als  den  Platz  210  zu 
räumen  und  zu  zerstören.  In  der  Folge  zählt  er  zu  den  vielen 
Municipien  von  denen  man  nichts  weifs.  ^) 

1)  Liv.  XXIV  3.  45—47  XXV  15  Appian  Kann.  31. 

2)  Liv.  XXXIV  45. 

3)  Obseq.  30  Cic.  ad  AU.  IX  3,  2  Plin.  II  211  III  105  Feldm.  210  260  Ptol.  III 
1,  63  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  35.  Ein  delphischer  Proxenos  191  v.  Chr. 
Diltenberger  1^  26S,  65.  4)  CIL.  IX  p.  83. 

5)  lt.  Ant.  116  Hier.  610,  verzeichnet  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  35. 

6)  In  der  Ueberlieferung  vielfach  entstellt:  herdoniae  CIL.  IX  1156,  Her- 
donienses  Plin.  III  105,  KeoScovia  Slrab.  VI  282,  'EoScoiia  Ptol.  111  1,  63,  E^- 
Sovia  Appian  Kann.  48,  Herdonia  Sil.  It.  VIII  567,  Herdonea  Liv.  XXV  21  XXVII 
1,  Ardaneae  Liv.  XXIV  20,  Erdoniae  Serdonis  lt.  (A.  5)  Hardona  Feldm.  210, 
Ardona  Feldm.  260. 

7)  Head  H.  N.  39. 

•8)  Liv.  XXIV  20  XXV  21  XXVII  1  Appian  Hann.  48. 

9)  CIL.  IX  p.  64  Sil.  lt.  Vlll  567  obscura  incuUis  Herdonia  agris  steht  unter 
den  Samniten,  aber  bezieht  sich  doch  wo!  auf  diese  Stadl. 


848  Kapitel  XIV.    Apulien. 

Das  LaguncDgebiet  das  den  Verkehr  des  Binnenlands  mit  dem 
Meer  vermittelt,  weist  gegenwärtig  nur  zwei  grüfsere  Wasserflächen 
auf.  Davon  mifsi  der  Lago  Salso  im  Norden  6  G  km,  hat  sich  aber 
einst  über  15  km  Länge  12  km  Breite  erstreckt,  das  Pantano  di 
Celentano  Panlano  Verzentino  und  andere  Niederungen  umfassend. 
Der  Candelaro  und  Cervaro  haben  sie  ausgefüllt.  Im  Altertum  ge- 
währte der  Durebbruch  dieser  Flüsse  durch  den  Lido  eine  bequeme 
Einfahrt  und  die  weite  Lagune  den  Schiffen  eine  geräumige  Unter- 
kunft. •)  Als  die  Mündungen  sich  verstopften  und  das  Wasser 
stagnirte,  machte  die  Verlandung,  aber  damit  Hand  in  Hand  die 
Verschlechterung  der  Luft  rasche  Fortschritte.  Um  1263  gründete 
Künig  Manfred  als  Ersatz  für  das  verödete  Sipontum  das  seinen 
Namen  tragende  Manfredonia  am  Fufs  des  Garganus.  Jenes  lag 
3  km  entfernt  am  Nordrand  der  Lagune:  die  schöne  Kathedrale 
S.  Maria  Maggiore  di  Siponto  giebt  die  Stätte  an.  Diomedes  galt 
als  Stifter:  ein  Ausdruck  dafür  dafs  es  sich  um  ein  altes  Besitztum 
der  Daunier  handelt.  2)  Es  gehörte  nach  einer  Angabe  den  Ar- 
panern3):  damit  stimmt  dafs  Sipont  das  unabhängigen  Gemeinden 
zukommende  Münzrecht  nicht  geübt  hat.  Im  Uebrigen  entsprach 
der  Hafenplatz  der  Bedeutung  seiner  Hauptstadt:  er  verkehrte  mit 
Tarent^),  mit  dem  griechischen  Gestade  ^j,  führte  das  apulische  Korn 
aus.  6)  Um  330  v.  Chr.  fiel  er  vielleicht  in  die  Hände  des  Alexander 
von  Epiros '),  ward  194  einer  römischen  Bürgercolonie  überwiesen 
und  ein  Jahrzehnt  darauf  durch  neue  Ansiedler  verstärkt,  s)  Während 
die  Feldmark  wegen  ihrer  Dürre  verrufen  war^j,  tritt  die  Bedeutung 
der  Stadt  in  den  Kriegen  49.  40  v.  Chr.  zu  Tage.io)  In  der  Kaiser- 
zeit führt  sie  ihren  allen  Titel  Colonie  fort^')  und  wird  noch  unter 


1)  Strab.  VI  284. 

2)  Strabo  a.  0.  der  den  Namen  von  den  ausgeworfenen  Sepien  herleiten 
will;  doch  steht  die  Form  ^moie  fest  (Cic.  ad  Att.  VI  2,  3)  wird  auch  von 
Dichtern  entlehnt  (Lucan  V  377  Sil.  lt.  VIII  633).  3)  Liv.  XXXIV  45. 

4)  Pol.  X  1,  8.  5)  Cic.  ad  Att.  X  7,  1  It.  mar.  497. 

6)  Strab.  VI  284. 

7)  Liv.  VIII  24  vgl.  Kap.  XVI  1. 

8)  Liv.  XXXIV  45  XXXIX  23. 

9)  Cic.  de  lege  agr.  II  71. 

10(  Cic.  ad  Att.  IX  15,  1  vgl.  Caes.  b.  civ.  III  2;  Appian  b.  civ.  V  56.  58 
Dio  XLVIII  27. 

11)  CIL.  IX  p.  66.  665;  erwähnt  Plin.  III  103  Mela  II  66  Ptol.  III  1,  14  Steph. 
ßyz.  Feldm.  210.  261. 


§  l.    Die  Ebene.  849 

langobardischer  Herrschaft  als  blühend  hingestellt,  i)  —  Eine  Strafse 
lief  auf  dem  Lido  von  Sipont  nach  der  Mündung  des  AuQdus  und 
weiter.  Die  Itinerarien  nennen  die  Stationen  Anxamtm  und  Salinae'^), 
aber  nicht  die  alte  Stadt  Salapia  deren  Abstand  von  Sipont  mit 
140  Stadien  beziffert  wird.  3)  Dieser  Betrag  von  17 — 18  Millien 
trifft  auf  die  Ruinen  zu  die  an  der  Westseite  der  grofsen  Lagune 
unweit  Posta  di  Salpi  bei  16  m  Meereshöhe  verzeichnet  sind,  von 
der  Heerstrafse  also  nicht  berührt  wurden.  Sie  gehören  der 
jüngeren  Stadt  an;  die  ältere  die  im  Laufe  des  letzten  Jahrhunderts 
der  Republik  wegen  ihrer  schlechteu  Luft  verlassen  werden  mufste, 
lag  4  Millien  entfernt  nach  Süden.  *)  Inschriften  sind  bisher  nicht 
entdeckt  worden,  die  genauere  Erforschung  der  Marschen  bleibt 
der  Zukunft  vorbehalten.  °)  Die  palus  Salapina  oder  Salpma  ^)  Lago 
di  Salpi  mifst  noch  11  km  Länge  4  km  Breite,  ehedem  bedeutend 
mehr  (I  337).  Am  Südende  wurde  nach  Aussage  der  Itinerarien 
und  wird  gegenwärtig  Salz  gewonnen  (Saline  di  Barletta).  Davon 
erhielt  die  Stadt  ihren  Namen ;  die  volle  Form  die  auf  den  in 
römischer  Zeit  (250 — 210)  mit  der  Aufschrift  ^alanivoyv  neben 
^alrciviJüv  geprägten  Kupfermünzen  begegnet"),  wird  im  Volksmund  *) 
Salpia  und  hat  sich  so  fortgepflanzt.  Die  ursprüngliche  Anlage 
wird  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  Salinen  zu  suchen  sein.  ^) 
Als  Gründer  sah  man  entweder  Diomedes  oder  den  Rhodier  Elpias 
an.  10)  Der  Platz  war  dem  Binnenland  weniger  entrückt  als  Sipon- 
tum,  beherrschte  die  Mündung  des  Aufidus,  nahm  den  Verkehr  des 
Flufsgebiets  auf  und  stellte  zur  Zeit  der  Unabhängigkeit  den  Haupt- 
hafen Dauniens  dar.^')  Seine  Wichtigkeit  lernen  wir  aus  dem  hanni- 
balischen  Krieg  kennen.     Nach  der  Schlacht  bei  Cannae  schlofs  sich 


1)  Paul.  h.  Lang.  II  21  IV  44. 

2)  It.  Ant.  314  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  V  1. 

3)  Strab.  VI  284. 

4)  VitruvI4,  12. 

5)  CIL.  IX  p.  65. 

6)  Lucan  V  377  hat  die  volle,  Vib.  Seq.  die  verkürzte  Form. 

7)  Gairucci  113  Head  H.  N.  40  die  Magistratsnamen  kehren  in  Arpi  wieder; 
vielleicht  hatte  Hannibal  Salapia  diesem  zugetheilt. 

8)  So  Vitruv  Vib.  Seq.  a.  0.  Ptol.  III  1, 14  Feldna.  210.  261,  bereits  Lykophr. 
AI.  1129  m.  Schol. 

9)  Guido  V.  Pisa  22  Salinis  quae  et  Satapis. 

10)  Vitruv  I  4,  12  Strab.  XIV  654,  letzterer  wie  auch  Sleph.  ßyz.  taufen  die 
Stadt  ''Elnia. 

11)  Strab.  VI  283. 

Nissen,  lud.  Landeskiuide  II.  54 


860  Kapitel  XIV.    Apulien. 

Salapia  dem  Ilannibal  an ,  der  hier  Magazine  anlegte,  auch  wol 
längere  Hast  hielt,  i)  Als  die  Römer  210  es  zurück  gewannen, 
ging  zugleich  Hcrdoniae  und  die  ganze  Ebene  dem  Feind  verloren. 
Vergebens  richtete  er  208  einen  letzten  Anschlag  gegen  die  Stadt. 
Sodann  hat  sie  ihrer  Vergangenheit  treu  auf  Seiten  der  Bundes- 
genossen gefochten  und  ist  89  v.  Chr.  durch  Feuer  zerstört  worden.  2) 
Es  lag  in  der  Natur  der  Dinge,  dafs  die  römische  Regierung  bis 
zum  allgemeinen  Ausgleich  für  die  bürgerliche  Ansiedlung  in  Sipon- 
tum  nach  Kräften  sorgte  und  das  fremde  Salapia  verkümmern  liefs. 
So  wurde  dieses  eine  Brutstätte  des  Fiebers.  3)  Die  von  Vitruv  ge- 
schilderten Mafsnahmen,  der  Neubau  an  höherem  Ort  der  Durchstich 
des  Lido  und  die  Anlage  eines  Hafens  haben  zunächst  Abhilfe 
geschafft.  4)  Ueber  die  Wiederkehr  des  Uebels  und  die  Schicksale 
des  Municipium  zur  Kaiserzeit  versagt  die  Kunde. 

§  2.     Das  Hügelland. 

Die  Beschreibung  macht  am  unteren  Aufidus,  der  heutigen 
Provinzialgrenze  Halt.  Auch  den  römischen  Geographen  ist  ein 
solcher  Einschnitt  geläufig  &),  der  Amtsprache  dagegen  nicht.  Die 
Censusliste  sondert  wol  die  Hirpiner  Calabrer  Sallentiner  aus,  fafst 
aber  alle  übrigen  Gemeinden  der  zweiten  Region  in  einer  einzigen 
Gruppe  zusammen.  Als  sie  aufgestellt  wurde,  waren  die  alten 
Stammesgegensätze  zwischen  Apulern  Dauniern  Peuketiern  längst 
verschwunden. 6)  Anders  verhielt  es  sich  mit  der  Scheidung  von 
Küste  und  Binnenland.  Sie  war  von  der  Natur  durch  den  breiten 
Rücken  der  Murgie  der  die  iapygische  von  der  oskischen  Nation 
abschlofs,  klar  und  deutlich  bestimmt.  Eine  Flufslinie  dient  zur 
Kennzeichnung  der  Grenze.  Nördlich  von  dem  oft  erwähnten  Quer- 
zug den  wir  als  Grenze  von  Samnium  und  Lucanien  betrachten, 
und  zwar  im  Westen  von  M.  Torretta  (1071  m)  entspringt  aus  dem 
kleinen  Bergsee  Lago  Pesole  (793  m)  der  Bradanus  Bradano. ')    An 

1)  Liv.  XXIV  20.  47  XXVI  38  XXVII  1.  28  Appian  Hann.  45—47.  51  Plin. 
III  103  Val.  Max.  III  8,  ext.  1. 

2)  Appian  b.  civ.  I  52.- 

3)  Cic.  de  leg.  agr.  II  71. 

4)  Vitruv  I  4,  12. 

5)  Strab.  VI  283  Plin.  III  103  Ptol.  III  1,  13. 

6)  Strab.  VI  283.  85. 

7)  Einzige  Erwähnung  It.  Ant.  104.  Guido  29  Bradanus  amenissimus  qui 
et  Tardus  propler  sinuosos    orbes  sui   disciirsus,  unde  et  Bradirios  Graece 


§  2.     Das  Hügelland.  851 

Länge  (167  km)  dem  Aufidus  gleich  fliefst  er  nach  Südosten  und 
mündet  bei  Metapont  in  den  Golf  von  Tarent.  Da  der  gröfsere 
Theil  seines  Laufes  die  Murgie  einfafst,  hat  er  in  der  Anschauung 
alter  und  neuer  Zeit  die  Länder  Apulien  ued  Lucanien  von  ein- 
ander getrennt:  was  eigentlich  nur  für  den  Unterlauf  zutrifft.  Land- 
einwärts fallen  die  links  ausmündenden  Thäler  auf  die  lucanische 
Seite  und  die  politische  Grenze  streicht  in  vielfach  gezackter  Linie. 
Aehnlich  im  Süden.  Die  Hellenen  befafsten  die  ganze  Küste  vom 
Cap  Leuca  bis  zum  Garganus  unter  dem  Namen  Japygien  (I  539), 
die  Neuzeit  rechnet  gleichfalls  die  Halbinsel  in  dem  das  südöstliche 
Italien  endigt,  zu  Apulien.  Aber  die  Römer  schliefsen  sie  davon 
aus.  1)  Die  Grenze  zwischen  Calabrien  und  ApuUen  stimmt  an  der 
adriatischen  Küste  mit  der  jetzigen  überein,  biegt  aber  im  Innern 
viel  weiter  nach  Norden  aus  als  gegenwärtig,  während  umgekehrt 
ein  Stück  des  zur  Provinz  Lecce  gehörigen  Kreises  Tarent  apuHsch 
ist.  Die  Terra  di  Bari  enthält  5350  Dkm,  wir  setzen  den  zu  behan- 
delnden Abschnitt  mit  6000  Dkm  in  Rechnung,  indem  der  topo- 
graphischen Ordnung  zu  Liebe  mehrere  calabrische  Gemeinden  ein- 
bezogen werden.  Er  ist  in  drei  Theile  gegliedert:  das  Aufidusthal, 
die  Küste  und  das  Hügelland  des  Innern. 

Der  Aufidus  stellt  den  Abschlufs  der  Ebene  dar,  deren  Entstehung 
S.  836  geschildert  wurde.  In  maeandrischen  Windungen^)  wälzt 
er  sich  durch  das  1 — 2  km  breite  Stromthal  dem  Meere  zu.  Der 
rechte  Uferrand  ist  merklich  höher  als  der  linke,  darin  kommt  die 
Steigung  des  Littorals  die  auf  25  km  vom  Strand  bis  zum  Rücken 
der  Murgie  500  m  beträgt,  zum  Ausdruck.  Zwei  Strafsen  führen 
hinüber:  die  binnenländische  Via  Traiana  bei  Canusium,  18  km 
unterhalb  die  Küstenstrafse  unweit  Cannae.  Der  Flufs  hat  seit  dem 
Altertum  seine  Mündung  um  3  km  oder  mehr  vorgerückt,  aber  an 
der  Stetigkeit  des  Wasserstandes  schwere  Einbufse  erlitten  (I  337). 
Zu  Strabo's  Zeiten  gelangten  die  Schiffe  stromauf  bis  an  den  Fufs 
des  Stadthügels  von  Canusium.  3)  Aus  dem  Gesagten  erhellt,  warum 
die   beiden    Uebergänge   in   der   alten   und    neuen  Kriegsgeschichte 


dicitur.  In  Wirklichkeit  ist  der  Name  am  Vultur  heimisch:  Bradano  heifst 
auch  ein  Zuflufs  der  Fiumara  d'Atella  die  den  Vulkan  im  Süden  umfassend  in 
den  Außdus  mündet. 

1)  So  noch  Paul.  h.  Lang.  II  21. 

2)  Angedeutet  Sil.  It.  IX  219.  27.  37  vgl.  Guido  22.  70. 

3)  Strab.  VI  283  90  Stadien  je  nach  der  Reduction  11  oder  9  Millien. 

54* 


852  Kapitel  XIV.    Apiilien. 

mehrfach  erwähnt  worden  sind.  Bis  zur  ehemaligen  Mündung 
reichen  die  Hügel  des  rechten  Ufers,  während  das  linke  ganz  flach 
ist;  5  km  oherhalh  (8  km  von  der  heuligen  Mündung)  nimmt  die 
Erhehung  zu,  fällt  in  steilem  Winkel  zum  Stromthal  ab  und  über- 
ragt es  um  40 — 50  m.  Der  ausgebuchtele  Httgel  heifst  M.  di  Canne 
(ein  Hof,  65  m,  Masseria  di  Canne),  enthält  üeberreste  aus  römischer 
Zeit  und  bewahrt  das  Andenken  einer  1083  zerstörten  Stadt,  deren 
Bischofsitz  erst  1425  mit  dem  von  Trani  vereinigt  ward.  ^)  Cannae 
heifst  den  Annalisten  Vicus^):  dies  kann  für  die  Epoche  des 
Bundesgenossenkrieges  in  dem  es  auf  feindlicher  Seite  stand,  seine 
Richtigkeit  haben.  3)  Jedenfalls  besafs  es  seit  Augustus  Stadtrecht  4), 
mochte  auch  die  Versumpfung  der  Lagunen  die  wir  bei  Salapia 
kennen  lernten  (S.  849),  den  Aufschwung  unmöglich  machen.^) 
Im  dritten  Jahrhundert  v.  Chr.  als  dieser  grofse  Hafen  blühte,  kann 
Cannae  ebenso  wenig  unbedeutend  gewesen  sein,  wie  seine  Nach- 
folgerin Barletta.  Es  bestand  aus  einer  Oberstadt  auf  geschützter 
Höhe  und  einer  Unterstadt  am  Flufs  oder  den  Abhängen.  —  Letztere 
ward  217  sei  es  von  Hannibal  sei  es  von  den  Einwohnern  zer- 
stört, ß)  Denn  die  Festung  ward  armirt  und  zur  Aufnahme  der 
römischen  Magazine  bestimmt,  wofür  die  Wasserverbindungen  sie 
vorzüglich  befähigten.  Nachdem  es  dem  Feind  gelungen  war  im 
Frühsommer  216  die  Festung  samt  den  aufgespeicherten  Vorräten 
zu  nehmen,  befahl  der  Senat  den  Consuln  zu  schlagen.  Das  rönjische 
Heer  von  Canusium  auf  Cannae  marschirend  lieferte  ein  glückliches 
Gefecht  und  zwar  auf  dem  linken  Ufer  des  Aufidus.  Der  Erfolg 
verstattete  den  Uebergang  und  die  Theilung  der  Streitkräfte:  zwei 
Drittel  lagerten  auf  dem  rechten  Ufer  in  unmittelbarar  Fühlung 
mit  dem  Feinde  und  bewachten  dessen  Abzug  nach  Südost  an  die 
Küste;  das  letzte  Drittel  auf  dem  linken  Ufer  flankirte  den  Weg 
durch  die  Ebene  auf  dem  Hannibal  gekommen  war.  In  der  That 
erscheint  die  strategische  Lage  der  Karthager  sehr  ungünstig  und 
auf  die  Dauer  unhaltbar,  da  sie  auf  einen  kteinen  Raum  durch 
Meer  und  Lagunen  eingeengt  waren.  '')  Die  Operationen  im  Einzelnen 

1)  Ughelli  It.  sacr.  VII  788  fg. 

2)  Liv.  XXII  43.  49  Flor.  I  22,  15  ignobilis  Apuliae  vicus  Appian  Hann.  17. 

3)  Appiaii  b.  civ.  1  52. 

4)  Plin.  III  105  CIL.  IX  p.  34. 

5)  Sil.  It.  VIII  622  urbis  vesUgia  priscae. 

6)  Pol.  III  107,  4. 

7)  Pol.  III  112,  2  Sil.  It.  X  170  stagna  Aufida. 


§  2.     Das  Hügelland.  853 

ZU  verfolgen  und  gar  an  bestimmte  Oerllichkeiten  zu  knüpfen  ist 
freilich  ausgeschlossen :  wir  kennen  weder  die  Aenderungen  des 
Flufsbeltes  noch  die  Furten  die  beide  Ufer  verbanden  i),  weder  die 
Flufsmündung  und  die  Grenzen  der  Lagunen  noch  die  benachbarten 
Ortschaften,  lauter  Dinge  die  den  Rahmen  für  taktische  Fragen 
abgeben.-}  INnr  soviel  ist  gewifs  dafs  die  Entscheidung  in  der 
Ebene  des  linken  Ufers  fiel.  3)  Die  Rümer  boten  die  Schlacht  an, 
den  rechten  Flügel  au  den  Flufs  gelehnt,  die  Front  nach  Südost 
gewandt,  verlegten  also  dem  Gegner  den  Weg  in  die  grofse  apuhsche 
Ebene  und  bedrohten  ihn  für  den  Fall  des  Sieges  mit  gänzlicher 
Vernichtung,  indem  gleichzeitig  eine  andere  Abtheilung  auf  dem 
entgegengesetzten  Ufer  das  karthagische  Lager  angriff  und  die  Flufs- 
übergänge  sperrte.  Der  Plan  zeugt  von  Geschick  und  Kühnheit, 
wenn  man  will  Verwegenheit,  weil  die  Verbindung  mit  dem  eigenen 
Lager  und  damit  der  gesicherte  Rückzug  für  den  Fall  der  Nieder- 
lage an  einem  Zwirnsfaden  hing.  Ob  man  auf  den  einen  oder  den 
andern  Gegner  blickt,  beide  schritten  am  2.  August  zu  einem  Waffen- 
gang auf  Leben  und  Tod.  —  Lehrreich  für  das  Verständnifs  des  Feld- 
zugs von  216  sind  die  Vorgänge  die  sich  auf  dem  nämlichen  Schau- 
platz 89  V.  Chr.  abspielten.  Der  Praetor  Cosconius  macht  sich  nach 
der  Einnahme  von  Salapia  und  Cannae  an  die  Belagerung  von 
Canusium,  wird  von  dem  samnitischen  Entsatzheer  geschlagen  und 
zieht  sich  nach  Cannae  zurück.  Die  Samniten  rücken  nach,  der 
Auüdus  trennt  beide  Heere,  auf  die  ritterbche  Herausforderung  selbst 
herüber  zu  kommen  oder  den  Uebergang  frei  zu  geben  geht  der 
Römer  arglistig  ein.  Er  weicht  scheinbar  zurück,  fällt  über  die 
den  Flufs  durchwatenden  Haufen  her,  richtet  ein  wildes  Gemetzel 
an.     Der  Rest  der  Samniten  flüchtet  nach  Canusium.  4) 

Stromauf  steigt  der  Boden  rasch :  7 — 8  Millien  von  Cannae  ^) 
nimmt  Canusium  (154  m)  einen  Vorsprung  des  Uferrandes  ein;  die 


1)  Pol.  111113,  6. 

2)  Am  Wenigsten  ist  der  torrens  (Flor.  I  22,  18)  oder  flumen  (Val.  Max. 
IX  2  ext.  2)  Fergellus  den  Hannibal  mit  römischen  Leichen  überbrückt  haben 
soll,  für  die  Ermittlung  des  Schlachtfeldes  zu  brauchen,  sintemal  es  in  dieser 
Gegend  keine  Bäche  giebt:  weshalb  Sil.  It.  VIII  668  vorsichtiger  Weise  den 
Namen  ausläCst. 

3)  Der  Gegenstand  ist  oft  erörtert  worden  vgl.  Stuerenburg,  de  Romanorum 
cladibus  Trasumenna  et  Cannensi,  Progr.  Leipzig  1883.  4. 

4)  Appian  b.  civ.  I  53. 

5)  Prokop  b.  Goth.  HI  18  giebt  25  Stadien,  die  Hälfte  zu  wenig. 


854  Kapitel  XIV.    Apulien. 

Brücke  im  Grund  auf  der  die  Via  Traiana  über  den  Aufidus  gelangt, 
mifst  59  m  Meereshühe.  Die  Entfernung  von  Herdoniae  (S.  847) 
beträgt  26,  nach  Rubi  30  Millien. ')  Die  Lage  am  Flufs,  an  der 
Grenze  von  Flach-  und  Hügelland,  halbwegs  zwischen  Meer  und 
Gebirge  schuf  hier  ein  Verkehrscenlrum  und  rief  eine  Grofsstadt 
ins  Leben.  Aus  dem  Mauerring  sei  klar,  meint  Strabo,  dafs  Canusium 
und  Arpi  früher  zu  den  grüfsten  Städten  Italiens  gezählt  haben. '^) 
War  dieses  in  Mitten  der  weiten  Ebene  zu  deren  natürlichem  Haupt 
ausersehen,  so  hatte  jenes  durch  die  Wasserstrafse  einen  nicht  zu 
unterschätzenden  Vorrang  und  konnte  die  Erzeugnisse  seiner  Fabriken 
unmittelbar  nach  Bari  dem  wichtigsten  Hafen  Apuliens  verschiffen. 
Strabo  läfst  beide  Städte  verfallen  sein.  Davon  hat  Arpi  sich  nie 
wieder  erholt  (S.  846),  Canusium  hat  sich  in  der  Kaiserzeit  zur 
unbestritten  ersten  Stelle  im  eigentlichen  Apulien  aufgeschwungen. 
Das  heutige  Canosa  delle  Puglie,  von  Olivenhainen  umgeben,  be- 
schränkt sich  auf  die  Altstadt.  Die  Erweiterungen  derselben  über 
die  anstofsenden  Hügel  und  den  Thalgrund  erreichten  einen  sehr 
beträchtlichen  Umfang  der  noch  festgestellt  werden  mufs:  ein 
heimischer  Antiquar  giebt  ihm  kühnlich  eine  gröfsere  Länge  als 
der  aurehanischen  Mauer  Roms.  In  alten  Tagen  hatte  Diomedes 
hier  gejagt  3)  und  nach  seinen  Hunden  die  Gründung  benannt.  *) 
Mit  dieser  Fabel  wird  die  Zugehörigkeit  Canusiums  zu  Daunien  aus- 
gesprochen ^),  die  andere  Gewährsmänner  bestreiten.  6)  Die  Ge- 
schichte gedenkt  seiner  zum  ersten  Male  bei  Gelegenheit  des  318 
oder  17  erfolgten  Anschlusses  an  Rom.'')  Es  gewährte  den  Römern 
auf  dem  Zug  gegen  Cannae  einen  festen  Rückhalt,  nach  der  Nieder- 
lage eine  Zuflucht;  Hannibal  hat  keinen  Angriff  versucht.^)  In 
seinem  politischen  Verhalten  ist  Canusium  wahrscheinlich  durch  die 
Rücksicht  auf  eine  ungestörte  Einfuhr  von  Wolle  und  Ausfuhr  von 
Tuchen  geleitet  worden.      Die   Nachrichten    über  die   gewerbliche 


1)  lt.  Ant,  116  Hieros.  610  Geogr.  Rav.  IV  35  CIL.  IX  p.  596;   der  Name 
ist  in  der  Tab.  Peut.  ausgefallen. 

2)  Streb.  VI  283. 

3)  Serv.  V.  Aen.  XI  246. 

4)  Hör.  Sat.  I  5,  92  Strab.  VI  283. 

5)  So  auch  Ptol.  III  1,  63. 

6)  Plin.  III  103,  obwol  104  es  wieder  den  Dauniern  zuweist. 

7)  Liv.  IX  20  Diod.  XIX  10. 

8)  Pol.  111  107,  3  Liv.  XXll  50.  52  XXVII  12.  42  Dio  fr.  57,  30  Appian  Kann. 
24.  26, 


§  2.    Das  Hügelland.  855 

Thäligkeit  der  Stadt  entstammen  der  Kaiserzeit ^),  können  aber 
füglich  zur  Erläuterung  früherer  Perioden  verwandt  werden.^)  Die 
Wolle  der  Umgegend  genofs  gleich  der  Tarentiner  höchster  Wert- 
schätzung»);  sie  war  dunkel  4);  die  in  der  Naturfarbe  hergestellten 
Stoffe  zeichneten  sich  durch  Feinheit  und  Dauerhaftigkeit  aus  &),  die 
künstlich  gefärbten  geringeren  fanden  für  Soldaten  und  Sklaven 
V'erwendung.6)  Eine  kaiserhche  Spinnerei  wird  im  Staatshandbuch 
von  400  aufgeführt.'')  Die  Entwicklung  deren  Ausläufer  eben  an- 
gedeutet wurden,  eröffnete  dem  hellenischen  Wesen  Thor  und  Thür. 
Die  in  Silber  und  Kupfer  geprägten  Münzen  tragen  die  Aufschrift 
Kavvoiviov.^)  Massenhaft  wird  den  Gräbern  das  bemalte  Prunk- 
geschirr enthoben,  das  obwol  im  Lande  angefertigt  sich  in  seinen 
Darstellungen  ganz  innerhalb  des  fremden  Gedankenkreises  hält. 
Am  Ausgang  der  Repubhk  hat  das  Latein  die  griechische  Umgang- 
sprache noch  nicht  unterdrückt  (I  541).  Der  Bundesgenossenkrieg 
der  die  Periode  der  Unabhängigkeit  von  der  römischen  Periode  der 
Stadtgeschichte  trennt,  sah  die  Canusiner  mit  den  andern  Apulern 
auf  Seiten  der  Erhebung.^)  Es  ward  S.  853  erzählt  dafs  ein  römisches 
Heer  89  vor  ihren  Mauern  lagerte:  ein  ernstlicher  Angriff  auf  die 
grofse  und  feste  Stadt  ist  nicht  gewagt  worden.  Im  Bürgerkrieg 
49  V.  Chr.  sowie  im  Gothenkrieg  546  n.  Chr.  kommt  sie  nur 
beiläufig  vor.iö)  Manche  Erwähnungen  beziehen  sich  auf  den 
grofsen  Durchgangsverkehr  nach  Brundisium,  für  den  sie  als  Rast- 
ort diente.i')  Mit  Horaz  haben  auch  neuere  Reisende  über  das 
Brot  geklagt  und  dessen  Unreinheit  aus  den  schlechten  Mühlsteinen 
die  man  dort  bricht,   erklärt.  12)     Dem  Mangel  an  Trinkwasser  hat 


1)  Blümner,  Gewerbliche  Thäligkeit  des  Alt.  p.  121. 

2)  Es  hat  195  v.  Chr.  eine  delphische  Proxenie,  Diltenberger  P  268,  15. 

3)  Plin.  VIII  190. 

4)  Fun.  VIII  191  xMarlial  XIV  127. 

5)  Athen.  III  97  e  Martial  XIV  127  vita  Carin.  20,  6. 

6)  Suet.  Nero  30  Martial  IX  22,  9.  XIV  129  Plin.  XXXV  45. 

7)  Not.  Dign.  Occ.  49. 

8)  Dressel  Berl.  Kai.  190. 

9)  Appian  b.  civ.  I  42.  52. 

10)  Cic.  ad  Alt.  VIII  11  D  1  Caes.  b.  civ.  I  24;  Prokop  b.  Golh.  III  18.  Dafs 
App.  b.  civ.  I  84  den  Sieg  Sulla's  über  Norbanus  nach  Canusium  verlegt,  ist 
ein  Schreibfehler  für  Casilinum. 

11)  Cic.  ad  Alt.  I  13,  1  Appian  b.  civ.  V  57  vita  Marci  8,  11  Verl  6,  7. 

12)  Hör.  Sat.  I  5,  91. 


856  Kapitel  XIV.    Apullen. 

erst  eine  von  Herodes  Auicus  angelegte  Leitung  abgeholfen.*)  Die 
Anlage  hängt  zusammen  mit  der  Erliebung  Canusiums  zur  colonia 
Aurelia  Augusta  Pia  unter  Antoninus  Pius.^)  Bis  dahin  war  es 
Wunicipium  in  der  Trihus  Ufentina  mit  Quattuorvirn  an  der  Spitze 
gewesen.  Ob  und  warum  es  von  Landanweisungen  an  Veteranen 
verschont  gel)lieben  war,  wissen  wir  nicht 3):  das  Gebiet  mufs 
ausgedehnt  gewesen  sein  und  war  nicht  nur  wegen  seiner  Wolle 
sondern  auch  wegen  seines  Wein-  und  Oslbaues  bekannt.'*)  Zahl- 
reiche Zeugen  der  späteren  Kaiserzeit  künden  den  Glanz  von  Ca- 
nusium.  Ein  Verzeichnifs  des  Stadtrats  aus  dem  Jahr  223  führt 
31  Patrone  aus  dem  Senatoren  -  8  aus  dem  Reichsritterstande  auf, 
dann  machen  die  Ratsglieder  nach  Rangclassen  geordnet  ein  ganzes 
Hundert  voll,  den  Schlufs  bilden  25  ratsbürlige  Knaben. 5)  Wenn 
ferner  die  apulisch-calabrische  Region  dem  Vater  des  Kaisers  Theo- 
dosius  hier  ein  Denkmal  setzt,  so  erkennt  sie  damit  Canusium  als 
Hauptstadt  an.*^}  Unter  den  Bauwerken  ist  ein  grofses  Amphi- 
theater und  ein  Thor  hervorzuheben.  In  langobardischer  Zeit  wird 
die  Stadt  noch  mit  Auszeichnung  genannt ''),  sinkt  aber  unmerklich 
von  der  einstigen  Höhe  herab. 

Das  Land  südlich  vom  Aufidus  zerfällt  in  eine  schmale  Gultur- 
zone  und  eine  dreimal  so  breite  Wald-  und  Heidezone  im  Innern. 
Die  Küste  vom  heutigen  Barletta  bis  Monopoli  erscheint  als  ein  ein- 
einziger Garten  voller  Weinstücke  Oel-  und  Fruchtbäume,  von  grofsen 
Ortschaften  und  reichen  Villen  belebt.  Ein  Blick  auf  die  Karte 
lehrt  wie  die  Bevölkerung  in  diesem  Strich  sich  zusammen  drängt, 
während  weile  Flächen  der  Provinz  leer  bleiben.  Ein  ähnliches 
Verhällnifs  hat  im  Altertum  bestanden:  wenn  auch  Nachrichten 
fehlen,  so  liefern  die  Nekropolen  der  Culturzone  mit  ihren  uner- 
schöpflichen Vasenschätzen  den  Beweis.  Vielleicht  haben  die  Natur- 
gegensälze  in  den  Slammesbezeichnungen  Ausdruck  gefunden.  Der 
Name  iapygisch  der  den  älteren  Hellenen  das  östliche  Italien  be- 
deutet, ist  bei  dem  Ilaupthafen  Bari  zu  Hause  (I  540)  und  hat  sich 


1)  Philostr.  Vit.  Sopli.  II  5. 

2)  CIL.  IX  p.  35. 

3)  Feldm.  210.  260. 

4)  Varro  RR.  I  8. 

5)  CIL.  IX  338. 

6)  CIL.  IX  333. 

7)  Paul.  ti.  Lang.  II  21. 


§  2.    Das  Hügelland.  867 

allem  Anschein  nach  von  hier  über  See  verbreitet. i)  IlevxHiot 
die  Schwarzwälder  weist  klärUch  auf  das  Innere;  die  spätere  Aus- 
dehnung des  Namens  auf  die  Küste  mag  durch  Kämpfe  und  Um- 
wälzungen veranlafst  sein  von  denen  jede  Kunde  verschollen  ist. 
Die  Armut  unserer  Ueberlieferung  verwehrt  längeres  Verweilen  bei 
den  einzelnen  Ortschaften.  Die  Zahl  der  Gemeinden  ist  vergleichs- 
weise grofs:  aber  wie  ein  beherrschendes  Flufstbal  und  jeghche 
Gliederung  des  Landes  fehlt,  so  hat  auch  keine  von  allen  einen 
entscheidenden  Vorrang  erlangt. 

Die  Via  Traiana  erreicht  nach  einer  langen  Tagereise^),  näm- 
lich 30  MiUien  Rubi  Ruvo  (260  m).^)  Die  Stadt  ist  in  unserem 
Jahrhundert  durch  ihre  Vasenfunde  berühmt  geworden.  Sie  hat 
eine  umfassende  Silber-  und  Kupferprägung  betrieben,  die  Stücke 
tragen  die  Aufschrift  Pvip  oder  Pvßaoxeivwv.^)  Lateinisch  heifst 
die  Gemeinde  Ruhustini;  sie  hatte  Selbstverwaltung. s)  —  H  Millien 
weiter  folgt  das  Municipium  Rutonti  Bitonto  (118  m).^)  Aus  der  Zeit 
der  Unabhängigkeit  stammen  die  Bvtovtlvcov  beschriebenen  Kupfer- 
münzen.') In  der  Censusliste  steht  die  Gemeinde  unter  den  cala- 
brischen  ^) :  sie  kann  durch  ein  Versehen  dorthin  geraten  sein ;  aber 
allem  Anschein  nach  hat  sich  wirklich  der  Stamm  im  Binnenland 
so  weit  naeh  Norden  erstreckt.  Der  Ort  ist  früh  verbauert. 9)  — 
Von  hier  führt  die  Via  Traiana  in  12  3Iillien  nach  Bari'^)^  eine 
Nebenlinie  wenig  kürzer  nach  Caelia  Cegli  del  Carapo  oder  di  Bari 


1)  Die  Plin.  III 102  aufgeführten  angeblichen  Flüsse  sind  auf  der  Generalslabs- 
karte kaum  erkennbare  Bäche.  Sacht  man  davon  die  gröfsten  aus,  so  iäfst  sich 
etwa  der  Japyx  dem  Baiice,  weiter  nördlich  der  Pactius  dem  Lama  Paterno, 
endlich  Aveldius  der  Tab.  Peut.  dem  Palombariello  bei  Trani  gleichen. 

2)  Hör.  Sat.  I  5,  94;  irrig  23  lt.  Ant.  116,  richtig  30  Millien  Hieros.  610. 
Halbwegs  ad  Quintumdecimum,  statt  dessen  Tab.  Peut.  Rudae  Geogr.  Rav. 
IV  35  Budae. 

3)  Unterwegs  ist  nach  Strab.  VI  282  die  Gemeinde  der  I^atini  Plin.  IH  105 
anzusetzen. 

4)  Dressel  Berliner  Kai.  197  Garrucci  115  Head  H.  N.  40. 

5)  Plin.  UI  105  Feldm.  262  CIL.  IX  p.  33.  658  Eph.  ep.  VIII  p.  16. 

6}  It.  Ant.  117  Hieros.  609  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  35,  die  beiden  ersten 
mit  abweichender  Schreibung. 

7)  Dressel  Berliner  Kat.  218. 

8)  Plin.  HI  105  Feldm.  262. 

9)  MartialIV55,  29;  lt.  Hieros.  609  mutalio;  nur  2  Inschriften  Eph.  ep. 
VUI  p.  16. 

lü)  It.  Ant.  117  Hieros.  609. 


858  Kapitel  XIV.    Apulien. 

(70  m).i)  Silber-  und  Kupfermünzen  mit  der  Aufschrift  KaiXivwv 
bezeugen  seine  ehemalige  Selbständigkeit.-)  Es  wird  auch  von  den 
Geographen  erwähnt  und  den  Peuketiern  zugewiesen.  Bei  Phnius 
fehlt  der  Name,  sei  es  durch  ein  Versehen,  sei  es  dafs  das  Gemein- 
wesen vorübergehend  einem  anderen,  etwa  dem  4  Millien  entfernten 
Bari,  einverleibt  war. 3)  —  Von  Bari  landeinwärts  22  km  auf  dem  Wege 
nach  Tarent  liegt  Grnmum  Grumo  von  dem  es  Kupfermünzen  mit 
der  Legende  Fqv  giebt:  die  Gemeinde  der  Grumbestini  wird  zu  den 
calabrischen  gerecbnet.*)  —  Von  Caelia  sind  9  MiUien  bis  Azetium 
dessen  richtige  JNamensform  wir  aus  den  Münzen  mit  A^ritivwv 
kennen  lernen.^)  Nach  der  Censusliste  ist  die  Gemeinde  calabrisch. 
Sie  hat  bei  dem  heutigen  Butigliano  (125  m)  gewohnt.  —  Gleich- 
falls wird  den  Calabrern  das  Municipium  Norha  zugezählt  das  man 
bei  Conversano  (219  m)  sucht.^)  Von  hier  senkt  sich  die  binnen- 
ländische Strafse  über  ad  Veneris  an  die  Küste  und  fällt  mit  der 
Hauptlinie  zusammen. 

Die  Küstenstrafse  von  Sipont  bis  Bari  ist  ungefähr  75  Millien 
lang.  Die  Reisebücher  weichen  in  Betreff  der  Stationen  völlig  von 
einander  ab;  keine  einzige  der  genannten  scheint  Stadtrecht  gehabt 
zu  haben. '^)  Von  Sipontum  bis  zur  Mündung  des  Aufidus  werden 
33  Millien  gerechnet;  nach  dem  Flufs  hiefs  die  Station  Aufidena 
oder  Avfidum.^)  Der  Abstand  von  6  Millien  der  für  die  nächste 
Station  Barduli  angesetzt  wird,  pafst  auf  das  heutige  ßarletta '■*) ; 
desgleichen  9  Millien  von  hier  nach  Turenum  oder  Tirenum  auf  die 
Stadt  Trani.io)  Wenn  schon  diese  Gleichungen  durchaus  unsicher 
sind,  wird  man  gern  darauf  verzichten  für  Respa^^)  und  Natiolum 


1)  Tab.  Peuf.  Geogr.  Rav.  IV  35. 

2)  Dressel  Berl.  Kat.  185  Garrucci  117. 

3)  Strab.  VI  282  Ptol.  III  1,  64  Feldm.  262  CIL.  IX  p.  30. 

4)  Plin.  III  105  Garrucci  119. 

5)  Dressel  Berl.  Kat.  212  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  35  Ezetium  Plin.  III 105 
j4egelini. 

6)  Plin.  III  105  Norbanenses  Tab,  Peut.  Norve  Geogr.  Rav.  IV  35  JSorbe. 

7)  CIL.  IX  p.  32. 

8)  It.  Ant.  314;  Tab.  Peut.  Aufinum;  Geogr.  Rav.  IV  31  Aufidum,  V  1  Au- 
sidum;  Guido  22.  70  Aufidiena  das  er  mit  Cannae  gleich  setzt. 

9)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  Vi   vgl.  Guido  22.  71. 

10)  Tab.  Peut.  giebt  die  erste,  die  anderen  Quellen  die  zweite  Form. 

11)  It.  Ant.  315;   fehlt   auf  der  Karte  wo  eine  Station  ausgefallen  ist,   für 
die  Guido  24.  71   Melßs  einsetzt. 


§  2.     Das  Hügelland.  859 

unter  den  Städten  Bisceglie  Molfetta  Giovinazzo  eine  Auswahl  zu 
treffen.  1)  Festen  Boden  betreten  wir  erst  in  Barium  Bari. 2)  Die 
Küsteustrafse  stufst  hier  mit  der  Via  Traiana  zusammen  um  sich 
nach  Brundisiura  fortzusetzen.  Aufserdem  stellt  eine  60  Mühen 
lange  Querstrafse  die  Verbindung  mit  Tarent  her.3)  In  der  Neu- 
zeit ist  Bari  nicht  nur  in  Apulien  sondern  in  dem  festländischen 
Theil  des  ehemaligen  Königreichs  Neapel  die  gröfste  Provinzialstadt. 
Auf  der  weiten  Strecke  vom  Garganus  bis  wo  die  Halbinsel  anfangt, 
besitzt  es  den  besten  Hafen.  Seine  centrale  Lage  die  im  Wegenetz 
zur  Schau  tritt,  machte  es  zum  geeigneten  Markt  für  die  Land- 
gemeinden im  Umkreis.  Wir  wundern  uns  nicht  wenn  sein  Name 
338  gelegentlich  der  Kämpfe  der  Tarentiner  bei  Theopomp  be- 
gegnet. 4)  In  den  römischen  Annalen  erscheint  er  181  v.  Chr.  und 
zwar  als  maritimer  Fixpunct,  wofür  er  auch  sonst  von  den  Hydro- 
graphen verwandt  wird.^J  Auch  wird  sein  Fischreichtum  erwähnt. 6) 
Trotz  allem  mufs  man  sich  hüten  die  Bedeutung  die  Bari  seit  den 
Kreuzzügen  gewonnen  hat,  auf  das  Altertum  zu  übertragen.  Es  ist 
auf  60  und  mehr  Millien  die  einzige  Seestadt  der  lapyger,  aber  so 
wenig  ihr  führendes  Haupt  wie  Genua  das  der  Ligurer.  Die  Nach- 
barschaft von  Butonli  und  Caelia  beschränkte  ihr  Gebiet  auf  50, 
höchstens  100  Dkm.  Die  Stadt  selbst  hat  einen  Umfang  von  kaum 
272  km.  Sie  nimmt  eine  nach  Norden  etwa  800  m  vorspringende 
Landzunge  ein ,  an  deren  südöstlicher  Seite  durch  Molen  ein  ge- 
schütztes Becken  mit  10  ha  Inhalt  (Porto  vecchio)  hergestellt  ist. 
Ihre  bescheidene  Hallung  kommt  darin  zum  Ausdruck  dafs  es  nur 
Kupfermünzen  mit  der  Aufschrift  Baoivtov  giebt ") ,  während  die 
Nachbarinnen  z.  B.  Caelia  und  Bubi  Silber  geprägt  haben.  Noch 
in  der  langobardischen  Landesbeschreibung  die  die  blühenden  Städte 
Apuhens   herzählt,   wird  der  Name  Bari   vermifst.^)     Als  römisches 


1)  Die  Fabeln  Guido's  sind  für  die  Kenntnifs  des  Mittelalters  wertvoll,  für 
das  Altertum  wertlos. 

2)  So  die  ältere  Form  z.  B.  Mela  II  66  Plin.  III  102  Ptol.  III  1,  13  Tab. 
Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  V  1,  jünger  der  Plural  ßaria  CIL.  VI  2381b  I  10  ^aria 
It.  Ant.  117.  119  Beroes  It.  Hieros.  609. 

3)  It.  Ant.  119. 

4)  Steph.  Byz.  Bagr^Tiov. 

5)  Liv.  XL  18  Strab.  VI  283. 

6)  Hör.  Sat.  I  5,  9".  Berühmter  Weinmarkt  ist  es  heute,  ob  auch  im  Alter- 
tum,  wie  Detlefsen  durch  Conjectur  Plin.  XIV  69  erweisen  will,  steht  dahin. 

7)  Dressel  Berl.  Kat.  184.  S)  Paul.  h.  Lang.  H  21. 


860  Kapitel  XIV.    Apulien. 

Municipium  gehürle  es  zur  Tribiis  Claudia. i)  —  Die  Entfernung 
von  Bari  nach  Brundisiuni  beträgt  wie  die  von  Sipontum  nach  Bari 
rund  75  Millien.2)  In  der  ersten  Hälfte  dieser  Strecke  die  zu 
Apulien  gehört,  nähert  sich  der  3 — 400  m  hohe  Hügelrand  des 
Landrückens  dem  Meer  und  engt  den  Küstensaum  auf  wer)ige  Kilo- 
meter ein.  In  der  Gegend  des  heutigen  Polignano  20  Millien  von 
Bari  setzen  die  Reisebücher  eine  Station  Turres  Caesaris  an^}; 
ebendaselbst  sucht  man  wegen  der  häufigen  Funde  apulischer  Kupfer- 
münzen mit  der  Aufschrift  Neano  eine  Stadt  Neapolis  die  ander- 
weitig nicht  bekannt  ist.4)  —  9  Millien  weiter  ungefähr  bei  Monopoli 
scheinen  die  Dirini  gewohnt  zu  haben  die  Selbstverwaltung  hatten: 
sonst  wissen  wir  von  ihnen  nichts.^)  —  Auf  sie  folgt  nach  9  Millien 
die  letzte  Stadt  der  Peuketier*"')  Gnatia  das  von  den  Homern  auch 
Egnatia  oder  Ignatia  geschrieben  wird.'^)  Der  Vorschlag  eines  Vokals 
scheint  volkstümlich  gewesen  zu  sein,  wie  denn  der  heutige  Name 
Anazzo  lautet.  Die  Stätte  liegt  10  km  von  Monopoli  am  Meer  und 
ist  durch  ihre  ergiebigen  Grabfunde  bekannt,  während  die  Ring- 
mauer in  jüngster  Zeit  für  neue  Bauten  nahezu  abgetragen  wurde. s) 
Das  Municipium  war  durch  seinen  Hafen  und  die  Strafseu  —  in  der 
Nähe  mündet  die  binnenländische  in  die  Küstenstrafse  ein  (S.  858)  — 
mit  dem  grofsen  Verkehr  verbunden. 0)  Seinen  Ruhm  verdankt  es 
freilich  allein  dem  Spott  des  Horaz  der  an  das  hier  geübte  Wunder 
Weihrauch  ohne  Feuer  zu  verbrennen  nicht  glauben  wollte. lO) 

1)  Tac.  Ann.  XVI  9  CIL.  IX  p.  31. 

2)  It.  Ant.  315  leclinet  76,  Hieros.  609  falsch  70,  desgleichen  Tab.  Peut.  87 
Millien,  Strab.  VI  283  zur  See  7Ü0  Stadien,  die  Eisenbahn  1 11  km, 

3)  It.  Ant.  117  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  VI;  lt.  Hieros.  609  setzt 
11  Millien  von  Bari   Turres  lulianae,  9  Millien  weiter  Turres  Aureliaiiae. 

4)  Dressel  Berl.  Kat.  196  Garrucci  118. 

5)  Plin.  111  105  Dirini  Tab.  Peut.  Derlum  Geogr.  Rav.  IV  31  Diriam  V  1 
Dixium.  Guido  27  Dirium  quac  7iunc  Monopolis. 

6)  Strab.  VI  283  Plin.  111  102  Ptol.  III  1,  1.3,  als  Grenzstadt  den  Sallentinern 
zugezählt  Plin.  II  240. 

7)  rva&iv(ov  Kaibel  685  Gnatia  Hör.  Sat.  I  5,  97  mit  Schol.  Mela  U  66 
It.  Ant.  315  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  ;  Egnatia  oder  Ig'natia  Strab.  Plin. 
Ptol.  a.  0.  It.  Ant.  117  (Hieros.  609  Leonatia)  Geogr.  Rav.  V  1  Feldm.  262 
CIL.  IX  p.  28. 

8)  Monimsen,  Unterit.  Dial.  66. 

9)  Strab.  VI  283. 

10)  Hör.  Sat.  I  5,  97  Plin.  II  240.  Gnatia  lymphis  iratis  exstructa  kann 
Angesichts  der  reichen  und  trefTlichen  Quellen  des  Ortes  nicht  auf  Wasser- 
armut gedeutet  werden. 


§  3.     Calabrien.  861 

lieber  das  Innere,  den  breiten  Rücken  der  Miirgie  wo  einst 
die  iapygische  Ritterschaft  gehaust  hatte,  in  der  Folge  unfreie 
Hirten  die  Heerden  des  römischen  Grofscapitals  weideten,  versagen 
unsere  Nachrichten  fast  ganz.  Die  Via  Appia  von  Venusia  nach 
Tarent  läuft  am  südwesthchen  Abhang  hin,  ihr  Zug  ist  gegeben, 
aber  die  einzelnen  Stationen  schweben  in  der  Luft.  Das  Reise- 
buch giebt  die  Entfernung  mit  80  Miilien  15 — 20  Millien  zu  niedrig 
an,  die  Reisekarte  bringt  nur  einen  Theil  der  Route.  Nach  jenem 
würde  die  erste  Station  Silvium  20  Millien  von  Venusia  bei  Garag- 
none  zu  suchen  sein,  die  Karte  rückt  sie  15  Millien  weiter  nach 
Gravina.i)  Dies  ist  Rischofsitz  und  seit  dem  Mittelaller  ein  berühmter 
Markt.  Auch  Silvium  hat  eine  bedeutende  Stellung  in  der  Land- 
schaft eingenommen:  Strabo  bezeichnet  sie  als  Grenzstadt  der  Peu- 
ketier;  sie  hatte  306  v.  Chr.  eine  Resatzung  der  Samniten,  wurde 
von  den  römischen  Coosuln  nach  längerer  Relagerung  erstürmt  und 
lieferte  ihnen  reiche  Reute.^)  Von  hier  rückten  die  Consuln  vor 
um  das  samnitische  Gebiet  5  Monate  lang  planmäfsig  zu  verwüsten. 
Ferner  hat  Sulla  bei  seinem  Vormarsch  83  v.  Chr.  die  Stadt  be- 
rührt.3)  Sie  steht  in  der  Censushste  des  Augustus,  Inschriften 
fehlen. 4)  —  Unter  den  apulischen  Municipien  hat  endlich  noch 
Gmn&ia  Genosa  den  alten  Namen  und  den  alten  Platz  bewahrt. 5) 
Es  liegt  auf  einem  Ausläufer  der  Murgie  (257  m),  von  dem  aus  die 
Ebene  sich  nach  dem  20  km  entfernten  Golf  von  Tarent  abdacht, 
12  km  abseit  von  der  Via  Appia,  etwas  weniger  vom  Rradanus. 

§  3.     Calabrien. 6) 

Dem  Gegensatz  den  zum  hoch  ragenden  griechischen  Gestade 
das  westliche  Gegengestade  am  loniossund  bildet,  leiht  der  Dichter 
Ausdruck  indem  er  seinen  Helden  erzählen  läfsf): 


1)  It.  Ant.  121  Tab.  Peut.  Silutum  Geogr.  Rav.  IV  35  Silitum. 

2)  Strab.  VI  283  Diod.  XX  80. 

3)  Flui    Sulla  27,  6. 

4)  Plin.  111  105  CIL.  IX  p.  27. 

5)  Plin.  111  105  Feldm.  262  CIL.  IX  259. 

6)  Grundlegend  Antonius  de  Ferrariis  (geboren  1440  in  Galatone  bei  Lecce, 
daher  gewöhnlich  Galateus  benannt)  de  situ  lapygiae,  zuerst  Basel  1558  ge- 
druckt, dann  mehrfach  wiederholt  und  ausgeschrieben. 

7)  Verg.  Aen.  111  521. 


862  Kapitel  XIV.    Apulien. 

iamque  rubescehat  stellis  Aurora  fugatis 
cnm  procul  ohscnros  collis  humüemque  videmns 
Italiam.  Italiam  prinnis  conclamat  Achates, 
Itah'am  laeto  socii  clamore  salutant. 
Eine  niedere  flache  Terrasse  von  weifsem  Kalkstein  der  Tertiär- 
und  Kreideformation  macht  im  Südosten  den  Beschlufs  des  Appennin- 
lands  (1  243).  Ihre  Basis  von  Tarent  nach  Brindisi  mifst  44  Millien, 
die  alle  Hauptstadt  Uria  nimmt  in  der  Mitte  den  höchsten  Punct 
(166  m)  ein  und  überschaut  gleichmäfsig  das  Meer  im  Westen  wie  im 
Osten.  Die  Länge  bis  zur  Südspitze  beträgt  70  Millien ,  mit  ab- 
nehmender Breite  wächst  die  Erhebung  und  erreicht  201  m.  Trotzdem 
weist  dies  ganze  Gebiet  keinen  ständigen  Wasserlauf,  keinen  Bach 
auf  der  eine  Mülile  zu  treiben  vermöchte.  Das  Wasser  sickert  ein 
und  mufs  mühsam  aus  tiefen  Brunnen  geschöpft  werden.  Der 
dürre  Kalkboden  jedoch  ist  durch  emsigen  Fleifs  bemeistert,  das 
Land  in  einen  Garten  verwandelt  worden  wie  Attika  zur  Zeit  seiner 
Blütei):  in  beiden  Fällen  unter  dem  Einflufs  einer  grofsen  See- 
und  Handelstadt.  Die  Wolle  von  Tarent  besafs  Weltruf,  zur  Schonung 
trugen  die  Schafe  Schutzdecken.^)  Sie  weideten  namentlich  in  dem 
Küstenstrich  zwischen  Tarent  und  Gallipoli3);  der  Name  der  saltus 
Carminianenses  worunter  die  ganze  apulisch-calabrische  Domäne 
einbefafst  wird,  lebt  im  heutigen  Carmiano  7  Millien  West  von 
Lecce  fort.'*)  Immerhin  ist  es  die  Baumzucht  gewesen  die  das 
Aussehen  der  Halbinsel  bestimmte.  Die  Olivenwälder  die  sie  gegen- 
wärtig bedecken  (I  454),  reichen  nach  Aussage  der  Landwirte 
weit  zurück.^)  Wenn  der  Boden  hierfür  besonders  geeignet  er- 
scheint (I  244),  so  hat  doch  der  Weinbau  im  Altertum  nicht  minder 
geblüht.  6)      Gerühmt    werden     ferner    die    Feigen'),     Mandeln  s), 


1)  Strab.  VI  281  oiwS^ore^a  S^  ovaa  evßoros  oiSsv  r^rrov  xai  bvSsvS^os 
o^äxai. 

2)  Varro  RR.  II  2,  18  Hör.  Od.  II  6,  10;  Colum.  VII  2.  4  XI  2  Plin.  VIII  190. 
191  XXIX  33  Pallad.  XII  13  Strab.  VI  284  Marlial  XIII  125  VIII  28,  3  Fers. 
2,  65  u.  a. 

3)  Von  Schlangen  heimgesucht  Verg.  Georg.  III  425  Solin  2,  33. 

4)  Not.  Dign.  Occ.  11   vgl.  CIL.  X  1795. 

5)  Theophr.  h.  pl.  IV  14,  9  caus.  pi.  II  7,  5  V  10,  3  Cato  RR,  6  Varro  I  24 
Colum.  XII  49  Plin.  XV  20  Hör.  II  6,  16  Macrob.  S.  III  20,  6. 

6)  Aihen.  I  27  c  Hör.  Od.  II  6,  19  Plin.  XIV  69  Mari.  XIII  125. 

7)  Plin.  XV  71. 

8)  Plin.  XV  90. 


§  3.    Calabrien.  863 

Kastanien!),  Nüsse 2),  PinienkerneS),  Birnen*),  KüchenkräuterS),  die 
alle  nach  dem  Ausfuhrhafen  Tarenl  benannt  sind.  Bezeugt  wird  die 
Pflege  jener  Zierbäume  auf  denen  die  Gartenkunst  der  Alten  be- 
ruhte, wie  CypresseC)  und  Myrte.')  Um  den  Vergleich  mit  Attika 
zu  vervollständigen  kann  endlich  noch  der  calabrische  Honig  erwähnt 
werden.^)  Die  Aehnlichkeiten  der  beiden  Halbinseln  hinsichtlich 
ihrer  Bildung  Bodenbeschaffenheit  und  Bebauung  fallen  in  die  Augen. 
Aber  die  geschichtliche  Entwicklung  weist  keinerlei  Berührungspuncte 
zwischen  ihnen  auf.  In  Hellas  wurden  die  Gaue  unter  dem  Druck 
feindlicher  Stämme  zu  einem  staatHchen  Ganzen  verschmolzen.  In 
Italien  haben  die  Fremden  einen  vorzüglichen  Hafen  in  Besitz  ge- 
nommen, eine  Stadt  gegründet,  den  Verkehr  an  sich  gerissen,  viel 
Land  erobert  und  eine  Grofsmacht  geschaffen.  Die  Eingeborenen 
aber  schliefsen  sich  nicht  zu  einer  nationalen  Einheit  zusammen, 
sondern  zerfallen  in  lose  Stammbünde  die  ebenso  oft  gegen  einander 
als  gegen  den  gemeinsamen  Dränger  kämpfen.  Sie  erliegen  der 
fremden  Cultur,  nicht  den  fremden  Waffen  und  bewahren  zumeist 
ihre  politische  Unabhängigkeit.  Unter  der  Führung  Tarents  erreicht 
die  Halbinsel  wie  der  ganze  Süden  eine  Höhe  von  Wolstand  und 
Gesittung,  die  nachfolgende  Zeiten  tief  beschämen  sollte.  Die  An- 
gaben über  die  Volkszahl  dienen  zur  Erläuterung:  Tarent  stellte 
einst  30000  Mann  zu  Fufs  nebst  4000  Reitern  ins  Feld  9);  das 
Aufgebot  der  Mächte  die  mit  Pyrrhos  den  Uebergriffen  Roms  be- 
gegnen wollten,  Samniten  Lucaner  Messapier  Tarentiner,  wurde  deni 
König  auf  20  000  Reiter  und  350  000  Fufsgänger  beziffert.io)  Iq. 
dessen  fehlte  der  vielköpfigen  Gesellschaft  ein  einheithcher  Wille  und 
was  noch  schlimmer  war,  die  fortschreitende  Gesittung  hatte  die 
Wehrkraft  der  Städte  untergraben  (l  455).  Der  Krieg  mit  Rom 
rafl'te  die  Hälfte  der  Freien  bin  :  225  v.  Chr.  als  fast  zwei  Menschen- 
alter seit  der  Unterwerfung  verflossen  waren,  standen  die  eben  er- 


1)  Plin.  XV  93.  94. 

2)  Colum.  V  10. 

3)  Plin.  XV  35. 

4)  Cato  RR.  7  Colam.  V  lO  Plin.  XV  55.  61  Macrob.  S.  III  19,  6. 

5)  Colum.  VIII  U  Theophr.  caus.  pl.  IV  16,  2. 

6)  Cato  RR.  151  Plin.  XVI  141. 

7)  Plin.  XV  122  XVII  62. 

8)  Strab.  VI  282  Hör.  Od.  II  6,  14  Varro  bei  Macrob.  S.  lii  16,  12. 

9)  Strab.  VI  280. 

10)  Plut.  Pyrrh.  13,  6. 


864  Kapitel  XIV.    Apulien. 

wähnten  Stämme  zwar  mit  26000  Reitern  (I  545)  aber  nur  mit 
150  000  Fufsgängern  in  den  Dienstrollen  aufgeführt.')  Dann  kam 
der  hannibalische  Krieg  und  auf  den  verwüsteten  Gefilden  richtete 
sich  der  römische  Geldsack  ein.  Tarent  wurde  ein  Sitz  der  Ver- 
gangenheit, Brundisium  von  der  aufstrebenden  Gegenwart  getragen. 
„Ehedem,  sagt  Strabo  von  der  Halbinsel'^),  war  dies  ganze  Land  reich 
bevölkert  und  hatte  13  Städte,  aber  jetzt  findet  man  aufser  Tarent 
und  Brundisium  blofse  Dörfer:  so  gründlich  ist  es  ausgemergelt." 
Die  Aussage  wird  durch  die  Fülle  vorrömischer  und  den  Maogel 
römischer  Denkmäler  bestätigt. 

Die  Terra  d'  Otranto  oder  Provinz  Lecce  wird  zu  6797  (früher 
8530)  Dkm  Inhalt  berechnet.  Auf  die  Abweichung  der  heutigen 
von  den  alten  Stammesgrenzen  ward  S.  851  hingewiesen,  Der  in 
diesem  Abschnitt  beschriebene  Landestheil  beschränkt  sich  auf  rund 
6000  Dkm,  das  römische  Calabrien  umfafste  7—8000  Dkm,  griff 
über  die  Halbinsel  hinaus  an  der  Küste  zwischen  Brindisi  und  Gnatia 
(S.  860) ,  im  Binnenland  bis  nördlich  von  Bari  (S.  857).  Es  ist 
nicht  möglich  die  politischen  Bildungen  die  vor  der  römischen 
Herrschaft  in  diesem  Gebiet  bestanden ,  klar  zu  erkennen.  Die 
Messapier  scheinen  der  leitende  Canton  gewesen  zu  sein  (I  540), 
ihr  König  war  mit  Athen  verbündet  und  stellte  413  Hülfstruppen 
zur  Belagerung  von  Syrakus.^)  Die  Calabrer  werden  allerdings  im 
5.  Jahrhundert  erwähnt,  aber  kommen  in  der  geschichtlichen  Ueber- 
üeferung  nicht  vor.*)  Wenn  nun  was  den  Helleneu  messapisch 
hiefi?,  von  den  Römern  calabrisch  benannt  wurde  &),  so  könnte  man 
vermuten  dals  dem  letzteren  Volk  der  Vorsitz  im  Stammbund  über- 
tragen worden  wäre.  Jedoch  liegt  die  Annahme  näher  dafs  die 
oskischen  Nachbarn  wie  den  Namen  Apuli  (I  541)  so  auch  Calabri 
an  die  lateinische  Sprache  vermittelten.  Von  Augustus  werden  den 
Calabreru  10,  den  Sallentinern  im  Süden  5  binnenländische  Ge- 
meinden mit  Selbstverwaltung  zugewiesen. 6)  In  der  Verwaltung  der 
Kaiserzeit  ist  Calabria  mit  Apulia  verbunden ,   wird  aber  als  unab- 


1)  Fol.  II  24,  10. 

2)  Strab.  VI  281. 

3)  Thuk.  VII  33. 

4)  Rhinlhoii  bei  Hesych. 

5)  Polybios  braucht  II  24,  11  III  88,  4  die  griechische,  X  1,  3  die  römische 
Benennung. 

6)  Plin.  III  105. 


§  3.     Calabrien.  865 

häDgige  Einheit  aufgefafst,  ja  sogar  vorübergehend  zu  der  anstofsenden 
dritten  Region  Lucanien  gezogen.')  Die  Byzantiner  dehnten  den 
Namen  über  ihre  süditahschen  Besitzungen  aus  2)  und  behielten 
ihn,  nachdem  um  668  Tarent  Brindisi  und  die  öslhche  Halbinsel 
von  den  Langobarden  erobert  wurden  3),  für  die  ihnen  verbUebene 
weslhche  Halbinsel  bei.*)  So  kam  es  dafs  der  Name  in  seiner 
eigentlichen  Heimat  erlosch,  dagegen  die  Erinnerung  an  das  alte 
Volk  der  Brettier  verdrängte. 

Der  Sinus  Tarentimis  ist  der  grüfste  Meerbusen  Italiens:  sein 
Durchmesser  zwischen  dem  lacinischen  und  iapygischen  Vorgebirge 
wird  von  den  Alten  annähernd  richtig  zu  100,  der  Umfang  zu 
250  MiUien  angesetzt  s);  der  Flächeninhalt  beträgt  rund  350  deutsche 
Quadratmeilen.  Dies  ganze  Becken  findet  seinen  Brennpunct  im 
Hafen  der  Stadt  nach  der  es  benannt  ist.  Die  648  km  lange  Küste 
von  der  Südspitze  ßrultiums  bis  zur  Südspitze  Calabriens  hat  wol 
Sommerhäfen  und  offene  Rheden  (195),  aber  nur  diesen  einzigen 
vorzüglich  geschützten  weiträumigen  Ankerplatz  der  auf  die  Küsten- 
schiffahrt früherer  Zeilen  die  stärkste  Anziehung  ausüben  mufste, 
aufzuweisen. 6)  Das  breitische  Gebirge  fällt  durchweg  steil  zum 
Meer  ab ,  auch  die  iapygische  Halbinsel  bietet  ihrer  geringen  Er- 
hebung zum  Trotz  mit  Nichten  ein  gastliches  Gestade.  Aber  in 
Mitten  der  weiten  Ebene  die  das  nordhche  Ende  des  Golfs  einfafst, 
öffnet  sich  mit  einem  Durchmesser  von  8  km  gen  Westen  eine  halb- 
kreisförmige Bucht.  Sie  wird  durch  Torre  Rondinella  nach  Norden, 
Cap  S.  Vito  nach  Süden  begrenzt,  die  dazwischen  liegenden  flachen 
Inseln  S.  Pietro  und  S.  Paolo  brechen  die  Gewalt  der  Brandung. 
Nur  die  südliche  Einfahit  zwischen  S.  Vito  und  der  kleinen  Insel 
S.  Paolo  kann  gegenwärtig  von  Schiffen  benutzt  werden.  Ob  die 
nördliche  Einfahrt  jenseit  der  gröfseren  S.  Pietro  bereits  im  Alter- 
tum versandet  war,  wissen  wir  nicht.  Auf  dem  Zug  nach  Syrakus 
413  V.  Chr.  ankerten  die  Athener  bei  den  Inseln  um  messapische 
Speerwerfer   aufzunehmen :   bei   dieser  Gelegenheit  hören  wir  dafs 


1)  CIL.  IX  2213. 

2)  Georg.  Cypr.  (um  600)  p.  31  Geizer,  vielleicht  später  interpolirt. 

3)  Paul.  h.  Lang.  VI  1. 

4)  Im  heuligen  Sinne  Paul.  h.  Lang.  V  11. 

5)  Plin.  111  99  von  Polybios  bei  Strab.  VI  261  richtig  auf  700  Stadien  er- 
mäfsigt;  Mela  II  68  Ptol.  III  1,  10  Prokop  b.  Golh.  111  28. 

6)  Ausgeführt  Pol.  X  1   Flor.  I  13,  3. 

Nissen,  Ital.  Landesknnde.    U.  55 


866  Kapitel  XIV,    Apulien. 

sie  Choerades  hiefsen.^)  Die  Buciit  heifst  lieule  Marc  grande  und 
bildet  die  aufsere  Rhede  der  Stadt.  Eine  150  m  breite  Enge  die 
jetzt  vom  Ponte  di  Napoli  überbrückt  ist  und  aucb  im  Altertum 
überbrückt  war  2),  verbindet  sie  mit  dem  Mare  piccolo.  Dies  ist 
eine  Lagune  von  8  km  Länge  und  böcbstens  halber  Breite:  die  vor- 
springende Punta  della  Penna  beschränkt  die  Breite  auf  600  m  und 
giebt  dem  Gewässer  einen  herzförmigen  Ausschnitt.  Die  Gezeiten 
deren  Wechsel  deutlich  wahrnehmbar  ist,  beleben  die  Lagune:  mit 
steigender  Flut  wandern  die  Fische  ein,  mit  Ebbe  wieder  ins  Meer 
hinaus  und  werden  beim  Abzug  in  dem  schmalen  Durchlafs  gefangen. 
Die  Fauna  des  Mare  piccolo  ist  aufserordentlich  reich,  zählt  neben 
den  Schalthieren  nicht  weniger  als  93  Arten  Fische. 3)  Eine  so 
günstige  Fangstelle  wie  die  Landzunge  zwischen  dem  äiifseren  und 
inneren  Becken  hat  früh  besiedelt  werden  müssen.  Rohes  oder  im 
geometrischen  Stil  verziertes  Thongeschirr,  vereinzelte  Steinwaffen 
erinnern  an  die  ältesten  Bewohner.  Der  Landzunge  gegenüber  auf 
Punta  Tonno  ist  jüngst  ein  befestigtes  Pfahldorf  nachgewiesen 
worden :  die  oberen  Schichten  bargen  mykenische  Scherben ,  die 
unteren  bekundeten  dieselbe  Ausstattung  die  sich  am  Po  noch  viele 
Jahrhunderte  behaupten  sollte. 4)  Als  die  Fischerei  zur  Seefahrt 
fortschritt,  gewährte  die  Lagune  den  Schiffen  vollkommene  Sicher- 
heit sowol  gegen  Wind  und  Wetter  als  gegen  feindlichen  Angriff. 
Porlus  Tarentinus  ist  die  alte  Bezeichnung  des  Mare  piccolo  oder 
wenigstens  des  westHchen  Theils  der  an  die  Stadt  stöfst.^)  Ein 
junger  Gewährsmann  läfst  hier  vor  Ankunft  der  Hellenen  bereits 
eine  grofse  und  reiche  Stadt  bestehen  6):  wenn  man  den  Mafsstab 
der  Zeiten  berücksichtigt,  klingt  die  Nachricht  ganz  glaubhaft.  Auch 
werden  verschiedene  ältere  Namen  und  Siedlungen  überliefert.^) 
Geschichthch  ist  allein  Tagag  bekannt.  So  hiefs  angeblich  ein 
Sohn  des  Poseidon,  sein  Bild  auf  dem  Delphin  erscheint  als  Sladt- 


1)  Thuk.  VII  33. 

2)  Pol.  VIII  36  setzt  die  Brücke  voraus,  Slrab.  Vi  278  Appian  Kann.  34 
bezeugen  sie  ausdrücklich. 

3)  Hör.  Sat.  II  4,  34  Ennius  Hed.  5. 

4)  Ouagliati  Not.  d.  Scavi  1900  p.  411—64. 

5)  Prokop  b.  Goth.  III  23.  27  IV  26  Liv.  XXUI  33  vgl.  A.  2. 

6)  Paus.  X  10,  8.  13,  10  luslin.  III  4,  11. 

7)  (Arist.)  mir.  ausc.  106. 


§  3.     Calabrien.  867 

Wappen  auf  den  Münzen. i)  Indessen  ist  der  Name  2;  augenscheinlich 
einheimischen  Ursprungs  und  kehrt  8  km  West  vom  Mare  piccolo 
wieder,  wo  er  vom  Abflufs  einer  seit  dem  Altertum  ausgefüllten 
Lagune,  der  noch  jetzt  Tara  heifst,  geführt  wird. 3)  Die  Jungfern- 
kinder Sparta's  die  um  707  v.  Chr.  die  Küste  eroberten,  haben  ihn 
zu  hohen  Ehren  gebracht.*) 

Wie  so  mancher  erlauchten  Stadt  hat  freilich  auch  dieser  das 
Schicksal  arg  mitgespielt.  Die  geschichthche  Ueberlieferung  sciiweigt 
von  ihren  Grofsthaten  und  verweilt  mit  gehässiger  Parteilichkeit  bei 
ihrem  Verfall.  Oftmalige  Zerstörung  und  tausendjährige  Verödung 
haben  die  Denkmäler  alten  Glanzes  beseitigt.  Einem  Stadtbild  gegen- 
über das  einst  an  Reichtum  und  Umfang  in  Italien  seines  Gleichen 
nicht  gekannt  hat,  müssen  wir  froh  sein  wenn  die  Hauptlinien  sich 
feststellen  lassen. &)  —  Zwischen  der  Lagune  und  der  äufseren  Bucht 
springt  vom  Festland  nach  Westen  eine  Halbinsel  in  Gestalt  eines 
Kegels  vor:  die  Basis  mifst  etwa  3,  die  Höhe  4  km.  Die  Aufsen- 
seite  streicht  in  regelrecht  geschwungener  Linie,  die  Innenseite  be- 
schreibt hinter  il  Pizzone  (dem  Gegenstück  zu  der  S.  866  erwähnten 
Punta  della  Penna)  einen  flachen  Bogen.  Von  dem  Kegel  ist  die 
1000  m  lange  400  m  breite  Spitze  die  bis  auf  den  schmalen  Aus- 
gang die  Lagune  absperrt,  durch  einen  niedrigen  Nacken  getrennt. 
Gegenwärtig  wird  der  Nacken  von  einem  90  m  breiten  die  gröfsten 
Kriegsschiffe  einlassenden  Canal  durchbrochen:  der  drehbare  Ponte 
di  Lecce  überschreitet  ihn.  Der  Durchstich  hängt  mit  der  Anlage 
des  itaUenischen  Kriegshafens  im  Mare  piccolo  zusammen,  ist  aber 
bereits  im  15.  und  wieder  im  18.  Jahrhundert,  wenn  auch  nicht 
in  gleicher  Vollendung  wie  jetzt,  gemacht  worden.  Auf  der  so  ge- 
schafl"enen  Insel  liegt  die  Altstadt  von  Taranto  und  lag  die  Altstadt 
von  Taras.  Eine  Insel  in  unserm  Sinne  des  Worts  war  das  zur 
Zeit  der  Hellenen  noch  nicht,  wol  aber  nach  damaliger  Auffassung: 


1)  Aristot.  bei  Poll.  IX  80  Paus.  X  10,  8.  13,  10;  nach  Anderen  i-^coi  ne 
Strab.  VI  279  Skymn.  331. 

2)  Nach  Steph.  Byz.  wird  der  Stadlnanne  auch  weiblich  gebraucht,  doch 
nur  von  Späteren  wie  Dion.  Per.  377.  Neben  Tarentum  vereinzelt  Tarentut 
Mela  II  68  Flor.  I  13  Sil.  It.  XII  434  Sidon.  Ap.  carm.  V  430. 

3)  Steph.  Byz.  Appian  b.  civ.  V  94  Paus.  X  10,  8. 

4)  Die  Gründung  nach  Antiochos  und  Ephoros  Strab.  VI  278 — 80  Diod. 
VIII  21  Arisl.  Pol.  V  6,  1  Skymn.  330  fg.  lustin.  III  4  Pol.  VIU  35,  9. 

5)  Viola,  Notizie  degli  Scavi  1881  p.  376—436  mit  Plan,  vgl.  Evans,  Jour- 
nal of  Hellenic  Studies  VII  p.  1  fg.,  London  1886. 

55* 


868  Kapitel  XIV.    Apulien. 

von  dem  2'/2  km  messenden  Umfang  waren  vier  Fünftel  vom  Meer 
geschirmt,  das  letzte  Fünftel  brauchte  künstlicher  Deckung  gegen 
das  Land.  Die  Spuren  der  Befestigungswerke,  der  Mauer  mit  tiefem 
Graben  davor  i),  sind  durch  die  neuen  Canaibauten  verwischt  worden. 
Der  Höhenunterschied  trug  wesentlich  zu  ihrer  Verstärkung  bei. 
Der  Stadtboden  ist  niedrig,  sagt  Strabo^),  hebt  sich  jedoch  ein 
wenig  in  der  Akropolis.  Die  mittlere  Höhenlinie  der  Neustadt  kann 
zu  16  m  angenommen  werden,  der  höchste  Punct  der  Altstadt  mifst 
26  m:  kommt  auch  hiervon  mit  4 — 5  m  der  Zuwachs  an  Bauschutt 
in  Abzug,  so  überragt  doch  die  Altstadt  jene  und  insonderheit  die 
unmittelbar  anstofsende  Einsenkung.  In  der  That  waren  die  neuen 
Quartiere  dadurch  ihr  gegenüber  im  Nachtheil,  dafs  sie  den  Schlüssel 
zum  Hafen  besafs.3)  Nach  einem  mifslungenen  Angriff  212  mufste 
Hannibal  sich  auf  die  Blockade  beschränken.  Er  sicherte  die  Neu- 
stadt durch  mächtige  Schanzen,  schaffte  Kriegsschiffe  aus  dem  inneren 
Hafen  über  Land  auf  die  Aufsenrhede  um  die  Zufuhr  zur  See  ab- 
zuschneiden. Aber  die  römische  Besatzung  hatte  vermittelst  der 
Brücke  im  Westen  einen  Ausweg  zu  Lande  4),  der  Plan  sie  aus- 
zuhungern scheiterte,  und  der  Mifserfolg  wurde  verhängnifsvoll  für 
den  ganzen  Krieg.  Zu  Hannibals  und  Pyrrhos'  Zeiten  war  die  Insel 
die  beherrschende  Burg  der  Stadt.  Von  den  Kunstschätzen  die  sie 
damals  barg,  fand  Strabo  nur  kümmerliche  Reste  vor.»)  Wir  erblicken 
noch  Trümmer  eines  dorischen  Tempels,  der  um  600  erbaut  sein 
mag.  Die  Umgebung  des  Tempels,  das  mittelalterliche  Taranto  wo 
die  Furcht  vor  den  Piraten  die  Bevölkerung  in  hohen  fläusern  und 
dunkeln  Gängen  —  Gassen  kann  man  sie  kaum  nennen  —  500  Köpfe 
auf  den  Hektar  zusammen  gepfercht  hat,  führt  den  nachdenklichen 
Beschauer  zu  den  Anfängen  von  Taras  zurück.  Gerade  wie  jetzt 
stand  die  Fischerei  unter  den  Erwerbszweigen  obenan. 6)  Und  wie 
der  Aufschwung  des  geeinten  Italien  ein  neues  Tareut  aufserhalb. 
der  Insel  ins  Leben  gerufen  hat,  so  rückte  dorische  Kraft  die  Sladt- 
grenze  bis  zu  einem  Ziel  hinaus,  das  vorläufig  unerreichbar  er- 
scheint. —  Seit  vielen  Jahren  haust  der  Bauer  innerhalb  des  altea 


1)  Pol.  VIII  34,  7. 

2)  Strab.  VI  278. 

3)  Pol.  VIII  36,  3  Liv.  XXV  11   claustra  portus. 

4)  Liv.  XXV  15  XXVI  39. 

5)  Strab.  VI  278. 

6)  Arist.  Pol.  IV  4,  1. 


§  3.     Calabrien.  869 

Mauerriügs  und  hat  mit  den  städtischen  Anlagen  gründlich  auf- 
geräumt. Immerhin  zeigt  eine  Aushöhlung  des  Bodens  (Canalone) 
den  Stadigraben  an;  von  der  sorgfältig  gefügten  Mauer  dahinter 
sind  gleichfalls  einzelne  Schichten  nachgewiesen  worden.  Sie  läuft 
von  der  Masseria  Collepazzo  am  Mare  piccolo  nach  Süden  und  biegt 
halbwegs  in  stumpfem  Winkel  nach  Westsüdwest  zur  Masseria 
Montegranaro  am  Mare  grande  um.  Ihre  Länge  mifst  3V2  km,  das 
Achtfache  der  die  Landseite  der  Altstadt  schützenden  Wehr.  Auch 
die  Seeseiten  waren  ummauert:  man  erbhckt  Mauertrümmer  im 
Wasser  das  hüben  wie  drüben  die  Ufer  abgenagt  hat.  Für  die 
Landseite  werden  zwei  Thore  bezeugt. >)  Die  einmündenden  beiden 
Hauptstrafsen  durchzogen  die  Stadt  der  Länge  nach  und  endigten 
auf  der  Agora,  die  nicht  allzu  weit  von  der  Altstadt  ablag.  Wir 
hören  ferner  von  einem  Hauptthor  das  zum  Hafen  am  Mare  piccolo 
führte  2);  indefs  kann  die  Zahl  der  Ausgänge  damit  nicht  erschöpft 
sein.  Der  Flächeninhalt  wird  berechnet  zu  42  ha  für  die  Altstadt, 
529  ha  für  die  Neustadt.  Jene  Ziffer  ist  wegen  der  seit  dem  Alter- 
tum eingetretenen  Anschwemmung  etwas  niedriger,  diese  wegen  der 
Abspülung  höher  zu  veranschlagen.  Sehen  wir  von  solcher  kleinen 
Ungenauigkeit  ab,  so  steht  Tarent  mit  rund  570  ha  an  Gröfse  hinter 
Syrakus  (1814  ha)  zurück,  Athen  mit  dem  Piraeus  (585  ha)  gleich, 
übertrifft  das  servianische  Rom  (426  ha)  Capua  (182  ha)  und  alle 
anderen  Städte  Italiens  weitaus.^)  Der  umschlossene  Raum  war 
nicht  vollständig  bebaut:  im  Osten  an  der  Stadtmauer  blieb  eine 
Zone  frei  wo  die  Tarentiner  ihre  Todten  begruben.^)  Immerhin 
darf  man  die  Einwohnerschaft  während  der  Blüte  nicht  unter 
100 — 150000  Seelen  schätzen,  wurden  doch  allein  209  nach  so  viel 
Heimsuchungen  30000  in  die  Sklaverei  verkauft. &)  Auf  die  Frage 
wann  die  grofsartige  Stadlerweiterung  vollzogen  ward,  bleiben  wir 
die  Antwort  schuldig. <*)  Aus  allgemeinen  Erwägungen  kann  sie  so- 
wol  dem  5.  als  dem    4.  Jahrhundert  v.  Chr.  zuoreschrieben    werden. 


1)  Pol.  VIII  30.  31  Liv.  XXV  9. 

2)  Pol.  Vlil  32,  6. 

3)  Skymn.  330  fxeyiaxrj  tcöv  iv  'iTaXiq   Tdqas. 

4)  Pol.  VIII  30,  6. 

5)  Liv.  XXVII  16  Plut.  Fab.  22,  4. 

6)  Viola  p.  392  schliefst  aus  den  Mauerresten  und  den  daran  befindlichen 
Steinmetzzeichen  dafs  sie  nicht  über  450 — 400  hinauf  reichen  kann.  Jedoch 
hat  eine  Mauer  von  solcher  Ausdehnung  öfterer  Erneuerungen  bedurft,  zumal 
sie  272  geschleift  ward  Zonar.  VIII  6. 


870  Kapitel  XIV.    Apulien. 

Da  die  ältesten  Gräber  im  Westen  aufserhalb  der  Altstadt,  die  jüngeren 
im  Osten  zu  liegen  scheinen,  gelingt  es  vielleicht  mit  Hülfe  der 
Grabfunde  einzelne  Stufen  der  Entwicklung  zu  unterscheiden. 

Wenn  auch  alle  anderen  Quellen  versiegt  wären,  so  genügten 
die  Münzen  um  zu  zeigen  dafs  Tarent  während  seiner  Unabhängig- 
keit die  erste  Ilandelstadt  Italiens  gewesen  sei.  Die  Reichhaltigkeit  der 
Typen  —  Avellino  unterschied  896  —  steht  im  Westen  allein  hinter 
Syrakus  zurück,  allen  übrigen  Prägestätten  voran.  Die  Münze  be- 
herrschte ganz  Apulien  und  das  innere  Samnium.  Wie  sehr  sie 
von  den  Bedürfnissen  des  Grofshandels  abhing,  lehrt  die  Auswahl 
der  Metalle.  Kupfer  wird  spät  und  in  beschränktem  Umfang  ge- 
schlagen, auch  die  Scheidemünze  ist  von  Silber,  dagegen  ist  Gold 
stark  vertreten.!)  Beiläufig  hören  wir  aus  dem  5.  Jahrhundert  von 
den  lebhaften  Beziehungen  die  mit  Plätzen  wie  Korinth'^)  Aegina^) 
Knidos ^)  unterhalten  wurden.  Die  Angabe  dafs  Tarent  zu  den 
aeginetischen  Candelabern  die  Schäfte  heferte,  wirft  ein  helles  Licht 
auf  die  Entwicklung  des  Kunsthandwerks  sowol  als  des  geschäft- 
lichen Verkehrs.  Jenes  lernen  wir  unmittelbar  aus  den  apulischen 
Nekropolen  kennen  :  Tarent  hat  sie  mit  buntem  Geschirr  ausgestattet. &) 
Unter  allen  Gewerben  die  einst  hier  bluten,  das  wichtigste,  rettete 
die  Weberei  und  Färberei  ihren  Weltruf  bis  in  die  letzten  Zeiten 
des  Altertums.  Der  Wolle  geschah  S.  862  Erwähnung.  Sie  wurde 
am  Galaesus  gewaschen  6),  den  der  Localstolz  auch  wol  Eurotas  be- 
nannte ''),  einem  an  der  Nordseite  in  das  Marc  piccolo  mündenden 
Bach:  das  Kirchlein  Madonna  di  Galeso  hält  die  Erinnerung  wach.s) 
Den  Farbstoff  schenkte  das  Meer:  neben  vielen  anderen  Muscheln 
kommt  die  Purpurschnecke   in  mehreren  Arten  vor.     Ihre  Schalen 


1)  Mommsen,  Münzwesen  103  Head  H.  N.  44  fg.  Berliner  Kat.  222  fg. 

2)  Herod.  I  24. 

3)  Plin.  XXXIV  11. 

4)  Herod.  III  138. 

5)  Athen.  XI  478  b. 

6)  Martial  II  43,  3  IV  28,  3  V  37,  2  VIII  28,  3  XII  63,  3  vgl.  Verg.  Georg. 
IV  126  Hör.  Od.  II  6,  10  Prop.  HI  32,  67  Slat.  Silv.  lU  3,  93  Sid.  Ap.  carm.  24,  59 
Ciaudian  1  260. 

7)  Pol.  Vlil  35,  8. 

8)  Die  Kirche  ist  von  Taranto  2^2  Millien  entfernt.  Das  Pol.  VIII  35,  8 
Liv.  XXV  11  angegebene  doppelle  Mafs  bezieht  sich  auf  das  karthagische  Lager, 
das  aus  strategischen  Gründen  auf  der  Höhe  gegen  Melapont  gerichtet  zu  denken 
ist.     In  wiefern  Aenderungen  im  Wasserlauf  eingetreten  sind,  weifs  ich  nicht. 


§  3.     Galabrien.  871 

der  Abfall  tarenlinischer  Fabriken  liegen  am  Ufer  der  Lagune  hoch 
aufgelhürmt.  Die  auf  den  Münzen  häußg  angebrachte  Muschel 
spielt  auf  den  Betrieb  an.  Die  Auswüchse  der  herrschenden  Mode 
werden  schon  im  4.  Jahrhundert  gegeifselt  •) ,  die  romische  To»a 
erregte  282  v.  Chr.  den  lauten  Hohn  ihrer  Jünger.'^)  In  der  Fol^e 
beziehen  die  Sieger  weifse  und  bunte  Tuche  durchscheinende  Gazen 
und  ähnliche  Artikel  von  diesem  Ort  3);  400  n.  Chr.  weist  er  eine 
kaiserliche  Färberei,  die  einzige  des  itaHschen  Festlands  auf.^)  — 
Wie  die  Stadt  selbst  hat  auch  ihr  Gebiet  anfänghch  einen  bescheidenen 
Umfang  gehabt.  Der  8  km  entfernte  Bach  Taras  (S.  867)  giebt  die 
Ausdehnung  nach  West  an,  das  Dorf  Saturhim  nach  Südost  s):  der 
letztere  Name  lebt  fort  in  der  kleinen  Bucht  Saturo  mit  der  Torre 
Saturo  die  12  km  von  Tarent  abhegt. '^j  Die  Grenzen  die  ein  paar 
Geviertmeilen  nicht  überschritten,  wurden  in  steten  Kämpfen  vor- 
gerückt; die  über  Messapier  Peukelier  Japyger  erfochtenen  Siege 
waren  in  Delphi  von  Künsllerhand  verewigt.'')  Die  schliefshche 
Grolse  der  Feldmark  läfst  sich  mit  annähernder  Richtigkeit  nicht 
schätzen.  Aber  man  ersieht  doch  dafs  die  Hellenen  im  Wesent- 
hchen  auf  den  Küstensaum  beschränkt  blieben  und  im  Binnenland 
sich  öfters  blutige  Küpfe  holten.  In  diesen  Kriegen  kommt  die 
heimische  von  der  Ilophtentaktik  abweichende  Fechtweise  zur  An- 
wendung. Die  Messapier  fuhren  den  Wurfspeer,  der  Späteren  als 
unterscheidendes  Merkmal  der  römischen  Legion  gilt.*)  Auch  die 
leichte  Reiterei  die  unter  dem  Namen  Taqavrlvoi  seit  dem  Aus- 
gang des  4.  Jahrhunderts  in  den  Söldnerheeren  begegnet,  ist  mit 
der  nämlichen  Waffe  ausgerüstet. 9)  Die  Wurfwaffe  ist  dem  Hirten 
von  Natur  an  die  Hand  gegeben,  der  mit  dem  Beruf  des  Hirten 
für  die  öffenlhche  Sicherheit  verbundenen  Gefahren  haben  wir  früher 
(S.  841)  gedacht,  diesem  Kreise  entstammten  die  wilden  Gesellen  die 


1)  Klearch  bei  Athen.  XII  522  d. 

2)  Dio  fr.  39,  7  Appian  Samn.  7. 

3)  Plin.  IX  137  Hör.  Ep.  IIl,  207  Martial  (S.  870  A.  6),  mehr  BlQmner  p.  122  f?. 

4)  Not.  Dign.  Occ.  c.  10. 

5)  Das  delphische  Orakel  das  Phalanthos  der  Führer  der  Parthenier  eihielt, 
Antiochos  Slrab.  VI  279  Diod.  VIII  21  giebt  diese  Deutung  an  die  Hand. 

6)  Steph.   Byz.  ^Suzv^iov  Serv.  V.  Georg.  IV  335   Prob.  V.  Georg.  II  176 
vgl.  Hör.  Saf.  I  6,  59  m.  Schol. 

7)  Paus.  X  10,  ü.  13,  10. 

8)  Thuk.  VII  33. 

9)  Arrian  Takt.  4  Polyaen  III  7,  1  Diod.  XIX  82  Liv.  XXXV  28  u.  a. 


872  Kapitel  XIV.    Apulien. 

im  Oslen  ihre  Haut  zu  Markte  trugen  und  von  dem  Werbeplatz 
den  Namen  empQngen.  Vielleicht  bedeutender  als  die  über  die  Ein- 
geborenen errungenen  sind  die  Erfolge  die  Tarent  auf  Kosten  der 
eigenen  Stammesgenossen  davon  trug.  Der  drohende  Wettbewerb 
Thurii's  ward  durch  den  Sturz  der  athenischen  Macht  beseitigt. 
Und  als  nun  Dionys  im  Bunde  mit  den  Lucanern  die  Städte  Grofs- 
griechenlands  knechtete,  brachte  das  nationale  Unheil  den  Taren- 
tinern  Nutzen ,  erhob  sie  zur  Führerschaft  des  Hellenentums  in 
Italien.  Dafs  solche  Höhe  erreicht  werden  konnte,  war  freilich  vor 
allem  das  Verdienst  der  ruhigen  Entwicklung  im  Innern.  Während 
die  Vernichtung  der  Pythagoreer  die  achaeischen  Gemeinden  heillos 
zerrüttete,  fand  die  vervehmte  Secte  in  Tarents  Mauern  Schutz  und 
Duldung;  einer  ihrer  Hanptvertrelcr,  Archytas  der  Freund  Piatons, 
hat  Jahrzehnte  hindurch  an  der  Spitze  der  Staatsleitung  gestanden. *) 
Um  die  Zeil  der  Perserkriege  war  das  Königtum  noch  nicht  ab- 
geschafft.^)  Die  von  den  Japygern  473  erlittene  schwere  Nieder- 
lage raffte  den  Adel  dahin  und  bahnte  den  Weg  für  die  Demokratie.^) 
Aber  diese  Demokratie  findet  vor  den  Augen  eines  Aristoteles 
Gnade.4)  Die  Schiiderungen  die  Theopomp  und  seine  Nachahmer 
von  dem  üppigen  zügellosen  Leben  mit  breitem  Pinsel  ausmalen, 
erwecken  das  Mifstrauen  des  unbefangenen  Richters.^)  Die  Pflege 
von  Kunst  und  Wissenschaft,  die  Namen  eines  Archytas  Aristoxenos 
Rhinthon,  ganz  zu  geschweigen  des  Andronikos  dem  die  römische 
Jugend  die  Kenntnifs  Homers  verdankt,  beweisen  dafs  die  Taren- 
tiner  nicht  blos  zu  zechen ,  sondern  auch  zu  arbeiten  verstanden. 
Endlich  haben  sie  in  rühmlichem  Kampf  gegen  die  üebermacht  der 
Verhältnisse  ihre  Freiheit  vertheidigt  nnd  verloren. 

Die  Herrschaft  Tarents  ruhte  auf  seinem  Geld,  seinem  Handel 
und  Gewerbe.  Da  das  Bürgeraufgebot  dem  Heerbann  der  Lucaner 
Samniten  Messapier  an  Zahl  nicht  gleichkam,  mufstc  der  Ausfall 
durch  Söldner  gedeckt  werden.  Unter  Aufwand  bedeutender  Mittel 
hat  der  tarentinische  Kaufmann  durch  die  Landsknechte  eines  Archi- 
damos   Alexander  Kleonymos  die    seit  350  unablässig   wiederholten 


1)  üiog.  Laert.  VIII  4. 

2)  Herod.  III  136. 

3)  Herod.  VII  170  Arist.  Pol.  V  2,  8  Diod.  XI  52. 

4)  Arist.  Pol.  VI  3,  5. 

5)  Athen.  IV  166  e  (Theopomp)  XII  522  d  (Klearch)  Plut.  Pyrrh.  13.  16  (Ti- 
inaeo3)  Pol.  VIII  26,  1  Strab.  VI  280. 


§  3.    Calabrien.  873 

Angriffe  der  Stämme  abgewehrt.  Er  konnte  meinen  auch  mit  deo 
Römern  ein  gutes  Geschäft  gemacht  zu  haben  (S.  833).  Rom  ver- 
pflichtete sich  keine  Kriegsschiffe  jenseits  des  lacinischen  Vorgebirges 
zu  entsenden ,  erkannte  damit  den  ganzen  Meerestheil  (S.  865)  als 
Resitztum  der  Tarenliner  an.ij  Die  Rechnung  trog.  Zur  Gründung 
der  venusinischen  Mark  die  die  Verbindung  mit  Apuhen  bedrohte 
(S.  828),  halten  sie  geschwiegen;  als  jedoch  unter  schnöder  Mifs- 
achtung  der  Verträge  282  ein  römisches  Geschwader  am  Horizont 
auftauchte,  brauchten  sie  ihr  Hausrecht  und  bohrten  die  Schiffe  in 
den  Grund.  Tarent  unternahm  die  Refreiung  Italiens  vom  römischen 
Joch.  Das  Unternehmen  scheiterte,  nicht  an  der  Führung  durch 
König  Pyrrhos,  sondern  au  der  schlechten  Zucht  seiner  Truppen  2) 
und  dem  Eingreifen  Karthago's.  Als  nach  zehnjährigem  Krieg  die 
Rurg  272  von  den  epirotischen  Söldnern  ausgeliefert  ward,  verlor 
die  Stadt  Flotte  und  Mauer  und  zahlte  Tribut.  Der  griechische 
Grofskaufmann  hatte  ausgespielt,  der  römische  machte  sich's  in  den 
allen  Häusern  bequem. 3)  Eine  starke  Resatzung  bürgte  ein  Jahr- 
hundert und  länger  für  das  ^yolve^halten  der  Rürgerschaft.*)  Trotz- 
dem wurde  Hannibal  212  als  Erretter  begrüfst.  Der  Erhebung 
folgte  209  das  blutige  Strafgericht  auf  dem  Fufse  nach.  Tarent 
büfste  seine  Kunstwerke,  seinen  Reichtum,  einen  grofsen  Theil 
seiner  Revölkerung,  seine  Unabhängigkeit  ein^):  die  schönen  Di- 
drachmen  mit  Delphin  und  Reiter  verschwinden  aus  dem  Verkehr. 6) 
Es  behielt  seine  Selbstverwallung'),  stellte  den  Römern  auch  wol 
Schiffe^),  bewahrte  nach  Empfang  des  Rürgerrechts 9)  griechische 
Sprache  und  Sitte  bis  in  die  Kaiserzeit.  lO)  Klima  und  Gegend  übten 
auf  die  Römer  ihre  Anziehung   aus  und  werden  von  den  Dichtern 


1)  Appian  Samn.  7. 

2)  Dio  fr.  40,  25.  26  Appian  Samn.  8. 

3)  Pol.  VIII  33,  5. 

4)  Pol.  II  24,  13  VIII  26  fg.  Liv.  XXVIII  10  XXIX  13  XXXVI  2  XXXVIII  42 
XXXIX  29  Appian  Syr.  15. 

5)  Slrab.  VI  27S.  281  Liv.  XXVII  16  Plut.  Fab.  22  Plin.  XXXIV  40. 

6)  Mommsen,  Münzwesen  330. 

7)  Liv.  XXVII  25  XXXV  16  Cic.  pro  Archia  5.  10  in  Verr.  IV  135. 

8)  Pol.  I  20,  14  Liv.  XXXV  16. 

9)  Eine  Tafel  des  Statuts   ward    1894  gefunden,  Mon.  ant.  d.  Lincei  VI 
(1895)  p.  405  fg. 

10)  Slrab.  VI  253  Cic.  Fin.  I  7. 


874  Kapitel  XIV.    Apulien. 

gepriesen.')  Die  Stadt  mochte  einen  iilinlichen  Eindruck  erwecken 
wie  heul  zu  Tage  Venedig  oder  Brügge.  Obwol  die  Quartiere  im 
Osten  verlassen  waren ,  nahm  sie  sich  mit  ihrem  Gymnasium  und 
Marktplatz  in  Strabo's  Augen  ganz  stattlich  aus. 2)  Die  Regierung 
hat  wiederholt  versucht  ihr  aufzuhelfen:  123  v.  Chr.  wurde  eine 
Colonie  Nephmia  hergeführt  3),  Ponipeius  siedelte  unterworfene 
Piraten  an^),  endlich  Nero  60  n.  Chr.  Veteranen. &)  Die  neue 
römische  Epoche  kündet  sich  durch  ein  Amphitheater  und  was 
nützlicher  war,  eine  Wasserleitung  an.  Letztere  führt  aus  15  km 
Entfernung  Trinkwasser  in  die  bisher  auf  Brunnen  angewiesene 
Stadt  und  zwar  über  den  Ponte  di  INapoli  auf  die  Insel.  Die  An- 
lage der  Leitung  und  der  siebenbogigen  Brücke  die  sie  trägt,  machte 
allerdings  die  Lagune  für  Schiffe  unzugänghch.  Mit  dem  alten 
Hafen  verüdete  zugleich  die  Stadt,  die  Veteranen  rissen  aus,  ein 
oder  zwei  Menschenalter  nach  der  ueronischen  Colonie  wird  Tarent 
mit  Metapont  Thurii  und  Kroton  auf  gleiche  Stufe  gestellt. 6)  Die 
ebenso  spärlichen  wie  dürftigen  Inschriften  geben  einen  Mafsstab 
für  die  gedrückten  Verhältnisse  der  Gemeinde  ab."?)  Die  althellenische 
Befestigung  wurde  546  erneuert  um  ganz  Calabrien  in  ihren  Schutz 
aufzunehmen ,  549  jedoch  von  Totilas  mühelos  erobert.*)  Später 
ist  der  Platz  abwechselnd  in  den  Händen  der  Byzantiner  Lango- 
barden Saracenen  und  zuletzt  der  Normannen  gewesen. 

Tarent  liegt  an  einem  Knotenpunct  des  Verkehrs:  von  Süden 
trifft  die  lucanische  Küstenstrafse  ein,  von  Nordwesten  die  samnitische 
über  Venusia  (S.  861),  von  Norden  die  apulische  über  Barium  (S.  859), 
von  Osten  die  calahrische  von  Brundisium,  von  Südosten  die  sallen- 
tinische.  Davon  werden  die  an  zweiter  und  vierter  Stelle  aufge- 
führten gemeinhin  als  Via  Appia  zui^ammen  gefafsf,  obwol  ihr  Er- 
bauer  unbekannt    ist.'*)     Man    kann    veimuten    dafs    sie    von    den 


1)  Gell.  N.  A.  XllI  2,  2  Cic.  ad  Fam.  VII  12,  l  Tac.  Ann.  XIV  12  Sen.  Dial. 
IX  2,  13;  Verg.  Georg.  IV  125  Hör.  Od.  II  6,  10  III  5,  56  Ep.  I  7,  45  Prop.  III 
32,  67. 

2)  Slrab.  VI  278. 

3)  Vell.  I  15,  4  Strab.  VI  281  Hör.  Od.  I  28,  29  Feldm.  211. 

4)  Probus  V.  Georg.  IV  125. 

5)  Tac.  Ann.  XiV  27. 

6)  Dio  Chrys.  or.  XXXIH  401  M.  * 

7)  CIL.  IX  p.  22.  655.  693  Eph.  ep.  VIII  p.  12  Kaibel  p.  180.  689. 

8)  Prokop  b.  Golh.  III  23.  37. 

9)  Irrig  nennt  Aur.  V.  v.  ill.  34  den  blinden  Appius  von  312. 


§  3.    Calabrien.  875 

Römern  in  Verbindung  mit  der  Gründung  der  Colonie  in  Brundisium 
angelegt  worden  sei.  Dies  war  die  einzige  fahrbare  Landslrafse 
von  Rom  nach  dem  Orient,  die  BequemHchkeit  sicherte  ihr  der 
kürzeren  durch  Apuhen  laufenden  gegenüber  den  Vorrang  der  erst 
109  n.  Chr.  durch  Traian  eingeholt  ward  (S.  815);  Meilensteine 
sind  noch  von  Constantin  vorhanden. ')  Man  rechnete  die  Ent- 
fernung von  Brundisium  nach  Rom  zu  ebenso  viel  Millien  als  das 
Jahr  Tage  enthält,  d.  h.  360  oder  366.2)  ßa  aber  in  den  Reise- 
bUchern  die  Strecke  von  Venusia  nach  Tarent  zu  kurz  gekommen 
ist  (S.  861),  so  werden  die  Reisenden  ursprünglich  an  ein  Schalt- 
jahr alten  Stils  von  377  oder  378  Tagen  gedacht  haben,  was  mit 
der  wirklichen  Zahl  der  Millien  nahe  übereinstimmt.  Wie  dem  nun 
sei,  so  wird  der  Abstand  von  Tarent  und  Brundisium  richtig  mit 
44  Millien  angegeben.  3)  —  Ungefähr  halbwegs,  20  Millien  von 
Tarent  erreicht  die  Strafse  Uria  Messapia  *),  in  einheimischer  Sprache 
auf  seinen  aus  römischer  Zeit  stammenden  Kupfermünzen  Orra, 
jetzt  Oria.  5)  Die  beherrschende  Lage  in  der  Milte  der  Halbinsel 
(S.  862)  pafst  für  die  Hauptstadt  eines  Volkes:  Strabo  sah  auf  der 
Durchreise  den  allen  Königspalast.  ^)  Seit  dem  266  über  sie 
gefeierten  Triumph  kommen  die  Messapier  in  der  Geschichte 
nicht  wieder  vor  (I  540).  Die  Stadt  behielt  Selbstverwaltung.")  — 
12  Millien  weiter  folgt  Mesagne  dessen  alten  Namen  wir  nicht 
kennen  s),  hierauf  in  gleichem  Abstand  Brundisium  Brindisi.  ^)     Die 


1)  CIL.  IX  6076.  77. 

2)  Die  erste  der  hellenischen  Volksanschauung  entsprechende  Ziffer  hat 
Strab.  VI  283  Plin.  II  244,  die  zweite  ergiebt  sich  aus  den  Theilsummen  des 
It.  Ant.  vgl.  CIL.  IX  p.  602. 

3)  It.  Ant.  119  Tab.  Peut. 

4)  Plin.  III  100  Uria  cui  cognomen  [ad  discrimeii]  Apulae  Messapia  nach 
Cluvers  1248  Verbesserung. 

5)  Mommsen  ünt.  Dial.  61  CIL.  IX  p.  20  Garrucci  120. 

6)  Strab.  VI  282.  83  über  die  Verwechslung  mit  der  sallentinischen  Stadt 
gl.  N.  s.  S.  885. 

7)  Die  Stadt  wird  40  v.  Chr.  erwähnt  Äppian  b.  civ.  V  58;  Ptol.  III  1,  68 
OiQTjTOv)  Feidm.  211.  262  ist  die  Form  nicht  sicher. 

8)  CiL.  IX  p.  19. 

9)  Die  Griechen  Herodot  Polybios  Strabon  usw.  (auch  inschrifllich  wie 
Dittenberger  F  268,  70)  setzen  die  Tenuis  Boevidaiov  Boevrealrot,  dagegen 
die  amtliche  einheimische  Inschrift  Kaibel  672  BoevSealvcov.  Dichter  brauchen 
die  Kurzform  Brenda  Fest.  33  M. ,  aber  der  Anlaut  im  Lateinischen  ßruTi  ist 
durch  die  Münzen   und   die  Litteratur   gesichert.     In  Tab.  Peut.  It.  Hier.  609 


876  Kapitel  XIV.    Apulien. 

Stadt  wird  um  ilires  Hafens  willen  genannt  den  Strabo  dem  Taren- 
tiner  vorzieht  und  Ennius  mit  den  Worten  preist'):  ' 
Brundisium  pulcro  praecinctum  praepete  portu. 
Die  Alten  vergleichen  ihn  mit  einem  Hirschgeweih  und  lassen 
den  Namen  in  messapischer  Sprache  Hirschkopf  bedeuten.  2)  Das 
Bild  ist  angemessen  gewählt.  Wie  im  Westen  durch  die  Lagune 
von  Tarenl  lockert  das  Meer  auch  im  Osten  bei  einer  in  der  Luft- 
linie reichlich  50  km  messenden  Entfernung  die  einförmige  messa- 
pische  Küste  auf.  Es  schafft  zunächst  eine  trichterförmig  sich 
verengende  Bucht  von  4  km  Weile  und  3  km  Länge.  Diese  Aufsen- 
rhede  wird  durch  6  Eilande  gegen  den  Wogenprall  geschirmt.  3) 
Die  seewärts  gelegenen  kleinen  heifsen  Le  Petagne;  die  nördliche 
Hauplinsel  (S.  Andrea)  streicht  1  km  dem  Ufer  parallel  und  ist  halb 
so  weit  von  ihm  entfernt.  Die  so  entstehende  Einfahrt  (Bocca  di 
Puglia)  ist  neuerdings  abgeschnitten  worden,  da  man  um  der  Ver- 
sandung zu  begegnen  die  äufserste  Spitze  der  Insel  durch  einen 
Damm  mit  dem  Festland  verband.  Ein  Angreifer  zur  See  findet 
in  der  Insel  einen  geeigneten  gegen  den  inneren  Hafen  vorspringen- 
den Stützpunct:  nur  fehlt  Trinkwasser.  4)  Der  Name  im  Altertum 
scheint  Barra  gelautet  zu  haben.  &)  Zwischen  dieser  und  der  Insel- 
gruppe Le  Petagne  ist  die  2  km  breite  Haupteinfahrt,  die  ehedem 
wie  jetzt  durch  einen  Leuchtlhurm  auf  der  ersten  Klippe  erhellt 
wurde.  6)  Die  eben  umschriebene  Aufsenrhede  läuft  landwärts  aus 
nach  Süden  in  einen  lodten  Arm  der  jetzt  ausgefüllt  ist  (Fosso 
piccolo),  sodann  nach  Südwesten  in  den  Hauptarm  der  den  eigent- 
lichen Hafen  bildet.  Der  Eingang  (/awcesjporfMs'')  war  im  Altertum 
ungefähr  300  m  lang  und  breit.  In  der  Neuzeit  gänzlich  versandet, 
ist  er  bei  der  Herstellung  des  Hafens  auf  einen  Canal  von  kaum 
ein  Viertel  der  ursprünglichen  Breite  eingeengt  worden.  Caesar 
versuchte   (9 — 17   März  49)    den    Eingang    durch    eine   Sperre  zu 


Brindisi,  Geogr.  Rav.  IV  31  Brendesium  V 1  Brindice  bricht  dann  die  alte  Valgär- 
sprache  durch. 

1)  Strab.  VI  282  Ennius  Gell.  N.  A.  VII  6,  6  IX  4,  1  Lucan  II  609  fg. 

2)  Strab.  VI  282  Sleph.  Byz.  Hesych.  Elym.  M.  Schol.  Bern,  zu  Lucan  II  609. 

3)  Plin.  lii  151. 

4)  Caes.  b.  civ,  III  23.  100   Appian   b.  civ.  IV  S2.     Eine   Süfswasserquelle 
innerhalb  des  Hafens  erwähnt  Plin.  11230;  sie  ist  nicht  mehr  vorhanden. 

5)  Fest.  33  M.  unter  Barium. 

6)  Mela  II  114. 

7)  So  bezeichnet  Caes.  b.  civ.  I  25. 


§  3.     Calabrien.  877 

schliefscD,  brachte  auch  fast  die  Hälfte  fertig,  als  die  feindliche 
Flotte  von  Griechenland  zurückkehrte  und  Pompeius  aus  der  Falle 
herausholte.  Spuren  der  Dammbauten  wurden  in  der  Neuzeit  ge- 
legentlich angetroffen.  Wie  von  der  Stirn  die  Stangen  des  GeNveihs 
vorspringen  i),  gabelt  sich  die  Bucht  in  zwei  schmale  Führden:  eine 
etwa  2  km  lange  nach  Westen  (Seno  grande),  eine  wenig  kürzere 
nach  Süden  (Seno  piccolo).  Beide  reichten  im  Altertum  weiter  ins 
Land.  Sie  bieten  bei  genügender  Tiefe  für  grofse  Seeschiffe  den 
vollkommensten  Schutz  und  bei  der  Länge  der  Staden  eine  unver- 
ächtUche  Bequemlichkeit  des  Verkehrs.  Die  von  ihnen  umfafste 
Halbinsel  ist  der  gewiesene  Ort  einer  Stadt.  Solche  ist  an  drei 
Seiten  durch  das  Wasser  gedeckt  und  dem  Angriff  vom  Lande  her 
nur  auf  einer  Strecke  von  1  km  ausgesetzt.  —  Dafs  ein  derartiger 
Platz  früh  von  Seefahrern  angelaufen  und  früh  von  Ansiedlern  ein- 
genommen wurde,  läfst  sich  erwarten.  Die  Ueberlieferung  schreibt 
die  Gründung  den  Kretern  oder  Aetolern  unter  Theseus  Minos 
lapyx  Diomedes  oder  einem  Herakliden  Brentos  zu.  2)  Sie  hält  die 
Messapier  für  verwilderte  Kreter  und  die  Japyger  für  Nachkommen 
des  Diomedes  ([  542),  erzählt  von  Kämpfen  beider  Völker  um  den 
Besitz  des  Hafens.  Sie  erzählt  dafs  der  König  von  Brundisium 
viel  Land  an  die  nach  Tarent  gekommenen  Lakonen  verlor,  trotzdem 
ihren  verbannten  Anführer  Phalanthos  gastlich  aufnahm  und  nach 
dem  Tode  prunkhaft  bestattete.  Derart  ist  der  Gegensatz  beider 
Städte  nach  der  Ueberlieferung  von  Anfang  an  gegeben.  Er  setzt 
sich  in  historischen  Zeiten  fort:  wie  die  Messapier  als  Feinde  Tarents 
mit  Athen  verbündet  sind  (S.  864),  so  unterhält  Brundisium  mit 
Thurii  einen  Gaslvertrag.  3)  Freilich  konnte  der  Hafen  im  Besitz 
der  Messapier  4),  wenn  auch  deren  wichtigste  Stadt  5),  die  Vorzüge 
seiner  Gestaltung  nicht  voll  und  frei  entfalten,  weil  das  Hinterland 
fehlte.  Erst  für  das  geeinte  Italien  wurde  er  das  Hauptthor  des 
Personenverkehrs  mit  Hellas  und  der  Levante.  Um  es  in  seine  Hand 
zu  bringen  überzog  Rom  267.  66  die  Messapier  und  Sallentiner  mit 


1)  Caerar  bei  Cic.  ad  Alt.  IX  14,  1  ab  utroque  portus  cornu. 
•1)  Strab.  VI  282  Schol.  Bern,  zu  Lucan  II  609  lustin  XII  2,  7  Herakl.  Pont, 
fr.  27  (U  220  Müller)  Steph.  Byz. 

3)  Kaibel  672  vgl.  Mominsen  Herrn.  III  298;  wegen  dieser  engen  Beziehungen 
ist  auch  dem  Herodot  IV  99  der  Name  ganz  geläufig, 

4)  Skymn.  364  Boevreatov  inivBiöv  re  icöv  Meaffanicov. 

5)  Flor.  I  15  Caput  regionis. 


878  Kapitel  XIV.    Apulien. 

Krieg '),  sicherte  sodann  den  eroberten  Platz  244  durch  eine  lati- 
nische Colonie.  2)  Der  5.  August  wurde  als  Stiftungstag  gefeiert.  3)  — 
Damit  wechselte  Brundisium  seine  Volksangehörigkeit,  sprach  nicht 
mehr  Messapisch  sondern  Latein.  ■*)  Es  war  mit  einem  fruchtbaren 
Gebiet  ausgestattet  worden  dessen  Grüfse  nur  geschätzt  werden  kann, 
aber  eher  1000  Dkm  überstieg  als  darunter  blieb,  s)  Unter  seinen 
Erzeugnissen  werden  Honig  und  Wolle  hervorgehoben;  vom  Weinbau 
ist  die  Rede  6);  die  künstliche  Geflügelzucht  ward  hier  ausgebildet.  "0 
Den  Feinschmeckern  lieferte  es  Seefische  8)  und  Austern  9),  fertigte 
endlich  in  republikanischer  Zeit  die  behebtesten  Spiegel.  ^^)  Aber 
die  eigentliche  Bestimmung  der  Colonie  ist  auf  der  kupfernen 
Scheidemünze  deren  Prägung  ihr  verstattet  ward,  zum  Ausdruck 
gebracht:  die  Münzen  tragen  den  bekränzten  Kopf  des  Neptun  und 
den  bekannten  tarentinischen  Typus  des  Reiters  auf  dem  Delphin, 
gleichsam  als  ob  sie  den  Wettbewerb  mit  der  bisherigen  Seekönigin 
ankünden  wollten. ^i)  In  den  nächsten  Jahrzehnten  nach  der  Gründung 
erprobten  die  Römer  den  Wert  dieses  Bollwerks  gegenüber  der 
griechischen  Halbinsel  i^)  sowol  als  der  umgebenden  Landschaft. '3) 
Nach  dem  hannibalischen  Krieg  als  Italien  endgiltig  unterworfen 
war  und  nunmehr  der  Orient  an  die  Reihe  kam,  nimmt  die  Stadt 
einen  raschen  Aufschwung,  während  Tarent  unheilbar  hinsiecht.''*) 
Die  Ueberfahrt  nach  den  jenseitigen  Häfen  Dyrrachium  für  die  Route 
Thessalonica-Byzanz  (100   Millien). '■^)     Aulona  (90   Millien) '6)  und 


1)  Zonar.  VIII  7  Flor.  I  15  Eutrop.  II  17. 

2)  Vell.  I  14,8  Liv.  XIX. 

3)  Cic.  ad  Att.  IV  1,  4  pro  Sest.  131. 

4)  Mommsen   ünterit.   Dial.  60.     Die  Unzuverlässigkeit  des  messapischen 
Elements  lehrt  der  Verrat  von  Clastidium  218  Pol.  HI  69  Liv.  XXI  48.; 

5)  Slrab.  VI  282. 

6)  Varro  RR.  I  8  Plin.  XVII  166. 

7)  Plin.  X  141  Varro  RR.  111  5  vgl.  Cic.  pro  Plane.  97. 

8)  Ennius  Hed.  4. 

9)  Plin.  IX  169  XXXIl  61. 

10)  Plin.  XXXIll  130  XXXIV  160. 

11)  Mommsen,  Münzwesen  352  Berliner  Kat.  213. 

12)  Pol.  II  11,  7  üio  fr.  49,  2  Liv.  XXIII  33.  48  XXIV  10.  11. 

13)  Liv.  XXV  22  XXVII  10  Appian  Hann.  34. 

14)  Pol.  X  1,9. 

15)  Slrab.  VI  283   Plin.  III  101    225  Millien,  lt.  Ant.  317  1400  Stadien  == 
140  Millien,  It.  mar.  497  1000  Stadien  =  100  Millien.; 

16)  It.  Ant.  323  It.  mar.  497  1000  Stadien  =  100  Millien. 


§  3.     Calabrien.  879 

Corcyra  (160  Millien)  ist  zwar  bedeutend  länger  als  von  Hydruntum 
aus  (l  94),  galt  aber  als  entsprecbend  sicherer,  i)  Und  obwol  die 
Furcht  vor  der  Seekrankheit  dem  letzteren  Wege  Verehrer  zu- 
führte 2),  hat  er  doch  erst  am  Ausgang  des  Altertums  den  Strom  der 
Reisenden  abgelenkt.  3)  —  Brundisium  bedeckte  eine  Fläche  von 
etwa  80  ha,  stand  somit  zwischen  Pompeji  und  Ostia  in  der  Mitte. 
Der  Bundesgenossenkrieg  verschaffte  ihm  römisches  Bürgerrecht  und 
Aufnahme  in  die  Tribus  Maecia.  Seitdem  war  und  blieb  es  Muni- 
cipium  mit  der  üblichen  Magistratur.  *)  Durch  Sulla  ward  es  zum 
Freihafen  erhoben.^)  Aber  mit  der  S.  876  erwähnten  Belagerung 
im  März  49  v.  Chr.  beginnt  die  schwere  Bedrängnifs  die  erst  durch 
den  Sieg  Octavians  ihr  Ende  finden  sollte:  42  und  40  folgten  neue 
Angriffe,  um  von  der  andauernden  Schädigung  des  Handels  zu 
schweigen.  Die  Monarchie  hat  viel  für  die  Stadt  gethan^  prunkende 
Denkmäler  errichtet  ß),  durch  die  Via  Traiana  eine  zweite  Fahrstrafse 
nach  Rom  geschaffen  (S.  815),  an  eine  durchgreifende  Besserung 
jedoch  der  landschaftlichen  Verhältnisse  nicht  gedacht. ")  Die  Weide- 
wirtschaft herrscht  vor,  die  Landbevölkerung  ist  unfrei  gewaltthätig 
zu  Aufständen  geneigt  s),  die  Malaria  schleicht  ungestört  umher 
(I  337.  417  A.  1).  Etwa  300  brundisinische  Inschriften,  mit  Tarent 
verglichen  eine  grofse  Zahl,  sind  auf  uns  gelangt  9):  den  Grund- 
besitzerstand der  in  kräftigeren  Gemeinden  den  Ton  angiebt,  sucht 
man  auf  ihnen  vergebens.  Und  so  eifrig  der  Handel  betrieben 
wird'O),  so  viele  Orientalen  mit  ihren  Culten  begegnen,  der  Grofs- 
händler  fehlt,  weil  das  aufnahmefähige  Hinterland    nicht  vorhanden 


1)  Plin.  III  101  Tac.  Ann.  III  1  im  Winter  von  Corcyra  war  Brundisium 
naviganti  celerrimum  fidissimumque  adpulsu.  Cic.  Phil,  I  7  Brundisium  iter- 
que  illud  quod  trilum  in  Graeciam  est.  vgl.  vila  M.  Aur.  9,  4.  27,  3  vita 
Sev.  15,2. 

2)  Liv.  XXXVI  21  (vgl.  Flut.  Cato  maior  9,  6)  Cic.  ad  Alt.  XV  21,  3  Strab. 
VI  281. 

3)  It.  Ant.  115.  323.  329  It.  mar.  489  Hieros.  609. 

4)  CIL.  IX  p.  8. 

5)  Appian  b.  civ.  I  79. 

6)  Dio  LI  19. 

7)  Feldm.  262. 

8)  Tac.  Ann.  IV  27. 

9)  CIL.  IX  32—214  6096-6150  6391—96  c  Eph.  ep.  VIII  2—51  Kaibel 
672-84. 

10)  Cic.  de  Divin.  II  84  Dig  XIV  1,  1,  12  Saeton  rel.  122  Reiff.  Sidon.  Ep. 
I  10,2  CIL.  IX  60.  62. 


880  Kapitel  XIV.    Apulien. 

ist.  Die  Grabsteine  kleiner  Leute  die  von  den  Reisenden  leben, 
reden  zu  uns;  denn  die  Fremdeninduslrie  war  dazumalen  kein 
Grofsgewerbe  wie  in  heuliger  Zeit.  Der  fliegende  Buchhändler  mit 
griechischen  Schmökern  i),  der  aus  Rom  verschriebene  Litterat  der 
die  Dichter  verhunzt'^),  der  vom  Rat  geehrte  epikureische  Philosoph 
aus  Rhodos  3)  vervollständigen  das  Bild  des  nahenden  Verfalls.  Als 
Pacuvius  in  Brundisium  geboren  wurde*),  Horaz  von  langer  Fahrt 
ausruhte  ^),  Vergil  die  Augen  schlofs  ^),  mögen  die  Farben  frischer 
gewesen  sein.  Die  Mauer  war  im  6.  Jahrhundert  längst  gefallen  ^), 
der  Verkehr  nach  Hydruntum  gewandert.  Dann  gelangt  der  trefl"- 
liche  Hafen  namentlich  während  der  Kreuzzüge  wieder  zu  Ehren, 
verödet  später  und  versandet,  wird  schliefslich  vom  geeinten  ItaUen 
seiner  ehemahgen  Bestimmung  zurückgegeben.  Die  antiken  Ueber- 
reste  von  Wasserleitung  und  Thermen,  zwei  Säulen  eines  Denkmals 
sind  unbedeutend. 

Von  einer  Anzahl  Ortschaften  im  Umkreis  von  Brindisi  sind 
messapische  Inschriften  erhalten  aber  keine  lateinischen:  wir  können 
sie  deshalb  auch  nicht  benennen.  Dahin  gehören  28  km  nord- 
westlich Carovigno  s),  37  km  nordwestlich  Ostuni »),  38  km  westlich 
Ceglie  Messapico  (301  m),  offenbar  Caelia  wie  das  gleichnamige 
Municipium  bei  Bari  (S.  857)  aber  in  der  Litteratur  nicht  nach- 
weisbar.'ö)  Einen  dritten  Ort  des  Namens  führt  PHnius  in  der 
KUstenbeschreibung  südlich  unweit  Brindisi  auf.*')  —  An  der  Küsten- 
strafse  welche  die  ganze  Halbinsel  von  Brindisi  bis  Tarent  umzieht, 
findet  sich  12  Millien  von  Brindisi  bei  S.  Pietro  Vernotico  die  Stätte 
des  verlassenen  Valesium  die  noch  jetzt  Valesio  heifst.^'-)  Trotz  seiner 
Funde  kann  der  Ort  nicht   erheblich    gewesen  sein.  —  25  Milben 

1)  Geil.  N.  A.  IX  4. 

2)  Gell.  N.  A.  XVI  6. 

3)  CIL.  iX  48. 

4)  Hieron.  a.  Abr.  1863. 

5)  Hör.  Sat.  I  5,  104. 

6)  Hieron.  a.  Abr.  1999. 

7)  Prokop  b.  Golh.  III  18. 

8)  Mommsen  Unterit.  Dial.  63. 

9)  .Mommsen  a.  0.  64  an  das  territorium  Auslranum  Feldm.  211  erinnernd. 

10)  iMommsen  a.  0.  62. 

11)  Plin.  III  101. 

12)  Mommsen  a.  0.  60,  die  Namensform  ist  unsicher:  Mela  II  66  Faletium 
Plin.  III  101  Dalesium  It.  Ilieros.  609  Falentia  Tab.  Peut.  Balenlium  Geogr. 
Rav.  IV  31  V  l  Baletium  Guido  71  Faletum  vel  Falentium. 


.      §  3.    Calabrien.  881 

von  Brindisi  setzen  die  Reisebücher  Lupiae  an.  i)  Als  Nachfolgerin 
betrachtet  sich  Lecce  (51  m)  die  ansehnliche  Hauptstadt  der  Provinz. 
Antike  Bauwerke  sind  gegenwärtig  verschwunden,  waren  indefs  nach 
dem  Zeugnifs  des  Guido  von  Pisa  im  12.  und  des  Galateus  im 
15.  Jahrhundert  reichHch  vorhanden.  Unter  allen  Umständen  mufs 
Lupiae,  wenn  nicht  auf  dem  nämlichen  Fleck  wie  Lecce,  so  doch 
io  unmittelbarer  Nähe  gesucht  werden.  Von  den  Geographen  wird 
es  theils  ins  Binnenland  2)  theils  an  die  Küste  verlegt.  3)  Die  Ent- 
fernung von  letzterer  beträgt  8  Millien ;  an  der  kleinen  Bucht  von 
S.  Cataido  befand  sich  ein  Hafen  den  Kaiser  Hadrian  ausbaute.^) 
Hier  landete  nach  Caesars  Ermordung  sein  Erbe  Octavian  und  ver- 
weilte einige  Tage  in  Lupiae.  5)  Dem  Kaiser  Marc  Aurel  führten 
höfische  Gelehrte  seinen  Stammbaum  auf  den  Gründer  der  Stadt, 
einen  sallentinischen  König  Malemnius  des  Dasummius  Sohn  zurück.  6) 
Dieser  Verwandtschaft  wird  sie  die  Erhebung  zur  Colonie  zu  danken 
haben.  "^  Um  dieselbe  Zeit  erhielt  sie  vielleicht  auch  ein  Amphi- 
theater; jedoch  sind  die  Inschriften  spärlich.^)  —  In  Lecce  erinnert 
die  Porta  a  Rugge  an  den  kaum  1  km  westlich  entfernten  verlassenen 
Ort  der  im  Altertum  Rudiae  hiefs  und  Municipalrechl  besafs.  ^)  Die 
Lage  ist  sowol  inschriftlich  als  durch  die  Angabe  Strabo's  gesichert.*^) 
Um  des  Dichters  Willen  den  er  der  Welt  geschenkt,  wird  der  Ort 
genannt^i): 

Ennins  antiqua  Messapi  ab  origine  regis  .  .  . 
miserunt  Calahri,  Rudiae  gennere  vetustae: 
nunc  Rudiae  solo  memorabüe  nomen  alumno. 

1)  It.  Ant.  118  Lupiae,  Hieros.  609  Clipeas,  Tab.  Peut.  Luppia,  Geogr. 
Rav.  IV  31  V  1  Lupia;  der  vielfach  entstellte  Name  wird  gesichert  durch  CIL. 
X  1795. 

2)  Slrab.  VI  2S2  Aovniai. 

3)  Mela  II  66  Lupae  Plin.  III  101  Lupia  Ptol.  III  1,  12  y/ovnniai. 

4)  Pausan.  VI  19,  9  Aovnla. 

5)  Nicol.  Dam.  v.  Gaes.  17  Ainnai.  Appian  b.  civ.  III  10  Aovniat. 

6)  vita  Marci  1,  6  vgl.  Pausan.  VI  19,  9. 

7)  CIL,  X  1795  Feldm.  211.  262  territorium  Lyppierue. 

8)  Momrosen  Unterital.  Dial.  59  CIL.  IX  p.  5. 

9)  Mommsen  Unterital.  Dial.  58  CIL.  IX  p.  6.  Rudiae  Mela  II  66  Sil.  It. 
XII  396  'PovSia  Ptol.  III  1,  67,  Ethnikon  Rudinus  bei  Schriftstellern  und  CIL. 
IX  23,  Rodinus  Feldm.  262. 

10)  Slrab.  Vi  281.  82  Guido  28  (71)  Lictiae  coniuncta  civitas  Rüge  di- 
gnoscittir. 

11)  Sil.  It.  XII  393  Cic.  de  or.  ni  168  pro  Arch.  22  Strab.  VI  281  Mela  II  66 
Auson.  XXVII  13,  17. 

Nissen,  Ital.  Landesktmde.    IL  56 


882  Kapitel  XIV.    Apulien. 

Er  heifst  in  der  Regel  calabrisch  i),  bei  Slrabo  hellenisch. 
Ennius  selbst  rühmte  sich  griechisch  oskisch  und  lateinisch  zu 
sprechen  d.h.  die  drei  Litteratursprachen  seiner  Zeit  2);  zum  Rang 
einer  solchen  hatte  sich  die  messapische  Muttersprache  nicht  auf- 
zuschwingen vermocht  (I  542).  —  An  der  Küste  zwischen  Lecce  und 
Otranto  linden  sich  mehrere  Lagunen,  bei  denen  die  in  der  plinia- 
nischen  Beschreibung  aufgezählten  verschollenen  Hafenorte  vermutet 
werden  können.  3)  Darunter  steht  portus  Tarentmus:  der  Name 
scheint  anzudeuten  dafs  Tarent  sich  einen  Stützpunct  im  Osten  der 
Halbinsel  gesichert  halte.  4)  Alsdann  folgen  Fratuertium,  das  ver- 
lassene Soletum  5)  und  50  Millien  auf  der  Landstrafse  von  Brundisium 
entfernt  Hydrus  Uydruntum  Otranto.  ^)  Es  nimmt  eine  Anhöhe 
(35  m)  ein  am  südlichen  Ende  einer  Bucht  von  800  m  Durchmesser. 
Der  Hafen  ist  geräumig  und  bequem,  aber  nach  Nordost  geölfnet 
und  den  Nordwinden  preisgegeben.  Was  seine  Benutzung  ehedem 
empfahl,  war  der  Umstand  dafs  Griechenland  und  Italien  hier 
einander  am  Nächsten  traten  (I  94.  20).  Er  wird  denn  auch  in  der 
Küsten beschreibung  des  Skylax  und  der  Geschichte  Theopomps  er- 
wähnt '),  soll  in  Urzeiten  von  Kretern  besiedelt  worden  sein.  ^)  Oben 
(S.  879)  ward  bemerkt  dafs  der  römische  Verkehr  sich  in  beschränkten 
Grenzen  hielt  und  erst  in  späteren  Jahrhunderten  wuchs.  Vor  Er- 
lheilung des   Bürgerrechts    hatte    die    Regierung    allen    Grund    die 


1)  Hör.  Od.  IV  8,  20  mit  Schol.  Ovid.  ars  am.  111  409  Sil.  It.  a.  0.  Suidas 
nennt  den  Dichter  einen  Messapier.  Irrig  setzt  Mela  II  66  Rudiae  aufserhalb 
Calabriens  nördlich  von  Brundisium,  schreibt  ihm  folgend  Plin.  111  102  die  Stadt 
den  Poediculern  zu. 

2)  Gell.  N.  A.  XVII  17  Fest.  293  M.  Sueton  de  gramm.  1  nennt  ihn  semi- 
graecus,  Hieron.  a.  Abr.  1777  läfst  ihn  in  Tarent  geboren  sein  vgl.  Reifferscheid 
Sueton  100. 

3)  Plin.  HI  101. 

4)  Möglicher  Weise  ist  darunter  Hydrus  zu  verstehen  Skyl.  14. 

5)  Ein  Ort  Soleto  (91  m)  liegt  in  der  Mitte  der  Halbinsel  20  km  Süd  von 
Lecce,  Galateus  hat  Spuren  der  alten  Ringmauer  gefunden.  Ob  dies  das  So- 
letum desertum.  des  Plinius  sei,  steht  dahin. 

6)  Die  griechische  Form  brauchen  Cic.  ad  Farn.  XVI  9,  2  ad  Att,  XV  21,  3 
XVI  5,  3  Mela  II  66  Hijdrus  mons(?)  Lucan  V  375;  Hydruntum  Liv.  XXXVI  21; 
beide  Formen  Plin.  III  100.  1;  Hydrentini  CIL.  X  1795;  Hydnmto  lt.  Ant.  118 
Odronlo  lt.  Hieros.  609  YdrutUe  Tab.  Peut.  Ydrontiis  Geogr.  Rav.  IV  31  Vi 
Paul.  h.  Lang.  11  21   Ydroiitum. 

7)  Skyl.  14.  27  Steph.  Byz.  'TSqüIs. 

8)  Steph.  Byz.  Biavvoe. 


§  3.     Calabrien.  883 

latinische  Colonie  Briindisium  zu  begünstigen:  Hydruntum  blieb 
abgelegen  i)  und  ward  spät  an  das  Netz  der  Staatstrafsen  ange- 
schlossen.^) Obwol  Municipium  3)  war  es  deshalb  nur  ein  Städt- 
chen. 4)  Am  Ausgang  des  Altertums  hat  es  ßrindisi  weit  über- 
flügelt^): trotzdem  giebt  Galateus  den  Umfang  der  Ringmauer  nicht 
höher  als  11  Stadien  etwa  2  km  an.  Die  Oströmer  haben  den  Platz 
bis  ins  11.  Jahrhundert  behauptet,  die  Türken  1486  von  Grund  aus 
zerstört.  Von  einigen  Säulen  und  zwei  Inschriften  abgesehen  sind 
keine  alten  Denkmäler  erhalten. 

Bis  Gap  d'Otranto  (40»  6')  5  km  Süd  von  der  Stadt  hält  die 
Küste  eine  südöstliche,  nunmehr  bis  zur  Südspitze  eine  südHche 
Richtung  ein.  Dieser  letzte  Abschnitt  mit  der  gröfsten  Erhebung 
der  Halbinsel  (S.  862)  ist  gegenwärtig  mit  Gehöften  und  Dörfern 
bedeckt.  „Kaum  hat  man,  schreibt  ein  Reisender,  die  letzten  Häuser 
eines  Dorfes  im  Rücken,  so  taucht  schon  der  Kirchthurm  des 
nächsten  auf,  und  bisweilen  geht  man  von  einem  unmittelbar  ins 
andere.  Die  Natur  hat  alle  ihre  Gaben  verschwenderisch  ausgeschüttet: 
ununterbrochene  Olivenhaine  köstliche  Weingärten  machen  den  Winkel 
zum  glücklichsten  der  Erde;  Rinder  Maulthiere  Esel  nehmen  ihrer- 
seits in  Gröfse  und  Schönheit  der  Gestalt  an  diesem  Segen  Theil." 
Ob  und  inwieweit  die  begeisterte  Schilderung  für  die  römische  Zeit 
zutrifft,  ist  allerdings  Iraglich.  Bewohnt  war  der  ganze  Strich  von 
den  Sallentinern,  deren  Nordgrenze  gegen  die  Calabrer  oder  Messapier 
nicht  mit  Sicherheit  gezogen  werden  kann  (l  540  A.  4).  ^)  —  Als 
erstes  Municipium  ist  Basta  zu  erwähnen,  das  in  dem  Weiler  Vaste 
(105  m)  15  km  Südwest  von  Otranto  6  km  von  der  See  fortdauert 
und  nach  Galateus  mancherlei  Ueberreste  aufwies. '')  —  Das  Dorf 
Castro  aufragendem  Ufer  (99  m)  an  der  See  6  km  von  Vaste  18  km 


1)  Lucan  V  375  avius  Hydrus. 

2)  Meilensteine  sind  nicht  erhalten.  Cicero  benutzt  50  den  Seeweg  von 
Hydruntum  nach  Brundisium  ad  Farn.  XVI  9,  2,  Cato  191  den  Landweg  Liv. 
XXXVI  21  vgl.  Strab.  VI  281. 

3)  CIL.  IX  p.  5  Feldm.  262. 

4)  Strab.  VI  281  noXi/yt]  Steph.  Byz.  fgoigiov. 

5)  Cassiodor  Var.  I  2  Prokop  b.  Vand.  1  1  b.  Goth.  I  15  u.  o.  Paul.  h.  Lang. 
II  21  aptam  mercimonüs. 

6)  Ptol.  111  1,  12.  67  rechnet  Lupiae  und  Hydruntum  den  Calabrern ,  aber 
mit  Unrecht  Rudiae  den  Sallentinern  zu. 

7)  Plin.  III  100  Basta  105  Basterbini  Ptol,  III  1,  67  Bavara  Mommsen 
ünterital.  Dial.  52. 

56* 


884  Kapitel  XIV.    Apulien. 

von  Otranto  bezeichnet  die  Stätte  von  Castrum  Minervae.  i)  Der 
Tempel  der  ehemals  reich  war  2),  ist  nach  der  Legende  von  Aeneas 
besucht  und  die  offene  Rhede  an  seinem  Fufs  seitdem  Partus  Veneris 
benannt  worden.  ^)  Idomeneus  von  Kreta  soll  den  Tempel  gegründet, 
die  Nation  der  Sallentiner  aus  einer  Mischung  von  Kretern  Illyrern 
und  italischen  Lokrern  geschaffen  und  in  12  Gemeinden  gesondert 
haben.  ^)  Aber  nach  dem  Verlust  der  Unabhängigkeit  ging  es  mit 
dem  Stammesheiligtum  bergab:  Selbstverwaltung  kann  die  Ortschaft 
nicht  gehabt  haben.  —  Von  Otranto  erreicht  der  Schiffer  nach 
300  Stadien  =  30  Millien  &)  Acran  Japygiam  (I  539  A.  3)  oder  nach 
lateinischer  Ausdrucksweise  promunturmm  Sallentinum  (I  540  A.  5) 
Cap  S.  Maria  di  Leuca  oder  Finisterra  (59  m)  unter  39  <^  47'  30": 
die  durch  eine  Bucht  getrennte  Punta  Ristola  westlich  davon  springt 
noch  einige  Secunden  weiter  nach  Süden  vor.  Die  weifse  Färbung 
der  Steilküste  verlieh  der  an  der  Bucht  gelegenen  Ortschaft  den 
Namen  Leuca  den  sie  noch  immer  führt,  ß)  Begreiflicher  Weise 
haben  die  Seefahrer  hier  oft  Zuflucht  gesucht '');  daran  knüpfen 
Fabeln  von  Herakles  und  den  Giganten  an,  nach  denen  diese  Küste 
Leuternia  geheifsen  haben  soll,  s)  —  Die  Ortschaft  gehörte  zu  dem 
6  km  landeinwärts  gelegenen  Municipinm  Veretum,  dessen  Stelle  die 
Kirche  der  Madonna  di  Vereto  (161  m)  unweit  Patü  anzeigt. »)  Der 
Umfang  der  um  900  von  den  Saracenen  zerstörten  Stadt  soll  sehr 
bedeutend  gewesen  sein.  Unter  anderer  Nameusform  als  'Yglf]  Uria 
bekannt,  galt  sie  als  Mutterstadt  der  Sallentiner  ^O);  noch  171  v.Chr. 


1)  Tab.  Peut.  giebt  die  Entfernung  von  Otranto  mit  8  Millien  zu  klein  an. 
Geogr.  Ray,  IV  31  VI  Guido  29.  71  Minervium. 

2)  Strab.  VI  281. 

3)  Dion.  H.  I  51  Verg.  Aen.  III  530  mit  Schol.  die  Schilderung  des  Dichters 
widerstreitet  der  Wirklichkeit. 

4)  Probus  Verg.  Ecl.  6,  31   nach  Varro:  Salentini  dicli  quod  m  salo  ami- 
citiam  fecerint. 

5)  So  It.  mar.  489,  viel  zu  niedrig  Strab.  VI  281  Plin.  III  100  150  Stadien 
19  Millien,  Tab.  Peut.  von  Castro  ab  12  Millien. 

6)  Strab.  VI  281   Lucan  V  376   It.   mar.  489   Guido  29  Mommsen  Unterit. 
Dial.  51.  7)  CIL.  IX  1  fg. 

8)  (Arist.)  de  mir.  ausc.  97.  98  Strab.  VI  281. 

9)  Strab.  VI  281.  82   Plin.  III  105  Ptol.  III  1,  67   Feldm.  262   Tab.   Peut. 
Geogr.  Rav.  IV  31   VI  Guido  29.  71  Beretos  quae  nunc  Leuca  CIL.  IX  6. 

10)  Herod.  VII  170  Varro  bei  Prob.  Verg.  Ecl.  6,  31  Strab.  VI  282.  Dafs 
Ptol.  III  1,  68  das  calabrische  Uria  (S.  875  A.  7)  OvQrjtov  nennt,  bestätigt  die 
Gleichheit  der  Formen, 


.      §  3.     Calabrien.  885 

haben  die  Urites  den  Römern  4  Schiffe  gestellt,  i)  Wenn  Strabo 
ferner  als  anderen  Nanoen  von  Veretum  Baris  angiebt  und  die  Ent- 
fernung zur  See  zwischen  Baris  und  Leuca  zu  80  Stadien,  so  wird 
darunter  der  Hafen  am  Tarenliner  Golf  zu  verstehen  sein,  von  dem 
die  Stadt  4  km  abliegt,  ^j  —  12  Millien  von  Veretum  nach  Nordwest 
erreicht  die  Strafse  das  4  Milben  von  der  Küste  entfernte  üzentum 
Ugento  (108  m).  3)  Seine  Kupfermünzen  (S.  77)  tragen  die  messa- 
pische  Legende  l^oC«  ^O^av;  ebenso  sind  Inschriften  in  dieser 
Sprache  aus  Gräbern  hervorgezogen  worden.  *)  Die  Gemeinde  fiel 
nach  der  Schlacht  bei  Cannae  ab  und  wurde  in  Gemeinschaft  mit 
den  übrigen  Sallentinern  207  unterworfen.  ^)  Die  Stadt  ist  zwar 
Bischofsitz,  aber  nach  ihrer  Zerstörung  1537  durch  die  Türken  von 
bescheidener  Ausdehnung.  Spuren  der  alten  Hafenanlagen  sind  vor- 
handen. —  Nach  weilereu  12  Millien  folgt  das  Municipium  Aletium 
(73  m);  die  Kirche  S.  Maria  della  Lizza  oder  dell'  Alizza  beim  Dorf 
Picciotti  5  Millien  von  Gallipoli  bewahrte  das  Andenken,  bis  neuer- 
dings das  Dorf  den  Namen  Alezio  angenommen  hat.  6)  Dieser  Stadt 
werden  die  altertümlichen  den  tarentinischen  nachgebildeten  Silber- 
münzen mit  der  Aufschrift  faXed-ag  oder  BaXe&ag  beigelegt. ") 
Sie  zeichnet  sich  ferner  durch  ihren  Reichtum  an  messapischen  In- 
schriften aus.  s)  —  Aletium  erhält  einen  natürlichen  Hafen  der 
allerdings  wegen  seiner  Schiffbrüche  berüchtigt  ist,  durch  die  mehr 
als  2  km  lange  Halbinsel  die  das  sallentinische  Gestade  in  bemerkens- 
werter Weise  unterbricht.  Ihr  Kopf,  ein  Felsen  (14  m)  von  2  km 
Umfang,  hing  früher  an  einem  schmalen  Nacken  mit  dem  Fest- 
land zusammen.  Diesen  hat  die  See  durchnagt,  so  dafs  gegenwärtig 
eine  Brücke  von  12  Bogen  die  Verbindung  herstellen  mufs.    PUnius 


1)  Liv.  XLII  48,  auf  das  calabrische  Uria  kann  dies  nach  der  Unterwerfung 
nicht  bezogen  werden. 

2)  Ob  Steph.  Byz.  Bägn  hergehört,  ist  unsicher. 

3)  Die  Namensform  ist  inschriftlich  gesichert  CIL.  IX  p.  3  Piin.  III  105  Ulen- 
tini  Ptol.  III  1,  67  OC^evrov  Tab.  PeuU  isinium  Geogr.  Rav.  IV  31  Mirtum 
Guido  29. 

4)  Monimsen,  ünterit.  Dial.  51. 

5)  Liv.  XXII  61  XXV  1  XXVII  40. 

6)  Strab.  VI  282  ('AXrjria  nicht  mit  völliger  Sicherheit  aus  2aXi^nia  her- 
gestellt) Plin.  111  105  Ptol.  III  1,  67  Tab.  Peut.  Baletium  Geogr.  Rav.  IV  31  Vi 
B  aletium. 

7)  Head  H.  N.  42  setzt  sie  um  350. 

8)  Mommsen,  Unterit.  Dial.  57  CIL.  IX  p.  3. 


886  Kapitel  XIV.    Apulien. 

bezifTert  die  Enlfernung  von  Leuca  mit  33,  von  Tarent  mit  75  Millien, 
letzteres  etwas  hoch.  Dies  ist  ein  Platz  wie  ihn  die  alten  Handels- 
völker zu  besetzen  liebten.  Die  Tarentiner  hatten  hier  eine  Factorei 
gegründet,  deren  sich  später  der  Spartaner  Leukippos  bemächtigte,  i) 
Der  Name  Callipolis  verriet  den  griechischen  Ursprung  und  hat  sich 
als  Gallipoli  behauptet.  Der  einheimische  lautete  Anxa,  wird  aber 
nur  von  Plinius  erwähnt.  2)  Obwol  die  Stadt  erst  seit  dem  Mittel- 
alter durch  ihre  Oelausfuhr  zu  einiger  Bedeutung  gelangt  ist,  scheint 
sie  doch  ehedem  Selbstverwaltung  gehabt  zu  haben.  3)  Die  enge  Bau- 
fläche und  wiederholte  Zerstörung  machten  die  Erhaltung  alter  Bau- 
werke unmöglich.  Dagegen  berechtigen  Schalenhügel  zum  Schlufs 
dafs  hier  wie  in  Tarent  (S.  870)  Purpur  bereitet  wurde.  —  10  Millien 
nördlich  von  Aletium  liegt  das  Municipium  Neretum  4)  Nardö  (43  m) 
in  einer  mit  Fieber  behafteten  Gegend;  denn  die  Erhebung  des 
5  km  entfernten  Uferrands  erschwert  den  Abflufs  des  Regens.  Aus 
einer  Inschrift  lernen  wir  den  Namen  des  emporium  Nauna,  wol 
eines  kleinen  Küstenorts  kennen.^)  Plinius  erwähnt  ferner  den 
portus  Sasine  oder  Sasinea  von  wo  der  Absland  Brindisi's  geringer 
sei  als  von  Tarent 6):  dies  trifft  auf  Porto  Cesareo  zu. '')  Gegenwärtig 
sind  die  Häfen  dieses  ganzen  Strichs  trotz  ihres  Reichtums  an 
Fischen  verlassen.  —  Endlich  bleibt  Manduria  (79  m)  das  in  der 
Ueberlieferung  mehrfach  vorkommt,  29  Millien  von  Neretum  25  von 
Tarent,  zu  besprechen.  ^)  Neben  den  Ruinen  der  von  den  Saracenen 
im  10.  Jahrhundert  zerstörten  Stadt  erhob  sich  Casalnuovo,  das 
langsam  wuchs  und  seit  1700  wieder  Manduria  heifst.  Von  der 
alten  Mauer  deren  Umfang  zu  4  km  angegeben  wird,  sind  ansehn- 
Reste  erhalten:  es  war  ein  doppelter  Ring  aus  Quadern  ohne  Mörtel 
geschichtet,  mit  breitem  Graben  davor.  Vor  diesem  starken  Boll- 
werk   der    Messapier    gegen    Tarent    liefs    König    Archidamos    am 


1)  Dion.  H.  XIX  3  vgl.  Strab.  VI  265. 

2)  Mela  II  66  urbs  Grata  Callipolis  Plln.  III  100. 

3)  CIL.  IX  p.  3. 

4)  Plin.  III  105   Ptol.  III  1,  67  Tab.   Peut.   Geogr.  Rav.  IV  31   Vi  CIL.  IX 
p.  4  Mommsen  Unterit.  Dial.  58. 

5)  CIL.  IX  10. 

6)  Plin.  III  99  mit  unsicherer  Lesung.    Der  Name  kehrt  in  der  Insel  Sason 
an  der  illyrischen  Küste  wieder. 

7)  CIL.  IX  p.  5. 

8)  Tab.  Peut.  giebt  als  zweite  Zahl  20  was  zu  niedrig  ist;   Geogr.  Rav. 
IV  31  V  1. 


§  3.     Calabrien.  887 

3.  August  338  dem  Schlachttag  von  Chaeronea  sein  Leben.  •)  Nach 
dem  Abfall  zu  Hannibal  wurde  es  209  mit  Sturm  genommen.  2) 
Wahrscheinlich  ist  das  Stadtgebiet  damals  in  eine  römische  Domäne 
umgewandelt  worden:  in  der  Liste  der  Municipien  fehlt  der  Name. 
Er  wird  bei  Plinius  allein  wegen  eines  Brunnens  angeführt,  dessen 
Wasserstand  weder  durch  Schöpfen  noch  durch  Zugiefsen  verändert 
werden  konnte.  3)  Der  merkwürdige  Brunnen  ist  noch  vorhanden. 
—  In  der  Liste  fehlt  gleichfalls  Graxa  von  dem  römische  Kupfer- 
münzen erhalten  sind.-)  Die  der  nämlichen  Epoche  angehörenden 
Kupfermünzen  mit  der  Aufschrift  2tv  werden  der  Gemeinde  der 
Stulnini  zuzuweisen  sein,  die  bei  Plinius  unter  dem  calabrischen 
Binnenland  steht,  aber  nicht  nachweisbar  ist.') 


1)  Plut.  Agis  3,  2  Theopomp  Athen.  XII  536  d  Diod.  XVI  63.  88  Paus. 
HI  10,  5. 

2)  Liv.  XXVJI  15. 

3)  Plin.  II  226  in  Salle7itino  wie  Livius,  doch  wird  diese  Benennung  ganz 
allgemein  gebraucht  I  540  A.  4. 

4)  Garrucci  119  Head  H.  N.  43. 

5)  Plin.  III  105  Garrucci  120  Head  H,  N.  43. 


KAPITEL   XV. 
Lucanieu. 

Die  dritte  Region  des  Augustus  umfalst  die  gebirgige  West- 
hälfte von  Unteritalien  und  führt  den  Doppelnamen  Lucania  et 
BruttüA)  Die  Scheidung  zwischen  dem  Appennin  und  den  Granit- 
massen der  Sila  (I  244),  zwischen  Festland  und  Halbinsel  ist  von 
Natur  gegeben.  Wie  Bau  und  Entstehung  beiden  Theilen  gesonderte 
Bahnen  vorschrieben,  haben  auch  die  Stämme  während  ihrer  Un- 
abhängigkeit zwei  Staaten  gebildet.  Freilich  sind  die  Eingebornen 
in  historischen  Zeiten  niemals  im  vollen  Besitz  der  heimathchen 
Scholle  gewesen.  Am  Ausgang  des  achten  Jahrhunderts  beginnen 
die  Hellenen  die  fruchbaren  Küsten  an  sich  zu  reifsen  und  fahren 
damit  fort  bis  zum  fünften,  wo  die  erstarkten  Bergvölker  das  ver- 
lorene Erbe  wieder  einfordern.  In  dem  langen  Kampfe  der  sich 
nunmehr  entspinnt,  sinkt  die  Schale  allmäüch  zu  Gunsten  der  Osker, 
da  fällt  Rom  dem  Sieger  in  den  Arm,  und  in  den  wiederholten 
Versuchen  das  fremde  Joch  abzuschütteln  geht  die  oskische  Nation 
zu  Grunde.  Wenn  die  Schicksale  dieser  Landschaften  in  den  Haupt- 
zügen  übereinstimmen,  weichen  sie  doch  im  Einzelnen  von  ein- 
ander ab.  Der  Süden  mit  seiner  langgestreckten  Küste  steht  ganz 
unter  dem  Einflufs  des  Meeres  und  bildet  in  gewissem  Sinne  ein 
Gegenstück  zu  Sicilien.  Der  Norden  ist  mit  dem  appenninischen 
Stammgebirg  unlöslich  verwachsen,  hat  von  den  Seestädten  nie  ganz 
bewältigt  werden  können,  deshalb  auch  die  Führung  im  Freiheits- 
kampf ergriffen.  Er  steht  der  italischen  Entwicklung  ungleich 
näher  und  hat  zwar  kein  günstiges,  aber  immerhin  ein  besseres 
Los  gezogen  als  die  eingeengte  Halbinsel.  —  Die  früher  (I  534) 
angegebenen  Grenzen  Lucaniens  umschliefsen  die  Provinz  Principato 
citeriore   oder    Salerno   mit   Ausnahme   des    gleichnamigen   Kreises 

1)  Plin.  III  71  Zusammenstellung  der  correctores  Marquardt  Staatsverw.  I  87 
Paul.  h.  Lang.  II  17. 


Lucanien.  889 

(S.  823),  die  Provinz  Basilicata  oder  Potenza  mit  Ausnahme  des 
Kreises  Melfi  (S.  828).  Der  Flufs  ßradanus  bestimmt  jetzt  wie  ehe- 
dem die  Ausdehnung  im  Osten  gegen  Apulien  (S.  850).  Dagegen 
findet  im  Süden  eine  grüfsere  Abweichung  statt,  da  die  Allen  nicht 
an  der  von  Natur  aufgerichteten  Scheidewand  des  M.  Pollino  (I  243) 
Halt  machen,  sondern  den  Crati  am  Fufs  der  Sila  als  Grenze  be- 
trachten, mithin  ein  Stück  der  Provinz  Calabria  citeriore  oder  Co- 
senza  nämlich  den  Kreis  Castrovillari  zu  Lucanien  rechnen.  Der 
Flächeninhalt  beträgt  demnach  rund  260  deutsche  Quadratmeilen 
14500  Dkm;  davon  wurden  dem  lucanischen  Bund  nach  seiner 
Unterwerfung  unter  Rom  vermutungsweise  180  deutsche  Quadrat- 
meilen zugewiesen  (I  535).  Von  allen  Theilen  des  festländischen 
Italien  ist  dieser  wegen  trauriger  socialer  Zustände  am  Schwächsten 
bevölkert  und  erreicht  kaum  die  Hälfte  des  mittleren  Durchschnitts, 
so  dafs  man  auf  das  menschenleere  Sardinien  hinüber  greifen  mufs 
um  eine  noch  niedrigere  Ziffer  anzutreffen.  Ein  ähnliches  Ver- 
hällnifs  wie  die  heutige  Statistik  aufdeckt,  wird  für  die  römische 
Zeit  aozuuehmen  sein.  Nicht  aber  in  früheren  Jahrhunderten. 
Wenn  der  lucanische  Bund  dasjenige  Gewicht  auf  dem  Schlacht- 
feld vermissen  läfst  das  nach  seinem  Gebietsumfang  zu  erwarten 
wäre,  wenn  er  in  der  Stammrolle  von  225  v.  Chr.  nur  mit  30000  Mann 
und  3000  Reitern  aufgeführt  wird^),  so  erklärten  wir  diese  Er- 
scheinung daraus  dafs  die  iMasse  der  Bevölkerung  aus  Hörigen  be- 
stand und  zum  WafTeudienst  nicht  berechtigt  war  (I  535).  Viel- 
mehr schreibt  sich  der  Niedergang  des  Landes  erst  vom  hanni- 
balischen  Kriege  her,  in  welchem  es  216  abfiel,  bis  209  auf  Seiten 
des  Feindes  aushielt  und  206  von  diesem  völlig  geräumt  wurde.2) 
Als  sodann  die  Lucaner  im  Bundesgenossenkrieg  die  Waffen  nicht 
niederlegten  und  gemeinschaftlich  mit  den  Samniten  die  Schlacht 
der  Verzweiflung  am  Collinischen  Thor  schlugen  3),  iheilten  sie  das 
Schicksal  ihrer  Stammesgenossen  (S.  774).  In  der  Censusliste  des 
Augustus  waren  etwa  15  Gemeinden  mit  Selbstverwaltung  ein- 
getragen: eine  ansehnliche  Stadt  wird  darunter  vermifst.  Die  Küsten 
veröden  und  fallen  der  Malaria  anheim.  Von  der  Verödung  des 
Innern  zeugen  die  verlassenen  Mauerringe  deren  Namen  wir  nicht 
kennen.     Das  Innere  wird  zwar  von  der  Via  Popilia  in  ganzer  Länge 

1)  Pol.  II  24,  12;  Diod.  XIV  101  giebt  4000  Reiter,  vgl.  S.  106. 

2)  Strab.  V  251  Liv.  XXII  61  XXVII  15  XXVIII  11. 

3)  Appiaa  b.  civ.  I  39.  51.  53.  91.  93. 


890  Kapitel  XV.    Lucanien. 

von  Nord  nach  Süd  durchzogen;  aber  die  Strafse  nach  Sicihen  ist 
keine  Weltstrafse  wie  die  Appia.  Den  späteren  Römern  gilt  Luca- 
nien als  ein  Berg-  und  Waldland')  das  Bären  für  die  Arena  heferf^), 
Schweine  und  Kinder  3)  züchtet,  den  Markt  mit  Würsten  versorgt.^) 
Cato  erwähnt  noch  den  hier  betriebenen  Wagenbau''):  dies  ist  aber 
auch  das  letzte  Zeugnifs  über  lucanische  Gewerbthätigkeit.  —  Der 
Bau  des  Appennin  ist  früher  (I  242)  geschildert  worden:  die  Wasser- 
scheide zwischen  dem  tyrrhenischen  und  ionischen  Meer  gliedert 
das  Land  in  eine  gebirgige  Westhälfte  und  eine  mit  den  Hügeln 
des  Subappennnin  nach  dem  Tarentiner  Golf  abgedachte  Oslhälfte. 
Demgemäfs  zerfällt  auch  die  Beschreibung  in  zwei  Abschnitte.^) 

§  1.     Das  Westland. 

Unter  den  Flüssen  der  italienischen  Halbinsel  nimmt  der  Stier 
Sele  (S.  824)  die  siebente  Stelle  ein.  So  sehr  er  auch  hinter  dem 
Arnus  Umbro  Tiber  Liris  Volturnus  zurück  bleibt,  wird  er  an  der 
adriatischen  Seite  nur  vom  Aternus  in  der  Ausdehnung  des  Strom- 
gebiets übertroffen  (I  342).  Eigentlich  müfste  der  Hauptstrom 
Tanager  Negro  heifsen');  denn  an  Länge  und  Wasserfülle  kann 
sich  der  Sele  mit  seinem  angebhchen  Zuflufs  nicht  messen  (I,  334). 
Im  Ganzem  sind  es  4  gröfsere  Wasserläufe,  2  von  Norden,  2  von 
Süden  kommend,  deren  Vereinigung  unweit  der  Küste  von  den 
Geographen  als  Grenze  des  allen  Italien  betrachtet  wurde  (I  530). 
Die  an  der  Mündung  ausgebreitete  Ebene  stellt  vermöge  ihres  Flächen- 
inhalts die  beherrschende  Mitte  des  Landes  dar.  Indessen  sind 
manche  Striche   ihrem  Einflufs   ganz   entrückt,    auch   ist   die  Ver- 

1)  Sen.  Dia).  IX  2,  13  Hor.  Sat.  II  3,  234  8,  6. 

2)  Varro  LL.  V  100  Martial  de  spect.  8,  l  vgl.  Galen  VI  666  Kühn. 

3)  Verg.  Georg.  III  146  vgl.  bos  Lnca  lucanischer  Ochse  als  Bezeichnung 
des  Eiephanten  aus  dem  Kriege  mit  Pyrrhus  stammend. 

4)  Lucanicae  Cic.  ad  Fam.  IX  16,  8  Martial  IV  46,  8  XIII  35  Ed.  DiocI. 
4,  15.  16  dazu  Blömner  vgl.  Ammian  XXVIII  4,  28. 

5)  Cato  RR.  135. 

6)  Quellen:  Strab.  VI  252—55.  263-65  Mela  II  68.  69  Plin.  III  71.  97.  98 
Plol.  ill  l,  8.  10.  61.  Kaibel  inscr.  Gr.  p.  158—79  Conway  p.  11  fg.  CIL.  X 
(Mommsen)  Eph.  ep.  Vlil  p.  75—81  (Ihm).  Corcia  Storia  delle  Due  Sicilie  III, 
Napoli  1847.  Giacomo  Tropea,  Fonli  e  letteratura  della  geografia  Lucana, 
.Messina  1893.  —  Von  der  Generalstabskarte  1:100  000  entfallen  auf  diesen 
Theil  Bl.  198-201.  209—12.  220-22. 

7)  Verg.  Georg.  III  151  m.  Schol.  It.  Ant.  109  Vib.  Seq.  151  R. 


§  1.    Das  Westland,  891 

bindung  mit  den  abhängigen  Theilen  erschwert.  Mangelnde  Ueber- 
sichlhchkeit  und  Wegsamkeit  kann  als  ein  Merkmal  von  West-Lu- 
canien  gelten.  Da  es  zu  keiner  ausgesprochenen  Kammbildung 
kommt,  beschreibt  die  Wasserscheide  zwischen  beiden  Meeren  eine 
vielfach  verschlungene  Linie.  Das  samnitische  Grenzgebirge  an  dem 
der  Sele  entspringt,  weist  westlich  von  den  Quellen  Gipfel  von  mehr 
als  1800  m  auf.  Nach  Osten  zu  zwischen  Sele  und  Platano  nimmt 
die  Erhebung  um  300  m  ab.  Dann  aber  jenseit  des  Platano  streicht 
in  südöstlicher  Richtung  eine  20  km  breite  und  doppelt  so  lange 
Bergmasse  die  im  M.  Volturino  1836  m  ansteigt:  von  ihrem 
Rücken  fliefst  der  Agri  in  den  Golf  von  Tarent.  —  An  der  West- 
seite fällt  das  Gebirge  8 — 900  m  nach  der  Einsenkung  ab,  die  als 
ein  nahezu  40  km  langer  6  km  breiter  Spalt  in  der  Axe  des  ganzen 
Systems  klafft.  Das  so  entstandene  vom  Tanager  durchströmte 
Hochthal  (450  m)  bildet  einen  Sammelplatz  für  die  weite  bewegte 
Umgegend.  Aber  es  ist  an  allen  Seiten  eingeschlossen,  so  dafs  am 
Nordende  das  W^asser  sich  eine  unterirdische  Bahn  brechen  mufs. 
Wo  der  Tanager  wieder  zu  Tage  kommt,  wird  er  von  dem  mächtigen 
mons  Älburnus  M.  Alburno  überragt  dessen  höchste  Spitze  1742  m 
erreicht.  Der  über  10  km  Breite  und  20  km  Länge  bedeckende 
Stock  sticht  von  der  Küstenebene  her  in  die  Augen,  und  deshalb 
hat  Vergil  den  Namen  der  Nachwelt  überliefert.')  Die  weiteren 
Fortsetzungen  geben  ihm  an  Erhebung  nichts  nach,  der  M.  Cervati 
mifst  gar  1899  m.  —  Westlich  vom  Val  di  Diano,  dem  Hochthal 
des  Tanager  erstreckt  sich  ein  Bergland  von  etwa  50  km  Ausdehnung 
nach  beiden  Himmelsrichtungen,  das  von  einigen  Küstenbächen  ab- 
gesehen ,  nur  durch  den  72  km  langen  Calor  Calore  den  letzten 
bedeutenden  Nebenflufs  des  Sele  aufgelockert  wird.2)  Man  kann 
es  als  eine  plumpe  Gebirgshalbinsel  betrachten,  die  von  dem  flachen 
Golf  von  Paestum  und  dem  auf  einer  Sehne  von  20  km  eindringen- 
den nach  Süden  geöffneten  Golf  von  Policastro  umfafst  wird.  — 
Vom  Oberlauf  des  Agri  und  Tanagro  ab  ballt  sich  der  Appennin 
zusammen  und  rückt  ans  tyrrhenische  Meer  heran,  indem  die  Höhe 
bis  zum  M.  PoUino  (2271  m)  dem  Abschlufs  der  appenninischen 
Bildungen  wächst  (I  243).  In  diesem  letzten  Abschnitt  ist  der  Theil 
Lucaniens  der   zur  tyrrhenischen  Seite  gehört,   von   geringer  Aus- 

1)  Verg.  Georg.  III  146. 

2)  Der  antike  Name  ist  nicht  gesichert,  da  It.  Ant.  110  sich  auf  den  Ober- 
lauf des  Tanager  bezieht. 


892  Kapitel  XV.    Lucanien. 

deliDung.       Das    ganze    eben    umschriebene    Gebiet    enthält    rund 
5000  Dkm  ein  reichliches  Drittel  des  lucanischen  Landes. 

Gleich  anderen  Flüssen  hat  auch  derSiler  durch  Anschwemmung 
die  Küstenlinie  verändert.  Da  seine  Entfernung  von  Paestum  zu 
50  Stadien  bestimmt  wird,  mul's  er  im  Altertum  etwa  1  km  nörd- 
licher geflossen  sein  als  gegenwärtig. i)  Um  den  doppelten  Betrag 
mag  er  seine  Mündung  vorgeschoben  haben.  Der  jetzt  versumpfte 
Flufshafen  hiefs  portiis  Älburnus.^)  Er  besafs  einen  alten  angeblich 
von  Jason  herrührenden  Tempel  der  argivischen  Hera.^)  In  der 
Nähe  am  Strande  hatten  die  Sybariten  eine  befestigte  Factorei  er- 
richtet. Diese  wurde  weiter  südlich  an  einen  höheren  Ort  (18  m)  bei 
700  m  Abstand  vom  Meer  verlegt  und  durch  die  Stadt  nooeidtovia 
ersetzt.  Nach  Osten  und  Süden  war  die  Stadt  durcb  einen  Bach 
(Fosso  Capo  dei  Fiumi)  und  Lagunen  gedeckt.  Nach  Norden  hebt 
sich  der  Boden  unmerklich :  hier  war  die  Angriffsfront.  Die  trefflich 
erhaltene  Ringmauer  mifst  4,9  km  und  umschliefst  eine  Fläche  von 
126  ha  (Beloch).  Sie  hat  4  Thore  die  durch  2  llauptstrafsen  ver- 
bunden sind. 4}  Ob  einzelne  Theile  der  Befestigung  wie  etwa  die 
Thürme  nachträglich  hinzugefügt  sind ,  bleibt  eine  offene  Frage. 
Jedesfalls  gehört  die  grofse  planmäfsige  Anlage  noch  dem  6.  Jahr- 
hundert v.  Chr.  an.  Dahin  weist  der  Stil  der  erhaltenen  Tempel, 
weist  auch  die  umfassende  Prägung  die  den  Normen  des  grofs- 
griechischen  Münzbundes  entspricht. s)  Der  Siler  lagert  seinen 
Kalkgehalt  in  der  Ebene  ab  c)  und  hat  damit  wie  der  Anio  (I  263) 
grofse  Traverlinlager  geschaßten.  Aus  ihnen  holten  die  Posidoniateu 
ihren  Baustein,  dessen  goldgelbe  Farbe  vortheilhaft  von  dem  stumpfen 
Tuff  und  Trachyt  des  Nordens  abslach.  Ebensoweit  liefs  die  neue 
Gründung  der  Achaeer  das  ionische  Kyme  (S.  721)  an  Grofse  hinter 
sich.  Sie  heifst  eine  Tochter  von  Sybaris  '^J  und  bedient  sich  der 
dorischen  Mundart.^)  Aus  einer  Erwähnung  bei  Herodot  kann  man 
schliefsen   dafs   sie   bereits  530  v.  Chr.  bestand. S)     In  Betreff  ihrer 


1)  Slrab.  VI  252. 

2j  Lucilius  bei  Prob.  V.  Georg.  III  146,  fr.  III  21  L.  M. 

3)  Slrab.  a.  0.  Plin.  III  70  Soiin  2,  7. 

4)  Deiagardette.  les  Ruines  de  Paeslum,  Paris  1840, 

5)  Mommsen,  Münzwesen  106  fg. 

6)  Slrab.  V  251  Plin.  II  226  Sil,  It.  VIII  580. 

7)  Sliymn.  249. 

8)  Solin  2,  10;  aufser  den  Münzen  2  Inseln iflen  Kaibel  p.  179. 

9)  Herod.  I  167. 


§  1.    Das  Westland."  893 

Schicksale  ist  die  Ueberliefening  stumm.  —  Die  Wahrscheinlichkeit 
spricht  dafür  dafs  Posidonia  am  Ausgang  des  5.  Jahrhunderts  eine 
lucanische  Schar  in  ihren  Mauern  aufnehmen  mufsteJ)  Die  Landung 
des  Königs  Alexander  von  Epiros  332  v.  Chr.  und  der  von  ihm  über 
die  vereinigten  Samniten  und  Lucaner  erfochtene  Sieg  hat  dies 
Verhältnifs,  wenn  überhaupt,  so  nur  vorübergehend  geändert.^) 
Die  I  538  erwähnten  Grabgemälde  führen  uns  die  fremden  Herren 
in  prunkendem  Waffenschmuck  vor,  die  alten  Einwohner  vermochten 
auf  die  Dauer  ihre  hellenische  Eigenart  nicht  zu  behaupten.  In 
wunderlicher  Fassung  erzählte  man  sich  um  300  v.  Chr.  in  Tarent^): 
die  Posidoniaten  am  tyrrhenischen  Golf  seien  ursprünglich  Hellenen 
gewesen,  aber  nach  Einbufse  ihres  Volktums  Tyrrhener  oder  Romer 
geworden,  hätten  Sprache  und  Sitte  vertauscht  und  feierten  nur 
noch  ein  einziges  hellenisches  Fest;  an  ihm  gedenken  sie  in  Ge- 
meinschaft der  alten  Zeiten  und  Sitten,  klagen  und  weinen  zusammen 
und  gehen  dann  aus  einander.  Das  Ende  der  lucanischen  Periode 
kennen  wir  so  wenig  wie  den  Anfang.  —  Nach  der  Vertreibung 
des  Pyrrhos  erhielt  Posidonia  273  eine  latinische  Colouie  und  heifst 
fortan  Paestum  (in  älterer  Schreibung  Paishim)J)  Zur  Verstärkung 
des  Bollwerks  wurden  268  die  Picentiner  nördlich  vom  Siler  an- 
gesiedelt (S.  823).  In  den  Stürmen  des  hannibalischen  Krieges  gab 
diese  Schutzwehr  nach,  aber  die  Colonie  hielt  Stand. ^)  Für  das  Ver- 
kehrsleben ist  die  Thatsache  von  Wichtigkeit  dafs  sie  den  Römern 
Schiffe  gestellt  hat^);  noch  mehr  der  rege  Betrieb  ihrer  Münze.  Zwar  ist 
die  Prägung  von  Silber  ihr  wie  anderen  Städten  bald  untersagt  worden; 
indessen  hat  sie  nach  Empfang  des  Bürgerrechts,  sogar  noch  unter 
Augustus  und  Tiberius  in  Kupfer  gemünzt,  was  bei  den  Municipien 
Italiens  seines  Gleichen  nicht  wieder  findet.")  Von  Erwerbszweigen 
wird  allein  die  Gärtnerei  erwähnt  die  mit  ihren  Remontantrosen 
Rom  im  Winter  versorgte. s)     Was  die  politische  Geschichte  betrifft, 


1)  Bei  Skylax  12  ist  die  Küste  lucanisch;  390  v.  Chr.  hat  schon  Laos  seine 
Unabhängigkeit  eingebüfst  (1  534),  2)  Liv.  Vlll  17. 

3)  Aristoxenos  bei  Athen.  XIV  632  a. 

4)  Liv.  XIV  Veii.  I  14. 

5)  Liv.  XXII  36  XXVil  10. 

6)  Liv.  XXVI  39  vgl.  Cic.  ad  Alt.  XI  IT,  3. 

7)  Mommsen  Münzwesen  338. 

8)  Verg.  Georg.  IV  119  Colum.  X  37  Ovid  Met.  XV  708  ex  Ponto  II  1,  28 
Prep.  V  5,  61  Martial  IV  42,  10  VI  80  Ennod.  Dictio  S  (p.  447,  20  Hartel)  Carnn. 
I  9,  146  (p.  538  H.)  Auson.  App.  II  11  Glaudian  X  247. 


894  Kapitel  XV.    Lucanien. 

so  wurde  Paestum  90  v.  Chr.  der  Tribus  Maecia  zugelheilt.i)  Es 
heifsl  Praefectur^),  niufs  aber  bald,  wir  wissen  nicht  wann,  eine 
Colonie  aufgenommen  liaben.  Möglicher  Weise  ist  die  Gründung 
als  eine  Folge  des  Sklavenkriegs  zu  betrachten  der  die  Gegend 
71  V.  Chr.  heimgesucht  hatte. 3)  Von  Augustus  rührt  sie  nicht  her*): 
woraus  schon  erhellt  dafs  ihr  Rang  in  der  Kaiserzeil  keineswegs  der 
Stufe  gleichkommt  welche  die  griechischen  Denkmäler  zu  fordern 
scheinen.  —  Die  Malaria  die  Strabo  vermerkt,  bietet  ein  Zeugnifs 
für  die  Schwäche  des  Gemeinwesens.  Vespasian  hat  ihm  71  n.  Chr. 
durch  Ansiedlung  von  Veteranen  der  misenischen  Flotte,  wenn  auch 
gemeines,  so  doch  neues  Blut  zugeführt.^)  Die  Homer  haben  ihrer 
Geschmacksrichtung  durch  ein  Amphitheater  Ausdruck  verliehen: 
aber  die  Abmessungen  des  Baus  (56,9  x  34,4  m)  sind  kümmerlich 
und  seine  Lage  im  Herzen  der  Stadt  zeigt  wie  wertlos  der  Wohn- 
raum innerhalb  der  althellenischen  Ringmauer  geworden  war. 
Immerhin  wird  der  Name  noch  in  der  langobardischen  Landes- 
beschreibung genannt  (<),  die  Furcht  vor  den  Saracenen  trieb  die 
Einwohner  zur  Auswanderung  auf  die  Hübe  nach  Capaccio  vecchio 
(386  m).  Seitdem  ist  die  Stätte  verlassen  und  das  Fieber  hat  die 
Schüpfungen  der  Hellenen  bewacht.  Die  Mauer  mit  einem  Dutzend 
Thürmen,  ein  Doppeltempel,  der  schone  Tempel  den  man  dem  Stadt- 
gott Poseidon  zuweist,  ein  kleinerer  Tempel  stehen  noch  aufrecht. 
Von  den  nahen  Bergen  im  Osten  schaffte  eine  Leitung  Wasser 
heran.  Vor  dem  Nordthor  nach  dem  Sele  hin  erstreckte  sich  das 
Gräberfeld.  Die  römischen  Ueberreste  fallen  nicht  ins  Gewicht. 
Cluver  hat  die  Stätte  aufgesucht,  verliert  aber  über  die  Ruinen  so 
wenig  ein  Wort  wie  einer  seiner  Vorgänger.  Der  Sinn  für  die 
Hoheit  griechischer  Kunst  wurde  anderthalb  Jahrhunderte  später 
erschlossen. 

Auf  einem  Vorsprung  (71  m)  am  Meer  liegt  8  km  südlich  von 
Paestum  Agropoli,  das  bereits  592  als  Bistum  Acropolis  vorzukommen 

1)  CIL.  X  p.  52  Eph.  ep.  VIII  p.  81. 

2)  Feldm.  209. 

3)  Spartacus  lagert  an  der  Mündung  des  Siler  Oros.  V  24,  6.  Die  ylsv- 
yavis  Ufj.vr]  die  bald  süfses  bald  salziges  Wasser  hat  I*lut.  Grass.  11,  1,  wird 
mit  Cluver  1256  auf  die  Lagunen  von  Paestum  zu  beziehen  sein.  Der  Berg 
unsicherer  Lesung  Frontin  Stral,  II  4,  7  5,  34  ist  dagegen  nicht  zu  bestimmen. 

4)  Piin.  1II71   oppidinn  Paestum. 

5)  Eph.  ep.  II  p.  457. 

6)  Mela  II  69  Plol.  111  1,  8  Paul.  h.  Lang.  II  17. 


§  1.     Das  Westland.  895 

scheint,  indefs  keine  alten  Denkmäler  besitzt. ^  Die  Punta  Licosa 
(176  m)  die  den  Paestaner  Golf  abschliefst  (S.  824),  ist  nach  der 
anstofsenden  Klippe  Leucosia  benannt:  auf  ihr  sollte  eine  Sirene 
gleichen  Namens  oder  auch  eine  Base  des  Aeneas  begraben  sein.-) 
Die  in  dem  Vorgebirge  3)  auslaufende  Landschaft  erreicht  in  Madonna 
della  Stella  ihre  höchste  Erhebung  (1130  m)J)  Sie  heifst  Cilento, 
was  man  durch  diesseit  des  Alento  erklärt.  Der  Alento,  in  älterer 
Fassung  Haies  &),  in  jüngerer  Alyntos^),  entspringt  auf  dem  M.  Vesole 
(1200  m)  ostlich  von  Paestum  und  fliefst  40  km  lang  von  Nord  nach 
Süd.  Er  hat  seit  der  Rümerzeit  um  2  km  seine  Mündung  vor- 
gerückt und  die  ehemalige  Hafenbucht  ausgefüllt."')  An  der  süd- 
östlichen Seite  der  Bucht  springt  eine  Hügelkette  vor,  die  an  der 
Rückseite  von  einem  Bach  (Fiumarella  d'  Ascea)  eingefafst  wird. 
Die  äufserste  Spitze  (99  m)  nehmen  die  Ruinen  des  mittelalterlichen 
Castellamare  di  Veglia  oder  della  Brusca,  sowie  der  berühmten 
Stadt  '^Yskrj,  in  jüngerer  Form  'Elia,  bei  den  Römern  Velia  ein.^) 
Die  Ueberbleibsel  sind  unansehnlich,  genügen  jedoch  um  den  Um- 
rifs  der  Ringmauer  herzustellen. ^j  Der  Bodengestaltung  sich  an- 
schmiegend fafst  sie  in  der  Form  eines  Dreiecks  5  mäfsige  Hügel 
ein,  indem  die  Spitze  des  Dreiecks  den  höchsten  Punct  (134  m)  des 
Stadtgebiets   bildet,   die  Basis   nach  dem  Meer  zu  geöffnet  ist.     In 


1)  Gregor  M.  Registr.  II  42  vgl.  Steph.  Byz.  Uxqu. 

2)  Lykophr.  AI.  723  Strab.  II  123  VI  252  Plin.  III  85  reden  von  einer  Sirene, 
Dion.  H.  I  53  Solin  2,  13  von  einer  Base  des  Aeneas;  Plin.  Dion.  haben  die 
Form  Leucasia,  aber  auch  Plin.  II  204  Sil.  It.  VIII  578  Leucosia;  CIL.  XI  p.  52. 

3)  Lykophron  AI.  722  nennt  das  Vorgebirge  'Evine'cae  axxrjv,  nach  den 
Schollen  eine  Umschreibung  von  HoaeiSsiov  axQov.  letzteres  ist  sonst  nicht 
bezeugt  und  allem  Anschein  nach  aus  dem  Stadtnamen  entlehnt. 

4)  Ob  und  welche  Bäche  des  Cilento  unter  7s  und  AäQii  Lykophr.  AI.  724 
zu  verstehen  seien,  ist  unbestimmbar. 

5)  Cic.  ad  Farn.  VII  20,  1  ad  Alt.  XVI  7,  5;  Slrab.  VI  252  meint  wol  den 
Flufs  wenn  er  eine  Quelle  "Elrjv  erwähnt  nach  der  Velia  benannt  sei:  so 
Steph.  Byz. 

6)  Vib.  Seq.  146  Riese. 

7)  Appian  b.  civ.  V  98  Verg.  Aen,  VI  366  Cic.  ad  Att.  XVI  7,  5,  wo  die 
Entfernung  des  Hafens  mit  3  Millien  von  einer  Villa  zu  rechnen  ist. 

8)  Die  Münzen  TsXrixmv  oder  TeXr]  ebenso  Herod.  1 167  Strab.  VI  252  Steph. 
Byz.  'Elia  Suidas  Diog.  Laert.  JX  5,  6.  'Elia  zuerst  Plato  Soph.  1  Skyl.  12 
Dikaearch  fr.  33  (Müller  FHG.  II  245)  Arist.  Rhet.  II  23,  27  u.  a.  Nach  grie- 
chischen Quellen  Elea  Cic.  de  deor.  nat.  111  82;  bei  den  Römern  Felia  Plin. 
m  71  Ptol.  111  1,  8  Steph.  Byz. 

9)  Schleuning,  Jahrbuch  des  arch.  Instituts  IV  (1889)  p.  169  fg.,  Berlin  1890. 


896  Kapitel  XV,    Lucanien. 

der  Bearbeitung  des  Kalksteins  lassen  sich  drei  Bauperioden  unter- 
scheiden:  der  jüngsten  gehören  die  Thürme  an.  Der  Umfang  mifst 
rund  5  km,  die  umschlossene  Fläche  110  ha:  davon  ist  allem  An- 
schein nach  ein  Viertel  nie  bewohnt  gewesen.  Den  Namen  Elea's 
haben  die  Denker  die  ihn  trugen,  unsterblich  gemacht.  Mit  der 
Herrlichkeit  Athens  verglichen  war  es  allerdings  eine  geringe  Stadt; 
aber  sie  durfte  nicht  blos  in  wissenschaftlicher  Hinsicht  auf  die 
Tüchtigkeit  ihrer  Bürger  stolz  sein.*)  Xenophanes  hatte  die  Gründung 
besungen.2)  Die  von  Corsica  vertriebenen  Phokaeer  entrissen  um 
530  V.  Chr.  den  Oenotrern  den  Ort.3)  So  minderwertig  der  Hafen 
auch  war^),  trieb  sie  die  Armut  des  Landes  dazu  von  Fischerei  und 
Schiffahrt  ihren  Unterhalt  zu  suchen. s)  Die  weite  Verbreitung  ihrer 
Münze  in  Süditalien  beweist  dafs  sie  sich  eine  geachtete  Handel- 
stellung zu  erringen  wufsten.  Mit  den  Waffen  erwehrten  sie  sich 
nicht  nur  der  nachbarlichen  Eifersucht  der  Posidoniaten,  sondern 
behaupteten  ihre  Unabhängigkeit  gegen  den  lucanischen  Bund. 6) 
Daher  kommt  es  dafs  das  Hellenentum  hier  länger  gedauert  hat  als 
anderswo:  die  in  römischer  Zeit  aus  den  trefflichen  Thonlagern  der 
Umgegend  gefertigten  Ziegel  führen  griechische  Stempel,  an  Zahl 
stehen  die  griechischen  Steinschriften  den  lateinischen  wenig  nach.'^) 
Zu  Rom  trat  Elea  früh  in  ein  günstiges  Vertragsverhältnifs  das 
lediglich  zur  Stellung  von  Schiffen  verpflichtete. §)  Elea  theilte  sich 
mit  Neapel  in  die  Ehre  dafs  seine  Bürgerinnen  zum  Ceresdienst  be- 
rufen wurden. ö)  Nach  dem  Bundesgenossenkrieg  mufste  es  sein 
bisheriges  Recht  mit  dem  Recht  eines  römischen  Municipium  ver- 
tauschen. lO)  Das  milde  Klima  lockte  zum  Besuche^^),  der  Adel  er- 
warb Besitzungen  ^2)^  die  Küstenfahrer  liefen  den  Hafen  an '3);  aber 

1)  Piog.  Leert.  IX  5,  6. 

2)  Diog.  Laert.  IX  2,  3. 

3)  Herod.  I  167  danach  Antiochos  bei  Strab.  VI  252,  Skymn.  250. 

4)  Appian  b.  civ.  V  98  Vell.  II  79,  3. 

5)  Strab.  VI  252. 

6)  Polyaen  VI  11   Plut.  Tim.  35,  2  Strab.  a.  0. 

7)  CIL.  X  p.  51.  1005  Eph,  ep.  VIII  p.  80  Kaibel  p.  177.  598.  688  Schleu- 
ning  a.  0.  p.  187. 

8)  Pol.  I  20,  14  Liv.  XXVI  39. 

9)  Cic.  pro  Balbo  55. 

10)  Cic.  pro  Balbo  55  Feldm.  209  CiL.  X  462. 

11)  Plut.  Aem.  Paul.  39  Horaz  Ep.  I  15,  1. 

12)  Cic.  ad  Farn.  VII  20  ad  Alt.  XVI  6,  1. 

13)  Cic.  Verr.  II  99  V  44  Phil.  19X8  Top.  5  ad  Fam.  IX  7,  2  Plut.  Brut.  23. 


§  1.    Das  Westland.  897 

in  der  Kaiserzeit  wird  es  von  der  Stadt  stille,  sie  erlischt  wie  ein 
ausgebranntes  LichtJ)  Die  Gegend  ist  gegenwärtig  recht  ungesund. 
Nach  der  Küstenbeschreibung  lagen  vor  Velia  Oenotrides  in- 
sulae,  an  Zahl  zwei  Pontia  und  Isacia,  beide  mit  Ankerplätzen. 2) 
Sie  sind  jetzt  verschwunden:  Pontia  sucht  man  in  einer  unter- 
seeischen Khppe  3  km  Süd  von  Velia,  Isacia  5  km  Süd  von  Velia 
scheint  an  den  Rücken  der  das  Dorf  Ascea  trägt,  angewachsen  zu 
sein.  —  Von  Punta  Licosa  ab  streicht  die  Küste  ohne  Ausdruck: 
um  so  bedeutender  trat  dem  Seefahrer  das  kühn  vorstrebende 
promiinturiiim  Palinurum  oder  Palimirus  Punta  Palinuro  (202  m) 
entgegen. 3)  Es  hat  an  der  Nordseite  einen  kleinen  geschützten, 
jetzt  versandeten  Hafen.'*)  Aber  die  Stürme  umtoben  das  Cap  mit 
solcher  Gewalt  dafs  romische  Flotten  253  und  36  v.  Chr.  au  ihm 
zerschellt  sind.^)  Den  Windgott  den  die  Hellenen  mit  gutem  Grunde 
hier  verehrten  6),  hat  die  höQsche  Dichtung  in  den  Steuermann  des 
Aeneas  umgedeutet.")  —  Bei  Punta  PaHnuro  schlägt  die  Küste  eine 
üstUche  Richtung  ein  um  nach  15  km  bei  dem  promunturium 
Buxentum  Capo  degli  Infreschi  auf  einer  Sehne  von  20  km  den 
nach  Süden  geöffneten  Bogen  zu  beschreiben  den  der  Golf  von 
PoUcastro  ausfülh.  Der  in  der  Gegend  wuchernde  Buchsbaum  hat 
einem  Vorgebirge  einem  Flufs  und  einer  Stadt  den  Namen  Ilv^ovg 
verheben. s)  Davon  hat  der  30  km  lange  Flufs  Bussento  (I  335) 
allein  den  Namen  Buxentus  bewahrt.^)  Von  der  Stadt  wissen  wir 
wenig.  Alterlümhche  Münzen  die  ihren  Aufschriften  zufolge  sowol 
in  Siris  als  in  Pyxus  gesetzlichen  Curs  hatten,  lehren  dafs  dies  Ge- 
meinwesen bereits  im  6.  Jahrhundert  bestand.^o)  Sodann  hat  um 
470  V.  Chr.  Mikythos  Herr  von  Rhegion  und  Messene  Ansiedler  her- 
geführt die  sieb  bald  verliefen. ^i)    Im  hannibalischen  Krieg  läfst  der 


1)  Das  Bistum  ist  592  verwaist  Gregor  M.  Regislr.  II  42. 

2)  Strab.  VI  252  Piin.  III  85. 

3)  Strab.  VI  253  Mela  II  69  Plin.  lil  71. 

4)  Dion.  H.  I  53. 

5)  Gros.  IV  9,  11;  Dio  XLIX  1  Appian  b.  civ.  V  98  Vell.  II  79,  3. 

6)  Ser-.  zu  V.  Aen.  VI  378. 

7)  Verg.  Aen.  V  833  fg.  VI  381  Dion.  H.  Mela  a.  0.  Lucan  IX  42  Solin  2,  13. 

8)  Strab.  VI  253;  Steph.  Byz.  unterscheidet  irrig  JIv^n  und  üv^ovs,  verlegt 
jenes  ins  oenotrische  Binnenland,  dieses  nacli  Sicilien. 

9)  Die  lateinische  Form  ist  nicht  überliefert. 

10)  Mommsen  Münzwesen  107.  154. 

11)  Diod.  XI  59  Strab.  VI  253  Steph.  Byz. 

Nissen,  Ital.  Laudeskonde.    II.  57 


898  Kapitel  XV.    Lucanien. 

Dichter  die  Mannschaft  von  Buxentuni  mit  Keulen  im  rümisclien 
Heerbann  antreten,  i)  Nach  dem  Kriege  wurde  194  v.  Chr.  mit 
300  Bürgern  die  Colouie  Buxentum  gegründet.^)  Da  diese  so  wenig 
fest  wurzelte  wie  ihre  griechische  Vorgängerin,  mufste  186  eine  Ver- 
stärkung nachgeschickt  werden. 3)  Aus  den  wenigen  Inschriften 
ersieht  man  dafs  die  Gemeinde  der  pomptinischen  Tribus  zugetheilt 
war  und  Duovirn  an  der  Spitze  hatte.'*)  Das  Bistum  erscheint  592 
verwaist.^)  Im  Mittelalter  hat  die  Stadt  Policaslro  eine  längst  ver- 
welkte Blüte  getrieben.  Sie  nimmt  den  Hügel  (87  m)  ein  der  am 
linken  Ufer  des  Bussento  dessen  Austritt  ins  Meer  überragt.  — 
9  km  östlich  folgt  Sapri  an  einer  kleinen  nach  Südwest  gewandten 
Bucht.  Man  sucht  hier  das  verschollene  ^alÖQog  das  den  heimat- 
losen Sybariten  Unterkunft  bot.<^)  —  Auch  das  mit  ihm  bei  der- 
selben Gelegenheit  erwähnte  ^cog  hat  nicht  bis  in  jüngere  Zeiten 
gedauert,  nimmt  aber  in  der  Ueberlieferung  einen  bemerkenswerten 
Platz  ein.  Strabo  benennt  nach  ihm  den  Golf  von  Policastro,  den 
wir  nach  dieser  Auffassung  durch  das  Vorgebirge  von  Buxentum 
und  die  45  km  entfernte  Punla  di  Cirella  zu  umgrenzen  haben.'') 
Von  letzterer  Spitze  7  km  nach  Norden  mündet  der  Laus  Lao  der 
Grenzflufs  zwischen  Oenotrien  und  Italien  Lucanien  und  Bruttium  §), 
wozu  seine  verhältnifsmäfsige  Gröfse  ihn  wol  befähigte  (l  335).  Die 
geräumige  Ebene  an  der  Mündung  wurde  von  den  Sybariten  durch 
Anlage  der  Colonie  ^äog  in  Besitz  genommen,  die  wenig  oberhalb 
des  Meeres  400  Stadien  von  Elea  entfernt  war. 9)  Wiewol  die 
Oertlichkeit  im  Einzelnen  genauerer  Bestimmung  harrt,  scheint  es 
sicher  dafs  Scalea  4  km  nordlich  vom  Flufs  den  Hafen  und  zwar 
einen  ganz  guten  abgab,  während  die  Stadt  in  der  Nähe  landein- 
wärts zu  suchen  ist.  Der  Ansatz  wird  durch  die  Reisekarte  be- 
stätigt die  8  Millien  von  Cirella  Lavinium  aufführt. lo)  Da  nämlich 
das  Adjectiv  ^alvog  lautet  ^i),  wie  denn  auch  der  Flufs  heute  Lao 


1)  Sil.  lt.  VUl  583.  2)  Liv.  XXXIl  29  XXXIV  45  Vell.  I  15,  3. 

3)  Liv.  XXXIX  23. 

4)  CIL.  XI  p.  51  Mela  II  69  Plin.  III  72  Ptol.  UI  1,  8  Feldm.  209. 

5)  Gregor  M.  Registr.  II  42. 

6)  Herod,  VI  21  Sleph.  Byz. 

7)  Strab,  VI  253. 

8)  Strab.  VI  253.  54.  55  Plin.  UI  72  Ptol.  III  1,  9  Steph.  Byz. 

9)  Strab.  VI  253  Herod.  VI  21. 

10)  Tab.  Peut.,  Geogr,  Rav.  IV  32  Laminium  V  2  Lavimunium. 

11)  Nach  den  Münzaufschriften  und  Steph.  Byz, 


§  1.    Das  Westland.  899 

oder  Laino  genannt  wird,  so  kann  dem  Wegemafs  entsprechend  in 
Lavinium  nur  das  Dorf  erblickt  werden ,  das  an  die  Stelle  der 
früheren  Stadt  getreten  war.  Die  Ueberlieferung  gedenkt  ihrer 
zweimal:  Laos  war  wie  Skidros  eine  Zufluchtstätte  der  Sybariten 
und  stand  390  v.  Chr.  im  Bunde  mit  den  Lucanern.  In  diesem 
Jahr  überschritten  die  Thurier  15  000  Mann  stark  die  Wasserscheide 
und  zogen  zu  Thal  um  die  reiche  Stadt  zu  belagern.  Die  syra- 
kusische  Flotte  und  das  ganze  Aufgebot  Lucaniens  kam  den  Be- 
drohten zu  Hülfe.  Auf  den  Hügeln  die  den  Flufs  bei  seinem  Aus- 
tritt an  die  Küste  umgürten ,  bei  einem  Heiligtum  des  Drakon  der 
ein  Gefährte  des  Üdysseus  gewesen  sein  soll,  erblickten  die  Italioten 
mit  Schrecken  den  weit  überlegenen  Feind  und  wurden  erbarmungs- 
los hingemetzelt.  1)  Wann  Laos  seine  städtische  Selbständigkeit  ein- 
büfste,  ist  unbekannt:  die  oskischen  Magistratsnamen  auf  den  Kupfer- 
münzen beweisen  dafs  Lucaner  in  den  Reihen  der  Bürgerschaft 
Aufnahme  gefunden  hatten. 2)  —  Zweifelhaft  bleibt  die  Lage  von 
Blanda  oder  Blandae.^)  Die  Annalen  erzählen  dafs  diese  lucanische 
Stadt  214  V.  Chr.  von  den  Römern  erstürmt  ward. 4)  Eine  Inschrift 
giebt  ihr  den  Beinamen  Blanda  Julia  und  bezeichnet  die  Magistrate 
als  Duovirn  ^) :  also  werden  hier  wie  in  anderen  Küstenplätzen  zu 
Anfang  der  Kaiserzeit  Veteranen  der  Flotte  angesiedelt  sein.  Endlich 
kommt  der  Bischofsitz  neben  dem  von  Velia  und  Buxentum  592 
vor.**)  Zu  alledem  pafst  gut  wenn  die  Karte  bei  der  Aufzählung 
der  Küstenorte  Blanda  16  Millien  nördlich  von  Lavinium  rückt '^: 
dies  führt  in  die  Gegend  von  Maratea,  wie  Cluver  zuerst  erkannt 
hat. 8)  Unweit  seiner  Mündung  nimmt  der  von  Norden  kommende 
Talago  (so  der  Generalstab)  oder  Noce  einen  westwärts  fliefsenden 
Bach  auf.  Zwischen  beiden  Wasserläufen  steigt  der  Hügel  Piarella 
mit  einem  antiken  Mauerring  an. 9)     Ganz  angemessen  wird  Blanda 


1)  Diodor  XIV  101  fg.  Strab.  VI  253.  2)  Gonway  I  p.  15. 

3)  Die  Pluralform  Liv.  XXIV  20  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2. 

4)  Liv.  XXIV  20. 

5)  GIL.  X  125. 

6)  Gregor  M.  Registr.  II  42. 

7)  Tab.  Peut.  in  dem  ferneren  Verlauf  verwirrt  und  aus  Gcogr.  Rav.  IV  32 
V  2  zu  ergänzen. 

8)  Holste  zu  1262,42  schliefst  das  Gleiche,  nimmt  aber  zu  1263,3  statt 
dessen  Sapri  an,  was  unmöglich  ist,  da  der  Ravennate  zwischen  Blanda  und 
Buxentum,  also  bei  Sapri  Cessernia  ansetzt. 

9)  Not.  degli  Scavi  1897  p.  176. 

57* 


900  Kapitel  XV.     Lucanlen. 

hier  gesucht,  aber  eine  inschriftliche  Bestätigung  fehlt.  Irrig  theilt 
Flolemaeos  die  Stadt  dem  Binnenland  i),  Plinius  der  bretlischen 
Küste  südlich  vom  Lao  zu.2) 

Den  Verkehr  von  Griechenland  und  Asien  nach  Rom  vermitteln 
die  beiden  Strafsen  die  von  Brundisium  auslaufend  in  Benevent 
wieder  zusammen  treffen  (S.  812).  Als  dritte  reiht  ihnen  Strabo 
die  Strafse  an  die  von  Regium  aus  durch  Bruttium  Lucanien  Samnium 
nach  Campanien  führt  und  vor  Capua  (S.  753)  in  die  Via  Appia 
einmündet.3)  Er  fügt  einschränkend  hinzu  dafs  sie  3  oder  4  Tage 
mehr  durch  das  appenniuische  Gebirge  erfordere  als  jene.  Nach 
der  Messung  des  Erbauers  beträgt  die  Entfernung  von  Capua  nach 
Regium  321  Millien,  während  sie  sich  nach  Brundisium  77  Milben 
niedriger  stellt  (S.  875).  Der  Unterschied  wurde  auch  durch  den 
kürzeren  Seeweg  von  Regium  nach  dem  Osten  nicht  eingebracht; 
denn  die  Alten  klammerten  sich  an  die  Küsten  an  (I  131).  Des- 
halb kann  diese  Linie  nur  in  Ausnahmefällen  für  Reisen  nach  dem 
Orient  benutzt  worden  sein.'*)  Für  die  Verbindung  mit  Sicihen 
und  Africa  hatte  sie  höheren  Wert.  Während  seiner  Censur 
159  V.  Chr.  hat  M.  Popilius  Laenas  die  Strafse  von  Capua  nach 
Regium  erbaut  und  wie  er  sich  ausdrückt,  auf  dieser  Strafse  alle 
Brücken  Meilensteine  und  Entfernungsangaben  errichlet.^)  Aber 
der  Name  via  Popilia  den  sie  ursprünglich  geführt  haben  mufs,  ist 
verschollen  ß)  und  die  Folgezeit  hat  ihr  nur  örtliche,  keine  allgemeine 
Bedeutung  zuerkannt.')  Wie  in  der  Neuzeit  vor  Eröffnung  der 
Eisenbahnen  selten  ein  Reisender  angetroffen  wurde  der  von 
Neapel  nach  Sicilien  den  Landweg  eingeschlagen  hätte,  ist  es  auch 
im  Altertum  gewesen :  die  Länge  und  Beschwerde  des  Weges  über- 
wand die  Furcht  vor  der  See. 


1)  Ptol.  III  1,  61  vgl.  CIL.  X  1  p.  50. 

2)  Plin.  111  72,  vielleicht  auch  Mela  II  69. 

3)  Strab.  VI  283. 

4)  So  von  Cicero  auf  seiner  Flucht  58  v.  Chr.,  ad  Att.  III  5.  2.  3.  4.  6.  7. 

5)  CIL.  I  551  X  6950.  Der  Zulheilung  an  P.  Popilius  Consul  132  steht  der 
jüngere  Schriftcharakter  (geschlossenes  P)  des  Meilensteins  den  wir  von  diesem 
Manne  haben  (n.  550),  entgegen  und  noch  mehr  die  Thatsache  dafs  der  Wege- 
bau innerhalb  der  italischen  Halbinsel  in  älterer  Zeit  den  Censoren  oblag,  vgl. 
S.  903  A.  5. 

6)  It.  Ant.  106  Appia  via  recto  ilinere  bezeichnet  sie  als  Fortsetzung 
der  Appia. 

7)  Durchgehende  Zählung  der  Meilen  fehlt  CIL.  X  1  p.  708. 


§  1.     Das  Westland.  901 

Als  Grenzstation  können  wir  ad  Silarum  nicht  betrachten,  bis 
wohin  die  Karte  29  Millien  von  Nuceria  zählt. i)  Die  Hügel  nämlich 
welche  die  Ebene  im  Norden  überragen  (Ehurina  iuga)'^),  gehören 
zu  Lucanien.  An  ihrem  Fufs  (103  m)  liegt  das  der  fabischen  Tribus 
zugeschriebene  Municipium  Eburum  Eboli  mit  geringen  Ueberresten 
aus  dem  Altertum. 3)  Ohne  den  Ort  zu  berühren  überschreitet  die 
Strafse  den  Siler  3  Millien  unterhalb  und  steigt  die  nächsten 
9  Milben  über  400  m  bis  Scorzo  (510  m).  Sie  wird  rechts  ein- 
gefafst  vom  mächtigen  Alburnus  (S.  891),  Hnks  vom  M.  la  Difesa 
(677  m)  der  von  fern  wie  ein  Kegel  aussieht  und  in  der  Nähe  sich 
als  langer  Rücken  entpuppt.  Die  besondere  Erscheinung  mag  dem 
mehrfach  erwähnten  Weiler  oder  Dorf  den  Namen  Nares  Lucanae 
eingetragen  haben. 4)  Die  Dorfschaft  war  als  pagus  Naranus  in 
Volcei  eingemeindet.^)  Von  Scorzo  senkt  sich  die  Strafse  und  hält 
eine  mittlere  Hohe  von  250  m  die  nächsten  10  Milben  ein.  Während 
rechts  der  Alburnus  aufragt,  fliefst  links  im  Grunde  der  Tanager 
und  vereinigt  sich  (135  m)  mit  dem  Platano  oder  wie  er  hier  heifst, 
Fiume  Bianco.  —  In  dieser  Gegend  mufs  Ä7ini  forum  gelegen 
haben,  über  das  im  Herbst  73  v.  Chr.  die  Horden  des  Spartacus 
von  Nares  Lucanae  niedersteigend  bei  Tagesanbruch  herfielen  und 
Verderben  brachten. ß)  Der  volkreiche  Markt  erscheint  als  pagus 
Forensis  unter  den  von  Volcei  abhängigen  Ortschaften  und  ist  links 
unterhalb  der  Via  Popilia  zu  suchen.")  Statt  seiner  führt  die  Karte 
9  Millien  von  Nares  Lucanae  d.  h.  bei  Auletta  (280  m)  Aceronia 
auf.*)  Man  kann  vermuten  dafs  Forum  Anni  mit  der  Strafse  zu- 
sammen hängt  die  ostwärts  nach  Potentia  abzweigt:  das  Gebirge 
das  dabei  zu  überwinden  war,  heifst  auf  der  Karte  mons  Balabo  und 


1)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34;  It.  Ant.  109  ad  Tanarum  XXVIII  kann 
richtig  sein,  indem  ja  der  Tanager  und  nicht  der  Siler  als  Hauptstrom  zu  gelten 
hat  (S.  890). 

2)  Sallust  Hist.  III  98  Maurenbrecher. 

3)  Plin.  III  98  CIL.  X  1  p.  49.  Die  Datirung  des  am  6.  April  geschriebenen 
und  vor  n.  2  zu  stellenden  Briefes  ad  Att.  III  5  Thuri  wird  angemessen  in 
Eburi  verbessert. 

4)  Sallust  Hist.  HI  98  Maur.  Cic.  ad  Att.  III  2  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34 
Guido  43. 

5)  CIL.  X  407. 

6)  Sallust  Hist.  111  98  Maur. 

7)  CIL.  X  407. 

8)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34  Guido  43,  andere  Lesung  Acerronia. 


902  Kapitel  XV.     Lucanien. 

weist  hohe  Gipfel  (M.  Marzano  1530  m  Nord  vom  Platano,  M.  Vetrice 
1240  m  Süd  vom  Platano)  bei  einer  Pafshöhe  die  500  m  nicht  über- 
schreitet, auf.  An  der  Strafse  in  einem  Thalkessel  (500  m)  liegt 
Vielri  di  Potenza:  der  Name  erinnert  an  die  cam]pi  Veteres,  wo 
Tib.  Gracchus  212  v.  Chr.  durch  List  seinen  Tod  fand.')  —  Die 
ganze  Landschaft  zwischen  Balabo  und  Alburnus,  durchströmt  vom 
Siler  Platano  und  Tanager,  wird  beherrscht  von  Volcet  Buccino 
(649  m)  nordlich  über  dem  Zusammenflufs  von  Platano  und  Tanager, 
weithin  sichtbar. 2)  Dies  war  die  Hauptstadt  der  Volceiani  Vulcientes 
Volcentani  die  von  den  Hirpinern  im  Norden,  den  Lucanern  im 
Westen  und  Süden,  der  Mark  Venusia  im  Osten  begrenzt,  eine 
selbständige  Völkerschaft  gebildet  hatten. 3)  Sie  waren  im  Verein 
mit  jenen  beiden  Völkern  zu  Hannibal  abgefallen,  lieferten  aber  209 
dessen  Besatzungen  aus  und  kehrten  zum  Gehorsam  zurück.'*)  Nach 
dem  Bundesgenossenkrieg  kamen  sie  in  die  pomptinische  Tribus, 
standen  zunächst  unter  Praefecten  und  erhielten  später  die  Bechte 
eines  Municipium.  Von  der  Ausdehnung  des  Gebiets  zeugt  eine 
verstümmelte  Inschrift  von  323  n.  Chr.  die  aufser  den  oben  be- 
stimmten fagus  Naranus  und  pagus  Forensis  zwei  unbekannte  in 
abgekürzter  Form  p.  Aequam  .  .  .  und  p.  Trasamunc  .  .  enthält. 5) 
Ferner  waren  die  an  die  Venusiner  Mark  stofsenden  Nnmestrani 
ihm  zugetheilt.6)  Die  Stadt  Numistro  war  210  v.  Chr.  in  römischen 
Händen:  auf  sie  gestützt  lieferte  Marcellus  den  Karthagern  eine 
Schlacht  die  zwar  unentschieden  blieb,  aber  die  Uebergabe  der  be- 
nachbarten Völker  im  folgenden  Jahr  nach  sich  zog.'')  Nach  der 
Erzählung  sowie  ziemlich  zahlreichen  Inschriften  hat  Numistro  in 
der  Gegend  von  Muro  Lucano  gelegen  8):  4  km  unterhalb  von  Muro 
auf  einem  durch  einen  Bach  gedeckten  Hügel  (450  m)  ist  die  mächtige 
Bingmauer  kenntlich.  Alles  in  Allem  kann  der  ßergcanton  der 
Volcentaner  zu  800  oder  1000  Dkm  eingeschätzt  werden.  Ob  er 
zur  Zeit  der  Stammkriege  unter  den  Sammelnamen  Samniten  oder 
den  der  Lucaner  einbegriffen  wurde,  ist  nicht  zu  ermitteln. 

1)  Liv.  XXV  16. 

2)  So  auf  Inschriften  CIL.  X  1   p.  43  Ptol.  III  1,  61   OvXmi. 

3)  Die  1.  Form  inschrifüich,  2.  Liv.  XXVll  15,  3.  Plin.  111  98  Feldm.  209. 

4)  Liv.  XXVII  15. 

5)  CIL.  X  407. 

6)  Plin.  111  98. 

7)  Liv.  XXVII  2.  15. 

8)  CIL.  X  1  p.  46  2  p.  964  Eph.  ep.  VIII  p.  79. 


§  1.    Das  Westland.  903 

Bei  Pertosa  ans  einer  tiefen  S.  Michele  geweihten  Hohle  stürzt  der 
Flufs  hervor  der  6  km  oberhalb  verschwunden  war  (1335).  Das  Reise- 
buch verzeichnet  hier  49  Millien  von  IVuceria  die  Station  ad  CaloremJ) 
Daran  ist  ohne  Not  Anstofs  genommen  worden;  denn  die  Anwohner 
benennen  nicht  nur  den  an  Serra  Malombra  (1332  m)  entspringen- 
den öslhchen  Quellarm  sondern  auch  den  Flufs  in  Val  Diano  der 
schriftmäfsig  als  Tanager  oder  Negro  bekannt  ist,  mit  dem  Namen 
Calore  und  das  Reisebuch  beweist  das  Alter  des  Gebrauchs.  2)  Die 
Strafse  steigt  etwa  400  m  und  langt  51  Millien  von  Nuceria  bei 
Forum  Popili  Polla  und  am  jNordende  des  Val  Diano  an.  3)  Der 
159  v.  Chr.  angelegte  Markt  besafs  kein  Stadtrecht  und  war  in 
Atina  eingemeindet.  ^)  Die  Zustände  die  in  den  von  der  Via  PopiUa 
durchzogenen  Landschaften  ein  Menschenalter  und  mehr  nach  dem 
hannibalischen  Kriege  anhielten,  werden  durch  eine  Angabe  der 
Bauinschrift  beleuchtet.  Danach  hat  M.  Popilius  während  seiner 
Praetur  176  in  Sicilien  917  entlaufene  Sklaven  der  Bundesgenossen 
aufgreifen  lassen  und  ihren  Herren  zurückgegeben,  während  seiner 
Censur  159  zum  ersten  Male  römisches  Staatsland  zu  Gunsten  des 
Ackerbaus  dem  Weidebetrieb  entzogen.  ^)  Die  Entwässerung  und 
damit  die  Gesundung  des  ehemaligen  Seebeckens  (l  335)  verlangt 
ein  ausgebreitetes  Canalnetz.  Die  Anlage  geht  auf  die  Rümer  zurück^), 
die  auch  den  Ausflufs  bei  Pertosa  erleichtert  haben.  Am  Ostrand 
des  Thals  5  Millien  von  Forum  Popih  folgt  Atina  Atena  Lucano, 
Municipium  in  der  pomptinischen  Tribus. ')     Zahlreiche  Inschriften, 


1)  It.  Ant.  110. 

2)  Auch  in  der  Vorlage  der  Annalen  Liv.  XXV  17  wird  unter  Calor  der 
Tanager  gemeint  gewesen  sein,  was  den  Bearbeiter  in  die  Irre  führte. 

3)  Tab.  Peut.;  Foro  Populi  Geogr.  Rav.  IV  34  Guido  43. 

4)  Plin.  II  225. 

5)  Auf  die  gracchische  Bewegung  und  den  Consul  von  132  (S.  900  A.  5) 
der  ein  heftiger  Feind  der  Bewegung  war,  passen  die  Salze  nicht.  Der  Stein 
mufs  aus  seiner  Umgebung  erklärt  werden:  er  steht  auf  römischem  Boden, 
aber  die  Strafse  läuft  in  ganzer  Ausdehnung  vorwiegend  durch  das  Gebiet  von 
Bundesgenossen.  Deshalb  spricht  der  Stein  von  den  Wolthaten  die  Popilius 
diesen  erwiesen  habe.  Bekanntlich  befand  sich  133  ein  grofser  Theil  der  Do- 
mäne in  Händen  der  Bundesgenossen:  CIL.  X  2S9  meldet  von  der  Assignation 
desselben  in  Val  Diano.  Dafs  Popilius  176  die  Provinz  Sardinien  ausschlug, 
berichtet  Liv.  XLl  15  ohne  seine  Amtslhäligkeit  zu  berühren:  er  kann  mit  einem 
besonderen  Auftrag  in  Süditalien  oder  Sicilien  betraut  gewesen  sein. 

6)  Vermutlich  bezieht  sich  darauf  CIL.  X  293. 

7)  Plin.  III  98  II  225  Feldm.  209  CIL.  X  1  p.  37  2  p.  962  Eph.  ep.  VIII  p.  78. 


904  Kapitel  XV.    Lucanien. 

Beste  eines  Amphillieaters  Mauer  und  Thürme  weisen  iiim  einen 
hervorragenden  Platz  in  der  Gegend  an.  Die  Mauer  in  der  Länge 
von  3,2  km  umscliliefst  54  ha  Fläche.  —  Damit  wetteifert  5  MiUien 
weiter  an  der  Westseite  des  Thals  Tegianum  Diane,  1862  Teggiano 
umgetauft  i),  mit  mancherlei  antiken  tJeberresten.  Die  Neuzeit  hat 
letzterem  den  Vorrang  zuerkannt  und  bezeichnet  das  langgestreckte 
Thal  als  Val  di  Diano.  Der  Fund  einer  oskischen  mit  griechischen 
Buchstaben  geschriebenen  Inschrift  verdient  als  Merkmal  alter  Bildung 
erwähnt  zu  werden,  ^j  Das  römische  Municipium  von  Nero  zur 
Colonie  erhoben  3),  war  der  Tribus  Pomptina  zugetheill.  —  Das 
Beisebuch  setzt  25  Millien  von  Pertosa  die  Station  in  Marcelliana 
an.*)  Hier  fand  gegen  Ende  September  eine  berühmte  Messe  statt, 
die  im  6.  Jahrhundert  n.  Glu'.  von  Campanien  Apulien  Calabrien  und 
Bruttium  aus  besucht  wurde.  ^)  Der  Ort  gehörte  zur  nahen  Stadt 
Cosilinum  der  ein  hohes  Alter  beigelegt  wird,  "j  Die  Lage  wurde  be- 
stritten^), steht  aber  nunmehr  vollkommen  fest.  Das  südliche  Ende 
des  Val  Diano  stellt  einen  natürlichen  Brennpunct  des  Verkehrs  dar, 
insofern  eine  25  Millien  lange  Strafse  von  Buxentum  und  seinem 
Golf,  eine  wenig  kürzere  von  Grumentum  s)  und  Ostlucanien,  beide 
mit  mälsiger  Steigung,  in  die  Via  Popilia  einmünden.  Die  einzelnen 
Mafsangaben  treffen  zusammen  bei  Padula.  Auf  Colle  S.  Binaldo 
nördlich  von  Padula  bei  etwa  800  m  Höhe  ist  die  Burg  und  Bing- 
mauer  einer  alten  Stadt  kenntlich  die  Cosilinum  in  einer  Inschrift 
genannt  wird.  9)  Zu  Füfsen  bei  S.  Giovanni  in  Fönte  (467  m)  war 
während  des  Landfriedens  der  Marktllecken  Marcelliana  aufgeblüht. 


1)  Plin.  III  98  entweder  ausgefallea  oder  Tergilani  verschrieben  für  Tegia- 
nenses;  Feldm,  209  praef.  Tegenensis;  CIL.  XI  p.  33  2  p.  962.  1004  Eph. 
ep.  VIII  p.  78. 

2)  Eph.  ep.  II  p.  153. 

3)  Rendiconti  de'  Lincei  VI  (1S9T)  p.  3S9. 

4)  It.  Ant.  110. 

5)  Cassiod.  Var.  VIII  33. 

6)  Die  Form  wird  inschriftiicli  bezeugt  Not.  d.  Sc.  1900  p.  503  CIL.  X  2 
p.  961;  Tab.  Peut.  Guido  40  Cosilianmn,  Geogr.  Rav.  IV  33  Concilas;  Feldm.  209 
Consilina.  Wenn  der  Name  Pliii.  111  98  nicht  durch  blofses  Versehen  fehlt, 
hat  Aiiguslus  das  Stadtrecht  nicht  anerkannt. 

7)  CIL.  X  1  p.  25. 

8)  Tab.  Peut.  scheint  die  Entfernung  zwischen  Grumentum  und  Cosilinum 
auf  25  Millien  anzusetzen,  was  etwa  5  Millien  zu  viel  ist. 

9)  Not.  d.  Sc.  1900  p.  111.  503. 


§  1.    Das  Westland.  905 

Die  topographischen  Angaben  stimmen  hiermit  überein.  ij  —  Süd- 
westHch  davon  auf  dem  Wege  nach  Buxentam  liegt  Sanza  (487  m), 
das  an  die  Sontini  der  plinianischen  Liste  erinnert 2):  geographisch 
betrachtet  ist  die  Gleichung  beider  ganz  annehmbar,  stützt  sich 
übrigens  allein  auf  die  Namensähnlichkeit. 

Das  Val  Diano  bietet  in  der  wilden  Berglandschaft  eine  er- 
quickende Unterbrechung.  Beim  Verlassen  steigt  die  Via  Popilia 
langsam  am  Tanager  oder  Calore  aufwärts  und  verläfst  ihn  nach 
10  Millien  bei  588  m  Höhe.  Dann  nimmt  die  Steigung  zu,  die 
Gegend  ist  so  oede  „dafs  man  auf  viele  Meilen  kein  lebendiges 
Wesen  gewahr  wird." »)  Die  Station  Caesariana  21  Millien  von 
Marcelliana  ist  jenseit  des  in  einem  Kessel  gelegenen  Lagonegro  zu 
suchen.  4)  Der  Name  scheint  anzudeuten  dafs  sich  hier  kaiserhche 
Besitzungen  befanden.  Nach  23  Millien  folgt  Nerulum  oder  Neruli% 
wo  die  von  Mailand  nach  dem  Sund  von  Messina  durch  die  Abruzzen 
laufende  Hauptstralse  in  die  Via  Popilia  einmündet.  Die  Vereinigung 
geschieht  in  der  Nachbarschaft  von  Rotonda  (633  m)  am  oberen 
Lao  nördlich  von  dem  abschliefsenden  Querriegel  des  M.  Pollino. 
Der  Name  weckt  die  Aufmerksamkeit  des  Geschichlsfreundes,  dem  er 
bereits  317  v,  Chr.  in  den  Annalen  begegnet  war.  Als  die  Feind- 
seligkeiten nach  dem  caudinischen  Frieden  von  Neuem  ausbrachen, 
haben  die  Römer  sich  zuerst  in  der  apulischen  Ebene  festgesetzt 
und  dann  gegen  Lucanien  gewandt.  Während  der  eine  Consul  im 
Quellgebiet  des  Bradanus  thätig  war,  rückte  der  andere  nach  Süden, 
zog  den  Siris  hinauf,  überschritt  die  900  m  hohe  Wasserscheide, 
überraschte  Nerulum  und  nahm  es  mit  Sturm.  Gern  hätten  wir 
ein  Wort  über  seinen  Rückmarsch  gehört:  doch  auch  so  bleibt  das 
erste  Auftreten  der  römischen  Waffen  an  der  Grenze  Brultiums  ein 
denkwürdiges  Ereignifs.  ^)     Die  Bedeutung   des  Laus   als  Vermittler 


1)  Fr.  Lenormant,  A  travers  1'  Apulie  et  la  Lucanie,  Paris  1883,  II  p.  105  fg. 
vgl.  Not.  d.  Sc.  1897  p.  173. 

2)  Piin.  III  98. 

3)  Juslus  Tooimasini,  Spatziergang  durch  Kalabrien  und  Apulien,  Kon- 
stanz 1828, 

4)  It.  Ant.  110. 

5)  Nerulo  It.  Ant.  105.  110,  Nerulos  Tab.  Peut.,  Nerbulos  Geogr.  Rav. 
IV  34,  Herbulum  Guido  43. 

6)  Liv.  IX  20,  das  inhaltreiclie  Kapitel  beschliefst  die  Geschichte  der  J. 
318.  17  mit  den  Worten:  Jiec  arma  modo  sed  iura  etiavi  Romana  late  pol- 
lebant. 


906  Kapitel  XV.     Lucanien. 

zwischen  dem  ionischen  und  lyrihenischen  Meer  gelangt  noch  in 
der  langobardischen  Landesbeschreibung  zum  Ausdruck.  Diese  macht 
nur  zwei  Städte  in  Lucanien  namhaft:  Paeslum  und  Lainus  Laino 
(471  m)  am  oberen  LausJ)  Die  Stelle  des  letzteren  hatte  ehedem 
Nerulum  vertreten. 

§  2.    Das  Ostland. 

Der  Bau    des  Appennin    bedingt    die   Gliederung    des  Landes. 
Nördlich  vom  Garganus  entsendet  er  an  30  Ausläufer  zur  Adria,  ein 
beherrschendes  Flufssystem  fehlt,  aber  die  niedrigen  Hügel  des  Sub- 
appennin  mit  ihren  Olivenhainen  und  Weingärten  sind  im  Vergleich 
zum  Inneren  weit  bevorzugt.     Der  Rücken  der  Murgie   der  in  der 
calabrischeu  Halbinsel  endigt,  sondert  Apulien  als  Welt  für  sich  ab. 
Jenseit  der  Murgie  am  tarentinischen  Busen  kehren  die  Verhältnisse 
von    der  mittleren    Adria    wieder,    das    östliche    und    das    westliche 
Lucanien    stehen    ähnlich    zu    einander    wie    die  Landschaften    der 
Picenter  und  Frentaner  zu  den  Abruzzen.     Immerhin    bewirkt   die 
veränderte  Richtung  der  Gebirgsaxe  (I  239)  dafs  der  Osten  den  Westen 
an  Ausdehnung  in  einem  Mafse  übertrifft  das  an    dem  adriatischen 
Gestade    unerhört    ist.     Darin    liegt   auch   der  Grund    für  das  ver- 
schiedene  Ergebnifs   das   die   geschichtliche   Entwicklung  in  beiden 
Fällen  gehabt  hat.     Den  sabinischen  Stämmen    ist   es   ein  Leichtes 
gewesen  die  Küste  zu  gewinnen    und    die  spärlichen    Ansiedlungen 
der  Fremden  sich  anzueignen.    Trotz  aller  Erfolge  im  Einzelnen  die 
sie  von  auswärtigen  Mächten  unterstützt  errangen,  haben  die  Lucaner 
ihr  Ziel  die  Seeslädle  zu  bezwingen    nur   zum  Theil  erreicht.     Das 
Wort  Seestädte  ist  im  Gegensalz    zu    den    abgeschlossenen  Thälern 
des  Inneren  gebraucht:  wiewol  am  ganzen  Golf  Tarcnt  allein   einen 
für  grofsen  Verkehr  geeigneten  Hafen  besafs  (S.  865),  genügten  die 
Ankerplätze  doch  um  bei  guter  Jahreszeit  Aus-  und  Einfuhr  zu  ver- 
mitteln. Im  Uebrigen  waren  die  hellenischen  Niederlassungen  wesent- 
lich auf  Ackerbau  angewiesen  und  hatten  grolse  fruchtbare  Gebiete 
unterworfen.     Ihre  Beziehungen    unter  einander    sowol  als  zu  den 
Eingeborenen  sind  durch  die  Bodengestaltung  stark  beeinflufst  worden. 
Der  Rücken  der  Murgie  im  Nordosten,  das  samnitische  Grenzgebirge 
im  Norden,  die  Hauptkette  des  Appennin  im  Westen,  der  Querriegel 
des  M.  Pollino  im  Süden  geben  den  Rahmen  für  diesen  Landestheil 
ab.     Die  Erhebun»  sinkt  nach  Osten  zu.    Der  am  Bradanus  15  km 


1)  Paul.  h.  Lang.  II  17. 


§  2.     Das  Oslland.  907 

Breite  messende  vüUig  ebene  Küslensaum  wird  nach  Südwest  fort- 
schreitend schmäler  und  verschwindet  schUefslich,   indem  die  Fort- 
setzungen des  M.  Pollino  mit  Höhen  von  4— 500  m  bis  ans  Meer 
reichen.     Hinter  der  Ebene  folgt  ein  von  5  gröfseren  Flüssen  auf- 
gelockertes Hügelland,  dessen  Erhebung  mit  dem  Abstand  vom  Meer 
wächst.     Die  in  der  Richtungsaxe  des  Appennin    streichende   Kette 
die  unter  anderen  ansehnlichen  Gipfeln  den  M.  dell'  Impiso  (1300  m) 
aufweist,  bezeichnet  den  Abschliifs    der  hügeligen  und  den  Beginn 
der  gebirgigen  Landeshälfte.     \Vie  in  Picenum  bilden  die  einzelnen 
durch  Höhenzüge  getrennten  Flufsthäler  Unterabschnitte.    Am  Deut- 
lichsten ist  dies   in    der    Ebene  von  Sybaris   ausgesprochen   die  als 
blofses  Anhängsel  zu  Lucanien  erscheint  und  mit  gleichem  Recht  zu 
Bruttium  gerechnet  werden  konnte.     Die  Alten  setzten  den  Crathis 
als  Grenzflufs  an  und  somit  durchmilst  die  am  Meer  hinführende  Haupt- 
strafse  auf  60  Milben  Länge  lucanisches  Land.    In  wie  weit  solches 
von  der  Via  Appia  auf  der  Strecke  Venusia-Tarent  (S.  861)  berührt 
wurde,  ist  nicht  zu  sagen  (S.  851).    Dagegen  war  das  Innere  durch 
die  Via   Herculea    mit    verschiedenen    Abzweigungen   an   das  grofse 
Strafsennetz  angeschlossen,  worauf  gegebenen  Ortes  einzugehen  ist. 
An  die  Maik  Venusia  (S.  826)  stiefs  die  Gemeinde  der  5anfmi, 
die  von  der  Censusliste  ausdrücklich  zu  Lucanien  gerechnet  wird,  was 
die    Gemeinschaft    der    Sprache    bestätigt.')      Die   Entfernung   von 
Venusia  nach  Bantia,   oskisch  Bansa,   beträgt  14  Millien :    letzteres 
lag  unweit   der   alten   Abtei   S.  Maria   di  Banzi    (570  m).^)     Reste 
der  saltus  Bantini  der  Wälder  zwischen    beiden   Städten  sind  noch 
vorhanden:  in  ihnen  fiel   208  v.  Chr.  der  tapfere  M.  Marcellus  als 
Opfer    eines    Hinterhalts.  3)     Bantia    liegt    5   Milben    nördhch    vom 
Bradanus;    seine    Feldflur    erstreckte    sich    am   südlichen   Flufsufer 
mindestens  3  Millien  weiter  bis  Oppido  oder  Palmira,   wie  es  amt- 
lich heifst:  die  Leutchen  haben  für  gut  befunden  den  überkommenen 
schlichten  Namen   mit    einem    wolklingenden   zu  vertauschen.     Aus 
Oppido  also  stammt   das  viel  behandelte  Bruchstück  einer  Erztafel 
die  auf  der  Vorderseile  ein  um  120  v.  Chr.  geschriebenes  römisches 
Gesetz,    auf    der   Rückseite    in    oskischer   Sprache   und  lateinischer 
Schrift  die  ein  Menschenalter  jüngere  Aufzeichnung  des  bantiniscben 

1)  Plin.  111  98;   irrig   nennen   Apulien   Liv.  XXVII  25   Scliol.   zu   Hör.  Od. 
III  4,  15. 

2)  Sleph.  Byz.  CIL.  IX  p.  43. 

3)  Hör.  Od.  III  4,  15  Liv.  XXVII  25—27  Plut.  Marc.  29. 


908  Kapitel  XV.     Lucanien. 

Stadirechts  enthält,  ')  —  16  Millien  südhch  von  Venusia,  4  Millien 
nordwestlich  von  Oppido  ragt  der  Kegel  empor,  dessen  Spitze  (S33  ni) 
celsae  nidum  Aceruntiae  Acerenza  trägt,  ^j  Die  Stadt  ist  aufser  im 
Süden  von  allen  anderen  Seilen  unzugänglich  und  behilft  sich  deshalb 
mit  einem  einzigen  Thor.  Sie  wird  von  den  Schriftstellern  über- 
einstimmend mit  der  heutigen  Kreisgrenze  nach  Lucanien  gesetzt  3) 
und  hatte  Selbstverwaltung,  obwol  ihr  Name  durch  ein  Versehen  in 
der  Liste  bei  Plinius  fehlt,  ^)  Den  guten  Eluf  den  ihr  Wein  jetzt 
hat,  scheint  er  bereits  im  Altertum  gehabt  zu  haben,  s)  Die  aufser- 
ordentliche  Stärke  der  Festung  kommt  in  der  älteren  Kriegsgeschichte 
nicht  zum  Ausdruck;  dagegen  wird  sie  als  Bollwerk  der  Gothen  und 
Langobarden  im  6.  und  7,  Jahrhundert  hervorgehoben,  6)  —  Die 
Via  llerculea  läuft  von  Venusia  (S,  830)  nach  Potenlia,  die  Entfernung 
beträgt  ungefähr  32  Millien,  Halbwegs  in  dem  Becken  von  Lago 
Pesole  wo  der  Bradanus  entspringt  (S,  850)  wird  die  Station  ad 
fluvium  Bradanum  anzunehmen  sein,  "j  Die  Richtung  wird  durch 
einen  Meilenstein  von  311  n.  Chr.  der  hier  stand,  gesichert;  denn 
die  Angaben  der  Itinerarien  befinden  sich  in  unlösbarer  Verwirrung. 
Die  Strafse  hält  durchweg  eine  Hohe  von  800  m  und  darüber  ein  : 
man  begreift  es  wenn  die  Fuhrmannsgilden  anderer  Städte  in 
Potentia  durch  ein  coUegium  mulionum  et  asinarioruiu  ersetzt  sind.*) 
Das  heutige  Polenza  Hauptstadt  der  Basilicata  hat  823  m  Meereshühe 
und  ist  im  10.  oder  11.  Jahrhundert  entstanden;  das  alte  Potentia 
lag  etwa  140  m  niedriger  am  Casuentus  Basento.^)  Diesem  ansehn- 
lichen Flufs  (l  336,  343)  folgt  die  Eisenbahn  von  Neapel  nach 
Tarent:  es  kann  füglich  nicht  bezweifelt  werden  dafs  die  von  der 
Popilia  abzweigende  Querstrafse  (S.  901)  sich  jenseit  Potenlia  nach 

1)  Bruns,  Fontes  iuris  Rom.  anliqui,  Frib.*'  1893,  p.  48  fg. 

2)  CIL.  IX  p.  43  auf  Inschriften  Aoerunlia  und  Acerentiu,  Hör,  Od.  III  4,  14 
mit  Scliol. 

3)  Prokop  b.  Goth.  III  23  Schol.  Hör,  a.  0.;  Faul,  h.  Lang,  II  21  theilt  es 
Apulien  zu, 

4)  CIL.  IX  417.  6193  Eph,  ep.  VIII  p.  18  vgl.  Kap,  XVI  1. 

5)  CIL.  IX  p,  660.    Verehrung  Julians  d.  A.    Rev.  arch.  1901  p.  350. 

6)  Prokop  b,  Golh.  III  23.  26  IV  26.  34  Paul.  h.  Lang,  V  7. 

7)  It,  Ant.  104,    CIL.  IX  6067. 

8)  CIL.  X  143. 

9)  Plin.  III  97  Bakchylides  10, 115  scheint  die  Kurzform  Küaas  zu  brauchen, 
Diels  Ilerm.  XXXIII  335,  Die  heutige  Form  hat  schon  Guido  29  Basenlius 
defluus  et  omni  gravilatc  fecundus,  propter  quud  graece  Dasinlos  quasi  ba- 
dizon  sinlomus  aj/pellalur. 


§  2.    Das  Oslland.  909 

der  Appia  und  Tareiil  fortsetzte.  Derait  nimmt  die  Stadt  den 
Schoittpuntt  von  zwei  Haiiptstrafsen  ein.  Freilicli  gedenkt  ihrer 
die  historische  Ucberliefeiiing  mit  keiner  SilLe. ')  Der  Name  verrät 
römischen  Ursprung;  man  fühlt  sich  versucht  ihn  mit  den  zur  Er- 
schliefsung  Lucaniens  im  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  unternommenen 
Wegebauten  in  Beziehung  zu  bringen.  Aber  die  Fülle  der  In- 
schriften berechtigt  von  der  Blüte  des  Gemeinwesens  zu  reden. 2) 
Es  war  Municipium  in  der  poraptinischen  Tribus.  —  Von  Potenza 
hat  die  Via  Ilercnlea  das  Bergland  zu  durchschreiten  das  den  Basenlo 
vom  Adris  Agri  (I  336.  343)  trennt.  3)  Die  Wasserscheide  sinkt 
nicht  unter  11 — 1200  m,  demgemäfs  verläuft  dieser  Abschnitt  der 
Strafse  in  gröfserer  Hohe  als  der  vorige.  Sie  erreicht  nach  15  Miliieti 
Änxia  Anzia  (1087  m).  Der  Ort  ist  durch  seine  reichen  Vasenfunde, 
aufserdem  durch  eine  mit  griechischen  Lettern  geschriebene  oskische 
Inschrift  bekannt:  weiter  wissen  wir  von  ihm  nichts.  4)  Nun  gehts 
liinunter  an  den  Fiume  d'  Anzi  und  mit  700  m  Steigung  zwischen 
M.  Volturino  (1836  m)  und  Timpe  Pilato  (1598  m)  hindurch  nach 
dem  Hochlhal  des  Agri:  die  Entfernung  von  Anzi  nach  Grumentum 
beträgt  rund  20  Miliien.  —  Die  Quellbächc  des  Agri  vereinigen  sich 
in  einem  Hochthal  das  bei  600  m  Mittelhöhe  12  km  lang  und  halb 
so  breit  ist.  Damit  ist  ein  Sammelplatz  für  die  wilde  Gebirgswelt 
im  Umkreis  gegeben,  gleich  dem  Val  di  Diano  zu  dem  ein  Weg 
nach  Cosilinum  hinüber  leitet  (S.  904).  Die  Via  Herculea  von 
Venusia  nach  Bruttium  berührt  es.  Endlich  eröffnet  der  nach  Osten 
{liefsende  Agri  eine  Verbindung  mit  dem  Tarentiner  Busen.  Am 
unteren  Ende  wo  der  Strom  sich  anschickt  seine  Bahn  durch  das 
Hügelland  zu  brechen,  liegt  am  rechten  Ufer  in  etwa  600  m  Meeres- 
höhe ein  abgeflachter  Bücken,  im  Norden  durch  den  Strom,  an  den 
Langseilen  durch  Schluchten  gedeckt.  Der  Rücken  trug  Gnimenhitn 
die  Hauptstadt  von  Ostiucanien.  Von  Freund  und  Feind  im  hanni- 
balischen  Krieg  ^)    wie    im    bundesgenössischen  ^)    heifs    umstritten. 


1)  Plin.  111  98  Ploi.  III  1,  61  feldm.  209.  In  der  Nähe  bei  Vaglio  sind 
oskische  Inschriften  gefunden  worden  ConM'ay  14 — 16. 

2)  CIL.  XI   p.  21  2  p.  961.  1004  Eph.  ep.  VIII  p.  75. 

3)  Strab,  VI  264  Plin.  III  97:  Tafeln  von  Heraclea  oft  (Kaibel  645).  Cluver 
1279  will  Acidios  ll.  Ant.  104  in  den  Flufsnamen  umändern,  jedoch  ist  mit 
den  Mafsen  des  Reisebuchs  rein  nichts  anzufangen, 

4)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  35  CIL.  X  l  p.  25  Conway  22. 

5)  Liv.  XXIIl  37  XXVII  41. 

6)  Appian  b.  civ.  1  41. 


910  Kapitel  XV.     Lucanien. 

erhielt  sie,  wie  es  scheint  (S.  31),  zur  Strafe  für  ihren  Abfall  i)  eine 
siiUanische  Colonie.^j  Kurz  vor  dem  Ausbruch  des  Rampfes  zwischen 
]*ompeius  und  Caesar  sind  die  Aedilen  eifrig  an  der  Arbeit  die 
Mauer  in  Stand  zu  setzen.  ^)  Bestimmte  Nachrichten  aus  der  Kaiser- 
zeit fehlen;  aber  die  Schriftsteller  schenken  doch  dieser  Stadt  eine 
gröfsere  Aufmerksamkeit  als  ihren  lucanischen  Schwestern.  4)  Damit 
stimmt  die  Reiciialtigkeit  der  Inschriften.  ^)  Neben  den  verschiedenen 
Bauwerken  die  sie  erwähnen,  ist  ein  Amphitheater  von  ganz  statt- 
lichen Abmessungen  (Arena  62,6  X  60  m)  besonders  beachtenswert, 
weil  aufser  in  Paestum  (S.  894)  kein  derartiges  Schaugebäude  in 
Lucanien  begegnet.  Die  Tribus  der  Gemeinde  ist  die  pomptinische, 
die  obersten  Beamten  heifsen  praetores  duoviri.  Seitdem  die  letzten 
Bewohner  im  10.  Jnhrhundert  nach  dem  gegenüber  und  hoher  ge- 
legenen Saponara  (772  m)  übergesiedelt  waren,  geriet  die  Stätte  in 
Vergessenheit,  bis  Holste  zuerst  ihre  Bedeutung  erkannte.  6)  Das 
Stadtgebiet  erinnert  durch  seine  Ausdehnung  au  die  Verhältnisse 
die  wir  am  Fufs  der  Alpen  vorfanden.  Eine  junge  Quelle  läfst 
es  sogar  an  das  tarentinische  grenzen,  und  vielleicht  trifft  die  An- 
gabe für  den  Ausgang  des  Altertums  zu. ')  In  früheren  Zeiten 
scheint  nicht  nur  die  Landschaft  am  Agri  zu  Grumentum  gehört  zu 
haben,  sondern  auch  die  nördlichen  Abhänge  des  M.  PoUino  bis 
zum  Meer  hin.  Strabo  führt  in  der  Küstenbeschreibung  zwischen 
Thurii  und  Heraclea  das  berühmte  Weindorf  Lagaria  auf,  Plinius 
bestimmt  dessen  Lage  nach  Grumentum,  was  ohne  administrative 
Beziehung  keinen  Sinn  hätte.  ^)  Können  wir  das  Dorf  auch  nicht 
auf  unseren  Karlen  unterbringen,  so  mufs  es  als  griechische  Gründung 
in  der  Nähe  der  Küste  gesucht  werden.  Im  Binnenland  sind  die 
Stationen  der  Via  Ilerculea  Semuncla  in  der  Gegend  von  Lauria  ^J 
sowie  Nerulum  (S.  905)  als  grumentinisch  zu  betrachten. 

Die  bekannten  Städte  Ostlucaniens  sind  an  das  Hochland  oder 


1)  Fior.  II  6,  11   Seneca  de  benef.  III  23,  2  Macrob.  Sat.  I  11,  23. 

2)  Mommsen  Herrn.  XVIII  166  CIL.  X  1  p.  27. 

3)  CIL.  X  219.  20. 

4)  Slrab.  VI  254  Plin.  III  98  XIV  69  Ptol.  III  1,  61  Feldm.  209  lt.  Ant.  104 
Tab.  Peut.  Geogr.  IV  35  Guido  49. 

5)  CIL.  X  1  p.  27  2  p.  961.  1004  Eph.  ep.  VIII  p.  76. 

6)  Holste  zu  Cluver  1279. 

7)  Geogr.  Rav.  IV  35  Guido  49. 

8)  Lykophr.  AI.  930  Slrab.  VI  263  Plin.  XIV  69  Etym.  M.  Steph.  Byz. 

9)  lt.  Ant.  104. 


§  2.     Das  Ostland.  911 

an  die  Küste  gebunden.    Es  mag  wol  sein  dafs  die  eine  oder  andere 
verschollene  Gemeinde  in  den  Hügeln  die  den  Uebergang  zwischen 
beiden  Gegensätzen  vermitteln,  gesessen  habe.    Aber  die  natüriichen 
waren    zugleich    nationale    Gegensätze.     Die   hellenischen    Seestädte 
hatten  ihre  Herrschaft  weithin    über    die    oenolrischen  Dörfer  aus- 
gebreitet, vom  Hochgebirg   aus    suchten    die  Lucaner  ihre  Grenzen 
vorzurücken.     In  dem   Ringen    beider   Mächte    stellt   die  Mittelzone 
den  nächsten  Kampfpreis  dar   und  ist  unter  dem  Druck  der  einen 
wie  der  anderen  Macht  zu  keiner  unabhängigen  Entwicklung  gelangt. 
Aus  diesem  Gesichtspunct  allein  läfst  sich    der   monutnentale  That- 
bestand    befriedigend    erklären.     An  Grabfeldern    mit   den    Erzeug- 
nissen griechischer  Töpfer  ist  kein  Mangel,  dagegen  fehlen  lateinische 
Inschriften,  i)     Selbst    wenn    die    3    unbestimmten    Gemeinden   der 
augusteischen  Liste  sämtlich  diesem  Bezirk  zugetheilt  würden,  wäre 
der  Raum   keineswegs    ausgefüllt.     Die  Verhältnisse   der  Römerzeit 
wirken  in  der  Gegenwart  nach.     In  dem  menschenarmen  Lucanien 
ist   mit   den  Gebirgskreisen    verglichen    der  Kreis    Matera    der    die 
Culturzone  umfafst,  am  dünnsten  bevölkert,  die  Bewohner  drängen 
sich  auf  den  Hügeln  zusammen,   in  den  Thälern  hausen  die  Wild- 
wasser, die  fruchtbaren  Gefilde  sind  dem  Fieber  verfallen.    Der  Fluch 
der  über  dem  Lande  ruht,  schreibt  sich  von  den  Kriegen  der  Römer 
her:  es  sieht  nicht  danach  aus,  als  ob  eine  nahe  Zukunft  ihn  heben 
werde.  —  Die  Mündungen  des  Bradanus  und  Casuentus  nähern  sich 
bis  auf  den  geringen  Abstand  von  5  km.    Im  Bereich  der  Vereinigung 
zweier  grofser  Naturstrafsen  mufste  früh  eine  Ansiedlung  entstehen: 
wenn  man  solche  nach  den  Funden  in  die  jüngere  Steinzeit  rücken 
will,  so  hat  man   vielleicht  Recht.    Die  Geschichtschreiber  erzählen 
von  Helden  die  nach  Troia's  Zerstörung  landeten,  von  einer  älteren 
Stadt  Meraßog,  nennen  verschiedene  Gründer,  der  eine  diesen,  der 
andere  jenen.-)     Der  thatsächliche  Kern  der  Sagen  läfsl  sich  nicht 
herausschälen.    Erst  im  7.  Jahrhundert  mit  der  Ankunft  achaeischer 
Colonisten  beginnt  der   glänzende   Aufschwung    von    MeraTtövriov 
Metapoiitum.^)     Die  Achaeer  erwarben  in  glücklichen  Kämpfen  mit 
den  Nachbarn  ein  ausgedehntes  Gebiet.    Sie  setzten  dem  Vordringen 


1)  CIL.  X  l  p.  21  vgl.  Kaibel  p.  176. 

2)  Strab.  VI  264.  65  V  222  lustin  XX  2  Diod.  IV  67  Steph.  Byz.  Mer.  und 
UXvßas. 

3)  Der  armenische  Eusebios  setzt  die  Gründung  a.  Abr.  1243  =  774  v.  Chr., 
ungefähr  ein  Jahrhundert  zu  hoch. 


912  Kapitel  XV.     Lucanien. 

Tarents  ein  Ziel  als  Grenzwäcliler  Oenotriens  gegen  Japygien  (I  64), 
nahmen  den  Eingeborenen  viel  Land  ab  und  entrissen  den  loniern 
die  Sintis,  i)  Von  der  Geltung  Metaponts  im  Verkehrsleben  gewährt 
die  Häufigkeit  und  Reichhaltigkeit  seiner  Münzen  einen  greifbaren 
Beweis.  Es  war  ein  Glied  des  achaeischen  Münzbundes  und  be- 
zeichnete seine  Prägung  durch  eine  Kornaehre  als  Stadtwappen.  Ein 
anderer  Hinweis  auf  die  Quelle  seines  Reichtums  kann  in  dem 
goldenen  Herbst,  vermutlich  einer  Garbe  des  edlen  Metalls  die  es 
dem  delphischen  Gotte  darbrachte,  erblickt  werden.  2)  Es  besafs  ein 
gefülltes  Schalzhaus  in  Olympia.  3)  Die  einzige  Nachricht  aus  der 
Periode  in  der  solche  Blüte  sich  entfaltete,  betrifft  Pythagoras  der 
sein  Leben  in  Metapont  bcscblofs:  Cicero  hat  die  Grabstätte  noch 
aufgesucht.-*)  Den  heroischen  Ehren  zum  Trotz  die  sie  dem  An- 
denken des  Weisen  zollte,  hatte  die  Bürgerschaft  dessen  Anhänger 
mit  Feuer  und  Schwert  verfolgt.  Immerhin  scheint  sie  glimpflicher 
aus  diesen  Wirren  weggekommen  zu  sein  als  andere  Stammes- 
genossen. ^)  Sodann  schliefst  sich  Metapont  413  den  Athenern  an 
und  schickt  Hülfstruppen  gegen  Syrakus.  ß)  Im  4.  Jahrhundert 
nimmt  die  Verweichlichung  überhand ''),  fremde  Söldnerführer  be- 
kämpfen die  andrängenden  Lucaner  und  üben  alle  Ungebühr  gegen 
ihre  Schützlinge  aus.  8)  Vermutlich  ist  Metapont  nach  der  Nieder- 
lage des  Pyrrhos  in  römische  Abhängigkeit  geraten.  Nach  Abzug 
der  römischen  Besatzung  212  wurde  es  eine  Hauptstüze  des  Feindes; 
als  dieser  207  zurückweichen  mufste,  nahm  er  die  ganze  Einwohner- 
schaft mit  nach  Brutlium. «)  Es  wird  nicht  überliefert,  ist  aber  nach 
dem  Abfall  und  der  Räumung  anzunehmen,  dafs  Metapont  nebst 
seiner  Feldmaik  in  den  Besitz  des  römischen  Volkes  überging. lo) 
Die   Stadt   verschwindet    nicht    plötzlich    vom    Erdboden,    wird    im 


1)  Plul.  Varia  Apophlh.  Lac.  15. 

2)  Strab.  VI  264. 

3)  Pausan.  VI  19,  11   V  22,  5  Athen.  XI  479  f. 

4)  Cic.  de  Fin.  V  4  Liv.  I  18  Piut.  de  genio  Socr.  13  Diog.  Laert.  VIII  1,  40 
Jamblich.  v.  Pyth.  170.  249.  266  Porph.  v.  Pylh.  56.  57  Lucian  Gail.  18. 

5)  Jamblich.  v.  Pyth.  262. 

6)  Thukyd.  Vll  33,  4  57,  11  vgl.  Dlod.  XIII  3,  4  XVI  66,  5  Polyaen  V  2,  21. 

7)  Plut.  Var.  Apophlh.  Lac.  15. 

8)  Liv.  VllI  24  lustin  XII  2,  12;  Diod.  XX  104. 

9)  Pol.  Vlil  36,  l  Liv.  XXII  61  XXIV  20  XXV  11.  15  XXVIl  1.  16.  42.  51 
Appian  Hann.  33.  35. 

10)  Feldm.  262. 


§  2.     Das  Ostland.  913 

Sklavenkrieg  geplündert  i)  und  nach  wie  vor  erwähnt.  2)  In  dem 
allgemeinen  Verfall  der  Grofsgriechenland  betroffen  hatte  3),  geht 
sie  langsam  zu  Grunde.  Die  Ringmauer  die  im  2.  Jahrhundert  n.  Chr. 
vorhanden  war*),  barg  ein  paar  Hofe  und  einige  ärmliche  Hütten. 
Dann  weichen  auch  diese,  ein  Steinbruch  bleibt  übrig  den  die  Um- 
gegend ausbeutet.  Da  man  keine  Verwendung  für  sie  hatte,  stehen 
als  Wahrzeichen  der  Vergangenheit  15  verwitterte  Säulen  noch  auf- 
recht: der  Tempel  dem  sie  angehören,  liegt  2  km  nordöstlich  vorm 
Thor  am  Bradanus.  Aus  den  zerstreuten  Nachrichten  der  Litteratur 
konnte  man  den  Schlufs  ziehen  dafs  die  Kunst  hier  früh  eifrige 
Pflege  gefunden  habe.  5)  Die  Ausgrabungen  bestätigen  den  Schlufs.  ß) 
Sie  deckten  den  Tempel  des  Apoll  Lykeios '),  das  Theater,  einen 
zweiten  Tempel  u.  a.  auf.  Die  Eisenbahnstation  Metaponto  be- 
zeichnet jetzt  die  Stätte.  Die  Ringmauer  ist  allerdings  vollständig 
abgetragen.  Aber  da  nur  eine  dünne  Erdschicht  die  Trümmer  deckt, 
könnte  Umfang  und  Grundplan  der  gesamten  Anlage  ohne  sonder- 
lichen Aufwand  ermittelt  werden.  Darüber  bleiben  wir  vorläufig  im 
Unklaren.  Immerbin  gewähren  die  Hafeubauten  einen  unverächt- 
Hchen  Beweis  für  die  Einsicht  und  das  Können  des  städtischen  Be- 
triebs. Man  hefs  sich  nicht  an  den  Flufsmündungen  genügen, 
sondern  hob  zwischen  beiden  in  der  Mitte  ein  gegenwärtig  ver- 
sumpftes Becken  (Laguna  di  S.  Pelagiana)  ans,  speiste  das  Becken 
durch  einen  aus  dem  Bradanus  abgeleiteten  Canal  und  führte  zu- 
gleich um  die  Vertheidigung  zu  stärken  den  Canal  an  der  Stadt- 
mauer vorbei.  So  ist  die  Ackerstadt  mit  der  See  in  Verbindung 
geblieben  und  hat  ein  paar  Kriegsschiffe  unterhalten.  ^) 

Von  Tarent  bis  Metapont  sind  28  Millien.    Unter  den  Itinerarien 
enthält  diesen  Namen  allein  das  ravennatische.9)     Auf  den  Basento 


1)  Flor.  II  8,  5  Oios.  V  24,  2. 

2)  Skyl.  14  Skymn.  327  Dion.  Per.  368  Pol.  X  1,  4  Cic.  de  Fin.  V  4  Appian 
b.  civ.  V  93  Alela  II  68  Plin.  III  97  Ptol.  III  1,  10  Geogr.  Rav.  IV  31  V  1; 
Guido  29  giebt  sogar  eine  blühende  Schilderung  der  Stadt. 

3)  Cic.  Lael.  13  Strab.  VI  262. 

4)  Pausan.  VI  19,  11  Dio  Or.  XXXIII  401  M. 

5)  Plin.  XIV  9  Herod.  IV  15  Athen.  XIII  605  c. 

6)  Duc  de  Luynes,  Metaponte,  Paris  1833,   fol.  Not.  degli  Scavi  1880  fg. 

7)  Kaibel  p.  175.  76. 

8)  Thuk.  VII  33,  5. 

9)  Geogr.  Rav.  lY  31  V  1 ;  unverständlich  statt  dessen  Turiostu  Tab.  Peut. ; 
Guido  29.  72. 

Nissen,  Ital.  Landesknnde.    IL  58 


914  Kapitel  XV.    Lucanien. 

folgt  nach  6  Millien  der  Talandrus  Salandrella  oder  Cavone  (I  336.  43) 
dessen  Gebiet  auf  das  Hügelland  beschränkt  ist  und  keine  Griechen- 
stadt aufweist.')  In  gleichen  Abständen  folgen  einander  die  be- 
deutenderen Aciris  (S.  909)  und  Siris  Sinni  (I  336.  43).2)  Letzteres 
ist  ein  einheimischer  Name:  er  kehrt  wieder  im  M.  Serino  (2007  m) 
wo  der  Flufs  entspringt,  sowie  in  der  Gemeinde  der  Sirini  die 
Selbstverwaltung  hatte  und  am  Ober-  oder  Mittellauf  gewohnt  haben 
wird.3)  Beide  Flüsse  waren  schiffbar.  —  An  der  Mündung  des  Siris 
hatten  die  Eingeborenen  —  Choner  oder  Morgeten  —  eine  Stadt 
erbaut;  spätere  Geschichtschreiber  bringen  sie  mit  dem  Brand 
Troia's  in  Verbindung. 4)  Kolophonier  die  das  lydische  Joch  in  die 
Fremde  trieb,  haben  um  670  v.  Chr.  Stadt  und  Land  erobert  &)  und 
jene  angeblich  JIoXUiov  umgenannt. *5)  Dem  tiefen  Eindruck  den 
dieser  Erfolg  in  der  ionischen  Welt  macht,  leiht  Archilochos  Worte: 
ov  yccQ  TL  xaXog  XiZqog  ovö^  ircLfXEQog 
ovo'  kgarog  olog  dficpl  2lQLog  qoag. 
Die  Oertlichkeit  wo  die  Stadt  lag,  ist  monumental  nicht  festgestellt. 
Ob  ein  Name  Polieion  je  in  Gebrauch  gewesen  sei,  erscheint  zweifel- 
haft; die  Stadt  nebst  der  zugehörigen  Feldmark  heifst  ständig  ^iQig^ 
letztere  auch  wol  ^LQlTLg.'^)  Ferner  bleiben  wir  darüber  im  Un- 
klaren, ob  die  Münze  die  Pyxus  und  Siris  gemeinschaftlich  ist 
(S.  897),  in  die  ionische  Periode  oder  die  achaeische  fällt.  Die 
lonier  gelangten  rasch  zu  solchem  Ansehen  dafs  bei  der  Freier- 
schau die  Klisthenes  von  Sikyon  abhielt,  Italien  und  der  Westen 
durch  einen  Sybariten  und  einen  Siriten  vertreten  war.^)  An  beiden 
Orten  soll  Ueppigkeit  und  VerweichHchung  gleicher  Mafsen  ein- 
gerissen  sein.     Ohnehin  mufsten  die  Achaeer  sich  versucht  fühlen 


1)  Plin.  III  97  nach  der  besten  Handschrift. 

2)  Archilochos  b.  Athen.  XII  523  d.  Etym.  M.  Strab.  VI  264  Steph.  Byz. 
Plin.  111  97  Plut.  Pyrrh.  16,  4  (Flor.  I  13,  7  Oros.  IV  1,  8  mit  dem  Liris  ver- 
wechselt). 

3)  Plin.  III  98.  Den  Uebergang  in  die  moderne  Form  Sinni  verfolgt  man 
Tab.  Peut.  Semnum  Geogr,  Rav.  IV  31  Scinasium  Guido  30.  72  Senasum;  schon 
Lykophr.  AI.  982  nennt  den  Flufs  Jüvie. 

4)  Arist.  Pol.  VII  9,  3  Strab.  VI  264  Lykophr.  AI.  978  fg.  m.  Schol.  Etym. 
M.  (Arist.)  de  mir.  ausc.  106. 

5)  Athen.  XII  523  c  nach  Aristoteles  und  Timaeos. 

6)  In  den  A.  4  citirten  Quellen  bezeugt,  vielleicht  nach  Timaeos. 

7)  Strab.  a.  0.  Athen.  XIV  656  c. 

8)  Herod.  VI  127. 


§  2.     Das  Ostland.  915 

den  Fremdkörper  aus  ihrer  Mitte  auszuscheiden  und  so  haben  sie 
denn  im  6.  Jahrhundert  der  ionischen  Herrlichkeit  am  Siris  ein 
Ende  gemacht.*)  Die  Mutterstadt  Athen  übernahm  die  Ansprüche 
auf  das  verlorene  Land:  Themistokles  zwang  auf  Salamis  die  Ver- 
bündeten zur  Schlacht,  durch  die  Drohung  andernfalls  Kind  und 
Kegel  an  Bord  zu  nehmen  und  mit  der  attischen  Flotte  nach  dem 
alten  Besitztum  in  Italien  zu  fahren. 2)  Die  Rechte  gingen  auf 
Thurii  über,  das  jedoch  im  Krieg  gegen  Tarent  den  Kürzeren  zog 
und  thatsächlich  auf  Siris  verzichtete. 3)  —  Die  Tarentiner  gründeten 
432  'HQox/.eia  Heraclea  wenig  oberhalb  des  Meeres,  wie  Strabo 
sagt,  und  24  Stadien  von  Siris  das  ihm  als  Hafen  diente,  entfernt. 
Der  4  km  landeinwärts  liegende  Hof  Policoro  (30  m)  giebt  die  Stätte 
an.  Von  hier  führt  der  Abstand  von  24  Stadien  auf  ein  verlassenes 
Bette  des  Siris  an  dessen  linkem  Ufer  die  gleichnamige  Stadt 
anzunehmen  ist:  der  Flufs  ist  gegenwärtig  2  Millien  weiter  nach 
Süden  gerückt.  Die  neue  Gründung  wurde  zum  Sitz  des  Bundes- 
tages erhoben  den  die  italiotischen  Städte  im  4.  Jahrhundert  be- 
schickten: nach  seiner  Verfeindung  mit  Tarent  versuchte  Alexander 
von  Epiros  ihn  nach  Thurii  zu  verlegen. 4)  Auch  die  Münzhoheit 
Heraclea's  scheint  ursprünglich  von  den  Tarentinern  beschränkt 
worden  zu  sein. 5)  Auf  diese  Colonie  gestützt  erwartete  König 
Pyrrhos  im  Sommer  280  die  von  Thurii  her  anrückenden  Römer 
und  brachte  ihnen  nachdem  sie  den  Siris  überschritten  hatten,  eine 
entscheidende  Niederlage  bei. 6)  Freilich  gelang  es  der  römischen  Diplo- 
matie 278  durch  ein  so  günstiges  Bündnifs  die  Tochter-  der  Mutterstadt 
abspenstig  zu  machen  dafs  jene  89  v.  Chr.  nur  mit  Widerstreben  da- 
für das  römische  Bürgerrecht  eintauschte.'^)  Der  unfreiwillige  üeber- 
tritt  zu  Hannibal  212  hatte  keine  nachtheiligen  Folgen. 8)  Im  Bundes- 
genossenkrieg verbrannte  das  städtische  Archiv. 9)     Nach  dem  Krieg 


1)  lustin  XX  2. 

2)  Herod.  VIII  62. 

3)  Dittenberger  P  35  Antiochos  b.  Strab.  VI  264  Diod.  XII  36,  3  Liv.  VIII  24. 
Ungenau  werfen  die  Römer  Siris  und  Heraclea  zusammen  Plin.  III  97  Liv.  I  18. 

4)  Strab.  VI  280  Liv.  VIll  24. 

5)  Momrasen  Münzwesen  104  Head  H.  N.  59. 

6)  Plut.  Pyrrh.  16  f?.  u.  a. 

7)  Cic.  pro  Balbo  21.  50.    Vielleicht   fällt  das  Bündnifs  schon   282:   was 
den  Ausbruch  des  tarentinischen  Kriegs  in  ein  neues  Licht  rücken  würde. 

8)  Appian  Hann.  35. 

9)  Cic.  pro  Archia  8. 

58* 


916  Kapitel  XV.    Lucanien. 

erfreute  sich  die  Stadt  noch  leidlichen  WolergehensJ)  —  Dazu  trug 
der  Umstand  bei  dafs  von  Venusia  eine  92  Millien  lange  Querstrafse 
hierhin  abzweigte 2);  unter  den  Stationen  der  Küstenstrafse  erscheint 
der  Name  gleichfalls  in  den  Itinerarien.3)  Aber  es  braucht  kein 
Zufall  zu  sein  dafs  er  bei  Ptolemaeos  fehlt;  Inschriften  fehlen  auch.^) 
Die  berühmten  Tafeln  von  Heraclea  erläuteren  ältere  Zeiten :  die 
Vorderseite  enthält  in  dorischer  Mundart  Bestimmungen  über  die 
Verpachtung  von  Tempelländereien  am  Agri  und  vielseitige  Belehrung 
über  die  Stadt  des  3.  Jahrhunderts^),  die  Rückseite  mit  dem  cae- 
sarischen Stadtrecht  von  46  v.  Chr.  gestattet  einen  Schlufs  auf  die 
Uebergangszeit  von  der  Autonomie  zum  Municipium  zu  thun.ß) 
Aber  wie  letzteres  bis  auf  unscheinbare  Trümmer  vom  Erdboden 
verschwinden  konnte,  wissen  wir  schlechterdings  nicht.  Vermuten 
läfst  sich  dafs  die  Einwohner  um  der  fortschreitenden  Verseuchung 
der  Küste  zu  entrinnen  vor  Einführung  des  Christentums  nach  der 
Höhe  übersiedelten.  Ein  Bistum  Heraclea  giebt  es  nicht,  dagegen 
ist  die  10  km  oberhalb  gelegene  Kirche  S.  Maria  di  Anglona  (263  m) 
Sitz  eines  solchen  und  zugleich  Nachfolgerin  einer  antiken  Ort- 
schaft. Aus  der  Urkunde  über  die  Vermessung  des  Tempellandes 
erfahren  wir  deren  Namen  TlavöoGla"');  auf  dem  sanft  ansteigenden 
Gelände  (60  m)  zwischen  Heraclea  und  Pandosia  hatte  Pyrrhos  sein 
Lager  aufgeschlagen. 8) 

Die  Küstenebene  flndet  10  Millien  südlich  von  Heraclea  ihren 
Abschlufs  durch  das  von  Westen  nach  Osten  streichende  Gebirge 
welches  die  Stromgebiete  des  Siris  und  Crathis  von  einander  trennt. 
Nachdem  die  Strafse  an  dessen  Abhängen  20  Millien  dem  Strande 
folgend  durchmessen  und  zahllose  Gebirgsbäche  überschritten  hat^ 
gelangt  sie  auf  einen  in  physischer  und  historischer  Hinsicht  merk- 
würdigen Boden.  Die  vom  Crathis  und  seinen  Nebenflüssen  ge- 
schaffene 230  Dkm  grofse  Ebene  scheidet  den  Appennin  von  den 
Granitbildungen  Brultiums  (1  243).  Die  heutige  Verwilderung  und 
Verlassenheit  (1  336)  ist  die  Schuld  der  Gesellschaft;  denn  bei  ge- 

1)  Cic.  pro  Archia  6.  7  Mela  II  68  Steph.  Byz. 

2)  lt.  Ant.  113  der  Strafsenzug  mit  den  Stationen  ist  nicht  festgestellt. 

3)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  Vi  Guido  30. 

4)  CIL.  X  1  p.  21. 

5)  Kaibel  645. 

6)  CIL.  I  206. 

7J  Kaibel  645  I  12.  54.  64.  70.  113, 
8)  Plut.  Pyrrh.  16,  4. 


§  2.    Das  Ostland.  917 

ordneten!  Anbau  entfaltet  sie  noch  immer  die  unerschöpfliche  Frucht- 
barkeit die  Sophokles  und  Varro  gepriesen  haben. i)  Ihre  Gestalt 
kann  einem  ostwärts  auf  das  Meer  zu  geöffneten  Theater  verglichen 
werden,  das  von  mächtigen  Bergen  eingefafst  ist.  Die  Berge  stellen 
die  Aufsenwand  dar,  der  Hügelsaum  der  den  Uebergang  zur  Niederung 
vermittelt,  die  Sitzreihen.  Im  Norden  hat  die  schroffe  Wand  des 
M.  Pollino  eine  Anzahl  Gipfel  von  2000  m  und  darüber  aufzuweisen  : 
von  Westen  anfangend  Coppa  di  Paolo  1907  m  M.  Grattaculo  1895  m 
Serra  del  Prete  2186  m  M.  Pollino  2248  m  Serra  Dolcedorme 
2271  m  La  Manfriana  1980  m,  dahinter  Serra  Crispo  2052  m  und 
endlich  im  Osten  M.  Sparviere  1713  m.  Ihnen  giebt  die  Küsteu- 
kette  die  den  Ausweg  zur  tyrrhenischen  See  versperrt,  wenig  nach, 
indem  von  Norden  nach  Süden  M.  Caramolo  1826  m  Cozzo  Pellegrino 
1986  m  La  iMula  1931m  Montea  1784  m  einander  folgen.  Am 
Niedrigsten  ist  die  südliche  Umfassung  die  von  dem  Rand  der  Sila 
gebildet  wird:  dieser  übersteigt  kaum  1000  m,  da  die  Hochgipfel 
im  Innern  auftreten  (I  244).  —  Wie  eine  zusammenhängende 
Mauer  umschliefst  das  Gebirge  die  Ebene  im  Halbkreis.  Indessen 
wird  es  von  zwei  den  Zugang  eröffnenden  Flüssen  aufgelockert. 
Von  Norden  entströmt  dem  M.  PoUino  der  2vßaQig  Sybaris  Coscile 
um  zuerst  eine  südöstliche,  sodann  östliche  Richtung  einzuhalten. 2) 
Seit  der  Zerstörung  der  gleichnamigen  Stadt  vereinigt  er  sich  5  km 
vor  der  Mündung  mit  dem  Crati:  vordem  hatten  beide  gesonderte, 
wenn  auch  nur  ein  paar  Kilometer  von  einander  entfernte  Betten. 
Den  Namen  sollen  die  Ansiedler  aus  der  achaeischeu  Heimat  über- 
tragen haben. 3)  Dem  Flufswasser  sagte  man  nach  dafs  es  die 
Pferde  scheu  mache.'*)  Viel  bedeutender  ist  der  Kgäd-ig  Crathis 
Crati  (I  336.  43):  er  durchläuft  von  Süden  nach  Norden  die  breite 
Spalte  welche  die  Küstenkette  und  die  Sila  von  einander  trennt, 
wendet  sich   alsdann   nach   Nordost   dem  Meer  zu.^)      Sein   Name 


1)  Sophokl.  Ant.  1118  Plin.  XVIII  65  Varro  RR.  I  44. 

2)  Thuk.  VII  35  Skyl.  13  Skymn.  339  (Arist.)  mir.  ausc.  107  Athen. VI  269f. 
IX  393  e  Diod.  XI  90  XII  9.  10  Strab.  VI  262  Plin.  JII  97  Ovid  Met.  XV  315 
Vib.  Seq.' 151  R. 

3)  Strab.  VIII  386. 

4)  Strab.  VI  263  (Arist.)  mir.  ausc.  169  vgl.  Aelian  bist.  an.  XVI  23  Plin. 
XXXI  13. 

5)  Herod.  V  45  Skyl.  13  Theokrit  5,  16  Athen.  VI  269  f.  Diod.  XI  90  XII  9 
Strab.  VI  263  Plin.  III  97  Lykophr.  AI.  1021  Ovid  Fast.  III  581;  Tab.  Peut. 
Crater. 


918  Kapitel  XV.     Lucanien. 

slainmt  gleichfalls  aus  Achaia.i)  Seinem  Wasser  wird  neben  anderen 
Heilkräften  die  Eigenschaft  nachgerühmt  das  Haar  blond  zu  färben  2j; 
ob  statt  des  tiefen  Schwarz  das  gegenwärtig  herrscht,  die  Bewohner 
einst  blondhaarig  gewesen  sind,  bleibt  füglich  dahin  gestellt.  — 
Durch  diese  beiden  Flufsläufe  ist  der  grofsen  ßinnenlandstrafe  von 
Capua  nach  Regium  die  Bahn  vorgezeichnet.  Wir  haben  S.  905 
die  Via  Popilia  bei  Nerulum  verlassen.  Von  hier  hat  sie  einen 
ilücken  von  1083  m  zu  überwinden  um  die  4  Millien  breite  Hoch- 
tläche  des  Campo  Tenese  (965  m)  die  Wasserscheide  beider  Meere 
zu  gewinnen.  Hierauf  fällt  sie  steil  nach  Muranum  Morano  Cala- 
bro  (722  m)  am  oberen  Sybaris.  Die  Bauinschrilt  des  Popilius  die 
den  Ort  allein  erwähnt,  bezilferl  den  Abstand  von  Forum  Popili 
auf  74  Millien,  das  Reisebuch  das  Summuranum  d.  h.  die  etwa  lOü  m 
tiefer  gelegene  Poststation  nennt,  den  Abstand  von  Nerulum  auf 
16  Millien. 3)  Nach  weiteren  12  Millien  folgt  Inleramniiim  im  Thal 
des  Sybaris.4)  Danu  geht  es  über  Caprasia  9  Millien  in  der  Gegend 
von  Spezzano  Albanese  (292  m)  s)  iu  das  Thal  des  Crathis  und  an 
dessen  Ufer  nach  Consentia,  Der  Erbauer  wie  das  Reisebuch 
rechnet  von  Muranum  nach  Coasentia  49  Millien. 6)  Zur  binnen- 
ländischeu  kam  die  in  griechischer  Zeit  viel  wichtigere  Küstenstrafse 
hinzu  um  an  der  Mündung  des  Crathis  einen  Brenupunct  des  Ver- 
kehrs ins  Leben  zu  rufen. 

Alle  Bedingungen  zur  Schöpfung  einer  grofsen  Stadtherrschaft 
waren  in  seltener  Fülle  vereinigt.  Ein  Gebiet  von  3000  Dkm  und 
mehr,  ausgedehnter  als  Attika  oder  Boeotien,  war  durch  starke 
Grenzen  beschirmt  auf  den  Austausch  seiner  Gaben  und  Güter  an- 
gewiesen. Die  Ebene  brachte  das  notige  Korn '),  die  Hügel  vor- 
züglichen Wein  in  Menge ^),  die  Berge  steuerten  Wolle'-*)  Honig 
Wachs  Pech   Holz  (1  246).      Dazu    kam    der  Besitz   von    Metallen ; 


1)  Herod.  1  145  Slrab.  VIII  38G  Paus.  VII  25,  11  VIII  15,  9. 

2)  Eurip.  Tro.  227  Theoplirast  bei  Aelian  h.  an.  XII  36  (Ärist.)  mir.  ausc. 
169  Timaeos  fr.  63  M.  Slrab.  X  449  Plin.  XXXI  13  Ovid  Met.  XV  315  Vib. 
Seq.  u.  a. 

3)  It.  Ant.  105.  110   an   letzter  Stelle  nur  14  Millien,   was  zu  wenig  ist. 

4)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34  Guido  43. 

5)  It.  Ant.  105.  IIU  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34  Guido  43. 

6)  Die  Angaben  Tab.  Peut.  sind  verwirrt. 

7)  Zur  Ausfuhr  reichte  es  kaum  Athen.  Xi!  519  f. 

8)  Athen.  XII  519  d  Plin.  XIV  39.  69  Strab.  VI  264. 

9)  Aelian  h.  an.  XII  36  Plin.  XXXI  13  Vilruv  VIII  3,  14. 


§  2.    Das  Ostland.  919 

Silber  fand  sich  bei  S.  Marco  Argentano  (430  m)  wesllich  oberhalb 
des  Cratithals  i),  auf  Silber  wurde  in  der  Sila  bei  Longobucco  (794  m) 
am  oberen  Trionto  noch  im  16.  Jahrhundert  gebaut;  beide  Orte 
sind  im  Machtbereich  von  Sybaris  enthalten.  Die  Minen  erklären 
die  Reichhaltigkeit  seiner  Münze;  während  andere  Städte  aus  Mangel 
an  Metall  das  Auskunftsmitlel  ergriffen  fremde  Stücke  umzustempeln, 
hatte  man  solches  hier  nicht  nötig.  Es  versteht  sich  von  selbst 
dafs  nur  eine  starke  Mannschaft  die  Macht  erwerben  und  behaupten 
konnte:  bei  den  drei  in  verschiedenen  Jahrhunderlen  entsandten 
Colonien  ist  die  Zahl  der  Ansiedler  denn  auch  beträchtlich  gewesen. 
Von  der  späteren  Verknüpfung  mit  dem  Kampf  um  Troia  absehend  2) 
rücken  wir  die  Gründung  von  ^ißaQig  an  das  Ende  des  8.  Jahr- 
hunderts. 3)  Achaeer  bildeten  den  Kern  der  Einwanderer,  daneben 
waren  Troezenier  betheiligt,  das  Bürgerrecht  wurde  stets  freigebig 
verheben. 4j  Die  Stadt  lag  lang  gestreckt  zwischen  beiden  Flüssen 
die  einen  vorzügUchen  Schutz  gewährten.  Canäle  und  Brücken 
bestimmten  den  äufseren  Anblick. 5)  Die  Untersuchungen  Cavallari's 
haben  uns  über  die  Oertlichkeit  im  Grofsen  und  Ganzen  aufgeklärt. 6) 
Von  den  Hügeln  der  Serra  Pohnara  (135  m)  reichte  ein  gegen 
10  km  langer  2  km  breiter  von  den  Flüssen  eingefafster  niedriger 
Streifen  Landes  ans  Meer:  auf  ihm  ist  6  km  vom  Meer  entfernt 
das  reiche  Sybaris  zu  suchen.  Das  ehemalige  Bette  des  Crathis 
läfst  sich  noch  deutlich  verfolgen  (Crali  vecchio).'')  Die  Krotoniaten 
gruben  es  510  v.  Chr.  9  km  vor  der  Mündung  ab  und  lenkten  den 
Strom  in  die  Stadt,  deren  Lehmwände  (das  gewühnhche  Baumaterial 
des  alten  Hellas)  rasch  einstürzen  mufsten.^)  Damit  wurde  der 
Stadtboden  in  einen  Sumpf  verwandelt  und  durch  die  Ablagerungen 
des  Flusses  erhöht,  bis  dieser  sich  ein  neues  Bette  mit  starken 
Krümmungen  nach  dem  Coscile  hin  gebahnt  hatte.  Es  wäre  eine 
lohnende  aber  nur  mit  schweren  Kosten  zu  lösende  Aufgabe  die 
begrabenen  Trümmer   ans  Licht  zu  ziehen;   denn  bei  weniger  als 


1)  Die  Eingebornen   erklären   es  für  Argentanum,  das  203  v.  Chr.  zu  den 
Römern  überging  Liv.  XXX  19;  doch  fehlt  ein  Beweis. 

2)  Solin  2,  10. 

3)  Nach  Skymn.  360  um  720,  nach  Euseb.  708. 

4)  Strab.  VI  263  Arist.  Pol.  V  2,  10  Diod.  XII  9,  2. 

5)  Athen.  XII  519  d.  e. 

6)  Not.  degli  Scavi  1879  p.  245  mit  Plan,  1880  p.  152. 

7)  Erwähnt  Herod.  V  45  naQo.  top  ^t^qov  K^ä&tv, 

8)  Slrab.  VI  263. 


920  Kapitel  XV.    Lucanien. 

2  m  Tiefe  steckt  man  schon  im  Wasser.  Der  Umfang  von  Sybaris 
wird  auf  50  Stadien  9  km  angegeben  i):  was  nicht  übertrieben  er- 
scheint. Der  hier  gepflegte  Luxus  setzt  ein  entwickeltes  Gewerbe 
voraus:  beiläufig  wird  die  Purpurförberei  erwähnt 2),  aus  jüngerer 
Zeit  die  Herstellung  von  Fischextract.^)  Der  Handel  war  bedeutend: 
mit  Milet  wurden  die  engsten  Beziehungen  unterhalten  ■*),  desgleichen 
mit  den  Etruskern.'')  Sybaris  hatte  seine  Herrschaft  jenseit  der 
Wasserscheide  am  Golf  von  Laos  ausgebreitet  (S.  898).  Für  wert- 
volle Waaren  bot  der  nur  2  Tage  erfordernde  Transport  zu  Lande 
über  Campo  Tenese  (S.  918)  dem  Verkehr  zwischen  Orient  und 
Occident  unleugbare  Vortheile  gegenüber  dem  Seeweg  durch  die 
Strafse  von  Messina.  Immerhin  machte  die  Unzulänglichkeit  ihres 
Hafens  die  Sybariten  zu  sefshafteren  Menschen  als  die  Hellenen  in 
der  Regel  waren. ß)  Sie  beschränkten  sich  deshalb  auch  auf  eine 
Landmacht.  Die  Nachricht  die  solche  über  4  benachbarte  Stämme 
und  25  Gaue  ausdehnt,  bietet  keinen  Anslofs.  Wenn  aber  weiter 
die  Zahl  der  Ritter  auf  5000,  vollends  der  Bürger  auf  300000  an- 
gegeben wird,  kann  man  unbedenklich  eine  Null  streichen.'^)  Den 
jähen  Zusammenbruch  all  dieser  Herrlichkeit  erläutert  keine  be- 
friedigende UeberUeferungS),  wir  können  ihn  nur  mit  den  Alten  auf 
innere  Schwäche  und  Entartung  zurückführen  (I  63  A.  4). 

Die  von  den  überlebenden  Sybariten  gemachten  Versuche  ihre 
Sladt  wieder  herzustellen  wurden  durch  den  Hafs  der  Krotoniaten 
vereitelt,  bis  Athen  die  Sache  in  die  Hand  nahm  und  443  in  grofsem 
Stil  durchführte.  Für  die  Anlage  wurde  südlich  dem  zerstörten 
Sybaris  gegenüber  das  etwa  im  Mittel  10  m  höhere  rechte  Ufer  des 
Crathis  gewählt.  Genauer  gesprochen  sind  es  zwei  mäfsige  An- 
höhen die  durch  einen  Giefsbach  (Torrente  Mosolito)  getrennt 
werden.  In  der  Einsenkung  entspringt  eine  reiche  treffliche  Quelle, 
jetzt   Fönte    del  Fico,    ehemals  OovQia   die   gewaltige   geheifsen.^j 


1)  Strab.  VI  263. 

2)  Athen.  XII  521  d. 

3)  Plin.  XXXI94  Athen.  VI  274  d. 

4)  Hemd.  VI  21  Athen.  XM  519  b. 

5)  Athen.  XII  519  c. 

6)  Athen.  XII  519  e. 

7)  Strab.  VI  263  Athen.  XII  519  c  Diod.  XII  9. 

8)  Herod.  V  44  Diod.  XII  9  Strab.  VI  263. 

9)  Diod.  XII  10,  6  Strab.  VI  263  Steph.  Byz.  Schol.  Ar.  Wolken  332. 


§  2.     Das  Ostland.  921 

Nach  ihr  wurJe  die  Stadt  QovQia^)  oder  Qovqiov  Thurium%  ge- 
wöhnlich QovQioi  Thurii  benannt.^)  Die  unscheinbaren  Trümmer 
(le  Muraghe)  6  km  Ost  von  Terranova  di  Sibari  gelegen,  bedecken 
eine  Fläche  von  2^/2  km  Länge  und  1  km  Breite  und  lassen  auf 
einen  Umfang  von  6 — 7  km  schliefsen.  Der  Grundplan  wurde  durch 
4  Hauplstrafsen  die  sie  der  Länge  nach,  3  llauptstrafsen  die  sie 
der  Breite  nach  durchzogen,  gebildet.'*)  Athen  gedachte  sich  hier 
eine  starke  Stütze  für  seine  weitschauende  Handelspolitik  im  Westen 
zu  sichern.  Nachdem  die  sybaritischen  Altbürger  beseitigt  waren, 
rührte  es  in  ganz  Hellas  die  Werbetrommel  um  Ansiedler  herbei- 
zulocken: Herodot  und  Lysias  sind  ihr  gefolgt.  Eine  waffenfrohe 
Bürgerschaft  erstand,  die  ihre  Kampflust  gegen  Stammesgenossen 
und  Fremde  gleichmäfsig  bethätigte.^)  Aber  bunt  gemischt  wie  sie 
war,  hat  sie  der  Multerstadt  die  Treue  nicht  gewahrt.  Als  die 
Wolken  des  peloponnesischen  Krieges  herauf  zogen,  verständigte  sie 
sich  mit  Tareut  und  gab  die  Siritis  preis  fS.  915).  413  schlofs  sie 
mit  den  Athenern  ein  Angriffs-  und  Vertheidigungsbündnifs  und 
schickte  Truppen  gegen  Syrakus.  Die  folgenden  Jahre  trugen  ihre 
Trieren  mit  verdoppeltem  Eifer  zum  Sturz  Athens  bei. 6)  Rühm- 
licher ist  die  Rolle  die  Thurii  als  Vorkämpfer  des  Hellenentums 
gegen  Lucaner  und  Brettier  gespielt  hat.  390  erlitt  es  bei  Laos 
eine  blutige  Niederlage  (S.  899);  als  eine  syrakusische  Flotte  von 
300  Segeln  gegen  die  Stadt  heran  fuhr,  ward  sie  durch  einen 
Sturm  von  der  drohenden  Gefahr  befreit.')  Die  unablässige  Be- 
drängnifs  von  Seiten  der  Italiker  wurde  durch  die  Feindschaft 
Tarents  verschärft. s)  Wie  S.  915  erwähnt,  suchte  König  Alexander 
von  Epiros  den  Sitz  des  italiotisclien  Bundes  von  Heraclea  nach 
der  Thurialis  zu  verlegen  und  liefs  zu  diesem  Zweck  einen  ge- 
eigneten Platz  am  'A'/.älavdoog  befestigen. 9)  Damit  wird  einer 
der  Bäche  zwischen  Siris  und  Sybaris  gemeint  sein,  ohne  dafs  eine 
genaue  Bestimmung   möglich   wäre.     Der  ererbte  Gegensatz  beider 

1)  Thukyd.  VI  61,  7  88,  9  104,  2  VII  33,  5  Skyl.  12.  13  Stepli.  Byz. 

2)  (Arist.)  mir.  ausc.  169  Diod.  XII  10,  6  Ptol.  III  1,  10  Steph.  Byz.  Mela  II  68. 

3)  Auch  von  Thukydides  und  Diodor. 

4)  Diod.  XII  10. 

5)  Polyaen  II  10  Diod.  XII  23  vgl.  Arist.  Pol.  V  6,  6.  8. 

6)  Thukyd.  VII  33.  35.  57  VIII  35.  84  Xen.  Hell.  I  5,  19  Diod.  XII  35  XllI  11,1. 

7)  Aelian  Var.  Hist.  XII  61. 

8)  Polyaen  II  10,  2.  4  Diod.  XVI  15,  2  Plut.  Tim.  16.  2. 

9)  Strab,  VI  280. 


922  Kapitel  XV.    Lucanien. 

Städte  hat  schliefslich  den  Uutergaüg  des  fieiea  Hellenentums  in 
Italien  veranlafst.  Thurii  erbat  und  erhielt  282  römischen  Schutz 
gegen  die  vereinigten  Lucaner  und  Bretlier  denen  es  nicht  mehr 
gewachsen  >Yar. ')  Aber  als  Rom  die  Verträge  mit  den  Tarentinern 
brach  (S.  873),  ergriffen  diese  die  Waffen,  vertrieben  die  römische 
Besatzung  nebst  deren  Anhang  und  plünderten  die  Sladt.2)  So- 
dann hat  sie  sich  wieder  erholt,  bis  der  hannibalische  Krieg  ihr 
Verderben  brachte.  Widerwillig  212  auf  die  Seite  der  Karthager 
gedrängt,  hat  sie  die  Bewohner  des  campanischen  Atella  und  des 
apulischen  Herdoniae  aufnehmen  müssen.  Bei  seinem  Rückzug  204 
führte  Hannibal  die  ihm  geneigten  Bürger  ab  nach  Kroton  und  gab 
die  übrigen  seinen  Soldaten  preis. 3)  Damit  erlosch  die  unter  so 
verheifsungsvoUen  Aussichten  ins  Werk  gesetzte  Gründung  des 
Perikles.  Wir  möchten  mehr  von  ihr  wissen  4):  den  heimischen 
Kunstsinn  lehren  uns  die  Münzen  und  das  Thongeschirr  kennen. 
Eine  latinische  Colonie  in  der  Stärke  von  3000  Mann  nebst 
300  Reitern  ward  194  m  agrum  Thurinum  beschlossen,  193  in 
castrum  Frentinum  entsandt. s)  Unter  letzterer  Bezeichnung  scheint 
ein  Dorf  gemeint  zu  sein,  das  den  Mittelpunct  der  Ansiedlung 
bilden  sollte.  Da  aber  an  Ackerland  zur  Vertheilung  27248  ha 
verfügbar  waren ,  so  niufs  die  Allmende  eingerechnet  ein  grofser 
und  wie  vorauszusetzen  der  beste  Theil  der  thurinischen  Feldmark 
vom  Staat  eingezogen  worden  sein.  Die  Colonie  nennt  sich  auf  ihren 
Kupfermünzen  Copia,  was  vielleicht  als  eine  Uebersetzung  von 
QovQia  anzusehen  ist.«)  Nachdem  sodann  90  v.  Chr.  die  griechische 
Stadtgemeinde  so  gut  wie  die  Colonie  das  Bürgerrecht  erlangt  halte, 
heifst   das  Municipium   amtlich  C(opia)  Thur(u),   während    der  ge- 


1)  Liv.  XI  Dion.  H.  XIX  13  Plin.  XXXIV  32  Val.  Max.  I  8,  6  Ammian  XXIV 
4,  24  Slrab.  VI  263.  Die  merkwürdige  Nachricht  Tac.  Ann.  XIV  21  dafs  die 
Wagenrennen  aus  Thurii  eingeführt  seien,  kann  auf  ältere  Beziehungen  zwischen 
beiden  Städten  zurück  gehen;  Liv.  X  2  Thuriae  ist  doch  wol  eben  diese  Stadt 
(I  540  A.  4),  so  dafs  die  Römer  bereits  302  zu  ihren  Gunsten  einschritten. 

2)  Appian  Samn.  7. 

3)  Liv.  XXV  7.  15  XXVI  39  XXVII  1.  26  Appian  Hann.  34.  49.  50.  57 
Pol.  VIII  26,  2. 

4)  Inschriften  auf  Goldplättchen  Kaibel  p.  158  fg. 

5)  Liv.  XXXIV  53  XXXV  9  nach  verschiedenen  Quellen:  die  eine  nennt 
die  Cognomina  der  Triumviin,  die  andere  läfst  sie  aus. 

6)  Strab.  VI  263  Sleph.  Byz.  Ooi'^ioi  geben  den  Plural  an,  was  kaum 
richtig  ist. 


§  2.    Das  Ostland.  923 

wohnliche  Gebrauch  sich  mit  dem  alten  vertrauten  ^ameD  begnügt,  i) 
Thurii  Gel  72  dem  Spartacus  in  die  Hände  2),  wurde  48  von  M.  Caelius 
bedroht  3),  40  v.  Chr.  von  Sextus  Pompeius  belagert.^)  Im  2.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  war  es  verödet^),  wird  aber  noch  im  6.  erwähnt. ß)  — • 
Das  Reisebuch  rechnet  richtig  44  Milben  von  Heraclea  bis  Thurii, 
weitere  12  h'\s  Roscianum.')  Dies  ist  das  heutige  Rossano  (291  m) 
3  Milben  oberhalb  des  Strandes  gelegen.  Die  Marina  von  Rossano 
für  den  Hafen  von  Thurii  zu  hallen,  als  welchen  Prokop  Ruscia 
bezeichnet,  ist  mit  den  Leistungen  dieser  Stadt  zur  See  kaum  ver- 
einbar.^) Man  wird  von  vornherein  geneigt  sein  den  Hafen  mehr 
nach  Norden  und  näher  bei  Thurii  in  einer  seitdem  ausgefüllten 
Lagune  zu  suchen.  Die  Poststation  hat  selbstverständlich  in  der 
Ebene  gelegen,  bis  die  Bewohner  durch  die  zunehmende  Unsicher- 
heit genötigt  wurden  nach  der  festen  Hübe  die  Rossano  einnimmt, 
umzusiedeln.  Prokop  kennt  diese  Festung  bereits  und  verlegt  sie 
60  Stadien  8  Milben  oberhalb  von  Ruscia.  Von  den  übrigen  Ort- 
schaften der  Thuriatis  läfst  sich  keine  näher  bestimmen. 9) 


1)  CIL.  X  1  p.  18  Cic.  pro  lull.  14. 

2)  Appian  b.  civ.  I  117  Flor.  II  8,  5  Suelon  Aug.  3.  7. 

3)  Caes.  b.  civ.  III  22  Vell.  II  68  Euseb.  a.  Abr.  1969. 

4)  Appian  b.  civ.  V  56.  58.  62. 

5)  Bio  Or.  XXXIil  401  M. 

6)  Prokop  b.  Golh.  I  15  Tab.  Peut.  Turis  Geogr.  Rav.  IV  31  Guido  30 
Turris, 

7)  It.  Ant.  114. 

8)  Prokop  b.  Goth.  III  28  vgl.  Cic.  ad  Alt.  IX  19,  3. 

9)  Nach  Kaibel  643  ist  eine  solche  bei  S.  Agala  am  oberen  Esaro  der  in 
den  Cralhis  fliefst,  anzunehmen.  L'eber  Cosa  und  castellum  Carissanum  vgl. 
S.  821  A.  9. 


KAPITEL  XVI. 

Bruttiuin. 

Die  Halbinsel  die  den  Abschlufs  Italiens  im  Südwesten  bildet, 
liegt  zwiscben  40  und  38  ^  N.  Br.  und  umfafst  nach  der  heutigen 
Einlheilung  in  drei  Provinzen  (den  bereits  behandelten  Kreis  Castro- 
villari  einbegriffen)  15075  Dkm  275  d.  DM  mit  IV4  MilHon  Ein- 
wohnern. Geologisch  betrachtet  gehört  sie  nicht  zum  Appenniu, 
sondern  reicht  in  eine  ältere  Periode  der  Erdgeschichte  zurück 
(I  244).  Auch  ihre  politische  Entwicklung  hat  besondere  Bahnen 
eingeschlagen:  zweimal  war  sie  ein  halbes  Jahrtausend  lang  von 
dem  Lande  mit  dem  sie  äufserlich  zusammen  hängt,  völlig  getrennt 
im  Besitz  der  Griechen.  Nach  Vernichtung  der  ostgothischen  Herrschaft 
im  G.  Jahrhundert  hat  Byzanz  den  Besitz  bis  zur  Mitte  des  11.  behauptet, 
wo  er  ihm  durch  die  Normannen  entrissen  ward.  Unter  anderen 
bleibenden  Spuren  hat  die  byzantinische  Zeit  uns  den  S.  865  be- 
rührten Wechsel  in  der  Benennung  der  beiden  südlichen  Ausläufer 
Italiens  hinterlassen,  so  dafs  was  ehedem  calabrisch,  jetzt  apulisch, 
und  was  ehedem  brettisch,  jetzt  calabrisch  heifst.  Auch  die  erste 
am  Ausgang  des  8.  Jahrhunderts  anhebende  Epoche  des  Hellenen- 
tums  in  dieser  Landschaft  hat  mancherlei  Verschiebung  und  Wan- 
derung von  Namen  znr  Folge  gehabt.  Wir  haben  früher  dargelegt 
wie  die  Südspitze  ursprünglich  Italien  biefs  und  dieser  Name  immer 
weiter,  schliefslich  bis  an  den  Fufs  der  Alpen  vorrückte.  Demselben 
Bezirk  entstammt  die  minder  berühmte  aber  immerhin  beachtens- 
werte Landesbezeichnung  Meyälrj  'Ekldg:  ein  Sprichwort  bringt 
sie,  wir  wissen  nicht  aus  welchem  Grunde,  mit  der  Stadt  Terina  in 
Verbindung.!)  Polybios  der  älteste  unter  den  erhaltenen  Schrift- 
stellern der  sie  anwendet,  bezeugt  für  das  6.  Jahrhundert  dafs  der 
ganze  Strich  in  dem  der  pythagoreische  Bund  zu  Macht  und  Ansehen 


1)  Steph.  Byz.   Teoiva. 


Braltiam.  925 

gelaogt  war,  sich  ihrer  bediente.  ')  Seit  den  Perserkriegen  wird  sie 
vereinzelt  vom  Multeiland  gebraucht^),  nicht  aber  von  den  Colonien 
(I  59).  Von  Grofsgriechenland  ist  erst  wieder  die  Rede,  nachdem 
dessen  Träger  ihre  Unabhängigkeit  eingebüfst  hatten  und  im  Glänze 
der  Vergangenheit  einen  Trost  für  die  Kümmernifs  der  Gegenwart 
suchten.  Gelehite  Verehrer  des  Pythagoras  haben  den  ISamen  aus 
einer  verschollenen  Chronik  hervorgeholt  3),  die  Römer  übersetzten 
ihn  mit  Magna  Graecia  oder  Maior  Graecia^)  um  nicht  ohne  Spott 
den  griechisch  sprechenden  Theil  von  dem  übrigen  Italien  zu  unter- 
scheiden. 5)  Aber  da  die  fremden  Städte  nach  dem  italischen 
Kriege  bis  auf  wenige  Ausnahmen  die  lateinische  Amtsprache  ein- 
führten, so  wird  jene  Renennung  zum  Kunstausdruck  dem  ein  that- 
sächlicher  Hintergrund  fehlt,  dessen  Gebrauch  durch  keine  festen 
Grenzen  umschrieben  ist.  Er  wird  über  ganz  Italien  bis  nach 
Venetien  ausgedehnt  6),  oder  neben  Lucanien  und  Rrullium  auf 
Sicilien  mit  bezogen. ")  Gewöhnlich  versteht  man  darunter  die 
Küsten  des  Golfs,  von  Tarent  bis  Locri  nach  dem  Vorgang  des 
Plinius  und  Ptolemaeos  ^),  aber  nicht  mit  gleichem  Recht  die  Küsten 
von  Tarent  bis  Cumae.  9)  Wir  erklärten  das  Aufkommen  des  Namens 
aus  der  Prahlerei  die  in  Colonien  gegenüber  der  Heimat  häußg  sich 
breit  macht  (I  59).  Davon  abgesehen  ist  er  gar  nicht  übel  gewählt. 
Die  griechische  Sprache  vermochte  deshalb  Riuttium  völlig  zu  er- 
obern 10),  weil  dessen  ausgedehnte  Küsten  von  der  See  ebenso  leicht 
als  vom  Lande  aus  schwer  zugänglich  waren. 

Die  langgestreckte  Halbinsel  erinneit  in  Rau  und  Güederung 
an  Hellas.  Man  kann  die  Ebene  von  Sybaris  mit  Thessalien,  den 
Strandweg  an  den  Fortsetzungen  des  M.  Pollino  hin  mit  dem  Tempe- 
pafs  vergleichen.     Das  zweite    Drittel   wird   durch  die   Gebirgsinsel 


1)  Pol.  11  39  vgl.  Athen.  XII  523  e  Cic.  Lad.  13. 

2)  Eurip.  -Med.  440  Tro.  1115  Iph.  A.  1378. 

3)  Vielleicht  zuerst  Timaeos  nach  fr.  77  Müller,  Athen.  XII  523  e  Cic.  Tuse. 
I  38  IV  2  V  10  de  Or.  11  154  111  139  Rep.  III  7  Seneca  Ep.  90,  6. 

4)  Letzlere  Form  Liv.  XXXI  7  Fest.  134  M.  und  oft. 

5)  Cic.  pro  Archia  10  Plin.  ill  42. 

6)  lustin  XX  1.  2,  1  Ovid  Fast.  IV  64. 

7)  Strab.  VI  253  Fest.  134  M. 

&)  Plin.  III  95  Plol.  III  1,  10  vgl.  Liv.  XXII  61. 

9)  Seneca  Dial.  XII  7,  2  Serv.  V.  Aen.  I  569;   Pol.  III  118,  2  steht  die  Be- 
zeichnung nur  als  schlechte  Interpolation  junger  Handschriften. 
10)  Fest.  35  M.  Porph.  zu  Hör.  Sat.  I  10,  30. 


926  Kapitel  XVI,     Bruttium. 

Sila  gebildet.  „Die  lucanischen  Berge,  schreibt  Prokop  i),  reichen 
bis  nach  Bruttium  und  treten  so  nahe  zusammen  dafs  sie  nur  zwei 
enge  Zugänge  frei  lassen,  von  denen  der  eine  Petra  sanguinis,  der 
andere  bei  den  Eingebornen  Labulla  heifst."  Jener  ist  am  Crathis 
und  der  Binnenstrafse,  dieser  an  der  See  zu  suchen  wo  er  von  der 
starken  Festung  Roscianum  beherrscht  wird  (S.  923).  Endlich  trennt 
ein  Isthmus  den  dritten  Abschnitt  ab  (1245)  der  mit  5000  Dkm 
Inhalt  nur  ein  Viertel  des  Peloponnes  erreicht,  im  Uebrigen  wie 
dieser  ein  abgeschlossenes  Ganzes  ausmacht.  Die  beiden  Granit- 
massen die  durch  den  Isthmus  geschieden  sind,  werden  in  der 
Litteratur  als  Sila  und  Aspromonte  bezeichnet  (I  245).  Aber  der 
Bewohner  der  Einsenkung  in  der  Mitte  kennt  nur  le  due  Site  und 
der  Volksmund  hat  auch  hier  den  uralten  Gebrauch  bewahrt,  weil 
gerade  für  das  südliche  Gebirge  der  Name  Sila  d.  h.  Wald  aus- 
drücklich bezeugt  ist.  Im  Uebrigen  lehrt  ein  Blick  auf  die  Karte 
dafs  die  nürdliche  Sila  vermöge  ihrer  Gröfse  und  UnzugängUchkeit 
der  Fremdherrschaft  erfolgreichen  Widerstand  leisten  konnte.  Während 
die  fruchtbaren  Gestade  am  Meer  Bewohner  und  Herrscher  oft 
wechselten,  schützte  die  mächtige  Bergfestung  ihre  oskischen  In- 
sassen (I  535  fg.).  Soweit  die  Zeugnisse  zurück  reichen,  sind  dies 
die  Brettier  gewesen  (I  527).  Aus  ihrer  Vergessenheit  treten  sie 
zuerst  um  450  in  das  Licht  der  UeberUeferung  und  gründen  356 
einen  Bundesstaat  der  den  Hellenen  viel  zu  schaffen  machte.  Aber 
Rom  als  Vorkämpferin  der  Städte  hat  diesen  Bund  von  Land- 
gemeinden vernichtet  und  über  die  Bauern  die  Knechtschaft  verhängt 
(I  536  fg.).  Von  dem  Volke  leiten  griechische  Schriftsteller  den 
Landesnamen  Bgerria  BQSTtiavrj  ab.  2)  Nach  ihrem  Vorgang  reden 
wir  von  Bruttium ;  denn  der  Römer  kennt  nur  den  ager  Bruttius 
die  das  Ganze  befassende  Staatsdomäne  3),  oder  braucht  besonders 
in  jüngerer  Zeit  den  Volksnamen  Bruttii^  wie  er  bei  Gebirgsgegenden 
zu  thun  pflegt.  *)  Die  Beschreibung  zerfällt  nach  dem  Gesagten  in 
2wei  Abschnitte.     Da   die   meisten    Ortschaften   deren  Namen  über- 

1)  Prokop  b.  Goth.  III  28. 

2)  Pol.  I  56,  3  IX  7,  10  25,  1  27,  11  XI  6,  1  XIII  10,  4.  8  Strab.  VI  255 
Athen.  V  208  e  Plut.  Fab.  22,  1  Dio  XLII  25  Steph.  Byz. 

3)  Gato  bei  Priscian  VII  p.  337  Hertz  Liv.  XXV  1  XXVI  12  XXVII  41  Mela 
11  115;  über  die  Schwankung  des  Vokals  I  535  A.  6. 

4)  Cic.  pro  Rose.  Am.  132  pro  Gaecina  54  Caes.  b.  civ.  I  30,  4  Liv.  XXIV  1 
XXV  l  XXVII  51  XXXIV  53  vita  Tetrici  sen.  5  Plut.  Tim.  19,  3  u.  o.  stehend 
als  Bezeichnung  der  Region  S.  888. 


§  1.    Das  Nordland.  927 

liefert  werden,  nicht  sicher  bestimmt  sind,  anderseits  die  Blüte  dieser 
Gegenden  vor  die  römische  Zeit  fällt,  ist  eine  angemessene  Kürze 
geboten.  Das  Erdbeben  das  Bruttium  mehr  als  andere  Landschaften 
heimsucht  (l  284),  hat  zur  Vernichtung  der  Denkmäler  viel  bei- 
getragen. *) 

§  1.     Das   Nordland. 

Bei  aller  Uebereinstimmung  im  geologischen  Aufbau  wie  in  der 
geschichtlichen  Entwicklang  weisen  die  beiden  durch  die  Senke  von 
Tiriolo  getrennten  Hälften  des  Granillandes  bemerkenswerte  Ver- 
schiedenheiten auf.  Jenseit  der  Senke  gelangt  der  Charakter  der 
Halbinsel  zum  deutlichen  Ausdruck,  der  100  km  lange  Gebirgskamm 
hält  die  Mitte  ein,  die  Küsten  sind  gleichmäfsig  belebt,  wenn  auch 
die  Sicilien  zugewandte  Seite  den  Vorrang  behauptet.  Ganz  anders 
ist  die  Nordhälfte  gestaltet.  Sie  umfafst  nahezu  den  doppelten 
Flächeninhalt,  da  bei  90  km  Länge  von  Nord  nach  Süd  die  Breite 
von  West  nach  Ost  100  km  erreicht.  Sie  ist  durchaus  nach  Osten 
auf  den  Tarentiner  Golf  gerichtet.  Die  hart  am  tyrrhenischen  Meer 
streichende  Kette  mit  Gipfeln  von  14 — 1500  m  (M.  Cocuzzo  1542  m) 
gewährt  keinen  Raum  für  Küstenebenen  und  sperrt  durch  ihren 
Absturz  den  Seeverkehr  aus.  Landeinwärts  sendet  sie  mit  sanfterem 
Gehänge  ihre  Bäche  in  den  Crathis.  Das  von  diesem  durchströmte 
an  50  km  messende  Längslhal  scheidet  die  Küstenkette  von  dem 
grofsen  Waldgebirge,  an  dem  gegenwärtig  der  Name  Sila  vorzugs- 
weise haftet  (I  244).  Für  ein  binnenländisches  Staatswesen  wie  die 
Brettier  es  schufen,  bietet  das  Thal  die  natürliche  Mitte.  Aber  die 
längste  Zeit  ist  das  Gebirge  von  der  Küste  aus  beherrscht  gewesen 
und  nimmt  mit  dieser  verglichen  in  der  Ueberlieferung  einen  gar 
bescheidenen  Platz  ein.  An  drei  Orten  hatte  die  Natur  den  helle- 
nischen Ansiedlern  den  Boden  bereitet  und  Ebenen  zu  ihrer  Auf- 
nahme aufgeschüttet.  Von  diesen  entfaltet  die  Niederung  am  Unter- 
lauf des  Crathis  und  Sybaris  die  grüfste  Fruchtbarkeit  (S.  917),  wird 
aber  an  Ausdehnung  durch  die  Küstenebene  von  Kroton  übertrolTen 
(I  335).     Dazu  kommt  von  minderer  Bedeutung  das  Mündungsland 


1)  Ouellen:  Strab.  VI  253—63  Mela  II  68.  69  Plin.  III  72—74.  95—98  Ptol. 
III  1,  9.  10.  65.  66.  Kaibel  inscr.  Gr.  p.  150—60  Conway,  it.  dial.  p.  3  fg. 
CIL.  X  (Mommsen)  Eph.  ep.  VIII  p.  70— 74  (Ihm).  Barrius,  de  antiquitate  et 
situ  Calabriae,  Rom  1571,  in  Burmann  thes.  antiq.  It.  IX.  Fr.  Lenormant,  la 
Grande-Grece,  3  vol.  Paris  1881.  84.  —  Von  der  Generalstabskarte  1:100000 
gehören  hierher  Bl.  228—31.  236—38.  241—43.  245—47.  254.  55.  263.  64. 


928  Kapitel  XVI.    Brutlium. 

des  Sabatiis  und  Lameliis  im  Südueslen.  Damit  sind  in  drei  Himmels- 
gegenden die  Aufsenwerke  bezeichnet  die  den  Fremden  in  die  Hände 
lallen  und  zum  Angriff  gegen  die  Wakhvildnifs  dienen.  Wenn  die 
Wildnifs  bis  auf  den  heutigen  Tag  noch  nicht  völlig  gebrochen  ist 
(1  246),  so  wird  der  Grund  vornehmlich  in  ihrer  Unvvegsamkeit  zu 
suchen  sein.  Das  Land  wird  und  wurde  nur  von  drei  durchgehenden 
Strafsen  durchzogen:  ihrer  zwei  klammern  sich  im  Westen  und 
Osten  an  die  Küsten,  die  letzte  binnenländische  folgt  der  vom  Crathis 
entwässerten  Einsenkung.  Der  langjährige  Widerstand  den  Hannibal 
mit  geschwächten  Kräften  der  römischen  Uebermacht  leistete,  wird 
durch  die  Thatsaehe  erklärt  dafs  diese  Strafsen  mit  Leichtigkeit  ge- 
sperrt werden  konnten. 

Die  tyrrhenische  Küstenstrafse  wird  allein  von  der  Reisekarle 
bezeugt,  i)  8  Millien  von  Lavinium  (S.  898)  lag  Cerilli  oder  Certllae 
das  im  hannibalischen  Krieg  verödete.  2)  Der  Name  lebt  fort,  die 
üeberreste  befinden  sich  in  der  Nähe  des  Weilers  Cirella.  Daran 
stöfst  ein  kleines  Vorgebirge  (36  m),  an  dem  man  den  von  Plinius 
den  Phociern  zugeschriebenen  portus  Parlhenius  sucht.  3)  Ein  schmaler 
geradliniger  Strand  folgt,  erst  nach  40  Millien  verzeichnet  die  Karte 
Clampetia,  das  der  Entfernung  gemäfs  dem  heutigen  Amantea  ent- 
spricht. 4)  Der  griechische  Name  lautet  Aa(.i7iiteia  ^),  desgleichen 
heifst  das  24  km  nach  Süden  gelegene  Cap  Suvero  das  den  Golf 
von  Terina  begrenzt,  ^afiTtsTt^g.  ^)  Clampetia  wurde  204  v.  Chr. 
von  den  Römern  erstürmt  und  sank  seitdem  zum  Rang  eines  Dorfes 
herab. '')  —  Südlich  vom  M.  Cocuzzo  nimmt  die  Erhebung  ab,  die 
Küstenkelte  ändert  ihre  Richtung  nach  Südost  und  tritt  mit  dem 
inneren  Gebirge  in  unmittelbare  Verbindung  (I  244).  Dadurch  wird 
die  Rodengestaltung  mannichfaltiger.  Der  erste  Flufs  der  auf  solchen 
Namen  Anspruch  erheben  kann,  ist  der  Sabatus  Savuto^):  die 
Quelle  bei  1300  m  Meereshöhe  ist  in  der  Luftlinie  45  km  von  der 


1)  Tab.  Peut.  Geogr.  IV  32  V  2  Guido  32.  74. 

2)  Sil.  It.  VIII  579   giebt  die   letztere  Form,   während  Streb.  VI  255  Tab. 
Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  für  die  erstere  sprechen. 

3)  Plin.  III  72. 

4)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  Guido  32.  74. 

5)  Polybios  bei  Steph.  Byz. 

6)  Lykophr.  AI.  1068,   es   giebt   kein  anderes  Vorgebirge  das  der  Dichter 
im  Sinn  haben  könnte. 

7)  Liv.  XXIX  38  XXX  19  Mela  II  69  Plin.  III  72  locus  Clampetiae. 
&)  lt.  An(.  105.  110. 


§  1.    Das  Nordland.  929 

Mündung  ins  tyrrhenische  Meer  entfernt.  Oberhalb  der  Mündung 
(6  km)  am  südlichen  Ufer  hält  das  hochgelegene  Nocera  Tirinese 
die  Erinnerung  an  eine  einheimische  Stadt  Nuceria  wach,  die 
allein  aus  Kupfermünzen  mit  der  Aufschrift  Nov/.Qivtov  bekannt  isl.^) 
Das  Gepräge  ist  dem  von  Terina  verwandt.  Allem  Anschein  nach 
stammt  die  Gründung  aus  der  Periode  der  brettischen  Unabhängig- 
keit. Die  älteren  Gelehrten  erklärten  Nocera  für  das  ehemalige 
Terina  2),  die  neuere  ISamengebung  hat  zur  Unterscheidung  von  der 
umbrischen  und  campanischen  Gemeinde  das  Beiwort  Tirinese  hinzu- 
gefügt und  damit  jene  Annahme  amthch  verbürgt.  Nichts  desto 
weniger  ist  sie  schon  aus  dem  Grunde  hinfällig  dafs  die  Stadt  nicht 
von  dem  nach  ihr  benannten  Busen  von  Terina  getrennt  werden 
kann.  — ,4  km  westlich  von  Nocera  2  km  südlich  von  der  Mündung 
des  Savuto  birgt  der  Hochrand  am  Meer  der  durch  Torre  del  Casale 
(152  m)  bezeichnet  wird,  desgleichen  der  Strand  zu  seinen  Füfsen 
(Pietra  la  Nave)  Spuren  einer  Stadt,  die  nach  den  zahlreichen 
Ziegeln  zu  schliefsen  noch  unter  den  Kaisern  bestanden  hat.  Dafs 
dies  Tempsa  war,  lehrt  die  Reisekarte  die  den  Ort  10  Millien  von 
Clampetia  ansetzt.  3)  Auch  finden  sich  die  von  Strabo  als  verlassen 
erwähnten  Kupfergruben  in  der  Nähe.  4)  Das  nützHche  Metall  hat 
in  der  Vorzeit  eine  starke  Anziehung  ausgeübt.  Wenn  nun  Homer 
den  Taphier  Mentes  sagen  läfst 

Ttkicov  kul  oXvoTta  növrov  in  aXXod-göovg  avx^QWTtovg 
ig  T€f.ieor]V  (.lera  yiaXy.bv,  ayto  d  aX^cova  oiör^govj 
so  verstand  man  darunter  entweder  und  richtiger  Tamasos  auf  Cypern 
oder  T€/ii€orj  in  Bruttium;  der  letzteren  Ansicht  huldigt  Strabo.  5) 
Die  Einwohner  pflegten  die  Ueberlieferungen  der  Heroenzeit  und 
zeigten  vor  dem  Thor  ein  von  Oleaster  beschattetes  Heiligtum  das 
einem  Gefährten  des  Odyssus  geweiht  war.  6)  Italischen  Ursprungs 
wird  die  Stadt,  wie  ihre  Silbermünzen  lehren,  im  6.  Jahrhundert  von 
Kroton  abhängig. "')    Später  ist  sie,  vermutlich  unter  Mitwirkung  des 

1)  Ganucci  168.    Die  Sprache  verbietet  die  Zulheilung  an  die  campanische 
Stadt  (S.  772). 

2)  Audi  Cluver  1287. 

3)  Tal).  Peul.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  Guido  32.  74. 

4)  Strab.  VI  255  Ovid  Met.  XV  7Ü7  Stat.  Silv.  1  1,  42. 

5)  Hom.  Od.  I  184  m.  Schol.  Strab.  VI  255  Steph.  ßyz.  Täfiaaos  und  Te- 
fiiarj. 

6)  Strab.  a.  0.  Pausan.  VI  6,  7  fg.  Suidas  Ei&vfios. 

7)  Head  H.  N.  96. 

Nissen,  Ital.  Landeskxmde.     II.  59 


930  Kapitel  XVI.     Bruttium. 

alleren  Dionys,  in  die  Hände  der  Lokrer  gefallen  und  schliefslich 
von  den  Brettiern  eingenommen  worden.  Der  hannibalische  Krieg 
verursachte  schweren  Schaden,  zur  Hebung  ward  194  v.  Chr.  eine 
römische  Bürgercolonie  entsandt,  i)  Der  Zuwachs  an  Kraft  hat  auf 
die  Dauer  nicht  vorgehalten ;  denn  nach  der  Niederlage  des  Spartacus 
bemächtigte  sich  eine  Bande  flüchtiger  Sklaven  des  Gemeinwesens.  2) 
Immerhin  war  Tempsa  die  erste  Stadt  die  nach  Laus  an  der  bretti- 
schen Küste  begegnete,  auf  dem  Weltmarkt  durch  seine  Weine  ver- 
treten, wird  deshalb  auch  in  der  Kaiserzeit  genannt;  Inschriften 
fehlen.^)  —  Jenseit  vom  Cap  Suvero  beginnt  die  Landenge  von 
Tiriolo  die  beide  Hälften  Bruttiums  von  einander  trennt  (1  245). 
Auf  einer  Sehne  von  28  km  beschreibt  die  Küste  einen  flachen 
Bogen  dessen  Scheitel  im  Altertum  hoher  gewölbt  war  als  jetzt.  Der 
Busen  wird  sinus  Terinaeus*)  oder  y^oX^tog  ^iTtTtwvicctrjg  sinus  Vi- 
bonensis^)  nach  den  bekannten  Städten,  auch  nach  dem  einmünden- 
den Hauptflufs  Lamelus  Lamalo  oder  Amato  6)  ^afirirLY.bg  v.61itoQ, '), 
endlich  von  dem  alten  Antiochos  aus  Syrakus  nach  einer  unbekannten 
Oertlichkeit  NaTtrjrivog  Kolrtog  benannt,  s)  Die  Bäche  haben  mit 
ihren  Schuttmassen  eine  Ebene  von  150  Dkm  aufgebaut,  an  deren 
Erweiterung  sie  rüstig  fortarbeiten.  Unter  ihnen  wird  der  Fiume 
de'  Bagni  mit  seinem  breiten  Kiesbett  als  'QxivaQog  oder  Tiqiva 
anzusehen  sein.'')  Die  Lage  der  gleichnamigen  Stadt  ist  bestritten. 
Mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  sucht  man  sie  bei  Sa.  Eufemia  nach 
dem  die  Neuzeit  den  Golf  benennt. 'O)  Damit  ist  nicht  der  jetzige 
vom  Strande  3  km  entfernte  Flecken  (80  m)  der  seit  dem  Erdbeben 
von  1638  entstanden  unter  der  Last  des  Fiebers  hinsiecht,  sondern 
di«'  unterhalb  befindliche  Abtei  Sa.  Eufemia  gemeint.    Sie  ward  auf 


1)  Liv.  XXXIV  45. 

2)  Gic.  Veir.  V  39.  41. 

3)  Strab.  VI  255  Mela  II  69  Plin.  111  72  XIV  69  Ptol.  III  1,  9. 

4)  Thukyd.  VI  104,  2  Plin.  III  72.  95. 

5)  Strab.  VI  255.  261  Plol.  III  1,  9  Gic.  Att.  XVI  6,  1  Plin.  III  72  Macrob. 
Set.  VI  4,  9. 

6)  Hekataeos  bei  Sleph.  Byz.  nennt  einen  FluCs  Aäur^Tos  und  eine  anders- 
woher unbekannte  Stadt  yiafiT]TZvot.  Der  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2 
verzeichnete  Tannus  kann  der  S  Zuflufs  des  Lamato,  Fiume  Pcsipo  sein. 

7)  Arislot.  Pol.  VII  9,  2. 

8)  Strab.  VI  255  Dion.  H.  I  35. 

9)  Lykophr.  AI.  729.  1009  Suid.,  Steph.  Byz.   Tsq.  Lenormanl  III  100. 
10)  Bunbury  bei  Smith,  Lenormant  III  96  fg. 


§  1.     Das  Nordland.  931 

alten  Trümmern  1063  gegründet  und  1638  vom  Erdbeben  ver- 
schlungen. Demnach  ist  die  Stadt  am  Nordrand  und  in  unmittel- 
barer Nähe  des  Golfs  anzusetzen.  Die  fruchtbare  Ebene  am  Meer 
hat  den  Herrn  oft  gewechselt.  Die  Krotoniaten  eroberten  sie  und 
gründeten  TeQiva.  ^)  Als  Zeugnifs  von  dessen  Blüte  sind  die  Münzen 
vorhanden,  die  an  Zahl  und  Schönheit  im  achaeischen  MUnzgebiet 
einen  hohen  Rang  einnehmen.  Wir  hören  ferner  von  Kämpfen  mit 
den  kriegerischen  Thuriern  -),  sodann  vom  Vordringen  der  Brettier. 
Terina  gab  für  die  Eingeborenen  das  nächste  Angriffsziel  um  die 
See  zu  gewinnen  ab,  war  denn  auch  die  erste  Hellenenstadt  die  sie 
um  356  V.  Chr.  bewältigten.  3)  Zeitweise  ward  sie  ihnen  durch 
König  Alexander  von  Epiros  und  die  Römer  entrissen  *),  aber  schhefs- 
lich  von  Hannibal  zerstört,  als  seine  Mittel  zur  Verlheidigung  nicht 
mehr  ausreichten.  &)  Seitdem  erlosch  der  Name.  Aus  der  näheren 
Umgebung  werden  eine  Anzahl  von  Oertlichkeiten  angeführt  deren 
Bestimmung  nicht  möglich  ist:  so  die  Insel  Ligea  mit  dem  Grab 
einer  Sirene  6),  die  Vorgebirge  ylivog "')  und  Tvlrjaoog  ^),  ein  Flufs 
^dQTjg  wenn  die  Lesung  richtig  ist.  9) 

Die  Via  Popilia  erreicht  49  Millien  von  Muranum  Consentia 
Cosenza,  einen  Knotenpunct  der  Strafse  nach  dem  Zeugnifs  der 
Bauinschrift  (S.  918),  einst  Hauptstadt  des  brettischen  Bundes,  gegen- 
wärtig der  Provinz  Calabria  citeriore.io)  Am  Abschlufs  der  tiefen 
Spalte  zwischen  Küstenkette  und  Sila  nimmt  sie  einen  vorspringen- 
den Hügel  (385  m)  ein  der  das  Thal  um  130  m  überragt.  Zu 
Füfsen  vereinigen  sich  6  Quellbäche  in  zwei  Armen  zum  gröfsten 
Strom   Bruttiums:   der   östliche  heifst  wie  der  Strom  selbst  Crathis 


1)  Skyl.  12  Skymn.  306  Strab.  VI  256  Plin.  III  72  Steph.  Byz.  Lykophr. 
AI.  726  SÖlin  2,  10. 

2)  Polyaen  II  10,  1. 

3)  Diod.  XVI  15. 

4)  Liv.  Vlll  24  XXV  1. 

5)  Strab.  VI  256. 

6)  Lykophr.  AI.  726  Soliu  2,  9. 

7)  Lykophr.  AI.  994. 

8)  Lykophr.  AI.  993  Steph.  Byz. 

9)  Lykophr.  AI.  730.  Man  hat  nach  einer  terinaeischen  Mänze'Ayrj  ändern 
und  auf  eine  hier  sprudelnde  Schwefelquelle  beziehen,  endlich  die  aquae 
Angae  der  Tab.  Peut.  damit  in  Verbindung  bringen  wollen,  vgl.  Lenorman 
a.  0.  101. 

10)  Strab.  VI  256;  It.  Ant.  105.  HO  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34  Guido  43. 

59* 


932  Kapitel  XVI.    Bruttiuro. 

Crali,  der  westliche  Arm  Basentns  Baseoto.  i)  Den  letzteren  leiteten 
die  Gotlien  410  ab  um  ihren  Konig  Alarich  zu  bestatten  und  das 
Grab  vor  Schändung  zu  bewahren.  Durch  die  tief  eingerissenen 
Flufsbelten  wird  die  Sladt  von  Norden  unangreifbar.  Zur  Festig- 
keit kam  die  centrale  Lage  um  einen  Mittelpunct  des  Verkehrs  zu 
schaffen.  Allerdings  ist  das  grofse  Waldgebirge  nach  Osten  auf  den 
Golf  von  Tarent  geöffnet  und  kehrt  dem  Thal  einen  Hochrand  mit 
Gipfeln  von  17 — 1800  m  zu  der  die  Verbindung  sehr  erschwert. 
Aber  nach  dem  lyrrhenischen  Meer  und  nach  Süden  auf  die  Land- 
enge sind  die  Wege  bequemer  und  haben  nur  Höhenzüge  von 
8 — 900  m  zu  überwinden.  Die  Via  Popilia  braucht  18  Mühen  bis 
ad  Sabatum,  etwa  Carpanzano  (610  m)  am  linken  Flufsufer,  ebenso 
viel  von  hier  nach  ad  Turris  in  der  Ebene  von  Terina^):  im  Ein- 
zelnen ist  der  Strafsenzug  nicht  festgelegt.  In  alterer  Zeit  wurde 
er  von  griechischen  Heeren  begangen  3),  das  Thal  des  Crathis  scheint 
von  Sybaris-Thurii,  das  südliche  Gebirge  von  Terina  abhängig  ge- 
wesen zu  sein.  Im  Kriege  mit  Alexander  von  Epiros  wird  Consentia 
den  Lucanern  zugeschrieben,  gerät  vorübergehend  in  die  Gewall  des 
Königs  und  alsbald  an  die  ßrettier.  4)  Diese  haben  etwa  seit  325 
v.Chr.  die  neue  Erwerbung  zum  Bundessitz  erhoben:  hier  werden 
die  Volksmünzen  mit  der  Aufschrift  Bqsttiojv  geschlagen  sein  (S.  76). 
Vordem  hatte  es  seit  400  selbständig  unter  eigenem  Namen  in  Kupfer 
gemünzt.  5)  Immerhin  hat  die  natürliche  Trennung  vom  Osten,  der 
Gegensatz  zwischen  der  Stadt  und  den  Landgemeinden  im  Innern 
sich  politisch  bemerkbar  gemacht.  Consentia  mufste  216  mit  den 
Waffen  zum  Anschlufs  an  Haniiibal  gezwungen  werden,  trat  213 
und  endgültig  204  wieder  auf  die  römische  Seite,  ß)  Es  heifst  eine 
grofse  Stadt:  Spartacus  zog  an  ihr  vorüber,  Sextus  Pompeius  belagerte 
sie  40  V.  Chr.  vergebens.  '^)    Nach  dem  Zeugnifs  des  Lucilius  sprachen 


1)  So  die  Handschriften  Jordanes  Get.  158  Bist.  Miscelia  XIII  28.  Wenn 
man  ihn  in  Deutschland  nach  Plalens  Vorgang  Busenlo  tauft  (Mommsen  setzt 
die  Form  in  den  Text  des  Jordanes),  so  beruht  dies  auf  einer  Verwechslung 
mit  dem  Bussento  bei  Policastro  (S.  897):  beide  Flüsse  werden  noch  bei  Brock- 
haus zusammen  geworfen,  2)  It.  Ant.  105.  110. 

3)  Polyaen  II  10,  1. 

4)  Liv.  VIII  24  indem  nach  der  Erzählung  unter  den  Lucanern  die  Anwohner 
des  Crathis  zu  verstehen   sind. 

5)  Head  H.  N,  79. 

6)  Liv.  XXlll  30  XXV  1  XXVIII  11  XXIX  38  XXX  19  Appian  Hann.  56. 

7)  Gros.  V  24,  2  Appian  Hann.  56  b.  civ.  V  56,  58. 


§  1.     Das  Nordland.  933 

die  Bewohner  griechisch  wie  Tarentiner  und  Sikeler.  i)  Ueber  das 
ihnen  von  Rom  verliehene  Recht  wird  nichts  überhefert:  vermutlich 
haben  sie  die  Selbstverwallung  behalten  und  im  italischen  Krieg 
Bürgerrecht  erlangt.'^)  Die  Umgegend  zeichnete  sich  durch  Wein- 
und  Obstbau  aus.  3)  Den  litterarischen  Nachrichten  gegenüber  ist 
es  eine  befremdende  Thatsache  dafs  Ruinen  wie  Inschriften  gleich- 
mäfsig  fehlen.  4)  Neben  dem  politischen  und  socialen  Verhängnifs 
das  über  der  Landschaft  lastet,  trägt  daran  das  Erdbeben  das  gerade 
Cosenza  am  häufigsten  heimsucht  (I  284),  die  Hauptschuld. 

Im  Binnenland  weist  die  Censusliste  aufser  den  Consentinern 
nur  noch  der  Gemeinde  der  Apiustani  Selbstverwaltung  zu:  die 
Lage  ist  unbekannt. 5)  Letzteres  gilt  auch  von  den  meisten  Ort- 
schaften die  in  der  Kriegsgeschichte  vorkommen.  Nach  den  Hand- 
schriften des  Livius  hat  Alexander  von  Epiros  den  Brettiern  Sipontum 
abgenommen  6):  man  versteht  darunter  gewöhnlich  das  apulische 
(S.  848),  aber  die  Ueberlieferung  kann  richtig  und  eine  verschollene 
brettische  Stadt  gemeint  sein.  Der  Konig  fiel  am  Acheron  wenig 
oberhalb  von  Consentia.')  Der  Name  hat  sich  im  Caronle  erhalten, 
einem  der  drei  Quellbäche  des  Basento,  von  Südwesten  in  diesen 
einmündend.  Bei  Mendicino  wo  die  verschiedenen  Wasserläufe  zum 
Caronte  sieh  vereinigen,  etwa  lU  km  von  Cosenza  erkennt  man  die 
drei  Hügel  die   ein  Wahrzeichen  von  Pandosia   bildeten. *)     Dieser 


1)  Cic.  Fin.  I  7. 

2)  Plin.  III  72  Mela  II  68  Ptol.  111  1,  65  Feldm.  209. 

3)  Vairo  RR.  1  7,  6  Plin.  XIV  69  XVI  115. 

4)  CIL.  X  1   p.  17. 

5)  Plin.  111  98  Ptol.  lil  1,  66  nennt  'äßovarov  neben  Petelia  in  Grofs- 
griechenland. 

6)  Liv.  Vlll  24. 

7)  Strab.  VI  256  Liv.  VIII  24  Justin  XII  2,  14. 

8)  Die  Lage  ist  in  Folge  der  Widersprüche  unserer  Quellen  sehr  bestritten, 
aber  schon  bei  Holste  zu  Gluver  1318,  49  richtig  gedeutet  worden.  Skylax  12 
zählt  in  Lucanien  auf  Aäos  IlavSoaia  IlXaxseis  Isgiva;  ändert  man  mit  den 
Herausgebern  den  sinnlosen  dritten  Namen  in  AufindTBia,  so  ist  alles  in  Ord- 
nung. Nun  ist  aber  Pandosia  durch  ein  1200  m  hohes  Gebirge  und  einen 
Abstand  von  15  km  vom  Meer  getrennt,  kann  daher  füglich  zum  Rinnenland 
gezählt  werden.  Wenn  es  also  Plin.  III  73  heifst  oppidum  Consentia  intu$. 
[in  penimula]  fluvius  Acheron  a  quo  oppidani  Acherontini.  Hippo  eq$.,  so 
sind  die  eingeklammerten  Worte  an  falsche  Stelle  geraten,  aufserdem  irrtümlich 
das  lucanische  Municipium  Aceruntia  (S.  908)  herbezogen.  Skymnos  326  nennt 
Pandosia  zwischen  Kroton  und  Thurii,  was  nicht  unbedingt  falsch  ist,  aber  den 
Anlafs  gegeben    hat  es   östlich  von  der  Sila  in  Cerenzia  am  oberen  Senapido 


934  Kapitel  XVI.    Bruttium. 

alte  Herrschersitz  der  Oeuotrer  war  von  den  Hellenen  erobert,  aber 
später  an  die  Eingeborenen  wieder  verloren  worden.  Er  mufste 
sich  203  V.  Chr.  den  Römern  ergeben  und  verschwindet  seitdem 
aus  der  Ueberlieferung.i)  Ein  monumentales  Zeugnifs  aus  der 
griechischen  Periode  gewähren  seine  Silbermünzen  und  beweisen 
zugleich  dafs  Pandosia  wie  ihre  Nachbarinnen  Temese  und  Terina 
(S.  929.  31)  mit  Kroton  enge  Beziehungen  unterhielt.  Die  Münzen 
werden  450 — 400  gesetzt.^)  —  Verschollen  sind  6  Ortschaften  die 
mit  vielen  geringeren  Gemeinden  203  v.  Chr.  von  llannibal  ab- 
fielen.3)  Zwar  weifs  die  Localforschung  die  Namen  unterzubringen, 
auch  wohl  ihren  Ansätzen  amtliche  Geltung  zu  verschaffen. *)  Jedoch 
lohnt  es  sich  nicht  auf  diesem  schwankenden  Boden  zu  verweilen. 
In  der  Luftlinie  20  km  Ost  von  Cosenza  steigt  der  höchste  Gipfel 
der  Sila ,  Botte  Donato  1930  m  auf.  Das  mächtige  Waldgebirge, 
die  Wiege  der  brettischen  Nation  stellt  sich  scheinbar  als  eine  einzige 
Festung  dar  (l  245).  Den  stärksten  Schutz  besitzt  sie  im  Westen 
wo  nur  der  Murcone  vom  mittleren  Crathis  und  der  Sabatus  von 
der  tyrrhenischen  Küste  aus  den  Zutritt  erleichtern.  Dagegen 
nimmt  die  Erhebung  nach  dem  ionischen  Meer  hin  ab,  zahlreiche 
Wasserläufe  lockern  das  Innere  auf.  Vom  Westrand  gehen  in  süd- 
östlicher und  östlicher  Richtung  eine  Reihe  von  Zügen  aus  die  die 
ganze  Masse  in  verschiedene  Abschnitte  gliedern.  Wir  können  ihrer 
4  annehmen  und  nach  den  bedeutendsten  Flüssen  benennen.  — 
Der  Nordrand  der  sich  zur  Ebene  von  Sybaris  abdacht,  dann  die 
südöstlich  streichende  Küste  einfafst  bis  zur  Punta  dell'  Alice,  wo 
sie  nach  Süden  umbiegt,  weist  Höhen  von  11 — 1200  m  auf.  Der 
M.  Paleparto  erreicht  1481  m  und  wird  im  Süden  vom  Tgäeig 
Trionto  umflossen.  Dies  ist  der  ansehnlichste  unter  den  Wasser- 
läufen dieses  Abschnitts  und  theilt  ihn  in  zwei  Hälften.     An  seinen 


einem  Zuflufs  des  Neto  (S.  936)  zu  suchen.  Genannt  wird  die  Stadt  auTser 
den  A.  7  angefülirten  Stellen  Plut.  de  fortuna  Rom.  13  Steph.  Byz. ,  ohne 
Nennung  den  Lucanern  zugeschrieben  Pausan.  I  11,  3.  7.  —  Ob  Mardonia  das 
Theopomp  nach  Plin.  Hl  98  als  Alexanders  Todesort  in  Lucanien  angiebt,  ver- 
lesen sei,  ist  nicht  zu  entscheiden:  da  solcher  Name  nirgends  vorkommt,  scheint 
es  in  der  That  so. 

1)  Liv.  XXIX  38. 

2)  Head  H.  N.  90.     Auf  einem  Stater  wird  der  Krathis  genannt,  also  das 
Quellgebiet  in  dem  die  Stadt  lag,  mit  Recht  auf  den  Hauptstrom  bezogen. 

3)  Liv.  XXX  19  und  nach  anderer  Quelle  XXIX  38. 

4)  CIL.X5*. 


§  1.    Das  Nordland.  935 

Ufern  erlitten  die  Sybariten  die  entscheidende  Niederlage  der  die 
Zerstörung  ihrer  Stadt  auf  dem  Fufs  nachfolgte  i);  hier  gründeten 
sie  ein  neues  Sybaris  das  um  450  den  Brettiern  erlag. 2)  Jenseit 
des  Trionto  treten  Höhen  von  1 — 200  m  so  hart  an  den  Strand 
dafs  kaum  für  die  Strafse  Raum  bleibt.  Dies  ist  das  engste  Stück 
jenes  Küstenpasses  der  bei  Prokop  Labulla  heifst  (S.  926)  und  die 
Herrschaften  von  Sybaris  und  Kroton  gegen  einander  abgrenzt. 
Der  413  als  Grenzflufs  der  Thuriatis  bezeichnete  'YXiag  kann  füglich 
nur  der  Torrente  Fiumenica  am  Ausgang  des  Passes  sein. 3)  An 
ihm  lag  Paternum  27  Millien  von  Rossano  (S.  923),  alter  ßischof- 
sitz  der  im  9.  Jahrhundert  nach  Cirö  verpflanzt  ward.4)  Vom  Hylias 
ab  beginnt  die  Krotoniatis.  Unter  K^i/uiaoa  axoa  ist  die  Punta 
deir  AHce  zu  verstehen.^)  Die  gleichnamige  Stadt,  angebhch  eine 
Gründung  Philoktets  hat  8  km  weiter  südlich  am  linken  Ufer  des 
Lipuda  gelegen. 6)  Ein  Flufs /C()/7a(7a  ist  bezeugt''):  dies  ist  mit- 
hin der  Lipuda  und  nach  ihm  das  früh  untergegangene  Städtchen 
benannt.  In  der  i\ähe  wurde  von  hellenischen  Gelehrten  Xojvt] 
die  Hauptstadt  der  ehemaligen  Choner  gesucht.^)  —  Der  zweite 
Abschnitt  der  Sila  wird  durch  den  80  km  langen  Neaethus  >'eto 
aufgeschlossen,  den  grölsten  Fliifs  der  Krotoniatis  und  deshalb  auch 
von  Plinius  aufgeführt.  9)  Wie  die  Akropolis  von  der  Neustadt  um- 
fafst  wird,  baut  sich  im  Inneren  der  Gebirgsfestuog  ein  gewaltiges 
Massiv  auf  das  sich  über  60  km  von  Nord  nach  Süd  und  40  km 
von  West  nach  Ost  erstreckt.  Durch  ihre  Höhenlage  ist  die  Land- 
schaft auf  Wald-  und  Weidenutzung  angewiesen  (I  246).  In  engen 
Schluchten    müssen    sich    die   Gewässer   Bahn    brechen    und   diese 


1)  Jamblich  v.  Pyth.  260. 

2)  Diod.  XII  22  Strab.  VI  264.  Eine  längere  Dauer  der  Stadt  läfst  sich  aus 
der  5.  Idylle  Theokrits  nicht  folgern. 

3)  Thuk.  VII  35. 

4)  It.  Ant.  114  vgl.  Holste  zu  Gluver  1315,  10. 

5)  Strab.  VI  254. 

6)  Lykophr.  AI.  913  Strab.  VI  254  Steph.  Byz.  Koiuiaa. 

7)  Steph.  Byz. 

8)  Strab.  VI  254  Steph.  Byz.  Tzetzes  zu  Lykophr.  912. 

9)  Plin.  I!I  97.  Vermutlich  ist  auch  It.  Ant.  114  Meto  in  Neto  zu  ändern, 
dann  aber  auch  die  Entfernung  von  Paternum  auf  22  statt  32  Millien  zu  kürzen. 
Theokrit  4,  24  N^ai&os,  Strab.  VI  262  Suid.  Niaid^os;  Lykophr.  AI.  921  m. 
Schol.  Euphorion  bei  Steph.  Byz.  'Aay.avia  schreiben  Navai&os,  da  die  Fabel 
von  der  Verbrennung  der  Schiffe  durch  die  gefangenen  Troianerinnen  hier  wie 
anderswo  gespielt  haben  soll. 


936  Kapitel  XVI.     Bruttium. 

Klausen  sind  mit  Leichtigkeit  zu  sperren.  Sie  fliefsen  nach  allen 
Weltgegenden,  aber  die  bedeutendsten  sammeln  sich  zum  Neto.  Es 
sind  vier  durch  17 — 1900  m  hohe  Bergstöcke  getrennte  Ströme. 
Der  nördlichste  führt  den  Namen  Neto,  entspringt  an  Macchia  Sacra 
(1884  m)  und  Botte  Donato  (1930  m),  beschreibt  dann  einen  Bogen 
zwischen  M.  Pettinascura  (1707  m)  und  M.  Volpintesta  (1750  m) 
hindurch.  Der  letztere  Zug  auf  der  einen,  der  M.  Carlomagno 
(1670  m)  auf  der  anderen,  der  südlichen  Seite  begrenzen  den 
Garga.  Länger  als  dieser  ist  der  Arvo:  seine  Quellen  liegen  am 
Colle  della  Vacca  (1755  m)  denen  des  Crathis  gegenüber;  nach 
Süden  wird  er  durch  eine  Kette  umschlossen  die  im  Montenero 
(1881  m)  gipfelt.  Die  drei  genannten  Ströme  vereinigen  sich  am 
Fufse  des  Hauptortes  der  Sila,  S.  Giovanni  in  Fiore  (1132  m)  bei 
807  m  Meereshöhe.  Nunmehr  windet  sich  der  Neto  in  südöstlicher 
Richtung  15  km  lang  durch  eine  Enge  und  fällt  dabei  640  m.  Im 
letzten  Drittel  wird  er  durch  den  vom  M.  Cardoneto  (1675  m) 
kommenden  AmpoUino,  das  vierte  Glied  dieser  Gruppe  verstärkt. 
Aufserhalb  der  Enge  ändert  der  Neto  seine  Richtung  nach  Osten 
und  vollzieht  seinen  30  km  messenden  Unterlauf  durch  ein  Hügel- 
land von  mäfsiger  Erhebung:  Theokrit  preist  die  Futterkräuter  an 
dem  niedrigen  Ufer.i)  Er  ist  fischreich  und  trocknet  im  Sommer 
nicht  aus.  Von  Norden  her  fliefsen  der  Lese  oder  Senapido,  end- 
lich der  Vitravo  ein.  Etwa  8  km  von  der  antiken  Mündung  des 
Neto  in  nordwestlicher  Richtung,  geradeaus  vom  Strand  gegen  5  km 
entfernt  thront  Strongoli  (341  m):  nach  der  Gestalt  des  Stadthügels 
haben  die  Byzantiner  die  Festung  umgetauft  2):  ehedem  hiefs  sie 
Petelia  IIsTrjkla.^)  Die  Hellenen  schrieben  IMiiloktet  die  Gründung 
zu^):  in  der  That  lehren  Inschriften  und  Münzen  gleicher  Mafsen 
dafs  die  griechische  Sprache  hier  bis  zum  Empfang  des  Bürgerrechts 
89  v.  Chr.  geherrscht  habe.^)  Es  war  wie  Vergil  sagt,  eine  kleine 
Stadt,  aber  schwer  angreifbar,  weil  sie  nach  Süden  300  m  und  auch 
an    den    übrigen  Seiten   steil   abfällt.     Sie  überwachte  den  Austritt 


1)  Theokrit  4,  24. 

2)  Vgl.  Prokop  de  aedif.  IV  8. 

3)  Die  Schreibung  Petüia  beruht  auf  Misbrauch ,  CIL.  X  1  p.  15  Eph.  ep. 
VIII  p.  73. 

4)  Strab.  VI  254,  Verg.  Aen.  III  402  dazu  Serv.,  Solin  2,  10. 

5)  Kaibel  p.  156,  aus  römischer  Zeit  Kupfermünzen  mit  neiTjlivcJv  Head 
H.  N.  91. 


§  1.     Das  Nordland.  937 

des  Neto  ins  Meer  und  konnte  die  Lebensader  eines  ausgedehnten 
Hinterlandes  unterbinden.  Früh  ist  sie  dem  Machtgebiet  Krotons 
einverleibt  worden,  entbehrt  deshalb  auch  in  älterer  Zeit  des  Münz- 
rechts. Dann  gerät  sie  unter  ßeihülfe  des  älteren  Dionys  in  die 
Hände  der  Eingeborenen  und  dient  als  Stützpunct  zur  Bekämpfung 
von  Thurii.i)  216  v.  Chr.  gehört  sie  zum  breltiscben  Bunde,  bleibt 
aber  gleich  den  anderen  Städten  der  Halbinsel  den  Bomern  treu.2) 
Wenn  sie  im  Unterschied  von  ihren  Schwesteru  eine  elfmonatliche 
Belagerung  aushält  und  schliefslich  ausgehungert  wird,  so  ist  dies 
nicht  nur  ein  Beweis  für  ihre  Festigkeit,  sondern  auch  für  ihre 
Verfeindung  mit  den  wilden  Gesellen  der  Berge. 3)  Sie  erhält  neue 
Ansiedler  und  gewährt  im  Forlgang  des  Krieges  bis  zu  ihrer  Bäumung 
den  Karthagern  Schutz.*)  Als  Born  wieder  Herrin  im  Lande  war, 
wurden  die  ehemaligen  Bewohner  die  sich  gerettet  hatten,  aufgesucht, 
in  ihr  Eigentum  eingesetzt  und  neben  anderen  Vorrechten  durch 
das  Münzrecht  belohnt.^)  Ihr  Gebiet  wird  später  noch  als  Schau- 
platz des  Sklaven kriegs  erwähnt. 6;  Im  Uebrigen  erfreute  sich  Pelelia 
mit  anderen  brettischen  Städten  verglichen,  einer  bemerkenswerten 
Blüte.'')  In  der  Friedenszeit  wanderte  die  Bevölkerung  zu  Thal, 
es  entstand  eine  neue  Ansiedlung  am  Fufs  des  Stadthügels  nach 
der  Küstenstrafse  hin.  Seit  dem  italischen  Krieg  war  Petelia  Muni- 
cipium  in  der  Tribus  Cornelia  und  bediente  sich  der  lateinischen 
Sprache.  —  Der  dritte  Abschnitt  in  der  Entwicklung  der  Sila  wird 
durch  den  60  km  langen  Thagines  Tacina  entwässert.^)  Er  ent- 
springt am  Tempone  Morello  (1657  m)  und  wird  im  Norden  durch 
einen  16 — 1700  m  hohen  Bergstock  vom  Ampollino  geschieden. 
Im  Süden  steigt  Petto  di  Mandra  1682  m  auf  und  bildet  die  Grenz- 
wand  gegen    den  Solio,    seinen  wichtigsten  Zuflufs.     Während  der 


1)  Die  Zeilbestimmung  vor  der  Schöpfung  des  bretlischen  Staats  folgt  aus 
Strab.  VI  254,  wo  sie  eine  Metropole  der  Lucaner  und  Festung  der  Samniten 
heifst. 

2)  Liv.  XXlll  20. 

3)  Pol.  VII  1  Liv.  XXIll  30  Fronlin  IV  5,  18  Vai.  Max.  VI  6  ext.  2  Petron  141 
Sil.  It.  XII  431   Appian  Hann.  29. 

4)  Liv.  XXVIl  26  Appian  Hann.  59.  60  Piut.  Marc.  29. 

5)  Appian  Hann.  29. 

6)  Piut.  Grass.   11,4. 

7)  Strab.  VI  254  Mela  II  68  Plin.  III  96  Plol.  III  1,  66  Tab.  Peul.  Geogr. 
Rav.  IV  31  Pelia  Guido  30.  72  Pellia  Steph.  Byz. 

8)  Erstere  Form  Plin.  III  96,  letztere  It.  Änt.  114. 


938  Kapitel  XVI.     BruUium. 

Tacina  im  Hochland  nach  Osten  strömt,  biegt  er  für  die  zweite 
Hälfte  seines  Laufes  nach  Süden  um.  Das  Heisebuch  beziffert  auf 
der  Kilstenstrafe  den  Abstand  zwischen  Neto  und  Tacina  auf  24  Millien. 
Beim  Austritt  aus  dem  Gebirge  sind  beide  Flüsse  einander  bis  4  km 
genähert.  Alsdann  treibt  ein  Höhenzug  (M.  Fuscaldo  565  m)  sie  aus 
einander  und  nach  verschiedenen  Himmelsgegenden  dem  Meere  zu. 
Dem  Durchschnitt  der  Ost-  und  Süd-Richtung  entsprechend  setzt 
sich  das  Land  in  einem  breiten  Auswuchs  fort,  dessen  Nordspitze 
promunturhim  Lacinium  Capo  delle  Colonne  die  Grenze  des  Taren- 
tiner  Golfs  darstellt  (S.  865)  und  von  der  Südspitze  Capo  Rizzuto 
18  km  entfernt  ist.  Der  ganze  umschriebene  Raum  weist  kaum 
Erhebungen  über  200  m  auf  und  macht  im  Gegensatz  zum  Hoch- 
land den  Eindruck  einer  Ebene.  Die  Bedingungen  für  die  Schöpfung 
eines  grofsen  Stadtwesens  waren  ähnlich  wie  am  unteren  Crathis 
vorhanden,  doch  fehlt  es  nicht  an  Besonderheiten. 

Während  Sybaris  eine  Landstadt  war  (S.  920) ,  ist  KqÖtcov 
Croton  Cotrone  von  der  See  ausgegangen  und  bis  auf  den  heutigen 
Tag  eine  Seestadt  geblieben,  i)  Den  grofsen  Wolstand  der  Kroto- 
niaten  leitet  Polybios  einzig  und  allein  daraus  her  dafs  sie  an  der 
hafenlosen  Küste  von  Rhegion  bis  Tarent  den  einzigen  Ankerplatz 
besäfsen ,  obwohl  dieser  nur  für  den  Sommer  geeignet,  an  Aus- 
dehnung nnd  Güte  mit  dem  tarentinischen  entfernt  nicht  vergleich- 
bar wäre. 2)  Aus  der  sanft  geschwungenen  Küste  springt  15  km 
von  der  Mündung  des  Neaethus,  9  km  vom  lacinischen  Vorgebirge 
ein  43  m  hoher  Hügel  vor.  Etwa  1,5  km  westlich  davon  mündet 
ein  kleiner  Bach  Ataaqog  Aesar  Esaro.3)  Ob  dessen  Mündung 
einst  Schiffe  aufnehmen  konnte,  steht  dahin;  jedenfalls  war  die 
Rhede  durch  das  Vorgebirge  gegen  Süd-  durch  das  Land  gegen 
Westwinde  geschützt.  In  der  Folge  hat  man  den  Schutz  durch 
Molen  künstlich  verstärkt.  Das  Vorgebirge  wird  von  der  mittel- 
alterlichen   und    heutigen  Stadt   eingenommen,    hat  auch   vermöge 


1)  Die  Form  Crotona  kommt  am  Ausgang  des  Altertums  vor  It.  mar.  489. 
90  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  31  Guido  30.  72;  Colroiia  schon  Greg.  M.  Reg. 
II  39.  40. 

2)  Pol.  X  1  Liv.  XXIV  2. 

3)  Oft  auf  Münzen  dargestellt;  Lykophr.  AI.  011  Theokrit  4,  17  Dion. 
Per.  370  Strab.  VI  262  Diod.  VIlI  17  Üvid  Met.  XV  23;  Stepli.  Byz.  KqUoiv 
läfst  ihn  von  einem  Berg  dieses  Namens  entspringen,  v/ixs  wol  auf  einer  Ver- 
wechslung beruht. 


§  1.    Das  Nordland.  939 

seiner  Festigkeit  und  seiner  günstigen  Lage  für  die  Seefahrer  in 
frühen  Zeiten  zur  Besiedlung  aufgefordert.  Nach  der  glauhhaften 
Angabe  des  Ephoros  haben  die  Japyger  den  Ort  vor  den  Hellenen 
inne  gehabt  (I  544).  Auf  Münzen  die  um  400  v.  Chr.  geschlagen 
sind,  wird  Herakles  als  Gründer  bezeichnet. i)  Auf  seiner  \yanderung 
findet  er  bei  Kroton  Aufnahme,  todtet  unfreiwillig  den  Gastfreund 
und  errichtet  ihm  ein  prächtiges  Grabmal:  derart  lührt  die  Fabel 
den  Stadtnamen  auf  einen  einheimischen  Fürsten  zurück. 2)  Die 
älteste  Sage  befafst  sich  mit  solchen  Deutungen  nicht,  sondern  er- 
zählt dafs  Achaeer  unter  Myskellos  das  Gemeinwesen  schufen. 3)  Das 
geschah  am  Ausgang  des  8.  Jahrhunderts,  als  auch  Syrakus  Sybaris 
Tarent  ins  Leben  traten:  im  Einzelnen  lassen  sich  die  Daten  nicht 
genau  feststellen.  Die  Altstadt  auf  dem  Vorgebirge  ist  später  zur 
ragenden  Burg  geworden. 4)  Die  Häuser  sind  bis  und  über  den 
Aesar  vorgerückt,  so  dafs  der  Bach  mitten  durch  bewohnte  Quartiere 
flofs  und  die  Ringmauer  auf  den  jenseitigen  Hügeln  eine  Länge 
von  12  Millien  erreichte. 3)  Dies  Mafs  wird  für  280  v.  Chr.  bezeugt: 
es  beträgt  reichlich  die  Hälfte  der  Ausdehnung  von  Syrakus  der 
gröfsten  hellenischen  Stadt,  annähernd  das  Gleiche  wie  der  Umfang  des 
aurelianischen  und  das  Doppelte  vom  Umfang  des  servianischen  Rom. 
Aber  über  das  Wachstum  von  Kroton  und  die  Geschichte  seiner 
Erweiterungen  bleibt  die  Ueberlieferung  stumm  wie  ein  Fisch.  Der 
Mangel  wird  keineswegs  durch  die  Ergebnisse  örtlicher  Forschung 
ausgeglichen.  In  keiner  Giofsstadt  Alt  Italiens  ist  mit  den  Denk- 
mälern gründlicher  aufgeräumt  worden.  Nach  dem  langsamen  Ab- 
bruch im  Mittelalter  lieferten  die  immer  noch  ansehnlichen  Reste 
1541  das  Material  zur  Errichtung  von  Festungswerken  gegen  die 
Barbaresken.  —  Der  Grüfse  der  Stadt  hat  das  von  ihr  abhängige 
Gebiet  entsprochen  und  mag  in  der  Zeit  höchster  Machtfülle  4  oder 
5000  Ckm  80  deutsche  Ouadratmeilen  umspannt  haben.  Hinsichtlich 
der  Topographie  sind  wir  in  beiden  Fällen  gleich  übel  dran,  können 
von    der  Landschaft   ebenso  wenie:   ein  farbenfrohes  Bild  vorführen 


1)  Read  H.  N.  80  fg. 

2)  Htrakl.  Pont.  fr.  36  (II  223  Müller)   Diod.  IV  24,  7  Ovid    Met.  XV  15 
Jamblich  v.  Pylli.  50  Et.  M. 

3)  Hippys  fr.  4  (II  14  Möller)  Antiochos  Strab.  VI  262  Diod.  VIII  17  Skymn- 
325  Dion.  H.  II  59. 

4)  Sil.  It.  XI  18  aUa  Croton,  Liv.  XXIV  3,  8. 

5)  Liv.  XXIV  3,  1. 


940  Kapitel  XVI.     Brnttium. 

wie  von  der  Stadt;  denn  die  namhaft  gemachten  Oerthchkeiten 
lassen  sich  in  der  Regel  nicht  hestimmen.  Immerhin  sind  die 
Hauptzüge  der  Entwicklung  von  der  ^alur  vorgezeichnet.  Zunächst 
werden  die  Achaeer  die  fruchlhare  Ebene  zwischen  Neto  und  Ta- 
cina,  recht  eigentlich  das  Weichbild  Krotons  unterworfen  haben. 
Von  dieser  starken  Basis  ihrer  Macht  drangen  sie  nach  allen  Seiten 
erobernd  vor.  Jenseit  des  Neto  lockte  gleifsendes  Metall:  am  Ober- 
lauf seines  letzten  Zuflufses,  des  Vitravo  ist  im  Altertum  bei  Ver- 
zino  (550  m)  auf  Silber  gebaut  worden;  es  steht  nichts  im  Wege 
die  dem  Philoktet  als  Gründer  zugeschriebene  Ortschaft  Vertinae 
hier  zu  suchen,  i)  Dafs  Kroton  über  bedeutende  Erzlager  verfügte, 
ersieht  man  aus  der  Reichhaltigkeit  seiner  Prägung  die  in  älterer  Zeit 
es  Sybaris  zuvor  thut  (S.  919)  und  im  5.  Jahrhundert  der  taren- 
tinischen  gleich  kommt  (S.  870).  Es  hat  auch  Petelia  (S.  936) 
Krimissa  (S.  935)  Macalla'^)  und  andere  angebHch  von  Philoktet 
herrührende  Ortschaften  in  Abhängigkeit  gebracht,  aber  an  dem 
Küstenpafs,  der  von  Natur  bestimmten  Grenze  Halt  gemacht.  Wol 
ist  der  Siegeszug  seiner  Waffen  durch  den  Bergwall  nicht  ver- 
hindert worden;  jedoch  bildet  der  Ilylias  auch  nach  der  Zerstörung 
von  Sybaris  die  Nordgrenze  der  Krotoniatis  (S.  935).  Die  Schranken 
die  sich  der  Ausdehnung  im  Südwesten  entgegen  stellten,  waren 
leichter  zu  überwinden.  Die  Achaeer  erobern  die  Küsten  des  Golfs 
von  Squillace,  setzen  sich  durch  die  Gründung  von  Terina  am 
tyrrheiiischen  Meer  fest  (S.  931),  bringen  den  Isthmus  in  ihre  Ge- 
walt. Kaulonia  unterwirft  sich  ihrer  Führung,  weitere  Versuche 
solche  über  den  ganzen  Süden  zu  erstrecken  werden  durch  Lokrcr 
und  Rheginer  vereitelt.  —  Die  aufgezählten  Erfolge  gehören  den 
ersten  Jahrhunderten  nach  der  Gründung  an.  Von  dieser  Ilelden- 
zeit  meldet  keine  Chronik:  wie  die  drei  wichtigsten  Ereignisse  von 
denen  wir  Kunde  haben,  der  Sturz  von  Sybaris,  die  Niederlage  an 
der  Sagra,  die  Austreibung  der  Pythagoreer,  zeitlich  auf  einander 
gefolgt  sind,  selbst  darüber  bewegen  sich  die  erhaltenen  Berichte 
in  unlösbaren  Widersprüchen.  Kriegerische  und  körperliche  Tüchtig- 
keit, heifst  es 3),  wurde  ausgebildet;  keine  andere  Stadt  hat  so  viel 
Kränze  in  Olympia  errungen.  Aber  wenn  die  Alten  das  Geheim- 
nifs    solchen    Ruhmes    in    der   besonderen    Gesundheit   des  Landes 


1)  Strab.  VI  254. 

2)  (Arist.)  mir.  ausc.  107. 

3)  Strab.  VI  262  Cic.  de  inv.  II  2. 


§  1.     Das  Nordland.  941 

erkcnneu  wollen,  so  haben  sie  lediglich  den  Gegensatz  zu  Sybaris 
vor  Augen  und  verleihen  ihm  eine  ungebührliche  Tragweite. i) 
Sicherlich  ist  die  Luft  auf  den  Hügeln  besser  als  in  der  Niederung 
des  Crathis  (I  414) ;  die  Erklärung  jedoch  warum  die  Krotoniatis 
ein  so  starkes  Geschlecht  zeugte,  gewährt  der  Bau  der  Halbinsel. 
Die  Hauptmasse  der  Sila  wird  durch  Neto  und  Tacina  erschlossen, 
im  Kampf  mit  den  Schrecken  des  Hochgebirgs  und  dem  Freiheitsdrang 
seiner  Bewohner  übte  die  Jugend  Rrotons  alle  Künste  der  Palaestra.  Ihr 
Vorbild  istMilon  den  6  olympische  und  7  pythische  Kränze  schmückten, 
der  Simson  unter  den  Hellenen.  Eine  sinnige  Sage  läfst  ihn  im 
Walde  verkommen,  als  er  zur  Erprobung  seiner  schwindenden  Kraft 
einen  halb  gespaltenen  Baum  aus  einander  reifsen  will,  mit  Händen 
und  Füfsen  in  den  Spalt  greift  dafs  die  Keile  herausfallen;  aber 
die  beiden  Hälften  des  Stammes  schnellen  jäh  zurück,  fesseln  den 
alten  Helden  und  bieten  ihn  den  Wulfen  zum  Frafs  dar.  Ob  das 
Schicksal  der  Vaterstadt  dem  Erzähler  vor  der  Seele  schwebte  oder 
nicht,  gleichwol  hat  er  ihm  bildUchen  Ausdruck  verliehen:  volle 
Manueskraft  allein  konnte  das  Erbe  der  Väter  behaupten.  Wo  die 
geschichtliche  Ueberlieferung  einsetzt,  im  5.  Jahrhundert  beginnt  sie 
zu  erlahmen.  Neben  dem  Grofsgrundbesitz  der  das  Regiment  führte 
und  im  pythagoreischen  Bunde  festen  Halt  suchte,  war  der  Demos 
empor  gekommen.-)  Von  gewerblicher  Thätigkeit  boren  wir  nichts; 
denn  die  angesehene  medicinische  Schule  bestätigt  nur  die  ohnehin 
bekannte  Blüte  der  W'issenschaft.^)  Immerhin  kann  eine  Stadt  vom 
Umfang  Krotons  nicht  ausschliefslich  von  Schiffern  und  Händlern 
bevölkert  worden  sein.  Die  Feindschaft  zwischen  Adel  und  Ge- 
meinde loderte  zeilweise  in  hellen  Flammen  (I  64)  und  glomm  fort 
bis  zum  Verlust  der  Unabhängigkeit. 4)  Den  Verwicklungen  die  die 
hellenische  Nation  in  und  nach  den  Perserkriegen  erschütterten, 
schaute  Kroton  unthälig  zu.  Zwar  hat  es  von  den  Westhellenen 
allein  480  für  die  gemeinsame  Freiheit  hei  Salamis  gefochten,  aber 
die  Hülfleistung  beschränkte  sich  auf  ein  einziges  Schiff. &)  Mit 
Thurii   schlofs   es  Freundschaft,    beobachtete   im   peloponnesischen 


1)  Strab.  VI  262  Plin.  II  211  u.  a. 

2)  Val.  Max.  VIII  i5  ext.  1  Justin  XX  4  Diog.  Laert.  Vlil  1,3  Jamblich  v. 
Pyth.  248  fg.  Porph.  v.  Pyth.  54  fg. 

3)  Herod.  III  131  Aristot.  iMet.  I  5,  6  u.  o. 

4)  Liv.  XXIV  3. 

5)  Herod.  VIII  47. 


942  Kapitel  XVI.     Brutlium. 

Kriege  Neutralität.!)  Aus  seiner  beschaulichen  Ruhe  wurde  es 
endlich  durch  die  Herrscher  von  Syrakus  unliebsam  aufgestört.  In 
dem  Freiheitskrieg  389  übernimmt  Kroton  als  volkreichste  Stadt 
die  Führung  der  Italioten.^)  Aber  das  Glück  der  Waffen  hat  sie 
auf  immer  verlassen.  Dionys  überrumpelt  die  Burg  und  behält  die 
Stadt  13  Jahre  lang  in  seiner  Gewalt.3)  317  lagern  die  Brettier 
vor  ihren  Mauern,  ein  syrakusischer  Feldherr  entsetzt  sie  und  wirft 
sich  zum  Tyrannen  auf.4)  Als  sodann  die  Romer  eingreifen,  steht 
der  Adel  auf  ihrer,  das  Volk  auf  Seiten  der  Gegner.  Im  Krieg  mit 
Pyrrhos,  wo  Kroton  wie  ein  Spielball  aus  einer  Hand  in  die  andere 
übergeht,  sinkt  die  Einwohnerschaft  von  ihrer  ehemaligen  Hohe  tief 
herab  5):  216  wird  die  Zahl  der  Bürger  nur  auf  2000  beziffert,  die 
Quartiere  jenseit  des  Aesar  sind  geräumt,  ein  breiter  unbewohnter 
Gürtel  scheidet  die  Burg  von  der  Sladt.ß)  —  Unter  Hannibals  Ver- 
mittlung zogen  215  die  Breitier  in  die  verödeten  Mauern  ein,  die 
frühere  Herrin  wurde  zur  Gefährtin  der  Sila.  Die  Kinder  des 
Landes  haben  die  Wolthat  vergolten,  ihr  Herzblut  in  eigener  und 
fremder  Sache  vergossen.  Die  römische  Uebermacht  hat  206 — 203 
einzelne  Vorwerke  genommen,  aber  die  Räumung  der  Bergfestung 
lediglich  durch  den  Einfall  in  Africa  erzwungen.'^)  Aus  diesem 
letzten  Ruhmesblatt  der  krotoniatischen  Chronik  leuchten  dem  Leser 
die  erhabenen  Züge  der  Landschaft  entgegen.  Nunmehr  zieht  das 
Fieber  auf  den  Fluren  ein  deren  Reize  Theokrit  besungen  hatte, 
und  jene  Verwahrlosung  welche  die  ganze  heutige  Küste  entstellt 
(I  336).  Der  Menschenarmut  aufzuhelfen  bezweckte  die  194  ent- 
sandte Bürgercolonie  nicht,  diente  vielmehr  augenscheinlich  als 
Stutze  für  die  Verwaltung  der  ausgedehnten  Domänen. 8)  Der  Hafen 
verhütete  die  völlige  Erstarrung  des  Lebens.'^)  Aber  in  der  Kaiser- 
zeit war  und  blieb  Kroton  eine  gefallene  Gröfse.i^)     De^  ererbten 


1)  Diod.  XII  11  XIII  3  Thukyd.  VII  35. 

2)  Diod.  XIV  100.  103. 

3)  Liv.  XXIV  3  Dion.  H.  XX  7. 

4)  Diod.  XIX  3.  10  XXi  4. 

5)  Zonal.  VIII  6  (p.  123.  127  Pinder)  Fronlin  III  6,  4, 

6)  Liv.  XXIII  30  XXIV  3. 

7)  Liv.  XXIX  36  XXX  19  Appian  Hann.  57. 

8)  Liv.  XXXIV  45. 

9)  Cic.  ad  All.  IX  19,  3  It.  mar.  489.  90. 

10)  Dio  Or.  XXXIII  401  M;  Petioii  116  wo  die  grelle  Sittenschilderung  auf 
Rom  gemünzt  ist. 


§  1.    Das  Nordland.  943 

Titel  Colonie  deu  es  beansprucht,  fehlte  der  Inhalt  und  deshalb 
auch  die  Anerkennung  des  Augustus.^)  Schliefslich  hat  es  552  eine 
hartnäckige  Belagerung  durch  die  Gothen  ausgehalten  und  ist  unter 
byzantinischer  Herrschaft  wieder  griechisch  geworden,  bis  mit  den 
Normannen  eine  neue  Epoche  anhebt.^) 

In  einem  siidüsthchen  Abstand  von  6  Millien  3)  folgt  t6  yla/.iviov 
^axivia  anga  promunturium  Lacinium.^)  Es  endigt  in  Gestalt 
eines  Fufses  (24  m)  dessen  nach  Norden  gewandte  Spitze  den  be- 
rühmten Tempel  trägt.  Da  der  Tempel  ein  wichtiges  weithin  sicht- 
bares Seezeichen  abgiebt,  heifst  das  Vorgebirge  im  alten  Cursbuch 
Naus  d.  h.  vaög,  in  der  Neuzeit  Capo  Nau  oder  Capo  delle  Colonne. 
Jetzt  ist  es  nur  noch  eine  8,29  m  hohe  Säule,  im  17.  Jahrhundert 
waren's  zwei,  um  1520  wurde  die  leidlich  erhaltene  Ruine  für  den 
Bau  des  bischöflichen  Palasts  in  Cotrone  abgebrochen.  Der  Tempel 
war  langgestreckt  (angeblich  48  Säulen  mit  6  in  der  Front)  und 
wird  nach  seinen  altertümlichen  Verhältnissen  um  600  v.  Chr.  er- 
richtet sein.  Sein  Ursprung  reichte  höher  hinauf^):  Heia  hat  eine 
einheimische  Göttin  verdrängt,  ähnlich  wie  sie  selbst  nach  tausend- 
jähriger Herrschaft  der  Madonna  del  Capo  weichen  mufste.  Ein 
Tannenwald  mit  fetten  Weiden  lieferte  dem  Heiligtum  reichen  Ertrag, 
zur  Messe  strömten  die  Italioten  von  weit  und  breit  herbei,  weihten 
der  Göttin  die  schönsten  Kunstwerke  und  die  kostbarsten  Ge- 
schenke. 6j  Der  angehäufte  Schatz  wurde  geplündert  und  wieder 
erneuert. ')  Hannibal  liefs  ihn  unberührt  und  stiftele  einen  Bericht 
über  seine  Thaten  auf  Erz.  §)  Aber  der  Censor  Q.  Fulvius  Flacus  ent- 
blödete sich  nicht  174  den  Tempel  seiner  Marmorziegel  zu  berauben  um 

1)  CIL.  XI  p.  14,  griechische  Inschriften  fehlen;  Plin.  Hl  97  Mela  II  68 
Ptol.  111  1,  10. 

2)  Prokop  b.  Goth.  1  15  111  28  IV  25.  26. 

3)  Die  überlieferten  Zahlen:  16  Liv.  XXIV  3,  150  Stadien  Strab.  VI  262 
sind  aus  6  und  50  veischiieben;  100  Stadien  =  10  Millien  It.  mar.  490  von 
Hafen  zu  Hafen  etwas  hoch  gerechnet. 

4)  Strab.  VI  262.  281  Et.  M.  Appian  Sanin.  7  b.  civ.  V  133  iMela  U  68 
Plin.  111  43.  96.  97.  99  Ptol.  111  1,  10  Steph.  Byz.  Suid.  Lykophr.  AI.  856  m. 
Schol. 

5)  Serv.  V.  Aen.  lU  552  Dien.  H.  I  51  Diod.  IV  24,  7;  der  Ursprung  des 
Namens  mag  auf  die  Japyger  zurückgehen  (I  544). 

6)  Skylax  13  (Arist.)  mir,  ausc.  96  Athen.  XU  541a  Cic.  de  iuv.  II  1  Liv. 
XXIV  3. 

7)  (Arist.)  mir.  ausc.  96  Plut.  Pomp.  24,  5  Appian  b.  civ.  V  133. 

8)  Cic.  de  divin.  I  48  Pol.  111  33,  18  56,  4  Liv.  XXVIH  46. 


944  Kapitel  XVI.     Bruttium. 

damit  in  Rom  einen  der  Fortuna  gelobten  Bau  einzudecken.  Der 
Senat  schickte  zwar  die  Ziegel  zurück,  aber  der  Unternehmer  fand 
nach  seiner  Aussage  keinen  fähigen  Künstler  um  sie  an  ihre  frühere 
Stelle  zu  bringen :  sie  blieben  also  in  der  Nähe  liegen  und  sind 
vor  einem  Menschenalter  entdeckt  und  zerstreut  worden,  i)  Das 
letzte  Zeugnifs  von  der  Verehrung  der  lacinischen  Juno  ist  die 
Inschrift  eines  kaiserlichen  Freigelassenen  und  Beamten  unter 
Traian.-)  —  Strabo  erwähnt  weiter  tluv  ^laTcvyoiv  ay-gat  rgstg: 
die  drei  Spitzen  heifsen  gegenwärtig  Capo  Cimiti  im  Osten  Capo 
Rizzuto  und  Le  Castella  im  Süden.  3)  Die  hervorragendste  ist  Capo 
Rizzuto  unter  38^  54'  als  Grenze  des  scylletischen  Busens,  von  den 
Alten  zfiooxovQiäg  benannt.  *)  In  der  alten  Küstenbeschreibung 
die  den  Namen  des  Skylax  führt,  steht  neben  dem  lacinischen 
Tempel  die  Insel  der  Kalypso  auf  der  Odysseus  verweilte.  Da 
Prokop  auf  das  entschiedenste  leugnet  dafs  bewohnbare  Inseln 
zwischen  Korkyra  und  Rhegion  vorkämen,  könnte  man  die  Angabe 
auf  sich  beruhen  lassen,  wenn  sie  nicht  durch  Plinius  in  einer 
Weise  bekräftigt  würde  die  GehOr  verdient.  ^)  Nach  ihm  liegt 
10  Millien  von  der  lacinischen  Küste  insula  Dioscoron,  sodann 
Calypsus  das  homerische  Ogygia,  ferner  Tyris  Eranusa  und  Meloessa. 
Somit  erhalten  wir  ein  verkleinertes  Seitenstück  zur  Gruppe  des 
Diomedes  die  auch  5  Inseln  umfafst  (I  371).  Ptolemaeos  kennt  sie 
nicht,  ein  Seebeben  mag  diese  Klippen  zerstört  haben,  vielleicht  in 
den  Anfängen  unserer  Zeilrechnung. 

Der  vierte  und  letzte  Abschnitt  in  der  Gliederung  der  Sila  be- 
fafst  den  Südrand  und  dessen  Abdachungen  zum  scylletischen  Busen. 
Das  Randgebirge  weist  Gipfel  von  15 — 1600  m  auf,  M.  Femmina- 
morta  im  Südosten  mifst  sogar  1740  m.  Da  die  gerade  Entfernung 
von  der  Küste  aus  30 — 40  km  kaum  überschreitet,  ist  die  Bildung 
von  Flufssystemen  ausgeschlossen.  Unter  einem  Dutzend  in  südöst- 
licher Richtung  parallel  herab  kommender  Giefsbäche  werden  vier 
als  schiffbar  hervorgehoben"):  was  auf  Flöfserei  (1335)  und  be- 
scheidene Landeplätze  an  den  Mündungen  hindeutet.     Die  Reihen- 


1)  Liv.  XLII  3  Val.  Max.  I  1,  20. 

2)  CIL.  X  106. 

3)  Slrab.  VI  261. 

4)  Diod.  XIII  3,  3. 

5)  Skylax  13  Prokop  b.  Gotb.  IV  22  Plin.  III  96. 

6)  Plin.  III  96. 


§  2.     Das  Südland.  945 

folge  und  theilweise  Erhaltung  der  Namen  ermöglicht  den  Aroga. 
im  Crocchio,  den  Semiriis  im  Simeri,  den  Crotalus  im  Alli,  endlich 
den  bedeutendsten  ^)  Carcinus  im  Corace  wieder  zu  finden.  Die 
Römer  hatten  bereits  um  270  v.  Chr.  die  halbe  Sila  als  Staatsgut 
sich  angeeignet  (I  246).  Die  andere  Hälfte  kam  nach  dem  hanni- 
bahschen  Kriege  hinzu  (1537);  denn  den  5  Gemeinden  mit  Selbst- 
verwaltung, die  für  das  nurdhche  Bruttium  allein  bezeugt  sind,  kann 
wenig  Wald  überlassen  worden  sein.  Als  Ertrag  der  Domäne  stand 
Holz^)  und  I*ech3)  obenan,  die  Viehzucht  kam  auch  in  Betracht  •*), 
ferner  wurden  Birnen  ^)  und  Kohl  6)  aus  Bruttium  ausgeführt.  Der 
Steuerpächter  führte  das  grofse  Wort');  wer  in  älterer  Zeit  die 
staatlichen  Rechte  ausübte,  ist  nicht  bekannt.  Unter  den  verschiedenen 
Verwaltungsbezirken  in  die  die  Domäne  zerfallen  sein  mufs,  ist  uns 
allein  der  ager  Teuranus  aus  dem  186  v.  Chr.  hierhin  gerichteten 
Sendschreiben  über  die  Bacchanalien  vertraut.  8)  Die  Erztafel  ward  in 
Tiriolo  das  gegen  600  m  hoch  auf  der  Wasserscheide  zwischen  beiden 
Meeren  liegt,  gefunden.  Da  auch  andere  Reste  des  Alterturas  zu 
Tage  gefördeit  werden,  z.  B.  1897  ein  Münzschatz  aus  den  letzten 
Jahren  des  hannibalischen  Kriegs 9),  so  ist  hier  in  Uebereinstimmung 
mit  der  Lage  der  Hauptort  des  Bezirks  anzusetzen. 

§  2.  Das  Südland. 
Der  letzte  Abschnitt  der  italischen  Halbinsel  umfafst  annähernd 
5000  Dkm  90  d.  DM.  und  vermittelt  den  Uebergang  nach  Sicilien.  In 
einer  älteren  Periode  der  Erdgeschichte  war  er  rings  vom  Meer  umflossen 
und  ist  spät  durch  den  Isthmus  von  Tiriolo  landfest  geworden  (I  245). 
Diese  Enge  die  an  schmälster  Stelle  nur  31  km  Breite  und  250  m 
Erhebung  aufweist,  hat  in  die  Entwicklung  Bruttiums  tief  eingegriffen 


1)  Mela  II  08. 

2)  Thukyd.  VI  90,  3  Athen.  V  208  e  Dion.  H.  XX  15  Greg.  M.  Reg.  IX  124 
bis  27. 

3)  Strab.  VI  261  Dion.  H.  XX  15  Coluni.  XII  18  Plin.  XIV  127  XV  31  XVI  53 
XXIV  37.  39  Dioskorid.  Mal.  med.  I  97  Galen  XIII  629  XIX  726.  740  K.  Veget- 
a.  vet.  IV  14.  15.  23.  25. 

4)  Vario  RR.  II  1,  2  Verg.  Georg.  III  219  Aen.  Xil  715,  Cassiod.  Var.  XII  12 
rühmt  den  Silanus  caseus. 

5)  Plin.  XV  55. 

6)  Plin.  XIX  140. 

7)  Liv.  XXV  1. 

8)  CIL.  XI  p.  13. 

9)  Not.  degli  Scavi  1898  p.  174. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde.    II.  60 


946  Kapitel  XVI.     BruUium. 

Der  Sage  nach  begrenzte  sie  das  Reich  des  Königs  Italos,  welcher 
Name  zur  Unterscheidung  zwischen  Festland  und  Insel  in  Umlauf 
kam  (I  60).  Der  ältere  Dionys  plante  den  Bau  einer  Mauer  um  die 
hellenischen  Freistadle  von  einander  zu  trennen  und  den  Süden 
bedingungslos  mit  der  sicilischen  Herrschaft  zu  verschmelzen:  jedoch 
wurde  die  Ausführung  vereitelt.  ')  Die  einzuhaltende  Linie  war 
einerseits  durch  den  Lauf  des  Lamato,  anderseits  den  des  Corace 
gegeben.  An  der  Mündung  des  Corace  ist  die  Marina  der  heutigen 
Provinzialhauplstadt  Catanzaro  die  10  l<m  oberhalb  343  m  hoch  liegt. 
Die  Rhede  ist  schlecht  genug,  immerhin  die  beste  am  ganzen  Golf 
von  Squillace.  Ueber  der  Mündung  am  rechten  Ufer  erhebt  sich 
der  Hügel  Roccella  (84  m)  mit  mittelalterlichen  und  antiken 
Trümmern.  2)  Die  letzteren  gehören  dem  Hafenort  Castra  Hannibalis 
an.3j  Aus  dem  Namen  läfst  sich  schliefsen  dafs  er,  zumal  nach  dem 
Verlust  von  Locri  205,  von  den  Karthagern  als  ein  Hauptwerk  ihrer 
Vertheidigung  in  der  Krotoniatis  betrachtet  und  stark  befestigt  wurde. 
Nach  dem  Kriege  schickte  Rom  199  zum  Schutz  des  Zolhvesens  das 
aus  der  Sila  bedeutende  Erträge  lieferte,  300  Bürger  her.  Die  An- 
siedlung  ist  in  die  122  gestiftete  Colonie  Scolacium  aufgegangen  die 
auf  die  Rhede  am  Corace  angewiesen  war.  4)  Endlich  tritt  in  der 
Ueberlieferung  des  Altertums  die  militärische  Wichtigkeit  des  Isthmus 
während  des  Sklavenkriegs  71  v.  Chr.  zu  Tage.  Als  die  Sklaven 
nach  Rhegion  marschirt  waren  in  der  getäuschten  Erwartung  den 
Krieg  nach  Sicilien  hinüber  spielen  zu  können,  schnitt  Crassus  ihnen 
den  Rückweg  ab,  indem  er  einen  15  Fufs  breiten  und  tiefen  Graben 
nebst  Wall  20  Millien  lang  von  Meer  zu  Meer  zog."')  Aber  es 
gelang  Sparlacus  zuletzt  nach  vielen  Bemühungen  und  Verlusten  bei 
einem  nächtlichen  Schneegestöber  mit  dem  Centrum  auf  der  Höhe 
durchzubrechen  und  die  Flügel  nachzuziehen.  6) 


1)  Strab.  VI  261  Plin.  III  95.  2)  Lenormant  II  253  fg. 

3)  Plin.  III  95  Tab.  Peut.  /innibali  richtig  3li  Millien  von  Lacinium,  Geogr. 
Rav.  IV  31  Aninba  V  1  Anioal  Guido   10.  30.  72. 

4)  Liv.  XXXII  7;  die  vorgetragene  Deutung  wird  CIL.  X  1  p.  12  A.  mit 
Unrecht  bezweifelt,  weil  sie  allseitig  den  Tliatsachen  P.eciiiiung  trägt. 

5)  Plut.  Grass.  10  Fronlin  I  5,20  Appian  b.  civ.  I  119.  Plutarch  bezifTerl 
die  Länge  der  Schanze  auf  300  Stadien  =  40  Millien  (S.  67)  d.  h.  durch  irgend 
ein  Versehen  auf  das  Doppelte  der  Breite  des  Isthmus  die  Plin.  III  95  richtig 
zu  20  Millien  angiebt.     Die  Schanzlinie  mufste  so  kurz  als  möglich  sein. 

6)  An  der  brettischen  Küste  schneit  es  nicht;  doch  wäre  eine  örtliche 
Untersuchung  des  Kampfplatzes  erwünscht. 


§  2.    Das  Südland.  '  947 

Der  Busen  der  von  Cap  Rizzulo  bis  Cap  Stilo  bei  Monesteraci 
auf  einer  Sehne  von  nahezu  70  km  an  der  Mündung  des  Corace 
wo  er  am  Weitesten  steigt,  eine  Hohe  von  25  km  erreicht,  hiefs  den 
Alten  xdlrtog  ^-avXlrjTixog^)  oder  2)ivX?^r]Tlvog^)  sinus  Scyllaceus.^) 
In  seefahrenden  Kreisen  genofs  und  geniefst  er  einen  üblen  Ruf, 
führt  daher  auch  vom  männermordenden  Ungeheuer  seinen  Namen. 4) 
Die  Stadt  ^nvkl^rcov,  zuerst  415  erwähnt,  hat  keine  geschichthche 
Rolle  gespielt:  sie  gehörte  mit  dem  ganzen  Golf  den  Krotoniaten, 
bis  Dionys  sie  diesen  abnahm  und  den  Lokrern  zutheilte.  ^)  Später 
wurde  ihr  Ursprung  in  Iroianische  Zeiten  hinauf  gerückt  und  dem 
athenischen  König  Menestheus^)  oder  dem  Odysseus  gutgeschrieben.') 
Die  Römer  hatten  schon  199  den  Hafenplatz  am  Corace  mit 
300  Bürgern  besetzt  und  stifteten  122  die  Colonie  Scolacium  Miner- 
vium.  8)  Nachdem  diese  durch  Kaiser  Nerva  neue  Ansiedler  erhalten 
hatte,  lautet  ihr  amtlicher  Titel  colonia  Minervia  Nervia  Augiista 
Scolacium.  ^)  Daneben  kommt  bei  griechischen  und  römischen  Schrift- 
stellern die  Form  Scylacium  vor,  aus  der  die  heutige  Squillace  ent- 
standen ist.io  Das  Reisebuch  giebt  die  Entfernung  von  Tacina  am 
gleichnamigen  Flufs  (S.  937)  richtig  zu  22  Millien  an  n);  von  der 
Station  zweigte  eine  25  Millien  lange  Verbindungstrafse  nach  Vibo 
an  der  Westküste  ab.  12)  Die  Stadt  liegt  oberhalb  der  Strafsen  auf 
einem  schwer  zugänglichen  Hügel  (345  m)  3  Millien  vom  Strand, 
6  vom  Hafen  entfernt.    In  blühender  Schilderung  vergleicht  Cassiodor 


1)  Aristot.  Pol,  VII  9,  2  Strab.  VI  255,  261  nach  Antiochos. 

2)  Dion,  H.  I  35  gleichfalls  nach  Antiochos,  Aristot.  de  signis  (I  390  A,  3) 
Steph.  Byz,  dazu  Meineke. 

3)  Mela  II  68  Plin.  III  95  beide  mit  schwankender  Lesung,  Ptol.  III  1,  10 

4)  Verg.  Aen.  HI  553  naoifragum  Scylaceum  dazu  Serv. 

5)  Diod.  Xlll  3  Strab.  VI  261,  sie  fehlt  bei  Skylax  und  Skymnos. 

6)  Strab.  VI  261  Plin,  III  95  Solin  II  10  Serv.  V,  Aen.  III  553.  Der  Beiname 
der  rönaischen  Colonie  Minervia  ist  von  dem  Hauptcult  abzuleiten,  giebt  aber 
einen  Fingerzeig  für  die  Erklärung  der  Fabel. 

7)  Serv.  V.  Aen.  III  553  Cassiod.  Var.  XII  15,  jüager  als  die  vorhergehende 
Fabel  und  aus  dem  Stadtnamen  entnommen. 

8)  Vell.  I  15  setzt  die  Gründung  ein  Jahr  früher. 

9)  CIL.  XI  p.  12  Rom.  Mitth.  V  (1890)  p.  69. 

10)  Strab.  VI  261  Plol.  III  l,  10  Appian  V  103.  109;  Verg.  Aen.  III  553  Ovid 
Met.  XV  702  Solin  II  10  It.  Ant.  114  Tab.  Peut.  Cassiod.  Var.  XII  15. 

11)  It.  Ant.  114. 

12)  Tab.  Peut.  Appian  b,  civ.  V  103  vgl.  Geogr.  Rav.  IV  34  Guido  43. 

60* 


948  Kapitel  XVI.     Bruttium. 

sie  einer  haogenden  Traube  die  den  ganzen  Tag  von  der  Sonne  be- 
schienen wird.  Südlich  gegenüber  Squillace  steigt  der  mons  Moscius 
441  m  auf  und  stürzt  den  Weg  sperrend  300  m  zum  Meer  ab.  An 
diesem  Vorgebirge,  der  Punta  di  Staletti  haftet  ursprüngUch  der 
Stadtname,  weshalb  es  auch  geradezu  ro  ^ycvläxiov  ogog  heifst.  i) 
Die  griechische  Seemannsage  ist  freilich  verblafst  vor  den  Erinne- 
rungen an  den  Minister  der  Gothenkönige,  der  nach  seinem  Rück- 
tritt von  den  Geschäften  in  der  Heimat  30  und  mehr  Jahre  lang 
den  klösterlichen  Stand  zierte.  Auf  seinen  väterlichen  Besitzungen 
erbaute  er  um  550  das  monasterium  Vivariense  an  der  Nordseite  des 
Moscius,  benannt  nach  den  am  Vorgebirge  ausgehauenen  Fisch- 
teichen die  von  der  See  gespeist  wurden.  Die  Teiche  sind  als 
Grotte  di  S.  Gregorio  oder  di  Staletti  bekannt  und  liegen  jetzt 
trocken.  Von  den  Klosteranlagen  sind  ausgedehnte  Trümmer  aus 
spätrömischem  Backsteinbau  vorhanden  (Coscia  di  Staletti).  Der 
fischreiche  Pellena  aus  dem  die  Klostergärten  bewässert  wurden,  ist 
der  Fiume  di  Squillace:  er  entsteht  aus  zwei  Bächen,  Gatlarella  im 
Norden  Torrente  Grande  im  Süden,  die  den  Stadthügel  einfassen, 
sich  an  dessen  östlichem  Fufs  vereinigen,  voreint  südöstlich  dem 
Vorgebirge  zu  laufen.  Endlich  der  fons  Arethiisae  sprudelt  noch 
immer  als  Fontana  di  Cassiodoro  unweit  des  Strandes  hervor,  wenn 
auch  ohne  die  wunderbaren  Begleiterscheinungen  die  dem  Minister 
in  der  Ferne  seine  erregte  Einbildungskraft  vorgaukelte.  Im  Uebrigen 
ist  die  Fruchtbarkeit  und  Schönheit  die  er  der  Heimat  nachrühmt, 
unverändert  geblieben,  jedoch  als  neuer  und  wesentlicher  Zug  des 
Bildes  das  Fieber  hinzugekommen.  Den  nahenden  Verfall  kündet 
die  Thatsache  an  dafs  um  527  einem  Grofswürdenträger  der  an  der 
Arethusa  rastete,  die  Pferde  von  den  Bauern  gestohlen  wurden. 
598  erscheint  das  Kloster  unter  dem  Namen  monaslerinm  Castelliense 
und  die  um  535  noch  offene  Stadt  als  Festung.  Von  letzterer  be- 
ansprucht das  Kloster  Bodenzins:  offenbar  sind  Cassiodor  und  seine 
Vorfahren  die  Grundherren  und  jeder  Funke  bürgerlicher  Unab- 
hängigkeit längst  erloschen  gewesen.^) 

Der  Golf  von  Scylacium  wird  bei  den  Alten  durch  das  laciuische 
Vorgebirge  einerseits,   das  promunlurinm    Cocynthus  anderseits   be- 


1)  Appian  b.  civ.  V  103. 

2)  Cassiod.  Var.  VIII  32  XII  14.  15  Insl.  div.  litt.  29  Gregor  M.  Reg.  VIll 
30.  32  Lenormanl  II  360  fg. 


§  2.    Das  Südland.  949 

grenzt. ')  Letzteres  ist  die  Puuta  di  Stilo  (43  m)  unweit  der  Rhede 
von  Monesleraci.  Nicht  übel  vergleicht  Plinius  die  Ostküste  Brultiums 
mit  einem  Amazonenschild  dessen  Hörner  durch  die  Spitzen  von  La- 
cininm  und  Leucopetra  dargestellt  werden,  die  Rundung  dazwischen 
durch  Cocynthus,2)  Da  die  Küste  an  diesem  Cap  die  von  Squillace 
ab  eingehaltene  Süd-  mit  einer  SUdwestrichtung  vertauscht,  ist  die 
falsche  Vorstellung  aufgekommen,  als  ob  hier  der  südhchste  Punct 
des  Festlandes  sei,  der  in  Wahrheit  32  Minuten  dem  Aequator  näher 
gerückt  ist.  3)  Wahrscheinlich  ist  der  Irrtum  durch  die  Heiligkeit 
des  Ortes  genährt  worden.  Der  heutige  Name  Stilo  begegnet  bereits 
im  Cursbuch  als  Stilida  ^),  klärlich  von  den  Säulen  eines  verfallenen 
Tempels  herrührend  wie  am  lacinischen  Vorgebirge  der  Fall  ist 
(S.  943):  beim  Bau  des  Leuchlthurms  von  Stilo  sind  Reste  eines 
altgriechischen  Heiligtums  entdeckt  worden.  ^)  An  der  Landstrafse 
wird  eine  Ortschaft  Cocintum  22  Milben  von  Scylacium  vermerkt. 6) 
In  der  Nähe  ist  Mystiae  oder  Mustiae  zu  suchen  die  PhiUstos  in 
seiner  Geschichte  des  Dionys  eine  Stadt  der  Samniten  genannt 
hatte. '')  Es  giebt  eine  Kupfermünze  die  um  300  von  Mystiae  und 
Hyporon  gemeinsam  geschlagen  wurde:  letzleres  hat  nach  dem  Reise- 
buch 42  Millien  von  Regium  gelegen.  ^)  Gleichfalls  unbekannt  ist 
das  castrum  Consilinnm.'^)  Ruinen  4  km  landeinwärts  von  Cap  Stile 
am  Stilaro  aufgefunden,  können  vielleicht  Mustiae  angehören. lO)  Man 
kann  ferner  geneigt  sein  im  Stilaro  den  Flufs  'EllsTtOQog  zu  er- 
kennen an  dessen  Ufern  Dionys  387  v.  Chr.  die  Streitmacht  der 
Italioten  vernichtete  ^i):  gewöhnlich  wird  darunter  der  20  km  nörd- 


1)  Plin.  III  95  It.  mar.  490,  Mela  II  68  nennt  iriig  statt  seiner  das  prom. 
Zephyrium. 

2)  Plin.  III  43. 

3)  Pol,  II  14,  5  der  die  Gegend  besucht,  aber  keine  Polhöhen  bestimmt 
hat  (I  29)  Plin.  III  95  vgl.  Appian  b.  civ.  V  103. 

4)  It.  mar.  490. 

5)  Not.  degli  Scavi   1891  p.  61  fg. 

6)  It.  Ant.  114. 

7)  Phil,  bei  Steph.  Byz.  Mela  II  68  Plin.  III  95;  vinum  Mysticum  Plin. 
XIV  75  stammt  aus  dem  Ausland. 

8)  Head  H.  N.  89  It.  Ant.  115. 

9)  Plin.  III  95,  irrig  Consentia  Mela  II  68. 

10)  Not.  degli  Scavi  1891  p.  68  fg. 

11)  Pol.  I  6,  2  Polyaen  V  3,  2;  die  Form  "EXcoqos  Diod.  XIV  104  ist  nach 
dem  gefallenen  Anführer'^^.<w(>ts  aus  Syrakus  und  der  Niederlage  der  Athener  413 
auf  dem  helorischen  Gefilde  (XIII  19)  zurecht  gemodelt. 


950  Kapitel  XVI.     BruUium. 

lieber  fliefsende  Bach  Gallipari  verstanden.  —  Die  Schlacht  entschied 
das  Schicksal  des  von  Dionys  belagerten  KavXwvia  Caulon^):  der 
Sieger  zerstörte  die  Stadt,  verpflanzte  die  Einwohner  nach  Syrakus 
und  überwies  den  Lokrern  die  Feldmark.  2)  Es  vvar  der  südlichste 
Vorposten,  der  Achaeer  gewesen,  entweder  von  Kroton  3)  oder  vom 
Mutterland  ^)  aus  gegründet,  vielleicht  von  beiden  gemeinsam.  Die 
erhaltenen  Münzen  (S.  77)  bekunden  die  angesehene  Stellung  des 
Gemeinwesens.  ^)  In  der  Ueberlieferung  erscheint  es  als  Stütze  der 
Pythagoreer;  die  nach  deren  Sturz  entstandenen  Wirren  werden 
durch  einen  Bund  geschlichtet  den  Kroton  Syharis  und  Kaulonia 
eingehen.  6)  Während  des  peloponnesischen  Kriegs  zeigt  es  sich  im 
Gegensatz  zum  nachbarlichen  Lokri  den  Athenern  geneigt  und 
liefert  ihnen  Bauholz. ")  Die  Stadt  wurde  bald  nach  387,  wir  wissen 
nicht  von  wem,  wieder  hergestellt.  ^)  Sie  litt  schwer  während  der 
Kämpfe  mitPyrrhos,  als  sie  von  campanischen  Truppen  eingenommen 
ward.  9)  Ein  ähnliches  Los  blieb  ihr  209  durch  Hannibals  Dazwischen- 
kunft  erspart,  lo)  Seine  hellenische  Eigenart  hatte  Kaulonia  bisher 
bewahrt''),  aber  seine  frühere  Bedeutung  längst  eingebüfst.  Als 
Strabo  schrieb,  war  es  verödet.  Wenn  der  Name  noch  auf  der 
Reisekarte  steht,  so  fehlt  er  als  belanglos  bei  Ptolemaeos.  Seit 
Barrius  wird  er  bei  Castelvetere  gesucht,  der  Ort  heifst  jetzt  amt- 
lich Caulonia.  Die  alte  Stadt  lag  aber  nicht  an  der  Stelle  der 
heutigen  sondern  3 — 4  Millien  dem  Meer  näher. '2)    Wahrscheinlich 


1)  Ein  Gelehrter  (Ephoros?)  hat  an  dem  ungewöhnlichen  Namen  Anstofs  ge- 
nommen und  behauptet  in  Anlehnung  an  das  verbreitete  AvXoüv,  er  habe  ehe- 
dem AlXovia  gelautet  Skymn.  320  Strab.  Vi  261  Ps.  Hekalaeos  bei  Steph. 
Byz.  AvXcüv  und  Kavltovia,  Appian  Hann.  49  Eustath.  Hom.  II.  IX  48:  die 
bis  550  hinauf  reichenden  Münzen  widerlegen  die  Behauptung.  Lateinisch 
CauloTi  Liv.  XXVII  15  Piin.  111  95  Tab.  Peut.  (ieogr.  Rav.  IV  32  V  1  Verg. 
Aen.  III  553  Ovid  Met.  XV  705,  Caulunia  Liv.  XXVII  12  Mcla  II  68  Solin  II  lü. 

2)  Diod.  XIV  106. 

3)  Skymn.  319  Steph.  Byz.  AlXciv  Sulin  II  10. 

4)  Strab.  VI  261  Pausan.  VI  3,  12. 

5)  Head  H.  N.  78. 

6)  Pol.  II  39,  6  Jamblich  v.  Pylh.  262.  67  Porph.  v.  Pylh.  56. 

7)  Thukyd.  VII  25,  2. 

8)  Plut.  Dion  26,  4. 

9)  Pausan.  VI  3,  12. 

10)  Liv.  XXVII  12.  15  Plut.  Fab.  22,  1  Appian  Hann.  49. 

11)  Pol.  X  1,4  Skylax  13. 

12)  Verg.  Aen.  III  553. 


§  2.    Das  Südland.  951 

nahm  sie  die  Hüben  zwischen  den  Bächen  Precarili  und  Allaro  ein, 
wo  sich  Ruinen  befinden  sollen.  An  der  Mündung  der  Bäche  war 
der  Hafen,  dessen  Entfernung  von  Cocynlbus  10  iMIUien  betrug.^) 
Eine  genaue  Untersuchung  der  Oerthchkeit  wird  noch  verrnifst.  — 
Als  Grenze  der  Kauloniatis  kann  man  die  Sagra  ansehen-),  jenen 
berühmten  Flufs  an  dem  der  äufserste  Süden  seine  Unabhängigkeit 
von  Kroton  dauernd  sicherte  (S.  940).  Die  Sage  hat  den  Kampf 
mit  den  lebhaftesten  Farben  ausgeschmückt:  durch  den  Beistand  der 
Dioskuren  erfochten  die  Lokrer  über  eine  zehnfache  Uebermacht 
den  herrlichsten  Sieg. 3)  Allerdings  ist  die  Wertung  des  Tages  die 
hier  zu  V»orte  kommt,  durchaus  berechtigt;  aber  auf  ganz 
natürlichem  Wege  erklärt  es  sich,  wenn  in  den  Strandpässen  am 
ionischen  3Ieer  nicht  die  Masse  sondern  die  Tapferkeit  den  Aus- 
schlag giebt.  Unter  den  in  Betracht  kommenden  Bächen  hat  der 
von  Lokri  12  km  entfernte  Turbolo  Anspruch  für  die  Sagra  gehalten 
zu  werden :  au  seinem  linken  Ufer  bis  nach  Roccella  nähern  sich 
die  Höhen  dem  Strand  und  erleichtern  die  Verlheidigung.  Jedoch 
münden  auf  dieser  8  km  messenden  Strecke  noch  ein  paar  andere 
Bäche  deren  Namen  verschieden  angegeben  werden,  und  vielleich 
ist  der  Turbolo  jener  unsicher  überlieferte  Flufs  Bulotus  oder 
Butrotus  wo  Hannibal  205  lagerte.  ^) 

Von  der  Enge  an  der  Sagra  bis  nach  Cap  Bruzzano  erstreckt 
sich  35  km  lang  offenes  Land,  dessen  wechselnde  Breite  im  Durch- 
schnitt 10  km  mifst.  Um  seine  geschichtliche  Stellung  zu  erfassen 
erinnern  wir  uns  dafs  Südbruttium  in  3  Abschnitte  zerfällt.  Der 
nördlichste  Serra  S.  Bruno  steigt  im  M.  Pecoraro  nur  1420  m  auf, 
aber  dehnt  sich  in  breiter  Masse  von  Meer  zu  Meer,  von  Cap  Va- 
ticano  bis  Cap  Stilo  gegen  70  km  aus.  Der  südlichste  Aspromonte 
erreicht  im  Montalto  eine  Höhe  von  1958  m,  beschränkt  sich  dagegen 
auf  kaum  50  km  Breite,  Der  mittlere  Abschnitt  der  beide  Massive 
mit  einander  verbindet,  sinkt  unter  1000  m  ein,  die  Breite  der 
Halbinsel   auf  40  km.     Davon    kommt   die   grüfsere    Hälfte   auf  die 


1)  Porph.  V.  Pylh.  56.  Nach  It.  mar.  490  sind  von  Cap  Nau  bis  Slilo 
60ü  Stadien  ==  60  Millien,  nach  Agiippa  Plin.  III  96  von  Lacinium  bis  Caulon 
70  Millien. 

2)  Sil  ab.  VI  261  Plin.  III  95. 

3)  lustin  XX  3  Cic.  de  deor.  nat.  II  6  III  11.  13  Liv.  XXIX  18  Plut,  Aem. 
P.  25,  1  u.  a. 

4)  Liv.  XXIX  7. 


952  Kapitel  XVI.    Bruttium. 

tyrrhenisclie  Seite,  die  sich  zur  ionischen  wie  3  :  2  verhält.  —  Die 
Lokrer  die  im  mittleren  Ahschnitt  geboten,  halten  anfänglich  das 
ZscpvQiov  axQOv  pronntnturinm  Zepkyrium  Capo  Bruzzano  besetzt.^) 
Dieser  Vorsprung  (146  m)  7  Minuten  nördlich  von  Cap  Spartivento  bot 
den  Küstenlahrern  Schutz  gegen  Westwinde  und  erhielt  daher  seinen 
Namen.  Obwol  die  Ansiedler  nach  3  oder  4  Jahren  den  Platz  ver- 
liefsen  und  20  km  weiter  nördlich  zogen,  pflanzte  sich  die  Er- 
innerung an  den  ursprünglichen  Wohnsitz  in  dem  Beiwort  fort,  das 
in  hellenischem  Munde  ^oxgol  ol  ^ETtiKscpvQioi  die  Lokrer  am 
Westcap  von  den  Stämmen  in  der  Heimat  unterschied.^)  Ueber 
ihre  Herkunft  ging  die  Sage  ähnlich  wie  in  Tarent,  dafs  sie  der 
Verbindung  freier  Frauen  mit  Leibeigenen  entsprofsen  wären:  wes- 
halb denn  auch  in  der  Gemeinde  die  weibhche  Linie  den  Vorrang 
vor  der  männlichen  hatte.  3)  Man  wufste  aber  nicht  recht  welchem 
Stamme  sie  angehörten,  dem  ozolischen  oder  opuutischeu,  wenn 
auch  die  letztere  Ansicht  den  meisten  Beifall  fand.  *)  Endlich 
wichen  die  Gelehrten  in  Betreff  des  Gründungsjahres  von  einander 
ab:  man  kann  es  mit  Strabo  bald  nach  dem  von  Kroton  und  Syiakus 
ansetzen.  ^)  Die  eingebornen  Sikeler  hatten  die  Ankömmlinge  güt- 
lich aufgenommen,  wurden  aber  trotzdem  bei  erster  Gelegenheit  von 
Haus  und  Hof  vertrieben:  wegen  bewiesener  Arglist  ist  die  Vertrags- 
treue der  Lokrer  übel  berufen  worden.  6)  Die  Sage  weist  darauf 
hin  dafs  die  Lokrer  sich  des  Landes  bemächtigten:  der  Ort  nach 
dem  sie  ihre  Hauptstadt  verlegten,  ist  nicht  so  sehr  für  den  Handel 
und  Verkehr  als  für  die  Beherrschung  eines  ausgedehnten  Gebiets 
berechnet.  Er  nimmt  ungefähr  die  Mitte  des  oben  umschriebenen 
Küstenstrichs  ein  und  ist  der  niedrigsten  Einsenkung  des  Gebirg- 
kamms  zugewandt.  Aehnlich  wie  die  Spartaner  den  Taygetos  über- 
schritten und  nach  schweren  Kämpfen  die  fetten  Fluren  Messeniens 


1)  Pinclar  fr.  178  Bergk  Strab.  VI  259.  270  Skymn.  278  Ptol.  III  1,  10 
Pausan.  VI  6,  4  19,  6  Steph.  Byz.  Mela  II  68  Plin.  III  74. 

2)  Pindar  Ol.  10,  15  Herod.  VI  23  Thukyd.  VII  1  Aristot.  Pol.  II  9,  5  Skymn. 
313  u.  a.  vgl.  Athen.  I  22  b;  seit  Polybios  wird  es  durch  oi  iv  'ixaXiq  ersetzt. 

3)  Pol.  XII  5  fg.  Dion.  Per.  365. 

4)  Strab.  VI  259  Skymn.  316  Pausan.  HI  19,  12;  daher  bei  den  Dichtern 
das  Beiwort  Narycius,  von  der  Geburtstadt  des  lokrischen  Aias  Verg.  Aen.  III  399 
Georg.  II  438  Coium.  X  386  Plin.  XIV  128. 

5)  Strab.  VI  259  Pausan.  III  3,  1 ;  Eusebios  setzt  Lokri  29  (Hieronymus) 
oder  35  (arm.  Uebers.)  Jahre  nach  Kroton  und  Sybaris. 

6)  Pol.  XII  6.  12  a  u.  a. 


§  2.     Das  Südland.  953 

eroberten,  sind  die  Lokrer  an  die  lyrrhenisclie  See  vorgedrungen. 
Von  den  Kämpfen  der  Lokrer  meldet  weder  Lied  noch  Chronik,  die 
Trümmer  allein  lassen  das  allmäliche  Wachstum  der  Stadt  erkennen.') 
—  Sie  beOnden  sich  3  km  südlich  von  Gerace  Marina.  Die  zahl- 
losen Bäche  die  vom  nahen  Gebirge  herab  kommen,  verleihen  dem 
Stadiboden  sein  eigentümliches  Gepräge:  zwei  grüfsere  in  einem 
Abstand  von  2  km  decken  die  beiden  Langseiten,  zwei  kleinere 
dazwischen  theilen  die  umschlossene  Fläche  in  drei  schmale  Streifen, 
die  landeinwärts  in  drei  steilen  Hügeln  endigen.  Jeder  Hügel  ist 
ummauert  und  bildet  eine  Burg  für  sich.^)  Zu  Füfsen  der  drei 
Burgen  liegt  die  dreitheilige  Stadt  etwa  50  m  über  und  1,5  km  vom 
Meer  entfernt.  Die  Anlage  scheint  auf  ein  Zusammenwohnen  ver- 
schiedener Stamme  hinzudeuten.  Später  und  zwar  vermutlich  zur 
Zeit  des  Dionys  ist  sie  durch  die  Neustadt  verdoppelt  worden,  indem 
man  die  Schenkelmauern  bis  ans  Meer  vorschob  und  den  Hafen  in 
die  Befestigung  einschlofs.  In  dieser  weitesten  Ausdehnung  zeigt 
Locri  einen  Umfang  von  7  km  mit  einem  Flächeninhalt  von  245  ha 
(Beloch).  Von  der  Höhe  der  Altstadt  die  ^ErtWTtig  hiefs^),  zog 
sich  in  der  romischen  Epoche  das  Leben  in  die  Ebene  hinunter  an 
die  Küstenstrafse  welche  die  Neustadt  durchschnitt.  Immerhin  ist 
hier  ein  altertümlicher  Tempel  aufgedeckt  worden,  vielleicht  das  be- 
rühmte Heiligtum  der  Perscphone  das  bezeugter  Mafsen  aufserhalb 
der  Mauer  lag.  *)  Da  ein  natürlicher  Hafen  fehlt,  mufs  solcher 
künstlich  ausgeworfen  gewesen  sein:  dies  bedarf  noch  örtlicher  Fest- 
stellung. Als  Seemacht  ist  Locri  bekannt  genug.  In  Betreff  seines 
Handels  erfahren  wir  nichts,  dürfen  aber  schliefsen  dafs  es  die  Er- 
zeugnisse des  Gebirgs  ausführte,  weil  brettisches  Pech  unter  seinem 
Namen   geht.  ^)   —  Unter  allen   helleuischen    Gemeinden    hat   diese 


1)  Die  Ueberresle  bei  Torre  di  Gerace,  den  Ortskundigen  schon  früher 
bekannt  (Karte  von  Rizzi  Zannoni,  Tommasini  Spatziergang  p.  146),  sind  durch 
die  Ausgrabungen  des  Duc  de  Luynes  Ann.  d.  corr.  arch.  1830  p.  3  und  neuer- 
dings Rom.  Millh.  V  (1890)  p.  161  näher  untersucht  worden.  Ein  genügender 
Plan  fehlt. 

2)  Wenn  Liv.  XXIX  6  nur  zwei  erwähnt,  so  mufs  die  mittlere  mit  einer 
der  beiden  anderen  verbunden  gewesen  sein. 

3)  Strab.  VI  259  von  Meineke  aus  'EacCmv  verbessert. 

4)  Liv.  XXIX  18  XXXI  12  Appian  Samn.  12  Val.  Max.  I  1,  ext.  1. 

5)  Plin.  XIV  128  Verg.  Georg.  II  438  Colum.  X  386.  Es  ist  befremdend 
dafs  die  Münze  erst  um  344  anhebt  und  für  den  conservativen  Anstrich  des 
Gemeinwesens  bezeichnend  Head  H.  N.  86. 


954  Kapitel  XVI,     Bruttium. 

zuerst  ihre  Geselze  schriftlich  aiifgezeichuet  und  Neuerungen  abhold 
an  dem  altbewährten  Gesetzbuch  festgehalten,  so  dafs  sie  anderen 
als  Muster  und  Vorbild  dienen  konnte. i)  Nachdem  sie  den  Angriff 
der  Krotoniaten  abgeschlagen  hatte,  fand  sie  gegen  die  Herrschafts- 
gelüste des  nachbarlichen  Rhegion  eine  sichere  Stütze  an  Syrakus.^) 
Sie  ergriff  eifrig  Partei  gegen  Athen,  3)  Als  Dionys  bei  den  Rheginern 
sich  einen  Korb  holte,  gaben  die  Lokrer  ihm  ihre  vornehmste 
Jungfrau  zum  Weibe.  Aeufserlich  betrachtet  hat  die  Verbindung 
Lokri  auf  den  Gipfel  seiner  Entwicklung  gehoben,  das  Gebiet  bis 
an  und  über  den  Isthmus  ausgedehnt,  den  Umfang  der  Mauern  ver- 
doppelt. 4)  In  Wirklichkeit  hat  sie  den  Verfall  eingeleitet  und  die 
Rürger  alle  Bitternisse  der  Tyrannei  durchkosten  lassen.  &)  Die 
Erhebung  der  Eingebornen  hat  sich  zwar  nicht  an  die  Stadt  selbst 
herangewagt,  aber  zum  Welken  jener  in  Kunst  und  Wissenschaft 
hervorragenden  Blüte  die  einst  Pindar  pries,  an  ihrem  Theil  bei- 
getragen, ß)  Eine  lokrische  Münze  stellt  die  Roma  dar  die  von  der 
Treue  bekränzt  wird. ")  Die  Zeitgeschichte  liefert  dazu  einen  eigen- 
tümlichen Commentar:  nach  der  Schlacht  von  Heraklea  280  schlofs 
sich  Lokri  dem  Pyrrhos  an,  nach  dessen  Abzug  277  den  Römern,  nach 
dessen  Rückkehr  von  Sicilien  275  dem  König®),  215  deniHannibal,  205 
den  Römern  und  opferte  dabei  regelmäfsig  die  bisherige  Besatzung 
den  neuen  Freunden.  9)  Nichts  desto  weniger  verblieb  die  Gemeinde 
im  Bundesverhältnifsiö)  und  wurde  nur  gleich  den  anderen  griechi- 
schen   Seestädten   zur   Stellung  von    Kriegschiffen  herangezogen. 'i) 


1)  Plat.  Leg.  I  638  b.     Demoslh.  XXIV  139  fg.   Diod.  VIII  23  XII  20  Strab- 
VI  259.  60  Porph.  v.  Pylh.  56  Cic.  Leg.  II  15. 

2)  Pindar  Pylh.  2,  18  m.  Schol.  Diod.  XI  68. 

3)  Thukyd.  III  86.   99.    lO.-i.    115   IV  1.   24.   25  V  5  VI  44  VII  4.   25.  35 
VIII  91  Diod.  Xll  54  Xlll  3. 

4)  Diod.  XIV  44.  100.  106.  107. 

5)  Alistot.  Pol.  V  6,  7  lustln  XXI  2  fg.  Athen.  XII  541c  Strab.  VI  259  Cic. 
de  deor.  nat.  III  83. 

6)  Pindar  Ol.   10.  11  Jamblich  v.  Pylh.  267  Cic.  Fin.  V  87  Slrab.  VI  255. 
260  Pausan.  VI  6,  4  fg.  Plin.  VII  152. 

7)  Wegen  der  Datiriing  Monmisen  Münzwesen  p.  326. 

8)  lustin  XVIII  1,  9  Zonar.  VDl  6  Appian  Samii.  12  Liv.  XXIX  18. 

9)  Liv.  XXII  61  XXIil  30  XXIV  1  XXVU  25  XXIX  8  fg.  16  fg.  Pluf.  Marc.  29 
Appian  Hann.  55. 

10)  Liv.  XXIX  19. 

11)  Pol.  I  -20,  14  Xil  5,  2  Liv.  XLII  48. 


§  2.    Das  Südland.  955 

Sie  hat  von  der  Gunst  des  Polybios  und  Cicero  Nutzen  gezogen  i), 
aber  weder  als  griechische  Freistadt  2)  noch  seit  89  v.  Chr.  als 
römisches  Municipium  viel  zu  bedeuten  gehabt.  3)  Gelegentliche  Er- 
wähnungen reichen  bis  ins  6.  Jahrhundert^);  915  wurde  sie  von 
den  Saracenen  zerstört. 

Das  lokrische  Gebiet  wurde  nach  der  Meinung  der  Alten  vou 
Pest  und  Erdbeben  verschont  5),  innerhalb  seiner  Grenzen  erscholl 
der  Gesang  der  Cicaden,  der  jenseit  im  Rheginischen  verstummte. ß) 
Das  Gebiet  reichte  über  das  'H'QÜ/.leiov  Cap  Spartivento  (121  m) 
hinaus '},  den  südösthchen  Vorspruug  Bruttiums  der  einen  Abschnitt 
zu  bezeichnen  scheint.  Und  zwar  wird  25  km  weiter  westlich  der 
"Aliq^  als  Grenze  angegeben.  *)  Dies  ist  einer  der  gröfsten  unter 
den  Bächen  die  vom  Aspromonte  herabkommeu,  noch  jetzt  Alice 
oder  Fiuraara  di  Mehto  genannt.  9)  Auch  erinnert  im  Quellgebiet  der 
M.  Peripoli  an  die  ehemaligen  Wacht-  und  Blockhäuser  an  der  Grenze.  lO) 
Doch  scheint  der  Strich  zwischen  Halex  und  Kar/.irog  neutral  gewesen 
zu  sein,  so  dafs  von  rheginischer  Seite  auch  letzterer  als  Grenz- 
flufs  in  Anspruch  genommen  werden  konnte.^)  Die  Athener  sind 
425  in  diesem  Strich  zu  Gunsten  der  Rheginer  eingeschritten.  12)  Es 
unterhegt  keinem  Zweifel  dafs  unter  dem  Caecinus  die  8  km  östlich, 
also  17  km  von  Spartivento  mündende,  an  Grüfse  der  Alice  gleich 
kommende  Fiumara  Piscopio  oder  di  Amendolea  zu  verstehen  sei. 
Von  diesem  Südpunct  bis  zur  Sagra  im  Norden  (S.  951)  bildet  der 
Gebirgskamm  eine  natürhche  Grenze.    Wie  S.  953  bemerkt,  hat  das 


1)  Pol.  XII  5  Cic.  Leg.  II  15  pro  Arch.  10  Verr.  V  90. 

2)  Die  griechischen  Inschriften  Kaibel  p.  155  gehören  der  alleren  Epoche 
vor  Dionys  an.  ^ 

3)  CIL.  XI  p.  5.     1003  Eph.  ep.  Vlll  p.  72.  209. 

4)  Verg.  Aen.  III  399  XI  265  Sil.  It.  XI  20  Mela  II  68  Piin.  111  95  u.  0. 
Plol.  III  1,  10  Prokop  b.  Golh.  I  15  Tab.  Peul.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  1  Guido 
31.  72. 

5)  Plin.  II  211. 

6)  Timaeos  fr.  64  M.  Strab.  VI  260  Konon  Phot.  ßibl.  186  p.  131b  Bekker 
Diod.  IV  22  Plin.  XI  95. 

7)  Strab.  VI  259. 

8)  Thukyd.  111  99  Timaeos  fr.  64  M.  Strab.  VI  260  Dion.  Per.  367  Suid. 

9)  Der  erstere  Name  bei  Rizzi  Zannoni,  der  letztere  von  der  Ortschaft 
Melito  entlehnt  auf  der  Generalstabskarte. 

10)  Thukyd.  111  99. 

11)  Aelian  nat.  an.  V  9  var.  last.  Vlll  18  Pausan.  VI  6,  4. 

12)  Thukyd.  III  103. 


956  Kapitel  XVI.     Brutlium. 

Gebirge  tue  Lokrer  an  der  Eroberung  der  jenseitigen  Landschaft 
nicht  verhindert.  Aber  die  dort  gegründeten  Colonien  Medma  und 
Hipponion  rissen  sich  im  5.  Jahrhundert  von  der  Mutterstadt  los  ') 
und  bedürfen  einer  gesonderten  Behandlung. 

Die  Via  Popilia  durchmifst  die  fruchtbare  aber  gegenwärtig  ver- 
ödete Ebene  von  Terina  (S.  931),  überschreitet  den  Lametus,  hierauf 
die  Angitula  Angitoja^)  und  erreicht  nach  steilem  Anstieg  57  Millien 
von  Cosenza  das  557  m  hoch  gelegene  Yibo  Monteleone.  Der  Ab- 
stand von  Regium  beträgt  66  Millien,  so  dafs  Vibo  fast  die  Mitte 
zwischen  diesen  beiden  Hauptorten  des  römischen  Bruttium  ein- 
nimmt. Da  aufserdem  die  tyrrhenische  Küstenstrafse  (S.  928)  und 
ein  Seitenarm  der  ionischen  von  Scylacium  her  (S.  947)  einlaufen, 
wird  es  ein  Knotenpunct  des  Strafsennetzes.  Zu  Füfsen  4  km  ent- 
fernt öffnet  sich  eine  geräumige  Hafenbucht  die  jetzt  versandet, 
ehedem  etwa  1  km  tiefer  eindrang  und  besseren  Schutz  bot  als  der 
Augenschein  lehrt.  Als  Bivona  pflanzt  sie  den  alten  Namen  fort  3), 
während  die  von  Saracenen  zerstörte  Stadt  durch  ihren  Hersteller 
Friedrich  H.  den  heutigen  Monteleone  erhalten  hat.  Der  Hafen 
erfreute  sich  lebhaften  Verkehrs  4)^  sein  Thunfisch  stand  in  beson- 
derem Rufe  5),  in  römischer  Zeit  wurde  der  ganze  Meerbusen 
nach  Vibo  benannt  (S.  930).  üeberreste  der  Hafenanlagen  sind  noch 
kenntlich,  das  Fort  nimmt  die  Stelle  eines  Tempels  ein.  —  Auch 
in  der  Oberstadt  sind  die  Bauwerke  des  Altertums  ungeachtet  wieder- 
holter Zerstörung  und  fortgesetzten  Abbruchs  nicht  völlig  beseitigt 
worden.  Man  unterscheidet  ein  Theater,  römische  Thermen  und 
verfolgt  die  Ringmauer  in  ihrem  ganzen  Verlauf.  6)  Am  höchsten 
Ort  im  Süden  giebt  die  verfallene  Citadelle  den  Platz  der  Akropolis 
an.  Der  Abfall  des  Bergrückens  den  die  Stadt  einnimmt,  gewährt 
ihr  wirksamen    Schutz,     An    der   Angriffsfront    im   Nordwesten   ist 


1)  Sie  führen  422  mit  üir  Krieg  Thuiiyd,  V  5,  wo  Weidner  Rhein.  Mus. 
XIX  141  das  überlieferte  'irtoveae  xai  MeXaiovs  in  'Irnttoviärae  xal  MsSfiaiove 
verbessert  hat. 

2)  lt.  Ant.  106  Guido  43.    Geogr.  Rav.  IV  34  verschrieben  Angila. 

3)  Den  Uebergang  bezeichnet  Mela  II  69  Fibone  It.  Ant.  111  Tab.  Peut. 
Fibona  Geogr.  Rav.  IV  32  Bibona  V  2  Fivona  Feldm.  209  agej-  yivonensit. 

4)  Strab.  VI  256  Gic.  Verr.  II  99  V  40.  158  pro  Plane.  96  ad  Att.  IIl  3.  4 
XVI  6,  1. 

5)  Archestratos  Athen.  VII  302  a. 

6)  Vito  Capialbi,  Cenno  sulle  mura  d'  Ipponio,  Meni.  dell'  Inst.  d.  c.  a.  1832 
p.  159—93. 


§  2.     Das  Südland.  957 

die  Abwehr  durch  eine  doppelte  Mauer  und  häufige  Thürnie  ver- 
stärkt worden.  Der  Umfang  stellt  sich  auf  6,67  km,  der  Flächen- 
inhalt auf  rund  200  ha,  kommt  mithin  Lokri  ziemlich  gleich  (S.  953). 
Es  versteht  sich  von  selbst  dafs  ^ItitkÜviov  bei  seiner  Gründung 
durch  die  Lokrer  eine  solche  Ausdehnung  nicht  gehabt  haben  kann. ') 
Vielmehr  scheint  die  Mauer  in  der  jetzigen  Gestalt  erst  379  bei  der 
durch  Karthago  veranlafsten  neuen  Besiedlung  errichtet  zu  sein: 
darauf  führt  die  regelmäfsige  Bauart  in  Quadern,  darauf  das  Vor- 
kommen von  Gräbern  innerhalb  des  Rings.  —  Der  Bürger  über- 
schaute ein  weites  Gesichtsfeld,  die  Liparen,  den  Aetna,  die  Gebirgs- 
kette vom  Aspromonte  bis  Tiriolo,  den  M.  Cocuzzo  und  Clampetia 
(S.  928),  in  der  Ferne  sogar  das  Gap  von  Buxentum  (S.  897).  Oest- 
lich  vom  Stadlhügel  fliefst  die  Mesima  in  tief  eingeschnittenem  Thale, 
nördlich  breitet  sich  die  von  Lamato  und  Angitola  bewässerte 
terinaeische  Küstenebene  aus.  Klärlich  hat  die  Gründung  ursprüng- 
lich den  Zweck  gehabt  als  Bollwerk  gegen  die  Krotoniaten  zu  dienen. 
Sie  wurde  gleich  der  Mutterstadt  von  Syrakus  begünstigt  2),  blieb 
aber  von  jener  abhängig,  was  durch  das  Fehlen  eigener  Münze 
angezeigt  wird.  Wie  oben  erwähnt,  erhob  Hipponion  422  die  Waffen 
gegen  Lokri  und  verharrte  seitdem  in  ausgesprochener  Feindschaft 
zu  ihm.  Dionys  zerstörte  388  die  Stadt,  verpflanzte  die  Bewohner 
nach  Syrakus  und  theilte  den  Lokrern  die  Feldmark  zu.  3)  Die 
Karthager  machten  379  dies  rückgängig,  setzten  die  Vertriebenen 
in  den  Besitz  ihres  Eigentums  ein  und  stellten  die  Stadt  mit  aller 
Sorgfalt  wieder  her.  4)  Indefs  ward  sie  bereits  356  von  den  Bretliern 
erobert  ^)  und  mit  Unterbrechungen  —  bezeugt  ist  eine  Einnahme 
durch  Agathokles  ß)  —  ein  Jahrhundert  und  länger  behauptet.  Diese 
Periode  hat  ihren  monumentalen  Ausdruck  erhalten  durch  oskische 
Aufschriften  in  griechischem  Alphabet. ')  Das  sind  theils  Stempel 
der  hier  blühenden  Ziegeleien,  theils  Stempel  der  seit  der  Unab- 
hängigkeit von  Lokri  geschlagenen  Kupfermünzen.  ^)     Die  letzteren 

1)  Strab.  VI  256  Skymn.  308  vgl.  Skyl.  12. 

2)  Athen.  XII  542  a. 

3)  Diod.  XIV  107  Dion.  H.  XX  7. 

4)  Diod.  XV  24. 

5)  Diod.  XVI  15  Liv.  XXXV  40  Slrab.  VI  256. 

6)  Diod.  XXI  8  Strab.  a.  0. 

7)  Mommsen,   Unterit.  Dial.  p.  191.  92.     Die  griechischen  Inschriften  der 
Stadt  Kaibel  p.  156  sind  ganz  jung. 

8)  Head  H.  N.  85. 


958  Kapitel  XVI.     Bruttium. 

bezeichnen  den  Anfang  des  Stadtnamens  durch  Yei  oder  Vei'p,  woraus 
dann  die  lateinische  Form  Viho  entlehnt  ist.  ^)  —  Die  Römer  haben 
237  den  wichtigen  Platz  durch  eine  Colonie  Valentia  zu  sichern 
gesucht.  2)  Der  amtliche  Sprachgebrauch  hält  an  dieser  Bezeichnung 
fest-*),  während  in  gewöhnlicher  Rede  Vibo  ihr  vorgeschoben  4)  oder 
auch  allein  gesetzt  wird.^)  In  Betreff  des  Schicksals  der  Colonie 
läfst  uns  die  Ueberheferung  im  Stich:  sie  wird  218  von  der  kar- 
thagischen Flotte  angegriffen  und  mag  nach  der  Schlacht  bei  Cannae 
in  die  Hände  der  Brettier  gefallen  sein.  6)  Nach  erfochtenera 
Siege  wurde  eine  latinische  Colonie  in  Stärke  von  4000  Mann  194 
beschlossen  und  192  ausgeführt:  der  Ansiedler  erhielt  15  Juchert 
und  zur  Vertheilung  gelangten  etwa  3  d.  QM  Ackerland.^)  Damit 
waren  Valentia  und  ihre  Schwester  Copia  (S.  922)  als  die  beiden 
Zwingburgen  zur  Beherrschung  Bruttiums  ins  Leben  gerufen.  Beide 
haben  das  Recht  erhalten  in  Kupfer  zu  münzen.  Der  Doppelname  ent- 
spricht der  Zusammensetzung  des  Gemeinwesens,  insofern  die  Colonie 
in  der  Oberstadt,  die  griechische  Seebevölkerung  am  Hafen  ihren 
Sitz  hat:  mit  gutem  Grund  ist  daher  auch  der  Name  Bivona  am 
Hafen  hängen  geblieben  (S.  956).  Den  politischen  Ausgleich  brachte 
der  italische  Krieg  mit  dem  Bürgerrecht  und  der  Aufnahme  in  die 
Tribus  Aemilia.  Fortan  gehörte  Vibo  zu  den  hervorragenden  Muni- 
cipien  Italiens^),  befand  sich  auch  auf  der  Liste  jener  Landstädte 
deren  Auslieferung  an  ihre  Truppen  die  Triumvirn  verfügt  hatten, 
blieb  jedoch  durch  die  Gunst  Octavians  vor  solchem  Lose  bewahrt. 9) 
Die  Bedeutung  seines  Hafens  tritt  besonders  in  den  Seekämpfen 
gegen  die  Pompeianer  zu  Tage.i")     Aus  den  Inschriften  lernt  man 


1)  Die  angebliciie  griechische  Form  Hippo  quod  nunc  Fibonem  f^aleiitiam 
appellamus  Plin,  III  73  beruht  wol  auf  einem  Versehen. 

2)  Vell.  I  14,8. 

3)  CIL  1512.  551   Cic.  Verr.  V  40.  15S  Vell.  a.  0. 

4)  Strab.  VI  256  Plin.  III  73  Ptol.  III  1,  65  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32 
V  2  Sleph.  Byz. 

5)  Vgl.  S.  930  A.  5  Cic.  Verr.  II  99  pro  Plane.  96  ad  Att.  III  3.  4  XVI  6,  1 
Caes.  b.  civ.  III  101. 

6)  Liv.  XXI  51.    Vielleicht  erklärt  sich  ihre  militairische  Schwäche  daraus 
dafs  sie  Bürgercolonie  war. 

7)  Liv.  XXXIV  53  XXXV  40. 

8)  Cic.  Verr.  V  40. 

9)  Appian  b.  civ.  IV  3.  86. 

tO)  Caes.  b.  civ.  III  101  Appian  V  91.  99.  103.  105.  112. 


§  2.    Das  Südland.  959 

einen  stattlichen  Zuschnitt  der  Verfassung  kennen,  wobei  weder  ein 
Senat  noch  sogar  ein  pontifex  maximus  fehlt. i) 

Die  Schönheit  der  Gegend  verbunden  mit  den  Beziehungen  zu 
Syrakus  hat  bewirkt  dafs  der  Raub  der  Persephone  hierhin  verlegt 
wurde. 2)  An  dieOdysseussage  erinnern  d\e  Ithacesiae  insulae  gegenüber 
Vibo3):  darunter  können  füglich  nur  einige  Klippen  ostlich  von  Bivona 
bei  I'orto  Sa.  Venere  die  jetzt  als  Stützen  für  die  Herstellung  eines 
Kunsthafens  dienen,  angesehen  werden.  Zwischen  der  Bucht  von 
Vibo  und  dem  portus  Herculis  beginnt  nach  Strabo  die  Halbinsel 
nach  der  Strafse  von  Messina  umzubiegen.  *)  Der  äufserste  Vor- 
sprung heifst  gegenwärtig  Capo  Vaticaoo  (126  m):  in  der  Nähe  ist 
der  Herculeshafen  zu  suchen ;  ob  aber  nördlich  oder  südlich,  steht 
dabin.  Man  hat  ihn  im  heutigen  Tropea  wieder  finden  wollen.  Ein 
um  400  beschriebener  christlicher  Grabstein  lehrt  dafs  dessen  ^ame 
im  Altertum  Trapeta  lautete:  anderswo  kommt  er  nicht  vor. 5)  Da- 
gegen sieht  die  Bezeichnung  des  Capo  Valicano  ursprünglich  aus 
und  findet  sich  möglicher  Weise  bei  Mela.  6)  Wo  das  buckelartige 
Bergland  das  in  diesem  Cap  endigt,  von  einem  flachen  nach  Süden 
streichenden  Strand  abgelöst  wird,  hat  im  Winkel  Nicotera  (209  m) 
seinen  alten  N'amen  bewahrt.  Das  Reisebuch  giebt  die  Entfernung 
von  Vibo  richtig  zu  18  Millien  an.  Es  ist  Sitz  eines  Bischofs.")  — 
Eine  Ebene  erstreckt  sich  hierauf  18  km  entlang  der  Küste  und 
erreicht  landeinwärts  in  der  Mitte  ungefähr  die  gleiche  Ausdehnung. 
Sie  wird  im  Norden  von  der  Mesima  entwässert  (I  335).  Dies  Flufs- 
system  trennt  das  von  Vibo  beherrschte  Hügelland  das  im  Cap 
Vaticano  endigt  und  zwischen  dem  Cap  und  Nicotera  im  M.  Poro 
(708  m)  seinen  höchsten  Gipfel  aufweist,  von  dem  Hauptgebirge 
Serra  S.  Bruno.  Der  Name  Mesima  entstammt  dem  Altertum  §)  und 
kehrt  wieder  in  der  Stadt  Miöf-ia  oder  Mea^ia:   zwischen   beiden 


1)  CIL.  X  p.  T.  1003. 

2)  Slrab.  VI  256  Athen.  XII  542  a. 

3)  Plin.  m  85  Solin  3,  2. 

4)  Strab.  VI  256  Plin.  III  73. 

5)  CIL  X  2  p.  959  vgl.  Holste  zu  Cluver  1292,  10. 

6)  Mela  II  69  kinc  in  Tuscum  viare  jlexus  est  et  eiusdem  terrae  latus 
alterum  Malicana  ionium  Fibone  vielleicht  zu  schreiben  Vaticana  Hipponium 
nunc  Fibo,  vgl.  Müller  zu  Ptol.  III  1,  9  der  auch  TavQtavos  axoneXos  auf  dies 
Vorgebirge  bezieht. 

7)  lt.  Ant.  106.  111  Greg.  M.  Reg.  VI  38. 

8)  Elym.  M.  581  Meßfia. 


960  Kapitel  XVI.     BruttiHtn. 

Formen  schwanken  nicht  nur  die  Schriftsteller  sondern  bemerkens- 
werter Weise  auch  die  Münzen.  *)  Es  war  wie  Hipponion  von  den 
Lokrern  gegründet  2)  und  hat  geraume  Zeit  gleiche  Schicksale  ge- 
habt. Mit  der  Selbständigkeit  fehlt  ihm  das  Münzrecht,  erst  nach 
seiner  Befreiung  prägt  es  in  Kupfer  (S.  76).  Wie  S.  956  bemerkt, 
führen  beide  Gemeinden  422  mit  der  Mutterstadt  Krieg.  Aber  396 
siedelt  Diouys  4000  Medmaeer  in  Messana  an,  und  seitdem  begegnet 
der  Name  in  der  Ueberlieferung  nicht  wieder.  3)  Man  kann  ver- 
muten dafs  die  Stadt  im  hannibalischen  Kriege  völlig  zu  Grunde 
ging.  Dies  erklärt  sich  um  so  leichter  als  sie  allem  Anschein  nach 
in  der  Ebene  lag,  und  zwar  am  linken  Ufer  des  Mesma  bei  Rosarno. 
Hier  sprudelt  auch  eine  mächtige  Quelle  (Fönte  Santuccio),  von  der 
Strabo  den  Namen  herleitet.  4)  Nach  demselben  Gewährsmann  hiefs 
der  nahe  Hafen  'Ef^iTtoQiov.  ob  solcher  an  der  Flufsmündung  oder 
in  der  8  km  entfernten  Marina  von  Nicotera  zu  suchen  sei,  bleibt 
ungewifs.  Seitdem  aber  Vibo  von  den  Römern  zum  Rang  einer 
Colonie  erhoben  war,  konnte  von  einer  unabhängigen  Entwicklung 
dieser  Gegend  keine  Rede  sein,  daher  auch  Medma  uur  als  Dorf 
fortbestehen. 

Vom  Mesma  10  km  südHch  mündet  sein  Zwillingsbruder  Metaurusx 
das  letzte  Stück  heifst  jetzt  Petrace,  einer  der  Hauptzuflüsse  Marro.^) 
Er  entsteht  aus  einem  Bündel  von  Bächen  die  vom  Aspromonte  her 
kommen,  und  ist  sowol  durch  seine  Ueberschwemmungen  als  seinen 
Fischreichtum  bekannt.  Von  ihm  hatte  Metaurum  den  Namen  ent- 
lehnt, eine  Gründung  der  Lokrer  oder  auch  der  Zanklaeer  die 
der  Welt  nach  einer  Angabe  den  Stesichoros  geschenkt  haben  soll.  ^) 
Weiter  hat  sie  nicht  von  sich  reden  gemacht  und  war  zu  Strabo's 
Zeit  ein  bescheidener  Ankerplatz,  der  ungefähr  dem  heutigen  Gioja 
(29  m)  entsprach.     Am  linken  Ufer  des  Petrace  oder  Metamus  be- 


1)  Head  H.  N.  89.  Slepli.  Byz.  führt  beide  Formen  als  verschiedene  Städte 
auf.  Ob  Plin.  111  73  Medua  hierher  gehört,  ist  fraglich.  Anderweitig  kommt 
der  Name  im  Lateinischen  nicht  vor. 

2)  Thukyd.  V  5,  3  Strab.  VI  256  Skymn.  308  Etym.  M.  581  Mea/ia  vgl 
Skyl.  12  Meaa. 

3)  Diod.  XIV  78,  5. 

4)  Strab.  VI  256,  wol  richtiger  Et.  M.  vom  Flufs  959  A.  8. 

5)  Strab.  VI  256  Plin.  lil  73. 

6)  Meia  II  68  Soiin  2,  11;  Steph.  Byz.  verlegt  Mdrav^os  wie  andere  Küsten- 
orte nach  Siciiien  (vgl.  Meintke  zu  Hivveaaa),  Suidas  IlxrialxoQoe  richtig  Ma- 
■tavQla  nach  Italien. 


§  2.    Das  Südland.  961 

wahrt  der  M.  Traviano  (150  m)  das  Andenken  an  Taurianum,  wie 
Cato  sagt,  eine  Sladt  der  Aurunker  deren  sich  die  Achaeer  auf  der 
Heimkehr  von  Troia  bemächtigten,  i)  Sie  scheint  den  Rheginera 
gehurt  zu  haben,  wird  aber  in  der  Ueberlieferung  nirgends  erwähnt.2) 
Sie  war  sciion  591  verödet,  endgiltig  ward  ihr  Bistum  1087  auf 
Mileto  übertragen.  3)  —  Der  Name  der  Stadt  gewährte  einen  Anhalt 
um  die  Orestessage  an  diesem  Gestade  einzubürgern.  Pliuius  kennt 
hier  einen  portus  Orestis  und  die  Generalstabskarte  verzeichnet 
Porto  Oreste  nördlich  bei  Palmi:  der  Ansatz  stammt  kaum  aus  echt 
volkstümlicher  Ueberlieferung,  trifft  aber  im  Allgemeinen  zu.^)  Da 
Aeschylos  den  Namen  Rhegion  erklärte  (I  96),  hat  er  sich  vermutlich 
auch  mit  der  örtlichen  Gestaltung  der  Sage  befafst.  Nachdem  Orestes 
die  Schwester  aus  Tauris  befreit  halte,  soll  er  Sühne  finden  ent- 
weder in  einem  Flufs  der  aus  der  Vereinigung  von  7  anderen  ent- 
steht, oder  in  7  Flüssen  die  alle  der  gleichen  Quelle  entspringen. 5) 
Cato  der  eisten  Annahme   huldigend   denkt   an    den   Metaurus    der 

6  Flüsse  umfafst  und  läfst  im  siebenten  der  im  engeren  Sinne 
taurianisches  und  rheginisches  Gebiet  scheidet,  die  Sühne  erfolgen. 
Dieser  Grenzflufs  heifst  ihm  Paccolkus  und  entspricht  einem  der 
Bäche  die  bei  Bagnara  münden.     Dagegen  zählt  Varro  bei  Rhegion 

7  Flüsse  nach  einander  auf  in  denen  Orestes  entsühnt  wurde:  die 
gemeinsame  Quelle  im  Sinne  des  Orakels  ist  auf  der  HochQäche  des 
Aspromonte  zu  suchen.  Da  nun  von  diesem  10  Fiumaren  zwischen 
Rhegion  und  dem  Metaurus  ins  Meer  fallen,  ist  die  Auswahl  schwer, 
und  ein  Mittel  fehlt  um  die  Namen  auf  der  Karte  unterzubringen. 
—  Nach  Bagnara  verlegt  man  mit  Recht  den  porhts  Balarus,  wo 
42  v.  Chr.  die  von  Sextus  Pompeius  geschlagene  Flotte  der  Triumvirn 
Schutz  suchte. 6)     Gekämpft  wurde  bei  dem  9  km  entfernten  2/.id- 


1)  Cato  Gr.  III  1  Jordan,  Mela  II  68  mit  schwankender  Lesung,  Plin.  III  73 
Tauroentum,  Tab.  Peut,  Tauriana  23  Millien  von  Vibo  etwas  niedrig,  Tau- 
riana  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2  Guido  31.  73,  Plol.  III  1,  9  vgl.  S.  959  A.  6. 

2)  Bei  Cato  scheint  die  Lesung  richtig  Rhegini  Taurocini  vocantur  de 
ßuvio  qui  propter  ßuit,  d.  h.  der  Metaurus. 

3)  Greg.  M.  Reg.  I  39  Holste  zu  Cluver  1293. 

4)  Plin.  III  73. 

5)  Prob,  zu  Veig.  Ed.  Einl.  Schol.  Theokr.  p.  4  Ahrens  vgl.  Jordan  Cato 
Eid.  p.  45. 

6)  Appian  b.  civ.  IV  85;  Geogr.  Rav.  IV  34  Balaruvi,  von  Guido  43  irrig 
mit  Caslrovillari  geglichen,  von  Tab.  Peut.  ausgelassen. 

Nissen,  Ital.  Landeskunde  II.  "1 


962  Kapitel  XVI,    Bruttium. 

Xaiov  ccKQOv  oder  x6  2y.vXXaiov  Scilla.  *)  Dies  ist  ein  etwa  500  m 
von  (1er  Küste  vorspringender  80  m  hoher  Felsen,  der  an  beiden 
Seiten  einen  kleinen  Hafen  bietet.  Daraus  erwuchs  eine  Ortschaft 
Scyllaeum.  2)  Anaxilaos  Herrscher  von  Rhegion  hatte  hier  einen 
Kriegshafen  errichtet  um  etruskischen  Piraten  die  Durchfahrt  durch 
den  Sund  zu  wehren.  Aber  wenn  Schriftsteller  den  Sund  nach  der 
Scylla  benennen  (I  96  A.  1),  so  denken  sie  dabei  nicht  an  die  stra- 
tegische Wichtigkeit  des  Platzes,  sondern  an  die  Dichtung  Homers. 3) 
Die  Alten  haben  das  Schreckbild  sovvol  auf  Seeraub  (l  105)  als  auf 
den  im  Sund  betriebenen  Fischfang  bezogen  (I  111).  Nicht  blos 
die  Scylla  sondern  auch  deren  Mutter  hatte  ihr  Unterkommen  ge- 
funden :  letztere  als  Flufs  Cralaeis  d.  h.  einer  der  zwischen  Bagnara 
und  Scilla  mündenden  Bäche.  4)  —  Reichlich  7  km  von  Scilla  biegt  die 
Küste  von  Westsüdwest  nach  Süd  um.  Die  Spitze,  Punta  del  Pezzo 
ist  r;  Kalvvg  promunturium  Caenus,  zwischen  welchem  und  dem 
Cap  Pelorum  auf  sicilischer  Seite  der  Sund  am  meisten  eingeengt 
ist.  5)  Den  Absland  rechnet  Thukydides  richtig  zu  20  Stadien 6), 
während  andere  Angaben  viel  zu  niedrig  ausfallen  (l  96  A.  2).  Vom 
Vorgebirge  gelangte  man  nach  1  km  zu  einem  Heiligtum  des  Poseidon 
bei  Villa  S  Giovanni,  wo  in  der  Kaiserzeit  eine  Säule  Columna  Columna 
Regia  i)  "Pi^yivtov  orvlig  den  gewöhnlichen  Ueberfahrtsort  be- 
zeichnete, ■')  Das  Reisebuch  setzt  hier  den  Abschlufs  der  von  Mai- 
land und  Rom  nach  Sicilien  laufenden  Reichstrafsen  an.  Eine 
Sage  läfst  König  Authari  die  Säule  mit  seiner  Lanze  berühren  und 
erklären  dafs  der  Langobarden  Gebiet  bis  hierher  reiche,  ^j  Die 
Entfernung  von  Regium  beträgt  100  Stadien  =  10  Millien.^)  P.  Po- 
pilius  der  seine  Slrafse  von  Capua  bis  Regium    geführt  hat,   nennt 


1)  Strab.  1  20.   23.    24  VI  256   Appian   b.  civ.  IV  85  V  85    Ptol.  III  1,  9 
Dio  XLVIII  47;  Prokop  b,  Goth.  IV  20  oqos  to  ^xvXaiov. 

2)  Plin.  III  73,  iMela  II  68  Scylla,  Geogr.  Rav,  IV  34  Silaceon,  Guido  43 
Scillaceum. 

3)  Prokop  b.  Golh.  III  18.  27  IV  26. 

4)  Plin.  III  73;  Geogr,  Rav.  IV  34  Guido  43   Oraler. 

5)  Slrab.  VI  257  Plin.  III  73;   Geogr.  Rav.  IV  34  Cocineon  Guido  43  Coc- 
cinium  wol  aus  einer  Zusainmenziehung  von  Columna  und  Caenus  entstanden. 

6)  Thukyd.  VI  1  das  Stadion  von  148  m  oder  165  m  ist  gemeint. 

7)  Strab.  Vr257  Plin.  III  71.  73.  86  It.  Ant.  98.  106.  111. 

8)  Paul.  h.  Lang.  111  32. 

9)  Suab.  a.  0,,  die  Ziffer  bei  Plinius  ist  zerstört,  auf  der  Bahn  sind  von 
Villa  S.  Giovanni  bis  Reggio  15  km. 


§  2.     Das  Südland.  963 

als  Ort  der  Ueberfabrt  ad  Statuam  6  Millien  von  gedachter  Stadt. i) 
Die  Station  fällt  in  die  Nähe  von  Galileo  superiore. 

Von  Capua  sind  nach  der  Inschrift  des  Popilius  321,  mithin 
von  Rom  452  Millien  bis  'Prjiov  Regium  Reggio  di  Calabria.2) 
Heut  zu  Tage  Hauptstadt  der  Provinz  CalabriauUeriorel  mit  3164  Dkm, 
umfafste  sie  in  römischer  Zeit  einen  gröfseren  Bezirk.  Der  Aus- 
druck ^  'Pr]yivtüv  x^QQovi]Oog  dehnt  ihn  über  das  breltiscbe  Süd- 
land 3),  /iirjTQo/tlig  rrjg  Bq^rrLag  gar  über  ganz  Bruttium  aus.  *) 
Im  4.  Jahrhundert  schlagen  die  Correctoren  von  Lucanien  und 
Bruttium  wie  in  Salernum  (S.  826)  so  auch  hier  ihren  Sitz  auf.  &) 
Man  könnte  erwarten  dafs  bedeutende  Denkmäler  von  dieser  Ver- 
gangenheit Zeugnifs  ablegen  würden.  Allein  Regium  ist  von  Gothen 
Saracenen  Pisanern  Normannen  und  zweimal  von  Türken  zerstört, 
als  schlimmstem  Feind  vom  Erdbeben  wiederholt  heimgesucht  worden, 
zeigt  in  Folge  dessen  wie  das  gegenüber  liegende  Messina  ein  ganz 
modernes  Aussehen.  Damit  ist  die  monumentale  Ueberlieferung  auf 
Grabfunde  und  Inschriften  beschränkt.  Wir  mögen  dies  bedauern, 
insofern  das  städtische  Leben  stärker  entwickelt  war  als  anderswo. 
Zwar  können  die  Agrumen-  und  Olivenhaine  die  gegenwärtig  den 
Saum  des  Hochgebirgs  schmücken,  den  gartengleichen  Anbau  im 
Altertum  veranschaulichen;  der  Reginer  zählte  zu  den  besseren 
Marken  der  Kaiserzeit  ö)^  in  Rhegion  ist  die  Platane  (I  442)  um 
400  V.  Chr.  zuerst  auf  italischem  Boden  eingebürgert  worden. '') 
Aber  an  Ausdehnung  kam  die  Feldflur  der  lokrischen,  vollends  der 
krotoniatischen  nicht  gleich:  nach  Süden  wurde  sie  durch  den  Halex 
begrenzt  (S.  955),  überschritt  im  Norden,  einschliefslich  Taurianum, 
kaum  den  Metaurus  (S.  960).  Was  die  Stadt  grofs  gemacht  hat, 
war  ihre  Lage  an  einer  belebten  Weltstrafse.  Allerdings  kann  sich 
ihr  Hafen  nicht  mit  dem  nur  11  km  entfernten  Hafen  Messina's  ^) 
messen,  der  zu  den  besten   am  Mittelmeer  gehört.     Jedoch   ist  der 


1)  CIL.  X  6950.  56—58. 

2)  Im  Lateinischen  ohne  Aspiration,  daher  der  Natne  von  regius  abgeleitet 
werden  konnte  Strab.  VI  258.  Die  Einwohner  Regini,  die  von  Regium  Lepidum 
in  der  Aemilia  (S.  267)  Regienses  CIL.  X  1  p.  3. 

3)  Plut.  Grass.  10,  4. 

4)  Olympiodor  fr,  15  (Müller  IV  p.  60). 

5)  Boecking  zu  Not.  Dig.  Occ.  435  CIL.  X  1  p.  4. 

6)  Athen.  I  26  e  Cassiod.  Var.  XII  14. 

7)  Theophrast  h.  plant.  IV  5,  6  Plin.  XII  7. 

8)  Richtig  It.  mar.  491. 

61* 


964  Kapitel  XVI.    Bruttlum. 

Abstand  zwischen  dem  beiderseitigen  Verkehr  im  Altertum  durchaus 
nicht  so  erhebhch  gewesen  wie  gegenwärtig.  Wenn  Rhegion 
50  Trieren  gegen  Dionys  stellte,  hat  Messana  eine  geringere  Rüstung 
aufgebracht,  i)  Was  ferner  das  Gewerbe  betrifft,  dessen  Aufschwung 
mit  dem  Handel  Hand  in  Hand  zu  gehen  pflegt,  so  scheint  die  italische 
Stadt  ihre  sicilische  Schwester  übertroffen  zu  haben,  hat  sie  doch 
durch  ihre  Erzgiefserei  zur  Zeit  der  Perserkriege  2)^  unter  den  ersten 
Kaisern  durch  Kunsttöpferei  Ruhm  erlangt.  3)  Endlich  ist  sie  in 
der  Litteratur  durch  hervorragende  Namen  vertreten  *);  den  Dichter 
Ibykos,  den  ältesten  Geschichtschreiber  des  Westens  Hippys,  aus 
jüngerer  Zeit  Lykos  und  Theagenes. '")  —  Zur  Beherrschung  des 
Sundes  haben  die  Chalkidier  zuerst  an  der  sicilischen  Seite  den 
verlockenden  Hafen  von  Zankle  in  Besitz  genommen,  hierauf  gegen 
Ausgang  des  8.  Jahrhunderts  Rhegion  gegründet.  Sie  wählten  eine 
flache  Bucht  die  nach  Nordwest  auf  Zankle  geöffnet  und  11  km  von 
ihm  entfernt  ist,  als  Ort  der  Anlage.  Ein  Gotterspruch  hatte  sie 
an  den  Flufs  Axpiag  gewiesen :  welchem  Bach  im  städtischen  Weich- 
bild dieser  unbekannte  Name  zusteht,  wissen  wir  nicht.  6)  An  der 
Gründung  nahmen  messenische  Geschlechter  Theil  und  behielten  in 
der  Folge  die  Leitung  des  Gemeinwesens.'')  Das  chalkidische  Ge- 
präge ist  dadurch  nicht  beeinträchtigt  worden.  Wie  die  Ufer  des 
Sundes  zusammen  gehörten  und  nach  der  Meinung  der  Hellenen 
durch  eine  finstere  Naturgewalt  aus  einander  gerissen  worden  waren 
(I  96),  so  haben  sie  im  Wesentlichen  die  gleiche  Politik  verfolgt 
und  gleiche  Schicksale  erlebt.  Der  Gegensatz  zu  Syrakus  und  den 
Doriern  giebt  bei  beiden  den  leitenden  Gedanken  ab.  Was  die 
Haltung  der  Rheginer  auf  dem  Festland  betrifft,  so  haben  sie  zwar 
die  Lokrer  im  Kampf  gegen  die  Uebermacht  Krotons  unterstützt 
(S.  951),  im  Uebrigen  mit  ihnen  in  nachbarlicher  Feindschaft  ge- 
lebt, die  sich  sogar  auf  die  unvernünftige  Creatur  erstreckte  (S.  955). 
Wie  die  chalkidischen  Namensgenossen  nahmen  sie  die  Gesetze  des 

1)  Diod.  XIV  8.  40,  vordem  gar  100  XII  54. 

2)  Pausari.  III  17,  6  VI  4,  4  Plin.  XXXIV  59. 

3)  Plin.  XXXV  165. 

4)  Slrab.  VI  258  iniifavrj  S'  oiv  nöXiv  .  .  .  noXXove  avS^ae  7ia^aax(>/*^^V^ 
n^iove  Xiyov  TOis  ftev  xara  noXnixr^v  o^et^v  tovs  8e  tcarn  natSeiav. 

5)  Suidas  s.  v.  Müller  FHGr.  II  12.  370. 

6)  Diod.  VIll  23. 

7)  Thukyd.  VI  4,  6  Slrab.  VI  257  Diod.  XIV  40,  1  Skymn.  311  Pausan.  IV 
23,  6  Herakl.  Pol.  25  (FHGr.  II  219). 


§  2.    Das  Südland.  965 

Cliarondas  an  und  lialten  eine  aristokratische  Verfassung  >),  gewährten 
auch  zeitweiUg  den  Pythagoreern  Unterkunft.  2)  Sodann  warf  sich 
494  Anaxilaos  zum  Tyrannen  auf  3),  gewann  Zankle  das  fortan  Messene 
heifst^),  schlofs  Bünduifs  mit  den  Karthagern^),  wurde  allein  durch 
das  Einschreilen  des  syrakusischen  Königs  Hieron  an  der  Bewältigung 
Lokri's  verhindert  (S.  954  A.  2).  Sein  Nachfolger  Mikythos  be- 
setzte Pyxus  in  Lucanien  (S.  897)  und  sandte  den  Tarentinern 
Hülfsiruppen  gegen  die  Messapier  (S.  871).  Aber  nach  dessen  Fort- 
gang wurde  die  Tyrannis  461  gestürzt  6),  mit  der  glänzenden  Macht- 
entfaltung und  der  Politik  grofsen  Stils  war  es  von  nun  ab  vorbei. 
Rhegion  sucht  und  findet  jetzt  seinen  Rückhalt  an  Athen:  die  Ur- 
kunde des  kurz  vor  dem  peloponnesischen  Kriege  abgeschlossenen 
Bündnisses  ist  noch  erhalten. ')  Es  bildet  427  das  Hauptquartier 
der  Athener  (S.  955),  bleibt  dagegen  415  neutral,  ^j  Der  laufende 
Hase  auf  den  Münzen  des  Anaxilaos  hat  den  Rheginern  argen 
Schimpf  eingetragen  und  ihre  Feigheit  zum  Sprichwort  erhoben.  ^) 
Der  heldenmütige  Kampf  gegen  Dionys  der  387  mit  ihrer  Ver- 
nichtung endigte,  straft  die  Bosheit  Lügen. i^j  Der  jüngere  Dionys 
baute  einen  Theil  der  Stadt  unter  dem  Namen  Ooißicc  wieder  auf  i^); 
351  erlangte  sie  die  Freiheit  zurück  und  unterstützte  345  den 
Timoleon.i2)  Aber  die  nachfolgenden  Wirren  rissen  die  Stadt  aber- 
mals mit  sich.  i3)  —  Die  Furcht  vor  den  Eingebornen  trieb  sie  in 
Roms  Arme.  Ihr  Vertrauen  wurde  bitter  getäuscht,  als  die  aus 
Campanern  bestehende  römische  Besatzung  280  die  Bürger  nieder- 
metzelte und  deren  Erbe  antrat.  Erst  271  ging  diese  oskische 
Episode  der  Stadtgeschichte  zu  Ende,  fand  der  Treubruch  die  ge- 
bührende Sühne  die  den  mamerlinischen  Genossen  in  Messana  er- 


1)  Aristot.  Pol,  II  9,  5  Heraklides  a.  0. 

2)  Jamblich  v.  Pyth.  33.  130.  251  Porphyr.  21, 

3)  Aristot.  Pol.  V  10,  4  Diod.  XI  48. 

4)  Herod.  VI  23  VII  164  Thukyd.  VI  4,  6. 

5)  Herod.  Vil  165. 

6)  Diod.  XI  76,  5. 

7)  Diltenberger  P  25. 

8)  Thukyd.  III  86.  88.  115  IV  1.  24  VI  44.  79  Diod.  XIII  3  XII  51. 

9)  Athen.  1  19  f  Suidas  Xaydis  u.  a.  Head  H.  N,  93. 

10)  Diod.  XIV  8.  40.  44.  87.  90.  100.  103.  106.  108.  111  fg. 

11)  Strab.  VI  258. 

12)  Diod.  XVI  45.  66.  68  Plut.  Tim.  9.  10, 

13)  Diod.  XIX  4. 


966  Kapitel  XVF.     BruUium. 

spart  blieb.  ^)  Die  wieder  hergestellte  hellenische  Gemeinde  hielt 
ungleich  dem  benachbarten  Lokri  (S.  954)  unverbrüchlich  zu  Rom, 
stellte  bei  dem  allgemeinen  Abfall  zu  Hannibal  den  letzten  Rettungs- 
anker in  Brultium  dar  2),  trotzte  später  noch  den  empörten  Italikern.3) 
Sie  bewahrte  denn  auch  innere  Selbständigkeit,  eigene  Münze  4)  und 
wurde  nur  für  den  Seekrieg  zu  Leistungen  herangezogen!.  &)  Auch 
nach  dem  Empfang  des  römischen  Bürgerrechts  als  Municipium  6) 
verharrte  Rhegion  bei  der  Sprache  und  Sitte  seiner  Väter  ^):  das 
bezügliche  Zeugnifs  Strabo's  wird  durch  das  Vorwiegen  der  griechi- 
schen Inschriften  gegenüber  den  lateinischen  vollauf  bestätigt.  §)  Ein 
schweres  Erdbeben  91  v.  Chr.  schädigte  den  Wolstand  vorüber- 
gehend 9),  aber  42  gehörte  es  zu  den  18  Municipien  die  den  Heeren 
der  Triumvirn  preisgegeben  werden  sollten.  Octavian  verschonte  es 
wie  Vibo  (S.  958)  wegen  der  Bedeutung  die  beiden  Orten  für  die  Be- 
kämpfung des  Sextus  Pompeius  zukam.  Immerhin  war  die  Bevölkerung 
in  den  Bürgerkriegen  so  geschwächt  dafs  36  die  Ansiedlung  von 
Veteranen  zweckmäfsig  erschien. lo)  Von  daher  schreibt  sich  die  amt- 
liche Benennung  Reginm  Julium  Regini  Julienses,  die  aber  keines- 
wegs Colonialrecht  einschliefst. i')  In  der  Kaiserzeit  wird  die  Stadt 
öfter  erwähnt  12),  namentlich  in  den  Gothenkriegen  wo  sie  410  in 
Alarichs,  549  in  Totila's  Hände  fiel.i^)  In  allen  Wechseln  des 
Schicksals  ist  ihr  Ansehen  nie  erloschen. i*) 


1)  Pol.  I  7  Diod.  XXll  Ifg.  Dion.  H.  XX  4.  5  Oros.  IV  3  Liv.  XV  XXI  31 
Appian  Samn,  9  Dio  fr.  40,  7. 

2)  Pol.  IX  7,  10  27,  11  Diod.  XXVI  13  Appian  Kann.  44  Liv.  XXIII  30 
Regini  tantumniodo  regionis  eins  et  in  fide  erga  Romanos  et  potestaiis  suae 
ad  ultimum  manserunl,  XXIV  1  XXVI  12  XXIX  6. 

3)  Diod.  XXXVII  2,  13. 

4)  Momniseii  Münzwesen  325. 

5)  Liv.  XXVI  39  XXXV  16  XXXVI  42  XLII  48. 

6)  Gic.  Verr.  IV  26.  135  Phil.  I  8  ad  Farn.  XII  25,  3. 

7)  Strab.  VI  253  Gic.  pro  Archia  5.  10. 

8)  Kaibel  p.  150  fg.  Not.  d.  Scavi  1902  p.  44. 

9)  Obseq.  54  Slrab.  VI  258. 

10)  Strab.  VI  259  vgl.  Appian  b.  civ.  II  95  IV  3.  25.  39.  85.  86  V  81.  84 
Dio  XLVIIl  18.  47  Suet.  Aug.  16. 

11)  Plol.  III  1,  9  CIL.  X  p.  3.  1003  Eph.  ep.  VIII  p.  70. 

12)  Tac.  Ann.  I  53  Suet.  Tit.  5  Mela  II  68  Plin.  III  43.  73.  86. 

13)  Histor.  Mise.  Xlil  27  XVIII  16.  19  XIX  24  Prokop  b.  Goth.  I  8  III  18. 
37.  39.    Jord.  Get.  309. 

14)  Gassiod.  Var.  XII  14  Paul.  h.  Lang.  II  17. 


§  2.    Das  Südland.  967 

Bei  den  Alten  ist  auch  von  xo  '^Fr^yiov  aTLQVixrQiov  die  Rede.i) 
Darunter  hat  man  das  6  Millien  von  der  Stadt  entfernte  Capo  d 
Pellaro  zu  verstehen  das  mit  dem  jenseitigen  Capo  di  Scaletta  den 
Sund  auf  14  km  einschnürt.  Strabo  überträgt  irrig  auf  dies  Vor- 
gebirge den  Namen  ^evKonixQa  der  dem  südwestHchen  Vorsprung 
des  Festlands  Capo  dell'  Armi  unter  37^  56'  zukommt.  2)  Er  heifst 
auch  nixQa  xr^g  'Pr^ylvrig^),  führt  aber  regelmäfsig  das  von  der 
hellen  Farbe  des  Gesteins  herrührende  Beiwort.  Die  Entfernung 
von  Rhegion  wurde  auf  15  Millien'  bestimmt.  Bei  Leucopetra 
nahm  man  das  Ende  von  Sila  und  Appennin  an.  Da  die  Schiffe 
am  Cap  ihren  Curs  änderten  und  bei  widrigem  Wind  am  Lande 
Schutz  suchten  ^),  ist  eine  kleine  Ortschaft  gleichen  Namens  ent- 
standen. °) 


1)  Thukyd.  IV  24,  4  VI  44,  2  Skylax  12  luslin  IV  1,  7  vgl.  (Arist.)  mir. 
ausc.  130. 

2)  Strab.  VI  259  Plin.  Ill  74  Ptol.  III  1,  9  Dion.  Per.  79  Cic.  Phil.  I  7  ad 
Att.  XVI  7,  1.  Vereinzelt  heifst  auch  das  iapygische  Cap  Leuca  (S.  884)  Leu- 
copetra Tarentinorum  Cic.  ad  Att.  XVI  6,  1. 

3)  Thukyd.  VII  35. 

4)  Äppian  b.  civ.  V  109  Cic.  Phil.  I  7  ad  Att.  XVI  7,  1. 

5)  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  1  Guido  31.  72. 


Antike  Ortsnamen. 


Das  Verzeichnits  enthalt  nicht  nur  die  im  Handbuch  besprochenen ,  sondern  auch  diejenigen 
Oertiichkeiten  die  der  Kürze  -wegen  übergangen  sind.  Während  im  ersteren  Falle  auf  dio 
Darstellung ,  wird  im  letzteren  auf  das  ZeugniCs  des  Altertums  verwiesen.  Die  zahlreichen 
von  Personen  entlehnten  Gutsnamen  blieben  unberücksichtigt.  Was  die  Stadt  Rom  betrifft, 
so  ist  nur  eine  Auswahl  von  Namen  angeführt  worden :  über  die  reichhaltige  Litteratur  zu 
diesen  Angaben  gewährt  Hülsen's  Nomenciator  nähere  Auskunft. 


Abala?  port.  Brutüum  Appian  b.  civ. 

V  112  vgl.  Balarus 
Abas  fl?  Sleph.  Byz. '^/Sat 
Abella  mun.  Avella  Campaniea  754 
Abellinates  gens  Samnium  823 
Abellinates  Marsi  inun.  822 
Abellinates  Frotropi  mun.  822 
Abellinum  mun.  col.  Avellino  822 
Abolani  pop.  Latium  556 
Aborigines  gens  Latium  I  531  II  555 
Abrutium  Teramo?  428  A.  7 
Absyrlides  ins.  Brioni  Istrien  241 
Abydum  opp.  Apulien  Steph.  Byz. 
Academia  villa  Cumae  Camp.  735 
Acalander  fl.  Thurii  Lucanien  921 
Accienses  pop.  Latium  556 
Acelum  mun.  Asolo  Veneter  223 
Aceronia  Auletta  Lucanien  901 
Acerrae    opp.   Pizzigheltone  Trans- 

padana  192 
Acerrae  mun.  Acerra  Campanien  754 
Acerrae  Va fr iae  opp.Umbrien  Plin. 

III  114 
Aceruntia  mun.  Acerenza  Luc.  908 
Acheron  fl.  Caronte  Bruttium  933 
Acherontini?  Brutlium  933  A.  8 
Acherusia    paiiis    Lago  del    Fusaro 

Campanien  726 
Acidios?  Lucanien  909  A.  3 
Aciris  fl.  Agri  Lud  336.34311  909 
Acra  Japygia  prom.  Gap  Leuca  Ca- 

labrien  I  539  A.  3  II  884 
Acropolis  opp.  Agropoli  Lucan.  894 
Acuca  opp.  Apulien  Liv.  XXIV  20 
Addua  fl.  Adda  Transpadama  I  180. 

188  II  188 


AdriaAdriacumAdrianumAdri- 

aticum  mare  Adria  190 
Adtine  retine Spoleto-Terni 404 A. 8 
Adula  mons  St.  Gotthard  1148 
Aecae  mun.  Troia  Apulien  844 
AecaluMi  opp.  =  Aeclanum.''  817  A.  5 
Aeclanum    Aeculanum    mun.  col. 

Mirabella  Eclano  Hirpiner  817 
Aedro  port.  Chioggia  Veneier  219 
Aeflanus    mons    Colle    Faustiniano 

Latium  614 
Aefula  opp.  Colle  Faustiniano  Lat. 614 
Aegates  ins.  W  Sicilien  I  369 
Aegetini?    mun.  Calabrien  Plin.  III 

105  vgl.  Azetium 
Aegilion    ins.  s.  Capraria 
Aegusa  ins.  Favignana  Sicilien  I  370 
Aemilia  regio  Romagna  3.243 
Aemilia  via  Rimini-Piacenza  243 
Aemil  ia  Scauri  viaPisa-Dertona  143 
Aenaria  ins.  Iscbia  Campanien  1266 

83  II  729 
Aenea  opp.  Janiculum  Rom  490  A.  1 
Aeoliae  ins.  Liparen  1  272.  369 
A  e  q  u  a  m  .  .  .  pag.  Volcei  Lucanien  902 
A  e  q  u  a  n  a  vic.  Vico  Equense  Camp.  769 
Aequanus  pag.  Benevenl  Samn,  814 
Aequi  gens  I  514  II  461 
Aequiculi  mun.  Cicolano  462 
Aequimelium  Rom  Varro  LL.  V  157 
Aequum  Fall scumstat.  Via  Flaminia 

Elrurien  364 
Aequum  Tuticum  vic.  S.  Eleulerio 

Samnium  816 
Aesarus  fl.  Esaro  Croton  93S 
Aesculetum  Rom  Plin.  XVI  37 


Antike  Ortsnamen. 


969 


Aeseinia  col.  mun.  Isernia  Samn.  795 
ad  Aesim  Scheggia  Umbiien  390 
ad  Aesim  Sinigaglia-Ancona  It. 

Anf.  316 
Aesis  fl.  Esino  Gallische  Mark  1  71. 

341  II  376 
Aesis (Aesulum  col.?j  mun.  lesi  Gal- 
lische Mark  386 
Aesolani?  pop.  Latium  556 
A  e  s  u  V i  u  m  pralum  Rom  Plut.  Publ.  9 
A  e  thali  a  ins.  s.  11  va 
Aetna  nions  Etna  Sicilien  1  250.  74. 

77.  80 
Afilae  mun.  Affile  Aequer  618 
Agaminus  pag.  Ghemme  Libiker  177 
Aggasus  port.  Vieste?  Apulien  839 
Agger  Servi  Tuili  Rom  501 
Agida  opp.  Gapodistria?  Istrien  240 
Agon  es  gens  Transpadaoa  173 
Agrifanus  pag.  Nola  Campanien  756 
Agylla  opp.  s.  Caere 
Agunia  fl.  Agogna  Libiker  11 97  II 177 
Aharna  opp.  s.  Arna 
Alba    Do  eil!  a    Riviera    Tab.   Peut. 

Geogr.  Rav.  IV  32  V  2 
Alba  Fucens  col.  mun.  Albe  Aequer 

457 
Alba  Longa  mun.  Latium   582 
Alba  Pompeia  mun.  Alba  Lig.  155 
Albana  aqua  Marino  Latium  532 
Albana  arxGastelGandolfoLalium583 
Albana  platea  Capua   708 
Albanum  opp.  Albano  Latium  587 
A 1  b  a  n u  s  lacus Lago  di  Caslello  Latium 

I  261  II  584 
Albanus  muiis  M.  Gavi  Latium  I  252. 

60.  79  II  580 
Albanus  pag.  Ligurer  Samnium  815 
Albenses  populi  alban.  Bund  555 
Albenses    Fuicentes    pag.    Prae- 

tultier  GIL.  IX  5146 
Albensis  pag.  Veleia  Aemilia  276 
Albina  fl.  Albegna  Etr.  1  30711309 
Albi  tem  i  US  Salt.  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 
Albula  fl.  Vibrala.''     Picenum  430 
Albula  fl.Tevere  Latium  I  308 
Albula  fl.  Tivoli  Latium  610 
Album    Ingaunum    mun.    Albenga 

Riviera  141 
Album  Intimilium  mun.Ventimiglia 

Riviera  141 
Alburnus    mons    Alburno   Lucanien 

1  242  II  891 
Alburnus  port.  Sele  Lucanien  892 
Aletium  mun. Alezio  Calabrien  885 


Aletrini  mun.  Apulien  Piin.IlI  105 
Ale  tri  um  mun.  Alatri  Herniker  654 
Alex  fl.  s.  Halex 
A 1  e  X  a  n  d  r  i  vic.  Porto  della  Pozzellana 

Rom  I  317  11  547 
Alfaterni  gens  Samnium  772 
Alfaterni  pop.  Aequer  Plin.  111  108 
Alfellani  mun.  Apulien  Plin.  111  105 
Algae  port.  Elrurien  It.  mar.  498 
Algidum  Val  Molara  Latium  595 
Algidum  opp.  Castel  dell'  Aglio  La- 
tium 595 
Algidus  mons  Selva  dell'  Aglio  La- 
tium I  261  11  596 
Alia  fl.  Fosso  della  Bettina  Lat.  606 
Aliana  regio  Alagna  Libiker  176 
Alianus  castel.  Genua  GIL.  V  7749, 

17 
Aliternum=GapuaI331  A.3II697 
Allia  s.  Alia 

Allifae  mun. col.  Alife  Samnium  798 
Alma  fl.  Alma  Etrurien  It.  mar.  500 
Almanicenses      Almanticenses 

Seealpen  CIL.  V  7869  p.  1092 
Almo  fl.  Acqualaccio  Rom  547 
Alpe  Apennina  Riviera  146 
Alpe  Cottia  M.  Genevre  151 
Alpe  Graia  KL  Bernhard  1 147. 

59  II  173 
Alpe  Summa  Seealpen  135.  138.  140 
Alpes  Appenninae  1219 
Alpes  Atrectianae  1  147  A.  4 
Alpes  Garnicae  1  149 
Alpes  Geutronicae  1    147  A.  3 
Alpes  Gottiae  1  146.  57  11  149 
Alpes  Graiae  I  147.  58  11  167 
Alpes  Juliae  I  149.  66 
Alpes  Maritimae  I  146.  57  II  134 
Alpes  Noricae  I  149 
Alpes  Poeninae  1  147.  59  II  167 
Alpes  Rae  ticae  1   148 
Alpes  Tridentinae  I  149  II  210 
Alpes  Venetae  I  149 
Alpis  Bardonis  Bardi  Aemilia  I  219 

A.  3 
Alpis  J  ulia  M.  Genevre  151  A.  5 
Alpis  Julia  Biinbaumer  Wald  234 
Alsa  fl.  Ausa  Garner  I  196  A.  1  II  229 
A 1  s  i  e  ti  n  u  s  lac.  L.  di Marlignano  Etru- 
rien I  260  11  350 
Alsium  col.  Palo  Elrurien  350 
Alsuca  Val  Sugana  Alpeu  223 
Altanum    Squillace-Reggio    iL  Ant. 

115 
Althaenus  fl.  Rio  degli  Angeli  Apu- 
lien 838 


970 


Antike  Ortsnamen, 


Altinum  mun.  Altino  Veneter  222 
AI  usias  fl.  s.  Lusias 
A  1  y  n  lus  fl  s.  Haies 
Anrjaltlieae  cornu  villa  Vibo  Athen. 

XII  542a 
Amalune  fl.  Malone  Tauriner  Geogr. 

Rav.  IV  36. 
Amantia    Amantea   Brultium  Geogr. 

Rav.  IV  32  vgl.  Tab.  Peut.  Annicia 
Amasenusfl.  Aniaseno  Lat.  1 325 II 639 
Ambitrebius  pag.  Veleia  Aem.  276 
Ambuleius     ager    Mincio    Venelien 

Joid.  Gel.  223 
Amentinus  minor  pag.  Rom  CIL.  VI 

251 
Ameria  mun.  Amelia  Umbrien  399 
Amerinum  castel.  Umbrien  400 
Ameiiola  opp,  Latium  563 
Ametinum  mun.  Etrurien  371 
Aminaei   pop.''  Campanien  691  A.  1 
Amiternum  praef.  mun.  S.  Viltorino 

Sabina  470 
Amiternum  opp.  Volskei?  679  A.  5 
Amitinnm  s.  Ametinum 
Am  peius  opp.  Sleph.  Byz. 
Amphitheatrum    Flavium    Rom 

538 
Ampsanctus    lac.  Mefita    Hirpiner  I 

242.  71  II  819 
Amunclae  opp.  Aurunker  658 
Amyclae  s.  Amunclae 
Anagnia   mun.  Anagni  Herniker  651 
Anagniae  pontinisches Gebiet  651 A. 8 
A  nagnis  castrum  Nano  Alpen  211  A.  1 
Anamari?  gens  Cispadana  I  473  A. 

2  477.  81 
Ananes?  gens  Cispadana  I  473  A. 
Anaone  porf.  Seealpen  137 
Anauni    pop.  Val  di  Non  Alpen  210 
Anaurus?    fl.  Latium    Kaibel    inscr. 

1089 
Anaxus    port.  F.  Lignano.''   Carner  I 

196  A.  1 
Ancara  opp.  Pol.  bei  Steph.  Byz. 
Anchise    opp.  Dion.  H.  I  73   Steph. 

Byz. 
Ancon    Anco  na    col.  Ancona    Pice- 

num  415 
Ancyrium  opp.  Steph.  Byz.  Suid. 
Andes  vic.  Pietole?  Mantua  203 
A  ndres?  s.  Ananes 
Anemo  fl.  Lamone  Aem.  I  192  II  250 
Anesiates  vic.  Nese  Transp.  190 
Angaesi  gens  Lykophr.  AI.  1058 
Angelum  stat.  Manuciner  It.  Ant.  313 
Angitiae  lucus  s.  Lucus  Fucens 


Angitula  fl.Angitola  Bruttium  956 
Angulus  mun.  Spoltore  Vestiner  440 
A  nid  US?  Ligurer  Liv.  XL  38 
Anien     Anio    fl.   Aniene    Latium    I 

314  II  604 
Aniensis  tribus  Liv.  X  9 
Animula    opp.   Apulien    Plaut.  Mil. 

glor.  654  Fest.  25  M.  Phil.  V.  Georg. 

II  134 
Aninus  vic.  Marser  CIL.  IX  3813 
Anio  port.  Etrurien  Mela  II  72  s.  Pa- 

napio 
Anneianum    Este  -  Modena   It.  Ant, 

281 
Anneianum    Faenza-Luca   It.   Ant. 

284 
Annicia  Bruttium  Tab.  Peut. 
Annum?  Lanciano- Vasto  Tab.  Peut. 

Georg,  Rav.  IV  31  V  1 
Antemnae  opp,  Antemne  Rom  544 
Antheia  =  Antium  627  A.  2 
Antin  um  mun,  Civilä  d' Antino  Mar- 
ser 456 
Antipolis   laniculum  Rom  490  A.  1 
Antium?  port.  Ligurer  Skylax  4 
Antium  col.  Anzio  Latium  627 
Anxa  opp.  s,  Callipolis 
Anxanum  mun.  Lanciano  Frent.  780 
Anxanum  stat.  Apulien  849 
Anxates  mun.  Marser  457 
Anxia  opp.  Anzi  Lucanien  909 
Anxur  col,  Terracina  Latium  640 
Apamestini  mun.  Calabrien  Plin.  III 

105 
Apenestae  Apulien  PtoLIII  1,14 
Aphanae    opp,  Steph.  Byz.  Hesych. 

Zenob,  III  92  vgl  Apina 
Apicilia  Concordia-Aquileia  It,  Hier. 

559 
Apina  opp,  Apulien  Plin.  III 104  vgl. 

Aphanae 
Apiolae  opp.  Latium  563 
ApoUinaris  pag.  Placentia  Aem.  274 
Aponiana  ins.  Favignana  Aegaten  b. 

Afric.  2 
Aponus  fons  Abano  Veneter  221 
Appenninus  mons  I  217 
Appenninus  Areliascus  et  Cau- 

dalascus  mons  Veleia  Aemilia  CIL, 

XI  1147 
Appenninus    Laevia   mons  Veleia 

Aemilia  CIL.  XI  1147 
April is  lac,  s,  Prilius 
Aprusa  fl,  Ausa  Aemilia  248 
Aprustum  mun.  Bruttium  933 
Apsias  fl,  Regium  Bruttium  964 


Antike  Ortsnamen. 


971 


Apuani  gens  Ligurien  I  474  II  283 

Apulia  regio  le  Puglie  834 

Apuli  gens  1  541  II  842 

Aqua  Acidula  Francolise  Campa- 
nien  695  A.  2 

Aqua  Crabra  Tusculum  Latium  600 

Aqua  Diniidia  Slabiae  Campanien 
Plin.XXXI  9 

Aqua  Viva  slat.  Acquaviva  Etr.  367 

Aquae  Albulae  Aique  Albule  La- 
tium 610 

Aquae  Angae  Bruttium  931  A.  9 

Aqnae  ApoUinares  Bagni  di  Vi- 
carello  Eliurien  353 

Aquae  Auguriae  Gael.  Aurel.  de 
morbis  V  4,77 

Aquae  ßormiae  ßormio  Alpen  1S9 

Aquae  Caeretanae  Caerites  B. 
del  Sasso  Etrurien  349 

Aquae  Ciceronianae  Cumae  Cam- 
panien Plin.XXXI  6 

Aquae  Cumanae  Baja  Camp.  732 

Aquae  Gutiliae  Paterno  Sabina  475 

Aquae  Labanae  B.  di  Giotta  Ma- 
rozza  Latium  609 

Aquae  Nepesinae  Nepel  Etrurien 
Cael.  Aurel.  de  morbis  III  2,45  V 
4,77 

Aquae    Neptuniae    Terracina    641 

Aquae  Nitrodae-es  Nitioli  Jschia 
730 

Aquae  Passeris  Bacucco  Etrurien 
341 

Aquae  Patavinae  s.  Aponus 

Aquae  Pisanae  B.  di  S.  Giuliano 
Etrurien  291 

Aquae  Populoniae  leCaldane  Etru- 
rien 305 

Aquae  Posidianae Baiae Campanien 
Plin.  XXXI  5 

Aquae  Scantiae  Campanien  Plin. 
II  240  vgl.  Scantia  silva 

Aquae  Senanae  Siena  Etrurien  Cael. 
Aurel.  de  morbis  II  1,48 

Aquae  Sinuessanae  B.  di  Mondra- 
gone  Aurunker  665 

Aquae  Statiellae  mun.  Acqui  Li- 
gurien 157 

Aquae  lauri  mun.  Bagni  di  Ferrata 
Etrurien  334 

Aquae  Vesevinae  Vesuv  Campa- 
nien Cael.  Aurel.  de  morbis  II  1,48 

Aquae  Vola  terra  nae  Bagno  a  Mor- 
bo?  Etrurien  Tab.Peut. 

Aquae  urbis  Romae: 
Alexandrina  549 


Alsietina  549 
Anio  Novus  549.  617 
Anio  Vetus  51U.  49 
Appia  510.  49 
An  fei  a  Plin.XXXI  41 
Claudia  549.  617 
Julia  549 

Marcia  521.  49.  617 
Tepula  521.  49 
Tr  aia  na  549 
Virgo  535.  49 
ad  Aquas  Antrodoco  —  Ascoii  Tab. 

Peut. 
ad  Aquilam  FIorenz-Arezzo  314 
Aquiieia  col.  mun.  Aquileia  Carn.  229 
Aquilis  fl.  Carner  Zos.  V  29,4 
Aquilo  ni  a  opp.  Alfedena?  Sauin.  789 
Aquilonia     mun.    Lace<<ogna     Hir- 

piner  820 
Aquilonis  mutatio  S.  Vito  Samn.  816 
A  q  u  i  n  u  m  mun.  col.  Aquino  Vols.  676 
Arae   Muciae  Veji  Etr.  Plin.  11211 
Araxus  fous  Aslroni  Campanien  Plin. 

XVllI  114 
Arcanum  praed.  Arce  Volsker  674 
Archippe?  opp.  Marser  452  A.  1 
Arcia    Alsa?    Carner    vita    Maximin. 

28,8 
Arciades  fl.  Reggio  Tab. Peut. Geogr. 

Rav.  IV  32  V  2 
Arcynia  s.  Hercynia  silva 
Ardaneae  s.  Herdoniae 
Ardea  col.  mun.  Ardea  Latium  576. 
Arebrigium  stat.  Derby  Saiasser  173 
Areliascus  nions  s.  Appenninus 
Arentinus    mons  Praenesle   Latium 

Vib.  Seq.  154  R. 
Ares?  fl.  Bruttium  931 
Aretbusa  fons  Fontana  di  Gassiodoro 

Bruttium  948 
Argeades   fl.   Bruttium  Varro   Prob. 

V.  Ed.   vgl.  S.  961   und  Arciades 
Argenia  gentilitas  Toscolano  Garda- 

see  CIL.  V  4871 
Argen  tan  um  opp.  Bruttium  919  A.  l 
Argen  tari  US     moiis    M.    Arjjentaro 

Etrurien  1  233.   307  II  309 
Argen  tia  Gorgonzola  Insnbrer  184 
Argetini  mun.  Calabrien  Plin.  III  105 
Argiletuni  Rom  Varro  LL  V   157 
Argons    port.    Porto   Ferraio   Elba  I 

368  II  305 
Argyripa  s.  Arpi 
Arianthe  opp.  Oenotrer  Steph.  Byz. 

vgl.  Aiintlia 
Aricia  mun.  Ariccia  Latium  591 


972 


Antike  Ortsnamen. 


A ricinus  clivus  Via  Appia  591 
A ricinus  lac.  s.  Nemorensis 
Arilica  Peschiera  Cenomanen  208 
Ariminum  col.  Rimini  Acmilia    248 
Ari minus    fl.    Mareccliia    Aemilia    I 

341.  43  II  248 
Arinales  pop.  Umbrien  Plin.lIIll4 
Arintiie   opp.  Oenotrer    Steph.  Byz. 

vgl.  Arianlhe 
Ariolicum  Thuile  Salasser  173 
Armenla    fl.  Fiora    Elrurien    1    257. 

308.  342  II  311 
Ar  na  muii.  Civitella  d'  Arne  Umb.  394 
Arnensis  tribus  Arrone  Etrurien  352 
Arn  es  tum  s.  Ernestum 
Amine  fl.  s.  Armenta 
Arnus  fl.  Arno  Etrurien  I  303  II  291 
Arogas  fl.  Grocchio  Bruttium  945 
Arpi  mun.  1'  Arpa  Apulien  846 
A  r  p  i  n  a  s  praed.  S.  Domenico  Vols.  670 
Arpinum  mun.  Arpino  Volsker  671 
Arrentia  opp.  Steph,  Byz. 
Arretinum    stagnum  Val   di  Chiana 

Etrurien  315 
Arretium  mun.  col.  Arezzo  Etr.  314 
Arsia  fl.  Arsa  Istrien  I  80  11  238 
Arsia  silva  r.  Tiberufer  Rom  360 
Artani  vic?  Cremona  Cenomanen  CIL. 

V  4088 
Artemisia    ins.   Gianutri   Etrurien  I 

369 
Artemisium    opp.  Oenotrer    Steph. 

Byz. 
Artena  opp.  Etrurien  Liv.  IV  61,11 
Artena  opp.  Artena?  Volsker  649 
Arten ia  Artegna  Carner  2:J7  A.  1 
Articulanus  pag,  Ligurer  Samn.  815 
Arusnates    pag.   Val    Policella    Ve- 
rona 204 
Arx  Rom  505 

Arx  Fregellana  Arce  Volsker   673 
Arusini  campi  Lucanien?  811  A.  6 
Asc  .  .  .    pagus    Asso    Transpadana 

CIL,  V  5216 
Asconis  fossa  Ravenna  253 
A  s  c  u  1  u  m  P  i  c  e  n  u  m  col.  Ascoli  Pice- 

no  426 
Aselium?    mun.  Campanien   Feldm. 

230  vgl.  Casentium 
Asili  gens?  Picenum  386  A.  7 
Asisium  mun.  Asisi  Umbrien  394 
Aspia  fl.  Aspio  Picenum  418 
Astagus  fl.  Astico  Veneter  218 
Astura  fl.  Astura  Latium  030 
Astura  opp.  Astura  Latium  629 
A  tagi  s  fl.  s.  Atesis 


Atella  mun.  Sant  Arpino  Camp.  716 
Atem  um  vic.  Pescara  Vestiner  439 
Aternus  fl.  Aterno-PescaraI339.431I 

439 
Atesis  fl.  Etsch  I  192.  99  II  205 
Ateste  col.  Este  Veneier  I  193  II  217 
Athenae  opp.  Steph.  Byz. 
Athyrnus  fl.  Volturnus  1  331   A.  3. 
Atiela  saltus  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Atina  opp.  Veneter  Plin.  III  131 
Atina  mun.  Atina  Volsker  669 
Atina  mun.  Atena   Lucano   Luc.  903 
Atison  fl.  s.  Atesis 
Atrani  mun.  Apulien  Plin.  lil  105 
Atria  mun.  Adria  Veneter  214 
Atrianns  fl.  Tartaro  Veneter  215 
Atrinum  opp.   Aemilia?    Liv.  XXIV 

47  vgl.  44 
Attidium     mun.    Attigio    Gallische 

Mark  386 
Attinava   salt.  Veleia   Aemilia   CIL. 

XI  1147 
Audena  fl.  Ligurer  Liv,  XLI  19 
Aufenginates   pag?  Vestiner   Not. 

d.  Sc.  1899  p.  66. 
Aufentum?  fl.  Latium  639  A.  7 
Aufidena    mun.    Gastet    di    Sangro 

Samnium  788 
Aufidena-dum  stat.  Apulien  858 
Aufidus  fl.  Ofanto  Apulien  1337.43 

II  821.  26 
Aufina  mun.  Ofena  Vestiner  441 
Aufugum    opp.  Bruttium  Liv.  XXX 

19 
Auginus  mons  Ligurer  Liv.  XXXIX  2 
A  u  g  u  s  t  a  fossa  Ravenna-Sagis  I  205  II 

253 
Augusta  Bagiennorum  mun.  Bene 

Ligurien  154 
Augusta  Praetoria  Salassorum 

col.  Aosta  Transpadana  171 
Augusta    Taurinorum    col.   Turin 

Transpadana  163 
Augustanus    vic.    Castel    Porziano 

Latium  575 
Au  Ion  Tarent  Hör,  Od.  II  6,18  Mar- 

tial  XIII  125 
Aulonia  s.  Gaulonia 
Aurini  pop.  s.  Salurnia 
Aurunca  s.  Suessa 
Aurunci  gens  Campanien  I  531  II  657 
Auraei  Verona-Vicenza  lt.  Hier.  558 
Ausculum     mun.     Ascoli     Satriano 

Apulien  845 
Ausona  s.  Suessa 


Antike  Ortsnamen. 


973 


Ausones  gens  Campanien  1524.31. 

44  II  657 
Ausonia  terra  Italien  I  65.  524 A.  4 
Ausonium  mare  lyrrhen.  Meer  I  95 
Auser  fl.  Serchio  Etrurien  I  306  II  289 
Austicula  opp.  Samnium  801 
Austranum  terrilorium  Ostuiii?  Ca- 

labrien  880  A.  9 
Ausuciates    pag.    Osuccio    Transp. 

188 
Ausugum  Borgo  di  Val  Sugana  224 
Ausur  fl.  s.  Auser 
Auximum  col.  Osimo  Picenum  418 
Avega  saltus  Veleia  Aemilia  CiL.  XI 

1147 
Aveia  Vestina  praef.  Fossa  442 
Aveldius  fl.  Palombariello?  Apulien 

857  A.  l 
Ave  IIa  s.  Abelia 
Avens    fl.  Velino    Sabina    I    312   A. 

3  II  468 
Aventia  fl.  Avenza  Etrurien  286 
Aventinensis   pagus  Rom  497 
Aventinensis   vicus  Ariminum  250 
Aventinus  mons  Avenlin  Rom  493. 

506.  539 
Avernus  lac  Lago  Averno  Campanien 

I  268  II  735 
Avesica  Aquileia-Fiume  It.  Ant.  273 
Avisione  port.  Seealpen  137 
Axia  castei,  Castel  d'Asso  Etrur.  331 
Azestum  Rom  Joan.  Ant.  fr.  201,6  = 

ad  Sextum? 
Azetium  mun.  Rutigliano  Cal.  858 

Babia?  Plin.  XIV  69 

Baccanae     staf.    Baccano     Etrurien 

I  260  II  356 
Badies   vic.  Via  Salaria   Picenum  It. 

Ant.  307  vgl.  Befania 
Badiza    opp.  Bruttium  Pol.  XIII    bei 

Stepli.  Byz.  vgl.  Besidiae 
Baebiaiia  Lorium-Alsium  Tab,  Peuf. 

Geogr.  Rav.  IV  36 
Bae  biani  s.  Ligures 
Bagienni  gens  Ligurien  154 
Bagiennus  pag.  Veleia  Aemilia  276 
Baginas  vic.  Bastia  Ligurien  155  A.  1 
Baiae  (velties)  Baja  Campanien  733 
Baianus  lac.  Lucrinersee  732 
Baianus  sinus  Seno  di  Baja  731 
Baiarum  portus  Porto  di  Baja  731 
Balabo  mons  Lucanien  901 
Balarus  port.  Bagnara  Bruttium  961 
Baleianum  Aequuni  Tuticum-Venu- 

sia  It.  Ant.  112 


Baicsium-elium-entium  s.  Vale- 

sium 
Baletus    fl.  Abalemarco?    Bruttium 

Plin.  III  72 
Ballista    mons  tose.  Appennin  Liv. 

XXXIX  2  (XL  41?)  XLI  18 
Balneum  Regis   caslrum  Bagnorea 

Etrurien  340 
Banaurides    ins.   Etrurien?    Steph. 

Byz. 
Bandusia  fons  Licenzathal  Sab.  616 
B  a  n  (1  u  s  i  a  fons  Venosa  Apul.  831  A.  2 
Bantia    mun.  S.  Maria  di  Banzi  Lu- 
canien 907 
Bardomagus    vic.    Insubrer    CIL.  V 

5872.  78 
Barduli  Barletta?  Apulien  858 
Ba  re  tiu  m  s.  Barium 
Baris  opp.  s.  Veretum 
Barga    salt.   Veleia    Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Barium  mun.  Bari  Apulien  859 
Barpana  ins.  tyrrh.  Aleer  Plin.  III  81 
Barra  ins.  Brindisi  Calahrien  876 
Basen  t  US  fl.  Basento  Brut.  932 
Basta  mun.  Vasle  Sallentiner  883 
Basterbini  s.  Basta 
Baiheia  via  Tarent  Pol.  VIII  31.35 
Batinus  fl.  Tordino?  Picenum  430 
Batulum  opp.  Campanien  756 
Ba  tus  fl.  s.  Baletus 
Bauli  Villa  Bacoli  Camp.  733 
Bausta  s.  Basta 

Bauzaun  m  Bozen  Brennerstrafse  211 
Bechuni  Beluni  ?gensPtol.  1111,28 
Bedesisfl.  Ronco  Aemilia  I  192  II  250 
Bedriacum  Calvatone  Cremona  201 
Befania  Guido  54  s.  Badies  vicus 
Belli  liona  s.  Bilitio 
Be  llun  um  mun.  Beliuno  Veneter  224 
Benacenses  pop.  Toscolano  Garda- 

see  197 
Benacus    lac.  Gardasee   I    180.    81. 

90  II   109 
Benebendus?  Camp.  Steph.  Byz. 
Beneventanus    pag.  Ligurer    Sam- 
nium 815 
Beneventum  col.BeneventSamn.811 
Beneventum  stat.  Verona-Brescia  It. 

Hier.  558 
Beregra  mun.  Praetuttier  431 
Bergae  opp.  Bruttium  Liv.  XXX  19 
Berga  I  ei  pop. Val  Bregaglia  Alpen  188 
Bergomum  mun.  Bergamo  Transpa- 

dana  189 
Beria  mun.  =  Berua?  CIL.  V  947 


974 


Anlike  Ortsnamen. 


Berigiema    mons    Genua     CIL.    V 

7749.19 
Bersula  fl.  r.  vom  Po  Tab.  Peut. 
Berua  niun.  Veneter  225 
Beruselis    salt.  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 
B  esidi  a  e  opp.  BruUium  Liv.  XXX  19 

vgl.  Baliza 
Betifu  iu  s  pag.  Scanno  Paeligner  450 
Betuclelum  fl.  h  vom  Po  Tab.  Peut. 
Beturboi)  opp.  Viterbo  Elmiien  343 
Belurnis  s.  Biturgia 
Bexum    Pisa -Genua    Geogr.  Rav.  IV 

3-2  V  2 
Bibola  Pisa-Genua  Geogr.  Rav.  IV  32 

V  2  Guido  35 
Bililio  Bellinzoiia  Alpen  185 
Binbelli  pop.  Liguiien  Pliii.  111  47 
Biracellum  Eliurien  Plol.  111  1,43 
ßitiiiia  Biluniasalt.  Veleia  Aemilia 

CiL.  XI  1147 
Biturgia    Biluriza    u.  a.   Florenz- 

Arezzo  314  A.  3 
ad  Bi  vi  um  Saccobiücke  Rom-Anagni 

649 
Blaesioia   salt.  Veleia   Aemilia  CIL. 

XI   1147 
Blanda  mun.  Maratea?  Lucanien  899 
Bla  ndeno  Placenlia-W  Alpen  Gic. ad. 

Ouint.  fr.  II  13,1 
Blera  mun.  Bieda  Etrurien  345 
Blera    Venusia  -  Taient    II.  Ant.  121 

Geogr.  Rav.  IV  35 
Blondelia   vic.  Veleia   Aemilia  CIL. 

Xi  1147 
Blusliemelus  mons?  Genua  GIL.V 

7749,21 
Boaceas   Luna-Genua  It.  Ant.  293 
BoactesfL  Vara  Liguiien  1  303  II  148 
Bobonia?  opp.  Sleph.  Byz. 
Bodetia  Genua-Pisa  lt.  Ant.  294 
Bodincomagum  mun.  Monteü  da  Po 

Ligurien   157  A.  3 
Bodincus  fl.  Po  I  138 
Boedinus  pag.  Superaequum  Paelig- 
ner CIL.  IX  3311 
Boielis  sali.  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Boii  pop.  Lodi  Tianspadana  179 
Boii   gens  Aemilia  I  477.  82  II  244 
Bola  opp.  Latium  620 
Bondelia   Elnirien  Ptol.  III   1,43 
Bononia  col.  Bologna  Aemilia  262 
Boplo  mons  Genua  CIL.  V  7749,18 
Boraliola   salt.  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 


Borcani  mun.  Apulien  Plin.  III  105 
Boreontini  gensSamnium  Skylax  15 
Boron?  fl.  Vara  Ligurien   148  A.  1 
Boutes  vic.?   Lomello  CIL.  V  6473 
BovianumUndecumanorummun. 

col.  Bojano  Samnium  I  529  11  793 
Bovianum  Vetus   col.    Pielrabbon- 

dante  Samnium  I  528  II  791 
Bovillae  mun.  Latium  585 
ad  Bradanuni  Pesole  Lucanien  908 
Bradanus  fl.Bradano  Lucanien  I  336. 

343  II  850 
Braecores  Gallianatespag. Galli- 

ano  Transpadana  188 
Bremtonicum  castel. Brentonico Tri- 

ent  PauL  b.  Lang.  III  31 
Brenn  US  mons    Biescia  Alpen   Phil. 

V.  Georg  IV.  278. 
Bretina  Venetieu  Ptol.  III  1,28  Bren- 

tino 
Brettius  fl?  Steph.  Byz. 
B  rettus  opp.?  Stepb.  Byz. 
Br  i  a  g  o  n  t  i  n  u  s  pag.  Placentia  Aem.  274 
Briniates    pop.  Ligurer  Liv.  XL!  19 

vgl.  Friniates 
ßrinta    Brintesia  fl,  ßrenta  Padua 

I  194.  203  II  219 
Brittii  s.  Brutlii 

Brixellum   col.  Brescello  Aem.  267 
Brixia  col.  Brescia  Cenomanen  196 
Bro[manenses]  vic.  Brumano  Ber- 
gamo 190 
Broxas  Carner  Paul.  h.  Lang.  V  23 
Brundisii  prom.  Capo  di  Leuca  I  540 

A.  5 
Brundisium  col.  mun.  Brindisi  Cala- 

brien  875 
Brundulum  port.  Brondolo  Padua  I 

203.  206  11  219 
Bruttates  Bruttii  gens  I  535  II  926 
Bruttium  prom.  Capo  dell' Armi  Sal- 
lust  bei  Serv.  V.  Aen.  III  400  Mela 

II  68  Plin.  III  5 

Bruttius  ager  le  Calabrie  I  244.84. 

527.  35  11  924 
Brygeides  ins.  ApoU.  Rhod.  IV  330. 

470  vgl.  Absyrlides 
Bry  sta  ci  a  opp.  Oenotrer  Steph.  Byz. 
Bubetani  pop.  Latium   556.  60 
Buca  mun  ?  Termoli  Frentaner  783 
Bud  a  e  s.  Rndae 
Bullia  stat.  Velinis?  Vada-Pisa  Geogr. 

Rav.  IV  32  V  2 
Bulnetia  Pisa-Genua  Geogr.  Rav.  IV 

32  V  1   Guido  35 
Bulotus  fl.  Turbolo?  Bruttium  951 


Antike  Ortsnamen. 


975 


Buraea  opp.  Steph.  Byz. 

Busta  Gallorum  Sigillo  Umbrien392 

Butonti  mun.  Bitonto  Apulien  857 

Butrium  mun.  Aemilia  255 

Bn  trotu  s  s.  Bnlotus 

Buxen  tum  col.  Policaslro  Luc.   897 

ßuxenlus  fl.  Bussenlo  Lucanien  897 

Cabardiacus  fundus  Caverzago  Ae- 
milia 274 
Cabenses  mun.  M.  Cavi  Lat.  559.  80 
Caburriates     pop.    Transpadana    I 

472  II  164 
Caburrum  mun.  Gavour  Tiansp.  164 
Cadianum    Verona-Vicenza  lt.  Hier. 

558 
Caeciua    ü.  Cecina    Etrurien    I  306. 

42  II  300 
Caecinum  opp.  Bruttium  Stepii.Byz. 
Caecinus  fl.  Fiumara  di  Amendolea 

Bruttium  955 
Caecubus  ager  Piano  di  Fondi  Neu 

Latium  659 
Gaedici  pop.  Aequer  Plin.  III  108 
Gaedicius  campus  Vestiner  Plin.  XI 

241 
Gaedicius  vic.  Via  Appia  665 
Gaeianus  pag.  Benevent  Samn.  814 
Gaelestini  pop.  UmbrienPlin.lil  114 
Gaelia  mun.  Geglie  di  Bari  Ap.  857 
Gaelia  Biindisi  Calabrien  880 
Gaelia  Geglie  Messapico  Gal.  8S0 
Gaelianum  Venusia-Heraclea  It.  Ant. 

113 
Gaelina  opp.  Veneter  Plin.  HI  131 
Gaeliolus  mons  Rom  Varro  LL.  V46 
Gaelius  mons  Rom  492.  538 
Gaenia  mons  Camaion  Seealpen  I  146 
Gaenina  opp.  Latium  560 
Gaeno  port.  Anzio  Latium  627 
Gaenus     prom.    Funta      del     Pezzo 

Bruttium  962 
Gaeptiema  convallis   Genua  GIL.  V 

7749,8 
Gaere  mun.  Gervetri  Etrurien  347 
Gaeretanus   Gaeritis  amnis  Fosso 

della  Vaccina  347 
Gaeruleus  fons  Sabina  Plin.  XXXVI 

122  Frontia  de  aq.  13.  14.  72  GIL. 

VI  1256 
Caesariana  stat.  Lucanien  905 
Gaesena  mun.  Cesena  Aemilia  258 
Gaiatia  mun.  Gajazzo  Samnium   800 
Caieta  port.  Gaela  Neu  Latium  660 
Gaieta  prom.  Dion.  H.  I  53  Strab.  V 

233 


Gaieta     sinus     Golfo     di     Terracina 

Strab.  V  233 
Galaberfl.?  Lucanien  Pausan.  VI  6,11 
Calabri  gens  I  540.  43  A.  2  II  864 
Calabria    regio    Terra    d' Otranlo   I 

243.  541  II   861 
Calagua?  col.  Gampanien  Feldm.  231 
Galamarcus?  mons  Lucanien  Frontin 

Str.  H  4,7  Gluver  It.  ant.  1256 
Galanico    stat.  Ligurien   Tab.  Peut. 

vgl.  Ganalico 
Galasarna  opp.  Lucanien  Strab.  VI 

254 
C  a  1  a  t  i  a  mun.  S.  Giacomo  delle  Gallazze 

Gampanien    716 
Galen  a  arx  Frentaner  785 
Gales  vic.  Gagli  Gallische  Mark   382 
Gal  es  col.  mun.  Calvi  Cimpanien  694 
Galetra  opp.  Etrurien  309  A.  2  312 
Galliae  opp.  Tarent  Steph.  Byz.  vgl. 

Gallipolis 
GaUicula    mons    Sparanise    Gampa- 
nien 688 
Gallifae  opp.  Samnium  799  A.  2 
Gallipolis  mun.?  Gallipoli  Galab.  886 
Galor  fl.  Galore  Samnium  I  332  II  811 
Galor?  Galore  Lucanien  891 
Galor  fl.  Oberlauf  des  Tanager  903 
ad  Galorem  Pertosa  Lucanien  903 
Galypsus  ins.  Bruttium  944 
Gamars  opp.  Ghiusi  Etrurien  323 
Camellani  s.  Nucerini 
Gamere  ager  Bruttium  Ovid  Fast.  III 

582 
Gameria  opp.  Latium  563 
G  a  m  e  r  i  n  u  m  mun.  Gamerino  Umbr.388 
Gamertes  gens  Umbrien  387 
Gampani  gens  1  525  H  682.  700 
G  a  m  p  a  n  i  a  regio  I  263.  84.  379.  532  H 

6S0 
Gampanus  ager  iVlittelcamp.  684 
Gampanus  sinus  Golf  v.  Neapel  719 
GampusMartius  Rom  493.  509.  534. 
Gampus  SalinarumRomanarum 

Gampo  Salino  Tiber  N.  Seile  543 
Gamunni    Val    Gamonica  Alpen  197 
ad  Ganales  Venusia-Tarent  II.  Ant. 

121 
ad   Ganales  Larino  -  Samnium    Tab. 

Peut. 
Ganalico   stat.  Ligurien  It.  Ant.  295 

vgl.  Galanico 
Ganianus    satt.  Veleia   Aemilia   GIL. 

XI  1147 
Ganini  campi  Bellinzona  Alpen    185 
Ganna  fl.?  Aufidus?  Liv.  XXV  12 


976 


Antike  Ortsnamen. 


Cannae  mun.  Canne  Apulien  852 
Ganta  ins.  Pola  Istrien  241 
Ganterius  mons   Sabine  Varro  RR. 

II  l 

Canusium  mun.  cnl.  Canosa  Ap.  853 
Gapena  porta  Rom  502.  40.46.698. 
Capena  mun.  Givitucola  Etr.  371 
Gapenas  fl.  Gramiccia  Etrurien  369 
Gapenates  gens  Etr.  I  514  II  368 
Capilla  ti  gens  Seealpen  I  474 II.  134 
Capitolium  mons  Rom  504.  37 
Capitolium  vetus  Rom  540 
Gapi  tul  um  Hernicum  mun.  Piglio? 

Neu  Latium  651 
Gaprae  Istiien  Geogr.  Rav.  IV  31  V  14 
Gaprae  vic.  Gapiaia?  Umbrien  393 
Gapraria  ins.  Capraja  I  367 
Gapraria  =  Gapreae  770  A.  6 
Gaprasia     Spezzano     Albanese     am 

Giati  918 
Gapiasiae  ostium Porto  di  Belocchio 

Veneter  I  205  II  214 
Gapreae  ins.  Capri  Campanien  770 
Capriculanus    pag.   Val    di    Lauro 

Campanien  756 
Gaprium  castel,   Etr.  Diodor  XX  44 
Gapua  col.  Capua   vetere  696 
Garaceni  gens  Samnium  I  528  II  789 
Garbania  ins.  Etrurien  Mela  II  122 
Garbanlia  Pavia-Turin  It.  Anf.  340 
Carbina    opp.  Apulien    Athen.    XII 

522  d 
Carbonaria    ostia    Po   di    Ariano    I 

206  II  214 
Garbonarius    mons    Aequer?    Tab. 

Peut.  Geogr.  Rav.  IV  34 
Ca  rein  US  fl.  Corace  Brut.  I  335  II 945 
Gareiae  Galera  Etrurien  354 
Garetini    Iniernates    mun.    Fren- 

taner  782.  90 
Garetini    Supernates  mun.  Fren- 

taner  782.  90 
Carissanum  castel. Thurii Luc.  822  A 
Carminia  ne  nses     saltus    Garmiano 

Galabrien  862 
Garni  gens  Friaul  I  479.  87  II  225 
Carraca  Veneter  Ptol.  III  1,28 
Carreum  Potentia  mun.  Chieri  Li- 

gurien   157 
Garsioli    col.  mun.   Givita    Carenza 

Aequer  460 
Carsitani  pag.  Aequer?  Macrob.Sat. 

III  18,5 

Garsulae  mun.  S.  Damiano  Umbr.  398 
Garucla  salt.  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 
1147 


Carustum  opp.  Ligurien  Liv.  XLII  7 
Garventana     arx     Castel     Lariano? 

Latium  595 
Carventani  pop.  Latium 557.  595 A. 3 
ad  Casas  Caesarianas  S.  Giovanni 

Etrurien  314 
Casentium?  mun. Campanien Feldm. 

231  vgl.  Asetium 
Casilinum  opp.  Gapua  Camp.  711 
Casilinus  fl.  =  Voltuinus  I  331 
Ca  sin  um  mun.  Gassino  Volsker  677 
Gasmonates    pop.  Ligurien  Plin.  III 

47 
Gasperia  opp.  Sabina  Verg.  Aen.  VII 

714  m.  Schol.  Sil.  lt.  VIII  415  Vib. 

Seq.  Himella 
Gassiciacum  Gassago  Brianza?  Au- 
gustin conf.  IX  3,2 
Gastania  opp.  Tarent  Steph.  Byz. 
Gastelliense  monasterium  s.  Viva- 

riense 
in  GasteUo    stat.  Faventia- Luca  It. 

Ant.  238 
Castellum  Firmanorum  Porto  S. 

Giorgio  Picenum  424 
Gastola  opp.  Etrurien  Diod.  XX  35 
Castra    Hannibalis   Tifata  Campa- 
nien 710 
Castra  Hannibalis  Roccella    Brut- 

tium  946 
Castra  praetoria  Rom  540 
Castrimoenium  mun. Marino Lat. 584 
Castrum  Inui  Incastro  Latium  579 
Caslrum    Minervae    Gastro    Gala- 
brien 884 
Castrum     Novuni    col.   Giulianova 

Picenum  430 
Gastrum    Novum    col.  Torre  Ghia- 

ruccia  Etrurien  334 
Gastrum  Truenlinum  s.  Truentum 
Gasuentillani-tini  mun.  Gasen tino 

Umbrien  296 
Gasuentus    fl.  Basento   Lucanien    I 

336.  343  II  908 
Gatali  pop.  Istrien  239 
Cataracta?  opp.  Apulien  Diod.  XX 

26 
Gathena?    mons    Lucanien    Frontin 

Str.  II  5,54  vgl.  Galamarcus 
Ca  tillinus  pag.  Benevent  Samn.  814 
Cati  llus  mons  M.  Gatillo  Latium  610 
Caturiges  pop.  Transpadana  Plin.  III 

125 
Caturniacus  vic.  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 
Gaudalascus  mons  s.  Appenninus 


Antike  Ortsnamen. 


977 


Gaudini  gens  Samnium  I  529  11805 
Gaudium  mun.  Montesarchio  Samni- 
um 807 
Caulon-ia  opp.  bei  Gaulonia  Brutti- 

um  950 
Cavaturini  vic.  Genua  GIL.  V  7749, 

38  fg. 
Geba  Ceva  Ligurien  154 
Gebula  Pisa -Genua  Geogr.  Rav.  V  2 

Guido  78 
Ceios?  S.  Valentino  Marruciner  445 
Celeiates   pop.  Ligurien  Liv.  XXXII 

29 
Gelemna  opp.  Gampanien  756 
Gelsilon-inum?    Pisa-Vada  Geogr. 

Rav.  IV  32  V  2  Guido  34.  77 
Gelsina  ins.  It.  mar.  516 
Gemenelum  mun.  Gimiez  Alpen  137 
Geneta  Geneda  Veneter  224 
Genomani  gens  Brescia  I  477  II  195 
Censorglacenses      vic.    Gamerino 

Umbrien  GIL.  XI  5632 
ad  Gentesimum    Gentesimo   Antro- 

doco-Ascoli  426 
Gentumcellae    port.  Givita  vecchia 

Etrurien  332 
ad  Gepasias    Oderzo-Feltre  It.  Ant. 

280 
Geraunii  montes  Sabina  475 
Geraunilia?  opp.  Apul.  Diod.  XX  26 
Gerbalus  fl.GervaroApul.  I  338  II  818 
Gercei  s.  Circei 
Ger  Cola?     mons     Serra     Garracino? 

Abruzzen  790  A.  4 
Gerdiciates  pop.  Ligurien  Liv.  XXXII 

29 
Gereatae  Marianae  mun.  Gasamari 

Volsker670 
Geresius  lac.  Lago  di  Lugano  1180. 

87  II  185 
Gerfennia  Collarmele  Marser  455 
Gerialis  pag.  Placentia  Aemilia  274 
Gerilli-ae  opp.  Girella  Bruttium  928 
Germalu  s  Rom  497 
Ger  malus  vic.  Ariminum  250 
Geroliensis  Rom  Varro  LL.  V  47 
Gesennia  opp.  unbest.  Liv.  IX  44  vgl. 

Serennia 
Gessernia?  Sapri  Lucanien  899  A.  8 
Geste  stat.  Turin-Pavia  It.  Hier.  557 
Getanus  pag.  Benevent  Samn.  814 
Getus  fl.  Sele?  (Arist.)  mir.  ausc.  95 
Ghalcitis  opp.  Apulien  Steph.  Byz. 
Ghandane  opp.  Apulien  Steph.  Byz. 
Ghaones  gens  Lucanien  I  534.  44 
Gharybdis  Strafse  von  Messina  I  105 
Nissen,  Ital.  Landeskunde.  II. 


Choerades    ins.  S    Pietro    S   Paolo 

Tarent  866 
Ghone  opp.  Bruttium  935 
Giarne[nses]    pag?   Feltre    GIL.   V 

2072 
Gimetra  opp.  Samnium  Liv.  X  15 
Ciminia  silva  saltus  mons  Etrurien  I 

257  II  335 
G  i  m  i  n  i  u  s  lac.  Lago  di  Vico  I  258 II 356 
G  i  m  m  e  r  i  u  m  opp.  Avernus  Gampanien 

Plin.Iliet 
Gingilia  opp.  Vestiner  Liv.  VIII  29 
Gingulani  mun.Lalium  Plin.  111  63 
Gingulum    mons  M.  S.  Vicino  Um- 

brien-Picenum  420 
Gingulum  mun.  Gingoli  Picenum  420 
Ginna  opp.  Samnium  Diod.  XIX  76 
G  i  r  c  a  e u  s  mons  M.  Girceo  Latium  1 4. 

222.  324  II  635 
Circei  col.  M.  Circeio  Latium  636 
Gircus  Flaminius  Rom  510.  534 
Gircus  Gaianus  Rorn  533 
Gircus  Maritimus  Anagni  651 
Gircus  Maximus  Rom  506.  539 
Giris  fl.  s.  Aciris 
Gisa u na  opp.  Samnium-  814 
Gispius  mons  Esquilin  Rom  492.  97 
Glampetia  opp.  Amantea  Brut.  928 
Glanis  fl.  Chiana  Etrurien  I  299.  304. 

11  II  315 
Glanis  fl.  =  Liris  1329  A.  2 
Glanius  fl.  Lagni  Camp.  I  333  II  713 
Clasius  fl.  Chiascio  Umbrien  I  310 
Glassis  port.  Ravenna  253 
Glaslidium  opp.  Casteggio  Aem.  271 
Claterna  mun.  Quaderna  Aem.  259 
Glaternia  Frentaner  s.  Cliternia 
Claudia  praef.  Sabatiner  See  Ktr.  352 
Claudia  tribus  r.  Anioufer  564 
Glaudiens  [is  pagus]    Cola    Verona 

CIL.  V  3991 
Clavenna   Chiavenna  Alpen  I  162  II 

188 
Glaxelus  mons  Genua  CIL.  V  7749,21 
Gleite?  opp.  Etym.  M. 
Glenna    Clavenna?     fl.  Chiavenna 

Aemilia  270 
Glesis?  fl.  Chiese  Cenomanen  I  189 

II  190  A.  2 
Clete    opp.  Lykophr.  AI.  1004    vgl. 

Gleite 
Clibanus  uious  Bruttium  Plin.  III  96 
Cli bes  s.  Cluviae 

Glisiuslacuslvrea?!  182  II  185  A.  4 
Cliternia  mun.  Capradosso  Aeq.  462 
Cliternia  mun?  Frentaner  784 
62 


978 


Antike  Ortsnamen. 


Clitorius?  lac.  Foligno  Umbrien  401 
Clitumnus    fl.  Clitunno    ümbrien    I 

310  II  402 
Clocoris  fl.  Ortona   Frentaner  Tab. 

Peilt. 
Cloeliae  fossae  s.  Cluilia 
Clostra  Rom  a  n  a  Grenzwehr  Lat,  630 
Chiana  man.  am  Chieiiti  Picenum  421 
Cluentensis  vic.  Civitanuova  Pice- 
num 421 
Cluentus?  fl.  Chienti  Picenum  421 
Cluilia  fossa  Landgraben  Rom  498 
Clusinus    lac.  L.  di  Chiusi  £lrurien 

I  305  II  323 
Clusiolum  opp. Umbrien  Plin. III 114 
Clusium  mun.  Chiusi  Etrurien  323 
Clusius  fl.  s.Clesis  196  A.  2 
Clustumina  tribus  561 
Cluturnum  stat.  Samnium  Tab.  Peut. 

Geogr.  Rav.  IV  34 
Cluviae  mun.  Samnium  789 
Cocynthum  Monesteraci  Brut.  949 
Cocynthus  prom,  Capo  di  Stilo  Brut- 

tium  948 
Codeta  Rom  Fest.  58 
Colicaria  vic.  S.  Possidonio  (Miran- 

dola)  Aemilia  265 
Collatia  opp.  Lunghezza  Latium  563 
Collatini  mun.  Apulien  Plin.  III  105 
Colli  na  porta  Rom  501 
Collina  tribus  Rom  503 
Columbaria  ins.  tyrrh.  Meer  Plin.  III 

81 
Coiumen  mons  la  Colonna  Latium  601 
Columna  Regia    Villa    S.  Giovanni 

Brutlium  962 
Comacina  ins.  S.  Giovanni  Transpa- 

dana  188 
Comacinus  lac.  s.  Larius 
Comara?  fl,  Vestiner  Tab.  Peut. 
Comberanea    rivus    Genua    CIL.    V 

7749,7.  8 
Combulteria  s.  Cubulteria 
Comenses  gens  Transpadana  179.85 
ComiUomagus  Broni  Aemilia  271 
Comini  pop.  Aequer  Plin.  III  108 
Cominium  opp.  S.  Donato  Vols.  669 
Cominium  Ocritum  Samnium  Liv. 

XXV  14 
Commelium  Ligurien  CiL.  V  7537 
CompitumAnagninum  Osteria  della 

Fontana  Herniker  649 
Compsa  mun.  Conza  Hirpiner  821 
Com  um  mun.  Como  Transpadana  185 
Concanauni  Insubrer  CIL.  V  5584 
Concordia  col.  Concordia  Garn.  228 


Confluentes  Reno-Lavino  Aem.  260 
ad  Confluentes  Rubicon  Aem.  247 
ad  Confluentes  A  lern  um  et  Ti- 

rinum  Vestiner  436 
C  0  n  p  e  t  u  mut.  Rimini-Cesena  IL  Hier. 

615 
Consentia  mun.  Cosenza  Brut.  931 
Co  n  Sil  in  um  castr.  Bruttium  949 
Consuletus    rivus    Sabina    CIL.  IX 

4791 
Contenebra  opp. S Etrurien  Liv.  VI 4 
Copia  col.  s.  Thurii  922 
Cora  mun.  Gori  Latium  643 
Corbio  opp.  Rocca  Priora?  Lat.  596 
Coretus  mons  Reate  Sabina  475 
Corfinium    mun.  Pentima  Paeligner 

I  340  II  447 
Gorilla  opp.  Latium  Dion.  H.  IV  45 
Corinenses   mun.  Apulien  Plin.  III 

105 
Corioli  opp.  M.  Giove?  Latium  631 
Cormones  Cormons  Carner  Paul.  H. 

Lang.  IV  37  VI  51 
Corne   coUis  Tusculum  Latium  Plin. 

XVI  242 
Corne ta  Rom  Varro  LL.  V  152 
Cornetus    campus  agro    Falisco  Vi- 

truv  VIII  3,17 
Corniculani  montes  Latium  563 
Corniculanum    stat.  Ravenna-Atria 

Tab.  Peut. 
Corniculum  opp.  Latium  563 
Corogennates  vic.  Insubrer  183 
Correa    Potentia    mun.  Chieri    Li- 
gurien 157 
Gorsi  gens  I  365.  550 
Corsica  ins.  I  362 
Corsula  opp.  Reate  Sabina  475 
Cortona  mun.  Gortona  Etrurien  318 
Gortuosa  opp.  S  Etrurien  Liv.  VI  4 
Cosa   col.  Ansedonia  Etrurien  310 
C  0  s  a  fl.  Cosa  Herniker  647 
Cosa?  Thurii  822  A. 
Cosa  na  praedia  Sabina  Suet.  Vesp.  1 
G  0  s  il  i  n  u  m  mun.  Padula  Lucanien  904 
Cossa  Oeiiotrien  Steph.  ßyz. 
Gossyra  ins.  Pantelleria  I  276 
Costa  balenae  stat.  Riviera  141 
Cosyte  opp.  Umbrien  Steph.  Byz. 
Gottii  regnum  W  Alpen  148 
Cottiae  s.  Gutliae 
Grabra  aqua  Tusculum  Latium  600 
Gramones  gens  Samnium  Skylax  15 
Granita?  monsM.Corno?  Zonar.  VIII6 
Grata  eis  fl.  Bruttium  962 
Grat  er  Golf  von  Neapel  719 


Antike  Ortsnamen. 


979 


Crathis   fl.  Crati   Lucanien-ßruttium 

I  336.  343  II  917.  931 
Cremera  fl.  Valca  Etruiien  35" 
Cremona  col.  Cremona  Genom.  199 
Cremonis  iugum  M.  Cramont  WAlpen 

I  147 
Crimissa  fl,  Lipuda  Bruttium  935 
Crimissa  opp.  bei  Giro  Bruttium  935 
Crimissa     prom.  Punta    dell'    Alice 

Bruttium  935 
Cri  nivolum  opp.UmbrienPiin.III  114 
Crixia  stat.  Ligurien  It.  Ant.  295  Tab. 

Peut. 
Crotalla  opp.  Bruttium  Steph.  Byz. 
Crotalus  fl.  Alli  Bruttium  945 
Groton  col.  Gotrone  Bruttium  938 
Croton  mons?  Bruttium  938  A.  3 
Grustum  er  ia-um  opp.  Latium  562 
Crustuminus   ager  Etr.-Latium  561 
Grustum  ium  opp?  Vib.  Seq.  Schol, 

Lucan  11  406  vgl.  Cluver  605 
Grustumium  fl.GoncaOall.  Mark  374 
Crypta  Neapolitana  Grotla  di  Po- 

silipo  744 
Gubulteria    mun,   Alvignano    Sam- 

nium  800 
Guburriates  s.  Gaburriates 
Cuculum?  opp.  =  Aequiculi  462  A.  4 
Gumae  mun.  Guma  Gampanien  721 
Cumanus  sinus  Golf  von  Neapel  719 
Gunerum  prom.  M.  Gonero  Picenum 

194.  234  II  415 
Guneus  aureus  stat.  Splügen  Tab. 

Peut. 
Cuntinus  vic.  Gontes  Seealpen  GIL. 

V  7868 
Cupra  maritima  mun.  Marano  Pice- 
num 425 
Cupra    montana    mun.    Massaccio 

Picenum  419 
Cures  Sabini  mun.  Gorrese  Sab.  478 
Curtius   fons  Frontin  de  aq.  13.  14. 

72  GIL.  VI  1256  Plin.  XXXVI  122 
Gusuetani  pop.  Latium  556 
Cutilia  opp.  Givita  Ducale  Sab.  475 
Cutiliensis   lac.  Pozzo  di  Latignano 

Sabina  476 
Cutina  opp.  Vestiner  Liv.  VIII  29 
Cuttiae  stat,  Gozzo  Libiker  176 
Cylistanus  opp.  Etym.  M. 
Cylistarus  fl.  Lykophr.  AI.  946 
Cyterium  opp.  Oenotrer  Steph.  Byz. 

Daedalea  opp.  Steph.  Byz. 
Dardi  gens  Apulien  Plin.  III  104 
Daunia  Capitanata  I  541  II  839 


Daunii  gens  I  54  t  II  845 

Dann  ium    opp.    Lykophr.    AI.   1254 

Steph.  Byz. 
Dann  US  fl.?  Fiumara  di  Venosa  829 

A.  5 
Debelis  salt.  Veleia  Aemilia  GIL.  XI 

1147 
Decastadium    Squillace-Reggio  It. 

Ant.  115 
Decennovium   Pont.    Sümpfe     639 
Decennovius    rivus    Linea   Pia   La- 
tium I  326  II  639 
Deciaui  mun.  Galabrien  Plin  III  105 
ad  Decimum  Turin -Pa via  It.  Hier. 

556 
ad  Decimum  Pavia-Mailand  It.  Hier, 

557 
ad  Decimum    Giampino    Rom  -  Tus- 

culum  597 
ad   Decimum     Brindisi  -  Ganosa     It. 

Hier.  609 
Dectunines     vic.     Genua     GIL.     V 

7749,38  fg. 
Delphini  portus  Portofino   Riv.  146 
Dertona  col.  Tortona  Ligurien  158 
Dia  opp.?  Alpen  Steph.  Byz. 
Diana    Tifatina    praef.  S.  Angelo   in 

Formis  Gampanien  710 
Dianensis  vic.  Ariminum  250 
Dia n ium  ins.  Gianutri  Etrurien  I  369 
Dianius  pag.  Veleia  Aemilia  276 
Dicaearchia  s.  Puteoli 
Digentia  rivus  Licenza  Sabina  616 
Dinium   salt.  Veleia  Aemilia  GIL.  XI 

1147 
Diomedeae  ins.  Tremitiinseln  Adria I 

371 
Dioscoron  ins.  Bruttium  944 
Dioscurias     prom.    Gapo     Rizzuto 

Bruttium  944 
Dirini  mun.  iMonopoii?  Apulien  860 
Dolates  Sallentini  mun.  Umbrien 

I  543  A. 2 
Doliola   Forum   Rom    Varro    V    157 

Fest.  69. 
D  0  m  i  t  i  a  n  a  positio  N  Lido  des  Argen- 
taro Etrurien  311  A.  3 
Domitius    pag.  Veleia  Aemilia  276 
Draco  fl.  Draconcello  Gampanien  761 
Dripsinum  mun.  Ligurien    157 
Drium  mons  M.  S.  Angelo  Apul.  838 
Dubios  stat.  Nocera-Ancona  388 
ad    Duodecimum    Susa  -  Turin    It. 

Hier.  556 
ad  Duodecimum   Padua  -  Altino  It. 
Hier.  559 

62* 


980 


Antike  Ortsnamen. 


ad  Duodecimum  Olranto  -  Brindisi 
It.  Hier.  609 

Duplavilis  Duplavenis  Veneter 
Venaiit.  Fort.  v.  S.  Marl.  IV  668  Paul. 
H.  Lanpr.  II  13 

Duria  fl.  Doia  Riparia  Cotlisches 
Reich  I  185  II   150 

Duria  Bautica  fl.  üora  Baltea  Sa- 
lasser  I  185  11  168 

Duriae  stat.  Domo  Libiker  It.  Hier. 
557  Amm.  XV  8,18 

Duronia  opp.  Samnium  679  A.  5 

Eba.'"  opp.  Etrurien  Ptol.  111  1,43 
Eboreius  pag.  Libarna  Ligurien  158 
E  bro  port.  Tab.  Peut.  s.  Aedro 
Eburum  niun.  Eboli  Lucanien  901 
Ebutiana  Samnium  Tab.  Peut. 
Ecetraopp.  Monte  Fortino?  Vols.649 
Echetia  opp.  Steph.  Byz.  Ecetra? 
Edrum?  Idro  Cenomanen  197 
Edus  fl.  Genua  CIL.  V  7749,7 fg. 
Egna tia  s.  Gnatia 
Eilen ia  opp.  Metapont  Et.  M.  Suid. 

(Arist.)  mir.  ausc.  108 
Elea  s.  Veiia 
Eleana  s.  Hellana 
Eleates  sinus  Busen  v.  Velia  Appian 

b.  civ.  V  98  Strab.  VI  252 
Electrides  ins.  Po  Istrlen  241 
Elees  fl.  s.  Haies 
Eleutii  pop.  Apulien  Steph.  Byz. 
Elleporus  fl.  Slilaro?  Brultium  949 
Elpia  =  Salapia  849  A.  10 
Elymi  gens  Sicilien  I  469  546 
Empor!  um?  Empoli  Elr.  292 
Emporium  Rom  539 
Eroporium  Campanien?  Steph.  Byz. 
Emporium    port.    Medma  Biut.  960 
Empulum  opp.  Latium  615 
Endidae  Egna  Brennerstrafse  211 
Eniseca   rivus   Secca    Genua   CIL.  V 

7749,22 
ad  Ensem?  Scheggia  Umbrien  390 
Entella  fl.  Lavagna  Riviera  146 
Eolane  Po  s.  Volane. 
Epanterii    Montan i    pop.  Ligurien 

Liv.  XXXIII  46 
Ephyra  opp.  Campanien?  Steph.  Byz. 
Epizephyrii  pop.  s.  Locri 
Epopeus  mons    Epomeo    Campanien 

I  252  11  730 
Epopis  mons  Locri  Bruttium  958 
Eporedia  col.  Ivrea  Salasser  169 
Equus  Magnus  s.  Tuticus  s.  Ae- 

quum  Tuticum 


Eranusa  ins.  Bruttium  944 

Eretenus  fl.  Retrone  -  Bacchiglione 
Veneter  218 

Eretum  vic.  Sabina  479 

Ergitium  Apulien  842 

Eribianus  collis  Sparanise  Campa- 
nien 688 

Eridanus  fl.  Po  I  183  H  213 

Erimum  opp.  Oenotrer  Steph.  Byz. 

E  r  n  e  s  t  u  m  stat.  Bari-Brindisi  It.  Ant. 
315  vgl.  Arnestum 

E  s  q  u  i  1  i  a  e  opp.  Esquilin  Rom  492.  95 

Esturri  pop.  Stura?  Plin.  11147.135 

Esubiani  s.  Vesubiani 

Ethae?  opp.  Bruttium  Diod.  XXI  3 

Etruria  regio  1  231.  54.  99.  306. 
417  n  3.  278 

Etrusci  gens  I  493 fg.  II  278 

Eudracinum  S.  Remy  Salasser  172 

Euganei  gens  i486.  91 

Eugiton  fl.  Bruttium  Varro  Prob.  V. 
Ecl.  vgl.  S.  961 

E  u p il i s  lac.  Brianza  I  182  H  180 

Euploea  Neapel  745  A.  5 

Eurotas  fl.  =  Galaesus  870 


Fabaris  fl.  s.  Farfarus 
Fabia  tribus  r.  Tiberufer  564 
Fabia  nus  pag.  Solmona  Paeligner450 
Fabrate ria    Nova    col.    Falvalerra 

Volsker  656 
Fab  rate  ria    Vetus    mun.    Ceccano 

Herniker  655 
Faesulae  mun.  col.  Fiesole  Etr.  293 
Fagifulae     mun.    Montagano    Sam- 
nium 792 
Fagutal  Esqnilin  Rom  497 
Falacrinus  vic.  Civila  Reale  Sab.  468 
Faleria  port.  s.  Falesia 
Falerii  Novi  mun.  Falleri  Etr.  365 
Falerii  Veteres  opp.  Civila  Castel- 

lana  Etrurien  363 
Falerio  mun.  col.  Falerone  Pic.  423 
Falerna  tribus  N  Campanien  692 
Falernus  ager  N  Campanien  6S9 
Falernus  mons  Falerone  Pic.  423 
Falesia  port.  Porto  Falese  Etr.  304 
Falinates  pop.  Umbrien  Plin.  III  114 
Falisci  gens  S  Etrurien  I  513  H  362 
Fanum    Fortunae    col.  Fano  Galli- 
sche Mark  384 
Fanum  Fugitivi  stat.  Spoleto-Terni 

Umbrien  404 
Fanum  Voltumnae  Montefiascone? 
Etrurien  341 


Antike  Ortsnamen. 


981 


Farfarus   fl.  Farfa  Sabina  I  314  A. 

l  II  478 
Farra ticanus  pag.  Piacentia  CIL.  V 

4148.  7356  XI  1147 
Fascianus  pag.  Ligurer  Sam.  815 
Faustinianus  ager  Falerner^auPlin. 

XIV  62 
Faventia  mun.  Faenza  Aemilia  258 
Faveria  opp.  Istrien  Liv.  XLI  11 
Favouienses  s.  Nucerini 
Febra  ins.  Calabr.  Serv.  V.  Aen,XI271 
Fecusses  pop.  Istrien  242 
Feliginates  pop.  Umbrien   Fun.  111 

114 
Felsina  s.  Bononia 
Feltria  mun.  Feltre  Veneter  223 
Fenectani  campi  Latium?    Liv.  VllI 

12 
Fensernia  opp.  Campanien  75 
Ferentina  aqua  Rio  di  Nemi  Lal.  558 
Feientinum  Val  d' Ariccia  Lat.  558 
Ferentinummun.Ferentino  Hern.  653 
Ferentum  mun.  Ferento  Etr.  341 
Feretrus  s.  Mons  Feretrus' 
Feritrum  opp.  Samnium  Liv.  X  34 
Feronia  lucus  Terracina  Neu  Lat.  640 
Fertor  £1  Bisagno  Genua  I  303  II  144 
Fertur    fl.  Fortore    Frentaner  I  338. 

43  II  778 
Fescennia  mun.  Etrurien  366 
Festi  Arvalenhain  Rom  498 
Fibrenusfl.  Fibreno  Vols.  I  329II  670 
Ficana  opp.  Dragoncello  Latium  562 
Ficolea-ulea  mun.  Via  Nomentana 

Latium  608 
Ficolea  mun.  Samnium    Plin.  111  107 
Fidenae  mun.  Villa  Spada  Lat.  604 
Fidenlia  mun.  Borge  S  Donnino  Ae- 
milia 270 
Fidentiola  vic.  s.  Fidentia 
Fifeltares  =  Peltuinates?  Vest.  442 

A  2 
F  i  f  i  c  u  1  a  n  u  s  pag.  Paganica  Vest.  442 
ad  Figlinas  Riviera  Tab.  Peut. 
ad  Finem  Vicenza-Padua  218 
ad  Fines  Avigliana  Gott.  Reich  150 
ad  Fines  S.  Giovanni  Etr.  171 II  314 
ad  Fines  Fine  Etrurien  I  71  11300 
Firm  um  col.  Fermo  Picenum  423 
Firronianus    sah.  Mailand    CIL.   V 

5503 
Fiscellus    mons    Gransasso    d' Italia 

I  237  II  437 
Fisia  arx  Gubbio  Umbrien  391 
Fisternae  stat.  Vigliano  Sabina  469 
Fistlus  s.  Puteoli  74 


Flanaticus    sinus    Golf  v.  Quarnero 

I  142 
Flaminia  regio  Mark  ürbino  377 
Flania    vic.   Veleia    Aemilia    CIL.  XI 

1147 
Flavina-ium  S  Etrurien  Verg.  Aen. 

VII  696  m.  Schol.  Sil.  It.  VIII  490 
ad  Flexum   Brescia -Verona  It.  Hier. 

558 
ad  Flexum   S.  Pielro   in  Fine  Cam- 
panien 797 
Floreius  pag.  Veleia  Aemilia  276 
Florentia  mun.  col.  Firenze  Etr.  295 
Florentia-iola  Fiorenzuola  Aemilia 

270 
Flosis  fl.  Fiastrone?  Picenum  421 
Flusor  fl.  Potenza  Picenum  419 
ad  Fonteclos    Piacenza  -  Parma   It. 

Hier.  616 
Focunates  pop.  Vogogna?  Alpen  184 
Folia  fl.  Foglia  Gallische  Mark  379 
Folianum   Foglianise    Benevent  814 
For(ensis.'')  vic.  Arminum  250 
Forensis  pag.  Voicei  Lncanien  901 
Foren  tan  i  mun.  Latium  Plin.  III  64 
Foren  tum    mun.  Forenza  Venusiner 

Mark  831 
Foreta  ni  mun.  Venetien  Plin.  III  130 

vgl.  193  A.  4 
Foreti  pop.  Latium  556 
F  ormiae  mun.  Mola  di  Gaeta  (Formia) 

Neu  Latium  659 
Formio  fl.  Risano  Istrien  I  77  II  238 
ad  Fornolus  Aquileia-Emona  It.  Hier. 

560 
Fortinei  pop.  Latium  560 
Fortunensis   pag.  Bergamo  CIL.  V 

5112 
Foruli  vic.  Givita  Tommassa  Sab.  469 
Forum  Alieni  Lendinara?  Ven.  217 
Forum  Annii  s.  Forensis  pagus Voi- 
cei Lucanien  901 
Forum  Appii   mun.  Foro   Appi  La- 
tium 638 
Forum  Aurelii  Montalto  Etr.  327 
Forum  Brentanorum     mun.    Um- 
brien Plin  HI  113  LIL.  XI  6055 
Forum  Cassii  Vetralla  Etrurien  344 
Forum  Clodii  mun.  Aem.  268  A.  10 
Forum  Clodii  Luna-Luca  Etr.  287 
Forum  Clodii  mun.  S.Liberato  Etru- 
rien 352 
Forum  Cornelii  mun. Imola Aemilia 

259 
Forum  Decii  mun.  La  Posta  Sabina 
468 


982 


Antike  Ortsnamen. 


Forum  Druentinorum  mun.  Aemi- 

lia  269  A. 
Forum  Esii  =  F.Decii?  469  A.  1 
Forum  Flaminii    mun.  S.Giovanni 

Profiamma  Umbrien  393 
Forum  Fulvii   mun.  Villa  del  Foro 

Ligurien  156 
Forum  Gallorum  Castelfranco  Ae- 

milia  266 
Forum  Germa(nici?)   mun.  Busca 

Ligurien  153 
Forum  Julii  Concupiensiummun. 

Umbrien  Plin.111113 
Forum     Julii     Jriensium     mun. 

Voghera  Ligurien  159 
Forum    Julii     Transpadanorum 

mun.  Cividale  d'  Austria  Carner  235 
Forum  Jutuntorum?  Transp.  190 
Forum  Lepidi  mun.  Reggio  Aemilia 

267 
Forum  Licinii   Transpadana  190 
Forum  Licinii  mun.  Aem.  268  A.  10 
Forum  Livii  mun.  Forli  Aem.  258 
Forum  Novum   mun.  Fornovo   Ae- 
milia 268 
Forum  Novum    mun.  Vescovio   Sa- 

bina477 
Forum    Novum    vie,    S.   Arcangelo 

Trimonü  Hirpiner  816 
Forum  Popilii    mun.   Forlimpopoli 

Aemilia  258 
Forum  Popilii  ex  Falerno   mun. 

Francolise  Campanien  691 
Forum  Popilii  Polla  Lucanien  903 
Forum   Populi  s.  F.  Popilii  Aemilia 
Forum    Sempronii    mun.  Fossom- 

brone  Gallische  Mark  383 
Forum  Subertanum  mun.  Etrurien 

344 
Forum  Vibii  mun.  Revello  Tauriner 

153.  164 
Forum  Volcani  Solfatara  Campanien 

I  252  II  737 
Fossa  Stralse  v.  Bonifacio  I  100 
Fossa  Asconis  Ravenna  253 
Fossa    Augusta    Ravenna  -  Sagis  I 

205  II  253 

Fossa    Clodia    Chioggia   Veneter  I 

206  II  219 

Fossa  Cluilia  Rom  498 
Fossa  Fla  via  Sagis-Atria  I  205  II  214 
Fossa  Graeca  campan.  Küste  715.  20 
Fossa  Neronis  campan.  Küste  1  333 
Fossa    Philislina     Etsch  -  Atria    I 

206  11  215 
Fossae  stat.  Alria-Allinum  Tab.Peut. 


Fossae  Papirianae  stat.  Viareggio 

Etrurien  287 
Fossiones  Atria  1  206  II  215 
Fratuertium    Lecce  -  Otranlo    Cala- 

brien  882 
Fratuolum  Hirpiner  Ptol.  III  1,62 
Fregellae  coi.  mun.  Opi  Volsker  675 
Pregellanum  stat.  Ceprano  655 
Fregenae  col.  Maccarese  Etr.  350 
Frentani  gens  I  527  II  778 
Frentinum  castrum  Thurii  Luc.  922 
Frentrum  opp.  Lanciano  Frent.  779 
Frcsilia  opp.  JVlarser  Liv.  X  3 
Fretum  Gallicum  Str.  v.  Bonifacio 

I  100 
Fretum  Siculum    Str.  v.  Messina  I 

96.  105 
Frigid  US  fl.  Wippach  Carner  I  196  II 

234 
Friniates  pop.  Ligurer  Liv.XXXIX  2 

vgl.  Briniates 
Frurentani  gens  Steph.Byz.s.  Fren- 
tani 
Frusino  mun.  Frosinone  Hern.  655 
Frusteniae  Vestiner  442 
Fstaniensis?    vic.   Marser    CIL.  IX 

3856 
Fucinus    iac.  L,   Fucino  Abruzzen  I 

298.  510  II  450 
Fulginiae  -  ium    mun.  Foligno  Um- 
brien 401 
Fundanus  Iac.  L.  di  Fondi  Neu  La- 

tium  658 
Fundi  mun.  Fondi  Neu  Lalium  658 
Furcona  Civila    di  Bagno  Vest.  442 
Furculae  Gaudinae  Forchia  Sam- 

nium  806 
Furfo  vic.  S.  Maria  di  Furfona  Ves- 
tiner 442 

Gabeil  US    fl.    Secchia  Aemilia    264 

A.  5 
Gabii  luun.  Casliglione  Latium  602 
G  a  b  i  n  u  s  Iac.  L.  di  Casliglione  Latium 

602 
Gaesaone    stat.  Cesanne    Cottisches 

Reich  151 
Galaesus  fl.  Tarent  870 
Galeria   tribus   Rio  Galera  r.  Tiber- 

ufer  564 
Galli  gens  I  474  fg. 
Gallia  citerior  I  76  II  160 
Gallia  togata  I  78  II  160  A.  5 
Gallicus  ager  Mark  Urbino  377 
Gallianates  pagus  s.  Braecores 
Gallinaria  ins.  Gallinara  Riviera  142 


Antike  Ortsnamen. 


983 


Gallinaria    Silva    Pineta    di    Castel 

Volturno  Campanien  713 
ad  Gallinas  viila  Prima  Porta  Rom 

373 
Gallitae  gens.  Alpen  Plin.  111  137 
Garbantia  stat.  Libiker  It.  Ant.  340 
Garda  Garda  Cenomanen  209 
Garga  vic.  Thurii  Serv.  V.  Georg.  1 

103 
Garga nus  mons  Gargano  I  241  II  837 
Gargarum   fl.  opp.  Metapont  Steph. 

Byz.  (Arist.)  mir.  ausc.  108  Serv.  V 

Georg.  I  103 
Garuli  pop.  Ligurer  Liv.  XLI  19 
Gaulos  ins.  Gozzo  I  370 
Gaurus  mons  M.  ßarbaro  Camp.  736 
Gennanum     Zenano    Val     Trompia 

Brescia  CIL.  V  4924 
Genua  mun.  Genova  Riviera  145 
Genusia  mun.  Genosa  Apulien  861 
Gereonium  opp.  s.  Gerunium 
Gerunium     opp.    Gaslei    Dragonara 

Apulien  785 
Glanis  fl.  s.  Clanis 
Giern ona  mun.?  Gemona  Garner  237 
Gnalia  mun.  Anazzo  Apulien  860 
Gorgon  ins.  Gorgona  Etrurien  I  367 
Gorlynaea  opp.?  Theopomp  fr.  114 
Gradus  ins.  Grado  Carner  232 
Graeca  fossa  camp.  Küste  715.  720 
ad  Graecos  Florenz-ChiusiTab. Peut. 
Grai  Graioceli  gens  Alpen  152 
Grani  mons  Aequer?  Tab.  Peut. 
Graviscae    col.    Porto    Clemenlino 

Etrurien  331 
Graxa  opp.  Calabrien.  77.  887 
Grebia  vic.  Val.  Camonica  Alpen  CIL. 

V4962 
Grumbestini  mun.  Grumo  Calabrien 

858 
Grumentum  col.  Saponara  Luc.  909 
Gurasium    opp.  Etrurien    Diod.  XIV 

109 
Gurgures  montes  M.  Terminillo  Sa- 

bina  I  237  II  467.  72 

Hadria  col.  Atri  Picenum  431 
Hadrianus  ager  Atri  Picenum  428 
HadriaUcum    raare    Adrla    I  91  A. 

4  II  432 
Haies  fl.  Alento  Lucanien  895 
Halex  fl.  Alice  Bruttium  955 
Hamae  S.  Severino?  Campanien  715 
Hasta  mun.  Asli  Liguiicn  156 
Hasta  stat.  Riviera  Tab.  Peut.  Geogr. 

Rav.  V  2 


Hasta  stat.  Etrurien  Tab.  Peut.  Geogr. 

Rav.  IV  32  V2 
H  a  tri  a  s.  Hadiia 
Hellana  Pistoria-Florenz  Tab.  Peut. 

Geogr.  Rhv.  IV36 
Helorus  fl.  s.  Elleporus 
Helvillum  vic.  Sigillo  Umbrien  392 
Helvinus  fl.  Salinello?  Picenum  430 
Heraclea  mun.  Policoro  Luc.  915 
Herbanum  mun.  Etrurien  Plin.  III  52 
Herbelloni    It.    Hier.    614    s.    Hel- 
villum 
Hercl(an  enses)  pag.?  Feltre  CIL  V 

2072 
Herculaneum   mun.  Resina  Campa- 
nien 759 
Herculaneum    opp.    Samnium    Liv. 

X  45 
Herculaneus    pag.  Ercole?    Capua 

704  A.  7 

Herculaneus  pag.  Ligurer  Samn.  815 

Herculaneus     rivus     Sabina  -  Rom 

Frontin  de  aq.  15.  19  Plin.  XXXI  42 

Herculanius  pag.  Placenlia  Aemilia 

274 
ad  Herculem  Pisa-Vada  lt.  Ant.  293 

Geogr.  Rav.  IV  32  V  2 
Herc(culeus)    vic.  Brescia    CIL.  V 

4488 
Herculis  petra  Revigliano    Campa- 
nien 766 
Herculis  porl.  Villafranca  Seealpen 

137 
Herculis  port.  Capo  Vaticano  Brut- 
tium 959 
Herculis    Monoeci    port.    Monaco 

Seealpen  138 
H  e  r  c  u  1  i  s  prom.  Cap  Spartivento  Brut- 
tium 955 
Hercynia  Silva  N- Alpen  I  138 
Herdoniae  mun.  Ordona  Apulien  847 
Hergates  pop.  Ligurer  Liv.  XLI  19 
Hernici  gens  1  515  11647 
Hernicus  ager  mun.  648 
ad  Hesim  s.  ad  Aesim 
Hesperia  Italien  I  59 
Hiera  ins.  Volcano  I  250.  72.  80.  83 
Himella    fl.   Imele- Salto    Abruzzen 

1  312 
Himera  fl.  Fiume  Salso  Sicilien  I  350 
Hipponiates  sinus  s.  Vibonensis 
Hippo  nium  s.  Vibo 
Hipporum   Bruttium  It.  Ant.  115  s. 

Hyporon 
Hirpi  Falisker  368 
Hirpini  gens  Samnium  I  529  II  803 


984 


Antike  Ortsnamen. 


Hispellum  col.  Spello  Umbrien  396 
Histonium    mun.  Vasto     Frentaner 

782 
Hislri  gens  1493  II  238 
Histria  regio  Istrien  I  493  II  237 
inHonoratianum  Aequum  Tulicum- 

Venusia  It.  Ant.  103 
Hormiae  s.  Foimiae 
Horla  mun.  Orte  Etrurien  362 
Hortenses  pop.  Lalium  556 
Horticulanus  pag.  Ligurer  Samnium 

815 
H  0 r  1 0  n  a  mun.  ?  Ortona  Frentaner  780 
Hortulorum  collis  M.  Pincio  Rom492 
Hostiiia  vic.  Ostigiia  Verona  208 
Humagum  Umago  Islrien  Geogr.  Rav. 

IV  30  V14 
Humana  mun.  =  Numana  418  A.  2 
Hydruntum  Hydrus  mun.  Olranto 

Galabrien  882 
Hyele  s.  Velia 

Hylias  fl.  Fiumenica  Brultium  935 
Hypsas  fl.  Beiice  Sicilien  I  351 
Hyporon  opp.  Bruttium  77.  949 
Hyria  s.  Nola  75 
Hyrium  s.  Urium 

I  actus?  fl.r.  vomPoPlin.IlI  118  vgl. 

Tab.  Peut.  laia 
ladatinus   vic.    Occimiano    Ligurien 

CIL.  V  7450 
lanicolensis    pag.  Trastevere  Rom 

497 
laniculum  mons  Gianicolo  Rom  490. 

533 
I  a  p  u  d  e  s  gens  Kelten?  I  507  A.  II  389 
lapyges  gens  I  539fg.  II  856 
lapygia  regio  s.  Apulia 
lapygum  prom.  Gapo  Cimiti  Rizzuto 

le  Caslella  Brultium  944 
lapyx  fl.  Baiice?  Apulien  857  A.  1 
Idex  fl.  Idice  Aemilia  260 
Igiiium  ins.  Giglio  Etrurien  I  368 
Igiturvium  =  Iguvium  391  A.  4 
Iguvium    mun.  Gubbio    Umbrien    I 

504  II  390 
Ilionenses  pop.  =  Lavinates?    La- 

tium  574  A.  8 
II va  ins.  Elba  Etrurien  I  367.  551  II 

305 
Ilvates  gens  Ligurien  I  551 
Imeus  mons  Forca  Caruso  Paeligner 

435 
Imolas  castr.  Imola  Aemilia  259 
Inarime  ins.  Ischia  Campanien  729 
Inbrinium  Samnium  Liv.  VIII  30 


Incia  fl.  Enza  Aemilia  268 

I  n  c  i  t  a  r  i  a  port.  Porto  S  Stefano  Etru- 
rien 310 

Indus  tri  a  mun.  Monteü    da    Po  Li- 
gurien 157 

Ingauni  gens  Albenga  Riviera  142 

Ingenan[um]  castellum  Brescia  CIL. 
V  4488 

Insubres  gens  Mailand  I  477  II 179 

Interamna    Lirinas    Succasina 
col.  mun.  Termine  Volsker  678 

Interamna  Nahars  mun.  Terni  Um- 
brien I  313  11405 

Interamnia      Praetuttianorum 
mun.  Teramo  Picenum  430 

Interamnium  stat.  Sybaris  918 

I  n  termanan  a?    stat.  Via    Flaminia 
364  A.  3 

Interocrium  vic.  Antrodoco  Sabina 
469 

Interpromium vic. Torre  de'  Passeri 
Abruzzen  444 

Intimilii   pop.  Ventimiglia    Riviera 
141 

ad  loglandem    Florenz-Chiusi  Tab. 
Peut. 

loventio  mons  Colle  de' Giovi  Genua 
144 

lovis  Larene  Sulmo-Aufidena  Abruz- 
zen 78S 

lovis    Tifatinus    Piedimonte  Cam- 
panien 710 

Ira  fl.  StalTora  Ligurien  159 

Iria  mun.  col.  Voghera  Ligurien  159 

Irini  mun.  Apulien.  Plin.  III  105  vgl. 
S.  839  A.  2 

Irmene  opp.  Veneter  Plin.  III  131 

Irnthie?  opp.  Picentiner?  75 

Irvaccus  vic.  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 
1147 

Is?  fl.  Lucanien  895  A.  4 

Isacia  ins.  Lucanien  897 

Isarchi  pop.  Alpen  211  A.  6 

Isarcus  fl.  Eisack  Alpen  I  192  II  211 

Isaurus  fl.  =  Pisaurus 

Isla  opp.  s.  Tisia 

Issa  opp.  Reatina  Sabina  475 

Italia  opp.  =  Corfinium  I  72.  340  II 
448 

Italia  terra  1  60fg. 

Ilalici  1  72.  83 

Italium  s.  Talium 

Ithacesiae    ins.  Porlo    Sa.    Venere 
Bruttium  959 

Itone    opp.  Italien   Steph.   Byz.  vgl. 
S.  956  A.  1 


Antike  Ortsnamen. 


985 


luanelius  vicus  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 
lulia    Augusta  Taurinorum  col. 

Turin  166 
luliumCarnicum  col.  Zuglio  Carner 

237 
Iu[lius]    pag.  Val  Trompia  Brescia 

CIL.  V  4911 
lulius    pag.  Placentia    Aemilia    274 
lulius  port.  Avernersee  Camp.  735 
lunonius    pag.  Veleia    Aemilia   276 
luvanenses    mun.   Failascoso   Fren- 

taner  781 
Ixias  opp.  Oenotrer  Steph.  Byz. 

Labicanus  ager  mun.  Latium    600 
Labici-cum  col.  M.  Compatri?    La- 
tium 601 
Labro  port.  Etrurien  Cic.  ad  Qu.  fr. 

II  5,3 
Labulla  Bruttium  926 
Lacinium  prom.  Capo  delle  Colonne 

Bruttium  943 
Lactarius    mons    M.    Lattaro    Cam- 

panien  767 
Laebactes  pag.  Castel  Lavazzo  Bel- 

luuo  Alpen  224 
L  a  e  V  e  1  u  s  salt.  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Laevi  gens  Transpadana  I  477  II  179 
Lagaria  opp.  Lucanien  910 
Lainus  opp.  Laino  Lucanien  906 
Lambrus   fl.  Lambro  Transpadana  I 

1S8  U  180 
ad  Lamnas  Osteria  della  Ferrata  Ti- 
voli-Alba 617 
Lameticus     sinus     Golf    von     Sa. 

Eufemia  930 
Lametini  opp.  Bruttium  930  A.  6 
Lametus  fl.  Lamato  Bruttium  930 
Lampetes  prom.  Cap.  Suvero  Brut- 
tium 928 
Lampe tia  s.  Clampetia 
Lamusium    Plut.    ParaU.    14    sehr, 

Lanuvium 
Langenses    Viturii    castel.  Genua 

Langasco  145 
Languvilla    Lombardei    Prokop    b. 

Goth.  I  15 
Lanita  pag.  Nola  Campanien  756 
Lanuenses?  mun.  Frentaner  781 
Lanuvium   mun.  Civita  Lavinia  La- 
tium 592 
Lapicini  pop.  Ligurer  Liv.  XLl  19 
Lapillanus  pag.  Cassino  Neu  Latium 
CIL.  X  5172 


Larene  s.  lovis  Larene 

Larice  stat.  Aquileia-Virunum  236  A.  1 

Larignum    castel.    Alpen    Vitruv.  II 

9,15 
Larinates   gens  Abruzzen  I  527  II 

780.  84 
Larinum  mun.  Larino  vecchio  Fren- 
taner 780.  783 
Laris?  fl.  Lucanien  895  A.  4 
Larisa  opp.  Campanien  Dion.  H.  I  21 
Larius    lac.    Lago    di    Como    I   180. 

88  II  187 
Larulum?  opp.  Umbrien  Strab.  V  227 
Latapadon  fl.  Bruttium  Varro  Prob. 

V.  Ecl.  vgl.  S.  961 
Latavius    salt.  Veleia   Aemilia  CIL. 

XI  1147 
Laterium  praedium  Casamari  Vols- 

ker  674 
Laternii  gens  Samnium  Skylax  15 
Latiaris  coUis  Rom  Varro  LL.  V  52 
Latini  gens  I  519 fg.  II  555.  57 
Latinienses  pop.  Latium  ö.")'» 
Latinus  ager  mun.  Latium  556 
Latium  adieclum  I  521  II  553 
Latium    antiquum    I   255 fg.    324. 

432.  520  11  553 
La  tymnum  monsKrotoniatisTheokrit 

4,19  m.  Schol. 
Laumellum  Lomello  Libiker  176 
Laurentes  gens  mun.  Latium  572.  75 
Laurentum  vic.  Castel  Porziano  La- 
tium 575 
Laurinienses  Val    di    Lauro   Cam- 
panien 756 
Laurolavavi  nium  s.  Lavinium  575 
Laus    fl.    Lao    Lucanien    I    64.    243. 

335  11  898 
Laus  opp.  Scalea  Lucanien  898 
Laus    Pompeia   mun.  Lodi   vecchio 

Transpadana   191 
LautulaePafsv.TerracinaI328II642 

Lautumiae  Rom  498 

Lavernae  pag.  Prezza  Paeligner  450 

Lavern i um   Gaeta    Cic.  ad   Att.  VII 

8,4  de  fato  fr.  5 
La  vica  ui  s.  Labicani 
Lavinium  mun.  Pralica  Latium  573 
La  vi  ni US  fl.  Lavino  Aem.  I  191  II  260 
Lavinium  stat.  Scalea  Lucanien  898 
Leboriae  Gebiet  von  Cumae  724 
Lebriemelus    fons    Genua    CIL.   V 

7749,22 
Lemonia  tribns  Latium  564 
Lemurinus     mons     Genua     CIL.    \ 
7749,14  fg. 


986 


Antike  Ortsnamen. 


Lemuris  fl.  Genua  CIL.  7749,7 
Lepinus  mons  Segni  Lalium  I  238  A. 
Lepontii  pop.  Valle  Leventina  Alpen 

1  478  II  180.  84 
Lesis    Salt.  Veleia    Aemilia    CIL.  XI 

1147 
Lethaeon  mons  Lykophr.  AI.  703  m. 

Schol. 
Letiis  mons  Ligurer  Liv.  XLI  18  Val. 

Max.  I  5,9 
Leuca  Leuca  Calabrien  884 
Leucasia  s.  Leucosia 
L  e  u  c  e  r  i  s  Bergamo-  Brescia  Tab.  Peut. 
Leucogeus  collis  Aslroni  Neapel  743 
Leucomelius    salt.    Veleia    Aemilia 

CIL.  XI  1147 
Leiicopetra    prom.  Capo  dell'  Armi 

Bruttium  967 
Leucopetra   Tarentinoium    Cap 

Leuca  Calabrien  967  A.  2 
Leucosia  ins.  Licosa  Lucanien  895 
Leucothea  ins.?  Plin.  III  83 
Leutarnia  Lykophr.  AI.  978  m.  Schol. 
Leuternia  Sallentiner  884 
Libarna  col.  Serravalle  Ligurien  158 
Libicanus  pag.  Ligurer  Samn.  815 
Libici  gens  Traiispadana  I  477  II  174 
Libitinus  pag.  Ligurer  Samn.  815 
Libui  gens  s.  Libici 
Liburni  gens  Picenum  414 
Liburnus  mons  s.  Taburnus  787  A. 
Licirrus  pag.  Seealpen  CIL,  V  7923 
Liflum?  opp.  Aequer  Diod.  XIV  102 
Lifoequa?    opp.  Aequer  Diod.  XiV 

106 
Ligea  ins.  Bruttium  931 
Ligures  gens  I  46S  fg.  II  131 
Ligures    Baebiani     mun.    Gircello 

Samnium  814 
Ligures     Corneliani    mun.    Sam- 
nium 815 
Liguria  regio  I  230.  434  II  3.  131 
Ligusticum  mare  sinus  I  100.  115 
Ligustinus  pag.  Benevent  Samn. 814 
Limon  villa  Chiaia  Neapel  745  A.  5 
Lingeus    fl.   Etrurien    Lykophr.    AI. 

I24u  Schol.  Lynceus 
Lingones  gens  Aemilia  I  477  11244 
Linus  prom.  Brutlium   931 
Lipara  ins.  Lipari  I  369 
Liparaeorum  ins.  Liparen  I  250.  72. 

80.  83.  369. 
Liquentia    fl.   Livenza    Venetien    I 

195  II  224 
Liquentia  port.  Caorle  Venetien  224 
Lirenates   gens  Interamna  Vols.  678 


Liris  fl.  Liri  I  329 fg. 

Lis ta  opp.  Sahina  471 

Litana  Silva  Aemilia  256 

Literna  palus  Lago  di  Patria  Cam- 
panien  714 

Liternum  praef.col.  Torre  di  Patria 
Campanien  714 

Liternus  fl.  Foce  di  Patria  Cam- 
panien 714 

Litubium  opp.  Retorbido?  Ligurien 
271   A.  4 

L  i  V  i  u  s  pag.  Val  Trompia  Brescia  CIL. 
V  4909 

Locanus  fl.  Bruttium  Ptol.  III  1,10 
Schol.  Dion.  Per.  Geogr.  min.  II  432 

Locri  mun.  Torre  di  Gerace  Brut- 
tium 953 

Locri  Epizephyrii  pop.  Brut.  952 

Locria  fons  Cap  Bruzzano  Bruttium 
Strab.  VI  259 

Longa  ni  pop.  Latium  556 

Longula  opp.  Buon  Riposo?  Lat.  631 

Longula  opp.  Samnium?  Liv.  IX  39 

Loracina  fl.  Cacamele  Latium  629 

Lorium  Bottaccia  S  Etrurien  351 

Lothronus  fl.  =  Volturnus  1  333 
A.  3 

Lu  bell  US  vic.  Veleia  Aemilia  CIL. 
XI  1147 

Luca  col.  Lucca  Etrurien    287 

Lucana  palus  Lagune  v.  Paestum894 
A.  3 

Lucanenses?  mun.  Atessa  Frent.  782 

Lucani  pop.  Volsker  655 

Lucani  gens  I  533  fg.  II  106.  889 

L  u  c  a  n  i  a  regio  Basilicala  I  242.  334  fg. 
II  888 

Luceoli  castrum  Scheggia.''Umb.  390 

Luc  eres  tribus  Caelius?  Rom  497 

Luceria  Apula  col.  Lucera  Ap.  842 

Luco  Bormani  stat.  Riviera  141 

Lucretilis  mons  M.  Gennaro  Sabina 
I  238  II   616 

Lucretius  pag.  Saturnia  Etrurien  N. 
d.Sc.  1899  p.  485 

Lucrinns  lac.  Lago  Lucrino  Campa- 
nien I  268  II  734 

Luculla num  castellum  Pizzofalcone 
Neapel  745 

Lucul(lanus)  pag.  Benevent  CIL.  IX 
1618 

Lucus  Feroniae  col.  Rignano  Etru- 
rien 369 

Lucus  Fucens  mun,  Luco  Marser 
456 

Lucus  lovis  Indigetis  Rio  Torto 


Antike  Ortsnamen. 


987 


Lalium  Plin.  111  56  Dion.  H.  1  64  Liv. 

12  Schol.  Ver.  V.  Aen.  1  260  TibuU 

II  5,43  u.a.  vgl.  S.  571 
Lueria  (Luna?)opp.  Ligurien  Fronlin 

Strat.  III  2,1 
Lumone  stal,  Riviera  It.  Ant.  296 
Luna  col.  Luni  Etiuiien  283 
Lupiae  mun.  col.  Lecce  Calabr.  881 
Luras    pag.  Veleia    Aemilia  276 
Lusias  fl.  Thurii  Aelian  nat.  anim.  X 

38    Schol.  Theokr.  7,78    Athen  XII 

519c 
Lymphaeum  opp.  Brut tium  Liv. XXX 

19 

Macalla  opp.Brullium  940 
Macra  fl.  Magra  Ligurien  I  303  11  131 
Macrales  pop.  Lalium  556 
Macri  campi  Magreta  Aemilia  265 
Maecia  tiibus  La  tium  593  A.  5 
Magna  Graecia   Italien  1  59  11  925 
Maielli  pop.  Ligurien  Plin.  111  47 
Maior  Graecia  Italien  925 
Mala  ni US  opp.  Oenolrer  Steph.  Byz. 
Maleventum  s.  Beneventum 
Malitiosa    silva    Sabina    Liv.  1   30 

Dion.  H.  III  33 
ad  Mallias  Reggio-Nicotera  lt.  Ant. 

106 
ad  Maium    Aquileia  -  Fiume  lt.  Ant. 

273 
M  a  m  a  r  c  i  n  a  opp.  Ausoner  Steph.  Byz. 

vgl.  Marcina 
Mamertium  opp.  Brultium  Strab.  YI 

261  Steph.  Byz. 
Manates  pop.  Latium    556 
Mandela  pag.  Mandela  Sabina  616 
Manduria  opp.  Manduria  Cal.  886 
Manliana  Populonium-Castiglione  It. 

Ant.  292  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav.  IV 

42  V  2 
Manliana   Siena  -  Chiusi  Tab.  Peut. 

Geogr.  Rav.  IV  36  Ptol.  III  1,43 
Mannicelus  Colle  Maniceno  Genua 

CIL.  V  7749,6.  12 
Mantua  col.  mun.  Mantova  202 
Marcelliana    S.Giovanni   in  Fönte 

Lucanien  904 
Marcikia  opp.  Vietri  Picentiner  825 
Marcius  saltus  Ligur.  Liv.  XXXIX  20 
Marcius?  mons  =  Maecius  593  A.  5 
Mardonia?  opp.  Lucanien  934  A. 
Mare  Adrianum  190  A.  6 
Marc  Ausonium  I  95 
Mare  Etruscum  Liv.  XL  41 
Mare  Gallicum  1  101 


Mare  I  b  e  r  i  c  u  m  1  101 

Mare  Inferum  1  89 

Mare  lonium  I  95 

Mare  Libycum  I  101 

Mare  Ligusticum  1  100.  115 

Mare  Medi  terra  neum  1  101 

Mare  Nostrum  I  102 

Mare  Sardoum  1  100 

Mace  Siculum  1  95 

Mare  Super  um  I  S9 

Mare  Tuscum  I  98 

Mare  Tyrrenum  I  98 

Marici    gens    Transp.   I  473  A.  2  II 

179 
Maricla  fl.  Marecchia  Ariminum  248 
Ma  rmoreae  opp.  Samn.  Liv.  XXVII  1 
Marrucini    gens    Chieti    Abruzzen  I 

518  II  443 
Marruvium    Marsorum     mun.    S. 

Benedelto  Marser  456 
Marsi  gens  Fucino  I  515  II  454 
Marta  fl.  Maria  Etrurien  1  308  II  329 
Martanum  porl.  Mündung  der  Marta 

Etrurien  329  A,  1 
Martiali  s  pag.  Ligurer  Samnium  815 
ad  Martis  Oulx  Coltisches  Reich  151 
ad  Martis  s.  Vicus  Martis  Tudertium 
ad  Martis  Pescia  Lucca-Pistoia  292 
ad  .Martis    Anlrodoco  -  Ascoli    Tab. 

Peut.  Guido  54 
Martius  pag.  Libarna  Ligurien  158 
Maruvium  opp.  Realina  Sabina  475 
Massa  Veternensis    Massa    Marit- 

tima?  Etrurien   306 
Massicus  mons  M.  Massico  Aurunker 

1  264  II   664 
Mataurus  s.  Metaurus 
Mateolani  mun.  Apulien  Plin.IlI  105 
Materina  plaga  Umbrien  Liv.  IX  41 
Maternum  Etrurien  335  A.  2 
Maticana?  vielleicht  Valicana  Brut- 

tium  959  A.  6 
Matilica     mun.    Matelica     Gallische 

Mark  386 
MatinatesexGargano  mun.  Matti- 

nata  Apulien  838 
ad  Matrem  magnam  Aequum  tut.- 

Venusia  It.  Ant.  103 
Matrini  vic,  le  Capannacce  Etrurien 

I  258  II  344 
M  a  t  r  i  n  u  m  port.Piombamüadung  Plce- 

num  431 
Matrinus  fl.  Piomba  Picenum  431 
Matronae    mons    M,  Genevre  Cotti- 

sches  Reich  151 
ad  Medias  Turin-Pavia  It.  Hier.  557 


988 


Antike  Ortsnamen. 


ad  Medias  Modena-Bologna  It.  Hier. 

616 
ad  ftledias  Mesa  Rom-Terracina  634 
Mediolanum  niun.  Milano  180 
Medma  opp.  Liguiien  Sleph.  Byz. 
Medma  opp.  Rosarno?  Brutlium  959 
Medua?  Brutlium  960  A.  1 
Meduaci  gens  Alpen  Strab.  V216 
Meduacus   fl.  Brenta  Veneter  I  194. 

203  II  219 
Meduacus  inaior  port.  Porto  di  Ma- 

lamocco  I  194.  207  II  219.  222 
Meduacus  minor  port.  Porto  Secco? 

I  194.  207  II  219 
Medulli    pop.     Savoyen     Cottisches 

Reich  152 
Medullia  opp.  Latium  563 
Medutius    pag.  Veieia    Aemilia  276 
Mefanus  pag.  Benevent  Samnium  814 
Meflanus  pag.  Benevent  Samn.  814 
Mefula  opp.  Reatina  Sabina  475 
M  egalia  =  Megaris 
Megaris  ins.  Gastet  deli'  Ovo  Neapel 

745 
Melae  opp.  Samnium  Liv.  XXVII  1 
Melfa?stat.  Fabrateria-Aquino669  A.l 
Meifis  stat.  Apulien  858  A.  11 
Meligunis  ins.  Lipara  Kallim.  Hymn. 

3,48  Plin.  JII  93  u.a. 
Melite  ins.  Malta  I  318.  370 
M  ella  fl.  Mella  Cenomanen  I  189  II 196 
Meloessa  ins.  Bruttium  944 
Melpes    fl.  Mingardo  Lucanien  Plin. 

III  72 
Melpis  fl,  Melfa  Volsker  669 
Melpum  opp.  Transpadana  I  498 
Membles  fl.  Lucanien  Lykophr.  AI. 

1083  m.  Schol. 
Menaria   ins.  Meloria   Livorno  Plin. 

III  81 
Mendicoleius   vic.  Val    Diano    Lu- 
canien Tab.Peut.Geogr.Rav.lv  34 

Guido  43 
Menecine  opp.  Oenolrer  Steph.  Byz. 
Menoncaleni  pop.  Istrien  242 
ad  Mensulas  Siena-ChiusiTab.Peut. 

Geogr.  Rav.  IV  36 
Mentovini   vic.  Genua  CIL.  V  7749, 

38  fg. 
Menturnae  s.  Minturnae 
Mercurialis  pag.Parma  Aemilia  CIL. 

XI 1147 
Merula  fl.  Merla  Riviera  I  302  Plin. 

III  48 
Mesia  Silva  r.  Tiberufer  Etrurien  359 
M  e s  i a  t e s  pop.  Val  Mesocco  Alpen  1 85 


Mesma  fl.  Mesima  Bruttium  959 
Mesma  opp.  s.  Medma 
Mesochorum     Tarent     Tab.    Peut. 

Geogr.  Rav.  IV  31.  35 
Messanicus  fl.  Po  bei  Ravenna  213 
Messapia  Terra   d'  Otranto  I  540  II 

861 
Messapii  gens  I  540  II  864 
Metabus  s.  Metapontum 
Metapontum    opp.  Metaponto    Lu- 
canien 911 
Metaurum  port.  Gioja  Bruttium  960 
Metaurus  fl.  Metauro  Gallische  Mark 

I  341.  43  11  381 
Metaurus  fl.  Marro  Bruttium  960 
Mettia   salt.  Veieia    Aemilia   CIL.  XI 

1147 
Mevania  mun.  Bevagna  Umbrien  396 
Mevaniola    mun.  Galeata    Gallische 

Mark  379 
Micodes  fl.  Bruttium  Varro  Prob.  V. 

Ecl.  vgl.  S.  961 
Milionia  opp.  Samnium  Liv. X  3.34 

Steph.  Byz. 
Milogonis   ins.  Plin.  III  93  s.  Meli- 
gunis 
Miltopes    statio   Calabrien   Plin.  III 

101 
Mincius  fl.  Mincio  I  189  II  202 
Minervae  prom.  Punla  della  Campa- 
nella Campanien  767 
Minervia  ins.  Pola  Istrien  240 
Mi  nervi  um  opp.  s.  Surrentum 
Mi  nervi  US  vic.  Nave  Brescia  CIL.  V 

p.  440 
Minio  fl.  Mignone  Etr.  I  308  II  332 
Minturnae    col.  Traetto    (Mintnrno) 

Aurunker  662 
Minucius  pons  V.  Flaminia  408 
Misco?  fl.  Musone  Picenum  418 
Miseni-um  col.Miseno  Camp.  728 
Misenum    prom.  Cap.  Miseno    Cam- 
panien I  267.  68.  82  11  727 
Misenus    port.   Porto    Miseno    Cam- 
panien 727 
Misius  fl.  Picenum  Tab.  Peut. 
Misqu  ilen(sis)  pag.  S.Ilaria  Asolo 

CIL. V  2090 
Misus  fl.  Miso  Gallische  Mark  385 
Modicia  vic,  Monza  Insubrer  183.84 
Molee    fl.  Bruttium    Varro    Prob.  V. 

Ecl.  vgl.  S.  961 
Monadi  gens  Apulien  Plin. III  104 
ad  Monilia    Moneglia    Riviera    Tab. 

Peut.  Geogr.  Rav.  IV  32  V  2 
Moninas  pag.  Veieia  Aem.  158.  276 


Antike  Ortsnamen. 


989 


Monoeci  port,  Monaco  Seealpen  138 
Mons  Feretratus  =  M,  Feretrus 
Mens  Feretrus  opp.  S.   Leo  Galli- 
sche Mark  379 
Mons  Silicis  castrum  Monselice  Ve- 

neter  218 
Montani  gens  Ligurien    134 
Montanus  pag,  Esquilin  Rom  497 
Montes  saltus  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Montunates  vic.Montonale  Ins.  183 
Morgetes  gens  Antiochos  Dion.  H.I 

12  Strab.  VI  257.  270 
Moscius  mons  M.di  Staletti  Bruttium 

948 
Mucella  vallis  Mugello  Etrurien  296 
Muciae  arae  Veji  Etrurien  361 
Mugilla  opp.  Latium  Liv.  1139  Dion. 

H.  Vll!  36 
M  u  1  e  t  a  s  collis  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Mulvius  pons  Ponte  Molle  Rom  510. 

511.  543 
Mnnienses  pop.  Latium  556 
Munio  =  Minio  332  A.  6 
Muranum   Morano  Caiabro  Luc.  918 
Murgantia  opp.  Samnium  Liv.  X  17 

Steph.  Byz. 
Muro  stat.  Castel  Mur,  Val  ßregaglia, 

Alpen  It.  Ant.  277 
Musin  US  mons  M.  Musino  Etrurien  I 

260  II  361 
Mustiae  opp.  am  Stilaro?  Brut.  949 
Mutela  mons  Sabina  Feldm.  21 
Mutila  opp.  Istrien  Liv.  XLI  11 
Mutilum  castrum  Meldola?  Aem.  258 
Mutina  col.Modena  Aemilia  264 
M  ystiae  s.  Mustiae  77 
Myttianus  pag.  Nola  Camp.  756 

Nahartes  gens  Umbrien  389.  405 
Napetinus  sinus  Golf  von   Sa.  Eu- 

femia  930 
Nar  fl.  Nera  Umbrien  I  312  II  405 
Naranus  pagus  s.  Nares  Lucanae 
Nares  Lucanae  pag.  ScorzoLuc.  901 
Narnia  col.  mun.  Narni  Umbrien  406 
Natini  mun.  Apulien  857  A.  3 
Natiolum  Apulien  858 
Natiso  fl.NatisoneCarnerl  196  11  229 
Nauna  emporium  Calabrien  886 
Naus  prom.  s.  Lacinium  943 
Navalia  Rom  509 
ad  Navalia  Riviera  Tab.  Peut. 
Navelis  vic.  Seealpen  CIL.  V  7923 
Neaethus  fl.  Neto  Bruttium  935 


Neapolis  opp.  Cittanuova  Istr.  240 
Neapolis  mun.Napoli  Camp.  746 
Neapolis  opp.  Polignano  Ap.  860 
Nema  turi  pop.  Seealpen  Plin.  III  137 

Colum.  XII  20.  22.  24 
Neminie  fons  Reatina  Sab.  474  A.  2 
Nemorensis  lac.  Lago  di  Nemi  La- 
tium I  261  II  588 
Nemus  (Dianae)  Nemi  Latium  589 
Nemus?  fl.  Feldm.  340,16  Lachm. 
Nengo  fl.  Quieto?  Istrien  Geogr.Rav. 

IV  36 
Nepe  Nepet  Nepete  col.  mun.  Nepi 

Etrurien  366 
Neptunia  col.  Tarent  874 
Nequinum  s.  Narnia 
Neretini  mun.  Apulien  Plin.  III  105 
Neretum  mun.  Nardö  Calabrien   886 
Neronia  stat.  Ravenna-Atria  214  A.  2 
Nersa  vic.  Nesce  Aequiculer  462 
Nervesia  s.  Nersa 
Neruli-um  opp.Rotonda  Luc.  905 
Nesactium  opp.  Altura  Istrien  242 
Nesis    ins.  Nisida    Campanien  I  252 

A.  2  II  744 
Neviasca  fl.  Genua  CIL.  V  7749,9 
Nevidunus  salt.  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 
Nicaea  opp.  Nizza  Seealpen  136 
Nicotera  opp.  Nicotera  i5ruttium9D9 
Ninaea  opp.  Oenotrer  Steph.  Byz. 
Ningum  stat.  Triest-Parenzo  It.  Ant. 

271 
Nitelius  vic.  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
N  itrodae-es  aquae  Nitroli  Ischia  730 
Nodinus   fl.  Rom   Cic.  de   deor.  nat. 

III  52 
Nola  col.  Nola  Campanien  755 
Nomen  tum  mun.  Mentana  Lat.  609 
ad  Nonum  Mailaiid-Lodi  191   A.  6 
ad  Nonum  Altino-Padua  lt.  Hier,  559 
ad  Nonum  Rom-Albano  lt.  Hier.  612 
Norba  col.  Norma  Latium   644 
Norba  mun.  Conversano?  Cal.  858 
Norbe  opp.  Latium  Plin.  111  68 
Nostrum  mare  I  102 
Notium  mare  =  inferum  I  98 
Nova  na  mun.  Picenum  425 
Novanensis  vic.  Arienzo  Camp.  753 
Novanus   fl.  Gallische  Mark  Plin.  U 

292 
Novaria?  fl.  =  Agogna  177  A.  5 
Novaria  mun.Novara  Libiker  177 
ad  Novas    Siena-Chiusi   Tab.  Peut. 

Geogr.  Rav.  IV  36 


990 


Antike  Ortsnamen. 


ad  Novas  Rimini-Ravenna  Tab.  Peut. 
ad  Novas    Capua- Gaudium  s.  Nova- 

nensis  vicus 
Novem  pagi  mun.  Etrurien  352 
Ko  viodun  us  pag.  Placentia  Aem.  274 
Novus  vicus  Via  Salaria  47S 
Nuceria  opp.  Aemiiia  Ptol.  III  1,42 
Nuceria  opp.  Nocera  Terinese  Brut- 

lium  929 
Kuceria  Alfaterna    mun.  col.  No- 
cera de'  Pagani  Gampanien  772 
Nuceiini  Gamellani  mun.  Nocera 

Umbrien  393 
Nucerini    Favonienses    mun.  No- 
cera Umbrien  393 
Nuceriola-ulae-ia    Benevent -Ec- 

lano  814 
Numana  mun.  Umana  Picenum  418 
Numicius(cus)fl.  Rio  Torto  La t. 571 
Numinienses  pop.  Latium  556 
Numistro    opp.  Muro  Lucano  Luca- 

nien  902 
Numistro    opp.  Brultium?   Ptol.  III 

1,65 
Nure?  fl.  Nure  Aemiiia  270 
Nursia  praef.  mun.  Norcia  Sab.  468 
Nymphaeus  fl.  Ninfa  Latium  630 

Ocelum  vic.  Chiusa  Gott.  Reich  150 

Ocinarus  fl.  s.  Terina  930 

Ocra    mons   Birnbaumer  Wald  Alpen 

I  149.  166  11  235 
Ocra  opp.  Carner  235  A.  2 
Ocriculum  mun.  Olricoli  Unibr.  407 
Ocriculum  opp.  Bruttium  Liv.  XXX 

19 
ad  Octa  vum  Turin-Susa  It.  Hier.  556 
ad  Oclavum   Fano-Fossombrone  It. 

Hier.  615 
ad  Octavum  Capua-Sinuessa  It.  Hier. 

611 
Octulani  pop.  Latium  556 
Odiates  vic.  Genua  GIL.  V  7749,38 
Oecubaria  =  Vicus  Varianus  261 A. 2 
Oena  Oenarea  opp.  Etrurien  (Arist.) 

mir.  ausc.  94  Steph.  Byz. 
Oenotri  gens  I  526 
Oenotria  Lucanien  I  525 
Oenotrides  ins.  Lucanien  897 
Offentina  s.  Oufentina  639 
Oglasa  ins.  Motilecristo  I  368 
Ogygia  s.  Galypsus  ins.  944 
Olana  fl.s.  Volane  214  A.  3 
Olbia    Alpen    Posidonios    Athen.  VI 

233  d 
Olcium  s.  Volci 


Olliculani  pop.  Latium  556 

Olli  US   fl.  Oglio  Cenomanen  I  189  II 

196 
Olona  fl.  Oiane  Transpadana  180 
Olsi  s.  Volsci 
0  pice  Italien  I  65 
Opici  Opsci  Osci  gens  I  524 
Opino  Venosa-Potenza  It.  Ant.  104 
Opitergium   mun.  Oderzo  Ven.  224 
Opiontis  stat.  Neapel- Pompeji  762 
Oppius  mons  Esquilin  Rom  492.  97 
Orbitanium  opp.Samnium  Liv. XXIV 

20 
Orestis  port.  Porto  Oreste?  Brut.  961 
Orgus  fl.  Orco  Tauriner  I  185  H  163 
Orina  s.  Uria-Nola  757 
Orobii  gens  Transpadana  179 
Orra  s.  Uria  Messapia  77 
Ortona  opp.  Latium  602 
Orumbovii  s.  Orobii 
Orvinium  opp.  Reatina  Sabina  475 
Osa  fl.  Osa  Etrurien  309 
Oscela?  Ossola  Alpen  184  A.  6 
Osopus  Osoppo  Garner  237 
Ossa  mons  Lykoplir.  A1.697  m.Schol. 
Ostia  col.  Ostia  Latium  566 
Ostia  Aterni  vic.  Pescara  Vest.  439 
Ostium    Caprasiae    Porto    di    Be- 

locchio  Po  1  205  H  214 
Ostium  Carbonariae  Po  di  Ariano 

I  205  n  214 
Ostium  Eridanum  S.  Alberto  Po  di 

Primaro  I  205  II  213 
Ostium  Sagis  Porto  di  Magnavacca 

Po  1  205  II  214 
Ostium  Spineticum  S.Alberto  Po 

di  Primaro  I  205  II  213 
Ostra     mun.    Montenuovo    Gallische 

Mark  385 
Otesia  mun.  S.  Agata  Aemiiia  261 
0  ufens  s.  Ufens 
Oufentina  tribus  639 

Paccolicus  fl.  Bagnara  Bruttium  961 
Pacinates  gens  Fest.  222  M. 
Pactius   fl.  Lama  Paterno?    Apulien 

857  A.  1 
Padi num  mun.  Bondeno?  Aemiiia  265 
Padua  s.  Padusa  213  A.  4 
ad  Päd  um  Ravenna-Atria  214 
Padus  fl.  Po  I  183 fg. 
Padus  magnus  fl.  Volane?  214 
Padusa  fl.  Po  di  Primaro  213 
Paeligni  gens  Abruzzen  I  516  II  445 
Paesinates  pop.  Umbrien  Plin.Ill  114 
Paestum  col.  mun.  Pesto  Lncan.  893 


ÄDlike  Ortsnamen. 


991 


Paestanus    sinus  Golfo   di   Salerno 

824 
Paesus    opp.   Apulien    Steph.    Byz. 

Paetinianus  pag.  Petignano  Perugia 

Etruiien  CIL.  XI  1947 
Palaepolis  opp.  Pizzofalcone Neapel 

748 
Palatinm  opp.  Realina  Sabina  475 
Palatium    mons    Palatin    Rom  492. 

496.  524.  536 
ad  Palatium  VeronaTrient  It.  Ant. 

275 
Palinurum-us  prom.  Punta  Palinuro 

Lucanien  897 
Palionenses   mun.   Calabrien    Plin. 

m  105 
Pallanum  stal.  Paglieta  Prent.  781 
Pallenses    lapicidinae    Rom  Vitruv. 

II  7,1.  5 
Pallia  fl.  Paglia  Elrurien  I  311  II  337 
Palmaria  ins.  Palmarola  I  272.  369 
Palmensis  ager  Giulianova  Pic.  428 
Palo  fl.  Paglione  Seealpen  I  302  II  136 
Palsicium  opp.  Veneter  Plin.  III  131 

vgl.  Apicilia 
Palumbinum   opp.  Samnium  Liv.  X 

45 
Panapio  port.  Elrurien  II.  mar.  498 
Pandateria  ins.  Venlotene  I  369 
Pandosia  opp.  Apulien  (Arist.)  mir. 

ausc.  97 
Pandosia  opp.  S.  Maria  di  Anglona 

Lucanien  916 
Pandosia  opp.  Mendicino  Brut.  933 
Pantanus  lac.  Lago  di  Lesina  Apu- 
lien 836  A.  1 
Panna?  opp.  Samnium  Slrab.  V  250 
Papia  Pavia  s.  Ticinum  190 
Papinus    mons    Aemilia    Liv.    XLV 

12,11 
P  apiria  Iribus  Latium  564 
Papiriana  s.  Fossae  Papirianae 
Parentium  col.  Parenzo  Istrien  240 
Parma  cd.  Parma  Aemilia  268 
Parma  fl.  Parma  Aemilia  268 
Parra  opp.  Orobier  189 
Parthenius  portus    Phocensium  Ci- 

rella?  Bruttium  928 
Parlhenope    opp.  Pizzofalcone  Ne- 
apel 748 
Pat avium    mun.  Padova   Venetien  I 

175.  194.  202    490  fg.  II  218 
Paternum  opp.  bei  Giro  Brut.  935 
Palycus  opp.  Oenolrien  Steph.  Byz. 
Paulo  fl.  s.  Palo 


Pausilypum  villa  See  von  Bracciaao 

353 
PaHsilypum  villa  Posilipo     Neapel 

744 
Pausulae   mun.  S.  Claudio  bei  Pau- 

sula  Picenum  421 
Pedo  mun.  Borgo  S.  Dalmazzo  Gotti- 
sches Reich?  149.  153 
Pedum  opp.  Gallicano?   Lalium  619 
Peithesa  opp.  Elrurien  74 
Pellaon  opp.  Veneter  Plin.  III  131 
Pelle  na  fl.  Fiume  di  Squillace  Brut- 
tium 948 
Pelluinum  praef.  mun.  Prata  Vestiner 

441 
Penlri  gens  Samnium  I  529  II  793 
Perge  mons  Elrurien  Lykophron  AI. 

805 
Perusia   mun.  col.  Perugia  Elr.  321 
Perusium?  Aemilia  261 
Pelelia  mun.  Strongoli  Bruttium  936 
Petelinus  lucus  Rom  Liv.  VI  20  VII 

41  Plut.  Cam.36  Varro  LL.  V  50 
Petra   pertusa  Furlopafs    Gallische 

.Mark  383 
Petra  sanguinis  Bruttium  926 
Petrin  US  vic.  Mondragone  Aurunker 

665 
Petronia  amnis  .\larsfeld  Rom  493 
PeucaeiSteph.  Byz.  XavSävj]  s.  Peu- 

cetii 
Peucetii  gens  Apulien  1540  11857 
Peuceliantes  gens  Steph.  Byz. 
Phalae  Tarent  Jambl.  v.  Pyth"  190 
Phalerum  s.  Neapolis  748  A.  l 
Phelessaei   gens    Picenum  Eudoxos 

bei  Steph.  Byz. 
Phellus  mons  Elym.  M.  790,10 
Pherae  opp.  Apulien  Sleph.  Byz. 
Phistelia  s.Puteoli  75.  738 
Phlegraeus    campus    Gebiet    von 

Cumae  I  267  II  724 
Phligadia    mons    (Plecken?    I    165) 

Strab.  IV  20" 
Phoebia  opp.  Rhegion  Bruttium  965 
Phylamus    fl.  Celone    Apulien    vgL 

Pyramus  846  A.  1 
Piccis  mous  Carner  Jord.  Gel.  219 
Picenles-ini  gens  1511  II  413.  823 
Picentia    opp.  S.  Maria    a    Vicenza 

Picenliner  825 
Picenum  regio  Mark  Ancona  u.  Fermo 

409 
Picenum  annonarium  MarkUrbino 

377 
Picelia  pag.?  Latium  Dion.  H.  V  40 


992 


Antike  Ortsnamen. 


Picianae  silvae  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 
ad   Picta  s  Lugnano  Rom-Anagni.649 
Pincius  mons  M.  Pincio  Rom  492.  535 
Pineta  Lido  von  Ravenna  251 
Pinna  Vestina  mun.  Givita  di  Penne 

Vestiner  439 
ad'Pinum  Venosa-Heraclea    It.  Ant. 

113 
Piquentum  opp.  Pinguenle  Istr.  242 
Pirae  opp.  Aurunker  Plin.  III  59 
Piranum    Pirano  Istrien  Geogr.  Rav. 

IV  31   V  14 
ad  Piium  Birnbaumer  "Wald  235 
ad  Pirum  Cagli-Ancona  392  A.  3 
ad  Pirum    Apulien  -  Samnium    Tab. 

Peut. 
adPirumPhilumeni  Fano-Sinigag- 

lia  Tab.  Peut. 
Pisae  mun.  col.  Pisa  Etriirien  288 
P  isa  n  d  es?  LucanienTab. Peut. Geogr. 

Rav.  IV  35  Guido  48 
Pisaurumcol.  Pesaro  Call.  Mark  380 
Pisaurus  fl.  Foglia  Call.  Mark  379 
Piscaria     fl.    Pescara    {=   Aternus) 

Abruzzen  440 
Piscinae  Pisa-Vada  Tab.  Peut. Geogr. 

Rav.  IV  32  V  2 
Pistoriae  mun.  Pistoja  Etrurien  292 
Pilhecusa-ae  ins.  Isciiia  I  266  II  729 
Pitinum    opp.  Madonna    di    Pettino 

Satiina  470 
PitinumMergens  mun,  Acqualagna 

Gallische  Mark  382 
Pitinum    Pisaurense   mun.  Mace- 

rata  Feltria  Gallische  Mark  379 
Pitonius     fl.    (Pedogna)     Giovenco 

Maiser  451 
Placentia  col.  Piacenza  Aemilia  270 
Planasia  ins.  Pianosa  1  368 
Plangenses   mun.  Umbrien  Plin.  III 

114 
Planina  mun.  Monteroberto  Pic.  419 
Plateae  Krolon  Jambl.  v.  Pytb.  261 
Pia  vis  fl.  Piave  Veneter  1  194  II  223 
Plestia  mun.  S.  Maria  di  Pislia  Um- 
brien 388 
Plestiiia  opp.  Marser  Li  V.  X  3 
Plestinus    lac.    Lago    di    Colfiorito 

Umbrien  388 
Plistica   opp.  Samnium  Liv.  IX  21. 

22  Diod.  XIX  72 
Plutium  opp.  Steph.  Byz. 
Poediculi  gens  Apulien  I  540 
Poeninus    lac.  Lago   di  Bernardo  I 

160 


Poeninus  mons   Grofser  Bernhard  I 

148.  156.  159  II  171.  172 
Pola  col.  Pola  Istrien  241 
Polaticum  prom.  Punta  di  Promon- 

tore  Istrien  242 
Poletaurini  pop.  Latium  556 
Poli  e  fl.  Bruttium  Varro  Prob.  V.  Ecl. 

vgl.  S.  961 
P  0 1  i  e  u  m  opp.  s.  Siris 
Polima  rtium  opp.  Bomarzo  Etr.  342 
Politorium  opp.  Latium  562 
Pollentia  mun.  Polenzo  Ligurien  155 
Pollentini  mun.  Urbisaglia  Pic.  422 
Pollitium  opp.  Marruciner  I)iod.  XIX 

105 
Pollusca  opp.  Osteria  di  Givita?  La- 
tium 631 
Pometia  s.  Suessa  Pometia 
Pometini  pop.  Latium  634 
Pompeii    col.   Pompei    Canipanien  I 

269.  70.  81.  82.  88.  334.  434.  523 

II  19.  31.  37.  43.   44.    46.   48.    51. 

53.  62.  67.  518.  762  fg. 
Pomptina  palus  Paludi  Pontiac  La- 
tium 1  326  II  633 
Pomptina  tribus  I  326  H  634 
Pons  Aufidi  stat.  Ponte  Sa.  Venere 

Apulien  820 
Pons    Aureoli    stat.    Pontirolo    In- 

subrer  189 
Pons    Campanus    stat.  Savobrücke 

Via  Appia  554 
Pons  Drusi   stat.  Blumau   Brenner- 

strafse  211 
Pons  Sonti  stat.  Aquileia  234 
Pontelongo  Siponto- Vastolt.  Ant.3 14 
Ponte  Secies    Modena-Reggio  264 

A.  5 
Pontes  urbis  Romae: 

A  e  li  u  s(Hadriani)  P.  S.  Angelo  538 
Aemilius  P.  rotto  511 
Agrippae  512.  532 
Aurelius  P.  Sisto  532 
Cestius  (Gratiani)  P.  S.  ßartolo- 

meo  532 
Fabricius  P.  Quattro  capi  511. 

532 
Mulvius  P.  Molle  510.511.543 
Probi  (Theodosii)  532 
Sublicius  511 
Pontia  ins.  Lucanien  897 
Pontiae  col.  Ponza  1  369  II  667 
Ponliae  ins.    Ponzainseln  Volsker  I 

272.  369  II  667 
Poptis   Salt.  Veleia    Aemilia  CIL.  XI 

1147 


Antike  Ortsnamen. 


993 


Populonium    mun.  Populonia  Etru- 

rien  304 
Porcifera  Porco  bera  fl.  Poicevera 

Genua  I  303  II  144 
Portae  ur bis  Romae: 

Appia  P.  S.  Sebastiane  546 
Asinaria  P.  S.  Giovanni  546 
Aurelia  P.  S.  Pancrazio  543 
Capena  502.  546.  698 
Carmentalis  501.  534 
Collina  501.  544 
Esquilina  501 
Flaminia  P.  del  Popolo  543 
Flumentana  501.  534 
Fontinalis  Liv.  XXXV  10 
Janualis  Varro  LL.  V  165 
Latina  546 

Lavernalis  Varro  LL.  V  1 63 
Metrovia  546 
Minucia  Fest.  122.  147 
Mugonia  Palatin  Varro  LL.  V  164 
Na e via  Varro  LL.  V  163 
Nomentana  P.  Pia  544 
Ostiensis  P.  S.  PaoFo  547 
Pandana  Varro  LL.  V  43 
Pinciana  544 
Portuensis  P.  Portese  542 
Praenestina  P.  Maggiore  545 
Querquetu  lana  556   Plin.  XVI 

37  Fest.  261 
Ouiri  nalis  Fest.  254 
Ratumena   Fest.  274  Plin.  VIII 

161 
Rauduscula  Varro  LL.  V  163 
Ramana-ula  Varro  V  164  VI  24 

Fest.  262.  269 
Salaria  P.  Salara  544 
Salutaris  Fest.  326 
Sanqualis  Fest.  343.  44.  45 
Saturnia  Vatto  LL.  V  42 
Tiburtina  P.  S.  Lorenzo  545 
Trigemina  502.  509.  539 
Vimina  lis  501.  545 
ad  Portum  Malamocco?  Veneter  222 
in  Portu  stat.  Empoli  Etrurien  292 
Portns  Aggasus  Vieste?  Apui.  839 
Portus  Argous  Porto  Ferraio  Elba 

I  36b  II  305 
Portus  Augusti  Porto  Latium  568 
Portus  Gosanus  Etrurien  310 
Portus  Delphinl  Portofino  Riviera 

146 
Portus     Faleria     Falesia     Porto 

Falese  Etrurien  1  307  II  304 
Portus    Garnae    Lago    di   Varano? 
Apulien  836  A.  2 
Ni  ssen,  Ital.  Landeskunde.  II. 


Portus  Herculis  Villafranca  137 

Portus  Herculis  Porto  Ercole  Etru- 
rien 310 

Portus  Herculis  Capo  Vaticano 
Bruttium  959 

Portis  Herculis  Monoeci  Monaco 
Seealpen  138 

Portus  Julius  Avernersee  Gampa- 
nien  735 

Portus  LoretanusEtrurienLiv.XXX 
39,1 

Portns  Lunae  Golf  von  Spezia  Li- 
gurien  146 

Portus  Maurici  Porto  Maurizio 
Riviera   141 

Portus  Misenus  iMiseno  Camp,  727 

Portus  Olivula  Villafranca  137 

Portus  Orestis  Porto  Oreste?  Brut- 
tium 961 

Portus  Parthenius  Girella?  Brut- 
tium 928 

Portus  Pisanus  N  von  Livorno 
Etrurien  290 

Portus  Reatinus  Porto  di  Falco- 
nera?  Carner  I  196  A.  1  II  228  A.  5 

Portus  Tarentinus  Lecce-Otranto 
Calabrien  882 

Portus  TelamonTaiamoneEtr.  308 

Portus  Traian US Troia?Etr.306A.3 

Portus  Veneris  Porto  Venere  Ri- 
viera 147 

Portus  Veneris?  Gastro  Calabr.  684 

Posidonia  opp.  Paestum  Lucan.  892 

Posidonium  Strab. VI 257 s. Columna 
Regia 

Potentia  col.  mun.  S.Maria  a  Potenza 
Picenum  420 

Potentia  mun.  Potenza  Lucanien  908 

Praeneste  mun.  col.  Palestrina  La- 
tium 620 

Praetorium  La  verianum?  Lucera 
Apulien  844  A.  7 

Praeluttii  gens  Abruzzo  ulteriore  I 
I  512  II  428 

P  r  e  n  i  c  u  s  mons  Genua  CIL.  V  7749,20 

Prifernum  VestinerTab. Peut.Geogr. 
Rav.  IV  34 

Prilius  lac.  Lago  di  Gastiglione  Etru- 
rien 1  307  II  308 

Prisci  Latini  Latinischer  Bund  I 
521  II  557 

Privernum  praef.  Piperno  Volsk.  646 

Prochyta  ins.  Procida  Campanien  1 
266  II  729 

Procila  s.  Prochyta 

Prolaqueum  Pioraco    ümbrien  388 

63 


994 


Antike  Ortsnamen. 


Promunturium     Brundisii      Cap 

Leuca  Calabrien  I  540  A.  5 
Promunturium    ßuxentum    Capo 

degli  Idfreschi  Lucanien  897 
Promunturium    Circaeum  Circeo 

Latlum  635 
Promunturium  Gargani  Testa  del 

Gargano  Apulien  837 
Promunturium  Lunae  PuntaBiaaca 

Elrurien  283 
Promunturium    Miner vae    Punta 

della  Campanella  Campanien  767 
Promunturium  M  ise  n  um  Cap  Mi- 

seno  Campanien  727 
Promunturium     Palinurum  -  us 

Punta  Paiinuro  Lucanien  897 
PromunturiumPopul  oniumEtru 

rien  304 
Promunturium  Posidium?  Punta 

Licosa  Lucanien  895  A.  3 
Promunturium  Sallentinum  Cap 

Leuca  Calabrien  I  540   A.  5  II  884 
Promunturium  Telamon  Punta  di 

Talamone  Elrurien  308 
Promunturium     Veneris     Circeo 

Lalium  CiL.  X  1,6430 
Ptanias  It.  Hier.614  s.  Tadinae 
Puci  n  um  casl.  Caslel  Duino?  Istr.  239 
Puilia  saxa  Dragoncello  Latium  562 
Pullaria  ins.  Brinni  Istrien  240 
Pnllopice  stat.  Riviera  It.  Ant.  294 
Punicum  slat.  Sa.  Marinella  Elrurien 

346 
Pupinia  tribus  Latium  564 
Pn  teolanus  sinus  Golf  v.  Neapel  719 
Pu  teoli  col.mun.Pozzuoli Campanien 

738 
Puticuli  Esquilin  Rom  522 
Pyramus  fl  Celone  Apulien  vgl.  Phy- 

iamus  846  A.  1 
Pyrgi  col.  Sa.  Severa  Elrurien  346 
Pyxus  s.  Buxentum 

Quadrata  opp.  Transpadana  175 
üuarqueni  mun.  Venetien?  Plin.  III 

130 
Ouerquelulani  pop.  Latium  556 
OuerquetuI  a  nus   mens    s,   Caelius 

Tac.  Ann.  IV  65 
Quintana  e  mun.  Colonna  Lalium  601 
(Juinlianum   porl.  Elrurien  It.  mar. 

499 
Qui  nlodeci  mum  -  Aeclanum  818 
ad  Quinlumdecimum  Canosa-Ruvo 

857  A.  2 
Quirinalis  coliis  Quirinal  Rom  492 


Raeti  gens  Alpen  1  483  fg.  II  225 
Ra  c  li  a  provincia  I  85 
Ramnes  tribus  Rom  496 
R  a  p  i  n  i  u  m  porl.  Elrurien  It.  mar.  498 
Rarentus  opp.  Steph.  Byz. 
Ra  sennae  gens  Elrurien  I  496  II  278 
Raudius  campus  Libiker  175 
Ravenna  mun.  Ravenna  Aemilia  251 
Reale   praef.  mun.  Rieli  Sabina  476 
Realina  palus  Ebene  von  Rieli  472 
R  e  a  l  i  n  u  s  fl.  Lemene  Carner  228  A.  5 
Reprae  Elrurien  Strab.  V  225  It.  mar. 

499 
Regeta  ponlinische  Sümpfe  638 
Regi  a  tes  s.  Veleiales 
Regillum    opp.  Sabina  Liv.  II  16  III 

58  Dien.  H.  V  40  XI  15  Sueton  Tib.  1 
Regillus  lac.  Pantano  Secco  Latium 

600 
Regisvilla  s.  Regae 
Rep;ium  prom.  Capo  di  Pellaro  Brut- 

tium  967 
Regi  um  Julium  mun.  Reggio  Brut- 

tium  963 
Regium  Lepidum    mun.  Reggio  Ae- 
milia 267 
Remens  Veji  Elrurien  Liv.  XLII  2 
Remuria  opp.  Rom  Fest.  277  M.  Plut. 

Rom.  9.  11  Dion.  H.  I  85.  87  u.  a. 
Resala  opp.  Umbrien  Steph.  Byz. 
R  espa  Apulien  858 
Reteno  fl.  Retrone-Bacchiglione  Ve- 

neler  218 
Retovina  regio  Retorbido?  Lig.  271 

A.  4 
Relron  s.  Reteno 
Reunia  Ragogna  Carner  237 
Rhenus  fl  Reno  Aemilia  I  191  II  260 
Rhipae  Alpen  I  138 
Rhodae  opp.  Steph.  Byz. 
R  h  0  d  i  a  e  opp.  s.  Rudiae 
Ricina  Riviera  Tab.  Peut.  Geogr,  Rav. 

IV  32  V  2 
Ricina  mun,  col,  Recina  Picenum  420 
Rigomagus  Trino  Libiker  176 
Rigonus  fl.  Riglio  Aemilia  270 
RipaVeientana  r.Tiberufer  Rom 490 
Roboraria  stat.  Via    Latina    Latium 

597  A.  3 
Roma  urbs  Rom  495 
Komanus  pag.  Benevenl  Samn.  814 
Romilia    Romulia    tribus  r.Tiber- 
ufer 359.  564 
Romechium  Bruttium  Ovid  Met.  XV 

705 
Romulea  opp.  Hirpiner  820 


Antike  Ortsnamen. 


995 


Roscianum  Rossano  Lucanien  923 
Rosea  Rosia  campus  le  Roscie  Sa- 

bina  473 
Rostrata    villa    stal.   Via    Flaminia 

Etrurien  371 
ad  Rota  Lodi-Piacenza  It.  Hier.  617 
ad  Rolas  Venafio-Iseinia?  797  A.  8 
Rubacaustus    salt.  Veleia    Aemilia 

CIL.  XI  1147 
Rubi  mun.  Ruvo  ApuHen  857 
Rubicon  fl.  TJrgone-Fiumicino  Aemilia 

I  76  II  246 
Rubra e  lapidicinae  Gervara  Lat.  609 
ad  Rubras  s.  Saxa  rubra 
Rubu  stini  s.  Rubi 
Rudae  (Budae?)  Apulien  857  A.  2 
Rudiae  mun.  Rugge  Calabrien  881 
Rufrae    opp.  Presenzano  Campanien 

797 
Rufrium  s.  Rufrae 
Ruginiuni  Rovigno  Istrien  240 
Rumon  fl.  Tiber  I  320 
Rundictes  Istrien  CIL.  V  698 
Rusano  fl.  s.  Formio 
Ruscia  port.  Thurii  Lucanien  923 
Rusellae  col.  Grosseto  Etrurien  308 
Rutuba  n.  Roia  Riviera  I  302  II141 
Rutuli  gens  Ardea  Latium  576 

Sabata  opp.  Trevignano?  Etr.  352 
Sabate  Angularia  Anguillara  Etru- 
rien 352 
Sabatia  s.  Vada  Riviera 
Sabatina   tribus  Etrurien  352 
Sabatini  pop.  camp.  Küste  715 
Sabatinus    lac.  Lago    di    Bracciano 

Etrurien  I  259  II  351 
ad  Sabatum  Carpanzano?    Bruttium 

932 
Sabatus?fl.  Sabbato  Hirpiner  I  332  II 

811 
Sabatus  fl.  Savuto  Biutlium  928 
Sa  belli  gens  Samniten  Sabiner  I  528 
Sabini  pop.  Val  Sabbia  Alpen  197 
S  ab  i  n  i  gens  Miltelappennin  Samnium 

I  510.  15.  16.  26  II  463.  791 
Saccumum?    opp.    Etrurien    Amm. 

XVII  7,  13 
Sacer  mens  M.  Sagro  Rom  545.  61 
Sacer  mons  Apulien  Diod.  XX  26 
Sacra  insula  Isola  Sagra  Latium  571 
Sacrani  pop.  Rom  495 
Sacraria  le  Vene  Umbrien  402 
Sa  erat  a  Picenum  Tab.  Peut.  Geogr. 

Rav.  IV  31  V  1 
Sacriportus  Latium  651 


Saeculanus  pag.  Benevent  Samnium 

814 
Saena  col.  Siena  Etrurien  312 
Saepinum    mun.    Sepino    Samnium 

794 
Sagatae    silvae  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 
Sagis  fl.  Po  di  Magnavacca  I  205  II 

214 
Sagra  fl,  Turboio?    Bruttium  951 
Sagrus    fl.  Sangro    Samnium  1  339. 

43  II  778 
Salangi     gens    Lykophr.    AI.    1058 

Steph.  Byz. 
Salapia  mun.  Posta  di  Salpi  Ap.  849 
Sa  lapina  palus  Lago  di  Salpi  Ap.  849 
Salassi  gens  Val  d  Aostal  478.  II 168 
Säle bro  slat.  Populonium-Castiglione 

It.  Ant.  292  Tab.  Peut.  Geogr.  Rav. 

IV  32  V  2 
Salernum  col.  Salerno  Picentiner825 
Saliares  ins.  Ninfa  Latium  645 
Salinae  Salino  Vestiner    438 
Salinae    Saline   di  Barlelta  Ap.  849 
Salinae?  Plut.  Grass.  9,4 
Salinae  Herculeae  Gamp.760  A.  6 
SaUentia  opp.  Steph.  Byz. 
Sallentini    gens  Terra  d' Otranto  I 

540  II  883 
Sallentinuni    prom.  Gapo  di  Leuca 

1  540  II  884 
Salpi a  Alpen  I  140 
Salpia  s.  Salapia 
Salpinates  pop.  Elrurien  339 
Saltus  Galliani  Aquinates  mun. 

Aemilia  277 
Salurnis  Salurn  Brennerstrafse    211 
Salutaris    pag.  Veleia   Aemilia   276 
Salutaris  pag.  Ligurer  Samnium815 
Salvius  pag.  Veleia  Aemilia  276 
Samnites  gens  I  526  II  774 
Samnium  regio  775 
Sandon  opp.  Steph.  Byz. 
Sannus?  fl.  Salino?  Vestiner  438 
San  OS    stat.  Allinum  -  Goncordia    It. 

Hier.  559 
Sapinia  tribus  Savio  Aemilia  257 
Sapis  fl.  Savio  Aemilia  1  192  II  250 
Sappinates  pop.  Gallische  Mark  378 
Sapriportus  Tarent  Liv.  XXVI  39 
Sardi  gens  I  550 
Sardinia  ins.  I  353 
Sari  US  fl.  Serio  Transp.  I  18S  II  189 
Sarmadium  opp.  Calabrien  Plin.  III 

100 
Sarnis  stat.Verona-Trient  Tab.  Peut, 

63* 


996 


Antike  Ortsnamen. 


Samum  slat.  Pompeji- Stabiae  Cam- 

panien    763 
Sainus  fl.  Sarno  Camp.  I  334  II  760 
Sarnus  mons?   Campanien  761  A.  1 
Sarranates    pop.  tmbrien  Plin.  MI 

114 
Sariastes  gens  Campanien  761 
Sarsina  mun.  Sarsina  Call.  Mark  379 
Sarsina  t es  gens  Gallische  Mark  378 
Sarus  fl.  Plol.  111  1,16  s.  Sagrus 
Sa  sine  port.  Poilo  Cesareo  Cal,  886 
Sassina  s.  Sarsina 
Sassula  opp.  Latium  615 
Saternus  fl.  Santerno  Aemilia  251 
Saticula  col.  S.  Agata  de' Goti  Sam- 

nium  809 
Satricum  opp.  Conca  Latium  631 
Sa  tri  cum  opp.  Bauco?   Volsker  674 
Satura    palus   Panlano    dell'  Inferno 

Latium  639 
Saturium  Torre  Saturo  Tarent  871 
Saturnia  col.  Saturnia  Etrurien  312 
Savo  Savona  Riviera  143 
Savo  fl.  Savone  Campanien  686 
Saxa    rubra   Prima    Porta    Etr.  372 
Sc a bris  port.  Etrurien  It.  mar.  500 
Scantia  Silva  Campanien  Cic.  de  leg. 

agr.  13  III  15  vgl.  Aquae  Sc. 
S  c  a  p  t  i  a  opp.  Passerano ?  Latium  559. 

619 
Scaptia  tribus  Latium  619 
Scatebra  fl.  Cassino  Neu  Latium  677 

A.  5 
Scidrus  opp.  Sapri?  Lucanien  S98 
Scingomagus  vic.  Exilles  Cottisches 

Reich  150 
Scolacium  col.  Squillace  Brutt.  947 
Scultenna  fl.  Scoltenna-Panaro  Ae- 
milia I  190  II  260 
Scylaceum  prom.  Punta  di  Staletti948 
Scylacium  opp.  s.  Scolacium 
ScyllaceussinusGolfodiSquillace947 
Scyllaeum   prom.  Scilla  Brultium  I 

105  II  962 
Sebelhus  fl.  Fiume  della  Maddalena 

Campanien  746 
Sebinus    lac.   Iseosee    Cenomanen  I 

189  II  197 
Sebuini  vic.  Angera  Insubrer  184 
Secenia   vic.  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Secia  fl.  Secchia  Aemilia  1190  II  264 
Secula  fl.  s.  Secia 
Segesta  opp.  Carner  Plin.  III  131 
Segesta    Tiguliorum    Sestri    Le- 
vante Riviera  146 


Segnini?  gens  Neu  Latium  673  A.  5 
Segusio  mun.  Susa  Cott.  Reich  150 
Semirus  fl.  Simeri  Brultium  945 
Semnus  fl.  Sinni  =  Siris  914  A.  3 
Semuncla  Lucanien  910 
Sena  fl.  Nigola  Gallische  Mark  385 
Sena   Gallica    col.  mun.   Sinigaglia 

Gallische  Mark  385 
Senones  gens  I  477  II  376 
Sentianum  Aequuni  Tuticum-Venu- 

sia  It.  Ant.  112 
Sentinum    mun.    Sentino    Gallische 

Mark  386 
Senum  opp.  Calabrien  Plin.  III  100 
Senvisa  s.  Sinuessa 
Sepernates  vic?  Nazzano  Etr.  371 
Seplasia  platea  Capua  702 
Septaquae  s.  Septem  Aquae 
Septem  Aquae  pag.  Rieti  Sabina  474 
Septem    Maria   Lagunen  von  Atria 

I  205  II  214 
Septem  Pagi  r.  Tiberufer  Etr.  352 
Septempeda   mun.  Sanseverino  Pi- 

cenum    419 
Septimonlium  laiin.  Rom  495.  97 
Serennia    opp.    Diod.   XX    90    vgl. 

Cesennia 
Serninus  vic.  Galliera  Aemilia  261 
Serra  fl.  Tiber  I  320 
Servitia  vina  Plin.  XIV  69  brutlisch? 
Sesites  fl  Sesia  Transp.  I  186  II  176 
Sesterio  fl.  Slirone  Aemilia  270 
Sestinum    mun.    Sestino     Gallische 

Mark  379 
Seslium  opp.  Oenotrer  Steph.  Ryz. 
Setaeum  Sybaris  Steph.  ßyz.  Elym. 

M.  Suid. 
S  e  ti  a  col.  mun.  Sezza  Volsk.  Mark  645 
Severus    mons  Monlagna   della  Si- 

billa?  Sabina  1  236  II  467 
ad  S  ext  um   Populonium-Siena  Tab. 

Peut.  Geogr.  Rav,  IV  36 
ad  Sex  tum  Rom  356 
Si bereue  opp.  Oenotrer  Steph.  Byz. 
Sibrium  Castel  Seprio  Insubrer  184 
Sicani  pop.  Latium  556 
Sicani  gens  Sicilien  I  546 
Sicilia  ins.  I  272.  345 
Sicilinum    opp.  Hiipiner  Liv.  XXIII 

37,12 
Sicimina    mons    Aemilia   Liv.  XLV 

12,11 
Siculi  gens  Sicilien  I  546 
Sidicini  gens  Campanien  I  532  II  692 
Sigliuria?opp.  Plut.  Publ.16,2  Jani- 

culum 


Antike  Ortsnamen. 


997 


Sisnia  col.  Segni  Lalium  650 

Sila  mons  Sila  ßruttium  I  245  II  926 

ad  Silanos  Aquileia-Virunum    Tab. 

Peat. 
ad  Silarum  Nocera-Polla  901 
Sila r US  fl.  Silaro  Aemilia  259 
Sila r US     Siler    Silerus     fl.    Sele 

Lucanien  I  334  II  824.  890 
Silbiuni  Salvore  Istrien  Geogr.  Rav. 

IV  30  V  14 
Silis  fl.  Sele  Venelien  I  194  II  222 
Silvium  mun,  Giavina?  Apulien  861 
Simbruinus    ager    Subiaco    Aequer 

617 
Sinduni   pop.  Trident.  Alpen  210 
Sinneasis    pag.  Placentia  Aem.  274 
Sinnius  fl.  Senio  Aem.  I  192  II  250 
S  i  n  0  n  i  a  ins.  Zannonel  272.  369  II  667 
Sinuessa  col.  mun.  Mondragone  Au- 

runker  664 
Sipara  Istrien  Geogr.  Rav.  IV  30  V  14 
Sipo  n  tum  col.  ManiVedonia  Ap.  848 
Sipontum  opp.  Bruilium?  933 
Sirenianus   nions  Massa  Lubrense? 

Campanien  768 
Siienum  ins.  li  Galli  Campanien  767 
Sirenum  prom.  Punta  della  Campa- 
nella Campanien  767 
Sirini  mun.  Lucanien   914 
Sirisfl.  Sinni Lucanien  1336.43  II  914 
Siris  opp.  Lucanien  914 
Sirmio  paenins.   Sermione  Gardasee 

208 
Sirpium  Morcone  Samnium  795 
Sisolenses  pop.  Latium   556 
ad  Solaria  Riviera  Tab.  Peut. 
ad  Solaria    Pistoria  -  Florenz    Tab. 

Peut.  Geogr.  Rav.  IV36 
Soletum  Soleto?  Calabiien  882  A.  5 
Solicelus  Salt.  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 
Solinates  pop.  Umbrien  Plin.  III 114 
Solona  tes  mun.  Sogliano.\emilia  277 
Solonium  opp.  Latium  562 
Solonius   ager  Latium  562 
Sontinl  mun.  Sanza?  Lucanien  905 
S  0  n  t  i  u  s  fl.  Isonzo  Garner  1 196  II  229. 

234 
Sora  col.  Sora  Volsker  672 
Soracte    mons   S.  Oreste  Etrurien  I 

238.  260.  401  II  367.  481 
Sorrinenses  mun.  Viterbo  Etr.  344 
Soti  pop.  Ligurien  Plin.  III  47 
Spellates  s.  Hispellum 
Spelunca  Sperlonga  Neu  Latium  659 
Spelunc  ae  ßari-Brindisi  It.  Ant.  118. 


315  It.  Hier.  609   Tab.  Peut.  Geogr. 
Rav.  IV  31  V  1 
Spina  opp.  Longastrino?  Aemilia  213 
Spines  fl.  Po  dl  Primaro   213 
S  p  i  n  0  fl  Rom  Cic.  de  deor.  nat.  III  52 
Spin  US  fl.  s.  Spines 
Spolelium   col.  mun.   Spolelo    Um- 
brien 403 
ad  Sponsas    Cisterna  V.  Appia  637 
Spurianus     vic.   Atella    Campanien 

CIL. X  3750 
S  ta  bi  a  e  opp.CisteUamare  Cimp.  766 
Statanus  ager  N  Campanien  689 
Statellates  p>p.  Ligurien   157 
S  ta  tielli  s.  Statellates 
Statiellus  pag.  Veleia  Aemilia   276 
Statonia  mun.  Piligliano  Etr.  335 
Statoniensis  lac.  Lago  di  Mezzano 

Etrurien  335 
ad  Statuam  Gallico  superiore  ßrut- 
tium 963 
ad  S t a  t u a s  Arezzo-Ghiusi  It.  Ant. 285 
ad  Statuas  S.  Cesareo  Rom-Anagai 

620 
Statulae    Goriano?    Paeligner    Tab. 

Peut. 
Stellas  campus  N  Campanien  689 
Stellatina  tribus  S  Etrurien  369 
Stellatinus  campus   S  Etrurien  369 
Stellatinus  pag.  Soriano  Etr.  344 
Stephane  s.  Praeneste 
S  t  i  1  i  d  a  prom.  Capo  di  Stilo  Brut.  949 
Stoechades  ins.  Hyeres  I  100 
S  toeni  pop.  0  Alpen  Plin.  III  134  vgl. 

Stoni 
Stoni  pop.  0  Alpen  Strab. IV  204  vgl. 

Stoeni 
Stracteos   fl.  ßruttium  Varro  Prob. 

V.  Ecl.  vgl.  S.  961 
Strament(ari  US)    vic.   S.   Maria    a 

Vico  Praetuttier  429 
Strapellini  mun.  Apulien  Plin.  III105 
Strongyle  ins.  Stromboli  I  250.  72 
Stulnini  mun.  Calabrien  77.  887 
Stura  fl.  Stura  Tauriner  I  1S5  II  163 
S   ura  fl.  Latium  s.  Astura 
S  turni  s.  Stulnini 
Suana  mun.  Sovana  Etrurien  335 
Suasa    mun.    Castelleone     Gallische 

Mark  385 
Subertani  mun.  Etrurien  344 
Subinates  Riva  S.  Vitale  Lugano  185 
Sublanubio  stat.  Civita  Lavinia  La- 
tium 592  A.  9 
Sublaqueum  Subiaco  Aequer  I  314 
II  613 


998 


Antike  Ortsnamen. 


Sublavio   Seben  Brennersfrafse  211 
Sublupatia  Venusia-Tarent  ll.  Ant. 

121  Tab.  Peut.  Geogr.Rav.  iV  35 
Subocriiii  pop.  Istrien  242 
Subsicivum    Squillace  -  Reggio    lt. 

Ant.  115 
Subura  Rom  497.  53« 
Succeianum    Squillace  -  Reggio    lt. 

Ant.  115 
Succosa  bei  Cosa  Eliuiien  311 
S  u  c i  n  i  a  n  i  pop.  La tium  CIL.  VI  2178 fg. 
Sucusanus  pag.  Subura  Rom  497 
Suessa   (Auiunca)  col.   Sessa    666 
Suessa     Pometia    opp.    Latium    I 

326  II  634 
Suessula  opp.  Reatina  Sabina  475 
Suessula  niun.  Cancello  Camp.  753 
Suffitanae     silvae    Veleia    Aemilia 

CIL.  XI  1147 
S  u  i  11  a  t  e  s  mun.  Sigillo ?  Umbrien  392 
Suismontins     mons     Liguier    Liv. 

XXXIX  2  (XL  41?) 
S  Ulcus  pag.  Veleia  Aemilia  276 
Sulmo   mun.  Solmona  Paeligner  449 
Sulmo  opp.  Sermonela?  Latium  645 
Summo  lacu  slat.  SamolacoTianspa- 

dana  187 
Summuranum  s.  Muranum 
Suna  opp.  Realina  Sabiner  475 
Superaequum     mun.   Castelvecchio 

Subeqno  Paeligner  447 
Supinum  vic.  Trasacco  Marser  456 
Suriates  pop.  ümbiien  Plin.  III  114 
Surpicanum    slat.  Trontothal  Pice- 

num  Tab.  Peut.  Guido  54 
Surrentinum     prom.    Punta     della 

Campanelia  Campanien  708 
Surrentum  mun. Sorten to  Campanien 

768 
Sutrium  col.  Sutri  Klrurien  355 
Sybaris  fl.  Coscile  Luc.  I  336  II  917 
Sybaris  opp.  Lucanien  919 
Syllae  Tifata  Campanien  710 

Tabellaria  Via   Aurelia   Tab.  Peut. 
Geogr.  Rav.  IV  32  V  1  Guido  34.  76 
Taberna  frigida  Luna-Pisa  287 
Taburnus    mons   M.  Tabuino  Sam- 

nium  806 
Tacina  fl.  Taciiia  Biuttium  937 
Tadiates  pop.  Aequer  Plin.  III  108 
Tadina  e    mun.  Gualdo   Tadino   Um- 
brien 392 
Talandrus  fl.  Saiandrelia-Cavone  Lu- 
canien I  336.  343  11  914 
Talium?  Apulien  Diod.  XX  26 


Tamarus    fl,   Tammaro    Samnium  I 

332  II  794 
Tamese?  opp.  u.  fl.  s.  Temese 
Tanager  fl.  Negro  Lucanien  I  334  II 

890.  903 
Tanarus  fl.  Tanaro  Ligur.  I  186  II 154 
Tannetum  mun.  Taneto  Aemilia  268 
Tannus  fl.  Pesipo?  Brut.  930  A.  6 
Taphros  Strafse  v.  Bonifacio  I  100 
Taras  fl.  Tara  Calabrien  867 
Taras  opp.  s.  Tarentum 
T  a  r  b  0  n  i  a  salf .  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Tarentinus  port.  Mare  piccolo  Ta- 

rent  866 
Tarentinus  port.  Olranto?„Cal.  882 

A.  4 
Tarentinus  sinus  G.  di  Taranto  865 
Tarentum  col.  Taranto  Calabrien  866 
Tarinates  mun.  Sabina  Plin.  III  107 
Tarpe  opp.?  Steph.  Byz. 
Tarpeius  mons  M.  Caprino  Rom  504 
Tarquiniensis  lac.  Lago  di  Bolsena 

Etrurien  329  A.  2 
T  a  r  q  u  i  n  i  i  mun.  Corneto  Etrurien  329 
Tarra  cina-  icina  col.  Teiracina  La- 
tium 640 
Tartarus  fl.  Tartaro  Venetien  1 192 II 

215 
Tarus  fl.  Taro  Aemilia  I  189.  198  II 

268 
Tarvesedum  slat.  Splügenslrafse  It. 

Ant.  278  Tab.  Peut. 
Tarvisium  mun.  Treviso  Ven.  223 
Taurania  opp.   Campanien  814  A.  8 
Taurasia  opp.  Turin  164 
Taurasia  opp.  Samnium  814 
Taurianum  opp.  M.  Traviano  Biut- 
tium 961 
Taurianus  scopulus  Cap.  Vaticano? 

ßruttium  959  A.  6 
Taurini-isci  gens  Turin  I  478  II 163 
Tauroenlum  s.  Taurianum 
Taurubulae  mons  Sorrent  Slat.  Silv. 

III  1,  129 
Tavia  fl.  Taggia  Riviera  141 
Taxtanulates  Veleia   Aemilia   CIL. 

XI  1147  V  2.  4 
Teanum  Apulum  mun.  S.Paolo  di 

Civitate  Apulien  841 
Teanum  Sidicium  mun.  col.  Teano 

Campanien  693 
Teate  s.  Teanum  Apulum 
Teate  Marrucinorum  mun.  Chieti 

Abruzzen  444 
Tebae  clivus  Reale  Varro  RR.  1111,6 


Antike  Ortsnamen. 


999 


Tepianum  mun.  Diano  Lucanien  904 
ad  Teglanum    Nola  -  Nuceria    Tab. 

Peut. 
Tegulata  Sestri  Levante  Riviera  146 
Telamon  opp.Talamone  Elrurien  309 
Telamon  prom.  Punta  di  Talamone 

Elrurien  SOS 
Telesia  col.  mun.  Telese  Samn.  801 
Tellegatae  Telgate  Bergamo  190 
Tellenae  opp.  Latium  562 
Temese  s.  Tempsa 
Tempsa  col,  mun.  Torre  de!  Gasale 

Brultium  829 
Teramne  s.  Interamnia  Praet. 
Tergeste  col.  Triest  Islrien  239 
Tergilani?  mun.  Lucanien  904  A.  1 
Terina  fl.  Fiume  de'  Bagni  Brut.  930 
Terina  opp.  Sa.  Eufemia  Biut.  930 
Terinaeus  sinus  Golf  von  Sa.  Eufemia 

I  99  II  930 
Terventum  mun.Trivenlo  Samn. 792 
Tessuinus  fl.  Tesino  Picenum  425 
Testruna  vic.  Amiternum  Sabina  463 
Tetellus  Erbusco?  Bergatno-Brescia 

It.  Hier.  558  CIL,  V  p.440 
Tetrica  mons  Montagna  della  Sibilla 

Sabina  I  236  II  467 
Teuranus  ager  Tiriolo  Bruttium  945 
Teuthras  fl.  Cumae  Prop.  I  11,11  Sil. 

It.  XI  288.  433.  81 
Teutria?  ins.  Plin.  III  151  s.  Trimerus 
Thagines  fl.  s.  Tacina 
ThebaeLucanae  opp.  LucanienPlin. 

III  98  Steph.  Byz. 
Thuria  fons  Fönte  del  Fico  Lucanien 

920 
Thurii-ium  col.  Terranova  di  Sibari 

Lucanien  921 
Thymbris  fl.  s.  Tiberis 
Tiberis  fl.  Tevere  I  308fg. 
Tibur  mun. Tivoli  Latium  611 
Ticinum  mun.  Pavia  Transp.  190 
Ticinus  fl.  Ticino  I  187  II  173 
Tifata   mons  M.  di  Maddaloni  Cam- 

panien  709 
Tifata  opp.  Latium  Plin.  111  68 
Tifernum      opp.     Roccaspromonte? 

Samnium  794  A.  4 
Tifernum    Metaurense    mun.    S. 

Angelo  in  Vado  Gallische  Mark  381 
Tifernum  Tiberinum    mun.  Gittä 

di  Gastello  Umbrien  394 
Tifernus  fl,  Biferno  Samnium  I  339. 

43  II  778 
Tifernus  mons  Montagna  del  Matese 

I  241  II  786 


Tiglita  fl,  bei  Sestri  Levante  Riviera 

146  A,  4 
Ti  gu  li  a  s,  Tegulata 
Tigullia  salt.  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Tiliaventus  fl,  Tagliamenio  I  195  II 

229 
Tiliaventus  m  a  i  o  r  port.  P.  di  Base- 

leghe?  I  196  A.  1 
Tiliaventus  minor  port.  P,  di  Tag- 

liamento.''  I  196  A.  1 
Timavi  lacus  L,  di  Pietra  Rossa  233 
Timavus  fl.  fons  Timavo  Istr.  233 
Tinia  fl.  Topino  Umbrien  1310  II  393 
Tiinna  fl.  Tenna  Pic.  I  341.  43  II  421 
Tiora  Matiene  opp.  Amiternum  Sa- 
bina 471 
Tirenum  s.  Turenum 
T  i  r e  ti  u  s  pons  Minturnae  V,  Appia  662 
Tirinus  fl.  Tritano  Vesliner  441 
Tisia  opp.  Bruttium  .Appian  Hann.  44 

Diod.XXXVIi  2,13  Steph.  Byz. 
Tities  Iribus  Quirinal  Rom  496 
Titon  fl,  Circei  Lykophr.  AI.  1276m. 

Schol. 
ad  Tilulos  Aquileia- Fiume  It.  Ant. 

273 
Togali  gens  Italiker  I  70.  78 
Togienses  mun.  Venelien  218  A.  5 
Togisonus  fl.  Bacchiglione  Venelien 

I  194  II  218 
Tolentines(is)  pag. TolentiDO  Pice- 
num 421 
Tolentinum  mun.Tolentino  Pic.  421 
Tolenus  fl.  Torano  Aequer  I  313  II 

460 
Tolerienses  pop.  Latium   556.   59. 

647 
Tolerium  opp,  Valmon tone?  Lat.  647 
Tolerus?  fl.  Tolero  I  330  II  647 
Trachas  Trachine  s.  Tarracina 
Traeis(entus)  fl.  Trionlo  Brut.  934 
Traiana  s.  Trea  420  A.  1 
Transpadana  regio  3.  161 
Transpadana  Italia  160 
Transpadani  gens  160 
Transpadum   IGl 
Transulmanus   Pelecianus   pag. 

Ficulea  Latium  608 
Trapeia  Tropea  Bruttium  959 
Trasumenus    lac.  Lago    Trasimeno 

Elrurien  I  298  II  319 
Trasamunc  .  .  .  pag.  Volcei  Luc.  902 
Trausius  campus  S Elrurien Diod. XIV 

117 
Trea  mun.  Treja  Picenum  420 


1000 


Antike  Ortsnamen. 


Treba  mun.  Trevi  Aequer  618 
Trebi  in un.  Trevi  Umbrien  401 
Tre  bia  fl.  Trebbia  Aemilia  I  188.  98  II 

272 
Trebi  um  opp.  Lalium  602 
Trebula  mun.  Quadri  Caracener  790 
Trebula  opp.  Tripaola.''  Camp.  810 
Trebula  Balliensis    mun.  Treglia 

Campanien  800 
Trebula  Mutuesca  mun.  Montele- 

one  Sabina  478 
Trebula    Suffenas    mun.    Reatina 

Sabina  475 
Trerus  fl.  Sacco  I  330  II  647 
TresTabernae    Piacenza  -  Lodi    lt. 

Hier.  617 
TresTabernae    Terni  -  Spoleto    It. 

Hier.  613 
Tres  Tabernae  Rom-Terracina  637 
Trica  opp.  Apulien  Plin.  III  104 
ad  Tricesimum  Tricesimo  Aquileia- 

Aguonlum  236 
Tricrini  pop.Latium  559  A.  2 
Tridente-entum   mun.  col.  Trento 

Cenomanen  209 
Tridentini  gens  Alpen  210 
Trifanum  Piano  di  Sessa  Aurunker 

665 
Trigaboli  Ferrara  I  205  II  213 
Trimerus  ins.  Tremiti  Adria  I  371 
Trinius  fl.  Trigno  Samn.  I  343  II  781 
Tripontium    stat.  Treponti    Latium 

638 
Triturrita  villa  Livorno  290 
Trivicum  opp.  Trevico  Hiipiner  819 
Troia  Patavium  Venelien  221 
Troia  Latium  Liv.  1  1,  5  Dion.  I  53 
Troianus  pag.  Patavium  221 
Troiluni  opp.  Etrurien  Liv.  X  46,10 
Tromenlina  tribus  Etrurien  360 
Tromentus  campus  Etrurien  360 
Tropaea  Augusti  Turbia  Seealpen 

135.  138 
Trossulum  opp.  Etrurien  339 
Truentum  mun.  Colonnella  Pic.  425 
Truentus  fl.  Tronto  Picenum  I  341. 

43  II  425 
Trumplini  Val  Trompia  Alpen  197 
Tublinum  Toblino  Val  di  Sarca Alpen 

CIL.V  5005 
Tucianus    pag.  Benevent    Samnium 

814 
Tu  der  col.  Todi  Umbrien  I  480  II  398 
Tuficum     mun.    Albacina    Gallische 

Mark  386 
Tuledo  mons  Genua  CIL.  V  7749,19 


Tulelasca   fl.  Genua  CIL.  V  7749,21 
Tulliasses  pnp.  Trid.  Alpen  210 
TuUum  mons  Alpen  Strab.  IV  207 
Tuppelius  salt.  Veleia  Aemilia  CIL. 

XI  1147 
Türen  um  Trani?  Apulien  858 
Turia  fl.  s.  Tutia 
Turnantini    mun.  Apulien  Plin.  III 

105 
Turni  lac.  Laghetto  di  Turno  Latium 

I  262  II  590 
Turocaelum  Vettiolum  opp,  Um- 
brien Plin.  III  114 
ad  Turres    Porto -Civita  vecchia  It. 

Ant.  290.  301 
ad  Turres  Circei-Terracina  636 
ad  Turres  Gosenza-Monteleone  932 
ad  Turres  albas   Astura-Circei  636 
ad  Turres  Aurelianas  Bari-Brin- 

disi  860  A.  3 
ad  Turres  Caesaris  Bari-Brind.  860 
ad  Turres  Julianas    Bari-Brindisi 

860  A.  3 
Turri  ta  s.  Triturrita 
Turrus  fl  Torre  Carner  I  196  II  229 
Tuscana  mun.  Toscanella  Etr.  336 
Tusci  Villa  Val  Teverina  394 
Tuscia  regio  Toscana  278 
Tusculum  mun.  Frascati  Lat.  597 
T  utia  fl.  Fosso  della  Buffalotta  Latium 

606 
Tuticum  s.  Aequum  T. 
Tulienses  pop.  Latium  556 
Tutini  mun.  Calabrien  Plin.  IH  105 
Tylessus  prom.  Bruttium  931 
Tyrrheni  gens  s.  Etrusci 
Tyrrhenia  Italien  I  65.  500 
Tyris  ins.  Bruttium  944 
Tyrseta?  opp.  Samnium  Steph.  Byz. 

Uberi  pop.  Furka  Alpen  185 
Uccia    vic.   Veleia    Aemilia    CiL.  XI 

1147 
Ufens  fl.  Uffente  Latium  639 
Ulila    salt.   Veleia    Aemilia    CIL.   XI 

1147 
Ulmanus  pag.  Ficulea  Latium  608 
Ulubrae  mun.  Cisterna  Latium  637 
Ulurtini  mun.  Apulien  Plin.  III  105 
Umber  lac.  Asisi  Umb.  I  310  H  395 
Umbri  gens  I  502  II  374.  389 
Umbria  regio  3.  394 
Umbro    fl.  Ombrone  Etrurien  I  307. 

342.  505  n  308 
ad  Undecimum  Aquileia-Emona  It. 

Hier.  559 


Antike  Ortsnamen. 


1001 


ad  Undecimum    Aquileia-Concordia 

It.  Hier.  559 
ad  Undecimunn    Canosa-Ordona  Jt. 

Hier.  610 
Urbana  col.  Falerneriand  691 
Urbanates  mnn.  Aeniiiia  Piin.Iil  116 
U  r  b  a  n  u  s  pag.  Piano  della  Roma  Fren- 

taner  781 
ürbinum    Hortense     mun,    CoUe- 

mancio  Umbrlen  396 
Urbinum  Meta  urense  mun.Urbino 

Gallische  Maik  381 
Urbisalvia  mun.  col.Urbisaglia  Pice- 

num  422 
Urbs  fl.  Orba  Ligurien  158 
Urbs  Silva  Ticinum  Lombardei  162 
Urbs  Salvia  s.  Uibisalvia 
Urbs  Vetus  opp.  Orvielo  =  Volsinii 

Etrurien  340  A.  4 
Urgo  ins.  s.  Gorgon 
Uria  opp.  Nola  Ganpanien  757 
U  ria  s.  Veretum 
Uria  Messapia  mun.  Oria  Galabrien 

875 
Urias  sinus  Lago  di  Varano?  Apiil.838 
Uritanus  ager  Aemilia  Appian  b.  civ. 

1  S9  Feldm.  29 
Urium-ia  opp.  Rodi?  Apnlien  538 
Ursaria  ins.  Oizera  Pola  Istrien  241 
Ursentini  mun.  Lucanien  Plin.  111  98 
Urvinum  s.  Urbinum 
Uscosium  siat.  Frentaner  783 
Usid  icani  pop.  Umbtien  Plin.  HI  114 
Ustica  moiis  Sabina  616 
üstica  ins.  Uslica  Liparen  I  272 
Utens    fl.   Moiilone    Aemilia    I    192. 

477  II  -250.  257 
U  tis  s.  Utens 
Uzentum  mun.  Ugenlo  Galabrien  885 

Vaeunae   fanum    Rocca  Giovine  Sa- 
bina 616 
Vaeunae  nemus  Bacugno  Sabina  468 
Vada  Sabatia  vic.  Vado  Riviera  143 
Vada    Volaterrana    vic.  Torre    di 

Vada  Etrurien  300 
Vadimonis    lac.    Lago    di    Bassano 

Etrurien  342 
Valenlia  mun?  Valenza  Ligurien  156 
V  a  1  e  n  t  i  a  =  Rom  Fe-M.  266  M.  Solin 

1,1  Seiv.  V.  Aen.  I  273 
Valentia  Galabrien  s.  Valesium 
Valen  t  ia  col.  s.  Vibo 
Valen  tinus  pag.  Placentia  Äem.  274 
Valeria  pmvincia  Abruzzen  437 
Valerius  pag.  Veleia  Aem.  276 


Valesium  S.  Pietro  Vernotico  Gala- 
brien 880 
Valva  s.  Goifinium  448 
Valvata  stat.  Gascina?    Pisa-Florenz 

292 
Varamus  fl.  Stella?  Carnerl  196  A.  1 
Vardaga  te  mun.  Teiruggia  Lig.  157 
Varia  vic.  Vicovaro  Sabina  615 
Varia  n  US  vic.  Vigarano  Aemilia  261 
Varisto  salt.  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Varus  fl.  Var  Ligurien  I  79.  302  II 135 
Vatia  opp.  Reatina  Sabina  475 
Vaticanus    ager    coilis    mons    Rom 

490.  533 
Vatrenus     fl.    Sanlerno    Aemilia    I 

192  11251 
Vaunia  Venetien  Ptol.  III  1,28 
Veascium?  opp.  Diod.  XIV  117 
Vecellanus  pag.  Superaequum  Pae- 

ligner  GIL.  IX  3305 
Vediantii  pop.  Seealpen   134.  137 
Veheia(s.'*  nus?)    pag.  Gupra  mon 

tana  Picenum  GIL.  IX  5699 
Veianus  pag.  Pago  Vejano  Benevent 

814. 
Veii  mun.  Isola  Farnese  Etr.  357 
Velabra  salt.  Veleia  Aemilia  CIL.  XI 

1147 
Velabrensis  vic.  Ariminum  250 
Velabrum  Rom  494.  539 
Velecha  opp. Volturnum?  Gamp.  712 
Veleia  mun.  Macinesso  Aemilia  275 
Veleiates   Regiates  pop.   Aemilia 

275 
Velia  Rom  493.  497.  537 
Velia  opp.  Samnium  Liv.  X  45 
Velia  mun.  Gastellamare  della  Brusca 

Lucanien  895 
Velienses  pop.  Latium  556 
Velina  Iribus  Picenum  414 
Velin  is  stat.  Pisa-Vada  Tab.  Peut. 
Velinus  lac.  Realina  Sabina  472 
Velitrae  col.  Vellelri  Latium  632 
Velleiates  pop.  Ligurer  Plin.  III  47 
V  elleius  pag.  Veleia  Aemilia  276 
Velunum  s.  Bellunum 
Velvia    sali.  Veleia   Aemilia  GIL.  XI 

1147 
Venafrum    mun.  col.  Venafro  Gam- 

panien  796 
Vena  ria  ins.  lyrrh.  Meer  Piin.Iil  81 
Vendupalis     rivus    Genua    CIL.    V 

7749.9 
Veneni  pop.  Ligurien  Piin.Iil  47 
ad  Veneris  Apulien  858 


1002 


Antike  Ortsnamen. 


Yenerius  pag.  Placentia  Äem.  274 
Venerius  vic.  Mailand  CIL.  V5S04 
Veneti  gens  1  488 fg.  II  211 
Venetia  regio  Veneto  3.  193 
Venetulani  pop.  Latium  556 
Vennuni  Verona-Trient  Tab.  Peut. 
Venostes  pop.  Vintscligau  Alpen  211 
Venusia    opp.    Gastelvenere?     Sam- 

nium  801 
Venusia  col.  Venosa  Apulien  828 
Veraglasca  fl.  Genua  CIL.  V  7749,9 
Veral(ianus?)   pag.  Verona  CIL.  V 

3249 
Verbanus  lac. Lago  Maggiorel  180 fg. 

187  II  184 
Vercellae  mun.  Vercelli T ranspadana 

176 
Vercellensis  pag.  Placentia  Aemilia 

274 
Vercellium  opp.  Hirpiner  Liv.  XXIII 

37,12 
Verestis  fl.  Latium  Strab.  V  239 
Veretum  mun.  Palü  Calabrien  884 
Vergellus  fl.  Apulien  853  A.  2 
Verona  mun.  col.  Verona  Cenom.  204 
Veronensis   pag.  Placentia  274 
Verrugo  opp.  Latium  649 
Vertamacori  pop.  Transp.  174 
Vertinae  opp.  Verzino  Brut.  940 
Verulae  mun.  Veroli  Herniker  654 
Vervasses  castellum  Vervö  Trident. 

Alpen  211 
Vescellani    mun.  Hirpiner  Piin.  III 

105  Liv.  XXIII  37,12 
Vescia  opp.  Aurunker  664 
Vescinus  ager  Piano  di  Sessa  664 
Vescinus  salt.  Mondragone  663 
Veseris  fl.?    opp.?    Campanien  Liv. 

VIII  8  X  28  Cic.  de  Fin.  1  23  Off.  lU 

1 12  Val.  Max.  VI  4,1  Aur.  V.  vir.  ill. 

26.  28 
Vesidia  fl.  Elrurien  Tab.  Peut. 
Vesinicates  mun.  Umbrien  Plin.III 

114 
Vespasiae  locus  Sabina  468 
Vestini  gens  Abruzzen  I  517  11438 
Vesubiani    pop.  Val  Vesubia  Cotti- 

sches  Reich  135.  149.  A.  3 
Vesulus  mons  M.  Viso  Alpen  I  147. 

184  II  135 
Vesuvius  mons  Vesuv  Campanien  I 

251.  268  fg.  281  fg. 
Veteres  campi  Vietri?  Luc.  902 
Vettona  mun.  Bettona  Umbrien  396 
Vetulonium  mun.  Colonna  Etrurien 

306 


Vetusc(cnsf'S?)    civitas   Fabrateria 
'   velus  CIL.  X  5651 
Viae  publicae : 

Aemilia  Ariminum-Placentia  243 
Aemilia   Scauri   Pisa-Dertona 

143 
Amerina  Rom-Ameria  361 
Annia     Aqoileia-Virunum?     231 

A.  2 
Annia  Falerii  — ?  362 
Appia   Rom  Gapua  (Brundisium) 

5U.   546.   637.   699.   716.    753. 

805.  861.  874 
Ardeatina  Rom-Ardea  575 
Asinaria  Rom  546 
Aurelia  Rom-Pisa  299 
Aurelia  Aeclanensis  819 
Caecilia  Rom-Hadria  429.  470 
Camp  an  a    Amiternum    CIL.   IX 

4321 
Campana    agro    Falisco    Vitruv 

VIU  3,17 
Campana  Rom-Porto  542 
Cassia    Rom-Florenz  295.    313. 

344.  353. 
Ciminia    Sutrium-Viterbo    343. 

356 
Claudia  Rom-Luca  353 
Claudia  Augusta  Allinum-Do- 

nau  I  163  II  210 
Claudia    nova    Foruli -Aternus 

436 
ClaudiaValeria  Cer  fennia- Ater- 

num  436 
Clodia  s.  Claudia 
C  0 1 1  a  t  i  n  a  Rom-GoUatia  546.  563 
Cornelia  Rom-Caere  543 
Curia  Reate-lnteramna?  475 
Dianae  Gapua-Tifata  709 
Domitiana  Sinuessa-Puteoli  713 
Falerna     Cales-Forum     Popili? 

CIL.  X  3910 
Ferentiensis  Viterbo-Ferentum 

343 
Ficulensis  Rom-Ficulea  608 
Flaminia  Rom-Aiiminium  375 
Fla  via  Triest-Pola  240 
Fulvia  Dertona-Pollentia  156 
Gabina  Rom-Gabii  602 
Gallica  Frontin  Str.  II  6,1 
Herculanea  Baiae-Puteol  734 
Herculia  Aequum- Venusia  816. 

820 
Herdonitana  Aeclanum-Herdo- 

niae  819 
Janiculensis  Rom-Küste  543 


Antike  Ortsnamen. 


1003 


Viae  publicae: 

Julia    Augusta    Placentia-Var 

140.  157 
Labicana    Bom-Labicum    545. 

601.  649 
Lata  Corso  Rom  510.  534 
Latina    Bom-Capua    546.    595. 

649.  679 
L  a  u  r  e  n  t  i  n  a  Bom-Laurentum  573 
Minucia  Gorfinium?-Brundisium 

436.  788 
Nomentana      Bom-Nomentum 

544.  608 

Nova  Palatin  Born  515 
OstiensisRom-Oslia  547.62.66 
Popilia  Ariminum-Aquileia  213. 

227 
Popilia  Capua-Begium  900.963 
Portuensis  Bom-Porto  542 
Postumia    Genua-Aquileia    144. 

158.  199 
Praenestina       Bom-Praeneste 

545.  619 

Quinctia  Beale-Interamna?   475 
Sacra  Forum  Born  505.  537 
Salaria    Bom-Hadria    49.    426. 

429.  464.  477.  544 
Severiana  Ostia-Terracina  571 
Sublacensis     Ferrata-Subiaco 

617 
Tecta  Corso  Vitt.  Em.  Bora  535 
Tiberina  r.  Tiberufer  372 
Tiburtina  Bom-Tivoii  435.  545. 

609. 
Traiana     Benevent- Brundisium 

815. 
Triumphalis    M.    Mario-Bom 

543 
Valeria  Tivoli-Atri  435 
Vitellia  Born-Küste  543 
Vitularia  Arpino  Gic.  ad  Quint. 
fr.  III  1,3 
Vibarna?  opp.  Apulien  Plol.  III  1,63 
Vibinum  mun.   Bovino  Apulien  844 
Vibo  col.  Monteleone  Brutlium  956 
Vibonensis  sinus  Golf  von  Sa.  Eu- 

femia  930 
ad  Vicensimum  Monte  di  Guardia 

Rom-Ocriculum  371 
ad  Vicensimum  Thurii-Heraclea  It. 

Ant.  113 
Vicetia  mun.  Vicenza  Veneter  218 
Victium  fl.  Cervo?  Transpadana  175 
Victumulae  opp.  Transpadana  174 
ad  Victoriolas  Bologna-Modena  lt. 
Hier.  616 


Vicus  Alexandri  Porto  della  Pozzo- 

lana  Born  I  317  II  547 
Vicus  Badies  Via  Salaria  Picenum 

II.  Ant.  307  s.  Befania 
Vicus  Martis  Tuderti um  S.  Maria 

in  Pantano  Umbiien  397 
Vicus  Matrini  le  Capannaccie  Etru- 

rien  1  258  II  344 
Vicus  Mendicoleius    Via    Popilia 

Lucanien  Tab.  Peut.  Geogr.  Bav.  IV 

34  Guido  43 
Vicus  Novus  Via  Salaria  478 
Vicus     Serninus    Galliera    Aemilia 

261 
Vicus  Varianus  Vigarano   Aemilia 

261 
Vicus  Virginis  Biviera  Tab.  Peut. 

Geogr.  Bav.  IV  32  V  2 
Vidicini  pop.  Picenum  Plin.  III  108 
Vignae  Aequer?  Tab.  Peut. 
Villa    Magna    Viliamagna   Herniker 

653 
Viminalis  coUis  Born  492.  96 
Vimitellari  pop.  Latium  556 
Vindinates  mun.  Unibrien  Plin.  III 

114  CIL.  XI  4209 
Vinelasca  rivus  Genua  CIL.  V 7749,10 
Vintimilio  s.  Album  Intiniilium 
Virbi   clivus  Aricia  Latium  591 
Virginis     vic.    Biviera    Tab.    Peut. 

Geogr.  Bav.  IV  32  V  2 
Visen  tum     mun.    Bisenzo     Elrurien 

336 
Visuentani   mun.  Umbrien  Plin.  III 

114 
Vitellia  opp.  Latium  602 
Vitricium  stat.  Verrez  Salasser  170 
Viturii  s.  Langenses 
Vivariense  monaslerium  Coscia   di 

Staletti  Brutlium  948 
Vobenum     Bovegno    Val    Trompia 

Brescia  CIL.  V  4910 
Voberna  Vobarna  Val  Sabbia  Brescia 

CIL.  V  4905 
Volane  fl.  Po  di  Volano  I  205  II  214 
Volaterrae  mun.   Volterra  Elrurien 

301 
Volcaniae  ins.  Liparen  I  272 
Voicei  mun.  Buccino  Lucanien  902 
Volceiani-entani  gens  902 
Volci   mun.  Piano   di  Voce  Elrurien 

327 
Volsci  gens  1  518  II  626.  667 
Volsiniensis  lac.  Lago  di  Bolsena 

Elrurien  I  258  II  335 
Volsinii  mun.  Bolsena  Elrurien  339 


1004 


Antike  Ortsnamen. 


Volsinii  veteres  Orvieto   Etrurien 

337 
Vomanus  fl.VomanoPraetuttierI341. 

43  II  428 
Voltumnae    fanum    Montefiascone  ? 

Etrurien  341 
Voltur    Vultur    mons    M.    Voltore 

Venusiner  Mark  I  271  II  827 
Voiturnum  s.  Capua  697 


Volturnum  col.  CastelVolturno  Cam- 

panien  712 
Volturnus  fl.  Volturno  I  265.   331. 

342  II  711 

Z  a  cy  n  t  h  u  s'opp.Krotoniatis  Theokrit 

4,32  m.  Schol. 
Zephyrium    prom.   Capo    ßruzzano 

ßruttium  952 


Druck  von  J.  B.  Hirsch  fei d  in  Leipzig. 


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