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Jahrbücher
ber
Deutſchen Geſchichte.
Auf Veranlaſſung
Seiner Majeſtät des Königs von Bayern
herausgegeben
durch die hiſteriſche Commiſſion
bei der
Rönigl. Akademie der Wiſſenſchaften.
Leipzig,
Verlag von Dunder & Humblot.
1894.
Jahrbücher
Deutſchen Reiches
Heinrich IV. und Keinrich V.
Um Hz
Gerold Meyer von Kusım.
Bweiter Band: 1070 Bis 1077.
Auf Veranlaffung
Seiner Aajeſtät des Königs von Bayern
heraudgegeben
Yurd die hikorifche Gommiffion
bei der
Rönigl. Akademie der Wiſſenſchaften.
Leipzig,
Verlag von Dunder & Humblot.
1894.
Vorwort zum zweiten Bande.
Der vorliegende zweite Band ber Jahrbücher Heinrih’s IV.
bebarf einzig aus der Urfache einer kurzen Einführung, weil ber in
feinem Inhalte behandelte Zeitraum nicht fo weit reicht, wie das
vor vier Jahren bei Vollendung bes erften Bandes als möglid er-
achtet wurbe.
Mit dem Beginne des eigentlichen Inveftiturftreites wird ber
Etoff jo reich, beſonders auch durch die Streitfehriften, die jegt in
den Libelli de lite imperatorum et pontificum saeculis XI et
XII. eonseripti in fo erwünfcter Weife in einer alle An-
ſprüche erfüllenden Edition vereinigt dargeboten find, daß ber
Band mit den Ereigniſſen des Frühjahres 1077, gleich vor ber
Mahl des Gegenkönigs Rudolf, abgebrochen wurbe.
Diefe Zeitgrenze war durch den Umftand gegeben, daß aud
das Wert Lambert's hier jehließt, und es mag darauf hingewiejen
werben, daß die erfte in der Zeit des deutichen Humanismus über
Heinrich IV. gejchaffene Monographie für das zweite ihrer vier
Bücher hier Anfang 1077 die Abgrenzung wählte. Das ift die
Kayſer Heinrychs des vierbten Hergogen zuo Franden und am
RKhyn u. f. w. fünfftzigjärige Hiftoria“, des Johannes Stumpf,
1556, auf die ih 1891 in ber Sammelfchrift Turicensia, ©. 145
—163, die Aufmerkſamkeit zu lenken juchte.
Daß die reich commentirte neue Ausgabe Lambert’3, von
Holder-Egger, ganz zugleich mit diefem Bande erſchien, machte erft
in ben fpäteren Bogen eine Benugung — des bereinigten Textes
von Bogen 32 an — möglich.
327210
vI Vorwort.
Endlich möchte ih, mit dem beften Danke für gefchehene Zu-
fendungen, die Bitte um Mittheilung beſonders von einfchlägigen
Programmen und Differtationen, da ſolche jo leicht der Aufmerk-
ſamkeit ſich entziehen, wiederholen.
Züri, am 25. Januar 1894.
Gerold Meyer von Anonau.
Aufenthalt des Hofes in Augsburg und Inveſtitur Karl's ala
Biſchof von Con im Gegenfag zur Vorwahl bes Siegfried
1-2. Einfegung inward’s ald Abt von Reichenau 2—3.
Biſchof Karl’s Khmie je Sage 3. Vorladung der Erzbiſchöfe
Sun mb Giegfeieh und Bildof Hermann’s von Bamberg ned)
. laurice
tage
lung und Abjegung 17—19. Ausführung des Urtheils; Ser
jr — Yan Deten eben de
wüftungen 19—20. Ottos Gamer; Sieg bei
joslar zı
dnin VI. von dern 3537. ‚Fingreifen des Bruders Bal
duin’3 VL, Robert’ des Seifen, in, Flandern gegen die Wiliwe
Richelbis und deren Sohn, Grafen Arnulf 37—40.
09 Well’s in Baiern 41-42. Gefahr eines trirgerilchen
ıjamı mit dem auf dem Hafunger Berge verfchanzten
von im und ing einer Baflenruhe biß Oftern
24H. Hofbaltung in Augsburg und Einführung Herzog Welt
4. Ginlegung Ruotbert's ala Abt von Reichenau 4445.
Henri über Ball, Gtraßburg nad Cöln zur Ofterfeier;
Seite
1-40
41—116
VIII Inhaltauberficht.
elli 45—46. Reichstag
e Bunfen Ds Hirt Ehen
Ber von Stabdlo ulo gegen Enybiläe
flers Malmedy 48—: Berihie —X ‚dur daB Kundiäreiben
Mebertragung ber Brett o ee jau und ber Mart Valen⸗
cienned an Dietwin 56—57. '3 bes Fri
ver bon in Slandern (Schlacht bei Caſſel) 57—64.
der Gräfin Ricelbis mit Biſchoß Dietwin und Herzag Gottfried
jegen Robert 66-69. — Pi ngfteler und Domweihe in Halber-
t 69. Unterwerfui 1t0'8, des Billing Magnus und
ihrer Genofjen unter Heinrich 70. — dalbert neuerbir
in maßgebender Stellung beim Könige 71. Zuſammentum
einrichſs und Siebert mit Bönig, Soenb in Lüneburg und
rabrebungen are, die Billinger 72—74. Unfall Siupold’s
von Mean und Stiftung Heinrich's für befien Pre in
Beth 75—78. — Ausfgreibung auf päpflichen Befehl und Ber-
ku einer Synode zu Warn) in der Angelegenheit des ins
iſchoſs Karl von Conftanz 78-83. iwilli F
blick —A 83. Bericht Rattungen ber Synode und
Siegfried / ¶ an Alerander 8884. Inbeftitur und Beihe
ter ala Bild ‚bon Sorten, Tod Karla 4-85. —
md Tod eines Sohnes des Königs 85. Königliche ——
au 1 Meißen zeilchen den Heraogen Bratillad von Böhmen und
— von Pı önigliche maen zus Meter
bung und Goslar 86—87. Weihnachtäfeier in Bo ra 87-89. —
Ibext’3 neue vieljeitige a keit am Hofe 8991. ie
rung Abalbert'3 an inno 92. Anno’s Begunfti
bes nönsitden Bebend; gen ber durch om, in Gaı ie
getzoften jenen nn an —T Ordnung durch Lambert
— chuliche Gefinnung und Mahregeln des &
Te Ei un ann und des Biſchofs Hermann von
Bamberg I— I. Neugränd: ung bes ʒ alenere Hirfau; Wilhelm,
— des Abis Friedrich
[1067—1071:] Reue Angriffe der —S Pataxia unter Erlem⸗
bald, gegen bie u ne Inveſtitur 99100. Wido’s Rüdtritt
ala @ jbifchof und tur Gottfried s 100102. Gottfried’s
Berwerfung durch W er II. und Ausweifung aus Mailand
102—103. Kämpıe yotfapen Gottfried und Exlembald, beſonders
um Gaftiglione d’Dlona; große Geuresbeunf i in Railand (Saftens
uni erzeit il ;
d Ofterzeit 1071) 164-106. Wibos Lob; forigeiepte Weir
gerung der Anerkennung Gottfried’ 106-107.
Neue Anzettelungen des Wilhelm von Montreuil gem jegen ben
Richard von Capua: Kampf um Aquino; Tod Wilhelm’z 11
Abırmalige Schwierigfeiten twi der Sxafiäet Aquino —5 —
Re —* feinem Bohr —— und feinem ** Rate
al anbererjeitö; vorübergehende Kr mg Aquino's an
cfiberiuß don Monte Caffino 10911 jeihe ber neu Er
bauten Slofterliche in Ponte Eaffino 110-111. — De
Bari’a in bie Herrihaft Herzog Robert’ 111-112. Borbereil ang
und Bi ber Belag: rung jalermo’8 113—115. Nichterfüllung
der Hül —XX Nichard's 115—116.
R rich's über 8— Regensburg 117—118. Ab
ls rentgung eh fir er
— Gebeharb von Salzburg 1i8 — 180. Einſchuchterung
Seite
117—186
Inhaltsüberficht.
ber, gegen — in mg Segeffenen Ungarn 120.
— in Goslar während der Faftenzeit 121. Lehle Krank:
keit und Zub a el ae halbes 21-123. Mdalbert’8 Beur:
teilung dam von Bremen 123—145. Urtheile
een fan FRA über Mbalbert 145—147. Lob Herzog
— don Gasen 148. Verwüftender Einfall der Glaven
eberfall Hamburgs 148-149. [Mach 1072:] —
—X Sohn, Berfuch der Gründung einer M ii ung
Fre au a ur Truto 150-151. — Of en
I Angelegenheiten 151. Maß bes Yntheis —
bikchof, Ann: n den Reicsangelegenheiten 151—152. Aufeni ⸗
halt und Rüdtehr nah Sachſen 152.
——— über bie —— der Großen des Reiches
us FH töniglicden Umgebung dur Männer geringerer Geburt
——— Umfanges der gemachten Vorwurfe 152— 156.
— des Königs gegen — Zude von Schwaben
nd Berchtold von Kärnten, en Herzog
EN von Baiern 155—156. Magdeburg ha I
Runlolar Bemen Siemars u. Erzbiſc 3 En —— — 156
Freue 9 zwilden einrich und Dtto von Rord⸗
heim und —— 4 defiell
59. Aermittelung. zu Bormd
und Herzog Rubolf dur bie Kailerin-
a ir an — ‚0 von Eluny 159162, Xob bes
Cabalus und Racjfol ard's als Biſchof von Parma 162
—163. Zob bed Erjl ag Heinrich von Ravenna und Rı
folge ®ibert’8 durch Sir Empfehlung der Agnes 164165. Abt
Auotbert von Beigenan A Alerander U. Km Abgabe bes
Hirtenftnbes nich In Worms 165-186. Anfchlup
der Abtei St. Via im an ie or item von Fruttuaria 167.
Große Wallfahrt zum 5. Gebald nad Nürnberg, zum b. Hei
merad nad Balınam; Reliquienfund in Trier 167—168. >
biſchof Eintritt in_flöfterliche Aurüge heit in
&luny und erufung nad Mainz 168170. eubelegung ber
Kirchen von Bajel und Me mit ben Biſch fe Burdarb und
Hermann 170—172. Sinfegung ng Hartwigs gi [bt von —æe—
anflatt des zurüdtretenden Ruo hath durch den anweienden
173. —— in ‚Bamberg; Weggang Erzbiſchof nt
vom Hofe nı
Atto’s als Pr bifcof von Mailand auf Betreiben Er⸗
Tembald '* und eidliche Grllärung des Rüdtrittes deſſelben unter
dem Drude der HA RT N Erhebung 174—176. atſach ·
liche el iland’3 durch Erlembald 177. Entideibung
einer Symobe ie Rom für Atto, gm Gottteieh: Anzufung
Seineihe für Atto durch Alegander 178— 179.
ing der Gtellung der Pataria außerhalb Railand's in A
179. — Zob des Petrus Damlanis tellung befielben in den Lehten
Xebensjahren 179181. Nach au bes Deutichen Gerald ala
— Eroberung PBalermo’8 durch bie
NRormannen 182-184. Zuwei Sicilien s an ben Grafen
* Fr Herzog Robert 184. An-
dgtielungen Dei rürften Fe auf bem ande und Rüdtehr
Hr
ber_Böı jaktumg T
— 188, —& ae air ————
von Mainz « en Heröjelb und Fulda in ber Frage
= ifchen Zehnten 188—1%. Ginmifhung päpftlicher Begaten
Seite
187—906
x Impaltöüberficht.
in den Streit zwifchen Biſchof Gebehard von Prag und Bilchor
Johannes von Dimip, unter Anknüpfung mit Bes Bratiflav
von Böhmen, zum Rachtheile der Mainzer Kirche 190194.
Berföhnung Hemnrich's zu Gihftädt mit den Herzogen Rubolf und
Berchtold — Machtlofigteit des Iefteren in Kärnten — und Ofters
feier in Regensburg 194—196.
Weihe Gottfried’3 als Erzbiſchof von Mailand auf der nach Hein-
rich's Weifung einberufenen Berfammlung zu Rovara und
Kämpfe defielben in ber Lombardei 196—197. Alexander's II
Satenfgnobe; BVerhängung des Bannes gegen Rathgeber Heinrich’s
198—199, Vorgehen gegen Gardinal Hugo ben Weißen 199.
Weihe und Treuſchwur Erzbiſchof Wibert’s don Ravenna au Rom
200—201. Alexander's Il. Tod 201—203. Wahl und Ynthro-
nifation Hildebrand’3 ald Gregor VII. 203—209. Schriftliche
Kundgebungen Gregor’? VII. an Heinrich, an Abt Defiberius,
den Fürften Gifulf von Salerno, Erzbiſchof Wibert von Ravenna
und Andere 209-213. Anordnungen wegen Begründung eines
enigen Vehnöreiches in Spanien 213—214. Gregor's VII.
jeziehungen zu Herzog Gottfried uud Aeußerungen demjelben ge:
genüber betreffend Heinrich 214—216. — don Anjprüchen
auf die Grafichaft Imola gan Erzbiſchof Wibert 216—217.
Briefe an die Herzogin Beatrix und Mathilde, ſowie an Biſchof
Wilhelm von Pabia wegen der lombardiſchen Angelegenheiten
und der Stellung zu Heinrich 217218. Zeugniß, des Meper
Abtee Walo über die vergebliche Aufbepung, des italienifchen
KRanzler8 Gregor bei Heinrich gegen Gregor VII. und über die
eigene Hingebung für den Papft 218—2%0. Wbjendung Gregor’?
aß toniglicher Beauftragter nad) Rom und nwelenheit bei
Geegor’s VII, Bilhofsmeihe 220222.
Heinrich 3 Vorbereitungen zu einer Reichsheerfahrt gegen Polen
222-223. Pfingftfeier in Augaburg; urkundliche Verfügungen
223—225. Weberfiedlung des Hofes nad; Sachen 225. — Schon
vorliegende Urſachen der Spannung zwiſchea Heinrich und den
Sadjen 25-226. Weitere Veranlaffungen der Feinbieligteit bei
ben Zürften und dem Volte 226228. Burganlagen de Königs
und der Fürften; Spain iehung der Thüringer in die jächfiihen
Beihwerden 228-230. Die arabung un, die übrigen Anlagen
in Oftfalen und Thüringen 230-232. Beginnende Berftändi-
gungen innerhalb der fähfiichen Fürften, um Bidyof Bucchard
Halberftadt 232—234. Dtto'3 von Nordheim anfängliche
altung: Ermahnung durdh Bildjoef Hezilo von Hildesheim
235. Anlaß zu Zwiftigleiten zwiſchen dem Könige und den
Billingern wegen des gejangenen Magnus und der Züneburg 235
—237. Weitere muthmahliche Anknüpfungen der Berihmörung
egen den Rhein Hin 238. Unbefriebigender Ausgang einer Zur
ementunft e® Könige mit den Tach efehen Fürften zu Goslar
238-239. AufentHali Heinrich's am Harz 240. Weitere Aus⸗
breitung der Berihwörung unter ben Sächſen 241. Beriammlung
zu Wormsleben; Borbringung von Beichmerben gegen ben König
und Aborbnung einer Boiſchaft an benjelben 242— 246. Ueber:
zaldung ber au Goelar weilenden Königs beim Eintreffen ber
Boten 248. Heinrichs Antwort und Neberfieblung nad) der -
Harzburg 248. Aufrüden eines jächfiichen Dee dor ber Harz ·
ug und Anknüpfung von Verhandlungen %49—252. Fludytplan
bes Königs und Durcpführung deffelben 252—255. Wufenthalt
geincige zu. Heräfeld und Sintedung an bie Fürften des am
heine ftehenben Meichöteered 255. Wuflcub des Eriegeriiden
Vormarſches auf der Zufammenkunft mit den Fürften zu Gappel
256257. — Sachfiſche Maßregeln vor der Harzburg nach ber
Seite
Imhaltsüberficht.
But des Königs 257—258. Uebergabe der Lüneburg; Frei⸗
Mung des Billingerd Magnus und Anerkennung beifelben als
308 durdh die Sadjlen 259-261. Webrängnik der Löniglichen
riet: Exzbifhof Liemar, Bilchof Benno von Dsnabrüd 261
—284. Aufforderung an die Thüringer und Anfchluß, derfelben
an ben Aufftand 264-265. Crabilhor Siegiried’8 Bebrohung
Medergabe und Jertbrung ber Geim-
“, und fortgelegter
f
art, VIE. fortgeießte eingreifende Maßregeln, bejonders gegen»
Grtenntnih
30 Seitumd, 276.278. Gesine, Mibtseun wilden
apf
ichard 279—280. Briefe Geegor’s VIL. befonders an De
Rudolf von Schwaben und Bilder Rainald von Como, über die
Beziehungen zu Heinrich 280—282. Verbindungen Gregor’3 VII.
mit der Pataria in Mailand 232—283. Heinrich's Entgegen-
fommen. in Hinfiht der Belebung ber Mailänder Sirce 333
24. Einlenten Gregor's VII. in der Gorreipondenz mit Erlem-
bald, doch unter fortwährenden Gunfbezeugungen für diefen und
die Pataria 284285. Gregor’s VII. Rüdtehr nach Rom 286.
Lage der föniglichen Sache bis zum Beginn bed Herbftes 286. Ge
rüdte von Angettelungen Heintich's ayen die Sacien 286287.
Berhandlungen bed Fürftentages zu Gerfiungen und Heinich's
Stellung zu bdemfelben 287—289. Heinrichs in Würzburg ger
jebene Einwilli ung gegenüber feinen Beauftragten in die Ger-
Ranger Belginfe 9— 291. Regenger’s zu Nürnberg gegen ben
König vorgebrachte Anklage wegen beabfihtigten Meuchemordes
und Wirkung derjelben beionders auf Herzog Ruboli 291—292.
Beruf eines Fürftentages nad) Mainz durch Erzbifhof Gieg-
Rhein 292— 293. Heinrich's Krantenlager in Ladenburg und aufs
wor eeldalt 204
1308, Umgera VII —— mit Giegfri's
ungen lenes inſtigent reil tie
ben 508-4. reger Vi Ce Ei
xI
Seite
xu Inhaltsüberfigt.
Seite
ieb, mit befjen, ſowie jech® Mainzer Suffragane Vorrufun—
ie Faften! mode nady Rom 304-805. Wir —X ber Ste lung
Gregor’s VII. zur deutſchen Kirche 306.
1074...... » 307-448
= '3 befriebigendere Bage während bes fortgeiehten Aufenigalte
— uns mittelbare Rı Mfeetigung durch Regenger’3 ers
des Bebenzende 307809. Verhandlung F3 Erzbifchdfe
Er und Anno mit den Sachſen in Korver_309. Ball der
n burg; Eröffnung ber Belagerung von 6 ten
tensobe, Fr —— Aufenthaltsftätte der Königin ectba
0. rüftung Heinrich’ zu Worms 310-311.
ertihe PR Sunßereitun für Worms 312-314.
arſch des Löniglichen Heeres nad) Hersfeld und Breitenbach;
Verfügung zu Gunften der Königin 315. Seräfelner Nachrichten
über außergewöhnliche Vorgänge | in dieſen Tagen 316. Anerbie:
tung von Berhandlungen durch ben König an bie Sachen ans
& t8 ber einen Ueberfall ermöglichenden Eisdecke der Werra -
16 317. Die Bereitelung des —ã— Kriegsplanes durch
—5 mit. denfelben; ung, des Friedens und Berk:
Kgung — durch —— zu Gerſtungen 820
Aufldfung bes königlichen Heeres und W ang „Deinziäre
mad, Sachen; Geburt, bed Cote? Ronzab, und
€ jien 328. - Schwantende Haltung des Königs fang der
Erfüllung des Berfpredhend wegen Ehiei
und Bengeng be —* auß Goslar 31. Gänzliche, it
ölehreitungen vollzogene Zerförung De SE
durch ge filche Leute aus dem gemeinen Bolte
us er!
ber
ai —T der Ne Bud wichtigun at Der Fir 1 Oel
Ineufung Gregor’s VI die Sachſen 33°
g- —IJ — be Sl fr bie —— und
— Gregor VII. und ber — m Wethiie 1 im Zuf Sen
mit dem abermaligen Eintreten gebannterer Beziehungen zrilchen
Bu lüfe 347. Theilnehmer am ber Synode und allgemeine
tubtaflungen 348. Serommunication Herzog Roberts 349.
Shen: sassiehungen augors VI. zu König Philipp von
Franfreich 0. Günftige Beziehungen in ben Verhältniffen
gegenüber vn —5 Reichen 351. Jieleniſche von der Synode
verhandelte Angelegenheiten: Chefrage des Markgrafen Albert
Inhaltsüberficht.
u. wi il Erzbi Wibert’a 352—
Stang unb Abu vn di
8 joföweihe des Eewäfltn
— gr felm’; Qucca, I
von Die um! gen infelm’3 von Lucca, te a
—
richs Wunſch Vorrufung der Bilchöfe Gebe:
— Johannes von m nach Rom; Unter:
ng ber ——— durch Gregor VII und Antwort
jelben an En e Wratiflad 355— Harter Zabel gegen:
über —* 9 beſonders auch weg ven deffen Haltung in
der Prager Herftellung ya biſchoflichen Ranges
1.
= Glen en Fürbitte der Gräfin "Mathilde bei ao: .
echierung der Beziehungen des zu Herzog
— aa —* infolge des Auftretens des Al Theo:
von Gt. in Rom 363—366. Zabel der Herzogin
— und ber at ilhe wegen ber Haltung des von, Em
rg 366—368.
= al de Haltung Sbilcof ee in Baml
nd Ablegung von Zuficherungen für ben Bapt — vurch⸗
ing der Abficht der Veranflaltung einer Beute Pr
jaten durch das Dazwiſchentreten ber Erzbiſchofe Fried
umb Liemar und der anweſenden Biichdfe —* Sr aeg
iriedenheit mit ben @rgebnifien der mit Heinrich —A
Soephanblungen; — — mit Rudoif —
Heilung der Thätigleit der Rail Fein
va 6m or —* 888 —384. — Wiederhervortreten der ungarifchen
Ange ten 384. [1068—1074:] König Salomon’s und
Gag Geis gemeinjame Rei 384-385. Beginn und
rfache des Zwiſtes PR en 385386. Verbindung
Gregor’3 VIL mit Geiſa 386-387. Salomon's Flucht aus
Bir und fofortige fiegerifige e Beranflaltungen ——— zum
ng der Aufmert-
nn En Feen wegen des Gerüchted eines be:
Bes und fortgefegte Rachgi⸗ ier Deftben Si 08. PR
Su en zur Gölner ar mgelegenbeit nice fider erhellt 399.
—J—— zu Mainz ufammentreffen
— a mit Anno in Andernad a eat nung mit_bems
im Edln; Beſuch von Aachen 400—402. euertes Hülfes
au unb nerbieten König Salomon’ und ‚Reiegäzug nah
Ingarn ; Antritt be A een Orbnung der Ber
gen zu en Ungarn’ fi), behauptenden
Ealomon gen eines Aufenthaltes in Regensburg 405—407.
x
Seite
xIv Imbaltsüberficht.
inrich's Weg durch Schwaben nad) bem Rheine 407. Heinrxich's
Eatminatt in Reichenau bei dem Fi wiichen beitellten a 33
hard; Saielat des früheren Abtes Kuotbert 407—409. Zuſam ⸗
menftoß Erzbiſchof Siegfried's mit den Geiftlichen wegen des Ge
botes der Ghelofigkeit, ebenjo mit den Thüringern auf ber zu
Erfurt gehaltenen Eynode und Sprengung derſelben 410-413.
Heinrich 3 Weihnochtsfeier in Straßburg und Vorbereitung für
den beabfichtigten Kriegszug gem die Sachſen auf ber abgehal»
tenen Berfammlung 413—416.
Gregor's VII. Worbereitung und_Zruppenfammlung im römiſchen
Zuscien gegen Herzog Robert; Scheitern des Unternehmens 416
—418. Gregor’s VII Idhwere Ertranfung nach der Rüdkehr nad
Rom 419. Anfammlung der von Haß gegen Gregor VIL. er-
fülten Gegnerihajten in Rom und Gewalttaten des Cencius
420-422 Anmahetepeinlichteit geheimer Umtriebe des Erzbiſchofs
Wibert 422-423. gebliche Verſuche einer Verſtändigung
milden" Gregor VIE. und Herzog Robert; Beziehungen des Übtes
ehderius von Monte Ealfino zu Herzog Robert und dem Fürfien
Richard von Gapna 423-425. Generung Gregor's VIL; Wieder
aufnahme ber Entiendung von Briefen beſonders betreffend den
Zuftand Frankreichs unter Anflagen gegen König Philipp 425—
427. Weifungen Gregor’3 VII. in den Angelegenheiten der Bid:
thümer Prag und Olmüß, unter hartem Tadel der Eigenmächtig-
feiten Biſchof Gebehard’s 427—429. Mittheilung an Beatrig und
Mathilde von der Herflellung der Gejundheit und über verichiebene
ftantliche Angelegenheiten 429. Berjcpiedene Befehle an deutliche Exp:
bilde und Bilhöfe 430—431. Gregor's VII. Schreiben an König
Salomon mit Betonung der auf Ungarn dom römischen Stuhle er⸗
hobenen Anfprüche 431—432. Abhaltung der auf den 30. November
einberufenen Eynode und ee erufung der nicht erichiener
nen Erzbiſchof Liemar und Biſchof Kunibert von Zurin, ſowie
der an der Eheangelegenheit des Vartgrafen Albert Azzo IL. betheis
ligten Perfonen 432-435. Erneuerie Trohungen gegen König
Philipp 435—436. Bezeugung zutrauensvoller Sefinnung gegen-
über Helnri, unter Mahnungen beſonders wegen ber Behandlung
der Diailänder Angelegenheit und Bochhlägen betreffend den ger
planten Zug Gregor’ VII. nach dem Often 436-438. Rund
ſchreiben an die Teutſchen wegen bes Gebotes der Ehelofigkeit der
Geiftlicen 438-439. Ankündigungen hinfihtlid) der Einberufung
der Fafteniynode 439-440. Die Wiederaufnahme ded großen
triegeriichen Planes zur Befreiung des Chriftenthums im Often
von ben Ungläubigen 440-442. Beurtheilung der Sachlage hin»
fichilich ber Beziehungen Gregor’s VL. zu Heinrid) 442443.
1075 .
Fortgefehte Vorbereitungen Gregor’3 VII. für die Faftenfynode 444.
—A— VII. an König Svend Pr Erzbiſchof Kies
mar's Klagen über Gregor VII. 446-447. Nadhdrücklich abwei⸗
fenbes Echreiben Gxabilchof Mdo'3, in der Angelegenheit der gegen
Biichof Pibo von Toul erhobenen Anklage, an Gregor VII. 447—449.
Darlegung der günftigften Stimmung Gregor's VII. im Brief an
au: Sage von Cluny 449451. Beichlüffe der Faſtenſhnode
. Tragweite bes gleichfalls aufgeftellten Berbotes ber
inveftitur durch den König und alle weltlichen Perſonen 454—
355. Päpftliche Schreiben zur Berfündigung und Einihärfung
ber Ipnodalen Weclüffe 456458. Anftrengungen Gregers VII.
zur Schlichtung des Gtreites zwifchen den Wlethimern ag und
Olmüg; Mahnungen an Herzog Wratiflav und die Böhmen
Eeite
444—610
Inhaltsüberficht.
458—459. Borlabungen zu einer neu in Ausficht genommenen
zömiihen Eynode 459—460. Geipannte Beziehungen Gregox's VII.
dein ae Fr —8 460—461. — arte
der Angelegenheit Bil ermann's don Bamberg: Herz
mann trog der Gtrafurtheile noch im thatſächlichen war ber
bifchöftichen Güter fih behauptend 461472. — Wiehrfah uns
ginfige Wendung für Gregor VIL. Hinficptlic der Machtflellung
im Jtalin 472—473. Großer Brand in Mailand 473-474.
Beitere Ausfchreitungen Erlembald's und Sammlung der antie
tarinifch gefinnten Mailänder gegen ihn 474—475. Erlembald’s
öbtung und gänzliche Nieberwerfung der Pataria 475476. Er»
hebung der Gegner der Pataria in der Sombardei, im Hinblid
va ne nnd an ini en — ale
indſelige Haltung gegen Gregor .: Unwahricheinlicteit der
Annatıe einer —E Wibert's mit Cencius 478—480.
Abfal Gardinal Hugo's dr3 Weißen von Gregor VIL. und Glucht
beffelben zu MWibert 480. Herzog Robert’s —— gegenüber
am juchen zur Berwerfung der Gültigkeit ber Wahl Gre-
gers VIL. 481. .
Hainrich’s Ueberfieblung von Straßburg nad Mainz 481. Abſen ⸗
dung einer Geſandtſchaft durch Heinrich nad Kiew, zur Verwens
dung für den als Bittfteller aufgetzrtenen vertriebenen Großfürften
Jiellao 481482. eier bg Sihtmehfeiet in Yugabug, von
ern und Pfingften in Worms 483. Neubejegung bed Durch
Biſchof Heinrich's plöplicen Zob erledigten Stuhl don Gpeier
dur Huzmann 483—484. Heinrid, augeichiebene kluge Mah«
tegeln behufs <äroädjung der jächfiichen Kraft 485—487. Beun-
rubigung der Sachſen; Verſuche behufs Abwendung der Gefahr
dei Angriffs und zur Erreichung einer Bermittlung 487—489.
guide eines jächfiihen Boten vom königlichen Hofe am
ieriefte 489. Lehte Anfirengungen der Sachen zur Abiwendung
des Strieges gegenüber ber Enticloffenheit Heinrichs 489—490.
Ihatteäftige Unterflügung der Herzoge Rudoli, Berdtold und
Gottfried für Heinrich, troß der von Gregor Vli. mit den beiden
Erſteren weiter jehaltenen Verbindung 491—493. Die Sachien
in ihrer Gtreitmacht ehr beiehränft; Bifhof Burchard von Halber:
Rodt unter dem is feindlichen geiftlichen Fürften bejonders
bervortretend 499-494. Auafchreibung durch Heinrich_für bie
Eammlung der Truppen an ber Fulda zum 8. Juni; Aufbruch
von Wornis 495—4%6. Kriegeriſches Aufgebot ber Sachſen und
Thüringer auf den gleichen ag 496. Zufammenfegung de& bei
Preidingen verfammelten königlichen Heeres 496—497. Geringere
Beldjaffenheit be zwar anfehnlichen Nast. thzingifigen Heeres
498. Heinrid’3 Vorrüden am 8. und 9. Juni bis Behringen und
Aufbruch infolge Herzog Rudolf's Aufforderung 499. Auiftellun:
ber feindlichen Gtreitmacht an der Unſtrut 499-500. Aufocug
des königlichen Heeres gegen den Feind und Entftehung und Ver—
lauf der Schlacht bei Ponbu, 9. Juni 500-503, Gänzlice
Auflöfung bee befiegten jeinblichen Heeres 503—504. Beiberfeitige
Beriufte 504505. Rüdkehr des firgreichen Königs in das Lager
und Anordnungen defielben; Eindrud der großen Zahl Geiallener
auf das königliche Heer 505—506. Berwüßender und plündernder
Einbruch bde& töniglichen Heeres durch Thüringen nad Eadjien
506-507. Etimmung im Kreife der ſacht ſchen Fürften und Ver-
uche — Briefe Erzbiſchofs Werner von Magdeburg — einer An-
näberung an bie Färften im föniglichen Lager 508—510. Aufente
halt Heinrich”3 in Goslar; Nöthiqung, nach Eſchwege zurüdzugehen
und das Herr zu entlafjen 510-512. Zuſage der Bildung eines
neuen Serres auf bem 22. Dctober; einzelne Unterwerfungs⸗
xXv
Seite
xvi Inholtauberſicht.
ertlarungen ſachfiſcher Fürften und Adliger 512--513. Tod Biſchof
Dietwin’s von Büttih und Beſtellung Heinrich's als Nachfolger
auf die Sünbitte Heri⸗ Gottfried 513-517. inrichs Aufents
halt in Worms und treffen des mit Geichenten aus Rußland
qetidgetehrten Gelandten 517. Scwanten der Sachſen zwiſchen
riegäporbereitung und überwiegender Unluft zum Stampfe; Ber-
fuche zur ‚gelangung bes Friedens mit dem Könige und den
tften feiner Parter, von Heinrich in abweifender Haltung auf
genommen re Aufornd) eincich’a nad, Böhmen, Ehe
wegen ber ungarifchen Angel iten 521. Ginbrucd —
und Herzog Wraiiſtad's nach Reihen; Setangenfehung und ar
Hrung des Bilhof® Benno; Küdjug nad) Böhmen 522-5
eapang aus Böhmen nad Regenöburg; Zumeifung dee durch
Dedr’a_ Tod apleigten fächfiichen Oftmart an Herzog Wratiflan
525526. Beftätigung ber duch den Grafen Adalbert von Galm
über Rofee Hirfau vollzogenen Anorbnun aus Worms 526
—527. ang der Herzoge Rudolf, Welf, Berchtold aus
bem bei en am 22. October fi) fammelnden Heere; Ber
Ida ſeuheit deſſ⸗ — im Mebrigen 527—529. Widerwille des
achſiſchen genden Boltes gegen einen neuen Kampf 529-530.
(ntnüpfung von Unterhanblungen gwildien ben den Sachſen und bem
von Gerftungen vorrüdenden Könige 530-533. Sagerung beider
jeere nahe bei einander 533._ Bol iehung ber Unterwerfung ber
achſen und Zbteinger bei Spier 539—: Beurteilung bed
Vorganges buch ben Dichter ded Carmen de bello Saxonico
534598. Raßregeln Heinri egenüber den Unterworfenen
und ihrem Bee fowie Hin! —X ber Herflellung der an
Pläpe; Entlaflung de3 Heetes und Rüdtehr nach Worms 538—
540. Endgültige Ordnung der Wirren ım Bisthum Damberg,
durch die Kinfegung — Ruopert's, im Sinne des Könige
ermanns Unterwerfung unter Gregor VII. 540-544. ob
ischof —* von Eicftädt und Nachfolge ndalriche,
Gundegar’s Wirten 544545. Zob ber Aebte Widerad von
Qulda unb übalei von Sorf und Gejgung dur Runyelin und
albert infolge Beineida Eingreifen 546—548. Gregor’s VII.
Rn beim Könige für die Wiebereinfeßung ber —ES—
iſchofe 548,
Gro rs, vı VI. Pläne für die führende Stellung ber rdmiſchen Kirche
Beziehungen au den ungariſchen Wirren: uch
einer — an Geiſa troh der an Königin Judith gerich⸗
teten troftlichen Verſicherungen; Smttäulhung Gregor’3 VIL durqh
Geiſa's Antnüpfung mit Railer Michael Dutas und befien Kö:
nung mit einer aus Gonftantinopel empfangenen Königefrone
550-554. Gregor’3 VII. Schreiben an Herzog Bolellad von
Volen 554—555. _ Berjud) ber Herbeigiehung — —e Lirche
unter Rom durch Antnüpfung mit dem Großfürften Eu
555—556. Ubermalige Abfendun; H en an
Soend 556557. Fi ven für die Be der Eimonie
— jor’a VOL.
über den geringen eiflichen go Ei 77-559.
—— nad Rom Ei oo fig — art VIE.
omfal
Seite
Inhaltsuberficht.
Stim Gregor’3 VIL gegenüber Heinrich
einem aud) von Wißtrauen gegenüber pen Get ef eilt —
Briefe an Beateig und Mathilde 56 ärfung_ de
Zones in Gregor’3 VII. Antwort an Siegfried Fi 570., Neue
Zurüdweifung der päpfllichen „gerrrungen jenüber Siegfried
auf einer Synode & Mainz 570. — beide — mit
ben Mailanbern; Sındung des Grafen Eberhard naı er Rome
bazbei_ 570-571. Bergebliche Gelandtichait Eberha: . ind des
Biſchofs Grı Dr, — — ‚zu Herzog Robert 572—573. Mais
landiſche an Heinrich; Beftelung Thedald's als
Erabij It — — 573-574. Bertha des feindlie
Gegeniages in Oberilalien; Eingreifen des bil ofs Wibert
Thedald 574—575. Hervorzü ung der gegen! aber Heinrich
benden Frage wegen ber gebannten föniglichen Räthe durch
Gregor VIL, ebenjo der wieber Durch Heinrich vollgogenen Indeftis
turen 575576. Anlündigung päpf iger Mabregeln in Schreiben
Gregor's VII. an Thebald und die lombardiiden ER 578
—577. Abfendung eines ſcharfer gehaltenen Mahnbriefes
Heinrich durch deflen in Rom weilende Boten unter Bei ung
geheimer Aufträge 577—581. Aborbnung don Legaten an Hein⸗
rich Ei — a oe Ei die — Amte ae ad:
fiichen Bilhöfe; ähnli affene Bemühungen ber fen
‚gefnnten ürften 581— 583. — Reichöverfammlung
bei —* Weihnachtsſeier in Goslar; Zugeſtändniß eines
fegelepten 3 eis für Die Herflellung der Bildidfe in ihren Ber-
richtungen; eihmdrung ber Rachfe ohne für ben Königafohn Kon
rad; ‚Herketung Otto’3 von ae in Heinrih'3 Gnade und
Sunf' 583-586. — Gregor's VII. Neberfall durch Seneius in
der Seihnacht und Befreiung dur die Römer 586—5°
Xepte Lebenszeit, Krankheit und Tod des sr chofs an von Göln
Een — ® en durt itgenofien —8
ungen zu Heinrich unb Gregor Geftaltung
ber Weberlirferung über Anno a
Ausrichtung bes Auftrages Gregor’ VIE. durch die vom Rom zur
rüdtehrenden königli Boten an Heinrih und Wirkung der
Mittheilung auf ve önig 611—612. Aus! ——* der Reichs⸗
verfammlung nad Worms 613—614. Berathui jelben, unter
—— des Weißen, und Erflärung e Achtung und
Abfegung or’3 VII, mit Bwangseinwirlungen auf bie ſich
firäubenden et Ichöfe 614-622. Kum jebungen der Biſchdfe an
Bruder Hüdebrand“ und Heinrich's an denſelben und an bie
Kine 628. Heintic’3 Abfichten — unmittelbaver
ung auf Rom und Mittheilung ber gefahten Beidhlüffe
Fr Ri! zerfammlung in in Pincenga und Abordnung von
Boten nach Rom 628 —S emlung ber römifchen
Faflenfynode 631—632. Auftreten Roland's, ald Omiglichen Boten,
und Ausrichtung des Auftrages vor der Synode jemeine ur
zung und — der mißhandelten Boten nee Gregor V
jegung ber Verhandlungen nd feierliche Berurs
ırich’d durch den Papft 635— Straforelündi
m Worms ——— gerseienen al ; weitere —
ES —— je 64 Beriöteefittung an die
Gläubigen, lonbers in Deut ee
Sein Hofhaltung in Goslar; —E a dur weiteren Befeftie
gen ber Erfolge aus ber Niederwerfung der Sachſen 645. Hil-
If duch den König ala Nachfolger Anno's den Gölnern aufs
Beyer von Kuoman, Jahıb.d.dfh.R. unter Helurich IV u.V. Bb.1L.
It
xvu
611-746
Xxvin Inhaltsũ berſicht.
Vprhi t 646-647. Behte öniglice Anordnungen für Sachen
. Hildulf'8 Weihe in GCöln in Heinrich's ÄAnweſenheit 648.
Tod Biſchof Immad's don Paderborn; Poppo durch Heinrich als
Nachfolger beftelt 649-650. Gewaltjomer Zod des Herzogs
Gottfried von Niederlotgringen und Urſachen befelben 650652.
Solifried's Iehte Verfügungen und Beltattung in Berbun 653.
Urtheile über Gottfried 654655. Beziehungen Gottfried's u
jeinee Gemahlin Mathilde und zu Gregor VII. 655 -657.
Machtverhältnifie des Erben Gottfried's, des Markgrafen von Ant:
werpen, Gottfried von Bouillon 657-658. Heinrich s Ofterfeier
in Utrecht Zumeifung des Herzogthums Niederlothringen an
Heinrich's Sohn Konrad 658—659. Große Aufrı ung über bie
von Rom eintrefienden Ren, über die Bafın mode und Er⸗
wiberung ber Beichlüffe derielben durch die feierliche Verfluchung
„Hildebrand’s* aus Munde Biſchof Wilhelm's, im Dom zu
Utrecht, am Dftertage; Einäfcherung einer Kirche buch Sublälag
659-662. Abfagelchreiben Heinri’8 an „Hildebrand“ 662—664.
Berabredung weiterer gegen den Papſt zu ergreifenden Mabregein,
befonber3 einer weiteren nach Worms angefekten DBerjammlung
664665. Schreiben Heinzic's an Bilhof Altwin von Brigen
über die Aufgabe biefer Berfammlung 665—667. Hofhaltung in
Aachen 667—668. Tod des Biſchofs Wilhelm von Aluecht und
Eindrud dieſes Ereigniffes in weiteren Streifen 668-670. Biſchof
Altwin's Gefangeniegung in Schwaben 671. Anfänge einer
Sonderung oberbeuticher Fürſten von Heinrich, ebenjo von Wider:
ftand bei geiftlicden Fürflen und Verfuche eines Einverftändniffes
gegen ben König 671—675. Erſte Entlafjungen fächfifcher ges
fangener Fürſten aus der Haft, durch Bilhof Hermann von
675676. Grllärung der in Pabia verfammelten Lombarbiicen
Bifgpöfe gegen Gregor VIL. und Miblingen ber nad) Wormö von
Bam außgefchriebenen Berfammlung 676677. Nachfolge
onrad’s im Bisthum Utrecht; defſen Anfeindung durch den
Grafen Dieirich V. von Holland 677—678. Grneuerte Anfegung
der berſchobenen Verfammlung nad), Mainz 678—679. Steigerung
ber Unruhe in Sadjien gegenüber den Mnfalten GHeinrich’s
und Otto'® von Nordheim, durd) die Auftwiegelung der heim-
tehrenben befreiten Fürften, voran des Billingers Hermann 679
--680. Flucht des Bilchofs Burdard vom bairilchen Donauufer
nad Halberftabt 680681. Mangefbafter Erfolg ber Mainzer
Berfammlung, zumal wegen der Abfonderung geillicher Fürften,
voran Erzbiſchof Udo’3 von Trier 681682. Heinrichs Zurüds
haltung unb Verſuch einer Beſchwichtigung ber fen duch
Erzbilchof Werner und Bilchof Werner von Merjeburg 682683.
Wacht hum und erfte Erfolge ber fächfifchen Bewegung und gänze
Tiche Ameiung ber Königlicen Anerbietungen 684--685.
Gregor’3 VII. Madtftellung feit der Behenpnee 685. Stellung
des Papftes gegenüber ben Römern und dem vertriebenen Ans
reifer Gencius 685686. Verfühnung bes Herzogs Robert mit
dem Fürften Richard don Capua und Folgen derjelben theils &
die Langobarbifchen Fürften — befonders Giſulf von Salerno: Er—
Öffnung ber Belagerung Salerno's durch Robert —, theils für
Gregor VII. 686-691. Immer engere Berbinbung ber päpft«
lichen Unternehmungen mit der Bundesgenofienichaft ber Mathilbe;
Tod der Beatrix 691-693. Erneuerte Antnüpfung Gregor's VII.
mit der Pataria in Mailand 693—694. Aeußerungen bes Papftes
über feine Stellung gegenüber Heinrich, auch gegenüber abweichen:
den Urtheilen, beſonders in bem Rı tfertigungai reiben an bie
Deutſchen und in einer Kundgebung an die Gläubigen im xömi«
ſchen Reiche überhaupt 694—703. — Zuftimmende Aeußerungen
Seite
Imbaltsüberficht.
aus Schwaben 703. Der Seisichtichreiber Bernold und feine
Ausführungen zu ben Zagesfragen 703704. Bernold’s Streit-
khriften, beionder ber Apologeticus papae Gregorii VII. super
deereta promulgata contra symoniacos et incontinentes alta-
Rugeaide Sehehung ber Sad iurich 718-714. Fi
je Erhebung der Sachſen gegen Heinzich 718-714. Für
inrich noch singe eit RR Hebertritt Otto's dom
torbheim zu ben Sadjjen 714—715. einric Friege zug von
Baiern duxch Böhmen, mit Anſchluß Her; ratiflav’s, gegen
die Mart Meißen und Rau, bi dem Miklingen der Unter
nehmung; Räumung de an Wratillan du: eintich gegebenen
Meißener Landes von Wratiflav's Seite 715719. — Gregor’s VII.
Beihungen nad bem deutſchen Reiche über bas egenübe: beim ges
bannten Könige feftzuhaltende Vorgehen 719—' Abfendung
zweier jaten und von frommen Laien als Beauftragte Gre—
ger’a VU. nad Deutichland 723—725. — Berfammlung von
Heinrich feindjelig gefinnien Fürften mit dem Legaten Bilchor Alt-
eb; Entlafjung
Berfammlung
eibur; Eintreffen Heinzid’s in Oppenheim; Cr-
fiohten dev ürften überhaupt 726-727. Ausbehrung des ——
or VII nad) Deufihland 734. Ergebniſſe der Triburer Ver⸗
Emmtung ir einrich und die Furſten 735. — Aeußerungen
uud Beuticland, mit der Ankündigung des Aufbruchs von Rom;
Anı eg: 39. i
Aufenthalt in Speier; Dorbereitung zum Aufbruch nach Italien
L., unter
Beihülfe des Ables
g 0 von Gluny
enthalt in Burgund 741—'
wachung bes äußeren Anſehens bes deutſchen Reichs 743. Tod
Königs Svend von Danemark; Wegfall der Beziehungen
zwiſchen Heinrich und dem däniichen Throne 748. —
ber Geltung des deutſchen Thrones gegentber Ungarn; Verſus
Heberkei i — Appennin durch Gregor VII. und Rüdzug nach
anofja
Mebergang über dad jebirge; Entſchädigung an die Markgräfin
Wheel von Lucie fie Grodhrung ke Gleis 14810.
Arge Binterkälte und Froſt bis nach ‚galin hinein 750-751.
eich und feine Begleiter
XIX
Seite
7147—188
xx Inhaltsũberficht.
Gregor VII. und abweichende Aufioffung diefer Reife durch bie
töniglichen Anhänger in alien 752—753. Bereinigung zahl
reicher Anhänger um Heinrich zu Pavia in voller Kampfbereit-
Ya t; Beltrung bee ben durch den König fiber beffen wirkliche
bfihten 753— 754. — Grefangenfegung ber Biicöfe Ruopert von
Bamberg und Theoderich von Verdun auf ihrem Wege nad)
Italien zu Gregor VIL.; Sußeeitung egcommunicizter Deutfcher
Biſchdfe und Laien vor dem Papfte und Entlaſſung derfelben aus
dem Banne 755—756. Unfängliche Ungeroißheit Gregor’3 VII.
über Heintic’3 Entihluß 756757. Anbahnung von Berhand:
ungen zwiſchen Ganofja und Heinrich; Abſchneidung derjelben
durch Heinrich’s Erſcheinen und Vollbringung der Buße vor Ga-
noffa 757— 759. Gregor’s VE. Bericht über die Unterwerfung
bed Königs und deren Grgebnik 759. Fetftellung der Bebingungen
für Heinrich’s Xosfprehung vom Banne und Wiederaufnahme des
Königs und der übrigen Gebannten durch den Papft; Enilaflung
Heintic’® von Ganofia 759-762. Unwahre Erzählungen über
die Vorgänge auf Canoſſa 762—763. Auffafjung_ber Komigrich
gefinnten Veurtheiler in ber Sebensbeihreibung Seineich's 7i
—764. — Schwierigkeiten für bie Aufrechterhaltung der Ber«
föhnung 764. Abneigung der in Reggio verlammelten Löniglichen
Anhänger gegen die Abmacjungen von Ganofja und Abnahme der
eifrig Dingebenden Gefinnung fir einzich 764765,
von Regierungshandlungen durch Heinrich in Piacenza und Be:
vona und Zulommenfegung feiner Holhaltung 765768. Neues
Erwachen der Gegenfäße innnerhalb der lombardiſchen Städte:
Mailand’3 Anſchluß an Gregor VII; Gewaltthat des Biſchofs
Dionyfins von Piacenza gegen päpftliche Begaten 768— 769. Abs
ſchlag der durch Heinrich beabfichtigten lomdardiſchen Königätrd«
nung durch den Papft; neue Verſchärfung des Ggentahes gegen ·
über Gregor EL. 769-771. — Gregor’s VIL. Beziehungen zu
den deutfehen Fürften 771. Erlaß ber Kundgebung mit der Ber
vichterftattung Über den Vorgang von Ganofja an die Fürften und
Abfendung derſelben durch Rapoto 771—773, Gregor's VII. Ber
bleiben in Ganofja und Umgebung im Februar 773—774. Rüds
blid_ auf den Vertehr zwiſchen Gregor VII. und ben beutichen
Furften feit Ende 1076 774—775. Zufammenkunft geiflicher und
weltlicher Fürften zu Ulm; Mittheilung der getroffenen Berab:
zedung an den Bapft 775-777. Sendung einer Botfchaft durch
erzog Rudolf an den König und an Gregor VII. 777—778.
jandtfhaft Gregor’a VIL. an geincig 778. Abfendung der
Zegaten, Gardinaldiafon Bernhard und Abt Bernhard, nad
Deutichland und Inhalt des mitgegebenen Schreibens 778— 780.
Eintreffen de Grafen Manegold von Beringen bei Gregor VII.
780—781. Abordnung des Gardinaldiatong Gregor, mit bem
Grafen Danegold, an Heinrich dur; Gregor VII. und Abweifung
ber entgegngebrachten Vorſchläge durch den König 781-783.
Gregor’s VII. unklare Stellung u der Forchheimer Berfammlung
und beren boraudfichtlichen See üffen 783—785.
Aofchluß der Geidjichtserzänlung Sambert'8 von Heräfeld 785-786.
Kamberts Stellung und Glaubwürbigteit als Geſchichtſchreiber
Seite
Inhaltsverzeichniß xx
Excurſe.
1. —e— rage ber Slaubwürdigleit bed Lambert von Hersfeld
nicht der jet des Carmen de bello Saxonico 791—853
‚Seite
IL Die 8. bei den Glaven im norbalbingiichen Sande zus
Baar ns dem Tode Erzbifchof Adalbert’3 binaiſch re.
II. Deber bie Urfachen bes fächfiichen Aufftandes . B
TV. Die königlichen Burgen in Sachſen und Thüringen . .
V. Der Berlauf ber Schlacht bei Homburg, 9. Juni 1075 . . . 874-884
VL. Die Berhandlungen von Zribur und Oppenheim 1076 . 885—898
VII. Die Borgänge auf Ganoffa 1077 894-908
e⸗
. 903-904
a 905—907
Bains Google
1070.
Für König Heinrich IV., welder das Weihnachtsfeſt von 1069
in der bairijchen Biſchofsſtadt Freifing gefeiert hatte, lag in der
Nothwendigkeit, dem feit dem 4. November erledigten biſchöflichen
Stuhl von Conftanz neu zu bejegen — ebenjo war bie Abtei
Reichenau durch den Tod des Abtes Udalrich verwaift —, die Aufe
forberung vor, fih nah Schwaben zu begeben, um aus größerer
Nähe diejer Angelegenheiten fi annehmen zu fönnen!). So wurbe
die Feitfeier von Mariä Reinigung in Augsburg begangen, und
hieher verfügte fih — eben zum 2. Februar — auch eine Ab-
ordnung aus Conftanz, um vom Könige bie Genehmigung ber da-
felbft getroffenen Vorwahl j erbitten?).
Die angefehenen Geiftlihen und Laien hatten als Biſchof für
Rumold's Kirche einen diefer felbit angehörenden Geiftlichen, Sieg-
fried, welcher mit feiner Eigenſchaft ala Conftanzer Domherr auch
diejenige eines Kappellans bed Königs verband, in Ausſicht ger
nommen, und fie ſchlugen zu Augsburg denfelben zur Veftätigung
vor?). Aber von Heinrih IV. war al Rumold’3 Nachfolger der
Domherr der Magdeburger Kirche und zugleich Propft der Kirche
auf der Harzburg, Karl, welcher auch durch allerlei Dienftleiftungen
ihm ſchon biöher näher verbunden war, augerwählt, jo daß er den
von den Conſtanzern ihm vorgeſchlagenen Siegfried nicht annahm.
1) Bergl. Bb. I, ©. 631.
®) Annal. A; : Rex in purificatione s. Mariae Augustae moratur
umb Compil. Sanblas. x... . inde (vom {reifing) partibus illis pertrans-
itis in purificatione s. Mariae Augustam pervenit; illue ergo fratres
Constantienses ie suo electo per regis suftragium acceptando cum veni-
rent... (SS. III, 128, V, 274) fimmen überein.
®) Die Compil. Sanblas. verflocht ſchon zu 1069 — (Karlomannus) totius
cleri et populi canonicam Sigifridi fratris illorum, regii quoque capellani,
quem u episcopari expetiverant, electionem frustrari omnifariam molie-
betur — und wieber zu 1070 (vergl. n. 2) die Erwähnung der Gonftanzer
Wahl mit ber Geidichte Karl's, welcher contra fas, jo daß alfo das freie
Bahlreht da für Conſtanz in Anipruc genommen wird, aufgendthigt worden
fein foll (. e.).
Neger von Knonau, Jahrb. d. difd. R, unter deinrich IV. u. V. Bb.IL 1
2 1070.
Auf die Verfagung der Veftätigung durch den König fcheint eine
Verwahrung ber Vertreter der Conſtanzer Kirche gefolgt zu fein;
fie erhielten eine drohende Antwort und mußten fi widerwillig
fügen, immerhin unter Aufftelung eines gewiſſen Vorbehaltes, der
bei der Wahl Karl's feftgehalten wurde. Darauf erteilte
Heinrich IV. die Im itz mit Ring und Stab an den erwählten
Biſchof und entließ ihn vom Hofe in das zugewieſene Bisthum“).
Doch noch die Frage der Beſetzung einer weiteren geiſtlichen
Stiftung Schwaben's, in nächſter Nahbarfhaft der Biſchofsſtadt
Karl’3, beihäftigte den König in dieſer gleichen Zeit. Der Abt
von Reichenau, Udalrih, war am 7. November 1069, nur drei
Tage nad Biſchof Rumold, geftorben, nachdem er durch mehr als
zwei Jahrzehnte an der Spige feines Kloſters ſich befunden hatte®).
qurigeht (vergl. Waiß in den Forſchungen
1070 Gerfo t fie, auf den Aug
sache weiter: fratres
citiam arcli et plurima seryitia, quibus etiam in re familiarı plerum-
que sibi commodissime affuerat), doch mit der irrigen Beifügung: Is a clericis
©. 27, den Antritt des Bisthums durch Gimonie (SS. XX, 823, V, 176 u. 184,
1 560-V, 420, X } Si
äeinung (Neerol. Germaniae, I, 280, 484), unb ber Catalogus abbatum
Augiensium fehreibt: Uodalrieus decanus annis 20; post hunc annus unus
Biſchof Karl für Conſtanz, Abt Meginward für Reichenau invefirt. 3
Auch hier feste Heinrich IV., ohne auf die Wahl durch die Mönche
warten, von ſich aus einen neuen Abt ein. Als folder wurde
Prior des Hildesheimer Kloſters St. Michael, Meginward, be
fimmt. Die Nachrichten treffen überein, daß Hezilo, der Biſchof von
Hildesheim, fih wegen ber verwandtſchaftlichen Beziehungen für
Meginward beim Könige verwendet habe; aber außerdem wollen fie
in, daß nur durch Spendung einer anfehnlichen Geldfumme die
Abtei erhältlich geworben fei. Jedenfalls war die Stellung des
neuen Abtes, welchem wohl von Anfang an ber Vorwurf der
Simonie entgegengeftellt wurbe, eine ſehr unerquidlihe; denn nur
mit Mühe vermochte der König, weil fih die Mönche offen gegen
Meginwarb erhoben, beffen Einjegung dem Klofter aufzundthigen®).
Auch für Biſchof Karl festen fi, nachdem er in Conftanz ein-
gezogen war, die Schwierigkeiten fort. Umſonſt mahnte er nämlich
den Erzbiſchof Siegfrien um bie Weihe, welde erft die Befähigung
ur Vollziehung lirchlicher Handlungen ertheilen jollte?). Der
opolitan wagte es nicht, die feierliche Handlung an dem Er-
wählten von Gonftanz zu vollziehen, weil das Gerücht ihm zu
Ohren gekommen war, daß Karl durch Simonie Ei Amt ange
treten habe. Er ließ dem Biſchof Fundthun, daß er durd die
Mittheilung glaubwürbiger und gewichtiger Zeugen über beſſen
Schuld unterrichtet worden fei, jo daß er alfo nur unter der Ber
dingung ſich zur Weihe verftehen könne, wenn der Biſchof ſich einer
Prüfung unterwerfe, welde ben Verdacht ber orbnungswibrigen
Erwerbung der biſchoͤflichen Abzeichen befeitigen würbe®).
sine abbate efluxit propter dissensionem electionis (SS. XIIL, 332), Tom
Eintritt Udalrics in die Leitung der Abtei 1048 redet Steindorff, Jahrbücher
bes deutichen Reiches unter Heinrich I, II, 38, 80 u. 81. Den Zob erwähnen
conz furz, bei Anlaß des Gtreited um bie Nachfolge, die Compil. Sanblas.,
&. 1069, Annal. Altah. maj., a. 1071, Bernoldi Chron., a. 1069.
©) Bon Meginward'3 ft berichten die Compil. Sanblas., a. 1069:
jaidam Meginwardus de Hiltinisheim abbas symoniace, fratribus rebellan-
übus, a rege vix substituitur, Zambert, a. 1069: Meginwardus abbas
Hildenesheimensis abbatiam suscepit Augiensem, patefacto in eam sibi per
multam largitionem aditu, Annal. Altah. maj., a. Dort: episcopus Hildenes-
heimensis magnam pecuniae quantitatem regi dedit et abbatiam (Augiensem)
ot ineo suo, abbati de Hildenesheim, Sigiberto nomine dari impe-
travit; old, a. 1069, nennt den Abt Meginhardus (SS. V, 274, 176, XX,
823, V, 429). Bergl. die Handausgabe der Annal. Altah. maj., Ed. 2., 83
n4 Bob auf Abt Sigibert 1079 Meginwarb in St. Michael folgte.
7) Rad} ber Angabe der Acta synodi (l. c., 71), daß Karl nach der Auf ⸗
nahme in Conſtanz postulabat a primate Moguntiensi, eiusdem Constan-
tiensis ecclesise se episcopum consecrari. #. Beyer fept in der Abhandlung:
Die Bamberger, Gonftanzer, Reichenauer Händel unter Heinrich IV. (Forichungen
ix bdemtichen Geſchichte XXI, 559), diefe Mahnung richtig gleich nach der
;deftitur, ba ber Erpbifchof fchon um Oftern in Rom weilte (vergl. unt. n. 12).
®) Die Acta fahren fort, Daß fi der Erzbiſchof weigerte, dad Sacrament
ber Weihe sine examinatione zu vollziehen, pro eo quod fdelium gravium-
que personarum relatione didicerit, quin immo et fama usque quaque vul-
gaverit, quod ... ... per furtivam simoniacae impietatis scalam aliunde
Biteretur ascendere (etc.). Beyer macht, 559 u. 560, mit Recht geltend, daß
1°
4 1070.
Erzbiſchof Siegfried handelte in diefer Conftanzer Angelegen-
beit jedenfalls ſchon unter der Einwirfung der Zmangslage, in
welche er durch die an ihn von Seite bed Papftes Alerander II.
ergangene Vorladung nad) Rom ſich verjegt ſah. Gleich Erzbiſchof
Anno und Bifchof German von Bamberg wurde nämlich der Erz
bifhof von Mainz vor den Papft gerufen, weil die Anklage gegen
fie vorlag, daß fie die heiligen Weihen auf fimoniftifhe Weife ver-
kauft hätten und mit folden Geiftliden, bie auf diefem Wege in
ihr Amt eingetreten waren, ohne Unterſcheidung Gemeinſchaft
pflegten. Nach hartem Verweife mußten fie eiblich Ki verpflichten,
inskünftig von folhen Handlungen abzuftehen. Es müffen gegen
die beiden Erzbifchöfe, von benen insbejondere Anno in ben vorher
ehenden Jahren in fo manchen wichtigen Entjcheidungen feine
nd gehabt hatte, Beweiſe beftimmterer Art gegeben geweſen jein,
wenn in einer jo außerorbentlichen Weife gegen fie vorgegangen
werben konnte. Aber noch mehr war Biſchof Hermann belaftet,
welchem geradezu nachgejagt wurbe, daß er felbft durch Geld-
geſchenke fein Bisthum verſchafft habe. Neuerdings wurde jegt
gegen Hermann der Vorwurf erhoben, daß er abermals durch viele
und koſibare Geſchenke an den Papft ſich eine günftige Stimmung
in Rom, gegen alles Erwarten, zu Wege brachte; doch viel ftärker
fiel nachher die Anlage gegen ihn in das Gewicht, daß er durch
einen Meineid Straflofigfeit von der vorgeworfenen Simonie er-
langt habe. Jedenfalls verftand es Vifchof Hermann, Alerander II.
für fi zu gewinnen; denn biefer gab ihm das Pallium und andere
dem erzbifhöflichen Range zufommende Zierden. Zulegt wurden
die beutjchen Kirchenfürjten durch den Papſt im Frieden entlaffen ?).
zu den Antlägern Karl's wohl voran der abgewiefene Bewerber Siegfried zählte
und baß unter ber von ben Acta nachher frz genannten condicio (vergl. n. 4)
wohl diefe Forderung der examinatio zu berftchen jei. J
) Hievon rebet Lambert, a. 1070: Episcopus Mogontinus et Coloniensis
et Bebenbergensis m domind apostolie erocati, Romam venerunt: _Ibi
episcopus Babenbergensis accusatus, quod per simoniacam heresim data
peeunia episcopatum invasisset, multa et preciosa munera papae dedit,
& per haec efleratam adversum se mentem eius ad tantam mansuetudinem
reduxit, ut, qui non sine periculo honoris et : gradus sui evasurus puta-
batur, non solum impunitateıa criminis, quod objectum fuerat, conse-
queretur, sed etiam pallium et alia quaedam archiepiscopatus insignia ab
sede apostolica pro benedictione pereiperet. Mogontinus archiepiscopus
ultro se episcopatu abdieare atque in ofium priyatae conversationis
secedere magnopere cupiebat; sed tam Romani pontificis auctoritate quam
eorum qui praesentes erant maturioribus consiliis vix et aegre abductus
est a sententia. Omnes in commune acerbe objurgati, quod sacros ordines
per simoniacam heresim venderent et ementibus indifferenter communi-
carent manusque imponerent, tandem, accepto ab eis jurejurando, quod
haee ulterius faeturi non essent, in sua cum pace dimissi sunt; zu 1071
heißt es, Siegfried habe ſich merfen laſſen: quam terribiliter anno su-
periore a papa .. . ohjurgatus fuisset, et quam vix et aegre sine dampno
gradus sui evasisset (SS. V, 176, 185 — Beyer, I. c., 536, macht mit Recht
darauf aufmerffam, daß fich Lambert wiberfpricht, indem er Hier nur von einem
eiblichen Verfpregen auf die Zukunft hinaus, fpäter zu 1075 jedoch, unter
Borlad.d. Erzbifchdfe Annou. Siegfried, d. Biſchofs Hermann d. Bambergn. Rom. 5
Indeſſen fol, allerbings nur nad) einer Nachricht aus Hersfeld, wo
eine unbefangenere eurtheifung de3 Erzbifhofs kaum voraus⸗
zufegen ift, Siegfried in Rom dur ben ihm geäußerten Tadel jo
getroffen gewefen fein, daß er mur durch den päpftlihen Machte
ſeruch und durch anderweitige reiflihe Vorftellungen von dem
Gedanten, feine geiftliche Würbe ganz niederzulegen, habe abgebracht
werben fönnen ?°).
Auch die Sache des Biſchofs Karl von Conftanz war eben
während diefes Aufenthaltes in Rom für Erzbiſchof Siegfried in
Frage gelommen. Die Anklagen gegen den Erwählten waren in
Rom ebenfalls vernommen und nachdrücklich aufgegriffen worden,
und gen ohne Zweifel im Sinne derjenigen, melde ſchon bisher
der eibe Karl’3 durch den Erzbiſchof fi) von Conſtanz her wider-
jegt hatten, wurde es jegt Siegfried duch Alerander II. geradezu
unterjagt, Die Weihe unter irgend welchen Umftänden zu vollziehen !t).
Zuridweifung auf diefe Citation nad) Rom, 220, in Deaug auf Hermann von
Aneım Reinigungseide — qui... . tanti eriminis, sc. der Gimonie, insimu-
latus . . . heresim perjurio purgaverit — rebet). Unrichtig zu 1073 erwähnt
Ekkeh. Chron. univ. die Thatſache: Anno Coloniensis episcopus et Heriman-
nus Baben! is Romam missi sunt (SS. VI, 200), in Verbindung mit
allerdings zu 1073 (vergl. dort in n. 20) gehörenden Nachrichten. Lindner,
Muno Il. der Heilige, läßt, 68, den Eulen) von Göln, was möglich ift,
gleich von Freifing aus Ende December — vergl. Bd. I, ©. 631 — den Weg
nad Italien antreten, und ebenſo Außert er als Bermuthung, daß ſchon Petrus
Tamiani bie drei Kirchenfürften im Herbſt citirt haben möge; er hält, 64,
An:.o für ſchuldig, da gerabe Lambert, „Ionft ber eifrigfe Vertheidiger feiner
Zugei.den“, von der Sache berichte (auch Girörer, Gregorius VII, II, 224 ff,
räumt das ein, freilich nicht ohme dabei, zur „Aufllärung des Rathſels für
vernünftige, Sefer“ , neuerbings geheime Ränte bes deutf Ka bie „ruch⸗
loſeſte und abgefeimtefte Stantstunft” — unb zwar Erzbiſchof Adalbert's —
aufzubeden). Gbenfo hat Beyer, 1. c., 550, nach dem weiteren Verlaufe der
Angelegenheit den Biſchof Hermann mit Recht angellagt, 1070 einen Meineid
oren zu haben, wie e8 Lambert zu 1075 ausſpricht (vergl. auch die Worte
der Bamberger über Hermann, in Nr. 44 de Codex Udalriei: Cum . . .
Sxeernbilen sonfusionem evidentissimi perjurii ab omni ecclesia sustinere-
mus, 1. c.,
10) Siegfrieb's Abdankungagelüfte find auch nur von ber hier ziemlich
weifelhaften Quelle, Sambert (vergl. in n. 9), bezeugt. M. Herrmann, Sieg⸗
ka 1. Grzbifhof von Mainz (Leipziger Difiert., 1889), wollte dieſe ver-
jweifelte Stimmung des Erzbiſchofs auf die Gonftanzer Sache zurüdführen
2. 11):_„Ex follte eines Metropolitanrechtes fr begeben, nämlich der
auf Simonie* (40 fi.).
2) Giegfrieb bezeugt jelbR in feinem Briefe an Alexander II., Codex
Udalriei, Ar. 36: Namque mihi Romae posito viva voce . . . interdixistis,
ne eum, qui designatus est in Constantiensem episcopum,, ullo modo con-
secrarem, quia audistis elogio symoniacae hereseos eum esse notabilem
68). ehrlich, nur ungenauer und im Anſchluſſe an Dinge, die kaum
bis zu Gier Anmejenheit in Rom vorliegen tonnten (vergl. hierzu
1070: n. 46), ichtet Zambert, bereit? zu 1069: Qua accusatione (sc. gegen
Sijchof Karl) Romam perlata, Romanus pontifes mandata direxit Mogon-
tino archiepiscopo, ne ullo modo ab eo consecraretur, donec in sui prae-
sentis causa diligentius ventilaretur (l. c.), jo daß alfo hier die mündliche
Borſchrift Alegander’s II. an den Grabifchof mit den nachherigen ſchriftlichen
6 1070.
Es verftand fi, daß der Erzbifchof nach den eben erft gemachten
Erfahrungen fih fehr wohl hütete, irgendwie durch eigenmächtiges
Vorgehen in_diefer Angelegenheit neuerdings die Gefahr eines
Tadeld von Seite de3 Papſies ſich zuzuziehen.
Wahrſcheinlich um bie öfterliche Feſtzeit hatten ſich die hohen
deutſchen Geiftlihen in Rom aufgehalten??). Bon der Rüdreije
des einen unter ihnen, Anno's, ift noch Weiteres bezeugt. Schon
in Rom hatte der Erzbiſchof zugleich mit ber Kaiferin-Wittwe
Agnes bei Alerander II. feine Fürbitte für dag Klofter Fruttuaria,
defen Abt Albert durch den Papft die Privilegien beftätigt erhielt,
eintreten lafjen *?), und nunmehr befuchte er auf dem Heimwege
jelbft diefe Gemeinjhaft frommer Mönche, melde ſchon früher auf
die Kaiferin eine jo nahdrüdliche Anziehungskraft ausgeiibt hatte "*).
Auch bei Anno bewirkte das, was er bei der Verrichtung feines
Gebete3 in den Mauern des Kloſters fah, einen vorzügliden Ein-
drud, und jo entſchloß er fi, vol Dermumberung für die ftrenge,
der Regel ganz entſprechende Zucht diefer italienifchen Mönche,
einige beſonders bewährte Brüder nad; Siegburg mit fi zu
nehmen. Nach einem Bejuche bei der Mutter der jungen Königin
Bertha, der Markgräfin Adelheid von Turin, überftieg Anno den
Befehlen (vergl. n. 49) zufammenfließt. Ebenſo ſchieben Annal. Altah. maj.,
a gan, ‚inter Derwifhung der einzelnen Stadien, die Dinge zufammen: vergl.
unt. n. 52.
38) Da Anno nad) der Vita Annonis, Lib, I, c. 33, 4. Idus Mai, quae
dies dominicae ascensionis tune gaudiis illustrabatur, ab incarnatione
Domini post 1069um anno esimo vertente (SS. XI, 481), on
wieder am Himmelfahrtötage — dieſer Jällt allerdings in dieſem Jahre auf
13. Mai, jo daß ber Biograph um einen Tag fi irrt — zu Siegburg weilte,
fo Liegt e8 wohl am nädften, den Aufenthalt der Richenfüchen in Kom auf
die eit — Ofterfeft 4. April — anzufegen, wenn biefes auch nirgends, wie
nad Giefebrccht, Geſchichte der deutſchen Kaiſerzeit, III (5. Aufl), 151, an⸗
genommen werben möchte, ausdrücklich bezeugt ift.
1) J. 4675 —- cum interventu dilectissimae filiae nostrae Agnetis
imperatricis, tum dilecti ac venerabilis Annonis Coloniensis archiepiscopi
rogatione —, bad nur Jahresdatum aufweift, gehört hier hinein.
4) Die Durch, Sambeet, zu 1075, in der zufammenhängenden Charatteriftit
Anno’3, erwähnte Anweſenheit des Erzbiſchofs in Sruttuaria: Interea contigit,
ut pro causa rei publicae Romam pergeret, cumque aliquas Italiae regiones
‚ragraret, prineipes eius regni ne a rege deficerent, suis exhortationibus
confortaturus, ad monasterium quoddam, cui Fructuaria nomen est, causa
orationis divertit (I. c., 238) wollte Öftörer, I. c. II, 80 u. 81 (in einem Zus
fammenhang, deffen Unglaubwürbigteit ſchon Bd. I, S 370, n. 6, dargelegt
mwurbe), bereitö in eine viel frühere Zeit, zu 1064, ſehen, und ebenfo ſcheint
Giefebrecht, 1. c. 152, die Verpflanzung von Mönden von Fruttuaria nad
Eiegburg [don vor 1070 verlegen zu wollen. Aber wegen der gerade für biejeß
Jahr durch J. 4675 und St. 2735 (vergl. n. 20) doppelt begeugten Beziehungen
Anno’ zu Fruttuaria if es rathſamer, mit Lindner, 1. c., 64, Annois Beſuch
hier Heeeingugiehen: Daß der Verfafler ber Vita Annonis, Lib. I, c. 283, bieje
aus Sambert, a. 1075, herausgepflüdte Steile (ex fept flatt der nonnulli bet
Lambert für die nad Eiegburg verpflanzten Mönde die beftimmte Zahl:
duodecim ex ipsis) ſchon in einem viel früheren Zufommenhange anbringt
. En 476), hat bei ber bekannten Werthlofigteit dieſer Quelle nichts zu bes
euten.
Anno’3 Rüdweg üb. St. Maurice. Heinrich's IV. Ofterfeier in Hildesheim. 7
Paß des Großen St. Bernhard und erreichte das Klofter St. Maurice
im Wallis, wo ihm ein glänzender Empfang bereitet wurde. Es
gelang dem andãchtigen Kirchenfürſten, hier an heiligen Ueberreſten
in geſchickter Veranftaltung einen frommen Raub zu begehen und
die heimlich davon geführten Koftbaren Reliquien glüdlih nad dem
Klofter Siegburg zu bringen, wo diejelben am Tage des Himmel»
fahrtafeftes, 13. Mai, feierlich niedergelegt wurden !®).
Inzwiſchen hatte der König die Hofhaltung von ben ober
deutſchen Gebieten!*) wieder nad Sachſen verlegt, wo in Hildes-
beim das Dfterfeft — 4. April — gefeiert wurde. Aber durch
einen kriegeriſchen Zufammenftoß zwiſchen dem bewaffneten Gefolge
Heinrich's IV. und den Dienftmannen des Biſchofs Hezilo kam es
zu einer argen Störung; die Königlichen blieben Sieger, jo daß
nad der Töbtung einer ganzen Anzahl der Biſchöflichen die Ver-
anftalter des Aufitandes feftgenommen und auf Befehl des Königs
in Ketten gelegt werben fonnten!”). Eine Woche fpäter, am
15) Wegen bed durch bie Vita Annonis, Lib. I, c. 33 (l. c., 480 u. en
berichteten Bejuches Anno’s in St. Maurice, nad} ber Eintehr bei gietteib,
dv meinen Artitel im Ungeiger für ſchweijeriſche Beicjichte, 'V, 380 u. 381,
mo au ein Irrthum Lindner3, 1. c., der das Ereigniß nach Sufa verlegte
(64 u. 65, 115), beleuchtet iR (Gififchlob, 1.c., V -— 1886 — 51 u. 52, auß den
orten ber Vita: exegit ab Adelheida tunc Alpium Cottiarum marchionisea,
quatenus.... reliquias eius auctoritatis jussu mereretur ab Agaunensibus, ba|
die ſavoyiſche — im Chablais nich auf Heinrichs IV. Eiuraumung 107
— vergl. dort in n. 6 — zueädging) on ber Mitführung von Mönden von
fruttuaria — admiratus monachorum artissimam et secundum regulae
institata conversationem —, einiger ber in opere Dei probatissimi, rebet
Lambert im Anjchluß an bie Stelle in n. 14.
20) Kilian, Ylinerar Kaifer Heinrich's IV., 49 u. 50, madt im Hinblic
auf Heinrichs IV. Bewegung durch dai Ri 1070 mit Recht barauf aufs
mertfam, daß St. 2737, vom 20. Yuli, das Tatum ber Ausfertigung nach-
traglich zum Drte ber Handlung hinzu erhalten haben muß, da eibenburg
(ion, bairtichen Rordgau) nur im Frühjahr, zwiſchen Augsburg und Hildesheim,
ihrt worden fein tann, und zwar, ba noch Biſchof Becmann von Bamberg
(mobis dilectissimus) Intervenient ift, jedenfalls vor dem Abgang des Biſchofs
nad) Rom (vergl. n. 12), etiva Ende Februar, wie Kilian, 141, einreiht. Ge-
geben ift das Ziplom an Biſchof Gregor von Bercelli (noster cancellarius
carissimus), und es betrifft die Schenkung don Gafale cum arimania et cum
servicio, quod pertinet ad comitatum Odalingo (ete.: «8 folgen nod) bie
Namen von fünf weiteren Graſſchaften) Jm Programme bes Progymnafiums
u GroßsLigterfelbe, 1889, mat Matthäl, 16, n. 10, darauf aufmerkfam, daß
er der König Aloftergut, d. h. Cufale, ganz gleich Königagut behandelte und
9%) Gegenüber den Annal. Altah, ınaj., weldje Epeier — Sacrum —*
rex Nemidone celebravit (SS. XX, 821) — nennen, ift mit Brehlau, Sahrbücher
des deutichen Reiches unter Konrad IL., IL, 426, ber Angabe Lambert’s: Rex pascha
in Hildenesheim celebravit. Ibi inter milites regis et milites episcopi seditio
faeta est; sed milites regis in congressione superiores facti, plerosque ex
wiltibns episcopi peremerunt, captosgne sedtionis auciore x odicto regiin
vincala cönjecemmnt IL ©, 137) ber Doryug zu geben, Mihiä. Gedichte ds
Bentichen Bolteo, 2. Aufl, 1,69, et in biefen Bhuifgen Hufteitten „den alten Bu«
8 1070.
11. April, war Goslar wieder der Sitz des Hofes; denn von da
aus erhielt an diefem gleichen Tage, auf die Fürbitte der Königin
Bertha und bes Biſchofs Burdard II. von Halberftabt, ber vor
Kurzem nach Bischof Wolfram’3 Tode der Kirche von Trevifo vor:
gie te Biſchof Azelin theils die Veftätigung der zulegt, 1065,
urch Heinrich IV. gegenüber Wolfram befräftigten Rechte und Be
figungen des Bisthums, theils die Entbindung von einer gewiſſen
bisher von ber biſchöflichen Kirche dem Könige geſchuldeten Dienft-
leiftung!®). Das Gimmelsfahrtsfeft verlebte darauf der König in
Dueblinburg, das Pfingftfet — 23. Mai — ſehr wahrſcheinlich in
Merjeburg ?). Hernach ſcheint der Weg weſtwärts zum Aheine
hin eingefislagen worden zu fein. Denn aus Berftabt, nicht lange
vor Erreihung des Maines, ertheilte der König am 7. Juni dem
Abte Ruothard von Hersfeld den Wildbann in einem feſt begrenzten
Umkreiſe um das Klofter, fo wie ſchon Heinrich II. das für Hers-
feld gethan hatte. Darauf wurde in Mainz eine Fürftenverfamm-
lung abgehalten und der Weg rheinabwärts fortgejeßt. Aus
St. Goar erhielt am 16. des Monates Abt Albert von Fruttuaria
für fein Klofter von Seite des Königs und der Kaiferin Agnes
den durch Kaifer Heinrich III. erworbenen Ort Foro in der Graf:
ſchaft Acqui geſchenkt, und barauf wurde Aachen der Sig des
Hofes. Schon am 23. weilte Heinrid IV. in der dortigen fönig:
lichen Pfalz, und am 25. erhielt Biſchof Dietwin von Lüttich aus
Aachen eine umfafjende Betätigung älterer Föniglicher Urkunden
über die Rechte und Befigungen des Bisthums nebft neuen Zu—
mweifungen zum Befig ber biſchöflichen Kirche, nämlich der ſchon
von Heinrih III. geſchenkten Burg Argenteau, des Rechtes ber
Wiedererrihtung der Burg zu Dinant, ferner der Grafſchaft
Luſtin, endlich de Rechtes der Holznugung in dem zur Aachener
Pfalz gehörenden königlichen Forfte*%).
fammenhang der föniglichen und Bifchöflichen Verwaltung gerabe an derjenigen
Stelle, wo er am wirtfamften hätte hervortreten follen — zu bes Hildesheimer
Biſchofs Sprengel gehörte Goslar — vollftändig erfchüttert“.
ich St. 2733 ift die wörtlice Wiederholung von St. 2688, von 1065,
welches in Bd. I, ©. 481 (n. 170), wo aud von Biſchof Wolfram geſprochen
iR, als Erneuerung eines Diploma Heinrichs III. erwähnt wird; St 2733 a
betrifft plenum illud servicium, quod nos Verone inde (sc. von ber bildhäf-
lichen Kirche von Zrevifo) debuimus aceipere (von biefem serritium ift für
die Bilchöfe von Trevilo gelagt: soluti et omnimodo liberi hulus servicii
exaccione ac exibicione maneant et ad suam ipsius, quam voluerint, utili-
tatem idem servicium potestative convertant). Biſchof Azelin war erft
türzlic dem Bilhof Wolfram gefolgt, nad) Annal. Altah. mai Post paucos
dies (ee. nad) Weihnacht 1060) oblit vir venerabilis Wolframmus Tarvi-
siensis episcopus, pro quo Azili est constitutus (l. c.).
10) "Samberi:" Rer ascensionem Domini Quidelenbure, pentecosten
Merseburc celebravit — if, was bie Yingabe des Pfingftaufenthaltes angeht,
mit Rilian, 1. c., 46, derjenigen der Annal. Altah. maj.: (rex) in pentecoste
in Mihisina colloquium prineipum habuit — vorzuziehen.
2) Wegen ber Anordnung von St. 2734, 2735, 2735 a — vom 7., 16.,
3. Juni — und des dazwiſchen durch Lambert (vergl. in n. 26) erwähnten
Königliche Verfügungen. Verhaͤltniß zu Herzog Otto von Baiern. 9
dieſer gleichen Zeit jedoch, nad) Pfingften, hatte ſchon eine
Angelegenheit in ben Vorbergrund der Dinge, wie jie den Hof be-
fchäftigten, fi gerüdt, welde von größter Tragmeite für ben
König werden mußte. Das war die Anklage, die gegen Herzog
Otto von Baiern erhoben wurde.
Seit Herzog Otto an Heinrich's IV. Feldzuge nad) Ungarn 1063
einen wejentlihen Antheil genonmen und fi dadurch dem Könige
empfohlen hatte, waren Ereigniffe eingetreten, welche bie Beziehungen
de3 mächtigen Herrn zum Hofe wieder weniger günftig zu geftalten
geeignet waren. Die Betheiligung Dtto’3 an den Vorbereitungen
auf Erzbifhof Adalbert neidiſchen Fürften, die dann 1066 zur
erzwungenen Entfernung des geiftlihen Rathgebers vom Site der
Regierung, in den Vorgängen zu Tribur, führten, mußte ben König
an die Mitwirkung erinnern, welche nod früher von Seite des
Herzogs von Baiern ſchon zum Sturze der Regentſchaft der Kaiſerin
Agnes geleiftet worden war. Unter dem Drude des Creignifjes
von Tribur hatte banad der König eine von Dtto gerührte
Geſandtſchaft an Alerander II. abgehen laſſen müſſen, und aber-
mals verſah berfelbe zwei Jahre fpäter, 1068, ala Königsbote die
Reichsgefhäfte in Italien. Nochmals verpflichtete fich darauf der
Fürftentages in Mainz vergl. Kilian's eingehende Erörterung, 1. c., 46-49,
welche wohl richtig unter eiwelcher Abmeichung von Lambert — inducias in
sex ebdomadas dedit — ben Tag zu Dainz zwifden 9. und 15. Juni rüdt.
St, 2734 — aus Berftabt, worüber vergl. Bd. L, ©. 596, n. 34 — ift bie
Beieberholung don Heinrich's 11. St. 1361 von 1003, ohne daß freilich jenes
früheren Diplomes bier gedacht worden wäre (vergl. Ph. Hafner, Die Reiche:
abtei öfeld bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, Herafeld, 1889, wo 66 u. 67,
m. 1, die fdon 1003 angegebenen genauen Grenzen, melde Heinrich IV. für
biefen beflätigten Wald Eherinevirft jet erneuert, ſich beleuchtet finden, Ferm
bie damals Fegeiete Grenze zum he noch heute ala Kreisgrenze — bis auf
Heine Ausnahmen dee Kreiſes :öfeld und bes lints der Fulda liegenden
Theils don Rotenburg — in Gältigleit fteht). St. 2735, in deſſen Datum
17. Kal. Jun. nicht richtig fein fann (vergl. Hertz Archiv der Geſellſchaft für
ältere beutiche Geichichtäfunbe, V, 327, wo ausbrüdlih 16. Juni genannt if),
gomtt bejonber8 der Kaiferin Agnes und des Erzbiſchofs und Erzlanzlers
Mine. St, 2röse best einen Gütertuft fir bad Gläer gie in
jer, welcher uasgrani in regis palacio geihah. vaß Heinrich IV.
babei —— a un Den nun me aa K I, fallenden —F ——
BeRätigung un! yenkan ie das Bisthum Lüttich, St. Zu liehen.
m FAN wird auf Ders II. St. 757, Otto'3 III. St. 884, Heinrid’3 II.
t. 1424, auf eine Urkunde Konrad's II. (doch nicht St. 1857, über wel
übrigens vergl. Brehlau, Konrad II, Il, 438440) und eine ſolche Heinrich’ TIL.
(nit St. 2171), und über dieſe rückwäris auf reges Francorum, Sarolinger,
Deren al vr une 1424 Beat, pertieen, um — iſt
im Auſchluffe an St. 1424 ausgeſprochen noch mit aioi
weiteren Ramen — barunter Heriwardes, wohl der in St. 1857 genannte Ort
en — bei Aufzählung der appenditie); unter den neuen Schenkungen ift
ders wegen Dinant auögeführt, daß die biichöfliche Kirche das Recht habe:
illod eastrum . . . judiciario jure et legali deliberatione construere vel
Potius reconstruere, eo quod antiquitus fuerit constructum ad regni
Degotium presertim, cum hulus rei sit inditium et pars muri et trium soli-
dorum census, bazu noch Münze, Zoll und Marti.
10 1070.
Herzog den König zum Dank, indem er im Beginne des Jahres
1069 bei deſſen Kriegszuge gegen bie Liutizen Hülfe leiftete, und
troß des peinlichen nächtlichen Vorfalles während des königlichen
Aufenthaltes auf einer ſächſiſchen Vefigung Otto's nad) Beendigung
des Feldzuges blieb er augenjcheinlich in des Königs Vertrauen,
dad er durch die Mithülfe gegen den Aufftand bes Markgrafen
Debi_abermals rechtfertigte. Verdächtigungen, welche fich zumeift
auf Dtto’8 Beforgung der bairiſchen Angelegenheiten bezogen, und
wo die Duelle der Següglicen Nahriht zu Mißtrauen Anlaß
bietet, da diefe auf dag Klofter Niederaltaich zurüdgeht — benn
bier glaubte man allerdings Grund zu heftiger Abnei ung gegen
den Herzog zu befigen —, diirfte damals auf Heinrih IV. noch
feine Einwirkung gewonnen haben??).
Dennoch lag die öffentliche Erjheinung des Gegenſatzes zwiſchen
dem Könige und bem Herzoge in den Perjönlichkeiten felbft be-
gründet. Der zur Führung des bairifchen Stammes erhobene, dem
vornehmiten Adel entitammte Mann ſächſiſchen Blutes ftand durch
dieſe jeine Geburt, durch jeine Tüchtigfeit und Erfahrung in ftaat-
lichen, ganz beſonders aber auch in Eriegeriihen Angelegenheiten
unter ben — des Reiches in ſo hoher Geltung, daß der auf
jede Einengung feiner freien Bewegung mit Eiferſucht aufmerkende
junge König fi voran ihm gegenüber wachſam zeigen mochte. Das
Andenken an weiter zurüdliegende Dinge konnte neu gewedt, eine
Reihe in näherer Vergangenheit liegender Thatſachen in einem dem
Seroge mißgünftigen Licht dargeftellt werden, und damit war ein
Verdacht in das Leben gerufen, der nothwendig, wenn bie Reizbar-
keit des Königs richtig benugt wurde, zu den mweitgehendften Maß-
nahmen den Anftoß zu geben vermodhte??). In der Umgebung bes
9) Vergl. Bb. I, ©. 342 u. 343, 488 u. 276, bann 491, 586590 (mit
n. 18), 610 u. 611, 620 (mit 618, n. 24, u. 622, n. 36). j
) Nigi, 1. c., II, nennt fein Gap. 2 des Abſchnittes über die ſaliſchen
Kaifer geradezu „Das Zeitalter Gregor's VII. und Otto’s von Nordheim” und
entwirft, 70 u. 71, ein nacdrüdlich glänzendes Wild diefer „großen unb bes
fonder8 auögeprägten Perjönlichfeit“, deflen Berechtigung Breklau, Jahres-
berichte der Gefchichtäwilienichaft, VI (1883), IL, 50 — „ein im Ganzen gewiß
treffenbes Gharakterbilb“, troß „der Dücftigen Ueberlieferung” — night bee
reitet. Doch ift dabei von Rd au viel Gewicht auf Lambert'3 Worte zu
1070: Clarus eo tempore in palatio et magnae in re publica auctoritatis
erat Otto dux Bajoariorum (l. c., 177) gelegt, denen bie Urkunden wibere
ſprechen, indem fie Otto in ber Iebten Zeit vor feinem Stun nur ein Mal
ficher, 1067 in St. 2711 (vergl... Bd. I, &. 568: vergl. ©. 591 n. 21 wegen
St. 2714 — in St. 2722 tann Orbulf gemeint jein), als Sntervenienten er»
wähnen. Die Motivirungen bes Bruches zwilchen dem Könige und Otto bei
®runo, De bello Saxon., c. 19: Ottonem denique, virum prudentem et
fortem, qui natus e Saxonia dux erat in Bawaria, omni, calliditate
deponere quaerebat (sc. rex), quia illum cum omnibus Bawariis Saxones
adjuturum non dubitabat (SS. V, 335) und in Ekkeh. Chron. univ., a. 1071:
Otto dux Bajonriae ... Saxo genere, vir amplissimae nobilitatis, prudentia
rebusque bellicis perpaucis erat comparabilis et in tanta apud universos
primates excellentia habitus, ut rex, qui jam Saxonibus omnino suspectus
et invisus erat, ipsum contra se in regni fustigium elevari posse formi-
Entftegumg bes Gegenfages zwiſchen Heinrich IV. und Herzog Otto. 11
Königs begann fi ein allerdings erft nach einiger Zwiſchenzeit
greifbarer hervortretender Kreis von Nathgebern zu bilden, deren
Mitwirkung bei den Geſchäften fih immer mehr fühlbar machte.
Aber der foldhergeftalt geübte Einfluß wurde durch Männer, die in
erſter Linie ſich felbft, ftatt diefer zufällig emporgeftiegenen Perſönlich-
feiten, zu folder ehrenvoller Stellung berufen glaubten, bald mit
unverhehlter Abneigung betrachtet. Daß anderntheils ein Heinrich IV.
fo nahe ftehender Vertrauter, wie ber frühere Graicher Kuno, bei
Herzog Otto durchaus unbeliebt war, hatte ſich eben bei jenem
nãchtlichen Zufammenftoß ſchon im legten Jahre erwieſen, wo unter
dem Dache des dem Sen ehörenden Haufes von deſſen Gefolge
die dem Gafte geſchuldete ierheit ſchmählich verlegt wurde. So
konnte der ftolze und rückſichtsloſe Fürft auch noch anderen, auf bes
Königs Ohr einwirkenden Perfonen durch fein Auftreten verhaßt,
ein Gegenitand der Furcht und des Mißtrauens geworben fein, und
ohne daß im Einzelnen die Art und Weife irgendwie fih klar—
legen ließe, geſchah e3 wohl leicht, daß ein Verbadht in das Gemüth
des Königs gebracht wurde, weicher fi) mit früher gewonnenen,
aber inzwijchen zurüdgetretenen Eindrüden verband, bis die einmal
gewedte Leidenschaft ſtürmiſch durchbrach *®).
daret, si res sua secus cederet (SS. VI, 200), find gleich wenig annehmbar,
da fie von Erwägungen ausgehen, für welche 1070, wo zu ben Sachſen ein
etang einer eigentlich annaliftiichen Entſtehung des Kambert’ichen Wertes aus,
12 1070.
Das Creigniß, durch welches eben im vorhergehenden Jahre
Kuno bedroht worden war, ein Vorfall, der, wie ſich von jelbft
verftand, noch frifh im Gedächtniß des Königs haftete, ieh ſich
zur Anknüpfung ausbeuten. Ein gewiffer Egino trat unter dem
Schutze von Vertrauten Heinrichs IV. am Hofe auf und fand
Gelegenheit, dem Könige felbft Mittheilungen zu machen, auf deren
Grund ein vernihtender Angriff auf Herzog Otto zu beginnen war.
Der Angeber wies ein Schwert vor, weldes er aus ber Hand
Otto's empfangen zu haben verficherte, und enthüllte ein Geheimniß,
das erft das wahre Licht auf jene nächtliche Störung bes
Hausfriedens werfen follte. Die Erzählung lautete, daß es fih
damals gar nit um einen Angriff auf Kuno in Wirklichkeit ge-
ganbelt habe, fondern um einen verbrecheriſchen Anjchlag gegen das
eben des Könige. Dan habe het, Heinrich IV. werde auf
Kuno’3 Hülferuf zur Veilegung bes Lärmes aus feinem Schlaf-
gemach felbft herbeieilen, wobei e8 dann auf feinen Anderen, als
auf ihn, abgejehen geweſen wäre. Egino verfiherte, daß er in
diefem Falle fein Verfprechen gegenüber dem Herzog, den König
mit der dargereihten Waffe zu durchbohren, erfüllt haben würde.
Der Ankläger erklärte fi) aber auch ferner bereit, ſich felbft als
Bürgen für die Wahrheit der_Ausfage darzubieten und, falls der
Herzog die Sache in Abrede ftelle, durch jedes Beweismittel, bis
um Gottesurtheil des Zweikampfes mit dem angeſchuldigten
ürften, diefelbe zu erhärten. Nach diefem Vorgange gelang es
raſch den Gegnern und Neidern Otto's, die in des Königs eigener
Seele jhlummernde Abneigung zu weden und den Verdacht zu be-
feftigen, daß Hochverrath beabfichtigt geweſen fei, daß wohl ähnliche
verbrecheriſche Abfichten auch jegt noch feftgehalten würden; denn
ber Argwohn Heinrich's IV. mußte durch Egino’8 Angaben in dag
Leben gerufen worden fein?*). Weber dem gewaltigen Auffehen,
end, Heifiice Sandesgeichichte, ILL, 39, 75, fich
7, über
vergl. naher zu 1072, n. 77.
2) Als Zeugniffe für die Aonbeingung ber Anklage dur Egino fallen
Egino's Hocverratheanklage gegen Herzog Otto. 13
das die ganze Angelegenheit erwedte, wurde nicht beachtet, aus
einer wie trüben Quelle die Anklage ſelbſt emporgeftiegen war.
Denn ganz abgejehen davon, daB, die Nichtigfeit der Ausjage noch
vorauögejegt, ein Menſch, welcher fi zur Durchführung eines
Auftrages, wie ihn Egino empfangen haben wollte, hatte finden
laſſen und welcher nun anderntheil® ſchamlos genug war, öffentlich,
das beabſichtigte Verbrechen zu befennen, von dem Umgange mit
Männern reinen Gewiffens hätte ausgeſchloſſen fein follen, lag noch
ber Umftand anbermeitiger ſchwerer Belaftung für Egino vor. Der
Geburt nad) ein Mittelfreier von bejcheidenem Vermögen, hatte er
durch verwegenes Auftreten, durch Gemaltthaten verſchiedener Art
einen ausgebreiteten, aber üblen Ruf ſich verjchafft, fo daß aller-
dings die Lebengweife biefes verbrecheriſchen Friedensſtörers auch
mit der Möglichkeit eines Mordanſchlages gegen den König ſich zu
vertragen jchien >).
felben in ber Erzählung von der Anklage jelbft: Otto dux nullo modo quie-
scere patiebatur; sed occulta consilia semper contra regem machinabatur.
Et cum jam hoc pene omnibus esset in ore, rex tamen dissimulabat, se
eredere, donec Egino praedietus regem adiit et rem omnem, cuius ipse
optime conseius fuerat, manifestavit (SS. XX, 820 u. 821). Ohly, Rönig-
tum und fürften zur Zeit Heinrich s IV. nad ber Darftellung gleichzeitiger
Seſchichtsſchreiber (Giehener Differt., 1889), führt fpeciell an biefem Zuſammen -
bang aus, 19—21, wie ſehr der König in biejer Sätberung in den Miitelpunkt
der Binge gerüdt fei. Auf einem ganz entgegengelekten Standpunkte befindet
fi Lambert, der von den plerique homines nequam (vergl. n. 23) jagt:
quendam, Egenen nomine ... in necem exitiumque eius (sc. Ottonia)
subornaverunt; is crimen adversus eum detulit, quod se ad occidendum
regem precibus et pollicitationibus multis eaepenumero sollicitasset, atque
in argumentum fidei gladium ostentabat, quem sibi ab eo in hos tam
sceleratos nefariosque usus datum asserebat; si inficiaretur, paratum se
guovis judicio verbis suis fidem facere. Qua accusatione vulgata, hi,
juos ratione communis commodi aliquando offenderat, omnes infensi in-
festique aderant, et iracundiam zegis adversus eum inflammare summa
vi, summa ope nitebantur (l. c., 177). Noch viel weiter geht Bruno, c. 19,
in ben auf die Stelle von n. 22 folgenden Worten über Selneich IV. felbft:
quendam nomine Einnonem ... pretio conduzit et promissionibus
sollieitavit, ut ducem de regis morte secum tractasse diceret, et hoc se,
in aingulari bello probaturum promitteret, welche in die Reihe ber
in Bd. L, €. 613, n. 14, dharakterifirten unerhörten Erfindungen gehört. Dar
gegen ftimmt der allerdings jüngere Bericht in Ekkeh. Ohıron. univ. (a. 1071)
ım Wejentlichen mit Zambert: Hine (sc. von dem in n. 22 Gingerüdten)
perversitatis materiam arripiens quidam Egino .. . patrocinantil sibi
übusdam regis fidelibus — Worte, die Mehmel, 1. c., 52, troß Bogeler's
Unwendung, 14, n. 3, zutxeffenb auf die Otto feindliche Partei am Hofe bes
jiegt — curiam (hier „Hof“, nicht „Reichöverfammlung“ , wie Vogeler, 14,
Äberiept) irrepeit, et magnum illum heroam, qui se nunguam noverat, secum
de regis nece traetasse commentus est; se ipaum etiam, ut mos est,
testati regiae vadem obtulit, quousque campionis duello cum duce con-
vera comprobaret quae retulit. u
=) Für Otto’d Schuld Iprechen allerdings jehr nachdrücklich die Ausſagen
aus Niederaltaich (vergl. n. 24), die aber, a Vogeler s ganz entiäiedener
Bertheidig „bc, 11-14 (insbefondere auch gegen Mehmel, 1. c., 51
ala Yon ooenherein gegen Otto parteiiſch gefärbt, jo menig angenommen
ierben können, ala bie in Bb. I, ©. 590 (mit n. 18 u. 19), n. 24 zu ©. 618
14 1070,
Als Heinrich IV. fi) die Meberzeugung von der Schuld des
Herzogs gebilvet hatte, ging er alsbald gegen den Angeſchuldigten
vor. ER den ſchon erwähnten, ungefähr brei Wochen nad) dem
Pfingftfefte in Mainz abgehaltenen Fürftentag wurde Otto vor-
geladen, und bier legte der König vor der Verfammlung über
Egino’3 Anklage Beriht ab. Nachdem der Herzog und Egino
einander gegenübergeftelt worden, zog ber Angellagte, welcher nad
einer alerbings fpäteren Nachricht den Gegner nicht einmal gelannt
haben fol, durchaus die Wahrheit des Vorgebrachten in Äbrede.
So fam e3, weil zmei ſich ausſchließende Behauptungen einander
entgegenftanden, nad) dem Anerbieten Egino's zu der Entjcheidung,
daß durch den Zweifampf die Darlegung von Schuld oder von
Reinigung fi zu vollziehen habe. Der König verfündigte die Frift
beleuchteten Belaftungen des 18 von ben Jahren 1068 (und 1067) und 1069;
alle a A — Le, 3 469 (n. 140) — unter bem
Eindrude der bjebun Dtto'3 ala ‚De von Baiern oder, vom Gtanbpuntte
des Annaliften, der Befreiung bes — von einem unwillig ertragenen
Joche (vergl. a. 1071: abbatıa Altahensis libertati pristinae est restituta,
im Gegenfaß zur biäperigen servitus, 1. c., 822). Dazu fommt, daß jogar auch
in Dielen Annalen der Angeber Ggino ala eine jönlichteit zweitelhaften
arallers chetegn hervortritt, wenn auch freilich keine folche Verurtheilung
deſſelben in ben Worten vorliegt, wie in ben Otto günftig gejinnten Quellen
lehmel wirft ein fonderbares Licht auf ben Annaliften in der Behauptung,
öl, daß da Egino „als eine —T unbeſcholtene Perfönlichteit" eriheine).
Egino heißt bei ambert, a. 1070: homo ingenuus, sed omni flagitiorum
genere infamatus — und, in den Worten ber Fürften, homo sceleratissimus,
ui si quid ingenuitati tibus accepisset, id per furta, per latro-
inia, denique per omnia vitiorum probra jam dudum oblitterasset, ebenfo
wieder a. 1072: cum plurimi adversus eum (sc. illum nostra aetate nomi-
natissimum Egenen) pro privatis injuriis et depraedationibus faciem regis
interpellassent .... unb a. 1073: famosissimus ille Egen .. . compre-
hensus in quodam latrocinio a popularibus caecatus est et ad tantam
egestatem redactus, ut deinceps ostiatim eircueundo stipem publicam
peteret (l. «, 177, 190, 206), — ober bei Bruno, c. 19: praeter audaciam
nichil virtutis habens, oder bei Ekkeh. Chron. univ., a. 1071: mediocri
loco natus, rebus admodum tenuis, audacia tantum et nequitia satis
difamatus, hexnach latro, ignobilis, wobei die gemachten Angaben über bie
Abſtammung nicht in dem durch Vogeler, 15, angenommenen Widerfpruch mit
Sambert eben, wie Buchholz, Ettehard von Aura, I, 56 n. 3, richtig erörtert,
dl. e.). Eine viel zu wenig geficherte Annahme, meiche gets norbthäringif
Ürfprung nar — wollte, wies Brehlau, Konrad IL. IL, 8 n. I, ab. Bon
ben Neueren ſpricht fich Fioto, Kaiſer Heinrich IV., I, 351 ff., ganz gam eine
Schuld Dtto’3 aus, eben\o Örer, Gregorius VII, II, 217 u. 218, der fich
aber, wie zu erwarten, Bruno's Anklage gegen den König aneignet, dann von
ben Verfaſſern von Monographien über Otto Mehmel, 5160, ferner R. Wage-
mann in dem Otto'3 Procek behandelnden Andang, 104 ff., feiner Roi
Differtation: Die Sachſentriege Kaiſer Heinrich’ IV. (Gele 1882). Giefebrecht,
Geſchichte ber deutichen Kaiferzeit, III, (5. Aufl.), 157, hält es für ſchwer, ein
Hetheil zu fällen; aud) Bits) Le, I, 74 jagt: „&3 läßt fid nicht ente
fcheiden, ob biefe Klage begründet war“; Riezler, Geſchichte Baierns, I, 484,
will die Schuld eher verneinen, obſchon ein fidheres Mxtheil zu fällen unmöglich
6 Rante, weltgeicichte, VII, 282, fieht, ohne fich tiefer einzulafien, in der
sache einen „unglüdlichen Zufall“. Einzig eben Vogeler, 16—20, nimmt mit
Rachdruck die Anklage der Annal. Altah. maj. auf.
Otto's Vorlabung zu Gerichtätagen nach Mainz und Goslar. 15
bis zu dem Tage, mo, zu Goslar, am 1. Auguft, vor feinen Augen
und vor ben Fürften auf einem neuen Gerichtstage dieſe Durch-
führung der Hochverrathsklage zum Abſchluſſe kommen follte.
Darauf wurde Otto in feine ſächſiſche Heimat entlafjen**).
Zur feſtgeſetzten Frift?”) fand die neue Verfammlung zu
Goslar?) ftatt. Aber in der Zmwifchenzeit war der Herzog zu
einem Eutſchluſſe gelangt, welcher den in Mainz gehegten Voraud-
fegungen nit entſprach. Mochten nun aud von anderer Geite,
wie eine Auffafjung diejer Verhältniffe annimmt, Erwägungen unter
Dito’3 Standesgenofjen laut: geworden fein und auf ben Fürften
3) Zambert (vergl. zu demjelben auch Ohly, 1. c., 48): Igitur rex eum
{se. Ottonem) Mogontiam cum ceteris prineipibus ad colloquium evocarit,
id delatum esset exposuit, negantigue inducias in sex ebdomadas dedit,
ut Kalendis Augusti Goslariam veniens objeetum erimen, coı 6 cum
aceusatore suo, manu propria refelleret (177); zu Dieffenbacher, Lambert von
Herifelb ala Hiftoriograph (Heidelberger Differtation, 1890: Würzburg), 73,
Dep hier Die Bahl ner eine der tapife) beliebten Angaben Rambert'® ei, Rimmt
bie ſchon in n. 20 angemerkte Beobachtung Kilian's, daß das Jtinerar bie
Annahıne einer über eiwa fieben Wochen ſich erftredenden Friſt erforbere. Als
tes Zeugniß jagen Annal. Altah. maj., im Anſchluß an die Stelle in n. 24:
cognito rex ultra silere incautum eredidit, ducem in sui tiam
venire jussit; quae de eo audierat, coram multitudine aperuit. His ille
anditie, ut erat callidus nimium, constanter perstabat negare, tandemque
dimissus jubetur domum ire, certo die ad Coslare venturus et de eodem
erimine coram rege et prineipibus singulari certamine se purgaturus (821).
3m Ekkeh. Chron. univ. (a. 1071) if} nur ber Fürftentag, ala folder, erwähnt:
fis vel colloquiis regalibus, uno Mogontiae . . . condictis; dagegen will
Autor wiflen, daß Ollo ben Anfläger gar zint gdannt habe (vergl. in
n. 24, —2 — Baip, Deutice —— VIEL, 39, n. 1, mit Recht in
dos von Delbrüd, Ueber bie Glaubwürbigteit Sambert3 von Hersfelb, 22 u. 23,
an imene „vollftändige Bilb einer deutichen Gerichtsverſanimlung“, das
Zambert entwerfe, Zweifel feht, ift durch Vogeler, welcher aber jonft auch mehr
als das wirklich Gelagte aus dieſen Berichten heransnimmt, 22 u. 23, auf bie
Analogie de3 alles von 1048 zwiſchen dem Grafen Thietmar und Arnold
(vergl. Gteindorff, Heinzid) TIL, II, 40) Hingemiefen. Mehmel, ber 1. c, 65
bis 67, eine richtige Beleuchtung ber Dinge Bringt, nimmt Nordheim ala mög-
Tiche Erflärung der domus, im Nieberaltaicher Berichte, an.
#7) Heinrich’ IV. Anweſenheit in Goslar erhellt auch aus St. 2738,
vom 6. Auguft, allerdings mit bem corrumpirten Ortsnamen tfrania, einer
Fr von Heinrich's III. St. 2423 von 1052, der Immunität ber Richt
don bi
centenae,
ie Bilchof Adalbero III, wobei ald Beifügung zur Vorlage
quas T'heutonici hunnenduon vocant, Hinzulamen, nad; Sauerland,
Die Immunität von Me, wo, 75—79, bie Bedeutung Diefer Iegten Immunitäts
urtunde für das Bisthum en iR, die Gerichtögefälle, wie denn
anf diefe ganz in ben Händen des Biſchoſs Liegenden Gentene der Schwerpuntt
Pr ‚eigent! FR Sei — el at a kt ‚Döring, Beiträ F 12
jichte öthumi J au rehlau, zu den ee:
—— ildungen, Lie. v 76, if St. 2738 das Fr e Diplom des
Schreibers Abalbero B, der wahrſcheinlich gar nicht dem ftänbigen Kanzleiperſonal
e.
=) Wegen ber Auswahl von Goslar als Gerigtapätte für ben aus bem
35 Stamme Hertorgrgangenen fürftlichen Angellagten vergl. Franklin,
Das Keichöhofgericht tm Mittelalter, 1,38 n. 1 (bie ganze Erörterung über Otto’8
eh, 31 , Ichliekt fich hier überwiegend an Lambert an, da zur Zeit ber
jabe bes Wertes bie Annal. Altah. maj. nod) nicht vorlagen).
16 1070.
Einwirkung gewonnen haben, daß ein Mann von feiner Stellung
mit einem fo verworfenen Menſchen, wie Egino, nicht kämpfen
bürfe?”), jedenfalls war Dtto nicht des Willens, fih zum Zwei
kampfe berbeizulaffen. Aber er unterließ es dennoch nicht, jelbit
nad Goslar aufzubredhen; freilich zeigte ſchon der Umftand, wie
er heranzog, umgeben von einer Schaar Bewaffneter, daß er in
anderer Art, als in Mainz befohlen worden war, fi einftelle.
Bei den Abmweihungen, weiche fih zwiſchen den Zeugniffen über
die Verhandlungen zwiſchen König und Herzog ergeben, bleibt der
Verlauf berfelben undeutlich. Es ſcheint, daß Otto felbft anfangs
nicht Har über die Handlungsweife war, welche er zu wählen habe.
Wie er inmitten einer Triegerifhen Rüftung in der Nähe von
Goslar aufrückte, lag ihm wohl ber Gedanke nicht fern, im folder
Weiſe auf die Entjheidung des Königs einen Drud auszuüben;
ſchon jetzt mochte er erwägen, ob nit, was dann ja nad) dem
offenen Bruch alsbald der Fall war, die Zeit zum Widerftande ge-
kommen ſei. Aber er wollte doch noch nicht fo weit gehen und
ließ ſich alfo auf einen Wechjel von Botſchaften mit dem Könige
ein, um die Entſcheidung Hinzuhalten, vielleicht in der Hoffnung,
daß der König von der in Mainz aufgeftellten Forderung abweiche
und daß eine erneuerte gerichtliche Verhandlung an die Hand ge—
nommen werde. Das von den Boten Otto'3 gebrachte Begehren
wurde in die Bitte um freie Geleit eingefleidet. Doch Heinrich IV.
oder feine von Anfang an zu den legten Schritten gegen ben
Herzog geneigten Rathgeber durchſchauten die Abficht des Gegners,
daß — überhaupt zum Kampfe nicht zu kommen gedenke, und
wünſchten jetzt raſch die Entſcheidung herbeizuführen. So wurde
Otto's Begehren mit der Antwort, daß nur zum Kommen für ihn
von einem Geleit die Rede fein könne, abgemwiefen, bie Entſcheidung
de3 Mainzer Zuges voll_feftgehalten. Dtto wußte jeßt, was er zu
thun hatte; es fonnte fih für ihn, nachdem er ſich von ber Vor—
ſchrift de3 Zweikampfes Tosgefagt, nur noch darum handeln, fich
den möglicher Weife unmittelbar eintretenden bebrohlichen Folgen
der Verfäumniß der fir das Gottesgeriht angefegten Zeit noch
rechtzeitig zu entziehen. Er ſchickte demnach allerdings wieder eine
Botſchaft an den König nad) Goslar, mit dem Wunſche nach noch-
maliger Erſtreckung einer Frift; aber er wartete in beitimmter
Vorausfiht einer Nichterfüllung feines Begehrens die Antwort gar
nicht ab, fondern beftieg, vol Argwohn wegen nahfommenber feind-
feliger Schritte des Königs, ſogleich fein Pferd, um fi auf feine
Güter zu begeben und bier jeine Mafregeln zu treffen®‘). So
2%) Lambert ſchließt am ben Mainzer Tag an: causari principes de
iniquitate conditionis coeperunt, nec bonum nec aequum esse dicentes, ut
homo nobilissimus ... ... manum conferre juberetur cum homine scelera-
tissimo (vergl. bad Weitere in n. 25).
Bon den Goelarer Ereigniffen erzählen Annal. Altab. maj. (im An-
ſchluß an die Stelle von n. 26): Quibus induciis finitis cognoscens regem in
sua sententia perdurare et Eginonem, consiliorum suorum conseium, sibi
Herzog Otto's Flucht vom Gerichtätage zu Goslar. 17
hatte Heinrich IV. allerdings freie Bahn, wider ben Fürſten, ber
jest auch, gegen eine rechtliche Verabredung, ungehorjam geworben
war, vorzugehen; benn er mußte, nach feiner Ueberzeugung von der
Wahrheit der Ausfage Egino’s, nunmehr ben Herzog als einen er⸗
wiejenen Hochverräther anjehen.
Deſſen ungeachtet nahm diejer legte Theil der Ausübung der
Geredhtigteit in Goslar ohne Zweifel einen ganz geregelten Gang.
Den 1. Auguft, den Tag, an welchem nach dem Beſchluſſe ber
Mainzer Verfammlung die Entſcheidung hätte fallen follen, während
defien Dauer ber Wedel von Voten zwifchen dem König und Otto
hin und ber gegangen war, füllten in ben noch übrigen Stunden
eongressurum fore, die quidem constituto adfuit; sed tamen in praesentiam
vepire noluit, mandans i, ge non posse curtem venire, nisi rex
sibi venienti et abeunti concederet fidejussores pacis firmae. Cui rex:
Pax, ingnit, ei ad me venienti firma erit et post, pront reus et innocens
apperuerit. Quod responsum secum altius ut tractavit, rursum mittens
abke "inducias rogavit, moxque equum ascendens festinus abscessit, quis
non alind, quam quod ipee postulabat, facturum esse putavit (821) —,
ders aber in jehr ausgeführter Weile Lambert, deſſen Darftellung indefien,
worin Bogeler, 24 n. 2 u. 3, und Dieffenbacher, dieſer nur nod mit mehr
Beweifen, 88—90, 104, ganz zufammenftimmen, hier jo viele typiiche Wendungen
aufweift, dab fie hinter die anderen Zeugnifie gerabe durch die Übergroße Gülle,
der gewechjelten Botjchaften und ber Motivirungen, an Glaubwürbigteit zurüds
tritt. Der thatfächli —X des über Otto Grzählten iſt in Kurzem:
statuta ad proxima larine loca cum armata multitudine venit; mi
ad regem nuneiis mandavit (: nun folgen die beliebten Wendungen tuto
Yenire, tuto causam dicere und conditione quam prineipes regni aequam
jodi⸗ tt)... ... des Königs längere abweifende Antwort —: Relato ad ducem
responeo . . . ineisa spe veniae, infectis rebus, in sus se recepit (177).
jemüber Telbrüd, welcher in ber thatſächlich inhaltlojen Nebeneinanders
don venire und causam dicere ein „fein angelegles Kunftftüd“ bes
„zalfimirten“ erzählenden Möndpes erfennen will (24—26), wies jchon Vogeler
mit Recht darauf hin (n. 3 auf 25), dab „der Annalift jelbft feine —
Borflellung des ganzen Hergangs hatte, da er ſchlecht unterrichtet war“.
Bruno beleuchtet, von feinem Eönigefeinblien Standpunkte abgerechnet, nicht
wurichtig die Eade: Ita (vergl. in n. 24) certaminis illins constituto die,
Otto ab amicis mis episcopis et aliis prineipibus praemonetur, quod si
Goslariam veniret, ubi duellum fieri debebat, etiamsi adversarium suum
vinceret, tamen inde cum vita non rediret. Elegit ergo honore suo potius
imjuste privari, quam tale judicium subire, ubi sciebat ipsi justitiae vio-
lentiam fieri. Igitur ad su@ recessit. Ganz furz fagt Ekkch. Chron. uniy.:
. . . altero (colloquio) Goslariae (condicto), Otto cum Eginone, utpote dux
„cum latrone, primas cum ignobili, 'congredi contempeit. Daß Dito am
Ende ber abgelaufenen git [7 zum Zweilampf nicht fielen wollte, worin
auch Mehmel, 68, und Bogeler, 26, ganz übereinftimmen, hebt außerdem bie
Compil. Sanblas., weldje fonft nur ſehe furz if, hervor: Ötto dux Bajoarise
proditionis in regem reus a quibusdam accusabatur, etutse duello expur-
locus ei a rege dabatur; quod dum facere nollet .. ., ebenjo fpäter
idi Chron.: cum legitime ad satisfactionem vocatus nollet venire
(se. Otto) (SS. V, 275, 429. Die Quelle der irrthümlichen Auffaſſung
Zambert’3 lag eben barin, daß er infolge feiner ibealen Auffaſſung des Charakters
Ettv’3 annahm, berfelbe — et indignitate rei efferatus et Deo innocentiae
suae teste et conscio fretus — jei zum Kampfe bereit geweien: cum quovis,
etiam indigno, etiam praeter natales suos, pugnare malebat, quam tanti
sseleris suspicione teneri.
Weyer von Anonau, Jahrb. d. diſs R. unter deintich IV.u. V. vd. u. 2
18 1070.
lebhafte Verhandlungen. Als die Nachricht von Dtto’3 Fludt in
der koniglichen Pfalz eingetroffen war, wollten einige Stimmen
gig auf die Verfolgung des Flüchtlings, gegen welchen jegt dem
echt freier Lauf zu laffen ſei, dringen; doch die anweſenden
Srrunbe des Herzogs ftemmten fi) dagegen und brachten alle
jeweißgründe, welde fie nur auftreiben fonnten, dagegen vor,
augenfdeinlig; um nur wenigftend noch für biefen Tag Nachſtellung
von dem Bedrohten fernzuhalten, faum aus irgend welder
Hoffnung, die Lage feiner mißlihen Sache wirklich zu beflern.
Jenes eine wenigitens gelang ; denn erft am folgenden Tage wurde
entſchieden. Der König hatte in den Gang des Rechishandels
dadurch unmittelbar neu eingegriffen, daß er, und zwar, im Augen-
blid, wo das geſchah, ganz unerwartet, die Frage an bie Fürſten
erhob, fie follten bei ihrem Eide jagen, was Recht fei, bamit er
in dieſer Sache danach handle. Am 2. Auguft wurde alſo das
Urtheil, und zwar über den Sachſen an ſächſiſcher Gerihtsftätte
von ſãchſiſchen Fürften, geſprochen. Dtto murde, meil des Hoch⸗
verrathes ſchuldig, als friedlos erklärt. Für feine Perſon follte er
jedes Schuges beraubt und von jedermann, wo er getroffen würbe,
verfolgt werden. Das Herzogthum Baiern wurde ihm abgeiprochen
und in Verwaltung des Königs genommen; aber aud) die übrigen
Lehen und das eigene Gut waren in Selge der Vernichtung der
ganzen rechtlichen Stellung dem Berurtheillen abgejprochen ®).
. __®) Annal, Altah, maj.: Cum hoc (sc. Otto’ Entfernung: n. 30) autem
in euria auditum esset, fuere, qui mox iosequendum putarent; sed amieis
eius, qui in praesenti aderant, contranitentibus et, quibus poterant, ver-
borum argumentis tota die causam protrahentibus, subito rex inquisivit
prineipes sub sacramento regalis justieiae, quod justum esset, se jam de
jac re agere. (uorum judicio reus majestatis esse decernitur, et in regis
potestatem redacto ducafu, quem habuerat, ipse, ubicungue inveniretur,
— ab omnibus jubetur (821). Sambert ift hierüber eigenthümlich kurz
Kit aber in feiner hier ganz einfeitigen Weiſe dem Könige ein bösartiges
tiv unter: Postera die (sc. nach Dtto's Entfernung) rex prineipes
Saxoniae, quod ex his oriundus esset (sc. dux) et hi propter privata«
inimieities maxime invisum eum haberent, sententiam super eo rogavit
Qui eum tamquam manifesti criminis deprehensum reum majestatis judi.
caverunt, et si caperetur, capitali in eum sententia animadvertendum
fore, decreverunt —, und a. 1072 tommt er auf das Urtheil zurüd: duci«
Bajoariae Ottonis recens exemplum st aliorum quorundam, quos res
raecipitata sententia, absque discussione legitima — bamit wideripridh
unbert feiner eigenen früheren Angabe: vergl. Dieffenbacer, 1. c., 94 —
dampnaverat (177 u. 178, 191). Weitere kurze Zeugniffe find: — Annal
‚August.: Otto dux Bawariorum conjurationis contra regem arguituı
Annal. Weissemburg. (a. 1071): Otto Bajuvariorum dux, quasi conjurasse
in rugen Heinrieum, hostis judicatus est, et honor eius ad alios translatu
in Anſchluß daran Annal. Laubiens. Contin., a. 1071: Otto ... . depreher
itur et honore privatur), Annal. Corbeiens.: Otto Bawariorum ducatur
amisit, Compil. Sanblas.: Set rex Ottonem cum legitime ad satisfactioner
yocatus nollet venire, ducatu et caeteris beneficiis privavit, ferner bie i
bie Annal. s. Disibodi, a. 1075, aufgenommene Schrift: Ottoni ducatuı
Bajoariae abstulit, metuens eum, quia genere Saxo erat (SS. II, 128, 71-
IV, 21 —, III, 6, V, 275, XVII, 6); Bruno, I. c., c. 26, läßt 1073 Dt‘
Dtto’3 Berurtheilung und Abfegung als Herzog, 19
Durch diefe in Goslar gefällte Entſcheidung war von
Heinrich IV. ein verhängnißvoller Schritt vollzogen worden. So
fehr der König glauben mochte, zu diefem äußeriten Vorgehen gegen
einen Mann, welder einen Morbanfätag gegen ihn jelbit begonnen
habe, berechtigt zu fein, fo nahe lag eben deßwegen der Vorwurf
gan ihn, daß es ſich bei ihm um eine That leidenſchaftlicher
ahjucht handle, und in nothwendiger Weife knüpfte fich jegt im
ausbrechenden Kampfe von Seite der ausgeiprodenen Gegner des
abgefegten Herzogs eine Fülle von Thaten der Eigenſucht und Be-
gebrlihfeit an die Ausnugung bes Rechtsvorwandes gegen denſelben
an. Anderentheils faßte Dito feine ganze Kraft zujammen, um
feine Sache zu vertheidigen, und dabei fand er Bundesgenoffen,
durch deren Eingreifen der kriegeriſche Gegenfag über ein weiteres
Gebiet ſich verbreitete. Es war der Anfang von Erjehütterungen
im Reiche, welche de3 Königs befte Bebensjahte verbitterten ꝰ).
Die Ausführung des Urtheiles wurde alsbald an die Hand
jenommen. Che ber König jelbft ein Heer ſammelte, fcheinen bie
be defjelben, wohl jene Gruppe von Männern am Hofe, welche
von Anfang an die Aufgabe geregt hatte, Heinrich IV. dem
Herzoge von Baiern zu entfremben, den Angriff begonnen zu haben;
der König feinerfeits ſuchte feine Sade auch dädurch zu fichern,
daß er die Otto durch Blutsverwandtſchaft oder andere enge Ver-
bindung näher verpflichteten Fürften durch Seifelftelung ober Eid»
wur anhielt, nicht auf die Seite des befämpften Reichsfeindes
ih zu ſchlagen. Aber eben erft fein eigenes Eingreifen in bie
Entfheidung der Waffen brachte wichtigere Erfolge; unter Auf-
ebot von ungen, an denen nad) eigener Ausfage neben anderen
Sürten auch Erzbiſchof Siegfried ſich betheiligte, legte Heinrich IV.
mit allem Eifer die legte Hand an das Werk, um Otto als einen
wirklichen Widerſacher der ftaatlihen Ordnung völlig zu ver-
vichten®®).
Magen: quĩa ducatum Bawarise ... rex sibi in nullo crimino convicto,
fraude quadam excogitata, injuste rapuerit (SS. V, 338). Mehmel, 1. c.,
70-74, beleuchtet eingehenb bie Goslarer Verhandlungen, ſowie deren Folgen
E den Beruriheilten; im Anichluß daran jept Kilian, 1. c., 50, die Verhand-
mg auf den 1., dad Ürtheil — mit Rambert — auf den 2. Auguft (aud) in
ben orten ber Annal. Altah. maj. ift einer Vertheilung der Dinge auf
1 Zage nicht gerade widerſprochen; deren Ausdrud insequendum if auf
Feige "et 19 Oito’s, micht auf ben Proc —— fo Mepmel, 70 — zu
=s) &3 ift fehr Beaeicpnenb, daß ein aus einer fpäteren Zeit zurückblicken⸗
ber Autor gerade bier Ausgang weiterer großer Uebel fieht, nämlich
Ekkeh. Chron. univ.: idque tam prineipalis discordiae semen in perpetuos
beu! praeliorum et seditionum, praedarum et incendiorum, scismatum
etiam et heresium atque mortium lamentabiles fructus germinavit atque
succrevit (l. c.).
⸗) Jeber bas Gpgecutionsverfahren gegen Otto verbreitet fi voran
Lambert, doch wieber mit hämifchen Aeußerungen gegen den König und befjen
Anhang: Ilico amiei regis ferro et igni persequi eum, singuli pro virili
portione, aggrediuntur; plerique etiam nec fide erga regem, nec studio
2°
20 1070.
Es ift nahe liegend, daß aus Hersfeld, das durch feine Lage
den Schauplägen des Kampfes nahe gerüdt war, die einläßlichſten
Nachrichten über deifen Verlauf geboten werben. Während im An-
fange ber friegerifche Gegenfag fich zumeift in vernichtenden Hand⸗
lungen, Verheerung und Plünderung und Brandlegung auf Ber
figungen Otto's, Tödtung von Dienftleuten und Bauern deſſelben,
bargelegt hatte, wobei auch den Kirchen feine Schonung zu Theil
geworben jein fol, faßte Heinrich IV. ſelbſt die Anftrengungen für
ejtimmte Ziele zufammen. Die Burg Hanftein, durch beren be
herrſchende Lage auf der reiten Seite der Werra, auf dem füd-
weſtlichen Steilabfall des Eichsfeldes, Dtto den Unterlauf dieſes
Fluſſes in der Hand hatte, war von einer Bejagung behitet $
weſen; da aber biefelbe ſchon gleich anfangs im eilen Schreden
weggeführt worden war, vermochte der König den feften Pla von
Grund aus zu zerftören. Ebenſo hatte er vor bie weiter weftlich
im füblichften Theile des Engern’schen Landes, nördlich von ber
Diemel, gelegene äußerft fefte Burg Defenberg feine Rüftung gelegt,
und obſchon diefe Feite durch ihre Lage auf einem einzeln jtehen-
den Berge ganz unbezwinglich zu fein ſchien und bie Zelayung mit
allen für bie Keiegaführung nothwendigen Hülfsmitteln De
verjegen war, wagte es ii be nicht, Widerftand zu leiften, jo bai
der König nad) der freiwilligen Uebergabe den Platz feinerfeits zu
bejegen vermochte. Dann rüdte er noch weiter, nad Weftfalen
hinein, und verhängte hier auch über die Befigungen der Richenza,
der Gemahlin Dtto’3, ähnlih wilde Werwüftungen, in welden
insbefondere Frauen und Kinder, weil fi die Männer in Gebirg
und Wald an unmegfamen Orten verborgen hatten, arge Mißhand-
Tungen erlitten haben ſollen.
Aber auch Otto nahm für fich den Widerftand auf. War der
König ihm in den ſächſiſchen Gegenden überlegen, jo richtete er
ſeinerſeits feine Angriffe auf Thüringen. on den Schlupfwinkeln
im waldigen Gebirge aus, wo er nah Kräften Friegstüchtige
Genoffen in größerer Zahl um fi verfammelt hatte, von denen
allerdings ein anſehnlicher Theil nur durch die Ausfiht auf Raub
angelodt worden war, ſuchte Otto die mit ſchönen Vorräthen an-
gefüllten Höfe der königlichen Kammer heim und vergalt an ihnen,
was der König an feinem eigenen Befige verübt hatte. Aus ber
erga rem publicam (ete.) arma contra eum capiunt ... Deinde rex collecto
exereitu (vergl. wegen biejes Yufgebotes unt. in n. 52) egressus, extremam
operi manum per se ipsum imposuit; prineipes, quos ei consanguinitate
vel alia necessitudine obnoxios noverat, aut acceptis obsidibus aut jure-
jürando, ne ad eum deficerent, obligavit (I. c., 178). Heinrichs IV. perjöns
liche Theilnahme, welche auch Ekkeh. Chron. univ. (a. 1072) no hervorhob:
Rex Öttonem usquequaque persecutus, quum plures munitiones eius
destruit, predia vastat, et ut vere rei publicae hostem omnino eum delere
pertractat (l.c., 200), findet Bogeler, 28, n. 1, abgefehen von Sambert’3 Ucber-
treibungen, entgegen @iejebrecht, III, 160, und Mehmel, 74, welche, beſonders
exfterer, biefelbe beklagen, felbftverftänblich.
Ausführung des Urtheiles durch den König; Otto's Gegenwehr. 2
vielen Beute theilte er den wehrlofen und ausgeplünderten Bauern
feiner Güter aus, welde zu ihm ihre Zuflucht genommen hatten;
ganz beſonders befeftigte er duch Zumeilung von Beuteantheilen
den Gehorfam und bie Anhängtichteit feiner Krieger®*‘). So war
Dito verwüftend an ber Werra abwärts bis über Eſchwege, nicht
viel oberhalb von ber zerftörten Feſte Hanftein, vorgerüdt. Aber
bier fellte fich ihm, gefammelt durch den Eifer des Grafen Nuntger,
eine anjehnlie Bewaffnung von Thüringern in den Weg, welche
=) Wieder bietet Sambert über ben Krieg ben einläßlichften Bericht, doch
mit breiten, zum Zheil fi nahezu wiederholenden Ausmalungen der Kriegs⸗
— in den Eiten: Itaque undique laxatis, immo ruptis irarum habenis
(ete.) und Relicto illie praesidio rex .. . villas multas opibus et aedificiis
ornatissimas incendit (ete.) — und Ausbruchen ber Klage über dad mehr ala
barbarifde Zreiben der Königlichen, gegenüber der geflifientlich geprieienen lang ·
dauernden Surüdfaltung Otto’3; Tandem dux Otto perdoluit, et calamitatum
pondere superata est constantia patientiae; wichtig find nur die Nennungen
der, Burgen Hanenstein (vergl. Köftler, Die fri gi Zengte Kalſer
— IV. in G. von Glaſenapp. Neue —ã— lätter, XV, 19,
Imm., daß die ausgedehnten Ruinen der in ber weſilichen Gpipe ber heutigen
Provinz Sachſen liegenden Burg nit auf dieje Zerflörung zurüde
gehen, fonbern jpäteren Datums find) und Tesenberg, dann die Erwähnung
des Angriffs auf bie Güter der Richenza (vergl. Bb. I, S. 211) in ben Worten:
rex in ulteriora loca ad demoliendas uxoris quoque eins possessiones
exercitum abduzit, fowie das über Otto’d Angriff auf Thüringen — man
beachte: mit ad tria milia viri electi — Gelagte: impetum in Thuringiam —
eben biefer von Lambert geſchilderte „Angriff auf Thüringen“ könnte bafür
fprechen, ba durch die Annal, Altah. maj. erwähnte Waldgebirge Chetil, von
wo_ berjelbe auögegangen fein muß, gerade anders wohin En verlegen —
fecit, villas is fisei rebus cunctis affluentiesimas incendit (ete.), wobei
aber doch auch von biefer Seite gugegeben
Elemente um Otto fi fammelten: milit
Eämmtlice Werte III, 105 — doc) wenigftens nach Öfterley, —
—— Wörterbuch, dea deutſchen Mittelalters, 685, bie einzige Nennung
Diefes Ramens —: dab nit mit don Defele, Auögabe in ben Seript, rer.
German, Ed. 2. ‚80 n. 1 u. 99, an den in Bd. I, ©. 45, n. 43, er
‚regi
Chronit 071, in der Refitution durch Buchholz (41: Otto dux re;
Heinrico Tebellat) ben Kampf auf. — cı X
22 1070.
nad) der vor einigen Jahren unter ihnen eidlich beſchworenen Ver-
pflihtung, Straßenraub und Plünderung zu beitrafen, ſich in Eile
ufammengethan hatten. Sie waren Otto's Schaaren auf dem
uße nachgefolgt und fließen nunmehr unweit Eſchwege am
2. September, alfo genau einen Monat nach Dtto’3 Verurtheilung,
auf ben Feind. Wieder liegt nur aus Hersfeld ein eingehenderer
Bericht über den Kampf vor; doch Haben auch andere Jahrbücher
den Streit als einen ſehr blutigen angemerft. Lambert kann den
hier gewonnenen Sieg des abgejegten Herzogs, deifen Sache er von
Anfang an ganz zur Teinigen gemacht hat, nicht lebhaft genug außs
malen. Dana nahm das Gefecht ſchon feht bald eine für bie
Thüringer höchſt ungünftige Wendung, jo daß fie, Ruotger voran,
unter anfehnlihem erlujte, theils in die anftoßenden Wälder und
Berge entflohen, theils jchleunigft auf dem gleichen Wege zurüd-
Tehrten, während-Dtto, nachdem er feine Truppen aus dem Kampfe
zurüdgerufen hatte, die Stelle, welche er beim Beginne des Gefechtes
eingenommen hatte, bejegt hielt. Am Abend des Tages entließ er,
ba er nad) diefem Erfolge feine Nüftung vermindern zu dürfen
lauben mochte, wohl aud im Hinblide auf die im nunmehr bevor-
ehenden Winter ſchwieriger fich geftaltende Verpflegung, die meiften
angefehenen Anhänger aus feinem Heere und nahm nur ben Reft
von Mannſchaft, deifen er nach den Umftänden zu bedürfen meinte,
mit ſich fort?®),
Von Thüringen hinweg verlegte Otto bie legten Monate des
Jahres hindurch die Stätte feiner friedensftörenden Thätigfeit auf
®5) Lambert jchildert ben Kampf eingeht: Ita populabundus ultra
Heschenewege pervenit (ec. Otto, bei dem Einfalle in Thüringen, von .n. 34)
... , Interea Thuringi, qui se ante aliquot annos sacramento obstrinxissent,
ne latrones aut raptores inultos sinerent (vergl. Bb. I, ©. 621, 661 u. 662,
mit n. 23 — Dieffenbacer, 1. c., 77 u. 78, geht bier mit feiner Beugnung der
Glaubwürdigkeit Lambert’ zu weit), rerum suarum direptionibus exacerbati,
arına conclamant (vergl. nachher: qui primo ut res certamini committe-
retur vehementissimus auctor incentorque fuerat, Ruotgerus comes), con-
lobatie propere ingentibus copis, hostes e vestigio Insequuntur, ‚nven-
tisque haut procul ab Heschenewege (daraus, daß bie Thüringer die Spuren
Otto’3 „verfolgten“, ift m ihließen, daß derfelbe an der Werra abwärts ge-
jogen war) certamen inferunt 4. Nonas Septembris; bie Schlachtſchilderung
kb (178 u. 179) ift, wie Dieffenbacher ganz richtig, 116, buch srgleicjung
mit anderen Gtellen zeigt, [Gematiid), mit der für Sambert’3 Parteiftellung bes
geichnenden Gegenüberflellung der gefallenen Thüringer — Trecenti plus vel
minus in ea congressione ex T’huringis corruerunt — und de unus oceisus,
duo vulnerati von Otto's Seite (Bogeler, 30 n. 1, will. bei den Thüringern
bei ben alii — in proximos montes et silvas evadere — Bauern zu Fuß,
was dann den großen Verluft gegenüber Otto’ berittenem Hecre exflären
imürbe, bei ben alli — per iter quo venerant eitatis equis reverti — Witter
annehmen); von Dtto heißt es nad) dem Siege: aliquamdiu in eisdem castris
eommoratüs est, et vergente jam in vesperam die, plerosque, principes
exercitus sui singulos in sua cum pace dimisit. Bon dem Gefechte vom
2. September fprechen noch außerbem Annal. Corbeiene.: Qui (se. Otto) juxta
Eskeneweg multam hominum cedem fecit, und die ja übrigens nach Heffen
zu feßenden fogenannten Annal. Ottenbur.: Otto dux contra regem magnam
cedem feeit juxta Askinewage (SS. III, 6, V, 7).
Otto's Sieg bei Eſchwege; Sicherung Goslar’ durch den König. 23
ſächſiſchen Boden, wo er fein räuberifches Treiben zu großer
Schädigung königlicher und bifhöfliher Beſitzungen fortfegte.
Vielleicht lehnte er fi von da aus fogar an Einverftändniffe mit
den heidniſchen Reichsfeinden jenfeit3 der Elbe, den Liutizen, gegen
welche er jelbft noch im zmweitvorangegangenen Winter im fönig-
lichen Heere fein_tapferes Schwert gejhmwungen hatte. Außerdem
aber ftügte er ſich auf ben Beiftand des Sohnes bes Herzogs
Orbulf, des jungen Billingerd Magnus, welder feine Sache mit
derjenigen des als friedlos erklärten Verurtheilten in kecker Heraus-
forderung des Königs verband und auf jeinen Befigungen Dtto
und deſſen Helfer aufnahm?*). Durch diefe Einniftung der Feinde
in das ſchwer heimgefuchte jächlifche Land wurde aber nothwendiger
Weiſe aud die Behandlung der Regierungsgefchäfte durch den
König bedingt.
Heinrih IV. weilte wohl noch in den weftlichen Theilen des
jähfiihen Gebietes, als ihn die Nachricht von der durd die
einigen bei Eſchwege erlittenen Niederlage erreichte. In richtiger
Vorausſicht defien, was Dtto nad diefem Siege beginnen würde,
eilte der König ſogleich nad Goslar zurüd, um von dieſem Plage
die Angriffe fernzuhalten, welche, wie gemuthmaßt werben burfte,
Dtto und deſſen Kampfgefährten gegen den für die Hofhaltung
bevorzugten königlihen Sig im Schilde führen mochten. Denn es
war zu befürchten, daß der fo ſchwer von der Ungnade berührte
Fürft an der Pfalz, wo das Urtheil gegen ihn gefprochen worden
war, durch Feuer das vergelten werde, was ihm felbft durch bie
Volführung der Strafe zugefügt worden war. So blieb der Hof
unausgeſetzt bis zum Weihnachtsfeſte in Goslar, und ohne Zweifel
weldyen
Bogeler, 30, n. 3, wohl bahin zu verftehen, daß Otto vom Öftlichen Sachſen
mit den nädftwohnenden Elaven Verbindungen —ã— —— Den
lub des Magnus erwähnen aud Bruno, c. 19: associato sibi Magno,
duce Grrig: richtig dagegen der bie Stelle benußende Annalista Saxo, a. 1069:
o, Ördulfi sive Oltonis Saxoniei ducis filio, SS. VI, 697) Saxoniae,
per duos fere annos (wieder fehlerhaft) cum rege beilum crudele gessit.
mb die Compil. Sanbies.: cum eo (&c. Ottone) simul Magnus, Klius Öttonis
dueis Saxoniae aqnilonialis, sc. occasionem rebellandi suscepit (SS. V,
35, 2701. „Manitub, Beute Geht unter den AöRiden un aiigen
Ruilern, 536, macht auf ba® erneuerte Verhältnik Grabiichot Adalbert zu
Seinridh IV. — vergl. ®b. I, ©. 629 u. 630, mit n. 57 — old auf Die Mrfache
der Beiheiligung des Magnus aufmertjam.
4 1070.
that der König Alles, was er fonnte, für die Sicherung bes ihm
fo theuren Plaes??).
Am Weihnachtsfeſte, das in Goslar gefeiert wurbe®®), vollzog
dann Heinrich IV. die legte Mafregel, welche fich aus dem —
gegen den abgefesten ‚Herzog von Baiern eigob; er verfügte über
Bar N abgeſprochene zogthum, und zwar zu Gunſten
>89),
In Welf war der Sohn eines italieniſchen Vaters und einer
deutfhen Mutter zu ber Leitung bes bairifhen Stammlandes
emporgehoben, auf deſſen Boden er felbft, und zwar zumeift zunächſt
ber Weſigrenze auf ber rechten Seite de3 Lech gegen das eigentliche
welfiſche Stammland Schwaben hin, ausgedehnte Befigungen hatte.
Denn ala 1055 mit dem beihnehmer an ber fürftlichen Ver-
ſchwörung gegen Heinrich III. Welf— III. —, dem Herzog von
Kärnten und Markgrafen von Verona, das alte welfifche Haus aus⸗
geftorben war, hatte defjen Mutter, bie alte verwittwete Gräfin
37) Lambert allein hebt hervor: Perlato ad regem nuncio acceptae in
Heschenewege cladis, omiseis rebus aliis, Goslariam coneitus remeavit,
nec inde usquam ante nativitatem Domini abscessit, timens seilicet, ne
tam caram tamque acceptam sibi villam, quam pro patria ac pro lare
domestico Teutonici reges incolere soliti erant,.hostes per absentiam eius,
quod minitari et erebris usurpare sermonibus dicebantur, in favillas
Cineresque redigerent (179,. Wenn aud; bieje Stelle Tambert'3 gleichfalls in
bie Reihe der Bb. I, ©. 696 n. 4, harafterifirten übertriebenen Angaben, bins
forti der behaupteten Gewohnheit der Könige, gehört, fo ift doc angeficht8
er damaligen Sachlage hier eine ſolche Hervorhebung viel berechtigter.
*8) Daß nur Lambert’s, a. 1071, Angabe der feier in Goslar Hier Platz
hatı nicht bie der Annal. Altah. maj., a. 1071: Natale dominicum rex in
ibenberg celebravit (821), hat ſchon Brehlau, Konrad II, II, 426 u. 429,
Ir richtig beleuchtet und geht aud) aus St. 2740 (vergl. zu 1071 inn. 1)
jerbor.
®) Dieſen wichtigen Vorgang betonen neben Lambert, a. 1071: Goslariae
».. Welf, filius Azzonis marchionis Italorum, ducatum Bajoariae sus-
cepit — und Annal. Altah. maj., a. 1071: in Babenberg (vergl. n. 38). ..
ducatum Bajoaricum cuidam principi, Welf dieto, tradidit — nod; Adam,
Gesta Hammaburg. eceles. pontificum, Lib. III, c. 59: Bex ducatum
Ottonis Welpo dedit (feili tim ganz richtigen Zufammenhang ber
Dinge), Annal. August., a. 1071: Welf gener eius (sc. Ottonis) ducatum
il. Sanblas, a. 1071: Welf dux Bajoariae effeitur, ferner
suscepit, Com
ducatum abstulit et Welfonide Ravinisburch tradidit (33. XX, 645), Wenn
Bote, 1. c., I, 357 (u. Anm.) um eine größere Zahl verfammelter Fürften für
iefe Mebertragung Baiern's nennen zu tönnen, St. 2751 (vergl. zu 1071:
n. 89) zum Goslarer Aufenthalte vom December 1070 heranzog, % dat ſchon
Sieſebrecht Ni. 1120, in ben „Anmerkungen“, dieſe Dppotbek wiberlegt; einzig
der Erzbiſchof don Magdeburg ift Buch St. 2740 (fideli nostro Wezilone . . .
archiepincopo petente)wenighiens für ben 6. Janıar 1071 Bepeugt,
BWeihnachtöfeier in Goslar; Zumeifung Baiern’s an Welf. 25
Imiza ihren Enkel, den Sohn ihrer mit dem Markgrafen Albert
Azzo IL von Efte vermählten Tochter Cuniza, eben Welf — IV.—,
berbeigerufen. Der etwa im achtzehnien Lebensjahre ftehende junge
Mann war der Einladung gefolgt, und es war ihm gelun en, ent»
gegen ben Verfügungen bes veritorbenen Oheims, welcher letztwillig
ur Beruhigung feines Gewiſſens an das von ihm auf bem
Yemwäbtiehen Stammbefige eingerichtete Klofter Weingarten jein
Erbgut geſchenkt hatte, die Snfpride der Mönde aus dem Felde
zu ſchlagen und für ſich jelbft das große Vermögen des welfiſchen
Haufes in Schwaben und Baiern anzutreten‘). Welf hatte fich
dann — nad einer vereinzelten Nachricht wäre er fchon vorher
vermählt geweſen — mit Ethelinde, Tochter des bairiſchen Herzogs
Otto, ehelich verbunden und dadurch auch feine Sache überhaupt
mit derjenigen ſeines Schwiegervaters enge verknüpft. Allein als
fi deſſen Beziehungen zum Könige ungünftig zu wenden begannen,
trennte fih der Schwiegerfohn immer entijiedener, ftatt ſich auf
der Seite des Herzogs zu halten, von bemfelben ab. Er wies
deſſen Geſuch um Unterftügung von fi hinweg und brach nad} der
Verhängung des Urtheils völlig mit dem geftürzten Fürften. Um
dieſe Nenberung der Gefinnung völlig darzulegen und die günftige
Meinung ber Rathgeber des Königs ganz für ſich zu gewinnen,
fandte er darauf, unter ſchwerer Verlegung de3 gegebenen ehelichen
Treuſchwures, die Gemahlin an den Schwiegervater zurüd, unter
Ablegung eidlicher Zufiherung, daß er fie niemals zu ſich werde
gurüdtommen laffen. Nicht lange danach führte Welf die Wittwe
ed engliſchen Earl Toftig, Judith, eine Tochter des Grafen
Balduin V. von Flandern, heim. Judith hatte, als ihr Gemahl
1066 in ber Schladt gegen den eigenen Bruder, König Harald,
gefallen war — diejer verlor feinerfeit3 nur neunzehn Tage fpäter
an Herzog Wilhelm Reich und Leben —, die Reichthümer befjelben
0) Ueber Wels LI. Tod vergl. Steindorff, Heinrich TIL, IL, 319
320. elf IV. ift in ber alten Genealogie ber Weljen, weiche nach Waiß,
den Abhandlungen der Berliner Atademie, aus dem Jahre 1881, der
Historia Welforum Weingartensis (vergl. in deren c. 10 u. beionbers c. 13:
De Welfone IV. qui primus fuit dux Bawarise, 38. XXI, 461 u. 482) zu
Grunde liegt, folgendermaßen eingeführt: — c. 8: Hie (sc. Gwelfo — II. —
Don c. 7) genuit filiam Cunizam; quam marchio Etius cum curte Elisina
accepit uzorem, et genuit ex ea Gwelfonem; et, patre sine filio herede
defuneto, cum tola hereditas ad sanetum’ Martinum Wingarten esset
destinata (hierin Aedt cine unklare Zermildung zwifden bem (dan 1080 ver«
Bochemen pater — ber Gunige —, Well IL, und bem 1055 vertschenen Item
fen ber älteren Sinie, Welf IIL., meldjen Iepteren jedoch bie Genealogie, ba
ex ben Gtamm nicht fortjepte, ganz übergeht), superveniens, hereditatem
optinnit et primus in Bawaria huius nominis dux factus est — c. 9: Hic
accepit „. . filiam comitis Flandrie, reginam Anglie, Juditam nomine
5. XII, 734) Ueber Wels IV., des Gohnes bes Otbertinerd Albert
IL. aus ber_exften, etwa 1036 geichloffenen. Ehe beflelben, mwahticeinliches
täjahr 1087 unb über beilen Zugehörigkeit zum eftenfilchen Haufe vergl.
Brehlan, Ronrad_Il., I, 421 n. 422, über beflen bairiſchen Bejik Kiezler, 1. C.,
[3 3 u. 509, 853 u. 854.
26 1070.
für fi bewahrt, und fo war ihre Hand, abgejehen von ihrer vor-
nehmen Geburt und den wichtigen Samilienverbindungen, die fie
ihrem neuen Gemahle brachte, auch nach diefer Seite von hohem
erthe für Welf*?).
+) Meber Welſ's IV. Vermählungen berichten Lambert und Annal.
Altah. maj., a. 1071, eingehenb. Sener jagt: Welf .. . filiam Ottonis dueis
Bajoariorum uxorem duzxerat, et"per jusjurandum altera jam vice matri-
monio fidem dixerat; quamdiu itaque res tranquillae erant, quamdiu
etiam bellum temere coeptum sine grandi permutatione rerum sedari
sperabat, maritalem uxori affectum et honorem deferebat et cansam
soceri, quantum poterat, armis et consiliis tuebatur; at ubi animadvertit,
datam in eum sententiam et bellum iracundiamque regis magis in dies
adversus eum crudescere, leges ones vinculaque omnia .... abrupit
653 — bie ſehr beredte Schilderung, vom Standpunkte des Erzaͤhlers in fitt⸗
iger Entrüftung, über ben Bruch zwiſchen Welf und Otto ift Außerft bes
ichnend für Lambert's Unbetümmertheit um die ſachliche Richtigkeit, wo es
7 um Fragen handelt, die ihn innerlich warm berühren — Lambert’3 eigene
ganze Säibberung der Dinge von 1070 hatte ja gezeigt, dah dor der data
sententia ein bellum gegen Otto ganz und gar nicht im Sange war),.. Et
primo in tam trepidis rebus petenti ausilium denegavit; dein filiam eius
a complexibus suis et thori consortio eegregavit patrique remisit (179).
Der batrifche Bericht lautet: Is ergo Welf filiam Ottonis uxorem duxerat
et hanc se legaliter habiturum jurejurando firmaverat. Ergo cum jam
soceri sui ambiret ducatum et hoc regiis consiliariis non videretur cautum,
eandem uxorem sunın patri remisit et se posthae nunquam ad illam
accessurum rursus juravit . . . (: die Etelle von n. 42) moxque cuiusdam
Angli Saxoniei prineipie, Tostig nomine, viduam uxorem duxit, faetumque
est manifestum perjurium et publicum 'adulterium (821 u. 822). Die von
Zambert gemachte Andeutung, daß die Ehe mit der Tochter Ottos ſchon die
weite Verbindung Welj’s geiveſen ſei, ſteht allein; dagegen führen hinwieder
ie ſpecifiſch welfiſchen Geichichtaquellen (vergl. n. 40) einzig die Bermählung
mit Judith an und gehen über die borangegangene Verbindung mit Still»
Iomeigen hinweg. ſerihwolle Aufichlüfie bringt an mehreren Stellen der
Annalista Saxo —: zuerfi a. 1066: Huius Haroldi (vielmehr bes in Bd. I,
©. 215 u. 522, erwähnten Zoftig, des Bruders des 1066 dur Wilhelm dem
Eroberer geflürzten Harald: gleiche Dermeshalung, in der Bezeichnung regina
in n. 40) conjunx, amita Rodberti comitis de Flandria (vielmehr ift Judith
Robert’3 Gchwefter), ex cognatione beati Ethmundi regis fuit. Hanc postea
Welphus, filius Azzonis marchionis Italorum, duxit uxorem .... Hec
Judhita dicta fuit, maximamque pecuniam et vix eredibilem de Anglia
secum addukit, quia interempto Haroldo omnis pecunia Ethwardi regis et
ipsius Haroldi (vielmehr des Zofig), sicut fama est, ad eam devenit —,
Hernad) a. 1071 in Lambert's Text eingeichoben ben Namen der Tochter Otto’3:
nomine Ethelindam —, zulegt a. 1082 unter den aufgepählten Kindern Ottoß:
tres filias, ex quibus unam nomine Ethilindam aecepit Welfo dux Bawarie,
et postquam cam repudiavit, duxit eam Herimannus comes de Calverla,
gentuitaue ili Herimannum comitem, und a. 1126 die Wiederholung früherer
Ingaben (SS. VI, 694. 698, 721, 764). Mas Judith betrifft, fo übergeht bie
Flandria generosa, in ec. 7, in auffallender Weiſe neben der dort erwähnten
Mathilde bei der Aufführung ber Kinder Balbuin’s V. ihren Namen (SS. IX,
318), während Ordericus Vitalis, Hist. ecelesiastica, Lib. IV, c. 8, jowie
Lib. VIL, c. 1, bri der eoboles Balduini et Hadalae zufeßt Judith uxor
Tostiei_ comitis aufführt — vergl. aud Lib. II, c. 11: Exul Tosticus
Flandriam expetiit, ibique socero zuo Balduino Flendrensium satrapae
ung d. Ehe Welf’s m. Ethelinde; Herzog Rudolf's Beziehungen zu Welf. 27
Denn inzwifhen war eben Welf IV., als Herzog von Baiern
dieſes Namens der Erfte, vg bie Zuweifung be3 eingezogenen
Herzogthums der mittelbare Nachfolger feines ehemaligen Schwieger-
vater? geworben. Schon jobald ſich die Stellung Otto's als eine
gefährdete herausftellte, jol Welf nad der Erlangung Baiern’s
für fih getrachtet haben, jo daß alfo die unehrhihe &sfung der
Ehe mit Ethelinde ganz beſonders auch aus diefer eigennüßigen
Erwägung ihren Urſprung nahm. Allerdings wird, befonbers dur
den Baiern jelbft angehörenden Bericht, ausdrücklich hervorgehoben,
daß Welf nur durch ſchwere Opfer an Geld, wie an Gütern und
Einkünften, bei dem Könige an das Ziel feiner Wünſche gelangt
ſei; von einer förmlichen Verfchleuberung, welche der Fürſt, um
Alles fi nicht fümmernd, habe eintreten laffen, wird von anderer
Seite geſprochen *°).
Für dieſe in Goslar vollzogene wichtige Entſcheidung war ber
Herzog von Schwaben, Heinrich's IV. Schwager Rudolf, beim
Throne eingetreten. Es ift anzunehmen, daß Rudolf zu biefer Zeit
ſchon wieder mit feiner verftoßenen Gemahlin Adelheid, der
Schweiter der Königin Bertha, fih ausgeſöhnt und diefelbe in ihre
volle Ehre eingejeßt hatte, nachdem fie vor Papft Alerander II.
ſelbſt ſich gerechtfertigt und von der böfen Nachrede rein erfchienen
war; benn ohne das hätten wohl bei den ganz hergeftellten guten
Beziehungen zwifchen Heinrich IV. und der Königin Hemmniſſe den
Einwirkungen Rubolf’3 auf dem König, fich entgegengefegt. In
dem jungen Welf wünſchte der Herzog von Schwaben, an ber
Stelle des augenfcheinlich gehaßten ſaͤchſiſchen Inhabers der bairifchen
Herzogswürde, einen befreundeten Gelinnungsgenoffen als Vertreter
der Regierung in dem Nachbarlande zur Seite zu haben. Es kann
alfo au als eine Handlung des Enigegenkommens Heinrich's IV.
Judith uxorem suam commendavit (Ed. Le Prövost, II, 234, III, 158, u.
U, 120) Ueber Toſtig's Ende vergl. auch Freeman, The history of the
Norman congnest of England, its causes and its results, II, 500 u. 501, be:
treffend die Verbannung nach Flandern und den Aufenthalt des Flüchtigen
mit frau und Kindern bafelbft, II, 324 ff., über Toftig’® dem Angriff König
;rald’3 vorangehenden Aufbrud) Mai 1066, 368 f., Ipeciell 372, über bie
lacht von Stamforbbridge 25. September und Toftig’s Tod, 374 n. 2 über
die beiben binterlaffenen Söhne, auch im Appendi, 656 ff., über Toftig’a Che
wit Zudith. In den Origines Guelficae, Il, 268 u. 269, ift bie anſprechende
Bermuthung geäußert, daß Weif bei Anlak des Hoftages zu Lüttich, Mai 1071
(vergl. unt. zu 1071, bei n. 16 u. 37), Judith fennen gelernt habe, von welcher
Edwägerin Richeldis möge begleitet worden fein. J
+2) Hierüber teben übereinfiimmend Lambert: postremo ad ipsum eius
(se. Ottonis) ducatum oceupandum omnem operam intendit (sc. Welf), nihil
pensi habens, quantum auri, quantum argenti, quantum redituum ac
Possessionum dilapidaret, dummodo quod eupiebat assequeretur — mit
angehängter heftiger Berurtheilung bes Seinehenen —, fowie Annal. Altah.
ma). in bem in n. 41 auögelafienen Sahe: Quo facto praediorum suorum et
pecuniarum quantitatem regi donavit, ducatum accepit.
28 1070.
für den Schwager angefehen werden, daß Welf I. Baiern antreten
durfte *).
Die Angelegenheiten des Rechtshandels mit Herzog Dito und
die Anftrengungen für deſſen Bekämpfung feit der Abjegung hatten
die Aufmerfjamleit Heinrich's IV. jo fehr in Anſpruch genommen *),
daß einzelne zubem unter fi in feiner engeren Verbindung
ftehende Vorgänge in anderen Theilen des Reiches hinter jenen Er-
eignifien auf dem ſächſiſchen und thüringiſchen Boden für den
König zurüdtraten. So war der Friede in dem ſüdlichen Nachbar-
gebiete von Thüringen, im fränkiſchen Lande, nach einer freilich
ganz vereinzelten und in ihrer Kürze jeder näheren Erflärung fih
entziehenden Nachricht durch inneren Krieg geftört°); aber es ift
nice von Maßregeln der Regierung, welche deßwegen ergriffen
worden wären, befannt.
In Schwaben fpannen fi) die peinlihen Händel wegen ber
Belegung des Bisthums Conftanz und der Abtei Reichenau un:
vermindert weiter, fanden aber wenigſtens für Reichenau durch ben
Rücktritt des beftellten Abtes für ein Mal eine allerdings Feine
lange Zeit andauernde Erledigung.
In Conftanz waren feit der Ankunft des defignirten Bischofs
Karl immer unerquidlichere Zuftände eingetreten. Die Geiftlichen
hielten fi mit ihrem Anhange von dem Umgange mit bein ber
Weihe noch nicht theilhaft gewordenen, vom Könige eingefegten
Oberhirten geflifjentlidh fern, und es ift gewiß fein Zweifel, daß
berausfordernde Vorgänge weitgehenden Ungehorfams eintraten; ber
angefochtene Biſchof gerieth wohl auch durch die eintretenden
Weigerungen in Verlegenheit hinfichtlich feines Unterhaltes, und fo
ſah er fi zu Gegenmaßregeln gebracht, welche ihrerjeit3 bie
48) Sambert nennt diefen interventus Ruodolfi ducis Suevorum geradezu
als ben Hauptumftand bei der Ertheilung des Herzogihums on elf. Wegen
der Verſiohung der Adelheid vergl. Bd. I, ©. 614 u. 615 (mit n. 16); die
Derfögnung bringen ebenfall? bie Ännal. Weissemburg.: Ruodolfus Suerorum
dux conjugem suam, quam per malam famam abjeeit, coram Alexandro
ıpa expurgatam iterum recepit (SS. III, 71), und zwar a. 1071 ala erfte
Bari — dor den MaiEreigniffen in Lüttich —, moneben übrigens, ba
auch bie Nachricht von Herzog Otto’3 Verurtheilung — oben in n. 31 — aut
erſt zu 1071, und war am Satufe, gegeben wirb, nicht auägeichloffen ift, bai
das Lei miß noch Feier, vielleicgt eben ſchon 1070, fiel. Yoemate iſt bei
ber Herfelung ber geilen Beriehungen zwilchen König und Königin für 1070
— vergl. ſchon Bd. I, ©. 627, n. 50 — anzunehmen, daß Rudolf, ber Ende
Mai 1068 zum legten Male in der Umgebung bes Königs fihtbar war (vergl.
1. ec, ©. 593), fi nicht mit dem Hofe ın Verbindung feßte, ohne das Unrecht
jegenüber der Schwefter der Königin gut gemacht zu haben. Die Beziehungen
‚zog Rudolf'3 zum Könige, befonders aus dem Gefichtäpuntte bes ——
ſwiſchen Rudolf und Otto bon Nordheim, beleuchtet zutreffend O. Grund, Die
Sat Aubolfs von Rheinfelden zum Gegentönig. 19—21.
+4) Bergl. Lambert's Worte in ber Stelle von n. 37: omissis rebus alüis,
die man allerdings nicht zu fehr betonen barf.
4) Compil. Sanblas.: Francia eivili laborat discordia (SS. V, 275).
Frantiſche Mricdenöftörung; Biſchof Karl’? Auftreten in Conſtanz. 29
heftigiten Klagen hervorriefen. Da die Berichte über den gefammten
Streit einzig von der dem Defignirten feindjeligen Eeite aus-
gegangen find, fo liegen nur Mittheilungen über ſolche gegen Karl
vorgebradhte Beſchwerden vor, und es ift nur ein nothwendiger
Rückſchluß aus denjelben auf die angebeuteten Urſachen der Hand-
hungeweife des Biſchofs ermöglicht. Karl fol — fo wurde er an-
getlagt — die feinem Hirtenamte obliegende Sorge vernachläſſigt,
vielmehr den willfürlihen Drud einer Herrihaft, wie fie einer
Zwangsgewalt entſpräche ausgeübt haben. Aber ganz beſonders
fühlten ſich die Domgeiſtlichen dadurch ſchwer e daß, wie
fie aus einander ſetzten, Karl einem Diebe gleich ſeine Hand an
den —— gelegt, heilige Gefäße, Meßgewänder, mit Silber
überiogene Vorfegtafeln von Altären habgierig zerftört, Gold und
Edelſteine, ja den Schag überhaupt zu Feinem und ber Seinigen
Nugen verſchleudert habe. Doch aud jonft wurbe ihm zur Kat
gelegt, wie er mit räuberifher Gewaltjamkeit von überall ber
Dinge zufammengerafft, um fie an die eigenen Anhänger auszu-
theilen: Leben, die in ber Hand von Geiftlihen lagen, feien weg⸗
genommen, der Vermögensbeitand öffentlich zum Verkaufe gebracht
worden, bamit daraus die zur Erlangung des Bisthums ausgelegten
Summen zurüdgewonnen werden Könnten. Und allerdings mochte
Karl in feiner Zwangslage ſolche Eingriffe Segangen, vorzüglich
wohl auch an Männer, auf die er ſich verlaſſen zu können glaubte,
Befigungen und Einkünfte neu vertheilt haben. Allein all das
wurde ihm in einfeitig feindfeligfter Weife ausgelegt, und in biefem
Sinne gingen fchriftlihe Berichterftattungen an Alerander II. ab,
um neue Schritte aus Rom gegen Karl zu veranlaflen *°). Aller
+8) Weber biefen wachſenden Gegenſatz Liegt eine Reihe von Benaniften dor,
Rad) ben ob. &. 2 in.n. 4 citirten Acta brachten 1071 zu Mainz canoniei
Constantiensis ecclesiae ex communi totius cleri et populi legatione —
unanimiter — gegen Karl's Weihe ald Gründe vor: quia .... nullam eis
pastoralis officil impendisset curam, quin potius tyrannicae dominationis
non cessasset super e08 ezercere pressuram, nec manum continuisset a
sncris, nee pepereinset in diripiendis ecelesiae thesauris, et quaecungue
rapaei_ violentia undecungue corradere potuisset, hoc totum . ... suis
fautoribus distribuisset, ut... eorum venali mereimonio consequeretur
Imercennaria pro consecratione execrationem, pro benedictione male-
dietionem (l. c., 72). Dazu fiimmen gleichfalls dem Biſchof mißgünftige Auss
jagen von Autoren —: Annal. Altah. maj. a. 1071: Karlimannus .. . mox
ut Constantiam venit, clericorum ac laicorum suorum beneficia cepit
auferre substantiasque eorum publicare, volens de rebus eorum pecunias
recolligere, quas prius pro acquirendo episcopatu videbatur expendisse.
Constancienses autem, hac_ pereulsi elade, nequaquam dominum apostoli-
cum hoc celavere, sed eius auxilium contra vastatorem Christi ovium
te) ouäd plerosque ecelesine thesauros furtive abs-
one
tulisset. Qua accı
farti gaoque insimulatus, 184) — 3
so 100.
dings fehlte es Karl _fortgefegt nit an Verſuchen von Geite
Deinrich's IV., zum Beſten des defignirten Biſchofſs, welcher, die
Sache des Königs ja jo ausbrüdlich in Conſtanz vertrat, einzugreifen.
Wie Erzbifhof Siegfried fpäter dem Papfte in einem Schreiben
meldete, erfubr aud er jelbft vom Könige wegen jeiner Der-
weigerung der Weibebandlung viele Widerwärtigfeiten ; wiederholt
tunen Vittſchriften vom Dofe, welche geftügt auf die königliche
Wewalt die Weibe befablen und DTrobungen mit eingeitreuten Bitten
vermiſchten A).
Neben dieſer Bedeutung, welde die von Rom her dem Erz-
biipof von Mainz vorgeichrichene Haltung gegenüber dem Conitanzer
Tiignirten für Deintich I. batte, war die ganze Angelegen-
beit auch von beitimmter Tragweite für das Verhältniß zwiſchen
dem Yapite und dem Voriteber dei deutichen Erziprengels jelbft,
und bier wirfte im Sommer jebr Deutlich zum großen i
Noms die Niederlage nach welche Siegiried im bling vor dem
Vapfe erlitten und die eine dauernde Einchũchterung desſelben
7 Rolge datte. Ex lag nämlich eine innere Angelegenbeit bes
Nuinger Äindliden Verdandes bier vor, und Siegrried wäre be
eängt aeweien. die von Karl erdodene Terveruing zu erfüllen, daß
8 Meiem penzinat werden mäx, Ad wor dner cinzuberufenden
Srnode nad Nr Forderung 8 firdıden Geiger son den Bor-
* amd dem Uſe!d ge eranien, mwonuf in
Nr Yemen: Nr Beibe Be
ze Emm &- Normen wen al -— ad-
— ———— et ut
Berweigerung ber Weihe Karl's; Einmiſchung Alexander's IL 81
ftatt deſſen verharrte Siegfried ganz in feiner Unterwerfung unter
die ſchriftlich wiederholte Weifung des Papftes, durchaus ſich der
BVeihe Karl's zu enthalten, bis derjelbe von der Keßerei der
Simonie in kirchlich gültiger Weife gereinigt fei, und zwar wollte
man wenigftens in Hersfeld außerdem wiſſen, Alerander II. habe
fi dabei augdrüdlich vorbehalten, daß die Unterfugung der An⸗
gelegenheit im feiner eigenen Gegenwart fi vollziehe‘?)., Nun
hatten ja zwar ſchon bie Conftanzer ihre Beſchwerden gegen Karl
in Rom jchriftlih vorgebracht; darauf Hin war durch Alerander
die Weifung, zugleich mit jenen weiteren Vorſchriften für Siegfried,
nad Conſtanz gegeben worden, daß dieſe Geiftlichen, Fraft apoftos
liſcher Machtvol net wie fie fhon von fih aus begonnen
hatten, jeglicher Gemeinfchaft mit dem inveftirten Biſchof fi ent-
halten jolten >). Aber erit durch den Umstand, daß aus Conftanz
auch von der anderen Seite die Berufung an den Papft eintrat,
wurde deſſen Erfolg, eben außerdem gegenüber dem Erzbifchofe,
volltändig. Das war gejchehen, als Karl jelbit ſich gleichfalls
mit mehr, wie biöher, nah Mainz, fondern nad Rom in feiner
Angelegenheit wandte. Wieder aus Hersfeld ftammt eben biefe
Rahricht, daß jegt der Defignirte mit fteten Anrufungen wegen feiner
Weihe Alerander II. angegangen habe’!). So konnten vom Papfte
jegt auch die legten Hemmnifle gegen ein unmittelbare Einfchreiten
als bejeitigt erachtet werben; jeine oberite Gerichtsbarkeit war
rüdhaltlos von beiden Parteien anerfannt. Doch der Entſchluß,
welchen Alerander II. nunmehr faßte, Iautete deſſen ungeachtet nicht
velle testatur. Indeque petit synodalis concilii audientiam, in qua super
hac ne muam probare ponit, innocentiam, ibigue Congecrationem, quaım
petebat, aut canonice sibi dari aut canonice sibi negari (l. c., 71). ileber
biefe orberung einer Provincialignode durch Karl und über Siegfried’ weiteres
an, a er fowie net angst zuder rag Me bie
en japfttgums zum -opolitanfpren: lainz vergl. Beyer,
Le, —— at die ob. in n. 10 erwähnte Difertation don Herrmann,
1,n. 2.
) Bon biefen nachfolgenden ſchriftlichen Befehlen — bie in n. 11 mit-
heilte Stelle aus bem Briefe Siegfried’s, Nr. 36, erwähnt nach der mündlichen
: postea apostolica legatione — ift in ben Acta (parallel mit dem
&ape in n. 47) gelprochen: Mittuntur et litterae a praesule apostolicae
sedis, mandantes, ne ullo modo consecretur sine scrutinio canonicae pur-
geöonia dl. c., 71). Ferner erwähnt fie Lambert in der in n. 11 mitgetheilten
stelle (wo eben bie Worte in sui praesentia in Bezug auf den Po teben)
und a. 1071 in den Siegfried in den Munb gelegten Worten: quod posten
recentibus litteris sedis apostolicae, ne sine diligentissima discussione manus
ili imponeret, commonitus fuisset (l. c., 185), ebenfo Berthold: simulgue
(se. zugleich mit dem in n. 50 erwähnten Schritte bes Papfte) archiepiscopo
Mogontino litteris missis praecepit (sc. Alexander), nisi se heresi praedicta
— canonice, quod Dequaquam episcopum eum consecraret
©, 275}
*) Berthold: (im Anfchlufe an die Stelle in n. 46) apostolica auctoritate
it eis, ne omnino communicarent ei (l. c., 274 u. 275).
) Sambert, doch abermals erft a. 1071: Karolus ... . assiduis pro-
damationibas pro ordinatione sun sedem apostolicam appellabat (I. c, 154).
32 1070.
dahin, daß die Sache in Rom felbit zur Unterfudung gelange.
Vielmehr wies er die Angelegenheit nun dennoch an eine deutſche
Synode und befahl dem Erzbifhof von Mainz, daß derſelbe den
Erzbiſchof Anno einlade und eine Synode einberufe, um die Sade
des Delignirten von Conſtanz zu unierſuchen, ihn abzufegen, wenn
er ald — gefunden würde, ihn in fanonifcher Weife zu weihen,
wenn er unſchuldig aus ber Prüfung bervorgehe. Etwa um den
Schluß des Sommers muß Siegfried den Mulkcag erhalten haben.
Denn noch glaubte er, daß bie allgemeine Lage im Reiche deſſen
Erfüllung geftatte, und fo lud er, dem Papfte gehorfam, ben Cölner
Erzbiſchof und die Biſchöfe zu der nah Ort und Zeit aus-
geſchriebenen kirchlichen Verfammlung. Allein der vom Könige
jegen ben verurtheilten abgefegten Herzog von Baiern begonnene
rieg kam dazwiſchen; mit Siegfried wurden noch andere geiftliche
Reichsfürſten zum Heere aufgeboten, und fo war es unmöglid, die
Sur zu verfammeln®®). Die Sache blieb auf dag nächſte Jahr
v oben.
58) Dielen päpftlichen Befehl, ber durchaus — vgl. Zabewig, 1. c., 68 —
dem Jahre 1070 angehört, nicht — ala J. 4684 — au 1071 hätte geftellt werben
follen (ebenfo unrichtig bei Will, Regeften zur Geſchichte ber ainger Erz⸗
biichöfe, I, 199: „vor Auguft 1071° für dieſe feine Nr. 62), erwähnt Siegfried
in feinem exften Brief Nr. 36: Accepi autem litteras vestrae sanctitatis, in
quibus continebatur, ut ex praecepto vestro Coloniensem arehiepiscopum
invitarem et convocatis fratribus concilium celebrarem, in quo eiusdem
designati episcopi causa juxta veritatem diseuteretur, ut aut reus eriminis,
uo insimulatur, a dignitate reiceretur aut innocens canonice consecraretur.
fn hoc etinm parui vestrae auctoritati; invitatis praedieto archiepiscopo et
fratribus locum et diem praescripei. Sed concilium celebrandum perturbavit
indictio regiae potestatis, sogene me et aliosregni prineipen in miliciam suae
expedicionis ao nad) bem 2. Auguft, dem Zage des Urtheiles gegen Otto
von Nordheim) . . . niei impedirer, implessem praeceptum vestrum (I. c., 69).
Aehnlich ſpricht ſich ber Erzbiſchof im zweiten Briefe, Nr. 38, aus: tandem
huic seismati sopiendo sanctitas vestra salubre dedit consilium, praeeipiens,
super hac re coneilium celebrari (ete.: über die erftmalige Vereitelung) (1. c-,
78 u. 79 —: dagegen ift ed nicht gerathen, mit Hermann, Siegfried I., 44, die
Dorte Siegfrieb's Hier in Re. 38: quibus modis et quam multiplicibus argu-
mentis regia potestas praefinitum coneilii tempus antieipando ad volun-
tatem suam inflectere aut omnino illud dissipare voluerit, mit welchen
Herrmann in n. 1 auch die Stelle aus den Acta, 1. c., 72, von den multis
nunciis et renunciis hinc inde missis et remissis, multis quoque diebus huie
andientiae delegatis et — cognitores causae, principis occupante praecepto —
non impletis, zufammenbringt, auf „jedesmalige tigung der 'urtheilenden
Bifchdje im Reichsdienſte“ zu beziehen; denn insbeſondere Siegfried's allgemeine
rhetorifche Auslaffung, zur Borläubigung® ineich’3 IV., Tautet allzu unbekimnt,
Beyer beleuchtet, 1. c., 568 u. 564, die Erwägungen, welche Alexander II. dazu
führen mußten, auf eine Ladung des Defignirten vor den eigenen Richterftuhl
au verzichten; bie Zeit ber angelegten deutſchen Synode will er, 563, wohl
allzu beflimmt, auf ben October anfepen, und dafür, dab Siegfried den Zus
jammentritt der Synode abfichtlich hintertrieben habe — jo 567 —, findet ſich
vollends fein Beweis vor. I ber zufammenichiebenden Behandlung dieſer ges
fammten Dinge durch die Annal. Altah. maj., a. 1071, beißt es: Is (sc.
Alerander IL) ergo, ut querelas et preces eorum (sc. Constantiensium)
justas agnovit, archiepiscopo Moguntiensi, cuius erat suffraganeus (sc. Karl),
Auſichub d. Eonftanzer Sache; Abt Dieginwarb’s Rüdtritt v. Reichenau. 33
In dem Conſtanz nahe liegenden Klofter Reichenau fühlte ſich
Abt Meginward, den Heinrich IV. eingejegt hatte, unficher in feiner
Stellung. Die Lehensträger der Abtei fochten ihn an und fügten
ihm Verunglimpfungen ſchwerer Art zu; ohne Zweifel trat ihm
aud unter den Mönchen vielerlei Widerwärtigfeit entgegen. Der
gewiijenhaft fromme Mann fühlte fich, in Erwägung der ohne das
ſchon kümmerlic gewordenen und für den Unterhalt der Brüder
faum ausreichenden Vermögenslage des Klofters, vollends arg be-
ſchwert, ald von Seite des Königs Anforberungen an das Klofter-
gut erhoben wurden, für Dienftleiltungen oder geradezu zum Behufe
der Austheilung von Lehen an königliche Kriegsleute. Ganz be:
fonders ſoll der Wunſch Heinrich's IV., daß einem ihm vorzüglid)
befreundeten Genojjen aus bem Gefolge, Liupold von Mersburg,
ein Hof der Abtei durch Meginward al Lehen zugemwiefen werde,
den Abt ſchwer belaftet haben; allerdings will die Nachricht, welche
hievon handelt, die Gewiſſensangſt des Abtes voran auf die Er-
innerung an die unerlaubte Erwerbung des Klofter? durch Simonie
zurüdführen. So zog es Meginward vor, durch freiwilligen Verzicht
nich diejer ihm unerträglich gewordenen Stellung zu entziehen. Er
ſoll zum Könige gejagt haben, er fei eher bereit, die Abtei ganz
aufzugeben, als jeinetwillen Gott und die heilige Maria, die Schutz
herrin von Reichenau, zu beleidigen, und jo gab er den Hirtenftab
an Bas IV. und kehrte nad) Hildesheim in feine frühere Abtei
zurüd®®).
mandavit, ut nullatenus pontificalem benedictionem a se suseiperet, niei
prius causam eias sinodali judicio examinasset (l. c., 823), Xambert da:
gegen fpricht, a. 1071, augenfeheinlich nur von der wirklich abgehaltenen Synode
von 1071.
52) Meber Meginward’s Rücktritt verbreiten ſich die Compil. Sanblas.,
a. 1070: Meginwardus regis exacturam et praecepta et servitin pati
nolens, eponte Augiensem abbatiam dimisit (ebenjo Bernoldi Chron.,
a. 1070: ... . eponte dereliquit . . ) und Xambert, doch erft a. 1071: Megin-
wardus abbas Augiensis te sua ultro se abdicavit, offensus tuın in-
festatione quorundam militum suorum, qui eum gravibus contumeliis
affecerant, tum importunitate regis, qui frequentibus eum edictis urgel
ut praedia monasterü, quae tam eius quam priorum abbatuın largi
dilapidata vix jam in usus fratrum aufficere poterant, militibus suis
beneficium erogaret (SS. V, 275429 —, 183). Die Annal. Altah. maj.
find befonders eingehend, gleichfalls erft zu 1071: quam (sc. albatiam) cuin
ille (sc. Sigebertus: nad dem in n. 6 beleudjieten Irrihum) per aliquot
tempus tenuisset . ... (nun folgt eine Gelhichte, dab der Abt in der Veichte
hörte, für die Eimonie finde feine Verzcihung flatt: nisi homo id, quod
suscepisset injuste, adhuc in carne vivens dimittere festınaverit sua sponte
et juste)..... opportunitatem cepit inquirere, ut eandem abbatiam honeste
posset dimittere. Inter haec extitit quidam Liutpoldus, famili gi, qui cepit
regem precari, ut de eadem abbatia curtem unam in benefieium juberet dari.
Boe igitur rege praecipientesub obtentugratinesuae, venerabi levir,nactus
quam quaerebat oocasionem .. ..(: Worte deö Ables) virgam pastoralem regi
reddidit, ipseque ad priorem abbatiam in Hildenesheim rediit (l. c.,
3, 'e aus ben Ännal, necrol. Prumiens., a. 1071: Meinwardus abbas
88. XIII, 222) hierher zu ziehen, jo überlebte dev Abt feine Abdankung nur
kırze Zeit; bod) vergl. E.3n.6. Bergl. Beyer, 1. c., 571 u. 572, fowie wegen ber
‚Neger o. Anonau, Jahri. d. did. #. unter geineig IV. u. V. 2. II. 3
34 1070.
Hat ſich der König wenigftens um die Lage der Dinge bei dem
Conſtanzer Streite ftet3 neu befümmert, fo ift dagegen ganz un=
befannt, in wie weit er in bie Neubefegung zweier in biefem Jahre
erlebigter deutſcher Bifhofsftühle eingrif. Schon am 29. Januar
war nämlich Bifchof Thietmar von Cur geftorben, welden am
24. April Heinrich, der aus dem Klofter Reichenau gekommen war,
auf diefem Biſchofsſtuhl der erfte dieſes Namens, nachfolgtes*).
Am 6. Auguft ftarb in Worms jener duch feine ungeheuerliche
Fette berüchtigte Bruder des Herzogs Rudolf, Biſchof Apalbero,
wie die Rede ging, eben in Folge feiner Körperbeſchaffenheit;
Adalbert trat an feine Stelle’d).
In der Reihe der weltlichen Fürften traten ebenfalls mehrere
Lüden ein.
Der eh noch im fräftigften Alter ftehende Markgraf _von
Krain und Iſtrien, Udalrich, ftarb am 6. März, mit Hinterlajfung
zweier jedenfalls jehr junger Söhne, Poppo und Udalrich; die
Wittwe, bie ungarifie Konigstochter Sophia, reichte in zweiter Ehe
dem Billinger Magnus ihre Hand. Die beiden wegen ihrer vor-
geſchobenen Lage wichtigen Grenzgebiete, die der Verftorbene inne
gehabt hatte, wurden wahrſcheinlich vom Könige an feinen neuen
Markgrafen übertragen — menigftens ift bei einer nädjiten
Nennung eines von Heinrich IV. geſchenkten Befiges auf dem
Boden der Mark Krain ein Markgraf nicht erwähnt —; fondern
e3 fcheint, daß über die unmündigen Söhne Udalrich's der zu einer
immer größeren Geltung in diefem Theile des Reiches empor-
fteigende Eppenfteiner Markward die Vormundſchaft inne gehabt habe,
fo daß alfo auf diefem Wege die Verwaltung der Marken fi voll-
egenthämtich monchiſch gefärbten Darftellung ber bairiſchen Duelle, des inneren
iberipruches, daß ber Abt nach einer occasio juchte, um, was ihm einfach fein
Gemifien geboten haben follte, zu thun, Fr. Voigt, Die Klofterpolitit der
falifchen Kaifer und Könige mit bejonderer Berüdjichtigung Heinrichs IV. bis
zum Jahre 1077 (Leipziger Differt , 1838), 60 n. 2. Daß Reichenau allerdings
in bebrängten Verhältniffen fich befand, vgl. Bd. I, S. 448.
»*) Sum 29. Januar hat der Liber unniversariorum ecelesiae majoris
Curiensis: Tietmarius Curiensis ep. ob., qui dimidiam vineam de Ultraponte
ad_hospitalem s. Martini dedit, anno 1070 —; ein Fragment unbelannten
Urfprungs nennt dagegen den 28. (Necrol. Germanise, I, 621, 661). Bon
Heinzich’s Nachfolge |pricht die Compil. Samblas.: Dietmarus Curiae episcopus
oobiit, eui Heinrieus monachus Augiensis successit (l. c.). In einer Urkunde
für die Vomderren feines Stiftes, vom 27. Juni des Jahres, in der Heinrich
aud) eine Schenkung feines Vorgängers beftätigte, nennt berjelbe den Tag feiner
Drbination, 24. April (TH. v. Mohr, Codex diplomatiens, I 187). J
55) Wegen Adalbero’3 vergl. ſchon in Bd. I, ©. 469, wozu in n. 142 bie
Notiz Lambert’3, a. 1070, wo, gleihwie in ber noch kürzeren Angabe ber
Annal. August., neben dem Todesfall auch die Thatſache der Nachfolge erwähnt
ift (die von Weyer, Die Vilchofe: und Abtawahlen in Deutfchland unter Hein:
rich IV. in den Jahren 1056— 1076, Hallenjer Differt., 1881, 46, aus Schannat,
Hist. episcop. Wormatiens., I, 341, abgebrudte Nachricht über Adalbert’s Wahl
in Worms fgeint unbezeugt zu fein). Als Zobestag nennt das St. Galler
Zobtenbuc}: Adelbero Wormatiensis episcopus obiit — den 6. Auguft (1.c., 478).
Verſchiedene Zobesfälle geiſtlicher und weltlicher Fürſten. 85
309%). Dem gleichen gräflichen Haufe von Weimar, aus welchem
Udalrich hervorgegangen war, gehörte au Aribo an, deſſen Tod
gleichfails in dieſes Jahr fällt. Ein Bruder der beiden veritorbenen
Rartgrafen von Meißen, Wilhelm und Otto, mar berjelbe, aller-
dings nicht feinem Wandel nah, als Diakon, ein Glied des geift-
lichen Standes. Die Heräfelder Mittheilung, welche fagt, daß
Aribo durch feine eigenen Knechte getöbtet worden ſei, meldet zu=
glei}, daß derfelbe bei aller vorzüglihen Bildung in geiftlicher
und weltlicher Wifjenfchaft durch fein liederliches und unenthaltfames
Leben überall Aergerniß erwedt habe”).
Auch auf Iothringtjchem Boden gejhahen zwei Todesfälle, von
welchen insbeſondere der zweite, in Nieberlothringen, bebrohliche
Folgen ſchon in der nächften Zeit nad ſich 309.
In den Angelegenheiten des Reiches war Herzog Gerhard von
Oberlothringen, welhem Heinrich IH. 1048 als dem zweiten Nach-
folger nad) Gottfried’3 Abjegung das Herzogthum übergeben hatte,
nur ſehr wenig hervorgetreten. Auf ihn folgte jeßt der Sohn
Theoderih*). Piel größeres Auffehen, als biefer Todesfall,
5%) Zambert: Udalricas marchio Carentinorum obiit (177); den Todestag.
6. man. hat Wedetind, Noten zu einigen Geſchichtſchreibern des beutichen
Mittelalters, I, 190, n. 144, — zutreffend in der Eintragung des Todten⸗
buda von &t. Michael j Xüneburg zu biefem Zage: Othelricus comes (I. c.,
UI, 18) erfannt. Bergl. über Ubalrih Be. I, ©. 188, mit n. 41, u. 294,
woraus erhellt, baf die Söhne beöfelben von Sophie bei bed Vaters Tode noch
jcht jung gewejen jein müfjen. Den einen dieſer Söhne nennt der Annalista
Sazo, a. 1062: que genuit ei juniorem Odelricum, qui accepit filiam Lodo-
wiei comitis de ringia (SS. VI, 693), den anderen die Historia Welforum
Weingartensis, c. 15: ... Sophia antea euidam de Carinthia copulata,
ex qua genuit Poponem marchionem, qui duas filias unam Bertholfo comiti
de Andehse, aliam Alberto comiti de Bo; copulavit (SS. XXI, 463).
Daß Sophie jelbft ala Wittwe fi) mit dem ling vermählte, fagt wieder
der Annaliste Saro, a. 1070, in Ausführung der Angabe Kambert’s: euius
viduam Sophiam, sororem Ladizlai regis Ungarie, Magnus, Ordulfi Saxo-
niei_dueis filius, accepit uxorem, genuitque ex ea duas filias Wifhildem
et Eilicam (l. c., 697: nochmals 744, a. 1106), und Vermuthungen darüber,
wie Magnus fie tennen gelernt habe, äußert Webelind, 1. c., I, 190 u. 191. -
Bahnicheffe, Das Herzogthum Kärnten und feine Marten im XI. Jahrhundert,
59, nimmt an, worin [ Huber, Geſchichte Oeſterreichs, I, 219, einverftanden
erklärt, nad Ubdalrich’s Zobe fein Markgraf beftellt wurde: eine vormund⸗
ichaftliche jaltung der beiden Dearken durch den in BD. I, ©. 210, genannten
Wartward jei wahrſcheinlich eingetreten.
37) Sambert nennt den Aribo — occisus est & propriis servis suis —
einen yir tam divinis quam secularibus litteris adprime eraditus, sed propter
Iaseiviam morumgne intemperantiam merito bonis omnibus gravis et in-
visus (179).
5%) NMeber Gerhard vergl. Steindorfj, Heinrich III. II, 46-48; den Tod
erwähnt Sigeb. Chron.: Gerardus dux Mosellanorum moritur ... . . Gerardo
Blius eius jericus ... ... succedit (SS. VI, 362). Aus einer viel fpäteren
Luelle, des 14. Jahrhunderts, Johann de Bayon, bringt Galmet, Histoire
ecelsiastique et civile de Lorraine, Liv. XX, in beflen erfiem Gerhard ber
handelnden Ztüde (Nouv. Edit., II, 206—233) Andeutungen barüber (224),
daß der Herzog, ber wegen feines entichlofienen Weſens bei den hohen Herren
bei Sanbe3 verhaßt geiwelen fei, nad) einer Verfpwörung berfelben, infolge ger
3*
36 1070.
machte, nad) den vielen Erwähnungen de3 Ereigniffes zu jchließen,
der Tod des Grafen Balduin VI. von Flandern.
Seit dem Tode des Vaters, Balduin’3 V., hatte Balduin VI.
ſchon in das dritte Jahr mit der Zergreſſzboht Antwerpen und
dem Erbe ſeiner Gemahlin Richeldis, der Grafſchaft Mons und
dem Hennegau, ganz beſonders Flandern unter ſeiner Herrſchaft
vereinigt, und es gelang ihm, ſeinen Landesangehörigen die Ueber—
zeugung einzuflößen, daß fie in glücklichen Verhältniffen unter
feiner Zeitung ſich befänden. Friedliche Ordnung waltete unter dem
wegen feiner väterlichen Sorge gepriefenen Fürten, Aber zugleih
ſcheint Balduin VI. feinen bald eintretenden Tod —e
zu haben; denn er ſtrengte ſich an, für feine Söhne, deren älterer,
Arnulf, kaum fünfzehn Jahre zählte, die Erbfolgeorvnung zu
fihern. Augenſcheinlich war er von einem gewifien Mißtrauen gegen
feinen Bruder Robert — den Frifen, wie er genannt wurde —
in beftimmter Weije erfüllt, daB für den Fall jeined Todes von
demfelben ein Angriff aus deſſen holländiſcher und friſiſcher Macht:
ftellung gegen bie ſchwachen Neffen ergehen könnte, und fo ſuchte
er den Bruder feierlich für den Schuß des ungeftörten Beſitzes der
Herrſchaft über Flandern zu Gunſten de3 jungen Erben, Arnulf,
zu verpflichten. Nach Brügge wurde eine Verfammlung der Großen
einberufen, Robert dazu eingeladen, und nad) einer Anrede Balduin's
an den Bruder, er möge ſich aller Feindfeligfeit enthalten umd
Treue und Sicherheit den Söhnen de3 Grafen über deflen Tod
hinaus eidlich verſprechen, leiftete Robert den Schwur in der
St. Donatianus-Kiche auf die zahlreich zufammengebrachten
Reliquien vor den Herren des Landes, worauf er mit Geſchenken
entlaffen wurde. ebenfalls überlebte Balduin diefe Zufiherung
nur noch furze Zeit??). Denn eben zu Brügge ftarb er, am
wiſſer Anzeihen an Gift geftorben fei, und zwar in Remiremont, wo man ihn
beftattet habe. In ber ſchon in Bb. I, ©. 563 in n. 26, erwähnten Urkunde
Gerhard's für Echternach von 1067, war des rogatus, bann ber memoria .. .
uxoris meae Hadvidis filique nostri Theoderiei geadıt; bereits 1065 erſchien
Theoderich neben dem Vater am Hofe (I. c., ©. 445).
5%) Meber Balduin VI. vergl. in Bb. I, ©. 17 u. 18, 373, 572 u. 573,
über Robert ©. 373-375, 573. Galbert am fpäter in feiner io Karoli
comitis, wo er von c. 69 an einen raſchen Hüdblid auf die comitum, prede-
cessorum suorum, origo bis auf Balduin V. hinauf warf, auf Balduin’? V].
Anordnungen zu ſprechen, in c. 70: timens, ne aliqua inquietudo vel traditio
per fratrem suum Robertum ieri posset et filiis, hominium et securitatem
& fratre sibi fieri requisivit et filiis suis. Cumque super hoc cum principibus
consilio habito utilo fore tam patriae quam sibi prenosset, arcessito fratre
suo consule Aquafico Roberto, in Brudgis curiam suam convocarit, simulque
res et barones totius sui comitatus . ... . (: Balduin’ VI. Worte). Igitur
in ecclesia beati Donatiani in Brudgis juramentum factum est super sanctorum
reliquias infinitas, quas afferri comes Baldewinus preceperat, in presentia
omnium, qui eo tempore tam pures quam principes erant in terra, et
acceptis donariis consul rediit — XI. 598). Biel weniger glaubwürdig
iſt, wie Schmiele, Robert der Frieſe, I (Göttinger Diſſert. 1872), 37—40, dars
legt, die zwar bejonders eingehende Erzählung bes bier auch fonft vielfach irren⸗
Tod und Iehte Verfügungen des Grafen Balduin VI. von Flandern. 37
17. Juli, und fand im Klofter Hasnon an der Grenze von Flandern
und Hennegau, welches durch fein Verdienſt wieberhergeftellt worden
war, jeine Ruheſtätte *0).
Nach dem Tode des Gemahles verftand es Richeldis nicht, Die
Anhänglicfeit der Flandrer für fih und ihren Sohn, den jungen
Grafen Amulf, feitzuhalten Wenn aud die Zeugniffe über das
Auftreten der Gräfin-Wittwe fihtlih von ausgeſprochener Ab-
neigung beherrſcht find, fo ſcheint doch wirklich ein ungutreffendes
Verfahren, bejonders hinfichtlich der Forderung neuer Steuern, ge-
wählt worden zu jein; aber e3 heißt noch weiter geradezu von
Richeldis, daB fie durch graufamen Drud, wobei % auch die
Geiſtlichkeit nicht verſchonte, durch eine weitgehende Weberhebung
die Landegeinwohner zur Auflehmung angeftachelt habe. Dagegen
ſollen Mutter und Sohn zu Gunften des Biſchofs Lietbert von
Cambray, welder von jeinem Burggrafen Hugo nad) deſſen Burg
Dizy gefangen hinweg gebracht worden war, eingegriffen haben; fie
führten ihn, nachdem fie feine Befreiung aus der Haft erzwungen,
ehrenvoll in feinen Biſchofsſitz wieder ein®').
ben Chron. Hanoniense des Giölebert (SI. XXI, 491): — Balduin — Contigit
— apud Aldenardam usque ad mortem egrotare . . infirmitate oppressus
fol auf einer Berfammlung ber Getreuen an Arnuli Flandern, an den zweiten
Sohn Balduin Hennegau zugetheilt haben, doch mit Wiebervereinigung im Falle
des Todes de3 einen von ihnen (nach Schmiele, 38, dadurch widerlegt, daß Arnulf
urkundlich als Graf von Hennegau vortommt); ferner: quia filii pro corporum
suorum parvitate et nimia juventute ad terras suas ‚das non sufficiebant,
ter eorum Balduinus Arnulphi primogeniti et totius Flandrie procurationem
‚tri suo Roberto Frisioni sub intentione bona commisit (nah 1. c., 38 ff.,
auch, befonbers wegen ded Widerfpruche Diefer behaupteten Bormundfchaft Robert’2,
der urtundliche Zeugniffe widerjpredhen, ganz abzulehnen).
s°) Bun den mehrfachen Stellen über Balduin’s VI. Zod nennen nähere
Umftände: Annal. Elnon. maj.: 16. Kal. Aug. (ebenfo Auctar. Hasnoniense)
obiit Balduinus comes junior, Hasnonie defertur tumulandus —, Annal.
.: Obiit Balduvinus marchisus, qui Hasnoni sepultus est —, Passio
i e. 70, den Zodesort: cum Balduinus vir Richildis in Brugis
obisset (SS. V, 13 — VI, 442 —, 26, XII, 598). Zotal unrichtig ift die Ber
Hauptung Lambert’3, a. 1071, in dem fabelhaften Berichte über dıe flandrifchen
Dinge überhaupt, daß Balduin VI. bei dem von ihm gegen Robert angeftifteten
iegeriichen Aufbruch gegen Frisland in einer Schlacht gefallen fei, was Alles
auf das einlaßlichſte erzählt wird (l. c., 181 u. 182: vergl. ſchon Bd. I, S. 573
n 9 Die Berdienfte Balonin’s VI. für Kloſter Hasnon beleuchtet eingehend
der Mönd Zomellus von Et. Amand, in der Historia monast. Hasnoniens.,
e. 8 #, SS. XIV, 158 fi., wo ce. 17 von der erft am 3. Juni, alfo ganz kurz
vor Baluin's Zode, vollgogenen Einweihung des hergeftellten Klofter® handelt
(56 u. )
1) Eo fur, bie {pätere Flandria generosa, c. 13, über Balbuin’3 VI.
Tod Hinwenging, io einlählich verbreitet fie ſich in jedenfalls atger Uebertreibung
— vergl. Schmiede, 1. c., 41 u. 42 — in c. 15 über Richeidis', der mulier
rixosa et callida, muliebris insolentia — et filii eius Arnulfi vix quindennis
impradentia —, in cc. 17 u. 18über deren tyrannis und nimia eradelitas, qua in
elerum et populum seviebat, etc. (SS. IX, 321 u. 322). Zwar reden aud
Willelmi Malmesbiriens. De rebus gestis regum Anglorum, Lib. II.
€. 256, von Mihgtiffen: At illa femineo fastu altiora sexu spirans novaquc
a provincialibus tributa exigens (Lambertus Ardensis, Hist. comitum
Ghisnens., c. 27, malt diefe Erpreffungen weiter aus, SS. XXIV, 574 u. 575),
38 1070.
Von Robert wurde trog der Balduin VI. noch vor kurzer Frift
gegebenen Zufiherung der mißlihe Zuftand der Dinge in Flandern
alsbald mit eigennügiger Abficht beobachtet, und der Gedanke, dieſe
Sachlage auszubeuten, auf Unfoften des ſchwachen Neffen in das
Gebiet des verftorbenen Bruders ſich einzumifchen, mußte durch die
Nahrihten aus Flandern nachdrücklich geweckt werden. Dabei
fegte Robert fih auch unbefümmert über die frühere feierlich dem
Vater, Balduin V., gegebene eidlihe Erklärung binmeg- daß er
auf Flandern endgültig Verzicht geleiftet habe und niemals auf
bafielbe zu greifen gedenke. Der Frife benußte fogleich zuerft ſchon
den für ihn günftigen Umftand, daß die Gräfin nicht mehr in dem
Gebiet von Brügge weilte, um in den ihm näher liegenden Gegen-
den für fi die Stimmung zu gewinnen. Er wandte fid an bie
angejehenen Männer diefer ganzen Landſchaft des norböftlichen
Saumes von Flandern, von Nfendyfe über Doftburg, Ardendurg
weſtwärts bis Brügge, ſowie an die Seeflanderer, durch Lift und
geheime Botſchaft, fo daß ſich durch Beſtechungen und Bearbeitung
aller Art Verbindungen fnüpften. Ein im Dienfte Robert’3 thätiger
Geiftlicher fol, indem er fih für blind ausgab und wie ein Blinder
mit einem Führer dur die Straßen ging, in Brügge und ber
Umgebung der Stadt gleichfalls gewirkt haben“). Erft nad
in perfidiam illos exeitavit, ebenfo, glei) ber Flandria generosa, e. 15, vor
ber Abficht einer neuen Bermählung mit Willelmus filius Osberni (SS. X,
413). Dagegen bezeugen bie Gesta epp. Cameracensium, Continuatio, in den
— Tre ep., ©. 23, des Biſchofs Befreiung durch Richeldis und Arnulf
88. » )
2) "Balbert bietet, in c. 70, weit bie ſicherſten Nachrichten: Audierat Ro-
bertus comes Holdlandensis patriam relietam nepotibus suis adhuc par-
vulis aetate, et matrem puerorum simul se a confinio circa Bruggas
jacente subtraxisse, habuit occasionem per hoc et prineipium oportunitatem-
que traditionis: darauf die Geihichte von dem geheimen Antnüpfungen ad
rineipes et majores vieinige circa mare — mit Nennung der vier Etädte —,
jonber8 auch durch einen clericus in familie sus als internuntius (l. c.).
Dazu flimmt ber allerdings fpätere, aber ſehr gut unterrichtete Abt Hermann
von Zournay, im Liber de restauratione monasterii sancti Martini Tornacensis,
wo Robert’d Treubruch insbeſondere ſcharf nefennzeichnet if, c. 12: ... ita ut
. . presente patre et filio (Balduin V. und VI.) multisque principibus
‚Robertus publice juraverit, quod nee ipsi Balduino (VI.) nec heredibus
eius aliquo modo de terra Flandrie noceret -— c. 13: Post aliquot vero
annos audiens Balduinum germanum suum defunetum et in cenobio
Hasnonienei sepultum filiumgue eius Ernulfum jam Flandrensem comitem
pretermissoque juramento quod fecerat . .
m, mie Schmiele, 42 f., richtig Darlegt, Die Fl.
8, nicht in Betracht tommen, nad} welher Robert
drin generosa, cc. 17 u.
leih nad Balduin’ VI, Tcbe fon nad) Gent getommen ei: mulierem (sc.
jicjeldiB) accersiens et de paterno regno sibi reddendo ei suggerens, worauf
er, abgerwielen, fi an König Philipp von Frantreih — c. 15: mulier rixosa
et callida confugit ad patrocinium Philippi regis Francie — gewendet habe,
der fich aber von Richeldis mit 4000 Pfund Goldes beftechen u, fo daß er
Robert prelsgan diefer fei dann consilio soceri sui Bernardi ducis Saxonum
— ber lhatſachlich ſchon 1059 geftorben war — über eine Zeit bed Winters in
Gewaltfames Eingreifen Robert’3 des Frifen in Flandern. 39
längerer Vorbereitung aljo, als der Boden gründlich für einen
gümfigen Fortgang geebnet jchien, kam Robert jelbft nach Flandern
hinüber. Bon feinen Anhängern hatte er Zuficherungen der Treue
in befriebigender Weife erhalten; aber deſſen ungeachtet bewerk-
ftelligte er feine Landung nur mit großer Vorſicht. Begleitet von
einer jedenfalls nicht großen bewaffneten Schaar, begab er fich
heimlich von den Schiffen an das Land, zog die Verſchworenen aus
Flandern jelbft an fi und ließ darauf durch Brand ein nächtliches
ichen geben, worauf bie größeren Schaaren erſt herbeieilten und
jo es geilatteten, daß mit einem ftärferen Haufen der Weg offen
fortgejegt werben konnte. Jetzt rüdte Robert nach Gent vor, wo
er mit den Herren des Landes Hof hielt und durch Ertheilung von
Lehen, durch Geldaustheilung und Verſprechungen immer weitere
Genofien für feine Sache heranzog *). Der Umijtand, daß auch
Frisland, wohin ex zuruckkehrte, geblieben, worauf infolge der Exbitterung über
Xidjelbiö nonnulli satraparım . . . legatos ad Frisionem destinant suamque
voluntatem erga eum apieibus insinuant (l. c., 321 u. 322). freilich er-
fiheint Robert au) in_der in n. 61 citicten ingtülgen Seigictäquelle ald Ger
rufener, eben inc. 256: Misso propter Robertum Frisonem nuneio, ut
saupplicantis patrise habenas acciperet, omnem fidelitatem Arnulfo, qui
Jam comes dieebatur, abjurant (sc. proyinciaee).
2) Galbert, c. 70: Igitur cum omnibus prineipum patriae animos, fidem
et securitatem comes Holdiandise obtinuisset, navibus idens cum
armata manu clanculo tantummodo venit in Flandriam, aceitisque omnibus
fraditoribus elanculo, noete quadam signum dederunt complicibus suis
« .... „. Cumque eodem signo omnes convenissent, fuit eorum turba multiplex
et valida (l. c., 598 u. 599) — Chron. $. Andreae in Castro Cameracesü,
Lib. II, c. elam Flandrenses oras ingressus, quorundam nequam
hominum dolis aliquas munitiones et castella occupare cepit (SS. VII, 538)
— Hermann von Tournay, c. 13: Flandriam intravit ..... bellum contra
nepotem snum palam paravit — @ielebert: Robertus .... omnes fere nobiles
Flandrie et burgorum vires sue attraxit voluntati, acceptisque ab eis dolose
securitatibus, dominium Flandrie sibi penitus usurpare . . . non abhorruit
(L. ©, 492) Dagegen tritt in den Annal. Egmundani Gent beſonders hervor,
a. 1071: Rotbertus comes cum paucis Gandavum venit, et convocatis
prineipibus Flandriae, alios beneficiis atque alios pecuniis et promissionibus
ad se adtraxit (SS. XVI, 447), unb ebenfo — vergl. in n. 62 — in c. 17 der
Flandria geneross: usque Gandavum pervenit. Im Anſchluſſe daran, da
in ben Annal. Egmundani der foeben hier angeführten Stelle ber Sah voraus:
geiidt iR: Godefridus dux gibbosus cum Wilhelmo episcopo et, regali
exercitu Rotbertum de Holdland expulit, et sibi potenter subjugavit; [no
facto Rotbertus (etc.), welche Ausfage mit Sigeb. Chron., a. 1071: Godefridus
dux ulteriores Fresones bello aggressus, eos pene ad internecionem delet
«SS. VL, 362) und ber — een 1074 eingefchalteten — Nachricht der Annales Pather-
brannenses (ed. Giheffee-Boicjorft, 95): Willehelmus Trajecti episcopus et
Gozilo dux Fresiam invadent esad deditionem coegerunt — parallelgehe, ordnete
Fr. Diekmann, Gottfried III. der Budlige (Erlanger Differt.), 1885, 23 fj., bie
mbrife Creignifie zeitlich fo, daß Robert, 1070 durch Gottfried II. und
‚of Wilhelm von — in Holland deſchlagen, einen erften vergeblichen
auf Flandern machte und dabei bis Gent (vergl. auch hier n. 64) fam,
hernacdh wieber nad) Frißland für einen Theil des Winters zurädwid (jo nad)
der Flandria generosa, c. 17: Frisiam remeavit et ibi aliquandiu hiemayit:
vergl. ſchon in n. 62), um dann erft Ende Januar oder Anfang Februar 1071
(%) abermald und jet mit wirflidem Erfolge in Flandern zu landen. Wenn
40 1070.
ſchon Urkunden in Gent nad) der gräflichen Herrſchaft des gemalt»
jamen Eindringling3 zeitlich berechnet wurben, erlaubt es feftzu-
ftellen, daß Robert noch vor Ablauf de3 Jahres in der Stadt er-
ſchienen war und als Gebieter über Flandern da anerkannt
wurde °%).
Allein e3 verftand fid) von jelbft, daß damit nur ein Anfang
für bie Sernupiehun des reichen Landes gemacht war. Ein nad
drücklicher Wideritand ließ fi für den Beginn des folgenden Jahres
von dem rechtmäßigen Inhaber der Herrichaftsrechte erwarten. Doch
ein folder Krieg über den Beſitz eines Gebietes, das ſchon länger,
fo weit es überhaupt zum deutſchen Reihe zählte, ein Streben
nad) weiter gehender Unabhängigkeit, gleich anderen angrenzenden
niederlothringifchen ftaatlihen Gebilden, aufwies, konnie nur zu
weiterem Nachtheile für den Zufammenhang mit der Reichs—
regierung führen, und dazu kam noch der weitere Umftand, daß
wegen ber Lehensbeziehungen der weit größeren weitlichen Theile
von Flandern zu Frankreih aud der franzöfiihe König fi zum
Eingreifen in den Kampf aufgefordert fühlen mußte.
nun auch zuzugeben if, daß nad; den Annal. Egmundani — nad) Sigebert,
infofern biefer, a. 1072, auf Goitfried's Kampf im Kern die Schlacht bei
Caſſel erſt folgen läßt — eine berartige Anordnung erforderlich ericheint, fo iſt
andererjeitö die auf folche Weile nöthig werdende BVerboppelung des Angriffs
auf Slandern weder von dieſen holländiichen Annalen irgendwie erwähnt (mas
Diedmann, 26, felbft einräumt), noch mit ben zunäcft ftehenden flandriſchen
Nachrichten vereinbar. Denn die ganz ipäten und von Unrichtigteiten erfüllten
Angaben der Flandria generosa fönnen da doch nicht, wie Diedmann, 25 u. 26,
forbert, in Wetracht fallen, und fo wenig als ber ganz unglaubwürbige Lambert
dl. e., 26 n. 6) hier noch herangezogen werben darf, eben fo wenig hat das Chron.
Turonense, ba3 25 n. 5 zur Unterftügung betont wird, ein Gewicht für bie
Hypotheſe von „zwei Veh (daffelbe fcheidet vom Vorgange des erſten
Jahres: Robertus . . . consensu Flandrensiun contra Arnulphum fratruelem
num Flandriam oceupat et homagia seeipit et munit, was nod) 1070 ger
ſchah, dem des folgenden, wo nun ganz richtig die Schlacht folgt, ohne Erwähnung
eines „zweiten Verſuches“: Recueil des historiens des Gaules et de la France,
XIL, 363). Dazu tommt noch die thatlächliche Unmahricheinligjteit, der zwar
auch Diedmann nicht ganz aus dem Wege geht (25: „dab ſchwetlich Robert, ſo⸗
eben befiegt, im Stande geweien wäre, fid) zum Heren flanderns zu machen“):
aber war denn Robert dazu eher im Stande, wenn er nach Dieckmann's Annahme
außerdem noch 1070 ein erſtes Dal aus Flandern weichen mußte? Co ift hier
die zeitliche Anordnung, welche Floto, I, 338—340, und Gielebrecht, III, 168 u.
169, diefen Dingen gaben, fefigehalten.
%) Daß Robert no 1070 in Gent ald regnans comes Flandrensis galt,
geht aus Nrfunden bes St. Peterd : Klofterd bajelbft von dieſem Jahre hervor
(A. van Lokeren, Chartes et documents de l’'abbaye de St. Pierre au
mont Blandin à Gand, I, 99).
1071.
Die Hofhaltung des Königs blieb, wie aus einer königlichen
Belräftigung der Uebertragung eines Gutes im ſächſiſchen Schwaben-
gau an das Erzitift Magdeburg, vom 6. Januar, hervorgeht, noch
über das Weihnachtsfeſt hinaus in Goslar!). Dann aber hatte
Heinrich IV. im Sinne, felbft den neu belehnten Herzog Welf nad)
Baiern einzuführen, damit dort durch feine eigene Einwirkung eine
zu befürdhtende Beunruhigung vermieden werden fönnte; benn
allerdings waren bie bairiſchen Großen von ihm bei ber Uebergabe
des Herzogthums nicht zu Rathe gezogen worden, und mehr noch,
als die anftößige Art, auf melde Welf zu feiner Würde gelangt
war, fonnte vielleicht dieje völlige Mißachtung des alten Rechtes
des Stammes dem neuen gerog bei der Verwaltung feiner hohen
Stellung ſchädlich werben?). Aber andere Erwägungen zwangen,
zunächſt dieſen Aufbruch nad dem oberdeutfchen Lande nicht ohne
VorfichtSmafregeln für die Feſthaltung des ſächſiſchen Plages, den
der König zu verlafjen gedachte, zu betreiben. Damit nicht dennod,
troß der biöherigen Schugmaßtegein, Goslar bei ber Entfernung
des Hofes von ben Feinden angegriffen und in Aſche gelegt werbe,
1) Wegen St. 2740 vergl. ſchon ob S. 24 n. 38 u. 39. Die Rechtshand⸗
banblung betrifft NT mansos ...... in pago Suave et in comitatu Udonis
marchionis sitos, welche quaedam nunna ludita . . in precariam tradere volens
nostro regali precepto dicari petivit.
5) £ambert: Noverat rex, haut satis placituram prineipibus Bajoariae
quod hoc (sc. Weli’s Beftellung als Herzog) tum contra morem et jus, tum
ipeis inconsultis factum fuisset, et propterea quantoeius ire in Bajoariam
itabat, ut tumultum, ei quis forte oriretur, per se ipsum reprimeret
138. V, 179). Dar hier auf dasjeniae angeipielt wird, was Thietmar, Chroni-
con, Lib. V, c. 14 (*), Heinrich II. fagen läßt: Bawarios ab initio ducem
eligendi liberam habere potestatem, non decere tam subito eos abicere neque
constitutionis Antique jus absque consensu eorum frangere (SS. ILL, 794), ift
jedenfalls anzunehmen: vergl. Hirih, Jahrbücher des deutichen Reiche unter
Semi IL, I, 65 ff. (vergl. 68, n. 2, diefe Stelle Lamberi's), ſowie Riezler,
Sechichte Baierns, I, 728 u. 729.
42 1071.
ließ Heinrich IV. nad einer eratgung mit feinen Vertrauten
einige ſächſiſche Fürften zu Goslar zum Schirm zurüd®).
Doh während nun der König nad Baiern zu ziehen ſich
rüftete, erhielt er von Heſſen her eine Nachricht, die ihn zwang,
feine Aufmerffamfeit nah einer anderen Seite zu richten. Dtto
von Nordheim hatte das ſächſiſche Land verlafien und ſich über
die Wejer hinüber begeben, um durch ermeuerte Kriegsrüftung den
Gegenfag zwiſchen ſich und dem Könige zur legten Entſcheidung
zu bringen; wo es wäre und wo fi) die erfte Gelegenheit darböte,
edachte er in offenem Smoke Heinrich IV. entgegenzutreten. So
ließ er am Nordrande des heſſiſchen Landes, auf dem zwijchen
Diemel und Fulda fih ausdehnenden Hochrücken, den vereinzelt
ftehenden Berg Hafungen befegen, welcher durch feine Lage ganz
geeignet war, jeinen Kriegern, wie immer fi der Gang eines
Treffens wenden mochte, ald Rüdzugsplag zu dienen. Den ſchon
an ſich feften Platz machte er durch Mittel der Kunft noch unein-
nehmbarer; auf der Fläche bes Gipfels wurde aus ber ganzen um⸗
liegenden Gegend Beute zuſammengeführt; ſo war ein kriegeriſches
Standlager geſchaffen, auf welches geſtützt Otto die Annäherung
des Heeres des Königs abzuwarten fi getraute*). Denn Heinrich IV.
hatte, al3 er gezwungen dergeftalt den Aufbruch nad Baiern auf-
ſchob, fo viele Truppen, als er in der Noth des Augenblicks ver-
mochte, aus Sachſen, Thüringen und Heſſen auf das ſchnellſte zur
fammengezogen und auch den anderen weiter entfernten Fürjten
%) Sambert fährt gleich for: Sed e diverso haut neseius erat, si ipse
longius abiset, hostes lico in, Gonlarlam impetum facturos (te: berg. ab
n. 37)... Accepto a familiaribus suis consilio, quosdam Saxonize
prineipes illie praesidii causa reliquit (179 u. 180).
+) Sambert: et ipse (sc. rex), sicut instituerat, in Bajogriam proficisei pa-
rabat. Interea dux Otto .. . statuit rem in extremum discrimen adducere
et cum rege, ubi primum copia fieret, collatis signis dimicare. Iraque
montemn, qui dieitur Hasengun, occupavit, ut is seilicet militibus suis, quando-
cumque res in praelio cecidissent, receptui foret; eum, etsi natura et situ
ipso satis munitum, munitiorem tamen manu atque opere fecit, ibique con-
veeta ex circumjacentibus agris praeda regem praestolabatur (180) Ber
Beh ifolirte Bafaltberg von Yurahafungen, nicht ganz drei Meilen weftlich von
Kaflel, mit plattem grdumigem Gipfel, auf weldem ala Ueberreft noch ein adht-
lg umbebachter Thurm der Kirche fleht (vergl. Landau, Kurfürftentfum
& jen, 213— 215), trug zu biefer Zeit bereits auf dieler feiner Höhe eine zur
innerung an den 1019 eben zu Hafungen verftorbenen heiligen Einfibler
Haimerab von Erzbiſchof Aribo von Mainz geftiftete Kirche, des zu 1020 durch
bie Annal. Patherbrunn. angemertten monasterium super montem Hasungun
in honore Petri et Pauli apostolorum et in memoriam beati Heimeradi, wo:
rauf erft Exzbilchof Giegfrieb 1074 eine Propflei, in qua probabilis vitae cano-
nicos instituimus, eintichtete, weldje ex felbft hinwieder 1081 in ein Wind.
lofler umwandelte (vergl. Scheffer-⸗Boichorft, Annales Patherbrunnenses, 93,
mebft 96 n. 1, 98 n. 4, fowie Will, Regeften zur Geſchichte der Mainzer Etz ·
bilchöfe, I, 202 u. 208, 215). Durch Präf. Echlereth wurde, Zeitfchrift fir 3 ide
Geſchichte und Landeskunde, III (1843), 137 ff., eine Monographie über Klofter
Hafungen publicirt (derfelbe Läßt da, 141. Heinrich IV. don feinen Verſchanzungen
auf bem Dörnberge aus — dieſer kahle mit mehreren Felſenkuppen befrönte
Berg Liegt öftlich dom Hafunger Berge — den Kampf gegen Otto führen).
Otto v. Nordheim auf d. Haſunger Berge verſchanzt; Abfcluß e. Waffenruhe. 48
entſprechende Weifungen zulommen lafen®), fo daß aljo ein ernft-
licher Zufammenftoß befürchtet werden mußte. Doc ftatt deſſen
kam e3 zu erften Schritten für eine nachfolgende friedliche Ver-
ftändigung. Ein Graf Eberhard, welcher vielleicht ſchon feit 1068
an ber Seite des Königs eine geachtete Stellung unter deſſen Räthen
einnahm, vermittelte in perjönlicher Verhandlung mit Dtto_eine
Baffenruhe bis zur Zeit des Ofterfeftes, in dem Sinne, daß der
verurtheilte und aller feiner Rechte entkleidete Fürft zu Diefer Zeit
in Cöln vor Heinrih IV. zur Erlangung der Gnade defjelben —
von weiteren Bedingungen fonnte bei ber Lage der Dinge durd-
aus feine Rede fein — fich einfinde. Damit war ein Kampf,
welcher bei ber verzweifelten Stimmung der außerhalb des Gejeges
ftehenden Anhänger Dito’3 zu einer furdtbaren Erbitterung ſich
hätte erheben müffen, glüdlich vermieden; die Möglichkeit einer
Nüdtehr Otto's in die friedlihe Ordnung war eröffnet. Auf der
anderen Seite konnte Heinrich IV., ohne feiner Ehre in etwas zu
ſchaden, auf einen Angriff gegen die außerordentlich ftarfe Stellung
Dtto’3 am Hafunger Berge Verzicht leiften und die Entſcheidung
überhaupt vertagen; denn jedenfalls war er in diefem Augenblide
nur mit Widerwillen, da jein Ziel ja nah dem Aufbruch von
Goslar ein ganz anderes, weit entfernte hätte fein follen, in
diefer Richtung, nach dem heſſiſchen Boden Hin, thätig aufgetreten ®).
%) Zambert: Rex accepto nuneio nihil moratus, quantas in ea trepi-
datione potuit copias ex Saxonia, ex Thuringia atque ex Hassia celerrime
eontraxit. Ceteris principibus, qui longius aberant, mandavit, ut... . sibi
quam potius possent armata manu concurrerent (l. c.). An dieſe Ereig ⸗
nifſe dentt auch die Compil. Sanblas. in den Worten: Heinricus rex multas
insidias a Saxonibus passus viriliter omnes transivit (SS. V, m 5
*) Ganz ausdrüdlic nennt Lambert al8 bie Perfönlichteit, durch welche bie
erfien Antnüpfungen fih vollgogen, ben ſchon in ®b. I, ©. 597 u. als
am Hofe anmeiend, erwähnten Grafen Eberhard: Plurimum eo tempore rex
consiliis utebatur Eberhardi comitis, sapientis admodum viri, und das fonnte
er, wie alle diefe in Heräfelb's Radbarkaft fich öffentlich, zutragenden Dinge,
13 gut wiflen. Rad G. Tumbült's Darlegung, Zeitihrift für die Geſchichte des
her ins (XLIV, 425ff.), war der vieleicht Icon vor 1018 geborene Graf Eber-
eb von Rellenburg, der 1075 zum leten Male urtundlich genannt wird, die
legten Jahre vor feinem chronolögiſch nicht fefiftehenden Tode in flöfters
licher Zurüdgezogenheit, ſodaß er kaum mehr dieſe Rolle am Hofe geipielt haben
ann. Dazu fommt, daß Lambert, wo er — 1073, 1075 — den Grafen vom
jürichgau meint, dieſen ausdrüdlic ald Eberhardus comes de Ellenburc bezeichnet
, 227), während er den koniglichen Rath ſchlechthin Eberhardus comes nennt.
— Ber ganze Inhalt der Fuhgerung an Otto, welche Eberhard qugelrieben
wirb: sub juramento se ei promittere, quod et veniam culpae, cuius
insimulatus fuerat, et omniıım quae jure belli amiserat restitutionem
dia impetraret, if} jedenfalls zugleich mit der Motivirung Lediglich Zam-
bert’3 Eigentyum, welcher den Derlanf to ſich denten mochte; denn Bogeler, Otto
don Rordheim, 33, jagt ganz richtig, daß bei einer überdies für einen Untere
Händler gegenüber bem Yeiehlefen unbenfbaten Derartige unmittelbaren Zufiche:
rung bem von Lambert felbft angenommenen, nach Göln any — Fſeſtenlag
nichts mehr übrig geblieben wäre. Weiter aber ift Delbrüd, Über bie
würdigfeit Sambert’s von Heröfeld — 27 u. 28 — zugugeben, da auch
auf biefem je von der Bebingung: ut Coloniam veniens dedieionem lege
gqaam principes aequaın judicassent perficeret — gar nicht die Rede fein
44 1071.
Otto löſte infolge der Verftändigung feine Rüftung auf; aber er
erlitt noch während der Waffenruhe durch die in einem perjönlichen
Zwifte eingetretene Tödtung eines zuverläffigen Anhängers einen
empfindlichen Verluſt für feine Sade?).
Heinrich IV. dagegen eilte nunmehr nad) Baiern; es ift be—
eugt, daß er fih am 6. März — am legten Sonntag vor ber
— — hart an der Weſigrenze des Landes, in Augsburg,
aufhielt?). Die Einführung Herzog Welf's ſcheint auf weniger
Schwierigkeiten geftoßen zu fein, als befürchtet worden war;
wenigſtens verließ der König alsbald wieder Baiern, um ſich weft
wärt3 zum Rheine hin zu begeben, und auch Welf durfte e8 wagen,
ſchon nach zwei Monaten fi wieder fern von feinem Herzogthum
am königlichen Hofe zu zeigen ?).
Wahrfheinli it dur den König, als er durh Schwaben
feinen Weg nahm, aud die Beſetzung der durch Meginward’s
Rücktritt erledigten Abtei Reichenau neu durchgeführt worden !0).
Tonnte, weil Otto ald Rechtloſer nur noch vom Könige Gnade zu erwarten im Stande
war, ohne daß noch ein Endurtheil der Fürſten fich dabei denten ließ. Es han-
delte fi) eben blos um indueiae — usque in pascha —, die aud dem
Könige wegen des beabfictigten Beſuchs in Baiern erwünicht waren. Inſoweit
hat Sambert nicht Unrecht mit: quippe cum taedere eum (sc. regem) jam
belli coepisset, während bie vermuthete Mrfahe: quod propter privatum ho-
minis (sc. Ottonis) amorem a prineipibus per ingenium trahi ac iter
Dinyugedacht if; in den Worten,
) Dielen einzelnen Umftand erwähnt wieder Lambert allein: .. . . Rheteri
enmes . „ . oceisus eat ab hostibus muis propter yunsdaın privatas simul-
tates (I. c.)
*) Zu Sambert: Rex, sicut instituerat, in Bajoariam abiit (1. c.) ſtimmt
bie, Angabe der Annal. August: In quinguagesima rex Augustae moratur
(ss. II, 128).
%) Sambert’3 Zeuaniß— sc. in Baiern) compositis mediocriter, prout
tune copia erat, regni nı is, ad Renum redüt (l.c.) iſt allerdings nur
furz und Ichematifch genug; doch ift durch St. 2743 Welf's Unwelenpeit ın Lüt:
ti) am 11. Mat bezeugt (vergl. n. 16).
1%) Da nach der Erörterung in Egeurs I. überhaupt Lamberrs zwar fo ein-
gehende Beleuchtung dieler Weziehungen Nuotbert’s zu Reichenau (183 u. 184)
nicht ala in der vorgebradhten Weife annehmbar betradjtet werden tannı, fo ift
bie unmittelbare Antnüpfung von Ruotbert’3 Eintritt an Meginward's Rüdtritt:
In loeum eius (sc. Meginwardi) . . . protinus irrupit Ruobertus — durdaus
nicht weſentlich. Allerdings von zum Theil unannehmbaren, in Bd. I, ©. 493,
u. 8, abgewielenen Grundlagen aus hat ar in feiner Abhandlung in den
erläungen zur beutjchen ſchichte XXIL, 572 u. 573, richtig geichloffen,
iihof Hermann von Yamberg werde Abt Ruotbert, vielleicht Done jelbft_bes
ftodden worden zu fein, empichten haben; ferner berührte wohl Heinrich IV.
der, nad) ©. 24, n. 38, zu vermuthen, ſchon das Weihnachtsfeſt hatte in Bam-
— en wollen, auf bem ge nach Augsburg dieſe fränkiſche
Biſchoſsſtadt. Endlich Liegt es am nächften, daß der König auf dem Wege don
Augsburg mad) Vale ſich der Reicyenauer Sache annahm. Dak Übrigen® Ruot-
bert exft 1071 Bamberg verließ, zeigen auch die Annal. s. Michaelis Baben-
berg., zu dieſem ahre: Ruodpertus (a. 1066: R. successit) vivus discersit;
allerdings könnte danach, daß Eggibertus eodem anno successit 3. Kal. Sept.,
Nuotbert auch erft fpäter von Et. Michael mweggegangen fein (SS. V, 9).
Welf ald Herzog in Baicen eingeführt. Ruotbert Abt v. Reigenau. 45
Allein der Vorfteher, den er, ohne fih um das Wahlrecht ivgend-
wie mehr, als im eriten Falle, zu kümmern, den Reichenauer
Mönden gab, war ohne Frage viel weniger würdig, ald Meginward
jeweſen war. Allerdings ift Meginwarb’3 Nachfolger, welcher
iöher, jeit 1066, Abt des Michaels-Kloſters zu Bamberg gemejen
war, in einer geradezu maßlojen Weiſe in den Zeugnifien der
Geſchichtſchreibung verunglimpft und heruntergeriffen worden, und
dabei übertrug fih die Mißgunit der Erzähler auch höchſt unehr-
erbietig auf die Perjon des Königs. Aber es jcheint wirklich, daß
diefer „Geldgauh” — fo ift der meue Abt Ruotbert in Hersfeld
benannt worden — einer derjenigen Angehörigen des Mönchthumes
war, welchen die Berührung mit Geldangelegenheiten nicht uner»
laubt ſchien, daß er dur Spenden — erer Art, die in der
Umgebung des Königs ihre Abnehmer fanden, fi den Weg zu dem
jchwãbiſchen Klofter gebaknt hatte!!). Jedenfalls nahmen die An-
gehörigen deſſelben von Anfang an nur mit größtem Widerwillen
Ruotbert bei fih auf, und jehr raſch mußte ſich berfelbe in eine
ähnliche Lage, wie Biſchof Karl von Conſtanz, verjegt ſehen.
In Baſel weilte Heinrih IV. am 26. März, in Straßburg,
wo die Anmwejenheit der Königin Bertha und des Biſchofs Hermann
von Bamberg bezeugt ift, am 3. April. Dort empfing das Klofter
Rheinau den Löniglihen Befig in dem Orte Enfisheim im Elſaſſer
Sundgau und zu Berölingen im Hegau; bier wurden an St. Blafien
achthaib Hufen zu Eggingen im Albgau geſchenkt, welche aber der
König ſich erft von Herzog Rudolf von Schwaben hatte übergeben
lafjen müflen!*). Dann forgte Heinrich IV. auf dem weiteren Wege
11) Reben Lambert (vergl .n. 10) fteben als allerdings gleichfalls graneriiäge Zeuge
niffe die Compil. Sanblas.: Quidam Ruopertus, abbas Babinbergensis, Augien-
sem abbatiam dato regi multo auro symoniace intravit, ähnlich Bernoldi
Chron., a. 1070: post quem (sc. Meginhardum) quidam Ruodpertus indigne
eidem abbatiae praefectus, bejonbers aber Annal. Altah. maj.: Cum ahbatis
(sc. Sigiberti vch. Meginward's) gesta in ore multorum versarentur et ab
omnibus, qui audierant, laudarentur, quidam Ruodpertus, abbas de mo-
nasterio sancti Michaelis, triginta libras auri, ut ferunt, regi obtulit et ean-
dem Augiensem abbatiam emit (SS. V, 275, 429, XXI, 823). Gregor VII.
redete 1074 in Registr. I, 82 (Safe, Biblioth. II, 103—J. 4870) in einem
wädblide von Robertus simoniacus et invasor monasterii, daß erfannt worden
kei, quod, relicta alia abbatia, ad hanc pretio anhelasset, doch ohne daß
irgendwie dabei dom Bapfte ein Vorwurf gegen Heinrich IV. felbft geäußert
wucbe. Bergl. neben Beyer, 1. c., 572—574, wo Ruotbert? Berfefung nad)
Reichenau unrichtig fon zu 1070 gefellt wird, noch bie ob. ©. 34 in n. 53citirte
Tiffertation von Fr. Voigt, 58 u. 59, 61 n. 1 (mit Beweilen für Ruotbert’s
wirkliche Anweienbeit in Reichenau, gegen Lambert, für welde auch bie Auf⸗
führung im Catalogus abbatum fpriht: Meinwardus et Ruopertus symoniaci
annis 5 — SS. An 332).
12) St. 2741 — feither wieder abgedrudt, Quellen zur Säweiper Geſchichte.
IH, 2, 48, ſowie Urkundenbuch der Stadt und Landſchaft Zürich, 32 u. 133
— bezrichnet bad jeht abgegangen: Berälingen (in Persiningin: bei Merihaufen,
Kanton Echafihanien) als in pago Hegouve in comitatu Ludewici gelegen;
die Echentung in St. 2742, bei der aud) bes Andentens Heinrich's III. gebadit
wird, fon in ®b. I, ©. 654, erwähnt, lag in comitatu Gerhardi comitie.
46 1071.
rheinabwärts dafür, daß die unterhalb Andernach auf dem rechten
Ufer den Strom hoch überragende und den Lauf beflelben be-
Berricenke Burg Hammerftein, welche dem Reiche infolge des Aus—
terbens des gräflichen Geſchlechtes zuftand, wieder hergeitellt wurde;
mit aller Anftrengung wurde auf die neue Befeftigung des von
Natur äußerft ftarfen Platzes Mühe verwendet, welder ein halbes
Jahrhundert früher ein ganzes Reichsheer unter Heinrich II. ein
Vierteljahr hindurch vor feinen Mauern gejehen hatte!s). Das
Dfterfeit — 24. April — wurde in Cöln gefeiert '*). mg: Otto
von Norbheim hielt ſeine am Anfang des Jahres gemachte Zuſage,
fih hier vor dem Könige zu ftellen, nicht; inbeffen wurde ihn eine
weitere Frift, bis zum Pfingftfeite, erftredt 5).
Aus Cöln verlegte Heinrih IV. die Hofhaltung alsbald nad
12) Sambert: Castellum Hamerstein, quod a superioribus regibus jam
olim diratum fuerat, summo nisu instauravit (sc. rex) (180). en dieſes
feit 1036, wo Graf Otto von Hammerftein ohne Erben flarb, in den Befig des
Reiches übergegangenen wichtigen Platzes der aud ſchon 1074 in St. 2770 ala
eine Hauptgoltätte Hervortrüt, vergl. Brehlau, Konrad II., IL, 360 u. 361.
Beil jegt eine Herftellung notbwendig war, ift immerhin anzunehmen, e8 habe
1020 nach der Hebergabe der Burg, mag auch dort nicht davon geiprocen fein
(vergl. Hirich, Heinzich IL., IN, 174), eine gerflörung wenigfien® der fünftlihen
Befeftigung des durch Natur ſtarken map fattgefunden. Das in ber Zeit der
— der Kaiſerin Agnes (vergi. Bd. I, ©. (98 u. 699) angelegte Verzeich-
niß nennt unter ben curie de Francia circa Rhenum (: que pertinent ad mensam
regis Romani) auch Hambrestein ($öhmer, Fontes rer. German., III, 398).
— „Meinung“, Gregorius VII, 11, 243, ift, die Befeſtigung Hammerſtein's
habe fi) gegen Anno gerichtet.
14) Xambert bezeugt: Pascha Coloniae celebravit (se. rex) (l. c.). Dagegen
fegen Annal. Altah. maj. das freft nach Lüttich (822). Hiergegen fält der
Triumphus s. Remacli, Lib. Il, c. 1: Regalis curie condieta erat Legiae
celebrari, dominicae videlicet resurrectionis adveniente tempore sollempni
verfeßten Vorgänge auf den 9. Mai und die vier inkengehenden e fallen,
0
melde ja ganz außerhalb der Oftergrenge Tiegen, jo daß alfo hier der Weriafler
Herfellung d. Burg Hammerflein. Verlegung d. Hofes von Coln nach Luttich. 47
Lüttich, wo nun, in der Stadt des Biſchofs Dietwin, eine größere
Zahl von Fürften in feiner und der Königin Umgebung fi) genannt
finden. Erzbiſchof Anno, dann die Biſchöfe Wilhelm von Utrecht,
Theoderih von Berdun, Hermann von Bamberg, Lietbert von
Cambray, Gregor von Bercelli, der italienifche Kanzler, ferner
Ermenfrid von Sitten, von weltlichen Fürften die Herzoge Gottfried
von Riederlothringen, Rubolf von Schwaben, Welf von Baicrn,
doch außerdem noch weitere, nicht namentlich aufgeführte Fürften
und Getreue ftanden nach urkundlichem Zeugniffe am 11. Mai dem
Könige zur Seite!*). Doch ſchon zwei Tage vorher, am 9. des
Monate, war in Lüttich eine Angelegenheit zu Ende gediehen,
welche feit 1065 den König befchäftigte 7).
— gui provisor regiae domus erat tünc temporis —
Siebert Di ® von
Sendfcgreiben. zunachſt an das gleichfalls im Xüttü Biäthum Liegenbe Klofter
a a Betindi q bes Kot verichidt 33 Die Halente Differ-
tation don D. Dietrich: Der Triumphus 3. Remacli, eine Quelle für die Geſchichte
des 11. Jahrhunderis, 1887, wollte, 13ff., beweifen, daß cc. 4 u. 8—21 biefes
igealichen Triamphus ni uprünglich, Tonbern’eft nachträglich, foger ef
zac 10 9, beigefügt worben jeien; boch hat der Verfaſſer die Worte von c. 7:
ambientes is praesentiam, auf welche er, 15, zumeift abflellte, ganz mißver-
fanden (vergl. n. 24), wie fchon buch Wattenbach im Neuen Archiv der
Sekürgett fr ältere deutfche Geidictöfunde, XII, 604, betont wmurbe,
jodaf ietrich's Hypotheſe hier nicht berüdjichtigt wird. Gin ferneres zeitger
nöfft Zeugnig iR der Brief des Biſchofs Dietwin an den Biſchof Immab
von ‚born (mac einer rift von Waiß SS XI, 434. in bem weſentlichen
Theile men abgebrudt). Dazu fommen Annal. Altah. maj. (l. c, 822) und
Zambert (I. c-, 183), auch mit eingehenderen Schilderungen, endlich nur ganz kurz
Annal. Stabalens.: Hic redditum est Malmundarium sancto Remaclo, Annal.
Weissemburg: Monachi et familia Stabulensis cenobii patroni sui sancti
Remacli anzilio de magnis periculis liberati sunt, Annal. Laubiens. Contin.
(Hier felbfländig): Sanctus Remaclus a suis Legiam deportatus, de Malmun-
io jus suum a vo virtutibus extorsit (88. XII, 48, III, 71, IV, 21).
Gfrörer, Gregorius VIL, II, 247—291, „greift mit Pelzhandſchuhen ben Zur
jammenhang“ und zeigt, dab „nie ein geiftvoller Geſchichiſchreiber die Cenſur
befler umgangen und einen hochgeftellten Zügner — barunter will Gfrörer, der
„Aufdeder des wahren Herganges aus anderen Chroniken und aus Urkunden“, bei
welcher Arbeit er allerdings ein gemwaltiges Ne aus dem verſchiedenartigſten
Bingen zufammenflicht, Biſchof Dietwin verftehen — gründlicher gernhligt at“,
dla das Lambert hier gethan habe, und fo hat feine unerhörte Weile, feinen
Terten Zwang sufjulegen, hier Gfrörer auf den hoͤchſten Grad gefteigert; ficht-
lid) aber haben bie Worte Lambert’, der auch hier, wiefonft, gern von irgend woher
Vernommenes wortreich wiebervorbringt, über die Stabloer Mönde: ut fertur,
divina revelatione ad hoc faciendum ineitati — Gfrörer dennoch geftört, und jo
hıchte er mit vermehrter Anftrengung hier die Dinge umzubrehen, ba e3 galt —
„der gefunbe Menfepenverftand nötbigt” —, „eine der fchmerften Unklagen gegen
Drinrich IV. auszufprechen“: — „eine Abficht ging dahin, in Lüttich bie Menge
48 1071.
Abt THeoderih von Stablo hatte zulegt 1068 in Nom vor
Aerander II. gegenüber dem jelbit anweſenden Erzbiſchof Anno
feine Forderung der Rüdgabe von Malmedy, doch ohne Erfolg,
vorgebracht !°). Seither jhien die Sache neruht zu Haben. Allein
die jegt eingetretene Verlegung der Hofhaltung in die Hauptitabt
des das Klofter Theoderich's umfafjenden Bisthums und die Kunde,
daß hier zu Lüttih_auf dem Reichstage vor dem Könige zu er-
icheinen eingeladen fei, wer etwas zu lagen hätte, ermuthigten den
Abt, neuerdings hervorzutreten, zumal da ihn Heinrich IV. dorthin
zur gerichtlichen Verhandlung vorgerufen hatte!’). Immerhin war
Theoderich durch das Scheitern der früher gemachten Verſüche zu=
nächſt enttäufcht geweſen, und es hatte der Aufforderung durch die
älteren Brüder des Klofters bedurft?“), damit er den Entſchluß
faßte, den Verfuch zu wiederholen, welcher 1066 ohne Erfolg gegen-
über dem Könige gemacht worden war, nämlich durch die Vor—
zeigung ber heiligen körperlichen Reite des Elöfterlihen Schutz⸗
herrn Remaclus, zumal da ja berjelbe in eigener Perſon Biichof
der Lütticher Kirche geweſen ſei, auf den Willen der entjcheidenden
Kreife einzumirken. Da der Aufbrudy etwas mehr Zeit in Anſpruch
nahm, ging der Abt ſchon am 5. Mai nad Lüttich) voraus; am
nächſten Tage folgten die Mönche mit dem Leibe nad. Schon auf
dem Wege, wo etwa mitten zwijchen dem Klofter und dem Bijchofs:
fige, in Louvegnee, auf einem Beſitzthum von Stablo, die Nacht
zugebracht wurde, glaubten die Mönche durch eine Wundererjcheinung
in ihrem Vorhaben von oben beftärft zu fein, und fo jegten fie
fih bei der Annäherung an die Stadt darüber hinweg, daß ein
vorausgeſchickter Bote ihnen mittheilte, Biſchof Dietwin wage es
wegen de3 Uebelwollens Anno’s nicht, den Schrein in einer des
Heiligen würdigen Weife zu empfangen ; vielmehr brachten fie eilig
ihren Einzug zu Ende, und wirflih wurde es endlich aud noch
Anno abgerungen, daß der Biſchof mit allen jeinen Geiftlichen
hierbei die Mönde einholen durfte, während freilich Anno mit
feinem Anhange ſich davon fernhielt?”).
Doch nun handelte es fih darum, wie Anno, jo bejonders
fo lange zu „bis fie fi) an Hanno (1) vergriff und ihm todtſchlug“. —
um Glnden jerlauf des Proceffes ift übrigens aud) nod) Franklin, Das Kiss
ofgericht im Mittelalter, 1, 42—44, zu vergleichen.
18) Bergl. zulept in @b. 1, &. 587-589.
?%) Triumph., Lib. Il, c. 1: omnes, qui habebant causam judieii, jussi
sunt conyenire de singulis partibus Romani imperii . . . Theodericus aderat,
cui rex de dampno geelesine placitum illie indixerat (450).
®) L.c.: . . affectus io et diffidens omnibus humanis auxiliis, licet
sero seniorum nostrorum adquievit consiliis (nämlic) bie in ®d. I, ©. 495
— 497, behandelte Neberbringung der Gebeine bes Klofterpatrones an den könig⸗
lichen Hof au wiederholen). .
9) Hiervon handeln ce. 1—3 (450 u. 451), wovon e. 2 die Anwefenheit in
bee villa nostri juris Lovineias nomine erwähnt.
Erſcheinen d. Abtes Theoderich u. d. Mönde v. Stablo in Lüttih. 49
aud den König in einer für Stablo günftigen Weife zn ftimmen 2).
Da gab fih voran Biſchof Dietwin felbit die größte Mühe; bei
Anno verſuchte e8 der italienifche Kanzler, welcher demſelben näher
ftand, doch ganz ohne Frucht: der Erzbiſchof fol fi in der nad-
drücklichſten Weife verihworen haben, daß, jo lange er lebe, von
einem Verzichte auf Malmedy keine Rede fein könne. Ebenjo wenig
nüßte es, daß bie älteren Mönche von Stablo jelbit fih am
folgenden Tage, am 8., dem Sonntage, bei einer gottesdienftlichen
Handlung Anno zu Füßen warfen ?®). Inzwiſchen hatte am gleichen
Tage vor dem Könige und den verfammelten Biſchöfen und Fürften,
in Gegenwart Anno’3 und des Abtes Theoderich, die Verhandlung
über die Angelegenheit von Malmedy begonnen; aber ein neuer
Aufſchub des Gejhäftes war eingetreten. So entjchloffen fih nun=
mehr die Mönche, jelbft zu dem Könige zu gehen und ihm ihre Sache
an das Herz zu legen**). Heinrich IV. jaß mit feinen Fürften in
einem an die Pfalz angrenzenden Zaumgarien zum Mahle, als ſie
vor ihn tretend ihre Bitten begannen. ‘Das Unrecht, welches durch
die Abreißung von Malmedy dem heiligen Remaclus angethan
worben fei, die dadurch Herbeigeführte Verarmung des Klofters
Stablo, auf welches des Königs Vorgänger auf dem Throne ihre
Gunftbezeugungen gehäuft hätten, führten fie in beweglichen Worten
aus. Allein der König jah nur auf das Antlig Anno's, welcher
=) Bon ben Worten in c. 3: In quo conventu, quis abstinere potuit a
iserimis (ete.) an wendet. fid) der Verfafler den auf den 7. Mai, ben Tag bes
Ginzugd der Stabloer, folgenden Zagen und Greignifien zu, ben Bemühungen:
quatinns regem et archipraesulem utrosque huius facti reos ab incepti seı
tentia deduceret (sc. Dietwin), ſodaß eben hier im legten Safe von H
domnus noster episcopus .. . . totum biduum impensius peragit
— dieſe zwei Zage niemals mit Dietrig, 1. c., 21, auf den Zag der Ankunft
umb ben ber Gntideidung bezogen werden können, welche ja auch; vielmehr
thatlähli — als der 7. und der 9. Mai — buch den dazwiſchen Liegenden
= Mai — den erften des bidaum — don einander getrennt Tagen (e8 ifi ganz
ambegreiflid), wie Dietrich, 21, feiner Conftruction der Dinge zu Liebe, den in
e. 5, a. 4., erwähnten erastinus ald „den Haupttag, ben 9. Mai“, erflären konnie,
während die Beifügung: quae dies erat dominieae resurrectionis den Tag
machbrädiich ala den Gonntag bezeichnet, was eben für den 8. Mai, nicht aber
für Montag — 9. Mai — zutrifft, ebenfo wie er, l. c., die Behauptung aufs
Rellen konnte, auch Biſchof Dietwin rede in feinem Briefe „von zwei Tagen“
(vergl. dagegen in n. 28 u. 29 bie einzigen Beitangaben bes Briefes: nox unb
man
>
=) In ce. 3 (Schluß) — 5, welches letztere Dietrich, 14, ganz mißver-
Fnuchtiofen Mbichluß beiont. Jeht er in c. 8 treten die Mönche vor den König
in dad pomarium; denn bie orte von c. 7, bie Dielrich irrig, auffahte (vergl.
in n. 19), handelten ja nur erft von ber Abficht, den König aufzufuchen.
Hener von Anonan, Jahrb. d. diſch. R. unter deinrich VI.u. V. ®d.II. 4
50 1071.
zuerft ganz ftumm blieb, bann, nachdem ber Spreder ber Mönde
Heuerbings noch dringlicher König und Büchen angerebet hatte, eine
Verſchuldung von feiner Seite ganz ableugnete. Eine Vertröftung
bes Bischofs Hermann von Bamberg, der als damaliger Vorſteher
des königlichen Haushaltes —D— — auf eine Unterſuchung am
folgenden Tage, vermochte die Bittſteller nicht zu beruhigen. So
griffen fie abermals zum legten Mittel, das ihnen blieb, und un-
verjehens ftellten fie nad) gemeinſamem Rathſchlage den Schrein
mit den Gebeinen ihres Heiligen vor dem Könige auf den
Tisch, unter Anrufung des Gerichte Gottes gegen die Ungerechtig-
keit. Verſchiedene Reden gingen nun hin und ber. Der König be
klagte fi) über da8 Vorgegangene gegenüber Anno, welcher heftig
auffuhr und die Mönche der Frechheit zieh; die umfigenden Biichöfe
wollten den Schrein in die Kirche zurüdgetragen fehen; bie junge
Königin brah in Thränen aus; als der König wieder von ber
Anfegung der Verhandlung auf den fommenden Tag ſprach, wollten
die Mönde nichts davon wiſſen. Da ergriff jhlieglih Anno
Heinrich's IV. rechte Hand, mit der Frage, ob er noch länger zu
feiner Schmad hier figen wolle, um die Beleidigung mit anzujehen,
weldje die zubringlien Mönde in bäuriſcher Plumpheit ihm zu-
gefügt hätten. So fprang ber sönig auf und verließ mit allen
feinen Leuten die unſchlüſſig zurüdbleibenden Klagefteller. Zuerft
dachten fie dem Könige zu folgen, wurden aber am Eingange der
Pfalz gröblich mit ihrem Heiligen zurückgewieſen; dann fahen fie,
als fie den Baumgarten verlaffen wollten, fih den Weg durch
das Volfsgedränge verfperrt, und fo trugen fie den Schrein wieder
zum vorigen Plage auf den Tiſch zurüd. Da ſoll — fo berichteten
wenigſtens nachher die Mönde von Stablo in ihrer Sieges—
botſchaft — unerwartet ein neues alle Zufchauer erſchütterndes Er—
eigniß eingetreten fein: die ftarfen Stügen feien unvermögend ge-
wejen, das Gewicht des heiligen Sarges zu tragen, und fo jei die
Laſt zu Boden gefallen ??).
2%) Die Vorgänge im pomarium ſchildern cc. 811 (hier zulept die Ger
ſchichte von der Verlehung — und augenblidlihen wunderbaren Setung — bes
uidam ex nostris servientibus ipeius familiae, des servulus Gonterulus, beim
ufammenftung bes Zifhes). Das Dlittel ber Mönde, auf den König zu wirken,
ſchildert auch Dietwin's Brief: feretrum jactatum (est) super mensam coram
rege, cum ne sic quidem cor regis . . ad misericordiam devolveretur, sed
potius ad iracundiam concitatus, exiliens de accubitu conclavique receptus
secum stomacharetur. Gbenfo tritt in den Annal. Altah. maj. die Auffeßung
bes Eihreind: ante regem et episcopum (sc, Anno) simul convivantes super
mensam posuere . . . rex et episcopus irati de mensa se levare (efc.) — in
ben Bordergrund, doch mit, Seifügung des Zufammenbrucd;® des Tiihes —
ruptis pedibus, qui firmissimi videbantur — und be Unfal® — unus de
eircumstantibns, qui et contra sanctum Dei latraverat —, und zwar ohne die
wunderbare Heilung. Lambert beingt die Geldichte aud) eingehend, ebenfans
unter Hervorhebung bes Zornes Heintih's IV.: rex ..... nimium efferatus,
coneitus se, relictis cpulis, in palatium proripuit; bejonber in der Geichichte
der wunberbaren Begebenheit fchließt fi) Lambert dem 'Triumphus an, mit
Mbrehnung beffen, daß bei ihm ber geheilte Verwundele ein minister regis,
haut obseuri nominis vir, ift.
Hartnädigkeit der Bitten der Mönde von Stablo. 51
Augenjheinlih war in höherem Grade, ala man aus Stablo
das jpäter zugeben wollte, Heinrich IV. über biefe Art des Vor-
gbens in Zorn gerathen, und bie Entrüftung, welde ihn von der
afel hatte hinwegeilen laflen, wirkte noch darüber hinaus nad.
Die Mönde mußten erfennen, daß fie gerade das Gegentheil ihrer
Abidt, das Wohlmollen des Königs zu erwerben, erzielt hatten.
So jollen fie jogar, wie der Biſchof von Lüttich kurz hernach ſchrieb,
nah dem Aeggange bes Königs in umehrerbietige Worte gegen die
Ohnmacht ihres Klofterheiligen ausgebrochen fein, ba dieſer auf den
Willen de3 Herrſchers jo gar feinen Einfluß ausgeübt habe**).
Indeſſen hielten fie nunmehr während des Reftes des Sonntages
an ber Eeite ihres Schreines tapfer an ber gleichen Stelle aus.
Als nad der Aufforderung Anno’s, daß dafür geforgt werben
möge, bie Gebeine des Heiligen an eine geweihte Stätte zu bringen,
tönigliche Kämmerer eine entprechende Weiſung meldeten, wieſen
die Mönde diefelbe ab; ein Verfuh, den Sarg aufzuheben und
meggutragen, fol in munberbarer Weife gefcheitert fein. Ein
weiterer Befehl, welchen Biſchof Dietwin im Auftrage des Königs
überjenden ließ, Mahnungen des Abtes Theoderich jelbft, welcher
den Vorwurf, er habe die Hartnädigfeit hervorgerufen, von ſich
abmwälzen wollte, und bes fon begleitenden Bildofs von Utrecht
nützten nicht3 mehr”). So das Dunfel herein, und bis zum
Morgen dauerten die Nachtwachen in dem Baumgarten, augen-
iceinlih in heftiger Aufregung der mit Gebeten und Gefängen um
die himmlische Hülfe ringenden Verfanmlung*). Erft am Früh—
?*) BergL bie Stellen in n. 25, welde bie Lönigliche Mißſtimmung flärker
borterin fafen. Während Annal. Altah. maj. den Mönden vor dem Könige
eine ziemlid) berausfoxdernde Anrede an den Ki Remaclus in ben
Tegen: Eia, sancte Dei, supplices tuos exandi et defende, —* tun
ana mit ihrem Schrein zum Weggange ad sanc-
tuarium, wie Anno 35 zu vermögen. Die in c. 13 in Anno's Rebe
Rebenben }Wenduni lominum totins Romani imperii, imperiali censura
find für Dietrich, 3, ein Hauptgrund Fr Annahme, deß die in nm. 17 ange⸗
führten ne erſt "nad) Hei Heintichs —S——— ſeien. Doch
wie kommt es, daß auch in dieſen Gapiteln Heinrich nie anders, als rex, ger
naunt wirb? ber ebenſowenig iſt ctwa für Lib. I. z. B. aus promissio im-
Pers (e. 13, a. ©.) ein folder Schluß zu ziehen.
e. 16 a. €.: Post haec, claudente diem vespera, nocturnas ex-
eubias Peregimus; über c. 19, ba3 aud) in biefe Nacht fält, —* n. 31.
52 1071.
morgen des Montags wurde der Leib des Heiligen endlich, und
zwar ohne Zweifel unter Ausübung eines gewiſſen Druckes auf die
Mönde, von dem Plage weggebracht, wo ihn der König nicht
mehr länger bulben wollte; in der St. Marien-Domtirche, welhe
zugleih dem in der Krypta beigefegten Heiligen des Bisthums,
den innen Lambertus, geweiht war, wurde ber heilige Remaclus
geborgen ?°).
Sc) jegt noch glaubten die Unglücklichen das Schlimmfte vom
Könige, der Anno's Rathſchlägen fortgefegt zu folgen ſchien —
fogar die Abficht, den heiligen Reib ihnen wegnehmen zu laſſen,
ſchrieben fie Heinrih IV. zu —, befürchten zu müfjen?‘). Da
bereitete fi) eine ganz unerwartete Wendung vor. €3 ift nicht zu
bezweifeln, daß bie Bevölkerung von Lüttich und bie wohl infolge
ber Anmefenheit des Königs und ber Fürften noch vermehrte herbei-
eſtrömte Menge durch das Erfcheinen der mit ihrem Heiligen
Hepentlic bittenden Mönde von Stablo in Bewegung gebracht
war und fi auf die Seite derfelben, gegen Erzbifhof Anno und
den König, — Schon beim Einzuge des Reliquienſchreines,
dann aber vorzüglich bei den Vorgängen um bie königliche Tafel
im Baumgarten war der Zubrang des Volfes ein ganz ungemöhn-
licher, und Heinrich IV. gerieth in Angft angeſichts der gegen ihn
ungünftig ſich erweifenden Mienen der Zuſchauer; er foll mit großer
Behorgnih in der Nacht zum 9. von ber Pfalz aus einem Volks-
fänger gelaufeht haben, als berfelbe aus dem Stegreif in einer auf
das Volfsverftändniß berechneten Weife, dem Könige abhold, die
Leiden bes heiligen Remaclus und ber Seinigen dichteriſch be-
handelte. Aber auch aus den Neußerungen geiftliher Fürften,
voran des Biſchofs Dietwin, dann des Bifhofs von Vercelli, aus
anderen Stimmen konnte er entnehmen, daß die Weigerung ber
Herausgabe von Malmedy von den Großen des Reiches nicht ge-
billigt wurde. Doc er war einmal durd feine frühere zu Anno's
Vortheil gegebene Erklärung, durch die bisherige Haltung an den
Erzbiſchof gebunden, und ohne deſſen vorangehenden Verzicht ver-
mochte er nit, Stablo entgegenzufommen®!). Wieder befanden
Wieder zeichnet Dietwin die Sache fchärfer: His (die Worte gegen den Heiligen
in n. 26 find gemeint) atque similibus ymnis in eodem loco noctem eircum-
sseviunt unam. Die Annal. Altah. maj. und Lambert (vergl. n. 34) erwähnen
dieſe durchwachte Nacht ebenfalls.
2°) Mehr ala das ziemlich gewundene c. 20 (456 u. 457) zugeben will, muß
nad) Dietwin’s Brief Nöthigung eingetreten fein: cum mane vix extorqueri
posseh ut referretur in aecclesiam. Einen weiteren Grund, wehhalb der König
a8 Haben wollte, nennen Annal. Altah. maj., welche allerbinge unridhtig den
Schrein erft jept in quoddam pomerium tragen lafien —: altero die, quo rex
ibi commessurus erat (nämlid, wo biß dahin der Sarg gelegen hatte).
0) In c. 21 fteht: eius (sc. Anno’) etiam instinetu et studio dieebatur
rex id habere consilii, ut concessum eins dono corpus patroni nostri sibi
auferret episcopus Bavebergensia.
*1) Diele flarte Belheiligung des auf Seite de Heiligen ſich fiellenden Volkes
heben viele Stellen des Triumphus fehr gern hervor: — fo in c. 3 fon beim
Is mh
Rüdgabe d. Kloſters Malmeby durch Anno u. Heinrich IV. an Stable. 583
Ah, ſchon um ben Mittag’), König und Erzbiſchof beifammen;
geiftlihe und weltliche Fürften vereinigten ihre Bemühungen bei
dem Herrſcher. Da jprang der König erſchrocken von feinem Site
auf, wandte fih zu Anno und forderte ihn auf, ba längerer Verzug
nicht mehr möglich fei, fih zur Aufopferung von Malmedy zu ent⸗
fließen: mit ober ohne Anno's Willen müfje er dem heiligen
Remaclus, was biefem gehöre, zurüdgeben. Da antwortete Anno:
„Weil e3 einmal jo Gott gefällt und es nicht anders gehöchen
Tann, fo fiehe, Herr!, nimm das Gut, welches Du gegeben haft,
zurüd!” - und er ftredte bem König den Hirtenftab Hin, den er in
der Hand hielt. Dann eilte Heinrich IV. ſchwer athmend ſogleich
aus der Pfalz in die Kirche; faum fonnten ihm die Diener den
Weg durd die Mitte des Volkes bahnen. Er ließ fi den Stab
des Heiligen überreichen und legte ihn, mit gebeugtem Haupte feine
Schuld befennend, auf den Sarg, worauf er jogleich zurüdkehrte?®).
Einzuge der Monche in Lüttich), dann aber vorzüglich ſtets wieder bei ben Vor ·
gingen im Baumgarten, 3. ®. in c. 10: undique clausum erat pomarium con-
‚entia tumultuantis populi, und a. €.: Implebatur ilico de vicinia et tota urbe
utroque sexu amplitudo totius illius pomarii, in c. 11: Cucurrerunt undique
plarimi ad hoe mirgeulum, in c. 15: nesülmans vi cogi aut dirimi poase
los populares tumultus, ce. 15: ab alto circunspectans undique pomarium
refertum populis, c. 16: nee . . . admissus est ab illa populari multitu-
ine, quae . . . amore tanfi confessoris in unum confluxerat pro ipaius de-
fensione, wieder hernach in c. 24 — bei einem ber in der eingetretenen
under ;plentur patentes porticus et claustrorum aedifieia una voce
proclamantium in caelos Christi magnalia. Aber auch Biſchof Dietwin meldet
ausdrüdiic in feinem Briefe, daß ſchon die Ankunft in Züttih cum ammira-
bili plebis multitudine simul ac devotione fidh vollaog, da& am Schluffe, che
fi, der König —8— nadjjugeben, inenarrabilis populi commotio eingetreten
fi 3m den Annal. Ältah. maj. ift, aflerbings exit nad) den gehäuften un,
bern, von einem ingens populi concursus die Rede; bei Lambert hält Hein-
rich IV. celebri quodam loco fein Mahl. Aber viel deutlicher noch Ipricht die
Seudung im biihöflihen Schreiben: contremiseit anla. Wie aud die Worte,
welche der Berfafler des Triumphus in c. 13 dem Könige leiht: Num vides
(ec. 4nno) ora omnium in nos conversa non solum populanum, verum
etiam totius regni mei principum me, ut reor, non injuste reum operis huius
ineusantium? —, zeigen, nimmt berfelbe an, daß fi) Heinrich IV. unf
gefühlt habe, und bejonbers bemertenswerth if} Hierfür die in c. 19 enthaltene,
aud, wie Brehlau, Konrad II., II, 392 n. 1, hervorhob, in culturgeſchichtlicher
Hüuficht fehrseidhe, dehemfals richtig den Vorgängen der Nacht vom 8. gun
9. entnommene Aneldote. Ein cantator quidam jocularis, ber in ber Nähe
<um sodali suo in einer Herberge die Nacht zubrachte, erwacht, eilt an bie
Stätte und fängt an, bie fid) ereignenden Dinge zu befingen (Coepit de sancto
plura canendo): Ac nostros digestim referendo casus, tristes
saa quodammodo solabatur cantilena choreis coneinentibus —; aber ber Ks
nig, da er vor Aufregung nicht joratt, hört aus feiner anftogenden Wohnun:
von oben durch das Fenſter, was diefer „wanbdernde Fournalift“ vorbringt, uml
beunubigt fid) babei neuerdings: auscultans ..... . de se metuenda memoran-
tem intendebat sollicitus.
®2) Der prägnante Eingang von c. 22, mit der Angabe bed Zages der Ent-
i nennt die hora, qua vergit sol ad meridiem.
#2) Sm ce. 28 u. 29 (459) ifl bieler Abfchluß erzählt. Das Weitere ent:
Salt — nach Wundergefäjichten (vergl. n. 34) — einzig noch — in 0. 36ff. — bie
54 1071.
Einzig und allein den gehäuften Wundern, welche fon im Baum—
garten, aber noch viel mehr in der Kirche, vor Aller Augen wollten
Beobachtet worben fein, ſchrieb der Mönch, welcher den Bericht über
diefen Sieg des Heiligen aufzeichnete, den Erfolg zu. Schon von
Anfang an, gleid) nad dem Weggange von Stablo, hatten die
Träger de3 Schreines bie Ungebuld ihres Heiligen, an die Ruhe
ftätte de3 heiligen Lambertus gebracht zu werben, zu fpüren ge:
laubt, und man war in Stablo nachher davon überzeugt — damit
kimmt Biſchof Dietwin in dem an Biſchof Immad äbgeſchickten
Briefe überein —, erft durch die Vereinigung der Reliquien Veider
unter einem und bemjelben Dache der Lüttiher Domkirche ſei die
Kraft des heiligen Remaclus fo geftärkt worden, daß im Zuſammen-
greifen beider Heiliger, durch vermehrte Wunderzeichen, der legte
entſcheidende Eindrud auf Heinrich IV. und Anno, troß ihrer lange
dauernden Hartnädigleit, habe erzielt werben können. Ein be:
ftätigender Bericht des eben aus dem Dome kommenden Biſchofs
Lietbert fol nach der Auffafjung des Stabloer Möndes das Legte
zur Erreihung de3 Erfolges gewirkt haben **).
Erzählung von der ‚iumphizenben NRüdtehr nad) Stablo. Dietwin fchreibt über
den entfheibenden Augenblid: rex accurrit a bona quae abstulerat
sanctissimo corpori utrisque repraesentat In den Annal. Altah.
j. zeigen ſich wieder nicht annehmbare Abweichungen, jo daß nicht bloß Hein-
wich IV., fondern aud Anno fih an den Ort der Wunber Sepeben habe (rex
et episcopus, qui jam ad mensam consederant, timore perculsi surgunt, ad
locum miraculi accedunt: ete.), baß: rogante episcopo rex cellam, Jam
abstulerat, reddidit, dazu nod: tantundem praediorum de auo addidit;
ebenfo will Lambert noch von foldhen weiteren Entfehäbigungen wiflen: rex ti-
more vehementissimo correptus ..... non solum ablata restituit, sed recen-
tibus etiam donis pro munificentia regia, magnifice cumulavit,
*) Diefe Wundergeichichten vielen im Triumphus eine große Rolle. Schon
e. 1 weift auf die naher folgende Fülle von Wundern ex eorum sacratissima
societate corporum (sc. der Reliquien Lambert’3 und Remaclus’) bin. Aber
© 7 bringt ein erſtes lleineres Wunder, am 8. Mai in der Kirche, c. 11 ba®
des Gonterulus (vergl. n. 25) und cc. 12 u. 13 (a. €.) ein geiles und brittes,
ce. 17 u. 18 noch ame weitere im Baumgarten jeichehene, endlich — nach ber in
c. 22 mit einem Wunder eingeleiteten, ala Geficht des Biſchofs Lietbert erwähn-
ten und in c. 28 erörterten Verklärung ber beiden Heiligen — in cc. 24—27
bie geoße Fülle von Wundern (eben ext bie wahren virtutum exordia nach c. 26,
wie Dietrich, 1. c., 19 u. 20, freilich mit unrichtiger Sätußfolgerung, ausführt);
biefe führt dann in c. 28 zur Entideidung, wonad cc. 31—35 nod ein Nach:
fpiel bringen. Ebenſo betont Dietwin ald Bilcof von Lüttich) ſehr nacbrüdlich
den cooperator Lambertus, bie consociata praesulis utriusque merita, und
er führt ala ſolche beftimmt brei Wunder auf, während er frühere von Remaclus
allein zu Wege gebrachte Zeichen wegläßt. Auch eben bogen dieſes Umftanbes,
weil ber Brief des Biſchofs einzig don Wunbern nach der Bereinigung ber
beiden Heiligen etwas wiſſe, ſowie weil nach c. 1 ber Verfaſſer des — von
Qietri) vorausgeepten. — fgentlien Triumphus gleihjais in den Worten:
Ex... societate. . . infirmis et debilibus provenit salubre suffragium ein-
jig bie Erzählung von Wundern nad jenem eitpunfte anfündige, wollte bie
Yon mehr erwähnte Differtation die oben in n. 17 genannten Gebitet, gerabe
aud) ob ihres miraculöfen Jnbaltes, ala fpätere Stüde ausſcheiden (16ff.); allein
auch hierfür reichen feine Vegrndungen nicht aus. Von Wundern, erſt amwei
einzelnen, dann curationes quingue hominum, und zwar per unius horae
Bann:
Der Triumph des Heiligen Remaclus und deffen Verkündigung. 55
Mit großer Ausdauer hatte Abt Theoderich mit feinen Klofter-
angehörigen den langwierigen Kampf gegen ben Erzbiſchof von Coln
zu Ende geführt, und es iſt Ha verſtaͤndlich, daß ein eigentliches
Siegesgefüßl die von Lüttich heimfehrenden Mönde von Stablo
erfüllte. So hat denn, jedenfalls noch unter dem frifchen Ein:
drude, einer von ihnen, welcher mitgebetet und mitgerungen hatte,
das Ereigniß vom 9. Mai in einem Rundfchreiben feiner Brüder
an diejenigen aller Kirchen und voran an die des Klofters Fofle
eingehend geſchildert, „da jegt unfere Seelen im Herrn frohloden,
während dagegen vorher mehr al3 fünf Jahre hindurch überall
immen und außen heftiger Schmerz und Drud fi auf uns gelegt
Bat“. Zu allen Zeiten will Stablo dieſen Siegestag feines Heiligen
feierlich begehen, und jo ift die Schrift abgefaßt worden, um di
Brüder anderer Klöfter zur Theilnahme an ber Verherrlihung des
heiligen Remaclus aufzufordern. Abt Theoderih wurde in den
Schlußworten des als Einleitung vorausgeſchickten Briefes gebeten,
ſelbſt noch die Berichterftattung zu prüfen und nad) Nothwendigfeit
zu verbefjern ®5).
Außerdem ſchrieb aber au Biſchof Dietwin von Lüttich, der
an ber günftigen Wendung der Dinge für Stablo durd) jeine An—
spacium, fprechen auch Annal. Altah. maj., Lambert dagegen nur kurz und
allgemein: per totam noctem sequentemque diem tanta circa sanctum corpus
I Die ae am ei baß diefer Kı bi 13 Ankündi
ietrich, 1. c. 37ff., zeigt richtig, daß diefer Kundgebung als Ankündigung
der Bde: — —— Dei er orbem ubique iffus et precipue Ans
tribus Fossatensibus fratres Stabulenses salutem et pacem bonam exanimo, wie
er von Wattenbadh aus dem Codex Vaticanus, 435 u. 436, mitgetheilt ift,
v jeftellt wurde (ohne bie, 435, vorau&gehende Inscriptio, welche vielmehr
eine Sulammenfoflung des Inhaltes von Lib. I des Triumphus burd den viel
-fpäteren Schreiber dieſes Codex Vaticanus barftellt: mit diefer ſpaͤten Ent:
fehung ber Inseriptio fällt aud; da® Gewicht ber in ihr auegerechneten septem
anni — ber Aueehprigteit Malmedy's zu Cöln — dahin, ar bie Gfrörer, Gre⸗
gorins VIL, II, 32 u. 38, bei feiner fon in Bb. I, €. 461 n. 122, abge:
wiefenen Annahme bed Jahres 1063 gebaut hatte); doch legt Tietrich ferner dar,
Daß bie Eihlußmorie DS iehigen Prologus Libri I: Tu, vero, noster donme
T'beoderice abbatum reverentissime (ete.), 449, zum Briefe an beffen Ende
berzugezogen werben müllen. ®ieler urfprünglihe Prolog des eigentlichen
Triumphus wurbe fpäter, nad Heinrich’a IV. — posten Romanorum augusto
— Kaifertrönung, aber mit Weglafjung der Epecialadrefie an die Brüder von
, nahezu ganz dem Prologe bes Lib. I. einverleibt, doch eben mit Ueber-
;9 ber Anrede an Abt Throderich an denjenigen des Lib. II. Daß Lib. L,
weldger in c. 1: Cam igitar perspicuum sit, hunc sanctum de quo loquimur
Remaclum, haec duo struxisse coenobia (ete.) (438) jo ganz unvermittelt
eufängt, erft nach Lib. II. als Einleitung Ginzufam, {fl nicht zu beweifeln —
ietrich, 35 u. 36, ibentificirt ben von ihm (vergl. n. 17) vorausgeſehlen Ueber ⸗
arbeiter von Lib. II, (ben Einſchieber der cc. 4, 8—21) mit dem Autor von
Lib. L, hinwieber aber auch dieien mit dem Berfafer bes ‚Triumphus, Lib. II,
kl —; doch hat man fid), in Anbetracht der ausgezeichneten Benauigteit bes
Lb, L in allen einzelnen zu prüfenben Angaben (vergl. Bd. L., ©. 463 n. 127),
Hüten bie —— deſſelben allzuweit von 1071 hinwegzurücken (etwa
his mad; 1089, wie Dietrich, 34, nad) ganz unzureicenden Erwägungen —
ln. 27 — will).
56 1071.
ftrengungen bei dem Könige einen fo weſentlichen Antheil gehabt
jatte, alsbald nach den Ereignifjen an Biſchof Immad von Paber-
orn einen Brief, in welchem er über die Vorgänge hinfichtlich der
Wiedererlangung von Malmedy ſich verbreitete. Ohne Anno mit
einem Worte zu nennen, kennzeichnete er die Sachlage kurz und
ſcharf genug und verſchwieg auch nit, daß die um ihr Recht ſich
bewerbenden Mönde in nicht wenig ftürmifcher Weife vorgegangen
feien. Es gereichte ihm zur befonderen Genugthuung, daß mit dem
Schutzheiligen von Stablo auch der Schirmherr von Lüttich,
ber Zutzeige Lambertus, als Bundesgenoſſe den Sieg gewonnen
habe®®).
Dem Biſchof kann indefien dieſe eifrige Theilmahme in der
Gunft de3 Königs nicht gejhadet haben; denn wenn bie betreffende
urkundliche Aufzeichnung hierüber verläßlich ift, am Tage des
„Siegesjuges" des heiligen Remaclus felbft erlangte er aus
Heinridy’3 IV. Hand für feine der heiligen Maria und dem heiligen
Lambertus geweihte Kirche eine ungewöhnlich reihe Webertragung,
welde in der Grafſchaft Hennegau und der Mark Valenciennes
beftand. Zwei Tage jpäter, am 11. Mai, erhielt dann Dietwin,
unter volliter Anerkennung der, wie ſchon Heinrich III., fo either
dem Reiche durch ihn ermiefenen Dienftleiftung und Treue, in der
eigentlichen Königsurkunde eben diefe Schenkung beftätigt, doch nur
mit Nennung der Mark Valenciennes, dagegen unter einzelner Auf»
zählung der die Grafſchaft Hennegau bildenden Gebietätheile;
voran Mepen dabei die feften Pläge Mons und Beaumont, mit der
Angabe des Umftandes, daß von denfelben aus das Bisthum lange
Zeit Vieles zu leiden gehabt habe, und daran ſchließen fi, einzeln
aufgezählt, vier Abteien und ſechs Propfteien, welche ſich theils auf
den Hennegau, theil® auf Valenciennes und deſſen Umgegend ver-
theilen. In dieſer Urkunde felbft ift aud) die Anweſenheit und die
Einwilligung der Gräfin Richeldis und ihres Sohnes Balduin zu
der Dezeugten Rechtshandlung erwähnt?”). Denn überhaupt ftanden
°) Daß Dietwin’8 Brief gleich nach ben Ereignifien von 1071 geichrieben
worben fein muß, geht aus ben — mit denen er bie an Gare
einleitet: ea quae gloriose facta sunt apud nos his diebus fideliter aperiam,
deutlich hervor. Wohl deßwegen ift Annu’3 Name nirgends genannt, weil ber
Gmpfänger des Briefes ein Jugendfreund bes Erzbiſchofs war (vergl. Bd. I,
©. 134 u. 185, mit n. ha
37) Die ala St. 2742 b im Pachtrage eingefügte urkundliche Notiz bei Waig,
Urkunden 3. deutichen Verf.⸗Geſch. 2. Aufl, 24 u. 25, gehört jelbfiverftändlich
Hierher, nicht zu 1076, wie die Abichrift einſehte; wenn es aber hinfichtlich bes
ge3 {m Eingange Heißt: in die 9. mensis (Maji) H. qurtos Romanorum
rex Leodium veniens .. . dedit (etc.), fo ift wenigftena das nicht richtig, daß
ex erft an diefem Zage nach Lüttich gekommen ſei. In St. 2742b ift vom
comitatus de Hainou et marchia Valentiniana cum omnibus benefieiis (ete.)
die Rede. Dagegen handelt St. 2743 (vergl. fon In n. 16) von den castella
Mont et Belmont et marca Valencianse, dann von ben Abteien und Propfteien, in
einer Specialifirung, welche in ber Gefammtheit der Lehen und Hoheitsrecdhte bem
Hennegau entipricht (vergl. die Aufzählung ber zehn genannten Kirchen bei
Heinrichs IV. Gebietägumeilungen an Biſchof Dietwin von üttih. 57
diefe Verfügungen Heinrich's IV. für die Lüttiher Kirche und bie
gejammten weiteren damit verbundenen Anordnungen in untrenn=
barem Qufammenhange mit den Angelegenheiten, welche durch den
Tod des Grafen Balduin VI. von Flandern in Gang gefommen
waren, und es iſt wohl durchaus fein Zweifel, daß noch in weit höherem
Grade, ald die nothwendige Schlichtung des um Malmedy ent»
ftandenen Streites, die durch den Cingriff Robert's des Friſen
eingetretenen Wirren ben König vermodht — nad Lüttich zu
gehen und dort die aus dem Kreife der Bittfteller für Dietwin,
vom 11. Mai, befannten Fürjten und weitere Befucher des Reichs—
tages um ſich zu verfammeln.
Seit dem Einbruche Robert's in den Bereich der Herrſchaft
des Neffen über Flandern waren nämlich die eigenthümlichiten
Wachtverſchiebungen eingetreten®®), welche eine Betheiligung des
Reiches an den flandrifchen Angelegenheiten dringend erforderten.
Balduin’3 VI. Wittwe hatte e3 wider ihren Willen ihrem
Schwager, Robert dem Frifen, erleichtert, in Flandern Anknüpfung
Diekmann, Gottfried III. der Budlige, 35 n. 31. Das beftätigen auch Chron.
s. Huberti Andagin., c. 24: Richeldis ..... ad dominum Theoduinum Leo-
diensem episcopum se contulit, et ei Montense castrum cum omni honore illi
subjeeto sanctae Mariae sanctoque Lamberto eundem obtulit, ferner der
allerdings fpätere, aber wohl unterrichtete @ilebert, Chron. Hanoniense,
ber and) den vir prudens et potens Biſchof Tietwin als einen ſolchen bezeichnet,
ji _apud dominum Komanorum imperatorem tempore illo gratia et fami-
Haritate poterat plurimum, nämlid: Theoduinus .. ... apud ipsum impera-
torem servicio et donis mediantibus effeeit, quod ipse imperator Leodiensi
ecelesie contulit ... .. omnia feoda que comes Hanoniensis ab eo tenebat,
videlicet abbatiam et advocatiam Montensis ecclesie et justieiam comitatus
Hanoniensis, fowie der am Echluffe glaubwürdig werbende Greurd Lambert’s
über Robert: Filius Balduwini .. . comitatum Reginheri quondam comitis
cam castello munitissimo, Mons nomine . . . sancto Lamperto tradidit (SS.
VIIL 583, XXI, 493 u. 494, V, 182). Brgen der Redhtsverhältniffe vergl... 51. —
Allein St. 2743 hat auch deitwegen noch bejondere Wichtigkeit, weil dieſes Diplom
alö das erfle der 81 anqufehen ift, welde in der Zeit bed Kanzlers Adalbero
und danach ebenfo unter Gebehard, Herimann und Humbert bem Ranzleibeamten
Abalbero C zuzufchreiben find, auf welchen zuerft Breblau, Text zu den Raifere
urtunden in Abbildungen, Lief. II, 35, dann Gundlad, Ein Dictator aus der
[ei Heinrich s IV., Innsbruck 1884, das ugenmert richteten. Wenn auch
durch Gundlach ſelbſt, Nachtrag, 1. c., 169 u. 170, fowie — nach Steindorffs
Einwendungen, Götting. Gelehrte Anzeigen, 1885, 738 u. 739 — in ber zweiten
ift: Wer if} ber Verfafler des Carmen de bello Saxonico? (Ynnöbrud, 1887),
10, gemiffe angenommene Gigenthümlichfeiten von St. 2743 dahin gejallen find,
jo bleiben bod) — vergl. befonderd 24, 40, 90 für Nxenga, Rarratio, Gorrobo:
tatio — fo viele dem Bitter zu Eigen gehörende individuelle ſprachiiche Wen-
dungen übrig, daß das Stüd die ihm von Gundlach, Ein Dictator, 5, in der
Kite anı e erfte Stelle behalten darf und weiter der bei Stumpf, Die
Neichätanzler, II (Schluß Abtheilung, 534), geäußerte Zweifel an ber Echtheit
jurüctritt.
in
=) Eben das Erſcheinen der Richeldis am Hofe Heinrich's IV. zu Lüttich,
ai 1071, fichert in völlig feftftehender Weiſe die Zugehörigteit der nothwendiger·
weife Diefem Hülfegeluge vorangegangenen Schlacht bei Gaffel zu 1071, entgegen den
biee hernach theilweife zu erwähnenden Quellenzeugnifien, welche biefelbe zu 1070
58 1071.
zu ſuchen und feine dortige Landung vorzubereiten, indem fie ihre
Wirkfamfeit ganz zuerft nach dem Hennegau, dann in bie weit-
lichſten Abtheilungen des flandriſchen Gebietes verlegt hatte, wo
auch ihr Sohn Arnulf, der Erbe de3 Landes, in ber Nähe von
St. Dmer und Cafjel fih aufhielt. Die Gräfin befand fi in der
Grafſchaft Guisne, an der Meeresfüfte zunädjit bei Calais, als bie
Nachricht vom bedrohlichen Umfichgreifen Robert's ihr Ohr traf ?®).
Denn während Robert von Frisland nur mit ganz geringer Diann-
ſchaft feine Landung in en bewertitelligt hatte *°), wuchs der
Anhang und die friegerijhe Macht zuſehends, jeitdem der Träger
der Anſprüche felbft fich zu zeigen in der Lage war. Für Robert
trat die vlamiſche Volfsabtheilung von Flandern, weftwärts weit
über die Grenzen des deutjchen Reiches hinaus auf dem von ber
franzöfiichen Krone zu Lehen gehenden Boden der Grafidaft, in die
Waffen; dagegen blieben der Gräfin und dem rechtmäßigen
Herrſcher, Arnulf, neben den Hennegauern bie anderen wallonifch
redenden Unterthanen treu, und wenigſtens theilweiſe ſchloſſen ſich
auch die großen flandriſchen Vaſſallen von der Weſtgrenze der
eigentlihen Grafſchaft an*'). In eben fo hohem Grade wichtig
ober 1072 anregen. Bergl. hierüber zulegt Echmiele, Robert der Frieſe, I (dieje
Arbeit fließt jedoch, ohne jpätere Fortſehung, gleich mit jener Schlacht ab), 49
u. 50, jowie Diedmann, 1. c., 22 u. 23.
®°) Galbert jagt in ber Passio Karoli comitis, c. 70: filius eius (sc. Bald-
wini) Arnoldus ..., cum mater versus Montes et vieiniam maris redüt,
circa Casletum et Sanetum Audomarum et illas 'es conversabatur —
und: Arnoldum, qui eo tempore (sc. der Sandung Robert's) in Casleto rem
ignorans degebat cum paueis, ahnlich Zambert von Yıdre, Hist. comitum
'hisnene., c. 27: Et cum Ghisnas . . penetraret (sc. Richildis) . . donee . ,
in Flandriam repedavit Richildis (SS. XII, 598 u. 599, XXIV, 575). Diedmann,
30, tadelt mit Recht, daß Echmiele, 45 n. 4, Montes anders, ald Mons im Henne:
gau, erflären wollte; dagegen verwirit er laum richtig Galbert'3 genaue Nachricht,
während die jo ganz fpäte Mittheilung aus der Chronik von St. Bavo, die er,
29, berüdiichtigt, foldes nicht verbient. Mit dem Wericht, dab Riqelbis zuerft
nad) dem Tode Balduin's VI. mach dem Hennegau fidh begab, ift die ſchon ob.
©. 38 in n. 61 gebradhte Nachricht wegen des Biichofs Cietbert zu verbinden,
und danad) (mit: et felgt das zeitlid} nadjfolgende örtliche Ziel) ommt bie Mutter
in bie Nähe beö am Meere weilenden Sohnes. .
4%) Ganz aus der Luft gegriffen ift die Angabe der normanniſchen Geidjicht:
Ichreibung, die nad Diekmann, 1. c., 37 n. 4, übrigens vielleicht erft auf
Drbericus Vitalis zurüczuführende Behauptung des Wilhelm von eg,
Lib. VII, c. 25, in bes erfleren Hist. ecclesiastica, Lib. IV, c. 8 bertus
autem Fresio exereitum Henrici imperatoris cuneis suis sociavit (Ed. Le
Pr&vost, II, 235).
41) Dieſe Theilung der Anhänger beleuchtet die Flandria generosa, cc. 19
u. 20, für die Gräfin und für Robert, in langen Aufzählungen, wobei aber
3.8. aus ber in n. 39 citirten Stelle bes Lambert von Ardre: pius et prudens
prudeı ustinuit Balduinus (sc. Balduin I., Graf von Gutsne) . . donec
.. is in pace et securitate libera Ghisnensibus in Flandriam repedavit
Richildis — Hat herborgeht, daß die neutral verbleibenden Ghisnenses mit Un-
echt in c. 19 eingerechnet worden find, ſodaß diefe Liften nicht ala Beweiſe er:
idjeinen (SS. IX, 322). Auch Giälebert, Chron. Hanoniense, hebt die Zheil-
nahme ber Hennegauer an Arnulf's Recht nachdrucklich hervor, jo: Arnulphus
vero ad... . nobilium Hanoniensium confugit auxilium — und an weiteren
Vertheibigung ber Gräfin Richeldis und Adnig Philipp'3 gegen Robert. 59
war aber, daß König Philipp von Frankreid) durch den Angriff
Robert’3 auf den Neffen, ala Oberlehnsherr des legteren, dazu
gebracht wurde, den Kriegsfall als für fi gültig gleichfalls an-
zuerfennen; denn ganz abgefehen von den rechtlichen Verhältnifien,
war ber König mit dem flandrifchen Grafenhauje für fich jelbit
ehr nahe verbunden. Der Großvater des jungen Erben, Grafen
Arulf, Balduin V., deſſen Gemahlin Adela die Vatersſchweſter
Philipp’3 war, hatte für den verwaiften jungen König in vortreff:
licher Weife die Vormundfhaft geführt; durch Balduin VI. war
Philipp mit den Waffen umgürtet worden). So hatte denn
wohl Richeldis gleih von Anfang an, ald die Gefahr von Robert'3
Seite her fid) erhob, fih um Hülfe nah Frankreich gewandt, und
jener Aufenthalt in den weſtlichen Theilen des zu vertheidigenden
Gebietes — eine Zufammenkunft mit König Philipp ſelbſt ift,
wenn auch ganz wahrſcheinlich, viel zu ſchlecht begeugt‘*) — hin,
jebenfall® mit dem Plane zufammen, geftügt auf die aus Franfrei
zu erwartende Eriegerifche Hülfe gegen Robert vorzugehen. Wirklich
führte der König perfönlich ein Heer herbei, aber wegen ber dringen:
den Umftände ziemlich ordnungslos und in Eile jufammengerafit,
fo daß bajfelbe zur Einfhüchterung Robert's keineswegs aus⸗
reihte**). Auch Normannen griffen in den Kampf mit cin, wie
Stellen diefed Zufammenhanges (SS. XXI, 492). Wie die ſprachliche Scheibum;
_ ee et Gu: — Kenne — Asien —— m
Pfunden wurde, zeigen bie einer nieberfotbeingifäien. Geſchichisquelle, der Klofters
yiefihte don Eaint Zrond, entnommenen Stellen bei Bath, Deutſche Verf⸗Geſch.
n. 2.
42) — Bd. I, ©. 235 u. 236, wegen ber früheren Beziehungen tige
Balduin V. Graf Balduin von Hennegau und Balenciennes, Sohn Bal«
Baia VI., nennt fich noch 1087: Ego Balduinus .. ., filius Balduini junioris,
ei Pailippum Francorum regem regalis insiznivit miltine arais (Hiraeus
Spern diplom. et histor., Edit. sec.,I, 515), wa auch im Auctar. Hasnoniense zu
, 1070, angegeben il: qui dedit arma Filip tegi Francorum
(85. VI,_442) Bemertenswerth it auch, daß in einer Rätigungsurtunde des
Könige Philipp für St. Denis zu Paris, 27. Mai 1067, gleich nach ben
Bilchdfen ala erfler weltlicher Zeuge Balduin VI. genannt ift (Zarbif, Monumente
historiques: Cartons des rois, 176 u. 177).
+2, Eben die in n. 39 erwähnte Notiz der Chronik von St. Bavo, wegen
eines Sufammenteefeng zu Gorbie.
+4) Bon niederlothringifchen Quellen betont Sigeb. Chron., a. 1072, baß
Arnulf cum Philippe Francorum zege Robert entgegentrat, ebenfo Annal.
Einon. maj., a. 1072, Arnulf fei unterlegen, licet Philippus, rex Francorum,
i illius cesserat, Chron. s. Andreae in Castro Cameracesii, Lib. II,
©. 3: Richildis . . . . parato quoque rege Francige in eius anzilium
Philippo, . . . procedit, aud) noch fpäter Hermann von Zournay, Liber de
restauratione monasterii sancti Martini Tornacensis, c. 13: Ernulfus, juncto
sibi Philippo rege Francorum, de cuius manu terram susceperat . . occurrit
(88. VI, 362, », 13, VII. 538, XIV, 280), ganz beſonders aber auch das ſchon
erwähnte c. 19 der Flandria generosa, wo aber — vergl. Echmiele, 1. c., 46
u. 47 — nad) den Worten: Advenit otiam rex Philippus, et cum eo valldus
armatorum cunens — ein allau reichliches Verzeichniß von Fürften und Gontin-
ten folgt. Sambert, der bier glaubwürdig wird, jagt richtiger: Filius (sc.
Kent). - ad regem Francorum, Philippum nomine, confugit, auzilium . .
60 1071.
es dann ja zu ben Vorwürfen gegen Richeldis zählte, daß fie, jo
kurz nad dem Tode ihres Gemahles, an eine abermalige Ver—
mählung mit einem_normannifchen Herrn, dem Grafen Wilhelm
von Hereford, dem Sohne Osbern's, dachte; allein nur mit ganz
geringer Mannſchaft betheiligte fih Wilhelm an ber Hülfeleiftung,
inden er gleih dem Könige Philipp felbft die Rampfesgefabr
zu gering Thätte. Mebrigens hatte Graf Wilhelm vielleiht im
Namen feines Lehnsheren, des Königs von England, fi) ange
ſchloſſen; denn dadurch, daß König Wilhelm als Gemahl der
flandrifhen Mathilde, der Schweiter Balduin’ VI. und Robert's,
dem entzweiten flandrifchen Haufe nahe ftand, mußte die Aufmerk-
jamfeit der Normannen und des engliſchen Königspaares überhaupt
auf dieſe Dinge gerichtet fein. Nach einzelnen Nachrichten war
Graf Wilhelm geradezu im Auftrage ſeines Königs von der Nor-
mandie her erjchienen *°).
Nachdem fi) Robert im norböftlichen Flandern, auf welches
feine erften Anfnüpfungen fi erftredt hatten, genügend gerüftet,
rüdte er weftwärtd vor. Sein Hauptaugenmerk hatte er augen-
ſcheinlich auf die Beſetzung des feiten Plages Cafjel im ſüdweſt⸗
lichen Flandern, nicht weit öftlih von St. Dmer, gerichtet; denn
expetens, eo quod pater eius tam ipsi quam majoribus eius saepe in arduis
rebus commodissime affuisset et civitates quasdam ex his quas Ruotbertus
occupaverat pro donativo ab eo accepisset, Ile. . statim temere et tumul-
tuario tantum milite colleetum exereitum duxit in Flandriam, de magni-
tugine Pr zuarum ct hostis imbecillitate am eg A V,
182). Auch Giälebert, Chron. Hanoniense, berlidfihtigte noch Ipäter Philipp’s
Eingreifen jehr befimmt (SS. XXI, 492). vi ipp
+5) Vergl ze, bes Hi atzplanıs ſchon ob. ©. 38, n. 61, fowie wegen
der Frage, ob Graf Wilhelm im Auftrage König Wilgelm’3 und der Königin
nad) Irlandern — Schmiele, 1. c., 47, der ſich wegen ber nachher ie
m ii
dauernden Feindſeligleit zwiſchen Gngland und Nobert allerdings
für ausfprit. Durch Wilhelm von Jumitges, De gestis ducum Nor-
mann., Lib. VII, c. 25, das überhaupt vom Grafen Wilhelm handelt, wirb
dieſer als jelbftändig thätig Hingeftellt: cum Philippo rege Francorum Flan-
driam perrexit, volens Balduino, Mathildis zepinae nepoti, subvenire, ba:
gegen Lib. VIII, c. 14, ala beauftragt: Mathildis regina Anglorum amita
eius (sc. Ernulfi) mittens ei Willelmum filium Osberni cum armata militum
manu (Recueil des historiens des Gaules et de la France, XI, 47, XII, 574).
Einen anderen Auftrag des Grafen führt Ordericus Vitalis zuerft an, I. c.,
Ä 8: Anno quinto regni sui Guillelmus rex Guillelmum Os!
ieit in Normanniam, ut cum Mathilde regina tueretur provineiam,
worauf: Philippus autem rex Francorum ad auxi Arnulfi exereitum
Gallorum adunavit, et Guillelmum comitem, Normanniae custodem, accersiit;
ille vero cum decem solummodo militibus regem adiit, et cum eo alacriter
uasi ad ludum in Flandriam accessit (1. c., 234 u. 235). die Heiratab-
Aa bringt eben Wilhelm von Malmesbury in bem fon ob. &. 37 in n. 61
eitirten Zufammenhange: ld (sc. ben Abfall von Arnulf) filius Osberni, qui
totus in amorem mulieris concesserat, pati nequivit, gein, militari manu
coacta, Flandriam intraret (denn — heißt es, vorher — Balduin VI. habe die
tutela über bie Hinterlafienen Söhne neben König Philipp eben an Wilhelm
übertragen: Libens id munus suscepit Willelmus, ut foederatis cum Richilde
nuptiis altius nomen sibi pararet — vergl. auch Freeman, The history of the
Norman conquest of England, its causes and Its results, IV, 533M)-
Robert’8 Borrüden nah Südweſt-Flandern; Schlacht bei Caffel. 6
von diejer ftarfen Stellung aus, von dem vereinzelt ftehenden Berge,
welder die weithin fihtbare Burg trug, ließ ſich eine nachhaltige
Einwirkung auch auf ſolche Theile der flandrijchen Bevölkerung er-
warten, welche bisher fi) von Robert noch fern gehalten hatten.
Während nah einer Nachricht Graf Arnulf mit einer Eleinen
Schaar, doch ohne Einfiht in die drohende Gefahr, Caſſel noch inne
hatte und behielt, gelang es dagegen nach einer andern dem Ans
veifer, durch Handreihung des Befehlshabers Bonifacius im Ge-
Heimen u der Feftung zu gelangen, biefelbe zu betreten, worauf
ſich fogleih die neuen Herren des Plages auf demfelben durch
Waffen und weitere Anlagen fiherten**). Jedenfalls aber fam es
eben bier, in nächiter Nähe von Cafjel, wohl am 22. Februar, zur
Schlacht. Die nad) mehrfahem Zeugniffe allzu große Gering-
ihägung des Gegners von Seite König Philipp's und der Ver-
bünbeten defjelben jcheint Robert zum Vortheile ausgefchlagen
zu fein. Das Heer de3 Königs und der Gräfin erwartete nämlich)
nicht, dem Zeinde zu begegnen, und fo gli fi) in Folge der hier
herrichenden Sorglofigfeit die kleinere Zahl der für Robert Fechten
den mit der überlegenen Streitmacht des Gegners aus, dadurch,
daß es Robert gelang, mit feiner Minderzahl den Feind zu über-
raſchen. Der Kampf brachte unerwartete Wendungen nad) den
beiden Seiten hin. Richeldis war, die Ihrigen anfeuernd, zu weit
vorgedrungen und fiel als Gefangene in die Hand der Feinde. Der
junge Graf Arnulf, welder mit den kaum erft ihm umge
gürteten Waffen in den Kampf fi eingemifcht hatte, verlor durch
ben Berrath der eigenen Leute fein Leben. Aber aud) Robert, auf
deſſen Theil ſich ber Sieg neigte, war, als er ſchon durd die Ver:
folgung denfelben zu vollenden gedachte, fo unglüdlih, gefangen
genommen zu werben; nad) einer Nachricht, der freilich eine andere
widerſpricht, wurde er von dem Grafen Euftady von Boulogne, dem
Bruder des franzöfiichen Kanzlers, des Bilhofs Gottfried von
Paris, ergriffen. Dagegen vermochte König Philipp, eben mit
diefem feinem Kanzler, durch die Flucht vom Schlachtfelde fi dem
Berberben zu entziehen. Anberntheil® lag ber normannifhe Graf
Wilhelm, welcher für den Fall des glücklichen Ausganges fi) wohl
+) Das worrüden Robert’3 bis Gaffel erzählen Galbert, 1. c., c. 70: ab-
ierunt (sc. Robert und bie Grinigen) deinceps aperte perseguendo pnerum
Arnoldum, qui eo tempore in Casleto rem ignorans degebat cum paueis
fotwie Flandria geneross, c. 18: prudentia Bonefacii castellani_usque a
castrum quod dieitur Cassellum latenter perdueitur (: folgt eine Schilderung
bes castrum) ..... Quod agnoscentes, qui parti eins favebant, illo caterva-
tim proj it, et castrum armis atque munitionibus firmarunt (SS. XI,
599, IX, ), welche beibe Berichte ſich hinfichtlich der Art der Belegung
Gaffel’3 entgegenſtehen. Schmiele opt, 51, im Widerfpruch mit fi) felbft — 44
—, Robert fei gleich nach ber Landung „dnell“ vorgerlüdt und „bis Gafiel *
gelangt. Diedmann, 3 (n. 4), will ein von ber Chronik von St. Babo ge:
uaunted Datum — 13. yebruar — auf den Tag der Einnahme Eafjel’s beyiehen
und — mad} ber Flandria generosa (c. 19) — annehmen, dab erft jpt— ame
volitante (sc. vom alle Gafjel’s) — Ricyelbis, und awar von Gorbie — vergl.
2.43 —, aufgebrochen jei.
62 1071.
Hoffnung auf die Erringung der Hand der Gräfin gemacht hatte,
unter den Leichen der Gefallenen. Wahrfcheinlih gefhah ſchon
bald nad der Schlaht durch Auswechslung die Befreiung der
beiden fürftlichen Gefangenen, und zwar wohl nicht ohne einen
ewaltfamen Drud auf die Wächter des in St. Omer feftgehaltenen
Kobert, melde fih in begreifliher Weiſe anfangs weigern
modten, ein jo werthvolles Pfand, wie die Perſon des Siegers
fein mußte, aus der Hand zu geben. Denn Robert hatte ohne
Zweifel jchließlih ganz den Bortheil aus dem Gange des Krieges
für fih. Das feindlihe Heer war geſchlagen und aufgelät, er
berechtigte Erbe getödtet. In höchſt nachdrücklicher Weiſe ver-
berrlichte Robert noch jpäter den Tag der Schlaht, Petri Stuhl:
feier, durch die Stiftung einer Kirche innerhalb der Befeitigung von
Gafjel, weldje er dem in der Schlaht angerufenen Schüger, dem
Apoftelfürften Petrus, zu Ehren weihen ließ).
+1) Meber die Schlacht bei Gafjel — ober genauer, nad; Lambert von Ardre,
1. c., c. 27: juxta montem Wouhe, qui vulgali nomine dietus est Wom-
bergh,, mondi adjaceng Casletenet — berbneitet ih, in eingrhenber Ritt ber
able nonliegenben Rudrihten darüber, Schmiele, 48—54 (vergl. bejombers
aud 51 n. 2 über bie
ihere Vehanblung biefer Bragen, gecd bis auf die
ange Zeit bie gelammte Dartelung hierin beherrſchende Behandlung in ben
Commentarii sive annales rerum Flandrierum bes Jat. Meyerus Balio-
lanus, 1561), welchem fid) Diedmann, 30 u. 31, anjhliegt. Es ift — vergl.
ſchon n. 38 — gewiß, froß ber Anfegung der im übrigen ſehr wichtigen
richte Sigebert's? Arnulfus — occurrit patruo suo Rotberto, et 8 con-
serta Arnulfus perimitur, Phili rex fuga liberatur, et multis occisis,
hine Ricbildis, Arnulfi mater, illine Rotbertus capitur, et altero pro altero
relaxato .... unb der Annal. Elnon. maj.: Apud Cassellum interfectus est
Arnulfus puer, Flandriae comes, a Flandrensibus, qui, recepto eius avun-
— Roberto dolose in Flandris, juxta predictum castrum male pugnaverunt
(SS. VI, 362, V, 13) a 1072, ficher 1071 als Jahr anzunehmen. ferner kann,
obſchon unter den felbfländigen, wenn auch fpäteren Gewährsmännern Gisles
bert. Chron. Hanoniense, in feinem fiberhaupt fehr eingehenden Schlachtberichte
— berfelbe läßt 3. 2. den Arnulf a guodam homine suo ligio, Gerbodone
nomine, übrigens gleich dem Chron. s. Huberti Andagin., c. 9 getödtet wer
den — ben Rampf auf zwei Gefechte ausdehnt (Exereitus utrimque armati con-
venerunt ... Flandrenses ad bellum reversi sunt: SS. XXI, 492), nur von einem
einzigen Yulammenftoß die Rebe fein, weil fonft die Quellen durchaus nur von
einer einzigen Schlacht wiſſen. Hinfichtlich bes Tages des Ereigniſſes befteht
auch Abweichung. Cine allerdings räumlich ſehr nahe ftehende Quelle, Lam-
berti Audomar. Chron., hat: Bellum Casel, in quo Rodbertus Amulfum
nepotem oceidit, 9. Kal. Martii, dagegen der freilich fpätere Lambert von
Ardre, 1. c., c. 28: comes Robertus . . . quoniam quidem in die, qua sancti
Petri apostolorum prineipis solemnis habetur cathedra (b. H. 22. Februar),
meritis et intercessione eiusdem apostolorum principis, cui se et suos ipeo
die conflietus et belli commendaverat, divina semper preeunte gratia, de
Richilde vietoriosum diem exultaverat, in parrochia sancte Marie virginis
apud Casletum . ... in honorem apostoloruim prineipis sancti Petri fabri-
cavit et fundavit ecelesiam (SS. V, 66, XXIV, 575); daneben fommen die von
Sämiele, 50 n. 5, gufammengeftelten Zeugniffe der notmannifchen Quellen,
voran des Wilhelm von Jumiöges, Lib. VIL, c. 25: X. Kal. Marti, dominico
Septuagesimae (]. c.), für ben 20. nicht in Betracht. Das Selbfizeugnig Ro:
bert’@ durch bie Weihe der Kirche fällt für den 22. enticheidend in das Gewicht
Ergebnifie der Schlacht bei Eafiel; neues Vorrücken König Philipps. 68
Allerdings hatte ber Krieg mit der Schlacht bei Caſſel keines:
wegs ſchon jein Ende erreicht. Denn mochte aud Graf Arnulf
gefallen fein, jo machte num König Philipp die Sache des jüngeren
hinterlafienen Sohnes Balduin’s VI., des kaum zehn Jahre zählen-
den Knaben Balduin, zur feinigen, und nachdem er in Montreuil,
wohin er, jübweftwärts ber Hüfte zu, aus der Schlacht geflohen
mar, eine neue Sammlung von Streitfräften bemwerfitelligt hatte,
brach er abermals gegen Flandern auf. Die Stadt St. Omer, in
welche die Leiche de3 gefallenen Arnulf zur Beiſetzung gebracht
worden war, hatte fi inzwifchen der Sache Robert’3, der von
dort aus freigelafjen worden war, angefäitoflen. Allein jet wurde
fie durch Verrath an den König überliefert, und er übte durch
Lerwültung und Mißhandlung der Einwohner am 6. März eine
furchtbare Rache an dem unglücklichen Plage aus). Doc damit
ſdie ſcharffinnige Abhülfe, welche Diekmann, 31 n. 1, zum Beften bes 21. an-
bringen wollte, if doch zu künftlich). Neben Lambert (vergl. die Stelle in n. 44,
fowie nadjher: Ruotbertus, quo viribus erat impar, eo magis ut rem astu
tractaret intentus, simulato aliquamdiu metu et fugiendi studio, ex inspe-
rato atque ex insidiis copias suas super exereitum regis efudit) hebt be-
ſonders auch Wilhelm von Jumièges, 1. c., hervor: — Robertus Frisio . . im-
paratos mane praeoceupavit, und Lib. VIEL, c. 14: ex improviso auper
eos irruens (L. c.), jowie aud Wilgelm von Malmesbury nad) nem zulegt in
n. 45 citirten Zulammenhange über den Grafen Wilhelm: filius Osberni .. .
securus de castello in aliud equitabat, expeditus cum paueis. Contra Friso,
E. huiusmodi fatuitas non latebat, oceultatis insidiis inopinum excepit.
Für
ür bie weiteren einzelnen Vorgänge der Schlacht find die Zeugniffe von
miele, 52—54, in den Roten zufammengeftelt (befonders vollfländig ift aud)
Gislebert, der eben nur bie Dinge auf zwei Wale vertheilt, Daß Arnulf fhon
waffenfähig war, ift nad) Galbert, I. c., c. 70: ipsi servi sui qui eum arma-
verant et armorum celaturas prenoverant ... . dejecerunt puerum domi-
num saum et gladiis jugulaverunt (der Werrath beö Geiolges ift hier fehr
eingehend behandelt), fowie nad) Giälebert: (rex Francorum) eum in militem
licet satis javenem ordinavit — beftimmt anzunehmen (vergl. Schmiele, 39,
m 4). Ueber bie Selangeniehung Robert's weichen bie Quellen don einander ab.
als denjenigen, weldjer Robert granon nahm, bezeichnen Chron. s. Andreae
in Castro ieracesü, Lib. Il, c. 33, und Flandria generosa, c. 21, den
Grafen Euſtachius (nach c. 19 der [egtgenannten Quelle comes Boloniensis und
Bruder des Gusfridus episcopus Parisiacensis), Galbert, 1. c., bagegen den
\ Vulfrieus Kabel (castellanus in Saneto Audomaro), an welchen bie
Iria gemerosa wenigftend den Gefangenen überantwortet werben läßt.
Dah Robert dur) Auöwerielung frei wurde, if das Wahrfiheinlicfte, voran
nach der hier vorhin angegebenen Stelle Sigebert’s; dagegen zeigen bie bon
iele, 53 n. 2, angeführten Zeugnifie, eben bes Chron. s. Andrese (vi
magna liberatus), Galbert's (coegerunt reddere Robertum comitem) und ber
Flandri: (Comes vi extrahitur), daß die Befreiung nicht ohne Ge:
walt ———e——— alle vorliegenden Andeutungen über die doch eiwas längere
g it heben Dieckmann's vorher hier erwähnte Anficht, daß Robert gleich
em Zage nad) der auf den 21. angelehten Schladit, am 22., ſchon befreit wor⸗
den fei, auf. Gegen bie Angabe Wilhelm’s von Malmesbury, bie ob ein-
gerüdt wurde und die es nahelegen würde, den Tod bes Grajen Wilhelm in
ein Ginzelgefecht zu verlegen, führt Schmiele, 54 u. 3, bie Zeugniffe dafür vor,
biefes Ereigniß in bie Entſcheidungsſchlacht fiel. . .
) Bon Bhilipp’s weiteren Taten nach ber Schlacht Ipridht die Flandria gene-
rosa, c. 22: Igitur rex Francorum bello Casletensi vietus atque fugatus, ad
62 1071.
Hoffnung auf die Erringung der Hand der Gräfin gemacht hatte,
unter den Leichen der Gefallenen. Wahrſcheinlich gan Thon
bald nad der Schlaht durch Auswechslung die Befreiung der
beiden fürftlichen Gefangenen, und zwar wohl nicht ohne einen
gewaltfamen Drud auf die Wächter des in St. Omer feftgehaltenen
Robert, melde fih in begreifliher Weife anfangs weigern
modten, ein jo werthvolles Pfand, wie die Perfon des Siegers
fein mußte, aus ber Hand zu geben. Denn Robert hatte ohne
Zweifel ſchließlich ganz den Vortheil aus dem Gange des Krieges
für fih. Das feindliche Heer war geſchlagen und aufgelöft, der
berechtigte Erbe getödtet. In höchſt nachdrücklicher Weiſe ver-
berrlichte Robert noch jpäter den Tag der Schlaht, Petri Stuhl-
feier, durch die Stiftung einer Kirche innerhalb der Befeftigung von
Caſſel, welche er dem in der Schlacht angerufenen Schüger, dem
Apoftelfürften Petrus, zu Ehren weihen leben).
7) Ueber bie Schlacht bei Eafjel — oder genauer, nad} Lambert don Arbre,
1. c, c. 27: juxta montem Woulie, qui vulgali nomine dietus est Wom-
berph., monfi adjacens Casletensi — verbreitet fich, in eingehender Kritik der
zah rei vorliegenden —ã darüber, Schmiele, 48 —54 (vergl. beſonders
aud 51 n. 2 über die frühere Behandlung diefer Bragen, zurüd bis auf bie
lange Zeit die geſammte Dartelung hierin beherrſchende Behandlung in ben
Commentarii sive annales rerum Flandriarum des af. Meyerus Balior
Yanu®, 1561), meldhem fi) Dietmann, 30 u. 31, anfdlieht. &3 if — vogt
icon n. 38 —— gewiß, troß ber Anfehung ber im übrigen fehr wichtigen Bes
richte Sigebert’3: Arnulfus — occurrit patruo suo Rotberto, et pugna con-
serta Arnulfus perimitur, Philippus rex fuga liberatur, et multis oceisis,
hine Richildis, Arnulfi mater, illine Rotbertus capitur, et altero pro altero
relaxato .. . und der, Annal. Elnon. maj.: Apud Cassellum interfectus est
Arnulfus puer, Flandriae comes, a Flandrensibus, qui, recepto eius avun-
eulo Roberto dolose in Flandria, juxta predietum castrum male pugnaverunt
(SS. VI, 362, V, 13) ® 1072, fidjer If at Fahr anzunehmen. ferner kannt,
obſchon unter den jelbfländigen, wenn auch fpäteren Gewährsmännern Gisle-
bert, Chron. Hanoniense, in feinem überhaupt fehr eingehenden Schladjtberichte
— berfelbe Täßt 3. 8. den Arnulf a quodam homine suo ligio, Gerbodone
nomine, übrigens glei} dem Chron. s. Huberti Andagin., c. 5%, gelöbtet wer«
den — ben Rampf auf zwei Gefechte ausdehnt (Exercitus utrimque armati con-
venerunt ... Flandrenses ad bellum reversi sunt: SS. XXI, 492), nur von einem
einzigen Yufammenftoß die Rede fein, weil jonft die Quellen durchaus nur von
einer einzigen Gıhladjt wiffen. Hinfitlid des Tages des Greiqniffes beftcht
auch Abweihung. Eine elerbinge räumlich jehr nahe ftehende Quelle, Lam-
berti Audormar. Chron., hat: Bellum Casel, in quo Rodbertus Amulfum
nepotem oceidit, 9. Kal. Martii, dagegen der freilich Ipätere Lambert von
Ardre, 1. c., c. 28: comes Robertus . . . quoniam quidem in die, qua sancti
Petri apostolorum principis solemnis habetur cathedra (b. . 22. Gebruar),
meritis et intercessione eiusdem apostolorum prineipie, cui se et suos ipso
die conflietus et belli commendaverat, divina sem preeunte tia, de
Richilde vietoriosum diem exultaverat, in parrochis sancte Marie virginis
apud Casletum . . . in honorem apostoloruın prineipis sancti Petri fabri-
cavit et fundavit ecclesiam (SS. V, 66, XXIV, 575); daneben fommen bie von
Sömiele, 0 m, 5, aulammengefehten Seuguifi, der normannifäen Dasiken,
voran des Wilhelm von Jumièges Li II, e. 25: X. Kal. Martii, dominico
Septuagesimae (l. c.), für ben 20. nicht in’ Betracht. Das Eelbftzeugniß Ro-
bert'? durch die Weihe der Kirche fällt für den 22. entjcheidend in das Gewicht
Ergebniffe der Schlacht bei Gaffel; neues Vorrüden König Philipps. 63
Allerdings hatte der Krieg mit der Schlacht bei Caffel keines⸗
weg3 ſchon fein Ende erreiht. Denn mochte aud Graf Arnulf
gejallen fein, ſo machte nun König Philipp die Sache des jüngeren
Hinterlafienen Sohnes Balduin's VI., des faum zehn Jahre zählen-
den Knaben Yalduin, zur feinigen, und nachdem er in Montreuil,
wohin er, jübmweilwärts der Küfte zu, aus der Schladt geflohen
war, eine neue Sammlung von Streitkräften bemerfitelligt hatte,
brad er abermals gegen Flandern auf. Die Stabt St. Omer, in
welde die Leiche des gefallenen Arnulf zur Beiſetzung gebracht
worden war, hatte ſich inzwifchen der Sache Robert’3, der von
dort aus freigelaffen worden war, angejeloffen- Allein jegt wurde
fie durch Verrath an den König überliefert, und er übte durch
Zerwültung und Mißhandlung der Einwohner am 6. März eine
furhtbare Rache an dem unglüdlichen Plage aus““). Doc damit
(die ſcharffinnige Abhülfe, welche Diekmann, 31 n. 1, zum Beften bes 21. an-
bringen mollte, if doch zu künfilich, Neben Lambert (vergl. die Stelle in n. 44,
fowie nachher: Ruotbertus, quo viribus erat impar, eo magis ut rem astu
tractaret intentus, simulato aliquamdiu metu et fugiendi studio, ex inspe-
rato atque ex insidiis copias suas super exercitum regis efludit) hebt be-
ſonders auch Wilhelm von Jumidges, 1. c., hervor: — Robertus Frisio . . im-
paratos mane praeoceupavit, und Lib. VIIL, c. 14: ex improviso super
ẽos irraens (l. c.), jowie auch Wilhelm von Malmesbury nad vem zulegt in
n. 45 citirten Zufammenhange über den Grafen Wilhelm: filius Osberni .. .
securus de castello in aliud equitabat, expeditus cum is. Contra Friso,
juem huiusmodi fatuitas non latebat, oceultatis insidiis inopinum excepit.
ür bie weiteren einzelnen Vorgänge der Schlacht find die Zeugniffe von
miele, 52—54, in den Roten zufammengefteilt (befonders voflfländig if aud)
Gislebert, der eben nur die Dinge auf zwei Male vertheilt),. Dap Arnulf ſchon
waffenfähig war, if mad) Galbert, 1. c., c. 70: ipsi servi sui qui eum arma-
verant et armorum celaturas prenoverant . . . dejecerunt puerum domi-
num suum et gladis jugulaverunt (det Verrath de Gefolges ift bier jehr
eingehend elt), fowie nad) Giälebert: (rex Francorum) eum in militem
licet satis juvenem ordinavit — beflimmt anzunehmen (vergl. Schmieie 39,
n. 4). Ueber die Gefangenfegung Robert’3 weichen bie Quellen bon einander ab.
Als_denjenigen, welder Robert gefangen nahm, bezeichnen Chron. s. Andreae
in Castro Cameracesü, Lib. Il, c. 33, und Flandria generosa, c. 21, den
Srafen Euſtachius (nach c. 19 der Iektgenannten Quelle comes Boloniensis und
Bruder de Gusfridus episcopus Parisiacensis), Galbert, 1. c., dagegen den
Y Vulfricus Kabel (castellanus in Saneto Audomaro), an melden bie
landria generosa wenigſtens ben Gefangenen üiberantwortet werben läßt.
2 Robert durch Auswechſelung frei wurde, ift das Wahrſcheinlichſte, voran
u
Schu
der hier vorhin angegebenen Stelle Gigebert’3; bagegen zeigen bie von
tele, 53 n. 2, angeführten Beugniffe, eben des Chron. 8, Ändreae (vi
magna liberatus), Galbert’s (coegerunt reddere Robertum comitem) und ber
Flandria (Comes vi extrahitur), daß bie Befreiung nicht ohne Ge:
walt Allein alle vorliegenden Andeutungen über die doch etwas längere
Zwi it heben Diedmann's vorher hier erwähnte Anſicht, daß Robert gleich
m je nad) der auf ben 21. angelegten Schlacht, am 22., ſchon befreit wor⸗
den fei, auf. Gegen bie Angabe Wilhelm’s von Malmesbury, die vorhin ein:
gerüdt wurde und die es nahelegen würde, den Tod des Grajen Wilhelm in
aa Gi echt zu verlegen, führt Schmiele, 54 n. 3, die Zeugniffe dafür vor,
bafı auch diefes Crei
igniß in bie Gntiheidungsichlacht fiel. .
*) Bon PHilipp’s weiteren Thaten nach der Schlacht fpricht bie Flandria gene-
rosa, c. 22: Igitur rex Francorum bello Casletensi vietus atque fugatus, ad
64 1071.
brad die Kraftanftrengung von franzöfiicher Seite ab. Die beiden
Brüder, Biſchof Gottfried von Paris und Graf Euftah von
Boulogne, hatten fi, nachdem Robert fie für fi gewonnen hatte,
in das Mittel gelegt, und jet jöhnte fih der König, nad) Räumung
von St. Omer, mit feinem Feinde aus. Robert fah ſich alfo von
Seite des franzöfifchen Thrones mit Flandern belehnt, und wahr:
ſcheinlich wurde ſchon bei biefem Friedensſchluſſe verabredet, daß
Robert’3 Stieftochter, Bertha, welhe durch Gertrud, als dieje fich
mit Robert vermählt hatte, aus ihrer früheren Che mit dent
Grafen Florentius von Holland ihrem Gemahle zugebracht worden
war, fi mit dem Könige vermählen folle*”). Won der Geite,
welche zuerft zur Bundesgenoſſenſchaft durch Richeldis aufgerufen
worden war, ließ fih demnach feine weitere Hülfe mehr erwarten. So
wandte fid) denn die Gräfin, um für ihren Sohn Unterftüßung zu
gerinnen, nad dem deutichen Hofe hin, allein wichtige Verhand⸗
ungen mit ben niederlothringiſchen Fürften, theils mit Biſchof
Dietwin von Lüttich, geis mit Herzog Gottfried, gingen voran.
Richeldis hatte fih nach der Niederlage und dem Tode ihres
älteren Sohnes mit dem jungen Balduin nad dem Sennegau be⸗
geben, tief betrübt über die Wendung, welche die Dinge in Flandern
genommen hatten, aber zugleich entſchloſſen, Robert neue Feinde zu
erwecken und auf einen wiederholten Verſuch, demſelben die ge—
castrum quod dieitur Monasteriolum pergens, majorem exercitum collegit
et cum valida manu Flandrias repetüt. Cumaue ad burgum sancti Audo-
mari pervenisset (vorher, in c. 21, ift Arnulf's Begräbniß ad monasterium
sancti Audomari erwähnt, ebenfo durd; Lambert von Ardre, 1. c., c. 28: ante
majus altare in ecclesia sancti Audomari apud Sithiu, wozu n. 4 zu SS.
xRıv, 575, zu vergleichen ift}, suburbana eius incendit et fraude Vulverici
castellani civitatem intravit (etc.) (SS. IX, Verwüftung von
St. Omer hat auch furz Lambert von St. Omer im logium: 2. Non.
Mart. rex Philippus cepit castrum sancti Audomari ,66 0. 1). Philipp’s
Eintreten für Balduin erwähnt ferner dad Chron. fratris Andreae mon. Aqui«
einctini: mw (sc. Arnulfo) mortuo, statim Philippus rex et Richildis
comtisse duinum fratrem Arnulfi vix decennem comitem statuunt
(Recueil des bistoriens, ete., XI, 366),
4°) Die Flandria generosa, c. 22, ſchildert bie durch bie Brüder aus dem
Haufe ber Grafen von Boulogne erwählte politifche Rolle, wobei aber Philipp
wohl zu ſchlecht weglommt: ille (sc. rex).... . territus, relictis sareinis nocte
urbem (se, ©t. Omer) reliquit et versus Galliam properavit. Rege itaque
fugiente . „wie Schmiele, 55, richtig betont. Beſonders die Bermählung
ded Königs wird hervorgehoben durch Hermann von Tournay, 1. c., c. 14:
Robertus . . . in magna pace Flandriam tenuit multeque potentie fuit,
adeo ut privignam suam duxerit Philippus rex Francorum, Hugonis Floriac.
Francorum hist. brevis: Philippus . . consilio Roberti Frisonis, fliam Fio-
rentii dueis Frieonum Bertam in uxorem durit, Wilhelm von Malmesbury,
Lib. II, c. 257: Friso . .. . pacem cum Philippo rege comparavit, data
sibi in uxorem privigna (SS, XIV, 280, IX, 391*, X, 473) Die Berföhnung
berüßtt auf Kambert: comperto, quod Ruotbertus cum rege Francorum jan
in gratiam redisset et explafa veteri contumelia firmum sibi eum fidelemque
feciseet (SS. V, 182).
Robert m. Franzdſ.⸗Flandern belehnt. Anſchluß d. Richeldis an Biſchof Tietwin. 65
wonnene Beute abzunehmen, nicht zu verzichten). So trat die
Gräfin mit Bilder Dietwin in erfter Linie in Unterhandlung ein,
um fi die nothwendigen Geldmittel zur Ausrüftung von Truppen
zum Behufe der Wiebererwerbung Flandern’3 zu verfchaffen. Zu
Foſſe wurde eine große Verfammlung der Lehensleute des Big:
thums Lüttich abgehalten, und hier übertrug Richeldis ihre fämmt⸗
lichen Eigengüter in der Grafihaft Hennegau an den Biihof. Als
Zeugen de3 Vertrages traten Herzog Gottfried, der ſchon vorher,
vor Robert’3 Einbruch in Flandern, fih mit der Gräfin in Ver-
bindung gejegt haben muß, dann Graf Albert von Namur, fowie
andere Grafen und weitere hohe und niedere Vaſſallen der
Lũtticher Kirche hervor. Allein zur Aufbringung der ala Entgelt
an die Gräfin zu entrichtenden bebeutenden Geldleiftung mußten
fi die gefammten Kirchen des Bisthums große Laften gefallen
lafjen. Erſt der jedenfalls alsbald nad; diefen vorangehenden
Feltiegungen folgende Lütticher Reichstag führte jedoch duürch das
ſchon befannte Eingreifen Heinrich's IV. jelbft die völlige Ordnung
der Dinge herbei. Der König gab in den bereit3 erwähnten Ver-
fügungen zu, daß aud die Reichslehen im Hennegau und in der
Mark Valenciennes an ben Biſchof übergingen, freilich fo, daß
diefer fie nicht jelbft in ber Hand behielt. Vielmehr empfing
Herzog Gottfried diejelben von Dietwin zu Lehen, und hernach er-
hielt die Gräfin Richeldis für fih und ihren Sohn Balduin als
Afterlehen die aufgeführten Befigungen aus der Hand des Herzogs,
mit einläßlicher Feftjegung der lehnsrechtlichen Verhältniſſe, voran
für den Fall, daß der Herzog oder ein berechtigter Sohn beffelben
nicht vorhanden wäre und der Lehensträger das Lehen vom Biſchof
ſelbſt unmittelbar zu empfangen haben würde. Indeſſen hatte,
wie wenigftend fpäter angenommen wurde, der Biſchof auch für
diefe Begünftigung wieder weſentliche, für feine Kirche jedenfalls
ſchwer wiegende Gaben aufwenden müffen °).
awilchen ‚ben fei umd jet von deſſen Bruber geiprochen werben follte:
a dawini Sum — — spei in — poneret, assumpta
matre sur. . . ..opem (sc. regis Teutonicorum Heinrici) adversus patrui
violentiam zupplex imploravit (davan flieht fih bie fon ©. 57 in n. 87
fingerädte Stelle).
#1) Diefe Berhanblungen beleuchtet das Chron. s. Huberti Andagin., c. 24,
alerbings mit einem handgeeiflihen Sretyum, infofern al? e8 zuerft j—on mit
den Worten: Richeldis ... . . Flandras amiserat, oceiso filio suo Arnolfo a
'eius Roberto Frieone, per manus cuiusdam Gerbadonis ber Schlacht
i Gaffel, Hecmad) aber in dem Cape: Richeldis vero cum amissis tot expen-
Reger v. Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter deinrich IV. u. V. 80.11. 5
66 1071.
Die wichtigen Verfügungen vom 9. und 11. Mai betreffend
die Reichslehen der Gräfin Richeldis hatten die engften Beziehungen
zu ber Angelegenheit des flanbrifchen Kriege. Heinrich IV. ent-
sis_nichil profecisset, fügato etiam Philippo Francorum rege a Roberto
Frisone — nod5mald des gleichen Borganges gedentt. Zazwilchen ftellt die Gr
ghlung ‚ben Diele tot: expenen, bie umonf gemadt, mosben jeim. in, ben
‚en: Comitisea vero gratia Flandras recuperandi et filium suum oceisum
vindicandi, Philippum Francorum regem, ipsum quoque Godefridum ducem
et Albertum comitem Namucensem multosque alios Lotharingise et Fran-
ciae_principes adversus Robertum condusit (fo nad) Giälebert, ftatt condisit:
vergl. Diekmann, 32, n. 2), taxato singulıs pretio eiusdem conductionis
(bene), und erft ei ber Aufführung der Niederlage Philipp's durch Robert
a
imwieber fehlieht. ber fie: Richeldis „ . . ad dominum Theoduinum
iensem episcopum se contulit, et ei Montense castrum cum omni ho-
nore illi subjeoto . . . obtulit. Que coemptio ecelesias episcopii afflizit
gravissime (SS. VIII, 582 u. 583). Unter theilweifer Benupung biejer eh
lung, doch viel eingehender, jagt Gislebert, Chron. Hanoniense, über bieje
Zinge: Richeldis . . . allodia sua omnia in Hanonia sita spiscopo Leo-
diensi Theoduino, prineipi potenti sibique satis vieino, danda obtulit, ut ab
eo in vindictam contra Robertum auxilium haberet et accepta ab eo
cunia stipendiarios proinde contra Robertum conduceret. Theoduinue autem
episcopus, habito Iseodiensis ecelesie suorumque fidelium nobilium et
ministerialium concilio, tanta allodia tanto honore insignita gratanter sus-
cepit, que quidem ipei Richildi et eius filio Balduino in feodo ligio tenenda
(conceseit, marimamque pecuniam proinde eistribuit. Que quidem eoemptio
eonventuales ecelesias omne: iensis episcopatus in thesauris suis auri
et argenti graviter afflixit. Hec quidem omnia Fossis sub testimonio
Godefridi ducis Bullionis (Irxthum des fpäteren Autors: ſtatt Gibbosi) et
Alberti comitis Namurcensis (ete.) et aliorum Leodiensis ecclesie
lurimum fidelium, nobilium et servilis conditionis virorum ordinata
'uerunt (: daran Wilehi fich die in n. 37 miigetheilte Stelle, an deren Ende folgt:
ita quod Richeldis et eius filius Balduinus sub una manu et uno hominio
ligio universa allodia sua et familias et feoda ab episcopo Leodiensi rece-
perund, Feg eciam suecessores eorum eodem modo prosecuti. sunt — etc.)
(SS. » 493 u. 494). Auch die Stelle der Gesta abbatum Lobbiensium,
c. 14: comes Haynoensis . . . facta compactione, dono et concessione im-
peratoris eundem comitatum se et suos heredes tenere concessit de manu
episcopi Leodiensis (SS. XXI, 318) — ift hierher ® siehen. Sambert endlich,
der bier wohl unterrichtet if}, jagt bei Erwähnung der Kütticyer Vorgänge vom
Mai nad) den in n. 37 eingefügten Worten: quae (praedia) rursum epi-
scopus Leodiensis duci Gotefrido, ille itidem ıpsi filio Balduwini beneficii
loco dedit. Wie e3 fam, dab Gottfried's Mitbetheiligung an biejen Angel jene
heiten von Gislebert ganz übergangen worben ift, erörtert Diedmann, 32. Br
zeugt ift diefelbe durch St. 2742b (vergl. ob. n. 37): et ibidem in presentia
regis ct omnium prineipum (gang {onder® vorher: presente comitissa
Richilde . . . . et annuente cum filio Balduino) dux Godefridus miles ef-
fectus est domni episcopi Dietwini, accepto ab eo hoc beneficio. Ipsa vero
comitissa dueis effecta, hoc idem accepit a duce beneficium (mit weiterer
genauer Ausführung der Bedingungen im Einzelnen). Weber Gottfrieb’3 An:
wefenheit am flanbrifchen Hofe, wohl Ende 1070, nach einer Zeugenchaft im
einer Urkunde Graf Arnulfs, vergl. Diedmann, 96, in defien Regeften. Diedmann
macht, 35 u. 36, gegen frbrer, Gregorius VIL, II, 260f-, beionbers 266 u.
267, welcher eine She bes Königs gegen Biſchof Dietwin at fieht, infofern
als ber Bifchof mit Herzog Gottfried Habe theilen müffen, die Einwenbung, daß
vielmehr St. 2743 in der in n. 37 erörterten Weile ben gefammten henne:
ganiſchen Gomitat bezeichne. Wohl aber hätte auch Diedmann ſchärfer betonen
Erjolgloſe Fortſ. d. Kriegs gegen Robert. Angriffd. Herzogs Gottfried aufHolland. 67
ſchied ſich durch den Erlaß mittelbar aud für die Sache des jungen
Erben Balduin gegen deſſen Oheim Robert. Denn jetzt hatte die
Gräfin die Mittel?) in der Hand, gegen ihren Schwager neuer-
dings vorzugehen, und es gelang ihr, mit dem vom Biſchof Dietwin
erlangten Gelde neben dem Herzog Gottfried noch weitere nieber-
lothringiſche Fürften für fi) in Bewegung zu bringen. Gewiß ſah
auch Heinrich IV., dem Robert noch aus anderen Urfachen gerade
zu dieſer Zeit als eine Gefahr drohende Macht erfcheinen mußte,
nit ungern einen ſolchen friegerifhen Aufbruch, wenn er aud)
ſelbſt an demfelben nicht betheiligt war. Aber jegt erwies ſich die
geſchickt angebahnte Verfländigung de3 Eroberer3 von Flandern mit
dem frangöhfeien Könige als ein großer Vortheil für den durch die
nieberlothringifchen Großen bebrängten Fürften. Die Tragmeite der
Ausföhnung Robert's mit König Philipp muß gerade jegt hervor-
getreten fein; denn wiber alles Erwarten blieb die von Richeldis
begonnene friegerifche Vorbereitung ohne Erfolg für fie und ihren
Sohn. Wenn auch der Krieg zwiſchen Robert und dem jungen
Grafen Balduin von Hennegau noch längere Zeit in kleinerem Um-
fange im Gange blieb, jo ift dagegen nirgends von einem großen
Schlage die Rede, wie ihn die Gräfin ihrem hinterliftigen Schwager
zugedacht hatte, und überhaupt treten nunmehr dieſe Streitfragen
innerhalb des gräflichen Haufes von Flandern für einmal an
Wichtigkeit zurüd.
Dagegen kam jegt, abermals in der Weife, daß Heinrich IV.
nicht unmittelbar betheiligt war, das eingreifende Heer jedoch dem
Billen des Königs gemäß handelte, auf einem nörblicher gelegenen
Gebiete von Niederlothringen ein Kampf zum Ausbruche, bei
welchem wieder Herzog Gottfried in führender Stellung eingriff.
Schon 1064 hatte Heinrich IV. die Gerechtiame der Utrechter Kirche
in nachdrücklichſter Weiſe geftärtt und beſonders die geſammte
gäflihe Gewalt in Holland dem Biſchofe Wilhelm zugemieten.
ser junge Graf Dietrich V., deſſen verwittwete Mutter Robert's
de3 Frifen Gemahlin geworden war, hatte durch diefe Verfügung
dürfen, baß eö fid) im Vertrage von Falle um bie Allodien für den Biſchof
allern, in Lüttich dagegen um bie Reichälehen, unb zwar hier erſtlich allerdings
für den Bildhof, weiter aber für ben Herzog gehandelt habe. Der von Gislebert,
L c., 494, eingerüdte Vertrag, befien zehn Punkte Gfrdrer, 257 u. 258, ein-
gehend aufführt, kann, weil bi bon der assignatio zugleich ber allodia und
der feoda und ber Berpflichtung des Grafen von megau nur gegenüber bem
Biſchofe Die Rede ift, eben aus diefem Grunde nicht auf dad Jahr 1071 zurüde
gehen, wo ja ber 09, zwiichen Bisthum und Grafſchaft fand; fondern die
vorliegende Form muß ber nach 1076, nach Gottfried’# Tode, eingetretenen
Eacjlage angehören, wie St. 2742b biejelbe ſchon in Ausſicht nahm, in ben
®orten: ut, si dux non fuerit vel filins hereditarius, ab episcopo requireret
beneficıum ipsa (ec. comitissa) vel filius, vel filie.
ch Bon einer folden Bemühung ber Gräfin, Geld zu erhalten, redet auch
dad n. s. Huberti Andagin, ©. 24, daß Abt Theoderih von St. Hubert
«easione comductionis (vergl. n. 51 a. A.) für das Tängft angeftrebte Gut
Chevigny quingentos bizantios auri an Richelbis gezahlt habe (I. c., 583).
5*
68 1071.
eine weit gehende Zurüdjchiebung der von feinem Vater Florentius
in Anfprud; genommenen Machtitellung erfahren; aber auch gegen
Robert felbft mußte dieſe königliche Entſcheidung gerichtet geweſen
fein. Freilich fheint das Bisthum mit feinem vom Könige be-
ftätigten Anrechte zunächſt noch nicht durchgedrungen zu fein, und
erft wenn es Wilhelm gelungen fein jollte, die Macht eines welt:
lichen Fürften für fih als Bundesgenofjenjchaft zu gewinnen, ließ
fi) ein Erfolg auf dem Boden biefer ftreitigen Rechte erwarten.
Eben das muß nun, wohl im Zufammenhange mit ben übrigen
gegen Robert vorliegenden Streitfragen, von dem Biſchof durch
einen Vertrag mit Senop Gottfried von Stieberfotfeingen erzielt
worben fein. Wie Gottfried von Biſchof Dietwin von Lüttich die
Neichslehen im Hennegau und der Mark Valenciennes übertragen
erhalten hatte, jo muß er von Biſchof Wilhelm binfichtlih der
für die Utrechter Kirche in Anſpruch genommenen Gebiete in
Holland die Ausftattung gewonnen haben. Aber es galt, diefer
Landſchaft thatſächlich he zu bemächtigen, und jo rüdte Herzog
Gottfried mit Biſchof Wilhelm Eriegerifch gegen Robert in Holland
ein. Sie trieben ihn aus dem Lande und unterwarfen ſich biejes
mit Gewalt; eine fpätere in Holland felbft aufgezeichnete Nachricht
nahm fogar an, daß Gottfried an der Spiße eines königlichen
Heeres fo vorgezogen fei®). Aber auch hier dauerte der Krieg
5°) Giälebert, 1. c., 494 u. 495, verbreitet Fa befonders einläßlich über dieſe
Ereignifie nach dem Lütticher Tage, zuerft bie Werbung bes Heeres: Richeldis
comitisse et Balduinus eius filius de accepta ab episcopo Leodiensi pecunia
coadjutores et stipendiarios multarum regionum . . . . quoscumque potuit
eonduzit, jdjließt aber: attamen nichil eis (sc. den vorher genannten gemor-
benen Zürften) profuit, worauf bie Erwähnung weiterer kricgeriſcher Greignifle,
beſonders in Brabantia in territorio qui dieitur Brokeroia, u. a. m. Aber
Diedmann verwirft biefe Angaben, 38, ganz, womit er gegenüber einer fo wohls
unterrichteten, wenn aud) fpäteren Quelle zu weit geht. ebenfalls übertreibt
Zambert, wenn er jagt: Hoc rex quasi precio redemptus (sc. durch die Lüt«
tier Abmacungen), episcopo Leodiensi atque duei Gotefrido, item aliis
Latheringiae principibüs praccepit, ut in anduis rebms pracsidio il (sc.
uwi
filio Balduwini) essent et Ruotbertum . . . vi et armis expellerent. Qui
protinus coadunato exereitu in Flandriam profeeti sunt; freilidy ſchließt er
leichfalle: Sed . . . . infeetis rebus in sua rediere (182 u. 183).
ap aber in Hleinerem Maßſtabe die Kämpfe zwiſchen Hennegau und Flandern
nody geraume Zeit, in die folgenden Jahre hinein, fortdauerten, zeigen die von
Diedmann, 39'n. 4, erdrterten Zeugniffe. Tagegen tnüpfen fich zeitlich jegt Fr
biefem gehee die Kämpfe um Holland an, welche allerdings — vergl. ob. ©. 39
inn. — durch eben benfelben Forſcher ſchon zu 1070 verlegt worden find,
fo_wie fie befonbera durch bie bort angeführte Stelle ber Annal. Egmundani
fich_bezeugt finden. Wegen ber Beziehungen zum Bisthum Utrecht vergl. fon
in ®b. I, ©. 372ff.. und Diedmann, 23 u. 24. Dafür aber, daß biefer Ieptere,
38 u. 39, bie Nachricht bes Hermann von Zournay, 1. c., c. 18, die fi in ganz
aneldotiſcher Form barbietet und von einem nunc jam in senium vergens
mitgetheilt wirb, welcher, adhue puerulus, bie Sadı vernommen haben will,
mömlid, über bie von Robert ausgegangenen legati ad Henricum imperatorem
..... propter obtinendam gratiam et amieitiam eius (83. XIV, 280), auf
einen dieich 1071 geichloffenen Frieden Robert's mit Heinrich IV. begiehen will,
Bietet dad Wort stafim einer derartigen Mittheilung zu geringe Anhalts=
punkte.
Eroberung d. Gottfried u. Biſch. Wilh. v. Utrecht. Pfingftjeier in Halberflabt. 69
wohl nod bis in das nächſte Jahr fort, ehe der Herzog fich ficher
in den Beſitz der Grafenrechte jegen fonnted*).
Bon Lothringen kehrte Heinrich IV. nach dem ſächſiſchen Lande
zurüd, wohin ihn wichtige Angelegenheiten riefen.
Zunãchſt wurde — am 12. Juni — in Halberſtadt da3 Pfingft-
feft begangen >), und darauf lieh der König am folgenben Tage
feine Mitwirkung der feierlihen Einweihung der Domlirche, melde
duch Bischof Burchard II. feit der Feueräbrunft, die vor etwas
mehr als elf Jahren in Halberſtadt gewüthet hatte, aus ben
Trümmern neu gejchaffen worden war, unter reihem Aufwande für
die äußere ſowohl, ala die innere Ausfhmüdung des Gebäubes.
Sechs Biſchöfe halfen bei der Weihe, Erzbiſchof Adalbert von
Hamburg Bremen, dann die Biſchöfe Richbert von Verben, Wernher
von Straßburg, Benno von Osnabrück, Tiedo von Brandenburg,
welcher aus ber Kirche von Bremen hervorgegangen war’5®), endlich
Johannes — oder Hiltin —, welcher früher, von Adalbert aus⸗
gefandt, in Schweden für die Belehrung gewirkt hatte”). Der
König jelbft zeigte ſich in den königlichen Gemändern, und ihn be:
gleiteten neben einem großen geiftlichen Gefolge auch die weltlichen
Fürften, unter ihnen Herzog Ordulf von Sadfen, und eine große
Menge Volkes. Bon den Frauen de3 fönigliden Haufes wohnten
neben der Königin Bertha deren Mutterſchweſter Immula, die ſeit
1068 durch den Tod des Markgrafen Efbert I. von Meißen aber-
mals verwittwet war, und bes Königs Schwefter, die Aebtiffin
Adelheid von Quedlinburg °°), dem Feſte bei?).
54) Diedmann hebt, 24 u. 40, bie Argumente hervor, welche dafür fprechen,
daß Gottfried die Grafihaft Holland inne hatte, und fucht, 41, die jpäten Localen
Rachrichten über Gottfried's nordholländiſchen Krieg von 1072 auf einen viels
leit glaubwärdigen Kern Hin zu prüfen (übrigens fei auf Sigebert’3 Nach-
ridgt, a. 1071, verwielen, wo von einem Kriege Gottfrieb’3 gegen die ulteriores
Fresones bie Rebe ift: doch vergl. S. 39 u. 40, in n. 63).
5%) Zambert (183) und Annal. Altah. maj. (vergl. n. 60) ftimmen hierin
in.
) Bergl. bie in Bb. I, ©. 340, n. 65, genannte Abhandlung Brehlaws, 1. c.,
393, über ben hier in ben Halberftäbter Suelen Thidmarus, Thietgrimus ge-
nannten Bilhof. Als Mitglied des Bremer Domcapitels ift er am 11. Juni 1069
urkundlich zwiſchen Adalmard und Hiltin (vergl. Bd. 1, S 522, n. 52) als Tiedo
Brandenbargensis episcopus genannt (Hamburg. Urt.-Bud), 1, 97), unb jo if
er wohl duch Adalbert zu feinem Biſchofsnamen — denn viel mehr bebeutete
die Sache damals taum — gelangt. Ueber ben Vorgänger Ticdo's Volchard,
der am 19. Mai — wahrfcheinlich, jedenfalls fpäteftens — 1068, ftarb, vergl.
Le, 392.
57) Bergl. über biefen Johannes Bircensis episcopus ®b. I, ©. 410,
38.
n. 38.
”*) Bon einem Brandunglüd, dad 1070 Oueblinburg heimſuchte, reden Sams
bert, gleich nach Erwähnung des ob. ©. 8, n. 19, berübrten töniglichen Be»
fuges, nämlid) don der Jechörung bes augustissimum in Quidelenbure tem-
lom eum omnibus attiguis sibi aedificiis (177), und Annal. Corbeiene.: Quin-
elineburg exusta est (SS. III, 6)
) Bergl. Bd. I, ©. 176, über die Feuersbrunſt von 1060. Bon der
Tomweihe reden eingehend Annalista Saxo zu biefen Jahre und Gesta epp.
ü
70 1071.
Außerdem geihah nun hier die vom Ofterfefte meg verföobene
Unterwerfung Otto’8 von Nordheim, des Billinger® Magnus und
ber anderen Genoſſen der Verſchwörung unter das Gebot des
Könige. Als Vermittler war zmwifchen Heinrich IV. und ben
ſchulbigen Fürften Erzbifchof Adalbert eingetreten, der auf bie
Bitte Dito’3, unter verjöhnlichem Vergeſſen des Umftandes, daß.
auch mit Dtto’3 Einwilligung die Schmach in Tribur gen ihn
gelöehen war, fi) al3 Rathgeber hatte erbitten laffen. Durch ben
Erzbifhof war auch geiftliher Zufprud nicht gejpart worden:
während ber feierlihen Abhaltung der Meſſe — ® hörte der Otto
übrigens fo wenig geneigte Berta ber gab! ücher zu Nieber-
altaih, welcher es niemals außer Acht laſſen konnte, daß in allen
diefen Dingen ber gemejene Herzog von Baiern nur die gerechte
Strafe megen bes früheren Vorgehens gegen Nieberaltaich erleide —
babe Adalbert fi bemüht, den jungen König durch Bitten günftig
zu fimmen. So nahm Heinrich IV. von den Fürften die Grgebung
in Gnade und Ungnade entgegen, nachdem ihnen vorher wohl fiher
in Ausſicht geftellt worden war, daß fie für ihr verwirktes Leben
nicht? zu fürchten haben jollten. Doc erhielten fie noch nicht
völlige Gnade, jonbern wurden, wie bie Hersfelder Nachricht mit-
theilt, in Haft gelegt, unter königlicher Weiſung an die Fürften des
teiches, jo weit ihnen ſolche Gefangene anvertraut waren, fie in
Gewahrfam zu halten und am beftimmten Tage dem Könige wieder
auszuhändigen. Magnus wenigitens, ber fih kaum erfi_mit ber
ungarifchen Sophia vermählt haben konnte, wurde fpäter fiher auf
der Harzburg, aljo vom König felbft, in Haft gehalten. Dtto er-
hielt feine Eigengüter ungeſchmälert vom Könige zurüderftattet; Die
aͤußerſt anfehnlicen Reichslehen deg en, welche er inne gehabt
hatte, blieben für ihn zum großen Theile verloren. In ähnlicher
Weiſe befam Srabithot Adalbert jene Güter feiner Kirche, die er
vier Jahre früher unter der Zwangslage jener Zeit der Noth an
Magnus hatte überlaffen müffen, aus deſſen Befig zurüüd°%).
Halberstadens., (38. VI, 698, XXI, 96 u. 97), unb zwar Ieptere nad} ber.
Einleitung Weiland's, 74 u. 75, nicht in_birecter Ableitung von jenem, fonbern
jelbftänbig nach einer eigenen Öuelle. Den Otto dux Saxonie ber Gesta er-
tlart n. 78 gu 9%) kaum richtig als Otto von Nordheim, da es kaum anzus
nehmen if, daß Otto gleich ge auf bemfelben Fuß, wie bie i prineipes,
bedandelt worben {ei und Orbulf erft 1072 (vergl, bort in.n. 67) gefiorben iR
0) Davon veben voran Annal. Altah. ma)j.: Rege diem pentecostes in
Halberstat celebrante, cum saepedictus Otto jam sentiret, res suas non
profieere, episcopum Adalbertum, quem prius offenderat, sibi conciliavit,
eumque causae sun oratorem ergo fegem fore rogavit. Is ergo inter missarum
sollemnia non cessavit tamdiu pro eo agere, quousque regis gratiam meruit
recipere praediaque sun ex integro re, Beneücin, quso inmensn ha-
buerat, perdidit ex parte maxima, wobei Rieberalteih {elbft. hervorgehoben
wirb (vergl. ob. S. 18 u. 14 in n. 25, fowie aulegt dem {on in ®b. I, ©. 469 n.
140, mitgeteilten Sat bed Annaliten) (. e., 822). Auch Abam, Gesta Ham-
maburg. eccles. pontificum, Lib. c. 59: restineta est illa conspiratio
prima In regem Tacta, In qua dur Ötto et Magnus, devastata per Annum.
Unterwerfung Otto’ u. d. Genoſſen. Erzbiſchof Adalberl's neue Machtſtellung. 71
Meberhaupt war jetzt die Zeit gefommen, wo Adalbert nochmals
nahezu die Wiederkehr. früherer glänzender Tage in der Umgebung
des Königs erlebte. War der Erzbiſchof fchon 1069 wieder am
Hofe erſchienen, nachdem er ihn drei Jahre hindurch gänzlich zu
meiden ſich gezwungen gefehen hatte, jo gewann er doch erſt jegt
eine höhere Stellung, freilih, ſchon in Folge des reiferen Alters
des nunmehr den, regierenden Königs, nicht mehr in dem Umfang
einer eigentlihen Lenkung der Dinge, wie er fie bis zu feinem
Sturze in Tribur, Anfang 1066, in feiner Hand vereinigt hatte.
Allein der ſittliche und zugleich auch äußerlich greifbare Sieg, den
jegt Adalbert errungen, dadurch, daß er, ber vor einem Antben
Jahrzehnt jo ſchwer Verfolgte, als erfolgreicher Fürbitter für dem
abgejegten Herzog von Baiern hier in Halberftadt hatte auftreten
Tönnen, und im engften Zufammenhang damit das Zurücweichen
der Billinger vor der jo ſchwer geſchädigten und gefränkten Kirche
von Bremen — das war eine färfende Erfahrung, die mohlge-
eignet war, den alten ftolzen Muth des Kirchenfürften neu zu ent:
flammen. Aber auch ſchon der ganz äußere Umftand, daß ber Erz:
biſchof wieder in feiner alten Weife, wie er es in feinen Zeiten des
Glüdes zu thun gewohnt war, in Gefellfehaft zweier aus der Reihe
der Bifchöfe, die aus jeinem Kreiſe hervorgegangen waren, bier in
Halberftabt fich zeigte, bewies, welche Sicherheit er abermals ge-
wonnen batte®!).
Sazonia, tandem consilio praesulis (se. Adalbert's) in potestatem se regis
dederunt ..... archiepiscopus noster bona ecclesiae recepit, quae ante
babuit Magnus (SS. VII, 359). Sambert: Ibi (sc. Halberstat) Dilonm ducem
ceteroeque ingenuos, qui cum eo arma contra rem publicam sumpsisse
auguebantur, in dedicionem suscepit prineipibusgue regni in custodia
hal los et statuto die sibi restituendos commendavit, Compil. Sanblas.:
Otto jam dudum dux Bajoariae cum sociis suis in pentecoste regi ad de-
ditionem venit (zu der hieraus abgeleiteten Stelle, Bernoldi Chron., SS. V,
429, zeigt Wai, Forfhungen zur beutfchen Geſe ichte, XXII, 495 u. 496, die
Berkiengtet ber (cheinbar genauen beigefügten Zeitangabe, des 14. Juni) Rimmen
(SS. V, 183, 275) bierzu. Bruno, De bello Saxon., c. 19, fagt im Anflug
an bie Stelle von ©. 23, n. 36, daß Otto und Magnus, consıliis amicorum
coacti, se regise traderent potestati (SS. V, 335). Weber ben Begriff der de-
dieio L Bogeers Exeur, Otto von Nordheim, 113 ff, defien Jean je jedoch
neh Rontab II, IL, 80 n. 2, fich nod vermehren Lieben. diem
Moguns Sambert zu 1073: Magnus... . adhuc in castello Hartes-
burg deditus servabatur (196: die im Augen 1073 zu Ende gehende Haft ift,
201, irrig über ein triennium ausgedehnt, ein Beweis der Vorliebe für bie Dreigafl,
peamber bem richtigen — auch mit Bruno’3 Angabe: per int biennium,
€., übereinfimmenben — biennium, 195), fowie R. Köfter, Sadjien unter Her«
Magnus, I, 6 u. 7 (BWifienfgaftl. Beil. zum Programm der höheren Bürgers
Marne, Oftern 1881), ferner wegen ber Güter, bie Magnus von ber
Kirche Bremen imme gehabt, Bb. I, ©. 515 u. 516.
*) Bergl_ Bd. I, ©. 630, n. 57, dafı der durch Adam, 1. c., erwähnte annus
comsulatus sui (sc. — eben dieſes Jahr 1071 ift: erſt jet if, wie
Mam, ec. 58, a. A., fi ausbrüdt, um eine gewiſſe Zmifchenzeit (mox) nad
beö triennium, erft nach 1069, auch bie summa rerum, ber vice-
donnstus (vergl. Bd. I, ©. 334, n. 52), von Adalbert wieber erreicht worben;
72 1071.
Geradezu als eine Vermehrung des Ruhmes Adalbert’3 faßte
jedoh Adam, der Geſchichtſchreibet der Bremer Kirche, eine Zur
ſammenkunft auf, zu welcher ſich Heinrich IV. ohne Zweifel gleich
nad der Anweſenheit in Halberftadt durch Adalbert veranlafjen
ließ, und zwar war deren Zwed, wie ebenfalls Adam mittheilt, die
Herabwürdigung und Echädigung des billingifhen Hauſes. Am
allermeiften hatte Adalbert nach feinem Sturze durch die Billinger,
durch den jungen Magnus, an Verfolgung zu leiden gehabt; der
alte Gegenjag zwiſchen ihm und bem Gefechte, gegen deſſen vom
berzoglihen Namen abgeleitete Rechte er zum Vortheile jeiner
Kirche rang, war ihm mehr, als je, fühlbar geworden. So nugte
er denn jeßt, bei der neugemwonnenen Gunſt der Lage, die andern-
theil3 für Magnus fo übel veränderte Geftalt der Dinge gründlich
aus. Mochte auch vielleiht — neben der Fürbitte des eigens in
Halberftabt erfchienenen Vaters, des Herzogs Orbulf, für den Sohn —
aud für Magnus ein guter Rath Adalbert’3, neben deſſen eifriger
Verwendung für Otto, gejpendet worben fein, jo wollte doch jeden-
falls nunmehr Adalbert die gänzliche Sinberung des in Haft
bleibenden Herzogsfohnes, die ja zugleih eine Schwädung der
Mat des ganzen billingifhen Hauſes bedeutete, fih zu Nuge
maden. €3 lag für den Erzbifhof nahe, Heinrich IV. daran zu
erinnern, in einer wie eigenthümlichen Verflechtung ſich das
billingifche Geſchlecht gerade zu diefer Zeit mit einer ganzen Anzahl
feindlicher Berechnungen gegen den beutjchen Thron befand. Jener
Robert ber Frife, deiien Unternehmungen in Flandern und Holland
Heinrih IV. foeben mehr oder weniger nachdrücklich fi entgegen-
geftellt hatte, war der Gemahl einer Schwefter des Herzogs Ordulf,
der Gertrud, Wittwe des Grafen lorentius von Holland. Jene
Sophia, die Wittwe des Markgrafen Udalrih von Krain und
Sitrien, welche eben erſt, dur ihre Wermählung mit Magnus,
Ordulf's Schwiegertochter geworden war, zählte ihrer Geburt nach,
als Schwefter des Herzogs Geifa, zu dem Zweige des ungarijchen
Herriherhaufes, von welchem Heinrich's IV. Schwager, König
Salonıon von Ungarn, immer wieder Nachftellungen zu befürchten
hatte. Zwar war 1064 durch den Vertrag von Fünfkirchen ſcheinbar
gleiafatte angedeutet ift, ſich darflellen, (vergl. Lucan, Pharfalia, Lib. IL, v. 180:
IM Wegen Adalbert’ Gewohnheit, minbeftens
er zu haben, vergl. Bb. I, ©. 413. u
1071 — t
drei A ae
Zufammentunft Heinrichs IV. u. Adalbert’3 m. König Svend in Lüneburg. 73
das PVerhältniß zwifchen König und Herzog georbnet worden;
allein eben zu dieſer Zeit, wo Magnus in Haft fam, waren dieje
Beziehungen in Ungarn allem Anfcheine nach neuerdings recht un-
here geworben. Anderentheils hinwieder ftand aber Geifa von
jeher in enger Anknüpfung mit dem ihm verwandtſchaftlich ver-
bundenen Herzog Bolejlav von Polen, und biefer ging jegt auf
einen Angriff gegen feinen Schwager Wratiflav, Herzog von Böhmen,
aus. So ergaben ſich gehäufte Anhaltspunkte für einen Rath-
ſchlag, der gegen die Billinger gerichtet werden mochte. Dagegen
war Soabitde Adalbert, wenn auch für die legtvergangenen Jahre
nit fo reichliche Zeugniffe, wie für die Zeit vor 1066, nad) dieſer
Seite vorliegen, mit dem Könige des bänifchen Reiches, Send,
welcher ihm durch die gemeinfame Theilnahme an den kirchlichen
Aingelegenheiten befreundet war, in. Verbindung geblieben — es iſt
beitpielameife befannt, daß König Wilhelm von England fi gern
der Bermittlung des Erzbiſchofs bediente, um fo lange wie möglich
einen Angriff des däniichen Königs von feiner Eroberung fernzus
halten, und ihm zu biefem Behufe Geſchenke zukommen ließ —,
und bdergeftalt erlas Adalbert als Bundesgenoffen gegen die
Billinger für feinen jungen König und für ſich eben diefen Herricher
des im Norden des ſächſiſchen Landes angrenzenden Reiches. Jeden⸗
fall nur von wenigen Begleitern umgeben — eine allerdings höchſt
verbächtige Nachricht will, neben den Königen und Adalbert habe
nur ein einziger Zeuge, welcher nachher die Geheimniſſe ausgebracht
Haben foll, den Verhandlungen beigewohnt —, trafen Heinrich IV.
und Adalbert, wohl gleih von Halberftabt her, mit Svend in
Lüneburg zufammen. Die Verftändigung, welche hier getroffen
wurde, liegt im Dunkeln, und fo fam e&, daß nachher als deren
Inhalt große Pläne zum Verderben des ſächſiſchen Volkes im All—
gemeinen behauptet wurden, und das nit um fo größerem Eifer,
al3 eben der Gegenjak zwiſchen dem königlichen Hofe und den
Sachſen die gefammte öffentliche Aufmerkſamkeit nachher einfeitig
beherrſchte. Es ift denkbar, daß auch bie umfaſſenden kirchen⸗
poiitiſchen Pläne, welche nad Adam's Zeugniß nochmals in
Adalbert's letzter Zeit deſſen leidenſchaftlich erregten Geiſt be—
jchãftigten, zur Verhandlung kamen; ebenſo lagen an dem Orte der
Berathung die Angelegenheiten in dem jenfeits der Elbe anftoßen-
den wendiſchen Lande, da wo früher Godſchalk geboten hatte, nahe
genug. Doc die hauptfächlichite Abrede ging gegen die Billinger
und, infofern als der Wiberftand gegen neue Macjtpläne Adalbert's
aud andere fächfifche Fürften mit jenen zufammenbringen würbe,
aud gegen folde vorausſichtliche Waffengenojien berfelben. Ins—
befondere war wohl ber Erzbifchof noch von feinen 1066 gemachten
Griahrungen ber, im Gegenjag zu früherer gemogener Gefinnung,
auch gegen Udo II., den Grafen von Stade und Darkgrafen der
Rorbmarf, eingenommen, und fo ift eg nicht unwahrſcheinlich, daß dem
Könige Svend für den a eines kriegeriſchen Eingreifens aus dem
Beigthum Udo's die Grafihaft in Ditmarſchen als Beute zuge-
74 1071.
wiejen worden wäre, ein Zehen von der Bremer Kirche, das der
Erzbiſchof in früherer Zeit wohl abfihtlid, um die Gefinnung bes
Markgrafen gegen die Billinger zu befeitigen, an Udo gegeben
hatte. jen ſcheint die gegen Herzog Ordulf gerichtete Spige
der Lüneburger abredung forgfältig verhüllt worden zu fein;
denn wie ja in deſſen Hauptburg die Zufammenkunft geihah, jo
hat derfelbe noh_am Ende de3 Jahres ſich, zugleich mit Adalbert,
am königlichen Hofe eingefunden, was ja ausgeſchloſſen geweſen
märe, wenn er von den weit gehenden Abfichten gegen fein Haus
etwas Beftimmtes gewußt hätte. Aber nur um fo mehr bäuften
fi) gewiß in den nicht eingeweihten Kreifen die Vermuthungen über
das auffällige Ereigniß der Reife Heinrih’3 IV. zu König Spend.
Besitich ift Schließlich die ganze getroffene Abrede ohne Folge ge-
lieben, vielleicht aus Erwägungen Svend's, die in deſſen eigenen
Verhältniffen ihren Grund hatten, eher wohl noch, weil der Urheber
des ganzen Planes, der Erzbifchof von Hamburg-Bremen, nur noch
kurze Monate unter den Lebenden weilte*®).
©) Für die Zufammentunft Heinrichs IV. mit Svend if Adam, c. 59, bie
Hauptquelle: in anno consulatus sui (vergl. n. 61: mit Eodem anno etc. ift
nad)! dad im n. 60 Mitgetheilte angelnüpft) famosum illud colloguium
caesaris cum rege Danorum ad contumeliam ducis habitum est in Lan
burc, ubi sub optentu federis contra Saxones arma laudata sunt — das
habe bie gloria -praesulis nod) vermehrt (I. c.). Wie inäbejonbere Dehio, 1. c.,
275, darlegt, ebenfo auch Giejebredjt, II, 166 u. 167 (dazu „Anmerkungen“, 1121),
‚zählen, wenigftens in ihrem glaubwürdigen Kerne, hierher aud bie richten
Sambert’3, a. 1073: (rex) secreto cum rege Danorum colloquium facit, et cum
e0 magna quadam Saxoniae, quae Uotoni marchioni peı
eiseitur, ut in conficiendis rebns, quas animo agitabat, auxilio
et se Saxonibus ex uno latere bellum inferente, ipse eos ex alio latere
adoriretur (194 u. 195: nochmals 202, wo Gvenb 'ald memor firmatae jam
pridem cum rege pactionis genannt if}) — und Bruno’, 1. c., c. 20: Postea
(se. nad) der in n. 60 erwähnten Unterwerfung, «. 19) legatos ad regem Da-
norum misit ultra mare, eumque sibi ad Bardunwich rogavit oceurrere, quo
et ipse cum paueis perrexit (sc. rex) .... Regem illum ibi obvium habuit, cum eo
secretum colloquium feeit, eui colloquio praeter episcopum Adalbertum et
unum de regiis consiliatoribus nullus interfuit. Ipsum tamen colloquium
non diu latuit. . Rex Danorum regi Heinrico juravit, ut ei contra omnes hostes
suos, et nominatim contra Saxones, quantum posset, terra marique auxilium
ferret; et rex Heinricus illi promisi ut ei cunctas regiones su0 regno con-
tiguas in proprium daret (l. c.). Weiland, Das ſachfiſche Begopthum unter
Lothar nnd inrich bem Löwen, 34 m. 1, möchte auch die hergoglichen Gaue der
Holften und Stormarn, aljo das ganze nordalbingiſche Band, unter den regiones con-
tiguae begriffen wifſen. Doch * don Lambert die Zufammentunft, durch untichtige
ereinziehung in den für das Jahr 1073 geltenden Zufammenhang, mit ber
ıgelegenheit des Gegenſatzes gegen bie Sachſen in unzutreffender Kerle aus
Tammengebracht, wie Delbrüd, 1. c., 34 u. 35, in feiner Kritik Lambert's hervor ⸗
hob, und noch unglaubwürbiger ift es, wie Bruno in ber oben ausgelafſenen
Stelle ausführt, ber einzige beigegogene Zeuge habe die Abficht der Könige, den
Aunfenlag gegen die principes Saxoniae, auägeihwaßt, wie denn Bruno gleichfalls
das Ganze auß bem großen fächfiichen Conflicte, der damal nod gar, mit dor-
Tag, erflärt. Gfrdrer, egorius IL, II, Rtellt in einem an pm erbaren Ent-
dedungen reichen Gapitel, 294ff., über „die Staategeheimnifie des Halberfiäbter
Neichätages“, ala ben Kern bed don bem „bäniichen Neichsrathe“ berrathenen
BVerabrebungen auf ber Lüneburger Zufammentunft. 75
Aus der Nähe der unteren Elbe — ein ſächſiſcher Geſchicht-
Treiber hiel hielt es für eine Ausnahme, daß ein deutiher König fo
— — hie „al en siaffung | des Lehenweſens· hin. Wenn Webetind,
iftftellern (etc.), I, 215— 217, daß räch, mit Bun,
—— zeigen mab mad been © 21 be Being castellum
55 en ibi ae al I in Kaps wie et erzählt —
gleich aı ujammen! wollte ven laf jo ad jere wenigflens
„aber aud dem über bie burı ba, ben
Gier © Adalbert viel beſſer Interriöteten Bericht ge boten: von
Lüneburg für den Ort ber Zufammenkunft borzı in e — von
Bruno mit allerlei Nebenbemertungen naı rar über en IV. Aus-
gelegt mu muß vielmehr in das 1073 Hin gezogen werden, wie benn ja s auch
: castellum .. . ad ipsum (sc. Mi — —* — traum Heri-
mannum tunc hereditario jure —— — 1072, dem
Zodedtoge Da Drbulf, — Haben (mar 1 Laßt Bd Giejebrecht, 187, bie
— aus Bruno, c. 2) ſchon feit —8 107 in
jebuzg ae — zu —E aut ber Ei jammentunf jo fegte
‚Alion. Le, 58, biefelbe al etwa auf Anfang set dar
Köfter, er wenn er m einem eigenen Excurs 22 u. 28, ie; der
—— biefe erfte & (nicht Sommer) 1071 und eine qweite 1073 in
Berdewid, annimmt. — Die rabrebungen zwiſchen bem deutichen und bem
bänil Könige find von der Ipäter 1073 vorliegenden allgemeinen ſachfiſchen
Streit in welche erft das fpäter wach werdende allgemeine Mißtrauen am
—* fie Hineinftellte, ganz abzutrennen, wie Rante, —E ichte VII,
33 u. 234, fehe beflimmt betont, ber urtheilt: „Der ganze Töfte ſich in
ichte auf“. Die gelammte Berechnung war ein Iegter — und, jo weit bie ©
—3 Abalbert’s, fein Ein]
— Se ee Baker al.
mit hereinzuziehen. une der 1066 durch 18 — Ans
iffe 3b. I, ©. 514 u. 515, wegen Gertrub 1. c., ©. 373, wegen Sophia
fr Ei 294, und ob. ©. 34, —* wegen ber Bı jungen See, des Ei
Sophia, zum polnischen Im, Persierhaufe Bi 192, 348 u. 349,
Er über bie jet neu ‚den Gejahren Yon "ee Seifa’s unt. zu
1072 in n. 7, fowie gan er Si rvenzen mit Polen umt Bei n. 88. Abalbert’s
Berteht mit König Spend if beſonders zu 1065, Bb. uf beleuchtet ;
vom ber Vermittlung Adalbert'3 zwiſchen den Römi en * und Svend redei
Adam, c. 53: Inter Suein et tardum (sc. erpetun contentio
de Anglia fuit, licet noster pontifex muneribus Michel persuasus inter
reges pacem formare voluerit (1. c., 856). Wegen —
vergl. unt. n. 95, wegen ber Kämpfe im Wendenlande nd derjelben
Ereurö IL Zap bie ermenbung ed Wortes Saxones in bem de a4, in
der Stelle aus Adam's c. 59, nicht auf den ganzen Stamm, fonbern auf bie
Anhänger der Billinger gu beiehe iehen Nil zeigt 3. . bie ähnliche —S bei
5 Fe; aa —— Der ara icia —ã— inc. —— — 9
1 z ), wo I Die ten bo IP Teer ind mn m
‚ ©. 514 u. 516, $: fehr gut in Er bert's Augen,
re jept 8 —— eo erl —* ſein m en —
die Sach] ta heran unb erflärt Diefe theiweſe di Die gegen F
Be 2 —5* — DD ( — dieſe nbung der wet
älteren Eine ;vend’s, ee 1069, Lappenberg, Geſchichte von
tand, II, Me: ae er en (3 Adalbert’ Tob die Nichterfüllun, ver
76 1071.
weit nordwärts gefommen fei®) — fehrte, während der Erzbifchof
augenſcheinlich zunächſt noch hier auf ſächſiſchem Boden blieb,
Heinrich IV. in die mittleren Theile des Reiches zurüd. Denn
auf den 15. Auguft war nah Mainz eine Synode in der Frage
der Befegung des biſchöflichen Stuhles von Conftanz ausgejchrieben
worden ‘*), an welcher ber König theilzunehmen gedachte. Wahr:
ſcheinlich gegen Ende Juli fam ber Hof von Sachſen nad Heflen
hinüber und hielt fih da im Klofter Hersfeld auf. Dann wurde
in der Richtung gegen den Rhein hin aufgebrochen und am folgen:
den Tage, noch unmeit wenige Meilen ſüdweſtlich von Hersfeld, in
Udenhaufen, ein Halt gemacht, um das Frühftüd zu genießen. Als
danach um die Wette, im Eifer, den Weg fortzufegen, die Pferde
wieber beftiegen wurden, geſchah e3, daß jener jchon in der Geſchichte
des Nüdtrittes des Abtes ‚Mepinmarb von Reichenau erwähnte junge
Schwabe Liupold von Mersburg, einer der dem Könige liebften
Genofien, defien Dienftleiftung und Rath derfelbe gern in voller
Vertraulichkeit heranzog, durch einen Unfall vom Pferde ftürzte
und fogleih, da er im fein eigenes Schwert gefallen war, von
diefem durchbohrt, fein Leben aufgab. Die Waffe ftand im Licht
einer ungewöhnlichen, von Aberglauben durchſetzten Erinnerung.
€3 war jenes Schwert, weldes ber frühere Herzog Otto von
Baiern aus Ungarn als Geſchenk der Königin Anaftafıa 1063 mit-
gebracht, worauf der jüngere Dedi daſſelbe von dem Eigen:
thümer auf einige Zeit überlaffen befommen hatte; dann ſollte es
duch Heinrich IV. zufällig an diefen Liupold gefommen fein.
Alle diefe Dinge, von dem bis auf Attila und den Gott Mars zurüd-
gehenden wunderbaren Urfprung diefer von den Barbaren als „Geißel
Gottes" angeftaunten Waffe, hat Lambert aufgezeichnet, auf welchen
das Ereigniß augenfceinlih einen großen Eindrud madte; be-
ſonders aber lag ihm daran, zu zeigen, daß ein Gottesgeriht hier
deutlich ſich vollzogen habe, da nah ihm Liupold zu den eifrigiten
Anklägern Otto's von Nordheim beim Könige zählte, fo daß alfo
Dtto’3 Freunde diefen Verfolger deffelben, der zemeift den geweſenen
Herzog aus ber königlichen Pfalz vertreiben half, nicht ander3 denn
als einen von der mwohlverdienten Strafe Getroffenen betrachteten.
In ähnlicher Weife glaubte ein oberdeutſcher Mönch, die ber
8) Bruno, c. 20: cum nulla fama testetur, quod ante eum ullus rex
in illas partes pervenerit (allerdings von Bardewid — vergl. n. 62 a. U. —
elagt)-
SH Erzdiſchot Giepfeied fagt in feinem Briefe an Alegander UI., Codex
Udalriei, Pr. 38: E
Augustum, hernad): Itaque instas , n-
tiam properabat (184 u. 185), jo daß bamit die Zufammenberufung auf den 1.
des Monats angenommen wäre.
Tod Siupold’3 von Meriburg; Beftattung in Hersfeld. 77
heiligen Maria als der Schirmherrin Reichenau's zugefügte Unbill
fei gerächt worden ).
Von tiefftem Schmerz über den Tod Liupold’3 erfüllt, kehrte
der König vom Plage des Unfalls mit der Leiche wieder nach Hers-
feld zurüd, um ziefe in der Mitte der Klofterfiche unter feierlicher
Begehung des Todtenamtes mit fönigliher Pracht beifegen zu
laſſen, wohl am 30. Juli. Denn an diefem Tage jchenkte er für
das Seelenheil Liupold’3, in Anerfenyung der jteten Treue, auf
die Bitte des Abtes Ruothard, dem Kloiter dreißig Hufen zu Merten-
feld, rechts von der Werra landeinwärts im thüringifhen Gau
Görmarsmark; neben dem Biſchof Wernher von Straßburg hatten
Liupold’8 Brüder, Arnold und Berthold, ihre Bitte hiefür ein-
gelegt°*). Darauf aber eilte Heinrih IV. fogleih auf der ſchon
einmal eingejchlagenen Straße neuerdings Mainz zu; denn Lambert,
in deſſen dehe und vor deſſen Augen dieſe letzten Dinge geſchehen
waren, glaubte beftimmt zu wifen, daß der König durchaus
5) Ueber das Echidjal des ſchon ob. ©. 11 in n. 28, ſowie ©. 58 in
n. 53 exwähnten Liupoldus de Mersburg unb das Schwert deffelben handelt
Zambert, 185, auöführlid per excessum (185). Siupold, nad) Bruno, c. 81,
frater Bertholdi regis consiliarii, qui et ipse eius consiliarius erat (1. c.,
362), Rammte wohl ohne Zweifel von Meräburg am Bobenjee, da der Name
Liupoldus aud im 12. Jahrhundert mit dieſem fchwäbiidhen Geſchlechte wieder
verbunden it (Codex diplom. Salemitanus, I, 1, 5 — noch weitere Zeugniffe
ans dem 12. Jahrhundert pegl: bei J. Meyer in dem Artitel des Anzeigers für
ſchweizeriſche Gedichte, III, 79); aud das ob. ©. 33 hervorgehobene Grlüfen
nach einem Reichenauer Hofe weift in die Gegend bes Bodenſees Wegen des
Sämwertes vergl. Ion Bb.1, ©. it. n. 80, u. 622, fowie ob. ©. 11 n. 28
wegen Lambert's Beziehung des divinum judieium auf die Sache Dtto’3 von
Nordheim. Wegen Reichenau's wurde von den Annal. Altah. maj. bie Strafe
in dem ba fehr ähnlich) — in praesentia regis . . eqno expavescente cecidit,
et gladio proprio confossus interit -— erzähften Borgange: Nec diu post
idem tempus Liutpoldus letabatur, quia res sanctae Mariae inquietare
moliebatur (823) — geiehen. Auch Bruno, 1. c., welcher freilich bie Sache
ganz anders erzählt — Linpold fällt vom Pierbe, und das ber Scheide entglittene
Schwert dringt ihm in bie Bruſt, ald er, zur Geite des Königs reitend, fich
mad) dem auf der linfen Hand fipenden Faiken beugte, wie diefer zu flattern bes
gounen hatte —, rechnet den Fall, ald den lebten unter fieben, zu ben in c. 74
N) angetünbigten Beifpielen, davon daß: omnes fere Heinrici familiares et
fideles aeyue miseras mortes incurrisse, et eos miseriores, qui fuerant illi
6deliores, quia fides illa vere erat perfidia.
) Lambert, der ſchon Heinrich's IV. erſte Invgeheit in Hersfeld er⸗
wähnte, hebt zwei Male — cum ifica funebris officii pompa, magnifice
ae regaliter curato funere — die Sorge des Königs für bie Beitattung hervor
und nennt zu St. 2744 noch dad Maß ber Echentung (über ben magus Ger-
marsmarca — in comitatu Ruokeri comitis — vergl. Breklau, Konrad _II.,
IL, 468); in singulis anniversariis foll den Brüdern von Heräfeld für die Seele
bes fidelissimus et carissimus noster miles die Pfründe verbeflert werben.
St. 2744 (aud) in bem in n. 65 erwähnten Artitel, 1. c, 76, meu abgebrudt) ift
nad der St. 2743 (vergl. n. 37) fehr mahe dehenden, doch noch augeführteren
Xrmga, der ebenfalld ganz entjpreigenben Erwähnung von Dienft und Treue
vn jebenfalld von Abaldero C
irfeht
B
78 1071.
in der Unterſuchung ber den wichtigſten Berathungsgegenftanb ber
Verſammlung ausmachenden Conftanzer Sache zur Seite Erzbiſchof
Siegfrieb’3 ſelbſt zu Gericht figen wollte*”).
In Conftanz war, ſeitdem die im uorhergegangenen Jahre in
Ausfiht genommene Firdliche Derfammlung nit zu Stande ge
tommen war°®), ber Gegenfag zwiſchen dem inveftirten Biſchof
Karl und der Geiftlicleit unvermindert geblieben, und der König
entſchloß fi, nachdem er felbft im März auf dem Wege von
Augsburg an ben Rhein dad Unerträgliche biefer Lage der Dinge
erfannt haben mochte, einen Verſuch in Rom bei Alerander II. in
Ausſicht [5 nehmen. Erzbiſchof Siegfried hatte vernommen, da
Heinrich IV. fi mit der Abfiht trage, den befignirten Bifchof
durch eine Gefandtichaft nah Rom zur Unterfuhung der Sade
und, im Falle einer günftigen Entſcheidung, zur Vollziehung der
Weihe abgehen zu laſſen, und er nahm die Angelegenheit fo ernft-
haft, daß, falls ber König nur eine Drohung im Sinne gehabt
hatte, um dadurch auf den Erzbiſchof einen Drud auszuüben, dieſe
Wirkung ganz erreicht war. Denn Siegfried war fihtbar in große
Verlegenheit gebracht; er fühlte fi in feinem Vorgehen nun
vollends unſicher, und aus biefer Stimmung heraus ſchrieb er jeben-
falls fogleih, nachdem er das Gerücht vernommen hatte, felbft an
Alerander II. Er machte geltend, daß, falls der Papft die Weihe
vollzöge, nothwendiger Weile auf ihn jelbft ein ganz übles Licht
fiele, daß er in ben Augen des Königs vollends als fehlbar er-
ſchiene, als habe er, der Erzbiſchof von Mainz, nit aus gerechter
Urſache oder nad Torfärilt des Papftes, fondern vielmehr aus
perſönlichem Haffe fi) geweigert, an Karl die Weihe vorzunehmen.
Der Brief enthält die flehentlihe Bitte an den Papft, er möge,
wenn wirflih Heinrich IV. das Verlangen ftelle, nit an dem
Defignirten die Handlung vollziehen, welche er ja felbft ihm, dem
Erzbiſchofe, der nad Kirchenreht das an dem Suffraganbiſchof zu
tun verpflichtet fei, unterfagt habe. Und wenn wirklich Karl nad
Rom gekommen und vom Papſte al unſchuldig erfunden fein
würde, jo möge Alerander II. den von der Anklage freigefprochenen
Biſchof an Siegfried und die Biſchöfe des Mainzer Erziprengels
zurückſchicken, damit er aus ihrer Hand nad) der Ordnung das Del
der Weihe erhalte”). Augenſcheinlich zitterte ber Erzbiſchof, ganz
er) Sambert: eupiens ipse in disenssione tanti negoci cum archi-
episepo Mogootiam, ct insiterst, propera-
vit (185).
e:) Eeblianf Siyfeeb Handelt in feinem feüßeren Beiefe an Wlegander IX
) Erzbi ieb handelt in feinem ven Briefe an Alexander II.,
Codex Udalrici, Nr. 36, Hievon in den Worten: Preteren relatum est nobis,
quin regia lagetio aundem designatum opiscopum ad von discutiendunn
Consecrandumque deducat . ... Rogo . . quod si ita verum est: ne ipse
hoc a vobis aceipiat, quod mihi, qui hoc canonice facere debeo, auotoritas
vestra interdixerat. Quia, si ita fiet, inde magis videbor peceasse prin-
Audſchreibung d. Synode zu Mainz auf Befehl Alexander's II. durch Siegfried. 79
abgefehen von dem peinlichen Gedanken, daß ein Bifchof feines
Erzfprengeld vom Papfte geweiht würde, vor der Vorftellung, daß
in Rom Karl’3 Schulblofigfeit, zu feiner eigenen und ber Conftanzer
Geißlichen tiefen Beihämung, gefunden werben könnte.
Aber hiezu fam es nicht. Papft Alerander II. felbft wies die
Entſcheidung der Sade von fi hinweg an Siegfried. Er war
des fteten Drängens von beiden Seiten, der Mahnungen Karl’3
wegen ber eng der Weihe, der beharrlihen Einreden der
Conftanzer, daß der Simonift, den fie fogar des Diebftahles be—
sihtigten , ihnen nicht als Su geweiht werden möchte, endlich
überbrüffig geworben. So befahl er dem Erzbifchof, beide Theile
zu einer Synobe vor ſich einzuberufen, die Angelegenheit auf das
Torgfältigfte zu unterfuden und den befignirten Biſchof auf feine
Weiſe zu weihen, fal3 ſich derſelbe nicht gegenüber den Verbrechen,
die ihm vorgeworfen würden, veditfertigen fönnte. So lag für ben
Erzbiſchof ein eigentlicher päpftlicher Befehl vor’), und er berief
demgemäß auf den 15. Auguſt nah Mainz die Synode ein’').
Seinerfeit3 ernannte Alerander II. als päpktiche Legaten für die
—— die Erzbiſchöfe Udo von Trier und Gebehard von Salz-
urg 7%).
Als geiftlihe Theilnehmer der Verfammlung führt die amtliche
Aufzeichnung ’®) über deren Verhandlungen außer Siegfried ſelbſt
eipi meo, quod plus odio eum conseerare noluerim, quam justa causa vel
vestro. Si a vobis discussus innocens fuerit inventus,
eum Fr —5 meis en An — 69). Pt Malen
diefes Briefes r jungen zur deut! jichte, 4 nac
Ofen 1071 an, ba Heintid) IV. damals nad; Otto’8 Unterwerfung freier ger
morben fei, was aber ja gar nicht zutrifft; viel eher fällt ex etwa in ben März,
nachdem 4 IV. dur Gchwaben gefommen (vergl. ob. ©. 44) und naı
Erteuntnip der Gonftanzer Dinge aus ber Nähe neuerdings fo vorgegangen war,
dab Sigi fich zu dem Brief entichloß.
10) ie Sadewig, Regesta episcoporum Constantiensium, I, 64, ſeht richtig
h überlah Wegen, l.c., 565, dieſes neue Gingeeifen Alegander’ II, wels
he Sambert: Papa, cum ei (sc. Karl und im Gegenfaß dazu bie fratres
Constantienses: — obstinata contentione obluctabantur, ne contra cano-
num institut sibi episcopus ordinaretur) molesti essent, cognitionem
eausae a se ad archiepiscopnm Mogontinum rejeeit jussitque, ut, utrisque
vocatis ad sinodum, rem diligentissime ventilaret, et si crimina quae obicie-
bantur refellere non posset, nulla eum ratione consecraret (134) — unb
Bertholb in der Compil. Sanblas. (vergl. ob. ©. 2, in n. 4): ex prascepto
Alesandri Pape abito Mogontiaci concilio (SS. V, 275) bezeugen.
jergl. n. 64.
V Reben Siegfried's Brief Nr. 38, ber bie erbiiähfe ala apostolica functi
legatione erwähnt (1. c., 79), nennen Annal. Altah. maj. wenigRend Gebeharb:
Ad ‚sinodum vice sus adesse prascepit, sc. dominus apostolicus (823).
aud) Vita a. Gebehardi archiepiscopi (et successorum eius), c. 1: le-
gatus apostolicae sedis provectus (SS. x 3).
18) Yußer ben Acta synodi Moguntinue, Codex Udalriei, Nr.
70-77), und dem ganz kurz nachher — Ratum duximus, huius concilii ordinem
& exitum vestrae Agnitcare sanctitati — berfahten Briefe des Erzbifhofs,
Rr. 38 (77-81), Rebt die in Ercurd I — wo auch Lambert's Angaben wider«
ichende Gteilen ber Acta eingerldt find — ganz abgelchnte Darftellung Sams
le,
80 1071.
neun beutfche kirchliche Häupter auf, dazu einen burgundifcen und
einen italienifhen Bischof. Jene waren bie beiden als päpftlicye
Legaten anweſenden Erzbiſchöſe, in melden der weſentliche Antheil
Alerander’3 II. an der Veranftaltung der Zujammenkunft hervor:
trat, dann die Biſchöfe Adalbero von Würzburg, Wernher von
Straßburg — augenſcheinlich war, berjelbe mit dem Könige nad)
Mainz gelangt —, Heinrich) von Speier, Gundechar von Eichſtädt,
Embrilo von Augsburg, Hermann von Bamberg, alfo mit Aus-
nahme des abweſenden Bifhofs von Worms die Vertreter aller
Kirchen im füdlichen Theile des Erziprengels von Mainz, jowie
Benno von Osnabrück. Aus größerer Entfernung waren Ermen-
frid von Sitten und Herbert von Modena anmwejend. Dazu famen
er Aebte und Vertreter der tieferen Ordnungen der Geift-
lichkeit. ö
Am feftlihen Tage Mariä Himmelfahrt fand die erfte Ver-
fammlung in der Domtirche, vor den Schranken des St. Stephang-
Altares im öftlichen Chore, ftatt. Nah Veranftaltung des Gottes-
dienftes, nad) der gegenfeitigen Degriibung, der Belihtigung der
Pläge und der Ablegung des Glaubensbetenntnifjeg ging ein all-
gemeiner Meinungsaustaufch über die Verwerflichfeit der Simonie,
unter uöliger Verdammung derſelben, jowie eine kurze Erörterung
über die Beſchaffenheit des Conjtanzer Gejchäftes vor fih; dann
bert’8 voran, ſowie Bieinige Zerthold’3 in der Compil. Sanblas. (SS. V, 275),
am welche aber nah Waiß, Forſchungen zur deutichen Geſchichte, XAIL, 498,
von den Worten: Et si huiusmodi sentenfia nondum consecratum expeotat
(ete.) an, mit dem Gtüde eines Decretes Papft Nitolaus' I, ein Abkhnitt aus
einer Streitſchrift, die der Compilator heranzog, angefügt ift (bei Bernold if
nur ein kurzer Auszug: SS. V, 429) Biel kürzer find Annal. Altah. maj.
(vergl. ob. ©. 32, n. 52, daß hier a. 1071 alles ſchon Vorangegangene vorher
furz zufammengebrängt wurde): Facta igitur sinodo et rege assidente, simul
legato sedis apostolicae manifestis in est vietus, deponitur (I. c.) — und
Annal. August: Karolus eı iscopns abdieato honore deponitur (SS. III,
128). Eingebender dagegen End jarianus Ecottus, a. 1093 (reip. 1071): Unus
elericorum, Carolus nomine, more Simonis magi ... ., a rege Heinrico
comparavit episcopatum civitatis Constantiae. Qui in conventiculo epi-
scoporum et abbatun in monasterio sancti Martini Mogontiae, in assump-
tione sanctae Marine facto, a Sigfrido archiepiscopo Mogontino coram
Heinrie culpatus, qua per osfum Domi non intrrit, absate bacılo
a conventiculo exivit (SS. V. 560 — dazu die Recens. alt.: Episcopus Con-
stantie Karl nomine ia episcopatum comparavit, sinodaliter in Mogontia
deponitur, SS. XIII, 78), fowie Annal. Weissemburg.: Magna sinodus ha-
bita est in Mogontia, cui Heinricus rox et archiepiscopus, logati vero domni
apostoliei et diversarum provinciarum episcopi et abbates praesidebant.
Ibi Karlus episcopus Constantinensis aecelesiae nondum tamen ordinatus,
quod non per ostium, set per symoniacam heresim, id est pecuniam, in ovile
intraverit, accusatus et convietus ab episcopatu eicitur (SS. IH, 71: weient«
pr} verfürzt in Annal. Laubiens. Contin., SS. IV, 20 u. 21). Eine Heine
rich IV. ſehr unginfige Auffaffung wirkte nod) in den Casus monast. Petris-
husens. Lib. II, c. 27, nacht Karolus . . . a clero Constantienei refutatus in
resentia regis, ipso quamvis nimium furente, reprobatus est. "'une rex
gemotus ait: Quoniam idoneum spreverunt, accipiant ignavum
*
Eröffnung und erſte Sizungen der Synobe zu Mainz. 8
aber wurde wegen des hohen Feiertages die Sitzung auf den folgen-
den Tag Derfchoben. Am 16. Auguft kamen zuerft Tragen aus
den einzelnen Bisthümern, die zweifelhaft geblieben waren, zur
Entſcheidung; daneben wurde über die Conjtanzer Angelegenheit
eifrig verhandelt. Aber der König ließ über diefe Hauptvorlage
der Synode den Befehl fundgeben, daß die Verhandlung auf den
nädjften Tag verjchoben bleibe, und nun gingen Botſchaften Hin
und zurüd. Heinrich IV. wünſchte, daß die verfammelten Geift-
lichen von der Strenge ihrer Auffaſſung hinweg zu feinem Willen
umlenften; in der Verfammlung beitanden Andere darauf, daß
Karl die, wie fie jagten, in übler Weife von ihm angemaßte Ehre
freiwillig niederlegen möchte. Jedenfalls war ber Erzbiſchof mit
der Synode in Verlegenheit, wie die von Rom aus angeordnete
Unterfudung an Hand genommen werben follte; man zögerte, an
diefelbe beranzutreten, und war wohl der Beweismittel gegen den
Angellagten keineswegs fo fiher, wie es nad) allen vorangegangenen
Aus ſprũchen hätte erwartet werden follen.
Darüber fam der dritte Tag, der 17. Auguft, heran. Bis
dahin hatte ſich Heinrich IV., jedenfalls entgegen der augenfcheinlich
in Hersfeld, aber auch jonft wohl gehegten Auffaflung, von ber
Synode fern gehalten, objhon er jelbft ohne Zweifel in Mainz
weilte?*). Falls er mit dem Willen nad dem Verfammlungsort
gekommen war, von fi aus zu Gunften Karl’3 ein entjcheidendes
Gewicht in die Wagjchale zu werfen, jo muß er jchon jeßt davon
zurüdgefommen fein, und fo erklärt fih feine nunmehrige Zurüd-
haltung. Wenn man ermißt, daß mehrere fehr treue Anhänger,
gan voran Bifhof Benno von Dsnabrüd, unter den anweſenden
iſchöfen fich befanden, fo ift es ganz wahrfcheinlih, daß inzwifchen
ein genauerer Einblid in die Lage der Dinge Heinrih IV. er-
öffnet worden war, fo daß er eine andere Stellung zu der Frage
einzunehmen fi entichloß. So wenig die Conftanzer Geiftlichen
bei dem Stande ihrer Beweiſe zu einem raſchen Sieg verheißenden
Angriffe auf den Defignirten ſich ermuthigt fühlen mochten, fo
ig war der König auch jegt noch Willens, feine Perjönlichkeit,
wie bisher, jchlehthin mit der Sadhe Karl’3 zu verbinden. Er
wunſchte nur noch feine eigene völlige Nichtbetheiligung an einer
fimoniftifchen Handlung, welde vorgegangen jein follte, von ber
Synode ganz anerfannt zu jehen. Danach mochte eine Löſung der
Frage eintreten, wie fie —* lich wirklich ſich ergab, geeignet, nach
iden Seiten die Verlegenheiten zu entfernen, in welche man ſich
durch die hartnäckige Fortſetzung des Streites verſetzt hatte. Aus
7%) Der Verſuch Beyer's, Heinrich's IV. Abweſenheit von den Verhand-
Imgen bis zum 17. zu exklaren, durch Heranziehung bed Todes und jräbs
fe Liupold’s und die dadurch verurjachte Verzögerung der Ankunft in Mainz
—Le., 566 — if ganz abzuweilen (vergl. Herrmann, Siegfried L, 45 n. 1).
Neger von Anonau, Japıb. d. dtjg. R. unter geinrig IV. u.V. ®. IL. 6
82 1071.
diefen Gefiätspunften ift die Wendung der Sache am 17. und am
folgenden 18. Auguft wi erklären ?°).
Am erften diefer beiden Tage begab fih die Gefammtheit der
anmefenden Bifchöfe zum Könige, um bei ihm geiftlihe Vorftellungen
vorzubringen, befonder3 daß er bevenfen möge, daß der Thron am
beften buch bie Giereätigkeit und die Beobachtung der Gebote
Gottes befeftigt werde. Augenſcheinlich waren Siegfried und feine
Begleiter über den Empfang, der ihnen zu Theil wurde, höchlich,
aber ganz angenehm, überraſcht; das erhellt aus dem Berichte über
die Synode, dem dort eingefügten Preife des Herrn, der den herben
Sinn des Königs fo gemilbert habe, daß fein jugendlicher Ungeftüm,
feine heraußfordernde Antwort hervorgetreten fei, auf das beutlichfte.
Heinrich IV. brachte eine eigentliche Rechtfertigung vor. Er jagte,
er babe in der Gabe an den inveftirten Biſchof, die aus feiner
Machtbefugniß erwachſen jei, feine Käuflichkeit fih zu Schulden
tommen lafjen und mit Karl über diefe Angelegenheit durchaus
feinen Vertrag abgeſchloſſen; follte aber Karl Hinter feinem Rüden
mit Leuten des Hofes und der Dienerjhaft, um ſich hülfreiche
Fürſprache zu gewinnen, etwas abgemadht haben, fo jei das nicht
feine, des Königs, Sache; ebenfo wies er jegliche fimoniftifche Ver-
ſchuldung Hinfihtlic der früheren Karl ertheilten geiftlihen Würbe,
derjenigen des Propftes auf der Harzburg, von fi zurüd, erklärte
aber, er wolle ber göttlichen Gerechtigkeit ihren dauf laſſen ?°).
Jetzt erft begab ſich Heinrich IV. mit den Biſchöfen felbft in die
Synode, und Karl wurde nun bier feinen Anftägern gegenüber-
geheilt Die Conftanzer Geiftlichen braten ber Reihe nad) aus
ihren mit Angabe von Namen und Grad jedes Einzelnen verjehenen
Büchlein nach der Hauptanklage die einzelnen Anfhuldigungen vor,
auf Simonie, Gemaltthat, Bermüftung der Kirche. Karl focht zu⸗
erſt die Abırbigteit der Ankläger an, daß fie überhaupt, unter dem
Zeichen ihrer Schande, weder ihn noch irgend einen Andern nach
Kirchenrecht anklagen dürften; dann F er Alles, was ihm ent⸗
gegengehalten wurde, in Abrede und kündigte an, daß er von
jämmtlichen Anklagen nad) dem Urtheile der Synode fi) reinigen
werde’?). Aber die lebhafte beiderfeitige Erörterung zog N
durch den ganzen Tag hin. Ueber der Frage wegen der Zahl der
6) Bergl. bie Erörterung au der Bel anblung ber Frage in neueften von der
Synode handelnden Unterfuhungen, in Ezcurs I.
’%) Auf dieſes durch bie Einrüdung in den Synodalbericht von geiftlicher
Seite ganz anerkannte wichtige Selbftzeugniß des Königs legt pr. Voigt, Die
Kiofterpaitit ber falifchen Kaifer und Könige (ete.), 60, mit Redt bebeutenben
ru
') Bon dieſer Darftellung ber Acta (75) weicht Berthold zu Karl’ Un-
gunften ab: Karlomannus . . . a canonicis Constantiensibus constanter ob
praedietam heresim (sc. ber Simonie) et tot sacrilegia perpetrata, per
accusatorias litteras objecta illi, synodaliter convictus, utpote qui contra
aecclesiastine regulae diseiplinam egisse negare non potuit, aecelesiam
scilicet per precium adeptus (Il. c.).
Zosfagung Heinrich’s IV. v. Bifchof Karl; beffen freiwilliger Rüdtritt. 83
Ankläger und der Zeugen, beſonders aber über der Rechtsfrage, ob
Karl überhaupt eine Vertheidigung gegen die Anklage ber Conitanzer
zugelafjen werben follte, verging die Zeit. Die Naht brach an,
10 daß die Fortfegung der Verhandlung auf den nächſien Tag ver-
jchoben werden mußte.
Allein am 18. fam au ohne das die Sache zu ihrem Ab-
ſchluſſe. Karl hatte während ber Nacht den Entſchlu gelobt, frei⸗
willig zurüdzutreten. In dem Berichte über die Verhandlungen ber
Synode wurde das nothwenbigermaßen fo aufgefaßt, daß er ſchuld⸗
bewußt den Anblid der Derfammlung, nit länger ertragen und
fi fo felbft aus freien Stüden das Urtheil gefproden habe. Er
ab nämlich Ring und Hirtenftab an den König zurüd, indem er
ch auf den ihm dienlihen Sag einer Verordnung Papſt Cöleftin’3 I.
berief, daß nicht ein Biſchof ſolchen, die ſich feiner weigerten, ge-
eben werden folle. Allein während der amtliche Bericht mit diefem
usgange der Sache fihtlich zufrieden war, zeigte ji die Stimmung
in Conftanz mit einer folden Wendung jedenfalls wenig einver-
Handen. Man faßte hier in dem Lager, welches in biejer Sache
dem Könige und bem zurüdgetretenen Biſchofe gie feindfelige
Gefühle _entgegentrug, die Lage jo auf, daß Karl, wie er es als
Simonift verdient hätte, auch nad Gebühr hätte öffentlich abı eiest
werden follen. Statt deſſen — heißt e8 — habe ihn Heinri B
auch jet nod, jo viel er nur konnte, begünftigt, fo daß Karl den
Biſchofsſtab, ftatt in öffentlicher DVerfammlung, in des Königs
Kammer abgegeben habe und innerlih unvermindert verhärtet und
wiberfpenftig_zurüdgetreten fei?®).
Ihren Dank über das günftige Ende gegenüber Gott, daß
diefer Das Nergerniß aus feiner Kirche entfernt Habe, bezeugten die
Bäter,, indem he nad gemeinjamem Beſchluſſe die Verhandlungen
der Synode zu bleibendem Gedächtniſſe im Archive der Mainzer
Kirche nieberlegen ließen, woneben diefe amtliche Aufzeichnung ebenfo
an Papft Alerander II. abgehen follte. Diefer Sendung nad Rom
gab aber aud Siegfried einen Brief an den Papft mit, in welchem
er, vielfah in ganz übereinftimmender, doch etwas fürzerer Schilde
rung, über dieſe glüdlih zu Ende gebrachte kirchliche Angelegenheit
fih verbreitete. Des Erzbiſchofs ſchwankendes Weſen trat in
diefem Schreiben wieder fo recht zu Tage. Denn wenn er aus
wirklicher Erfenntniß der ſimoniſtiſchen Verſchuldung Karl’3 diefem
36) Den Acta, bie von Karl fagen: . . - resignans sacerdotum spem et
metum, quem pro eo gerebant, labore longioris quaestionis absolvit (76),
Acht jold gegenüber, im Anfclujfe an die Worte von n. 77: de sede,
quam symoniace invasit, confusus abiciebatur, non tamen publica, ut
oporteret, depositione. Rex quippe quantum maxime poterat ipsi favebat;
ui etiam virgam episcopalen: non in concilio synodalı, set in camera sua,
adhue corde indurato rebellis et invitus reddiderat. "Aehnlid, jagt Bern:
hard in Epist. IL der Schrift De damnatione schismaticorum, c. 11: Constantia
episcopum Carlomannum, qui eam ex inobedieneia accusavit, perorata inobe-
dieneiae dignitate, quasi infernalem furiam exsufflavit (Libelli de lite, II, 33).
6*
84 1071.
die Weihe abgeſchlagen, danach überhaupt fein ganzes früheres
Verhalten in der Sache gewählt hatte, jo mußte er es, gleich jenen
erbitterten Conftanzer Anklägern, bedauern, daß auf der Synode
der ſchwebende Streit nicht in biefem feinem Sinne abgefhloffen,
das Urtheil nicht förmlich ausgefprochen worben war. Statt deſſen
wünſchte fi Siegfried ausbrüdlih Glück dazu, daß Karl durd
feine. freiwillige Rüdgabe von Ring und Stab die Synode von
einer langen Unterfuhung und Ermüdung erlöft habe. Er ſprach
die Hoffnung aus, Alerander II. werde durch feine Zuftimmung das
Ergebniß der Verfammlung, die aus feiner Anregung hervorgegangen
fei, befräftigen ’°).
Aber mochte nun auch Heinrich IV., indem er Karl’3 Verzicht
angenommen hatte, fi nad) der einen Seite entgegenfommend er—
wiefen haben, in der Sache felbft, fo weit fie fein Recht der könig⸗
lien Verfügung über den Stuhl von Conftanz betraf, blieb er
durchaus auf dem bisher befchrittenen Wege. Wie er nad dem
Tode des Biſchofs Rumold den Propft von der Harzburg der
ſchwäbiſchen Kirche zorgejegt batte, fo ließ er jetzt nad wenigen
Tagen auf Karl den Inhaber einer der StiftSpfründen zu St. Simon
und Judas in Goglar folgen, von wo übrigens auch ſchon Rumold
jelommen war; eine fpätere Nachricht macht ben aus der Ferne ge-
holten neuen Bifchof auch der Abftammung nad) zu einem Sachſen.
Dur die Inveftitur diefes Otto, des erften de Namens auf dem
Stuhle von Conftanz, war der Wiberftand der Conftanzer Geiftlihen
gegen die vom Könige gewünfchte Befegung bes Bisthums gan;
urüdgemiefen, und zugleich forgte Heinrich IV. nun bafür, bai
ie Weihe alsbald auf die Zumeifung von Ring und Stab folgte,
ohne Zweifel noch zu Mainz felbft, kurz nad) Beendigung
ynode. Der König wollte nicht zum zweiten Male für die Ver-
zögerung und die Bedenken Zeit übrig laſſen, welche ihm in ber
Angelegenheit Karl’8 entgegengetreten waren °°). Diejer jelbft war
nad jeiner Verzichtleiftung nad dem Magdeburger Sprengel
9 Im Bet Ir. 88: designatus . . . eddens nos Jonga questions et
fatigatione absolvit (80), Hebrigenß heißt Girgkicb in fr. 37 Moguntinae
ocefesine primas et apostolicae nedis legatus, Mainz metropolis orientalis
Franciae, principalis vero pontificii sedes tocius Germanise et Galliae
Cialpinge (1; dgl. Delle, Gomilingelihte, IV, 889. m. 1}
®o) Dtto’z folge erwähnen die Compil. Sanblas: Otto Goslariensis
eanonicus Karlomanno a rege subetituitur (I. c.), Sambert: Episcopatum
Constantiensem rex Ottoni canonico Goslariensi dedit, recentisque calumpniae
exemplo conterritus, confestim eum consecrari fecit, ne quis seilicet adversus
eum serapulus denuo per dilationem conseerationis oriretur (186 u. 187),
die Annal. Altah. maj. ohne Nennung bei Namen (gleich im Anfhluk an
bie Stelle in n. 78): et post paucos dies alius pro eo constituitur. Die in
n. 73 a. ©. citirte {pätere Ouelle aus nächfler Nachbarfejaft von Gonflanz redet
von Otto quidam Saxo genere.
Otto ala Biſchof v. Conſtanz inveflirt u. geweiht. Geburt u. Tod d. Rönigafohnee. 85
urüdgetebhrt, wo er noch lange vor Jahresfrift, am 27. December,
Kar e),
Inzwifchen hatte in ben Tagen der Synode von Mainz die
felbft mit ihrem Gemahle ba anweſende Königin Bertha einen
Sohn, wahrſcheinlich ſchon das zweite Kind der Ehe, geboren.
Gerabe hierin lagen die fiherften Beweiſe fir bie günftige Um-
geheicm in den Beziehungen ber Föniglichen Ehegatten zu einander,
t jenem 1069 gemachten Verſuche, auf der Teicfals nad Mainz
ausgejchriebenen Tirhlihen Verfammlung Vieh 9 Verbindung wieder
aufzulöjen. Freilich überlebte der Knabe, welcher den Namen des
Vaters erhalten zu haben ſcheint, die Taufe nur die allerfürzefte
Zeit; das noch im Tauffleid verftorbene Kind wurde nad) der Harz-
burg gast und bier beigefegt®®).
s ift nicht ſicher, ob ir ber königliche Hof ſelbſt zur zbeit
nahme an biejer Leihenfeier des Kindes nah dem Harz zurüd-
begab. Jedenfalls verbrachte jedoch Heinrich IV. die Sehe in
den öſtlichen Grenzgebieten des fähfifchen Landes. Denn die ®
hãltniſſe zwiſchen den Herzogen Wratiflav von Böhmen und Boleflan
von Polen, melde vielleicht fchon bei bem Zufammentreffen
Heinrich's IV. mit König Svend die Aufmerkfamkeit auf ſich ge-
gen hatten, erforberten jegt durhaus die Einmifchung des Reiches.
Boleſlav ſcheint fih zu einer ſehr ftarfen Stellung an ber norb-
öftlihen Orenge des ſächſiſchen Landes der Oftfee entlang bis an
den Machtbereich des daͤniſchen Königs hin emporgefhwungen zu
haben, und jedenfalls fuchte er eben jegt diefe Macht vosan an gegen
feinen Schwager, Herzog Wratiflav, auszunugen. erief
Heinrich IV. die zwieſpältigen Herzoge der beiden großen et
Rahbarländer vor jih nah Meißen, in die Hauptitabt des
21) Karls Tod iſt von Lambert erwähnt, a. 1071, um am Ende:
regreseus ad Magadabnrgensem diocesim, mit der Tagedangabe (189); Matiannd
Exottus fügt zu dem in a x eitieten Zufammenhange: deinde post annum
non vixit. 68 verfteht ſich, daß Karl's Name in den Conſtanzer Biſchofs-
%) —— ben Lambert: Apsis diebus regine, quae una
cum rege Mogontiae aderat, fillum ‚gepe sed is baptizatus statim obiit,
delatusque in Hartesburg, ibi sepultus — (186) und-Annal. Altah, maj.:
Hoc autumno, dum haec aguntur (allerdings ift hier noch nad) ber Synode
die Reichenau, Sache in einem längere Zeit zulammendrängenden Zufammen-
ıgefejoben), regina filium genuit, qui in albis vita deoessit RE die
“ir a eit weg Mainzer orlommtung, Bergl. auch BD. 1, ©. 6
n. 50 (naher De Daertg da tt. 2750 — vergl. n. 86 — et regai et ton
wein) Rad st. Be ‚Heit —8 IV. von 1091 für die Kirche don Speier,
sur Schentung pro remedio animae . fillae nostrae Ädelheidae et
flü nostri Heinriei , A ertich RIM {chlichen, "bieler erfte Sof habe nad) bem
jamen — e8
Hin el — nach ber Stellung
* nm noch wa elta Te — verftorbene Tochler Weiheib zeitlich vor«
angegangen, was bann vollends, da die Geburt zu 1070 anzufeßen wäre, Lambert's
mwahre, ſchon 1. c- verworfene Behauptung gänzlich umftürzt.
86 1071.
thüringifhen Markgebietes. Unter vormwurfsvollem Tadel ihres
Verhaltens wies er fie zur Ruhe und zur gegenfeitigen Achtung
vor den Grenzen ihrer Gebiete; fonft würde er Fraft feiner könig⸗
lihen Gewalt ben erften, welcher ben Frieden gu flören wagte, in
ftrafender Einmifhung zur Rechenſchaft ziehen *®). ebenfalls diente
diefe Unterwerfung ber beiden Fürſten, welche auch dem trogigeren
Boleſlav die Abhängigkeit vom Reige in das Gebädtniß zu rufen
jeeignet jchien, dem Könige zur großen Genugthuung; denn fie er-
innerte an die Fraftvollite Zeit der Machtübung feines kaiſerlichen
Vaters, an perfönlie Begegnungen ber gleichfals feindfelig ent-
zweiten Väter der jegigen Herzoge, des Bretijlav von Böhmen und
Rafimir von Polen, 1046, in diejen gleichen Grenzgebieten, zu
Merfeburg und zu Meißen, wo die XTribute ber beiden bienit-
pflihtigen Slavenherrſcher entrichtet worden waren **).
Für den 4. October fteht die Anmefenheit des Königs für
Merjeburg feft; denn von da aus empfing Erzbifchof Anno Ru
Gunften feiner Abtei Siegburg eine Gnabenerweifung. Heinrich IV.
ftelte auf die Bitte des Abtes Erpo, zur Abwehr: isher vor:
jefommener Störungen vorzüglid zur Sicherheit ber Marktbefucher,
ür die Siegburger und Cölner Befigungen den Bann mit feinen
befonderen ‘Frieden auf, unter Feftjegung der auf Verlegungen
88) Sambert bezeugt dieſe Einberufung der Herzoge nach Meißen: Inter
ducem Polenorum et ducem Boheimorum infestissima dissensio erat.
Propter quod eos rex in civitatem Misene autumnali tempore evocatos,
durius corripuit, et ut deinceps suis singuli terminie contenti essent nec se
vieissim temerariis ıncursionibus lacesserent, sub obtentu regiae majestatis
praecepit; alioquin_se hostem et. vindicom experturus foret, qui prior alteri
arma intulisset (187). Wegen ber Zeit bermeift Rilian, 1. c., 55, auf bie
{don in Bd. I, ©. 532, in n. 72, erwähnte gefälſchte Urkunde Biſchof Benno's
(St. 2748), aus deren Datum, das wohl auf ein echtes Stüd zu: „er auf
dem September ſchlichen wollte, was aber ganz unficher ift (St. 2748, das fich
ſchon durch bie für biefe Zeit ummöglichen Namen innerhalb ber Reihe der
52 Zeugen ala Falſchung ergiebt, foll einen Vertrag eines liber homo Bor
vocitatus, natione Selavus, erhärten, deffen Rame allerdings durch J. 8082,
des Innocenz IL von 1140, für Biſchof Godebold von Meiken, Fo fefifteht).
Begen Boldtav's vergl. ſchon ©. 73 (Röpell, Geſchichte Poiens, I, 193 u. 194,
aiht vermuthungsweile hier auß ben Chron. Polonorum, Lib. I, c. 24: De
lelusione Bohemorum contra Bolezlaum L« um, SS. IX, 439 u. 440, das
allerbings_dronologifch in ber Luft fehmebt, heran: von einem wmißglüdten
Fa Wratillav’3 — cum tota suorum virtute militum — gegen jolen).
ei
©. 194, die Ichaft über die Pommern noch für den Polenherzog beftanden
haben (vergl. übrigens das freilich wieder nicht chronologiſchfeſtfiehende
gleichen Wertes: De vietoria Bolezlavi Lamgi contra Pomoranos,
Aufenthalt in Reigen — Vermittlung zw. Polen u. Böhmen — u. in Merfeburg. 87
ftehenben beftimmten Buße, und außerdem gab er das Fiſchereirecht
in allen fließenden und ftehenden Gewäfjern 5). Dann aber —
der Hof nad) Goslar über, wo zum 11. December neben der Königin
Bertha Erzbiſchof Adalbert, die Bifchöfe Burchard von Halberftadt,
Wernher von Straßburg, Hezilo von Hildesheim zur Seite des
Königs fih bezeugt finden. Erinnerung an bie kurz vorher
durch Biſchof Benno von Meißen bewiefenen Dienftleiftungen ſchenkte
der König der dortigen Kirche act königliche Hufen, welche ber
bisherige Lehensträger durch feine Schuld verwirft Hatte, zu Görlitz
im Gau Milzieni am Oftrande der Mark Meißen, aber unter der
Bedingung, daf zum Seelenheile des 1068 verftorbenen Markgrafen
Ebert 1 an deſſen Jahrzeit die Brüder der Kirche von der
Stiftung den Genuß haben follten, wobei aud auf die Zukunft
hinaus, für den fpäter eintretenden Tod des Sohnes, Ekbert's II.,
die Verpflichtung ausgedehnt wurbe°°). B
Es ift ſehr wahrjcheinlih, daß die aus Ungarn eine erneuerte
85) St. 2747, für ben Bb. I, ©. 529 n. 65, erwähnten Abt Expo, ift von
Mbalbero C verfaht. Die Berfügung betrifft inäbejondere den bannus ciren
montem (vergl. vorher: coenobium sancti Michahelis quod situm est in
monte juxta Sigam) in villis abbatiae et sancti Petri (sc. ber Gölner Kirche),
doch fo: ut in nullo minueretur justitia comitis aut potestas, unb ainar aus
dem Grunde: quod temerarii homines multas circa eundem montem
mercatum petentibus contumelias irrogarent, de quibus acensati neque
comiti neque domino oppressorum compositionem facti solverent; biejer
Bann beaicht fi) zum voraus auf drei linfs von ber Eis Tirgenbe curtes, dann
auf ben zuſammenhangenden, in feinen Grenzen genau beſchriebenen Bezirt rechte
von ber Sieg und Links von ber Agger, welder nach Bacomblet’ö n. 1 zu Ur«
tunbenbud) für die te des Niederrheind, I, 139, eben ben Ipäteren Burg-
bauu bildete. Bergl. Waih, Deuiſche Berf.:Gefdh., VE, 8 (mit n. 9 u. 9, wo
dieſe Urkunde gerade bafür angeführt ift, daß der fogenannte Burgbann nicht
notwendig Gerichtäbarteit einichließt (eben Zacomblet’3 Neberſchrift diefer feiner
Rr. 214 iR ireig) und mit ber Bannbuße der 60 Solidi verbunden ift.
®*) St. 2750, das exfte ala von Adalbero C jelbft geigprieben vorliegende
Original, zeigt auch in der Arenga, der Betonung der Liebe zu ben Nät
noch mi Er einem Verwandten, mit den durch Gundlach, Dictator, 56,
berausgehobenen Wiederholungen, bejonder® von diligere und dilectio, und
der Einfchiebung des Spruches I. Johann., IV 20 —, ebenfo in Xheilen ber
Rarratio und Dispofitio (beſonders in dem Satze über den früheren Lehnäträger,
jet begnabigten Berurtheilten Oger: quem de capitis tam promerita trun-
eatione quam de beneficii non promerita possessione absolvimus) ſehr viele
inbivibnelle Gigenthümlichteiten des Dictators, fo bat Breßlau, Handbuch der
Drtunbenlehre, I, 586, n. 3, geradezu dieſe Arenga als ſprechende Probe heraus ·
bob. Bergl. über bie een der Urkunde zum Anbenten Efbert’s ſchon Bb. I,
©. 584, n. 6. Nodtobr, Ebert II, Markgraf von Meißen, Neues Archiv
für Geidjichte und Alterthumstunde, VII, 178, ſchließt daraus,
dab Eldert’5 Mutter Immula ala itervenientin bier nicht genannt iſt —
v en S. 69, wo fie am Hofe erſcheint —, fie jei ſchon aus ber
Baden —X netten, wie fie ben auch ds in en Ar
Die ufen lagen in . Hicih, Hein "
I, 2%. n. 2. A rel aut omitanı Epgebert EIN marchienis:
auch Diefes Iepteren gebentt bie Gtiftung für des Vaters Andenten: quod etiam
(se. die fromme ©: 9) de vivo adhuc marchione Eggeberto, cum camem
terrae debitum deposuerit, statuentes eidem condition! innectimus.
88 1071.
Bedrohung König Salomon’3 ankündigenden beunruhigenden Nach-
richten **) ben König veranlaßten, noch kurz vor dem Weihnachts-
fefte von Goslar aufzubredhen, und fo mag zuerft eine Verlegung
der Hofhaltung unmittelbar in bie Nähe ber vielleicht gleichfalls
bedrohten füböftlihen Reichsgrenze, nah Baiern, in Ausſicht ge-
nommen geweſen fein. Allein ftatt deſſen wurde zunächſt der
nad dem Rheine eingefhlagen, und zu Worms beging Heinrich I
das kirchliche Fet?*). Noch darüber hinaus, am 29. December,
weilte er in Worms, inmitten einer größeren Zahl geiftliher und
weltlicher Fürften; denn am bezeichneten Tage eridienen, bie
Königin abgerechnet, die Erzbifchöfe Anno und Adalbert, die Biſchöfe
Pe von Naumburg, Benno von Dsnabrüd, Heinrich von
Speier, Wernher von Straßburg und, wie ſich von felbft verftand,
Adalbert von Worms, ferner die Herzoge Rudolf von Schwaben,
Welf von Baiern, Ordulf von Sachſen an des Königs Seite, als
ex bie Bitte feines Kappellans, des Propftes Siegfried des Stiftes
St. Suitbert’3 Werth, hinſichtlich der Zumeifung einer Schenkung,
auf deren Fürbitte erfüllte. Es handelte fih um den Vefig von
acht in größerer und geringerer Nähe bes Stiftes gelegenen Orten,
aus deren Erträgniß an feitlichen Tagen die Pfründe der Brüder
deffelben verbeifert werben follte, mit der Bedingung, daß an diejen
Tagen eine Mefje zum Heile der Seelen ber Vorfahren des Königs,
der Kaifer Konrad II. und Heinrich III., ebenfo zu demjenigen der
Mutter, der Kaiferin Agnes, und feinem eigenen gefungen werde ®°).
Die Anmejenheit des Herzogs Welf läßt darauf ſchließen, daß bie
ungarischen Angelegenheiten einen Gegenftand der Berathungen des
87) Bergl. zu 1072 (S. 120).
®) Mähren die Annal. Altah., maj., a. 1072, bezeugen: Festum in-
earnationis dominicae rex celebravit Ratisbonae , nennt Sambert jedenfalls
richtig (vergl. m. 89) Worms. Guba, Der deutjche Reichstag, 122, zählt diefe
Berfammlung mit auf.
®») St. 2751, von Adalbero C verfaßt — mit der durch Gundlad), 1.c., 24
(ergt, u. 37 n. 66), hervorgehobenen Arenga und Hy eigenthümlichen Betonung
es Heiligen der Beichentten jentten Rinde Gerd le, 33 —: e if der Relativfap
über den sauctus Swibertus confessor: in eadem aecelesia et membris
requi juiescit et coruscat miraculie) - uf nad) der von Gieſebrecht, IIT, 1120,
in den „Anmerkungen“ gegen Zloto, Raifer Heinzih IV; I, 357 n., gerichteten
Erörterung dem Jabre 1071 (nicht 1070) angehören, während freilich dad Datum
auf 1072 Tautet. handelt fi um ein aucmentum praebendae für bie
Brüder bes Stiftes, — in einem dimidius panii ulis festivis diebus,
und die acht villae Tagen in comitatu Herimanni palatini comitis, ber nad)
der Sage diefer Orte nicht nur den Ruhrgau —e— ®b. I, ©. 477,'n. 159 —
ion vorher war Herimannus comes palatinus —* Zeuge des 1064 ger
ichlofienen Zaufdvertrages, St. 2643, von ©. 372, n. 14), fonbern auch den
ſudlich daran angrenzenden Keldagau "unter fi gehabt haben muß. Vielleicht
it Guntram patris nostri seryiens, ber bi ent ——— vorher
Lehen trug, der von Steindorff, Heinri 3, ihnte eichfalie
Lothringen angehörende Sohn bes aiferlic I Baflallen Anselm, Ye Namend.
Weihnachtsfeier in Worms; Erzbiſchof Adalbert am Hofe anweiend. 89
Hofes in Worms ausgemacht haben; denn alsbald fegte ſich wirklich
der König nah Baiern hin in Bewegung ®).
Wie die Anwefenheit in Worms mitten im Winter beweift,
Hatte fich Erzbiſchof Adalbert trog körperlicher Beſchwerden, welche
ihn heimfuchten, mit voller Entſchiedenheit den Gefchäften, die ihn
mit der königlichen Hofhaltung verbanden, neuerdings hingegeben ꝰi).
Er mochte ſich um Jahre zurüdverfegt fühlen, in jene Tage bes
Auguft 1063, wo gleichfalls am Rheine, auf dem Reichstage zu
Mainz, die Durchführung des Feldzuges gegen Ungarn, unter feiner
Leitung, beichlofjen worden war. Sogar der nüchterne Augenzeuge
dieſer legten Jahre des Kirchenfürften, welcher fonft ein fo ſcharfes
Urtheil über die Selbfttäufhungen hatte, denen Adalbert unterlag,
und nad) den Leiden feiner Bremer Kirche jene Ueberanftrengungen
bemaß, die aus Mdalbert’3 Unternehmungen erwuchſen, geftand
ier aogmal zu, der Erzbifchof habe fih im höchſten Glanze be
n .
Freilich zeigte fih da abermals jene fieberhafte Vielgefchäftig-
keit, welche den großen Plänen Abalbert’3 aus defjen eigenem Weſen
heraus immer die meiften Hemmniſſe entgegengeworfen hatte; mit
den körperlichen Leiden, den ſchweren Enttäuſchungen ber letztver⸗
gangenen Jahre war diejer Trankhafte Zug im ganzen Handeln
des Kirchenfürften noch verfhärft worden. Wieder vermifchte der
Erzbiſchof in feinem unleugbar ernfthaften und aufrichtigen Streben,
feiner Kirche von Hamburg-Bremen nüplich zu fein, die ihr verur-
ſachten Schädigungen nicht nur zu befeitigen, fonbern reichlich aut
zu maden, die verjhiebenartigen Mittel mit einander, auch jolde
von fehr weltlicher Art, ohne zu bedenken, daß deren Aufbringung
nur neue Laften eben für diefe feine Kirche zu bedingen leicht ge-
eignet war. Adam hatte e8 dem Erzbifhof zum Vorwurfe gemadt,
derfelbe habe ſchon längft, in der Zeit feiner Abweſenheit vom Hofe,
auf den mannigfaltigften Wegen ſich den Rückweg in die frühere
hohe Stellung aufzufchließen die Abſicht gehabt. Der Geſchicht-
jchreiber der Kirche Adalbert's meinte es geradezu ausſprechen zu
dürfen, daß der fibrig gebliebene legte von den drei Theilen Bremer
Kirhengutes durch Mdalbert zu Gejchenten an den Günftling
Heinrich's IV., Grafen Eberhard, und an andere ähnlihe Empfänger
aufgebraucht worben fei, jo daß er gar nichts mehr behalten habe,
und an einer anderen Stelle deutete er an, daß zum Behufe der
=) Begl. zu 1072 (6. 118).
*) %am, Lib. Il, c. 60: licet crebra corporis molestia pulsaretur,
negotiis tamen publicis deesse noluit (l. c., 360). In bie Seit vor dem Weg-
gang an den Rhein muß bie von Schol. 93 erwähnte novissimo exitu, post
juem non est reversus, fallende Abhaltung bed Capitels zu Bremen gejäjehen
fin (882
= el. 2b. I, 6. 342 u. 343. Adam, 1. c.: in summa rerum gloria
{Y) 1071.
Erlaubniß der Rückkehr an den königlichen Hof, und zwar erft zu
jenem erftmaligen Verſuche, 1069, viele Mühe und viele reihe
Spenden von dem Gast of umfonft aufgewendet worben feien®).
Das dauerte num aber, jo weit eben bie Mittel zu Gebote ftanden,
auch jet, während Aalbert fortgejegt dem Hofe folgte, fort.
Freilich follte e3 zum Beften feiner Kirche gefhehen, und in jeber
Weiſe ftrengte der Erzbiſchof, da die früheren Hinderniſſe befeitigt
ſchienen, fih an, durch allerlei Bewerbung am Hofe, durch reich⸗
liche Hinauswerfen von Gelb feine Ziele zu erreihen‘*). Denn
die höchſten Gedanken früherer Jahre füllten wieder feinen bis zur
äußerften Erregung angefpannten Geift. Die vier Adalbert früher
in ber Zeit ſeines Glüdes geſchenkten königlichen Pfalzen, Duis-
burg und Sin; ig, fowie die nach ihrer Lage nit ganz beſtimmt
nachweisbaren ® iöna und Groningen, welde er nad} feinem Sturze
zu Tribur verloren hatte, waren ihm neuerdings als Befig zu-
gewiefen oder wenigitens beftimmt verſprochen worden; ebenfo ge-
dachte er bie zwei Propfteien Wildeshauſen, ſüdweſtlich von Bremen,
und Harjefeld, nahe unterhalb bei Hamburg landeinwärts links
von ber Elbe gelegen, welche beide er nahezu in feiner Gewalt zu
haben glaubte, für feine Berechnungen zu verwerthen. Denn von
der in ſich gefchloffenen Gruppe der zwölf Bisthümer, welche in
der \imzahmung des erzbifhöflichen Sprengels, ob von früher vor-
handen, ob neu zu Taten, nad Adalbert's Plane vorhanden jein
jollten — freilich Tagen drei davon, Rageburg, Meklenburg und
mohl auch Aldenburg, feit dem Untergange Godſchalk's durch die
neue Erhebung des flavifhen Heidenthumes, zerilört —, jollte
das achte der Reihe nad) eben in Wildeshaufen entitehen. In ähn-
licher Weife war als jene biſchöfliche Kirche Verden in Ausficht
genommen. Allein babei Hatte ſich der Erzbiſchof ganz über die
Schwierigkeit hinweggeſetzt, dab Wildeshaufen ſchon außerhalb des
Bremer Sprengel3 auf dem Boden von Osnabrück lag, und ebenfo
wenig war beachtet, daß der Biſchof von Verden als Suffragan
unter dem Mainzer Erzbifhof ftand; andere Hinberniffe würden
fih noch bei weiteren unter den geplanten Kirchen ergeben haben.
Indeffen fegte fih Adalbert im Gehen Schwunge feiner Gedanken
über derartige Schranken leicht hinweg, wie er fi denn gem
rühmte, daß die Heranziehung von Verden ſich mit Leichtigkeit werde
bewerfftelligen laſſen; er begehrte für die Durchführung einzig, daß
) Vergl. Bd. I, ©. 515 u. 516, wo von ben durch Adam, c. 48, er⸗
erwähnten tres partes die Rebe if: vix tercia remansit episcopo, quam
taımen ipse postea Eberhardo (vrigl. n. 6) aliisque jalatoribus
distribuens fere nichil sibi retinuit; ähnlich fagt Adam, c. 58 a. A. (vor ben
l. c., &. 630, n. 57, aufgenommenen Worten), daß Abalbert multo Iabore
multisque largitionibus, in vanum consumptis fi nur ben erflen Zutritt
aum Hofe 1069 öffnete (354, 359).
) Inc. folgt etwaß fpäter: ecclesiae suae, pro cuius exaltatione
tam in ambitu curiae, quam in profusione pecunise videbatur improbior,
non fuit oeiosus (359).
Abalbert’8 neue und vielfeitige Thatigkeit. 9
ihm noch ein längeres Leben beſchieden fein werde. Daß ber
Wunſch, Hamburg zum Patriarchate zu erheben, wie er ja mit der
Zwöttsahl der Bisthümer ſich berührte, auch jegt wieder Adalbert's
inn erfüllte, glan te Adam gleichfalls aus offenbar vorliegenden
Anftrengungen defjelben ableiten zu können®). Anderentheils jedoch
meinte er auch Binfichtlih des ja unleugbar bei dem Erzbiſchof
hervortretenden Eifer für die Sache des Königs auf gewiſſe felbft-
füdtige Berechnungen des in feinen Begehren ſtets ſchwer zu beurtheilen-
den Kirchenfürſten ſchließen zu dürfen, daß berfelbe nämlich babei
auf bie MWiebererlangung ber zwei großen Reichsabteien ausgegangen
jei, deren Verluft ihn nach dem unheilvollen Tage von Zribur
nahezu am meiften verwundet haben mochte, von Lord und von
Korvei. Freilich wußte man in Bremen nicht vecht genau, wie weit
Adalbert ſich dabei auf ein Verſprechen Heinrich's IV. wirklich
ftügen fonnte, ob feine Hoffnung, auf der zum nächſten Ofterfeite
nad Utrecht angeregten Fürftenverfammlung Lori und Korvei
und vielleiht noch iteres zugeſprochen zu erhalten, nicht auf
einer Selbfttäufhung beruht habe; denn nad) der Anficht Wander
habe der König eine Ausflucht geſucht und Adalbert, für einen
jicht auf Lorſch, anderswo im Reihe das Doppelte bewilligen
wollen, worauf aber der Erzbiſchof hartnädig geblieben und auf
der Forderung von Lorſch beitanden jei?*).
ir) Am Schluß von c. 58 folgt auf den Sap über bie vier Pfalzen
vergl. 1 c., ©. 477 u. 478, ‘mit n. 160 — wo 3. 2 zu: Quo tempore nur
1071, nicht aud; 1069 citirt fein follte —, ©. 513 n. 36): Wildashusin,
itaram Bremae vieinam, prope in manibus habuit, et Roseveldon
ımmabure proximam. Coterum si diutius haberet vitam, cogitavit etiam
Fardensem episcopatum nostrae metropoli subjugare. Postremo in
Hammabure jam aperte laboravit patriarchatum efficere, aliaque magna et
ineredibilia, de quibus supra nimis dietum est (l. c.), Dieſe Demeifung
bezieht fich auf c. % (347), defien Inhalt Ion Steinborffj, Heinrich III, II,
206 (n. 1 u. 3), 207 (n. 1), fowie— wegen ber zwölf Bisthlimer — 208 (n. 4)
unb 209 (n. 1) bradjte, wie anderntheila in ®b. I, ©. 412 (n. 39), ſchon hiervon
bie Rebe war; beſonders if in c. 32 ja auch vom octavus (suflraganeus) in
Wildisbusin, vom decimus in Ferde unb weiter noch von Derben gefprochen:
Nam Ferdensem epii ım 56 facile posse adipieci, non semel gloriatus est.
Sehr richtig Beurifeilt ebio, 1. c., I, 275 u. 276, alle diefe Pläne Adalbert’3,
beſonders die Patriarchatäidee — „in ihren früheren Stabien mehr ihm aufs
gebrängt, als von ihm geſucht, und durch einen Untergrund realer Verhältnifie
gefügt”, jept ala „Traum“ und „Wahngeipinnft“ (in den „Anmertungen“, 48,
n. 2, bezweifelt er den Vollzug ber Reftitution der vier Pfalgen); Helmold,
Chron. Slavorum, der Lib. I, c. 24, die Bacan bed Aldenburger Bi ofafrd
auf 84 % ausbehnt, jagt in c. 22 in bezeichnender Weile vom Plane der
zwölf Pisthümer: de guibus narrare supervacuum est, eo quod sapientibus
ineptie 'et deliramenta visa fuerint (SS. XXI, 28, 27 u. 28).
*%) Vergl. wegen Lorſch und Korvei Bd. I, ©. 513, mit n. 36. In c. 60
berichtet Xbam: Ajunt quidam landatum esse regia sponsione, ut in proxima
sollempnitate pascali convenientibus apud Trajeetum Rheni prineipibus,
ibi confirmarentur ei omnia, quae da Lauressa vel Corbeia et ceteris desi-
deravit anima eius. Asserunt alii callidis dilationibus a rege tractum esse
tificem, quo scilicet Lauressam dımittens, ubicumque mallet in regno,
is tantum suae reciperet eccleriae donandum; verum ille pertinax incepit,
dum nil aliud velle respondit (360).
92 1071.
Doch jo wenig Adalbert im Webrigen die Zeitlage verftand
und fih_ zu mäßigen wußte, nad einer Seite weni Mens hatten
ihn die Erfahrungen der Leidenszeit Müger gemacht. Äls Berather
des Königs juchte er, um feinetwillen, doch auch in richtiger Ein-
fit in das Befte des Reiches, gegenüber den Fürften vorfichtig
vorzugehen, Beleidigungen berfelben, wie er fie früher ſich hatte zu
Schulden kommen laffen, zu vermeiden. Ganz voran ftrebte er
nad) einer Ausföhnung mit Erzbifchof Anno; dann aber bemühte
er fi, aud die anderen Fürften, mit denen er in Entzweiung ge-
rathen war, zu gewinnen”). Daß Anno fi in der Weihnachts:
woche zu Worms wieder am Hofe zeigte, mochte ſchon eine Folge
hievon geweſen fein ®°).
ür ben Erzbiſchof von Cöln war die Niederlage, die er in
der Angelegenheit von Malmedy in Lüttich erlitten hatte, eine
äußerft — liche Herabſetzung geweſen, und der Unmuth darüber,
befonders auch über die Preisgebung feiner Sade von Seite
Heinrich's IV., hatte ihn für längere Monate ganz vom Hofe ent-
fernt gehalten. Weder war Anno jur Feier der Dommeihe zu feinem
Neffen Bifchof Burchard nach Halberftadt gefommen ?%); noch hatte
er an ber Mainzer Synobe im Auguft Antheil gehabt. Solde Er-
fahrungen, wie fie in der legten Zeit, ſchon in jener im vorher-
gehenden Jahre zum zweiten Male, dur die Vorladung nad Rom,
erlittenen — Entwürdigung ſich gehäuft hatten, wedten in
dem früher fo ſtolz der Leitung der weltlichen Dinge ſich hin—
gebenden Kircenfürften die Neigung, fi von jenen ab, ernften
teligiöfen Uebungen zuzumenden, ganz insbefondere eine noch engere
Fühlung mit der ftrengen Richtung des Mönchthumes zu fuchen.
Der Zeuge, welcher, äußerft günftig für den Erzbiſchof ein-
genommen, ganz eingehend von dieſer aus der Welt ſich binweg-
wenbenden Stämmung deſſelben rebet, ift der Mönd und Geſchicht⸗
fchreiber von Hersfeld, Lambert. Nachdem Anno die Chorherren
aus dem im thüringifchen Marfgebiete liegenden Stifte Saalfeld
entfernt und Mönde an deren Stelle —8 hatte, welche aus
Siegburg und aus St. Pantaleon zu Cöln genommen waren, kam
Lambert ſelbſt nah Saalfeld, um die hier geltende Zucht und
Ordnung des Klofter3 fennen zu lernen und fi mit den Inſaſſen
über Dieles Leben berfelben zu beſprechen, und das Gleiche wieder-
9) Inc. 58 gleich im Anfchluffe an die in n. 61 beſprochene Stelle über
Erreijung der summa rerum: Nactus locum dignitatis ... . . jam tune caute
ambulandum esse deliberavit erga prineipes, ut non offenderet eos sicnt
prius. Quapropter Coloniensi episeopo primum reconciliari voluit, deinde -
seteri, in Quon ipeo, vel potiüs qui in ilum peccasse videbantur (850)
Früher — in c. 33 — urtheilte Adam über Adalbert und Anno ala ambo
. viri prudentes et strenuui in procaratione rei publicae (348).
®%) Bergl. bei n. 89 wegen St. 2751, und vielleicht iR aud) Ion St. 2747
(eat, ah 85), für Anno’ begünftigte Stiftung Siegburg, auf diefe Annäherung
zurüdzuführen.
un Lindner, Anno II, 68, hebt biefen Umftanb autreffend hervor.
Adalbert’3 Annäherung an Erzbiſchof Anno. Anno's Eifer. d. firengen Mönde. 93
holte er in Siegburg. Denn insbefondere die neu nad) Saalfeld
verpflanzten Mönde aus Siegburg vertraten dort jene Höfterlihen
Einrichtungen, welche denjenigen von Fruttuaria nachgebildet waren,
in Folge des Umſtandes, daß Anno feit feiner legten Ruckkehr aus
Italien von dort Belenner der ftrengen Auffaffung mitgebraht und
Siegburg mit denfelben neu geftaltet hatte, worauf die bisher dort
bethätigten, aus St. Marimin bei Trier hergeholten Mönche, weil
fie ſich mit der neuen Ordnung nicht vertrugen, durch ihn, in zwar
ehrenvoller Weife, entlafjen worden waren; ebenjo Aalen zu
St. Pantaleon in Cöln die alten Mönde neuen Inſaſſen des
Kloſters weichen müflen. Lambert aber war von ber Abjicht er-
füllt, die in Saalfeld ſowohl, als in Siegburg eltenden Gemwohn-
heiten mit denjenigen ber älteren benebictiniihen Einrichtungen,
wie ſolche in Hersfeld und den bisher beftehenden deutjchen Klöftern
aufrecht erhalten wurden, zu vergleihen, bamit für Hersfeld
möglicher Weife ein Anſchluß an dieſe jo hoch gepriefenen neuen
Vorbilder gewonnen werben fönnte. Allein jo jehr er betont, daß
nad) der Meinung des Volkes und vor Allem auch der Vornehmen
ganz beionder8 Großes und Vortreffliches an diefen neuen Mönchen
jerühmt wurde, für ſich ſelbſt Fonnte er nicht zum Schluffe fommen,
dab diefe Ordnungen dem wahren Geifte der Regel des Ordens⸗
ſtifters mehr entfprächen, al3 diejenigen, an bie fi) das Klofter
Hersfeld bisher gehalten hatte. Indeſſen ſchloß das nicht aus, daß
er mit Bewunderung und lebhafter Anerkennung auf die Art und
Weiſe der Verehrung hinblidte, welche Anno diefen Forderungen
des vollften Verzichtes auf alle dem Mönchsleben ferner liegenden
Dinge entgegenbradhte.
So führt denn Lambert da in anſchaulicher Weiſe den Erz
biſchof vor, wie ſich derfelbe in den von ihm nad ftrenger Weife
georbneten Klöftern jeinen Mönchen erwies. Als Anno erkannte,
daß feine Abfiht erreicht fei, baß die Mönde feiner Klöfter wirklic;
nad den ftrengen Vorjchriften von Fruttuaria nunmehr lebten, jo
daß ihr Auf fich weithin verbreitete und Viele durch denjelben zur
Verachtung der Welt und zum Eintritt in die Unterweifung dieſer
ftrengen Lehrer gebracht wurden, da brachte er Gott für bie Er-
fülung diejer feiner Hoffnung laute Dankfagung dar. Aber er gab
fich auch alle Mühe, da biehe frommen Mönde an nihts Mangel
litten, was zur Sorge für die Abwehr der Schwäche des Körpers
nothwendig wäre. Anno — fo erzählt Lambert — würdigte und
te biefe Männer, als wenn ed feine Herren mwären, und jo
brachte er, wenn er in einem Klofter ſich aufhielt, nicht bloß dem
Abte, fondern auch den Decanen ſolche Unterwürfigkeit und ſolchen
orjfam bis auf das Wort entgegen, daß er auf ihren eriten
tehl, mochte er auch noch jo ſehr durch wichtige Gefchäfte öffent-
lider oder perſönlicher Art gebunden fein, fogleid die Hände davon
abließ und ſich erhob und, ala wäre er ein gemeiner Knecht, Alles
ausführte, was fie ihn geheißen hatten. So oft er anmefend fein
fonnte, trug er ihnen jeden Tag die mit größter Sorgfalt zu—
94 1071.
bereiteten Speifen jelbit auf den Tiſch; mit feiner Handreichun:
Tegte er ihnen das Eſſen vor und miſchte den Trank; er jelbi
ftand bei der Mahlzeit zu jeglichem Dienfte willfähriger und bereit-
williger, als jeder Aufwärter, zur Seite. Ebenſo bewahrte er das
Stillſchweigen und die übrigen Flöfterlihen Gewohnheiten IN auf-
merffam und ängſtlich, jo lange er unter den Mönchen weilte, als
wenn er auch an ſich alltäglich für Ausfchreitungen, die er beginge,
im Gapitel die Verantwortung zu beihten und das Strafurtheil
zu empfangen hätte!%%).
Allein diefe Anno nachgerühmte befliffene Hochhaltung ber
Höfterlichen ſtrengen Lebensrichtung fand auch bei anderen geift-
lichen Fürften des Reiches Nacheiferung, und Lambert felbft ſchrieb
die in feinen Augen allerdings nicht erwünfchte weiter gehende Ein-
engung ber Höfterlichen Anftalten nah älterem Zuſchnitte eben
folden weiterhin durch verſchiedene Bifchöfe geihaffenen „neuen
Schulen des göttlichen Dienſtes“, wie er fie nannte, zu. Theils
aus dem oberlothringifchen Klofter Gorze, theild aus Cluny, theils
eben aus Siegburg, ferner aud aus anderen umgewandelten
Klöftern fein — fo jagt er — dieſe Träger der neuen Geftaltung
gerufen worben !91).
Beſonders von gen in der Reihe der Vorfteher ber beutfchen
Kirchen durch ihre Beziehungen zum Hofe voranftehenden Biſchöfen
ift ſolche beftimmte Annäherung an das Mönchsthum für diefe Zeit
befannt. Vom Erzbiſchof Siegfried hieß es in einer allerbinge
ganz allein ftehenden und wenig glaubwürdigen Nachricht, er habe
ſchon nad) dem ſchlimmen Empfang bei Alerander II. in Rom im
vorhergehenden Jahre mit dem Gedanken fi getragen, feine hohe
100) Wegen ber fortgejeßten Bemühungen Anno’ für Siegburg, vorzüglich
für ‚Hebung ber monchiſchen Zucht, vergl. ob. &.6 u. 7, n.14 u. 15, wegen beö
Saalfeld gegebenen Vorzuges Bd. I, ©. 571 (mit n. 44), wegen der Aenderung
zu St. Bantaleon Sambert, a. 1074: die Cölner wollen die monachi de Sancto
Pantaleone omnes ermorben, pro eo quod, expulsis ab archiepiscopo prioribus
monachis, novum illie inusitatumque religionis genus instituissent (214)-
Lambert's jehr bemerfenäwerthe und für bie Beurtheilung feiner eigenen Perfün-
Lichfeit (vergl. in Excurs I) wichtige Ausführungen ftehen a. 1071, wo er fich
al8 Yugenzeuge einführt: Ego . . ad eos (sc. transalpinos monachos) veniens
et per quattuordecim ebdomadas apud eos partim in Salefelt, partim in
Sigeberg commoratus animadverti, jowie a. 1075, wo ber Zebenöweile Anrıo’s
unter ben Mönchen gebacht ift (187—189, 238 u. 239): Daß Giefebrecht’3 Ber
tonung des Ausdruds peccator im ſchon in Bb. I, S. 492, n. 5, erwähnten
Briele Anno’ — Anno poocaor episcopns — an Papf Alerander II. — der
Nr. 8 in den „Documenten“ von II (1261) — in ben „Anmerkungen“, 1117 u.
1118, für diefe Zeit eine fpecielle Bedeutung hat, w te Sinbner, 1. c., 5l, n. 1,
ber beweift, daß Anno jich ſchon 1061 in einer Urkunde jo nannte.
101) Sambert jagt, a. 1071, allgemeiner: prineipes regni ad instituendam
in Galliis divini_servitii scolam transalpinos monachos evocabant, a. 1075
aber ganz fpeeiell: Quod eius factum (ec. bie Verſezung von Mönchen aus
Feuttuaria dur; Anno nach Giegburg) imitati ceteri Galliarum episcopi,
alii ex Gorzia, alii ex Cloniaca, alii ex Sigeberg, alii ex aliis monasteriis
monachos evocantes, noyam divini servitii scolam in mus singuli
monasteriis instituerunt (189, 238).
Nachahmung Anno's durch Erzbiſch. Siegfried u. Biſchof Hermann v. Bamberg. 95
Würde niederzulegen und fi in ein beſchauliches Leben zurüdzu-
ziehen. Jedenfalls aber wirkte jegt eine ſchwere Krankheit, welche
gar nit lange nach der Mainzer Synode, feit Ende September,
den — befiel und, aller Anftrengungen der Aerzte unge—
achtet, bis in die Pfingftzeit des nächften Jahres andauerte, jo daß
der Leidende ſchon aufgegeben worden war und ber Ehrgeiz auf
Wieberbefegung de3 voraugfichtlih bald Ieer werdenden Stuhles
von verjchiedenen Seiten fi angeipannt zeigte, äußerft nachdrücklich
auf den ja ohne das beftimmbaren und von Entſchluß zu Entſchluß
wankenden Sinn Siegfried's ein; nad der Genefung hatte er
anz beftimmt die Alt, fih als einfacher Mönch der ferneren
Verüprung mit dem öffentlichen Leben gänzlich zu entfehlagen!°®).
Noch viel überrafchender trat bei einem Biſchofe, von dem es fonft
befannt war, daß er voran in Geldſachen wohl erfahren fei, und
welcher jonad für die Beforgung wirthſchaftlicher Angelegenheiten
des fönigligen Haufes ſchon, aud in letter Zeit wieder, feine
Dienfte geleiftet hatte!°®), bei Hermann von Bamberg, diefe Hin-
neigung zu Tage!). Der Bifhof handelte in Bamberg felbft in
ähnlicher Weife, wie Erzbifchof Anno in Saalfeld eingegriffen hatte.
Nah dem Weggange des als Abt von Reichenau neu beftellten
10%) Bergl. ob. S. 5, n. 10. Wegen der Erkrantung Giegfrieb's vergl.
Sambert: Archiepiscopas Mogontinus a festivitate sancli Michaelis usane
in pentecosten mala valitudine laborabat, ita ut etiam desperaretur
a medieis et de successione eins plerique intentisimis studiis sätagerent
(189), fowie unt. zu 1072 bei n. 102 wegen ber Meltfluchtsgebanten des Grz«
’08) Bergl. Bd. I, 6.628 (wozu bie Stelle mit ben Worten aus St. 2728
in n. 8 zu ©. 498), fowie ob. in.n. 16 bie Begeichnung ald provisor regiae
domus, idas R. Schula, Ueber bad Reichsregiment in Deutichland unter Hein»
rich IV. 41, gewiß richtiger in dem durch Waig, Deutfche Derf.x ., IV, 304,
n. 2, allerdings abgelehnten engeren Sinne ala Verwalter bed töniglichen Haus»
erklärt, aljo fpeciell für wirthicpaftliche, finanzielle Verhältniffe.
108) @egen Gieſebrecht, III, 153, welcher bie fhon in Bd. 1, ©. 47, erwähnte
des Klofterd Banz. in Ummandelung aus ber biäherigen Burg des
Grafen Hermann von Haböberg und Kaftel oder Markgrafen Hermann von
Bau (fo heißt er in ber Urkunde von 1071 des Codex probat., 43 u. 44, ber
Germania sacra, III) unb der Gemahlin desjelben, Bertha, Tochter bes 1057
ven Herzogd Otto UI. von Schwaben, durch biefes Stifterpaar, in das
Jabe 1071 jegte, wendet Juritich, Mdelbero . . . Biſchof von Würzburg, 69,
an, daß die indung ſchon früher gjaten fein muß, ba 1058 an Zulda, 1069
en Würzburg Uebertragungen des Ktloſters Banz zum Schupe befannt find.
Eprenger, Diplomatiſche jichte ber Benebictiner-Abtey Banz in Franken von
1050 bis 1251, 1808, nahın, 68 ff., 94 ff., eine erfle unvolltommene Stiftung,
eine ziveite bollfommenere 1069 buch ben Vertrag mit Adalbero an.
Über torı empfing allerbings Biſchef Hermann aus ben Händen bes Stifter:
gs das durch baffelbe reich auögeftattete Kloſter, obſchon Banz, recht? vom
in, ſchon im Würzburger Eprengel lag, für fein Bisthum Bamberg, Dabei
wurde nad} ber Urkunde das Klofter unter die Schirmherrichaft von Bamberg
wnterworfen: praesente et agente, suscipiente et confirmante Hermanno
eiusdem sedis episcopo, unter Bedingungen, deren erfte lautet: ut... .
episco) Baberbergenäis um locum singulari gratia diligat (etc.) (1. c.).
Die erh um 1300 geidyriebene Fundatio monasterii Banzeneis (SS. XV, 1033 fi.)
iR ohne jeden Werth für bie Erfenntniß der Anfänge des Klofters.
96 1071.
Nuotbert aus dem bisher von ihm gelenften St. Michaelö-Klofter
war Ekkebert, ein Mönd, welcher ber ftrengen in Gorze vertretenen
Zucht angehörte und fehon im Auftrage des Biſchofs Adalbero von
Würzburg das in defien Sprengel liegende Klofter Schwarzach als
Abt meugeitaltet hatte, am 30. Auguft auch dieſen Bamberger
Mönden als folder vorgejegt worden, und er ſoll in fürzefter Zeit
eine merkwürdig ſcharfe Säuberung da bewerfftelligt haben, jo daß
laut Lambert’3 Meldung die bisherigen Inſaſſen, welche nad} deijen
Anfiht nur zu ſehr der Weife ihres bisherigen Abtes entſprochen
hatten, wie Blätter vor dem Winde aus einander flogen '®). Diejem
neuen Abte von St. Michael übertrug nun der Biſchof durch die
von ihm felbjt auf eigene Koften gebaute Kirche St. Jakob, ganz
nahe bei St. Michael, weftlih vor den Mauern ber Stadt, nad)
dem er die fünfundzwanzig dort verfammelten dem kanoniſchen
Leben fi hingebenden Weltgeiftlichen, lauter jehr würdige Männer,
unter Benugung de3 Umftandes, daß der bisherige Vorfteher der-
felben eben geftorben war, von dort vertrieben — Denn Her⸗
mann hegte, wie wieder Lambert verſichert, freilich keineswegs unter
Erklärung ſeiner eigenen Zuſtimmung — er meinte nad) dem Worte
des Apoftel3 Paulus, das fei aus Eifer zu Gott, doch nicht aus
Einfiht geihehen — für die Mönde ein joldes Wohlgefallen, daß
er aus Suneigung zur Reinheit bes Klofterlebens nur noch biefe
geiftliche Lebensweife in feinem ganzen Sprengel, wenn es irgend-
wie durchführbar wäre, aufrecht erhalten jehen wollte’).
10) Vergl. ob. ©. 44, mit n. 10 betreffend den auch von Lambert,
a. 1071, erwähnten Ekebertus, Gorziensis disciplinae monachus (184: das
weiter — Ad cuius ingressum ete. — Erzählte vergl. in Excurs I). Bergl.
Germania sacra, II, 294. Als Abt von Schwarzad; nennt Gllebert auch
Zambert, a. 1075 (237). Mad} ber bei Sudewwig, Seriptores rerum episcopatus
Bambergens., II, mitgetheilten Ghronf von Sämazzad in welder ver.
meifungen auf eine Chronica major mit Wattenbah, Deutichlands Geicgichts«
uellen, IL, 5. Aufl., 320 n. 2, auf ein verlorenes ältered Wert zurüdzuführen
ind, war Eitebert mit ſechs Mönchen jchon 1047 nach Gchmarzach gelommen,
wo ber enesgifihe Reformator ald secundus fundator galt, und if fein Todee-
tag ber 1. December 1075 (17 u. 18).
106) Sambert ſpricht davon a. 1075 fehr eingehend, im Zufammenhang
ber in Ercurs I. näher erläuterten gegen Hermann gr tele Grörterung
(219 u. 220). Diefe ecelesia in honorem ü benberg foris
murum ift nadiher ald loco celebri in mediis huc et illue diversantium
turbarum fluctibus sita, nec.a majore ecelesia Babenbergensi plus 30 pasibus
disparata (: damit ift aber doch die Diftanz allzu furz angenommen) bezeihnet;
Heimo erwähnt in Lib. IV. des Liber de decursu temporum bie Kite ala
extra urbem versus oceidentem gelegen ($afje, Biblioth., V, 546). Ta Sam-
bert audrüdlich von Hermann jagt: monasticae conversationis munditie
delectatus, in toto episcopatu suo, si fieri posset, hanc solam esse vitam
eupiebat (danach das Wort des Paulus, Roman., X, 2), fo möchte Beyer,
Forigungen zur beutfpen Geiichte, XXIL, 549, ben Echluß, ziehen, dab ders
geicen noch mehrfach im Bisifum Bamberg vorgelommen fei. Die Notse 8.
acobi Babenberg. erwähnen zu 1072 die Weihe bes oratorium criptae durch
Biſchof Hermann "&s- XVII, 637), doch ohne alle Angabe darüber, ob St. Jatob
damals jchon Klofter war; nur ift damit für Uflermann, Germania
sacra, II, 277, dex Beweis geleiftet, daß berjelbe richtig gegen eine Annahme,
bie Gründung ber Kirche ſei erft 1073 geichehen, kämpft.
Hermann’s Thatigleit in Bamberg. Neugründung d. Rloferd Hirfau. 97
Weiter ift noch in diefem Jahre, obſchon freilich zunächſt erſt
die Anfänge einer nachher zufunftsreihen Entwidlung da gegeben
waren, am füblichen Rande des Bisthums Speier nahe der
ſchwãbiſchen Grenze, durch die neue Weihe einer ſchon älteren, aber
umgeflalteten iſtlichen Stätte, der Boden zu nachhaltigen Ein-
wirfungen vorbereitet worden. In dem von der Nagold durch-
Rrömten Thale des unteren Schwarzwaldes wurde nämlich durch
die Einweihung der dem St. Aureliuß gewidmeten Kirche die Neu-
gründung des Kloſters Hirfau am 4. September abgefchloffen
— Bischof Heinrich Hatte jelbft die Handlung vollzogen —; aber
ſchon vorher, am 2. Juni, dem Himmelfahrtstage, war der aller-
dings bereits länger thatſächlich in der Leitung der Mönche ftehende
Abt Wilhelm gleichfalls der Weihe theilhaftig und dadurch erft
befähigt warden, feine großartige künftige Thätigkeit wirklich zu
beginnen !97).
Das ſchon in der Zeit Lubmig’s des Srommen gegründete,
doch von den Nachkommen des Stifterd in Verwüſtung gebrachte
Klofter hatte Graf Adalbert von Calw, auf die Bitte feiner Ge—
mahlin Wiltrud, einer Tochter des verftorbenen Serge Gottfried
des Bärtigen, und in Webereinftimmung mit feinen drei Söhnen
und zwei Töchtern wieder hergeftellt und mit den vom Kloftergute
entfremdeten Gütern, welde theilweife als erblider Befig an ihn
gelangt waren, neuerdings außgeftattet, jo daß für fünfzehn Brüder,
weldye nad; der Regel bes heiligen Benebictus da leben würden,
der Unterhalt gegeben wäre!) Zur Uebernahme der feit 1059
’07) Die Kirchweihe erwähnt ber Codex Hirsaugiensis, als Historia
ii iens. monast. in SS. XIV neu edirt, c. 1: ecelesis sancti Aurelii
anno 1071 consummata est et pridie Nonas Septembres a Heinrico Spirensi
i * dedicata (l. e., 255), die Weihe Abt Wilhelm's auch Vita Willihelmi
Ri: irsaugiens., c. 2: Adveniente dominica ascensione, quae illo anno
evenit 4. Nonas Junii, convocata clericorum et laicorum multitudine,
omnium eommuni voto hie venerandus pater electus, laudatus et... in
sedem abbatis est collocatus (SS. XII, 21). Die Jüngeren, Annal. Zwifaltene.
tepen Wilbelm’s Beftellung ald Abt au 1070 (85. X, 54). Vergl. über Wilhelm
die Monographie von M. Kerker, Wilhelm der Sclige, Abt von Hirſchau und
Eracuerer des fübbeutichen Kiofierweſens zur Zeit Gregor’ VII. (Zübingen, 1863).
10%) Hauptzengniß für dieſe ältere Geichichte if Heinricha IV. St. 2785,
dom 9. October 1075 (vergl. bort n. 97), für das Mlofter Hirsaugia sive saneti
Aurelii cella, ubi et idem sanctus corpore requieseit, deſſen Tage angegeben
iR: in provincia quae dieitur Theutonica Francis, in episcopatu Nemetensi
in pego Wiringonva dieto, in comitatu Ingirisheim, in Silva quae dieitur
Nigra, juxte Auvium qui dieitur Nagaltha. Es heißt da: Quod tempore
Ladowici Pii regis in honore sancti Petri et sancti Aurelü „gpiscopi con-
stractum honorifice et Deo dicatum est ab Erlefredo quodam, nobili
senatore et religioso, et a Notingo filio eius, revercntiseimo Vercellensi
fi ‚ aliisque parentibus Adalberti, comitis de castello Chalawa, set
i is eorum dissipatum est (vergl. Dümmler, Geldjichte des of
a posteris
Reichen, III, 655 n. 2, fowie eingehender X. Helmädörfer, Gorfchungen
zur Gefchidhte de Abtes Wilhelm von Hirkdjau, 1074, 106 ff., wo auch), 28 ff.,
über die Behandlung der Hirfauer Gefejichte durch Trithemins —- weitere neuere
Eilteratur über bie Unglaubwürbigfeit der beiden Tritheim’fcpen Werte, Chronicon
Wener ». Anoman, Nahrd. d.dtih. R. unter deinrich IV. u. V. @b. II. 7
9 1071.
im Bau _begriffenen Kirche war 1065 der aus Einfideln durch den
Grafen fammt einigen Brüdern herbeigerufene Friedrich als erfter
Abt, ein Schwabe von Geburt, gefommen. Allein feine beſchauliche
Art, nach der er ruhig den Andachtsübungen lebte und den welt-
lichen Dingen fi gern entaog mißfiel den Mönden, fo daß fie
ihn beim Grafen Adalbert verklagten und ihn gegen ben Abt ein-
nahmen. Ein Vorwand wurde geſucht und gefunden, um den Abt
zu ftürzen, nachdem er während dreier Jahre dem Klofter gorgejest
gemefen war. Zunädft blieb er noch unter ben Hirfauer Brüdern;
ann aber begab er ſich auf Veranlaſſung feines Freundes, des
Abtes Ubatrik von Lorfch, welcher jelbit nach Hirfau fich begeben
hatte, zu der dem Kloſter Lorſch gehörenden St. Michaelskirche auf
dem Ebersberge an der Norbjeite bes Nedar, wo er biß zu feinem
Tode blieb).
An die Stelle Friedrich's trat ein bairifher Mönch, der aus
St. Emmeram genommen war, eben Wilhelm. Derjelbe war ſchon
von end auf zum Möndsleben beitimmt und hatte fih in
feinem Klofter auf dem Boden mehrfacher wiſſenſchaftlicher Arbeit,
und zwar ohne gefliffentlihe Abwendung von weltlihen Dingen,
einen bedeutenden Namen gemacht. So fam es, daß Graf Adalbert
eine Botſchaft nach Regensburg ſchickte und fi diefen gelehrten
Mönd von St. Emmeram für Hirfau erbat. Aber Wilhelm war
mit der Art der Vefeitigung feines Vorgängers Feinesmens ein»
verftanden, und wenn er auch dem unwiberruflihen Willen des
Grafen fi fügte, fo wollte er doch, fo lange Frievrih no am
Leben wäre, weder im Chore die Stelle des Abtes einnehmen,
noch als folder ordinirt werben. Erſt als der Tod bes eriten
Hirsaugiense und Annales Hirsaugienses, verzeichnet P. Fr. Gtälin, Ge:
f&ichte Würternbergs, I, 163 n. 1). Meber die Neugründung fleht weiter: Nunc
autem comes idem Adalbertus instinetu Dei tactus, nee non conjugis suae
Wieldrudae crebris preeibus adhortatus, monasterium ipsum jam restauravit
et, quae aliquandiu inibi defecit, vitam monachicam reparavit, et predia
quae illuc antiquitus a parentibus suis tradita sunt, set partim jam a
posteris eorum invasa, partim et a se ipso quasi jure hereditario possessa
sunt, reddidit, et insuper de propriis tot ac tantas impensas prediorum illuc
eontradidit, quo servitium Dei nunc a quindeeim fratribus sub regula sancti
Benedicti inibi procurandis, gratia Dei peragi et stabiliri possit, eonjuge
ipsius prenominata, filis Brunone, Adalberto, Gotifrido, et Riiabus Uota et
tmingarda, sibi_ in hoc, ut in omnibus his institutis, omnino consentaneis.
) Diefer Herübernahme von YRöndhen aus dem monasterium Solitariorum,
juod vulgariter Einsidelen dieitur (vergl. Annal. Einsidlens., a. 1065 über
ist Heinrich s Rachtelge nad) Hermann's Tode, a. 1070 über diejenige Seliger’3
nach Heinrich: SS. III, 146), und de Fridericus primus abbas gevenft nur
bie Historia, welche c. 2 diefem Abte widmet (I. c., 255 u. 256), dagegen nicht
die Vita Willihelmi. Der in c. 2 erwähnte mons sancti Michaelis, qui
Ebernsbere dieitur, ift ber locus Aberinesburg — 912 buch Konrad I.
sanctus locus Aberinesburg dietus, qui est constructus in honore saneti
Michahelis archangeli omnipotentis, genannt —, welder 882 an Slofter
Lorſch durch König Ludwig I. geiehenft worben war, jeht der Heiligenben
gegenüber, ‚gedelserg am Nordufer des Near (Chron. Lauresham.: SS. EST
u
Abt Wilgelm von Hirfau. Sage ber Dinge in Mailand feit 1067. 99
Abtes, raſcher, als zu erwarten geweſen war, eintrat, geftattete
Wilhelm, am ſchon bezeichneten zuge, bie Dollgiefung der Weihe.
Allein zunãchſt uͤnterſchied ſich das Flöfterliche Leben in Hirfau auch
unter ihm noch nicht von demjenigen anderer Gotteshäufer. Erft
als Wilhelm das Mufter von Cluny ſechs Jahre fpäter in Folge
einer von außen gefommenen Anregung aufgriff und demfelben mit
Entſchiedenheit folgte, kam Hirfau zu einer weit über feine Mauern
hinaus reichenden großen Einwirkung ’'9).
Auch auf dem Boden Stalien’3 fanden in diefem Jahre Ent»
widelungen, welche theilweiſe ſchon durch eine längere Zeitſpanne
hin fi angebahnt oder fortgefegt hatten, theils neue Wendung,
theils ihren Abichluß.
In Mailand war, feit 1067 in einer für Erlembald ſehr un-
erwünfhten Weife Alerander II. durch eine eigene Vermittlungs-
botſchaft der unaufhörlichen Unterwühlungsarbeit der Pataria gegen
Erzbiſchof Wido und die Geiftlichteit des Domes für einmal ein
Ende gefegt hatte!!!), abermals, und zwar durch die Haltung
Wido's, eine Verſchlimmerung der Lage eingetreten. Der Vor-
fteher der Mailänder Kirche bewies von neuem, wie wenig er feiner
ſchwierigen Aufgabe gewachſen fei. Freilich hatte auch Erlembald
durchaus nit den Gilen dargelegt, ernithaft ben hergeftellten
Frieden zu bewahren, von feinen Schürungen neuen Wiberftandes,
der Anftiftung wiederholter Verfolgungen abzuftehen. Allein dabei
erweiterte jegt der Führer der Pataria den Angriff in bemußter
Weiſe über das frühere Ziel hinaus; nicht mehr bloß gegen Die
Unabhängigkeit der ambrofianifchen Kirche und gegen bie Perjönlichkeit
des ———— ſondern gegen das Recht der koͤniglichen Inveſtitur
gedachte Erlembald nunmehr vorzugehen.
Der Leiter der Pataria ae fh die Anweifung biezu in
Rom jelbft geholt. Der Archidiakonus Hildebrand ganz voran
batte ihm bei einem Bejuche in Rom dargelegt, daß die alte Ge:
wohnheit der Kirchen bes italifchen Reiches, wonach der König,
von Geiftlichkeit und Volt in gebührender Weife eingeladen, nad)
210) In der Vita if in c. 1, wo bie Erwähnung der wifienichaftlichen
Zeitungen Aus Bernoldi Ehren. a. 1091 (SS. V, 451), genommen if, und c. 2
nur im fehr allgemeinen, wenig greifbaren Zügen, entſprechend dem mehr erbau:
Vichen Zwerte des Buches, Wilpelm’3 Beben in &t. Emmeram und der Eintritt
ix Hirſau ae ildert (I. c., 211 u. 212). Die Historia, in beten c. 3: De
abbate Wilhelmo, weiß nah guten eugniffen (hii, qui huie negotio inter-
foerunt, testati sunt), daß Wilhelm fid) nicht Ieicht entichloh zu fommen: Qui
inigus predecessoris sui dejectione cognita satis displicuit factum . . . .
nec ordinari, nec in choro in sede — — quamdiu illum in
hac vita superstitem cognovit..... . Quo de vita ost um eicius
migrante .. . —— consensit dd. c., 256). Ueber Wilhelm’s ſonlich⸗
trit vergl. fpäter zu 1091, über die Anfänge des Wachsthums ber Bedeutung
von Hirfan in ®d. ILL, zu 1077.
111) Bergl. Bd. I, & 557562, befonders n. 25. ann
100 [1082-1071]
Erledigung einer biſchöflichen Kirche für die Beftellung des Nad-
folger8 ſorge, dem Kirchenrechte nicht entjprehe, und daran war
die Mahnung geknüpft, daß Erlembald demzufolge in Mailand neu
vorgehe: — nicht eher würde bie dortige Entzweiung erlöfchen, als
bis die Kirche ihren kirchenrechtlich richtig ernannten Hirten, zu
deſſen Wahl die Zuftimmung aus Nom nothwendig jei, haben
werde. Erlembald handelte gleich nad) feiner Rückkehr diefer Auf-
forderung entſprechend, und dabei ging er ganz fo vor, wie es feit
der Gründung der Pataria gejchehen war. Nach einer Einweihung
weniger Freunde in den Plan, ber forafättig geheim gehalten
werden follte, wurde wieder, noch in behutfamer Weife, eine eibliche
Verbindung zwiſchen den in das Einverftändniß gezogenen An-
hängern beſchworen, und zwar über die Angelegenheit der Er-
mählung des Erzbiſchofs, wenn Wido abgegangen fein würde.
Dann begann bei Tage und bei Naht die Arbeit, um dieſem Eibe
Laien und Geiftlihe zu unterwerfen, und dazwiſchen mwurben er-
neuerte Angriffe gegen Wido und die gefammten Angehörigen bes-
felben in das Werk gejegt!!°).
So war es endlich diefem unaufhörlihen Treiben gelungen,
den Erzbischof felbft, welcher fi bejahrt und dur lange Krank:
heit körperlich geſchwächt fühlte, weil er fo viele neuerdings
drohende Debrängnifie nicht mehr auszuhalten vermochte, dahin zu
bringen, daß er. den Kampf von feiner Seite weiter zu führen auf-
ab: Wido glaubte am beiten die Pläne Erlembald’3 dadurch zer⸗
Ören zu fönnen, daß er noch bei Lebzeiten von feiner Würde
zurüdtrete und diefelbe an einen Nachfolger felbft übertrüge!'®).
Da fcheint ſich dem Erzbiſchof einer feiner Subdiakone, fein aller-
nächſter DVertrauter, welcher ſchon einige Zeit eine Stellung an
112) Arnulf, Gesta archiepiscoporum Mediolanens., jeildert, Lib. ILL,
e. 21, wieder andaraeichnet anſchaulich dieſes Vorgehen Erlembald's und des
hinter ihm ſtehenden Hildebrand: mit den Weiſungen ber Romani und voran
(instantius) Hilbebrand’s, baf von der vetns Italici regni condictio perseverans
usque in hodiernum, ut defunetis ecclesi praesulibus rex provideat
successores Italicus, a clero et populo decibiliter invitatus — abzulaffen fei:
haud secus sedari posse Mediolanense diseidium, quam canonicum habendo
torem, ad quem eligendum necessarium dicebat (sc. Hildeprandus)
'manum fore consensum —, fehrte Erlembalb nad; Mailand —— Prius
secreto paucos eonvenit ex amicis. A quibus cum exigeret sponsioneın
eelandi credita, caute subintulit juramento (vergl. Bo. I, — mit n. 30)
causam futuri eligendj pastoris post discessum praesentis. Deinde die
noetugue laborans, Iaicos quosque et clericos eidem juramento reddit ob-
noxios (SS. VII, 23). Päd, Tie Pataria in Mailand, 47, n. 1, madt zu
diefem von Rom geforderten abolito veteri novum institutum auf Armut
Bemertung, Lib. I, c. 3. über die prisca loci consuetudo aufmerffam: ut dece-
dente metropolitano quilibet unus ex majoris ecelesiae praecipuis cardinalibus,
quos vocant ordinarios, suceedere debeat (l. c. 7).
122) Arnulf, c. 22, jagt ausbrüdlich: Archiepiscopus ... . arbitratus est
fore conyeniens, ut quod ille (sc. Arlembaldus) facienduın praeviderat, ipse
quoque destruendo Pineveniret, scilicet ut dignitatem propriam alteri se
vivęute concederet (l. c., 23 u. 24).
Rene patarinifche Angriffe unter Erlembald; Erzbiſchof Wibo’3 Rüdteitt. 101
deſſen Seite einnahm, aufgebrängt zu haben, weil er Kunde von
diefer Abfiht, jedenfalls ohne große Mühe, erlangt hatte. Das
war Gottfried, der Sprößling eines vornehmen Haujes, über deſſen
Weſen wenigitens infofern Webereinftimmung aus beiden gefonderten
Zagern berichte, ala aud der Patariner Bonitho, der font das
Schlimmfte von dem Bewerber muthmaßte, feine große Berebtjam-
keit anerkannte. Nachdem Wido wahrjceinli eigens zum Behufe
der Erklärung der Niederlegung von Ring und Stab von einem
Aufenthalte außerhalb Mailand's in die Stadt zurüdgelehrt war,
hielt er mit Gottfried eine geheime Zuſammenkunft und vollzog
Da ſogleich, nachdem von beiden Seiten eidliche Verſicherungen den
Vertrag enätigt hatten, feine Abdanfung. Es konnte nicht fehlen,
daß an die Belanntmahung der Thatjahe allerlei Vermuthungen
in weiteren Kreifen fi) anfnüpften. Innerhalb der Patariner hieß
& alsbald, Wido habe feine erzbifhöflihe Würde förmlich ver-
fauft, und nad) Deutſchland fam die unrihtige Nachricht, der Erz-
biſchof habe dad Mönchsgewand angezogen und ſich in bie Flöfter-
lie Einfamkeit begeben +). ebenfalls ſäumte Gottfried nicht,
24) Arnulf, 1. c., ift wieder die Hauptquelle. Daß nach ihm der ſchon im
December 1061 trete genannte @stofredus subdiaconus de ordine sanctae
Mediolanensis eccleeiae et missus ipeius domini Widonis archiepiscopi
(Giulini, Memorie delle cittä e della campagna di Milano, IV, 530) als illius
«ee. Widonis) a secretis prae omnibus unicus von fi; aus die Jnitiative er«
griff: ex quo domini sui penetraverat mentem, in se transferendum omni-
Er satagebat honorem, worauf: Secrets facta conventione cum eo praesul,
datis communis pacti ex alterutro sacramentis, dignitatem deponit ad
praesens (24), fimmt ganz zu Wido's Charakter. Lanbulf dagraen iR aud in
biefen Abſchnitten wieder ganz verwirrt, inbem er, Historia Mediolanens.,
Lib. II, ſchon in c. 18, wo Arialb noqh längft — bis in c. 30 (vergl. Wb. I,
S. 539, n. 84, u. 542, n. 87) — ala lebend erwähnt if, bie Erhebung Gott-
Frieda Bringt (85, viñ 35 ex madt da Wibo’s Entihluß gum Rüdtritte
von defien Wunſche, den iländern für die Zukunft die um feinetwillen un-
aufgörlid; forıdauernden Leiden zu eriparen, abhängig und rühmt Gottfried —
de majorum ordine, sapiens ac probus —— ex mobili et magna
Proeapia oriundus, qui et ipse populum temporibus constitutis divinarum
seripturarum alimoniis paulo ante imbuebat —; bei ihm hat Wido die Sade
begonnen: Hunc Guido ad se multis astantibus nobilibus vocari praecepit,
et ignorantibus universis, archiepiscopatum ei anulo et virga commandavit
(ete.: das Näcfle if eben dadurch, daß: Quod factum Herlembaldum et
Arialdum minime latuit —, völlig vericjoben). Bonitho, Lib. adamic., Lib. VI,
weit nad) den ®b. I, ©. 559 u. 560, fowie S. 604, gebrachten Ereignifien von
1067 und 1068 ber ichte don Wibo’s Rüdtritt, die er nach feinem Stand»
te jehr gehäffig fchildert, den Plak an: Interea Guido archiepiscopus,
Mediolanum veniens (banad) wäre anzunehmen, ber allerdings recht gut untere
richtete vermuthlice Zeiter der Pataria in Gremona habe gewußt, daß Wido
Ach vorher außerhalb Mailand’s aufhielt), penitentia ductus, depositis ponti-
fiealibus insignis, privato vivebat scemate. Quod videntes ecelesiarum
venditores . . . animum eius levem ad deteriorem partem citissime inflectunt,
mortale ei dantes consilium, ut episcopatum cuidam Gotefrido clerico,
nobili quidem progenie orto et satis facundissimo, set ad omne nefas prono,
venderet ....... Quod et sine mora factum est (af, Biblioth., IL, 651).
Bon beutfjen Duellen reden Annal. Altah. maj., — a. 1071, weil fie ben
it Fall denjenigen von Gonftanz und von Reichenau — vergl. ob. ©. 2
102 [1067—1071.]
Ning und Stab, welde an den König geſchickt worden waren, aus
deffen Hand zu empfangen und fi) zu dieſem Behufe an den Hof
aufzumaden. Er war ſchon von früher Heinrich IV. durch ge
leilteten Dienft befannt und bei ihm beliebt geworden und empfing
durch eine zur Stunde gemachte Verabredung die Abzeichen bes
Erzbisthums. Wieder weiß felbftverftändlidh Bonitho von weiteren
Dingen, welche dabei ausgemacht worden jeien, eingehender zu
fpreden. Wie nad ihm Gottfried's Aufbrud auf den Rath der
Mailänder Capitane und der lombardiſchen Biſchöfe gejchehen war,
IN fol für Gottfried des jungen Königs Gunft auf das leichtefte
urch deſſen Verſprechen gewonnen worden fein, daß er nad) feiner
Rückkehr die Pataria zerftören und Erlembald als Gefangenen über
die Alpen dem Könige zufchiden werde; dabei fei auch Geld, doch
nur eine unbeträchtlihe Summe, aufgewendet worden. Der bairifche
Annalift Dagegen, welcher dieſen ganzen Vorfall als ein abjchreden-
des Beiſpiel der fimoniftifhen Kegerei neben anderen ähnlicher
Art erzählen wollte, nennt geradezu die Höhe von taufend Pfund
als den Inhalt des von Gottfried abgelegten Geldverſprechens 15).
Aber diefe Abmahungen führten durchaus nicht zu dem ge-
wünfchten Ziele. Als Gottfried von Deutihland zurückkam, fand
er eine allgemeine Abweifung. Die Bürger Mailand's wollten
nichts von ihm wiſſen und wieſen ihn aus der Stadt hinweg ;
auch auf dem Lande fand er, weil die Bauern gegen ihn geftimmt
n. 4 u. ©. 6, n. 11, fowie beſonders &. 38, n. 53 — in einem und bemfelbere
Zufommenhang vorangehen lafien wollen (: Et quoniam ad haee venimus,
hemini, quaeso, odiosum sit, aperire nos paucis, qualiter eodem anno —
eben 1071, meint ber Autor — saepe confutata sit ipen, ‚heresis, sc. symoniaca)
— von biefen Vorgängen: Hoc anno archiepiscopus Mediolanensis episcopatum
aponte qu2 dimisit et monachicum habitum conversationemque assumpeit.
[ox igitur quilam ex clerieis ipsius pro episcopatu rogaturus ...-
(88. XX, 822,.
316) Hat; Gottfried zum Könige zeifte, wird übereinftimmend berichtet durch
Arnulf, 1. c.: .. . virga cum anulo caesari per legatos direct. Gotefredus
cum jam pridem labore multo sibi regis conciliasset affectum, recenti tamen
gacto ab augusto gaudens ndeptus et praesmlatum, Burd Bonitho: Gote-
idus consilio symoniacorum, et Medioianensium capitaneorum et Longo-
bardorum episcoporum, Alpes transüt; regem adiit animumque regis utpote
adoleseentis facillime venatus est. Nam et Pateream promittebat se
destructurum et Erlimbaldum vivum capturum et ultra montes missurum,
si ei per investituram Mediolanensem traderet episcopstum. Huius rei
gratia et aliquantula pecunia data, investituram, quam petebat, accepit
(651 u: 652), fowie durd) bie Annal. Altah. maj.: . . regem adiit, mille libras-
se daturum juravit et pontificatu suscepto redüt (. c.). Eine in bie Compil.
Sanblas., a. 1072, aufgenommene mehrlach ungenaue und beſonders Wibo's
Tod zu fruh anfepende Notiz fat: Mediolanensis aecelesia episcopo decedente
aliquamdiu vacat. Cui quidam, maziına data peccunia regi et suis con-
siliariis, successit, Quem a papa excommunicatum rex consecrare pit
(88. V, 275). Wo und wann vor 1071 bee Met der Inveflitur dor fih ging,
{ft ganz offen zu lafjen; doch bürfte vielleicht die genauere Kunde über bie Si
der Summe in dem bairifchen Klofter, ſowie der Uınftand, dafı folde Beziehumgen
au Italien Häufig an Aufenthalte bes Hofes in Subdeutſchland fi anfnüpften,
einige Anbaltäpuntte bieten.
Gottfeieh’3 Inveſtitur u. Verwerfung d. Alexander II; Angriffe Erlembald’s. 103
waren, nirgends Aufnahme. Alerander II. Hatte fi) beeilt, über
Gottfried, weil er bei Lebzeiten des gültig im Amte ftehenden Erz-
biſchofs durch Simonie aus die Würde gegriffen habe, dazu — nad
einer allerdings nur aus einer deutſchen Quelle fließenden Nachricht —
aud über Ersbiiher Wido, weil von demſelben ohne fein Wiffen
die Niederlegung des geiftlihen Amtes vollzogen worden jei,
den Bann auszufprehen, und die feriftliche Ausfertigung des
Urtheiles war alsbald den Mailändern zugefhidt worden. ftügt
auf dieſen vernichtenden Sprud aus Rom ſchritt nun Erlembald
fogleih mit noch größerer Entſchloſſenheit gegen Gottfried und
jen Anhänger vor. Mit Feuer und Schwert ſuchte die Pataria,
ihr Heer Gottes, wie fie fi rühmte, um ſich jammelnd, die Gegner
heim; durd bie Orte und die Burgen der Landſchaft hin häufte
Erlembald neue zahlreiche eidliche Verfiherungen; wo immer Gott-
fried auf einen Theil ber gungen der Kirche greifen wollte,
trat ihm der Widerftand entgegen. Denn Erlembald hatte gemwifler-
maßen auf alle Pläge und alle Einkünfte des Erzbisthums die
Hand geſchlagen und dur die Schwurgenofienfchaft der Seinigen
Gottfried überall ausgeſchloſſen. Endlih mußte diefer auch noch
vom legten Zufluhtsorte, ala aus Mailand ein Heer gegen ihn
ausrüdte und denſelben umſchloß, entweichen, aus feiner nord-
weſtlich hoch über Vareſe liegenden, durch ihre Lage feften Schutz⸗
ſtätte Sta. Maria del Monte vermochte er nur unter dem Schuge
der Nacht mit Mühe davonzulommen. Allein noch viel empfind-
licher war für Gottfried, daß Wido von Reue über den Verzicht,
welchen er geleiftet hatte, ergriffen wurde. Derjelbe behauptete
jegt, von Gottfried betrogen worben zu fein, und er wollte die ab-
gelegte Würde von neuem für ſich aufgreifen. So begab er fi
von den Burgen, auf die er ſich zurüdgezogen hatte, wieder nad
Stadt, um mit Erlembald fi durch einen Friedensvertrag zu
verbinden und das Erzbisthum neuerbingß zu übernehmen. Doch
diefer klägliche Wanfelmuth führte vollends zu einer gänzlichen
Niederlage de3 geweſenen Erzbiſchofs. Crlembald ließ nämlich den
Feind, ber ſich in jo thörichter Weife in feine Gewalt überantwortet
hatte, nit in die Stadt hineinkommen; jondern er ſchloß Wido in
das St. Celfus-Klofter ein, wo er unter der Auffiht von Wächtern
längere Zeit feftgehalten wurbe !!°).
116) Die zuverläffigfte Schilderung bringt wieder Arnulf, 1. c.: Reprobatus
a dvibus, mullis age gpiscopli wand hospitandum recipitur, ipeis etiam
faetas invisus agricoli. Hunc Romani domno cum apostolico jure statim
condempnant canonico, jadicii sui litteras Mediolanensibus super illo mittentes.
Qua elatus Arlembaldus fiducis, acrius insurgit non solum in illum, verum
etiam fautores in omnes (: mit Yusmalung bei weiteren Vorgehens Erlembalb’s,
durd) neue Gibidhwüre: per vicos et eastella multorum exaggerat eacramenta,
äpnlih aberm in e. 23: diuturnam jurantes obsidionem —, bann befonbers
andy gegen ben sanctae Mariae mons). Interea Wido fatebatur, se Gotefredi
delusum insidiis, communis pacti transgressorem illum appellans. Qui cum
amissum resumere vellet honorem, cum Arlembaldo pacis foedera sociavit
104 1071.
Inzwifchen war die Faſtenzeit des Jahres 1071 — das if
feit der 1067 eingetretenen Vermittelung aus Rom wieder der erfte
zeitlich feftzuftellende Punkt der Mailänder Geſchichte — heran-
gelommen, und während berfelben dauerte ein verfchärfter kriegeriſcher
Gegenfag veijden Gottfried und der Pataria. Gottfried hatte fich
auf feinen Erbbeiig, den dus die Lage und durch Mittel der Kunft
ungewinnbar feften Play Caitiglione — nordweſtlich von Mailand,
unmeit Varefe, auf einer Felsböhe über der engen von der Olona
durchſtrömten Schlucht gelegen — mit einem Theile feiner Anhänger
vor den von überall ihn einengenden Schwierigkeiten zurüd-
gezogen und von da aus durch häufige Ausfälle, welche Plünde-
rungen und Morbthaten im Gefolge hatten, die Feinde gefchädigt.
Da ſentſchloß ſich, wohl im Anfange des Jahres, Erlembald, mit
einem ftarfen Heere, in weldem auch ein Theil de3 Adels vereinigt
gewefen fein foll, und mit allen Zurüftungen zu einer Belagerung
gegen die etwa zwanzig Miglien von Mailand entfernte Feftung
aufzubrechen. Er lagerte fih am Fuße des Burgberges und begann,
nachdem er rings feine Zubereitungen getroffen hatte, unaufhörlich
den Eingeſchloſſenen zuzufegen; aber insbejondere wurden auch die
. . . Veniens illo duce Mediolanum, non ad urbem ut voluit, sed ad sancti
Celsi ducitur monasterium, de privato factus privatior. Ibi commendatus
custodibus, diebus multis resedit inglorius hac etiam vice delusus. Bandulf,
1. c., ©. 18, verwirrt die Dinge im ber in n. 114 angegebenen Weile, indem er
beſonders auch die ſchon in Bo. I, ©. 68, n. 24, abgemiejene, früher hinfichtlich
Zanbulps vorgebrachte Behaubtung, des eigenen Gtrebend nad; dem Erzbiäthum,
für Erlembald wiederholt: nimia indignatione commotus, quoniam super hoc
negotium (sc. betreffend Wido’s Abdantung), ut sibi soli episcopatum refutaret,
ermultum ipse laboraverat —; er fährt fort, was auf die Zeit ber fe
altung Wide’ in Gt. Gelius gang paht: Herlenbaldus . . . sub qua
occasione custodiae intromittens se de omnibus villis, castellis, munitionibus
et redditibus archiepiscopatus, quasi dux fugatis hostibus omnia baec ad-
versus Gottofredum terribilibus Juramentis, ut nec unum haberet, vellent
nollent, firmaverat. Quin etiam ei in montibus et vallibus resistere et
obviare’gente admirabile sataguit (L. c.). Bonitho jagt von Erlembald — a Deo
roteetus —: ut audivit eius (sc. Gotefridi) conatum, congregans multitu-
inem Dei exereitus, omnia castra ad jus episcopi pertinentia (vorher, in
der in n. 114 gebrachten Stelle, hieß e& nad; venderet von Wido: et sese ad
arces transferret) ab eius subtraxit dieione (I. c., 652). Die Annal. Altah.
mai. berichten: Mediolanenses autem audientes (sc. das in n. 115 Vtitgetheilte)
nullo modo consenserunt, illum (sc. Gottfried) urbe recipere. Alexander
autem papa, ut haec agnovit, utrosque illos anathematizavit, illum quidem
(se. Wibo), quia semel susceptum regnum pontificatus deposuit se neseiente,
hune autem, quia seniore suo vivente et per heresim symoniacam hoc
ausus fuerat usurpare (I. c.); J. 4668 enthält diefe Handlung Aleranber’s IT.
och ohne Erwähnung der Stelle diejer Annalen) zu c. 1069; vielleicht fallen
die Greignifie, welche ſich doch unfraglich jeht in einer zufammenbängenden Reihe
bis zum nädjflen vonstegitd jeiehraben Suntie — Dergl. . 117 — forte
fehten, erft 1070. Gregor VIL. fehrieb 1075 (vergl. bort bei u. 168) über Gout.
fried in Registr. III, 8: Non de illo quid dicendum nobis est, qui, dum
honorem eiusdem sedis nefandis affectaret desideriis, quod justitia sibi
denegavit, sacrilega vi et armis invadere ac diripere non pepereit, quam
ambitionis culpa, quam deserere nolait, usque ad justam damnationis suae
pernieiem traxit arte, Biblioth., II, 215).
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Belagerung Gottfried's in Gaftiglione; Feuerdbrunft in Mailand. 105
gefammten Einwohner ber umliegenden Landſchaft herangezogen.
ie Verpflichtung auf die längere Dauer der Theilnahme an der
Belagerung war geradezu eiblih auferlegt, und jo ſcheuten bie
Kämpfer auch während der Wocden der Faſten vor alltäglich ſich
wieberholendem gegenfeitigem Blutoergießen nicht zurüd. Denn
mit verjchiedenartigen Kriegsmaſchinen, zum Schleudern von Steinen
und Gefchoffen, ionder8 aud den jogenannten Pfeträren, und
mit mannigfaltigen Hinterhalten ſuchten die Belagerer Gottfried
zuzufegen; die Delagerten leifteten ebenjo Fräftigen Widerfland.
Schon glaubte man, Caftiglione werde ſich nicht mehr lange halten
tönnen, als ein Schredensereigniß in Mailand jelbft der Belagerung
ein Ende fegen zu follen fchien. Hart vor, oder gleich nad) dem
Beginne der Falten — zwei Angaben aus Mailand, für den 3.
ober 12. März, ftehen fih gegenüber — Iegte eine furchtbare
euersbrunft, welche nächtlicher Weile in der Mitte der Stadt aus-
ch, die Hälfte derfelben in Ajche, weil ein wilder Sturm bie
Bermüftung nad allen Seiten tragen geholfen hatte; auch ehr⸗
würdige, kirchliche Bauten innerhalb und außerhalb der Stadt
wurden zerflört, ganz beſonders die Kirche San Lorenzo, beren
Berluft vor anderen laute Klage hervorrief. Aber es ſcheint, daß
der Ausbruch des Feuers mit der Bedrängniß Gottfried’3 zu
Caftiglione in ausbrüdliche Zerbinbung gebracht wurde, fo nämlich,
daß durch diefe verzweifelte Handlung der Rache und verbredherifchen
Selbfthülfe dem Derberben der Gegnerſchaft der PBatariner abge-
bolfen werben follte. Bonitho ging fo weit, geradezu die fimo-
niſtiſchen und in der Ehe lebenden Geiftlihen, und zuvörderft einen
aus ihnen, defien Namen er dem gejer in Erfundigung zu bringen
überließ, als Anftifter der Brandlegung anzuflagen. Indeſſen,
wenn aud wirklich eine ſolche Berechnung vorhanden geweſen wäre,
fo würde fie wegen Erlembald’3 ausharrender Willenskraft nicht
zum vollen Erfolge gelangt fein. Denn mochte auch durch die
Schreckensnachricht ein wejentliher Theil des Belagerungsheeres
nah Mailand zurüdgeeilt fein, fo hielt doch der Führer felbft vor
der Yurg Gottfried’ aus, indem er wenigſtens einen Theil des
Lagers behauptete und von ba jeden Tag den Angriff erneuerte.
Aber Gottfried, der nun ſchon im britten Donate den Feind vor
feinen Mauern gejehen hatte, gedachte auch feinerfeit3 den Abzu
der Mehrzahl feiner Bebränger auszunügen, und er berief geimtig
Freunde und Anhänger, um durch einen Kampf auf freiem Felde
die Entjcheidung zu erzwingen. Entweber gleich vor ben öfterlichen
efttagen ober furz nad denfelben — wieber ftehen fi Angaben
entgegen — machte Gottfried mit zehtzeiäen Reitern und Fuß-
finpfern einen Sturm auf Erlembald’3 Lager. Die Patariner
ihrerfeit3 fprengten die Ausgänge des Lagerd auf und warfen ſich
durch Diefelben auf die Angreifer hinaus; doch wären fie wegen
ihrer_geringeren Zahl unterlegen, hätte nicht Erlembald, ber felbft
das Feldzeichen führte, durch feine knpeit ihre Sache aufrecht
halten. So widen die Leute Gottfried’3 wieder zurüd und
106 1071.
führten diefen felbft mit ſich fort. Daraus entftand eine eigentliche
Flucht, und die Mailänder, ſowohl die bisherigen Belagerer von
Gaftiglione, als die in der Stadt zurüdgebliebenen Anhänger
Erxlembald’3, verfolgten die Feinde mehrere Tage und Nächte hin-
durch; doch ſchließlich vermochten die in die größte Noth gebrachten
Anhänger Gottfried’3 fi, freilich gezwungener Weife, wieder ben
Eintritt in den Platz Caftiglione zu fihern, jo daß alfo der eigent-
lishe Zwed von Erlembald’3 langer Anftrengung keineswegs erreicht
war. Dehmegen Konnte diefer, al3 er nach Mailand heimkehrte,
doch nur in bedingter Weife ald Sieger fi betrachten !!7).
Wido war nad der Feueröbrunft feiner Haft in Mailand
erledigt worden und hatte ſich nad dem Orte Bergoglio, am Fluffe
17) Bon biejen Kämpfen um Gaftiglione d Olona — da an biefen unweit
füböRlich von Vareſe liegenden Ort zu benfen if, beweift meben der zutreffenden
Schilderung der Sage und der Angabe der Entfernung von Mailanb: aberat
ab urbe vigessimo paulo plus miliario (Arnulf: c. 23) ber Umftand, baß Gott:
fried ſchon vorher in der Nähe von Vareſe A gelucht hatte — reden
Arnulf, 1. c., co. 23 u. 24, dam einläßlich (I. c., 24 u. 25), ferner Sanbulf,
1. c., c.29 (1. c., 94), weldes Tapitel nach den geſchichtlich nicht verwerthbaren
ec. 19—28 glei) an den Inhalt von c. 18 anfnüpft und bie eine bemerkens⸗
werthe Thatſache mittgeift, daß nobilium pars bei Erlembald war, und Bonitho,
deffen furge Angabe: Dehine apud Castellionem, suum hereditarium castrum
(se. Woterridi), per multos dies eum obsedit — durch bie Beifügung von
Werth if. Als Zeit ber Belagerung Reht nad) Arnulf, c. 23: adeo ut in
ipsa quadragesimae venerabilis observantia nulla fuerit humanae caedis
abstinontia — biejenige vom 9. März an feft, doch fo, daß nad c. 24:
Gotofredus tribus jam obsessis mensibus (gerecänet von März— April růck ·
wärtd) die gelagerung Ihom vor ber Faſtenzeit begonnen haben muß, und zwar
nad) Lib. IV, c. 8: Anno humanitatis dominicae 1075 ... transactis quatuor
a memorato superius incendio annis (l. c., 27) jebenfalls 1071. Denn biefer
geben Beueröbrunft in Mailand, während der Dauer ber Belagerung, wie
mulf, e. 24, Sanbulf, 1. c., und Bonitho gemeinfam angeben, gebenfen alle
dieſe drei Quellen — Arnulf in beſonders wehllagendem Tone: Horesco referens
(ete.: babei iR ber speciosissima omnium eoclesia San Lorenzo vor Allem
ebacht, fo daß alio bie Notae S. Georgii Mediolanens., SS. XVII, 386, einen
'tanb ber ecelesia s. Laurentii faum richtig zu 1070 — 3. Non. Mart. —
anfegen) — gleichmähig mit Naddrud; Arnulf Hat bie Angabe bed Tage: primo
iragesimae sabbato, was auf ben 12. März trifft (dagegen reden bie
[otae S. Mariae Mediolanens., SS. XVII, 385, vom 3. März: 5. Non.
Mart. a. D. 1071 combustum est Mediolanum ab igne de Castelliono, womit
deutlich auch auf ben Zujammenhang ded Wrandunglüde mit der Belagerung
hingewieſen ift, entſprechend ber Anklage bei Bonitho: symoniaci et concubinat:
cleriei noctu ignem in media Mediolanensi civitate injecere, auctore quodam
elerico — ete.). Den offenen Zufammenftoß zwiſchen Gottfried und dem Judas
Machabeus (nad) Bonitho, welcher überhaupt, viel mehr ala Arnulf, audy für
die Belagerung Erlembald in die Mitte der Ereigniffe rückt) Erlembalb fett
Arnulf, c. 24, vor Oftern (24. April): cumque paschales instarent feriae,
Bonitho dagegen nachher: miles Dei fortissimus (sc. Erlembald) . . . ibi
(ee. Saftiglione) sanctum pascha celebravit: transacta vero paschali feati-
vitate. Wenn aber Iepterer: miles Dei ineruentam possidens victoriam —
Erlembald Sieger nennt, fo ift das infofern nicht zutreffend, ald nach Arnulf,
ec. 4, wenigftens Caftiglione Gottfried nicht entrifien, der Ki tawed für Er⸗
Tembald alfo verfehlt war: Hos (sc. Gottfried und die Geinigen) longe perse-
cuti sunt Mediolanenses . . donec in summa constrictos necessitate
coegerunt illos iterum Cast em intrare.
*
Bibo’3 Tod; fortgejete Weigerung ber Anerkennung Gottfried's. 107
Tanaro, zurüdgezogen, wo er in ®erbitterung des Geiftes ſchon am
23. Auguft ftarb und begraben wurde us). Aber Erlembald und
jeine Anhänger hatten Fr bereit3 vorher, gleich nach der Rückkehr
nad Mailand, eidlich verpflichtet, niemals Gottfried, den von
Heinrid IV. ala Wido’3 Nachfolger beftellten Erzbifchof, als ſolchen
anzuerkennen; es war unter iänen feftgeftelt worden, daß ein
anderer Angehöriger des Domftiftes von Mailand in gemeinfamer
Wahl erforen werben müſſe. Vollends ſeitdem nun Wido nicht
mehr unter den Lebenden war, ftand bei Erlembald_der Entſchluß
feft, um das alte Recht der königlichen Inveſtitur ſich nicht mehr
zu kümmern, und er verhandelte, nad der aus Rom erhaltenen
Erlaubniß, bald mit der Geiftlichkeit, bald mit dem Volke über den
neu zu erwählenden Erzbijchof. Aber es verging doch eine längere
Zeit, und das Jahr _verftrih, ehe Erlembald feinem Ziele näher
rüdte. Denn unter Geiftlihen und Laien wollte ber größere Theil
der ftäbtifhen Einwohner dem Könige die Ehre nicht entziehen und
an dem bisherigen Verfahren feithalten, während für Erlembald
einzig Hildebrand’3 Rath in Anſchlag kam).
Der Wankelmuth und die Selbftfucht des normannifchen Ritters
Wilhelm von Montreuil war dadurch, daß es diefem nad) feinem
Abfalle von Richard, dem Fürften von Capua, gelungen war,
der ‚Ratalog ber GErzbilchöfe: Domnus Guido sedit a. 26 (genauer Cod. 2 in
na;a
u. 8, fit 1 t
Vido sedit annos 27, 1. c., 6), obiit 10. Kal. Sept., sepultus est in Bergullio
ng. effandria ffenen
«Domfiiftes gedient hatten (vergl. auch Giejebrecht, Geſchichte ber
Roilerzeit, V,
0) Armuft und Sanbult Rimmen Gier überein —: jener — e. 25 — Hebt
zuerſt hervor, daß nach ber Rüdtehr von Gaftiglione von ber Pataria deſchworen
wurde: Gotefredum numquam recipiendum, imo alterum de caialı
majoris ecelesiae communiter eligendum, dann bafı Erlembald bie Reumahl
betrieb (modo cum elero modo cum populo de eligendo agens episcopo):
nova a Romanis accepta licentia, spreta vero regum veteri providentia —
solum Romani illius Ildeprandi auscultabat consilium; bieler jagt be:
widmend, c. 29: Herlembaldus consilio Oldeprandi qui et Gregorius VII.
est vocatus edoctus, qui huius placiti capıt et seminarium erat, suis cum
chateris, qui omnia etiam regalia negotie multoque tempore 'tranquilla
conturbäbant, sine Yirga et.antlo ae regis consenau, eni Gregorias omnibus
exereitiis insidiabatur, archiepiscopum habere statuit (l. c., 95).
108 1071.
Alerander II. für fi zu gewinnen, auch zu einer Urſache ber
zwiſchen bem Papfte und Richard eingetretenen Entzweiung ge-
worden, wie in einem früheren Zufammenhang ausgeführt worden
ift. Freilich hatten fih dann Richard und Wilhelm wieder aus:
gejöhnt, und 1067 ſtand der Iegtere in dem kriegeriſchen Gegenfage
jegen Sensog Gottfried den Bärtigen, ber für die Anfprüche des
Papfies zu kämpfen fi) anſchickte, auf Seite des Fürften Richard,
und noch im gleihen Jahre hatten ja auch Alerander II. felbit
und fein normannijcher Vaſſall von Capua fi) wieder vertragen !*°).
Dog feither wurde Wilhelm von Montreuil noch einmal die
Urfadhe von Mihelligkeiten zwifhen Rom und Capua. Er nahm
aus der Hand Alerander’3 II. das Landgebiet, das ihm Fürft
Richard zugewiefen hatte; zu Lehen und begann darauf Richard in
der ärgften Weife dur Angriffe und Brandblegung zu ſchädigen.
Zwar fen nun der Fürft feinen Sohn Jordanus, welcher mit
feinen Zeuten bis gegen Aquino hin Beute machte, gegen den ab»
trünnigen Vaſſallen aus; doch darauf Hin rüftete Wilhelm, welcher
eben aus Rom zurüdkehrte, erft recht fein Heer aus und ftellte
achthundert Mann zu Pferde und vierhundert zu Fuß in das Feld.
So begegneten fi Jordanus und Wilhelm im freien Felde; aber
der Sohn Richard's mußte aus dem Gefechte flüchtig entweichen
und das geraubte Vieh und die Beute aufgeben, außerdem noch
ſechsunddreißig gemappnete Reiter als Gefangene zurüdlafien. So
kehrte Wilhelm ala Sieger nad Aquino zurüd. Wahrſcheinlich
war das im Frühling diefes Jahres geiheben: denn Richard rief
jegt neben anderen SFreunden auch Herzog Robert Guiscard um
Hülfe an, und diefer, der augenſcheinlich eben erit in den Beſitz
von Bari, der hier gleich nachher zu erwähnenden wichtigen neuen
Eroberung in Apulien, gelangt war, fagte feinen Beiftand zu, in
der Erwägung, daß es auch in feinem Nugen liege, ein jo gefähr-
liches Beifpiel, wie e3 feinen eigenen Rittern durch Wilhelm’s
Uebermuth gegeben wurde, nicht unbeftraft zu laſſen. Aber ehe
noch Robert nad) Vereinigung feiner Kriegsrüftung ſich einzuftellen
in ber Lage war, konnte Richard ihm die Botſchaft melden, bie
Gefahr fei vorübergegangen. Wilhelm war nämlih vom Fieber
ergriffen worden und biejer Krankheit in Rom umterfegen. Da:
gegen nahm nun Richard feinerfeits ſich vor, dafür, daß og
jo raſch feine Hülfsbereitſchaft bewieſen hatte, von ſich aus demſeli
einen ähnlichen Dienſt durch die Theilnahme am Zuge gegen Sicilien
zu erweiſen 1%),
190) Vergl. Bb. I, ©. 543-545, 554, fowie ©. 557.
191) Einzig Xmatus, L’Ystoire de li Normant, Lib. VI, cc. 11 u. 12,
Handelt, und zwar ſehr eingehend, von diefem neuen Aufftande Wilhelm's (ed.
Champollion:figeac, 176 u. 177). Befonderö bemerlenawerth ift in e. 12 Robert’
Erwägung für bie Aufage don Hülfe: Et lo duc & ce que li chevalier s0e
non preissent exemple de Guillerme, aüne soi & restraindre sa superbe.
Wilhelm ftarb, ald gerade Robert zu Hülfe Fommen wollte: més avant que
Aufletzmungen gegen ben Fürften Richard v. Gapua; Kämpfe um Aquino. 109
Zunãchſt jedoch Segab ſich Richard Aut) dem Tode Wilhelm’s
nad Aquino, weldes dem Widerftand deffelben als Stüßpunft
gedient hatte; dadurch war die Wiguglei dieſer Grafſchaft aber⸗
mals ar berausgeftellt worden. Dabei kam aud das alte gräf-
liche Haus von Aquino, das jegt durch Adenulf und befien Beier
vertreten war, wieber in Betracht; denn obſchon fie Richard, dar-
nad — während der Ueberweifung Aquino 3 an Wilhelm — dieſem
Zehensträger des Fürften ſich hatten unterwerfen müſſen, fo beftand
doch das Recht des Haufes auf die Grafſchaft fort und hatte Graf
Adenulf 1067 neben Wilhelm von Montreuil gegen Herzog Gott-
fried Aquino zu vertheibigen den Auftrag gehabt. Ste hatten
Graf Adenulf und die Bürger von Aquino die Herrſchaft über die
Stadt nad Wilhelm's Tod in eigene Hand zurüdzunehmen geſucht.
Jetzt aber, als Richard freundfhaftlih unterhandelte und der Stadt
die gewohnte Freiheit und ben Frieden zu fihern verſprach, bequemte
fih der Graf, da ihm und jeinen Brüdern ein Antheil an der
Herrſchaft gefihert wurde, die Stadt an den Fürften zu übergeben.
Darauf verlieh Richard dieſes Lehen an feinen Sohn Jordanus,
durch deſſen Hülfe er ſoeben noch gegen den abtrünnigen Wilhelm
bier kriegeriſch vorgegangen war. Allein jetzt wiederholte Jordanus
— Auflehnung und ſagte fi von der Sache bes Vaters
108; dabei fand er bei defjen eigenem Bruder, feinem Oheim Rainulf,
Unterftägung, und gemeinfam ergriffen fie die Waffen gegen den
Fürften von Capua. Um fo wichtiger war es aljo für diefen,
Aquino nicht zu verlieren, fonbern ſich treu zu ER erhalten. Zu diefem
Imede befeftigte er einerjeit3 in erneuerter Anweſenheit in Aquino
die ſchon geichlofjenen Beziehungen zum Grafen Adenulf, und
anderentheils jeßte er feine Hoffnung u Monte Caſſino, indem er
dem Abte Defiderius die —ã—— Burg von Aquino an-
vertraute. So erreichte es auch Richard, daß Rainulf und Jordanus,
al3 ihnen Aquino entging, den Muth des Wiberftandes verloren
und von neuem feine Gunft ſuchten. Darauf aber gedachte er nun-
mehr feinen Dank gegenüber dem heiligen Benedictus, deſſen Hülfe
er diejen Erfolg zuzufchreiben gemillt war, dadurch zum Ausdrud
zu bringen, Im; er Defiderius, welden er zu ſich berief, die Herr-
ſchaft über Aquino zu Gunften von Monte Caſſino übertrug. Hoc
venist lo prince & Capue, lo prince manda disant & lo duc Robert, coment
Gaillerme estoit mort son auerhi .. ... Mös pour ce que lo duc Robert
estoit venut tant promptement & l’aide de lo prince Ricchart, vouloit aler
en Syeille avec lui et faire lui similante service et honor (177). Daraus
Shen Hirich, Defiderius von Monte galfın (etc.), Forſchungen zur Beutfcpn
Gekichte, VIL, 36, m. 1, und Baift, Zur Kritit der Normannengeichichte
Smatnd ben Donte Setting, —* ah, 327 (io ir u Matt 10 fe ii,
gleicher ife richtig auf die Zwifchenzeit heilen em Fall von Bari,
m. 125), und bem Aufbruce zum Feldzuge gegen Palermo. Sur
Wlafii®, La insurrezione pugliese e la conquista normanna nel secolo XI.,
IL, 147, wurde bie Bermuthung geäußert, der Gtreit zwildden Richard und
Wilgelm fei über Gaeta auögebrocen.
110 1071.
erfreut meldete der Abt diefen Entſchluß des Fürſten nach Aquino,
und anfangs hatte e8 den Anfchein, als ob ſich Alles leicht feinem
Willen gemäß ordnen würde. Dann fchlug jedoch die Stimmung
um. Die Stabt legte dar, fie wolle einem Manne, der die Waffen
trage, nicht aber einem folchen, der in der Kutte ftede, unterworfen
fein, und eines Tages & en die Städter auf die Burg, melde
ein Mönd von Monte fen mit einer Abtheilung von Mann:
{haft Hütete, und warfen diefe Befagung hinaus, um jelbft bie
Hand über die Burg zu fchlagen. Ümſonſt zogen Richard und
Defiderius gemeinfam nach der Stadt, um die Bürger günftig zu
ftimmen ; dieſe erflärten, nur dem Fürften allein mit ber Burg in
aller Treue dienen, auch den jährlichen Tribut ihm entrichten zu
wollen. Freilih nahm ſchließlich die Angelegenheit den Ausgang,
daß Jordanus ſich der Stabt fammt ber Burg bemädjtigte!”?).
Deffen ungeachtet vereinigte eine Hohe kirchliche Feier, welche
am 1. October zu Monte Caflino abgehalten wurde, unter ihren
Theilnehmern Perfönlichkeiten, welche noch kürzlich in feindfeligen
Lagern fi gegenüber befunden hatten. Außer den dem Namen nad
einzeln befannten jehsundfünfzig geiſtlichen Mitfeiernden — neben
Papſt Alerander II. zehn Erzbifchöfen und fünfundvierzig Biſchöfen —
find fieben hohe Herren weltlichen Standes genannt. Innerhalb
dieſer Feſtgemeinſchaft waren ganz bejonder® aud dur bie
Untreue des Wilhelm von Montreuil und deffen Anlehnung an
Nom der Papft und Fürft Richard entzweit geweſen — dennoch
fanden ſich Veide hier bei Abt Defiderius ein; Richard hatte über
Aquino fih mit feinem Bruder und mit feinem Sohne im Streit
befunden, und zum Portheile bes Jordanus war Aquino fin
Defiderius verloren gegangen — aber neben dem Fürſten vor
Capua wurden auch Rainulf und Jordanus jetzt von Deſideriu⸗
empfangen. Es müſſen alſo bis zum Herbſte jene Streitanläſſ
zurückgetreten ſein; Alexander II. hatte auf den durch Deſideriu
) Wieder iſt Amatus, Lib. VI, cc. 24—27, fowie 29 (I. c., 185—1&:
doch ift mit Vai, }. c., 329, ber jedoch wieder das Jahr 1072 ircthümlich ei:
tert, ©. 26 vor c. 24 zu ftellen) einziger Gewährsmann für dieſe Dinge, in bene
tie Hirſch, 1. ©, 37 (mit n. 2), zutreffend betont, in eigenthümlicher Weiſe d
alte Grafengeſchiecht don Aguino, Adenulf (dev Jüngere) und fein Bruber
jenen vergt. ſchon Bd. I, ©. 554, ala 1067 genannt --, wieber hervortrei
(vergl. c. 26: li prince Richart .... vint & Aquin et cercha la cit& de
Raynolfe — doch ift ſtatt defien fer au Iden: Adenolfe, und umgetehrt
e. 24, 186 3. 1, Raynolfe, flatt Adenolphe — et de li eitadin, et Ic
prometoit de les garder en paix et en libert& acostumde, et prometeit
doner Ia part & lo conte Adenolfe et. & li fr. Lo cohte mon lo cont
dist, et cil de la cit& lo firent volentiers, et ensi donnörent la cite A
rince — c. 24:.... lo prince... s’en ala & Aquin, et amonesta eil
a cit£, et o losenge donna favor ä Ad£nolfe, etc., wo im Weiteren,
Hiefh, 1. c., 37, n. 3, fagt, der Xext verfchiebene Duntelbeiten enthält: 1.
187, 185). ®Diefe Greigniffe inegen Aquino müffen gleich auf den Tod des I
helm von Montreuil gefolgt, alfo 1071 gi en fein, ba c. 26 mit ben Mor:
Et puiz que la venjance de Dieu delivra li prince Richart de la perver
de Buillerme, vint 4 Aguin fogleich fi anfdlicht,
Berbrängung d. Abt Defiderins aus Aquino. Kirchweihe in Monte Gaffino. 111
bei einem Beſuche vorgelegten Wunſch, in Webereinftiimmung mit
Hildebrand und den übrigen Cardinälen, durch Einladungsſchreiben
alle Bifchöfe Campanien’s, de3 Fürſtenthums Capua und Benevent,
diejenigen von Apulien und Calabrien in defjen Klofter zu erſcheinen
aufgefordert. Denn Abt Defiderius wollte, nachdem er nad) fünf-
jähriger Arbeit den Neubau der großen St. Benedictus-Hauptlicche
abgeichlofien hatte, in einer möglichſt feierlichen Weife die Weihe:
handlung begehen, und er hatte die Genugthuung, neben Papft
und Cardinälen, neben zahlreichen hohen GBeiftlihen und Mönchen
gleigmäßig langobardiſche und normanniſche Große als Gäfte
um fi zu ſehen; von ben Sangobarben waren Gifulf, der
ft von Salerno, mit feinen Brüdern, Landulf, der Fürft von
‚event — nad) einer anderen Nachricht vielmehr deſſen Sohn
Pandulf —, ferner ‚Sersog Sergius von Neapel und Herzog Sergius
von Sorrent, bie Grafen des Marjerlandes, von Balva, die Borreller,
und viele weitere Herren zugegen. Bom Volle aber war am
Haupttage, wo ber Papſt und drei Biſchöfe die Weihe der Altäre
vornahmen, am 1. October, eine jo unzählbare Maſſe anweſend,
daß alle Felder und der ganze Weg von ber gleichfalls von Menjchen
ganz angefülten Stadt San Germano bi3 auf die Spike des
Berges von Monte Caffino bededt erfchienen. Durch dieſes große
kirchliche Feſt ſchien die Verföhnung zwiſchen den verjchiedenartigen
Berechtigungen und Anfprücden der Gäfte von Monte Caflinn —
zwiſchen Rom und den Normannen, zwiſchen diefen und den immer
mehr eingeengten langobardiſchen Fürftenhöfen — unter der fried-
lien Einwirkung bes nach allen dieſen Seiten felbft in enger Ver-
bindung ftehenden Abtes Defiverius gefichert zu fein 9°).
Nur ein normannifcher Hirt, der _mächtigfte von allen, hatte
nad der ausdrücklichen Angabe der Geſchichiſchreibung von Monte
Caffino gefehlt, nänilich Herzog Robert, und mit ihm fein Bruder
Roger; die beiden kriegeriſchen Helden waren durch den Kampf
um bie Hauptſtadt der Araber auf Sicilien ferne gehalten !**),
Robert hatte zuerft im Frühling des Jahres einen hauptfächlichen
138) Bon dieſer Kirchweihe redet Seo, Chron. mon. Casin., Lib. II, c. 29
(88. VIL, 719-721), in fehr auöführlicyer Weiſe, nachdem vorher, in c. 26 ff.
@ c., 716 ff.), die Geithichte de intra guinquennüi spatium — nadh c. 29 —
ausgeführten Baues ahit wurde; —ãe— handelt davon eine eigene von
&eo verfahte fürzere Narratio consecrationie ct dedicationis ecelesiae Onsi-
nensis ( Vuratori, Script. rer. Italic., V, 7678: bort ift, 77, Pandulphus
princepe Beneventanus genannt). Bergl. bien befonderd auch Hirſch, 1. c.,
3 ff. Weitere Zengniffe enthalten Annal. Cavene.: Ecelesia nova sancti
Benedicti dedicata est a domno papa Alexandro die Kal. Octobris cum
Finn altaribus suis (SS. III, 189, woraus no Perg eine Ableitung in
Annal. Gasin. 88. Hm gegen Bi on d. I, ©. 545, n. 98, be=
Infiht von Hirſch, Forſchungen, » 108).
man, Pi 1. — 29: ee autem dux Panormum eo tempore
E ‚ propter quod tantis tune sollemniis interesse non potuit
e, 720.
112 1071.
Kampf abgeichloffen, welcher ihm feit dem 5. Auguft 1068 über
dritthalb Jahre hindurch in Anſpruch genommen hatte; es war
ihm endlich, am 16. April, geglüdt, den Widerftand von Bari zu
brechen und damit auch noch die Hauptftabt Apulien’s der Her
{haft de3 griechiſchen Kaiſers zu entziehen. Die allergrößten An-
ftrengungen Robert’3, mit Einrehnung der aus Sicilien herbei-
gerufenen Hülfeleiftung des Grafen Roger, waren nothwendig
geworden, um diefen Erfolg endlich zu gewinnen. Nochmals hatte
fich die Ueberlegenheit des griechiichen Reiches zur See erwieſen,
und Kaifer Romanus IV. hatte für die von ihm ausgerüftete Flotte
fogar einen Normannen, Soscelin, welcher, mit Robert entzweit,
aus Italien binwe, gegangen war, al3 Anführer gewinnen können.
Auch in der benachbarten ſchon unterworfenen Seeitabt Brinbifi
kam es zu einem für die Normannenherrichaft gefährlichen mörderiſchen
Angriffe auf die Befagung, ſodaß fid) der Herzog gezwungen jah,
einige Zeit von ber Belagerung von Bari abzuftehen und — nach
Brindiſi zu begeben. Allein das Scheitern des Verſuches, von der
ee ber die belagerte Stadt zu entfegen, die in berjelben zu Tage
getretene Entzweiung und bie herrſchende Noth lähmten auf bie
Xänge den zähen Widerftand. So ging, wahrjcheinlic am 15. April,
die Uebergabe vor ſich, und eben am folgenden Tage — am Tage
vor Palmjonntag — hielt Herzog Robert feinen fiegreihen Einzug.
In milder Weile behandelte er die gewonnene Stabt; denn er
wollte I Kraft alsbald zu einem neuen kriegeriſchen Unter-
nehmen für fi benugen. Wie er die Anftrengung zur Gewinnung
de3 fo mächtigen Plages in das Werk gefegt hatte, um dann,
eftügt auf die aus Bari zu ziehende Kriegsflotte, gegen Sicilien
Hi neuerdings zu wenden, jo trat er num eben alsbald in die für
den Kampf auf dem Inſellande feftzuftellenden Vorbereitungen
ein i2)
ge
vichtig redet Amatus von quatre ans ber Dauer der Belagerung (ebenfo Xe
post quattuor eireiter annos); bagegen beruht feine Tagedangabe für Mobert
Übergang Bari's an Herzog Robert; Vorbereitung 3. Belagerung Palermo’. 113
Alein zunächft ſchien es, als müßte Robert, wie oben erwähnt
wurde, auf ben Hülferuf des Fürften Richard nad Capua hin fi
in Bewegung fegen, um gegen Wilhelm von Montreuil Hülfe zu
bringen; doch der raſch eingetretene Tod des unruhigen Gegners,
welder den Fürften von Capua aus der Noth befreite, gab auch
dem Serg freie Hand ??°). Er fandte den Bruder nah Sicilien
voraus und ließ im Laufe der Monate Juni und Juli die aus
Bari und Dtranto geforderten Schiffe für bie Flottenausrüftung
zurecht ftellen. Bejonder in Otranto waren die Zubereitungen,
vielleicht nicht ohne Abfiht, um Schreden zu verbreiten oder um
Taãuſchung zu erregen, jo umfangreich, daß bie Einwohner der
jenfeit3 des adriatiſchen Meeres Urgenden Seeftadt Durazzo von
aunoft erfüllt wurden und durch A fenbung einer Chrengabe an
Robert defien Gunft zu erfaufen fuchten. Der Herzog Telbft aber
rüdte mit der Neiterei zu Lande nad) Calabrien, wobei er die
Scaaren aus biefem Lande und feinem übrigen Machtbereiche heran⸗
309. In Neggio wurde die ganze Macht geiammett und von da
F der Flotte, welche inzwiſchen ihre Landung von Apulien her
bewertite ig hatte, im Auguſt nach Sicilien übergeſetzt 127).
Bon Meſſina aus wurde, ehe die Annäherung an Palermo,
&inzug: lo samedi devant lo dyemenche de Palme — jebenfalld auf richtiger
Kunde (vergl. Anonymus Barensis: in medio mense Aprilis, Lupus Proto-
spetarias: in 15. die mensis Aprilis, wa8 nad) Hirich, 1. c., 308, vielleicht auf
den Tag ber Gapitulation geht).
326) Bergl. ©. 108, n. 121; daß avant que venist lo prince & Capue
iR jebenfalls nicht wörtlich zu nehmen, ala wäre Robert wirklich aus Apulien
weggegogen.
197) Neber die für den Transport nach Gicilien gemachten Vorbereitungen
fagt Gaufrebus Malaterra, Lib. II, c. 43: Dux ... fratrem in Siciliam
praemittens, solito exercitu brevi iterum expeditionem versus Panormum
sammoret. Toto Junio et Julio mense apud Hydruntum moratus montem,
jao facilius descensus ad mare, equos navibus introducens, fieret, reseindere
it, unde et Duracenses maxime sunt territi, ne mare cum exereitu
tansmeans eos impngnatum veniret, mulumque et equum ei, quasi ad
bovorem mandantes, hac occasione rem speculatum mittunt (l. c., 573).
Dasrit fcpeint Amatus, Lib. VI, c. 18, nicht zu fimmen, wo e& Heißt: lo due
... assembla une grant compaingnie de navie et de Puille comanda &
lo navie alast avant & li chevalier qui venoient de terre de Calabre. Et
ini avec li chevalier, venant par terre par plus bröve voie, s’en vont en
Calsbre et armerent soi. Adont li Calabrois o diverses gent de diverses
nations . ... . passörent la mer (au mois d’aoft 1071), et applicant & la
citE de Meseine et Ia chevalerie et toute gent, deseendirent en terre (l. c.,
177 u. 188); doch flieht Guillermus Apuliensis, Lib. III, v. 166: Hos (sc.
) cum gente sua Reginam dueit ad urbem, v. 189 u. 190: Dux
ibi (se. zu Reggio) militibus, sumptu ratibusque paratis transvehitur Sieuluun
multis comitantibus aequor (l. c., 269) — damit in Eintlang. Lupus
Protospatarius bezeugt: in mense Juli dux transmeavit Adriatici maris
——* itque Sieiliam cum 58 navibus (l. c.. Die von Hirid), 1. c.,
, 308, hervorgehobenen Differenzen dieſer Auslagen find durch Baift, 1. c.,
327, richtig erflärt und ausgeglichen, beſonders was bie Ausſage de Gaufredus
Ralaterra anbetrifft.
Weser vom Anonau, Jahrb.d. difh. Runter deinrich IV. u.V. 3.11. 8
114 1071.
das Hauptziel der Unternehmung, begann, noch ein vorhereitender
Schlag ins Werk geſetzt. Roger bemächtigte ſich nämlich, allem
Anſcheine nach ohne jede größere Anftrengung, in der Dauer von
vier Tagen, des wichtigen Platzes der Oftfüfte Catania, mo er al:
bald dur die Einlegung einer —X und die Anlage einer
Kirche die Umwandlung der Verhältniſſe zu ſichern ſich anſchidte.
Aber auch Robert's größerem Kriegsplane ſollte dieſe Seiten⸗
bewegung dienen. Denn der Herzog folgte dem Bruder nad
Catania, um die irrige Meinung unter den Feinden zu verbreiten,
als handle es fih um einen Angriff auf Malta, indem ihm der
Muth fehle, gegen Palermo felbft vorzugehen. Statt deſſen wurde
jest vielmehr auf getrennten Wegen gegen Palermo, mit ber in
Ausfiht genommenen Vereinigung vor ber Stadt, vorgerüdt.
Noger begab fi) durch das innere der Inſel KT wobei er den
ſchon länger von ihm befegten Pla Traina berührte. Der Herzog
dagegen wählte, ſchon wegen der argen Kite bes Sommers, den
Weg zur See; er ließ feinem Schiffe die fünfzig Fahrzeuge folgen,
melde ihm nunmehr die Möglichkeit, Palermo zu geminnen, zu
verbürgen fchienen "?®),
Allein deffen ungeachtet geftaltete fich die Belagerung ber Stadt
vor welcher nunmehr Roger auf der Lanbfeite, der Herzog an
Meere ihre Lager auffhlugen, zu einem ziemlich langwierigen un!
ſchwierigen Kampfe. Mochten aud die vor den feiten Mauern de
Stadt liegenden Landhäufer und Gärten raſch den Normannen i
die Hand gefallen fein, jo unterftügte die Weitläufigleit der Stab
welde durch die Anfügung des neuen mit eigenen Befeftigung:
verfehenen Theiles verdoppelt worden war, bie Kraft de muth
138) Amatus läßt auf die Landung bei Meffina in c. 14 folgen: li coı
Rogier s’en va & la citö de Catainne, et & li quatre jor Ia cit6 se reı
1: e8 folgen Roger's Anorbnungen in Catania). Et venant lo conte à la <
soe Trigane . . . . Etlo.duc Robert, et pour la calor de lo sol, avec pı
de graus homes estoit salli en Ia galtes, Iaquelle estoit accompaing
de X gat et XL autzes mez (I. c., 178). Dagegen berichtet auf
Malaterta, c. 45: Dux.. ... fratrem quem praemiserat, subsecutus a}
Catanam, ubi comes erat, venit, fingens se Maltam debellatum ire, qı
de Panormo diffidens; sed a fratre cohortatus, magno equitatu cum nax
bus peditumque copiis abinde progrediens Panormum venit (l. c., ©
Guillermus Apuliensis, 1. c., v. 194 £., fagt nur allgemein: Partibur
Sieulis, consertn juramina fraris jm congussitis ex magna parte Ra
spem ducis aceumulant (mit nachfolgender Hervorhebung ber Berfon des &ı
oger und befien fteter Kämpfe auf Gicilien: dum digna quietis causa
fieret Sieulae subjectio gentis), bann v. 204 ff.: Hoc sibi dux socio con
et agmine multo secum deducto non obsidione Panormum vincere desj
d. c.) Eine Bereinbarun, wilden den ſcheinbar fi miberfprecenden un
bietet Amari, Storia dei Musulmani di Sieilia, III, 116 u. 117, welcher
wieber die fehon in ®b. I, ©. 245, n. 18, 365, n. 114, herborgehobene partı
gelmmun Malaterra’3 er Btont. Daß jevenfatle Aber nicht
‚ger zufammen“, wie Hirſch, I. c., jagt, gegen Palermo auſbrach, Hob !
1. c, 328, n. 1, mit FH hervor. ®
Belegung Gatania’s; Anjang der Belagerung Palermo’. 115
geleiteten Widerftandes. Gefechte zu Lande und zur See brachten
einen wirklichen Fortſchritt zur Entſcheidung des Schidjales ber
Stadt; durch den eingetretenen Mangel an Lebensmitteln litt nicht
nur die Bevölkerung eingeſchloſſenen Stadt, deren Verzweiflung
durch die Noth nur noch weiter angeſtachelt wurde, fondern auch
die Verſorgung des Kriegslagers des Herzogs’). Allein befonders
bedenklich war, daß die Hoffnung auf eine zu erzielende bunbes-
genöffiihe Unterftügung fih als Täuſchung herausftellte; denn
dieſes Ausbleiben der erwarteten Hülfe ließ neben der für den
Kampf in Sicilien eingetretenen Erſchwerung auch neue gefährliche
Wendungen in ben Belgungen Robert’3 auf dem Feftlande voraus-
ei
en.
Fürft Richard von Capua nämlich war von feinem Vorhaben,
durch eigene Gutwilligleit Robert's Hülfsbereitſchaft aus der erften
Hälfte des Jahres durch eine Handreihung nad GSieilien hin zu
jelten 20), abtrünnig geworden. Zwar hatte er, als ihn Robert
olge der Rraftanftrengung der Vertheidiger Palermo’s, zumal
nahdem denſelben aus Afrifa Unterftügung zugelommen war, an
fein Verſprechen gemahnt hatte, feinen Sohn Jordanus mit zwei
hundert Reitern nad Sicilien Hin in Bewegung geſetzt. Doc
bald reute ihn diefer Entihluß, und fo gebot er dem Sohne, ehe
die Meerfahrt angetreten wurde, inne zu halten und nad Cam»
panien zurüdzutehren'®!). Schon war wohl, nach Richard's eier
füchtiger Art, der Gedanke in demfelben erwacht, die gegen Nobert
bei Palermo entftandenen Schwierigteiten, welche den Ge wahr-
ſcheinlich noch länger von Apulien fern halten mochten, zu einem
inläßli jilderung des Kampfes um Palermo gehört
RE ER
ie von Gi ” , erwähnte ichte vom Mangel
des Weines an des 08 Zifch), 1. c., 178—180, in denen allerdings Ba,
i. c., 328, Lagen conjtatiren will. Daneben fteht Guillermus Apuliensis,
welcher insbejondere auch ein Seegefecht eingehend außmalt, von v. 225 an:
Inde Panormenses Ai accire laborant auxilio, quorum sibi viribus
associatis, quod non sunt ausi terra committere bellum, commisere mari;
bellantibus hoc elementum commodius eredunt (ete.) (I. c., 270). Gaufrebus
Malaterra, c. 45, hält fi) kürzer. Vergl. auh Amari, 1. c., 118 ff.
120) Zergl. &. 108 mit n. 121.
121) Amatus fept feinee Auöfage, Lib. VI, c. Et puiz que fust
fermee l’amistie entre lo duc Robert et lo prince Richart — in Lib. VII,
©. 1, entgegen: li Arabi et li Barbare .... faisoient emp&diment & la
Victoriose bataille de lo due Robert, et pource il requist et cercha l'ajutoire
de lo prince Richart, secont ce qu'il lui avoit promis, et erdoit qu'il lui
deust rendre la m£rite de l’aide qui'il avoit fait & lui. Et lo prince manda
Jorduin son filz o tout CC chevaliers .... Mög lo prince, avant que son
flz t la mer, mua conseill, et lui manda disant qu'il tornast & lo
chaste de Saint Angele — wohl dem in Bd. I, ©. 555, n. 13, genannten
Pape (ec, 177, 193). Da Jordanus am 1. October in Monte Calfino war
— vergl. 6. 110 —, vorher aber der Zwiſt Richard’ mit dem Sohne über
—*— anaſchen ift, fällt die Ablendung der Hülfe wohl erft nach dieſem
e
8*
116 1071.
binterliftigen —8 deſſen Herrſchaft in dieſem Land zu unter
graben, außzunugen
Doc, wenn auch ns Jahr darüber zu Ende ging, jo Ram
us der Sieg über Palermo den Normannen ſchon nahe
evor
189) Vergl. zu 1072 (6. 185).
198) Bergl. zu 1072 (S. 183 u. 184).
—
1072.
Am 1. Januar hielt fi) Heinrih IV., von Worms kommend,
im Klofter Lorſch auf!). Da beftätigte er dem Abte Winither des
im Wasgenwald liegenden Kloſters Hornbach die ſchon von den erften
tarolingiihen Königen für Pirminius und deſſen Stiftung ertheilte
Freiheit, unter eigenthümlicher Einrüdung eines längeren Stüdes
aus dem Inhalte einer Karl dem Großen zugefchriebenen Urkunde.
An die Stelle einer nach der Bejchmerdeführung des Abtes dem
Rechte entgegengehenden gewaltſamen Störung ber rechtlichen Gtel-
lung des Klofters ſetzte der König, fo lange er lebe, jeine eigene
Vogtei, mit Ausfhluß einer Betretung desjelben duch Archidiakon
oder Vogt ohne Erlaubniß des Abtes).
ıg und Einrüdung eines längeren Abichnittes aus der Borurlunde,
Karl’a Großen, welche jedoch nicht erhalten if (biefelbe ift den von
©idd, Acta regum et imperatorum Karolinoram, II, 372, aufgezäblten Acta
deperdita für Hornbach Faufügen): vergl. Gundlach, Ein Dictator auß ber
Ranzlei Kaifer Heinrichs IV., und Brehlau, Handbuch der Urkundenlehre,
1, 660. ®ie Einleitung heikt: Volumus igitur . . . . de eiusdem Karoli
imperatoris decretali carta huic pagine nostre aliqua inseri, ut nostra con-
firmatio tanto tucior possit subsequi, cuius series talis est, worauf mit: Igi-
tar inguit dum venerabilis vir Pirminius episcopus cum monachis sui .
adrenit et. .. nostre celsitudini ‚esserunt das Tranzfumpt anbebt 000
ni basfelbe, da ja Pirminius ſchon nnter ii , 3. November 753 — di
ner, Jahrbücher bes fränfifchen Reiche unter König Bippin, 167 — ftarb, noch auf
eine io avi nostri Pippini regis zurüdgehen, wie benn Ludwig der Fromme
folder in feinen Beftätigungen 814, eide in ben citieten Regeften, Acta Ludo-
wici, 15 m. 16, Erwähnung thut); nach dem Gchluffe des Zransfumptes fährt
118 1072.
Darauf muß der Weg nad) der bairiſchen Tonau, wohin die
Lage der Dinge in Ungarn den König rief, raſch fortgejegt worden
fein. Denn es ift ſehr wahrſcheinlich, daß die Hofhaltung ſchon
am 9. Januar in Regensburg ihren Sit aufgeſchlagen hatte).
Aber auch noch am 4. Februar befand fi Heinrich IV. in ver
bairiſchen Hauptftadt. An diefem Tage erhielt nämlich Erzbiſchof
N von Salzburg vom Könige eine wichtige Genehmigung,
die BZuftimmung zu einem Plane, melden der Erzbiſchof ſchon
längere Zeit — hatte.
Papfſt Alerander II. hatte ſchon am 21. März 1070 ſich dem
hierüber vorgebrachten Begehren Gebehard's entgegenfommend ger
zeigt, indem bemjelben geltattet worden war, innerhalb feines
Sprengel3 ein neues Bisthum zu errichten. Es war dem Papite
vorgeftelt worden, der Bereich der Salzburger Kirche fei jo weit
ausgebehnt‘, daß durd den Erzbiſchof allein in zutreffender Weile
die Zeitung nicht geleiftet werden konne, was die Weihe des Chrisma
und die mehreren anderen bifchöflihen Pflichten betrefje, und jo
wurde Gebehard das Recht eingeräumt, fi in einem nach feiner
Erwägung zu beftellenden Bijhofe einen Helfer zu ſchaffen. Aus-
drüdlih wurde beigefügt, daß dieſes Bisthum Gebehard und feinen
Nachfolgern niemals entzogen und fein Bifchof dajelbft duch In—
veftitur oder in irgend welcher Weife eingefegt werde, welden nicht
Gebehard und feine Nachfolger nad; eigenem Willen auserlefen,
ordinirt und gemeiht hätten. Aber Gebehard hatte ſeit Empfang
diefer päpftlihen Erlaubniß mit der Einrichtung der neuen biſchöf⸗
lichen Kirche zugemartet, und erft jegt gab nahezu zwei Jahre nad)
dem Papſte der König die entipredhende Zuftimmung, mit noch be—
ftimmterer Betonung des Umftandes, daß die Lage des Salzburger
Erzſprengels im Gebirge und neben der großen Ausdehnung dic
Schwierigkeit der Wege diefe Abhülfe als eine Nothwendigkeit er:
kennen laffen. In voller Webereinftimmung mit dem Papfte gal
Heinrich IV. jeine Einwilligung, nannte nun aber au) die Stelle
ber Dictator fort: Hec verba Karuli imperatoris in nostra excerpsimu:
Ferner ift — vergl. Gundlach, 1. c., 26 — auch die Betonung des Vorbildes dı
orgänger auf dem Throne, mit ber geflijientlichen Hervorhebung Karl's bi
Grohen, zu bemerken, daneben etwa — vergl. 1. c., 39 — bie Wendung: quer
moniis . . . miserti sumus. Mit den Gurmmunitätzbeftätigum, en Hornbach
buch Otto I. und Otto III. St. 182 unb 1285, berührt fich St. 2752 nicht. B
ſonders ift hier der Ausdrud über bes Königs Vogtei — vergl. Waitz. Deutic
Bert.:Geih., VIL, 339 u. 340 — beflimmt betont: ut nullus . ... venire pr
sumat praeter eum, qui in nostro sanguine senior nobis superstes ex’
tarit advocatum, quia nobis viventibus alium preter nos non conc
imus.
3) Gegen St. 2753 u. 2754 liegt — vergl. fider, 1. c. — daB gleiche 2
denten, wie gegen St. 2752, vor, abgefehen von ben weiteren dem Inhalte b
garen Wahrzeichen ber Unechtheit (uerat- n. 4). Doch ſchließt Kilian, Itine;
aifer Heinrich's IV., 56, wohl richtig darauf, baß das Datum von St. 27
— 9. Januar — fehr gut zum Umitanbe paht, dak der König vaich nach i
— tommen wollte, ſodaß dieſes deßzwegen auf ein echtes Stück zuri
gehen mag.
Hoigaltung in Regensburg. Königl. Einwilligung z. Gründung d. Bisth. Gurt. 119
wohin die neue Kirche verlegt werden follte. Das mar ber Ort
Gurk in Kärnten, im Thale des gleihnamigen Fluſſes im füböft-
lien allerdings duch die höchſten Erhebungen der Alpentette hier
von dem Sige des Erzbijchofs abgetrennten Theile des Sprengel3.
Ta follte die St. Marien-Kirche, wo früher eine Vereinigung von
Nonnen war, zur bifhöflichen Kathedrale erhoben und diefer nebit
einem Abſchnitte des Erzſprengels eine mit Gebehard's Gutdünken
ũbereinſtimmende Ausſtattung von Gütern und Zehnten zugewieſen
werben *).
Allerdings bewies Gebehard in diefer Art und Weife der Durch⸗
führung der Geftattung Alerander’3 II. eine äußerft geringe Scho-
nung beſtimmt feftgeftellter, erft vor nicht langer Zeit durch feinen
unmittelbaren Dorgänger, Erzbifhof Balduin, feierlich übernommener
Zerpflihtungen. Die Wittwe des Grafen Wilhelm I. von Frieſach,
Emma, dee weil fie nicht nur ihren Gemahl, jondern auch ihre
Söhne überlebt hatte, mit dem fehr reichen Eigengute, theils eigenem
Erbe, theil3 Hinterlaffenfhaft ihres Gemahl3, im Thale der Gurk
und in weiterem Umkreiſe, fübwärt3 an der Drau, ja bis zur Sann
und Save, legtwillig die Kirche bejchenft, und zwar in Geftalt ber
Errichtung eines Frauenklofters zu Gurk, das fie 1042 ſchuf und
defien Ausftattung durch fie noch in zwei weiteren Schenfungs-
urfunden bis zu ihrem 1045 eingetretenen Tode vermehrt wurde.
Die ganze Stiftung war von ihr legtwillig unter den Schuß des
Erzbiſchofs Balduin geftellt worden. Auch unter Gebehard hatte
der Beftand des Kloſters fortgebauert; denn Heinrich IV. hatte noch
1066 der Aebtiffin Heinzila eine Schenkung zugemwiefen. Sept aber
beftand das Frauenkloſter nicht mehr, als die bifhöfliche Kirche ein-
+) Die 3b. I, ©. 183 n. 29, erwähnte Vita s. Gebehardi archiepi-
scopi zeit in c.5 an einander J. 4673 und St. 2755 (SS. XI, 37 u. D
beit die Motivirung: quia erelesia tun tam ample diffuse est, hier: quad
episcopatum suum in montanis situm pre nimina parrochiae ’amplitudine
et viaram difficultate per se solum regere non sufficeret (sc. habe
tb, de commissarum sibi animarum perieulis dolens, gellagt); be-
mertenäwerth iſt in dem fonft gan übereinftimmenden Safe über die Belegung
bes Bitgflichen Stuhles allein durch die Srasitenfe daß die Worte des Papftes:
ut dici assolet nad} per investituram bei dem Könige fehlen. St. 2755 bezeid):
met Die ecclesia sanctae Muriae näher burd) den Sa: ubi prius erat congre-
itio sanctimonialium. Die fon, in. n. 3 erwähnten uͤnechten Urkunden
t. 2753 u. 2754 dagegen, mit einlälichen Ausführungen betreffend die Stellung
von Propft und Domcapitel, beſonders auch wegen bes Rechtes auf Erzbergwerle
und Salzgeminnung, dann mit Aufzählung der Schenkungen der Gräfin Emma,
find Fall jungen bes 12. Yahrhunderts, gefhrieben zur Unterftügung ber Ber
wüßungen bed Gurter Domcapitels, fich von der engen Verbindung mit dem Salz -
aud die Urkunde vom 6. Mai, welche von ber
t, ift wahrſcheinlich gefäljcht (bei Eichhorn, Bey.
Topographie des ‚Sersogthumd Kärnten, I, 111
e längere Abhandlung über Klofter und Bisthum
chen« unb veicherechtliche Verhältniffe des faly-
Surf (Krems, 1872), wo 60ff. ein Ercurs über bie
„ fowie Mayer, Die öftlichen Alpenländer im In⸗
1, ber mit Recht, 40 m. 1 u. 2, gm Hiem’s
mnentlofter noch weiter beftanben hätte, auftritt.
120 1072.
gerigtet wurde. Ganz abgefehen von den ausbrüdli—hen Worten
er königlichen urkundlichen Erklärung iſt es auch anderweitig be-
t, daß das klöſterliche Leben beſeitigt und bie Ausſtattung der
irchlichen Gründung der Gräfin Emma, für welche dieſe jo großen
Eifer bewiefen hatte, durch Gebehard zur Errichtung feines Bis-
thums herangezogen worden war). Doch auch gegenüber dieſer
von ihm erh geſchaffenen neuen Ordnung ber Dinge zu Gurk zeigte
fi der Erzbifchof keineswegs fehr freigebig; denn ber neu beitellte
Biſchof Gunther mußte fih an Papit Gregor VIL wenden, um
endlich zu einer angemefjeneren Vermögenzftellung für fein Bisthum
zu fommen®).
Aber eben während dieſes Aufenthaltes in Regensburg wird
fi Heinrich IV. auch der ungarifchen Angelegenheiten Angenommen
haben. Zwar liegt über dieſe Beichäftigung mit ber Sade des
Königs Salomon nur eine kurze, zeitlich nicht einmal mit völliger
Sicherheit Hieher zu rechnende Andeutung vor; dennod) ift es durch
aus wahrſcheinlich, daß eben jet, kurz nad) der gelungenen Ein
ſchüchterung des Herzogs Boleflav von Polen, aud) deſſen Freunt
Herzog Geila, von weitergehenden Abfichten gegen Salomon’3 Sicher
heit zurüdgebradht wurde. Denn es heißt da, baß die Ungarn ir
folge einer durch Heinrich IV., den Schwager des Königs, ihn
zu Theil gewordenen Zurückſchreckung von einer zum Stur
Salomon's beabfihtigten Erhebung abließen?). Allein die Gefa
war damit nur verfchoben, nicht befeitigt.
®) Dust. über die Gräfin Emma und ihre Stiftungen Hirſch. Heinrich
1, 161—166, wo aber von ben verſchiedenen Fagchungen noch reichlicher Gebra
a if, fowie Brehlau, Konrab I., IL, 159 u. 160, ferner eben Hirn, 1
ſowie Mayer, 1. c., 36 u. 37. Wegen Heinrid's IV. St. 2698 vergl. Bb
©. 525, mit n. 59. Das zweite Zeuanig für die Aufhebung des Nonnentlo!
bietet die Vita Chunradi archiep. Salisburg., c. 4: Hemma abbatiam mo
lium construxerat: quibus ut dicitur post aliqua tempora propter vita
ordinis laris sterilitatem et ex ordinatione deletis canonici successe
(88. Le.
®) Ueber die Einjegung des episcopus Guntherius, in Gegenwart ober
gunimmung von Bilchöfen, 2. Non. Mai, durch Gebehard, vergl. eine eingehe
ingabe in der früheren Vita Gebehardi, c. 2 (l. c., 26), fürzere überall mi
führung dieſes Tages in dem S. Rudberti Salisburg. annal. brev. un!
Anaal. s. Rudberti Salisburg., fowie den Annal. Admunt. und dem Aı
Garstense ‘SS. IX, 758, 773, 576, 568); ganz kurz erwähnt das Chron.
sense, c. 1(8S. XXIII, 8), biejen erften Biſchof. Öregor’3 VL. Ermahnung, Rı
UL, 77, J. 4960, ift vom 17. Juni 1075 und verhehlt nicht den Tadel geg
Gebeharb: Sed his diebus ad nos perlatum est ..., quod nos vehemente
tristavit et laetitine priori quasi quasdam meroris nebulas offud
Comperimus enim te, episcopo .... in parte procurationis tuae com
illum quidem in societatem laboris misisse, sed tibi fructum laboris,
decimas, retinuisse. Quod si verum est, graviter dolemus
Biblioth., II, 201 u. 202). J
?) Bergl. ſchon ob. ©. 73 u. 86. Die Stelle in Sigeb. Chron., €
Yautet: Ungari contra Salomonem regem suum rebellionem meditantı
terrore Heinriei imperatoris, cuius soror nupserat Salomoni, refr
(SS. VI, 362) Giefebreit, 1, 170 (wozu in den „Anmertungen“, 112
ie Notiz wohl richtig in dieſe etwas fpätere Zeit hinüber (dag, wie Rad
Ungarn und das beutfche Reich unter Heinrich IV., 9, jagt, Gielebrech
47
Vinjchũchterung d. Ungarn v. Regensburg aus. Hofaufenthalt 3. Goslar. 121
Bon Baiern kehrte der Hof noch im Laufe des Februar nad
Sachſen zurüd, wo der König die ganze Faltenzeit in Goslar zu«
bradhte®). Mit Heinrih IV. war auch Erzbiſchof Adalbert wieder
nad dem fähfiihen Lande gekommen, doch ſchon ſchwer krank; er
hatte fi) in einer Sänfte, um dem Könige folgen zu können, vom
Rheine zur Donau und zuie nad Sadjen tragen Laffen?), trotz
feines Zuftandes der Unbill der Jahreszeit trogend. Allein jetzi
tüdte während dieſes Aufenthaltes zu Goslar, fihtbar für Ale, die
der rechten Sachlage nicht die Augen verfchloffen, nur von dem
Leidenden felbft noch immer nicht genügend erkannt, ber yeigtuß
ie m einer gefteigerten Unruhe erfüllten und gequälten Lebens
ra N.
Adalbert, welcher jegt etwa ſechszig Jahre zählen mochte, war
ſchon drei Jahre früher körperlich im höchſten Grade angegriffen
geweſen, vielleicht im Zufammenhang mit einem ſchweren Sturze
vom Pferde, den er zur gleihen Zeit, als er an den Hof ſich begab,
erlitten hatte. Indem er damals mit Hülfe feiner Werzte jeine
undheit wieber zu erringen fuchte, war er vielmehr infolge der
vielfachen verfuchten Heilmittel in noch größere Schwäche gefunfen,
jo daß der halb todt liegende Kranke ſchon ganz aufgegeben worden
war. Da — fo erzählt Adam, ber Domfboleper zu Bremen —
wurde ber Erbifcof von tieffter Neue ergriffen, und in bitterer
Selbftanklage gelobte er Gott in Thränen die Beflerung feines
Lebens: — ſei die Geneſung ſofort eingetreten, und noch Vieles
babe der Hergeſtellte erfüllen können 2°).
Jetzt aber geftaltete fi) der Zuftand Adalbert’3, wohl fobald
er Goslar!!) erreicht hatte, vajch ſehr ſchlimm. Schon in den erften
ich IV. „ein . ibe, ift nicht zutı d). Di
Ba Bd Tape TR Beate
&ventin’s, Annales, Lib. V,c. 12: Ügris, qui Solomonem regem exegerant,
Bellum indicit Se year, Solomonem maritum ‚sororis suae profogum in
jucii , superiorem i Solo-
most restitait (Simmil, Werte, Ki, 108) Hingeimielen. werten. O6 Die gang all-
im gehaltene, an ben Anfang von 1072 geftellte Radsricht ber Compil. Sanblas.:
ker . pene sn dificnliaie belloram sibi ebellant supe: EOS. V,275)
h ii u , glei lichen — vergl.
— —
®) Zambert: Inde (sc. von Worms) peragrata aliquanta regni parte, Gos-
lariam regressus, totam ibidem qusdragesimam (der Aſchermittwoch fiel auf
ben 2 Beun) eregit (SS. V, 189). . J R
») Adam, Lib. IH, c. 60, fährt in der ob. ©. 89 in n. 91 mitgetheilten
Stelle fort: (archiepiscopus) a Rheno ad Danubium, indeque in Saxoniam
cum rege portaine in lectica (SS. VII, 860).
0) Adam fpricht von biefer Krankheit, welche etiva zum Jahre 1069 anzu ·
pen ift, in c. 62 (861), und Die Worte: statim convaluit, totumque super-
vivens triennium, multa complevit — weiſen neben ber in ben Zert hier ge
machten Einfdiebung: Quo etiam tempore ad curiam tendens gravi casu de
equo Ispeus est — in die Zeit, wo nad ®b. I, ©. 629 u. 630, der Sreilset
werft wieder an ben Hof kam. ae Adalbert 1072 etwa ſechszig Jahre alt war,
vergl. Grünhagen, Adalbert, Erzbiſchof von Hamburg, 49 n. 2. F
2) Ben 18 nach Adam, c. 27, Hatte Adalbert in Goslar von Heinrich III.
Ye!" Dielen gefiieien Aune congregationes eine erhalten: unam ex
122 1072.
Tagen des März wollten ihm die Aerzte Arzneien und Ab
verordnen; dod er meigerte fih, zu gehorchen. So warf it
äußerft heftiger Anfall der Ruhr darnieder, der ihn bis a
Knochen abmagern ließ. Aber er unterbrach) feinen Augenbl
fortgejegte Arbeit an den Staatsgeſchäften. Noch am elften
der Krankheit ſoll er fi nicht als eigentlich bettlägerig b
haben; feine Seelenftärfe ließ ihn fein Wort des Schmerzes ä
und alle Unterftügung wies er troß feiner Schwäche von ſich
ihn Erzbischof Werner von Magdeburg und andere geiftliche 2
die am Hofe weilten, aufſuchen wollten, ließ er fie nicht eir
unter dem Vormande, die Unreinigkeit feiner Krankheit ſchl
aus, daß er von einem Menfchen gefehen werde. Ein Heinri
welchen der Kranke jo ſehr und bis zum Tode liebte, erhic
tritt; indem der Erzbiſchof dem Könige feine Treue und
langen Dienft an das ge legte, empfahl er ihm unter
Seufzern feine Kirche und deren Güter'*). Denn inzwifche
Adalbert doch aus der Abnahme feiner Kräfte jelbft zu e
angefangen, daß fein Ende nahe bevorftehe. Freilich wagten
Aerzte nicht, die Wahrheit auszufprechen, und ein falfcher
beftärkte geradezu ben noch ebenjo fehr von Lebenshoffnun
von Todesfurcht erfüllten Leidenden in ber trügerifchen Ver!
eines längeren Lebens: „Ungewiß und feiner felbft vergefjen
weife Mann da" — jagt Adam in jener ihm eigenthü
Miſchung ber Gefühle gegenüber dem Erzbiſchofe ie). So fan
dem die Krankheit vierzehn Tage gedauert hatte, am Freit
16. März, um die Mittagszeit, die legte Stunde heran.
iheint glaubwürdig, daß der Kranke, in feiner Selbittä:
nicht widerſprach, als feine Leute fih zur Mahlzeit vom Laı
megbegaben. Verlafien lag er alfo allein im Todeskampfe,
gab feinen Geift auf, ohne ber legten Tröftungen der Kird
Daftig geworden zu fein’). Der Nachlaß des Geftorbenen,
his nostro donans regendam tenendamque pontifiei (316). Das n
in 8b. I, ©. 265(mit n. 51), erwähnte Gt. Petera-Stift geweien fein,
ſchon 1064 (1. c., ©. 388) an Biſchof Hezilo von gib jeim übergü
ber Stelle in n. 14 ftarb übrigens Adalbert in ber königlichen Biala,
9) In c. 63 ift ausführlich von biefem Eintritt und Verlauf d
heit — gravissimo dissintheriae morbo correptus et usque ad ossa te.
die Rede: quatuordeeim dies ante obitum — alfo 2. März —
positus —, fowie von ben usque ad extremam exitus horam betriı
publicae negotia (361), In c. 68 folgt noch: Ferunt eum ante «
iiem vix tercium decubuisse, quod a lecto surgere nequiverit (3€
’2) Adam vedet Hiervon in dem von tiefem Schmerze erfüllten
welges verfhiebene Sprüche eingefreut find, aus denen bed Schrei'
billigung gegenüber bem umfonft zur Wachſanikeit ermahnten Sterbendi
wirb (361 u. 362).
1) In ausführlicher chronologiſcher Angabe fixiren c. 64: d
sanctae feriae, suis ad epulas sedentibus — und c. 66: . . 17.
Aprilis ... (361, 362 u. 363) den Todeötag; daneben fällt Samber
Angabe: 16. Kal. April. (l. e.), nidt in Betracht (fonft führen noch d
Sanblas. und Annal. Rosenfeld. mit nur ganz dürren Worten da;
Erzbiſchof Adalbert’3 legte Krankheit u. Tod; Beftattung in Bremen. 123
den Behältniffen zu Goslar gefunden wurde, war ganz gering.
Reben Büchern und Reliquien von Heiligen und ‚geittlihen Gewändern
war faft nicht3 vorhanden. Dieſes aber, nebit den Urkunden ber
Kirche und einer befonders werthvollen Reliquie, welche Adalbert
einmal aus Italien mitgebracht hatte, nahm Heinrich IV. an fi").
Von Goslar wurde die Leiche Adalbert's nad Bremen geführt
und bier am 25. Mir inmitten be3 Chores der St. Petrus ge
weihten Domkirhe, welche unter Adalbert aus ber Aſche neu er-
ftanden war, beftattet. Zwar hätte der Erzb "ber in Hamburg
feine Begräbnißftätte gewählt — er ſoll häu er gebeten haben,
daß er in biefer eigentlichen Mutterkirche be werbe —; aber
es geſchah wahrſcheinlich im Hinblid auf bi r unfihere Lage
des feindlichen Angriffen ausgejegten Plages ievon abgewichen
wurde. Wie der Leihenzug durch das_fä Land unter Be:
jeugung des Erftaunens und der Betroffen, Gemüther über
raſch erfolgten Tod Adalbert’3 geichehen war, fo vollzog ſich
das Begräbniß unter der des Ereigniſſes würdigen Theilnahme der
Volfsmenge!*). j
Der Tod Abalbert’3 hatte nicht mehr diejenige Bedeutung für
den König, wie das ber Fall geweſen wäre, wenn derſelbe vielleicht
ein halbe3 Dutzend Jahre vorher eingetreten wäre. Denn Heinrich IV.
war jegt ſchon feiner Ziele vollfommen jelbft bewußt; die ftürmifche
Art, wie der Erzbifhof feine Ergebenheit barlegte, defjen nicht
feltenes Drängen, wenn es ſich um das Beſte der Hamburger Kirche
handelte, waren möglicherweije dem König zeitweife eher unbequem,
und ber befte Zeuge über diefe Dinge, Meifter Adam, deutet an,
bes Todes an, l.c.u. SS. XVI, 100) Daß Abalbert ohne letzte geiftliche
Zröftung farb, fagt fon c. 63: heu suae prorsus adhuc immemor salutis,
fowie bie in c. 64 eingefdjobene sentencia cuiusdam sunete: jam sine peni-
tentia cogitur exire peccator (361, 362). Eine abweichende Mittheilung: cum
ita solus jacuisset, psucos interfuisse arbitros, in quorum praesentia . . .
it penitentiam, in c. 64 (362), fleht hinter ber anderen fo ausbrüdfichen
Kasriht, qui; dein in c. 65 folgt modmals: Nempe solus jaces in alto
palatio, derelictus ab omnibus tuis (362).
5) In c. 66: bieje Reliquie war die manus sancti Jacobi apostoli;
bemertenöwerth ift, bat augenſcheinlich Adalbert die praecepta ecclesise, b. h.
bie Urkunden feiner Kirche, mit fich führte (363).
16) Sn c. 67 ift bie annuntiatio sanctae Marine als Tag der magno
stupore totius regni vollzogenen Beftattung genannt; die nova quam ipse con-
straxit, basilica (im Chron. (ozecense, Lib. I, c. 12, ift bagegen das Grab
in medio criptae beatae Dei genetrieis angefeßt: SS. X, 145) if die Dom:
fire, beven mit Ungeftüm anno ordinationis suae primo — nad bem Brand»
ungläd und dem Anfang der Reubaute unter dem Vorgänger Becelin (Lib. II,
ee. 77 u. 73) burch Abalbert an bie Hand genommene Weiterführung. deren
@ortfehritt — Anno tandem septimo incepti operis moles a fronte
levata est (etc.) — und faft völliges Stilleftehen -— mansit opus imperfectum
sd annum pontificii 24. — cc. 3 u. 4 (vergl. c. 29) geichildert hatten (336 u.
37. Hamburg in in den Worten erwähnt: cum tamen affırment illum aaepe
antea , ut sepeliretur in urbe metropoli Hammaburg (363). Aud
Lambert Peyeugi: Corpus eius ex Goslarin in sedem episcopntus sui delatum
atque sepultum est (l. c.).
124 1072.
daß Adalbert mit gewiſſen Lieblingsgedanken wahrſcheinli—
längerem Leben einer Enttäuſchung auögefegt geweſen wi
Dehen ungeachtet wird ſich Heinrid IV. jelbft offen gejagt
daß er in Adalbert einen feiner treueften und hingebendſten
verlor. Es ift ja auch faum daran zu zweifeln, daß ber Erz
durch die Mühjfeligfeiten der legten winterlichen Reife feine
beſchleunigt hatte.
Meifter Adam hat gewiß mit Recht immer wieder un!
Eigenſchaften Adalbert’s, melde des rühmenden Gedächtniſſet
feien, eben dieſe rüdfichtslofe Opferfreubigfeit für das Rei
den König hervorgehoben. Schon Kaifer Geinrich II. hatt
Tannt, daß er in dem Erzbifhofe, deſſen unermübliche Au
in Kriegäzügen und Verwaltungsgefchäften, er bewunbernd
einen in allen öffentlichen Dingen vorzüglich befähigten Ro
zur Seite habe. Das war die Zeit, für die Adam noch
laubte fefthalten zu dürfen, Adalbert habe, obſchon doch
io viele hervorragende Männer in der Kirche glänzten, i
Weisheit und an Tugenden beinahe ſämmtlich überragt, fo
dem Kaifer, aber aud dem Papfte unentbehrlich war, jo
niebergeworfenen Gegner Heinrich's III. geradezu fi rühm
jeien nur durch feine Klugheit zu beugen geweſen; auch bie
Völker — jo rühmte Adam — feien nad; Adalbert’3 geſchickten
ſchlage behandelt worden, und fogar Kaifer Conftantin IX.
machos und König Heinrich von Frankreich hätten in eigenen
dem Erzbiſchof wegen der dur ihn glüdlid geführten
eihäfte ihre Glüdwünfhe ausgeſprochen. Aber vollends
Geinrigys . Tode gegen den jungen König und befien
ala Herrſcher zu Tage getretenen Anfehtungen waren geei
weſen, in Adalbert den Wunſch, demfelben feine volle
widmen, erft recht zu erweden: bis zum Tode wollte eı
Heinrich's IV. Regierungszeit ihm, dem Sohne feines Kaife
Treue und Liebe erweifen. Wenn er etwa hervorhob, da!
zwei Herren fenne und achte, melden beiven alle weltli
kirchlichen Mächte unterworfen jeien, den Papft und den $
machte er bdiefes auch in der That zur Wahrheit, fo |
Drohung oder Verleitung eines Fürften ihn je in feiner zuvı
Gefinnung unfiher machte, daß er nie aud nur mit eine:
an einem Einverftänbniffe gegen den Thron betheiligt war.
handelte er dabei nicht ganz ohne Hintergedanfen, aber doc
ftet3 biefelben fi} ganz voran auf das Beſte feiner K
zogen. Wenn er dem Könige, dem Hofe, den da in Einflı
den Leuten fi näherte, wenn er ein Gewicht darauf legt
Männer, welche fi) in der Gunft des Königs und bes ı
wegten, jeine3 befonderen Umganges zu würdigen, ja wenı
deren Fürfpradhe, mochten es aud) zuweilen nicht gerade fit:
) Bergl. ob. ©. 91, mit n. 96.
Abalbert’3 Beurtheilung duch Meifter Adam von Bremen. 125
ſtehende Menſchen fein, ſich ſelbſt einen anfehnlihen, jogar den
erften Rang am Hofe FF erringen beftrebt war, jo geſchah das doch
lets, weil Adalbert ſich fo in den Stand geſetzt zu fehen meinte,
für feine geliebte Kirche recht nachdrückliche Förderung zu erzielen.
Allerdings verhehlt der Geſchichtsſchreiber der Hamburger Kirche
nicht, daß diefe Dinge auch ihre ſehr bedenkliche Kehrjeite für den
Erzbifhof und noch mehr für dieſe Kirche jelbft hatten. Er be-
klagt an mehreren Stellen die eigentliche Leidenschaft, welche Adal-
bert erfüllte, jo daß er, auch nad) ſehr ſchlimmen Erfahrungen, ftets
wieder nad) dem Hofe ftrebte, feine Kirche darüber vergaß und ver-
nadläffigte, ja geradezu ſchädigte. Was halfen die vielen Schen-
tungen, die er durch de3 Königs Dank und Gunft für Hamburg
gewonnen hatte, wenn Adalbert um biejes Hofes willen, ben er
nicht miſſen fonnte — Adam redet einmal vom „unfeligen Hofe” —,
fi) feinen wahren Aufgaben entzog und dann zu Bremen hinter
feinem Rüden Alles ftet3 mehr aus Rand und Band ging. Be—
ſonders an einer Stelle, wo auch die früheren und fpäteren Jahre
Adalbert’3 mit einander nach biefer Erwägung bin verglichen werben,
tritt Adam in eigenthümliher Beurtheilung auf Dice Fragen ein,
Er hat da von großen Männern geſprochen, welche das Getümmel
der Höfe flohen und in ruhiger Zurüd, — eit als Weiſe ihr
Leben führten, und fährt dann fort: une rzbiſchof aber lief auf
der entgegengejegten Bahn, indem er es für_die Pflicht eines weifen
Mannes erahtete, daß derfelbe für das Heil feiner Kirche nicht
allein die Anftrengungen des Hofes über fi) nehme, jondern au,
wenn die Nothwenbigfeit ſich ergeben jollte, Gefahren und Tod zu
erleiden nicht anftehe. Und fo beſuchte er, wenn ich mich nicht
täufhe, in feiner erften Zeit zur Erhöhung feiner Kirche den Hof
de3 Königs; gegen das Ende jedoch, als das, was er gehabt, ver-
Ioren ober verfihleubert war, arbeitete er vielmehr für die Be—
freiung feines Bisthums. Hiebei jedoch trieb ihn zu dieſen An-
Ärengungen ebenfo fehr die Nothlage feiner Kirche, wie zu jenem frü-
beren Ringen das Streben nah Ruhm ihn beftimmt hat; denn bie
Kirche ift durd den Neid der Herzoge dieſes Landes immer an-
gefochten gemeien, jegt vollends noch bis auf ein Nichts herab-
gebradht“ 18).
38) ueber dieſe Beziehungen zum Hofe unter Heinrich III. ſteht in c. 5:
totas confugit ad auxilium palatli, nec pepereit sibi ac suis aut ‚pe epis-
copatui, caesarem placando et aulicos, dummodo id efficeret, quod ecolesia
eset libera .. . ut infatigabilem eius viri constanciam miratus caesar
(se. ich III.) ad omnia publicae rei consilia virum habere maluerit vel
primam (337). Wieder in cc. 30 u. 31 find Abalbert’ große Heinrich III.
geleiftete Dienfte ausgemalt, mit Erwähnung ber mit den zwei ausmärtigen
ewechſelten Briefe, von denen bie Antwort Adalberi's an ben Kaiſer
don feinem Hodfliegenden Stolze ein Zeugniß ablegt: jactavit se inter
ia dı jere & Graworum prosapin ‚Theophanı — foren Ottone sui
generis auetoribus (347). Gtellen über das Der! tniß zu Heinrich IV. fliehen: —
er die Icpom in ®b. I, ©. 648, ——— orte und: Bremensis..
126 1072.
Aber eben diefe letzte Andeutung, die Klage über die ſchwete
Söäbigung der Kirche Adalbert’3, führt auf einen weiteren Geſichts⸗
punkt, welcher zu ber Beurtheilung Adalbert's unabweisher ge
hört, wie ihn denn ja aud Adam genügend in das Licht jekt.
Theils die heftige gemüthliche Erregung des Erzbifhofs, theils die
klaͤgliche Zerrüttung des Kirchenvermögens gehen auf den Gegenſah
yeiiden ihm und den Billingern zurüd. Wie derfelbe ein Hauptitüd
er Geſchichte der Regierung des Erzbiſchofs überhaupt bildet, jo fommt
auch Adam immer wieder auf diefe fteten Feinde, auf bie „Der
müfter” der Kirche, die Verfolger der Vorfteher derfelben in Klager
und Vorwürfen zurüd: Adalbert foll fogar, nad) einem angeführten
Ausſpruche, ein martervolleg Ende erwartet haben. Ar auch i
Zeiten, wo Beſuche zwiſchen den Gliedern des Herzogshauſes un
dem erzbiſchöflichen —7 in Bremen getauſcht wurden, die B
iehungen unerquicklich ſich geſtalteten, zeigt die Erzählung von ein
inweſenheit des Magnus an einem Weihnachtsfefte am Hofe Adı
bert’3. Da fingen die Gäfte nach Vollendung des Mahles nı
pronior fuit ad miserieordiam, regique domno suo fidem docuit servane
esse usque ad mortem, beſonders aber in c. 89 das 1. c., ©. 424 n. 59 (
die ſchon ©. 423 in den Text aufgenommene Stelle) Mitgetheilte, in c. 63
foeben & 122 benußte Gab: regi. . quem dilexit eo modo et usque in fin
fowie aud) noch Appendix, wo neben: gloriatus, se duos tantum ha
dominos, hoc est papam et regem, quorum doıninio jure subjaceant oı
seculi et ecelesiae potestates: illos nimirum sibi esse timori ac hono
Majestatem vero imperatoriam quanti faceret, episeopatus eins testis
ideo vel maxime destructus, quod a fidelitate regis nec minis nec bl
mentis prineipum reseindi potuit .. . (conspirationibus) ipse tamen n
verbo communieare um« voluit (348, 351, 361, 86° Freilic)
Adam, App., glei nachher fort: Pro cuius fidei merito.. dono eiı
regis) multa 'bona Iucrabatur Bremensi eccleiae (367), unb auch Tonft
er Aehnliches an. So heißt e3 in c. 35, daß Adalbert Geld, welches
pfangen habe a suis sive ab amicis, porro scu ab his qui frequen
palatium, vel qui Tepine majestati obnoxil fuerant, an theilweife völlig Uni
—*— n. 47) austheilte: seilicet non sapienter aestimans, talium persc
favoribus se effecturum, ut vel solus placeret in curia vel major
fieret prae omnibus, et eo modo perfici posse, quod in animo hal
provectu ecelesiae suae (349). Eine andere üble Folge rügt c. 37 in t
Bd. I, ©. 387 n. 40, mitgetheilten Stelle — asntig don in c. 2:
tanda ecclesia sus guosdam studuit obsequiis placare, sicut reges e
‚consilio proximos (836) —, und fo ſchien doch nicht immer ganz zuzutref
Adalbert ala Selbftzeugniß in c. 39 zugeicrieben wirb: regi, quem solt
zu jur non pro suo commodo tueri videretur (351. Indeſſen fi
Adalbert ſtets die eigene Kirche voran, obſchon Adam auch um bDielex t
Anmeienheiten am Hofe bettant, fo in e. 46 in der Stelle von Bb. I
n. 59, oder gar in c. 54: Fel inquam, si domesticis ecelesiae boı
que parentum contentus divitiis, infelicem curiam aut nunquam
aut raro visitasset. Et de aliis quidem viris magnis legitur, quod
mundi contempnentes, aulam Fegiam, veluti secundam olat
fugerint (ete.) — mit ber oben im erte eingeihobenen torte
Adalbert (357). Aehnlich heißt es auch in c. 56: Ita intento aı
jastore nostro, sanctissimi vicarii eius dominicum ovile vastant
luporum in episcopio grassati sunt, ibi solummodo parcentes, ı
invenerunt, quod posset auferri (358).
Adalbert's Beurtheilung durch Meifter Adam von Bremen. 127
ihrer Gewohnheit zu lärmen an, unb ala Adalbert, darüber un-
gehalten, die Weifung gegeben hatte, einen geiftlichen Geſang und
ana) einen zweiten anzuftimmen, das Gebrüll über ven Bechern
aber befien ungeachtet immer ärger geworben war, hob er voll
Zornes bie Tafel auf, mit ben Worten: „Wende, Herr, unfere
Gefangenschaft“, worauf der Chor ihm mit dem Pfalmmort ant-
wortete: „So wie das Waſſer beim Sübwind”. Dann ging er mit
den Geiftlihen in den Betjaal, ſchloß fi bier ein- und jammerte
bitterlich, daß er nicht aufhören könne, zu ‘meinen, ehe der gerechte
Richter feine von den Wölfen elendiglich iffene Kirche befreit
haben werde. Aus folden aud font und immer wieder vor-
gebrachten Klagen wuchien fogar, wie Adam erwähnt, bejondere
geiftliche Lieder heraus, welche Adalbert verordnete, um buch deren
Abfingung an den Feinden feiner Kirche Rache zu nehmen '°).
Ueberhaupt zeigt fi in der ganzen Würdigung Adalbert’3
durch Adam, daß Hieler Beobachter der Thaten bes Erzbiſchofs, wie er
ja felbft beftimmt einräumt, erft in deſſen Iegter Zeit nach Bremen
jefommen war?‘). Er fannte, wenn er au noch während einer
Seit ungefähr eines halben Jahrzehnts vielfach in täglichem Verkehr
mit dem Erzbiſchofe ftand und ihn beobachtete, frühere glüdlichere
Jahre desſelben nur aus arittgerlungen Anderer, und er, ber Neu-
ung auf dem ihm bisher fremden Boden, fah jegt einzig in die
ſchlimme Geftalt der Dinge hinein. Er hatte eine hohe Vorftellun
von ber Bedeutung des Erzbifhofs und wußte, daß biefer —
Liebe für Sn te; aber er konnte fich die Augen nicht gegenüber
einer ganzen Reihe arger Uebelftände verſchließen, welde — er will
von vorne herein no nicht den Tadlern fi beigefelen — dem
Erzbifchofe jelbft zur Schuld gelegt wurden. So erklärt fi die
ſehr bemerkenswerihe Art und Weiſe der Beleuchtung der Eigen-
ſchaften, des fittlihen Werthes des Erzbiſchofs, der thatfählichen
Bedeutung ber Regierungsmeife besfelben. Adam ringt gemifler-
maßen mit fi ſelbſt. Nur mit Widerftreben gefteht er ſich die
19) Solche Stellen über die Beziehungen zu ben Billingern ſtehen in c. 2
(vergl. Wb. I, ©. 422 n. 55), c. 5 (vergl. 1. c., fowwie Gteindorff, Heinrich LIL.,
L, n. 3, woran fi) ſchließt bie Stelle von n. 2 von 284), c. . (vergl.
befonder® ®b. I, ©. 158 u. 159, mit n. 77, 160 n. 79), c. 47 (I. c., ©. 514
m. 515). Die in c. 54_0. G. fiehende, auf baß hier, ©. 125, in ben Zegt ger
Kellte Stũck folgende Stelle geht jebenfalld wieder voran auf bie Billinger:
calamitatem sui temporis ipse miserabiliter quotidie depl it,
spetiales ad hoc psalmos habens constitutos, quibus in hostes ecelesiae
uleisei, fowie ganz ohne Frage in dem dazu gehörigen Schol. 88 die
über bie persecutio ducum et malitia pamrochianorum gegenüber feinen
Borgängern, mit dem Worte Adalbert's: nec_diffido, me quoque pro veritate
ab eisdem martyrio coronandum esse (357). In c. 68 eingeihoben ift bie
bier im Zexte erwähnte Geichichte vom Zufammentreffen mit Magnus, welchen
Adam nicht richtig Icon ala dux bezeichnet, ala einem der vastatores ecclesiae,
erzählt, nad welcher Idam den Erzbiſchof ein langes lamentum mit verſchiedenen
äingeftreuten bibliſchen Sprüchen vorbringen läßt (364).
>) Bergl. Bd. 1, ©. 406 (n. 23).
128 1072.
großen Fehler des anderntheild von ihm bewunderten und :
mitleideten Mannes ein; aber indem er fie aufzählt und oft
genug rügt, will er wieder erflären, wie das fo gekommen |
fo bietet er felbft andererjeit8 den Stoff zur Geftaltung ein
deren Urtheiles. Eben biefer Kampf, in welchem ber Gel
ſchreiber mit fi lag, mag es auch erflärlich machen, dak |
Inbe in feinem Adalbert's Geſchichte gemwidmeten Bude in
bbſchnitten mehrfach wiederholte ?*).
Zunächſt zählt Adam am Anfang diefes feines dritten
die Fülle unzweifelhaft guter Seiten des Weſens bes Kirche
auf. Adalbert war ein Mann ebelfter Geburt, ſchön feiner
Erſcheinung nah, keuſch und mäßig, ehr flug in geiftlid
weltlichen Dingen; ein jcharfer Geift und vielfache Befähi
ein ganz berühmtes Gebächtniß, gejchaffen zur Fefthaltung :
neuen Dermertung von Vernommenem ober Erlerntem, ei
zügliche Berebtjamkeit zeichneten ihn aus?). Aber fon c
diejem felben Zufammenhang führt der Gebanfengang den Ge
fchreiber auf meitere Sigentöaften, mo er nicht überall ir
Umfange jen Lob fpenden zu können glaubt.
Adalbert war ohne alle Frage äußerſt freigebig. Wäl
*1) $jn ber Prefatio von Lib. I nennt ſich Adam proselitus et
und Lib. III, c. 1, fagt er: diffieile est omnes viri actus aut |
leniter aut in ordinem posse diffiniri a me (283, 335) Bon ben ze
Beyiefungen fpricgt er in ec. 2: Nobis, qui cum eo viximus cotidi
viri conversationem inspeximus, notum est, in c. 64: de tanto
et me dilexit, et tam clarus in vita sua fuit (836, 362). Aber
{hiebene Urtheile fönnen fattfinden: Quae oınnia melius in ipso
textu ‚Eandent, ut videant sapientes, quam coacte et non temeı
probabili ratione fecerit aliqus, in quibus desipuisse vel insaniss-
a non intelligentibus (c. 2 a. &.: 336). Wbam fühlte jelbft am ı
2ud III, in c. 70, daß er nicht Leicht gearbeitet habe: tam divers
diversam hystoriam diverso themate compaginans, non potui_bre
dilucide, ut ars praecipit, (scribere) (364). Das ſpricht Bra in
leitung, welde in der 2. Auflage der Geichichte des deutichen Boltes,
vorungefteilt ift, 14, jehr zutreffend aus, daß Adam, „wie vor einem Lı
dachten und mühfam ausgeführten Modell, immer wieder vergeblich bi
guten und ſchlechten Züge dieſes Charatterbilbes, bie er jo [darf beol
einem Gangen zu verjchmelgen“, fd zeigte.
#2) Eine ſolche Aufzählung von Sioenjcaften tehrt nach e. 1 (8
Schlußſatz eine Schilderung der mores geradezu anfündigt, in c. 2 (38
Einzelne werden noch jpäter wieder erwähnt, jo bie Betonung ber
dur den Erzbiſchof in c. 29: De mulieribus statuit sentencias
fierent extra synagogam et civitatem, ne malesuada pellicum viei
violaret optutae, — in_Schol. Tr nei befien Mahnung
tinentia tenenda (346 u. 347). Der Mäßigleit if wieder in c.
convivis jejunus interdum eurgens und: Recumbens non tam cib
culis ..... oblectabatur (350) gebadht, ber Berebtfamteit in c. 15:
Sueonibus suo tempore gesta domnus Adalbertus archiepiscopus
sermone, ut solebat, omnia deseribens... und c. 6l: terum
eloquentia eius usque in finem, ut si eum audires contionantem,
ersuaderetur, omnia per illum fieri plena ratione magnaque #
(841 u. 360).
Abalbert’3 Beurteilung durch Meifter Adam von Bremen. 129
für fi felbft zu bitten für nicht würdig hielt, während er nur
zögernd und mit einem Gefühl, Ernievrigung zu erfahren, etwas
empfing, ſchenkte er bereitwillig und freudig hr ſolchen, die ihn gar
nicht gebeten, im reihen Umfange. Doch war er babei gewiſſen
Einwirkungen nicht unzugänglid; mit großen Reichthümern über-
fchüttete er wohl Mande, welche gejiet waren, ihr Wort zu
brauchen, und gewandt im Dienfte ſich zeigten. Nur wollte er ftet3
ſelbſt der Extheilende fein. Sehr anders, als Erzbiſchof Anno, der
feine Angehörigen und Freunde nach allen Seiten durch den König
zu befördern verftand, wünſchte Adalbert feinem der Seinigen, ob»
ihon er manden Dürftigen in feinem Gefolge hatte, auf diefem
Wege emporzubringen. So gelangten durch jeine Fürſprache nur
jehr wenige feiner Leute zur Bithofsürde, und es fam ihm als
ein Schimpf vor, wann der König oder einer der Großen einem
derfelben Wohlthaten erwies. Er fagte: „Ebenfo gut oder beiler
fann ich felbit die Meinigen belohnen“. Dann legte er gar fein
Gewicht darauf, etwa Hundert Pfund Silber? auf einen Schlag
wegzufchenfen, und wenn das bei bem Mitteltande geſchah, jo er-
hielten natürlich Angefehenere noch viel mehr. Denn Adalbert
jagte ganz offen, er Dale es für eine felbftverftändliche Darlegung
jeines Adels, daß er das Seinige mit vollen Händen weggebe. So
pries er denn aud die Gaftfreundfchaft als die größte Tugend, weil
fie zugleich gottgefällig und menſchlichen Beifalls würdig jei. Er
hielt eigene Leute, welde nur das Amt hatten, bie anfommenden
Gäfte zu empfangen, ihnen ihre Aufmerkſamkeit zu wibmen. Ganz
bejonber8 nad einer Seite hatte dieſes gaftfreie Leben, das in
Bremen feine reiche Entfaltung fand, eine hohe und weithin wohl:
thuend wirkende Bedeutung. Der dur die Arbeit für die Be
kehrung des Nordens nothwendige ftete Verkehr mit den jenfeitz
der Meere liegenden Ländern war nur denkbar, wenn ber Erzbifchof,
der in antegendfter Weije hier überall in der Mitte ftand, jo groß-
artige Gaftlifeit übte*®).
*) Abalbert’3 largitas ſchildert gleich c. 2 jo: ut petere haberet in-
, tarde aut humiliter acceperit, prompte vero hylariterque saepe
non petentibus largiretur; ſcharfer urtheilt er ſchon wenig weiter unten, wo
er — noch in e. — fat; quamvis largitas eius io cunctos modum ex-
cederet, bann in c. 35: Noster vero metropolitenus tamen pro nobilitate
certans et gloria terrena, indignum habuit aliguem suorum eaaltare (bad
TR im Gegenſatz zu Anno gejagt: — vergl. zu 1075: n. 204), licet multos in
öbsequium traxisset egentes, arbitrans sibi hoc esse dedecus, si aut rex aut
quisquam magnatium suis benefaceret . multi vero, si tantum apti ad
verbum seu callidi essent ad servitiu, gentibus cumulati sunt divitiis,
in c. 37: erat ita profusus, ut libram argenti pro denario computans,
aliquando mediocribus personis effundi centum libras edixerit, amplius
autem majoribus, beſonders in c. 39: (in Anſchluß an die in Bb. I, ©. 423,
berangezogene Stelle) argumentum esse, quod illi sicut ignobiles raperent
aliena, ij vero sicut nobilis effunderet sua: hoc esse apertissimum no-
bilitetis indicium (338, 348, 349, 351). Bon der pofitiven Geite dagagen er:
ſcheint in c. 23 (freilich aud Hier mit Parallelifirung ber Adjectiva aftabilis,
hospitalis mit cupidus divinae pariter et humanae gloriae), fowie
Weyer vonKnonau, Jahrb. d. dtjb. R. unter Heinrid IV. u. V. Vd. II 9
130 1072.
An die Betonung der Freigebigkeit als eines hauptjä
Auges im Weſen Adalbert’3 reiht Adam die Frage, ob v
emuth als einer Eigenfchaft des hohen Geiſtlichen geſ
werden fünne. Er bezweifelt das aber fogleih. Denn all
erprobte der Erzbiſchof eine ſolche Gefinnung bei den Arm
Pilgern, und es fonnte vorkommen, daß er, ehe er ſich zu
legte, dreißig ober noch mehr Bettlern felbit mit gebogene
die Füße wuſch. Doch den Fürften und wer frinengeide
wollte er ſich in feiner Weife unterwürfig zeigen. Vielmehr
er, wenn er gegen ſolche im Eifer entbrannte, nicht einen
aus ihnen, wenn er eine Rüge zu verdienen fchien, um ber
feit oder der Habfucht oder der Untreue willen**). Und q
Anſchluſſe hieran Bringt der Beurtheiler den eigentlichen
zur Erfenntniß des Wefens Adalbert’. „Indem demna
Tugenden in ihm wie in einem einzigen Gefälle vereinigt n
jagt Adam — hätte der Erzbifchof als ein ſolcher Mann glüd
und geben können, wäre nit ein einziger Fehler ihm de
derlich geweſen, deſſen verunftaltende Wirkung feinen ge
Glanz verdunfelte: das war die Ruhmfucht, bie vertrau:
magd der Reihen. Sie ſchuf dem Elugen Manne folchen 9
Viele fagten, auch das Gute, das er doch in großem Umſ
than bat, werde nur um bes weltlichen Ruhmes willen
geleiftet. Aber mögen biefe Ankläger — daß fie nic
finnig über jenen urtheilen, da fie dod willen, daß in
Beer Dingen fein abgefchlofjenes Urtheil ftattfinden muß,
ie des Wortes eingebenf fein follen: „Wenn Du den And
teft, verdammft Du Dich felbft” °°).
Hier alfo fteht Adam vor der Entſcheidung, in wi
ſelbſt in jeinem Urtheile über den Erzbifhof gehen dürfe;
nächſt will er doch durchaus nicht leugnen, daß Adalbert
auch als Menſch Einiges der Welt zu Ehren gethan hal
Vieles als ein guter Menſch in wahrer Furcht vor Gott voll
im App. (344. — 865, 866 u. 367) biefe Freigebigkeit und Gaflfreu
Berbindung mit der Mitfion der Nordlande (vergl. 1. c., ©. 413 u.
hospitalitas gebenft andy c. 38: semper ex officio paratos habe
venientes seciperent hospites, magnopere curavit, ne non mt
haberent, adglorians hospitalitatem porro maximam esse virtı
cum non careat divina mercede, saepe etiam inter homines
maximam_laudem (350).
*%) Hier wendet fih c. 2 tadelnd um: Humilitas in eo dubie
quam solis exhibuit servis Dei, pauperibus (etc). ..... Princir
saeculi et conequalibus suis humiliari nullo modo voluit. In
tali zelo exarsit aliquando. ut hos (ete.) arguens nulli demum par
notabilem cognovit (336). . .
®°) Diefe Stelle folgt in c. 2 gleid) nad) derjenigen in n. 24;
am Shluffe fieht Roman , IT, 1.
2%) Diefe günftigere Wendung in c. 2 heißt: Nobis .. .
alique illum, sicut hominem, fecisse pro honore saeculi, mul
Dei timore, sieut bonum hominem (336).
Adalbert’3 Beurteilung durch Meifter Adam von Bremen. 131
Freilich kann er es nicht vermeiden, da und dort im Folgenben ſtets
wieder anzubeuten, wie großen Einfluß dieje Eitelfeit auf den Erz.
bijhof ausübte. Alles follte groß, bewunderungswürdig, ruhmvoll
fein, beijpieläweife im Ganze der Durchführung der gottesbienft-
ligen Handlungen, mit herrlichen Gejängen, mit vermehrten und
zugleich feltenen Gebräuchen, wobei Adalbert nah Adam’3 Meinung
nichts Geringeres, als das großartige Bild der Begebenheiten des
Moje am Sinai, vorfhwebte: aber auch fonft jei Manches den
Späteren und den Nichteingeweihten in einem feltfamen Lichte er-
ſchienen. So fol aud fon früher einmal, noch im Anfange der
erzbiſchöflichen Regierung Adalbert’, der auf feinen hohen Urjprun,
ftolze geiftliche Fürft zum Ruhme feines Adels gejagt haben, dai
alle Biihöfe auf dem Stuhle von Bremen vor feinem Eintritt
dunteln und unadeligen Urfprunges geweſen feien, daß er Dagegen
würdig ericheine, einen höheren Stuhl oder geradezu den apoitoli-
ſchen Sig zu erlangen*”). Diejes Hajchen nach den größten Zielen,
diefe Ueberſchätzung der eigenen Kraft wuchſen aber, je mehr ber
ihe Staatsmanı während ber Wechſelfälle der Regierung
rich's IV. aud in den Dingen feiner Kirche den felten Boden
unter den Füßen verlor.
Adam gab ſich die redlichfte Mühe, den Gang der Wandelung
im Wefen bes Erzbifhofs zu verfolgen, denfelben auf die wahren
Urſachen zurägzuin ren. Schon gleih im Beginne des dritten
Buches nahın er ſich diefe Bemweisführung vor. Er hat die Sorg-
famkeit und den Eifer Adalbert’3 gepriefen und fjchließt dann:
„Raum konnte e3 einen feinesgleichen geben, wenn er nur hierin
verharrt wäre. Denn während er vom Anfange an fi fo gezeigt
51) Diefe Ausführung: omnia magna quaerens, omnia mirabilia, omnia
glericen in divinie et humanis fnüpft Adam in c. 26 (345 u. 346) an bie
ahnung der glanzvollen Begehung der gotteöbienftligen Handlungen —
3 3.: Cui nimirum glorine tantum ipse indulsit, ut jam non Latino more
vellet ecelesiastica obire mysteria, sed nescio qua Romanorum sive Grae-
coram consuetudine fultus, per tres missas, ubi astitit, duodecim modulari
officia praecepit (allerdingd mehr in der früheren Beit des Glüdes: tunc
plenario gaudens ordine ministrorum) —; am Schluffe weilen bie Worte:
meditatus ecclesiam suam divitiis et honore ceteris anteferre, si papam et
suse haberet voluntati morigeros — jebenfall® auf bie Beftrebungen wegen
des Patriarchates, in Heinrich's II. Zeit (vergl. ob. S. 91, in .n. 9). In
e. 27 vergleicht Adam mit einem an Cicero fi) anlehnenden Ausdrud Adalbert —
aut per mare ambulaturum, aut per terram navigaturum, postremo quae
in animo habuit facile omnia perfecturum — mit Xerres (346). Der Selbft-
zubm Abdalbert’3 gegenüber feinen Amtsuorgängern fteht in c. 68 in einer Ein»
kbiebung (363 u. 364); ev muß nad) der Angabe: in principio introitus sui
in den Anfang von Adalbert's erzbiichöflicher Würbe fallen. Deßwegen
iR aud die im Hamburg. Ur.-Bud, I, 98 u. 99, zu 1072 geftellte Stiftung
Abalbert'3 für feine Vorgänger und fid) felbft weit früher zu fegen; denn e8 ift
bie im c. 68 mit ben Worten: Unde etiam mox (aljo auch noch in prineipio)
statuit, per singulos antecessorum anniversarios dies, de corte Bromstede
convivia dari fratribus plenissima atque pauperibus — angeführte Stiftung,
wie die in ber Urkunde voranftehende Nennung der curtis quae vocatur Brom-
stedi beweift. 9*
132 1072.
hat, erſchien er gegen das Ende weniger gut, und in diefe Abr
feiner Tüchtigkeit ſank der nicht recht vorjichtige Mann ſowohl
feine eigene Nachläſſigkeit, als dur die Umtriebe fremder Ar
Immer mehr ergab fi demnach für Adam als Befund, daß
Verfplehterung, welche für weite Kreife jo arge Folgen na
‚og, als eine eigentliche Krankheit anzufehen fei, die aus der
el ändigten Ehrgeiz und dem Hochmuth ihren Urfprung geno
jabe. So fei die frühere Feftigfeit der Geiftesart verloren gegı
in der Sucht, Ruhm zu erlangen, habe Adalbert fein Maf
efannt, jo daß er vom Unglüd über Gebühr fi beugen li
eiten des Glücks fih vor Hochmuth nicht zu fallen mußte
Zorn oder dem Kummer ſich ſchrankenlos hingab, im Gut
im Böfen, in Regungen des Mitleids oder der heftigen Abn
nirgends ſich zügelte. Nod an einer weiteren Stelle zögerte
— manche Erſcheinungen der legten Jahre Adalbert’3 gı
nur nod) aus der Annahme, daß eine gewiſſe geiltige Stön
ihm eingetreten fei, zu entſchuldigen. Ganz beſonders je
traurigen Erlebniſſen des Jahres 1066 herrfchten nad) 8
Anfiht in der ganzen Thätigfeit des Erzbifhofs eine feltfa
ängftigende Unruhe, bald Scham, bald Zorn und Schmerz, i
Weife vor, daß der Zuftand gegen das Ende hin immer ur
licher, immer mehr eines Menſchen unwürdig erſchien. Die
{rungen , diefe offenbaren Verſchlechterungen in den Hani
Adalbert’3 wurden durch das Gerücht weit verbreitet, und
in dieſen legten Jahren Adalbert's Bruder, Pfalzgraf F
eigens nad) Lefum, um dem Erzbifhof ernſtliche Vorftellu:
machen. Aber er fand den Bruder jo jehr in den Händen fd
Rathgeber und durch deren üble Künfte derart verftridt,
mit feinen Mahnungen, wa immer er al3 zur Ehre und zu
des Unglüdlihen dienlich vorbringen mochte, nicht durchdre
betrübt wieder davonging *®).
=) Der hier an den Anfang des Abſatzes geftellten Erörterung
(885) Lie Abam nachher ahnliche Stellen folgen. Schon Stellen,
in c. 23: adhuc bonis intentus studiis (344), lafien bad Schlimmere
c. 35: inutile nomen vanae gloriae magno corporis et animae
mercatus est, et corrupti quidem mores archiepiscopi ab initio
rocessu temporis et circa finem semper deteriores fuerunt (349) —
Foem. Die piuchologifche Würdigung in c. 36 lautet: Cuius morl
cum diligenter et diu perserutarer, inveni sapientem virum ex ill
nimium dilexit, mundi gloria perductum ad hanc mollitiem aniı
in prosperitate rerum temporalium elevatus in superbiam, ad lau«
dam ignorabat modum, in adversitate autem plus justo coı
iracundiae aut moerori frena laxabat. Itaque tam in bono, si mis
quam in malo, si iratus est, in utrogue mensuram excessit (349). €
fucht wird in c.39 die Schuld beigemefjen: dieendum est... pejoratum €
illum de omnibus quas ab initio habuit virtutibus (sc. eben bı
Fehler) ..... talia (ete.) superstieioni vel jaetaneine scu potius ne;
eius infamiam magnam pepererunt (351). In c. 61 jdlieft ber
ichreiber, zumeift eben fir bie Zeit post diem’expulsionis suae ve]
tionis parrochiae, quae simul comitata est, auf aliqua errantie
Adalbert’ Beurtheilung durch Meifter Adam von Bremen. 1833
Zwar hatte fi) ja Adalbert vielfach von Anfang an in feinem
Weſen von den Gemohnheiten aller übrigen Mitlebenden unter-
ſchieden?). Höchſt jonderbar war doch gleich im Anbeginn feiner
Zerwaltung von Bremen gewefen, wie er dort, um Steine für den
Neubau der herzuftellenden St. Peterd-Domkirche zu gewinnen, die
von den Vorgängern begonnene Stadtmauer ald etwas weniger
Nöthiges nieberreißen, wie er auch den ftarfen Thurm über dem
Thore nach der Weitjeite gegen den Markt dem Boden gleich machen
ließ. Dann folgte die Abtragung des ſchönen aus behauenen Steinen
jebauten Kreuzganges, wie er Feine fpäter Adam, auf deſſen Be-
Fragen, wmittheilte, da er im Sinne hatte, bei Gelegenheit und Muße
die gejammten ben Domgeiftlihen bienlihen Gebäulichkeiten aus
Stein anzulegen. Obfchon er ſich gerähmt hatte, Alles Tiege ihm
biezu im Weberfluß zur Hand, jo war bei den vielen fi) aufthür-
menden Hindernifjen bis in fein viernndzwanzigftes Amtsjahr, bis
zur Zeit alfo, wo Adam jelbft nach Bremen fam, ber Bau noch
nicht vollendet?°). Ebenſo hatte er aud in anderen Berwaltungs-
angelegenheiten der Kirhe ſchon früher eine große Gejchäftigleit
dargelegt, indem er ablichtlih die Bahn feiner Vorgänger — mit
dem Dichter nennt Adam biefelbe die „goldene Mittelftraße” —
verließ und Alles von Grund neu maden wollte. So gründete er
Propiteien in Bremen felbft, um diefe Stadt anderen gleich zu
machen, und außerhalb, und gedachte deren Zahl bis auf fieben zu
erheben; an verfchiedenen Orten wurden fehr viele Bauten be—
gonnen, deren mehrere noch bei Adalbert's Leben, als er fi megen
der Reichsgeſchafte diefen Dingen nit mehr widmen konnte, wie
verfielen, eine fogar in feiner Gegenwart zufammenftürzte®?).
sipientis —: non audeo dicere insanus, sed impos mentis efectus est —,
wobei ex biefe Dinge auch signa vel prognostica vieinas mortis eius plurima,
tam pavoral et insolita, nennt: ut nos ipsumque pontificem terrefacere
viderentur, tam ingentia et manifesta, ut quisquis morum snorum turbu-
lentiam, valitudinis inconstantiam diligentius intueretur, procul dubio finem
dixerit adventasse —; nmadiher heikt es: Talis ille circa finem, totus @ se
alteratus, et a pristina virtute pessumdatus, quia vellet aut nollet, nec
sibi nec ulli suorum poterat satis notum esse (360). Der Beſuch bes ſchon
im 3b. I, 6. 356, 394, 598, erwähnten Pialzgrafen FR der in Adam's
Seit gefallen fein muß: sicat memini, ift in c. 62 (360) er;
*) Dos fügt Adam in c. 61 eigen® ein: mores viri, licet semper a com-
muni mortalium habitudine dissentirent (l. c.).
®0) Bergl. hierüber in cc. 3 u. 4 (336 u. 337), wozu wegen ber turris
merioon septem cameris ormata aud in Lib. II, c. 67 (331); das
» befien auch biefes c. 67 gebadhte, iſt der Kreuzgang (vergl. dort:
forma, ut mos est, quadrangula, vario cancellorum ordine distinetum). Den
Inngfamen Fortſchrili des Dombaues beleuchten auch Stellen in n. 16.
ꝛa) In c. 9 folgt auf die Einleitung: Deinde vero eollieitudinem gerens
parrochiae, aliquid magnum vel se dignum cogitavit ubique nobilitatis
iuse monumentum relinquere. Et primo quidem floccipendens auream
decessoram mediocritatem (&ora), Carm., Lib. II, X, v. 5), vetera con-
tempeit, nova molitus omnia perficere — die Aufzählung ber fieben Propfteien,
nebft der Gofeder Abtei, quae fundata est a parentibus archiepiscopi, ald
134 1072.
Dann kam die Zeit, während welcher Adalbert am Hofe in
der größten Geltung jtand, und wieder entwirft Adam, obſchon er
damals zu dieſer Frift noch gar nicht in Bremen moeilte, ein ſehr
anſchauliches Bild von dem Auftreten des Erzbiſchofes, an dem er
ſchon den Fortſchritt jener bedenklihen Wandelung erkennt. Da kam
wohl der burch feine hohen Ehren am Hofe vermöhnte Voriteher
der Kirche von Bremen, deſſen armer Sprengel ſchon höchſt em⸗
pfindlich unter der ſchweren Belaftung litt, nach feiner Gewohnheit
mit einer gewaltigen Schaar von Bewaffneten nad dem Biſchofs—
fige, um das Bisthum mit neuen Anforderungen zu beſchweren.
Schon baute er nämlich jegt jene Burgen, die ben Das der Billinger
jo nachdrücklich ſtachelten; denn fein eine Unthätigfeit niemals
ertragender Sinn hatte ſich jegt von der Luft, kirchliche Anlagen
zu Kchaffen, abgewandt. Aber bereit3 mollte der Erbiiänt jogar
die Natur des Landes, in welchem feine Kirche fich befand, nicht
mehr anerkennen. Anderswo hatte er Gärten und Weinpflanzungen
fennen gelernt, und nun follte auch diefer bürre Boden ſolche An-
lagen zeitigen; denn auch hier wieber gedachte er, felbft zu befigen,
was er irgend Prächtige3 anderswo gefehen hatte??). So wedjjelten
in ihm fpäter die Launen, daß er etwa aus einer Propftei eine
Meierei und aus einem Spital eine Propftei machte, jo daß Adam
das Wort des Horaz anrief: „Stürzend bauet er auf; vier Eden
tauſcht er mit Rundform“ ®2).
Endlich folgten jene legten Jahre, wo aus dem Hirten, de
einft um feiner Kirche willen Alles opfern zu wollen gelobt hattı
zum Theil, one daß er es mußte, gegen feinen eigentlichen Willer
ein harter Dränger geworden war. In einem ſchon von früher übe:
lieferten Worte hatte Adalbert es ausgefproden, daß er für de
Fall, wo e3 fi) darum handeln würde, fein Bisthum von fremde
Joche zu befreien, fi, feine Brüder, fein Vermögen, aber auch t
Kirche felbft nicht ſchonen würde, und damit hatte er genugſam a
gedeutet, daß er vieleiht, um das von ihm erjehnte Ziel zu
teihen, au in das Gut von Bremen Eingriffe thun werbe!
ber achten (338); in c. 10 ift vom angefangenen Bauten bie Rede: plurima
opera, quorum pleraque defecerunt ipso adhuc vivo et rei publicae neg
intento (339). J J
#2) Dah c. 36: Tune igitur magnis curiae honoribus inflatus, vi:
jam tolerandus inopi parrochiae, venit Bremam (etc)... Et tune le
Sunt illa castella (etc.) in die Zeit vor Januar 1066 fält, vergl. fcyon 2
©. 423 n. 58. Unter Wiederholung eines früher ſchon gebrachten Gel
punttes kehrt hier die Semähmung, der ‚aedificatio praepositurarum (nebe:
castella), von n. 81, wieber, ein Beweis daß die Anlage diefer Propfteien
Tängere Zeit fich hinzog. Adam erflärt dieſes athemlofe Treiben: Mi:
nimirum“ voluntas hominis impatiensque oe, quo lomi forisque
oceupata laboribus, nunquam posset fatigari (349).
2) In. © 01. mo ber Ders aus Epist., Lib. I, I v. 100 (860).
*) Das Wort Adalbert's, dad Adam in c. 2 anführt: Adeo n
parcam, nec mihi (ete.: vergl. auch Mb. I, ©. 422, n. 55), eingeleitet !
Audivimus eum saepenumero pro lucro eeclesiae suae se suosque paı
Abalbert’ Beurteilung durch Meifter Adam von Bremen. 135
Aber die Geftalt dieſer Dinge nahm doch zulegt eine ganz ver-
zweifelte dom an. Adalbert, der neben allen großen Angelegen-
heiten beitrebt geweſen war, als ein Water der Waifen und als
gerechter Schüger der Wittwen zu erfcheinen, der auch für die Be-
dürfniffe ber Geringften eifrig gejorgt hatte®®), ließ es jegt zu, daß
aus dem Spital zu Bremen in den Jahren nad) 1066, auch in der
Zeit einer argen Qungersnoth, wo viele Arme auf den Straßen todt
gefunden wurden, die Almojenaustheilung ganz verabfäumt wurde,
und doc war dieje bis auf Anskar's Zeit zurüdgehende reiche An:
ftalt des Wohlthuns bis dahin trefflich verwaltet gewefen®®). Aber
auch jonft jheint die Ordnung und die Handhabung der Geredhtig-
feit in Bremen völligem Verfalle anheimgegeben worden zu jein.
Zwar ſpricht gerade hier Adam nur von einzelnen peinlichen Er-
jheinungen, läßt die zu Grunde liegenden Urſachen nicht klar 4
nug erfennen; doch zeugen die Thatjahen genügend durch fich ſelbſt.
Augenfcheinli denkt der Geſchichtsſchreiber dabei im Beſonderen
an die Zeit, während welcher Adalbert nach dem Ueberfall Bremen's
dur den Dillinger flüchtig abweſend war?”)., Durch die Gtell-
vertreter des abmwejenden Erbilgofs wurden damals die ärgiten
Erprefjungen, die ſchwerſten Rechtäverlegungen begangen, Vorgänge,
welde in dem Schildernden die Erinnerung an Sulla's Profcrip-
tionen wacd werben ließen. Bürger der Stadt und erzbijchöfliche
Dienftleute, Reihe und Arme, beſonders auch Geiftliche und Nonnen
erfuhren, voran die Begüterten, welche die meifte Anlodung darboten,
die härteften Anforderungen, Einziehung des Eigenthums, Ber:
ftoßung aus ben Häufern, Gefangenlegung, Verbannung, wobei
Handlungen perſönlichen Haſſes nicht fehlten, begangen von den
Vertretern bed Erzbifhofs, als wären fie von dieſem felbft befohlen.
Armen Weiblein nahm man ihr Weniges fogar bis auf die Kleider;
devovisse (336), geht auf die früheren Zeiten zurüd und ift aus dieſen Adam
überliefert worden.
1 Adam ftellt in c. 23 (vergl. m. 28, a. N.) diefe Eigenfchaften in
Zaralele mit: domi forisque larus ... par divitum majorgue magnn-
tium ({
” Bier in c. 56 (858) erwähnte xenodochium a sancto Ansgario
primitus inceptum ift bas in Lib. I, c. 32 (296 u. 297), und made: noch
oft genannte hospitale. In verbeeiten Worten, mit ſcharſer Ironie, wirft Adam
e. 56 — ohne Sweifel dem vicedomnus noster, der — quasi fidelis
tor et prudens — ad custodiendum pauperum elemosinas beftellt
wurbe, vor, dal, toto septennio, quo supervizit archiepiscopus — d. 5. nach
Januar 1066: am rechnet ein Yahı zu viel — die Sünde geſchah (an
Ali eanones sacrilegium vocant, alii homieidium), nämlid: defrau
⁊ 3b. I, ©. 514-516. Für dieſe Zeit des gewaltſamen Ein-
greifen der Billinger ſpricht die Erwähnung ber fid, an den Gigenthums:
brzlegungen betheiligenden servi dueis in c. 57, beffen Schlußſatz übrigens auch
diefen Zeitabſchnitt genügend andeutet: Et haec omnia cum saepe antea facta
sint et praesente archiepiscopo, intolerabiliter autem illo absente ac post
diem expulsionis suae (359). n. 53 zul.c., &.576, ift ber Sag: „Weitere
lare
2... Zeit an“ zu freien.
136 \ 1072.
früher Wohlhabende fielen über den Verluft ihres Vefiges in Wahn-
finn oder gingen als Bettler von Haus zu Haus. Ganz vorzüglich
aber litt auch der Handel von Bremen; denn waren bisher von
allen Seiten Kaufleute mit ihren Waaren dahin gekommen, fo
wurden fie jegt durch die Erpreffungen der Amtöleute, dazu durch
die berzoglichen Diener der Art ausgeaogen, daß fie nicht wieber-
kamen und fo, wie die Stabt an Bevölkerung, deren Markt an
Zufuhr bedenklich einbüßte?*). Freilich war Adalbert durch die in-
folge feiner Niederlage eingetretene Verfiegung der Einnahmen zu
derartigen Gewaltſchritten jelbft vielfach gezwungen worden. Ins—
befondere hatten ja jene Verſuche, durch Begründung von Lehens-
verhältniffen meltlihe Herren zur Vertheidigung der Firchlichen
Gerechtſame heranzuziehen, nur zu einer noch geö eren Zerrüttung
des Haushaltes des Bisthums Bremen geführt). Wie waren die
prahleriſchen Verheißungen Adglbert's, er werde feine Kirche bald
aus einer filbernen zu einer goldenen machen, alles Weggenommene
zehnfältig wieder erjegen, bei biefen verfehlten Berechnungen des—
jelben in ihr völliges Gegenteil verkehrt worden‘)! Adam meinte,
daß Bremen an fid) feinem Vermögen nad) fo geftellt geweſen wäre,
daß Adalbert nicht nöthig gehabt hätte, die Erzbiſchöfe von Cöln
oder von Mainz um ihren Prunk zu beneiden*'). Statt deffen war
jest der kirchliche Grumbbefig im großen Umfang lehensweife hin-
mweggegeben*?); der von den Vorgängern und von Adalbert felbit
mit hoͤchſter Anftrengung und großer Singabe der Gläubigen ge:
ſammelte Kirhenichag war verfchleubert und erfchöpft, in einzelnen
Stüden an die unwürdigften neuen Befiger gelangt — mit Schaudern
erwähnt Adam als Gerücht, daß von veräußerten heiligen Kreuzen
abgelöfte Edelſteine an Buhlerinnen verſchenkt worden feien —; in
bitteren Worten legte man fi in Bremen bie Frage vor, mas
reiche Herren als Lehensträger der Kirche nügten, wenn diefe felbit
ganz arm geworben jei*). Der Erzbifchof aber lebte nunmehr aus
®s) Abam malt biefe in Bremen fpielende lamentabilis —E
in e. 57 (858 u. 359) breit aus und beutet an, daß wenigſtens die Unterbindung
bes Handeld von Bremen noch, als er ſchrieb, fortdauerte: Ita civitas a
civibus et forum mereibus usque hodie defecisse videtur. Der Hinweis
auf bie civilis Sillae vietoria fann nicht, wie n. 41 zu 359 will, auf Salluf,
De bello Jugurth., ec. 91, gehen, fondern ift eine Reminiscenz an Gulla’s
Proferiptionen. J
39) Hiervon iſt ſchon in Bd. I, S. 575, die Rede geweſen. J
Adam erinnert im c. 45 (353) bei dielem Selbſtruhm an die aus-
gebliebene Erfüllung bes Verſprechens in destructione claustri (vergl. n. 30).
4) Dieſer interefiante Sap: Potuit ecclesia nostra dives esse; potuit
archiepiscopus noster Coloniensi aut Mogontino in omni rerum gloria non
invidere ift in c. 45 (l. c.) die Einleitung zu der in ®b. I, ©. 422 n. 55,
mitgetheilten Erörterung.
#3) Dergl. zu ben Sinfälägigen Abſchnitten von ce. 45 u. 48 3b. I, 6. 357
u. 358, 514— 516, fowie ob. ©. 89 u. %.
+) In c. 45 (853) in von dieſen Dingen an verſchiedenen Stellen bie
Nede, in einer Einfügung in ben Text außerdem von ber Bemerkung des mit ber
Zerbrechung zweier genauer gefchilderter Kreuze beauftragten Goldihmibs: se ad
Adalbert's Beurtheilung durch Meifter Adam von Bremen. 137
dem den Nothleidenden entriffenen Raube und aus ben gefeß-
mäßigen Einkünften der frommen Stiftungen +).
13 eine Haupturſache diefer jo furchtbar emporgewachjenen
Uebelftände glaubte Adam garı beſonders eine Schwäde des Erz⸗
biſchofs nennen zu müfjen, welche allerdings in einer nicht ſchlecht⸗
in verwerflichen Eigenſchaft ihre Urfahe hatte. Adalbert liebte
i feinem regen Geilte, bei der Geringiägung leiblicher Genüffe
eine lebhafte anregende Unterhaltung; das entſprach —— Freude
daran, Gaſtfreundſchaft zu erweiſen, als Wirth fröhlichen Tiſch ⸗
genoſſen im Ueberfluß aufzuwarten. Dabei hörte er gern witzige
Einfälle, oder wenn Geſchichten der Könige oder ausgezeichnete
Sprüche von Weifen vorgebraht wurden; mwenn er einmal, was
jelten genug vorfam, ohne Gäjte oder königliche Gejandte für fi
allein in engem Kreife zu Tiſche ſaß, brachte er die Zeit gerne mit
Märchen oder mit Reden über Träume, immer aber mit würdigen
Geſprächen zu. Denn bei aller Freude an Gejelligfeit hielt er 77
von jeder Ausgelaſſenheit ferne, und er geftattete auch nur ganz
fpärlich, wenn er mitunter Kummer und Sorge verſcheuchen wollte,
daß Saitenfpieler fich bei ihm hören ließen*). War er hierin in
feinen Tafeljitten jo mäßig, fo erwies er ſich doch eben während
der Mahlzeiten oft als recht unvorſichtig. Denn nur zu gern
brachte er da das Wort auf Männer geoben An ſehens und übte num
an diefen fein ſcharfes Urteil, indem er dem Einen thörichtes
Weſen, Anderen Habſucht, Vielen ihre nicht ablige Geburt, be—
fonderd aber Allen die Untreue gegen den König vorwarf. Er
iannte da feine Schonung, und er erhob ſich in geradezu ſchäd⸗
lien Ausfällen über Jedermann. Denn das zog dem heftigen
Tadler unvermeiblid bei den Menſchen, voran bei den Großen,
tauten Haß zu*‘). Doc nod viel verberbliher war es, daß der
Erzbiſchof, durch fein hochfahrendes Wefen irre geführt, fih an
Schmeichelei gewöhnte, daß es ihm unentbehrlich wurde, mit einer
Umgebung, obigen fie ihm Unwahrheiten darbot, zu verkehren,
sonitum mallei audisse quasi vocem gementis pueri. Die ironiſche Bemerlun⸗
lautet: cum utique tanta quantitate precii (sc. einen Gritag don jäheli
tanfend Pfund Silbers: vergl. Bb. I, ©. 358, in n. 101) major poseit ecclesiae
fractus omni anno parari, niei quod pro mundi gloria adipiscenda suflcit
dobis ideo esse pauperes, ut divites multos in servitio habeamus.
+) Diefen fchon Bd. I, ©. 576 in n. 58, gebrachten Sat von c. 56
wieberholt faft glei) daB recapitulirende c. 61 (360) unter einem der mehrfach
een rem ilind (ee. signum: vergl. n. 28).
4) In c. 38 heißt e8 queift: hilariter habundantergue omnia praecepit
exhibere convivis, etwa weiter unten: Recumbens ... faceciis oblectabatur
ut regum bystoriis aut rarie philosophoram senteneiis, wanon ber al
aterkäieben wirb, baf er al8 privatus, quod raro accidit, jpeläte, nämlidh:
at solus et abeque hospitalibus maneret vel regiis legatis (350).
“) Liefer eur folgt in e. 39: Praeterea inter epulandum familiare
babuit 108 viros carpere, was einzeln ausgeführt wird (vexgl. auch ſchon
8.1, 6.429; bod mi it dann Adam auch bier mieber den Tadel wegen
der quam dilexit mundi gloria — vergl. ſchon in n. 28 — ein (351).
138 1072.
und eben bierin erblidte Adam — wenigftens fommt er ftet3 rn
darauf zurüd — die Wurzel des Uebel, die nad) feiner Anfic
der Sucht nad) dem Lobe der Welt gegeben war.
Adalbert zog Leute verfchiebenfter Art und vielfahen Be
in feinen Kreis — Adam zählt in genauer Reihenfolge
berüchtigte Perfonen auf, wozu er Gaufler, Schaufpieler und an!
Gelicter, auch Aerzte, wie fie eben Adalbert fi) darboten, red
—, damit fie ihm nach dem Munde rebeten, und eine ſolche Lä
Menge fchleppte er, wo er war und reifte, mit fi, mit ber '
fierung, daß diefe zahlreihe Schaar ihn nicht beſchwere, Fon
nur ergöße, wie denn ein folder Schweif — meint Adam —
gürten zur Erlangung von Ehre umentbehrlih fei; in fol
eife warf er jehr große Summen hinaus, welde ihm von
ſchiedenen Seiten, theilweife vom Hofe, zugefommen waren.
ftrömten derartige Schmeihler von Beruf von überall ber
Adalbert zufammen, und auch würdige Männer, darunter jo
priefterliden Standes, ließen fih aus Ehrgeiz, um mit ihm
Verbindung treten zu können, auf die gleihe Bahn verloden
Man fann e8 aus bem fittlihen Zorn in den Worten Adar
ſpüren, wo er ba ſtets wieder auf diefen fittlich geringwerthic
Haufen eigennügigfter und unredlichſter Menſchen zu ſprechen koin
wie jehr er fih in Bremen unter biefen das Haus Adalber
füllenden Abenteurern ganz verloren fühlte: „Sobann ragen
uns die Zügen fo fehr vor, daß ben die Wahrheit Sprechende
auch wenn fie ſchwuren, nicht geglaubt wurde”. So ließ ſich d
Erzbiſchof, wie er denn in diefen Kreifen nur noch als Patriar
bezeichnet wurde, die unglaublichften Dinge verkündigen, über lang
Leben, glüdliche Zukunft, Herftellung feiner früheren Macht, ur
beſonders gewannen jene Yerzte, welche ftets in feiner Umgebun
waren, auf nm gleichfalls vielfah einen verhängnißvollen Einflu|
wie berfelbe fi) noch in der Todesftunde, in ver ſchon erwähnte
Täufhung des Sterbenden, fühlbar machte“s). Der fonft jo Hug
47) Diefe homines diversi generis et multarum artium, praecipue ver
adulatores erwähnt per ©. 35, welches glei hernach in Sonberung de
Gruppen anführt, Adalbert Habe infamibus personis et ypocritis, medici
et ionibus et id genus aliis — pantomimi, qui obscenis corporuu
motibus oblectare vulgus solent, fcjloß er dagegen nach c. 38 (350) von feiner
Blicken vöNig aus — überreiche Geſchenke gemacht (349). Hierin fährt c. 37
fort: (adulatores) ex diversis terrarum partibus in cameram eius velud in
sentinam fluxerunt, mit Hinweis, daß: qui adulari nesciret aut fortasse
nollet, eum sicut amentem et stolidum vidimus & januis exludi (350). Jr
Schol. 78 war von einem eträgerilähn Goldmader — ex Judaismo conversus
ad christianam fidem — bie Ride (349, wo n. 92 an den in Bd. I, 6.475 u,
476, erwähnten Juden im Chron. Lauresham., SS. XXI, 414, qui episcopi
loeulos habebat, erinnert).
+) Mit den eingerücten Worten Adam's ſchließt c. 37 (1. e) m An:
fang von c. 38 merben alii gnathones, parasiti, somniatores et rumigeruli
angereibt, mit ihren handgreiflicyen Xügen — jactabant sibi per angelos re·
velata (. c.), worauf in c. 63 ähnlide Auslagen der pseudoprophetse an
Adalbert’ Beurtheilung durch Meifter Adam von Bremen. 139
Dann ließ ſich durch dieſe gefliffentlich der Wahrheit abtrünnigen
Wenſchen, welche er in feiner Umgebung duldete, in den feltfamften
Aberglauben verjtriden, von feiner gewohnten vernünftigen Lebens⸗
ordnung fich hinwegführen. Er gewann den Glauben, daß aus
den Schriften gewiſſe Anzeichen zufünftiger Dinge den Menſchen
eben ſeien, ſei e& in Träumen oder Zeichendeutungen oder in
jemeinen Redensarten oder auch in ungewöhnlichen Natur-
erſcheinungen, und fo joll er die Gewohnheit angenommen haben,
fi, bevor er zur Ruhe ging, mit Märchen zu unterhalten, und
wenn er erwachte, mit Träumen, fo oft er aber eine Reife antrat,
die Zeichen zu befragen. Zuweilen widmete er den ganzen Tag
dem Schlafe, ja dagegen die Nacht hindurd wach, entweder beim
Bürfelipiele oder an der Tafel. Sogar in den Verdacht, den
Zauberfünften ergeben zu fein, fam ber Ereithof, dadurh, daß
man ihn von foldhem Gefolge begleitet ſah. Allein hier vertheibigt
ihn nun Adam in ausbrüdlihen Worten, indem er darauf hin-
weit, e3 jei gar nicht denkbar, daß der Erzbiſchof, welcher Zauberer
und Wahrfager jo oft als der Tobesftrafe ſchuldig erklärte, felbft
an folden Dingen ſich betheiligt habe*?).
Wohl aber ftand mit diefer Erniebrigung, in die ſich Adalbert
durch die unmwürdige Wahl feiner gewöhnlichen Geſellſchaft ver-
fegte, ein Webelftand, der jene Verwahrlofung in der Verwaltung
des Bisthums erklärt, in näcfter Verbindung. Der Erzbifchof
ſchenkte Männern, welche es niemals verbienten, ein weitgehenbes
Vertrauen, und daraus erhob fid ein ſchwerer Vorwurf gegen ihn
ſelbſt. Adam deutete das jchon in einem früheren Theile feines
dritten Buches an: „Hierin — er ſprach vorher von räuberifchen
und nachläſſigen Pröpften, welche Adalbert allerdings zuweilen nach
Aufdedung ihrer Betrügereien in abſchredender Weiſe zur Strafe
309 — kann man jehen, wie durch die Nichtswürdigkeit derjenigen,
den Tobfranten folgen (361): ebenjo gedenft in c. 61 eines ber Item illud
tvergl. n. 44) ber adulatores, als der Empfänger der den Armen entzogenen
Amofen, und will in c. 64 Adam fich hüten, noch nad; dem Tode Adalbert
* : talis homo, qui dum viveret, propter adulationes perditus
et , 362). Eine wenig ehremvolle Stellung nehmen bei Adam bie Aerzte
ein, bie auch oft genannt find: — in c. 38: Soli medici cum illo regnabant,
im e. 64, wo fie fid) fchenen, bie Wahrheit zu fagen, obfdon fie — c. 63 —
det Ergbiichofs Ende nahe vorausjahen (vregl. aud) Schol. 91), in c. 65, wo
ihnen wieber adulatores et ypocritae zur Geite ftehen;; freilich gehorcht Adalbert
heimerfeit8 ihren Anorbnungen nicht: ex consuetudine sua nee potionibus
eontineri voluit nec flebotomis (350, 361, 362—361).
49) Bon den jonberbaren Aenderungen in der Lebensführung handelt c. 38
(350), dann wieder von dem: noctem integram vigilando. diemque transegit
dormiendo, fowie von ben fabulae et somnia c. 61 in der Hecapitulation (360).
Lem brinat in c. 62 fein eigenes Urteil über die Anfhuldigung wegen
$usberi: Nos autem vidimus ipsum pontificem ad tantam illo tempore
Perenisse infamiam, ut magicis inservisse artibus diceretur; a quo crimine,
testor et angelos eius omnesque sanctos, illum virum prorsus im-
munem et liberum esse, praesertim cum maleficos et divinos et eiusmodi
bomines saepe judicaret murte esse multandos (360 u. 361).
140 1072.
melden er mehr, als gehörig war, fein Vertrauen ſchenkte, bie
Willengmeinung des Erzbiſchofs oft von einem guten Anfange ab:
eleitet wurde“ °%). Für bie fpätere Abtheilung der Pegierungageit
albert’3 ftanden dem Geſchichtsſchreiber nur allzu zahlreiche Be:
weife biefür zu Gebote. Da war ein erzbiſchöflicher Dienftmann,
Namens Suidger, welder die größere Propftei des Bisthums
Bremens verwaltete und, nad) Verſchleuderung ber ihm anvertrauten
Güter wegen eines an einem Diakon begangenen Mordes abgefegt,
doch wieder Gnade gefunden hatte und neuerdings eingeſetzt worden
war; dann aber entfloh er, als er den Brüdern und dem Erz:
bifchofe nichts mehr fir den Unterhalt leiften fonnte, vor Adalbert’3
Zorn, aus Gemwiflensangft wegen feiner übeln Verwaltung. Doch
als jet der Erzbiſchof die Propftei an ſich zog und mit Vicaren
befegte, fuchten auch biefe nur wieder ihren eigenen Vortheil und
plünderten die Kirche in Lläglicher Weife. Aehnliches geihah in
allen Stiftern des Sprengels: während Adalbert den röpfen zürnte,
dieſe gegen dag gemeine Volk eiferten, wurde das Kirchenvermögen
vergeudet. Ganz befonders haßte jedoch Meifter Adam einen Mann
Namens Notebald, der fo gotilos und lügneriſch, dabei ein Schmeidhler
jeweien fei, daß auch Jan raf Friedrich, bei jenem vergeblichen
juch in Leſum, demjelben den ärgften Antheil an der beflagenz-
werthen erleitung de3 Bruders zur Schuld beimaß. Notebald
babe feine vertraulichen Beziehungen zu Adalbert in unverantwort-
licher Weife duch Einflüfterungen und Täuſchungen mißbraudt.
Dazu kam das Treiben der Stellvertreter des Erzbiſchofs überhaupt,
jenes Vicedominus, welcher mit der Vertheilung der Almojen be-
auftragt war, und aller derjenigen, die fih mit fluchwürdigen Er-
preffungen beluben°!). Denn auch hier wieder wurde dur Adalbert’3
Unerfahrenheit und Unklugheit das Uebel noch vermehrt. Nahmen
nämlich die Dinge ſchon unter feinen Augen oft die bedenklichfte
50) In c. 10, bei Anlaß der fchon in n. 31 erwähnten wieber in Berfall
gelommenen Bauten (339).
51) Inn. 56, das hievon erzählt (858), Heißt dieſer servus (episcopii) qui-
dam Suidger Verwalter der praepositura major episcopü, d. h. alfo wohl
Propfei der Domtirche im Gegenjaß zu den anderen Kirchen der Stadt und bem
beigen Propfleien des Sprengelö. Ginen Suidegerus canonicus Bremensis
nennt Adalbert’3 und feiner zwei Hlalagräffichen Brüder Urkunde von 1053
unter ben Zeugen (Hamburg. Urk.-Bud, I, 77) Notebald ift in c. 62 — nebft
Schol. 89 — wegen Friedrich's Anklage (vergl. in n. 28): Notebaldum suos-
que pares accusans, qui suis maleficiis illustrem virum eircumvenirent suis-
que dementem reddiderint consiliis —, weiter in c. 63 — multa pontifici
saepe vera praedicens uno et novissimo decepit verbo credentem (durch
Verſchweigung der wahren Außlage der Aerzte über bie Todeskrankheit, wozır
vergl. c. 64, Tonie Schol. 91) (360, 361 u. 862) angeführt. Bergl. weiter 3. B-
die ſchon in n. 36 u. 18 mitgetheilten Stellen, dann bie bei n. 38 im te
benubte über die vicedomni, von ce. 56 u. 57. PDahin gehört aud, daß nach
der Einfügung in c. 36 Ioh ber ganz unnüßen, bei n. 32 erwähnten Arbeit für
die horti et vineae Adalbert auch bier fich erkenntlich erwies: nichilominus
famen hü, qui morem gererent suse voluntati, magnifico voluit ormnibus
‚compensari laborem (349).
Abelbert’3 Beurtheilung durch Meifter Adam von Bremen. 141
Geftalt an, jo wurde bie Verberbniß durch feine Abmwefenheiten
noch ungleich nergrößent, Da war der Erzbiſchof erftlich zeitweife,
gezwungen durch die Noth, von Bremen fern, oder er verließ wegen
der Tätigkeit am Hofe oder auch ganz freiwillig den Bifchofafig.
Er meinte zuweilen, indem er ein Jahr oder gar zwei auf Reifen
blieb, den Haushalt von Bremen zu erleichtern; aber dann fand er
nad der Heimkunft, wenn er mit feinen Dienern und Meiern
abrechnen wollte, vollends alle Güter und Einkünfte verſchwendet.
Freilih fuhr er felbft, wie jchon erwähnt, oft ſcharf zu, ließ, wo
er Verſtöße vorfand, bie Fehlbaren in Feffeln werfen oder ihres
Bermögens berauben; doch der Plünderung und der Bebrüdung
durch die Stellvertreter wurde damit nicht gefteuert 59).
Nur waren folde peinlihe Vorgänge abermals für Adalbert
ſelbſt durchaus verberblih. Mit der zunehmenden allgemeinen Un-
fücherheit wechjelten die Stimmungen in dem hohen Herrn in der
unberedyenbarften Art. Zwiſchen einem maßlofen Zorne, von wel-
dem ergriffen er mitunter fo ſchlug, daß Blut floß, wie dag einem
Propfte, auch Anderen, gefhab, auf der einen und großer Weichheit
auf der anderen Seite ſchwankte er hin und her, fo daß ihn Adam
bald mit einem Löwen, vor dem Alles flieht, bald, nach eingetretener
Befänftigung, mit einem geftreichelten Lamme verglih. Leider
benutzien das wieder die Schmeichelredner, indem fie durch Lob⸗
preifungen ihn zum Lächeln zu bringen verſtanden, fo daß er dann
plögli gang mgemanbelt jedem Sriecher feine Gunft erwies ®),
Zu folden Zaunen ftimmte e8, daß er in dem Empfang von Be-
ſuchen immer wählerifcher wurde, nur nod in wichtigeren Fällen
etwa Laien vor fih fommen ließ. Adam jelbft ſah es, wie bie
Thüre des Schlafgemachs, welche zuerft jedem Unbefannten und
Pilger offen geweſen war, in folder Geftalt bewacht wurde, daß
Gefandte, welche in wichtigen Angelegenheiten famen, und Männer
von hoher Stellung mitunter voll Unwillens eine Woche vor der
Thüre warten mubten’*). Vorzüglich aber war es ein Mifver-
bältniß obnegleihen, daß der Erzbiſchof feine Abneigung gerade
en das Volk feines Sprengel und damit aud vielfach gegen
ie Eigenart des jähfifhen Stammes überhaupt offen heroorfehrte.
2) Bergl. in n. 37 bie Stelle von c. 57 a. E. Die bezeichnenden Stellen
im c. 55 find in 8b. I, 6. 699 n. 11 abgebrudt; die erfte rebet von servi et
villiei, bie zweite von praepositi operum. Zu ben erwähnten Beftrafungen fügte
hier im c. 55 Adam bei: asserens cum risu, afflictionem corporis animae
utilem; dampna bonorum, hoc esse purgationem delietorum (358).
ss) Inc. 37 ſchildert Adam dieſe ganz wechjelnden Stimmungen unb wieber-
dolt Das fürzer in c. 61: facilius solito provocatus ad iracundiam, aliquos
manu percussit usque ad effusionem sanguinis, multos etiam ignominiosis
sasperans verbis, non minus ze quam illos inhonoravit (349 u. 350, 360).
) Zu c. 38 a. E.: difficilis aditus fuit ceteris, nisi gravior causa pos-
eeret aliquos intromitti laicos (ete.) (350) gehört die Bemerkung zu ber Thon
sb. 6. 122 bei n. 12 herangepogenen Stelle von c. 63, daß Adalbert die Hohen
Geilichen nicht zu fid) Tieß: quos tamen ipee, neseio quibus offensus, excladi
praecepit a januis (361).
142
1072.
Adam bemüht fih, die Urſachen dieſer ihn felbit befremdenden
Erſcheinung, daß der Hirt feine Schafe oft, jtatt fie zu eben, jo
grulamı behandelte, aufzubeden, und eine derſelben vernahm er aus
balbert’3 eigenem Munde. Das war die am Bruder des En:
bifhofs, dem Pfalzgrafen Debo, durch einen Prieiter des Bremer
Sprengel3 begangene Mordthat; feither trug der Erzbiühof gegen
alle Angehörigen ſeiner Kirche einen Haß in ſich. Derielbe hatte
fi vermehrt, als Leute der Dienfimannfchaft eines Tages, uw
einen aus ihnen, welcher verhaftet worden mar, frei zu machen
in voller Wuth bewaffnet in das Schlafgemach Adalbert's fürzter
um bie Freilafjung zu erzwingen. Die Unreblihfeit der untere
Verwalter des Kirchengutes ſcheint Adam eine dritte Urfache d
Haffes zu fein. Dazu aber famen noch die dem Etzbiſchof geäuit
Vollerei, die Befleckung des Wandel diefer nur äußerlich zu
Chriftenthum fi zählenden Gläubigen des Sprengela durd €
innerungen an dag Heidenthum, jeitgehene fleiſchliche Vergebung
Verlegungen der kirchlichen Gebote, lauter Dinge, die der —
oft genug in der Kirche in ſeinen Reden geißelte und verbot.
jene fpotteten ber väterlihen Mahnung und waren weit da
entfernt, fi zu beſſern oder den Kirchen und Prieftern Go
Ehrfurcht zu zeigen, fo daß Adalbert urtheilte, diejes Bolt,
von fo hartem Naden fei, verdiene einzig Zügel und Rute, ı
Schonung, noch Vertrauen. Aber vielleiht nahm den Erzbi
nod) mehr gegen feine niederſächſiſchen kirchlichen Angehöriger
Beobadtung ein, baf fie den verabſcheuten und gefürchteten Her;
des billingiſchen Haufes mehr Gefinnung ber Treue, als ihm |
vollends ihm als einem Stammesfremden, und feiner Kirche
gegenbrachten °°). .
Eben der Bosheit derjenigen, welche Adalbert irrig fü
hielt, und den Anfeindungen der Widerfacher der Kirche wollt
Adam immer wieder die „heftige Verwirrung des Weſens“ b
) Das c. 55, in welchem Adam hierüber fid) verbreitet, ift aud) ı
eigenen Ausdrudeweife Adam’3, welder ja gleichfalls in Bremen ein
war — Wattenbach, Deutichland’3 Geichichtäquellen, II, 72, Halt ihn
Angehörigen bed oberen Eachjenlandes, ber wohl in Magdeburg feine
gemacht — bemerfenawerth (357 u. 358). Theils vom Berhalten
egen bie sui parrochiani, theils von befien Stimmung gegerrüber t
— Biefer gentes, bed ‚pulus if bie Rebe; aber Abamı fteikt ei
als fein eigenes Urtheil offen Hin, jo: Nam contentiones et pu'g!
cutiones et blasphemias, et quaecumque majora scelera com:U
ebrietate, in crastinum illi pro ludo habent —, oder: similiter‘
incestuositates aliaegue naturam excedentes immunditiae vix cul
aliquo eorum; plerique duas vel tres aut innumerabiles simi
tenent (etc.). Eine Geringiait ing Bremen’3 liegt aud in ben c.3 a
Worten Abalbert’3, daß bderfelbe solam clericorum et lapidum
saepe querebatur, wozu Adam beifügt: ut pace fratrum die
Meber Dedo’3 Tob vergl. Steindorff, Heinrich IIL, II, 338—340. E
Billinger bezüglicde Sa von c. 55 lautet: Postremum est, qu«
episcopus a Iprime doluit super invidia, quam iu advenas habent
adhuc duei fideliores erant quam sibi aut ecclesiae sune (358).
Adalbert's Beurteilung durch Meifter Adam von Bremen. 148
Erzbiſchofe zuſchreiben; —* aber ſetzte er damit und mit den
Schickſalsſchiägen die Abnahme der körperlichen Kräfte in nahe
Verbindung °°). Anderentheils aber hebt der Geſchichtsſchreiber mit
eigentlicher fittliher Genugthuung die deutlichen Darlegungen tiefer
Reue hervor, die bei dem ſchwerkranken, dem Tode entgegeneilenden
Kirhenfürften, mochte dieſer ſelbſt es ſich auch noch nicht eingeftehen,
zu Tage traten. Schon erheblich früher, feit 1066 bereitö, hatte
fih Adalbert gewiſſe Einſchränkungen als Zeichen einer Gefinnungs-
wandlung, welde freilich durchaus nicht überall ſich herausftellte,
aufzulegen Begonnen. Dahin zählte der völlige Verzicht auf die
regelmäßig gebrauchten Salzbäder, Losfagung von Fröhlichkeit und
Zurüdgezogenheit von der Deffentlichkeit, auch von Gaftmählern,
außer wenn Feſttage oder bie ‚wbeilnabme am Hofleben die An-
wejenheit erforderlich madhten’”). Vollends in den Wochen der
legten den Tod herbeiführenden Krankheit befannte der Erzbiſchof
nun laut jammernd und weinend, daß er feine Tage umfonft ver-
lebt, daß er große Geſchenke verſchwendet, daß er die Kirche, die
er fo hoch erheben wollte, fo tief herabgebracht habe°®). Aber
daneben ftand doch auch noch bis zulegt ein weites Feld, auf welchem
Adalbert’3 Wirkjamfeit unvermindert eine löbliche geblieben war.
Das war die Pflege der Belehrungsarbeit unter ben Fernen Völkern
des Nordens, mochten glei auch hier die Rückſchläge ſich eingeftellt
haben. Noch in den Zeiten feiner Belümmerniß hatte Adalbert
auch ftet3 wieder feines Vorſatzes, dieſen Dingen felbft fi zu
widmen, ſich erinnert. Zu Adam’3 Ohren waren Seufzer bes Erz-
biſchofs gebrungen, darüber, daß er nicht Mönch geworden fei, daß
es ihm nicht vergönnt werde, jelbft hinauszuziehen, um im Lande
der Slaven ober in Schweden ober im fernen Island für dem
Glauben zu fterben®®).
*) Eben nad) all den Recapitulationen — dem erften illud und fünf
weiteren mit Item illud angefügten Gefichtäpunften — über die Verirrungen
Walbert’2, in c. 61, folgt in c. 62 ala Belenntniß Adam’s: arbitror, eum aut
malignitate eoram, quos eibi fideles credidit, aut infestatione inimicorum,
ui ecclesiaın eius impugnabant, a statu solitae rectitudinis primo lapsum,
inde corruisse totum. Im Weiteren leitet er von ber saeva pertur-
batio morum auf bie ſchon ©. 121 bei n. 10 erwähnte Krankheit über
(362, 368)
sn) Des einen bier in c. 68 (864) neben mehrern erwähnten signum peni-
tentise vel conversionis suae, das post vastationem ecelesiae vel diem ex-
ionis suae, cum superviveret quinquennium (genauer von 1066 an ſechs
jahre) fiel, des Berzichtes auf Wäber, gedadjte jhon Schol. 90, doch genauer
—* balneis, quibus fere cotidie solebat uti, sale recoetis abstinuit,
multis, quae gravia esse populo persensit (361).
) Meber foldje Aeußerungen der Freue handelt Adam in c. 64 a. E.,
e. 68 a. A., wo aber auch die Angabe über amplius quam duo milia mansi,
quos ex mea haereditate vel meo Iabore gratulor adjectos ecelesiae
ve ss ) Das in ber Einfügung am Schluß von e. 68 (364) Geſagte bezieht ſich
nach den Angaben: in illo compunetionis tempore (nämlid; angefügt an die
Geihichte des Zulammentreffens mit Magnus: vergl. n. 19) — nicht auf biefe
3°
144 1072.
Das waren lichtere Stellen im Andenken des Geſchichtsſchreibers
an feinen verftorbenen Erzbifchof. Aber anberentheil® muß gerade
die legte Frift vor dem Tode, während eben Adalbert von Bremen
abwejend war, nochmals für die —5 Kirche eine Zeit des
Schreckens und der auch von Aberglauben genährten Angſt ge
wejen fein, wo entſetzliche Bilder die Gemüther peinigten®). So
ftand denn Adam aud noch, als er fein Werk fchrieb, unter ber
Herrichaft diefer Eindrüde, aus welchen heraus er feine Klage ver-
faßte. Aber feine Worte haben doch zugleich einen verſöhnenden
Inhalt und fließen mit einem Segenswunſch für den Verftorbenen.
Nach einem Ausrufe, wie gerne er von einem fo großen Manne
Beſſeres ſchriebe, nad) her Darlegung, daß der Prophet und der
römifche Dichter mit ihren Worten gegen diejenigen, die Böfes gut
heißen oder Schwarz in Weiß wenden, ihm jede ſchmeichelnde Rede
abſchnitten, macht fih Adam an eine legte, warme Würdigung bes
Erzbiſchofs, welcher auch ihm Liebe erwiejen hatte.
„D trügerifhes Glüd des menſchlichen Lebens! O fliehens-
würdiges Hafen nah Ehren! Was nügen Dir jegt, Du ehr-
würdiger Vater Adalbert, jene Dinge, die Du immer geliebt haft,
der Ruhm der Welt, der Zufammenfluß der Volfshaufen, die
Erhabenheit des Adels? Denn allein liegſt Du in der hohen Pfalz,
ganz verlafen von all ben Deinigen. Wo find nun aber bie Aerzte,
die Schmeichler und die Schaufpieler, welde Di in den Wünfchen
Deiner Seele glücklich priefen, welche geſchworen haben, daß Du
von biefer Krankheit genefen werdeft, welche berechneten, daß Du
bis zum höchſten Greifenalter leben werbeft? Alle, wie ich fehe,
find Genofjen Deines Tiſches gewefen, und am Tage ber Ver—
fugung find fie von Dir gewichen. Einzig die Armen und die
Pilger, die Wittwen und Waifen find zurüdgeblieben, und alle
Bebrüdten, welche befennen, daß fie durch Deinen Tod verlaffen
feien. Aber mit biefen können aud wir in Wahrheit verfihern,
dag Dir fortan niemand gleihlommen wird in Milde und Frei—
gebigfeit, wie Du fie geübt, gegenüber ben Pilgern, in der .
theidigung ber heiligen Kirchen und in der allen Geiftlichen ge-
wibmeten Verehrung, oder darin, daß ein folder Nachfolger 8,
wie Du, fo eifrig die Räubereien der ihre Macht Mißbrauchenden
oder die Anmaßungen ber Webermüthigen verfolgen, endli daß er
in der Eugen Anordnung göttliher und menfhticier Dinge zu
jedem Rathe bereitwilliger ſich finden lafjen könnte. Wenn jedoch
etwas in Deinem Wejen tabelngwerth erſchien, fo ift dag mehr
letzte Zeit, iſt aber auch ein Beranik ber ‚Bertniefung, Daß die Milfione-
beftrebungen das Beſte von Abalbert’3 Jang leit blieben, zeigt Adam's ausbrüd-
uches Seugniß in c. 23: in sola gentium legatione permansit integer officii
et. sine querela, et talis, qualem et tempora et mores hominum mallent
habere ($44): vergl. Bb. I, € 7.
©) Vergl, die Geſchichten in c. 63, deren Schluß ift: Omnia mortem epis-
copi portendebant (361).
Abalbert’3 Beurtheilung durch Meifter Adam von Bremen u. Lambert. 145
aus der Nichtswürdigkeit derjenigen, denen Du mehr, als billig war,
vertrauteft, oder berjenigen, die Du um ber Wahrheit willen als
Feinde zu erbulden gehabt haft, erwachſen. Jene nämlih, die
Deine loͤbliche Sinnesweife durch ihre Ränke verfchlechterten, hatten
diejelbe aus einer guten in eine ſchlimme umgeftaltet, und deß⸗
wegen müfjen wir zu dem allmilbeiten Herrn flehen, daß er Dir
nad der Größe feiner Barmherzigkeit verzeihe und Dich in bie
ewige Seligfeit_verfege, durch die Verdienfte aller feiner Heiligen,
deren Schirm Du Di immer andächtig empfohlen haft“). —
Bon dem eifrigen Verehrer Erzbifchof Anno's, Lambert von
Hersfeld, war es nicht zu erwarten, baß er in ähnlicher Weife,
wie Meifter Adam, der zu Adalbert’3 nächiten Vertrauten gehört
Hatın in bie Aloge um den Verſtorbenen einftimme. Auch bat
mbert in ber Einleitung des Abjchnittes, welcher die Todes-
nachricht enthält, unzweifelhaft den Einfluß des Erzbifhofs am
töniglichen Hofe noch in dieſer legten Zeit überjchägt, babei anderer:
feit3 eine hämifche Bemerkung über dag Verhältniß zu Heinrich IV.
nit zu unterdrüden vermodht®?). Sonft ift, mas er über dag
Ende Adalbert’3 vernahm und über das Weſen deſſelben als Urtheil
vorbrachte, vielfach zutreffend. Er wußte, daß der Leidende, ob-
ſchon durch Krankheit und Alter an Kraft erſchöpft, dennoch in
Folge der ausgefuhtefen Anftrengungen der Nerzte, als könnte er
durd die Kumit die Natur hintergehen, mit dem Tode gerungen
hatte, und dann fährt er fort: „Endlich einmal that er durch
feinen Tod, was er im Leben niemals vermodht hatte, den hart-
nädigen Neußerungen des Haſſes der Menſchen Genüge”. In der
Schägung des Weſens ftimmt Lambert mehrfach mit Adam über-
ein. Auch er nimmt an, daß Adalbert von bemundernswerther
Reumüthigkeit war und beſonders, wenn er dad Meßopfer darbrachte,
ganz in Thränen zerfloß; ebenfo rühmt er bie SKeufchheit des
Mannes vom Mutterleibe an. Aber glei) Adam betont er das
übermüthige Benehmen und die leichtfertige Prahlerei, welche in
den Augen der Menfchen diefe Tugenden allzu jehr verbunfelten °®).
In einer anderen dem Könige, damit aber auch Adalbert, ala
dem treuen Anhänger befjelben, feindjelig gefinnten Gefhichtserzählung,
derjenigen des Sachſen Bruno, ift von dem Tode des Erzbiſchofs
*) In c. 64 ſteht: Eheu quam vellem meliora scribere de tanto viro
... Verum timeo, quia seriptum est: Vae illis, qui malum bonum dieunt
(Eeaias, V, 20) et: Pereant qui nigrum in candidum (telp. candida) vertunt
(Juven. Satir., III, 30). Etwas weiter folgt das oben überfekte c. 65 (362).
#3) Lambert übertreibt jehr in den Worten: Primus tunc in palatio erat
Adalbertus Premensis archiepiscopus, qui . . . solus nunc rege frucbatur,
receptus non modo in gratiam et familiaritatem, sed pene in regni con-
sortium et omnium quae publice vel privatim agenda erant societatem. Ita
regem callidis subreptionibus suum fecerat (SS. V, 189). Eine frühere un
angenehm hämiiche Aeußerung Lambert's, a. 1065, ift ſchon in Bb. I, ©. 400
2 10, ‚Derangeaogen.
)L. c.
Beyer von Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter Heinrig IV. u. V. Bd. II. 10
146 1072,
nur ganz beiläufig die Nede°*); dagegen erweiſt fich. ber zubem
exft aus einer fpäteren Zeit in einem Rüdblid auf die Zeit Adalbert's
ſich beziehende Veurtheiler als gewillt, da8 Andenken des zeitweife
an Heinrich's IV. Seite ftehenden vornehmen Rathgeber möglich
zu verbunfeln. Auch Bruno kannte aus ber Weberlieferung den
Erzbifchof als einen von Stolz und Hochmuth aufgeblafenen Herrn,
und er fuchte diefe Schwächen in einigen Geſchichtchen, an denen
etwas Wahres fein mag, während die handgreiflichiten übertreibenden
Ausmalungen binzufamen, auszuführen. Aber viel mehr lag ihm
daran, Adalbert als den gefliſſentlichen Werberber des fittlichen
Lebens des jungen Königs, % lange er auf denſelben großen Ein-
fluß auszuüben vermochte, zu brandmarfen. Statt die Zügellofig-
keit des Jünglings zu ftrafen, habe er gejucht, fich vertraulich an
deſſen Seite zu ftellen; mit den Mitteln der Schmeichelei habe er
die Keime des Laſters bei Heinrich IV. groß gezogen. In feiner
Bosheit ftet3 meu gefräftigt, fei der König immer tiefer in dieſen
Pfuhl des Verberbend eingetreten; der Erzbiſchof habe Alles ger
jehen und nicht verhindert, vielmehr unter dem Scheine der Er-
mahnung noch beftärkt, ohme Scheu und Scham ſolche Dinge zu
betreiben). Allerbings wird bei Beurtheilung diefer Ausführungen
%) Bruno, De bello Saxon., erwähnt in c. 27 bei einem Cxeigniffe von
1073: Nam mortuus jam nuper erat Adalbertus Bremensis episcopus (SS.
338).
©) Nach ber gleich in c. 1 betonten Auffafiung, daß Anno die förderliche
Perſonlichteit für den jungen Heinrich IV. geweien fei (vergl. Bd. I, ©. 284, in
n. 95, umb 405, in .n. 20), muß Adalbert für Bruno fon ganz äußerlich die
Rolle des verberblichen Einflufies einnehmen, und nad) dieſer Gegenüberflellung
iſt dann Adalbert in c. 5 nach der Schablone geichildert, welche aus Bruno den
Weg durch alle vulgären Darftellungen ber Jugend Heinrich's IV. bie in bie
Gegenwart Hinein_fortgejegt Hat, ber aber nur der ganz zweifelhafte Bi
gamphtetariicer Berunglimpfung beizumefin if. Denn während auch mı
.ambert Abalbert virgo ab utero matris gebfieben ift (vergl. bei n. 63), jol
nun nad) Bruno der Exzbifcpof den Königsjüngling zur wilbeften Sinnentuß
angetrieben, babei felbft fid) betheiligt haben: Hie igitur episcopus ubi regem
velut infrenem equum per abrupta flagitiorum ruere vidit, eius se lateri
familiariter adjungere quaesivit; non ut vitiorum apinas, quae fuerant ortae,
manu severae auctoritatis radieitus erueret et virtutum semina episcopali
praedicatione plantaret, sed ut germina vitiorum adulationis aqua rigaret,
et siquae virtutum fruges emergerent, amaritudine perversi dogmatis ene-
caret —, was dann im Weiteren mit Einſtreuung zahlreicher Bibelſprüche und
einer nicht genau wiedergegebenen Sejefrucht aus Horaz weiter ausgeführt wirb,
mit dem Sehufe: Hac igrfur episcopi non. episcopali doctrina rex in ne-
quitia confortatus, ivit per libidinum praeeipitia (. c., 381); ebenfo folgt im
&3 (832) madı feloßgefäiger Ausmalung dr fniglicsen Äuefämeifungen:
omnis vidit ille falsus etfallensepiscopus; vidit, neque prohibuit; immo sua doc-
trina eum, qua sine timore vel pudore talia faceret, velud adhortandoconforta-
yit (wonach derl.c., ©.614,n. 14, wobießtrititbiefer Stellen, mitgethrilte Sag folgt);
bagegen will Bruno eine in c. 12 (333) erzählte, wieber Adalbert belaftende Geichichte,
juamyis pene omnibus versaretur in ore, doch jelbft inter ambigus relinguere.
äh Grünbagen, 1, c., wie in, dem Gapitel: Die päbagsgilde Mirtiamteit
Malbert’s, 177f, Bruno’ Verleumbdungen zurlc. Weit cher find die Hiftdt-
chem in cc. 2—4 (380-881), wenn aud) c. 3 in biefer den Erzbilcjof Lägerlich
Adalbert’3 ganz entftellte Auffafjung dur; Bruno. 147
Bruno's zuzugeben fein, daß ein Mann, wie Adalbert, welder
ſelbſt troß beijerer Einfiht, allerdings nach ganz anderen Rich—
tungen , böfen Einflüffen fih bingab, welcher in feiner Selbft-
überhebung vielfadh den Boden unter feinen Füßen verlor, zur
Leitung eines jungen, felber leidenſchaftlich beanlagten Herrſchers
nit überall gefhaffen war. Aber erftlich gehören ja die Jahre
bis zur Ummälzung von Tribur, wo dann, was Bruno ganz über-
fah, die Einmwirfung auf den im ſechszehnten Jahre ftehenden
König plöglid ganz aufhörte, nad Adam’3 Zeugniß noch derjenigen
Jeit an, in welcher Adalbert’3 ſchwere Srethümer erſt ſich zu
igen anfingen. Weiter aber iſt es bei einem Geiſtlichen, der für
5 ſelbſt und ſeine Umgebung alle ſinnliche Ausſchweifung ſo auf
den Tod haßte, der von feinen Verpflichtungen für Reich und König
fo Hoch dadte, eine gefliffentlihe Verlodung bes ihm anvertrauten
Iıngen Sohnes jeines geliebten verftorbenen Kaiſers einfach un-
möolic- Bruno’3 gefhidt ausgemaltes Bild von dem felbft
fündigenden Zerftörer der Sittlichfeit des zu erziehenden Königs
it in Der vorgebradhten Form eine Lüge.
Immerhin beweiſen auch dieſe Adalbert’3 Andenken ungünftigen
Zeugniffe, daß deren Urheber in dem aus dem Leben geſchiedenen
Erzbijchof einen Mann von bedeutender Einwirfung auf den Gang
der Angelegenheiten im Reiche anerfannten °°). —
sachenden taum Hiftoriich ift (vergl. die Ablel durch Grü ”
ES, ale Aban? Gallereung 36 Onbildne alammergureieen:
teionders bie eine in c. 2 von Adalbert ald dem sic typho superbia turgidus, ut
wec im seculari nobilitate nee in sancta conversatione quemquam putaret
Sbi mequalem — er fol non ber Rangel an sinem Gen Geftage gefagt har
bem: quasi bonos et nobiles in hac terra defecisse, se solum et regem —
flicet anteponens regi — de nobilitate remansisse —, ba fie dem ob.
€. 131 bein. aus Adam grnommenen Selbftruhm ähnlich Iautet: auch bei
© 4 mag man eiwa bei der allerdings wieder in das Hebertriebene gezogenen
Berlegmbeit des erzbifchöflichen dapifer, der nichil habebat quod tum ex con-
wwetudine sus venustum ipsique regi comedendum mensae regis imponeret,
«m bie mit der Berarmung Bremen’s im Widerſpruch Mehende Feunttuf Adal-
bert’3 denfen (der dabei erwähnte Mann des ſchmeichleriſchen Gefolges Adalbert’s,
Transmandus pietor ab Italia, ift ein Gegenflüd zu Adam, Schol. 91, wo
Adamatos quidam medicus, genere Salernitanus, 1. c., 362, genannt if).
“) Innerhalb der fchon in Bd. I, S. 37 n. 24, 406 n. 22, bejonbers auch
695 ff. genannten und beurtheilten neueren Litteratur über Adalbert fteht das
Wert Dehio's jedenfalls voran, beſonders in der Art und Weile, wie es Adam
gerecht wird, während von den anderen Berfaflern Grünhagen, obſchon er da⸗
17. m Here tt, le, 45, in Abam „eine gewifle, in jeiner
uldigende Beichränttheit“ findet, welche „jelbft
3 von feinem Erzbildhof ein getreues Bild zu
elehrte Anzeigen, 1855, 844 u. 845, ift dieſe
ung Adalbert's erwachſene Anficht widerlegt),
697, beurtheilten Differtation, 7, vollends
felt und fagt, „baß er mit einem Worte fein
et’3 gehabt Hat“. In ben Yahreöberichten
beurtheilt Breßlau ſehr richtig die mehr po-
m Jahresbericht der Realjule I. Ordnung zu
balbert’3 von Bremen). In den Hiftorilchen
(1884) it, 225 f., Adalbert in großen Ums
10*
148 1072.
Doch nur zwölf Tage nad; Erzbifchof Adalbert ſtarb auch das
Haupt des ſächſiſchen herzoglichen Haufes, Ordulf, der Bilinger,
am 28. März. Zugleih mit Adalbert war er noch am Ende des
abgelaufenen Zahres am königlichen Hofe in Worms gemejen: aber
mochte auch, wie eben dieſer Umftand es annehmen läßt, der
Gegenfag zwiſchen dem Könige und Adalbert auf der einen, dem
Herzog Aut der anderen Seite entweber für den Augenblid eiwas
gemildert oder wenigſtens verdeckt geblieben fein, jedenfalls ſchied
Ordulf zu einer Zeit aus dem Leben, wo durch die fortgejegte
Gefangenhaltung ſeines Sohnes und Erben Magnus die Ausſicht
der Billinger für die nächfte Zufunft verbüftert war. Freilich war
anderentheils ebenfo durch Adalbert’3 Tod eine hauptſächliche An-
lehnung für Heinrich IV., zur Durchführung der etwa in der
Unterredung mit König Svend feitgeftellten Pläne, dahin gefallen).
Aber ganz abgejehen von der Wichtigkeit dieſes Todesfales
Ordulf's, wegen der fragen, die ſich Hinfichtlich der Nachfolge im
Herzogthume der Billinger fogleich in den Vordergrund der jüh-
fifchen Angelegenheiten ſchieben mußten, machte ſich derſelhe auch
neuerdings in einem bedenklichen Rüdjchlage gegen die Machtſtellung
des Reiches und bes ſächſiſchen Herzogthumes an der unteren Elbe
eltend. Zwar hatte man in Bremen, im Umkreiſe Abalbert's,
ers mit_einem gewiffen nicht verhehlten Hohn darauf hingeblidt,
wie fi Ordulf in dem Dugend Jahre, in welchem er Herzog war,
von den ſlaviſchen Nachbarn eine Schlappe nad) ber andern geholt
hatte°®). Aber immerhin war doch eine gemiffe Scheu vor der Herzogs
ewalt bei den Slaven auch als eine Abjchredung von Angriffen
— geweſen. Jetzt hörten die wendiſchen Feinde nach einander,
rifſen, doch in einem im Gingetnen feineewegs überall richtig gezeichneten Bilde
befonders mit wmelentlicher Heberichäßung des Patriargatsplanes, behandelt
ferner in fehr zutrefiender Weife durch — — von Bippen, Geſchichie der Stad
Bremen, I, 38-64, daratterifirt. Neltere Tiffertationen über Diefen Gegen
Rand liegen vor von FF. X. Wegele, De Adelberti Bremensis vita (Jena, I
ir Gmbacyer, Symbolne criticae ad Adalberti Hambargensio archiepiseop
storiam (Stönigeberg, 1869 — dod) beichäftigt fich biefe faft gar nicht mit Ad
bert’3 Perfönlicteit), O. Preil, Adelbert, Erzbiihof von Hamburgs Breme
(Sena, 1871). Außerdem nennt Dehio, I, „Anmerkungen“, 45, noch einige älter
Auffähe über Adalbert. .
a Bergl. ſchon ob. S. 74, mit n. 62, fowie ©. 88. Herzog Orbuli’
Tod fällt gech dem Necrologium Monast. e. Michaelis (zu Lüneburg): V. Ka
April. obiit Ordulf dux pater M(agni) d(ueis) (Webelind, Roten zu einige
Gefchichtsichreibern des deutichen Mittelalters, II, 23) auf dem 28. März. ®
jahr bieten der Annalista Saxo 1071, die Annal. Rosenfeld. (wo aud bi
odestag) 1073 (SS. VI, 698, XVI, 100). Doc if nad) ©. 88, mit n. 89, i
Ucbereinftimmung mit Giejebreht, 1. c., unbedingt 1072 als Tobezjahr anz
nehmen. Die in n. 68 eitirte Stelle Adam’s, c. 50, mit Erwähnung der dus
deeim anni, quibus patri supervixit (sc. Ordulf), paßt ala runder Auſchlo
dom 29. Juni 1059 gerechnet, ganz gut zu 1072, und Lambert'8 Angabe,
1073, über den Willinger Hermann, als den frater Ottonis Saxoniei duc
qui superiore anno deceserat (SS. V, 195), mei ns beftimmter auf 101
©) Bergl. das Zeugniß Adam's, c. 50, in 3b. I, €. 517, n. 43.
Herog Orbulps Tod. Slaviſche Verwüſtungen, befonders in Hamburg. 149
daß erft der einit fo gewaltige Erzbiſchof, dann der Herzog
nit mehr unter den Lebenden weilten, und fo wagten fie einen
neuen verderblichen Vorſtoß gegen den ſchon 1068 nad) dem Unter:
gange des Fürften Godjhalf von den Heiden in jchimpflichfter
iſe zeritörten heiligen Plag Hamburg, für melden Adalbert eine
fo hohe Ehrfurdt gebegt hatte. So lange jenfeit3 der Elbe Friede
waltete, hatte e3 der Erzbiſchof geliebt, in Hamburg den Sommer
zuzubringen ober wenigſtens Ditern, Pfingiten, die Feſte ber heiligen
Zungfrau zu jeiern, unter zahlreicher Anmelenheit von Geiftlihen
und mit dem von ihm bevorzugten Prunke des Gottesdienftes; er
hatte da öfters die Beförderungen zu kirchlichen Weihen zu den
feſtgeſetzten Zeiten vollzogen, und ebenſo war von ihm gemwohnheits-
gemäß in Hamburg die ‚Seltimmung darüber getroffen worden,
wann er von den Billingern oder von den nächfttohnenden ſlaviſchen
Voͤlkern oder von den Abgeſandten der Länder des Nordens Be—
ſuche zu empfangen gedachte. Denn Hamburg galt ihm als die frucht-
barite Mutter der Völfer, welcher die Ehrerbietung und die Tröftung
um jo mehr geſchuldet werde, je größer ihre Heimſuchungen jeien,
ale das wahre Haupt jeines geiftlihen Sprengels. Jetzt aber
wurde eben biefer durch das Gedaͤchtniß Anskar's ehrwürdige Plag,
mo Adalbert am liebiten feine Nuheftätte hätte finden mögen, von
den Heiden wieder angegriffen und, wohl nod) ärger, als vor ſechs
Jahren, zwei Male dur Feuer verheert. Von jegt an hatten die
ſiegreichen Feinde des Chriſtenthums und der jähfifchen jtaatlichen
Ordnung das ganze nordalbingifhe Land in ihrer Gewalt; die
chriſtlichen Krieger wurden erſchlagen ober gefangen meogeführt —
ein Theil des Volkes der Holſten wanderte aus und ging über die
Elbe, um im Harzgebirge ſichere Sitze zu ſuchen —; das Land
wurde zu einer Einöde umgewandelt. Adam meinte, daß ſeit
Adalbert's Tode mit dem Ende des guten Hirten auch ber Friede
von den Ländern gewiden jei°°).
©) Bergl. in Ercurs II über die zeitliche Anfehung der Stelle in Adam’a
© 63. Doc gedachte Adam auch noch fonft des jhmerzlichen Ereigniffes, in c. 1:
nobilis et dives parrochia Hammaburgensis . ... . vastata cst a paganis und
im &pilog an Erabilchof Siemar, v. 59: haec (sc. Hammaburg) a is op-
pressa (336, 388). Bon Abalbert’3 Liebe zu Hamburg handeln c. 25: metro-
polem Hammaburg in prineipio letieise posuit archiepiscopus, fecundissi-
mam gentium matrem illam appellans, omnique devotionis officio vene-
randam, protestatus, ei tanto majorem offerri debere consolationem, quanto
majori plaga et propioribus insidiis et tam longiturna paganorum infe-
ststione cribraretur — und c. 26: Diligebat sane pontifex eum loeum, sieut
omnes praedecessores sui, eo quod metropolis sedes fuerit omnium septen-
trionaliam nationum et caput suae parrochiae. Ideoque dum adhuc pax
fait trans Albiam, omnes fere sollempnitates paschae ac pentecostes item-
que Dei matris ibi celebrare voluit, collecto ex singulis congregationibus
mazximo cleri numero — eine Einfügung in c. 44 zählt die munera quae rex
muieit ad reaedificationem Hammahurg, d. h. nad) 1066, ber Reihe nach auf
—, sefonder3 auch c. 67, dad neben ſchon genannten Gefichtapuntten nachträgt:
Ibi .. plerumque totam aestatem transigens — Ibi promotiones ecelesiasti-
eoram ordinnm legitimig temporibus gravi prorsus reverentia sepius implevit.
150 (Rad) 1072.]
Immerhin wurde — es ift nicht fiher, zu welcher Zeit, wohl
erft einige Jahre nad 1072 — nochmals ein Verſuch vom fähfihen
Lande ſüdlich der Elbe her gemacht, das Uebergewicht der ſlaviſchen
Herrfchaft im wagriſchen Lande und damit jenſeits des Stromes
überhaupt zu breden; nur ift bei der fagenhaften Form ber zwar
jehr einläßlichen fpäteren Erzählung, welcher aud) eine gewiſſe ah
ſowohl der Vertheibigung als der Beſchuldigung innewohnt, das
Einzelne nit beitimmt feftzuftellen. Won den Söhnen des 1066
getöbteten Godſchalk war nämlich Butue, während fein jüngerer
Stiefbruder Heinrich, als der Sohn der däniſchen Königstochtet
Siritha, wohl zugleih mit der Mutter, zu den Dänen entfloden
war, zu den Billingern gegangen und hatte bei ihnen Zuflucht ge
funden. Dann hatte er zwar mit Hülfe Herzog Orbulf’3, vielleiht
auch in Folge de3 gegen die Liutizen durch Heinrich IV. geführten
Schlages, gegenüber Cruto, welder durch die Slaven als Fürſt
anerfannt worden war, eine gewiſſe Machtftellung unter feinem
Volke wieder erlangt; aber biejelbe war gering geblieben, und nad
Ordulf's Tode wurde er vollends auch dieſes Beſitzes mieder be
raubt. Cruto jagte Butue aus dem Lande und zerftörte bie
Burgen, welche demſelben eine Stüge gewejen waren. Da dieſer
Umſchwung auch einen Verluft für das ſächſiſche Herzogshaus be
deutete, ging der Vertriebene nad Lüneburg zu Magnus, welder
Hülfe verfprah. So begab fih Butue mit einer Schaar aus dem
Bardengau in das wagriſche Land, während die Leute aus Stor-
marn und Ditmarfchen, fammt den Holften, durch Magnus auf
jeboten wurden. Doc, diefe Hülfsimannfhaft fam Butue nicht zu
ute, da dieſer in der wagriſchen Feſte Plön durch die Hinterlift
feiner Feinde eingefchloffen und verrätherifcher Weife preisgegeben
wurde. Während die Nordalbinger am Grenzfluffe des ſächſiſchen und
flavifchen Landes, der Schwale, ftehen blieben, wurde Butue mit feinen
Leuten aus dem Bardengau durch Cruto getödtet. Auch dieje Er
zählung vom Tode Butue's, welde wohl unter den Holften in
der überlieferten Weife entitand, weiß, daß das nordalbingiſche
Land nad diefem Ereignifje dem flavifhen Häuptling zinzpflihtig
wurde. Dagegen ift nicht zu jagen, weldem Jahre, etwa ber
Ibi tempus et locum, quo a nostris ducibus seu a proximis Selavorum gen-
tibus sive a ceteris arctoae gentis legatis adiri posset, ex more constituit
(845, 352, 363). Wuch Adam felbft bezeugt in Lib. IV, c. 41, feine dehe Ber«
ehrung für Hamburg, indem er fagt, feine Mittheilungen in biefem Lib. IV,
über die nördlichen Länder, habe er gebracht, um Hamburg zu verherriichen
(vergl. Bd. I, ©. 415, mit n. 43). Der Auswanderung von amplius quam
sexcente familie de populo Holzatorum, und zwar in montes Harticos, ge
bentt Helmold, Chron, Siavorum, Lib. I, c. 26 (SS. XXI, 31). Daraus, def
nad) den Notse Weissenburg. eine firdjliche Weihe in bielem eljäffifchen Moe
1072 rogatu Samuelis abbatis, consentiente Heinrico Spirense episcopo
ger mans ‚Erenfridi Antique civitatis vererabilis episcopi (vergl. Bd. I
. 412) geicjah (SS. XIII, 47), iR gleichfals ein Zeugniß für die Werddun
des Bisthums Aldenburg zu gewinnen.
Untergang Butne’s. Ofterfeier in Utrecht; Anno's Gteilung zum Hofe. 151
zweiten Hälfte der Siebziger Jahre, der 8. Auguft angehört, für
welden Tag Butue's Untergang durch die zu Lüneburg gemachte
Aufzeihnung bezeugt ift ?%).
Der König verließ, ald die Ofterzeit heranrücte, Sachſen und
begab fi über Cöln, wo der Palmjonntag — 1. April — ge
feiert wurde, nach Utrecht, wohin ſchon vorher die Abhaltung des
Oſterfeſtes angekündigt worden war. Hier, am Sitze Biſchof
Wilhelm's, wurde das Dfterfeft, 8. April, begangen ?!), und es ift
wahrſcheinlich, daß Heinrich IV. von diefem Plage aus die no
im vorhergehenden Jahre kriegeriſch verwirrten Beziehungen in den
nieberlothringifchen Landſchaften, zwiſchen Herzog Gottfried, als
dem biſchöflich Utrecht'ſchen Lehensträger und Eroberer frififcher
Gebiete, einerfeitd und dem in ben Befis Flandern’s gelangten
Robert dem Frifen auf der andern Seite, und wieder zwiſchen
dieſem und dem Neffen deijelben, dem Sohne der Richeldis, dem Grafen
Zalduin II. vom Hennegau, in Ordnung bringen half ’*).
Weit weniger ift die Schilderung annehmbar, welche Lambert,
defien Verehrung für Erzbiſchof Anno hier abermals in einer ganz
einfeitig übertreibenden Weiſe bervortritt, von einer in Utrecht
vollzogenen Uebertragung der Dermaltung der öffentlihen An-
gelegenheiten durch den König an ben Erzbiſchof von Cöln vor-
bringt. Heinrich IV. mochte in Folge feiner gejpannten Be-
ziehungen, zu ben Billingern, ferner, wie alsbald zu erörtern
jein wird, zu ben oberbeutichen Herzogen, fich aufgefordert fühlen,
jegt_ nad dem Tode Erzbifhof Adalbert's, da er ohne das im
Erziprengel Anno's fi befand, diefen wieder näher an fi heran-
zuziehen, um fo der guten Gefinnung des Kirchenfürften, deſſen
Theilnahme an den ftaatlihen Angelegenheiten, troß des Eifers für
Kiöfter und Mönchsleben, nicht erlofchen war, ſich zu ſichern. Da-
durch durfte er hoffen, den ebrgeigigen, durch feine vielfahen Ver⸗
bindungen leicht zu ſchädlicher Wirkfamfeit in den Stand geiesten
Erzbifhof von zu befürdtenden Anfnüpfungen abzuhalten. Andern-
theils mochte Anno für die Erhaltung von Recht und Geſetz, wie
Lambert nit genug rühmen fonnte, feine Einwirkung geltend
0) Bergl. hier in rd II.
71) Sambert hat dieſe Angaben (189); aber aud Adam wußte, daß bei
Abalbert’3 Zebzeiten nod; der Aufenthalt zu Utrecht jhon angejagt war (vergl.
sb. €. 91, n. 9).
72) Bergl. ob. S. 67—89. Gieſebrecht, II, 169 (n.), nahm an, daß das
Ablommen, weil Heintich IV. eben jet in Niederlothringen weilte, Herzog Gott»
fried aber am Ende ded Jahres nad) Italien fi) begab, eben in diele Früh:
jahrszeit gefallen fei. Gottfrieb aber — und nicht Dietrich V., wie Giefe t
— befand fich bis zu feinem Zode (vergl. S. 69, n. 54) im Befige Hol«
land’a, nebft den Bnsgeigten frifiſchen Groberungen. Auch die definitiven Zus
weitungen Flandern's an Robert, bes Hennegau an den jungen Balduin möchte
Gieſebrecht hiermit verbinden.
152 1072.
gemacht haben’*). Wenigftens hebt Lambert’3 Erzählung einen
einzelnen Fall, der in Hersfeld befonderes Aufſehen eg! zu haben
ſcheint, fogleih hervor. Jenen Egino, ber fih durch die Anklage
gegen Herzog Dtto übel befannt gemacht hatte, ſah man damals,
wie er wegen verübter Miffethaten mit Ketten belaftet vor den
Augen der Menge berumgeführt wurde ”*).
Nah dem Aufenthalte in Utrecht kam Heinrich IV., von Anno
begleitet, nad) Nahen, wo er am 27. April gemäß ber Fürbitte
der Königin Bertha und ferner, eben nach derjenigen Anno’3, der
Biſchöfe Burchard von Halberjtant und Wernher von Straßburg,
an die Kirche des Aachener Marien-Stiftes eine Schenfung vollzog,
in Würdigung ber Dienfte des dortigen Propftes Ruopert >).
FH aber empfing der König hier für die von ihm auf ber
arzburg erbaute Kirche Ueberreite von Heiligen’). Denn alsbald
begab er fich wieder auf den Rüdweg nad) Sachſen. Es fcheint,
daß der Wunſch, wenigfteng nad} einer Seite Hin — mit dem gemejenen
bairifchen Herzog Dtto — eine Verföhnung herbeizuführen, ben
König abermal3 nad diefem Lande zurüdbradte. Denn es mochte
fi al3 räthlich herausftellen, die unter den hohen Herren gegen
den Thron vorliegenden Feindfeligfeiten mo möglich zu verringern.
Schon in dieſer erften Hälfte des Jahres muß nämlich zwiſchen
Heinrih IV. und Fürften des Reiches, voran weltlichen, ein Zer-
würfniß peinliher Art, welches große Gefahren in ſich barg, offen
[in Tage getreten fein. Die Urſache jolher übler Stimmung it
uch den Bericht der ee von Niederaltaich genauer be—
zeichnet, und eben der Umftand, daß gerade in diejer Quelle fi
die ausgeprägte Hinmweifung auf ein zum Vorwurfe gegen den
König erhobenes Mifverhältniß findet, macht die ganze Mittheilung
glaubwürdiger, al3 wenn fie von einer anderen Seite geboten würde.
78) Bergl. in Excurs I, wo auch das Weientliche aus Lambert's Xerte
mitgetheilt ift. Lindner, Anno IL, 70 u. 71, ſchälle den richtigen Kern aus
Sambert’3 Mebertreibungen heraus. . .
— Wegen Eine vergl. Idon ob. ©. 14 in n. 25; weite fagt Sambeet
von Anno: Egenen .. . teneri fecit, eumque catenis oneratum plerumgue
ad spectacalum vulgi deduci jussit, ad gratificandam scilicet popularium
animis regiam severitatem (190). Es macht den Eindrud, als hätte Lambert
von dieſem alle, den er vielleicht mit eigenen Augen ſah, auf das Allgemeine
Hinfichtlich der ftrengen Wahrung des Rechtes durch Anno geichloffen.
6) Sambert: Rex Aquisgrani profectus (190). St. 2756, von Abalbero
€ jelbft geichrieben, hebt, wie es nahe liegt , in der Arenga Karl den Großen
im Allgemeinen und beſſen Beziehungen zu Aachen Ipeciell Bevor (vergl. Gunds
lad, Ein Dictator, 26, wo hiezu die Stelle aus St. 2752 — vergl. ob. ©. 117,
n. 2 — in Parallele gefeßt ift: vergl. ferner zu 1076 n. 81) und hat aud)
ẽigenthum in der Nareatio (vergl. 1. c., 57, wegen der fich folgenden Aus
driüde: specialius . . . preciosiora . . . specialius. . . preciosius, 37 wegen
ber furzen Hindeutung mit: ut praefati sumus auf die Arenga, 44). Die Lage
des geientten predium Harne im Xrdennengau — Walhorn füdlih von
Aachen — ift nach dem comitatus Diepoldi bezeichnet.
?6) Sambert zählt Die sanctorum reliquiae einzeln auf: in Hartesburc trans-
tulit (sc. rez) (190).
Ungufriebenheit b. Großen üb. d. Zufammenfepung d. Umgebung d. Rönige. 153
Der bairiſche Mönch jagt wörtlih: „Während langer Zeit ſchon
begann der König alle Mächtigen zu verachten, dagegen die Ge-
ringeren durch Neichthümer und Hülfsmittel emporzuheben, und
nad) der legteren Rath verwaltete er, was zu verrichten war; von
den VBornehmen aber lich er jelten einen zu feinen geheimen Dingen
zu. Und weil Vieles in ungeorbneter Weife geſchah, entzogen Ka
die Biſchöfe, die Herzoge und andere Große des Reiches den An:
gelegenheiten des Königs“.
Es iſt nicht zu bezweifeln, daß Heinrich IV. ſchon jeit einiger
Zeit durch die Auswahl, die er bei der Zufammenftellung_ feiner
nädjten Umgebung darlegte, das Mißtrauen der hohen Herren,
welche jonft den Hof durch ihre Gegenwart ausgezeichnet hatten,
erregte. Schon jenem heſſiſchen Grafen Wernher, welder 1065
Rarb, hatte man menigitens zu Hersfeld einen bedeutenden und
zwar einen recht ſchlimmen Einfluß auf den jungen König zu—
geiörieben. Datın follte der Sturz des Herzogs Otto von Baiern
uch Anzettelungen von ſolchen des Vertrauens des Königs nicht
würdigen Theilnehmern des höfifhen Lebens ausgegangen fein.
Wieder galt der 1071 durch einen Unglücksfall plötzlich verftorbene,
in Hersfeld beigejegte Liupold von Mersburg als ein derartiger
Liebling des Königs, und über die fihtbar gewordenen gegenfeitigen
vertraulichen Biziehungen der Beiden vermochte der Hersfelder
Berichterſiatter Lambert nicht ohne Aeußerung eines gewiſſen Miß—
behagens hinmwegzufommen. Aber überhaupt war es eben voran
für Lambert ein leitender Gefihtspunft, bei einer ganzen Reihe
von Ereigniffen, ſchon um die Mitte der Sechsziger Jahre, dann
wieder feit 1070, die „Räthe", die „Rathgeber“, die „Freunde des
Königs”, die „Vertrauen“, die „Ohrenblaͤſer“, wie fie an den ver-
ſchiedenen Orten genannt werden, als betheiligt, ganz überwiegend
im ſchlimmen Sinne, als mitſchuldig herauszuſtellen. Gewiß ift
es richtig, daß Heinrich IV. auch in dieſen reiferen Jahren Männer,
welche er aus ſeiner Jugendzeit als ſeine Geſpielen kannte, welchen
er voll vertrauen zu dürfen meinte — daß neben den Jünglingen
aud ein Xelterer dem König jehr nahe ftand, zeigt die dem Er-
jieher Kuno geſchenkte fortgejegte Rüdfiht —, vorzugsmeife um
ir hielt, und daß da allerlei ter Mürde des Königthums nicht
Entjprechendes, Willtür und Muthwille, was Tadel erweden mochte,
vorfam, wird nicht zu leugnen fein. Die Hauptiahe war, daß
Heinrich IV., gegenüber Erfahrungen, welche er bei den Fürften,
an; voran bei Herzog Otto von Baiern, gemacht zu haben glaubte,
hier auf gänzlihe Anhänglichleit an feine Sache und an feine
Perion rechnen zu dürfen meinte; aber daneben lag das Bedenkliche
der ganzen Erſcheinung in dem Umftande, daß er, je mehr der
Einzelne ihm felbit feine Stellung zu verdanken hatte, um fo mehr
auf deſſen Anhänglickeit ſich zu verlaffen hoffte, jo daß er aljo
neben höheren gelelihaftlichen Kreifen, aus denen einige gräfliche
Herren bervortreten, voran die königliche Dienſtmannſchaft mit
154 1072.
feinem Vorzuge auszeichnete?). Das mußte Neid erweden, und jo
ift wohl fchon jener Waffenlärm am Dfterfeft 1070 zu Hildesheim,
zwifhen dem königlichen Gefolge und den bifhöflihen Dienft-
leuten ”*), auf ſolche Gegenſätze zu beziehen. Das Schlimmfte war,
daß Vorwürfe, welche fi auf das Treiben diefer Genofjen des
Hofes bezogen, dann unterſchiedslos auch auf den König übertragen
wurden. So fann e8 nicht gefehlt haben, daß im Zuſammenhang
mit fimoniftifchen —R geiſtlicher Würden die Begehrlichkeit
der Hofleute ihre Befriedigung gefunden hatte; aber dieſe Schuld
7%) Annal. Altah. maj.: Igitur per longum jam tempus potentes quos-
que rex ceperat contemnere, inferiores vero_divitiis et facultatibus extollere
et eorum consilio, quae agenda erant, amministrabat, optimatum vero raro
quemquam seeretis suis admittebat, et quia multe inordinate fiebant,
episcopi, duces aliique regni primores de regalibus se subtrahebant (SS.
X, 823 u. 824) Neben diefem hauptfäglidiften Zeugniffe ftehen die ſchon in
3b. I, ©. 613, n. 14, mitgetheilten Worte des Wido von Hg welde aller=
bings in einem Wüdblide auf eine frühere Zeit aufgezeichnet flehen, über die
leves et pueri tam sensu quam annis in Heinrih’s IV. Umgebung. Als
Tagenhaft Het fich ſchon durch die Zwölfzahl die jüngere Nachricht der Caa
monast. Petrishue., Lib. III, c. 3, heraus: adeo ut rex Heinricus Liutoldum
inter duodecim, quos scelerum suorum semper secum anzios et fautores
habuerat, assumpserit (88. XX, 649). — Die fihon ob. ©. Il in n. 28
citirte Differtation Röhrig’s kannte die wiebergefundenen Annal. Altah. maj.
noch nicht und ftellte daher in ihrer das Material jehr fleißig zufammenbringen«
den Berkdung — vergl. befonders bie Stellen in ben Noten zu 8, 9 — Laml
— fie fagt (8): Si Lambertum non haberemus, non multum de consiliariis
seiremus — unter hoher Anerfennung ber Glaubwürdigkeit befielben, womit
Bruno bei weitem nicht verglichen werben könne, ganz in den Vordergrund,
während vielmehr Lambert gerade aud hier wieder fehr ſchematiſch vorging
(vergl. zu ben durch Dieffenbacher, Lambert von Heräicld, 110, zufammengeftellten
toben 3. ®. nod) die von Röhrig felbft auf der gleichen Seite, 16, abgedrudten
tellen von Bd. I, ©. 625, n.42, u. ©.
consiliis superatus und: vi
Auöfage ber Annal. Altah. m:
. 627, n. 50, mit: vix et aegre amicorum
compulsus a familiaribus suis); bie an bie
erinnernde Stelle Lambert’s, a. 1073: Quae
res eum (sc. regem) valde exosum invisumgue prineipibus reddiderat: et
eorum plerique indignitatem rei non ferentes, nisi pro responso necessario
evocati, in totum palatio abstinebant (195), bezieht ſich aunädft auf dem
werd, der Schwaben (vergl. n. 80). Röhrig nahm an, vor 1072 jeien Heine
ich's IV. Rathgeber, von Erzbiſchof Adalbert ihm zugejellt, chlimmer Art,
kei tfinnige Jugendgeipielen geweien, während der König feit 1072 feine zu
iemlich gleichen Zheilen geiftlicien und weltlichen Räthe LER ausgewählt hafe,
die dann an Werth höher fanden und — doch mur biß 1075, elma nod) big
1077 — einen nachhaltigen Ginfluß ausübten. ber dieſe ganz überwiegen
auf Lambert ſich fühenden Sraebmirle find vielfach ſehr unfider: — I. ſchen
in ®b. I, ©. 485, die in n. 177 gebrachte Einwenbung gegen bie duch, mbert
dem Grafen Wernher zugeichriebene Stellung, fowie ob. ©. 11, n. 23, wegen
bes durch Lambert ben töniglichen Räthen zugeichriebenen Antheild an der Bes
ſchuidigung Herzog Otto’. Maik, welcher, Deutiche Berf.-Geich., VI, 290 ff.,
ben gefammten für die frage ber consiliarii, consiliatores, oder, wie fie ähnlich
an amiei regis, familiares, auricularüi, in Betracht fommenden Stoff voll-
inbig erörtert, wieß, 309, n. 4, befonders aud) darauf hin, daß Röhrig fich
einerjeits ben Hall, des Königs allzu fehr organifirt dachte und andrerſeiis Die
Männer höherer Geburt und niedrigeren Standes, auf welde Iehteren, Die
Minifterialen, die Abneigung befonders fich bezog, zu wenig aus einander hielt.
8) Vergl. ob. ©. 7, n. 17.
Folgen d. Mikftimmung; Heinrich's IV. Argwohn geg. b.oberbeutfch. Herzoge. 155
maßen Uebelwollende dem König felbft bei, während ihm höchſtens
ein unachtſames Gejchehenlaffen in dem einen oder anderen Falle
zuzuſchreiben war. So hatte er in ber fo großes Aufſehen er-
regenden Sache des Biſchofs Karl von Conftanz die beftimmte Er-
tlaͤrung bpraghen daß er über Dinge, welche ganz ohne ſein
Wiſſen vielleicht zwiſchen Karl und dem Hofe oder der Dienſt⸗
mannſchaft vor ſich gegangen ſeien, feinen Vorwurf hören wolle“*),
Eine erſte greifbar hervortretende Folge diefer Dinge war,
daß Herzog Rudolf von Schwaben, welcher noch am Abſchluſſe des
abgelaufenen Jahres, gleich Herzog Welf, am Hofe fich gezeigt
hatte, von dieſem fich ferne zu halten anfing. Er empfand es jehr
nachdrücklich, daß der König, fein Schwager, auf feinen Rath fein
Gewicht legte; daß unter den mit Vorliebe herangezogenen Männern
nieberer Geburt beſonders auch Angehörige des ſchwäbiſchen
Stammes gewejen fein follen, mußte feine Abneigung noch fteigern.
So vermied er es, dem Hofe zu folgen, und in ähnlicher Weife
hielt fih auch Herzog Berchtold von Kärnten zurüd; die Furcht,
das Schidjal Dtto’3 von Nordheim theilen zu müfjen, habe fie
abgejchredt, vermuthete Lambert. Dagegen faßte nun natürlich
der König gleichfalls Argwohn, daß dieje oberbeutfchen Herzoge an
Abfall dächten, und er ließ fie um fo bringlider an den 8 laden,
ohne damit einen Erfolg zu erzielen. Es ift ganz wahrſcheinlich,
daß ſogar auch Herzog Welf fon ähnlich Mißtrauen zu hegen
und felbft ſolchem zu begegnen anfing, in Folge der engen Be-
siehungen, welche zwifchen ihm und Herzog Rudolf beftanden °°).
0) Tas Berhalten Herzogs Rudolf's zum Könige if, unter Mitermähnung
Rt maj., gleich im Anfhtuffe an bie
icari ceperit
zart ef ba Ale
Ihäßt diefen Umftand); doc) rüdt anderntheila Grund, 23 n. 1, den zweiten Saß im
Jahreöberidht zu 1072 ber Annal. Altah. maj. (bie in n. 77 eingerüdie Stelle)
ya nahe an ben erften, ber von der Begehung bes Weihnachtöfeftes redet. Ganz
gut macht derjelbe auch, 22 n. 4, auf Cambert’3 Ausjage zu 1073: Haec illi (sc.
Tegi) gens (ec. Sueyorum) erat acceptiseima, et eorum plerosque, obscuris et
pene nullis majoribus ortos, amplissimis honoribus extulerat et primos in
palatio fecerat, et ad eorum nutum cuncta regni negocia disponebantur
156 1072.
Allein es follte nicht zu einem förmlichen Bruche zwiſchen dem
Könige und den Herzogen fommen. Dieſe bemühten fih, als ihnen
das Gerücht zu Ohren fam, daß eine Heerfahrt gegen jie vor:
bereitet werde, um Erhaltung des Friedens. Sie ſchickten fort
während Boten an den königlichen Hof, mit der Bitte um Frift,
und erreihten es fo, daß die ungeftüme Hige, mit der Heinrich IV.
feine Pläne betrieben hatte, ſich bejhwichtigte®'). Doch dauerte
es bis in den Beginn der zweiten Jahreshälfte, ehe die in erfter
Linie durch Herzog Rudolf herbeigerufene Vermittlung eintrat.
Schon in der Mitte des Mai war Heinrih IV. abermals in
Goslar, wo er — am 17. des Monates — das Himmelfahrtöfeft
beging; darauf geſchah die Weberfivelung nad Magdeburg, zur
Feier des Pfingittages, 27. Mai*?).
Die Anmejenheit des Königs in Magbeburg war begleitet von
zwei Creigniffen, welche beide für die Entwidlung ber ſächſiſchen
Angelegenheiten von Wichtigkeit waren. Denn erſtens bejegte
Heinrich IV. von bier aus den durch Adalbert's Tod erledigten
erzbifhöflichen Stuhl von Hamburg-Bremen, und anderntheils er-
hielt während dieſes Aufenthaltes Otto von Nordheim durch die
Erklärung feiner Unterwerfung die Freiheit zurüd.
Als Nachfolger Adalbert's las Heinrih IV. einen Geiitlihen
aus, der feiner Geburt nad) Oberdeutfchland angehörte, den Baiern
Liemar. In einer nicht gewöhnlichen Weife geihah die Wahl
ohne Theilnehmer von Seite der Kirche zu Bremen, nur durd die
am Hofe anmefenden Bifhöfe, und die Weihehandlung vollzog fich
durch die Vorfteher der unter dem erzbiſchöflichen Stuhle ftehenden
Kirchen. Allein defien ungeachtet fäumte Papſt Alerander II. nicht,
Schon innerhalb dreier Wierteljahre mebft der Zufendung des
Palliums auch eine Veftätigung der auf die Bekehrung des Nordens
(195) ala auf eine Urfache nothmendiger Gereiztheit Rudolſ's aufmerffam. Daß bie
Erwähnung Welf’s durch die Compil. Sanblas., a. 1073: Ruodolfus dux Ale-
menniae et Bertholdus dux Carantaniae et Welf dux Bajoariae a rege
discesserunt, quia aliis subintroeuntibus consiliari uum consiltum apud
regem non, valere perspeserunt (SS. V, 275) fejon hierher, zu 1072, zu ziehen
fei, wie Giefebrecht, 1. c., 1120, andeutet, ift gang wahrkheinlih. Uebrigens if,
wie n. 8 zu Geſchichiſchreiber der beutichen Vorzeit, Clites Jahrhundert, X, 25,
hervorhebt, die Erwähnung beſonders auch dieſes Abfalles Welf's wohl vom
Compilator aus Bernold, a. 1073 (SS. V, 429), wo fie ganz gleich ſich findet,
herübergenommen worden, und dann läßt derjelbe a. 1073 und a. 1074 diefe
als duces praedicti zufammengefaßten Perfönlichteiten in von ihm verfaßten Zu«
fen wieder herbortreten, 1. c., 276 (vergl. Wait und May, Forfgungen dur
eutfchen Geidichte, XXL, 498 u. 499, 5061. Bu 1072 hat aud) mod) die
Würzburger Chronik in der Reftitution durch Buchholz, 41, eine wohl hieher
zu aiehende Angabe: Conjurant prineipes regni contra regem Heinricum.
1) Annal. Altah. maj. fagen nur: Cum etiam sermo ferretur, quoniam
expeditio contra eos pararetur, ipsi (sc. Rudolf und Berchtold) semper
mittentes inducias petebant, sieque impetum regis deludebant (l. c.). Die
Art der Vermittelung baasgen meldet Zambert (vergl. n. 89).
82) Sambert bezeugt Beides (190).
deinrich IV. in Sachſen. Nachtolge Liemars in Hamburg-Bremen. 157
bezüglichen außerordentlichen Aufgaben und der Rechte von Ham—
burg für Liemar eintreten zu laflen®®), Der neubeftellte Erz
biſchof war ein noch jüngerer Mann, hervorgegangen aus einem
Geſchlechte königlicher Ninifterialen, von denen er Familienangehörige
nad Bremen bradte und unter die Vafjallen feiner Kirche ver-
jegte?*). Ohne Zweifel wurden ihm in Bremen felbit die beiten
Erwartungen ſchon entgegengetragen, wie mwenigftens aus ſehr leb-
+2) Wieder bezeugt Lambert ausdrüdli: Magadaburg .. Adalberto Pre-
mensi archiepiscopo . . successorem Constituit Tdemarım (190), am Pfingft«
tage, wie Adam im Epilog an Siemar fagt, v. 38 fj.: felix electio, qua te
risco more patrum, pastoris nomine igaum electumgue Deo prodebat
Beiritus index, cuius tunc festum recolebat turba fidelis (l. c., EN In
einer allerdings erft viel fpäter den Annal. Stadens. einverleibten Nachricht
heißt e8 zuerft: Huic successit Leimarus, natione Bawarus, et sedit annis 30,
dann: Liemarus, nacione Bawarus, de ministerialibus Hein: quarti
originem trahens, vir litteratus et prudens, episcopatum susce) peo
Heinrieo, adbue exulante (: dieſe irxige Einfügung bezeugt die zeitlich weit ent-
fernte Wufzeihnung), pontificum electione. reinatus est autem a suffra-
ganeis; pallium misit ei papa Alexander (SS. XVJ, 316: mit diejen herüber«
genommenen Säßen beginnt die im 16. Jahrhundert ulammengefciriebene Chronica
ecel. Rosenfeld., bei $. Bogt, Monumente inedita rer. German., praeeipue
Bremensium, I, 115 ffJ. Beyer, Die Biſchoſs- und Abtswahlen in Deutſchland
unter Heinrich IV. in den Jahren 1056—1076, 20 u. 47, hebt die ungemöhns
Tiche Weife der Erhebung eigens hervor. Alezander’s II. J. 4765, vom 2. Februar
1073, ift zwar in der vorliegenden Form eine Fälihung, muß aber nach den
orten Adam's, in welchen derfelbe Liemar in der Praefatio anredet und zuerft
vom negotium vestrae legationis fpridt, dann ſchliehlich ſich Außert: quae in
gentium conversione a decessoribus tuis strennue dudum incepta sunt, a te,
qui hereditariam predicandi legationem possides in totam septentrionis
latitudinem, mature perfici concedat Jesus Christus (l. c., 283, 284) —, an
bie Gtelle einer wieflichen Grtheilung, befonders auch der Betätigung der Rechte
der Kirche Biemar’3, getreten fein. Nur ganz kurz gedenfen der Thatjadhe ber
Radial je Ziemar’s die Compil. Sanblas. und Annal. Rosenfeld. (SS. V, 275,
» 100).
%) W. Schroder, De Liemaro Hammaburgensi archiepiscopo et de
legatione ecclesiae Hammaburgensis ad populos septentrionales (Hallenjer
Eiffert., 1869), berechnet, 5, Liemar's Alter zu 1072 etwa auf 32 bis 33 Jahre,
ür die bairifche Abfiammung fällt auch noch in einem 1073 von Liemar an
ie Bilgöfe Geile von Hübesheim und Burdacd von Halberfeht geiärirbenen
Briefe bei Cubendorf, Registrum, I, 3 u. 4, bie erzählte Gefchichte, die eingefügt
iR, ın Betracht: id’ possum dicere, quod fertur in Bavaria joculatorum
quendam (ete.). Hinfihtlid) der durch die ſchon in n. 83 erwähnte, allerdings
viel fpätere Rofenfelder Chronit (Vogt, 1. c., 116) genannten, durch Liemar nad
Bremen mitgebrachten Verwandten vergl. bei Schröder, 6 u. 7, Einwendungen
gegen Sappenberg’8 Ausführungen, Hamburg. Urt.-Qud, 99 n. 2. Nekundlich
fiehen in Liemar’3 eigener Nennung 1091 frater noster Macellinus et filius
fratris nostri Adalbero, als milites aecclesiae, feft (I. c., 112 u. 113). Das
vegen ift nad) der Beleuchtung der Glaubwürdigleit des ſogenannten Monachus
lamerslebiensis durch H. Langer, Kritit der Quellen An Geſchichte des h.
Benno, Mitteil. des Vereins |. Geſchichte der Stadt Meißen, I. 3, 1884,
8 u. 84, daß namlich defien 1518 nicbergefchriebene Angaben nur auf Hieronymus
Emfer (ergl, Bd. 1, ©. 533, n. 78) aucigehen, auf Biemar Nennung unter
ben praepositi ber Goalarer Gtiftälicche, in bed Monnchus: Narratio de basilica
Goslarienei eiusque praepositis (2eibniz, Seript. rer. Brunswicene., II, 507)
fein Gewicht mehr zu legen.
158 1072.
baften, nicht gar lange danach durch Meifter Adam geäußerten
Worten gefchloffen werden fann. Indem diefer nämlich Adalbert’3
Nachfolger fein großes Werk ſelbſt darbrachte, begrüßte er ind-
befondere in den am Schluffe beigefügten Werfen benfelben als den
würdigen Vorfteher der Kirchen von Hamburg und Bremen, deren
Wiederaufrihtung aus der Zerftoßung, der einen durch die Heiden,
der anderen durch die willfürlichen Gemwalthaber, eben von Liemar
erhofft wurde. Unter lauter —— der Tugenden des neuen
Erzbiſchofs legte Adam ſein Buch vertrauensvoll demſelben in die
Hand, indem er einzig auf feinen Beifall als Lohn der Mühe
echnete. Der mit fo vielen Thränen des Volkes Erkaufte foll von
deſſen Naden die harte Kette löfen und bie ſchwere Laft von der
beladenen Menge wegnehmen, den Schmerz der Belümmerten in
Luft verwandeln. Die durch ungerechten Trug der Räuber be-
ſchwerte Geiftlichfeit wird er wieder in ihren Befig qurübringen
und die Angehörigen feiner Kirche von veraltetem Irrthum be—
freien, die heiligen Tempel wieder mit ihrem Schmud verfehen.
Die durch den lange ſchon dauernden Streit zerrütteten Länder
und Kirchen erflehen von Liemar’3 Eintritt den Frieden zurüd.
Allerdings wollte Adam jein Werk nunmehr abjchließen und demnach
qunäät nur bis auf Liemar’3 Eintritt führen; doch er begte den
orfag, einft bei längerem Leben felbft — ober dann wird es ein
Anderer thun — auch Liemar’3 ruhmvolles Wirken zu ſchildern.
Aber nicht nur diefer zur eigenen Kirche de neuen Erzbiſchofs ſich
zählende Geiftlihe pries in jo nahdrüdlicher Art den an Adalbert’s
Stelle berufenen Fürften. Gleih Adam Hob aud Lambert die
vortrefflihen Hoffnungen, zu melden Liemar’3 friſche Kraft be-
rechtigie, hervor und rühmte deſſen ausgezeichnete wiſſenſchaftliche
Bildung. Allein fogar ein ganz auf Seite der päpftlihen Partei
Hehenber italienifcher Zeuge betonte noch fpäter, als ſich ſchon ganz
beitimmt herausgeſtellt hatte, daß Liemar ein eifriger Vorfämpfer
der Sache Heinrih’3 IV. fei, ganz in Uebereinftimmung mit Meifter
Adam, die hohe Beredtjamfeit, die große Weisheit de3 Erzbiſchofs,
und wie vorzüglich derſelbe unterrichtet fei®°).
8) Adam hat — vergl. Bd. I, ©. 406 u. 407 — neben ber fchon in
n. 83 erwähnten noch weitere Stellen über Siemar, welchem — beatissimo patri
et electo celitus archiepiscopo — er ja fein Werk überhaupt darbrachte. Im
ber Praefatio unterwirft er es ihm zur Prüfung: qui decurso mundanae
prudentiae studio, ad, studium divinae philosophie majore gloria nune
ascendisti, terrena despiciens et solita meditans celestia —; dann folgt:
Cumque doctrina et veritate, hoc est verbo et exemplo pastorali, facıle
multos excellas, praecipua est in virtutibus tuis humilitas — ferner: Nobis
propositum est‘... pläcere . . tibi, pater, et ecelesiae tune — enblid): in
0 salutari ingressu pono metam libelluli, simul omnipotentis Dei miseri-
cordiae supplicans, ut, qui te populo suo diu erranti et afflicto pastorem
copstituit, annuat etiam tua opera tuisque diebus ea quae inter nos prava
sunt —— et correeta perpetuo conservari (283 u. 284). Soenfo ift Adam’3
Epilog (388) ald Ganzes, al? Preifung, an Liemar gerichtet —: im Ginzelnen
fedt in v. 5 f.: Nam cum rhetorieis sermones floribus ornes, cum tun
Yrrmar’sPerfönlichkeit. Auseinanderfeg. Heinrich’; IV. m. Otto v. Rorbheim. 159
Ebenjo fand aber in Magdeburg auch Heinrih’3 IV. Aus-
einanderjegung mit Dtto von Nordheim ftatt. Seit dem Pfingft-
fefte des lettvergangenen Jahres hatte ſich derjelbe in Haft be-
funden; jegt hielt der König die Zeit für gefommen, um hier feine
Gnade eintreten zu laflen und dem ſächſiſchen Edeln die Freiheit
zurüdzugeben. Doch nicht ohne großen Entgelt kam Otto wieder
ur ganzen Verfügung über ſich jelbft; einen nicht geringen Theil
jeines Eigengutes hatte er vorher dem Könige und denjenigen,
welche bei demjelben für ihm eingetreten waren, hingeben müſſen.
€3 liegt nahe anzunehmen, daß diefe Ausföhnung gefchehen war,
damit zum Vehufe der nothwendig gewordenen Annäherung an den
Herzog von Schwaben nunmehr das ſächſiſche Land, wohin ſich der
Sof fo raſch qurüdbegeben hatte, ohne Bejorgniffe wieder verlafjen
werden fönne®*).
Denn Heinrih IV. verlegte feinen Sig abermals an ben
Rhein, nah Worms, wo er am 25. und 27. Juli nachweisbar fih
sacrae sit clavis bibliothecae, cum divina patrum scrutere volumina
eantis indiculis ... , in v. 46 ff: Tu solvis duram populi a cervice
eatenam, fascieulosque graves ab onusta plebe repellens, afflictae gentis
moerorem in gaudia vertis. ‘Tu clerum injusta raptorum fraude gravatum
in sus restituis: tu nos errore veterno eximis atque suo reddis sacra templa
decori. Ta pacem terris antiqua lite fugatam ecclesiis revocas, worauf
V.55f. mit einem Segenswunſch für die Wiebererhebung der Brema — clausa
ınnis — eunı Hammaburg — — * is oppressa — jdließen. Leider
fühlte Adam jelbft nicht, was er fi. anfündigen zu fönnen meinte:
Tempus erit, quo facta tuae celeberrima laudis aut nos aut aliquis ex docta
plebe tuorum pangemus majore lyra, si vita superstes, quamvis nota satis
teant tua gesta per orbem, quae et sine scriptore vulgabit fama per-
nis. — Aber aud) Lambert ſpendet gleich anfangs Liemar ganze Anerkennung :
imae spei juvenis et omnium liberalium artium peritia adprime insignis
(190). Gbenfo nennt Bonitho, Lib. ad amic., Lib. VII, Xiemar einen vir
eloquentissimus et liberalibus studiis adprime eraditus, ähnlid) in Lib. IX.
ann Re sapientissimus et omnium artium peritissimus (Jafje, Biblioth., II,
58, 682).
%6) gambert: Ibi (sc. Magadaburg) quoque Otto dux Bajoariorum
integrum annum dedieionis suae — — recepit, ante vel —x
his qui regi pro eo suggesserant non modica portione praediorum suorum
(190) Kurz beftätigen das die fogenannten Annal. Ottenbur.: Otto dux gratiam
Fi scquisi' ud Parthenopolim (SS. V, 7). Gegen Giejebrecht’3 Annahme,
, 173, daß die Einwirkung Anno’s hierbei hernorgetreten ſei (ähnlich Vogeler,
* Dtto von Rorbheim, 36) erklären ſich ſowohl Gfrörer, Gregorius VII, II, 328,
da Anno nit an einer Sache, wo „bie Behandlung ohne frage der Billigkeit
wiberfritt: Otto if gelchröpft worben? —, fich betheiligt Haben könne, als Lindner,
ano I1.. der, 71 u. 115 (Anno war am 23. Mai in Cöln, wo er den Brüdern
Be Martin eine Schentung madt: Ennen und Ederk, Quellen zur Geſchichte
Etabt Köln, I, 482) bazanf Hinmeift, daß ber Erzbilcjof in Magdeburg
te. Würde biejer Einfluß auf bie Angelegenheit geübt Haben, fo hätte Lambert
ohne Zweifel hervorgehoben. Delbrüd, Ueber die Glaubwürdigkeit Samberts
won Hersfeld, 28, verneinte ohne triftigen Grund — ala „eine einfache Albern:
il ibert’3" —, bab Otto Berluft an feinem Eigengute erlitt. Nebrigens
kaum anzunehmen (vergl. Bogeler, 35), daß, der ob. ©. 71, in n. 60, [4
zaunte statutus dies ſchon berangelommen fei; Heinrich IV. ſcheint aus be
Kimmten Uriachen für Otto allein eingegriffen zu haben.
160 1072.
aufpielt?”). Nach diefer Stadt hatte die von Herzog Rudolf zur
Herbeiführung einer Vermittelung mit dem Könige angerufene
Perſonlichkeit den Weg eingejchlagen.
Seit 1067 hatte fi die Kaiferin-Wittwe, Agnes, nicht mehr
an ber Seite ihres Sohnes auf deutſchem Boden jehen lafjen; aber
es war wohl befannt, daß fie ganz nur frommen Uebungen ſich
hingebe und ein Leben führe, welches durch feinen ftrengen Verzicht,
in der Ertragung von Faften und Nachtwachen, über die menſchliche
Kraft hinausgehe. Deſſen ungeachtet entſchloß fie ſich jegt, Rom
zu verlafien und ſich an ben Hof des Königs zu verfügen, und
zwar geihah das, wie in den beiden früheren Malen, Ende 1063
und Ende 1066, auf den Befehl de3 Papftes. Alerander II. wollte
durch die Mutter auf den Sohn einwirken, und fo trat die fromme
Frau gefügig ihre Reife an®). Aber neben der päpftlichen Auf
7) Der Aufenthalt in Worms ift für den 25. Juli durch Lambert —
in nativitate sancti Jacobi Wormaeiae occurrit matri suae (sc. rex) — und
für den 27. durch St. 2757 (1888 vichtiger im Recueil des chartes de l’abbaye
de Cluny, IV, 558, neit abgedrudt) bezeugt. Diefes Stück bezieht fich auf die
burd) ben religiosus vir nomine Hesso auf defien Gigenthum Rimmesingen
— DOber-, Nieder-Nimfinzen, im Breisgau gebaute und fammt feinem
dortigen Gute an Eluny, ut monachi de Cluniaco ad ecelesiam Rimesingun
sitam transınisei et collocati de rebus inibi pertinentibus vivant, geichentte
Kirche. Derjaht in das Stüd von AdalberoC, wie bejonderd die eigenthüumlid,
tedigiete Comminatio beweift (vergl. Grundlad), 1. c., 59 u. 60). Des Exhenters
gedentt and) die Vita posterior s. Udalriei ‚prioris Cellensis, c. 27: Degebat
in Brieacensi provineia miles quidam gloriosus, Hesso nomine, genere
nobilis (etc) . . . praedia sua sanetae Cluniacensi ecelesiae delegavit, atque
in ipsis divinae servitutis scholam ad congregandos inibi theorieae vitae
sectatores construi postulavit. Susceptis itaque in sua possessione monachis
(ete.) (SS. XII, 260 u. aD Heffo, der erfle beutlicher Hervortretende der
breisgauifchen Herren von Üjenberg — vergl. bei Heyd, 1. c., 572, die Stamm:
tafel_ mit den, 573, gegebenen Erläuterungen — war, wie ferner wahrſcheinlich
dır Stifter der ſpäter nad) ©t. Ulcic) verlegten Cluniacenfer Zelle Grüningen,
der Gründer von Kappellen am Kaiferftuhl und füblich davon, eben bejonder®
derjenigen bei Rimfingen, gewelen, die er — durd) bie zu 1078 zu erwähnende un:
batirte Urkunde — unter Mitwirkung des Markgrafen Hermann, als des Breid-
gauer Grafen, unöftattete und durch denfelben an Gluny übergeben ließ (vergl.
Heyck, 101— 103): eben diefe Schenkung beftätigt St. 2757, wo die Kappelle ala
Kirche bezeichnet iR.
) Vergl. Bd. I, ©. 562, bie erwähnung ber legten Anweſenheit ber
Kaiferin Agnes in Deutichland 1067, fowie aud S. 461, n. 123, wo der Anfang
der hier in Betracht fallenden Stelle Lambert's (190) ſchon mitgetheilt if.
Weiter fagt dauın Lambert von Agnes: sub nimia austeritate vitam instituens,
adeo ut communem humanarum virium mensuram excederet jejuniorum ac
vigiliarum patientia. Außerbem aber ift Agnes, worauf D. Grund, 1. c.,
25 u. 26, ſehr zigtig binweiß, auf Alexander's II. Wunſch nach Deutichland
abgegangen. Penn Donigo, Vita ‘Mathildis, Lib. I, v. 1230 ff., berichtet:
'egis erat mater tunc Romae subdita papae; quam vir amans pacem pro
mati mittere pace ordinat, et sccum Praenestinae quoque verum pontificem
Christi, eui jungit et Ostia tristis pontificem magnum, quem nomine elamo
Giraldum; hos ultra montes direxit pr duosque — worauf v. 1244 cine
weite Reife der KHaiferin anfnüpft: Ad quem mendacem (sc. Heinrich IV.)
irexit denuo matrem (SS. XII, 376); allerdings verwedjielt Donizo infofern
bie beiden Reifen, ala er die Begleiter von der zweiten (von 1074) zur erften
Weile d. Kaiferin Agnes u. b. Abtes Hugo d. Eluny zu Heinrich IV. n. Worms. 161
forderung, welche bewies, für wie wichtig in Rom bie Erhaltung
des Friedens zwiſchen Heinrih IV. und Berg Rudolf angefehen
wurde, war für Agnes auch eine unmittelbare Einladung Rüdolf's
ſelbſt Ausfchlag gebend geweſen. Inter Betonung der früher vor-
liegenden, allerdings durch den Tob ber Herzogin Mathilde ſchon
vor zwölf Jahren gelöften engen Beziehungen hatte ber Herzog die
Kaiſerin Wittwe gerufen, daß fie den Ausbruch des inneren Krieges
verhüten möge. Sie wußte vom Entſchluſſe Rubolf’3, wenn ihm
keine andere Möglichkeit gelafien würde, jelbft zum Schwerte zu
geilen und fo ermaß fie, daß eine Beſchäftigung mit weltlichen
ingen, wie fie ihr hier geboten war, mochten ihr auch fonft dieſelben
ganz ferne gerüdt fein, den frommen Vorjägen ihres jegigen Lebens
nicht allzu fremd fei, daß es in ihrer Pflicht liege, den Verſuch
einer Einwirkung auf ihren Königlihen Sohn anzuftellen®®). Außer-
dem hatte jedod die Vorforge Alerander’8 II. ihr auch noch den
Pathen Heinrih’3 IV., Abt Hugo von Cluny, ala Träger weiterer
münbliger und ſchriftlicher Weifungen zur Seite gegeben, um da=
durch das Gewicht der Sendung zu verftärfen?‘). So erſchienen
Agnes und Abt Hugo in Worms und trafen da am St. Yatobs-
Tage mit dem Könige zufammen — zwei Tage jpäter beitätigte
berjelbe dem Klofter Cluny die Schenfung einer Kirche —; aber
daneben umgab noch eine weitere anjehnliche Zahl von Aebten und
Mönchen die Botin de3 Papftes. Es gelang der Mutter, den Sohn
zu milberer Gefinnung zu bringen. Rudolf felbft hatte fich, indem durch
die Erzbijchöfe Anno und Siegfried die Bürgſchaft für feine Sicher-
heit übernommen worben war, in Worms eingefunden, und Agnes
beifügt, was aber bie Glaubwürdigkeit der Mittheilung über ben Auftrag
Weganber’s IL (irrig ſtellte dieſes Donigo in das mit v. 1208 beginnende, ſchon
Gregor VII. behanbelnde c. 19), wie er an Agnes ertheilt wurde, nicht abihwächt.
Grund mat aud; noch 25, n. 1, auf die Ihon in ®b. I, ©. 322, n. 34, mit»
geiheilte Stelle der Vita Anselmi ep. Lucensis, c. 19, über Agnes auf-
mertlam.
Ba Zambert kennt ala Urſache der reversio in Galliam (vergl. n. 80)
bloß den Ruf Herzog Rubolj’s: Cumque esset imperatrici ob vetus meritum
suum acceptissimus, propinquitate etiam devinctus propter filiam eius
(vergl. Bd. I, S. 168, n. 90)... . misit, eamque obnixis precibus in Galliam
evocavit, ad sedandam quae oriebatur intestini belli tempestatem. Nam
firmiter apud se statuerat, si pax non convenisset, armata potius manu,
quoad posset, salutem tueri ... . . Imperatrix, quamquam cuneta seculi
negocia religionis obtentu in perpetuum abjurasset, nec a proposito tamen
sa0 nimium abhorrere nec ab ecclesiastica functione alienum fore judica-
vit, si viro optime erga se merito in angustis rebus opem ferret et filio
jareniliter tumultuanfi modum imponeret (191).
*°) Hugo'3 Amsrjenheit erhellt teils auß St. 2757 (vergl. n. 87), theils
aus Sambert’s auöbrüdliem Zeugniß: Ibi etiam Hugo Oloniacensis ab
qui eum imperatrice eo advenerat ... . Romani pontificis mandata et
lteras detulit (191). —F ugo's Eigenſchaft als Pathe Heinrichs IV. (vergl.
32. 1, 6. 4) wies guch R. Lehmann, Forfhungen zur Beichichte des Abies Hugo I.
bon Sluny, 101, hin; doch hätte er da @frörer's fonberbare, auf den hieher ges
1, doch fchon in ®b. I, ©. 547, n. 98, Benfpten Brief bes Petrus Damiani
174 de Gombination, Gregorius VIL, II, 333 u. 334, viel ſchärfer zurück-
weifen —
Meger von anonau, Jahrb. d. diſc. R. unter deinrich IV. u. V.
8». 11
162 1072.
bemühte ſich perfönlich, den Herzog vor dem Könige, feinem Schwager,
u rechtfertigen, nad Entfernung des Verdachtes einer Schuld die
föhnung gi Stande zu bringen. Dann aber verließ fie ſogleich
wieber den Föniglihen Hof. Sie wollte dadurch ausdrücklich dar-
legen — fo faßte die Sache wenigſtens Lambert auf, welcher, da
ihn augenſcheinlich dieſe gefammte Angelegenheit jehr lebhaft be-
fchäftigte, jelbft unmittelbar nady Hersfeld hin unterrichtet geweſen
fein muß —, daß fie nit aus der menſchlichen Regung der
Mutter, fondern nur aus Rüdfiht auf das gemeine Wohl fi mit
biefer weltlichen Angelegenheit befaßt habe"). Freilich foll Rudolf
keineswegs in ber Ueberzeugung von Worms fortgegangen fein, daß
feine friedliche Entlafjung dur Heinrich IV. alle Feindſchaft wirk-
lic beieitigt babe. Lambert läßt ihn auf feine Befigungen ſich zurüd-
ziehen und dabei die Anficht fefthalten, daß der Groll im Gemüth
des Königs noch fortwährend ſchlummere, daß nur zunächſt bei
demfelben für einmal_die Möglichkeit feindfeligen Vorgehens hin—
weggeſchoben worden fei?).
indefjen waren auf der Zufammenkunft zu Worms noch weitere
Dinge zur Ordnung gelangt, ingbefondere die neue Befegung zweier
erledigter italieniſcher Kirchen vollzogen worden. Bei der einen
war die Auswahl des Nachfolgers auf den Einfluß des anweſenden
Erzbiſchofs Anno zurüdzuführen; in die andere Angelegenheit hatte
die Kaiſerin Agnes, welche alfo wenigftens in diefer Sahe noch an
Erinnerungen aus ihrer früheren fonft von ihr nunmehr verleugneten
Lebenzzeit anfnüpfte, eingegriffen.
Zwar war Cabalus aus feiner früheren gegenüber Alerander II.
eingenommenen feindlichen Stellung, mit dem Anſpruche auf die
allgemeine Leitung der Kirche, längſt zurüdgejhoben worden; aber
als Biſchof von Parma nahm er doch immer nod, im Gegenfage
zu der in Mailand gebietenden Richtung ber Pataria, einen Platz
innerhalb ber Hirhfigen Angelegenheiten in Oberitalien ein, welcher
9) Sambert jagt vom Erſcheinen ber Raiferin: Venit itaque Wormaciam,
amplissimo stipata numero abbatum et monachorum, et ducem (sc. Ruodol-
fam), cum interposita fide Coloniensis et Mogontini archiepiscoporum coram
venisset, ommi eriminis suspieione absolvit, statimgue compositis propter
quae wenerat, a filio abscessit, ut non tam camali affectione quam
communis commodi ratione ad hanc secularis negocii administrationem se
adduetem liquido cunctis patefaceret (ION) Donig, 1. ©, v. 1288 fi, meiß:
Quos (sc. die Bifhöfe: vergl. n. 88) rex dignanter cum matre recolligit Agne ;
in manibus quorum promisit jussa piorum se pro ‚gome sequi papae; sancti
quogue Petri aecelesias summi Domini non vendere nummis. Laetificat
valde nati responsio matrem; Romam regressa papae retulit nova gesta
@. ©.: doch it fihtlidh in biefen Bericht über die Sendung von 1072 wieder
aus v. 1218 ff. Einiges eingefloffen, was erft in Gregor’3 VII. Zeit gehört).
95) Neber Rubolf fagt Kambrrt: Dux quoque a rege dimissus in pace,
protinus se in sua recepit, certum tenens, non ex intrego abolitas ab animo
regis inimieitias, sed adempfam interim nocendi facultatem esse (191)
Deal; Ken ob. 6.28, m-49, bafı Rubolf fi jebenfats (don, früher mit linee
Gemahtin Abelfeid wmieber aubgeföänt Hatte, während Gielebreht, IIL, 174, auds
dieje Mieberbereinigung in ben päpflichen Auftrag ber Katferin einbegug.
Bermittlang gegenüber Herzog Rudolf. Cadalus' Tod in Parma. 163
von den Gegnern nicht unbeachtet gelafjen werden durfte. Inſofern
war es immerhin al3 ein Vortheil auch für den anerfannten Papſt
Alerander II. jelbft anzufehen, daß Cadalus aus dem Leben ſchied,
wohl um die Wende der beiden Jahre 1071 und 1072; denn jegt
erſt konnte auch für Parma feldft, die „Werkftätte der Ungerehtig-
Zeit”, wie die Stabt von dem römifch gefinnten Bonitho, dem aus
Cremona ftammenden Nachbarn, gerne genannt wurde, ein mög-
licher Wechſel der Partei erwartet werden”). Zunächſt bewarb
ſich allerdings fein Anderer, ala Wibert, welcher 1061 als Kanzler
yanz wejentlich zur Ermählung des Cadalus ala Papft beigetragen
tte, auf das eifrigfte um die Nachfolge in Parma. Aus dem
nfel, in weldem er ſich feit dem Verluſte der Stellung als
Kanzler 1063 befunden hatte, trat er jegt erft wieber heraus, und
er begab fi nad Deuiſchland, um da bei dem Könige alle An-
firengungen zu machen — die Patariner vermutheten, neben Bitten
fein auch Gejchenfe angewandt worden —, zuebem Zmwede, ben
biihöflihen Stuhl feiner Vaterftadt für fi zu gewinnen. Doc
& follen zahlreiche Stimmen, aud) aus den Wibert zunächft ftehenden
heimifchen Kreifen, gegen ihn fi geäußert haben, von Geiftlichen
und Laien; und neben diefen von Stalien her erhobenen Einwänden
traten Träger anderer Bedenken auf deutſchem Boden hervor,
unter welchen wohl Erzbiſchof Anno fid) beſonders bemerkbar machte.
Wenigſtens war es fiherli nicht zufällig, daß es Anno gelang,
einen Geiftlihen feiner Cölner Kirche, Eberhard, in die von Wibert
gewũnſchte Stellung zu bringen *).
*) Bergl. über Cadalus zulekt in Bb. I, ©. 603. Daß er noch am
5. April 1071 am Leben war, zeigt bie Schenfungsurfunde von dieſem Zage,
in weldjer domnus Cadalus giecopu et electus apostolicus für bie Kirche von
Parma genannt wird (Affd, Storia della eittà di Parma, II, 330. Bom Tode
rebet Bonitho, Lib. VI: Eodem tempore Cadalus Parmensis episeopus corpore
et anima defunctus est, und zwar mit Anfnüpfung des Todes des Erzbilchofs
intich von Ravenna (vergl. n. 95) mit ben Worten: non multo post (I. c.,
), ebenfo Donizo (vergl. Bd. I, ©. 378, n. 241. Ga ift alfo eben bewegen
anzunehmen, Gabalus Ende 1071 ober Anfang 1072 geſtorben. Was
Rangerius in feiner Vita s. Anselmi ep. Lucens. jagt, daß Gabalus im Ge
Yengriß geftorben ſei (die von Zöwenfeld, Regesta pontif. Romanorum,
‚ 594, bier citirte Ebition der Vita Anselmi, von Sa fuente, if weber
in Münden, nod in Berlin vorhanden), ift wohl als frommer Wunſch bes
i mes des Gegenpapftes anzufehen. . u
*) Bonitho, welcher Parma in Lib. VI und VII als offieina iniquitatie
ichmet (1. c., 646, 666), fährt gleich nachher fort: Interea Parmenesis
Guibertus Parmensem mirabiliter ambiebat episcopatum. Nam adiens
regem, multis precibus muneribusque satagebat, ut sibi daretur episcopatus.
Quod cum impetrare non valuisset, omnibus tam propinquis suis quam
extraneis, tam majoribus quam minoribus, tam clericis quam laicis omnino
contradicentibus . . . . . Parmensis vero cuidam Everardo, Coloniensi
elerieo, traditur (l. c., 654 u. 655). Auch Adam von Bremen, Lib. III, c. 34,
Pprict von dieſer Beftallung eines Cdlners: Coloniensis (sc. Anno) . . exaltavit
am tes suos et amicos et capellanos ... in Ytalia . . Parmensis
VII, 348: vergl. auch ſchon Bd. I, 6. 228, n. 62). Vergl. Köhnde,
von Ravenna, 15, dah Wibert für 1063 (vergl. aulept 1. c-, ©. 323)
bis 1072 gäzli — iR; er lebte wohl unbeachtet in Parma. Gieſe-
brecht IH, 18 — tet bie Folgen des Pr bes ohne ar Boca, ii
11*
164 1072.
Aber eben in dieſen gleihen Tagen fand fih num, dur den
glücklichen Umſtand der Anmefenheit der Kaiferin Agnes in Worms,
ein Erfag für Wibert. Erzbifchof Heinrih von Ravenna war
leichfalls, kurz nad) Cadalus, etwa im Anfang des Jahres, ge»
eben, bis zu feinem Tobe vom kirchlichen Fluche belaftet, unter
welchem aud) die Ravennaten litten, weil fie ihre Sache nicht von
derjenigen ihres geitligen Hauptes hatten trennen wollen. Aller
dings hatte ſich die Stabt in diefer legten Zeit ſichtlich gedrückt
gefühlt; denn mit großer Freude nahm fie Petrus Damiani, den
aus ihzen eigenen Mauern hervorgegangenen Abgeſandten Aleran-
der's IL, bei ſich auf, als derjelbe nach Erzbifhof Heinrich's Tode
kam, um fie aus ben Feſſeln des Bannes zu löfen, und unter dank-
barem Jubel ließ fie diejen ihren Befreier von der geiftlihen Aus-
ftoßung wieder hinmegziehen®°). Eben dieſe durch den Tob ihres
bisherigen Inhabers erledigte Kirche vermochte nun der durch Anno's
Dazwijchentreten „für Parma nicht angenommene Bewerber für ſich
zu erhalten. Wibert verftand es, feine aus früherer Zeit gegenüber
der SKaiferin beftehenben Beziehungen geltend zu machen; Agnes
entzog fich nicht den auf fie ausgeübten Einwirkungen und ließ
bei ihrem königlichen Sohne ihre Empfehlung eintreten, fo daß
9) Ueber Erzbiſchof Heinrich vergl. autept 2b. I, ©. 587, n. 11. Die
Sage Ravenna’ in Heinzid’s lehter Sei und gleich Hernad) erhellt aus der
Vita b. Petri auct. Joh. Laudensi, c. 21: pius Christi sacerdos (sc. Petrus
Damiani) . . . jussn Alexandri II. Romani pontificis Ravennam, patriam
suam, proficisei praeeipitur, rem valde necessariam saluti totius urbis, cleri
ac popali peracturus, Erat quippe tunc temporis defunctus eiusdem urbis
archiepiscopus . .. .communione privatus . . . . consentaneum sibi populum
ua contagione misere foedavit, totamque ecelesiam illüitis ausibus profanavit.
Tandem vero de medio profanatore sublato, apostolicus tam numerosi
populi exitiele contagium fraternis visceribus miseratus, tanfum patrem,
Ei auctoritate apostolica eundem reconciliando absolveret, illo delegare
lecrevit . . Quam utique legationem ille, licet jam aetate confectus, ut
strenuus filius maternis beneficiis non ingratus optato suscepit .
» . . Prospero pervenisset itinere, in manu eivium susceptus in;
iaetitia, sui causam patefecit accessus, super quo cives illi imm«
dati, immensas Deo gratias referentes, praevaricationis suae
humiliter egerunt . . Absoluto itaque ab excommunicationis illius vinculo,
eunetaeque ecelesiae dono gratiae maternse concesso, tota urbe immanis
effecta est exsultatio. Nach c. 22 ftarb aber Petrus Damiani am 22. Ye
bruar: ea videlicet die qua praesens meruit ecelesia in pastorali Petram
sede locare (Opera omnia, I, ed. Migne, Patrol, Latin., CXLIV, 142 u. 148).
Alfo muß der aud) von Annal. Altah. maj.: Henricus archipraesul Ravennatis
ecclesiae moritur, pro quo Wigbertus constituitur angemerfte Tob Hein»
rich's — gleich darauf if noch von einer anderen italienischen Kirche die Rebe:
Huswardus etiam Veronensis episcopus obiit, eui Brun successit (l. c., 824)
— einige Zeit vor biefen Tag in den Anfang des Jahres geiallen fein. Im
Gundechari Lib. pontif. Eichstet. ftehen in der Reihe ber nomina episcoporum
Fi einander na Erzbiſchof Wido von Mailand: Heinricus Ravennensis,
lelhohe Parmensis (vergl. bagegen wegen ber Reihenfolge in n. 93), Adal-
bertus Premensis, Berngerus Basileensis, barauf als zweiter: Petrus Da-
mianus cardinalis tituli ad s. Rufivam, als dritter: Adalbero Metensis, al
neunter: Alexander papa, erft ala zehnter: Huswart V'eronensis (SS. VI], 249).
Wibert's Nachfolge in Ravenna, Abſeß. Abt Ruotbert's v. Reichenau. 165
jegt Wibert als Erzbiſchof von Ravenna durch Heinrich IV. be-
zeichnet wurbe und dadurch in die Lage kam, abermals einen fehr
nachdrücklichen Einfluß in Italien auszuüben ®).
ALS Begleiter ber Kaiferin hatte übrigens Abt Hugo von Cluny
noch die Erfüllung eines bejonderen Auftrags gegenüber Heinrich IV.
in Worms zu erreichen gebabt. Er war der Träger des Schreibens,
in welchem Alerander II. gegen Abt Ruotbert von Reichenau bie
Abfegung ausſprach.
Nuotbert hatte als Nachfolger Meginward's den ihm ſowohl
von den Mönchen des Kloſters, ala von den Minifterialen ent-
gegengebrachten Widerftand nicht zu überwinden vermocht; dagegen
waren von ihm Güter der Abtei ala Lehen ausgegeben worden,
deren Empfänger einen Anhang des angefeindeten Abtes gegen das
Klofter ſelbſt bildeten, fo daß der ohnehin ſchon zerrüttete Befig
von Reichenau duch diefen fortgefeßten Widerftand in immer
göberen Zerfall gerieth. Der König wollte bie ihm vorgelegten
lagen gegen Ruotbert nicht anhören, fo daß ſich die Beſchwerde-
führenden an den Papft wandten, welcher Ruotbert als der Simonie
ſchuldig erachtete und beſonders auch mwegen der Schädigung des
Befigftandes fih zum Eingreifen für Reichenau aufgefordert fühlte.
Aber Ruotbert feste allen von Rom kommenden Aufforberungen
und Drohungen hartnädigen Wiberftand entgegen; eine zwei und
drei Male wiederholte Synodal-Vorladung fand bei ihm feinen Ge-
horfam; es ſcheint auch, daß Heinrich IV. Mönde des Klofters,
welde am Hofe wohl mit Beſchuldigungen ihres Abtes aufgetreten
waren, hart maßregeln ließ, weil er feinen Schügling nicht preis:
zugeben gedachte. Doc Alerander II. jegte fein Verfahren gegen
Nuotbert unentwegt fort.
Die legte Synode, deren Beſuch abermals von Ruotbert ver-
jäumt wurde, war ohne Zweifel die Oſterſynode des laufenden
Jahres geweſen. Auf dieſer wurde der Abt als Simoniſt und
wegen ſeines Ungehorſams abgeſetzt und, in aller geiſtlichen Thätig-
feit eingeftellt, mit dem Hrdlicen Fluche belegt; ebenfo machte
Alerander II. alle Verfügungen des Abtes hinfichtlich der Befigungen
des Kloſters —A und ſprach die Strafe des Bannes für alle
widerfpenftigen Inhaber Hlöfterlicher Zehen, die durch Ruotbert aus-
eftattet worden waren, aus. Biſchof Otto von Conſtanz wurde
Beauftragt, diefe Beſchlüſſe im ganzen Bisthum öffentlich zu ver-
tündigen. Eben bieje eifung wird nun Abt Hugo von Cluny,
nebit der DVerfündigung der Verwerfung an Ruotbert felbft, nad
Deutſchland zur Mittheilung gebracht haben. Heinrich IV. erfuhr
in Worms dur jeinen Pathen, daß Alerander II. Ruotbert vom
Leibe der Kirche gänzlich abgetrennt, ihm mit Ausnahme des
) Bonitho erzählt, im Anſchluß an bie Worte von n. 94, von Wibert:
ad ii itricem se contulit — forte ea ibi aderat his diebus — eaque
ünterveniente, Ravennatem accepit episcopatum (l. c.). Auch Annal. August.
haben, ala änzige Nachricht zu diefem Fahre: Wicpertus Ravennas constituitur
episcopus (SS. IIL, 128).
166 1072.
Pialmengejanges alle gottesdienftlihe Verrichtung verboten und ihn
auf alle Zeit nit nur von Reichenau, fondern auch von irgend
welcher anderen geiftlihen Würde ausgejchloffen habe. Jetzt gab ber
König Ruotbert, welcher wohl infolge der Verkündigung des Urtheils
alsbald aus Reichenau entweichen mußte, auch von feiner Seite auf.
Die Worte ber Mutter und Hugo’3 werden auf ihn eingewirft und
ihn beftimmt haben, hinſichtlich Ruotbert's die nicht mehr haltbare
Stellung zu verlafien. Das fonnte um fo leichter geſchehen, ba
auch diefer jelbft fi unterwarf. Vewogen buch den König gab
er, zwar mit vieler Bitterkeit, wahrjcheinlich eben noch in Worms,
den Hirtenftab in deſſen Hände zurüd*?).
v7) Vergl. über Ruotbert ob. ©. 45, mit n. 11. Gregor's VIL ſchon dort
eitirtes — — 3.4870 — fagt von Alegander II., daß diefer Robertum ...
nullis admonitionibus nullisque minis ad hoc flectere potuit, ut vel abbatiam
dimitteret aut pro reddenda ratione sui introitus apostolico se conspeetui
praesentaret .... synodali judicio cum anathematis jaculo, nisi resipisceret,
percussit, et sub eadem censura omnibus accepta ab eo beneficia ad coe-
nobium pertinentia penitus interdizit, cunctaque ab eo disposita Spostolica
prasteptione cassavit, atque haec eadem per epistolam episco] 'nstan-
iensi publice praedicanda et per episcopatum suum divulganda mandarvit.
Itaque miserante Deo factum est, ut ille ab insana ocenpatione abbatige
desisteret ... ille talium institutionum auctor et distributor (sc. ber bene-
fieia, die er pro defendenda eius nequitia aut exhibenda sibi fidelitate aus
den bona abbatiae auätheilte) in loco, ad quem haeretice aspiraverat, per-
manere non potuit (Jafis, Biblioth, Il, 109), Die Anal. Altab. maj’ e
zählten ſchon zu 1071: Quod (sc. die Erwerbung der Abtei durch €
cum fratres et milites eiusdem loci agnovissent et a rege exinde justi
habere non possent, missa legatione auribus do: ;postolici hoc
sinuavere. Qui, ut erat strenuus in rebus ecelesi itteras mox direxit
et eidem abbati ministerium sacri altaris interdixit; cuius praecepto cum
nollet obedire, milites eiusdem monasterii eum exinde fugavere (l. c., 823).
Während Hier die Abgabe der Abtei durch Ruotbert ganz übergangen wird,
Rimmt Lambert beffer zu dem Berichte Gregor's VIL.: Hugo (vergl. n. 90)...
Ruoberto Augiensi abbati detulit, quod seilicet apostolicae sedis anathemate
de corpore ecclesiae praeeisus esset, qnod omne ei divinum offieium praeter
Imodiam interdietum esset, quod omnis ei in perpetuum ad abbatiam
ugiensem vel ad aliquam dignitatem ecelesiasticam accessus occlusus esset;
propterea „gped de simoniaca heresi insimulatus, et ut objectum crimen
purgaret ad sinodum secundo ac tercio vocatus, venire distulieset. Ita ille
compulsus a rege, baculum pastoralem ... multa cum amaritudine reddidit
(191) Im 2 an bie ob. ©. 45 n. 11 mitgetheilten Stellen heißt es
in der Compil. Sanblas. und bei Bernold weiter: qui postmodum anathema-
tizatus expellitur — und: digne postmodum est expulsus: jene hat a. 1073:
Ruotperto jam a papa anathematizato, et a Tepe pariter propulsato, quippe
ut juste sacrilego Symonis discipulo (SS. V, 276). Beyer, in der ob. ©. 3
querft eitieten Abhandlung, 1.c, 574, n. 5, madt auf ine Stelle deö Gallus
Eger aufmertiam, nach der Skliche münch des gotzhuses (Ow) zuo Wurms
von bevelch Hainrici kungs des IV. gefangen und zuo smach des babst....
vertriben und in das ellend verjöckt werden (Quellen und Forſchungen zur
Gefchichte der Abtei Reichenau, bearbeitet von Dr. K. Brandi, II, 95); diefel
tnnte etwa auf den Aufenthalt Heinzi's IV. zu Worms Ende 1071 (vergl.
ob. ©. 88) fallen, und fie ift jebenjalls wegen ihrer Beſtimmtheit aus einer
alten Tccalen Quelle geflofen. Weyer betont e8, 1. c., 575, richtig, dab Hugo
und Agnes bei Heinrich IV. zufammenwirkten; bagegen ift es kaum angemefien,
wenn er eventuell annimmt, Bifchof Otto habe vielleicht ſchon vor Hugo’&
Sendung ein Schreiben erhalten.
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⸗
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*
7
⸗
7
.
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Auoibert’3 Verzichtleiftung. St. Blafien nad Fruttuaria umgeftaltet. 167
Doch noch in anderen Dingen zeigte fid) während biefes Jahres
in verſchiedenen Theilen des Reiches eine eigenthümlihe Schärfung
ber geiftlihen Regungen; die öffentlihe Meinung nahm in zu—
nehmendem Grabe ihre Richtung auf bie religiöfen Fragen. Neue
Erſcheinungen traten zu denjenigen hinzu, welde ſchon in den
legten Jahren fi bemerkbar gemacht hatten.
Mit der Reife der Kaiferin nad Worms und ber erneuerten
engen Verbindung zwiſchen ihr und Herzog Rudolf von Schwaben
iſt wahrſcheinlich die Neugeftaltung eines ſchwäbiſchen Kloſters in
Verbindung zu fegen, welches bald unter ben Pflegeftätten eines
gewedten geiftlihen Lebens innerhalb der oberbeutjchen Gebiete
eine ſehr ausgeprägte Stellung einnafm. Abt Gijelbert von
St. Blafien, der ſeit vier Jahren dem Klofter vorftand, ſchickte
nämlich zwei feiner Mönche, Uto und Ruften, nad) dem italienijchen
Klofter Fruttuaria, um von dort bie Kenntniß der Orbnungen, bie
nad ben cluniacenfifchen Anregungen aufgebaut waren, ſich zu ver-
ſchaffen, und es liegt nahe, anzunehmen, daß die Kaiferin Agnes,
welche die beiden Sendlinge mit allem Nothwendigen ausgeftattet
haben foll, eben bei biefem Anlaß, wo fie vieleicht dutch den
Schwarzwald ihren Weg nahm, den Abt auf das Klofter Fruttuaria,
das fie ſelbſt jo hoch hielt, aufmerffam gemacht hatte ?®).
Andere Zeugnifle berichten davon, daß Wallfahrtsorte, die ſchon
feit einiger Zeit gut bejucht waren, eine noch größere Anziehungs-
traft, als daS bisher der Fall geweſen war, zu zeigen anfingen.
So wurde der Reichsort Nürnberg in Branten, ber feit Heinrich’3 III.
Zeit zum Aufenthalte de3 Hofes zu dienen begann und ala Marft-
plag eine allerdings durch eine abweichende Verfügung Heinrich's IV.
wieber geſchãädigte Wichtigkeit gewonnen hatte, durch das Grab des
Keen Sebald, an welchem Wunder bemerft wurden, zu einer viel
uhten Stätte, deren Wichtigkeit durch ſolchen Zufluß von
) In den durch M. Gerbert, Historia Nigrae Silvae, I, 73, als Wert
eines Anonymus des 14. Jahrhunderts erwähnten Libri Constructionum if
im ber 1. c., 244, abgedrudten Stelle hievon die Rebe. An die Stelle der
Annal. necrolog. monast. s. Blasii in der Erwähnung des Giselbertus tertius
abbas huius loci (Nechfolger des 1068 verftorbenen Abtes Wernher): Misit
eciam hic sanctus pater .. fratres suos, scilicet domnum Utonem et domnum
Ruostenum, qui post ipsum huius loci rectores exstiterunt, ad Fructuarium,
ut inde aceiperent nostri ordinis religionem (Necrol. Germaniae, I, 329) —
Köließt jener fpätere Autor an: adjuvante ei Agnete imperatrice; nam
Agneoa imperatrix supradictos frafres procurabat per omnia in veatitu
alisque sibi necessariis; ideo eadem imperatrix jure appellanda est acco-
modatrix regularis ordinis nostri monasterii (darauf feinen Exterpte aus Otto
don Srefing: Chronicon, Lib. VI, ce. 32 u. 34, SS. XX, 244, 245 u. 246).
‚Des Benebictinerfliftes Einfiedeln Thatigleit für die Reform deuticher Klöfter vor
dem Abte Wilhelm von Hirſchau⸗‘ jeßte P. D. Ring olg in das rechte Licht
Stubien und Wittdrilungen aus dem Benedictiner: und Eiftercienjer-Orden, VL,
l I, so 269 ff. — nur ift ba, 66, der Eberäberg, worüber vergl. ob. ©. 98,
unritig nach Baiern verjet). Gerade bie zwilhen Herzog Rubolf und St. Blafien
behchenden Beziehungen (vergl. Bb. . 654) für den Umftand,
daß bie Raiferin — m fie Rudolf fo nahe — fü das Alofter intereffixte.
168 1072.
Menſchen ſich vermehrte. In ähnlicher Weile fam die Kirche auf
dem beifiihen Haſunger Berge als begehrtes Ziel von Pilger-
fahrten, zum Gedächiniſſe des dort begrabenen ſchwäbiſchen
Büßers, des heiligen Haimerad, in Aufſchwung, jo daß Erzbiſchof
Siegfried von Mainz in Folge bes überraſchend zahlreichen Be-
ſuchs von nah und fern ſich entjchloß, eine geihtide Stiftung
in Form einer Propftei einzurichten, damit auf dieſe Weiſe
der duch die Gläubigen dafelbft bewieſenen frommen Opfer:
freudigfeit eine zweckentſprechende Richtung gegeben werben fönne °).
Während im Erzbisthum Trier ſich an der Ruheftätte des ermordeten
Erzbiſchofs Konrad zu holen die Wunder fortjegten?%%), fam auch
nahe am Plage der erzbifchöflichen Kirche felbit, zu Trier, eben
in biefem Jahre, durch die Auffindung von alten Ueberreften, von
dreizehn Heiligen, deren Namen eine beiliegende bleierne Tafel nannte,
bei der vor der Stadt liegenden St. Paulinus-Kirche, eine größere
Bewegung in die Gemüther 101). E3 waren überall Zeichen einer
beftimmten Einwirkung auf die Stimmung de3 Volkes, welche für
Anknüpfungen die Möglichkeit weiterer Erfolge boten.
Belonder trat als bemerkenswerthe Erſcheinung dieſer Sinnes-
richtung der allgemeines Aufjehen erregende Entſchluß zu Tage,
welchen Ebifcor Siegfeiet im Herbfte de3 Jahres faßte. Nach:
dem er am 9. September Mainz verlaffen hatte, um, wie die An—
nahme verbreitet war, in weite Ferne, nah San Jago di Compo—
ſtella, eine Wallfahrt anzutreten, blieb er, als er zwei Wochen nad
dem Aufbrude, am 23. des Monats, in Cluny weilte, in dieſem
9) Lambert bezeugt dieſe clara et celebris memoria sancti Sebaldi in
Narinberg et sancti Heimeradi in Hasengun —: magno populorum concursu
cottidie frequentabantur, propter opitulationes, quae divinitus illie languen-
tibus saepenumero conferebantur en. Bon St. Sebald zeben aud; Annal.
Weissemburg., a. 1070: dominus Deus dilecti sui Sebaldi merita per virtutum
opera mundo revelavit — und Annal. Ausust. a. 1070: In Nuorenpere
sanctus Sebaldus primum miraculis claruit (8. III, 71, 128). Bergl. wagen
Nürnberg Bb. I, ©. 291, dab Heinrich IV. eine Verfügung des Vaters, die
Gunften des zum Reichegute gehörenden Ortes geichehen war, zhdgängig, gemadı
itte; doch hielt fich derſelbe auch an dem Orte auf (vergt . c., ©. 212).
egen Hafungen vergl. ſchon ob. ©. 42 in n. 4, fowie bie Worte Giegfrieb's
in defien dort ſchon eitirter Urkunde von 1074 wegen der Wallfahrt: locus
quam in multa veneratione merits sancti Heimeradi, por quem inibi malta
us miracula operatur commendantibus, tam a summis quam ab inferiori-
bus huberetur, et non solum ab hac eius provincia, sed tocius regni de
finibus cum largissimis oblationibus et elemosinis frequentaretur, tam nostris
Km predecessorum nostroram teınporibus omnis illa fidelium devota
‚oblatio questuosis secularium sumptibus serviebat (etc.). Daß man in Lambert’3
Klofter ir den Heiligen von Halungen Tpeilnahme ke e, zeigt ber Mmftand,
daß Abt Hartwig von Hersfeld durch Eftebert bie ia sancti Haimeradi
{reiben Tieß, weihe SS. N, 598—607, ebirt ifl.
190) Vergl. Bb. I, 505 —508.
1) Lambert erzählt gana eingehend davon, nad) ben ad nos ab ipsis
Treverensibus seripta perlata (190). Die in den widtigften Brudftäden durch
Waig mitgetheilte Historia martyrum Treverensium (SS. VII, 220—223) ift
ein gleichzeitiger Bericht eine® Trierer Geiflichen.
Baltfahrten i. Rärmberg, Hafungen,u. ſ. w. Erzbiſch. Siegfr. Ridtrittägelüfte. 169
Klofter, dem Ausgangöpunte jener Einflüffe, bie in fo deutlicher
Weiſe theil3 unmittelbar, theild durch weitere Uebertragung Fi
deutſchen Boden neuerdings wieder zu Tage famen. Er entlie
feine Begleiter, gab feine gefammte Habe auf und zeigte den Willen,
ber Welt und deren Gejchäften völlig zu entfagen und als einfacher
Mönd unter dem Gelübbe freiwilligen Verzihtes auf allen Beſitz
fein weiteres Leben binzubringen. Aber in Mainz traten alsbald
peinlihe Mißftände zu Tage, und fo wandten ſich Geiftlichfeit und
Volk der verlafjenen Kirche in einem flehentlihen Schreiben an
ihren Hirten, mit der Bitte, feine Rückkehr zu beſchleunigen. Sie
beſchworen Siegfried, daß er in Erinnerung an das göttliche Ge-
richt feiner Verpflichtungen für die ihm anvertraute Heerde, feines
Tages ber Weihe eingebenf fein möchte. In der lebhafteften Sprache
richteten fie an den Erzbiſchof die Frage, wehhalb er fie verlafie,
Ring und Stab, die Zeichen, die ihn an feine Kirche bänden, aufs
gebe, und im Anſchluſſe daran wurde ausgeführt, daß für ihn nicht
gelte, was bei Anderen, die ſich allein leben und fo gut daran
tbun, aus dem Weltleben auszujcheiden, zutreffen möge, ſondern
daß er am beiten Chriftus nachfoige, indem er die ihm gegebene
heilige Aufgabe erfülle, wie ja ſchon ber Herr felbft zu Petrus
geſagt habe: „Wenn Du mich Liebft, fo weide meine Schafe!“
„Beeile Di“ — heißt e3 in dem Briefe — „jo raſch wie möglich
an Deinen Sig zurüdzufehren, und tröfte diejenigen, welche in
Sammer und Gram And, dur väterliche Liebe! Denn fon
werben Beligthümer Deines Bisthums da und dorthin geplündert
und viele andere von den Amtleuten des Königs an ſich geriffen;
vielfache Verwirrung vollzieht fi durch Deine meiſten Landſchaften;
zwiſchen Manchen wird über die gewaltfame Befignahme Deines
Stuhles geitritten. Das Alles wird einzig Dein Haupt beſchwichtigen;
alle diefe Wirren und Zmwift wird nur Deine Gegenwart zum
Frieden zurüdführen“. Am Schluffe wurde gedroht, daß von
Mainz aus im Falle der Weigerung Siegfried’3 der Ruf zur Ab-
Ife an den apoſtoliſchen Stuhl ergehen werde, daß man an alle
iſchöfe des Reiches ohne Ausnahme, an jede beitejenbe Ordnun⸗
und Würde ſich zu wenden gedenke, um bei denſelben Bitten un!
Beihmörungen anzubringen: „So lange Du lebft, werden wir
niemal3 einen Miethling zum Hirten annehmen“.
Ohne Zweifel war e& der in dieſem Schlußfag des Schreibens
angebeutete mögliche Fall, welcher Siegfried bewog, den Wünſchen
feiner Mainzer Angehörigen fih jhließlid, wenn aud) nad) hartem
inneren Kampfe, anzubequemen. Augenſcheinlich waren Verſuche
im Gange, auf fimoniftiihem Wege vom Könige die Zuweifung bes
leergewordenen erzbifhöflihen Siges zu erlangen, und Diele in
Mainz wohl bekannte Thatfache muͤß auch auf Abt Hugo von Cluny
einen nahdrüdlihen Einfluß ausgeübt haben. So machte diejer
feine Würde gegenüber dem neuen Inſaſſen feines Klofters geltend
und zwang ben Erzbiſchof durch den von dem Drbenzftifter felbft
geforderten Gehorfam zur Rückkehr nad) Mainz, damit auf ſolche
170 1072.
Weiſe eine Beſetzung verhütet würde, welche den Auffafjungen vor
Cluny am menigften entiprochen hätte. Am 6. December war
Siegfried in Mainz wieder angelangt, wo er in bie niebergelegte
Aufgabe neu eintrat. Freilich urtheilte Lambert, wohl in Ueber-
einftimmung mit ber Auffaffung in Hersfeld überhaupt, auch jeßt
wieder wenig günftig über Siegfried: berfelbe habe ebenjo übereilt
no an eine Sache gemadt, wie er jegt, alzu jhwah, um dem
allgemeinen Begehren zu wiberftreben, diejelbe in überftürzter Weiſe
wieder aufgegeben habe !%%).
Solchergeſtalt war Heinrich IV. nit in den Fall gekommen
über die erfte deutjche Kirche neu zu verfügen. Dagegen wurden
zwei andere Bisthümer in dieſem Jahre erledigt, am Oberlaufe des
Rhein's die Kirche von Bafel und in Dberlotktingen diejenige von
za und wenigftens Bafel wurde noch innerhalb desjelben neu
eſetzt.
Biſchof Beringer von Baſel, der wahrſcheinlich 1057 an Die
Stelle ſeines Vorgängers Theoderich gefommen war, aber niemals
irgendwie fichtbar hervorgetreten ift, obſchon ja bei feiner Kirche
108) Bon Siegfried's Eutſchluß reden Annal. Weissemburg: Sigifridus
Mogontiae archiepiscopus, ductus spiritu, Cluniacense cenobium in;
est, qui reductus a civibus in voto non permansit (l. c.) ferner Marianus
Scottus, a. 1094 keih, 1072), welcher insbeſondere genaue Zeitangaben bietet:
Sigfridus episco) [ogontinus 5. Id. Sept, die dominiev, quasi causa
orationis in Galitiam ad sanetum Jacobum perrexit. Cum autem mona-
sterium monachorum, quod est Cluaneca, dominico die ante missam sancti
Michaelis esset, intrans claustrum respuit seculum. Sed dum mercenarii
iegfried, Registr. II, 29 (J. 4811), Jaffé, Biblioth. rer. Germ., II, 141, des Ent»
lufles: ex eo quod Cluniacensi monasterio reliquum vitae tuae conferre
voluisti, msjorem ex religione tua fidem suscepimus. Das Schreiben bes
universus Moguntinae sedis clerus et populus ift Nr. 39 des Codex Udalrici
(afle, Biblioth., V, 81-84). Ueber den mutmaßlichen Antheil Abt Hugo’s
an Siegfried’3 Entſchluß zurüdzulehren vergl. R. Lehmann, 1. c., 102 u. 108.
goterat deseruit (1), Yuberbem gebentt aber and Grrger VÜL. im Gihnsiben am
ſch
Eiegfrieb'3 Rückehr n. Mainz. Burchard's Nachfolge im Bisih. Bafel. 171
die fo wichtige Synode von 1061 zufanmengetreten war, ſcheint
nit lange nach dem Anfange des Jahres geftorben zu fein 108),
Auf ihn folgte Burhard, Kämmerer des Erzbifhofs Siegfried —
daneben ift er einzeln zu Mainz auch als Propft erwähnt —, der
Sprößling eines vornehmen burgundifchen Geſchlechtes. Sehr wahr:
ſcheinlich ein naher Verwandter des Sifofe Burchard, der im
folgenden Jahre den bifhöflihen Stuhl von Laufanne gewann,
war Burchard zuerft zu Eichſtädt Domgeiftlicher geweſen ‚ehe feine
Berpflanzung nad Mainz ftattfand, wo er von 1069 an genannt
wird. Vielleicht durch Siegfried empfohlen, zog Burchard jebenfalls
durch feine Zugehörigkeit zu einem Haufe, welches im Gebirge
zwiſchen Bafel und den Seen am Norblande des Üchtlandes, aber
auch noch weiter ſüdlich von bemfelben, reich begütert und wohl
ſchon bisher den fränfifchen Königen treu verbunden war, bes
Königs Augen auf fih. Eben der Umftand, daß dergeftalt in
diefem Jahre Burchard, der Sohn des Grafen Ulrih von Vinelz,
und im barauf folgenden Burharb, ber Sohn des Grafen Bucco
von Dltigen, an die Spike von Bisthümern in nächſter Nachbar-
ſchaft der Namäbifghen und burgundifchen Befigungen des Herzogs
Rudolf von Schwaben gebracht wurden, kann als ein Zeugniß des
Mißtrauens aufgefaßt werden, mit weldem Heinrich IV. fortwährend
auf den Schwager binblidte; der König empfand das Bebilrfniß,
aufmerkfame Wächter in die Nähe des mächtigen Herrn zu fegen 1%).
108) Den Tod Beringer erwähnen neben dem Berzeichniffe in Eichſtädt
Lest. m. 95: nad; bemjelben fiel er vorne in das Jahr, noch mehr nad) der
Gteilung ber Rotig -- vergl. n. 104 — im Yahreäberichte Bambert’3) bie Annal.
Monasteriens. (von Münfter im Serasrientbah, a. 1072: Obiit Berengerus
episcopus, successitque ei Burchardus (SS. III, 154). Unter dem Jahre 1057
Rrbt derſelbe — Beringarius sanctae Basiliensis ecclesiae nune ordinandus
episcopus — in der Reihe ber duch Waig im Neuen Archiv ber Geſellſchaft
für ältere bentiche Geſchichtelunde, II, mitgetheilten Erklärungen der Obedienz
vor dem Exzbiſchof von Bejangon, 197.
106) Zambert berichtet noch vor Erwähnung, bed Todes Abalbert’s:
Burchardus, camerarius archiepiscopi Mogontini, episcopus ordinatus est in
Basilea (189). Auf frühere Beziehungen beöfelben zum Bisthum Eichftäbt richtet
fich Burchard's Erwähnung im Lib. pontif. Eichstet. unter den nomina fratrum
eanonieorum, qui ex congregatione Eistatensi nostrae recordationis tempore
effeeti sunt episcopi: Purchardus Basiliensis (SS. VII, 249). Des Burchardus
Basiliensis ecclesiae episcopus Obedienzerflärung zu 1072, die des gleich zu
erwähnenben re sanctae Lausannensis —e— ee
episcopus zu em 1. c., u. 197. Die Zeugniffe über Burchard's
Aofommunı und Berwandtigjaft enthalten die Gesta epp. Lausannens. des
€omo von @Ravayer — in c. 10: Borcardus Lausannensis episcopus . . filius
eomitis Bucconis de Oltudenges (Oltigen, zunäcft der Einmündung der Saane
in die Mare) . . concessit Cononi comiti de Oltudenges fratri suo.., inc. 12:
Cono, filius Uldriei comitis de Fenis (Vinelz, an der jüblidjflen Spihe bes
Bielerjeed) fuit electus Lausanne post Lambertum (nach c. 11 ift Lambert
Rochfolger des Burda von Saufanne) . . . Et Borcardus, frater auus,
iscopus Basiliensis ... perfecit (ete.) (SS. XXIV, 799 u. 800). Gin weiterer
Frei Burdarb’3 von Bafel und Gono’s von Laufanne ift dee 1082 dur
Seimmich IV. im St. 2842 beiehentte Graf Mic, wie im Anzeiger für fchmeige:
ihe richte, I, 229—231, 46-250 (wo 247-248 ein abermaliger Abdrud
172 1072.
Am 13. November ftarb zu Met Adalbero III., ein Abkömm-
ling des Haufes Lügelburg, nachdem er etwas mehr als fünfund-
gmangig Sabre feine Kirche geleitet hatte. Ein durch ftrengen geiſt ⸗
lien Wandel ruhmwürdiger Biſchof, hatte er fich unter der jenigen
Regierung weniger, als unter berjenigen Heinrich's II., bemerkar
jemadt; doch widmete ihm neben der Gefchichte der Meter Biſchöfe
Befonders auch Abt Rudolf von St. Trond wegen der Verdienſte,
die er fih um das Klofter erworben habe, tebhaftefte Anerkennung.
Wahrfcheinlich erft nad) Ablauf des Jahres wurde der Propft der
Küttiher Kirche, Hermann, Adalbero's Nachfolger. Nach einer
allerdings jüngeren Nachricht ſcheint Hermann ſchon in_ früheren
Jahren, zur Zeit der Geltung des Erzbiſchofs Anno am Hofe, dem
Könige näher befannt geworben zu fein, dann aber mit Anno ſich
vom Hofe zurüdgezogen zu haben; falls das zutrifft, könnte alfo
Hermann durch Anno nunmehr für das erledigte Bisthum empfohlen
worben fein!®).
von St. 2842), II, 217—219, 230—235, durch Räble, Fiala und R. von Erlach
nachgewiejen wurbe. Vergl. über Biſchoſ Burchard die Abhandlung A. Burdhardt'z,
Zahrbuch für jcweizerifhe Gefchichte, VII, 57-89 (dod wird da, 68, Hinfigtli
des Eintrittes in das Wisthum aus der von Will, Regeften zur Geidichte der
Mainzer Exzbiigöfe, I, 195, ald Nr. 70 verzeichneten, eines Zagesdatumd ente
behrenden Urkunde, welche Burchard zuletzt ala Kämmerer aufführt — Nr. 52,
190, nennt 1069 querft benfelben ala Kämmerer und Propft —, ein unrictiger
Schluß gezogen, daß nämlich Burchard noch bis zum September bei Siegfried
geweſen jei, demielben aljo wohl nach Eluny begleitet habe), jowie den Artitel
von ©. von Wyß, Allgemeine dentſche Biographie, III, 554 u. 555. Bergl.
Er en a Dr og Rudolf meinen Artikel im Anzeiger für ſchweijt ⸗
riſche jichte, VI, —163.
19) Yeber Biſchoj Adalbero II, als den Bruder des 1065 verftorbenen gegp
priebrich von Niederlothringen, vgl. ſchon Bd. I, ©. 43 n. 37 u. 470. n. 149,
jowie Eteindorfi, Heinrich IIL., 9 u. 10. Lambert nennt Adalbero’s Tod
ala legte Nachricht von 1072, felieht aber die Radjfolge bes Herimannus
Leodiensis praepositus (191) gleich daran an, während Sigeb. Chron. und
Anal. e. Vincentii Mettens. dieſe iehiere exft zu 1073 erwähnt (SS. VI, 382,
It, 158: „dagegen zu 1072 Chron. s. Clementis Mettense, SS. XXIV 500).
Die Gesta epp. Mettensium melden in c. 49: Adalbero — pacis amator et
eoenobiorum reparator — prediis suis ecelesiam sancti Salvatoris infra
urbem anıpliavit, in qua quieseit, Obiit Id. Nov. — in c. 50: Huic ab eceleeia
ienei ascitus domnus Herimannus, ordinatus est Mettensium presul
quinquagesimus, Rodulfi Gesta abb. Trudonensium, Lib. I, c. 12: sanctae
memoriae Adelbero Mettensis episcopus (in c. 10 ift vorher eingehender von
im bie Rebe) . . . murus et arma paxque post Deum et sanctos et Iasta
abundantia nostri coenobii, obierat. Cui succedens Herimannus ....
(SS. X, 543, 285). Sup von }lavigny, Lib. II, warf einen Rüdblid auf das Leben
de3 bat ihm Gncpetelien Bilhofa German — ir egregius, ot inter prascipnos
ehatholicae fdei propugnatores magmum, patieaiae, rligionie et Justine
documentum . . Leodiensis aecclesiae filius — vor dem Jahre 1072, wobei
e& heißt, daß, berfelbe in primevo juventutis fore temporibus Annonis .. .
tutoris et moderatoris regni, palatüi frequentiam nanctus, regis illius pene
universa noverat, in tanfum ut etism ante pereeptam episcopatus gratiam
pro eius insolentia a curiae se plerumgue administratione subtraheret (etc.)
(SS. VII, 453); doch ift dabei offen zu laſſen, wie viel davon aus Hermann’s
Ipäterer Haltung zurüdgeichlofien wurde.
Bild. Hermann's Nachfolge in Meh, Abt Hartwig's Nachfolge in Hersfeld. 173
Für Heinrich IV. ergab ſich aber noch die Möglichkeit, als er,
vielleicht von einem Herbftaufenthalt in Sachſen kommend — feit
Ende Juli ift er nirgends genannt —, am 11. December in Hers⸗
feld ſich aufhielt, hier an Stelle des zurüdtretenden Abtes Nuothard
einen Nachfolger zu beftellen. Schon feit dem Januar litt Ruothard
törperlih und geiltig zugleich fehr ſchwer, an Anfällen der Fallſucht
und des Wahnſinns; aber er war doch noch Far genug, um ſelbſt
die Einfiht zu gewinnen, daß er die Leitung bes Klofters nicht
mehr in der eigenen Hand behalten könne. So entfagte er zu
Gunften des aus Hersfeld hervorgegangenen Mönches Hartwig,
welden, wie Ruothard jelbft verlangte, der König einſetzte. Man
glaubte in Hersfeld, daß auch Anno, auf deſſen Anficht der Bericht:
erftatter Lambert fo viel gab, mit der Auswahl des neuen Abtes
fich einverjtanden zeigte. Dagegen foll Ruotharb nachher, wie
Lambert fih äußert, in lichten Augenbliden jeine ſchwere Reue
darüber ausgeſprochen haben, daß von ihm dieſer Verzicht geleiftet
worden fei, und überhaupt lautete das Urteil über ben gemejenen
Abt im Munde des Möndes aus Anerkennung und Tadel gemifcht.
Während dieſer, wie er anderswo erzählt, ſelbſt — und e& ift an-
unehmen, mit Erlaubniß des Abtes, obſchon er freilich von einem
ftrage nicht ſpricht — das Leben der nach der ftrengen Regel
von Fruttuaria lebenden Mönche ſich angefehen hatte!%°), fand er,
daß Ruothard zu Hersfeld in Sachen des regelrechten Lebens ſich
zuweilen allzu läffig gezeigt habe: der Abt habe fich in geiftlichen
Dingen weniger flug, als in weltlichen, erwiejen. Wohl unter
richtet in_den heiligen Schriften, ein vorzüglicher Redner, verftand
er es beſſer zu gebieten, als zu gehorchen. Aber in feiner legten
Lebenszeit fam er in feinem Siehthum überhaupt gar nicht mehr
in Betradt. Er ftarb am 9. Juni 1074107),
108) Bergl. ob. ©. 92 u. 93. Lambert fpricht ba allerdings nicht von einem
Auftrage, den er hatte, obichon er nicht ohne Wiſſen und Willen de Abtes
vierzehn Wochen abweienb gemejen fein kann. Immerhin ftimmt zu den Worten
über Ruothard, a. 1074: Alias in observatione sanctae [ae paululum,
quam mores et tempora expeterent, remissior erat (217), die Bemerkung
DI071, dab in Heräielb Mes gut Ründe: si tam tenaces propositi tamqu>
rigidi ‚patersarum nostrarum traditionum aemulatores vellemus existere (189).
197) Zu Lambert, welder von Ruothard's Erkrankung und Rüdtritt —
3. Idus Decembris ultro se abdicavit —, von Hartwig’s Nachfolge — protinus
secundum ipsius postulationem — redet (191), ift befien eigener Libellus de
instit. Hersveld. ecel., Lib. II, heranzuziehen: Ruthardus abbas senio con-
feetus, Heinrico adveniente Herveldiam, resignavit. Hartwigus, monachus
&ius loci, substituitur per eundem Heinricum. Anno hoc gratum habuit
(88. V, 141). Danad) war Heinrid) IV., was Rilian, Stinerar, 57, nicht
herangog, am 11. December in Heröfeld anweſend. wodurch bie Annahme Kilian’s,
Seinrich IV. habe wohl bie Zeit jeit Ende Juli, zumal den Set, in Sadjjen
gebracht, an Wahricheinlichteit gewinnt. Nach Lambert'3 Angabe, a. 1074,
war Ruotharb’s Krankheit, tab er per continuos duos annos et 8ex menses —
alfo vom Zobestage, 9. Juni 1074, geränt, eben feit Anfang 1072 (mense
fanuario aegrotare coepit: 191) — frenesi pariter et epilempsi gravissime
vesabatur (217). Außerdem bringen bie von Scheffer⸗ eier Te
Annales Patherbrunnenses, 95, die in bie Annal. Yburgens. (SS. X VI, 436) über:
174 1072.
Das Weihnachtfeft feierte Heinrich IV. in Bamberg !%). Schon
follen in dieſer Zeit neuerdings Befürchtungen wegen der Haltung
Senn Aubolf’3 vorhanden geweſen fein’), und von der gleichen
elle — es ift ber hier allerdings fehr wenig glaubwürbige Lam-
bert — wird verſichert, daß Erzbiſchof Anno jene ihm zugeſchriebene
ausgedehnte Machtfülle in ber Beſorgung der öffentlichen Angelegen-
heiten hier an den König wieder zurlicdzugeben habe nnd vom Hofe
- nad) Cöln heimgefehrt fei, unter Betonung feiner Jahre, bie ihn
zur Mühfal der Degierung nit mehr fähig erfheinen Tießen;
ganz bereitwillig habe der König ben ihm läftigen Mahner, ber
manden böfen Wünſchen ſich wiberfegt babe, von feiner Seite
entlafjen. Aber auf dieſe alleinftehende Nachricht ift faum ein be-
ftimmtereö Gewicht zu legen. Nur das ift auch aus der Beleuchtung
eines Nebenumftandes, der Erlangung von heiligen Weberreften, für
Siegburg fiher, daß Anno wirklich mit dem Könige bie kirchliche
Feier in Bamberg beging und von da nad) Göln ſich begab "9.
In Italien vollendeten ſich während diefes Jahres Ereigniſſe,
deren zum Theil weit gediehene Anfänge ſchon das Jahr 1071
erfüllt hatten. Ganz —E erhob ſich in Mailand die Macht
gegangene Rotig: [Herveldensis abbas Ruothardus confectus] morbo abbatiam
sponte reliquit, cui Hartwigus successit. Urtheile über Ruothard, fowohl in
ben Annalen, ala im Libellus, ftehen ſchon in Bd. I, S. 657 n. 5, 661 n. 21.
Gfrörer, Gregorius VIL, VIL, 68-70, geftaltete aud) aus bielen Heräfelber Bor
jängen bon 1072, beſonders da Lambert nur im Libellus von bes Königs perfön«
icher Anwefenheit ſpricht, eine geh Anklage gegen ben König, unter forgfältiger
Aushorgung bes Autors — „Wir haben hier ein fchlagendes Beilpiel der Bor:
fit, welche mittelalterliche Chroniften anwenden mußten“ —, auf ein freilich
nur in feiner eigenen Vorftelung vorhandenes auffälliges Verhäliniß zwiſchen
„Alt-Abt“ und „Jung · Abt· hin.
'00) Annal.' Altah. maj, a. 1073 (l. c., 824), unb Sambert, a. 1073,
'immen, hierin überein. Wegen ber durch Sambert zeitlich hierher gerüdten,
urch biefen Autor als Behauptung aufgeftellten Abfegung Herzog —Aã
von Kärnten Beat in Ercurs I, ſowie wegen ber thatlählichen Berhältniffe,
welche wabricheinlich in jenem Lande vorlagen, unt. zu 1073 in n. 15.
10) Wenn auch Lambert's Worte (a. 1073: 109): Ruodolfus quoque dux
Suevoram tumultum aliquem rei publicae machinari formidabatur zu dem
in n. 92 Mitgetheilten zu Rimmen einen, jo iR dod) in den discurrentes
utriusque frequentes legati eine zu deutliche Wieberholung ber assidune
legationes von n. 80 erg. ebenfo der Gap: et illum (sc. Ruodolfum),
ne praecipitanter in arma prorueret, et regem, ne cunctantem obstinata im-
rtunitate lacesseret, salubri moderamine retinebant (sc. legati) — allzu
für ein, thetorifches Füllfel, ais daß auf biefe Angaben zu wid Gnsight au
gen wäre.
110) Bergl. ſchon ob. ©. 151 u. 152, wozu in Sun 1. Das Richtigfte an der
ganzen Mittgeilung Lambert's ift wohl Anno’s Entſchuldigung: causstus in
senium jam vergentem aelatem et laboriosis regni negociis minus minusque
in dies suffieientem (192); mag es fi num thatlädlich mit bem Umfange des
Bereiches der Functionen Ynno’s wie immer verhalten Haben, er mußte fich
durch die felbfländige Haltung des Königs, welcher Längft nicht mehr ber ſchwache
Knabe von 1062 war, beengt fühlen und gern den Vorwand ergreifen, fi) vom
Hofe zu verabfchieden. Daß er aber in Bamberg wirklich anweſend war, erhellt
Weihnechtöfeier i. Bamberg. — Erlembalb’3 Sieg in Atto’3 Wahl als Erzbiſch. 175
ver Pataria durch Erlembald zu einem gewaltigen Anfehen; auf
Sicilien dagegen vollzog fi ſchon in der Hauptſache durch den
Uebergang Palermo’3 an Herzog Robert die Entiheidung für bie
Herrſchaftsſtellung der Normannen.
In Mailand erreichte Erlembald gleih in den erften Tagen
de3 Jahres fein Ziel, der Erwählung eines ©: Bet eingig umter
Anlehnung an Rom und ohne irgend welche Berüdfichtigung des Rechtes
Heinrich's IV. Alles war dur ihn ſiets von Neuem in Bewegung
geiest worden, durch Aufreizung der Anweſenden, durchHerbeirufung
er Fernerſtehenden, auch von Cremona und Piacenza her, durch die
Bearbeitung von Geiftlihen und Laien, von Aebten und Mönden,
und ebenfo hatte er nicht verfäumt, feinen verbündeten Zuzug
vom Lande in die Stadt zu rufen. Dagegen fegte er ſich über
feine vorhergegebene Bufigerung, daß nur mit Buftimmung von
Geiftlichfeit und Voll unter allgemeinem Einverftänbniffe ein An-
gehöriger der Priefterfchaft des Domes erwählt werben jollte, hin—
weg und ging ganz eigenmädtig vor. So wurbe am 6. Januar,
nahdem in der Winterkirche die Meſſe gefeiert worden war und
er vor den zahlreichen Anweſenden eine Rede über die Beſchaffenheit
eines wahren Hirten gehalten hatte, vor dem Antlige des römiſchen
Legaten, des Cardinals Bernhard, Atto, ein noch ganz junger Mann,
allerdings vornehmer Geburt, welcher aber erft in einer niedrigeren
geittigen Stellung war, zum Crzbifhof gewählt, unter vollfter
ichtberüdfichtigung der vorher getroffenen Werabredung, jo daß
Die darüber empörten Zuſchauer, neben Geiftlihen auch Viele vom
Volk, von Ingrimm erfüllt, fih aus ber Stiche fortbegaben iun).
aus ber Vita Annonis, Lib. I, c. 38, wo von ber Grlangung von Reliquien
für Giegburg 1073 durch dem Erzbilchof Die Rede ift: Proxime dehine dominici
matalis gandis rex Babinberg celebravit, ubi diversarum dignitatum con-
ventu facto, nihilominus abbas (sc. Reingerus, von Elwangen: vergl. Bd. I,
©. 352, n. 98) advenerat .. . Ile ai ın exsolvendo non modicae quan-
Gtatis argento regi obnorius erat, ad haecrespondit: Ecce, quatenus pecunige
quam debeo me cura releves, desideriis tuis (ec. nach dem begehrten Reliquien),
wt vie, satiefaciam . ... Huic sponsioni praesul gratanter annuens, quippe
qui nullas opes hal juas non libenter in huiusmodi commereium in-
‚Anmertungen“, 1122 (mit n. 1), wollte
frrodenen Brief Erzbiichot Annya an Megander IL, den er ald Mr. 8 in den
„Documenten“, 1. c., 1261, mittheilte, hieher Shen („Bieleicpt im Anfange 1073*)
pP!
olos id allgemein, als daß ei logiße b
Aue Hornet * ben, uch für Elhoielangen Kto’ auf De Safenfpnohe
111) Arnulf, Geste archiepiscoporum Mediolanens., Lib. III, c. 25,
nennt die sancta theophaniae sollempnitas ala den Tag, wo Erlembald —
Studet sollicitare praesentes, vocare absentes, clericos et laicos, abbates et
wonachos, amicam sibi non omittens turbam tium — an die Sache
ging: factus est multorum in ecelesia yemali (vergl. Ginlini, Memorie della
176 1072.
Während Erlembald mit dem Geſchöpfe feiner Gunft fi in ben
erzbifchöflichen Palaft verfügte und man fi da an den ſchon fertig»
geitellten und reichlich bejegten Tafeln zum Maple fegte — jo jehr
war alfo Alles ficher vorbereitet gewejen — , fammelten ſich bie
Unterlegenen zu einem überrafchenden Gegenſchlage. Hohe und
Niedrige — nad) einer Nachricht follen fogar Anhänger Erlembald's,
die nicht fo weit an der gänzlichen Hintanjegung des königlichen
Anfehens fich betheiligen wollten, einge riffen haben — vereinigten
fih in Waffen zu einem Angriffe, uni % ftürmten die Bürger das
Haus und durchſuchten alle Gemächer nad Atto. Endlich fanden
fie den Erwählten im Winkel einer Kammer, legten die Hand an
ihn und mißhandelten ihn im übler Weife; an Schienbeinen und
Armen wurde er duch das Haus Hinunter geriffen und in bie
Kirche vor den Altar geftoßen; darauf mußte Atto, von Tobesfurcht
erfüllt, unter dem allgemeinen Geſchrei zum Pulte fteigen und vor
Aller Ohren den Eid ablegen, daß er unwiderruflich Ar jegt und
auf alle Zukunft hinaus auf den Stuhl des heiligen Ambrofius
Verzicht leifte und nie wieder ſich zu demfelben drängen wolle. Darauf
wurde er einem Geiftlichen der Kirche bis zum folgenden Tage in
Haft gegeben. Die Anhänger Atto’3 hatten ſich für den Augenblid
flüchtig durch verfchiedene Schlupfwinkel zerftreut, und auch Cardinal
Bernhard war mit zerriffenen Kleidern faum ohne größere Schädi-
gungen davon gekommen *!2).
dittä et della campagna di Milano, III, 423: bie vom erflen Gonntag im
October an benußte Kirche S. Maria, anftatt der vom Oflertage an dienenden
Sommertirde ©. Tecla) conventus, mis tamen abscentibus, cum quibus istam
se facturum juraverat electionem (vergl. ob. ©. 107 in'n. 119 die Giellen
aus dem Anfang von c. 25). Celebratis itaque missarum solempniis, primo con-
eionatus ad libitum ac multa de justo pastore commemorans, adstante quodam
Bernardo legato Romano, eligit Attonem, adhue tantummodo clericum ae
tenera aetate juvenculum, invito clero et multis ex populo, adeo ut sto-
machati recederent ab ecclesia (SS. VIII, 25). Zandulf, Historie Mediolanens.,
Lib. III, c. 29, erzählt unter ber ſchon in 3b. I, ©. 437, n. 86, angemerften
vöNigen Verſchiebung der Dinge, daß Herlembaldus producens quendam
‚Antonem sibigue consentientem coram omni multitudine ore suo et inlicite
elegit (SS. VIII, 95). Bonitho, Lib. VI, fimmt im Weientlihen mit dem
Mailänder Berichten überein: a Deo protectus Herlimbaldus, volens Medio-
lanensem ecclesiam a symoniaca liberare servitute, consilio Papse et Deo
amabilis Hildebrandi in die sancto epiphaniae, adjuvantibus religiosis
elericis non solum Mediolanensibusı, set et Cremonensibus et Placentinis,
secundum decreta sanctorum patrum per electionem cleri habere deliberavit
episcopum Ottonem, eiusdem ecclesiae clericum, nobilem quidem genere
set nobiliorem moribus, a religioso clero electum et a catholico populo
laudatum (l. c., 653). Bon beuticer Seite fagt die ſchon ob. ©. 102 in n. 115
herangezogene Nachricht ber Compil. Sanblas.: Ülerus autem alium sibi idoneum
elegerat, qui ab _illo (Gottfried ift gemeint) coaetura jurisjurandi expulsus
deieitur (SS. V, 275). Als einer ber Unterzeichner von Alexander’ II. J. 4651
— von 1068 — eridjien Bernardus presb. card. tit. SS. Apostolorum.
113) Den wilden Zumult fdildern die in n. 111_angerufenen italienifchen
Quellen, von verjäichenen Standpuntten aus, faft überrinfiimmend. Arnulf
hebt —'1. c. — bejonders hervor, bak Atto überfallen wurde: cum cum suis
ad convivandum pontificalem conscenderet aulam — fuerunt enim jam in
Atos erzwungener Rüdtritt. Beherrf gung Mailand’s durch Erlembald. 177
So hatte der Tag, welcher den Sieg der Pataria in Mailand
hätte abſchließen follen, in der Hauptjadhe, in dem Verſuche der
Beſetzung bes erzbiſchöflichen Stuhles, mit einer Schlappe geendigt ;
denn Atto kam nie zur Anerkennung, und er lebte jpäter, gleich
feinem Gegner Gottfried, im gewöhnlichen Stande von feinem
igenen Vermögen in Zurüdgezogenheit. Sein noch am Tage der
ahl öffentlich abgelegter Eid war und blieb für ihn eine Schrante,
mochte ihm auch von Seite der Urheber feiner Erhebung noch jo
viele Ermuthigung entgegengebracht werden. Erlembald hatte näm-
ih durch feine Thatkraft und die Wucht feines Anhanges raſch
wieder bie Entſcheidung über Mailand auf jeine Seite hinüber-
erifien. Schon am Tage nad dem Sturm auf die erzbifchöfliche
ohnung, am 7. des Monats, wagte er offen vor die Augen feiner
Keine neuerdings hervorzutreten. Er ließ es auf einen abermaligen
u
jammenftoß anfommen, in welchem num alsbald feine Schaaren
den Sieg zurückeroberten. Die Gegenpartei mußte die Stadt
räumen: die Pataria gebot über Kirche und Pfalz. In Waffen —
io jchildert ein Mailänder aus dem ben Patarinern gegnerijchen
Lager die Geftalt der Dinge — hielt Erlembald die ganze Stadt
darnieder, wie ein Papft gegenüber den Prieftern, wie ein König
zur Einfhüchterung der Menge; dur Eifen und Gold und jene
ftet3 angewandten verfchiedenen eiblichen Verpflichtungen hatte er
Mailand in Gewalt, fo daß feiner der Adeligen mehr zu wider:
ftehen wagte. Doc es fehlte dem Siege die Vollendung, da der
Erwãhlte nicht im erzbifchöflichen Range ftand!'?).
mensis ampla parata convivia —, baß er bannf per suras et brachia a
sammis ad ima unb zur Kirche geichleppt, cum staret in ecelesia . . altario
prostratus, elamante populo ascendit in pulpitum, ibique facto sacramento
in auribus omnium abrenunciavit sedi Ambrosianse in praesens et in
taum, endlich dak ipee etiam Romanus legatus vix discerptis vestibus
Befratus evasit. Zandulf berichtet fünger — le. — von der majorum et
minoram multitudo tam suorum quam adversariorum, quae noviterfidelitatem
imperatori juraverat, baß fie den Gemählten archiepiscopatum inremeabi-
liter refutare lieb. Bonitho jchreißt — 1. c. — Alle dem veternosus serpens
in, deb bat alt ipsum 3 Deo protectum Erlimbaldum cum elecio jam in
Ppalacio residentem angriff unb Atto zur Abdantung zwang: ipsum eleetum
Plagatum usque ad altare sanctae Mariae tractum jurare compellunt:
nunquam se amplius de eodem episcopatu intromissurum; dehine eum
cuidam clerico eiusdem ecclesiae ue mane custodiendum tradidere.
212) Bonitho bemüht fi, die Lage nach dem 6. Januar in einer für
Erlembald, wie für Atto, günftigeren Weife darzuftellen, indem er, 1. c., erzählt:
Mane vero facto (b. 5. am 7. Januar), a Deo protectus Erlimbaldus ad
ecelesiam imperterritus venit — batauf zwilhen ben ecclesiarum venditores
et fornieatorum sacerdotum propinqui und Erlembald abermaliger Zufammen»
Rob, der mit des Iepteren Gieg enbigt: omnes Dei inimicos procul a civitate
wit... . ecelesiam et palatium obtinuit —; doch wegen Mtto’s befteht
eine Schwierigkeit: Potuitque eodem die electus Domini sine ulla contra-
dietione intronizari, nisi sacramenti vinculum obstitisset (l. c., 653 u. 654).
Arnulf fchliekt, 1. c., II. mit dem Sahe ab: Ceterum Gotefredus et
* Atto diebas postea multis remanserunt priyatı pariter ambo, propriis tantum
contenti laribus atque substantiis. So fehlen denn auch beide, Gottfried und
Weser von Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter deintich IV.u. V. 8b. Il. 12
178 1072.
reilich blieben alsbald Bemühungen nicht aus, die Schwierig:
keit binwegzuräumen, welche Atto in feiner Angft fih durch die
Erklärung jelbft geſchaffen hatte. Papft Alerander II. wurde von
Stand der Dinge in Mailand unterrichtet, und Hildebrand, der
mit Erlembald ſchon Tängft in engem Einvernehmen ftand, be-
ſchleunigte die Aufftelung einer zu Gunften Atto's lautenden Ent:
ſcheidung; denn chen dem Archidiafon ſchrieb man in Mailand jelbit
das eifrige Streben zu, daß der duch Atto geſchworene Eid als
ungültig Hingeftellt werde. Eine in Rom verfammelte Synode be-
ſchloß, daß der Schwur Atto’3 dem Kirchenrechte widerſpreche und
. bewegen nicht gehalten werden müffe; fie erklärte Atto als den
rechtmäßig gemählten Erzbiſchof und belegte Gottfried al3 einen
Feind des katholiſchen Glaubens und des chriſtlichen Gefeges fammt
allen feinen Anhängern mit dem kirchlichen Fluche. Hildebrand
jelbft gab dur paul e Berihte Erlembald Kunde von diejem
günftigen Stande der Dinge in Rom. Ebenſo fol er aus feinen
reihen Mitteln anfehnlihe Summen Goldes und Silbers enthoben
und dem Führer der Pataria zugefhidt haben, damit derſelbe
daraus unterſchiedslos austheilen und die zahlreihften Anhänger
werben könne. Wie in Mailand ſchon gleih von Anfang der Ver:
dat vorhanden war, daß Spenden und Beftehung Erlembald’s
einen großen Antheil am abermaligen Umſchlag des Glücks zu deſſen
Gunften gehabt hätten, jo geht aus fpäteren brieflichen Neußerungen des
inzwifchen auf den häpftfichen Stuhl erhobenen bundesgenöffifchen
Cardinal® an Erlembald allerdings fattjam hervor, daß bei der
Heranziehung von bisherigen Anhängern Gottfried’3 zu den Pata-
rinern in umfänglichiter Weife ohne alle Scheu mit Geld gearbeitet
wurde 1%), Doc) noch nad) einer weiteren Seite erftredte Alexander II.
Atto, im Catalogus archiepiscoporum Mediolan. zwiſchen Wido und Tebalbus
(SS. VI, 104). Sandulf dagegen ftimmt, 1. c., im Ganzen zu Bonitho: Alia
vero die (sc. 7. Januar) cognoscens Herlembaldus, inopinate se et improvide
delusum, sparsis argenteis totam civitatem armatus obtinuit. Interea cum
Herlembaldus quasi papa ad judicandum sacerdotes, rex ad conterendas
gentes, urbem jam jamque ferro et auro et juramentis multis et diversis
superasset, cum nobilium nemo resistere poterat (ete.: hieran fliegt aber
der Autor in gänaticher Abirrung die ſchon in Bd. I, S. 437, n. 86, gebrachte
Geichichte des Ichon 1065 geichehenen Todes Sandul??).
114) Diefe aus Rom hervortretenden Bemühungen für Atto gehen aus
Arnulf, Lib. IV, e. 2, hervor: auditis his quae Attoni contigerant, archi-
diaconus Hildeprandus sua, cum cardinalis esset, auctoritate illico jı
mentum illud violentiae omnimodis judicavit habendum invalidum ....
factum est, ut collecto Romae coetu pontificum, instante ipso, Attonem
juste pıaedicaret electum, prostrato anathemate Gotefredo. Quae omnia
ildeprandus suis litteris saepe retulit Arlembaldo. Cui etiam ex suo,
quod oppulentissimum habebat, aerario copiosam auri atque argenti fertur
misisse peccuniam, ut distributo quibuscumque indifferenter pretio, fautores
sgregaret quam plurimos (l. c., 26). Bonitho dagegen nennt Hildebrand
hier mit feinem Worte: Huius rei gratia mittuntur religiosi viri Romam.
qui haec papae intimarent. Quod ut audivit venerabilis Alexander, et
sacramentum contra jus ecclesiasticum factum dixit non tenendum, et '
Anftrengungen für Atto's Sade von Rom aus. Verftärfung ber Pataria. 179
feine Anstrengungen. Zu Rom jeheute man fi) nun nicht, an ben
König, deſſen Recht mitzureden man in Mailand gefliffentlih um-
gangen hatte, fih um Unterftügung zu wenden. Der Papſt ſchickte
an Heinrich IV. als an feinen Sohn die brieflide Mahnung, daß
derjelbe den Haß gegen bie Knechte Gottes, den er im Gemüthe
führe, von fi) werje und ber Kirche von Mailand es geftatte, einen
Erzbiſchof nad Gottes Willen zu haben. Es ift ganz wahridein-
lid, daß aud Hildebrand dieſe Aufforderung des Papftes zu
Gunften Atto's mit eigenen ermahnenden Worten begleitete!?).
Freilich blieb Alles ganz voran dem rügfichtsfofen Muthe und
der Geſchicklichkeit Erlembald’3, des Siegers vom 7. Januar, über-
laſſen. Aber der Erfolg in Mailand hatte nothwendiger Weife die
Stellung der Pataria auch in den Nahbarftädten, aus denen ja
eiſtliche Zuzüger, von Cremona und Piacenza, ſchon an Atto's
ht ſich betheiligt hatten, abermals mächtig verſtärkt, und in
Parma mußte der Tod des Biſchofs Cadalus, mochte auch deſſen
Rolle als Gegenpapſt längſt ausgeſpielt fein, gleichfalls als eine
große Unterftügung der patariniſchen Sache angeſehen werden '1%).
Wohl ungefähr in die Zeit der Zufammenberufung ber wegen
der Mailänder Sade abgehaltenen Synode fiel der Tod des noch⸗
eommuni decreto tam episcoporum eardinalium, quam sacerdotum et levi-
taram eum jure Mediolanensem eleetum judicavit (l. c., 654). Bon ber in
Rom abgehaltenen Eynode redet Gregor VIl., Registr. I, 15 (J. 4786), body
ohme Atto’2 zu gebenfen: sancta Romana ecclesia . . . congregato e diversis
ibus concilio, multorum sacerdotum et diversorum ordinum consensu fulta,
ti Petri apostolorum prineipis auctoritate Gotefredum fidei catholicae
et legis christianse inimicum exeommunicavit et nnathematis jaculo una
cam omnibus sibi consentientibus transfixit (Jaffe, Biblioth., IL, 27). Dak
Geld, wie die in n. 113 angeführte Stelle Landulf’s behauptet, fir Erlembald’s
Sache viel wirkte, zeigen Gregor’ VII. Worte im Briefe, Registr. I, 26
(J. 4797), ber, allerdings erft etwas jpäter, Herbft 1073, au Erlembald ſelbſt ges
richtet wurde: De eociis illius excommunicati (sc. Gottfried’), qui necepta
pecunia ad vos redire volunt, ... atque de iis, quorum correetionem sine
uniae attributione fieri non vultis (I. c., 43).
115) Bon den Schritten gegenüber Heinrich IV. redet Bonitho, 1. c.:
Moxque litteras suas ad regem misit (sc. Alerander I1.), in quibus ammonuit
eam ut filium, ut odium servorum Dei, quod auimo conceperat, a se
proiceret et ecclesiam Mediolanensium secundum Deum habere permitteret
iscopum. Rad Arnulf’ auebrüdlicher Angabe, Lib. IV, c. 3. dah die au®
Beinrii’s IV. Boticaft entipeingenden Greigniffe erft in Die Zeit des Todes
Alegander’s II. fielen — Dum haec taliter agerentur, defungitur apostolicus
dl. e.) —, ift das weiter bier von Bonitho Erzäblte erft zu 1073 (vergl. dort bei
n. 17) anzufegen. Giejebrecht, IIT, 232 (wozu 1128, in den „Anmerfungen“),
bgieht Gregor’ VII. Gelbfizeugnif, Registr. IV, 1 (d. 4998), dab er [chon dor
keiner Papftwahl an —— IV. Brieſe gejhidt habe: Cui nos, fraterna
dileetione et amore patris et matris eius dueti, adhuc in dieconatu positi,
sdmonitionis verba transmisimus (]. c., 239 — ähnlich in J. 4999, Epist.
eollectae 14, 1. c., 536: Cum adhuc in diaconatus officio positi essemus,
perlata ad nos de regis nctionibus sinistra et multum inhonesta fama ...
mepe eum per litteras et nuncios admonuimus, ut a pravitate sun desisteret
— ete.), befonbers auch auf dieje Mailänder Wahlangelegenheit.
116) Bergl. ob. ©. 163.
12*
180 1072.
mal? mit feinen legten Lebenskräften dem Papfte Alerander II.
bienftfertig hingegebenen Bekenners der ftrengen Lebensweife von
Fonte Avellana, Petrus Damiani. Wie ſchon erwähnt, war derfelbe
auf eine Aufforderung des Papftes hin nach feiner Vaterftadt Ra-
venna gegangen, um diefelbe mit ber Kirche wieder auszuföbnen-
Nachdem ihm das gelungen war und er unter der allgemeinen
Dankſagung der ſich erleichtert fühlenden Bevölferung die Stadt
wieder verlaffen hatte, vermochte er, obſchon an Kräften jchon jehr
herabgefommen, noch die Rückreiſe anzutreten. Doc er fam nicht
mehr nad Fonte Avellana zurüd; denn ſchon auf dem erſten Plage,
wo ausgeruht werden follte, zu Faenza, wo er in bem vor der
Stadt liegenden St. Marien - Klofter in entgegenfommender Weiſe
Aufnahme fand, wurde er vom Fieber ergriffen, welches raſch zu-
nahm, und nad) wenigen Tagen, am 22. Februar, trat der Tod
ein. In aller Eile geſchah die Beifegung, da die Einwohner der
Stadt die Leiche des hoch verehrten Mannes anderenfalls zu ver—
fieren fürchteten, in der Kirche dieſes Klofter3!17). Der Verftorbene
hatte ein Alter von wenig über fünfundſechszig Jahren erreicht 18).
Mit Petrus Damiani jaie der Vertreter einer Auffaſſung
aus dem Leben, für welche bei der fi) ändernden Anfhauung der
Zeit faum mehr eine längere Friſt geboten gemwejen wäre. In
dieſem eifrigen Vorfämpfer einer reinen Geftalt bes geiftlichen Lebens
war doch im Weſentlichen die Ueberzeugung aus ber Zeit Kaifer
Heinrich’ III. lebendig geblieben, daß Kaiſerthum und Priefterthum,
dieſes leßtere in feiner Gipfelung im römiſchen Bisthum, zur gegen»
jeitigen Förderung auf einander angewieſen feien, freilih unter
ſcharfer Trennung des Bereiches der einen von demjenigen der
anderen Gewalt. Der fehnlichite Wunfch Petrus Damiani’3 war,
daß die Eintracht zwiſchen Kaiferthum und Papſtthum zum Heile
der Welt erhalten bleibe, und aus dieſem ſtets feftgehaltenen Ge-
danken heraus ift ganz insbefondere feine Haltung in dem feit 1061
durch die Erhebung des Cadalus entftandenen Zwieſpalte zu ver—
ftehen. Ihm war al3 einem Gegner der Simonie die Erhebung des
Gadalus, der mit Gold Rom erobern wollte, ſchon an ſich verhaßt
gewejen; aber die maßlofe Heftigfeit, mit welder er gegen
Gegner Alexander's II. aufgetreten, womit er diefen mit Schmähungen
überhäuft bie, ing doch voran auf den tief empfundenen Schmerz
zurüd, daß durch die in Baſel vorgenommene Wahl jene Einigkeit
17) Bergl. ob. n. 95. In dem dort ſchon citirten c. 22 erzählt der Bio:
graph) die lebte Krankheit, Tod und Begräbnik Petrus Damianv’z (l. c., 143
u. 144). Des venerabile monasterium quoddaın beatae Mariae Dei genitrieis,
juod foris portam (se. von Yaenza) nuneupatur — gebadyte beflen Op. 6,
iber qui dieltur Gratissimus, c. 18, ala juxta Faventinae urbis moenia
constitutum (Opp., II, 125).
18) Petrus Damiani jelbft bietet einen beftimmten Anhaltepuntt, im
Op. 57, De prineipis officio in coereitione improborum, e. 5: Vix plane
quinquennio ante meae nativitatis exortum humanis rebus exemptus est
tertius Otto, d. h. am 23. Januar 1002 (Opp., II, 825).
io de Petrus Damiani. Deffen Thätigfeit in ben Iepten Lebensjahren. 181
zwiſchen Reich und Kirche zerftört worden fei. Aus diefem Gebanfen-
gange entiprang jene eigenthümliche Schrift Petrus Damiani's, in
Delcher er in der Rolle eines „Vertheidigers des römiſchen Stuhls“,
oft mit den fonberbarften gewundenen Beweisführungen, ben von
ihm gehofften Verlauf der 1062 zu Augsburg tagenden Verfamm-
lung Ga zum voraus zureitzulegen fuchte, im Sinne einer Her-
ftellung der Eintracht zwifchen Kirche und Königthum, durch Ver—
werfung des Cabalus, freilih in der unvermeidlihen Form einer
Unterwerfung Heinrih’s IV. unter die Forderungen der Wähler
des römiſchen Papftes Alerander’3 II. Ebenjo war er 1063 durch
die Anrufung des Erzbiſchofs Anno der Urheber der zur Ent
ſcheidung zwifchen den gegnerifhen Päpften nah Mantua ein-
berufenen Synode von 1064 geworben. Eine weitere Vorftellung,
welche fi mit dieſem Wunſche nach bauernder Hinwegräumung bes
EStreites zwiſchen König und Papft auf das engite verband, mußte
fih auf die Beziehungen Heinrich's IV. zu Stalien felbft richten.
Aus dieſer Gefinnung hatte Petrus Damiani 1065 jenen eindring-
lihen mahnenden Brief an den König gejchrieben, als er die Nad-
riht vom erftmaligen Aufihub der Romfahrt deſſelben erhalten
hatte; das fehnliche Begehren, daß Gott den König in nächſter Zeit
m faiferlichen Range erheben wolle, hat er noch fpäter in ſich
ahrt. Aber zugleich ergab ſich eine oft mehr, oft weniger be-
wußte fpürbare Trennung de3 Liebhaber3 der Einfamkeit, der ja
ſtets nur ungern den Anforderungen, ſich an weiter reichenden Auf-
gaben zu betheiligen, nadjgelommen war, von den Auftraggebern,
von Alerander II. und noch viel mehr von Hildebrand. Schon jene
fo wohl gemeinte Einladung an Anno hatte Petrus Damiani heftige
Vorwürfe des Papftes und Hildebrand's zugezogen. Aber die ſtets
unverhüllter in Hildebrand's Plane hervortretende Betonung welt-
licher Forderungen für den Aufbau der päpftlichen Macht fand
überhaupt den Beifall Petrus Damiani’3 nit. Eine Reihe von
Aeußerungen zeigt, daß er mit einer gewiffen Scheu auf das Treiben
in Kom Hinkli te, daß ihm befonders das Vorgehen Hildebrand's
gerabesn unheimlich erſchien. Dichteriihe Zeilen, die er über Hilde-
d Hinwarf, daß man in Rom mehr dem Herrn des Papftes,
ala dem Herrn Papft zu gehorchen habe, daß er zwar den Papft
nad Gebühr verehre, Hildebrand aber im Staube anbete — Hilde
brand nahm Alerander II. zum Herrn, diefer jenen zum Gotte —,
bemeifen ernite Mißbilligung deſſen, was Petrus Damiani am
päpftlichen Hofe ſah ''”).
i 19 —*28—
. 86 u. 87 über die Neuferungen gegen Benedict X.. ©. 102—104, 144 Über
182 1072.
Ein deutſcher Geiftliher wurde Nachfolger des Verftorbenen
als Cardinalbiſchof von Oftia, Gerald. Urſprünglich Vorjteher der
Regensburger Domſchule, war derſelbe wahrſcheinlich 1061 nad) Cluny
gegangen und hatte hier das Mönchsgelübde abgelegt. Durch die
ihm nachgerühmten Tugenden, großes Willen, vortreffliden Wandel,
flugen Rath, hervorragend, war er ohne Zweifel von feinem Klofter
aus, wo er auch zu höherer Würde aufgeftiegen war, nad Rom
eınpfohlen !2°).
In dem Entjheidungsfampf über den Beſitz der Infel Sicilien
zwifchen den Normannen und den Bekennern des Islam, der ſchon
feit dem legten Jahre über das Schidjal der Stadt Palermo im
688—694 über die Disceptatio synodalie), S. 282 u. 283, 321, 547 über bi:
Beziehungen zur Kaijerin Agnes, ©. 317—319, 361- 363, ‚ 435 über die
theilweife ¶ wechſelnde Stellung gegenüber Aleganber IL und Hildebrand,
©. 430-434 (mo n. 77 fon eine Weußerung darüber, wie Petrus Tamianı
gu beurteilen fei), 625 u. 626 (hier fpeciell megen der beabfichtigten Ehefheibung)
über die Beziehungen zu gend IV., ©. 602, 642 über diejenigen zu Herzog
Gottfried dem Wärtigen, &. 633 u. 634 über diejenigen zur Martgräfin Adels
heid von Turin. Zur Würdigung des Petrus Damiani fält von felbRändigen
neueren Arbeiten dad tatienifäe Wert A. Gapecelatro’3, Storia di S. Pier
34, 35
ice ©
rite colo, sed te prostratus adoro: tu facis hunc dominum; te faeit iste
deum (Opp-, II, 961, 967). Gerade diefe Aeukerungen heben Feher’s Annahme,
70 u. 71, auf, daß „Alerander über beiden Parteien Nand, je nach der Zeitlage
ber einen oder ber anderen dad Wort eriheilend“.
120) Des Nachfolger gedenkt diejenige deutiche Quelle, welche den Tod des
Drus Damiani erwähnt, die Compil. Sanblas , die aber vielleicht — vergl.
jaiß, in Forigungen zur deutichen Geichichte, XXI, 497 — die Notiz Bernold
Serold’E Nachf. im Bisthum Oftia. Normannifcge Eroberung Palermo’s. 183
Gange war!?!), Hatten ſchon die erften Tage de3 Januar die für
alle Zukunft Ausfchlag gebende Wendung gebracht.
Auf den 6. Januar, den Tag des Feltes der Erſcheinung, war
allem Anjchein nah der Sturm auf die Stadt angejegt, welche zum
Behuf der Wiedereinjegung des Chriſtenthums der muhammedaniſchen
Gewalt entriffen werden follte. Die angefertigten vierzehn Sturm-
leitern wurben, damit von zwei Seiten ber gleichzeitige Angriff in
das Werk gefegt werden könne, auf die beiden Hälften des Belange:
rungsheeres vertheilt, und mit dem erften Tagesanbruch begann der
Kampf auf der Seite des Grafen Roger. Herzog Robert kam dem
Bruder zu Hülfe, indem er glüdlih auf der Seite feines Sturm-
anlaufes einige feiner Leute in die Stadt hinüberfteigen und ein
Thor aufſchließen ließ, durch welches jegt die Ritter und alles
Kriegsvolk eindrangen. So wurde jogleich der neue Stabttheil ein-
genommen. Aber auch die alte Stadt vermochte ſich nicht länger
zu behaupten, jo daß am nächſten Tage Roger nad vollzogener
Uebergabe in bdiefelbe feinen Einzug hielt. Dann folgte am
10. Januar, dem vierten Tage nad dem Sturm, die feierlide Be—
tretung Palermo’3 duch Herzog Robert, welchen Sigelgaita und
deren Bruder Guido, ebenjo Graf Roger, und die eigenen Söhne
begleiteten. Der Zug bewegte fi) nach der ehemaligen Kathedrale,
der St. Warien-Rirde, welde für den Gottesdienft des Islam ein-
gerichtet gewefen war Unter gänzlicher Säuberung von allen
Erinnerungen an diefe Zeit ber Entfremdung gab Robert das
Gotteshaus an den Erzbifſchof zurück und ließ durch eine feftliche
Mefje die Aüdgabe bezeugen. In wunderbarer Weife glaubten die
Hriftlihen Palermitaner die von überirdiihem Glanze beitrahlte
Kirche von Engelftimmen erfüllt zu hören. Andererſeits forgte der
Herzog für die DVertheidigung der Stadt durch Anlage von Be-
feitigungen, insbeſondere eines wohl bemwahrten und mit allen Vor-
räthen auSgeitatteten feiten Plages auf einer eigens dazu erlefenen
st
08 annos major prior constituitur, ac postinodum, jubente apostolicae
sedis praesule Gregorio VII, Ostiensis ecelesiae pontificatu sublimatur
(8. XII, 258, 257).
121) Bergl. ob. E. 114-116.
184 1072.
Höhe. Hier traf er aber auch Anftalten für die Errihtung einer
mit großen Koften auszuführenden neuen Kirche anftatt eines ſchlechten
Gebäudes, das als St. Marien-Kirhe fih auf der Stelle der neuen
Anlage befand. Der Herzog empfand es nämlich, ala er eines
Tages diejelbe befichtigte, als unſchicklich, daß das bisherige Bau-
wer? hier nur wie ein Badhaus zwiſchen den hohen Paläften ber
Saracenen fi ausnehme, und fo ordnete er deſſen Erfegung durch
einen Bau aus Marmor und Quaberfteinen an. Die eigenthüm-
liche Verbindung der Triebfedern diefer gefammten normanniſchen
Eroberung, von ftaatlih Friegerifher Berechnung und religiöfer
Andacht, trat auch hierin wieder zu Tage. Mit jcharfen Mitteln
gingen anberntheil3 die Sieger vor. Der hauptjächlihe Bericht
über die Ereigniffe bei der Einnahme der Stadt, derjenige bes
Mönches Amatus von Monte Caffino, meldet, daß die Zahl der
Saracenen, welche getöbtet worden waren, und diejenigen, die nad)
der Gefangenlegung das Schidjal hatten, verkauft zu werben, über
die Faſſungskraft hinausgegangen fei. Wenn aljo eine andere
fpätere Erzählung die gnädige Milde und gleichmäßige Gerechtigkeit
Nobert’3 laut hervorhebt, jo ift wohl darauf fein zu großes Gewicht
zu legen.
San aber galt es ferner, das fünftige Schidfal diejer ganzen
Waffenerwerbung endgültig zu ordnen. Herzog Robert berief eine
Verſammlung des Heeres ein, um die Anfiht feiner Nitter über
diefe Sache zu hören. Er fhloß ſich der geäußerten Willengmeinung
an und entſchied, daß die Inſel Sicilien dem Bruder, Grafen Roger,
als Lehen zu übergeben fei, immerhin mit gewifjen zum eigenen
Vortheile feitgeftellten Ausnahmen. Robert behielt fi ſelbſt näm⸗
lich ganz Palermo vor, und ebenjo ſcheint es, daß ihm der halbe
Antheil an Meffina und am Val di Demona blieb; dagegen wurbe
Noger au der ſchon bisher beſeſſene Theil von Calabrien neuer-
dings zugefihert. So lag es zugleich in der Pflicht und im Vor—
theile des Bruders, die Stellung der normannifchen Gewalt über-
haupt und den Bereich ber Aeaffenmadit derfelben auf der Inſel
immer weiter auszudehnen, und al3bald machte er fid) an die Er-
fülung dieſer Aufgabe, zunächſt in der Umgebung der eroberten
Stadt, während der Herzog eben noch einige Zeit in Palermo feinen
Aufenthaltsort behielt und hier für das Nothwendige forgte i22).
29) Den Fall Palermo's und bie Vorgänge bei und nad) bemfelben ſchildert
Amatus, L’Ystoire de li Normant, Lib. VI, cc. 19—23 (ed. Ghampoflion-
Figeac, 180-185). Weitere Nachrichten enthalten Guillermus Apuliensis,
Gesta Roberti Wiscardi, Lib. II, v. 297 fi. (88. IX, 271 u. 272), Gaufrehus
Malaterra, Lib. II, in c. 45 (Muratori, Script. rer. Italic., V, 574 — doch will
die Kieler Differtation don A. Hestel, Die Historia Sicula bed Anonymus,
Vaticanus und des Gaufredus Malaterra — 1891 — aus bem Anonymus
1. c., VIII, 765, noch jelbftändige Nachrichten zu Malaterra, ber gleich jenem
Ableitung aus älterer Quelle jei, geltend maden, 32 fi. Als Datum ber
Einnahme geben Lupus Protospatarius: 1072 mense Januarii die 10. introivit
Robertus dux in Panhormum civitatem Si
iliae (SS. V, 60) und Anonymus
Schaltung d. ficiliſchen Verhältniffe. Richard's Unzettelung gegen Robert. 185
Allerdings war bei Herzog Nobert eine Nachricht eingelaufen,
welde ihn beftimmen mußte, Sicilien zu verlaffen und nad dem
Feſtlande zurüdzufehren, um für die Erhaltung feiner dortigen
neuerdings im nicht unbedenklicher Weife in Frage geftellten Herr:
ſchaft Anftrengungen zu machen. Richard, ber Fürſt von Capua,
hatte fi nämlich durch den Neid gegenüber der gefteigerten Macht
des Herzogs dazu verleiten laſſen, gegen denfelben in Apulien An-
zettelungen in Gang zu bringen, dann au in Calabrien ähnliche
Verſuche zu beginnen, und en ehe nur Palermo erobert worden
war, hatten bieje Aufreizungen Nachwirkung gefunden. Doc Robert
hatte fih dadurch nid abhalten laſſen, zuerft feine Aufgabe auf
Sicilien völlig abzufhließen. Ohne ih in Furcht fegen zu laflen,
im Vertrauen auf feine Sache, muß er noch eine ganze Weile über
den Januar hinaus in Palermo geblieben fein, da ja die an-
georbneten Anlagen, die Neuordnung der gefammten Dinge ohne
Frage den Weggang nad Italien noch einige Zeit verzögerten.
Kadhem dann umfangreiche Entfhädigungen von den Palermitanern
für die bei der Einnahme der Stadt erlittenen Verlufte des nor:
mannijchen Heeres und anfehnliche Geifeln genommen worden waren,
brach der Herzog nad) Calabrien auf, um die durch die Treulofigkeit
Richard's in Verwirrung gebrachten Verhältniffe des Feſtlandes mit
Waffengewalt berzuftelen. Allein augenſcheinlich nahm diejer Kampf,
der übrigens kaum fehr großen Umfang gewann und mehr in einen
Barensis: Capta est Palermo ab ipso duca X. die intrant mens. Jan.
(Buratori, 1. c., 153) — den 10. Januar, fo dah alfo Amatus mit der Er:
wähnung in c. 22: en V moiz veinchi Palerme; quar de lo mois de Agouste
passa la mer, et en la Nativit de Jesu Christ . . tint ce que il veinchi
‚Le, 183) im Zage irrt (Giefebrecht’3 Verfuch, ITL, 1125, in ben „Anmerfungen“,
im Sufammenhang mit Amatu®’ Angabe, c. 19, Robert jei lo quart jor ein«
guogen 182 => "das Gpiphanias.geft Heranzugiehen, um die Echmierigteiten
mwegzuräumen, verdient viel mehr beachtet zu werben, ald ‚Sieid, orfehm en
zur beutichen Geſchichte, VIII, 308 n. 6, das zugeben wollte), bie Monate aber
richtig zählt. Der Angabe des Amatus über die getöbteten und verkauften
Sende, c. 22 (183 u. 184), fiehen bie Worte des Guillermus Apuliensis, 1. c.,
v. 325 ff. dl. c., 272), gegenüber. Wegen ber Verfügung über die Eroberung
umb wegen der Einrichtung Gicilien’3 jagt Amatus. c. 21: Et adont lo duc
donns, & son fräre lo conte Rogier toute In Sycille, senon que pour li
reserva la meitie de Palerme et la meitiö de Messine et lo moitie de
Demäde, et li conferma la part de Calabre laquelle avoit avant que Syeille
(182 u. 183), wogegen Gaufredus Malaterra mittheilt: Deinde vero castello
firmato et urbe (sc. Palermo) pro velle suo, dux eam in suam proprietatem
retinens, et lem Dominae caeteramque omnem iam adquisitam et
sao adjutorio, ut promittebat nec falso, adquirendam fratri de se habendam
eoncessit (1. ce... Amari, Storia dei Musulmani di Sieilia, III, 133 (mo
136—139 eingehend von ber Anlage der don Amatus genannten forte roche
im Palermo burdy Robert Handeln), verwirft bie Angabe bee Amatus, ebenjo
mit enläßlicher Begründung Giid, 1, c. 309 u. SI0 wenigiens für Yalermo,
während Giejebrecht, III, 206 u. 207, Ymatus folgte; Vaift, Goriehungen, XXIV,
32, hielt für Melfina und Bal di Demona Amatus’ Angabe, nad den jpäteren
Berhältniffen zu ſGliehen, fett, während &. Weinzeih, eonditione Italiae
inferioris Gregorio VII. pontifice (Königäberger Differt., 1864), in Excurs V,
36-88, Gaufrebus Malaterra zugefiimmt hatte.
186 1072.
Unternehmungen ſich Hinzog, einen längeren Verlauf, fo daß menig-
ftend die wichtigeren Vorgänge und vollends der Abſchluß erft dem
nächſtfolgenden Jahre angehören. Immerhin dürfte von Anfang
an für den Herzog die ſichere Ausfiht vorgelegen haben, daß ihm
die Aeieberferitelung des Gehorſams, obſchon auch nächſte Angehörige
von ihm abgefallen waren, gelingen werde).
129) Yon den Anzettelungen Richard's in Apulien redet Amatus, Lib. VIL,
e. 2: Lo prince vit et regarda que lo due avoit & Palerıne moult empe-
diment, pensa de faire commotion contre lo duc, et fist ligue avec dui
fröres . ... . et les manda pour faire damage & lo duc et levörent li
chastel & li fidel soe. Et & ceste liga nutresi autre anemis de lo duc
corrurent ....... et dui vont en Calabre pour offendre à li cose de lo due
.... Et toutes voiez li corage ne la bone volent& de lo duc non se mus
pour este subite adversite, ne ne se parti de prendre Palerme, esta soi
sans paor et atent de Dieu que doit entrevenir A ce qu'il puisse la citd
prendre, et & li anemis rendre change de ce qu'il lui ont fait; quar puiz,
par la gräce de Dieu, qu’il ot prise Palerme, il s’en vint en Calabre et
non se cura de choses petites, m&s cerca do metre main as cit&s de li plus
grant (193-194). ei Guillermus Apuliensis, Lib. III, v. 340 ff., tritt der
Zufammenhang bei Weitem nicht fo flar hervor: Obsidibus sumptis aliquot
(vergl. hierzu Amatu®, Lib. VI, c. 23: Et puiz clama cil de la eit&
ete. — .... Et alors ot moult de domps et moult de monnoie, et rechut
pour ostage li fill del meillor home de la terre, et o victoire gloriouse
torna en Calabre: 184) castrisque paratis Reginum remeat Robertus vietor
ad urbem . ... vadit comitatus ad urbis moenia Melfensis, wo illius comites
regionis et undique elari viri zulammenfirömen: eolus Petrus huc aceedere
sprevit — v. 360 u. 361: prorsus eunti ad fines Sieulos vires adhibere
negarat —, welcher Petrus von Trani dann als Urheber der Edhwierigfeiten
hervortritt (l. e., 272). Daß Amatus hier das fehr viel Richtigere bringt, darin
ftimmen Hixid), 1. c., 311, und Baift, 1. c., 329, überein; iehlerer wei aud
mit Recıt barant hin, daß Robert augenicpeinlich jeinen Weggang aus Eicifien
teoß der Nagrichten aus Apulien nicht allzu fehr beſchleunigte, jo daß die Une
ruhen nicht von jehr bedrohiicher Art geweſen fein tönnen, wie Giefebredt, III,
207, biejelben darftellt. Ueber den nothwendig werbenden Kampf, über bie Theil
nehmer am Aufftande vergl. zu 1073 bei u. 150.
1073.
Vieleicht Hielt fi Heinrich IV. auch über die Weihnachtszeit
hinaus im fränfifchen Lande auf; denn erft nad) Ablauf der eriten
zwei Monate des Jahres fällt auf die Thätigleit des Königs wieder
Licht. Am 10. März wohnte derjelbe nämlich ber Synode bei,
welche Erzbifchof Siegfried von Mainz nad) Erfurt angefagt hatte?).
Erfurt, dem Sie der Verwaltung des reihen Beſitzſtandes ber
Mainzer Kirche im thüringifehen Lande, war jchon bisher durch
Siegfried beſonderes Augenmerk, vorzüglich durch die Ummandelung
des bisherigen weltlihen Stiftes St. Peter, auf dem Peteräberge,
in ein Klofter, geſchenkt worden?). Jetzt gedachte er dafelbit eine
) Bergl. in Egcurd I. Lambert bezeugt: episcopus .. . sinodum indixit
in Erphesfurt 6. Idus Marti. Statuto die aderat rex (SS. V, 192) —
Sollte in St. 2759, das in der Nennung ber Kanzlei: Wiebertus cancellarius
viee Annonis archicancellarii — natürlich corrumpirt if, ber gleichfalld
weiſelhafte Ausftellungsort Veribu: auf Würzburg gehen, was nad ben
ttervenienten: neben Königin Bertha und —* Azel in von Treviſo Biſchof
dalbero von Würzburg — ganz wahrſcheinlich ift (in ‚ge e und Berichtigungen“
zu Stumpf, Die Reihötanzler, II, 534, wird aucd Bamberg als möglicher
ie zu In vorglhfagen), 10, Tee Heincih IV. am 2 Januar een an
jmem Biihofsfige- Das Diplom betätigt auf Bitte de3 Dompropftes Johannes
von Treviſo dem Stifte die gefammten Befigungen, darunter befonders die von
Ayelin gemachten und als folche aufgeführten Schenkungen; babei entipricht der
Rechteinhalt der ſchon ob. ©. 8 in n. 18 erwähnten Urkunde St. 2688, mit
der Ausnahme, daß ſtets der congregatio (sc. s. Petri) gedacht. dak biefelbe
* in einem eingeſchobenen Sahe aud) gegen den Bilchof in ihrem Rechte ge
wird.
—8 Bergl. über bie Stellung Erfurt's gegenüber der Mainzer Kirche
—A— Seſchichte Zhüringens in der farol ala und ſachſiſchen Zeit,
149 f. fowie Kirchhoff, Erfurt im dreisehnten Jahrhundert, 5 a Wegen ber
delung des Chorherrenfiftes auf dem Petersberg vergl. Will, eften
zur Gedichte dev Mainzer Erzbilchöfe, I, 181 u. 182. Dereingelt, wie eö Icheint,
{A bie dur von Gudenus, Historia Erfurt., 21, mitgetheilte Roth aus bem
Chron. Thuring. Viennense, daß zur Zeit Ludwig's des Springers Sigefridus
urbem muro cinzit, turribus in eircuitu positis —, eine Angabe, welche nad
74. a ale —S zongeiab —ãã
thäringil te um lerthumẽ kunde (1884), 207, wohl zu in
da al Annalen ftanb, die bei der St. Marien⸗Stiſts⸗Kirche zu Erfurt
führt wurden.
188 1038.
tirchliche Verfammlung abzuhalten, durch melde die Angelegenheit
der Thüringer Zehnten geordnet werben follte.
Nachdem feit mehreren Jahren dieſe Frage allem Anſchein
nad nicht wieder im Vordergrund der Dinge fi) befunden hatte?)
— eine Klage des Erzbiſchofs in einem Briefe an Papft Aleranber IL.,
von 1071, über bie thüringifchen Wornehmen und ihren Trog
bezog ſich zunächſt nicht auf die Zehnten*) —, trat fie nun wieder
hervor, und zwar wohl in Folge der perfönlichen Beziehungen des
Königs zu Siegfried. Unter Vetheiligung der Bifchöfe Hermann
von Bamberg, Hezilo von Hildesheim, Eberhard von Naumburg,
Benno von Osnabrüd wurde über die Verpflichtungen der Abteien
‚Hersfeld und Fulda gegenüber dem Erzbisthum Mainz mehrere
Tage, wahrſcheinlich nicht ohne daß es zu ſehr lebhaften Er-
Örterungen zwijchen den Nebten und dem Erzbiſchof kam, ver-
Handelt. Allein der einzige vorliegende Bericht, derjenige Lambert's,
zeigt abermals in einer % deutlichen Weife, in der widerſpruchs⸗
vollen und ſchiefen, vielfach von vorn herein ganz unannehmbaren
Vorbringung des Einzelnen, die ausgeprägte Einfeitigleit der Herd
felder Höfterlichen Auffaffung, daß er bei aller ſcheinbaren Lebendig:
feit, die aber unmöglich auf guter Erfundigung beruhen kann, zur
Seite gelegt werden muß. König und —X ſollen nämlich
danach ganz in vollem Bewußtſein das Unrecht gewollt und er-
zwungen haben, und dabei jcheut ſich der Berichterftatter nicht,
fogar den König der Vetheiligung an dem Ergebniß ber trügerifchen
Verhandlung anzuflagen: Heinrih IV. babe gefordert, daß ber
Erzbiſchof ihm einen Theil der Zehnten, welder der Königlichen
Herrlichkeit und feiner jo großen Anfrengum würdig wäre, zus
weife. Ferner dehnte Lambert in feiner autellung nachdrücklich
die in erſter Linie — auf die beiden Abteien bezügliche Frage
jo aus, daß in diefelbe nit nur jener gemifle — der
Thüringer, der durch die Angelegenheit wirklich mit betroffen wurde,
verflochten erſcheint, ſondern daß auch bie gefammte Sachlage in
der Erzählung eine Geftalt gewinnt, als befchlüge fie das thüringiſche
Land ganz unterſchiedslos im Algemeinen, jagegen ift wohl an
der Darftellung das richtig, daß der König feine Vermittlung in
einem Siegfried günftigen Sinne eintreten Tieß, ebenfo daß die
Aebte ſich Tängere Zeit weigerten, auf die Mainzer Forderungen
®) Zuleht war das, zwar nicht 1069 — vergl. 3b. I, S 615 n. 17, 6
n. 29 u. 32 (lowie ©. 661-663) —, fondern 1067 -— 1. 0., ©. 564 u. 565 —,
aber mod rihtiger, da. e& 1067 ja hei br Biafem Sinzegung Giegeie'e Bl,
1062 — vergl. 1. c., ©. 295 u. 296 (dazu ©. 659) — der Fall gewefen.
* Am Schluffe bes jchon ob. ©. 76, in n. 64, zuerft citirten Briefet
ſchrieb Siegfrieb an den Papft die Bitte, ut .'. . et in ceteris ecclesiae negoeiis
nobis dexteram porrigatis, seilicet contra rebelles Thuringos, contra quos-
dam praepotentes et nobiles, adversus quos propter consanguinitatis conjugia
aultum laboramus (Jaffe, Biblioth., V, 81).
Gntipeidumg d. Grfurter Synode üb. d. thüring. Zehnten für Giegfried. 189
einzutreten, vielleiht au, daß die abweifende Haltung Fulda's
länger dauerte, als diejenige Hersfelb’s°).
Eicher fteht_bei Lambert jedenfalls nur der Inhalt der beiden
Berträge, wie jie zwiſchen Siegfried und den zwei Klöftern ab-
gejhlonen wurden. Zwiſchen der Mainzer Kirche und Abt Hartwig.
von Hersfeld wurde feitgeitellt, daß der Abt bei zehn feiner mit
deßnten ausgeftatteten Kirchen zwei Drittel der Zehnten, der Erz
iſchof den legten Drittel empfangen, daß dagegen in den übrigen
Kirchen dem Abte und dem Erzbiichofe je die Hälfte des Zehnten
äuftehen follte; ferner werde, wo eine zehntpflichtige Kirche dem
Erzbifhof zu Eigen gehöre, diefem ber gejammte Zehntertrag ge:
ichuldet; endlich follten alle Herrenhöfe des Erzbijchofs, in welchem
Pfarriprengel immer fie liegen, von aller Forderung einer Zehnt-
abgabe frei fein. Der Vertrag mit Abt Widerad von Fulda ent-
ſchied, daß bei deſſen ſämmtlichen Zehntkirhen der Zehntertrag ge-
theilt, die Hälfte dem Erzbiſchofe gegeben werden folle, daß er
anderentheil3 alle feine Herrenhöfe, wie der Erzbiſchof die feinigen,
von jeder Abgabe eines Zehnten frei beſitze. Dagegen blieb augen=
iheinlih die Abmahung von 1069 zwiſchen Mainz und Fulda,
nach welcher der Abtei die Zehnterhebung auf ihren eigenen Gütern
bewilligt war, wie fie jet aud gar nicht zur Sprade Fam, un—
berühtt. Was die Frage des Rechtes betraf, und ob biejelbe durch
diefe Verfügung der Synode verlegt wurde, fo liegt hiernach die
Sache im Ganzen nicht Har genug vor, als daß eine Beantwortung
geben ließe. Der Erzbiihof wollte wohl fein oberhirtliches
Anjehen dadurch heben, daß er die in größerer Zahl Hersfeld und
Fulda zugehörigen Kirchen in Thüringen nad ihren Einkünften in
höherem Grade, als das bisher geſchehen war, von fi abhängig
machte. Taf dabei die Rechte der Pfarreien, für welche jegt, wie
vorher, die Zehnten verwendet werden mußten, nicht litten, ift ficher
anzunehmen. Dagegen läßt ſich auch feineswegs bezweifeln, daß
die Folgen der Feftitellungen von Erfurt für beide Abteien empfindlich
waren. Bejonders it jene in Hersfeld bald zu Tage tretende ge-
reizte Stimmung gegen Heinrih IV. auf die Nachtheile zurüd-
zuführen, welche fi für das Slofter aus dieſen Verſchiebungen
haben ergeben müfjen®).
Daß der König zu Erfurt dem Erzbifhof von Mainz, zwar
teinesweg3 in dem Umfange, wie das der völlig übertreibende Hers—
jeder Mönch darzuftellen juchte, ſich gefällig erwieſen hatte, mochte
®) Bergl. in Excurs I die kritiſche Beurtheilung der Erzählung Lambert's,
wo auch von der weiteren durch die Annales Patherbrunnenses Scheffer-
Boichorfis. 95, gebotenen Nachricht die Rede ift.
*) Zambert, 193, enthält beide Verträge, über deren Tragweite Ausfeld,
Lambert von Hersfeld und ber Zehntftreit zwiſchen Mainz, Hersfeld und
Thüringen, 71—73, fi) verbreitet, befonders aus 67 u. 70, wegen des Ber-
iffes zu den ſchon in Bd. I, ©. 612 u. 660, beiprochenen Feſtſehungen beö-
hauſer Vertrages von 1069 zwiſchen Mainz und Fulda.
190 1073.
mit der Erwägung im Zufammenhang ftehen, den wanfelmüthigen
Kirhenfürften, jegt nachdem derſelbe endgültig feine nach dem
Höfterliden Leben zielenden Gedanken abgeftreift Hatte, neuerdings
zu gewinnen; das fhien um fo rathjamer zu fein, nachdem Erz:
biſchof Anno feinerfeit3 aus der größeren Annäherung an den Hof
wieder zurüdgetreten war?).
Dod etwa zu gleicher Zeit, wo Erzbiſchof Siegfried diejen
Erfolg gegenüber Fulda und Hersfeld, mit Heinrich's IV. Beiftand,
davontrug, erlitt er in einer wichtigeren Angelegenheit, in ber
Stage ber Anerkennung der Unterordnung Böhnen’3 unter ben
erzbiſchöflichen Stuhl, dur ein unmittelbares Eingreifen von Rom
her eine empfindliche Niederlage.
Schon im Laufe des vorhergehenden Jahres hatten die Be
ziehungen zwiſchen Biſchof Gebehard von Prag und Biſchof
Johannes von Dlmüg neuerdings durch die Schuld des erfteren
jehr bedenklich ſich verſchlechtert. Gebehard hatte vergeblich fih
bemüht, dur Bitten und Gefchenke, durch gute Freunde auf feinen
Bruder, Herzog Wratijlav, dahin zu wirken, daß berjelbe zur
Wiedervereinigung von Olmütz mit dem Prager Sprengel die Hand
biete. So eniſchloß er fih, da er num jchon vier Jahre mit güt-
lichen Mitteln nichts erzielt Habe, zu einem Gemaltftreiche. Unter
dem Vorwande, feinen Bruder, Herzog Otto, zu befuchen, begab er
fih nah Olmütz, wo er durch Biſchof Johannes gaftfreundlich auf-
genommen wurde. Doc als Gebehard den Biſchof heimtückiſch in
defien Schlafgemach gelodt hatte, warf er ihn zu Boden und ließ
ihm unter dem Beiftande herbeigeeilter Gehülfen die ärgften Miß—
bhandfungen zufügen. Nach dieſer Schandthat verließ er ſogleich
die Stadt. Allein Johannes ſchickte alsbald einen Boten mit
lauter Sing: an Wratiflav, welcher bei der Nachricht vor Auf-
regung in Thränen ausbrach und durch Bewaffnete den Bifchof zu
einer Unterredung zu ſich abholen ließ. Ein in der Kappelle des
Bischofs befindlicher, wohl unterrichteter und redegewandter deutſcher
Geiftliher, Hagno, wurde augerlefen, um mit jchriftlichen und münd⸗
lichen Aufträgen des Herzogs in ber Angelegenheit der Kirche von
Olmütz an Papft NAlerander II. als Bote abzugeben. Aber der
Abgeſandte ließ fi auf dem Wege nah Rom ſchon in Regens-
burg dur) einen dortigen zu Bifhof Gebehard in Lehnsbeziehungen
ftehenden Bürger bethören, den Zwed feiner Reife fundzugeben,
worauf er folgenden Tages unter kläglicher Mißhandlung zur Rüd-
kehr nad) Mähren gesraungen murde. Es verſtand ſich von felbft,
daß Wratijlav Hierdurch in noch größeren Zorn gerieth. Er ent-
ſchloß fih zu einer zweiten Geſandtſchaft nah Rom, jest mit
fiherem Geleite und unter größerer Vorſicht, und bejtimmte als
Träger der Botſchaft den Propft der St. Georgen-Kirche zu Prag,
?) Bergl. Giefebrecht, III, 177, wo nur Lambert's Auffaffung ber Erfurter
Synode allzu viel Glaubwürbigfeit beigemefjen wird.
Fortgang d. Streites zw. Biſch. Gebehard v. Prag u. Bild). Joh. v. Olmüg. 191
Peter, welcher der herzoglichen Kappelle angehörte und bejonders
auch die deutiche und lateinifche Sprache verftand. Mit einer an-
ſehnlichen Geldfumme ging der Propft, von einem Grafen begleitet,
ab; da3 mitgegebene Schreiben an den Papft verbreitete ſich über
die von Biſchof Gebehard ausgegangenen Gemaltthaten. Indeſſen
müfjen nad) Alerander’3 Il. eigenem nachher außgeftellten brief:
lichen Zeugniſſe auch ſchon vorher Briefe in der Olmüger An:
gelegenheit zwiſchen dem Herzog und Biſchof Gebehard einerjeits,
dem Papite anderentheil® gewechjelt worden fein. In Folge einer
von Herzog Wratiflav an den bairifhen Grafen Ratpoto beigefügten
Empfehlung erhielten nunmehr die Abgeordneten Geleit auf dem
Wege nad Rom und zurüd, jo daß fie — mie aus dem Umftande
diejer. Begleitung durch Rapoto anzunehmen ift, nicht lange nad)
Anfang des Jahres — in Rom wohlbehalten ankamen und hier
ihren mit zmweihundert Mark beſchwerten Brief an Alerander II.
abgeben konnten. Der Papſt ließ fich deſſen Inhalt vor der Ver-
fammlung — wahrſcheinlich war es die Faftenfynode — von ben
Boten bejtätigen, worauf alle Anwejenden darin übereinjtimmten,
daß ſolches Nergerniß aus der Kirche auögerottet werben müfle.
Eine päpftlide Geſandtſchaft follte nad) Böhmen gehen, um dort
im Namen Alerander’3 II. zu unterſuchen und zu ftrafen, außer:
gewöhnliche Fälle aber vor die Gerichtsbarkeit des apoftolifchen
Stuhles zu weiſen. Wahrſcheinlich kurz vor dem Ende der päpft-
lien Regierung Alerander’3 II. verließ diefelbe Rom®).
®) Die darch Cosmas, Chron. Boemorum, Lib. II, c. 27, allerdings
Anno dominicae incarnationis 1073 eingeordnete, aͤußerſt anſchaulich und ein-
jend geidjilderte Geidjichte des Vorgehens des Bifchofe ——— ben·
ag gegen Bilhoj Johannes von Dimüß (vergl. 2b. I, ©. 351) ift mod) zu
1072. zu fellen, wie der Bufammenhang bri Gosmas felbft lehrt. Cr erzählt
nämlich, 1. c., von Gebeharb: Postquam praesul Gebeardus vidit, quod labor
us cessit in cassum, quia nec precibus nee muneribus nec per amicos
feetere quivit fratrem sunm Wratizlaum, ut suum reciperet concambium
(wämlih die in c. 21 erwähnte für Prag bei Gründung des Bisthums Olmüg
auögemachte Entihädigung an Geld und Land: vergl. 1. c., n. 89) et Jo-
hannem eliminaret cpiscopum atque iterum utrumque coadunaret pi
seopium, vertit se ut Prometheus in alterius technae formam — und läht
if fogen: Quoniam quidem jam per quatuor annos aut plus supplicando
meqneo_efficere guod volo (ete.), wa® alfo, vom 15. uni 1068 geredinet
wergl 1. c., ©. 595), etwa in den Sommer 1072 für den in c. 27 weiter er-
ihlten Hinterlifligen Befuch bei Ailae) Johannes und beffen jean Be:
lung führt. Meber den in e. 28 folgenden Dingen — Klage des Johannes
fi Herzog Wratiflav, Berufung des in capella Johannis episcopi lebenden
lericus nomine Hagno vir Teutonicus zum Herzog unb Aclendung deffelben
mm Papfte, weldye Miffion aber zu Regensburg an der Hinterlift des civis
Domine Kompoldus, qui fuit miles Gebeardi episcopi habens annuatim ab
0 benefieium 30 marcas argenti — fiheitert, jo dab Hagno nad; Mähren
Wrüdzufehren gezwungen ift — muß einige Zeit vergangen fein, ehe das in
© 29 @eljilderte eintrat: — der erzürnte Herzog entſchlieht fih zu einer neuen
mit mehr Borficgt burchguführenden Botiaft nad; Rom, welche beſicht aus
dem in capella ducis befindlichen Petrus presbiter ... pollens sancti Georgii
praepositura et caeteros praecellens scientiae literature, atque utramque
192 1073.
Als Legaten waren die Cardinaldiakone Bernhard und Gregor
bejtimmt worden; es jcheint aber, daß außerdem noch Rudolf, aus
dem Rathe des Papftes, mit einem bejonderen Auftrag an Herzo—
Wratijlan beigegeben worden war. Denn es fteht feit, daß —
durch Alexander II. an Wratiſlav die von dieſem geforderte Chren-
auszeichnung der Mitra, mit dem päpftlichen Segen, als Beweis
ganz hervorragender Gunft abging, fowie früher duch Nikolaus II.
an Wratiflav’S Bruder und Vorgänger, Herzog Spitignev, eine vor
linguam sciens aeque Teutonicam eimul et Romanam und dem comes nomine
Preda, filio Bys; dieje kommt glüdlid nad Rom, und der Papft ichidt feine
Gejandtichait — die contio des Papftes, auf der bie Abſendung beichloffen wurde,
iſt wohl Alegander’s II. letzte Faſtenſynode (vergl. S. 198) — nad Böhmen
(SS. IX, 85 u. 86). Der durd) Eosmas, c. 29: committit (sc. Wratijlav) eos (sc.
die Boten nad) Nom) Romani imperatoris palatino comiti nomine Rapotae .. .
Nam tantae potestatis hie comes erat, quod usaue Romam per continua
loca proprias villas seu praedia et per castella milites sibi devotos habebat;
wi etiam ex parte ducis praedicti 150 marcas argenti annuatim pro bene-
Mcio aceipiebat. Culus Fer conductum cum ventasent Romam lepati - . -
dl. e., 86) erwähnte Ratpoto ift wohl der fehon in Bb. I, €. 169 n. 91, zu 1059
erwähnte, ala Graf von Cham urfundlih genannte Bater des Pfalggrajen
Ratpoto I., auf welden hier durch den fpäter jjreibenden und ferner ſiehenden
Shroniften der Zitel des Sohnes irrig übertragen wurde (vergl. Wittmann,
Die Pialzgrafen von Bayern, 28, mit n. 246, 183—185, fowie Riezler, Ger
ka Baiernd, I, 536, n. 2). Die Angaben über Ratpoto’s Befig Klingen, an
ähnliche anderweitige Mebertreibungen erinnernd, vollends fabelhaft. Zagegen
ftimmt der Umftand, daß Ratpoto, der nachher ala Beauftragter bes Königs zu
nennende Theilnehmer an der eelanım ung der Biichöfe in Rovara Anfang 1073,
eben in Alexander's II. fehter Zeit die döhmiſche Botſchaft nach Stalien bes
gleitete. — Nach dem Schreiben Alerander’s II. an Wratiflav, J. 4696, muß
die Abfenbung ber Senaten nad) Böhmen noch durch Dielen Papft geichehen fein
* (indem Gosmas — c. 29 — das Gange ſchon unter Oregor VII feht, Hat er auch
die auf ber Verfammlung Hervortretende und diejelbe in Anfrage fehende Perjön-
lichteit — is qui post am secundus erat sessione —, welde gewiß eben
Hildebrand felbft war, nicht genannt). Es flieht nämlich in demfelben: de lite,
quae inter te et fratrem tuum episcopum protracta est et pro qua com-
pescenda jam aliquoties utrique seripsimus, valde sollieiti sumus ..... prae-
Sertim cum utriusque querimonias et de exstinguenda lite vestra depreca-
torias meminerimus saepe nos accepisse litteras. Unde, sicut per nuntios
tuos te desiderare intelleximus, in partes illas ad haec et caetera negotia
pertractanda idoneos mittere legatos destinavimus (fo iſt aud) die Abjaflung
dieſes Schreibens jedenfalls von 1071 — da ift J. 4696 eingereiht — zu 1073,
eher noch, ala zu 1072, falla an die aftenſynode zu denfen ift, hinüber zu fellen).
Auch Erzbilchor Siegfried ba fi in feinem an Gregor VIL abgeididten
Schreiben, Codex Udalriei r. 40, auf Alerander’3 II. Sendung: eidem
sanctissimo patri (sc. anticessori vestro piae recordationis papae Alexandro)
de fratre et suffraganeo nostro Pragensi episcopo sinistra relatione suggestum
Päpflihe Einmifchung durch Abſendung von Legaten nad) Böhmen. 198
vielen herausftechende Gabe alfo, welche jonft, wie Gregor VII. fpäter
gegenüber diefem Herzoge eigens hervorhob, an Laien nicht ertheilt
zu werden pflegte. Aber auch ſonſt vollzog fi dieſe Stellver-
tretung de3 Papftes in Böhmen in ganz außergewöhnlicher Weiſe.
Die Legaten erteilten, als fie in Prag bei Wratijlav eingetroffen
waren, diejem ben Befehl, alle Fürften und Geiftlichen des Landes,
voran auch Bifhof Johannes von Olmütz, zu einer Synode einzu-
berufen?). Dagegen zogen ſich die weiteren Maßregeln, jedenfalls
nieninen gegen Biſchof Gebehard, erft in die Zeit Gregor's VII.
inein.
Immerhin erregte ſchon dieſes erfte Auftreten der Beauftragten
des Papites die größte Aufmerkſamkeit in Böhmen. Noch jpäter
blieb in Erinnerung, daß bie Legation mit einer Gewalt und Madt-
vollfommenheit vorgefhritten ſei, ala wäre der Papit felbft an-
mejenb!%). Aber zugleich war biefes gebieteriſche Vorgehen eine
unerträglihe Einengung der erzbiſchöflichen Amtsthätigkeit, eine
abermalige empfindliche Störung der von Erzbischof Siegfried zu
. Die Mittheilungen des Cosmas, ce. 29 u. 30, über bie päpftliche
Zegation, die in Böhmen auftrat, fimmen theilmweile nicht mit ben Briefen aus
der Seit felbft. Mac; dem Registrum I, 17 (J. 4788), find zufolge eines am
* i dieſes Jahres von Gregor VII. an Herzog Wratiſiav und deſſen Brüder
iebenen Briefe Bernharb und Gregor, legati nostri, qui ab hac sancta
et apostolica sede ad vestras partes directi sunt, von ben Empfängern de3
Schreibens ehrenvoll empfangen worben, und zwar müffen das nad) den weiteren
Borten — Quoniam .. apostolicae sedis nuneii ad partes vestras raro
misei sunt, quidam vestrorum . . legatos nostros contemptui habent — jeit
langer Zeit die erften nach Böhmen abgegangenen Legaten, aljo die noch von
Wlegander II. abgefandten, geweſen jein, eben die wegen der Sache Gebehard's
Beauftragten: frater vester Jarmir Bragensis episcopus . . his nostris legatis
rebellis extitit (I. c., II, 29 u. 30). Bernhard und Gregor waren aljo die in
ber Stelle des Brieſes Giegfrieb’3 in n. 8 erwähnten missi nuntii Aleranber’3 II.
(Herrmann, Eiegfried I. Erzbilchof von Mainz, 68, wollte zwar diefelben erft von
Gregor VII. abgefandt fein lafien). Dagegen redet Gosmas, 1. c., von Ruodolfus
Apocrisiarius et consiliarius Gregorüi (untichtig: fat Alerander’s IL.) pepse
8 dem missus apostolici, in erfler Sinie ald dem Neberbringer der apostolica
benedictio et universalis patris adoptiva filiatio an Wratiflav nach Prag,
im Beiteren freilich aud ala dem Vollführer der gegen Biſchof Gebehard ger
tißteten Mabregeln (I. c, 86 u. 87). Unmöglich Tann bier der böhmifdie Gr-
fdicpteicgreiber ganz irren; aber vielleicht war Rudolf eben nur der Heberbringer
der Ehrenbezeugungen an ben Den, worauf Cosmas irrig auch die von den
beiden Zegaten verrichteten Amtshandlungen gegen den Biſt e‘ auf Rudolf übers
img. Das in n. 8 erwähnte Schreiben J. 4696 war vieleicht die den zurüd«
jehenben Boten Wratiflav’s mitgegebene Ankündigung ber nachtommenden
Ogetion — vergl. den Schlublah: Plura bi in seriptis miserimus, nist
ed fütnros legatos ea melius viva voce indicataros esse putavimus. Die
szeichnung für Wratiflav war nad) Gregor's VII. Brief, Registr. I, 38
(3. 4812): ex benevolentia domini et antecessoris nostri Alexandri papae. . .,
i ... . quod laicae personae tribui non consuevit, mitram quam postulasti
— . e. 56) die Mitra, deren Gebrauch eben Gregor VII. nachträglich er⸗
laubte. Da& fchon vorher durch, Nifolaus II. die gleid;e Auzzeichnung ar
Epitignev gegeben worben war, zeigt J. 4452.
’0) Den Eindrud, welchen das Gingreifen des römifchen Stubles in Böhmen
bervorrief, jpiegeln die Worte des Gosmas, c. 30: missus apostolici ... tanta
auetoritate usus est et potestate, ac si idem summus pontifex ipse praesens
füiet (l. c., 87).
Neger von Anonau, Jahtb. d. diſch. R. unter geincig IV. u. V. ®. I. 18
194 1073,
erhebenden Anſprüche. So ftellte denn auch Biſchof Gebehard den
Aufforberungen Wratiflav’s, fih zu verantworten, die Entgegnung
gegenüber, daß er nach den Kirchengefegen — der päpftlihen Würde
und Amtsbefugniß ganz unbejhadet — ſich nicht ftellen werde,
wenn nicht der Erzbiſchof von Mainz — er joll diefen dabei gerabe-
zu feinen Herrn genannt haben — und bie übrigen Bifchöfe des
Erzſprengels genenmärtig feien Es ift jehr wohl möglich, daß
der Vorſatz Siegfried's, Mainz zu verlaffen, und deſſen Ausführung,
in der Reife nah Cluny, mit den Vorgängen in Olmüg, die den
Beſchluß Wratiflav’s, fid) unmittelbar nad) Rom zu wenden, ber
Dingen, zeitlich zufammengetroffen waren, und jene Entfernung
des Erzbifhofs aus Dainz mochte eine Erleichterung für das
derartige Eingreifen Alerander’3 II. in Böhmen geweſen jein'?).
Jedenfalls aber ertrug Siegfried dieſe offenbare Niederlage der
Anfprüde von Mainz, diefe Zurüdfegung, deren Ergebnifje zwar
den eigenfüchtigen Plänen Herzog Wratiflav’3 gewiß nicht minder,
als dem Vortheile Rom’s entiprahen, nur mit ſehr ſchwerem
Herzen, und al3bald ergriff er, bei Anlaß der Beglüdwünfhung des
nad Alexander's II. bald eingetretenen Tode neu gewählten
Papftes, die Gelegenheit, feinen bitteren Gefühlen Ausdrud zu ver-
leihen. Der Erzbiſchof jchrieb an Gregor VII: „Wir haben unter
Deinem Vorgänger frommen Angedenkens in ungerechter Weife
eine Vorentſcheidung erleiden müffen, und wir find in ungnädiger
Art von demjenigen Rechte verdrängt worden, hinſichtlich deſſen
die heiligen Rehtsfäge und die Beihlüffe der Väter befehlen, dab
& ben Erzbifchöfen bewahrt bleibe”. Er beklagte ſich ſchwer, daB
ohne fein Vorwiſſen die Anklage gegen Bilder Gebehard in Rom
vorgebraht worden fei, und führte unter Beleuchtung der weiteren
jiter eingetretenen Vorgänge die Verlegung feiner Gerechtſame
aus !2).
Von Erfurt war Heinrid IV. eiligft nad) Baiern aufgebrochen,
um, mie er fi vorgenommen hatte, zu Regensburg das auf den
,”) Die Dorfeltung, welche ipñuuch bes Verhaltnifſes zum Erzbisthum
Mainz gehegt wurde, läßt Cosmas (l. c.) den Biſchof Gebehard aufregen:
Juxta canonum scita, salyo pontificali dignitate et justicia, ad fur non
venio placita, niei ubi affuerit meus magister Maguntinus metropolita et
aliorum coepiscoporum praesens frequentia.
2) Siegfried’s Abweienheit von Mainz im legten Vierteljahr von 1072
(vergl. ob. ©. 168 —170) mag diefe Niederlage gegenüber Rom auch mit verſchuldet
haben: denn ſchon die Abjendung Ku durch Wratiflav nad Rom, ftatt
nad Mainz, war eine Umgehung bes Erzbiſchofs geweſen (vergl. Kröger, 1. c.,
42 n. 4). Bielleicht bezieht fid Gregov’a VII. Vorwurf gegen Siegfried in
dem ſchon in n. 8 a. €. erwähnten Briefe beö Registrum: Nam, eum primum
Johannes Morayensis episcopus .. . multis inuris (ee) aficeretur ot tamen
justitiam non posset consequi, tua religio nullam inde eollieitudinem, nullam
in discutienda causa fatigationem suscepisse dinoseitur (Yaffe, Biblioth.
U, 79) auch auf dieſe Bund) de8 Erzbiſchofs Weltflucht verurfachte Berfäumniß.
13) In dieſem ſchon in n. 8 herangezogenen Schreiben Siegfried's treten
befonders die in der Erwähnung der Anklage Gebehard’s in Rom eingejhobenen
Worte: me ignorante herbor. Vergl. weiter unt. bein. 147 u. 201.
Mainzer Niederl. i. d. Prager Sache. Verſohn. d. Königs m. Rudolf u. Berchtold. 195
31. März fallende Ofterfeft zu begehen'‘). Aber auf dem Wege
dahin hielt er fih am Palmjonntag, den 24. de3 Monats, zu
Eichſtädt auf. Hier nämlich traf er mit den Herzogen Rudolf von
Sipmaben und Berchtold von Kärnten zufammen und nahm dies
jelden, nad einer anderen Nachricht auch noch weitere ſchon ſeit
längerer Zeit Angeſchuldigte, wieder zu Gnaden auf, unter Ver»
föhnung und Erklärung der Dergefienheit bes Worangegangenen.
Allerdings war ohne Zweifel Berchtold, welcher ſtets einer wirf-
lien dürchgreifenden Gewalt in Kärnten entbehrt hatte, nur noch
im Befige de3 Namens eines Herzogs dieſes Lande. Durd die
jüngften Vorgänge, durch die Kunde, welche fi über einen tieferen
Zwieſpalt zwiſchen dem König und bem Gerzog weit verbreitet
haben mußte, war augenſcheinlich dem mächtigften abligen Herrn in
Kämten, Markward, aus dem Eppenfteiner Haufe, welches unter
deſſen Vater durch das Eingreifen Kaiſer Konrad's II. aus der
Swürde verdrängt worden war, der Muth noch gewachſen,
fo daß er jetzt thatjählih nad der Ausübung der Gewalt griff.
Dad mochte in weiterer Entfernung gerüchtweiſe falſch ausgelegt
werden, und jo ift es erflärliher, daß ein nicht genügend unter
richteter und auch fonft gern nach Gerüchten greifender Erzähler in
feinem Berichte einfließen ließ, es ſei geradezu durch Heinrich IV.
unter Beeinträchtigung Berchtoid's über Kärnten neu verfügt worden '5).
14) Sambert fährt, mit Bezug auf die Erfurter Verhandlungen, fort:
Atque ita omnibus quae intenderat, pro voluntate exactis, coneitus Ratis-
ponam contendit, sanctum pascha ibi celebraturus, worauf: sanctum pascha,
sicut instituerat, Ratisponae ... . celebravit (193): — ebenjo Annal. Altah.
maj.: Agnum pascalem Ratisbonae vietimavit (39. XX, 824).
’) Annal. Altah. maj.: Diem palmarım rex in Eihstatti celebravit,
ubi et Ruodolpho et Berhtoldo dueibus gratiam suam reddidit (l. c.) hab
wie aud Rilian, Ztinerar Kaifer Heinrich’? IV., 57 u. 58, richtig aus
es fih um einen bairifhen Pla handelt, und wegen der geographiſ—
hältniffe, en Breblau, Konrad II., II, 426, welcher hier eine Entſcheidung
für unmöglich hielt, und O. Grund, Die Wahl Rubolfs von Rheinfelden zum
Gegentönig, 30 n. 1 (diefer folgte auch, 27, Sambert hinſichtlich ber Entfegung
Berdtold’8 ala Herzog don Kärnten), den Vorzug vor Sambert, welcher dieſe
Fehfeier nach Augsburg anfept und zugleich aus ben in Excurs I. zu beleuchten:
den Urfachen (vergl. ob. ©. 174, n. 108) in den Worten: rex ..... Ruodolfum
ducem Suerorum et alios quosdam, qui sinistrum aliquid contra rem publi-
cam moliri jam pridem delati fuerant, in gratiem recepit (198) den & 20
von Kärnten ausläkt. Freilich war ber Iektere jedenfalls nım noch nominel
dux. Denn wie ſchon Berchtold’3 Vorgänger, Herzog Konrad, vermochte Berchtold
gegenüber ben einheimifchen Geichlehtern in Kärnten nicht feften Fuß au fallen
(vergl. Bd. I. ©. 98 u. 99, 208 u. 209). Wahnichaffe, Das Herzogthum Kärnten,
64 u. 65, führt aus, daß Berchtolb, wie er denn durch feine einzige Nachricht
ala für Kärnten handelnd, auch fein Aufenthalt deſſelben in feinem Herzog
tum befannt ift — vergl. noch bes fpäteren Otto von Freiſing Ausfage über
die Zähringer überhaupt, betreffend den ducatus Carentanus: quem numquam
habuerunt, Gesta Friderici imper., Lib. I, c. 9 (SS. XX, 358) —, burd) den
E&ppenfleiner Rartward fi —X ir Seite geſchoben ſah, ohne daß irgend
eine Berfügung bei Mönigs jäon, zu Diele Zeit geoen ihm ergangen, wäre,
Huber, te Oefterreicha, 1, 210 (mit n. 2), glaubt, Martwarb fei wohl
dach die 1072 hervorgeivetenen Gerüchte von der Spannung zwilden Hein
ch IV. unb bem ‚Herzoge (vergl. ob. ©. 155} zu bem gewaltfamen Vorgehen
13*
196 1073.
Eine Woche nad diefer freundfhaftlihen Begegnung mit Rudolf
und Berchtold hat dann wohl Heinrich IV., da er das hohe Kirchen-
feft in der Hauptftabt des bairiſchen Landes beging, aud mit Herzog
Welf die Uneinigfeit völlig ausgeglichen !°).
Nur drei Wochen nad dem Ofterfefte, am 21. April, trat in
Rom ein Ereigniß ein, das ſehr bald, wie auf die ganze abend-
ländiſche hriftliche Welt, fo insbeſondere auch auf König Heinrich IV.
und deſſen Reich jeine Einwirkungen fühldar machte. Nah dem
an biejem Tage geſchehenen Tode des Papftes Alerander II. trat
nämlic) derjenige Mann in die Führung der Kirche, von deſſen
Willen ſchon die Dorangegangene geiſtliche Regierung erfüllt war.
Das legte beveutendere Ereigniß in der Zeit Alerander’3 II.
war die Faftenfynode des Jahres, welche namentlich auch für die
Beziehungen zu König Heinrich IV. von Wichtigkeit wurde.
Der König war, such der Mahnungen Alerander’3 II. und
Hildebrand's, in der Frage der Bejegung des erzbifhöflihen Stuhles
von Mailand feit geblieben, von dem beftimmten Willen durchdrungen,
daß Gottfried, troß des auf ihm laftenden in Rom ausgefprodenen
kirchlichen Fluches, als Erzbifhof anerkannt bleibe und die Weihe
empfange. Es galt, auf diefem Wege den Anhängern des König-
thums, welche die Erhaltung des Inveſtiturrechtes dur die Auf-
ftelung Gottfried’3 gegenüber dem Treiben der Patariner zu ihrer
Sade erklärt Hatten, Muth einzuflößen, fie für Heinrich IV. feft-
zubalten, und fo hatte diefer vertraute Männer, voran eben jenen
bairifchen Grafen Ratpoto, welcher anderntheild Herzog Wratijlan
darin diente, daß er deſſen Botjchaft an Aferander II. unter feinem
Geleite nah Italien mitnahm, als feine Beauftragten zu den lom-
bardiſchen Biſchöfen abgefhidt. Die königlichen Boten veranftalteten
eine Verfammlung der Biſchöfe de Sprengels der ambrofianifchen
Kirche zu Novara und verfündigten hier vor derjelben den Auftrag,
es fei des Königs ausdrücklicher Wille, daß Gottfried geweiht
werde. So gefhah unter Bezeugung großer Ehren bie feierliche
Handlung an Gottfried, welcher allerdings, mwie nah einer An-
deutung aus Mailand zu fchließen ift, nur zögernd ſich herbeiließ
und von den Biſchöfen ermuthigt werden mußte. Ebenſo läßt die
gleiche Mittheilung erkennen, daß auch bier wieder fimoniftifche
vollends ermuthigt worden. Gbenfo ſchreibt Strnabt, Die Geburt des Landes
ob der End, 55, Martwarb die factifche Herrichaft in Märnten zu, wenn aud)
die formale Uebertragung des Herzogsamtes erft nachher an feinen Sohn
Liutoid erfolgte. Heyd, Geichichte ber Herzoge von Zähringen, 43 n. 123, —
vorher, 30, beleuchtet er den „ihatjädhlichen Nichtbe ib des Herugthums“ für
Berchtold — zieht wohl zutreffend — gegen Grund, 1. c., 45, Thon bier auch
die Notiz der Compil. Sanblas., a. 1074, heran: Ruodolfus dux et eaeteri
halle reroneilintur regi (SS. V, 276), da biejelbe doch weit beffer zu
vakt.
3) Giefebredht, III, 178 bentet die Möglichteit bes Auägleiches mit Welf an.
Crobich. Goitfried's Weihe zu Novara u. Kämpfe i. d. Sombarbei. 197
Umtriebe eingetreten waren, und ber Berichterftatter will wiſſen,
Heinrich IV. jelbft habe fpäter die ganze Maßregel bereut und auf
den Beauftragten, der das Ganze vermittelte, jeine Mißgunſt ger
worfen. Damit kann aber nur Ratpoto gemeint fein, da nach einer
von anderer Seite gebotenen Nachricht eben dieſer durch einen vor
der Berfammlung zu Novara abgelegten Schwur, daß er im Sinne
des Königs handle, die Weihe Gottfried's als Erzbiſchof, troß ber
aus Rom ergangenen Aemmerlung deſſelben, herbeigeführt hatte !").
Es verftand er von felbft, dab jest ſogleich der Bürgerkrieg in
der Lombardei neuerdings ausbrah. Der neu geweihte Erzbiſchof
ſuchte ſich einiger Burgen des Erzbisthums zu bemächtigen. Zuerft
machte er einen Angriff auf Lecco, und ſchon hatte er ſich dieſes
wichtigen Plage am Ausfluffe ber Adda aus dem Tanggeitrediten
See bemädjtigt, als er von den aus Mailand aufgebrochenen Kriegern
der Gegenpartei wieber mit Gewalt hinausgemworfen wurde; babei
ging einer der tapferften Anhänger des Erzbiſchofs dadurch, daß
ihn die Einwohner Lecco's gefangen nahmen und von einem hohen
Felſen ftürzten, elend zu Grunde. Nach diefem verfehlten Verſuche
fegte fi Gottiried dagegen in der Burg Brebbia, welche etwas
iandeinwãrts öftli vom unteren Theile des Lago Maggiore ig
feft. Weber biefen Kämpfen war die legte Lebenzzeit Alexander's IL.
berangefommen '®).
17) Bergl. ob. ©. 179, mit n. 115. Die Zeugnifie für die Mailänder Er⸗
eignifie find %rmulf, Gesta archiepiscoporum Mediolanens., Lib. IV, c. 3:
Interea ei sedis Ambrosianae pontifices, accepto a rege mandato,
apud urbem convenientes Novariam, Gotefredo manum consecrationis im-
nunt, illum prout quiverant roborantes, licet praeceptio regia multis
— impetrata muneribus. Constat tamen rem postea poenituisse
atque interventorem penitus odisse legatum (SS. VILI, 26), ferner nur gaı
kurz, bod) an ganz fallpem Orte, nämlid am Ende von Lib. LIT, c. 18 (le
im Aufcluffe an die ob. &. 104 in n. 116 eingerüdte Stelle), Sanbulf, Historia
Mediolanens.: Gotefredus summo cum honore magnaque gloria Novariae
multis cum suf ‚neis consecratus est (l. c., 87), bejonders auch Bonitho,
Lib. ad amie. Lib. VI, im Anſchluß an die Stelle von &. 179 n. 115: Quod
ut rex audivit, mox ex latere suo suos misit asecretes. Qui, venientes
liam, Novariae sibi curiam constituunt et multitudini episcoporum
eolleetae ibi dato sacramento confirmant: hoc esse regiae voluntatis, ut
Gotefridus consecraretur. Quod audientes Longobardi episcopi, licet ab
ecelesia essent excommunicati, eum libenter non sacraverunt, set execra-
verant (Jafie, Biblioth., II, 654: — vergl. in Lib. VIL: jusjurandum, quod
Rapot — vergl. in n. 8 —— ex sus parte juraverat Novariae dudum Ei
seopis, hoc esse regiae voluntetis, ut Gotefridus consecraretur, I. c., 665).
Eine ähnliche Wendung, wie Bonitho, Benupte Gregor VII. im Briefe Registr.
1, 11 (J. 4782), daß die Wildfe Gotefredum . . . sub specie benedictionis
maledizerint et sub umbra — — Bere Gonstituering
L c., 21 it50'3 Behauptung, daß die Bilchöfe bei de
kei Avon Banne getroffen Gemelen fein. nicht richtig, wie
Pac, Die Pataria in Mailand, 53 n. 2, —A denn Gregor VII. ſchrieb,
Registr. I, 12 (J. 4783), von biefen Zilddfen ala folden, qui eius (sc.
ji excommunicati) causa excommunicationis periculum incurrerunt
e,2.)
kn uf fährt gleich nach der in n. 17 mitgetheilten Stelle fort: Exinde
PERBOR un —X oeeupare Cast la, uni eorum praesidens,
198 1073.
Aber vorher war eben in ber Fajtenzeit die ſchon erwähnte Synode
des Papftes abgehalten worden!?). Wahrſcheinlich beichleunigt
durch die legten Vorgänge zu Novara, erging hier ein Urtheilsſpruch
zwar nicht gegen König Keinrih IV. felbit, wohl aber gegen
Männer, weiche in deſſen engerem Vertrauen ftanden, jo daß aljo
ganz deutlich auch die Unzufriedenheit des Papftes gegenüber dem
König jelbit zu Tage fam, und das fiel um jo mehr in das Ger
wicht, al3 nad) dem unzweifelhaften Zeugniffe der gut unterrichteten
Mittheilung die Anregung zu dem auffallenden Schritte von ber
Mutter Heinrih’3 IV., der Kaiferin Wittwe Agnes, ausgegangen
war. NAlerander II. belegte nämlich öffentlich mehrere Rathgeber
de3 Königs, darunter den Grafen Eberhard, und zwar deßhalb,
weil fie denfelben von der Einheit der Kirche abtrennen wollten,
entweder jhon ausdrücklich mit dem Banne, ober er ftellte den-
jelben, was zu fchließen nad den zwei Jahre fpäter gewählten
Maßregeln nahe liegt, auf ein furz geftcdtes Ziel hinaus in fichere
Ausfiht?"). Es ift faum zu bezweifeln, daß die Anklagen, melde
bei dem Papſte gegen dieje der nächften Umgebung des Königs
angehörenden Perfönlicgkeiten vorgebraht worden waren, auf Be—
fledung mit der Simonie fi bezogen; denn als der Inhalt eines
Briefes Alerander’3 II. an Heinrih IV., welder allerdings in
einem Mißverftändniffe verfchiedener Art enthaltenden Zufammen-
hange erwähnt wird, findet fich die Aufforderung an denſelben auf-
geführt, fi wegen der fimoniftifden Kegerei und anderer Vergehen
juod noı ır Brebia. Qui cum paulo ante Leucum invaderet, irruentibus
ab urbe militibus violenter eieitur, amisso marchione illo strenuissimo
milite, quem loei incolae rupe praesipitanten ab alta, erudeliter trucidant.
Dum haee taliter agerentur, defungitur apostolicus.
19) Die Synobe wurde nah Boͤnitho's Worten, 1. c., in quadragesimae
diebus — d. h. awifchen 13. Februar und 24. Mär, — abgehalten, immerhin
fo, daß fie vor dem Ende der Faftenzeit abgeſchloffen war, da Wibert noch inner:
halb derjelben, doc) synodo jam celebrata, nad) Rom fam (l. c., 655).
*) Bonitho bezeugt, 1. c., dab in qua (sc. synodo) ortatu imperatricis
quosdam regis conniliarios, volentes eum ab unitate eceleriae separare,
publice domnus pers excommunicavit (al8 einen derfelben nennt ex jelbft naher
— in Lib. VIF — ben Grafen Eberhard, consiliarium, sc. Heintid’s IV.,
quem ante papa Alexander excommunicaverat, 664); zu der Annahme, dak
vielmehr erft eine Androhung ber völligen Grcommunication vorlag, vgl zu 1076.
n. 121. Dagegen ift die Angabe von Ekkeh. Chron. univ.: Anno Coloniensis
episcopus et Herimannus Babenbergensis Romam missi sunt, pecuniam
quae regi debebatur congregandi gratis. Qui legatione — Persia reversi,
litteras Alexandri apostolici detulerunt, regem vocantes satisfaciendum
ro symoniaca heresi aliisque nonnullis emendatione dignis, quae de ij
mae fuerunt audita (SS. VI, 200) in ihrer erften Hälfte, wegen ber He
Annıo’3 und Hermann’3 1073 nah Rom, da fie, und zwar auch nur modificirt,
au 1070 gehört (vergl. ob. ©. 5, n. 9), ganz irethümli, und aud im der
äweiten, wenn auch hier ein Anklang an das Creigniß von 1073 vorliegt, nicht
annehmbar (vergl. Geſebrecht, III, 1128, in den „Anmerkungen“, ſowie Buch«
holz, Ettehard von Aura, I, 34—36, wo ber Bamberger Urſprung dieſer Rad)
zichten nachgewieſen if). Be nicht, wie Giefebrecht, III, 233 u. 1128, annimmt,
Beweiſe für einen Einfluß Erzbiſchof Annoſs auf die Entſcheidung Alerander’s Il.
auf der Synode vorliegen, vergl. ſchon ob. ©. 175, n. 110.
Romilche Faftenſhnode: Vorgehen gegen Lönigl. Näthe, Cardinal Hugo. 199
zu verantworten, die über ihn zu Rom zur Mittheilung gebracht
worden jeien. Mag es fih num aud mit diefem Briefe vielleicht
anders verhalten haben, allerlei Gerüchte von fimoniftifhen Um—
trieben an des Königs Hofe, in feiner Umgebung waren ſteis wieder
laut geworben, und fo hatte der Papft einige ihm als beſonders
ſchuldig bezeichnete Männer, deren Namen allerdings bis auf einen
unbelannt bleiben, mit feiner Strafe getroffen. Man wollte von
Rom aus auf diefe Weife den König von Rathgebern, welche gan,
voran der frommen Kaiferin mißfallen mußten, trennen, zuglei
den Verſuch machen, in wie weit Heinrich IV. eine folde Ein-
miſchung in feine nächften Kreife ſich gefallen laſſe, ob er vielleicht
in Folge deifen in der Mailänder Angelegenheit ſich entgegen:
fommender ermeifen werde. Dabei jagen ja_ohne Zweifel gegen
mande Genofjen der königlichen Hofhaltung Verdachtsgründe und
Beweife reihli vor, aus den verſchiedenen Vorgängen bei Neu:
bejegung hoher geiſtlicher Stühle in den legten Jahren, wo Nerger:
niß verichiedener Art gehäuft worden war. Heinrich IV. jelbft
hatte ja aud auf der Mainzer Synode von 1071 in der Angelegen-
heit des Biſchofs Karl von Conftanz völlig zugegeben, daß hinter
jeinem Rüden allerlei Dinge vorgefallen jeien, und nur für ſich
jelbft jede Theilnahme an ſolchem Treiben beitritten, und ebenfo
hat noch fpäter Papft Gregor VII. in der Sache des Abtes Ruotbert
von Reichenau nicht gegen ben König jelbit einen Vorwurf zu
zu erheben gehabt").
Roh eine zweite ähnliche Frage beichäftigte die Synode.
Gegen Cardinal Hugo den Weißen, welchem unlängft, nad dem
früher in Spanien vollführten Auftrage, eine neue Gejandtichafts-
reife nad) Frankreich) übertragen worden war, hatten fih Klagen
von Seite der Mönde von Cluny und auch einzelner Biſchöfe ein-
geſtellt, welde auf Simonie lauteten, und der Angeſchuldigte foll
offen überführt worden jein. Aber der vielgemandte Mann ſcheint
auch jegt wieder Mittel gefunden zu haben, fi) in feiner Stellung
zu behaupten ?®).
21) Daß zu den mit dem Banne beftraften consiliarii auch Graf Ratpoto
gas habe, ifi faum mahrfcjeinlich, da defien Gtelle als Geleitamann ber Be-
tichaft Sraop Wratiflav’3 an den Fapt wenig Hierzu flimmen würde;
ebenfo wies Side recht, II, 1127, in den „Anmerkungen“, jehr zutreffend nad,
ba Sloto, Raifer Heinrich IV., II, 8 fi) ircte, indem er die Reicenauer Vor-
(vergl. ob. ©. 165 u. 19) mit biefem Entjcheide des Papftes in Verbindung
Wegen der eigenen ärung und derjenigen Gregor’3 VII. über Hein:
rid’3 IV. Befledung mit Simonie, reſp. der Fernhallung von folder, vergl.
ob. S. 45, n. 11, ©. 82, n. 76.
=) Bonitho, 1. c.: In qua {sc. synodo) et Hugo Candidus a Clunia-
eensibus monachis et a quibusdam religiosis episcopis publice de symonia
aeitur. Bergl. über Hugo zulept Bd. 1, ©. 604 (mit n. 54), doch aud) Vonitho,
Lib. VI, am Önbe der fpanifchen Srgation: quicquid edificabat, iterum dis-
sipebat.” Nam symoniacos primum quidem validissime persequebatur, posten
vero accepta pecunia reconciliabat. Quod dum compertum Romae fuisset,
cum ab Hyspanis statim revocant et Romae habitare preeipiunt (I. c., 651);
200 1073.
Erft nad Abſchluß der Synode, doch nod innerhalb der
Faftenzeit?®), erichien aus Ravenna der neuerwählte Erzbiſchof,
Wibert, um die Weihe feines Amtes zu erlangen. Von Deutſchland
zurüdfehrend, a er von ber Lombardei her, wie das feinem
Weſen entiprah, zu Ravenna mit feierlihem Gefolge und großer
Madtentfaltung feinen Einzug gehalten. Jetzt ftellte er fih vor
Alerander II. welcher allerdings durd) den Begleiter des Erzbiſchofs,
den Bifhof Dionyſius von Piacenza, der neben Wibert der Haupt:
vor der Wahl des Cadalus zu Baſel gewefen, dann durch päpft-
liden Spruch verworfen und aus feiner Stadt dur die PBataria
verjagt worden war, fehr wenig angenehm berührt werben konnte.
So verfihert denn auch der Wihert allerdings jehr gegnerifch ge=
finnte Bericht Bonitho’3, daß der Papft anfangs ſich geweigert habe,
die Gonjecration zu vollziehen, obſchon Hildebrand vielfah ihm
darum bat. Alerander II. fol — mit dem Apoftel — Hildebrand
ſeheriſch vorausgefagt haben, daß ja er ſelbſt bald fterben, dieſer
aber, da er ſich Durch Wibert’3 gefhidt dargelegte Unſchädlichkeit habe
täufchen lafjen, deſſen Herbigteit fpüren werde. Endlich aber gab
Alerander II. nad) und legte Wibert die Hand auf*‘). Dabei
von ber wohl 1072 (jo jet Gfrörer, Gregorius VII. II, 228, an, dann 371,
fi imiberfprethenb, ‚zu 1071) geſchehenen Sendung mach Srantreich ſpricht Bonitho
turz vor Erwähnung der Symobe: Hugo Candidus Gallicanam a domno papa
impetravit legationem, ubi multa contra jus et fas operatus est (l. c., 654).
Gfrörer brachte hier, 1. c., 371, wieder Wunderbare heraus: „unzweifelhaft ift,
daß die Anklage wider aus, zugleich, obwohl verbedt, gegen den Papft felbit
gerichtet war" — „Nach der Satenfpnobe 1073 fann er nur durch Altzander II.
eh ten worben fein... . Den Gregorianern zum Troß weigerte er ſich, ihm
17 [em zu lafſen. Diefee Vorgang verrieth eine kiaffende einungeberichedenbeit
zwiſchen Alerander II. und dem Anhang des Garbinald Hildebrand‘. D
wollte er, 372, als war mit etwelder Zurüdhaltung zu brauchendes Zeu ih.
auß Zandulf, Historia Mediolanene., Lib. III, c. 19 — mit dem troß des Se j“
zifls; Mil, qui autem hass nerrayit, unus fült ex ilis (te) gan} um
brauchbaren Inhalte, wo allerdings Hildebrand ald Gegner Alezander’s II. er-
jheint (SS. VIIL, 87 u. 88) — heranziehen; dazu noch ſchiebt er das Geſagte
(enulf ald Autor zu. Zur Erklärung des ganzen „geheimen Zujammenhanges“
ſoll ſchliehlich — 383 — bie in n. 20 abgewieiene Stelle Gtkeharb’3 bienen,
daß der in Rom weilende Anno ber Anzettler diefer und noch weiterer — auch
Wibert betreffender — Intriguen geweſen ſei.
2) Bergl. in n. 19. Dab Wibert no am 20. Februur ala electus
archiepiscopus in Ravenna fi) aufhielt, zeigt eine bafelbft auägefeiite Urkunde,
welde Rubeus, Historiarum Ravennatum libri X, in Lib. V anführt (Ed.
Venet., 1589, 298).
2%) Bonitho at von Wibert zuerft: veniens Longobardiam, Ravennam in-
travit in multitudine gravi et in magno, ut sui moris est, potentatu, dann: non
post multos dies (vergl. n. 19) Romam venit cauca consecrationis ‚bens
secum Dionisium Placentinum episcopum, ante multos annos ab eodem
= depositum (vergl. Bd. I, ©. 560, über bie Vertreibung des ercommunicirten
—X aus Piacenza, 1067). Bonitho’3 Abneigung gegen Wibert tritt Klar
hervor: ovina simulate indutus simplicitate multos decepit, et precipue Deo
amabilem Hildebrandum, ber Alerander’s II. Wiberftreben befiegte: .. .
Consecratione rite celebrata ... . (l. c., 655: bie Baulus entnommenen Worte
ftehen IL. Timoth., IV, 6)_ Spuren von den der Weihe vorangegangenen Ber:
Handlungen Wibert's mit Hildebrand fieht Köhnde, Wibert von Ravenna, 17,
Cewbihchoj Wibert’3 Weihe und Ablegung bed Eides vor Alegander IL. 201
leiſtete diejer einen Eid, welder ihn ohne jede Einſchränkung zu
verpflichten ſchien; denn diefer Schwur war, wie es bisher noch
nie von einem Vorgänger auf dem erzbiichöflichen Stuhle von
Ravenna gefordert worden war und wie überhaupt etwas ganz
Ungewöhnliches in biefem eigentlichen Gehorſamsgelöbniſſe, einer
wahren Untermerfungserklärung, hervortrat, ein Gegenftüd zu den
1059 durch Papft Nikolaus II. den normannijchen Fürften Robert
und Richard abgenommenen Lehengeiden. Wibert gelobte, von
diefer Stunde an in Zukunft dem heiligen Petrus und ber heiligen
römifchen Kirche und jeinem Herrn, Papft Alerander II, und deijen
Nachfolgern, welche durch die Wahl der beijeren Cardinäle eintreten
würden, treu zu jein, zu feinem Rathſchlage und zu feiner That
mitzubelfen, welche gegen Leben und Sicherheit derjelben gehen
würden, feine durch die Päpfte oder deren Boten oder duch ſchrift⸗
lie Mittheilung ihm fund gewordene Berathſchlagung zu Deren
Schaden aufzudeden. Er verſprach ferner, das römiſche Papſtthum
und die Negalien des heiligen Petrus zu erhalten und vertheidigen
zu helfen, einen römiſchen Legaten ehrenvoll auf feiner Reife und
jeinem Rüdmwege zu behandeln und mit allem Nothwendigen zu
unterftügen, auf den Ruf zur Synode nicht zu zögern, außer wenn
eine Eirhenreghtlih gültige Abhaltung vorliege, enblih, wenn ihn
nit die Erlaubniß des Papftes entbinde, entweder jelbft, oder durch
Entjendung eine Boten, am St. Peter- und Pauls-Tage bie
Schwellen der Apoftel zu befuchen?d). Noch feierte Wibert das
Dfterfeft in Rom; aber ehe er nad) der von Alexander II. und
Hildebrand erhaltenen Erlaubniß der Rückkehr in Ravenna wieder
angelommen war, empfing er ſchon die Nachricht vom Tode des
N)
Alerander I. ftarb am dritten Sonntage nach dem Ofterfefte,
mit Recht in den Stellen des Briefes Gregor’s VII. an Wibert, Registr. I, 3
(d. 4774): caritatem quam erga Romanam ecelesiam, maxime hoc tempore,
et, ut meminisse debefis, erga me specialiter vos gerere promisistis — und:
enim sicut in caritate non fieta vos diligo, ita eandem et, quaecumgu.
eins officia sunt, a vobis indubitanter exigo (Jaffe, Biblioth., II, 12 u. 18).
*) Diefen Eid theilt Giefebrecht, III, 1272, in den „Documenten“, mit
ſdazu vergl. 1123, in den „Anmerlungen“), Bonitho, 1. c., bringt den
Heaptinyalt ganz furz: se fidelem esse Papas Alexandro eiusque successori-
, qui per meliores essent electi cardinales, worauf er jelbft fortfährt:
nullomodo imperatorem nec regem nominans (vel) patrieium (Martens, Die
Beerung bes papftlichen Stuhls unter den Kaifern Heinrid) III. und Hein»
ri IV., 277, wo n. 118 dad Wort vel ſtreichen will, macht darauf aufmerffam,
dab Bonitho in bewußter Abfiht, um Wibert in das Unrecht zu fegen, bie
Erwähnung bes Patricintes einfchob). Gelbfiverftändlich falen fämmtliche
Folgerungen Gfrörer’3, betreffend ben Gib, dahin, welche ſich an bie in n. 22
Yarakterifirten Eonftzuctionen, 1. c., 370, 374, anfdjließen. Ueber bie Bedeutung
Diefed men anftauchenden Eides vergl. Köhnde, 1. c., 17 u. 18, fowie wegen ber
ide der Rormannenfürften ®b. I, ©. 147 u. 148.
*) Bonitho, am Ende von Lib. VII (l. c., 656).
202 1073.
21. April?”), und zwar, wenn Bonitho’8 Angabe von jenen an
Hildebrand gerichteten, Paulus entlehnten Worten des Papftes:
„ch werde jet geopfert, und die Zeit meiner Auflöfung iſt nahe“
— richtig iſi, nachdem er eine klare Vorahnung feines bevorftehenden
Sebensendes gehabt hatte. Schon am folgenden Tage fand die
Beiſetzung der Leiche in der Kirche des Lateran ftatt 2°).
Während einer Dauer von nicht vollen zwölf Jahren war
Alerander II. dag Haupt der römischen Kirche geweſen, und er
hatte feine Stellung jhließlih ganz ohne Anfechtung fiegreich be=
hauptet, nachdem er im Anfang feiner Regierung in Rom jelbft
durch den Gegenpapit, den Vertreter der feindfelig gefinnten lom⸗
bardiſchen Biſchöfe, auf das heftigfte angefochten worden war;
er hatte nad) der gänzlichen ——— noch den Tod des
Cadalus erlebt. Aber auch außerdem zeigten die Jahre ſeit 1061
eine Fülle von Erfolgen für die immer deutlicher ſich herausſtellenden
Anfprüche Rom's auf eine führende Stellung im Abendlande. Die
aljährlid in Nom veranftalteten Synoden, für deren Abhaltung
feit dem Ende Alerander’3 II. die Faſtenzeit gebräuchlich wurde,
geftalteten fi unter diefem Papſte zu jenen Verfammlungen, die
aus den größten Entfernungen befucht wurden, deren Entſcheidungen
eine immer allgemeinere Bedeutung gewannen. Bon Rom aus
wurden zur Ordnung der Angelegenheiten, zur Schlichtung ftreitiger
Fragen die Boten in die Länder ausgejchidt, jo daß fi) jchon die
Fürften und Völfer gewöhnten, von dem apoftolifchen Stuhle die ein-
greifenden Mafregeln zu beziehen, welche bisher von den Leitern
der erzbifhöflichen Sprengel erwartet worden waren. Aber auch
27) Etwas eingehendere Nachrichten vom Tode Alexander's II. bietet feine
Quelle. Als Tobeötag nennen den 21. April Gregor VII, Registr. I, 6
(J. 4777): obitus domini nostri Alexandri papae, qui 11. Kalendas Maji
spiritum Deo reddidit (I. c., 14), ebenfo Bernold’s Notae_ necrologieae
(Neerol. Germaniae, I, 658) und Marianus Ecottus, a. 1095 (reſp. 1973):
dominico die, 11. Kal. Mai (SS. V, 560) von deutjchen Quellen, ferner Annal.
Benevent., Cod. 1 (SS. III. 181), das Nefrologium von Monte Caſſino (Mu:
tatori, Script. rer. Italic, VII, 941). Tagegen fehen vereinzelt die unrichtigen
Angaben Bonitho'3, 1. c.: in natale s. Georgii, 23. April, und vollends des
Hugo von Flavigny, II: in ipso apostolorum Petri et Pauli natalicio
(SS. VII, 411). Bonigo, Vita Mathildis, Lib. I, erzäglt in v. 1205, der Papft
fein ante’'novem soles Madius quam ferret odores geftorben (SS. XIL, 376).
Eine kurze, aber nur ganz elanntes bietende Notiz über Alerander II. enthält
ber Cod. Vatic. 3762 de3 Petrus Guillermus (Watterid, Pontif. Roman.
Vitae, I, 43 * 2er f 6 vu R L
) Nach dem Commentarius electionis ri VII. papae, Registr.
1, fiel die Xeftattung auf den 22. April: 10. Kal. Maji, feria —— die
sepulturae domni Alexandri . . . secundi papae (l. c., 9), io daß aljo Bonitho,
Lib. VII, irrt, wenn ex fagt: Eodem die (sc. 23. April: vergl. n. 27), prefati
ontificis Sorpore in ecelesia sancti Salvatoris humato (l. c., 656). Durd
Beno, Gesta Romanae aecclesiaecontra Hildebrandum, Lib. I, e.2: Alexundro
papa juxta vespertinam horam defuncto, eadem die a 'ontra canones
electus est — wird vollends auch noch Gregor’s VII. Wahl auf den Todestag
gebt (Libelli de lite, II, 370). Wrnuff, Lib. IV, c. 4, (äßt irtig ein parvam
lierum intervallum zwiſchen Zobestag und Neuwahl liegen (SS. VIII, 26).
Tod Alexander's II. Die Bedeutung feines Pontificates. 203
dieſe jelbft hatten bereit die Erfahrung zu machen, daß bald fie,
bald ihre Biſchöfe nad) Rom vorgefordert wurden, und aud die
vornehmften und unbeugfamften, ganz voran der trogige Erzbiſchof
Anno, von dem Alexander II. felbft noch anfangs Entſcheidungen
erwartet hatte, blieben nicht mehr zurüd. Anderntheils aber
verbanden ſich diefe römiſchen Berechnungen auch immer mehr
mit den Gejhiden der Staaten felbft. Wenn Rom die Pata-
riner unter jeinen Schug geftellt hatte, jo war hier noch eine
zwar immerhin vielfach mit jehr weltlihen. Mitteln arbeitende
firhliche Partei als diejenige, der die päpftlicde Oberleitung günftig
tei, erklärt worden. Aber das gleiche Zeichen, welches aus ber
Hand Alerander’3 II. als Bürgichaft des Sieges an Erlembald
übergeben worden war, eine mit dem kirchlichen Segen ausgeftattete
Fahne, hatte von dem Papfte der Normanne Graf Roger empfangen,
al3 von ihm mit fühnem Muthe die Eroberung Sicilien’3 begonnen
worden war, und abermals erjchien Herzog Wilhelm von der Nor-
mandie mit der Fahne des heiligen Petrus als Eroberer an der
Küſte von England. Allein in allen diefen Angelegenheiten war,
wenn denſelben bei ihren Anfängen und in ihrem Aufbau genauer
nachgegangen wurde, nicht Alerander II., fondern ſein Archidiakon
Hildebrand, wie auch Petrus Damiani klar genug erfannt hatte,
die eigentliche Triebfeder geweien, und Freund wie Feind hatten
Ah gewöhnt, diefen leitenden Umftand in fcharfen Worten heraus-
zuftellen. So ift in einer Schilderung der Mailänder Vorgänge,
welche einen heftigen Gegner der Pataria zum Verfaſſer hatte,
Hildebrand eingeführt, wie er die Kriegswehr von Rom gleichſam
al3 der Felbherr gelenkt habe, und in dem haßerfüllten Sinne des
Biſchofs Benzo war jogar die ganz aus ber Luft gegriffene Vor—
ftellung erwachſen, Hildebrand habe Alerander II. gewaltfam aus
dem Leben geräumt: diejenigen, welde der Archidiakon gepflanzt
habe, aljo auch diejen legten feiner päpftlichen Vorgänger, habe er,
wie dürtes Gras, fo lange beftehen laſſen, wie er wollte, fie weg⸗
geihafft, wann es ihm paßte. Aber aud im eigenen Lager war
in größerer Entfernung von Rom die Anfiht herrſchend, daß
Alerander II. nur dazu da geweſen fei, Hildebrand’ Anregungen
und Weifungen zu folgen. Allerdings erft etwas nach Alexander's IL
Zeit beurtheilte Bernold in feiner Chronif den verftorbenen Papit
zwar jehr günftig, daß berjelbe die Ketzerei der Simonie zeritört,
den Prieftern das eheloje Leben unter Androhung des Banned ge-
boten, den Laien ebenjo befohlen habe, fi vom Gottesbienfte un-
enthaltfamer Geiftliher fern zu Halten; aber er fügt fogleich bei,
daß ganz hauptſächlich Hildebrand, der geimmigkte Feind aller
Kegerei, dieſe Beſtimmung herbeigeführt habe °).
Durch Hildebrand war, glei nachdem ſich die Augen Aleran-
2%) Bergl. über dad perjönliche Verhaͤltniß Alexander's IL. zu aglebrond
in 3b. I, beſonders ©. 218, n. 35 (auch €. 219, n. 38), 232 u. 238.
ber Synoden vergl. SGieſebrecht's Aufſahe Die Gefeggebung ber römifchen
204 1073.
der's II. gefhloffen Hatten, nod ehe zur Deftaltung geſchritten
wurde, nad) Veranftaltung einer Berathung über die Vejegung des
erledigten päpſtlichen Stuhles die Beſtimmung getroffen worden,
daß erft nad) einem breitägigen Faften, ſowie nah Anftellung von
Gebetögotteödienften zur Neumahl geſchritten werben jolle®‘). Da-
bei ſcheint ausdrückliche Zeſteggug darüber zur Aeußerung ge⸗
kommen zu ſein, daß das römiſche Volk, ganz gegen ſeine Deie,
fi bei diefem Todesfalle eines Papftes ruhig verhalten hatte und
feinen Verſuch machte, ſelbſt einzugreifen, jondern der Hand bes
Archidiakons die Leitung der Angelegenheit anvertraute; wenigſtens
bat diefer felbft noch wenige Tage naher das als fein anfängliches
Urtpeil ausgeſprochen?i). Aber ſchon am 22. April, während man
in der Lateran⸗Kirche mit der Beifegungsfeier für Alerander IL
beidäftigt war, wurden in ftürmifcer Weife alle Anorbnungen
durd) das unmittelbare Eingreifen des Volkes umgeworfen. Ein
plöglides Zufammenlaufen von Geiftlihen und Laien, unter den
legteren auch von Frauen, geſchah, und unter lautem Getöfe ftürzte
die Menge auf Hildebrand herein und ließ, wie von Wahnfinn er-
faßt, ihm feine Zeit, zum Worte zu fommen oder Rath und Raum
zu gewinnen. Umfonft fuchte er, da rings um ihn ber Ruf erhoben
wurde: „Hildebrand fei unfer Biſchof! —“, raſch das Lejepult zu
erveihen und von demſelben aus das Volk zu beichwichtigen.
Cardinal Hugo der Weiße beftieg dafjelbe, ehe Hildebrand dahin zu
fommen vermochte, und gab in einer furzen Anrede den Gebanfen,
Kicche (Münchener Hiftorifches Jahrbuch für 1866), 122 u. 123: nad} den Papft ·
—* — hielt der Papft römifge Sonoden 1062 (Becember), 1063 (April), 1
(Bai), 1068 (Ende März), 1070 (Mai), 1072 (um den Februar), 1073 (faften«
zeit) in beftimmt nacweisbarer Weile. Die im Texte herausgehobenen Stellen
find rinefeits I, c. 15 (oeral. über ben, Sufammenhang
3b. I, ©. 440, n. 87), dak Ariald zu Öldeprandus . . qui residens in palatio
militiam Romanam quasi imperator regebat, fi) begab, und Benzo, Ad
Heinricum IV. imperatorem, Lib. VII, c. 2: Verum quos Prandellus planta-
vit, foenum fuerunt: quantum voluit, vixerunt, quando voluit vitam
universae carnis tenuerunt. Denique cum sibi placuit Lucanum quem
vocavit Alexandrum abire, precepit archigenem venire, ut incisa vena pro
minuendo sanguine fieret divortium corporis et animae. Et factum est —,
anderntheilö Bernoldi Chron., a. 1061, wo meitihätige Einrichtungen, bie
Alegander II. traf, aufgezählt werben und dieſe Mittheilung mit ben Worten
abſchlieht: Huius autem constitutionis (gemeint ift vorzüglich dad Verbot der
Prieſterehe) maxime fuit auetor Hildebrandus, tune Romanae aeclesiae archi-
diaconus, hereticis maxime infestus (SS. VII, 83, XI, 672, V, 428).
30) Gregor VII. meldete an Abt Defiderius von Monte Gaffino, an Für
Gifulf von Salerno und an Erzbiſchof Wibert, in Registr. I, 1*, 2, 3
G. 4772—4774): accepto concilio hoc statuimus, ut post triduanum jejunium,
post letanias et multorum orationem elemosinis conditam, divino fulti
auzilo statuereius, quod melius de eloctione Romani pontiäcis Viderotar
(1. e. 10, 12).
81) L. c.: in morte eius (se. Alexandri) — Brief 3 fügt hier mod) ein:
primo — quidem Romanus populus contra morem ita quievit et in manu
nostra consilii frena dimisit, ut evidenter appareret, ex Dei misericordia
hoc provenisse.
Starmiſche Exhebung Hildebrand's durch das Volt als Papft Gregor VIL. 205
welche das Volk erfüllten, völligen Ausdrud: „Männer, Brüder!” —
fo fprah er — „Schon längf wißt Ihr, daß jeit den Tagen unferes
‚Herrn, des Papſftes Leo IX., diejer Hildebrand es iſt, der_bie
heilige römifche Kirche erhöht und diefe Stabt befreit hat. Deß-
wegen, weil wir für den römifchen Pontificat weder einen Bellern,
noch überhaupt einen folden, der gewählt werden mag, haben
fönnen, fo wählen wir diefen, ben in unferer Kirche ordinirten,
Euch und uns befannten und in allen Dingen erprobten Mann“.
Auf diefe Anſprache hin ſtimmten die Cardinäle, Bifchöfe, Priefter
und Diafone, fowie die Geiftlihen der weiter folgenden Stufe, bei,
mit dem Rufe: „Der heilige Petrus hat den Papft Gregor ge:
wählt!“ —, und ſogleich riß die Menge Hildebrand aus dem Lateran
hinweg und führte ihn nad der Kirche St. Petrus ad Vincula.
Hier wurde die regelredhte Inthroniſation des Gewählten, wenn
auch „allerdings wieder faum in ordnungsmäßiger Weiſe, voll-
sogen ®®).
In folcher Weife war die neue Bejegung des apoftoliihen
32) Gregor felbft ertheilt, 1. c., bie unzweibeutige Auslunft: Sed subito,
cum praedictus dominus noster papa in ecelesia Salvatoris sepulturae tra-
deretur, ortus est magnus tumultus populi et fremitus, et in me quasi
vesani insurrezerunt, won in Brief 3: mil dicendi, nil consulendi facultatis
aut spatii relinquentes. Violentie manibus me in locum apostoliei regiminis,
eui longe impar sum, rapuerunt .. onus quod mibi invito et valde reluctanti
impositum est (l. c., 10u. 11, 12 u. 18). Dazu flimmt Bonitho, der allerbinge,
ib vin etwas ausführlicher iſt: cum circa sepulturam venerabilis Hilde-
brandus esset occupatus, factus est derepente concursus clericorum, virorum
ae mulierum, clamantium: Hildebrandus episcopus. Quo audito, venerabilis
archidiaconus expavit, et velociter volens populum placare eucurrit ad
pulpitum. Set eum Hugo Candidus prevenit et populum sic allocutus est:
folgt die Anſprache). Cunque cardinales episcopl sacerdotesque et levitae
et sequentis ordinis eleriei (vergl. ſchon in Lib. VI: venerabili Hildebrando
per meliores cardinales electo, 1. c., 655 — da3 Zumultuarifche des Vor.
grati in basilica beati Petri ad Vincula nos sanctae Romanae catholicae
et apostolicae ecclesine cardinales, eleriei acoliti, subdiaconi, diaconi,
presbyteri, praesentibus venerabilibus episcopis et abbatibus, clerieis et
monschis consentientibus, plurimis turbis utriusque sexus diversique ordinis
acelamantibus, eligimus . . . Heldibrandum archidiaconum (ete.) (l. c.,
9 u. 10), mit Martens, I. c., 169 u. 172, unb 6. Mirbt, Die Wahl Gregor’s VII.
(BRarxburger Univ.PBrogr., 1892), bie neuefte und auf dem umfafjenbften Material
beruhende einbringlichfte Areas: 18—21, ala nicht glaubwürdig abzu=
lehnen, während Zöpffel, Die Papfiwahlen, 105 u. ‚gerade auf dieſes
„Wahlprotofoll” bejonderes Gewicht legte und auch Giejebredht, III, 239 (vergl.
1188, ın den „Anmerkungen”), dasſelhe, obſchon e3 „ben Vorgang nicht getreu
darfellt“ — „Die Wahl trägt einen Schein Außerer Orbnungsmäßigfeit, die ihr
im Wahrheit fehlte” —, noch mit berüdfichtigte; Knöpfler, Die Wahl Gregor’ VII.
(HiRorifeh-politifche Blätter für das katholifce Deutfdland, XCIL, 1884), nimmt,
53 ff., wie Lambert’3 Mittheilungen, auch den Commentarius ala glaubhaft
206 1073.
Stuhles in einer Geftalt volführt worden, welde ganz und gar
nicht der 1059 für die Papftwahl aufgeftellten Ordnung entſprach,
welche aber aud) die für den vorliegenden Fall eben erft getroffenen
Anftalten umgeltürzt und allen Anweſenden, am meilten bem Er-
wählten ſelbſt, zur vollftändigen Ueberraſchung gereicht hatte. Denn
es liegt durchaus fein Grund vor, irgendwie Zweifel darein zu
fegen, daß Gregor VII. die Wahrheit ſprach, als er gleich nach ber
Erhebung als Papft in Briefen ſich ausſprach: „Unferes Herrn Papftes
Alerander Tod ift über mich gefallen und hat alle meine Eingeweide
an, ift auch der Anficht, bad Wahlderret von 1059 fei nicht eh worden:
Martens, Heinrich IV. und Gregor VII, 14, wendet fi) mit Recht dagegen,
daß Rante, Weltgeſchichte, VIL, 253, den Commentarius neben Gregor's eigener
Darftellung heranzog. Daß ber von Beno, 1. c , zwei Male, Lib. I, c.2: Sed cardi-
nales non subscripserunt in electione eius: sub anathemate enim canones
preeipiunt, neminem eligi in sedem Romani pontificis ante diem tereium
st sepulturam ipsius predecessoris (hierzu vergl. Mirbt, 23 u. 24), Lib.
e. 12: (nad ben ärghen Lügen über Mißhandiung Alexander's II. durch
Hildebrand) Hildebrandus a suis militibus sine assensu cleri et populi est
intronizatus .... In cuius electione nullus cardinalium subscripsit (l. c.,
370, 380) erwähnte Umftand bei dieſem von der entgegengefegten papaliftifchen Seite
dargebotenen fogenamuten Wahlprotofoll zutrifft, ift rein zufällig. Durch von
Plugt-Harttung, Archivalifcpe Zeitiihrift, VI, 78 u. 74, wurde der Commen-
tarius ale „ein Ipäter zum Swede der Publicirung in ungefähr officieler Form
abgefahtes“ Stüd erklärt. Bemerfenawerth if, was Bilhof Wido von Ferrara,
De scismate Hildebrandi, Lib. I, mittheilt, in c. 1: ut a viris religiosissimis
et ia ferente recognovi, beatae memoriae Alexandro defuneto non-
dum humato, elero et populo, omni senatu pariter, collecto, uno omnium
voto, pari consensu, summo desiderio violenter attractus et in mille „Bartes
discerptus a clero eligitur, a populo expetitur, episcoporum et sacerdotum
omnium suffragio confirmatur (Libelli de lite, I, 534). Sonderbar entftellt
eriheint bie Gelchichte der Grhebung Gregor's VII. in der Compil. Sanblas.:
Hiltebrandus Romanae aecclesise archidiaconus, vir prudens, sobrius et castus,
communi omnium consilio expetitur papa constituendus. Quo audito sese
inparem tanto honori immo oneri reputans, indueias respondendi vix in-
loravit; et sie fuga elapsus aliquod dies ad Vincula sancti Petri oceultatus
latuit. Tandem vix inventus et ad apostolicam sedem vi perductus, papa
158. ordinatur et Gregorius VII. appellatur (SS. V, 276); das flingt an die
Vita Anselmi ep. Lucensis, c. 3, an: dum sanctissimus Gregorius VII. in
Romanum pontificem Spiritus saneti tione ac_voto communi_ cleri-
corum et laicorum, diu renitens, esset electus (38. XII, 14). Benzo dagegen
hat natürlich, gleich im Anſchlufſe an die ſchon in n. 29 mitgetheilte Stelle,
Hildebrand befonders durch die Betonung, daß allein Geld die Triebfeder ger
weſen fei, auf das ärgfte verunglimpft: Continuo curritur per plateas; peccu-
nia lazat largiendi habenas. Cuiuscumque non solum crumena, sed etiam
saccus, numis bizanciis subfareinatur pro eo, quod Folleprandus capiatur,
rapiatur, et quasi invitus ad sedem trahatur. Conficitur negotium: qui
dieitur egio (vergl. Marc., V, 9) sublimatur; demonium coronatur: eueulatus
ad Capitolium pergit infulatus (ete.). Gegen Martens, ber, 164, die ordnungde
mäßige Form over Inthroniſation betont, macht Mirbt, 28 n. 1, beredhtigte
Einwendungen. Spätere entftelende Auffafjungen find bei ihrem nachweis baren
Hervortreten in die Deffentlichfeit, fo die ber Streitſchriften, dann 1076 bie:
jenige des Wormfer Abiagebriefes, 1030 die bed Brixener Übiagedecreteß, zu er:
mwähnen. Vergl. auch noch die Jenenſer Differtation von G. Ruppel, Die Wahl
Bapft Gregor’s VII. (Chemniß, 1876), eine von Martens, 1. c., nicht heran«
gegogene, aber immerhin nennenswerthe Arbeit.
Gregox's VII. eigene Ginräumung ber ungeordneten Wahlvorgänge. 207
erſchũutternd mich gänutig verwirrt” 2), Augenſcheinlich war. auch
Hildebrand ſelbſt dur das Ereigniß des Todes, deſſen Eintreten
er noch nicht erwartet haben muß, plöglich getroffen worden; noch
war, als ſich die Nothwendigfeit einer Neuwahl herausftellte, für
dieſelbe nicht3 vorbereitet worden. Daß der Gedanke, felbit den
apojtolifcden Stuhl einzunehmen, einem Manne von der Bedeutung
Hildebrand'3 nicht entfernt lag, verfteht fich von felbit; aber andern-
theil® konnte auch das Verhältniß fich fortjegen, wie es ſchon unter
mehreren Papftregierungen der Fall geweſen war, daß er jelbit als
Archidiakon thatfählich die Dinge leitete, der Inhaber des päpft-
lien Amtes von feinen Winfen abhängig war, und vielleicht mochte
ein folder Zuftand der Dinge Hildebrand bequenier, setaßrlajer
ſcheinen, als eine Veränderung, in Folge beren ihm neben der vollen
Macht auch die ganze Derantmartung zufallen mußte. So ift es
ganz erflärlih, daß Hildebrand die feitgefegte breitägige Frift durch-
aus feftzuhalten und während derſelben das Nothwendige — nad
welcher Richtung nun immer — vorzubereiten gedachte. Alfo mußte
& ihm durchaus unerwünscht fein, daß er plöglich feines freien
Willens beraubt und zur Annahme der ihm in unordentlicher Weife
aufgenöthigten Würde ſchlechthin gedrängt wurde. Es war fidher
die einfahe Wahrheit, daß er an dieſem 22. April gegen feinen
Willen in der Lateran- Kirche überfallen wurde. ALS der geheime
Urheber der ganzen Beranftaltung aber ift ohne Frage fein Anderer,
al3 Cardinal Hugo der Weiße, zu betrachten der ja in feinen an
die Menge gerichteten Worten ganz öffentlich die Führung übernahm.
Ebenjo gewandt, ald unbeftändig und gemifjenlos, hatte er es ver-
ſtanden, Hildebrand, wie ſchon jene Begünftigung während der
Faſtenſynode bewies, für fi zu gewinnen; jeßt gedachte er, duch
dieſes Hervortreten für den Archidiakon diefen aud als Papſt ſich
gewogen zu erhalten, und das gelang ihm fehr wohl, wie befonders
eine Rundgebung Gregor’3 VII. ſchon furz nach ber Wahl darlegte.
Denn in einem Schreiben, das an bie in Frankreich abmejenden
Legaten, Biſchof Gerald von Oftia und den Subdiafon Raimbald,
gerichtet war, gab ſich der Papft alle Mühe, Hugo der Gunft der-
felben zu empfehlen. Gregor VII. bittet, da er „feinen geliebten
Sohn“, den Mitbruder Sup, welcher zugleich die Legaten beſſer,
als irgend jemand ſonſt, über Alexander's II. Tod und über Kr
eigene Wahl unterrichten könne, nad) dem Erforderniß ber Zeit-
umftände nad) Frankreich abguorbnen für nöthig halte, daß bie
beiden Legaten ih Mühe geben möchten, den Cardinal Hugo mit
Abt Hugo von Cluny und der gefammten Bruderſchaft deijelben
wieder zu verföhnen, jo daß aller Haß und Streit verſchwinde:
„Denn aud) hier ift er, nachdem er alle feine Willfür abgeworfen
bat und da er zu unferen Herzen und unferen Rathſchlüſſen zurüd- _
tehrte, in bemfelben Sinne und demjelben Willen und Eifer uns
*) Diefer Saf ſteht in den Briefen 1*, 2 (l. c., 10, 11).
208 1073.
verbunden. Und wir haben erkannt, daß das, was ihm vorher, als
noch unfer Herr der Papit am Leben war, zur Schuld gelegt
worden, mehr aus Anderer, als aus feiner Verſchuldung hervor-
jegangen ift“. Enger al3 je war allem Anjchein nad die Ver-
—8 zwiſchen Gregor VII. und Hugo geknüpft. Der Papſt
muß, mochte ihm auch der Redner in ber Lateran⸗Kirche zuerſt
jegen den Wunſch gejprochen haben, demjelben verziehen und noch
Pöhere Gunst gefchenft haben ®*).
Aber allerdings war die Art der Erhebung — darüber täuſchte
fi Gregor VII. am allerwenigften — in einer ganz ſtürmiſchen,
aller Regel entbehrenden Form zu Stande gefommen. Mit großer
Mißbilligung urtheilte der neue Papſt felbft über die Art und
Weiſe, wie es am 22. April zugegangen war, über bie geräufch-
volle, wild bewegte Stimmung des Volkes, baß daffelbe fid wie
in wahnwigigem Toben aufgelehnt habe, und ficherlich verhehlte er
ſich nicht im entfernteften auch die großen Gefahren, welde in den
daraus zu fhöpfenden Anflagen, gegen ihn und gegen die Leitung
der firhlichen Angelegenheiten in feiner Hand, PR erheben mußten.
Daß dabei keineswegs Alles im Einzelnen mit rechten Dingen zu—
gegangen fein könne, war ihm gewiß ebenjo wenig vervorgen. Vor⸗
jänge, über welche von gegnerifcher Seite leicht aufzugreifende Gerüchte
jerumgeboten wurden, fonnten feiner Aufmerkſamkeit nicht entzogen
geblieben fein. Co ift e8 zu erflären, daß er noch nad) einigen
Monaten in einem an Erzbifchof Lanfrank von Canterbury abge»
ſchickten Briefe, in welchen er auf die Laft der neuen Würde und
die überal_einengenden Schwierigkeiten hinwies, ausdrücklich ver-
fiherte, daß e3 einige ſogar noch feinen nächſten Vertrauten bisher
verborgen gebliebene Umftände gebe, welche er aber dem Weber:
bringer des Schreibens für Lanfrank allein mündlich eröffnet abe*s).
2.) Im Briefe, Registr. I, 6 (J. 4777), an die in legatione Gallie con-
stituti, heißt e8 von Hugo: ad’ certissima indieia aptiorem hoc dilecto filio
et cardinali sanctae Romanae ecelesiae presbytero, qui ambobus (sc.
Alerander’3 II. Tod und Gregor's VII. Wahl) interfuit, in partes illas (sc.
Gallia) mittendum nostrorum neminem judicavimus . .... mera veritate
.... Quia vero hune confratrem nostrum, videlicet Ugonem Candidum, in
partes illas dirigi tempus et rerum competentıa postulasse videbatur (etc.:
€3 folgt das im Texte Mitgetheilte — 1. c., 14 u. 15). Auch 7 (d. 4778), an
bie prineipes in terram Hispaniae proficisci volentes, gebenft Hugo’s in
fürzeren Worten (l. c., 16 u. 17). Ueber Hugo’? Rolle am 22. April hat
Gfrörer, 1. c., befonders II, 388 ff., wieber, im Anfdluß an das jhon in n. 22
Angebeutete, die abenteuerlichften Dinge ausgejagt: „Schon vor dem Xobe
Alerander’3 fanden zwiſchen dem beutichen Hofe und dem Weiktopf Berabredungen
fatt, kraft welcher legterer dom Nönige Vollmacht empfing, die Wahl auf
Hildebrand zu Ienten" — — IV. wollte durchaus Gregor zum fte,
darum, weil er einen Bruch herbeigeführt wünfchte, um für immer mit Wafjen-
gemalt der Kirchenfreiheit ein Ende zu machen“. Weber biefe geradezu unfinnigen
jehauptungen vergl. Ruppel, 1. e., 50-52, befonder® aber Martens, 1. c.,
162 u. 163, 178.
®6) J. 4801, unter den Epistolae collectae Nr. 1 Jaffé, Biblioth. II,
520 u. 521), weldje wegen bes erft nadjher anzufehenden Zriefes J. 4808
gistr. I, 31) vor denfelben — zwiſchen Jult und November ftelt Fafic das
Mibbilligung d. Vorgangs durch Gregor VII. Urfache der Namengebung. 209
Sogar der päpftlihe Name war augenscheinlich mitten in ber un-
gefüm vorgenommenen Handlung, aus dem Gedränge heraus,
Hildebrand gegeben und von ihm angenommen worden, dadurch daß
die Cardinäle nad den Worten Hugo's in ber Kirche des Lateran
den Gemählten als Gregor ausriefen, in unverfennbarer An-
fnüpfung an die ähnliche Lage der Dinge, als im Jahre 590 in
völtgem Zufammenklingen der Wille gejammten römifchen
Dolls den erften Gregor al3 Papft erforen hatte®*).
Dagegen hatte feitig die ganze raſche Folge von ftündli an
einander fi reihenden Vorgängen fi begeben, ohne dab aud
mur im geringten Umfange eine Berüdfihtigung des Willens König
Seinrich s IV. eintrat, und e3 ließ fich felbftverftändfich erwarten,
daß dieſer Umftand nicht unbeachtet bleiben werde?”). Zwar ent-
Etüd — anzufegen il, beginnt mit: Qualiter nobis apostoliei regiminis honor
&t onus impoeitum sit et quantis undique stringamur angustiis, pracsentium
tübi portitor indicabit.- Cui respectu tuae dilectionis etiam nonnulla nostris
sdhuc familiaribus occulta aperuimus. Qom wahrfcheinlihen Inhalte diefer
geheimnißvollen Andeutungen dedet Mirbt, 41 u. 42.
) Martens wenbet ſich jehr richtig, 1. c., 306-308 (befonbers auch unter
entichiedener Abweiſung weitergehender — Gfrörer's. I. c., VI, 484, u.
1, 388), gem die durch Otto von fpreifing, Chronicon, Lib. VI, c. 32, vor»
gebrachte Anficht über Hildebrand: qui postmodum summus pontifex factus, ob
&ius (se. Gregor’3 VL) amorem, quia: de catalogo pontificum semotus fuerat,
se Gregorium VI. vocari voluit (SS. XX, 244), fowie gegen bie durch Watten:
bad, ichte des römilchen Papftihums, 190, daraus gezogene Folgerung, in
bem von Hildebrand angenommenen Namen Liege eine „Verhöhnung“ des Reiches
und des Andentens Railer Heinrichs III. Vielmehr thut Martens durch einige
Zengriie bar, baf, wie Dre Vorgang vom 22. Mil überhaupt in, bemuhtre
eile an die Erinnerung Gregor's I. antnüpfte auch in biefem vom Bolfe dem
Neugewählten „oetropirten“ Namen biele Beziehung auägefprodhen liegt. Ein
Seweis gegen bie Austegung durch den Ghroniften bes 12. Jahrhunderts Liegt
auch nod darin, daß Gregor VII. in feinem feiner Briefe mit einem Worte
or’3 VI. gebentt, was faum zu umgehen geweien wäre, wenn er eine
Haı ung der Pietät hätte vollziehen wollen. Bon ben beutichen Quellen irren
Annal. Altah. maj., indem fie — Romani constituerunt Hildebrandum .. .
quem consecrantes nominaverunt Gregorium {l. e.) — ben Namen erft bei
ber Weihe ertheilen lafien.
=7) Bergl. don italieniichen Zeugnifen dasjenige Sandulf’3, Historia
Mediolanens., Lib. III, c. 31, wo aud die Gräfin Mathilde hereingezogen
wird: Haec .. pacto secretissimo cum Oldeprando . . qui plurimis Romanis
oesibus Albivi et Rufini (d. h. mit Silber und Gold: einer der Vorwürfe der
Seftecjung) sparsis, quatenus sine consensu imperatoris in pontificatu, Ro-
mano eligeretur et consecraretur, operam dedit: eleeto Oldeprando et idem
consecrato Gregorio —, von bdeutjchen Zambert: Romani protinus inconsulto
successorem elegerunt Hildebrandum — und Ekkeh. Chron. univ.,
a 1074: Qui cum absque regis consensu, solis tantum Romanis faventi-
bus, hunc apicem conscendisset, sunt qui illum non canonice constitutum,
sed tyrannice papatum sibimet asseverent usurpasse —, dann Hugonis
Floriac. Modern. reg. Francorum actus, c. 11: A. 1074 . . Hildebrandus
— suecessit: consecratus est autem sine consensu et licencia imperatoris,
quod imperator moleste tulit —, aud Wilhelm: Malmesbi s. De rebus
is regum Anglorum. Lib. III, c. 266: (vorher in c. 263 über Hilde
77. , ded homuncio exilis staturae, despicabilis parentelae, große Stelung
khon unter dem Vorgänger: Cuncta ei submittebatur secularis potentia, tum
Rever von Anonau, Jahtb. d. diſc. R. unter Geinric IV. u. V. vd. in. 14
210 1073.
ſchloß fi Gregor VII. am 23. April, dem Tage nad) der Wahl
und Inthroniſation, von der gefhehenen Thatjahe an den König
eine Anzeige zu machen. Allein das geſchah durchaus nicht etwa,
um die Beftätigung von dem deutſchen Hof nachträglich einzuholen
— denn derfelßen laubte er ja nach der Auffafjung in Rom und
danach, wie er ers jegt ſchon ſogleich nach der endgültigen Ueber⸗
nahme Handlungen hödjfter geiftlicher Gerichtäbarteit zu vollziehen
ern , gar nicht zu bedürfen —, fondern nur um einen Ausbrud
gel Brenber Höflichkeit nicht zu verfäumen; zum Behufe einer
nachherigen Anfnüpfung unmittelbaren Verkehrs, durch Abfendung
einer Botſchaft, mußte doch immerhin ein derartiger erfter Schritt
nothwendig erſcheinen. Aber der Papft wartete eben die Antwort
de3 Königs gar nit ab, fondern begann alsbald feine Macht:
volltommenheit zu üben. Indeſſen fcheint diefe Abjendung des
Schreibens an Heinrich IV., mit der Anzeige des Todes Alerander’s IL.,
der Mittheilung der eigenen Wahl, wenigftens bie erſte der ſchrift⸗
lichen Kundgebungen Gregor’3 VII. gewejen zu fein ?®).
pro sanctitatis tum pro ministerii ipsius reverentia) successit Hildebrandus
ziagaHenricus imperator Alamannorum fromens, Quod sine sus congeientia
Far talia praesumeret (88. VIII, 98, V, 194, VI, 201, IX, 391, X, 475,
. 474)
®e) Bonitho erzählt, Lib. VII, von Gregor VII: uente die (b. 5.
23. April), secum mente pertractans, ad quantum periculum devenisset.
<epit estuare et mestus esse. Tamen collectis fidei et spei viribus, quid
potiseimum faceret, non alind invenit: quam ut regi suam notificaret
electionem, et per eum, si posset, sibi papale impositum onus devitaret.
Nam missis ad eum continuo literis et mortem papae notificavit et suam
ei electionem denunciayit, interminatusque: si eius eleetioni assensum
prebuisset, nunquam eius nequiciam pacienter portaturum. Set longe
aliter evenit, quam speravit. Nam rex ilico misit Qregorium Vercellensem
episcopum, Italiei regni cancellarium, qui eius electionem firmaret et eius
interesset consecrationi (l. c., 656 u. 657). Giefebrecht, III, „Anmerkungen“,
1129, und Martens, 1. c., 164—167, 175—177, ebenio Mixbt, 32, fiimmen
darin überein, daß Bonitho in fo weit Recht zu geben it, ald Gregor VII.
dem Könige eine Dngei ie widmete, obſchon freilich dieſes Notificationsichreiben
im Regiftrum fehlt, a6 dagegen die beigegebene Motivirung als „Mabel“ völi
arg werben muß; es war, wie Damberger, Spmäzonitife &eihichte, IV,
797, ausbrüdt, zeige durch den Papft hand t (Hefele, Gonciliengeichichte,
V. 4—10,_polemiftet freilich, unter ebechn ung feines Auflages in der Theo
logiſchen Duartaljchrift, 1861, 411 ff., gegen Damberger, bak nämlich ber Papft
die omigfiche Denätigung wirflich nacjgefucht habe). Dagegen if bie Interpretation,
welche Martene, 166 u. 167, den fchon in ®b. I, ©. Il, n. 18, erwähnten
Worten von Registr. I, 19, geben will: quod ipsum in m elegimus, als
eine Hindeutung auf diefe Notification: „weil id Heinrich IV. ala König an-
erfannte* (nämlich durch Gewährung bes honor debitus, in Geftalt der An:
zeige ber Wahl), nicht anzunehmen, ba ja deutlich das gene in bem Briefe
Registr. I, 19 (l. c., 33) eingeichobene Gaßgefüge: von cui debitores existimus
ex eo, quod ipsum in regem eligimus bi® zu Henricus imperator .. .
filium suum commendavit — fid) auf Heinrich’3 II. Zeit zurücbegieht. Lambert's
Conſtruction diefer Dinge iſt dagegen, nach der Erörterung in Trcurs I, ganz
abzulehnen (Ruppel, 1. c., verrüdte ſich das Concept, indem er, 14 ff., 67 f.,
Rambert’3 Erzählung zu Bonitho heranzog). Im Neuen Archiv für ältere beutiche
Anzeige d. Wahl an Hein. IV. Schreiben. Abt Defiberiusu. d. Fürſten Gifulf. 211
Eine Reihe von Schreiben, die der Erwählte vom 24. April
an, beſonders in ben legten Tagen bes Monates, ausgehen ließ ®®),
enthält die Mittheilungen und Befehle des inthronifirten Papftes.
Zwar ſchrieb er bie eriten noch von dem Lager aus, auf welches
ihn die Aufregung der legten Tage, mit ihren zahlreihen und
großen Sorgen, geworfen hatte‘). Allein die Willenskraft des in
den Schreiben redenden Gebieters ift durch dieſe förperliche Ab-
ſpannung nit geſchwächt. Zuerft erhielten Abt Deliberius von
Monte Caffino‘') und der Langobarde Fürft Gifulf von Salerno
diefe Anzeigen vom Tode Alexander's II. und den am folgenden
Tage eingetretenen Ereigniffen. Deſiderius wurde ‘gebeten, feine
Hiößerlichen Brüder und Söhne zur Fürbitte für den in Gefahr
ſchwebenden Papft zu veranlaffen, dann aber ſelbſt zur Ertheilung
feines Mugen und zuverläffigen Rathes nad Nom zu kommen;
außerdem jollte er an bie Kaiferin Mutter Agnes und an Bifchof
Rainald von Como, welde beide zur Zeit in Monte Caffino fi
aufgielten, Grüße und die Aufforderung beftellen, daß fie jegt ihre
Liebe zum Papfte durch Thaten beweifen möchten. Ebenfo murbe
Sifulf erfuht, ben Abt Leo von Klofter La Cava zur Abhaltun,
von Gebeten aufzufordern und dann gleichfalls bei Gregor VII.
fich einzufinden *). Es liegt jehr nahe, anzunehmen, daß die eben
1° — darin die Bitte: ut fratres et filios, quos in Christo nutris, ad
exorandum Deum pro me provoces (ete.) — tann ald Gtübe für die Zhefe
herangezogen werben, welche Martens mit ber ala Manufcript gedrudten „Bes
leuchtung”: War Gregor VIL Mönd? San ig 1891) verfight, daß Hildebrand
aur Rector und Delonom bes Klofters St. Paul geweſen jei und ala folder
allerdings in äußerlicher Gonformität das ‚Orbensgewand getragen, nie aber als
Mönch das Klöfterliche Gelübde abgelegt habe. jie neben dem Stillſchweigen
des Petrus Damiani über Hildebrand’3 Mönchtgum dasjenige des Abtes Defi-
derius mit Recht ala Hauptargument gegen den Umftand felbft angeführt wird,
Le, 29-31, fo ift nicht zu überfehen, daß Gregor VIL. in diefem feinem erften
eben an Defiderius geichriebenen Briefe, wo er ſich der Fürbitte im Mutterflofter
dei Ordens empfiefl ‚ bon einer eigenen Zugehörigfeit zum tlöfterlichen Beben
fein ort ſpricht. Unter den Autoren, meice die Papftwahl erwähnen, nennt,
von Benzo unb Beno abgejehen, einzig Ekkeh. Chron. univ. Hildebrand neben
archidisconus aud) professione monachus (l. c.).
+2) Der Aufforderung, Gebete zu veranftalten, nad Rom zu kommen,
in 1* und 2 bie Stellen von n. 31, 30 und 32 voraus. Vergl. wegen
14*
212 1073.
zur Zeit der Wahl Gregor’s VII. in Rom verbreitete faljche
Nachricht vom Tode Herzog Robert’3, des normannifchen Herrichers
in Unteritalien, in Gregor VII. Berechnungen hervorgerufen hatte,
welche ihn veranlaßten, wie mit dem Abte von Monte Caffino, fo
mit dem Fürften von Salerno Verabredungen zu treffen‘?). Wieder
zwei Tage fpäter wurde Erzbiſchof Wibert von Ravenna durch
eine Zuſchrift beehrt, worin Gregor VII. abermals, noch etwas
ausführlicher, die Ereigniffe der legten Tage erzählte und darauf
den Empfänger an gewiſſe gegenüber der römifchen Kirche im All
jemeinen und dem Verfaſſer des Briefes im Bejonderen abgelegte
erheißungen erinnerte; auch hier empfahl ſich der Papft dem Gebete
der Angehörigen ber Kirche von Ravenna, wünfchte aber auch noch
außerdem, daß Wibert die gemeinfamen auf Eintracht und liebe
erfüllte Verbindung der Ricden von Kom und Ravenna beruhen
den Ermägungen der Vereinigung feithalte und dieſelben burd
fleißigen Verkehr von Botſchaften Seträftige Am 28. April
folgten Schreiben an die Wittwe Herzog Gottfried's, Beatrix, an
Abt Hugo von Cluny, an Erzbifhof Manafjes von Reims, an ben
dänischen König Svend, an Leonhard, den Abt von St. Victor zu
Marjeille*), und am 29. ging an Bifchof Reinerius von Florenz
eine auf eine Ehefrage bezügliche Weifung ab, die erfte Anordnung
auf dem Boden geiltlicher Gerichtsbarkeit, die von Gregor VII.
ic anni spatium commorans, multa majora de his quae super hoc
0co auditu perceperat .... . se videre gaudebat et asserebat (ete.: nad):
ber eine Aufzählung ihrer Gefchente) (SS. VII, 722). Unrichtig zog M. von
Salis-Narihlins, Agnes von Voitou, Kaiferin von Deutſchland, 68, diefe An-
welenheit ber Kaiferin zu 1071, wobei überjehen wurde, daß Agnes erft nad
ihrem Beluhe in Deuticland, 1072 (vergl. ob. ©. 160 ff), nach Monte
Gaffino ſich begab; fie muß dann ſogleich von ba zur Fafteniynobe 1073 nad,
Am we, ©. 198) und hernach al8bald neuerdings nach dem Kofler ſich ber
‚geben n.
+5) Vergl. nachher bei n. 152 im Arlammengang der normannifchen Anı
gelsgenpeiten die Stelle, in welde dieſe Krankheit und bie vermeintliche Tobed«
otichaft Hineingehört. N hre Wirkung auf Gregor VIL. und die Greignifie in
Rom gleich nah deffen Wahl hob_Hirih im der Geichichte des Defiberius,
Jorksungen zur beutfehen Geidhichte, VII, 60 u. 61, heraus. Wmatus, L'Ystoire
je li Normant, Lib. VIL, hebt in c. 7 die Gleichzeitigleit der Ereignifie be
fimmt hervor: la false fame, laquelle estoit al&e jusque & Rome de la
mort de lo duc, retorna voire et annuncia la mort de lo pape Alixandre,
Soment estoit fait pape Heldeprande archedyacone (ed. Champollion-
igeac, )
+) Vergl. in n. 32 bie Beifügungen von 3 zu gewiffen Stellen von 1*
und 2, in.n. 24 die darin enthaltenen Erinnerungen an Wibert's für Hilde
brand gegebene Verſprechen; die weiteren Ermahnungen gipfeln in dem Wunſche:
ut in nostris etiam animis semper conjuncta pax et plena dilectio connec-
tatur, fowie: ut frequenter inter nos Tepati discurrentibus, collaetari et
mutua consolatione gaudere possimus ( 19). Aus Defiberius voraud-
zuſetzender Anweſenheit in Rom führt Beno, I, e. 12, die Anetdote an:
Ad quem cum veniret abbas Cassinensis, Hiltebrandus: Frater,
nimium tardasti. Respondit abbas: Et tu, Hiltebrande, nimium festinasti,
qui nondum sepulto domino tuo papa, sedem apostolicam contra canones
usurpasti (l. c., 380).
4) Registr. I, 4 (J. 4775) (l. c.).
Bechchiedene Schreiben. Das Unternehmen d. Grafen Ebulo n. Spanien. 218
audgeiprocden wurde, mit der beftimmten Anbeutung, daß der
Biſchof diefe den Anfang der befehlenden Gewalt des Papſtes be—
zeichnende Verfügung zur Durchführung bringen möge *°).
Geradezu kühn erhoben fih die Machtpläne des Papſtes ſchon
in zwei am 30. April erlafjienen Schreiben, einem Briefe an die
beiden in geankeig mweilenden Legaten, Gerald und Raimbald,
welcher die Vorſchrifien und Mitteilungen hinſichtlich des Cardinals
Hugo enthält, und dem zweiten an die franzöfifchen Fürften, welche
im Begriffe waren, nad Spanien zu ziehen und da eine ähnliche
Unternehmung zur Einengung des Jslam und zur Kräftigung des
Shriftenthums zu voliegen, wie eine ſolche erft kürzlich auf Sicilien
in der Hauptſache gelungen war. Allein aud bier ſollte nach dem
in Rom gehegten Plane, wie dort durch die Normannen, ein
Lehensreich de3 päpſtlichen Stuhles geſchaffen werden; nicht weniger
Hatte ja ſchon 1068 die damals angeordnete, allerdings —e—
burch die Schuld des Beauftragten nicht genügend mit Erfolg be»
gleitete Legation Cardinal Hugo's des Weißen dazu dienen follen,
Boden in Spanien für die Unterwerfung unter die oberfte
kirchliche Leitung vorzubereiten. Jetzt war noch, in Alerander’3 IL
legter Zeit, duch den norbfranzöfifchen Grafen Ebulo von Roucy,
einen auch in weiter Entfernung hoch gefhägten tapferen Krieger,
der ſich zugleich mit anderen Herren feines Landes zum Aufbruch
nad Spanien rüftete, mit der römiſchen Curie ein förmlicher Ver:
trag abgeſchloſſen worden. Zu Ehren des heiligen Petrus ſollte
Ebulo in das Land eindringen und Alles, was er mit eigener
Hand und mit fremder Hülfe den Ungläubigen zu entreißen ver-
möchte, laut ber Bedingung bes Vertrages vom apoftolifchen Stuhle
inne haben. So ermahnte denn eben Gregor VII. in feinem
Schreiben dieje fürftlichen Begleiter Ebulo’s, ji zur Ehre Rom's
fo zu zeigen, daß fie von dem heiligen Petrus Schuß in Gefahren
und nachher den verdienten Lohn ihrer Treue gewännen. Dier
jenigen jeboch, welche, gefondert von Ebulo's Sen , mit eigenen
Truppen den Kampf zu beginnen gebächten, jollten Ya von vorne
herein hüten, etwa nad) Erreihung ihres Zwedes die gleiche Feind-
feligfeit, wie bie jegigen gottlofen Inhaber des Xandes, dem
heiligen Petrus zu zeigen; denn falls foldhes eintreten follte, wollte
der ft Lieber nach feiner Machtvollkommenheit ganz verbieten,
daß Kriegszug unternommen werde. Um aber dieſe Rechte ber
römifchen Kirche am beften zu fihern, kündigte zugleich Gregor VIL.
die abermalige Aborbnung Cardinal Hugo’3 auch nah Spanien
an, damit derfelbe Rath und Beihluß an Stelle des Papftes den
Theilnehmern verkünde. Außerdem wurden jebod auch die beiden
&egaten und buch biefe Abt Hugo von Cluny an den noch von
Alerander II. ihnen ertheilten Auftrag für diefe ſpaniſchen An-
gelegenheiten erinnert, befonders hinſichtiich der Verbefjerung ber
“) Registr. I, 5 (J. 4776), mit den nostrae jussionis primitiae (I. c.,
3x 14
214 1073.
bei den dortigen Chriften hervorſtechenden Irrlehren in geiftlichen
Dingen, ebenjo in der Aufiuhung der für den heiligen Petrus
auf Grund des Vertrages mit Ebulo ſich ergebenden Rechts-⸗
anjprüde. Geradezu nämlich geftaltete Gregor VII. die An-
forderung,, da das fpanifche Reich ſchon von Alters her eigenen
Rechtes des heiligen Petrus gemejen fei, und daß es, mochie es
auch lange von den Ungläubigen bejegt fein, doch, da das Geſetz
der Gerechtigkeit nicht entkräftet worden ift, feinem Sterblichen,
fondern einzig dem apoftolifchen Stuhle auf gleiche Weife zuftehe.
„Denn was einmal nad) dem Willen Gottes in das Eigenthum
der Kirchen in gerechter Weife gelangt ift, das wird, fo lange bie
Sache überhaupt beitehen bleibt, durch den Umftand der vorüber
ziehenden Zeit, zwar aus beren Gebraude, nicht aber aus ihrem
Rechte, außer es habe eine gefegmäßige Derülligung Rattgefunben,
losgeriſſen werben fünnen“. Ohne daß Gregor VIL. der auf
ſpaniſchem Boden ſchon beftehenden, immer fräftiger ſich erhebenden
Hriftlihen Reihe auch nur mit einem Buchftaben gedachte, traf er
in folder Weife über weite Gebiete, unter Aufſtellung von Rechts-
behauptungen, einfach jeine Verfügungen *").
Erwünfht Hatte Gregor VII. das Entgegenfommen eines
deutſchen Fürſten erfheinen müffen, welcher durch feine Beziehungen
zu Italien, al® Markgraf von Tuscien und Herzog von Spoleto,
ala der Gemahl der Gräfin Mathilde — mochte er auch zumeift von ihr
getrennt leben und innerlich keineswegs mit ihr und mit feiner
Schwiegermutter, der Herzogin Beatrir, zufammenftimmen —, für bie
Geftaltung der ftaatlihen Verhältniſſe in nächſter Nachbarſchaft
von Rom von Bedeutung war, des Herzogs Gottfried des Jüngeren
von Niederlothringen. Gottfried war, nachdem Mathilde ſchon im
Herbft 1071 aus Lothringen nad Italien zurüdgefehrt war, erft
Ende 1072, nachdem feine Gemahlin feine Aufforderungen, fi mit
ihm zu vereinigen, abgewiejen hatte, gleichfalls nah Jialien &
fommen, wo er alsbald feine Rechte als Markgraf auszuüben
begann *). Der Herzog muß nun gleich nad) Gregor’3 VII. Wahl
#1) Vergl. aus Registr. I, 6, fon die längeren Gtüde bei und in n. 34
dee aber enthält dieſer Brief und der folgende, 7, an die nad) Spanien mit
!bulo aufbrechenden Fürſten (1. c., 16 u. 17), Gregor’ VIL. Programm für die
Beziehungen zu Epanien. Wegen Hugo’s Segation 1068 vergl. Db. I, ©. 604,
fowie vorhin in n. 22. Abt Suger von Et. Denis jagt in ber Lebens -
beichreibung $tönig Subiwig’8 VI, c. 5, von Ebulo: erat tantae magnanimitatis,
ut aliquando cum exereitu magno, quod solos reges deceret, in Hispaniam
proficisceretur (Recueil des historiens des Gaules et de la France, XII, 14),
und Guillermus Apuliensis, Gesta Roberti Wiscardi, Lib. IV, v. 13 fi.:
Ebalus ... . . subeumbere nescius hosti, belligeras acies ad proelin ducere
doctus et facundus erat, linguaque manuque vigebat (SS. IX, 279). Bergl.
auch giget. — 75 ei den Zu
48) Vergl. ül erzog Gottfried den Jüngeren und feine Beziehungen zu
ber — wohl ohne Frage 1069 — mit ihm vermählten Mathilde 3.16. 76,
befonderd n. 79. Das Chron. s. Huberti Andngin., c. 25, eyählt: uxor eius
Mathildis eo relicto Langobardiam redit, saepiusque mmandante marito ut
Medıtpläne betr. Spanien. Beziehungen 3. Herz. Gottfried; Stellungz. König. 215
demfelben feinen Glückwunſch in warmer Weife zum Ausbrud ge-
bradt haben; denn ſchon am 6. Mai dankte der Papft für deſſen
Entbietung in nicht weniger lebhafter Hervorhebung feines Ver⸗
trauens zu dem Ueberjender bes Grußes. Freilich rat es auch bier
nicht an Klagen über die ſchwere übernommene Bürde und die
durch dieſelbe heroorgerufene Beängſtigung; wieder verfichert der
Papſt, daß nur die Gebete der Geiltlihen ihn über die unermeß⸗
lien Sorgen Sinmeggußeben vermögen, und beſonders beſchuldigt
er bie Voriteher ber Kirche lauer, eigennügiger, ja fogar fiir dag
wahre Befte der Kirche feindjelig ſtoͤrendet Gefinnung. Daneben
ift vorzüglich bezeihnend für Gregor’3 VII. Stellung zu König
Heinrich IV. — ein Beweis, daß es ihm jedenfalls nicht vorher
eingefallen ift, ſich bei demfelben um Anerkennung zu bewerben —
der zmeite Theil des Briefes. Der Papſt fagte nämlih darin:
„Ueber den König aber fannft Du unfere Gefinnung und Willens-
meinung völlig erfennen; denn wir glauben, jo viel wir bei dem
willen, niemand werde fein, der und vorgezogen werben
tönnte, daß er für den gegenwärtigen und den künftigen Ruhm des
Königs mehr von Serge erfüllt oder in vollftändigerem Grade von
guten Wünjchen durhbrungen wäre. Denn das ift unſer Wille,
daß wir bei ber erften uns dargebotenen pafjenden Gelegenheit
dur unjere Voten an den König über basjenige, wovon wir
lauben, es beziehe fih auf den Nußen der Kirche und die Ehre
Feiner önigliden Würde, mit väterlicher Liebe und Ermahnung
uns wenden. Wenn er und gehört haben wird, freuen wir uns
ganz fo fehr über fein, wie über unſer eigenes —— und
dieſes ſein Heil wird er dann am gewiſſeſten für ſich gewinnen,
wenn er in Feſthaltung der Gerechtigkeit ſich unſeren Erinnerungen
und Rathſchlägen anbequemt gaben wird. Sollte e8 aber gefchehen,
wos wir nit wünſchen, daß er ung Haß ftatt Liebe, dem all-
mädtigen Gott aber für die ihm übertragene fo hohe Ehre, unter
Vernachlãſſigung ber göttlichen Gerechtigkeit, Verachtung, über alle
Serasgin Beutriz kon 25. Mai 1070 miber in las, Geeiht Hit, 578
dat, Mathilde 29. Auguft 1071 noch nicht mit ihrer Mutter |—pom wieder vereinigt
Januar 1073 Zeatrir una cum Gottefredo duce et
tio domni regie zu Gericht gefeflen (55-58), wor
neben Mathilde am 7. Februar für fid) allein extra muros Lucensis eivitatis
ze Urkunde gab (58-60): vergl. im Weiteren Diedmann, 1. c. 16 u. 17,
w 48.
216 1073.
Billigkeit ſich hinwegſetzend, wiedergeben würde, fo wird bie
Androhung: „Verflucht der Menſch, welder fein Schwert vom
Blute fernhält” — mit Gottes Vorjehung über uns nicht kommen.
Und es fteht uns nicht frei, um perfönlicher Gunft für irgend
jemand willen Gottes Gejeg bintanzufegen oder vom Pfade ber
Richtigkeit um menſchlichen Beifalls willen zurückzuweichen, ba ber
Apoftel ſpricht: „Wenn ic den Menſchen gefallen möchte, würde
ich nicht ein Knecht Gottes fein" ).
Am 1. Juni zeigte dagegen Gregor VII. gegenüber Erzbiſchof
Wibert von Ravenna, in einem Schreiben an den Grafen Guido
von Jmola, eine beftimmte Abfiht nad) Ausdehnung des Madıt:
bereiches de3 römischen Kirchengebietes, auf Koften durchaus ge-
fiherter, durch kaiſerliche Gewährungen bezeugter Rechte anderer
Kirhen in Stalien. Obſchon nämlich die Grafihaft Imola ganz
unbeftritten der Kirche von Ravenna zuftand, als eines ber vom
Reihe an die Erzbiſchöfe ee Stüde der Romagna, lieh
nun Gregor VII. einer Botfhaft aus Imola Gehör, welche die
Sade jo darftellte, daß Wibert auf das Gebiet die Hand zu
ſchlagen und die dem heiligen Petrus geleifteten Eide zu befien
Unehre ungültig zu machen ſuche. So beauftragte Gregor VI.
den genannten Grafen, die Bewohner von Imola bis zum Ein-
treffen von Legaten zu fügen, unter Darlegung des beftimmten
Willens, Verſuchen Wibert’3, & en die behaupteten Rechte Rom's,
entgegenzutreten. Augenfchein 1a gedachte der Papft, indem er fid
fo furzweg über den feit längerer Zeit beftehenden Rechtszuſtand
inwegjegte, fein Beabfiähtigtes Vorgehen auf die alten den Erardat
etreffenden Privilegien Rom's, melde zeitlih vor ber ſitz⸗
4) Registr. I, 9 (J. 4780), 1. c., 18-20. Dah bie hier exwähnten
litterae tuae de promotione nostra wohl aus großer Nähe von Rom aus
Zuscien abgejjidt wurden, erhellt aus n. 48 durdjaus, fo doß hier Gfrörers
Bermuthung, 1. c., IL, 392, von ber „fortbeftehenben einft von Gar dem Groken
eingerichteten Kaiferpoft der Tag und Nacht mit unterlegten Pferden reitenden
Reicheboten“ ganz dahinfällt. Die bezeichnenden Stellen des Briefes find: ut
omnes et praeeipue qui in ecelesia praelati sunt, eam potius conturbare
quam fideli devotione defendere va celebrare contendant, et dum mis
aut Iucris aut praesentis gloriae desideriis inhiant, omnibus, quae ad
religionem et justitiam Dei pertinent, se velut hostes opponant, dann bie
im Xerte örtlich mitgetheilte, wo die Bibelftellen ſich Jerem. XLVIII. 10 und
Galat. I, 10 finden. Dagegen lehnt Diedmann, 1. c., 44, mit Recht die Sm
thefe Bannenborg’s, Studien zur Geichichte der Herzogin Mathilde von Ganoffa,
27, ab, daß in dem ganz allgemein gehaltenen lehien Safe des erften Theiles
bes Briefe Beziehungen auf Gottfrieb’3 Ehejache zu fehen fein. Im der Er-
wähnung be? honor Topise pofestatie — innerfals ber im Zepie überfeptn
Worte — will Micht, I. c., 31, eine indirecte Erwähnung ber Sinpolung ber
töniglien Gonfirmation durch Gregor VII. nicht erbliden. Wenn Rante,
Weltgeichichte, VII, 253, von biefem Gchreiben ſagt, es zeige, „dab ber Papft
felöft feine Erhebung ais einen Gieg ber action —E anfah“, „berjelben
Bartei, die noch unter Heinrich III. gebildet worden, und welde die biäherigen
Bapftwahlen burchgefegt Hatte“, jo muß Hier eine Verwechſelung mit dem älteren
Gottfried vorliegen.
Säreiben an Wibert — Forderung Imola's —, über b. lombardiſchen Dinge. 217
ergreifung durch Ravenna ftanden, zu ftügen®). ebenfalls aber
bewies er dur diefen Schritt, daß er vor einem Bruce mit
— der leicht auf dieſem Wege eintreten konnte, nicht zurüd-
rad.
In den legten Tagen de3 Juni wandte Gregor VII. in zwei
Briefen, vom 24., an die Herzogin Beatrix und deren Tochter
Mathilde, und vom 29., an Bifhof Wilhelm von Pavia, no im
Befonderen ben Angelegenheiten in ber Lombarbei jein Augenmerk
zu. Den „geliebteften Töchtern des heiligen Petrus“ ruft er die durch
die lombardiſchen Biſchöfe begangene Beihügung der Simonie in
Erinnerung: — dieje Biſchöfe hätten dadurch, daß fie die allerdings
nad Anfiht des Papftes ganz ungültige und von ber Kirche ver-
fluchte Weihe des aus der Kirche ausgeſchloſſenen Simoniften Gottfrieb
vollzogen, eine neue verwerflihe Handlung fi zu Schulden fommen
laſſen; dadurch feien fie aus der bisherigen geheimen in die offene
Bejehdung ber Religion und der römifhen Kirche, als Vorläufer
de3 Satan, in deutlicher Weife hinübergetreten. So werben die
beiden fürftlihen Frauen auf das beftimmtefte ermahnt, fih von
jeglicher Berührung mit diejen Bischöfen ferne u halten, durch
feine weltliche Rüdficht fi hierzu beitimmen zu laffen. Über ven
Biſchof von Pavia war in Rom eine erfte Nahriht — ohne
Zweifel von den mailändifchen Patarinern — eingelaufen, welche
Bejorgniffe binfichtlih der Haltung defjelben erwedte; aber ein
Brief mit beftimmten Verfprehungen hatte diefe Befürchtungen
zerftreut, und bie Hoffnung wird jegt ausgeſprochen, daß die Thaten
den Zuficherungen entjprechen werben. Kaınen „die mailändifchen
Katholiken“ über den Bifhof ein Zeugniß in Rom einlegen, daß
berjelbe Hug dem gebannten Gottfried und den um Gottfried’3
willen gleichfalls dem Banne verfallenen Biſchöfen entgegenftehe und
den Streitern Chrifti treue Hülfe leifte, jo wird ihn nichts beſſer
dem Papſte empfehlen und ihn deſſen unablögliche Sorge verſchaffen
tönnen. Denn allerdings gem es fih für Bischof Wilhelm, daß
er vor den übrigen lombardifhen Bifhöfen auf diefem ‘Felde
tämpfe und fi} bethätige. — Aber in dem Briefe an Beatrir und
Mathilde ift auch nochmals von den Beziehungen zu Heinrich IV.
geiprochen. Gregor VII will fromme Männer zu demjelben
enden, um ihn duch deren Ermahnungen und durch Gottes An-
%) Registr. I, 10 (J. 4781) beiuldigt Wibert, contra honorem sancti
Petri, cui fidelitatein (ec. Imolenses) juravere, gehanbelt zu haben; Gregor VII.
babe kaum glauben fönnen: tam prudentem virum ita aut naturae aut
dignitatis suae loci oblitum esse, ut, qui apostolorum principi fidelitatem
ipee jurejurando promisit (vergl. ob. ©. 201), neglecto periculo suo, alios,
qui idem fecerunt, ad perjurium nitator per exquisita ab eis sacramenta
pertrahere (1. c., 20 u. 21). Allein Heinrich IV. hatte 1063 ber Kirche von
Ravenna ausbrädlich ben Befig von Jmola nebft anderen Befigungen beftätigt
Bd. in — ee ie a du De Feten Cr:
iörhums zu zählen fchenn! . Bider, Forfhungen zur
ich: und Rechtögeichichte Stalienz, IT, 315, 467, Kühne, 1L.3u2%9).
FE
218 1073.
trieb zur Liebe für die römische Kirche zurüczurufen und zum
Empfang der faiferlihen Krone geeignet zu machen. Dod im
Falle einer vergeblichen Demübung ift der Papft abermals auch zu
der ftärfften Gegenwehr entſchloſſen: „Und gewiß ift e3 ficherer für
ung, in Verteidigung der Wahrheit zum eigenen Heile des Königs
fogar bis auf unjer Blut bemfelben zu wiberftehen, als zugleich
mit ihm, was nicht gefhehen möge, durch Einwilligung in eine Un-
bilfigfeit, zum Behufe der Erfüllung feines Willens, in den Unter-
gang hineinzuftürzen” 5°).
Inzwiſchen nämlich war allerdings auch von Seite des Königs,
nad der Anzeige von ber Wahl, welche Gregor VII. nad dem
— hatte abgehen laſſen, ein Schritt zu Gunſten des Papſtes
geſchehen.
Zwar hatten, wie ein ſehr bemerkenswerther Brief lehrt, den
ein beutfcher Abt an Gregor VII. abgehen ließ, ſich Stimmen um
Heinrih IV. bemerkbar gemadt, weldye im Gegentheil ein Auf»
treten des Königs gegen den neugewählten Papſt herbeizuführen
fi beftrebten. Walo, her Abt des St. Arnulfklofters zu Meg,
verfaßte, jedenfalls ehr bald nad der Wahl Gregor’s VII, an
den Papft ein Schreiben, in mweldem ſich einige bemerfenswerthe
Andeutungen über die Lage der Dinge im Beginne der päpftlicden
Regierung befinden 5°). Wie nad) dem Tode des Papftes Nikolaus II.,
1) Registr. I, 11 u. 12 (l. c., 21—24), find fon ob. S. 197 in n. 17 wegen
ber Erwähnung der lombardiſchen Biſchöfe und Erzbiſchof Gottfried's herangezogen.
In dem erften Briefe, an die clarissimae: in nostra dilectione corde tenus
vos annexas esse seitote —, fommt Gregor VII. auf den König au ſprechen,
wobei der Gap: ut antea in litteris nostris accepistis doch wohl auf den in
n. 49 erwähnten Brief zurüdgeht, fo daß aljo der Papft die Kenntniß dieſes
Schreibens an Herzog Gottfried Hier vorausjekte; jeit defjen Abſendung muß nad
den Worten: haec est voluntas nostra, ut ad eum (sc. regem) religiosos
viros mittamus die Abfiht, eine Zegation nad) Deutfchland abgehen zu Lafien,
beftimmtere Ausprägung bei Gregor VII. gewonnen haben. Im Uebrigen ift
biefer Abfehnitt de rege in Brief 11 dem früheren Brief 9 im mhalt und den
äußeren Wendungen höchftend ähnlich; bemerkenswerth find bie Worte mit der
Hinbeutung auf die faiferlidde Krönuı ad condignam formam suscipiendi
imperüi instruere et expolire (sc. regem). Die in dem Briefe 12 angedeuteten
erften Nachrichten über Wilhelms Verhalten — Nonnulla nobis de te ante-
hac relata sunt — find jedenfalls von ben nachher genannten Mediolanenses
eatholiei, auf deren Zeugniß da wieder abgeftellt wird, eingelaufen. Weber die
Stellung, welde bie beiden rauen zu dem Stönige einnahmen, fagt Donizo,
Lib. I, v. 1197 f., wo e8 von Alegander MH. beißt: errantem regem studuit
revocare paterne, doch umjonft: Dicta patris sancti despexit perfidus ast
hie; eredere perversis tantum vult atque protervis, vendebatque vagus
super, haec ınala pontificatus — Tristes inde satis Mathildis erantque
Beatrix, hernach für Gregor’s VIL Seit, v. 1224 f.: Rex ultra montes
degebat, pastor in Urbe; legatus velox referebat eis nova crebro. Inter
utrosgue manene Mathildis sognite mater, ut paz in regno toto feret sine
Io, pontificis pacem regem suadebat amare atque pium papam de regis
amore rogabat (88. KL, 976 ano pm PR “
52) Daß der aus Mabillon, Vetera Analecta, I, 247 u. 248, von
Battericp, Pontificum Romanorum vitae, I, 740-742, wieder abgebrudte
Brief eines W. nicht Abt Wilhelm (der Fehler geht auf Mabillon zurüd — Ruppel,
Abt Walo's Zeugnik v. anfänglicher Beabfichtigung e. Gegenwahl. 219
muß vorübergehend der Gedanke bei den Gegnern ber Pataria,
unter den lombardifchen Biſchöfen, aufgetaucht fein, der zu Rom
geiöehenen Beſetzung des apoſtoliſchen Stuhles eine joldhe, die dem
ortheile der deutſchen Regierung entſpräche, entgegenzuftellen, und
wieber ftand der italienijhe Kanzler an der Spige der Partei,
welche ſolches verfuchte, damals Wibert, jegt Gregor, der Bifchof
von Vercelli, welcher 1062 gleichfalls zu Baſel als ein Förderer
der Wahl des Cadalus anf etreten war. Allerdings hatte er
damals nadträgli unftaglie mit Hildebrand feinen Frieden ge-
macht — Gregor VII. wurde fpäter gerabegu deßmwegen auf das
beftigfte angeklagt, daß er den als Verbrecher bargeftellten Gregor
in milder Weiſe Sehanbelt, gerabegu jehätichelt habe —; doch das
hielt jegt, nach Gregor's VII. Erwählung, den Kanzler durchaus
nit ab, beim deutſchen Hofe für entjchiedene Schritte gegen ben
neuen Papft feine Rathſchläge abzugeben. Abt Walo ſchreibt aus⸗
brüdlich: „Jener Teufel von Vercelli macht mit feinen Spießgefellen
heftige Bemühungen, daß Du auf dem Stuhle Petri nicht befeftigt
werden folleft; denn der Elende fürchtet, daß bei Deinem bekannten
Eifer, in welchem Du gegen die Gegner ber Kirche zu erglühen
pflegft, jegt feine Verbrechen, feine entehrenden Handlungen, feine
Schandihaten verurtheilt werben follen“ °®). Freilich müflen auch
in Deutfhland nad) einem einzelnen wenigftens in diefem Punkte
wohl nicht unglaubmwürdigen Berichte Stimmen aus dem Kreife der
Le, 19, und weiter, redet gar von einem „Bifchof“ Wilhelm don Mep), fondern
Aht Walo zuzufchreiben it — ebenfo in Registr. I, 52, 53 (J. 4829, 4830),
wopu afie den da genannten abbas sancti Arnulfi, vir, ut nobis videtur,
iosus et tibi (sc. Bilhor Hermann von Mep) fidelis (1. c., 78) irrig ale
Wilhelm met —, zeigte don Pflugt» Hartung, Reued Archiv für ältere
Beutiche Gelehidhlätunde, YIL, 222, m. 1, unter Hinwer® auf eine Rottı von Baillet,
wie denn Balo f—hon in einer Mrfunde des Bilchofs Adalbero III. von 1063
ala bt erieint (vexgl. Histoire de Metz, Preuves, I, 98). Der ganze Ton
bed Briefe bemeift, dab derfelbe nur kurz nad) Geegor’ö VII. Wahl gefchrieben
tann.
"8) Abt Walo fehreibt von Biſchof Gregor — vergl. über benfelben b. I,
€. 295, 333 —: bie et ille diabolus Vercellensis cum suis complicibus
elaborat, ut tu in sede non debeas confirmari, metuens miser, ne illo zelo
too, in hostes ecelesiae exardescere soles, nunc eius flagitia, eius dedecora,
eins debeant probra damnari (I. c., 741). Weber Gregor findet ſich auch ein
fehr umgünftiges Urtheil in der Vita Benedicti abb. Clusensis, c. 14: Venerat
ad monasterium (sc. San Michele della Chiufa) et Vercellensis episco)
aeque ipse pestis ac symoniacus; bt Benebict läht ihn bavon jagen:
ım illum una cum suo presbitero ab altari retrahunt et ab aecclesia
on abegue injuria eliminant. Quam rabidus tune ille potens minis simul
cam marchisa (sc. Adelheid von Zurin), ad cuius curiam venerat, intonuit!
jeae rerum dampne yel injurias ab illis ob hanc causam non pertulimus?
® XD, 205) Ebenſo verurtheilt Wido von Ferrara, De scismate Hilde-
brandi, Lib. II, Gregor VII. wegen bed Verhaltens zu Gregor: cum quosdam
inerepando mensuram exeesserit, Gregorium Vercellensem, flagitiosissimum
eanium hominum, quos terra sustinet, ita molliter habuit et tenere trac-
farit, ut de celis illum venisse putares (l. c., 557 u. 558).
220 1073.
deutſchen Biſchöfe bei Heinrich IV. gegen Gregor VII. laut ge—
worden fein *).
Anderentheild bietet aber ber Brief aus Me ben klaren
Beweis dafür, mit welcher feurigen Singebung an die Sache ber
römischen Kirche in den Hildebrand befreundeten Kreifen ber
deutſchen Geiftlichfeit die Nachricht von befien Wahl aufgenommen
worden war. Unter Anmendung eines auf König David bezüg-
lihen Pjalmmortes für Gregor VII. preift der Schreiber Gottes
Weisheit und Wohlthat, die in biefer Wahl eines neuen Papftes
au Tage getreten jei. Die bei ver Wahl felbft erfichtlich gewordene
Einftimmigfeit und Eintracht des römischen Volkes wird betont;
dagegen trifft jeden Widerfacher des Papftes, mag er nod fo jehr
al3 Mann von Verdienft und von Wiffen erfheinen, da er ja nur
aus Aufgeblafenheit und im Geifte der Zwietracht fi von ber
Vereinigung aller Glieder in der Kirche abtrenne, die Voraus-
fegung, vab er von der Gemeinschaft der Himmlifchen fi) fondere,
wie denn einzig ein böjes Gemiflen ſolche Abtrennung von
Gregor VII. zur Folge garen könne. Diefer felbft — jagt der
Abt — wird dadurch, daß er den Schlechteften mißfält, im Wohl:
jefalen der Guten nur gehoben. „Sept alfo umgürte Dich mit
einem Schwerte um Deine Lende, Mächtigfter, mit jenem Schwerte,
ſage ih, von dem der Prophet verkündigt, es ſolle vom Blute nicht
ferne gehalten werden, und von bem ber Herr in ſegensreicher
Meife verfpricht, daß es das Fleiſch verzehren werde”. „Siebe,
Di bewundern die Augen und die Blide Aller, wie Du auf die
Höhe und auf die Warte geftellt bift. Großes fehnen fi Die
Einzelnen von Dir zu vernehmen, da fie aus ben vorangegangenen
Dingen folgern, was Du jetzt in dem größeren Amte vollbringen
wirft, der Du meift nit ohne Ruhm gefochten haft, als Du in
dem_ geringeren Range jtanbeft. Aber uͤngeſchickt handle id, da
ih Dich zu ermahnen mir vornehme und mich bemühe, den jchon
im Laufe Befindlichen anzutreiben, während Du in bewunderns-
würdiger Gluth Größeres beginnft, als unſere Schwäche es ver-
muthet, und während Du, indem Du nah der Art des Adlers
durch ale tieferen Bereiche bindurchfliegft, Deine Blide geradezu
in das Feuer der Sonne zu bohren verjuchft“ °°).
Daß aud) Heinrich IV. das Borhandenfein dieſer Gefinnu:
der eifrigen Hingebung an bie Sade Gregor’3 VII. kannte, dad
») Das if das Wahre an dem fonft in Gen I abgelehnten Zufammen-
hang bei Vambert, in den Worten: episcopi liarum .... communil
ones consiliis regem adorti orabant, ut electionem, quae eius injussu facta
fuerat, irritam fore decerneret (194).
35) Walo beginnt mit dem Gape: Licet sapientia Dei universa quae
per ipsum facta snnt, dispositione mirabili et ordine imperturbabili mode-
retur, nunguam taınen commodius consulit rebus humanis, quam cum eligens
Yiram de plebe in populi eum sui caput constituit (Psalm LXXXIX, 20):
in cuius nimirum vita et moribus, quo nitendum sit, plebs inferior valeat
intueri. Die in ben Zezt eingerüdten Stellen folgen am Schluffe.
weh 0m — |
— — —, — —
Hingabe Balo’3 an Gregor VII. Heinrich's IV. Sendung d. Kanzlers Gregor. 221
er ſich vor einem Bruche mit dem neu erwählten Papſt ſcheute, in
Anbetracht der kaum erſt auf deutſchem Boden beſeitigten Schwierig⸗
keiten, daß er auf die früheren Erfahrungen der königlichen Re—
gierung, wie fie in den Folgen der Basler Synode zu Tage ge-
treten waren, mit ungünftigen Grinnerungen den Blick richten
mußte — das waren Umſtände, welche nicht für eine weitergehende
Maßregel ſprechen konnten. Mochte auch Gregor als italieniſcher
Kanzler, wohl nad einer eigens an den Hof durchgeführten Reife,
nunmehr Heinrih IV. empfehlen wollen, abermals einen Schritt
zu thun, wie er früher in jener Aufftelung des Cadalus durch die
lombardiſchen Biſchöfe vollzogen worden war, fo ſchloß ſich doch der
König ſolchen Aufforderungen nit an. Er that nicht? gegen die in
Rom durchgeführte Wahl. Vielmehr beantwortete er nun bie ihm
von Gregor VII. geſchickte Anzeige durch eine dem entſprechende
Handlung, ähnlih wie früher feine Mutter als Regentin zuerit bie
Wahl Stephan’3 IX., hernach biejenige Nikolaus’ II., legtere durch
die Abfendung bes italienifhen Kanzlers Wibert, nachträglich gut=
geheißen hatte5°). Dabei trat fogar der auffallende Umftand,
welder aber bei einem Manne, wie ber Kanzler Gregor war,
weniger überrajchen Tann, in den Vordergrund, daß fein Anderer,
als diefer felbft, fi, als fein Plan beim Könige mißlungen war, .
jegt bereit finden ließ, als Beauftragter Heinrich's IV. nad Rom
zu gehen ®?).
Inzwiſchen war nämlid in Rom zuerft am 22. Mai, am
Fafttag Mittwoch nach Pfingften, Gregor’3 VII. Priefterweihe voll-
zogen worben®). Dann, als auch Biſchof Gregor hatte in Rom
eintreffen fönnen, folgte am 30. Juni, einem Sonntage, bie
Biſchofsweihe des Papftes. Neben dem Vertreter des Königs
wohnten die Kaiferin Agnes und die Herzogin Beatrix der feier-
lihen Handlung bei. enn auch vielleicht nicht gleich jegt, ſo
weilte doch ohne Zweifel um diejelbe Zeit auch Ser Gottieieh
einmal in Nom. Es ergab fi von jelbft, daß der Kanzler jetzt
wieder in die volle Gnade des Papftes eintrat, wie das aus einer
nit lange naher an Erlembald nady Mailand gegebenen Weifun,
hervorgeht, nad) welcher die Pataria mit dem Bifchof von Vercelli
Ah zu verföhnen angehalten wurde, da diejer dem Befehle des
Papfies fi ganz unterwürfig zeige>°).
a), Martens, 1. c., 168 u. 169, macht ſehr richtig auf die Analogie dieſer
in 2b. I, ©. 53 u. 118, behandelten Fälle —
#7) Bergl. in ber ſchon in n. 38 mitgetheilten Stelle Bonitho's.
®) Bonitho: in. jejunio- pentecostes sacerdos ordinatur (l. c., 657).
#9) Derfelbe Autor irrt hier in der —e— in natale apostolorum
(ad altare eorandem a cardinalihus secundum antiquum morem episcopus
eonsecratur), d. h. am Tag Peter ind Paul, 29. Juni, während es ad Chion.
a. Benedicti am folgenden Zage, 2. Kalend. Julii, die dominico, war (SS. III,
293); dagegen gebenkt ex ber Anmefenheit der Kaiſerin und ber beſonders hervor⸗
fhobenen excellentissima Beatrix dux, ebenjo derjenigen @regor’ö: qui... +
interesset consecrationi. Quod et factum est (l. c.: nachher wieder, Lib. IX,
222 1073.
— Die zehn Wochen, welche ſeit Aleranber’3 IL Tode vorüber:
gegangen waren, hatte der neu ermwählte Papft ſchon nad} allen
Seiten, in Jtalien und weit darüber hinaus, zur Sicherung ber
bisherigen Stellung, zur Anfnüpfung neuer Verbindungen auagır
beuten gewußt. Auch zu König Heinrich IV. war zunächſt ein
friedigendes Berl almie gefunden. Wenn aud Gregor VII. für
den Fall einer Abweifung weiterer Annäherung die jhärfiten Maß ⸗
regeln in Ausficht ftellte, dachte er vorerft jedenfalls nicht daran,
«3 bier zu einem Bruch kommen zu laſſen.
Heinrich IV. hatte es abgewiefen, gegen die ohne fein Wiſſen
geſchehene Neubefegung des päpftlihen Stuhles aufzutreten. Dazu
mochten ihn Erwägungen verjchiebener Art, wie ſchon angebeutet
worden ift, beftimmt haben. Aber ganz beſonders mußte eine
rößere und in bebeutendem Umfange in das Gewicht fallende
Fiegerifche Unternehmung, deren orbereitungen den König be
ſchaftigten, für benfelben eine Warnung bieten, etwa durch einen
leicht großen Umfang gewinnenden Zwift mit Rom fih Schwierig.
Zeiten zu jchaffen. Denn aus dem fteten Heinen Kriege an ben
böhmifch-polnifhen Grenzen muß, feit 1071 eine Friedensftiftung
durch die Bemühung des Königs geſchaffen worden war, ein neuer
rößerer Gegenjag erwachſen ſein. Wenigftens bereitete jegt
inrih IV. aus dem ganzen Reiche einen Feldzug gegen Boleflav
von Polen vor, weil diefer durch einen neuen verberblichen, mit
Mord und Brand mwüthenden Einfall nah Böhmen fi über das
tönigliche Gebot binmweggejegt hatte. Zum 22. Auguft wurde bie
Sammlung des Heeres angelegt, und zwar fo, daß bie Vereinigung
der verfchiedenen Abtheilungen fih in Sachſen zu vollziehen Bitte
Nah den nachfolgenden Ereigniffen zu jchließen, follten fi bie
Aufgebote, ganz beſonders ber Biſchöfe, vom Aheine, von Schwaben
und Baiern, in Mainz in einem Lager vereinigen. Die Franfen,
jo die Bifhöfe von Würzburg und Bamberg und andere Fürften,
681: Vercellensis episcopus Gregorius. a rege missus, eius interfait con-
secrationi). Mit Martene, 1. c., 168, hat man den Umfland, daß Gregor's An
tunft abgemwartet wurde, ala bie Urfache der Verzögerung der Goniecration an«
aufehen. Gregor VII. gab die Weiſung hinfichtlich Gregor’s an Grlembald am
9. October, Registr. I, 26 (J. 4797): Gregorium Vercellensem denique epi-
scopum, quoquo honesto pacto vales, stude tibi conciliare, quia nostrae ex
toto jussioni se ofitetur parere dl. c.,.43). Pannenborg, 1. c., 27 n. 2, weift
auf Gottfried’3 Beſuch in Kom Bin, nach Registr. I, 72 (). 4852): De Sardinia
. . nihil alind mandamus, quam quod praesentes simul diximus (l. c, 92)
Zu der Weihe Gregor’s VIL. bemerkt Hugo von Flavigny, Lib. II: licet ordi-
nationis et consecrationis eius privilegium solis cardinalibus episcopis
Albanensi, Ostiensi et Portuensi sit commissum, Giraldus ipse, quia aberat
(vergl. vorher: Giraldus Ostiensis episcopus, Romanae sedis legatus in Galliis,
‚concilio Cabiloni habito Romam rediens, et apud Diensem urbem hospitatus,
fotwie ob. ©. 207), expectatus mon est, sed qui vices eius exequeretur, sub-
rogatus est (SS. VI, 410-411).
mc IV. Plan eines Krieges gegen Polen. Pfingfifeier in Augsburg. 228
ten den Befehl, nach Heffen zu ziehen, um da zum Heere zu
Ben. Auf dem Wege zur Elbe hätten ſich dann wohl die anderen
Beſtandtheile, beſonders die ſächſiſchen Schaaren, angeſchloſſen °%).
Jedenfalls ging Heinrich IV. in kriegeriſchem Eifer in dieſen Dingen
voll auf jo daß er für feine andere Angelegenheit Aufmerkfam-
eit bejaß.
Der König hatte auch noch das Pfingftfeft — 19. Mai — in
den oberdeutſchen Landen zu Augsburg gefeiert und dabei eine
Fürftenverfammlung abgehalten‘), Urkundlie Entſcheidungen,
für das Bisthum Baſel, deilen neuer Biſchof Burchard im vorher
gehenden Jahre eingetreten war, für Biſchof Altwin von Briren,
Klofter Einfiveln, vom 20., 23. und 24. des Monats, leilten
außerdem durd die Namen angeführter Bittjteler für die Anwejen-
Heit der Königin Bertha, fowie der Erzbifchöfe Udo von Trier und
Sebehard von Salzburg, des Biſchofs Dtto von Conftanz ausdrüd-
lien Beweis. Dur die erfte der Verfügungen wurde dem Biß-
thum Bajel die Schenkung von kaiſerlichen Rechten an dem Srtung
von im Breisgau entdedten Silberadern beftätigt, wie fie 102:
durch Konrad II. vollzogen worden war. Bifhof Altwin erhielt den
Wildbann in beftimmt feftgeftellten Grenzen; biefelben behnten ſich
oberhalb jener Befigungen in der Markgrafſchaft Krain aus, welche
die Kirche von Briren bereit? von früher her inne hatte. Den
Mönden des Klofters Einfideln wurde die Freiheit des Beſitzes
ihrer Güter und Rechte, nebft der freien Abtwahl, bekräftigt‘).
) Gegen Biefebrecht, IIT, 242, welcher Heinrich's IV. gemäßigtes Anfic-
halten Nahen Gregor VII. darauf —E daß PH duch nn
ficken Wirren in Beſorgniß verjegt“ geweſen ſei, hebt Hefele, 1. c., V, 8,
or, daß durch ſolche Annahme ein Hysteron proteron geſchaffen werbe.
Richt die ſachſiſche, fondern die polnifche Frage fand noch im ganzen Frühjahre
im Bordergrunde. Vergl. wegen ber Beziehungen zu Polen zulegt ob. ©. 85 u. 86.
Die einzige Racpricht von den föniglichen Yühungen bringt Lambert, alerbinge
in einem Zufammenhange, der von Verbrehungen in jeltfamfter Weile erfüllt
iR (vergl. in Excurs II. Doc) ift das Factum an a pri richtig: cunctisregni
prineipibus expeditionem indixit (sc. Heinrich IV.) in Polenos, id causae
Praetendens, quod Boemos contra vetii suum bello impetissent et fines
’eoraım ferro et igne infestassent. Hanc, ut dixi, causam in promptu habebat.
Ceterum .. ... sub occasione Polenorum volebat in Saxoniam exereitum
dert Gejogten abzulehnen.
©) Ännal. Altah. maj.: in festo pentecostes apıd Augustam colloguium
frineipum habait (1. c) fümmen zu Sambert’s Angabe ash.
”) St. 2760 — vom 20. Mai, für Bifcof Burhard —, St. 2761 — vom
8, für viſchof Altwin —, St. 2762 — vom 24., für Einfideln — find alle
dom Abalbero C verfaßt, St. 2762 auch noch in ber Meicheijt vorhanden.
224 1073.
Dann aber brach Heinrih IV. nad) dem ſächſiſchen Lande auf).
War ſchon der Aufenthalt im bairifhen und ſchwäbiſchen Lande
mohl dazu beftimmt geweſen, die Rüftung für den polnischen Feld⸗
zug zu betreiben, jo mußte vollends in ben niederbeutjchen Gegenden,
welche al3 Ausgangsftelle für den oftwärts zu tragenden Krieg voran
in Betracht fielen, die Anweſenheit des Königs als nothwendig fih
St. 2761 unb 2762 nennen die Intervenienten. Auch bieje Urkunden zeigen
wieder bie Niliſtiſchen Cigenthütmlichteiten ihres Dictators. Gundladh, Ein
Dictator aus ber Sanzlei Heinrich's IV., führt, was die Arengen betrifft,
30 u. 31, aus St. 2760 die Einleitung ber Veftätigungäurtunde, 27, auß St. 2761
das Thema, daß die königliche Majeftät Tienften und Bitten gehörig entfpreche,
28, aus St. 2762 bie ſcharfe ‚Hervorteheung bes Gegenfahes zwiichen Irdiſchen
und Gmigem ala hervorhebenswerth an, wobei — 55 — für St. 2762 außerdem
noch Anklänge der Arenga in Antithefen innerhalb der Narratio -Diäpofitio
wieberfehren (vergl. auch To 58 u. 59 über die Gomminatio dieſes Tiploms,
fowie Brehlau, Konrad II, II, 439 n. 3, wegen der Wiederholung der Titel:
zeile nad) der Arenga). Ganz vorzüglid; bemerfenswerth ift aber St. 2760 wegen
der St. 2752 (vergl. ©. 117 n. 2) entiprechenden wortlichen Infertion des Haupts
inhaltes der beflätigten Vorurfunde, Konrad’ IL St. 1984, von 1028 (vergl.
Breßlau, 1. c., I, 259), wo die Worte: ... . renovamus, cum verba ipsius
nostro quoque testimonio memorie commendamus, quia in ore duorum vel
trium stabit omne verbum, quorum series hec est — als Sinteitung, dagegen
ber Saf: Hec verba carte avi nostri nostre huius cartule verbis prose-
guimr — ald Schluß dienen (vergl. Gundlach, 23, Breßlau, Handbuch ber
irtundenlehre, I, 660). Dagegen weicht in St. 2762 die Beftätigung ber libertas,
b. h. bes Genufied ber Befigungen und Rechte, ganz von den früheren königlichen
Beftätigungen ab. Gndlid macht Gundlach, 8-10, nod) auf den Umfand
aufmertfom, baß mit St. 2760 in der Unterichrift des Könige — hier in St. 2760
aud) in der Datirungageile — neben dem gewöhnlichen Üjectin invictiseimus
ein aweites erſcheint: . . gie humillimi et invietissimi, da3 durch St. 2761,
2762, ferner 2788, 2769, 2770 (alfo biß in den Januar 1074 hinein) bleibt,
wos er als „Belundung der Sorge des Dictators‘ — in ber ſchwierigen Zeit:
„Boll Beſorgniß um feinen königlichen Herrn hat ber Beamte, welder die Ur-
funden abzufaften hatte, feine Zeilnahme augenſcheinlich in dieſem Zufag zum
Ausdrud bringen wollen“ — auffafjen will. — In St. 2761, reſp. bem Umftande,
daß in der Belchreibung des Wildbann-Gebietes innerhalb des certus rivorum
limes: de rivo Tobropotoch, quod Teutonice Guotpach, usque ad flumen
Fiustriza, et a summo vertice Creinge montis usque in medium fundum
Souyae Auminis — tein Markgraf genannt ift, Liegt der Beweis für das ob.
©. 35 in n. 56 herborgehobene — eines Markgrafen der dortigen Gegend
jeit 1070 (es ift fpeciell die Landſchafi Oberkrain, wo, im Quellenbeden der beiden
Save:Arme, der Wurzener: und der MWodjeiner-Cabe, jehon Heinvich III. 1040
in St. 2158 als Grenze für eine Echentung an Briren den Auvius Vistrize
genannt hatte, jo daß denn aud) Altıwin eben dieſen wiltbannus super praediis
aecclesiae suae fid erbat). — Außerdem ftellte Stumpf noch eine zu 1073 in
der Synopsis annal. monast. Disertin. gerüdte auszüglicde No! Henricus
quartus, Agnetis matris precibus, libertatem immunitatemque inensis
monasterii, a parente suo concessam, confirmat — ala St. 2763 bier Hinzu.
Doch ift es in Anbetracht von St. 2531, Heinrichs IV. vom 1057, für Bilhof
Aliwin wahrſcheinlich daß dieſe Notiz St. 2763, gleich ber Urkunde Hi 'z IL,
St. 2357 (entgegen ®b. I, ©. 21.n. 1), und ber fpäteren Heinci von
1112, St. 3089, feinen Glauben verdient (vergl. Rieger’s und V. Yayer'a Recen ⸗
onen von Hirfh, Heinzich II, III, in der Beitihrift für bie Bfierreichikhen
Symnafm, EXVI, 1875, 774 u. 775, und Göttingifche Gelehrte Anzeigen, 1875,
u. .
%) Annal. Altah. maj.: moxque se in Saxoniam recepit (I. c.).
Belegung d. Aufenthaltes Heinrich's IV. n. Goslar. Gegenfaß zu d. Sachſen. 225
herausſtellen. Die Augsburger Fürftenverfammlung hatte wohl bie
für die jüblichen und meftlichen Theile des Reiches zu gebenden
Befehle ausgeſprochen; den Anordnungen in Sachſen war bie legte
Zeit vor dem eigentlichen Aufbruche vorbehalten‘*). Auf den Feit-
tag St. Peter und Paul, 29. Juni, hatte der König die fämmtlichen
jähfiihen Fürften nad Goslar zu einer Verfammlung befchieden,
und unter den zu verhandelnden allgemeinen Reichgangelegenheiten
war ohne Zweifel der Feldzug gegen Boleflav vorangeitellt *°).
Man ftand ſchon nahe vor der Jahreszeit, welche für die Eröffnung
von Kriegszügen über die Elbe hinaus die befte war *®).
Alein eben jet, in der Mitte des Jahres, trat dem König
eine Schwierigfeit in den Weg, welche ihm zwang, nicht nur von
der Unternehmung gegen Polen abzulafen, jondern durch welche er
auch auf lange Zeit hinaus, bald ernithafter, bald in geringerem
Umfange, in bie größten Gefahren für feine ganze Stellung ver-
widelt wurbe. Der Gegenfag zwijchen dem Throne des Königs
fränfifchen Geſchlechtes und dem ſächſiſchen Stamme ftellte fih, alle
anderen Fragen im Reiche entweder zurüdichiebenb oder aber mit
fi verfnüpfend und dadurch beherrſchend, in den Vordergrund.
Erzbifhof Adalbert war 1072 unverföhnt mit dem ſächſiſchen
Stamme, unter den er für feine Lebensarbeit verfegt worden war,
aus dem Leben geſchieden, und ein Theil des Erbes des Erzbiſchofs,
an Abneigung und Mißtrauen, war auf ben jungen König über-
gegangen. Doch zumeift um der Erfahrungen willen, bie Adalbert
ftet3 von neuem mit den Billingern hatte machen müffen, war
Heinrich IV. in die noch fortdauernde Entzweiung mit diejem Haufe
geftoßen worden, und jegt lag Magnus, der Cohn des verftorbenen
Herz0g8 Drbulf, wegen jeiner Theilnahme an der Sache Dtto’3 von
Nordheim, noch immer in der Gefangenjhaft des Königs, und dag
ſeit dem 28. März 1072, eben durch Ordulf's Tod, erledigte
Herzogtfum war, im nothwendigen Gegenjag zu den Erwartungen
des jächfiihen Volles, welches in dem Gefangenen den Nach—
+) Bergl. ſchon in n. 60.
*) Annal. Altah. maj. gebenfen biefer Sufammentunft: cum ... rex in
Goslare ageret prineipis apostolorum festivitatem, plures Saxonici principes
ilo devenere [ers in dem in Excurs IM. erörterten Zufammenhange;
ebrajo redet Bruno, De bello Saxon., c. 23, von dieſer Verfammlung: Deinde
cum prineipum festivitas apostolorum, Petri videlicet et Pauli, propinquaret,
praecepit rex, ut universa prineipum Saxoniae multitudo Goslariam con-
Yeniret, ut si quid de communibus regni negotiis agi dignum emergeret,
boe ine communi prineipum consilio tractaret (SS. V, 336). Mit Giejebrecht,
II. 274, iſt biefe Berfammlung zu ber Kriegavorbereitung gegen Polen heran⸗
iehen; das ohne Zweifel abſichtliche Schweigen Bruno's fteht einer ſolchen
bination nicht entgegen. .
“) Heinrich II. ging 1005 am 16. Auguft bei Magdeburg, 1010 nach dem
16. Auguft, bei Belgern, 1015 nad) dem 8. Juli oberhalb von Zorgau, 1017
am 8. Juli bei Magdeburg über die Elbe (Hirſch, Heinrich II., I, 367, wo irrig
Bari Empfängnig“. IT, 291 u. 292, III, 18, 56 n. 1).
Neger von Anonau, Zafrb. b. difh. R. unter geintih IV. u.V. Bd. n. 15
226 1073.
folger feines Vaters ſah, durch den König noch nicht wieder beſetzt
morben.
Aber zu diefen mehr perjönlihen Dingen kamen andere, welche
die öffentlichen Zuftände im ſächſiſchen Lande in tief eingreifenber
Weiſe berührten®”).
Die Anforderungen des auf die Geltendmadung feiner Rechte
ausgehenden Königthums und Meberzeugung,
daß die im Stammeögebiete thı m Verhältnifie
den wahren alten Berehtigun. 8 entſprechend
feien, diefe ſich widerfpredheni bier einander
gegenüber. Heinri IV. zog fuchte Die An-
erfennung für biefelben zu er er Anſicht ber
Sachſen mit den von den Vätern ererbten Freiheiten unvereinbar
zufammenftießen. Bei manchen dieſer Fragen mochte die Entſcheidung
über die urſprüngliche Sachlage einfach nicht erreichbar fein; bei
anderen Rückforderungen reichte die Erinnerung klarer heran, da
bier die für das königliche Recht ungünftigen Verſchiebungen fih
erſt in der Zeit der Minderjährigfeit Heinrich's IV. felbft vollzogen
hatten. Jedenfalls aber eigneten ſich alle dieſe erhobenen Begehren
umd Fragen jehr gut zur Anknüpfung von weiteren Bejorgniffen,
wohl theilweife ganz ernfthafter Art, aber auch zur Erwedung von
aufteizenden Gerüchten, daß noch viel Weiteres bezwedt werde,
daß die Abficht bei den Könige und bei den Rathgebern desfelben
vorhanden fei, gegen die Rechtsgrundlagen ber Stellung bes
fähfifhen Stammes überhaupt vorzugehen; Gerüchte konnten ent-
ftehen und Gehör finden, daß an die vom Hofe aus befohlenen ober
wieber angeftrebten Zurüderftattungen und Abgaben ein gewaltſamer
Angriff zur Erzwingung eigentlicher unterjochter Rnehtiaft ſich
anſchließen werde. Da genügte es, die Aufmerkſamkeit des miß-
trauiſch gemachten Volkes dahin zu richten, daß der König jenem
Kae Stamme angehöre, unter deſſen Führung vor dreihundert
hren die Selbftändigfeit des ſächſiſchen Landes allerdings als
ſolche gebrochen worden war, oder einzelne Worte, die von deſſen
Munde in Augenbliden der Erregung gefallen fein konnten, wurden
gjäiet verbreitet und in ihrer Gefährlichkeit vergrößert; auch jene
neigung der Fürften gegen die nad) ihrer Auffafjung minder
werthige und unwürdige Zufammenfegung eines Theiles der Um-
gebung Heinrich's IV. vermochte in der Weife auf weitere Kreife
übertragen zu werden, daß im Volke der Neid und der Argwohn
gegen dieſe aus dem Stande der Reihsminifterialen hervorgegangenen
getreueiten, aber wohl vielfady auch rückſichtsloſeſten Diener und
äthe des Königs durch den Hinweis noch genährt wurbe, es jeien
landesfremde, bejonder3 aus dem ſchwäbiſchen Volke herausgezogene
9) Die eingehende Beleuchtung der Nachrichten über ben Ausbruch ber
ſachſiſchen Erhebung ift im Ercurs III. gebracht, woneben Ercurs IV. fpreiell
auf bie Errichtung und Bedeutung der Burganlagen fid) bezieht.
Beranlafjungen d. Feindſeligkeit v. Fürften u. Volt d. Sachſen gegen d. König. 227
Günftlinge, welde in folder Weife durch den Herrſcher fränfifchen
Geblütes zur Unehre der ſächſiſchen Herren, zur Schäbigung bes
jählijhen Volkes immer wieder innerhalb der Hofhaltung auf
ſachfiſchem Boden ſich zeigten.
Denn wenn aud) das Gerede von ber abfichtlich herbeigeführten
ſteten Einlagerung des Hofhaltes in Sachſen und ber dadurch
b ten unerhörlen Belaſtung als arge Uebertreibung anzuſehen
iſt, fo bleibt es immerhin richtig, daß jene von dem Faiferlichen
Bater ererkte Vorliebe für häufigeren Aufenthalt, insbejondere auch
zur Jagd, oder zur eier ber hödhiten Kirchenfeſte, in Sachſen,
bejonders im oftälifhen Lanbestheile, am Harz, Heinrich IV. in
ausgeſprochener Weife erfüllte; mamentlih ift ihm Goslar ein
erwünfchter Platz, wohin ſtets wieder der Hof feinen Weg richtet.
Freilich war ja aud, wenn jene Gebanfen einer Verftärtung der
Grundlagen ber königlichen Gewalt in Sachſen Erfüllung Anden
follten, eine derartige vegelmäßigere Beſichtigung und Auffuhung
ve „Nasrisen Landihaften, auf melde fi) biefelbe richtete,
geboten.
Wahrſcheinlich ſehr verfchiebenartig waren die Urſachen, aus
welchen der Zwift zwifchen dem Könige und den ſächſiſchen Fürften,
hernach der Gegenfag zwijchen ihm und dem Volke überhaupt
herauswuchs. Die verwirrten Jahre der Jugend Heinrich's IV.
hatten es möglich gemacht, daß Rechtäverlegungen, Eingriffe von
manderlei Art ungeftraft, wie vielfach im Reiche, jo im ſächſiſchen
Stammesgebiete, vollzogen worden waren; nun war mit der Voll⸗
jährigfeit der Herrſcher in den Stand gefegt worden, jelbft ſolchen
Ausſchreitungen zu fteuern, mit um jo mehr Nahdrud, je höher
tehend im Range ber Verüber einer Gemwaltthät geweſen war ®®).
Aber ganz befonders mußte fih das Augenmerk der Regierung auf
Befigungen oder auf nugbare Rechte richten, welche als urjprüng-
liches Eigenthum des Reiches nachgewiefen werben konnten, in Folge
der früheren Zugehörigkeit zu dem nad dem Ausſterben des
ſächſiſchen Kaijerhaufes dem Königsgut anheimgefallenen Lande,
oder jo, daß eben zur Zeit der Schwäche der Reichöverwaltung ſonſt
widerrechtliche Aneignungen durch die ſächſiſchen Fürften geföehen
waren. Freilich mußten gerade ſolche Verſuche der Wiedererlangung
Anlagen gegen den König erweden: in ungerechter, gemwaltiamer
Beije habe er dieſe Güter an ſich geriffen‘®). In anderen Fällen
) Ze Deutſche Verf.Geſch, VIII, 480 n. 3, weiſt da auf bie Verſe
ei Carmen de bello Saxonico, Lib. I, hin: Domni regis adhuc pueri . .
laris imperiis.... Quod fuerat libitum sibi quisque secufus eorum, ecelesias
oliant, vidnis sua diripiebant, Pupillos miserosque premunt; vi cuneta
gerunt; pauperis hercdem statnit fortuna potentem; plus nocuit qui plus
Potuit; lex nulla coercet, fasque nefasque sibi fuerat cuiusque voluntas
{r. 11-19), ferner_in des Aönige Worten: paseis usque modo miseris vim
rıpta reposco (v. 56 u. 57) (SS. XV, 1219 u. 1220).
©) Solcjer patrimonia erepta, predia ablata garnten im Allgemeinen
bie von BWaiß, 1. c.. 430, n. 1, zufammengeftellten Sähe aus Cambert und
15*
228 1078.
fühlte fich wahrſcheinlich noch mehr der weite Kreis des Volkes be-
troffen, als zunädft bie fächlischen Furſten ſelbſt. Denn Nugungen
an ber gemeinen Mark, in Wald und Piehtrift, in den durch
ſolches Land fließenden Gewäffern, waren von den Sachſen gewonnen
worden, auch wo königliches Beſitzthum geweſen war; jet griff auch
bier der König ein, und die Klage erſcholl, dab von Wald und Feld
gefteuert werben müffe, daß die zur Fütterung aufgetriebenen Heerden
epfändet und meggefühet würden, über Dinge alſo, welche aller⸗
Kings gerabe die landbauende Bevölferung aufreizen mußten’).
Freilich wurde die Reibung zwiſchen den Vertretern der fönig-
lichen Anfprühe und den ſächſiſchen Volksangehörigen erft durch
einen weiteren Umftand vollends unverſöhnlich; dafür, daß eben
diefer in ben gegenfeitigen Beziehungen ganz vorzüglich hervortrat,
bieten die ſtets erneuerte Betonung ber Forberung nad) Abhülfe,
der gerade in dieſen Dingen zumeift fi barlegende vergeltungs-
Iuftige Haß das ausgeſprochenſte Zeugniß dar. Vielleicht angefeuert
dur das von —S Adalbert gegebene Beiſpiel, in einem be
wußten Anſchluß an deſſen früher geichehene Anlagen ’*), begann
Heinrih IV. an geeigneten Stellen, auf einzelnen Bergen und
Hügeln, Burgen anzulegen. Daß das zum Zwede ber Abwehr ber
wilden heidniſchen Feinde unter den flavifhen Völkern jenfeits der
Elbe angefangen worben fei, um nachher ganz andere Abfichten da-
mit zu verbinden, wurde fpäter von gegneriſcher Seite dem Könige
zum Vorwurfe gemacht: in Lügenhaftem Hohne habe er das anfangs
vorgefpiegelt, um das ſächſiſche Volk zu umgarnen”®). Aber aller-
dings veritand es fi von felbft, daß ſolche fefte Bauten aud den
Zielen bed Königs, feine Herrihaft in Sachſen ſtärkere Wurzeln
2runo, De bello Saxonieo, wogegen Ederlin in der in Excurd III. genannten
Abhandlung, 23 u. 24, einzelne Beifpiele aufführt, jo das fchon in Bb. I,
©. 621, erwähnte Vorgehen bes Grafen Abalbert, ferner bie von Bruno, 1. c,
©. 2% (SS. V, 337 u. 338), vorgebradhten Klagen, welde allerbings® die Dinge
von der dem Könige feindfeligen Seite beleuchten (vergl. n. 91).
0) Daß es recht fraglich if, ob auf Lambert's Ausdrüde — fo: tribute
et vectigalia silvarım et camporum importabilia, oder gar die beweglichen
Worte zhetorifcher Färbung: ut aquas nostras pecunia bibere et ligna nostra
piecio comparare cogeremur (194, 198) — viel zu geben ift, vergl. in Txcurs III.
iel anfcaulicher redet auch übrigens das Carmen, Lib. I: Pupillus et advena
quivis indigenas prohibent silvis communibns uti; pascua praeripiunt, abi-
ınt armenta greggsane (v. 42-44) (l. c., 1219). Ein ganz suögegeiänets
Beiſpiel, wie diefe Dinge verliefen, enthält aber die Vita Bennonis ep.
brug., c. 19: Cum enim aliquando fertilitas regionem istam (sc. von Jburg)
cum caeteris rebus tum etiam glandium ubertate replesset, et jam mons iste
ex antiquissimo situ similis Faisset eircumstantibus densitate silvarum,
eircummanentes rustici, quos hie commarchiones appellant, porcos suos huc
immittere glandesque saceis asportare, et ren episcopi propriam communi
usui mancipare coeperunt (SS. XI, 69) — wobei dann nur an bie Etelle
bes Biöthums Osnabrüd der Brigtice Fitcus gefegt werden muß.
71) Bergl. 3b. I, ©. 423, 581.
2) Vergl. in Excurs III, fowie in Excurs IV, in wie weit dennoch diefe
anfängliche Gordbeftimmung dorgelegen habe.
RL
Die Löniglicden Burganlagen in Sachfen u. Thüringen; beren Wirkungen. 229
ſchlagen zu laſſen, in vorzüglicher Weife dienen Fonnten, fobald fie,
wie dad geſchah, mit zuverläfligen und Heinrich’ IV. Befehlen durch-
aus, da fie den Landesbewohnern ganz fremd waren, zu Gebote
ftehenden Bejagungen belegt waren. Schon zur Einengung bes
fürftlichen Webergewichtes war es nothmendig, den fürftlihen An-
lagen diefer Art königliche gegenüberzufegen "). Erſt im Verlaufe
einer längeren, jebenfall3 einige Jahre in ſich fchließenden Entwid-
lung fcheinen die Ummohner diejer feiten Plätze die möglicher Weiſe
fi anknüpfende Tragweite der königlichen Schöpfungen klarer auf-
gefaßt zu haben. Für Anlagen, die gegen den Lanbesfeind, wie
man annahm, gerichtet waren, hatte das Volk bereitwillig feiner
Pflicht gemäß mirgebolfen ), Zebodh bald erwieſen fi, anfangs
in näl inkreiſe, bald mit immer ausgebehnteren Wirkungen,
diefe Burgen mit den eingelagerten kriegeriſchen Beſatzungen als
Pläte, von welchen aus weitgehende Sumuthungen den ummohnenben
lkerungen entgegengebraht wurden. Neben den nothwendigen
Lieferungen, den von den Inſaſſen geforberten Dienften serhch bald
allerlei Wilfür und auusgelaflenheit, welde in ber gehäfligften
Beife dem Könige jelbft beigemefjen wurde. Allerdings Fnüpften
Ah ja die ohnehin dem Könige verübelten Maßregeln voran an
dieſe Feften, melde den Zweck Patten, ſoweit das bei ber freilich
nicht großen Zahl überhaupt denkbar war, gewiſſermaßen ala ein
Net zum Vortheil des Königs über das Land hin geworfen zu fein.
Die böfen Thaten, wie fie diefe Schwaben und anderen Fremden
von den Burgen her gegen bie Frauen und Töchter der Freien,
gen diefe jelbft, die ja deutlich zu Knechten entwürbigt werben
— ten, fi erlaubt hätten, wie Beſchwerden beim Könige fein
Gehör fänden, wenn fie über ſolche Uebelthaten und Rechtseingriffe,
feien fie befohlen oder zugelafien, vorgebracht würden, dergleichen
bildete den Gegenſtand von Gerüchten, wie fie am fleißigften herum⸗
geboten und vergrößert wurden.
Ganz bejonder® war es von Bedeutung, daß in biefen Be—
{werben über die Burgen und die Befagungen auf benfelben neben
dem ſächſiſchen auch das thüringifche Volf gegen den König zur
Feindfeligfeit gereizt wurde ie bäringiige Bevölkerung war
jedenfalls jchon ſeit dem Frühjahr, in Folge der Erfurter Synode
und des bort gegen die Nebte von Fulda und Hersfeld in der An-
8) Die Angabe Sambert'3 über bie Berhanblungen im März 1074, wegen
ber Bedingungen: ut (sc. rex) castella sus omnia sine delatione destrueret,
sed ea conditione, ut Saxones et Thuringi sua quoque castella, quae tempore
i eius extructa fuissent, pari modo diruerent (210), beweift da8 ganz
immt.
74) Zu Bruno, 1. c., c. 16, daß die Sachſen nicht nur bie Anlage biefer
eastella geichehen Keen, jondern — fich betheiligten: ex hoc eum fore contra
nationes exteras bellicosum quasi divinantes. ad ipsas aedificationes eum
ve opibus vel operibus adjuvabant (l. c., 334), vergl. Waiß, 1. c-, VIII 210 ff.,
—— ber lichtung der Bevölterung einer Gegend für Beihülfe bei
ing neuer u
230 1078.
elegenheit ber Zehnten gefallenen Entſcheides, in denjenigen gewifen
Fpeilen des Landes, die durch dieſe Angelegenheit gegeni der
Kirche von Mainz betroffen wurden, neuerdings in Bewegung ge
bracht. Dazu fam nun eben der Umftand, daß die an die feiten
läge ſich anknüpfenden peinlihen Erfahrungen ſchon jeit einiger
eit mindeftens in gleicher Weife, wie von den Sachſen, auch von
ben Thüringern gekoſtet werben mußten, da die Errichtung von dem
Namen nad befannten Burgen fogar überwiegend nad Thüringen
inein fiel. Es mußte alſo den Sachſen nachher leicht fallen, eine
ei ihnen entftanbene heftigere Erregung aud nah dem ſüdlichen
Nachbarlande hinüber zu verpflanzen, eben um jo mehr, als gerade
der an Thüringen angrenzende ohfäliice Landestheil am meiften
unter ben Maßregeln des Königs zu leiden ſchien ”°).
Die vornehmite und größte aller diefer Burgen, wohl auch die
erfte, deren Bau begonnen mworben war, lag am Nordrande bes
Harzgebirges, nur zwei Stunden in füböftlicher Richtung von
Goslar entfernt: das war die nad dem Gebirge jelbit genannte
Harzburg. Auf einem zwiſchen Thaleinjenfungen vorgefhobenen
Bergriegel etwa in einer Höhe von fiebenhundert Fuß über dem
nördlich angrenzenden Thalgelände geſchaffen, ſchien der Platz
duch feine Ausdehnung zur Königsburg, zugleich aber dur die
Lage zur Feftung vorzüglich fih zu eignen; denn nur ein ein-
ziger bejchwerlicher Weg führte hinauf, während auf der anderen,
dem Gebirge zufhauenden Seite ein unermeßliher Wald fih an-
ſchloß. Eine ftarfe Mauer mit Thürmen und Thoren umfing die
Burg nad) außen hin; das Innere war mit Töniglichen Gebäuden
ſchön geſchmückt. Inter denjelben war befonders hervorragend das
Stift, deifen Kirche nad der einen Nachricht erit vorläufig aus
Holz, wenn auch jehr zierlich, gebaut war, woneben zu der end⸗
ültigen Errichtung des Gebäudes für die Chorherren auch erft der
lag fi angewiefen fand; allein der Ausihmud dieſer geiftlichen
ründung war fon alljeitig vollendet, ein reicher Schag ein-
gefammelt, zu deifen Vermehrung, befonder in Ermerbung heiliger
Meberrefte, der König feine Mühe ſich reuen ließ. Außerdem hatte
er aud) die Kirche als Begräbnißftätte auägegeichnet, wie angenommen
wurde, um fo den Ort beim Volke beliebt zu machen, indem er da
1071 feinen glei) nad) der Taufe verftorbenen Sohn beijegen lieh,
wie denn auch bie Gebeine des 1055 im zarten Alter verjtorbenen
Konrad, des jüngeren Bruders Heinrich's IV., hierher verfegt
5) Der von Bruno, 1. c., e. 18, aus einem Briefe Erzbiſchof Siegfried's
angeführte Mlagepunft: quod rex in episcopatu suo loca praedationibus
faciendis apta elegisset, positisque inibi castellis et praesidiis ınulta mala
rebus suae ecclesiae faceret (I. c., 335) — kann fidh, weil der Mainzer Sprengel
fi bis in den Harz nördlich erftredt, auf thüringifches, wie auf ſachfiſches
biet beziehen. Gicjebredht, II, „Anmerkungen“, 1122, zieht ala Analogie zu den
bier erwähnten ‚„oelättigungen des Stifts durch die Königlichen“ die ©. 169
(au8 dem bort in n. 102 citirten Briefe des Mainzer FHlerus) bejammerten Ge-
maltthaten der Amtleute heran.
Hereinziehungb. Xhüringer i.d. jächl. Mikkimmung. Harzburg, and. Burgen. 281
worden waren. Für die Beforgung des Gottebienftes ſoll
Heintich IV. zu dieſem Münfter von allen Seiten her eine nad)
Zahl und Beichaffenheit jo anfehnliche Geiftlichfeit gufammengebradht
haben, daß mander biſchöfliche Sig dagegen niit habe aufkommen
fönnen. ebenfalls konnte fih mit diefem Lieblingsaufenthalte des
Königs, wohin derjelbe gern ſich zurüdzog, wenn er nur mit feinen
vertrauteften Genofien Snfamnen fein wollte, fein anderer ber Pläge
meſſen ?°).
Immerhin hatten aud die anderen fieben ihrem Namen nad
befannten Burgen, von denen freilich zwei ſich jeder befriebigenden
Anfegung entziehen — von ben weiteren, im Bau begriffenen, bie
eine einzeln ftehende Nachricht in höherer Zahl annimmt, fann
vollends hier im Einzelnen nicht die Rebe fein -, ihre große Be
deutung für die Außeinanderhaltung von in Sachſen und Thüringen
möglicherweife zu befürchtenben Feinden. Neben der Harzburg
war die im öftliher Richtung nicht viel mehr als vier Stunden
davon entfernte Heimburg, auf einem Hügel vor dem Nordabhang
des Harz, ganz geeignet, das oftfälifche Land vom Süden ber zu
bewachen, wie das durch Die Lage am Ausgange aus dem Gebirge
fih öffnender Thäler gegeben war, anderentheil3 die ſüdwärts, nad)
Thüringen, zunächft nad) der Goldenen Aue, gehenden Straßen zu
iperren. Auf der Südſeite des Harz bagegen ftellten im —
lichen Thüringen, gegen die ſächſiſche Grenze hin, die in einem
Dreied zu einander liegenden Burgen — Sachſenſtein nördlich, noch
6) Bon der Harzburg geben Lambert und Bruno, I. c., an verſchiedenen
Stellen eine beflimmtere Vorſtellung. Beſonders ſteht bei dem letzteren die
Sgilderung in e. 16 (l. c., 384), deren Inhalt der Text darbietet, voran; zu
dem Safe: Quicquid ornatus ecelesiastiei quemlibet episcopum magis de-
corum videbat habere, sive praecepto sive preeibus acceptum, suo mona-
sterio studebat aflerre — bringt Yambert in ber S. 152 n. 76 erwähnten
Stelle einen Beweis. Hinfichtlich ber kirchlichen Stiftung in der Burg fliehen
Zambert, a. 1074: ecelesiam, quae accelerandi operis studio interim lignis
elegantissime constructa fuerat, incendant (211: — vorher, 210, Rand:
eanonicorum congregationi instituendae locus attitulatus) — und Bruno,
€. 33: monasterium laborioso opere perfectum deiciunt usque ad funda-
mentum (alö eine der regalia aedifieia: in tantis moenibus nee fundamenta
non eruta relinguunt — Iapidem super lapidem non remanere videbant)
ıl. ©, 340) mit einander in Widerſpruch. Wegen der Beifegung von Sohn und
Bruder Heinrich's IV. vergl. ©. 85 und Lambert, a. 1074: filium eius et
fratrem ... ille ad gratificandum popularibus locum ibi tumulaverat (211),
fowie Bruno, c. 33: fillum regis et fratrem, quos ibi posuerat, effodiunt
(L e, 340, unb wieder 341, 344). Ueber die Lage äußert Sambert, a. 1073:
Castellum in altissimo colle situm erat, et uno tantum itinere ij je difi-
cillimo adiri poterat; cetera montis latera vastissima silva inumbrabat (198).
Die Gtelung der Harzburg unter den königlichen Anlagen tennzeichnen auch
mitunter ganz kurze Ausdrüde, jo bei Bruno, c. 11: in Hertesburg castello,
quo praeter eos, qui faeinorum ipeius (sc. regis) erant conseii et fautoren,
vulles nisi nomine vocatus ascendebat, c. 29: cum Hartespurg castellum
fuisset difficillimum, — nam si in loco competenti staret, regali
palatlo locus idoneus esset (I. c., 332, 339), in Annal. Altah. maj., a. 1073,
def der Rdnig in dilecto sibi loco, Harzesburg dicto, fid} aufhielt (. c.).
232 1073.
in ben Ausgängen de3 Gebirges jet, Hafenburg ſudweſtlich,
Spatenberg, in der Hainleite, füböftlih — einen Verſchluß an ber
eftfeite der Goldenen Aue dar, und da die dem ſächſiſchen Pfalz
geaien durch Heinrich IV. ent ene, mit einer Bejagung belegte
urg, wahrſcheinlich urfprüng! ia ein Lehen von Klofter Herzfeld,
wohl in Volfenroda, am Südmeltabhange der Hainleite gegen die
Unitrut bin gefucht werben muß, & war hier noch ein Vorpoſten
zur Dedung eine vom heſſiſchen Lande her nordöftlih dur Thü-
tingen nad) Sachſen fi) bewegenden königlichen Heeres geboten.
Jedenfalls war durch diefe Schöpfungen, die wohl theilmeife an
ältere fefte Anlagen anfnüpfen fonnten, theilmeife aber — voran
Harzburg — jedenfalls Neubauten waren, der vorzüglide Blick in
Ermeffung der Eriegerifchen, durch die örtliche Lage angewieſenen
Bedingungen und Bebürfniffe bewiefen, mag nun dabei mehr bie
Einfiht des Königs felbft, oder diejenige feiner ſachverſtändigen
Rathgeber maßgebend hervorgetreten fein. Daß für die bauliche Seite
der Aufgabe Biihof Benno II. von Osnabrück von neuem feine
Runde und Geichidlichleit hier bewährte, ift dagegen ausdrüdlich
zeugt 7).
€3 waren aber bis in die Sommermonate, wo Heinrich IV.,
von dem Wunſche erfüllt, jegt, fobald die Heeresrüftung vollendet
fein würde, gegen die Polen zum Kriegszuge aufzubrechen, wieder
in Goslar eintraf, auch perſönliche Veritändigungen, die ſich gegen
die Abfichten des Königs richteten, erfolgt, und daß dabei die
Fürften, geiftliche, wie weltliche, des ſächſifchen Landes zunächſt,
vorangingen, kann nicht bezweifelt‘ werden.
Beſonders ſcheint der an der Spige des oftfäliichen Bisthums
Halberftadt ftehende Neffe Erzbiſchof Anno's, Burchard IL, ohne
fi) der ausgeſprochenen Gunit zu erinnern, die ihm noch 1071
Heinrich IV. wiebererwiefenhatte — auch bie jo wichtige Handlung der
Unterwerfung ber fähfifhen Aufftändifchen unter den König hatte
in Halberftadt ftattgefunden”*) —, fi am der Verflechtung ber
üben, in beren Netz der König zu Falle gebracht werden jollte,
etheiligt zu haben. Schon feit einiger Zeit müffen Briefe zwiſchen
ihm und anderen geiftlihen Fürften getaufcht worden fein, in
welchen Verftändigungen folder Art fi amkündigten. So hatte
Erzbiſchof Siegfried von Mainz in einem Augenblide, wo bie
Schädigungen, welche von den Bejagungen der innerhalb des Mainzer
Sprengels ftehenben Burgen ben Beſitzungen ber erzbiſchöflichen
Kirche zugefügt wurden, feinen Aerger erregten, fi gleichfalls gegen
den König mitreißen laſſen. Durch einen Klagebrief, den er an
Erzbiſchof Werner von Magdeburg und an Burdard richtete, ſprach
je 5 DBeral, Gxeuob IV. Lambert vbet von alia quam plurime. (casela)
die Heimeich IV. extruere agressus fuerat (: and cum ab incepto repente
oboria_bellorum tempestas revocavit) (201).
"9, Bergl. ob. ©. 69 u. 70.
De türingifcgen Burgen. Anfänge der Verſchwörung unter den Fürften. 288
er es aus, wie fehr er bebauere, daß zwifchen ihm und Anno feine
läffigere Freundſchaft und fein alle Geheimniffe in fi
Yeticbendes Vertrauen beftänden —: wäre bie der Fall geweſen,
hätten aljo fie Beide, zur Zeit ihres Worranges im Reiche, feit
zufammengehalten, jo wäre das Reich in aller Sicherheit geordnet
geblieben; — eben deßwegen bat nun Siegfried die beiden Em+
pfänger des Schreibens, durch ihre Vermittlung, in ihrer Stellung,
der eine als Bruber, der andere als Neffe des Erzbiſchoſs von Cöln,
ein ſolches durch Treue durchaus befeftigtes Bundniß herbei
zuführen’). Von anderer Seite fam Biſchof Hezilo von Hildes-
jeim mit einem Gefuche an den augenſcheinlich zur Zeit perjönlich
i Anno verweilenden Biſchof von Halberftadt, in mehreren Ans
gelegenheiten, die zwifchen ihm und Anno ſchwebten, Fürſprache
einlegen zu wollen: da8 Schreiben ſpricht die größte innere Ueber-
einftimmung, die eifrigfte Bereitwilligleit für Burchard aus°‘). Für
Burchard, wie für Hezilo mögen bei folder Annäherung Streit-
fragen beftimmend mitgewirkt haben, welche ſich mit den allgemeinen
Rebregeln des Königs in Sachſen verbanden. Denn der erftere
beflagte ſich nachher, daß ihm der König Güter ungerechter Weile
entzogen habe, welde, im Befige eines adeligen Mannes Bodo
ftehend, von Rechtes wegen ber Halberftabter Kirche angehörten?) ;
’») In bem in n. 75 ſchon citirten Briefe — litterae querimonia plenae
— färieb Siegfried an Erzbiſchof Werner von Magdeburg, Gomie an Buͤrchard
au) die Bitte: quatenus se cum Annone Coloniensi archiepiseopo fidelissimo
foedere conjungerent, non quod qualibet inimieitia dissilirent, sed quia
non talis amicıtia eos fideliter adunaret, ut uterque alteri secreta sun
eredere, sicut vellet, auderet. Hoc autem omni regno fore necessarium,
quia si illi duo, qui majores erant in regno, fideliter unum convenirent,
in multa securitate totum regnum constituere potuissent (l. c., 385).
®) Der Brief Hezilo’s an den praecordialiter et unice dilectus B. epi-
scopus ... quem alferum me sum expertus, quem unita mente eadem
mecum velle non avidius quam certius scio — betrifft Geſchaͤftsange⸗
Iegenheiten, die 153 mit dem dominus ayunculus vester — Anno — berühren
und Die nun der Schreiber dem Neffen behufs empfehlenber Fürfprache bei dem
ergbikcpöflichen Opeim an das Hera legen mögjte: tu, ingnam, vivae voci
esusam meam agendam determinandamque committo. Zür den Fall glüd-
Licher Durchführung ber Sadje verfprit Hezilo: me cuncta obedientissime
facturum ex fuo arbitratu et sententia (Gubenborf, Registrum, II, 19—21).
Dagegen ift £indner, Anno IL, 74 n. 2, gan, — daß Subendorf aus
auberen Heilo zugeichriebenen Briefen, I. c., II, 39-41 (diefe Nr. XXV foll
die Antwort auf ein Schreiben Heinrich's IV, „im Mai bes Jahres 1073“,
fein), fowie 43—45 (Nr. XXVII — B. consanguineo suo amantissimo amico
dileetissimo, H.: „in ber Mitte des Jahres 1073”), Dinge heraußnimmt, „bie
wicht, darin eben“ (auch Giefebrecht, "III, „Anmerkungen“, 1122, äuket fich
&hnlid, über Ar. XXV); fo wirb Hier auf dieſe zwei Stüde gar feine Rüdficht
waommen.
Zu Bruno, J. e, c. 26, wo bie Klage: quia praedia cuiusdam nobilis
viri, eui nomen Bodo, Ei jure suae deberent esse ecclesiae, rex sibi abs-
talisset injuste (I. c., 337 u. 338: vergl. ſchon in m. 69), iſt vielleicht ber
Brief an den König heranzuziehen, Subendorf, 1. c., IT, 21. den der Heraus:
ald von Burcard geichrieben annimmt, ber noch gewifſe Anzeichen guter
iehungen enthält: Venissem ad vos idque voluntarie — vestra tanta in
234 1073.
Hezilo dagegen muß durch eine Gehorjamsweigerung ber zu
jeinem Bisthum gehörenden Goslarer, die ſich eine Verlegung ber
Nechte des Biſchofs hatten zu Schulden fommen laffen, zum Un
willen gereig worben jein —: in einem Briefe an den König läßt er
gegen benfelben durchblicken, daß biefe ganze Auflehnung gegen bie
kirchlichen Gefege nicht ohne deſſen Vorwiſſen vor ſich gegangen fein
önne, und er fpart nicht Warnung und Drohung gegenüber
demfelben °°).
Allein die im Einverſtändniſſe unter einander ftehenden Bifchöfe
bedurften auf das dringendſte des Anſchluſſes eines mächtigen
weltlichen Herrn an ihre Sache; einen folden ſuchten fie mit allem
Fleiß zu ſich heranzuziehen.
Augenſcheinlich hatie ſich Otto von Nordheim anfangs zu einem
unmittelbaren Anſchluß an die Verſchwörung nicht herbeigelaſſen.
Es bedurfte einer beſtimmteren Aufforderung, ehe er ſich hinzu—
gejellte, wie ein Brief bezeugt, welchen Hezilo an Dtto abgehen
ließ, um benjelben zu einer nahbrüdliheren Willensäußerung zu
bringen. Der Bischof von Hildesheim fhrieb: „Offenbar mußt Du
als Freund ermahnt werden, daß Du den Funfen, der in Deinem
guten Einne liegt, pflegeft, pflegend nähreit, getadelt, wenn Du
nadläffig an diefem Anlafje vorübergingeft, beifällig anerfannt,
wenn Du das, was Du zu Haufe weilend jehr deutlich gebroht haft,
in glängender Weife ausführt, jo daß Du verpflichtet bift. Uebrigens
weil ih Dich überrede, das zu thun, will ih Dir auch jagen, auf
welde Weife Du es vollendeft. Indem ich feinen Vorwand einer
Entfhuldigung annehme, will ih, bitte ih, daß Du kommen mögeft.
Ich jage das aber zumeift Deinetwegen, weil ich jehe, daß es uns
beſchadet der Ehre gejchehen ann, jo daß auch Dein Vortheil fi
um Befjern wendet — und ih nenne die Lage, in ber Du jetzt
ich befindeft, nicht eine vortheilhafte. Ich will nit, daß die
Länge des Weges, welche gar feine große ift, Dich beſchwere, noch
me merita; denn es hanbelt fi um einen noster fidelis — amicus meus
dominus B. (Bobo?) —, für welden ber Schreiber bittet: ut quod vestra
liberalitas ..... donavit, vestra auctoritate misericorditer confirmetur —
ne sub vobis vel quasi per vos antecessorum vestrorum regale privilegium
imperialis contraditio ini —
2) Vogeler, Otto von Nordheim in ben Jahren 1070- 1088, macht, 44
n. 7, mit Recht darauf aufmerkfam, daß der von Sudendorf, 1. c., I, 10—11
tald Pr. VII), mitgetheilte Brief beſſer ala zu 1075 (fo Sudendorf), hieher zu
1073 genommen werde, da ja bie in Nr. VIII erwähnte, auf die Schlacht bei
Homburg — 1075 — bezogene mutatio dextera (I. c., 12) hier nod) nicht vor
tommt und der folge drohende Ton des erften Briefe fi von der Stimmung
des zweiten überhaupt weientlich unterfeheibet. Der Bilchof Set alfo die injurine,
für Die er defensio begehrt, aus einander, bah: Goslarienses, neseio quo animo,
nisi vestri, quod_vix eredi potest, animati, ut ajunt, edieto, episcopale
jus meum ultra fas, ultra licitum, ultra decreta canonum contempsere,
mibi, licet indigno eorum tamen episcopo, nulla in re volunt obtemperare,
unb zwar fo, daß die Schuld auf die Anfliftung bes aud) von Lambert, a. 1078,
ala praefectus (205) genannten Bobo — advocatus Goslariensis (in seculari
precepit placito) — geſchoben wird.
Biſcho Hezilo's Mahnungen gegenüber anfänglicer Zurüdhaltung Otto’. 235
daß die Gefahren, melde vermuthet werden und nicht beftehen, Dich
abhalten, oder daß fnabenhafte Unbeftändigfeit Deinen Geift wanken
made. Unſer Genoffe, Herr Burchard — es verfteht ſich, daß der
Bischof von Halberſtadt gemeint ift —, will Dir wohl, macht hin-
fihtlih Deiner gütige Berfprehungen. In Wahrheit geben wir
biefe Verfiherung, weil wir ihn als einen, ber zu und gehört, er-
fahren haben, weil er in keinet Sache, die ehrenwerth ift, Dir feinen
Beiftand entziehen wird; Du made nur, daß Du bedenkeft, ob Du
ihn durch Treue oder durch Verſprechungen für Dich verbindlich
gemacht habeit. Denn wenn das, was 6iß zu dieſer Zeit geſchehen
iR, durch Did zum Scheitern gebraht oder aud nur in feiner
Gültigkeit erfehüttert wird, jo machſt Du Di unwürdig; es wird
dann von Dir gejagt werden, daß Du Deinem Adel Gewalt an—
thueſt. Hüte Di, jo zu handeln! Ich und Hermann — ebenfo
feine Genofien — wenn Du kommen wirft, find fie fünftig aud) die
Deinigen —, wir verfprehen Dir umfere jehr ergebene Hülfe.
Made den Mann in Dir zum Schiedsrichter!" Mit Grüßen, von
dem Billinger Hermann und bem Genoſſen ber Verbindung, Heinrich,
ſchließt das Schreiben ®). Ganz Kar wird aus demſelben erſichtlich,
daß Hezilo in ftarfen Ausbrüden fi) glaubte ergehen zu müſſen,
um Otto, defien Gefinnung gegen ben König allerdings aus ges
fallenen Drohmorten ———— zu Tage getreten war, aus
ſeiner bisherigen Zurückhaltung heraus ber ſchon geſchehenen Ver—
abredung näher zu bringen. Beſonders diente auch die Erinnerung
an Hermann, den Oheim bed noch ſtets feiner freien Bewegung nicht
urüdgegebenen Magnus — dieſer felbit ift im Briefe allerdings
nit erwähnt —, zur Aufftahelung für Dtto.
Daß der Billinger felbft, neben den andern Regungen der Ab-
neigumg, die zwifchen feinem Haufe und dem Könige beftanden, eben
durch das Schidjal feines Neffen der Verſchwörung zugeführt
worden war, erweilt fi als eine durchaus nahe liegende Thatfache.
Magnus hatte, feit feiner Afingfen 1071 gejchehenen Unterwerfung
in Gnade und Ungnade Heinrich's IV., die Loslaffung aus ber
Haft nicht erlangen fünnen und lag, nad einer Nachricht auf ber
Harzburg felbft, im Gewahrfam des Königs. Es hatte nit an
55) Den Brief Biſchof Hezilo's theilte aus Subendorf, 1. c., II, 42 u. 43,
Giefebret, III, in den „Documenten“, 1261 u. 1262, wieder mit, ala FE
1073" geldrieen, Sein Inhalt zeigt. da — — vergl. in Ercurs II —
intheil an ber Hervorrufüng der Ereigniſſe von 1073, wmigftend für
deren erflen Anfang, überfhäßte; derſelbe muB ſich, vergl. die Worte: domi
pesitus des Briefes — auf feinen Gütern zurüdgezogen gehalten haben (dem am
be3 Briefed genannten Heinrieus, socius noster, valens clerieum, barf
man wohl mit dem von Lambert für die conjuratio genannten Heinricus
eomes — 196 — identificiven). Der Brief at ferner, daß Lambert bier
wicht ſchlecht unterrichtet war, wenn er für den Beginn ber Verſchwörung ala
bern auctores ac Sgnifen quidam nennt: Bucco Halberstatensis episcopus
(mit nachfolgender auäbrüdlicher Rechtfertigung, daß berfelbe, obichon frequentibus
injariis a rege lacessitus, dennoch ald vir eximiae sanctitatis et, optimae in
ecelesia Dei existimationis Ania zelo Dei et sola communis commodi
ratione_gehanbelt habe), Otto dux quondam Bajoarise atque Herimannus
fater Ottonis Saxoniei ducis (195).
236 1073.
Anftrengungen gefehlt, um die Freilaffung des Sohnes des ver-
ftorbenen Herzogs, der nad) der dem König feindlich gegenüber
ftehenben Suefung ſchlechthin erbliche Anſprüche auf die herzog-
lie Gewalt aufftellen konnte, zu erzielen. Hermann hatte für den
Neffen die größten Anerbietungen, an Gütern und an Geldfummen,
geniacht, um deſſen Befreiung zu erlangen. Aber Heinrich IV.
zeigte feine Luft, feine günftige Stellung gegenüber dem auf Gnade
und Ungnade in feine Gewalt gelangten ürften preiszugeben. In
Folge des Tobes Ordulf's glaubte er ſich im Recht, auf das Belik-
thum bes gefangenen Erben zu greifen, und er wollte von Ver—
handlungen über Verzeihung für benfelben nichts wiſſen, es jei
denn, daß er der berzoglichen Stellung und Alles defjen, was nad
Erbrecht auf ihn gefommen war, ſich entäußere. Heinrich IV.
mochte hoffen, auf, diefem Wege ber ärgerlichen Störungen, bie von
dem billingifhen Herzogthum immer wieder dem Reiche in Sachſen
bereitet worden waren, fi durchaus zu entledigen, fo daß eine
anderweitige dem königlichen Rechte bequemere Verfügung über
Sachſen auch nad bieler Seite gefchaffen werden fünnte. Dod
diefe Weigerung de3 Königs fonnte nur dazu beitragen, die Ab-
neigung des ſachſiſchen Volkes gegen die königlichen Gebote über:
haupt zu verftärten®*). Dazu kam noch die bejondere Frage wegen
®4) Auch in ber Hervorhebung: Ceteri duo (sc. Otto und Hermann)
praeter publicam gentis suae causam etiam privato odio jam pridem a rege
deseiverant, propter Magnum . . . quem rex in dedicionem acceptum jam
per biennium in custodia tenebat % e.: in castello Hartesburg deditus
servabatur, 196) — kift alfo Lambert im Ganzen das Richtige. Was Magnus
anbelangt, fo ift Sambert im gleichen Zufammenhang der Anficht: Huic (sc.
[agno) veniam admissi non alias impetrare poterant (sc. Otto und Hermann),
nisi ducatu et aliis, quae sibi ex defunctis parentibus hereditario jure
competebant, in perpetuum se abdicaret, fowie etwas weiter: Et quia rex
in bona eius inhiaverat, id praestolari putabatur, ut malorum pondere ac
longae dedieionis taedio fatigatus ultro jure suo cederet et ducatum, cui
rex voluisset, dandum permitteret (196: dergl. nachher über Heinrich IV.: de
cuius — sc. Magni — interitu sibi tocius Saxoniae dominatum pollicitus
fuerat — 201), wa8 Magnus, wie Lambert in ganz emphatifcer Weife aue-
führt (195), abgewielen habe. Neber bie Hoffnung, die fich Heinrich IV. machte,
durd, Berzichtleiftung oder Untergang des Magnus bie Herricjaft über ganz
Sachſen zu gewinnen, vergl. Weiland, Das ſachſiſche Herzogthum unter Kothar
und Heinsi) Dem Löwen, 34 u. 3; Daß menighens Sambert fi) Die tacfalge
des Magnus nach einfachem Erbgange möglich dachte, zeigt goch weiter bie Stelle:
dux Otto... humanis rebus excesserat et filius eius Magnus, cui ducatus
legitima suecessione debebatur . . . (196). Dagegen hat Delbrüd, Ueber die
[© an bmineigteit Sambert3 von Heräfeld, 36, gegen Gieſebrecht, III, 175, ent:
ſchieden Recht, wenn er ſich gegen Lambert's — breit ausmalende Ers
‚ählung wendet, wie Dtto von Nordheim, nachdem alle feine zugleih mit
ermann gemachten Anerbietungen beim Könige nichts halfen, fich dieſem felbft
barbot: quamdiu vellet in vinculis habendum, et omnia sua, tamquam
priori conventione nihil actum esset, pro arbitratu suo distribuenda, dum-
modo propinquum suum (nach biefer thetorifcen flostel mit Mehmel, Otto
von Nordheim, Herzog von Bayern, 1061—1070, 2, ber Berwandtidaft nach-
zugehen, Lohnt nicht die Dlühe), qui solo suarum partium studio in eam cala-
mitatem devenerat, dedieione absolveret, wa3 einzig IV. abgewielen habe
Zwiſt zw. Heinrich IV.u.d. Billingern üb. Sünchurgu. b.gefangenen Magnus. 237
ber billingiihen Hauptburg Lüneburg, welche durch ihre Lage nahe
ber Elbe und unfern von Hamburg für bie Negierung vorzüglich
hoch im Werthe ftehen mußte. Auch auf dieſen Pla eritredte
Heinrich IV. feine Anfprüde in Folge der Gewalt, die ihm über
Magnus zu Gebote ftand, und er hatte, vieleicht im Zufammenhang
mit den Rüftungen gegen Polen, wegen der Nahbarfchaft Lüneburg’3
an der Grenze gegen bie Liutizen, eine allerdings nicht große Be
fagung, von fiebzig ſchwäbiſchen Kriegern unter Befept des jüngeren
Grafen Cherhard von Nellenburg, Hineingelegt. Daneben freilich
diente Lüneburg ebenfo gut für die Pläne gegen die Billinger in
ber beutlichften Weife, weil von hier aus die ganze Umgegend den
töniglichen Geboten unterworfen werben konnte. Anderentheils aber
verfchärfte diefer Umftand wieder die Feindfhaft Hermann's gegen
den König, weil auch jener neben Magnus auf Lüneburg Erb»
anfprüche geltend machen fonnte®°).
(hogar Lambert ſchiebt bier ein fertur ein), mit dem atrox nimis responsum
(vergl. Dieffen bacher, Lambert von Hersfeld ais Hiftoriograph, 104), daß ja
Otto felbft mit allem feinem Eigenthum, weil von bem vorgeiorfenen Verbrechen
nicht völlig gereinigt, nach bem Feihtägruniohe jener früheren Unterwerfung
ber töniglichen Gewalt verfallen fei, jo daß er nach Wölferrecht nicht frei über
Äh und fein Vermögen verfügen könne — eine Entgegnung, welche abermals
die Bitterfeit. gegen Bein IV. gefeigert Habe (195° 0. 18). SWogeler, 1. c,
46 u. 47., fieht im dieſer Geſchichte zutreffend ein „deutliches Zeichen für bie
große Popularität Otto’3“, ein Zeugniß für den „Kranz von Sagen und Anet-
doten“, ber fid) um bie Stirn dieſes „echt nationalen Helden“ wand. Gerabe
ber Brief zeigt aber in Wirllichteit Otio in weientlich anderem Lichte. Dagegen
(sc. Magnum) (l. c., 336).
8) Wegen Sünsbu ’d vergl. ſchon ob. ©. 75 n. 62. Die Beſaßung er-
iet ducis fuerant in potestatem regism jurd dedicignis per Maguum,
u.
ionem, quam eibi parentes jure dimiserant, non regia potestate
* Yo Tte Gielebreit, —
238 1073.
So weit mochten etwa die Einverftändniffe gediehen ſein; aubere
Anfnüpfungen, deren Tragweite erft nach der Waffenergreifung fich
offen beraußftellte, waren wohl im Gange, und es beftand auch
vermuihlich ſchon eine gewiffe Betheiligung an dieſen Dingen über
die Grenzen des Käifgen Landes hinaus, wie das ſchon bei den
verwandtichaftlichen Beziehungen zu dem Erzbifchof von Magdeburg,
dem Biſchof von Halberftadt für Anno von Cöln nahe lag. We-
nigſtens finden ſich in den in Hersfeld niebergelegten Auffaſſungen
über jolde Anfnüpfungen von einer Stelle zur andern gewiſſe An-
deutungen über bie Haltung der beiden rheiniſchen Erzbiſchöfe —
auch für Siegfried — und noch weiterer Fürften vom Rheine, und
auch von anderen Seiten wurbe dem über Anno verbreiteten Ge:
rüchte offener Ausdrud verliehen®*). Die Abweſenheit des Königs
von Sachſen, fein Aufenthalt in dem oberbeutfchen Herzogthümern
mag F gi Fortfegung der Anzettelungen leichteren Spielraum ge-
geben haben.
Jetzt aber war Heinrich IV. wieder in Goslar anweſend, um
eben erftlich jene auf den 29. Juni angefagte Verfammlung ber
ſächſiſchen Fürften zu empfangen. Allein die Verhandlungen müſſen
einen nicht befriedigenden Verlauf genommen haben. ft auch,
wegen ihrer offenen Feindſeligkeit, die fehr einläßlide, von einer
Seite dargebotene Schilderung der Vorgänge in ihrer zugeipigten
Weife der Ausmalung der Dinge nicht anzunehmen, fo bietet doch
eine andere Nachricht daneben das Zeugniß dafür, daß der König
ſich ſehr unnahbar erwies. Gehoben durch die Ausſicht auf eine
nahe bevorftehende friegerifhe Leiftung, augenfheinlih ohne jede
klarere Einficht in die thatfählih duch das Mikvergnügen weiter
Sadjfen unter Herzog Magnus, I, 12, einerjeits: „Diele Thatfache braucht nicht
in unmittelbarem Aulammenbei je mit dem Aufftande ber Sachien zu ſtehen —
und fellt ex andererſeits, freilich auch wieber in unrichtiger pragmatiicher Vers
bindung — vgl. ©. 75 n. 62 —, die Degebenheit zu 1073). Bei der Bor:
bereitung zum Polentrieg konnte auch Lüneburg in Betracht gezogen werden.
®*) Sambert ſelbſt nahm Anno's und Anderer Mitwifien entſchieden an,
wenn er auch vorfichtig fi auäzubrüden ſuchte: quamguam nonnulli existi-
marent, tam enm (sc. Siegfried von Mainz) quam archiepiscopum Coloniensem
et alios plerosque Reni jam a principio conjurationis huius conseios parti-
Cipesgue Iextikete; id tammen, dum Inpertus adhuc rerım eventus pendehat,
summa ope dissimulabant (200). Herrmann, Siegfried I. Erzbiichof von Mainz,
54, möchte das freilich in Ubrede flellen, da es mit dem Auftreten der Thüringer
gegen den Erzbiſchof (vergl. vint. bei n. 133) niät zulammenftimme; allein bie
mit ben Zehnten zulammenhängenbe beiondere Erregung der Thüringer Volie
waffen braucht ein Einverftändnig Siegfried's mit den ſachfiſchen Fuürſten gar
nicht nothwendig auszuſchließen. Dann fagte Ekkeh. Chron. univ.. a. 1072,
wo allerdings vorher an dieſer Stelle Namen unrichtig eingeflochten wurden
(vergl. in Excurs III, aud) unt. n. 112); Quidam quogue summae sanctitatis
viram Annonem archiepiscopum Uoloniensem conjurationis eiusdem conseium
asserunt (SS. VI, 200). Beſonders aber ſtellt die in den Annal. s. Dieibodi
ſteclende Schrift über den Sachſenkrieg Anno ganz einfeitig voran: erat prince;
et signifer justitise dileetus Deo et hominibus beatus Anno Coloniensis
archiepiscopus, cuius memoria in benedictione est, woneben dann aud) Sieg⸗
fried folgt (8S. XVII, 7).
Unbefriebigender Ausgang d. Goslarer Zufamment. d. Königs mit d. Fürften. 289
Kreife gerade in Sachſen recht umerquidlice Lage, wies er Vor—
Rellungen über die in diefem Lande als widerrechtliche Eingriffe tief
anpfundenen Maßregeln, wie fie von den Vertretern feiner königlichen
Anforderungen ausgegangen fein ſollten, weit von ſich zurüd.
Während mehrerer Tage müſſen bie Fürften faum vor das Antlig
bes Herrſchers zugelafien worden fein, und als fie dann ihre Sache
vorgebracht hatten, erhielten fie ohne Erweiſung der ihnen ge-
bübrenden Ehre, aber aud ohne eine beftiminte Antwort die Verab-
ſchiedung. Wahrſcheinlich trat gerade bei diefem Anlafje der Weber:
muth ber den König, zum ſchweren Aerger ber niederdeutſchen hohen
Herren, als Rathgeber umgebenden Hofleute in einem Falle in ber
ſonders abftoßender Weife hervor; denn eben jener Heinrich IV.
feinbjelige Berichterſtatter gefällt fi in der Vorführung eines
Augenblides, wo die Harrenden — Bifchöfe, Herzoge, Grafen und
Andere —, nachdem fie vor den verjchloffenen Thüren des Wohn-
jemaches in der Kaiferpfalz lange gewartet hatten, erſt bei ein«
Kredenber Naht durch einen der heraustretenden Höflinge — einen
der Schmaroger, wie der Erzähler fih ausdrüdt — unterrichtet
worden jeien, der König fei ja ſchon nad) der Harzburg hinweg-
geritten ®?).
°) Gür das am 29. Juni Geſchehene iſt bie guoerläfigne Luelle der Ber
richt der Annal. Altah. maj., der fi an die in Excurs III. exterpirte Stelle
glich anfhließt und bie don in n. 65 gebrachte genaue Zeitangabe enthält:
plures Saxoniei princi illo (sc. Goslare) devenerc, si finem bis malis
Possent impetrare. Qu! post aliquot dies, vix intromisai ad regis praesentiam
Cansaque dicta, sine honore et certo responso regrediuntur ad propria
dc) Dazu fimmt im Wefentlichen auch der Bericht Bruno’s, I. c., c. 23,
welcher nur viel mehr die Dinge ausmalt und nach feiner Art dem König feind-
felig gehalten it: Omnes (sc. principes Saxoniae) illuc alacres festinabant,
quia calamitatum, quas Saxonia jam diu tolerabat, aliquem terminum fore
grabant- Igitur festivitate celebriter celebrata, cum dies ad causas agen-
statuta venisset episcopi duces comites ceterique ad palatium diluculo
Primo. ıntur; bigue sedentes, done ad se rex i
se jubeat eos intrare, nequicequam operiuntur —; nun folgt bie Geichichte,
wie Heinrich IV. fich hinter —— Thüren — cubilis sui foribus elausis
—aleis vel ceteris rebus nugatoriis abgejonbert hielt: tota dies illa transiit —,
um endlih, cum jam nox facta fuisset, durch einen feiner @enofien —
quidam de parasitis eius — in böhnifcer Weife fragen zu lafien, wie
lange fie noch — ad suam januam — auf ihn warten wollten: cum rex
per aliam januam egressus, ad urbem suam (sc. nad) ber Harzburg:
dergl. Giefebrecht, LIT, „Anmerkungen“, 1133) veloci cursu properaret;
jept Lautefte Entrüftung, mobei Markgraf Dedi nur mit Mühe die jofort beab-
igte Auflündigung der Treue verhindert (1. c., 336). Dagegen ift Lambert’s
Bericht, der auöbrädlich die von ihm mitgethrilten Greigniffe cireiter Kalandas
Pe anfet (196), hievon abzutxennen; denn ausnahmaweife fteht man, wenn
Sambert’3
eigenthümliche Luft, die Dinge auszumalen und rheioriſch zu bes
Iehen, e hier keineswegs fehlt, für defien Schilderung der Dinge, 196—198,
vor Thatjachen, melde man im Heräfeld ganz vortrefflich wifen konnte, weil ja
ber König unmittelbar von diefen Dingen hinweg — Idibus Augusti — nad
Klofter ſelbſt tam, begleitet neben Anderen auch von dem Dictator Abal:
bero C (vergl. Gundlady, 1. c., 96), fo daß hier Lambert genau fi) zu erfunbigen
vermochte. Kilian, 1. c., 58—60, ber bieje Dinge eingehend erörtert, dabei aber,
Mimbers im Anklub an G. Meper, Lambert von Hersfeld ala Duelle zur
240 1078.
In Erwartung der Vollendung der Kriegsvorbereitungen aud
auf ſachſiſchem Boden, damit dann in der ſchon angebeuteten Weiſe
im Auguft das gefammte Heer fi) vereinigen könne, blieb
Heinrich IV. mährend der Dauer des Monates Juli in dieſen
Gegenden am Harz, noch immer, wie ganz erfichtlich hervortritt,
ohne irgend eine deutliche Vorftellung von der großen Gefahr, in
welcher er fich befand. Am 26. des Monats war er auf der Harz
burg und beftätigte da ber zur Abtei Nienburg gehörenden Anke
von Ballenftebt eine wahrjheinlich 1046 bei ber Stiftung derſelben
durch Heinrich III. gemachte Schenkung ®°).
Deutfhen Geſchichte in ben Jahren 1069-1077 (Königäberger BDiffert., 1877,
22—25), ganz gegen Zambert's ‚Staubwürbigtit fih äußert — U. Zwed, Die
Gründe des Sachſenkrieges unter Heinrich IV. im Jahre 1073 (Königsberger
Differt., 1881) wollte dagegen, unter Polemik gegen Gieſebrecht, 34—37, 108
Darftelung verwerfen—, bietet jelbft, 60 — won. 4 feine ganze Beweisführung
nachträglid) auihebt —, das einfache Eorrectiv zur Hebung aller Echwierigteiten:
Goslar und Harzburg liegen jo nahe bei einander, da der König in der ganzen
Zeit, welche ben 29. Juni und 26. Juli (vergl. n. 88) in fich fchließt, ſehr
Haug zwiſchen beiden Aufenthaltorten gewechjelt haben wird, fo daB er aljo
nach dem 29. Juni, wie Bruno will, und um ben Anfang des Auguft, wie
Kambert es erfordert, Goslar verlafien und bie Harzburg bezogen haben fann.
Zamit fallen alle bie großen Schwierigteiten, bie man finden wollte, Hinweg.
Daß allerdinge Bruno’ ® — redigirte Anekdote nicht den wahren Verhält:
niflen einfach entiprochen haben fann, ift gewiß Says Dagegen zeugen bie
Annal. Altab. maj. genügend davon‘, dab Heinrich IV. den Gürften gegenüber
recht hochſahrend fich gle (guch bie Stelle bei Lambert: qua expectatione,
ac. des bevorftehenden Pol mfelbguged, suspensis et intentis omnibus, ipse, sc.
rex, jam ferocius solito atque infestius agebat, posthabitis principibus, solos
eirca se Suevos assidue habebat, etc. — 195 — fönute auf die Vorgänge
in Goslar als Anfpielung bezogen werben). Daß übrigens Bruno in ber
Goslarer Kaiferpfalz zu Haufe geweſen fein muß, geht aus dem Umftand or,
daß nad) DiitHoff, Kunftdentmale und Alterthümer im Hannoverichen, II, 65,
n. 2, im urfpeinglichen Bau neben bem Reichsſaale die faiferlihen Gemächer
Tagen, zu welchen! wahrſcheinlich eine jegt vermauerte Thür an der Südwand
— ded Vorgemaches vor dem Reichsſaale — führte; dieſe Wohngemädher, wahre
Being 1289 durch Brand zerftört, find wohl noch durch die auagegrabenen
Funbamente bezeugt, die fidh biß zur benachbarten Gt. Mich: Kapelle auf dem
Oftftügel des Raiferhaufes erftreden (vergl. 9. Hopen, Das Kaiferhaus zu Goslar,
1872, auf dem Pländen, 1
®*) St. 2764 betrifft, für bie ecclesia Ballenstet Niuwenbure abbatie
appendens, den Befig von mansi XXI — bie Abbition der an ſechs einzeln
genannten Orten vertheilten Stüde macht zwar nur die Zahl zwanzig — in.
Suabengouve in comitatu Adalberti. Du Kurze, Die Grafen des
Eiatengeu eitfehrift des Harzvereina, XX, 1887, 16 u. 17), ift auß biefer
ınde der Nachweis gebracht, daß Graf Abalbert feit feiner Bd. I, S. 628,
erwähnten Qeftrafung im Jahre 1069 inzwilden wieder muh zu Gnade ge
kommen fein; denn die Graffchaft im nördlichen Theile bes Schwabengaues —
bie fpäter ſich herausbilbende Grafichaft Ballenftedt —, in deren Befig Adalbert’s
Bater Efito (vergl. 3b. I, ©. 339 n. 63) geweien fein muß, die Abalbert wohl
zwiſchen 1060 und 1063 antrat, hatte 1m nad) St. 2740 (vergl. ob. ©. 41
n. 1) ben Markgrafen Udo II. zum Grafen, wie aus dem Umftande deutlich
hervorgeht, dab im St. 2740 der Ort Dsmarsleben (im Anhaltiihen, weſtlich
von Bernburg) der Kraſſchaft Udo's, hier in St. 2764 derjenigen Abalbert’3 zu ·
eſchrieben wird. Was Heinrich's IM. hier beftätigte Schenkung betrifft —
Seine IV. fagt: computantes ea, quae pater noster, divae ınemorize
“und Ort feitgefte
Weitere Ausbreitung d. Verſchwoͤrung gegenüber d. ahnungslofen Könige. 241
„Bei den fähfifchen fürftlihen Verfchworenen dagegen hatte bie
in Goslar erfahrene Abweiſung den Gedanken des Widerſtandes
befeftigt, anderentheils denjelben aus dem anfänglich wohl engeren
Kreife weiter hinausgetragen. Schon gleih in Goslar follen, noch
nädtlicher Weile, erite Verabredungen getroffen worden fein, indem
fih bie Fürften, jeder mit einem zuverläffigften Rath, in einer
Kirche zulammenfanden: da — heißt es — hatten fie ſchon Tag
t, wo fie, nicht mehr bloß unter fi, fondern mit
dem gefammten ſächſiſchen Volie zu einer großen Verfammlung ſich
treffen und gemeinfamen Rathſchlag halten wollten; dann fei jeder
Einzelne nah Haufe zurüdgefehrt, ſchon von der Abficht erfüllt,
niemal3 wieder dem Rufe zum Dienite des Königs ſich zu ftellen.
Der Geſchichtſchreiber des ſächſiſchen Krieges, Bruno, glaubte nach⸗
träglich gerade dieſen Tag, wo die Schmad in Goslar erfahren
worden war, als die erfte Urſache bes Kampfes, al3 den Anfang
aller nachfolgenden Uebel bezeichnen zu müſſen. In allerlei Zu—
jammenfünften wirkte von den nad ber Heimat zurüdgefehrten
Theilnehmern an der Verfammlung jeder in feinem Kreife, um die
Stimmung gegen ben König zu erregen; denn bald fiegte überall in
diefen Berathungen darüber, mas gejchehen jolle, ber Gebanfe, die
Dinge zum Kampfe zu treiben, da es fih um bie Rechte des
fächkfchen Stammes, um die freiheit eines Jeglichen handle),
Heinrieus, nondum imperator sed rex, sibi (se. ecclesiae) contulit —, fo ift
Steinborff, Heinrich IIL., 1, 298 n. 2, 402—404, zuguftimmen, daß 1046 ein
Diplom Heinrich s — worden ſein muß, das aber auch nicht in feiner erſten
echten Ausfertigung inhaltlich mit dem j: alſchten Stüd St. 2513 kann übers
einftimmend geweſen fein. St. 2764 if in der Urſchrift dom Dictator Abal-
bero C. € zeig in ber Arengn große Anklänge an St. 2760 (vergl. ©. 224
n. 62); für die Stimmung im Umtreife Heinrichs IV. bei Ausftellung der Ur-
tunde, b. b. daß man bei derielben von der großen nahe bevorftehenden Gefahr
feine ung batte, jpricht der ſchon 1. c. erwähnte Umftand, da St. 2764,
i den Diplomen des Adalbero O heraus, das Adjektiv humillimus in der
Uni ift des Königs nicht aufweift. Auch muß anigeinend am 26. Juli für
dieſe offäliichen Banbfaften noch Ruhe vorhanden gemejen fein, da fonft faum
Heinrich IV. die Exhentung für eine Kirche beflätigt hätte, ald deren Vogt der
von Lambert — vergl. n. 103 — unter ben Dreidhworenen erwähnte Graf
Abalbert jelbft ericheint (vergl. K. von Heinemann, Albrecht der Bär, 16).
29) Die zuverläffige Quelle ftellen wieber Annal. Altah. maj., gleich im
Aujchiuffe an die Stelle in n. 87, bar: Mox igitur crebra conventicula fa-
eiebent et, quid de malis hiis a; t, anzie tractabant. Tandem ergo
eonvenit illis, minis et rebus bellieis res suas potius agere, quam leges
ias libertatemque propriam tam tionabiliter amittere (l. c.. Bruno
Bay. ©, ©. 23, in ausgeprägtefter Weile — Illa dies et haec causa bellum
pimitus incepit; illa dies prineipium omnium De sequuntur malorum
it — —*8 —— —* — — alätelh
folgende nächtliche Berfammlung aller in einer Kirdye, Erklärung, nie
länger fol dulden zu wollen, Seftiegung von Tag und Ort: quo omnes cum
ee — —— —— —e —* sibi videbant
iri, eommuniter t —, Heimfehr: quasi numquam amplius a
—— venturi ——— u % —E — ſtellt den eireiter
Kulendas A: 1 angejehten Dingen an mehreren Stellen Ausführungen voran,
ndce fehr tilch Tauten: — prineipes Saxonise .. . clandestina con-
16
Neger von Anonau, Jahrd. d. diſch. #. unter deinrich IV.u. V. Mb. II.
242 1073.
Der Umftand, daß der Feldzug gegen Polen durch Heinrich IV.
angefagt war, .erleihterte ohne Zweifel den Verſchworenen bie Aus-
führung der allmählich mehr an das Tageslicht beraustretenden
Vorbereitungen. Dem auf jeinem Sig am Sarg, meilenden König,
den ganz oder überwiegend nicht dem ſächſiſchen Volke angehörenden
Rathgebern und kriegeriſchen Genofien befjelben konnten dieſe Zu-
rüftungen, biefe Anfammlungen al3 die nothwendige Durchführung
der von oben gekommenen Befehle dargeftellt werben, und in einer
ganz unbegreiflihen Sorglofigteit muß der Hof alle dieſe fait vor feinen
Augen geichehenden Mafregeln mit angefehen und zugelafien haben.
Endlich) mochten gegen Ende Juli die Verſchworenen bie Zeit für
ekommen erachten, zur That Überzugehen, eine Heerſchau der zur
jerfügung ftehenden Kräfte zu veranitalten. Daß das jchon jetzt
gef ch, war durch die Erwägung geboten, daß eine Erhebung gegen
den König nur möglich fei, fo lange nicht die zur Bekämpfung
Boleſlav's aufgebotenen Truppen auch aus den anderen XTheilen
bes Reiches fi) auf dem Wege nad; Sachſen befanden; fo mußte
ſchon fait einen Monat vor der für die Anfammlung des ganzen
Heeres feſtgeſetzten Zeitfrift dieſe Mufterung der Streitkräfte des
Aufitandes ftattfinden. Es war jedenfalls jene ſchon zu Goslar in
Ausfiht genommene Verfammlung. ALS deren Plag war eine
Stelle im füböftlichften der ſächſiſchen Gaue, im Haſſegau, die zu-
gleich nicht weit von ber norböftlihen Grenze Thüringen’s entfernt
war, gewählt worden, der Ort Wormäleben, etwa in der Mitte
zwifchen dem mittleren Laufe der Unftrut und der unteren Saale).
venticula crebro faciebant, et se vieissim, quid facto opus esset, in medium
eonsulere hortabantur (ganz nad} dem von Siefenbaer, 1.c., 56, aus genügenden
Beifpielen bezeugten vebactionellen Typus für. Verſchwörungen). varaı jehr leb ·
hafte Schilderung: Una omnium voluntas, eadem erat sententia, eamque
dato et accepto vieinsim sacramento confirmabant, ınalle se mori atque
extrema omnia prius experiri, quam (ete.: bie beliebte Wendung, die in
Greurs IM. beiproden if) (195); mod; Kambert’? Gteigerungsmethobe (vergl.
1. ce, 55—57) wird num borgegangen: orta seditio biß zur adulta jam sati-
que roborata conjuratio (196) (vergl. n. 92).
%) Die Verfammlung zu Normeslovo erwähnt einzig, Bruns, l. e., in
fehr eingehender Schilderung (ce. 24—26), 1. c., 337 u. 338. Als der Pla
berfelben wird mit floto, 1. c., I, 383, n., indem die Berbefferung Vormes-
lovo eintritt, ber Ort Wormaleben, weitlich Tandeinwärt dom nördlichen ber
beiden Mansfeld’icien Seen, bem fühen See, anzujehen fein. Allein außerdem
ſah Floto Hier, 383 ff, gewiß zutreffend, daß de verſchworenen Fürften unter
dem Borwande des polnilchen Feldzuges da in Wormäleben die „Gelegenheit,
einen großen Theil ber wehrhaften Mannſchaft in Sachſen zu verfammeln“, ers
geiflen: „diefe durfte, wenn je ihre Pläne Erfolg haben jollten, nicht unbennpt
leiben; fie mußten jet verjuchen, ob es ihmen gelingen würbe, ihre Ritter us
Bauern gegen ben König aufguhepen“ —: „Nur jene Furſten, welde auf Re
bellion fahen, hatten ihre Ritter und Bauern herbeigebracht, mit Abficht fo früh,
ehe andere en, denen fie nicht trauen fonnten, zu ihnen fließen“. Auch
runo, ber felbfiverftändlich die Dinge rein nur nad) feiner bem Könige ab-
geneigten Auffaflung barftellte, ber ja überhaupt von der gangen Heereörüftung
gegen Polen nirgends mit einem Worte xebet, Tann nicht — da unb bort
den richtigen Sachverhalt durchbliden zu laffen. So fagt er, I. c., c. 24: cur
Berfommlung zu Wormäleben gegen Heinrich IV.: Rebe Otto’. 243
Dito von Nordheim hatte nunmehr auch ganz entſchieden für
die Betheiligung an der Bewegung feinen Eniſchluß gefaßt, und er
übernahm es, vor der verjammelten in Waffen ftehenden Heeres-
menge, von einem Hügel aus, beilen Höhe es erlaubte, daß Alle
ihn verftanden, mad ge otenem Stilljehweigen, den Plan, der gefaßt
worden war, zu indigen. Denn >: mußten keineswegs alle
Anmefenden, um was für eine Sache es fih handle; noch galt es,
Unfihere feit zu machen, Aengſtliche zu ermuthigen, die ganze Maſſe
zu einem einheitlichen Entfchluffe mitzureißen. In geſchigter Weife
verftanb e3 fpäter Bruno, die Rede, melde er in feinem Buche aus
Dito’3 Munde bei diefem Anlaß hervorgehen ließ, fo aufzubauen,
daß die Gedanken, welche die königsfeindliche Partei aht Jahre
nad) dem Wormöleber Tage als bewegende Kräfte in diefe on
n
Mmehtihaft. Die Bedenken gegen eine Waffenergreifung werden
ege geräumt: — von dem Eibe, ber
dem König gejchworen worden, den auch Dtto felbft abgelegt habe,
fönne ja nicht mehr geſprochen werden; wie Otto felbft die Treue
ur bewahrte, jo lange Heinrich IV. königlich handelnd für ihn
ein König war, jo follen die Sachſen überhaupt fi daran erinnern,
dab fie, gleich dem Sprecher, für das Vaterland, für die Freiheit,
gegen den ungerechten Räuber ber Freiheit, die Waffen zu ergreifen
die Pflicht hätten, damit nicht durch Sorglofigfeit und Trägbeit
fe und ihre Kinder fremder Leute Knechte würden. Endlich fol
autem tam magnus conventus in parvo loco (sc. in Wormäleben) factus
mon omnes agnoverunt; in der Rebe, bie er Dtto in den Rund legt,
lantet der erfle Gap: (c. 25) Quare vos, o milites optimi, principes vestri
ta frequentes in hunc locum convenire rogassent, licet omnes fere singuli
omovistis, tamen ut nullus vestrum sit, qui se nescium posait asserere,
risum est nobis, ut universi causam pariter agnoscatis ; eine Anbeutung bavon,
gar nicht Alle von Anfang an Te) Beiheiltat batten, enthält die freilich erft
cine etwas fpätere Zeit bezügliche Wendung in c. 28: Quicumque etiam
dum rex erat in provincia, secum jurare non ausi fuerant, eos jam
fügato aut e terra sun fugiendo regem sequi, aut secum pro terra
tra jurare compellunt (l. c., 337, 338). Aber auch Lambert
einer Täteren Stelle, a. 1076, offen eingeräumt, wie es fich mit ber
Erhebung der Sochſen in Wirklichteit verhalten Habe, indem er da fagte:
dabis fide, vacillantibus animis, ut prius cum inter spem et metum
. neque callidis prineipum exhortationibus ut antea con-
vulgus ad arma prosiluerant, wobei eben prius und anter auf das
1073 gehen (250). Die Zeit ber Verſammlung bezeichnet Bruno nur recht
(e. 24: non longo tempore transacto, sc. feit bem 29. Juni,
multo post, sc. nad; der Verfammlung Aufbruch gegen die Harz ·
nach Sambert ganz Ende Juli fallen.
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4
16*
244 1073.
der Redner, damit auch nicht der Schein vorhanden fei, als fehle
zur Erhebung gegen den König ein hinreichender Vorwand, öffent»
lich aufgefordert haben, daß ein jeder vor Aller Ohren fein vom
Könige erlittenes Unrecht erzähle. Da klagte — jo fährt Bruno
fort — Bl Werner, zwei Male fei jeine Stadt Magdeburg
von Heinrich IV. mit Mord und Raub heimgefucht worden; Biſchof
Burchard erzählte von der Kirche von Halberftadt gewaltſam ent:
tiffenen Gütern; dann foll Dtto ſelbſt nochmals das Wort ergriffen
und aus einander gejegt haben, wie widerrechtlich ihm ber König
das Herzogthum Baiern wegnahm; Debi, der Markgraf der fäd:
ſiſchen Oftmark, hatte ihm gegen das Recht entzogene Güter, die
ihm von Recht? wegen gehörten, zu erwähnen; der Billinger, Graf
Hermann, gedachte der Lüneburg, auf die der König in liſtiger
Weiſe die Hand gelegt habe, nicht nach königlicher Machtvolltommen-
beit, da biefelbe ja nach Erbrecht ihm, dem die Klage Aeußernden,
äuftehe; Pfalzgraf Friedrich von Sachen endlich, welcher, andere
Wege, als fein verftorbener Bruder, Erzbifchof Adalbert, wanbelnd,
auch ſchon jegt den Verſchworenen offen ſich angeſchloſſen haben
muß, beſchwerte ſich über die Wegnahme feines großen von der
Abtei Heröfeld inne gehabten Lehens, das er umfonft mit hundert
Sufen Landes vom Könige wieder habe eintaufhen wollen. Doch
viel größeren Einbrud, ala alle dieſe Klagen fürſilicher Herren, ſol
das gemacht haben, was zwei freie Grunbbefiger, Friedrich vom
Berge, der unter Standesgenoffen und Adeligen in ausgezeichnetem
Anfehen ftand, und Wilhelm, dem wegen jeiner üppigen Lebens
weife der Name des Königs von Loberöleben angehejtet worden
war, ausführten, zumal da wenigſtens ber letztere gleichfalls dem
Haflegau angehörte, aljo den Leuten des Landes wohl befannt fein
mußte. Auf Friedrich hatte der König ben Anſpruch erhoben, daß
derjelbe als Minifteriale feine Dienftleiftung zu verrichten habe,
und gegenüber Wilhelm’3 reichem Beſitze war eine ähnliche Forderung
aufgeitellt worden. Jeder anweſende freie Bauer jchien aljo in
dieſen beiden Klagenden das eigene Schickſal, das ihm bevorftehe,
den Verluft der Freiheit, denjenigen des Erbgutes, vor den Augen
ji haben. Dann aber fam noch jeder Andere, der glaubte, ſich
efchweren zu bürfen, mit feiner Darlegung, was er an Unreht
erduldet habe, fo daß der gefammte aufgehäufte Stoff gar nicht
mehr überfehbar ſchien ®*). rauf verpflichtete fich die ganze Ver:
91) &o beftimmt Otto’3 Rebe, welche Bruno, c. 25 (837), einfchaltet, eine
rhetoriſche Probeleiftung biejes Autors ift, jo wahrſcheinlich if es, daß hier nun
wirklich Otto in bie Leitung ber Dinge eingetreten war. Bruno läht, c. 4,
magni parvique . . omnes, heemadh maximus exereitus anwejenb fein;
feine Aufzählung der Mage führenden Fürften zeigt, neben Oito und bem
Bilfinger Hermann, nur zwei oftfäliiche geiftliche Fürften, den Markgrafen ber
fähfiigen Dftmark (diefen Hatte !den c. 23 zu dem Goßlarer Greigniffe er:
wähnt — vergl,n. 37 —, bab e3 bamalß bereit? zur Kündigung ber Treue gegenüber
dem Könige gelommen wäre, nisi Dedi marchio eorum furorem sua prudentia
eompesceret: 336) unb ben eben in ber Gegend bed Berfammlungsortes ſelbſt
— ⸗
Klagen u. eidliche Verpflichtung gegen d. König; Abſendung e. Botſchaft. 245
—— ſo zahlreich ſie war, durch einen feierlichen Eid, den
jeder einzeln ſchwur. Die Biſchöfe verſprachen dabei, daß fie, fo
weit e3 ihr geiftlicher Stand liche, mit allen Kräften die Freiheit
ihrer Kirchen und diejenige anzen Sachſenlandes gegen Alle
zu vertheidigen ſich vorjegten, Be iien aber, daß fie, fo ange fie
febten, ihre Freiheit nicht verlieren und instünftig nicht zulaffen
wollten, daß jemand ihr Land gewaltfam ausplündere.
ußerdem aber — und das hielt der ganz einfeitig erzählende
meh der vom Tage zu Worms leben ſpricht, mitzutheilen nicht
E angemef jen — murbe eine Geſandtſchaft an den König nad
Mn Bi ag am San abgefertigt. Diefelbe beftan aus
drei Boten; der Sprecher, den geiltige und Eriegerifche Bedeutung
dazu empfahlen, war Meginfrid, der Burggraf von Magbeburg ,
welder zwar gar nicht einmal von Geburt dem jähfifhen Stamme
angehörte, fondern als Sohn eines nerticen Adligen ein Franfe
war. Der eine Auſtra der Botſchaft war wohl nur ein vor-
eher Grund, um damit die Zurüftungen im Haſſegau noch
da verhüllen zu können. Die Bitte follte — vorgelegt werben,
eb der polnische Seloyug den Sachſen erlaffen werden möge: fie
ſeien ſchon ohne das bei Tag und bei Nacht ſtets in Waffen und
mächtigen ſachfiſchen jrafen, jo daß Floto, 1. c., 384, mit vollem
bie Anweſenheit aller een pa Rifte (196) Sarasin wie Schebreät, 1
275, fie gmntmumt; beftreitet (vergl. auch n. 103). uxd II. wegen Pr
Beidwwerben in bee Rede Otto's; bie Srantwortung nr bie Richtigleit der
Alogen der einzelnen Rebner nad Otto — inc. die im Ganzen jo
vorgebracht worben fein, trägt einzig Bruno; berfelbe meint: ad quas
“ die von den ceteri, den Richtgenannten, Borgebracpen in juriae) commemoran-
52* pagina sufficit nec memoria. Der beiden Rlageeler, die fo großes
ten, quia in illis duobus quid universis facere cogitabat (ec.
un aestimal nt — gebadhte ſchon c. 16, des einen, qui inter liberos homines
vel nobiles eximius babebatur, Fr ben ber König 18 famulus suus in An-
fun nahm, bes anberen, Dropier niroiam cultum sui rex Lotheslovo
iebenfalld das feine zwei Th Im ih üblicher Richtung von Wormäleben Liegende
Dar Xoberöleben, weſilich von Querfurt) appellabatur: ut propter hos duos
ab omni Saxonia praecipue sit adversus regem conjuratio (334).
Zambert’8 wortreiche —E ift dagegen heile unbraubar; theils zieht
fie eben Ramen und Schägungen herein, die erſt in einem weiteren Stadium
der Aufflandes, vielleicht u nur ſehr annähernd, richtig waren. Es a beißt
ba (196): neditio ita brevi totum Saxonise populum quasi rabie quad
infeeit, ut ‚gun igniten omnis conditio, omnis aetas, quse modo taeiendis
stipendiis idonea foret, uno animo, pari voluntate, ad arma conclamaret,
et se sub sacramento jromitteret, aut obstinate moritaros, aut gutem suam
in Hibertstem Tendicafaros; weiter: vulgus promiscaum supra 60 milia erat,
qui ad amerendam libertatem patriae legesque tuendas promptissimo animo
wanus operamgue suam * pronfttebant: en erinnert Die vere divinitus
blatz sibi —— qua jügum — lominationis a ee eis
eseuterent — bie Frage ivegen jen des erzogthums und bed icjald
vr Regnus — an ben und) Dtto’3 in de Eher bei Bruno: Sed ne
euiquam vestrum causa non satis vehemens Yidentar, qua —— regen
ara capiamus . unusquisque suas, quas ab eo passus est
ram omnibus vobis — (837), Worauf Hermann bie in n. an:
Hihaltete Klage wegen Bäneburg dorbringt.
246 1073.
in Schlachtordnung gegen die gefährlichften Feinde, ihre liutiziſchen
Nachbarn, und dürften nie die Hände ruhen laſſen, wenn fie nicht
diefe Gegner unter Mord und Brand verwüftend im Lande fehen
wollten, und fie hätten faum genug Truppen für dieſen, fo zu
jagen, ihr Haus betreffenden, innerlichen Krieg, To daß es ganz
thöriht wäre, gegen auswärtige und entfernter wohnhafte Qölter
die Waffen zu tragen. Dann aber hatten die Beauftragten eine
Neihe beftimmter Forderungen vorzulegen, welche fih nun ohne
Zweifel unmittelbar an die Berathungen zu Wormsleben anknüpften.
Unter denſelben müfjen die Klagen über die Störungen im Genufle
ber gemeinen Nugungen durch die vom Könige in das Land ge
jegten Fremden, die Mabregeln gegen den erblichen Befig und die
freie Verfügung über die Grundftüde, die Desinträchtigung der
heimifchen Rechlsverhältniſſe beſonders betont worden fein; vielleicht
war aud von den Burgen und den Ausfchreitungen der in ihnen
lagernden Befagungen, fowie von weiteren Beſchwerden die Rebe”).
Heinrich IV. muß, als ihm zu Goslar, wo er wieder
95) Bei Bruno fchlieht bie Berfammlung — c. 26 — mit ber allgemeinen
BVereibigung (338). Aber jowohl Lambert, ald das Carmen de bello Saxonico
bringen weitere Mittheilungen über eine Gejandtidaft an den Rönig, welche
einzig hier Plab Haben. |ener jagt: circiter Kalendas Augusti, adulta jam
satisque roborata conjuratione, legatos mittunt ad regem . . . postulantes,
ut expeditio, quam in Polenos instiuerat, sibi remitteretur: se adversum
acerrimos hostes Luticios die ac äocte in procincta atque in acie stare
(ete.), und im Anichluffe daran folgen bie in &xeurs III. analyfirten und als
in folder Form, wie fie ba [RAR unmöglich dargelegten Forderungen (196
u. 197). Das Carmen, Lib. I, jcidt zuerft eine allgemeinere Einführung boraud,
daß bas übermüthige jächfiiche Volt bie ihm angelegten Zügel nicht ausbielt und .
von tiefem Schmerz ergriffen wurde: studuit contraria regi viribus atque
dolis. Furor hine evenerat omnis; hinc belli causae veniunt sub imagine
reeti (v. 25 u. 29); dann folgt, was auf die Berjammlung von Wormäleben
zu beziehen if (v. 30 Hi Conjurata dolo gens ut convenit in unum, com
siliis instructa suas fallentibus artes, tres oratores legatos eligit omni ex
numero, sus qui deferrent nuncia regi, unter denen animis.. maximus extat
et armis (bie Ausgabe ſeht ftatt befien: annis in den Zert).. . . Meginfridus
(v. 86 u. 37) (88. XV, 1219: aud) bei Aventinus, Annales, Lib. V, c. 12, it
Meginofridus der Sprecher der tres proceres, Gämmtlice Werke, TIL, 107);
den ziemlich wahriheinligen Inhalt feines Bortrages (v. 38-50) erörtert
gleichfalls rcurs II. Tas Vegehren wegen ber Exlaflung des Polentrieges
war bie Verfchleierung ber ſchon that glich grgen Heinrich IV. ‚gemadten
?riegerifchen Rüftung; die nachfolgenden Forderungen enthielten das Ultimatum,
deſſen Erfüllung bann dur dad Aufrüden ber bewaffneten Schaaren vor der
werben follte. Daß der Spreder der Gelandte
9, bei Bruno, ec. 52, in einer Der ranemöellung
Iagedeburgensis urbis praefectus (l. c.,
fendung der Botſchaft aus Wormäleben, wo ja
erſonlichteit ber Verfammlung war (vergl. über
m Wagpeburger Burggrafen, geh ur
00, wo ber Berweiß der nicht jächfifchen, jonbern
308 gebracht ift: nur follte nicht, 299, t
als Sachſen bezeichne, da in deſſen v. 37 die
iander zu verbinden find).
Eintreffen b. Boten zu Goslar; peinlicde Neberraichung Heinrich's IV. 247
weilte®*), biefe Dinge auf einmal nahe traten, in furchtbarer Weife
aberraſcht worben fein. Denn nach ber ganzen Lage kann er von
bem wahren Sadjverhalte bis in biefe — am Uebergang vom
Juli in den Auguft, feine Vorftellung ga t haben. Es war den
Verſchworenen elungen, ihn in ähnlicher Weiſe zu überrafchen,
wie er 1066 auf ber Verſainmlung zu Zribur, Auseih mit Erz
biſchof Adalbert, unerwartet überfallen worben war. Nimmermehr
mwürbe ſich ber König ohne irgend eine ausreichende Begleitung von
Truppen jo weit in das unfihere Land hinein gewagt haben, und
er hätte jedenfalls nicht gezögert, die am Rheine und in den oberen
Theilen des Reiches ſich allmählich bereitftellenden Aufgebote heran-
puichen, wenn er die geringfte Ahnung von der wahren Gefinnung
er Sachſen, von dem eigentlichen Zwede der Eings herum im oft»
fãliſchen Lande ſchon geſchehenden kriegeriſchen Vorbereitungen gehabt
hätte. Es kann gar nicht bezweifelt werben, daß man auf der
Sarzburg unb in Goslar bi3 zum Eintreffen ber brei Boten an-
jenommen hatte, all das gefchehe in pflichteifriger Weife gegen bie
olen. Denn fonft wäre eine jo Unkegeeifi ei leihtfinnige Sorg-
lofigfeit hier vorhanden geweien, wie fie bei einem fo wi enskrät-
tigen und auf fein telbffändiges Handeln bedachten Herrſcher
ausgeſchloſſen ift. Gerade das Auftreten gegenüber ben —
ürften einen Monat früher zu Goslar hatte noch bewiefen, wie
fehr Heinrich IV. im Ge Fr Beil „der auf dem ihm anfcheinend fo
genau befannten Boben fü eglaubt hatte. Niemals wären
die Vorbereitungen in 1“ gro er ähe am Harz vom Könige ge-
Rattet worben, hätte er fie nicht mit feinem eigenen Aufgebote in
Verbindung gebradit°*). Allerdings feblte es ja num auch noch in
den Worten Meginfrid’3 nicht an gewifjen beruhigenden Zufiche-
=) Rad n. 87 if gegen Lambert’ Angabe, dab bie Gejandten ad
regem, kum temporis Gi constitatum fich begaben- (196), gewiß nichts
ai
Bu ”) Geb der König He —5 — daß er unvorbereitet war, geht aus
ungsen Quellenftellen Dr. 0 fagen Annal. Altah. muj., bie in n. a
imper., ©. s, die asien bar, wie ve — super mn wu ——
b * er cum paueis contra ipnumeros armatos
estimans au 5 guat geiff (88. XIL 272) KT) die ——— der Weg:
side illimus in St. 2764 (vergl. n. 88), noch am 26. Juli, iſt nur
van: en — noch feine Ahnung Sorhanben
Sfeörer, Meat yon ie VI, 7, diefen Umftand bes
Le, 888 —, ir ich durch frühere Anfegung
üguifle von ehem HR 120), ba is anzunehmen, ber König
ki ‚der offentundi Gebr "ieh, — ge — t —* —
lage Gervongettcen jein.
248 1073.
tungen dem Könige gegenüber daß bei einer Erfüllung der vor-
gebrachten Begehren aller Gehorfam für die Tönigtidem Gebote
nicht ausbleiben werde, daß man ihm überall zu folgen gewillt
fei?®); aber die wahre Meinung war ganz unverkennbar, und
Heinrich IV. mußte fi auf weitere ernfte Erfahrungen gefaßt
halten. Danach bemaß er die den Boten ertheilte Antwort. Sie
follen ihren Auftraggebern zurüdzumelden befommen haben, daß
der König weit davon entfernt fei, die Gefege des fächfifchen
Stammes vernichten zu wollen, jondern nur für die Aufrehthaltung
von Recht und Orbnung forge und das auch weiter thun wolle, fo
daß niemand ſich bei ihm, ohne Erfolg zu haben, beklagen dürfe;
folte aber doch noch für die Sachſen Grund zur Beſchwerde vor-
handen jein, jo wolle er die Großen des Reiches um fi verfammeln
und nad) ihrem Rathſchiage für dieſe Dinge Abhülfe treffen”).
Außerdem aber wurde nun jedenfalls ſogleich der Beſchluß gefaßt
und durchgeführt, die Hofhaltung nach der ungleich größere Sicher⸗
beit barbietenden feiten Harzburg zurüdzuverlegen. Hier ließ fi,
wie zu hoffen fand, die Ankunft des aus den übrigen Theilen des
Reides aufgebotenen Heeres, ober vielleicht wenigſiens eines vor-
geſchobenen Theiles defjelben, auf ſächſiſchem Boden abwarten, jo
daß dann der König gegen zu befürdhtende weitere Angriffe geihügt
fein würde. Die Reichsfleinodien und ein Theil des königlichen
Schatzes, fo viel fi in der Verwirrung fortbringen ließ, wurden
aus Goslar nach der Harzburg in der Eile mitgeführt; hier fonnte,
wie e3 ſchien, mit mehr Beruhigung den nächſtfolgenden Ereignifien
entgegengejehen werden, und die Ankunft des Herzogs Berchtold
durfte wohl als eine Ankündigung der ſich zum Heereszuge in
Bereitſchafi fegenden Fürften gelten”).
9) Der Vortrag (vergt, n. 92) fehließt in v. 49 u. 50 ab: Quod tibi
debemus, si nune optata feremus, quo nos cungue vocant, sequimur tua
jussa volentes (b. b. alfo auch in den Feldzug gegen die Polen, nad; ben zur
"Zeit vorliegenden Berhältnifen), und Lambert ir lagen: "Si ita faceret (se.
der König: justa postulantibus sponte annuere), se promptissimo animo &
sieut actenus servituros, Worte, die allerdingd don um fo lauteren, rhetoriſch
ſtart en Drohungen eingerahmt find (197).
*) Während Lambert’s Mittheilung über bie von Heinrich IV. gegebene
Antwort: consiliariis eius dicentibus, quod ad primum belli terrorem tanti
motus irarım deflagraturi essent, paululum resumpto spiritu, leviter et
contemptim legatis respondit, nihilque certi reportantes dimisit (197) zu
den von Dieffenbacher, 1. c., 104, beurtheilten allgemeinen Wendungen zählt
(begeichnend ift auch die abermalige Abwälzung ber Schuld auf die consiliarii),
legt der Dichter des Carmen bem Könige eine beftimmte Antwort in ben Mund,
v. 52—60, wobei er auf die regni primates . . fideles — mihi conveniant —,
beren consilium abftellt (l. c., 1220).
) Nach den Annal. Altah. maj.: Cum autem rex in dilecto sibi loco,
Harzesburg dicto, maneret et regale convivium familiaribus suis exhiberet,
subito narratur a clientibus, quis magnus Saxonum in prozimo consedisset
exereitus (l. c.) und Bruno, e. 27: Nee multo post (sc. nad) ber Berlamm-
lung zu Wormäleben) recta via ad Hartesburg, ubi rex erat, cum magno
exereitu perrexerunt et contra urbem ita, ut inde possent videri, castra
Heinrid’3 IV. Weggang zur Harzburg; Erſcheinen d. ſachfiſchen Heeres. 249
Mein bie volle Gefahr der Lage trat jet erft im ganzen
imfange hervor. War ſchon glei von Anfang an die Abjendung
jener Botſchaft an Heinrich IV. nicht? weiter als eine Umhüllung
der in Wormoleben gegen den König in Ausficht genommenen weiter
gepenben Maßregeln geweſen, fo diente die von den Gefanbten zurüd-
rachte Antwort nur zur Beichleunigung diefer Abfichten. Gegen-
jeitig erinnerten ſich die Theilnehmer an der kürzlich abgehaltenen
Verſammlung an die dort aufgeftellten Zuficherungen , daß jegt die
Zeit gelommen ſei, um mit bewaffneter Hand bie abermalige ver-
ähtlihe Zurüdweifung durch den König zu erwidern; durch bie
Darlegung der geſchloſſenen Kriegsrüftung follte ein Drud auf den
Billen des Königs ausgelibt werden °). Ohne Zweifel in aller-
türzgefter Zeit, nachdem die Boten Goslar verlaffen hatten, zog ein
anſehnliches Heer vor der Harzburg, wohin es geradenwegs vor⸗
gerüdt war, auf, jo daß es von der Burg aus deutlich wahr-
genommen werben fonnte, und nochmals war es auf dieſe Weife
gelungen, den König zu überrafchen und zu einer Zeit, wo er noch
nit zur Abwehr in den Stand gefegt war, feitzuhalten. Denn fo
wenig hatte er ſchon jegt eine derartig feindjelige Haltung der
Sachſen vorausgejegt, daß ihm die Nachricht von dem Er Beinen
des Heeres im Gefichtökreife feiner Burg in dem Augenblide dur
bie Diener gebracht wurde, als er eben feinen Vertrauten ein könig⸗
liches Gaftmahl gab). Zwar wollten augenſcheinlich die vor ber
t (838) war Heinrich IV. auf der Harzburg, ald bad Heer ihn zu
begann. Alfo muß Lambert irren, wenn er auöführt: Igitur armati
instructigue Goslariam contendunt, ibique mediocri a villa intervallo castra
loeant ...... Rex accepto nuneio vicin! jamque instantis periculi, graviter
mente consternatus, propere in Hartesbure se contulit, eoque secum regni
insignis et thesaurorum suorum 'quantam in ea trepidatione potuit, partem
eonvexit (197), da der allerdings obne Zweifel auch beihleunigte Aufbrud; nach
der rg ſchon vorher geſchehen ſein muß. Die Anweſenheit de Herzogs
am Hofe, bie fi Lambert nicht ertlären fan — Casu quogue
zuper advenerät, nescio quid privatae causae acturus in palatio (Deut,
Le, 4 u. 45 — n. 198, aud 42, n. 121 —, fuct in Sambert’3 Worten
ach zu viel: allerdings hätte eine Frage betreffend die wahre Stellung zu
Riunten Berhtold nicht fern gelegen) — umb die berfelbe (I. c) mit ganz
mutigen Borftellungen zufammenbringt (vergl. in Excurs I), war vielleicht
eine indigung bes zu erwartenden nachfolgenden Eintreffens des Reichäheeres.
*) ie das Carmen, v. 61 fi. — Missi dieta suis referunt dum regia
infelix populus ruit ad bellum studiosus (l. c.) —, fo fnüpft Lambert:
Quod ubi suis nunciarunt, atrox omnium mentibus ira incanduit (ete.: 1. c.)
bie Aumwendung der acrior vis, den Bormarich der Sadhfen, gleid) an die fönig«
a be nberd bie erfle in n. 97 aufgeführte Stell iten
) . befo ie in n. 97 au je Stelle, zur zwei
mod im Folgenden: Quos cum rex vidisset, Subito quidem slupore per-
elsıs expavit. Die Compil. Sanblas. jagt: Et facta juratione cum
multitudine ex inopinato eum constringere, ad quos illis erat animus,
ibant (88. V, 276). Jedenfalls eridjien aljo dad Hrer fehr raſch vor
de rg, jo da, entge Gieſebrecht's Anzweiflung, III, 1134, in den
Fi *, bie von Sambert, 196—198 ten Greigniffe ganz gut „in
ewig mehr ald einer Woche“, vor Heincich’® IV. @lucht von der Harzburg,
wi fi zugetzagen haben fünnen.
250 1073.
Harburg fih Iagernben fürftlichen Führer bes ſächſiſchen Heeres
noch keineswegs die äußerften Mittel gegen Heinrih IV. zur An-
wendung bringen, und beſonders Biſchof Burdard von Halberſtadt
gab ſich, nebft noch menigen Andern, die größere Befonnenheit be
wiefen, große Mühe, die Leidenſchaft des zur Wuth gereizten großen
Haufens zu mäßigen, die Menge von dem Verſuche eines unmittel-
baren Angriffes zurüdzuhalten 100%). Aber deſſen ungeachtet war ber
König, gegenüber der unverhältnißmäßig ftarfen Uebermächt, die ihn
bebrängte, gezwungen, auf irgend welche Wege, die ihm zur Rettung
dienen könnten, bedacht zu fein.
Heinrih IV. jandte aus feiner Umgebung drei Boten an bie
Sachſen ab, unter welden bie erfönichteit des Herzogs Berchtold
durchaus feitfteht — Lambert ſchildert ihn als einen durch Klugheit
und volfsthümliche Beredtſamkeit hiezu ganz beſonders geeigneten
Mann —; ſehr wahrſcheinlich waren Bifhof Friedrid von Münfter
und der königliche Kappellan Siegfried defjen Begleiter"). Im
Namen des Königs äußerten die Gejandten defien große Vermun:
derung darüber, was diefe jo große Zujammenhäufung von Volk
wolle; er wiſſe nicht, daß er durch irgend etwas, das gegen fie ger
ſchehen wäre, es verſchuldet hätte, daß fie wider ihn einen Bürger
frieg beginnen müßten —; fo follten fie die Waffen niederlegen
und, wenn fie etwas zu Hagen haben würden, es ihm vorbringen,
da er bereit ftehe, mit ruhigem Sinne darüber Äh entſcheiden, auch,
wenn etwas zu beſſern wäre, das mit dem Rathe feiner Fürſten
und Freunde zu thun!®). Als der Wortführer der ſächſiſchen
3 Zambert- nennt außbrüdlic Bucco Halberstatensis episcopas et
pauei admodum, qui sanum aliquid sapiebant, ald Beichwichtiger des —
animus, beö impetus tumultuantis turbae (l. c.).
301) Bruno, c. 27, fimmt in der Rentung der königlichen Beauftzagten
u — — Samen mit Sambed,
er noch Eppo Citicensis e| us unb Benno Ösen! ‚nei epii _
— — —
(sc. rex) — nennt, überein (1. e) Da nun Lambert ſchon in dem früheren
, wo er die don ihm genannten Biſchöſe erwähnt: Liemarus Premensis
erchiepiscopus, Eppo .. et Benno .. ., quia in communem sententiam
gentis sune concedere nolebant, de finibus Saroniae efugati, ad vogem
e
it (vergl. n. 109)
109) Den Auftrag ber Boten geben Lambert (197) und Bruno, c. 27, in
oriſcher Ausmalung
vom den durch die
Verhandlungen zwifchen Heinrich IV. u. d. ſachfiſchen Belageren. 251
— unter welchen ohne Zweifel die ſchon in Wormsleben
—— Klay gefeller voranftanden und die wohl nur aus
äliſchen Sande da verfammelt waren !%®), trat Dtto von
hervor. Er führte aus, daß die gefammten Sachſen, in
an Namen er fpreche, nicht in feinblijem Sinne, nit um einen
Bürgerkrieg zu beginnen, ya ſich ei ngefunben hätten, fondern um
dem Könige, wenn er sänig 1 jein wollte, in alter Treue zu dienen;
ihre Bitte fei, daß er die Burgen, die er nicht zur Sicherung des
Reiches, fondern zu befien Zerftörung gebaut habe, bejeitigen möge,
ba fie, wenn er das abwieje, dann allerdings die Einficht gewinnen
würben, weßwegen bie Burgen errichtet worben feien; denn fie
wollten "ihre jeit und ihre Güter gegen aller Menicen Gewalt-
famteit mit Hülfe ber göttlichen Liebe vertheibigen!*). Doch eine
Verftändigung war ausgeſchloſſen. Zwar jollen nad) einer Nachricht
die Eöniglichen Boten nocimale zu den Sadjen Bingegangen und
auf bie urg zurüdgefehrt jein; doch Heinrich IV. konnte nicht
208) ots, Le, Er ſchied DR richtig aus den von Lambert (196) aufs
ten Iomen (vergl. ſchon n. 91 u. 101) — a onen neunzehn, worunter acht
Geiftliche und bei den weltlichen — unter dieſen Otto borans
— aud neben Dedi deſſen PH hrla: omni marchione animosior
atque implacatior — boran die wefllich von ber Weſer jehhaften Perfönlichkeiten,
alle belonbers neben Biſchof rieric | 8 Pr Bilcöfe ayailbert en 'inden
mad von Paderborn, ebenjo Bi Benno von Mei für diefe Ane
— Benegung ana. Kohl aber. lahm. ce don dem Der Cambent 4
nannten als in Wormöleben — und gewiß jept auch Do der Harzbın
Rimmt anwefend an, neben Dtto und ben vier au i Lambert Gelenden
geilen Klageführern jener Fr ey iſchof am dot Burdard,
Bi af Friedrich), erſti Bid jerner von Merfeburg, dann ben
Barlgraen bo don ber — ————
— Er aud ber Bee inn. 88 a führte Graf Adalbert (vom
zu bem Am ben, wegen ber, vage feines Gaues. Dann nennt
ve ilo don Hildesheim. Dagegen ift bie Theils
nahme bed 1% ma he puer adhuc a Fre
ief
— bleiben die vun Grafen Otto, Konrad und FR end x Be
;icherheit über bie Gültigfeit biefer Sambert’fchen Liſte nach der zeitlichen fuceeffiven.
uebreitung beſteht nicht. Die ſchon in n. 86 citirte Echrift, die in Die Annal.
#. Disibodi aufgenommen ift, nennt ala Theilnehmer — Fugehöri feit
mach Berner von Magdeburg, Burchard von Halberflabt noch Otto, den „Her«
—e— m m Martgrafen Mbo, den Grafen Zudiwig, cum aliis innumera-
lium quam infimorum militeribus viris (l. c., 7).
1) 2 — iſt Bruno s Zeugniß, c. 27, wo omnium Saxonum re-
durch Otto ben Boten ertheilt wird, "dem nit an eine beflimmte
getnüpften weitläufigen ‚Gerede Rambert’s (197 u. 198) vorzuziehen, das
wit den orten beginnt: Non eadem ceteris regni principibus et pobis
imeumbit — ütas sehe ionie unb vom a Eieiien aan runs ander
—— lommen (: eben wegen, ber Ungleichheit ber je der en
— Mi derjenigen der anderen Thale des Reiches, könne nicht gut
Pe eg am das erlittene Unrecht ad illorum, se. ceterorum regni
Prineipam, eognitionem communemgue audientiam gewielen werben: cum
nobis aut private ca ealamitate cadendum aut privata virtute injuriis eit
obriam eundum, nibil nostra interest super nostris miseriis aliorum ex-
Pectare sententiam).
252 1073.
dazu gebracht werben, auf die Wünſche, die ihm vorgelegt waren,
lea und ebenfo verharrten die Sachen auf ihrer For:
erung 105).
Allein überhaupt war wohl der König von Anfang an beitrebt
gewejen, den gegen ihn verübten Abfall der ſächſiſchen Stammes-
angehörigen durch die Anwendung von Lift feinerfeit3 zu vergelten,
den Erfolg der allerding3 bis dahin gelungenen Ueberrafhung dem
Feinde dadurd) zu entreißen, daß er durch geſchickte Täuſchung fih
dem Nee entzog, das die vergeltungsluftigen Führer des Belagerungd«
heeres ihm ſchon gelegt zu Haben meinten. Wenn die Bermuthung
um Ausdrud gebracht wird, daß e3 Heinrich IV. von allem An-
eginn mit der Abfendung der Boten nicht rechter Ernft geweſen
jei, daß er ſich nur verftellt habe, um die Sachſen in die
führen, als ſei er ganz ohne Sorge, und auf dieſe Weife die Wachs
famfeit der Gegner einzuſchläfern, fo ift das, obſchon die Meinung
von gegnerifcher Seite laut wird, doch fehr wahrſcheinlich. Denn ber
König mußte von dem feften Willen durchdrungen fein, dem um»
leivliden Zwang, der gegen ihm ausgeübt werden follte, fich zu
entziehen !°°). Den ihm entgegen gehaltenen Drohungen nachzu⸗
geben, hielt er für ſchimpflich und mit der königlichen Würde nicht ver-
einbar; vollends auf die Hauptforderung der von Otto außgefprochenen
Bedingung einzugehen, die Burgen, auf deren Errichtung fo große
Arbeit nun ſchon länger verwendet worden war, felbft wieder zu
entfernen, dadurch der Gewalt der Sachſen fih zu beugen, im Zu-
fammenhang damit aber auch alle mit der Anlage der feften Pläge
in Verbindung gejegten Pläne aufzugeben, erſchien ganz unerträg-
ih. So blieb, angeſichts der geringen Kraft, die zu Gebote ftand,
106) Yambert läßt ben Verkehr der Boteninoch fortdauern: Qui (sc. legati)
iterum missi, iterumque remissi, in eadem eos sententia obstinatos in-
venerunt (198); ®tuno, c. 27, fagt: Cum... . ipsi (se. nuntii), quamvis
multum temptarent, ei (sc. regi), quo rogata ret, persuadere non
tuissent . . .; im Carmen it nur jehr furz unb ungenau, im Sufammen-
bene mit ber noch in n. 107 hervorzuhebenben optimiftiichen Beleuchtung ber
eigniffe, in v. 68 u. 69, von dielen Verhandlungen die Rebe: rex jubet
sese Saxonum quemque vocare condicione sub hac, si se velit et
sua salva.
106) Bruno if von vorn herein der Anfiht — c. 27 —, dab der König,
ut erat dissimulator, quasi nichil timens, die Boten abgeididt habe, und
f&iebt dann noch die Äußerung eigener Anficht bazwilchen: ipse jam nec amicis
familieribus, quia non ut volebat sibi consilium dederant, fidem habuit,
sed omnibus semotis solus secum quid ageret deliberans. 2ambert will
wenigſtens noch von ihm behauptete fortgejeßte Verhandlungen nur zum Schein
abaehalten wiffen: Rex collato cum suis consilio, frequentes ad eos legatos
mittebat, pacem postulans et omnium quae illos offenderant emendationem
pollicens; in quam actionem intentis suspensisque omnibus . ... (l. c.); daß
auf das in diefem Zujammenhange ſtehende Wort mentes legatos teines-
wegs, wie das ſchon geihad, ein Gewicht zu Legen ift, als fei dadurch bie
Anbringung der Dinge auf ber Harzburg in den zehn erften Zagen des Auguft
zeitlich unmöglich, zeigt die unt. in n. 196 folgende Analogie, folder ganz
gewöhnlicher Webertreibungen Lambert's, bie feiner Beachtung werth find.
Ueberlegung Heinrich’a IV. üb. feine Lage; Fluchtplan u. beffen Ausführung. 258
jo daß es ausgeſchloſſen war, mit Waffengewalt oder mit Unter
handlung etwas Gedeihliches zu erreichen, allerdings fein anderer
Ausweg übrig, als der Entihluß, fi für den Augenblid ver
färferen Macht de3 Feindes in heimlicher Entfernung zu entziehen
und in derjenigen Gegend des Reiche, auf welde ein gutes Ver-
trauen gefegt werben konnte, am Rheine, innerhalb der Kriegs-
rüftung dortigen geiftlichen Fürften Anlehnung zu ſuchen. Frei-
lich fonnte aud eine ſolche Flucht nur mit Anwendung größter
Vorficht bewerkſtelligt werben !°”). .
Die Führer des fächfifchen Heeres glaubten ſich in der Be
wadung Harzburg, wo fie den König mit feinen Begleitern
ohne Möglichkeit eines Entrinnens umſchloſſen wähnten, m vor⸗
geſehen zu haben. Der zur Höhe des feſten Platzes führende Zugang
war gejperrt und wurde ſcharf beobachtet; aber die un
Wälder, welche auf der anderen Seite, gegen Mittag, gleih an den
die Harzburg tragenden Berg anftießen und zufammenhängend über
das Harzgebirge bis an das Grenzgebiet von Ahüringen ſich er⸗
ſtredten, boten ben Eingeſchloſſenen die Möglichkeit des Verkehrs
nad außen hin und damit den Ausweg zur Flucht!) Am
10. Auguft verließ Heinrich IV. die Harzburg, als die Nacht
vollends den Wächtern die Beobachtung unmöglich machte, umgeben
von wenigen Begleitern, voran Herzog Berhtold, den Biſchöfen
Eberhard von Naumburg und Benno von Osnabrück und einigen
107) In ben Annal. Altah. maj. ift des Königs Erwähnung, jo bald er
die Sachlage vernommen hatte, ehr gut erfaßt: turpe putans, minis eorum
propter paucitatem vero militum metuens, sanguine judieium faccre,
ratus tempori cedendum, in Franciam disposuit abire (I. c.). Aehnlich läht
Brano, c. 27, ben König benten: cum nec honestum putaret, ut quasi vi
eoactus subito castella sua per multos annos constructa destrueret, nec
tutum crederet, ut cum paueis, quibus etiam jam minus credere coeperat,
cum tanto exereitu ad omnia parato placitum aliquod adiret. Sambert
gu fich ganz eigenthümlich zu der Sache. Gr, ragt die Sachjen bedenfen, alle
Ihe aufzumenden: ne qua ei (sc. regi) copia fieret effugiendi et in alias
regni partes bellum transferendi —, und er bedauert ed gerabezu, bak ber.
Röwig fich nicht jehalten lieh: Neque hoc ipsum regem Iatebat. Ideirco
modis omnibus intentus agebat, qualiter . . in latiesimam regni aream
bellum traiceret, maximeque ad episcopos Reni, quos sibi ob crebra sus
merita fidos firmosque in adversis fore sperabat —, fo daß bie Sachſen nicht
zum Ziele tamen: Et profgeto, si id re cürassent, facili dispendio et paucis
um diebus res confic “...', postmodum tanto tempore tracta
d. ©). Das Carmen färbt bie ganze Entwidlung in einem bem Könige ginfigen
Sinne, fo daß die flüchtige Entfernung gar nicht erfichtlich ift: v. 74, 77. u.
8 — U zit eos rex nolle venire vocatos . . . Ipse rebellantes acies
dueturus in hostes ibat, uti propere conduceret arma virosque.
’°s) Sambert jagt von Den Cadıjen: omnes vias, par Quas descensus
esse poterat de castello (im Widerſpruch mit ber nachher folgenden, ſchon in
m 76 ftehenden Stelle von bem unum iter), adhibitis custodibus, observari
wtatuerunt; doch ber ſchon 1. c. erwähnte Wald — exinde (sc auf der Sübs
kite) per multa milia passuum continus vastitate in latum extenditur usque
ad confinium Thuringiae — machte bie Vorfiht unnüg: nulla obsidentium
diligentia conclusis egressum vel ingressum eripere poterat (l. c.).
254 1073.
anderen Zertrauten, unter melden fi) aud jener treue geiſtliche
Kanzleibeamte befunden haben muß, deſſen Anhänglichkeit an den
König aus ber eigenthümlicyen Form der von ihm verfaßten Ur.
tunden klar hervorgeht. Aber e3 gelang aud, in dem Gepäd
wenigftend jedenfalld die wichtigften En der Kleinobien und des
Schatzes mit zu führen. Es war von Vortheil, daß der
König felbft, ebenfo unzweifelhaft Biſchof Benno, von der Anlage
ber Befeftigungen her — Heinrich IV. auch durch jeine häufigen
Zagdaufenthalte —, die Gegend, durch welde ber Weg zu mählen
war, genau fannten. Freilih waren die Mühſeligkeiten aller Art
nicht gering, und bie Furcht vor Rachſtellungen leitete den
ſchieunigen Zug. Auch ift es ganz glaubwürdig, Dtto von
Nordheim in einem Hinterhalte den Fliehenden auflauerte und mur
durd eine ihn im Augenblid der Enticheidung erfatjende eigenthinn-
lihe Scheu von dem Angriffe auf den in unmittelbarer Nähe vor:
heiziehenben König abgehalten wurde. Dagegen hat fi) kurz darauf,
als die Schaar Hersfeld erreicht hatte, Lambert allerlei übertriebene
Einzelgeſchichten, vielleiht von einem der untergeorbneten Theil:
nehmer an den Begebenheiten, erzählen laſſen, die er freilich in
„Seiner Schilderung nit miſſen wollte‘). Erſt als Eſchwege er-
) Die Seichichte von der Flucht, wie fie Lambert (L c-) allerdings hödjft
anſchaulich erzählt, war 3. B. ſchon von DBogeler, 1. e., 50. n. 1, ald „roman«
Haft“ angezweifelt, und Diefienbadher, 1. c., 67-72, Meilt vollends das Ganze
ald eine „Ausgeburt Lambert’icer Gchreibluft“, mit unlengbaren inneren Wider:
ſprũchen — fo wegen der Yorausfendung der Meinobien —, hin, wobei nur die
don Pannenborg, Lambert von Heröfeld der Berfafier des Carmen de bello
Saxonico, 69, herül momımene Abhöngigleit vom Baliharius-Lieb kaum in
das Gewicht fällt, während die Berdädtigung der brei Fludjttage, auf benen
die Erzählung Lambert's ruht — triduo: quarto die —, al8 einer bei Bambert
topifchen Zahl, ganz am Plage if. Der Tag der Ankunft in Hersield: Idibus
Augusti — fieht Vibfverfänbtih fe. Denjenigen des Aufbruch von der
Harzburg bieten die Annales Patherbrunnenses Scheffer-Boichorfi's 95, in
der in die Annal. Yburgens. (SS. XVI, 436) übergegangenen Radriät:
regis de Hartesburg in natali sancti Laurentii (woraus wohl durch
Ri indniß in der Einfdiebung des Annalista Saxo: 5. Idus Augusti,
88. VI, 700), welde gegenüber der aus Bambert heraudzurechnenden Nacht vom
&. bis zum 9. Auguſt jedenfalls vorzugieben if. Im Bruno’s c. 27 ift die Anı
gabe: per confraga silvarım, quae saepe dum locos castellis quaereret per-
agraverat, fugiens (sc. rex).... paucis comitantibus fehr zu beadjten, bar
gegen bie Behauptung: Cuius fugam ut prineipes qui cum eo fuerant agno-
verunt, male se desertos dicentes, ad sua quisque simili fuga festinaverunt —
parteiilc) und old durch ambert’8 Zeugniß, daß Perchtold und Die zwei Bifchdie
mit Heintich IV. weggingen, widerlegt zu betrachten. Daß unter den alü
pie je familiares sui der Dictator —X C fid befand, iſt mit Gundlach
. c., 96, jedenfalls anzunehmen. Den von ben Flüchtlingen eingeichlagenen Weg
ſuchte Köfler, G. von Glafenapp, Neue militäriiche Hätte XXXV, 227,
einzeln, fetzuftellen. Die nur von den Annal. Altah. maj. gebradte Rachricht:
Cui abeunti (sc. regi) Otto in via insidias tetendit et, multo majorem
militum copiam habens, transeunti tamen se inspicienti congredi non prae-
sumpsit (. c.) — ift dod; wohl glaubwürbig, gerade in Anbetracht, daß fonft
diefe Quelle — vergl. ob. ©. 13 n. 25 — Lieber übel von Otto ſpricht. Andere
Zeugniffe über die Flucht des Königs find in ber Compil. Sanblas. (nad) der
Ankunft Heinrich’ IV. in Hersfeld; Einladung an b. Fürften d. Reichsheeres. 255
reiht und damit der Flußlauf der Werra zwiſchen die Flüchtlinge
und zu befürchtende Verfolger gelegt war, konnie, am 12. Kugufl,
daran gebacht werben, die erjchöpften Kräfte durch Gewährung von
Schlaf und Speife in größerer Sicherheit wieder herzuftellen 7°).
Außerdem ftrömten nun aud ſchon zahlreichere Krieger dem
Könige zu, und fo konnte am nächſten Tage der nicht mehr lange
eg nach Hersfeld fortgefegt werden, wo ein Aufenthalt von vier
Tagen gewählt wurde. Denn jegt rüdte bereit? mit dem 22. des
Monats der Tag heran, der zur Sammlung des Reichsaufgebotes
n Polen angejeßt worden war!!!). .Von den aufgebotenen
Frten waren die Bifhöfe Adalbero von Würzburg und Hermann
von Bamberg, ſowie mehrere weitere ſchon in Heröfeld benachbarten
Dertlikeiten auf dem Wege zur Heerfahrt eingetroffen, als fie die
Ankunft Heinrih’3 IV. an diefer Stätte erfuhren; jegt beeilten fie
fi, in Hersfeld mit dem Könige ſich zu vereinigen. Zu Herzog
Audolf von Schwaben, ſowie zu den Biſchöfen vom Rheine, von
Schwaben und Baiern, welde in der Gegend von Mainz ein Lager
aufgeihlagen hatten und dort die Kunde, wo fie zum Könige fogen
follten, erwarteten, wurden Boten mit der Weifung geihidt, daß
der Herzog mit den übrigen Fürften fo raſch wie möglich nach
einem Orte auf dem Wege in der Richtung gegen den Rhein, wohin
ihnen Heinrich IV. entgegenfommen wollte, fs aufmachen follten.
Mohte auch der König in den legten Jahren mehrmals in bie
Treue feines herzoglihen Schwager8 Zweifel gejeßt haben, jo war
doch in dieſem Augenblid der Bedrängniß jeder Argmohn zurüd-
eilt weil von diefer Seite die Fräftigfte Hülfe erwartet werden
te 118),
tele in nm. 99): Ipse comperto illorum consilio, assumpto festinanter
thesanro suo, pront temporis articulus concesserat, vix ab eis cum paucis....
erasit (l. c.), in den fugenannten Annal. Ottenbur.: funn eius (sc. regis) de
ırg, allgemein in Ekkeh. Chron. univ, a. 1072: Quorum insidiis
rex territus, Saxonia ceseit, ganz fur; in ber Vita Heinriei IV. ce. 8:
Sazones . ... repente super regem armis ruebant. Qui cum paueis contra
innumeros armatos confligere periculosum estimans, vix elapsus (88. V, 7,
VI, 200, XI, 272) enthalten.
216) Sambert pt bie Antunft ber jedenfalls auch übertriebener Weiſe ald
ia, vigiliis ac ongi itineris labore ueque ad extremam lassitudinem
J derten Flüchtlinge in Eſchwege — Ubi eibo somnoque paululum
reereati — auf ben Tag vor dem 13. Auguſt (l. c.). J
111) Sambert: postero die, id est Idibus Augusti, cum jam miles fre-
7 ad regem confluere coepisset, Herveldiam contenderunt, woran
bie fon in n. 60 mitgetheilte Stelle anichliekt; ein Zeugniß für dem
dortigen Aufenthalt des Könige in assumptione sanctae Mariae folgt nod)
u (201). Bruno nennt ala Ziel der Flucht, c. 27, die Francia orientalis;
in den Annal. Altah. maj. fteht ala foldes neben der Francia nodh es deinde)
tie Bajoaria (vergl. n. 187). Wuf welche Beftändtheile bes Reichsherres man
iw ber Umgebung bes Königs am meiflen vertrauen zu fönnen meinte, zeigt
bie wat. in n. 177 eingeichobene, allerdings (vergl. auch in Excurs 1) teineewegs
wörtließ zu nehmenbe Gele de Carmen de bello Saxonico, Lib. IL, v. 1 If.
. 29) Sür diefe_Einge it Lambert (199) die einzige Quelle, und zwar, da
iR alle hie Greigmmiffe nach Herield und in bie näcjfte Umgebung fallen, wohl
256 1073.
An dem nicht fehr weit von Hersfeld gelegenen, für die Zu—
ſammenkunft vorbezeihneten Orte Cappel!!®) trafen fich, wahrſchein⸗
ih am 18. Auguſi, der König und die zu ihm berufenen Fürſten.
Heinrih IV. war von der Harzburg nad Heſſen geeilt, um die
von ihm gegen Polen aufgebotenen Heeresfräfte gegen den Aufitand
der Sachſen führen zu können, und nur ein raſches Vorrüden mit
der vereinigten kriegeriſchen Macht konnte ihm die Möglichkeit
bringen, die Gehorjamsweigerung zu bemeiftern, das königliche An-
jehen in Sachen herzuftellen. So ift es begreiflih, daß er ftarfe
Mittel aufbot, um diefes Ziel zu erreichen, um die Fürften zum
augenblidlihen Worrüden mit den bereitftehenden Aufgeboten zu
bewegen. Nach der ſehr lebhafte Farben aufmwendenden, aber im
Einzelnen nicht annehmbaren Schilderung dieſes Vorganges ſoll &
dem Könige gelungen fein, einen bedeutenden Eindrud auf die An-
wefenden hervorzurufen. Aber ben dringend gewünjchten Erfolg
jewann er nit. Denn wenn auch einige Stimmen fanden, das
eer müffe, da fie fich einmal gegen die Polen bewaffnet und bereit
im Weſentlichen, wenigſtens was bie äußeren Vorgänge betrifft, eine zuverlälfige
port, chon n. 60). Eehr bemerfenswerth find gerade bei einem Herzog Rubolf
jo geneigten Veuriheiler der Dinge — vergl. D. Grund, 1. c., 30. n. 3 — bie
—E Audierat (sc. Ruodolfus), eum (se. regem) ab hac expeditione
(se. contra Polenos) ad alia regni negocia animum revocasse, sed quae-
nam mutandae sententiae necessitas repente incidisset, certo non com-
pererat. Plerique tamen jactitabant, eum conjurationis huius conscium
Partieipemmque extitisse, ideoque tan lento gradu ad militiam procedere, ne
aut regi in tanto diserimine contra propositum suum pudore victus auzilium
praeberet, aut, si negaret, defectionem suam consiliumgue immature prodere
cogeretur. Allein in Wirtilichteit nahm hier Lambert Dinge voraus, welde in
diefee Weife in der erften Hälfte bed Auguft noch nicht eingetreten fein Eonnten
— bei dem lentus gradus hat Lambert auch zig beachtet, daß_er jelbft vorher
(195) erft den 22. des Monats ais Tag der Veriammlung bed Heeres bezeichnet
hatte —; bei der engen Verbindung Rudolf's mit Herzog Berchtold (vergl. zu:
Tept ©. 195 u. 196) wäre aud) die Haltung, welche der Tegtere ala Theilnehmer an
bee Sluct Heinvih's IV. von der Harzburg bewies, faum denkbar, wenn
Rubolf inögeheim fon mit den Sachen einverftanben gemwejen wäre; außerdem
führt Giefebreht, ILL, 281, richtig aus, daß von Rudolf ein Aufftand von der
Art, wie er jeht in Cachfen berbortrat, ganz und gar nicht gebilligt werben
tonnte. Abalbero’s ausbrüdliche Rennum, * auch eine Wiberlegung von Ekkeh.
Chron. univ., wo, jhon a. 1072, biefer Bilcpof ald Genoffe ber fächfilchen Ber-
ſchworung aufgefaßt if. .
118) Sambert nennt ala Pla des Zufammentreffens mit ben von Mainz
her fommenden ürften bie villa quae dieitur Capella haut procul ab Her-
veldia (I. c.). Derfelbe if} nad) der Ausführung von ©. freiperen Sgent zu
Echweinaberg, im Sorsefponbengbfott be3 Gefammtvereind ber deutſchen Ge
fgidht8- und Altertyumsvereine, XXIV (1878), 4 u. 5, am ber auch das gan
nahe ſadweſtlich davon gelegene Udenhaufen Lest: ©. ”o) berührenben alten
Wetterauer Heerfiraße don Mainz nad Thüringen, in bem Heutzutage
um Srohbergogitum ‚Heflen_ gehörenden, exit feit bem 13. Jahrhundert jo ge:
iBenen Orte Srebenan, nahezu drei Meilen fübmeftlich von KHeräfeld, zu ſuchen
(das früher in Vorſchlag gebradhte Spiesfappel Liegt in mehr ala boppelt jo
giober Entfernung —— alſo gar nicht in der Rihtung egen in;
in: Köfler, 1. c., 227, n., ber wieder Epiesfappel annahm, Al — daß ja
nur bie Fürften, nicht deren Heerestheile, nach Capella gerufen wurden)
— —
Zuſammenkunft mit d. Fürſten zu Cappel; Aufſchub d. Feldzuges. 257
gemacht hi hätten, jest ſogleich md Sachſen geführt werden, fo riethen
anbere bavon ab, daß voreilig der Krieg gegen ein jo kriegeriſches
und jetzt außerdem ganz erbittertes und zum äußerften Wagniſſe
pr Volt eröffnet werde; fie empfahlen, daß Auflaub
jeben werde, damit die Fürften nah Haufe zurückkehren, hier die
rüften und ben Aufwand für diefelben vermehren fönnten,
fo dann mit vervielfachten Anſtrengungen auch ein länger ſich
Bingießenber Krieg Be werben Könnte. Da „defe Anfiht all-
ag nad) dem St. Tigariktane _ wurde die abermalige
Verſammlung des Heered zum Kriegszuge anberaumt, und zwar
nad) einem Beſitzthum von Hersfeld, Breidingen, an der Fulda,
etwas über zwei Meilen in nördlicher Richtung von dem Klofter
entfernt gelegen '15).
Während in folder Weiſe die Eigenſucht der Fürften über den
Villen des Königs gefiegt hatte, fo daß durch eine Verfchiebung
der Entſcheidung Heinrich IV. von der Bereitwilligfeit der Fürften
) Wieder berichtet einzig Sambert (1. c.) über das was zu Cappel vor-
» ig
em
— und im Allgemeinen alſo wohl Glauben verdient, jo weiſt doch
bie Axt der ſehr bewegten Erzählung, von ben Vorftellungen, 'bie der König
, ımbert’8 —S Forn bei folden Abidnitten allzu unverfenn:
hin: fo fand ſchon Stengel
Raifern, +3 106, die eo us —5 eG rex) auffällig —
Dieffen! ‚105 u. 106, ri daB mehr
tis
en 105). eh
e. 3%: rex los Theutoniei regni prineipes supplex adivit, mit ber Aus:
über bie — S — Ph) in nur ihm, Kira auch ben
ai
ee: waltet, ld an 3 he lebhafte — jang
ns ae eltate Köftler, in ber betreffenden Ausführung in ben —ã
Geidichte, XXV, 562-570, im Eingange unb, dem Maiteng, 5
Da_bie beiden iu Erklärum in Vorſchla⸗ ei der
Ariegsgehdichte 1075, geograpbilch« — ————
ober. Dabei Hat bie KEN en bie Fulda An ben Borzug, wie
Reyervon Anonan, Jahrb. d. dtſch. R. unter Heinzih IV. V. Bd. 11. 17
258 1073.
abhängig gemadt murbe und bei ber Verzögerung der Sache noth:
wenbiger Weife die Vermittlung durch Viefelben ſich zwischen den
Thron und den widerjpenftigen Stamm hineinſchob *"°), nahm nun
aber der Aufftand in dem vom Könige geräumten Lande und darüber
hinaus größeren Umfang an.
Als Heinrih IV. aus der Harzburg abrüdte, hatte er ber
ailerbings wenig zablreihen Bejagung, welde er da zurüdtieh,
erftlih den Befehl gegeben, die Gegner noch einen Tag lang buch
allerlei liftige Mittel über die Thatſache feines Wegganges in
Täufhung zu erhalten, damit der Verfolgung entgegengearbeitet
werde, und jedenfalls hatte er auch fonft für die $Fortfegung ber
Vertheidigung nad) Kräften geforgt. Wie weit ihm das hinſichtlich
der übrigen Pläge gelungen war, ganz beſonders aud in Bezug
auf die Ausftattung mit Lebensmitteln, läßt fi) nicht beftimmen;
doch ift das bei der großen Ueberrafhung und der zum Theil be
deutenden räumlichen Entfernung vielleicht nicht überall_im genügen
den Umfange möglich geworben !!7). Jeoenfalls ergriffen aber jegt
die Sachſen, als fie, was bald der Fall fein mußte, der Räumung
der Harzburg durch den König inne geworden waren, mit höchſtem
Eifer den Entihluß, den Kampf mit allen Mitteln aufzunehmen.
War ihnen die gelungene Flucht zunächſt eine unleugbare Ent-
täufhung geweſen, fo galt es nun um fo mehr, bem aus bem
Lande gewichenen König die Stügpunfte zu entziehen, auf die er
feine Machtpläne gegenüber dem Stamme aufgebaut hatte. Xor
der beſonders feiten Harzburg, welche nicht jo leicht bemältigt
werben konnte, wurbe ein Theil der Mannſchaft zurüdgelafien; die
anderen Theile des bisher Bier vereinigten Heeres zogen aus, um
den übrigen weniger feften Burgen zuzufegen '"®).
Köftler beſonders gegen don Donop's ungebrudt gebliebenen Aufſatz beweiſt. da
diefe Anfegung nach Breidingen eben in bie nordöftliche Fortiegung ber ſchon
in n. 113 erwähnten Heerftraße fällt. Dagegen hat der durch Sandau, im
Gorrefponbengblatt, 1V (1856), 57 u. 58, gebradjte, durch Köffler, 1. c., 570,
— auch gebilligte Vorſchlag, des wüften Dorfes Dreidiugen (vergl.
Landau Hiſtoriſch· iopographiſche — der wüften Ortſchaften im Kurs
fürftentJum Hefjen zc., 105), wegen bes größeren Namensgleichtlanges den Vorzug
vor Breitenbady. neribingen lag am rechten Flußufer ober! Rotenburg,
zwiſchen dieſer Stabt und Lispenhauſen — nahe füböftlic davon die befaunte
Eifenbahnftation Bebra —, wo das von Breitenbach abwärts fich zu einer
— em, Eine ausbreitende Fulbathal zum Gammelplag eines Heeres jehr
tool eignete.
116) Vergl. Gieſebrecht's ſehr autreffendes Urtheil über Die Sachlage, LI, 232.
+17) Mebee Heinrich's IV. Weifungen an bie Bejoung der Harzburg fagt
Sambert: dato negocio his qui intus remanebant, ut postera die quanta
ssent arte praesentiam sui simularent et hostium animos a suspicionibus
fugae suae avocarent (198), Bruno, c. 27, nur beiläufig: paueis quibus ipsum
eastellum commendabat scientibus (sc. von ber Flut). Im en, wo
eben erft in dieſem Zufammenhange der sex castella multo munimine firma
überhaupt gedacht wird, heikt e& (v. 75 u. 76): castellis...... . presidia im-
posuit, vietum uoque largiter addit.
212) Während Zambert (199) in ziemlich allgemeinen Worten erft den Ein ⸗
brud der Fiucht auf die Sachſen: vehementer sunt contristati, Dann beren
2age d. Dinge in d. feften Plägen Heinrich's IV., beſonders in Süneburg. 259
Der erfte Schlag aber fiel gegen die dur Heinrich IV. den
Bilingern entzogene Lüneburg; denn es ift fiher bezeugt, daß der
dönig leid nad) feinem Weggange von der Harzburg, während
bes ufenthaftes zu Hersfeld, am 15. Auguft, ber äußerften Be—
drängniß der in derjelben liegenden rang, dur ein ſchwer
wiegendes Zugeftändnik ein Ende madhte!!?). Graf Hermann war
augenfcheinlich gleih nach der in Wormsleben von ihm über das
Schichſal ſeines gefangenen Neffen Magnus geführten Klage nad)
dem Barbengau geeilt, um mit der ohne Zweifel ſchon in Vereit-
{haft gehaltenen anſehnlichen Mannſchaft die jedenfalls viel kleinere
Bejagung der Burg zu bedrängen. Diefelbe beftand aus dreihundert
Mann oder etwas mehr, auserlefener Mannſchaft, zum Theil vor-
nehmer Abftammung, aus Sachſen, dann aus Leuten vom bairiſchen,
fränfijchen, ſchwäbiſchen Stamme, dieſe letzteren Aesig an ber Zahl
unter dem Defehle des Grafen von Nellenburg. Auch hier war
eine Feindfeligkeit in keinem Falle vorausgejehen worden; denn es
fehlte al3bald an allem nothwendigen Lebensbedarf. In der aller:
dings nur durch Hunger bezwinglichen, durch ihre Lage fo äußerft
feſten Burg geriethen die Vertheidiger fogleih in die ärgite Be-
drängniß, fo daß fie in menigen Tagen die Uebergabe anbieten
mußten. Allein der Graf wollte von einer ſolchen nichts wiſſen;
vielmehr reichte er den Nothleidenden ſelbſt das Unentbehrlichſte
für Hunger und Durft und ließ fie auf das ſchärfſte bewachen.
An Heinrich IV. dagegen ſchickte er, ohne Zweifel noch nad) der
Harzburg, die Botfhaft, daß nur gegen die Freilafjung und Zurüd-
jendung des in Haft gehaltenen Magnus die Entlafjung der Be-
jagung erfolgen werde, mit Anbrohung der äußerften Gewaltmittel
gegen biejelbe, falls der König fi nicht zur Erfüllung der ger
forderten Bedingung herbeilaffe. So war diefer vor eine ſchwere
Entſcheidung geitelt. Mit der Freigebung des jungen billingiſchen
Erben fanden fih alle Hoffnungen zerftört, wie Fi auf die Feſt⸗
haltung dieſes Gefangenen gejegt gemwejen waren, welcher in den
Augen der Sachen berufen war, den beitimmten Anfprud auf das
Serzogthum zu erheben; durch die Aufopferung der Lüneburger
Veſatzung, beſonders auch aus den treuen ſchwäbiſchen Anhängern,
Rand die gute Gefinnung wichtiger Diener der königlichen Sade
Bari, ansmalt, jeht ruhelos den Kampf über weitere Kreiſe auszudehnen
darauf die Abfertigung der Boten an die Thüringer (vergl. n. 129) —, um erft
ueber auf die Burgen, bie ex an biefer Stelle (200) aufzählt (vergl. Ercurs IV)
im tommen: quoniam in exteras gentes regem ui consilium non erat,
Omnem operam suam ad expugnanda castella eius verterunt, bringt Bruno,
€.%, eine viel Llarere Darlegung der nächften Greigniffe nach ber Flucht des
Rtaige von der Harzburg: mil morantes, eos qui hoc castellum quod facile
destrui non poterat, obeiderent, ibi reliquerunt; ceteri vero ad cetera de-
, quae non adeo erant fortia, perrexerunt (338. Das armen
richt von der Bedrohung ber Burgen, v. 85 u. 86: Nec minus interea eir-
tandant milite castra regia, preeidie quae sunt commissa relictis.
#1) Sambert fagt ausbrüdlich, daß Heinric IV. in assumptione sanctae
iae zur Freilaffung des Magnus die nöthige Weifung gab.
17%
260 1023.
auf dem Spiele. So entſchloß fih der König, welden biefe ent»
ſcheidende Frage mit ihren dafür und dawider ſprechenden Grünben
auf ber ganzen Fluchtreiſe begleitet hatte, die Geifel, bie er in ber
Perſon des Billingers in der Hand hatte, aufzugeben 2%). Chen
aus Hersfeld ließ er an die Bejatung der Harzburg, wo Magnus
in Haft lag, den Befehl abgehen, benjelben zu entlafjen, und dafür
erhielt er die Lüneburger Berakung zurüd. Aber das gab nun,
da auf den Khmäbifcen Theil der Yurgbefagung befonderes Gewicht
elegt worden zu fein fcheint, den Anftoß zu dem in jen vaf
gelegt morben zu fein fein, ben Anfiob zu dem In Cachfen cafe
verbreiteten Böhnifäen Sprichwort, für Rebsig Schwaben jei ein
Sadhſe zu kaufen!) Nah ber fpäter dur Bruno nieber-
ejäriebenen, in ben höchſten Tönen ſich ergehenden Schilderung
f ber befreite Billinger mit einem Entzüden ohne Gleichen in
Sachſen, ald wäre er vom Tode auferftanden, und zwar fchlechthin,
ohne weitere Zwifchenhandlung, als Herzog des Landes, von aller
120) Dergl. ob. S. 296 u. 237, 244. Wenn Gi t, II, 1138, in_den
Anmerkungen“ , bie Serfänekung ber Züneburg eventuel don Bor | bie Ber
fammlung von Wormsleben 1 ehem, malte, jo iR, Daß Je ——
einerjeit3 dadurch Heinrich nothiwenbiger — af a eo ee ber
Sehe 12 „aufmertjam gemacht worden wäre, anberent ermann doch
t on ver ihm fo richtigen Kutyabe ve — Worms ·
nei —— en Ueber den Dean Be Din men im
Side Are Ram! ante a) 20) und und Bene c. 21 (836), ül erein Bambert,
ewi ferimannus . . . jam pridem antegquam rex
u one aret —A obsederat, io sat Bruns i in bem allerbin,
janz 3 Talthen ufarmmenhang, in welchen er, zu 1071, das Ereig hineinftellt
bau 1. ©. 75, in n. 62), dagegen bie richtii ie Erinnerus daran, se ermann’d
Ang riff mit des Köni Be ang zeit —— lerimannus, dum Ss e
us suis (b. h., aus Sachſen)
dem von Sudenborf, Kegietram. I, mitgetheilten Beide Siemars Mach en Horgen
nicht bloß Vruno’3 septunginta Suevi auf der Burg, fonbern COC,
plures, viri boni et nobiles principes Saxonum, electi allg ex —
item ex Francia et Alamannia (4). Beibe Autoren behnen nur dad Ereianik
— eine zrinberg ganz man; mit Munbvorrath "dl ih Bertheidiger
eines gallerbinge jehr feften Plaped, ber auf dem in we läcje vereinzelt
enden Kalkberge erbauten Burg, gegenüber einem jeere — viel zu
inge aus, indbefonbere D das ——— es Bu Rbnigs An hai er Antwort _
Zambert: Diu rex quid ageret ambi [on paueis diebus haec
deliberatio eum incertum —— anne . . principes regni
erebris legationibus fatigati (dabei bie perfibe Bermui) ung: profeeto vicisset
avaritia, privatisque utilitatibus salutem militum juisset — EC. rex —,
or u Intervention = — eomminando et terrendo — ber Süßen)
Ye) en Ti 6.71 n. 60, dab Magnus’ Haftort — Bruno, c. 19:
rex Magnum ducem in carcere suo .. . tenuit, Ita ut nullus in hoc tem-
Bere seiret, utrum viveret vel ubi ewset (335) jedenfalls jehr übertrieben —
Harzburg war. Das Sprichwort erwähnt Bruno am Schluß von ce. 21.
Nebergabe Lüneburg’3 u. Preilafjung d. Magnus; Bebrängnik Erzb.Biemar’s. 261
Belt empfangen worben fein, nicht bloß von den Angehörigen und
den näheren Anhängern, ſondern auch von foldhen, die ihn noch nie
eblidt Hatten. Nur ein eingiger Auf, Dank gegen Gott für des
Herzogs Magnus wunderbare Befreiung, fol durch den ſächſiſchen
Stamm gegangen fein. Aber es hat den Anſchein, als ob auf
Graf Hermann aud nad der Rüdfehr feines nes bie
Bertretung bes billingifhen Haufes voran gelegen habe 122),
Jedenfalls war aber durch den Fall der Lüneburg, durch die
Serftellung der billingiſchen Herzogsgewalt bie Sade bes König-
dums jest auch in diefem nörblichen Theile des fachſiſchen Landes
auf das tieffte erfhüttert, und das hatte der bedeutendfte Vertreter
heinrich's IV. in der Nachbarſchaft des Erbbeſitzes des Billinger-
haufes, Erzbiſchof Liemar von Hamburg-Bremen, yuert zu verfpüren,
jumal ba derſelbe mit ber Aufgabe der Vertheidigung ber billin
on Burg für den König verknüpft geweſen war. Schon glei
nad dem Falle der Lüneburg beflagte fih Liemar auf das heftigfte,
daß Graf Hermann ſchon länger pegen ihn höchſt feindfelig ſich er-
wiejen babe. Er meinte, der Billinger treibe nur fein altes ver-
trautes Geſchäft, das einzige, das er erlernt und in alter Gewohn-
heit habe, wenn er der Kirche von Hamburg-Bremen Böfes androhe.
Allerdings räumte der Erzbifchof ein, daß er fi), zwar nur ge—
wungen und nad beftigem Widerſtreben, an der Bejegung der
Kaneharg beteiligt Habe; dagegen führte er nun die Schädigungen
auf, weldhe Hermann neun Nächte hindurch, mit über fiebenhundert
Bierden, den Gütern der Kirche verurfacht habe, die Verwüſtungen
im Walde und im Wildftande '%®). Beſonders erfhien es Liemar
12) Bruno führt, c. 22 (836), in wahrer eifterung bie freude der
Gadfen über die Rüdtehr ded dux us aud: liana non posset ex-
plicare facundia. Dagegen vermag ber jafjer der Monographie über dieſen
tatlächlich, bi infegung von Löniglicher Geite (vergl. Steindorff, De
ducatus qui
rum dicitur, in Saxonia origine et pro 370.38)
in die Hergogäftellung eingetretenen Billinger, Köfter, 1. c., 5 für bie nachſte
Zeit durchaus nichts aus deſſen Thätigleit zu melden.
122) Der don Subendorf, Registrum, I, 2—5, mitgetheilte Brief Liemar's,
H. et B. alö an fratres sui et coepiscopi gerichtet, nad) der ſeht wahr«
imlichen Grllärung Hezilo und Burchärd, ift durch den Hexrausgeber ala
im July“ geſchrieben, durch Giefebrecht, III, 1134, in den „Anmerkungen“
[# „vielleicht erſt in das Jahr 1074“ gehörend angejeht worben. Dagegen
3. Echröber, De Liemaro Hamma si archiepiscopo (etc.), 10. n. 2,
i darauf aufmerkfam, daß insbeſondere Gieſebrecht dabei vom Mihverſtänd .
ii i Wortes im Briefe ausging und derſelbe ganz kurz nach der Meber-
eimeburg verfaßt fein muß. Dazu die Worte: comes ipse
. Herimannus) heri, domino rege ita postulante, sub firma remisit
nibus, qui eam ad urbem (sc. Luneburg, wie fich von felbft verſteht)
& peticione domini regis ascenderant —, daß ber Brief am Tage nad der
Uebergabe ber Lüneburg, alfo furz nad; bem 15. Auguft, geichrieben worden fein
muß. leber feinen eigenen Antheil an ber Vertheibigung der Burg fagt Biemar:
Urbem uam me accusat (sc. Hermann) . . . quod invaserim; quod, prpoon,
in eoram capita redundet — exeipiam dominum meum (sc. pi V)—
qui suis me consiliis quasi manibus quibusdam nolentem et multum reni-
teatem ad hoc impulerunt (4), -
5 I
in EH
X
262 . 1073.
betrübend, daß ſich ber Graf dabei durch förmlichen Vertrag mit
Biſchof Richbert von Verden, der wohl ſchon von Adalbert's Zeit
her Liemar auffäffig war, gegen deſſen Kirche verabredet hatte und
Ki ein aus Verben ihm ertheiltes Lehen fi) zum Führer der Zer-
törung und der Heiligthumsfhändung barbot. Freilich hatte ber
Erzbiſchof auch ſonſt Über Richbert ſich zu beſchweren, daß derjelbe
bei feinen Miibiſchöfen erfundene Dinge in der Form von Klagen
vorgebracht habe, über die von Liemar ausgegangen Androhung
des Bannes, jowie darüber, daß der Erzbifchof Geiftliche ber Verdener
Kirche, die zu geringeren Graben der Ercommunication verurtheilt
worden waren, und zwar wegen ihrer offenbaren Halsftarrigfeit, aus
denfelben zu Löfen fich geweigert Habe: zwar — meint Liemar — ſei Rid:
bert durch den fteten vertraulichen Verkehr mit ſolchen Ausgefchloffenen
der Gefahr eines eigenen ähnlihen Schickſales nahe genug gerüdt.
Doch auch die Biſchöfe Hezilo von Hildesheim und Burchard von
Halberftadt, an welche Liemar eben den Brief richtete, der diefe
efammten Neuberungen enthält, meinte er tadeln zu müſſen, weil
fe die Wächter der Kirche, Träger des bifhöflihen Amtes, dennoch
den Umgang mit Richbert und jenen Verdener Prieftern nicht zu⸗
rückwieſen, jo daß Burchard geradezu den Anſchein auf fich ziehe,
als wolle er Richbert gegen Liemar beiftehen!*‘). Augenſcheinlich
batten Hezilo und Burdard von Oftfalen her, wo ra mit den
übrigen Theilnehmern am Abfale von König Heinrich IV. bei-
fammen weilten, jegt im Auguft nochmals verfucht, Liemar auf
ihre Seite zu ziehen, und während fie Hermann's Klagen gegen ben
Erzbifhof Gehör Liehen, ja mit ihm gegen den Erzbiſchof im Ein-
verftändniß ſich befanden, waren von ihrer Seite Einladungen nad
Einladungen an den Erzbifhof ergangen, nach verfchiedenen Orten,
bald nad Goslar, bald nad) benachbarten Plägen zu ihnen zu
fommen. Schon die kirchliche Vorfchrift, welche will, daß die
Bischöfe zu ihren nothwendigen Zujammenfünften an bequemen,
leicht zu erreichenden benachbarten Orten zufammentreten, beſonders
124) Siemar ſpricht in dem in n. 123 erwähnten Briefe von dem episcopus
Fardiensis, daß drrielbe — perpetua stabilitate semper idem nec a con-
suetudinibus unquam discedens — cum in vestris conventibus (sc. ber beiden
Bilhdfe) verbis multis confictis vestros in me parat exasperare animos,
nescit omnia vera dicere —, unb zählt dann die von Richbert gegen ihn vor
gebrachten, ungerechten Klagen auf, unter Yufnüpfung von Vorwürfen gegen
bie beiden Bilhöfe, daß fie, und Yurdard inebefondere, mit Richbert verfehren:
cum hoc homine se ipsum totiens excommunicante ac sum suis, a me justis
de causis post legittimas indueias excommunicatis (l. c, 2 u. 3). Dehimegen
begieht Sudendorf aud) den, I, 22, von ihm abgebrudten Wrief eines Aitchufs
an den anbern, über des ichleten Alage: quod te cum rustica domo tua de
eorpore matris ecelesiae anathemate preseiderim ... Ego autem adhuc
non feci — auf dieſen Verlehr Liemar's mit Ricbert. Doc Liemar machte
in dem größeren Briefe Ricbert aud zum Vorwurfe, da Graf Hermann
pacto curiam bonam ab episcopo Fardiensi in beneficium accepit, ut exset
sibi ac suis dux vastationis et sacrilegüi (l. c., 4). Wegen der Teüberen [2
Lüfte Adalbert'3 nach dem Bisthum Verden vergl. ob. ©. 90.
Klagen Liemar's; fein u. Biſchof Benno’s v. Dsnabrüd Weggang. 263
aber auch, daß nicht die Laien ſich in die biſchöflichen Streitfragen
mifchen, verbietet ihm, zu kommen, und dazu ift er nun aud) noch
durch förperliches Leiden von der längeren Reife abgehalten 120).
Indem nun aber fo der Erzbiſchof den mittelbar in biejen
Berufungen zu einer biſchöflichen Zufammenkunft enthaltenen Auf-
forderungen, ſich den ſächſiſchen Verſchworenen anzujchließen, be-
harrlich ſich entzog, ſprach er über ſich des Urtheil der Selbft-
verbannung. Cr jab fich jedenfalls alsbald gezwungen, ben
ſächſiſchen Boden zu verlafien und an der Seite des Königs, deſſen
Sade er nicht hatte verrathen wollen, Zuflucht zu fuchen. Jet
erſt, bei ber immer weiter weſtwärts fchreitenden Bewegung, wird
auch Bifhof Benno gezwungen worden jein, nachdem er ſchon vor-
her den König nad) Hersfeld begleitet hatte, endgültig fein Bisthum
Osnabrüd zu verlafien'?®); aber andererjeit3 mögen fich jegt die
anderen weitfälifchen Bijhöfe, von Minden, Münfter, Paderborn,
offen dem Abfalle angeſchloſſen haben 127). Ueberhaupt konnte es
nicht fehlen, daß, nachdem Sachſen von Heinrich IV. verlaſſen
worden war, diejenigen Angehörigen des ſächſiſchen Stammes, welche
vorher, ſei es aus Furcht vor dem Könige, ſei es aus Abneigung gegen
135) Hezilo und Burchard waren, als Liemar dei, uno loco et unis
sedibus; fie Manden mit dem Grafen Hermann in Derbindung: dum queri-
moniis apud vos adversum me exaggerat, intermiscet minas novas . . . -
ut vos, homines sensati, a me Iaesi nunquam, quibus summa mihi volun-
tas devote serviendi et quasi in uno corpore coherendi (etc.), vos secum
al destructionem ecclesiae meae ascendatis. Nun aber jdidten fie Liemar:
homini quiescere in ocio eupienti — zu defien Verwunderung immer neue Aufe
forderungen, nach Goslar, nad; Quedlinburg, nach Ofterwiet — Orten, quo
vobis una die, mihı quinque diebus sit ascendendum ju, fommen.' Aus
verichiedenen machdrüdlih auägeführten Gründen, moraliſcher, ticdlicher Art,
jegt auch aliquantulis infirmitatibus prepeditus, fan er nicht dem Rufe folgen
und will nur Hezilo's Wunſch de literis faciendis et domino regi trans-
mittendis erfüllen (1. c. 2, 3, 4 u. 5). Zehio, Geidichte des Erzbistums Ham ⸗
burg-®remen, II, 5, jhliet gewiß richtig, daß in der Gorrelponbenz der Bilhöfe
Zodungen zum Mebertritte für Liemar vorlagen; denn Liemar lehnt ab in der
Vorausfiht: Ut populus conveniens, qui in sententiam adversariorum
meorum juraverit, mihi pro libitu suo imperet en dimittere, que rigor eccle-
sastiens, auctoritas divInarum legum jubeat facere A.
19%) Das von Lambert über die beiden geiſtlichen Fürften, außerbem von
Eberhard von Naumburg, Erzäplte (vergl. n. 101) wird jeht eben erft wahr:
ei (se. regi) toto belli huius tempore individui comites adhaeserunt (196). Auch
no bie [päteren Annal. Stadenges eızählen,a.1074: Liemarus vero Bremensis
adherebat regi Heinrico, gegenüber den etwas willtürlich zuſammengefaßten
Namen Anno, Siegfried, Bucco, Wezelo et omnes princi Saxonie —
favebant apostolico, mit augenfcheinlicher Hereinziehung von 1076 (8. XVI, 316).
Zaß, nicht, wie Thyen, Mitiheilungen des Hiftoriichen Vereins zu Dönabrüd, IV,
% (in n. 4), in feiner Biographie Benno’, will, Lambert's Zeugniß, a. 1074,
das in eben diefen drei koniglich Gefinnten in ben Mund gelegten Worten liegen
fol: qui propriis sedibus odio nominis eius (ec. regis) expulsi, anno jam
ferme integro per omnes miserias vitam traxissent (210), in das Gewicht
fnlen fann durch eine Rüdwärtsrenung vom März 1074 hinweg —, Lehrt,
mal noch für ein ſolches rhetoriſch gehaltenes Teriftüd, das Beiſpiel von S. 71
187) Bgl. n. 103.
264 1023.
die Abſichten der Aufftändifhen, ſich zurücgehalten hatten, jegt ge—
zwungen wurden, ſich entweder der Verſchwörung gegen den König
anzufchließen, ober, wenn fie das nicht thun wollten, das Land
flüchtig zu verlafien und den Spuren Heinrich's IV. zu folgen '*®).
Außerdem jedoch war nunmehr für die Anftifter der Erhebun
die Zeit gefommen, auch ganz offen an das thüringiſche Nachbarvolt,
für welches gewiſſe Voebedingungen des Anſchluſſes an den Aufftand
ja gegeben waren, ſich zu wenden, dieſes zur Betheiligung in ganzem
Umfange aufzufordern. Schon gleih nad der Flucht des Königs
von ber Harzburg gingen fadfie Boten zu den Thüringern ab,
um benfelben den ganzen Stand der Dinge mitzutheileu und fie zur
Bundes: enofenicaft und Hülfeleiftung aufzuforbern: die Thüringer
feien gleichfalls durch vielfahe, ihnen zugefügte Schmach gereizt
worden, und es liege für fie die Nothwendigfeit vor, für die Frei-
heit ohne Säumniß zu den Waffen zu greifen??). Wirklich foll
darauf das thüringifche Volt, um die ſächſiſchen Boten anzuhören,
fi an der Unftrut, auf einem Hügel, nicht weit von Erfurt, ber
auch fonft zu Verfammlungen diente, auf ber Tretenburg, ein-
gefunden und fehr nahbrüdlih den Sachſen gegenüber, unter
jegenfeitiger Leiftung von Eidihmwüren, zu gemeinfamen An-
engungen und bingebender Hülfsbereitwilligfeit ſich verpflichtet
haben !2°). Zwar wird beigefügt, daß von Heinrih IV. eine Ge-
ſandtſchaft eingetroffen ſei, welde unter — von Ver⸗
ſprechungen die Aufforderung vorbrachte, daß die Thüringer ihre
Ir] art die ſchon in n. 90 eingeiepaftete Stelle Bruno's, c. 28.
') Uebereinftimmend ſchließen mbert: Protinus legatos miserunt
(ec. Saxones) ad Thuringos, auxilium petere et Fogare, ui ipsi pro sus
quoque libertate et frequentibus contumeliis, quibus lacessiti fuerant, arma
sumere non pigritarengur (199 u. 200) und Bruno, c. 28: Quidam autem ex
ipsis (sc. Saxonibus) ad Thuringos transierunt et eis totam rei seriem inno-
tencontes .. . Gss) die Heranziehung der Thüringer gleich an Heinrich's IV.
ang an.
Be) Zambert redet allein von dem celeberrimus conventus zur Anhörung
ringiſch Sac ichlsvereins XVL, 83 ff.,
asien BUSCH A
St. 2892, das Henri IV.
audientia generalis placiti in colle Tretheburg Raube räumt, 1. c., 55, gerabe
für &t. 2892 —R ber erwähnten fpecielen begleitenden Umftänbe ein,
daß da nicht ohme weiteres Fiction anzunehmen ſei) — und ift aljo ala eine
Dingflätte anzufehen. Altgau, nit ganz drei Meilen nordweſtlich von
Erfurt, von Gebejee nordweſtlich gleich jenjeits nördlich von ber Mnftrut, ift bie
Zretenburg ein Hügel in der jumpfigen Wiefenlandfe re (art an ber jehigen
Grenze gegen die Norboftipige des Goaiiden): vgl. die über diefen Pla monos
—— verbreitende Schrift von A. Toppius, Bon Gebeſee und ber Treten:
u, 1 1661), weldye jedoch auf der Münchener und Berliner Biblio:
Auſchluß d. Thüringer aufd. Tretenburger Tage; Schädigung Siegfried's. 265
Verbindung mit ben Sadjien löfen und vom Kriege gegen ben
König ablaffen möchten; aber das Geſuch fei durchaus, ja fogar in
ſchimpflicher Weife, abgemwiefen worben'*!). Für einen dem Könige
fo anhängligen geiftlihen Fürften, wie Eberhard von Naumburg
als ſoicher ei in ber letztvergangenen Zeit ſich wieder erwieſen
hatte, war jetzt bie Rückkehr in das Bisthum gleichfalls aus»
geſchloſſen; abgeſehen von der räumlichen Nächbarſchaft eines zu
ben Genoſſen Aufſtandes zählenden Herrn, des Pfalzgrafen
Friedrich, mögen bier noch perſoͤnliche Gegenſätze mitgewirkt Gaben,
welche nad} einer allerdings etwas abenteuerlich lautenden Erzählung
wilden Bm Biſchof und dem Pfalzgrafen vieleicht ſchon länger
nden B
Indeſſen begannen bei diefen Wiberftandsregungen der Thü-
ringer jet auch geiftliche Stiftungen, welde —A— der Ent⸗
zweiung zwiſchen dem Könige und den Sachſen ſtanden, zu Schaden
zu kommen, und beſonders Erzbiſchof Siegfried von Mainz hatte
neuerdings die Abneigung der Thüringer zu verfpüren. Siegfried
war in Erfurt anweſend, al3 die Bewegung fi in Thüringen zu
verbreiten begann, und die Erinnerung an bie zu feinen Gunften im
Frühjahre von dem gleichen Orte aus in ber Frage der Zehnten
getroffene Entſcheidung, mochte diefelbe auch in weit bäherem Grade
ie Abteien Hersfeld und Fulda treffen, war nun allerdings ge-
eignet, die Abneigung gegen den Erzbijchof zu vermehren. Siegfried
muß bier in Erfurt mit den Seinigen einen Augenblid hindurch
Ausführung, daß gegen-
über ben cum gravi contumelia repulsi ber Bollswuth faum burd bie
Annalista Saxo, in befien Excerpt aus Bruno, a. 1068, gewiß rihtig ala
Friderieus palatinus comes aufzuiafien ift (SS. VI, 696), welder — paulatim
se sieut prudens a curia subtrahebat et jam minus et minus ad secreta
, Reue Mittheilungen bes Xhüring:
VI, 333 u. 334), nur durch bie Saale getrennt, gabe gegenüber gelegen.
Usher Friedrich a Antheil am jächfiichen Aufftande vergl. üb: N —
jichte der — von Sachſen, bei Forſtemann, Neue Mittheilungen aus
dem Gebiet. Hiftorifch-an! D2
266 1073.
vor eine ernfthafte Gefahr gerücdt worden jein. Denn in einem
Schreiben an Gregor VII. beklagte er ſich auf das Heftigfte über
„die widerſpenſtige und aufrührerifche Magd Thüringen“, daß ihn
die eingewurzelte Hartnädigfeit de3 Volkes zu einer abermaligen
Beſchwerde nöthige. Er erzählt, wie die Thüringer, als er ihrer
Gefeßlofigfeit, der Verweigerung der Entrichtung der Zehntabgaben,
mit Mahnungen zum Gehorjam entgegentrat, mit bewaffneter Hand
fih erhoben und in einem unterjchiebslofen Haufen ihn und feine
Zeute belagert hätten, jo daß er dur ihr graufames Wüthen dem
Verberben preisgegeben geweſen wäre, hätte nicht Gottes allmädhtige
Hand rettend eingegriffen. Der Erzbifhof fordert vom Papfie
ftrenge Maßregeln kirchlicher Zucht gegen das ungehorfame Bolt.
Allein auch die beiden Abteien müſſen, da in dieſem Jahre nah
Ausbruch der Auflehnung gegen Heinrich IV. überhaupt gar feine
Erhebung der Zehnten in Thüringen zu Stande kam, ſchwer
gejhädigt worden jeien, und auf bie Aebte von Fulda und
Hersfeld, aber auch auf weitere Fürften, die in dem Lande mit
Gütern ausgeftattet waren, follen die Thüringer geradezu einen
Drud auszuüben verfucht haben, durch die Drohung, dieje Ber
figungen der Plünderung zu unterwerfen, wenn fi Deren Herren
nicht dazu veritänden, bei der Verbindung der Thüringer mit den
Sachſen mitzuhelfen ’?®).
Jedenfalls geſchahen nach der angefnüpften Verftändigung
zwifgen Sadjen und Thüringern alsbald gewiſſe Handreichungen
von den angrenzenden thüringijchen Landestheilen auf ſächſiſchen
Boden hinüber. Sächſiſche Abtheilungen — es iſt guet von drei⸗
taufend, dann jogar, nad einem verhärtten Aufgebote, von jeh%
taufend die Rede — lagen vor der dur eine tüchtige Befagun,
bewachten Heimburg. Gleich am erften Morgen nad) der nädtli
vollzogenen Umzingelung machten fie ihren Anfturm, wobei fie mit
den Vertheidigern in heftigem Kampfe zufammenftießen ; aber befiegt
mußten die Angreifer unter ſchweren Verluſten zurüdweichen. Erit
139) Veral. über Siegftriedes Stellung zu den Thüringer Zehnten oben
©. 188 u. 189. Eiegfried's Mage über das tam nefarlum tamque insolitum
facinus, die inveterata T’huriugorum obduratio — redituum suorum negando
deeimationem —, bi® zu dem Grade, ut... ... ipei e contra armata manu
promiscuse plebis me et meos obsiderent . .. . forsitan crudelitas eorum
usque ad internieionem in nos deseyisset — fteht im Codex Udalrici,
Nr. 40 (Jaffe, Biblioth. rer. German., V, 87): dab; das Creigniß nach Grfurt
füut, beugt, Sambert: Archiepiscopus Mogontinus Erphesfurd, eo tempere
morabatur: hunc adorti (200) ®Dab dagegen das weiter von Yambert hierüber
Segäötte wenig wabefginlich it, Der. ım Excue® I Die Dermeigerung der
Sehnten für 1073 erwähnt Sambert etwas fpäter: Hoc anno post exortum
ellum Saxonicum nulla deinceps exactio facta est decimarum in Thu-
ringia (206). Ueber die Zumuthungen an bie Abteien und bie ceteri princi
qui in Thuringia praediorum aliquid haberent, Durd; die Thüringer, jagt
Sambert: Denunciant (se. Thuringi) ... ut ad ferendum genti enae ausilium
die statuto conjuraturi venirent; nisi id facerent, se bona eorum profinus
oınnia direpturos (200).
Entaug thäring. Zehnten. Fall d. Heimburg; Aufrüden vor d. Hafenburg. 267
als Pfalzgraf Friedrich mit dem num in der Höhe von ſechstauſend
Mann gejammelten Heere die Burg umlagerte, gelang es, zwar
nicht durch Hunger, wie er perl gewollt, fondern durch Beſtechung,
die er geſchidt in das Werk jegte, die Befagung zur Webergabe zu
Bermögen. Aber eben unter dieſen Belagerern müffen nun auch,
unter Leuten des Pfalzgrafen, Thüringer aus den zunächſt an⸗
grenzenden Gauen geweſen fein. Die Burghut wurde, nachdem fie
aus der ihr anvertrauten Feſtung ausgezogen war, von ben Siegern
ohne Schädigung entlaffen, die Heimburg jedoch durch Brand zer-
Hört und völlig dem Boden gleich gemacht. Die ganze Friegeriiche
Unternehmung hatte nur wenige Tage in Anſpruch genommen ??*).
Nach deren Vollendung aber rüdten die bisher hier befchäftigten
Abtheilungen, beſonders eben die Thüringer, durch ben Harz —
wäris nad den nördlichſten Theilen von Thüringen ſelbſt und
legten ſich hier vor die durch ihre unzugänglide Auge {or fefte
Haſenburg. Freilich mußten fie, daß fie nicht im Stande —
dieſelbe mit bemaffneter Hand einzunehmen, und ſuchten deßhalb
die Beſatzung durch enge Einſchließung auszuhungern, in der Er—
wartung, daß ber zwar reichliche Mundvorrath auf die Länge doch
124) Daß an bie Heimburg zuerſt bie Reihe des Angriffs kam, zeigen die
Annal. Altah. maj., weldje leider mit dieſer Nachricht abbrechen: Post regis
abecessum Saxones urbem illius, Heimburg dietam, obsederunt eamque in
deditione susceptam destruxerunt (im Anichluffe baran nod: villas quasdam
saccenderunt, woraus Entftehung von mala multa in illa regione — I. c.,
824. _ Sambert fchreibt diele Belagerung den Thuringi — conglobata ex
vieinis locis multitudine — zu, und zwar fei bie Einnahme und Einäfherung
paucis diebus erjolgt; die Entlaffung der Beſahung wird erklärt: ut scilicet
se probarent non hostili odio adversus regem arma sumpsisse, sed tantum
ut injurla, quibus regio eorum per calumpniam opprimebatur, propuls,
rent (201). Das Carmen de bello Saxonico widmet in Lib. I ein längeres
Etüd, v. 87-138, diefer Belagerung, die e3 auch ala erfted Unternehmen — und
war der gens fera Saronum -- auffat: Heimenbore primum . ... .
aggressi —: juerfi nur tria milia Rachts die Burg umpingend; dann 6:
weiſung des Sturmes (mit breit ausgemalter (ebhafter Schilderung des Kampfes:
bie stantes ad propugnacula castri hält Köfler, 1.c., 229, für die Referve der
Bargbefagung); hernadh Verftärkung der Belagerer durch sex armatorum
eollecta milia unter dem palatinus comes e Saxonibus unus; Gewinnung der
Burg durch Anteiung der tanta fames auri und Begehung de crimen ava-
rieise burd) den impius miles, was ber Dichter an demfelben auf das fdärifte
veruztheilt (Le, 1220 u. 1221). Güfebredt, AI, 1184, nimmt ale figer an,
dat, ald die — lamen, die Belagerung durch die Sachſen bereits begonnen
hatte. Waig jah ohne Grund in feiner Ausgabe des Carmen (Eeparatabdrud,
Göttingen 1870), 31, für Lambert's Nennung ber Thüringer ald Belagerer eine
inderung: „Wie hätten Thüringer an die Norbfeite des Harzes kommen
jen?* —; aber baneben ift da nicht in das Auge geiakt, daß die Norbgrenze
Thüringen’s nicht viel mehr als drei Meilen in gerader Linie ſüdlich von der
Hrimburg durchzog unb ber nörblichfie thüringiihe Gau, der Helmengau, bis
im bie füdlichen Abhänge des Harzgebirges hinein reichte. Die Abmeilung des
von Pannenborg wieder borgefählagenen fräntiichen Plahes Henneberg, auf
welchen allerdinge, wie auzugeben ıft, v. 92: positum montano vertice castrum
befles paflen würde, vergl. in Excurs IV.
268 1073.
für die zahlreichen Infaffen nicht ausreichen werbe'?). Aber neben
diefer Belagerung der Hafenburg dauerten auf der entgegengefeßten
Seite de3 Gebirges die Anftrengungen für die Eroberung ber Harz-
burg ununterbrochen fort 180).
Während in folcher Weiſe ſich die Stellung, welche die Fönig-
liche Sache bis anhin noch im ſächſiſchen und thüringiſchen Gebiete
einnahm, immer bedenflicher verringerte, war Heinrich IV. felbft an
den Rhein gegangen, wo er am eheften ficher fein zu können
glaubte *??). Won Heſſen her hatten ihn die Fürften, die mit ihm
in Gappel zufammengettoffen waren, begleitet, und in Tribur, ſowie
an anderen Orten am Rhein ſchlug er jetzt feinen Aufenthalt auf'*®).
Sehr geflifientlih fuchte er dur Abjendung von Boten nad) ver-
ſchiedenen Seiten die gute Gefinnung der Fürften, wie ber An:
gehörigen des Volkes für ſich aufrecht zu erhalten, teils durch
pendung von Gaben, theild Durch Verſprechungen, auch durch Zu—
rüderftattungen, in Fällen, wo früher ein Unrecht begangen worden
zu fein fchien '2°).
Ganz beſonders nach einer Seite hin beftrebte fich der König in
biefer Zeit, nachdem er Sachſen hatte verlaffen müflen, eine günflige
186) Bloß Lambert erzählt von biefen erften Verfuchen gegen da? castellum,
quod Asenbere dicebatur, weldje8 propter difficultatem locorum ber. mili-
tarie manus viel gröhere Schwierigteiten bot, fo dak mit alimentorum inopia
der Zwed erreicht werben jollte: haut dubie scientes, quod eibaria, quantum-
vis copiose congesta, multitudini quae intus erat, in longum tempus suffi-
cere non possent (201).
220) Il. unt. bei n. 197.
187) Bergi. ſchon oben ©. 253. Allerdings tönnte das in ber offenbar
unechten, in einem sandfumpt Beisbeid 6 I. von 1226 ftehenden Berätigunge
urfunbe für das Kloſter Rott, St. 2767 erg über dieſelbe Hirſch gene
L 34 0.2 u. 148.n. 1, jowie II, 147 n. 2) Rehenbe Datum — Regensburg,
5. September — leicht einem echten Stüde entnommen fein und in Bere
bindunn " * = "19 Baiern’@ in ben Annal. Altah. maj. (vergl. S, 255
2. 111) D Autentpatt bezogen werben; allein Silian, 1. c.,
61 u. 6 ſt darauf aufmerkjam, daß eine Unterbrechung des
Lniglid 8 am heine fchon fogleic nach der Antunft Hein«
richẽ I wahrſcheinlich fer, und bie Notiz der Annal. Altah.
maj. be x auf ben für den November (vergl. n. 185) beftimmt
bezeugte jenaburg.
1 eich an die Erwähnung des Aufenthaltes in Cappel
(wergl. ta. assumptis secum qui advenerant ;pibus,
abüt, Triburam et cetera circa Renum loca invisere (199). m Die
Compil. Sanblas. glei; — in dem ob. ©. 255 n. 109 eingerüdten :
.. Wormatiam evasit — alabald Worms old Ziel der Flucht aus Sadhlen
nennt (SS. V, 276), fo ift bdiefe Stadt wegen Der daneben aufgeführten &r«
trankung Heinrich’ IV. beffer erft nad) der Rüdter aus Baiern in daB Ftinerar
u R
’ 139) Sambert führt gleich nad) der Ausſage in n. 138 mit diefer Erwähnung
von Boten fort, die nicht nur an prineipes, fondern aud an ulares abe
gegangen feien; wieder regt ſich eine gewifle Abneigung des — egen
Heinrich IV. in den Worten, die Zurüderftattungen hätten Dinge betroffen,
quae superioribus annis, dum —* successibus immoderatius indulgeret,
per calumpniam abstulerat (I. c.)
3
*
2
Deinrich IV. am Rheine; unterwürfiges Schreiben an Gregor VII. 269
Stimmung für fi zu ermeden, bei — Gregor VU. Zwar
war ſchon in der ponguden Gutheißung der Bapı des neuen
Bapftes Heinrih’3 IV. Wille, fih entgegenfommend zu erweifen,
dargelegt worden. Allein unendlich viel ausbrüdlicher geſchah das
nun durch die Abjendung eines unterwürfigen Schreiben? an
Gregor VI.
Heinrid IV. mifchte in einer Weife, wie fie nur durch die
Erjütterungen ber leßtvergangenen Zeit und das Gefühl der Be-
drängniß erflärlih war, Selbftanklagen und Verfiherungen bes
Gehorfams in diefem Schreiben. Nach der in den Eingangsworten
enthaltenen Ausführung, daß Königthum und Priefterthum auf
gegenfeitige Hülfe angemwiefen ſeien, befhulbigte ſich der König felbit
in der Fortfegung: „Wir, die wir mit Gottes Einwilligung ſchon
eine ziemliche Weile das Amt des Königthums in der Hand halten,
haben nicht, wie es fein follte, dem Prieſterthum in allen Dingen
bas gefegmäßige Recht und die Ehre erwiejen; zwar haben wir als
der hüger der von Gott uns gegebenen Macht das Schwert
nicht ohne Urfache getragen, nicht jedoch dasſelbe gegen die Schul-
digen, wie es die Gerechtigkeit erheifhte, nad dem gerichtlichen
Urtheile immer aus der Scheide gezogen. Jetzt aber, da wir ung
ſchon einige Zeit hindurch burch das göttliche Erbarmen getroffen
fühlen und in unfer Inneres eingefehrt find, legen wir in eigener
Anfhuldigung vor Eurer nadfichtigfen väterlihen Gefinnung über
unfere frühıren Sünden ein Belenntniß ab, indem wir bei Gott
auf Euch unfere Hoffnung fegen, daß wir, durch Eure apoftolifche
Vollmacht losgeſagt, gerechtfertigt zu werben verdienen. Ad, wir
Verbrecher und Unglüdlihen, wir haben theils in Folge der An-
ſiachelung der fehmeihelnden Jugend, theild wegen der Freiheit
unferer machtvollen und herrifhen Gewalt, theild auch durch bie
abjeit8 führende Täuſchung derjenigen, deren Rathſchlägen wir
Berführbaren allzu ſehr folgten, gegen den Himmel und vor Euch
gefündigt, und ſchon find wir ber Anrufung unſeres Sohnes-
verhältnifjes zu Euch nicht würdig. Denn nicht nur find wir in
bie Hirälicen Befigthümer eingedrungen, fondern haben auch bie
i feldft an die erften beften Unmürbigen und von fimoniftifcher
Galle Berbitterten und an folde, welche nicht durch die Pforte,
fondern von ander woher eintraten, verkauft, und nicht, wie wir
follten, vertheidigt. Aber jegt, weil wir allein, ohne Eure Er»
mädhtigung, die Kirchen nicht in beffern Stand fegen fönnen, bitten
wir nachdrücklich um Euern Rath und Eure Hülfe, zugleich über
diefe, wie auch über alle unfere Angelegenheiten, da wir Eure
Vorfchrift in Allem auf das Eifrigfte bewahren wollen“. Hülfe
verheißt der König in allen Dingen und bittet nur um ben kräftigen
Schutz des Papftes. Endlich ftellt er weitere Berichte und Auf-
ſchiuffe an benfelben in Ausſicht !*0),
2 Bid, jen Ueberſchrift, an Gregor VIL als an ben papa
aposiohen Aroitate Ieoehine imieniun: (hen Se eb iR, findet Ah, an?
Hugo vom 'y, Chronicon, Lib. II. (SS. VII, 425), im Registrum I,
270 1073.
Diefes weitgehende Entgegenkommen bes Königs, welches bie
Preisgebung beftimmt bisher eingenommener Stellungen bejonders
nad einer Seite Hin — in der Mailänder Angelegenheit 1) —
in ſich ſchloß, läßt fi allerdings mur aus dem Drude der Bere
ältniffe erklären, unter defjen Einwirkungen fih der Schreiber de
riefes fühlte. Aber befonder8 war ohne Zweifel auch aus
Heinrich's IV. nächfter Umgebung dabei der Einfluß eines mit den
römifchen Kreifen in enger Verbindung ftehenden deutfchen Fürften
maßgebend geweſen. Herzog Rudolf, der den König von Cappel her
begleitet hatte, benugte fein jeit der Verſchiebung der ganzen Sad)
lage im Reiche gegenüber dem königlichen Schwager gemwonnenes
Uebergewit dazu, eine ftärfere Abhängigkeit ber Entſchlüſſe
Heinrih’8 IV. von den eigenen Berechnungen herbeizuführen 12).
Dagegen kann die etwa in der gleichen Zeit, wohl nicht einmal
eine volle Woche nad) der Gappeler Entſcheidung, von einem geift-
lihen Fürften verfuchte Ausübung einer Nöthigung auf den Willen
des Königs, welche allerdings in vollem Umfang nicht gelang, nur
ein eigenmächtiger Verfuch deffelben geweſen fein, und die Erflärung
des Vorganges aus einem föniglihen Auftrage muß auf unrichtiger
Auffaffung durch Lambert, den Urheber der Auskunft gebenden
Nachricht, beruhen. Erzbifhof Siegfried ift nämlich augenſcheinlich,
29 a, eingereiht ale, Biblioth., IL 4648). Rad) dem Brief Gregor's VII.
an Erlembald — I, 25 — mit den Worten: Henricum regem praeterea scias
dulcedinis et obedientiae plena nobis verba misisse (l. c., 42) der am
27. September geſchrieben ift, muß ber Papft Heinrich 3 IV. Schreiben gegen
Ende September empfangen haben. Des Schreibens gebentt Annaliste °,
allerdings erſt in einem Zufammenhang a. 1074: Interea rex cum Saxoniam
cum exereitu invadere proposuisset, satisfactorias apostolico direrit epi-
stolas, in quibus orabat, ut si quid contra justieiam in causis ecelesiasticis
ab eo gestum esset, auctoritate Apostolica corrigeret, ad quod suum auzi-
lium fideliter promisit (SS. VI, 702). Da& die Erwähnung bei Donizo, Vita
Mathildis, Lib. I, v. 1221: Ad euius (sc. Gregorii) seripta rescripeit rex
bona dieta — worauf: Cuius papa legens apices, gaudens ait esse in caelo
cunctis de tali gaudia justis — nur auf Benupung des Registrum zurüd:
‚uführen fei, wie Panenbosg, Studien zur Geichichte der Herzogin Mathilde
von Ganofja, 21, annimmt, if ſehr unwahrfdeinlid.
11) Wergl' nachher bei n. 189.
s) Giceoreät, II, 281, Ichlieht nad; dem Schreiben Gregor's VII. an
Herzog Rubolf, vom 1. September — Registrum I, 19 (J. 4790) —, da® auf
allerdings nicht mehr vorliegende litterae tüne nobis transmissac Bezug nimmt,
gewiß richtig auf den Anand, dab Heinrich"s IV. Kundgebung an Gregor VI.
auf die Einwirkung Rudolf’ hin geichrieben worden (2 „ein neues Opfer,
welches der König fich auferlegt um Rudolf EN jewinnen“, dad nur in dem
Drangfalen jener Zeit feine Erklärung finde. Bergl. auch Döberl, Zum Rechte
fertigungafcgreiben Gregor’3 VII. an die beutihe Nation vom Sommer
1076 Drogramın des Königl. Subwigs-Gymnafiums in Wlündhen 1890 91),
34 u. 35, ber das Schreiben am 18. Auguft aus Gappel obgeichnt fein läßt.
Gregor’3 VII. Antwort an den Herzog behandelt in ben ben Quae (sc.
litterae tune) nimirum inter cetera dulcedinis suae verba illud nobis vide-
bantur consulere is per quod et status imperii glorionius regitur et sanctae
ecelesiae vigor solidatur, videlicet ut sacerdotium et imperium in unitate
concordiae conjungantur (ete.: 1. c., 33) genau ba® von Heinzi IV. eine
Teitungeweife vorgebradjte Thema.
Herzog Rudolf’ Einfluß a. Heinrich IV. Giegfeied'3 Unterhandl.m.d. Sachſen. 271
kaum aus den Nachitellungen, welche ihm die Thüringer zu Erfurt
bereitet hatten, befreit, nah Sachen geeilt und hat ba, am
24. Auguft, zu Korvei eine Unterhandlung mit fächjifhen Fürſten,
die ihm dorthin entgegenfamen, gepflogen. Es ift jehr menig
fiher, ob die weitere Mittheilung, auch Erzbifhof Anno fei dahin
eingeladen gewejen und habe darauf wenigitend durch Boten feine
Zujtimmung zu den zu fafjenden Beſchlüſſen erklärt, wirklich glaub-
würdig ift. Der Beweggrund des vieldeutigen, in feiner Haltung
ſtets wanfelmüthigen Etzbiſchofs von Mainz, gerade jegt mit ben
Führern des ſächſiſchen Aufftandes, ganz gewiß voran mit Dtto
von Nordheim, fi in ein Einverftändniß zu fegen, mag gemejen
fein, auf diefem Wege duch bie neuen zwiſchen Sachſen und
Thüringen herbeigeführten Anfnüpfungen auf die ihm _feindfelig
entgegenftehenden thüringiſchen Stammesangehörigen Einwirkung
zu gewinnen, biefelben hinſichtlich der Angelegenheit der Zehnten
günftiger zu ftimmen, ganz beſonders aber die den Mainzer Be—
gungen durch die Thüringer angedrohte Verheerung ee
Jedenjall3 waren es ganz eigenfüchtige Verehnungen, welche für
Siegfried bei diefer Verhandlung maßgebend hervortraten Anderer
ſeits ſcheinen aber au die ſächſiſchen Unterhändler einen Hinter
gedanken gehabt zu haben, da fie mit Siegfried ſich einließen,
nämlih die Feindſchaft gegen Heinrih IV. auf das Gebiet der
Verhängung einer firhlihen Strafe binüberzujpielen; denn fie
jollen unter Ausmalung der gegen alle Natur gehenden Verbrechen
des Königs die Frage aufgeworfen haben, ob denn nicht dieſe
Frevel nad) kirchlichen Gefegen gerichtet werden könnten, in Geftalt
einer Löſung der Ehe, der Entziehung bes Nittergürtels, der Auf-
bebung der Verbindung mit der Melt, vorzüglich jedoch des Ver-
luſtes der Töniglichen Gewalt. Jedenfalls erreichte Siegfried, falls
er überhaupt diejen Vorſatz gehabt hatte, eine Befänftigung der
Sachſen, eine Annäherung derjelben an den König nicht. Nur
eine auf den 13. September nad dem thüringiſchen Drte Kom:
burg angejegte Ausmwechfelung von je zwölf Geifeln von jeder
Seite, damit nachher ein auch von den übrigen Fürften befuchter
Reichstag in aller gegenjeitigen Sicherheit abgehalten werben fünne,
wurde ausgemacht, die auf diefe Verhandlung Hin einzuberufende
Verſammlung jelbft auf den 20. October nah Gerftungen, alſo
nad einem thüringifhen Orte nahe der heſſiſchen Grenze, vertagt;
dabei geſchah die Cinräumung, daß dann aud der König, zur
Fiderfegung der ganzen ihm vorgebrachten Anſchuldigungen, auf
dem Reichs iage anweſend fein möge. Allein Heinrich IV. wollte,
wie fih erwarten ließ, von diefer ohne fein Wiſſen Hinter feinem
Rüden hindurch von dem Erzbiſchof angelnüpften Verhandlung
nichts wiſſen, da biefelbe, ganz abgejehen von ber ihm zur Unehre
gereihenden Verpflichtung der Geijelftellung von feiner Seite, zu
feinen Plänen eines durchaus thatkräftigen Einfchreiten® gegen die
fähfijhe Gehorfamsmweigerung, wie folde neuerdings an den nädjit-
fünftigen 5. October ſchon in der zu Cappel geſchehenen Verab⸗
272 1073.
tedung durch ihn angefnüpft worben waren, keineswegs ftimmte. So
fol denn, um die Schwierigkeiten zu erleichtern, Siegfried — ober,
wie abermals Lambert behauptet, auch Anno mit ihm — am
13. September zu Homburg es von den ſächſiſchen Fürften erreiht
haben, daß fie auf die Geiſelſtellung Verzicht leifteten und ſich mit
der Einfegung des Wortes der Erzbiſchöfe für die Befeftigung bes
Friedens begnügten !+°).
Es ift gewiß anzunehmen, daß der König ſich durch dieſes
gegen feinen Willen und feine eigenen Abfichten gehende Treiben
der hervorragendften geiftlichen Fürften vom Rheine nicht als ge
bunden erachtete, daß er vielmehr, zudem auch die Sachſen mitten
in ihren Verhandlungen mit Siegfried von der Kriegsrüftung nit
abließen und die Belagerung der Schlöffer ohne Unterbrechung fort-
fegten, auch feinerfeit® neuerdings den Kampf aufzunehmen ſich
anihidte!*). Allein er follte bald erfahren, daß die Hülfe ber
ürften, auf deren Zufage der Rüftung er feit dem Cappeler Tage
ſich ‚gerlaffen hatte, für ihm in Wirklichkeit nicht vorhanden fein
werbe.
Papft Gregor VIL mar, al3 bie Unterwürfigfeiterklärung
Heinrih’3 IV. ihm zufam, von Rom hinweg nad) Unteritalien ge-
gangen, um die Beziehungen a den normannijhen und lango-
ardiſchen Fürften zu ordnen. Allein diefe zum Theil IE ſchwierigen
Verhandlungen hinderten ihn keineswegs daran, auch bie anderen
Aufgaben, die er ſich ſchon gleich ſeit feiner Wahl geſetzt Hatte,
dauernd im Auge zu behalten.
So hatte Gregor VII. ſchon am 1. Juli die Lombarben er-
Ba Gottfried nicht zu folgen, dem bereit im vorhergehenden
Jahre durch eine römiſche Synode aus dem Verbande ber Kirche
ausgeſchloſſenen Eindringlinge, ber, wg neuerdings ausgemalt
wird, die hodehrmwürbige Mailänder Lirche wie eine gemeine Magd
erfauft, die Braut Chrifti dem Teufel preigegeben und in
fimoniftifcher Befledung fie vom Tatholifchen Glauben abzutrennen
verfucht habe. Unter den vielen auf der Erbe überall vorliegenden
148) Vergl. zu bem mur don Sambert dargebotenen Pi niß über dieſe
Dinge und befien geringe: Slaubimichi teit in Excurs I. eſe #3 Anficht,
IQ, (vergl. 1135, in den „Anmı ıgen*), der Zweck ber, von den ſen
in Korvei_ vorgebrachten Anſchuldigungen ſei geweſen, bie geiſtlichen ten
bes Reiches dazu zu vermögen, entehrenbe Kire jen über den König herbeizu«
führen — Lambert: facinora ... . quae si secundum ecclesiasticas leges
judicarentur, et conjugium et militige cingulum et omnem m grorsun seculi
a anti regnum, abdicare censeretur (201 u. 202), — bat ihre
volle Ber ing.
nt ſelbſt jagt ausbrüdlich im Verlaufe ber in n. 143 erwähnten
Erzählung: Saxones tamen (sc. obichon am 24. Auguft verhandelt worben war:
In hanc conditionem discessum est) de apparatu belli et oppugnandis regis
eastellis nihil propterea remittebant (202).
Heinzid/ 1V. cigentl. Abficht. — Gregor's VII. MaBregeln, bei. geg. Böhmen. 278
Uebeln glaubt ber Papft biefe in der Lombardei gefchehene That
der Diener und Herolde des Antichriftes ganz beſonders hervor:
heben zu follen. Eben deßwegen aber, weil die ganze fatholifche
Belt durch alle Kirchen hin Gottfried’ Ercommunication und das
auf ihm liegende Anathema anerlannt und beftätigt, ſollen, wie
alle Gläubigen, jo die Lombarden ganz insbeſondere, fih durchaus
hüten, durch irgend welche Verbindung mit Gottfried ſich jelbft
vom Glauben an Chriftus auszufchließen’*). Am gleihen Tage
gab der Papft dem nad Spanien geſchickten Legaten, Biſchof
tald von Oftia, in tadelnden Worten feine Mißbilligung fund,
daß derſelbe nad dem Abſchluß einer zahlreiche Gejchäfte in ſich
enthaltenden Synode weber in eigener Perfon, noch menigftend
durch Zurüdfendung feines Begleiter3 oder eines anderen Theil-
nehmer? in Rom von der Verſammlung eingehende Rechenſchaft
abgelegt habe’*°). Eine Woche fpäter fam Gregor VII. in einem
Briefe an Herzog Wratiflav von Böhmen und defien Brüder auf
die Angelegenheit der noch von Alerander II. vollzogenen Abfendung
einer Legation nad Böhmen, in der Sade des Biſchofs Gebehard
von Prag, zu ſprechen J
Gregor VII. dankt da den fünftigen Empfängern des abzu-
jendenden Schreibens für den ehrenvollen Empfang, der von ihnen
den Zegaten bewiejen worden fei; aber zugleich ließ er durchblicken,
dab, weil bisher durch die Schuld theil3 der Vorgänger auf dem
päpftlihen Stuhle, theils der Vorfahren des Herzogs Boten der
tömifchen Kirche allzu felten nach dem böhmijchen Lande gefommen
fein, die Aufnahme diefer zulegt abgejhidten Segaten den in Rom
ehegten Borftellungen doch nicht entſprochen habe. Biſchof Gebe:
dat hatte nämlih, ala nad dem Wunfche der Legaten durch
derzog Wratiflav neben ihm und dem Bifchof Johannes von
Olmüg auch alle Zirten des Landes, die Aebte und die Pröpfte ber
Kirchen zu einer Synode eingeladen worden waren, fogar auf eine
wiederholte Einberufung fein Erſcheinen abgeichlagen, jo daß die
Vertreter des Papſtes, um nicht in Geringſchätzung zu fallen, nun-
mehr ernfthaft vorgingen; von Zorn erfüllt, entbanden fie den
Viſchof von den priefterlihen Verrichtungen und entzogen ihm bie
biſchoͤfliche Würde. Doc, die Geiſtlichkeit erflärte ſich als mit dem
Biſchofe durch gleiche Bedingungen verbunden, jo daß überall ber
Gottesdienft aufhörte und die Priefter, wenn nicht der Biſchof her»
148) Diefes Schreiben, Regii L15 — 3.4786 — (l. e., 26 u. 27),
eihält mach dem ſchon in n. 114 zu ©. 179 eingerüdten Gape weiter: Quam
excommunicationem, quod etiam inimici sanctae ecclesiae negare non
possunt, sancti patres antiquitus censuere et per omnes sanctas ecclesias
tetius orbis catholiei viri confirmant et confirmaverunt.
104) Rergl. zur . 1,16 — 3.4787 — (le ©, 238 u. 20), oben
€. 213.214. Der Tadel Rüßt fih auf bie Erwägung : cum semper eonsuetum
& valde necessarium fuerit, ut, si quando legatus apostolicae sedis con-
dlium in remotis partibus celebraverit, sine mora ad aununciandum omnia
quae egisset reverteretur.
Reyer non Amoman, Japrd. d. diſch. R. unter deinrich IV.u. V. 8. IL. 13
274 1073.
geftelft werbe, ihr Amt auch nicht wieber aufnehmen wollten. So
redete denn Gregor VII. in diefem feinem Schreiben von ber Ber:
achtung, die den Legaten gezeigt worden fei, und zog in Bezug auf
diefe Urheber von Xergernig das Wort Jeſu heran, daß es folgen
befjer wäre, mit einem Mühlfteine am Halfe in die Tiefe des
Meeres verjenft zu werden. Befonders wird eben babei in dem
Briefe ber eigene Bruder Wratiflav’s, „Jaromir, Bifhof von Prag,
einft unjer Freund“, als Aufrührer und als Simonift angeklagt
und der Herzog aufgefordert, den Biſchof und die Legaten vor ſich
zufammen zu berufen und jenen nochmals zur Unterwerfung zu
vermahnen; daneben wurde zu Händen Gebeharb’3 eröffnet, es
werde feinen mit Recht begründeten Vorftellungen nie in Rom das
Gehör verweigert werben. Im alle abermaligen Ungehorjams
ftellte freilich der Bapft neue ſcharfe Maßregeln, bis zur Vernichtung,
in beftimmte Ausſicht 7).
Aber vom folgenden Tag, 9. Juli, liegt noch ein weiteres
Zeugniß vor, dafür daß Gregor VII. auch mit dem Kaiſer von
Conitantinopel Frieden zu a und Eintracht zu beobachten den
Wunſch hegte. Kaifer Michael VII. Hatte durch zwei Mönde ein
Schreiben mit liebevollen Zufiderungen und nicht geringer Hin-
gebung an die römische Kirche, wie der Papft rühmt, übergeben
und durch mündliche geheime Aufträge der Weberbringer noch be-
ftätigen laffen, und Gregor VII. hielt dieſe Eröffnungen für ſo
wichtig, daß er den Patriarchen von Venedig, Dominicus, der als
Angehöriger der römiſchen Kirche und des Kaiferreich® zugleich be-
ſonders zu einer ſolchen Sendung fi zu eignen ſchien, als Boten
abzufenden fi entihloß und deßhalb denſelben durch dieſes
47) Die in dieſem Briefe, Registr. I, 17 — J. 4788 — (l. c., 29-31),
erwähnte Segation ift ſchon ©. 193 u. 194, in n. 9, fowie n. 10 u. 11, erörtert
worden. Zur Gryählung des Gosmas, Chron. Boemorum, Lib. Il, c.’30, über
den Verlauf der Dinge in Böhmen — quod (sc. Gebehard's Berurtheilung)
audientes non solum canonici verum etiam per capellas clerici, omnes
sciderunt sua oraria et denudaverunt ut in parasceue altaria . .. silent
sacerdotalia officia, et nisi pastori suo restituatur pristinus honor et
‚gradus, totus clerus mavult in perpetuum suos amittere gradus (SS. IX, 87)
— fimmt Gregor’ö allgemeinere Wenbung: quidam vestrorum — hoc quasi
novum aliquid existimantes . . — legatos nostros contemptui habent; ac
roinde, dum nullaın eis debitam reverentiam exhibent, non eos, sed ipsam
Veritatis sententiam spernunt. Unde ... eius Veritatis sententie ad
cumulum suae damnationis adeo se exagerant (morauf der Spruch folgt,
Matth. XVII, 6). Ferner ſpricht Erzbiſchof Siegfried felbft in dem fon oben
©. 192 in n. 8 citieten Briefe von bem insolitum edietum, ut eundem fratrem
et coepiscopum nostrum — nec inter fratres suos canonice prius auditum,
mec canonice ad se vocatum, nee inobedientiae culpa denotatum — non
solum ab offieio suo suspenderit, sed etiam rebus et reditibus suae ecelesiae
omniuo_ spoliaverit et exstruserit, ita ut missis nuntiis publicee nunciari
fecerit in clero et populo, ut, eum quasi excommunicatum habentes, nichil,
quod ‚episcopi ‚esset, vel quaererent vel acciperent ab eo —, und zwar jo
auebrüdlich als von einem noch in den vorhergehenden Bonttfcet fallenben
Ereianifſe — ab eo exüit, sc. sub antecessore vestro . . papa Alexandro —,
daß auch daraus wieber ein Beweis für das 1. c. Geſagte hervorgeht.
Triedendanerbieten nach Gonftantinopel; Beziehungen zu Herzog Robert. 275
Schreiben an den Kaiſer empfahl. Denn der Papft will „die alte
Eintracht zwiſchen der römiſchen und der Tochter derjelben, der
conſtantinopolitaniſchen Kirche“, erneuern, wie es denn fein Wunſch
fei, fo viel an ihm liege, nad) den Worten des Apofteld, mit allen
Menfhen Frieden zu halten. „hr wißt ja" — ſchließt der
folgende Sag an — „daß, fo viel die Eintracht unferer und Eurer
—— dem heiligen apoſtoliſchen Sitze und dem Kaiſerthum
zuerſt genügt hat, fo viel von da an der Ümſtand ſchädlich wirkte,
daß von beiden Seiten die Liebe erkaltete“ 1*).
Schon diefe beiden Schreiben nad) Böhmen und Gonftan-
tinopel waren nicht mehr aus Rom felbit, jondern aus Laurentum
und aus Albano abgefertigt worden; dann aber begab ſich Gregor VII.
noch weiter von Rom Binmeg, und zwar zunächſt nah Monte
Caſſino, darauf aber, indem Abt Defiderius fi) dem Papſte an-
ſchloß, nach Benevent, wo am 2. Auguft die Ankunft erfolgte ").
Die ſchwierigen Beziehungen, die fi zu den Normannen, ganz
voran zu Herzog Robert, herausgeftellt hatten, waren die Urjache,
daß der Papft zur Wahrung der Machtſtellung der römifchen
Kirche ſich felbit in die Nähe der normanniſchen Gebiete auf den
Beg made.
Herzog Robert hatte den durch den Füriten Richard von
Capua ihm bereiteten Schwierigkeiten, der Aufreizung der Vaflallen
zum Un, en und offenen Aufftand, tatkräftig zu begegnen ge=
ſucht. onders um Trani, wo ber Stadtherr, Petrus, der ſchon
vorher durch Weigerung der nad) Sicilien hinüber begehrten Hülfe-
leiftung unbotnäl iß ſich erwieſen hatte, mit ſeinen Söhnen den
Wü nd leiftete, fam es im Januar zu friegerifchen Anftrengungen,
die aber | don nach kurzen Tagen, bis zum 2. Februar, zur Ueber-
gabe der Stadt führten; dann folgten um benachbarte apulifche
Küftenpläge und andere Orte weitere Kämpfe. Aber raſch wandte
fih das Glück auf Robert’3 Seite, jo daß Richard von feinen an:
fänglien Verſuchen zurüdwih und durch den Abzug nad) Capua
für fi) dem weiteren Antheile an der Sache ber Aufrührer ent
fagte. Der Herzog nahm den Petrus felbft gefangen und entließ
ihn erit nad Vollziehung völliger Unterwerfung. Dann ging er
gegen die Städte des Fürften Richard vor, da er in deſſen neidiſchen
und boshaften Veranftaltungen den eigentlihen Grund des ganzen
Aufitandes deutlich erfannte, und gewann aud hier ſolche Erfolge,
) Registr. I, 18 — J. 4789 — (.e. 31 u. 32), enthält wieder ben
ia Registr. I, 10 — J. 4781 — beranggogenen Epruch van Rom.
19) Diefe Dinge bezeugen theild Petrus, Chron. Mon. Casin., Lib. TIL,
© 36: qui (sc. Gregorius) eodem ordinationis suae anno ad hoc monasteriunn
veniens, sociato sibi Desiderio Beneventum perrexit, theila Annal. Benerent.
(sd. 1: Gregorius VII, papa venit Beneventum, Cod. 3 (a. 1072): Gre-
gorus ..... Beneventum venit mense Augusto, ſowie Chron. s. Benedicti:
venit domnus Gregorius papa in Beneventum a. D. 1073, 2. die intrante
mense Augusti (SS. VII, 729, III, 181, 203).
18*
276 1073.
daß er ſich als Sieger betrachten durfte '°%). Aber nach dieſer Be-
mältigung des Aufftandes ergriff, zuerft in Trani, den Herzog eine
ſchwere Krankheit, welche, als er feinen Aufenthalt, in der Hoffnung
auf Erleichterung, nah Bari verlegte, fih als noch gefährlicer
uöftellte. Weberall verbreitete fih ſchon in Jtalien das Gerüdt,
jobert fei der Krankheit unterlegen, und man ſprach geradezu vom
Tode des fühnen normanniſchen Eroberers. Aber nach wenigen
Tagen trat die Befjerung ein, und bie erſte Nachricht, welche jett
Ro) von Rom erhielt — aud dort hatte man in dieſen
Fruhlingswochen an feinen Tod geglaubt —, war die Mit-
theilung vom Tode Alerander’3 IL, und daß Hildebrand Papft ge
worden ſei!e .
Jedenfalls hatte Gregor VII. ſchon gleich mit dem Beginne
feines päpftlichen Waltens in ſehr ausbrüdlicher Weiſe die Ent-
10) Bergl. ob. S. 185 u. 186. Ueber dieſe Kämpfe Robert's lommen
neben Amatus, L’ystoire de li Normant, Lib. VI, c. 2—6 (ed. Champollion:
igeac, 193—197), wo im c. 5 beſonders hervorgehoben if, bak ber Kricg
tfächlich auch Richarb galt: lo duc Robert vouloit tochier lo chief de
ceste malice et aler contre les cit&s de lo prince, liquel avoit est& com-
mencement de la malice laquelle avoit est faite & lo duc Robert (1%)
und ber Ereigniffe bei ben Kriegen um die Städte, voran Zrani, ferner Gorato,
Andria, Eifterna, u. |. f., eingehend Kr wird, noch anbere Quellennad:
ichten in Betracht. Boran fleht Guillermus Apuliensis, Gesta Roberti
iscardi, Lib. III, v. 362 ff., zuerft über die Gehorfamsweigerung bes Petrus
don Trani gegenüber Robert, bann v. 371 ff. eingehender über die von Fr
auf eine längere Dauer — v. 379: decies . inque diebus — erfiredte Be
lageruug Zrani’s, v. 390 ff. über bie ebergafe von anderen Küftenplägen —
Bitceglie, Siovinazzo —, fowie von Corato und Anbria (SS. IX, 272 u. 273)
Wie ber Anonymus Barensis: Ibit ipse dux et obsedit Trane per terra
et mare in mense Januario, et secundo die intrante Februario fecit cum
ipeo duce (Muratori, Script, rer. Italic., V, 153: dazu ftimmt Lupus Proto-
spatarius: Robertus dux, ejecto Petrono, introivit in ipsam eivitatem, sc.
ern, in purificatione sanctae Marise, SS. V, 60) zeigt, hat Amatur,
©. 2, Recht, wenn ex die Dinge in Zrani en poi de jors + vollziehen läßt
Das Chron. breve Nortmann. fpridt nur von bem Kampf gegen Petrus, um
Zrani (Muratori, 1. c., 278 VI. Hirih führt zu Amatus richtig aus —
Ferfäun zur beutfchen Geſchichte, VIIL, 311, worin Baift, I. c., XXIV,
29, beiftimmt —, daß berjelbe ganz zutreffend, während bie Gesta Roberti
Wiscardi nur Peter von Zrani und bdeffen Veiter Amicus (vergl. über deren
Verwandtſchaft Brehlau, Konrad II., II, 503) ala Gegner Robert’s nennen, eben
in erfier Linie Richard ala Urheber des Widerftandes bezeichnet, außerbem aber
ala Teilnehmer neben Petrus befien Eöhne, ferner Wbklard, Robert Arenga,
Hermann. Wenn Baift, 1. c., 329 n. 1, den don Amatus in cc. 2 und 4
erwähnten, durch Richard zuerft beobachteten, nachher wieber verlaffenen Plaß
yanz in der Nähe von Capua fucht, fo iR damit bie Unternehmungeluft dieſes
— der Robert bereiteten Schwierigleiten doch zu gering an⸗
geiäglagen.
) Amatus, c. 7., redet bonkder Krankheit: lo due... . vint en tant
de debilitE que partout se disoit qu'il estoit mort.... . la false fame . .
estoit al&e jusque & Rome de la mort de lo duc (197). Bergl. auch Pelrus,
Chron. mon, Casin., Lib. 11, c. 58: Item q lo tavit, mandavit
hue (sc. nad) Monte Gaffino) mille skifatos, vielleicht auß: Uxor prarteres
ipeius quando aegrotavit (sc. Robert?), misit beato Benedicto 45 libras
argenti et pallium unum (SS. VII, 743)
Runbgebung Gregor’3 VII. n. d. Gerücht v. Robert’3 Tod; Robert's Antwort. 277
widlung der Dinge, die fi) auf Herzog Robert bezogen, in das
Auge gefaßt. Die allzu ſtark emporgewachſene Macht des fühnen,
auf immer neue Unternehmungen ausgehenden normannijchen Lehns⸗
trägers fonnte dem römischen Stuhle felbft leicht gefährlich werden,
und fo war Gregor VIL wohl von- ganz beftimmten Berechnungen
ausgegangen, als er, in der Meinung, Robert fei wirklich nicht
mehr am Leben, an deſſen vermeintlihe Wittwe Sigelgaita eine
Botfchaft nah Bari abgehen ließ, mit dem Ausdrucke des großen
Schmerzes, welchen die römiſche Kirche über den Tod bes Herzogs
empfinde; benn beigefügt war biefer Meldung das päpftliche An-
erbieten, die Zuneigung, die dem Sen gezeigt worben fei, auf
die Wittwe zu übertragen, doch unter Beifügung ber Aufforderung,
daß fie alsbald ihren Sohn — Roger, eben das Kind aus biefer
iten Ehe Robert's — nad Rom bringen folle, damit diejer
ort vom Papfte die Ausftattung mit ben vom Vater bisher zu
Zehen getragenen Ländern erhalte. In der Umgebung des Papftes
war wohl vorausgejehen worden, daß, falls der Tod bes Herzogs
eintrete, dad zu inneren Wirren in bejjen ftaatlicher Shörfung den
Anftoß geben würde — wirklich hatte Abälard, Roberi's Stief-
neffe, fih fogleidh dagegen erklärt, als in Vorausſicht des bevor-
fiehenden Lebensendes Robert's die —Se—— Herren dem
jungen Roger unter Anerkennung der Anſprüche deſſelben den Schwur
ablegten —, und deßwegen gedachte ber Papft ſogleich feine Schup-
gemalt über ben Erben aufzurichten und damit feine Einwirkung
in deſſen Gebiet hineinzuſchieben. Auch jene gleich nach der Papft-
wahl gefehehenen Einladungen an Abt Defiderius, an ben Füriten
Sifulf von Salerno, nah Rom zu kommen, hatten gewiß mit
diefen Abfichten Gregor’s VII. Berührung gehabt. Freilich Ingen
mm ja thatſächlich die Dinge ſehr anders. Robert konnte ſelbſt
diefe Trauerbezeugung in Empfang nehmen, deren Aufrichtigfeit er⸗
wägen und aus ber Sadtage Pine Schlüſſe ziehen. Er dankte
zunächſt für die Huldvolle Votſchaft des Papſies und verſprach
treuen Dienft für denfelben!%). Gregor VII. dagegen wollte jegt,
als er feiner irrthümlichen Annahme, hinſichtlich der vorausgefegten
Aenderung in ber Leitung des normannifchen Staatswefens, gewahrt
wurde, nur um fo mehr die Angelegenheiten, welche gegenüber ben
a) L. c., inc. 8, gest bie Botſchaft an Gigelgaita, mit ber Aufforde-
tung: portes lo sien filz & ce que o la ordination de la sainte öclize reedve
ia main de l’glize les coses que tenoit lo päre de lui anceisor Dape,
während in c. 20 Abälarh’a Weigerung erwähnt ift: A la ducesse recordoit
«weoire de la grant aı cn de Balalarde ... quant lo duc fu malade
et jugie por mort (mad Gigelgaita ensi come un coultel im behielt:
Ceite esmut lo cuer de lo marit & faire damage & Balalarde) (197 u.
18, 5 +, Gregor's VII. Ber mungen (ar ©. 211 u. 212,
win. Nobert’d Antwort auf Gregor's VII. Beileidsbezeugung erwähnt
Amebö, in c. 8, in ben Worten: Lo due... .. toutes voiez pour lo
7 mandement rendi gräces ä lo pape et li promist de lo serrir
⸗
278 1098.
normannifchen Fürften vorlagen, felbft an die Hand nehmen; er
ließ alſo Robert sus den gleichen Zegaten, der ſchon nach Bari
gegangen war, zurüdberihten, daß er nah San Germano zu ihm
fommen möchte, unter Beifügung des Ausdrucks jeiner Freude über
des Herzogs Geneiung. Darauf fäumte Robert nicht, fondern
jammelte von allen Seiten her feine Ritterfhaft; dann zog er
vorwärts und fam auf dem Wege weflwärt in die Gegenb von
Melfi bei Rapolla. Hier erwartete er auch bie Botſchaft des
Papſtes ''®).
Doc Gregor VII. hatte inzwiſchen feinen Willen geändert und
war, ohne den Herzog in San Germano zu erwarten, ſogleich,
wie ſchon gejagt, von Monte Caffino nach Benevent weiter gezogen.
Dorthin ließ er num den Herzog durch Abt Defiberius, der nah
NRapolla ging, vor ſich beſcheiden. Augenſcheinlich wollte der Papit
ſich vor Nachftellungen, die vieleiht von den Normannen zu
befürchten waren, dadurch fichern, daß er Robert in Benevent
empfing !5*). Allein feinerjeit3 zeigte nun auch Robert, — er
der Aufforderung folgte und den Abt begleitete, großes Mißtrauen.
Er flug vor den Mauern Benevent’3 fein Lager auf und lehnte
die Einladung des Papftes, fi in die Stadt hineinzubegeben, ab,
wie er fagte, aus Argwohn gegenüber den ‚Bürgern; er lieh
Gregor VII. fagen, diefer möge zu ihm in das Lager hinaus-
fomnen, und zwar nicht zu ihm als zu Herzog Robert, fondern im
Vertrauen zu feiner Lehenstreue. Das wollte jeinerjeitd wieder ber
Papſt nit thun, und fo erwuchs — den Beiden heftige
Zwietradht, großer Zorn und böſer Wille!) Deßwegen glaubte
Gregor VII. diefer Lage der Dinge die Aufforderung entnehmen zu
follen, je mehr die ſchon bisher gehegten Beforgniffe vor Robert
fich zu erfüllen ſchienen, um fo beitimmter einen Rüdhalt bei ben
dem Herzog in mehr oder weniger beftimmter Weife gegnerifchen
Gewalten zu ſuchen. Zu den hiernach gewählten Mafregeln zählte
der_ noch in Benevent ſelbſt am 12. Auguft in ber dortigen
fürftlichen Burg mit dem Fürften Landulf abgejchlofiene Vertrag,
durch welchen berfelbe ſich für fein Fürſtenthum Benevent gänzli
den päpftlihen Geboten unterwarf, der Art, daß er, dur ben
Gleichlaut der von ihm übernommenen Bedingungen mit dem Eide
der Procuratoren der römischen Kirche, fih in bie_ gleiche
Abhängigkeit fegte, wie fie für deren unmittelbare Befigungen
beitand; der Fürft verficherte anzuerkennen, daß, wenn er eine
Anzahl eingehend aufgeführter Verpflichtungen nicht erfülle, er feine
Stellung zur Stunde verliere. Unter den fünf geiftlichen Unterzeihnern
ua) L. c., c. 9 (1981.
15%) L. c.: — e8 heißt ausbrüdfich: lo pape mus sentence, et manda
frere Desidere abb£ qu'il (sc. lo Aa evtat venir & Bonivent.
158) L. c. Bon deö Herzogs Antwort lautet der Bericht: lo duc, pou:
arder eoi de la malice ent proia lo pape die non vent &
ui come & Robert, mes & sa fidelite (199).
Gregor VIL in Benevent; Mibtrauen gegenüber Robert; Angriff a. Richard. 279
der Feſtſezung — deren eriter war der Gardinalbifhof Johannes
von Porto — betheiligte fi auch ber felbft dem beneventanifchen
Fürftenhaufe entftammte Abt Defiderius 15°).
Danach jedoch wandte fi Gregor VII. nad Capua, um bier
mit dem normannifchen Gegner Robert’3, dem Fürften Richard,
eine engere Verbindung einzugehen. Am 14. September wieberholte
Richard gegenüber dem Papfte ben Eid, melden er
Alerander Il. abgelegt Hatte, nur baf er ſich für ben Empfang der
Lehen jetzt noch ftärfer und völlig ausnahmslos ber römischen
Kirche verbindlich machte. Ferner gedachte jet der Schwur auch
des Königs Heinrich IV., daß nämlich Richard demfelben Treue
eidlich zufichern wolle, wenn er durch den Papft dazu aufgefordert
werde, doch unter Vorbehalt der gegenüber ber roͤmiſchen Kirche
beftehenben Verpflichtung "°”). Diejes Verhältniß der engen Freund-
ſchafi fonnte dann noch immer ftärfer ſich befeftigen; denn
Gregor VII. blieb, wie die duch ihn aus Capua abgeididten
Schreiben beweijen, noch bis zur Mitte des November in dieſer
Stabt 15%). Freilich zeigte nun auch Herzog Robert den Willen,
dieſe dem Gegner ermiejene Gunft durch gegen biefen ſelbſt verübte
Feindjeligfeiten zu erwidern. Eigens um den bei Richard weilenden
Papft zu ärgern, brach der Herzog, dem auch Graf Roger zu Hülfe
am, in Richard's Gebiet ein, wo er, auch in der Umgegend von
Capua, auf das graufamfte plündernd und brennend haufte und
dazu durch Heranziehung von Vaflallen des Fürften vergalt, was
diefer vorher in Apulien gegen ihn verfucht Hatte; durch die Land»
ſchaft des Garigliano, in deſſen Mündungsgebiete die Pläge Traetto
und Sujo an Robert fi) übergaben und Roger als neuem Herrn
iufielen, bis vor Aquino wurde der Vorftoß fortgejegt; danach trat
der Herzog allerdings, als hier fein Vortheil fi ergab, von da
unverrich teter Sache den Rüdweg nah Apulien an, wobei jedoch
noch als ein fehr weſentlicher Erfolg die für Amalfi eintretende
Nöthigung hinzulam, Robert als dem Herzog der Stadt zu huldigen
’#) Zie in sacro Beneventano palatio aufgerichtete Constitutio, bie
neh, Aufzählung der Bedingungen mit den Worten fchliet: a praesenti
Amittat suum honorem (sc. Landulfus Beneventanus princepe), fteht ala
a I, 18 a ($affe, Biblioth , II, 32); die Tragweite derfelben ſeht Giefe:
a 1, in den en aan au Ri F Begistr. l. 2i
ie nur ganz ingfügigen Abweichungen des in str. I, 21a
de, 36 u. 97), enchaftenen Yorırandum Adelitatis von dem Im Bd. 1, S.
148, n. 55, ©. 222, erwähnten früheren Eide für Alegander II. find durch
}, 1. c., ‚angemerkt. Die weientlichfte Abänderung ift in dem Satze:
Regi vero Henrico, cum a te admonitus fuero vel a tuis successoribus,
Jurabo fidelitatem (ftatt der allgemeineren negativen Wendung: nulli jurabo),
"lva tamen fidelitate sanctae Romanae ecclesiae. Des wurd gebentt
au Amatut, c. 12: lo pape avec lo prince Richart firent ferme et grant
amistE et ligue (201). einig, De conditione Italiae inferioris (ete.),
%, 2. 31, führt die Beweiſe für die Zählung nad; Jahren des römiichen Pontir
fuats in Benevent von biefem Jahre an auf.
=) Bom 1. Geptember bis 15. November gingen zwölf Kundgebungen
Geigor'ö VII. — Registr. I, 19-80 (J. 4790-4800, 4802) — auß Gapua ab.
280 10723.
und deſſen Herrſchaft durch Tributzahlung anzuerkennen. Dagegen
war das Land, das zu Monte Salfino gehörte, aus Ehrfurcht vor
der Beiligen, Stätte ohne jede Schädigung durchzogen, fogar an
Abt Defiderius ein Geſchenk von fünfhundert Golbftüden geſchidt
worden !°).
Auch während diejes Aufenthaltes in Capua verlor Gregor VI.
die deutſchen Angelegenheiten nicht aus den Augen. Beſonders
pflegte er die Beziehungen zu Herzog Rudolf von Schwaben, um
durd) benfelben auf den König einwirken zu fönnen. Rudolf muß
an den Papft ein Schreiben gejandt haben, aus welchem berjelbe
die Größe der liebevoll eifrigen Gefinnung des Herzogs erkennen zu
tönnen meinte und worauf er am 1. September Antwort gab. Er
lobte zuerft Rubolf’s Neußerungen über die Erhaltung der kintracht
zwifchen dem Reiche und der Kirche. Dann betheuerte er, daß er
nit nur gegen König Heinrich IV. durchaus fein Nebelwollen hege,
fondern auch mit Gottes Hülfe überhaupt gegen feinen Chriften-
menſchen Haß fühlen wolle. Cr bekannte fogar, zu Heinri IV.
im Verhältniß eines Schuldners zu ftehen, da er bei bejien —*
wahl mitgewirkt habe, da er von Kaiſer Heinrich III. an deſſen
Hofe unter allen Italienern mit beſonderer Ehre behandelt worden
ſei, da derſelbe auch ſterbend feinen Sohn durch den Papſt Victor IL.
der römiſchen Kirche empfohlen habe. Weil aber dieſe gerühmte
Eintracht durchaus rein fein müffe, nicht erheuchelt erſcheinen dürfe,
wäre es nützlich — fährt der Papft fort —, zuerft mit Herzog
Rudolf ſelbſt, dann mit der Kaiferin Agnes, mit der Gräfin Beatrir
159) Amatus erzählt ausführlich in ce. 10 u. 11, wie Robert fich raͤchte:
Et lo due, coment qu’il fust de haut cuer, pour r&verence de lo pape,
c'est & dire pour despit, fist appareillier lo excereit ae pour segoingnier
lo prince (199-201). Zn dem Safe in c. 10: Et puiz passa par la terre de
Saint-Bönedit, Iaquelle il serva sans nulle l6sion coment temple de Dien
Ay Rimme —— ‚Peinis, mo wieder En De Bu Er 151 tinten I en
ifte von Ga] es 18 Robert, mit , ingen zur
Geſchichte, VII, 62, bie Gevaymn : Quando venit —— misit
hue 500 bizantios (l. c.) gewiß hierher zu ziehen if. Kaum in leberein-
Rimmung mit matus, ber in c. 12, nachdem c. 11 geenbet: et puiz lo due
Robert, avec son fröre et avec son excereit, s'en torna en Puille, erfllih
mit: en cellui temps den Sa von n. 157 anflient und danad) erfi fo e
Et lo pape ala a Rome (201), let Girl t, II, 249, Gregor'3 VII. Weg:
game von Gapua vor ben Angriff Robert'3 auf das Fürſtenthum Capua.
tobert'3 ducatus Amalphiae ſchon vom November 1073 an gerechnet worden
fei, zeigt Weinreih, 1. c., 34, n. 28, aus urlunblichen Zeugniffen, bie mit
bem Chron. Amalpbitanum, c. 22, ganz im Einklang ftehen, daß bes Herzog?
Srepiuh Sohn Johannes de mense Novembris 12. indictione perdidit terram
et dominium a. d. 1074, ud ei abetulit illustris dux Robertus Guiscardus
(Wuratori, Antiquitates Italicge medi aevi, I, 21) Auch die Geste
Roberti Wiscardi, Lib. III, v. 413 u. 414, beuten das an, daß Robert’s
Hülfe von Amalfi, jes Gilulf bedrängte, angerufen worden fei, cui (sc. duci
egregic) vectigalia dudum anna detulerat (88. IX, 273 u. 274); alfe muk
Imatus, wie Hirſch, 1. c., VIII, 317 u. 318, Hier, trog der von Baift, 1 c.,
XXIV, 334, gemachten Einwendungen, — ausführt, Lib. VIIL, c. 8, irren,
wenn er bie Sadje jo darftellt, baß Robert erſt fpäter durch freiwillige Unter:
werfung zu einer erften Gewaltausübung über Amalfi gelangt ſei es,
u.
ern
Briefe @regor’s VII. üb.d. Beziehungen zu Heinrich IV.,an Herzog Rubolf, u.f.f. 281
und dem Biſchof Rainald von Como, gomie mit anderen Gotteö-
fürdhtigen eine genauere Verhandlung abzuhalten, damit ‚gegenfeitige
Uebereinftimmung erzielt werde. So ſchickte Gregor VII. an ben
Herzog, ſowohl wegen bes Gebetes, als um jenen nützlichen Rath-
totog ‚u Betradt zu ziehen, die Einladung, fi nach Rom zu ver-
ügen !*0).
s Zwei weitere Kundgebungen vom gleichen Tage, an zwei
italieniſche Biſchöfe, den im Briefe an Rudolf erwähnten Bilhof
NRainald und den ermwählten Bifhof von Lucca, Anfelm, gerichtet,
nehmen zum Theil auf die gleichen Angelegenheiten, wie das
Schreiben an den Herzog, Bezug. Rainald hatte dem Papſte über
Heinrich IV. gefehrieben, und diefer ift überzeugt, daß die Kaiferin
ss und Rainald arg gut feine Gefühle für den König, feine
Abfichten mit demfelben Fennen, nämlich, daß der König, ala das
Haupt der Laien und al3 mit Gottes Willen künftiger Kaifer, mehr
als Alle die Religion und die Kirche lieben, gute Menſchen aus
wahrer Zuneigung an ſich ziehen, die Rathichläge der Böjen wie
an Gift meiden möge: Dann zeigt ber Papft dem Biſchof an,
er habe von der baldigen Ankunft des Herzogs Rudolf in der
Lombardei, nod in diefem Monat September, Kunde, und fordert
ihn auf, mit demfelben nah Rom zu fommen, um dann bier auch
mit Agnes und Beatrix wegen der Einigung zwifchen dem Könige
und der römischen Kirche Rathſchlag zu halten, fo daß an
Heinrich IV. ſichere Botfchaft abgehen könne und dieſer, wenn er
einmal nad Stalien komme, Alles in Frieden finde. Aber ganz
ausdrüdlich wurde jede nähere Anknüpfung mit dem Könige an bie
Bedingung gebunden, daß derjelbe zuerit, indem er Hinfichtlich feines
Umganges mit Ercommunicirten Gott Genugthuung leifte, zur
Ordnung der Beziehungen fi) herbeiläßt und mit ber Kirche feinen
rieden ſchließt; denn vorher follte auch Anſelm durchaus von ber
Inveftitur mit feinem Bisthum aus der Hand des Königs fich frei
existimus — bi teinborfj, Heinrich ITI., II, 73, n. 1 (im ber Ber:
— en apa orff, Heinrich n. 1 (in der Ber-
ted in
ben von ihm, Registrum, II, 22 u. 23, mits
Nichtgemannten an feinen dominus, regis regum iı
des Papfled), zu October 1073 ftellen. Derjelbe
mihi, domine, ut, cum ipse colloqnio, quod proxime habiturus es, interesse
eam, tibi administrationem, quasi tela certaturo, absens suggerem,
wes khon ganz und gar nicht [y ;regor’3 VII. Schreiben paßt. Aber au
font mt der Zon und Inhali bes Briefes nicht an dieſe Stelle; wohl jebor
bet Gfrörer, Gregorius VIL, VII, 4043, freilich) nad) ganz anderer Richtung,
„im freier 1“, ben allerjonderbarften Gebraud; von biefem Briefe ges
macht, den Rudolf an König Heinrich IV. (1) geichrieben habe.
282 1073.
alten. Uebrigens nannte dann dieſer zweite Brief gleichfalls
ne, Beatrig mit Mathilde, ſowie Rudolf als die nothwendigen,
felbft fi anbietenden Rathgeber zu diefem Verſöhnungswerke 1),
Auch noch am 24. November ſprach ſich der Bapit in einem Briefe, an
Biſchof Bruno von Verona, über jeine Gefühle für den König aus,
wie er für deſſen Ehre wachſam zu fein wünſche, wenn nur biefer
felbft ſich beftrebe, Gott die geſchuldete Ehre zu geben und unter
Losſagung von allem kindiſchen Treiben die Haltung der
heiligen Könige weile nachzuahmen !°%).
Bis zu dieſen legten Tagen des Monates muß nun aber in
Capua jener Brief König Heinrih’3 IV. bei Gregor VII. eingelaufen
fein, welcher durch feinen ganzen Inhalt die kühnſten Srmartungen,
die nach diefer Seite hin hatten gehegt werben dürfen, zu über
treffen ſchien les). Beſonders auch nad der Seite der Verhältnifie
des Erzbisthums Mailand gewann es den Anſchein, als follten alle
Schwierigkeiten, melde zrifihen Papft und König einer Verjöhnung
entgegenflanben, ſich verlieren.
Ganz abgejehen von den mehrfachen jhriftlichen Kundgebungen
des Papſies, welde ſchon unter nachdrücklicher Hinweiſung auf die
01) Der Brief an Rainald — quem sanctae Romanae eccolesise primum
membrorum numero collocavimus — Registr. I, 20, J. 4791 (I. c., 34 u. 35)
— fpielt zuerſt auf eine dem Smpfänger widerfahrene adversitas, contumelia
an; im weiteren Inhalte gehen die Wünjche für den König: bonos ex dilatione
vera sibi adhibere, der Sat über denfelben: nisi malorum consilia ut vene-
num vitet — beutlich auf die in Rom fo entichieden verworfenen Rathgeber
‚Heintid’3 IV., während bie enbungen: Rome Deo annuente futurus imperator
und: ut, si Italiam eum intrare contigerit, universa in pace invenerit beut-
lid die Erwartung eines baldigen Run des Königs darlegen. Rad) bem
Briefe an Anſelm — Registr. I, 21, J. dl. c. 86) — foll biefer — feiner
dachte ſchon der ©. 218 (n. 51) erwähnte Briei an Beatrix und Mathilde —
17 vom König fern halten, donec, de communione cum excommunicatis Deo
satisfaciens, rebus bene compositis, nobiscum pacem possit habere (sc. res);
daneben flieht da angedeutet, dab bie Berföhnung mit Heinrich IV. — Agnes
und die anderen genannten Perjönlichteiten find betheili
perficere — leicht noch nicht fo raſch fich volliiehe: Quo«
dilationem quacumque occasione contigerit habere
1e2) Bruno’s gebenfen aud) Annal. Altah. maj., a. 1072: Huswardus
etiam Veronensis episcopus (vergl. a. 1069: Eodem anno Hartwicus Veronensis
epimcopus moritur, pro quo Huswardus eligitur) obiit, cui Bran successit
183. 2X, 824, 821). Im Registr. I, 24 — J. 4795 — (l. c., 41) fordert
Gregor VII. den Bilchof, dem ex in deſſen Abweſenheit das Pallium — hono-
rem, quem Romani pontifices antecessoribus tuis contulerunt — nicht er⸗
theilen fönne, auf, zu dieſem Behufe nad Rom zu fommen: Volumus etiam
tune praesentiae tuae ostendere, quam sincero amore regiam salutem dili-
gamus. ad) Registr. I, 86 (l.c., 108): In hoc primo anno pontificatus sus
ipse dominus Gregorius papa ..... . Brunoni episcopo Veronensi_pallium
cum privilegio et nacho concessit — geichah das dann wirtlich · Den Tod
des Huswart Veronensis führt das Eichfadter Verzeihniß (vergl. S. 164 in
n. 95) exft nach dem Meranber’s II. auf. Nach bem Hilbeäheimer Verzeinib:
Nomina fratrum nostrorum episcoporum muß Bruno ein Deuticher geweien
fein: Bruno magister scolarım Hildeneshem, posten Veronensis episcopus,
a capellano suo oceiditur (SS. VII, 848).
163) Pergl. ©. 269.
Cregor's VII. Beziehung. 3. Pataria; Einlauf. b. verſöhnl. Brieſs Hrimic's. 283
Lage der Mailänder Kirche ausgegangen waren ?**), hatte auch per-
fönliher Verkehr zwiſchen Rom und ben Vertretern der päpftlichen
Sade in Mailand feit dem Eintritte Gregor’3 VII. in die Leitung
der Kirche bereits ftattgefunden. Atto, der von der Pataria aus
erhobene Erzbifchof von Mailand, hatte durch die Wahl Gregor’3 VII.
jeine Hoffnungen neu beftärft gefehen und fi nad Rom begeben,
um, unbefümmert um bie Heimai, in der Gemeinfchaft des Papftes,
duch den jein Muth frifch erwacht war, zu leben. Freilich durfte
diefe Entfernung aus Mailand um fo mehr als geftattet erſcheinen,
als aud) ber Gegner Atto’3, Erzbiſchof Gottfried, fi von Mailand
ferne nur auf feinem Zufluchtsplatze Brebbia behaupten fonnte!°).
Denn fortgefegt hielt Erlembald mit aller Kraft, im vollen Ver-
trauen auf die römiſche Hülfe, die Sache der Patariner aufrecht.
Abermals finden fih die Anftrengungen biejes Vorkämpfers auf das
anihaulichite gefchildert, wie er bei Tag und bei Nacht, durch
Austheilung oder Verheißung von Gaben, fir Atto wirkte und
Gottfrieb’3 Anhänger insgefammt mit Flamme und Schwert immer
wieder, fein Mittel unverjucht lafjend, verfolgte, ohne im geringiten
weder auf das königliche Anfehen, noch auf feine eigenen Stanbes-
genofien Rüdfiht zu nehmen?*). Aber Gregor VII. hatte gerade
aud im Hinblid auf dieſe Verhältniffe mit befonderer Hoffnung auf
den Plan Herzog Rubolf’s, ſich nad) Stalien zu begeben, hingeblidt.
Derſelbe ſollie als Vertreter der päpftlihen Anhängerſchaft von
Deutihland her — eben im September — in ber Lombardei
erjcheinen, hier mit Biſchof Rainald zufammentreffen; diefer würbe
dann mit den lombardiſchen Bifchöfen verhandeln, freilich mit aller
Vorfiht, damit nicht ein weiterer durch die befledende Wirkung
bebentlicher Umgang mit benfelben eintrete!°”).
In diefem Zeitpunfte kam jegt bie hoch erwünfchte königliche
Eröffnung, die eben vorzüglich auch auf Mailand ſich bezog.
16) Bergl, ©. 217 u. 218.
j, Aus Mailand bringt Arnulf, 1. c., Lib. IV, c. 4, bie Vachricht: in
quo (sc. Hildeprando) revizit Attonis illico spiritus, adeo ut Romam pergens
ius sese subderet contubernio, ebenfo in c. 5: Praeterea dum Gotefredus
Brebiae (vergl. ©. 197) solius immoraretur praesidio, Atto propria negleeta
domo ac patria Romae degebat. tantummodo, assiduis papae mancipatus
obeegaiis (38. VIII, 26). Bonitho Bagıgem, l. e., Lib. VI, egäblte fon gleich
im Anfchluffe an die Etelle von S. ‚n. 17, von Alto: Quod ut audivit
(ve. von Gottfrieb’s Weihe) . . . . ad Romanam se contulit sedem, ubi omnes
ecelesiasticae cansae terminantur (Jaffe, Biblioth., II, 654).
es) Griembald'3 umfaſſender Thätigleit gedenft auch wieder Arnulf, eben
in e. 5: Cni (sc. Attoni) Arlembaldus apud Mediolanum totis favebat viri-
bus, die noctuque laborans, datis etiam ac promissis muneribus. Insuper
omne Gotefredi collegium flammis ac ferro persequebatur interdum, nihil
intemptatum juxta posse relinquens, praesertim cum nec regiae potestati,
nec suorum parium aliorumque multorum cederet ullo modo voluntati,
Romana tantum fretus atque contentus fidueia (l. c.). -
17) In dem in n. 161 citirten Brief an Rainald Matt von Rudolf: Ducem
Rodulfaum Longobardiam intraturum in hoc proximo Septembre audivimus;
dan wird der Bilhot unterwiclen: Te vero cum episcopis Longobardiae
Iogui, mihi non displicet.
284 1073.
Heinrih IV. bezeugte geradezu, im Anſchluß an die ſchon früher
berorgehobene Bitte um Gregor’3 VII. Rath und Hülfe behufs
eſſerer Geftaltung der Kirchen !°°), ein offenes Eingeftänbniß
feiner bisherigen Stellung zur Bejegung des erbiichöfticen
Stuhles: „Und jegt fragen wir zum erften für die Kirche von
Mailand an, weldye durch unfere Verjhulbung in Ungewißheit
liegt, damit fie durch Eure apoftolifhe Einwirkung nach dem
kirchlichen Rechte in Ordnung gebradt werde, und daß alsdann
Euer Nadtſpruch zur Beſſerung der übrigen Kirchen vorſchreiten
möge" 1%),
s €3 war jelbftverftändlidh, daf der Papſt durch den Ton diefes
Schreibens ſogleich ſich zu größerer Milde geftimmt fühlte. Gleich
am 27. September jchrieb er an Erlembald — den „rüftigften
Krieger Chrifti”, wie er ihn furz darauf benannte —, Heinrich IV.
habe ihm „Worte voll von Süßigfeit und Gehorjam“ geſchidt,
ſolche, wie er ſich nicht erinnere, je weder von ihm felbft, noch von
den Vorgängern desjelben auf dem Throne gegenüber dem römifchen
Stuhle gehört zu haben; ferner ſei von angejeheneren Getreuen bed
Königs in deſſen Namen das Verſprechen eingelaufen, daß er in der
Angelegenheit der Mailänder Kirche ohne Zweifel dem päpftlichen
Rathe folgen werde. Der Papft ift davon überzeugt, Erlembalb
werde auf’3 klarſte erfennen, wie viel Beiſtand o: wie viel
Schädigung dem Könige durch Zumendung oder Entziehung ber
von Rom her durch denjelben erwarteten Unterftügung gebracht
werden fönne. Wieder ſpricht er fein Vertrauen zu Beatrir und
Mathilde aus, fordert aber zugleich auch Erlembald ſelbſt auf, im
Vertrauen auf Gott und die Mutter, die römifche Kirche, fortgejegt
männlich zu Handeln. Aber nur zwölf Tage jpäter erwies fi dann
vollends in einem folgenden Briefe an Erlembald die beflimmte
Wirkung de3 Entgegenkommens Heinrich's IV. In einer Reihe von
Weifungen Gregor’3 VII. binfichtlid der Behandlung der Anhänger
des vom kirchlichen Fluche getroffenen Gottfried ift gast, daß den
Neuigen, welche zu ihrer Heilung zur Kirche zurüdzulehren begehren,
die Meberzeugung beigebracht werben jolle, fie würden gut aufr
genommen und mitleidsvoll behandelt werden; Hinfichtlih der in
er Feindſchaft nerharrenben Biſchöfe dagegen fol Erlembald, da
Beatrir und Mathilde mit einigen ber angejehenften Großen des
Reiches an der Einigung mit dem Könige arbeiten, feine Furcht
degen. Anderntheils ſpricht jedoch der Papit eben auch jeinen feften
illen ays, gegen Heinrich IV., außer wenn er wieder der Religion
zuwider handeln würde, feine That des Hafjes auszuüben; denn
allgemein herrſche da8 Vertrauen, daß der König, wie er in dem
übrigen kirchlichen Angelegenheiten dem päpftlihen Willen Genüge
thun werde, auch in derjenigen von Mailand der gewünſchten Ans
100) y
— €. 269.
Page) Diele Worte ſchliehen ſich gleich an bie l. c. heraußgehobene Tängere
Einlenten Gregor's VII. betr. Heinrich IV. im Briefwechſel m. Erlembald. 285
ordnung Zuftimmung ertheile. Ferner wünſcht Gregor VII., daß
fi Erlembald beftrebe, mit Biſchof Gregor von Vercelli, unter
welcher ehrenvollen Bedingung nun immer, fi} zu verföhnen, da fi
derjelbe alö gegenüber jedem Gebote gerügig befenne. Freilich
wollte ber Bar daneben — das legen zwei Briefe vom 13. October,
an den Erwählten von Acqui, Albert, und an den Biſchof Wilhelm
von Pavia, dar — Erlembald in dem Kampfe, den berjelbe führte,
auch fortan unterftügt mwiflen. So wurde dem Erwählten ges
fhrieben, daß man ihn zwar jet wegen des Vorwurfes, der
Drdination de3 ercommunicirten Gottfried beigewohnt zu haben,
für entf huldigt halten wolle, jedoch beſtimmt vorausjege, er werde
die Simonie, welche die Siche des Heiligen Ambrofius vergifte,
befämpfen und Erlembald in diefem gleiden Streite und bei ber
Vertilgung der fündhaften gebenäfaltung ber Geiſtlichen unterftügen,
und ganz in ähnlicher Weife wurde der Bifchof ermahnt, von feiner
Kirhe die verfolgten Ketzereien fern zu 'balten und dem Führer
der Pataria zu deren Abwehr die Hand zu reichen !70),
Fortwährend galt, trog ber ftärker hervortretenden, von Ge-
danken des Friedensſchluſſes erfüllten Zuneigung zu Heinrich IV.,
Erlembald als der ficherfte Bundesgenoſſe und vorfämpfende Held
in der Sache, die der römische Stuhl in der Lombardei verfocht.
Tergeftalt fehlte e8 denn nicht, daß Gregor VII. dem Fahnenträger
der patarinifchen Bewegung auch Geheimniffe anderer Art anver⸗
traute. Im Briefe vom 27. September redete er gleich im Anfange
von den Beziehungen zu den Normannen und berichtete, daß fein
Aufenthalt in Capua der Kirche großen Nugen bringe: ſchon hätten
nämlid die Normannen — es ift jedenfalls an Robert und Richard
und deren Entzweiung zu denken — im Sinn gehabt, fih zur
großen Gefährdung von Staat und Kirche unter einander Br
änigen, während fie jegt wieder nicht anders, als wenn er felbft
das wolle, Frieden zu halten ſich vorſetzten. In vieleicht abſichtlich
etwas verjchleiert gehaltenen Worten rühmte fi ber Schreiber
deutlich feines Einfluffes auf den Fürften von Capua!"?).
170) Die Briefe an Erlembald — Mediolanensis miles oder, wie er im
Briefe an Bifchof Albert von Acqui Heikt, strenuissimus Christi miles — Re-
. 1, 25 u. 26 — J. 4796 und 4797 (ein Stüd aus bem erflen ſchon
. 270 in n. 140), an bie Bifchdfe Albert und Wilhelm, I, 27 u. 28
3.4798 und 4799 - folgen fh nach einander (l. c., 42-45). Zu Brief 26
bemerkt Diedmann, 1 c., 45, wohl mit Recht, us unter den quidam maximi regni
Be: —A ber ea, on tathilde für bie Friedensfliſtung,
N? ttfried verflanben werben dürfe.
. 5; Die jehr bemerfenswerthen Worte bes erſten Briefes an Grlembalb:
Nam Normanni, qui ad confusionem et periculum rei publicae et sanctae
etelesine unum fieri ıneditabantur, in perturbatione, in qua eos invenimus,
aimis obstinate perseverant, nullo modo nisi nobis volentibus pacem habi-
tur. 8i enim diseretio nostra sanctae ecclesiae utile approbaret, ipsi jam
— humiliter Fer et, quam — er ‚Yaibuissent
©, 42) find mit Hirſch, Forſchungen zur deutſchen Geichichte, „62, im
sben angebenteten EA zu verftehen. Sollte hier Gregor VII, wad aber
tauım zu denfen ift, wirtlich aufrichtig im zweiten Sape deſprochen haben, fo
286 1073.
Ueber San Germano, wo am 20. November der Aufenthalt
genommen wurde, fehrte der Papft über Terracina, Piperno und
Sezze bis zum 12. December nad Rom zurüd!7%).
Bis zum Herbit rüdte für König Heinri IV. die Entſcheidung
darüber heran, ob die auf den 5. October durch die Fürften zugefagte
Vereinigung der von ihnen feit bem Auguft vollftändiger ausgerüfteten
Truppen, nad) der damals getroffenen Abrebe, zu Breidingen, möglid
fein mwerde’"®), oder ob abermals bie Anwendung durchgreifender
Mittel gegen die Bewegung bei den Sachſen, und jeither auch in
Thüringen, ſich als nicht durchführbar herausſtelle. Aber dazwiſchen
war durch daS eigenmächtige Eingreifen des Erzbifhofs Siegfried,
nämlich durch deſſen — nadträglich vom Könige, wie fih das
von felbft veritand, verworfene Verabredung mit ſächſiſchen Fürften,
jene Feftiegung eines allgemeinen Fürftentages nad Gerftungen,
auf den 20. des Monats, angeordnet worden !’*), Alles kam jegt
darauf an, ob die Vorftellung von der nothwendigen Werbindung
der Sade bes Königthums mit derjenigen de3 ganzen Reiches, oder
ob die Auffafjung, daß der Vortheil der einzelnen Fürften, alſo
denkbarer Weife auch der dem Könige feindlich gegenübertehenden
ranlen Herren, bei den Großen des Reiches Mütter in das Ge
wicht falle.
Der Kampf um die beiden königlichen Burgen, die ſächfiſche
Harzburg nörblid, die thüringifhe Haſenburg ſüdlich vom Harz,
wurde ununterbroden fortgefegt?”5). Aber daneben jcheinen aud
gewifje die Sachſen bedrohende Beunruhigungen von anderen Seiten,
aus den bem Reiche abgewendeten Theilen der Grenzftreden bes
Stammes, eingetreten oder wenigftens ernithaft befürchtet worden
zu fein, welche dann von dem Gerüchte mächtig vergrößert wurden.
Es ift nicht ausgeſchloſſen, daß wirklich von der den liutiziſchen
beibnijcien Nachbaren ſich zumendenden Elbgrenze einzelne Verjude,
ei dem im ſächſiſchen Lande herrfchenden Kriegszuſtande durch Ein-
fälle die augenblidlicde Unmöglichkeit ernithafter Abwehr auszunugen,
ſich heraugitellten, wie Lambert daS vernommen haben mag, worauf
er die Nachricht auf Anzettelungen des Königs hindeutete; aber daß
jest und aud) im darauf folgenden Winter gar nichts von irgendwie
geöberer Wichtigkeit auf dieſer Seite eicah, wird von anderer
eite ausbrüdlich betont. Ebenſo ift in Hersfeld, unter Anfnüpfung
an das da befannt gebliebene, in bie letzte Zeit des Erzbiſchofs
Adalbert gefallene Einverftändniß König Heinrih’3 IV. mit König
hätte ex allerdings, wie Giefebrecht, III, 248, es ausſpricht, gegenüber Robert
feine on —ã— ne vo I. 4808 (20. Robember) bit
. die ten Gregor"; ., von J. . Rovembrr) bis
J. 4810 (12. Drcember, > “
78) Bergl. ©. 257.
1%) Bergl. ©. MI.
178) Dergl. ©. 267 u. 268, 272.
Stand b. Sache Heinr. IV. bis 3. Herbft; Stellung 3. d. Gerſtunger Verhandl. 287
Send, die geradezu wunderbar klingende Geſchichte von einen
großen, durch den Dänenherrſcher beabfeöhtigten und bann, nad) den
mägtigften Anftrengungen, unter völligem Verzichte ganz kleinlaut
wieder aufgegebenen Angriffe auf das ſächſiſche Gebiet ausgemalt
worden; vieleicht hatte fie ihren Kern in einem untergeoroneten
Verfuh von Freibeuterei an der ſächſiſchen Küfte. Jedenfalls ift
aber weber ein Greigniß der einen, noch eines der anderen Art
irgendwie von mwefentliher Einwirtung auf die Sachſen gemefen !7°).
Schon mit dem Beginn de3 October war für Heinrich IV.
dargelegt, daß von ber A uppenfammlung an der Fulda gegen die
Sadjen in dem nothwendigen Umfange feine Rede fein werde !7”),
und ftatt zum 5. des Monates nad) Breidingen, verlegte nun der
König, wohl erft um bie Mitte des October, feinen Aufenthalt von
dem Rheine hinweg nach Würzburg. Denn jegt erwuchs die Ver-
abredung Erzbiſchof Siegfried's auf den 20. October, nach Gerftungen,
dennoh in Kraft, und der König mußte es geichehen lafjen, daß
daſelbſt fürſtliche Vertreter aus anderen Theilen des Reiches mit
den rflen der Sachſen zufammenfamen. Allerdings bielt Hein-
rich IV. ſelbſt fih von dieſen Verhandlungen, die er nicht zu hindern
vermochte, völlig fern; benn in feinen Augen konnten die Sachſen
und auch, foweit fie fich jenen angefhloffen hatten, die Thüringer
nur ala Aufrührer gelten, gegen welche die von den Fürften in
Ausfiht geitellte Hülfe der Waffen hätte zur Verwendung kommen
jollen, während eine derartige Verhandlung, welche leicht in bie
von ihm vorher verworfene Bahn der Korveier Verabredung ein-
lenlen konnte, nad) feiner Auffafjung ganz ausgejchloffen fein mußte.
Aber er ſah fich genöthigt, fich dazu zu entichließen, Beauftragte
von feiner Seite nad Gerftungen abzufenden, damit diefelben in
feinem Namen dafelbft mit den ſächſiſchen Fürften fi) unterredeten.
König wählte als ſolche die Erzbifhöfe Siegfried und Anno,
die Sildör Hermann von Meg und Hermann von Bamberg, die
Herzoge Gottfried von Niederlothringen, Rudolf von Schwaben,
Berhtold von Kärnten !7°),
In Gerftungen hatten ji) auf den mit Erzbiichof Siegfried
17%) Bergl. hierüber in Ercuts 1.
17) Wenn ber Dichter im Carmen de bello Saxonico, Lib. I, v. 1-5,
u kinee Borliebe für Aufzählung militäriiher Gontingente (vergl. alabald
in v. 71 fi., wo aber — vergl. n. 192 — wohl mehr fichere Grundlage
vgeben if), erzählt: Interea regis Germania Iaeta jubentis imperiis acies ad
misit alacres, agınina Wangionum cum robore Pojariorum, Suevos,
tharios, equites ad bella valentes; his comitatus iter rex protendebat ad
hostes (SS. XV, 1223 u. 1224), fo ift dad gewiß mehr ald Ausmalung zur Er-
Üfnung de neuen Abfchnittes und ala frommer Wunich des töniglich gefinnten
Autors anzufehen; auch die Wendung der Compil. Sanblas.: disposita rex
speditione in Saxoniam (SS. V, 276) if viel zu allgemein, ale dah darauf
Gewicht zu legen wäre. Es if aud gar nicht denkbar, da Beim IV. nad)
Birzburg, ganz feitab vom in Angficht genommenen norböfllicen Wege, fid)
begeben Haben würde, wenn er Augficht auf keiegeriiche Unterftügung gehabt hätte.
..*) Sambert fagt, wo er bie in Gerftungen ex parte regis anweſenden
darſten aufzählt — er hält fie für Abgelandte, ut causam, quam adversum
288 1073.
verabrebeten Tag, 20. Detober, die ſächſiſchen Fürften, doch mit
ſehr anfehnlicher Friegerifcher Ausrüftung, eingefunden; nad einer
vielleicht etwas hohen, aber immerhin aus dem nicht weit entlegenen
Hersfeld dargebotenen Schägung follen e8 vierzehntaufend Bewaffnete
gewejen ſein 11). Mit den von Seite des Königs als Vertretet
eingetroffenen Fürften wurde bier ausgemacht, daß allerdings bie
Sachſen Heinrich IV. wegen der gegen ihn und das Reich begangenen
verwegenen Thaten amgemefjene eating bieten follten. Dafür
jedoch ficherten ihnen die Fürften zu, fie würden ben König nad:
drüdlich ermahnen, den Sachfen theils Vergeſſenheit des Geſchehenen
zu ertheilen, theils die alten Rechte, die fie als die ihrigen forderten,
zurüdzugeben; wolle der König hierauf nicht eingehen, ß verpflid:
teten fie fi den Sachſen gegenüber, daß fie Heinrich bei der
für ihn erforderlich werdenden Niederwerfung des Aufftandes feinen
Beiftand leiften wollten. Auf das Weihnachtsfeſt follte, und zwar
zu Cöln, wo Heinrih IV. die firliche Feier begehen würde, ber
Abſchluß für diefe Angelegenheit angefegt jein. Vorher jedoch hätte
die Einberufung eines Fürftentages Itattzufinden, auf welchem unter
Herbeiziehung der Sachſen eine forgfältige Unterfuhung der von
beiden Seiten vorgebrachten Beſchwerden durch die Verſammlung
einträte. Allerdings zeigten fi nun die Sachſen von Anfang an
ungehalten über die Entſcheidung, und nad einzelnen Andeutungen
follen fie von vorn herein gewillt geweſen fein, nicht aufrichtig bei
ihrem Verſprechen zu bleiben. Andererſeits hatte auch der König
vollen Grund, über diefen Ausgang unzufrieden fi zu zeigen, ba
er durch das Wort feiner Vertreter an Zufiherungen für den Fall,
daß ſich die Sachſen zu Cöln unterwerfen würden, gebunden war !*°).
se afferrent, discuterent (sc. prineipes Saxoniae) — von Heinrich IV.: Ipse
eo venire noluit (d. B. nad} Gerftungen), sed in eivitate Wirceburg exitum rei
praestolabatur, und nimmt ala Uriadje feines Wegbleibens von Gerftungen:
praecavens scilicet, ne tumultuantis populi furor sua magis praesentir
efferatus, aliquid forsitan in se quod secus esset admitteret (202). KHinficht:
lid der Compil. Sanblas. (l. ec.) it Waig ohne Zweifel beizuflimmen, ber,
Forſchungen zur deutſchen Geſchichie. XXI, 498 u. 499, nad den Worten:
praevenientes eum (sc. egem) Snzones, satisfactionem illi . ... . unanimiter
romittebant (vergl. über biefelben in Ercurs I) bis zum Ende dieſes Zuſammen ⸗
janges im Berichle von 1073 (bei coepit in dies parvipendere inimieitias adver-
sariorum suorum) einen Einfub annimmt, ein Excerpt, das ber Gompilator
einer anderen fremden Schrift entnahm. ben dieſem Einſchiebſel gib, in
beffen Anfang, bie irrigen Worte über die Verhandlung mit ben Eachfen an:
facto pro hoc pactione Herbipoli colloquio, nichil illie aliud post multas
illorum et intolerabiles injustitiae, quam sustinuissent querelas actum est,
nisi (ete.), al3 hätte biefelbe in Würzburg fattgefunden.
„”°) Zambert fagt zu dieſen 14 milia armati noch ausdrücklich: ceters
are ad custodiam regionis atque in obsidione castellorum dere-
iet
80) Vergl. die Würdigung ber Berichte über bie Beratt en in
Gerftungen, unter welden das "Carmen de bello Saxonico unb —
Sanblas. vor Lambert ben Vorzug Haben, in Excurs I. Ein Jeugniß über
einen ber Königlichen Abgeorbneten, ben viſchoj von Bamberg, in St. 2773, bak
berfelbe in omni temptatione nostra fideliter nobis adhesit — vergl. auch zu
1074 in n. 87 —, mag zu biefem Gerftunger Tage herangezogen werden.
Rothgebrungene Lönigl. Einwilligung in d. Gerftunger Beiclüffe. 289
Bas Heinrih IV. gewollt Hatte, was ihm durch die Fürften,
freilih mit einem Aufſchub, zugefagt worden, war jegt unerfüllt
gebt . 3 war bem Könige abermals verfagt, mit der Schärfe
3 Schwerte den Aufftand zu beſtrafen, in Sachſen jelbit
kriegeriſch einzubrechen, dort, durch Feine nochmalige vorausgehend
feitgefegte Bedingungen zurüdgehalten, die Botmäßigfeit des Landes
jegenüber ber Krone herzuftellen 18). In jehr herber Weife war
0 Heinrich IV. die Eigenmächtigleit ber Fürften — unter ben
geiftlihen Abgeſandten in Gerftungen ftand wohl Anno voran —
wieder zur findung gebradit worden; dieſelben hatten ſich
zwiſchen ihn und das ſächſiſche Wolf, deſſen Gehorſam hergeftellt
werben follte, hineingefehoben, und er ſah ſich gezwungen, anzu⸗
nejmen, was durch Ge abgemaht worden war. Daß vielleicht
andere, dem Könige nicht fo ungünftige Anfichten bei einigen von ben
beauftragten fieben gm Herren fih enjange eiigt hatten, ift
wohl möglich ; aber fie wurden jedenfalls zum ade le des Königs
idgebrängt. Es ſchwebten ſogar vielleicht, voran bei de
bolf, einige noch weiter gehende Anzettelungen; doch —
lam es dann eben zu der Feſiſetzung, welche zwiſchen dem König
und den Aufftänbiiden gleihmäßig abzumägen ſchien. Auch Herz:
Gottfried, der unter ben weltlichen Vertretern Heinrich IV. gemil
am nächften ſtand, muß fi angefchlofien Haben,
Nah dem Abſchluſſe der Gerftunger Berathungen begaben fi
die ſächſiſchen Fürſten in ihr Land zurüd; die anderen fürftlichen
jeilnehmer an dem abgehaltenen Tage gingen ſogleich wieder nad
Würzburg, um ihrem Töniglichen Auftragge er über die Art und
Beife, wie fie gehandelt Hatten, Bericht zu erſtatten 102). Heinrich IV.
that nun, was er im Augenblid, duch die Noth gezwungen, nicht
vermeiden konnte. Er genehmigte die Mittheilungen der Fürften,
als wären fie ihm erwunſcht, und bequemte ſich in die gegen feinen
wahren Vortheil, wie er ihn verftand, geftaltete Lage der Dinge,
fandte aljo auch feine Boten nunmehr an die ſächſiſchen Fürften ab,
mit beftimmten Zufagen für den Fall, daß ihn im Frieden bie
Rüdkehr in das fe he Land, als in einen Beftandtheil feines
Reiches, möglich gemacht würde '%). Schon am 27. October hatte
18) Wos Heinrich IV. eigentlich gewollt Hatte, ſpricht Bruno, wenn auch
nad) feiner Auffoffung don einem feindleligen Stanbpunfte und in übertreiben-
den Ausdräden, ganz richtig, c. 30, aus: quod intendebat fieri non posse
eognorit, scilicet ut sine placito Saxoniam cum exereitu violentus intraret,
et eos invitos suse ditioni subjectos ex liberis omnes servos faceret (339).
189) Sambert erzählt einerjeits: Saxones in sun cum pace redierunt,
uskerentheils: oeteri Bfiecipes Wircebure profecti sunt, regi quae gesta
2) Gegenäbrr Barıkert Behauptung über IV.: Qui proti
2 han .: Qui protinus
al bes pedibus, ut dici —8 en Da Fi et dummbdo pax
eomveniret, conditiones imposuissent, se promptissime laturum
it — Awar Gielebrecht III, 287, zuffimmie: „Heinrich trug
nt das geringfte Bedenken, jenes trügeriiche Ablommen zu beflätigen; er ahnte
daß nur ein Faliſtrid war” —, if jedenfalls Bruno’: Angabe in
Neger von Anomau, Jahrb. d. dtſch. R. unter Heinrig IV. u. V. Bd. IL. 19.
290 1023.
der König die fieben nad) Gerftungen abgeordneten Fürften wieder
um fi; denn dieſe insgefammt und außerdem noch Erzbifchof
Liemar, von den Bifchöfen neben Adalbero von Würzburg noch
Embriko von Augsburg, Wilhelm von Utrecht, Eberhard von
Naumburg, Benno von Osnabrück, ferner Herzog Welf, ſowie der
königliche Rath, Graf Eberhard, traten neben der Königin Bertha
vor dem Könige an diefem Tage als Fürbitter auf, als die Aebtiffinnen
Billa von Obermünfter — für diefe leifteten eben Bertha und allevierzehn
Fürften Fürbitte — und Gertrud von Niedermünfter den König um
Erleichterung der Leiftungen baten, welche diefen ihren beiden in
Regensburg befindlichen Klöftern oblagen und nad) den Klagen ber
Bittftellerinnen viel zu ſehr belaftend waren !*). Nah dem
e. 30: Quos sermones (se. ber Furſten) rex ideo (aus dem in n. 181 ein:
gerüdten Grunbe) quasi gratos accepit .. . . Misit itaque nuntios ad
prineipes Saxoniae, omnia bona promittens, si se permitterent in regnum
suum (sc. Saxoniae) cum pace redire (339) zuzuftimmen; dagegen ericheint bie
unmittelbar fich anfchließende Mittheilung: Ottoni duci, de quo sciebat om-
nium consilia pendere, honorem injuste ablatum pollicstur cum magno
augmento restituere, sise vellet in honorem pristinum reducere (1. c.) edit
wenig wahrſcheinlich in Anbetracht ber nothiwendiger Weiſe gem ‚Dtto fehr ger
zeigten Gtimmung bed Königs, befonders aber im Hinblid auf die alebalb
folgende Verlegung des Aufenthaltes nad Baiern, b. h. eben in das Herzog
tum Welf’3, welches für Otto gerade der honor injuste ablatus war, da e8
durchaus dad Streben bed Königs fein mußte, fo gut wie mögti für den in
Wirklichkeit noch gar nicht zurüdigelegten Plan bes Krieges gegen bie ſen bie ober ⸗
deutſchen Heroge fich geneigt an erhalten. Wenn Hend, 1. c.. 50, aus dem
Umftande, daß die Herzoge Rudolf und Berchtold den König begleiteten, auf die
Angelegenheiten Kärnten’3 ald ben möglichen Iwed „ber gemeinfamen Reife” einen
Saluk thut, fo if dad fehr eemapt; überhaupt flellt berjelbe in biefem ganzen
— ie, nicht zum mindeſten in Folge einer zu hoben Schäßung
‚ambert’jcher Warhrichten, feinen Zähringer, „ben fo treu und Hilfreich Bewährten“,
wohl zu ſehr in bie Mitte.
184) St. 2768 — für bie fchon in Bd. I, ©. 370, erwähnte Aebtiffin
Billa: sanctae Mariae de superiori monasterio in Ratispona sito — und
St. 2769 — für bie aeelesia sanctae Mariae, quae in Ratispona civitate in-
ferior dieitur — find zwar, gleich St. 2751 (vergl. ob. ©. 88), nad Breklan,
Zext zu ben Kaiferurtunbden in Abbildungen, Lie. II, 34, 35, von Abalbero A
gelörieben, doch nach dem Dictate bed Adalbero C, wie wieder eine ganze An-
zahl von Gigenthümlichteiten zeigt. Das ift theild in ben Arengen — bie exfte
if beſonders inbivibuell, und beide meiden troß ber Aehnlichteit der Geichäfte
gun, von einander ab —, theils in Abtheilungen der Nartatio der yall, fo in
t. 2769 im ber Hervorhebung des Heiligen von Niedermünfter, auch in der
Wendung mit dem Worte miserti in der Diepofitio bes gleichen Stüdes (vergl
Gundlach, 1. c., 25, 38, 39); ganz beionders hat der Auebrud humillimus —
vergl. ob. ©. 224 inn. 62 — leder feinen Plag in ben beiden Unterichrifte-
geilen, al3 Zeugniß, für bad Gefühl der ungünftigen Bage bes Könige. Yu dem
geihäftlichen Inhalt — der König will befonbers den don ihm ansbrüdlich
anerkannten Beftrebungen ber Aebtilfin Willa für bie Hebung von Obermünfter
u Hülfe tommen — vergl. Waip, Deutfhe Verf.» Geih., VIIL, 380, und be»
onders Fr. Voigt, Die Moferpolitit der folifchen Kaifer und Könige (etc),
65 u. 66, vorzüglich wegen der Stellen betreffend Obermünfker, befien servicium
de XL porcis, quos violenter magis quam juste aliquandiu sibi potestativa
inquisitione exactos querebatur (sc. abbatissa), das num fo angeorbnet wird:
tantum si ipsa semel in anno presenti in Ratispona regi XXX poreos cum
Heipaltung in Würzburg u.Rürnberg; Regenger's Anklage geg. Heinrich IV. 291
1. Rovember verließ Heinrih IV. Würzburg, um fid) nad) Baiern
zu Bee
och ald der König auf dem Wege nach Regensburg einige
Tage in Nürnberg ſich aufhielt °°), da trat ein neues Ereigniß ein,
welches geeignet war, in peinlichfter Weife das größte Auffehen zu
erregen und bie Entzweiung zwiſchen Heinrid) IV. und insbeſondere
demjenigen weltlichen Fürften, welcher bei einem Kriege gegen bie
aufftändiihen Sachſen voran Hülfe zu bieten vermochte, zu voll-
enden. Bor die Herzoge Nudolf und Berchtold trat nämlich einer
der vertrauteften Rälhe Heinrich's IV., Regenger, ein Mann von
ewiſſem Anfehen und bisheriger Unbefcholtenheit, und klagte den
König eines furchtbaren Mordplanes an. Die Erzählung lautete,
Heintich IV. habe ihn felbft und andere in feinem Vertrauen ftehende
Männer zu einem Anſchlage gegen Rudolf und Berchtold, aber auch
ven die übrigen Fürften bewogen, fo daß ſchon zu Würzburg die
t bei günftiger Gelegenheit hätte durchgeführt werden follen ;
dazu fügte der Urheber ber Mittheilung noch weitere Angaben,
aud die Namen der Mitwifjenden, um die Sache glaubmürbiger zu
maden, und verjäumte nicht, zu betonen, er jelbft fei von dem
Könige, als er einen Verſuch zur Abmahnung anftellte, mit Unwillen
überhäuft und auf das ärgite bedroht worden. Regenger anerbot
ih dazu, mit Heinrich IV. felbft, oder wenn dieſem die Gefege es
nicht geiatteten, mit_ jedem anderen Menfchen es auf das Gottes:
urtbeil im Zweikampfe anfommen zu lafjen. Die Herzoge geriethen
in größte Aufregung und kündigten dem König dur Voten den
Eid der Treue auf, jo daß er, falls er ſich nit vom Vorwurfe
teinigen fönne, in Zukunft auch in unrubigen Zeiten feine Hülfe
mehr von ihnen erwarten bürfe. De en führte der König öffent»
lich Klage über Rudolf's unverträg — Benehmen und erklärte
vor dem Volke, ſelbſt mit dem Herzoge zu kämpfen, um bie Schleich:
wege der erdichteten Anſchuldigung aufzubeden. Doch Udalrich von
Godesheim, einer derjenigen, die gleichfalls als Mitwiſſer des An-
ſchlages genannt worden waren, dazu ein bem Könige fehr nahe
fehender Vertrauter, wollte nicht, daß dieſer ſelbſt in einer ber
toniglihen Würde nicht angemefjenen Weife fich zum Kampfe ftelle,
omnibus suis appendiciis exsolvat, und beireffend Niebermünfter, wo bie
Webtilfin Hagte: magnum et grave atque intolerabile quod nobis aunuatim
deberet, esse servicium, quodique neguaguam sing maguo monialium snarum
bendae defoctu exsolvere quivisset, worauf die Erleichterung — be
jcninfe, don 60 auf 40 Gtüde — ad suplementum sanctimonia-
im inibi servientium prebendae dienen follte. St. 2768 hat ais interveniens
be Rönigin, ald faventes die vierzehn geifllihen und weltlichen Fürften,
wättend in St. 2769 bloß Liemar, Cbechard und Benno wieberehren, daneben
andy der ob. ©. 43 erwähnte Eberhardus coınes, cuius consilium eo in tempore
tum in nostra viguit curia.
"8, Sambert: celebrata ibidem (sc. Wirceburc) Omnium Sanctorum
feivitate, Batisponain ire instituit (203%.
9) L. c.: Cumque inter cundum aliquot diebus Nurenburg mo-
raretur.
19*
292 1073.
fondern anerbot fi, mit Regenger, ober wer fonft ſich meldete, den
Zweifampf zum Beweis der eigenen Unſchuld und der des Königs
zu leiften. Er begab ſich zu dieſem Behufe zu Rudolf mit der
Erklärung, daß er in jeder Meife, wie dieſer felbft es als billig
anfehe, Regenger's Lüge widerlegen wolle. Allein der Herzog zeigte
fih zurüdhaltend, ohne dezu die Genugthuung abzulehnen, unter
dem Vorwande, er mühe in biefer frage bie Entſcheidung der
übrigen Fürften abwarten. In Hersfeld, wo wieder Lambert dieſes
Ereigniß auf das eingehendfte jchilderte, fonnte man ſich die Urſache
der Anjchuldigung, ob fie auf fremden Antrieb oder auf das
Regenger gegen Heinrich IV. erfüllende Haßgefühl zurückgehe, nicht
erflären. Jedenfalls gewannen wieder bie — — Fürften am
meiften_von der Entfremdung, welche jo zwijchen Heinrich IV. und
befien Schwager, ſowie auch den anderen Herzogen, jo weit eben
die Fürften die Wahrheit des Gerüchtes anerkennen wollten, entfland,
und deßhalb liegt es am nädjften, die Anzettelung auf jene
rimmigften ſächſiſchen Gegner des Königs, wie fie von ihrem
nde her demjelben in jeder Weife zu fehaden fuchten, zurüd-
zuführen. Allen verhaßt, verdächtig, er felbft in micht geringem
Grade von Mißtrauen nad allen Seiten erfüllt, weil aud die
jenigen, welche er mit dem größten Vertrauen beehrt Habe, abgefallen
feien, jo — meint Lambert — fei Heinrich IV. nad Regensburg
gefommen 187),
Indeſſen war des Bleibens in Baiern für den König feine
lange Zeit; dringende Nachrichten riefen ihn alsbald nad dem
Rheine zurüd.
Zu der Aufgabe, welhe fon in Gerftungen einem ein-
zuberufenden Fürftentage überlafjen worden war, die zwiſchen bem
Könige und den Sachſen ftehenden gegenfeitigen Belänerben au
unterfuchen und fo für die auf das Weihnachtsfeft nach Cöln an-
gefagte weitere Verjammi: bie nöthige Vorbereitung zu fchaffen,
war durch Regenger's Anklage ein unmittelbar noch weit näher
liegendes Gejhäft hinzugefügt worden, wie denn ja Herzog Rubolf
ausbrüdlich diefe neu Hinzugefommene Angelegenheit der Entieeibung
der Fürften zugewieſen hatte. Es war gar nicht ausgefchloffen, dai
von einem ungünftig lautenden Entſcheide in diefer Ende. der dem
Könige zugeichriebenen Anftiftung des Mordes, eine Nachwirkung
eintrat, welche Heinrich IV. auf das ſchwerſte treffen, welche ben
Verluſt des Reiches für ihm in fich begreifen fonnte. Ohne Frage
aen Bergl. in Excurs I bie Vergleihung ber Atusfagen Zamberi’s und des
Einſchiebſels in die Compil. Sanblas. Eben in biefen Aufenthalt zu Bruni
burg wollte Döberl in der in n. 142 (&. 270) genanmen Abe ung
(85 u. 36) die Abfaffung ber durch Gregor VII. in ben Epist. collectse Rr. 1
erwähnten, durch Heinrich IV. aggravescente contra regem Saxonum causa,
cum vires et praesidia regni ex maxima parte a se deficere velle con-
spiceret, an de VIE. iterum abgeldjidien epistola supplex et omni
humilitate plena (Yafle, Biblioth. II, Sn) anfepen.
Wirkung d. Anklage; Berufung e. Mainzer Fürſtentages durch Siegfried. 293
tte aljo auch hierdurch wieder die Beſchuldigung Regenger 3 den
ãchſiſchen Fürften großen Vortheil gebracht. Dürch
Heinrid IV. und den Gerzogen ge
ig bi fı ſich ziehe, d
yaiden ben Shen un be —
Reihe die Fürften nad Mainz berief. Aber zugleih war jelbit-
verlänblich
geneigter gewordene Stimmung der theinifchen Aa gen,
i ie Gefahr, daß der
’e*) Zambert fagte ſchon vor Erwähnung des Nürnberger Aufenthaltes vom
PAR a a en anal Vom
Isbe jam infecti, minus’minusque in dies ad exhibenda sibi obsequia devoti
ae benivoli essent (203), worauf nad) ber Erzählung von Regenger’3 Anklage
f wird: Interea Saxones crebris legationibus urgebant princi
Beni, at vel sibi sonstituendi ven ee —— eben — —
taüpfıng an die von Lam! fl er Serum; ımmlung gehegten
mrihtigen Borftellungen — vergl. in Excurs 1); 16 Habe Er cai
ü primatum Mogontinae sedis eligendi et regis
mehr der fhon in Gerftungen in Ausficht jommene Fürſten ur Unter:
€. * befien taste inzwil F Berath: 55*
): in; m ie Berathung er
—* jjem war ie Arußerung Se Rudolfs Gegenüber
don im bei Sambert: se super hac deliberatione oeterorum
fineit sententiam expectaturum). Iij dem Ginfdjiebfel ber Compil.
. if ed nicht ganz flar, ob der Berfafier desſelben mit den Worten:
Staiuto demum die adveniente, in quo se coram regni prineipibus aut
aut pelleretur (SS. 276) nicht neben bem fpäteren Tag
er Biden früheren fc) gueädgndegiehen im Stane Baite; tnbeien it dab
Be ei Ba
an eing e i te. Zur ung
vr Lamberts über den angejag Mait ürſtentag —
en ie jowie 1136, in ben „Armen ne, naın jr wicher au}
A
Nachdem Heinrich IV. wohl nur ganz kurz in Regensburg fih
aufgehalten hatte, begab er fi, indem er, ſoweit e3 ihm möglid
war, durch Gefchenfe und Verfprehungen Anhänger an feine Eeite
ws. ſchleunig nah dem Aheine hin, um die gegen ihn bereitete
eranftaltung zu hindern und aus nächjfter Nähe feinen Vortheil zu
wahren !®®). Freilich ſchien eben jegt die Füle der Aufregungen,
die in den legten Monaten auf den jungen König hereingefürmt
waren, ben Feinden den Erfolg ihrer Erwartungen unmittelbar nahe
zu legen; denn eine ſchwere Krankheit befiel ihn, als er auf dem
Befigthum der Wormfer Kirche zu Ladenburg, am rechten Ufer des
unteren Nedar, alfo ſchon ganz nahe am Rheine, verweilte. Mehrere
Tage lag er fo ſchwer darnieder, daß den Gegnern die Möglicteit
vorjchweben konnte, es werde durch Erledigung des Thrones ihren
Wünſchen die vollfte Erfüllung gefchehen °%. Aber kaum Hatte ber
König fih völlig von feiner Schwäche erholt, ala er den Rhein
uberſchritt und das unfern gelegene Worms betrat, wo ihn die
Bürger mit großem Gepränge bei fi aufnahmen. Diefelben waren
nämlich furz vorher gegen die friegeriiche Dienſtmannſchaft des
Biſchofs Adalbert, als diefelbe ſich rüftete, dem Könige den Eintritt
in die Stadt zu verfchließen, aufgetreten; biefe Leute waren aus
den Mauern gejagt worden, und aud den Biſchof felbft, welder
augenscheinlich während der Krankheit des Königs feinen Abfall
offen bewerfftelligte, hätte man, wäre er nicht rechtzeitig aus ber
294 1073.
— trug beſonders Lindner, Anno II, in einem eigenen Grcurfe, 107 u. 108, bei,
indem er bad ganz Unmögliche des Umftandes darlegte, daß fich die Mainzer
Derfammlung, wenn fie wirklich die fefle fit gehabt hätte, den König abzu
ſehen, durch deſſen ohne Heer geichehenes Anrüden von Baiern her hätte tem
laſſen. Herrmann, Siegfeich L ſchof von Mainz, weift, 61 u. 62, befonders
auch aus ber viel zu fnappen Seit — feit October — bie Unmöglichteit der
erebrae legationes ber Gadjen (einer ber getwoßnten Mebertzeibungen Lambert’)
nad, fowie daß Mainz für einen Wahltag ber für bie Sachſen am menigften
geeignete Ort ber Zufammentunft war; immerhin habe, was ja ganz richtig if,
von der Unterſuchung über Regenger’s Anklage bie Entſcheidung über Heinrichs IV.
fernere ‚Regierung ——
) Zambert: Quod ubi regi compertum est (sc. bie Ausſchreibung durch
Giegfrieb), assumptis secum quoscumque donis vel promissis ad studium
suarum partium allicere potuit, coneitus de Bajoaria remeavit, ratus ante
omnia impediendae tantae rei curam agendam (204).
100) bert ſchiebt Die geit ber Krankheit: gravissima aegritudine
correptus multis diebus lecto decubabat, spemque maximam hostibus suis
fecerat, tantos irarım motus sine sanguinis ehusione posse confici — jo
beftimmt auf ben Weg von Regensburg zum Rhein: Cum prope Wormaciam
in loeum . .. Lovendeburg venisset (1. c.), daß bie jdhon ob._G. 268 in
n. 138 erwähnte, von ber Compil. Sanblas. zu früh ongeführte Erkrantung:
eo locorum (ec. bei Worms) aliquamdiu tunc infirmabatur V, 276) eben
Yerher gezogen werden muß (aud) das fpricht wieber für die Annahme bes ob.
. 288 in n. 178 erwähnten Einſchiebſels, daß innerhalb besfelben bie Rede
dann ganz neuerdings — vergl. n. 191 — zu Heinrichs IV. MWormfer Aufenthalt
aurüdtehrt). Sabenburg, das ſchon 1061 — vergl. Bb. I, ©. 230 — dem König
einmal ald Aufenthaltsort diente, ift altes Befigihum ber Wormier Rue
—* T. olerbings nur auf ältere Fälihungen ſig nihene St. 486,
‚om 970).
Heinrid’3 IV. Ertrantung; aufopferungsvolle Aufnahme durch b. Wormſer. 205
Stadt entflohen, ergriffen und als Gefangenen dem Könige aus-
geliefert Jetzt zogen die Wormjer Heinrih IV. bei feiner Ankunft
ewaffnet und mohlgeorbnet entgegen, damit er aus dem Anblid
ihrer Menge, der Zurüftung ihrer Waffen, der großen Zahl der
gerüfteten jungen Mannjchaft erfennen möchte, wie große Hoff-
nungen er auf bie Stadt in feiner gefährbeten Lage ſetzen dürfe.
Sie veripraden Heinrih IV. in gutgefinnter Weiſe ihre Hülfe,
boten ihm für die Kriegsführung je nad) dem Vermögen jeder feinen
Theil an die Koften dar, beftätigten ihm, daß fie, jo lange fie
lebten, bingebend für feine Ehre die Waffen tragen wollten. Und
allerdings war nur dadurch ein großes Ergebniß für den durd) bie
fürſtlichen Nachftellungen fo arg bedrängten König erreicht. Mährend
andere Städte Heinrih IV., wie berfelbe kurz nachher jelbit in
feiner Gunfterweifung für Worms es ausfprechen ließ, ihre Thore
zugeiperrt hatten, bot fi ihm hier mit größter Hingebung eine
Stadt dar, deren Preis Lambert nicht genug betonen fonnte. Sehr
wohl befeftigt, follte nach defien Worten Worms für den König von
da an ein Waffenplag, eine Burg des Reiches, der ſicherſte Zufluchts⸗
ort, wie auch die Ereigniffe fallen würden, fein; denn die Stadt
galt als wohl bevölfert, als unbezwinglich durch die Feſtigkeit der
Mauern, als fehr reich durch die Fruchtbarkeit der umliegenden
Landſchaften und als irefflich verſehen mit allen Vorräthen, die
für den Krieg al3 Bedürfniß in Betracht fielen. Auch der Umftand,
daß Heinrich IV. fih bier im Wormsfeld auf dem Boden der
Heimat feines Gefchlechtes wußte, wo Degiehungen eigenthümlich
dauernder Art für ſeine Macht ein nachdrücklich in Betracht fallendes
Gewicht darboten, mochte den Höniglißen Gaſt mit bejonderer Be-
friebigung gerade in Worms erfüllen und ihn im Kampfe gegen
feine fürftlihen Gegner ftählen?”). Wie der König wohl jſchon
191) Lambert bietet bier (204) von dem Sahe an: Sed ab infirmitate
visdum plene (in biefee Wendung, baß ber König bei einer Krankheit mit ur
wicht hergefellter Gefundeit ehwas, mad zunädft zu thun iR, vollbeinge, fa
Dieffenbacyer, Lambert von Heräfeld ala Hiftoriograph, 98 u. 99, wieder einen
Yeweiß deB Zupifchen) recreatus, Wormaciam festinavit, ubi cum mi
ppupa a eivibus in orbem susceptus est. „ ut sun eıga cum studia olariora
icerent — jehr werihvolle Nachrichten, deren warmem Ausdrude der Text folgt
(gu ben ®orten: sumptus ad bellum administrandum ex sua re familiari singuli
yirili_portione oBerunt vergl. Waiß, Deutſche Verf.Geſch. VLIT, 401, n. 5,
de bie Steuer der Stabt wohl an bie Etelle der Leitung des Biſchofs getreten
a); doc auch nachher kann der Erzähler nicht umhin, den Wormern eine
grmiffe Anerkennung zu fpenben, fo a. 1074 bei dem Gölner Aufruhr: cum
eelebre apud omnes esset nomen Wormaciensium pro eo quod regi fidem
inadversis servassent et episcopum rebellare temptantem eivitate expulissent,
was allerding® dem Erzähler a ein pessimum exemplum gilt, und wieder:
Wormaciensium insigne praeclarumque facinus, quod episcopum suum in-
solentius agere ineipientem urbe expulissent, und auch noch a. 1076 Iäßt der-
klde in den von Zribur aus Heinrich IV. geftellten Bedingungen Worms eine
arz belli luncaque latronum genannt fein (211, 212, 254). Das Ein-
K6iebfel ber Compil. Sanblas. fagt vom Mönig: ut ipse vix evaderet insidias
eorum (sc. prineipum) Wormatiam eivium ope ingressus (I. c.). Ben vorher
296 1073.
durd feine emfigen Bemühungen auf dem Wege von erden
etliche ingen mit fi geführt, feither aus ben oberbeutfi
Gebieten noch vermehrt hatte, jo wuchs nun eben vollends hier in
Worms durch weiter zuftrömenbe Anhänger, voran durch ben tapferen
Anſchluß ber Räbtifgen Bevölkerung, die Truppenzahl, über welde
verfügt werben Eonnte ?9*).
die Wirkung diefes abermaligen Umſchlages machte ſich ald-
bald fühlbar; Heinrich IV. Hatte dur das Vorbringen zum Rheine
feinen Zwed in vorzüglichem Grabe erreicht. Die Mainzer Fürften-
verfammlung fam durchaus nicht den Wünjchen Siegfried's ent
ſprechend zu Stande. Das Auftreten de3 Königs in jo großer
Nähe von Mainz, die entjchiedene Abwendung der Wormjer von
Biſchof Adalbert hatten einen höchft einfchüchternden Einfluß auf
die Fürften, welche durch den Erzbiſchof herbeigerufen worden waren,
ausgeübt. Mehrere berjelben hatten fi, von Furcht ergriffen, gar
nicht eingefunden; andere begaben ſich enttäufcht und unverrichteter
Sade wieder hinweg, da fie ohne die anderen Eingeladenen nichts
vornehmen wollten ?%°), Aber eben mit biefen zur Verſammlung
eingetroffenen Fürften, bei benen ein gemiffes Entgegentommen zu
erwarten war, fuchte jet Heinrich IV. durch die Abfendung von
Boten anzufnüpfen, um eine Zufammenkunft mit ihnen zu Oppen-
beim, in Mitte zwifhen Mainz und Worms, zu erzielen. Weber
biefelbe Liegt einzig ber in feiner Vorbringung feineswegs einfad)
laubwürdige, fondern mehrfach gefärbte ht Lambert's vor.
uerft fol der König fon nur mit vielen Bitten und nicht ohne
eingetretenen Verſchluß anderer Städte erwähnte nachher St. 2770: cum singulae
eivitates quasi immo vere in nostrum adventum clanderentur (mit nod
weiterer Ausführung durch Abalbero O). Nigich, Gefchichte des deu Boltes,
1, 82-84, dilbert befonders Knaungdotl biefje Hanbreihung des ums
und erinnert dabei an den Urfprung des ſaliſchen Haufes aus viefen —5
wie auch andere zu 1074 in n. 6 zu erwähnende neuere Forſcher. Den Anſioß
gum Conflicte mit dem Biſchof mochte gegeben haben, daß zu Labenburg von
emſelben ala dem bort zu Beiträgen verpflichteten Reichafürften (vergl. n-. 190)
geiftungen für den Hof gefordert wurden, welche er in der Erwartung baldigen
Tobes Ichwer kranken Königs abichlug.
19%) Auf bie ſchon in n. 189 erwähnten bewaffneten Begleiter Heinrichs IV’.,
bereits auf dem Wege von Baiern her, ebenfo auf bie im Einſchiebſei der Compil.
Sanblas. enden ibi (sc. in Worms) undecumque collectae auxiliantium
copiae geht wohl die Hinweilung im Carmen de beilo Saxonico, Lib. II,
v. 68 Qui fuerunt illi tune regia castra secuti, non de principibus
(uos legit regia virtus, primatum parit his virtus et nobilitatem: pauci
Hrancormm, Parse plurima "Pojariorun, e Suevis aliqui, numero, non rabore
pauei, hi veteris fidei servabant pignora, soli (I. c., 1225), wobei bie Ab-
weienheit von Furſten, die Mehrzahl von Baiern fehr gut zu ber augenbliclichen
Sachlage fimmen, während die Angabe pauci zu ben Franken dagegen ſpricht
daß hier dieſe Stammesbezeichnung ala mit Wangiones, don v. 3 unb vom
Lib. UI, v. 69, ibentifh zn nehmen jet.
Zambert untı — unter ben Ginberufenen zwiſchen plures metu
perculsi — eo venire dissimulaverunt — und pauci qui venerunt ...
irriti frustratique discesserunt — cum de tantis rebus sine aliorum prineipum
discussione sententiam ferre non auderent — (204).
Wiblingend. Mainzer Tages ; Oppenheimer Verhandl.; Weihn.-Feier i. Worms. 297
Mühe, indem von beiden Seiten Geifeln wegen ber zu bejorgenben
Gefahr geftellt werben mußten, die Vereinigung mit ben Fürften
nur überhaupt erzielt haben. Dann aber malt der ſichtlich Hein-
id IV. bier ganz vorzüglich) abgeneigte Erzähler mit befonderer
Gefliſſentlichleit aus, wie derjelbe, nad) flehentlichfter Bitte an die
Anweſenden, daß fie ihm die Treue bewahren möchten, für bag,
was er in jugenblihem Leihtfinn ſich habe zu Schulden fommen
laſſen, Verzeihung erbeten, für die Zukunft Beſſerung gelobt habe;
doch von der anderen Seite fei ihm in bitteren Worten bie eigene
Untreue, der nachträglich zu Würzbur: ben die Fürften geplante
Ausfiht genommene und dort auf biefe kirchliche Feier nad Cöln
angejegte Abſchluß der ſächſiſchen Angelegenheit dahin gefallen, da
der König nicht im Sinn hatte, fih aus der Mitte der treuen
Bir; ef jaft, bie ihn bei fih aufgenommen hatte, hinweg zu begeben.
So loß der König das Jahr in Worms ab !%),
auch die Sachſen hatten fi) von dem Gedanken einer
Genugthuung, eines Ausgleiches mit dem König augenjcheinlich
völlig entfernt, und fie faßten ihre ganze Kraft zujammen, um ben
tiniglien Burgen und den in denjelben aushartenden Befagungen
waufhörlich zuzufegen. Hatte ſchon die ganze Zeit hindurch die
Belagerung, fowohl der Harzburg, als ber Hafenburg, ununterbrochen
gebauert, jo war jetzt wenigſtens für bie Bertheibiger ber Tegt-
grannten thRringifhen Burg die Lage höchſt bedenklich gemorben.
Sie jgieten, als das Weihnachtsfeſt herannahte, Boten an Hein-
ad IV., um in ihrer Noth deifen Rath anzurufen: fie feien aus
ein! aufzunehmen, wie Giejebrecht, III, 291 u. 292, ti
See an " bie Pa auf die Marau —
MR. 1, 6. 568, mit n. 39 —, nebft der genauen Zagesangabe, Jewiß rich
. bi ih richtig.
un) Sander, 8. 1074, und bie Compil. — a. 1074, — MNach·
mähig die Weihnachtäfeier nach Worms.
298 1073.
Mangel an Lebensmitteln vom äußerten Hunger verzehrt und
müßten, wenn ihnen nicht rechtzeitig Beiſtand gereicht werde,
zwifhen dem Tode oder der Uebergabe an den Feind ihre Wahl
treffen. Da bat der König die beiden Erzbiſchöfe Siegfried und
Anno um ihre Dazwiſchenkunft bei den Sachſen, daß fie mit den⸗
felben verhandeln möchten, um wenigſtens auf furze Zeit einen
Baffenftillitand zu erzielen, fo daß von der Bedrängung ber Burgen
abgelafien würde. Obſchon die beiden Erzbifchöfe die Erfolglofglit
einer ſolchen Anftrengung gleih von Anfang an ſicher vorausſahen,
gaben fie doch dem Drängen nad) und verfpraden bem Könige,
feine Bitte zu erfüllen. Sie ſchickten fogleih Boten an die
jächfifchen Fürften ab, mit der Aufforderung zu einem Zufammen:
weiten ‚In der nädften Woche gleih nad dem Erfcheinungsfefte, zu
roei 19°).
Günftiger war dagegen bis dahin der Kampf um die Harzburg
für die königlichen Bertheibiger verlaufen. In der Zahl von nur
dreihundert Mann ſollen diejelben in ihrer feiten Etellung gegen
zwanzigtaufend Sachſen, welche die Burg umlagert hielten, aus
gehalten gaben: jo nennt ein Berichterftatter, dem die Tapferkeit
und der Ruhm diejer Helden als auf lange Zeit hinaus ausgezeichnet
erinnerungsmwürbig erfchienen, die Zahlen. Durch geſchickte Ausfäle
wurden die Belagerer beunruhigt und geſchädigt; ihre Verſuche, der
Burgbejagung Wafler oder Zufuhr zu entziehen, oder gar, fie zum
Abfalle vom Könige zu bringen, nahmen einen ungünftigen Verlauf.
Einer Waffenruhe, die nur ganz furz gegolten haben Pi, folgten
dann noch viel beftigere Kämpfe der Bejagung mit den Bürgern
der nahe gelegenen Stadt Goslar. Schon vorher hatten die Leute
von ber Saraburg Verheerungen über die Umgebung der Stadt
verhängt, deren Kandel geftört. ALS vollends einige Krieger von
der Harzburg während des Etillftandes, augenſcheinlich in Folge
ihrer eigenen Unvorfichtigfeit, in Goslar um das Leben Grad
worden waren, entzlnbete die Nachricht hiervon die Rachſucht
*) Zambert (205 u. 206) jeßt die Anrufung des Könige, übertriebener
Zeife durch assidue — vergl. inn.188 diecrebrae legationes — geicjidte Boten,
instante jam natali die Domini an, mit Ausführung be3 Perichtes über die
Notlage (alfo ſtellt wenigſtens He der Hafenburg bag Carmen de bello
Saronico die Eadhlage jedenfall® zu günftig dar, wenn e&, Lib. I. v. 238 ff.
jagt: Sie, se. wie von der Harzburg aus — vergl. n. 197 — eastellorum
quoque custodes aliorum fines Saxonum devastavere proquinguos, etc.
SS. XV, 1223 —, und anderniheil® muß Lambert irren, wenn er — fid ſelbſt
widerfperdjend, a. 1074, generalifirend hinfichtlidh der Bnrgen von eibaria, quae
in diutinam belli administrationem affatim con; fuerant redet, 209):
wenn Sambert dann fortfährt: Rex Mogontinum et Coloniensem archiepiscopos
ad colloquium evocans, obnixe rogavit, ut Saxones convenirent agerentque
cum eis (ete.), jo fann troß der nachherigen Angabe: quia molestus eis erat,
facturoe se quod rogabantur promiserunt — an eine perfönligge Zulammen«
tunft deB Königs dabei angeficht® der Eadjlage — Sürze der Zeit, daR große
Kirchenfeft —, bejonder? aber wegen der jebenfalle fühlen, eher gejpannten Yes
siehungen zwiſchen Heinrich IV. und den Grabithöfen, nicht gedacht werden,
an ge der Ricptigleit der Angabe des Termins wieder kaum zu
zweifeln i
Kämpfe um d. Hafenburg; Gefecht zw. d. Harzburgern u. b. Goßlarern. 209
der Genoffen der Getöbteten. Mittelſt mohlvorbereiteter Veran—
ftaltung — nad einer Nachricht durch verrätheriiche Mithülfe eines
dem Könige treu gebliebenen Vogtes von Goslar, Bodo — murde
& erreicht, daß ſich die von der Harzburg aus abgeſchickten Reiter
ber etwas weiter von ber Stadt hinmeggetriebenen Heerde ber
Goslarer bemächtigen konnten; al3 dann die Städter fi dur
die Nachricht von dieſem gelungenen Handſtreich zu einem in aller
Eile gefhehenden bewaffneten Ausmarjche verloden ließen, wurden
fie in den ſchon von Anfang gelegten Hinterhalt verlodt und auf
das ärgfte mitgenommen, fo daß nur mit dem größten Verlufte die
Flucht bewerkftelligt werden fonnte. So entſchloſſen ſich die Sachſen,
mit vermehrter Anftrengung gegen bie Harzburg felbft ihre Kraft
zuſammenzufaſſen, bie einstigen Ausfälle fortan unmöglich zu
maden. Eine bie Harzburg in nächſter Nähe überragende Höhe,
von der aus Steinwürfe in bie tiefer liegende Burg ‚gelöehen
tonnten, wurde befeftigt und ſtark beſetzt — mit zmwö Iaunbert
Mann, wie jener die Zahlenangaben barbietende Bericht meldet —,
fo daß von da an die Bejaßung in ihren Bewegungen ungleich
weniger Freiheit hatte, in der Zuführung von Lebensmitteln oder
von Verftärfungen ſich gehemmt fühlte, jo daß auf die Länge auch
der Mangel und Ermattung entitehen mußten. Deſſen ungeachtet
werte der eine Krieg hier zunächſt noch mit aller Kühnheit fort,
und die Bejagung wagte e3, ihre Feindfeligfeiten auch weiter aus-
zudehnen 19”). Denn gleich den Wächtern der anderen Burgen hatte
197) Die Greigniffe bei ber Harzburg find eingehend behandelt, theils von
Bruno, c. 29, der dem Bau bed aliud castellum aeque firmum .. . in altiori
monte positum durch die Sachſen unb ben ala recht ungünftig bargefellten
Birkungen dieſes Umftanbes auf die Königlichen Kämpfer in ber Garzburg fein
Augenmerk zumenbet (339), theila durch Sambert (205) und das Carmen, Lib. I,
y. 139-218, 228237 (bier in bewußter Gegenüberftellung a der _Heimburg-
Belafung, über welche — vergl. ob. ©. 267, n. 134 — heitige Tadelöworte
borangingen, wogegen: At tibi dissimiles referent per tempora Iaudes hi, quibus
Areipolis fuerat commissa) —, und wieder Lib. II, v. 83-114 (1221—1228,
— erft gegen bie‘ rer —
Kb entfpommen haben, ehe jene Befeftigung ber Zrupan
>
298 1023.
Mangel an Lebensmitteln vom äußer” en Kriegern auf ber
müßten, wenn ihnen nicht echte” werde bald mit Heeres
zwiſchen dem Tode oder der Uer — mit ber Mahnung, den
treffen. Da bat der König de „Rampfe auszuharren, worauf
Anno um ihre Dazwiihent mt nicht außblieben‘°).
felben verhandeln möchte
‚ hatte inzwiſchen die Angelegen-
jnige und den ſächſiſchen Fürften
zbifchof Werner von Magbebur—
den Markgrafen Dedi und bie
r aus Rom, berührt. Der Bapl
ı anderen quälenden Sorgen be-
iſchen den angeredeten ſächſiſchen
derrn, eine foldhe Zwietradt und
8, occulte tamen metu Saxonum, ne
amitteret — erwähnten Bodo, Gos-
« Ba ,
. . 34, n.
ige be Königlichen Jmmunitätabegirhee
Neem Goslar gebithet hatte dahız,
* — —S
richtun
eſtaltete, Bodo aber auf dieſem Boden
actionen des vo vieedominus (vergl.
Eeſch
i R ozlar (etc.)
ak ber ng N h
lättern
It
22 n. 7, darauf aufmerkjam,
8 et seris undique munita —
fen, nicht Steinmauern hatte) Die
die Bewaffnung der Goälarer lautet,
ariter juvenesque senesque; sutores,
somites ibant in bella ruentes. Der
ositi_per omne illnd spacium, quod
us ferme milibus interjacet, gedentt
teichlicer Ehägung ——
1884, 26 —*
, 26 0.
*
4
sed ubicumque sportunitas ee praebuit, multa et in eos a quibus asser-
vabantur et in alıos provinciales hostilia fecerunt (se. bie Befafung der Hetze
burg) (205), ähnlich ganz turz Bruno in c. 29: ex utraque parte pene sin-
gulis diebus fortiter pugnatur.
F
— Friedensmahnung an ſachſ. Fürſten; Tadel Gebehard's v. Salzburg. 801
ide Spannung erwachſen, daß daraus viele verderbliche Folgen
für das Land hervorgegangen feien, und er gab zugleich die
“ung davon, daß er an den König die Mahnung im Namen
* lifchen Stuhles habe abgehen laſſen, ſich jo lange der
* aller kriegeriſchen DBeunzubigung der Sachſen zu Ent-
3oten des Papftes an ihn abgeſchickt ſeien, welde eine
„ıterfuhung der Streitfahen anzuftellen und mit Gottes
durch billige Entſcheidung die Wiederaufrichtung des Friedens
und der Eintracht herbeizuführen hätten. Deßwegen wurden jegt
aber aud) die Empfänger des Schreibens aufgefordert, von ihrer
Seite Ruhe zu halten und die gleiche zeitliche Frift des Waften-
filftandes zu beobachten, jo daß nicht etwa durch ihre Schuld eine
Hinderung des dur die Anftrengung der römifchen Kirche wieder
herzuftellenden Friedens eintrete 100)
Ebenfo machten ſich nach anderen Richtungen Beftrebungen be⸗
merfbar, die fürftlichen Vorfteher beutfcher Kirchen mit Rom in
enger Verbindung zu halten. So hatte es ſich Erzbiſchof Gebehard
von Salzburg gefallen zu laſſen, von Gregor VII., nod aus Capua,
vom 15. November, einen ſcharfen Tadel hinzunehmen, darüber daß
ber Papſt in den Fall kommen müffe, früher einen Brief an ben
Erzbiſchof abgehen zu laffen, als von dieſem einen folden zu em:
piangen, während doch Gebeharb durch die mehreren zu ben
Schwellen der Apoftel gehenden Pilger das viel leichter hätte be-
werkgeligen können, als es dem Papſte jet geboten fei, durch den
äinen son ihm nad Salzburg gehenden Boten: „Dennoch wenden
wir, bien unbegrüßt, die Pflicht des Grußes auf“. Außerdem
jedoch wurde der Erzbiſchof daran erinnert, daß noch bis zur Stunde
gegenüber den römiſchen Synodalbeſchlüſſen hinſichtlich der Beob⸗
tung der Keuſchheit der Geiſtlichen Nachläſſigkeit auf feiner Seite
gemwaltet habe, und babei dringend aufgefordert, fortan in feinem
Eprengel_ in ſtrenger Weile nad) diefer Richtung, ohne Rüdficht
auf Gunft oder Haß, vorzugehen ?00).
In ähnlicher Weife verjchlechterten fih die Beziehungen
Gregor’3 VII. zu Erzbiſchof Siegfried von Mainz, obſchon berfelbe
1) Der Brief — Registr. I, 39 (J. 4813), Jaffe, Biblioth. II, 57 u. 58
— enthält ala Bittheilung: Qua dere (sc. wegen ber tanta discordis et tam
inimica studia exhorta) regi misimus, exhortantes ...... , ut interim sese
ab armis et omni bellorum infestatione contineat, donec tales ad eum ab
spostolica sede numeios dirigamus, qui tantae dissensionis causas et dili-
ter ingnirere et anauente Deo ad pacem et concordinm aequa valeant
inatione perducere.
0) Rod) aus Capua war dieſer Brief — Registr. I, 30 (J. 4802), 1. c.,
48 — abgegangen, mit der Wenbung: Nos tamen (sc. trop bed nicht vorher
&ngetzoffenen Örufie) insalutati officium salufationis impendimus. it den
Werten: quod de castitate elericorum ... . . praeceptis Romanae synodi,
a interfaisti, inobediens usque hodie videaris muß die Synode Alegander’s II.
von 1063 cent 2b. I, ©. 309) gemeint fein, deren Theilnehmer Gebehard
gewejen ift.
m
300 1073.
Heinrid IV. eben ganz beſonders feinen treuen Kriegern auf der
Harzburg die Meldung zugehen laſſen, er werde bald mit Heeres⸗
jewalt heranfommen, um fie zu entjegen, mit ber Mahnung, ben
uth, nicht finken zu laſſen, ſondern im Rampfe auszuharren, worauf
neue rühmliche Beweiſe der Tapferkeit nicht ausblieben’*®).
Dod auch Papft Gregor VII. hatte inzwifchen die Angelegen-
heit de3 Streites zwifchen dem Könige und den ſächſiſchen Düren
ſchon in einer Kundgebung an Erzbiihof Werner von Magdeburg,
Bischof Burchard von Halberftabt, den Markgrafen Dedi und bie
übrigen Fürften, vom 20. December aus Rom, berührt. Der Fapt
bob hervor, ihm beunruhige neben anderen quälenden Sorgen be
fonder8 noch der Umftand, daß zwifchen den angeredeten ſädhſiſchen
Furſten und Heinrich IV., ihrem Herrn, eine folde Zwietracht und
altis ilicibus tantum resecando quadratis . . . Illue imponunt armatos mille
ducentot während Bruno die Feſte ſchon gleich anfangs in feinem Berichte
erwähnt. en bes nur bei Lambert — als geheimer Gehülfe der Harzburger
Beſahung ſoalar: regi tempore paeis acceptiseimus, nunc quoque iorbata
re publica fidem inviolatam ei gervans, occulte tamen metu Saxonum, ne
deprehensus factione vulgi omnia sus amitteret — erwähnten Bobo, Cos-
lariae praefectus, weichen Waip, Zeutfce BerfGe, VII, 52 m,5, ala nie
Tichen Zurggrafen auffaffen wollte, vergl. fon ©. 234, n. 82; Bobo ift diel«
mehr ala Vogt anzı , ber an der Sry des Eöniglicden Immunitätsbegirtes
Ran, nie er fh, Imoßl bu ‚Heinrich IV., in Goslar gebildet hatte, dabuch,
daß bie freie Vevölterung in ben Berwaltungatreis bes Compleged von Känbereien
und Sorften bes Mönigaqutes, welche freilich der Aern des Immunitätebegiriee
blieben, bineingezogen worben war, wobei bie Einrichtung den Jmmunitäts-
bezixen bij pöflicher Städte ähnlich fid) geftaltete, Bodo aber auf Diefem Baden
eines neuen Amtes auch bie früheren Yunctionen bed regis vicedominus (vergl
®b. I, ©. 577, n. 57) verfah (vergl. Wolfflieg, Berf.-Geich. von Goslar (etc.
Berlin, 1885, 21 ff., 31 u. 82, mit dem Hinfleptlid, der Amtöftellung Babo’s
Weiland, in den Hanfilcen Geldjichtsblättern, Yahıg. 1884, 26 n. 3
übereinftimmt:; FR AR 22 n. 1, darauf aufnertjam, dab *
Sambert’3 Schilderung: villa .. vallis et seris undique munita — 13
damals erft Wall, Graben und Planten, nicht Steinmauern hatte, Die
interefjante Stelle des Carmen über die Bewaffnung ber Goslarer Laute,
Lib. I, v. 197—199: Goslaria currunt pariter juyenesque senesque; sutores,
fabri, pistores earnificesque militibus comites ibant in bella ruentes. Der
tituli interfectorum Goslariensium Slspoati per omne illud spacium, quod
3 Goslaria une in Hartesburg duobus ferme milibus interjacet, gedentt
Sambert, a. 1074 (209 u. 210), unıer zu reichli—er Ehäpung der Wegfirede.
198) Dad Carmen führt das, Lib. II, v. 74—82, im Anichluß an die in
n. 192 herborgehobene Stelle — auf biefelbe geht in v. 76 u. 77 die Mahnung
Heinrichs IV.: ne propter deficientes ab se primates regni cunctentur in
arma (sc. bie milites fidi) — aus, mwonad ber Kbnig super Arcipolin
castellaque caetera feine aufmunternden Botichaften geichidt hatte: se cito
venturum ferro sua castra solutum (l. c., 1225). Aber auch Sambert bezeugt,
im Hinweis auf die Erſchwerung der Lage durch bie Vefeftigung bes höheren
Berged: Nec sic tamen audaciae eorum modum imposuerunt (sc. Saxones);
sed ubicumque oportunitas ee praebuit, multa et in eos a quibus asser-
vabantur et in alıos provinciales hostilia fecerunt (sc. bie Befagung der Hazz-
burg) eos), ähnlid; ganz kurz Bruno in c. 29: ex utraque parte pene sin-
gulis diebus fortiter pugnatur.
nn —
Papfliche Friedensmahnung an jächl. Furſten; Tadel Gebehard's v. Salzburg. 3OL
feindliche Spannung erwachſen, daß daraus viele verderbliche Folgen
ſchon für das Land hervorgegangen feien, und er gab zugleich die
Mittheilung davon, daß er an den König die Mahnung im Namen
des apoftolifchen Stuhles habe abgehen laſſen, ſich jo lange ber
Waffen und aller Eriegerifhen Beunruhigung der Sachſen zu ent⸗
halten, bis Boten des Papſtes an ihn abgefchidt feien, welche eine
jenaue Unterfuhung der Streitfahen anzuftellen und mit Gottes
ülfe durch billige Entſcheidung die Wiederaufrichtung des Friedens
und ber Eintracht herbeizuführen hätten. Deßwegen wurden jet
aber auch bie Empfänger bes Schreibens aufgefordert, von ihrer
Seite Ruhe zu halten und bie gleiche zeitliche Frift des Waffen—
filftandes zu beobachten, jo daß nicht etwa durch ihre Schuld eine
Hinderung des durch die Anftrengung der römiſchen Kirche wieber
berzuftellenben Friedens —
Ebenſo machten ſich nach anderen Richtungen Beſtrebungen bes
merfbar, die fürftlichen Vorſteher beutfcher Kirchen mit Rom in
enger Berbindung zu halten. So hatte es fi Erzbiſchof Gebehard
von Salzburg gefallen zu laffen, von Gregor VII., noch aus Capua,
vom 15. November, einen fcharfen Tabel binzunehmen, darüber daß
der Papſt in den Fall fommen müffe, früher einen Brief an ben
Erzbiſchof abgehen zu laſſen, als von diefem einen foldhen zu em⸗
pfangen, während doch Gebehard durch die mehreren zu den
Schwellen der Apoftel gehenden Pilger das viel leichter hätte be-
werffeligen tönnen, als e3 dem Papfte jegt geboten jei, durch den
einen son ihm nad) Salzburg gehenden Boten: „Dennoch wenden
wir, obſchon unbegrüßt, die Pflicht des Grußes auf“. Außerdem
jedoch wurde der Erzbilchof daran erinnert, daß noch bis zur Stunde
nüber den römiſchen Synodalbeſchlüſſen hinſichtlich der Beob—
tung der Keuſchheit der Geiſtlichen Nachläſſigkeit auf feiner Seite
gewaltet habe, und babei dringend aufgefordert, fortan in feinem
Sprengel in firenger Weile nach diefer Richtung, ohne Rüdficht
auf Gunft oder Haß, vorzugehen ?0°).
In ähnlicher Weife verjchlechterten fih bie Beziehungen
Gregor's VIT. zu Erzbiſchof Siegfried von Mainz, obſchon derjelbe
19%) Der Brief — Registr. I, 89 (J. 4813), Jafie, Biblioth. II, 57 u. 58
— sathält ala Wittheilung: Qua dere (sc. wegen ber tanta discordia et tam
inimien studia exhorts) regi misimus, exhortantes . ... . , ut interim sese
ab armis et omni belloram infestatione contineat, donee tales ad eum ab
spostolica sede nuneios dirigamus, qui tantae dissensionis causas et dili-
ter inquirere 2, anauente Deo ad pacem et concordiam aequa valeant
ione perducere.
2%) Roc aus Capua war biefer Brief — Registr. I, 30 (J. 4802), 1. c.,
48 — abgegangen, mit dev Wendung: Nos tamen (sc. troß des nicht vorher
eingetroffenen Geufie) insalutati offieium salutationis impendimus, Mit den
Betten: quod de castitate elericorum . . . . praeceptis Romanae synodi,
ai interfaisti, inobediens usque hodie videaris muß bie Synode Alegander’s IL.
von 1063 (wergl. 2b. I, ©. 309) gemeint fein, deren Theilnehmer Gebehard
bicrnach geivefen ift.
302 1073.
anfangs, in der Art und Weife der Darlegung feines Glückwunſches
nad) der Wahl, dem neuen Papſte die beiten Gefinnungen entgegen:
gebracht hatte.
Siegfried hatte da, vor nicht langer Zeit, etwa Anfang Sep:
tentber, in ganz überſchwenglichen Worten den „neuen Bater”
Gregor VII in einer Ergebenheitzerflärung begrüßt. Er begann
damit zu verfichern, es fei ftet3 fein jehnlicher Wunſch gewefen, daß
ein in feinem Leben und feinen Sitten in jeder Hinficht vorbildlicher
Vorſteher der römifchen Kirche erwählt werde. „eht aber“ — fährt
er fort — „weil die Himmel honigfließend geworden find, füßer al
gewöhnlih den Thau der Gnade Gottes herabträufeln laſſen, hat
bie göttlie Erbarmung unferen Wünfchen in höherem Grabe, ald
gewohnt, Genüge gethan und denjenigen, melden wir am meiften
verlangten, ber heiligen römiſchen Kirche vorgefeßt, denjenigen,
welcher uns immer in allen Angelegenheiten zur rechten Hand ftand,
ber uns und ben Unferigen niemals feine Hülfe entzogen hat“.
Daran ſchloß der Erzbifhof die beiten Segenswünſche für Gre
gor’3 VII. Leitung der Kirche; dagegen hoffte er die befonderen
Gütebeweife von demfelben erwarten zu bürfen, wie fie immer der
Mainzer Kirche von Rom entgegengebracht worden feien. Im Hin:
blid darauf erinnerte er den ER erftlih an das Vorgehen, das
ſchon durch Alerander IL in der Prager Kirche gegen Biſchof Gebe
hard gewählt worden fei, welches er als eine ungerechte Bor
entſcheidung gegen Mainz bezeichnen zu dürfen meinte; er führte
aus, daß fein Erzituhl da in einer unmilden Weife von dem Rechte
verdrängt worden ſei, welches die Kirchengefege und die Ent:
joribungen der Väter den Borftehern —— Kirchen vor⸗
ehalten hätten. Nicht genug kann er da darlegen, wie durch bie
gegen Gebeharb, „den von feinem Site unftät flüchtigen und ver-
triebenen und ber Befisthümer und Einkünfte feiner Kirche ungerecht
beraubten und hinweggeftoßenen Bruder und Mitbifhof”, verfügten
Maßregeln den kirchlichen Ordnungen „juroibergehandelt worden fei.
Anitatt vor ein Provincialconcil geftellt zu werben, von melden
aus erft die letzte Anrufung eines Endentſcheides, den das
Provincialconcil nicht zu bringen vermochte, an ben apoſtoliſchen
Stuhlergangen wäre, fei durch ungewohntes Eingreifen Alexander's IL,
in unmittelbarer Abfendung einer Botſchaft nach Böhmen und in dem
Vorgehen gegen Biſchof Gebeharb, den Bischöfen ein großes Aerger-
niß erwachfen, fo daß der bifchöfliche Name, das bijchöfliche Amt
einen unerträglihen Schimpf erlitten hätten. Es fei jegt dahin
gefommen, dab die Kirche von Prag fehon viele Tage hindurch der
biſchöflichen Verwaltung entbehre und ohne den biſchöflichen Segen
fei; denn daß jener Biſchof, welcher ber Urheber diejer Vertreibung
und Verwirrung iſt — Siegfried meint natürlih Biſchof Johannes
von Olmütz —, dieſes Amt fih anmaße und weihend und bie
Firmung fpendend im Sprengel herumreife, ſei als Erfag nicht an-
zufhlagen. Siegfried glaubte Greger VIL. auch noch deßwegen
auf das Gehäffige folder Vorgänge aufmerkſam machen zu follen,
Srobifchof Siegfried's Glüdwunfch an Gregor VII., mit Bitten u. Beichwerden. 303
ba es fih in Böhmen um ein erft in neuerer Zeit für das Chriften-
thum gewonnenes und in bemfelben nod nicht völlig befefligtes
Volf handle, weldes leicht bei dauerndem Zwiefpalt feiner Hirten
wieder in den alten heidniſchen Irrthum zurüdfallen koͤnnte.
Zweitend jedoch bat Siegfried den Papit um Beiftand gegen das
trogige und aufrührerifche Volk der Thüringer, unter Hervorhebung
der neueften Handlung der Gejegwibrigkeit, in der Verweigerung
der Zehnten, wobei ganz deutlich auf Siegfrieb’3 eigene Gefährdung
in Erfurt Bezug genommen it: immer jei das Volk gegen ben
heiligen Geift und deſſen gerechteſte Gejege widerſetzlich geweſen,
jegt aber geradezu zu einer verbrecheriichen, ganz ungewohnten
Riſſethat vorgegangen, fo daß es gut fei, wenn dieſe ungehorjame
Magd Thüringen fühle, daß in der das Schickſal haltenden Hand
des Petrus noch die Herricherin Rom lebe und regiere. Weiter
fügte der Erzbiſchof noch für fi den Wunſch bei, daß der Weber-
bringer des Schreibens für ihn des Papftes Entſchuldigung erlange;
denn er hätte zwar mit Gregor VII. noch Einiges zu verhandeln,
was er aber weder dem Bucfaben einzuverleiben, noch dem treueften
Boten zu eröffnen fich getraue, was ſelbſt vorzubringen er aber
Bund feine angegriffene Gefunbheit verhindert fei —: alfo möge
ie Vergögerung der Ankunft Siegfried’3 in Rom nicht
pi eher zumeſſen, fondern durch unvermeiblihe Noth-
wendigfeit erklären, da er feinen treueren und willfähigeren Menſchen
a ge finden tönnte, als eben den Verfaſſer des Briefes
Allein daß Gregor VII., mochte er auch zunädft Siegfrieb’s
8 XV, 523595, ala, dem oe —* Le, XX
jonder® ber Umfland, dab Giegfried mit feiner warmen Berifung 1 des ler
Ani 3 noch ber ſoeben in n. 200 "erwähnte tabelnde Brief an Erz⸗
dicht Fl air raue ‚Gregor VII. Ihon Bitte November Ber-
Kumniffe der 2 Fi
und J. 4837 gewiß Mai Fine —* Zabel weg; etommen wäre, wenn er mist
Erlen ‚ir — in ber Prager —— episcopus ie, FH
et perturbationis huius auctor est — Bilhof Johannes. ie
7 inevitabilis et suprema necessitas ift in der pezföntichen Entfcpulbigu:
Giepfie’8 cben die umfichere Gejunbheit beöfelben — Nec adventum mean a
304 1073.
Boten gut entpfangen und noch gunftreicher entlaffen ?°®), keineswegs
den Willen hatte, wenigftens in ber böhmischen Sache, bemfelben
entgegenzufommen, zeigte fein am 17. December aus Rom ab
gelaffener Brief an 28 Wratiſlav von Böhmen, welcher ja
jerade ber Gönner des Biſchofs Johannes, der Heftigfte Feind
jeines eigenen Bruders Gebehard, für welchen der Etzbiſchof von
Mainz hatte eintreten wollen, von Anfang an gewejen war.
Gregor VII. wollte da den ſchon längſt befannten hingebungsvollen
Eifer de3 Herzogs anerkennen, und zwar durch die Erlaubniß, das
noch durch Alerander II. ertheilte ganz außerordentliche Gejcent,
die Mitra, zu „gebrauden. reilich glaubt ber ap deſſen ſicher
u fein, hab statiflav ebenjo feft in feinen Gelübben, als aus:
Varzend in feinen Verſprechungen fi erweifen, daß er aber auch
von feinem eigenen Gemifjen fa genügend ermahnt fühlen werde,
feine Zufiderungen zu fennen und Fi beobachten. Im Befonderen
will Gregor VII. diejenigen Angelegenheiten, welche die Legaten
Bernhard und Gregor, durch begangene Verſehen gehindert, nicht
zum angemefjenen Ziele hatten durchführen können, mit Gottes
Hülfe zu_ dem Abfchluffe bringen, welchen dieGerechtigkeit erfordere;
dagegen fol inzwifchen, bis biefe Geſchäfte an ihn nach Rom ge
bın t oben, das durch die Legaten Angeordnete ungeändert ver-
en 208),
Schon in biefen legten Worten deutete Gregor VII. auf die
Synode hin, zu melder er Biſchof Gebehard fammt deſſen Gegner
Sopannes zu fen gedachte. Doch wollte er derfelben, der eriten,
welche unter jeiner Regierung in Rom abgehalten werben ſollte,
vorzüglich nad) der Seite der deutſchen Kirche hin überhaupt eine
auögedehnte Einwirkung verſchaffen.
Denn fon am 12. December?) war aus Rom ein Ein-
»0*) Das geht aus Giegfeieb’s Antwort, Codex Udalriei, Nr. 42, Hervar:
Maximas grates . .. refero tt
ef
57 — ift jehon ob. ©. 198, n. 9, gt a Ion durch Meganber ji
quae, in partibus illis ad audientiam discussionemque legatorum nostzorum
perlata, peccatis impedientibus (se. ber Segaten k ? — vielleicht iR cd dab
don Cosmas, c. 30, im Anſchluſſe an die S. 274 in n. 147 gel Stelle er·
zählte Sactum: Videns autem cardinalis magis tumaltum in populo fieri,
neceesitate compulsus reddidit episcopo tantummodo sacerdotale officium}
congrua determinatione diffiniri non poterant, sicut officii nostri cura nemine
nos rogante compellit, ad. . , finem . . , perducere procurabimun.
J ) Dünzelmann, 1. c., 528—525, welchem Beyer, 1. c 412 u. 418,
Rimmt, Reit dielen Brief Gregor’a VII. — Begiatr. I, 29, 1. c., 141 u. I
(0. 4811 —: denn Löwenfeld flieht fich dieſer abweihenden Anfegung an, und
3war, wegen bed Itinerars — bergi. ©. 286 — mit Umänberung von 2. Non.
Papftl. Gunſtbezeugung f. Herz. Wratiflav ; Vorrufung Siegfried's nad) Rom. 305
ladungsſchreiben an Erzbifchof Siegfried abgegangen, welches die
Mahnung an denfelben enthielt, mit ſechs feiner Sufftagane, ben
Biſchöfen Otto von Conftanz, Wernher von Straßburg, Heinrich von
Speier, Hermann von Bamberg, Embrifo von Augsburg, Adalbero
von Würzburg ?%), zur Synode, welche Gregor VII. in der eriten
Bode der nächften Faftenzeit veranftalten wollte, fi nad Rom zu
begeben. Wäre Siegfried felbft durch Krankheit gehindert zu er-
ſcheinen, ſollte er Boten ſtatt ſeiner ſenden, auf deren Rath und
Zeugniß fich der Papſt ficher ftügen könnte. Anderentheils follte er
ſchon jegt den Eintritt diefer Bifchöfe in ihre Kirchen und beren
2ebenshaltung auf das genauefte, Durch Bitten oder Gunft unbeirrt,
unterfuchen und durch feine Boten, wenn er nicht felbit es thun
fönne, darüber Bericht ablegen; denn er möge fi nicht wundern,
daß aus dem Mainzer Erziprengel mehr Biſchöfe, als aus anderen,
hätten geladen werden müſſen, theils wegen befien Ausdehnung,
theild darum, weil einige Hirten von nicht loblichem Rufe in bem-
felben jeien. Dagegen waren durch den Papft am Eingange des
Vriefes an ben ibiteot immerhin ſehr freundliche Worte, um
Siegfrieh ja nicht zurüdzuftoßen, eingeflochten. Die Erwarung
wurde da ausgeſprochen, derfelbe werde ſich der Liebe erinnern bie
er von bem Papite vor befien Wahl empfangen habe, und wie von
ihm felbft der Rathſchlag in feinen Geheimniffen Hildebrand, neben
wenigen Anderen, anvertraut worden fei. Ferner erneuerte ber Brief-
fhreiber das Gebächtniß des von Siegfried früher bewieſenen Bor-
fages, fein übriges Leben in Cluny zuzubringen: daraus habe er
ein noch größeres Zutrauen zu des Erzbiſchofs Frömmigkeit gefaßt.
ilich habe er num nach dem Berichte einiges Andere über Sieg-
ied s Handlungsweiſe vernommen, ala er Bear date unb hieran
fte dann e das Schreiben die Aufforderung zum Beſuch
der nächſtjährigen Faſtenſynode an?®),_
— 107:
Hei, Pr. 40, jebrecht
DI, 1182, t im den „Anmerkungen“ biefe Abänderung für bedenklich, und
wi br x
418 oc vergl. n. 75 zu 1074, üb — kat En
., nicht zufimmen (I vergl. n. 75 zu er ein mi ;xeffen!
Eile an emachtes auptorgument) a
unter unrichtiger Berufung auf Dünzelmann und Bam — a8 betreffende
Staa gar nicht derahrten auch den Brief Gregor’ VII. an
HE ak Bier Bilhdfe — Otto, Werner, H füßet Beyer,
x drei dieſer je — 0, jerner, Hermann — ri jener,
Le, 418,00 Beweis, dak je Than mabe/heinli für 1074 ei maren, d. 6.
Sen zu Gunften von Dünzelmann’s ronologiiher Annahme.
=) Die Worte nach Erwähnung des Yon ob. ©. 170 in n. 102 hervor:
Aioienn Gntfäffes beiffenb Stunp; Verum juzta quorundam relationem,
Alter quam sperabamus te egisse, comperimus. Quod si negligenter inre-
Qisitum transire permittimus, frateraum tibi amorem minus impendere non
ze maguo taciturnitatis periculo probamur — beziehen fi} nicht mehr auf
Reyer von Anomau, Jahrb. d. dtig. R. unter Keinrih IV. u. V. vd. IT. 20
{1
306 1073.
Noch mit einer gewiſſen Vorficht, aber dennoch ſchon mit beut-
licher Darlegung ber eigentlichen Endabfichten, ging alfo Gregor VIL,
welder in Italien gleih in feinem erften Regierungsjahre nad
verſchiedenen Seiten in der nachdrücklichſten Weife eingegriffen hatte,
gegenüber ben deutſchen Kirhenfürften, den auf dem oben dei
beutfchen Reiches überhaupt vorliegenden Verhältnifien_vor. Das
ſchien fih auch angeſichts der entgegenfommenden Haltung de
Königs zu empfehlen, deſſen Brief fo große Hoffnungen Gregor's VII.
erwedt hatte; ebenfo hatte es in Bezug auf Erzbiſchof Siegfried,
deſſen unentfchiebenes, zwiſchen glei en Entſchluͤſſen jchmantendes
Wefen wohl in Rom genügend bekannt war, ben Änſchein, ala ob
eine gewiſſe Zurüdhaltung geboten jei. Aber anderentheils lic
die Kundgebung des Papftes an die ſächſiſchen Fürften aud ſchon
deutlich erfennen, wie ſcharf die Wichtigkeit der ſaghichen Streit:
angelegenheit für bie Lage des Königs von Gregor VII. ermeſſen
wurde, wie Har die Beziehungen der deutſchen Fürften zu einander,
von benen der mächtigfte oberdeutjche Ser0g, ubolf, ſchon länger
. unmittelbar mit Gregor VII. verfehrte, in Rom ebenfalls begrif
worden waren.
biefen aufgegebenen Borfak, fondern auf Siegfried's erzbilchdfliches Walten, de
ja mit: Quapropter apostolica auctoritate religionem tuam ammonemus bie
Einladung nad) Rom, mit ber Nennung ber Biſchöfe, fich gleich anfügt.
.
1074.
Heinrich IV. verharrte in Worms, das ſich ihm fo mwillens-
träjtig angeichlofjen hatte, auch noch über das Weihnachtöfeft hinaus.
An feinem Hofe, den er in Folge der Vertreibung bes Biſchofs
Adalbert ohne Zweifel in der biſchöflichen Pfalz felbft aufge
ſchlagen hatte, befanden fi} einige Fürſten. Zwar foll nad einem
dem Könige ——— Berichte nur der Zwang dieſeiben in
deſſen Umgebung feftgehalten haben — und zwar damit durch deren
Anwefenheit ein gewiſſer Eindrud auf die geinte ausgeübt würde;
aber gerade einige der hohen Geiftlihen, deren Anmefenheit in
Borms, nahezu vier Wochen nad dem Feite, bezeugt ift, zählten
zu Heinrich's IV. treueften Anhängern. Dagegen mag wahr fein,
dab — in Folge des durch die legten Ereigniſſe bedingten Fern⸗
bleibens weltliher Fürften — ein weniger zahlreiches Gefolge, eine
geringere äußere Zurüftung den Hof belebten und verzierten, wenn auch
jevenjalls der Glanz nicht fo abgenommen haben und fein folder
empfindlicher Mangel um den König vorhanden gewefen fein kann,
wie jene ‚leide Schilderung das glaubhaft machen wollte. Im
Gegenteil ſcheint verhältnimäßig, falls eine Vergleihung mit den
vorher vorhanden gewefenen Verhältniffen angeftellt wurde, obgleich
freilich Die Gefahren und Sorgen no nicht befeitigt waren,
deinrich IV. ſich eher wieder fiherer gefühlt zu haben!). Ein
’) Rad) ben Berichten der Geſchichtſchreiber flellt fich das Bild des Lebens
Heincid’s IV. in Worms wider 33 genug heraus. Lambert malt es in
Mifteren arben: longe aliter ibi victitans quam regiam magnificentiam
; nam neque ex fiscis libus quiequam servitii ei exhibebatur,
neque episcopi aut abbates vd alle publicae dignitates consueta ei
obsequia praebebant; sed in sumptus cottidianos necessaria ei vili
precio coemebantur (206); allein es ift nichts Anderes, als eine zum Theil
wörtlihe Wiederholung (vergleiche bei Dieffenbacher Bambert von Hersfeld
Si toriograph, 108, die theilweife wörtliche Nebereinftimmung der Stellen)
fiaer fon einmal, a. 1066 (171 u. 172), gebrachten. dort als untichtige Bier
n.
308 1074.
ganz befonderer Glüdsfall für feine Sache war jedenfalls, daß das
auf einen Tag des Januar bezügliche Anerbieten des Udalrich von
Godesheim, ſich jur Xertheidigung der Ehre des Königs mit dem
Verläumder deijelben zu fchlagen, durch einen für biefen Angreifer
und deſſen Behauptung endgültig vernichtenden Umftand dahinftel.
Denn dadurch, daß Regenger, nur ganz kurz vor dem für den
Zweikampf angefegten Tage, anfcheinend vom Wahnfinn erfaßt, in
ſchauerlicher Weife aus dem Leben ging, war auch deſſen Sade
und Alles, was er gefagt und was ig damit in Verbindung gefegt
hatte, in den Augen der Mitlebenden, denen das Creigniß einen
nachhaltigen Eindrud erweden mußte, endgültig gerichtet. Durch
diefen Todesfall war, mochte auch nah einer Nachricht der Eid,
dureh den fi der König reinigen wollte, noch abgelehnt worden
bei ber offenbaren Feindſeligleit bes vertriebenen Adalbert geäten tonnte, in
befien Burg nad Gieſebrecht's eigener Hervorhebung, III. , ‚der Hofhalt
jedenfalls aufgeichlagen wurde, wo ferner Biſchof Heinrich von Speier jedenfalls
ganz, dem Könige zur Verfügung flellte, wo jedenfalld auch noch Hausgut
bes ſaliſchen Geſchlechtes in biejen Gauen ber linken Rheinfeite Zirig IV. zu
Gebote fland — wagt: 3. 3. St. 2872, 2874, 2878, 2887, 2914, in denen
einrich IV. noch und in folgenden Jahren Befigtfum in eben dieſen
ndichaften an das Bisthum Epeier und das Stift St. Guido bafelbft itt —
ein derartiger Mangel in der königlichen Hofhaliung am wenigften wahrſchein⸗
Hd if. In der Compilatio Sanblasiana fteht, wie Waiß, rorfhungen zur
beutichen @eichichte, XXII, 498 u. 499, bemerkt, bie Notiz, a. 1074, bap Hein-
rich IV. in maximis perieulis et angustiis das Weihnachtafeft in Wormö vers
lebt habe, mit der Ausführung bes eben durch Waig gefennzeihneten Eins
ſciebſels a. 1073, des Inhalte: ipse. . . . coepit in dies parvipendere
inimicitias adversariorum suorum, ganz im Midedpu (SS. V, 276). Dazu
fommen nod) die Anal. Weissemburg.: zuerft — aloemein 8. 1079 bie in
Excurs I, n. 17, aufgenommene Rotiz, dann a. I [einricus rex coan-
gustatus nimis, oravit Dominum intente, promisitque penitentiam , et
um eius confirmatum est....... Ipee est rex Heinricus, qui excluso
episeopo sedem sibi fecit Wormacise (SS. II, 72). Allerbings heißt Hein»
ih IV. aud) nod in St. 2770, am 18. Januar, humillimus Geil. €. 224,
n. 62). Allein die Compil. Sanblas. hat zwei Male im Sana iebjel die Hin»
weifung auf Teuppenperflärtungen, zuerſt in ber ſchon ©. 296 in n. 192 mit«
getheilten Stelle, hernach: recollectis undique quoscumque potuit militum
et fidelium suorum cuneis, darauf in dem wohl auf Berthold beruhenden
te des Compilators felbft, a. 1074, nochmals in dem in n. 5 zu bringenden
Zufammenhange (l. c.). Lambert hat alfo jedenfalls eine zu ungünftige Schildes
Tung der Lage entworfen, und hienad) if auch, was er nachfolgen läßt, zu bes
urtheilen: Erant tamen cum eo (sc. rege) nonnulli ex principibus; sed hi
neque cum eo servitiorum apparatu, neque cum ca militum atque appa-
ritorum frequentia, qua soliti fuerant, sed cum paucis et pene privato Ba-
bitu, ad salutandum eum venerant, ne seilicet manifestae defectionis nota-
rentur, si evocati ad curtem venire detrectarent. Quos tamen ille nullo
modo a se abseedere permittebat, reputans, qnod, si minus auxilüi sibi,
hostibus tamen multum terroris allaturi essent, dum tam illustres in regno
‚nas adversus se congregatas audirent (l. c.). Auf zwei am 18. Januar
in Worms anweſende geinfiche Fürften, Erzbiſchof Kiemar und Bifpof Eberhard
von Naumburg, die — vergl. S. 263 — heimatlos flüchtig waren, paßt
allerbings biejed Bild eines Armlichen Aufzuges; dagegen meilten fie felbftuer-
Rändlid, gegen Lambert’ Behauptung, freiwillig am Hofe, ebenſo die drei
anderen bort — vergl. unt. bei n. 6 — genannten Bifcjöfe.
Regenger's Tod; Siegfried's u. Anno's Verhandl. m. d. Sachſen zu Korvei. 309
fein, bie Entſcheidung über die Schuld auf weitere Zukunft hinaus-
geſchoben ®).
Inzwiſchen waren die Erzbifchöfe Siegfried und Anno dem
Wunſche des Königs, daf zu Korvei eine Zuſammenkunft mit den
Sachſen von ihrer Seite veranftaltet werden möchte, damit den
Angriffen auf die königlichen Burgen ein Ende geiest werde, nach⸗
getommen. Höchſt wahrſcheinlich in der zweiten Woche des Januar,
nad dem 12. de3 Monates, trafen fie fi mit den Sachſen in
Korvei; allein bie ſchon von vorn herein von ben beiden Unter-
Bankier vorauögefehene Unfruchtbarkeit der Unterhandlungen ftellte
Har zu Tag. Die Erzbifchöfe follen fogar durch die Sachſen
mit Vorwürfen überhäuft worden fein, darüber daß durch derartige
unzeitgemäße Unterrebungen und Waffenftillftandsbegehren nur das
erreicht worben fei, in dem Könige bie Dermegenbeit zu vermehren,
ihnen felbft aber bie beften Gelegenheiten zur Wiebergeminnung der
iheit zu vereiteln: jegt fei für ſolche trügerifche Friedensworte,
ir weibtjches Gerede fein Plag mehr, fondern bloß noch für ben
kriegerifchen Gebrauch der Waffen. Allein der Verfaſſer des Be-
rihtes über diefe Zuſammenkunft, Lambert, fügt fo wenig Glaub-
würdiges noch weiter feinen Mittheilungen an, daß es getathen ift,
auf diefe Angaben überhaupt fein Gewicht zu legen. Immerhin
ſcheint nochmals, wenigftens von Seite diefer in Korvei anmwefenden
Sachſen, eine Vereinigung mit ben übri Fürften des Reiches
auf die nächfte Woche nach dem Fefte Mariä Reinigung nad Friglar
in Ausficht genommen worden zu Kind
Daß gerade in dieſem Augenblide die Sachſen nicht Willens
gewejen waren, ihre Streitkräfte vor den Burgen des Königs ab-
iehen zu laflen, erklärt fi) aus dem Geſchick mehrerer diefer feften
läge, welches fi) gerade in den gleichen Tagen vollzog. Aller-
dings waren es nicht fächfifche, ſondern in Thüringen liegende
Burgen, die dad Schickſal hatten, den Belagerern anbeimguridlen,
und Thüringer werben als die Gewinner der erften ber brei in
Betracht fallenden Burgen augdrüdlic genannt. Aber feit den Er-
eigniſſen des legten Herbftes waren Sachſen und Thüringer fo be—
fimmt verfnüpft, daß die Haltung der Sachſen zu Korvei buch
die güringijgen friegerifchen Fortſchritte auch gebunden war.
Nur drei Tage nad) dem Weggange von Korvei foll die Be-
9) Reben ber in Excurs I. aufgenommenen Stelle Lambert's fteht das
iß des Einfchiebjeld der Compil. Sanblas., das im Anjchluffe an bie ſchon
e 23 in n. 188 eingerüdten Worte fortfährt: ipee proditor illins, qui
gerdnellis in eum exstiterat, subita morte obierat; et sic intentionis cause,
um Alerandum regis, quo se expurgare voluit, refutarent, dilata
(be)
®) Bergl. Lambert's Darftellung dieſer Begebenheit in Excurs J. Nach ber
Getungabe, a. 1073: proxima ebdomada post ej iphaniae (206) fand, da der
Jannar auf einen Montag im Jahre 1074 if t, bie Zufammentunft in
Rerei allerbing® wohl, wie bie Randangabe (206) anführt, zwiſchen bem 12.
und 18. des Monats flatt.
310 1074.
fagung der Hajenburg die Waffen geftredt haben; fie war vom
Hunger bewältigt worden, und die belagernden Thüringer entlichen
die theidiger, obſchon fie fi auf Gnade und Ungnade ergeben
hatten, unverfebrt, während die Burg von ihnen in Brand geftedt
wurde. Das bier frei gewordene Belagerungsheer rüdte alsbald
vor die nicht weit davon entfernte Burg Spatenberg, welder es
zujufegen begann. Schon wenige Tage vorher war der Anfang
mit der Einſchließung der noch weiter ſüdlich gelegenen Yur:
Volkenroda gemacht worden. Augenfcheinlih hatte Heinrich IV.
gerade diefen Plag für am längften vor feindlicher Unternehmung
jefichert angejehen. Denn dorthin hatte er die Königin, mwahr-
Mheintie Ende October von Würzburg aus, bringen lafien, bamit
diefelbe da die Zeit ihrer Entbindung abwarte. Seht, als aud
biefer Burg Gefährdung bevorftand, begab ſich auf den Wunſch des
Königs Abt Hartwig von Hersfeld nad dem Eleine zehn Meilen
von feinem Klofter entfernten Plage, der außerdem wahrſcheinlich
ehemals ein Hersfelder Lehen geweſen war, und holte Bertha,
welche wegen ihrer heranrüdenden Stunde fi) ohne das ängftigte,
nad Heröfeld. Die Thüringer meigerten ſich nit, dem Abte die
Königin v überlafien, und jo fam fie nad dem Klofter, da
Heinrich IV. in der allgemeinen Verwirrung feinen fichereren Aufent-
haltsort aufzufinden wußte *).
Dem Könige war es inzwifhen zu Worms gelungen, eine
immer anfehnlicher ſich vermehrende Kleine Truppenmacht um ſich
u verfammeln. Bon überall zog er ohne Zweifel bie königliche
Dienftmannfchaft heran; einige Biſchöfe führten ihm ihre Aufgebote
zu; bie Wormfer jelbft werben in ihrem Eifer nicht zurüdgeblieben
fein. So fonnte denn Heinrich IV. wieder mit einiger Zuverſicht
auf dieſes zwar keineswegs große, niht aus anfehnlihen Truppen=
abtheilungen bober fürftlicher Herren gebildete Heer von durchaus
jetreuen, zuverläffigen Anhängern hinbliden, mochte auch von
facfifcher Seite darüber gefpottet werben, daß diefe Schaar, welche
übrigens in jener Hohnrede fogar noch als ber geb nad gar nit
unweſentlich bezeichnet erjcheint, zum Kampfe nicht bereit gemeien fei,
e3 müßte denn die große Noth fie dazu gezwungen haben. Nicht
fehr viele Franken, mehr Yaiern, dann von Schwaben eine Heine
Analogie ber Worte Lambert's über Heröfeld: nesciente scilicet rege propter
perturl
posset
de ſten Bi ort Ende 1073 fun ders fir tt:
Pr — Fi ort noch goen ir befont cher gehalten
fo arg auögebrochen geweſen jein kann.
Fall der Hafenburg, v. Spatenberg u. Volkenroda. Heinrich's IV. Rüftungen. 311
Zahl, die aber an Tüchtigkeit nichts zu wünſchen übrig ließ, ſollen
dabei gewejen jein. Dagegen ift jedenfalls zu einem eigentlichen
Reichsaufgebot gar feine Zeit vorhanden geweſen, und dazu mochte
Heinrich IV. ſich jagen, daß von mancher Seite für ein foldes ein
Erfolg gar niit zu erwarten fei, angeſichts der ſchwebenden Ver—⸗
handlungen mit den Sachſen, in Anbetracht ferner des Umſtandes,
daß auch ein verhältnißmäßig fo gutwilliger Fürft, wie Herzog
Sottfrieb von Nieberlothringen, noch in den Gerftunger Feftfegungen
gleichfalls feine Hülfeleiftung gegen die Sachſen von Bedingungen
abhängig gemacht hatte. Dazu kam bie noch nicht entſchiedene An-
gelegenbeit der Regenger’ihen Anklage, welche gleichfalls Ab—
lehnungen für den König zur Folge haben konnte. ebenfalls war
& aljo vom Könige ganz richtig gehandelt, wenn er zunächſt
ſich mit der Eleineren, aber um jo zuverläffigeren Rüjtung, die ihm
zu Gebote ftand, begnügte. Denn es war von feiner Ehre er-
fordert, nun nicht mehr länger am Rhein zu weilen, fondern ben
äußerften Verfuh zu wagen, den Vertheidigern der Burgen in
Sachſen und Thüringen, nahdem Verhandlungen fruchtlog ge-
blieben waren, mit Waffengewalt zum Entjag die Hand zu reichen.
So durfte auch die Rüdfiht auf die vieleicht viel zu geringe Kriegs⸗
macht, welche der König gegen die Sachſen in die Wagſchale
werfen fonnte, nicht länger gelten, als die verzweifelten Nachrichten
aus Thüringen, von den ſchon verlorenen oder neu bebrängten
Burgen, die Kunde von ber ſiets bebrohteren Lage der Harzburger
Befegung in Worms eintrafen. Der Gedanfe mag wirklich, wie
Lambert ihn dem Könige zufchreibt, zum Entſchluͤſſe beigetragen
haben, lieber den legten Wurf des Glüdsjpieles zu verſuchen und
mit den Sachſen bei erfter Gelegenheit den Kampf aufzunehmen,
lieber das Leben daran zu geben, als in Schande das Reich zu
verlieren’).
J Dieſe wieber gefräftigte kriegeriſche Stellung Heinrich's IV. betonen die
Quellen naddrüdli. Nah ben Ion in n. 1 Hervorgehobenen zwei Er«
wähnungen des Einfchiebiela folgt, a- 1074, die Compil. Banblas. jelbft mit
der Angabe: Dehine collecto undique quorumeumgue poterat auzilio . . .
d. e); Bruno, De bello Saxon., c. 31, macht allerdings Hinfichtlid; der Ber
Kheffenheit des töniglichen Heeres eine Einfdräntung: exereitu quidem magno,
non ad praeliandum parato, nisi ia necessitas cogeret, co! to
torgl. nachher, der König habe dieſen feinen Leuten, augenſcheinlich zu ihrer
gung, gefagt: llos, sc. Saxones, nec equos habere nec usum militiae,
sed rusticanos homines bellicarum rerum imperitos) (339). Das Carmen
de bello Saxonico, Lib. II, aus welchem auch die ſchon ob. ©. 296, n. 192,
mitgetheilten Derje über die Qulammenfepun des Heeres nach Stämmen wieder
heranzuiehen find, verbreitet ſich v. 11. For über ben Anmarjch des Rönige
a die Sachſen und fchildert dabei deſſen Heeresrüſtung in v. 118 u. 119:
ius en campis miles procedit apertis paucus, at ingenti virtutum laude
probatus (88. XV, 1226). Die Annales Patherbrunnena., ed. Eiheffer:Bois
dorf, teilen mit: Rex hostili animo Saxones invadit (95), nur ganz furz
de genannten Annal. Ottenbur.: Expeditio regis prima in Saxoniam
7). Lambert endlich gefiel fich bier im einer eigenthümlich breiten
degung (207), in welcher, unter theilweiler Wieberholung von ſchon Ges
312 1074.
Allein ehe Heinrih IV. nad dem Schauplag aufbrach, wo er
den Sachſen entgegenzutreten gedachte, zeigte er noch ber Stadt,
melde ihm in ber Zeit großer Gefährbung ihre treue Anhänglid-
ſagtem — vergl. mit der in n. 1 eingerüdten Stelle über die in Worms an-
inefenben Füriten die folgende: militibus suis domi relictis, ipsi cum paucis
et pene privati aderant, ea scilicet mente, ut et: de inobedientia apud eum
exensarentur, et causam eius, quam vehementissime omnes improbabant,
non multum adjuvarent, und ebenfo fehlt nicht bie fletö beliebte, von Dieffen-
badher, 1. c., 76, verzeichnete Wendung: magis eligens vitam honeste quam
regnum per dedecus amittere —, bie geiwifie peinliche Neberrafhung bes
Autors über bie Wiebererhebung bes Könige vorliegt. Der König, erfennend,
quod paulatim a se principes deficerent et hostium ferocitas sun magis
patientia inerudesceret, will e3 jejt — pudore compulsus parer et neces-
sitate — auf bo3 Aeuberfte anlommen lafien und mit dem Sachſen ſchlagen;
babei meint Sambert, Heinrich IV. habe viele feiner Krieger von fi) zuräd-
gefobm: quod suis, qui cottidie oppugnabunfur, expugnabantur, expelle-
antur, non subreniebat, ot als pro salute eius anzie, desudantibus, ipae
intra muros Wormacige inerti otio torpescebat: — fo habe der König. 1
Fürften des Reiches geidjickt und deren Zuzug fich erbeten; ber Erfolg jei aber
nur ein mangelhafter gewejen: Et multi quidem episcoporum protinus ad
eum convenerunt, sed hi consiliis praebendis paratiores quam stipendiis
faciendis (darauf die ſchon vorhin eingeldjaltete, (Früheres repetivende Gtelle).
Andere werden von Sambert als ſtandhaft ableynend aufgezählt: nolle se ad
oppressionem innocentium arma ferre, qui si etiam aliquid, quod gladio
vindice plecti debeat, admisissent, ad hoc eos gravis et facile excusabilis
necessitas impulisset. Das follen gemejen fein: iegfeieh und Anno, Biſchof
Wernher II. don Straßburg, Bill Adalbert von Worms (wie fih übrigens
ganz von felbft verftand: quem civitate sus supra expulerat — nod) fpäter,
a. 1076, ſchob ber Ehronift von 1075 an, in einer Autgählung von Biſchbfen bei
Abalbert ein: qui et ipse cathedra sua pulsus est a rege, SS. V, 288), dann
duces omnes (wieder recht voll gegriffene Zahl), nämlich Herzog Welf, Herzog
Rudolf, Herzog Berchtolb — bie im erfter Linie durch die Regenger/iche Sache
betroffenen und deipalb fi) zurüdhaltenden Fürten, — ferner die Hergoge ber
Mosellae regio, alfo Zheoberi don Dberlothringen, und ber Lutheringia,
Gottfried, enbtic milites Fuldensis et Herveldensis abbatum (bi8 zırm Jahre
1075 werben dann aber Rubolf, Verdhtold, Bottfrieb gerabezu bei Lambert zu
ürften, quos superiore bello conjurationis socios — mit Erwähnung bes
foedus quod pepigissent — habuerant, sc. Saxones: 224). Biel richtiger ala
Sindus, in, Bine U., 83, wie a — far in a nden
mit it orhebt, ganz gegen Lambert's hier ficher zutrı e Behauptung,
Sigrid und Anno —— Löniglichen Heere mitgiehen läßt, führt Died
mann, Gottfried III. der Budlige, 58-61, aus, wie Sambert zu feiner Dar:
Rellung fam. Derfelbe ſah in und um Hersfeld des Königs nicht großes Heer,
in dem bie großen Herzoge, mehrere hervorragende geiftlihe Fürſten fehlten, fo
daß er jeht 9 08, Yelleen hätten ben Zuzug geweigert, während vielmehr ein
eigentliches allgemeines Aufgebot in ber viel u turzen Beit thatlachlich ga
nicht ergangen fin Tann ; bie etwa fechtaufend Man, wie das Carmen, v. 190
(1228), Dann die Höhe de Heeres bei veilen Entlaflung zulebt anfdlägt, Hatte
Ba] IV. wohl fon in Worms um ſich gefammelt, aus feiner Dienfimann-
ſchaſt, wo nur er bie Leute befommen Lonnte, ohne jedoch einen Verfuh zu
machen, bie fi ferne Haltenden oder gar feinblidh gefinnten Fürften herbeizu-
jiehen. Das Motiv zum Aufbruce nennt Lambert richtig, die Hülfe für bie
urgbefagungen, wenn er auch bie Sache elwas hämiſch tvenbet: im Carmen
heißt e8 auch zwei Dale faft gleihlautend, v. 79: se (sc. regem) cito venturum”
ferro sua castra solutum, v. 126: regem venturum ferro sua castra solutum.
Dagegen ift e? faum anzunehmen, dab eine Hauptabficht Heinzich's IV. gemefen
Heinrich's Gunftbezeugung für die Wormfer, in b. Urkunde v. 18. Januar. 313
feit bewiefen hatte, einen wahrhaft königlichen Dank. Am
18. Januar gab er, wohl gan; rg vor feinem Aufbruche aus
Worms, den Wormfern einen glängen en Beweis der Anerkennung
ihrer Treue, und jener Kanzleibeamte, der dem König feine eigen-
tbümliche Begabung mit befonderer Hingebung zur Verfügung
ftellte, nahm Feine raft in außerordentlicher Weiſe jufammen, um
dieſes urkundliche Zeugniß zu verfaffen. Nach der allgemeinen ein-
leitenden Erwähnung ber in treuer Gefinnung für die königliche
Macht Beflifjenen geht er auf „Die Bewohner der Stadt Worms“
im Befonderen über: „Wir haben fie als würdig nicht der Heinften,
fondern der größten und befonberen Aieberoergeltung, ja würdiger,
denn alle Bürger irgend welcher Stadt, beurtheilt, da wir fie
tennen gelernt haben, wie fie bei der größten Bewegung im Reiche
und mit fehr großer und befonderer Treue die Anl ängtichteit be
wieſen haben, während wir doch weder durch mündlichen, noch
durch einen brieflich verzeichneten Ruf, weder buch uns felbft,
nod durch einen Boten, oder durch irgend eine Stimme zu diefer
jo ausgezeichneten Treue den Anlaß gegeben haben. Diefe aber
haben wir deßhalb eine fo ausgezeichnete genannt, weil, während
die fämmtlihen Fürften des Reiches unter Vernachläſſigung der
heiligen Berpflichtung der Treue gegen uns wütheten, dieſe allein,
leichſam in den Tod ftürzend, gegen Aller Willen ung anhängen.
enm al3 einzelne Stäbte gleichſam fürwahr zu unferer Ankunft
ih zufchloffen, während die Wachen von Aufpaſſern abwechſelnd
vertheilt und bei Tag und Nacht, damit fie mit Mundvorrath und
Baffengewalt bewahrt werden könnten, in der Runde begangen
wurden, da wurde das einzige Worms dur die gemeinfame Gunft
der Bürger, indem man die Stabt mit Waffen von allerhand Art feit
machte, für unfere Ankunft bewahrt”. In neuen Wendungen wird
diefe Treue als ein nachahmenswürdiges Vorbild, und zwar deutlich
mit ber Aufforderung an andere Städte, hervorgehoben und ge-
rühmt: „Sie mögen alfo die erften in der Belohnung ihres Dien|
fein, fie die nicht als die legten in der Widmung des Dienftes er-
fhienen find; fie mögen Allen in der gebührenden Vergeltung des
Dienſtes zum Beifpiel dienen, fie die Allen in der bewahrten Pflicht
der Treue voranftehen; es mögen die Bewohner aller Städte durch
ki, den Zag von Fritlar nicht zu Stande kommen zu laſſen, wie Giejebrecht,
N, 294, annimmt (vergl. auch Bogeler, Otto von Rorbheim in ben an
1070-1083, 68 n. 2). Anbererfeits ift nicht mit Diedmann, 1. c., 60, auf
die ob. ©. 290, n. 189, abgelehnte, von Bruno, c. 30, vorgebrachie Angabe
über vom Könige mit Otto don Nordheim angeknüpfte Verhandlungen das Ger
wicht — das dieſer für die Piithenung in Anſpruch nimmt. Voliends
3 Gehe Einfall, Gregorius VII, VII 71 u. 72, abzulehnen, daß „die
Sqaaren berfelben Großvafallen, welche dem Galier jede bewaffneie Hülfe wider
die, verweigert hatten, bie Mehrheit des tönigli;en Heeres bilbeten“,
&h alfo dieſe ablehnenden Fürften mit gerüftetem Heere ben König in da®
Feb begleitet hätten, um dann im entiheibenden Augenblide denfelben zur Ans
nahme ſillens zu zwingen.
—
312 —*
—* ae Freigebigkeit, wie ſolche bie Wormier
s — ur Eben, erfreut fein; fie mögen Ale
19 dem König die Treue zu bewahren,
ormd gegönnten Gewinne die Gütigfeit
! Dieje erwiefene Förderung wird zwar
n; aber in der Erwägung ber Wormier
ıe leichte, fondern als eine erwünſchte
chnung gezogen“. Dieje fo angefünbigte
der Erlaffung ber Zahlung des Zoll,
n und übrige Angehörige der Stadt an
: zugetheilten Stätten bei ber Berührung
rüſſen, nämlich zu Frankfurt, dann am
ammerftein, weiter oͤſtlich landeinwaͤrts
hoßlar und zu Enger, an der von ber
jrenden Straße. ie Zumeifung dieſer
des Erzbiſchofs Liemar, der Biſchoͤfe
„Theoderich von Verdun, Hermann
von Baſel und anderer Getreuer ge:
en®).
*) St. 2770 — feither auch wieber abgedrudt im Urkundenbuch der Stadt
28, 1, 47 u. 48 — tft eines ber bemerfenäwertheften eigenhänbigen Etüde
Adalbero C. Neben der Ihmunghaften Hervorhebung ber Zreue find
nawerth: in ber Arenga das Streben, ben einmal angeſchlagenen Ton
immer wieberholte Anwendung der Worte: servitium, remuneratio,
unb digniores ftetö wieder anklingen zu Lafien, in ber prohibitiven Dis
on ber igentSimliche Wechſel in ber Verwendung der Ausbrüde firmatio
infirmare, endlich das legtmalige Vorfommen der Wendung humillimus
my bezeichnend für bie Etimmung des Dictatord, der ben König in den
ug begleitete (vergl. in n. 7), vor dem Aufbruche von Worms — in ber
am Unterichrift (vergl. Gundlach, Ein Dietator aus der Kanzlei Kaiſer
ich's IV., 57, 59, 10); ebenfo it nad) Breßlau, Handbuch der Urkunden»
1, 798, eben fei 2770, wo die Namen der fürbitte leiſtenden Fürſten
in prineipum praesentia eingeführt find, dieſe den Mebergang von
nterbention zum Zeugniß bildende Forn in den Königeurfunden häufiger
den. Den Iadligen Inhalt: Teloneum, quod in Teutonica lingus
»retatum est zol, quod in omnibus locis regiae potestati assignatis
‚ Judei et coeteri Wormatienses solvere praetereuntes debiti erant,
Wormatiensibus, ne ulterius solvant zol, remisimus — befpricht Hinfidhtlid)
ber Art, ber Verwendung des deutſchen Wortes, für bie bei Berührung einer
beftimmten Stätte mit einem Waarentransporte zu entrichtende Zahlung, Waif,
Deutſche et VIIL, 293 (mit n. 1)._ Was die Bedeutung der Urkunde
für das Verftändnig ber Entwidlung der Stabt Worms betrifft, jo hat, ins ·
befondere gegen Arnold, Verfaffungägeichichte ber deutfchen freitäbte im Anc
{hluk_an die Verfaifungsgeichichte ber Stadt Worms, I, 148--150, wo auf
diefe Greigniffe von 1073 und 1074 eingetreten und auf das mit neuer Stärte
hervorbrechende Erwachen „bee Andenkens an die alte freiheit” Gewicht gelegt
wird, €. Köhne, Der Uriprung der Stabtverfafjung in Worms, Speier und
Mainz (D. Gierke, Unterfuchungen zur deutſchen Staats: und Rechtageichichte,
31. Heft, 1890), 205—207, darauf bingewielen, baß bie allein ben Kaufleuten
zu Gute tommende Lnigliche Srglnfigung ala Beweis dafür anzufehen if, der
gegen ben Bifcof zum Bortbel deS Könige Semerfiligte Aufland fi van ber
ufmännifchen Bevölterung in Wormd ausgegangen, wobei deren Auftreten
Tragweite des Zollerlaſſes für Worms. Heinrich's IV. Marſch nach Hersfeld. 315
nn von biefen geiftlichen Fürften — nur der Biſchof
Lift nachher nicht mehr genannt —, melden fi bald
weitere Bifhöfe noch en — ſich Heinrich IV. in der
Richtung gegen huringen hin, und am 27. Januar erreichte er
mit feinem Heere das Kloſter hersfeld doch muß das Lager ſo⸗
gleich noch anderthalb Meilen an der Fulda abwärts über —2
hinaus, nach Breitenbach, verlegt worden ſein, da von dieſem Orte
aus an dieſem und dem folgenden Tage zwei Urkunden durch den
König gegeben worden find. Umgeben von dem ſchon erwähnten
Erzbiſchof Liemar und den mit demfelben ebenfalls in Worms an-
weſend geweſenen Biſchöfen Eberhard, Theoderih und Hermann,
zu welchen aber Erzbiſchof Udo von Trier, die Biſchöfe Gundechar
von Eichſtädt, Ellinhard von ng Embriko von Augsburg ſich
geſellten traf nämlich Heinri jerfügungen, welche beſonders
auf die Burg —E in —S— ih sejogen, Dieſer ſchon
früher der Königin Bertha geſchenkte — Platz, der in feinem
Namen an das einft in jenen Gegenden fo mächtige Haus ber
Edarde, der Markgrafen von Meißen, erinnert und, nahe der Dft-
tenze bes thüringlſchen Landes auf den das linke Ufer der Saale
leitenden Höhen gelegen, eine nicht unbeträchtliche Bebeutung
für die dortigen — des Königs beſaß, wurde jetzt in
er Neuau: derung, fammt der dazu zählenden Ortichaft und
Befig, der Königin neu zu Eigen ertheilt, und zwar für ſich
vn und den zu erwartenden Sprößling, jo daß fie im Fall des
Todes deſſelben nad; dem Abfterben ihres Gemahles allein im Be—
fige bliebe’).
inne aus ſchon eine wie auch immer beſchaffene Organifation derſelben
annehmen läbt, während dagegen nicht bie Loſung von einer zu Unrecht einge
tem Brig teit der Zwed der Erhebung geweien fein könne; daneben möge ie
bien fett hen Stammfige einen gewwiffen Einfluß mit ausgeübt
— Vergl. auch K. Echaube, Die Eniſtehung des Rates in Worms
eitſchrift Air die Geldhie he des Oberrheind, XLII, 257 ff., beſonders
a Sueheoeiung der Annahme Arnold’, ]. Er 165 ff., vom Bors
ber Entfiehung — bie Bedeutung pr jelt — eines
—X eben ſchon zu dieſer Zeit unter a IV. (auch Heusler,
de — ber deutchtn ner jung — gegen ihm wendet fi Waih,
ne Der Rath und die
PM für Worms Pi falle Arnold’s Ausführungen an).
en: 3 — fi: eugt, Se, IV. at 6. hy Febr. in erh
: doch n jenen Wort (ec. rex) transgressus Hervel-
dam (l. c) ms — Non 1 und Pi Deine ber König an biefem und dem
folgenden Zage an brm jchon ob. S. 257, n. 115, erwähnten Orte Breitenbad).
Im 8t. Pu wirh taufchtweife dem Boto noster miles — in mutnam nostri
süque fidem — für das von bemielben erhaltene praedium Baden tönigliches
ei an vier genannten Orten, beionderd aber in locis ad Eggehardesbere
pertinentibus, und zwar für tantum praedü, — raedium Baden
& integro eibi restituimus, weggegeben, mit dem Morbehalte: ipso tamen
wonte castelli excepto videlicet Eggehardesberc in n ago Dyringen, in
@mitstu Mazelini. In Geftalt einer dleuausfeytigung ‚aedia, quae alio
tsmpore alterius cartulae testimonio dilectae et regni a Deo nostri et
314 1074.
bie Seftnung auf fönigliche Freigebigkeit, wie folhe die Wormſer
in Wirklichkeit jegt erlangt haben, erfreut fein; fie mögen Alle
lernen, in deren Nachahmung dem König die Treue zu bewahren,
fie die nunmehr in dem Worms gegönnten Gewinne die Gütigteit
des Königs dargelegt jehen! Dieje erwiejene Förderung wird zwar
in wenigen Worten begriffen; aber in ber Srwägung der Wormſer
jelbft wird fie nicht als eine leichte, fondern als eine erwünjdte
und ehrenvolle Sache in Rechnung gezogen“. Dieje To angekündigte
Vergünftigung beftand in der Erlafjung der Zahlung des Zolls,
welchen die Wormfer Juden und übrige Angehörige der Stadt an
allen ber föniglichen Gewalt zugetheilten Stätten bei der Berührung
der Orte hatten errichten müſſen, nämli zu Frankfurt, dann am
Rheine zu Boppard und Hammerftein, weiter öftlich landeinwärts
u Dortmund, endlich zu Goslar und zu Enger, an ber von ber
ejer weitlich zur Ems führenden Straße. Die Zumeifung diejer
Gnade war in Gegenwart bes Erzbiſchofs Liemar, der Biichöfe
Eberhard von Naumburg, Theoderih von Verdun, Hermann
von Bamberg, Burhard von Bajel und anderer Getreuer ge
ſchehen ).
9) St. 2770 — jeither auch wieder abgedruckt im Urkundenbuch der Stadt
Worms, I, 47 u. 48 — ift eines ber bemerfenswerteften eigenhänbigen Etüde
bes Adalbero C. Neben ver ſchwunghaften Hervorhebung der Treue find
nennendwerth: in ber Arenga das Streben, ben einmal angeſchlagenen Ton
dur) immer wieberholte Anwendung ber Worte: servitium, remuneratio,
digni und digniores fiet8 wieber antlingen ie laflen, in ber prohibitiven Die-
pofition ber Sigenthtmiche Wechſel in ber Verwendung der Ausbrüde firmatio
und infirmare, endlich das Iehtmalige Borfommen der Wenbung humillimus
— ganz bezeichnend für die Etimmung des Dictators, ber den König in ben
Fetban begleitete (vergl. in n. 7), vor dem Aufbruche von Worms — im ber
miglichen Unterſchrift (vergl. Gundlach, Ein Dictator aus der Kanzlei Sailer
Bei IV., 57, 59, 10); ebenfo ift nad; Breklau, Handbuch der Urkunden»
iehre, 1, 798, eben ſeit St. 2770, wo bie Namen ber Fürbitte leitenden Fürſten
mit: in prineipum .... praesentia eingeführt find, biefe ben Uebergang von
ber Intervention zum Zeugnik bildende form in ben Königsurlunden häufiger
geworben. Den Fachli en Snhalt: Telonenm, quod in Teutonica lingus
interpretatum est zol, quod in omnibus locis regiae potestati assignatis
a. Judei et coeteri Wormatiensen solvere praetereuntes debiti eran!
Wormatiensibus, ne ulterius solvant zol, remisimus — beipricht Hinfichtli
ber Art ber Verwendung des beutichen Wortes, für bie bei Berührung einer
beftimmten Stätte mit einem Waarentransporte zu entrichtende Zahlung, Waip,
Deutfche Berf.:Geih. VILL, 293 (mit n. 1), Was die Bedeutung der Urkunde
r das Verſiändniß der Entwidlung ber Stadt Worms betrifft, fo hat, ind»
efonbere gegen Arnold, Berfaffungägeichichte der deuiſchen Freiftadte im Au⸗
ſchluß an bie Verfaſſungsgeſchichte der Stadt Worms, I, 148-150, wo ani
diefe Ereigniffe von 1073 und 1074 eingetreten und auf das mit neuer Stärte
hervorbrechende Erwachen „bee Andenkens an die alte freiheit“ Gewicht gelegt
wird, ©. Köhne, Der ürſprung der Gtabtverfafjung in Worms, Speier und
Mainz (DO. Gierke, Unterfuhungen zur deutſchen Staatd- und Rechtegeichichte,
31. Heft, 1890), 205—207, darauf Bingemielen, daß bie allein ben Kaufleuten
zu Gute tommende nigliche Begünftigung ala Beweis dafür anzujehen ift, ber
gem den, ithof zum jortheil des Könige bewerfftelligte Aufftand fei von ber
laufmänniſchen Bevölterung in Worms auögegangen, wobei beren Auftreten
Frogweite des Zollerlafies für Worms. Heinrich's IV. Marſch nad) Heräfeld. 315
Begleitet von biefen geiftlihen Fürjten — nur ber Biſchof
von Salat iſt nachher nicht mehr genannt —, melden fi bald
weitere Bifchöfe noch zugefellten, begab ſich Heinrich IV. in ber
Rihtung gegen Ahitingen bin, und am 27. Januar erreichte er
mit feinem Heere das Kloſter Hersfeld; doch muß das Lager fo-
gleich noch anderthalb Meilen an ver Fulda abwärts über Hersfeld
binaus, nad) Breitenbach, verlegt worden fein, da von diefem Orte
aus an diefem und dem folgenden Tage zwei Urkunden durch den
König gegeben worden find. Umgeben von dem ſchon erwähnten
Erzbiſchof Liemar und den mit demjelben ebenfalls in Worms an-
weſend gemwejenen Biſchöfen Eberhard, Theoderich und Hermann,
zu welchen aber Erzbifhof Udo von Trier, die Biſchöfe Gundehar
von Eichſtädt, Ellinhard von Serifing, Embrifo von Augsburg fi
gefellten, traf nämlich Heinrich IV. Verfügungen, welche befonders
auf die Burg Edardöberga in Thüringen ſich gen. Diefer ſchon
früher der Königin Bertha gejchenkte feite Plaß, der in feinem
Namen an das einft in jenen Gegenden fo mächtige Haus ber
Edarde, der Markgrafen von Meißen, erinnert und, nahe der Dft-
renze bes thüringifchen Landes auf den das linke Ufer der Saale
Fegleitenden Höhen gelegen, eine nicht unbeträchtliche Bedeutung
für die dortigen Machtbefugniffe bes Königs befaß, wurde jegt in
einer Neuaus ertigung. fanımt der dazu zählenden Ortſchaft und
allem Befig, der Königin neu zu Eigen erteilt, und zwar für fi
felbft und den zu erwartenden Sprößling, jo daß fie im Fall des
— nach dem Abſterben ihres Gemahles allein im Be—
liebe 7).
allerdings auch ſchon eine wie auch immer beſchaffene Organiſation derſelben
annehmen läßt, während dagegen nigt die Loſung von einer zu Unrecht einge
führten Sörigkeit ber Zweck der Erhebung geweſen fein könne; Banben möge bie
Nähe der alten falifhen Stamm fe einem gewiffen Einfluß mit ausgeübt
haben (239). Bergl. auch K. Echaube, Die Entftehung bed Rates in Worms,
der Zeitichrift Gr bie Geſchichte des Oberrhein, XLI, 257 ff. beſonders
die Zurüdweilung der Annahme Arnold’3, ]. 0, 165 fj., vom Bor
in ober ber Entſtehung — die Bebeutung habe gem« jlelt — eines
thes zu Worms eben ſchon zu dieſer Zeit unter Heinrich IV. (auch Heudler,
Der Urfprung ber beutfchen Siadiverfafſung — Fi en ihn wendet fi) Waip,
Le. VI, 418 n. 3, — flog fih, 153 ff., im länitie: Der Rath und bie
Rathiverfaffung, für Worms gleichfalls Arnold’3 Ausführungen an).
Ps —3* et , eugt, ER IV. Eteaft 6. Kl. Febr. in ee
; na jen eigenen Worten: ipse (sc. rex) transgressus Hervel-
diem (L c.) und nad) St. 2771 und 2772 Bitte ber König an _biefem und bem
den Tage an dem ſchon ob. &. 257, n. 115, erwähnten Orte Breitenbach.
In St. 2771 wirb tauſchiveiſe dem Boto noster miles — in mutuam nostri
sique fidem — für das von bemfelben erhaltene praedium Baden fönigliches
at en vier genannten Orten, beionder aber in locis ad Eggehardesberc
pertinentibus, und zwar für tantum praedii, quoadusque praedium Baden
© integro sibi restituimus, weggegeben, mit dein Borhe alte: ipso tamen
mente castelli excepto videlicet :hardesbere in pt Dyringen, in
@mitatı Mazelini. "Syn Geflalt einer Neuausfeytigung — Draedin, que’ alio
tenpore alterius cartulae testimonio dilectae et regni a Deo nostri et
316 104.
In Hersfeld, wo Lambert allen diefen unmittelbar um ihn
herum fi vollziehenden Begebenheiten mit größter Aufmerkſamkeit
folgte, muß in biefen Tagen eine gewaltige Aufregung vorhanden
geweſen fein. Während ſich, leid der Friegeriihen Mannſchaft
der Abtei Fulda, auch diejenige von Hersfeld der Theilnahme am
königlichen — weigerte, war Heinrich IV. ſoeben mit immer⸗
hin anſehnlicher Mannſchaft am Kloſter vorbeizogen, und es waren,
ba die Sachſen ſich in der Nähe befanden und der Vormarſch des
Königs zum Stillſtande kam, bald allerlei Leiden des Kriegs⸗
puamben die dann fogleih zu Tage traten, für das Klofter auf
eſſen Beligthlimern zu erwarten. Auch fonderbare Himmelszeichen,
die man ſchon in der Nacht von 26. zum 27. des Monats, dann
wieder am Tage bes Durchmarjches Heinrich's IV. felbft in Herd:
feld bemerkt haben wollte, fteigerten die Beängftigung. Dazu kam
die entjeglich ftrenge Winterfälte, welche mit dem Frofte Alles er-
ftarren gemacht hatte, jo daß die Flüffe nicht etwa bloß an der
Oberfläche, jondern in ganz ungewohnter Weife durch und durch in
Eis fi verwandelt zeigten. Alsbald mußte auch, weil die Mühlen
durch den Froft überall ſtille geftellt waren, ein jehr empfindlicher
Mangel an Brod ſich einftellen, jo daß, wenn etwa von den Leuten
des Königs nod)_ zufällig Getreide aufgetrieben werden konnte, dies
felben nicht im Stande waren, das Korn zu vermahlen®).
Ehen dieſer Umſtand, aber wohl nicht zum geringiten bie
Nachricht, daß zwifhen dem übergemwaltigen, in großer Nähe lagern-
den ſächſiſchen Heere und ber Lagerftelle der Föniglichen ganz er-
heblich kleineren Streitmacht durch das Gefrieren ber Werra, des
Heſſen von Thüringen ſcheidenden Fluſſes, die Erſchwerung des
Meberganges aufgehoben ſei, bewog Heinrich IV., nochmals einen
Schritt dem Feinde entgegenzukommen; denn derſelbe vermochte
jetzi, wenn er einen Ueberfall wagen wollte, den Weg über die Eis—
thori sociae Berhtae donavimus, hac carta renovamus, ut si prioris testi-
monio destituatur, ad hanc recurrendo se consoletur ift St. 2772 bie
Schentung eben dieſes Eggehurdesbere castellum et villa cum omnibus
appenditüis, unter ber Bebingung, ut eadem regina Berhta et a nobis con-
cepta pile post obitum nostrum, si vero nec proles superstes fuerit, sola
quae dedimus possideat (ete.). Diefe beiben, in ber Zerigeftaltung übrigens
{che fchmudlos gehaltenen, obichon don Mbalbero C geichriebenen Urkunden
— einestheils durch das Wegbleiben des Adjectivs humillimus (vergl. n. 6)
- die gehobenere Stimmung in bed Könige Umgebung, und anbererfeits wäre es
> aud für die Königin, jept eingehende
Verfügungen über einen thüringilhen Gebietötheil getroffen hätte, wenn er
nicht eben jet gehofft Haben würde, auch bort balb wieder Gere zu werden.
#) Bergl. Lambert, 207 (bie Weigerung ber milites ift fon in n. 5 er
wähnt), wegen ber Himmelszeichen, der großen Kälte. Zu ber Schilderung der
letzieren flimmt bei Bruno, c. 32, der Sag: cum tanta esset hiemis »
ut omnes fluvii vel paludes transire volentibus iter terrestre praeberent
(340), Ebenfo malte das Carmen, I. c., v. 147—151, biefen Froſt in ein
gehenber Weife aud: unda, nayigüs prius cat modo perrie plaustri.
pluvias venti spirant hiemales (l. c., 1227). Ganz furz haben Annal. Pather-
runnens.. ed. Scheffer-Boichorſt, 95, die Notiz: Hiemps durissima.
taum denkbar, baß Heinrich IV., — *
Großer Froftu. Gefährbdungd. lgl. Heeres. Anerbietungv. Verhandl. f. d. Sachien. 317
decke gan frei zu wählen, vielleicht fo plöglich, daß die Minderzahl
der Königlichen unvermuthet überrafht würde. So hatte der
König ſchon am 26. Januar, dem Tage vor der Ankunft in Hers—
feld, den Abt Hartwig zu ben Sadfen abgeſchickt, um für eine
mögliher Weife in Ausficht ftehende Vereinbarung den Boden zu
ebnen, mit ber Frage, ob fönigliche Boten ficher zu dem feindlichen
auge gehen und von da zurückkehren Lönnten®). Der Ans
Fa ‚ welchen Heinrih IV. auf den Anfang des Februar im
inne gehabt hatte, wurbe einftweilen angefichts der Sachlage ver-
Toben '9).
Denn allerdings müffen von ſächſiſcher Seite — der Thüringer
if ausdrüdlich nicht gedacht, wenn fie auch opne Frage bier auf
ihrem eigenen Boden fo gleichfalls eingeftelt hatten — die groß-
artigften Anftrengungen gemacht worden fein. Die verfchiedenen
Berihte melden ganz im Einklange, daß bei den Sachſen ein Auf-
gint ergangen mar, welches die gefammte Kraft des Volkes in
fprud nahm. Auf vierzigtaufend glaubte man in Hersfeld die
Zahl derer, die fich eingeftellt hatten, anfchlagen zu dürfen, und
dazu feien noch elftaufend, weil fich diefelben nicht mit Lebeng-
mitteln verfehen auf den 2 ‚gemacht hatten, als überflüffig und
mr für bie Ruiegaführung elaftend nach Haufe wieder entlaffen
worden. In Sachen felbft erzählte man fi fpäter, daß alle
Männer gegen den König geſammelt, einzig Frauen und Kinder
au Haufe gelaffen worden feien. Ale Welt — malt ein dritter
Zeuge aus — ſei zufammengeftrömt, Sandmann und Hirt, Kauf
mann und Hauswaͤchter, jeder Stand, jeder Lebensberuf, um über
der Arbeit des Krieges das Geſchäft des Friedens zu vergeffen!’).
) Lambert jagt ausdrücklich, dah der Umftand: Fluvium (Hassiam Thu-
Tingiam que dirimebat) glacies pedestri itinere commeabilem fecerat —
ak ei (sc. reei) metom incutiebat, weil jet die Gegner nulla itineris
üfhenltate praepediti waren. Ad Swed der Sendung des pridie quam
Berveldiam veniret (sc. rex) abgeihidten Abtes wird genannt: investigare
ab * (ee. Saxonibus), an nuncii sui tuto ad eos ire ac redire Pos-
sent (l. e..
?%) Bruno, c. 31, fepte — Kal. Februar. Saxoniam ingredi disposuit
Fe Seinrich s IV. hg auf den 1. Februar, während in ber Compil.
Sanblas.: in purificatione sanctae Mariae Saxones de repente (276) neben
ber richtigen Erinnerung baran, baß der König eine Meberrafjung im Sinn
Yatte, augeniceinlic der Zag von Gerftungen für die Zeitangabe maßgebend
gmworden ift (vergl. n. 17).
") Das jagen Lambert, der ben Anfchlag ad 40 milia bringt, ferner aber
weint, die —X fo groß geweſen, ut undecim milia plebis, quoniam subito
damore in expeditionem evocata cibos secum non sumpsissent, in domos
as tamquam minus sibi necessaria remitterent (207 u. 208), Bruno, c. 31:
des fächfifche Heer ki 1» geoß gemelen, ut duplo erederetur esse major quam
exercitus, und c. cum viris omnibus contru zegem congregatis,
sole mulieres cum parvulis domi relictae fuissent (339, 340), woneben wieber
des Carmen, v. 132—140, augmalt, wie omnis conditio .. . . omnis et ordo,
ale Etönde zufammengriffen (1226); nach ber gewiß etwas abrundenben und
318 1074.
Und doch hatte erft die Nachricht vom unmittelbar bevorftehenden
Anrüden des Höniglihen Heeres bie Boten in Bewegung gejegt,
deren Meldungen diejes ftaunengwürdige Ergebniß Ende Januar
zur Folge hatten. Augenſcheinlich war der Plan Heinrichs IV.,
mit feinem nicht großen Heere den Feind zu überrafchen, auf irgend
eine Bee zu deſſen großem DMißvergnügen, das er feinen Näthen
nit verhehlte, den Sachen verrathen worden, fo daß fie eben im
legten Augenblid, Hals über Kopf, trog der ſchlechten Jahreszeit,
das Aufgebot nach der Werra betrieben hatten, damit ja nicht dad
königliche Heer den thüringifhen Boden betrete!?). Freilich war
das jo verfammelte ſächſiſche Aufgebot nicht nach allen Richtungen
fertig gerüftet; verfchiedene Bewaffnung, wie fie zum Theil der
Zufall in der drängenden Stunde geboten hatte, wurde ſichtbar,
und hierin, ſowie im äußeren Glanze, ftanden die Königlichen dem
ganz überwiegend eine Volksbewaffnung barftellenben Heere des in
Erhebung begriffenen Stammes voran. Dagegen erfüllte ſich auch
nicht die Vorausfegung, die von den Königlichen gehegt worden
war, daß das Sachfenheer ganz bäuriſch und kriegsuntüchtig ſei;
denn wenn der weit größere Seit nur Fußvolk war, jo fehlte ed
doch auch nicht an Berittenen, die fi der königlichen Mannſchaft
gewachfen erwiefen!®). In folder Weiſe hatten die Sachſen bei
vergrößernben Angabe, v. 189 u. 190, wären es fogar 60000 Sachfen geweſen;
Vix modo victores devictos Bäderimnbint; milta sex a dedien tot
vieta fuere (1228).
18) Bruno, c. 31, fimmt bier in dem Worten: Saxones adventu (x.
regis) praecognito terram suam defensuri cum maximo exercitu ...-
oecurrunt (339) mit dem Carmen, v. 125 f.: Velox fama volat Saxonum
nuncia genti, regem venturum .... . Nec mora, tam raras speculantur
regis ut alas, confisi numero, statuunt decernere ferro. Denique per
patriam mittebant nuncia totam, cunctus ut ad bellum populus properaret
agendum (l. c.), ganz überein. Wie raſch der Aufbrud) geihah, beweitt auch
das von Lambert in m. 11 Erwähnte. vieſer hatte eine gewille Kunde von
ärgerlicher Stimmung Heinrich's IV.: consiliariis suis graviter succensere
icebatur, gab aber einen unrichtigen, von ihm gemuthmaßten Grund bieles
erbruffed an: quod eum Wormacia egredi et in tantum diserimen ultro
se praecipitare permisissent (207), in Fortſpinnung einer erften falicen
Voraue ſehimg (vergl. in n. 5 die Angabe über das Wormfer iners otium)
Auch bie Annal. Patherbrunnens., ed. Scheffer-Boichorft, 95, fennen die zahle
Nüftung: Qui (sc. Saxones) haut segniter juxte Wirram ei (sc. regi)
oceurrerunt.
’2) Tas Carmen lann, v. 120—124, die jhöne Ausrüftung der Adnig
Ticjen — barin v. 122 u. 123 bie scutisimpicta .. . . fortia facta patrum, bie
Bergil, Aeneiß, Lib. I, v. 640 u. 641, entlehnte Wendung, welche Köpfe — in
feiner ganz verfehften Anzweifelung des Carmen als eines zeitgendffiicen WBerted:
Hrotfuit von Gandersheim, 285 — als „Ihlagenbften Beweis,“ wegen der damit
gemeinten „Wappenfcjilder“ (vergl. dagegen Waik, Separatabdrud feiner Aus:
gabe bes Carmen, 15 u. 16), hervorheben zu müflen meinte — nicht genug
Toben, patit Dagegen, v. 141 M, über bie Gallen — Marina pars pedes
ivit, equis pars fertur in altie — mit ihrer bunten Ausrüftung: varis,
sibi quae sors obtulit, armis, die Verblendeten: ignari, se quam erudelia fats
Pr (ete.) (l. e.. Bruno bagegen wendet, c. 31, die Sache ganz anders,
daß die Königlichen vollends fampfunluftig geworben feien, als fie die Unwahr:
Lagerung beider Heere gegen einander; Verzögerung d. Kämpfe dch. Unterhandl. 319
Vacha an der Werra, auf der rechten thüringifchen Seite des
Fluſſes, Aufftellung genommen, drei Meilen jüböftlih von
Heinrich's IV. Lager bei Breitenbach. Die beiden Heere waren
dur ein dazwiſchen liegendes Waldgebirge, das fih zwifchen Fulda
und Werra erhebt, von einander getrennt, jo daß fie fich jelbft
nit ſahen. egen geſchah durch gegenfeitig ausgeſchickte Späher
ine fortgefente eöbaditung, fo daß die Stärfeverhältniffe von der
einen und anderen Seite jevenfalls ziemlich befannt waren. Auch
hielt man fi} in Hersfeld davon überzeugt, daß die Sachſen für
den Fall eines Verſuches des Königs, an die Werra vorzurüden
und Thüringen anzugreifen, fogleih mit aufgeftellter Schladt:
ordnung ihn erwarten würden ’4).
So war dem königlichen Heere, nah Abſendung des Abtes
Hartwig, nur die Wahl gelaffen, zunächft abzuwarten, was derſelbe
jurüdbringen werde. Sehr gern wurde das fpäter von ſächſiſcher
Seite dahin ausgelegt, daß eben bie Königlichen, wie von Anfang
on zum Kampfe nicht milie, da ihnen ein Grund dazu nicht vor-
zuliegen ſchien, fo jegt vollends zur Waffenergreifung wegen ihrer
Nini bl nicht entjchlofien geweſen feien. Aber Lambert, ber
bier aus nächfter Nähe den Dingen am beften zu folgen vermochte,
bezeugt ausbrüdlih, daß der längere Aufenthalt nur aus dem
Bunfihe Heinrih’s IV. zu erklären war, dur die von Hartwig
zu erwartende Antwort zu willen, ob eine Hoffnung auf Wieber-
erlangung bes Friedens wirklih vorhanden fei, freilich Daneben
auch aus defien Berechnung, in dieſen Zwifchentagen noch Ver—
färfungen beranziehen zu fönnen. Anderentheils freilich Titten
mm auch Zune und Hersfeld fehr erheblich durch dieſe fentgefente
in ihren gungen feft verharrende Ginlagerung ber öriglicen
Krieger. Denn diefelben holten fih, ohne daß, wie klagend bei-
gefügt wird, der König es verhinderte, unter dem Vorwande, ben
nothioendigen Lebensunterhalt zu gewinnen, beutegierig weit und
breit aus den Dörfern plündernd — nad) einer Nachricht fogar
mit Brandftiftung —, was ihnen beliebte, und die Mönche beider
öfter ſollen das nachher, zumal bei der ohnehin vorherrſchenden
it ber — inn. 5 eingefhalteten — Worte Heinrichs IV. erkannten (— audita
onum maultitudine simul et armorum instructione —), fidjer überzeugt
davon, ihnen fehlten bie Kräfte, quibus tantae multitudini tuto possent
“) Bramo allein nennt, 1. c., das oppidum quod Nachan (zu Iefen
Vachan) appellatur (Bambert Bietet bie Angabe: in ulteriore ripa Wirrae
— 20h),
bert hat Hier wegen der Rähe von Heräfeld ganz ben Vorzug mit den in n. 15
Fegenden Wngabet:, Sebi —— m
320 1074.
Noth, nahdem nun den armen Einwohnern kaum das elende Leben
gelafjen worden war, ſchwer empfunden haben, da für die Brüder
nur ht großer Schwierigkeit das Unentbehrlihe aufgetrieben
wurbe ?5).
Hartwig fam von dem ſächſiſchen Lager zurüd, und die Ent-
gegnung, welche Lambert duch ihn gebracht werben ließ, joll ganz
jegen Aller Vermuthung von dem zur Milde geneigten und fried-
rertigen Sinn ber häöfieen Fürften Beugniß abgelegt haben. Die
Sachſen jeien des Völkerrechtes nicht jo unfundig, daß fie der
Verpflichtungen gegenüber Boten bes Königs nicht eingebent wären;
außerdem erfülle auch fie jelbft der Wunfch, Frieden zu gewinnen,
Krieg zu vermeiden, wie fie denn nur zum eigenen Schuß, von ber
äußerten Noth getrieben, die Schwerter gezogen, zum Kampfe fih
aufgemacht hätten. Freilich muß aber daneben auch für die Sachſen
ein weiterer zwingenber Grund zum Frieden vorhanden ge-
wejen fein, den ein anderer Bericht hinzufügte. Es verftand ſich
nämlid von felbft, daß das weit größere und viel weniger in
forgfältiger orbereitung ausgerüftete ſächſiſch-thüringiſche Heer
dur) bie auge Kälte, die nicht zureichenden Nahrungsmittel viel
mehr litt, als die Leute des Könige, und da war eine nachdrückliche
Aufforderung, die entgegengeit te Hand der Verftändigung nicht
abzuweifen, dargeboten '°).
5) Bruno fagt, c. 31 in dem in n. 13 erwähnten Zufammenhange,
geradezu: cum prius ad praeliandum fuissent incerti qui dignam non
videbant causam pugnandi, nunc ad non pugnandum facti sunt certi, qui
cam causa deerant eis copiae. Dagegen hat Lambert recht eingehende und
bi auf den Umfland, daß der Berfaffer durch die über Hersfeld verhängten
Schädigungen, eben bei ben hier erzählten Vorgängen, gegen ben König in Er-
Aiterung gerieth und dieſer Abneigung gerade aud hier nadaab, laubwärdige
Nachrichten. Nach ihm wartete Heinrich IV. eben auf die Rüdkehr bes Abtes,
donec miles frequentior conveniret, et ipse diligentius perquireret, an
aligun spes recuperandae pacis reliqua esset, und zwar in proximis villulis
. ‚duabus ferme milibus a praedicto fuvio (sc. ber Werra: ziemlich richtig
nicht viel zu wenig für die Diftanz, wo fi) Fulda und Werra unweit Breiten-
Fr} am nächfien tommen), melde nad) dem Folgenden Fulber und Hersfelder
Befip waren, wo num aber die Srieger übel hauften, sub praetextu necessarii
vietus; auf ben Ring wirb ber Vorwurf gelaben: Neque rex prohibebat
injariam, ut militem hoc precio redemptum devotiorem sibi faceret (207
u. 208), Diefe Benashtieiligungen — Rambert ſtellt für beibe Klöfter als
Folge bin: ut ingravescente alimentorum inopia magna cum difficultate
itres retinerentur in monasteriis — beutet auch das Carmen an, v. 168 u.
169: furit igneus ardor consumens villas in eircuitu numerosas (1227).
20) Eine gewiß weſentliche Urſache des Umſtandes, daß der Abt berichten
tonnte: eos (sc. Saxones) praeter omnium opinionem mitia atque geile
respondere, worauf Zambert bie jebenfall® in feiner Art belte Antwort
folgen läßt 208), enthält aber einzig dad Carmen, und zwar jehr weitihweifig
mit anfchaulicfter Ausmalung, v. 152 ff., beginnend mit: Talis tem)
(vergl. n. 8) Saxonum contigit alas, ex quibus intereunt miserando funere
multi, was bann für Auhoolt und Reiterei einzeln auageführt wird. Was -- im
Gegenfaß bazu — vom föniglichen Here, v. 164—176, folgt, fol eben als folder
wirfen: Nec predieta viris nocuerunt frigora tantis —, fo daß diefe in
Antwort d. Sachſen; Abfendung v. vier VBifchdfen z. Friedensverabredung. 321
Demnach lagen auf beiden Seiten in ganz unerwarteter Weife
bie Dinge fo, daß man fi auf dem Boden einer zu gewinnenden
Lermittlung zu treffen wünſchte. In bes Königs Geerlager wurde
der von dem Abte gegebene Beſcheid ſehr günſtig aufgenommen;
wieder traten Angehörige ber fürftlihen Umgebung wiſchen
Heinrich IV. und die ſächſiſchen Häupter, ähnlih, wie das im
October des vorhergehenden Jahres ber Fall geweſen war, doch
mit dem weſentlichen Unterfchiebe, daß jegt die Unterhändler weit
mehr als damals nur die Sache des Königs zu ‚üiten den
Willen hatten, da ja nur wirkliche Anhänger in der Fleinen Zahl
Fi ziwviis gebliebenen Biſchöfe ihn in das Feld begleitet
ten !?),
Zunãchſt wurden vier Bifhöfe im Namen bes Königs zur
bensunterhandlung an die Sachſen abgefhidt. Sie follen die
ollmacht gehabt haben, Alles zuzufagen, was die Sachſen in ver-
nünftiger ife forderten und was von beiden Seiten beftellte
Schiedsrichter billig finden würden: dem werde der König ohne
Weiteres zuftimmen, falls nur die Sachſen felbft auch ihrerfeits
geichten dingungen fi) anbequemen und lieber Heinrich's IV.
ilde, als feine friegerifhe Hand erproben wollten!®). Die von
den Sachjen aufgeftelten Forderungen waren jedenfalls im Wefent-
lichen Wiederholungen der fehon im vorhergehenden Jahre dem
Könige entgegengeftellten Klagen und Begehren und betrafen ganz
voran die Frage, welche die Gemüther auf beiden Seiten in den
legten Monaten am meiften bejchäftigt hatte, die in Sachſen und
Thüringen errichteten königlichen Burgen, deren jofortige Nieder-
legung und damit auch das Ende der von dort aus gejchehenen
Ausſchreitungen der König zugeftehen follte. Weiter begehrten fie,
r. 165—167 an v. 120 ff. (vergl. n. 18) erinnernden Schilderungen — cefen
ber Sachſen über das Ancüden bes töniglichen Heeres in den in der Sonne
digernden Harniſchen, über befien von der Reiterei vorgeführte fünftliche Bes
wegungen — gegenüber Sambert’3 ausdrüdlicder Angabe: nec ulterius castra
movere voluit (sc. rex) faum in Betracht fallen; es foll eben für die caetera
de tantis pars conservata periclie, d. }. für bie nicht vom frrofiwetter ger
tböteten Eagjlen, bad: Quid faciant? quid agant? qua vi certamina temptent ?
don v. 178, erflärlich gemacht werben (1227)
17) Sambert’3: Grata admodum erat his qui cum rege ent responsio
(we. die von Hartwig gebrachte) (208) ift in Bruno's Bel antun, c. 31,
Heinrich IV. habe, ut principes sui jubebant, zu ben Sachſen Friebensboten
Yerhidt (339: nachher foll der König den fräntiſchen Fürften in bas Gedächtniß
wirüdgerufen haben, c. 35, daß er ipsorum consiliis contra suam voluntatem
eedens die Harzburg preiögegeben ete 341) ſtart überboten. Andererſeits iſt
— ichnend, wie die Compil. Sanblas. ausdrüdlich den nachfolgenden
fon zom 2 Februar abentibus ducibus et caeteris regni primatibus zu
e kommen läßt (276).
19) Lambert (208) bringt Hier mohl das Richtige; doch barf nicht, wegen
ber Eielle der Annal. Angast. (vergl. n. 28), mit Bogeler, 1. c., 65.n. 1,
Vilchof Embrito ala einer der vier Unterhändler hier genannt werben, weil
der Annalift dort nur ganz allgemein vom Friedensſchluß vom 2. Februar über
haupt Ipricht.
Neger von Anonau, Jahrb. d. dtſch. R.unter geintig IV.u.V. vd. n. 21
322 1074.
daß in Sachſen alle Anordnungen nur nah dem Rathe von
Stammesangehörigen zu gefhehen hätten und ber König feinen Ab-
kömmling eines fremden Stammes zum Rathſchlage für die dortigen
Angelegenheiten zulaſſe; endlich follte für alles Gejchehene, für die
Bertre bung Heinrih’s IV. aus Sachſen und die feither eingetretenen
Ereigniffe, Straflofigkeit den Sachſen, und ohne Zweifel and ihren
thüringiſchen Bundesgenoſſen, ertheilt werben. Deripuece der
König, all das auf das treuefte thun zu wollen, und gebe er ihnen
zur Betätigung ber unbezweifelten Treue bie gleichen Fürften des
Reiches, die er jegt als Unterhändler des Friedens zu ihnen ge-
ſchickt habe, als Bürgen, fo feien fie bereit, die Waffen niederzu-
legen, den en anzunehmen und hinfort feinem Worte gehorjam
zu leben; ſchlage er ihmen diefe Bedingungen ab, fo ftünden fie
eibli unter einander gebunden, ſo lange der legte Funke von
Lebenswärme in ihnen vorhanden fei, für Freiheit, geſetzliche Rechte,
Vaterland unermübdet zu kämpfen '9).
19) Zambert (l. c.) leitet die fächfiichen Bedingungen mit den Worten ein:
Ad haee illi (se. Saxones) responderunt, nihil aliud se postulare quam
quod multis jam sacpe legation!bus postulassent. Xen Inbalt deriefßer ——
vergl. fpeciell auch das von Dieffenbadher, 1. c., 83 u. 84, eingerüdte Neberfichtä-
fjema — erörtert, fo weit er auch fonft ſchon herborirat, xcurd III, unter
Herbeiziehung der don Bruno, c. 31 (340), genannten Punkte, welche gegenüber
Kambert'3 viel breiteren Ausführungen ben Vorzug verdienen. Eine Hauptfrage
war neben ber Befeitigung der Burgen, beren dann auch die Compil. Sanblas.: ut
munitiones destruerentur, propter quas seditio orta est — ganz allgemein
gebentt (1. c.), jelbfiverftänblid; die Amneftie, wie Sambert: ut . omnibus
mi in hac dissensione ab eo defecissent aut aliquid quod eum laederet
aliarum partium studio admisissent, impunitatem tribuat, nullasque in per-
petuum offensae huius poenas exigat — unb Zruno: et hanc sui ex-
ulsionem numquam in aliquo eorum vindicaret (sc. rex) übereinftimmend
jagen, doch jebenfalls nur für die Sachſen — und Thüringer —, nicht aber,
wie Lambert, infolge der au8 den vorher von ihm erzäßften Dingen gezogenen
Scjlüfte, einfejiebt, aud) episcopo Mogontino, episcopo Coloniensi, dat Ruo-
dolfo, auf welde die Sachſen — und gar bie Thüringer, für den ihnen nach
Zambert’3 eigener Anficht fo verhaßten Siegfried! — Rüdficht zu nehmen fü
nicht aufgefordert fühlen konnten, wie denn ja Sambert auch gm fur, darauf
richtig, freilich ſich gegenüber inconfequent, nur von einer Amneftie für bie
Sadjen allein redet: Cum enim crimen rebellionis Saxonibus — dieſen bie
ii i peinei es, qui conjurationis socii fuerant, gegenübergeftellt —
donasset (211); ähnlich heißt e& im Carmen, v. 206: Rex... . commissa
euneta remisit, und zwar nur mit Nüdficht auf bie Sachſen (1228). Ebenfo
iR Sambert'3 Behauptung, eine ber Bedingungen habe gelautet: ut duci Ottoni
.-.«.. ducatum Bajorriae reddat, nicht anzunehmen, weil fie fi} gang ders
einzelt befindet — freilich kommt Lambert ſelbſt fets darauf zurüd —, fo dag
Dieffenbadher, 1. c., 86, wie 3. 2. ſchon vorher E. Meyer, Lambert von 1
felb ala Duelle zur beutichen Geichichte 1069—1077, 33, fi gegen die Glau
würbigfeit erklärt, anders Vogeler, 1. c., 66, ber aber — vergl. n. 21 — babei
laum don richtigen Vorausfegungen ausgeht. Bollends dann aber, wie fchon
Delbrüd, Ueber die Glaubwürbigfeit Lambert's von Heräfeld, 40 u. 41, über-
zeugenb gegen Gieſebrecht II, 295, mit 1186, in den „Anmerkungen“ — wie
denn bei bielem überhaupt hier der engfle Anfchluk an Lambert überall ftatt«
fand — erflärte, von einer Erwähnung der Thüringer Zehnten in den Berhand-
lungen gar feine Rebe fein, ſchon weil biefelben ja nur ben Erabilchof von
DT
Eääfige Begehren ; nochmalige Kampfluſt Heinrichs IV.,b. d. Forderungen. 328
As Heinrich IV. diefe ihm zurückgebrachte Antwort erhielt,
ſchien ihm die Forderung ber Senne: allzu hart zu fein. Ganz
bejonderd mußte bie zugemuthete rechung ber feften Plätze, ferner
die Nötigung, den Feinden Belohnungen ftatt der Strafen zuzu—
theilen, ihm völlig unerträglich vorkommen. Lambert fcheint nun
auch hier, wie daß bei ber Nähe von Hersfeld zu erfahren für ihn
wohl möglich war, in der Hauptfache zutreffende nähere Aufſchlüſſe
für das Verhalten des Königs in den Stunden, wo berjelbe bie
Entſcheidung in_feinen Entfchlüffen zu treffen hatte, zu bringen.
Kohmals erwachte in Heinrich IV., als er die Bedingungen der
Sahjen annehmen follte, der Wille, von welchem befeelt er aus
Rorms aufgebrochen war, gegen die Sachen zu kämpfen, zu dieſem
Behufe am nächiten Tage fein Heer zu muftern und in Schlacht:
ordnung aufzuftellen, die Sriebensbebingungen, die geboten waren,
endgültig von der Hand zu weiſen. Zu dieſem Zwecke fandte er
Boten an die einzelnen Fürften, mit der eifun, daß ein jeder
feine Abtheilung folgenden Tages zur Aufitellung herbeiführe.
Aber dieſe jcheinen zwar in Worten zuerft zugefagt, dann aber
Ba] ihr Verſprechen fogleih rüdgängig gemacht zu haben.
Nie ſchlichte Einficht in die wahre Lage der Dinge Muh für fie
bie Erkenntniß der Unmöglichkeit, mit der ganz ungenügenben
Truppenzahl einen Erfolg zu erringen, einen Kampf mit ben
aamaifeiten Leuten des ſächſiſchen Heeres zu beftehen, bedingt
en 20).
Binz, nicht aber Heinrich IV., thatfächlich berührten (ebenfo weift Ausfeld,
Yanbert von Fr und der Zehntftreit —X Mainz, Hersfeld und Thüs
tugen, 75—78, die Zugehörigkeit dieſer Frage zu den Verhandlungen vom
bruar zurüd). Die Worte Lambert’?, auf welche Giefebrecht ja bezog, folgen
Bi Anlaß der im October in Erfurt abgehaltenen Synode unb lauten: veterem
illım de reddendis deeimis querelam Teplient (se. archiepiscopus Mogun-
tinus), et quasi nihil bello Saxonico, nihil actum sit conditionibus, quibus
superius in Gerstingun pax convenerat, de integro Thuringos omnes
Ie injusta decimarum retentatione reos addicere molitur . . . Indigne
kimis talerunt hoc Thuringi, utpote qui propter recentern beili successum
tumidos adhue spiritus gerebant sibique vanissime persuaserant, quod post
triumphatum regem et tum gustum audaciae eorum, nullus deinceps
esset episcopus, qui eis aliquaın super hac re movere molestiam
t. Primo tamen iemperatis responsionibus ei suggerunt, non alia
®e ratione in Gerstingun recuperandae paci consensisse, quam ut legitima
sus a primis diebus statuta rata sibi in perpefuum atque inconvulsa
manerent (218). Ausjeld ſucht Lambert gegen Delbrüd’s directen Vorwurf zu
hhüpen, daß biefer, Hier nadıträglid griffeemapen verftohlen ben Punkt wegen
der Zefnten habe in bie Bedingungen dom fFebruar hineinjdjieben wollen, wie
Wean ja der Autor von feinen Vorausfegungen hier wieder nach feiner Art in«
eomfequent abgewichen fei, indem ex dazwiichen hinein die thüringiſche Weigerung
nicht aus einem vorangegangenen Bertrage, jondern ans ben Gefühl des Triumphes
entftanden fein Lafle. . 1
2°) Sambert führt nad) dem Gabe: Dura nimis regi visa est exactio —
nachher: illud prae ceteris intolerabi ıdicans, quod castella sus destruere
et hostibus suls praemia pro suppliciis reddere cogebatur — in der Haupt-
ſeche die Dinge wohl richtig aus. Nur fdeint er mit: coepit huc et illuc
21*
324 1074.
Auf der anderen Seite ſoll es jedoch auch im ſächſiſchen Lager
zu einer heftigen Aufregung ber Maſſen gekommen fein. Fürften
und Volt begannen fi) zu jondern; die bewaffnete Menge tobte
gegen die Leiter, daß fie ohme ein fchließliches Ergebniß zu fo
roßen Beunruhigungen in den Feldzug Hinausgeführt worden feien.
le Bejchwerden des Winters waren nun erbuldet, jedenfalls ſehr
roße Opfer und Anftrengungen von den Einzelnen, nad unauf-
Bien Aufftachelung gegen den König, mitten in einer ſchwierigen
eit, übernommen worden. Jetzt — hieß es — follte, wo ſchon
Alles den Sieg verheiße, wo jene günftige Gelegenheit, nad ber
man am Anfang des Krieges fi gejehnt habe, nach Wunſch dar-
geboten fei, von den Fürften in plöglicher Reue um den Frieden
gebeten werden, jo daß fi das ſächſiſche Volt dem Könige,
er es ſchon jo oft getäufcht habe, in weichlicher, ſorglos kindiſcher
Weiſe hingebe. Aber Otto von Nordheim machte nun jenen nad-
haltigen Einfluß geltend, ben ihm der Sachſe Bruno auf die Ge-
müther ber Vollögenoffen zuſchrieb. Augenſcheinlich waren die
fürſtlichen Führer des ſächſiſchen Heeres über den ausbrechenden
Ungeftüm_ der von Leidenschaft erfüllten Schaaren, deren Aufregung
fie zwar ſelbſt genährt hatten, in Schreden gerathen. Dtto mochte
das Gefühl der Gemeinfamkeit der Stellung gegenüber ben im
vaniglichen Lager vertretenen Standesgenoffen höher jhägen, als
die Beziehungen zu dem eigenen Stamme; feine fhon im Anfange
ber Bewegung von einen der geiftlichen Verſchworenen gerügte
zurüdhaltende Gefinnung wirkte wieder nah; er erfannte vielleicht
dag Gefährliche der Tragweite eines kriegeriſchen Zufammenftoßes
des buntgemifchten, in manchen Hinſichten dem Eleineren, aber beſſer
gerüfteten Föniglichen Heere nachftehenden großen ſächſiſchen Haufens.
So gab er für die Annahme des Friedens bei den Sachſen den
Austchlag *).
anzius tergiversari fidemque prineipum suorum appellare (etc.) nicht ge-
nügend beachtet u haben, daß ſich all das in fürzefter Friſt vollzogen haben
mh, und den begleitenden Fürften fcpiebt er in den Worten: detrectantibus
eunctis opus nefarium, ut eis, quorum causam justiesimam aestimarent,
certamen inferrent — gewiß ein nicht richtige, weil den Sachſen rinfeitig
freundliches Motiv unter (208).
21) Zambert malt dieje non minima seditio in ben castra Saxonum aus,
eben den Bruch zwiſchen den insbeſondere auf ber Wormälebener Berfammlung
fo enge verknüpft gewefenen Hohen und nicberen Velticlajjen, Fürflen und freien
Bauern: plebs universa tumultuabatur contra principes, quod se frustra
in tantas bellorum procellas impulissent (208). Wenn dann Yambert eben ba
fortfährt: Duei quoque Ottoni vehementer insistebant, ut, accepto super
se Temmo, dueatum sibi praeberet ineundi certaminis, fo ift da3 eben nur
eine Wendung der vorher (208: vergl. in Ercurs I) auf ‚Heros Rudolf be
zogenen, einen Hauptpla in Bambert’3 Ideenkreis einnehmenden Vorftellung
von beabfichtigter Reubeſehung des Königethrones {m Otto hinüber. Dagegen
iſt es ſehr wahriceinlich, Oits auf den Abſchluß der Verhandlungen jet
einen beftimmten Einfluh ausübte. war barf man bag gewiß nicht mit Bogeler,
1..c., 64, 66, dasin derftehen, daß Heinzid) IV. und Otto fchon einig geroefen
jeien, als jener nad) Hersfeld fam; das ift durch dad ob. ©. 290 n. ii ſowie
Oltoa Bemühung f. d. Frieben b. d. Sachſen; Verbürg. b. kalchn. Fürſten. 325
Freilich weiß Lambert noch von langen und mühevollen Vor—
fellungen zu erzählen, welde Heinrich IV. dur die vertrauten
J Rathgeber hätten gemacht werden müſſen, ehe er ſich zum Eintreten
auf die ſächſiſchen Bedingungen entſchloſſen habe?e); thatſächlich
jedoch müſſen die Dinge raſch zum Abſchluſſe gediehen ſein. Fünf:
ehn Bifhöfe — zu den acht vom 27. und 28. Januar befannten
tamen kamen aljo faft noch ebenfo viele weitere nicht genannte
geiſtliche Fürften hinzu — und überhaupt alle im Lager bes Königs
anweſenden hohen Herren gingen zu den Sachen, um bie Bereit-
wiligleit ihres königlichen Auftraggebers Ru bezeugen. Noch fol
ein gewifjed Mißtrauen gegen Heinrich IV. bei den Sachſen zu
überwinden gemejen fein; dann verbürgten ſich die Vertreter des
Königs für den Frieden und die Fefthaltung des Vertrages dur
denfelben, unter Anerkennung ber Verpflichtung, durch den gemein-
famen Eid, wenn nothwendig, auch gegen den König, falls diefer
den Frieden verlegte, gebunden zu fein®®).
beſonders ©. 310 u. 311 über ben Plan bes Königs Gefagte ganz ausgeſchloffen
(oegl. auch Diefienbadher, 1. c., 86 u. 87). Wohl aber haben Bruno’ Worte,
«. 31: Tune Otto dux et ceteri (bann geht eben: quibus magna fuerant
promissa voran wieber auf ba in c. 30 behauptete Deripredien wegen
de Hergogthums Baiern qurld) persuadent aliis (sc. Saxonibus), quatenus
hac eum (sc. regem) conditione reciperent (ete.) (339 u. 340) ihre ganz be-
Rimmte Berechtigung, daß nämlich 1od fpäter in Sachſen dieſer Friedensſchluß
dom 2. Februar, den Bruno fo tief betlagt: Huius foederis inconsulta com-
itio Saxonibus mazimorum malorum fuit origo (340), auf Otto, de quo
find e. 90) seiebat (sc. rex) omnium consilia pendere, zurlidgefühtt wurde.
*runo war eben der von Lambert geſchilderten Anficht ber plebs univ«
fieilich noch mit weiteren ihm eigenen freien Ausführungen (vergl. Excurs II,
n. 11), und er fonnte ſich eine Tlde Wenbung mur durch fhlechte Mittel, Ver
Rehung und Berrath, entftanden denten. Vergl. ob. im Zerte die in ber Lage
der Dinge jelbft gebotene Erklärung des Aorgebeng Otto's, ebenfo ©. 234 u. 235
über feine ſchon 1073 anfangs beiwielene Zurüdhaltung.
#2) Lambert'3 Anrede an Heinrich IV. — berjenigen, quorum consilio fa-
miliarius uti consueverat (sc. rex)—, bie jo weit fi berfeigt, daß dieſe vor
ſich jelbft ala vor Berräthern ‚gemammt Haben follen — denn im Sape: sed cunctis
hostibus plus tibi formidandi sunt hi qui lateri tuo familiariter observan-
tar, qui interim tibi simulata fide blanda loquuntur verfteht er doch nur bie
il fo verhaßten eonsilieri — unb Daß ihnen aud) zugeeieben wird, gelonf
zu haben, was freilich den furz zuvor von Lambert ausgeiprochenen, inn. 1'
erwähnten Gebanfen nur wiederholt: Unde satius fuerat, Wormaciam non
excedere, quam in extremum discrimen progressum, fidei principum tam
iniquo tempore experimentum quaerere, ıft nichta als eöctoriehe Eitnnung.
der fi bann nochmals eine Schilderung bed Verhaltens bes Königs — non
tam ratione viefus quam necessitate, cum omnia prius incassum per-
temptasset diverticula —, bis er fi) zum Eintreten auf die ſachfiſchen Be
di entihließt, anfügt (209).
’ Weiter hat hier Lambert für die Verhandlungen bei den Sachſen nach
Weinet Art von multae ibi dietae sententiae, multa conquisita aı enta,
einer in Jongum protracta deliberatio zu fprechen, an deren 9 bie ber
anftragten Fürften, für den Fall eines Bruches des Vertrages von Heinrich's IV.
Seite, zugelagt haben follen: ut ... omnes eodem quo nunc sacramento
obstrieti arına ‚ent, injuriae obviam irent, et tamquam evidentis
Pejarii reum, eunctie regni prineipibus suffragium ferentibus, de regno
326 1074.
Dann aber — es war ber 2. Februar, der Tag des Feſtes
von Mariä Reinigung?) — madten fi, indem die Vermittler
bes Friedens, Biſchöfe und andere Fürften, vorauszogen, die Sachſen
auf den Weg zum Könige, alle, wie fie waren, in dicht gebrängter
Schaar, um defien Antlig zu ſehen. Heinrich IV. war von ber
Zulda ber gefommen; die Sachſen rückten an ber Werra abwärts,
und fo geſchah die Vereinigung mit ben Königlichen, welche nur
in Eleiner Zahl mit ihrem Herrn eingetroffen zu jein jcheinen, zu
Gerftungen, jenem Orte auf der heſſiſchen Seite des Grenzflufies,
wo ſchon im vorhergehenden Herbft verhandelt worden war.
Man wußte in Hersfeld, daß der König die Sachſen bei der An—
kunft ehrenvol empfangen, denjelben — indeſſen doch wohl nur
den Fürften — ben Kuß des Friedens gewährt, durch die Poll:
macht des eigenen Worted die Friedensbebingungen, welde er durch
bie Unterhändler hatte bezeichnen laſſen, befräftigt habe *°).
proturbarent (209). Bruno, c. 31, wenbet bie Sache nicht ohne Gehäffigfeit
gegen ben König, von Anfang an: rex... . promisit, se facturum omnia
quae vellent ipsi praeseribere (sc. Saxones), dummodo paternam dignitatem,
quam pueritiae suge malnrumque consiliariorum culpa se fatebatur amisisse,
nollent sibi denegare, Herma: Cumque rex omnia haec (sc. bie vors
enannten Bebingungen) et his majora se facturum fidelissime promitteret . .
9, 340), Etwas eingefenber find noch Annal. August., die eben ihren
eigenen Biſchof hervorheben und königliche Gefinnung zeigen: Favente Deo,
per Embrieonem Augustensem pontificem ...... cum rege idem Saxones
et multi conjurationls eiusdem auctores vix pacifieantur, nur ganz fu
Di Rgemannten Annal. Ottenbur.: sed Dei tuitu pax facta est (BS. fr
328*
4) Den Tag nennen Lambert (209) und daneben die Annal August
. e ebenfo no n. 10 die Compil. Sanblas., jowie die Annal. Pather-
ınnens,, I. c., 95.
») Daß Gerftungen der Platz war, wo bie Sachſen zum Könige gelangten
und die eigentliche Beftätigung des Een in feierlicher Handlung Ratıfand,
jagt Lambert zwar erſt an |päteren Stellen, zuerft kurz hernach: cetera omnia,
quae in Gerstungun pollicitus fuerat (sc. rex) und weiter in bem in n. 19
Auizten Sufammerhangs, hrenach a. 1075: Racem quae anno priore in Ger-
stingun convenerat, fowie: post illas conditiones pacis, quas priore anno
in Gerstingun rex, prineipibus suffragium ferentibus, quaım sancte firmasset
(210, 218, 223, 2291, doch überall ganz übereinftimmend. Er fehildert, 209, die
Berlöhmung in furgen einfachen Worten: Quos (sc. omnes ut erant conglobato
agmine Yidendem faciem regü procedentes) ille (sc. rex) venientes
honorifice suscepit, osculum wit, et pacis conditiones . . . vivae vocıs
auctoritate roboravit. Jedenſalls eniſtelli Brumo, c. 31, die Thatſache des
ufammentreffend, wenn er jagt: rex ..... . cum paucis ad Saxones transivit
10), da ja vielmehr die Sachſen am Könige fich begaben. Freilich haben die
'ompil. Sanblas. und vollends das Carmen in einem dem Könige günftigen Sinme
die Dinge noch viel mehr verſchoben. Jene behauptet: gi (se. Saxones) vim
belli metuentes ad deditionem to venerunt (SS. V, 276), biefe, v. 180
—182, bak ein wahrer Act der Unterwerfung durch die Sachſen ausgeführt
worden jei: Armis exuti, demissi colla superba nudatique pedes pariter
cum supplice voto regis castra petunt, cui se sua cunctaque — (ebenfo
nachger v. 203 ff.: rex..facta Saxonum deditione, supplicibus mitis. . sub-
stratis hostibus . . .); wie dieſe Verſe faft genau ber fpäter, Lib. II, v. 234
—286, zu 1075 (vergl. dort n. 110), gegebenen Sejilderung entfpzechen, fo foll
Gerflanger Sriedev. 2. Febr.; Heinz. IV. Aufbruchn. Goslar ; Geburt Konrad's. 327
Alles ſchien jet nach Wunſch geordnet zu fein, fo daß der
König nunmehr fein Heer, das ihm vom Rheine her gefolgt war
— 8 joll zieht fechstaufend Mann ſtark geweſen fein — entließ.
Dabei wies er denjenigen, welche feiner Sache größeren Eifer zu»
gewandt hatten, nad jeiner königlichen Freigebigkeit reichliche
Gaben zu; dann brach er mit den Sachſen zugleich, von ihnen be—
gleitet, nad Goslar auf?*). Dabei ließ er unter Abt Hartwig's
Schutze feine Gemahlin Bertha zurüc, welche nur ganz kurz nachher,
am 12. Februar, in Hersfeld eines Knäbleins genad. Doch ſchien
daffelbe wegen feiner großen Schwäche nicht lange leben zu können,
io daß die Taufe beſchleunigt werden mußte, die dann am dritten
Tage fattfand, freilich ohne Anweſenheit anjehnlicherer Gäfte, jo
daß der Abt und Mönche des Kloſters als Zaufzeugen eintraten,
als Ezzo, der Biſchof des wagrifhen Sprengel von Aldenburg,
die heilige Handlung vollzog; jeit der Vernichtung der chriftlichen
Einrihtungen im ſlaviſchen Theile des Setehrungäbereiches er
Hamburger Kirche flüchtig geworden, hielt ſich derjelbe eben zufällig
als Schügling bei Abt Hartwig auf. Der 1071 geborene un!
alsbald wieder verftorbene erſte Sohn des Königs hatte höchſt
wahrſcheinlich den Namen Heinrich, nach dem Großvater und Vater,
empfangen; dieſer zweite Sohn, ber gegen Aller anfängliche Er-
wartung das Leben behielt, wurde nad) dem Urgroßvater, Kaiſer
Konrad II., Konrad getauft?”).
überhaupt biefe ganze Darftellung das Ereignik des folgenden Jahres voraus»
fiegeln, wie von v. 188 am ber ganze nacjlolgenbe Snhalt zeigt, mit, feiner
Hervorhebung des tantus.. . . triumphus, tempore de Karoli qualis non
eontigit ulli, fo baß eben bie Königlichen ſchlechthin als vietores, die Sachſen
als devieti ericheinen, bis zu v. 202 hin (1227 u. 1228).
»%) Das zunächft nad) dem 2. Februar Geichehene führt Lambert wohl
abermals richtig aus (209), jo daß der Zert fidh ihm hier anſchlietzt; doch er»
wähnt Lambert bie Entlaffung des Heeres nur in den Worten: dimissis sin-
gulis in locum suum. Bruno fagt, c. 31: rex . . exereitu suo dimisso .. .
cum laudibus et gaudio triumphali dedactus, Goslariam usque pervenit,
und c. 33: cum rex ezercitu Saxonum comitante Goslariaın venisset .. .
(340), ebenfo die Compil. Sanblas. (in einem wohl wiederum mit Waih, For⸗
khungen zur deutſchen Gefchichte, XXIL, 499, ala Einfchiebjel zu Harakterifizen:
den Ep: rex ..... cum eis ad usque Goslariam pervenit (l. c.. Das
Carmen, da8 aud) — vergl. m. 11 — bie Gröhe bes öniglichen Heeres nennt,
führte die Zinge wieder weiter aus, v. 207 fi.: Ibat per patriam rex in-
vietissimus illam ..... Hinc _propriam sedem tendens Goslariensem,
dazwilcen und hernach bann Hervorhebungen der Herflellung von Recht und
Geretigleit durch ben König (incorrecta regens, leges et jura reponens,
restituens cunetis sua dudum despoliatis, und: Saxonum genti dat patria
jura, petenti, etc.). Dogeler wollte, 1. c., 66, bieje hier ala „Gnadenacte des
198“ bargeftellten Dinge, ebenjo die Deffnung der Burgen (vergl. n. 29), bie
B lung eine® Friedens. (vergl. n. 34), ald Gerftunger riedenabedingungen
nachträglich noch heveinziehen; das if gewiß nicht zutreffend, ba ja da8 Carmen
Ben eatngungen ber von ihm behaupteten einfachen Unterwerfung nichts
) Lambert if ala Mönd) von Heräfeld, da abbas et alii pen jue fratres
reldensis coenobii hiebei weimtlich hervortreten, Bier claffildyer Zeuge;
auf, die Zeitangabe — pridie Idus Februarii feria 4. — fimmt genau (206
328 2 1074.
Zwiſchen Heinrich IV. und den Sachſen hatte fi) in der
Zeit, die feit der Flucht von der Harzburg, wohl jo ziemlich über
ein halbes Jahr Hin, verfloflen war, eine Fülle unerwarteter
Wendungen vollgogen. Was die grimmigften Gegner dieſes Königs
fräntifhen Geblütes wohl gen ale ausgeſchloſſen erachtet hatten,
war wieber eingetreten. die ckkehr Heinciars IV. nad dem
Königsfige am Harz geichehen, und zwar, wie ein ſächſiſcher Bericht
heroorhob, unter Siegesjubel und lauter Zuftimmung der demſelben
folgenden Sachſen. Zwar hatte auch der König feinen eigentlichen
Plan aufgeben müflen, den trogigen Stamm mit Waffengewalt
zu züchtigen, welcher e3 gewagt hatte, gegen ihn die Waffen zu
erheben, ihm den Boben de3 Landes zu verſchließen, feine Burgen
jum Falle zu bringen; aber im Einzelnen verglichen, waren bod
ie Sachſen mehr, als er jelbft, von ihren Abjichten zurückgewichen,
und als Heinrich IV. die Pfalz in Goslar wieder betrat, konnte er
doch mob! weit eher als Sieger fi anjehen, als die Angehörigen
des Volkes, welche noch foeben in aller Winterfälte ſich hatten auf-
bieten laffen, um ihm den Eintritt nach Thüringen zu wehren.
Freilih ließ eine Berichterftattung über diefe Dinge, deren Mit:
theilungen allerdings hier überall als fehr vielfach zufammengefekt
fi erweifen, einfließen, fhon von Anfang an fei die Verföhnung
von Gerftungen nur eine fcheinbare geweſen, und der König habe
mitten in ber Degrüßung durch die Sachſen zu denſelben nit viel
Butrauen gehabt ?®).
Heinrih IV. hatte bauptfählih, um den Befagungen feiner
Burgen Hülfe zu bringen, ben Feldzug nad der Werra ein unter:
‚nommen. Zwar war ja jegt mit dem 2. Februar ausgemacht worden,
daß die Burgen nicht mehr länger beftehen follten, und fo mußte
der König nad) dieſer Seite hin feine Vorbereitungen treffen. Da-
gegen veritand es fi von felbft, daß er zugleich Alles that, um
ie treuen DVertheidiger, die in voller Hingebung ihre Kraft für
ihn eingefegt hatten, vor Unbill zu fihern.
An die Belagerer der verfchiedenen Burgen ſowohl, als an
die in denſelben liegenden Befagungen wurden Boten des Königs
abgeſchickt, am jene, damit die vor ben feften Plägen liegenden
u. 207), Auch der Libellus de instit. Hersveld. ecel. Lambert's, Lib. UI,
aedentt bes Greignifies: Imperatrix parvalum peperit regem in Hervedis
(SS. V, 141). ®Die Annal. Patherbrunnens,, 95, haben — Filius regis Cuon-
radus 16. Kal. Mart. Herveldiae natus est et baptizatus — Geburtd: und
Zauftag ibentificirt, die Compil. Sanblas. blof gang kurz, au) unpafiend erft
gem be des Jahresberichtes, angemerkt: lius nascitur (l. c., 277).
ergl, über ben feüßer geborenen Königefohn ob. ©. 85 n. 82, über Ego, qui
tunc forte apud abbatem hospitabatur, ®b. I, ©. 412.
®*) Gegenüber ber eigenthümlichen Hervorhebung Bruno’s (vergl. n. 2%)
fteht in ber Compil. Sanblas.: reconeiliatus est rex Saxonibus simulatorie,
wozu das Einſchiebſel (nad der Stelle in n. 26) fortfährt: non multum tamen
eonfidens in illis (I. e., 276).
mn
Scheinbare Ausjöhnung m. d. Sachſen. Schwanten d. Königs wegen d. Burgen. 329
Zruppenabtheilungen weggeführt würden, an biefe, um bie Fort-
fegung weiterer Feindſeligkeiten gegen die Landesangehörigen im
Umtreife der Feltungsanlagen zu verhüten. Außerdem rief ber
König die Vertheidiger der Pläge, um fie für ihre Haltung zu be-
loben, zu fi an den Hof, ganz voran diejenigen der Harzburg,
und theilte ihnen anfehnliche Geſchenke, nad dem Verdienſte, das
fie ih erworben hatten, auß?®). Freilich war es nun aud) felbft-
veritändlih, daß von der tapferen jungen Mannſchaft der Harz
burg, der er ganz voran wegen ihrer Männlichkeit Bewunderung
entgegenbrachte, heftige Mißbilligung des abgeſchloſſenen Friedens
laut wurde; fie verſprach Heinrich IV., daß von ihr, wenn er nur
in ber kriegeriſchen Haltung ausgeharrt hätte, noch viele große
Taten würden ausgeführt worden fein. Zur Bekräftigung des
Geſagten follen a Krieger den König auf die eine anſehnliche
Strede Weges fih entlang ziehenden Crinnerungszeihen hinge-
wiefen haben, welche beitimmt waren, das Andenken ver im Kampfe
gegen fie gefallenen Goslarer Bürger zu bewahren ?°).
Jedenfalls war durch ſolche Stimmen, wie fie in Goslar für
das Ohr des Königs laut wurden, deſſen Luft wieder gewedt,
Nittel zu finden, um fi von der Erfüllung der hauptſächlichſten
in Gerftungen übernommenen Bedingung, der Zerftörung ber feſten
Pläge und vor Allem der Sargburg, loszumaden. Das Bedauern
mußte in ihm erwachen, daß diefe großartige Anlage den Feinden
jur Vernichtung preisgegeben werden follte; er mochte nach Vor:
mwänden zu tajten ſich aufgeforbert fühlen, um wmenigftens die
Turäführung der Vernichtung zu verzögern und Ai vielleicht einen
Weg der Nettung überhaupt aufzufinden. Aber anderentheils
mußte er fi} fagen, daß e3 nicht gerathen ſei, das ſächſiſche Volk
zur Erfenntniß folder Abficht gelangen zu lafjen und jo daffelbe
vieleicht zur abermaligen bewaffneten Erhebung aufzureizen; denn
a befand ſich ohne eigenen Waffenihug, nad; Entlafjung feines
Seeres, hier mitten in dem nur zu leicht zur Feindfeligfeit erreg-
29) Während Lambert nur die im Zerte angeführten Verfügungen bes
Königs fennt, welche ber Wahridjeinlichteit ganz entıpredien, hat dad Carmen,
welches nad; den in m. 25 angeführten Broken von der Verpflichtung bes
Rönigs, bie Burgen zu befeitigen, gar nicht redete, v. 214 ff., befonbers bie
ben jafien der Burgen gefpendeten Belohnungen ſehr ftark hervorgehoben:
Bie jae militiam donat bene munere dignam ... . Primitus insignes
donavit et Areipolenses muneribus meritis, auri dat pondera puri, in-
gentesque viros extollit honoribus amplis (nomals ganz ähnlich ın v. 228
u 224), dazwiſchen Aneifungen, bie vom Könige an bie Belagungen gegeben
worden feien, in v. 215 u. 216: Ad se custodes castrorum convocat omnes,
eastrague reclusis jubet esse patentia portis (1228). Daß bie an bie eibaria
feundene Weiſung Heinrid’s IV., von ber Cambert redet: ubi primum ci-
ia. . . consumpsissent (sc. hi qui in castellis erant), ipsa castella pro-
vincialibus traderent funditus diruenda, nicht richtig fein kann, vergl. ob.
€. 298 n. 196 umb in Ggeurd I. Fu
°) Das erzählt wieder Bambert (209 u. 210). Wegen ber tituli vergl.
Kon €. 300 n. 197.
330 1074.
baren Sande, und die erbitterten Gegner vermochten ihm jeden
Ausweg zur Flucht zu verfperren. Bei der Bejchaffenheit ber
Nachrichten, die ſich im einzelnen Zügen widerſprechen und au
fonft mehrfach von der Wahrjcheinlichkeit abweichen, ift es ſchwer
zu jagen, wie die Dinge im Einzelnen bier in Goglar verliefen.
Es ſcheint, daß die Sachſen eine Zeit lang geduldig dem Aufſchube
der erwarteten Maßregeln Hinfichtlid der Burgen zufahen, da fie
ja den König ficher in ihrer Gewalt zu haben meinten. Aber
wieber trat wohl das ſchon im Lager an der Werra fichtbar ge
morbene Mißtrauen gegen bie eigenen Fürften zu Tage, als gerüdt-
weije vernommen wurde, es feien Unterhanblungen im Gange, daß
Heinrich IV. die Harzburg an einen der — Furſten ſelbſt
abtreten wolle, um dann auf dieſe Weiſe den Bau unverjehrt auf⸗
recht zu erhalten. Ein zweiter Plan, den der König gehegt haben
fol, der wieder darauf abzielte, einen Aufihub zu erlangen, den
Entſcheid von dem Urtheile ber Fürften des Reiches im Allgemeinen
abhängig zu machen, nämlich die Berufüng einer Reihsverfammlung
nad) Goslar, auf den 10. März, fol mißhıngen fein, da die nicht
ſächſiſchen Fürften ſich nicht einfiefften, So ſchwankte Heinrid IV.
in peinlichfter Verlegenheit zwijchen verfchiedenen Entjchlüffen hin
und ber, als der Ausbruch der ungebuldigen Leidenſchaft des
Volkes, das fi nicht länger wollte hinziehen laffen, für ihn zum
wange wurde. Eben an jenem 10. März lagerte ſich eine grö
ahl ſächfiſcher und thüringifcher Volksgenöſſen nicht weit von
Goslar und richtete jegt duch eine Aborbnung an den König die
Forderung der. Erfühung der Friedensbedingungen. Nur jehr
— entſchloß ſich der König; ein Vorftoß ber gerüſteten Bitt-
leller bis in den Vorhof der Pfalz foll eingetreten, und bie
dringendften, warnendften Beſchwörungen, aud ber treueften An-
hänger — eines Erzbiſchofs Liemar, Biichofs Eberhard von Naum⸗
urg, Biſchofs Benno von Dsnabrüd —, follen nothwendig ge:
worden fein; endlich übermand fich Heinrich IV., um ber Noth-
menigkeit nachzugeben. Dagegen wird behauptet, daß er num noch
eine Bedingung, die ihm nur förderlich erſcheinen konnte, hinzu er-
langt habe, daß nämlich, gleich den Föniglichen Burgen, aud die
übrigen feit feiner Thronbefteigung in Sachſen und Thüringen
entftandenen feften Pläge dem Erdboden gleich gemacht würden®?).
Sobald nun bie beftimmte Zufiherung vom Könige gegeben
war, ließ die Zudringlichkeit der Sachſen ihm feine Verzögerun:
der nothwendigen Mahregeln mehr zu. Soglei mußte er überal
hin Boten entſenden, jo daß Volkenroda und Spatenberg und bie
übrigen Burgen, über welche öffentlich die Frage aufgeworfen worden
war, nad) feinem Gebote in Brand geftedt und gänzlich zerftört
1) Die fi zum Theil ganz widerſprechenden Angaben Lambert’s und
Bruno's, c. 33, über dieſe Vorgänge in Ken find Pr Gas. gegen eins
ander abgewogen.
Abbruch d. Burgen n. d. Vertrage; Heinrichs IV. Weggang 3. Rhein. 331
murden. Dagegen wurden bei der Harzburg einig die Mauern
niebergeworfen, fo weit bis es genügte, um bie Eigenjchaft des
teten Plages aufzuheben und der Ortlichkeit die bisher ihr an-
haftende Schwierigkeit der Betretung zu entziehen. Die übrigen
Gebäulichteiten blieben unverfehrt in ihrem Beſtande, alſo in
befondere die Kirche mit dem für die Errichtung des Chorherren-
ſtiftes beftimmten Raume??). Nahdem fo, wie es den Anjchein
hatte, die Sachſen zur Ruhe gebracht waren, verließ der König
Goslar — er hatte da dem Biſchof Hermann von Bamberg eine
Gunftbegeugung gegeben??) — und ging auf den Weg nad) Worms
id, "ad jenem auent altsorte, der beftimmt bien. für ihn
ie früher mit fo großer Vorliebe gewählte, vom Vater her ihm
genobnt gewordene Pfalz am Harz zu erſetzen?“). Denn dazu
fam, baß eben jetzt ein Ereigniß eintraf, welches vollends geeignet
war, in dem Gemüthe des Königs einen eigentlichen Abjchen gegen
bie ſächſiſche Stätte zu erweden.
Noch gar nicht lange hatte der Hof Goslar verlafien — nad
Lambert, der allerdings diefe Zeitfrift gerne überall einflicht, follen
nur drei Tage dazwischen verftrichen fein —, als von dem ſächſiſchen
3) Daß von dem Sahe: Nec perficiendis quae promiserat (sc. rex)
improbitas Saxonum ullas indulsit inducias (210) an bei Lambert folgende
macht wieder den Gindrud ganzer ger keit. Bon der Zerflörung der
Burgen xeben nı allgemein im fferneren folgende Quellen. Sie Annal.
Weissernburg. haben a. 1074: Eodem anno dissipata sunt castella,
[use rex fecit in offendiculum Saxoniae (SS. III, 72); die Compil. Sanblas.
Br zu ber in n. 19 aufgenommenen Stelle (ram der Brechung ber Burgen)
bei: quod dein peractum est (in Bernoldi Chron.: quae, sc. munitiones,
et Posten sunt destructae, 88. V, 430); Annal. Patherbrunnens. fagen ſchon
a 1073: Ipeum castrum (sc. Hartesburg) posten destructum est cum aliis
eastris regis in Saxonia, solo aequatis a Saxonibus (I. c., 95).
®s) St. 2773 if, mit ben Monum. Boica, XXXI, 1, 355 n. b, jedenfalls
zu 1074 hierher zu ziehen. Don Abdalbero C verfaßt, giant ſich das Stüd
durch bie Hervorhebung ber Heiligleit bes Gelübbes in der Arenga (beginnend
wit den Worten: Scriptum est: vovete et reddite!) aus, ebenjo durch die
Miete Wiederkehr ber Worte visibilis unb invisibilis, ſechs Male in brei auf
einander folgenden Sägen; ber Erwähnung der Treue ift ſchon ob. ©. 288 in
2 It; auch bie Aufführung ber Patrone der Bamberger Kirche ift
2. 180 die A Bambı Ki i
eigenthümmlich: ggorum (se. sanctorum) . . . . nominibus et reliquiis ex Deo
per Deum in attitulatur (sc. ecelesia) (vergl. Bunblad, 1. c., 30, 32,
4, 3). Die Erfüllung des töniglicen Gelübbes misericordie Domini Dei
nostri quam in omnibus temptationibus nostris in nobis mirificavit non
immemores ea que in corde vota habuimus tempore adversitatis . . . in
effectum ducere disponimus — beftand in ber Zuweifung ber villa Vo... .,
im pago Germaremarca in comitatu Ruoggeri.
=) Sambert läßt annehmen, baß Heinrich IV. gleich nad} der Erteilung
ber bei n. 32 erwähnten Beſehle Goslar verließ: Ita pacatis Saxonıbus, rex
Goslaria decedens, Wormaciam abiit (210); da® Carmen fchließt Lib. II in
v. 225 u. 226 ab: Sic ibi dispositis rebus (vergl. n. 29), pacemque fideli
mente gerens factisque probans, se transtulit inde (sc. rex) (1228). Be-
äguend ift, daß Annal. Weissemburg. gleich nad} ber in n. 32 gebrachten
telle fortfahren: Ipse est rex Heinricus, qui exeluso episcopo,(sc. Adalberto)
sibi fecit Wormaeise.
332 1074.
Volke eine That durchgeführt wurde, welche auch im eigenen Lande
bei den Nichtbetheiligten großes Aufjehen und vielfach lauten Tadel
bervorrief. Die Ummohner der Harzburg, dann durch diefe auf
gercist aud) weitere Abtheilungen Haliee Leute aus dem gemeinen
olfe konnten den Gedanken nicht ertragen, daß auf der Harzbur—
nit Alles dem Boden gleich gemacht worden fei, daß noch Theile
derfelben erhalten blieben. Allerdings lag ja bei diefen Nachbarn,
denen mande ſchwere Gewaltthat durch die Beſatzung des feiten
Plage in den vielen vernichtenden Kämpfen zugefügt worden
war, der Gedanke nahe genug, daß der König weitere Abfichten
aud) jet noch an die Harzburg anfnüpfe, jo daß dann auch der
Lohn aller großen Anftrengungen für die Sachſen verloren je.
Dem Könige — hieß es — fei die Rüdfiht auf den Gottesbienft,
die Schonung des innerhalb der Burg ftehenden Gotteshaufes nichts
als ein Vorwand, den er als Deckmantel jeiner Graufamkeit ergriffen
babe, um dann bei gegebener Gelegenheit, wenn ſich der Zorn der
Sachſen gelegt habe, die gewünſchte Rache an denſelben nehmen zu
tönnen, jo daß bei ber baldigen Erneuerung des Kampfes bie
königlichen Kriegsleute an diefen Orte abermals ihren Bergungsplatz
finden und aus benfelben zur Verwüſtung des Landes eher aus⸗
geſchickt werden könnten®®). So drangen dieſe durch das Gerede
und bie gegenfeitigen Aufftadelungen erhigten Maſſen in einem
großen Haufen in die Harzburg ein und machten fid) zuerft daran,
was noch von Mauern übrig war, von Grund aus, Stein für
Stein, nieberzuwerfen und zu zerftreuen. Dann kam die Reihe an
die übrigen Gebäude, an die Kirche, in welche die Brandfadel ges
ſchleudert wurde, unter Plünberung des Kirchenſchatzes, Brechung
der Altäre, Zertrümmerung der Glocken; auch an die Geiſtlichen,
welche flüchtig zerſtreut wurden, ſoll in roher Weiſe die verletzende
Hand gelegt worden ſein. Aber das Entſetzlichſte war, daß dann
die Wuth der Zerſtörung ſogar vor der Ruhe der Gräber nicht zus
rückſcheute. Wenn vieleicht Heinrich IV. geglaubt hatte, dadurch
daß er auf der Harzburg Glieder des königlichen Hauſes, feinen
längft noch bei Lebzeiten des Vaters verftorbenen jüngeren Bruder,
feinen eigenen erftgebornen Sohn, gewiffermaßen der Obhut ber
Sachſen in ihren Begräbnißftätten anvertraute, dieſe Kirche denſelben
ehrwürbiger und ſchonenswerther zu machen, jo erwies fih nun,
wie wenig er den wilden Haß dieſes Volkes kannte. Die Bauern
erbrachen aud) diefe Gräber, riffen die Gebeine heraus und warfen
fie höhniſch, wie gemeinen Unrath, hinweg. Exit als Alles ganz
dem Boden gleich gemacht war, verließen die wilden Rächer bie
ar) Diele Sewägungen des vulgus Saxoniae, id_potissimum quod con-
tiguas castello Hartesburg villulas incolebat, in Erinnerung daran, quod
eireumjacentis regionis opulentiseimas quondam villas nunc in horrorem
vastamque solitudinem redegisset, sc. die Harzburg al® omnium cladium
quas acceperant caput principiumque — fdjildert Sambert (210 u. 211) wohl
in autxeffender Weife.
Gänzliche feevelhafte Zerflörung b. Haraburg durch fächfifches gemeines Bolt. 333
Etätte ihrer Greuelthaten. Aber die ganze Verwüftung war ohne
Willen und Wiffen der ſächſiſchen Fürften gefhehen, und indem die
Bauern die föniglihen Bauten, welche durch die Einwilligung eben
der Fürſten verſchont geblieben waren, zerſchlugen, bemwiejen fie
neuerdings, daß fie andere Wege, als ihre bisherigen Führer, ein-
zuſchlagen fein Bedenken trugen. Nach einer vereinzelten Nachricht
fol_der Abt eines benachbarten Klofters die nach Erbrechung der
Altäre herausgemühlten Ueberreſte der Heiligen, ebenfo die Knochen
der beigejegten Körper dem wüthenden Volke rechtzeitig entriffen und
bei fih ehrenvoll geborgen haben ; aber angenommen, die Meldung
fei zutreffend, fo war doch damit bie gottlofe Schändung des
beiligen Ortes nicht ungefchehen gemacht ®°).
*%) Sambert erzäflt (211) gedrängt die tereio die postquam rex abs-
cesserat, und zwar: insciis inconaultisque prineipibus, geldjehene That (vergl.
auch a. 1075, wo auf diefe fura wiederum aufgezählten Greignifie zurücgegriffen
und der König durch bie ſachſiſchen Fürften beichworen wird, dak er nicht
glauben möge, es fei instinetu eorum yel consilio geichehen, quae ineptum vulgus
maligno spiritu suscitatum, ausu nefario infregisset, diripuisset, temerasset —
2%. Dab buch den abbas ex vieino coenobio — Herrand'von Ylfenburg,
wie angenommen wurde (vergl. Allgemeine deutjche Biographie, XII, 208) — re-
iae sanctorun quae effractis altaribus erutae fuerant, et eflossa de-
funeturum corpora gelammelt und nad) dem Slofler übergeführt worden feien,
beqweifelt Floto, Kaifer Heinrich IV. und fein Zeitalter, I, 408, nicht ohne
Grund, da fonft die ſächſiſchen gFürften das in ihrem Manifefte, bei Bruno,
e. 42, zur Grleihterung der Sache anzuiühren wohl nicht verfäumt haben
würden, wenn nicht etwa dieſer Act der Pietät auf die Ablendung des Mani:
fehes erft folgte, was aber Kambert's Wendung: abbas . . furenti vulgo eripu
aufhlieht. Das Carmen eröffnet Luib. III. mit bieler $revelthat — dem imm:
füror — der gens exitio dudum devota futuro, verübt an der praei
Yacna, placida jam pace quieta Areipolis, durd milir gentis; von v. 9 an
find die Unthaten im Einzelnen aufs anſchaulichſte ausgemalt: moenis
lient, aeraria regia frangunt — wobei alles Mögliche von Raub auf
ihlt wird, darunter insignia regni plurima, bie ganz unmöglid) vom Könige
mberunbeiehüßten Harzburgaurüdgelaffen worden fein fönnen —, ineenduntmoenia
Aammis, worauf der Angı J auf bie Kirche folgt, mit ahnlichen Ausichreitungen
gegm die mensae sacrae, tabulae capsaeque, wie gegen die sacerdotes sus
mania jam celebrantes, endlid) bie * {egung der defunctoram sepulchra,
rejectis oseibus, bis auch hier der Brand — ad eulmina templi — geicjleubert
wird: aequatur solo regalis machina tota; vollend3 von v. {7 an ſchlicht fich
dann noch die Erwähnung der — thatfächlich ja bereitd_zerflörten — alia
astra, custode carentia, igni incensa an, mit weiteren Vernichtungäthaten :
plures ornatibus expoliatas ecclesias etiam corrumpunt ignibus atris; multas
Tegales devastant undique curtes (etc.: v. 28 u. 29 £lingen nahezu an Lib. I,
v. fl, an) (1228 u. 1229). Bei Bruno wirb, unter Antnüpfung an ben
noch in Erturs I aufgenommenen Satz ber Erzählung von c. 38, von dem an
Die antiqui familiares des König? gegebenen geheimen Mefehl, fortgefahren, fo
ba die Sache eine möglicht unichuldige Geftalt gewinnt. Di auftragten
— sa0 labori parcentes — wollen die Laft der Arbeit auf rustiei ab«
wälgen, doc mit dem Wefehl: summos tantum muros demol
bören diefe Bauern, nachdem fie einmal den ihnen fo verhaßten Pl
Gewalt jahen, nicht auf: a diruendo non quiescentes, donec lapidem super
pidem non remanere videbant, jo daß die regalia aedifieia, das mona-
sterium (vergl. &. 231 n. 76) das gleiche Schiejal theilen, ohne daß die legati
regis, mit dem Tode für den Fall des Widerſpruchs bebroht, etwas zu jagen
334 1074.
Heinrih IV. war von Goslar her bis zum 22. März auf
heſſiſchen Boden nad) Friglar gelangt — daſelbſt erhielt Markgraf
Ernft auf feine Bitte innerhalb feiner eigenen Mark Defterreih
wagen; babei räumt Bruno völlig ein, daß babei noch Wehreces verübt wurbe:
totum’ thesaurum ibi congestum, sive regis esaet sive ecelesiae, diripiunt,
ferner Zerſchlagung der Gloden. befonders aber Schänbung der beiden Gräber
und ber herausgerifienen Gebeine, velut quaelibet immunditiae (340: fcht
ähnlich, bdoch etwas anſchaulicher und, 5. 3. um tie sanetorum reliquiae,
weiter augejührt, läbt Bruno in c. 35 den König dieſe Dinge fchildern, Hl).
Diefe, beſchdnigende Wendung, ber Angelegenheit haben auch die Yagfichen Fürften
in ihrem an Erzbiſchof Ciegfried abgeihidten Schreiben gebraucht, melde
Bruno in c. 42 in fein Buch einrüdte: De monasterio suo destructo vel de
sepuleris filii vel fratris sui violatis et ossibus eorum disjectis cum qualiter
factum sit audieritis, quia nos sumus innocentes agnoseetis. Ipsius castelli
ubi haec acta sunt destructionem nulli nostrum credere voluit; sed, hanc
operam ruis famulis et familiaribus injunzit, qui negligentes et pigri, quo
eitius quod erant jussi peragerent, omnes rusticos qui in illa vicinia erant
convenire fecerunt, et eis demoliendi castelli potestatem dederunt. Rustici
vero, sicut rustiei imperiti et ab eodem castello multa mala perpessi, cum
nullus adesset qui castigaret, nichil in ipso voluere relinqui. quo iterum
debet renovari ‚344). Allein der Hier vorliegende Verfuch, das Erciguiß möge
Hichft old von felbft gefommen, durch die Schuld der töniglichen Beaufzagten
Berbeigefüet barzuftellen, Reht mit der Thatfacdhe, die Bruno eben ganz in das
jegentheil wendet, in fchreiendem Widerſpruche, daß der König — mach ben
Stellen in n. 34 — fon aus Sachfen teggegangen war, ala die Bauern bie
Harzburg dem Boden gleich machten: Bruno dagegen läßt, in c. 34, dad Er⸗
eignik von c. 33 vorausſendend, ben König erſt nach demjelben aus dem
ſachſiſchen Lande mweggehen: Sed rex cum castellum suum sie agnovisset
adnichilatum . . Martio mense nondum peracto (vergl. hier ©. 334, daß das.
wieder nicht richtig ift) Saxoniam reliquit et ad habitatores Rheni ceterarum-
ue Franeise partium .. . transivit (340, 341). Während F}loto, 1. c.,
7 u. 408, bie Graähtung Bruns ala wahricheinli annimmt, weift Gieſe.
brect, III, 1136, in den „Anmerkungen“, unter Anſchluß an Lambert und das
Carmen, biefelbe ab, unb allerdings ift es ganz der wahren Sachlage wider:
ſprechend, dak von Heinrichss IV. Seite mit_der Gorglofigleit und ber Un«
geichieklichteit, wie ber Bericht der ſächſiſchen Fürſten und Bruno's Erzählung,
um Behufe der eigenen Rechtfertigung, fe ihm zufchreiben, vorgegangen worden
ei. In Anbetracht der Nähe ber Haraburg bei Goslar, in Verüdfichtigun:
de3 großen Werthes, welchen Heinrich IV. gerabe auf bie Haraburg Legte, pen}
beiwegen, da es ſich nach Zambert (vergl. ©. 331) ja nur um die muri —
quantum ad infirmandam munitionem difficultatemque loei adimendam
sufficeret — handelte (Bruno Hat da? — vergl. vorher — dann noch abficht:
lid, um ben König ald wortbrüchig darzuftellen, auf die summi muri ein eng)
ift die ganze bin lich des Gingreifens der Bauern in die —e— Si eis
fing gebrade Gelgiäte mit möotih; ber Aönig mu Ach beruhigt gelüätt
jaben, ala er Goslar verließ, und fo ıf nur der von Lambert herborgehobene
Beitunterfchied zwiſchen der Schleifung der eigentlichen Befetigung eineztheils,
der gänzlichen Zerftörung ber Gebäulichteiten andererfeits, in welden hinein
Heintidh's IV. gan fiel, der Wahrfcheinlihteit entſprechend. — Aus ber
lurzen Notiz der Würzburger Chronit, a. 1073, in der Reftitution durch Budh ⸗
hola (42): Saxones Harcesburg destruunt, ubi regis filii sepulchrum violant
ossaque dispergunt, f&uj Ekkeh. Chron. uniy., gleichfalls a. 1073 (unter Bei«
fügung einer eigenthümlichen Erweiterung, die — vergl. Buchholz, Ekkehard
von Aura, I, 61 u. 62 — abgerechnet die Einfdiebung: necdum enim plures
habebat Saxonia munitiones, ganz unannehmbat ift: Saxones adiciunt etiam
praesidia multa construere), folgendes: insuper castella, quae rex dudum
Heinrich’ IV. Verfügungen auf bem Wege nad Worms. 335
vierzig Hufen in dem Walde Raabs gejchentt —; dann wurde
durch die Wetterau ſüdwärts, über Verjtadt und Rommelshauſen,
der Weg nah dem Main fortgefegt. Am erftgenannten Orte
wurden auf Verwendung bes italienijchen Kanzlers, Bischof Gregor
von Vercelli, dem Abte Petrus des St. Marienklofters zu Florenz
defien Befigungen beftätigt, und die aus dem zweiten Aufenthaltzorte
gegebene Verfügung follte den treuen Bifhof Eberhard von Naum-
urg für die in allen Verſuchungen des Königs unermüdet geleifteten
Dienite belohnen, durch die Zumeifung der Burg Rochlitz, an ber
weitlihen Mulde, fammt bem dazu gehörigen Gau, ſowie des
Burgwards Leißnig, am öftlihen Fluffe glei en Namens, beide in
der Grafihaft des Markgrafen Efbert gelegen?”). Dann fegte ber
König nach dem Rheine feinen Weg weiter fort.
aedificaverat, funditus evertunt; inter quae praecipuum illud eastrum quod
Harcesburg dicebatur dirimunt, monasterium et claustrum canonicorum
quod ibi erat, multa furentes audacia, solotenus deieiunt, et quod dietu
nefas est, innocentis cuiusdam filii regis ibidem sepulti ossa in contumeliam
patris de sepulchro proiciunt (SS. Vi. 20. Auch bie Vita Heinriei IV.,
& 3, gan menigfene defien, baß Saxones ... ossa filii regis ... effodere
88. XII, 272). Die ſchon ob. ©. 238 n. 86 erwähnte in bie Annal. s.
Disibodi, a. 1075, eingejcpaltete Schrift ftimmt, abgefehen davon, daß fie bie
Gadjfen gleich mit ber Zerflörung der zudem nicht übergebenen, ſondern er-
oberten Harzburg beginnen läßt: Deinde eodem zeli Dei fervore succensi,
eonvenientes in unum, castrum Hattesburg obsessum capiunt, omnia ibi-
dem inventa diripiunt — und als eigenthümlichen Grund der Wuth eine ber
don erfüllten Geſchichten gegen die Königlichen, ähnlich der in Excurs III.
ten von der Domini sponsa, aufführt: Fertur etiam, quod plus quam
eiginte feminae una die ejectae sint de munitione, quae omnes fuerunt
iolatae, vestibus usque ad nates praecisis ad injuriam Saxonum —, im
Ganzen zu bem übrigen Berichten: castrum et omnia, quae in eo constructa
Saat, cum monasterio, clerieis undique per fgam disporss, funditun cx-
öderunt, ossaque filii eius de sepulchro ejecta, per competa disperserunt
(SS. XVIL, 7). Auch nod Otto von Freifing nahm in den Gesta Friderici
imper., Lib. 1., c. 4, ſehr nachdruglich auf bie Zerftörung der Harzburg Bezug;
eh aber die occasio rebellionis nicht jo ehr in ber gentis Saxonum insta-
bite, als in der principis lascivia, was er weiter ausjührt (SS. XX, 358
x
336 1074.
In Worms muß die Kunde von der Zerſtörung der Harzburg
Heinrich IV. erreiht haben. Wenn es nicht unwahrſcheinlich er:
Koch, wie dad in Sachſen fpäter erzählt wurde, daß der König
on, als er den ſächſiſchen Boden bei dem Aufbruch in das
fränfifche Land verließ, den Schwur abgelegt habe, nie wieder nach
Sachſen zurüdzufehren, außer es gefchehe mit einer ſolchen Macht,
daß er feinen Willen da ganz durchſetzen fönne®®), jo konnte es
jegt vollends nad) diejen neueften Nachrichten nicht augbleiben, daß
ber kaum befhwichtigte Zorn gegen die unbändigen Sachſen neuer-
dings beim Könige zum Ausbruche kam.
Zwar waren aud die Fürften des fächfiichen Landes über das
eigenmächtige Vorgehen der Bauern auf das heftigfte erichroden.
Sie hatten zu befürchten, daß der König in ber Aufregung über
bie geſchehene wilde Ausſchreitung die Schuld des Vertragsbruches
ihnen zumeffen und von derſelben den Anlaß zur Erneuerung des
ieges, und zwar unter Herbeiziehung aller Kräfte bes Reiches,
nehmen werde. Es mußte den Vornehmen de3 Landes daran
liegen, ſich in dieſer Sahe von den Bauern — „den unwiflenden
Bauern“, wie fie nicht lange nachher in einem Redtfertigungs-
Lisenic (gleichfalls in St. 2301)... . in comitatu Ecberhdi marchionis St.
2774 iR unter den Urfunben des Adalbero C das erfte Etüd mit der ſchon durch
Bıeklau, Text zu ben Kailerurfunden in Abbildungen, Lie. IL, 35 u. 36, dann
duch Eundiad, 1. c, 16, bervorgeobenen eigenthümlicen Wnorbnung des
Datums (Tagedangabe Hinter Incarnations jahr und Indiction, dagegen dor den
Regierungsjahren eingeftellt), womit aud ein Wechiel in der form ber Apprer
catio eintritt (vergl. 1. c., 19 u. 21); ferner if in der Arenga das —R dag
& dem König wohl anftehe, geleiteten Dienften in gehöriger Weile zu ent
Iprechen, zum Theil mit mehrfacher Wiederholung gleicher Ausdrüde, auch im
jebergang zur Narratio, ſtart betont (servitium, servitii debitum, fides, fidei
devotio, afteetus: vergl. 1. c., 27 u. 28, 39, 41). Aehnlic if für St. 2775
bie Gegenũberſtellung: tutamen — solamen in ber Arenga, die hier ſchon her⸗
vorgehobene Betonung ber Treue des Biſchofs in der Narratio bemerlenswerih
d. ©, 32, 41). Dagegen ift St. 2781 dem fchon Bb. I, ©. 609, n. 1, erwähnten
Schreiber Gregorius A zugufchreiben, immerhin fo, daß nad; Breflau, Mits
Abeilungen bes Infituts für dfterreichiſche Geſchichisfe ng, VI, 124, n. 4
(vergl. da auch m. 6 wegen der Belonderheit des fünig en Zitelö: Romanorum
rex, ebenjo 1. c., 253, Fider's Nachtrag zu feiner Abhandlung über das Auf-
tommen biejes Titels), auch ein Schreiber Gregorius C daran beihriligt war;
bie Urkunde unterfceibet fi) von ber früheren, durch Konrad II. 1030 im
St. 2002 gegebenen Beftätigung für biefeö monasterium sanctae Dei genitricis
Mariae eiti infra muros civitatis Florentinse durch ben Wegfall dreier der
bort genannten, die Beifügung von neun neu hinzugeftellten — darunter fünf
castella, drei curtes — Namen von Befigungen, deren Anordnung auch eine
andere hier ift.
®:) Bruno jagt, c. 34, allerdings unier Borausfendung ber Zerſidrung ber
Harzburg, von Heinrich IV.: Fertur vero, a finibus nostris diecedens, cum
jüramento dixisse, quod numguam vellet amplius in Saxoniam redire. nisi
—* cam virtutem contraxisset, qua posset in Saxonia facere, quidquid sibi
libuisset (341). Die Vita Heinriei IV. Inäpfte, 1. c., den Kampf von 1075
leid} bier an: Qua utraque injuria graviseima (bie zweite ift eben die Grab«
(oinbung ‚ai ber Harzburg) rex commotus, exereitum contra gentem illam
luxit (etc.
Wirkung d. Nachricht betr. b. Harzburg auf Heinrich IV. u. d. ſachſ. Fürften. 337
ſchreiben ſich äußerten — möglichſt weit abzuſondern, ihre Miß-
biligung ber Sache, ihre gänzliche Nichtbetheiligung an derſelben
in das helle Licht zu ftellen, auch ihren guten Willen darzulegen,
N fi Ser feien, die Frevler von fih aus zu ſchwerer Strafe zu
ziel
Doch Heinrich IV. konnte, als ihm das Schickſal der Harzburg
befannt geworben war, ſich nicht länger im Zaume halten. Zwar
einen ſogleich bie von ben ſächſiſchen Fürften abgejchidten Boten
ihm eingetroffen zu fein, welche ben Auftrag hatten, ihn zu
beſchwören, er möge fie für entſchuidigt halten, da fie weder Mit-
wifler, noch viel_ weniger Aufwiegler "bei _biefem fo großen Ver—
brechen gewefen ſeien und nicht weniger ſchwer und unwillig, als
ex jelbft, defien Begehung ertrügen; follte er ihrer Ableugnung der
Teilnahme allzu wenig Glauben jchenfen, fo feien fie bereit, in
welcher Form der Genugthuung er nur winfde, ihren Worten
Glauben zu verſchaffen, den Verdacht des Friedensbruches von fich
abzumälzen*°). Indeſſen waren alle dieſe Mittel vergeblich. Wie
ohne Zweifel das Vorgehen der Bauern gegen die Kirche auf ber
Harzburg, die dort verübte Schändung der Altäre und der Gräber,
die Entehrung der Weberrefte der Heiligen und der Gebeine von
An, ehörigen des töniglicen Haufes im ganzen Reihe den aller-
größten Schreden und Abſcheu erwedt hatten, fo war ganz voran
der König von gerechtfertigtem Zorne über biefes nicht mehr allein
die weltlichen Geſetze verlegende Treiben der Sachſen erfüllt. Der
ipäter gejchriebene ſächſiſche Bericht wollte in breiter Ausmalung
allerlei davon wiſſen, wie der König vor ben verfammelten Fürſten
vom Rheine und den anderen fränfifchen Gebieten mit demüthiger
Geberbe, unter Thränen und Jammer, feine Klagen vorgebracht,
alle die geſchehenen Miffethaten einzeln aufgezählt Habe, um fie zu
bewegen, daß fie doch wenigſtens die Gott und feinen Heiligen zu=
gefügte Schmach nit ungerächt laſſen möchten, da die Sachfen
nad den am Gotteshaufe verübten Böswilligkeiten gar nit mehr
als Chriften bezeichnet werden bürften, der Chriftus gejchuldete
Tienft aber fi in der Unterftügung einer Beftrafung der gejchehenen
=) Den Eindruck der That ber Bauern auf bie jächfifchen Fürften ſchildert
Sambert in den Worten: grandi eos formidine PA ne lie
‚juria exacerbatus, cansaretur, ab ipsis foedus esse violatum, ot justam ex-
inde occasionem instaurandi belli nactus, cunctas adversus eos regni vires
eoneitaret. Id consulto praevenire cupientes, graviter in eos qui tale
fagitium admiserant animadvertunt (211). Infolge feiner abweichenden An«
ecnung (vergl. n. 36) ſchiebt Bruno, c. 34, die Ausführung der primates
Saroniae: se ipson a consilii sive voluntatis erimine .... purgando, et
e0s, qui erimine erant involuti „ poena eraciando, not) in Deinrid'a IV.
Anmwetenheit in Sachſen ein gw u. 341
*%) Lambert nüpft an das in n. 39 Erwähnte gti die Abſendung der
Boten an, deren Auftrag wohl nad) feinen Angaben gelautet haben wird, fo
derfelbe in den Text aufgenommen if. Aehnlich bietet Bruno bie in n. 39
mente alB Inhalt des Verſuches: omnibus modis eum mitigare
).
Weyer von &nonau, Jahrd. b. difh. . unter deinrich IV. u. V. ®b.IL. 22
338 1074.
Schändung des Heiligtfums am beften erweifen werde. Jeden—
falls ift nicht daran zu zweifeln, daß Heinrich IV. ſich cifrige
Mühe gab, feine eigene grimmige Erregung gegen die fächfiichen
Mebelthäter auch auf jeine fürftlihe Umgebung zu übertragen, ihr
begreiflih zu machen, daß nicht nur er ſelbſt, jondern daß auch fie
durch die wilden Ausfchreitungen des unbändigen Bauernvolfes ge-
troffen feien; er wird es nicht verfäumt haben, durch die Schil-
derung des Vorganges big in die Eleinften Züge hinein, wie fie ihm
feloft erzählt worden waren, diefen Eindrud zu verſtärken. Döch
ganz beſonders griff er num auch noch nad) einem weiteren Mittel.
Sogleih wurden Boten nah Rom geſchickt, um Oregon \ II. gegen
diejenigen anzurufen, welche eine Kirche angezündet, Altäre erbrochen,
Grabftätten geſchändet und im Hafje gegen den Lebenden gegen die
Aſche von Todten mit barbarifcher Graufamkeit gewüthet hatten *").
Der Verſuch des Papftes, durch die Anrufung der fächſiſchen
Fürften, welhe am Schluffe des abgelaufenen Jahres ergangen war,
den Frieden im jächfifhen Lande gegenüber dem Könige aufrecht zu
+1) Lambert läßt den König — vehementer efferatus — in birecter Rede
ankündigen, baß ex bei Derfagun der forenses leges und der arma — desertus
a milite — gegenüber ben aim, jeßt ad leges ecclesiasticas in ber Roth
appellite: Protinus legatos Romam misit, sedem apostolicam contra eos
interpellare, qui (ete.: e3 folgt bie Aufzählung der von den Bauern verübten
;redel) (211). Das Carmen, Lib. II, v. 37ff., malt zuerft allgemein die Wirkung
er Nachricht: Facti fama volat, totum regnumque replebat — auf alle Welt
aus, wobei bie primates in v. 40, omnis sexus et aetas in v. 43 das Reich
umfaffen, dann bon v. 44 an ben Zorn bes Königs: zelo justiciae flammato
tore fervet, adversum tantos praesumptus colligit iras (etc.) (1229).
Bam bringt baburd), daß er dem König noch in Sadien bei ber Fredelthat
anweſend fein läßt (vergl. n. 36), einen benjelben weiter belaftenden Zug in Die
Schilderung hinein, dur c. 34 hin: rex . . magno quidem dolore cordis
intrinseeus conturbatus, sed eum nullo forinsecus signo protestatur, . . .
cum non posset . . ad praesens odium suum pro velle suo saturare, dann
weiter: non quasi ullo dolore commotus vel quiequam mali Saxoniae co-
gitans ... . male laeta mente transivit, nämlich bes verhehlten, unter heudhle-
zifcher Außenfeite verſteckten Grolles, und ‚jwar eines ſolchen gegen bie jächfifchen
Sürften: rex non tantum illis qui scelus confessi fecerant, quantum istis
qui se a se perpetrato scelere purgabant, iraseitur; et dedignaus irasei in
rustieos, in maximos huius regionis homines furorem suum, si quando
tempus haberet, accendere meditatur (340 u. 341). Erſt in c. 35 tritt ex
dann auf da® am Rhein (cony tie illarım partium, sc. Franciae, prin-
eipibus) Geſchehene ein, des Königs Klagen vor ben Reichsfürſten, wie er —
nunc eingulis nunc universis humiliter se prosternens, lacrimans, non sine
largo fletu, singulorum pedes osculans — das Geſchehene unter lauten Rlagen
aus einander gefegt habe (vergl. in n. 36), mit Wieberholung bes Gefihtöpunttes,
es handle fich nicht bloß um sua injuria, fondern um contumelia Deo Deique
sanctis illata; boch beutet ber Erzähler diefer in unleiblicher Breite ausgeführten
Dinge an, baß er außerdem eine längere Friſt für dieſe querimoniae et sup-
lieationes in Anfpruc; nehme (vergl. n. 151), daß annus integer über biefen
ferien Klagen — quotiens fieret principum conventus — vi en
jei (341). In Italien gebentt Donizo, Vita Mathildis, Lib. I, v. 1251 ff.,
Anrufung des Napftes: .. Saxones regem sprevere feroces, proelia qui secum.
statuunt committere demum: quod rex absque mora pa] mandavit, ad-
orans atque petens ipsum, pro se roget ut erucifixum (88. XII, 377).
7.
Gregor’3 VIL. Anzufung dch. Heinz. IV. geg.d. Sachſen. Thätigf. Gregor's VII. 339
erhalten, hatte nicht den beabjichtigten Erfolg gehabt. Jetzt war
feine Einmifhung von Seite des Königs gefordert, und jo mußte
die engere Verbindung Gregor's VII. mit diefen fortdauernden
ſãchſiſchen Zmwiftigfeiten immer beftimmter ſich herausſtellen +).
Gregor VII. war, feit feiner Rückkehr nach Rom im December
des vorangegangenen Jahres *°), durch die Angelegenheiten in Jtalien
auf das lebhaftefte in Anſpruch genommen; allein trog der Schwie-
rigleiten, welche ihm da, in&bejondere in Folge der fortgejeßt
feindlichen Haltung des Seuons Robert in Unteritalien, im Wege
fanden, hatte er fi zu fühnen, weit ausgreifenden Plänen er-
muthigt gefühlt.
Schon jeit dem Anfange feiner päpftlihen Regierung hatte
Gregor VII. auch der Verftärfung der Wehrkraft und der größeren
ufammenfafjung der unter die päpftlihe Herrſchaft zählenden Ge»
iete in kriegeriſchen Veranftaltungen ein reges Augenmerk zu—
jewandt, und jedenfalls war in verhältnißmäßig kurzer Zeit Vieles
Hierin erreicht worden. In einer ſpäter verfaßten zujammen-
hängenden Würdigung der Leiftungen des Papftes findet fich dar—
gelegt, was in diefer Richtung, augenscheinlich ſchon gleich in den
erften Monaten nad der Erwählung, durch Gregor VII. durd-
geführt worden war. Er hatte ſich vorgejegt, das Gebiet ber
römischen Kirche wieder zufammenzubringen ober aud, wie das in
dem Verſuch gegen Imola gleich im Juni 1073 hervorgetreten
war, zu erweitern. So jorgte er für die Bewachung und forgfältige
Bewahrung der E pam Patrimonium bes heiligen Petrus jäblenden
Städte und Fleden, ganz befonders der befeitigten Pläge und ber
Burgen, für die Wiedergewinnung berfelben, wo fie verloren und
gewaltſani entfremdet waren. Es galt, zur Ausbreitung der
Wachtſtellung der römifchen Kirche, foweit fie von den Normannen
Gewalt gelitten hatte und durch die übrigen Grenznachbarn faft
vernichtet worden war, einen bewaffneten Schuß zu jammeln. Da
vwerfihert nun der voll Befriedigung auf die veränderte Lage der
Dinge zurüdblidende Gewährsinann, es ſei durch die Errichtung
ner Truppe von Vaſſallen gelungen, die Wiedereroberung der ein-
gebüßten Drte in wenigen Monaten zu erzielen, die Aufitändifchen
zähmen, in fortgefegten Anftrengungen, Rämpfen und Streifzligen
Dies Heeres einen jo heilfamen Schreden bei allen ummohnenden
Völkern zu verbreiten, daß alle Angreifer und Verleger der Kirchen⸗
je sol Perg. ob. ©3001, 301. Menn bagssem Giefebreßt, IL, gon u. 302, fat,
hie Sadfen hätten fi „gleich nad, dem Mepbunger Dertunge“, auch a ben
Bapft gewendet, wahrfcheinlich unter Wiederholung der fdon oft gegen Hein«
vi IV. vorgebradhten perfönlichen Anfepuldigungen, jo fehlt ein Zeugniß, auf
des fih biefe Angabe fügen fönnte.
) Bergl. ob. ©. 236. I
340 1074.
befigungen fi ſcheuten, noch weitere Schädigungen anzurichten:
„Niemand wurde als jo kühn und verwegen gefunden, dab er nit
Furcht gehegt hätte, Petri Güter zu berühren“ **). ebenfalls hatte
Gregor VD. auch nad) diejer Seite Erfolge erreicht; aber fie er-
fcheinen doch dem fpäteren Tarfteller allzu anſehnlich, und wenigſtens
nad) einer Seite wurden fie von demfelben wejentlich überichägt *°).
Denn Herzog Robert blieb in unveränderter Weife ein trogiger
Gegner der römifchen Anſprüche.
Schon im Beginne de3 Jahres muß ber Krieg nad) jener Seite
abermals in vollem Gange geweſen fein. Bei einem Vorſtoß
Robert's gegen Benevent fiel Pandulf, der Sohn und Erbe des
Fürften Landulf, der fi zu Papft Gregor VIL in ein geradezu
abhängiges Verhältniß für fein Fürſtenthum gejegt hatte; am
7. Februar war er in einem Gefechte bei Monte Sardio, unweit
fübweftlid von Benevent, geblieben‘). Nach ſolchem abermaligem
Angriffe auf ein Gebiet, welches nad) den Abmachungen des vorher:
gehenden Jahres unmittelbar al3 unter der Botmäßigfeit des
heiligen Petrus ftehend in Rom angejehen werden konnte, waren
weitere Beeinträchtigungen von Herzog Robert zu erwarten.
Deſſen ungeachtet trug ſich der Papft noch mit viel größeren
Gedanken, gewiß in der Hoffnung, dur ein Unternehmen gemwal-
tigeren Umfanges auch der Gegner in größerer Nähe um jo leichter
Herr zu werde. Schon die Sendung des Patriarhen Dominicus
von Venedig an Kaifer Michael VII. im vorhergehenden Jahre
hatte dargelegt, daß Gregor VII. die Beziehungen zum Kaiferthron
+) Wido von Ferrara, De scismate Hildebrandi, Lib. I, erzählt inc. 2
dieſe Dinge, welche Gregor VII. al3 rerum ecclesiasticarum fidelis minister et
rovidus dispensator, und zwar: mox ut episcopus factus est, vollbradht
Babe; in kurzer Zeit feien dide Refultate gewonnen worden: paucis non dieam
annis, sed mensibus (sc. averterunt hostes, receperunt castella et urbes,
ete., nämlid die milites domni Ildebrandi). Als Ziel ber im Zerte ger
fhilberten Anftrengungen if} genannt: eivitates omnes et vicos, municipia et
eastella custodiri, habita servari, amisea vero et violenter ablata recuperari,
beſonders fo weit die Kirche von Rom cine a Normannis vim passa et ®
caeteris finitimis coneulcata war, wozu bie militum copia gebildet worden
fei (Monum. German. histor., Libelli de lite imperatorum et pontificum, I,
534: —n. 6 möchte ba bei dem Eahe: Factique sunt milites domni Ildebrandi
omnibus per eircnitum gentibus et populis in stuporem bei den milites
fpeciell die ob. &. 278 u. 279 erwähnten, von Landulf, und Richard ‚geidworenen
Eide, heranziehen, was aber kaum in den Worten liegt, und ebeno gehört
die in n. 5 erwähnte servilis manus bei Bengo nad Bd. I, ©. 315 n. 19,
einer früheren Zeit an). Wegen Jmola vergl. ob. ©.
+) Das betont Weinteih, De conditione Italiae inferioris (etc.), 24
n. 0, „Keonbes au im Hmblide auf die weiteren Greigniffe von 1074,
richtig.
a 4°) Zwar ſehen Chron. s. Benedicti: Paldolfus . . . oceisus est a Nor-
mannis Montem Sarchum 7. die intrante mense Februario und Annal.
Benevent.: Pandolfus princeps Montisareli oceiditur mense Februario
(SS. III, 203, 181) fbereinfimmenb_diefes Greigni zu 1073; doch muß wegen
ber in bex zweiten Quelle gemachten Beifügung: primo anno septimi Gregorii
papae dagfelbe zu 1074 genommen werben.
Herzog Robert’8 Vorftoh gegen Benevent. Gregor's VII. oriental. Pläne. 341
von Conftantinopel in friedlicher Weife zu ordnen wünſchte; fie war
die Antwort auf Zuſicherungen und beftimmte Aufträge des Kaifers
geweſen, bie in Rom Dorgebradht worden waren”). E83 ift jehr
wahrſcheinlich, daß ſich die Eröffnungen des Kaiſers auf die fteigende
Noth bezogen hatten, in melde das öftliche Kaiſerreich durch die
zunehmenden Bebrängniffe von Seite der Muhammedaner ſich ver-
Sept job, daß alfo auch ein Hülfegefuh, um Unterftügung aus dem
Abendlande, ſchon damals dem neu gewählten Papfte vorgelegt
worden war. Dur die Fetfegung der turfomanifchen Eroberer
unter Seldſchuk's Führung an den Oſtgrenzen des Kaiſerreichs
hatten neue furchtbare Leiden für dasfelbe begonnen. Kleinafien
war nad) immer erneuerten Angriffen, zulegt Durch ben entjcheidenden
Sieg des Sultans Alp Arslan, 1071, über den Kaifer Romanus IV.,
welcher ſelbſt in der Schlacht gefangen genommen wurde, die offen⸗
bare Beute der Seldſchuken geworben, und bei den kläglichen
inneren Zuftänden des Reiches von Conftantinopel war eine ernit-
bafte Abwehr nirgends zu erwarten. So fah jih eben Romanus'
Nachfolger Michael VII. nah fremder Hülfe um, und bei der
inneren Lage der Staaten des Weſtens mochte es ihm am ge-
rathenften fcheinen, nicht an einen der Könige, ſondern an den
willenskräftigen geiftlichen Herrſcher, der an die Spige der römischen
Kirche gehoben worden war, Biejen Ruf zu richten 9).
Gregor VII. ſprach fi} in diefem Bl wuerft am 2. Februar
in einem Schreiben an ben Grafen Wilhelm von Burgund über
einen Kriegsplan, der in größere Ferne zielte, beftimmt aus. Aller
dings erwähnte er daneben auch näher liegende Aufgaben, doch fo,
daß für ihn die Softmung dabei vorhanden war, diefelben würden
durch die Durchführung des größeren Beginnend glei mit erfüllt
werben. Der Papft hoffte, daß er mit der angefammelten Menge
von Kriegern nad) Conftantinopel hinüber ſich begeben könne, um
den Chriten Unterftügung zu bringen, welche flehentlich forderten,
in ihren unaufhörlihen Bedrängniſſen von Seite der Ungläubigen
durch hülfreihe Handreichung gerettet zu werben. Doch noch viel
dringlicher redete er in dem am 1. März an alle Chriften erlafjenen
Sendſchreiben; da galt es, die Kunde davon zu verbreiten, wie jehr
das Volk der Heiden gegen das hriftliche Kaiſerreich mächtig erftarkt
fe, wie es in beklagenswerther Graufamleit ſchon beinahe bis an
die Mauern von Gonflantinopel Alles verwüftet und in gemwaltfamer
Z Je ke Wok dice läne Gregor’ö VIL, ala erfter Anftoß gu den A
wie weit dieſe e . al ter An en u
aaa m jeien, bat H. von Enbel, Geſchichie des een Arcupuge,
„ 168 u. 169, aus einander gefept, daß an einen Rreuang im [piteren
Same it u been ei, Baar des, aäe, Genanuh Yin, IV, 30,
anfünbigte, . nie em inten en en
don 1008 enzorfen, fondern über die Weile ber Ausführung genifle
aufgeftellt yabe, beichränft jäter, VII, 362, darauf, zu jagen, dab
der Bapft nur an das näher liegende Ziel dachte, das wirklich in ben Ausichreiben
vom 1074 fortwährend genannt if.
342 1074.
Weiſe eigenmächtig befegt, dann Taufende von Chriften gleich wie
das Viel) niedergemegelt habe. Aber — fo fährt der Bapit fort —
diefe Dinge follen nicht nur ſchmerzlich empfunden werben; fondern
die Gläubigen jollen nad dem Vorbild des Erlöfers für die Brüder
ihre Seelen einjegen. Bei ihrem Glauben werben die Chriften auf:
gefordert und unter Anrufung de3 heiligen Petrus beſchworen, frei-
willige Anftrengung zur Herbeibringung von Hülfe für die Brüder
eintreten zu laſſen, ohne Zögern ihre Entſchlüſſe durch fichere Bot-
Ichaften nah Rom zu melden. — Am umfafjendften aber jegte
Gregor VII., allerdings erft drei Vierteljahre jpäter, gegenüber
Heinrih IV. fein gefammtes Vorhaben aus einander, nad)! er
auf die bis dahin vollendeten Vorbereitungen einen Blick geworfen,
und zwar geihah das in den in Bezug auf die gefammelten
Streitkräfte gebrauchten Worten, daß diejelben, wenn fie ihn —
den Papft — jelbft zum Herzog und priefterli—en Führer bei dem
Feldzug haben fünnten, mit bemwaffneter Hand gegen die Feinde
Gottes aufbrechen und bis zum Grabe de3 Herrn, unter des Herrn
eigener Führung, gelangen wollten: „Zu diefem Werke treibt mid
auch der Umftand ganz befonders an, daß die Kirche von Conftantino-
pel, die in Betreff des heiligen Geiſtes von uns abweicht, die
Eintracht mit dem apoftolifchen Sige erwartet. Auch die Armenier
irren fat jämmtlih vom fatholifhen Glauben ab. Und beinahe
alle Angehörigen de3 Oſtens harten auf das, was der Glaube bes
Apoſtels Petrus zwiſchen ihren verfhiedenen Meinungen entſcheide“.
Dem Vorbilde der Väter, welche zur Befeftigung ihres Fatholifchen
Glaubens oft nach jenen Gebieten im Oſten gegangen jeien, will
Gregor VII. folgen, und er erachtet es als feine Pflicht, für dieſen
Glauben und die Vertheidigung der Chriften aufzubrehen *°). Aber
es ift ganz deutlich, daß die Rückſicht auf die bedrängte Lage des
Kaiſerreichs und der Wunſch, durch eine Hülfeleiftung auch die
Glaubensgemeinſchaft und die engen Beziehungen der Ehriſten des
Oſtens zum römiſchen Stuhle zu erzielen, den Papſt ganz voran
zu feinen Entſchlüſſen bewogen. Allerdings nennt er daneben in
J. 4823, an den Grafen Wilgelm von Burgund,
4826, an omnes christianam fidem defendere
dazwiſchen barauf über, baß bie ge
. . „ usque ad sepulchrum Doi
Andeutungen Gregor’s VII über die Ausführung d. gr. Unternefmung. 348
feiner legten Kundgebung an ben König aud) das heilige Grab;
allein nicht diejem follte in erfter Richtung der Aufbruch gelten, und
nur jehr in weiterem Umfange kommt neben den viel näher liegenden
Zielen diejer den Chriften heilige Plag, und zwar einzig als folder,
zur Erwähnung.
Wie Gregor VII. die große Unternehmung zu_bemerfftelligen
gedachte, geht ſchon aus dem bereit3 erwähnten Schreiben vom
2. Februar hervor. Der Papit ging in demfelben davon aus, den
Grafen Wilhelm an das Verſprechen zu erinnern, welches berjelbe
am Grabe des Apoſtels Petrus in Gegenwart des Papſtes
Alerander II., zahlreicher Biſchöſe und Nebte und vor unzähligem
Volke abgelegt habe, nämlich, wenn es nothwendig fein würde, feine
Hand dem Kampfe zur Vertheidigung bes Bellges bes heiligen
Petrus nicht zu verfagen. So ermahnte denn Gregor VII. nun-
mehr den Grafen, zur Hülfeleiftung für die Freiheit der römifchen
Kirhe Rüftung zu treffen und im Dienfte des heiligen Petrus,
wenn der Nothfall eintrete, mit feinem Heere nad Rom zu fommen.
Der Graf follte aber aud das Gedächtniß des Grafen Raimund
von St. Gilles, des Schwiegervaters des Fürften Richard von
Capua, und dasjenige de3 Grafen Amadeus von Cavoyen, des
Sohnes der Marfgräfin Adelheid von Turin, aber auch ber anderen
Getreuen des heiligen Petrus, die in ähnlicher Weife mit empor-
getredten Händen ihr Gelöbniß abgelegt, weden und fie an deſſen
Erfüllung erinnern. Ausdrücklich verfiherte er, dieſe kriegeriſchen
Anftalten nicht gegen Chriften anwenden zu wollen; denn — und
hier zeigt ſich die Abſicht, welche der Papft mit dem in die Ferne
gehenden Plane verband — er hegte die Hoffnung, die in ber Nähe
obenden chriftlihen Feinde möchten, wenn fie den zum Kampfe
bereit jtehenden Heereszug ſehen würden, fi vor dem Losfchlagen
ſcheuen und leichter dem Rechte unterwerfen, fo daß nach Beruhi—
gung der Normannen — das eben waren diefe Gegner — der
4 Kriegszug nad Conſtantinopel geſchehen könne. Zur Abwehr
der im Widerftande verharrenden Normannen glaubte Gregor VII.
feines Zuzugs von außen zu bebürfen, fondern mit den ſchon zu
Rom bereit ftehenden Kriegern feiner eigenen Rüftung genügend ger
wappnet zu jein®®).
) Eben in Registr. I, 46, welder Brief an zwei Stellen der promissio
— manibus ad coelum extensis — in der abgelaufenen Papftregierung gedentt,
wird Mar, daß bei ber Erfüllung bed Verſprechens: quatenus ‚praeparetis vestrae
militiae fortitudinem ad succurrendum Romanae ecelesiae libertati, scilicet, si
necesse fuerit, veniatis huc cum exercitu vestro in servitio sancti Petri
— ueben ber alia utilitas, der in n. 49 erwähnten Unternehmung, biefes erreicht
werde: ut ipei (ec. christiani —: militum multitudinem non ideo coacervare
euramus, ut ad effusionem sanguinis christianorum intendamus) videntes
espeditionem, dum confligere timuerint, facilius subdantur justitiae; gemeint
Fand die Rormannen: — pacatis Normannis, ſoll ber Aufbruch nad) dem Often
, was möglich fein werde: Nam contra eos Normannos, qui nobis re-
elles sunt, satis sufficiunt milites isti, qui nobiscum sunt (d. d. jebenfalld
Die in n. 44 erwähnten milites).
344 . 1074.
In dem gleichen Briefe deutete der Papft ferner an, dab ifm
noch weitere Hülfszufiherungen ſchon zu Gebote ſtänden. Er gab
nämlih dem Grafen Wilhelm die Weijung, jeine Antwort auf diege-
ſchehene Aufforderung dur einen Boten zu geben, welcher durch
Vermittlung der Fürftin Beatrix nah Rom käme; denn — fo ver:
traut er dem Grafen an — „fie trägt Sorge, lei mit ihrer
Tochter und ihrem Schwiegerjohne in diefer Angelegenheit zu
arbeiten“). Und allerdings war ſchon feit der Rückkehr Gre—
gor's VII. nad Rom der Verkehr mit Mathilde ein fehr reger
geworben.
Am 29. December hatte der Papft von Mathilde einen Brief
erhalten und gleich durch den Boten beantwortet; dann lud er fie
abermals, in einem Entgegnungsfchreiben vom 3. Januar, das er
an fie richtete, unter lautefter Anerkennung ihrer liebevollen Ge
finnung für bie römiſche Kirche in dringender Weiſe ein, wenn
nit ein zwingender Grund dazwifchentrete, Beatrir bei einer nahe
bevorftehenden Reife nah Rom zu begleiten. Hierauf folgte am
16. Febrrar ein längerer Brief mit religiöſen Ermahnungen, und
am 4. März knüpfte Gregor VII. für Sen r und Mathilde ge:
meinfam an einen gejchäftlihen Auftrag die Verſicherung feines
vollften Zutrauens, feiner aufrihtigen Suneigung zu ben beiden
BR Frauen: „Weil Ihr von Eurem Hofe nicht, wie viele
ürften, Gott hinwegwerfet, fondern durch das Opfer der Gerechtig⸗
eit an denfelben zu kommen einlabet, jo bitten und ermahnen wir
Eud als unfere geliebteften Töchter, das Gute, was Ihr begonnen
habt, zum vollfommenen Ziele durchzuführen”. Es ſcheint nicht
ausgeſchloſſen zu fein, daß der Papit in dieſem eindringlicen,
höchſtes Lob und eifrige Ermahnung mit einander verbindenden
Schreiben fih anfangs zwar die Mühe gab, Mathilde von weiter
gehenden Eniſchlüſſen einer gänzlichen Preisgebung ihrer bißherigen
Stellung abaupalten, daß er aber naher eben dieſe ihre zur
völligen Hingabe an die Kirche neigende Stimmung gerne förberte,
um dadurch „die Tochter von herrlichfter Anlage” ganz für die
Sade Rom's zu gewinnen.
Augenſcheinlich war nämlih der Verſuch einer Annäherung
des Herzogs Gottfried an Mathilde, wie er bei dem Beſuche des
vorhergehenden Jahres hervorgetreten war, ohne allen Erfolg ge:
blieben; man wußte in Lothringen, daß Gottfried von feiner Ge
mahlin abgemwiefen worden umd, ohne etwas erreicht zu haben, aus
Italien zurüdgefehrt war. Immerhin hatte aber doch da-
mals äußerlich, in dem Umftande, daß ſich Gottfried und
Mathilde in Italien vorübergehend neben einander gegegt hatten,
eine gewiſſe Beſſerung bes vorher noch gefpannteren hältniſſes
ſtattgefunden, und ganz beſonders war auch eine freundfchaftliche
ei) L. e.: vester nuneius veniat per comitissam Beatricem, quae cum
Slia et genero in hoc negotio laborare procurat (l. c., 65).
Verlehr Gregor's VII.m. Beatrig u. Mathilde; Mathilden's Bezieh. z. Gotifried. 345
Vegegnung des Herzogs mit Gregor VII. unzweifelhaft eingetreten.
Das geht daraus hervor, daß eben der Papft noch in jenem
Schreiben vom 2. Februar, wie auf die Hülfe der beiden ihm nahe
befreundeten Srauen, fo auch auf diejenige Gottfried's rechnete, und
es müflen außerdem als Gegenverfpredhen von feiner Seite gewiſſe
Eröffnungen an den Herzog gemacht worben fein, die fi) auf Sar-
binien bezogen. Inter dem Ausbrude des Bebauernd, daß ältere
enge Beziehungen zwifchen der römischen Kirche und Sardinien er-
taltet jeien, des aufrichtigen Wunſches auf der anderen Seite,
Zeichen diefer forgenden Liebe für die Bevölkerung der Infel her-
vortreten zu lafjen und dagegen die Darlegung des Gehorſams von
dort zu empfangen, hatte nämlich Gregor VI . Rechte des heiligen
Petrus auf dieſes Land in zwei Schreiben, zuerft an vier Richter
Eardinien’3, dann an einen einzelnen, betont, und zwiſchen dem
Papſt und dem Herzog ſcheint die Rede davon geweſen zu jein, daß
für eine Gewährung von Hülfstruppen, wie fie Gottfried in Aus-
fiht geftellt haben muß, eine Zumeifung der Anfprüche auf Sar-
dinien, falls ſich diefelben zur Geltung bringen ließen, zu Gunften
bes Herzogs eintreten könnte. Allein feitdem der Herzog Stalien
wieder verlafjen hatte, lagen ihm angeſichts der zunehmenden Ver-
widlungen in Deutſchland, in welche er gleich im Herbfte als einer
der föniglihen Beauftragten bei den Sadjen gentigenden Einblid
hatte gewinnen können, dieſe auf die römische Politif bezüglichen
Verſprechungen ferner, und vollends, falls er diefelben noch in der
Hoffnung auf eine wirkliche Verföhnung mit feiner Gemahlin ge-
madt hatte, konnte er nad dem ganz unbefriedigenden Abjchied
von Zithun nicht anders, als mit einer gewiſſen Abneigung, auf
die Zeit jeines Aufenthaltes in deren Nähe binbliden. Mathilde
ihrerjeit3 muß fih im Winter, in den Monaten nad Gottfried's
Weggang, zeitweije geradezu mit dem Gedanken beihäftigt haben,
die Beziehungen zur Welt ganz von ſich abzuftreifen, ſich einzi
Uebungen zur Erlangung bed eigenen Seelenheiles Bingugeben, un
Gregor VII. gab fi im jenen nad) einander an fie abgeſchickten
Briefen Dlühe, fie hiervon abzubringen, ihr ſelbſt — daneben auch
der Herzogin Beatrir — zu zeigen, daß ihre Hülfe für die be-
drängten Kirchen, ihr Dienft für die allgemeine Kirche unentbehrlich
feien. Aber eben dur dieſen immer lebhafter ſich geftaltenden
Austauſch zwifchen dem Papfte und der mit der ganzen Kraft ihres
Willens der römischen Kirche fih widmenden fürftlihen Frau wurde
diejelbe innerlich noch immer weiter ihrem Gemahle entfrembdet, und
auf diefem Wege fonnte es auf die Länge nicht ausbleiben, daß
diefer in zunehmendem Umfange Erwägungen Raun gab, die ihn
ebenfalls von Gregor VII, dem Gewiſſensrathe der Schwiegermutter
und der Frau, in größere Ferne ftellten °®).
.,_'» Registr. 1, 40, J. 4816, vom 3. Januar, ift die Antwort auf vestrae
litterae licae sedi direetae, die nicht identifch fein können mit den im
gleidyen Schreiben von Gregor VII. nad) einem Praeteren, das ben Gab er«
346 1074.
Inzwiſchen aber war die Zeit ber Synode, zu welcher ſchon
im December bes vorhergehenden Jahres Einberufungen nad
Deutihland ausgegangen waren, herangerüdt, die erfte Woche der
roßen Faſten vor Oftern. Gregor VII. hatte jeit dem Beginn des
Aahres noch weitere Einladungen verfandt, welche in ihrem Wort:
laute befannt find, an den Patriarchen Sigehard von Aquileja und
deſſen Suffragane, an alle Biſchöfe der Mailänder Kirche, und babei
war bejonders in diefem zweiten Schreiben, an deſſen Ende auch die
gefammten Aebte der Lombardei aufgefordert waren, mit ber Her
vorhebung, daß feine vorgebliche Entihuldigung für die Nichtleiftung
des Gehorfams in Betracht fallen könne, die Abficht, welche mit
der Verjammlung der Synode verbunden war, in das Licht geftellt.
Öffnet, erwähnten litterae quas 4. Kalendas Januarias nomine vestro susce-
pimus, bie er ſchon beantwortet Hat: quod nobis visum est congruum, jam
per nostrorum apicum legationem respondisse confidimus; ber Papft muß
alſo hart nad} einander zwei Male an bie iae indolis puella — ein Aus-
brud, auß dem auf die ehelichen Draiehungen lathilde's durchaus fein Schluß
zu ziehen, in vergl. Diedmann, 1. c., 20 — Antwort geihidt haben. Re
gistr. I, 47, J. 4824, enthält die Aufjorderung an Mathiide, ut corpus domini-
cum frequenter acciperes .... . et ut certae fiduciae matris Domini te
omnino committeres — mit Beigabe einer Reihe von Beweisftellen, und 50,
J. 4827, an Beatrir und Mathilde, verbindet mit einem einzelnen Auftrage ge
firenttisgfe Darlegung vertrauensvoller Gefinnung, jo bei der Entſchuldigung
irzen Schreibens: Vobis enim in talibus non quem vicarium in dietando
acquiro, sed me ipsum labori, licet rusticano stylo, subpono (I. c., 58 u. 59,
65-68, 70 u. 71), Diedmann, 1. c., 68 u. 64, wollte — ähnlich ſchon vorher
Bannenborg, Studien zur Geichichte der Herzogin Mathilde von offa, 27 u.
28 — in bdieien Briefen beftimmte ‚Hinmeile auf die ehelichen Beziehungen
zwiſchen Gottfried und Mathilde fehen, und allerdings liegen an einigen Stellen,
wenn aud) wohl mehrfach allzu viel in den Yeußerungen gefunden wurde, An-
beutungen verborgen. Solche find enthalten in Brief 47 in den Worten: te...
detinui, ne illos desereres, ut tuae solius animae saluti invigilares, bie auf
ein Gelüften der Mathilde, die Welt und die Angehörigen (illos bezieht Died-
mann, 63 n. 3, auf Beatrir und Gottfried) zu verlaflen, bezogen werden können,
ebenfo in Brief 50, wo Gregor VII. fagt, er würde unter gewiflen anders
liegenden Bedingungen die Ermahnung ausſprechen: ut saeculum relinqueretis
cum omnibus eius euris; indefien geht auch Diedmann a weit, wenn er meint,
in Hinficht darauf, „daß Gregor, wenn er aud Mathilde von einer wirklichen
Scheidung auß politiichen Gründen zurüdhielt, doc) auf innere Löfung der Ehe
hinarbeitete,“ bebürften dieſe Worte feines Commentard. Daß Gottfried 1073
— wohl ui oder Auguft (Diedmann, 45 n. 3, 97) — unverrichteter Weile
heimfam, fagt bie Kofterchronif von St. Hubert an ber ob. ©. 215, n. 48, er
wähnten Stelle ausbrüdlid: spretus ab ea (sc. uxore) et inactus ab Italia
Lotbaringiam rediit. uf die auf Garbinien begügli—gen Gombinationen ber
aieden w neben ber ſchon ©. 222 in n. 59 erwähnten Stelle von Registr. I,
72 ber Brief von 1078: Registr. I, 29, J. 4800 (vom 14. October), an bie
judices Sardinise, und von 1074: 41, J. 4817 (vom 16. Januar), an Orzocor
judex Caralitanus Sardiniae provincise, welche beibe, der exfte Brief mehr
in Betonung ber caritas illa, quae antiquis temporibus inter Romanam
ecclesiam et gentem vestram fuit, den Anfpruch bes Papftes auf Sardinien
— jus et honor sancti Petri — in fich enthalten, ohne baß jedoch Golifrieds
in Diefen mach der Jnfel teten Schreiben gedacht wird (I. c., 45 u. 4,
59 u. 60). Gottfried’8 Verſprechen ift in Brief 72, vom 7. April (vergl. n. 73),
erwähnt: auxilium, quod pollicebaris ... . milites, quos ad honorem et sub-
sidium sancti Petri te ducturum nobis promisisti,
Weitere Vorbereitungen 3. Faſtenſynode; Eröffnung u. Zweck derſelben. 347
Schon längſt — fo beginnt das Schreiben — gelte es in ber
römiſchen Kirche als feitgeftellt, daß in ben einzelnen Jahren zur
Bier und zum Nugen ber heiligen Kirche ein allgemeines Concil am
apoftolifhen Sige abzuhalten fei, und jo erachte der Papſt in diejer
Zeit die Angelegenheit einer ſolchen geierlichkeit für jehr noth⸗
wenig).
ieſe am 9. März, am erften Sonntag der Faftenzeit, eröffnete
erfte Synode Gregor's VII. legte abermals nad) verſchiedenen
Seiten hin dar, wie der Papft feine Aufgabe verftand. Mafregeln
für Erhaltung und weitere zetefigung der inneren geiſtlichen Zucht,
wie fie ſchon unter den nächſten Vorgängern an bie Band genommen
morben waren, wurben fortgefeßt und verſchärft, mit der aus—
drüdfihen Abficht, in immer ausgeſprochenerer Weiſe als ftörend
und ſchädlich erachtete äußere Einwirkungen auf die Kirche ab»
zuſchneiden. Gegen weltliche Gegner des Befites des heiligen
Petrus oder der Sehmungen des apoſtoliſchen Stuhles wurden geift-
lihe Strafmittel rückſichtslos zur Anwendung gebracht oder wahr:
ſcheinlich angedroht. Denn Gregor VII. jah, wie er in dem
Schreiben an den Patriarchen Sigehard ſich ausgeſprochen hatte, das
Volt, duch üble Beiſpiele verführt, zu Allem, mas böſe
if, geneigt, in einem Leben ohne gute Werke, beinahe ohne
Glauben, in nur äußerliher Führung des criftlihen Namens.
„Die Lenker und Fürften diefer Welt, melde jeder für fi
nur das Ihrige, nicht, was Jeſu Chrifti ift, ſuchen, unter
drüden unter Zertretung aller Ehrfurcht bie Kirche wie eine
gemeine Magd und hegen durchaus feine Furt davor, diefelbe,
wenn fie nur ihre Begierden zu erfüllen vermögen, in Verwirrung
wu ftürzen. Die Priefter aber und die, melde die Leitung ber
Kirhe empfangen zu haben ſcheinen, ftreben, indem fie Gottes
Geſetz faft völlig hintanfegen und Gott und den ihm anvertrauten
Schafen die in ihrem Amt liegende Pflihterfüllung entziehen, auf
dem Wege ihrer kirchlichen Würden nur nad weltlichen Ruhme,
und dad, was in ber ustheilung im Einzelnen für den Nuten
und das Heil Vieler hätte anſchlagen follen, vernachläſſigen fie
entweber oder vergeuben es in unfeliger Weiſe im Gepränge bes
Uebermuthes und in überflüffigem Aufwande“ 54).
*) Bergl. ob. S. 304 u. 305._Registr. I, 42 u. 43, J. 4819 u. 4820,
vom 24. und 25. Januar, gingen an Gigehard und an omnes episcopi Mediola-
nensis ecelesiae suffraganei, videlicet (: e8 folgen elf bilcöfliche Stirchen auf»
saählt) et ceteri, und zwar: quibusdam salutem et apostolicam benedictionem,
gail pro_meritis, Weihe oirter Unterfcheibung ber Einberufenen gerade
im Meilänber Sprengel nochmals im Briefe nadjllingt: Hoc exemplo (sc. des
Geforfama ober deö Segentheitz bavon: quicunque miles domino suo in
praelium properanti se subtrazerit) appareat, qui ex vobis immo quam omnes
ätis fideles Christi milites (Il. c., 60-62) j
%%) Hefele, Gonciliengefhiähte, V, 2. Aufl., 20 f., führt eine Wirdigun
von „Gregor’3 grogem Plane” fdjon gleich bei dieler Fahenfpnobe von 1074 auf.
Die angeführten Worte flehen an der in n. 53 erwähnten Stelle (60).
348 1074.
An der Synode betheiligte ſich eine fehr age Zahl von
Bishöfen aus verſchiedenen Ländern. Daß Wibert, der im
lateranenfifhen Palaft feine Wohnung angewiefen befam und das
Vorrecht feiner Kirche von Ravenna genoß, in ben Sitzungen zur
Rechten des Papftes den Ehrenplag einzunehmen, durch fein Er-
fcheinen feinen noch Alerander II. geſchworenen Eid zu erfüllen ſich
befliß, wurde in Nom gern bemerkt. Außerdem finden fi
Mathilde, der Markgraf Albert Azzo II. von Eſte, Seo Giſulf
von Salerno als anweſend genannt. Als allgemeine Angelegen:
heiten erhielt die Verfammlung zwei Geſchäfte vorgelegt, melde
leineswegs als neue Fragen für dieſelbe erſcheinen; aber die ber-
malige Feſtſtellung der Verbote, wie fie geihah, hat etwas Nach⸗
drücklicheres gegenüber den früheren Synodalbeſchlüſſen. Die
Verordnungen bezogen ſich auf die Ehelofigfeit der Geiftlihen und
auf die Simonie. Allen Prieftern, Diakonen, Klerifern wurbe ver:
boten, Eheweiber zu haben und überhaupt mit Frauen zu wohnen,
außer mit folden, melde die Regel ober die Synode von Nikäa
zugeftan, Ferner follte nicht nur der Käufer oder Verfäufer irgend
welhen kirchlichen Amtes, eines Bisthums, der Stellung eines
Prieſters, Diakons, Propftes, Decans, einer Kirche ober eines Zehnt-
rechtes als Simonift verurtheilt werden, fondern auch derjenige,
welcher mit dem Leberfchreiter des Verbotes in Verbindung fteht,
und eben biefe legte Beifügung enthielt die weſentliche Verſchärfung,
deren Tragweite bald hervortreten follte®°).
5) Die beften Nachrichten, beſonders hinfichtlich des bedrohten socius
transgressoris (sc. ut sub sententia s. Petri cum Simone damnaretur),
enıhält über die Veichlüffe der Synode Marianus Scottus, a. 1096 (reſp. 1074),
nad) welchem biefelben im Texte mitgetHeilt find (SS. V, 560 u. 561: — doc
hat bie Rec. alt. ftatt des eı Sahes die järfere Angabe: Hellibrant pay
sinodaliter presbiteros et diaconos uxoratos excommunicavit, SS. XIIE, EN
In Ekkeh. Chron. ift der Beichlüffe erft in C, D, E gedacht, und zwar
mit der Beifügung von: justo geidem judicio, sed novo exemplo et ut multis
visum est inconsiderato prejudieio zu: Nicholaitas .. . ab altaris ministerio
removeri decrevit et laicis eorum missas audire interdixit in C aus Sigeb.
Chron. (88. VI, 201, wozu vergl. SS. VI, 362 u. 363). Hugo von Flavigny,
Chronieon Lib. II, ichließt an das in n. 64 erwähnte Ereignik die Schilderung
einer Romana synodus 50 episcoporum, considente presbiterorum et abbatum
multitudine, und zwar eodem anno, um dem lebelftande: ut in canonica
electione episcopi praevaleret donum regis, immo multoties ipsam electionem
inmutaret vel potius irritam faceret — entgegenzumwirlen; allein bad Daran
angeſchloſſene Decret ift fein anderes, als das erft 1080 aufgenente weſtitur⸗
becret, wie Gieſebrecht, Tie Selegorbung der —A icche inchener
Hiftorifces Jahrbuch für 1866), 128, 187, ausführt (SS. VIII, 412 — daraus
wieber berfürzt auch Hugonis Floriacens. modern. reg. Francor. actus, c. 11,
SS. IX, 391). Borzüglid verbreitet fh aud Bonitho, Lib. ad amicum, über
bie Synobe, fpeciel in Zufammenhang mit der Perjon Wibert's. von welchem
ion in Lib. VI, in Verbindung mit dem ob. S. 201 ermähnten «Side,
gelagt il: Quod sacramentum bene conservavit. Nam . . . religiomus
archiepiscopus debitam subjectionem in tautum ei (se. Hildebrando .. .
electo) contulit, ut. vocatus ad synodum, veniret et in eadem synodo
secundum privilegium suse ecclesise destra ei sederet et, non extorta
Algen. Beihlüffe; Ercommunication Robert's; Reibungen m. Kg. Philipp. 349
Dann aber erſchien als ein wichtiger Beſchluß, welcher bewies,
daß Gregor VII. die ftärkiten Mittel gegen Schädiger der Rechte
der römischen Kirche nicht fcheute, der gegen den rüdjichtslojen
normannifhen Angreifer gejchleuderte Erdlige lud. Herzog
Robert von Apulien, Calabrien und Sicilien wurde fammt den-
jenigen, die fein Treiben förderten, fo lange bis er von demfelben
ablafje, ercommunicirt und verdammt 5°).
Nod weitere Angelegenheiten müſſen jedod ben Papft und die
Eynode in Anſpruch genommen haben. Won den aus der Ber:
jammlung abgegangenen Schreiben ſpricht eines von bringender
Verwendung, welde König Philipp von Franfreih für einen ihm
ſehr enge verbundenen Biſchof — Roger UI., von Chalons an der
Marne — Habe eintreten lafjen, ſowohl durch Briefe, als durch
mündlich ausgerichtete Beſtellungen von Boten; doch Gregor VII.
meift in jeiner Antwort ganz beftimmt die Möglichkeit, den ver-
urtheilten Biſchof loszuſprechen, von fih ab. Es ift jehr wahr:
ſcheinlich, daß überhaupt die höchſt unerfreulih gewordenen und
bald nody mehr ſich trübenden Beziehungen zwiſchen ber römifchen
Kirhe und dem franzöfiichen Könige auf der Synode in Frage
famen. Denn der Papft hatte es ſchon zuvor, gegen das Ende de
vorhergehenden Jahres, als er auf dem Ruckwege nah Rom ſich
befand, für nothwendig gehalten, aus Piperno fehr ernfte Mahnungen
an Philipp zu richten, welche allerding® nicht unmittelbar, fondern
durch einen franzöfiihen Biſchof, Rockin, demjelben zu Gemüthe
gebracht werden follten. Gregor VII. hatte jenes Schreiben geradezu
mit den Worten eröffnet: „In ber Reihe der übrigen Fürften biejer
eonfessione, set spontanen eum modis omnibus papam profiteretur, worauf
in Lib. VII, allerdings nicht in der gang richtigen zeitlichen Folge — bie zu
1075 bei n. 42 genannten, übrigens kaum ald wahriceinlich zu eradıtenden
Vinge gehen im Texte voraus — mit dem bei Bonitho beliebten Uebergange
mit Interea bie Berfammlung ber Synode burch Gregorius, nihil mali de rege
mepicans eingeführt if, bo nur furz, mit Herborhebung der Anmwelenheit
Bibert’3? — et innumerabilis multitudo episcoporum ex diversis provinciis
eongregata —, ber weltlichen Zheilnehmer (ichon bier haben vielleicht mit
Giali, ebenfo mit Mathilde Verabredungen in der unt. in m. 154 angebeuteten
Rtrung, Notigefunden) unb ber in n. 60 und 56 erwähnten Begebenheiten
fie, Biblioth., II, 655 u. 656, 659). Wibert’s Anmwelengeit: omnem obe-
tim et subjectionem domino nostro papae Gregorio exhibuit; sed et
ipee cum honore illum ac dilectione in sacro Lateranensi palatio recepit
itio, et proximum illum a dextris suis in sancto habuit concilio et
pimam in omnibus, quibus digne oportuit -— bezeugt auch — nobis cernenti-
— Bardo in der Vita Anselmi ep. Lucensis, c. 18 (SS. XII, 19) Daß
durch Heiele, 1. c., 23—26, unrichtig Beichlüffe der Synode von 1075 hierher
wurden, zeigte nach Giefebredht, 1. c., 127 n. 23, beſonders eingehend
felger, Bapft Gregor VIL. und die Bichofewahlen (2. Aufl.), 63 1. 64, 208 ff.
Und Kante, Weltgeidjichte, VII, 254, jept nicht richtig au 1074 eine Gr
nenerung ber „Seile gen über nveftitur”.
“) Die ſchon ob. ©. 282 in n. 162 citirte Weberficht der Handlungen bes
primus annus Gregorii VII. papae, Registr. I, 86, fagt: excommunicavit
ätque anathematizavit Robertum Guiscardum ducem Apnliae et Calabriae
atque Siciliae cam omnibns fautoribus suis, quousque resipisceret. Aehnlic
berightet Bonitho (1. c> 859)
350 1074.
unferer Zeit, welche die Kirche Gottes in verkehrter Habſucht durch
Feilbieten zerftört und an Mutter, welcher fie nach der Vorjchrift
des Herrn Ehre und Scheu jeuttis geweſen waren, indem fie die
jelbe gleich einer Magd herabdrücken, gänzlich niedergetreten haben,
Hat, wie wir buch fihere Berichterjtattung vernommen haben,
Philipp der König von Frankreich die galliichen Kirchen fo ſeht
unterdrüdt, daß es den Anjchein hat, er ſei in dieſer fo ver-
abſcheuenswürdigen Frevelthat bis zum höchſten Gipfel gelangt”.
Dann war zwar in dem Briefe ausgeſprochen, Gregor VII. habe
nad) durch den König übermittelten Verſprechungen feine anfänglich
beabfichtigten ſcharfen Maßregeln wieder zurüdgehalten, doch mit
dem Vorbehalte, die Glaubwürdigkeit der geſchehenen Zuſicherung
bei der Entſcheidung über die Wieberbejegung ber Kirche von
Mäcon erproben zu wollen, daß nämlich Philipp den einftimmig
Ermwählten, den Archidiakon von Autun Landrich, zur Leitung der
dortigen Kirche werde gelangen laffen: — werde nun Philipp fih
deſſen mweigern, fo ſolle er wiſſen, daß Gregor VII. ſolchen Schaden
der Kirche nicht länger zugeben, ſondern ſeinerſeits vorgehen werde:
„Denn entweber wird ber König felbft, indem er den ſchändlichen
Kaufhandel der ſimoniſtiſchen Kegerei verſchmäht, geftatten, daß die
geeigneten Perfonen zu ber heiligen Verwaltung beförbert werden,
oder die Franken werden ſicherlich, wenn fie nicht lieber den crift-
lihen Glauben von fi abwerfen wollen, fobald fie von dem
Schlage de3 allgemeinen Anathemas getroffen jein werben, ſich
weigern, ihm länger Gehorfam zu leiften“. Dem Biſchof Rockin
aber war, wegen feiner Beziehungen zum Könige, aufgetragen
worden, auf das beftimmtefte das demfelben in das Gewiſſen zu
rufen, damit er bie kanoniſche Beſetzung von Mäcon und anderer
Kirchen zulaffe. Zwar muß, nach dem Umſtand anzunehmen, daß der
Papſt im Monate nad der Faftenfynode Landrich als orbinirten
Biſchof an Erzbiſchof Humbert von Lyon empfahl, diefe Angelegen-
Bi von Mäcon ihren Abſchluß gefunden haben; doch daß der
apft von der Synode aus eine Empfehlung des Königs, wie er
wähnt, wieber hatte abmweifen müffen, da nad) feiner Anfiht gemäß
der Strenge der kanoniſchen Zucht noch viel fehärfer gegen
den betreffenden Biſchof vorgegangen werden follte, ſpricht für
fortgefeßte weſentliche Abweichungen zwiſchen den Auffaſſungen
Gregor’3 VII. und des Königs”).
®”) Als Data (Rome) in eynodo find bezeichnet Registr. I, 5154,
56—58, J. 4828—4831, 48334835, vom 14., 16., 17. Bon biefen
Schreiben gingen 51, 52? — an Erzbiichof Manaſſes von Reims —, 54, 56 nı
Frankreich 53 an Biſchof Hermann von Metz; 57 und 58 fommen bein. 5
und 103 gu Beſprechung. Brief 56 — an Biſchof Roger III. von Chalons
(an, der Marne) — ift davon bie Rebe, daß König Philipp — mon modica
tibi (se. Roger) dilectione astrietus — für ben — vielfad) tum per litteras
tum per legatorum verba — mit Bitten eintrat (. c., 75 u. 76) Die
früheren auf Philipp bezüglichen Briefe Gregor’s VII. an Biſchof Roclin von
Chalons (an der Eaone) und Erzbiſchof Humbert von Lyon find Registr. I,
Androhungen gegenüber Philipp; günftige Beziehungen zu d. ſpan. Reichen. 351
Bährend in folder Weife fortwährend der Bruch gegenüber
dem Herrjcher des Frangöiigen Neiches in Ausſicht ftand, ſcheint
dagegen der Synode felbft von Seite des ſpaniſchen Königs Sancho
von Aragon eine günflige Eröffnung vorgele en zu haben;
wenigſtens beantwortete der Papft gleid) am 20. März, unter Ieb-
hafteiter Anerkennung der geäußerten Gefinnungen, den Brief des
Königs und bezeugte darin, daß aus ber von demfelben gemelbeten
Annahme der römischen Gottesdienftordnung in feinem Machtbereiche
die Eigenſchaft als Sohn der römiſchen Kirche, der Wille, die
Freundſchaft der alten Könige Spanien’3 mit den römischen Päpften
zu erneuern, klar erhelle. Schon am vorhergehenden Tage hatte
ein anderes Schreiben die Könige Alfonjo VI. von Leon und
Sando II. von Gaftilien, ebenjo deren Bifchöfe, ermahnt, im Hin-
blid auf eine urfprüngliche, erft ſpäter durch ftörende Einwirkung
jetrennte Webereinftimmung, fi durch die Losfagung von ber
rdnung von Toledo ober irgend einer anderen, durch die Annahme
der römischen, den übrigen Reichen des Weftens und Nordens gleich
förmig zu maden. Die fpanifhen Bifhöfe, deren Anweſenheit in
Rom bezeugt ift, hatten das Verſprechen abgelegt, die römiſche
Ordnung bei den kirchlichen Handlungen zu beobachten und jo gut
als möglich feitzuhalten; augenſcheinlich hatte fi aljo die Ver—
fammlung aud mit diefen Dingen befaßt, und weitere Anordnungen
werden ber angettinbigten erneuerten Sendung des Legaten, die zu-
nächſt für Aragon in Äusſicht geftellt wurde, überlafjen worden fein.
Inzwifchen jedoch geftaltete fih überhaupt das Verhältniß des
römischen Stuhle® zu Spanien jo günftig, daß Gregor VII. es
ſchon nad) ganz kurzer Zeit wagte, an einen ber beiden vorher ihm
noch ferner Beendet Könige, denjenigen von Gaftilien, eine aus»
drũdliche Bitte zur Herbeiführung einer weiter gehenden Entſcheidung
zu rihten®®).
Sb 5 } 4807 amd 200g, yom 4, Buenber „ons {n Er 53 y Bi Bad
t tere neben ber Weifung hin! ich der gewünfchten ing bes
Stuhls von — nur eine kurze ne betrefis — ya —
deren Schreibens an Roclin. Die Orbnung der Angelegenheit erhellt ans
str. 1, 76, J. 4856, jedenfalld nad) 15. April, an Humbert: Confratrem
nostrum Landricum tisconensem episcopum, quem intervenientibus
qubudam rationabilibus causis ordinavimus, ad vos... mittimus, mit ber
ıng zum Beiftanbe befonder® aud ad... . jura (sc. sibi commissae
5* relinenda & — opus fuart, recuperand — ferner aus Re. 7 ber
Epistolae collectae, J. 4857, mit ähnlicher Empfehlung an clerus et populus
Matisconensis ecclesiae (l. c., 95, 527).
Regen I, 64 und 63, J. 4840 und 4841, vom 19. und 20. März
(Le. h), find beide in Zulammenhang mit der auch in Brief 55 — wegen
der Berhältwiffe in der Ausciensis ecclesia — erwähnten Sendung bes legatus
snetae Romanae ecclesise Gerald — cum Reinbaldo — zu bringen.
Biel 63 Baar Mtaras er —— Gans don Aragon)
suavitate e, neben welchen ber noch eben per legatos apostolicae
sedis dad Befie über Gandjo vernahm. Aus ber Erwähnung in "priet 63;
quod sub ditione tua Romani ordinis offieium fieri studio et jussionibus
tuis asseris, wogegen Brief 64 bie beiden anderen Könige erft ermahnt: ut...
352 1074.
Von italienifhen Angelegenheiten, welche dieſer Synöde vor
Tagen, ift nur eine geringe Zahl befannt. Die eine betraf den an
wejenden Markgrafen Albert A530 IL, welcher, obſchon bereits in
oben Jahren ftehend, eine dritte Che mit einer innerhalb ber
ichlich verbotenen Grabe verwandten Frau, der Wittwe des Mark-
rafen Guido, Mathilde, der Echweiter des Biſchofs Wilhelm von
javia, geichloffen hatte. Doch war durch denjelben ſchon auf der
Synode, als er wegen dieſer Verbindung angeflagt wurde, das
eiblihe Verſprechen in die Hand des Papftes abgelegt worden, daß
er fi) vor diefem, auf feine Aufforderung, zur Ablegung der Reden»
haft mit den Verwandten der Frau, eben voran Biſchof Wilhelm,
jellen werde, und es ift bezeichnend, daß hierdurch Gregor's VII.
Vertrauen zu dem Markgrafen, als einem ihm unter den ilalieniſchen
Fürften befonders lieben Manne, fo wenig erfehüttert war, daß er
noch am legten Tage der Synode denjelben in einem Briefe nah
Ungarn als den zuverläffigen Vermittler von Nachrichten an ben
päpftlihen Stuhl empfahl). Ein einzelner Zwiſchenfall der Ver⸗
Romanae ecclesiae ordinem et ofäcium recipiatis — — VIL_ erinnert
im Weiteren ferner an J. 311 unb 855, aus den Jahren 416 und 520 —, ik
allerdings mit Hefele, 1. c., 27, zu ſchliehen, daß auf ber Synode aud über An«
nahme der römifchen Liturgie von Seite ber ſpaniſchen Kirche verhandelt worben
ji. Der episcopi vestri ad nos nuper venientes gebenft Brief 64, ber neuen
Sendung des Legaten 63: Eo (sc. legato nostro) revertente . . . ..ad vos
nuneium nostrum mittemus. Bo noch beflimmter behauptet gerabepn der
fpitene Brief an Pni ufonſo, 83, J. 4871, vom 9. Mai, daß Hinfichtlih ded
'omanus ordo in divinis officis bie ceteri Hispani episcopi qui synodo
interfuerunt beftimmte Verſprechungen ablegten; der Brief zeigt außerdem einen
in Brief 64 ald simoniacus bezeichneten Altar nad) feiner Perönligen Ber
antwortung in Rom verjöhnt mit dem Papfte, bagegen dazu verpflichtet: ad
futuram synodum . . . ad nos iterum reverti; für bie ſteie engere Verbindung
mit Spanien ſpricht die Weifung an Alfonfo: ut... huie episcopo antiguam
sui episcopatus sedem (sc. Burgos, flatt Oca) reparare ac stabilire cum Dei
adjutorio modis omnibus insistas (l. c., 104 u. 105).
._®) Registr. I, 57, J. 4884, an Biſchof Wilhelm von Pabia, dann II, 9,
ſowie 35 und 36, J. 4882, 4908 und 4909. vom 16. October und 16. December,
zeden von biejem Ehehanbel, befjen gravirende Punkte bie zwei fpäteren Briefe
(l.e., 149 u. 150) aus einanber jegen. Daß ber Markgraf an ber Synode theil
gramm, zeigt bie Ausfage in dem an Beatrix und Mathilde geſchidten
rief 9: marchionem Azzonem in synodo nobis promisisse et fidem in
manum nostram dedisse, se in nostram praesentiam . . venturum (123)
Wegen ber Ehe mit biefer Wittwe bes Markgrafen Guido, Mathilde — Guide
war consanguineus Azonis marchionis geweien, außerdem Mathilde und
Albert Azzo in quarta propinquitatis linea consanguinei — vergl. auch Breßr
lau, Konrad II., I, 422 (vergl. 419, daß der Markgraf vor 997 geboren war).
In Registr. I, 58, J. 4835, vom gleichen 17. März, wie bie Aufforberung an
den Bruber der Mathilde, fi) mit dem Schwager, welder per propinquos
mulieris satisfactionem pollicitus, zu ftellen, fight bie Aufforberung an Herzog
Geifa: Tu autem, si quid interdum aut de tuis causis aut quod servitio
apostolicae reverentiae pertineat nostris auribus intimare cupias, habes
ium videlicet marchionem Azonem, nobis quidem inter ceteros Italias
principes valde dileetum, per quem ea, quae ad apostolicam audientiam
destinaveris, nobis aptissime indicari et commendari poterunt
u. 78).
Eheſache Albert Azzo's IL; Anfeindung Wibert’3; Anfagung e. neuen Synode. 358
handlungen dagegen geſchah in unerwünjchter Weife dem Erzbiſchof
Wibert, wie ein allerding3 demſelben in diefer Sache entichieden
feindfeliger Zeuge wifjen wollte. Wibert fol, als er in auffälliger
Weife die Einwohner von Cremona beſchimpfte, duch einen an-
geiehenen jungen Bürger der Stadt, indem ber Vertheidiger mitten
in der Synode feine Mitbürger von der vorgeworfenen Schmach
teinigte und fie auf den Gegner zurüdwarf, offen als Lügner über-
wiefen worden fein. So erzählt der Subdiafon Bonitho, welcher
ſelbſt aus Cremona ftammte und augenſcheinlich bei der Synode
anwejend war °°).
Es ift nicht zu bezweifeln, daß die Ergebnife diefer erftmaligen
von Gregor VII. in Rom abgehaltenen lirchlichen Verſammlung,
mochten auch zum Theil in deren Bejchlüffen nur die erften Schritte
auf Bahnen vorliegen, welde nachher mit ungleich ſiärkerer An-
firengung befolgt werben follten, mit Befriedigung in den Kreijen
apftes angejehen wurden. Allein zugleih war augenſcheinlich
alsbald ſchon eine neue Synode in Ausſicht genommen worben;
denn gleich von dieſer Faſtenſynode aus war als Zeitfrift für eine
folge der 1. November in Ausficht genommen").
Außerdem hatte ſchon von der Synode aus auch die Abfertigung
der apoftolifchen Legaten an König Heinrich IV. ftattgefunden;
am 19. März äußerte bereit? Gregor VII. in einem Briefe an Abt
Hugo von Cluny über einen der Xegaten, daß derſelbe im Dienite
10), Bonitho, der, 1. c., biefe Geſchichte von Wibert und Dobo — egregiae
indolis juvenis, Cremone civis — bei Anlaß eines nicht näher bezeichneten
negocium Placentinorum et Cremonensium erzählt, war, wie Lehmgrübner,
enzo von Alba, 138, darlegt, wahriceinlih Anfang 1074 felbft nad) Rom ges
tommen, alfo Zeuge des Vorganges. Köhnde, Wibert von Ravenna, 24 u. 25,
nimmt die Anſicht auf, daß die von Wibert &®: infamis ber Gremonenjer vor»
gerade Gedichte mit dem ſchon in Bb. I, ©. 560, n. 22, erwähnten Skandale
'quidam presbiter ... . ab ipsa eadem muliere, cum qua fuit inventus
(ee. im adulterio deprehensus), ad instar equorum per urbis eircuitum .. .
ut ita dixerim equitatus — identilch fei; babei ift —, nach Panzer's zutreffen»
der Bermuthung, Wibo von Üerrara De scismate Hildebrandi, 11 ff.
iforiiche Studien, 2. sn — bie Etelle (jet in dem ob. in n. 44 citirten
rude, 543 u. 544) ben, 1. c., 57 ff., gefammelten kagmenten bes Schreibens
Widert’3, in Wibo’s Tractat, beizuzählen, fo da aljo bei den Worten: nobis
tibus et videntibus Cremonae an Wibert felbft zu denken wäre. Doch
ieht über bie Zeit jenes Vorganges fo durchaus nichts feft, daß es immerhin
gewagt erjcheint, benjelben etwa glei) vor März 1074 amzufehen. Jedenfalls
308 Hefele, 1. e., 45, den Zwiſt anf ber Synode unrichtig zu 1075.
*) Registr. I, 51 und 56 — in aynodo -, ebenfo 73 (J. 4853) fepem
den Termin für Borladungen usque ad festivitatem Omnium Sanctorum, das
Ygen II, 2 bi8 4 (J. 48754877), vom 10. September, ante festivitaten sancti
3 , welche Berfchiebung wohl mit Gregor’ VIL. Grfrantung im Zu-
hemmmbange fleht. Dab circa festivitatem sancti Andreae bie Synode
tfand, zeigt TI, 33 (d. 4906), imo Biſchof Runibert von Turin als vocatus
. . celebravimus erwähnt ift (I. c., 147), und ebenfo
Ren er von Anonau, Jahrb. b. diſch. R. unter deinrich IV. u. V. vd. IL. 23
354 1074.
des heiligen Petrus über die Berge zum Könige geſchickt worden
fei°®). Kurze Zeit nah dem Ofterfefte trafen ſich Heinrich IV. und
die Gefandten de3 Papites, welche nun ihre Aufträge dem Könige
eröffneten °®).
Indeſſen hatte ein Vorgang, welcher der Synode ſelbſt noch
unmittelbar vorangegangen war, auch dargelegt, daß der Papſt —
wenigſtens in einer einzelnen Frage, freilich nur theilweiſe — ge
willt war, fi Heinrich IV. nicht ungefällig zu erweifen.
Sion jeit dem Schluffe des abgelaufenen Jahres befanden ſich
nämlid, um die Ordination vom Papfte zu empfangen, zwei ıt-
wählte Biſchöfe, einer burgundiſchen und einer italienischen Kirche,
Hugo von Die und Anfelm von Lucca, in Rom. Wegen bieler
beiden Erwählten war nun, wie eine lothringiſche Geſchichtsquelle,
deren Verfaſſer mit Hugo jpäter nahe vertraut wurde, erzählt, eine
Botſchaft Heinrich's IV. nah Rom gefonmen, um bem Papite
Vorftellungen darüber zu machen, daß er ja nicht an denfelben, ehe
fie aus der Hand des Königs die Inveſtitur erhalten hätten, feiner:
ſeits die geiftlihe Handlung vollziehen möge, da er fich dadurch in
Widerſpruch mit der Gemohnheit feiner eigenen Amtsvorgänger
bringen würde. Anderntheil3 war nicht lange vorher Anfelm eigens
von Gregor VII. davor gewarnt worden, die Inveftitur entgegen:
guneßmen, ehe fih der König mit der römiſchen Kirche verjöhnt
jaben würde. Nachdem der Papſt aber jet die Frage ben Car⸗
dinälen vorgelegt hatte, entſchied er ſich doch, hinſichtlich Anſelm's
die Weihe zu verſchieben, bis derſelbe durch die Hand des Königs
die Inveftitur Mm haben würde. Dagegen gab er bei Biſchof
Hugo nicht nad), fondern vollzog ſchon dis vor Beginn der
Synode die Firhlihen Handlungen, am 8. März die Prieſterweihe,
am barauf folgenden Tage, am Sonntag, diejenige zum biſchöflichen
Amte**). Viclleicht hatte der Umftand, daß der Papſt den Biſchof
:) Marianus Ecottus fährt an ber in m. 55 erwähnten Stelle fort:
Unde de pracdieta synodo legati Papas missi ad Heinricum regem
Romanorum (l. e., 561). Gregor’s VıL Worte in Registr. I, 62, J. 4839,
lauten: episcopum (Giraldum Östiensem) in servitio sancti Petri ultra montes
ad regem misiuus (1 c., 81),
2) Veral. unt. ©. 377 fi.
„**) Hugo von Flavigny, Lib. II, führt bei Anlaß des post ipsam suam
electionem .. .. ad suscipiendos ordines Romam mense Decembri ge
tommenen Hugo den Lucensis electus ein, der pro simili expectatione da
weilte, worauf beide, licet diviea haberent hospieia, dennod in palario
Lateranensi individui erfheinen, und fährt dann fort: Cam ergo Romae
ositi_ praestolarentur diem consecrationis suae, venerunt nuncli regis
leinrici Romam, rogantes ne contra morem praedecessorum suorum dom-
Dus papa eos consecrare vellet, qui episcopatus electionem solam, non
autem donum per regiam acceperant investituram. Atipee convocatis car-
dinalibus legationem regis aperuit, et quid sibi ad hoc respondendum,
quid essot facienlum, ammonuit. Quibus respondentibus usum aecelesiae
hunc esse, hunc haberi pro lege, cum auctoritas eis nulla ad hoc suffra-
aretur, in Lucensi tamen electo eis adquievit, ut consecrationem eius
iferret, donee investituram episcopatus ex regio dono accepisset. In
Annäherung Gregor’ VIL. an Heinrich IV.; Weihe Biſch. Hugo’3 dv. Die. 355
der burgundiſchen Kirche fogleich zu einer Aufgabe befonderer Art
zu verwenden gedachte, den Anlaß geboten, ei der Behandlung
feiner Sache dem Könige nicht gefällig ih zu erweifen. Denn
ſchon am 23. des Monates entließ Gregor VII. mit einem Schreiben
an den Grafen Wilhelm von Die und die Angehörigen der dortigen
Kirche den gemweihten Biſchof, unter der Ermahnung, mit ganzen
Kräften in feinem Sprengel die Simonie zu bekämpfen, in feiner
Kirche heilige Verrihtungen zuzulaffen, wenn fie nicht vorher von
Raienhänden frei gemacht worden jei, und zwar unter Androhung
firhliher Strafen; denn ber Graf jelbft hatte, beſonders in Hugo's
Abweſenheit während der Reife nad Rom, feine bei der Ermählung
Hugo’s früher bewieſene gute Gelinnung abgeftreift und Gemwalt-
thaten gegen Hugo's Kirche ſich erlaubt. Außerdem warteten
Hugo's noch größere Aufgaben. Durch ein allerdings ſehr wahr-
ſcheinlich noch nicht ſchon in dieſer gleichen Zeit erlaſſenes Schreiben
an die dem heiligen Petrus zinspflichtigen Nebte und Prälaten von
Frankreich erftredte nämlich der Papjt den Auftrag des Biſchofs
von Die auch über dag Gebiet von Burgund hinaus; der Bischof
follte, da er in allen ertheilten Aufträgen als treu und zuverläffig
erfunden worden fei, von den Kirchen die Zahlung des geſchuldeten
und zum Theil verfäumten jährlichen Zinfes, als Inhaber der
päpftlihen Stellvertretung in jenem Lande, einziehen ®).
Auch in die fünf Wochen, welche zwiſchen den Abſchluß der
Eynode und die Feier des Ofterfeftes fielen, traf eine Reihe wich.
tiger Abmachungen des Papftes nach verfchiedenen Seiten hin.
Diensi vero adquieseere noluit; sed eum prima quadragesimae ebdomada,
sabbato (8. März) in presbiterum, et dominica (9.) consecravit in episcopum
88. VIII, 411 u. 412). Bexgl. dazu das nod am 1. September 1078 durd
Gregor VII. wegen ber Inveflitur an Anfelm erlafiene, ob. ©. 282, mit n. 161,
emähnte Berbot. Bardo erzählt in der Vita Anselmi, c. 4, ausbrüdlich von
jenem: quod post catholicam electionem de manu regis aunulum suscepit
& pastoralem baculum (SS. XII, 14), und daß bie Biſchofsweihe erſt mad} der ⸗
jenigen Hugo’3, nicht primo anno pontificatus, durch Gregor VII. geichah, geht
aus der Nichtermähnung in ber in n. 56 genannten Ueberficht herbor. Bergl.
auch Melber, 1. c., 55-57.
®) Registr. I, 69, J. 4848, erwähnt als Hugo’s Aufgabe, ut contra
simoniacam haeresim totis erigeretur viribus, et ecclesias sune’ parrochise
Don prius consecraret nec consecratas aliter divinum officium celebrare
permitteret, nisi prius, absolutae a Iaicorum manibus, sient canonicum est,
suo juri et episcopali eius providentiae redderentur (l. c., 88). Während
die nur auf das burgundiſche Bislhum Hugo's bezieht, bringt Hugo von
iguy eiwas weiter nach bem in n. 64 erwähnten Zuſammenhang mit ber
i : misit ei vices auas in Gallia, ubi plurimum symoniae
serpebat pestisinigua, quia perrari illie erant, qui non essent aut symoniaci,
aut a symoniacis ordinati, aut per manum laicam investiti — einen rief
ad praelatos Gallicanarum ecclesiarum, quae sunt juris sancti Petri (bie
Tautet: omnibus abbatibus et praelatis tam monachorum quam et
eanonicoram Gallias constitutis) . . ... pro suo censn debito sancto
Petro (L c., 4. 413), welden Xaff& in den Epistolae eollectae als Nr. 6
23°
356 1074.
Gleich am 18. März kam Gregor VII. ſehr nachdrücklich auf
die Streitfrage zurüd, welche in Folge der Beſetzung des Bisthums
Prag innerhalb des böhmifchen herzogliden Hauſes ſchon länger
beftand. Zwar hatte er bereit3 am 31. Januar über diefe Frage,
die ſchon Alerander II. jo angeftrengt beichäftigt hatte, zwei
Schreiben nah Böhmen abgehen laffen, das eine an Biſchof Gebe:
hard von Prag, das andere an deſſen Bruder, Herzog Wratiſlav.
Augenſcheinlich war Gregor VII. nit damit einverftanden geweſen,
wie die Legaten, Bernhard und Gregor, ‚gehandelt hatten, und es
war dabei wohl der Umftand in Frage gekommen, daß biejelben, in
Angft gejeßt durch die heftige Aufregung im Volke, wenigftens die
priefterlihen Verrichtungen dem gemaßregelten Bifchof wieder zu-
jelafien hatten. Dann jedoch war durch die Legaten beiden
Bifhöfen, die im Streite unter fi lagen, Gebehard und Johannes
— dem Bifhof von Olmütz —, geboten worden, nad Rom zu
fommen, freilich ohne Zweifel mit viel größerer Dringlichkeit für
Gebehard, der in den Augen Gregor's VII. der Schuldige war.
Indeſſen hatte ſich Gebehard in Rom damit entjhuldigen Laffen,
daß er, wie fein Brief ausführt, aus Mangel an dem Roth:
wendigen, weil ihm ber Befig feiner Kirche entzogen fei, nicht nad
Rom zu feiner Rechtfertigung kommen Tönne. Aber Gregor VII.
meinte in feiner Antwort, der Biſchof verdiene, wegen feines Un-
gehorfams und der in der Verachtung der Legaten dargelegten Ver—
ſchuldung, nit, daß feine Bitten in jeiner Abweſenheit und während
er noch nicht bereit fei, Genugthuung zu leiften, angenommen
würden; dagegen mollte er bie Hinberniffe, bie einer Ankunft
Gebehard’3 in Rom entgegenftanden, entfernen. So geftand er
dem Biſchof, abgefehen von den Obliegenheiten des biſchöflichen
Amtes, dasjenige wieder zu, was ihm die Legaten abgefprochen
hatten, und fündigte an, er thue dem Herzog fund, daß diefer von
den gewohnten Zeinten und Einkünften der Prager Kirche nichts,
foweit feine Macht reiche, dem Biſchof verweigern oder entziehen
lafje. Dagegen ſchrieb er Gebehard in den unabweisbarften Aus«
— J. 4849 — allerdings gleich zu dem Briefe an den Grafen Wilhelm zeitlich
einſchaltete (526); doch heißt hier Hugo ob aecclesinsticae utilitatis diveraa
negocia in Gallias vices nostras exequuturus, und der Papft jagt von ihm:
nemini potius credere debemus, quem in omnibus a nobis sibi injunctis
fideliter egisse comperimus, fo bah allerdings eine gewiſſe Frift amilden der
Weihe und biefem Auftrage zu Liegen ſcheint. Daß übrigens Hugo’s Rachfolge
in Die von Anfang an im ntereffe der römifchen Kirche ſeht Ichhaft begrütst
wurde, beweiſt die nachträglich — a. 1078 — in den Text des Ehroniften von
1075 an eingefchobene, übrigens ſehr ausgeſchmückte Erzählung: non humana
set divina_electione episcopus factus est... . Legatus apostolicae sedis
Geraldus Ostiensis episcopus, qui et ipso tempore eo loci (sc. ad Divensem
civitatem) concilium pro utilitate et necessitate aecclesiae collegit, videns
eum, non parum de adventu illius gavisus est; namque ipsi notus et
amicissimus fuerat. Et osculato eo statim intulit: Bene venisti, quia Deo
auctorante huius aecelesiae, episcopo suo orbatae et destitutae, te pro illo
episcopum et provisorem habituri sumus (etc.) (SS. V, 306 u. 307).
Gregor's VII. Unterfuchung d. Gtreites zwiſchen Prag u. Olmüg. 357
brüden vor, daß er, ohne Zulafjung irgend einer weiteren Ent-
ſchuldigung, fih zum Palmfonntage in Rom ftelle, woneben aber
aud der Herzog aufgefordert wurde, ebenjo auf die gleiche Zeit den
Biihof Johannes zur Reife nah Rom zu mahnen, jelber aber
Boten von fih aus an den Papſt abzufenden, damit die Urſachen
bes Zwiftes durch benfelben geprüft und die Entſcheidung gefällt
werden könnte. Sehr beftimmt warnte Gregor VIL. endlich ben
Bifhof davor, irgendwie in der Zwifchenzeit an die Befigungen bes
Biſchofs Johannes zu Führen. Der zweite Brief, an den Herzog,
hatte den Zwed, dieſe gleichen Dinge auch hier zur Kenntniß zu
ringen. ALS Beifügung gab der Papft da nur die Weifung, daß
unter den Gebeharb wieder zuguerfennenden Dingen dasjenige nicht
inbegriffen fein dürfe, um deſſen willen Biſchof Johannes ihn be-
lange, und außerdem ſprach Gregor VIL in diefem Schreiben auch
den Wunſch aus, daß Wratijlan, wenn er Fönne, jelbft in Rom
ſich einfinden möge®®).
Am 18. März, gleih am Tage nah dem Schluß der Synode,
ſprach ſich alfo nunmehr Gregor VII. neuerdings über die zwifchen
dem Prager und dem mährifhen Bifchofe ſchwebenden Streitfragen
aus. Zwar hatten ſich allerdings weder Herzog Wratiflav, noch
Biihof Johannes in Rom eingeftellt. Dagegen hatte ſich Biſchof
Gebehard ohne Zweifel beeilt, der ſcharfen Aufforderung Gregor’3 VIL.
nachzukomnien. Doc wurde die Angelegenheit, nachdem der Papft
die Ihriftlihe Ausführung über dieſelbe zumächſt eingehändigt er
halten und dieſe hatte vorlefen laſſen, verjhoben und Gebeharb
für einftweilen entlaffen*”). Eben jeßt, gleich nach Beendigung der
«) Registr. I, 44, an Biſchof Gebehard (Jeromiro Bragensi), und 45, an
du Brotiflav, J. 4821 und 4822, vom 31. Januar, knüpfen an bie ob.
. 192 u. 193, ferner 273 u. 274 (mit n. 147), (u. 208) erwähnten Dinge
an, deren Weiterführung auch Cosmas, Chron. Boemorum, Lib. II, c.30, kurz
unnt: et niei epiecopus uterque (sc. Gebeharb unb Johannes) eodem anno
de inductis causis reddat rationem pontifici Romano, ambos const it
banno (sc. cardinalis — reip. bie beiden Legaten, worüber vergl. ©. 193 n. 9).
Radı dem Umftanbe, dat in Rogistr. I, 98 (vergl. &. 904: Porro quae ipsi,
se. legati, inde statuerunt, interim, donec ad nos negocia. perferantur, immota
manere volumus) von ber Berufung nad) Rom nody nicht geiprochen wurde, hi
au fcliehen,, biefelbe fei erſt nach jenem 17. December, eben eodem anno, wie
bie Abreife, alſo 1074, erfolgt. Im erflen Briefe ift mit den Worten: hoc
idem fratri tuo Wratizlao duci per epistolam nostram notificavimus (ete.)
anf den zweiten hingewieſen (I. c., 62—64). Sregors VII. Worte zeigen jehr
beutlich, Godmas irrt, wenn er bie Einladung an Johannes mit ber
Citation Gebeharb’s ganz gleich ftellt. Im erften Briefe Heißt es Wratiflan
fei aufgefordert worben: ut Johannem Moravensem episcopum itidem ad nos
venire eommoneat, im zweiten gar nur: Quod si rerum aut temporum
eventas prohibuerit (sc. des Serzog3 eigenes Eintreffen), nobilitatem vestram
multum admonemus, ut episcopum Moravensem praesentiam suam nobis
eshibere commoneatis.
. 9) Bas Cosmas, c. 30, am Enbe mittheilt: Nec mora, profieiscuntur
in Romam, et offerunt apostolico suarum literarum formam; quibus
reeitatis, nee adınisea nec mec discuss eorum causa, jussi sunt ire
ad hospicia sua, quoad usque revocarentur ad generalem sinodum die con-
358 1074.
Synode, war wohl durch Gregor VU. die Unterfugung der Sade
an bie Hand genommen, wie die drei an dem erwähnten Tage ab-
gelafjenen Schreiben anzubeuten feinen. Im erften wandte er ſich
an die Brüder des Herzogs Wratiſlav, Dito und Konrad, welde
don von Anfang an bei den Gegenjag zwiſchen Wratiflav und
womir fih auf die Seite des letzteren geftellt hatten und fo dem-
jelben als Biſchof Gebehard fortgefegt ihre Gunft bewahrten, mit
der Erinnerung, daß fie ſchon früher Mahnungen des apoftolifchen
Stuhles erhalten hätten, die Rechte der Olmüger Kirche zu achten
und denjenigen, welde diejelbe jhädigten, nicht Beiſtand zu Ieiften.
Unter ftrengen Drohungen für den Fall der Nichtbereitwilligfeit
wurde ihnen jegt neuerdingd eingefhärft, aus Ehrfurcht für bie
römifche Kirche, unter deren apoftlifäien Privilegien Dlmüg ge
fügt ftehe, jo viel es in ihrer Macht liege, die Rechte und Ei
jehörigkeiten dieſer Kirche von eigenen Eingriffen oder ſolchen der
Ihrigen unangetaftet zu erhalten. Das dritte Schreiben richtete
ſich an Herzog Wratiflav, deſſen eifrige Ergebenheit gegen die römische
Kirche, wie fie hervorzutreten beginne, die Aeußerung der Gegenliebe
des Papftes, freilich verbunden mit fleißiger Ermahnung zu nod)
fteigender wertthätiger Darlegung, voll verdiene. Auch für Reliquien
und ein Privilegium, welche Wratiflav zu Gunften einer im Bau
begriffenen Kirche für ſich erbeten hatte, erhielt derſelbe auf den
galt der Vollendung der Baute vorausgehende Zuſicherung. Weitere
eußerungen des Briefe bezogen ſich jedoch auf die Beziehungen
des Herzogs zu Erzbifhof Siegfried von Mainz *®).
Siegfried hatte nämlich in der Zeit vor der Faſtenſynode theils
an Papft Gregor VII. geſchrieben, theil® in ben Angelegenheiten
des Bisthums Prag Anordnungen zu treffen gefucht, auf melde
legteren Gregor in den Briefen vom 18. März verwied. In dem
Briefe an den Papft, der mol im Februar abgeſchickt worden war,
hatte fich der Erzbifhof insbeſondere deßwegen gerehtfertigt, daß
er nicht in Befolgung der am 12. Deceniber 1073 aus Rom er-
jangenen Einladung zur Faſtenſynode ſich einfinde. Die gleiche
Lähmungskrankheit, von mwelder er ſchon bei feiner im vorher-
stituta (. Br infofern wieber umtichtig, als er abermald beide Bilchöfe eins
ander ganz gleich ftellt (vergl. n. 66). Deun nad Registr. 1, 78, J. 4859: De
causa vero, quae inter eum (sc. Jarmirum) et Marovensem episcopum
tandiu protracta est, propter illius absentiam ita statnimus (I. c., 98) war
Biſchoſ, jannes in Rom nicht anwefend, und ebenſo fiel bie Euiſcheidung
wegen Gebehard nicht auf die Bafleniynode, ſondern erft in die Ofterzeit.
*) str. 1, 59—61, J. 4364888, find dom gleichen 18. Marz (L. c.,
78—80). en ber Haltung Otto’ und Konrad's 1068 in ben Anfängen
Bilcjof Gebehard’s vergl. Bb. I, ©. 594 u. 595; unter ben molestantes cam
(ec. Olomucensem ecclesiam) it elhftverfänblid voran Bifchof Gebehart zu
ertennen. Der Brief an Giegfrieb, 60, und waß fid) in Brief 61 auf diefen
bezieht, if in.n. 70 zu erörtern. In Brief 61 if die etwas limitirte Anerlennung
der studie devotionis (sc. ducis Boemiae): erga sanctam et apostolicam
ecclesiam habere coepisti — zu bemerten.
Gregor’s VII. Antwort an Herzog Wratiflan u. Zabel an Siegfried. 359
gehenden Jahre abgegangenen Botjchaft zu ſprechen hatte, hat ihn
in einem von Tage zu Tage noch — und verſchärften Grade
ergriffen. Nicht Uebermuih oder ungehorſame Verachtung des Be—
fehles ſtehen im Wege; denn fein Hinderniß, auch des allergrößten
Gejchäftes, nicht die lange Reife und die große Anftrengung würden
ihn ohne das von der Verfammlung fern halten können. Mit dem
Dante für die gute Aufnahme feiner früheren Boten und für das
in der Antwort ausgefprodene Gedächiniß des Papſtes an bie
frühere Zeit liebevoller gegenfeitiger Gelinnung verbindet der
Schreiber das Verſprechen fortgefegter wachſamer Thätigkeit von
jeiner Seite, um biefe vielfahe Güte unausgefegt zu verdienen.
Auch fonft nimmt er mehrfad auf Stellen de2 päpftlichen Schreibens
unmittelbar Bezug und verfäumt nicht, gegen die feindfelige Ver:
leumbung, die er aus dem Inhalte jenes Briefes, mit den ein-
geihobenen Mahnungen, erkennen zu müfjen meint, Verwahrung
einzulegen ; höchſtens geiteht er, dab er zuweilen nad dem Rathe
ber Brüder zur Erzielung körperlicher Heilung das Joch der Selbit-
zucht, mit dem er fi im Zaume halte, ein wenig zu erleichtern
gezwungen werde. Was die Prüfung der ſechs Biſchöfe betreffe,
weiche Gregor VII. in feinem Schreiben genannt habe, deren Ein-
tritt in das bifchöfliche Amt und deren Lebenshaltung ihm vom
Papfte zur genaueften Unterfudung empfohlen worden, jo müffe er
zu bedenken geben, daß für die Rüdfehr feiner eigenen Boten bie
ihm diefen Auftrag überbrachten, und zu biefer Antwort nicht fo
viel Zeit vorhanden geweſen fei, um weder eine Verfammlung, noch
eine Prüfung anzuftellen, fo daß er nichts in eingehenderer Reife
hierüber berichten fünne; doch habe er den Biſchöfen die päpftlichen
Schreiben fo raſch wie möglich zugehelt und in eigenen Briefen
diefelben ermahnt, den gegebenen Befehl zu erfüllen. Auch bin-
Ahtlich der Eheloſigkeit der Geiftlihen und der Simonie, überhaupt
in allen Dingen, auf welche Gregor’3 VII. Aufträge fich beziehen,
will Siegfried immer Gott und dem Papfte gehorfam fein. Aber
am Schluffe fann der Erzbiſchof nit umhin, den Papſt zu erfuchen,
er möge bei der Abjendung von kirchlichen Weiſungen auch dic
Lage der Zeiten und die den einzelnen Empfängern gegebene Mög-
lifeit in das Auge faſſen, ſo daß den Fehlbaren und Eigenfinnigen
gegenüber die Zucht gebraucht werde, bie ihnen gebühre, den
Schwachen und eines Arztes Bebürftigen das Mitleid der Liebe
nit verfagt bleibe, und jo möge nah Prüfung der Sachen ein
Urtheil zur Anwendung kommen, bei weichem ber Spruch in feinem
Inhalte das Maß ganz beſonders auch der väterlichen Liebe bes
vapftes nicht überjchreiten fole®®), — Allein neben dieſen Er-
88-91), gehört als Antwort auf ben ob. ©. 304 u. 305 (mit
n. 204) X en Brief Gregor's VII. — Registr. II, 29 — nicht in den
Januar 1075, wo Jaffe denfelben einreiht, ſondern ganz nothwendig, in Heber-
Anfimmung mit dem Ausführungen Dünzelmann’s und Beyer’s, Forſchungen
Br Brief an Gras VII, Codex Udalriei, Nr. 42 (Jafle,
360 1074.
klärungen mit ihrem in der Hauptſache jo unterwürfigen Inhalte
muß do ber Erzbifhof in der Angelegenheit des Biſchofs Gebe
bard feine Auffafjung feitzuhalten verſucht haben. Denn eben in
dem Schreiben vom 18. März hob Gregor VII. gegenüber Siegfried
tabelnd hervor, es ſei der Bericht nah Rom gekommen, dem er
gar Teinen Glauben würde geſchenkt haben, wenn jener nicht mit
em eigenen Briefe Siegfried's übereinftimmte, daß nämlich ber
Erzbiſchof die Streitfrage, welche zwiſchen Gebehard und Johannes
ſchwebe und die ſchon jo oft zur Verhandlung des apoſtoliſchen
Stuhles gebracht worden fei, zur Beurtheilung vor feinen Richter:
ftuhl, vom päpſilichen Gerichte weg, hinüberlenfen wolle. Der Papſt
meinte deutlich hieraus zu erfennen, wie wenig Siegfried’3 Rath:
geber die Rechte der römischen Kirche verftünden, und er forderte
den Erzbiſchof deßhalb auf, mit ihm die Fanonijchen Ueberlieferungen
und die Ausfprüche der heiligen Väter zu durchgehen: dann werde
er die Verſchuidung der Nadhjläffigfeit und der Verwegenheit zugleich
in ſich felbft entdecken. Gregor VII. macht nämlich dem Erzbiſchof
den Vorwurf, daß derſelbe zu der Zeit, ald die Verfolgung des
Biſchofs Johannes begann und diefer fein Recht finden konnte, feine
Sorge und feine Anftrengung auf die Behandlung diefer Angelegen-
heit verwendet habe; erjt als der apoftolifche Stuhl nad; Empfang
der Klage des Biſchofs in öfterer Weiſe durch Briefe, einige Male
durch Legaten den Streit zu beſchwichtigen ſich bemüht habe, fei
Siegfried’8 Eifer erwacht und habe er die Sache bemerkt, zugleich
diefelbe zur Vorlage vor feine Unterſuchung eingefordert, was den
Biſchof Johannes neuerdings in Kampf und Beſchwerde geworfen
babe, nachdem er durch die apoftolifche Hülfe kaum zur Gerechtigkeit
und Ruhe mühfam gelangt jei. In den herbſten Tadelsworten
wird der Erzbifhof ermahnt, nit länger zu glauben, daß weder er
noch irgend ein Patriarch und Primas ſich erlauben dürfe, apofto-
liſche Urtheilsfprüche zu mißbilligen, da er ja wiſſen müffe, daß er
ohne die unerjchöpfliche Gnade der römifchen Kirche auch an feiner
eigenen Stelle nicht beftehen könnte. Nur Gregor VII. bat in
diefem Streite den Entſcheid zu geben. Dieſe harte Zurechtweilung
Siegfried's num aber meldete der Papft gerade am gleichen Tage
aud dem Herzog; denn es ſcheint eben, daß der Erzbiſchof gegen
Wratiflan gleichfalls, noch in der legten Zeit vorher, Anftrengungen
gu deutſchen Geſchichte, XV, 523525, und XXI, 410-413, in den Anfang
Jahres 1074 und, wie Dünzelmann, 1. c.. 527. anfebt, etwa in bem Februar,
nicht allzu Lange dor der Faſtenſynobe. Die prior legatio — mit ber Gr
mwähnung des em paralisis morbus, quo tune laborabam, an dem der
Schreiber wieber leide — kam ob. ©. os. 308 zur Sprache, Gregor’s VII.
Antwort ©. 304 u. 305, auf welde Siegfrieb, wie Jafje's Anmerkungen zeigen
(&9 u. 9), im Sinetnen entgegnet (barunter tann der Sah: aliquando illud,
quo me castigo, um diseiplinse aliquantum laxare consilio fratram
compellor causa medieinae — nicht auf den —S— Aufenthalt in Klofter
Bun — da ja vielmehr von einem zeitweiſe wiederlehrenden Umftande ger
ſprochen wii
Borwurfgeg. Siegfried ind. Prager Sache. Fürbitte Mathilde's ſ. Gebehard. 361
jemadht hatte. Gregor VII. ſchreibt dem Herzog, daß er, falls Sieg-
Met gegen ihn ein Urtheil gefällt haben würde, unter dem Schuß
der apoſioliſchen Gewalt fiher und geborgen ſich halten und aus
jenem Vorgehen ſich nichts machen folle, da dasſelbe mehr Siegfried,
als ihm jelbit, ſchädlich ſein werde; inzwiſchen aber möge er die
Abfendung einer abermaligen Legation abwarten. In veraͤchtlichen
Worten äußerte fi ba der Schreiber des Briefes über den Erz
biſchof, den er wegen feiner Anmaßung hart angefahren habe, mit
dem Verbote, künftig in ſolcher abgefhmadten und albernen Weile
fid mit einer ſolchen Sache, wie hier mit Gebehard's Angelegenheit,
zu befafjen 7%).
So hatte der Erzbifhof der Mainzer Kirche, ſchon ehe nur die
Frage zu Gunften Gebeharb’3 in Rom entſchieden war, die aller-
peinlihfte Zurüdweifung in kränkenden Worten durch den Papft er-
litten; fein ermeuerter Verſuch, die Angelegenheit eines Biſchofs
feines Sprengels vor feinen Richterſpruch zu nehmen, war gänzlich
geicheitert. Allerdings kam nun auch Gebeharb nicht ohne weient-
liche Schwierigfeit bei Gregor VII wieder in Gnade. Der böh-
miſche Berichterftatter fiber diefe Vorgänge wollte willen, der Bijchof
von Prag fei einzig durch Fräftige Fürbitte der ogin Mathilde
von dem Papſte wieder aufgenommen worden. Die Zürftin begann,
während fie wegen der Synode fi in Rom befand, Theilnahme
für den Biſchof zu zeigen, ihn Gregor VII. zu empfehlen, nahdem
& ihr zum Bemußtjein gekommen war, daß Gebehard — in einer
allerdings nicht nadjweisbaren Art — von mütterlider Seite aus
dem gleichen Stamme, wie fie jelbft, hervorgegangen fei. Wie einen
Bruder ſoll fie in_ehrerbietiger Weiſe den Sao behandelt und es
jo durch Den Papft erreicht haben, daß die Herftellung des früheren
70) Das zweite Schreiben der in n. 68 erwähnten Gruppe, an Siegfried,
chen 3. 4837, Aprit im Eingang von litterae ae (sc. Sigifredi): quas de
causa Jaromiri Bragensis et Johannis Moravensis episcoporum nobis
direristi, welche aber mit bem Briefe Siegfried's, etwa aus dem September
1073, der allerdings ebenfalls von diefen Dingen handelte (vergl. ob. S. 302
2.308), durchaus nicht identiſch fein fönnen; Die im weiteren Verlaufe an
Eirgfried gerägte negligentia und officii incuria iR ſchon ob. ©. 194 in n. 12
erwähnt. Gegenüber ber mit Recht durch Herrmann, Giegfrieb I. Erzbiſchof von
Rainz, 72, noch für Registr. II, 29, herborgehobenen Zurüdhaltung Gregor's VII.
kchen bie hier geben Zabelöworte um fo mehr ab: admonemus..... ,
me ülteriog tam inordinata, tam, inconsulta praesumas, apostolien ja
non dieo tibi, sed nec ulli patriarcharum aut primatum retractandi licen-,
am fore existimes, ne contra sanctae Romanae ecclesiae (jura) quiequam
tibi attribuere vel moliri cogites, sine cuius habundanti clementia nec in
idem tuo, ut tu ipse nosti, subeistere potes. m britten Schreiben,
an BWratillav, J. 4838, wo Gregor VII. mit den Worten: si quid adversum
te temerario judieio fecerit auf einen Schritt Siegfried's gegen ben Herzog
Sinweift — pro nihilo ducas, ieque aibi ad periculum quam tibi futarum
@ee non ambigas —, rebet er von Diefem feinem Schreiben: Sigifredum ....
de praesumptione (ec. betreffend Gebeharb). .. per epistolam nostram duriter
inerepavimus, interdicentes ei, ne ulterius se huiusmodi ineptia et fatuitate
oeeupare incipiat.
362 1074.
Ranges für den Biſchof eintrat. Niemals — meinte man in Prag —
würde Gebeharb feinen guten Namen und feine Ehre mit feinem
Amte wieder gewonnen haben, wäre nicht Mathilde in Rom zu-
egen gewejen?!). Big in den April war bie Wiederaufnahme des
iſchoſs in die ihm entzogene Würde vollzogen; denn am 16. des
Monats, vier Tage nad dem Palmfonntage, ſchrieb Gregor VII.
an Herzog Wratijlav und empfahl demſelben den Bruder, der fih
durch fein Bekenntniß, welches zwar nicht auf ale Vorwürfe ſich
bezogen babe, in ber erforberlihen Selbiterniedrigung unterworfen
und dadurch für ſich die Verfühnung gewonnen habe, fo daß er ihn
in dag entzogene Amt wieder eingejegt habe und jegt mit dem
Wunſche zurüdjende, daß auch gegenüber dem Herzoge die bisherige
Feindfhaft hinmwegfalle und dem Biſchof alle Rechte feiner Kirche
ohne Wiberſpruch zugeftanden würden. Die Streitfrage zwiſchen
Gebeharb und Johannes follte jedoch auf eine Fünftige Synode ver-
ſchoben bleiben, wo dann vor den Biſchöfen felbft oder vor den von
inen abgeſchickten Boten die Verhandlung ftattfinden und die
ntſcheidung eintreten werde; ber Papft wünſchte dabei auch Voten
Wratiflav’8 zur Abgabe bes Zeugnifies vor ſich zu jehen. Bis
dahin ſollte Johannes das Gebietöftüd, worüber der Streit im
Gange war, behalten ?®).
”) Cosmas führt, c. 31, bie Machtildis potentissima domina — Cuius
de genealogia materno sanguine praesul Gebeardus descendens dusit
affinitatem ...... recognovit domina, quod suus esset consanguineus —
in jehr nacdrüdlicher Gervorhebung ein: Hisdem diebus venerat Romam
(vergl. ob. ©. 348), unb er meint ganz beflimmt: Et certe praesul Gebehardus
nomen bonum et honorem cum gradu amisisset, si haee Romae non affuisset
-- und fagt: per Gregorium papam agente Mahtilda restitutus est praesul
Gebehardus. Zrerig it, dak er aud) hier wieber Johannes als antwefend auf
fat und das Ereigniß zum 15. Auguft (sole intrante 15. partem Virginis)
anfeßt (I c., 87 u. 88). Hinfichtlic, des Berwanbticaftsverhältniffes wäre unter
ben verfchiedenen zur Zöfung gemachten Vorſchlägen der auch don Palady, Ge:
jchichie von Böhmen, I, 310, n. 115, nur mit viel zu großer Beftimmtheit, vor
gebrachte am annehmbarften, Mathilde und Biihof Gebehard ala Enteltinder
von Schweflern, der Züchter Herzog Hermann’s IL. von Schwaben, zu erflären,
Mathilde ala Entelin ber gleichnamigen Gemahlin Herzog Friedrichs DI. von Ober-
Iotheingen und Gebehard als Enkel der Gerberga (Gemahlin Heinrich’a von Schwein ⸗
Furt, Markgrafen im Nordgau); bod; mach Mjinger’3 Bemerkung bei Hirich, Hein»
rich IL, I, 256, in n. 5, und Breßlau, Konrad IL, II, 162, n. 1, entflammte
bieje Gerberga, Mutter der Herzogin Judith von Böhmen, nicht bem Haufe
Hermann’s IT. (au) das Zeugnik von Herim. Aug. Chron., a. 997: Herimannus
.. , filium sequivocum tresque filias reliquit, SS. V, 118, fehliekt neben den
Töchtern Gifela, Mathilde, Beatriz eine vierte — Gerberga — aus). Grbehard's
Srrftelung „ul8 Bildpf erwähnen aud Annal, Pragenss; Gobehardas
—* —* fit, pulsus a sede sua; set restitultur a Gregorio papa
\.,) Registr. I, 78 (J. 4859), nennt unter den Zingen, welche Bebeharb nicht
eingeftanden habe: (quod ipse Johannem Marovensem episcopum non per-
eusserit neque servientes eiusdem episcopi decapillari aut barbas eorum
abradi praeceperit, aut occasione subterfugiendi synodum inducias
legatum suum petierit (I. c., 98 u. 99). Eamar erwähnt, c. 31, dieſes
Schreiben, das auch nur efficiente Mahtilda erhältlich geweien fein fol, mit
Herftellung Biſchof Gebehard’s. Spannung gegenüber Herzog Gottfried. 863
Während in folder Weife Gregor VII. einem vorher hart an-
gelaſſenen Bifchofe verzieh, um dadurch Mathilde eine befondere
Gefälligkeit zu erweiſen, verſchlechterten ſich Dagegen gerade in dieſen
Ben ‚Boden in ſehr bebenkliher Art die Beziehungen zu Herzog
ottfrieb.
Wohl noch am 2. Februar hatte Segen VII. ganz beftimmt
auf die Sanbreihung des Gemahles ber Mathilde für feine Unter-
nehmungen fi verlaffen; feither mußte er die Ueberzeugung ge-
wonnen haben, es mwerbe von dem Herzog nicht zu erwarten jein,
baß er fein gegebenes Beriprechen einlöfe. Denn am 7. April lieh
ber Papft feinem Unmwillen, mit dem er biefen Abſchlag auf-
genommen hatte, vollen Ausdrud. Das Schreiben an Gottfried
enthielt umverhehlten Tadel der Haltung desfelben. „Wenn Du”
— fo begann der Brief — „in der Treue gegen den Apoftelfürften
jobeftändig im Sinne bliebeft, wenn Du, fo wie Du es uns verſprochen
hatteſt, von Herzen ihm anhänglich wäreft, würden wir Dir gewifler-
maßen aus Vertrag und aus wahrer Liebe in Vielem verpflichtet fein“.
Alein nun ift die Hülfe, die verheißen war, ift ber kriegeriſche Zuzug zu
Ehren de heiligen Petrus nicht eingetroffen ; auch Gottfried folgte dem
Pfade vieler Anderer und ift abgemichen, jo ba Gregor VII. feinerfeits
fortfährt: „Weil Du, was Du dem heiligen Petrus verſprochen, nicht
erfüllt haft, hängen wir, obſchon wir unwürdig find, deſſen Stell-
vertreter zu heißen, Dir buch fein anderes Verſprechen mehr an,
als infoweit wir Dir als einem Chriften Rath zu ertheilen ſchuldig
find“. Dann wird Gottfried daran erinnert, daß auch ſchon fein
verftorbener Vater, der ältere Herzog Gottfried, der römischen Kirche
Vieles verfprochen, nicht aber gu Ausführung gebracht habe, jo
daß fein Andenken bei Gregor VII. ein ungünftiges geworben fei,
und hinſichtlich der früher Über Sardinien gegebenen Zufiherungen
ſpricht fih der Papft auch zurüdhaltender aus. Immerhin erklärt
er noch am Schiuſſe des Schreibens, er werde, wenn Gottfried in
dem, was er verſprochen, nämlich von Herzen dem heiligen Petrus
anbänglich —— zu wollen, zu verharren gedenke, denſelben wie ſeinen
liebſten Sohn halten ”®).
dem Inhalte: ut (sc. dux) fratrem suum Jaromir honorifice suseipiat et ei
gas patri suo et pastori per omnia obediat, atque in pace cum Dei bene-
ictione vivant (88)
8) Bergl. ob. S. 844. Registr. I, 72 (J. 4852), wird von Diedmann, 1. c.,
64 u. 65, wo bie Tragweite dieſes Schreibens in das Licht geftellt ift, ald Ants
wort auf einen inzwilden_eingelaufenen Bericht Gottfried’ aufgefakt; Gtellen
des Briefes (I. c., 91 u. 92) find fchon ob. ©. 222 in .n. 59,. 346 in .n. 52,
owie 8b. I, &. 643, n. angeführt; wegen der ob. &. 345 erwähnten
Varbinifchen Angelegenfeiten Heißt eö darin: De Sardinia vero, quia terminus
poeuimus jam transiit, nihil aliud mandamus, quam quod praesentes
mul diximus, was doch nicht geradezu das bejagt, welches Dieckmann, 65,
55 erflärt Me) Buch Cottfelde Woribrug nun and
— der Verſprechungen, welche bie Inſel Sardinien betrafen, für ent»
304 1074.
Doch in diefer gleichen Zeit trat in Italien gegen Herzog
Gottfried ein geiftlicher Gegner aus Lothringen auf, welder auch
wieber als ein gefchictes Werkzeug ſich erwies, auf bie in Nom
Thon entftandene Aingünftige Stimmung noch weiter zum Schaden
Gottfried's einzumirken. Jener Abt Theoderih des Kloſters
St. Hubert, mit welchem Gottfried ſchon 1069, gleich nad dem
Tode des Vaters, in einen damals allerdings dem Anſchein nad
beigelegten Zwift gerathen war, hatte die Anfprüche noch nicht auf⸗
jegeben, welche ihm durch den legten Willen des verftorbenen
— eröffnet geweſen waren, bis dann die von dem Sohne her-
beigeführten Abänderungen bie Dinge verſchoben hatten; mochte der
Abt auch damals nachgegeben haben, jo war doch zwiſchen ihm und
dem jungen Herzog die Spannung geblieben, und gerade nad
Gottfried's Rucktehr nad Lothringen hatte fi das neuerdings
fühlbar gemacht, indem derſelbe e3 vermieb, den Abt zu fehen. Ta
eniſchloß fi) Theoberih, Gregor VII. felbft in Rom die Angelegen-
heit vorzulegen, ihm zu Magen, wie er durch den jüngeren Gottfried
um die Schenkung bes älteren gebracht worden fei. Zwar erhob
der Abt dann jelbit nachher in Rom nicht unmittelbar die Forderung
auf das, was er im Vertrage mit dem Sohne nadträglid auf
egeben hatte; fonbern er begehrte, durch den Papft von jenem an:
fänglichen Verſprechen Iosgejagt zu werben, welches er, in Voraus-
ſicht der zufünftigen reichen Ausftattung, für die Uebernahme der
Einrichtung des St. Peterskloſters dem Vater vor deſſen Tode
gegeben hatte. Theoderich gewann den Biſchof Hermann von Met,
von welchem er willen fonnte, daß er bei Gregor VII. eine gern
gefehene Perſönlichkeit fein werde, als Begleiter, und jo brachen fie
in dem Wunfche, das Ofterfeft in Rom zu feiern, auf. Allein bis
zum Donnerstag der Charwoche, 17. April, gelangten fie nur bis
zum Hafen von Luna, und fo ließen fie ſich bereitwillig durch die
Herzogin Beatrir, deren Bitten Mathilde unterftügte, nad) dem
nahen Pifa einladen, zumal da der Abt ohne das mit Beatrix feine
Sache zu beſprechen im Sinne hatte. In der glängendften Weile
wurden Hermann und Theoderich von den beiden Fürftinnen em:
pfangen, und obſchon fieben Bifchöfe, unter ihnen Anfelm von
Zucca, am Hofe der Beatrig zufammengefommen waren, erhielt doch
Hermann die Ehre, am Drterfeie die feierlihe Meſſe zu leſen.
Aber auch der Abt ſah fich Hoch geehrt, und Mathilde gab ihm ein
fürbittendeg Schreiben nad Rom mit, um ihm bei dem Papfte eine
gute Aufnahme zu fihern. Der Verfafler der Chronif des Kloſters
St. Hubert, den ſchon die in Pifa einpfangenen Auszeihnungen zu
eingehenber Erzählung veranlaßten, ergeht ſich nicht weniger breit
in ber Schilderung der in Rom verlebten Woche, befonders einer
bis in die Nacht fortgefegten Unterhaltung unter vier Augen mit
dem Papite, in der St. Laurentius-Rappelle des Lateran. Votzüglich
erwünfht war für den Abt die Erlangung des am 29. April für
deſſen Klofter St. Hubert gegebenen päpftlichen Privileglums, welches
die Beftätigung der Güter desſelben enthielt, und bie dieſer Ge
Aujtreten d. Abtes Theoberich v. St. Hubert, gegen Gottfrieb, in Rom. 365
mährung be3 Schuges beigefügte ausdrückliche Empfehlung theils
an Erzbiſchof Udo von Trier und Biſchof Dietwin von Lüttich,
theils an Erzbiſchof Manafjes von Reims und Biſchof Helinand von
Laon, daß fie buch ihre Zuftimmung ben Theoderich und dem
Kloſter ertheilten Schuß beftätigen und durch ihre Unterfehrift be-
kräftigen möchten. Doc bei der Abneigung des Abtes gegen Herzog
Gottfried mußte es für dieſen ebenfo — in das Gewicht fallen,
daß Gregor VIL., welcher eben hierin ber mitgegebenen Befürwortung
der Mathilde unmittelbar folgte, fid) in der Angelegenheit des legten
Willens des verftorbenen ‚Sergoge nachdrücklich des Abtes annahm.
Zwar weigerte fi der Papft, den Wunſch Theoderich's zu erfüllen
und denfelben von dem Verſprechen zu entbinden, das der Herzog
vor feinem Tode von dem Abte empfangen hatte, zu deſſen Er-
fülung aber, wie diefer hervorhob. die Hillfeleiftung des Sohnes
fehlte. Dagegen richtete er nad) der Klofierchronik von St. Hubert
an Erzbifchof Anno von Cöln und wieder an Bifhof Dietwin die
friftlihe Aufforderung, Herzog Gottfried zur Erfüllung deſſen,
was er felbft dem fterbenden Vater zugefagt hatte, entweder dur
ihren Rath geneigt zu machen, oder ihn im Falle des Un, Frag
dazu zu zwingen. Dann befuchte Theoderih nad ver 1 on auf
der Hinreife ergangenen Einladung Mathilde nochmals auf dem
Rüdwege, um ihr feinen Dank anszuſprechen, und wieder erfuhr er,
indem fie ihn gegen feinen Willen länger zurüdhielt, die beite Auf-
nahme; reich beſchenkt wurde er entlafjen”*). So hatte Goitfried's
74) Die Kloſterchronil von St. Hubert fehrt in c. 25 gleich mad) der ob.
6.346 in n.52 gerastm Erwähnung der Rücktehr Gottfried's nad Lothringen
zu dem ſchon in 3b. I, ©. 639, berührten Gtreite des zogs mit Abt Theo⸗
derich zurück; im Mnlcplufe daran erzählt fie don Gotifrieb: Conseius se
vius offendis pro ablatis sanctorum patroeiniis (sc. ber in
2.48 af 6. 215 erwähnten capsa eburner cum religuiis), cum ex hoc nihil
ipse profecerit (sc. bei feiner Gemahlin), callidiori aversione imminentem
bi acrius vitare coepit. Coacius tamen abbas de eo desperare, ut erat
Amicissimus domino Herimanno Metensium episcopo, disposuit cum eo
Romam ire, volens de eventu rerum papam orium VII. consulere, et
inter eundum de eisdem agere cum marchissa Beatrice. Daran fchlieht
ih die eingehende hilberung ber Reife nach Italien, des Befuches in Pila bei
Zeatrig umd Mathilde zur Feler des Ofterfeftes — dabei Hlagt der Abt am Zoge
barauf, 21. April, der Mathilde inter cetera familiaritatis colloquia: deceptum
a lefrido de elemosina patris —, bes Aufenthaltes in Rom per
septem dies (dabei: Cum vero a condieta Godefrido — sc. seniori — pro-
missione — nämlich ber in Bd. I, ©. 636, erwähnten Abmadhung — abbas
se absolvendum exposceret, quia in ea esplenda filii eins auxilium sibi
deesset, apostolicus non consensit), de nod;maligen Bejuchs bei Mathilde auf
dem Rüdwege; in c. 26 folgt ber übrigens jchon in c. 25 zum voraus er⸗
wähnte t ded am 29. April — entgegen Diedmann, 65 n. 1, if III. Kal.
Maji zu leien — gegebenen Privilegiums für St. Hubert, J. 4865 (SS. VILL, 588
1.34, 586). Auch die Vita Theoderici abb. Andagin., c.25, gebentt dieſer Reife:
cum Hermanno Mettensi episcopo Romam profeetus, veneratis apostolorum
et martyrum sepuleris, ad Gregorium septimum ..... venit, a quo .....
est afectuose susceptus et per aliquot dies secum remoratus; daran jäjlicht
dann die Vita gleichfalls die Grwähnung des ertheilten Privilegiumd und
366 1074.
eigene Gemahlin in ber deutlichften Weife die Sache eines An
klaͤgers des Herzogs in ihren Schirm genommen, und von
Gregor VIL. war nicht verfäumt worden, in ähnlicher Art den ihm
empfohlenen Schügling gleichfalls zu fördern und dadurch jeine
Mißgunft dem entgegen der früheren Erwartung fi zurüdhaltend
eigenen deutjchen Türken zu ermeifen. Es veriteht fi, dab auf
ad Mißverhältniß zwiſchen Gottfried und Mathilde hierin abermals
zu Tage trat.
Indeſſen ſchloſſen diefe jehr freundlichen Beziehungen des
ſies zu der Wittwe und Tochter des älteren Gottfried doch
niht aus, daß am 15. April, alfo ganz kurz vor Ditern,
Meuberungen des Tadeld Gregor's VII. Beatrir und Mathilde
witgetheilt wurden.
Schon dur Alerander II. war Biſchof Weruher von Straß
burg nah Rom zur Zurechtweifung sorgerufen worden und auch
als ber einzige, obſchon viele deutſche Biſchöfe, wie Gregor VIE
bervorhebt, nicht nur_megen fleifchlihen Vergehens, jondern aud
wegen Befledung mit Simonie gerufen worden waren, damals wirk-
hr an den Schwellen der Apoftel erjchienen und fo durch bie
Reiftung der Selbfterniebrigung ber Verurtheilung zuvorgefommen,
dadurch daß er unter dem Befenntniß feiner Sünden vor dem Ant
lige des Papftes fih niederwarf und durch deſſen Strafmittel ges
üchtigt wurde. Allein feither hatte fi Wernher durch jene Bor:
ladung vom 12. December des vorhergehenden Jahres mit ben fünf
anderen deutſchen Biſchöfen wieder vorladen laſſen müſſen, und
augenſcheinlich war die Aufmerffamfeit Gregor’3 VII. jegt wieder
Pr ihn ganz befonder gerichtet. Denn Erzbiſchof Siegfried ſollte
in dem Antwortichreiben, welches durd den ap von ihm begehrt
wurde, darüber ſich ausfpredhen, ob der Biſchof Buße beobachte,
eine Frage, hinſichtlich deren freilich derfelbe fein Bedauern aude
ſprechen mußte, das, auch wegen der Kürze der Zeit, nicht in Er-
fahrung gebracht zu haben. Äls nun Wernher wirklich fam, um
Die Gnade des Papftes zu fuchen, dabei feine Zerfnirfchung und
Untermüfigteit in der augenfälligften Weife, wie man erfuhr, ſchon
auf dem Wege nad) Rom zeigte, Durch Faften und indem er zumeift
ae die Empfehlung des Abtes an bie biſchöflichen Kirchen (SS. XII, 51).
Daß Biſchof Hermann ala Begleiter Theoberich's Gregor VIE Jehr erwünſcht
mar, zeigt au die ob. S. 350 in n. 57 erwähnte briefliche Aeußerung des
Bapftes, Registr. I, 53, an ben Biſchof jelbft, wo der erfle Ca heit: Litteras
dilectionis tuae gratanter accepimus, quia in eis abundantiam devotionis
tue erga nos exuberare cognovimus (1. c., 73). ie zu Bonillon dur
Biſchof Hermann von mies Ende 1074 — nad) ber do: adventus dominiea
secunda — ergielte Nebereintunft wilden dem Abte Theoderich und Hei Gott
fried enähtt bie Ghronit von &t. Hubert, c. 27, In einlähliger Weile: ille
(ee. Gottfrieb) pro hiis quae de thesauro subduxerat nbbati, Bellam vallem
ad usum fratrum ei deposuit, et ecelesiam Montis Madiensis cum tribas
mansis terra (sc. elleoeauz und Montmedy) beato Petro in perpetuum
possidendum legaliter tradidit (I. c., 588 u. EN \
Beatriz u. Mathilde, wegen Feſthaltung d. Straßburg. Bild. Wernher, getabelt. 367
zu Buße denfelben zurüdlegte, da urtheilten und entſchieden die
verfammelten Biſchöſe, daß er Mitleid finden dürfe”). Zwar ges
ftand ihm Gregor VII. troß feines Verlangens die Wiederaufnahme
der Verrichtungen des biſchoͤflichen Amtes nicht zu; aber er gedachte
aud nicht die volle Strenge bes kirchlichen Gejeges zu diejer Zeit
gegen den Bifhof zur Anwendung zu bringen, von der Befürchtung
ausgehend, daß jonft, bei Entfernung Wernher's von jeinem Sie,
leiht ein Anderer, nur dadurch, daß er das meifte Geld dafür geben
tonnte, benjelben gewinnen würde. So wurde ber gemaßiregelte
deutſche Biſchof entlaffen; aber auf dem Rückwege muß er durch
Beatrir und Mathilde fefigenommen worden fein, und fo fonnte —
eben in dem Schreiben vom 15. April — Gregor VII. jeinen Tadel
hierüber nicht zurüdhalten: „Erwäget in Eurem Sinne, wie un-
ehrbar für Euch, wie beſchämend für mi und wie ſchmachvoll für
ben heiligen Petrus und den apoftolifhen Sig ift, was Jhr gegen
ihn gethan Habt, fo daß aljo unvermuthete Gefahren verborgen
biegen, während jolchen gegenüber für die Pilger in diefen Gegenden
der fiherfte Schuß beftehen follte, und daß in diefer Sache für ung,
bie wir anderen Fürften folches verbieten, gleichjam eine zuftimmende
Billensäußerung, in Anbetraht der Vertraulichkeit unjerer liebe»
vollen Beziehungen, dargelegt zu werden vermag, zumal da wir
diefen Bruder durch unfer Echreiben nicht ohne großes Vertrauen
Euch empfohlen haben“. So richtete denn der Papit an die
Fürfinnen die beftimmte Bitte, Wernher, unter möglichiter Ver—
füßung des ihm zugefügten Unrechtes, mit allem Wohlwollen zu
entlaffen und demfelben, wie es ſchon in dem Empfehlungsbriefe
75) In dem in n. 69 erwähnten Briefe Siegfried's ſteht eingefchoben nach
ber Remnung ber an bie Bilchöfe gegebenen Aufforberung, id) zur Gpnobe in
Rom zu ftellen, der Sa: De penitentia autem Strazburgensis episcopi nichil
serti possum vobis respondere. Quia nec, si ei injuncta esset, antehac
til: Moe, Si cam observeh, propier temporis compendium Inquirere ot.
Mit demſelben brachte Beyer, Kerlhungen u deutichen Geichichte, XX 3
ein frũheres Ereigniß if (tum), dem die neue Vorrufung durch Gregor VII.
Öam nuneı, eben buxch Regit.
wird,
Anode von 1074 fich beziehen. Dagrgen fcheint mit der Wenbung — betreffend
die Unterwerfung Ba "
e miserendum sibi fore dignum aestimarent et decernerent auf
die Anmwefenheit defielben zur Zeit ber Synode beutlid, Hingewielen zu fein.
368 1074.
fand, zu Erlembald nad) Mailand Geleit zu gehen. immerhin mit
der Beifügung der Verſicherung von Gregor’s
aus diefem Fehlgriffe keine Widerwärtigkeit für Beatrir und Mathilde
und die Ihrigen entftehen.
Im Zufammenhang damit trat dann der Brief auch noch auf
* Iombarbifhe Angelegenheiten ein. Schon die Art und Weife, wie
eben „Herr Erlembald von Mailand“ als entſcheidende Perfönli-
feit in Gregor's VII. Weifung hervortritt, als derjenige, zu welchem
— Wernher Geleit erhalten ſolle, dem geſchrieben worden ſei,
daß er den Fürftinnen und ihren Leuten mies Uebles wegen des
Vorganges zufüge”*), bemeift, wie ho man in Rom die Macht
be3 Führer der Pataria anſchlug. Allerdings hatte auch eine
Mafregel, welche eben durch Gregor VII. jelbft in dieſer letzten
Zeit gewählt worden war, wieder dazu beigetragen, Erlembalb’3
Einfluß zu vermehren. Zugleih mit den Biteöfen, welde in
Alerander’3 II. legter Zeit zu Novara, auf der nad Heinrich's IV.
Befehl einberufenen Verfammlung, Gottfried als Erzbifhof von
Mailand die Weihe ertheilt hatten, war auch biefer ſeibſt zur
Synode nad Rom vorgerufen worden, aber, wie begreiflih, nicht
erſchienen. So hatte denn Gregor VII., in Abweſenheit von
Geiftlichkeit und Volk der ambrofianiſchen Kirche, vor der ganzen
verfammelten Synode, den ſchon längere Zeit dauernd in Rom
anmefenden Atto neuerdings als ben in jeinen Augen schtmäßigen
Erzbiſchof anerfannt, wodurch jelbftverftändlih au gegen den
König eine unzmeibeutige Entſcheidung gegeben wurbe”?).
Diefes Vorgehen mußte aber anbererfeit3 Erlembald ebenfalls
zu neuen eingreifenden Schritten ermuthigen. Es wurbe nachher
gegen Gregor VII. felbft von gegnerifdher Seite als Vorwurf
eltend gemacht, auf feinen Befehl ober wenigftens mit feiner Zus
Rimmung fei ein unerhörter gottlofer Frevel von einem „Sohne des
Todes" — fo bezeichnete der deutſche Erzähler den von ihm nicht
?6) Der Brief jährt fort: Cui (sc. Guarnerio) quamquam episcopalis
offieii [Ari air Al ad vota sua non concessimus, exercere tamen in
illo rigorem canonicum hoc in tempore, quid referret? cum fortasse, hoc
amoto, locum eius non alius possideret, nisi qui plurimum ine dare
posset; baran ſchließt fid) der Vorwurf wegen ber injuriae, bie Mernher erlitt,
hernach die bemerfenswerthe Weifung, das Geleit ad domnum Erlembaldum
Mediolanensem zu geben, mit der Bemerlung, Grlembald jei benachrichtigt:
ut nullatenus super hac re contra vos aut vestros aliquid moliatur adversi.
m) Armut, Gesta archiepiscoporum Mediolanens., Lib. IV, c. 4, ge-
denkt im Anfchlufe an die ©. 283, n. 165, mitgetheilte Stelle aud) der Synode
von 1074: Ipse (sc. Hildeprandus) cum priori radieitus inhaereret proposito,
indieta Romae generaliter synodo, cum suis elamavit sacratoribus Gote-
fredum. Cumque ad libitum consuerisset multa disponere, coram omni
coetu praesentem landavit Attonem absque nutu regio. absente quogue
Ambrosiano clero ac populo, wehwegen Arnulf meint: Unde inter ipsum-
(sc. Hildeprandum) et caesarem videtur ortum hac lite manente dissidium,
non ülius quidem dampnatione, sed nova hulus et abequo dato regis con!
cepta electione (SS. VIII, 26).
IL. Seite, es folle .
—
Angriffskellung d. Pataria in Mailand; Erlembalb's Bezieh. z. Gregor VII. 369
genannten Führer ber Pataria in Mailand — begangen worden.
Aber au mailändifhe Nachrichten verſchweigen dieſe von Erlem-
bald verübte That nicht. Derjelbe erlaubte ſich nämlich, wie er
icon längft die Biſchöfe, welche die Weihe der ambrofianijchen
Kiche empfangen hatten, al8 vom apoftoliihen Stuhl verurtheilt
fäfterte, ihren Gottesbienft verwarf, als am Gründonnerätage einer
diefer Biſchöfe das heilige Salböl der ebijhäfigen Kirche zu⸗
geſchickt — entſprechend der Sitte, daß bei dem Fehlen eines
Erzbiſchofes dasſelbe durch einen Stellvertreter beforgt wurde, gegen
dieſes geweihte Del die weitgehendften Zeichen des Hohnes und der
Verahtung. Das Gefäß wurde den Händen der Weberbringer, unter
Zufügung von Mißhandlung, dur Erlembald entriffen, der Inhalt
zu Boden geſchüttet und jo ausgegofien mit Füßen getreten; dann
brachte er ein anderes Salböl hervor, von welchem der Urfprung
gänzlich) unbefannt war. In der peinlichften Weife wurde dadurch
in der heiligen Feftzeit die gottesdienftlihe Ordnung der Mailänder
Kirhe unterbrochen; andere Nachwirkungen dauerten nod über
längere Frift hinaus. Doc dem Urheber der Störung war diefer
Eingriff nur förderlich. Denn -- jo wurde in Mailand geurtheilt —
die große Menge des Volkes war theils durch die bloße Anmejen-
beit, theils duch Beftehung, dann duch die Straflofigkeit der
Vergehen in die Bewegung hineingeriffen, wie denn ſchon von allem
Anfang jeder Verbrecher dem Verbande Erlembald’3 angehangen
babe, von demjelben als en und als Unſchuldiger behandelt
worden fei. Die Folge dieſes jelbftbewußten herausfordernden Auf-
tretend war, daß die Zahl der Patariner wieder jo jehr anwuchs
und die Partei unter Erlembalb’3 gührung der Art auf dem Lande
und in ben Fleden und’ einzelnen Städten an Kraft gewann, daß
— ſchlechthin als Herr aller ſeiner Mitbürger hervorzutreten
ien 7°).
’®) Gleich nad) der Stelle von ©. 283 n. 166 fährt Arnulf in c. 5 fort:
etiam prorumpens (sc. Arlembaldus), ut Ambrosianae consecrationis
episcopos bla: 'et, asserens apostolice excommunicatos, quorum omne
reprobabat offieium. Unde fuit, quod sancto pentecostes sabbato fieri
prohibuit in urbe baptissma, und 'e. & erzählt von der Berhöhnung des criema
erum guod unus illorum (se. episcoporum) dominicae coenae misterio
metropolitanae direxit ecelesige, sicnt mos est defieiente pontifice—: profusum
humi coram omni populo caleibus proculeavit, suum producens in medium,
& quo confectum vel unde venerit incognitum; baraus folgt: postposita
bbati illius autentici a patribus tradita praerogativa (b. h. die auf ben
Eherfreitag fallende Weihe des Zaufmaflerh) sexta in albis feria (25. April für
1074) suum feeit celebrari baptiema ... Unde contigit, ut paschale gaudium
wun neseiret lavacrum, ac multo post tempore plures catecumini baptismi
tarerent gratie. Quo errore plurima involvitur populi multitudo, partim
mpliei oculo, partim seducta pretio, partim impunitate une patraverat
selerum. AB Ipso enim exordio quicumque scelestus. illius Adhaerebat
@nsortio, carıs et insons habebatur ab illo (26 u. 27). Auch Zandulf, Hi-
storia Mediolanens., Lib. III, c. 30, {pricht in einem Zufammenhange, wo aber
Greigniffe ana den Fahren 1074 und 1075 (vergl. dort n. 42) augenfcheinlich
Weger von Anonau, Jahrd. d. dtig. R. unter heinrich IV. u. V. Bb. n. 24
370 1074.
Trotzdem hielt e8 Gregor VII. aud) fortan noch für gerathen,
in ber Behandlung der lombardiſchen Biſchöfe ſich etwas zurüd:
zuhalten, nicht big zu den legten Mitteln vorzugehen; Eben deßhalb
war er aber umgmeifelhaft von Beatrix und Mathilde getadelt
worden, und er hielt es für nothwendig, ihnen gegenüber, eben am
Scäluffe jenes Briefes vom 15. April, fi zu verantworten. Der
Papſt hatte dem Biſchof Dionyfius von Piacenza und anderen nidt
enannten Bijchöfen, die Mi ihm gefommen waren, zwar von den
errichtungen des bifhöflichen Amtes nur eine einzige Handlung
für ben Nothfall zugeftanden, und er hielt dabei, wie er erklärte,
die Zügel überhaupt fo in der Hand, daß theils die Gebefierten
nit an der Gnade, theild die Verftodten nicht an der Strafe
zweifeln könnten. Darüber müſſen nun bie beiden Fürftinnen fih
tabelnd ausgeſprochen haben, und jo legt Gregor VII. geradezu
Rechenſchaft über die Sache ab, um ihnen aud fo ſichere Beweiſe
feiner Liebe zu geben. Denn es ift ihm im Ganzen nicht entgangen,
wie ungleich das Urtheil der Menfchen über feine Thätigfeit Te,
daß er in einer und berjelben Sache dem einen graufam, dem anberen
allzu milde aufgetreten zu fein feine ’®).
vermiſcht find, von dieſen Dingen: cum ordinarii sanctum crisma ad sancti
pascae fontes consecrandos devote adduxissent, ab Herlembaldo fustibus
et terroribus constricti atque coacti... furiis saevissimis commotus sanctum
erisma ab illorum manibus summa cum vituperatione diripiens ac ipse suis
manibus in terram effundens pedibus et fustibus multorum quasi lutum
nullam reverentiam divinis sacramentis habentium conculcari fecit (l. c.,
96 u. 97). Aber auch durch Wenrich wurbe in der Epistola an Gregor VII. c.9,
diefer Vorgang dem Papfte zum Vorwurf gemacht: Id autem est, God vestro
vel precepto vel monitu vel assensu in partibus Italiae veneranda mysteris
post sanctificationem nescio a quo mortis filio referuntur effusa, non effuse,
sed et projecta, non projecta, sed et pedibus conculcata; quod aqua verbo
et spiritu animabus regenerandis solemniter proparata pede protento vestra
jussione, sicut hoc eius qui idem ausus est jactabunda assertione ipsi agno-
vimus, ad indignam Spiritus sanctificantis injuriam in caenum est vase
evoluto dispersa (Monum. German. histor., Libelli de lite imperatorum et
pontifieum, 1, 298 u. 299). Arnulf flieht fein c. 6 mit der Folgerung aus
diefen Dingen: Quamobrem Patarinorum in tantum exerevit numerus atque
virtus in pagis et opidis ac quibusdam duce ipso in urbibus, ut suorum
omnium videretur dominari concivium (27). Sanbulf bietet in dem zu 1075
in n. 43 zu ermäßnenden Gtüd von c. 30 ein Bild biefes bewaffneten Am:
ange und feiner Rüftung: milites et pedites, qui scalas ad capiendas domos
et cellaria machinasque diversas portarent .. . balistas ac fundibularios,
sealas triangulares ferratas inferius per semetipsas stantes eubitorum vi-
ginti (I. c, 9).
°) Der ſchon in n. 75 citirte Brief Gregor's VII. ſchließt mit ber Er⸗
wähnung der Lombardifcen Bilöfe, qui ad nos venerant — nihil de epi-
scopali officio nisi confirmari pueros pro necessitate concessiınus —, ba der
Papft über bie Fürftinnen vernahm, daß diefelben — ex caritate et pro re-
verentia sanetae Romanae ecelesiae — fich unzufrieben geäußert Hätten (de
talibus adversum nos murmurasse), worfiberjept ‚eben ber Papft ſich verantwortet:
Neque vero nos fügit, quam diversa de nobis hominum opinio sit et
judicium, dum in eisdem causis et actibus alii nos crudeles alii pimium
mites esse dieunt.
Qua’ VIL Rechtfertigung betr. b. lomb. Biſch. Tadel an Abt Hugou. Anno. 371
u anderen Kundgebungen aus diefen Wochen nad) dem Ab-
ſchluſſe der Faſtenſynode äußerte ſich Gregor VII. noch immer
jenüber eigenen Männern, von welchen er wegen ihrer hohen
telung innergalb der Kirche die Anknüpfung engeren Verkehrs al
wunſchenswerth «der nothwendig erwartete, in mahnenden Worten
darüber, daß diefe feine Hoffnung ſich noch nicht erfüllt habe.
Schon gleih nad) dem Ende der Verlammlung, am 19. März,
ſchrieb der Papſt in diefem Sinne an den Abt Hugo von Cluny,
daß zwar deſſen Worte für ihn als deren Empfänger erwünſcht und
füß jeien, daß er aber bedauere, von ihm die Tröftung eines Be—
has, um bie er ihn jchon fo oft gebeten, nicht erlangen zu können.
iht ohne Tadel der gewiſſen trägen Müheſcheu ige erklärt
Gregor VII., wenn aud in ſchonenden Worten, von jet an ein
längeres Fernbleiben nicht mehr ertragen zu wollen, und er giebt
dem Abte zu bedenken, wie viele und wie wichtige Geſchäfte er in
feine Hand und in diejenige des Biſchofs Gerald von Dftia gelegt
habe, welche jet wegen feiner Abweſenheit, zumal da auch Gerald
zu Heinri IV. abgeſchickt fei, einzig durch feine Ankunft vor Ver—
nadläffigung bewahrt und zu Ende geführt werden könnten, fo daß
alfo in jeder Hinfiht jo bald als möglich das Eintreffen Hugo's in
Rom gewünſcht werden müfje?). Nod viel fchärfer trat am
18. April der Unwille gegenüber Erzbischof Anno, der feit der
Uebernahme der päpftlichen Würde durch Gregor VII. mit Aus-
nahme eines neueftens zugefandten Briefes noch fein Zeugniß von
fih dargeboten habe, zu Tage. Der Papft glaubte das, unter
Hinweis auf feine eigenen früheren Beziehungen zur Cölner Kirche,
die er hervorhebt, nicht verdient zu haben, und er jcheute ſich nicht,
ben in feiner Liebe zu der römischen Kirche, wie es ſchien, lau ge⸗
wordenen Erzbifchof, welcher nit nur der Naochtäffigkeit, ſondern
ſogar der Erregung von Streit angeſchuldigt werden könne, an das
Wort Jeſu zu erinnern: „Wer nicht mit mir iſt, der iſt wider mich —
und zu drohen, daß er mit Gottes Hülfe ganz leicht dieſen Zwift
durch apoftoliihe Züchtigung zu ſchlichten in den Fall fommen werde.
„Denn wenn wir bie ahrling gemacht haben werben, daß Du
bie Ehre deö heiligen Petrus nicht im Ganzen, fondern nur zum
Theil, zu Cöln, und nicht zu Rom, liebeft, jo wirft Du ung weder
im Ganzen, noch zum Theil für Dich haben können. Doc wenn
Did aus einem Nachläffigen zu einem Bejorgten und aus einem
%) Wegen der Beziehungen zu Abt Hugo vergl. ſchon ©. 212, fowie in
dem ©. 208 in n. 34 zuerft Eiieten Briefe J. 4777 die Stelle hinfichtlich ber
als mothwendig eradhteien Herbeiführung der Veröhnung Hugo’ mit dem Gar«
Pinal Hugo dem: Weiken: der Papft bittet Gerald und Raimbald, quatenus
lugonem Cluniacensem abbatem et totam congregationem fratrum ita ad
pacem et integram huius (sc. Ugonis Candidi) dilectionem fectere et con-
Jungere studeatis, ut ausiliante Deo nihil in illorum mentibus, quod in-
Yisum aut discussionis nube sit obtectum, relinquatis. Diejer Brief von
1074 iR Registr. I, 62, J. 4839 (I. c., 81 u. 82).
21°
372 1074.
Lauen ii einem Warmen bie Liebe und Ehrfurcht zu Deiner Mutter,
ber heiligen römifchen Kirche, gemacht haben wird, dann mirft Du
ohne Zweifel nicht zum Theil, fondern im Ganzen die Gunft dieſes
unfere3 gemeinfamen Fiſchers und unfere Liebe behaupten“ 9).
Aber aud dem franzöfifchen Könige neuerdings in das Gewiſſen
zu reden, bot die Angelegenheit der Kirche von Benuvais Anlaß.
Am gleichen Tage, an dem der Papft die Losfprechung von Geift-
lichkeit und Volk dieſes Bisthums verfügte, 13. April, fehrieb er an
König Philipp, welcher durch fchriftliche Kundgebung und durch
Geſandte jeinen Gehorfam für den Heiligen Petrus hatte verfihern
laſſen, derjelbe möge diefe feine gute Gefinnung durch die Vergütung
des der Kirche zugefügten Schadens darlegen. Denn die Aufmert:
ſamkeit des Königs fol fi) darauf richten, wie unter feinen Vor⸗
gängern in Folge der Vertheidigung nnd Bereicherung der Kirchen
der Glanz des Königthums ſich gehoben habe, während durch bie
Untergrabung göttlihen und menſchlichen Rechtes bei den Nad-
folgern Ehre und Macht und der Beftand des Reiches felbft in der
Sittenverberbniß dahinſinken. Gregor VII. hält es für feine
Pflicht, diefe Dinge immer wieder und, wenn nöthig, mit ftrenger
Rede dem Könige einzufchärfen. Ganz ander lautete in den
gleichen Tagen die erft jetzt geichehene Beantwortung der Schreiben
es Königs Wilhelm und der Königin Mathilde von England, in
welchen diefe ihre Trauer über Alerander’3 II. Tod und die Zu:
fiherung ihrer Treue für Gregor VII. zum Ausbrude gebradt
hatten. Die lebhafte Anerkennung der vortrefflihen Gefinnung des
Königs gipfelte fi in dem Zeugniffe, daß ber Papft glaube, in
ihm den einzigen unter den Königen zu haben, den er vor anderen
lieben zu dürfen glaube ®®).
Nach verſchiedenen Seiten hatte Gregor VIL., theilmeife noch
unter Anknüpfung an die Verhandlungen der Synode, die Angelegen-
heiten ber römifchen Kirche weiter verfolgt. Dann aber verließ er,
indem er in ber Richtung nad dem tusciſchen Lande aufbrach, Rom,
#1) Registr, I, 79, J. 4860 (l. c., 99 u. 100) beginnt gleich mit bem
Safe: Quanta caritate Romanae ecclesiae Coloniensis in omnibus ob-
uendo conjuncta fuerit, dignitas vobis conlata testatur — und erinnert im
weiteren Inhalte an perſonliche Beziehungen zur Colner Kirche, melde in
Zeo’s IX. Zeit für Hildebrand beftanden, und an Beweiſe des Wohlwollens
befielben für Cöln (vergl. bei Steindorff, Heinrich IIL, IL, 72 n. 5, 74 in.n. 2,
Stellen aus diefem Briefe, ebenfo dort, 81, wegen ber Trier zuerfannten Aude
zeihnung: Treverensi episcopo pro honore ecclesiae vestrae . , . . viribus
totie restitimus); die Anipielung wegen des communis piscator noster bezieht
fi darauf, bab St. Petrus der Patron der Eölner Kirche if; die Bibelftele
inbet fi} Matth., XII, 30.
„*%) Auf Registr. I, 74, J. 4854, in weldem clerus et populus Belva-
censis freigelpeochen werben, folgt in 75, J. 4855, der Brief an ben König
von Frankreich. Diejenigen an das enge Königapaar find kurz vorbei, 70
und 71, J. 4850 und 4851, vom 4. April (I. c., 93—95, 89-91).
Päpfl. Briefeand. Kge. Philippu. Wil. Heinrich's IV. Ofterfeierzu Bamberg. 373
um die Sammlung ber Streitkräfte für die beabfihtigte Unter-
nehmung unter feinen eigenen Augen ſich vollziehen zu laſſen.
König Heinrih IV. war zu Worms, wohin er fi, vom
ſãchſiſchen Lande her kommend, im März begeben hatte, dürch die
ganze Faſtenzeit geblieben, frei von allen Vorbereitungen zu frie-
gerijcher Bethätigung ®). Erſt um die Mitte des April mag er
den Rhein verlaffen haben, um fi jur Feier des Ofterfeftes, auf
den 20. April, nad) Bamberg zu begeben und basjelbe hier bei ber
Ride des Biſchofs Hermann zu begehen und demſeiben, den er noch
Kürzlich ven jeiner bei aller Verſuchung unvermindert bewiejenen
Treue gelobt hatte, dadurch einen neuen Beweis feines vollen Zu-
trauens zu ertheilen®*).
Allein jo jehr der König den Biſchof von Bamberg hochhielt,
ebenfo ehr hatten fich defien Beziehungen zur römiſchen Kirche
wieder verſchlimmert, feitdem er 1070 durch Papft Alerander II.
nah Rom berufen worden war; damals nämlich hatte er Mittel
und Wege gefunden, ſich bei demfelben ® jenüber den erhobenen
antlagen fo erfolgreich zu verteidigen, * er mit eigentlichen
Gunſtbeweiſen zurückkehren durfte**). Wahrſcheinlich auf eine
neuerdings aus den Kreiſen der Bamberger Geiſtlichkeit an den neu⸗
gewählten Papſt eingereichte Anklage hin war nun aber Hermann
in jenem am 12. December 1073 an Erzbifchof Siegfried gerichteten
Schreiben Gregor's VII. aufpeforbert worden, zu der Faſtenſhnode
in Rom zu erjheinen®‘). Allein auch Hermann war nicht zu ber
Verfammlung gegangen, fonbern hatte ſich — wohl kurz vor bem
Zufammentritt der Synode, etwa im Februar — durd ein an den
Bapft abgejandtes Schreiben entſchuldigt. Der Biſchof verfiherte
da, daß er joon von Anbeginn der Einfegung Gregor's VII
gewünfcht habe, feinen Gehorſam durch fein Erſcheinen vor dem-
jelben darzulegen, daß er aber durch den Drang ber in feiner
Kirche ſich erhebenden Umftände gezwungen worden fei, dieſes
Begehren nicht zur Erfüllung zu bringen: — nachher habe ihn, ala
jene Dinge geordnet waren, trog feines Sträubens, der Ruf
#2) Lambert fährt nad) ben ob. ©. 331 in n. 34 eingerüdten Worten fort:
ibi (se. Wormaciae) totam quadragesimam, ab oınni deinceps belli apparatu
en —8 6 Lambert (211) und die Hier wohl
ien_Ofteraufen! eztu am! und die hier wohl —
ver. Ba Zorkhungen — Geſchichte, —R 499 — ganz auf Ber:
{hold beruhende ‚Compil. blas. (SS. V, 277). Heber Heinrich's IV. Anerfen-
mung ann’! . S. 288 in n. 180.
) Bergl. ob. ©. 4.
%) Beyer nimmt in feiner Abhandlung über den Bamberger Handel —
Kertgungen, 1 e., 537 — woßl mit Recht an, daß die ob. ©. 305 erwähnte
itatton nach Rom auf eine zweite Anklage ber Bamberger Kleriker zurüdging.
874 “ 1074.
Heinrich's IV. zur Theilnahme an den königlichen und ben An-
jelegenbeiten des Reiches herangezogen, wobei er ſich der Leiftung
jeiner Hülfe nicht habe eniſchlagen können, teils in ber Erwartung,
jo für die Wieberherftellung zahlreicher Verlufte feiner Kirche zu
forgen, theils in derjenigen, durch feinen Rath dem in ungemifjen
Buflanbe liegenden Reiche wo möglich beizuſtchen. Ganz befonders
ſei noch — hebt der Brief darüber hervor — er Gedanke für
ihn Hinzugefommen, den durch die Rathſchläge ſchlechtet Wengen
in unüberlegter Weife dem Papſte entfrembeten Sinn des inne
in Beziehungen der Liebe und der Eintracht gegenüber demfelben
urüdzuführen, was für Rei und Kirche in den Augen aller Ein
Aoptigen von Nuten wäre, und eben mitten in dieſe Geſchäfte ſei
jene Einladung, nad Rom ge fommen, gefallen. So bat Hermann
den Papft, daß er auf die Werleumbungen feiner Neider nicht hören
möge, jondern der Erwägung Raum gebe, daß bei der Knappheit
der vorgefchriebenen Zeitfrift faum für eine ftürmifche Abreife Raum
bleiben würde, geiöweige denn für die vom Papfte geforderte Ver-
handlung, die in ſo befeleunigter Art nimmermehr abgewidelt
werben könne. So hat der Bifchof zur Darlegung nicht der
Schwierigkeit, ſondern der Unmöglichkeit der Reife nad Rom einen
Diakon an Gregor VII. abgefhidt und daneben jeinen Vorſatz
mitgetheilt, bei einer nächften ſich ergebenden Gelegenheit zu San
Jago di Compoftella fi die Losiprehung zu holen, um fo den
I feiner Nebenbuhler zu beſchwichtigen und feiner Unſchuld
Schutz vor Anfechtung zu Aemen), Wie weit es nun dem Biſchof
1) Dünzelmann und Beyer ftimmen — Forſchungen, XV, 522 u. 52,
unb I, 413 — barin überein, dak Hermann’s Brief im Codex Udalriei,
Nr. 43 (affe, Biblioth., V, 91—93), nit mit Jaffe in Januar ober Februar
1075, fondern in den Februar 1074 angejegt werben müfe, ba ex eben mit ber
in.n. 86 erwähnten Citation zufammenhängt. Ueber bie Beziehungen zu Hein-
IV. fagt Hermann: ecce me domini et excellentissimi regis dignatio
invitum et reluctantem ad suas et imperii curas adtraxit. Quam taınen
diffieultatem ego nullatenus praesumpsissem, nisi quendam gratissinum
am laboriosi oneris fructum certa spe suscepissem, scilicet ut. ecelesiae
meae, utpote rudis, innumera dispendia resareirem et fuctuanti regno
aliqua, si possem, ope coneilii subvenirem. Accessit etiam minime negli-
‚genda occasio, ut animum domni regis, pravorum consiliis inconsiderate &
vobis alienatum, in vestrae paternitatis caritatem et concordiam reformari
laborarem, quod tam regno guam ecelesiae usui fore sapientibus patet.
Die Angabe, daß in medio talium negociorum estu bie Gitation Gregor’ö VII.
eingetroffen fei, flimmt jehr gut zu der ob. S. 314 bezeugten Anweſenheit des
Bilhofs am Hofe Heinrid"s IV. im Januar. Hermann läßt einfliegen, daß
ex dur} bie susceptae regni rationes vıranlakt fei: Burgundiae et ulte-
rioris Galliae fines adire .. qua etiam occasione votiva beati Jacobi vi-
sitatione me decrevi absolvere. Die tantae causae disceptatio, que tam
festinato apparatu nullatenus valet expediri, it ohne Zweifel bie ob. S. 305
jenannte, Erzbiſchof Siegfried durch Gregor VII. vorgeichriebene Unterfuchung
ber introitus et conversatio ber citirten Bilädte, ect die von Hermann
hervorgehobene inseripta causs in dem Buammenhange: litterae vestrae me
conyvenere, id monentes, ut synodo me. .... praesentarem. Worauf Gre
g0r’3 VII. Borberufung aurüdgegangen war, zeigen bie Worte Hermann’a, er
Bilhof Hermann’3 Stellung zu Gregor VII. u. d. deutſchen Geiftlicheit. 375
ng, durch feinen Abgefandten die gegen ihn ohne Zweifel aus
mberg jelbft ausgeftreuten Gerüchte zu widerlegen, und ob die
Synode wirklich etwas über die Sache beſchloß, nachdem jedenfalls
auch hierüber Erzbiſchof Siegfried nah der an ihn gerichteten Nach
frage nichts Näheres hatte berichten fönnen, ift nicht außzumadjen;
vB ſcheint allerdings durch die römifhe Verfammlung gegen Her-
mann auch nicht einmal eine vorübergehende Entfernung von ben
biſchöflichen Amtsverrichtungen ausgeſprochen worden zu jein®®).
Immerhin muß ber Biſchof wegen der Art und Weiſe der
Erwerbung jeiner Kirche in ſchwerem Verdachte auch innerhalb ber
deutſchen Geiftlichleit geftanden fein, und infofern lag in der Wahl
Bamberg’3 für die Diterfeier entweber, wie ſchon angebeutet, eine
abfichtlich durch den König, der an die Anſchulbdigung nicht glaubte,
bewiefene Ehrung Hermann’3 vor, oder, was in Anbetracht der
gerade damals vorliegenden Beziehungen Heinrich's IV. zu Gre-
gor VII. viel weniger wahrſcheinlich ift, der König hätte fih in
geradezu gusrausforbernber Art durch diefe Wahl über die zu be-
achtende Nüdficht hinweggeſetzt. Doch kam es, eben in folge des
ungünftigen Rufes, in weldem ber Biſchof fich befand, während der
Anmwejenheit des Hofes in Bamberg, und zwar von Seite eines der
treueften unter ben geiftlihen Anhängern des Königs, zu einem
Vorgange, welcher Heinrich IV. felbft auf das unangenehmfte, wenn
er bis dahin wirklih von einer Schuld Hermann's nichts gewußt
hatte, treffen mußte.
Der König war von einer größeren Zahl von geiftlihen und
weltlihen Fürften in Bamberg umgeben. Daß Erzbiſchof Siegfried
fih eingeftelt hatte, bewies am Elarften, daß die Lage Hein-
rich's IV. wieber als eine befjer gewordene angefehen wurde, indem
jener wankelmüthige geiftlicde Fürft jegt neuerdings am Hofe fi
zu zeigen für gerathen hielt. Dann ift Herzog Berchtold beftimmt
genannt, und außerdem jollen eben hier fi noch mehrere andere
Herren eingefunden haben, welde vorher in der Zeit des Zwiftes
mit den Sachen vom Könige abgefallen waren. Bon den Xein-
ri IV. anhänglichen hohen Geifligen ift Erzbifhof Liemar von
Hamburg-Bremen beftimmt als anweſend bezeugt °®). Aber diefer
wiffe: profanas invidorum emulationes, dum commente eorum domi eva-
uuerunt, ubi veritas exagitata resplenduit, foris maximeque apud aures
vestras, quae possunt et dum possunt, conari, worauf diefe Anſchwaͤrzungen
nechmalß ala impudentissima calumpnia bezeichnet werben.
Giegfried’s Worte in feinem in n. 69 angeführten Schreiben lauten:
Nee aliud super hac re (sc. introitus et conversatio der examinandi epi-
wcopi) adhuc vobis de his (sc. episcopis) intimare valeo, nisi quod vel vos
scitis vel communis habet opinio. Mit Redt Ichlieht Beyer, 1. c., XXIL,
538, aus ber Adreſſe von Registr. I, 84, J. 4872, vom 12. $uni — Herimanno
eapenbergensi —ã —, daß die Faſtenſynode zu feinem Beſchluß über
Exfpenfion gelommen jei.
* —X ſpricht von ber Anweſenheit Siegftied's und Berchtold's, fowie
ven alli guam plures ex his qui bello Sazonieo ab eo defecerant (211);
Eribiſchof Ziemar findet fidh durch bie in n. 90 genannte Quelle überzeugt.
376 1074.
trug nun eben fein Bevenfen, vor ber größeren Zahl anweſender
Biſchöfe, angeſichts des Königs, den Biſchof von Bamberg in ber
empfindlichſten Weife zu erniedrigen. Der Erzbifhof weigerte fih
nämlich, von dem durch Hermann bereiteten Heiligen Salböl bei ber
Taufe Gebrauch zu machen, weil der Bifhof ein zwar noch nicht
überwiefener Simonift fei, und nad einem allerdingd ganz von
Hermann’3 Gegnern ausgegangenen Berichte aus Bamberg felbft
ſollen mit biefer Erflärung die hohen Geiftlichen, welche zugegen
waren, in Klagen über die Entweihung aller chriſtlichen Sacramente
und über die abſcheuliche Verhöhnung, welde in den von Hermann
verliehenen kirchlichen Chren fi baritelle, ſich vereinigt haben *0).
Jedenfalls hatte diefer Vorgang auch Heinrich IV. die Augen, wenn
er noch unbefannt mit den Dingen nad) Bamberg gefommen war,
eöffnet, und überhaupt war dadurch das ungünftige Urtheil über
German weiter verbreitet worden. Daß aber dieſe Beurtheilung
und die Anfiht, der Biſchof fei als Simonift anzufehen, auch in
Rom fich feit den früheren Ereigniffen neuerdings feftgefegt hatte,
zeigten die an Heinrich IV. von Gregor VII. abgejandten und ſchon
%) Bernold’3 Lehrer Bernhard theilt in ber ber Streitſchtift De dam-
natione schismaticorum einverleibten Epistola II, c. 36, mit: cum... anni
. . ab incarnatione Domini MLXXVti pascha rex apud Babinberch cele-
braret, Leimarus Bremensis archiepiscopus noluit in baptizando uti chris-
mate, quod confectum videbatur ab Heremanno, tune ibi episcopo, cum
seiret hunc symoniacum, licet nondum convietum (Libelli de lite, II, 49). 2a
Heinrich IV., fo viel betannt, einzig 1074 in Bamberg dad Ofterfeft feierte —
jebenfalla 1075 nicht, fo daß alfo ernst irrt — fo ift diefer Vorgang Hieher
zu ziehen. Dazu gehört, was die tota Babenbergensis congregatio in dem Briefe
des Codex Udalrici, Nr. 44 (l. c., 93—97) berichtete, einem Schreiben, welches
gegen Dünzelmann’s Beregmung des Datums — Borihungen, XV, 518
— 520, wo für die Anfegung zum Sommer 1074 eingetreien wird — mit
Zaffe'3 eigener Datirung und ebenfo mit Beper, I. c., , 407 u. 408, bei
1075, etwa im Mai, zu belaffen if (Dünzelmann überfah völlig, dab der am
20. April in Bamberg anwejende Erzbifchor Siegfried ganz unmöglid am 27.
in Rom weilen tonnte, währenb freilich Anpererfeis Beyer nicht, beachtete, da;
bie Anwefenheit des Biichofs Hermann von Meh in Rom zum gleihen 27. April
durch das ©. 364 Erzählte allerdings ſehr gut bezeugt if). Im biefem Briefe
wird nämlich, nad; ber Klage über die ſchon vorher ab omni ecelesia extragene
dira infamia symoniacae hereseos execrabilisgue confusio evidentissimi
perjurü, bet Vorfall erzählt: cum . . . omnes fere vestri (sc. des Empfangerẽ
des Briefe, episcopus E.) ordinis, episcopi eeilicet et archiepiscopi, publice
ipso rege audiente omnia Christi sacramenta profanari deplorarent et
Ahriame 'eorpusque Domini, quod ipse confecerat, velut inmundicias men-
struatae exhorrerent, gradus etiam ecclesiasticos, quos ille instituisset, de-
testabili illusione deumbratos assererent ..... ‚ baran mit: tandem ali-
quando das 1075 Geſchehene erst, dort bei n. 24) angehängt, fo daß eben ein
gerife Zwiſchenraum zwilchen beiden Greigniffen liegt. Daß aud die fchon
Ib. I, ©. 456 (n. 113), erwähnte Begebenheit mit Hermann, welde Bruno,
<. 15, erzählt und in sacro officio vigiliae is geichehen läßt, hieher ges
dien, nahm Beyer, 1. c, XXI, 589, vielleicht weil die Klage führenden
jamberger auch in einem Zwiſchenſahe jagen: malum enim inscitiae, quod in
0 quantum sit vos optime nostis, ad inmanitatem aliorum, licet intolerabile,
leve ducebamus (93 u. 94), doch ohne allen Beweis, an.
Riemar’d Berwerfung Hermann's. Heinz. IV. Ausföhn. m. b. päpftl. Begaten. 377
bis auf fränkiſchen Boden gelangten Legaten, welche ſich weigerten,
in Bamberg mit dem Könige am Oſterfeſte zuſammenzutreffen, um
fi nicht der Gefahr aus; Wehen, mit dem fimoniftifchen Bifchofe,
der hier dem Könige in_diefen Tagen aufwartete, Mahl und Ge-
ſellſchaft theilen zu müſſen ꝰi).
Die Legaten Gregor's VII., die Biſchöfe Hubert von
Paleſtrina und Gerald von Oſtia, hatten ſich mit der Kaiſerin
Agnes und den dieſelbe begleitenden Bifhöfen Rainald von Como
und Heinrich von Eur vereinigt; die Kaiferin war ſchon in der
Faftenzeit duch Schwaben nad) Pforzheim gelangt; jegt war bie
Pfalz Nürnberg, zu der Heinrich IV. herüberfam, als Plag bes
Zufammentreffeng zwifchen dem königlichen Hofe und den römischen
Beauftragten augerlefen worden, und hier trafen num, wohl ſchon
janz bald nad) Oftern, diefelben mit dem Könige zufammen, welden
Finerfeits die Erzbiſchöfe Siegfried und Liemar und andere hohe
geiſtliche Würbenträger begleiteten. Die Legaten hatten erftlich zur
Aufgabe, die Eintracht zwiſchen dem Könige und der römiſchen
Kirche gänzlich Herzuftellen; dann war ihnen im Weiteren vor-
geſchrieben, nach der Ausföhnung mit Heinrich IV. den Verſuch zu
maden, das Uebergemicht ed päpftlichen Gebotes gegenüber den
dentſchen höchſten kirchlichen Gliederungen zum vollen Ausdrude zu
bringen. Der erfte Auftrag kam ganz zur Duräführung. Der
König nahm die Legaten in ehrerbietiger und wohlwollender Weife
auf umd entzog ſich ihren Voritellungen nicht, welche während meh-
rerer Tage fortgejeßt worden fein jollen. Da er durch die von
feiner Seite fortwährend gepflegte Verbindung mit den durch
Alerander II. wahrſcheinlich erft verwarnten, dann durch Gre-
gor VII. geradezu gebannten Rathgebern felbft auch in die Schuld
verwidelt worben war, bedurfte er gleichfalls des Bekenntniſſes diefer
Verſchuldung, des Gelöbnifjes der Beſſerung und des Verſprechens
des Gehorjams gegenüber der römiſchen Kirche. Dieſes Geltändnik
der Reue und die nothwendigen Zufiherungen legte Heinrich IV. in
Gegenwart Siegfried's und Liemar’3 und vieler Anderer in bie
Hände der Legaten auf die geweihten von deren Hals herabhängenden
Etolen ab. Dabei verpflichtete er ſich in nachdrücklicher Weite, den
Stein des Anftoßes, der zu dem Vorgehen gegen die Räthe ber
Grund gewefen war, die Simonie, hinwegzuräumen, dem Papfte
feinen Beiftand bei der Entfernung der Simoniften zu leihen und
ebenfo mit aller Anftrengung die Nichtbeachtung des Gebotes bes
chelojen Lebens bei den Geiftlichen zu befämpfen. Ebenſo ver-
pfligteten fi, unter Ablegung eines Eides an die Legaten, die
töniglihen Räthe — ein italienischer Bericht ſchlägt hier die Zahl
Varianus Scottus, a. 1096 (vefp. 1074), jagt von den in n. 92 er
wähnten Wbgefanbten: noluerunt esse in pascha cum rege in civitate Bam-
berg, nec cibum vel societatem Hermanni eiusdem eivitatis episcopi, qui
Sin, somparavit episcopatum et servivit regi in hoc pascha, habere &.
‚561.
878 1074.
der von Alerander II. gebannten, Vertrauten Heinrich's IV. auf
fünf an —, alles in unrechtmäßiger Art erworbene Kirchengut zu:
rüdzuerftatten, eben dasjenige nämlich, welches fie von Simoni
dadurch erfauft hatten, daß duch ihren Beirat folhen Unwürdigen
zu kirchlichen Ehren verholfen worden war. So waren auch bieie
Sehlbaren mit ber Kirche verföhnt und konnten ohne meitere
ſchlimme Folgen in der Umgebung des Königs bleiben. Gregor VII.
glaubte furz nachher bezeugen zu dürfen, daß auf biefem Wege
önig Heinrich IV. in die Gemeinfhaft der Kirche zurüdgebradt
und zugleid das Neid von einer gemeinfamen Gefahr befreit
worden Ki ),
99) Bon ber päftlichen Gejandtichaft reden deutiche und italienifche Quellen.
Unter jenen Reben bie Compil, Sanblas. (vergl. n. 84) und Marianus Geottus
voran, die exfte mit der längeren Mitteilung: In hac qt ima im-
—* et duo episcopi sedis apostolicae legati cum ea de Roma ad Phorz-
eim in Alemsenmim ad ‘Tenere pro ipeins regia moribus eorrigendis...
Inde (sc. von Bamberg) ad * ‚ad meirem et ad caeteros apostolicae
sedis legatos perveniena (sc. rex), reum in eorum manus se, praesentibns
episcopis Mogontino et Bremensi cum aliis multis, sub correetionis ponsione
commisit, suumque auzilium domno apostolico ad deponendos symoniscos
firmissime promisit. ‚pe etiam regis consiliarii omnes res aecclesiarum
injuste acquisitas se reddituros coram eisdem legatis sub sacramanto
auisere, quippe qui eas a symoniacis emerunt, consilio sao indignos eosden
24 ‚oosichinnkenmn hanerem sijerauio (BB. V, 276 u. 277), biefer mit der
kurzen Nennung — im Anſchlufſe an bie Stelle von n. 62 — ber duo ep
scopi cum regina, regis eiusdem matre, unb der in n. 91 gan zur
führung (l. c.). Lambert dagegen bringt nach bem einleitenden Gabe: Rex ..
in Nuorenberg perrexit obviam legatis apostolicae sedis. Erant autem hi:
mater eius imperatrix, episcopus Ostiensis, episcopus Praenestinus, epi
Curiensis, episcopus Cumensis, missi a Romano pontifice (dab das in der
That nur von den zwei erfigenannten Biſchofen galt, wußte auch Annalista Saxo:
Erant ut | l Ta Zum n Hm Praenestinus antistes et Geraldus Hostiensis
episcopus: SS. u. )), componere, si possent, multo jam tempore
Sacillantem statum Gallisrum, woher fpeciell. betreffend Sein IV.: pro eo
quod propter venditas ecclesiasticas dignitates simoniacae hereseos insimulatus
isset apud sedem apostolicam — mehrere nach Ezcurs I. an unglaubmärdige
Angaben (215 u. 216) In Italien fieht Bonitho, Lib. VI, in erſter Linie,
der allerdings mit den Worten über Gregor VII. baß er, mox ut curam sanctae
Romanae ecclesiae suscepit . . . continuo, ben König in primordio dazu er
mahnt habe: ut episcopatus non venderet, seseque subjectum esse sancte
Romane ecclesiae recognosceret, die Sade zu früh anfept. Er erzählt:
pontifex .. . huius sancte legionis ministram fecit esse gloriogam impera-
tricem, eiusdem regis matrem, babentem secum in comitatu venerabiles
iscopos Girnrdum Ostiensem et Ubertum Prenestinum et Rainaldam
umanım. Que, Alpes transiens, filium in partibus Bajoariae invenit.
Quid plura? Legatis Romanis a rege honorifice susceptis, cum per multos
dies sermonem correctionis ab eis cotidie audiret, ad ultimum quinque
suos faniliares, quos ante beatus excommunicaverat Alexander, a suo
hibuit colloquio (Jaffe, Biblioth., II, 657). Audy Bardo gedenkt in ber Vita
Anselmi ep. Lucens., c. 14, doch nicht in ber richtigen chronologiſchen Reihen:
folge, erſt im Anſchluß an Ereigniffe nach 1080, nach der wiederholten früheren
Abjendung von benignae legationes biejer Wborbnung der mater ipeius (se-
Heinriei) religiosissima imperatrix Agnes, et cum ea reverendissimi duo
episcopi, Praenestinus et Cumanus (SS. XII, 17). Rad Bannenborg, Studien
|
AusWpereng b. Begaten m. d. Iglchn. Räthen. Plan e. allgem. deutſchen Eynobe. 379
Dagegen wißlang nun die Durchführung ber zweiten Aufgabe,
welche ven Legutin aus Rom mitgegeben worben war. Eie follten
auf einer allgemeinen deutſchen Synode, welde vor dem Könige in
Vertretung der Vollmacht apoftolifchen Stuhles von ihnen ge
leitet würde, für die Duri g der von ber Faftenfynode in
Rom aufgeftellten Beſchlüſſe inneraib der deutfchen Kirche forgen,
beſon ders daß die Ehelofigkeit ber ichen, voran ber Prieiter,
durch ein gemeinſchaftliches Gebot aller zur Beobachtung
gebracht werde, überhaupt aber alles in kirchlte Dingen Ver⸗
befierungswürbige verbefjern, das Hinzuzufügende hinzufügen, wie
Gregor VI. jelbft nachher den Auftrag der beiden Bijchöfe in all-
zur WERE der Herzogin Matilbe von Ganofia, 20, beruht wohl die ſchon
ob. ©. 160 mm. & znitgetheilte, allerdings durch Verwechslung der —
von 1072 und —— 7* Zonigo’s auf der Berufung
des Bonitho. Wichtige A gu ichte ber Gejaudticaft bieten aber
ſerner Briefe Geegor’s VIL Im . I, 85, d. 4873, banft er am 15. Juni
ber Railerin Agne®: quod maximum est et waltsti dilectionis conjunctissimum,
jam_peregistis, videlicet filium vestrum Heinrieum communioni ec-
dlesiae restitui, simulque regnum eius a communi peı Mbereri. Quo-
niam, illo extra communionem posito, nos quidem timor ärkane
ultionis secum conyenire prohibuit; subditos vero sibi quotidie eius prae-
sentia quasi necessitas quaedam in culpa ligavit. Ebenfo fieht in bem Briefe
am Heinrich IV. — Registr. II, 30, J. 4908, vom 7. December —: quia le-
‚atis_nostris (gannt find biefelben in dem in n. 93 zu erwähnenben Briefe
%: Übertus estinensis et Giraldus Ostiensis episcopi) te benevolum
traetabileınque praebaisti eorumque interventu res ecclesiasticas
laudabiliter eorrexisti, nobis quoque per eos congrue salutationis et devotae
servitutis exhibitionem transmisisti, gratanter accepimus. Sed et illud,
quod piae memoriae Agnes mater tua imperatrix augusta apud nos con-
stanter testificata est idemque legati episcopi attestati sunt, simoniacam
silicet heresim funditus te de regno tuo extirpare et inveteratum morbum
fornieationis clericorum toto annisu corrigere velle, vehementer nos hilaravit.
Endlich tam Gregor VII. auch noch jpäter, Registr. III, 10, J. 4972: quod
de causa Mediolanensi matrem tuam, per confratres nostros episcopos,
quos ad te misimus, nobis promiseras, und in dem Rumdichreiben von 1076
— Epistolae collectae, Nr. 14 — auf diefe Segation zurüd: Hoc idem (sc.
mam per omnia obedienfiam consensum et fidele adjutorium) etiam postea
— a confratribus et legatis nostris Humberto Praenestino episcopo et
3 iensi episcopo, quos ad illum misimus, ad poenitentiam aus-
eeptus — in illorum manus sacratas stolas, quas in collo tenebant,
repromittendo confirmavit (affe, Biblioth., II, 106, 142, 219, 537). m be:
mertenäwerther Weije germtt auch bie allerdings unechte, maheicheintich nad
einer nicht erhaltenen Bulle gejälichte Urkunde St. 2788 (vom 1076: vergl. dort
in. n. 51) bieler Eegation: Jubente matre mea Agnete augusta,
apostolici Gregori VII. legato Geraldo Hostiensi episcopo et caı um
rimo, presens aderat. Was bie gebannten Räthe des Königs betrifft, jo führt
ih, IH, 1131, in den „Anmerkungen“, aus, da, wenn es auch nirgends
—XR ‚geoat werde, doc deren Abjolution angenommen werden müfle,
da ohne Zweifel Bonitho irrt, wenn ex behauptet, der König habe bieje Räthe
«us feiner Umgebung entlaffen; denn jonft wäre ja Heinrich IV., indem ex
54 von biejen Männern nicht trennte, fonleich wieder Cenfuren verfallen, und
ia der Compil. Sanblas. ift ja von Ciben, welche bie Käthe ben Legaten gegen»
über leifteten, ausdrüdlich die Rede. (Dak die völlige Grcommunication der
Mäthe wohl erft durch Gregor VII. im Anfange bes Fontiientes desſelben ge»
heben war, vergl. zu 1076 in.n. 121).
cum
380 1074.
gemeinen Worten zufammenfaßte. Heinrih IV. war burd Die fo-
eben den Legaten für den Papft abgelegten Zuſicherungen gebunden,
feine Zuftimmung zu der Sache zu ertheilen. Aber von gan
anderer Seite fam die Erhebung ernfthafteften Widerſpruchs gegen
das Vorhaben ber päpftlihen Gefandten. Hubert und Geral
— indem fie alle anderen Biſchöfe ferne hielten, nur an Sieg
ried und Liemar, als an bie anwefenden Erzbifchöfe, die beftimmte
Forderung gerichtet, daß diefelben die Synode gutheißen follten,
und zwar, wie Liemar die Sache nachher darftellte, in ſolchen Aus-
brüden, daß es den Anfchein hatte, fie fprächen ihre Worte nit
im Auftrage des Papftes, jondern aus eigener Srmäßtigung, Allein
ſchon war eine Verathung der zwei Erzbifchöfe mit den Bifchöfen
vorangegangen, und bie Antwort lautete, wie Liemar erzählt, es fei
nicht möglich, daß fie beide allein, ohne ihre Mitbrüder zu Rathe
zu ziehen, welche jehr anfehnliche Männer im Reiche feien und deren
Sade von diefer Angelegenheit noch mehr oder gleich ſtark berührt
werde, und ohne gemeinſchaftlichen Rathſchluß diefe Bekanntmachung
entgegennähmen. Ohne Zweifel nad} der Verichterftattung der beiden
Zegaten wußte man in Rom nod; Weiteres darüber, weßwegen bie
Ablehnung erfolgt fei. Danach fol Liemar darauf hingemwiejen
haben, daß nad den alten Deivitegien dem Erzbifchof von Mainz
eingeräumt fei, in Deutſchland Stellvertreter des römiſchen Papftes
u fein, fo daß es den römischen Legaten nicht offen ftehe, in deſſen
egationsbereihe eine Synode abzuhalten. Aber die in Hersfeld
verbreitete Auffaffung ſchrieb au den in Nürnberg anmejenden
Bischöfen überhaupt die ablehnende Neußerung zu, daß es un-
ebräuchlich und ihren Drbnungen ganz fremd erfcheine, in folcher
Gheife eine Synode zu veranftalten, und daß fie niemal3 an irgend
einen Anderen, al® an den Papſt jelbft, das Vorrecht diefer Voll-
macht überlafjen wollten. Doc Liemar muß noch ſchärfer in feiner
eigenen Sache geredet haben. Er nennt als den Inhalt jeiner
Darlegung, daß e3 ihm gar nicht zufommen würde, eine deutjche
Synode gutzuheißen, feine Sprengelbifhöfe, wie fie unter den
Dänen und den überfeeifhen Völkern jäßen, gar nicht zu Diefer
deutfchen Synode fommen würden. Später meinte er, die Legaten
hätten gang unüberlegt und in ber Rajerei gehandelt, da fie unter
Betonung des Gehorjams gegen den apoftoliiden Stuhl an die
Häupter der deutſchen Kirchen die Zumuthung braten, entweder
ihren Willen zu erfüllen, oder nad Rom zur Rechenſchaft zu
kommen, und er rechneie es, freilich hier wahrſcheinlich unter
eigenem Irrthum, den beiden Biſchöfen noch zum Fehler an, daß
der eine ihm jelbft zur nächſten römifchen Synode, der andere zum
St. Andreas: Tage nad Rom vorgefordert habe. Jedenfalls war
nun aber durch diefen Äbſchlag, bei welchem der atträftige Nach⸗
folger Adalberi's den weit ſchwächeren Siegfried jedenfals mit ſich
geriffen hatte, die Weranftaltung der deutſchen Synode als un-
mittelbare Darlegung ber römiſchen Einwirkung bahingefallen.
Scheitern d. Eynobe dch. Liemar’s, Siegfried's, d. anweſ. Biſch. Widerſpruch. 881
Die Legaten verzweifelten an der Durchführung dieſes Auftrages
und gaben bie Sache auf®). hang firag
»*) Diefen weiteren Auftrag ber Legaten, betreffend bie Veranftaltung ber
Smobe, erwähnen Marianus Ecottus, ala Zwe ber Sendung: ut et univer-
i synodo coram rege, communi omnium episcoporum interdietu, feminas
separarent a clericis, et maxime a presbiteris (l. c.‘, ferner Zambert: Itaque
geierunt (se. legati) verbis Romani pontificis, ut einodum tenere intra
lias pace episcoporum sinerentur. Vehementer hoc abnuerunt omnes
episcopi tamquam inusitatum longeque a suis rationibus alienum, nec se
hains auctoritatis privilegium ulli alii praeterquam ipsi Romano pontifici
uam delaturos affırmabant .... (vorangehenb ein in Freurs I. behandelter
Sufammenhang:) Sed quia per legatos res tanta confiei posse desperabatur,
consulto in audientiam ipsius Romani pontifieis dilata est (l. c.). Bonitho
fährt nach ber Gtelle in n. 92 fort: Dehine rogatus (sc. rex), ut sinodum me-
diaret, episcopos facietenus congregavit, mente detrectans, ullo modo
ooncilium in suo rcgno celebrari. Quod rei subsequens probavit eventus.
Nam ner Lemarum Bremensem archiepiscopum . . concilium interruptum
est. Is enim dicebat: ex antiquis privilegiis Maguntino concessum esse
epicopo, in Germaniae partibus vicem habere Romani pontificis, ideoque non
licere Romanis legatis, sinodum in eius legatione celebrare .. concilio hac aa-
gacitate interrupto (l. c., 658), Gegenüber Lambert, ber die Ablehnung ber
geindende Axgumente nur durch omnes epiecopl vornebradht werden Läßt, ift alfo
bier Ziemar’3 Initiative gefichert, und Gregor VII. führt in dem ſchon in n. 92
far genannten Briefe, Registr. Il, 28, J. 4810, vom 12. December, auch geradezu
al Liemar’s Verſchulbung auf: Legatis quippe nostris . . ., quos ad partes illas
ad id destinavimus, ut, in unum archiepiscopis episcopis abbatibus religiosis-
que clerieis convocatis, vice et auctoritate nostra fulti, quae corrigenda
ewsent, corrigerent, quae religioni addenda adderent, pro viribus impedisti.
Ad baec, ut et concilium fieret, prohibuisti. Ab eisdem etiam Romam
vocatus, ad... festivitatem sancti Andrese (l. c., 140). Siemar jelbft be-
rüßtet in dem Briefe an H. (Bichof Htzilo von Hilbesheim): Meministis illam,
m a curia rediens vobis domi vestrae retuli rationem, quo pacto legati
illi apostolici a me et archiepiscopo Moguntino, separatis aliis omnibus,
sub —— distrietione exegerunt, ut synodum fieri laudaremus, neque
tamen hoc ex persona apostolici precipientes, sed quasi ex sus loquentes
et dieentes; Laudate synodum. Aa quod Moguntinus et ego ex consilio
episcoporum, qui aderaut, respondimus: Non posse nos duos, nisi
eonsultis confratribus nostris et coepiscopis, viris maximis in hoc regno,
& eommunicato cum ipsis consilio, ad quos baec eadem ratio plus aut eque
€ 100 edietum eorum suscipere. Illi, velut inconsiderati homines
&t furioei, sub obedientia sedis apostolicae injunxerunt, ut aut hanc eorum
voluntatem de synodo laudanda faceremus, aut Romam rationem reddituri
veniremus, statuentes mihi terıninum, alter eorum, seilicet Geraldus, proximam
um Roınanam, alter vero, Prenestinus ille, festivitatem sancti Andreae,
se inter so diseentientes, Ego addidi, meos coadjutatores et suffraganeos
inter Danos et in transmarinis gentibus commorarı, eos ad hanc synodum
Teutonicam minime venire, nibilque ad me pertinere de laudatione synodi
Teutonice (Gubendorf, Registrum, I, 3 u. 9: unter Benußung der duch
* ‚©, vorgeſchlagenen Textverbeſſerungen). Da nad S. 858 n. 61
wirklich) noch eine Synode vor Ende 1074 ftattfand — Viemar ſcheint diefelbe,
da fie engeren an die Wichtigleit der Faſtenſynoden nicht heranreichte,
[a überfehen zu haben —, famen die Gitationen der beiden Legaten doch überein,
daß Liemar hierin — er redet in feinem Briefe noch gegen bad Ende hin
bem terminus veniendi legittimus . . in quo ambo sic dissenserunt — irrt.
Tegegen ift ficher Bonitho durch die Briefe widerlegt, wenn er behauptet:
382 1074.
Es ift wohl nicht zu bezweifeln, daß Heinrich IV. ganz gem
dieſe Niederlage der Legaten ſah, an deren Herbeiführung er un
betheiligt erſchien. ALS eine innerhalb der Kirche geitheene Ent-
[oebung war dieſe Erklärung der deutſchen Biſchöfe erfolgt; ihm
'onnte fein Vorwurf gemacht werden. Dazu fügte fi nod, daß
e für ihn als weitere Rechtfertigung herausfam, wie als der Ur:
beber der Abweifung ein ihm allerdings ganz beſonders treu an-
bänglicher Sbitcor ſich herausftellte, Der nad) einer anderen, aber
hauptſächlichen Hinfiht als vor Rom ganz gerechtfertigt erfcheinen
mußte ; denn eben jener königlich gefinnte Liemar, welcher in_jeiner
veraͤchtlichen Behandlung eines fimoniftifchen Bifchofs vor des Königs
Augen ſoeben noch feine Nechtfchaffenheit gegenüber einem am
meiften von Rom ber erhobenen Vorwurfe thatſächlich dargelegt
hatte, war in Nürnberg der Urheber der Hinderung der vom
Bapfte befohlenen deutf—hen Synode geworben.
So wurde denn gegeniiber Heinrich IV. von dem Papfte ein
Vorwurf megen diefes Verlaufes der Synodalangelegenheit nicht
erhoben. Allerdings ift auch ganz ungemiß, ob der von Heinrich IV.
angeftellte Verfuch, Gregor’3 VII. Aufmerkſamkeit auf die von den
ſãchſiſchen Zeritörern der Serburg verübten Unthaten zu richten,
einen gewiſſen Erfolg hatte. Won kirchlichen Strafen, welche aus
Nom gegen die Schänber des Heiligthums gefällt worden wären,
verlautet nirgends etwas, und auch davon liegt fein Zeugniß vor,
daß überhaupt irgendwie im Auftrage ber Legaten von der Harz
burger Angelegenheit die Rede war. Dennoch ift nicht zu bes
jmeifeln, daß der Abſchied der Legaten vom Könige fih in Nürn-
erg unter gegenfeitige, wenigftens äußerlich dargelegter Zufriedenheit
vollzog. Das Ergebniß ber Geſandtſchaft wurde in Rom gerabezu
als ein Erfolg gebucht. Der Subdiafon Bonitho bezeugt, Die
Legaten feien, nachdem ber König alle ihre Forderungen gern zu
len zugefagt hatte, mit weichen Geſchenken ausgeitattet, mit
Ehre nad Rom zurückgekehrt; außerdem trugen fie Heinrih’3 IV.
ſchriftliche Erklärung mit fi, in der er dem Papft Gregor VII.
in jeder Meife die geſchuldete Unterwerfung verſprach. Roc vor
ben 2egaten, von benen fetfteht, dab fie auch noch zu Erzbifchof
Anno ſich begaben, trat die Kaiferin Agnes den Rüdweg nad Rom
an; zum legten Male war fie, al3 Vegleiterin ber päpſtlichen Be—
auftragten, auf deutſchem Boden mit ihrem föniglihen Sohne zu⸗
ſammen gewejen?. Es ift jehr wahrſcheinlich, daß fie auch, wie
Huius rei gratia Lemarius archiepiscopus a legatis Romanis a sacerdotali
officio suspensus est (I. c.), ba au Gregor VIL. Hievon jhweigt. Wegen
Heinrich'a IV. Stellung zu der Sache der Synobe aud in ixs I.
*) Bom Meggange ber Gefandten reden ansbrüdlic, im Anflug an bie
Stelle von n. 92, Compil. Sanblas.: His ita dispositis, imperatrix et legmti
apostolicae sedie redierunt, Sambert: dimissis legatis (sc. a rege), bejon!
aber Bonitho (nah ber Grzählung in n. 93): Dehine ... cum rex omnia,
Zufriedenheit Gregor’s VII. m. b. Ergebniffen, bei. b. Thätigt. d. Raiferin Agnes. 388
fie hier in Nürnberg wieder den Wünſchen des römischen Stuhles
ihren Dienft geliehen, zugleih ihren Einfluß auf ben Sohn dazu
ausgenugt hatte, die Wiederannäherung desſelben an Herzog Rudolf
von Schwaben, der bis dahin no von den Ereigniffen des ab-
jelaufenen Jahres her fih vom Hofe fern gehalten, zu Ende zu
Hihren. Wie vor zwei Jahren ſchon die Der mung zwifchen ben
beiden Schwägern das Werk der Wittwe Heinrich's III. geweſen
war, fo hatte wohl Heinrich IV. auch jegt wieder diefen für feine
Machtſtellung in Oberdeutſchland fehr wichtigen Erfolg ber Mutter
zu verbanfen ®°).
Indeſſen brachte auch Gregor VII. wärmiten Dank der Raiferin
für ihre Mühewaltung entgegen. Wahrſcheinlich zu ihrer ehr
nad Rom empfing fie den am 15. Juni aus Fiano von dem Papite
abgefertigten Brief, in welchem dieſer ihre Verdienfte in den auf:
rihtigften Worten anerkannte. Gregor VII. ſpricht feinen lauten
Fa Darüber aus, daß die Frucht der Anftrengung der Kaiferin, wenn
ie auch deren eigenen Wünfchen nicht völlig entſpreche, Gott zu Lob
und Ruhm, ihm jelbft zur Freude, Agnes zur volltommenen Betobnung
gebiehen jei. „Wir wiſſen fürmwahr, dab Ihr für den Frieden uni
die Eintracht unferer allgemeinen Kirche viel arbeitet und Alles,
was Papittfum und Königthum im Bande der Liebe feft zufammen-
zuziehen vermag, mehr, als das ausgeſprochen werben kann, wünſchet
und in unermüdeter Sorgfalt ſuchet“. Aus dieſer Zenaniog
heraus preiſt eben Gregor VII. die Wiedereinführung Heinrich's IV.
in den vollen kirchlichen Verband, die er dem Einflufle der Kaiferin
äufchreibt, auch um feiner felbft willen; denn die Furcht vor ber
göttlichen Strafe hatte ja den Papft, fo lange der König nicht in
völligen Gemeinfhaft der Kirche ftand, gehindert, mit ihm zu»
fammen zu fommen, und vollends die Unterthanen waren duch die
alltägliche Berührung mit dem Könige gewifjermaßen in eine Schuld
verwidelt. Der Papft fügt bei, daß die Rathichläge und Verdienfte
der Mutter Heinrih'3 IV. Vieles genügt hätten, und daß noch
Agnes felbft unter Beglückwunſchung ſehen werde, in wie erbarmungs-
voller Weife die göttliche Milde des Königs gedenke. Allein das
Romani legati postularunt, se libenter facere promisisset, magnis mu-
neribus donati, Romam cum honore remearunt, portantes secum prefati
is literas, quibus venerabili „pepas Gregorio omnibus modis debitam
subjectionem debat. Dak Bonitho jet in Rom anweſend war, vergl.
ob. €. 353, n. 60. Dody if nad n. 126 in die Rüdkreife der Legaten nad) Rom
noch die Anweſenheit bei Anno zwiſchen 8. und 14. Juni einzufügen.
*) Grund, Die Wahl Rudolfs von Rheinfelden zum enfönig, 46,
macht (glei) Giefebrecht, III, 308), gr richtig, darauf auf ſam, ba bie
Roi gu Compil. Danblas.: Ruodo! Fe et eier, en les —S
regi (276), wel janach allerdings zu früh im Jahresberichte eingefügt wäre
och vergl. ob. ©. a n. 27 ober eine im Gegenfaß hiezu veripätet ein⸗
geichte Rotiz), am beften zeitlich in diefe Zeit der Antveienheit der Agnes herein-
werogen werde.
384 1074.
Nähere hierüber wollte der Papft dem Briefe nicht anvertrauen, da
er vorausfah, daß er die Kaiſerin nächſiens jehen würde 0).
Nachdem Heinrih IV. fih von ben Legaten und der Mutter
verabfchiedet hatte — wenigftens Erzbifchof iegfeich verließ nun-
mehr ebenfall3 den königlichen Hof") —, begab er ſich fühwärts
der bairifhen Donau zu. Denn zum erften Male ſeit längerer Zeit
nahmen die ungarifchen Verhältniffe den König wieder ernfthafter
in Anfprud. Gewiſſe Gefährdungen der Stellung des Königs
Salomon traten in nachdrücklicherer Weife zu Tage, nachdem &,
wie e3 fceint, im Anfange des Jahres 1072, geglüct war, früheren
ähnlichen Erſcheinungen mit Erfolg zu Begegnen ).
In Folge des Gelbzuges des jungen Königs im Jahre 1063
war e3 gelungen, ohne Blutvergießen den glänzenden Erfolg der
Wiebereinfegung des Schüglings ber deutſchen Krone, des Königs
Salomon, auf den Thron des ungarifhen Reiches zu erzielen, und
an die Zurüdführung hatte ſich deſſen Vermählung mit feiner
Braut, der Schwefter Heinrich's IV., Juditha, oder Sophia, wie
fie als Königin von Ungarn hieß, angefnüpft. Aber freilich war
dann, ſchon in dem folgenden Frühjahre, der Vetter Salomıon’s,
Herzog Geifa, aus Polen, wohin er ſich geflüchtet hatte, wieder zu:
rüdgefehrt, und der König hatte fih mit ihm bahin verftändigen
müffen, daß er fi von Geiſa nochmals mit der Krone Shmüden
ließ und fo die Nothwendigfeit einer Anlehnung an feinen Ver
wandten, welcher foeben noch aus den ungarifchen Grenzen aus:
gewiefen zu fein fchien, deutlich darlegte?).“ Bon da an hatte ſich
dann mohl ein leivliches Verhältniß zwifchen König und Herzog bis
1072 und danach nochmals bis zu diefem Jahre — erhalten.
Wahrſcheinlich ſchon gleih auf der Reichsverfammlung von
1064, auf der Salomon’3 erneuerte Krönung ftattgefunden hatte,
wurde eine Gefeggebung feftgeftellt, welche die richterliche Gemalt
des Königs und befien allen Anzeichen nach überhaupt fehr ge-
ſchwächte Macht, fowie die allgemeine Verwaltung und Ordnung
®) Der ſchon in n. 92 erwähnte Brief 85 rühmt in der Einleitung:
quod lumen vestrae operationis ad nos usque resplenduit et. fructus
vestrae fatigationis, efei non ad vota vestra plene cumulatus,
exerevit.
9) Mad) Will, Regeſten zur Geſchichte der Mainzer Erzbilhdfe, I, 201,
Wr. 99, haar Gieteih Yon am Baal m Mainz anmenb, wech Stiftung
und Dotiung bea Mofas Ravengiäburg uetundlich Gefätigte. Dagegen iR
might, wie Echröber, De Liemaro Hammahurgensi archiepiscopo, 17, hervor:
hob, ned; Siemar’s eigenen Worten (vergl. ©. 381 in n. 93: a curia rediene)
anzunehmen, derjelbe habe alabald den Hof nach ber Zufammentunft mit den
Legaten verlafien; denn da nad) n. 180 St. 2779, vom 29. Juni, aus Mainz,
nicht beanftandet werden Tann, weilte ber Erzbilchof aud) Damals noch in Hein:
siö’8 IV, Umgebung,
9) Wergl. ob. ©. 120.
®) Bergl. Bb. I, ©. 344-349.
Heinich’3 IV. Weggang 3. Donau. Die Lage König Salomon’s in Ungarn. 385
des Reiches wieder weſentlich fügen ſollte; freilich ift e8 ein eigen-
thümlich ungünftiges Bild, das fi von den Zuftänden des Landes
hier herausitellt, weil fat vorwiegend in ganz einfeitiger Weife
Vorſchriften, welche ſchärfſte Strafen und entehrende Züchtigungen,
aud für Beamte, in fich ſchließen, zum Schuße des Eigenthums, ſich
darin finden. Dagegen tritt von den Wirkungen, die aus der durch
die innere Einigung neuerdings mehr geftählten Kraft der Ungarn
hätten geſchloſſen werden follen, in ben äußeren Beziehungen zu
den benachbarten Reihen, nur fehr wenig Klar zu Tage, da bie
viel jüngeren jagenhaften Nachrichten beftimmte Aufſchlüſſe vermiffen
laſſen. Doch ift es fier, daß das ungarische Reich befonders an
der Donau abwärts feine Angriffskraft bewährte. König Salomon
fand eine kurze Zeit im Vefige von Belgrad, und hernach folgte,
gegen Kaiſer Michael VIL, ein neuer Feldzug nad Aulgarien hinein
is Widdin und Niſſa und möglicherweife bis nach Thrafien und
Mafedonien, jo daß der alte Schreden des ungarifhen Namens
wieder zu erjtehen ſchien; aber auch ein Heer der Berieenegen erlag
den ungarifchen Waffen ?00),
Allein das Ende der Zeit, in welder König Salomon und Geiſa
neben einander zu beitehen vermochten, war gefommen, und für
Heinrih IV. war die Gegnerfhaft gegenüber dem ſächſiſchen Un-
gehorfam wohl faum nur wenig zurüdgetreten, als er gezwungen
wurde, an Hülfe für feinen königlichen Schwager in Ungarn zu
denfen. Wie es zum Kampfe zwifchen Salomon und Geifa ge:
100) Meber bie Zeit der Regierung Salomon’3 verbreitete ſich zuerſt eins
achend Büdinger, Ein Buch ungarischer Geichichte, 1058-—1100, 18—36, deffen
Ergebniffen Huber, Geidichte Defterreich®, 1, 200-202, bejonbers ——
der Hereinziehung fogenannten Decretum III. das Stönige Ladiſlad I.
(&nbliher, Reram Hungarie. monum. Arpadiana, 341—348) in diefe Zeit,
wo Salomon und Geifa neben einander regierten, zuftimmt. Doch nimmt
Huber, infolge feiner geringeren Werthichägung der beim Mangel aller glei:
zeitigen Nachrichten vorliegenden Quellen, die auf bloß mündlidher Fori—
pflanzung beruhen und deutlich fagenhaften Charakters find, auf deren Inhalt
meit weniger Bezug, ala Büdinger; beſonders jcheint es ihm, daß berjelbe der
Shronit des Johann von Thurocz zu viel Gericht beigelegt habe. Dergl.
Haber’g Kritit des einfhlägigen Abfchnittee von Marezali, Ungarns Geihichte:
quellen im Zeitalter der Arpaben, 38 8 in den Mitiheilungen des Inftituts
für öflerreichifche Geichichtsforigung, IV, 131186, nad) welder Huber die
allen Ableitungen zu Grunde liegende ungariſche Chronik erft im die zweite
Hälfte des 13. Jahrhunderts jepen möchte, fowie Rademadier, Zur Kritik
ungariicher Geihichtäquellen, in ben ori gungen zur deutichen Geihichte, XXV,
If. Die einzigen allerdings nur ganz furzen Anhaltspunkte bieten bie
Annal. veteres Ungar., ed. Wattenbadh (Archiv fir öfterreich. Geidjichte, XLII,
53 — aud SS. XIX, 572, ald Annal. Posoniens.), und zwar a. 1068: Civitas
Bulgarorum a rege Salomone capitur rursumque ab ipsis Bulgaris et Grecis
dolo reeipitur — 1071: Salomon rex cum duce Magno Geyza Ungarorum
(? dielleiht Graecorum zu lejen) exereitum debellatur atque populi in capti-
Yitatem reducuntur et Bessenorum exereitus pereutitur — 1072: Salomon
res Bulgarense regnum invasit (dazu die von Büdinger, 33 n. 2, angeführte
griechiiche Angabe bes Nikephoros Bryennios über die Ausdehnung des ffythifchen,
d.h. ungarikhen Borbringens).
Bener von Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter Heinrich IV. u. V. Bd. IL. 25
386 1074.
fommen war, ob wirklich, wie die viel fpäteren ausſchmückenden
ungarifhen Erzählungen und auch eine gegen Heinrich IV. gefinnte
ſchwäbiſche Mittheilung verſichern, Salomon durch weitgehende An-
wiffe gegen die Stellung, ja gegen das Leben des Herzogs ben
treit begann — nad) den: deutjchen Zeugniffe hatte er durch die
Ungewöhnlickeit und Schändlichfeit feiner Thaten, au durch die
Verachtung der Rathſchläge der Großen, ſich unmöglich gemacht —,
läßt fih abermals nicht fagen?). Dagegen erſcheint es ganz
glaubli, daß Geifa von Polen her Waffenhulfe gewann; denn
mochte auch wegen des Ausbruches der Jächlifhen Erhebung im vor:
bergehenden Jahre der von Heinrich IV. gegen Herzog Boleſlav
gelane Kriegszug nicht zur Ausführung gelangt fein, fo mußte
och diefer willen, daß die feindfelige ht des Königs beftanden
babe, und e3 mochte ihm bewegen als vortheilhaft erſcheinen, durch
den für feinen Vetter Geija gegen den Schwager des beutfchen
Königs dargebotenen Beiſtand die Sache feines Feinde mittelbar
in Ungarn zu bekämpfen i02). Und jedenfalls ganz beſonders er-
muthigend mußte e3 für Seno Geifa fein, daß er in unver:
ennbarer Weife auh von Rom her zum Vorgehen ermuthigt
worden war.
Gregor VII. hatte von Herzog Geifa die briefliche Verficherung
der vom Empfänger des Schreibens ala löblich erachteten Ergeben-
beit erhalten und aus dem Schreiben zu erfennen geglaubt, daß
Herz und Sinn desfelben, wie er fi) ausdrüdte, von göttlichen
Feuer zur Ehrfurdt son den apoftolifhen Stuhl entzündet fei.
So war ſchon am 17. März — noch von ber Synode aus — eine
Antwort des Papftes an den Herzog abgegangen, welche die leb⸗
haftefte Befriedigung de3 Abjenders zum Ausbrude bradte: „Eine
nicht ungewiſſe Hoffnung auf Deine Wohlfahrt zeigt fi; eine
nicht geringe Freude ift ung erftanden. Denn diejenigen, welde in
der gejcjuldeten Treue und Ergebenheit gegenüber der apoftolifchen
Kirche ihre Wünfche fafjen, erwarten aus dieſen Wünfchen heraus
keineswegs zweifelhafte Schugmittel und Wohlthaten für ſich jelbft.
Deßwegen ermahnen wir auh Di, daß Dein Eifer um die Ehre
der Apoftel immer wachſen möge und daß Du in gleich hohem Grabe,
wie Du überzeugt bift, — in Folge des nothwendigen Ab-
ſchluſſes Deines Lebens den Richterfprüchen über dasfelbe Dich zu
101) Huber, 202 u. 208, lehnt Bübinger'3 einläßlichere Darftellung der vor»
angegangenen Greigniffe, Die fich wieder an die ala glaublid) durch ihm eradtete
Sradiion anteönt, HIT, 36 A, ale mißt genügend beyeugt ab. Die Compik,
Sanblas, Ingt don Salomon, hof; er ob fegitioram suoram insolentiam ef
turpitudinem . . parvipendens et ipse consi
meliorum) habe weichen müffen (SS. V, 277).
10%) Zu der Notiz bes Chron. Polonorum, Lib. I. c. 21: Ipse (sc. Bolez-
Iayus Largus) Selomonem regem de Ungarie suis viribus eflugavit (SS.
IX, 441) magıt Giefebreit, III, 307 u. 308, auf den beabfichtigten Zeldaug
von, 1073 aufmerffom, während‘ Bübdinger, 35 u. 36, Diefe& polniide Einz
greifen übergeht.
ia illoram (sc. caeterorum regni
Gig. Geifa’s Verbindung m. Gregor VIL.; Salomon’3 Vertreibung durch Geiſa. 387
nähern, danach ftrebft, die Apoftel in geneigter gefinnte Schulbner
Dir gegenüber zu verwandeln“. Geifa wird aufgefordert, an
Gregor’8 VII. Liebe feft zu glauben: „Aber wir verſprechen, indem
wir auf Did) unfere innigiten und väterlichen Neigungen aus-
ſtrömen laflen, daß Du ohne allen Zweifel bei uns eine Stätte be-
figeft, zu handeln und zu erlangen, was in würbiger Weife Deinem
Seile und Deiner Ehre entfpriht”. Wer Geifa feindlich ſchaden
wid, ſoll bei dem Papſte alle Gunft verlieren. Endlich aber nennt
Gregor VII. dem Herzog den Markgrafen Albert Azzo IL für den
Kl, daß Angelegenheiten, die ihn beträfen, oder die auf den
ienft für ben apoftolifhen Stuhl fi bezögen, nad Rom gemeldet
werben follten, als ſicheren Vermittler folder Nadhrichten!®). So
verdedt und fo unklar ausgeſprochen die halben Andeutungen in
biefen ermunternden Worten liegen, fo ficher ift es, daß eine nahe
Verbindung hier vorliegt und der Empfänger des Briefes zu weiteren
Schritten aufgemuntert werden follte.
Wirklich fcheint denn nun auch Geifa gar nicht lange darauf
gegen Salomon losgeſchlagen zu haben. Heinrih IV. muß bie
ahriht von dem Schidjale, das feinen Schwager betroffen hatte,
al3 eine ganz unerwartete Mittheilung erhalten haben, da er, nad
Verabſchiedung der päpſtlichen Legaten, ſogleich und ohne vorher:
gegangene feierliche Ankündigung der Heerfahrt, in plöglicher Weife,
zur Befämpfung der Ungarn fo viele Streitfräfte zufammenraffte,
wie fie ſich eben in der Eile auffinden ließen. Vielleicht nach mehr-
maligem Zufammenftoß — alles Nähere ift nur in ganz unzuver-
läfiger Weije überliefert und darf zur Geſchichte bes Ereigniſſes
nit herangezogen werden — hatte Salomon den heimijchen Boden
verlafjen müſſen, nachdem er feine ganze Heeresrüftung eingebüßt
hatte, und als Flüchtling war er, wohl mit ber Königin, bei
$einih IV. erfhienen?%). Diefen mußten nothwendigerweiſe
10) Registr. I, 58, J. 4835 (77 u. 78), gehört in die Reihe der ob. S. 350
— sufgegähtten in synodo abgelidten Schreiben. Die Warte bifeiben be:
tuffend den Markgrafen Albert Ayo II. find fdon ©. 352 in n. 59 eine
gi Hinfatis bes Iegteren macht Bübinger, 42 u. 43, darauf aufmerljam,
der Markgraf auch der Bater des Herzogs Welf von Baiern war, jo daß
llo die Beftimmung gerade biefes vertrauten Vermittler der Gorreipondenz
wilden Rom und dem ungarifden Herzog gleichfalls für Heinrich IV. teined-
wege unbebenflidh war. .
. 1%) Sambert’3 Angabe über das plöpliche KHervortreten ber Kriegsrüftung
$rintid'3 IV. — non soleınni more indietam espeditionem, sed repentino
% tomultuario milite collectum exereitum ducere parabat in Ungariam läßt
auf das umvermuthete Eintreffen der Nachricht aus Ungarn fchliegen: quod
Salomon rex Ungariorum a Joiade, Beli filio, bello impetitus et tribus
Am praeliis vietus — ein don Dieffenbacher überfehenes iel_der beliebten
Tırijahl —, amisso exereitu, vix de regno effugisset (216). Dak vollends
dider Aufbruch im Frühling wicht eine von Rechts megen feierlich angefündigte
Heerfahrt war, geht auch aus der noch nahezu ein Wierteljahr ipäter durch
iept eolemni indietione aufgebotene Fürften vorgeihühten Entichuldigung her:
bot: alli temporis angustias . ... obtendentes (217). Hiezu und dak die Ge-
jahr Für Ealomon erft 1074 herbortrat, ftimint aud) die Angabe der in n. 100
25*
888 1074.
alte anzujtellenden Erwägungen dazu auffordern, den Schwager
nicht ohne Hülfe zu laffen. Zu den perjönlichen Beziehungen, dab
es fi darum handelte, die eigene Schweiter nit dem Elende des
Flüchtlingslebens, wie es ihr Gemahl in jeiner Jugend lange genug
empfunden hatte, preiözugeben, kamen die ſachlichen Verhäliniſe
Es war eine unleugbare Schwächung bes Reiches, wenn fid, in
Anlehnung an Polen, vielleicht noch an andere Feinde bes deutjchen
Königthums, eine allein auf ſich felbit ftehende und durch ihre ganze
Ueberlieferung Heinrich IV. feindfelige Gewalt in Ungarn auf die
Dauer befeitigte; dazu ſoll noch Salomon große Verſprechungen
vorgebraht haben, für den Fall einer deutſchen Waffenhülfe, eines
glüdlihen Ausgangs des zu beginnenden Krieges !%°).
Inzwiſchen war der Hof des Königs nach Regensburg ge:
fommen; ber Aufenthalt Heinrich's IV. in der Stadt ift durch die
am 25. Mai der Stiftung bes Bischofs Altmann von Pafjau, dem
St. Nilolaus-Klofter in der Vorjtadt von Pafjau, gegebene Be
ſtätigung beftimmt bezeugt !%%). Allein nun fah ſich der König dur)
erwähnten Annal. veteres Ungar., die ausdrüdlid, erſt zu 1074 fagen: Inter
regem Salomonerm et ducem Magnum gravis discordia oritur, et Salomon
regno privatur (I. c.). Eo ift mit Huber, 1. c., 203 (n. 3), auf die fpäte
ungarifhe Tradition, mit ihren mannigfaden, zum Xheil fehr eingehend er:
‚äflten Einzelheiten, welcher Büdinger fi, anjgliegt — Beginn bes Gegenjapes
Kon 1073, Abfcluß, eines Waffenftillfiandes, verfrühter neuer Sampfauebrucy
ſchon Anfang 1074 und anfängliche Niederlage Geifa’3, dann Wendung gegen Sa:
lomon —, völlig Verzicht zu leiften, zumal da auch Gregor's VIL. Brief (bei n. 103)
Alles eher, als den ſchon Länger dauernden Krieg, als wahrſcheinlich hervor.
teten läßt. Ganı unbrauchbar ift hier Rabemacher’s Ausführung, Ungarn und
das deutiche Reich unter Heinrich IV., 9 ff., der 3. B, auch, 11, den na 26
n. 137 nicht annehmbaren Aufenthalt Heinxich's IV. im September 1073 zu
Regensburg heranzieht, um darauf den Echluß zu fügen, der König habe von
ba an die Marfgrafen von Defterreih und Kärnten Bejchle zur Ab'endung von
Silfateuppen nad) Ungarn erlaffen. Nur ganz furz enthalten bie fe jenanınten
‚onal. Ottenbur.: Ungari Salemonem regem espulernt (SS. V, 7. Un
richtig läßt die Compil. Sanblas. in ber in n. 101 citirten Stelle Saloınon
a patruo suo — nebjt ben caeteri regni meliores — vertrieben werden: de-
pulsus est u dignitate aua.
195) Sehr gut ſtellt Lambert Heinrich 3 IV. Erwägungen bar: Ut eius
(ee. Salomonis) miseriae subveniret, et affinitati pracstabat, quam tradita
illi in conjugium sorore sua contraxerat, et utilitatibus_propriis, quia
magnam ei parteın regni aui pollicitus fuerat, si eius beneficio expugnatis
hostibus in regnum restitueretur (216).
106) Neben Sambert: cumque Ratisponam venisset — ift der Aufenthalt
durch St. 2777 bezeugt, welches von der Hand des Adalbero C in der Ur
ichrift erhalten ift und fic) auf bie Kirche bezieht, weiche — nad; dem Wert-
Taute von J. 4767, ber durch Alerander IT. am 3. März 1073 gegebenen Be
ätigung (biejenige @regor’3 VIT., J. 4945, ift vom 24. März 1075 datixt und
Rimmt {m Welentlien, abgeiehen von Abweichungen in ber Aufzählung der
Befigungen, dberein) — Altmann in suburbio eivitatis (se. Pataviensis) juxta
portum fluminis Öeni ad communem et regulurem canonicorum vitam
erbaute. Nach J. 4767 hatte Agnes, charissima s. Petri filia imperatrix . -
semper augusta, weld;e aud) fir Altınann die zu ertheilende päpflice Be:
Rätigung erbat Open partes tuas referente), der Etiflung bie mona pars
omnium, que ad Persinbeung et Ibespurg ad manus suas culta redduntur
Rüftung z. ungar. Feldzug; Hein. IV. Ablenkung dch. d. Gerücht a. Lothringen. 389
eine in überrafchender Weife ihn treffende Nachricht gezwungen,
mitten aus emſigen orbereitungen heraus ben Feldzug gegen
Ungarn zunächſt aufzugeben und fich, einer drohenden Gefahr ent-
gegen, einer ganz anderen Grenze bed Reiches, im Norbweften, zu:
zuwenden. Die Befürchtungen, welche Heinrih IV. und feine Rath-
geber hegten, müfjen äußerft ernfthaft geweſen fein; denn nur jo ift
es erflärlih, daß dieſe gänzliche Nenderung in den Plänen eintreten
tonnte. Der Sinn bes Königs war in ber Schule der Erfahrungen
jeit dem legten Jahre genügend gereift, als daß es zuläffig wäre,
eine einfache Laune hinter diefem Zurüdjchieben der an der Donau
vorliegenden Aufgabe zu vermuthen. Täufchte ſich freilich dabei
Heinrich IV. oder war er geradezu irtegeführt worden, jo war das
zwar ohne Zweifel, indem nachher unter wahrſcheinlich ungünftiger
gewordenen Verhältniſſen die Aufgabe in Ungarn neu aufgegriffen
werden mußte, als eine arge Schädigung des Reiches, nicht aber
etwa als eine Verſchuldung des Königs aufzufafien ?°7).
In Regensburg fol nämlich die Nachricht eingetroffen fein,
daß ein Angriff auf das Iothringifche Gebiet, jogar ganz beſonders
auf den königlichen Sig, die Pfalz zu Aachen, und zwar von Eng-
fand her, beabfichtigt werde. Wenigftens in Hersfeld konnte man
fi) den Umftand, daß Heinrich IV. jo ganz umvermittelt von ber
Vorbereitung des Krieges gegen Ungarn abließ und völlig un-
erwartet nach dem Rheine Fam und hier feinen Aufenthalt wählte,
nur dadurch erflären, daß er in Baiern von der Mittheilung feiner
Vertrauten erreicht worden fei, König Wilhelm rüde mit großer
Heeregmacht heran, um eben auf feinen geringeren Platz, al auf
Anden, feine Hand zu legen und dadurd der Königsgewalt bed
deutf hen Reiches deſſen vornehmiten Platz zu entziehen, und
sehentt. Much die Vita Altmanni gebenft in c. 8 ber ecelesia in honore
saneti Nicolai . . . quam multis pracdiis et vineis dotavit (sc. Altmanuus);
& huic loco praefeeit Hartmannum praepositum, virum omni sapientia et
ſia fütum, qui Ruodolfi regis capellanus floruit et Urbano papae
suisque successoribus notissimus fuit. Hic religiosos et clericos et laicos
sibi ascivit, quos communem vitam sub regula beati Augustini ducere
doenit (SS. XI, 31). In St. 2777 if die Stiftung ala monasterium be-
wihnet. Der Zert des Dictators zeigt in dieſem Male nicht fo viel Eigenthüm:
ichea Auf J. 4767 ift in ben Worten: Ad quod (sc. zu der Stiftung) apo-
stolice sedis auctoritatem quoniam acceperat, nostram quoque sibi de-
Fe damnum estimabat, quam nos sibi reddere rogabat (sc. Altmannus
.dator).
10%) Bübinger tabelt, 44 n. 1, geradezu, dab, burd die von ihm da aufe
geührten Bearbeitungen ber Geſchichte Heinrich s IV., auch durch Gieſebrecht —
da Ti, 308 —, „die Sehlerhaftigleit des Pianwechſels nicht hervor ⸗
xhoben ſei. Gewik war „die Bedeutung ber hier fich meu exhebenden Aus:
Ahr“ — b. 5. des ungariſchen Feidzuges — ſehr groß; aber andererſeits mul
ich IV. die Urſache, um beren willen er von ber Donau wegging (vergl.
2. 108), ala eine ſeht wichtige erichienen fein, und es fann nicht für den König
von „feiner Leichtfertigen Weiſe“ (43) gerebet werben: „In einer Bage, in ber
zur außerordentliche Gnticlüffe Rettung bringen fonnten, blieb er im alten Ge
leiſe gewöhnlicher Reichäverwaltung“. .
390 107.
das auf Veranftaltung des Erzbiſchofs Anno, der durch gemifle
Verjprehungen den Einbruch herbeigeführt habe. Es kann ein
ſolches oder ein ähnliches wilde Aufregung verbreitendes Gerücht
in Regensburg laut geworben fein; benn ohne einen wenigftens
dem Anfcheine nach triftigen Grund würde Heinrich IV. nicht auf
gebrochen jein. Aber bei der Befchaffenheit der vorliegenden Nad-
richten ift jede genauere Erfenntniß ausgefchloffen. Immerhin mag
auch die Nachricht von dem Vorfalle, der fih zu Cöln in den
Tagen der Oſterwoche zugetragen hatte, eine Botjchaft, die aber
dem König ſchon vorher, ehe er in Regensburg ſich zum Weggehen
an den Rhein entjchloß, zugefommen jein muß, wegen ber Nad:
wirfungen, bie fih an dag Ereigniß anjchloffen, den Plan bedingt
aben, durch eigenes Erſcheinen in den norbweitlihen Theilen des
eiches für die Herftellung der Ordnung zu forgen. Nachdem dann
einmal der Aufenthalt von der Donau hinweg verlegt worden war,
blieb es zunächft bei dem vorläufigen Derzichte au den Ungarn⸗
krieg, mochte auch inzwifchen die Unmahrheit eines erften Schredens-
gerüchtes fich herausgeftellt haben 1°).
108) Sambert jagt vom Inhalte be atrox nuncius — legatio familiarium
eius —, ber Heinzid) IV. exiwägen ließ: privatae rei curam externis negorüs
antehabendam unb ber ifn bon ber expeditio in Ungariam abhielt, die
Vachricht habe gelautet: quod Willehelmus cognomento Bostar rex Anglorum
ab archiepiseopo Coloniensi vana pollieitatione illeetus, cum magno exer-
eitu adventaret, regni sedem Aquisgrani oceupare paratus (216). Wuf biee
allein flehende Nachricht bes bejonders in feemabtiegenbem Dingen fo unzuver
Kälfigen zaͤhlers ift fein gı gen, höcjfiens in fo weit, ala ja
Lambert hier dem von ihm em Erzbiſchof Verrath am Reihe
nachzuſagen fich nicht ſcheu 3 Gerücht Habe Glauben finden
Lönnen, möchte Gieſebrechi annehmen, ta Wilhelm bereits
feit Längerer Zeit an ber flı ien lebhaften unb kaum uneigen-
mäßigen Antheil genommen 60). Lindner, Anno U., 89, er⸗
mert an die zwiſchen Wil benfo zwiſchen England und ben
Edlnern beftehenden Verbindungen, an bie Stelle ber Vita Annonis, Lib. I,
e. 30, vom Aniehen Anno’3 apud exteras quoque barbarasque nationes, auf
das man daraus fchliegen könne: quod ‚Anglorum Danorumque regibus in
amieitia junetus, donis eorum et legationibus frequenter honorabatur (SS.
XI, 478 u. 479 —: übrigens ſchiebt bier, Lib. II, c. 22, ber Biograph, wo er
Lambert bie betreffende Stelle entnimmt, den Satz ein: cum im tor...
Ratisponam ire disposuisset, a nuncio fictae legationis audivit, quod —
ete. —, 1. c., 495), an Anno’s bekannte Betonung der Vortheile feiner Kirche
auch, wenn nat, auf Unfoften des Reiches, um zu zeigen, baß_ber zwar „ger
wiß unbegrünbete Verdacht· habe Glauben finden können. Öfrörer, Gregerins ViL.
UN, 517 u. 518, glaubt an „geheime Unterhanblungen“ de Erabilchofs unb
meint, daB Gericht Habe daran angelnüpft, dab Wilhelm eben um jene Keit
en bie Sandicaft Maine den Feldzug eröffnete, was bei Manden den
Gebanten ertwelt Habe, er werde feine Truppen öflid, flat nad) Süben, führen.
Wenn Floto, Kaiſer Heinrich IV., I, 409, ganz beftimmt fagt, bie familiares
jeien bie von Lambert im Zufammenhang von weiter oben (vergl. n. 127) ex-
iwähnten sexcenti aut eo amplius mercatores opulentissimi ex urbe pro-
fagi geivefen: ad regem se contulerunt, intereessionis eius opem adversus
archiepiscopi saevitiam imploratari (215), fo ift das an fi) nicht wahrfchein-
Id, und wohl dadurch widerlegt, dab bie Vita Annonis, wo in Lib. II,
c. 22, ganz im Anflug an Lambert, von ber zu Heinrich IV. gebrachten fieta
Nichtigleit b. Geredes v. Angriff aus England. Bedeutung d. Vertehrs in Edln. 391
Die Begebenheit, welche in Cöln wenige Tage nach dem Ofter-
fefte Hervorgetreten war und jedenfalls durch das ganze Reich hin
das größte Auffehen erregt hatte, war allerding3 von ganz uns
gewöhnlicher Art. Zwiſchen Erzbifhof Anno und den Bürgern der
tadt war eine in ihren Folgen weithin treffende Entzweiung zum
Ausbrucde gefommen.
Ein zeitgenöffiiher Zeuge, welcher die Stadt Cöln kurz vor
diefer Zeit ſelbſt gefehen Haben fann, vermochte nicht genug
fein Erftaunen über das Leben, das in deren Straßen fihtbar ge-
worben war, in Worte zu fallen. Kaum reichten die Gafjen für
die Dichten Schwärme der Menſchen aus; es fehlte nicht an Plätzen
der Luftbarkeit neben den Anlagen zur Beförderung des Verkehrs;
der Urheber der Echilderung meinte, Cöln ſei mit feiner ſehr zahl:
reichen Bürgerjhaft nah Mainz das Haupt und die Führerin der
deutjchen Städte. Aber auch noch jpäter wurde gepriefen, daß
nah Cöln nit nur von allen Städten am Rheine, jondern auch
von jenfeit3_de3 Meeres und aus noch entlegeneren Landſchaften
unzäblbare Volfsmaffen zu den in aller Welt berühmten Märkten
zufammenftrömten, und andere Angaben theils ſchon einer früheren,
theils einer bald folgenden Zeit ftimmen damit überein und greifen,
fo wenn Cöln als ein zweites Rom erhoben wurde, noch höher 109).
Dem entipredend war denn auch in der durch die Lage an dem
großen Strome belebten Stadt ein zahlreicher Stand fehr reicher
Kaufleute in höchſt angefehener Stellung, und durch verwandt-
ſchaftliche Verbindungen hingen diefe angejehenen Leute der Bürger-
ſchaft unter einander zujammen; mehr als ſechshundert läßt ein
Bericht, der aber wohl dabei übertreibt, bei einem Anlaß einen und
denfelben Entſchluß faſſen. Aber derfelbe redet anderentheils diejen
begüterten Händlern auch ein üppiges Leben von Jugend auf nad,
prahlerifhe Selbftüberhebung bei Weingelagen und Schmäufen,
wann die Gejhäfte geihan waren, ohne gehörige Einſicht in bie
Befchränftheit der eigenen Kraft??%). Da fonnte es nicht aus—⸗
legatio redet (I. c., 495), völlig darüber hinweggeht, daß Gölner den König an:
fen hätten, was zur Belaftung ber Bürger erwähnen fonft ganz ihrem
wede gedient hätte. Daß bie Erwägung ber Gölner Angelegenheit überhaupt
bei Heinrid IV. mitiprad, ift ja nicht ausgeſchloffen J
30%) Sambert mag von Siegburg aus felbft nach Coin gekommen fein, ber
civitas ..... eivibus frequentissima et post Magontiam caput et princeps
Gallicarım urbium (215) Waih rt, Drutfche Berf.:@eih., VI 245 n. 1
(wo das Gitat nad) der Inventio et Translatio s. Maurini lauten muß), VI,
399, n. 3, wo in der Stelle ber Vita Annonis, Lib. I, c. 29, in einem anderen
Zalommenhange, die Erwähnung ber nundinae toto orbe celebres (SS. XI,
78), die weiteren Zeugnifie auf.
110) Zambert redet von einem mercator quidam praedives, deſſen Schiff,
ejectis mercibus quas habebat, verwendbar gemacht werben foll, defjen Sol
tam propter generis affinitatem tam ob merita sua primoribus civitatie maxime
earus et acceptus ift, ferner von ber Bevölferung Edln’3 als von folden, qui
ab ineunte aetate inter urbanas delicias educati nullam in bellicis rebus
jentiam habebant, quique post venditas merces inter vina et epulas
392 1074.
bleiben, daß bei dem herriſchen abftoßenden Weſen des geiſtlichen
Stadtheren Reibungen fi ergaben. Die Cölner beklagten ſich über
Anno’3 hochfahrendes Auftreten, feine abweijende Härte, womit er
jo häufig Ungerechtes vorſchreibe, Schuldlofen das Jhrige entziehe,
die achtbarften Bürger durch die willfürlichften Aeußerungen heraus:
fordere. Aber auch ein großer Verehrer des Erzbiſchofs gab gan
offen zu, daß berjelbe, was er zwar felbft bei der Ruckkehr fühlerer
Meberlegung an fi heftig table, wenn er in Zorn ausbreche,
vollends feiner Zunge nicht gebieten Fönne, fondern gegen jedermann
ohne ale Beachtung der Perfonen in die bitterften Schmähungen
und heftigſten Angriffe ausbreche!u1). Bei einem erften ſich bar
bietenden Anlaſſe konnte e8 zu einem gefährlichen Ausbruche der
fih anfammelnden Unzufriedenheit kommen.
Der Zufammenftoß mit einem Angehörigen der Cölner Kauf
mannſchaft, wie er bei dem Verſuche, einen Befehl des Erzbiſchofs
zur Ausführung zu bringen, ſich ergab, bot dieje Gelegenheit!"?).
de re militari disputari soliti, omnia quae animo occurrissent tam facilia factu
juam dietu putabant, exitus rerum metiri nesciebant (212). Wenn er bie
Aaht der nereatores opulentissimi ex urbe profugi auf sexcenti aut co
amplius anſchlagt, fo iR allerdings biejelbe, abgejehen davon, daß fie als eimas
od) gegriffen erfcheint, auch eine der bei Zambert beliebten tgpifcden Zahlen
(vergl. in Excurs I). Daneben ift aber auch auf R. Be Ausführung, Rene
— für ältere deutſche Gelhihtätunde, XVII, 218—221, hinzumweilen, baß
nad Urkunden und Geſchichtsſchreibern bad Wort mercator vielfach mit brm
Begriff burgenses, „Bürger“, zufammentrifft. .
41) Zunädft fällt Hier in Betracht, was Lambert felbft im Laufe der ein
ſchlagigen Erzählung einräumt, baß der Erzbilcot — vir omni genere virtutum
florentissimus — den fehler hatte: quod dum ira incanduisset, linguae non
satis moderari poterat, sed in omnes sine personarum acceptione rixas et
eonvieia amarissima rotabat — Hoc in se, cum iram paululuun digessiseet,
vehementer et ipse reprehendebat —, ferner was er — zwar ald gegen Anno
erichtete Anklage, die er beffen heinden in ben Mund Iegt, night unter eigener
illigung — ala Beicgwerdepunfte der Gölner anführt: de insolentis et
austeritate archiepiscopi, qui totiens injusta praeciperet, totiens innocen-
tibus sua adimeret, totiens honestissimos eives procacissimis verbis in-
cesseret (212). Andere, doch jüngere erft in ber Vita Annonis enthaltene An-
beutungen über das —S Zwiſchn Anno und den Gölnern werben zu 1075,
bei n. 206, zur Sprache fommen. Vergl. auch Lindner, Anno IL, 84 u. 85,
wo n. I die vulgäre Erklärung einer localen baulichen Eigenthümlichkeit, ber
Gölner Gryntöpfe, aus einem graufamen Racheacte des Erzbiſchofs.
118) Dos Thatfählice der Vorgänge ift jedenfall? durch dam bert, wenu
auch vielfach fehr ausgeihmüdt und mit einzelnen tenbengidfen Beifügungen
(vergl. in Gew? D, in der Haupffache richtig, vorgebracht (211—215), jo
daß hier die Darellung diefer Duelle fid) anfhlicht. Den Zag nennt er erf
im Verlaufe der Graählung: lis erat beati Georgii martiris, qui eo
anno 4. feria ebdomadae paschalis obvenerat. Die Schilderung ging faft
unverändert in die Vita Annonis, Lib. II, c. 21 (l. c., 492—495), über.
ginige wichtigere Beifügungen des Biograpfen find einzig, daß dem Angriffe
uch die
ürger ala Vorbereitung voranging: Primo portae civitatis omnes
vallatae sunt, dann daß aud) eine Aebtifjin in Göln — de sancta
— nahezu, wäre fie nicht dem ihr drohenden Tode entflohen, quod
archiepiscopo consanguinitate jungebatur, von ber Wuth des Aufftandes er
eilt worben wäre.
Ausbruch bes Aufftandes ber Gölner gegen Erzbiſchof Anno. 393
Anno hatte zu ber Feier des Ofterfeftes zu Cöln den ihm be-
freundeten Bifchof Friedrih von Münfter?!2) bei fich zum Beſuche,
und dieſer wünſchte, als ein Theil ber Feittage vorbeigegangen
war, Cöln am Mittwoch ber Feſtwoche — 23. April — wieder zu
verlaffen. Zur Bewerkftelligung der Abfahrt des Gaftes war ein
Schiff nothwendig, und nun wurde auf das ſchon mit Waaren ber
ladene Fahrzeug eines fehr reihen Cölner Kaufmanns gegriffen,
welches, um zum Dienfte für den Erzbifchof bereit zu ftehen!’+),
ſchleunigſt entlaftet werden follte. ALS die mit der Bewachung be-
trauten Schiffsfnechte ſich weigerten, begannen die Beauftragten
Anno's ihrerſeits, Drohungen auszuftoßen. Aber jene eilten zu
ihrem Herrn, um feine Befehle einzuholen. Da bemächtigte fi
der erwachſene Sohn des Schiffseigenthümers, ein fühner und
fräftiger junger Mann, den das Berubtfein feiner anſehnlichen
Stellung und feiner allgemeinen Beliebtheit ftählte, der Angelegen-
heit. Er nahm von feinen eigenen Leuten und junge Männer aus
der Stabt, jo viel er in der Eile zu finden vermochte, an feine
Seite und flog zu dem Schiffe, von dem er bie Diener Anno’s,
welche no immer auf dem Abladen beftanden, mit Schimpf
binwegtrieb. Doch auch der Stabtuogt mußte, als er zur Stelle
erſchien und dadurch der Lärm fi) ermeuerte, vor ber Feftigfeit des
18) Vergl. über bieje Beziehungen Bb. I, S. 185, n. 31.
14) Zambert läßt diejenigen, qui archiepiscopi domestica negocia cura-
bant — nadjher: ministri archiepiscopi — auf das Ghiff, quia in eos usus
competens videbatur, durch Ausräumung der Waaren, in ministerium archi-
episcopi_Beichlag Iegen (211 u. 212), und darauf, ebenfo weil derjelbe Zeuge
wachher Heinrich IV. jelbft dem Erzbiſchofe Recht geben laſſe (211), was aber
bei einem Autor von Lambert’s Art teinesmegs ein Beweis ift, baut Nibich,
Miniferialität und Bürgertjum im 11. und 12. Jahrhundert, 308, bie Ansicht
anf, daf Anno mit Recht einen Schiffdienft forderte (vergl. auch Ennen, Geidhichte
der Stadt Köln, I, 330, wo vom Regal eines Fährrechtes geiprochen wird, fo
daß bier wahrſcheinlich einer ber zum perfönlichen Dienfte für ben Ex; Kae
durch Stellung eines Fahrzeuges, verpflichteten Fahrminiſterialen in Anfpru
genommen worben fe. Doch jehr richtig hebt Waiß, I. c., VII, 399 n. 4,
ebenfo Hegel, Die Chronifen ber beuticen Städte vom 14. bis ins 16. Jahr⸗
Hundert KIT, in ber Allgemeinen Einleitung (Zur Geſchichte und Verfafjung
der Gtadt Gölm), XXVI, hervor, bak fi) aus den Worten Lambert’s ber
Rümmte Schlüffe nicht tun Laffen. Auch andere Forſcher wollten wohl aus
der Erzählung allzu fihere Reiultate gewinnen, fo Höniger, ber, Weſtdeutſche
Zeitfehrift für Geichichte und Kunft, Il, 238 u. 239, ben ueganabunt ber Be:
m „unbedingt in dem Dlarkigebiet der Martinapfarre* jucht, worauf „bie
Ri ber übrigen Cpecialgemeinden und ihrer zahleichen Aderbürger mit
denen ber ‚Raufmannäparodie noch nicht eng genug derfnüpft“ eriheinen, jo daß
eben bie gung ungtüdtich verlaufen Te. & Um Bela weldger, Hiforifche
rift, LVIIT, 228, es offen ließ, ob die zu Macht und Anfehen gelangten
Sürger eine alte Schuld abfchütteln wollten, ober ob fie ſich der verſuchten Ein-
führung einer neuen Saft wiberfegten, neigte ſich nadher, Die Entflehung der
deutichen Etabtgemeinbe, 42 (n. 124), dahin, baß es ſich nicht um folde berfuhte
Einführung öffentlicher Leiftungen, Jondern darum gambeit habe, daß Anno
bie antonomen Gölner Sonbergemeinden, denen er als Landesherr nicht geboten
habe, in Abhängigteit von fich bringen wollte.
394 1074.
Jünglings flüchtig hinweggehen us). Allein zugleih nahm nun, da
beide Theile Cütte erhielten, die Aufregung überhand, und ber
Erzbiſchof felbit fühlte fih zum Eingreifen veranlaßt. Freilich
trat dabei fogleich der Jähzorn, der jo leicht feiner fich bemächtigte,
zu Tage, und die Art und Weife, wie er bei Abjendung von Boten
gu Beſchwichtigung des Volkes zugleich heftige Drohungen fallen
ieß — er werde in der nächſten Gerihtzfigung gebührende Strafen
über die jungen Leute erhängen —, war nur geeignet, noch mehr
die Stimmung aufzureizen. Der Anftifter der Bewegung fuhr fort,
die Stadt zu durchſtürmen, in vielerlei Reben an gefchehenes Un-
recht, das man von Seite des Erzbiſchofs habe erleiden müflen, zu
erinnern, bie leicht beweglichen Geifter mit ſich zu reißen; ale
Stände, Vornehme und zügellofe gemeine Volk, begannen fi zu
betheiligen. Noch hatte Anno an dem Tage, da es derjenige des
heiligen Georg war, in der deſſen Andenfen früher durch
ihn ſelbſt erbauten Kirche us) die Meſſe gelefen, und jegt befand
er fih, wie ſchon der Abend anbrach, im erzbiſchöflichen Hofe, zu⸗
lei mit Bischof Friedrich, beim Mahle, ala der Angriff auf ihn
— anhob. Aus allen Theilen der Stadt war die Menge zur
Iammengefträmt Geſchoſſe, Steine wurden gejchleubert; unter den
Leuten bes Erzbifhofs blieben einige todt, und andere wurden ver-
wundet oder in die Flucht gejagt. Anno wurde von den Seinigen
aus dem wirren Haufen der ſich zufammenbrängenden Feinde mit
Noth gerettet und in die St. Petrus-Domtirche gebracht, deren
Eingang fie ſchleunigſt jo feſt wie möglich verrammelten. In—
wiſchen raften die ganz außer Rand und Band gebraten Menft
urch die Gemächer ber erzbiſchöflichen Pfalz, überall plündernd und
verwüftend ; in den Keller wurbe geftürmt, wo der aus den zerfchlagenen
Fäffern fließende Wein beinahe die Eindringlinge erjäuft hätte;
aud die Kappelle Anno’s erfuhr die ſchmählichſte Ausraubung und
wurde burd die Tödtung eines in einem Winkel verftedten Flücht ⸗
lings, welchen die Wüthenden für den Erzbifhof gehalten Hatten,
bejudelt. Erſt al3 dann die Ueberzeugung gemonnen worden war,
daß Anno vielmehr hinter den heiligen Mauern ber Kirche geborgen
fei, machten fie fih über den Dom her, um entweder jen
Mauern zu erbrechen, oder durch die Drohung, Feuer anlegen zu
wollen, die Auslieferung des Gehaßten zu erzwingen. In Er:
tenntniß der furdtbaren Gefahr riethen die in der Kirche Anwefen-
den, Anno möge das Dunkel der Naht benugen und in Verkleidung
116) Daß der don Lambert als betheiligt aufgeführte Stabtvogt — ad-
vocatus urbis, in idem opus be. ut navis exoccuparetur) succedens tumultus-
ze instaurans (212) — als einer ber Dienftiente des Erzbiſchofs i
tandes (vergl. el, Le. XXIV, mit n. 2, über deſſen Stellung) in den Streit
Br und nit die in Excurs 1 beleuchtete, durch Gfrdrer, Gregorius VOL.,
Vil, 352 n. 3, ihm zugeſchriebene Rolle jpielte, verfteht fi von k 3 B
16) Bergl. über dieje außerhalb ber bamaligen Siadt vor Sübfeite
gelegene Kirche Bd. I, ©. 161, n. 80.
Gefährdung u. Flucht Anno's; Rachethaten ber Aufftändifchen. 395
die Flut fortjegen. So geſchah ed. Unerfannt fam Anno aus
der Kirche in ein nahe angrenzendes Haus eines Domherrn, aus
welchem vor wenigen Tagen erft durch die anftoßende Stabtmauer
eine Hinterthüre durchgebrochen war’!”), Bier Pferde waren
außerhalb der Stadt für den Erzbiſchof und feine Begleiter vor-
eführt, und auf biefen entkamen fie unter dem Schutze ber
enferniß glücklich; ſchon mit nah den Umftänden ftattlichem
Geleite — auch Biſchof Briebrid) ftieß nach kurzer Frift auf den
Zug — erreichten die Geretteten den nächſten auf biejer Seite fluß-
abwärts Fiegenben Ort, Neuß. Dagegen verftanden ed bie im Dom
äurüdgebliebenen Getreuen, die Angreifer, obſchon diefelben bereits
mit Sturmböden den Mauern zujegten, durch verſchiedene Mittel
fo lange Binzuhalten, bis fie erwarten konnten, Anno fei ſchon in
größere Entfernung gelangt; dann erft machten fie die Thüren auf,
und auch jegt bemühten fie fidh, die Eindringenden, welche umfonft
nad) dem Opfer ihrer Wuth emfig fuchten, durch faljche Angaben
theils zu täufchen, theils in Schreden zu fetzen. So mußten fi
die Aufftändifchen entſchließen, die Schugwehren der Stadt mit
ber bewaffneten Mannſchaft zu bejegen, um einem zu befürchtenden
Angriffe zu begegnen. Allerdings ließen fie mehrfah an Un-
ſchuldigen ihren Grimm aus. Einen Mann, der aus dem Haufen
berausgegriffen wurde, fnüpften fie über einem Stabtthore auf;
ein zwar ſchon länger feiner Zauberfünfte wegen verrufenes Weib
ftürzten fie von der Höhe der Mauer hinab. Auch an Klofter
St. Panialeon gedachten fie Rache dafür zu nehmen, daß bier bie
alten Mönche nad) Anno’3 Anordnung durch ſolche von ftrengerer
Zucht erfegt worden waren *"®), und in einem wie hohen Grade un-
mittelbar gegen Anno die gefammte Stimmung in der Stadt ge
reizt war, zeigte auch der Umſtand, daß die Nebtiffin von St. Cäcilia
bloß deßiwegen, weil fie mit dem Erzbiſchof verwandt war, nad)
einer Nachricht gleichfalls in größter Gefahr ſchwebte. Doc für
felhe fortgefegte Handlungen der Rache blieb feine Zeit mehr
rig
Inzwiſchen hatte ſich nämlich die Ange des Erzbiſchofs, nach -
dem die ihm zugefügte Schmach außerhalb der Stadt bekannt ge—
worden war, I völlig zu feinen Gunften verändert. So ſehr er
innerhalb der Stadt verhaßt war, ebenjo entſchieden wandten fich
ihm, wie er felbft bald darauf bezeugte!!?), die Bewohner des
117) Auf genauefte Kenntniß des Einzelnen bei Bambert weift bie Schilberung
bes Weges bed Blüchtigen aus der Gtadt: Angustus aditus patebat de templo
in dormitorium, item de dormitorio in atrium domumque canonici cuius-
dam sdhaerentem muro civitatis. Ipse ante paucos dies ortae seditionis
impetraverat ab archiepiscopo .. . . . „ut rupto muro civitatis (an der
bamaligen Rorbfront der Grad) parralam sibi posticum facere sineretur (213).
\ ‚ob. ©. 94, n. 100.
1%) Amo fagt in bem Briefe an Erzbiſchof Ado von Trier: Quantis me
eives mei contumeliis affecerint, licet tacuieset epistola, divulgavit vobis
fama, et qualiter in sedem meam ab his, qui foris erant, restitutus sum,
396 1074.
Landes zu. Bol Abſcheues gegen das, was gefchehen war, ftrömten
von vier oder fünf Meilen in der Runde Taufende bewaffnet und
Tampfbereit zu dem Erzbiſchof und forderten ihn in dringendften
Worten auf, fie zur MWiedereroberung von Cöln zu führen, mit dem
Anerbieten, wenn ſich die Städter weigern wollten, ihn wieder auf-
zunehmen, nicht zu ruhen, ehe durch Zerftörung und Blutvergießen
der Aufftand beftraft fein würde?) So fonnte Anno, nachdem
die Aufhebung der Ordnung in Cöln drei Tage gedauert hatte 21),
am vierten, Samstag, 26. April, von einer großen Schaar gedeckt,
der Stadt fi nähern. Die Cölner geriethen, in Erfenntniß ihrer
Unfäbigfeit, Widerftand zu leiften???), in Angft, und Heinmüthig
ſchickten fie Boten mit Friedensanerbietungen entgegen, unter dem
Geftändniffe ihrer Schuld und der Erflärung, jeder Strafe fi
unterziehen zu wollen, wenn ihnen nur das Leben bleibe. Der
biſchof entgegnete, daß er den wahrhaft Reuigen die Verzeihung
nicht entziehen werde, rief dann aber, nachdem er zu St. Georg
wieder eine Mefje gefeiert hatte, unter dem bifchöflihen Banne alle
an feiner Vertreibung, an der Mordthat an heiliger Stätte, am
feindlichen Einbrud in den Dom, an der Urheberfchaft der übrigen
Entweihungen Betheiligten zur Genugthuung vor fi. Sogleich
kamen Alle mit nadten Füßen, in Wollgewändern auf dem bloßen
Leibe, vor ihn gezogen. Aber nicht ohne Schwierigkeit blieben fie
vor Ausfhreitungen der bewaffneten Menge, die den Erzbifhof be-
gleitete und dieſem felbft deßwegen, weil er allzu mild ſich erweife,
heftig zürnte, gefichert. Anno befahl nunmehr, daß am nächſt⸗
folgenden Tage — es war ber Sonntag nad Dftern — bei der
Domkirche die Uebernahme der Buße für den jo außerorbentlichen
vevel nach den Fanonifchen Vorjchriften gefchehen folle, und darauf
eſchloß er, bei St. Gereon außerhalb der Stadt die Nacht zu
diefem nächſten Tage zuzubringen. Allein in ber richtigen Er-
didicistie (Subenborf, Registrum, I, 5). Eine andere eigene Aeuberung Anno's
ſteht in ber Urkunde vom 3. October des Jahres: . ... . timor meus in spem,
tristicia mea in gaudium, in securitatem periculum transfiguratum est et
multorum contra me impia consilia frustrata sunt (Zacomblet, Urtundenbuch
für die Geſchichte des Niederrheina, I, 142).
120) Vergl. dieſes beifpielaweife herausgehobene Stüd in Excurs L
181) Aflerbings findet fi) hier: Talibus furiis toto triduo ‚bantur
(214) — und dann nochmals in dieſem ‚Zulammenbange: ‚toto tri juxta
condietum expectanti (215) die eigenthümlich typiſche Dreizahl (Birfenbacher,
Zambert von — als Biftoriograp! . 72: vergl, 73 über die Zahl sexcenti
ber flüchtigen Kaufleute, 107 über bie multa milia der provinciales); doch mag
fie hier als beftimmte Srifterfredung Bereätigter fein.
‚2e) Ei ben Worten Sambert'3: Quod (sc. Anno’3 Annäherung) ubi
Coloniensibus compertum est, et se tantae tamque efferatae multitudinis
impetum nec muro nec acie sustinere posse animadvertunt, tum primum
furor deflagrare, ebrietas vanescere coepit (214) bemerft Hegel, 1. c., XX VII,
gewiß richtig, daß daraus Hervorgehe, wie jehr e8 in Göln nad) Anno’® Weg:
gan an einer anerkannten Autorität und am jeber Leitung zu ausdauerndbem
iderftand fehlte, wie ſehr man am bie Regierung ber Öffentlichen Beamten
biäher gewöhnt und gebunden war.
Rudtehr und Strafgericht Anno’?. 397
wägung, baß nach Uebergabe der Stadt, theils in Folge des Weber-
eifers, theil® in der Beuteluft, Ausfhreitungen eintreten fonnten,
bat er zugleich die Leute vom Lande in beichwichtigenden und die
erprobte eitwilligfeit ehrend anerfennenden Worten, aus einander
zu gehen und friedlich einzeln nach Haufe fich zu begeben, was,
freilich nicht ohne Mühe, erreicht wurde. Dagegen ließ Anno ſchon
an diefem Tage einen, wie ihm jchien, zur Verhütung weiterer
Unruhen genügenden Theil feines friegerifchen Aufgebotes in die
Stadt voraugziehen, mit dem Vorſatze, dieſen Leuten am frühen
Morgen zu folgen, mo dann allen feindlichen Nachitellungen vor-
gebeugt jein würbe'*®). Allein bereit muß man in ber Stadt
vorausgejehen haben, was die nächſte Zukunft nothwendiger Weije
bringen würde, denn, wenn nicht die Zahl übertrieben angejegt iſt,
mehr als ſechshundert der reichſten Bürger ſollen noch in der Nacht
zum Sonntage die Stabt flüchtig verlaffen haben. Darauf hielt
Anno am 27. April, nach gejchehener Anfündigung, feinen Einzug
und wartete während ber drei folgenden Tage auf die von ihm
begehrte Genugthuung von Seite der Cölner. Es fſcheint, daß die
in der Stadt zurüdgebliebenen Bürger es nicht wagten, fih dem
Zorn des Erzbiſchofs auszujegen, daß fie aber eben dadurch den-
jelben erft recht reizten. Denn alsbald warfen fih nun — zwar
wollte die dem Erzbifhof günftig gefinnte Erzählung von diejen
Dingen wiffen, das fei gegen Anno's Willen gefhehen — die
Kriegsleute bewaffnet auf die Plünderung der Häufer, auf die Miß—
handlung und Feſſelung der ihnen in die Hände fallenden Bürger,
fo daß — nad) dem ungern gemachten Eingeftändniffe auch diefer
einfeitig fchildernden Quelle — die Rachetöaten einen für Anno
ſelbſt befchwerenden Grad der Grauſamkeit erreichten. Beſonders
hatte auch jener Kaufmannsſohn, ber zuerft das Volk zur Erhebung
gegen Anno aufgerufen hatte, furchtbar zu büßen; er und einige
Weitere wurden des Augenlichtes beraubt. Andere wurden mit
Ruthen geftrihen und gefchoren. Alle aber erlitten ſchwerſten
Verluſt an ihrem Vermögen und wurden gezwungen, ben Eid ab-
zulegen, daß, fie fünftig dem Erzbiſchof die Stadt gegen jegliche
GewalttHätigfeit mit Rath und That behaupten und die aus ber-
ſelben flüchtig gewordenen Bürger immer als ihre ärglien Feinde
behandeln wollten, bis biefelben dem Erzbifchof in würdiger Weiſe
würden Genugthuung geleiitet haben !**). So blieb Cöln in einem
Zuſtande, der demjenigen einer außgeftorbenen Stadt gli; bie
m) Gier hält Lambert die innerhalb der Streitmadt Anno's ſich genen:
überfehenden provineiales qui secum erant — bie qui foris erant von n. 119 —
und die milites sui.... ad comprimendos urbnnos motus, d. H. bie aufgebotene
Ranniaft der Lchensleute und Minifterialen, beutlich aus einander.
12) Bergl. in Excuxs J. über den Charakter der peinli auf Schrauben
—X Lambert'ſchen Schilderung in dieſem Abſchniite der Cölner Ereig⸗
iffe (215).
398 1074.
Straßen waren menfchenleer, und Schweigen und Graufen lagerte
über den Stätten, wo fonft Luft und Leben gewaltet hatten !*°).
Dazu verharrte Anno in unverfühnlicher Weife in feiner Rache
begehrenden Stimmung. In dem Briefe an den Erzbifhof Udo
von Trier, worin dieſer daran erinnert wurde, was in Cöln durch
die Bürger Schlimmes, dagegen durch die Auswärtigen, in ber
Zurüdführung, Gutes gethan worden jei, erflärte ber Erzbifchof
ausdrüdlih, daß er, wie er am feinen Sit zurüdgebraht wurde,
ſchon an jenem gleichen Tage vor dem Wiedereinzuge, am
26. April, erwogen habe, den Fluch der Kirche über die Shuldigen
auszufprehen, dann aber davon ahftand, damit es nicht den An«
jeein gemwänne, daß er feinem eigenen Eifer und nicht demjenigen
es Herrn genugthun wolle. Ebenſo bezeugte hier Anno in deut ·
licher Erklärung, daß die nächtliche Entfernung eines Theiles der
Bürger nach feiner Anſicht die Androhung noch ernfthafterer Thaten
in ſich gefchloffen habe, und er fegte die nachher, in der Pfingft-
woche, auf den Rath der päpftlichen Legaten Hubert und Gerald,
vollzogene Verhängung des Barnes in ausgeprägte Verbindung mit
jener heimlichen ht. Dann aber beweifen eben die weiteren
Mittheilungen an Udo, wie hart Anno’s Sinn war: Ich bitte
Euch flehentlih und vathe Euch an, daß Ihr diefen Bann den
Einwohnern Eures Bisthums anzeigen wollet und nicht zulafjet,
daß bie Gurigen dur den in ben Ercommunicirten liegenden
Ausfag befubelt werben, fondern daß Ihr diefe Leute aus Euren
Grenzen wegjagt und fortitoßet, damit nicht die Rede derjenigen,
welche gleich wie ber Krebs ſchleicht, die Eurigen bewege, jo daß fie
etwas von biefer Art gegen Euch zu — erfrechen. Ich bitte
auch, Ihr möget den Euch unterworfenen Brüdern dieſelbe An—
gelegenheit mitteilen, damit nicht meine verunreinigte Heerde ihre
geſunde befleden könne“ 12°),
135) Auch das fagt Lambert an der in n. 109 hervorgehobenen Stelle:
eivitas ....... subito pene redaeta est in solitudinem .... nunc rarum
ostendit hominem, silentio et horrore omnia desiderii quondam ac deliciarum
loca possidentibus.
126) Der ſchon in n. 119 eitirte Brief fährt fort: Abhominabilem vero
temeritatem illorum (se. eirium meorum) licet endem die (sc. dem Zage ber
restitutio in sedem meam) secundum statuta canonum anathematis mucrone
punire debuerim, judieii tamen distrietionem veloeiter exhibere sustinui,
ne proprio satiefacere viderer zelo et non Domini. Sed quia compacientis
animum contempsit quedam pars insolentium et nocturnis se temporibus
furtim subtraxerunt graviora minantes, quam fecerint, eonsilio episcoporum,
Ei apostolieus direxit ad nos, in octavis eos pentegosten anathematizavi.
arauf folgt der im Texte mitgetheilte Schluß (I. c., 5 u. 6) Man hat mit
Kindner, 1. c, 8%, ald die hier erwähnten episcopi bie in Nürnberg anwefend
ggreenen Regaten anzufehen, da nach dem Briefe Gregor’s VIL. an Anno,
egistr. II, 25, J.4S08, legati nostri Übertus Praenestinus et Giraldus
Ostiensis episcopi ad partes vestras destinati gewelen find (Jaffe, Biblioth.,
IL, 137). Girörer, Gregorius VIL, VII, 378, Ih mit Hülfe der von ihm an:
genommenen „Poftanftalt* einen Bericht Anno’s mad) Rom gegangen fein,
tvorauf „deutiche Biichöfe“ ſich auf Gregör's VII. Befehl in Göln einftellten.
Anno’sUnverföhnlichteit. Heinr. Bezieh. zur Eölner Sachen. Ankunft in Mainz. 399
Andererfeitö nun aber war die Sache der fo ſchwer getroffenen
Coͤlner wohl auch ſchon an den König gebracht worden, und diefer
fand fi als der Schirmer des Rechtes im Reiche aufgefordert, die-
felbe vor ſich zu ziehen, noch ganz abgefehen davon, daß die Bürger
wohl in ihm, nad feinem früheren Vorgehen gegenüber dem
Biihof von Worms, einen mit ihren Wünjchen näher verbundenen
Förberer erbliden mochten. So follen denn auch jchon während
der Tage, wo die Bewegung von Cöln auf ihrer Höhe ftand, zwei
Male Anrufungen Heinrich's IV. nach der einläßlichen Erzählung,
die uns eben das ganze Greigniß bringt, geichehen fein. Aber
wenn auch die Möglichkeit folder Abordnungen aus der wild be-
wegten Stabt nicht völlig geleugnet werden mag, fo ift deren Er-
wähnung in jenem Zuſammenhange mit anderen nicht glaubwürbigen
Behauptungen fo eng Aulemmen jebracht, daß die Angaben immerhin
nit allzu hoch anzuſchlagen And. Dazu kommt noch, daß die
Hofhaltung gerade in der Oſterwoche jo meit entfernt von ber
nieberrheinift Stadt fi hielt und dann filbwärts gehend noch
weiter fi) hinweg begab, daß auch aus dieſen Urfachen diefe Mit-
theilungen, wie fie in Hersfeld zufammenliefen, nur mit Vorficht
aufgenommen werben bürfen !?7).
Immerhin fam nun alfo Heinrich IV. von Regensburg
ber wieder an ben Rhein heran. Wielleicht über Augsburg !?®)
war der raſch zurüdgelegte Weg nad Mainz gewählt worden, wo
Erzbiſchof Siegfried dem Könige zum Pfimgftfete — 8. Juni —
einen glänzenden Empfang bereitete 1°), oh dann blieb der
Hof noch länger in Mainz, wo zum 12. und 29. des Monated bie
Anwejenheit bezeugt iſt. Weberhaupt feheint den König, zumal da
ohne Frage ſich ſchon bei dem Eintreffen am Rheine Verausgefelt
hatte, daß die noch während des Aufenthaltes in Regensburg be-
fürhtete Gefahr für das Reich nicht vorhanden fei, das Gefühl
einer weſentlich befeftigten Stellung, gegenüber einer noch unweit
aurüdliegenden Vergangenheit, erfüllt zu haben. Neben ihm war
jest auch jeine Gemahlin Bertha wieder zugegen. Außer Siegfried
werden unter den dem Könige zur Seite ftehenden hohen Herren
177) Sambert Täßt zuerft ſchon gleich nad} bem 24. April die Aufftändifchen
den ‚Rönig anrufen: Praeterea juvenes impigros. citato quantum possent
gradu, ad regem ire jubent, nunciare ei quae gesta fuerant, et suggerere,
ut quantocius veniat, vacantem expulso arc) iepiscope, eivitatem oceu-
pate (214), bann nochmald — in der in.n. 108 erwähnten Stelle — durch bie
sexcenti aut eo amplius mercatores opulentiesimi. Vergl. über das Maß ber
Slaubwürbigteit Bier Angaben in Excurs I.
=) Rilian, 1. c, 66, nimmt, weil St. 2773 ſich auf ein in Augsburg
liegendes Alofter bezieht, an, baß ber König ben Weg von Negenzburg nad) bem
ine über Augeburg nahm.
') Sambert: rex..... ad Renum coneitus remeavit. Pentecosten
Mogontiae celebravit. splendide ac populariter ab archiepiscopo Mogon-
tiacensi acceptus atque habitus (2161. .
400 1074.
noch Erzbiſchof Liemar, die Bifhöfe Hermann von Bamberg und
Benno von Meißen, der Markgraf Ekbert II. von Meißen genannt.
Von Mainz aus erfillte Heinrih IV. ein dem Andenken bes
St. Udalrich, Biſchof von Augsburg, abgelegtes Gelübde, zum eigenen
Seelenheile und deinjenigen der Vorfahren, durch Uehertragung von
Befig in dem nahe gelegenen Ingelheim an die Kirche zu Auge
burg, welde de3 Heiligen und der St. Ara Ruheſtätie war, und
ebenfo wie er wieder ein Dorf in einem ber Burgwarde an der
Elbe, in der Markgrafihaft Ekbert's im Daleminzi-Gau, und zwar
dieſes Mal ein Stüd jenjeits des Fluffes, auf dem redhten Ufer,
an die Kirche von Meißen 12). u
Mochte nun aud der Lärm, um deſſen willen Heinrich IV.
190) St, 2778, verfaßt don Adalbero C, zeigt erſtlich durch das nme
ſchmückende Beiwort: augustus im Königstitel nach Gundlach, Ein Dictator, 10,
den Fortſchritt in der gungen Entwidelung ber Bagr einrichs IV. Dann
aber if die St. 2773 (eral. &. 331 n. 33, aud; Gundlach, 30) ganz Ainlie
Arenga, mit der farfen Betonung der Heiligkeit bes Gelübdes, bemertenstwert
Diefes Gelübbe war dem Heiligen Biſchof Udalrich von Augsburg abgelegt, dem
familiaris Domini Dei nostri: pro nostra necessitate ... ... pro nostra
quoque tam corporis quam animae salute nostrorumgue parentum defune-
torum requie, und zwar ad ecelesiam in qua corpus eius (sc. Uodalrici) et
sanctae Äfrae martyris zequieseit Girſch, Heinrich IT, II, 259, n. 3, macht
aufmerffam, daß der neue Name des St. Afra-Alofter hier in der Bildung
begriffen fei)._ Für die Söentung — II mansi in villa Ingilenheim in pago
Nacbgouve in comitata Emichonis siti — bedingt fi Hrinrid, IV. aus:
ut.... misea pro defunctis fidelibus cunctis et specialiter nostris D-
tibus_omni Ill. feria cantetur et noster anniversarius non minus celebretur.
St. 2779 ift als Beiſpiel einer Neuausfertigung, wie Breflau, Neue Archiv der
Gefeliait für ältere deutfche Gefchichtätunde, VI, 553 u. 554, unb Handbud
der Urkundenlehre, I, 666 u. 667, ausführt, von befonderem ntereiie. Die
ville Rothiboresdorf voritata, in comitatu marchionis Ekiberti sita in
provineia Thalemenche videlicet in burgwardo Zadili (na der, Bd. I,
S. 532, n. 73, citirten Abhandlung D. Langer’, der allerdings, 7 n. 16, in
Untenntniß der Breßzlau'ſchen Unterſuchung, die Urkunde für fehr verdächtig an:
fieht, ift das jet Rottewig genannte Dort, gleich Hußabwärts von Meiken auf
bem rechten jenfeitigen Ufer ber Elbe gelegen, darunter zu vertehen) wird rogatu
et interventu karissimae conjugis nostrae Berthae neenon Sigifridi Mi „
tiensis archiepiscopi, Liethmari Bremensis archiepiscopi, Ruethberti
Bavobergensis episcopi, Bennonis Misineneis episcopi Ekiberti marchionis
ceterorumque fidelium nostrorum ‚der Stiftäticdhe von Deihen gejehentt. Aber
dieſes Stüd, St. 2779, eniftammt nicht dem Jahre 1074, fondern wahrfcheintih
1091. Unter Beibehaltung bes Protokolls bes Diplomes von 1074 und unter
Ergänzung der fehlenden Fahresangaben durch Zurüctehnung, und indem man
das Diplom mit dem natürlich jeht in Betracht fallenden Kaiferfigel verſah,
gab man dem Biſchof Benno dieſe Neuauzfertigung. Derielbe hatte fih nämlich
inzmwifchen, in Folge des Anſchluſſes an den Gegentönig Rudolf, 1079 in St. 2997
durch denfelben eine Beftätigung ber 1074 —A Verleihung geben laſſen.
wobei wohl bie zu bem Behufe eingereichte frühere ürtunde Heinrich's IV.
irgendwie caffirt worden mar. Seht, nad Rudoif's Tode, war Benno in
Heinrichz IV. Apedieng zurückgekehrt und erhielt die vorliegende Neuausfertigung
1091 ertHeilt. Dabei fam nun auch in diefen durch den Kanzleibeamten Hum-
bertus A gefchriebenen Text die Nennung des bie Ende November 1075 vergl.
dort in n. 125) ganz unmöglich aufführbaren Ruethbertus als Bilchoſ von
Bamberg, da die tailerliche Kanzlei den abgefekten Hermann nicht mehe nennen
mochte, ober vielleicht, da jener wirklich 1091 Jntervenient war.
Verfügungen Heine. IV. Sufammentreffen m. Anno u.Beileg. d. Angelegenheit. 401
nad dem Weiten des Reiches zurüdgefehrt war, ſich ſchon als ein
inhaltlojes Gerücht herausgeftellt Haben, fo mußte doc der König,
falls wirklich das Gerede von dem Angriffe des engliſchen Königs
ihn in Bewegung gejegt hatte, von demfelben her gegen Anno mit
Argwohn erfüllt jein, und dazu fam, daß er wegen der Vorgänge
in Cöln noch außerdem mit demſelben Abrechnung halten wollte.
Er gedachte alfo jelbft nah Cöln zu gehen, als ihm der Erzbifchof
uvortam und Abgeorbnete entgegenfandte, und darauf trafen fie
ch, als Heinrich IV. dazu Erlaubniß gegeben hatte, in Andernach.
Was der Erzbifhof dem Könige habe jagen laffen, wollte man zwar
in Hersfeld ganz genau wiſſen; doch wird mur fo viel aus bem
dort Gejchehenen gejchloffen werben dürfen, daß Anno es für ge-
rathen hielt, dem Könige entgegen zu eilen, ihn durch diefes Mittel
zu befänftigen, fo daß immerhin die Annahme nahe liegt, für den
Erzbiichof habe eine Notwendigkeit beftanden, Heinrich IV. gegen
fi gut gefinnt zu machen. Denn ber gleiche Bericht, deſſen Ver—
faljer ganz auf des Erzbiſchofs Seite fih Hält, räumt ein, daß
geradezu ein Reinigunggeid, von dem vorgemworfenen Landesverrathe,
habe abgelegt werben müffen?1). Darauf fegte Heinrich IV., von
Anno begleitet, den Weg nad Cöln fort, wo er nun fchon gleich
am Tage nad ber Ankunft zu Gericht faß. Allein die Gemalt-
thaten, welche im Aufruhr gegen den Etzbiſchof vorgekommen waren,
müſſen zu groß geweſen fein, ala daß ein günftiges Ergebniß
für die Bürger ſich hätte aus ber Unterfuhung herausftellen
tönnen. Das war wohl die Urfache, daß die Sache fallen gelaſſen
wurde, während freilich ber Gewährsmann für_diefe Dinge nur
Anno’3 reine Unſchuld in das Licht treten läßt. Dann ſcheint
deinrich IV. von dem geiftlihen Stabtherrn die Losfagung der
durch ihn aus der Kirche ausgeftoßenen Mitglieder vom Banne be
gt zu haben, was von Anno's Seite dadurch abgelehnt werben
mnte, daß nad dem kirchlichen Gefege ohne angemefjene in Dar-
legung der Buße gefchehende Genugthuung eine Löfung ausge
ſchloſſen jei. Ebento I Anno die Stellung von ſechs Geifeln
aus feiner Lehensmannſchaft abgewiefen haben, jo daß ein länger
ſhwebender Zu zwiſchen ihm und dem Könige ausbrach und die
Mannſchaft beider Theile von Beſorgniß erfüllt war, e8 möchte zu
einem Zufammenftoß kommen. Daß zulegt Heinrich IV. af den
Rath der Seinigen nachgab, fih mit Anno ausföhnte, ihn jogar
nochinals als den erften feiner Freunde zu halten verjprochen haben
fol, iſt allerdings abermals ein Zeugniß dafür, daß in den Kreijen
des Herrſchers großer Werth darauf gelegt wurde, in dieſem nord-
mweitlihen Theile des Reiches, auf deflen Bedrohung das frühere
Bm Daß an Lambert’ Angabe: Inde (sc. von Mainz) cum Coloniam
ire instituinset . . . „, ille (sc. Unno) missis in occursum eius nunciis man-
davit, dann: Impetrata per legatos coram veniendi copia, in Andernachin
regi oceurrit (I. c.) Raum zu zweifeln if, fleht wohl feft. "Dagegen find alle
Rebrmmftänbe durch Creurs I ala jehr unficher Hingeftellt.
Beyer von Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter Heinrih IV.u.V. Vd. U. 26
402 1074.
Gerücht ſich gerichtet hatte, feine Störung des inneren Friedens
eintreten zu laffen '®®), Auch der Umitand, daß Heinrich IV. danach
von Cöln noch weiter weftwärts, nad) Nahen, ſich begab, ſpricht
dafür, daß Maßregeln für die Sicherung Niederlothringen’3 als ”
eriprießlich angejehen wurden. Man darf wohl mit Sicherheit ans
nehmen, wenn aud fein Zeugniß darüber vorliegt, daB Herzog
Gottfried in Aachen mit dem König zufammentraf und daß babei
duch gemeinfchaftliche Anordnungen die Verhältniſſe eine fichere
Geftalt gewannen, jo daß es Heinrih IV. magen durfte, ſchon
nad wenigen Tagen — überhaupt kann die ganze Anmejenheit in
den Gegenden am Unterlauf des Rheines, auf lothringiihem Boden,
höchſtens einen halben Monat ausgefüllt haben — nad) dem Mittel-
thein, nad Worms, zurüdzufehren 8),
Hier in Worms trat nun in der Mitte des Juli wieder die
Nothlage des Königs Salomon und damit die Aufforderung, bie
Stellung des Reiches gegenüber Ungarn zu wahren, in unabweis:
barfter Art vor die Augen Heinrich's IV. In der verzweifelten
Lage, in welcher fih Salomon befand, foll jegt von ihm ein be-
deutend erhöhtes Angebot gegenüber dem früheren in diefem Jahre
an den Schwager gerichteten Hülfsgefuh in Worms eingegangen
fein. Die Boten Salomon’3 ftellten unter Abgabe von zmölf
Geifeln als Zuficherung eidlich feit — fo erzählte man fi} wenigſtens
in Hersfeld —, daß ihr Auftraggeber für den Fall, daß die An-
ftrengung de3 deuiſchen Königs ihn in jein Reich zurüdbrächte,
demjelben von jegt an zinspflichtig und feinem Befehle unterwürfig
fin und ihm zum Beweife unverbrüchlicher Treue ſechs ber beft-
efeftigten Städte von Ungarn übergeben wollte. Diefe Zu—
fiherung, wie fie in folhem Umfange geſchah, daß die ungarische
Krone aljo geradezu wieder als Lehen von dem deutihen Reiche
betrachtet wurde — und nach entichieden mißbilligenden, zwar
vieleicht abfihtlich etwas übertriebenen Neußerungen Gregor’8 VII.
[deine das der Fall geweſen zu fein —, mußte allerdings eine
ufforderung ohne Gleichen für Heinrih IV. fein, nunmehr feine
ganze Kraft hieher über die füdöftliche Reichsgrenze hinauszumerfen,
den Verſuch zu machen, die große Machtſtellung wieder aufzurichten,
wie fie Heinrich III. gegenüber dem von ihm eingefegten Könige
132) Lambert fügt an: Coloniam processit (sc. rex) glei an: Ibi postero
die ad judicandum populo assedit, worauf eine ganz parteiiſch entfleilte, im
einem wefentlicden Punkte unannehmbare und im Uebrigen mwenigftens jedenfalls
{ehr ausgeichmüdte Ausführung folgt (216 u. 217), bie in Excurs I beurtbeilt
if. Dagegen fteht wohl feft, daß Heinrich IV. von weiter gehenden For—
derungen ablieh.
123) Lambert bezeugt: reconciliatus archiepiscopo, Aquasgrani perrexit
(se. rex), et adversus ea quae de irruptione barbarorum fama vulgaverat,
eam regni partem, quantum poterat, communivit .... Mediante Julio
regressum regem de Luteringia Wormatiam .. . . (217). Dab Gottfried im
Aachen ſich einfand und hier bie enge Beziehung bes Herzog® zum Könige bes
gründet wurde, ſchließen Gieſebrecht, III, 307, und Diedmann, Gottfried III. der
Budlige, 68, gewik mit Recht.
Beluch in Aachen. Neues Hülfegefud Salomon's u. Rüfung gegen Ungarn. 403
Peter inne gehabt hatte. Daß dann daneben noch bes deutſchen
Königs eigene Schweiter als Gemahlin des ulfsbedurftigen Lehns⸗
herrſchers in Betracht kam, war ein fernerer Anreiz für die Rüſiung
Heinrih’s IV. 1%). Diefe ſelbſt freilich fegte ſich wieder, wie bie
vorangegangene, welche durch den Weggang von Degensburg zum
Stiljtande gebracht worden mar, nur aus den Vaffallen geringerer
Stellung und den eigenen Dienftmannen von den königlichen Be—
figungen zufammen, da ein allgemeines Reichsaufgebot fi bei der
Kürze der Zeit ohne Zweifel als undurhführbar erwies. Zwar
nahm man in Hersfeld an, es fei ein ſolches, in Ausfendung von
Boten nach allen Seiten hin, an die Fürften erlaffen worden, welche
ſãmmtlich aus verjchiebenen Urſachen, theils wegen ber Enappen
Zeitfrift, theils wegen Unvermögens, mande auch, weil fie vom
ſãchſiſchen Kriege her allzu jehr geiömägt feien, oder aus anderen
Gründen, abgelehnt hätten. Aber alle Wahrſcheinlichkeit ſpricht
hiegegen, und jo mag etwa eine in kleinerem Umkreiſe von Worms
aus geſchehene Aufforderung, von der man in dem vielleicht gleich»
fals in Anſpruch genommenen heſſiſchen Klofter hörte, unpafjend
verallgemeinert worden fein 5).
180) MWieder ift Sambert die Quelle für diefe Anerbietungen Salomon's
durch die legati ... . . orantes obnixe, ut memor affinitatis, memor actae
simul a puero aetatis maturius subveniret expulso, nämlidh bie im Zegt ger
nannten Bedingungen (freilich wieder mit der beliebten Zahl sex bei ben muni-
tissimae Ungariao civitates: vergl. Dieffenbacher, 1. c., 73, und mit Zwiefachem
der Zahl bei den Geiſeln). Lambert ftellt abſichtlich die Sache fo dar, daß
Heinrih IV. — quia preces tardius movebant privatis occupationibus in-
tentum — durch diefes Angebot zu einer Anftrengung gereist worden fei: hac
mereede redemptus —, und er fat bie ganze Angelegenheit in beö Könige
Augen ald ein rei publicae commodum casu oblatum (I. e.). Wegen ber
Aeuperungen Gregors VII. vergl. naher in n. 174. .
135) Zambert ſtellt abſichtlich das regelmähige Auigebot de3 Könige: ilico,
missis coram quoque nunciis, prineipes in expeditionem solemni indietione
erocavit —, ba& dur; die Ablehnungen ber Frürften nach feiner Darftellung mil
glüdt, und ben gregarius tantum ac privatus miles, mit bem fi} Heinrich IV.
begnügen muß (l. c.), einander gegenüber. Vergl. wegen der fo fich ergebenden
Iufommenfegung ded wirtlich aufbredjenben Heeres Heinvich's IV., aus den uns
mittelbar ihm verpflidhteten Vaffallen oder Minifterialen, Wait, Deutiche Verf.
@erh., VILL, 126, auch V, 439 (e8 ift eben badfelbe, was Sambert in ber ob.
©.337 in n. 104 gelennzeichneten verädtlichen Weife ala repentinus ac tumul-
tmarius miles bezeichnet hatte — Gfrörer, Gregorius VIT., VII, 380 u. 381,
wollte dagegen im gregarius den „geworbenen Söldner ans dem Bauernftand,
der aus dem Kriegebienft ein Gewerbe macht“, fehen); Nigich, Geichichte des
deutſchen Boltes, 2. Aufl., II, 85, will diefen „feftgeichloffenen Kreis von Anhängern
ans dem mit fürftlichen Laienſtande, mit deren Anichauungen und Plänen Heinrich
Ach volftändig einig fühlt“, beionders aus „den Grafen und freien Herren aus
Ewaben* zuſammengeſeht wiffen. Allein obſchon nad) Waitz, 1. c., 104, oft der
Zwijchenraum zwiſchen Erlaß und Empfang des Aufgebotes und dem Anszuge nur
ein Äußerft geringer geweien ift, jo war das doch anders beieiner Heerfahrt in ent:
fermtere Gegend, und Lambert ſelbſt brachte a. 1073 (vgl. ©. 223 in n. 60) bie
Angebe für einen folden längeren Termin bei Anlaß des gegen Polen beab»
Ftigten Feldzuges. So ift e8 immerhin in frage zu fellen, ob ſich der König
ich ber vorausſichtlichen Abmeifung durch die Hrücften bei einem_umfangs
reicheren Serresaufgebote Habe ausſehen tollen, ob nicht auch hier die Hersfelder
26*
404 1074.
Im Auguft wird Heinrich IV. den Feldzug begonnen haben.
Nah dem ausführlichften deutſchen Berichte hatte Geija, welchem
wohl wieder polnifche Hülfe zur Ceite ftand, in geſchickter Weiſe
dem Feinde die Kriegsführung dadurch erfehwert, daß er in den
Gegenden, wo der Einbrudy zu befürchten fand, für die vorher-
gehende Entfernung der Lebensbebürfnifje, ſowohl für Menſchen,
als Thiere, ſorgte, jo daß Heinrich IV., als er verheerend ein»
drang, bald in Noth gerathen mußte. Denn feine eigenen Leute
waren bei ber mangelhaften Vorbereitung des Kriegdunternehmens
felber ungenügend verjorgt. Raſch riß peinlider Mangel ein;
Hunger und Seuchen richteten unter den Theilnehmern am Zuge
arge Verwüftung an, und faſt alle Pferde gingen zu Grunde. Der
Gegner aber war auf einer Inſel, der Donau wahrſcheinlich, die
ganz unzugänglid) war, völlig unerreihbar. So gelang allerdings
auf der nördlichen Seite des Stromes, unter Salomon’ Weg
leitung, der Vormarſch bis nah Waigen. Dann aber mußte, ohne
daß irgend etwas Ernfthaftes geichehen und auch nur irgend ein
Erfolg erreicht war, der Rüdweg angetreten werben, und bis nad
dem 29. September war Heinrich IV. ſchon wieder nad Worms
zurüdgefehrt ’2%).
Auffaffung übertreibt und entftellt. Denn Aufgebot und Aufbruch würden hier
— vergl. übrigens auch unter ben Gnticuldigungen der durfien die temporis
angustiac — unmittelbar auf einander gefolgt fein. B
136) Yon dem Feidzuge nad; Ungarn ſprechen verſchiedene Quellen, von
denen aber mit Huber, 1. c., 203 (n. 3), abermals — vergl. ob. ©. 387 in
n. 104 — wieder die ungariſchen ala weit itingee und mit ben deutichen Angaben
in Widerſpruch ftehend auezuſcheiden find (auch Rademacher bietet in bem vorher,
1. c., genannten Programme, 27 u. 28, eine Kritit ber Hier richtiger von ihm
beurtheilten Luellennadhrichten). Am einläßlichften iſt Lambert: infesto exercitu
ingressus est Ungariam et nonnullas eius regiones hostiliter peragravit
(st, Heineid IV.) Porre Jong, qui Ungariam Ogcnpayerat, comperto ci
adventu, summa industria id operam dedit, ut in locis, in quibus irruptio
hostium timebatur, nihil homines alimentorum, nihil animalia pabuloram
reperirent, et sie ipse cum omnibus in quandam insulam, propter locorum
difficultatem omnino hostibus inaccessibilem, se contulit. Exereitus regis,
qui ad tanti belli administrationem nihil eumptuum praeparaverat, gravis-
sima statim laborabat inedia, adeo ut homines plerosque, animalia pene
omnia brevi pesti!entia et fames consumerent. dan necessitate compulsus
rex, nullo insigni facinore perpetrato, Unparin excessit, et post festum
sancti Michaelis Wormaciam reversus .. (217). Die Compil. Sanblas. jagt:
Ea aestate rex expeditionem in Ungariam movit pro adjuvando rege
Salomone ..... Sed rex ibi nichil ad votum suum efficax, scilicet ad
restituendum Salomonem, efficere praevalens, recepta deınum sorore sua
zeginn Juditha, uxore Salomonis, non bono omine, quo egressus est, domum
/ormatiam revertitur (SS. V, 277). ®ie Annales Patherbrunnenses (ed.
Scheffer:Boichorft, 95 u. 96) bieten eine erwünfchte locale Angabe: Rex Hein-
rieus Ungariam 'vastayit usque ad Wazenburg, quia Ungri Salemannum
expulerant, qui regis Heinriei sororem duxit uxorem. Wie andererjeits die
Annal. August. hier ganz unrichtig berichten: Rex Ungariam ingressus,
vastat et omnes seditiones moventes expellit; Salemonem suae ditioni
subjceit (SS. II, 128), fo bietet aus Baiern die vereinzelte Notiz der Notae
Weltenburg., a. 1074, aud) feinen befferen Anhaltzpıntt: Heinricus rex ....
Mihgeſchick u. Rüdzug a. Ungarn; Aufenthalt Heinrich's IV. in Regensburg. 405
Dod ſchon nach nicht langer Zwifchenzeit — es ift ganz un-
befannt, weßmwegen ber Aufenthalt nad dem heine dazwiſchen
hinaus verlegt worden war!??) — erſchien der König abermals an
der Donau, in Regensburg iss). Ohne Zweifel hatte ihn die
ungarifche Angelegenheit nochmals nad; Baiern geführt. Seine
Eämeler, die Königin Judiih, hatte er, da bei der bebrängten,
unfiheren Lage ihres Gemahls an befjen Seite, mitten unter den
Waffen, für ſie kein Plag war, ſchon gleih aus Ungarn mit-
genommen, und fie lebte fortan am Hofe, der Zeit harrend, wo fie
wieder zu Salomon nad einer befjeren Wendung des Geſchickes
ziehen konnte. Diefer felbft Dagegen, an befjen Seite vielleicht, da
die Abwehr Geiſa's auch im Portheil des deutſchen Reiches lag,
in Ungeriam cum exereitu perresit et ultra Ungaricos fines Gonzonem
ducem insequendo fugavit; regem eiusdem regionis Salomonem in militem
suscepit (SS. XVII, 572), unb dieſe falſche Anficht, von einem fiegreihen Vers
laufe (deditio), haben, theilmeife ganz gleidhlautend, die Annal. s. Rudberti
Salisburg., Annal Admunt., Auctar. Garstense — Iehtere zwei mit ben über
Heinrich IV. gebraugten Worten: secundo et tertio illo profectus, und zwar
die ganze Siene beigefügt zu ber völlig ziähtigen, auß ben beifer untereichteten
Annal. Mellic. herübergenommenen Angabe: Heinricus rex in Ungariam ad-
versus Joitschonem patruelem Salomonis profectus, incassum redit
ss. IX, 773, 576, 568—499). Gaı ausgeichlo| en ift ferner die von ber Vita
Amnonis, Lib. I, c. 80, behauptete Betheiligung Anno’: Heinricum impera-
torem in Pannoniam prosecutus, cum regno patriaque pulsum et ad se
profugum Ungariorum regem reduceret, ipse per industriam suam in
subjugandis hostium castris cunctis illis armis plus est operatus (SS. XI, 479).
Bon Ken ungarifchen Nachrichten fimmt zu ben deutfchen, daß Waiken von
Heinvidh IV. erreicht wurde. Aza fagt, Gesta Hungarorum, Lib. I, c. 4,
dab, Salomon den umrichtigerweile ala socer bezeichneten König contra
Ladislaum et Geicham per Nitriam cum exereitu maximo introdueit: — Qui
Vaciam perveniens, Ladislai exereitu speculato, finzit se infirmum, per
Posonium in Austriam est reversus, dimisso de Boemis et Noricis suffi-
irüt
Ehron, Budense, c. 108, ferner in Einflang bamit die Bilderchronik, c. 60, wo
te.
»#) Die Anwelenheit in Regensburg bezeugt außer Lambert (217) und
&. 2782 die Compil. Sanblas. mittelbar in den Worten über den König:
Autumnali tempore denuo sepstens Bajoariam et in illis partibus aliquam-
diu moratus (217). Daß ber König bie jüböflichen Marten des Reiches befucht
babe, wie Giejebredht, III, 309, jagt, ift micht bezeugt.
406 1074.
eine Abtheilung deutſcher Bewaffneter zur Unterftügung blieb, ver⸗
mochte fi, gewiß unter fteter Nöthigung zum Kampfe, über deſſen
Veriauf aber nichts Näheres befannt ift, in einem Grenzſtriche
feines früheren Reiches zu behaupten. Hier ftand das ‚ Königlein“,
wie Gregor VII. Salomon fpöttiih bald hernach in einem Briefe
an Geifa bezeichnete, geftügt auf einige fefte Pläte, gelehnt an bie
deutſche Grenze, und fuchte feftzuhalten, was noch möglich fdjien"*°).
Aber zugleich, um eben die gute Gefinnung des königlichen Schmagers,
Heinrich's IV., für fi) zu bewahren, hatte er nun auch bie dem-
jelben gegenüber abgelegten Verſprechungen zu erfüllen geſucht und
ein Gebiet zunächſt an ber Diigrenge der Mark Oeſterreich abge:
treten, für welches jegt der König in Regensburg, am 26. November,
feine Anordnungen traf. Von den Vergabungen, welche Heinrich IV.
aus dieſer feiner Befugniß unterworfenen Landſchaft ſchuf, liegt
nämlich die Webergabsurfunde an Biſchof Ellinhard von Freifing
zu Gunften von deffen Kirche vor, laut welcher hundert Hujen
wiſchen der Leitha und dem Neufibler See an das Bisthum kamen.
Dagegen follten die Bischöfe von Freifing, glei” den anderen mit
Gütern Ausgeftatteten, die Verpflichtung übernehmen, für die Be
feftigung der Burgen dieſes Grenzbereiches Ei forgen, und namentlid)
wurde unter diejen feſten Plägen Wiefelburg, etwas weiter füd-
öftlih der Donau zu gelegen, hervorgehoben, deſſen Bedeutung als
Scälüffel für Ungarn nad) diefer Seite hin der König von feinem
Feldzuge von 1063 her Tannte!*). Daß nach dieſem Zeugnifie
129) Die Lage Salomon’ nach dem Weggange Heinrich’ IV. aus Ungarn
jeht hervor aus mehreren zerftreut liegenden Nachrichten. In einem eimas
Poäteren Zufammenhang läbt Bruno, De bello Saxon., c. 88, über Salomon
infließen: in cuius (sc. patriae) extremitate paucas urbes habendo vix
haerebat (SS. V, 362 — Reader er, 1. c., 27 u. 28, zieht hiezu micht richtig
bie fon ob. ©. 121 in n. 7 herborgehobene Gtelle Avenfin's, von ber
superior pars regni, heran, bie ja vielmehr von einem früher fallenden Ereignik
heit, da entin er in c. 13 dep Greinifes Don, 1074 qebentt). Bapıgn
nimmt Sigeb. Chron., a. 1075: Ungarı contra imperatorem rebellant,
regemgue suum Salomonem regno deturbatum sub diutina custodia
exeruciant (SS. VI, 363) in der Erwähnung der Gefangenfchajt einen erft zu
1083 gehörenden Vorgang herein. Daß ineich IV. die ungarifche Königin
gei mit, fi genommen hatte, geht ſchon aus ben Worten der Compil.
janblas. in n. 136 hervor, und daß fie länger bei dem Bruber blieb, zeigt
Sambert, a. 1076, in den Worten: Erat ..... apud regem soror eius, uxor
Salomonis regis Ungariorum, quam maritus regno expulsus, dum in armis
et procinefu esset, nusquam tutius quam aj —— manere judieaverat.
donec, recuperato, si fieri t, 0, in joeunditate gerri eonjugio
liceret (247). Wie viel an der vom Chron. Dubnie., c. 109, erzählten &
Tagerung Salomon’s, reſp. Preßburg's, ift, bleibe bahingeftellt.: Wegen ber Be
zeichnung „regulus“ vergl. zu 1075 bein. 141.
10) St. 2782 — daß, dasſelbe nicht etwa zu 1073 zu fehen if, was
% 8. aud Gfrörer, 1. c, VIL, 45 u. 46, mit Anfügung unutrefiender Schläfle,
ihut, darin ift Giefebrecht, IIT, 1136, im ben „Anmerkungen“, ganz beizuftimmen
— ift von Abalbero C felbft gefchrieben. Heinrich IV. überträgt ex predio
jaod Salomon rex Ungarorum nostrae potestati subjugavit an bie sancta
i genitrix vingo Maria in aecclesis Frisingensi, ubi corpus saneti Cor-
Abmachungen m. König Ealomon u. Beſuch dv. Reichenau: Eggeharb Abt. 407
aljo Wiefelburg ohne Frage in Salomon's Vefig geblieben war,
ſpricht immerhin für die Stellung, die er ſich noch gegenüber feinen
Feinden hatte bewahren können.
Während Heinrih IV. in Regensburg von den angefehenften
Vertreter Baiern’3, dem Herzog Welf, dem Erzbiihof Gebehard
von Salzburg, Biſchof Dtto von Regensburg und jedenfalls auch
Biſchof Ellinhard jelbit, außerdem von Biſchof Wilhelm von Utrecht
umgeben gewejen war '**), machte er fi) von da auf, um den Reft des
Jahres für einen Beſuch in den Städten von Baiern und Schwaben
zu verwenden). Auf dieſem Wege kam er über Augsburg, da
er bie Richtung nad) dem obern Rheine hin wählte, aud nad dem
Klofter Reichenau ?*?), und hier fand er Gelegenheit, zu beweijen,
daß er mit der Orbnung ber Dinge einverftanden fei, wie fie feit
zwei Jahren, anfangs jedenfalls nicht mit jeinem Willen, bort ent-
fanden war.
Seitdem Abt Ruotbert 1072 in Worms auf jeinen Hirtenftab
Verzicht geleiftet hatte, war aus der Wahl der Mönche von
Reichenau felbft aus ihrer Mitte Eggehard, ein Sohn des Grafen
Eberhard von Nellenburg, alfo ein Yruder des Erzbiſchoſs Udo von
Trier, wohl noch in jungen Jahren, erhoben und zu Rom durch
Gregor VII. nad) Oftern 1073 geweiht worden, wohl in einer der
erften Amtshandlungen, die ber neu gewählte Papſt verrichtete!““).
biniani quiescit — fo ficht in eigenthümlicher Wendung —, und zwar unter
der Bedingung — ex conditione qua cum omnibus ex praefato praedio
donatis convenimus —, ut Ellenhardus . ... suique successores in quolibet
castello, apecialiter in Miesenbure, muniendo pro his C regalibus mansis
nobis serviant et in aliis omnibus nobis fideles exist 18 Etätte der
C mansi nennt bie Urkunde vier einzeln aufgezäblte Orte: sicque de Litaha
wque ad eum locum qui terminus est inter Litaha et Vertouve (ertd:
der magparifche Name des Nrufibler Sees), und war mit allem Zugehörigen,
exceptis venationibus et wiltbanno in Litahaberge (dem Keithagebirge,
veiigen Leitha nordiwefllic, dem See füböflih —: Büdinger, 1. c., 47, jagt:
„König Heinrich behielt fidh in der gafnung auf ruhige Tage bie Jagd vor“).
Degen Biefelburg vergl. ®b. I, ©. 346 u. 347, 349. .
1) St. 2782 nennt bie praesentia biejer Fürſten und von caeteri fideles
nostri: außerdem ift des rogatus et servitium .... epi copi Ellenhardi gedacht.
342) Yambert nennt als Abfiht Heinrich’ IV.: id quod reliquum erat
temporis usque ad nativitatem Domini in peragrandis Bajoariae atque Ale-
manniae civitatibus insumere (217).
142) Die Compil. Sanblas. tennt ben Weg per Augustam et ‚Augiam (277),
und der zweitgenannte Ort weift auf Reichenau ald Plap der Aufgeihmung, die
aun mit dieiem Jahresſchluß in der bisherigen Form abbricht, einer anders ge:
fexbten Fortjegung weicht. jl. Excurs VIII, im welchem in Nebereinftimmung
wit Bai, Forſchungen zur deuticen Geichichte, XXII, 499 u. 500, ber anders
werdende Ghoratter von 1075 an als Zeugnik für den Wechſel bed Autors ans
genommen if.
144) Bergl. über Reicyenau zulct ob. S. 165 u. 166. Die Wahl und
408 1074.
Allein noch beftand aus der Zeit Auotbert’3 eine weitgehende
Schädigung des Hlöfterlihen Grunbbefiges, welche die Stellung des
neuen Abtes fehr weſentlich erſchweren mußte. Schon Alerander II.
hatte, wie gegen Auotbert, fo gegen diejenigen, welche aus bejien
Hand Lehen aus den Kloftergütern empfangen hatten, Maßregeln
ergriffen. Aber auch nachdem Ruotbert — gewichen war, hatten
doch diefe feine Anhänger die, wie man in Rom überzeugt
war, gegen Gott und die Gerechtigkeit gewonnenen Güter nicht
aufgegeben. So war Gregor VII. noch ein Jahr nad Eggehard's
Weihe, am 8. Mai, veranlaßt worden, in einem Schreiben, das er
an alle richtete, die es in die Hand befommen würden, auf diejen
Umftand neuerdings hinzumeifen. Er bedrohte in dem Briefe, damit
endlich das Klofter nah langen Duälereien zur Ruhe und zur
möndifhen Ordnung zurüdfehren könne, ale Inhaber ſolcher wider
rechtlich empfangener Lehen mit dem kirchlichen Banne: denn nad:
dem ber Urheber der ungerechten Mafregel gewichen jei, hätten die
Empfänger dieſer Klofterlehen vollends feinen Anſpruch mehr auf
biefelben ?*). Eben dieſe ftörenden Erfeheinungen mochten nun
karissimum saneti Petri filium Ecardum, ex ipsa congregatione a con
fratribus electum et a nobis diligenter examinatum, abbatem ibi auctore
Deo conseeravimus ($affe, Biblioth,, II, 109). ®er Catalogus abbatum
Augiensium nennt in feiner Gintragung — 'hardus de Nellinbure
annis 17 (SS. XIII, 332) — die Abftammung, wie Gallus Dehem fich auadrüdt:
der erst abbt, der... . mit sinem zuonamen, sines namen und stamen
besehriben wirt (Quellen unb Forf gungen zur Geichichte der Wbtei Reichenau, ber
arbeitet v. Dr. N. Brandi, IL, 96) und au) nad) ©. Zumbült, Zeitichrift für die
Gefhichte des Oberrheins, XLIV, 441, ift nicht zu begweifeln, dab Gogehard
wirflid) ein Sohn, ber dritte, be3 ob. ©. 43 in n. 6 genannten Grafen Ebrr-
hard von Nellenburg, alfo, wie auch Gallus Dehem anbeutet, wohl noch in
jüngeren Jahren ftchend, war. Diefer Abt gab am 2. Mai 1075 jenes in ber
di en, Zeitichrift, 1. c., 168 u. 169, wieder abgebrudte Privilegium, ba? an
tto’3 IH. für Allensbad) (am Unterjee) vollgogene Grtheilung des Rechtes, einen
Wochenmarkt abzuhalten und dad Muͤnzregal das gene, Jahr auszuüben, wieder
anfnüpfte, in der Art, daß Eggehard jeht dieſe in Vergeſſenheit gerathenen Rechte
neuerbing3 befannt macht und ihnen einige neue beifügt (vergl. in Schulte's
einen großen gestieeitt der Forſchung darftellender Abhandlung: Meber Reichen:
auer Stadtegri nungen, 1. c., 137 fj., beſonders über Allensbad 150 ff.).
145) Gregor . jchreibt in dem in n. 144 erwähnten Rundſchreiben
omnibus, ad quos litterae istae pervenerint (I. e., 102—104), unter Hervor:
Hebung deg Umftanbes, ba Reichenau zu ben Orten zähle: quae et in generali
sanctae Romanae ecelesiae membrorum continentia ceteris conequantur et
singularis patroeinii privilegia prae ceteris sortiuntur unb ganz fpeciell huic
sanctae et apostolicae sedi quadam principali et individua cohaeret linen,
von den ſchon ©. 165 genannten, durch Ruotbert dem Klofter zugefügten Schä-
bigungen, de dispersione bonorum eius valde dolentes. Funk führt
Gregor VII. das con von Alerander IL. hierüber Verfügte auf und beftätigt
dazfelbe iept eben burd) diefe sententia nostrae confirmationis in id ipsum.
In bie {hon ©. 166, n. 97, eingefehte Stelle eingeichoben fteht bie Bemertung, &
ſei bis dahin noch nicht erreicht: ut fautores eius “sc. Roberti: berjelbe Beiht
prineipalis et haeretica pestis depulsa) contra Deum et justitiam accepte
abeo monasterii bona relinquerent. Gregor VII. wünfdt: ut monasterium
post longas et multas tribulationes jam ad quietem et monasticae religionis
cultum redeat —: omnibus, qui a Roberto . . bona abbatiae in beneficis
Gregor's VII. Furſorge f. Reichenau. Ermordung d. früheren Abtes Ruotbert. 409
wohl Heinri IV. veranlaßt haben, gerade jet auch Neichenau zu
heſuchen. Ziwar hatte er ohne Zweifel an Eggeharb’3 Erhebung
feinen Antheil gehabt. Aber theils der Wunſch, auch hier
Gregor VIL. auf beffen Aufforderung Hin feinen guten Willen zu
zeigen, dann der Umftand, daß Eggehard einem dem Könige
Am befonders anhänglichen angejehenen ſchwäbiſchen Haufe ent-
mmte, mochten denjelben geneigt machen, jetzt auch feinerjeits
den Abt von fi aus zu beflätigen und ihm zur Heritellung des
flöfterlihen Befiges zu verhelfen, der Zerrüttung bes Güterbeftandes
ein Ende Ti jegen 146),
Nuotbert dagegen war von Biſchof Hermann von Bamberg
abermals nad einem anderen Klofter verjorgt worden, nad) der
von Bamberg abhängigen Abtei Gengenbach in ber Ortenau, deren
Abt Acelin eben 1074 mit Tob abging. Doc Ruotbert fand ſchon
bald, 1075, hier feinen Tod. Denn er fuchte mit großem Eifer
das Gut des ihm anvertrauten Klofters zu fügen und trat dabei
den Mebergriffen der Dienftleute thatkräftig entgegen. Doch als er
eine gegen feinen Willen angelegte Mühle durch den Vogt zerftören
ließ und die Nugungen der gemeinen Mark einzuichränten fuchte,
lam es zur Gegenwehr ber fi) geſchädigt glaubenden Minifterialen,
und er felbft, mit einem Sappellan, der ihm von Bamberg her
aus dem St. Michaels-Klofter gefolgt war, erlag den Streichen der
Wüthenden. Ruotbert ftarb an den Folgen feiner Verwundung
am 12. November '47).
adepti sunt, sub anathematis distrietione et animadversione interdieimus.
am ...... quibus legibus aut quo jure isti sibimet vindicabunt, quod
sanventions soce * IV. in Reh tr auf
) Eben biefe Anweſenheit Heinrich's IV. in Reichenau, welde au
Boyer, Aorfhungen zur beutichen Geſchichte, XXII, 576, unb Boigt, in ber
e.4inn. genannten Difjertation, 75 n. 1, nit beadhteten, ebenfo
Zumbält, 1. c., 441 n. 4, jo daß fie das Factum geradezu leugneten, beftätigt
bie Richtigkeit ber Angabe des Annaliften von 1075 an, a. 1079: Augiensem
abbatiam . ... dehine Eggihardo, a fratribus suis regulariter electo et
jmta privilegii eiusdem loci statutum a papa Jegittime ordinando, contra-
&dit, sc. rex (SS. V, 319), ſowie des — ehem: Diser Eggehardus
ward... von dem kaiser zuo abt gesetzt (I. c.). Ein Aufenthalt Hein
is IV. war nur denkbar, wenn er den Abt anerkannt hatte, und das mußte
ibm beim Sohne feines treuen Anhängers weit, leiter fallen, als bei einem
anderen ohne ihn beftellten Abte. So anbererjeits war aber auch Suacherb in
feiner Stellung gefihert, fo daß er, da wohl der Rönig jept thatträftin zur
tellung des Güterbefites half, jene in n. 144 hervorgehobene Einrichtung
Allensbach zu treffen ſich getraute.
u) Runtderte Echidjal nad) 1072 wirb von Lambert, a. 1076, wieber in
teht abgemeigter Gefinnung: Ruopertus, abbas quondam Augiensis, monaste-
fium quoddam in Alsatiae partibus (Jrrihum), cui Gengebach nomen est, a
übergenei episcopo susteperat gul rnandum. Ubi dum pro consuetudine
‚sua hueris temporalibus immoderatius insudaret, paupertatem loci industria
Sa erincere satagens, oceisus est... . . a servitoribus monasterii, contra
ge iones monasterii et jus suum, progressus ipse ad vim arcendam,
fen.
volebat — und von der Compil. Sanblas., a. 1073, mit ähnlicher
Begrundung ber Zöbtung: ob benefieium quoddam quod aecelesiae ministro
410 1074,
Bon Reichenau kam Heinrich IV. nad) Straßburg, um da das
Weihnachtsjeft zu feiern 149).
Mit dem Abſchluſſe des Jahres trat num auch nad einer
— von etwa drei Vierteljahren die ſächſiſche Frage wieder
nachweisbar in ben unmittelbaren Geſichtskreis des Königs.
Nur eine thüringiſche Angelegenheit hatte ſchon etwas früher,
zwar nicht den König, aber Erzbiſchof Siegfried von Mainz be
ſchäftigt. Die neue Einſchärfung des Gebotes der Ehelofigfeit der
Geiltlihen, wie fie von der römischen Faſtenſynode des Jahres
ausgegangen war, rief, wie das, zunächſt für bie umliegenden
mitteldeutihen Gebiete, die aus Hersfeld dargebotene Schilderung
anfhaulid ausführt, die allgemeinfte Aufregung hervor. Der ge
fammte Anhang der Priefter joll heftig entbrannt fein, unter den
lauteften Antlagen gegen Gregor VII: berjelbe fei ein ganz
ketzeriſcher Menſch und feine Lehre wahnmwigig, da er, ganz be
ſonders auch im Widerſpruch mit bem Gebote des Apoftels Paulus,
die I durd) gewaltfame Forderung nöthigen wolle, nach dem
Gebrauche der Engel zu leben, und dadurch, daß er den gewohnten
Beruf der Natur leugne, der Hurerei und ber Unreinigfeit bie
Zügel hießen lafje; fie wollten lieber, als die Ehe, das Priefter-
thum verlaffen, und dann möge ber Papſt zufehen, woher er, warn
er die Menſchen als zu gemein erachte, die Engel ſich zur Lenkung
der Kirchen der Gemeinden verjchaffen werde. Wahrſcheinlich durch
die von der Synode nad Deutſchland abgegangenen Legaten hatte
nun aber der Papft den deutſchen Bifhöfen die Durhführung des
Gebotes ber römifhen Verfammlung ftreng vorgejchrieben, fie
möchten darauf hin arbeiten, daß bie Geiſtlichen feine Ehefrauen
hätten und diejenigen, welche ſolche befäßen, fie entließen oder ihrer
Stellen entfegt würden, auch daß Niemand zum Prieſterthum zu:
gelafjen werde, der fi nicht zu ununterbrochener Enthaltfamteit
und ehelofem Leben verpflichtete. Die Biſchöfe wurden der Sorg-
lofigfeit und Läffigfeit geziehen, die Drohung gegen fie aufgeftelt,
cuidam auferre voluit (276), erzählt, ganz beſonders eingehend uber don den
Annal. (Gengenbacens,, a. 1075 (vergl.a. 1074: Acelinus abbas obiit), bie zeigen,
baß der Abt, was zwar auch Lambert nach gewiſſer Seite einräumt, nur
Vorteil feines Klofiers zu verfechten fuchte (SS. V, 390). Vergl. über Klofter
Gengenbach Gothein, irtichaftsgeichichte des Schwarzwaldes und der an-
drenenden Ranbihaften, I, 209 ff. (bie Angabe der Annal.: Agrum precepit per
se circumvallare erflärt er wohl richtig ala Einhegung ber Allmende); über
bie Beziehungen bes Bisthums Bamberg zu Gengenbady, infolge der Unterwerfung
bes ‚Rloftns unter Bamberg durch Heinzid II. 1007, vergl. Hirieh, Heinrich II.,
11, 116.
148) Die Compil. Sanblas.,a. 1074, nennt Straßburg als Ziel, Lambert dagegen,
der mit. biefem Eat: beginnenbe Annalift von 1075 an (eben bie nodmalige
Nennung, a. 1074 Ärgentina civitas, a. 1075 abweichend Argenturacum, aeigt
auch wieder ben Wechſel des Verfafierd innerhalb ber foggnannten, Bertholdi
Annal.), fowie das von hier an jelbfländige Bernoldi Chron., alle a. 1075,
auch ala Platz der kirchlichen Feier.
Gindrudd.päpfil. Forderung d. Ehelofigteit; Siegfr. Gebotu. Synode z. Erfurt. 411
daß mit apoftoliihem Strafurtheile gegen fie vorgegangen würde,
wenn fie nicht jchleunigft das ihnen anbefohlene Geſchäft voll:
führten. Deſſen ungeachtet zögerte Erzbifchof Siegfried, in feinem
unmittelbaren Sprengel mit % ſcharfen Mitteln vorzugehen, da die
Gewohnheit des ehelichen Lebens der Priefter durd eine allzu
fange Zeit feſt gemurzelt ſchien, als daß fie durch ein tajches
Xerbot erjlittert und ausgerottet werden könnte. Er gab alfo im
Frühjahr feinen Geiftlichen ein halbes Jahr Aufſchub und Bedenk-
zeit, um ihnen Gelegenheit zu bieten, innerhalb der Frift freiwillig
das Unvermeidliche zu vollziehen, jo baß weder er ſelbſt, noch der
Papit in die Lage geriethen, etwas in ungünftiger Weife gegenüber
den Fehlbaren zu beſchließen. Darüber war nun der Sommer vor
übergegangen, und im October verjammelte Siegfried zu Erfurt
eine Eynode, um jegt nach Verfluß der eingeräumten Zwiſchenzeit
firengere Maßregeln zu ergreifen. Unter Vermeidung weiterer Um-
ſchweife ſollten die —ãA Geiſtlichen die Ehe ſogleich ab-
ſchwören ober vom Dienfte de heiligen Altares ſich losjagen, wo—
bei nunmehr von Seite des Erzbiſchofs ftärkeres Drängen und
Fordern von vorne herein ſich bemerkbar gemacht haben muß. Allein
das rief nur heftigere Gegenreben hervor, und als die vorgebrachten
Gründe bei dem Erzbijchof, welcher zwar verficherte, er jei zu ber
Forderung gegen feinen eigenen Willen gezwungen, nichts nüßten,
auch Bitten und Flehen ohne Erfolg war, da traten bie Ver-
fammelten, gleihfam zur Berathung, hinaus und beſchloſſen, ſich
nicht in Die Synode zurüd, jondern ſammt und jonders ohne
Berehl nach Haufe zu begeben. Einige follen noch weiter ge-
gangen jein und durd) einander das Geſchrei erhoben haben, man
jolle beiier in die Synode zurüdtehren, doch um den Erzbiſchof,
ehe er jeinen abfcheulichen Spruch fällen fünnte, vom biſchöflichen
Stuhle herunterzureißen und ihn mit dem verdienten Tode, als
warnendes Andenken für die Zukunft, zu betrafen. Da ſchickte
Eiegfried, als ihm hinterbracht wurde, ſolches würde beabfichtigt,
zur Beſchwichtigung des Sturmes hinaus und ließ jagen, fie
möchten mit beruhigtem Herzen in die Eynode zurüdtommen, da
er felbft bei erfter günftiger Gelegenheit nad) Rom jenden und den
Kopf, wenn er irgend konne, von dieſem fo harten Urtheile ab-
bringen werde. So wurde es erreicht, dab am folgenden Tage die
Verhandlungen fortgejegt werben fonnten; Laien und Geiltlihe
wurden an demfelben zur Sigung zugelafjen. Aber jegt verſchuldete
Eiegfried jelbft, daß doch noch die Synode zur Auflöfung gebracht
wurde. Da augenjcheinlich noch ftet3 die von ihm begehrten Zehnten
aus Thüringen nicht eingegangen waren, kam er, objchon er wifjen
tonnte, wie jehr die Sache den Anweſenden verhaft fei, zumal da
ihr Selbitgefühl nah dem legten Erfolge gegenüber Heinrich IV.
ewachſen fein mußte, mit biefer Angelegenheit vor die Verſamm⸗
. Er erklärte die Thüringer wegen der Zurückhaltung der
Zehnten ala ſchuldig und rief dadurch erft recht einen neuen Aus-
brud des Unwillens hervor. In wilder Aufregung ftürzten die
412 1074.
empörten Leute plöglih aus ben Thüren, riefen zu den Waſſen
und braden mit einer im Augenblide zufammengerafften gewaltigen
Menge wieder in bie Kirche, wo die Synode gehalten wurde, ein,
fo daß fih Siegfried und alle mit ihm zur Sigung verfammelten
Geiftlihen in höchſter Angft in den Winkeln überall verbargen.
€3 hatte den Anfchein, als ob ber Erzbischof auf feinem eigenen
Stuhle überfallen worden wäre, wenn nicht feine kriegeriſche Ve
deckung dazwijchengetreten wäre und mehr durch begütigende und
rechtfertigende Aeußerungen, als durch Leiftung von Widerftand,
für welden aud) ihre allzu geringe Kraft nicht ausgereicht haben
würde, den Anprall der wilden Mafjen angehalten hätten. Immer
hin war aber jo die Verfammlung geiprengt. Mag num auch hierüber
abermals bie in Hersfeld vorgefaßte irrige Anficht über die ganze
Angelegenheit ber ati Zehnten und über den Verlauf
dieſer — von Lambert gefliſſentlich hervorgezogenen Sache ver
wirrend gewirkt haben, fo konnte man doch in dem mit Thüringen
fo enge verbundenen Klofter über den Verlauf der Verſammlun—
wohl unterrichtet fein!) Ebenſo ift gewiß glaubwürdig, da}
149) Sambert fendet ber von ihm allein gebrachten Darftellung ber Erfurter
Synode (217—219) eine längere Einleitung voraus, in der er, überhaupt zum
erften Male und deßwegen weiter ausholend, auf bie Gefchichte der Vorferift
ber Ehelofigkeit der Geiftlichen im Allgemeinen eintritt, doch mit Ungenauigfeiten
und Uebertreibungen, fo wenn er gleich anfangs fagt: Hildebrandus papa cum
episcopis Italiae conveniens jam frequentibus sinodis decreverat (ec. betreffend
den Gölibat) und: Hoc decreto per totam Italiam promulgato, crebras litteras
ad episcopos Galliarum (b. h. gemäß Lambert’6 Außbrudsmweife: bie beutichen
Birdöfeeransmittebat, praceipiens, ut ipsi quoque in suis ecelesiis similiter
facerent, während bi ;regor VII. erſt ein einziges Mal, auf ber erften über-
jaupt von ihm veranftalteten Eynobe, über den Gölibat einen Beſchluß gefaht
jatte (vergl. S.348) und von Schreiben an deutſche Biſchöſe in ber Angelegenheit
ar nichts bekannt ift, woneben allerding® nad) ber ©.381 in n.93 enthalten
Ingabe bes Marianus Scottu3 anzunehmen ift, daß ben von ber Synode abge
ſchidlen Legaten an König Heinri IV. (vergl. ©. 353) bie Aufträge aud in
bieier Richtung mitgegeben worben find. Anſchaulich geidilbert und gewiß
richtig ift dann die mit dem Cafe: Adversus hoc decretum protinus vebe-
menter infremuit tota factio clericorum eröffnete Schilderung ber Aufregung
ber verheirateten Geiftlichen, bie in ben Text aufgenommen ift (ber Spruch:
Qui se non continet, nubat; melius est enim nubere quam uri fteht I. Corinth.,
VI, 9) Lab Giegfrieb vorfichtig vorging: sciens non parvo constare
operam hanc . . . . moderatius agebat cum eis, et primo eis in dimidium
annum indueias et deliberandi copiam dedit — aljo vom October rüdwärts
gerechnet, vom April an —, ftimmt zu feinem Gharafter, und ebenjo hat Herr-
mann, Siegfried J. 74 u. 75, richtig barauf hingewieſen, daß theils biefe
chwierige Angelegenheit, teils ber herbe Zabel, ben ſich ber Erzbiſchof von
Gregor VII. wegen jeiner Haltung in ber Prager Sache zuzog (vergl. ©. 358
— 361), &8 —8 iz erflärlich machen, daß Giegiried gerade damals auch gegenüber
Heinrich IV., da er einer Gtüße egenber ſolchen Anfechtungen bedurfte, fie
wilfährig erwies, und daß er ned iefer feiner nunmehrigen Stimmung aus
in Bamberg und Nürnberg in bieler gleichen Frühlingazeit auftrat (vergl. €.
375-380). Die Hervorhebung ber Sehmtenferdezung am zweiten Tage der
corgregata sinodus in Erpbesfurt mensi Octobri — veterem illam de red-
dendis deeimis querelam replicat — it im Hinblid auf die wieber im Exp
tember 1073 durch Eicgfricd gegenüber Gregor VI. hervorgehobene Unbots
Eprrngung d. Synode; Siegfried's Aufruf 3. Buße aus Heiligenfladt. 418
Siegfried Erfurt ſogleich verließ und fich für den Reſt des Jahres
und nod darüber hinaus bis zum Fefte der Erſcheinung in Heiligen-
ſtadt aufhielt. Hier, am äußerten Grenzrande de3 thüringijchen
Landes, rief er an allen Feittagen während der heiligen Handlung
der Meſſe die Störer der Synode unter Androhung des bifchöf-
lihen Bannes zur Buße auf!).
Auch der König muß bis zum Ende des Jahres ben feit dem
Frühjahr, trotz des empörenden Vorganges auf ber Harzburg,
zurüdgedrängten Wunſch, an den Sachſen Rache zu nehmen, wieder
mehr herausgefehrt haben; denn in Straßburg fcheinen ſchon be—
fimmtere Vorbereitungen für einen bald zu eröffnenden Kriegszug
eingetreten zu _ fein. Allerdings werden nun von einer Seite
Heinrich IV. fon feit länger begonnene, ganz umfänglich aus—
gehnte Anzettelungen und Zurüftungen für einen umfangreihen
ngriff gegen die Sachſen zugejchrieben; allein dieſe Mittheilungen
rühren von einem jo unaupertäigen, einzig aus Haß zur Ab-
fajlung feines Werkes gebrachten Verichterftatter, und zubem find
ſolche Unwahrſcheinlichkeiten in bemfelben gehäuft, daß es ganz und
gar nicht gerathen wäre, auf biefelben Gewicht zu legen 161).
mößigfeit der Thüringer (vergl. S. 308) ganz Leicht erflärlich. Dagegen if,
wie ſchon ob. ©. 323 n. 19 ausgeführt wurde, bie Hereinziehung des Gerftunger
griveng duch Lambert & ber Erwähnung ber Zehnten_völlig abzulehnen.
ol aber ift Lambert's Beuztheilung der Ungefjidlichteit Siegfried's bei diefer
Hervorhebung der Zehntenfragen gewiß richtig: mec recogitat, hanc causam
öriginem seminariumque extitisse omnium calamitatum, quibus per plures
jam annos res publica incommodissime vexabatur, unb ebenfo fiedt in dem
e. in n. 19 mitgetheilten Hinweis Sambert’3 auf die propter recentem belli
successum tumidi adhuc spiritus bei den Thüringern eine qutzeflenbe Motiviz
mg. Daß Siegteiens Brief an Gregor VII, Codex Udalriei, Nr. 42, nicht
mit Gielebrecht, III, 264, al8 nad} dieler Erfurter Shnode geichrieben angefept
werben darf, vergl. ©. 359 n. 69.
10) Daß nad) Lambert (219) Siegfried im folder Weife im nordweſtlichen
fbäringifchen Sande gegen bie jäcfifche Grenze Hin bis zum 6. Januar 1075
bleiben und feine kirchlichen Drohungen ausſprechen fonnte — per omnes festos
dies inter sacra missarum solemnia eos qui sanctam sinodum turbaverant,
ad poenitentiam sub episcopali banno evocavit —, ipricht bajür, daß feit bem
Frieden von Gerflungen feine neue Beunzubigung biefer Gegenden eingetreten fein
tem, da fonft Sienrie nicht in folcher Weiſe unbehelligt jenjeits der Werra
hätte bleiben Tonnen. un
151) Bruno, De bello Saxon., geht, c. 85, bavon aus, daß Heinrich IV.
bie ob. ©. 338 in n. 41 erwähnten querimoniae et supplicationes, wie zwei
Male gejagt wird (hoc, ut dixi, post annum fiet integrum) durch ein ganze8
Jahr — antequam sua voluntas, ut in Saxoniam ducere posset exereitum,
Sompleretur — vor ben Fürften — Bruno läßt mehrere prineipum conventue
annehmen — fiels wiederholt habe, body nicht mit Erfolg: Namque omnes
(te. prineipes) qui miserias miserabiles, quas intulerat Saxoniae (sc. Heinrid)
IV.) seiebant, cum omne bellum res sit aspera nec huius belli satis pateret
ilonea causa, ad differendum hoc bellum quaslibet occasiones quaerebant
88. V, 341). Dod von c. 36 an will jept Bruno fchildern, wie ber König
ad om Eeiten — mies in omnes circumguaque gentes legatis, donando,
majora promittendo — fid) bemüht habe, den — Feinde bei allen Menfchen
du erweden: quia non tam eos suae potestati, quod leviter fieret sine bello,
subicere, quam funditus ab hominum numero quaerebat adimere. Als ſolche
414 107.
Wohl aber ift daran nicht zu zweifeln, daß fi der König be
eiferte, die Fürften für eine Unternehmung gegen die Sachſen gut
gefinnt zu machen, Schwierigkeiten, die der Sache entgegentreten
Tonnten, hinwegzuräumen, und man hat das Recht, die verhältniß:
mäßig jo rajch geichehene Verföhnung mit Erzbiihof Anno, welche
ein Zurüdweichen des Königs aus der anfänglichen Stellung gegen-
über der Cölner Angelegenheit in fi ſchloß, auf die Ermägung
Heinrih’8 IV. zurüdzuführen, daß es gerathen jei, den mit
jächfiihen Feinden des Königs fo nahe verbundenen Erzbifchof nicht
dazu zu bringen, mit denfelben bei dem ausbrechenden Zwiſt gemein»
fame Sache gegen den König zu machen.
Stellen, wo ber König Mtntnüpfung, und Hülfe fuchte, nennt_der Autor nad
einander: — Herzog Wratillav von Böhmen (durch Zufage ber Stadt Meißen mit
allem, was dazu gehört), die Riutizgen (burch Veripreien: quantum Saxoniae
suis finibus possent adjungere), den rex Danorum (unter Berufung auf bie
promissio juramento confirmata unb mit der ®erhergung: se illi daturum
euncta quae sit pollieitus: vergl. ©. 74,n. 62), dann König Philipp — Latinae
Franciae rector — (buxch viele Berfprechungen, in Erinnerumg an bieantiqua ami-
eitia), ben König Wilhelm von England (unter Anerbietung, ut ei vicem redderet
aequam, si se umquam haberet necessarium), den Herzog Wilhelm von
Aquitanien — dux Pictavorum, matris suae germanus — (unter Anrufung
bes Grbarmens für den Neffen, zur Herftellung in regnum paris sa, quo
eareret injuste). Bon veridiedenen Seiten joll Heinzi IV blehnungen —
nur Wratiflav fagt zu: sic eum, ut suis partibus adjutor esset, aseivit --
fich zugezogen haben, von ben Liutizen: se Saxones multis belloram tempe-
statibus expertos agnovisse, et se raro vel numquam de bellis eorum
gavisos fuisse, sibi suam terram suficere, seque, si suos terminos defendere
valeant, contentos esse, von König Philipp (ille similiter a suis accnsatus
t pene paterno solio depositus): vix suum honorem, eui adhuc haerebat,
se dixit retinere, nedum isti suum, a gu penitus ceeiderat, temptabat reponere,
von König Wilhelm: se terram illam (sc. gentem Anglicam) belloram
violentia pervasisse, et ideo, si reliquerit eam, ne posthac recipiatur in
formidare, von Herzog Wilhelm: tantas Franeigenarum. Nortmannorum
Aquitanorum virtutes inter se et illum (sc. Heinrich IV.) esse, ut nullo in-
‚enio per tantam fortitudinem cum exereitu transire potuisset (341 u. 342).
iefebredht, II, 1137, bezeichnet in ben „Anmerkungen“ bieje Angaben ohme
Zweifel richtig ala „Erfindungen Bruno’3 oder unfinnige Gerüchte, wie fie_unter
den Gadjen umgingen“. Am meilten trifft mod da® Gelagte bei Herzog
Wratiflav zu, der ja wirklich 1075 unter die königlichen Truppen fein Gontingent
einteihte; nur if e8 ganz unwahrſcheinlich, daß Heinrich IV. durch das erwähnte
Anerbieten die ſeltſame Ungeihidlichkeit begangen habe, ben Markgrafen Elbert IL.
auf bie Seite ber Gegner hinüberzuftohen. Hinfichtlic; König Soend’s find nad)
der 1. e. gegebenen Crörterung, die fehon für frühere zei von Bruno ange
nommenen Verſprechungen Heinrichs IV. ganz umwahrideinlich, jo daB die
nunmehrige Erinnerung am biejelben nicht glaubwürdiger erſcheint. Ganz uns
glaublich iſt, daß ber König in eine Verbindung mit Wilhelm dem Eroberer,
den er ala einen Angreifer des beutichen Reiches kurz vorher gefürchtet Haben
ſoll (vergl. ©. 389), gedacht habe, und völlig einfältig, zugleich ein Beweis mie
wenig Bruno bie Dinge fannte, ift im Munde des englifchen Rönigs, der fo
ſtart ſtets auf dem Gontinent in Anfpruch genommen war und wat \heinlich
gerade 1074 innerhalb Drantreidhs weilte (vergl. ©. 390 in n. 108), das Motiv
der Ablehnung des Hülfegefucher. Nicht viel beffee ftebt es mit der Remmung
des Königs Philipp und bes jo eifrig bem Papfte hüljäbereiten Bruders ber
Raiferin-Wittwe (vergl. S. 435).
Heine. IV. Beihmachtäfeier in; Straßburg u. Vorbereitung f. d. Gadhfenteieg. 415
So wurde denn die in Straßburg abgehaltene Feier des kirch⸗
lichen Feſtes mit einer Verfammlung verbunden, welde durd bie
Anwefenheit nicht weniger fürftlicher Herren eine höhere Bedeutung
jewann. Ganz bejonders die oberdeutjchen Fürften, voran Herzog
bolf von Schwaben, werben ſich eingefunden haben. In einem
Glanze, wie das feit längerer Zeit nicht ber Ball gewejen war,
gigte ſich Hier der Hof, durch den Anſchluß zahlreicher Großer des
jeiches an den König. In engerem Kreife wurde hier zunächſt
über den in Ausficht genommenen Feldzug gegen die Sachfen ver-
handelt, und wenn aus die einfeitig gefärbte Nachricht, Heinrich IV.
habe nur durch eine die andere überbietende Spenden und Ber
ſprechungen die eingeladenen Fürften auf feine Seite gebracht, ganz
übertrieben Tautet, fo ift doch nicht zu bezweifeln, daß burch ge-
ſchidt angelegte Unterredungen hier der König die Anmwefenden
endlih dafür gewann, mit om jegenüber den Sachſen eines Sinnes
lin, zugleich mit ihm die Angelegenheit des ganzen Reiches in
Sade Herrſchers und feinem Begehren der Rache an den
Beleidigern der königlichen Hoheit zu erfennen. Es ift keineswegs
unwahrjcheinlich, Da, wie ein ſchwäbiſcher Berichterftatter erzählt,
die nothwendigerweiſe bald zu Tage tretenden Vorbereitungen der
triegerifchen Mafregeln als zu einer Erneuerung be3 ungarifchen
Feldzuges beftimmt für die Deffentlichfeit dargeftellt wurden 192).
157) Mebft Lambert, a. 1075: Cumque adessent quam plurimi ex prin-
sipibus, quos ille dedita opera de toto regno ad diem festum evocaverat,
habait cum eis misterium Soneilii sul, et cos modis omnibus ad Instauran-
dum bellum Saxonicum sollieitabat, was in breiten Worten nun näher aud-
geführt wird, mit ber eiblidh befräftigten pollieitatio am Gchluffe: si eorum
auzilio Saxoniam Thuringiamque recuperasset, quod ipsis utramque provin-
Sam, pro arbitratu suo inter Se partiendam ct perpatuo jure pössidendam
traditarus esset — unb der Berficjerung, Heintid) IV. Habe in glühendem Zorne
nihil quam sanguinem eorum qui se offenderant gewollt (219) — Ipredhen
der Annalit von 1075 an: Rex... . non parvis optimatum suorum gloriosus
<opiis officiose celebravit (sc. natalem Domini), et ibidem sub nomine
propelato Pannonicae quasi post pascha mox reiterandae expeditionis Saxo-
tiam cum exereitu ex inproviso adeundi artificioea jamjamque industrius
.... toi t
(88. V, 430) von biefen Vorbereitungen. Weit wahriheinlicer, ala die von.
Sambert behauptete ganz in Geheimnik gehüßte Berathung, if bie von ber erften
der beiben ſchwabiſchen Quellen Hingefteilte Lift, die gar nicht zu verbergenben
Rüfengen als gegen die Ungarn Berehnet hinzufteller. Daß unter ben ihren
Romn nad) nit befannten ZFürften fid) befonders auch Hero Rudolf befunben
Sim wird, in beffen Herzogthum ber Beriammlungsort lag, if theile aus
'runo, c. 35, zu jchließen, two nach ben in Excurs III. n. 11, ala unglaubwürbig
abgelehnten Behauptungen über Rubolf folgt: Ille . , - regi quomedo poterat
reconciliatur, et ei primus se cum suis omnibus Saxones hostiliter invasurum
licetur (341), theils von Grund, Die Wahl Rubolfs von Rheinfelden ala
önig, 47, und Sat Gefchichte ber Herzoge von Zähringen, 55 u. 56, der
aber andy bie Herzoge Berchtold und Welt anweſend fein läßt, mit Recht ange-
nommen. Mit großer Wahrfcheinlichteit zieht auch Strelau, Leben und Wirken
der Monches Bernold von St. Vlafien deipniger Differt., 1839), 21, wie ſchon
416 1074.
So konnten die Sachſen und die mit ihmen verbundenen Thüringer
um fo eher ungerüftet angegriffen werben, und nad) mehreren 1
herausſtellenden Anzeichen Ad auch wirflih die Bedrohten des
vollen Ernftes der ihnen geltenden Zurüftungen nicht von Anfang an
fi völig bewußt geworden.
Gregor VII. mußte, nachdem er auf der Fafteniynode mit
kirchlichen Strafmitteln in ftrenger Weife gegen Herzog Nobert
vorgegangen war, danach traten, unter Anwendung von Gewalt
den normannifchen Fürften zum Gehorfam zurüdzuzwingen und
aueh das Anfehen des römifhen Stuhles demſelben gegen-
über rrelen. So verließ denn der Papft nach dem 9. Vai
m 153). 5
Wohl ſchon zur Zeit der Synode hatte Gregor VII. für den
bevorftehenden Feldzug Verabredungen getroffen, weil damals
mehrere italienijhe Fürften, auf deren Sure er zählte, in Rom ſich
befanden. Fürſt Gifulf von Salerno, die Herzogin Mathilde, diefe
zugleich für ihre Mutter, die Herzogin Beatrix, außerdem Erzbiſchof
Wibert von Ravenna werben damals ihre Zufagen gegeben haben,
auf deren Erfüllung der Papft reinen mußte. Wibert hatte ind
bejondere auch nod), neben der Theilnahme an dem großen Kriegs
zuge gegen die Norinannen, verfprohen, nad dem Ofterfefte mit
Gregor VII. gegen die Grafen von Bagnarea, aljo am Tiber auf
wärt3 in nördlicher Richtung, auszurüden. Außerdem zählte man
in Rom auf die Hülfe des Fürften Richard von Capua. Ganz
vorzüglich war jedoch die Hoffnung auf Beatrix und Mathilde ge
fegt, deren Hülfsbereitfchaft in den umfangreihften Anerbietungen
zu Tage trat. In Monte Caffino erzählte man ſich, ein Heer von
dreißigtaufend Dann, unter denjelben, zur größeren Sicherung bes
Sieges, fünfhundert Deutfche, fei zur Bekämpfung der Normannen
von den beiden Frauen in Augficht gejtellt worden, und man wollte
wiffen, daß diefelben, als Gregor VIL. fi mit einer geringeren
Zahl begnügen wollte, ausdrücklich den Wunſch ausgeſprochen EA
mit fo großer Macht aufzutreten, damit nicht ein Mißerfolg
geſchehe und ihnen dann der fpöttiiche Vorwurf gemacht werde, dad
rühre daher, daß Weiber mit Dingen ſich befaffen, die fie nit
früher Uffermann in feiner Ausgabe ber Bernold’chen Schrift De incontinentia
sacerdotum bie Neuerung Alboin’s in Epist. II diefer Echrift: instat nostri senioris
(se. des Biſchofs Otto von Conftanz) in expeditionem eundi ornatio auf dieſe
Kriegaräftung heran (Libelli de lite, II, 11). Daf jett folche Bereitwilligleit zu
einer Kriegarüftung fich fand, beweift, wie wenig Bambert’3 Bethruerungen, über
bie Ablehnung des Reichsaufgebotes gegen Ungarn durch bie Fürften — vergl. ob.
©. 403, mit n. 135 — annehmbar find; denn die Damals nach Sambert'8 Angabe
vorgeicüßten CEntfcjuldigungen, befonber?: quod opes sune bello Saxonico
nimium attritae fuissent, aud) bie rei familiaris inopia, hätten ja jckt, nur
fünf Monate fpäter, noch ganz gleiche Gültigteit befeffen.
153) Bergl. ob. S. 349 und 372. J.4871, vom 9. Mai, ift noch aus Rom batirt.
Gregor's VII. Zruppenfammlung gegen Gag, Robert im römifchen Zußcien. 417
betreffen, und die Fürften jpielen wollten. Gleih von Rom ber
brach Gifulf ſchon mit Gregor VII. auf, welcher ſich verpflichtet
hatte, für ben Krieg gegen ben ihm verhaßten normannifchen
Schwager bie Solbaehlung zu beftreiten. Aber nach der gleichen
Schilderung, die allerdings gegen den langobarbifchen Fürften über-
haupt angenommen ift, Yon Gifulf fatt des nothmendigen Geldes,
unter dem Hohne der Römer, die das fahen, indiſche Zeuge und
feine Gewänder mit fi) geführt haben, ala wenn er Weiber
pugen und dienende Knaben befleiven wollte. So kam Gregor VII.
nad dem römifchen Tugcien hinaus und ließ am 12. und 15. Juni,
vier und fieben Tage nad dem Pfingftfefte, vom Heereszug hinweg,
Kundgebungen zuerit von ben Monti Cimini, diesfeits von Viterbo,
dann aus Fiano — öftlih davon, näher am Tiber — ausgehen.
Denn eben an jene Berge war der Sammelplag für das Heer, wo
ber Kriegsrath über bie weiteren Bewegungen gehalten werben
ſollte, [7 gt, und in Fiano wollte der Papit mit Beatrir zufammen-
treffen ?54).
) Weber die Abſichten Gregor's VII. bei feinem Weggange von Rom
hpricht Bonitho, Lib. VII, zuerit: Guibertus .. . pspae promittebat, se
contra Normannos magnam expeditionem facturum, et contra Balnı
comites se post qusche cum eodem papa castra metaturum (dad gleis
wiederholt), Kann: Interen venerabilis Gregorius expeditionem contra Nor-
mannos a Püsparabat. Veniensque obviam duci Beatriei usque ad castrum
Sancti Flabiani (Registr. I 85, vom 15. Juni, ifin expeditione ad Sanctum
Fiabianum batirt), eam simu), cum filia ad F 7 ei en
volentes pura mente papae obedire precepto (‘ ibli 1 659,
Amatup, L’Ystoire de Ni Normant, Lib. VII ct. 18.u. 18, enthält d
weitere Ausführungen: lo pape .. . comensa & emplir & son pooir ce quil
avoit commencie; et ordene. M&s que non trova home en son side, eercha
adjutoire de fame, et manda adonc message & B£atrix et aa fille Mathilde,
& li fait assavoir l'occasion pour quoi voloit lo papequ' elle venist parler
& ini. Et ceste, pour la foi parfaite de saint Pierre, et pour l’amour de
carit4 qu’elle avoit en lo vieaire de Dieu, puiz qu'il orent oi cest mande-
ment de lo pape, non targörent de venir & lui (bergl. ob. ©. 348, 361 über
die Anmwejenheit der Gräfin Mathilde in Rom), et s’appareillörent de faire
la volent& de lo pape, et promixtrent lo don de amener XXX mille che-
valiers, et pour faire la plus ferme de la vietoire Ini en prometoit entre li
XXX mille V cent Todeschi (: darauf folgen bie zwiſchen bem Papfte und dem
Kiofinnen gemechielten Worte —: Gregor VII. verachtet li it villissime
jormant und glaubt — quar aurons aide de lo prince Richart et de ceus
i habitent en celle part — an 20000 Mann genug 8 haben), hernach: Et
is‘ & sigrant dölib£ration clamörent lo prince de Salerne, liquel autresi
fü amoneste de paier li soldoier, et aporta deniers pour paier li chevalier.
Et Gisolfe non fu pigre, mes vint aldgrement et liement, quar il desideroit
de destraire lo duc Robert... . et aporta li denier liquel li estoient de-
mandez (: mit aneldotiichen Ausfchmüdungen über Gifulf‘e Auörüftung. Et
un lien qui se clame mont Cymino (Begistr. 1, 84, vom 12. Juni, ift in ex]
fione ad ‚montem Cimini batint: zum atum Dergl. in 2. 1 fü namen 16
pape, et Gisolfe prince de Salerne, lo domp, une bone je
cheralerie, et tractant de la voie coment il —S aler et de la maniere del
traitement dela traison (ed. Ghampollionstyigeac, 201 u. 202). In jeinerfritit der
Rittheilungen des Amatnd Hält Hicich, ge "ungen ur beutichen Geichichte, VIII,
312, wohl mit Recht Einiges in den Angaben, (heile der ol hoch angefeßten
Zahlen, theils der Beatrig und Mathilde zugefchriebenen Aeußerungen (der Betonung-
Weyer von Anonau, Zahrd.b. difh. R. unter geintig IV. u.V. vd. n. 27
418 1074.
Da nahm das ganze Unternehmen die ungünftigfte Wendung.
Als die Pifaner, welche fih zur Theilnahme an dem Feldzuge im
Lager an den ciminifhen Bergen gleichfalls eingefunden hatten, des
Gregor VII. begleitenden Fürften Gifulf anfihtig wurden, ſollen
fie — wieder liegt die Nachricht aus Monte Caffino der Erzählung
zu Grunde — der Gemwaltthaten, welche der Fürft früher Angehörigen
ihrer Stadt dur Plünderung, Gefangenfegung, Töbtung zugefügt
hatte, ſich erinnert haben, fo daß fie in haßerfülltes Gefchrei gegen
den Fürften ausgebrochen jeien und der Papft ſich gemöthigt ge
fehen habe, Gifulf nächtlicher Weile insgeheim nad Rom zu ent:
laffen, um ihn vor ernfter Gefahr zu N üigen, fo daß die ganze
Abrede zwifhen Gregor VII. und Gifulf gleichfalls dahinfiel.
Nicht beſſer ging es mit den Veranftaltungen, welche Beatrir hatte
treffen wollen. Gegen fie brad unter den Vaſſallen in ber
Lombardei ein Aufruhr aus, jo daß fie ihrerſeits dem Feldzug,
welcher auf diefem Wege für fie zur Unmöglichkeit wurde, aufgeben
mußte. Allerdings geihah in Fiano die verabredete Zufammen-
kunft mit dem Papfte; dann aber kehrten Beatrir und Mathilde
in ihr Land zurüd?®), Doc mochte nun auch Gregor VIL in
dem an Kaiferin Agnes eben am 15. Juni gefchriebenen Briefe be
dauernd melden, daß er zu dieſen Zeiten in nicht Fleiner Müd-
feligfeit für die Sache des Apoftelfüriten Petrus ftehe, daß er bie
Kirche Chrifti gewiſſermaßen als in ber Grabftätte der Anfechtung
liegend bezeichnen müfle, fo lobte er doch daneben in eifrigen
Worten, wie fehr Beatrir und Mathilde bei Tag und bei Nadit,
in Nachfolge der frommen und bienftfertigen Hingabe der Kaiferin
felbft, vielfach zur Hülfeleiftung für ihm ſich abmühten 1°).
des Geficgtöpunttes, ihnen ala Frauen, bamit es nicht beike: Li fame cerchent
les cosez qui non apartiönent & elles, liege eine ftärfere Anfrengung den
beſonders od, ebenjo der Gilulf nachgefagten ungünftigen Dinge für id,
und es if allerdings auffallend, daß Giefebrecht dieſer zwar mit viel zu faxen
Worten durch Hirih ala „albern“ bezeidineten anekdotilchen Wendung, II, 233
u. 254, volle Aufnahme barbot (Baift, I. c., XXIV, 330, vertheidigt auch hier
Amatus gegen Hirid).
185) Bonitho und Amatus ergänzen fi) wieber. Diefer läßt c. 13, am
Sammelpla de mont Cymino bie dort anweſenden Pilaner gegen Gitulf fi
erheben, fo dak Gregor VII. ihn entlaflen muß: il fu tout esbahi et ot grant
ur et grant merveille, et prist, conseill, en quel mani£re il porroit dölivrer
jisolfe, et en celle meisme nuit absconssment lo manda & Rome, et en
ceste manidre lor conseil fu tout deffait (l. c., 202 u. 203), wobei nur wieder
Amatus’ Abneigung gegen Gifulf in das Gewicht fällt. Fener fagt von ben
Fürftinnen: Quas ... Longobardicus varvassorum tumultus_impedivit;
nam, sedicione subita exorti, expedieionem dissipavere .. . Beatrix vero
cum filia ad propria rediere A. c., 681).
16) dem fchon ©. 379, n. 92, erwähnten Brieie, Registr. I, 85, J.
4873, ift neben der Empfängerin, Kaiferin Agnes — vergl. die ob. ©. 383 u 34
mitgetheilten Stellen, denen noch weitere in der zweiten Briefhälfte folgen, be
fonber® eine Vergleihung mit den mulieres olim quaerentes Dominum in
monumento — aud der Beatrir und Mathilde in nachbrüdlichfter Weite ge
dacht :vestram in omnibus Beatricem nec non et communem filiam nostram
Mathildim die noetuque in nostro multum adjutorio desudare, utpote vos
Scheitern d. Unternehmens; Gregor's VII. Rüdfehr n. Rom u. Erkrantung. 419
Immerhin ſah ſich jegt der Papft gezwungen, unverrichteter
Sache nah Rom ſich zurüdzubegeben 157).
In Rom nun aber wurde Gregor VII. längere Zeit ganz ge-
hindert, überhaupt feinen Verpflichtungen fi zu widmen. Schon
jeit mehreren Monaten ſcheint fi der Papft durch die ſchwere
Laſt feiner Gejchäfte, durch die Gefahren und Nachftellungen, denen
er fich ausgefegt glaubte, in Folge der gefammten von ihm als
äußerjt düfter angejehenen Lage der Kirche nicht nur gemüthlich
ſchwer gedrückt, fondern auch körperlich angegriffen gefühlt zu
haben. Wenigftens dürfen gewiſſe Andeutungen in Briefen, ſchon
feit dem Frühjahre, dahin erklärt werden, wenn er etwa an einer
Stelle klagt, daß er, obſchon abgeipannt, obſchon über die Kräfte
des Geifted und des Leibes hinaus angeftrengt, dennoch die un—
geheure Wucht der Angelegenheiten trage !®). Doch nur kurz nad
der Heimkehr nad Rom wurde nun der Papft_plöglic von einer
ſchweren körperlichen Schwäche ergriffen, welche ſich zu einem ſolchen
Grade fteigerte, daß e3 den Anſchein gewann, diejelbe werde das
Lebensende des Erkrankten herbeiführen. Auch nad) Gregor’3 VIL.
äigenen Worten war in feiner nächſten Umgebung die Hoffnung auf
ine Herftellung aufgegeben gewejen!®?).
sequentes, vos sicut dominam et magistram direipulae fideliter imitantes,
iumal da auch Agnes wegen Mathilde an Gregor VII. eine Frage gerichtet —
filie vestra Mathildi nos rogustis —, die er, doch ohne daß deren Inhalt
ertennbar wird, danfend beantwortet: Ac nos quidem pro ea libenter oramus,
unter Beifügung des Wunſches, gleich der Mathilde in das Gebet der Kaiferin
angenommen werben. Ueber bie augenblidliche Lage fagt ber Papft nur,
daß Agnes mil möge: nos in histemporibus pro causa beati Petri aı
prineipis in labore non parvo positos, und er nennt bie ecclesia Christi,
Sl unter Antaüpfung or bad monumentum, eine quasi in. sepalchro
sffictionis posita (Jaffe, Biblioth., II, 106—108).
17) Bonitho: Sicque infecto negocio, papa Romam remearvit (l. c.).
188) Registr. I, 62 (vergl. ob. ©. 871, mit n. 80) und 70 (vergl. S. 372)
enthalten foldhe Gtellen, dort in den Worten: Portamus, quamquam infirmi,
quamquam extra vires ingenii et corporis, soli tamen portamus in hos
@ravissimo tempore non solum spiritualium sed et saecularium ingens pondus
Begociorum; et casum nostrum cotidie ex imminenti sareina formidamus,
qui mustentationis auzilin in hoc saeculo nequaquam reperire quimus, hier:
javem inviti aecendimns. quse per undosum pelagus violentia ventorum
«& impeta turbinum et fluctibus ad adra usque insurgentibus in incerta
deictar . . Santa quippe Romana ecelesia ..... . diversis tentationibus,
uam plurimis persecutionibus ypocritarum, et hereticorum insidiis et dolosis
öbjectionibus continue et quotidie quatitur, mundanis vero potestatibus
veealte et evidenter per diversa distrahitur. Quibus omnibus obviare, et
ka et quam_plurimis aliis summopere cavere, post Deum et inter homines
zostri est officii et curae, specialiter horam cura die noctuque coquimur,
kis et similibus continue divellimur (1. c., 81, 90).
19) Bonitho’3 Angabe: Non longo post tempore (sc. nad) der Rüdkehr: -
wergl. n. 157) papa languore corporis in suburbio Romae subito corripitur,
de mar annahm: eum jam mortj destinatum (l. c.), wird beftätigt durch
Gregor’s VIL Brief vom 16. October, Registr. II, 9, J. 4882, mit der Angabe:
Dos praster omnium qui nobiscum erant, infirmitatem corporis eva-
fiese et jam bonam valitudinem recepisse (1. c., 122).
q*
420 1074.
So erwachte denn auch in Rom, während der Papft Frank
lag und die ganze beftehende Geftalt der Dinge in Frage geftellt
zu fein ſchien, bei ben Gegnern der von Gregor VII. vertretenen
verſchärften Ordnung und ftrengen kirchlichen Zucht die Luft, gegen
die neu getroffenen Einrihtungen vorzugehen. Dadurch, daß von
Anfang an in der neuen Regierung gegen die herrſchenden Miß:
bräude und Ausſchreitungen eingefhritten worden war, hatte fih
eine Fülle von Haß gegen den Urheber der Einſchränkungen an
efammelt, und der in Rom meilende lombardiſche Zeuge, welder
Fler mit fichtlihem Abſcheu auf die verbammenswürdigen ein-
gewurzelten Gewohnheiten binblidte, fonnte mehrere Gruppen von
Gegnerſchaften gegen Gregor VII. ausjondern. Erſtlich war der
Bapft elbitverfänblich auch im Ron felbft gegen die in ehelichem
eben jtehenden Geiftlichen vorgegangen, deren Beziehungen er nur
al3 buhlerifchen Umgang betrachten wollte; ferner aber hatte er
allen römischen Geiftlichen die Wahl _gelaffen, entweder unter Preis-
gebung de3 eigenen Beſitzes in kanoniſcher Weife zu leben, oder dann,
unter Verziht auf die Güter der Kirche, für ſich abgefondert zu
Haufe zu bleiben. Viele thaten wirklich das Legtere, fühlten nun
aber, gleich ihren Verwandten, bitteren Groll gegen den Urheber
dieſes große Einbußen für fie in ſich enthaltenden erzwungenen
Entſchluſſes, und ihnen gefellten fi die Söhne und Angehöriger
der mit Beifläferinnen lebenden Priefter bei. Ganz bejonders
hatte Gregor VII. bei der St. Peters⸗Kirche herrichende häßliche
öffentliche Aergerniſſe abgeftellt. Bei berjelben galt e3 als eine alte
Gewohnheit, daß jechzig oder mehr Thürhüter als bei Tag und
Nacht beitellte Wächter in dem Gotteshaufe fi aufhielten, welde
aber eine ganze Reihe von Ausfchreitungen in ihrer abwechſelnd
verrichteten Dienftzeit begingen. Obſchon Laien und verheiratet,
wenn auch zumeift nicht An vegelrechter Ehe, gaben fie fi, wie fie
ohne Bart und mit Mitren auf dem Kopfe ſich darftellten, als
Priefter und Cardinäle aus. Auf diefe Weife, und da außerdem
alle Altäre, mit Ausnahme de3 Hodaltars, in ihrer Gewalt fanden,
welde fie ſämmtlich alltäglich zu den Gebeten verkauften, wurbe es
möglich, daß fie die Andächtigen täufchten, daß gang befonders bie
ländlich einfältige Menge der Pilger aus der Lombardei, in
der Meinung, mit Prieftern zu verkehren, ihrem Gebete ſich eın-
pfahlen. Doch unter dem Dunfel der Nacht ließen dieſe ſchein⸗
baren Wächter auch verſchiedene Raubthaten und jhändliche Ent:
ehrungen fi zu Schulden kommen. Ferner verübten aber wirkliche
Cardinäle ebenſo unordentlichen Gottesdienft, indem fie ſchon lange
vor Anbruch des Tages aus Habjuht am KHauptaltare Meſſen
feierten. Diefen Mißbräuchen wehrte Gregor VIL, nicht ohne
Schwierigfeiten, in jehr entſchloſſener Weife. Cr vertrieb die bis-
Ben zächter von der Kirche und erfegte fie durch Priefter, be
ahl auch, daß die Kirche ben Betenden bis zur frühen Morgenzeit
verſchloſſen bleibe, um jenen Verbrechen, bie zur Rachtzeit geſchehen
waren, ein Ziel zu jegen; ebenfo verbot er, daß künftig vor ber
Erived. arger Gegnerichaften in Rom gegen Gregor VII., voran dch. Genciud. 421
dritten Tagesftunde am Altar de3 heiligen Petrus Mefje gelejen
werde. Aber durch ſolche notwendige Mafregeln hatte fi) der
Bapft ganz ſelbſtverſtaͤndlich bie zahlreihen durch bie Folgen ber-
jelben betroffenen Urheber der bisher geſchehenen Webertretungen
u heftigen Gegnern gemacht, welche nur einer Aufforderung be
hurften, um gegen ihn gemeinfam aufzutreten 19%).
Unter den vornehmen Römern war beſonders der Sohn bed
früheren Präfecten Stephanus, Cencius, zur Erregung von Feind⸗
feligleiten gegen Gregor VII. bereit. Dadurch, daß er früher als
ein hauptfählicher Anhänger des Cadalus ſich hervorgethan und
als Gegner Alexander's II. über Rom heftige Kämpfe heran-
augen hatte, war er bereits bei Hildebrand in Ihlimmen Ruf ge-
mmen. Schon damals hatte er durch die Ermordung eines —
durch Gevatterſchaft nahe ſtehenden Mannes, deſſen Haus er dann
xrſtoͤrte, Durch Gemeinſamkeit mit Räubern und Freibeutern, duch
Anlage feſter Thürme in der Stadt, von welchen aus er ben fried-
lichen Verkehr ftörte, fo ſehr alle Achtung verloren, daß nach dem
Tobe feines Vaters fein Menſch daran dachte, ihn zu deſſen Nach-
folger zu beftimmen, ſondern, nach gemeinfamem Bejchluffe, die
Prafectur einem in allgemeiner Achtung ftehenden anderen Cencius,
dem Sohne des Präfecten Johannes, übergeben wurde. Allerdings
war darauf, nach Cabalus’ Verdrängung und als berjelbe ſtarb,
zwifchen Gencius und dem Papſtthum Friede geſchloſſen worden; in
förmlichem Vertrage verſprach Cencius Treue, wie ihm dann nad
geredet wurde, er habe füße und milde Worte gar wohl anzuwenden
gewußt. Aber damit war durchaus fein wahrhaftes Verhältniß
jegenüber dem unbändigen und unzuverläffigen Manne gewonnen.
näbefondere geattete er fi von dem jehr großen und ftarfen
Thurme aus, den er an ber ätifgen Brüde errichtet hatte, durch
bie auf demfelben von ihm eingelegten Strolde die peinlichften
Gewaltthaten. An diejer Haupflädilihften Verfepräftelle zwiſchen
der eigentlichen Stadt Rom und der rechts vom Tiber liegenden
2eo-Stabt ließ er von Allen, welche durchgehen mußten, eine räu⸗
beriſch erhobene Abgabe fih entrichten. Jedenfalls war diejes
Treiben mit Gregor’3 VII. Erkrankung erſt recht toll geworben,
und noch Weiteres glaubte ſich jetzt Cencius, als es ſchien, der
Rapft ſei dem Tode gan nahe gerüdt, erlauben zu bürfen. Da er
für eine legtwillige Verfügung, durch melde ein Hof den Apoftels
fürften Hinterlafjen war, als Bejorger von Vertrauens wegen ber
elt worden war, fäljchte er das Schriftftüd und behielt, unter
1%) Bonitho zählt nad) einander multi pestilentes, justiciam odientes,
die zu Rom fi, befanden, auf, zuerft concubinatorum sacerdotum filii et
propingui, bann die Träger einer antiqua et pessima consuetudo, nämlich
inta et eo amplius mansionarii in beati apostolorum rincipis ecelesia,
mit fogar von avariciae questus erfüllte cardinales ala Auzüber einer alias
pessima consuetudo in ber gleicgen Kirche, welche alle Gregor VII. gegen fi)
aufgebracht habe (1. c., 680 u. 661).
422 1074.
Entrihtung von nur zweihundert Pfund an die Heiligen, den Hof
für feinen eigenen Nugen!*)).
In Rom war in der Umgebung des Papftes, vorzüglich bei
einem ſchon von ben Iombarbitäjen Angelegenheiten her dem Erz
101) Gencins ift ſchen in Bd. I, ©. 255, 258, 312.313, 316, ald Bundes-
gerofe und Gehülfe des Gabalus in den Jahren 1062 unb 1063 erwähnt.
jonitho gebentt feiner hier, in Lib. VII, wieder unter ben pestiferi_vel paı
propter justiciam odientes, unter rüdgreifender Aufzählung feiner Thaten, ald
ed latronum particeps et predonum adjutor, bis auf Alerander’s II. FR
wie er Romam ex lil fecit ancillam, aud) dadurch baß er in sancti Petri
ponte turrim mirae magnitudinis edificans, omnes transeuntes reddidit tribu-
tarios (bei dem durch die Annal. Romani, ®b. I, &. 255, n. 35, genannten
Zauwerle: in turre Cencii Stephani prefecti, que est in ponte beati Petri
iR jedenfalls auch ſchon an dieſen Thurm zu benten, ber aljo gewiffermaßen ein
ſorwert der bamale — 1062 — gleichfalls durch Gencius befeht gehaltenen Engelö-
burg war; Giefebrecht, III, 334, fehte den Bau be Thurmes zu fpät, erft ende
1074, an); bann jagt Bonitho von der Zeit der Krankheit Gregor’ö VIL:
Cencius . . odium, quod mente conceperat, subito evomuit, nämlid) ala fidei
commissor cuiusdam Uencii, eeilicet Gerar dieomitis filii, qui beatis apostolorum
prineipibus curtem unam testamento legaverat, wobei er - credens papam
Jam mortuum vel jam morti proximum — die Untericjlagung durchführte
ü. c, 659 u. 660, 661 u. 662 —: nachher mußte er, convalescente papa, unter
Geifeiftellung ben Hof zurüdgeben: Set eius furor non quievit) Außerdem tritt
Gencius in der Vita Gregorii VII. bes Paul von Bernrieb, ce. 45 u. 46, ehr
wejentlich hervor. Radıdem ber vir in Urbe perditionis filius mit einer Reihe
weiterer angehängter Berwünfchungen eingeführt worben ift, ad cuius confugium
omnis hereticus omnieque scelestus properabant ...: qui ad angmentum
tanti commercii .turres quamplures in Ürbe construxerat..... qui ad sui
destructionem quemdam suum compatrem oceidit, in euius domum, re non-
dum plene cognita, prorupit, qum etiam destruxit (dad fagt auch Bonitho:
Hie compatrem suum absque ulla causa interfecit et domum eius funditus
destruzit, 1. c., 660), et }o tanto scelere in turrim, quam vivente
suo Stephano, urbis praefecto, construxerat, serecepit —, geht ber Biograph
in e. 46 auf die Zeit Alexander's II. und des Gadalus zurüd: Ad cuius faci-
nus vindieandum vir Dei (sc. Hilbebranb) accensus, una cum adhuc vivente
papa Alexandro, maledictionis et anathematis eum vinculis allegavit. Ille
Vero ad augmentum suae confusionie cum quibusdam, quos sibi aseiverat,
Nicolao videlicet et Bertramo, ad perditionis filium seilicet Henricum regem,
properavit, et communicato magnae impietatis consilio Cadaloum Parmen-
sem, haereticum Romam conductum, hospicio recepit et proelia multe illius
ob adjutorium in Urbe commisit. Qui solatium omnes haeretici simoniaci
pro posse impendebant et per ipsum sanctam ecclesiam confundere dispo-
nebant. Dann tritt die Enählung auf bie Zeit nach Gabalus’ Tode (haeresiarcha
tandem illo mortuo) ein: confusus iste pactum se cum domino papa facere
et fidelitatem jurare spopondit; quod et feeit. Sed quae fides ei esse
potuit, eni; veritas nunguam adhaesit? (vergl, vorher in c. 45: Lenia quidem
sibi et duleia verba, sed in fine Tacula et adeynthium fuerant) . . . Siquando
eum venerabilis pater Gregorius ut a talibus pedem retraberet hortabatur,
in pejus quottidie suum vertebat pectus, sieque factum est, ut in ipea
turri, quam mirae magnifudinie supra pontem sancti Petri construxerat,
viros sicarios poneret, qui ab omnibus introeuntibus et exeuntibus ex rebus,
gu ferebanfur, praedam caperent (XBatteri}, Pontif. Roman. Vitae, I,
198 u. 499). Die ftärkeren neuerdings eintretenden Ausfchreitungen bes Cencius
fallen wohl in bie Zeit ber Rranfheit Gregor’ VII, wo er mehr wagen zu
bürfen glaubte; boch daß er auch über bie Genejung bes Papftes hinaus gefähr-
lich blieb, vergl. zu 1075, ©. 479.
Unwahrfheinlichteit geheimer Umtriebe Erzbiſchof Wiberrs. 423
bifchof Wibert von Ravenna mißgünftigen Berichterftatter, die An-
fit fpäter befeftigt, man habe dieſe Anzettelungen, welche im Laufe
Jahres zu Tage traten, auf die in das Frühjahr gefallene An-
wefenheit dieſes geheimen Feindes Gregor’3 VI. zurüdzuführen.
Wibert wurde da angeklagt, er habe in der Faſtenzeit, fo lange er
fi, bis furz vor Oftern, in Rom aufhielt, den Papft durch Ver-
ſprechungen, fo jener Hülfeleiftung gegen die Grafen von Bagnarea,
bingehalten und durch ähnliche Kunftgriffe getäuſcht, insgeheim
aber, unter den Borwande von Andachtsübungen, in allen Theilen
der Stadt, mit allen Gegnern des Papftes, allen böjen Kräften,
die er habe finden können, unter Beitehung und eidlicher Zufiche-
rung Freundſchaft geſchloſſen. Das ift ohne Frage aus nachher
folgenden Ereigniffen in diefe früheren Zeiten zurüdgetragen, ba
man fich eben den nachher fo gefährlichen Gegner Gregor’ VOL.
von Anfang an nicht anders denken konnte. Immerhin mag aber
das ganz richtig fein, daß Wibert den längeren ihm in Rom mög-
lid gewordenen Aufenthalt benügte, um gründliche Kenntniß ber
Lage der dortigen Dinge, ber Kräfte, über welche ber Papft ver-
fügte, wie hinſichtlich derjenigen, welche demfelben entgegenwirkten,
zu gewinnen !*®),
Jedenfalls war die Krankheit des Papftes in der Höhe des
Sommers für deſſen Angelegenheiten noch nad} einer weiteren Seite
hin ein Hinderniß geworden. Nachdem Gregor VII. den Plan einer
friegerifchen Züchtigung des Herzogs Robert in Folge ber bis Mitte
Juni eingetretenen Veränderungen hatte aufgeben müfjen, ſcheint er
ein andere Verfahren gegen den fehlbaren Vaſſallen gewählt zu
102) Benitho bemüht fi, Wibert in die Mitte aller diefer Beranftaltungen
des Abfalles und ber Treulofigleit zu_ftellen. Schon gleich im Anichluffe an
die in.n. 154 eingerüdte GteNe wegen Wibert’3 Verfpredjen betreffend Die Grafen
von Bagnarea heißt e8: His et talibus subdolis machinationibus animum
ppe nihil mali suspicantem deeipiebat. Animus vero eius, velut fere
juae iram gerens, nihil alind, quam quod post rei demonstravit eventus,
eogitabat. Wibert fol — per omnes fere quadragesimales dies, quibus inibi
moratus est, Romam orationis occasione Cireuiens — fi) bemüht haben, die
in n. 160 aufgezählten guicungue pestiferi vel papam propter justiciam
odientes, was im Laufe und am Schluffe diefer Nennung wiederholt wird, aufe
uhuchen — sibi faciebat amicos dataque pecunia sacramento vinciebat, wie
#% eben nachher folgt: veluti Catilina omnes sceleratos, quos potuit, sibi fecit
amicos —, darunter beſonders auch den in n. 161 cdaratterifirten Genciud:
Hunc talem et tam pestiferum conjunxit sibi Guibertus, et per eum se
armavit contra sanctam ecclesiam. Sulept fagt Bonitho von Wibert: Debine
Frofminquitate paschali festivitate licentiam remeandi — & venera-
Papa petüit et impetravit, promittens (sc. bie Striegähülfe gegen Yagnaren)
le, 659— 661), Wenn auch jedenfalld mit Köhnde, Wibert von Kavenna,
3, diefe Echilderung ais „den Etempel der Mebertreibung und Unwahrhaftigfeit
an der Stimm tragenb“ anzujehen ift — das allerdings nimmt er ala wahr«
Kkeinlich an, „daß Wibert mit all denen Fühlung zu gewinnen fuchte, bie mit
Gergor unzufrieden waren“ —, fo ift dagegen anderentheild das Beugnik dieſes
ae Senors —S daß —8 aibi ma suspicans, feine
ten! 'enntniß_ gehabt habe und leicht täufchen ließ, bemertensweri
(vergl. ſchon ob. S. 207 u. 208).
424 1074.
haben. Denn er ließ durch eine Botſchaft den Herzog auffordern,
fi in Benevent vor ihm zu ftellen und zu verantworten, worauf
Robert erwiderte, er habe kein Bewußtſein deffen, daß er gegen den
jeiligen Petrus oder gegen den Befehl des Papftes ſich verfehlt
jabe, fei aber ganz bereit, zum vorgejchriebenen Tage fih ein
gufinden, um feine Unfhuld durch den päpftlihen Spruch öffentlid
nd werben zu laſſen. So ftellte fi) Herzog Robert zu Benevent,
begleitet von ben tapferften Rittern, und auch die Gemahlin und
die Kinder führte er mit, wie denn der Mönd; von Monte Caſſino,
der diefe Dinge erzählt, Robert’3 Worte anführt: „Wer mir mein
Weib und meine Kinder nehmen wird, dem fol Alles eigen fein,
was ich habe“. Drei Tage harrte der Normanne auf Gregor’s VII.
Ankunft, und da biefer, in Rom feftgehalten, wie er war, fid nicht
einfand, rüdte er weiter vor. Aber aud; noch ferner ließ er Mel-
dungen unterwürfiger Art an den Papft abgehen, und zwar, wie
biefer nachher felbit bezeugte, von fo außbrüdlicher Urt, daß ſicherere
Verpflichtungen, als die hier dargebotenen, gegenüber feinem Lehn-
beren_befeftigt werben könnten 1a,
Dagegen fegte fich freilich Robert um fo beftimmter bie fort-
jejegte Befehdung des ihm zum Feinde ggemorbenen normannifchen
Kürten Richard, obſchon berfelbe mit Rom in enger Verbindung
Hand, zum Biele_ Der Herzog verband fih aus diefem Grunde
mit dem Herzog Sergius IV. von Neapel, und es ſchien zum Zus
fammenftoß mit Richard kommen zu follen. Da legte ſich Abt
Defiderius von Monte Caſſino vermittelnd dazwiſchen; denn er
war, wie ber Mönd feines Kloſters, welcher die Gejchichte der
Normannen jchrieb, fih ausdrückt, in der feltenen Lage, der Freund
ber beiden Feinde zu fein und als geiftlicher Vater den Herzog, wie
den Fürften gleichmäßig feinem Rathe unterworfen zu jehen. Zei
Averja kamen beide Gegner in freundlicher ‚Begegnung zufammen,
und die Ausficht ſchien vorhanden zu fein, eine Verföhnung zu er-
168) Amatus fehrt mit c. 14 von bem in n.’154 erwähnten Dingen zuräd
ala nt hardiesce et lo grant cuer de lo duc Robert: — li lögat de
Rome lo contrestrent de venir & la citE de Bonivent & oir ce que vonloit
ordener lo pape, et & respondre à lo pape de ce dont il se vouloit lamenter,
worauf Robert gehorfam fich einftellt, — ohne daß Gregor VII. fommt: Da-
fendist que venist Io pape troijors et puiz quo sot quil tardoit & veniz
Robert qui moult humble lui ala encontre. Als rfadhe bes bleibend
nimmt Amatu® an: Et en cellui temps, por l'offense de lo prince de Salerne,
li chevalier Pysen furent partis de Io Comandement ct volents de lo pape
et ne pot venir ä compl ent (203 u. 204). Auch Gregor VIL. beftätigte in
bem nad) feiner Herftellung geicriebenen ſchon in n. 159 erwähnten Briefe:
Robertum Guiscardum saepe supplices legatos ad nos miltere et tantae
fidelitatis securitate se in manus nostras dari Supere, ut nemo unquam
firmiori obligatione se cuilibet domino debeat vel possit astringere (. c.,
123). €8 ift nothiwenbig, um die Haltung Gregor’ VII. noch Mitte Juni und
biefe nachher folgenbe milbere Gefinnung mit einanber zu vereinigen, anzunehmen,
baß ber Bapft mac) der Verunmdglichung ber Friegeriichen Unternehmung ben
milderen Weg wählte, wo dann aber bie Anweſenheit Robert’3 in Benevent
nothwendigerweife in bie Zeit ber Krankheit traf.
Herzog Robert’3 Bezieh. 3. Gregor VII., Richard, Defiberius. Gregor's Genefung. 425
ielen. Doch nach längeren Unterhandlungen zerſchlug fi der
riedensihluß, in ganz bezeichnender Weife wegen der bie beiden
Normannen trennenden Beziehungen zu Rom. Bei der fhriftlichen
Aufzeihnung des abzufchließenden Vertrags hatte Richard den Satz
aufgenommen, daß er die Freundſchaft mit dem Herzog unbejchadet
feiner Zreue gegenüber dem Papſte bewahren wolle, welden Zujag
Robert fi nicht wollte gefallen laſſen. So mißlangen die Ver-
ſuche des Abtes, und erzürnt gingen bie Unverföhnten aus einander,
Richard nah Capua, Robert nah Calabrien 1%).
vom 28. Auguft ift wieder ein Brief Gregor’3 VII. bes
zeugt; jedenfalls war aljo jegt die Herftellung des Kranken fo weit
vorgefehritten, daß er feiner Angelegenheiten fi) wieder annehmen
konnte. An der Meeresküfte, in Laurentum, hielt ſich ber Genejende
auf, hernach, am 10. September, auf dem Rande des Gebirges, in
Tivoli 1), Schon nahm in dem vom erfigenannten Tage gegebenen
Schreiben Gregor VII. eine abermalige Saltenfpnode, auf die zweite
Bode der nächſten großen Faftenzeit, in Ausficht !*%). Bon den Briefen
vom 10. September jobann bezog ſich einer auf den Bruder der
Kaiferin Agnes, Herzog Wilhelm von Aquitanien, ber bereitwillig
feine innerhalb der verbotenen Verwandtſchaftsgrade geraten Che
löfte, dem aber der Papſt trog der Fürbitte der Kaijerin-Wittwe
auch nicht einmal mehr den Aufenthalt am gleichen Orte mit der
früheren Gemahlin geftatten wollte?°”); ein anderer betraf abermals
den König von Frankreid, dem Gregor VII. wieder feine höchſte
Unzufriedenheit ausſprechen laſſen mußte. Denn ernfthafter, als je
vorher, feßte der Papſt gegenüber dem biſchof Manaffes von
Reims und den Erzbifhöfen und Biſchöfen Frankreich's überhaupt
164) Amatus ſpricht, ce. 15—17 (204-207), fehr? eingehend — vgl. gleich
anfangs die Schilderung ber Fruchtbarkeit der terre % Napien — von ben Bes
jiehungen zwiſchen Robert und Richard und ben Bemühungen bed Abtes Defiberius,
been Stellung zu beiden Für — il estoit ami de l'un et de l’autre,
e’est-ä-dire de ces II princes liquel estoient anemis, laquelle choze poi de
foix avient que un puisse estre ami de dui anemis —, was Hirich, Forſchungen
par beutfchen —X te, VII, 68 u. 64, in Antnupfung an das Wort des Amatus
me. 22: et l’un et l’autre seignor se er&oient avoir victoire pour la merite
de saint Benoit et pour l’oration de li moines eu fehr gut dharafterifirt.
Richt mit Unrecht bezweifelt Hirih, 64, n. 2, ob wirflidh in der forteresce de
Apice — za, üblich dom Garigliano — XXX jors verhandelt worben fei.
105) J. 4874 it aus Laurentum, J. 4875 bis 4878 aus Tibur batirt.
16) Registr. II, 1, J. 4874, an bie universi episcopi et abbates Bri-
tanniae gerichtet, vebet zuerſt von der synodus quam in secunda ebdomada
il Deo auctore in apostolica sede celebrare destinavimus (I. c.,
[08 u. 109), während — vgl. ob. ©. 353 in n. 61 — danebm noch bie Er⸗
wähmung derjenigen dom 80. November ala einer bevorftehenben fortdauerte.
16) Registr. I1, 3, J. 4876, rühmt ben Guilielmus Pictaviensis comes,
xab ziwar quoniam, quod in praesenti vita vobis duleissimum fuit, exigente
Justitia reliquistis, fan aber, licet soror vestra, quam ut matrem Ailigimus,
imde nos interpellaverit, auf beren Bitte nicht eintreten, und gedentt ber in
Biel 2, I. 5, enthaltenen wegen ber gleichen Angelegenheit geichehenen
Kim bes Biſchofs ibert von Boitiere nad Rom (l. c., 111 u. 112, 109
u
426 1074.
in eingehender Erörterung aus einander, wie tief dieſes Land aus
feinem früher berühmten und mächtigen Stande durch das Umſich⸗
greifen ſchlechter Sitten herabgebracht worden jei. In einem lebens
vollen Bilde, das die düfterften Stellen aufweift, wird der Zuftand
des Reiches, die Gefeglofigkeit, die Zertretung des echtes, bie
gänzliche Löſung aller Ordnung, welche befonders auch den Pilgern
nad Rom durch Zufügung von unerhörter Mißhandlung fühlbar
werde, ausgemalt und babei die Gegenwart mit der nicht weit
zurüdliegenden Zeit verglichen, wo bei der Erlahmung ber könig-
lihen Gewalt ungeftraft alle Ungerechtigkeiten geſchehen jeien und
das Land von Krieg erfüllt war, einem Zuftande, über den man
Schmerz empfinden, aber nicht eigentlich fi verwundern mußte.
Doc viel ſchlimmer — fo wird ausgeführt — fei der jegige Zu:
ftand, und als deſſen Urſache ftellt Gregor VII. in beftimmten
Worten König Philipp hin, der, nit ein König, fondern ein Ty-
rann, auf Antrieb des Teufels & ſich darftelle. Philipp wird bes
ſchuldigt, er habe feine ganze Lebenszeit mit Unthaten befubelt, ſeit
er die Regierung angetreten, diefe in unnüger Weife elend und
unglüdlich geführt, das ihm unterworfene Volk nit nur auf ver-
brecheriſche Bahnen erfchlaffend geleitet, fondern geradezu durch
eigenes Beifpiel dazu angereizt. In Beraubung der Kirchen, in
unfäglihen Thaten des Ehebruhs und des Naubes; in Meineid
und Trug habe er nicht nur Gottes Zorn verdient, fondern auch
neulich, was noch nie, nicht einmal in erfundenen Geſchichten, von
einem Könige erhört worden fei, nach ber Weiſe eines Wegelagerers
fremden Kaufleuten, die von vielerlei Gegenden zu einem Markte
in Frankreich zufammengefommen waren, eine fehr große Summe
Geldes weggenommen, jo daß aljo er, ber ein Vertheidiger ber Ge-
fege und ber Gerechtigkeit fein jollte, gerade ala das Gegenteil
hiervon hervortrete und feine ſchlechten Thaten fi) weit über fein
Land hinaus zur Erregung der Zwietracht verbreiten. So erinnert
der Papft die geiftliden Empfänger feines Schreibens an den pro-
phetifhen Eprud, daß der Menſch, welcher fein Schwert vom Blute
ey halte, verflucht jei; denn durch mangelnden Wiberftand würden
jie Mitjchuldige des Königs werben, wenn er jolches begehe, und in
ehäuften Mahnungen mächt er es ihnen begreiflid, daß fie, wenn
ie nicht in ſchlimmen Verdacht fommen wollten, ihr Stillſchweigen
um jeden Preis brechen müßten. Sie follen alſo dem König ge
meinſam in ernftlichfter Weife in das Gewiſſen reden, um ihn auf
den guten Weg zurüdzuführen: denn eine ſolche rettende Auffor-
derung zu geben, widerftreite keineswegs dem Rechte und der Ehr⸗
furcht, wie fie aus der dem Herrſcher eidlich verfprochenen Treue
hervorgehen. Würde der Zuſpruch vergeblich fein und Philipp in
feiner Herzenshärtigfeit verharren, fo ift ihm von den Bifchöfen,
als käme es aus dem Munde des Papftes, zu fagen, daß er dem
Schwerte der apoftolifchen Ahndung nicht länger entgehen könne;
dur ganz Frankreich fol in dieſem Falle das Interdict öffentlich
verfündigt werben, unter gänzlicher Kosfagung der Bifhöfe von
Gregor’s VII. Briefe üb. db. Standb. Dingei. Frankreich, m. Anklagen Philipp's. 427
allem Gehorfam und aller Gemeinſchaft gegenüber dem Könige.
Aber Gregor VII. verſchärft am Ende dieſer Auseinanderfegung,
mit beftimmter Betonung, daß er aus Schmerz über das Verberben
von Rei und Wolf jo handle, noch feine Drohung: „Wir wollen,
daß es, falls der König auch bei folder Strafe nicht zu Verftande
getommen fein wird, fr Niemand verborgen oder zweifelhaft fei,
daß wir verfuchen werden, mit ber Hülfe Gottes in jeder Art und
Weiſe die Herrſchaft über Frankreich aus feinem Befige zu ent-
reißen. Gewiß werden wir ferner, wenn wir Euch in biefem fo
großen und jo nothwendigen Geſchäfte als lau erfunden haben
werben, auch Euch felbft, indem wir dann nicht länger daran
zweifeln, daß er, geftügt durch) Euer Zutrauen, umverbefjerlich ver-
bleibe, als jeine ienofjen und als Mitſchuldige an feinem Ver:
brechen des bifchöflichen Amtes berauben und mit der gleichen Straf-
waffe fchlagen“ 1°).
Vom 22. September an weilte Gregor VII. wieber in Rom !*P),
und Angelegenheiten, die ihm ſchon in N eligeren Theilen des Jahres
zu ſchaffen gemacht, nahmen ihn alsbald wieder in Anſpruch
Als Biſchof Gebehard von Prag, nad feiner gegen alle Er-
wartung gnädigen Entlaffung aus Rom im April, bei der Heim-
lehr vor jeinem Biſchofsſitze feierlich eingeholt worden war, hatte
ihm ein vertrauter Freund zu jagen gewagt, es wäre gut, wenn
ihm mit dem ſchönen Barte, der ihm unterwegs gewachſen war,
auch ein anderer Sinn zu Theil geworden wäre!?°), und in dieſen
168) Registr. II, 5, J. 4878 (l. c., 113—117), ſtellt zuerſt in einer allge»
meinen Einleitung den Zuftand des regnum Franciae in früheren Zeitabſchnitien
— jo aud ante aliquot annos ..... tepente inter vos regia potestate — und
in der Gegenwart dar und dann ala Urheber der ſchlimmen jeht beftehenden
Berhältmifie ſchlechtweg den Konig hin: Quarum rerum rex vester, qui non
rer sed tyrannus dicendus est, suadente diabolo sapıt et causa est, mit
engehängten Beweilen dafür. Der Spruch, Jerem. XLVIII, 10, ift aus ber
BWeisfagung über Moab, vefp. der ihon zu 1, 15. c., 26, n. 4), citirten
Etelle der Regula pastoralis Papft Gregor’s T. die dort ganz gleich, ivegen des
ercommunieirten Erzbiichofs Gottfried von Mailand, gebraucht worden war, ent»
nommen. Tas Schreiben ift ald Ganzes von bejonderer eindringlicher Fülle
des Ausdrudes. Am Schlufie verwendet fich Sregor VI. für einen Einzelnen
ber im Verlaufe bes Tertes erwähnten Pilger, fidelie noster, quem ab aposto-
lorum liminibus revertentem cepit (sc. Lanzelinus Belvacensis miles), in ſehr
nachdrũcklicher Weiſe.
10%) Dom 22. September find gleich die Briefe Registr. II, 6-8,
J. 4879—4881, batirt.
170) t. zuleßt ob. ©. 362. Die bezeichnenbe, jebenfalls gm wahre
Aneidote, bei Gosmas, Chron. Boemorum, Lib. I, c. 33 — der Bifchof zeigt
einem ber Großen, welche, quotquot erant sui clientes, de reditu eius valde
intes, ihm sub ipeo exitu silvae entgegentamen, feinen ihm gewachſenen
: Vide qualem barbam reporto, unb ihn ftreigend: Certe, et caesare
digna, worauf diefer antwortet: Placet nunc qnod laudas, domine; sed plus
Iaudarem, si animum mutatum cum barba reportares, quem o si mutasses,
poethac in fuisses (38. IX, 89) — erinnert ganz an bie Geichichte von
®. 1, &. 596, und zeigt, in wie geringem Anfehen dad Andenten des Bilchofs
im Prager Domcapitel im Grunde dennoch fand.
428 1074.
tadelnden Worten war zu Tage getreten, wie jehr auch die eigenen
Anhänger das umbeftändige und unwahre Wejen des Biſchofs
kannten. Denn ſchon gleid nad der Rückkunft muß Gebeharb
neuerdings, was er fo beftimmt gelobt hatte, umgejtoßen haben.
Während Gregor VII. ausdrücklich zerfügt hatte, daß Biſchof Jo:
bannes von Olmüg den Befig, über welchen er mit Gebehard im
Streite lag, bis zur Entſcheidung durch eine fünftige Synode inne
haben follte, war von Gebeharb die auch von Johannes ſelbſt ge
laubte Züge verbreitet worden, der Papſt habe fi zu jeinen
unften entjchieden, und darauf hatte Gebeharb fih in den Beſitz
der ftreitigen Güter gest. Ferner war er gegenüber dem Snap
Wratiflav, feinem ruder, mit Friedensbrud) vorgegangen un
hatte dann über bie gleise Sade unter unwahrer Berichterftattung
eim Papfte eine Anklage gegen den og vorgebracht. Darüber
empfing jet Gebeharb von Gregor VII. herbſten Tadel, E3 wurde
ihm zu Gemüthe geführt, daß er in Rom viel über Verdienen gütig
und mild aufgenommen worden fei, was er nun freilich nach feiner
Weiſe mit Ungehorfam, Lüge, Eidbruch vergolten habe. Gebeharb
wurde beftimmt angemwiejen, das widerrechtlich von ihm beſetzte Gut
an Johannes herauszugeben, dann zur Entſcheidung der Angelegen-
Bet, wie es feltgefegt worden fei, jelbft nad) Rom zu kommen ober
ten dahin zu ſchicken, und das Gleiche zu thun follte er Biſchof Jo⸗
hannes rechtzeitig den Bericht zugehen laſſen. Weiter wurde ihm
befohlen, den Frieden mit Wratiflav nicht weiter zu ftören, beſon⸗
ders aber nicht deſſen Leute ohne gefegmäßige Unterſuchung ihrer
Schuld mit kirchlichen Strafen zu belegen, da ſonſt ein joldes
Vorgehen ihm felbft am meiften gefährlich werben könnte, und für
den Fall, daß er wirklich über den Herzog ſich beflagen zu fönnen
meinte, wurbe ihm eingefchärft, bie Fr in Rom zur Anzeige zu
bringen. Gegenüber Wratiflav dagegen drüdte der Papft, indem
er demfelben zugleich den an Gebeharb geiöriebenen Brief mittheilte,
den Dank für die hundert Mark Silbers aus, welche durch einen
eigenen Boten unter Darlegung von Ergebenheit und Treue nah
Rom als Zins gefhidt worden waren; unter Sefigung ausbrüd:
licher Verurtheilung des Vorgehens des Biſchofs Gebehard forderte
der Bapft ferner den Seuog auf, falls Gebehard nun nicht alsbald
auf den geſchehenen Befehl Hin jenen Befig an Johannes wieder
einräume, denfelben mit eigener Gewalt aus dem angemaßten Gute
zu vertreiben und biefeg dem rechtmäßigen Anbaber für deſſen Kirche
zu übergeben. Biſchof Johannes jelbft endlich wurde, unter Weber-
jendung bes Inhalts der zwei erften Schreiben, durch den Boten,
den er jelbft nah Rom Hatte gehen lafjen, von dem Gefchehenen
unterrichtet und aufgefordert, die Burg, um die e8 ſich handelte,
und mas etwa fonft Gebehard abgeriffen habe, zu eigenen Handen
g ziehen, und babei tröftend ermuntert, gutes Muthes zu jein, da
er apoftolifche Schuß ihm nie fehlen werde. Nur deßwegen erfuhr
aud Johannes Tadel, weil er, obſchon er doch den Entſcheid Gre⸗
goris VII. gekannt habe, ſich zu der Annahme habe berüden laſſen,
Beußerungen Gregor’3 VII. in d. böhmifchen, in italienifchen Angelegenheiten. 420
Gregor VII. fönnte fi gegen feine eigenen Beſchlüſſe erheben und
feine Anſicht fo leichter Aare abändern !7?), ‚
is zum 16. October joe fi der Papft wieder ganz in
feinem förperlichen Befinden hergeftellt; denn an diefem Tage ſchrieb
er an bie Herzogin Beatrir und an Mathilde, daß er jeine gute
Gefundheit wieber gewonnen habe. Freilich weiß er nit, ob er
darüber mehr Schmerz empfinden oder mehr ſich freuen jole. Denn
wie Gregor VII. ſchon glei im Anfange dieſes Briefes von miß-
günftigen Gerüchten handelt, bie über ihn verbreitet jeien und auch
den beiden Frauen zu Ohren famen — er weiß freilich, daß er in
ihnen bie treueften und zuverläffigften Anhänger unter allen Fürften
der Erbe befigt, daß alfo auch folde von den böfen Menfchen ver-
breitete Rebe der Liebe und Eintracht der Freunde nicht ſchaden
werben —, fo fährt er nad ber Erwähnung der Genejung mit
dem Belenntniffe fort, er habe ſich nad dem Lande gejehnt, in
welchem Gott den Müben Ruhe und Erfrifhung biete. Doch nun
fei er nod für weitere Schmerzen und Aengfte aufbewahrt , da er
die faft vor feinen Augen Schiffbruch leidende Kirche durch feine
Kunſt des Steuerns herauszureißen vermöge. Er meint einräumen
zu müffen, daß Saracenen und Heiden ihre Religionsgebräuche fefter
halten, als die Träger des Chriftennamens die Gebote des göttlichen
Gejeges beobachten.
‚erner jedoch tritt der Papft in biefem gleichen Schreiben noch
auf einige unmittelbar vorliegende Sragen ein. Er will bie beiden
Farin wiffen laſſen, dh Herzog Robert ſchon häufig flehent-
iche Botſchaften an ihn abe abgehen laffen, welche die weit⸗
ehendſten Anerbietungen überbrachten, daß er aber — ber Brief
Demegt fih hier in ſehr nichtsſagend allgemeinen Wendungen —
noch für gut befunden habe, die Sache zu verſchieben und eine
En tſcheiduñg nicht eintreten zu laſſen. Dann bittet Gregor VII,
da er vernommen hat, eine der beiden Empfängerinnen be Schrei»
bens, Mutter oder Tochter, werde ſich zu diefer Zeit nah Deutſch⸗
land begeben, vor dem Aufbruch zur Reife noch um eine Unter
redung mit beiden Fürftinnen, da er ihre Rathſchläge, als von
feinen Schweftern und den Töchtern des heiligen Petrus, in feinen
Angelegenheiten dringend wunſche. Endlich werden fie für ben
Markgrafen Albert A530 II., der in feiner Cheangelegenheit wieber
in Rom ſich zu ftellen verſprochen Hatte, um Zufierung ſicheren
durch ihr Gebiet erfucht, indem berjelbe jegt, und außerdem
zur Ertheilung von Auskunft die Bifhöfe Wilhelm von Pavia und
Herbert von Modena, buch den Papft nah Nom vorgerufen
worben ift!7%),
ı71) Die fämmtlichen in n. 169 erwähnten Briefe, an a jarh,
Hesgog Bratillav, Bifhof Johannes (I. c., 118-122), begiehen fih auf die
eidg, Angeleaenbeit, j .
) str. II, 9, J. 4882 (1. c., 122 u. 123), ift ſchon inn. 159, wieder
im n. 163 erwähnt. Hinfihtlich der Verſuche Herzog Robert’3 fährt Gregor VII.
430 1074.
Andere Weifungen und Meldungen gingen an deutſche Biſchöfe
ab. Erzbiſchof Udo von Trier foll zugleih mit Biſchof Hermann
von Meg gegen Biihof Pibo von Taul eine Unterjudung an
ftellen, weil ein Geiftlider von Toul vor. Gregor VII. jelbft gegen
feinen Biſchof, als einen Simoniften und fleifchlicher Vergehen Ans
eihuldigten, noch außerdem die Anklage von fih aus eingebragt
Hatte, er jei auf Pibo's Befehl wegen der Erhebung eines An-
ſpruches auf eine Kirche durch deflen Kriegsmannſchaft bedroht,
dann aber alles Beſitzthums beraubt und zur Flucht gezwungen
worden; Udo und Hermann haben eine Verjammlung der Geift-
lichen von Toul zu veranftalten und das Ergebniß der durchgeführten
allfeitigen Prüfung nad Rom zur Synode einzuberichten, die —
nicht mehr in der zweiten, wie anfangs beabfichtigt — jegt in der
eriten Woche ber nächſtkünftigen Faftenzeit abgehalten werden fol.
a einem weiteren Schreiben werden die Biſchöfe Wernher von
traßburg — demfelben ift dadurch vollends, gegenüber der vorher
noch feftgeiegten Einſchränkung, das Zutrauen des Papftes wieder
bewiejen — und Burchard von Baſel aufgefordert, die beiden Grafen
Gerhard und Hugo — es waren der Neffe und Großneffe des Papftes
Leo IX. — vor fi zu berufen, weil diefelben, wegen bes An-
ſpruchs auf bie Vogtei des Frauenklofters Heiligkreuz im Elfaß, der
von Leo IX. an die römiſche Kirche zu Eigenthum übergebenen
Stiftung der Eltern des Papftes, in Streit gerathen waren und
dur ihre kriegeriſchen Einfälle und Plünderungen die Güter des
Gotteshaufes fehr empfindlich ſchädigten; unter genauer Anlehnung
an das Privilegium Leo’3 IX., weldes durch alle Geſchlechtsfolgen
aus dem Egisheimer Haufe ftet3 dem Aelteren die alleinige Bejor-
gung der Vogtei zumeife, ſollen die Biſchöfe nach der Unterſuchung
der Sade vor: eben. und zwar, da nad Gregor’3 VII. Wiſſen
Gerhard der Neltere und Berechtigtere fei, jo, daß fie, wenn fie das
aud fo finden, Hugo mit kirchlichen Strafmitteln für die Zukunft
bedrohen, wenn er nicht nachgebe. Durch einen dritten Brief wird
an Etzbiſchof Anno eine Sireitſache, an der auch Biſchof Benno
von Osnabrüůck betheiligt ift, zur Beurtheilung empfohlen; demnach
Tann auf den Fall, daß der Ami durch Anno nicht geſchlichtet zu
werden vermag, aud Benno Er den auf die nädfte Faſtenſynode
nah Rom norgerufenen Geiftlihen gehören. Daneben aber ver-
jäumt Gregor VII. nit, au noch anhangsweiſe in dem Briefe
dem Erzbiſchof zu empfehlen, daß er außer in ben Kirchen des
eigenen Sprengel auch in allen Kirchgemeinden der dem Cölner
fort: Sed nos, non incertas rationes, cur illud sit adhuc differendum, consi-
derantes, supernae dispensationis et apostolicae procurationis consilia prae-
stolamur. ann folgt: Ad haec alteram vestrum hoc in tempore transal-
pinaturam intelleximus, Betreffend den zulekt erwähnten Punkt: marchionem
Azzonem in synodo nobis promisisse (etc.) vergl. ob. ©. 352.
BäpftL Befehle deutſche Kirchen betreffend; Schreiben an König Salomon. 431
Erzfprengel unterworfenen Bisthümern die Vorſchrift der Keuſchheit
der Geiftlichen anbefehle 1"®).
Beſonders bemerkenswerth ift jedoch das am 28. October an
König Salomon von Ungarn abgegangene Schreiben, in welchem
Gregor VII. in offentundiger Weife bereit mit feinen Anſprüchen
auf die Oberherrſchaft der römifhen Kirche über Ungarn hervor
tam. Buerft zeigte der Papſt Salomon an, daß wegen des Säum-
niffes des Boten der Brief des Königs — augenjeeinlich hatte ſich
Salomon nad) dem Mißgeſchick Heinrich's IV. an den Papft ge
wandt — ihm erft ſpät zugekommen jei, und dann fährt er wört-
lich fort: „Diefes Schreiben hätte unfere Hand mit viel mehr
Freundlichkeit aufgenommen, wenn nicht Deine unvorfichtige For-
derung ben heiligen Petrus fo fehr beleidigt hätte. Denn wie Du
von den Alten in Deinem Vaterlande Kunde gewinnen kannſt, ift
das Reich Ungarn der heiligen römifchen Kirche eigen, vom König
Stephan einft dem heiligen Petrus mit allem Rechte und feiner
Gewalt dargebracht und in treuer Weife übergeben. Außerdem hat
Kaijer Heinrich frommen Andenkens, als er zur Ehre des heiligen
Petrus jenes Reich eroberte, nach Niederwerfung des Königs und
173) Registr. II, 10, J. 4883, vom 16. October, betrifft den in Bd. I,
©. 592, 629, genannten Biſchof Pibo, der angeflagt wird, alö der simoniaca
beresis — archidisconatus consecrationes ecclesiarum et ipeas ecclesias
vendendo — ſchuldigq, ald cum muliere quadam — de qua filium genuisset
— in publica fornicatione lebenb (uody mehr: quamque rumor esset sacra-
mento et desponsatione, laicorum more, sibi copulasse), al pactione Rn
mü zum Bifchofäamte gelangt (noch durch Registr. I, 81, J. 4869, war Biſchof
Poppo, wie er da heißt, neben dem gleichen jeht binfichtlich feiner beauftragten
Hermann, durch Gregor VII. als Gehülfe Udo’3 für vine den Bifchof Theoderidh
von Berdun betreffende Anı eegenbeit, 6. Mai, angerufen worden). Die Synode
iR num bier in die prima Be lomada qusdngesimae angefegt (vergl. dagegen
2. 166: ebenfo nachher in ben Briefen 21, 23, 25, 28, 30, 38, 35), zu weicher
got fie denn au wirklich best, zu 1075, ©. 451) abgehalten wurde (124 u.
125). Regiatz. , 14, J. 4887, vom 29. October (wegen Wernher’ vergl. zu.
it ©. —9 — bezieht fich auf das bei Gteinborff, Seurih IT, IL, 101, genannte,
duch J. 4201, von 1049, von Beo IX. bem apoftoliichen Stuble unterworfene
Ronnenflofter 'igentreuz bei Woffenheim im Eliaß, um welches, wie Gregor VII.
jept meldet, Gtreit befteht: mepotes illius (sc. Seo s IX.), Hugo videlicet et
Gerardus
2
todember an Amio gerichtete Auftrag betrifft die lis quae inter Benno-
nem Seburgensem episcopum et (Wernherum) Corbeiensem abbatem ac
quandam abbatissam versabatur, den ſchon bie Legaten Anno zur Schlichtung
empfohlen (vergl. ob. ©. 398 in n. 126), und empfiehlt im Anhang daran:
üt... presbyteros diaconos et subdiaconos admonitionibus tuis caste vivere
facias — caeterae virtutes apud Deum sine castitate nihil valent, sicut
nee sine caeteris virtutibus castitas — (138 u. 139).
432 1074.
errungenem Siege, eine Lanze und eine Krone an ben Körper bes
heiligen Petrus nah Rom geſchickt, und zum Ruhme feines Sieges
riätete er an den Ort, von welchem er erkannte, daß dahin
Urfprung der Würde der Königsherrfchaft gehöre, die Abzeichen
derjelben. Während nun das fo ſich verhält, haft Du dennoch, in-
dem Du aud in den übrigen Dingen von Tugend und Sitten eines
Königs weit abwicheſt, bad Recht und die Ehre bes heiligen Bern
fo weit fie Dich angingen, verringert und fie entfrembet, Du
defien Reich von dem Könige der Veutſchen, wie wir gehört haben,
zu Lehen genommen haft. Wenn das wahr ift, jo weißt Du ſelbſt
wenn Du auf Gerechtigkeit denken willſt, auf welche Weife Du auf
die Gnade des heiligen Petrus oder unjer Wohlwollen hoffen mußt,
fo nämlich, daß Du diefe Gunft nicht auf anderem Wege haben,
noch auch, ohme apoftolifche Beftrafung fürchten zu müſſen, über-
jaupt lange herrſchen wirft, außer denn Du amerfenneft, unter
jeflerung Deines Irrthums, das Scepter des Reiches, dad Du
inne haft, als ein Sehen der apoftolifhen, nicht aber der königlichen
Hoheit“. Gregor. VII. kündigte am Schluſſe des Schreibens an,
daß er die Ehre des heiligen Petrus weder aus Furt, noch aus
Liebe oder irgend einer perſönlichen Rüdficht aufgeben, dagegen,
wenn Salomon das Geſchehene verbefjern wolle, demjelben als einem
Sohne der römischen Kirche alle Güte erweifen werbe!’*. Co
forderte denn ber Papft in dem weitgehendften Umfange Rechte auf
ein Reich, welches allerdings unter der Segengertheilung des Papftes
Silvefter II. gegründet worden war, niemal3 aber fi) in dem
Rechtsverhältnifie befunden hatte, wie das jegt von Rom ber gel-
tend gemacht werben wollte, und insbeſondere wurden nunmehr aus
einer Ehrenerweifung Heinrich's II., wie fie allerdings nach der
Befiegung Ovo's und der Wiedereinjegung König Peter’3 unter
deutſcher Oberhoheit eingetreten war, Folgerungen gezogen, an
welde jener König am wenigften in einem Augenblide großen
Waffenerfolges gedacht hatte. dem jegt Gregor VII. dem aller»
Bings in große Noth gebraten König Salomon zwar den Königs-
titel_ noch zugeftand, Fine Niederlage aber als eine Strafe des
Apoftelfürften darftellen wollte, gedachte er ohne Zweifel, benfelben
zur Trennung feiner Beziehungen zum beutjchen Reiche zu nöthigen;
allein Salomon hätte feine eigene legte Hulfsquelle aufgegeben, wenn
er von Heinrich IV. fich Iosgefagt haben würde.
Inzwiſchen war die auf den 30. November einberufene Synode,
11%) Registr. II, 13, J. 4886 (127 u. 128), geriet an Salomon rex
Ungarorum (aud nachher: tu. ... a regia virtnte.. . discedens — reptrum
regni quod tenes — vitam tuam ut regem decet instituere), fo baß «Io ber
Königatitel dem Vertriebenen nicht verfar wie, verweift auf Rechtöporftell ragen,
wie fie alerbinge. erft jehr viel fpäter, im 17.9 hundert in ber gefäljchten Rh
von 1000, J. 3909, niedergelegt wurben, und auf bie von Gteinborff, wich U.
1, 234 u. 235 (n. 2), behandelte Neberjenbung der Königslanze unb einer Be
nad Rom an die Et. Peterälicche, wahrſcheinlich 1045. Bergl. auch Büdingr
Defterreichiiche Geſchichte, I, 434, über diefes frühere Ereigniß.
Erhebung päpftl. Anfprüche auf Ungarn; Vorrufung Erzbiſchof Liemar's. 433
von beren ‚Derbanbfungen allerdings nicht? befannt ift, vorüber
gegangen !"®). Einzig das tritt als Folge berfelben hervor, daß
zwei auf jenen Zeitpunkt vorgeforberte hohe Geiftliche, ein deutſcher
biſchof und ein italienifcher Biſchof, jegt neuerdings auf die
Faſtenſynode einberufen wurden.
Erzbiſchof Liemar war der Einladung der beiden Legaten zu
ber Synode nicht gefolgt'”°) und je fih auf diefe Weife, am
12. December, einen ſehr ſcharf —8 tenen Tadel Gregor's VII. zu.
Ganz geſchickt wird zuerſt dem Seht ven aus einander gejegt, welcher
Barth in Rom gerade auf feinen Eintritt in das hohe geiſtliche
Amt gefegt worden fei. Einen treuen ah jatte die römifche
Kirche in ihm zu erlangen gehofft; eine feite Mauer, ein Führer
des Glaubensſchildes und des Schwertes Chrifti hätte er fein ſollen,
und jegt hat Rom von ihm, ala einem Feinde und Angreifer, eine
unerhörte und ganz ſchändliche Zurückweiſung zu erfahren gehabt.
Augenſcheinlich hat Liemar jein Verfprechen vergeflen, ber fano-
niſchen Verpflichtung, melde treue Liebe und beraten Gehorfam
forderte, fich entſchlagen. Der Brief zählt alle Verſchuldungen auf,
mit welchen ſich der Erzbiſchof gegenüber ben Legaten belub, um
jan mit dem Vorwurfe, baf er zur kürzlich abgehaltenen Synode
ih nicht ſtellte. So erhält er den Befehl, zur Faſtenſynode ſich
einzufinden. Doch bleiben bis dahin alle Verrichtungen bes biſchöf -
—e— kraft apoſtoliſcher Machtvoltommenheit für ihn auf-
g um),
Am gleichen Tage wurde Bifhof Kunibert von Turin in ähn-
liher Weiſe belangt. Zwar meinte Gregor VIL, daß er gen des
Biſchofs Vermeſſenheit noch härter vorgehen ſollte — derte be war
nit nur nicht zur Synode gefommen, fondern hatte auch gegen
das unter dem Schuge des römifchen Stuhles ftehende Klofter San
Nicele della Chiuja und deſſen Abt Benedict II. Beeinträdhtigungen
fh zu Schulden kommen lajfen —; doch wollte der Papft ſich der
brüderlichen Liebe demfelben gegenüber noch nicht ganz entſchlagen,
freilich in Erwartung der Beſſerung Kunibert's. Bis zur afln-
s) Deal. ob. ©. 353 in .n. 61. ı i
16) In bem ob. ©. 381 in n. 93 ſchon in einem erſten Stüde benußten
Briefe Liemar’s Liegt bie beſtimmte Anbeutung, dab der Erzbiſchof zu dieſer
eitirt war.
17) Der in ber erwähnten n. 98 ſchon benußte Brief Gregor's VII. an
Liner beilagt fid) auf a era nores tempora immu-
tata. Quem murum inezpugnabilem pro sancta Romana ecclesia... puta-
bamus, quem scutum fidei, quem gladium Christi sumere debere .. . cre-
debamus, jam eius (sc. Romanae eecleeiae) nostrumque inimicum nostrum-
jue inpugnatorem invenimus te, und dann betont er: ad institutum terminum,
testivitatem scilicet sancti Anı , non venisti. bem von n. 176 ge»
neunten Briefe jagt Siemar: Nune dominus gem multum iratus pro furore
rum illorum et interna (fo Gieſebrechts Emenbation) suggestione me
Romam ad hanc proximam syrodum, que in ‚prima timana quadra-
Keime celebrabitur, vocat, ab offcio episcopa mependit, dum Teniam
ipsum. j
Weger von Anonau, Jahrd. d. diſch. R. unter Heinrig IV.u. V. 88.11. 28
434 1074,
fuhr folte Abt Benedict in Rom bleiben und dann die Unter:
uhung und rechtliche Entſcheidung gegenüber dem Kloſter ftatt-
finden, bis dahin aber das Iegtere durch den Biſchof unbehelligt
fein. Gegenüber Ungehorfan erinnerte der Papſt ſchon jet daran,
daß er nah dem Vorgange der heiligen Väter da Klofter durch
das Anfehen des heiligen Petrus verteidigen werde !7?).
Auch die Eheangelegenheit des Markgrafen Albert Azzo IL
hatte am 30. November nicht verhandelt werden fönnen, da Biſchof
178) Registr. II, 33, J. 4906, betrifft ſpeciell aud; das venerabile mona-
steriam sancti Michahelis: Nos enim abbatem monasterii usque ad synodum
sc. quam in prima septimans quadragesimae celebraturi sumus) nobiscum
retinebimus... Interim etiam monemus, ut nullam inquietudinem
loco inferas (147 u. 148 ſchon in Registr. I, 37, J. 4308, 7. December 1078,
Hatte Gregor VIL, neben bem Klofier Bruttuaria auch ben Clusini monasterü
abbatem et ipsius cenobü res... quem sub gravi_tribulationum fasce
laborare audivimus, an die Martgräfin Adelbeid von Zurin empfohlen, 55).
Die Vita Benedieti abb. Clusensis (nämlid) des Benedictus Junior Ymebict’a IL)
I hrieb der Mönd Wilhelm eben dieſes Kloſters (edirt SS. zII, 197— 208)
ch e. 2 ſoll ſchon 1066 beim Tode des Vorgängers, bes Abtes Petrus, Kunibert
ui ex bonis initiis malos eventus habuit) — ne forte improba lues
'aurinensis praesulis (über benfelben vergl. Ob. I, ©. 194, 379, 633) zese
contra canonum et regulae sancta decreta ex more interponeret — arg:
wohniſch im Stlofter angeſehen worben fin, dann nach Benebict’3 Wahl, der in
thetorifcher Uebertreibung ber Beifall der totius Italiae marchiones et duces
pulique universi_zugeftimmt haben foll, die Weihe demſelben abgeſchlagen
Babe, mit herben Worten, 3. B.: Mea est electio, meus erit abbas meique
juris (ete.); fo wendet ſich Benedict (c. 3) nad) Rom, wohin ihm Kunibert —
cum suo quodam exereitu pro viribus persequiturus — nachjfolgt, mo num
aber dor dem conventus sacrorum pontificum et cardinalium angefichts
Aleranber’s II. vorzüglich archidiaconus Gregorius den Biſchof in herbften
Worten abweift, u. a. mit: An putas nos ignorare illius loci (sc. monasterii,
das ſchon der Stifter Hugo an die römifdhe Kirche übergeben habe) tutelam
Romanae ecclesiae sedem solummodo pertinere?, worauf bie Weihe bes
Abies flattfindet (durch Urban II. ift 1095 in J. 5551 auch einer durch Alegander II.
bollaogenen Beftätigung ber Freiheit des Kloſters, body ohne Angabe der Zeit,
jebachtl. Aber zug e. 9 hat Aunibert, der vorher unter guten orten feinen
aß et fein Verfprechen, das Mlofter unangetaftet zu lafien, nicht gehalten,
jodaß ber Yufammenhang mit: Operae pretium est jam nunc adversitates
las multiplices, quas a symoniacis et seismaticis, maximeque a Chuniberto
Taurinensi perpessus est, inserere — auf biele Berhältniffe eintritt, twie
ſchon unter Alexander IL. von Kunibert begonnen wurde: multis oblocutionibus
et abusivis injustisque exactionibus abbatem vexando Iacessere, dann aber
vollendz unter deſſen Nachfolger die Sache fortichritt: Gregorio archidiacono
apostolatus culmen adepto, cum inter eum et regem Heinricum propter
Bi
ziemlich werthlos, und das Gleiche gilt von ben auf ihm beruhenden Mono
gapdien über das Klofter, zuerft des Abbate Guftavo de’ Conti Avogadro di
jaldengo Storia della abbazia di 8. Michele della Chiusa, Rovara, 1897,
34 fi, dann des Barons Gaubenzio Glaretta Storia diplomatica dell’ antica
abbazia di 8. Michele della Chiusa, con documenti inediti, Zurin, 1870, 21 ff.
Maregelungd. Biſchdfe Kunibert v. Zurin, Wild. v. Pavia, König Philipp’. 435
Wilhelm von Pavia, der Bruder der in Unterfuhung ftehenden
NMarkgräfin Mathilde, nicht zugegen gewefen war. Aud ihm wurde
nunmehr — am 16. December — auf bie Faſtenſynode neuerdings
jeboten und zugleih an feine Schwefter ein Schreiben abgelaflen.
enn der Papft will e8 nochmals auf bie gejeglihe Vertheidigung
bes Biſchofs und darauf, daß er vorher die in Rom abgelegten
Zeugniffe und Eide umzuwerfen vermag, abgeftellt fein lafien, ob
nit die Ehe zwiſchen dem Markgrafen und Mathilde erhalten
bleiben fann. Schon bei dem Eibe, welcher dem Markgrafen auf
erlegt wurde, hat nämlich Gregor VII. ji vorbehalten, für ven
Fall, daB der Biſchof genügende Beweisgründe geltend machen Tann,
die Zurüdführung ber Mathilde und die Herftellung der Che jenem
auzugeftehen 179).
Dagegen jah fi der Papft gezwungen, die beabfichtigten
ſcharfen Mahregefn gegen König Philipp von Frankreich im Auge
iu behalten. Schon am 13. November hatte er es für angemefjen ge⸗
hatten, den Herzog Wilhelm von Aquitanien, von weldem er zwar
voraußfegte, er Tenne die von dem König verübten ungerechten
Handlungen bereits, als einen „den beitigen Petrus und den Papft
in reiner Gefinnung liebenden und über die den König bebrohenden
Gefahren mit dem Papfte zugleich von Traurigkeit erfüllten“ Fürften,
nod eigens über die den Kaufleuten sugefügte Gewaltthat zu unter-
richten; der Herzog follte mit einigen aus den vornehmften Großen
des Reiches nochmals bei dem König den Verſuch mächen, um ihn
auf beſſere Wege zu bringen, unter den ftrengften Androhungen für
den Fall der Unbelehrbarkeit: „Auf einer römifchen Synode werben
wir den König vom Leibe und von der Gemeinſchaft ber heiligen
Kirche und ebenjo einen Jeden, welcher ihm die königliche Ehre
und den Gehorfam noch erweiſen wird, ohne Zweifel abtrennen,
und es wird Tag für Tag am Altare des heiligen Petrus feine
Ercommunication bekräftigt werben“. Am 8. December ging darauf
an Erzbiſchof Manafjes ein Schreiben ab, das wieder die Angelegen⸗
heiten der beraubten Kaufleute aus Stalien und aus anderen Län»
dern demfelben an das Herz legte, mit ber Verficherung, Gregor VIL,
werde fi, wenn ber König fein Unrecht gut made, freuen und
Gott Dank und Lob ausſprechen, dagegen im anderen Falle dem—
felben zugleich mit Gott und ber Kirche feindfelig fein. Außerdem
kündigte der Papft dem Erzbifhof die Ankunft von Legaten an,
. pl fen»
8* —X jaodsi fortasse praejudicium te pati existimas et testimonia
stque sacramenta de consanguinitate vestra improbare poese confidis.
23*
436 1074.
ließ aber auch beftimmt erfennen, daß er feinen Beſuch in Rom er-
warte 180),
Je jchwieriger fi) die Be; fehungen des römifchen Stubles zu
dem Könige von Frankreich bald geftalten konnten, um jo erwünjgter
mußte e3 für Gregor VII. fein, das zu König Heinrih IV. be
ftehende Verhältniß als ein in feiner weſentlichen Erſcheinung
günftiges auffaffen zu können.
In zwei Schreiben vom gleichen Tage, 7. December, von denen
das zweite als ein eigenhänbiges ausdrückiich bezeichnet ift, wandte
fi Gregor VII. an den König. Der erite Brief wird allerbings
mit dem Geftändnife eröffnet, daß ber Papft, betreffend die Bei:
legung der Angelegenheit der Mailänder Kirche, nicht jo feine Zu
ftimmung ausſprechen könne, wie das nad) dem Inhalte bes von
Heinrich IV. überfandten Briefes und dem gegebenen Verſprechen
hätte erwartet werben dürfen. Aber im Weiteren freut fih Gre
gor VII. doch darüber, daß feinen Legaten durch den König eine
gute Aufnahme bereitet wurde, und daß derſelbe Hinfichtlid der
Gebote gegen die Simonie und das eheliche Leben der Geiftlichen
den guten Willen bewiefen habe. Auch noch außer den Erzählungen
der Kaiſerin Agnes und ber Legaten verfügt ber PBapft über er-
freulide Berichte der Herzoginnen Beatrir und Mathilde, melde
von bes Königs Freundſchaft und aufrichtiger Liebe melben. Auf
den Rath der beiden Fürftinnen und außerdem durch bie Weber
redung ber Raiferin Agnes wurde Gregor VII. aud) zu eben dieſem
Briefe vermocht. So hat er des Königs während der Meſſen an
den Apoftelveliquien in der Fürbitte gedacht, und er wird das auch
ferner tun. Aber er mahnt ihn zugleich daran, daß er in den An-
gelegenheiten des Reiches ſolche Rathgeber zuziehe, welche nicht das
Ihrige, jondern die Sache des Königs ſuchen und für deſſen Beſtes
nicht für den eigenen Vortheil ſorgen, ſolche nämlich, welche, was
Gott angeht, dem Könige nahe legen, ſo daß er, wenn er ihnen
folgt, Gott zum Schutzherrn haben werde. Dann tritt Gregor VIL
nochmals auf die Lage der Kirche von Mailand ein, wobei er in
durchſichtig feiner Wendung dem König andeutet, welchen Entſchluß
er zu faſſen habe, wenn ihm an der Zufriedenheit des Abſenders
des Schreibens etwas gelegen ift. Es wird ausgefprochen, daB
durd das Urtheil von Synoden ſchon zwei Male zum Ausdruck ges
160) Registr. UI, 18, dann wieber 32, J. 4891, 4905 (132 u. 183, 146 u.
147), betreffen ben Fall Philipp’s. Der erfte Brief if an Wilhelm gerichtet,
ber dann wieder in Registr. II, 24, J. 4897, neben Erzbiſchof Gozelin von
Xorbeaug wegen ber firchlichen Beſtrafung des Biſchoſs Ifembert don Poitiers
mit der Bejorgung ber Angelegenheiten — Gogelin ber ecclesiastiene res,
Wilhelm der justitia — beauftragt wird. Im zweiten an Manafles gerichteten
Briefe heiht Philipp lupus rapax, tyrannus iniquus, Dei et religionis sanctae
ecelesiae inimieus, für welden, wenn er fid) beifert, der Papft nt pro perdita
et inventa ove Gott preifen wird. Die verichleiert tadelnde Einlabung an
Manafies {ejlieht mit den Worten: ut nimium sit nobis, hesitare, quia aposto-
lorum limina, si tibi integra adesset facultes et libera, visitares.
Bezeugungen zutrauensvoller Gefinnung Gregor's VII. für Heinrich IV. 487
bracht worben fei, als ber rechtmäßige Erzbifhof von Mailand
müſſe Atto nah dem Beſchluß der römischen Kirche anerkannt
werden, und der Papſt ftellt nun in Ausfiht, daß für den Fall,
daß Heinrih IV. fromme und kluge Männer nad Rom abjenden
werde, diefe es für unmöglich erachten würden, an dieſem Beſchluſſe
etwas abzuänbern, womit dann ber König werbe veranlaßt werben,
aus Liebe zu Gott und aus Ehrfurdt vor dem heiligen Petrus
der Kirche von Mailand ihr Recht frei zurüdzugeben. Allerdingg
wird, gewifiermaßen als Fehler, die Möglichkeit zuerſt hingeftelt,
daß durch die Darlegung und Beweisführung der königlichen Boten
jene Abänderung fi) in der That herausftellen werde, und dann —
jo verfichert der Brief — werde der Papit fi) nicht befinnen, deren
gerechten Raptor en fi anzubequemen. Allein es verfteht ſich
von jelbft, daß in Wirklichkeit nur die entgegengefegte Entſcheidung
für Atto, und gegen Gottfried, diejenige war, welche Gregor ve
von Rathgebern des Königs, die feiner Aufteilung entſprächen, er⸗
wartete. Nur in dieſem Falle mag Heinrich IV. — ſo fährt der
Papſt felbft fort — erkennen, daß er die königliche Gewalt in recht
beſchaffener Weife beige, wenn er nämli unter Chriftus, den
König der Könige, fich mit feiner eigenen Herrſchaft unterwirft,
um Zwecke der Herbeiführung einer Herftellung und Vertheidigung
Kirchen Chrifti.
Das zweite Schreiben beginnt mit einer fehr berebten und
eindringlichen Verfiherung des Papftes, wie fehr er wünjde, daß
Heinrich IV. es erkennen möge, in weldem Grabe er von aufrid-
tiger Liebe für den König erfüllt fei, jo daß feine Einwirkung den-
jelben von der Liebe des Papftes trennen könne. Gleihmäßig be-
wegen Gregor VII. hierzu die für alle Chriften gemeinfchaftliche
Vorſchrift, ferner die Faiferlihe Hoheit und die milde Gewalt des
apoftolifchen Stuhles. Zwar will der Papft ſich beftreben, dem
Könige, wie dem geringiten Chriftenmenfchen, dieſe heilige Liebe zu
ren; aber Heinrich IV. fteht durch Gottes Einfegung auf dem
hoͤchſten Gipfel ber Orbnung, fo daß durch ihn Viele entweber vom
echten Wege abirren oder aber die chriſtliche Religion befolgen
Tonnen. Deßmegen wird ber König nochmals ermahnt, jein Ohr
niht den Rathſchlägen berjenigen zu leihen, welde jeden Tag
Zwietracht zwifchen dem Papfte und ihm anrichten, fonbern denen
du felgen, welche ſuchen, mas Jeſu Chrifti ift, durch beren Rath
König den Ruhm erlangt, der in gel Chrifto Liegt. Ga:
beionder8 legt nun Gregor VII. das ‚auen zu Heinrich IV.
darin dar, daß er nad) Erklärung feiner Abfichten und Vorberet-
tungen für den Kriegszug zum Velten ber bebrängten Chriften nad
dem Dften hin, fowie feines eigenen Vorfages, dahin aufzubrechen,
von dem Könige Rath und Hülfe begehrt: „Denn wenn id), falls
Gott es begünitigt, borthin gegangen fein werde, laſſe ih nach Gott
Dir die römische Kirche zurüd, damit Du fie nicht nur als Deine
heilige Mutter bewacheſt, fondern auch zu ihrer Ehre vertheidigeft”.
438 1074.
Der Papft bittet den König über diefe Angelegenheit um fchleunige
Meldung *).
Es ift recht wahrſcheinlich, daß in diefen gleichen Tagen auch
ein Rundichreiben an die Deutſchen, Geiftlihe und Laien, abging,
in welhem auf die in Rom eingelaufene Kunde hin, daß einige
Biſchöfe im deutſchen Reihe angefihts der fleiſchlichen Vermiſchung
von Geiſtlichen, Diakonen und Subdiafonen einwilligten oder nad-
läſſig fih erwiefen, angeordnet wurde, daß biejen gegenüber ber
Gehorjam nicht mehr geleiftet werde, wie denn auch dieſe Biſchöfe
den Geboten des apoftolifhen Stuhles nicht folgen und mit der
Vorſchrift der heiligen Väter nicht übereinftimmen, und weil nad
81) Registr. II, 30, J. 4903, an Beinric) IV., ift mit Beyer, Forſchungen
m beutichen Geſchichte, XXI, 411, 413, gegen Dünzelmann’s Ausführungen,
©, XV, 526 u. 527, welcher den Brief in den Sommer 1074 vorrüden wollte
(in die Zeit, wo Gregor VII. frank lag und aus welcher feine Brice vorliegen)
bei dem gegebenen Datum, 7. December, zu belaflen, waB auch Daran abjr
nehmen ift, baß Gregor VII. fi unmittelbar auf Beatrig und Mathilde —
seribentes nobis de amicitia et sincera dilectione vestra — beruft, während
bie Reife ber einen der beiden Bürfinnen exft nach bem 16. October (vergl.
©. 429) eintrat; baneben fieht der eigenhänbige Biel — Dietatus papae —
vom gleichen Tage, 31, J. 4904 (142 u. 143, 144—146). Aus dem Brieſe
iſt ob. ©. 379 in n. 92 eine längere Stelle mitgetbeit; bie Net Borg, ge
haltene Stelle wegen Mailand (vergl. ſchon ob. S. 368, n. 77) lautet: si viros
religiosos et prudentes ad nos miseris, quorum ratione et auctoritate clare-
scat, sanctae Romanae ecelesiae bis synodali judicio firmatum posse aut
debere mutari decretum, justis eorum consiliis non gravabimur'acquiescere
et animum ad rectiora inclinare. Sin autem impossibile esse constiterit,
rogabo et obsecrabo sublimitatem tuam, ut pro amore Dei et reverentia
sancti Petri eidem ecclesiae suum jus libere restituas. Bom zweiten Briefe
ift das Gtüd über das Unternehmen nad dem Orient ſchon ob. ©. 342 in
n. 49 herangezogen; ber Brief beginnt mit ben Worten: Si Deus modo aliquo
suae pietatis concederet, ut mens mea tibi pateret, indubitanter seio, su&
iente gratia nullus te a mea dilectione posset separare. Attamen de
illius confido misericordis, quia quandoque clarebit, quod te sincera caritate
diligam (ete.) — und Ientt auf dringende Abmahnung gegen diejenigen ein, qui
diecordiam seminare inter nos cotidie disponunt, ut his retibus diabolico
instinctu praeparatis sua possint captare commoda, sua palliare vitia,
quibus iram Dei et gladium sancti Petri contra se insana mente provocant,
mit der dringenden Mahnung: ab his aures tuas averte, Rach ber Audein-
enberfegung über feine Abficht, felbft nach dem Orient aufzubrechen, geht @regor VIL
mit dem Gabe: Sed quis magna res magno indiget consilio et magnorum
auile, si hog Deus me permiserit inipore, 8 te guero consilium et ut
tibi placet auxilium — auf dad Anerbieten an Heinrich IV. über, befien Ernf
bie Berfiherung: Nam si de te plus quam plurimi putent non sperarem,
verba haec frustra proferrem darthut. Aus noch das doigende ift bezeichnenb
für Gregor'3 VII. Stellung zum Könige: Sed quia forsan non est homo, cui
de sinceritate dilectionis meae adhuc indubitanter credas, Spiritui sancto
qui omnia potest committo, ut menti tuse suo more indicet, quid tbi
cupiam quantumve te diligam. — Auch istr. II, 38, J. 4912, vom
22. December, act ice, ba Gregor VIL auf ih IV. beftimmt Rädngt
zu nehmen ben Willen hatte. Wei ber Frage der Belt ng der viduata ecclesis
don Fermo wirb ausdrüdlich darauf Sriht gelegt, af ie gehirige I liche
feit für das Wiäthum, wie nostra sollicitudine, fo regis consilio et
satione, gefunben werde.
BApfl. Rundfcreiben an d. Deutſchen; Anorbnungen f. d. Faſtenſynode. 489
dem Worte bes Apoftels Paulus die gleiche Strafe Handelnde und
Zuftimmende trifft. Weberhaupt ſpricht der Papft in diefer Kund⸗
jebung die Hoffnung aus, daß Gott das Herz der Empfänger nad)
Fine Gefege auffhließe und fie in feinen Geboten befeitige *°*).
Weiter aber beſchäftigte auch in dieſen Tagen wieder die Ein-
berufung zur Fafteniynode die Aufmerkfamfeit Gregor’3 VII. In
dem erften der Briefe theilte er dem Könige mit, daß er in einem
Schreiben ben Erzbiſchof Siegfried von Mainz zu derſelben herbei-
gerufen Babe, mit der ZBeifung, im alle eigener Verhinderung ge
eignete Boten nad Rom abzuorbnen. Ebenfo machte er davon An-
zeige, daß er den Biſchöfen Hermann von Bamberg, Wernher von
Straßburg, Heinrich von Speier ben Befehl gegeben habe, ſich ein-
zuftelen, um über die Art und Weife, wie in in ihr Amt ein-
getreten feien, und über ihr Leben fi zu verantworten, und bat
den König, falls dieſe aufihöben zu kommen, fie durch den Antrieb
der föniglichen Gewalt zum Erſcheinen, zu zwingen, ebenfo aber auch
von feiner Seite Abgeordnete zu fenden, welche über den Amts-
antritt und die Lebensweife ber genannten Biſchöfe getreue Aus-
kunft geben könnten !°®). Augenſcheinlich war aljo der Stand ber
Sache für Biſchof Bern her jeit Ende October ſchon wieder ein
ungünftigerer geworben 1%), und Hermann von Bamberg fah fi
gleiäfans vor eine Unterſuchung geftellt, welche nach dem peinlichen
zorgange am Oſterfeſte, ſowie der ſchon unmittelbar bavor ein
gelegten Verwahrung ber päpftlichen Legaten, mit ihm zufammen-
zutreffen, feinen günftigen Ausgang haben konnte. Zwar war noch
in ber gleichen Seftzeit, wo Liemar jo empfindlich gegen Hermann
in Bamberg felbft aufgetreten war, der in Rom an neienbe Biſchof
Hermann von Metz mit Bitten und Vorſtellungen bei Gregor VII.
als Vertheidiger für den angefchuldigten Bifhof aufgetreten, und
aus den Mittheilungen des Biſchofs von Meg hatte der Papft die
Hoffnung gefhöpft, daß bei jenem eine Beſſerung vorliege. Noch
am 12. Juni war in diefem Sinne an Bifhof Hermann von Bamberg
duch einen Brief bezeugt worden, daß ber Papſt ſich nicht wenig
über diefe Ausfiht gefreut und dem Bittiteller, Hermann von Meg,
aufgetragen habe, in der Angelegenheit die Sache des apoftolifchen
"%) Daß ber in den Epistolae collectse durch Jaffs, Biblioth. II, 532,
als Rr. 10 abgebrudte Briei an omnes clerici et laici in regno Teutonicorum
eonstituti in dieſe Zeit geil, tann daraus gefäjlofen werden, daß Paul von
wried in der in n. 161 eitirten Vita in c. 41 diefen Brief —— —
and ais J.
Begistr. 1 iehen, vergl. ob. ©. 304 Mn. , Siegfried I.,
Bema woi ie au — —SE an der ter
auf
* ergl. ©. Pu fo daß dieſer vielleicht wegen folder Nachgiebigfeit
m derantworten follte.
’) Bergl. 6.
440. 1074.
Stuhles zu vertreten, falls er den Sinn des mit der römiſchen
Kirche zu verföhnenden Biſchofs zum Gehorfam bereit finde. Mit
dringenden Ermahnungen, in erniten Worten hatte das Schreiben
diefe Vermittlung nah Bamberg empfohlen !°°). Allein der Verſuch
muß ohne Ergebniß geblieben jein.
Der deutlichfte Beweis dafür, daß fi Gregor VII. am Ende
des Jahres in feiner Kraft wieder vollkommen hergeftelt fühlte"**),
liegt darin, daß er, wie ſchon angedeutet, den großartigen Plan,
das chriſtliche Abendland gegen die Ungläubigen zur Rettung
ber Chriften im Oſten zu bewaffnen, jetoh die Führung zu über:
nehmen, meuerbinge Deroonge jogen hatte. Noch am 10. September
hatte er, in dem Briefe an Herzog Wilhelm von Aquitanien, dem
felben zwar für feine ausgeſprochene Bereitwilligkeit zur Theilnahme
an dem Zuge den beften Dank bezeugt und jein Vertrauen aus—
geſprochen, das er immer zu dem Herzog, als einem geliebten Bruder
und Sohn, und zu deſſen Veriprehungen haben werde. Doch zu-
nächſt glaubte er damals über den ganzen Plan nichts Beſtimmies
mittheilen zu können. Das Gerücht in zu jener Zeit, daß bie
Chriſten der jenjeits des Meeres liegenden Länder durch eigene An
85) Der ſchon ob. ©. 417 in n. 154 genannte Brief str. I, 84,
J. 4872 (105), an Bilhof Hermann, gehört zum 12. Juni, wie Ihon die mit
dem folgenden Briefe Semeintame Datirung: in expeditione darthut. Wem
Dünzelmann, 1. c., XV, 521 u. 522, 527, ben Brief zu ungefähr dem 1. Mai
berlegen wollte, im Zufammenhang mit der gelammten irrthümlicgen Berpflanzung
ber Abfegung Hermann’s von 1075 in dad Sub 1074 hinüber (520: vergl. dazu
bei 1075 n. 23), fo trat Beder, 1. c, XXI, 408, dem mit Recht entgegen (nur
unter Begehung ber eigenen fchon ob. S. 376 in n. 90 angemerften irrigen
Zeugnung der Anweſenheit bes Bilcofs von Meh an dem von Dünzelmann
aufgeellten 27. April, und überhaupt um Ende April, in Rom: vergl. ob.
©. 364). In dieſem Briefe find die Eingangsworte: Cariesimus confrater
noster Herimannus Meteneis ‚piscopus, nobiscum per dies aliquot commo-
ratus, multum nos pro te rogavi multasque et intimas pro causa tua
supplicationes effudit auf Mittheilungen bezüglich, die um eiwa anderthalb
Monate zurüdlagen, ala der Papft auf biejelben — am 12. Juni — geeiderif
Bergl. auch — zuſammenhangende Darſtellung dieſer Bamberger Angelegen-
beiten, 1. ©., XXIL, 589-541. Doc if es nach den Treignifen von ob.
©. 374-377, gewiß auägefchlofien, daß noch mit Beer hier der Brief des
Codex Udalriei, Nr. 41 Safe Biblioth. V, 87 u. 88) H(einricus) Dei gratia
imperator augustus (Saffe, 1. c., 87, n. f, jegte freilich, um den Brief „1075
in.“ einfügen zu tönnen, ftatt deſſen: Romanorum rex) jesiae Babenbengensi,
herangezogen werden darf, wie benn auch Giefebrecht, III, 1140, in den „Ans
merkungen“, denſelben ausſchlotz. Denn nad dem vor ben Augen des Königs
eſchehenen Dorpange in Bamberg konnte derſelbe über Hermann nicht mehr
—— Mandamus, mandando monemus, monendo rogamus (eben dieſe
jerbalverfettung ift für Gundlach, Ein Dictator, 74 u. 75, ein Hauptgrund, um
den Brief für Adalbero C in Anfpruch zu nehmen), ne adversus episcopum
vestrum ullam suseipiatis legationem, cum nullam justam in eum audire
-possitis accusationem. Testor enim Deum et utriusque nostri conscientiam:
eum legitime et canonice venisse ad hane regiminis caram.
?%6) Auch die Wendung des in n. 182 citirten Briefes: Omnipotens et
misericors Deus . . ultra spem, ... ultra meritum migeretur et consolatur
nos in omni tribulatione nostra beweift biefe Aufrichtung des Muther.
Biederanfnahme d. ge. oriental. Kriegẽplans d. Papftes, auch bei Heinrich IV. 441
ftrengung mit Gottes Hülfe die Wuth ihrer Feinde zurückgewieſen
hätten, und fo wollte Gregor VII. das Webrige zunät dem Rath-
ſchluß der Vorſehung anheimftellen 187). Ganz anders lebendig war
nunmehr die Thatkraft des Papftes ein Vierteljahr fpäter wieder
erwacht.
Schon am 7. December verbreitete ſich Gregor VII., mie
bereit3 erwähnt, in feinem zweiten eigenhändigen Schreiben an
Heinrich IV. über das, was bisher in diefer Sadıe, die ihn fo ſehr
beichäftige — „Lieber möchte ih für dieſe Chriften meine Seele
einfegen, als, unter Vernachläſſigung derfelben, der gefammten
Belt nad) dem Gelüften des — — gebieten" —, habe geſchehen
Tonnen. Nach einem kurzen Rüdblide auf das Frühere, den Auf:
ruf an alle Chriften zum Kampfe, berichtet der pl daß auf bie
Ermahnung hin, welde Jtaliener und jenfeit3 der Berge wohnende
Gläubige gerne aufnahmen, ſchon über fünfzigtaufend Streiter fi
für den Auszug vorbereiten, und daran ſchließt er eben jene Vor⸗
{läge an den König, diefem während ber eigenen Abweſenheit die
tömife Kirche anzuvertrauen !*), Dann folgte am 16. December
ein Rundfchreiben an alle Getreuen des heiligen Petrus, vorzüglich
an diejenigen jenſeits ber Berge, mit bem Aufrufe zur Hülfeleiftung
für die Brüder im Reihe von Conftantinopel, jenjeit3 des Meeres,
welche ber Teufel durch eigene Anftrengung theil® vom katholiſchen
Glauben abzumenden verfuche, theil® durch jeine Glieder — die
Belenner des Yslam find gemeint — jeden Tag unaufhörlid in
graufamer Weiſe dahinmorde, wie er denn aud dem vom Papfte
jeplanten Unternehmen ſelbſt neidifh und hinderlich im Wege ftehe.
ie Empfänger des Schreibens erhielten die Aufforderung, dafür
forgen, daß, je nach ber Anordnung des Voten, ber den Brief
ringe, eine gewiſſe Zahl ſich zu dem Papfte verfüge, um mit dem-
felben den Weg für alle diejenigen zu bereiten, welde mit ihm
über das Meer zu fahren und dort ihre Friegerifche Kraft zu be—
weifen gebenfen. Die Ermahnung, um den ewigen Lohn zu ftreiten,
nachdem bisher für die Fethaltung des Vergänglichen Anftrengungen
im Kampfe gewagt worden find, follte Die Gläubigen anfeuern !3°),
187) Vergl. in dem in n. 167 erwähnten Briefe ben Schluß: Quod autem
ad servitium sancti Petri promptam vos habere voluntatem mandastis,
gratanter accepimus; sed determinate vobis aliquid de expeditione seribere
3d praesens, non satis discretum fore pervidimus . .. nos de reliquo quid
acturi simus, adhuc divinae providentiae consilium expectamus.
188) Bergl. ſchon ob. ©. 341.342, mit n. 49, ſowie S. 497. Tie befinitive
Wittheilung lautet: Quam admonitionem Italici et ultramontani, Deo inspirante
ut reor, immo etiam omnino affırmo, libenter acceperunt, et jam ultra
qui inta milia ad hoc se rant.
86) Registr. Il, 37, J. 4910, und zwar wieber, gleich J. 4904. ein
I papee, geht an omnes fideles sancti Petri, maxime ultramontani.
Der eigentliche Aultog lautet: ut eo modo, quem portitor horum dixerit,
sd nos quidam vestrum veniant, qui christianam fidem vultis defendere
et caelesti regi militare, ut cum eis viam favente Deo praeparemus omni-
bas, qui, jestem voluntatem defendendo, per nos ultra mare volunt
transire et, quod Dei sint filii, non timent ostendere (150 u. 151.
442 1074.
Wie fi aber ber Bpft das ganze Beginnen im Einzelnen
ausgeführt dachte, bafür bietet ein Brief an bie Herzogin Mathilde,
der höchſt wahrſcheinlich ganz zugleich abging, bie wichtigften Auf:
Mlärungen. Gregor VII. glaubte auf die thatkräftige Förberung
vieler Kriegsleute für das Unternehmen rechnen zu Pönnen, meiter
annehmen zu dürfen, daß auch die Kaiſerin Agnes mit ihm über
das Meer fahren und Mathilde dabei mit fich führen werde, wäh-
tend Beatrix in Ztalien zum Schuge ber fie gemeinfam betreffenden
Angelegenheiten zurüdbleibe: benn er felbft könne nur fo mit der
Hülfe CHrifti ſicher fortgehen. Der Papft hoffte weiter, die Kai-
ferin vermöchte auf diefem Wege als Pilgerin, zugleih mit Ra
thilde, Viele zum gleichen Werke zu beleben, und bat die Empfän-
gerin bes Briefe, ſchleunigſt, beſonders auch über ihr Eintreffen
in Rom, Meldung zu eritatten. „Ich aber würde, mit jolhen
Schweſtern verjehen, mit größter Freude über das Meer fahren,
um mit Eud, wenn es fein müßte, meine Seele für Chriftus auf
zugeben, und ich wünfche, daß Ihr mir immer in_ber ewigen Hei⸗
mat ganz nahe jeid“. Und an einer anderen Stelle jchrieb ber
Papſt: „ft e8, wie Einige fagen, jhön, für das Vaterland zu
fterben, jo ift es das Schönfte und fehr ruhmvoll, für Chriftus, der
das ewige Leben ift, daS fterbliche Fleifch hinzugeben“ 19°).
— 63 ift Mar, daß der Papft hier am Ausgange des zweiten
innerhalb feiner Regierung zu Ende gehenden Jahres feine ganze
Willenskraft auf das einzige große Ziel einer geſchloſſenen Unter:
nehmung nad) dem Often, und zwar nad) Conftantinopel, zur Er-
haltung ber Verbindung mit der dortigen Kirche und zur Rettung
der Chriften in jenen Ländern überhaupt, zulammengefaßt hatte,
und rechnet man hinzu, wie er aud ben deuiſchen König, unter
weitgehenden Betheuerungen feiner guten Sefinnung, an biefem
lane — hinſichtlich der Hebergabe des Schuges ber römischen
irche an een — zu beteiligen gedachte, fo ergeben ſich für
ben Fall, daß die Dinge fo geſchehen wären, bie weitgehenbften
Ausfihten. Zugleih mit der Herzogin Beatrix, melde in engſte
Gemeinſchaft des Machtbereiches mit Heinrich IV. eingetreten wäre,
0) Daraus, daß Mathilde als Empfängerin des Brickfes, Epistolae
colleotse, Rr. 11, J. 4911 (532 u. 583), erideint, if allerdings mit Bannen-
borg, Stubien (ete.), 29, nothwendig zu ſchliehen, daß Beatriz nad dem ob.
©. 429 Gejagten nach Deutſchland gegangen war und Mathilde die von dort
durch Brateiz geichichten Nachrichten wieder an Gregor VII. vermittelt hatte
(vergl. S. 486). Daß der Brief, wie Jaffé das thut, etwa zum 16. December
Singuveihen if, darf als ficher angenommen werben, weil der in n. 189 genannte
rief — nostrae litterae, quas mitto ultramontanis — ausbrüdlich darin er-
wähnt wird. Bezeichnend für das Verhältniß, des Papfte zu Mai (de find bie
Einführungstworte: Quanta sit mihi meditatio quantumque desiderium mare
transeundi, ut christianis, qui more pecudum a is oceiduntur, Christo
favente valeam suecorrere, erubesco quibusdam dicere, ne videar aliqus
duci levitate. Sed tibi, o carissima plena dileetione filia, nil horum dubito
indicare, de cuius prudentise studio quantum possum presumere, tu ipea
vix_poteris exprimere.
Darſtellung bed wohlentworfenen Planes in einem Briefe an Mathilde 448
Bitte fi für das deutſche Reich, bei der damaligen Verfeindung
m's mit dem gefährlichften Gegner de3 Königs in Unteritalien,
Robert, eine Vereinigung der Vortheile und Gefahren, eine
Verſchmelzung der Rechnung, wie fie für den königlichen Thron,
und derjenigen, welde fr den apoſtoliſchen Stuhl galt, ergeben.
Es war ein legtes Mal, wo der Papit geraden die Hülfe des
deutſchen Könige anrief, wo es dieſem gegeben war, unter Anſpruch
auf den Dank der römischen Kirche fih im Italien zu bethätigen.
Allein als diefer Plan Xeinri . vor die Augen gerüdt wurde,
war das ganze Sinnen und Trachten bes Königs ſchon Mn die
Vorbereitung für den Krieg gegen bie Sale in Anfpru gy
nommen. Damit iſt dann aber auch der große Plan Gregor's VII.
bahingefallen, nad) welchem wohl in geiöloffenerer und erfolg-
reiherer Weife jener Weg beichritten worden wäre, den dann faft
ein Bierteljahrhundert fpäter der Maſſenaufbruch des chriſtlichen
Abendlandes in einem fo ganz planlofen Vorhaben einfchlug.
1075.
Die auf die nächſte Saftengeit in Ausfiht genommene römiſche
Synode, deren Einberufung Gregor VII. ſchon feit der Zeit der
Genejung beſchäftigte ), nahm mit den nothwenbigen Vorbereitungen
die Thätigkeit bes Papſtes noch fortwährend in Anſpruch. Am
4. Januar ging an Erzbiſchof Wibert von Ravenna die Einladung
ab, fi) unter Hintanjegung aller Gleihgültigkeit zu der Synode
einzufinden, welde, wie bie früheren ähnlichen jammlungen, ben
Zwed habe, die Gottlofen von ihren Verfuchen abzuhalten und die
Hriftlide Religion in ihrer von Anfang begründeten Freiheit und
* im Frieden gu Sefetigen. Vom 5. wurde ein vom Papit felbit &
ſchriebener Brief an den Biſchof Hugo von Die abgetaften, welcher
denſelben anwies, einige nach Rückgabe entfremdeter kirchlicher
Güter durch ihm in den Verband der Kirche wieder aufgenommene
Glieder feines Sprengels mitzubringen).
Aber auch in größere Entfernung hinaus fuchte ber Papft
ſchon gefnüpfte engere Verbindungen zu erhalten. Auf einen am
24. Januar an König Sancho von Aragon gejchriebenen Brief folgte
am näcften Tage ein folder an ben König ber Dänen, Svend,
ber dur Gregor VII. ſchon gleich nad) der Wahl begrüßt worden
war. Ganz beſonders tritt in Diefem zweiten Schreiben das Streben
hervor, den Empfänger von der. günftigen Gefinnung bes Papſtes
® überzeugen. Blech am Eingang wird Svend daran erinnert,
ab er ſchon an Hildebrand, als derſelbe im Diafonate ftand,
Boten und Briefe geſchickt und dadurch feine willfährige Abficht ges
eigt habe. Freilih hat dann der König nad Gregor’3 Er
be ung es verfäumt, Rom zu bejuden, und ebenfo ift ſchon Lange
1) Dexgl. ©. 425. .
®) Registr. II, 42, J. 4919, an Wibert, und 43 — Dictatus papae —,
J. 4920, an Su, mit Weifungen über bie Art und Weile, wie ber Biſchof
bie filii . ... rades et indoeti feiner Kirche behandein folle — vergl. über den ·
felben ©. 354 u. 355 — ($affe, Biblioth., II, 155 u. 156), find bie Ichten
der durch welche Einladungen, auf bie prima ebdomada quadragesimse,
ergehen.
Vorbereitungen f. d. Fafleniynobe. Brief Gregor's VII. an König Svend. 445
die Abſendung ſchriftlicher Kundgebungen von feiner Seite ein»
geſchlafen. FR ungeadtet richtet der aha da er von dem
König weiß, daß berfelbe ſowohl durch fein Willen, als durch kin
tirchlichen Eifer vor den übrigen Fürften hervorrage, mit viel größerem
wen fein Schreiben an ihn. Er ermahnt ihn, feine Herrſchaft
in einer Gott wohlgefälligen, den königlichen Namen durch Tugend
verherrlichenden ife zu führen, und fudt in eindringliden
Worten auf die Vergänglichfeit der irdiſchen Welt die Aufmerkfam-
feit zu Ienfen. Ganz beſonders wünfchte Gregor VII., unter Ab-
fendung von Legaten, J— Eröffnungen, die Forderungen und Ver⸗
ſprechungen Svend's in ſich fchloffen, aus der Zeit Alexander's II.
yurid ugreifen, ſowohl über bie Srage der Gründung eines erz⸗
iihöfihen Sites, als über andere Dinge, hinfichtlich deren nun«
mehr jene Abgejandten Antwort geben und verhandeln follten; aber
nun find bie 2egaten, weil fe in Folge ber Verwirrung auf
deutſchem Boden die Reife für gefährlich hielten, nach Rom zurüd-
gefehrt. Um jo mehr wird der König erſucht, wenn er nämlich
wirflih nah dem Inhalte feiner früheren Darlegungen ſich und
fein Reich auf die Macht des apoftolifchen Stuhles fi fügen laſſen
wil, ohne Verzögerung getreue Boten in Bewegung zu fegen.
Dafür ftellt der Brief am Schluffe für den Empfänger, wenn ber-
jelbe guten Willen jeigen will, wenn die Kirche von feiner Seite
ber kriegeriſchen Hülfe gegen die Heiden und die Feinde Gottes
fiher fein Tann, in zwar nicht ganz klaren Andeutungen ent
iprehenden Lohn in Ausfiht. „ES ift auch nicht weit von und
nahe am Meere ein gewiſſes jehr reiches Gebiet, welches gemeine
und feige Keger inne haben; in biefem wünſchen wir einen von
Deinen Söhnen, falls Du, wie ein Bifchof Deines Landes meldete,
dab Du es im Sinne haben werbeft, denjelben mit einer ziemlichen
Schaar von folden, die für jenen als treue Krieger eintreten
würden, dem apoftolifchen Hofe zum Kriegsdienſte ftellen mwollteft,
A aea08 und Fürften und Verteidiger der Chriftenheit zu
maden” ®).
®) Bergl. ſchon ©. 351 über frühere Pintnüphungen mit König Sancho,
deren Weiterführung bier durch Registr. II, 50, J. 4927, Begeugt ift, fowie
6. 212 betreffend den tam peritia litterarum quam studio ecelesiasticae ex-
ornationis . . . in eruditione et prudentia morum —E hervorragenden
Svend, an welchen Brief 51, J. — fi richtet (1. c., 165—168). Im zweiten
Briefe lautet der Tadel: amorem tamen in subtracta visitatione tepuisse
— jai ven) ar tm, En 338 nescio cur be
Begen dieſer in sanber’s it zurüdliegenden Dinge — quae pro hono-
fificentia regni tui tum de ee lftune Bede tum’ de qeibustem aliis
tebus in tempore domini nostri Alexandri papae ab apostolica sede et
Beast et invicem promisisti — berät, Dehio , Geſchichte bes Erzbistums
burg-Bremien bis zum Ausgang ber Milfion, I, 241, UI, 16 u. 17, aber
uud) hier 3b. I, ©. 419 n. 51. Wielleiht waren bie propter perturbationem
Teutonicae_terrae periculosum iter fore oscentes die ob. ©. 398 zuletzt
Keten Zegaten, deren Auftrag dann noch über Deutichland hinaus er
hätte. Aus den Worten: si te ac regnum tuum .. . apostolorum
446 1075.
Es ift nit gen klar, auf welchen Gegner in der Nähe
Rom’ Gregor VIL, mit dem deutlichen Hinweis auf eine
Eroberung, in diefer Einladung abzielte, ob er ben in der Seele
des Dänenfönigs, in der Erinnerung an bie ftürmifeh bewegte
Jugend, wohl nur fhlummernden Hang zu abenteuerlihen Zügen,
jegt aber unter Erwedung von Hoffnungen für einen Sohn =
jelben, gegen den unbotmäßigen normanniſchen Vaſſallen, Herzog
Robert, neu wachrufen wollte. Völlig offen liegt aber vor, daß er
durd die Eröffnung der Ausſicht auf ein für Svend zu gründendes
Erzbisthum des däniſchen Reiches den unbotmäßigen Erzbifchof
von Hamburg-Bremen treffen wollte. Und allerdings war zwifchen
dem Papfte und Liemar die Mißftimmung immer größer ger
worden.
Liemar hatte, da die Synode vom 30. November von ihm
nicht befucht worden war, die vom 12. December durch Gregor V’
abgelaffenen hart tadelnden Neußerungen, mit ber erneuerten WBor-
Tadung, erhalten und darauf in einem an Bifchof Hezilo von Hil-
desheim gerichteten Briefe auf das heftigfte über das Unrecht, das
ihm zugefügt werde, ſich beflagt. Unter Bufendung bes, wie ber
Erzbiſchof meinte, in unaehriger mi m übergebenen päpftlichen
Schreibens tief er zunäcit dem Bischof Alles in das Gedächtniß
zurüd, was feit dem Zufammentreffen mit den päpſtlichen Legaten
u Nürnberg, nad) Oſtern de vorhergehenden Jahres, ſich zugetragen
hate Ras der — allerdings auch auf eigenem Mißverftändniffe
eruhenden — Hervorhebung de3 Umftandes, daß die Legaten in
Nürnberg ihn unter Widerſpruch unter einander jelbft zu der
früheren, gegen Ende des abgelaufenen Jahres abgehaltenen Synode
jeladen hätten, fuhr Liemar fort, das feither Geſchehene zu erzählen.
Ist fei er durch den Papft, welcher vermöge der Wuth der Legaten
ſelbſt im heftigen Zorn gerathen fein mühe, wieber auf bie erfte
Faſienwoche zur Synode vorgerufen mworben, unter Enthebung von
den Berrichtungen des bifhöflihen Amtes, bis er nad Rom zu
Gregor VII. gefommen jein werde: — bem fügt Liemar bei, er
meine, daß das keinem Biſchofe ohne das Urtheil der Amtsbrüder
auf einer vollen Synobe widerfahren dürfe, und er fährt mit den
bezeichnenden Worten fort: „Der gefährliche Menſch gebenkt, was
‚er will, den Bifchöfen, wie feinen Meiern, zu befehlen; und wenn
fie nicht Alles gethan haben, werben fie nah Rom kommen, oder
fie werden ohne gerichtliches Urtheil eingeftellt“. Hezilo wirb von
Liemar geradezu gebeten, das päpftlihe Schreiben durchzuleſen,
danach It ein Urtheil darüber zu bilden, ob mit oder ohne Recht von
Rom aus vorgegangen worben jei. Der Erzbiſchof glaubt vorausſetzen
zu dürfen, daß von einigen deutſchen Bischöfen aus diefe ihn be=
rineipi pia devotione committere (ete.) volueris zieht @frörer, Gregorins VIL.,
I, 112 u. 113, den ganz umberehtigten Schluß, Gregor VII. Habe den König
wingen wollen, fein Reich von Rom zu Sehen Fi nehmen. Dehio räth bei
er provincia quaedam opulentissima auf Neapel, Sieilien oder Sarbinien.
—
Erzbiſchoſ Liemar's Klagen über Gregor VII. 447
ſchwerende Angelegenheit angeregt worden fi: „Aus ſehr ſchwerem
Haſſe gegen meinen Herrn den König haben ſie mich, als deſſen
Helfer, durch ihre Anzettelungen in dieſe Drangſale geworfen, mich,
der ich doch in dieſem Kampfe für den gemeinen Vortheil Aller
mich bemũhe“. Der Erzbifhor glaubt ſich auf das Zeugniß recht-
ſchaffener und wahrhafter Männer berufen zu können, von Biſchöfen,
Gailtlihen und Laien, daß er überhaupt gar nicht, weder das erfte
Mal, noch jegt auf die zweite Vorladung, nah Rom zu reifen im
Stande gemwejen wäre, da er ben ganzen Herbft, den ganzen Winter
hindur bisher von beſchwerlicher Krankheit feftgehalten worden
fei, fo daß er nicht einmal eine Reife von fünf Tagen, geſchweige
denn eine weit größere, hätte unternehmen können, wozu noch
Tomme, baß zwiſchen der Zeit ber Üebergabe des päpſtlichen
Schreibens und ber Woche, wo die Faftenfynode gehalten werben
follte, nur vier Wochen lägen. Hezilo — fo bittet Liemar — möge
deurtheilen, ob das gene Vor; eben des Papftes von Anfang an
bis zu der ohne fynodale Entſcheibung gegen Liemar verfügten Ent»
bindung von den Amtsverrihtungen als gerecht und wuͤrdig ſich
Heraugitelle, ob beſonders diefe Enthebung zu beachten fei oder ver-
nadhläffigt werben fönne*).
Viel empfindlicher für Gregor VIL, als dieſer von dem Erz
biſchof von Hamburg-Bremen an einen ſächſiſchen Biſchof geriätete
ief, muß aber, da die Antwort unmittelbar an ihn jelbft gin:
die Yeuberung des Erzbifchofs Udo von Trier geweſen fein, welche
derjelbe, wohl nicht zu lange nad Empfang des päpſtlichen Auf-
trage8 vom 16. October bes vorhergehenden Jahres, abgehen ließ.
Der Geiftliche der Kirche von Toul, defien Streitfrage gegenüber
Viſchof Pibo Erzbiſchof Udo und Biſchof Hermann von Metz unter
ſuchen follten, hatte augenscheinlich das päpftlihe Schreiben jelbft
überbracht. Aber Udo fand bei genauerer Prüfung die ihm zu«
gemuthete Aufgabe jo ſchwierig, daß er fie bei näöter Gelegenheit
vor eine größere Verſammlung feiner biſchöflichen Amtsbrüder
bringen wollte, und das that er bei bald ſich bietendem Anlaß vor
+) Der ob. ©. 381 in n. 93 zuerft citirte Brief Siemar’s iR nad; ben
©. 438 in n. 177 eingerüdten Worten und dem Gchluklake: ex qua die date
a nt literae (nämtich ber S, 433 ui mie tab Ine Brief, J. wein: bie
a i worten genannten literae 'e bulla apostolica, quas
Yiiesimus quidam clericus . . . mihi dedit) viz quatuor septimanse super-
ent ad eam septimanam, qua synodus celebrabitur — nicht lange vor ber
ode geichrieben. Er —FX Kl im Anſchlufſe an bie ba gegebene
[e die lage: quod fieri debere ulli episcoporum niei judicio in
plena synodo non putabam. Periculosus homo vult jubere, que yult, epi-
«opis, ut villieis suis, que si non fecerunt omnia. Bomamı venient, aut
sie judicio suspenduntar. Siemar'3 bemerfenswerthe Bermuthung über die
Üriade deö gegen ihn gewählten Einjdjreiten® lautet: (sunt) ex nostris piß,
gi pro odio gravissimo in dominum meum regem me eius adjutorem
wis mschinationibus in hos labores miserunt, me tamen in eo conflietu
‚ecommuni omnium commodo laborantem. Seine ihn abhaltende Krankheit
iete ex fpeciell als spiritus trahendi inopia.
448 1075.
nicht weniger als einer Zahl von über zwanzig Biſchöfen. Dieſe
hielten einjtimmig nad Vorleſung des Schreibens dafür, daß, wie
Udo fi) ausbrüdte, hier eine neue und keineswegs zu billigende
Gewohnheit in die Kirche eingeführt, ein ſchweres und nicht zu er
tragende8 Joch ihnen felbft aufgelegt werde: zur Bebrohung ber
Bischöfe gereihe es, wenn die Untergebenen derjelben durch An-
rufung ihres Gehorfams und unter Androhung des Bannes ge
zwungen würben, gemiflermaßen buch gerichtlihe Unterfugung
deren häuslihes Leben aus ihnen herauszuprefien, jo daß bie
Söhne gegen die geiftlihen Väter bewaffnet, die Rechtsvorſchriften
der Ehrfurcht und Liebe verdreht jeien. Unter beitimmter Hin-
weifung auf den Gebraud von Ausbrüden, wie fie im Briefe
Gregor’3 VII. vom 16. Detober über Bischof Pibo ſich fanden,
„Altbiſchof“ und „Wolf“, muß ferner gegenüber ben Verfammelten
die Klage darüber erhoben worden fein, daß der apoſtoliſche Vater
der Mäßigung vergefiend bei noch nicht entſchiedener Sade zu
ſolchen entehrenden Worten fi) habe fortreißen Laffen, während das
do, ſogar wenn der Bifhef ber Beſchimpfungen würdig wäre,
durd die öffentliche Ehrbarkeit, geichweige denn durch die in ber
Kirche waltende Liebe verboten ſei. Die Berfammlung hatte
gefunden, daß der Erzbiſchof unbedacht handeln würde, werm er
auf des Papites Befehl diefen neuen Gebrauch einzuführen fich ent:
ſchlöſſe, und ihm beauftragt, in diefem Sinne an den Papft zu
ſchreiben, er möchte nicht, beſonders nicht bei noch unentjchiedenen
Angelegenheiten, jo ungewohnte und harte Aufträge, welche nur
geeignet feien, ber Ehrfurcht vor dem apoftolifhen Stuhle felbit
Schaden zu thun, von jegt an ausgehen laſſen. Deſſen ungeachtet
hat Udo, um nicht in demjenigen Dingen, melde in bag Gewicht
fielen, ungehorfam zu erfcheinen, zur Behandlung der Sache Bil
Pibo und jenen Geiftlihen vorgerufen, nad) Gregor’ VII. Befehl
auch den Bifhof von Meg, außerdem jedoch Biſchof Theoderih von
Verdun eingeladen, von denen aber nur der legtere ſich einftellte.
Nach dem Berichte über die Verhandlung gegen Pibo hatte diefelbe
zur_völligen Entlaftung de3 Biſchofs von allen ihm entgepengehelten
Anklagen geführt. er Geiftliche, welcher Gregor VII. die Ber
ſchuldigung vorgebracht hatte, wagte nicht, auf die dringende Auf-
forderung des Erzbiihofs hin, aus feinem völligen Stillſchweigen
berauszutreten, und auf die in bem päpftlihen Schreiben nieber-
gelegten Vorwürfe brachten die anweſenden Hohen Geiftlichen der
Kirche von Toul nur volle lobende Anerkennung vor und wiefen
die wegen der ſimoniſtiſchen Erlangung des Bischums oder wegen
der Lebenshaltung ausgeiprochenen Anlagen genlis zurüd. Auch
der zu diefer Verhandlung von Heinrih IV. abgejandte Biſchof
Benno von Dsnabrüd bezeugte theils im Namen des Königs, theils
durch eigene Veftätigung, daß Pibo ganz ohne fimoniftiiche Ver-
fehlung zum Biſchofsamte gefommen fei, und zwar auf feine eigene
und Siegfried’3 von Mainz, wie Burchard's von Halberftadt, Be:
mittlung hin, gegen jeinen Willen und nur auf ihren gemeinfamen
Gregor’ VII. Abweifung durch Erzb. Udo, in d. Angelegenheit Biſch. Pibo's. 449
Rath. Weil dann der Ankläger nad Pibo's Genugthuungs-
forderung und nad) ber Mahnung Udo's, zu antworten und Genug-
thuung zu geben, jich wieder hartnädig abweifend verhielt, entließ
ber Erzbiichof die Verfanmlung, indem er die Entſcheidung über
den Angeber dem Papite vorbehieft, und er ſchied auch von Pibo
im Frieden, nachdem er ihn am nächſten Morgen nochmals unter
vier Augen vor fi gerufen und in ber Verfiherung der Unſchuld
vertrauendwürbig gefunden hatte. An die Worte: „Da habt Ihr
bie Sache, wie Verhanbelt worden ift” — fügte Udo den Schlußjag
des Briefes, mit der ausbrüdlichen Bitte an den Papft, deffen Ehre
und Dienft er jeine Arbeit gewidmet habe, er möchte ihm in Zukunft
nichts von ber Art auflegen, was weder er felbft tragen könne, noch
Anderen zu übergeben vermöge, da er feine Leute finde, die zur
Uebernahme einer jolden Laft ihre Hände hergeben wollten 5).
Diefe_ fo entſchieden abweiſende Antwort eines ber erften
deutſchen Geiftlihen mußte auf Gregor VII. höchſt empfindlich ein-
wirfen, und es ift begreiflich, daß er durch Erfahrungen, bie er
nad) diefer Richtung machte, ſich beläftigt fühlte.
Einen lebendigen Ausdrud folder Stimmung legte der Papft
in dem Briefe nieder, welhen er am 22. Januar an Abt Hugo
von Cluny abgehen ließ. In vollem Umfange jchüttete er dem
vertrauten Freunde hier fein von Kummer te Herz aus, und
ohne Frage ift das ganze Schreiben das beite Zeugniß der Lage,
unter deren Zwang fi der Papft zu biefer Zeit zu befinden glaubte.
„Wenn es geichehen könnte” — jo beginnt ber Brief — „jo
möchte ich, daß Du in vollem Umfange mifleft, eine wie grof
Preffung mic) bewegt und eine wie ſtarke Drangfal, die fi all-
9 — ob. ©. 430. Ndo’s Antwort geht als Rr. 4 in Subendorf,
Begietrum, , 6—8, bem Schreiben Liemar's gleich voraus. Gleich die Eingangs»
worte: Clericus quidam Tullensis vos adiit ferens scripta, reverentise
vestrae nomine signata, in quibus a vobis accepimus, ut inter eum et
Tullensem episcopum de omnibus, que ibi continebantur, causam dis-
Br _ mei m en das 6.431, n. 173, erwähnte Söreiben, J. 4883. ae
Gage erſcheint Udo als ein negotium utpote grande et arduum, parvitati
nostrae um excedens, und before, Die Wendungen Gregor’3 VII. be
tieffend Pibo: episcopus immo exepiscopus, unb: nullo modo ferendum
&t... ut locum Pastoris lupus obtineat — müffen auf Udo unb bie mit
im veriammelten Bitchöfe großen Gindrud gemacht haben. Den zugegogenen
hof derich bi ‚et do ala ubique rei vestrae et nostrae cooperator
(1074 en hatte Gregor VII. in Registr. I, 81, J. 4869, 1. c, 101 u. 102,
am 6. Mai, dem Erzbiichof Ado aufgetragen, zugleich mit An von Dep
und Pibo von Zoul, vielmehr gegen Zheoberih — 8 heihßt ba von biefem:
nee nos quidem de eius obedientia, si privatim loquimur, multum con-
fidentes — wegen beö gegen ben Weiehl aus Rom hartnädig feftgehaltenen Bor
jehend gegen bad St —— zu_verhanbeln und ihn bei fortgejeßter
famöweigerung zu bedrohen). Udo's Worte über ben anflagenden clerieus:
vobis illum, sieut preceperatis, reservantes — gehen auf die Stelle in J. 4833:
Quodsi episcopus . . . innocens . . . spperuerit, quod elericus temere
— quoniam ad nostram venit audientiam, qualiter juste corrigatur,
aspirante procurabimus.
Rene vom Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter heinrich IV, u. V. 8. II. 29
450 1075.
täglich erneuert, mich müde macht und in ihrer Steigerung fehr
verwirrt“. Gregor VII. wünfht das brüderliche Mitleid des Abtes
für fi zu gewinnen. Er fährt darauf fort: „Oft habe ich Jeſus
gebeten, ae er entweber mich aus dem gegenwärtigen Leben hin-
wegnehmen möchte, oder daß er durch mich der gemeinfamen Mutter
Nugen ftiften könnte, und doch hat er mich biäher aus der großen
Bedrängniß nicht Hinweggeriffen, und ebenjo bin ich durch mein
Leben nicht, wie ich hoffte, der genannten Mutter, der er durch
feine Ketten mich verband, von Nugen geweſen. Denn ein un
ermeßlicher Schmerz und eine allgemeine Traurigfeit fchließt mid
ein, weil bie Kirche bes Oſtens auf bes Teufels Antrieb_vom
Tatholifhen Glauben abgefallen ift, und weil derſelbe alte Feind
durch die ihm anhängenden Glieder die Chriften allenthalben um-
bringt, jo daß er von dem Körper, deſſen Haupt er in geiftiger
Hinſicht morbet, die Glieder leiblich vernichtet, damit fie nicht durch
die göttliche Gnade zu irgend einer Zeit wieder ſich erholen mögen.
Wiederum wenn a mit dem Auge des Geiftes bie weltlichen
Gegenden ober die des Südens und Nordens überfehe, jo finde ih
kaum Biſchöfe, die nah ihrem Cintritt und ihrem Leben ald
geratig aufzufaffen find, fo daß fie das chriſtliche Volk in der
iebe Chrifti und nicht nach weltlichen Chrgeize lenken. Und
unter allen weltlichen Fürften Tenne ich feine, welche Gottes Ehre
der ihrigen und die Gerechtigkeit dem Gewinne voranftellen. Die
jenigen aber, unter denen ich wohne, nämlich Römer, Lombarben
und Normannen, bezichtige ich, fo wie ich es ihnen oft ausſpreche,
daß fie gewiffermaßen ſchlimmer, als die Juden und Heiden, jeien.
BVenn $ num zu mir jelbft zurüdfehre, finde ich mich durch das
Gewicht meiner eigenen Handlungsweife fo beſchwert, daß feine
Hoffnung auf das Heil mir bleibt, außer aus der einzigen Barm ⸗
bersigteit Chrifti. Denn ich möchte auf feine Weife zu Rom bleiben,
welde Stadt id — Gott jei Zeuge — gezwungen ſchon feit
manzig Jahren bewohne, wenn ih nicht Hoffen dürfte, zu einem
en Leben und zu beſſerem Nuten der Beitigen Kirche zu ge
langen. So kommt es, baß ich zwiſchen dem Schmerz, der all-
täglich in mir erneuert wird, und der Hoffnung, welde ah! alu
lange fi dahinſtreckt, von taufend Stürmen gefhüttelt, in
jegliger Weife den Tod erleidend, mein Leben führe und den
erwarte, ber mich mit feinen Fefjeln gebunden und gegen meinen
Willen nad Rom zurüdgeführt und da mit taufend gften um«
ürtet hat. Dft Tage ih ihm: „Eile, daß Du nicht fäumelt; be
Phleunige Dich, damit Du Dich nicht verweileft, und befreie mic
duch die Liebe ber fefigen Maria und des heiligen Petrus!”
Aber weil das Lob nicht foftbar ift und das heilige Gebet nichts
raſch zu Stande bringt im Munde des Sünders, deſſen Leben nicht
tauglid und deſſen Thun weltlich ift, fo bitte, beſchwöre, flehe ih
Did an, daß Du diejenigen, welde gemäß der Verdienfte ihres
Lebens gehört zu werben verbienen, mit wachſamer Sorge bitteft,
daß fie für mid) Gott inftändig anrufen mit ber Liebe und ber
Alagebrief Gregor's VII. an Abt Hugo v. Cluny. Verſamml. d. Faſtenſynode. 451
Aufmerkfamfeit, mit welcher fie die allgemeine Mutter lieben
müflen“. Und weil zur Anterbrüdung der Graufamteit der Gott-
Iofen ftatt der rechten beide Hände gebraucht werden müffen, fo fei
— fließt der Brief — eben für den Papft die Darreihung der
Hand des Abtes von Cluny, die erflehte, von biefem zu gewährende
Hülfe nothwendig, von Seite derjenigen, welche den heiligen Petrus
lieben und, als defien wahre Söhne und Krieger, ihn den mwelt-
lichen Fürften vorziehen. Denn Gregor VII. will klar erkennen,
auf wen er in Wirklichkeit in feinem Kampfe rechnen könne ®).
Inzwifhen war num aber die für die Faſtenſynode angefepte
Zeit, die erfte Woche der Faften, herangerüdt, und vom Dienfta;
der legten Februarwoche, 24., an war dieſelbe fünf Tage hindure
verfammelt. Sehr viel ſchärfer und umfaſſender, als die Beſchlüſſe
der erften unter Gregor VII. verfammelten Faſtenſynode gelautet
hatten, ftellte ſich das Ergebniß dieſer zweiten derartigen nach einer
vereinzelt ſtehenden Nachricht ganz außerordentlich — beſuchten
Verſammlung heraus’).
) Schon vor Registr. II, 49, J. 4926, an Abt Hugo (. c., 169—165),
deflen Hauptinhalt im a überfet ift, hatte Gregor VII. in ber in.n. 2 ers
wähnten Kumdgebung an Wibert u. a. ich geäußert: Coram oculis habes ...
& quasi palpare ınanibus potes miserabilem sanctae ecelesiae perturbationem
et jaın_per longa tempora inimicorum et impugnatorum eius insensatam
& Omnino infrenatam praesumptionem.
7) Die Nachrichten über die Verhandlungen ber nach Registr. IL, 58, in
basilica Salvatoris gehaltenen Synode, jo weit fie Berfügungen über einzelne
Verſonlichteiten brachten, doch hier mit der Einſchränkung: inter cetera decreta
gquae ibi gesta sunt, enthalten teils Registr. II, 52 a d. c., 170), wo auf
im Allgemeinen archiepiscoporum episcoporum et abbatum multitudo atque
diversi ordinis clericorum et laicorum Er ala anweſend genannt ift, theils
iteros et reliquos gradus ecelestiastici an (Libelli de lite, IL, 45)
%raulf, Gesta archiepiscoporum Mediolanens., Lib. I 7, nennt_ ala
Gegeufland bes Bel i it regi, jus deinde habere
aliquod in dandis
seiliarios, comminatus, nisi in proximo huie obediat con-
sütuto (SS. Unter ben deutichen Quellen fieht Bernoldi Chron.
ra, bie zuezi De im prima, opdomada quadragesimae gealtenen Yjamm-
Iung eine Einzeifrage: Gregorius papa ... causam Heinriei Spirensis epi-
deinceps
re-
ineat, neo deinceps alicui aeclesiam vendere vel emere liceat. Deinde
c
ſietas apostoli i
6, a. 1097 Tee. 1075), hebt einzig hervor: Cum quidam clerici sub
sententia interdicti a] liei libentius esse voluerunt, quam feminas et
29%
452 1075.
Fünf Räthe des Rönigs Heinrich IV., deren Eingebung der
Bapft die fimoniftifchen Handlungen de3 Königs zufchrieb, unter ihnen,
wie angenommen werden fanı, Graf Eberhard und Udalrich von
Godesheim, und überhaupt wahrſcheinlich die gleichen Männer, gegen
melde fih ſchon die Strafurtheile des Jahres 1073 gerichtet
{ärfung: excommunicati sunt qui audirent — etc). Der Annalift von 1075
an bringt gerade an biefer Stelle zum erflen Male ein unleidlich breit auds
geführtes Stüd, befien Charakter fo weientlih von ber früheren Erzählungs
weile innerhalb ber fogenannten Bertholdi Annal. abweicht. Nach den Ein
gangsworten: Sinodus Romae quadragesimae diebus a papa Gregorio
summo conatu colligitur — folgt eine weitſchweifige Beleuchtung der ürſachen
und der Erwägungen bes Papftes bei Betämpfung der tot sine numero sanctse
matris aecelesiae scandalorum praesumptuosae inmanitates, hernad) der ein:
leitende Saß: 0 regulas sancetorum patrum authenticas per singula
nune usque concilia rite constitutas proprium robur obtinere, toto sancto
eoncilio judicante et concordante, apostolica auctoritate firmissime deerevit,
et si quis his contumax refragari praesumpserit, a membris aecclesise
omnino alienus sit; daran ſchließt fich eine längere, in allem Weſentlichen
meh mur gan Heinen Cinfügungen, mbriih dem in n. 14 wähnten Bde
Gregor’3 VII. an Biſchof Otto von Gonftanz entnommene Etelle, der ald Aus
führung angehängt it: Oboedientibus autem et pro errore suo revera poe-
nitentibus apostolica mansuetudine et auctoritate a peccato suo solutis
misericorditer indulserat (etc.); da8 Vorgehen gegen. bie regis consiliarii —
ob heresim symoniacam —: parvi pendentes quod legatis ipsius da
eramentum promiserant (vırgl. ob. 377 u. 378, mit der Stelle der Compil.
Sanblas. in n. 92), iterum anathematizavit: quos ob id rex indignatus
minime devitavit, fowie Daßjenige gegen Bil—hof Heinrich don Epeirr: juxta
canonum atatuta sententia depositionis simul et excommunicationis (do
vergl. hiezu in n. 54) . . data est, weil derſelbe pro symoniaca heresi jam din
apud Romanam sedem canonice delatus et causam suam examinandam
illue vocatus, venire contumax dedignatus est, find autept ufgeähnt 8.
V, 480 u. 481, 561 — dazu SS. XIII, 79 —, 277 u. 278). Was dagegen
Bonitho, Lib. ad amicum, Lib. VII, als Beichlüfie ber Synode aufführt, it
mad n. 45 toum in beren Seit onzulegen, und vallenb? Sandulf, Historia Me
diolanens., Lib. III, c. 31, jeßt in gewohnter Sromolagiicher Verſchiebung die
Ausfage über Gregor VII: canones et registrum, ut eleriei qui investituras
de manu imperatoris aceiperent, ab ofliciis deponerentur, primus satagnit
(SS. VIII, 98) nach der Erwähnung der Excemmunication Heinrich s IV. it
eher mag auf die Synode fich beziehen, was Wido von fyerrara, De seismate
Hildebrandi, Lib. I, e. 3, eyäblt: Longobardiae episcopos eadern simonisca
heresi laborantes aepiscopali dignitate snspendit sedemque apostolicam
adire prascepit, ut eius aut firmarentur judicio, aut sententia dampnarentur
(Libelli de lite, I, 586) In istr. II, 62, fowie in Epiet. collectae,
Nr. 3-5, gedentt Gregor VII. bes Gebotes des ehelofen Lebens und des Ber-
bote3 ber imonie, in Registr. II, 66 u. 67, de erfigenannten. Weit mehr,
ala Hetele, Conciliengeſchichte, V, 2. Aufl., 41 ff., der mehrfache Irethümer
bringt (vergl. ©. 346 u. 353, in n. 55 u. 60) und beſonders auch, 47, bie erſt
1080 (vergl. zu jenem Jal Hi gehörende Stelle in Lib. II. des Chronicon
Bias von Slabigny (SS. VII, 412) zu bdieler Epnode von 1075 becanzieht,
rollen Giefebreht’8 Erdrterungen an ber ob. ©. 348 in n. 55 citirten Gtelle,
126—180, fowwie biejenigen Melper’s, Papſt Gregor VII. und die Bildofswahlen
@. Aufl), 85 f., mwogu „Anmerkungen“, 212 f., in Wetracht; bejonder8 zeigen
auch Gielebrecht, 127 n. 23, Melper, 208 ff., bah bie fon erwähnten Er
der Epist. collectae nicht mit Jafle, deren Herauögeber in der Biblioth., I
523—526, zu 1074, fondern zu 1075, wo aud; Xöwenfeld, J. 49314983,
fie einteihte, anzufehen find.
Beſchlüſſe der Faſtenſynode gegenüber Perfonen. 453
hatten®), follten von ber Zugehörigkeit zur Kirche ausgefchieden
werden, und wenn fie nit bis zum 1. Juni nah Rom kämen
und Genugtfuung feifteten, hätten fie als ercommunicirt zu gelten.
on den Vorftehern deutſcher Kirchen wurden vier, ein Erzbiſchof
und drei Bifhöfe, mit kirchlichen Strafen getroffen. Erzbijchof
Liemar fand fi wegen feines Ungehorfams?) von den Verrichtungen
des biſchöflichen Amtes fuspendirt und vom Genuß von Brod und
Bein im Abendmahl ausgefchloffen. Ebenfo wurden die Biſchöfe
Wernher von Straßburg, Heinrih von Speier von ber bifhöflichen
und priefterlihen Thätigfeit entfernt, und auf Hermann von Bam-
berg jollte, wenn er nicht noch vor Oftern Genugthuung zu bieten
fäme, die gleiche Drohung ſich beziehen.
Nah Frankreich richtete fih eine legte Warnung an König
Philipp: er follte als ercommunicirt angefehen werden, falls er
nicht den Abgefandten des Bapled, welde nad) jeinem Lande auf-
brechen würden, über die Leiltung von Genugthuung und über feine
Beflerung Sicherheit geben wollte.
Auf das lombardifche Gebiet bezogen ſich die Verhängung der
Suspenfion gegenüber den Biſchöfen Wilhelm von Pavia und
Runibert von Turin, welche demnach abermals als unbotmäßig fi
erwiefen hatten!°), und die Abfegung des Biſchofs Dionyfius von
Piacenza. Der letztere war ſchon ſeit längfter Zeit, ſeitdem er
1061 zu Bafel einer ber Wähler des Cadalus geweſen und dur
Alerander II. gemafßregelt worden war, ein in Rom fehr übel an=
jehener Feind der patarinifchen Partei in Oberitalien; doch hatte
tegor VII. im vorhergehenden Jahre, obſchon der Subdiafon
Bonitho wahrſcheinlich als ein Ankläger des Biſchofs zur erften
Faſtenſynode in Rom erfhienen war, gegenüber demjelben wieder
etwas mildere Maßregeln zur Anwendung gebracht").
2 Sufammenfteftung in Regisr. II. 52 3, fat: Tuingue de familie
regis Teutonicoram, quorum consilio ecelesiae venduntur. Bergl. zu 1076
inn. 30, daß unter ihnen ſehr wahrſcheinlich Eberhard und Udaltich waren,
jowie eben bort in n. 121 die Gründe für Annahme ber Fdentität der 1073
und 1 mit a naion beftzaften ‚ränner. bise
[u8d : pro inobedientia superbise suae.
) Bergl. ©. rer
1) Deber Dionyfius vergl. Bd. I, ©. 225, 560, fowie oben ©. 200, 370.
Hinfichtlich Bonitho's — vergl. ob. S. 353 — macht Kehmgrübner, Benzo
von Alba, 138, darauf aufmerkſam, daß er wahrſcheinlich im Auftrage ber
Blocentiner 1074 ben Biſchof bei dem Papfte angeklagt habe. Noch ift auch
auf ästr. II, 26, J. 4900, vom 27. November 1074, aufmerfjam zu maden,
m Gregor VII. an Dionyfius Placentinus episcopus nod ala einen
ülectissimus frater {&jrieb, erflich_twegen der Angelegenheit be Mlofterd San
Savino in Piacenza, dann aber befonders wegen der controversia, quae inter
te et abbatem sancti Sepulchri plebemve Placentinam sive Bonizonem
sabdieconum (ba bad ber Geſchichtſchreiber fei, nimmt auch, Behmgrübner,
Le, an) versatur, um deren willen bie legati nostri, praesentium latores,
nad; Piacenza geichidt waren; der Papft wünichte der dortigen Kirche post tot
temporum interstitia, post tot tantaque litigia nunmehr die optata et op-
pax, dem 2ilchof — huiuscemodi supervacaneis occupationibus pro-
454 1075.
Endlich wurbe gegen ben ſchon mit dem Banne belegten Herzog
Robert die Ercommunication wiederholt, ferner gegen deſſen Reiten,
Robert von Loritello!?), da fie in bie Güter des heiligen Petrus
eingebrochen waren.
Aber an diefe StrafurtHeile ſchloſſen fi weiter allgemeine
Vorſchriften, die ala kirchliche Gefege von der Synode aufgeitellt
wurden. ade vier Beſchlüſſe lauteten folgendermaßen. ——
ſollten Geiſtliche, welche irgend einen Grad oder ein Amt der heiligen
Würden mit Geld erlangt, von jetzt an in der Kirche nicht mehr
dienen. Dann wurde verboten, daß in Zukunft Jemand eine um
Geld erworbene Kirche behalte oder daß künftig irgend einem noch
erlaubt ſei, eine Kirche ſei es zu verkaufen, ober zu Zaufen.
Drittend hätten Alle vom geiftlihen Amte zu weichen, welche durch
Unkeuſchheit fih als tabelnswerth barftellen. Endlich durfte das
Volt die Amtsverrihtungen von Geiftlihen in feiner Weile mehr
annehmen, von welchen es vernehmen würbe, daß fie die genannten
apoſtoliſchen Einrichtungen verachteten. Gegen Simonie und Nidt-
beachtung des Gebotes der Ehelofigkeit gingen alſo diefe gejeglis
Anordnungen, und zwar zogen fie zugleich auch ganz — die
Beziehungen der Gläubigen unter den Laien zu den perurtheilten
Geiftlihen in Betraht. Der Umftand, daß diefe Gebote theil
durch den Papft jelbft in mehrfachen Ausfchreiben verfünbigt oder
erwähnt wurden, ferner deren Erwähnung in Geſchichtserzählungen
auf deutſchem Boden Semeifen, daß fie glei auf weiten Ümkreis
hinaus von Rom mitgetheilt wurden.
Anders ftand es mit einem fünften Geſetze, deſſen Tragmeite
allerdings noch von viel weiter greifender Wichtigfeit fein mußte
und von welchem einzig eine aus Mailand dargebotene Nachricht,
dieſe jedoch mit größter Deutlichkeit, ſpricht. Nicht nur ift da neben
ber Erwähnung des gegen bie Räthe — es ift bier in weiterem
Sinne behauptet, daß alle Rathgeber betroffen worben pin — ge
ſchleuderten kirchlichen Fluchs auch Hervorgehoben, daß ber Papft
das Gleiche dem Könige gedroht habe, wenn er nicht nächſtens ſich
pulsis — alles Gebeihen in feiner Kirche: in nostri Conditoris Iaudibus et
servitio delectari et in lege eius die ac nocte meditari valeas et ad veram
beatitudinem pervenias, atgqne apud nos calumniantium improbitas locum
ulterius non habeat (l. c., 138 u. 139). So ftanden augenſcheinlich noch ein
Vierteljahr vor dieſer Abfegung bie Beziehungen zu Dionyfius ganz günftig.
Rach dem in n. 17 zu en enden Briefe war ber Biſchof olim omni offieie
privatus; dann fährt Gregor VIL. fort: reddita sibi sola communione ee-
elesine, multis minis ae precibus contestati sumus, ut procuraret habere
pacem vobiscum (sc. universis catholicis Placentinae ecclesiae) Redditis
& resütnti, qane abeiulerat, cum gratis ministerü, ci apem majorin bene.
fici dedimus, si mandata servaret. Dann folgte ber legte offenbare Un-
geoem bes vir manifeste sacrilegus et multorum scelerum rens unb die
jeruetheilun,
9 vor > Dice ‚sweite Inrasor ‚Honorum sancti, Petri iſt nach istr. Vll.
, von ‚ ein nepos Robert’3, ber feine sacril audaeia an fpäter
fortfegte (I. e., 477 478). ' ver vs
Rirchliche Geſehe ber Synode, beſonders über d. Verbot d. Inveſtiuren. 455
horſam erweiſe; vielmehr ſteht daneben noch eine weitere Ver-
fi ung erwähnt. Es heißt in der fehlichten Erzählung ausdrücklich,
ba iregor VII. dem Könige öffentlich unterfagt Gabe, fünftig
noch irgendwie das Recht auszuüben, Bisthümer zu vergeben, jowie
baß er überhaupt den are aller weltlichen Perfonen von den
kirchlichen Jiweſtituren entfernte. Zwar ift der Wortlaut dieſes
Berbotes, ber erfimaligen derartigen unmittelbar von Rom aus»
gehenden Vorſchrift, nicht befannt, und vielleicht hielt ſich dieſelbe
no in ziemlich allgemeinen Ausdrüden. Immerhin war aber fo
an das Recht, welches die Firchlichen Sürfientgümer des Reiches
mit dem Throne verband, duch welches ber König über die Dienft-
leiftungen und Einkünfte diefer großen Sandichasten verfügte, die
Hand gelegt und damit eine Drohung ganz außerorbentliher Art
ausgeſprochen, fall3 Gregor VII. auch hier Gehorjam forderte und
Bei Defien Nichtleiftung mit dem, Banne vorgehen zu wollen
ärte.
Gregor VIL ſcheint die Hoffnung feftgehalten zu haben, daß
fi trotz dieſer Anfechtung der bisher üblichen Form der Inveftitur
dur Laienhand, trog der Erklärung ber Ungültigfeit der gewohn⸗
heitämäßig geihehenen Ertheilung der kirchlichen Aemter und
Güter das von ihm gewünfchte gute Verhältniß zu Heinrich IV.
werde aufrecht erhalten laffen. Denn er ließ, woran er nicht viel
fpäter den König erinnerte, ihm von der Synode aus durch
Getreue, welche der Verfammlung beigewohnt hatten, eine Melbun,
zuſenden, die ben Zweck hatte, berußigenb zu wirken. Der Baptı
wollte auf diefem Wege Heinri . bitten, er möge ſich nicht
darüber beunruhigen, daß eine üble Gewohnheit abgeändert werde,
fondern weife und fromme Männer abjhiden, damit eine Ver—
handlung angebahnt werben fönne. Gregor VII. ftellte beftimmt
in Ausfiht, daß er gern deren Rathichlägen ſich anbequemen wolle,
falls fie darzulegen im Stande wären, wie eine Milderung des
Verbote herbeigeführt werden fönnte, unter Wahrung der Ehre
Gottes und ohne Gefahr für das Gewiſſen des Papfted. So war
die Möglichkeit einer Verftändigung zwijchen dem König und bem
räpftlihen Stuhle eröffnet, wobei aber allerdings Gregor VII
andererfeits Die Anficht feithielt, daß fich ihm der König auf anderem
Gebiete hinſichtlich der geftellten Sorberungen entgegenfommend
ige, und baß dabei ftet3 die Angelegenheit Beſehung des erz=
biihöflihen Stuhles von Mailand voranſtand, iſt nicht zu ber
zweifeln. Es ift nicht als ein bloßer Zufall aufzufaſſen, daß gerade
aus Mailand die Nachricht gebracht wird, Gregor VII. habe auf
der Saftenfgnobe die Angelegenheit der Inveſtikur an die Hand
genommen 18).
18) Gieſebrecht feht, 1.c., 127—130, aus einander, weßhalb Gregor VII. mit
ken PER Hr abgeiehen von Mailand, wo jelbftve — die Pataria
fü _ ji ib dasſelbe tt ‚gemein
a en a a a Te 1019, alone
456 1075.
Nach verfhiedenen Seiten gingen dagegen, zur Verbreitung
der anderen Beſchlüſſe der Synode, betreffend das Verbot ber
Simonie und über die Chelofigfeit der Geiftlihen, die Schreiben
des Papſtes in der nächſten Zeit nad) der Synode aus, mie drei
nad) Deutichland abgeſchickte, an die Erzbiſchöfe Siegfried von Mainz
und Werner von Magdeburg, an Biſchof Otto von Conftanz, be:
weifen. Diejelben verbreiteten fi, ganz im Anfchluffe an die
ſynodalen Beſchlüſſe, über jeme beiden gefeglichen Vorſchriften, unter
Empfehlung insbejondere an die beiden Erzbiſchöfe, mit eigener
Anftrengung und derjenigen ihrer Gehülfen diefelben den gefammten
Geiftliden ihrer ausgedehnten Sprengel eifrig einzuprägen und
ur unverlegbaren Beobachtung vorzufcjreiben, und fie ſchloffen mit
ebhafter Ermahnung an die Empfänger, daß fie ihre Mitwirkung
dazu leiften möchten, dieje Vergehen mit der Wurzel aus ihren
Kirchen auszurotten!*). Ebenjo liegen noch vom 23. März, fomie
vom 29. des gleichen Monats, ſchriftliche Meifungen Gregor’s VII.
vor, jene an den Patriarchen Sigehard von Aquileja und am Bifhor
Dietwin von Lüttich, diefe zwei legteren an Erzbiſchof Anno und
an einen Biſchof des Mainzer Erziprengels, Burchard von Halber-
ftadt, gerichtet. Im Anſchluſſe an die Verfündigungen der Synode
jollte der Patriarch in feinem Sprengel alle Simoniften abjegen,
den nicht in Keufchheit lebenden Geiftlihen die Amtsverrichtungen
BWaig, Deutiche Verf.Geſch, VIII, 439, n. 2, Bagayen aud) 441, n. 1) und zieht
baber Gregor’s VII. eigene Worte in Registr. III, 10 — vergl. aud nod
unt. n. 167 — herbei. Gregor ſchrieb da, in J. 4972, an Heinrich IV. u. a:
Congregata namaue hoc in anng apd sedem apostolicam synodo . .
eui etiam nonnulli tuorum interfuere fidelium ... ad sanetorum patrum
decreta doetsinamque recurrimus .... Huius autem decreti, quod quidam
dieunt ... importabile pondus et immensam gravitudinem, nos autem
magis proprio vocabulo: recuperandae salutis necessariam veritatem vo-
camus et lucem .. a te vel ab his, qui in regno tuo sunt ..... devote
suscipiendam et observandam adjndicavimus . .. Attamen, ne haee supra
modum tibi gravia aut iniqua viderentur, per tuos fideles tibi mandavimus:
ne pravae consuetudinis mutatio te commoveret; mitteres ad nos, quos
sapientes et religiosos in regno tuo invenire posses, qui si aliqua ratione
demonstrare vel adstruere possent, in quo, salvo aeterni Regis honore et
sine periculo animarum nostrarum, promulgatam sanctorum patrum pose-
mus_temperare sententiam, eorum consiliis condescenderemus (l. c., 220
u. 221).
#) Die nad) n. 7 (a. €.) hierher zu ziebenden drei Briefe, J. 49314983,
1 e., 523-526, find, Pr. 3 und 4, speciales litterae bulla nostra impreseae,
an Siegfried und Werner ganz gleich lautend — von jevem heißt ed: cui est
clerus et populus amplissime dilatatus, cui preterea_plures et late dis ü
suffraganei sunt —, Rt. 5 an Otto gerichtet. Bei Otto if noch eigens ein
leitungsweile aufgenommen, daß Gregor VII. bei der instantia nunciorum
tuorum festinanter redire volentium nicht gleich durch jene habe seriatim
Vericht fenden tönnen. Des Beiehles für Giegiried — Mogontino venerabili
archiepiscopo confratri nostro, cui plures et late diepersi su, ei sunt, hoc
obedientiae munus injunzimus (etc). — gedentt auch der Brief Nr. 8 wieder
Es 528). Zu den von Bernold aufgezählten dier Beichlüffen tommt die Heine
meiterung mod, Binu: nt qui pro amore Dei et. ofkci dignitate. non
eorriguntur, vereeundia seculi et objurgatione populi resipiscant.
Vapftliche Schreiben behufs Verbreitung u. Einſchärfung d. Beſchluſſe. 457
unterfagen. Anno erhielt, unter lauter Verfiherung, wie hoch der
Vapft die Kirche von Cöln ſchätze, die wie die füßelte Tochter der
Mutter Rom nahe ftehe, das Verſprechen, daß ed des Papftes
Wille ſei, dieſe guten Sesiepungen noch nad Kräften zu ftärken
und zu vermehren. Dann aber wurde der Erzbifchof auf die Ein-
ſchärfung des ehelojen Lebens, wie diejelbe unter Erneuerung
älterer Gebote abermals feftgeftellt worden ſei — zwar könnte die
römische Kirche zu jeber Ei gegen um ſich gesifenbe usfhreitungen
auch neue Beſchlüſſe fallen — nachdrücklich aufmerkſam gemacht
und ermahnt, mit ſeinen Speengetbifööfen eine Verfammlung zu
veranftalten, wo diefer Befehl verkündigt werben follte. Gregor VII.
deutet ganz beftimmt ben Gebankengang an, der bei der Der-
fündigung der großen und den Geiltlihen nothwendigen Tugend
der Keufchheit vom Erzbifchofe Ps fei, und er verheißt
dabei, daß er felbft ftetd zum Schu Anno’3 und gu Abwehr von
Feinden voll bereit ftehe. Der Brief an Burchard knüpfte an ſchon
im vorhergehenden Jahre demfelben gegebene Befehle, die Geift-
lichen zur Keuſchheit anzuhalten, an und empfahl von neuem dem
Biſchof in dringender Weife, feine Aufmerkjamkeit auf die Aus—
rottung dieſes Unkrautes zu richten. Sollte derſelbe hierin ſchon
thätig gewejen fein, fo genüge diefe Erinnerung, wenn nicht, jo
diene der Brief als ein Fräftiges Wedhnittel; denn der Papſt
meint, er Zönnte wegen Stillj weigens für füulbig gehalten werben,
wenn er nicht feinen Mitknechten, voran den zur Belehrung Anderer
Geeigneten, ftet3 wieber fih nähere!d). Ebenſo erhielt Erzbiſchof
Berner noch vom gleichen 29. Närz eine weitere Erinnerung, in
diefem Sinne zu wirken, das ihm anvertraute Gotteshaus vein zu
halten 1%). Auf eine einzelne ber gegenüber jehlbaren Biſchöfen ge—
38) Registr. II, 62, J. 4943, an Sigehard, gebentt ausdrüclich ber Synobe,
61, 67 und 66, J. 4942, 4949 und Kr an Dietwin, Anno und Burdard,
kapram nur allgemein bes Gebotes wegen bes Gölibates (1. c., 182 u. 183,
181 m. 182, 185—188). Anno wird mit einer gewaltigen Lobpreifung bes Erz:
Ruble von Göln begrüht: Conatat, ecelesiam Coloniensem inter ceteras
regni Tentoniei eccleeias sanctae et apostolicae sedi, cui Deo auctore
deservimus, ita fide et dilectione atque obsequiis ab annis prioribus esse
derinetam, ut singulari familiaritate et gratia karitatis apud eam, tamquam
Apud matrem dulcissima filia, praepolleat —, und Gregor fühlt ſich Hinficht-
lich Anno’3 de oboedientia tui securior. Wegen der Vorſchriften über die Keuſch ·
heit heiht e8: Novit fraternitas tua, quia praecepta haec non de nostro
seneu excalpimus; sed antiquorum patrum sanctiones, Spiritu sancto prae-
prolatas, officii nostri necessitate in medium propalamus ... .
huie sanctae Romanae ecelesiae semper lieuit semperque licebit,
eontra noviter increscentes excessus nova guoqus decreta atque remedia
„ quae, rationis et auctoritatis edita judieio, nulli hominum sit
ut irrita refutare. Des Berboteö der Simonie ift dann nur noch nebenher
«m Gailuffe gebadht: nos contra symoniacam heresim in synodo confirmasse
"+. 2 vehementer prohibuisse.
* str. IT, 68, J. 4950 (. c., 189), tnüpft an das Bild des Joſua,
der fein Bolt führte, und der Mauern von Jerichs — id est defectionis opera
< sordide libidinis pollutiones —, die durch bie bucina sacerdotalis fallen
aübtn — die Worte an.
458 " 1075.
ſchehenen Verfügungen bezog fi ba, gen die am 3. März den
Placentinern gegebene Mittheilung, daß Dionyfius burd bie Synode
mit Austötu jeder Hoffnung auf Wiederverföhnung abgefegt und
von aller Möglichkeit, bei dem Papfte vorgelafien zu werben, aus
geſchloſſen jei, daß dieſer alle eidlichen gr er dem Bifchofe ge
gebenen Qufiherungen der Treue als aufgehoben erkläre. Zwar
glaubte Gregor VII. den Bürgern von Piacenza ankündigen zu
müffen, daß fie bei der Ordnung ihres Hirtenamtes und der Aus-
treibung des Wolfes auf Feindfeligkeit ftoßen würden — in
bibliſcher Vergleihung rebet er von den ihm jelbit entgegenftehen-
den thurmbewehrten Städten bed Landes Kanaan und den riejen-
haften Leibern der Söhne des Enak —; aber er verſprach zugleich
die Hülfe aller Getreuen des heiligen Petrus und forderte bie
Gläubigen auf, fi) zu ftärfen, da Gott mit dem Papfte und deſſen
Anhängern jei!?).
Eine andere Angelegenheit, welche Gregor’3 VII. Aufmerkfam-
keit wieder in Anfprud nahm, die auf diejer Synode nun aber,
wie der Papft menigftens annahm, zu Ende geführt worden war,
betraf jenen Zwift zwiſchen den Biſchöfen Gebehard von Prag und
Johannes von Olmütz, über gewiſſe Zehnten und Güter, die aud
nad dem ſchon im vorhergegangenen Jahre in Rom angeftelten
Verſuche eines Ausgleiches er geblieben waren. Wie nun ber
Papſt am 2. März bezeugte, hatte er mit dem Rathe der ver:
jammelten Väter in Anweſenheit beider Bifhöfe — auch Johannes
mar jegt in Rom erſchienen — zwar barauf verzichtet, bie fehr
verwirrten Dinge zur Entſcheidung zu bringen, dagegen zur Ber-
meidung weiterer Feindfehaft die gejammten ftreitigen Beligungen
und Rechte getheilt und je de Hälfte, jedem Biſchofe zugewieſen;
fie oder ihre Nachfolger follten innerhalb einer Frift von zehn
Jahren um weitere Rechtsbeweiſe zur endgültigen Schlichtung ber
Angelegenheit fih bemühen, worauf nad Ablauf diefer Zeit bie
Möglichkeit einer weiteren rechtlichen Verfolgung der Sade er-
löſche. Gregor VII. empfahl auch an Herzog Wratiflav am
14. April diefen Friebensfhluß; doch außerdem legte er demfelben
an das Herz, daß er fi) mit feinem Neffen Friedrich, dem Sohne
Spitignev’3, welder in Rom fich beflagt hatte, verjühne und ben-
felben das von jeinem Water hinterlaſſene Lehen im Frieden ge
nießen laffe oder ihm durch einen Tauſch Erſatz gebe, oder daß
riedrich wenigſtens jo viel erhalte, daß er anftändig leben könne.
eberhaupt hegte der Papft den Wunſch, daß Wratijlav fein Land
im ſicherſien Frieden lenke, wie überall, jo aud mit feinen eigenen
Brüdern ohne Streit lebe, und in einem zweiten am folgenden
Tage an alle Angehörigen des böhmiſchen Volkes nachgeſandten
17) Registr. II, 54, J. 4935, wirft zuerft den ſchon in n. 11 gebrachten
Rüdblid auf Die feüeren Beziehungen Her Gurie gu Dionpfiud, Der eh 23
al& lupus, qui res vestras diripuit et corpora animasque sequentium se in
foveam sicut oculus tenebrosus mittit, behandelt wird (l. c., 172 u. 173).
Anordnungen üb.b» Berhältniffev. Pragu. Olmüg. AbermaligeBorladungen. 459°
Briefe ermahnte er das Volk zur gegenfeitigen Liebe und Beobachtung.
des Friedens, zur Keufchheit, zum Almofengeben und zur Gaft-
freunblichkeit, ferner dazu, die Zehnten getreulich zu entrichten, den
Kirchen die foufbige Ehre zu erweifen. Denn nah den Mit
theilungen der in Rom anmwefenden Biſchöfe hat er den Wunfch
geabt, die Tadelnswerthen unter ihnen möchten tabelöfrei, bie
juten noch befjer werden. Er weiß ja, daß die Böhmen das von
ihm geſprochene Wort aus Ehrfurcht vor dem heiligen Petrus
noch ——— als die guten Mahnungen ihrer Biſchöfe, auf⸗
nehmen ?®).
Fe peien war ſchon auf der Synobe felbft, wie aus päpftlichen
Schreiben hervorgeht, welche die Empfänger auf einen beftimmten.
gleihen Tag Nas Rom vorriefen, wieder eine neue Verfammlung.
in Ausfiht genommen worden. Denn am 28. Februar wurde ein
Geiftliher von Orleans pr den 1. November vor den Papft vor⸗
laben !?). Das Gleiche geihah am 4. März gegenüber dem Biſchof
er IH. von Chälons an der Marne, je [3 derfelbe nicht vor
den bis zum 1. Detober nad) Frankreich kommenden Legaten ſich
jereditjertigt haben würde, und am 13. bes Monates wiederholte
ir der Schritt gegenüber Biſchof Dito von Gonftanz und Abt
Eogehard von Reichenau, wenn fie nicht die zwiſchen ignen
ſchwebende ftreitige Angelegenheit durch die Anrufung der Ver—
) Bert. zulegt ©. 427-429. Nach Regist
is et discordia, quae inter confratres nostros . . . de quibusdam deeimis
et curtibus diu protracte est, tandem per pactionis convenientiam in apo-
solica sede determinata, und zwar convocatis et coram positis episcopis,
nämlich Gebeharb und Johannes, wie nochmals wieberholt wirb: episcoı
in nostra praesentia pacificatos ,. . ad propria . . . dimisimus (l. c., 171
ı 172. Diefe 1075 geichehene Vereinbarung, deren Bebingungen auch beſonders
terminus decem annorum in fi fließen, 3og Gosmas, Chron. Boe-
moram, Lib. II, c. 31, in dem ©. 362 n. 71 Icon berührten Bufammenhang,
in ben Worten: facta est pax.. ... ea ratione, ut in pace quleti et proprüs
@piscopatibas contenti vivant, sin autem, t decem annos iterum ad re
siolieam sedem hac de eadem causa judieium accepturi redeant (SS. IX,
8, irrig in das Th 1074 hinein. Die Worte von J. 4934: residentibus
wma nobiscum in basilica Salvatoris multis fratribus beziehen fich jedenfalls
die turz vorher gehaltene Synode. In Registr. II, 71, J. 4953 — ber:
felben fchließt fich 72, J. 4954, an universi in Boemia constituti majores
"que minores, an — wirb Wratiflav, dem nodmald verfichert wirb: nos
parati sumus favere tibi, in quibus possimus justitia duce, gebeten, ut stu-
is terram vestram et vestri honoris regimen firmiesimae pacis federe
wndique praemunire, scilicet ut nullius litis scandalum in tuo regimine
versari permittas, praecipue inter te et fratres tuos, et Bragensem et Holo-
mucensem episcopum, nachdem im Anfang ber Sache des lerieus n
vester et Romanae ecelesise fidelis gebadyt wurde (1. c., 193—195). Ra
Yalady, Srsiäte von Yöhmen, I, 302, n. 111, war biefer Gwatoborsfriedrü
— ihm nennt die bei Tobner, Monum. hist. Boemiae, II, 10, mitgetheilte
Wotiz bed Necrol. Bohem., bes Alofterd Opatowig, zu VI. Kal. Marc.:
Suatobor patriarcha, über welchen vergl. zu 1 — ber Sohn bes 1061
(wergl. 3b. I, ©. 206) verftorbenen Herzogs Spitignev.
. _'%) Registr. II, 52, J. 4980 (l. c, 168-170), data Romae in synodo —:
Vie Borlabung geſchicht in proximam festivitatem Omnium Sanctorum.
IT, 58, J. 4984, in die
460 1075.
mittlung gemeinfamer Freunde und vorfihtiger Dlänner in der
Zwiſchenzeit ordnen könnten. Dagegen ſcheint kurz darauf bie Zeit
etwas hinausgeſetzt worden zu fein; denn am 25. März wurbe dem
Abte Ivo von St. Denis der 30. November als Tag der Ein-
berufung nad Rom bezeicinet?°). Hernach jedoch findet ſich wieder
ein etwas früher liegender Tag, der 11. November, in einem
Briefe vom 9. April, für den iſag Kunibert von Turin, zur
Ankunft in Rom vorgeichrieben. Denfelben hatte die Amtsein-
ftelung durch die Synode getroffen; doch mußte er ſich in der
jeither vergangenen Frift dem Papfte, der ihn als Biſchof anredet,
wieder angenähert haben. Wohl aber war in Folge abermaliger
Anfeindung des Kloſters San Michele della Chiufa durd den
Biſchof dad Verfprechen verlegt worden, da8 derſelbe von neuem
— er muß inzwifchen jelbft in Rom gewejen fein — abgelegt
atte, die Zufiherung nämlich, daß er wirklich mit Abt Benedict II.
ch zu verföhnen oder wenigſtens bis zur Entiöeibung der Sade
durch Gregor VII. das Nlofter nicht weiter zu kränken gebente;
duch äußere Gewaltſamkeit und durch die biſchöfliche Zwangögewali
hatte der Biſchof das Klofter geſchädigt und ſich fo nod) graufamer und
berber, al3 vorher, erwiejen. Sept wurde Kunibert auf das ernft-
baftefte ermahnt, hievon abzulaffen, mit dem Abte feinen Frieden
zu machen oder, wenn das nicht gelungen fei, eben zum Seite des
heiligen Martin fih in Rom zu ftellen; andernfalls, wenn Alles
nit fruchte, wurde er damit bedroht, daß das Klojter unmittelbar
der römifchen Kirche untergeordnet und dadurch der Zugehörigkeit
zum Sprengel von Turin entzogen werdet).
Der ſchon erwähnte Brief des Papftes vom 4. März, in
welchem Biſchof Roger von Chälons gemahnt wurde, hat durch die
2°) Registr. II, 56, J. 4937, an Exzbiſchof Manafies gerichtet, und 60,
J. 4941, an Otto — Sieut tua super Elardo abbate Augensis monasterü,
ita et illius super te nobis est illata querimonia — (l. c., 176 u. 177, 180
u. 131) lauten auf ben 1. November. Dagegen nennen str. IL, 64, an
Ivo, und 65, an bie Mönche von St. Tenie, J. 4946 und 4947, die festivitas
Sancti Andrese ald Zermin (l. c., 184 u. 185). Außerdem if in J. 4946 die
Sendung ber Legaten nach Frankreich hac in aestate — nicht erft ſpät im
Herbfte — in Ausfiht genommen.
#1) Registr. II, 69, J. 4951, richtet fi) an ben Taurinensis episcopus,
fo daß alfo die Sufpenfion nicht mehr beftanden haben kann. Reben er feiher
Alerander II. gemachten Verſprechung wird der Gregor Vli. cum norissime
apostolicam sedem et praesentiam nostram visitaases, gegebenen Zuficherung
unibert'3 Grwähnung gethan. Bemerkenswerth ift die Frage bes B
An ignoras, quod sancti patres plerumgue et religiosa monasteria de sub-
jeetione episcoporum, et episcopatus le paroechia metropolitanae sedis,
propter infestationem praesidentium diviserunt et perpetua libertate donantes,
apostolicae sedi, velut principalia capiti suo membra adhaerere sanzerunt?
Die Drohung am Ealurk geht eben dahin, zu bewirken, ut monasterium illud
cum. oınnibus suis pertinentiis in perpetua libertate consistat et, nullius
magisterio vel judicio post Deum nisi sanetae Romanae ceclesise sub-
ditum, in proposito sanctae religionis sine laceratione Deo servire valeat
d. ce, 10-19).
Borrüdung d. angefündigten Synode. Spannung gegen Erzb. Manaſſes. 461
einleitenden an Erzbifhof Manafjes von Reims gerichteten Worte
— denn an diefen war das Schreiben gejandt — noch eine be
fondere Bedeutung. Der Erzbiſchof wurde nämlich durch Gregor VII.
jeradezu tadelnd angeredet: „Wenn Dich die Sorge für die Leitung
eines Hirtenamtes, fo wie das fein follte, in Bewegung bringen
önnte, jo hätte die Angelegenheit der Geiftlichen der Kirche von
Chälond, welde ſchon fo oft zu uns gebracht worden ift, aller-
längft den ihr zulommenden Abſchluß erhalten. Aber weil duch
Deine Vernahläffigung und den Ungehorfam bes Biſchofs biefer
Stadt die Sache bis hieher verfchleppt worden ift, erwächſt für ung
die Nothwendigkeit, den ſchon jo lange bebrängten Geiltlichen zu
Hülfe zu eilen und den Trotz der Ungehorfamen durch die Kraft
der apoftolifhen Vollmacht zu bändigen”. Dann ſetzt ber Brief
aus einander, in wie weit Biſchof Roger, für welchen fi allerdings
ſchon 1074 bei dem Papfte König Philipp jelbft umfonft bittend
verwendet hatte, ſich ſchuldig gemacht habe, und es folgt jene Vor-
ladung. Noch ſchloß fih daran am folgenden Tage, 5. März, eine
ganz geſchäftliche Mittheilung an Manatjes, des Inhaltes, daß der
Erzbifhof eine zwifchen feinem Sprengelbifhofe Rabbod IL. von
Noyon und Biſchof Wilhelm von Utrecht ſchwebende Befigftreitig-
feit zum Vortheil bes Ieötgenannten ordnen folle. Dann aber
bricht für längere Zeit die Reihe der Schreiben an den Erzbiſchof
von Reims gänzlich ab, und es ift ganz wahrfcheinlih, daß das
eben deßwegen geiach, weil der Papit ſchon feit feinem Eintritt
in die Leitung der Kirche bei Manafjes in verichiedenen nad und
nad zu Aufträgen geftalteten Angelegenheiten fein Entgegenkoimmen
efunden Hatte, beſonders nicht, als e3 ſich darum handelte, König
ilipp von Frankreich wegen des Ueberfalles und der Ausraubung
der Kaufleute in das Gewiſſen zu reben 2).
Eine gleihfal® von ber Synode ausgefprodene Drohung
gegenüber einem deutſchen Biſchofe fam dagegen ſchon in ben
nädften Monaten endgültig zum Abfchluffe, im Sinne gänzlider
Qurhführung ber in Ausfiht geftellten Strafe. Das war gegen»
über Hermann von Bamberg der Fall, welcher ſchon im vergangenen
Jahre die ihm ein letztes Mal von Rom her zur Verfühnung dar-
ereihte Hand nicht angenommen, hierauf der Einberufung zur
jaſtenſynode nicht Folge geleiftet Hatte und danach aufge
®) Zu istr. II, 56, J. 4937, ba8 bie in ben jejeigten Worte ent»
dalt er; €. 349 wegen Bildof Rogert), und 58, a en 176 u. 177,
178 u. 179) vergl. M. Wiebemann, Gregor VII. und Exzbifdjof Manafied I. vor
Reims (Leipziger Diflert., 1884), 14—17, ber Ihließt: „Hatte bisher der Papft
vielleicht noch gehofft, den Eizbiſchof durch Freundlichteit und Milde zu ge:
winnen (vergl. 7 Ki über bie Verhandlungen jeit 1073), jo gab er in ben nächften
qm diefe Hoffnung völlig auf und war mur darauf bedacht, bie Macht bes
tibiſchofs einzufchränten; dieſes gie ‚hoffte der Papft am fi mit Hülfe
femer Zegaten zu erreichen“ (vergl. ob. ©. 425—427 Über die legten Manafies
gegebenen Aufträge, an König Philipp).
462 1075.
ferhert orten war, bis zum Ofterfefte, 5. April, in Rom fid zu
ellen?®).
Die Bamberger Domgeiftlichfeit, welche allerdings ganz gegen
den Bifchof gefinnt war und bei deren ausgejprochener Abneigung
das Vorgehen des Papſtes felbftverftändlich mit großer Zuftimmung
begrüßt wurde, verdient in ihrer einem Biſchofe zugeftellten Bericht:
eritattung über biefe Dinge wenigitend in ber Mittheilung ber
zhatjahen Beachtung, wenn auch freilich bie Färbung ber ger
gi enen Schilderung eine von einfeitiger Auffaffung bebingte fein muß.
ie Geiftlichen meldeten in diejer zuſammenfaſſenden Darftellung
von den Anftrengungen, die gemacht worden jeien, um Kermann
zum Beſuche der Saflenfonobe u bewegen. Es wird da gejagt, fie
Hätten fih dem Biſchof zu Füßen geworfen, ihn bemüthig gebeten
und beſchworen, daß er, weil zur Synode berufen, wenn er im Ge
fühle feiner Unſchuld fich fiher fühle, die Reife nach Rom antrete
und fih und feine Geiftlichfeit von dem fo verabfheuungswürbigen
Vorwurfe und ber ungeheuren Gefahr befreie, oder daß er, falß
ihm fein Gewiſſen einen anderen Rath gebe, dann in Surät vor
ott für fi und feine Kirche in anderer Weife forge. Es if
nicht unwahrſcheinlich, daß es bei dieſem Verſuche der Bamberger
Geiftlihen, auf ihren Biſchof einzuwirken, etwas ftürmifch herging,
und Einiges von ben bewegten Vorgängen, was man in Hersfeld
fich erzählte, mag fich ereignet haben. ‘Ferner ift eher anzunehmen,
daß das Auftreten des Erzbiſchofs Siegfried zu Bamberg fih nicht
fo, wie die Bamberger jchrieben, nur duch Himmlifce gi Fügung
22) Yergl. gen ermann's zuleht ©. 439 u. 440, 458. gr bie gefammten
Bepatmi ed Biichors in —A unb gegenüber Rom 'ommen nicht bie
— lungen, bie et in
Di Ofen Udalrei" A 4, bie to 2 Habenbergeneie Congregatio an den
episcopus E. (mohl Embrito von —— etma im Mei Cha, Biblioth
erman. V, 98--97), IV. 4961, or VIL an
di — en * een SET (208 2 ), V» Be
4962, or an Er; Si ieb vı D. Juli
VI.R ot. I 3. 196, © —A— ri w
20. di 8 —207). Einige LM ER biejem Fr — ee Yon
ext Tpäter in Betracht (vergl. unt. &. 540 u. 541). Im fehr ungutgefenber
Rellte Wit, Regeften zur eichichte der Dainger Exgbifi 1,2808 u. Zr bie
Lambert’3 Nachri chten ſtets voran und baran angereiht, ala fimmten fie damit
zuſammen, bie — en.
Bortgefegte Unbotmäßigteit Biſchof Hermann's von Bamberg, 463
vollzog, jondern daß Hermann felbft den Erzbiſchof zu feiner Unter»
ftügung fi) erbeten hatte. Allein jchon bald muß ſich herausgeſtellt
haben, daß der Bifhof an Siegfried Feine Hülfe habe. Die Inoen
der Bamberger beitimmten biejen, ba er ja von allen Dingen jelbit
auch fhon Kunde hatte, dahin zu wirken, daß unter Hermann's
eigener Zuftimmung und auf deſſen Bitte der Beſchluß gefaßt
wurde, es follten aus der Körperſchaft der Domgeiftlichen zwei
ober drei nach Rom ſich begeben, damit fi der Biſchof in ihrer
Gegenwart von ben ihm vorgemworfenen Verbrechen nad ber Feft-
fegung ber kirchlichen Gejege zeinigen könnte. Der Bifchof jelbft
verpflichtete ſich freilich in freimilliger Weile, daß er, fall das
nicht geſchehen fein werde, insfünftig von feinen Geiftlihen feinen
Gehorfam mehr fordern und fein biſchöfliches Necht mehr bei ihnen
in Anſpruch nehmen werbe**).
Aber darüber war nun eben bie Zeit ber Synobe herangelommen
und von Hermann verfäumt worden; er war in Bamberg geblieben,
fatt fi vor das Angeficht bes Papftes und der Verfammlung zu
ſtellen. Kaum gelang ed, durch die Zwiſchenkunft Einiger, die für
ihn eintraten, wenigitens das zu erzielen, daß ihm jein bijchöfliches
Amt noch nit abgeſprochen, ſondern daß ihm nochmals jene Ber:
Aingerund der Zeit bis Dftern als äußerfte Grenze geftattet
wurde 26).
Doch wieder benugte Biſchof Hermann die legte ihm gebotene
Friſt nicht, und jest ging Oregon VII am Sonntag nad Oſtern,
12. April, in ber angebrohten Weife gegen ihn vor. Inmitten der
Gardinäle, in Anwefenheit des Erzbiſchofs Siegfried, der ſich, wie
es wenigftens in Bamberg jo angeiehen wurde, unvermuthet nad
Rom begeben Hatte, fowie ber Bifchöfe Adalbero von Würzburg
m) Brief III hängen bie Bamberger an bad ſchon ob. ©. 376 in
2") Grete mit — aliquando — cum jam ecce in decimum
istiesima pacientia pertulissemus, sc. hec itaque aliaqne id generis
infinita, quas verecundia modestiaque nostra Deo teste dissimulat — bas
im Texte Teaäse an (94). Wenn bier im Briefe Siegfried — Et ecce, dum
hee agebantur, Deo sie ordinante, supervenit domnus metropolitanus —
ganz unerwartet gelommen fein foll, fo iſt es allerdings wal inlicher, daß,
Ni ui D),_ Hermann den Ergbifiho nad Bamberg
1. c., XXU, 548,
tandem ipeii
Bejauptete, nämlich anfängliche Zurückhaltung Siegfrieb’s, im Intereffe Here
aan und — befien —S u —ã vurch bie ae —
=) Der gleiche Brief geht mit Ecce autem Romae — nad) bem Abs
: Atque hec domi acta sunt — zu ben Greigniffen im Februar über.
Dab die Erftteung usque in diem palmarum, quia tune vonfurus sperabatur,
habe, ſtimmt zwar mit der auß Rom gebotenen Angabe — von ©. 453:
ante pascha — fat überein. Unter ben quidam, beren interventus ber Brief
, vermuthel Beyer, 1. c., die anweſenden Bilchöfe, bemen bad Treiben
0} zuwider geweſen fei.
464 1075.
und Hermann von Meg, nahm der Papft die Unterſuchung der
Sade de3 fern gebliebenen fehlbaren Bifhofs an die Hand. Unter
furchtbarer ——— wurde an Siegfried ſelbſt und an bie
anderen Deutſchen, die zugegen waren, die Aufforderung gerichtet,
auögufagen, was ihnen in Wahrheit über den Biſchof von Bam-
berg befannt ſei. Da verfünbigte der Erzbiſchof, als die Dinge
von Allen nad) jeder Seite beſprochen worden waren, in Wahrheit
und unbeftritten ‚eifoof German als einen Simoniften, und außer-
dem räumte er ein, daß er jelbft bei Anlaß der Wahl Hermann's
eine große Summe Geldes zu diefem Zwed ausgegeben habe. Da
Alle, die zugegen waren, einftimmig ſich zu ber — Siegfried's
befannten, jo wurde der Beihluß gefaßt, daß der Biſchof, wenn
er nad) Rom käme, hier das Urtheil in feiner Sache empfangen
follte; würde er aber wieder feinen Weg zurüdnehmen, ohne 1
in Rom zu ftellen, fo hätte der Erzbiſchof nad der Vorfchrift des
Papſtes an Geiftlihfeit und Wolf von Bamberg zu melden, daß fie
Hermann als einem Verurtheilten nicht mehr Gehorfam zu leiften
und mit ihm, als einem völligen Simoniften, allen Verkehr und
alle Gemeinfchaft zu vermeiden hätten ?°).
Inzwifchen hatte fi nun allerdings Biſchof Hermann endlich
auf den Weg nad Rom gemacht"), und er war auf zwei Tage
ut lem suae ipsius pecunise in id
Daß Siegfried und Hermann zufammen nad Rom gingen, wie Bambert will
. .„ . assumpto eo
Romam ire statuit), ift ganz irrig. ven jagt auch Beyer, 1. c., 544, indem
er augenicheinlich die zum 12. —— era welche nicht
nothwendig Bamberger jein müffen, in
hatte Siegfried bie Abreife Puppas vernommen, ba jloß er ſofort ebenfalls
nad tr benn die Be erſt nachher
insimulatus, quod Babenbergensem episcopum per simoniacam
sciens ordinasset, pene gradus sui periculum incnrrerat (222), ba ja ber
Vapft felbft aud in Brief V an Siegfried nur rügt, quod in praedieto ay-
moniaco negligenter egisti.
#7) Auf biejen Zeitpunkt, wo Hermann nad Rom fich aufgemacht hatte,
pant Brief II, bes M. an bie dilecti —— G., ee L., P., Ted Enbens
orf, n. d), e), f), ala Gozprecht, Liuzo und Boppo erflärt; benn Hermanı’a
sinistra . . discessio hat große Bewegung (tumultus) in Bamberg verurfacht:
Unde cum omnes nos uno animo incaluerimus, ad jus nostrum quolibet
modo apud Dominum et homines ubivis gentium repetendum adeste; ber
ſonders iſt auch ſchon von den literae quas transmisimus, beren studiosi inter-
pretes, benigni fautores bie Angeredeten fein follen, die Rede. Beyer, von
der Aorelung, Poppo jei Ihn um boraus in Rom eing —5 — jeweſen, aus⸗
gehend, läßt, 1. c.. 544, dieſen Brief von ben Hermann enden Aleritern
Gregor’3 VII. Unterfuchung d. Sache Hermann’3; defien Reife bis gegen Rom. 465
reifen Entfernung von ber Stadt eingetroffen. Nach der Schilderung
der Bamberger Domgeiftlihen hatte er überhaupt den Muth, jo
weit fi) vorzumagen, aus dem Umftande geihöpft, daß ein für
fehr großes Geld durch ihn erfaufter Unterhändler nad) Rom
vorauögereiit war, um duch unbegrenzte Spenden verjchiebener
Gattung die Gier ber römischen Vegehrlichfeit zu befriedigen, und
Gregor VII. wußte ebenfalls von Boten mit Sahfreichen Gaben, bie
Hermann vorausgingen und nad) einem bemfelben bekannten Kunft-
Fa durch Beftehung die Unbejcholtenheit ber Cardinäle, ja ſogar
jeiner, bed Papftes jelbit, u Falle bringen follten?®). Allein nun
war die Gebuld, die man bisher in Rom bewiejen hatte, zu Ende;
augenſcheinlich wurde die Unterbrehung der Reife, jo nahe vor
Rom, als letztes entjcheidendes Zeichen des Ungehorfams betrachtet.
Dazu famen wohl die zudringliden Bemühungen um Gunft durch
die Senblinge des Biſchofs.
Am 20. April erließ Gregor VII. an Geiſtlichkeit und Bolt
von Bamberg ein Schreiben, in welchem er, unter Hinweis auf
ben Umſtand, daß die Kirche von Bamberg ſchon feit ihrer Grün-
dung in die Stellung gleichfam einer befonderen Tochter der
römischen Mutter gerüdt fei, die Pflicht vorzüglicher Sorge für
fih hervorhob und dann anfündigte, daß er biejelbe von dem
gewiſſen Nichtwifler, der durch fimoniftiihe Treulofigkeit in das
Bisthum eingedrungen fei, von bem gottesläfterlichen Joche, welches
jener der öffentlichen Kirche auflegte, nach vorſichtiger Erwägung
befreit habe, daß er jegt gegen ihn das Uxtheil der Verdammung
oͤffentlich ausſpreche. Um nun den zu befürchtenden Gefahren, bie
bei folder Ausſchließung eintreten können, vorzubeugen und fünftigem
Schaden von Seite tempelräubifcher und gewaltfamer Menſchen zu
wehren, ftellte der Papft fogleih das ausdrüdliche Verbot auf,
unter Androhung von Rom ausgehender firhlicher Strafen, die
Befigthümer der Bamberger Kirche, befonders den Kirchenſchatz und
mitgenommen fein, benen ber Verfaſſer bed Briefes dieſes Schreiben für o mite
Doc a hätte in — Fall, —* vi mit, — ale weg«
gehenden Begleiter den Brief mitnahmen, ganz unmöglid, in bemielben gejagt
werden können: Quantum tumultum apud nos ... discessio commoverit, vos
ipsos optime nosse non ambigo.
2) Der BeRrehungeverfuc) jermann’ ift durch Brief IH und durch Gre⸗
VIL. fetöft in Brief VI erzählt. Dort beiht es: Interea noster cum
ieia cuiusdam intercessoris su — quem ingenti pecunia redemerat
quemgue infinitis variarım specierum opibus ad explendos Romanae cu-
Piditatis hiatus praemiserat — dum illius inguam fiducia propius Romam
äcceseiseet, ita ut vix bidui iter restaret, ibi, tristi nuncio rei gestae per-
eulsus, substitit (95). Hier lautet der Bericht: Symoniacus ille Herimannus,
dietus episeopus . . . cum propius Romam accessisset, in itinere subetitit.
et, praemittens nuncios suos cum copioeis muneribus, noto sibi artificio
innocentiam nostram et confratrum nostrorum integritatem pactione
emiae attemptare atque, si fieri posset, eorrumpere molitus est (208). 5
der —ã— ſtimmen beide Mitiheilungen überein; die Bamberger kannten
eben die Perjönlichteit, die ſich zu der Sache hergab, genauer und ellten behe
wegen biefelbe ganz in ben Vordergrund,
Neger von Anonau, Jahrb. d. btf. R. unter Heintih IV. u. V. vd. II. 80
466 1075.
die Landgüter, in der Zwifchenzeit, bis ein geeigneter Hirte für die
Kirche gefunden fein werde, wegzunehmen oder irgendwie zu ent:
fremden 9).
ALS Hermann eben an dem Orte, mo er inne gehalten, um
den Erfolg des Beſtechungsverſuches abzuwarten, diefe für ihn ver-
nichtende Entfheidung aus Rom vernommen hatte, wußte er, dab
für ihn in Rom nit? mehr zu holen, daß aud, fein legter ſittlich
verwerflicher Verſuch geideitert ſei. Er wandte fid) ſchleunig nad
der Heimat zurüd; denn bort ließ ſich bei rechtzeitiger Ankunft
vielleicht noch die Anftrengung, das Bisthum oder vielmehr deſſen
Güter feſtzuhalten, mit Erfolg fortfegen®°).
Trogdem bewerfftelligte der Biſchof nochmals in seigidter
Weiſe den Gebrauch eines Mittels, um eben für biefen 3: Zeit
u gewinnen, indem er vor feiner Rückkehr nach Deutichland die
omgeiftlichen, welche ihn begleitet hatten — der Dompropit Poppo,
nad) einer Angabe ein Hauptgegner Hermann's, muß ber Führer
berjelben geneien fein —, aus dem Orte, wo er feinen Aufenthalt
enommen hatte, für ihm nad Nom zu gehen bemog. Diele
änner, welde, die fchriftliche Aeußerung der in Bamberg ge
bliebenen Brüber bei ſich führend, mit dem Biſchof gereift waren,
um, wenn er in Rom eingetroffen wäre, wie feine Meinung war,
für feine Unfhuld in Rom Zeugniß abzulegen, ließen fi nunmeht
von demſelben, ehe er von ihnen jchied, durch ſchmeichleriſche und
trügerifche Worte gänzlich bethören. Hermann gab ihnen die Ber-
fiherung, daß er, wenn er nad) der Heimat zurüdzufehren vers
möchte, das Bisthum nieberlegen und die Verpflichtung zum Mönd-
leben auf ſich nehmen wollte, und fo machten fie, au Poppo mit
ihnen, getäufcht durch die vorgeblihe Reue und fromme Gefinnung
2°) Brief 1 enthält diefe Vertündigung, die Hermann's Namen gar nit
mehr nennt. An bie ſchon Bo. I, ©. 456, n. 113, erwähnte und ob. &. 376
2. wieder geftreifte Anſchuldigung der nicht zureichenden Bildung erinnert
ber Auöbrud quidam idiota. Das ilt der tristis nuncius in n. 28.
20) Der Sag von Brief VI, der fi) glei an dem in m. 28 gegebenen
anfließt, lautet: Quod ubi praeter spem evenit, jam de damnatione sus
securior, festinanter retrocessit. @ieiebrecht, III u. 336, wozu „An
merfungen“, 1139, n. 1, hat, worin Beyer, 1. c., 545, ihm folgt, den!
interpretirt, baf Gregor VII. geftanden habe, die Einwirkung mit Geld ſei wider
Erwarten gelungen und fo der Biſchof, forglofer über feine Angelegenheit ge
worben, wieber zurüdgereiß. Helele, Gonciliengeihichte, V, 48 n. 2, wider:
fpricht Diefer Auffafung mit Recht. Denn der Cap if zu überfepen: „Da bie
Sade gegen fein Erwarten ausfiel, ging er ſchleünig, da er bom feiner Ber
bammung noch mehr überzeugt war, rüdwärt3”, babei securus (vergl. auch dad
Wort bei Ducange) im Sinne der modernen romaniſchen Spracyen: sür, sicuro —
aufzufafen. Es ift ja auch ganz undenkbar, fogar angenommen, bie Beftechung
hätte im, vorauägefegten Sinne Rn Sunften Hermann’s geirtt, baß ber mr
ein für ihn umd feine nächfle Umgebung fo unehrenvolles und unerwüntchtes
Geeigni in folder Weife in einem Briefe an Heinri IV. zu Tage bringe
Die Beldjleunigung ber Rüdehr Hermann’s bat gewiß ihren Grund in dem
im Zert erwähnten Umftande. Nur nebenbei jei erwähnt, dab Lambert (vergl.
in Ercurs 1) den Biſchof felbft nad) Rom gehen läht.
Hermann’z Berdammung u. Rüdkehr; Bethörung d. begleitenden Geiſtlichen. 467
ihres Biſchofs, zu Gregor VU. fi auf, während Hermann nad
Bamberg urüdeilte®?).
om gaben die Boten das Schreiben, das fie aus Bamberg
mitgemen, an ben Papft ab, und es fcheint, daß ihre eigenen
Mittheilungen, die fie nad Hermann's bargeftellter Zerknirſchung
machten, nohmal3 ſogar auch auf biefen den von dem Bifchof ger
wünfjchten Eindrud nicht verfehlten. Denn als den Inhalt des
päpftlichen Auftrages, welchen fie zur Ausrichtung in Bamberg aus
Rom befommen, nannten dieſe Geiftlihen nachher, daß Hermann
nochmal? nah Rom vorgerufen worben ſei; {ir gleich aber
jei auch die Drohung ausgefroden worden, die Brüder der Bam⸗
Verger Kirche follten den Bifhof, wenn er fi nit zum Empfang
de3 Urtheil3 in Rom ftellte, als einen völlig von der kirchlichen
Gemeinſchaft Ausgeſchloſſenen anfehen und fi, wenn fie nicht mit
ihm umtommen wollten, vor aller Berührung mit ihm hüten. Etwa
ein Vierteljahr fpäter wurde dann freilih aus Rom gegen Poppo
und befien Begleiter der Vorwurf erhoben, fie feien in unvorfi figer
Weife in zu großer Eile aus Rom abgereift, ohne die nad
berg ne ſchriftliche Ausfertigung des päpftlihen Willens mit.
zunehmen®®),
*) Bon diefen Begleitern Hermann’s, die dann, nach dem 20. April, noch
nach Rom gingen, reden Brief III: Fratres vero, qui cum eo (sc. nostro) ®
venerant quasi testes innocentiae ipsius astituri, mam progressi, cum
litteras fratrum papae obtulissent . . ., ebenjo "iv: Po po praepoeitus
ecclesiae vestrae cum his, qui secum erant, decepti simulata poenitentie
£alsaque zeligione Herimanoi olim dieti vestri episcopi (203), welde Worte
fich et die enbung in Brief VI: blandis fallacibusque promissis Kern
i secum erant animas lactans, ajebat: ze, triam repedare
Ey episcopatu cessaturum ei monasticae vitas —E —ã——
erflären. Lambert nennt, a. 1076, Poppo, — potissimum factione et
studio Herimannus Babenbergensis episcopus episcopatu dejectus fuerat
(244). Beyer entfernt fi, 1. c., 545 u. 546, in ber Art, wie er die Dinge zus
—8 ganz vom Wortlaute der Quellen, fo wenn er Tagt, daß bie fratres —
im ber hier mitgeiheilten Gtelle von Brief IN — den ihnen mitgegebenen Brief
durch ben in Rom ſchon anweienden Poppo an Gregor VII. hätten übergeben
Lafien, während doch Poppo eben erſt in um Momente ald Träger dieſes
Briefe nah Rom gefommen war. Auch Siefebreit, III, 335, läßt nicht richtig
die Trager des Befiechungsverſuchs exft ar nat bienbung 5 der bethörten Fr
gleiter aunn's aus dem Orte der Unterbredjung ber Reife, auf ben Weg
nach Rom fi) machen, während die Stellen in n. 28 ganz ausbrüdlich von
„Boransienbungen“ ‚en.
®) Die in Brief IV von Gregor VII. hervorgehobenen Berhältnifie:
Hitieras, quas Poppo . „, cum his qui secum erant,. „„ incante a nobis
aimia sub —— recedentes ar ae Mt neg] —— PFR —F
voller Ertlarung allerdings eine ausgeſprochene Motiviriin⸗ it, inbeln
Teich, in wohl begreiflicher Weile, in Brief Tod) t fürger: Fratres
Gielgt bie Stelle von n. 31) post multa, quae longum est persequi, id demum
ab eo (sc. ) an accepere, deſſen Inhalt — eine nochmalige
nothivendig dorauszufegen — im Zexte angegı 8
Bielleicht lag bie Sad fo, daß die von Hezmann au Zufiherungen
lich von feinen bethörten Begleitern wirklich bt worden waren, a
bab fie nach Ausrichtung bes Auftrages ni J — ala Gregor VII. ers
30*
468 J 1075.
Der Verfuh der Bamberger Domgeijtlichkeit, ihres Biſchofs
fih mit Hülfe des römiſchen Stuhles zu entledigen und dadurd
Buftänden, die augenſcheinlich unleidlid) geworden waren, ein Ende
g maden, war aljo nicht gelungen. Zwar ſchwebte das fchärfite
rtheil über dem Haupte des Biihofs; aber von dem Genuß der
Güter der Kirche war er noch immer nicht entfernt. Außerdem
hatte das Vorgehen der Geiftlihen aud im Kreiſe der deutſchen
Biſchöfe ihnen übeln Willen erwedt, und fie ſahen ſich veranlaft,
wohl nicht ſehr Junge nad den Vorgängen in Rom, auf einen eine
Nüge enthaltenden Brief eines Biſchofs ein Rechtfertigungsſchreiben
abgehen zu laflen, welches eine gänzliche Ueberſicht der gejammten
Angelegenheit zum Zweck ber Belehrung des Empfängers enthält.
Denn wenn biefer Biſchof feine ftarfe Verwunderung darüber ges
äußert hatte, baf die Bamberger eine fo große und ungemwohnte
ade gewiflermaßen, al3 wären fie einzelne Leute, in Kedheit an
die Hand genommen hätten, fo glaubten fie annehmen zu müfjen,
er jei fehr unzutreffend über den Stand der Frage unterrichtet.
Sie hielten e3 für ihre Pflicht, ihn von der unverminderten Uns
verjehrtheit der bei ihnen geltenden kirchlichen Zucht, daneben aber
freilich auch von der vollendeten Unmwürdigfeit Hermann’3 zu über
zeugen. In ihrer Handlungsweife vermögen die Briefſchreiber ein
mißbräuchliches Thun nirgends zu erbliden, fie, welche zehn Jahre
⸗ geduldig geſchwiegen haben, beren mit Thränen und Seufzern be
leitete WVorbringung fi in unterwürfiger Form volljog. Sie
Pogen, ob etwas der kirchlichen Zucht Zutreffenderes hätte geſchehen
tönnen, als mit Zuftimmung und auf Bitte des Biſchofs felbft,
mit Rath und Vollmacht Erzbiſchof Siegfried’8, den Ausgang und
das Heilmittel für jo große Webel vom apoftolifhen Stuhl zu ber
gedeen. Danach begegnen fie noch verſchiedenen Einwänden des
tiefes, den fie haben entgegennehmen müſſen, daß fie nicht von
einem auf menſchlichen Crmägungen ruhenden Haß gegen Hermann
erfüllt jeien, daß auch fie felbft mit allen Wünſchen für dieſen die
Losſprechung von den kirchlichen Strafen erbitten, daß fie bie
ganze Angelegenheit dem Rathe deſſen, der an fie geichrieben hat,
weit davon entfernt, ſolchen abzulehnen, anvertrauen möchten. Aber
wartet hatte, in Rom blieben, daß aber auch Gregor VI. ſelbſt nochmals, nach
den am 20. April getroffenen ſcharfen Verfügungen, ein wenig einlentte und
den milderen Auftrag ausiprad, den die heimfehrenden Geiftlihen mitbradhten.
Die ganze Haltung des gewundenen Schreibens: sententiam damnationis .. .
in eum (sc. pseudoepiscopum) promulgavimus, indubitanter eredentes, quo-
niam nullius supplicatio . . . animum nostrum potuit revocare ... Verum
job ‚Sbtentn reli —F Fr Fun re .. eonatus est (etc.:
vergl. n. 34) zeigt, daß der Papft jelbft das ihl hatte, durch ein ifſes
Einlenten nochmals unfoigerichtig gehandelt zu haben. Erit die aus ie
tommenden Nachrichten über Hermann’s Auftreten mochten dann die Schreiben
dom 20. Juli verurfachen, in denen Gregor VII. auf die frühere Strenge zurüd:
griff und die dazwiſchen liegende Milde verleugnete, wie er in Brit IV felbft
int ': priorem sententiam confirmantes, ad cumulum damnationis eius hoc
addim
Reätiertigung d. Domgeiftlichkeit; größte Schädigung d. Bamberger Kirche. 469
zumeiſt hegen fie das Begehren, daß ber Bifhof nad Empfang
diefer Antwort für fie zu Chriftus bete, damit dieſer die jo
gefährlich fhmwanfende Bamberger Kirche durch einen ihm gefälligen
Hirten veiflih zur Ruhe bringen und leiten lafje®®).
Inzwiſchen war nun jebod vollends durch Hermann's Aufs
treten die größte Schädigung der Bamberger Kirche eingerifjen.
Bei jeiner Rückkehr vermochte der Biſchof die Vafjallen und Mi-
nifterialen des Bisthums, die ganz zu ihm hielten und durch ge-
meinſamen Vortheil aus den Gütern der Kirche mit ihm verbunden
waren, durch den Hinweis auf die Behandlung, die er von Rom
aus erfahren habe, für fih zu gewinnen. Diele feine Anhänger,
die fih burch den Eidſchwur ihm verpflichtet hatten und die Er»
haltung der Wurde der Kamberger Kirche als ihr Gelöbniß be⸗
trachtelen, zeigten fih über die Art und Weife, wie Gregor VIL
gegen den Biſchof vorgegangen war, empört, und beftärkten Her—
mann, nad) Bamberg surndaufepren, wo er nun etwa vier bis fünf
Wochen ſich aufbielt. Allerdings hielt er fi von dem Dienft bes
Altared und ber geiftli—hen Verwaltung feines Amtes fern; dagegen
befaßte er fih ohne Scheu mit der weltlichen Seite feiner Amts-
verrichtungen als geiftliher Fürft, und die Güter der Kirche litten
ebenfo arg an Ausfaugung und Verberbniß, als diejenigen Geift-
lichen, welche das Beſte ihrer Kirche und deren Ehre, wie fie die-
felbe verftanden, zu bewahren ſuchten, an Beeinträchtigung und
Mißhandlung. Man erfuhr in Hersfeld, daß in diefen Tagen ber
Anmefenheit Hermann’3 die Stadt Bamberg ganz ohne Gottesdienſt
geblieben fei, weil die Geiftlihen unter Abſcheu vor dem Gebannten
alle Gemeinſchaft mit ihm flohen. Dann aber verließ er die Stabt
und hielt fi, indem er fortwährend auf den Schuß feiner_bewaff-
neten Lehensmannſchaft fi ftügte, auf den auswärtigen Befigungen
feiner Kirhe auf. So haufte der aus Rom verurtheilte Biſchof
ſchlimmer, als vorher, nad dem Urtheile feiner Gegner, und man
glaubte in Rom, daß er die Kirde von Bamberg ganz verwirrt
haben würde, hätte nicht König Heinrich IV., wie Fr Gregor VIL.
lobend anerkannte, durch feine Macht ihm Schranken gefegt. Denn,
wie das auch in Hersfeld befannt war, weder von Seite Hein-
7. Die an ben Biſchof E. direct gerichteten Worte ber Bamberger in
Arief TIT zeigen ganz deutlich, daß dieſes Schreiben in der Zeit der ungewifſen
Sachlage, nicht allzu lange nad ben Greigniffen vom April, al 13
wurde. Der befier über die wahre Sachlage zu belehrende Bilcor Hatte
in feinem Briefe, ber hier beantwortet wird, geäußert: in spe absolutionis
ilkım (se. Hermann) adhuc esse, ebenfo: si emendatus recipietur, worauf fie
antworten: Cum, si emendatus fuerit, non sit episcopus, quomodo et re-
cipietar? Aut, si emendatus fuerit, cum sit excommunicatus, quomodo
recipietur? Sie begen den Wunſch, quatinus ecclesiam tam periculose
gafuasıem placito sibi pastore mature componat et gubernet, sc. Christus
u
470 1075.
rich's IV., noch von derjenigen der Bifchöfe war wieder Gemein-
fchaft mit "Hermann jepflogen worden ®*).
Raute Klagen über das Gebaren Hermann’3, über die Schä-
digungen der Bamberger Biche müffen nad Rom hin unngebrat
worben jein®). Denn am 20. Juli gab nun endlich der Papft
4 — den Berichten über Hermann, ber Briefe IV: sanctam Baben!
“ mide — est confundere bonaque illius erden
— —— quo modo res sibi contra Deum commissae ecelesiae
jus quam prius destruzerit et in clericos quondam sibi commissos sicat
ms surezenit, VL (am Seinic IV); temeraria ulterius progressus audacia,
dlericos, oeciesine suae utem et honorem quserentes, bonis suis di
gt, Di oum taa ut audivimus regalis potentia. refregisset, penitus
—ES — fimmt nun im, Weſentlichen —— —— jtet, wenn er
paßt, dab * ff Hermann, bei feinen milites — —
odum po] pet acceptumque fecerat — ee — ——
indem Biel 7 für unerhört und merträgtich bi hiel ten, ut ut sine publica audi
et „ganonien —e quod nec He und 31 rg Er —
episcopus deponeretur: das treffe aud) fie und ihre Ehre, aller erienigen, ui
— Babenbergensi — nA itati operam suam deberent cs
mb jorejürando dem dizissont: fo erieint Hermann in —
gas, altarıı offchum in coteris omnibus, quae scilicet ad exteriorem
ri adminstrationem perfinehent, nullo modo jure, muo eedebat
Fig — hält ex fich in eatrinsecis Bal benbergensis ecclesiae Ppossessionibus,
und zwar militum suorum praesidio fultus. ber vom Könige erhielt er leine
Görderung, audy nad) diefem Berichte: Verum neque rex neque episco)
neque alte Guiequaim qui samum saperet, ei communicare volebat 22 ®
223: vergl. aud 236, wo ähnlich von Hermann ‚geleat ift: licet extrinseeis
— Possessionibus, militum suorum praesidio fultus, contra vetitum
ineubaret, nullam tamen pontificalis officii administrationem usurpabat,
apostolici 'anathematis Teligine absterritus, ebenfo von Heinrich IV.: namquam
tamen rex vel leri verbo calumpnistoribus eius (sc. Hermann’2) —
quin immo haut gravate adversus eum accusationem reeipers videbatur);
dontic, räumt aue atund, De bello Baxon., c. 15, ein, daß Hermann, quamvis
nec suo, nec Parceret, ut gratiam regis obtineret, abgeicpt
Imurbde: Ipeo rege consiliante (887 V, 394).
56) Beyer, 1. c., 546 u. 547, läht in einer Weile mag ihm bie herange ·
jegene Quelle, "der Brief bei Sudendorf, istrum, fein Rechi bietet,
ie Vorgeſchichte de Erklärungen Gregor’3 VII. vom 20. Sat RA entwideln.
Dieier ief bes P. prepositus Babenbergensis, alſo des — nn. — er⸗
ı Im dominus cancellarius A., 3 IV.
— dali co, iſt ſehr allgemein gehalten und ſprich don. einem open via
übergebenen und durd; ihn aubgeführt ten Geihäfte — Provide iı
negotium summa executus sum diligentia —, über Fr Zeiftung ber Ern
— iste noster presens — berichten werde; es bar 6 wie fi) von jelbft
verfteht, auf dies Bamberger Angelegenheit: qualiter divina misericordia nostrae
gume, que in —E + J ore Se Ang She act aspiretur. Bam ie
eyer annimmt, Poppo habe in der Nöthigus ven, „abermals feine
Schritte nah Rom zu Ienten" — „Mitte Juli Ta Eee ber() Aber an“
or!
„aus dem Brief muh man notwendig auf eine “ den — —
ET Sn —
ritas, mit Gregots VII. Weilungen vom 20. au Tat 6} mb, ir ſehr abe:
jeinlich; daß aber, B fl, it biejen di
Goreken nad Dertaland —5 — 2 —— —
nur angedeutet. Wohl aber fal
ft, er, daß fidh der at a en m Yen Bi A ge einen —
Gregor's VIL Kunbgebungen gegen Biſchof Hermann. 471
dem gefällten Urtheile in verſchärfter Form freien Lauf. Dur
einen Geiftlihen der Bamberger Kirche ließ er drei Rundgebungen
mit einander nad) Deutſchland abgehen. Erſtlich ſchrieb da GregorV II.
an Geiftlichkeit und Volt von Bamberg und ließ eben in den Ein-
gang des Briefes die Klage darüber einfließen, daß Propft Poppo
und jeine Begleiter die jchriftliche Bezeugung des über Hermann
ergangenen Urtheild nicht fon früher von Rom mit ſich genommen
hatten. Dann verkündete er, was für eine Abſicht er gegenüber
dem falſchen Biſchof gehabt, und welches Urtheil ber Verdammung
er nach dem Richterſpruch des heiligen römischen Stuhls gegen
benjelben verfündigt habe, in ber ſicheren Vorausjegung, daß bei
ihm felbft feine Fürbitte oder täufhende Einflüfterung, feitdem fi
Hermann dem Urtheile diefer Gewalt entzog, eine Nenderung des
Entſchluſſes bewirken werde. Weil nun aber Hermann nochmals
burch, keigerifhe Vorfpiegelung der Reue in die Lage verſehl war,
bie Bamberger Kirche zu Schaben zu bringen, fo bekräftigte jegt
der Bart das frühere Urtheil, fügte ihm jedod zur Steigerung
der Verdammung noch hinzu, daß Hermann, vom biſchöflichen Amte
unmwiberrufbar entfernt, auch von der priefterlichen Thätigfeit gänz⸗
li ausgejchloffen bleiben jolle, bis er fich felbft der anoftolfichen
Gewalt voritelle, mit der Bereitwilligkeit, die Sicherheit zu geben,
melde der Papft für die Bamberger Kirche nüglih erachte. Die
Entfegung vom biſchöflichen Amte gilt dem Simoniften ; die Ent:
siehung des Rechtes, prieiterliche Verrichtungen durchzuführen, fließt
daraus, daß Hermann die Bamberger Kirche unter dem Anſchein,
ein heilige Leben führen zu wollen, zerfleifchte und verwirrte.
Ebenjo fol er, bis zu feinem Vortreten in Rom, unter dem Firch-
lihen Fluche liegen, nur mit der einzigen Ausnahme, daß er, falls
er im Angefihte des Todes ftünde, auch ohne die Unterwerfung in
Rom in der vorgefehriebenen Weiſe Verföhnung finden könnte.
Dieſelbe Verdammung ſchleudert aber der Papft auch auf Alle, die
ſeit Anfang ber Bithöfficgen Dermaltung Hermann’3 Güter der
Bamberger Kirche von ihm empfingen, bejonders jedoch auf die-
jenigen, welche feit deſſen Gehorfamsweigerung noch Güter oder
Gelder der Kirche von ihm fich geben ließen. Dann erging ferner
an Erzbifchof Siegfried in einem zweiten Briefe des giiden Tages,
unter dem Hinmeife auf die dem Erzbiſchof wohl befannten Ver-
gehen Hermann's, die Mittheilung von diefer Verwerfung und
immerwährenden Abfegung Hermann's und dem auf demfelben lie⸗
genden kirchlichen Fluche, ſowie der Befehl, dieſes öffentlich, be
ſonders ben untergebenen Biſchöfen des Erziprengels, zu verfün-
digen, ſowie nach den Anorbnungen der heiligen Väter für die Ein-
fegung eines Biſchofs von Bamberg zu jorgen. Doch geſchah dieſe
Beifung nicht ohne bie nicht zu mißverftehende Andeutung, Sieg-
fried vermöge in biefer Weiſe zu verbefiern, was er durch Nach—
läffigleit in ber Sache dieſes Simoniften, verfehlt habe. Endlich
erhielt auch Heinrich IV. die Anzeige von dem, was gegen Hermann
geliehen war, wieder mit ber Betonung des Umftandes in der Ein-
472 1075.
leitung, daß die Bamberger Kirche nad der Einrichtung ihres
Gründers dem apoſtoliſchen Stuhl ala ein näher ftehendes Glied,
gleihwie die Schultern dem Haupte, zu bejonderer Sorge anhange,
fo daß ſich Gregor VII. vorzüglich verpflichtet fühle, nad Kräften
der Verwahrlofung berfelben entgegenzutreten. Der König wird
nad furzer Aufzählung alles deſſen, was in diefem Jahre ſchon
geſchehen war, und nad) Bezeugung der Anerkennung des Papites,
daß er Hermann jetzt zulegt entgegengetreten fei, davon unterrichtet,
daß Hermann abgefegt, auch vom priefterlihen Amte [osgetrennt,
mit dem kirchlichen Fluche belegt fei, bis er die kirchliche Würde,
welche er in unerlaubter Weife an fi} gerifien habe, niedergelegt
und dann nichtsdeftomeniger dem Urtheile de3 apoftolifchen Stuhles
ſich geftelt Haben werde. Unter Hinweis auf die an Siegfeiet und
an bie Bamberger Geiftlihen gejchriebenen Briefe wird der König
ermahnt, daß nad) dem Nathe frommer Männer für die Bejegung
der Bamberger Kirhe jo Sorge getroffen werde, daß er jelbit der
Hilfe des heiligen Petrus ſich erfreuen bürfe®®).
Auf diefem Wege war, zwar nicht ohne Unterbrehung bes
von den Inhabern der päpitlichen Gewalt bejchrittenen Weges, dad
unter Alerander II. begonnene Verfahren gegen einen deutſchen
Biſchof zu Ende geführt worden, welcher freilih durch fein Ver-
halten einen breiten Raum zum Angriffe gab. Ebenſo hatte endlich
Ohregor VI. unter Umftänden, welche ihm auch einen neuen Vor:
theil gegenüber einem Erzbiſchof, die Herbeiführung ber fittlichen
Niederlage Siegfried’3 durch deſſen Geſtändniß in Rom, in be
quemer Weiſe darbot, in ganz erwünfchter Nebereinftimmung mit
dem Könige, diefe Entfegung des fimoniftifchen und gewaltſamen
Biſchofs auszufprechen vermocht. Da aber Hermann von dem ihm
früher jo gewogenen Könige feine Hülfe mehr gewinnen Fonnte,
war er, mochte er auch noch trogen, verloren.
Dod während Gregor VII. in folder Weile die auf ber
Faſtenſynode feftgeftellten Schritte fortjegte und bie ſchon gewon ⸗
3) Der erfte der drei am 20. Juli verfahten, nach Registr. III. 7, per
quendam evclesiae Babenbergensis clericum beförderten Briefe, IV — litterse
nostro sigillo insignitae —, geht eben im Pingange auf den in n. 31, dazu
n. 32 erwähnten Puntt ein; Brief V und VI fchließen fich demielben an. Die
aweı erften find von Saurentum (nad) dem Codex Udalriei dagegen IV von
Albano) datirt, der dritte von Rom. Bei der großen Nähe Laurentum's iſt die
Abfertigung vom gleichen Tage dennoch nicht ausgeſchloffen. Melper, 1. c., macht
in den „Anmerfungen“, 215 u. 216, mit Recht — Gielebrecht, III, 1141, äußert
fich zwar in den „Anmerkungen“ dag:gen — darauf aufmerkiam, wie in Brief V,
wo ber Papft der Hülfe Siegfried e bedarf, der Erzbiſchof ganz ausnahmameile
als venerabilis angeredet wird, ebenio wie in Brief VI in der Aufforderung
an Heinrich IV., des Anhalter: ut religiosorum consilio viroram eadem ecclesis
ita secundum Deum ‘ordinetur, quatinus beati Petri . . intereessione divine
merearis obtinere suffragia protectionis, in biefer „auf Schrauben geftellten
Wendung“ jede Aufforderung an den König, an der Belegung ſich zu beiheiligen
oder auch nur für ihr Zuftandelommen Eorge zu tragen, vermieden wird.
Bolgen d. Mafregelung Hermann's. Sage Gregor's VII. in Italien. 473
nenen Erfolge zu ergänzen fuchte, während er anderentheil® auch
mit weiteren fühn in größere ferne hinausgeworfenen Plänen fi
trug®”), geftalteten fi nun in jeiner näheren Umgebung, theils in
Rom ſelbſt, theils innerhalb der Anhängerſchaft, die für ihn im
lombardiihen Gebiete die ganze Kraft eingeſetzt hatte, aber über:
haupt mehrfach in Ztalien, die Dinge, zumal jeit der Synode, er-
heblich ungünftiger.
Die Pataria hatte fih unter dem Gebote Erlembald’3, der
nad einer Aeußerung des Geſchichtſchreibers der Mailänder Kirche
völlig wie ein Selbferrfher allen feinen Mitbürgern gebot, in
einer immer fefteren Leitung des ganzen öffentlichen Lebens in
Mailand und weit über die Stadt hinaus behauptet, und die Be—
fehle der römischen Kirche durften ganz voran in diefem Bereiche
auf fihere Befolgung ihrer Vorſchriften rechnen. Noch durch die
Faſtenſhnode war, in ber Abjegung des Biſchofs Dionyfius von
Piacenza, ein heftiger Gegner der Patariner von der Strafe, die
den Widerſachern ber Gregor vo. gegnerlihen Partei angebroht
war, erreicht worden®*). Doch ſchon bald hernach traten die An-
zeichen einer entſchiedenen Wendung in Mailand felbft hervor.
Erſt vier Jahre waren vergangen, jeit eine furdhtbare Feuerd-
drunft Mailand verwüftet hatte?®), über deren Ausbruch die hef-
tigften Anfhuldigungen innerhalb der von wilder Wuth der Gegner-
{haft zerrifjenen Stadt erhoben worden waren. Da kam e8 am
30. März, am Montag der Charwoche, zu einer Wiederholung
dieſes Unglüds. Von einem ftarfen Winde angefaht, verzehrte
das Feuer, welches in der Mitte der Stadt zuerft zu Tage getreten
war, faft den ganzen Theil von Mailand, den die frühere Zer-
ftörung übrig gelaſſen hatte, und beſonders fielen jegt noch zahl-
reihere und größere firhliche Gebäude, als beim erften Male, unter .
ihnen auch, wenigftens jedenfalls theilweiſe, die Domkirche, der
Flamme zum Opfer‘). Es konnte nicht außbleiben, daß bei der
bi et über bie hier in Betracht fallenden Briefe Gregor’s VII. unt.
n. ä
) Vergl. über Grlembald’3 gebietende Stellung zutcht ob. €. 368 u. 369,
über Pincenza ©. 453 u. 458. Auch Gregor’s VII Brief, Registr. II, 55, J.
4938, vom 3. März, an die Angehörigen der Kirche von Codi, mit dem Auadrud
der freude de vestro pio religionis affectu, quos audivimus adversus dete-
D symoniacam heresim et presbyterorum fornicationem, divinae legis
zelo succensos, laudabiliter insurgere, ebenfo über ben Bilcjof berjelben, Opizo
— vergl. 3b. I, ©. 134, vo derelbe 1059 noch ale von Rom her gemaßregelt
erihim —, qui se in tantum nobis eiusdem zelo pietatis fervere detexit, ut
ad haec perficiendum sanctae huius sedis obnixe Ähgitasset auxilium —, ift
hicher zu zählen. Der Bapft ermahnt die Bodenfer, den Biſchof, in feinem Kampfe
gegen die Gimonie und für den Gölibat zu unterftüßen (I. c, 173 u. 174).
2%) Bergl. ob. ©. 105.
+%) Bon diefer fyenrröbrunft bietet befonderd Arnulf, Gesta archiepiscoporum
Mediolanens.. Lib. IV, c.8, eine in jehr lebhaften Farben gehaltene Schilderung
(88. VII, 27). Kurz erwähnt diefelbe Bonitho, Lib. VII, in ben Worten:
Mediolanensis civitas tota incendio concrematur, in qua multae mirabiles
474 1075.
Erregung der Gemüther und den ungeordneten Zuflänken — ber
vom Papfte anerfannte Erzbifhof Atto weilte fern in Rom, Gott-
fried, der fein Amt Heinrich IV. verdankte, außerhalb Mailand’s
in der Lombardei — dieſes entjegliche Ereigniß die Leidenſchaften
noch mehr entzündete. Die öffentlihe Meinung mar gleihjam
einftimmig gewillt, die Schuld den Patarinern aufzubürden *), und
fo traf der allgemeine Haß voran Erlembald als den Führer ber
Pataria.
Mitten unter allem Unglüd der Stadt, troß ber allgemeinen
Trauer — fo beginnt der glaubwürdigſte Beriht aus Mailand über
diefe Vorgänge — war Erlembald unerjhüttert und unerweicht ge:
blieben, und wie im vorbergeßenben Jahre, brachte er auch jegt
wieder in ber öfterlichen Zeit die gottesdienftlihe Ordnung in Ver-
mirrung. Es fehlte wieder am Vorabend bes Dftertages zur Weihe
des Taufwaſſers das in gehöriger Weife bereitete Salböl, und als
die zur Vornahme diefer heiligen Handlung beftellten Geiftli—hen
der Kirche ſich mweigerten, in ordnungswidriger Weile ihr Werk
verrichten, griff nah Erlembald's Befehl der Priefter ber Kir
des St. Paulus in Compito, Liutprand, völlig unberufen ein, jo
daß ein peinlicher Einbruh in die nothwendige Taufform geſchah.
Das brachte eine neue heftige Aufregung hervor, und viele Bürger
der Stadt, befonbers ritterlihen Standes, fühlten ſich neuerdings
tief verlegt. Zahlreihe Gegner der patariniſchen Richtung ver-
ließen Mailand und thaten ſich mit Leuten aus dem Lanbvolfe
zuſammen, um endlich durch eine thatkräftige Aufraffung bie ihnen
auferlegte gewaltſame Herrſchaft abzumerfen. Eine eidlihe Ver-
pflihtung wurde zwiſchen ihnen aufgerihtet, daß fie die Geredhtig-
feit und die Ehre des heiligen Ambrofius herzuftellen und aus ber
Hand des Konigs einen Erzbifchof zu empfangen ſich anftrengen
wollten. So war für diejenigen, welche jegt ober ſchon länger vor
Erlembald's Ausfchreitungen ihren Befig hatten verlafjen müſſen,
eine Vereinigung gefchaffen, jo daß jegt aud öffentlich an die Vor—
ecelesiae, et praecipue mater ecclesia (bei Arnulf: mater sanctae Dei geni-
trieis hyemalis basilica, unter Hervorhebung bes ebenfalla zerflötten sacro-
sanctum altare — anderntheils ift unter den verbrannten Kirchen, bei Gt. Thefla,
aud) eine aestiva ecclesia) solotenus destruitur (Jafje, Biblioth., II, 663)
As Tag nennt Arnulf: propinquante sanctiesimo pascae festo, secunda
videlicet ebdomadis autenticae feria, was zu ber Angabe in ber Infceiit am
der St. Stephanskirche: 3. Kal. Aprilis, feria secunda, flimmt, welche aud) zu
Arnulf’3 Texte, 1. c., 27 n. 55, wieber mitgetheilt if.
+) Während Arnulf, am Ende von c. 8, nur in allgemeinen Worten aus⸗
führt: Hanc quidem peceata nostra merenfur serumpnam, quoniam sancti
Spiritus offendimus in nostro felle columbam; contra divinum namque
mandatum sanctum est canibus in nostro tempore datum, et apiritalis
margarita porcorum jacet pedibus indecenter attrita. Reliquorum non
est numerus delictorum (1. c., 27 u.28)—, hebt fein Anderer, ala Bonitho, ge
tabezu hervor: Que res (sc. dad Brandunglüd) inimico humani generis ad
decertandum contulit arma; nam omnes sive amiei sive inimiei quasi uns
voce elamabant, hoc esse peccatum Paterinorum (I. c.).
Großer Brand u. Verſchärfung d. Parteigegenfages in Mailand. 475
bereitungen für die Nüdfehr der Flüchtigen und für den Umſturz
ber Bataria durch die Capitane und Valvaſſoren geſchritten werben
lonnte“).
Erlembald ſcheint den Umfang der ihm drohenden Gefahr nicht
vorausgeſehen zu haben. Denn gegenüber anderen weniger zu-
verläjfigen Schilderungen, nach welchen der Führer der Pataria in
vollem Eifer und bei Vorausſicht des Angriffes bie Abwehr vor
bereitet haben ſoll, bezeugt jene ſchon erwähnte Darftellung des
Mailänder Zeitgenofien, daß es gelang, Erlembald zu überrajchen.
Eben ftand er nach jeiner Weife als anfeuernder Redner auf offener
+) Die Greignifie, welche zu Grlembalb’3 gewaltjamem Zode führten, find
Igmofıt don Mailänder Berichten, ald von Bonitho geſchildert, Bon jenen fteht
Imulf voran, der zuerft in c. 9 ausführt, wie inmitten des luctus omnis
ordinis et aetatis utriusque sexus Grlembald eine Ausnahme machte: solius
baldi intrepidus perseverabat et inflexibilis animus, und daran ans
fließt, wie instantibus paschalibus albis bie ob. ©. 369 erzählte Begebenheit
fid) wiederholte: baptismi satagebat sicut praeterito fecerat anno, ignoto chris-
mate inchöare mysterium, woßri it Liutprandus quidam presbyterauncupatus,
a itoribus ecelesiae vernula qui jussu ac virtute illius (sc. Arlembaldi)
inariorum usurpavit officium, beionbers herbortrat; eben das — haec quidem
violentia recenti juneta civitatis incensae memoriae — bradite heitige
ing: quam Pürimos offendit graviter cives, praecipue milites —; c. 10
fort, die Folge fei gemeien, ut simul diebus aliquot extra urbem exeuntes
suam ibi jurarent magna plebis cum parte justitiam et sancti Ambrosii
honorem, ac dono regis seoptron sese pastorem (l.c., 28). Sanbulf, Historia
Mediolanens., Lib. III, c. 30, tnüpft girih an ben in ®d I, S. 559 n. 21,
aulzpt herangezogenen Zufammenhang, von Greignifien von 1067, an: Ea tem-
pestate cum capitanei, quos Herlembaldus a civitate suis cum factionibus
eıpulerat, parati mori guam inhoneste vivere, viribas reintegratis urbemn
peulatim intrantes, cives quos habere —* secum stare ac feudi retinere
jurejurando affırmabant, worauf der ſchon ob. S. 369 in n. 78 mitgetheilte
Iufammenhang folgt; dann kommt: Dei ira super civitatem apertissime
— ‚judielis emittente, saneto baptismo sancti pascae criminose interrupto,
ventum est ad diem majoris ebdomadae — das ann nicht richtig fein, weil
ja die Oflerwwoche ſchon vorüber war —, quo capitanei jam non private, sed
publice sui fedi ac proprietatis retinendi curiose satagebant (SS. VIIT, 96
2 97), Bonitho fagt ſchon dor der Erwähnung der Synode von 1074: Medio-
Ianenses capitanei, ecelesiaram venditores . . colloquium cum rege faciunt
animumque eius ad deteriorem partem flectunt; nam ei promittunt, et
Pataream destructuros et Herlimbaldum oceisuroe. Quod rex libenter
audivit, et voluntarie, quiequid petierunt, promisit — Mittheilungen, deren
Bahrideinlichteit bei dieſem Gewähramanne faum hoch anzuſchlagen ift, zumal
ba fie als eine Wiederholung der &. 102 in n. 115 mitgetheilten Stelle bar»
ven Dann läßt er, gleich im Anſchlufſe an das in n. 48 beiprochene Ereig-
uB, im gleichen wieber aufgenommenen Faden der Vorgänge folgen: Medio-
lanenses capitanei et varvassores, ecelesiarım venditores, & colloquio regis
Temtantes Mediolanum, magnas exeitant sedieiones, machinamenta quedam
fingentes. Nam simplices quosque sedicionis ignaros hoc modo alliciebant,
dientes, se integritatem beati Ambrosii velle jurare —: Gelembald fieht
die Dinge, ift voll Gifers (estuabat), denkt an Abwehr (neque ... . aliud
inveniebat, nisi ut se et Dei populum, volentem pro justicia dimicare, velut
fortissimus Judas armis defensaret): Orescebat cotidie numerus infidelium,
et die in diem numeras minuebatur Patarinorum, eine Eriheinung, bie aber
jedenfalls erft durch Erlembald’8 Zod herbeigeführt wurde (I. c. 659, 662 u. 688).
476 1075.
Straße, ald die gefammelten Feinde gemeinſam ihren Eintritt in
die Stabt bemerfitelligten. Immerhin raffte er nun feine Leute,
unter Erhebung bes Kriegsrufes, nachdem er zu den Waffen ge:
griffen, um fih zufammen, um fie, während feine Rechte die früher
aus Rom zugeihidte Fahne hielt, gegen die Gegner zu werfen.
Aber die der Pataria abgeneigten Bürger erhoben fi) von allen
Seiten her, als er gerüftet gegen fie mitten in den Kampf eilte.
Gegenüber der Uebermacht vermochte er, da jet der Angriff von
ihrer Seite erhoben wurde, nichts auszurichten. Ueberall umringt,
wurde Erlembald jogleih von Wunden bededt — ein deutjcher Ber
richt fpra von fünf Lanzenftihen —, und jo ſank er alsbald todt
barnieder; noch fpäter wurde in Mailand derjenige, deſſen Streich
er erlegen war, genannt, Arnaldus de Raude, der Angehörige eines
angefehenen Haufe. Das Heine kriegeriſche Gefolge des Gefallenen
wurde nad allen Richtungen aus einander gefprengt. Die Leiche
Erlembald's blieb, wo der Kampf ftattgefunden hatte, auf dem
Plage liegen, ber Kleider beraubt, der nadte Leib überall durd
Stodfhläge und Steinwürfe noch weiter beſchädigt und verunehrt;
der allgemeine Haß_ gegen ben vorher fo gefürchteten Ausüber des
Schreckens machte Zr in ber wilbeiten Weiſe geltend. Erſt in der
Nacht wagten es die Anhänger, den Körper aufzuheben und zu einer
Beftattung zu bringen, der jegliche Feierlichkeit abging. Doch aud
egen den Anhang des Getödteten wurde noch gewüthet. Seine
Funde wurben verfolgt; einzelne Tödtungen und Beraubungen
follen noch nachher eingetreten fein, und von vielen Patarinern
wird ausgefagt, daß fie flüchtig nah Cremona fi zueücsogen.
Ganz befonders wurde auch jener Liutprand, welcher, obſchon ganz
niedriger Geburt aus hörigem Stande, unter Erlembalb jo mweient-
lid} hervorgetreten war, ſchwer getroffen. Als er nämlich, nachdem
er nad einer Mittheilung ſich gleihfalle am Kampfe betheiligt
Hatte, entfliehen wollte, wurbe er, wie es ſcheint, erft am folgenden
Tage, ergriffen und an Ohren und Naſe graufam verftümmelt.
Die Sieger fühlten fih als die Befreier der Stabt und fangen,
indem fie noch in den Waffen in die Kirche San Ambrogio zogen,
Gott und dem heiligen Ambrofius Siegeslieder; am folgenden Tage
wiederholten fie mit ber Geiſtlichkeit diefen Dank und empfingen,
nah Ablegung der Beichte, in der gleichen Kirche von den an
wejenden Prieftern die Losſprechung von den begangenen Thaten.
Der Friede ſchien für Mailand hergeftellt zu fein. In Rom dar
gegen und weit hinaus, wo. die Pataria ihre Bewunderer gezählt
hatte, verbreitete fih tiefe Trauer über dieſen Verluft; an dem
Grabe des verftorbenen Blutzeugen glaubten die Verehrer fogleid
die ſich einftellenden Wunder beobachten zu können 4).
) Die Tödtung Erlembald's erzählt Arnulf, c. 10, fo, dab Erlembalb, ul
die exeuntes eben gemeinichaftlich wieder in Die Gtabt Tamen, gerade auf ber Sirehe
war: ut semper consortis impaciens, astantibus eibi concionabatur more su0,
umd dafı er bie Offenfibe ergriff: facto cum suis impetu et elamore, festinanter
Zödtung Erlembald's u. Erhebung d. antipatarinifchen Partei. 477
Als 1066 Nriald eines gewaltfamen Todes geftorben war,
hatte die Pataria diefe Einbuße auch ſchwer empfunden; aber an
der Stelle des Getödteten war Erlembald erft recht an die Spige
arripitarma, vexillum quod sancti Petri dieebat (vergl. Bb. I, S. 439) dextra
gerens. armatus prorupitin medium; darauf folgt eine anfchauliche Schilderung
des Endes und der Vihhanbiung der Zeiche: et cum gestaretur humandas, nulla
illum exequiarum est prosecuta devotio, ebenfo der Verſtũm melung des Riutprand,
gegen den Arnulf insbelonbere Abneigung äußert: ut qui alienum praesumpsit
dium (vergl. in n. 42), quod habere videbatur amitteret, und die Semätnung
der Begeugung don Tank und Freude durch die Eieger. Am Ende von Lib. I
fügt hier der Geidjichtichreiber Die ſchon Bd. I, ©. 672, erwähnte Ausführung
don c. 11 über dm Namen be schisma . . decem novemaue per annoe
semper ab ij radice pululando protensum — bei (l. c.). Zandulf, c. 30,
Aelt in den Worten, die fi an bie legten Säße in n. 42 gleich anichliehen,
über Exlembald — haec omnia suo studio parari existimans, et animam jam.
ese in manibus dijudicans —: solus quasi dux theatram (vorher geht in der.
%. 6. 370 in n. 78 angeführten Stelle: ordinarii . . . in saneto sabbato-
Ipram in theatro duxerunt; quo ducto, diu super hoc negotium adversus
los pessime detrahens ac nova nomina inhonesta illis imponens Herlem-
baldus coneionaretur) suos confortando ac cohortando ad bellum regens
en necessaria ordinabat — den Führer der Pataria auch als den angreifenden
il dar, unter eingehender Schilderung der für denfelben bereit fiehenden ob.
€. 370 in n. 78 geichilderten Streitmadht, ſowie der Nennung des Leoprandus-
sacerdos gi et ipse crucem manu gestabat propria, non ut bellum sedaret,
sed ut bellantes suos potius incitaret hostibus; dann folgt wrlembalb’s Foli
und Lintprand’3 Berftümmelung. Alles fehr anſchaulich erzählt (1. c., 96 u. 97).
Die füngere Mailänder Geidjichtäquelle, Zanbulf der Jüngere (de sancto Paulo),
r. Mediolanens., nennt einerfeite, c. 66, eine in diefen Dingen hervor»
ttetende Perfönlichteit: Arnaldus, Arnaldi (de Raude, unius ex consulibus:
vergl. über den Zufammenhang Yernharbi, Lothar von Supplinburg, 658) avus,
Herlembaldum proteetorem presbiteri Liprandi oecidit, ipsumgue auetorem-
mee cause ad truncationem nasi et aurium atque ad vincula et carceres
violenter aduxit (SS. XX, 48), und führt anberentheils eben diefen Siutprand,
ald den Oheim und Lehrer ded Autord, jehr häufig an (vergl. bie in af
Einleitung, 1. c., 17 u. 18, citirten zahlreichen Stellen, nach welden der Ders
Kimmelte — vergl. c. 35 — mod biß 1113 lebte). Huch Gregor VII. fhrieb- .
im Liprandus sacerdos — abseiso naso et auribus pro Christo nomine —
finm Teoftbrief: Magie credas in te nunc esse presbyteratus offieium, quod
prins olei uncfione, nunc vero tibi est sanguinis tinctione commissum —,
Mit der Berficherung feine® Echuped — Seimus quidem, te ab inimicis sanctae
eeclesiae semper inimicari atque affligi — und der Berbeilung ehrenvoller
md feeubiger Aufnahme für den Fall eines Beſuches in Rom () — collectae,
%. 12,3. 4973, ans Sanbulf dem üngeren, c. 9, ).c., 24, bei Jaffe, Biblioth., II,
583 u. 534) Bonitho jagt von bem Zode Erlembald’3: Post pascha, derepente
congregato exercitu et multitndine conjuratorum, Herlimbaldum nihil mali
mepieantem invadunt, eumgue, bellare temptantem, in media platea inter-
fieiunt, aliosque persecuntur et depredantur, führt dann weitere Amfände
— ber entblößte Leichnam erft in der Nacht aufgehoben und in ber St. Diony-
fiätirche beigefegt, mit fich einflellenden Wundern, Siutprand’8 Verftümmelung
Is die), weitere Verfolgungen und Flucht vieler Patariner nach Gremona,
fi Z
'tauer: non solum Romae, set usque ad Brittannicum mare — an
©, 683: In Deuticland fhaltete der Annalift von 1075 an a. 1077, bei
ähmumg der Saftenignode von 1078, wegen der quaedam miracula, quae-
Mediolani ad sepnlchrum domni Erlebaldi, qui et ipee propter justitiam
ante triermium passus est, facta sunt, die Gelhichte vom Zode Exlembald’s
fin, bed orator facundissimus et sub seculari habitu athleta Dei sollertissimus,
478 1075.
des Kampfes gegen bie erzbifhöfliche Kirche in der alten Geftalt
getreten, und die Streitluft hatte fih nad kurzem Zwijchenraume
erft recht völlig neu befeftigt. Jetzt fehlte dem zerftreuten Häuflein,
das gänzliher Auflöfung entgegenging, ein neuer Führer, und die
Gegnerſchaft erhob auch außerhalb das Haupt in fühner Weile.
Es ift nicht zu bezweifeln, daß rings in den lombardiſchen Städten
die koniglich Gefinnten gegen die aus Rom gefchidten Befehle neuen
Muth faßten und unter einander in neue Verbindung traten. Voran
aber mußte fi die Aufmerkſamkeit auf Heinrich IV. richten, ob es
möglich fein werde, daß er den erzbifchöflichen Stuhl, unter Preis
gebung des unfähigen und in Mailand ber Vergeſſenheit anheim-
gefallenen Gottfried, mit einem thatfräftigen Manne bejege, der den
iberftand gegen Gregor VII. zu Ienfen verftünde. Es verſteht
fi, daß dabei auch Erzbiſchof Wibert von Neuem in den order:
gend Mi treten hatte, und mie man in Rom annahm, war feine
hätigfeit bei dieſem angriffsweifen Vorgehen der lombardiſchen
Biſchöfe ganz befonders jpürbar, in briefliher Anftiftung und
anderweitiger Aufreizung *).
Wibert war fhon, entgegen der ihm zugeſchickten Aufforderung
Gregor’3 VIL., von der Faftenfynode, wie von einer Seite beftimmt
angegeben wird, fern geblieben; doch ſcheint damals der Papſt noch
Geduld geübt zu haben. Allein nach dem Umſchwung in Mailand
trat mob eben ber Erzbiſchof beftimmter bern, und jegt rief
biefes Verhalten dem Urtheile Gregor’3 VIL, ber bei ber Ent:
bindung Wibert’3 von ten Verrichtungen des Amtes ohne Zweifel
canonicse restaurator disciplinae et observantiae — nicolaitis et symoniscs
heretieis zelo Dei restitit —, beffen Berbienfte ausgemalt werben:
secum turmis suis militaribus, ad canonicam illum (sc. canonicae distrietioni
rduellem et inoboedientem) censuram aut coegit, sive wit aut apfın
incarceravit, et omnia quae possidebat diripuit et dissipavit. Als Mörer
nennt diefer deutiche Bericht quidam Mediolanenses, qui episcopi sui symo-
- niaci, et ipse tota Er ;oterat virtute adversatus est, nec non regis
Heinriei, qui eundem Nis hereticum apposuit, morigeri et assentatores
fuerant, unb läßt bie Zödtung Be insidias dolose, und zwar, quingue simul
lanceis, gelehehen: die Beilefung bes in platea eivitatis Ligenden Leidname fi
per triduum durch Waffengewalt gehindert worden, bis dann, bı ein tertis
noete über bem Sörper erglängenbes, weithin Leuchtendes Himmlifches Richt aufge
fordert, Ginige Die Reiche lrigetragen und in gebührenber Meile im St. Gelut
Nlofter beftottet hätten, worauf hier die Wunder nicht aueblieben, fo daß ber
Annalift fi) die Frage borlegt: Cuius industrie et intentioni quemlibet summi
regis militem et sanctae fidei defensorem fortiter et exultanter in Christo
insistere non pigeat, si peracto certamine legittimo tam insigni glorise
‚coelestis triumpho perenniter coronari delectat (SS. V, 305 u. 306) De
Zug deö Todes Grlembald’s fteht nicht feit; doch muß er nicht Lange Zeit nah
Dfteen fallen (Giefebrecht fegt das Ereigniß. III, 331, „um den erfien Mai”, boh
ohne ficheren Anhaltpunft dafür).
+) Zonitho fejreibt barüber: Interea Guibertus Ravenne contra domi-
num suum papam callide armabatur. Nam suis literis conveniens cervicos0s
Ton bardos episcopos (vergl. den gleichen Ausbrud ſchon in Bb. I, ©. 14
n. 28)... mirabiliter contra pen instigabat (I. c., 684), zieht, babei
‚aber aud) ſchon (vergl. unt. bei n. 163) den Erzbiſchof Thedaid von Mailand Hincin |
|
Anlehnung d. Antipatariner an Heinrich IV.; Verhalten Erzb. Wibert’3. 479
au auf beffen Wegbleiben von ber Synode ſich ftügte*). Doc
fol Wibert die Fäden feiner Anknüpfungen auch noch weiter in
Stalin ausgebreitet haben.
Raum ift zwar anzunehmen, daß der Erzbiſchof mit dem be
rüdtigten Gencius, welder allerdings gleichfalls zu ben heftigften
Feinden Gregor’3 VI. gms, ſchon in näherer Verbindung ftand.
Diefer war nämlich, vieleicht — doch fteht das feineswegs y cher —
zur Zeit der Faſtenſynode, dur den römischen Stabtpräfecten in
den Kerker gelegt worden, und die Tobesftrafe war gegen ben
gemalitbätig — —— gefällt und nur auf die Fuͤrſprache
Sepogin athilde und vornehmer römiſcher Bürger durch
Gregor's VIL. Gnade aufgehoben worden. Doch hatte Cencius
Geiſeln ftellen und den Turm, von welchem aus er jo viel Webles
angen, zur Zerftörung übergeben müflen. Aber es Ing mabe,
ex, weit entfernt von Dank für die Rettung feines Lebens,
nah diefer Niederwerfung an Nahe date und fih nad allen
Seiten um Antnüpfungen umjah‘‘). Unter denjenigen, auf bie er
+“) Während Bonithe in ben Worten: In qua (sc. — Quibertus
voeatus, dum venire noluisset, ob perjurii Si re ab episcopali officio
est, et Hugo Candidus — * receptum dicentis: Here-
team hominem sm pas primam et secundam ——— (ie, I, 10)
juestratus est (I. ) Wibert’3 und Hugo’ Maf
—— in bie "Sie Gaflenfpnobe fepen — iR Biellbe — Sambet Ich, :
35
. ug0’8 Verurteilung: quem ante paucos dies propter i
Be Ban ee ee
Bi Januar jenes Yahıes, (88. V, 242) — mit, Gielel ‚ 1189, in ben
Anmerkungen“, wohl erft in ben Eommer 1075 engem iM auch Köhnde,
Bünt von Ravenna, 2%, übereinftiimmt, ber zudem zeigt, bak bie Sufpenfion ohne
Wirkung in Ravenna war.
4) Bon bem zul tet ob. ©. 421 u. 422 erwähnten Gencius ſpricht Bonitho
Gm Ani 8 ie ji ir 4 ee ©telle): Forte his diebus Deo
urbis Romae captus tenebatar. Qui
Pe een capi —e— suscepit sententiam. Set precibus
gloriosse Matilde, que ibi aderat illis diebus, et, multorum Romanorum
&vium vix emerait, ut vivus dimitteretur, datis obeidibus in manu papae
et turri, per quam ’ad celum ascendere nitebatur (Anfpielung auf den Thuͤrm
von Babel), que funditus destructa est (l. c., 664), und Giefebrecht, III, 334 —
auch Bannenborg, Studien zur Geſchichte der Her: jogin Matilde von Canc ja, 29,
n.3 — will das auf bie Zeit der Synode —— was moglich, aber der
maningigen mehantihen [xt Bonitho’3, neue Abſchnitte mit einem: his diebus,
Fra a zul fnüpfen, gar nicht ficher ift (Gregorovius Gefchichte der
Rom, Id 180 n.1, 3 39, p die Dinge ierig zu 1074, — von Bernried
za in der Vita G: Gregorü ‚ © 47, von der Gefangenjep, ung: Cincius .
eam (se. ben Seneiud) sopit it et carceris’squaloribus (Beno, Gesia Romanae
5* eontra (debrandum. Lib. I, ce. 8, weiß von Qualen in vase
jae aculeis vestito . . mille et mille mortibus zu ſprechen —: Libelli de lite,
) tantum latronem, ut dignum fuerat, tradidit, ber Freilafjung interventu
——— nobilium Romanorum, permittente hoc clementis domini papae,
Sandale und peractis supra sanctı Petri corpus machine fe ‚suse melioratio-
geos, lieet lonı lon; fam per & se quam per suos nuncios a Ipse
wit Apuliam! re cemque Guiscardum et caeteros excommu-
480 1075.
hoffte, mochte Wibert ſich befinden; aber die von gegnerifcher Seite
einfeitig außgeftreuten Anlagen eines ſchon vor einem Jahre ge:
ſchaffenen weitgehenden Einverftändnifjes zwiſchen Wibert und Cen⸗
cius reihen nit aus, um eine foldhe Thatſache etwa für dieſe
Zeit der eingetretenen offenen Entfremdung zwijchen dem Papft und
dem Erzbifhof zu bemeijen *").
Dagegen wird der Abfall des Cardinals Hugo des Weißen,
ber wieber feine Gefinnung änderte und Gregor VII. verließ, weit
eher mit Wibert’3 feindfeliger Haltung gegen Rom in Zufammen-
hang gewefen fein, und ebenjo ift es an wahrſcheinlich, daß Hugo
mit Cencius im Einverftändniß war. Die Urſache dieſes abermaligen
Abfalls ift nicht überliefert; vieleicht glaubte der hinterliftige Mann,
Gregor VIL, deffen Erhebung er — zumeiſt gefördert hatte, ver⸗
rathen zu ſollen, da deſſen Stellung weniger ſicher geworben zu fein
ſchien. Selbſtverſtändlich war die Folge dieſes Äbfalls die end⸗
gültige Ausſtoßung Hugo's aus dem banbe ber Kirche. Der
Gervefene Gardinal, deſſen Geſchicklichkeit zur Unterhandlung ſich bei
den früheren zum Vortheil der römiſchen Kirche ihm übertragenen
Sendungen wohl bewährt hatte, machte ſich nach Apulien B Herzog
Nobert auf den Weg, um zu verſuchen, die von dem kirchlichen
Fluche getroffenen Normannen noch mehr gegen den Papit auf
zureizen. Er fol ihnen zu Gemüthe geführt haben, daß fie in
fälſchlicher Weiſe ercommunicirt worden feien und daß Gregor VI.
als ein Eindringling und nicht als ein nad) den Vorfchriften ber
heiligen Qäter gewählter Papit angeichen werben müfje; fogar bie
Verheißung, er wolle mit feinen Anhängern Robert die faiferlie
Krone Dertkhaffen, wenn er Gregor VII. mit bewaffneter Sand von
der Kirche hinmwegftoße, wurde Hugo zugefchrieben. Aber umfonft
warb er öffentlih und im Geheimen an Robert's Hofe, und jo
mußte er, zu feiner großen Schande verſchmäht, fih zu Wibert be
geben, deſſen Einvernehmen mit bem geweſenen Cardinal allerdings
in diefer Weife offen hervorkam *°).
nicatos visitans, statuitque cum ipsis tempus opportunum, quomodo domi-
num papam caperet et occideret; Alium vero suum ad Guibertum hereticum
‚Ravennatem direxit, idem pactum compositurum, sicque ad regem etiam muae
fallaciae destinavit literas promittens, eundem patrem regio conspeetui
reprnesentandum (atteri, Pontif. Roman. vitae, I, 499). od) vergl. zu
dieſem Inhalte von c. 48 hier in n. 48.
7) Berl. ſchon ob. S. 423 n. 162 über die Unglaubwürdigkeit der in das
Jahr 1074 fallenden Behauptung Bonitho's. Käöhnde, ). c., 27 (in n. 9), hat
aud) gegen Martens, Die Beiehung bes päpfllichen Gtuhles, 208, Recht, ba Iogar
Bonitho nicht ein für 1075 fortbauerndes Einverftändnik behaupte.
+) Schon im Anſchluß an bad ob. 6.422 n. 161 Mitgetheilte fuhr Bonitho
fort: eiusdem pestiferi (sc. be8 Cencius) consilio Hugo Candidus . . . secando
ad apostasiam conversus est. Hic, Apuliam tendens, Robertum et Normannos,
dudum a papa excommunicatos, contra eanctam Romanam ecelesiam mira-
biliter exeitavit, unter Mittheilung der von Hugo gemachten Borftellungen ;
doch Hugo ift nicht von Erfolg begleitet: Sicque cum 10 dedecore repu-
diatus, ad Guibertum, suae nequitiae fautorem, se contulit (1. c., 662} Hier
Cardinal Hugo’3 Abfall u. Verſuch b. Herzog Robert. Heinrich IV. in Mainz. 481
Nicht gering waren die Gefahren und Einbußen, die Gregor VII.
feit der Faſtenſynode erfahren hatte, und es ift begreiflich, daß er
eben deßwegen gern ſich Heinrich IV. gegenüber möglichft verſoͤhn⸗
lich zeigte. Aber wenn die Worte, welde man in Rom dem nor=
mannifchen Herzog, bei der Abweifung Hugo's in den Mund legte,
wirklich fo geſprochen worden waren, fann dieſer einſichtige und er-
fahrene rk die Lage des Papftes doch nicht fir allzu bedenklich
angefehen Ieden, Denn, obſchon jegt Gegner des römiſchen Stuhles,
wollte er ſich nicht dazu entſchließen, feine Sache von demfelben
abzutrennen. Seine Antwort an Hugo fol nämlich gelautet haben:
„Weil Du es nothwendig haft, jo nimm von mir, wenn es Dir
gefällt, an Gold und Silber oder jonft an Geld oder an Auspülfe
mit Pferden und Maulthieren eine mildthätige Gabe. Aber dazu,
daß ic) mich gegen den römifchen Papft bewaffne, wirft Du vn
nicht überreben können. Denn es ift ein Frevel, zu glauben, ba}
durch Deine ober irgenb eines Menſchen Feindſeligkeiten der Papfi
abgelent werben fönne, welcher, durch die Wahl der Geiftlichfeit
und die Zuftimmung des Volkes von Rom, als ber päpftliche Sig
freiftand, inthronifirt, am Altar des heiligen Petrus von ben
Sarbinalbijchöfen geweiht worden ift“ 4°).
Für Heinri IV. war das Jahr 1074 mit der großen Genug:
thuung zu Ende gegangen, melde die auf der Verfammlung zu
Straßburg, bei der Weihnachtsfeier, zu Tage gelegte Vereitwillig-
teit der Pärften bieten mußte. Der König durfte, wie das nad)
ben ungünftigen Erfahrungen im Beginn des Jahres kaum zu er-
warten geweſen war, mit ug und Recht vorausjegen, daß er den
beabfitigten Feldzug gegen die Sachſen, zur Wieberheranziehung
des Gehorſams derjelben, geftügt auf eine flattliche ihm zur Ver—
fügung ftehende Kriegsrüftung, fobald ihre Zeit gelommen zu fein
fchiene, werde durchführen können ꝰ0).
Bon Straßburg begab ſich der Hof am Nhein abwärts nad
Mainz, wo fi dem König die Gelegenheit darbot, den Verſuch
einer Einmifhung in die Streitigkeiten des ruffifhen Herrſcher⸗
hauſes anzuftellen. Schon 1068 war nämlich ber ältefte der Söhne
des Großfürften Jaroſlav, Iſjaſlav, welcher Kiew inne hatte und
damit der Aagholen in der eigentlichen geobfürhlicien ürde ge⸗
worden war, von feinem Neffen Wieflav, dem Fürften von Polozt,
unter Anftiftung_ der Einwohner von Kiew vertrieben, dann aber
1069 durch die Hülfe des Herzogs Boleſlav von Polen, zu welchem
er geflohen war, nad) Kiew zurüdgeführt worden. Doc bis nad
iR alfo, was Paul von Bernried (uergt. n.46) Gencius zufcrieb, auf Hugo über
tragen, ne ift mit Röhnde, 1.
“) Bergl. ob.
NReyer von Anonan, Jahtb. d. diſch. X. unter Geinrig IV.u. V. Bd. I. 81
482 1075.
einent Fi mußte Boleflav die Machtſtellung, die er dadurch ber
ründet hatte, wieder aufgeben, und bis 1073 trat auch für
Seiaftan abermals die Nöthigung ein, Kiew zu verlaffen, wo nun
mehr fein Bruder Smätoflav als Großfürft eintrat. Allein der
Verſuch des Vertriebenen, Boleflav zu einer neuen Hülfeleiftung zu
bewegen, mißlang. Vielmehr wies der Herzog den Flüchtigen kurzer
Hand aus Polen hinweg und nahm ihm fogar einen Theil des ge:
vetteten Schatzes ab. Beſſer war dagegen, eben jegt im Januar zu
Mainz, die Aufnahme, welche Iſjaſlav bei Heinrih IV. fand. Er
überreichte demjelben werthvolle Geſchenke, an goldenen und filbernen
Gefäffen und koſtbaren Kleidern, und foll fogar für die zu gemäß:
vende Hülfe feine Unterwerfung, mit derjenigen bes —
Reiches, zugeſagt haben. Wie der Großfürſt unter der Führung
des ſächſiſchen Markgrafen Debi an ben Hof gefommen war, ſo
übergab ihm der König auch wieber deſſen Obhut. Dann aber
ſchickte er eine Gefandtihaft an Swätoflav ab, um denſelben zu
bewegen, von ber Herridaft, auf die er in ungerechter Weife ge
riffen, freiwillig abzuftehen, da er ſonſt — jo wurde wenigſtens in
Gersteio geſchrieben — von Seite de3 deutfchen Reiches einen ie
gerifhen Angriff erfahren werde. Schon in Mainz foll der Dom-
propft von Trier, Burhard, da er durch feine Stieffchweiter Oda
der Schwager Swätoſlav's war, fi als Fürbitter für benjelben
eingeftellt haben, um härtere Beichlüffe zunächft abzuwenden. Da
nun Burchard auch durch dieſe feine perſönlichen Beziehungen zu
dem ruffiichen Machthaber als der geeignete Vermittler bemjelben
gegenüber drſchien, wurde er ala Bote Heinrich's IV. nad Riem
abgeorbnet. Bon feinem Auftreten in Rußland ift nur, in einer
ruſſiſchen Nachricht, ein einzelner Zug befannt, der auf die Geſchichte
de3 eigentlichen zu verhandelnden Gefchäftes ſich micht bezieht.
Smätoflav — wird bier erzählt — zeigte in ruhmredneriſcher
Weiſe den Gefandten feinen Reihthum, unzählige Maſſen Golves
und Silbers und foftbarer Stoffe. Aber fie entgegneten ihm:
„Das ift zu nichts nütze; denn es liegt tobt. Beſſer, als bad,
find vorzüglihe Krieger; denn folde Männer werden Dir noch
größere Schäge, als ber vorliegende ift, verſchaffen können“ *).
51) Sambert erzählt, im Anſchluß an'die Grwähnung ber Feier bes Weihnadte:
ſenes, weiter: Paneis port diebus Mogontiam venit (sc. rex), ibigue, occurmit
Ruzenorum rex, Demetrius nomine, woran fi) das im Texte itgeibeie
anichließt, unter Hervorhebung de3 Umſtandes daß der Abgeſandte Burchardus
Treverensis ecelesiae praepositus ala ein legationi huic oportunus eridjien,
quod ille ad quem mittebatur sororem eius in sonjugio habebat (219). Ueber
diefe Verſchwoͤgerung ſpricht auch der fchon in Bb. I, &. 39 n. 28, herangezogene
jenealogiiche Ercurs des Albert von Stabe, Annal. Stadens.. a. 1112, über bie
En von Eläthorpe: Hec . . peperit Odam. ., quam .. reddit rei use, ui
eperit filium Warteslaw (od) zeigt dad von &iemann, Kubland, Roten nnd
land bis ins 17. Jahrhundert, 1, 105, ‚rprobueie Miniaturbild des Smäter
flap und der Oda von 1073 unter den fünf dazu geftellten Kindern feinen Sohn
dieſes Namens), unb hernach — nad) Erwähnung zweier anbermeitiger Bermäh-
Iungen: Item Ide filius fuit Burchardus, Treverensis major prepositus (SS.
Königliche Geſandtſchaft nach Kiew. Tod Bild, Heinrich's v. Speier. 483
Von Mainz begab fih Heinrich IV., jevenfals nod im Ja⸗
nuar, abermals nah Schwaben, wo er in Augsburg das Lichtmeß⸗
feit feierte®®). Aber alsbald muß er nach dem Rheine zurückgekehrt
fein; denn in Worms beging er, während Biſchof Adalbert fort-
während aus der Stadt ausaefeiloffen war, das Oſterfeſt — 5. April —,
und ebenfo — 24. Mai — die Pfingitfeier ’®).
Wohl während diefes Aufenthalt? am Rhein vollzog der König
die Bejegung des inzwiſchen erledigten biſchöflichen Stuhles von
Speier. Bilhot Heinrih von Speier, der am 26. Februar ge-
Rorben war, hatte augenicheinlih bei den Gegnern der Simonie
einen ganz bejonders ſchlimmen Ruf gehabt. Denn als er, ohne
Ameifel fehr unerwartet, nach plöglicher Ertrantung, vom Tode ge-
troffen wurde, verbreiteten fi bie fonberbarften Gedichten über
fein Lebensende, das wie ein Wunder, geradezu al3 ein Gottes»
geriht, von den Feinden ausgelegt wurde. ebenfalls war es ein
janz unvermuthet hervortretende3 Halsgeſchwür, das ihn getöbtet
Hat; aber ob der erfte Anfall beim Aufltehen vom Mahle oder
während bed Veſpergottesdienſtes im Chor fich einftellte, ob, wie
allerdings nad; der beftimmteften Nachricht wahrſcheinlicher, bis zum
jweiten Tage nad ber Getranung, ober nur einen Tag oder gar
nur wenige Stunden das Leiden dauerte, das fteht, bei den unter
fi) abweichenden Erzählungen, keineswegs feſt. Die gehäffige Dar-
Rellung von dem Weberfall durd die Krankheit in der Form, bag
der Biſchof ſich eben von ber reichlich befegten Tafel erhoben hatte,
fimmt beijer noch zu ber in Hersfeld feitgehaltenen Beurtheilung
des Geftorbenen als eines ganz weltlichen Dingen zugeneigten
Biihofs: derfelbe habe mit den Schägen ber ihm amvertrauten
Kirche in verſchwenderiſcher Weiſe leihtfinnig gehauft und bie
XVI, 319, 320). Ebenſo bringt Sigeb, Chron., doch ſchon a. 1073, bie Angabe:
Duobus fratribus Russoram regibus de regno contendentibus, alter eorum
& consortio regni pulsus, interpellat Heinricum imperatorem, se et regnum
Bumoram s Subeiitee, si ins saziio o rettueretur (8. Au son.
i igniffe, welche dieſem Hülfsgeſuch aus Rußland vorangingen, führt nı
älteren vuffhen Beeichten Röpel,, Geiihte Yolend, 1, 192.u. 198, 196, aud
(orrgl. bazu Karamfin, Geraiäte des ruffiichen Reichs, überjegt von Sr. von
enfchld, I, 60 fi.). Der deutichen Gelandtichaft nach Rußland thut auch
teftor in ben Jahrbüchern. a. 6583, Erwähnung, in der im Zexte angebrachten
Anetdote (vergl. Bũdinger's Nachrichten zur öfterreichiichen Gejchichte in alt»
ruffifchen Jahrbũchern, mitgetheilt in Meeriehung im Jahrbuch f. vaterländ.
Sefchichte, I, 1861, 42 u. 43), Auch Gregor VII. wußte von der Beraubun,
des Sijaflav durch Bolellav; denn er ferieb an Dielen in Registr. II, 73 (vergl.
in n. 144): Quam (ec. caritatem), quod inviti dicimus, in peeunia, quam
regi Ruscorum abstulistis, violasse videmini (l. c., 197 u. 198) Bon der
Abjendung einer Botſchaft durch Heinrich IV. ad regem Rusciae ſprach auch
Bruno an der ob. ©. 265 in n. 192 bervorgehobenen Stelle.
52) Diefen Aufenthalt — in purificatione sanctae Mariae — bezeugen
August. 88. TIL, 128) j
ss) Des Aufenthaltes nrich's IV. in Worms gebenten, zum Ofterfefte:
Sambert, der Annalit von 1075 an, Bernoldi Chron. — *— Bruno, De bello
Baxon., c. 44, irrijümlid): Maguntiae), zum Pfingfifefte: Lambert (SS. V, 228,
778, 431 — 344 —, bann 225).
3ı*
484 1075.
Güter in foldem Umfange feinen kriegeriſchen Dienftleuten zu
Lehen mweggegeben, daß die Einfünfte faum noch ein halbes Jahr
hindurch den nöthigen Aufwand ausgereicht haben würden. Am
meiften aber erwedte jedenfall3 nachher der Umftand Schreden und
in weiteren Kreifen Aufmerkſamkeit, als man in Speier erfuhr, der
Tag des Todes jei eben ber gleiche gewejen, an dem Papſt Gre
gor VII. während der Faftenfynode den Biſchof von feinen amt-
lihen Verrihtungen entfernt habe, ein äußerliches Zufammentrefien
von Umftänden, welches dann vollends die Voritellung ermeden
mußte, daß hier ein Gericht Gottes vollzogen worden fei. In Gerd:
feld erzählte man fi) von einem Traume, den fieben Tage früher
einer der Domgeiftlihen gehabt habe, wie ein Greis und zwei
Junglinge im Chor des Domes, als der Bifhof und die Geiftlihen
zugegen waren, auftraten, über ben Biſchof das Urtheil ſprachen
und ihn enthaupteten, worauf der von Entfetzen erſchütterte Schläl
folgenden Tages umfonft durch Erzählung des Geichauten den bei
voller Gefundheit ganz Unbefümmerten warnte, und zwar — jo
wurde beigefügt — fei diefer Mahner fein Anderer, als Heinrichs
Nachfolger, Huzmann, geweſen. In der gewohnten Weife ertheilte
Heinrich IV. diefem bisherigen Domherrn der Speierer Kirche bie
Abzeichen des Biſchofsamies und wies dann — wohl bald darauf —
dem Domftifte, zum Behufe der Verwendung des Erträgnifies für
den Lebensunterhalt der Glieder deſſelben, ein Gut in dem thürin-
gifhen Ort Eſchwege zut).
‚) Der Zob Bilhof Heinrich’ war ein Ereigniß, defien fich die Geſchicht.
Ichreibung im Intereſſe der päpftlichen Auffafjung eifrig bemächtigte (vergl. khon
d. I, ©. 567 u. 568, über die ſchi imme Nachrede aus Hersfeld bei Heinrich’ Er:
hebung 1067. Im Anicluffe an die ſchon ©. 452 in n. 7 gebrahte Stelle
fährt der Annalift von 1075 an fort: Nunc autem mirum in medum sadem
die et hora, qua Romae judicialiter depositus gradu et episcopatu et ex-
communis factus est, tunc ipse Spirae more suo deliciose procuratus, dum
& mensa resurgit, mox tam acutissimo doloris spiculo guttur eius laetaliter
raefocatur, ne dehine nisi perraro verbum saltem, et hoc ad usgue mane
liei sequentis vix proferre sufficeret, post meridiem morte amarissima ab
episcopatu simul et vita periculose satis deponendus — mit einer an:
gehängten Betrachtung über die in diefem miracalum Bargeegte Kraft des allen
Simoniften drohenden jam evaginatus Petri gladius judex fraudium scien-
tissimus et in adversarios zelotes efficacissimus (SS. V, 278), und Bernold,
Chron., fagt aleicjjalle von Heinzid): Qui ipea die, qua examinaretur cause
eius Romae, 6. Kal. Mareii, infirmatus est Spirae, sed deinde 4. Kal.
Martii miserabiliter expiravit, quando et a Gregorio papa diffinitam
suae damnationis sententiam in Romana sinodo excepit (l. c, 480)
nahm aber auch 1076 in Die Gerift De incontinentia sacerdotum,
Epit. V, mit ben gleichen Zeitangaben, diefe ihm durch die concors
fidelium relatio virorum — quidam ’eo tempore in Romana synodo
dampationi eiusdem prevaricatoris inerfuere; qüldem vero apnd. Spiram,
quod idem episcopus tam subito, tam miserabiliter obiisset, presentes
exhorruere — bezeugte Geichichte vom Tode be quodam invisibili telo
perculsus auf (Libelli de lite, II, 26). Sambert bagegen läßt die inopinatr
mors fo gefchehen, sub Heinrich, cum ad vespertinalem sinaxim cum fratri-
bus in choro (entiprehend dem Xraume: in medio chori, mo Huz:
Geräte über Heinrich's Todesart; Huzmann’3 Nachfolge in Speier. 485
Ganz bejonder8 wichtig waren jedoch dieſe Frühjahrsmonate
für den König, weil innerhalb derſelben die Vorbereitungen für
den ſchon vor Äbſchluß des abgelaufenen Jahres geplanten Feldzug
mann cum episcopo et ceteris elerieis im Zraumbilb zu fiehen meint) staret,
sensit repente, parvulam sibi instar puncti pustulam in collo exerescere,
qua paulatim in immensum intumescente, ante mediam noctem defunctus
et; do Hält er fi viel Länger bei dem Zraumgefichte des elericus quidam
‚qui ei defuncto protinus in episcopatum succeseit, nomine Huzmannus, auf,
nach welchem drei in demfelben auftretende Männer ſich über den Biſchof aus—
teen: Propter multa mala, quae in locum hunc (das Geſpräch geſchieht
them in medio chori) et in sanctam Dei genitricem operatus est (vergl. bor«
ber: cum jam thesauros ecelesiae Spirensis pene omnes puerili levitate
dilapidasset et praedia militibus suis in benefei erogasset, in tantum ut
vix in dimidium annum sumptas ei ex reditibus ecclesise ministrari possent),
egressa est a Deo sententia, ut interficiatur —, worauf septimo dehine di
— nad) der beliebten Sieben zahi — ber Tod erfolgt jei(230u. 281). ebenfalls Ing nad
dem ob. ©. 458 benußten Jeusnib aus Rom gegen den Biſchof nur DieSuspenfion vor
bergl auch Beyer, in den Soridungen jur beutichen Geichichte, XXI, 410).
Yanz unrichtig wollte Remling, Geſchichte der Biichöfe zu Speyer, I, 296-300,
Heinrich’@ Tod ſchon zu 1072 anfehen, und zwar zu dem 29. December, was aber
theil® Beyer, Die Biſchofs. und Abtöwahlen in veutſchland unter Heinrich IV.
in den Jahren 1056—1076, 41 u. 42, ebenfo Melper, 1. c., 217, inn. 8, grünb-
lih widerlegt haben. Denn neben den ſchon erwähnten Stellen ſprechen für
1075 die . 8. Disibodi (SS. XVII, 7), für ben 26. Februar ba8 ältere
Kal, necrol. canonicorum Spirens. (&öhmer, Fontes rer. Germ., IV, 315),
während allerbing® ber ſchon 3b. I, ©. 203, n. 69, darakterifirte unglaubs
würdige Biichofsfatalog das von Remling gewählte Datum, doch zu 1075:
grrefuit annis octo — bietet (1. c., 353). Zen Nachfolger erwähnt neben
imbert, in dem ſchon mitgetheilten Zufammenhange, der Annalift von 1075 an:
Uotzmannus, Spirensis aecelesiae canonicus (l. c.), ferner Annal. s. Disibodi;
Remling will ihm, 1. c., 300, in ganz unverbürgter Weife, ala einem Speirer
ans altem angefehenem Geſchlechte — „Batricier” — ſogar ein Wappen an-
dichten, jedenfalls nach dem Sataloge: Rutgerus ex veteri familia Huz-
mannorum urbis Spirensis (I. c.), während das Kal. necrol. einzig den Ramen
Huozmannus (l. c.) fennt. Cbenfo redet Gregor VIL, Begistr. V., 18
3.5070, von einem H. Spirensis episcopus. In ben elf diefer Zeit angehörenden,
auf Speier bezüglichen Fiplomen Seinen "3 IV., welche ben Namen des Bilchofd
en, feht mit einer Audnahme überall nur der Name Huzmann (einzig
81.2887 hat Ruodegerus cognomine Hnozmannus, ebenfo die rfunbe bed Bifchofs
felbh, Remling, Uekunbenbud; zur Gefchiehte ber Bilchöfe zu Epeyer, 57 u. 58,
von 1084, weldyer aber durch die Datirung: anno XII. ex go cepit praesidere in
eadem civitate praenominatus episcopus auf das falſche Anfangsjahr 1072 führt:
'o Ruodigerus, qui et Huozmannus cognomine). Augenideinlidh wurde
päter bie Giornfhaft des Namens als Perfonenname (vergl. Förtemenn, Alt:
dentjches Ramenbucdh, I, 700, bei der Wurzel Hod, Hozeman) nicht mehr ver»
Randen, und man fuchte ſich denfelben irrthümlich, wie bad auch Arnold, Ber
jaftungsgefepichte der beutichen freiftäbte, I, 177, thut, aus ber Bezeichnung
„Hausmann“, für die Zugehörigleit zu einem dienfimännifchen Geſchlechte, zu
erfläven. os Hugmann’? Erlangung ber bifchöftichen Würde betrifft, fo Tchreibt
ihm der Papft in dem erwähnten Briefe von 1078: Quia in susceptione Spi-
rensis ecelesiae veremur te contra decretum apostolicae sedis virgam de
mann regis scienter ac temerarie suscepisse, episcopale officium hactenus
te agere non concessimus .... . secundum legati tui verba decretum
@ostrum ante investituram pro certo non cognovisti (L c., 314). Gntgegen
Girebredit, TIL, 1139, in den „Anmerkungen“: „Um darzuthun, baß ber ni
nad) dem Inveſtiturverbot noch ungeicheut die Inveftitur übte, genügt es, au)
486 1075.
zur Erzwingung de3 Gehorfams der Sachſen fortgefegt und zu Ende
geführt wurben.
Allerdings finden ſich die eingehendften und in vielen Dingen
jedenfalls aud zuverläffigen Nachrichten über die Lage der gejammten
Verhältniffe vor dem Kriegszuge Heinrich's IV. in einem Berichte,
der von einer ganz einfeitigen feindjeligen Stimmung gegen den
König erfült ift, fo daß ftet3 wieder der glühende re zwifchen
völlig annehmbaren Mittheilungen heraus bervorbriht und Be
denpkungen zeitigt, denen die lügnerifhe Erfindung von vorne
in aufgeprägt ift. Aber mande diefer Angaben entbehren eben
dennod der Glaubwürdigkeit durchaus nit. Wie auch von anderer
Seite die Beobachtung gemacht wurde, bewies der junge König ge
rade in biejen feinen Beziehungen zu den Sachſen eine Klugheit,
welde — fo wurde da geurtheilt — über fein Alter hinausging.
Nah dem ſächſiſchen Zeugniſſe ſoll er es verftanden haben, das
ſächſiſche Volk unter ſich felbft zu entzweien, fo daß es ihm möglid
wurde, aud mit fächfifcher Hülfe gegen die Sachjen zu Fämpfen.
So habe er — heißt e8 da — unter geſchicktem Vorwande ſächſiſche
Fürften einzeln zu ſich kommen lafjen, um fie mit Schmeichelreden
zu gewinnen, hernach aber feine näheren Abfichten ihnen zu ent
illen, fo daß fie dann dazu gebracht wurden, ihm eidlich ihren
iftand gegen das eigene Land zu verſprechen, wodurch äter
gegen So Brüder gegen Brüder bewaffnet wurden, ober bi
anderen mächtigeren Herren, welde in Sachfen ober Thüringen und
außerhalb dieſer Länder begütert waren, wirkte die — auf
ſolche doppelte Stellung, daß etwa ein Theil des Hauſes ſich zum
Könige flug, ein anderer zu den Sachſen hielt. Aehnlich Habe er
Leute des Nitterftandes, ja ſogar Unfreie, dieſe gegen ihre Herren,
Huzmann von Speier hinzuweifen, der im April 1075 von ihm bie Belehnung
erhielt“, if «3 wohl rihfiger, zumal ba die Zeit diefer Inveftitur gar nicht
beftimmt fefifteht, mit Melper, I. c. (vergl. bazu dem Tert, 104), anzımehmen,
daß biejer Fall Hugmann’s wegen ber Ungemißbeit, obichon vielleicht fogar ge
ſchloffen werben barf, Heinrich IV. hätte vom Verbot noch gar feine —X
ben konnen, aus den einfhlägigen Erwägungen wegzulafſen fe. Huzmann ift
als Bilchof_zuerfi urfundli in St. 2783 genannt, einem nad Gundlad, Ei
Dictator, 28 u. 29, 58, auß mehreren Gründen, bejonbers wegen ber eigenihüms
Ligen Arenga — Maria, die Patronin bes Doms zu Speier, ala Quelle des
eile hervorgehoben — Adalbero C zugumeilenden Gtüde, bad allerbinge dad
fmearnationsjahr 1074, trägt, aber u 1075 gehören muß. Dazjelbe weift ein
ut zu Cihmege an die Kirche, ubi Huozmannus episcopus est, und zwar:
ut canonici Spirenses Deo ibidem et Dei genitriei virgini Marie servientes
inde sustententur, videlicet ut praedium et ü usus in necessarıs
vietui fratribus ministretur, wobei möglicher Bit die Abfiht vorhanden war,
die durch Biſchof Heinrich herbeigeführten San ungen befiern zu helfen. Aud
einer Beriehung zu dem wahrſcheinlich von Ganl erabeim ber in das Leben ge
zufenen Ronnentlofter (vergl. Steinborfj, Heinrich III., I, 380 u. 381) wird ge
dacht: Abbatissa in Eschinevage monialibus constituenda a manu episcopi
Spirensis, quicungue sit, constituatur, et caetera omnia ad usum fratrum
Spirensis’ ecclesise consilio, non vi episcopi disponantur. Wielleidit hing
biefe Orbnung ber Verhältnifie mit Heinrich's IV. Aufenthalt zu Eſchwege, in
diefem Jahre (vgl. &. 512), zufammen.
Vorbereitungen Heinrich's geg. d. Sachſen u. Gegenverfuche fächl. Fürften. 487
durch Derfprefjungen oder Drohungen gewonnen, aber Alles über-
haupt nad allen diefen Seiten nur im Verborgenen, fo daß un-
verbruchliches Stillſchweigen überall auferlegt worden ſei.
Indeflen begann nun aber doch das fähfifche Volt in Bes
wegung fi gerathen. Die Einſicht von ben bevorſtehenden Ereig-
niſſen ſoll ſich zu verbreiten begonnen haben, und der Adel gerieth
bei der Erfenntniß der großen Uebermacht de3 Königs in matt,
während das gemeine Volt noch in vollem Uebermuthe des Feindes
leiht Herr werben zu fönnen meinte. Auch allerlei Gerede von
beobachteten, Schreden erwedenden, wunderbaren Erfheinungen foll
zu ben übrigen Gerüchten hinzugekommen fein. So jdidten bie
ſachſiſchen Fürften — eine Verfammlung derfelben ſcheint in Goslar
fattgefunden zu haben — theils die einzelnen, theils alle zufammen,
bald ſchriftliche, bald mündliche Botjchaften, immer von Neuem an
Heinrih IV., mit der übereinftimmenden dringenden Bitte, es
möchte ihnen vergönnt werben, daß ihre Sache var einer eigens
einberufenen Verſammlung der auf Seite bes Königs ftehenden
Fürften zur Verhandlung komme: würden fie dann ihrer Schuld
überführt, fo möge fie nah dem Spruche der Fürften die Strafe
treffen, oder es möge ihnen geftattet fein, durch jede Probe, die der
König verlange, ihre ünſchuld zu beweifen, jo daß darauf feine
Gnade ihnen, wie bisher, erhalten bleibe.
Allein die Erfenntniß — fo fährt der ſächſiſche Bericht fort —
drängte ſich den ſächſiſchen Fürften auf, daB auf diefem Wege
nichts erreicht werden könne, und fo richteten fie an die den König
umgebenden Fürften ihre bemithigen Bitten, um diejelben zu ber
ftimmen, daß fie deſſen Zorn zu befänftigen verfuchten. Einer der
abgeſchickten Briefe, derjenige des Erzbiſchofs Werner, im Namen
aller Biſchöfe, Herzoge, Grafen, aller Geiftlihen und Laien Sachſens
an Erzbiihof Siegfried von Mainz gerichtet, ift als Probe dieſer
Lorftellungen in das oben erwähnte Schriftwerk eingeihaltet. Tas
Schreiben wendet ſich an das Mitleid derjenigen, „welche nicht nur
Gott fürchten, fondern auch deſſen gebenten, daß fie ſelbſt Menſchen
fein“, jo daß fie eine Theilnahme für Bittende hegen, welche wegen
ihrer Sünden vielfahen und großen Heimſuchungen unterworfen
find. Nach einem Hinmweife darauf, daß der König, als er heran-
gewachfen und eigenen Rechtes geworden, den Raih jeiner Fürften
verahtend, der Yeitung unbilliger Menfchen fi unterworfen habe,
zählt der Inhalt kurz die Beſchwerden des ſächſiſchen Volkes auf,
welche zu deſſen früheren Zujammenftoß mit dem Könige geführt
hatten. Doc jegt — fo jeßt fi die Erörterung fort — ift es
dem Echreibenden ganz unbekannt, was, nad Beruhigung des
Sturmes und nah Serhetlung des Friedens und der Gnade, neuer»
PH gegen den König geichehen fein follte, jo daß derſelbe mit
Recht gegen die Sachen den Krieg erneuern könnte. Das Schreiben
jest aus einander, daß die Güter, über deren Wegnahme geflagt
worben fei, den Beauftragten Heinrich's IV. zurüdgegeben wurben,
bis diefe jelbft bezeugten, es fei nichts mehr übrig, was zu er—⸗
488 1075.
flatten wäre. Ganz vorzüglich aber verweilt es bei der Frage ber
Bredung der Burgen, und bier wieder bei derjenigen der Zer-
ftörung der Harzburg, im Bejonderen der dabei gefchehenen Aus-
{chreitungen, an melden die Schreibenden völlig unſchulbig zu jein
behaupten, indem die Schuld höchſtens die Diener des Königs
treffe, durch die in nachläffiger Weife die Arbeit den nicht gehöri
beauffichtigten Bauern überlafjen worden fei. Dann fährt der Sie
weiter fort, es fei öfter8 nachher an ben König demüthige Bot-
ſchaft mit vieler Bitte gefchict worden, des Inhaltes, daß es den
fähfifhen Fürften erlaubt fein möchte, falls fie hierin ober ſonſt
fich gegen Heinrich IV. verfehlt hätten, ſich vor dem Gericht feiner
Fürften, fei es durch Verneinung der Verfhuldung, fei es durch
Schadenvergütung, zu rechtfertigen, und eben meil ber König auf
teine Weife folhe Eröffnungen annehmen wollte, bäten fie jegt ben
Erzbiſchof in flehentlichiter Weife, daß _er für die Sachſen den Zorn
Heinrich's IV. bejänftigen und demfelben den Rath ertheilen möge,
Kom ein ganzes Volt nicht anders, als gegen einen einzigen
Renfchen, zu handeln, nämlich nicht eher den Krieg zu eröffnen,
als bis er den Beweis vor fi habe, daß fie fih vor feinen
Fürften als ſchuldbeladen und zur Beſſerung nicht gewillt erwieſen
jätten. Der Vorfchlag lautet, daß der König von ben fächfifchen
ürften die Bürgſchaft annehme, welche Siegfried und die übrigen
zum Könige ftehenden Fürften vorfchrieben, jo daß er ohne Krieg
nah dem fächfischen Lande fomme und nad) dem Urtheile feiner
Fürften, je nad Befund der Sache, über die ſächſiſchen Ange
ſchuldigten Strafe ausſpreche oder fie gräbig, im Frieden entlaſſe.
Wolle ber König aber das nicht, fo folle er in irgend einem Theile
feines Reiches feine Fürften zufammenberufen, diejenigen unter den
Fürften der Sachſen, welche er vor ſich zu fehen wuͤnſchte, unter
Ertheilung von Sicherheit für Ankunft und Weggang vorladen
und, was dann feine Fürften als Urtheil erkennen würden, voll-
ftreden. Siegfried wirb gebeten, dieſen Rath dem Könige zu er-
theilen, mit der Ermahnung, er jolle bedenken, daß aud) die Sachſen
Menſchen feien, damit er nicht zum Schaden feiner Ceele fie, die
Unfchuldigen, zu verderben begehre; würde aber der Erzbifchof fi
Nierin Tähg erweifen, jo wird er aufmerfjam gemacht, Gottes
trenges Gericht werde von ihm die Seelen der Sachſen fordern.
Sollte endlich Heinrih IV. Siegfried's frommen Rath nit hören
wollen, jo wird diefer wenigftens beſchworen, fi und die Seinigen
nicht vom Könige als Werkzeug der Wuth gebrauchen zu lafjen.
Nachdem folde Botihaften an die Füriten beim Könige, theils
fchriftlich, theil3 in Worten, von den ſächſiſchen Fürften, von jebem
für fi, abgegangen waren, wurde endlich mit großer Mühe erlangt,
daß Heinrich IV. zur Antwort gab, fie follten feine Gnade gewinnen,
doch unter der einsigen Bedingung, wenn fie fih und ihre freiheit
und Alles, was fie befaßen, der königlichen Macht ohne alle Ein-
ſchränkung übergeben wollten. Allein die Sachſen wieſen das ab,
Sächfifche Anerbietungen; Zurüdhaltung Heinrich's IV. 489
nel 1e köon erfahren zu haben glaubten, daß feine Milde in dem
önige fei.
Snpmifen war das Dfterfeft herbeigefommen, während deſſen
ein fählischer Bote in Worms am Föniglichen Hofe eintraf. Dieſer
bot dem Erzbifhof Udo von Trier, der an dem hohen Feittage die
Meſſe las, während derſelbe am Ambo ftehend zu dem Bolfe
tebete, ein Schreiben, mit der Bitte an den Erzbifhof, den er um
Gottes Liebe willen im Namen aller Sachſen darum erfuchte,
den Brief vor alleın Volke vorzulefen und auszulegen. Als Heinrich IV.
das verbot, wagte der Bote felbft, in einer kurzen Anrede, den
Inhalt des Briefes allem Volke zuverſichtlich vorzutragen; er
forderte im Auftrage aller Sachjen Jegliche, welche Gott fürdhteten,
auf, daß fie nicht das ſächſiſche Land, bevor es eines Verbrechens
überwiefen wäre, mit Waffen angreifen möchten. Aber Hei Ki
Rudolf von Schwaben fol nun ganz voran den König angefiadelt
haben, er möge den Gott, ſowie ihm felbft und allen jeinen Fürſten
ſchaändlich zugefügten Schinpf nicht ungerädht laffen, wobei er ihm
feine Hülfe mit aller aufzuwendenden Kraft verſprach. Das Gleiche
thaten alle Fürften, einige, wie ber ſächſiſche Berichterftatter an-
nahm, durch viele Verheißungen angelodt, die Mehrzahl dagegen
aus Angft vor der ihnen drohenden Gewalt.
Aber biefer Umftand ſcheint nun die Sachſen erft recht be
mogen zu haben, den König und die Fürften, mit noch mehr Bot-
ſchaften, wie die Sache dargeftellt wird, zu überſchütten, unter dem
Ausdrud der bringendften Bitten, fie doch nicht ohne ihr Ver-
ſchulden kriegeriſch zu überziehen, weil fie ja, wenn man fie in
itgend einem Dinge der Beleidigung ber Hoheit des Königthums
überführen fünne, zur Buße nach dem Urtheil der Fürften bereit
fien. Da ließ Heinrich IV. Erzbifhof Werner und einigen
Anderen, unter Ankündigung feiner Gnabe, fagen, es fei ihm von
feinen Freunden der Rath gegeben worden, daß er allerdings nicht
das ganze Volt ohne deſſen Schuld vernichten möchte, und er wolle
diefen Rath hören, wenn nämlich Werner und jene Uebrigen fih
von feinen Feinden trennen und ihm drei namentlich hervorgehobene
ſächſiſche Fürften, nebft den weiteren, die er noch begehren würde,
änliefern wollten. Auf diefe Forderung des Königs wurde mit
Zufimmung derjenigen, deren Uebergabe gefordert worden, be-
ſchloſſen, es möge geantwortet werben, bieje Vorführung werbe
unter ber Bedingung ftattfinden, daß fie vor ein Gericht von Fürften
beider Parteien gehelt würden, jo daß deren Richterſpruch fie,
wenn überführt, verurtheile, wenn unſchuldig, ſammt dem ganzen
fähfiihen Volke in die Gunft des Königs zurüdhringe.
Doch aud außerhalb Sachſen's war die Aufmerkfamteit auf
dieſe Entwidlung der Sachen geipannt, und wenn freilich in Hers-
feld wieder keineswegs die Dinge in ihrem wahren Zufammenhan:
von dem dortigen Berichterftatter klar verftanden wurden, fo Geneit
doc fein Bericht, wie man die Lage dort aufzufaſſen fuchte. Be—
ſonders machte man fi da eine erſchreckende Vorſtellung von der
490 1075.
wilden Vergeltungsluft des Königs, wie er eben in ber Oſterzeit
Fürften der Sachfen, die ihn begrüßen wollten, auchpemielen habe.
Anderentheil® aber wurde mit einer gewiſſen unwillkürlichen An-
erfennung hervorgehoben, wie geſchickt Heinrich IV. allen Verſuchen
der Sachjen den Weg verjperrt habe, dadurch, daß er feine Fürften
ganz an feine Sache feflelte; das jei jo weit gegangen, daß diefelben
ihm eidlich verſprochen hätten, feine Gefandtichaften der Sachſen
ohne Anfrage bei ihm anzunehmen, fie weder öffentlich mit den
Waffen, noh mit Rath insgeheim zu unterftügen, nicht einmal
Bitten und ZVorftellungen bei ihm für die Sachſen einzubringen,
bis er erfläre, für den erlittenen Schimpf gebührende Vergeltung
befommen zu haben. Auch eine einzelne Nachricht, wie unter den
vergeblih an den König abgefandten jähfiihen Boten einer zwar
vor deſſen Angeſicht durchgedrungen fei und zu ſprechen angefangen
habe, dann aber hart zurüdgemiejen und gefangen gehalten worden
fei, Bis er am nächften Tage durch Täufhung der Wächter glüdlid
entfloh, mag richtig fein. Aber ſonſt laſſen ſich dieje Hersfelder
Nahrihten, fo weit fie die Verhandlungen felbft betreffen, an
Glaubwürdigkeit mit den ſächſiſchen Mittheilungen nicht vergleichen ®).
5) Die Beziehungen Heinrich’ IV. zu den Eadjien finden ſich ganz voran
bei Bruno erörtert, und zwar in Fortſehung bes ſchon ob. ©. 414 in.n. 15l
beuztheilten Zufammenhangs, von c. 37 an. Ta heiht e8 zuerft, dak Hrin
rich IV., von den gentes exterae, bei dem Verfuch, diefe gegen die Sachim zu
werben, abgemiefen, pessimum, quod optime seiebat, consilium invenit: D6
Sasoniam divideret et Saxonibus contra Saxones pugnaret. Bas betreibt
ex, unter allerlei Vorwand, gegenüber den prineipes Saxoniae — singillatim
jubet ad se venire —: venientes singulos primo blandus aceipiebat, cum-
que jam secum aliguamdin starent, animum suum eis aperuit, et eos, ut
se ad opprimendam Saxonism pro viribus suis adjuvarent et hoc ipsum
nulli proderent, jurare cogebat —, aber auch gegenüber multi de major,
qui bona in utrieque regionibus (da8 ift wohl fo zu verftehen: in Gadjlen und
in dem übrigen töniglidh gefinnten Theile des Reiches) habebant, den plerique
militeris ordinis, jogar gegenüber famuli ad se vocati — aber Alles nod) im
Verborgenen: ei quis ei suum jurabat adjutorium, jurare cogebatur eiusdem
fidele silentium. Fi c. 38 bringt Bruno eine der Gelchichten, welche er zur
Anfhwärzung des Rönigs vorzuführen liebt, von Heberfendung don huiusmodi
dona, quibus — episcopis quos in suas partes trahere non posset — epi-
seopatum pariter et vitam adimeret, fpeciell an Erzbilchof Werner von Nager
burg ein Gift — pulvis ‚gpigmentarins — unter dem Anfchein einer aus
Ztalien ihm felbft von der Dlutter, Kaiferin Agnes, zugeldjidten Urznei. Wit
©. 39 gebt die Sryöhlung darauf über, daf and) jonft [73 ungleiche Etimmungen
im fälilgen Canbe verbreiteten: nobilitas magnis angustiis afficitur, in &
mwägung ber großen Königlichen Nebermacht, und im Gegenfaß dazu: plebs quae
causas neseit pensare, laetatur et omnes qui suas terras invaserint, impefu
primo prosternere minatur. Mit c. 40 folgt eine Aufzählung von multe
signa, ex quibus mala quae post venerunt praescire potuimus, wie fie in
Sachſen gejehen wurben, von denen vier Localifirt werden: in Magedabuı ä
prato, zu Stederburg, Merfeburg — ein Erlebniß Viſche MWerner’s —, im Lorfe
(Alten-)Weddingen im Magdeburger Sprengel. In c. 41 tritt Bruno darauf
ein, wie, als des Königs Zorn nicht mehr zu verbergen war umd in einzelnen
Zeichen offen zu Tage trat, principes nostri einguli et univerei pariter lega-
ones assiduas nune cum Ntteris nune sine Iiferis ipsi regi focerunt, mil
ber Bitte, ut coetu prineipum suorum collecto se coram eis aut culpabiles
Gntfloffeneit Heinrichs IV. u. d. verbünbeten Herzoge 3. Rampfe. 491
Ohne alle Frage erprobte fi für Heinrih IV. die fon in
Straßburg mit den dort als treu erfundenen Fürſten gejchloffene
Verbindung. Die Herzoge Rudolf und Berchtold, ſowie Herzog
ostenderet, et convietos eorum judieio puniret, aut ipsi suam innocentiam
‚jadieio quolibet ostenderent et in eius gratia, sicut hactenus erant, perma-
nerent, wie aber nad) Erkenntniß der Fruchtloſigteit diefer Bemühungen von
ihnen auch Bitten an die zum Könige haltenden Gärten geiätet wurden, ut
animum regis sibi placare velint. Als Probe dieer Beruhe — c. 48:
„gensum sontinentes vel litteris vel verbis legationes gunctis ex ing
parte prineipibus singuli prineipes nostri miserunt (bergl. in ben als cc.
und Di eingeſchobenen Bein — Werners: Ber totum fere annum
Ütteris alüisque legationibus nostris omnes fere prineipes regni suppliciter
adivimus, et ut nobis copiam coram veniendi acquirerent oravimus, qua-
tenus eorum judicio vel noxii dampnaremur vel innoxii solveremur, und:
postquam domini nostri regis iram, licet sine causs, in nos exarsisse
— singulos principes, sacerdotes et Iaics, seripis et, dietis
suppliciter oravimus ... .. — u. 347) — wird in c. 42 der im Xexte be»
henbelte Brief eingefepaltet, von dem Gtüde in Excurd II und I, fowie ob.
334 n. 36 erdrtert wurden. Nach c. 43 antwortete Heinrich IV., der magis
importunitate devietus, quam pietate mollitus fich zeigte, ben ſachfiſchen
fen: quod hoc solo modo suam gratiam habere possent, si se suamque
ibertatem et omnia quae possidebant potestati regiae sine omni conditione
tradere voluissent, wae fie — quia nullius eum pietatis esse saepe experti
foerant — von fih ablehnen. In c. 44 tritt Bruno auf Heinzid8 IV. Ofter»
aufenthalt — wie ziemlich, vichtig (vergl. ob. ©. 334) geredinet: anno et
amplius, postquam de Saxonia rex abüt, evoluto — ein und bringt die im
Zırte ganz aufgenommene Scene, in der Freilich dem Auftreten Rudolf's —
Rodulfus, foederis a Saxonibus cum rege subito compositi non oblitus —
die in Excurs III als unglaubwürdig verworfene Motivirung geliehen wird.
doch — fo fährt c. 45 fort jept erſt folgen ſich don Eeite der Eadjien
frequentes regi cunetisque primatibus legationes .. . obsecrantes, ut se
cum ferro nollent innocentes invadere, quia si in aliquo rei majestatis
fepns ostenderentur, ad ipsorum arbitrlum parati essen poenns dare; darauf
der König dem Grzbilchot Werner — cum quibusdam aliis — für ben
Fall der Auelieferung von drei genannten ſächfiſchen Fürften, cum ceteris quos
oten haben, ei isti vellent a suis inimieis
füllen wolle; bi on:
sensu ipsorum qui poscebantur (sc. ber brei und der Weiteren): ut ipei
vochserent, vel innocentes inventi, vobis intercedentibus „gran eius
junäi
—
492 1075.
Gottfried von Niederlothringen galten al3 ganz befonders für die
Sache des Königs in Betracht fallende Bundesgenofjen; aber die
Sachſen blidten, neben Schwaben und Lothringen, aud auf das
fränkiſche Land zu beiden Seiten des Rheines, auf Baiern und
Böhmen, ala auf Gebiete, von melden aus die Uebermacht de
Königs ihre Streitkräfte beziehen würbe*). Zwar hatte noch gan
am Anfange de3 Jahres aud) Gregor VII. ſich gerade mit den
beiden erftgenannten Herzogen in nähere Verbindung gejegt. Am
11. Januar nämlid) war an Rudolf und Berchtold ein Schreiben
ausgegangen, welches die Herzoge auf die Uebelſtände in der Leitung
der Bisthümer aufmerkfam machen folte Von den Biſchöfen
— wird da erörtert — entipringt die gute oder böfe Einwirkung
auf die Angehörigen der Kirchen, von den Häuptern, welche ent:
weder die mweltlihen Würden oder die geiſtliche Führerfchaft an-
etreten haben. Denn fie vermögen, fo lange fie nur Ruhm und
ifte der Welt fuchen, nicht mehr, ohne Verwirrung für fi und
das Volk anzurihten, zu leben, weil fie im Nachjagen ihrer ver:
berblichen Begierden theils die Rechte ihrer Obliegenheit durch ihre
Verſchuldung löfen, theils dur ihr Beifpiel Anderen die Zügel
gegenüber der Sünde erleichtern; fo fehlen fie nicht aus Unvorfiht
ober Unkenntniß, jondern verahten und verwerfen in ihrem ver:
meſſenen Widerftand aogen den heiligen Geift geradezu göttliche Ge
fege und apoftolifche Vorſchriften. An eine weitere einläßlichere
Ausführung über diefen Ungehorjam ber deutſchen Erzbiſchöfe und
Bischöfe und deſſen Tragweite ſchließt fi) von Gregor’ VII. Seite
die Aufforderung an die Empfänger des Briefes und an Alle, auf
deren Treue und Hingebung der Papſt vertrauen zu dürfen glaubt,
daß fie, was immer nun die Biſchöfe fünftig reden oder ſchweigen
mögen, eine Amtöverrichtung folder, deren fimoniftifche Beförderung
und Ordination fie fennen, oder von denen fie wifjen, daß fie in
der Schuld des unfeufchen Lebens ftehen, um feinen Preis ent:
egennehmen möchten, daß fie vielmehr nah Möglichkeit, felbft mit
Gewalt, bindernd dagegen auftreten follten, daß von Seite folder
Leute Dienftleiftungen für bie heiligen Handlungen fortgefegt
sic undecumgue prudenter condueto non modico militaris apparatus
eollegio, tanto suas facilius ultum ire posse sperans injurias, quanto adver-
sariis suis inopinatius jam totus ex toto animum intenderat, danı aber
weiter: Saxones et Thuringi comperto jam dudum hoc invasionis tam
dolosae consilio . .. oecurrere regi deliberabant, ea tamen intenti pactione,
ut si quolibet molimine cum corporali sus salute et integritate concessa,
et paternarum legum et justitiarum jure retento, regi possent satisfacere,
ad deditionem ipsi se humiliarent -- "würde ihnen das nicht gu Theil, fo fet
ihr Wille: ut... potius pro vita, pro patria proque suis omnibus inordinata
hac regis coaetione ugmando innocenter occumberent (SS. V, 277, 278\
Lambert zählt ala Fürſten auf des Amis Seite, welde zu gewinnen
bie Sacjfen fi vergeblich Mühe gaben (vergl. za 1), Rudolf, told,
Gottfried beionder auf (224), Zrumo, c. 39, ald Gebiete, von wo die Eadhien
bie feindliche Uebermacht erwarteten, im Allgemeinen: Franci utrumque littus
Rheni tenentes, Suevi, Bawarii, Lotharingi et Boemii (342).
Mahnungen Gregor’3 VII. an Rudolf und Berchtold. Sächfiiche Nothlage. 493
würden; ebenjo weift Gregor VII. die von ihm Angerebeten an,
dieſe gleihen Dinge ſowohl am königlichen Hofe, ald auch an an-
deren Orten und auf ben Reichöverfammlungen befannt zu machen
oder in diefem Sinne durch Weberredung zu wirken. Sollten die
Betroffenen hiegegen unnüg zu reden ſich unterfteen, daß das nicht
im Amte der Herzoge läge, jo hätten fie benjelden zu antworten,
die Beihwerdeführenden möchten, ſtatt auf ſolche Weife dem Heile
der Herzoge und des Volkes in den Weg zu treten, nach Rom fom-
men, um über die den Herzogen vom Papfte auferlegten Befehle
mit dieſem felbft zu fprehen. Endlich beantwortete Gregor VII.
da nod im Befonberen eine Anfrage des von ihm mit vorzüglihem
Zutrauen gerieten Herzogs Rudolf. Augenjeinli hatte derjelbe
von dem Papite zu erfahren gefucht, wie er felbft hinſichtlich feiner
früher von fimoniftifchen Handlungen bezogenen Einnahmen ſich zu
verhalten habe. et wurde ihm der Beſcheid, er folle, jo viel er
fi erinnere, an Werth dabei empfangen zu haben, entweder zum
Nugen eben berfelben Kirche, an welche der fimoniftifch beftellte
Prieſter gefegt wurde, wenn eben die betreffende Summe borthin
zu gehören fcheine, oder aber überhaupt zum Nugen ber Armen
weggeben, jo daß in folder Weife auf ihm nicht ein Reftchen
tadelnswürbiger Handlung haften bleibe5”). Aber gerade Herzog
Rudolf, auf welchen in diefer Weife der Papft feine Hoffnung
ganz beſonders gejegt hatte, war jeit dem ſchärferen Hervortreten
bes Oegenfases wien dem Könige und den Sachſen nunmehr,
nad Allem zu fließen, ein Hauptförberer der jtrengiten Maßregeln
geworben.
Demgemäß lag für die Sachſen allerdings eine große Gefähr-
dung vor, und die düftere Stimmung, in welder bie einfichtigeren
leitenden Kreife de3 Stammes den fommenden Dingen entgegen-
fahen und ſich bemühten, dem Kriege noch vor dem Eintritt der
legten Entſcheidung vorzubeugen, ermeift ſich als ganz begreiflich.
Dan rechnete da, daß für die Sachſen — von Thüringen ift bei
dem ſächſiſchen Berichterftatter daneben nicht die Rede — nur das
einzige fächſiſche Stammgebiet, davon jedoch wieder faum ein britter
Theil in Frage komme, weil ja alle Weitfalen und alle Einwohner
des um Meil liegenden Landes von der ſächſiſchen Sache ab-
* str. IL, 45, J. 4922, beginnt mit einem lauten Klagerufe über
bie miserabilis christianae religionis desolatio .... in ea nunc extremitate
Bosite, ut infeliciora tempora nemo viventium viderit nec a tempore beati
ilvestri patris nostri serpfurarım traditione repererit, fowie mit der An⸗
Mage, in die fi) Gregor V. 0
aput et causa sumus, qui ad regendum populum praelati et pro Iuerandis
animabus episcopi vestri vocati et constituti sumus. ®Die weitere An-
fulbigung ber archiepiscopi et episcopi terrae vestrae vergl. unt. bein. 148.
ige wird im Iehten Abjag des Beices als dux et karissimus sancti Petri
files — ad religionis spiritum desideranter anhelare confidimus — an-
geredet umb am Echlufie ermahnt, ſich fo au £ en, ut... . inter electos
tegni caelestis cives asscribi merearis (Jaffe, Biblioth., IL, 158—160).
1. felbft einbegreift: Verum huius tanti mali nos
494 1075.
gefalen feien, und zwar, wie ba geurtheili wird, bejtochen duch
e3 Königs Gold; aber fogar diefer dritte Theil fei kaum ernit
bafter Weife für zuverläffig anzuſchlagen, weil ftet3 wieder die
Verfprehungen des Königs Einzelne anzögen. ALS ganz bejonders
bebenflih mußte es nachher auch erſcheinen, daß jene zwei anfehn:
lien freien Grundbeliger, welche vor zwei Jahren bei der eriten
thatkräftigen Schürung des Wideritandes gegen Heinrich IV. fd
fo nachdrücklich in den Vordergrund geftellt hatten, Friedrich vom
Berge und Wilhelm mit dem Beinamen de3 Königs, jegt gleih:
falls ihren Eid vergaffen, es in den Wind ſchlugen, dab fie jelbt
ein Hauptanlaß des Zwiftes geweſen waren, und zum Könige, ald
berjelbe zum Kampfe ausog, nächtlicher Weile fih hinüber be:
aben. Nur auf vier geiftlihe Fürften, Erzbiſchof Werner, die
ſiſchöfe Burchard von Halberftadt, Werner von Merjeburg, Immad
von Paderborn, glaubten die Sachſen geradezu zählen zu fönnen,
während alle übrigen entweder offen zum Könige übergetreten feien
oder wenigftend fi bereit zeigten, bei ihrer ſchwankenden Gefin-
mung fi) auf die Seite zu neigen, nach welcher bin ber Sieg ſich
wenden würde. Heinrich IV. ſelbſt zeigte, wen er zu feinen grim-
migften Gegnern dechnete, dadurch, daB er unter den an ihn aus
zuliefernden ſächſiſchen Führern Biſchof Burchard, den abgefegten
Herzog Dtto von Baiern, den Bialsgeafen Friedrich zuerit nannte,
und ebenfo ift jedenfalls nicht zu überjehen, daß gerade aud von
Nom aus Burhard im Briefwechſel Gregor’3 VII. ala derjenige
Biſchof hervortritt, an melden der Papft Peine Briefe nad) Sachſen
richtete. Ein erftes noch im Herbft des vorangegangenen Jahres
abgefaßtes Schreiben follte dem Bifhof von Hall erhabt für ben
Eifer danken, von welchem erfüllt derjelbe es ſchmerzlich empfunden
hatte, daß die Legaten des apoftolifhen Stuhles im deutſchen
Reiche nicht mit der ihnen gebührenden Ehre aufgenommen worden
feien und nicht dasjenige, was die chriſtliche Religion forderte
und noch fordert — es geht das jedenfalls auf die Verhandlungen
in Nürnberg nah Oftern 1074 —, fowie das, mas nothmwendig ge
mejen wäre, ausgerichtet hätten. Der zweite Brief dagegen, jekt
vom 29. März abgelaffen, hatte den Zweck, ven Biſchof in berebter
Weife zu ermahnen, daß er die Geiftlichen zur Keufchheit anhalten
folle, wie denn das ja ſchon im vorhergehenden Jahre durch bie
nah jenen Gegenden abgeſchickten bifchöflihen Mitbrüder des
Papſtes, bei einer Zufammenkunft mit Burchard, demſelben im
Namen Gregor’3 VII. eingeſchärft fei. Ganz bejonder& für den
Fall, daß der Biſchof in der Erfüllung einer Pflicht, hierüber zu
wagen, bis zum Empfange dieſes Schreibens läſſiger geweſen märe,
follte er jegt durch ben Brief aus dem Schlummer feiner Unthätig-
teit aufgeweckt werden. Immerhin fam aljo hier ein etwas ſchärfer
gehaltener Ton des Papſies in defien Schreiben zum Ausdrud®).
. _°%) Bruno urtbeilt über den Stand ber ſachniſchen Streitkräfte ganz ber
Rimmt, zuerft in c. 39, wo eine Ejägung des es praeralidam gegen:
Geinbfeligt. Bilch. Burchard's v. Halberflabt. Kal. Aufgebot n. Breidingen. 495
Inzwiſchen aber war die Kriegsrüftung Heinrich's IV. in fehr
nahdrüdliher Weife weiter gediehen. Auf den 8. Juni hatte er
nad dem Befigthum des Klofters Hersfeld Breidingen, an der Fulda,
die Sammlung der Streitkräfte ausgefchrieben®?), und weil bie
Fürften mit Vorbereitungen für den Krieg, ein jeder in beſonderer
Weiſe, eifrig beſchäftigt waren, feierte er die Pfingfttage nur in
wenig zahlreicher Umgebung‘). Auch noch am dritten Tage nad)
über dem suum perexiguum ftattfinbet, mit der im Texte gegebenen Aufs
bla; dann zeigt c. 45 bie drei Namen ber Auszulieſernden und ſpricht
jaöfelbe von dem beiden ob. S. 244 genannten freien Grunbbefigern, von deren
fpäterem Schichſal freilich fteht: posten nec cives nec hostes eis fidem habe-
bant et apud utrosque viles et infideles, despecti et miseri erant (342, 344
a. 345). unbert dagegen hebt ala ſolche, die eine Erklärung Beinzige IV.
— mit ceteri principes guos Ter specialiter tam truculenfe commi-
natione impetebat, abgeben, neben drei ſchoͤn Genannten — Erzbiſchof Werner,
Burdard, Dtto — no Be Magnus hervor (223), Don Gregor’s VII.
Briefen an Viſchof Yurchard, Registr. II, 12 und 66, J. 4885 und 4948, vom
26. October 1074 und 29. März 1075, lobte ber erſte: te sanctam Romanam
ecclesiam sincero affectu diligere, bie tuae unanimitas fraternitatis: hanc
flammam in Pgtore tuo semper crescere cupimus, während ber zweite fichtlich
weniger herzlich entgegentommend lautet, indem er u. a. ben Gap enthält:
Si, fratrum nostrorum exhortatione monitus, in id opus manus continuo
misisti, ad hoc valebunt litterse, ut, sicut dieitur, currentem currere con-
<itatius impellamus; sin autem huc usque cessasti, somno torporis expulso,
ad evigilandun stimulo in« tionis te exeitemus; noch in, weiteren, mit
allerlei Gitaten angefülten Ermahnungen wirb beſonders die Vflicht ber
oboedientia in dad Gemüth gerührt. An einem aeltrichen fächfiichen Großen,
den Grafen Adalbert (von Balleuſtedt) und defien Gemahlin Adelheid, war am
yigen 26. October auch Registr. II. 11, J. 4884, gerichtet worden, mit ber
tahnung, beren Gebanten der erfte Sa allgemein ausſpricht; quod vel laici
et mulieres ad Dominum mentes erigunt et cultum religionis libenter
intellectu capiunt et tenere contendunt, basjemige, was der aboftoliiche Stuhl
Hinfichtlich der fimoniftifch beftellten oder nicht im Cölibate lebenden Biſchdfe und
Priefter fefigeftellt hatte, treu feitzuhalten, und zwar: quiequid illi contra vos
immo contra justitiam garriant et pro defendenda nequitia sua vobis, qui
inlitterati_estis, obiciant (1. 126 u. 127, 185—187, 126).
) Das Schreiben Hei '3 IV. an Abt Theoderih von St. Marimin
(St. 2985), bei @iefebrecht, III, 1262, als Nr. 10 in den „Documenten“ ab:
gebrudt, iſt wichtig wegen der Säpe: Expeditionem nostram super Saxones
grosenpeimus, quam Deo propitio VII, Jd. Jun. inire (gmmi, rühtig nach
iefebrecht’8 Emenbation, 1138, Matt finire) decrevimus. Hoc igitur tempure
ineipiatis orare et quamdiu maneat expeditio, vestra nos pı juatur oratio.
Gundlach, 1. c., 73 u. 74, rechnet gewiß zutreffend wesen mehrfacher Gtil-
äigenthümlichleiten auch diefen Brief in bie Arbeiten des Dictators Adalbero C,
indem 3. B. ber Begriff des Bitten in ji Formen des Wortitammes orare
unmittelbar nun einander folgt; doch fchließt er, 97, allzu fühn mad) dieſem
Zriei auf bie Wahrfcheinlichteit einer Anmweienheit des Dictator® im Feldzuge
gegen die Sachſen. Da Lambert in ber Angabe: diem et locam statuit
eosdunandi exereitus (sc. rex), videlicet 6. Idus Junii, in possessione Her-
veldensis monasterii in loco qui dieitur Bredingin (223) qut unterrichtet fein
Tomte, fo Natieht Gietebredt mit Recht, 1138, auf einen Fehler in der Zahl
bes Briefeg, VIIL, ftatt VI. Wegen der Lage von Breidingen vergl. ob.
©. 257 u. 258, n. 115.
®) Rambert jagt, daß der König cum paucis — principibus in prae-
tionem miltiae singulis prirata solindine ooeipatis — bat Ge
ging (225).
496 1075.
dem Fefte war er zu Worms anmwelend‘'). Gleich nachher brach
er gegen die Sachſen auf®*).
ud auf ber gegnerifchen Seite war jegt die Nothwendigkeit
begriffen worden, alle Kraft zu vereinigen. Es mag fein, daß, wie
man zu Hersfeld in lebhaften Farben ausmalte, die aufgeregte
Stimmung fih aud in Veranftaltung von Bußübung aller Art
ausdrüdte, daß die Hoffnung gehegt wurde, auf diefe Weife für den
glüdlichen Ausgang des Streites bie Gunſt Gottes dem Gegner
zu entreiben: Nein jedenfalls faßte fi der geſammte Eifer in
Dorbereitung der kriegeriſchen Nüftung zufammen. Berittene
Boten wurben durh das ganze Land entjandt, die das Aufgebot
aller Schaaren zum Kampfe & verfündigen hatten. Es wurde be:
ſchloſſen, daß am gleichen Tage, wo ſich das königliche Heer an
der Fulda verfammle, die Sachſen und Thüringer bei Lupnig,
nörbli hinter dem Hörfelberge, ein Lager aufichlagen follten. So
wären bie beiden feindlichen Heere durch einen Zwifchenraum von
etwa ſechs Meilen von einander getrennt gemwejen*®).
Am bezeichneten Tage, 8. Juni, war das königliche Heer an
dem Orte, ber ihm zur Sammlung bezeichnet war, vereinigt‘).
In Hersfeld, deſſen Beſitzung als Sammelplag En dienen hatte,
Tonnte man eine Schägung des Umfanges der Rüſtung anftellen,
und nad einftimmigem Zeugniffe Aller — jo hieß es da — fei
jeit allem Gedenken niemals im deutſchen Reiche von einem Könige
ein jo großes, fo ftarfes, fo wohl Friegerifch geftaltetes Heer zu:
jammengebradht worden: was nur an Biihöfen, an Herzogen, an
Grafen, an Trägern geiftlicher oder weltliher Würden im Reiche
vorhanden geweſen fei, diefe hätten, einzig die ausgenommen, welche
ganz ſchwer wiegende ober sa unausweichlihe Nothwendigkeit
ie eu D 2784, für dad Mofter Busticeib bei Machen, dom 28, Mei, berift
die Schenkung von quoddam praediun. in villa Boparde in comitatu Berto
situm, quod lin; rusticorum illius villae manewere vocatur, nec unnm
manewerc, sed Fe manewere (hernach nocjmald: his tribus manewerc sibi
concessis), ein Stüd, weldyes, wie ſchon dieſe Wendungen lehren, al N
Abalbero C, und zwar ald ürſchrift — deßwegen in bie Kaiferurfunden in
Abbildungen, Liefer. II, Zaf. 24, aufgenommen —, angehört. Die Arenga
ählt zu den ben Gegenfak des Irbifchen und Emwigen herorhebenden Säpen
bengl. Surbtad, 1. ce. 28).
) Der Annalift von 1075 an berichtet: post pentecosten exereitum
aumero non modieum ...... tunc in Saxoniam de repente promovit, ebenfo
Bernoldi Chron. faft gleich, ettwad fürzer & V, 278, 481).
6%). Bergl. in Exeurd I. über dieſen Theil der Kambert’fchen —A
dort ift auch insbeſondere die ſehr bezeichnende Stelle des Carmen de del
Saxonico über die Rüftung ber Saale mitgetheilt. Der durch Lambert %
nannte auägewählte Ort ber Zagerung der Sadılen — Lupezen — ift 12
(Sroß:, Wenigen:Zupnip), öRlich von Etjenach, im jegigen Grokherzogthum Sachſen,
wirtlich, wie Lambert richtig jagt, etwa sex milibus (flid) von Breibingen.
J 4) Lambert jagt ausbrüdlih: Statuta die (vergl. in n. 59) venit (sc. rer)
in Bredingen (225).
Gleichzeitiges ſachfiſch⸗ hüring. Aufgebot. Zufammenfep. b. kalchn. Heered. 497
jeinen Feldzug durch die Betheiligung aller feiner Fürften jo aus:
giidnet, wie nur möglich, zu maden. Bon Erzbiſchof Anno und
tjhof Dietwin von Lüttich, deren Nichterfcheinen bemerkt wurde,
fonnte wenigftens bie jehr reichlihe Zahl der aus ihren Gebieten
herbeigerüdten Mannſchaften erwähnt werden. Daneben wurde
Herzog Wratiflav von Böhmen nicht vergefjen, welchem die Heröfelder
nadjagten, er jei durch den großen ihn begleitenden Zug von
Kriegen fo übermüthig geworden, daß er vom Wahn erfüllt ge-
weſen jei, gen allein für die Niedermerfung der Sachſen aus-
zureichen. Vollends aber begeifterte ſich der Dichter, weicher nur
furze Zeit nad) dem entſcheibenden kriegeriſchen Treffen das Ge—
ſchehene zu ſchildern fich anfchickte, zu einer lebhaft gehaltenen, im
Einzelnen ſich bewegenden aufsäflung der Beltandtheile des für
ben Königäbienft bereiten Heeres. oran fteht da der tapfere
Herzog Rudolf, welcher die ſchon unter Karl dem Großen im
ſãchſiſchen Kriege erprobten Schwaben und die von feinen burguns
diſchen Erbgütern in die Waffen gerufenen Schaaren leitet. Dann
folgt Sersog Welf mit feinem jo oft über Ungarn und Böhmen
fiegreich gebliebenen bairiſchen Heerbanne. Die am Rheine woh-
nenden Franken, die unter dem befonderen Namen ber dem Rönige
fo treuen Stadt Worms angeführt werden, bilden bie dritte Ab-
theilung, in deren Mitte in glänzender Rüftung der König jelbft
teitet. Daran ſchließt ſich Herzog Gottfried, der, obſchon an Leibes⸗
form dem Vater ungleich, doch deſſen Beherztheit aufweift und bie
tampfgemohnte Jungmannſchaft aus feinem ftet3 von Kriegen ber
mwegten, weit entfernten Lande führt. Aus dem oberen Lothringen
dagegen ift Herzog Theoberih mit feinem zum Reiterfampf geübten
Voike erjchienen. Endlich find gleich nad einander bie Weitfalen,
die Frifen und die Böhmen genannt, deren muntere Schaaren
allein wieder auf viele Taufende geſchätzt werden ®).
. .,®), Zambert, ber hier wieder ſehr gut unterrichtet fein konnte, macht, zwar
in ziemlid) allgemein gehaltenen Wendungen, eine Echilderung deö föniglichen
#3, ber infinita multitudo, der omnium prineipum suorum (sc. regis)
ütuli ae fasces, in ber im te hervorgehobenen Weile (1. c.._ Das Carmen
de bello Saxonieo, Lib. III, jidt (v. 50—56) eine allgemeine Darftellung der
Rifung der totius robora regni, die fid) regis ad edietum — aeque majores,
aeque studuere minores — rüflen, mit befonderer Betonung der caballı und
der Ginübung berfelben, voraus und läßt dann von v. 57 an, im ſechs Ab-
f&nitten von zufammen 34 Verfen, die Aufzählung folgen, die, nad Waip, in
feiner Ausgabe bes Carmen de bello Saxonico, 17—22, bejonders auch Pannen:
Lambert von Heräfeld ber Verſaſſer bes Carmen de bello Saxonico,
134-139, behandelte (gegen Waiß macht Pannenborg, 185, zig geltend, daß
im v. 61 u. 62 unter der patria caria, welche die mille manus Ärarim Roda-
aumque bibentes ausfandte, das burgundifche Erbland Ruboly’3 zu verftehen ift
— der gens antiqua der Wangiones wird zugelchrieben: regiß signa sequi
bello...... gaudet in omni solaque regales servat per praelia fasces —
— Rieberlothringen if} durd) die Ripheae urbes, Thiel und Nimmegen, näher
); v. 91-93 enthalten einen zufammenfaflenden Ghluß über den
juens exereitus be3 rex ultor, wieder mit einer allerdinge, gleich zahlreichen
Stellen des ganzen Abfchnittes, Dergil emtlehnten Betonung der Meiterei
Reyervon Anomau, Jahrb. d. diſch. R. unter Heinrih IV. u. V. Bd. II. 32
498 1075.
Während in folder Weife von Seite des Königs für die
Niederwerfung de3 zu züchtigenden Feindes Alles vorbereitet war,
fand bei den Sachſen, ſowie bei den mit ihnen vereinigten Thü-
ringern die Rüftung keineswegs auf biefer Stufe der Vollendung,
wenn aud äußerlich betrachtet das gegnerifche Heer von den König:
lichen als eine anjehnlihe Maſſe — wurde. Denn durch den
kriegeriſchen Aufbruch der gefammten Landbevölkerung, der Bauern
und Hirten mit ihren aus ben Geräthen bes Aderbaues, ben ein-
fachften fich darbietenden Gegenftänden gefchaffenen Waffen, follen
die Fluren ganz leer geworben fein. Aber bie Ungeübtheit ber
zum Kampfe nicht angeleiteten Menge wurde weder durch die
naturmüchfige Kampfbegier, noch dur die Streitluft beftärkende
Rede, daß es fih um die Löfung von fnechtifhem Jod, um Frei:
dei oder Tod Handle, aufgemogen. Schon war es durch die Be-
chaffenheit bes jedenfalls zum ganz überwiegenden Theile nicht aus
Berittenen beftehenden Heeres, da die Anftrengung des Marſches
yur Lagerung am Flußlaufe der Unftrut gezwungen hatte, unmög-
ich geworden, auf den 8. Juni, wie verabrebet geneien war, die
Vorſchiebung bis nad) Lupnig, alfo in größere Nähe der Werra,
auszudehnen. Doch aud in dem Lager, das an der mit Einfegung
der Kraft erreichten Stelle geſchlagen worden war, herrſchte feine
Wachſamkeit und Ueberlegung. Sorglos lagen die durch Die un-
gewohnte Anfpannung erſchöpften Krieger in ihren Zelten, um fih
zu erquiden, man glaubte, noch ganz freie Wahl zu haben, um
entweber durch eine Geſandtſchaft an Heinrih IV. den Frieden zu
erlangen, oder, wenn das mißlänge, die offene Angriffsſchlacht gegen
denfelben unter gleichen Bedingungen aufzunehmen. So war &
begreiflich, daß im königlichen Lager troß der dem Anfchein nad
vorliegenden gleihen Stärke, ja wenigftens was die Vorräthe an
Lebensbedarf betraf, ber Weberlegenheit des Feindes dennoch un=
verminderter Muth, den Kampf aufzunehmen, vorhanden war, ba
beftimmte Kunde von diefen bei dem Gegner vorhandenen Verhält:
niffen vorlag °°).
(SS. XV, 1229 u. 1230). Der Böhmen gedachte auch Bruno infofern, als er,
ec. 37, in bem in n. 55 erwähnten Zufammenhange vom Könige fagte, daß er
don allen angerufenen fremden Völtern fraudatus geweien fei, praeter Boemios
(SS. V, 342).
s) Weber ben Zuftand bes ſachſiſchen — und thüringifchen — Heeres —
ausdrücklich jagt Siegfried im Ariefe an Gregor VI, Codex Udalrici, Nr. 45
(Safe, Biblioth. V, 98): bellum .. . a domino nostro rege factum est
contra Saxones et Thuringos — flimmen im Ganzen bie Zeugnifie überein.
Das Carmen, v. 101—126, ſchilderi in anſchaul icher Weile, wie bie agricolae,
die pastores pecorum, die custodes domorum, bet redemptor fih rüften, gang
voran die agrestes — fractis agrestibus armis — ſich Die arma belli ſchaffen
Squalent arva suis cultoribus expoliata —, dod) ohne dah daburd, troß ber
tot milia, die indoeilis turba, die rudes mentes eigentlid; fampftädhtiger ger
worden wären, fo daß ungeachtet ber unter einander gewechielten aufflachelnden
Mahnworte, troß ber Freude am armorum sonitus clangorque tubarım nad
be3 Dichters Urtheil der Ausgang ſchon vorauszuſehen war: sie ruit esitii gens
Stärke d. fäd. Heeres. Heinrich's IV. Vormarſch u. Entſchluß 3. Kampf. 499
Heinrid IV. war nämlich ſchon zu Breidingen, duch den Be—
richt von Spähern, die behufs Erfundigung zum ſächſiſchen Lager
geisict worden waren, über diefe Umftände ganz unterrichtet, und
er ber bienftbereiten Unterftügung der ihn begleitenden Fürften,
ganz voran Herzog Rudolf's, fiher war, hielt er es für das An»
gemefjenfte, nicht zu zögern, damit nicht durch einen Verſuch der
Gegner, den Frieden dennoch zu bewahren, nod in der letzten
Stunde vor der gehofften Entſcheidung eine unerwünfchte Verzöge
zung eintrete,
Noch am 8. Juni brach das königliche Heer, in öftliher Rich
tung ziehend, von ber Fulda auf und erreichte, nad) Ueberſchreitung
der Werra, in den dem norbmeftlichen Ende des Thüringer Waldes
vorgelagerten Hügeln, den Ort Ellen. In noch befchleunigteter
Bewegung wurde, wohl von der erften Frühe bes Tages an, im
Laufe des nädhjftfolgenden Morgens, am 9., die Vorfchiebung bis
Behringen vollzogen, über die Fluren von Lupnig hinweg, wo nad)
der eriten acht die Sachſen ihre Aufftelung hatten wählen
wollen. Nur noch eine mäßige Strede, von höchftens zwei Meilen,
über eine von geringen Bachläufen durchfurchie wellige Fläche hin,
trennte jegt den König von feinen Feinden. Allein die Anftrengung
des raſchen Vorrüdend machte ſich fühlbar. Die Krieger ſchlugen
Zelte auf und forgten, einzeln ſich zerftreuend, für bie ‚Men ihrer
erihöpften körperlichen Kräfte; ſogar Heinrich IV. jelbit hatte fich
auf das Ruhelager geireit, um ſich zu erfrifchen. Allein wieder
war Herzog Rubolf der Dränger, welcher die raſcheſte Fortjegung
des Vorgehens empfahl. Selbſt trat er bei dem Könige in das
Zelt ein und vermochte denjelben, durch die Darftellung der im
ſachſiſchen Lager beobachteten Dinge, den Befehl, der auf den Ans
griff abzielte, zu ertheilen; denn dankbar wurden die ermünfchten
Eröffnungen von Heinrich IV. fofort aufgenommen, da es ganz
jelbftverftändlih war, daß bei folder Sadlage die noch zur Ver—
fügung ftehende größere Tageshälfte ausgenupt wurbe.
Die Sachſen und Thüringer waren nämlich aus ihrem auf-
inconsulta futuri (l. c., 1231: bemerfenäwerth ift auch in biejer Zeichnung die
gänzliche Nigpterwähnung berittener Abtheilungen, gegenüber den in u. 65 ber
tonten Hervorhebungen — v. 105 fpricht nur von Nahahmung der galene
equestres). Lambert läht bem Könige das feindliche Heer durch die Späher ala
multitudine et armis haut impares, caetero belli apparatu (sc. opes multas
& sufficientes in longum quoque tempus sumptus convexisse) etiam
superiores beſchreiben doc) zugleich ald unvorjidtig:, post laborem_ itineris
0cioso jam animo, fixis teutoris, recreando corpori indulgere (zum folgenden
age, 9. Juni, dasfelbe, 226, wiederholt: vana securitate resoluti, omne
studium ab armis ad curam corporum verterant), ohne jeden feiten Plan:
hoe Statulane, ut legatos supplices de pace mittant, si non impetrent, equo
eertamine adoriantur venientes, und ebenio leat er den Königlichen das Urtheil
in den Bund: Illine vulgus esse ineptum, agriculturae pocius quam milieise
Assuetum, quod non animo militari sed prineipum terrore conetum, contra
mores et instituta sua in aciem processisset (225. Dab Lupnik nicht erreicht
mirde, vergl. in Excurs V.
32*
500 1075.
fallenden Leichtfinne, unter deffen Wirkung die wichtigften Vorfichts-
maßregeln verabfäumt wurden, noch nicht herausgefommen. Wie
die Anzeichen beweifen, ftanben fie in erheblicher Entfernung von
einander vertheilt, in zwei mit einander nicht verbundenen Lagern,
wovon das eine nördlich vom Laufe ber Unftrut und durch den
Fluß felbft geihügt, das andere, weiter aufwärts, über denjelben
auf das rechte Ufer bei Homburg vorgefhoben und demnach zuerft
dem Anpralle ausgeſetzt war; aber % zeigten eine völlig unange-
brachte Sicherheit, melde den weit wachſameren Feind zur That
anſtacheln mußte. Ohne Zweifel war in das Homburger Lager,
welches an ober unter dem Rande eines gom die Unftrut ſich ab-
dachenden Geländes lag, ganz voran die Reiterei gelegt; Dito von
Nordheim wird bier den Bent geführt haben. Allein deffen un-
geachtet, obſchon die größere NKriegögeübtheit hier vorausgefegt
werben durfte, herrſchte, was eben Berjog Rudolf rechtzeitig zu
Ohren gelommen war, die Unterlafjung aller bei der Nähe des
Feindes nothwendigen Maßregeln. Der Herzog hatte dem König
mitzutbeilen vermodt, daß — ob aus Unfenntniß der Sadjlage,
oder aus Nichtachtung der anrüdenden Feinde, lafje er offen — die
Sachſen bei Schmaus und Becher muthwillig ungereimten Tändeleien
nachgingen, al3 ob gar feine Ahndung für Alles, was von ihrer
Seite gegen den König gethan worben fei, zu befürchten ftünde.
Auf der Seite Heinrich's IV. fam, ſowie der König und Herzog
Rudolf aus dem Zelte herausgetreten waren, meue Regung in bie
Maffen. Nachdem das Zeichen gegeben worden, geihah raſch die
Wiederverfammlung; weit und breit wurden die einzelnen Echaaren
in die beim Lager ringsum liegenden Felder vorgeihoben, wo fie
fi unter ihren herzoglichen Führern orbneten. Nach einem Vor⸗
echte, das hier zum erften Male zu Tage trat, von dem aber bald
ein weit älterer Urfprung behauptet wurde, hatten die Schwaben
die Ehre des vorberiten AÄAufbruchs inne, IH daß fie vor allen an-
deren Haufen an ben Feind gerathen mußten; ihnen ſcheinen die
Baiern fih gleih als zweite Abtheilung angeſchloſſen zu haben.
Erſt in ber fünften Schaar, an legter Stelle, folgte der König,
dit umgeben von einer auserlefenen Mannſchaft, die aus den
treueften und am beften ausgerüfteten Jünglingen gewählt war.
So murde in ben georbneten Reihen, von denen jede Hintere ans
gewigen war, den in ben Kampf verwidelten vorderen Gliedern
er Schlahtorbnung raſch nach der Forderung der Umftände zu
Hülfe zu eilen, gegen das ſächſiſche Lager hin aufgebrochen.
Auch jegt noch verharrten die Sachſen in der thörichten Boraus-
fegung, daß von einem Angriffe auf fie, da der Zwiſchenraum
zwiſchen den Königlichen und ihnen nicht, am wenigften von einem,
wie fie vorausfegten, durch Gepäd und anderweitige Belaftung be=
ſchwerten Heere, an einem Tage zurüdzulegen ei, für den laufen-
den Tag feine Rede mehr fein fönne. Ho immer dachten fie
weit eher an die Pflege ihrer Körper, als an bie Waffen; um ſich
der Ruhe hinzugeben, hatten fie die Kleider abgelegt, und aus der
Sãchſ. Aufftelung an d. Unftrut. Beginn d. Schlacht b. Homburg (9. Juni). 501
größten Fahrläffigkeit wurden fie Durch die Erfenntniß der auf ein-
mal vorhandenen Gefahr aufgefhredt. Denn ein gewaltiger
emporgemwirbelter Staub verkündigte die rafche Annäherung der
feindlihen Macht, und ſchon bligten über das breite vorgelagerte
Gefilde die Waffen herüber und wurden die erhobenen Panner
fihtbar. Au fpät warfen ſich jet die Ueberrajchten Vorwürfe
über ihre Saumfeligkeit zu. In voller Beſtürzung erhoben fie das
Bebgelärei, rafften die Waffen zufammen, warfen fi aus den
gerpforten hinaus auf das Feld. Schon war nicht die geringfte
Zeit mehr zu verlieren, wenn nicht das Lager jelbft in feiner
mangelhaften Bewachung den Anprall erfahren ſollie. Allein nur
Wenige hatten nod durch ihre Panzer fich beijere Dedung ver-
ſchaffen können; den Webrigen gebrad) e3 vielfah an der Möglich:
teit, auch nur die abgelegten Kleidungsſtücke anzuziehen. Keiner
wartete auf den Anderen; jo bald ein jeder, früher oder fpäter, die
Baffen errafft hatte, lief er einzeln hier und dorthin, jo daß von
jeder georbneten Aufitellung oder Belehrung der Schaaren abgefehen
werben mußte und nicht das geringfte nad) der Regel ber
Triegerifhen Kunft geſchah. In den dichteften Haufen drängten fi
die berittenen Maffen zufammen, gaben, ohne das Zeichen zum An-
si zu erwarten, ihren Pferden die Sporen und fprengten mit .
ter Wucht auf den Feind ein. Etwa um die Mittagftunde
jann jo der Kampf unweit Homburg.
Die Schwaben hatten, da fie dem übrigen Heere voraus eilten,
dadurch daß noch im legten Augenblid den Sachſen durch ihre
raſche Ermannung der Angriff möglich wurde, diefen erften Anprall
auszuhalten, und fie hätten ohne Zweifel nicht länger feften Fuß
behaupten können, wäre nicht der ſchon weichenden Schaar diejenige
ver Baiern unter Herzog Welf zu Hülfe gekommen. Aber auch
bei dieſer Verftärfung blieb das Ringen eine furchtbar ernfte Er-
probung für die Kraft der Vorftreiter im deutſchen Reichsheere.
Raſch wurde, nachdem der erfte Sturm die Speere unbrauhbar
gemadt hatte, zu den Schwertern gegriffen, und da bemiefen jegt
ie ſächſiſchen Ritter, da fie zwei oder drei ſolcher Waffen mit fi
führten, ihre Weberlegenheit in diefer Kampfgattung. So wurde,
da die Sachſen mit höchſtem Ungeftüm, mit einer den Gegnern
Bewunderung und Schreden stnöthigenbe Tapferkeit und Geläig-
licfeit ihre Stärke darlegten, den oberdeutſchen Völkern die Blut-
arbeit äußerft_verluftreih. Angefehene Männer fielen verwundet
oder todt; Wenige famen ganz umverjehrt davon. Auch Herzog
Rudolf gerieth, mehrfach angegriffen, in Gefahr, am meiften als
fein Vetter, der Markgraf der ſachſiſchen Nordmark, Ubo°”), im
Setümmel auf ihn ftieß und mit dem Schwerte jo wüthend ihm
in das Gefiht hieb, daß er ihm den oberen Theil de3 Kopfes ab-
geihlagen haben würde, hätte nicht die herunterhängende Nafe des
©) Bergl. über Ubo 2b. I ©. 42, 49 n. 49, 654.
502 1075.
Helmes einen Schuß geboten. Ganz beſonders feuerte Otto von
Nordheim, als Krieger und Führer zugleich, den Muth feiner Leute
egen bie Königlichen an. Inmitten einer Kerntruppe ber tapferfien
ünglinge war er überall bemüht, den Widerftand zu ftählen, bal
in der erften Reihe, bald im dichteſten Getümmel der Feinde,
dann wieder in ben eigenen hinterften Haufen, um da die Säumigen
anzufpornen, daß fie nicht von ihrer Pflicht abließen. So hatte
diejer Reiterfampf wohl bis über bie zweite Stunde feit feinem
Anfange gebauert, und ſchon war zu fürchten, daß ſich ſchließlich
doch Schwaben und Baiern mit einander zur Flucht wenden würden.
Da kam nod) rechtzeitig der Beiftand auf den Plag.
Bei der Art und Weife bes Aufbruchs von Vehringen hatten
ohne Zweifel die den erften zwei Stammesheeren folgenden Ab
theilungen nicht fo raſch über den anfehnlihen Zwifchenraum auf
das Schlachtfeld nachfoigen fünnen, wie das dem Bedürfniß der
zufammenhängenden kriegeriſchen Bethätigung entſprochen hätte.
So waren die von dem Noth leidenden Heerestheile mit ‚Dapnungen
rüdwärts geſchickten Boten, welche dem Könige wieberholt den
ſchlimmen Stand der Dinge meldeten, längere Zeit binburd, wie
es ſchien, vergeblih abgejandt worden. Augenſcheinlich hatte das
. Schnelle Vorrüden der erften Abtheilung dieſelbe von den anderen
Beftandtheilen des königlichen Heeres in einer Weife abgetrennt,
daß Heinrich IV., bei alem, wie fi von jelbft verftand, ihn cr-
füllenden Willen, ganz voran Herzog Rudolf die Hand zu bieten,
nicht früher Verftärfungen nad vorn Hin zu werfen vermochte.
Enblich erfhienen nun auf einmal von zwei Seiten ber, wohl jo,
daß fie auf die Flanfen der Sachſen fielen, dort Graf Hermann
von Gleiberg°®), hier das Kriegsvolt der Bamberger Kirche, alſo
beide von dem Aufgebote des fränkiſchen Stammes, fo daß den
bebrängten Vorkämpfern de3 Heeres Luft gemacht werden fonnte.
Daran tiffen aud die Böhmen unter Herzog Wratiflav’s, die
Nieder] otbringer unter Herzog Gottfried’8 Führung — zu deren
Herbeiholung waren, weil fie jedenfalls noch mehr im Hintertreffen
ſich befanden, zahlreihe Botihaften nothwendig geworden — wieder
von zwei verfchiedenen Richtungen aus, unter äußerfter Be
ſchleunigung, in den Kampf ein, und durch diefe immer wachſen⸗
den Maffen der föniglichen berittenen Kämpfer wuchs jegt die Be
) Hermann wird durch Wend, Heffiiche Landes geſchichte, III, 217 u. 218,
in die Stammtafel des gräflichen Haufes von Gleibeg — vergl.’diefelbe, bei
242 — eingeorbnet, und zwar abweichend von Gebhardi, iforilegenealogilce
Abhandlungen, II, 106 u. 107, der_benfelben um eine Generation höher ein«
Relte. Hermann, au ale H.’de Glizberge Zeuge in einer Urtunbe Cr:
bifchof Siegfried’? zu Mainz, 4. November 1070 (Wil, Regeften zur Geiichte
ber. Dlainzer Ergbilchöfe, I, 192), ift auf der erwähnten Tafel als Eohn Dietrich’,
„Stammvaters ber Grafen von Gleiberg“, diefer Dietrich aber ala Bruder Herzog
Friedrich s von Nieberlothringen eingeordnet: doch vergl. 3b. I, ©. 43, n. 37,
— Jöentität bes Friedrich von Gleiberg mit diefem Herzeg Friedrich ab»
gel wird.
Sieg d. tönigl. Heeres; Auflöfung d. ſächſ. Heeres; Berfolgung u. Plünberung. 503
drängniß der Sachſen in jolhem Grabe, daß fie nicht mehr länger
bei Homburg auszuharren vermochten. Obſchon Dtto aud in
diefen Augenbliden noch in jeder Weife, durh Bitten, durch
Schmähungen gegen Feigheit und Läffigfeit, die Wanfenden feft-
zubalten, die jhon zum Weichen fi) neigenden Reihen zu ftärken
fuchte, wandten dennoch alle Kämpfenden, weil fie der Gewalt ber
Mafje nicht mehr zu wiberftehen vermodten, ihre Pferde nad un=
gleiden Richtungen aus einander. Damit begann die alsbald zur
jähen Auflöfung ſich jteigernde Flucht. J
Schon im Anfang der Schlacht hatte die Zeit nicht mehr aus—
gereicht, das nähere dieſſeits der Unftrut befindliche Lager, weldes
jedenfalls nicht allzu weit Hinter dem Kampfplatze ſich ausdehnte,
noch mit den gewohnten Lagerwachen zu befhügen; das innerhalb
des Lagers zurüdgebliebene gemeine Fußvolf, das gar nicht in die
Reiterſchlacht mit eingetreten war, fand fi nun vollends nad dem
Eintritt der Flucht ganz unbewehrt. Noch weit mehr fahen fi
die in größerer Entfernung rückwärts, Hinter ber Unftrut, ges
lagerten Abtheilungen durch die Niederlage völlig überraſcht. Bei
den mangelhaft etroffenen Vorbereitungen zur Schlacht waren fie
anz unbenachrichtigt geblieben, und jegt wurden fie von dem
ichte über den verlorenen Kampf erichredt, ehe fie nur eine
Mahnung zum Eingreifen in das Treffen hatten erhalten fönnen.
Denn ill die weiteften Gefilde, zwei bis drei Meilen in ber
Runde, ergoß fi nunmehr die Verfolgung durch bie fiegreidhen
Königlichen. Nicht nur diejenigen Abtheilungen, melde in den
KRampi felbft entſcheidend eingegriffen hatten, jondern, wie das
leicht nad) errungenem Erfolge geichieht, alle Schaaren de3 Heeres
warfen fih im aufgelöften Reihen, aud) das gewöhnliche Bolt,
Bauern vom Troß, unter Anjpornung ihrer Reitthiere bis zur Er—
ſchöpfung, auf die Flüchtigen, Alles vernichtend, was erreihbar
war. Freilich hinderte der nun vollends von ben Hufen aufgerifjene
emporiteigende Staub die Ueberſicht, und es foll vorgefommen fein,
daß die Verfolgenden, geblenbet durch denfelben, auch eigene Waffen-
gefährten, da fie diefelben von den Feinden nicht zu unterſcheiden
vermodten, trafen. Aber das Verderben, das über die geſchlagenen
Sachſen und Thüringer fam, war dennod ein furdtbares. Im
Anfange hatten ſich Flüchtlinge in dag vorbere Lager hineingeworfen,
weil fie bier, vom Schlachtfelde fommend, Dedung erwarteten; allein
eben dahin ergofjen ſich hinter ihnen die Verfolger und warfen die
Schutzſuchenden wieder hinaus, und dabei fam die Reihe der Ber
nichtung aud an jene von vorn herein ungeübteren bäuerlichen
Zußfämpfer, die in der graufamften Weije, dem Vieh gleich, nieder-
gemenett wurden. Ganz bejonders den Böhmen, welche nebft den
'iederlothringern in der Verfolgung vorangingen,, wurden dieſe
Thaten der wilden Wuth und grimmiger Plünderung zugefchrieben;
denn allerdings war die Beute, nicht zum geringften aud an ben
reihen dem jähfifchen Heere nachgeführten Lebensmitteln, ferner an
Gold, Silber, foftbaren Gewändern eine überrajhend reiche, jo daß
504 1075.
in Hersfeld geurtheilt wurde, es habe ausgefehen, als hätten die
Sachſen ihren Auszug bewerkftelligt, nit um Heinrich IV. zu be
tämpfen, fondern um feinem Heere ein Gaftmahl zu bereiten und
den Glanz ge Neihthümer zur Schau zu ftellen. Doc eben
ar nicht bloß auf diejes näher am Kampfplage liegende Lager er-
kredte fi die Derfelgung. Borziglic verluftreih wurde für die
Befiegten vollends der Rückzug über den Flußlauf der Unftrut,
jenfeit3 deſſen die nadjagenden Reiter ſich erft recht nach allen
Seiten ausdehnen fonnten. Das Entjegen vor den drohenden
Waffen der Sieger jagte zahlreihe Flüchtlinge, welche unbedacht
dem Fluſſe fi anvertrauten, in den Tod, und wenn aud das
Bild, welches von dem die Schlaht feiernden Dichter im Einzelnen
ausgemalt wurde, einer eigentlichen Leichenbrücke, jo daß Herzog
Gottfried über das blutgeröthete Waſſer hinüber auf den auf:
gebäuften Zeibern ungefährbet das jemjeitige Ufer habe erreichen
önnen, unzweifelhaft übertrieben ift, jo ift doch nicht zu verneinen,
daß eben an biefem von ber Natur der Flucht in den Weg ger
ftellten Hinderniffe eine größere Menge umlam. Erſt die Nacht
machte dem Morden ein Ende, nicht aber ber Plünderung in den
Vorräthen ber feindlichen Lager.
Die Verlufte auf beiden Seiten waren, fo weit fie ſich ſchätzen
laffen, fehr anſehnlich; auch ber König hatte feinen Sieg theuer
erfauft, und ein treuer Anhänger feiner Sade ftand fogar nicht
an, noch fpäter die Einbuße de3 königlichen Heeres höher, als bie
des feindlichen, anzufegen. Ein ferner ftehender Zeuge, in Schwaben,
rechnete dagegen für die Sachſen achtiauſend Tobte und viele Ver
wundete heraus, für die Königlichen fünfzehnhundert Gefallene ;
indeffen hatten die Fürften und Edeln de3 ſächſiſchen Volkes ſich
faft fämmtlih am Leben, ja ſogar unverfehrt erhalten können,
theil3 durch die Schnelligkeit ihrer Pferde und die Kenntniß ber
Dertlicfeiten, theils weil die Verdunfelung der Luft durch ‚den
Staub die Verfolgung erſchwerte. Bon fähfifher Seite wurden
aus den vornehmften Herren einzig Graf Gebhard“), vom
mittleren Adel Folkmar und Suidger als Gefallene genannt. Der
gleihe Gewährsmann wollte den Verluft des königlichen Heeres
auf acht in nicht geringerem Abel, als Heinrich IV. felbit, ſtehende
Männer erften Ranges anſchlagen. Doch find diefe Angaben über-
trieben; denn in Hersfeld wußte man einzig vom Tode des Mark-
©%) Betreffend Gebhard vergl. in Exeurs V bie Stellen, welde feinen
Zob anführen, fowie daß vielleicht die kirchliche Stiftung zu Se mit ber
dortigen Grabflätte des Gefallenen in Zufammenhang ſteht. Als Graf von
Supplinburg ericheint Gebhard erft in ber Sächfiichen Welichronit, Mon. Germ.,
Deutsche Chroniken, Il, 188, 199, 204. ®ergl. über benjelben, fowie über
kin Abftammung, beionders biejenige feiner Mutter Ida, einer Bruderstochter
1009 verftorbenen Märtyrer? Brun (aus dem Haufe der Grafen von Quer»
furt), Bernharbi, Lothar von Supplinburg, 11, 807 ff. Supplingenburg, wie
ber Ort jeht heißt, Liegt fünfthalb Meilen öftlid) von Braunfchweig.
Berlufteb. Heere. Heinrich'3 IV. Anordnungen. Eindruck d. Schlacht b.d. Siegern. 505
geafen Ernſt von Defterreih, welcher ſchwer verwundet ſchon halb-
todt in das Lager zurüdgebradt wurde und am Tage nad) der
Schlacht ftarb, aus dem bairifchen Heeregaufgebot, fowie von drei
Grafen, wovon zwei jedenfalls ſchwäbiſchen Stammes, unter
Nennung des Namens, zu fprehen. Herzog Exnft wurde wegen
feiner Bervorzagenben Tapferkeit, da fi an feinen Namen Er-
innerungen an die Kämpfe gegen die Ungarn Tnüpften, Boraüolid;
betrauert. Die anderen Gefallenen waren der Graf Engilbert,
fowie Eberhard und Heinrich, zwei der Söhne des Grafen Eber-
hard von Nellenburg ?°).
Troß dieſes großen Preifes, der von dem Reichsheere in feinen
Opfern entrichtet worden war, konnte die Schladht durch die Auf-
löfung des feindlichen Heeres als ein entſchiedener Sieg Heinrich’ IV.
aufgefaßt werben”?).
Kurz nad Sonnenuntergang kehrte der König, als Sieger
durch feine Krieger in glüdwänfienden Zurufen begrüßt, in fein
Lager zurüd, jelbft des ausgezeichneten Erfolges gegenüber den ver-
haßtefn Feinden froh. Dabei gab er den Befehl aus, daß ben Ver-
wundeten ärztliche Hülfe zu Theil werde, daß die zum meiteren
Dienfte duch ihre Verlegungen Untauglihen behufs Verpflegun:
durch ihre Angehörigen nach Haufe zurüdzubringen feien, en 4
die Todten die Beftattung erhielten. Aber — jo erzählte man fi
wenigſtens in Hersfeld — auf das königliche Heer machte die am
folgenden Tage auf dem Schlachtfelde vorgenommene Auffuchung
der Gefallenen einen äußerft peinlihen Eindrud, als nunmehr die
Einzelnen die Leichen ihrer Herren oder ine, nächſten Verwandten
oder anderweitig bekannter Leute fanden, jo daß allgemeines Weh-
Hagen ſich verbreitete. Auch dur die Erfenntniß, daß man ſich
am Schlachttage felbft geirrt habe, als die Angehörigen des könig-
lichen Heeres überall ha deffen rühmten, daß ® mit eigener Hand
verfdjiedene der vornehmften ſächſiſchen Fürften unſchädlich gemacht
hätten, jol eine ungünftige Wirkung eingetreten fein. Denn jegt
et erfuhr man, daß dieſe Fürften durchaus nicht bis auf den
legten Dann getöbtet worden, vielmehr volzählig am Leben ge-
blieben feien und, von neuem Muth erfült, abermals Truppen
behufs Wiederholung des Kampfes zufammenzögen. Immerhin
wurde ber königliche Befehl erfüllt, indem die Xeichen theils an
Ort und Stelle mit Erde bevedt, theils, was die vornehmeren und
reiheren Leute betraf, nad) der Heimat jedes Einzelnen zur Be-
Rattung gebraht wurden. Bei dieſer Arbeit erwies ſich die
Schägung der Zahl der Todten als unmöglih; nur fo viel wurde
’*) Ueber Ernft, jen Lambert als vir in 0 clarissimus et
multis a Dee vietoriie insignis Hermochebt (227), vergl.
belonders Dh. IL ©. 98, 186, über ben Grafen Eberhard ob. ©. 237, ſowie ın
da ©. * n. 6 citirten Abhandlung Zumbült’s. Die Quellenangaben enthält
re V.
=) Bergl. über die Schlacht in Ereurs V.
506 1075.
beftimmt erkannt, daß unter den Taufenden der Gebliebenen auf
Seite des Siegerd mehr Adelige, auf derjenigen der Unterlegenm
mehr Leute vom gemeinen Volke fi befanden, fo daß infofem
allerdings der Verlujt des Königs fi als ein anſehnlicherer heraus
ftellte. Jedenfalls füllte die Arbeit der Aufräumung des Schlacht
feldes den ganzen folgenden Tag aus; aber wahrſcheinlich blieb
das königliche Heer auch noch über diefen 10. Juni hinaus an ber
bisher behaupteten Stelle”*).
Erſt der Aufbruch tiefer in das gegnerifche Land hinein fonnte
die Fortfegung des Erfolges bringen, wie fie in der Abſicht
Heinrih’3 IV. nothwendigerweife liegen mußte, wie biejelbe aber
aud geradezu durch den dichteriſchen Darfteller des Sachſenkrieges
in Worte des Königs an fein verfammeltes Heer gekleidet wurde,
daß nämlih duch den vermüftenden Einbrud in das Gebiet de}
niebergemorfenen frevelhaften einer erſt die rechte Strafe über
denſelben verhängt werde, daß erft bie Aufjagung der Flücdtigen
die Beilegung des Krieges herbeiführen fönne’®). Dur das da:
zwifchen liegende Stüd thüringifhen Landes Hin ftieß der König
nad Sachſen hinein vor und richtete eine tief greifende Verwüſtung
weit und breit, mit Feuer und Schwert, an. Je weniger dad
fruchtbare Gebiet durch friegerifhe Heimfuhung bis dahin berührt
worden war, um fo größer war in ben offenen Ortſchaften, neben
welchen aber auch befeftigte Pläge gewonnen worden fein jollen,
2) Bon demjenigen, was gleich nach ber Schlacht geſchah, reden beſonders
Lambert und das Carmen, Der erftere läßt *836 iv * lo post oceasum
solis ala beglüdwünfchter Sieger in castra zurüdfehren, bann aber die ad locam
eongressionie fommenden Kämpfer bei dem Anblid drr Gefallenen in lauten
Jammer ausbrechen, ferner am folgenden Zage die Beftattung und die Beforgung
der vulnerati und der in religuum inutiles vorgenommen, fowie die Gewißbeit
gewonnen werben, daß die prineipes Saxoniae, quos ad unum interfectos
pridie vano rumore vulgaverant, am eben geblieben jeien (228); bagegen ift
mach Creurs I die im Folgenden angehängte Erzählung von Erabilcpof Siegfried’?
&gcommunication der thüüringiichen Fürflen nicht ala glaubwürdig, anzunehmen.
Im Carmen handeln v. 213—216 insbejondere von der Anordnung Heinrich s IV.
— vespertinus . . . de caede reversus — für die Bejorgung der saucia . .
corpora, hinfichtlich deren der Befehl ergeht: committi medicis, meben der
jenigen der defuncta (I. c., 1238). Bruno dagegen fagt furz, doch mit hämifcher
jerunglimpfung des Königlichen Heered, c. 47: rex. . . aliquot dies intra sus
castra manebat, donec eos quos de suis metus disperserat recollegit et
mortuos suos vel sepeliri vel in patriam sepeliendos fecit deportari (I. c., 35}
) Den Aufbruch vom Lager füblich der Unfirut — Lambert: movit exer
eitus de loco certaminis (228) — führt da? Carmen, v. 217-232, allerdings
fhon, im Zufammenhang mit der Anfepung der in n. 72 erwähnten Befehlä:
erthrilung zum Abend des 9. Juni, zum 10. in aller Frühe -- Postera cum
prima stellas lux alma fugarat . .. —, eingehender aus: eine Heeredver-
jammlung, in deren Mitte Heinrich IV. redend auftritt, mit lobender An-
erfennung der Tapferkeit feiner Krieger und dem Ausdrucke voliften Zutrauens,
dann aber mit der nabrüdlichen Aufforderung. den Krieg durch den Eindruch
in das feindliche Sand zu vollenden: Nunc agitate fügae versos, componite
bellum! —, worauf zum Edjluß: Vix ea dieta dabat, simul omnes sigos
levabant (l. c., 1233).
Berwüftender Einbruch Heinrich's IV. durch Thüringen bis Halberſtadt. 507
die Beute. Den raubluftigen Leuten bes Troſſes — ganz befonders
werben aber auch bie Böhmen wieder als Plünderer genannt —
fielen bis zur Weberfättigung Reichthümer Km In jeder Weiſe
— fo wird die geſchickte Aufjuhung des Raubes geſchildert —
veritanden es die Beutemacher, auch den verborgenen Schägen bis
in die Bergungspläge in Gebüfhen und Höhlen nachzuſpüren, fo
daß Haus und Vieh und Habe den meiften Geplünberten verloren
gi ven. Ein jächfiicher Bericht aber will auch noch von ſcheußlicher
erkümmelung der Frauen wiſſen, fogar an Heiliger Stätte, wenn
fie fih felbft und ihren Befig dahin hatten bergen wollen, wobei
denn auch die Kirchen zugleich mit ben gefchändeten Körpern ben
Flammen übergeben worden feien. Allerdings war das Vorrüden
dem Feinde durch die Sachſen und Thüringer leicht genug gemacht.
Denn nirgends ftellte fi die männliche Bevölferung den königlichen
Schaaren in den Weg; ſondern in die Wälder und Sümpfe hatten
fi) diejenigen, welche die Vertheidiger der Heimftätten hätten fein
follen, im Schreden über das Strafgeriht Heinrich's IV. ver-
borgen ’*). So drang ber König bis nad Halberftabt vor, und
en vor den Grenzen des Magdeburger Eprengels wurbe ftill ge-
ten 75).
est Saxoniam — bafelbft große Verwüſtungen anrichten und in der fecundissima
regio et nullis antehac bellis attaeta große Beute (opes) finden, zumal für
bie avidissima Zisbe castrorum, quae sola spe rapinarum exercitum seque-
batur (228 u. % Das Carmen, v. 233-239, malt mit bejonberer Vorliebe
die Verwüftung, Brandlegung, Plünderung, die Aufipürung verftedter Gegen»
Rände, fogar — allerdings auch wieber im Anſchluß an Vergil — mit Hülfe
des Geruchefinnes von Hunden, anſchaulich bis in das Einzelnfte aus, wieber in
v. 239 mit Hervorhebung des Antheil® der Poiemii an der Raubarbeit: Sic
rex per patrinm deducens agmina totam cuncta timore domat, vi castra-
que cepit et urbes; ecelesias Christi tantum defendit ab igni —, bann
v. 250 u. 251 die Abweſenheit aller Aiertfeibigung: nullus vastantibus obstat;
jures in silvis latitantve palustribus_herbis (I. c., 1233 u. 1234). Ebenfo
dert Bruno ſehr beredt, c. 47, was Heinrich IV. — Saxoniam nimis laetus
intravit, quam sic prostratam, ut ulterius non resurgeret, aestimayit — in
dem Zande verübt Habe: Bi pagani nos ita vicissent, non majorem in victos
erudelitatem exercerent —: ganz befonder3 auch die Auefchreitungen — viri
per silvas diffugerant (etc.) — gegen frauen, wobei — in ſchroffer Abweichung
dom Carmen, v. 238 — behauptet wird: feminas cum ecclesils (vorher:
Feminis nil profuit in ecelesias fugisse) comburebant (345: für die Wahrs
heit der Angabe Bruno's über Verbrennung von Kirchen, zeugen aud; Angaben
der in n. 76 erwähnten Vriefe in c. 49: ecclesias polluere vel incendere und
e. öl: nulli rei sacrae parcebant . . . ecelesias ... . igne nefario succendi
videbant — 347). Der Annalift von 1075 an fagt nu: Rervamı illa patria et
incendiis praedisque ex magna parte devastata (SS. V, 279). Das Haufen
des Giegers fchildert auch die Vita Heinrici IV. imperatoris, c. 3, in dem
Gafe: licet bona eorum devastaret (sc. rex), munitiones everteret et omnia
quae victorem libet, faceret (SS. XII, 272).
78) Zambert nennt dieſe nörbliche Grenze bed Vormarſches, unter fortgeſehter
Zermüflung: omnia, ut ceperat (sc. rex), circumquaque ferro et igne depo-
pulaus (229). Bruno fleidet, c. 52, und zwar unter Betonung feiner Augen:
arugen{chaft — nobis andientibus .... peracto jam proelio, caput (sc. sancti
6) Lambert läht das ei — exereitus... transita Turingia, ingressus
506 1075.
beftimmt erfannt, daß unter den Taufenden der Gebliebenen auf
Seite des Siegerd mehr Adelige, auf derjenigen der Unterlegenn
mehr Leute vom gemeinen Volke ſich befanden, fo daß injofem ı
allerdings der Verlujt des Königs fi als ein anfehnlicherer herams
ftellte. Jedenfalls füllte die Arbeit der Aufräumung des Schlagt.
feldes den ganzen folgenden Tag aus; aber wahrſcheinlich blieb
das königliche Heer auch noch über diefen 10. Juni hinaus an ver
bisher behaupteten Stelle’?).
Erſt der Aufbruch tiefer in das gegnerifche Land hinein fonnte
die Fortjegung des Erfolges bringen, wie fie im ber Abſicht
Heinrich's IV. nothwendigerweife liegen mußte, wie biefelbe aber
auch geradezu durch den dichteriſchen Darfteller des Sachjenkrieges
in Worte des Königs an fein verfammeltes Heer gekleidet wurde,
daß nämlid durch ben verwüftenden Einbrud in das Gebiet de
nicbergemorfenen frevelhaften Feindes erft die rechte Strafe über
benfelben verhängt werde, daß erft die Aufiagung der Flüchtigen
die Veilegung des Krieges herbeiführen Fönne‘®). Dur das da
zwiſchen liegende Stüd thüringifhen Landes Hin ftieß der König
nad Sachſen hinein vor und richtete eine tief greifende Verwüſtung
meit und breit, mit Feuer und Schwert, an. Je meniger dad
fruchtbare Gebiet durch Friegerifche Heimfuchung bis dahin berührt
worden war, um jo größer war in ben offenen Ortſchaften, neben
welchen aber auch befeftigte Pläße gewonnen worden fein jollen,
18) Yon demjenigen, was gleich nach der Schlacht geſchah, reden beſonderz
Zambert und das Carmen. Der erftere läßt Heinrich v paulo post occasum
solis ala beglüdwünfchter Sieger in castra zurüdfehren, dann aber die ad locam
congressionis fommenden Kämpfer bei dem Anblid dre Gefallenen in lauten
Jammer audbredien, ferner am folgenden Tage bie Beftattung und bie Bejorgung
der vulnerati und der in reliquum inutiles vorgenommen, jowie die Gemwigheit
gewonnen werden, daß die prineipes Saxoniae, quos ad unum interfectos
pridie vano rumore vulgaverant, am Leben geblieben feien (228); dagegen if
nad Excurs I die im Folgenden angehängte Erzählung von Grabiichof Siegrried’s
Ercommunication der Ihüringifchen Fürften nicht ala glaubwürdig anzunehmen.
Im Carmen handeln v. 213—216 insbefondere von der Anordnung Heinrid's IV.
— vespertinus ... . de caede reversus — für die Belorgung der saucia . . -
eorpora, hinfichtlid) deren dee Vejehl ergeht: committi medieis, neben der-
jenigen der defuncta (l. c., 1238). Bruno dagegen fagt furz, doch mit Hämifcher
jerunglimpfung be& töniglichen Heereß, c. 47: rex. . , aliquot dies intra sus
castra manebat, donec eos quos de suis metus disperserat recollegit et
mortuos suos vel sepeliri vel in patriam sepeliendos fecit deportari (I. c, 345)
78) Den Aufbruch vom Lager füdlid) der Anfirut — Lambert: movit exer
eitus de loco certaminis (228) — führt dat Carmen, v. 217-232, allerdings
fon, im Zulammenhang mit der Anfepung der in n. 72 erwähnten Befehle:
erthrilung zum Abend des 9. Juni, zum 10. in aller Zrüht -- Postera cum
rimum stellas lux alma fugarat . . . —, eingehenber aus: cine Heeredver-
jommlung, in deren Mitte Heinrich IV. redend auftritt, mit lobender An
erfennung ber Tapferkeit feiner Krieger und dem Auabrude voten Zutrauend,
bann aber mit der nadbrüdlicen Aufforderung. ben Krieg durch den Einbruch
in das feindliche Sand zu vollenden: Nunc agitate fugae versos, componite
bellum! —, worauf zum Edjlu: Vix ea dieta dabat, simul omnes signa
levabant (l. c., 1233).
Berwüftender Einbruch Heinrich's IV. durch Thüringen bis Halberftabt. 507
die Beute. Den raubluftigen Leuten des Trofjeg — ganz befonders
werben aber auch bie Böhmen wieder als Plünderer genannt —
fielen bis zur Ueberfättigung Reichthümer zu. In jeder Weije
— fo wird die geſchickte auuffußung des Raubes geſchildert —
veritanden es bie Beutemacher, auch den verborgenen Schägen bis
in die Bergungspläge in Gebüfchen und Höhlen nadhzufpüren, fo
daß Haus und Vieh und Habe ben meiften Geplünberten verloren
gingen. Ein ſächſiſcher Bericht aber will auch noch von ſcheußlicher
eritümmelung der Frauen wiflen, fogar an Heiliger Stätte, wenn
fie fi ſelbſt und ihren Beſitz dahin hatten bergen wollen, wobei
denn auch die Kirchen zugleih mit ben geſchändeten Körpern ben
Flammen übergeben worden jeien. Allerdings war das Vorrüden
dem Feinde durch die Sachſen und Thüringer leicht genug gemacht.
Denn nirgends ftellte fi die männliche Bevölkerung den königlichen
Schaaren in den Weg; fondern in die Wälder und Sümpfe hatten
fi diejenigen, welche die Vertheidiger der Heimftätten hätten fein
follen, im Schreden über das Strafgeriht Heinrich's IV. ver-
borgen ”*),. So drang ber König bi8 nad) Halberftadt vor, und
a vor den Grenzen de3 Magdeburger Sprengel3 wurde ftill ge-
ten 7°).
4) Lambert läht bad Heer — exereitus... transita Turingia, ingressus
est Saxoniam — bafelbft große Verwüftungen anrichten und in ber fecundissima,
regio et nullis antehac bellis attacta grofe Beute (opes) finden, zumal für
die avidissima ‚ziehe castrorum, quae sola sn rapinarum exereitum seque-
batur (228 u. % Das Carmen, v. 233—249, malt mit befonderer Vorliebe
die Berwüftung, Brandlegung, Plünderung, die Aufipfrung verftedter San:
Rände, fogar — allerdings aud wieber im Anſchluß an Vergil — mit Hülfe
des Gerucefinnes von Hunden, anfchaulic bis in das Einzelnfte aus, wieder in
v. 239 mit Hervorhebung des Aniheil® der Poiemii an der Raubarbeit: Sie
rex per patriam deducens agmina totam cuncta timore domat, vi castra-
que cepit et urbes; ecclesias Christi tantum defendit ab igni —, bann
v. 250 u. 251 die Abweienheit aller Bertgribigum : nullus vastantibus obstat;
lures in silvis latitantve palustribus herbis (l. c., 1233 u. 1234). &benfo
feiert Bruno fehr beredt, c. 47, was Heinrich IV. — Saxoniam nimis laetus
intravit, quam sie prostratam, ut ulterius non resurgeret, aestima, in
bem Sanbe verüibt habe: Bi pagani nos ita vicissent, non majorem in victos
erudelitatem exercerent ganz beionder® auch die Ausfchreitungen — viri
per silvas diffugerant (ete.) — gegen (rauen, wobei — in Ichroffer Ubweijung
dom Carmen, v. 238 — behauptet wird: feminas cum ecclesiis (vorher:
Feminis nil ‚profnit in ecelesias fugisse) comburebant (345: für die Wahr«
heit der Angabe Bruno’s, über Verbrennung von Kirchen, zeugen auch Angaben
der in.n. 76 erwähnten Vriefe in c. 49
€. 5l: nulli rei sacrae parcebant
: ecclesias polluere vel incendere und
. ecclesias . . . igne nefario succendi
videbant — 347). Der Annalift von 1075 an jagt nur: pervasa illa patria et
incendiis praedisque ex magna parte devastata ( 279). Das Haufen
des Giegers fdjildert auch die Vita Heinriei IV. imperatoris, c. 3, in dem
: lieet bona eorum devastaret (sc. rex), munitiones everteret et omnia
quae vietorem libet, faceret (SS. XII, 272).
75) Lambert nennt biefe nördliche Grenze des Vormarſches, unter fortgeiehter
Verwüflung: omnia, ut ceperat (sc. rex), circumquaque ferro et igne depo-
pulaus (229). Bruno fleibet, c. 52, und zwar unter Betonung feiner Augen:
deugenlejaft — nobis audientibus ... peracto jam proelio, caput (sc. sancti
508 1075.
Inzwiſchen Hatten fi die ſächſiſchen Fürften in verſchiedene
fefte Pläge — nad einer Nachricht eben im bie Gegend von
Magdeburg — zurücgezogen, und von hier aus begannen neuer:
dings von ihrer Seite eifrige Anftrengungen, die auf der Seite
Heinrich's IV. ftehenden Fürften durch Abfendung von Botjchaften
zu milderer Gefinnung zu bewegen. Drei von Erzbiſchof Werner
von Magdeburg gejchriebene Briefe, von denen der erite an Ey:
biſchof Siegfried und Biſchof Adalbero von Würzburg, der dritte
an Biſchof Friedrih von Münfter gerichtet war, beichren über die
Stimmung, welde in diefen Wochen den vornehnften unter den
geiftlihen Fürften des Landes erfüllte Aus tiefem Elend heraus,
aus einem Kummer, der fo groß ift, daß er nicht glaubt, es werde
im Grunde feines Herzens fünftig noch für irgend eine Freude
Raum bleihen, wendet ſich Werner dahin, wo er einen Beweis für
Liebe und Barmherzigkeit erflehen zu fönnen hofft, oder er will,
wenn Mitleid für unverjchuldetes Unglüd nicht erreichbar fein
ſollte, wenigſtens durch Zudringlichkeit Weberdruß erregen und
vielleicht dadurch das Ziel gewinnen. Voran bei Siegfried und
Adalbero erwartet er eine günftige endung für fein Mißgeſchid,
weil fie im befonderen Vertrauen Heinrich's IV. ftehen und jo dieſe
ihre bevorzugte Stellung den KHülfsbedürftigen zu Statten fommen
zu laffen in der Lage find. Der Erzbifchof ſpricht da in erfter
Hinſicht für fi) felbft, damit die beiden angerufenen Schüger feine
Sadje mit dem Könige verhandeln möchten. Er meint, bezeugen zu
können, daß er ſtets und auch jegt vom Wunjche erfüllt gemejen
fei, fogar über das Maß feiner Kräfte der Ehre des Königs zu
dienen. Wenn er aljo jegt beſchuldigt werde, neulich wie zum
Rampfe gegen denfelben aufgetreten zu fein, jo will Werner, daß
die beiden hohen Geiftlihen Heinrich IV. verficherten, er fei gar
nicht zum Behufe des Kampfes berbeigefommen, fondern um — er
bezieht fi dabei auf die früheren Verhandlungen zwijchen dem
Könige und den ſächſiſchen durſten zurück — nach geſchehener Ver:
abredung die von Heinrich IV. als ſeine Feinde bezeichneten Fürſten
demſelben zum Behufe der Beurtheilung durch ein Fürſtengericht
vorzuführen: — nachdem dann der König die Rechtsſache der Fürſten
an bie Hand zu nehmen ſich geweigert habe, wie hätte er ſelbſt
anders handeln können, als jo, wie er es gethan babe, hinweg ⸗
Sebastiani, quod in eivitate Magedaburgenei cum multa veneratione habetar)
omnes terminos nostros_. . . circuire feeimus —, die Nichtbetretung des
Bodens des Magdeburger Sprengels in ein Wunder, bei welchem der ob. ©. 245
genannte Burggraf Meginfrid ala mitbetheiligt erwähnt wird; der Setolg if:
ubicumque rex ad ipsos terminos venit, divino nutu perterritus redi
nusquam illud episcopium intravit_(347 u. 348). Bieneigt {ft auch hierher
au ziehen, woß, freilidh ohne nähere Zeitangabe, im Chron. Hildesheim., c. 17.
von Bildhof Hezilo erzählt wird, daß derielbe, cum Heinrieus rex quartus
totam pene Saxoniam rapina vastaret et incendio, data infinita pecunia,
un — domus in omni nostro episcopatu combureretur, effecit (SS.
Briefe Erzbiſchof Werner's an geiftliche Fürſten des Löniglicen Heeres. 509
zugehen? Aber auch fonft erinnert der Erzbiſchof an frühere Vor—
gänge, an immer wiederholte Anerbietungen der fächſiſchen Füriten
gegenüber ben Reichefürften, ſich zu Gericht zu ſtellen, um ein Urtheil
zu erhalten und dann im Falle der Losſprechung ficher zu fein.
Dieſe Bereitwilligfeit ſpricht er jegt in nadprüdlichiter Weiſe aber-
mald aus. Er will, wenn ihm der König irgend melde andere
Dinge zur Laft legt, ſich Siegfried's und Adalbero’3 und anderer
Männer gleichen Ranges Spruche unterziehen. Heinrich IV. — heißt
& da — hat nunmehr feinen Zorn im fächſiſchen Blute gefättigt,
jo daß Werner und die anderen in Ungnade ftehenden Fürften die
beiden Bifchöfe und alle treuen Diener Gottes bitten, fie möchten
dahin wirken, daß der König ihnen, ben Aingejentbigten, einen
Plag bezeichne, wo fie, voran mit Siegfried und Adalbero, dann
mit anderen Fürften — die Herzoge Rudolf, Berchtold, Gottfried
find bejonder3 genannt — zujammenfommen könnten, jo daß dann
der Urtheilsfprud, falls in irgend einem Dinge die Schuld zu er-
weiſen wäre, ohne allen Eigenwillen geduldig Bingenonmen werben
möge. Frieden zu gewinnen, wenn nur eine Möglichkeit dafür
vorhanden ift, Verföhnung ohne größeren Schaden zu erzielen, bie
eiftlihen Brüder dazu zu vermögen, daß fie zur Anerkennung der
huldlofigkeit und zu deren Vertheidigung fich herbeilafien, das ift
der Wunſch, welcher den Schreiber der Briefe erfüllt. Allein außer-
dem empfindet er auch das Bedfirfniß, an diefe feine zur Hülfe an-
gerufenen Freunde felbft Mahnungen zu richten. Erſtlich follen fie
dem Könige in das Gewiſſen reden, er möge fi daran erinnern,
daß er Stellvertretung und Namen von Chriftus, dem himmlischen
Könige, empfangen habe, und feiner föniglihen Würde eingebenf
fein; Gottesfurcht follen fie ihm anrathen, fowie daß er das ihm
anvertraute Volk bewahre, nicht verderbe, damit er nicht des ewigen
Lohnes verluftig gehe. Denn die graufame Verwüftung mit Mord
und Brand, einem Volfe zugefügt, das ohne alle Gefahr und An-
frengung, bei Vermeidung des Krieges, hätte unterworfen werden
tönnen, it eines hriftlihen Königs unwürdig geweſen. Ferner
jedoch tnüpft bier Werner in wohl berechneten Worten auch feinen
Vorwurf gegen bie Bijchöfe felbft an, welche dem ‚öniglien Heere
angehören. Die Weisheit berjelben mag ſchon an ſich erwägen,
welder Frevel e3 fei, die Güter der Kirchen zu verwüften, Kirchen
u ſchänden und zu verbrennen; aber ferner vergefie fie nicht, daß
der Apoftel nicht nur den Verübern von böfen Thaten, ſondern
aud den Einwilligenden den Tod androht. Nun haben die Bischöfe
fich an den Thaten des Königs betheiligt, welde verübt wurden an
folhen, denen gegentber weber Vorrufung zur Redenichafts-
oblegung, noch Anklage oder Ueberführung der Schuld eingetreten
iR. Aeußerft ſcharf lautet in dem Briefe an Biſchof Friedrich bie
Wendung, daß vielleiht Laien, wenn nur fie das Heer Heinrich's IV.
gebildet hätten, Kirchen und Kirchengut gefchont haben würden, daß
legt aber, wo ſehr viele Priefter betheiligt waren, folhe Schonung
fehlte, vielmehr Kirchen, die mögliherweife von ihnen felbit ober
510 1075.
ihren Brüdern geweiht waren, ohne ihren Wiberfpruc den Flammen
überantwortet wurden —: was dann den Laien übrig geblieben jei,
als fie die Biſchöfe zu ſolchen Thaten ihre Zuftimmung geben
oder gar felbft der I De fid) ſchuldig machen jahen? Werner
ermahnt die Bifchöfe, fie möchten bei den ihm zugefügten Schidjalm
aud der eigenen Stellung eingedenf bleiben, und ebenjo will er
nicht vergeffen fein laſſen, daß eben von ihrer Seite während ber
Verübung jener Frevelthaten hätte Fürſprache eintreten follen, ſogat
wenn aud ein ofjenbares Vergehen bei den Mißhandelten vorgelegen
jätte. Endlich verfäumt indeſſen der Erzbifchof von Magdeburg
0 auch nicht, anzubeuten, daß vielleicht auch ein neuer Widerftand
geleitet werben könnte. Siegfried und Adalbero follen Heinrich IV.
egreiflich machen, daß er nicht bie Tragweite eines etwa eintretenden
abermaligen Kampfes überjehen möge. „Wenn er unfer Blut, bis
nichts mehr davon übrig ift, zu vergießen ſich anftrengt, mag er
erwägen, daß das nicht leicht ohne einigen Zuͤſatz vom Blute der
Seinigen geſchehen kann. Wil er alſo ung fein Mitleid zumenden,
* möge er wenigſtens die Hände und Schwerter feiner Leute
onen“.
Immerhin war aber auf der Seite der Fürften, die ſich durch
den Mund Werner’3 an ben König wandten, der Wille, den Frieden
in annehmbarer Weife zu Stande zu bringen, vorhanden ’*°).
Heinrih IV. verlegte, während er mit feinem Heere auf
ſächſiſchem Boden ſich aufhielt, auch nad) Goslar feinen Sig. Aber
in Hersfeld erfuhr man, daß er, um den ihm ſtets fo angenehmen
©) Ueber das Verhalten der Sachſen nach bem 9. Juni kommen vor
züglidh eilungen Bruno’ in Betradht. &r beginnt im c. 47 mit: Prin-
ii nostri diversas munifiones intraverunt, et inde legationes reis pı
pibus obviam miserunt, obseerantes, ut vel nunc Deo de sua gloria gratias
agerent et fratribus suis in Christo pro Christi nomine vel victis parcerent.
Als Proben dieſer Boiſchaften ſchiebt er dann in c. 48 ein Echreiben Erzbiſchoj
Werner’ von Magdeburg an CErzbilchof Siegfried und Bilcpof Adalbero vom
Würzburg ein, in c. 49 ein ſolches bes gleichen Verfaſſers am nicht genannte
sacerdotes sancti ceterique viri eiusdem virtutis et ordinis, nachher im Zert:
praesules sanetissimi (wenn durch den Annalista Saxo angenommen wurde,
der Brief fei ad eosdem episcopos geichrieben, SS. VI, 704, fo if das nicht
feilgufteflen), in e. 51 ein drittes eben deffelben an Bilchof Friedrich von Münfter
— .e. 50 hatte dieſer, wegen feiner Bd. I. ©. 352 u. 359, beleuchteten früheren
egiehungen zur Magdeburger Kirche an Erzbifchof Werner consolationis literae ge:
{&rieben: euın commonuit, ut guocumque modo potniseet, pacem facere cum
Tege entageret). alle drei Schrififtücde mit mehrfach übereinftimmendem Inhalte.
Der erfie Brief ift an die beiden Empfänger gerichtet, quia vobis familiaritatem
coram domino nostro rege regis coelestis misericordia voluit concedere;
der zweite nimmt gleich im Eingange darauf Vezug, daß ſchon frühere ähnliche
Woten abgegangen jeien: Quamvis omnes supplicationes, quas vestrae pater-
nitati verbis vel litteris feci, nichil michi adbuc videam profaisse ...
346 u. 347: vergl. audy die Hinweiſe auf einige Stellen der Briefe, die auf
‚rüheres fich begiehen, ©. 491 in n. 55). Kambert weiß von den Fürften:
aud procul a Magadaburg locis munitiseimis se continebant (229), häuft
aber im Nebrigen in eigenthümlicher Weife gerade hier unmöglice Behauptungen
neben einigen annehmbaren Mittheilungen auf (vergl. in Ercurs H.
Erzbiſch. Werner’s Mahnworte. Kalchr. Abzug v. Goslar; Heeresentlafjung. 511
Ort zu ſchonen, nur ein Kleines Gefolge mitgenommen habe, damit
nit ber reihe Platz, falls eine größere Menge zugelaffen würde,
einer Schädigung ausgefest wäre. So ift jedenfall® anzunehmen,
daß das Heer zurückgelaſſen wurde, wenn nach der fächfiihen Be—
richterſtattung die königlich gefinnten ſächſiſchen Biſchöfe zu Goslar
ihm einen den Sieger verherrlihenden Empfang bereiteten”). Zu-
gleich aber foll nun hier, nad) dem gleichen Zeugnifle, vom Könige
eine Berathung mit den Freunden über bie einzufchlagenden Wege
der fünftigen Kriegsführung begonnen worden fein. Der Kampf
Tonnte nicht zu einem weiteren entjcheidenden Schlage gebracht
werden, weil bie ſächſiſchen Fürften, obſchon fogar wieder die
Mebermacht ihnen zugejchrieben wurde, von einem neuen eiegerifchen
Bufammentreffen, wenn nicht eine unabmweisbare Nothwendigkeit ein-
trete, abſehen wollten. Dafür ſollen jegt die eigenen Rathgeber
Heinrich's IV. darauf aufmerffam gemacht haben, daß er, nad
ihrem nahezu einftimmigen Rathe, fig von Dank gegen Gott erfüllt
mit dem errungenen Siege zufrieden geben und die Sachſen in
Frieden und Gunft wieder aufnehmen müfle. Das lehnte Hein-
nid IV. ab; aber ebenjo wenig vermochte er zur Zeit jeinen ber-
geitalt nur noch von ihm betonten Willen zu erfüllen, daß foglei
alle Sachſen ihre Unterwerfung unter feine Gewalt erklärten. Denn
mochten auch einige Ihrer Fürften ſchon in feiner Gemalt fein, er
Tonnte fie unmöglich bei der Zerftreuung ber übrigen ſämmtlich in
feine Hand bringen und dabuch allem Widerftand ein Ende ſetzen;
noch weniger aber war die Möglichkeit vorhanden, mit dem Heere
noch länger in Sachſen zu verweilen. Dasjelbe fing nämlich an,
Mangel zu leiden, weil das alte Getreide theils durch die Brand»
verwüftung, theils durch den vielen Verbrauch der großen Menfchen-
mafje verzehrt war, das neue jedoch bis dahin, in den Juli hinein,
noch nicht in der Reife fi) darbot. Ohne ein Heer aber vermochte
der König umter den jegigen Umftänden nicht ficher im ſächſiſchen
Lande zu bleiben. So mußte Heinrich IV. den Bitten feiner Fürften
fich fügen und den errungenen Erfolg in dem Umfange, wie er ihn
gewonnen zu haben glaubte, aus der Hand lafjen’®). Er wandte
) Dom Beſuch zu Goslar ſprechen Lambert — dieſer ausdrücklich mit
der Herorhebung bes aus pauci beftehenben Gefolge, aus dem im Zexte ger
Mannten Grunde (229) — und Bruno. c. 59, weldjer dagegen behauptet, Hein»
ti IV. fei cum exercitu comitante dorthin gegangen: ibi a quibusdam
2ostris episeopis triumphali susceptus gloria (348).
..,'%) Bruno ſeht, c. 53, nad) Goslar die Erfundigung ab amieis suis, quid
sibi foret agendum, mit der fi anfnüpfenden Berathung (l. c.), bie im’ Zerte
wiedergegeben if (zur Erwähnung ber fruges vergl. wieder in n. 99) und im
Ganzen von Lambert beftätigt wird: Cumgne exercitus in dies fame et siti
leperiret, veteri frumento partim igne, partim tantae multitudinis usibus
abeumpto, novo autem necdum maturo, cumque spes nulla esset, sine lar-
gioribus indueiis et majoribus impensis bellum hoc confici posse, exoratus
512 1075.
Sachſen den Rüden und durchzog das thüringiſche Gebiet zurüd bis
nad Eſchwege, wo er das Heer entließ. Ein mißgünftiger Beriht-
erftatter in weiterer Entfernung ſprach geradezu von einer ganz
unverriteten Sache und meinte, der König hi mit. erbittertem
Gemüthe zurüdgelommen ?°).
Immerhin war die Auflöfung bes Heeres, das den Sieg bei
Homburg gewonnen hatte, nicht geſchehen, ohne daß Heinrich IV.
der über nicht allzu langer Frift zugefiherten Vereinigung eines
neuen Aufgebotes gewiß geworden war. Die Fürften hatten ihm
in beftimmteften Worten gelobt, daß auf den 22. Detober nad
Gerftungen, jenem nahe der Stammesgrenze liegenden thüringijchen
Plage, eine noch größere und mit höherem lange außgeitattete
Truppenrüftung ihm zur Verfügung geftellt werben ſollte. Wie
jegt — etwa nad Mitte Juli — an der Werra diefed Heer aus
einander ging, fo follte ſich nad) etwa einem Vierteljahr am gleichen
Fluffe die neue Vereinigung vollziehen). Und anderentheild war
der ſächſiſche Feldzug auch noch hinſichtlich der Erzielung eingelner
Unterwerfungen keineswegs ganz ohne Ergebniß zu Ende gebracht
worden. Mehrere Fürften und Adlige hatten fi im Lager des
Königs geftellt und waren auf Gnade und Ungnade in die Gemalt
desfelben übergegangen. Unter ihnen werden Markgraf Udo, der
fo hitzig bei Homburg mitgefodhten hatte, und Biſchof Werner von
Merjeburg ausdrüdlic genannt. Der Markgraf zwar wurde, da
er feinen Sohn, wohl ben älteiten, Heinrich, als Geifel bot, ſogleich
freigelaffen, der Biſchof dagegen in das Klofter Lori zur Haft
eſchickt, andere ſächſiſche Herren verſchiedenen Fürften auf einige
Sat zur Ueberwachung anbefohlen. Höchſt wahrſcheinlich fam eben
zu dieſer Zeit auch Heinrich, der Sohn des Markgrafen Dedi von
der Oftmarf aus befien zweiter Che mit Adela, und mar durch die
Zeranftaltung der Mutter, da der Vater ſchwer Trank Iag, al
Pfand in die Gewalt Heinrih’8 IV. Daß in folder Weife gerade
die Grenzgebiete de3 ſachſiſchen Landes, entgegen den polnischen und
liutiziſchen Gelüften einer Einmifhung, zum Gehorfam für den
rex a prineipibus .. . (229: — etwas vorher von der nunmehrigen ſachſiſchen
Kriegsführung: lieet multitudine abundarent, congressionibus tamen dein-
ceps abstinendum, nisi inevitabilis necessitas ineidieset, decreverant).
?%) Sambert fagt: rex ... . Saxonia excessit, et transitis finibus Tu-
ringiae, ubi Eschenewege pervenit, exereitum dimisit (I. c.), der Annalift
von 1075 an: infecta causa et rege aliquantulum oflenso repatriabant
(SS. N, 270) Bruno muy gang tun, I. c-; Abit (e. re2) ergo cum too
exereitu et Saxoniam, sicut prius, habuit in incerto. Da® Carmen wende,
v. 254 u. 255, die Sache allzu günftig für Heinri) IV.: Rex Victor, patris
ai, andiqne depopulata, agmins müneribus donans dimittit opimis (I. c»
. °0) Nur Zambert jpricht, mit großer Beflimmtheit: XI. Kal. Novembris..
in Gerstingun, von dieler accepta a principibus firmissima sponsio,
die Herbeiführung von majores et ambiciosius instructae copiae, ad iteram
dam expeditionem (I. c.).
Role. Maregeln 3. Bollenbungd. Erfolges. — Tod Biſch. Dietwin's v. Lüttich. 513
König herbeigebracht ſchienen, war allerdings ein nicht zu unters
icägender Vortheil®?).
Die ganze Kraft und Aufmerkjamkeit des Königs war während
ber Zeit jeit dem Pfingftfefte durchaus von dem Kampfe gegen bie
Sachſen und Thüringer in Anfpruh genommen worden. Wit
Entlaffung bes Heeres traten andere Dinge an ihn heran.
Zunäcft wurde es Heinrich IV. möglich gemadit, einen feiner
älrigfien Anhänger unter ben weltlichen Fürften, der aud am
Schlachttage das Befte für den Sieg gethan hatte, Herzog Gottjried
von Nieberlothringen, durch Erfüllung eines Wunſches noch aus:
drüdliher an ſich zu feſſeln.
Am 23. Juni war Bifhof Dietwin von Lüttich geftorhen,
nachdem er fiebenundzwanzig Jahre Vorfteher feiner Kirche geweſen
war. Schon zur Zeit ber Anfammlung de3 gegen die Sachſen
beftimmten Heeres war er in Folge feines geſchwächten Alters
und durch ſchon länger dauernde Krankheit feitgehalten, und er war
— er hatte für die Zeit des Feldzugs die Königin Bertha bei fid
— befhalb von der Theilnahme freigeiprochen worden; kurz darauf
war der Tod eingetreten. Die örtliche Weberlieferung in Lüttich
wußte vielerlei Günftiges über das Walten Dietwin’s für feine
Kirche und feinen Sprengel zu bewahren, jo daß noch erheblich
1) Allgemeiner brüdt fich dad Carmen, v. 252 u. 258, aus: Plures castra
petunt, rei seque et sua dedunt, quis vel nunc veniam clementia regia
lonat (1. c.). Zambert dagegen nennt peciell Udo, den Biſchof Werner von Merfe-
burg und pauei alii nobiles Saxoniae, mit Erwähnung ihrer Edjidfale (I. c.),
und ebenfo ift wohl auch die bei ihm, 233, folgende Angabe über Adela: tametsi
uxor marchionis Adala filium suum .. ... ei (sc. regi) paulo ante pro se
obsidem misisset hierher zu außen, Nach dem Annalista Saxo, a. 1070:
Io senior... genuit ex Adhela Heinricum marchionem de Ilburh et
Conradum comitem, qui a paganis oceisus est (SS. VI, 697) if} Heinrich)
ale ber ältere Anabe: cui hereditaria successione marcha debebatur, als
Seifel gegeben worden abe a. 1082: Hec (sc. Oda) genuit Udoni
Beinricam, Udonem, dulfum et filiam que Adelheidis dice-
batar (1. c., 720) ift_mohl gleichfalls ale Geiſel Mdo’3 Heinrich, der Altefle
Eohn, anzunehmen. Bon biejen beiden als Geifeln gegebenen Knaben ift bei
Rambert, a. 1076: Filius Uotonis marchionis et filius Adelae, derelictae
Dedi marchionis, ambo tenerae aetatis et onpe adbue infra pubertatis
annos pnerali, al in munitione cuiusdam Eberhardi minietri regis in Haft
Urgenb erwähnt (251) — neuerdings die Rede. Auch Bruno deutet in dem von
n. 78 hervorgehobenen Zufammenhang in dem Eafe: rex.... nec principes
omnes capere valebat, quia diversa dispersi fuerant an, daß wenigfiend
ein Theil der Fürften fich in Heinrich's IV. Gewalt befand (auf die Bemerkun;
von Dewig, Würdigung von Bruno's Liber de bello Saxonico im —ã
mit den Annalen Lambert’3 von Hersfeld, 32, daß Biſchof Werner s Ergebung
laum glaublich fei, „da Bruno über die Ergebung feine® Gönner? hätte unter»
richtet jein müflen*, ift zu antworten, daß erftlih Bruno 1075 noch in Magde»
burg fich befand, ferner daß er in leicht begreiflicher Meife über dieſe ihm ala
einem Sachſen peinlichen Dinge möglihft raſch Sinmegaing) Gieſebrecht hebt
dervor, III, 317, daß durch die Ergebungen und Geifelfiellungen bie ſächſiſch⸗
tHäringifchen Marken unterworfen waren.
Weyer von Anonan, Jahrb. d. diſch. R. unter Geineih IV. u. V. Bo. II. 83
514 1075.
fpäter ein Geſchichtſchreiber, als er die Thaten der Bijchöfe von
Luttich neu zu ſchildern begann, in breiter Darftelung gerade mit
dieſem Biſchof einfegte. — hatte Gregor VII. nur ein
Vierteljahr vor dem Tode des Biſchofs, in einem vom 23. März
verfaßten Schreiben, allerlei an demfelben zu tabeln gefunden, bes
ſonders wegen bes Verkaufes tirhlicher Würden und von geiſtlichen
fründen, ebenfo auch wegen der Hinderung, die Dietwin dem Abte
heoderich vom Klofter St. Hubert Hinfichtlich des Genuſſes des von
Nom mitgebrachten Privilegiums in ben Weg gelegt hatte; doch
war ber Kopf verſöhnlich geftimmt, da er mußte, daß das hohe
Alter und die Förperlihe Angegriffenheit zur Entſchuldigung
dienten und baß ſchlechte Rathgeber viele Schuld an dieſen Dingen
trügen®®). Allein über die Nachfolge brah nun alsbald heftige
a Ban. über Dietwin’s Wahl Steindorff, Heinrich ILL, IL, 52. Lambert
nennt ihm einen vir multis ornatus virtutibns et per plures jam annos sacer-
docio perfunctus (229). Ganz kurze Angaben Aue mit Nennung des Nachfolgers,
haben dee Annalift von 1075 an — bdiefer bezeichnet Heinrich als praepositus
ferner Bernold. Chron., bann ve Fütticher Rad richten in
Laubiens. Contin., den Annal. s. Jacobi Leodiens., Annal. Leodiens. Contin.
(88. V, 281, 481, IV, 21, XVI, 639, IV, 28) Worzüglich aber bringt die
allerbings exft dem 13. Yahı jehundert engehörene So Vortfegung der alten Bist
eldjichte, A Aureaevalleneis iscoporum iensium, deren
fü jändiger Ei in Lib. I, eben mit Diehnin innt, dort in cc. 1—10
eine allerdings zumeift auf bie Belorqumi gotleabien] licher Dinge fich beziehende
Säilberung ber bil een Tätigkeit Dietwin’3, auch mit Angabe des Todes⸗
tages: Jul., welchen ebenfo ein eit gehalt Spitaph nennt; Dietwin
haite ſich eh um um gie ‚Kirche, wo er begraben wurbe, St. Maria in En wgl.
'hron. 8. tii Leodiens., c. 40, SS. VII, 275), durch einen Neubau —
ae na usque ad I. Geile consummavit — Ber:
dienfte erworben (88. XXV, Dee, In dem Briefe Gregor's VII, Registr.
4942 (Jaffe, Bi 181 u. 182) if Dietwin Hart getabelt:
Jam nullo ‚tempore audivimus et multorum relatione comperimus, te per
plura in episcopatu tuo adversus instituta sanetorum patrum fecisse .
introductione nove consuetudinis. Ratione igitur justitiae his de causis
sententia in te esset animadvertenda. ferner hrikt ed: te contumelias
quorumdam consilio intulisse abbati de Sancto Huberto propter privilegium,
quod_a nobis a Diejer gleichen Sache gedenkt auch die ——
von St. Hi wo biefelbe ald ein Errigniß aus Dietwin’s Letter Zeit
e ah ber Lütticher eeihiatın Bofo, cui se et omnia sua procu-
zande episcopus Theoduinus crediderat specialius, ut erat confectus senio,
ai ein bes —7*— TZheoderich, auch gegen deſſen Kioſter aufgetreten jei, weil
bt das Bisthum durch bad in Rom erlangte Privileg (vergl. S. 364 u. 365)
bier jabe — degmegen ſagt auch —S— : excusamus eum (sc. abba-
tem), quod contra detrimentum et honorem tuae ecelesiae nihil fecerit —,
daß er dann aber im dieler Gadhe eine Nieberlage erlitten habe (SS. VIII, 584
u. 585). Gregor VIL hebt auc) in dem Briefe die wa zoße Seirettiäei Dietwin’
mehrfad) hervor: propter senilem aetatem . icium ad quod properas ..
debilitas corporis, endlich die Ertheilung der Abfolution: Auis, In extremo
videris positus. Bildof Hermann bon bat beim Papfle Bringende 1
bitte eingelegt, befonders aud von Dietwin die Vorwürfe auf alüi .
consilio usus fueris — wohl beſonders Bofo ift gemeint —, ——
mann foll ferner, wenn Dielwin es nicht mehr vermag, die Kirche bes Brafen
Albert III. von Namur, berem Weihe jener bis ba in getäob, botlichen.
Auch Lambert hebt hervor, baf Dietwin — vir preter decrepitam aetstem
Bürdigung Dietwin’s. Heinrich vom König ald Nachfolger beftellt. 515
Uneinigfeit aus. Mehrere der angefepenften Geiſtlichen der Lütticher
Kirche machten fih, als zur Wahl geſchritten werben follte, diefelbe
fteeitig, fo daß (field gar feinem” unter ihnen die Würde *
fiel. Denn kaum hatte Herzog Gottfried am Hofe Heinrich's IV.
die Todesnachricht vernommen, fo erlangte er es durch feine beim
Könige vorgelegte Bitte, daß diefer ua, nur demjenigen bie
Zutheilung bes Bisthums zuzumenben, welden Gottfried ihm vor-
ftellen würde. Darauf Toiete ber Herzog ſchleunigſt zu feinem
Verwandten, dem Archidiakon ber Kirche von Verdun, Heinrich, mit
der Aufforderung, ohne alle Zögerung zu ihm zu fommen. Der-
feise eilte, völlig ungewiß darüber, was der Herzog wolle, an den
niglichen Hof, der höchſt wahrſcheinlich ſich Schon in Eſchwege zu dieſer
eit befand. Inzwiſchen hatten auch die Lütticher, welche wegen ihres
wiſtes noch nicht zur Feſtſtellung einer Wahl gelangt waren, es
fi angezeigt erachtet, um nicht durch eine Zögerung in ber Ueber-
ringung des bifhöflichen Stabes in den Verdacht einer Beleidigung
des Königs zu fallen, eben jenen Abt Theoderich bamit zu beauftragen;
aber ebenfo hatten ſich einzelne der betheiligten Geiftlihen, theils
um für ſich felbft der eine dem andern zuvorzulommen, theils die
Sache eines (Freundes zu betreiben, in der Umgebung Heinrich's IV.
eingeſchlichen. Jetzt meldete Herzog Gottfried, daß der Geiftliche,
welchem die Nachfolge zugefagt worden, eingetroffen fei, und erjugte
den König, nach der Ordnung auf den erhöhten Sig ſich zu be
gen und von demfelben aus ben eingetroffenen Lüttichern ihren
iiſchof Hinzuftellen. Zwar waren bie Geiftlihen angeſichts dieſer
ganz erbrüdenden Aeußerung des föniglichen Willens ül errafht und
inögeheim megen der Vereitelung ihrer Wünfche peinlich berührt;
doch wagten fie feinen Widerftand. Sie beauftragten den Abt
Theoderich, die auch von ihnen vollzogene Wahl Heinrich’ zu ver-
tündigen, was biejer mit den Worten that: „Gott mag ihn
wählen, und den von ihm Xorerwählten haben auch wir mit
unferem Willen als den zu erwählenden Biſchof beftimmt“. Heinrich
war der Sohn des Grafen Friedrich von Toul, aljo von fehr an-
ſehnlicher Geburt, und in Verdun herangebildet, hier dann durch das
Vertrauen bes Bischofs Theoderih zu der hohen Stellung an ber
Dertigen Kirche emporgehoben worden. Aber auch Abt Theoderich,
der berufen war, bei der Erhebung des Biſchofs jo weſentlich mit-
zuwirken, war bemfelben ſchon vorher näher verbunden gemejen.
So begleitete das befte Lob den neuen Vorfteher ber Lütticher Kirche
longa etiam egritudine exhaustus — von ber Theilnahme am Feldzug gegen
die Sachſen entbunben war, Jedoch beiwegen, weil er (hac oceasione) die
Königin bei fi) Hatte (225). Dielmann, Gettfried III. der Budlige, 73 n. 2,
madt richtig darauf aufmerfjam, baf ber feftftehende Todestag Dietwin’s, falls
Lambert die Reuernennung für Süttic) zutreffend vor bie Heeredentlafjung feht
— Hersfeld war Gichwege nahe gelegen —, dazu führe, die Rechnung für ben
Zug diefer Entlaffung nicht vor den 20. Juli zu fepen.
33*
516 1075.
nach deſſen Bifchofsftadt ®). Aber ganz befonders hatte fi auf
dieſe Weife der König ben Herzog von Nieberlothringen,, welcher
wegen ſeines ausgezeichneten» kriegeriſchen Verdienſtes ihm von
*) Die Klofterronit von St. Hubert, tritt in c. 28 auf die Greigniffe
nad) Tietwin’s Tode ein umb bezeugt fpreiell von Gottfried — qui tune forte
morabatur cum Henrico rege —: cum vix tenuiter persensisset, episcopum
obiisse, preeibus suis optinuit apud eum, nemini concedendum donum epi-
weopi nisi quem ille praesentaret ei, moxque ad Henricum Virdunensem
archidiaconum misit, et ei ut remota omni dilatione ad se veniret manda-
vit. Festinavit ille duei occurrere .. . . suggeseit dux clericum adesse,
eni egiscopium donandum destinasset; dignaretur rex, ut est eius donationis
agendae, pro tribunali sedere et vocatis Leodiensibus episcopum illis con-
stituere. Leodienses evocati .... ne voluntati regiae quae in negotio
raeponderabat viderentur deesse, Theoderico abbati (sc. Leodienses ... ut
Deu lum pontificalem referret injunxerunt Theoderico) ex consilio referendam
imposuerunt domini Henrici electionem. Qui cum ceteris assistens regi...
ingnit (ete.) — c. 29: Sie domuus Henricus episcopio donatus (l. c., 587);
das teifft mit Sambert’3 weit kürzerer Mittheilung: Quo in tempore (voran
gi der in n. 80 erwähnte Vorgang) nunciatum est Tegi (e. der Todesfall).
i (sc. Dietwino) protinus rex per interventum Gozelonis ducis . . . suc-
cessorem constituit Heinricum quendam Vertunensem canonicum, ipei duch
eonsanguinitate proximum (229 u. 230) aufammen (es if nicht gejagt, aber
gar nicht ——— daß eben in Eſchwege. wo ber Kriegszuſtand aufhörte,
biefe Eruennung fi volgog). Dagegen gebenft die Vita Tbeoderici abb.
Andagin., bie in c. 25 aud auf ben durch Dietwin — impulsus consilüs
eorum quibus omnia honeste atque inhonesta vendere moris erat — dem
Abte nah deifen Rücktehr von Rom bereiteten unfreundlichen Empfang und die
nachherige Söfung dieſes Etreites eintrat, in c. 26 bei Erwähnung des Todes
bes Biſchoſs und der Nachfolge Heinrich’ — a proavis clarus et a puero bonis
moribus institutus et disciplinae canonicae et religionis aemulator non
fietus — diefer Reife des Abtes nicht und hebt nur hervor, daß derſelbe ei
(ec. Henrico) ante episcopatum satis carus, post innocentis vitae merito.
carior est effeetus (SS. X, 51 u. 52). Im Chronicon s. Laurentii Leodiens.
des Rupert von Deub, c. 43, erfcheint bie Sache fo gewandt, daß, — orta est
disseneio inter potentes agendae electionis, et dum plures voluissent epi-
scopi fieri, nulli eorum ut epiecopus fieret, contigit — die Wahl Hrinrid’s
bemnad; von Lüttich audgegangen :odienses T'heoderico abbati sancts
Huberti, ut ad imperatorem domni Heinrici dieti Pacifiei ab eis eleeti
electionem referret, injunzerunt quam imperator confirmavit (SS. VIII, 276).
was gegenüber bem_erften eingefdlalteten Safe und vollends gagniber der
Kloſterchronik don St. Hubert ganz unwahriceinlih if. Aus Verdun bieten
die jpäteren Gesta episcoporum Viridunens. deö Laurentius, c. 7, einen dur
die Verwechslung der Schlacht von Homburg und ber Ipäteren von 1080, an
der Grume, vermieten ericht, doch mit Angaben über Heinridh's Perion: euins
frater Fredericus comes Tullensis fratrieque filii Rainaldus et Petrus tune
ibi sub Theoderico praesnle militabant . . .ipse et nostro pontifici et duci
Godifrido carus et fidelis, episcopo quia sub eo in Virdunensi ecclesis
prima scolarım tirocinia transegerat et ab eo archidiaconatum susceperat,
wobei dann aber eben bie richtige Audfage von ber durch Gottfried — dech
Zaurentius und Wegidiuß, der c. 11 geradezu vom dux Bullonii Godefridus
zebtt, 1. c., 88, ziehen irrig Gottfried's Neffen herein — veruriachten Beförderung
falfh angefügt if, an den Vloment, cum ecce, interfecto Rodulfo, cum cele-
bratur victoria, nobiles legati Leodienses ecclesine venerunt, quaerentes
eibi ex dono et sententia caesaris episcopum, dad jo, bafı, entgegen drm
gaubmärbigten, bier zuerft mitgeSeiften Berichte, Heinid) nicht, el En
antoejen] ejen wäre: agente duce, in gratia eins imperatoria
donum — pontifici eisdem nunciis Heinrico archidiacono in hac urbe
Heinz. Einführ. dch. Hag. Gottfried. Propſt Burchard's Rüdkehr v. Rußland. 517
hem Werthe war und von dem er jetzt auf den nächften Feldzu—
u eine möglichft große Hülfeleiftung verfprochen erhalten Hatte,
für ſich verpflichtet). Gottfried legte ſolches Gewicht auf dieje
Belegung des biſchöflichen Stuhles von Lüttih, daß er felbft
feinen Verwandten dorthin begleitete und dem günftigen Empfange,
welden der Biſchof dafelbit fand, beimohnte®). Dana empfing
Heinrich auch noch von Erzbifhof Anno die Weihe ®®).
Heinrich IV. fehrte von bwge nach Entlaſſung des Heeres,
ſchleunig nah Wornis zurüd®”), Bald danach traf dajelbit auch
der Trierer Dompropft Burchard ein, welcher von ber Sendung
an Smwätoflav zurüdfehrte. Er foll von Swätoſlav äußerft anjehn-
liche Gaben, gleihen Inhaltes, doch noch reicher, als durch Sfjaflam
folge an Heinri IV. gefchenkt worden waren, überbracht haben,
damit diefer dem vertriebenen Großfürften gegen ben Bruder feine
Hülfe gewähre. In Hersfeld wollte man wiſſen, daß dieſe großen
Geſchenke dem Könige ganz erwünſcht gefommen feien, da der Schag
durh die ſehr großen een erſchöpft gemefen jei
und man ben ftürmifch ihre Begehren geltend magenden An⸗
gehörigen des aufgelöften Heeres ſich gegenübergeftellt geſehen habe;
denn ohne eine Befriedigung biefer Forderungen — meint der
Gewährsmann — wäre auf die Ergebenheit der Krieger für bie
Fortfegung des Kampfes nicht mehr zu rechnen geweſen ®°).
transmisit (38. X, 494 u. 495). Wegibind, 1. c., beruht ganz auf der Ghronif
von Gt. Buben nennt aber Heinrich in Ein!
(230).
3) Diele Führung nad Lüttich —X die Chronit von St. Hubert,
jer — vergl. m. 88 — als von
mwemoria tantum regno Teutonico uno tempore illatum referatur nod
weſentlich verftärkte Schilderung der Geſchenke. Die Bemerkung, daß Heinrich IV.,
intestinis ac domestieis bellis occupatus, überhaupt u
remotis tibus (d. h. gegen Rußland) inferenda bella feine Zeit hatte, if
«in zutreffender Schluß. $ F J
mumus dem Könige — ingentibus recentis -
518 1075.
Auch die Sachſen bereiteten ſich inzwiſchen auf eine niue
Sammlung ihrer Streitkräfte vor, um auf bie Herbftzeit gegenüber
ber erneuerten Rüftung des Königs fertig zu fein. Do ließ bie
unglüdlihe Erprobung ihrer friegeriichen Anftrengungen im
Sommerfeldzuge immerhin folge Nachwirkungen unter ihnen
zurüd, daß der Gebanfe an eine abermalige Waffenbereitihaft
mebrfad; hinter den Verſuchen, eine Verftändigung herbeizuführen,
zurüdtrat.
Während nämlich der ſächſiſche Bericht, welcher ſich allerdings
kurz genug hält, die Vorftellung ermedt, daß von Seite der Sachſen
auf Verantalteten Verſammlungen, fobald der König fi aus dem
Lande entfernt, auf eine neue Unternehmung, einmüthig mit aller
Kraft für die Freiheit zu ftreiten, das Augenmerk gerichtet worden
fei, ergeben fi mit großer Bahrieinlicteit vielfach hievon ab»
weichende Stimmungen als die wirkliche Auffafung der Lage im
ſächſiſchen Volke. Die Schlacht bei Homburg hatte die ſchon vorher
vorliegenden inneren Gegenfäge zwiſchen den durch die Feindſchaft
gegen Heinrih IV. zufammengeführten Bundesgenoſſen verſchärft,
und diefe Reibungen traten nunmehr offen zu Tage. Den
Thüringen wurde zum Vorwurfe gemacht, daß fie nad) der Schlacht
bie flüchtigen Theile des ſächſiſchen Heeres beim Wege über ihr
Gebiet ſchaͤndlich behandelt hätten; durch Nachftellung, Plünderung,
Mißhandlung fei duch fie gegen die Sachſen folde Verfhuldung
gehäuft worden, daß dieſe weit cher gegen die Thüringer, als
gegen den König, eine Kriegsfahrt jet erwägen möchten. Aber
au innerhalb der Reihen der Sachſen ſelbſt herrichte heftige
Zwietracht, welche bewies, daß zwiſchen Fürften und Bauernvolt
von Anfang an volle Uebereinftimmung nit vorhanden gemejen
war. Die Fürften warfen dem gemeinen Volke vor, daß dafjelbe
in ireig gewählter Muße im Lager figen geblieben fei und, während
fie ſelbſt in die Schlachtreihe vorrücdten und nad) Anbetraht ihrer
Zahl fi tapfer fchlugen, ihnen höchſtens zur Erregung eitler
Hoffnung, doc) zu keiner Hülfe und feinem Schutze in der Gefahr
jedient babe, Das Volk dagegen zürnte den Fürften dafür, daß es
uch diefelben zur Ergreifung ber Waffen gegen ben König durch
ſchroffe Weberredung gebracht worden fei, worauf jene nad Eintritt
des Kampfes duch Ergreifen der Flucht die Maſſe dem Gegner
ur Zertretung und Niedermegelung überliefert hätten. Bloß durch
a8 Dazwifchentreten des Biſchofs Burchard von Halberftadt und
Dito’3 von Nordheim — meint der Erzähler — fei Blutvergießen
unter den Sachſen felbft, bei ſolchen Zuſammenkünften, wo biefe
Dinge zur Sprade kamen, vermieden worden. Zugleich jedoch
follen dieſe zwei, troß ihrer bisherigen Führung des fählifchen
exhaustum fuerat, et miles vehementer instabat, nuj exactae miliciae
premium efflagitang — Hoch erwünfcht am, ftedt die Koneigung des Autors
jegen den König, abgefehen davon, daß derelbe faum fo gut unterrichtet fein
'onnte, wenigftens über bie allgemeine Lage, des Standes des königlichen Schapes.
Schwantende Haltungd. Sachfen; Bemühungen um d. Frieden m. Heinrich IV. 519
Widerftandes, in Erfenntniß der Unluft des Volkes für Wider-
aufnahme des Krieges, ja fogar der etwa drohenden Gefahr einer
Ueberantwortung ber in Gefangenſchaft zu nehmenden Fürften durch
die in ihrem Sinne unbeftändige Menge an Heinrich iv, noch zu
weiteren Schritten gerathen haben, nämlich zu Verfuchen, vom
Könige den Frieden zu erlangen. Gern nahm das Volk dieje Bor-
fchläge an, und fo — heißt e3 weiter in biefem Berichte — wurben
Erzbifhof Liemar von Hamburg-Bremen und Markgraf Udo, welde
al3 dem Könige erwünjchte Unterhändler ausgelefen wurden, zu
dem Könige abgeorbnet. Durchaus joll dabei Genu kung ver⸗
heißen worden ſein, mit dem Verſprechen, dem — ven ürtheil
aller Reihsfürften an einem bezeichneten Tage und Orte unter
jeber Bedingung fi Ein unterwerfen, Alles zu leiden, wenn den
die Unterwerfung Volljiehenden nur Leben und Freiheit erhalten
bleiben, einzig damit ber Heereszug, mit dem aufge ote aller Fürften
des Reiches, zur Zeit zurüdgehalten werde. voch Heinrich IV.
habe e3 Abostehnt, endgültigen Beſcheid zu geben, ehe und bevor
nicht die Neihsfürften zufammenkämen, auf beren Beirath er
ſowohl zur Kriegsführung, als zur Friedensberathung angewiefen
ei, nämlich am 22. October, auf welchen Tag die Vereinigung
bes Heeres nad} Gerftungen ſich angefegt finde: eben dahin möchten
die Sachſen fommen, wenn fie wirklich Reue über das Gejchehene
empfänden, um bann dort das gerechte Urtheil der Fürften hinzu⸗
nehmen. Dieſe Antwort fol die Sachſen noch mebr in ben ärgiten
Schreden gefegt haben, jo daß fie abermals zur Befänftigung bes
Königs die gleichen Gefandten und außerdem noch Su ezilo
von Gildespehn abgehen ließen, zum Zwede, durch biefelben nun
nicht mehr bloß an Heinrich IV., fondern auch an alle Fürften um
Wiederherftellung de3 Friedens fi zu wenden, unter Beigabe von
Geifeln, jo viele die Abgeordneten nur nehmen wollten, damit Die-
felben durch deren Auslieferung ihr Wort befräftigen könnten.
Und allerdings liegt auch ein briefliches Zeugniß, des Biſchofs
Embriko von Augsburg an Biſchof Burchard, vor, nach weldem
unter ben Fürften beider Lager Unterhandlungen in Gang gebracht
werben follten. Embrito Derhchert da, daß er der wieber gegen bie
Sachſen angefagten Heerfahrt ſich anſchließen werde, aber, jo viel
an ihm liege, zur Herftellung de3 Friedens auf dem Wege ber
Güte, nicht zur feindfeligen Verfolgung des Gegners, und er bittet
Burdard ala ben Empfänger de3 Schreibens, ihn alsbald dur
ſchriftliche oder mündliche Botihaft davon zu unterrichten, ob ber-
jelbe gewillt wäre, feine eigene Angelegenheit, ober jedenfalls — mit
anderen Worten — die gelammten Verhandlungen über eine Ver—
fländigung, den Erzbifhöfen Siegfried und Gebehard von Salz-
burg, dem Biſchof Altmann von Paſſau, Herzog Berchtold und
ihm — dem Schreiber des Briefes jelbft — zu übergeben. Nun
aber foll Heinrih IV. auf geheime File von dieſen Abfichten der
Sachſen Kunde befommen haben, fo daß er ſich entſchloß — das
wurde in Hersfeld dem Könige als Abficht zugeichrieben — jene zu
520 1075.
ihm abgeorbneten Gefandten vor Rüftung des Feldzuges gar nicht
mehr zur beabfichtigten Unterredung vor fi kommen zu laſſen, jo
daß aljo auch den Fürften jegliche Gelegenheit, etwa durch bie
felben erweicht zu werden, entzogen fei. a, der König ſoll dafür
gejorgt haben, daß überhaupt irgend eine Vernarbung der Wunde,
wie biefe vom früheren Kampfe geblieben war, nicht geichehe, daß
vielmehr die alte Feindſchaft durch neue Anläffe wieder erwache.
Aus ſolcher Betrachtungsweiſe heraus fuchte ſich der Urheber dieſer
in Hersfeld niebergelegten Darftellung bie ganze weitere Thätigkeit
Heinrich's IV. zu erflären®®).
89) Bruno, welder Hier ald erfter Zeuge in Betracht fiele, hält ni, e.58,
nur fehr kurz in allgemeinen Wor.en: postquam recessit (sc. rex), Saxones
terum congregantur, Deumque quod eos misericorditer castigans non pe-
nitus opprimi permiserit, humili devotione collaudant, et se in vicem,
guatenus unanimiter pro sus libertate tota virtute pugnent, adhortantur;
ique misericordiam non ex toto eibi sublatam inde conjectant, quis
quasi paterna pietate flagellati ad recipiendam virtutem discessu regis
oportannm tempus aceeperant (348). Der Annalift von 1075 an fpriät
gig don den neuen Kriegävorbereitungen: Otto quondam dux et Magnus
dux et caeteri majores Saronum adhuc in !perduellione eadem et ratone
ua prius demum post fugam rebelles et pugnaces pertinaciter duraverunt
(88. V, 279). Dagegen u fid) Sambert jehr eingehend über diefe Zwiſchenzeit
aus. Der Gegenftand von erebra conventieula der Gadjien und Thüringer
(andere Anwendungen bes bei Lambert typiſchen Ausdrudes verzeichnet Diefiens
badjer, Kambert von Heräfeld ala Hiftoriograph, 58, wie dad nachher in der
Klage des fächfiichen Voltes vortommende belichte ritu pecudum jugulandam,
88 u. 89) if} der Austaufch von Neußerungen einer gravissima simultes, und
var gegenfeitig: plebs contra principes, et prineipes contra plebem, det im
‚egte hervorgehobenen Inhaltes, ferner beionderd: omnes in commune Saxones
gegen omnes Turingi, wegen der Sreignile nach der Schlacht. Doch Yurdard
und Otto, quorum potissimum consilio bellum Saxonicum administrabatur,
treten —E Aber die gleichen Männer tragen jezt auch — cernentes
quod infractam prima adversitate plebem vehementer jam belli peniteret
pariter et tederet, veriti etiam, ut semper varium et instabile est plebis
ingenium, ne ipsos prineipes captos regi traderent et suam salutem eorum
sanguine redimerent — auf die pax instauranda an, ut... omnem nunc
operam verterent ad placandam regis adversum se indignationem, was ab
omni plebe gern angenommen wird. Liemar und Udo werden abgejdict, mit
Anerbietung von Genugthuung, Bitten um Anfefung von dies locusque, in
theilweie ehe häufig wiederholten Wendungen (vergl. 1. c., 88, 89): ei tantum
expeditionem . .. . ad tempus inhiberet. Der König antwortet mit Hinweis
aut den 22. October, brtonend: se. .preeipitanter sententiam ferre nec velle
nec debere, donec principes regni in unum convenirent. Die Wirkung bei
den Sachſen ift, bei dem vollendeten Wuniche, ut expeditionem quae tam
atrociter indieta fuerat, preverterent, ein ingens metus. Sie fenden die
beiden Beauftragten mit Hezilo abermald ab, um nun ihre Bitten neben dem
Könige cunctis etiam prineipibus auszufpreden, mit Wiederholung der Zus
fiherungen, unter Beifügung don Geifeln. Aber Heinrich IV. — comperto per
occultos indices quod id molirentur — will die Berftändigung um jeden Preis
hintertreiben, ne qua deinceps ante instructam expeditionem legatis Saxonum
copia fieret colloquendi seeum, und zwar fdiebt Lambert (veigl. n. 3 zu
Excurs V) eine ähnliche Erwägung dazwiſchen, wie fie der König vor der Schiacht
vom 9. Juni gehegt habe: — Heinrich IV. fol im Gegentheil verjucht baten,
ut .. novis occasionibus veteres inimiciciae instaurarentur (231 u. 232, In
biefen Mittheilungen Lambert's ift, abgeſehen felbfiverftändlic don den Geheim:
Heinrichs IV. abweifende Haltung. Zug nad Böhmen. 521
Der König begab fi nämlich gegen den Herbſt bin nach
Yöhmen, in das Land des eifrigen Mitlämpferd bei Homburg,
Herzog Wratiſlav. Es ift ſehr wahrſcheinlich, daß Erwägungen,
die mit den Beziehungen zu Ungarn im Zulammenbang landen,
Heinrich IV. dahin führten, und daß es durchaus fein Vorwand
war, wenn berfelbe dadurch feinen Aufbruch nad dem Dften des
Reiches erklärt Hatte. Denn zwiſchen dem aus feinem ungarifchen
Reihe hinweggeſchobenen König Salomon und Geifa, beffen erfolg-
reihen Gegner, ſchwebten Verhandlungen, von denen auch Gregor VIL.,
freilich nach eigenen Berechnungen, denen ſelbſtſüchtige Gedanfen zu
Grunde Lagen, lebhaften Antheil nahm, und dergeftalt war es nal
genug gelegt, daß Heinrich IV., als er der ſächſiſchen Angelegenheit
vorübergehend ledig geworden zu fein fchien, dieſer ihn al
König, wie als Sameger Salomon’3, jo wichtigen Sache abermals
fih annahm. Freilich vermochten, allem Anſchein nad, feine Er-
geanifie erzielt zu werben, und es ift auch faum anzunehmen,
— ge König bis nach dem ungariſchen Gebiete ſelbſt vorgebrungen
jei®).
niffen ber Berhandlungen und Erwägungen, deren angebliche Kunde jeine reichlichen
Borte verrathen follen, in der Darlegung der geſammten DVerhältnife die richtige
Ergänzung des ſchweigſameren Bruno geboten. Daß Untechanblungen hin und
vs Brabftchigt wurden, zwilhen ben jächfiichen und den königlich gefinnten
ürſten, beweiſt der Brief des Biſchofs E. (Embrito) von Augsburg an den
eonfrater, Biſchof B. (Surchard) von Halberfladt, bei Subenborf, istrum, II,
32 u. 38, deflen Nichtermähnung bei Giefebrecht Vogtler, Dito von Nordheim
in den Jahren 10701083. 77 n. 1, ſeht auedrüdliy rügt. Es heißt da, der
Ejteiber wolle regis expeditioni noviter in vos destinate summopere
interesse, jedoch non quidem hostiliter vos per;equendum, sed potius amica-
bilter. quantum in me situm est, in grafiam restitnendum, unb er habe
biefen Brief geſchrieben um zu erfahren, ‘es beliebe, an die Grzbilhöfe Sieg⸗
fried und Gebehard, den Biſchof Altmann, 09 Berchtold und ihn feich
cansam vestram committere; er bittet, falls Yurhard nämlidy darauf eintreten
wolle: prefatorum virorum meique in acguirenda senioris nostri gratia con-
siium fidele nullatenus excedere, ba8 fogleid, per litteras vel_per fidelem
auntium zu melden. — Was endlich Sugriene anfängliche Abficht, gegen
ara vorzugehen, betrifft, jo vergl. über dieſe Nachricht Lambert’s in
It
fer ©. 550— en
mochte, biefelben bi ägene Einmiſe den. Wie Giejebredht, LII, 319,
eläten fi) denn 23 — 3 —e Se id n. 1, und
522 1075.
Eine andere Verwendung ber Eleinen gan beſonders außs
gewählten, leicht beweglichen Neitertruppe, die Heinrich IV. be
leitete, ergab ſich nämlich. Der König hatte einen einzigen Kerm
etlichen Adels, jenen Grafen Hermann von Gleiberg, welder
chon in der Schlacht bei Homburg durch fein kräftiges Eingreifen
jervorgetreten war, an feiner Seite, daneben aber fünfhundert
eihte Berittene, welche, unter Weglaſſung von Gepäd und anderem
bejchwerenden Kriegsgeräthe, einzig für ben Weg und den Kampf
ſich in Bereitſchaft gefegt hatten?'). Mit diefer Mannſchaft und
außerdem mit bem böhmifchen Heerbanne unter Herzog Wratiflav's
Führung machte fi num Heinrich IV. — es mochte etwa im September
fein — in der Richtung gegen das ſächſiſche Land, vorerft nad) der
an Böhmen angrenzenden irn iſchen Mark Hin, auf. Auch dieſe
Unternehmung mag fchon beim Aufbrude vom Rheine in Betracht
jezogen gemwejen fein, denn daß ber Herzog gleich mit feinem
Ko dem König fi anſchließen konnte, ſpricht für eine längere
Vorbereitung des Unternehmens. Aber man darf wohl mit Recht
in biefem Bug nicht bloß, wie das natürlich von der Heinrid IV.
gegnerifchen Seite geſchah, einen neuen Verſuch, die Sachſen durch
einen Ueberfal zu jchreden, erbliden, fondern denſelben als eine
vorbeugende Mabregel auffafien, welche ergriffen wurde, um bem
ſtets wachſamen öftlihen Nachbarn, Herzog Boleflav von Polen,
die Luft zu nehmen, durch einen Eingriff in die Angelegenheiten
des Sachſenlandes die dortigen Wirren für fi) außzubeuten.
Ferner ſchien zwar die fähfifhe Oſtmark, das nördliche Grenzland
der thüringifhen Mark, im Gehorfam gefichert zu fein; denn bie
Gemahlin des Markgrafen Dedi, Adele, hatte durch die Uebergabe
ihres Sohnes Heinrih als Geijel an den König dem Anjceine
nad, in diefem Pfande ihrer Treue, fih gebunden. Allein bei ber
länger dauernden ſchweren Erkrankung ihres Gemahles Hatte bie
ränkeſuchtige Frau_ohne Zweifel ihre Stellung in biefem Grenz
lande in folder Weife zu befeftigen verftanden, daß auch aus
diefer Hinficht die Vorſchiebung eines vom Könige geführten Heeres
nad den Gebieten an der mittleren Elbe und jenjeit3 derſelben ge
tathen ſchien. Dazu kam nod, daß durch das Verlöbniß ol
vielleicht ſchon die Vermählung ber älteften Tochter Adela's aus
ihrer erften Ehe, mit dem jungen Markgrafen Efbert II. von der
thüringifchen Mark, eine weitere Einwirkung der Fürftin eben aud
auf dieſes füblicher liegende Marfgebiet ſich ergab. Es erklärt ſich
) Die nach Sambert ben König begleitende Mannſchaft — neben bem
einpigen Fürften equites expediti (Maik, Deutiche Berf..Geid., VIIL, 114 n. 1,
123 n. 3, weift unzichtige olgerungen auf Specialcorps, aus biejen Worten,
ab) et tanto negoeio allectissimi pene quingenti, qui, rejectis sareinis et
caeteris bellorum impedimentis, itineri tantum et certamini se expedierant
t c.) erinnert an bie Ahnlice Rüftung aus den unmittelbaren Tönigli
afjallen, welche Heinrich IV. in befien Aufbruch don 1074 nad) Ungarn bes
get hatte (vergl. ©. 408 in n. 185). ei der Zugehörigkeit ded Grafen von
leiberg zur Nachbarſchaft Hersfeld's konnte Bambert da gut unterrichtet fein.
Einbruch Heinrich's IV. und Wratiſlav's in die Marl Meihen. 523
fomit, daß Heinrich IV. eben dahin, nad) Meißen, den Vorftoß
vollzog. Auf jehr ſchwierigen und verborgenen Pfaden, durch das
Böhmen vom Meißener Marklande trennende Gebirge, drang das
Heer, jedenfalls unter geſchickter Durchführung der geplanten Üeber⸗
raſchung, in dag Gebiet Efbert’s ein’®).
Heinrih IV. fam — nad der Schilderung des in Hersfeld
verzeichneten Berichtes — bis nach Meißen und wurde da von den
Bürgern friedlich in die Stadt aufgenommen. Der Bifchof, Benno,
war, da er in dem Gegenfage zwifchen dem Könige und den Sachſen
fi zurüdgehalten, zwar nicht für den König ſich erklärt, aber au
nit den Aufſtändiſchen Hülfe geboten Hatte, an feinem Site ge-
blieben. Doc jegt wurde er als des Hochverraths ſchuldig feit-
jenonmen, fein ganzer Befig geplündert. In eigenthümlicher
dung jucht die Darftellung, die von dem Vorgange überliefert
ift, die Sefangenfegung als eine an einem unfhuldigen Vertreter
der Kirche verübte Härte dem Könige zur Schuld anzurechnen.
Mein Heinrih IV. hatte ohne weile! eine ganz beftimmte Ber
tehnung, aus welder heraus er, abermals zur Sicherung bes
wichtigen Markgebietes, dieſe Maßregel volljog. Auch gegen Ekbert
ging er mit ſcharfem Eingriffe vor, obſchon derfelbe, feinen ver-
wandtſchaftlichen Beziehungen zum Könige treu bleibend, fi) von
jeder Hülfeleiftung für die Sachen fern gehalten Hatte; denn er
Ei auf defien Befigungen und ſchenkte fie einem feiner bevorzugten
jathgeber, der ſchon deßwegen von den Gegnern bed Königs und
voran den Sachſen glühend gehaßt war, Udalrich von Godesheim.
Auch noch weiter, über Neiden hinaus, drangen die Königlichen
9) Den Zwed biefer durch Lambert — vergl. n. 98 — einfeitig aufgefahten
Unternehmung: sperans (sc. Heinrich IV.), se eos (sc. bie jen), ut diei
solet, inter oseitantes (vergl. dazu, wegen der Anlehnung an Zerenz, n. 98 ber
Auögabe), cum inopinatus irrueret, facile oppressurum aut, si rebellare
temptarent, justam deinceps adversum eos beili et satisfactionis non susci-
piendae causam,habiturum (I. c.) — fellt Giefebreit, IIL, 320, bucch ben Hin-
weis auf Polen, ohne Zweifel in das richtige Licht. Daß Markgraf Ebert II. und
Bilchof 0, welde allerdings Bambert ſchon a. 1073 zu den Xheilnchmern
an der Berichwörung rechnete (196), dort kaum zutreffend genannt find, vergl. ob.
6 251n.l bbaß St. 2779 nicht etwa, ald unecht, mit Ranger, Biſchof Benno von
Meiken = Ditteil, bes Vereins f. Geſchichte der Stadt Meißen, I, 5—7 n. 16, ala
ein nei gegen ein Lilic Werhätiniß mitten Geinei IV. und Benno aufgeführt
were, vergl. 6.400 m. 180) Bogegen fan Gföret IL, melden zwar Sambert,
a. 1076, noch als puer longe adhuc infra militares annos — te (250), jebi
vielleicht fehon nicht, mehr blok Verlobter, Jonbern bereits der Gemahl ber Tochter
der Abela pet fein — vergl. im Annaliften von 1075 an, a. 1080: marchio-
nisea Adala genergue suus marchio Eggebertus, jowie Annalista Saxo, a.
1062: Odam accepit Ecbertus marchio junior de Bruneswic (SS. V, 326, VI,
699) —, da durch F. Hultich, Die Kämpfe um bas Meißner Land unter König
imich IV., Programm der Dreöbener Kreuzſchule 3. filbernen Hochzeit d.
chen Königepaared, 1878, 8 u. 31 (Anmerkungen), und mit ihm durch Rodrobr,
in beffen ob. ©. 87 n. 86 gmannten Abhandlung, 177, die Geburt Gtbert’s mit
grober aabefheinlichteit zu 1060 binaufgejeßt wird (dagegen fieht dieje Arbeit,
), mit gewifier Einfeitigleit die Schuld dieſes erfien Zerwürfnifjes zwiſchen König
und Markgrafen nur auf des erſieren Seite)
524 1075.
vor, und jegt fam ed, wie das bei der Anweſenheit böhmijcher
Krieger nad) den neueften Erfahrungen zu erwarten war, zu Brand:
legungen in einigen Dörfern; ebenfo mußten ſich die mit freien
Leute auf Gnade und Ungnade überantworten. Plöglich jedoch
wandte fi nunmehr das Glüd. Späher berichteten dem König,
welcher geglaubt hatte, die Sachſen ganz unvorbereitet und forglod,
mit aller Xeichtigfeit, überrafchen zu können, daß denfelben Kunde
von dem Weberfalle zugelommen jei, und fo jah er ſich ganz un
vermuthet einer großen kriegeriſchen Macht — auf fünfzehnhundert
wurde fie in Hersfeld anı eigen —, bie ſchon in der Nähe ge:
lagert war, gegenüber geitellt; die Lage, in der er ſich jegt befand,
fol ihm Teich in folder Art dargeftelt worden fein, daß einzig
im fofort anzutretenden Rüduge die Rettung vorhanden fei®).
In einer er abenteuerlihen Weiſe ftellte man ſich aber in Herd
feld das Gelingen des Rückmarſches nach Böhmen vor. Naddem
*) Bambert fließt an bie assumpto duce et exereitu Boemico — per
oecultos ac diffieillimos tramites — burdigeführte Invafion in Saxoniam
gleid, die Betretung der Stadt Meißen — sita in confinio Boemiae et Saxonise
— an. Rodrohe, I. c., 182, würdigt die Gtelung bes Burgbezirted Meiken,
wo der Burggraf Burkhard unmittelbar unter dem König Rand und treu zu
diefem hiett — er nimmt die von Bruno, c. 39 (vergl. S. 493), erwähnten omues
<irca Misnam habitantes eben für dieſe Seute des Vurgbegiees und zieht dm
dort in c. 80 genannten Burchardus Misnensis praefecius: saepe consensum
buit periculoso saevissimi regis consilio (362) hieher —, in dieſen
eiten des Kampfes; aber auch er verwirft ircig die in m. 92 erwähnte Urs
de St. 2779 als Fälfgung. Das Benno zugefügte Echidjal leitet Lambert —
hoe solo reum majestatis eum adjudicans (sc. rex) — bavon ab: quod toto
tempore belli Saxonici nullos ad eum servatae erga rem publicam fidei
indices, nuncios vel litteras destinasset, unb dann will er ſichtlich — vergl.
Langer, 1. c., 3u.4, 9-11, in nad) defien Urtheile „nicht ganz klaren Gäpen“:
Caeterum homo ecelesiasticae paupertatis, et nihil aut parum habens pompae
militaris, vota forsitau contra rem publicam facere arma ferre non poterat,
nee. magnum vel his vel, illis partibus momentum amicus sive inimicus
extitisset, welde freilich Benno al „eine Perfönlichteit von geradezu aus
fuchter Bebeutungälofigteit* Hinftellen —, die Gefangennahme ala eine harte Dh
vl, bie zudem unndihig geweien fei, bem Könige zum Vorwurfe macen. Dann
folgt die wortreiche Schilderung, wie Heinrich vor den Sachſen umlehren mußte
(232). Auch dad Carmen de bello Saxonico, Lib. III, v. 256—268, vıdd,
doch in feiner Weiſe in einem dem Könige günftigen Sinne, von dieſen Ereig:
niffen — denn mit den orten: ipsis per curvas valles silvasque, morats
improvisus adest, agltantibas 'ocia tuta, v. 260 u. 261, fann er nur vor
diefem Einbruch nach Meihßen ſprechen —, dab Heinrich nicht fäumte: renitentes
nec adhuc sua frena ferentes fidentesque fugae . itare, nämlich:
Bello multiplici petit illos semper et aeri, nunc hac, 1c fines invasıt
eorum ...... Pontifices, comites cepit reliquosque fugavit, quaeque relicte
prius Sammis nune tradidit atrie, mosauf Y. 2%4 u. 205 allgemein (hlichen:
is aliisque modis rex invictissimus hostem conterit atque premit (l. c,
1234). In dieſe Zeit der Anweſenheit in der Dartgraffaaft Gtbert's: qui
Saxonibus nullum fecerat auzilium, sed regi, utpote valde propinquo genere,
toto animo —& —T —æ —— art dit,
possessiones prius (c. 5 nad der Unterwerfung der Gaı invadi
easque Othelrico, euidam de suis ——— U aperfne
in Ecurs I mitgetheilte Ausführung über Udalrich folgt (349).
we
Rüdzug nad; Böhmen. Hofhaltung in Regensburg. 525
in ber Umgebung Heinrich's große Furcht hervorgetreten ſei, bie
fid) fogar in befeidigenden Vorwürfen gegen feinen die Dinge über
ftürgenden zeihtfinn Luft gemacht habe, wurde raſch der 2 nad
Böhmen zurüd angetreten. Dody nur der Kunftgriff eines Grafen
Boto, der dur den König zu den Sachſen geihidt worden jei,
um durd die Vorfpiegelung von Verhandlung und durch leeres
Verſprechen einer Verzeihung biefelben von Verfolgung abzuhalten,
habe einen Weberfall, durch welchen der König, von ber Seite ins:
jeheim Hinter dem Rüden ihrer Fürften aufgebrochener leichter
leiter, bedroht geweſen fei, verhindert —: Boto habe nämlich große
Ummege gemacht, bie Entfernung bis zum Könige in brei Tagen
ſtatt in einem einzigen zurüdgelegt und ſo die Verfolger auf falſche
Fährten gelodt; immerhin ſei aber Heinrich IV. nur mit einem
janz erfchöpften kriegeriſchen Gefolge, wenn auch ungefährbet, in
öhmen angelangt *).
In Böhmen blieb der König jedenfalls nur fo lange, als das
für bie Erholung von den Anftrengungen nothwendig war. Nach
wenigen Tagen verließ er das Land und zog mit feiner berittenen
Schaar nad) Regensburg. Da fand er ſachſiſche Abgeorbnete vor,
bie ſchon länger auf feine Rückkehr gewartet hatten. In geſchickter
Weiſe ſoll er diejelben durch Äuſſchub der Antwort hingehalten
haben, jo daß fie erft dann ihren Weggang zu ihren Auufsraggebern
bewerfftelligen konnten, als jhon bie Bee des unmittelbar bevor»
ſtehenden Kriegszugs, mit dem 22. October, anbrach und fo, bei
der den Sachſen allbereit3 drohenden Gefahr, von einem Erfolge
diefer Sendung feine Rede mehr fein konnte”). Wahrſcheinlich
9) In der Echilderung des Rüdzugs nad) Böhmen ſcheint Lambert feiner
Luft des ausmalenden Grzählens fehr nachgegeben zu haben, zuerft in ber Herbor«
hebung des jähen Umjchlages der Stimmung im Heere gegen den König: vehe-
menter eius ineptiam incusabant, quod, cum successus suos nimium ipse
ürgeret et morarum impaciens multorum annorum bella uno impetu eonfi-
eere immoderata presumptione festinaret, se suosque hostibus puerili levitate
prodidisset, danı jede 1) beſonders in ber Fr} jreibung der Art des Rüde
mariches, weldje an die &. 254 — mit n. 109 — gebrachte Geichichte eines ähnlichen
Borfalls in einigen Punkten erinnert (: nämlich bie Vollendung des iter unius
diei, quo adrı redire poterat, sc. Boto, in der bei Lambert beliebten Zahl,
vix tridao, auch die Schilderung bes erſchopften töniglichen Heeres, dort a. 1073:
inedia, vigiliis ac longi itineris labore usque ad extremam lassitudinem confeeti,
bier: miles auus, labore et vigiliie, tum potissimum fame ae siti pene usque
ad defectionem spiritus confectus); doch noch auffallender ift bie Beichreibung
des Gelingens der durch Boto — er war ala orator nur trügeriic geihidt
worden, ad deditionem vel, quod verius est, vana pollieitstions veniao
implieare eoe, ne juerentur abeuntem, sc. regem — gegen bie quidam
ex "Baonibus’ expaditi eunites Inseiis prineipibus Tnsecuti ongerwanbien SR,
ber Berbreifachung des Wegee: longosanfractusetlonga viaram dispendialegendo,
fo daß der König enttommt (232 u. 233).
®) Lambert läßt Heinrich IV. post paucos dies, d. 5. nad) dem Rüdzug
nach Böhmen, nach Regenöburg gehen: e vicino jam imminente die, quo in
eıpeditionem exercitus adunandus erat, alfo der 22. October aber nad
2. 97 für den 9. Heinrich's IV. Anweſenheit in Worms bezeugt if, kann ber
526 1075.
hatte aber Herzog Wratiflan den König noch nad) Baiern hinaus
egleitet. Denn als jegt in diefen Tagen Markgraf Dedi feinem
Siechthum erlag, erhielt Wratiflav zum Lohne für feine kriegeriſche
Hülfe die erledigte fächſiſche Oſtmark. Damit war er vollends zu
der Vertheidigung dieſes deutſchen Grenzlandes gegen polnifde
Gelüfte, deren gefährlichen Aeußerungen er ja au in Böhmen
jegenübergeftellt war, für Heinrich IV. verpflichtet. Der König
date fi bei dieſer Weggabe der Martgrafihaft um Anfprück,
die etwa für den jungen in feiner Gewalt befindlichen Sohn Dedi's
und der Adela hatten erhoben werden können, durchaus nicht be:
fümmert. Freilich) wurde num ihm das anbdererfeit3 zum Vorwurfe
emadht, um fo mehr, al3 ber verftorbene Markgraf feit feinem
eitritt zum Gerſtunger Friedensſchluſſe von 1074 ihm und dem
Neiche feine Treue ganz unverlegt bewahrt hatte?°).
Darauf kehrte Heinrih IV. an den Rhein zurüd, wo er am
9. October in Worms die gefammten Anordnungen de Grafen
Adalbert von Calw, betreffend das von demfelben ſchon 1071 neu
gegründete Klofter Hirfau, beftätigte. Der Graf hatte vor Zeugen,
deren erfter Graf Liutold von Achalm war, und vor allem Volke
ſchon am 14. September, unter dem Eingang zur Klofterfirche, bie
Uebergabe vollzogen, die jetzt bekräftigt wurde. Sie betraf ben
Drt Hirfau jelbft und von früherer Zeit dem Klofter zugehörige,
durd) den Grafen zurüderftattete Orte, außerdem aber auch neu
gemachte Schenkungen. Zur Sicherung des Kloſters wurde feit-
geftellt, daß daſſelbe einzig und allein der Botmäßigkeit feines Abtes
Wilhelm und der Nachfolger deſſelben unterworfen fein jolle, unter
ausdrücklicher Nieberlegung aller Rechtsanſprüche von Seite bes
Grafen und der Gräfin, ihrer Söhne und Töchter. Ebenſo ent-
hält die Beftätigungsurfunde des Königs die Aufftelung der freien
Wahl des Abtes, aud für den Fall der Nachfolge nad der noth-
wendigen Entfernung eines pflichtvergeſſenen Vorgängers, ferner die
Drdnung für die Veftellung bes Vogtes, wobei der Abt nit an
Termin nod nicht fo unmittelbar bevorftehenb geweſen fein: gemfang fiel_ ber
Zug nad; Meiken in den September), und dafelbft die ſächſiſchen Voten finden (233).
%) Derfelbe ſeht dem Tod bed Dedi marchio longa egritudine absumptus
gerade sub idem fere tempus, in die Zeit des Aufenttaltee [4 Regensburg,
und betont beijen intemerata semper erga regem remque publicam fides jeit
ber recuperata pax in Gerstingun (l. c.). Sehr bemerlenswerth if bie Angabe
über den Sohn bare: cui bereditaria successione marcha debebatur, welde
der fchon ©. 236 n. 84 erwähnten ähnlichen Aeußerung über Erbicjaftsanfpräs
des Magnus auf die ſächfiſche — ogswürde entipridht und beweiſi, mie ſich
Sambert die Erbfolge als eine fi fiehenbe Einrichtung dachte; allerdings war —
vergl. Maik, Deutiche Derj.- Geld, VIL, 90 u. 91 — gerade für die Marten,
wo fid beftimmte fyamilien behaupteten, eine folche Borftellung voran gegeben
(vergl. auch Sambert’3 Wendung, a. 1057, in dem Bd. I, &.39 u. 40, beiprocpenen
e Otto'3 für die jächfifche Norbmarf: spe obtinendae hereditatis ... .
marcham quae sibi jure hereditario competeret, 158). Gosmas gebenft ber
Zuweifung erft Lib. In c. 39: Zribia (Sorbenland, d. h. die Mart Meißen),
uam olim imperator Heinricus in perpetaum sibi (sc. Wratizlao) haben-
tradiderat (SS. IX., 93).
Bratifled Markgraf d. fd. Oftmart. Verfügung f. Kloſter Hirſau. 527
die allerdings zur Auswahl voranftehenden Nachkommen des Stifters
gebunden fein folle, mit forgfältiger Umfchreibung ber Befugnifie
er Bogteigewalt, Alles in einläßlichſter Ausführung. Auch der
Stellung unter den Schirm des römischen Stuhls, gegen die jähr-
liche Abgabe eines Byzantiners in Gold an den St. Peters-Altar,
ift, unter Hinweis auf den für Abt Wilhelm durch den Grafen er-
langten päpftlihen Schugbrief, gedacht, und dabei wird in ben
feierliäften Worten die Verbammniß gegen einen Störer ber ge-
jammten Freiheit bes Klofter und feines Beſitzes herabgerufen.
Sichtlich wollte der König in der nachdrücklichſten Weiſe dem
Wunſche des Grafen, daß deſſen neu bergeftellte Stiftung gefichert
werde, nachkommen ?”).
Der Tag, auf welchen die Sammlung bed Heeres angefündigt
war, der 22. Detober, war inzwiſchen herangerüdt, und Heinrich IV.
begab ſich nach Gerftungen, dem Orte ber Vereinigung.
Aber für diefen neuen Zug nad) Sadjen waren nicht alle jene
Streitkräfte für den König vorhanden, welde ihm den Sieg vom
9. Juni erfochten hatten. Gerade Herzog Rudolf, Herzog Welf,
die mit ihrem ſchwäbiſchen und bairifhen Aufgebote fo ausgezeichnet
Heroorgstreten waren, ebenjo Herzog Berchtold, ftellten ſich nicht ein.
hrſcheinlich hatten die beiden erften, voran Rubol| ‚ ber ja
allerdingd an jenem Tage die empfindlichften Verlufte erlitten, ala
Vorwand zur Ablehnung ihrer Mithülfe den Hinweis darauf, daß
fie jegt Schonung für ihre beiden Stämme eintreten lafjen müßten,
benugt, während mohl thatjählih noch andere Erwägungen zu
9) Bon bdiefem je ift bie ſchon S 97 in n. 108 citirte Beftätigung,
8. 2785. Es iſt wohl nicht zu überfehen, daß Graf Adalbert der Schwager Herzog
Gottfried’3 war, cuius potissimum in expeditione (sc. der nach dem 22. October
angefwetenen) auctoritas valebat, nad) Lambert (234) — vergl. Bo. I, ©. 489
0.3 —, fo daß Gottfried’3 Furſprache vielleicht gerade jegt vor Antritt des
Feldzuges mitwirkte. Die Erwähnung der traditio comitis Adalberti facte. .
apad Hirsangiam, in ipsis foribus aecelesiae . . ... XVIII. Kal. Oct. ipea
scilicet festivitate sancti Aurel, vor genannten Zeugen, feht im Anhange
de Diploma. Mit den Worten deifelben über Graf Adalbert: Super hasc
mnia comes sepe dietus apostelicum privilegium acquisivit (ete.) fanıt
zit anf J. 5279, das ohne Datirung ift, Bezug genommen fein, da @regor VIL.
durch bie Worte feiner Betätigung: Constitutonge et inmunitatis et libertatis
wodos,-quos . . . io sigillo imprimi curavit (sc. Adalbert), vielmehr auf
St. 2785 ala ein vorher anögeftelltes Zeugniß hinweift; bad erwähnte aposto-
kcum privilegiam muß eine vorausgegangene Zuficherung aus Rom, für den
Grafen, gemeien fein. Annalik von 1075 an muß St. 2785 gelannt haben,
da er in der längeren Musführung. a. 1075, wo es heikt: ex toto proprietatis
illoram absolutum dominio solita legis Alemannicae abrenuntiatoria testi-
ione ... „liberrimum peractum (sc. eoenobium) a se prorsus emancipabant
(we. Mbalbert und Die Geinigen), mehrfache Anklänge an ben Inhalt ded Diplomes
bringt (SS. V, 281). Rad ber Vita Willihelmi abb. Hirsaugiens., c. 3, wäre
dies novum eyrographum Wilgelm'3 — ipsemet illud regi Heinrico regio
nELlo roboı um obtulit — erit an die Gtelle eines in e. 2 zuerſt erwähnten
libertatis cyrographum infideliter conpositum — priori cyrographo penitus
deleto atque abjecto — geireten, das Adalbert — fide iniegre se abdicavit
mni jure proprietatis eiusdem loci — wiberrief (SS. XII, 212).
528 1075.
Grunde lagen. Rudolf mochte ein erſtes Mal gegen die Sachſen
bereitwillig die Waffen getragen haben; durch einen zweiten Sieg
des Königs Gewalt iR weiter zu ftählen, mußte ihm, nad) den
früheren Zufammenftößen mit Heinrich IV., nicht rathſam ſcheinen.
Dazu war es ja keineswegs ausgeſchloſſen — eine fählifhe Nach-
richt ſpricht von vierzigtägigen Faften, die Rudolf und Berchtold an-
ordneten —, daß ber Eindrud_ber Opfer aus der Homburger
Schlacht bei den oberdeutſchen Stämmen mächtig nachwirkte und
eine neue kriegeriſche Anftrengung als unräthlich erjcheinen ließ.
In Sachſen ſcheint man von jolder Sefinnung ber Herzoge glei:
falls Kunde gehabt Ei haben; denn Erzbifchof Werner nannte ja in
einem feiner Schreiben geraben Rudolf und Berchtold als Fürften
an bed Königs Seite, mit welchen die Sachen zur Anbahnung der
Zerfühnung zufammentreten wollten, und nad dem ſächſiſchen
Berichte wäre wirklich im Geheimen eine Zufammenkunft gefchehen,
wo die Herzoge fih für die Herbeiführung eines Ausgleiches ver:
pflichtet haben follen, in der Art, daß Heinrich IV., für freiwillige
Mebergabe in feine Gewalt, den Sachſen erträglihe Bedingungen
ftellen würbe®®).
Indeſſen lag ohne Zweifel ein foldes auf eine Vermittlung
fi richtendes Vorgehen nicht in der Abficht des Königs, und jo
war berfelbe vielmehr gewillt, mit feinem an ber Werra zufammen-
gezogenen Heere die Gegner abermals kriegeriſch zu treffen oder
u gänzlicher Unterwerfung zu nöthigen. Genau zum vorher ber
timmten Tage, den 22. October, traf Heinrich IV. in Geritungen
®) Bon den Hergogen, Rudolf, Welf_ und Berchtold jagen Bruno und
Lamberi aus, jener, c. 54: Berchtoldus et Rodulfus duces, postquam a priori
sunt proelio reversi, divina pietate compuncti, quadragesimas publice jeju-
naverunt et amplius se pro rege contra Saxonum innocentiam non esse
pugnaturos, fideliter Deo voverunt. Tune ad Saxones miserunt (348),
dieſer: Alii duces, Ruodolfus.. Welf.... Bertoldus .. ., regi auxilium
saum petenfi denegaverant, penitentes, ut ajebant, superiori expeditione
in irritum fusi tanti sanguinis, offensi etiam regis immiti atqne implacabili
ingenio, cuius iracundiae incendium nec lacrimae Sasonum nec inundantes
campis Turingiae_rivi sanguinis restinguere potuissent (234). Zie Ridt
onwejenheit diefer Fürflen und ihrer Truppen flebt feft, dagegen nicht die Ur
ſache. Auf Cambert’3 Ausführung iſt fein größeres Gewicht zu legen; au Brune’s
Angabe dagegen fiimmt, wie aus Heyd, Geihichte der Herzöge von Zäpringen,
57 u. 58, richtig berborhebt, dak außerdem in einem ber Briefe Grzbikhof
Werner’? — vergl. ©. 509 — Rudolf und Berchtold, freilich daneben auch
Gottfrieb, ber ganz bereitwillig fich ftellte, ald Unterhändler von ſachſiſcher Seite
in Ausfiht genommen wurden. Grund, Die Wahl Rudolfs von Rheinfelden
zum Gegentönig, 49—51, weift eine von Giefebredht, III, 341, geäuferte Anficht
ab, daß Gregor VII. feine Hand im Epiele gehabt habe, und betont, daß wohl
der Wunfch Ruboli’s, ben König nicht allgu mächtig werben au Laffen, denjelben
geleitet, daß er aber den großen Menicenverluft der Echlacht bei Homburg ald
Vorwand gebraucht haben werde. Manitius, Deutſche Geſchichte unter den
fächfiihen und faliihen Kaifern, 551 n. 1 flehi in Lamberis und Bruno's
Zeugnig ‚nur dad Gerede der Seute in Sachſeh und Heflen“ und meint, „dab
bie rl fübbeutichen Herzogtũmer dicgmal überhaupt dom Heerbanne befreit
ieben“. b
Unvolftändigere Zruppenfammlung in Gerftungen, ohne bie Oberdeutſchen. 529
ein und fand eine Heeresrüftung vor, über deren Befchaffenheit man
in Hersfeld, wegen ber räumlichen Nähe des Sammelpfages bei dem
Kloſier, wohl unterrichtet fein fonnte. Danach jtand diefes Heer
zwar wirklich demjenigen, mit deſſen Hülfe der Sieg von Homburg
jeroonnen worben war, fehr weit nad, ganz voran durch jenes
usbleiben des Zuzuges der oberdeuiſchen Stämme. Dagegen
waren neben Biihöfen und Grafen vorzüglich die Herzoge Theoderich
von Oberlothringen, Gottfried von Niederlothringen vertreten, und
war ber letztere mit fo amfehnlihen und trefflih ausgerüſteten
tuppen, welde er unter ftrengiter Aushebung aus feinem ganzen
Lande ausgewählt hatte, daß & allein ſchon das übrige königliche
Heer an Zahl, wie an Glanz hinter ſich zurüdzulafien jchienen,
und aud fonft war durch das zahlreiche Eintreffen der Fürften
immerhin eine hinreichend große und ftarfe Wehrkraft dem König
zur Verfügung geftelt. Franken und Lothringer machten wohl den
Kern derjelben aus ?°).
Diefer zum Angriff gänzlid in den Stand gefegten Gewalt
des Königs Nanden ei den Sachſen und Thüringern ſehr wenig
befriedigende Verhältniffe gegenüber.
Denn mag auch von ſächſiſcher Seite die Behauptung gebracht
werden, die Sachſen feien jegt, zwar vorfichtig geworden durch die
früher gemachte Erfahrung, nichts weniger ala unfriegeriich, fehr
jegen bie Erwartung ber Königlichen, aufgetreten, fo daß fie jegt
4 vorgefjegt hätten, nicht gleich beim erften Male den Rüden zu
wenden, fondern tapfer zu fämpfen, jo ift doch weit wahrſcheinlicher,
) Bruno jagt, c. 54, geradezu: Interea rex totum exercitum iterum
songregabat, ut Octobri mense Saxoniam ingressus, fruges, quas Julio mense
multas in agris viderat, aut utendo aut comburendo consumeret, populungue
totum vel rebellem gladio devorandum daret, vel humilem etune
eerrituti subiceret (l. c.). Sambert fept Heinric’s IV. Ankunft in Gerftungen
gmau juxta condietum an, hebt dann omnes Teutoniei regni episcopi et
eomites (omnes eine der gewohnten Uebertreibungen nach dem von Dieffenbader,
1 e., 107, zujammengeftellten Schema), hernach bie zwei Herzoge als anwelend
hervor , und zwar Gottfried mit beionderem Radjrud: tantas habens copias
ita militaribus armis instructas, ita de tota cui preerat regione, soveris-
simo delectu habito, exquisitas, ut solae caeterum regis exereitum et numero
et belliei apparatus gloria precellere ac supergredi viderentur, und Ichlägt
ſchließlich bas Heer in den alorim an: Caeteri tamen prineipes qui frequen-
tissimi convenerant, magnum satis ac validum exereitum fecerant, ei tamen
1 ac longe imparem, quem prior illa expeditio contraxerat (233 u. 234 —
ähnlich Bruno, 1. c., über dad Herr: exersitus regis ad proelium non ut
antea promptus erat...... et magna sibi pars de priori multitudine deerat).
as Carmen leitet von v. 267 an auf diefen neuen Feldzug des superborum
rex debellator et ultor über, mit lectissima quaegue suorum aginina, wo
aber — gegen die Zeugniffe von n. 98 — aud; Pojarii neben Lotharii cum
Francis genannt find: sectatur et hostes, certus eos toto jamjam propellere
regno (l. c., 1234). In anögeiprochen feinbieligem Einne äußert fich der Annalift
vom 1075gegen den Rönig: Dehincantamnali temporerex item passim recollecto
et undecnmque praemiis conducto militise non parvae apparatu, Saxonum
liquias perdomandas sibique ad libitum suum maneipandas . .. artificiosus
satis et inportunus aggreditur (l. c., 279). .
Weser von Anonan, Jahrb.d. bi. Runter einzig IV.u.V. vd. u. 84
530 1075.
daß die Hersfelder Nachrichten, die von einer ganz anderen Gefinnung
im ſächſiſchen Heere zeugen, die wirflihe Sachlage zeichnen. Aller:
dings ift die da breit außgemalte Darftellung, von den Schwan:
tungen in der Beurtheilung der zu mwählenden Maßregeln, den
zwifhen Hoffnung und Furt, zwiſchen Drohung und Bitte
wechjelnden Stimmungen, von ben häufigen, Tage und Wochen
langen Berathungen und den einander widerſprechenden Vorjchlägen,
nit in den einzelnen Ausführungen anzunehmen. Aber das ift
fiher glaubwürdig, daß das gemeine Volk jeit dem ſchweren Schlage
des Sommers die Luft am Kampfe verloren hatte und_von dem
Gebrauche der Waffen nichts mehr wien wollte, jo daß jetzt das
aufreizende Zureden der Fürften fruchtlos blieb. Der Vorſatz der
Leute war, lieber Alles über fi ergehen zu laſſen, als nochmals,
nachdem ein erfte3 Mal der Erfolg jo ungünftig gewejen war, das
zweifelhafte Glüdzfpiel zu verfuchen 199).
Immerhin wurde aber angeſichts der neuen Anfammlung der
königuchen Streitkräfte die Vereinigung des ſächſiſchen und thü-
tingifchen Heeres in anfehnliher Zahl abermals angeordnet; nicht
weit von dem föniglichen Hofe Nordhaufen, alfo in dem zunächſt
egen den Harz hin liegenden nördlichſten Theil von Thüringen,
and die Wahl des Lagers jtatt!'). Doch fogleich gingen an den
König nad) Gerſtungen Gejandte ab, die gleihen Boten, welde
noch zulegt vor dem Meagang vom Rhein zu Heinrich IV. hatten
gehen follen, Erzbiſchof Liemar, Biſchof geile von Hildesheim,
Markgraf Udo, um die gleichen Anerbietungen, behufs Vermeidun;
des Kampfes, zu bringen !°°). Diefelben jollen jegt vor Heinrich IV.
die Forderung neuerdings vorgebradt haben, er möge von feiner
Seite Fürften nad feiner Auswahl an die Sachſen und Thüringer
aborbnen; biefe feien bereit, nad) Berathung mit ihnen allen ge:
reiten Begehren bes Königs ſchleunigſt zuzuftimmen. Doch ber
König habe das zuerft abgewiejen; dann fei, als er fi) mit Mühe
100) Vergl. in Excurs I. bie einander gegenüber geftellten Ausſagen Sams
Berta und Bruno? i ®
10) Lambert läßt diefe Sammlung — amplissimo numero — durch bie
ultima jam necessitate exciti geichehen (234).
10%) Derfelbe nennt (l. c.) die drei Boten. Man barf wohl mit dem Heraus
geber ber Gesta Hammaburg. eceles. pontificum bie Berfe Adam’s (52—4)
in befien Epilog an Liemar, über eine Friedensbotſchaft: Tu pacem terris
antiqua lite fugatam ecclesiis revocas. Jam tertia praelia t (Remic
miacena am Bergil, Aeneis, Lib. XI, v. 631 u. 635: Tertia sed postquam
congressi in proelia ... ... pugna aspera surgit), et discordantes tu jungis
ad oscula mentes — auf Bige Vermittlungeverjuche ded CExzbiichofs beziehen
(8S. VIL, 389, mit n. 71). Gieſebrecht, III, 322, nahın an, ba ſchon die vom Könige
aus Regensburg mit ungenügender Antwort entlaffenen jächfiichen Boten eben
die aus Siemar, Hezilo, Ubo beftehenbe Botſchaſt gebildet hätten, welche, nad
Worms geſchicki, Heinrich IV. nad) Baiern nachgegogen fei und ihn in Regene-
burg erwartete orgt, ©. 525 mit ©. 519). 3 if faum anzunehmen, dah
nad, einer ſolchen Abweifung, wie fie in Regensburg vorkam, wieber biefe drei
gleichen Männer ben Auftrag nach Gerftungen übernommen haben würden.
Verhandlungen Heinrichs IV. mit dem Fampfunluftigen fächfifhen Bolte. 531
erweichen ließ, fein Fürft zu finden geweſen, ber ſich diefer große
Schwierigkeiten nach beiden Seiten bin bietenden Aufgabe hätte
unterziehen mwollen*®). Indeſſen rüdte nun aber das königliche
Heer dur Thüringen nordwärts vor, in langjamem Mari), ge-
ordneten Zuges, mit voraußgetragenen Feldzeihen, Tag für Tag,
unter Verhängung von Plünderung !°%). Endlich entichloß ſich
Heinrich IV. dennoch, den Sachſen den Willen zu thun, und er
eitattete jebt, daß die Erzbiichöfe Siegfried von Mainz und Gebe-
rd von Salzburg, die Biſchöfe Embrifo von Augsburg und
Aalbero von Würzburg, dazu Herzog Gottfried, deſſen Beauftragung
beſonders in das Gewicht fiel, da er bei dem ganzen Unternehmen
in vorzüglichfter Weiſe Mithandelnder war, ſich in das gegnerifche
Lager begaben ; denn gerade diefe fünf Fürften follen, unter Nennung
jede3 Einzelnen von denſelben, durch die Sachſen zur Unterhandlung
erbeten worden fein !v).
Don den Verhandlungen, welche zwiſchen den beiden Lagern
Hin und ber gingen, ift nun durchaus fein befriedigendes Bild zu
jewinnen. Zwar überbieten fich zwei Schilderungen, die in Hers—
feld hergeftellte, die Heinrich IV. höchſt abgeneigte oberdeutfche Er-
gäblung, in breiter berebter Ausmalung diejes lebhaften Austaufches
er Meinungen, der wechſelnden Stimmungen. Dagegen reicht
derjenige Zeuge, welcher die Hlarfte Kunde, wenn aud ohne Frage
gleihfals im königsfeindlichen Sinn, hätte geben fünnen, höchft
dürftige Mittheilungen dar. Gewiß ift nun nicht daran zu
zweifeln, daß von den weitgehenden Zufiherungen, die nad ben
Behauptungen jener beiden Erzählungen die im Auftrage Hein-
rich's IV. handelnden Fürften gegeben haben follen, feine Rede
war. Denn da follen diefe Unterhändler den ſächſiſchen Fürften
eidlich verjprohen haben, es werde ihnen, fobald fie durch eine
augenblidlihe Genugthuung der Hoheit von König und Reich die
Ehre erwiefen haben würden, fogleich die Losfagung von der Er-
gung in Gnade und Ungnade ertheilt; fie felbft aber werden dem
terland und ber Freiheit, ohne irgend welche Verringerung ihres
108) Bergl. in Excurs I. (von der Berüdfichtigung ber durch Lambert, 234,
erwähnten drei Zage der cunctacio wirb hier ganz abgefehen).
1%) Das Borantreten lento quottidie gradu — in ulteriora — ſeht
Lambert eben mit den in ben drei Tagen (n. 103) geihehenen Bingen parallel.
, '%) Bei den quinque hebt Lambert Gottiried — vergl. ſchon in n. 97,
fomie: in e0 omnium quae agenda erant summa et cardo vertebatur —
Bewor. GB ift zu beadjten, dak in dem Briefe Embrito’s (vergl. ©. 519) von
dielen fünf Ramen drei gleichfalld genannt jind. Wenu auch Vogeler, 1. c., 77
2. 2, und Diedmann, 1. c., 77. n. 1, mit Recht Lambert's Behauptung: Hos
qinque ... . . Saxones expetierant, quod hos constantissimae_ fidei et
veritatis egse compererant, et quiequid hi spopondissent, ratum fore haud
Anbio credebant anzweifeln, jo zeigt doch jene Rennung im Bricje, daß gemifle
Einigungen über Perionen vorangegangen fein mußten. Daß aud) der Annalıft
PR am wenigitend Drei unter den fünf Vermittlern kennt, vergl. im
34*
532 1075.
Standes, zurüdgegeben werben, fo daß fie aljo weder an ihrer
Unverlegtheit, nod an ihrer Freiheit, noch an ihren Gütern und
Zehen, nod) ihrem übrigen beweglichen Befige auch nur den kleinſten
Verluſt erleiden würden —, und darauf habe das Zutrauen zur
Treue diefer Fürften und der milden Gefinnung des Königs die
jächfifhen Herren zur Unterwerfung bewogen. Der andere Bericht
fügt zu den Bürgſchaften für Leib und Leben noch ſolche hinſicht⸗
lich eines unverleglihen Friebensbündniffes und voller freier Hand-
habung der ererbten ſächſiſchen Gerechtſame und Gefege bei. Allein
daneben tritt doch in immer etwa eingeftreuten Neußerungen hervor,
daß man auch in Hersfeld wußte, wie fehr vielmehr bei den zum
Könige ftehenden Fürften ebenfalls der Wille vorhanden war, die
Ergebung der Sachſen auf Gnade und Ungnade ohne irgend melde
Ausnahme zu begehren; es ift in ber Aufzählung der Ausfagen der
fünf Fürften nicht vergeffen, daß fie den in fie dringenden ſächſiſchen
ittftellern geantwortet hätten, alle Fürften des Reiches feien darin
einig, daß für die unerhörte Frevelthat — die Ausfchreitungen bei
erköcung der Harzburg find gemeint — einzig auf biefem Wege
für König und Reid Genugthuung erhältlich gemacht werden könne.
Viel wahrſcheinlicher ijt aber überhaupt, daß die königlich gefinnten
Fürften, mie das fählifhe Zeugniß diefes_ausfagt, eingig daft
eingeftanden ſeien, die Gefangenjchaft der ſich ergebenden Sachſen
werde feine harte und feine lange Zeit dauernde fein, falls die
Uebergabe freiwillig an den König erfolge und das ganze ſächſiſche
Land fi ruhig verhalten wolle. Dazu wollte noch ber ſächſiſche
Darfteller gerüchtweife willen, daß Heinrich IV. jelbft feinen Fürſten
veriprochen habe, er werde, wenn fie das zu feiner Ehre bei den
Sadjen egen haben würden, die Gefangenen ſchon gleich im An-
fang des Monates November im Frieden und in Gnade nad) Haufe
entlaffen: fo hätten alle ſächſiſchen Bifchöfe, Herzoge, Grafen, ſowie
die übrigen Großen bed Stammes, nad) Empfang der Bürgidaft
von Seiten der Fürften, ſich zur freimilligen Webergabe an ven
König geftellt. Thatfählih und wirklich ohne Einſchränkung ift
alfo über eine eigentliche Zuſicherung des Königs gar nichts be
tannt, und man irrt wohl am mwenigiten bei der Annahme, derſelbe
babe gar nichts beftimmt zugefagt, höchftens allgemeine Xor-
erflärungen gegeben, ſich felbft aber ganz freie Verfügung, wann
die Webergabe in Gnade und Ungnade geſchehen fei, Vorbealten.
Daß man dann nachher, was von dem Könige erhofft, erwartet
wurde, geradezu ala von ihm verſprochen hinftellte, die nicht er-
füllte Erwartung ihm alfo zum Vertragsbrude anrechnete, war bei
dem raſch eintretenden algemeinen Umſchwunge der Dinge nur zu
begreiflih. Daher ift wohl aud ganz wahr, was in Hersfeld über
die Stimmung im Königlichen Lager, vernommen wurde, baß bie
Nachricht von der glüdlichen Vermeidung eines neuen Kampfes,
Beurtheilung b. geſchichtl. Berichte. Sächfiiche Unterwerfung bei Spier. 533
nad) den blutigen verluftreihen Folgen ver erften Schlacht, eine
große Freude und gegenjeitige Glüdwünjdhe hervorrief 19%).
Während der Dauer diefer Unterhandlungen waren die Heere
einander immer näher gefommen. Der König hatte, über bie
Gegend der Schlacht bei Homburg hinausrüdend, den der Unftrut
zugewandten Abhang der Hainleite erreicht, während von den Sachſen
diefe Berghöhe, auf viel geringere Entfernung von Norbhaufen ber,
überftiegen worden war. Da lagerten fie fih bei Ebra in kurzem
Abftand von einander, und nahebei befand ſich die ausgebehnte
lache, von Spier, wo nunmehr die Sachſen fi unterwerfen
often 10°), .
An einem Tage am Ende de3 Dctober!%®) vollzog fich, gleich
nah Abſchluß der Verhandlungen, die Webergabe vor den Augen
des Töniglichen Heeres, während das gegnerifche Saper ſich gänzlich
auflöfte?%%), Das weithin ſich eritredende offene Feld bot die Mög-
ficeit, daß das zu dem Schaufpiel feierlich aufgebotene Heer fi
aufftellen konnte und doch zwiſchen der Biehtgebrängten Menge der
Bewafineten noch ein fehr breiter Raum frei blieb. Indem nun
die ſächſiſchen und thüringifchen Herren zu dem inmitten auf feinem
Sige ihrer Ankunft harrenden Könige vorjchritten, konnten fie aljo
von den Augen der ganzen Verjammlung gejehen werden. Waffenlos,
jeſenkten Hauptes, mit entblößten Füßen — fo wird der Aufzug ge=
Phildert — ftellten fie fi ohne alle Bedingung dem Könige zur
Uebergabe. Der Ordnung nad erſchienen fie, die Fürften voran,
Hierauf alle Männer freier Geburt, fo weit fie nur ein wenig unter
dem Bolfe durch den Glanz des Geſchlechtes oder des Reichthums
hervorſtachen. In Hersfeld zählte man ſich die folgenden Namen
einzeln auf, von geiftligen Fürften Erzbiſchof Werner und Biſchof
Burchard von Halberftadt — dieſer fol bei dem Könige ſchlechtweg
als das Haupt, als Zunder und Anftifter der Bewegung gegolten
108) Bergl. in Excurs I die Würdigung bed Bruno’fchen Zeugniffes gegen.
über Lambert und dem Annaliften von 1075 an.
107) Bruno nennt, c. 54, den locus Everha ald Plaß ber a se non loco
sed animo longe aus einander fiehenben Heere (348), Sambert, 235, dagegen bie
Iate patentis campi_planicia in lovo qui dieitur Spiraha ald Ort der Ueber«
gabe. Die Dörfer Hohenebra, Thalebra und Oberipier, Riederſpier Liegen im
jepigen Fürſtenthum Schwarzburg-Sonberähaufen auf ber Sübweftjeite der Hain»
Ihe etwas mehr oder weniger ala eine Meile füblich von Sondershaufen.
108) Lambert läßt den Vorgang postera die — nad) den lehten Feſtſeb-
ungen zwilcen den fürſtlichen Unterhändlern und ben Sachſen — folgen. Doch
nach den n. 103 citirten Ausführungen ift ber Zag unmöglich genau feftzu-
fepen. Gieſebrecht vechnete, III, 324, den 26. October, Bogeler, 1. c., 79 n.
2, den 27. heraus. Jedenfalls fiel das Seeigniß, noch ganz an das Ende des
Monate, ba nad) Bruno, c. 54, in principio Novembris proximi die Befrei-
ung der Gefangenen erwartet worden jein joll. —
100) Einzig Bruno fpricht Diele Thatjache aus, in c. 54. omnes episcopi
uostri (ete.) totum populum suum valde tristem in patriam redire jusse-
runt (L. c.).
534 1075.
haben —, weiter Otto von Norbheim, die beiden Billinger Herzog
Magnus und defien Bateröbruder Graf Hermann, Pfalzgraf Fried-
ri, Graf Dietrih von Katlenburg, Graf Adalbert — mohl ber
leihe, welder 1069 als Bundesgenoſſe des Markgrafen Debi
Seinzich IV. entgegengetreten war —, endlich noch vier meitere
Grafen, Ruodeger, Sizzo, Berenger, Bern "!),
So war das Schickſal der langen Reihe angejehener Männer
bebingung8los in die Hand Heinrich's IV. gegeben. Aber es if
fein Smeifel, daß auch unter der Zahl feiner Anhänger die Anfiht
vorhanden war, e& werde die Behandlung ber in die Gewalt des
Königs getretenen Fürften und anderer Führer der beiden Stämme
eine gelinde fein. Wenigftens ift das für einen fonft nicht befannten
Anhänger de3 Königs bezeugt, welcher bemfelben in bringender
irbitte eine ſolche Darlegung milder Gefinnung zu empfehlen
ſich befliß.
Ein treuer Anhänger Heinrich's IV., wohl ohne Frage ein
Geiftliher, welcher am Hofe ſich aufhielt und dem Könige perjön-
110) Lambert ift hinfichtlich de äußeren Vorganges bei ber Handlung ber
Uebergobe — sicut convenerat, abeque ulla exceptione regi se dediderunt —
ber Hauptzeuge (235 u. 236), und er bietet da die Aufzählung der zwölf Namen,
unter welden Adalbert comes de Turingia heißt (deffen ungeachtet erflärt
D. von Heinemann, Albrecht der Bär, 19, ſowie 305, in n. 62, diefen Ramen
als denjenigen bes Bd. I, ©. 619 fj., eingehender erwähnten ſächfiſchen Grafen
Adalbert; Burchard's Bezeichnung ald tamquam tocius Saxonicae rebellionis
princepe et omnium quae secus aceiderant fomes atque incentivus folgt erft
1076 (247), ebenda toeius Saxoniei belli summa et cardo (248) Das
Carmen faildert, v. 281—286, bas Greignik, wie: propinquantis dieto cum
milite regis castra petunt humiles Saxonum quique valentes ... . cunetr
cum supplice voto regi se dedunt omni eine conditione, und zwar eben:
armis exuti, demissi colla superba nudatique pedes (I. c., 1295). #runo jagt
bloß, c. 54, bon den omnes episcopi (etc.): regiae potestati se sponte tradi-
derunt. Zer Annalift von 1075 an geht über bie Art und Weile der deditio
ftillſchweigend hinweg. Aber diefer Mebergabe if auch mod; in anderen Quellen
Heat :— Annal. — : Saxones domiti in deditionem recipiuntur (SS. III,
29), die von Echeffer-Boichorft hergeflellten Annales Patherbrunnenses: Ex-
Beditio regis terlia in autumno et captio multorum nobilium et deditio
jaronum ac Turingorum (96), ferner Annal. Weissemburg.: Iterum rex
Heinricus cum armato milite Saxoniam ingressus, Sarones quogue pacem
petentes suscepit, Annal. s. Jacobi Leodiens.: Rex Heipricus iterata ex-
‚editione Saxones premit, et eorum principes in deditionem accipit. ebeno
‚keh. Chron. univ., dod) eıft in C: Qua contritione (sc. die Ediaät dom
9. Juni) cuneti principes (ete.) per deditionem regiae potestati traditi —*
facere compulsi sunt (SS. IN, 72, XVI. 689, VI, 201). Eudendort, Re-
gistrum 1, 35 u. 36, wollte’ einen ®Beichwerbebrief der Paderbrunnensis
ecelesine fratres an Heinrich IV., darüber dah: que nobis erant contigus,
vester diripuit exercitus. que autem remotiora, depredata sunt ab
hostibus —, bejonder® aud um ein propter regni discordiam et injustam
Adalberti comitis injuriam seu violentiam verlorene®, beftimmmt genanntek
Gut an ber Saale, hier „Im October des Jahres 1075" einreihen. Das iR
jedenfalls baburd, aus orielo| jen, baß der König —E ut — Ya
archiepiscopum Magdeburgensem ... restituatis, angeficht® der zwi i
beiden zur Seit beftehenben Beziehungen. ‘ ’
Hoffnung auf Heinrich s IV. milde Haltung, voran im Carmen de belloSazon. 585
fi nahe ftand’'), hatte nämlich unmittelbar unter dem Eindrud
ber Unterwerfung ber ſächſiſchen und thüringiſchen Großen bei Spier
eine in metriſcher Form den Verlauf der biäherigen Kämpfe bes
Königs gegen das Volk der Sachſen beſchreibende Dichtung zu Ende
gebracht. Denn jegt ſchien ja durch das eben gejehene Schaufpiel
ber Selbfterniebrigung der Krieg abgefchloffen zu fein, und es galt
nur, wie es dem Dichter bünfte, dem Sieger nahe zu legen, daß
& nunmehr an ber Zeit fei, an die Stelle der Strenge die Milde
zu fegen. So richtete der Dichter an den von ihm als Unbefiegter
begrüßten König am Ende feines Werkes mahnende Worte, er
möge ſich der Niedergeworfenen erbarmen, ſich ihnen in einer Weife
gigen, wie fie es für fi, als fie ſich an ihn übergaben, erhofften.
ion dieſem Gedanken war ber Urheber des Buches durchdrungen,
ala er MER Stimmung bed Tages heraus feine Arbeit an den
önig gab !2),
reilih war fonft die Gefinnung de3 Verfaſſers den Sachſen,
fo lange fie Feinde Heinrich's IV. geweſen waren, äußerft abgeneigt.
Immer und immer wieder benußte er ben Verlauf feiner Erzählung,
um bie arge Denkweiſe dieſes Volkes anzuflagen und zu brand-
marken. Die Schilderung der Ereigniffe der drei während ber ftets
erneuerten Gehorjamsweigerung der Sachſen verfloffenen Jahre hat
in dem Dichter die Ueberzeugung befeftigt, dab das Volk, welches
dem König P viel zu ſchaffen machte, wilder und übermüthiger
Art fei, daß fein Trotz und feine Zügellofigfeit, feine tempel-
ſchänderiſche Gottlofigfeit, aber auch feine trügerifche und meineidige
Haltung ftet3 von neuem Strafe verdient hätten, und ohne zu er=
müben fchaltete er bei jeder fich bietenden Gelegenheit nach der
Vorführung irgend einer neuen Thatfache, welche den aufrührerifchen
Stamm belaftete, Hinmeife auf die Vergeltung, ſcharfe Ermahnungen
ein, um die Wabnwigigen zur Belinnung zu bringen, zur An-
erfennung ihrer Pflicht zurüdzuführen!!?). Denn die Abſicht bei
’1) Wegen des Verfaſſers des Carmen de bello Saxonico, daß berjelbe
nicht nachgewiefen werben Tann, aber wohl in ber näheren Umgebung Hein-
rid’s IV. zu fuchen ift, Daß befonbers bie Hypotheje einer Fdentität mit Lambert
abzuweifen ift, vergl. in Excurs 1.
212) Das zeigen am beutlichften am Echluffe — nad; ber frohen Behaup-
tg: Eece tenes solitum tibi, rex inviete, triunphum (v. 287) — bie
geilm: Ut virtute geris, sic et pietate parentes, rex auguste, gere, vel
nbetratis miserere (v. 289 u. 290) und ganz, geist v. 293 u. 294: Nunc tibi
supplieibus propone quibusque futuris, quid de te sperent, dum se tibi,
rex pie, dedene d. c.).
118) Gine Fülle von Stellen bes Gedichtes Läßt ſich hierfür anführen. Das
Bolt der Sadıten heißt ſchon gleich Lib. I, v. 2—4, rine gens sua jura negans:
dum fallentes sociaret viribus artes, ‚glurima bella dolis fidens commi-
sit et armis, dann v. 11 rine gens effera, ähnlid, v. 116 eine gens fera (und
wieder v. 187, Lib. II, v. 52, Lib. II, v. 30), ober Lib. I, v. 25, ein populus
superbus (wieberbolt v. 79, Lib, III, v. 267), Lib. III, v. 298, eine gens in
arma ferox, dann v. 272 eine gens saeva, v. 288 eine gms effrenis; andere
verdammensmwerihe Eigenfchaften rügen bie Stellen, Lib. I, v. 183, 214: gens
536 1075.
dem Beginne des Werkes war ja, eben diefe Kämpfe des Königs
gegen das feine geforderten Pflichten leugnende Volk der Sachſen
zu ſchildern. Gottes Hülfe mag ben Dichter dabei unterftügen, daß
er bie bis dahin verborgen liegenden Urſachen herauszufehren ver:
möge, aus welchen dieſes Tolt fo gewaltige friegerifche Bewegungen
in das Werk gefegt bat, und zwar gegen einen Herrſcher, über
welchen der Dichter von der Meberzeugung erfüllt ift, er ftehe, ob-
ſchon auch die fremden Gewalthaber fi ihn unterwarfen und fein
Feind ihm ungeftraft entgegengetreten ift, feinem Menfchen an milder
Gefinnung nah !!*). Aber auch des Königs Siege in dieſen Kämpfen
follten in dem Werke verherrliht werben. Denn feit Karl's des
Großen Zeit ift — fo meint der Bewunderer Heinrich's IV. —
ein folher Triumph nicht gewonnen worden, daß, einzig durch bie
erhabene Manneskraft, trog der eigenen Minderzahl, gegenüber der
entſchiedenen Uebermacht der Erfolg gewonnen wurde, und wieber
rebete er am Schluffe den König, der jeßt nad) der Unterwerfung
bei Spier ala der Anhaber des gewohnten Sieges baftehe, ala ben
impis, Lib. II, v. 186 u. 137, 169: phalanges encrilegae, Saxones sacri-
legi, v. 171: perjura gens; in Lib. I. v. 27 u. 28, ertönt ber Borwurf gegen
das Volt: studuit contraria regi viribus atque dolis, und ähnlich fpreden
Lib. III, v. 95, oder v. 134, von figmenta fraudesque dolique. Allein eben
in ihrem ganzen Auftreten ift die gens aud) exitio dudum devota futuro, wie
glei Lib. INT in v. 1 beginnt, nad v. 126 exitii inconsulta futuri, und daß
nichts Anderes, ala bie Süctigung für die Ausfchreitungen der Sachſen im
Verlaufe des Krieges vorliege, wird bis zum Weberdrufle ſtets von Neuem aus-
geführt. Das geicjieht fon Lib. I, v. 72 u. 73, v. 116- 120 (mit der Anrede
an die Sadjien: cur non capis hinc doeumentum? aus den cladis documenta
futurae), v. 187—189 (mag der ©. 298 erwähnten Zödlung der Leute don der
Sm burger Beſahung in Goslar: tun pro geminis flevisti funera centum,
nfo wieber v. 214 u. Premia Dune sceleris .. . ferre videris, quae
pro funeribus tibi sunt illata duobus — mit einer weiteren bis v. 227 aud:
gedehnten heftigen Gtrafrede, worin die ironiſche Aufforderung: Perge tibi
poenas meritis cumulare futuras!). Aehnlihe Etelen folgen in Lib. IL,
v. 51—67, mit fpöttifcher Frageſtellung an bie Sachſen, über bie dem Könige
entgegengebrachte Möglichkeit, ihre Uebermacht zu befiegen: Quid tibi nune
veteris prodest sollertia frau . . Quae tibi commoda rerum confert?
... am si victores extolli gloria jaucos, nonne ferent ominiam
vieti numerosi?, beſonders aber in Lib. III, wo v. 30—36 in den Lebhafteften
Fragefägen und Ausrufen — 3. B. Perge modo, rape, destrue, distrahe
cuneta! — die Unthat auf der Harzburg beleuchten, hernach v. 209-212 nad
der Homburger Schlacht zuruien: nunc digna tuis cape praemia factis! Sic
bene — quae patria jura petisti!, endlich v. 2172-275 is vor ber
Darfellung ber Unterwerfung bei Cpier) die Wufforderung: Exue duriciam
cordis . . vel ipso temporis articulo| Jam nunc delebere vel tu vel tus
posteritas, ni colla superba remittas. Victa resistis ei (sc. regi), cui nullus
restitit ungquam?
11%) Die Abfidht enthalten glei Lib. I, v. 1-10: Regis Heinriei volo
raelia dieere quarti contra Saonum gentem sus jura negantem ... Alme
jeus, succurre mihi proferre latentes usque modo causas, ea gens quo
Iaesa dolore, quidve timens tantos belli commoverit aestus adversus re-
— worauf von v. 11 an zuerft die in Egcurd III gebradjten ünſacen
Aufftanbes erörtert werben.
Grundſtimmung und Rathſchläge des Dichterd an den König. 537
Unbefiegten an!?). Wirklich ift es denn auch ohne Zweifel dem
Dichter gelungen, in feinen drei nicht ganz gleich großen, aber in
fi wohl abgerundeten, gegen einander gut abgetheilten Abfchnitten
diefe ganze Folge von Ereigniffen zur Änſchauung zu bringen, zu-
erft von den Anfängen des Zwiſtes bis zur höchſten Entwidlung
des Vertheibigungsfampfes der Harzburger Beſatzung, dann im
mittleren Buche über den Reft der Vorgänge des Jahres 1073 bis
m Vertrage Heinrich's IV. zu Gerftungen 1074, endlich von der
YerRörung er Harzburg bis zur Unterwerfung bei Spier. Freilich
üt er dabei auf das reihlichite auf Anleihen in zahlreichen herüber-
gerommenen Wendungen und Worten ausgegangen, ganz voran
ei Vergil, defien Neneis die häufigften Auspflüdungen erfuhr,
dei Zucan, aber auch bei einem mittelalterlihen Werke, dem Poeta
Saro, deſſen Verherrlihung Karl’3 des Großen, des Bezwingers
der Sachjen, ihm vielleicht den Gedanken zur Schaffung der eigenen
Arbeit gegeben hatte; aber mochte er ſich auch oft in herüber:
genonmenen Formen bewegen, fo ſchilderte er doch von ihm felbft
Erlebtes auch in diefen Entlehnungen 1%). Indeſſen der legte Zweck,
den der Verfaffer bei Meberreihung feiner Zaeptang an den König
im Sinne haite, war überall ſtets der gleiche, der Sinn der Milde
in dem Herrſcher wach zu halten. Schon in einem früheren Zu—
fammenhang ftellte er Heinrich IV. bin, wie derſelbe nad} der Nieder-
werfung des Feinde ben Unterwürfigen, jo wie er den Ueber-
müthigen entgegengefegt gewefen war, ſich milde zeigte, nad) der
Weiſe des Löwen, jo daß er eben nad) Niederſchmetterung ber
Gegner den gerechten Zorn ablegte und alle Vergehungen verzieh.
Aber gerade deßwegen richtete der Dichter felbft nunmehr an die
Sachſen, bei der Darftellung der Unterwerfung zu Spier, die Worte
dringender Aufforderung, dem Könige zu vertrauen, auf die Milde
defielben zu rechnen. Der Gnade Heinrich's IV. ſich zu unter-
werfen, welcher gemäß der Handlungsweiſe feines Vaters die
fi demüthigenden Feinde ſchone — wer fi ihm in die Hand
gebe, babe nicht? zu fürchten —, das wird den Sachſen dringend
119) In Lib. IT fragt v. 188 (dad Folgende w
Carmine quo tanti laudes celebrabo triumphi ....., und v. 185—188 fahren
fort: Virtus celsa dedit hie quod natura negavit... ut major turba minori
«iusdem generis certamine prestet in omni; die Anrede von Lib. III, v. 287,
Reht ſhon in n. 112. Nebenbei fei bemerkt, daß der Dichter neben biefem Werte
zum Preife des König® laut Lib. II, v. 42—44, nod) eine Darftelung — mihi
Vita salusqne supersit — im Sinne hatte, deren Inhalt fon in Egcurs I ans
gegeben if.
110) Rach Waig, zu defien 1870 erſchienenen Ausgabe, bot Holder-Egger,
3 der Edition, sr x, 1218—1235, den Nachweis der ntuhmanden des
ichterd. Auf den Porta Saro machte et. zuerſt in dem „Nachtrag“
bei Waiß, 78 ff., dann in feiner Schrift. Lambert von Heräfeld der Verfafler
ded Carmen de bello Saxonico, wo 44 ff. über foldhe Anlehnungen überhaupt,
8 f., aufmerfiam.
ſchon ©. 327 in n. 25):
538 1075.
angerathen *'?). Allerdings meinte babei ber Ntathgeber, deſſen
ſicher ſein zu können, daß ohne allen Zweifel den Unterwürfigen
des Königs Verzeihung werde zu Theil werben.
— Der König traf nad) eigenem Entſchluſſe feine Verfügungen
über die Männer, deren Schidjal in feine Hand gegeben worden
war. Gie wurden zuerſt, einzeln ein jeder für 117 ‚ den königlich
gefinnten Fürften zur Bewachung anvertraut, bis — fo wurde an-
genommen — eine gemeinfame athung darüber, was mit ihnen
geichehen jolle, angeltellt würde; dann aber wurden fie in größere
Entfernung zur Haft vertheilt, und zwar follen fie nicht nur in
andere Theile des deutfchen Reiches, nad) dem fränkiſchen, ſchwäbiſchen,
bairiſchen Stammesgebiete, ſondern jogar nad) Italien und Burgund
In und dorthin in Gewahrfam gebraht worden fein. Aber diefe
andlungsweife wurbe von gegnerifher Seite dem Könige geradezu
als ein Vertragsbruh, als ein Ausbrud graufamer Selnnung,
welcher nothwendigerweife ihm die Gemüther abermals habe ent-
fremden müſſen, ausgelegt. Ganz bejonders weift es das aus
Sachſen herrührende Aeu niß gänzlich ab, segentmie die Thatſache
anzuerfennen, daß Heinrih IV. durch dieſes Vorgehen doch wirklich
erft feinen Erfolg zu ergänzen meinen durfte; es hebt nur hervor,
der König habe h neuerdings bewiefen, daß er nur gefürchtet, nicht
geliebt werden wolle, was nun felbftverftändlih aud die Sachſen
abgehalten habe, ihm treu zu bleiben"!°). Webrigens wurden dann
117) Lib. II hebt in v. 203—206 bie Handlungsweiſe de rex supplicibas
mitis hervor, und am Schiuffe von Lib. II beginnt der Dichter, von v. 276
an, nad) der in n. 118 herausgehobenen Stelle, mit der Frage an bie Sadjien:
Exhorresve pio regi tua dedere colla? — und bann fährt er fort: Num
pessundatus est quisquam sibi (sc. regi) deditus unguam? Subdere clementi,
Supplex substernere miti! Ipse paternorum certissimus assecla moram
parcet subjectis debellabitque superbos.
18) Heber dad Schidfal der in bie Gewalt Heinrich’ IV. übergetretenen
‚Hecren fagt Bruno, c. 55, nur: Distributis per cnstodias prineipibus nostris
2... und Enüpft dann daran Betrachtungen, davon ausgehend, dat; in Sachſen
bi qui domi erant vom Aönige die Hoffnung gehegt Hälten: eum, sicat pro-
miserat, cum pace et pietate venire, omnesque suaa injurias oblivioni
erpetuae tradere, wie berfelbe — suae promissionis oblitus — Gott für den
em — vietoria, quam sie leviter acceperat — nidjt gebankt, fich über-
müthig in völlig ficherem Beſihe feines Ruhmes geglaubt Habe, fo dab er der
ihm _möglicherweile entgegengebrachten Gefühle — timere se pariter et amare
—- überall — non solum quos vicerat Saxones, sed omnes quibus imperabat
gentes hatten ihm ſoiche gewidmet — verluftig ging —: ftatt der Liebe habe er,
rudelitatis antiquae non immemor . .. amicis non minus quam hostibns
erudelis, nisi quod in amicos crudelitatem pius exercebat, Furdit gewonnen:
nec Saxones sibi fideles nec alias sui regni nationes devotas — et
ingentem apud exteras gentes landem, quam posset habere, perdebat
(48 u. 349). Lambert iR eingehender: — zuerft theilt der König die Meber-
geizetenen prineipibus suis, singulis singulos, donec de eis communi consilio
jeliberaretur, servandos zu, — — fie dann aber barauf in weitere Entfernung
bringen (vergl. auch a. 1076: illis in ultimas partes terrarum deportatis —
245) — unter Gallia ift bier wohl, ähnlich, wie 4. ®. in ®b. I, ©. 157, 0.75,
das ſrani ſche Land im Rheingebiet zu verflehen —, und zwar ift aud) Lambert
ber Unficht, da8 Lebtere jei rupto federe, contemptis omnibus quibus se
Behandlung d. ſächſiſchen Unterwürfigen u. ihrer Güter durch Heinrich IV. 539
von Heinrich IV. noch Mafregeln Hinzugefügt, melde fih auf
die Befigungen und Lehensgüter der Vechaftsten ogen. Der
König nahm ſolche unter Betonung feines Hoheitsrechtes an ſich;
Aust eilungen aus denſelben follen zum Vortheil der Krieger, die
ihn in ber Belämpfung der Sachſen vorzugsweife unterftügt hatten,
vorgenommen worden fein, und wenn nad) dem ſächſiſchen Berichte
wirflid) die bevorzugten Günftlinge Heinrich's IV. dabei beſonders be-
dacht wurden, jo war das in Anbetracht des Umſtandes, daß gerade fie
unter dem fächfiichen Volke in höherem Grabe verhaßt waren, aller-
dings ſchlechthin eine Herausforderung ""%). Sonft legte der König
während ber Zeit des nachfolgenden Aufenthaltes auf thüringiſchem
Boden feine Aufmerkfamkeit auf den Wiederaufbau des feiten
obligaverat, jurigjurandi vinculis, geſchehen (236), eine Acußerung, hinfichtli—
deren Delbrüd, Ueber die Slaubwärdigteit Samberts von fs 50, mit At
hervoxbebt, Lambert, beziehe fich hier auf ein fedus, beffen er felbft vorher gar
micht gebachte, auf ein jusjurandum, über bad er (vergl. in Ezeurd I) nur ein
Gerücht anzuführen wußte. Als den Haftort des Pialzgrafen Friedrich nennt
da® Chron. Gozecense, Lib. I, c. 13, da3 auch vom ruptum foedus: beni-
se exhibituram humiliato illi jurejurando firmavit (sc. rex) fpridt,
beftätigt alfo Lambert’s Nennung Jialien's (SS. X, 145 u. 146). Daß
Ichof Werner im Erzbisthum Trier lag, erhellt aus bem in.n. 172 ges
nannten Briefe; vergl. n. 177 wegen der Halt Biſchof Burchard s und Dtto’s
von Nordheim in Bamberg. Auch der Annalif von 1075 an läßt den König
— mox malesuadis auriculariorum suorum heu! perfidiose conspirans
susurriis ... fide promissorum ex integro postposita — bie in feiner Gewalt
Befinblichen in diversa praesidia et in custodiaria vertheilen: utpote durius
illoram perduellionis injurias ultum iri pereupientissimus (l. c., 279), Gbenfo
urtbeilten ferner die Annal. Weissemburg., im Anflug an die Stelle in
n. 110, über Heintid IV.: set sevieia magis quam gratia insecutus est
universoe (SS. III, 72), Alle diefe Urteile gehen eben von ber ©. 592 ber
fprochenen Borftellung aus, die fi) aber durchaus nicht beweiſen läßt, der König habe
befimmte Zufiherungen gegeben, Hernad) nicht gehalten. Doc; gerabe in dem
vorhin erwähnten Briefe an Udo von Trier reden bie Magdeburger fein Wort davon,
daß der König ſolche Zufiherungen gegeben habe, und eben hier wäre der Plaß ger
weien, fid_auf folche zu berufen. Sehr bemerfenäwerth ift, wie noch viel Ipäter
ber ®erfafier ber Vita Heinriei IV. imperatoris, c. 3, gerade bei dieſem
Momente verweilte. Nach ber kurzen Erwähnung der Ela fährt er fort,
daß troßbem der König bie obstinatio erecta damit noch nicht befiegt habe:
Nam licet eos in pugna congressos vinceret (ete.), licet bona eorum
devastaret, munitiones everteret, et omnia quae victorem libet, faceret,
non tamen ad deditionem cogi potuerunt, bis endlih — rei in brevi
exercitu — bei neuem Vorgehen der Muth der Eachfen — viribus suis utpote
in priori bello > gravisaime contusis — fant und fie fid) ergaben: sperantes
‚em sola deditione contentum tiam suam facile donaturum. Ganz
mekgprüdlich betont jept der Biograph: Sed longe praeter spem evenitf nam
rex eos exiliv addictos in alienas terras misit, ubi dura custodia constricti
relaxationis edietum expectarent (SS. XIL, 172).
119) Neben Bruno, c. 56: Deinde nostrorum bona captivorum, quae
ipeis manere debebant integra si fides fuisset ei integra, suis parasitis lar-
gitur (vergl. ſchon in n. 93), wozu er beifügt: et quae suis principibus in nos
‚na. promisit, cuncta mentitur (349), und Lambert: Beneficia quoque eorum
milıtibus suis, quorum preeipue opera in bello Saxonico usus fuerat,
distribuit (1. c.) fpricht auch der Annalift von 1075 an hievon; Et ipse dehine
jure quodam majestativo possessiones quorundam illorum invaserat (l.c.).
540 1075.
Platzes Hafenburg, ben er, zur Verhütung neuer Friedenzftörungen
nad jeinem engange, mit einer Beſatzung belegte; wie weit ihn
noch die Herftellung und erneuerte Beſetzung auch der anderen
früher feitgehaltenen Burgen — das wird außerdem behauptet —
beſchäftigt habe, läßt fih im Einzelnen nicht fagen !?°). Dagegen
wurde allen Freigeborenen, bie entweder durch Zufall von ber Unter:
werfung fern geblieben waren oder aus Furcht ſich derfelben ent-
zogen hatten, ein Tag feitgeftellt, bis zu welchem fie fi gleichfals
in Gnade oder Ungnabe ergeben jollten, wenn fie nicht der Gefahr,
als Reichsfeinde erklärt zu werben, fich ausfegen wollten 121). Darauf
entließ der König fein Heer’) und begab fih aus Thüringen an
den Rhein zurüd. Als Sieger über den hartnädig ihm entgegen-
geftellten langwierigen Ungehorfam glaubte Keinrih_IV. fih be
traten zu dürfen, als er in der üm jo getreuen Stadt Worms
den Feittag des heiligen Martin feierte 122).
Als nächte zu erfüllende Aufgabe bot fi) nunmehr dem Könige
die endgültige Drdnung der verwirtten Angelegenheit der Bamberger
Kirche. Denn noch immer hielt fi Hermann, obſchon er ausRom
mit vernichtender Verurtheilung getroffen war, auf den Befigungen
des ihm durch Gregor VII. entzogenen Bisthums, geftügt auf feine
Vaſſallen und Minifterialen, welche ihre Sache nicht von der jeinigen
trennen wollten, zur empfindlichen Schädigung der Güter der biſchöf
lichen Kirche. Eindringlih Hatte der Papit, etwa in den erjten
Tagen des September, neuerdings den König daran erinnert, dab
er ſchon vor längerer Zeit — die Schreiben vom 20. Juli find ge:
meint — nicht nur ihm, fondern auch Erzbiſchof Siegfried und
der Geiftlihfeit von Bamberg die Mittheilung gemacht habe, Her:
mann fei, weil er zu feiner fimoniftifchen Keherei auch noch die
kirchenſchänderiſche gemaltthätige Verwüftung de3 ihm anvertrauten
beilign Gotteshaufes gefügt habe, von jeder biſchöflichen und priefter-
ihen Würde abgefegt und mit dem kirchlichen Fluche belegt.
120) Gegenüber Lambert's beftimmter Angabe, daß Heinrich IV. noch
weis diebus in Thüringen blieb und castellum in Asenberg herftelte (l. c.,
iſt Bruno's weiter gehende Behauptung —: theild in c. 55: rex... . Saxo-
niam cum magne gloria ingreditur, et ab his qui domi erant cum majore
loria suseipitur, theil® in c. 56: urbes et castella vel quascumque mum-
ones adhuc habebat Saxonis, suin sequacibus commendarit, et ut per
totaın regionem tyrannidem exercerent imperavit (348, 349), die Ieptere
wenigftend im folder Allgemeinheit, nicht anzunehmen. ir eine Betreium
Hacken Bodens fehlt (vergl. bei m. 122) die Zeit. Auch der Annalift von
1075 an fagt ganz umfaffend, der König habe castella omnia, quae etiam anter
sibi rapinatim per totam Saxoniam usurpaverat, denuo econtra nullo saltem
vel musitante, praesidiis suis impositis, für fid) gefichert (1. c.)-
121) Diefe Anfage für die ingenui omnes, qui vel casu abfuerant vel
metu se subtraxerant, bezeugt Lambert (l. c.). B
149) Sambert läßt Heinrich IV. ausbrüdlid dimisso exereitu als victor
urüdtehren (I. c.); dagegen läßt Bruno fon in c. 55 — omisso exercitu,
159 vor dem Eintritt in Sadhlen (dod; vergl. n. 120) —, bad zu früh vor
gehen.
18) Sambert bietet dieſe Zeitangabe (I. c.).
Kgl. Anordnungen f. Sachſen. Ruopert ftatt Hermann’s Bild. v. Bamberg. 541
Daran war der Befehl angefnüpft, daß zu Bamberg ein Hirte
beftellt werde, der im Stande fei, mit Gottes Hülfe wieder zu be-
leben, was durch den Dieb und Räuber geopfert worden fei, wieder
herzuftellen, was jener zerftreut habe. Jet hatte Heinrich IV. nach
der Rücklehr aus Thüringen die Zeit frei, um nad Bamberg zu
ehen und bier für die Neubefegung des bifchöflichen Stuhles zu
orgen. Allerdings ging er dabei in einer Weile vor, welche durch-
aus ber eigenen Auffafjung, die erledigte Kirche einem treuen An«
bänger zuzuwenden, eniſprach, während Gregor VII. in feinen auf
iefe Frage bezüglichen Aeußerungen es jorgfältig vermieden hatte,
gegenüber dem Könige auch nur ein Wort darüber zu äußern,
dab diefer bei ber Erhebung de3 Nachfolger Hermann's betheiligt
fein fönne'®*).
Am 30. November weilte Heinrih IV. in Bamberg, und an
diefem Tage wurde nunmehr durch ihn Ruopert, ber Keopft des
Stiftes St. Simon und Judas zu Goslar — nad) einer Nachricht
fol derſelbe noch andere Stifter verwaltet haben —, an Hermann’3
Stelle ald Biſchof eingefegt und noch am gleichen Tage durch Erz
bifchof Siegfried geweiht. Die Zeugniffe, welche von Ruopert
reden, lauten, da fie von fönigsfeindlihen Stimmen herrühren,
durchaus dem neuen Biſchof ungünftig. Der Hersfelder Bericht:
erftatter, welcher beſonders eingehend auf Hermann’3 Nachfolger
den Blid richtet, fagte ihm, als einem der innigften in alle Ge-
heimniffe eingeweihten Vertrauten des Königs, den übelſten Ruf
124) Dal. zuletzt über Biſchof Hermann’s Auftreten in Bamberg ob. ©.
469 u. 470. Lambert beginnt den Äbſchnitt über das nunmehr eintretende
Borgehen Heinrich's IV.
pontifex crebris legati
nibus vehementer regi
bergensi rectorem provideret (236). Das entipricht dem fchon ©. 471 u. 472 here
vorgehobenen Briefe Gregors VII. an Beinrich IV. vom 20. Juli, Registr. II, 8,
J. 4963, über welchen aud, 1. c., n. 36 handelt. Doc; ungefähr vom 1. Sep:
tember — in ber Anfegung Ainmem bier Dünzelmann und Beyer, seidungen
zur beutichen Geichichte, ‚527 und XXI, 409, ſowie Gielebn t, II,
(wozu 1140) überein: Melper, Papft — VII. und die Biſchoſswahlen, 216,
flo nod) beftimmter auf den 3. des Monats — erging in dem Briefe, Re-
gistr. III, 7, J. 4965, die noch beflimmtere Aufforderung an den König, zu
deren orten: jam diu est, ex quo (de Herimanno, quondam nuncupato
Babenbergensi episcopo) . . . . nobis nostroque confratri Sigifrido Mogon-
tino archiepiscopo et clericis ecclesiae (sc. Babenbergensis) misimus per
noetras litterae (nämlich Registr. III, 1—8) die foeben Lambert enthobene
Etelle zu vergleichen ift Jatle, Biblioth. II, 214). Das 3 ern des Könige
erklärt ſich weit beffer, ald das durch veher, Gorihungen, XXI, 547, geihab,
au® ber fülle ber anderweitigen Aufgaben, welche Heinrich IV. bis um dem
Anfang bee November fit? in Anfprud nahmen, dann aber vielleicht aus der
" gewiflen Rüdficht, die der König, bis die ſachſiſche Sache abgeichloffen war, auf
die Babenbergenses milites, Hermann’3 befte Anhänger, nehmen mußte, die
ihm ſetbſt ja am 9. Juni während der Echlacht den Werth ihrer Dienftleiftung
fo nocbrüdlich bewieſen hatten (vergl. S. 502), jo daß er erft, ald das auf den
22. Seiober neu verfammelte Heer aufgelöt war, gegen ben vom Papfte abgeichten
Bihhof vorging.
it den zurüdgreifenden Worten: Interea Romanus
18 et Babenbergenses cleriei assiduis supplicatio-
inebant, ut jam diu vacanti aecelesiae Baben-
342 1075.
beim Volke nad, weil bafjelbe den Propft als einen ber haupt:
ſächlichſten Anftifter ungereimter und unziemlicher Thaten des
Königs angefehen habe, und anderswo rühmte er zwar an Ruopert,
daß Berfel e im Unglüd oft Heinrih IV. feine Treue bewährt
babe, ftellte ihn aber jonft als einen Mann von einer unmilden
und trogigen Gefinnung bin, welche noch über diejenige der anderen
Gefährten de3 Königs hinausgehe. Der ſächſiſche Zeuge hielt den
neuen Bifhof gar für einen überall hervortretenden Genofjen der
dem König durch ihn zugeſchriebenen Schandthaten, und ein Späterer,
der ihn benügte, nennt Ruopert geradezu einen zweiten Hermann.
Ohne Zweifel entſprach diefe neue Befegung des Bisthums nicht
im geringften den Erwartungen der Bamberger Geiſtlichkeit — jeden-
falls am allerwenigften derjenigen des Propftes Poppo, welder in
der Anfechtung de3 entfernten Biſchofs Hermann vorangegangen
war — ; aber in Hersfeld, wo der ganzen Angelegenheit des, Bam-
berger Streite3 eine jo rege Aufmerkſamkeit geſchenkt worden war,
beftand die Auffaffung, daß in Bamberg, jo jehr an der Perjon
Nuopert’3 Anftoß genommen wurde, doch die Stimmung der Be:
friedigung barüber vorgeherrſcht habe, den Biſchof, gegen welchen
aus Bamberg der apoftoliihe Stuhl angerufen, über deſſen Leben
und Thaten eine ſolche Weheflage von dort aus verbreitet worden
war, nicht mehr haben zu müſſen. Nur die ritterliche Lehnsmann-
ſchaft, welche ja ihre Sache in jo mweitgehendem Umfange mit der-
jenigen Hermann’3 gleich gemacht hatte, äußerte ſich in jehr jcharfer
Weile gegen das vom Könige gewählte Vorgehen, daß nun der-
getalt, während des Lebens des bisherigen Biſchofs und ohne daß
erjelbe in kirchenrechtlich gültiger Weife vor eine Synode vor-
gerufen und ebenfo verurteilt worden fei, ein Nachfolger befellt
wurde. Unfraglic hatte Heinrich IV., indem er Ruopert an Her
mann’3 Stelle ſetzte, durchaus in einer feiner eigenen Berechnung
entfprechenden Weife gehandelt. Deſſen ungeachtet ſcheint man in
Rom gerade an dieſer Bejegung eines deutſchen biſchöflichen
Stuhles, trog der vorher an Heinrich IV. ergangenen, anders
lautenden Weifungen, nod feinen Heftigeren Anitoß genommen zu
haben; benn jonit wäre es ganz; ausgeſchloſſen, daß erheblid
fpäter — das Sendſchreiben ift erit 1081 abgefaßt — ein eifriger
Anhänger Gregor’ VIL, Erzbiſchof Gebehard von Salzburg, nod
anz ausdrücklich auf diefe am 30. November geſchehene Handlung
des Königs fich bezogen hätte, einzig um zu zeigen, daß damals
zwifchen dem föniglihen Thron und dem höchſten Prieſterthum die
Eintracht ganz offenbar noch ungeftört geweſen jei '5).
136) Am eingehendſten ſpricht Lambert von dem Greigniffe, ber Einſehung
und Weihe, wobei er aber den Goslariensis prepositus al8 einen vir peasi-
mae existimationis in populo, eo quod regi familiarissimus et omnibus
eius secretis semper intimus fuisset, et omnium, quae rex perperam et
preter regiam magnificentiam in re publica gessisset, potissimus incentor
extitisse putaretur, und ebenfo nachher ala eine persona ..... haud sane bonum
Abgeneigte Urtheile über Ruopert. Zurüdhaltung Gregor's VII. 548
Nach Ruopert's Weihe war für Hermann jede Hoffnung einer
Nüdkehr nah Bamberg ausgefchloffen. Seine Verurtheilung war
nun in volle Kraft getreten??°). Einzig unter feinen Lehensleuten
testimonium habens ab his qui foris erant Hinftellt (ahnlich a. 1076: preter
caeteros familiares zuos — sc. regis — immitis ac feroeis ingenii vir et
— 5 se in adversis rebus spectatae sepe fidei, 247); nad) ihm warfen die
ilites der Neubejegung des Bisthums — acerrime factum improbabant —
vor, ba fie vivente priore episcopo nee canonice ad sinodum evocato
nec canonice adjudicato geichehen je während die cleriei — etsi eos quam
maxime oflenderet persona ordinati, ſich fügten, da fie wenigftens Hermann’3,
adversus quem sedem apostolicam appellaverant, jept ledig geworben waren
0. ©.) Auch Bruno iſt dem neuen Bilchof jehr abgeneigt, wie c. 15: episcopatus
alii datur, non qui vita et sapientia sit episcopatu dignior, sed qui regis
Alagitiorum major in omnibus fuisset assentator 4) deigt. _ Much dee
Annalift von 1075 an jagt in feindfeligem Zone: mox a rege Ruopertus
quidam, Goslariensis praepositurae et aliarum plurimarum praelatus, ipsius
<onseeretalis intimus, pene omni clero et populo ingratus, subponebatur
d. c.). Gbenfo ſprich x der Annalista Saxo in einem Einiub — demfelben
geht nad) dem Gape: Rex... . emendationis sue vota, que in anxiis rebus
&postolico promiserat, infregit, atque inter cetera excommunicatos in fami-
liaritatem denuo recepit, ald Beiſpiel von conmociones per legatos et
litteras sibi (ec. regi) drentae, der eingelchaltete Brief Registr. III, 7 voraus
— ehr umfreunblid aus: rex vacantı illi cathedre suo more consuluit,
sul to eidem Herimanno alio, nomine Rodberto, non quia vita etc.
. VI, 705: im Anſchluß an Bruno, was der Herausgeber, Waitz, hier nicht
orhob). Bloß von der Thatſache der Nachfolge ſprechen Annal. August.,
oldi Chron., Ekkeh. Chron. univ. — biejer mit ausbrüdlicher Hervor«
Hebung: Ruotpertus & rege subrogatur —, ebenjo Annal. Patherbrunnens.
—— 129, ‚430 — ed. Scheffer-Boichorft, 96). Als den Tag der Beflellung
ech ben König nennen Lambert —, biefer auch mit Hervorhebung bed Ortes:
rex ..... profectus Babenberg —, der Annalift von 1075 an — diefer aus⸗
drüchlid, ala ben der Weihe: jussu regis —, ferner Exzbifchoi Gebehard von
Salzburg den St. Andrend:Tag. Lehterer bietet übrigens in feiner in ber
Epistola ad Herimannum Mettensem episcopum data, c.34, enthaltenen Ans
jabe: ante eandem natalis Domini festivitatem, cum rex natalicium diem
ıdreae apostoli Babenperc celebrasset, tanta adhuc inter regnum ct
summum sacerdotium concordie viguit, ut omne quod ibi in destituto
eiusdem loci episcopo alioque substituto actum est. totum jussioni et
obedientiae Romani pontificis deputaretur. Et ipse quidem prineeps hoc
verbis, hoc litteris a sede apostolica charitativg directis injunctum aibi
fuisse attestatus est. Ecce manifesta indicia huc usque permanentis
<oncordiae (Libelli de lite, I, 279: den erften Gap hat aud Hugo von
Flavion, Chronicon, Lib. II, SS. VIIT, 431,aufgenommen) aud) eine zwar die
inge vom Standpunkte ber päpftlichen Jnitiative aus einfeitig beleuchtende
Angabe über Ruopert'3 Ratfotge Deren Auffafjung entſpricht die Nachricht
bei 3onitho, Lib. VI: alius in Ioeo iu ie. —** —8 — domai
‚ae intronizatus est, qui posten lem — dignitate donat
N, Biblioth. II, 8) pape
1%) Hermann’ Entfernung hebt bejonder der Annalift von 1075 an
or: ob symoniacam heresim a paps Grogorio ordine et episcopatu
jepositus et excommunicatus, ähnlid) Bernoldi Chron. (kürzer: body mit Beir
fügung von a clerieis suis pro simoniaca heresi accusatus), ferner Annal.
Weissembu
.. Yin mendax et rarkhe ade un. sub Gregorio
digna damnacione depositus est (SS. III, 72), fowie ganz fur, Annal.
az t. und Ekkeh. Chroc. univ.
daulbung —, Annal. Patherbrunnens.
mit Hervorhebung ber ſimoniſtiſchen Vers
544 1075.
dauerte ber Ungehorſam noch fort, und Gregor VII. mußte ſich noch
mehrere Jahre jpäter, 1079, an mehrere unter ihnen wenden, wel
nad Hermann’3 Ercommunication und fpäter, in Ruopert's Zeit
hinein, zur Schädigung der Bamberger Kirche fi im Befige von
Gütern derſelben behaupteten 1%”). Der aus jeiner bisherigen Stellung
ausgewieſene Biſchof felbft gab Dagegen feine Anfprüche auf, ſobald
er erfahren hatte, daß an jeiner Stelle vom Könige ein Nachfolger
beftellt fei, in Erfenntniß der völligen Hoffnungslofigfeit feiner Sache.
Er zog ſich jegt in das Klofter Shwarzah im Würzburger Sprengel
zurüd, wo ihn Abt Effebert in das möndjifche Leben aufnahm;
vielleiht aber war das ſchon fogar vor den legten Ereigniffen zu
Bamberg geihehen. Darauf aber begab er ſich alsbald nad) Rom
und erlangte nach vollzogener Buße für feinen Ungehorfam, in
Unterwerfung vor dem apoftolifchen Stuhle, die Losjagung vom
Banne und die Wiederaufnahme in die priefterlihe Würde; aller
dings wollte ein befonders heftig gegen Hermann eingenommener
ſchwäbiſcher Berichterftatter nur von einer fcheinbaren Belehrung
des Schuldigen die Rebe fein lafjen 128).
Weit weniger geräufhvoll, als dieſe langwierige Bamberger
Streitfrage ſich dargeftellt hatte, war die Neubejegung eines der
Bamberger Kirche unmittelbar benachbarten Bisthums gefchehen.
Am 2. Auguft war nämlich, nicht ganz ſechsundfünfzig Jahre alt,
Biſchof Gundechar, der zweite feines Namens in der Reihe der
Bifchöfe von Eichftädt, geftorben, nachdem er nahezu — Jahre
der Leiter diefer Kirche gewejen war. Ein Vater gütigfter Gefinnung,
nicht der Herr feiner Geiftlichfeit, defjen ganzes Trachten ſtets auf
den Nuten feiner Kirche gerichtet war, jo habe der Biſchof ſich
gezeigt, hoben die Geiftlichen feiner Kirche felbft hervor. Ebenjo
pries der Mönd; des zum Sprengel Gundechar's gehörenden Klofters
1) Vom fortgeiepten Xreiben von milites Babenbergensis ecelesiae,
deren mei > * Sec VI. {pricht Fi accopistis bon ip, —
introitu nbergensis episcopi H. jam iti, vier weitere illius
excommunieationen 2 ab hie see bie en ea ab —E
—J einer nachher noch zur Zeit der Haft Biſchof Ru 3 — vergl.
au 1077: bei n. 17 — jam memoratae ecelesiae bona de manu regis
accepisse belannt ift, ſpricht Registr. VI, 19, J. 5105, von 1079 (l. c., 356)
*) Sambert erzählt von Dem weiteren Gchidjalen, ber Verſohnung
in Rom, dem Rüdgug nach Schwarzad eingehend (237), während ber Annalift
von 1075 nur wieder die Kehrfeite der Dinge fehen will: conversione simulata,
ab apostolico mox reconciliatus, monasterium Svarzaa petit, illie se
monachum fieri professus (Il. c.). Der erftere [äht auäbrüdli; sub Eggeberdo
abbate den gewejenen Biſchof den sanctae conversationis habitus annehmen ;
damit vertrüge fi allerdings nicht der ob. 6. 96 in n. 105 erwähnte Todestag
Abt Eftebert’e, oder Lambert berichtet irrig, indem er Hermann erfi — com-
perto quod alius in locum eins subrogatus esset episcopus — in das lofter
gehen läßt, jo daß derſelbe aljo thatjälich fon vor dem 30. November die
Ausfichtlofigteit einer Sache begriffen und ſich zurüdtgezogen hätte. Bas würde
jedoch and; Hermann’s Preisgebung durch den König —— ertlären. Allerdings
müßte dann aber Lambert etwas Unrichtiges vorbringen, wenn er Hermann
assumpto secum eodem abbate suo nad) Rom gehen lieh.
Hermann’s Verzichtleiſtung. Lebenswerl u. Tod Biſch. Gundechar's v. Eichſtädt. 545
Hertieden im Anfange feiner den Biſchöfen von Eichſtädt gewid⸗
meten Seihiätserit lung den bei der Anhandnahme bes Wertes.
verftorbenen dor, mit weldem der Verfaſſer ald Theil-
nehmer an befien Geheimniffen viel in Verbindung gemwejen zu fein
fi rühmte, als einen Mann von außerordentliher Güte, deijen
Gebähtniß unvergänglih fein folle Ganz beſonders hatte aber
auch Gundechar felbft fich beftrebt, Zeugnifle über feine Thätigfeit
für die ihm anvertraute Kirche zu jammeln und zu binterlaffen,
und von mehreren erwähnten Werfen ift wenigſtens eines erhalten
geblieben, welches ſchon durch feine äußere Km, durch die zierliche
reich geſchmückie Schrift ſich auszeichnet. Auf Gundechar s Koſten
elegt, zu gottesdienſtlichen Zweden beſtimmt und zu dem St. Willis
bald’3 Altar des Domes gewidmet, enthält baffelbe auch gefchicht-
liche Nachrichten eingetragen, denen nad Vollendung bes Ganzen
ber Bifchof jelbft mod einige Ergänzungen mit eigener Hand bei⸗
fügte. An die KH der Reihe ber früheren Eichftädter Biſchöfe
ſchloß fich eine Anzahl Angaben über Gundechar's Leben, befonders
die Meberficht der von ihm vollzogenen Weihehandlungen, an Altären
und weiter an Risen und Kappellen, deren Zahl bis auf hundert
ſechsundzwanzig anfteigt; unter weiteren Eintragungen fteht auch
die Nennung von vierzehn Eihftädter Domgeikligen, welche in der
Zeit des Gedenkens des Biſchofs, er ſelbſt inbegriffen, zu höheren
geiſtlichen Würden emporftiegen, eine hl, welde, zumal da ein
Papſt Victor II., ein Patriarch Gotebold von Aquileja, ein Erz—
bifchof Gebehard von Ravenna darunter ſich befanden, den befonderen
Stolz Gundehar’3 ausmachen mußte. Weberhaupt ſcheint eben der
Biſchof, der fonft, objchon er vor feiner Wahl Kappellan ber Kaiſerin
Agnes gewejen war, allem Anfcheine nad nirgends mehr in den
Angelegenheiten des Reiches beftimmter hervortrat, feiner Kirche, der
er ſchon als Schüler angehört hatte, feinen ganzen Fleiß gewidmet
zu haben. In der dem Evangeliften Johannes geweihten Kappelle
des Domes, deren Altar er gleichfalls geweiht und beſchenkt hatte,
war ſchon vorher die Begräbnißftätte duch Gundechar beitimmt
worden. Nachfolger des Biſchofs wurde zu Eichftädt Udalrich 120).
12%) Vergl. über Gundechat Bd. I, S. 4446, befonders auch n. 41, mit
ber dort genannten Epeciallitteratur, Der SS. VIL, 242—250, herausgegebene
HiRorifcfe Inhalt des Liber pontificalis — Bethmann handelt einleitend,
39 fl., von Gunbegar — if die Hauptqueile über die Thätigfeit bes Bilchofs,
binfihtlih Deren auch ber Jeſuit Petrus Bofchius in bem ‚eta Sanctorum,
Augusti 'I, 175-182 (bajelöft, 182 u. 183, ein Zeugniß über eine kirchliche
Gtiftung aus bes Siſchoſe Seit, mit den anerfennenden Urteilen ber Eicjfläbter
Domgeiftlichkeit über den Bifchof), fich verbreitet. Der Anonymus Haserensis
zebet in c. 1 von Gunbechar und fprigt in c. 2 von den momnulli libri, in
welchen Gunbedjar Seugniß von fidh hinterlieh: qualiter ad pontificalem
Peryenenit dignitatem, ipee breviter composuit, et . . in nonnullis
is seriptum dereliquit (SS. VII, 254), von denen augenjcheinlich nur der
Liber pontificalis übrig blieb. Gundedar's Geburtätag if in bem Liber
pontificalis felbft angegeben — Anno d. i. 1019... in festo sancti Lau-
rentii —, der Todestag — nebft der Angabe: Sedit annos XVII — ebenda
Weyer von Auonau, Jahrd. d. btih. R. unter Heinrich IV. u. V. ®b. II. 35
546 1075.
Außerdem ordnete Heinrich IV. aber auch, gleichfalls zu Bamberg,
am 1. December, nur einen Tag nad) Ruopert'3 Einjegung, die
Nachfolge in der Abtei Fulda und augenfcheinlich kurz darauf die
in der Abtei ch, und zwar mit ſolchem Nachdruck, daß niemals
fonft feine königliche Stellung zu ben Reichsabteien deutlicher ſich
darftellte, al3 in dieſen an einem und bemjelben Tage feftgeftellten
Berfügungen 180),
bt Widerad von Fulda war, abgefehen von feinem hinkenden
Fuße, der ihn ſchon von Kindheit an gehindert hatte, feit zwei Jahren
fo ſchwer gelähmt geweſen, daß er nur noch mit Hülfe eines Stodes
ober geftüßt auf die Schultern von Dienern fi) vorwärtsbewegen
Tonnte. Deſſen ungeachtet durfte er am 8. Juni bei der Sammlung
des Heeres zu Breidingen nicht außbleiben, da der König die Fürften
des Reiches, welche zu ihm Bielten, zu ber fahrt vereinigt um
ſich jehen wollte. Allein nachdem Widerad, jedenfalls mit feinen zu
dem Heere gelieferten Kriegern, ſich durch die glühendfte Sonmenhige
auf einem Wagen nach dem Sammelplage begeben hatte, fühlte er
fi) dur das Getöfe in der ihn umgebenden Menge und die Gewalt
des in Bewegung gefegten Staubes fo beflemmt, daß er den Geift
aufgeben zu men meinte und nad) Fulda zurüdgebracht werben
mußte. Zwar erholte er ſich hier wieder nad kurzer Weile von
diefem legten Anfalle ; aber er gewann doch die Sprache nicht zurüd
und ftarb nad fr ſchwerem Leiden, die noch ſechs Wochen währten,
am 16. Juli. Als ein Mann voll feurigen Gottvertrauens wurde
er in Heröfeld beurtheilt; Daneben war aber die Anfiht in dieſem
benachbarten Klofter vorhanden, daß Widerad's Andenken in Fulda
fein vortheilhaftes gemejen jei, da fi mit demfelben die Erinnerung
an die zahlreichen Unglüdsfälle verknüpft habe, welche die Geltung
des Kloſters in feinen Tagen herabgebracht hatten !2}).
im 12. Jahrhundert durch Biſchof Otto nachgetzagen (d. c., 245, mit n. d)
Auch die Annal. necrol. imiens. nennen zu 1075 Gundekar episcopns
den viertleten von 25 Namen (88. XIII, 222). Im Liber pontificalis ift in
dem eingerüdten Ralendarium die dedicatio capellae sancti Johannis evan-
gelistae, 1062, ctwähnt: in qua domnus episcopus Gundechar secundus
sepulturam suam preordinavit, und gejagt, Gunbedjar habe dem da geweihten
Altar u. a. aud) crux sun argentea geldhentt, quam solitus erat in collo
suo pendentem habere ad missam (I. c., 249, 246: vergl. 242 die Zigur biefes
Au her gegrvideien Kreuzes). Den Biſchofswechſel erwähnen Annal, August.
. )-
20) Voigt, Die Klofterpolitit ber ſaliſchen Kaifer und Könige (etc), hebt
diefen Umftand, 64, hervor.
181) Schon vorher ſprach Lambert von Abt Widerad — vergl. Dh. I,
©. 175 — bei der Schilderung des zur Bekämpfung der Sachſen fi) fammelnden
königlichen Heeres — denn: Eum (sc. Wideradum) tamen nec tam molesta
valitudo cxcusare poterat a milicia —, hernach vom Tode besfelben, mobei
in_ eigenthümlicher BBeife gelagt wird, der Abt fei suis tamen omnibus ad-
modum invisus geivelen, propterea quod in diebus eius Fuldense nomen
multis calamitatıbus vehementer attritum et pene omnino oblitterstum
fuisset (225. Mit Lambert übereinftimmend fegt das Kalend. necrol. b.
Mariae Virg. in Monte Fuldens. ®iberab’3 Zod zu XVII. Kal. Aug.
Ay. Reubeiehung d. Abteien Fulda u. orſch (Wiberab, Udalrich geflorben). 547
Erft vor wenigen Tagen, am 24. November, war aber auch
E Lorſch Abt Udalrich geitorben, jener thatkräftige Vertheidiger
v Rechte feines Klofters, welchem deßhalb auch mit Recht in
demfelben nachgerühmt wurde, er fei nicht ‚geflohen, wenn der Wolf
tam, und habe feine Schafe nicht verlafjen'??).
Für Sulba war -- fo wurde wenigftens in Hersfeld die Sache
in fehr le ba ten Farben, jedenfalls ganz übertrieben, dargeftellt —
eine eigentliche Wettbewerbung um den erlebigten Abtsſtab beim
Könige begonnen worden. Aebte und Möndje jollen fi in ber
allerabftoßendften Weiſe von verjdiedenen Orten her in Bamberg
eingeftellt haben, al3 Heinrich IV. mit den Fürften wegen diefer
age zur Berathung ſaß. Nun aber ſcheint — jo wenigftens lautet
Hersfelder Beriht — der König jedermann durch die plötzliche
Darlegung feines Entſchluſſes überrajcht zu Haben, mit welcher er zu-
gleich die ſich breit machende Zudringlichkeit aufs nachbrücklichſte
Te Einen Heröfelder Mönch Ruozelin, der im Auftrage
jeines Abtes wegen einer Angelegenheit des Klofter3 am den Hof
a war, rief Heinrich IV. in die Mitte und bot ihm, der
ich felbft der Sache gar nicht verfah und ganz betroffen war, wie
verfihert wird, den Hirtenftab des Abtes dar, jo daß er als der erſte
ihn ala Abt von Fulda erwählte und die Mönde und Lehensleute
dringend aufforberte, in diefe Wahl einzumilligen. Eine allgemeine
frubige Zuftimmung fol danach eingetreten fein, die fi in Zuruf
indgab, und die Ermahnungen der anwejenden Biſchöfe überwanden,
wie aus Hersfeld betont wurde, die von Ruozelin eifrig geltend
gemachten Gründe der Ablehnung "°®).
In ähnlicher Weife ging es — wohl auch noch in Bamberg —
mit der Ausfüllung der in Lorſch entftandenen Lüde. Hier hatte fich
der Propft, mit Unterftügung der Klofterinfaffen und der Lehens-
Sohmer, Fontes rer. German., IV, 453); ebenfo nennen die in n. 129
ditirten Annal. necrol. Widerad an der fünfgehnten Stelle. Marianus Scottus,
&. 1097 (teip. 1075), jept mur ganz furz ben gleichen Tag an (SS. V, 561 —
dezu fügen 2. 2** nodı: Ruozelinus post eum successit). J
13%) Im Chron. Lauresham. wird Udalrich ald meritorum preconiis .....
longe Iateque celebris effeetus ..... . dignus laude, dignus memoria, qui
kupo veniente non fügit, non oves dimisit, set ascendit ex adverso et ob
Pposuit murum pro domo Israel, gerühmt, feine Regieeumgeneit aber unrichtig
auf nur neun Jahre (vergl. Bd. I, S. 475) angejeht (SS. XXI, 421), Tie in
n. 129 angerufenen Annal. neerol. haben unter dem glei dor Gundechat ge»
nannten Uodalrich abbas jedenfal$ dieſen Abt verftanden. Rad) dem Kalend.
neerol. Lauresham. ift VIIL. Kal. Dec. ber Todestag (Böhmer, 1. c., III, 151).
188) Sambert jet ausbrüdlich bie Neubefegung der Abtei Fulda zum Zage
mac) dem 30. November an: Postera die, cum ad eligendum Fuldensem
abbetem rex cum prineipibus assedisset . . ..; daß bie von ihm einläßlich
berichtete Art der Inveftitur im fubjectiven Sinne durch den Hersfelber Schil«
derer vorgeführt if (236 u. 237), vergl. in Egcura I (außerdem ift in Lambert's
Darftellung des Vorganges beſonders die letissima acclamatio der cuncti qui
aderant .... . suffragium ferentes zweifelhaft, und ähnlich hebt Sambert die
tium episcoporum obtestacio — gegenüber dem fi) weigernden
lin — fehr —& hervor).
35*
548 1075.
mannfchaft, die Hoffnung auf die Nachfolge gemacht, und er ſchien,
da er ſich durch viele Dienfte des Könige jank gewonnen hatte,
feiner Sache ganz fiher zu fein. Statt den 30g der König plöß-
ich einen anderen mit den Brüdern feines Kloſters herangefommenen
Mönd) von Lorſch, Adalbert, der nichts dergleichen erwartete, indem
er mit der Hand an ihn rührte, in die Mitte und überreichte zu
allgemeinem Erftaunen dem Ueberraſchten den Hirtenftab !°*).
Aber in diefen Wochen gegen Ende des Jahres trat nun auch
neuerdings eine unmittelbare Anknüpfung Gregor’3 VIL, in ber
Angelegenheit der ihrer Freiheit entzogenen fächfifchen geiftlichen
ürften, an Heinrich IV. heran. Der Papft machte einen Verſuch, die
iebereinfegung der aus dem Amte entfernten Bifchöfe durch eine
Botſchaft an den König herbeizuführen 86).
Doch überhaupt hatte fih im Derhältniffe des Königs zum
Papſte eine Entwidelung herausgeftellt, welche jehr leicht zu
weiterer entſchiedener Wandelung der Dinge die Ausgangsftelle dar-
bieten fonnte.
Durch Gregor VII. waren während bes Verlaufes bes Jahres,
ganz vorzüglich feit der Fafteniynode, mehrere Pläne an die Hand
genommen, weiter tragende Gebanfen geäußert worden, welche be
wiefen, daß der Papſt, trog mehrfacher Enttäufchungen, die ihm
voran auf dem Felde feiner auf Stalien ſich beziehenden Berechnungen,
geſchehen waren, in fühner Weife feine Anfhauungen von der Macht⸗
184) Sambert ſchlietzt mit: Similiter defuncto nuper Uodalrico abbate de
Loressan (etc.) die Belegung von Karlh here an (237), ſcheint alfo den
Vorgang auch noch in den Bamberger Aufenthalt zu verlegen. Tas Chron.
Lauresham. ift nicht gänftig für Adalbert geftimmt: Adalbertus in eodem
regimine substitnitur, quo vix biennio funetus, incertum quibus de causis,
deponitur, set alter ei non meliori auspicio subponitur (I. c.).
185) In dem unt. bei n. 171 wieder zu erwähnenben Briefe Heintid'8 IV.
an de Kätter am Inder Ua Mr io af, Biblio. er Gernan .
, 100) -—, wel loto, Kaiſer Heinri > n. 1, , [3
Giefebrecht, III, 1199, in den „Anmerkungen“, gleigmäßig gerwiß richtig bieher
sieben, gen bie Worte: quid hec curis et conventus dictaverint et aenserint
nit, wie $loto, 1. c., 484 n. 3, annimmt, auf einen „großen Fürftentag, welder
am 30. November in Bamberg flattfand“ — nur für Goelar if, tür Ende
December, ein ſolcher anzunehmen (vergl. Guba, Ter dentiche Reichätag in den
Zahren 911-1125, 128), und ein folcher in Bamberg läge zeitlich viel zu nı
an dem anderen —; ob mit Giefebrecht, IIT, 328, zu fd;ließen ift, daß bie
Tichen Zegaten etwa um die Mitte des December am Hofe eintrafen, wohl fe
in Goslar, wo dann ber König jchon vor dem Weibnachtäfefte eingetroffen
wäre, dürfte nad) der Wendung des Sapes in dem Briefe: Quem diem (se-
quem nos causae eorum — transfugarum episcoporum — ventilandae con-
stitnimus) et terminum eosdem papae legatos hie expectare scias — vermuthet
werden, da der König unter hie nur einen für eine gewiſſe Zeit bleibenden
Aufenthaltäort verftchen tann (bodj if teineswegß, wie @iefebreiht, 1. «> fagt,
als ber dies et terminus dad Weihnadhtäfeft angnjehen, da bie curia et con-
ventus eben der unt. ©. 583 ermähnte Reicht iag fein muß: der Brief muh
gleich nad} dem Weihnachtätage geichrieben worden fein).
Gregor's VII. Furſtrache f. d. ſachſ. Biſchofe. — Gregor's VL. Machtplane. 549
fellung des römifchen Stuhles immer großartiger ausbehnte und
danach feine Mafregeln wählte. Auf den von den Vorgängern und
von ihm felbft feit der Wahl gefchaffenen Grundlagen galt es, das
folge Gebäude der aus Rom zur Geltung zu bringenden Anſprüche
immer fefter zu fügen.
Aber auch in allgemeinen Worten ftellte Gregor VII. bier und
dort in den von ihm ausgehenden Schreiben Grundfäge auf, nad)
melden er feine Herrſchaft zu geftalten fih vornahm. Hatte er
früher einmal, als er Archidiakon der römischen Kirche war, ja
ſogar noch vorher, vielleicht vor dem Jahre 1059, gegenüber Petrus
Damiani den Wunſch geäußert, daß diefer aus den Lebensbefchrei-
dungen und den gefammelten Entſcheidungen der römifchen Päpfte
in einem Heinen Bande Alles zuſammenſtellen möchte, was für die
Mahtübung des apoftolifhen Stuhles befonders in Betracht
zu fallen jcheine?3°), jo ließ er ſich nun felbft in feinen Kund»
12%) Daß Petrus Damiani früher aufgefordert geweſen war, bezeugte er
Yan in 5:
ame..
em
don 1866, 148—150, ansdrüdlic diefes Programm für ben Papft, und zwar
Gregorius VL, IT, 422 n. 1, welcher für die darin vereinigten „Lehrjähe des
fted“ „volllommen fefiftehende Aechtheit" annahm, während 3. B. Hefele,
ioneiliengefchichte, V, 75, fid dahin ausipradh, bak, „wenn aud mande von
den Süßen (chwerlich alte) die Ideen Gregor's ausdrüden und feinen An:
Fonmungen von der Bielung Rum’s gemäß find, doch er ſelbſt nicht ihr Ber-
fer ift, ſondern wohl einer feiner Berehrer wirkliche oder vermeintliche Behauptungen
«(dietatus) bes groken Papfted nach eigenem Erineſſen hier aufammengeftelt Bat,
um einen Meberblid über die Rechte des römiſchen Stuhles zu geben“, oder
Rocquain, Quelques mots sur les dietatus papae, Bibliothöque de [’&cole
des chartes, XXXII, 378, den Stil der Zheien und denjenigen der Briefe
Gregor’3 VII. nicht übereinjtimmend fand. Mebrigens hatte aud) Gieſebrecht.
le, 149, n. 58, jorgehoben, daß, vor der Vereinigung der Gäße, eine unter
fih verfhiebene Zeit, wegen einzelner Stileigenthümlickeiten und Ungleichheiten,
u ie Anbetracht der beftehenden mangelhaften Anordnung, für bie Aufgeihnung
ben anzunehmen fei. Rod) zuleßt war Löwenfeld, im Neuen Archiv ber
Schellfchaft für ältere deutihe Geicihtätunde, XVI, 198 ff, deßwegen zur
Auskunft gelangt, daß die Echrift aus einer Sammlung von Randnotizen hers
vorgegangen welde der Papft zur Abwehr bei einer Schrift_eines Parlei ·
gängers Heii '8 IV. gemacht habe, behufs Betonung der päpftlichen Präros
iden. durch Gadur, Der Dietatus papae und die Canonfammlung
gati . Allein
des Denabedit, 1. c., XVII, 185 ff., ift die Erörterung auf cinen anderen Boden
550 1075.
ebungen unmißverftändlih hören. In einem Briefe an König Svend
Aber ſich Die Auffaffung eingefchaltet, daß eine allgemeine Leitung ber
Dinge, nicht bloß der Könige und Fürften, fondern aller Chriften dem
päpftlihen Stuhle überbunden fei'?”), und infolge defien hat nun
Gregor VII. ſchon während ber erften Hälfte de Jahres in große
Entfernung hinaus feine Einwirfungen auszudehnen verfucht. Der
unbedingte jeden anderen Aufbruch zurüddrängende Vorrang ber
römifchen Kirche ftand für ihn als Forderung nicht weniger feft,
als die auf den Synoden hervortretende gänzliche Vereinigung der
vollen kirchlichen Gefeggebung in Rom.
er Kampf um die Krone von Ungarn Hatte die Aufmerkfam-
keit de3 Papftes ſchon im vorhergehenden Jahre auf ſich gezogen.
Während an Herzog Geifa aufmunternde Zuficherungen abgel ickt
worden waren, hatte ber an die Grenzen jeines Reiches gedrängte
König Salomon, als er fi) an Gregor VII. auch feinerjeit3 gewendet
hatte, eine weitgehende Änſprüche in fi enthaltende, unfreundlich
abweifende Antwort erhalten !°°). Defjen ungeahtet muß auch die
Gemahlin Salomon’s, die Rönigin Judith, Heinrich's IV. Schwefter,
welche allerdings noch ftet? am beutjchen Hofe fich aufbielt, jedenfalls
Hinübergerüdt worben. Derſelbe beweift durch Gegenüberftellung, de bie Indices
capitulorum der Sammlung Deusdedit's mit ben Theſen des Dietatus bie engfie
Derwandtichaft zeigen, und weiter wird dargelegt, daß ber Dictatus gegenüber
Deusdedit eine Verſchärfung und Steigerung der einzelnen Gebanfen und ber
verfchiebenen Forderungen in fid) enthält, ganz befonbers durch Einfchiebungen
von Worten, wie solus: daß nämlich der dark alleiniger Träger ber genannten
Nechtsaniprüche fei, oder von nec in perpetuum neben numquam, oder durch
die erhiebung Er 9: Quod solius papae les omnes principes deoscu-
lentur, ftatt bes einfacheren Deusbebit’ihen Sahes: Quod illius pedes a fideli-
bus osculari debent. Da nun nicht daran zu benfen if, daß ein jo eut ⸗
ſchiedener Gregorianer, wie Deusdebit, die Betimmtheit von Säßen des Dictatus
abgeihwächt habe, muß vielmehr das Berhältnik ein umgelehrtes fein, fo daß
Deusdebit bem Berfafler bes fogenannten Dictatus vorlag. Ebenjo würde Deus⸗
dedit nicht ein ihm als Manifet Gregor’ VII. beftimmt befanntes Echriftlüd
bloß im Inder benügt, vielmehr die Cäße ala päpflliche Picta in die Sammlung
felbft aufgenommen haben. Alſo ift der fogenannte Dictatus auß den tanos
niſtiſchen dichngen des Hoſtanoniſten Deusdedit entſtanden und kann nicht
in das Jahr 1075 gehören, muß folglich aus der ihm biöher eingeräumten
Berbercogen en Stelle hinmweggerüct werden. Gadur ftellt, 150 fi-, mod als
Imalogie eine von Cöwenfeib FIBR- 1. c., 198 ff., Secangeaogene, aus einer hand⸗
ſchriſt von Apranches des 12. Jahrhunderts mitgetheilte Reihe von Sägen hin,
welche Löwenfeld ala eine Weberarbeitung bes Dictatus erflärt hatte. Bielmehr
find dieſe Säpe des oder von Apranches ähnlich wie ber Dietatus, eben eine
rivate, vielleicht officidſe, jedenfalls nicht direct vom Papfte herrührende Zus
jammenftellung bon ;töfäßen, welche die Summe dekjenigen enthält, was die
tanoniftifhe Forſchung jener Zeit zu Tage förderte. Nach biefen Grgebniffen
Sadur'3 fann von einer Anwendung der Gäße des Dietatus zur Beleuchtung
der Zeitlage im Jahre 1075 nicht mehr die Rede fein.
32) In dem ob. S. 444 n. 445 ſchon herangezogenen Briefe an König Spenb
fagte Gregor VIL.: Nos equidem ja nunc non solummodo regum et prin-
cipum, sed omnium christianorum tanto propensior sollicitudo coartat,
quanto ex universali regimine. quod nobis commissum est, omnium ad nos
causa vieinius ac magi — broprie spectat (l. c., 167).
’28) Vergl. ob. ©. 386 u. 387, 431 u. 492.
Gregor’ VIL Betonung d. Borrangs d. rdmiſch. Stuhls: gegenüber Ungarn. 551
aber im Auftrage ihres Gemahls des Königs, an den Papft ihre
Bitten gerichtet haben; denn ſchon am 10. Januar hatte dieſer
an die Königin — dieſen Titel gejteht er ihr ganz offen zu — ge-
ſchrieben, um ihr feinen Troft zu bringen. Gregor VII. erinnert
da fon gleih im Eingange die Empfängerin de3 Schreibens an
die vielen und verfiebenartigen Urſachen, um deren willen er von
ber innigften aufrichtigen liebevollen Theilnahme für fie erfült fei,
und hebt dabei ganz beſonders die vortrefflihen Beziehungen, bie
für ihn gegenüber den Eltern der Königin ſtets vorhanden geweſen
feien, hervor. Er erinnert fih, wie Kaifer Heinrih III., wie die
Raiferin Agnes, feit der Zeit, wo fie ihn kennen gelernt, ftets auf
dem Fuße ehrenvoller Behandlung mit ihm verkehrten und ihm vor
den anderen Söhnen der römiſchen Kirche Liebe bewiefen. Aber
vorzüglich gereicht jegt die Anweſenheit der Kaiferin in Rom ihm
öfters unter den nichtswürdigen Wirren dieſes Weltlebens zur
Tröftung. Doch auch ber vortrefflihe Auf der ungarifchen Königin
ſelbſt, daß fie ſchon in fo zartem Alter unter einem unbekannten
rauhen Volke den Ruhm ihres Gefchlechtes verziere, in ihrem Lebens⸗
wandel und ihrer Saltung nichts Anderes, als die Zierde ihrer
faiferlihen Abftammung, darlege, dient berjelben zur Empfehlung.
Gregor VII. verfichert, die Königin wie eine leiblihe Schweiter zu
lieben, für fie durch feine Gebete, wenn fie bei Gott überhaupt
etwas vermögen, feine Freundſchaft zu beweifen, fo daß er aljo
auch für fie und ihre Anfechtungen das lebhafteſte —A hege.
So fordert er fie auf, daß das jetzt auf ihr laſtende Mißgeſchick
fie nicht ſchrecken möge: nad} der von der Natur ihr eingepflanzten
Tüchtigkeit —— Weſens ſoll ſie geduldig dieſe ſchlimmen Dinge
ertragen, feſte Hoffnung und Vertrauen auf Goit ſetzen. Mit
weiterer frommer Betrachtung entnommenen Gründen ſucht ber
Papſt die Bebrängte aufrecht zu erhalten, unter erneuter Betonung
ber in dem herrlichen Namen ihrer eblen Abftammung enthaltenen
flügenden Kraft. Endlich beftätigt er noch der Königin, daß er
nad ihrer Bitte über ihre Angelegenheit der Kaiferin Mittheilun,
acht habe, wie er dann Alles, was ſich auf das Befte und auf
ie Ehre ber Tochter begiehe, der Mutter gern in gegenfeitiger Be-
rathung entgegenbringe 1°).
189) ästr. II, 44, J. 4921, zeigt beſonders in der Wendung: Scias
enim, od Te wibulationibus et ie quas te sustinere ——
valde dolemus et divinam elementiam pro quiete et laetitia tua frequenter
&t suppliciter Imploramus; et, si quando locus aut tempus opportunitatem
dederit, temporalibus quoque subsidiis te honorare quam maxime cupimus.
Ceterum ea, quae nune U instat, adversitas non {e_terreat nes mentem
tuae generositatis deprimat — ben Willen, unter fhönen Worten nichts
—A au antworten. Gigenthümlid; ift dem Briefe bie ſteis wiederholte
Berheerlichung der Abftammung Judith’: in excelso nata imperio — mens
tuae generositatis — vultus regalis constantiae gestusgue — naturalis
morum tuorum virtus — praeelarum nomen vitae ac nobilitatis tuae, ab
ineunte aetate nactum — tua natura et imperiale germen — u. a. im.
552 1075.
Gegenüber diefer Zurüdhaltung, melde, bei allen tröftlicen
Zuficherungen, ber in Noth ftehenden Königin, gejchweige denn
ihrem Gemahle, nicht die kleinſte wirkliche Ausſicht auf Hülfe auf
ſchloß, fo daß unzweifelhaft die Abficht, mit der fih Judith an
Gregor VII. gewandt hatte, gar nicht erreicht war, hebt fich nun
in eigenthümlicher Weife die Befliſſenheit ab, mit welcher der Papft
Herzog Geiſa fi, fortgefegt anzunähern- ſuchte. Obſchon Geifa ſich
den Anſchein gab, daß er ein früheres Schreiben Gregor’3 VIL,
das dem römijchen Gejandten nad) Ungarn mitgegeben worden war,
night erhalten habe, jhidte Gregor VII. am 23. März neuerbingd
ein joldes an den Herzog ab. Er lobte da, daß ihm von Geija’s
Berjon und Handlungen eine ehrende Nachſage zu Ohren gekommen
jei, und verfiherte ihn feiner liebevollen Gefnnung. Aber fogleih
lenkte der Papft auf jene ſchon früher gegen Salomon zum Aus:
drude gebrachten Auffaffungen über die ftantärechtliche Stellung des
Reiches Ungarn ab. Danach) fol dasfelbe, ſowie andere ſehr edle
Reiche, im Stande eigener Freiheit bleiben und feinem Könige eines
anderen Reiches unterworfen werben, als allein der heiligen und
allgemeinen Mutter, der römifchen Kirche, welche die Unterworfenen
nit wie Knechte hält, fondern wie ihre ſämmtlichen Söhne auf
nimmt. „Weil nun — fo fährt Gregor VII. fort — Dein Ber
wandter vom beutjchen Könige, nicht vom römiſchen Papfte, dieſes
Reich in mißbräuchlicher Weife inne hatte, hat, wie wir glauben,
ein göttliche Gericht feine Herrfhaft gehindert. Da aber die An-
gelegenheit in Deinen Händen fteht, ermahnen wir Did, daß Du
angeftrengte Sorge auf die Kirchen anmwendeft, um bie Religion den
höchſten Eifer Bariegent und ben Legaten ber heiligen römijchen
Kirche, wenn fie zu Dir fommen, einen folden Gehorjam erweiſeſt,
daß Du durch die Hülfe des heiligen Petrus in diefem und jenem
Leben Ruhm und Ehre genießen magit“ '*%).
Auf einem hievon etwas abweichenden Boden fteht hingegen
ſchon glei mit Anbeginn der am 14. April an Geifa abgelajjene
Brief. Denn jegt ift e3 für Gregor VII. eine mit Sorge gehegte
Herzensangelegenheit, daß, wo möglich, zwiſchen dem Herzog und
Salomon, dem ihm verwandten Könige, der Friebe zu Stande komme,
fo daß, indem die Gerechtigkeit von beiden Seiten aufrecht erhalten
wird, einem jeben der beiden das Seinige genüge und das ungariſche
Die ſchon ©. 281 in n. 160 angerufene Stelle lautet: clarissimus imperstor
Heinricus pater tuus et Agnes mater tun... . . , ex quo me cognoverunt,
Bro sun mögnitudine honorifice et prae ceteris sanetas Romanao esesine
lüis caritative habuerunt (I. c., 16-158). Zaß Judith bei Heinrid) IV.
fid) aufhielt, vergl. ©. 406 n. 139.
„1% Registr. II, 63, J. 4944, beginnt mit der Grinnerung an ben früheren
Brief: Licet per legatos, quos pridem ad nos direxisti, miserimus tibi
litteras, quas nondum te asseris percepisse . . . . und führt dann in den
im Zexte ftehenden Wendungen die ſchon oben ©. 492 gemürbigten, damals
g \müber dem consanguineus tuus, Salomon, zum Ausbrude gebradjten zimie
en Anfprüce abermald aus (I. c., 183 u. 184).
Gregor’3 VII. Kundgebungen am Königin Judith u. Herzog Geil. 558
Reich den Frieden genieße; bafjelbe hat nämlich bis dahin haupt-
fählih dadurch feine Kraft behauptet, daß in ihm ein König, nicht
«in Königlein gebot. Wieder fommt dabei der Papſt auf jenen
Machtanſpruch der römiſchen Kirche auf Ungarn, hinſichtlich deffen
er kurzweg annimmt, Geifa anerfenne denjelben, fowie darauf, daß
Salomon dur Unterwerfung unter Heinrich IV. eben zum König-
lein fi herabgewürdigt habe, in feinen Ausführungen zurüd. Dann
ſpricht er die Anfiht aus, eben deßhalb habe der Herr die Macht
in dem Reiche, nad feinem Urtheile, auf Geifa übertragen, Salo-
mon’3 Schuld habe eben barin gelegen, daß er bes Rechtes, fo
weit er es früher bei Fefthaltung der Königsherrſchaft gehabt haben
mochte, durch jene gegen Rom gehende kirchenſchänderiſche Anmaßung
fi) beraubt habe. Allein das päpftliche Schreiben endete wieder,
ges dem legten, in allgemein gehaltenen Anmeifungen, wie fih
Herzog gegenüber der römiſchen Kirche zu verhalten habe, nebit
dem —e darauf, daß genauere Eröffnungen den Ueberbringern
pr ßreibens zur Mittheilung an denſelben anvertraut worden
jeien '#1),
Ausdrüdli hatte Geifa von Gregor VII. die Aufforderung
erhalten, feine Wünfche genenüber der römischen Kirche in vertrau-
licher Weife zu eröffnen 4°). Allein es ſcheint nicht, daß der Herzog
diefer Einladung nachgekommen ſei; denn ein Zeichen fortgejegten
Verlehres de3 Papftes mit demfelben liegt weiter nicht vor. Ueber⸗
haupt aber hatte Gregor VII. in feinem Vorgehen gegenüber Ungarn
einen Erfolg für ſich nicht errungen. Durch die ftet3 von neuem auf-
geftellte Behauptung, daß Ungarn der römiſchen Kirche als Eigen-
thum angehöre, daß Salomon durch die göttliche Strafe getroffen
worden jei, weil er das nicht habe anerkennen wollen, dadurch daß
er fein Reich von Heinrich IV. zum Lehen nahm, wollte der Papit
einen der beiden um ben Befig von Ungarn fich befämpfenden
Herrſcher dazu bringen, daß er von fi) aus jene behauptete Ober-
galt der römifhen Kirche anerkenne. Salomon erhielt den
itel eines Königs auch jet noch aus Rom zugeftanden; Geiſa
vernahm die ermuthigendften Einladungen, daß er feine Gedanken
nah Rom Hin mittheilen möge. Doc der Schwager Heinrih’s IV.
war ftet3 voran auf die deutſche Hülfe angewieſen und konnte fi
14) Registr. II, 70, J. 4952, will auf eine Ausföhnung hinwirken, wie
gleich der Schluß des eaften Sahes zeigt: . . multo magis ratio exigit atque
üras utilitatis exposeit, ut seminemus caritatem inter majores, quorum paz
ant odium redundat in plurimos .... quatenus inter te et consanguineum
tuum Salomonem regem faciamus pacem, si possumus. on Ungarn heikt
&: nobilissimum regnum Ungariae. .. hactenus per se principaliter viguit,
ut rex ibi, non Tas fiat, von Salomon: rex subdidit se Teutonico regi,
et li nomen obtinnit. Die unbeftimmte Allgemeinheit des Schreibens —
quae hie minus seripeimus — follten die Meberbringer ergänzen: horum por-
ütoribus tibi dicenda reliquimus (I. c., 192 u. 19. _—_
162) In dem gleichen in n. 141 citirten Briefe: si quid vis, si quid habere
a Romana ecelesia digne speras, nobis confidenter volumus ut aperias.
554 1075.
bei der Zurüdhaltung Gregor’3 VIL, angefiht3 der rechtmäßigen
Anſprũche, welde er auf den ungarifhen Thron machen konnte,
nit ermuthigt fühlen, dem römifhen Stuhle in weiter gehendem
Grade entgegenzulommen; gerade jet, im Laufe dieſes Jahres,
mochte ihn zubem noch die Vorausſicht der von Heinrich IV. auf
den Herbft in Ausſicht genommenen Beranftaltung einer gemeinſchaft ⸗
lien Unterhandlung mit Geifa, welde dann ja allerdings nicht zu
Stande fam, von einer Annäherung an Rom abhalten. Ghento wenig, ja
noch weniger, da er in feinem ganzen Auftreten die Sache ber Selbftändig-
feit Ungarn’3, der Fernehaltung frembartiger Einmiſchungen darftellte,
vermochte jedoch Geifa den ihm von Gregor VII. nahe gelegten Schritt
u vollziehen. Freilich juchte der Herzog nun nad) einer anderen Saite
din eine Anlehnung, um dadurch feine Uebermacht gegenüber Salomon
Barzutbun. Er wandte ſich nad) Conftantinopel an den Kaiſer Michael
Dulas, welcher allein ihm einen Erjag für die höchſt wahrſcheinlich
duch Salomon mitgenommene Königskrone zu bieten vermochte,
und empfing, von demfelben eine offene Krone, welche auf der Nüd-
feite das Bild Michael's, daneben diejenigen bes jungen Sohnes
deſſelben, Gonftantin, und Geiſa's jelbft zeigte. Mit diefem Hoheitd
zeichen ließ fi) Geifa, gegen Ende des Jahres, krönen. So aber
war die Erwartung Gregor’3 VII., eine Anerkennung des römijchen
Hoheitsanſpruches von Ungarn ber & erzielen, durchkreuzt +2).
Diefer Zurücdweifung der von Gregor VII. gemachten Anerbie-
tungen aus Ungarn ftand dagegen aus Polen ein erwünfchtes Entoegen
tommen Herzog Boleſlav's gegenüber. Derjelbe muß nad Rom
Beweiſe feines Gehorfams und feiner Hingebung_ gerichtet haben;
denn am 20. April ließ der Papft ein längeres Schreiben an ihn
abgehen, welches die Anerkennung für die gmpfangenen Darbrin-
gungen zu Ehren beö heiligen Petrus ausfprad und aufrichtigen
Eifer, dieſes Entgegenkommen zu vergelten, darlegte. Doch fnüpfte
Gregor VII. an dieſe Zuſicherungen mehrere Winke und Ermahnungen.
Die polniſchen Bifhöfe entbehrten noch eines ſeſten Metropolitan
figes und eines dazu gehörigen Verbandes, jo daß fie, hin
und ber fchmeifend, über die Kirchliche Dehnung, hinaus frei
und losgelöft waren; aud waren für bie grobe olksmenge zu
wenige Biſchöſe und zu große Sprengel, melde eine regelmäßige
148) Vergl. hiezu ganz beſonders Büdinger, Ein Bud; ungariſcher Geichichte,
51 ff, befonders wegen der ‚Rrnung, 57—60, ebenjo —ãe— Y— und
das beutfche Reich unter Heinrich IV., 12 u. 18, 28 u. 29, der aber viel zu
beftimmt annimmt, Gregor VII. habe geradezu Salomon endgültig aufgegeben.
Wegen des Bermittlungsverfuches Heinrich's IV. vergl. ob. E 521. Geiſa⸗
Krönung ift durch die Annal. veter. Ungar., a. 1075: Magnus rex coronatur
&, XIX, 572: hier ald Annal. Posoniens. edirt) bezeugt. Das Diadem Kaifer
Dichael’3, welches jet mit der alten Krone verbunden den Stirnreif der um
riſchen Krone bildet, if durch Bod, Die ungarilchen Kroninfignien, in ben ce
Hetlungen ber f. £. Gentralcommilfion f. Erforſchung und Erhaltung ber Bon-
benfmale, II (1857), 201—211 (dabei, 204, die bilblichen Darflellungen in
Spafonitt eingefügt), gewürdigt, bie Erklärung, bie Büdinger aufnahm, vor
Gregox’3 VII. Enttäuſchung durch Geiſa. Verſuche gegenüber Polen u. Rußland. 555
Beforgung ber untergeordneten Kirchen unmöglich) machten. Deb-
wegen bat Gregor VII. Legaten, welche das Schreiben überbringen,
an ben Herzog zur Abhülfe für diefe Mißftände gerichtet, damit
fie entweber eb biefelbe treffen oder die Angelegenheiten zur Ent-
ſcheidung nah Rom bringen. Auf ehr ernfte allgemein gehaltene
Machtworte folgt dann am Schluffe die beitimmte Aufforderung,
von der Gregor VII. verfichert, daß er fie nur wider Willen vor-
bringe, Boleflav möge das entweder durch ihn felbft oder durch bie
Eeinigen dem Großfürften Iſjaſlav abgenommene Geld, um Gottes
und bes heiligen Petrus Liebe willen, zurüderftatten !+*).
Indeſſen war aud, nur drei Tage früher, am 17. April, durch
ben Papft der Verfuch gemacht worden, in ähnlicher Weife in die
ruſſiſchen Angelegenheiten fi einzumifchen. Der aus Kiew ver-
triebene jaflav hatte in feiner Noth, um fi den Rüdweg
nad Rußland zu öffnen, augenfceinlich den Erfolg ber durch Hein-
rich IV. für ihn vollzogenen Aborbnung des Dompropftes Yurdardb
nah Kiew nit abgewartet, fondern feinen Sohn Jaropolk an
Gregor VII. nad Rom abgefhidt. Der Großfürft muß feinen Ver-
treter gerabezu mit der Vollmacht dafür verfehen haben, daß der⸗
felbe die Mebertragung der Herrichaft über das ruffiiche Reich aus
der Hand des Papftes für den Water erbitte. Daran, meldete
nunmehr ber Papft, daß er wirklich den Bitten Jaropolk's nad-
und bemjelben von Seite bes heiligen Petrus die Leitun,
Reiches übertragen habe, der Art daß alfo der Großfürft un
fein Reich ber Obhut des heiligen anvertraut werde. Auch
ſonſt ftellte er dem Großfürften, nach deſſen Bebürfniffe, die Macht-
vollommenheit des päpitlihen Stuhles für alle auf Geredtigteit
beruhenden Angelegenheiten zur Verfügung. Aber ganz bejonders
empfahl ferner der Papſt feine Boten, die Weberbringer des Schreibens,
von welchen einer ein Iſjaſlav befannter und treuer Freund fei,
bemfelben, zur Entgegennahme mander Dinge, die in dem Schreiben
nicht enthalten waren: diefe follten das ſchrifilich Angebeutete fleißig
aus einander jegen, das in dem Briefe nicht Ausgebrüdte mit ihren
eigenen Worten ergänzen. Iſjaſlav wurde aufgefordert, ſich diefen
Legaten mild und zugänglich zu erweiſen und fie zu begünftigen,
vor böfen Nachftelungen zu kalten, wenn biefelben fi) anſchicken
144) Registr. I, 73, J. 4958 (l.c., 196-198), gebentt in dem wortreichen
Eingange des Entgegentommens des Herzogs auch nur in allgemeiner Weile:
tuita devotione vestris eum (sc. beatum Petrum) oblationibus honorantes,
lebitorem vobis fieri desiderastis et, sicut in Domino confidimus, prome-
rustis. Den Zuftand ber polniihen Kirche ſchüdert der Gap: episcopi terrae
vestrae — non habentes certum metropolitanae sedis locum nec sub aliquo
poeiti magisterio, huc et illue pro sus quisquo ordinatione vagantes —
ultra las et decreta sanctorum patrum liberi sunt et absoluti.... . inter
tantam hominum multitadinem adeo pauei sunt cpiscopi et amplae singu-
loram parroechiae, und dak die Legaten felbft das Schreiben mitnahmen, geht
aus: hos legatos ad vos direximus hervor. Wegen ber Ifjaſlav abgenommenen
Echäpe vergl. fon ©. 482, dort in .n. 51.
556 1075.
würden, ihre Angelegenheiten nad} der Anordnung des römiſchen
Stuhles am Drte ihrer Wirkfamkeit an die Hand zu nehmen !®),
So war für den Fall, daß es dem Großfürſten gelingen werde,
nad) Kiew zurüdzufehren, die Geftaltung der Tuffifcen lirche nad)
Gregor's VII. Anweilung ganz unter die Einwirkungen der römiſchen
Legaten genommen.
Am gleichen 17. April jedoch fegte fich der Papft ebenfo mit
König Svend abermals in Verbindung. Derjelbe war augenscheinlich,
aus welchem Grunde nun immer, zurüdhaltend geblieben und hatte
auf das ſchon am 25. Januar abgelafjene Schreiben Gregor’3 VII
nit geantwortit. Dennod legte der Papſi einen jolden Werth
auf eine Erklärung des dänifchen Königs, daß er, ohne ein Wort
der Mißftimmung über diefe abmweifende, unehrerbietige Haltun—
Spend’3 zu äußern, wieder entgegenfommend ſich erwies. Na
einem einleitenden Rüdblid auf die Gewohnheit feiner Vorgänger,
Botſchaften an die Könige und Fürſten zu den verſchiedenen Ein ern
auszufenden und dur dieſelben Mahnungen und nothwendige
Tadelsworte "zur Verkündigung zu bringen, Elagt Gregor VII.
in diefem feinem Schreiben über die jegigen Könige und Vorſteher
der Erde ala über Verächter des kirchlichen Gefeges, melde zur
Zufügung zahlreicher Schmähungen gegenüber der Kirche, zu einem
an Gößendienft grenzenden Ungehorfam vorgefchritten find, jo daß
er, weil ja die Legationen ſchon nahezu in Unthätigfeit ruhen und
faft ohne Frucht erfcheinen, feine Worte nur noch in Gebeten an
den Gott der Vergeltung wende. Dann wirbt Gregor VII. gerader
u um eine Yeußerung Svend's, welche den Wunfch der Annäherung
in fi enthielte. „Aber weil wir wiſſen, daß Du umd Dein ſeht
tapfre Volk, das durch den Zügel Deiner Weisheit geleitet wird,
der Mutter aller Kirchen die geſchuldete Ehrfurcht darbieten, dieſes
Dein Volt, das um jo demüthiger gegen den heiligen Petrus fi
zeigt, je höher es in feiner Tapferkeit dafteht, deßwegen jenden
wir Dir, unferem geliebteften Sohne, biefes Schreiben und beftellen
Dir in väterlicher Funeigung, daß Du, wenn e3 etwas giebt, deſſen
Du bedarfft, was die Macht der römiichen Kirche Dir auf gerechte
Weife jpenden fann, uns das durch Deine Boten und durch dieſe,
die wir jet ſchicken, fund thuft, damit wir, fo weit das erlaubt ift,
Die ehren und die Chrerbietung Deines äußerft edeln Reiches nad
Verdienſt mit Würde begaben. Denn gute Nachrede haben wir
"#8) Registr. II, 74, J. 4955, an Demetrius rex Ruscorum (tefp. Ihja
ſlad) et regiua uxor cius gerichiet, jagt auädrüdlich, daß Jaropolt, limins
apostolorum visitans ... quod reynum illud dono sancti Petri per manus nostras
yellet optinere, eidem beato Petro apostolorum prineipi debita fidelitate exhi-
bita, devotis preeibus postulavit, indubitanter asseverans, illam suam peti-
tionem vestro consensu ratam fore ac stabilem, si apostolicae auctoritatis
gratia ac munimine donaretur. Darauf willigt Gregor VII. ein: regni vestri
gubernacula sibi ex parte beati Petri tradidimus. Taß unter der durch ibi
zeichneten Dertlichteit in dem Sage: quse ibi ex auctoritate apostolicae
sedis negocia tractare voluerint et statuere (sc. nuncii nostri .... . beati
Petri legati) Rußland zu verfichen ift, tann nicht bezweifelt werden (I. c., 198u.199)-
Päpfliche Anerbietungen an den bänifchen König Svend. 557
über Dich empfangen, melde Di) nach den Gebeten ber Heiligen
Petrus und Paulus niemals verlafien möge, vielmehr, wie wir
wünfchen, zur Erlangung des Ruhmes in diefem und jenem Leben,
immer fi aufhäufe und wachſe“. Daran jehließt ſich, ähnlich wie im
früheren Schreiben, eine Hindeutung auf ſchon in Alerander’3 II. Zeit
zwiſchen Svend und dem römischen Stuhle gewechſelte Unterhanb-
Iungen und Zuſicherungen, insbeſondere aud) eines dem heiligen Petrus
zuftehenden Schugrechtes, welches für dag dänifche Reich eintreten
jollte: Gregor VII. möchte, daß der König auch hierüber — und dieſe
Einladung, daß Dänemark in die —S zum römiſchen
Stuhle eintrete, war für den Papſt ſelbfiverſtändlich die Hauptſache
— durch die ihm zugeſchickten Boten zurückmelde, ob er noch den
gleiden Wunſch hierin, wie damals, hege. Die Erinnerung an
ie ſchon in der Zeit des Archidiakonaies für den Briefichreiber
gegenüber Svend beftehende liebevolle Verbindung, welche dur bie
Erhöhung auf den apoftolifchen Stuhl in der Seele des Schreibers
nur noch größer geworben fei, macht dieſes Mal ben Schluß der
Kundgebung aus !*°),
eigenthümlicher Weife mifchen ſich, in diefen Beweis einer
in bie Serne inaug treffenden geplanten Einmifhung Gregor's VIL,
tühne Gedanken immer weiteren Eingreifens mit vorfihtigen Er-
mwägungen, welde die vorliegende Sachlage ſorgfältig ausmeſſen,
ja ſogar über ſchon geſchehene —æe völlig ſich hinweg⸗
Aber auch in Fragen, welche im engeren Sinne dem geiſtlichen
Bereiche angehörten, ja ſogar in Verhältniſſen, deren Behandlung die
Faſtenſynode des Jahres wieder äußerft thatkräftig herangezogen hatte.
mußte Gregor VII. Enttäuſchungen oder wenigſtens Verzögerungen,
angeſichts der von ihm gehegten Erwartungen, erfahren. Das war
148) Der Brief Registr. II, 75, J. 4956 (I. c., 199 u. 200), iſt durch
Dehio, Seſchichte des Erzbie tums Hamburg: Bremen, II, 17 u. 18, in das
richtige Licht gerüdt, dabei auch, Anmerfungen, 6, bie höhft gewaltiame Con⸗
ſtruction abgewielen, durch welche Gfrörer, Gregorius VII, III, 118 u. 114 —
unter Hereinziehung der fchon in Bd. I, ©. 420, in n. 51, erwähnten Romreife
des — Königsfohnes, eines (reigniffes, das zwar zeitlich nicht feffteht,
aber jebenfalls weit vor 1075 fiel — jeftftellen wollte, daß Dänemark wirklich
nad) Gregor’ VII. Wunfche väpftlicher Lehenaftaat geworden ſei. Bergl. Gre⸗
3 VII. früheren Brief ob. ©. 444 u. 445. Wenn aud) der Sat des vorliegenden
Ehpreibens bei der Anwendung der Form der Vergangenheit ſich auf die ante-
eeseores nostri anſcheinend beziehen foll, fo flingt doc in dem Ganzen bie
Auffafjung der bei n. 137 citirten Briefftele über die Stellung ber römildhen
Kirche wieder deutlich durch: Plus enim terrarum ler Romanorum pontificum
quam imperatorum obtinuit; in omnem terram exivit sonus eorum, et
quibus imperavit Augustus; imperavit Uhristus. Wegen der älteren Be:
siehungen ſchon zu Alerander II. heißt ed: Quia vero apud antecessorem
nostrum ‚beatae memoriae Alesandrum quaedam expetisti, quibus beatum
Petram debitorem faceres, immo tibi et regno tuo nobile patroeinium eius
sequireres, per eosdem legatos mandes, utrum eadem voluntas sit, an fuerit
passa defectuin, aut, quod magis optamus, susceperit augmentum.
558 1075.
ganz beſonders bei den deutſchen Kirchen hinſichtlich der aus Rom
geftellten Forderungen der Fall.
Gregor VII. hatte auf der Faftenfynode in verjchärfter Weiſe
gegenüber Vergehungen neuerdings kirchliche Geſetze aufgeftelt,
welde, wie ſchon vorher aus Rom ausgegangene Ermahnungen
darlegten, ganz befonders auf bie Kirchen im deutſchen Reiche fih
bezogen. Denn ſchon vor der Synode waren, am Ende bes vorher:
jehenden und in den erften Tagen biefes Sehe anz ausbrüdlihe
Beifungen des Tapfies, das eine Mal an al e Geiftlicen und Laien
in Deutihland, dag andere Mal an bie oberbeutjchen Herzoge, und
aud; noch auf anderen Wegen, gerichtet worden, welche fimoniftij—en
und in ber Ehe ftehenden Prieftern, den geiltlichen Verrichtungen
berfelben, aber auch den Biſchöfen, die dergleichen Dinge zufieken,
die beftimmteften Verbote entgegenfeten und darauf ausgingen,
gegen ſolche Fehlbare Verfolgung eintreten Fi kaffen. Sept mar
durch die Faftenfynode die Fortjegung einer Verl inbung ber Gläubigen
mit diefen durch kirchliche Stafmittel bedrohten Geiftlichen aus-
drüdlich gehindert, und eine aus Oberdeutſchland dargebotene Nachricht
belehrt darüber, daß Verſuche begonnen wurden, diefe Auffaffungen
— das Zeugniß fällt für die Landfhaft an der Grenze von Schwal
und Baiern zunächſt in Betracht — unter dem Volke zu verbreiten.
Allerdings ift der Berichterftatter — er redet von der übermäßigen
päpftlihen Verordnung hinſichtlich der Enthaltfamfeit der Priefter,
welde man unter den Laien verbreiten wolle — der Sache ganz ab-
geneigt, und fo erſcheinen ihm die angeblich um der Religion willen
jerumziehenben Erreger größter Uneinigfeit einfach als Landftreicher.
Aber immerhin erweift ih daraus, daß in ähnlicher Weife, wie
das mit fo großem Erfolge früher von der Pataria aus in den
lombarbifhen Stäbten, fowie auf dem Lande durchgeführt worden
war, nunmehr die Aufhegung auch auf deutſchem Gebiete angefangen
wurde 147).
Allein eben diefe Anftrengungen fielen fihtlih auf einen un
fruchtbaren Boden. Denn in jenem freilih noch vor der Falten:
ſynode geichriebenen Briefe an die Herzoge Rudolf und Berchtold
laubte der Papft auf das heftigſte ſich über die Erzbifchäfe und
ifchöfe der oberbeutichen Gebiete beflagen zu follen, über ihren,
bis auf verſchwindende Ausnahmen, hervortretenden Ungehorjam,
147) @iejebredht, IIL, 265 u. 266, 341, macht auf den Qulammenban der Briefe
Gregor’ VIL., Epist. coll., Rr. 10, Registr. IL, 45 (vergl. &.438 u. 489, on. 408:
dazu gehört auch, ſchon vom October 1074, in dem 6. 495 in n. 58 erwähnten
Briefe die Stelle de episcopis et sacerdotibus simonigeis aut in fornicatione
jacentibus), mit ber |ebt bemerlenäwerthet Angabe der Annal, August, a. 1075:
Girovagi sub specie religionis discurrentes, maximam ubique seminant
discordiam. Papae decretum enorme de continentia clericorum Iaicos
divulgatur (8S. IM, 128: daran fchlieht fi nad) die Angabe über Aifdet
—8 — à Longabardis capitur —, die ſich nicht näher ertiaren laßh auf⸗
merkjam.
Viderſtand d. beutfchen Geiſtlichen — in Baflau — gegend. Faſtenſynodegebote. 559
in welchem fie fortgefegt, troß ber fchon feit Leo's IX. Zeit ſtets
Fan Verbote der Simonie und ber Unenthaltfamkeit,
dennoch nicht gegen bie ſich verfündigenden Priefter thäten. Die
Biihöfe haben die fo ſehr verfluchenswerthe Gewöhnung durch feine
Hindi abzufchneiden, zu beftrafen ſich angeftrengt. Schon
damals eben dachte deßwegen Gregor VII. an ein anderes Mittel,
um biefer unmwürbigen Behandlung bes Gottesdienftes, der Ber-
führung des Volkes vorzubeugen, wenn die oberften kirchlichen Vor-
gejegten in folder Geftalt die apoftolifchen Befehle gering achteten
und die Verbrechen ihrer Untergebenen begünftigten 14°).
Zu den von Gregor VII. hervorgehobenen rühmlichen Aus-
nahmen von der beflagten allgemeinen Gleis aitigteit zählte ein
bairijcher Biſchof, welcher nur furz vor der Abfaffung dieſes aus
Rom abgegangenen Briefes, am Ende de3 abgelaufenen Jahres,
nahezu das Opfer feines dem Papfte dienftbereiten Eifers geworben
wäre. Bifhof Altmann von Paflau hatte in feinem Bistbum auch
faft durchaus nur in Öffentlich erſcheinender ehelicher Verbindung
lebende Priefter, jo daß er, nad den aus Rom gleich anfangs
dur) Gregor VII. ergriffenen Maßregeln, dagegen einzufchteiten
fih entſchloß. Er forderte nad Einberufung, einer Verlammlung
nad Pafjau, nad dem Wortlaut der zur Vorlefung gebrachten,
aus Rom aut gewordenen Befehle, daß die Priefter fi von ihren
Weibern trennen jollten. Allein diefe weigerten fi auf das ent-
JBiebenfte, Gehorjam zu leiften, jo daß der Bifchof nad) geheimer
athung mit den ruhiger gebliebenen Theilnehmern an der Zu-
jermentunft ſich entſchloß, die Entſcheidung zu verjchieben. Denn
a mit dem Weihnachisfeſte auch die feier des Tages des heiligen
Stephan, unter deſſen Schuß die Pafjauer Kirche ftand, herannahte,
wo eine große Zahl von — und Leuten aus dem Volke
erwartet werden fonnte, wiederholte er vor allen Anweſenden, Geift-
lichkeit und Laien, vom Lefepulte aus die Mittheilung des römischen
148) Die eben in str. II, 45, enthaltenen wichtigften Stellen, de am
11. Januar geferiebenen Briefes, lauten: Sciunt namque archiepiscopi et
episcopi terrae vestrae, quod et omnibus fidelibus notum esse debet, quo-
alam in sacris canonibus prohibitum est (: es folgen bie Strafoerfigungen
peu Simoniften und in crimine fornicationis Liegenbe). Quae (sc. bieje Ge-
ote) cum eos (sc. episcopos) sancta et apostolica mater ecelesia jam a
tempore beati Leonis papae saepe in conciliis, tum per legatos et epistolas,
in & et comminde sißi ‚plebibus, utpote ab antiquioribus neglecta, renovare
et obeervare commonuerit, rogaverit et accepta per Petrum auctoritate
jümerit, adhuc tamen inobedientes, exceptis perpaucis, tam execrandam
«onsuetadinem nulla studuerunt prohibitione deeidere, nulla distrietione
panire..... Cum igitur, illis apostolica immo sancti Spiritus mandata
spernentibus et scelera subditorum criminosa foventibus patientia, divina
ninisteria indigne tractari, populum seduci intelligimus, alio quolibet modo
eontra hacc vigilare nos convenit . . . . (l. c., 159 u. 160). Mehnlich zebet
str. II, 61, betreffend die Unteufchheit der Geiſtlichen, davon als von einem
mei .,., guod temporibus modernis inolevit ex taciturnitate pastorum
«., 181).
560 1075.
Schreibens, das die ſchweren Bebrohungen gegen die beweibten
Prieſter enthielt. Aber jegt erhoben fich diefe in voller Wuth gegen
Altınann, jo daß diefer einzig duch den Schug der anweſenden
vornehmen Laien vor Lebenögefahr errettet werben fonnte!‘).
Dieſer Verſuch, die Ehelofigkeit zu erzwingen, war alſo gründlich
abgejchlagen worden.
Defien ungeachtet ſetzte Gregor VII. in jeinen Kundgebungen
an beutjche Hohe Geiftlihe feine Weifungen fort. Nicht weniger
als vier vorliegende Schreiben an Erzbifchöfe und Bifchöfe, aus
dem Laufe des Monates März, ſchärften Mafregeln zur Herbei-
führung Beobachtung der Keuſchheit bei ben untergebenen Geift:
lichen ein, daß das Stiliſchweigen der Hirten gegenüber dem Frevel
der ihrer Obhut Anvertrauten aufhören müſſe. Folgen die Fehl:
baren — fo heißt es in einem dieſer an einen Biſchof geichidten
Briefe — den biſchöflichen Ermahnungen nicht, fo follen eben bie
Laien die geiftlihen Verrichtungen derfelben nicht mehr befuchen,
ihre Meſſe nicht mehr hören, bamit vielleiht mwenigitens, wenn
— vor Gott oder Liebe zu demſelben keinen Einfluß auf ſie
—AãA Scham vor den Menſchen fie zur Mäßigung zurüd-
ziehe 1°9).
Ganz vorzüglich wäre aber in vollem Umfang die Abficht des
Papſtes zur Durdführung gelangt, die Verſuche des Widerftandes
innerhalb ber deutſchen Shit. welche den aus Rom ergangenen
Befehlen entgegentraten, zum Schweigen zu bringen, wenn es ge
lungen wäre, zur Entſcheidung Dieher Angelegenheiten eine all⸗
jemeine Synode, in.Mainz, zu veranftalten. Zu biefem Zwede
Ontte Gregor VII. an Erzbifhof Siegfried den Auftrag ertheilt,
auf einen feitgefegten Tag eine ſolche Berfammfung einzuberufen
und hier nad dem Urtheile ber vereinigten Geiftlichfeit all das zu
befjern, was in dem Erziprengel von Mainz oder im Reiche über-
haupt in Folge der fimoniftiihen Vergehen oder fonft wie immer
in unrichtiger Art gegen die Ordnung der kirchlichen Vorſchrift
oder dur üble Anmaßung oder irgendwie in vermefjener Weile
verübt worden war. So hatte der Erzbiſchof auf den 17. Auguſt
die Synode ausgeſchrieben. Aber ein oberbeutjcher Anhänger der
päpficen Forderungen, welder mit großer Mißbilligung auf den
einahe überall dem päpftlichen Befehl entgegengefegten Widerfprud,
auf die Spaltungen zwifchen den deutſchen Si lichen, die Ans
feindung ber fleinen Zahl der Gehorfamen durch die Menge der
9) Dad von ber Vite Altmanni ep. Pataviens,, c. 11, egasle, durch
bie Erwähnung des 26. Decembre — adveniente festo sancti Stephani —
firitte Greigniß (SS. XIT, 292 u. 238) wird Durch den Herauägeber Wattenbadi,
ebenfo dureh Stülg, in der Bd. I, ©. 458, in n. 115, erwähnten Bi
245, zum Weihnachtefefte 1074 gezogen, jo dab dann alfo bie epistolae ab
en missae auf das Verbot der Faftenſynode von 1074 (vergl. S. 38)
150) Vergl. ob. ©. 456 1.457. Der beiſpielsweiſe heraußgehobene Gap Reft
am Schlufje von Registr. II, 66, an tr range vo
Erzbiſch. Siegfrieb'3 Bericht üb. b. Scheitern d. allgemeinen Mainzer Synode. 561
BViderfpenftigen binblidte, ‘berichtet, daß der von Siegfried ver-
ündigte apoftolifche Befehl von den ihm untergebenen Bijchöfen
ei verachtet worden fei, jo daß fie nicht Folge leifteten.
tiefen Sachverhalt meldete — etwa im Anfange der zweiten
Jahreshälfte — Siegfried jelbft an den Papft, und fein bei ber
Schwierigkeit der Verhältniffe wohl abfihtlih in längeren Rebe
mendungen fich bewegendes Schreiben ftimmt in der Hauptſache mit
jener Erzählung überein, nur daß andere Beweggründe in den
Vordergrund geftellt wurben.
Gregor VII. erhielt da als Mittheilung, daß es gerathen jei,
wegen zu befürdtender Gefahren zur Zeit die angefagte Ver-
fammlung zu verſchieben. Denn die ungünftige Lage der böfen
Zeit treibt den Erzbiſchof — fo feßt derjelbe aus einander — weit
von der ermwünfchten Durchführung der erhaltenen Befehle zurüd.
Der Papft wird an das in den legten Zeiten Gejchehene erinnert, an
die verderblichen Aufitände und Wirren im Reiche, an die allge
meine wilde Erregung, zumal an die ohne Zweifel noch ganz neue
Begebenheit der Niederwerfung der Sachſen und Thüringer duch
ben großen Sieg des Königs, wo die Rechte Gottes die Aufrührer
und Gottlojen darniedergejchmettert und in die Flucht geworfen
habe. Doch die Befiegten verharren noch in ber gleihen Hart-
nädigfeit; fie erheben fogar von neuem ihr treulofes Haupt und
rüften rüdfällig zu abermaligem Kampf, wodurd fie freilich nur
wieder die Schwerter de ganzen Reiches gegen ſich IE n. Der
Eizbiſchof fürchtet, wenn nicht des Papftes Dazwiſchenkunft ver-
föhnlih wirkt, eine völlige Vernichtung des fündhaften Stammes,
weil Volk gegen Volt fi erhebe. Dazu hat er auch über eigenen
Verluſt der Vefigungen und Einkünfte feiner Kirche, duch Plünde-
tung und feindlichen Durchzug, zu lagen, und diefelben Beſchwerden
erbulden die meiften Biſchöfe. So fünnen fie in ihrer Noth nicht
zu der kirchlichen Verfammlung fommen, fondern müffen, um ihr
Hab und Gut wieder zu erlangen, an den Hof zum König gehen.
Ferner ftehen mehrere zur Verfammlung geladene Bischöfe nicht in
des Königs Gunft, wagen aljo, im Hinblid auf die Gefährdung
ihrer Sicherheit, fi nirgends hin, und aus diefer Rückſicht, auf
die angeflagten Biſchöfe und diejenigen, welche nicht anweſend zu
fein den Muth haben werden, glaubt der Erzbifhof, daß auf der
Verfammlung faum Artheilsfpredier gefunden werben könnten.
Endlich quält den Schreiber die Erinnerung an bie entjeglihen
Vorgänge, die vor zwölf Jahren am Pfingftfefte in Goslar an ge-
weihter Stätte eingetreten waren, wo — wie er ed dem Papite
in das Gedächtniß zurüdruft — wegen des Abtes von Fulda Blut-
vergießen gefchehen fei. Siegfried erwägt, „daß, wenn von ver-
ſchiedenen, genau gejagt feindlic) zertrennten Gegenden foldhe, welde
mechfeljeitig ſich gegnerijch befämpfen, zur Verfammlung zufammen-
berufen werden, wir dann, während wir Brüber zu vereinigen
meinen, zum Kriege bereite Schlatreihen vor und haben, und
während wir für die Verbefierung der Jrrthümer und die Be-
Weyer von Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter Heinrig IV.u.V. vd. U. 36
562 1075.
rubigung der Streitigfeiten nad) einer einzigen Vereinigung des
tirhlichen Friedens ftreben, vielleiht, wenn nicht Gott Vorſorge
trägt, unfere Zufammentunft bis zum Untergange in Verwirrung
gebracht werden wird“. Denn wenn damald in Goslar foldes
eintrat, wo doch die Verfammelten noch unter dem Anjchein des
Friedens zum Hofe gefommen waren, was konnte jegt fich ereignen,
wo folde tiefe Trennung zwiſchen den Theilnehmern an der Ver—
einigung beitand? So jdien e8 eben rathjam, bis zur Wiederkehr
des Friedens die Verfammlung aufzufchieben. Doch will Siegfried
allen feinen Rathſchlägen Gregor’8 VII. Meinung voranftellen.
Gleih nad dem neuen für den König zu rüftenden Feldzuge ge:
denkt er in aller Eile eine Botſchaft an den Papft abzufenden, um
demfelben feine Hochachtung vor der Machtvollkommenheit eines
von Rom kommenden Befehle zu beweiſen !°).
In diefer gleichen Zeit, wo die Erwartungen, die Gregor VII.
in die beutfche Geiftlichfeit gejeßt hatte, ſich jo wenig erfüllten,
151) Ganz ausbrüdlich berichtet ber Annalift von 1075 an, unter Anı
tnüpfung an die Erzählung von ben Beſchlüſſen der itattenipnode: Praedietis
et omnibus ferme apostolicae sedis statutis in diversas aecelcsias aut per
litteras aut promulgatis, pene omnibus resistitar; et, inde
maximum odi num apostolicum et in perpaueos eos qui con
tentiunt ei, et maxima seismata eircumquaque, set maxime a clericis, er-
eitata sunt. Et quia causae communes sunt, praecepit domnus bapa. ol
eas canonice diffiniendas Mogonciaei universale fieri concilium , quod jam
archiepiscopus suis suffraganeis 16. Kal. Septembr. observandum innotait.
Qui jam tune inoboedientiam praemeditantes, contempto apostolico prae-
cepto infectum dimiserant (SS. V, 278). Auf dieje Dinge bezieht fid) bee in
dirfe Zeit — Juli, Auguft — durch Jaffé jedenfalls zutreffend angefepte Briei
Gröbilchof Siegfried’8_ an Gregor VIL £ dex Udalriei, Nr. 45, Yale,
Bil ., V, 97—100), der mit den Worten beginnt: Adhibito desidiae
pastorum et negligentiae sanctae exhortationis et ammonitionis incitamento,
vigilantia pastoralis offcii vestri, mi reverende pater, nos quasi de somno
excitavit; danach ift des im Texie erwähnten Auftrages Gregoͤr's VII. -- ex
apostolicae legationis mandato — über Berfammlung der Synode gedadt.
Aber — fo heikt e3 weiter — die fehon borher herborgehobene rerum vertigo
et iniquitas temporis, die rerum inequalitas et huius maligni temporis
importunitas, twie wiederholt wird, nämlich, was auch der Papft wife
muß: quantus in regno nostro motus, quanta sit perturbatio, quam
perniciose bella grassantur et seditiones — alle Diefe Dinge traten
hemmenb bazwifchen. Nach dem ganzen Wortlaute muß die Schlacht von
9. Juni erft kurz dorangegangen fein, und auch die übrigen im Zezte hervor
gehobenen, dom Erzbiſchof vorgebrachten Gründe ſprechen für die Zeit gleih
nad dem Zufammenftoß jenes Tages, mit ihren fo vielfachen Samwantunge-
AN, aud die Erinnerung an das Goslarer Greigniß (vergl. Bd. I, ©. 66,
in n. 13), ſpricht in Siegfried's Auffaffung für einen Aufichub: fratres nostri,
ui sunt sanioris sentenciae, dieunt, sibi bonum videri, ut adhuc coneilium
ifferatur, was er dann Gregor VII. felbit empfiehlt: propter pericula, quas
timemus, ad praesens indietum concilium differatur. Bemerlenswerthe Ben
dungen find aud;: nisi per vestram aliorumque sanctorum propicietur inter
eessionem, forsitan deseviet (sc. gladius Domini) usque ad internieionem,
ferner: quam plurimi fratres nostri ..... pro recuperandis rebus suis co
guntur ire ad comitatum. linter der regia expeditio, nad) welcher Giegfried
Eirgfeied'8 Entfejulbigungegründe. Päpftl. Sobetäuferungen f. Heinrich IV. 563
glaubte der Papſt dagegen Heinrih IV. feine volle Zufriedenheit
zeugen zu Fönnen. In dem Brief vom 20. Juli, in welchem er
bejonder8 dem in ber Heberfchrift ala „der ruhmreichſte“ begrüßten
Könige feine Anerkennung hinſichtlich der Haltung deſſelben in der
Angelegenheit des Biſchofs Hermann von Baınberg ausfprad),
ſchidte er der Erörterung diefer einzelnen Angelegenheit allgemeine
lobende Worte über das Verhalten Heinrich's IV. in den Be
ziehungen zur Kirche überhaupt voraus: „Unter den übrigen that
fächlichen eifen guter Tugenden, mein theuerſter Sohn, zu
welchen, wie wir durch die Meldung des Gerüchtes vernehmen, Du
im Eifer der Beſſerung Dich erhebft, haft Du auf zwei Weifen
Dich Deiner heiligen Mutter, nämlich der römifchen Kirche, in
höherem Grade empfohlen. Die eine Weife it, daß Du den Simo-
niften männlid) Widerftand leifteft, die andere aber, daß Du die
Keuſchheit der Geiftlihen, als der Knechte des Heren, nicht nur
freubig gut heißeft, fondern auch mit Erfolg fie zur Vollendung zu
bringen wünjdeft. Aus diefen Urſachen hat Du das Wahrzeichen
und angekündigt, daß wir, mit Hülfe Gottes, noch Erhabeneres und
Vorzüglicheres in jeder Hinficht von Dir hoffen“ 15°),
Außerdem wandte fi auch Heinrich IV. felbft unmittelbar in
einer Weife an den Papſt, daß dieſer wohl zu der Annahme be-
rechtigt zu fein glaubte, daß ſich zwiſchen ihm und dem Könige die
Verhältniffe ganz befriedigend geitalten würden, daß eine Durd;-
führung ber 3 ſeit dem Anfang ſeiner Kirchenleitung geäußerten
Begehren endlich eintreten werde. Ganz ſichtlich hatte ja Gregor VII.
ion in den Lobfprüchen des eben erwähnten Briefes gefliſſentlich
über manche Dinge, die noch zwiſchen dem Könige und ihm ftanden,
völlig hinweg geſehen; er wollte die Hemmniſſe nicht genannt wiſſen,
melde die erhofften Unterhanblungen mit dem König von neuem
zum Scheitern bringen fonnten.
Heinrich IV. war feit dem 9. Juni im Beſitz des großen über
fofei Die legatio an ben Papfı jmben will; nec ad hoe intemperiem con-
ideramus anni, ut advertatis, quanti nobis constet auctoritas praecepti
vestri —, ift ber ©. 512 erwähnte, anf den 22. October angefegte Truppen»
aufbrudh zu verflehen. Das fimmt mit der Annalen: Angabe fehr wohl zur
jammen, nıe dab, Siegfried bie eigentliche Abweifung der Synode verhüllt, unb
jemfalle if diefe nicht gehaltene Eynobe mit der nad; Kambert’s Zrugmib
(vergl. n. 158) nachher im Detober thatfäglic in Mainz gehaltenenen Ders
fammlung nicht zufammenzuwerfen. Dann aber muß in der Stelle des Annaliften
da3 Datum mit observandum verbunden, nicht auf innotuit bezogen werden:
eben auf bem bezeichneten Tag hin wurben die Eingeladenen aufmertiam gemacht.
Meier, Papft Gregor VI. und die Biihofwahlen, 103, will Hinter dem
Worten des Mriefes zu viel ſuchen, daß eiwa Siegfried von Gregor VII. „ben
bedentlichen Auftrag“ befommen habe, das endgültige Urtheil gegen bie Räthe
des Königs, vielleicht jogar das Inveſtiturverbot zu verfünden, was mit der
ie der Beziehungen zwiſchen dem’Könige und dem Papfle, nod) zu diefer Zeit,
nicht ftimmt.
152) Diefer Brief Gregor’ VAL, Registr. IN, 3, ift ſchon, beſonders
€. 472, erwähnt. Vergl. bort n. 36, wo eine Annahme Melper’s, 1. c., heran«
geaogen if. 36*
564 1075.
Sachſen und Thüringen erfochtenen Friegerifchen Erfolges. Um jo
höher mußte Gregor VII. es alſo anſchlagen, daß der fiegreihe
König ih aus freien Stüden, noch während er im ſächſiſchen Lande
fand, nad Rom Hin wandte, mit ihm eine Anfnüpfung zu erftellen
fuchte. Der Brief, welden Heinrih IV. abgehen ließ, lautete:
„Eure Heiligkeit, mein Vater, weiß, daß ih, weil ich einfehe, daß
faft alle Fürjten meines Reiches mehr Freude an unferer Zmwietradt,
als an unferen gegenfeitigen friedlichen Gefinnungen haben, dieſe Boten
im Geheimen zu Euch jende; ich fenne fie al3 hinreichend edle und
von frommer Gefinnung erfüllte Männer und zweifle durchaus
nicht, daß fie wünſchen, durch die Wohlthat des Friedens ung ver-
knüpft zu ſehen. Ich wünſche aber, daß, was ich zum Auftrage
ertheile, nieınand wiſſe, abgerechnet Euch, ferner meine Herrin und
Mutter und meine Muhme Beatrir und deren Tochter Mathilde.
Ich werde aber, wenn id) mit Hülfe des Herrn aus dem ſächſiſchen
Feldzuge zurückkehre, andere Gefandte abjenden, Männer, neben
denen ich vertrautere und treuere nicht habe; durch diefe werde ich
meinen ganzen Willen und meine Ehrfurdt, die ih dem heiligen
Petrus und Euch ſchulde, darlegen“. Gregor VII. anerkannte die
beiden Boten ganz als die zutrauensmürdigen Männer, als welde
fie ihm vom König bezeichnet worden waren, und hielt das Schreiben
für, vihtig genug, daß er e3 wörtlich in ein foldhes von ihm ein-
rückte 1°),
brecht hat, LIT, 1140, in den „Anmerkungen“, für bie Reihen:
folge der Ereigniffe, in den Beziehungen zwiſchen Papft und König im Sommer
und Herbft 1075, die nothwendigen Anhaltspuntte völlig gegeben (vergl. auf
Melger, in den „Anmerkungen“, 216). Heinrich’ IV. riet, der vor der Ent:
Laffung des Heeres zu Cſchwege — im Beginn der zweiten Kälfte des Juli
(vergl. 6.511.512): Me... de expeditione Saxonica redeunte. . dirigam —
geichrieben worden fein muß, ift in Regiatr. IL, 5, J. 4966, eingeidjoben; von
den Meberbringern jagt Gregor VII. in feinem Briefe: quod idem rex duos
ac nobiles ac religiosos viros ad nos ante mensem Augustum legatos miserit,
Ein lelicet adhuc (sc. am 11. September) nobiscum manent (l. c., 210)
ie Melper, 1. c., fehr autefen betont, ift diefes dom Papfte felhft in ein
Schreiben eingelchaltete Zeugnik eine glänzende Widerlegung der unwahren Er:
3hlungeweife Bruno’e. “Derielbe jagt nämlid, c. 64, —E ubi_primum
rimates nostri deditionem fecerunt, omnes semitas quae per montes ducunt
in Iteliam, rex claudi praecepit, nee ulli homini viam patere permisit,
ne rei veritas ad apostolieum prius veniret, quam ipse per legatos in sunm
favorem ipsum apostolieum traduceret. Deinde misit Romano pontifii
legatos, qui ei intimarent, quod episcopi Saxonine sui ordinis obliti, contra
se in proelio congressi fuissent, eumque rogarent, ut eos, sicut infideles per-
juros et belli civilis auctores, gradu sacerdotali deponeret, quatenus tales
per quos ecclesia pacata regeretur, ipse in eorum locum poneret. Sed
regis legatos ad apostolicum fama praecesserat, eique seriem rerum Gearım
totam veraciter indicaverat (SS. V, 351). Yud Zonigo, Vitae Mathildis,
Lib. 1, v. 1255 fr Reit, übrigens unter Rlarfer Sufammenorängung der Greig«
miffe, die Beziehungen zwilchen Papft und König fehr ungünflig dar: Pastor
confestim (sc. nach dem ©. 338 in n. 41 Gebradten) Saxonum mittere genti
curavit, plane pacem cupiens revocare. Inde suus missus donec redest,
jubet ipsum regem nullo modo super ipsos pergere, quod non rex ex-
Hrineid'a IV. feiebfertiger Brief an Gregor VII. u. Botſchaften nach Rom. 565
Diefe noch vor dem Auguft aus Deutſchland abgefertigten zwei
Gejandten waren zu einer Zeit eingetroffen, als Gregor VII. von
Rom in größerer Entfernung abmejend war, weil ihn förperliches
Uebelbefinden fern hielt, fodaß er auch nicht in der Lage ſich be-
fand, die nothwendigen Berathungen I Ausfertigung der Antwort
mit feinen Rathgebern anzuftellen. Außerdem martete er augen:
ſcheinlich auf die Ankunft jener mit der Ueberbringung der eigent-
lien Aufträge betrauten, wohl auch zu weiteren Terhanbhungen
in den Stand gefegten eigentlichen eingeweihten Räthe Heinrich’3 IV.,
deren Sendung berfelbe jo ſicher in Ausſicht geftellt hatte. Statt
ihrer fam mur ein weiterer Bote, der den beiden erften Abgefandten
im Namen de3 Königs fund that, fie möchten nicht fich verwundern,
daß eine zweite Sendung noch nicht erfolgt fei, und es nicht für
läftig halten, diefe Geſandtſchaft, deren Eintreffen ohne allen Zweifel
ftehe, in Rom abzumarten; daneben wurde die Mittheilung durch
ihn gemacht, daß ber König noch ganz von der Abficht erfüllt fei,
melde ihn zu der erſten Abordnung vermocht hatte. Diejer Bote
magte es nicht, länger in Rom auszuharren, aus Furt, Frank zu
werden, und fo benugte Gregor VII. die Gelegenheit, daß derſelbe
alsbald an den königlichen Hof zurüdfehrte, um ihm ein Schreiben
an Heinrich IV. mitzugeben. Der Brief des Papſtes muß in den erften
Tagen de3 September, vielleiht am gleien Tage, dem 3., an
welchem aud an Erzbifhof Siegfried eine Antwort gejchrieben
wurde, verfaßt worden fein !°*).
Auch dieſes Schreiben aus Rom ift noch aus dem Willen heraus,
eine fehr verföhnlide Stimmung zu zeigen, gefhaffen mworben.
pestavit, galeatus quin equitavit contra Saxones . . . Commisso bello
Teer ner eat ergo; unde superbus adest, papam despexit ut amens
, 377).
184) Registr. II, 7, J. 4985 ((. c., 212-214), muß nad) Gieſebrecht,
Le. (vergl. aud ©. 541, n. 124) aus ben erſten Tagen des Gehtember fein.
Im Beginn fagt Gregor VIL.: Quando litteras tuae magnitudinis accepi,
longe ab Urbe maxime causa infirmitatis aberamus (fo id t Melber, L. c.,
MT, gegen Gielebredht, 1140 u. 1141, zu Iejen vor, unter Fi ung ber bier
in den eingejepten weiteren zwei Worte: — Gregor VIL. Hatte noch die
Gereiben J. 4961 und 4962, vom 20. Zul, aus Saurentum, beifen Lage aller:
dinge, nad) &. 472 n. 36, dem Begriff longe, für Entfernung von Rom, nicht
— gegeben) neque aderant, cum quibus necessarium erat tractare,
quid vestrae legationi ad plenum sicut oportet responderem (vergl. in n. 153,
da Diele exfte Botichaft Heinrich’s IV. mod) am 11. September in Rom war),
Gregor VIT. erwartete nach dem Wortlaute des Töniglichen Briefe bie an:
ginbigten ali legati . . . familiariores ac fideliores, mit ihren Eröffnungen.
tatt derfelben erſchien ein zweiter Bote Heinrich's IV., der in Registr. II, 5,
wit den Worten erwähnt if: Postea vero praefatis legatis (sc. ber erften
Botihaft) dicendo mandavit (sc. rex), quatenus non mirarentur nce graviter
ferrent, quod promissos minime adhue direxerit nuneios, eisque non fieret one
rosum eos donec ipse mitteret, praestolari, quoniam procul dubio illos miseurus
eat et in eadem sententia immobiliter permanebat (l. c., 210) —: Diele
gie Botichaft if in Registr. III, 7, ald vester nuncius, horum — eben des
rieied Registr. III, 7 — portitor gmannt; e8 Heikt von ihm: ob predietam
ausam -egritudinis timebat diu nobiscum manere.
566 1075.
„Weil wir wünſchen“ — jo beginnt die Erörterung — „nicht bloß
mit Euch, den Gott auf den höchſten Gipfel der Dinge geftellt hat,
ſondern auch mit allen Menſchen den Frieden, der in Chriftus iſt,
zu haben und einem jeden fein Recht zu wahren, fo hegen wir am
allerhöchften das Begehren, in Herz und Gemüth Eud verbunden
zu fein. Denn id weiß und id bin davon überzeugt, daß auch
Du ganz gleich denkſt, daß nämlich diejenigen, welche in Wahrheit
Gott und die römiſche Kirche und das römijhe Reich lieben und
niit die Strafe für ihre Vergehen zu fürchten haben, vom Wunſche
erfült find, durch Handlung und Gebet zwifhen ung Frieden und
Eintracht feftzupflangen. Deßwegen faßte ich gutes Vertrauen, als
Du anfingft, dieje unſere Angelegenheit, vielmehr diejenige der
ganzen Kirche, gottesfürchtigen Männern anzuvertrauen, welche uns,
nit in ungerechter Weije dag Unfere lieben, und welche mit heiligem
Streben danach verlangen, daß die hriftliche Religion hergeftellt
werde. Ich aber, um wenige Worte zu brauchen, bin bereit, nach
dem Rathe diefer Männer unter der Gunft Chrifti Dir den Schoß
der heiligen römiſchen Kirche zu öffnen und Dich, wie einen Herrn,
Bruder und Sohn, aufzunehmen und, wie e8 ſich gebührt, Dir Bei-
ftand zu gewähren, während id; nichts Anderes von Dir begehre,
als daß Du auf die Mahnungen, welche Dein Heil betreffen, das
Ohr zu neigen nicht veradhteit und, wie es fi für Dich Ichidt,
nicht widerfpreceft, Deinem Schöpfer Ruhm und Ehre darzubringen“.
Dann tritt der Brief auf die Niederlage der Sachſen ein und er-
klärt, wenn auch mit einer gewiſſen Einfhränfung, die Zujtimmung
u dem von dem Könige errungenen Siege: „Was den Uebermuth
er ungercchterweife Euch widerſtehenden Sachſen anbetrifft, der
durch göttliches Gericht vor Eurem Antlig niedergeſchmettert worden
it, fo fol man theils über ben Frieden der Kirche ſich freuen,
theils Schmerz darüber empfinden, daß viel Blut von CHriften ver
offen worden iſt“. Freilich wird der König ermahnt, in diejen
ingen mehr Gottes Ehre und Geredhtigfeit zu vertheidigen, als
für Die eigene Ehre zu forgen; benn wahrhaft jorge man für das
eigene Heil, wenn man in allen feinen Handlungen fi Gottes
Ruhm vorfege. Eine legte Weifung des Briefes bezieht fih auf
die Neubefegung des bifhöflichen Stuhles von Bamberg !5°).
Erft diefes Schreiben Gregor’s VII. läßt, wenn auch nicht in
unmittelbaren Worten, erfennen, über welche Frage ganz befonders
Heinri IV. durch die Abfendung von vertrauten Boten mit bem
Rapfte zu verhandeln gedachte. Als Sieger über den Widerftand,
den ihm ber Trog der Sachſen und Thüringer entgegengefegt hatte,
durfte er nunmehr glauben, freie Hand zu haben, um — mehr als
acht Jahre, ſeitdem ber Plan zum legten Male erwogen worden
15%) Das iſt der Inhalt don Registr. III, 7, deſſen lehter Ablap ſhon
ob. ©. 5401.541 herangejogen wurde. Die religiosi homines — hanc nostram
immo, totius ecclesiae causam religiosis hominibus coepisti committere (sc.
Beinrich IV.) — find bie in n. 153 ermähnten, von Registr. III, 5.
Gregor’3 VIL Antwort m. Anbeut. üb.b. Romfahrt u.Umfclagd. Stimmung. 567
war — die Romfahrt anzutreten, die Kaiſerkrone in Italien ſich
u holen. Aber der König war gewillt, vorher hierüber eine Ver-
—* ung mit Gregor VII. eintreten zu laſſen, und dieſer ließ
darauf dem Könige jene Zufiherung zugehen, daß er ihn in der
ehrenvollften und entgegentommendften Weiſe aufzunehmen gedenke 5°),
Shen mute freilich die in Ausfiht genommene Vereinbarung
vorangehen.
och ſchon gan kurz hernach, am 11. September, an welchem
Tage Gregor VII. an die Herzogin Beatrir und deren Tochter
Mathilde ein Sipreiben richtete, muß eine weniger günftige
Stimmung gegenüber Heinrich IV. bei dem Papfte herrichend ge-
worben fein.
Gregor VII. hatte aus einer Mittheilung der beiden ihm ge—
gefinnungsverwandten rauen erfahren, ba, was ihn fehr in Ver-
wunderung fegte, Heinrich IV. in einer an Beatrir und Mathilde ge
richteten Eröffnung biefe beiden Fürftinnen hinſichtlich der Geftaltung
feiner Beziehungen zu Rom um ihre Vermittlung erjucht hatte.
Es ſcheint, 9 dieſe Anfrage an Beatrix und Mathilde duch
Herzog Gottfried, den. Gemahl der Mathilde, welcher gerade ſeit
der Schlacht vom 9. Juni Heinrih IV. immer theurer und ver-
trauter geworden war, fich vollzogen hatte; die Frauen baten nämlich
den Papſt um Rath, was fie Gottfried antworten follten. Be—
fonder3 eine in des Königs Entſchlüſſen hervorgetretene Nenberun:
mußte Gregor VII. überrafhen, und es ift wohl erfihtlih, da
berjelbe fi) unangenehm dadurch berührt fühlte. Denn ber Papit
ließ eigens jenes vor Ende Auguft von Heinrich IV. an ihn ab»
geisidte Schreiben, in befien Inhalt übrigens ja auch ſchon ber
trier und Mathilde, als Theilnehmender an dem Geheimniffe, ge
dat war, in ben Brief vom 11. September hineinftellen, um dar-
zulegen, daß ſich das Vorgehen des Königs nicht mehr auf der
gleihen Grundlage, wie zuvor, bewege. Hatte der König vorher
im Geheimen, ohne die Beiziehung der Fürften, mit dem Papft fih
veritändigen wollen, fo ſollte jegt — und dag eben war Gregor VII.
ganz unerwartet — öffentlih, augenſcheinlich unter Hereinziehung
Gottfried’S, diefe Verhandlung geſchehen. Gregor VII. gewann
hieraus, was er den Fürftinnen beitimmt ausſprach, die Ueber-
jeugung, daß es dem Könige mit dem Wunſche nad einem
—e nicht wirklicher Ernſt ſei. Wie ſollie das der Fall
ein können, wenn er jetzt denjenigen, denen er vorher bie Sache
verborgen halten wollte, von bemen er bezeugt hatte, baß fie ſich
weit mehr über die Zwietracht zwifchen Papft und König freuten,
5%) Bergl. auch Giefebrecht, III, 338, Melger, 1. c., 102 (bazu 216), daß
& fih um Heintid's IV. Kaiferfrönung handelte. Melper möchte, I. c-, 217,
in den Wendungen: ereatori tüo .. oflerre gloriam et honorem und honorem,
quem & conservis et fratribus nostris exigimus creatori et redenptori nostro
reddere Ion verfchleierte Andeutungen der Forderung, das Inveftiturrecht aufs
ugeben, erfennen.
568 1075.
nämlid) den Fürften, dieſe gleiche Angelegenheit öffentlich befannt
zu machen gedadhte? So gab denn der Papit den Fürftinnen bie
ausdrückliche Zuficherung, daß er dieſem Begehren Heinrich's IV.
durchaus nicht zuftinnmen werde, da auf biefem Wege für den
heiligen Petrus und für ihn felbft nichts Ehrenvolles und Nüß-
liches erzielt werben könne; heiljamer und befolgenswürbiger jei ed,
wenn Heinrich IV. zum früheren Rathſchluſſe zurüdkehre. Ganz
vorzüglich jedoch zeigte der Papft in diefem Briefe auch von neuem
feine Abneigung gegen Herzog Gottfried. Er weiß nicht, was er
Beatrix und Matti e, die ihm für die Antwort an den Herzog um
Rath frugen, jagen fol; denn eine eiblich gemachte Zufage habe
ber Herzog gegenüber den Fürftinnen offen gebrochen, und er, ber
Papft, vermöge Verſprechungen Gottfried’3 nit mehr Glauben zu
fchenten. Zwar wolle er einer Uebereinkunft der Frauen mit dem
Herzog unter gewiſſen Einſchränkungen nicht entgegenftehen; nur
dürfe dadurch die ihm in Gott mit den Fürftinnen verbindende
liebevolle Gefinnung nicht gelöft oder irgendwie vermindert werden.
Gregor VI. will Gottfried jo lange in Liebe behandeln, als diejer
Beatrir und Mathilde ſich in Liebe verbunden Hält; zeigt der Herzog
ihnen jedod durch eigene Schuld Haß, jo will der Papſt ihm mit
Gottes Hülfe, da er die beiden Frauen ala die geliebteiten Töchter
in jeder Weiſe ſchätzt, Widerftand leiſten !°7).
157) Registr. III, 5, J. 4966 (l. c., 209-211) beginnt mit: Non parum
de vobis (sc. Beatrig und Mathilde) mıramur, quod (de rege: burd) Jafe
eingefept) his, quae per vestras litteras mandastis, nobis consulere decre-
vistis, cum constet apud vos (:. es folge der in n. 153 eingeichobene Sag,
nebft dem inſerirten Briefe Heinrich’s IV.) und fährt weiter unten, nad) Er⸗
wähnung de Umftandes, daß der König das in n. 154 Eingefcjobene habe an-
tündigen Laffen, fort: Nune autem, qualiter hoc consilium (se. die esdem
sententia) versum sit et, quod facere latenter disposuerat, fieri velit,
penitus miramur, woran Fi) das im Xerte Mitgetheilte anfchlieht. Bon
in:
viel zichtiner auf, Gottfried's Verſuch Hin erklärt, zwiſchen Gregor VIL und
nich I
a ichig geieorben fei: cum ille aperte in-
fregerit, quod vobis juramento promisit Ei ift nicht. feftzuftellen.
Bapfl. Eröffnungen an Beatrig u. Mathilde u. tabelnde Antwort an Giegfrieb. 569
Am 3. September, eben vieleicht am gleichen Tage, an welchem
Gregor VII. fein erftes noch freundlich gehaltenes Schreiben an
Heinrich IV. abgehen ließ, war auch Erzbifhof Siegfried über die
Billensmeinung, welde in Rom feinen legten Handlungen gegen-
über beftand, hinreichend belehrt worden.
In unmittelbarer Beantwortung jenes ungefähr im Juli ober
August geſchriebenen Briefes erhielt der Erzbiſchof einen Beſcheid,
welcher in ſcheinbar ſchonenden Worten alle vorgebrachten Erwägungen
zurüdwies. Der Papft anerkannte, daß die meiften von Siegfried
vorgebraiten Gründe entſchuldigend und, fo weit e8 das menſchliche
Urtheil angehe, fräftig feien. Aber gegenüber einer höheren Prüfung,
von dem göttlichen Richterftuhle aus, find fie nirgends zureichend.
Es wird dem Erzbifhof der Unterſchied zwischen den Mietlingen
und ben Hirten recht Har vor die Augen geftellt, jenen, die bei der
Ankunft des Wolfes die Heerde verlaffen und entfliehen, biefen, die
in wahrer Liebe zu ihren Schafen aud den Verluſt ihres Lebens
für diefelben nicht ſcheuen. Gregor VII. darf nicht ſchweigen; denn
wenn er es verfäumt, die Verfehlungen zu verbeijern, fällt er ſelbſt
in den Fehler. So macht er im Befonderen Siegfried auf den
Biſchof Wernher von Straßburg aufmerkſam, der durch mehrfachen
wahrhaften Bericht in Rom verzeigt fei und hinſichtlich deſſen die
Erkundigung durch Unterfuchung beftimmt barüber eingezogen werden
fol, ob hier wirklich Befledung mit Simonie vorliege. Weiter aber
wendet fich der Papft auch zu denjenigen, welche dem Erzbiſchof
bie Verſchiebung der Kirchenverfainmlung angerathen hatten. Unter
vergleichender Nebeneinanderftellung der königlichen Krieger, welche
vom Hofe des Königs die Feinde abzuwehren haben, und der Priefter,
deren Pflicht &8 if, bie Angriffe der böfen Geifler von ber Stirce
Ehrifti zurüdzumeifen, will er den Beruf zum Kampfe gegen bie
Lafter dem Empfänger de3 Briefes ar machen. Siegfried's Ein-
wendung, gewiſſe Biſchöfe könnten wegen ber Feindfeligkeit gegen:
über dem Könige nicht zur Verfammlung kommen, wird dadurch
widerlegt, daß auch Geiftliche berfelben in deren Auftrag Antwort
u geben vermöchten. Aber auch Siegfried felbft wird darauf äußerft
ſcharf angelaſſen: „Da wir wohl willen, daß Du von mehreren
fleiſchlich und weltlich gefinnten Menſchen davon abgejchredt wirft,
im Weinberge de3 Herrn Eräftig und treu für den Gewinn ber
Seelen zu arbeiten, um nur nicht etwa in Schaden für Dein Be
fitzthum ober durch den Haß der Mächtigen in Gefahr zu gerathen,
fo bitten und ermahnen wir Did) von Seite des allmächtigen
Gottes und nach Vollmacht des Seifgen Petrus, daß Du Dir nit
beifommen lafjelt, aus Haß oder Gunft gegenüber irgend einem
Menſchen oder wegen irgend eines Verluftes an irbiiden Dingen
vom Pfade der Rechtſchaffenheit abzuweichen, vielmehr Alles, wie
e& der heilige Geift gegeben hat, jorgfältig zu prüfen, und ung,
was immer ſicher — ift, fo raſch wie möglich zukommen
laſſen zu wollen“. Auf die ſimoniſtiſche Ketzerei und auf das un=
leuſche Leben der Geiftlichen foll ſich dieje eifrige Unterfuchung be-
570 1075.
ehe; gejegmäßige Strafe, gründliche Ausſcheidung der Schuldigen
um gänzliches Verbot für die Zukunft jollen zur Anwendung
ommen.
Als diejer nicht zu umgehende Befehl durch den Bischof Heinrich
von Eur an Siegfried überbradht worden war, mußte dieſer im
October die Synode in Mainz verfammeln. Allein fo bald er nun
bier die ihm gegebenen Weifungen zur Durchführung bringen wollte,
erhob ſich von allen Seiten aus ben Reihen der anweſenden Geift-
lichen eine folhe wilde Aufregung, in Worten und Geberden, daß
er verzweifelte, ob er nur mit dem Leben hinauskommen werde.
Der Erzbifchof ließ ſich jegt durch die Schwierigkeit der Sache
dennoch, troß jener Mahnungen Gregor's VII, abſchrecken, und in
Hersfeld meinte man fogar zu wiſſen, daß er fich entſchloſſen habe,
von jest an gänzlich diefe Sache ruhen zu lafjen und es dem Papfte
anheim zu geben, felbft, wie und warn er wollte, die Angelegenheit,
welche der Erzbiſchof ſich jo oft ohne Nuten vorgeſetzt Hatte, zu
Ende zu bringen 13°).
Aber nit nur diefe abermalige Niederlage der von Rom aud-
eftellten Forderungen war eine empfindliche Zurüdweifung für den
apft. Mit dem Herbfte traten noch weitere Erjcheinungen, in
Deutſchland, wie in Jtalien, zu Tage, weldhe von neuem die jhon
ohne das ungünftiger gewordenen Beziehungen zwijchen Gregor VII.
und dem Könige noch mehr verwirrten.
Heintih IV. war, wie fein im Laufe des Sommers untır
haltener Verkehr mit Gregor VII. darlegt, von dem Gedanken er
fült, in nächſier Zeit in Italien fein Anrecht auf das Kaiſerthum
zur Geltung zu bringen, und Veranftaltungen, welche vom deutſchen
Hofe ausgingen, bewiejen, daß auch nad anderer Eeite hin Vor—
bereitungen für biefen Aufbruch nad) dem Süden getroffen werden
follten. Anfnüpfungen des Königs mit feinen Anhängern in Stalien
188) Registr. II, 4, J. 4964 (I. c., 207-209), if, wie beſonders bie her·
übergenommene Aufzählung ber von Giegfrieb früher genannten excusabiles
et, quantum ad humanum speetat j validae rationes, nämlid): regni
motus ac perturbatio, bella et seditiones, invasiones hostinm ac perdifio
rerum vestrarum, insuper et formido necis, quam nostris dieitis fratribus
imminere principis (sc. Heinriche IV.) odio (ete.) -- darlegt, bie unmittel:
bare Antwort auf das &. 561 u. 562 berührte Schreiben. Da mun die
Worte Zambert’3: Curiensis episcopus, apostolicae sedis litteras et mandata
deferens, quibus ei (se. Mogontino archiepiscopo) sub interminatione gradus
et ordinis sui precipiebat, sicut antea quoque multis lerationibus pre-
ceperat, ut presbiteros omnes, qui intra suam diocesim essent, cogeret,
aut in presentiarum conjugibus renunciare, aut se in perpetuum sseri
altaris ministerio abdicare (230) mit dem Inhalte dieſes — Schreibens
qulammenfinmen, fo ift e3 ganz wahrfceinlid, daß der Bilchof den Brief von
om mitnahm; bann aber dürfte er vielleidht, da ja Registr. III, 7 (vergl.
©. 541 n. 124) vielleicht dom gleichen 3. Geptember iR, fein Anderer, ald der
Bote Heinrichs IV., horum portitor (vergl. ©. 565 n. 154), fein. Ebenfo ergäflt
Lambert (1. c.) den Verlauf der Synode.
Abweilende Haltung d. Mainzer Synode. Berwidlungen üb. Mailand. 571
waren beftimmt, für die Ankunft und die Anerkennung der Macht-
feflung des ſchon feit lange erwarteten Herrſchers den Boden zu
ebnen.
Schon gleih nad Erlembald’3 Tode muß aus. Mailand zu
König Heinrich IV., der ſich eben damals für den Kampf gegen die
Sadjen rüftete, eine Botſchaft abgegangen fein, welche die in Erlem⸗
bald’3 Befeitigung bargelegte Niederwerfung der Pataria, den Sieg
der königlich gefinnten Partei melden follte. Nach derfelben glaubte
man in Mailand deſſen gewiß zu fein, daß der König ſich wegen
der Nachricht über dag Maß gefreut, auch ſchon eine beitimmte Zu-
fiherung, daß er ganz nad der Wahl der Mailänder denfelben
einen Biſchof geben werde, abgelegt habe 160).
Aus dieſen Berechnungen ergab fi) die Beauftragung bes
Grafen Eberhard, eines der durch Gregor VII. ercommunicirten
vertrauten Rathgeber des Königs, welder wohl etiwa um den Anfang
des Herbftes in Italien erſchien. Derfelbe veranitaltete auf dem
Felde von Noncaglia, auf der ſüdlichen Seite des Po, eine Ver—
fammlung für die lombardifchen Gebiete. Alle Anhänger der
Pataria wurden da als öffentliche Feinde des Königs erklärt, und
Eberhard fol Namens desſelben — allerdings legt nur ein Gegner
Heinrih’3 IV. Zeugniß dafür ab — den Mailändern für Erlem-
batb’3 efeitigung den Dank bezeugt, fie zugleich über die Berge
zu Heinrich IV. eingeladen haben, mit dem Verſprechen, daß ihnen
vom Könige, wen fie auglefen würden, zum Erzbijchof werde ge-
geben werden. Außerdem griff Eberhard in die dem Drte der Zu—
jammenfunft ganz nahe liegende Stadt Biacenza ein, deren patarinifch
gelinnte Führer zumeift, weil fie aus Eleinmüthiger Gefinnung un+
gerüftet waren, verjagt, theilweife zur Uebergabe auf Gnade und
Ungnade gezwungen wurden; erft durch den Rathichlag der Herzogin
Beatrir erlangten fie die Freiheit wieder. Nicht fo gelang ihm
gegenüber Cremona eine folde Ueberrafigung: er war nicht ftarf
enug dazu, fondern mußte, als er von ber Glaubensftärfe und der
Feten Kraft der dortigen Patariner Kunde erhielt, biefelben un-
angetaftet Lafjen 1°°).
15) Arnulf, Gesta archiepiscoporam Mediolanens., Lib. V, beginnt
hiemit, nach den Mebergangsworten: praedictis rebus non plane compositis, sed
involutis uteumque, die Erzählung in c. 2: saepe jam dieti Mediolanenses
pro petendo, episcopo ultra, montes Heinrieo, regi legationem dirigunt,
mandantes Arlembaldicae interfectionis triumphum. Quo cognito laetatus
est rex supra modum, quemcumque vellent se daturum episcopum promittens
(SS. VILI, 29). ”
180) Bon diefer Sendung Eberhard's — daß das nicht „der alte Graf
Eberhard von Nellenburg”, wie Giefebrecht, III, 341, jagt, war, vergl. ©. 43
n. 6 — redet Xonitho, Lib. ad amicum, Lib. VII, läßt fie aber gleich auf
Erlembald’3 gewaltfamen Tod — cum mors eius regi fuisset nunciata —
folgen und wegen der ſchon vorher an zwei Stellen (vergl. ©. 475 in n. 42)
durch ihn angenommenen, dort aber ald unglaubwürdig abgelchnten, früher — vor
Erlembald’8 Zode — geiroffenen Antnüpfungen und Yerhanblungen der Mai:
länder mit bem Römıg — memor promissionis suae, quam ante Mediolanen-
572 1075.
Aber Graf Eberhard hatte, dieſes Mal begleitet von dem
italienifchen Kanzler, Biſchof Gregor von Vercelli, noch einen zweiten
Auftrag des Königs zu beftellen. Heinrih IV. machte den Verſuch,
aud den normannifchen Gewalthaber, Herzog Robert, welcher im
offenen Zwifte mit Gregor VII. ſich befand, als Stütze für die be-
abfihtigte Romfahrt mit feiner Sache zu verbinden. Durch bie
beiden Gejandten follte Robert das aufrichtige Wohlmollen des
Königs bezeugt, zugleich aber die Aufforderung überbracht werden,
das von ihm eroberte Land als ein Lehen von Heinrich IV. ent:
gegenzunehmen. Zwar nahm ber Herzog bie Voten in ehrenvoller
Art auf und ließ ihnen forgfältigen Dienft erweifen; dagegen wurde
ihnen eine ähnliche Antwort von feiner Seite zu Theil, wie fie
Cardinal Hugo nicht lange vorher bei feinem ähnlichen gegen
Gregor VII. gerichteten Verfuche erhalten hatte. Nach dem Berichte
des Geſchichtsſchreibers der Normannen foll der Herzog ſich dahin er:
klärt haben, daß er, zum Danf für feinen Sieg, Gott allein unterworfen
bleiben müfle. Die Entgegnung hob hervor, daß das Land den
Griechen nur mit vielem Blutvergießen und großer Beſchwerde der
Normannen abgenommen worden jei, daß aber auch jenfeit3 des
Meeres zur Beugung de3 faracenifchen Uebermuthes viele Mühfal
habe ertragen werben müflen —: fo Habe fi ber Herzog, um
Gottes Hülfe und die Fürbitte der Heiligen Petrus und Paulus,
der alle Könige der Welt untergeben feien, zu gewinnen, dem Stell-
vertreter dieſer Apoftel, dem Papfte, mit allem gewonnenen Lande
unterthan gemacht und bafjelbe aus deſſen Hand wieder empfangen.
Nobert behauptete, davon überzeugt zu fein, daß, nachdem bis auf
feine Zeit die Anmaßung der Griechen Apulien und Calabrien be
Berti hatte, ganz Sicilien aber den ungläubigen Saracenen zur
jeute anheim gefallen war, erft Gottes mächtige Gnade ihn durch
den Sieg verherrliht und weit über fein eigenes Volk erhöht habe,
fo daß er verpflichtet fei, Gott für das Land, welches Heinrid IV.
ihm geben zu wollen erfläre, als Lehnsheren anzuerkennen. Wolle
aber de3 Königs flarfe und weithin reichende Hand aus dem Reichd-
gute ihm zu feinen geringen Befige hinzu etwas ertheilen, fo wolle
er ihm dafür, immerhin ftet3 die Treue für die Kirche vorbehalten,
Unterwürfigfeit bezeugen. Mit Verwunderung follen die Geſandten
des Herzogs Riugpeit erfannt, feinen Reihthum und feine große
sibus promiserat capitaneis — geichehen, gewifiermaßen ala bie Bollendung
jener vorangegangenen Berabredungen ericheinen: mox ad Italicam partem
destinayit. eomitem Everardum sum sonsiliarum. quem ante papa
Alexander excommunicaverat (vergl. &. 198). Qui, veniens Longobardiam,
mox in Roncalia curiam congregavit, ibique Mediolanensibus pro morte
Erlimbaldi gratias agens, eos trans montes invitavit, promittens eis, domi-
num suum episcopum, quem vellent, daturum. Dehine omnes Paterinos
blicos regis clamavit inimicos: daran Kiliht fi die Erwähnung ber auf
iacenza und Gremona einwirtenden Mahregeln (affe, Biblioth., II, 664).
iefebredht, 1. c., fept diefe Genbung etwa in den beginnenden Herbft, dor dad
auf den 22. October Iautenbe fönigliche Heeregaufgebot.
—
Abweifung b. Botſchaft dch. Hag. Robert. Beſtellung Thedalb's f. Mailand. 573
Macht, feine Schlöffer und Städte gejehen haben, mit dem Ge-
ftändniffe, er fei der größte Herr der Welt. Koftbar beſchenkt, doch
ohne Erfolg für Heinrich IV., verließen fie den Herzog 9).
Durch nichts hätte das ſchon gefteigerte Mißtrauen Gregor’3 VII.
gegen Heinrich IV. in peinlicherer Weife verftärkt werden fünnen,
als durch die enge Verbindung des Körigs mit ben Gegnern der
Batariner in der Lombardei. Aber dazu fam nun, daß ſich Hein:
rih IV. anfdidte, feine Zufage für die Mailänder, ihnen nad
ihrer Wahl einen neuen Erzbiſchof zu geben, zur Durchführung zu
bringen.
Eine Botihaft aus der Geiftlichfeit und dem Volfe von Mai-
land — nad} einer Mailänder Nachricht aus drei Abgeordneten be-
ftehend — ging an den Hof Heinrih’8 IV. ab, um die Erfüllung
des Töniglihen Wortes zu erzielen. Allerdings griff nun aber der
König nad) feiner eigenen Entſcheidung ſchließlich durch. Ein Sub-
diafon der Mailänder Kirche diente nämlich in der Föniglichen
Kappelle — nad) einer Mittheilung foll er Heinrich IV. aud in der
Schlacht gegen die Sachſen begleitet haben —, Namens Thedald,
und dieſen gab Heinrich IV. nach einiger Ueberlegung ben Mai-
ändern zum Erzbifchof. Es ift zwar nicht zu bezweifeln, daß dieſes
nach einem Eingeftändniß aus Mailand felbft ſtets nad neuen
Dingen gierige Stabtoolf die Entſcheidung vwillig entgegengenommen
babe; denn Thedald war ein ftattliher Mann, edler Geburt, den
auch geiltige Eigenſchaften ausgezeichnet haben jollen. Aber man war
ſich doch auch in Mailand felbft der umgebörigen Geftalt der Dinge
in der ambrofianifchen Kirche beutlich bewußt. Noch lebte ja Erz-
bifchof Gottfried, welchem auch Thedald einft die Treue geſchworen
hatte, durch Inveſtitur und Salbung Erzbiſchof von Mailand, und
jegt waren die Biſchöfe des Erziprengels, die gleichen, durch melde
Gottfried geweiht worden war, berufen, Thedald die Hand auf-
zulegen. Allein außerdem weilte auch zu Rom ala Erwählter Atto,
161) Von dieſer Genbung an Robert ſpricht Amatus, L’Ystoire de li
Normant, Lib. VII, c. 27, fehr eingehend (ed. Champollion:ffigeac, 214-216),
mit der Einleitung: Et puiz quant Henri, roy de li Thodeschi, puis oi tant de
prosperit& et triumphe qui'maiz non fürent oi, de lo due desideroit d’estre
son ami. Als Boten find genannt: ij.de li maistre conseilliers siens, c'est lo
&vesque de Verseill, loquel se clamoit Grögoire, et son cancellier royal et
eonte, loquel se elamoit Her&narde (darunter ift jelbftverändlidh Eberhard zu
verftehen). Auch Arnulf, 1.c., Lib. IV, c. 7, gedentt, zwar nur in allgemeinen
Worten, der Anknüpfung mit Robert: Praeterca cnesar Heinriens adolescens
ja factus, ut vidit suse florem potentiae hoc modo paulatim arescere (da$
&. 369 in n. 78 behandelte c. 6 geht voran), inito cum suis conseilio, studet
huius (sc. Arlembaldi) ac Romani praesidis obstare conatibus. Dominabatur
tanc temporis Apuliae princeps magnus Robertus ille Normannus. Inter
hune et regem dum super hac re diseurrerent nunci . . . (I. c., 27); dad
Ahlieht_fid) gleich Die Faftenfgnode Gregov’s VII. (vergl. &. 451 n. 7) an, fo
daß alfo der Mailänder hier allerdings auf fchon früher geichehenen Austaufeh
binzuweifen fcheint. Dergl. 6. 481 Robert’? Antwort an Hugo.
574 1075.
der von Gregor VII. anerkannte Erzbifhof. „Gewiß eine wunder:
bare und zu allen Zeiten rückwärts unerhörte Sache“ — fo ließ
fi eine Stimme aus Mailand hören — „daß für eine einzige
Stabt zu einer und derjelben Zeit, wo ein Vorſteher erwählt, ein
zweiter geweiht ift, ein britter hervorbricht” ?°%).
In nothwendiger Weife verfchärften ſich durch diefe Beſtellung
Thebald’3 vom deutſchen Königshofe her die ohnehin feit Erlem-
bald’3 Tode noch mehr geftachelten Feindfeligkeiten in der Lombardei.
Erzbiſchof Wibert, über welchen mohl inzwiſchen aus Nom bie
Suspenfion vom Amte verhängt worden war, fegte ſich mit Thebald
briefli in Verbindung, um ihn durdaus in dem ohne das felbit-
verftändlich gegebenen Gegenjag gegen Gregor VII. feftzuhalten.
162) Als zuverläffigfte Quelle über Thedald's Erhebung berichtet Amuli,
1, ec, Lib. V, c. 5: Interea legatis Mediolanensium ex clero et populo re
praefata (vergl. in n. 159) regem adeuntibus, Tetaldus quidam Mediolanensis
ecelesiae subdiaconus capella militabat in regia. Cui rex multa volvens
et revolvens conseilia, proprio tandem indulgens arbitrio, Ambrosianum
tradidit praesulatum, posthabita Gotefredi adhuc viventis investitura et
unetione, Attonis quoque Romae tune degentis electione. Quid plura?
Susceptus est praesul ille a clero et populo, utpote novaruın rerum usus-
liter avido. Cui etiam suffraganei idem ipsi, qui Gotefredum conseera-
verant, manum benedictionis imponunt:: darauf ber im Zerte eingefchaltete
Cap (l. e., 29 u. 30). onitho, Lib. VII, wendet die Sache etwas anberä:
Eligunt sibi Mediolanenses capitanei, occlesiarum venditores, ex precepto
regis, communicato pessimo consilio, Tedaldum Mediolanensis ecclesise
elericum, qui ante Gotefrido fidelitatem juraverat, viram nobili quidem
genere ortum et satis corpore pinguem, set virtutibus tenuem. Hune
talem secum ad regem ducunt. Quem rex, oblitus investiturae, quam
ante Gotefrido dederat, parvipendens jusjurandum (vergl. über defjen Inhalt
©. 197 n. 17), non solum contra leges divinas et. christianorum regum
morem, sed etiam contra tyrannorum consuetudinem, vivente altero, in-
vestivit. Uie talis Mediolanensem vastabat ecelesiam (l. c., 664 u 665}
Wenn wirklich auf die in Excurs V ala hiſtoriſch werthlos hingeſtellte Ber
Ichreibung der Echlaht bei Homburg durch Landuli, Historia Mediolanena,
Lib. III, c. 31, ein eemifie Gewicht zu Iegen wäre, hätte an dem hier an:
genommenen zweiten Schlachttage domnus Tealdus sanctae Mediolanensis
ecelesiae notarius bie Jancea, in qua Dei clavus erat inclusus Romani imperü
stabilimentum — ab hostibus durissimis behütet. Dann folgt in c. 32 die
Grzählung der post paucos dies (sc. nad) der Schlacht) geichehenen Erhebung
Zhebald’s: Abfenbung von tres viri diacones et notarius durd) bie elerici et
Iniei Mediolanensium — eommunieato ex eommuni conseilio, nad) Nieder:
werfung der Pataria (de sectaram mequissimarum error: eivium malorum,
eallidorum et simulatorum, qui provocant iram Dei, faece eliminata)
— an Heinzi) IV.: ut quemcumque anulo et virga laudando consenliret
archiepiscopum tenerent —, Ucberlegung des Könige im Etillen: quid isti
(ec. die Mailänder Voten) aut’Thealdus, quem diu anim iet corporis scientia
praepollentem cognoverat. valerent --, Enticeibung für Thealdus vir
valentissimus, ex regia camera honorifice ormatus, ac anulo et virga sub-
limatus, eunetorum astantium vocibus laudatus (SS. VIII, 99). Melker,
1. c., 218, möchte die Verwirrung in Lanbulfs Darftellung in Ausgleidung
mit Arnulf durch die Annahme heilen, dab Thedald als Theilnehmer der erfter
Sefandtichaft (vergt. m. 159) an ben Hof gegangen, bier in die Etellung ein:
getreten jei, dabei auch der Schlacht beiwohnte. Arnulf verbient jedenjalld,
auch vor Bonitho, den Borzug.
Eingreifen Wibert’3. Mehrfache Verſchärfung d. Gegenfäpe zw. Papft u. König. 575
Außerdem ſchickte er den gewandten Unterhändler, den aus der Kirche
ausgeftoßenen geweſenen Cardinal Hugo, zu dem neuen BR
Hugo follte von Mailand nad) Deutfeland zu König Heinrid) IV.
gehen, damit auf diefem Wege die Fäden der Verbindung enge
gefnüpft blieben !°°).
Angeſichts diefer Verſchiebungen mußter nunmehr einzelne
Handlungen bes Königs, auf welche Gregor VI. zur Zeit feines
freundlichen Austaufhes mit Heinrich IV., noch im Juli, ein
größeres Gewicht nicht gelegt zu haben ſcheint, in einem weit un-
günftigeren Lichte ſich darftellen.
Der Feſtſetzung der Faftenfynode entgegen. hatte Heinrich IV.
die auf jene Verſammlung durch Gregor VII. unter Vorladung
vor feinen Richterftuhl mit der Ercommunication bedrohten Räthe
augenſcheinlich nicht zur Zeiftung der Genugthuung nad) Rom gehen
lafien, jo daß infolge deſſen bie firhliche Strafe über fie verhängt
wurde; dann waren fie troß der ausgeſprochenen Ercommunication
in der Vereinigung und in vertrautem Verkehr mit dem König ge-
blieben. Eben der nach Italien abgeordnete Graf Eberhard zählte
zu den Männern, welche ſchon von der Regierung des legten Papites
ber unter kirchlicher Strafe lagen; ebenjo gehörte Udalrich von
Godesheim, der ohne Zweifel den König im Herbfte auf dem Zug
in das Meißener Land begleitete, zu diefem engeren Kreife der Durch
das Vertrauen Heinrich's IV. geehrten Rathgeber. Dazu Fam,
baß während des Laufes des Jahres ſtets von neuem Belegungen
erledigter Kirchen von Seite des Königs erfolgten, bei welchen diejer
janz nach feiner Auswahl die Empfänger von Ring und Stab be-
immte. Das war gegeniiber Biſchof Heinrich von Lüttich, wieder
für Ruopert von Bamberg gejchehen, und wenn auch dabei, noch
ungleich handgreiflicher bei der Wiederbeſetzung der Abteien Fulda
und Lorſch, wo der König arme ſchlichte Mönche erlas, von Simonie
nicht die geringite Rede geweſen war, jo hatte doch dabei eben völlig
der Wille des Königs gewaltet, und von irgend einer Rückſicht auf eine
vom ‚Papfte ausgegangene Verfagung ber Juveftitur lag feine Spur
vor! Doch viel empfindlicher, als ſolches Schalten gegenüber
deutſchen Kirchen, mußte eben für Gregor VII. die Einftellung des
Etzbiſchofs Thedald — fie fiel wohl nur furz vor diejenige Bischof
16) Bonitho, 1. c., jagt in dem ob. ©. 478 in n. 44 erwähnten Zus
fommenhang: Guibertus . . . suis literis conveniens . . . precipue Tetaldum
Mediolanensem archiepiscopum, mirabiliter contra papam instigabat . . .
Huie (sc. Tetaldo) Guibertus Hugonem Candidum misit, cuius consilio regem
adiret et eius animum ad deteriorem partem inflecteret. Quod et factum
est (l. c., 664 u. 665). Vergl. wegen Wibert'3 und gus aud ©. 479, n. 45,
forie zu dem ganzen Zulammenhang diefer Dinge die dort erwähnte Schrift
Röhndes, 27.
164) Giefebrecht zählt, III, 341, ebenfo Melper, 1.c., 104 u. 105, Dinge auf,
eice zu Urfagde wachjender Spannung zwilden König und Papft in Betradht
fallen konnten.
576 1075.
Nuopert’3 —, ſowie die Verfügung, welche Heinrich IV. für die
Bifhofsftühle von Fermo und von Spoleto traf, geweſen fein!®).
Gregor VII. war, als ihm die Kunde der Ernennung Thedald's
ugelommen war, entfchloffen, aus jeiner bisher beobachteten zurüd:
Faltenden Behandlung der obſchwebenden Fragen herauszutreten, zu
ausdrüdlichen Erklärungen vorzugehen.
Das geſchah erſtlich am 7. und 8. December, in zwei Schreiben,
von denen das erite an Thedald felbft gerichtet war, als an „ben
Mailänder Geiftlihen”, mit Ankündigung des apoftolifchen Segens,
„wenn er Gehorfam gezeigt haben wird“, das zweite an ben italie:
nifchen Stanzler Heinrih’s IV., Biſchof Gregor von Vercelli, fomie
an die Biſchöfe Kunibert von Turin, Ingo von Afti, Ogerius von
Jorea, Opizo von Lodi und die übrigen Biſchöfe des Mailänder
Erziprengeld, ebenfalls unter Vorausjegung des Gehorſams im
apoftolifhen Gruß. — Thedald wurde damit angeredet, daß er
dur Freunde und Getreue die Freundfchaft des Papftes für ſich
erbeten habe, und ihm erwidert, daß diefer auch ungebeten diefelbe
darböte, die erbetene vollends bereitwillig darreiche, jo bald nämlid
Thedald fi) der Gerechtigkeit nach den erhaltenen Mahnungen an-
zubequemen den Willen gezeigt haben werde. Dann folgt andeutungs
weiſe Gregor's VII. Urtheil über Thedald’3 Anſpruch auf die
erzbifhöflihe Würde: „In der Sade, welhe Du unternommen
u haben ſcheinſt, haft Du theils noch den Drang einer fchwereren
Bürde zu unferem Kummer hinzugefügt, theils Dich ſelbſt in Dinge
verwidelt, in die Du nicht hätteft eingreifen ſollen“. Ihedald
wird darauf, was auch feiner Einfiht nicht entgangen fein fönne,
aufmerkfam gemacht, daß der mit der Anweiſung auf den erzbiſchöf⸗
lihen Stuhl Ausgeftattete — Atto —, wenn er nicht vorher nad
gerechten Urſachen wieder von bemjelben weggezogen werde, miemal®
ihm oder irgend einem Anderen den Plaß frei machen werde;
biefer, deffen Verwerfung dem Papfte noch durch feinen Beweis
habe dargelegt werben Können, fei als Erwählter für Mailand in
Rom, wo er beim Papfte weile, auf das ficherfte befannt. Da-
gegen will Gregor VII. von jenem, der fi) wider Recht das Erz
isthum angemaßt — Gottfried —, fein Wort äußern. An Thedald
wird die beftimmte Mahnung gerichtet, daß er, wenn er feine
Kirche liebe und ſich und dieſe jelbft aus der Gefahr der Ber-
wirrung zu reißen wünſche, zu der nächſten auf die erfte Woche der
künftigen vierzigtägigen Faften angekündigten Synode kommen
oder, wenn er es vorziehe, auch ſchon vorher zu Rom fich ftellen
165) Der ganze Zon bes Briefes Registr. II, 8, an Thebalb, Iäßt er
tennen, daß deſſen Erhebung zum Erzbiſchof dein Zage ber Abfaffung, 7. December,
nur furz vorangegangen fein muß, und ebenfo folgte Brief 10, an Heinrich IV.
vom 8. des Monates (vergl. n. 167), alebald ben Ernennungen für fermo
und Spoleto. Im gweiten Briefe ſpricht Gregor VII. von allen drei fällen:
quod de causa Mediolanensi . . . nobis promiseras, qualiter attenderis ant
[10 animo promiseris, ipsa res judieat. Et nunc quidem .. . tradidist
irmanam et Spoletanam ecelesiam . . . (I. c 219)
Mahnende päpftliche Schreiben an Thebald u. d. Iombarbifchen Bilhöfe. 577
möge, damit die Unterfudung über die Art feines Eintrittes in
das bisthum geprüft werben könne, und dabei verjpricht
Gregor VII, für Thedald, fals es ſich herausftellen würde, da
Atto nach Forderung der Gerechtigkeit zurüdtreten müßte, feine
Zuftimmung und feinen Eifer bei ber Unterftügung ber Beförberung
defjelben zum Amte zu bemeifen. Durch die Berufung auf Beatrir
und Mathilde wird für den Vorgeladenen und deflen Begleiter
Sicherheit zugefagt. Dagegen foll Thebald in der Zwiſchenzeit
keine Weihen entgegennehmen, auch ja feine ſchlimmen Rathgeber
auf fi einwirken laſſen, welde ihn etwa auf ben Schuß bes
Königs, auf die in feinem adeligen Urfprunge enthaltene Macht,
auf die Unterftügung der Mailänder Bürger semutbügenb hinweiſen
möchten. Er mag des Prophetenwortes eingedenk bleiben, daß der
Menſch, welcher feine Hoffnung auf einen Menſchen ſetzt, verflucht
ſei. Da die Kraft der Könige und Kaifer und alle Verſuche
der Sterblichen gegen die apoftolifchen Rechte und Gottes Allmacht
nur gleihfam aa und Spreu find, jo wird Thedald vor Wider-
fpenitigfeit und YHartnädigfeit nochmals gewarnt. — Die Mai-
länder Suffraganbifchöfe dagegen werben durch Gregor VII. mit
den Schritten befannt gemacht, die er, nad) der Einjegung Thebald’s,
welche gegen alle durch Heinrich IV. in Briefen und Gefandt-
ſchaften gemachten Verſprechungen vollzogen worden fei, dieſem
gegenüber — eben in dem Briefe vom vorhergehenden Tage —
angeordnet habe. Es wird nad Vollmacht der päpſtlichen Gewalt
ten Empfängern des Schreibens verboten, ehe die von Rom aus
angeordnete Unterfuhung der Sache Thedald's durchgeführt fei,
demjelben behufs Beförderung zu irgend einem geiftlichen Grabe
die Hand aufzulegen, unter Androhung der Ercommunication für
den Fall des Zuwiderhandelns und dringender Mahnung zu vor-
fihtiger Haltung, damit beſonders auch Thedald felbit, jo lange er
e3 vermag und bazu Gelegenheit hat, für fih und feine Kirche
felbft ſorgſam bedacht jei!*®).
Wahrſcheinlich vom gleihen Tage, an dem Gregor VII. an
diefe Biſchöfe fih wandte, ging, vieleicht als Antwort auf ein
nochmaliges Schreiben, aud ein Brief an König Heinrich IV. ab,
in welchem ſich der Papft theils auf dieſe Mailänder Angelegenheit,
theils auf andere gegen den König zur Anklage erhobene ragen
bezog. Auch bier zeigt gleich die Gehorfam fordernde Beifügung
zum Gruß in der Antebe, daß Gregor VII. ſchärfer fih zu äußern
gewillt war. Zuerſt findet fih in dem Schreiben der Vorwurf,
daß der König im Rufe ftehe, wiffentlih mit Ercommunicirten, die
durch das Urtheil des apoftolifhen Stuhles und den Spruch ber
16%) Registr. III, 8, J. 4968, an Zhebald, 9, J. 4969, an Biſchof Gregor
mb die Euffraganbiichöfe, folgen fi, 1. c., 214—216, 216—218. Eine Stelle
über Gottfrieb, in Briei 8, ıf on ©. 104 in n. 116 mitgetheilt; diejenige
aus Jeremias flieht XVIL, 5.
Meyer von Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter Heinrih IV.u. V. vd. U. 37
578 1075.
Synode getroffen feien, Verkehr zu pflegen. Heinrich IV. wird er-
mahnt, diefe Männer von fih zu ſondern umd zur Buße zu er
mahnen, jelbft aber in ſchleuniger Ablegung ber Beichte bei einem
frommen Biſchof Rath einzuholen, damit ihm derſelbe mit päpft:
lider Erlaubniß für diefe Verſchuldung eine Buße auflege und ihn
darauf von der Schuld losiprehe, aud in einem Schreiben mit
des Königs Einwilligung die Art der Buße in wahrhaftiger Weile
nad Rom einberichte. Eine zweite Beihuldigung, die gegen den
König gerichtet wird, bezieht fih darauf, daß diefer fo oft durch
ergebene Briefe und die Worte von Gejandten feine Unterwürfig-
keit zufichere, fih als den Sohn der heiligen Mutter Kirche und
des Papites bezeichne, und was andere Veriprehungen mehr jeien,
daß er aber in That und Wahrheit fich als der jchärfite Gegner
der kirchenrechtlichen und päpſtlichen Vorfchriften erweife. „Denn,
um vom Webrigen zu cmeigen, wie Du desjenigen Dich befleikigft,
das Du hinſichtlich der Mailänder Angelegenheit dur Deine
Mutter, durch die Bifhöfe, unfere Mitbrüder, die wir zu Dir
ſchickten, uns verſprochen hatteft, und in welchem Sinne Du &
verſprachſt, diefes zeigt der Sachverhalt jelbft. Und jegt haft Du
vollends, um noch der Wunde eine Wunde zu fchlagen, gegen die
Feſtſetzungen des apoſtoliſchen Stuhles die Kirhen von Fermo und
Spoleto, wenn bod von einem Menſchen eine Kirche übergeben
ober geſchenkt werden Fan, gewiſſen aud uns unbefannten Berfön-
lichkeiten übergeben, denen, wenn fie nicht auf ihre Tüchtigfeit ge:
prüft und nachher wohl bewährt find, nach der Vorſchrift die Hand
aufzulegen nicht erlaubt ift”. Alle diefe Thaten des Ungehorſams
— das möchte Gregor VII. dem Könige in das Gewiflen reden —
treffen nicht den Papft, fondern den Apoftelfüriten, den Meifter
der Kirche, den heiligen Petrus. Ein Nüdhlid wird auf die
Faſtenſynode des Jahres und ihre Beichlüffe geworfen und bamit,
ohne daß die Sache jelbft unmittelbar genannt ift, die Angelegen:
beit des Verbotes der Inveſtitur dur Laienhand berührt.
Gregor VII. erinnert den König daran, daß er ihm Verhandlungen
über Abmilderungen des Verbotes, ohne Erfolg, angeboten habt
— eben in folder Abweifung liegt auch wieder eine dem Apoftel-
fürften zugefügte Beleidigung —, und hier macht fih nun geltend,
wie jehr der Papft es empfand, daß Heinrich IV. noch fort:
während, ohne NRüdficht zu nehmen, die Inveftitur für Stühle in
größerer oder geringerer Entfernung von Rom, bei Fermo und
Spoleto in der römiſchen Kirhenprovinz felbft, ertheilt hatte: „Es
wird zu Tage gelegt, in dem, was nachher von Dir durchgeführt
und verfügt worden ift, ein wie hohes Gewicht Du entweder auf
unfere Ermahnungen oder auf die Beobadhtung der Gerechtigleit
gelegt haft“. Dennoch will Gregor VII. die Hoffnung auf eine
Gehorſam dringende Gefinnungsänderung des Königs nicht auf
eben; er ermahnt ihm, davon abzuftehen, feine eigene Ehre über
iejenige Chriſti zu fegen, die Freiheit der Kirche nicht weiter durch
einen Eingriff von feiner Seite zu hindern, fondern zu beren
Schärfer gehaltener Mahnbrief Gregor's VII. an Heinzih IV. 579
Wachsthum Gott und dem heiligen Petrus hingebungsvol Hülfe
u leihen. Heinrih IV. fol erkennen, daß er für den über bie
Feinde ihm verliehenen Sieg jetzt ganz bejonders zu Dank ver⸗
pflichtet fei, jo daß Gott und der Apoftelfürft wegen der ermiefenen
Wohlthaten ihn um jo ergebener jehen möchten. Der König darf
es nicht vergeffen, daß König Saul, als er nad dem auf Befehl
des Propheten ihm zu Theil gewordenen Siege ſich überhob und
die Mahnungen des Propheten nicht befolgte, vom Herrn ver-
worfen wurde, und eine wie große göttlihe Begünftigung dagegen
David, in Folge des unter defen Tugenden hervorſtrahlenden Ver-
dienftes der Bejcheidenheit, gefolgt ſei 1°”).
Noch immer weilten Gejandte König Heinrich's IV., feit dem
Sommer, in Rom, und noch ein weiterer Bote war hinzugelommen.
Diefen dreien gab jet der Papft, als zugleich kirchlich gefinnten
und dem Könige treuen Männern, das Schreiben mit, unter Beir
fügung der Andeutung, daß er über Fragen, welche Heinrih IV.
noch weiter berührt hatte, zur Zeit ſchweige: er werde erit ber
161) Registr. III, 10, ift, ald J. 4972, auch noch durch Lowenfeld, freilich
mit Fragezeichen, zum 8. Januar 1076, mit der Ginordnung im Registrum,
geftet worden. Doch gehört der Brief, wie jhon Perh, n. 52 zu SS. V, 280,
annahm unb Floto, Kaifer Heinrich IV., IL, 71, Anın., nahwies, worin Giefe-
brecht, TIL, 1141, in den „Anmertungen“, fi anfdhloß, in bie Seit vor bem
Abtchlun des Jahres 1073, alfo wohl wahricheinlih — durch Aenderung von
Januarii in Decembris — zum 8. December (l. c., 218—222) Wohl mit allzu
ger Beftimmtheit zog Giefebredht, II, 345, aus den Worten am Ende bes
riefed: super his quae in epistolis tuis visa ac cognita reticemus — den
gar, Gregor VII. antworte hier auf „ein legte Schreiben bed Königs vor
dem Bruce‘. Die Einjhräntung zum Gruß in der Ueberſchrift lautet: si
tamen apostolicae sedi, ut christianum decet regem, o| it; fie wich
dann gleich im Gingange des Gehreibens gerechtfertigt: Considerantes ac solli-
eite pensantes, quam distrieto judici de dispensatione erediti nobis per
beatum Petrum apostolorum prineipem ministerii rationem reddituri
sumus, cum dubitatione apostolicam tibi benedictionem mandavimus,
wömlih wegen Heintid' IV. Umgang mit Greommunicirten. Sehr nadie
drũdlich wird dann der heilige Petrus vorangeftellt, z. ®.: Et dum nos aut
elementa percurrimus aut tium voces auscultamus, ipse, ex quo corde
mandata prodierint, subtili inspectione discernit (sc. beatus Petrus). Die
Anbeutung wegen des |Jnvefliturverbotes ftand fon ©. 456 in n. 18. Die
gleich an jene Stelle angeichlofienen Worte des Schreibens heißen: Quod
jidem etsi a nobis tam amicabiliter monitus non fuisses, aequum tamen
ierat: ut prius, in quo te gravaremus aut tuis honoribus obstaremus,
rationabiliter a nobis exigeres, quam apostolica decreta violares. Verum,
quanti aut nostra monita aut observantiam justitiae feceris, in his, quae
postmodum a te gesta et disposita sunt, declaratur (Worte, welde aller
dinge, gleich ben vorangegangenen, Zloto, 1. c., 73 u. —2 — mißverftändlich
wiedergab). Melper, 1. c., 218, fieht in ben mahnenden Worten: ut... ...
libertatem ecclesiae, quam sponsam sibi coelesti consortio jungere dignatus
est (ec. Christus), non jam tua occupatione impedias — einen Hinweis auf
Sregor’3 VI. Auffafjung vom Sigenthumsrecht am Kirdjengute, was aber
Baip, Deutiche Derf.-Geih, VIII, 434 n. 1, mit Recht beftreitet. Daß der
Bapft an ben König ichrieb, fagt Donizo, 1. c., v. 1271 u. 1272: Acrius ad
regem scripsit pastor sacer, et se ulterius clamat non posse pati mala
tanta (L c.).
37*
580 1075.
ftimmte Antwort ertheilen, warn jene Boten zu ihm zurüdgefehrt
jein würden und in Rom die Willengmeinung de3 Königs über die
Angelegenheiten mitgetheilt hätten, deren Verhandlung gegenüber
dem Könige er dieſen drei Geſandten aufgetragen habe. Wie
Gregor VII. nämlich fpäter felbft feinen deutſchen Anhängern
öffentlich verfündigte, hatte er den Abgeſandten Heinrich's IV. noch
geheime Aufträge an denfelben mitgegeben !°®).
Diefe geheimen Aufträge waren nach Gregor's VII. Angabe
qmeierlei Inhaltes. Erſtlich ſollte Heinrih IV. wegen feiner Ber-
vechen Buße thun. Ferner aber müfje er die Ercommunicirten
von der Theilnahme an feinen Angelegenheiten ausfcheiden, da
fonft nichts Anderes über ihn entſchieden werden fünne, ala daß er,
von der Kirche abgetrennt, jelbt der Gemeinſchaft der Excommuni ⸗
cirten angehören ſolle. Dagegen wurde verheißen, daß Heinrich IV.,
wenn er die Mahnungen annehmen und fein Leben beſſern wollte,
von Gregor VII. jo in den Schoß der Kirche aufgenommen werden
follte, daß er als Verteidiger des allgemeinen Friedens und der
Gerechtigkeit gelte. Außerdem fcheint es, wenn auch der Papit
ſelbſt nicht davon ſprach, daß hinfichtlich der Buße als Enoziel,
mit deffen Verfäumniß die angebrohten Strafen zur Thatjade
würden, die nächſte Faſtenſynode angekündigt wurbe !%%).
168) Gregor VII. licht Registr. III, 10, mit: ....... non antea tibi
eerta responsa dabimus, donee legati tul Rabbodi, Adelpreth et Uodel-
scalki, quos (Gonjectur Jaffss: unſichet) his adjuncximus, ad nos reversi,
super his, quae illis tecum agenda commisimus, tuam nobis plenius
aperiant voluntatem. In den Epist. collectwe, Mr. 14, fagt dagegen
regor VIL:_Praeterea inisimus ad eum (sc. regem) tres religioeos viros,
suos utique fideles, per quos eum secreto monulmus (l. c., 538). Die brei
Gefandten {ind die zwei in.n. 153 erwähnten ac nobiles ac religiosi viri, die in
Rom feit ihrer Antunft geblieben waren, und ein dritter noch hinzugefommener
Beauftragter Heinrichs IV., ‚aoenfalte nidt, wie Floto, 1. c, 75, meinte,
„Dienftmannen“ des Königs. Ob aber freilich mit Giefebredht, 1. c., 346, unter
dem erftgenannten der ob. ©. 191 — Graf Ratpoto von Cham zu ver-
ftehen if, dürfte dephalb etwas zweifelhaft fein, weil dieſer Ratpoto wegen des
— g0r8 in Italien verrichteten Auftrages faum ald religiosus in
om galt.
369) Diefe geheimen Aufträge ftehen in der erwähnten Nr. 14 Gregor's VIL,
1. e., body mit einer Einfchaltung, welde in n. 126 zu 1076 beurtheilt werden
wird, aufgegählt. An der Nacjricht Lambert’8, a. 1076, die päpftlichen Ger
fandten hätten Heinrich IV. angrfündigt: ut secunda feria secundae eb-
domadae in quadragesima ad sinodum Romae occurreret, de criminibus
quae obicerentur causam dieturas; alioquin sciret, se absque omni pro-
crastinatione eodem die de corpore sauctae ecclesiae apostolico anathe-
mate abseidendum esse (241) ift wenigfens die Androhung der Ereommuni-
cation auf den bezeichneten Termin wohl richtig, da Bernoldi Chron., & 1076:
ad ultimum mandavit ei (sc. regi), quod in Romana synodo
tune proxima eum excommunicaturus esset, nisi resipisceret (SS. v; 432)
und ebenfo deſſen Schrift: De damnatione schismaticorum, Epist. II, in c. 7:
eum Hainricus rex . ... se in proxima Romana synodo excommunieandum
fore prenoseeret, nämlich bie sancta Romana synodus .... tunc in prima
quadragesimali ebdomada futura et illum cum suis complieibus exeom-
municatura (Libelli de lite, Il, 49) davon ſprechen. Gegen Lambert’ Be
Zeifügung geheimer päpftl. Aufträge an.b. zurüdgehenden Löniglichen Boten. 581
Bar der Inhalt des den Gefandten mitgegebenen Schreibens
zwar, wenn au in verbedten Wendungen, oft recht ſcharf und
drohend, doch jo gehalten, daß er eine Verföhnung des Königs,
freilich kaum anders als in Geftalt unterwürfiger Hingebung an
firhlicde Forderungen, nicht ausſchloß, jo lag das fehr viel un-
günftiger hinſichtlich dieſer Zaſugngen welche zu dem Anderen
hinzu den königlichen Geſandten ſelbſt als Auftrag überbunden
worden waren. Beſonders wurde durch die Kürze der ausgeworfenen
Zeitfriſt, bis zum Februar des nächſten Jahres, ein ſolcher Druck
auf Heinrich IV. ausgeübt, daß auch dieſe Forderung demſelben
unleidlich erſcheinen, den Bruch herbeiführen mußte, mochte auch
der Bapit vielleicht fogar jegt nod annehmen, daß er auf dem
angetretenen Wege einen folhen völligen Riß nicht herbeiführen
werbe 170),
Aber außerdem waren auch Legaten Gregor’3 VII. nad
Deutſchland beauftragt worden, um bei Heinrich IV. jene ſchon er:
erwähnte Fürbitte für die ſächſiſchen Bischöfe einzulegen, melde
nad) ihrer Unterwerfung in die Gewalt des Königs gefallen und
von ihrer Amtsführung entfernt waren. Ueber die Entlafjung der
Biſchöfe aus der Haft, die unverfehrte Zuftellung der Kirchen und
des Kirchengute® an dieſelben ſollte verhandelt, die Gelegenheit
—X werben, bei welcher die anzuordnende Unterſuchung feit-
el
[en würde, ob diejelben nad} ihrem Verdienen ihrer Würben ent-
hauptung, Heinrich IV. fei_felbft mach Rom zur bevorfiehenden Synode einge
laden worden, erllärt ſich Rante, Zur Kritit fräntiſch-deutſcher Reichsannaliſten
(Sämmtliche Werte, LUVLII, 139 u. 140, wo aber_J. 4972 ch um 8. Januar
1076 gezogen wird), ausbrüdlih. Doc glaubt Waiß, Deut] ide Verf Geſch.
VII, 445, n. 1, dab Lambert die Sache doch nicht erfunden habe: der-
gleichen möge erzählt, von der königlichen Vartei in Umlauf gejegt worden fein.
*70) Der Unterfeieb zwilhen dem Schreiben und den mündlichen Auf:
em ift wohl am fchärfften durch Martens, Heinzid) IV. und Gregor VII.
nach der Schilderung don Ranke's Weltgeihichte, 16 u. 17, eben gegen Rante,
VIL, 280, hervorgehoben. Der Annalift von 1075 an hat dad ganze Vorgehen
Sregor’3 VIL. gegen Heintich IV. in einem Längeren Ablchnitte behandelt, der
mit den Worten beginnt: Eodem tempore aestivali domnus papa regi
tot contempta illius promissa et mandata, adhuc apostolica mansuetudine
ättemptando commonitorias direxit litteras — und bis zu dem Gape: si autem
aecelesiam non audiret, ipse eum guasi ethnicum et publicanum a membris
eius omnino reicht (88. v 280). Dieler Bericht if gang, wie fchon,
L c., bie Vermweifungen angeben, oft völlig wörtlich, doch auch mit freien Um:
graltungen unb Erweiterungen, aus Gregor's VII. eigenen Worten, in Nr. 14
Epist collectae, aber gar nicht in ber gleichmäßigen ſteien Reihen ⸗
ee De her Borlage, herübergenommen, jo daß von einer Benugung
ieſes Abfchnittes der Annalen hier abzufehen if. Einzig über bie drei Boten
Gregor’3 VII. an den König enthält der Bericht noch jelbfländigere, nicht bloß
umichreibende Weußerungen: tres viros religiosos, ipsius utique fideles,
guorumgue duo; ad se (ec. papam) Romam, utpote caeteris familiariores,
Jam misit, ad eum quogue familiarius adloquendum et juxta evangelicam
doctrinam lucrifiendum festinanter legatos remisit, quique eum, ut est
amicorum, suasoriis et secretis Suggestionam ineitamentis, nec non amiose
et libertatis blandiloquiis ad dignam scelerum suorum poenitentiam
ineligatum rerocarent (etc, .
582 1075.
kleidet worden feien ober aber laut Kirchenrecht Genugthuung er-
halten follten??‘), Diefe Bemühungen flofien in eigenthümlicher
Weiſe mit Anftrengungen zufammen, die von den Sadıfen jelbft in
gleicher Richtung in das Werk gejeßt wurden. Denn aus den
einzelnen Städten und Lanbestheilen des Stammes wurden an bie
Fürften des föniglihen Hofes, welche Biſchöfe oder Fürften der
Sadjen in ihrem Gewahrſam hielten, Schreiben mit Hehentlichen
Bitten, die Loslaffung der Verhafteten Er erzielen, abgeſchidt.
Einer diefer Briefe, von Geiftlichleit und Volk von Magdeburg an
Erzbifhof Udo von Trier gerichtet, liegt vor. In jeltfam ge
wunbenen DVerfiherungen der Unterwürfigleit wollen die Urheber
biejes Bittgefuches das Wohlwollen des Wächters ihres Erzbiſchofs
für diefen ſelbſt und für fidh gewinnen. Zwar habe — jo ver
fihern fie — Erzbiſchof Werner dur jeine Botſchaft fie wiſſen
laffen, daß ihm große Güte durch Udo's Barmherzigkeit zu Theil
werde, jo daß ihn Schmerz über jein Sefängniß nicht bebrüde,
daß er fi vielmehr durch bie viele Freundlichkeit des Erzbischofs
von feiner großen Ermattung und Anftrengung erhole: in Folge
deſſen fühlen auch bie Bittſteller fich freudig erleichtert und find
aller ihrer eigenen Drangfal nicht mehr eingevenf. Um fo mehr
aber vereinigen fie fih in Dank gegenüber Udo und bitten ihn,
feine und feiner Freunde Fürbitte in allem Ernfte zu vereinigen,
damit Erzbiſchof Werner raſcher wieder zu den Seinigen zurüd-
kehren könne, und fie hoffen, dag werde fi) ohne große Anftrengung
erreichen laſſen. Heinrihd IV. konnte durch Toldes zeitlicheg und
ſachliches Zufammentreffen der Bitten der fächſiſchen Völkerſchaften
und derjenigen des Papftes nicht anders als peinlich berührt
werben. Eine weitgehende Umkehr in der Auffaffung Gregor’3 VII.
trat deutlich zu Tage, indem er jegt jo eifrig ber Sache derjenigen
fih annahm, die er noch vor nur einem Bierteljahre ald vom gött-
1) Heinrich IV. redet in dem fchon ©. 548 in n. 185 erwähnten Brief
an feine Mutter bon ber apostolica legatio, den eidem papae legati.
biefe nicht etwa mit den brei Boten von n. 168, fowie von n. 170 zu ibentis
fleiren find, geht daraus hervor, ba ein Brief in der ruhigen Haltung biefe
Schreibens durch ben König nach Eröffnung ber Botſchaft der drei Beauftragten
Gregor’3 VII. nit mehr hätte getrieben werben können (vergl. zu 1076 bei
n. 3). Bruno erzählt, c. 64, gleich im Anſchluſſe an das in n. 153 (6. 564)
Eingefepaltete, von litterae Gregor’ VIL, quibus eum (sc. ) de multis
aliis eriminibus arguebat, et — von hier an ift nad n. 175 jebenfalle zu
viel behauptet, aufer es werde angenommen, Gregor VII. habe noch bei der
Propofition eines ſolchen concilium an Heinrich s IV. Romfahrt gedaht —
post haec concilium in eo loco quo venire power apostolicus congregaret,
ubi episcopi vel, si digni essent, episeopalem perderent_dignitatem, vel
injuriarum quas erant passi canonicam reciperent satisfactionem. m
näcften Sape fließt dann eine Erinnerung an die Aufträge der drei Boten
jedenfalls mit ein: Quod si in his sacris canonibus noluisset rex obediens
existere et excommunicatos a soeietate sua repellere, se eum velut putre
membrum anathematis gladio ab unitate sanctae matris ecelesise mina-
batur abscindere (351).
vapſtl. n. ſachſiſche Furbitten f. d. fächfiichen Bifchöfe. Goslarer Reichsverſamml. 583
lichen Gericht zexſchmetterte ungerecht handelnde Aufrührer offen
bezeichnet hatte !7%).
— Inzwiſchen war nun aber die königliche Kofhaltung im
Kaufe des December wieder nah dem ſächſiſchen Lande verlegt
worden; in Goslar beging der König das Weihnachtsfeft?"). Hier
trat ferner um ihn, zumal zur Berathung über das Schidjal der
ſächſiſchen Fürften, eine Reichsverfammlung zufammen, welche, nach
den ſchadenfrohen Aeußerungen gegneriſcher Stimmen zu fehließen,
in der Zahl der Beſucher Hinter Heinrich's IV. Erwartung zurüd-
blieb, da beſonders bie ſächſiſchen Stammesangehörigen fih zurüd-
hielten; nad) dem aus Hersfeld fommenden Zeugnifje wären außer
Herzog Wratiflav von Böhmen nur fehr wenige Theilnehmer am
Reichstage anweſend geweien. Dagegen gab jedoch Heinrich IV.
ſelbſi in einem Briefe an feine Mutter zu erkennen, daß er viele
Getreue an feiner Seite auf dem Tage gefehen habe, und ebenjo
ift durch ihn die Anmefenheit jener päpftlihen Legaten in Goslar
feitgeftellt 74). Der König ließ fi, wie er eben die Kaiferin Agnes
172) Bruno, c. 58, tebet von foldien litterae supplicationum pro prin-
eipum nostrorum liberatione, bie quaeque civitas sive provincia pro sui
episcopi ive primatis ereptione abjandte, und fchaltet in c. 59 den ſchon ob.
. n. 118 erwähnten Brief an Udo ein. Die Magdeburger Magen: Ex
omnibus tribulationibus, quas vel longus jam nos usus ferre patienter
edocuit, vel quas ipsa novitas quo insolitas, eo nobis graviores reddit,
nulla nobis umquam gravior ineubuit, quam quod nostro domino archi-
episcopo, immo patre piissimo, per tam longse captivitatis aerumpnam
carere contigit, his praecipue tempestuosis temporibus, in quibus nobis
eset maxime necessurius. Won der rgebung in des Mönige Gewalt Heikt
&: hoc certum tenemus, quod ipse (sc. archiepiscopur) tenetur innocens
capirus, et sola suse salus ecclesiae fuit ei causa traditionis suae
(349 u. 350) Bruno’3 Ausfage über ben Eindrud der Verwendung Gregor's VII.
für die ſachſiſchen Gefangenen und deſſen Eröfinungen überhaupt auf Heinz
ri; IV. lautet, in c. 64: Qua legatione suscepta et venientibus suis quos
miserat apostolico (sc. bie drei efandten, die Bergoe VII. mit Aufträgen
urädfchiete: vergl. n. 168) confirmata, tristis valde fuit, quia in apostolica
ignitate malitise suae, sicut sperabat, auxilium non invenit (351).
173) Mebereinftimmenb bezeugen dad Lambert, a. 1076 (241), der Annalift
von 1075 an, Bernoldi Chron., aud a. 1076, Bruno ce. 57, fowie ec. 58:
prineipes illos, qui nostros habebant in custodie, Goslarias esse compe-
rimus (SS. V,'281, 431, 349).
174) Alle drei Berichterftatter wollen durchbliden laſſen, ba Heinrich'3 IV.
Weihnachtsfeier der Boraußfegung des Giegers nicht entſprochen habe. Lambert
fegt: _Cumque eo (sc. are) omnes regni prineipes evocasset, ut de
rineipibus Sazoniae, qui in deditionem venerant, communi consilio deli-
Peraretar, praeter ducem Boemieum pauci admodum venerunt (l. c.), ber.
Annalift feit 1075: Saxonibus quamquam illi non parum infensis et non
omnino fidelibus, utpote tam saeva et injuriosa animositate ipsius ma-
jestative suppressis (]. e.). ®runo, I. c., meint, wenn er ſich äußert: festivi-
tatem . . . convocatis ad se suarum partium episcopis — in c. 58 if} von
ihnen, al den prineipes illi, qui nostros habebant in custodia, Die Rrde —,
animo non festivo ... . celebravit, bad allerdings fpeciell von dem in n. 177
berührten Borgange ableiten zu folen. Dagegen tedet der in n. 171 erwähnte
584 1025.
wiffen ließ, nach Tanger Verhandlung durch bie Ueberredung
päpftlihen Vertreter und feiner eigenen Vertrauten dahin —
die Herſtellung der in feine Gewalt übergetretenen einpöreriſchen
Biſchöfe zugugeben, jo jedoch, daß er ſich berfelben, wie es ihm
gut fcheine, verſichere, biß zu dem Tage, welchen er zur Erledigung
der Sache feftitelle. Die Legaten des Papſtes — berichtet er
weiter an Agnes — bleiben in Goslar, um biefes Ziel abzu-
warten 175),
Nach anderen Seiten war dagegen biefer Tag zu Goslar für
Heinrih IV. von großer Förderung. Eine weitere Beftätigung des
dur‘) den König gegenüber ber Großen Gehorfamsweigerung im
Inneren gewonnenen Siege war — und in ſehr bezeichnender
Weiſe geihah die Handlung eben hier auf ſächſiſchem Boden in
der Königspfalz zu Goslar —, daß für den noch nicht einmal zwei
Jahre alten Königsjohn Konrad durch Ablegung eines Eidſchwures
die künftige Nachfolge auf dem Thron gefihert wurde. Die an«
wefenden Zürften legten den von Heinrich IV. begehrten Eid ab,
daß fie nad ihm feinen Anderen, als eben dieſen jegt noch im
zarteften Alter ftehenden Sohn, als König anerkennen würden '"*).
Außerdem gelang es dem Könige duch“ unmittelbare Entgegen-
fommen, während eben die anderen ſächſifchen Fürften zunächft feine
Erleihterung irgend welder Art gewannen, mit dem mädtigften
weltlichen Herrn aus ber Reihe ber in Haft liegenden Beienten,
mit Dtto von Norbheim, feinen vollen Frieden zu maden. Ob
ſchon vorher eine gewiſſe Anknüpfung zwiſchen Heinrih IV. und
dem abgejegten bairifchen Herzog eingetreten war, bie vielleicht
bereits für die Erzielung der Unterwerfung im Herbſt vortheilhaft
Brief Heinrichs IV. über hee curia vel conventus als über eine Angelegen-
beit, wo omnium fidelium nostroram, qui multi aderant, consilium et per-
museio, En am I engem haben. Bergl. auch ©. — in n. 185.
x den Anhalt biefeß Briefes ob., 1. c, n. 135, Hier n. 171,
fowie n. I Für die Bgiehungen des Königs zu — Mutter „fallen bie
Wendungen in Betraht: Omnem suecessum nostrum ... . te seire sanum
est, dann am Schluſſe, wo nur feider die näheren Andeutungen fehlen: Tu
vero — pro bons, quam de te habemus, fidueia — uti res nostra diu ex-
pectatum eventum accipiat, a Deo sedulo inquiras. Hoc autem, quod nos
vogast, ea conditione, quavis et mandusti, certissime hoc, et quiequid taae
dileetioni impendere poterimus, accipies.
m) [3 Zuficjerung erwähnen Zambert: Ab ipsis tamen qui venerant
J egit et accepit, ut non alium post eum, quam filium eius,
tenerum adhne Mfantulam (vergl. über Konzab’s Geburt vo * 327), regem
sibi eligerent (l.c.) Bernoldi Chron.: ibi (se. Goslar) yore jurare com-
uli, ut filium eius post ipsum e) ligerent ad rognum (l. c.) Aug ud) Jocundi
alatio 8. —e— e c. 78, gebentt nebenbei des Umfandes, in ben freilich
eine chrono logiſche Umdrehung der Thatſachen enthaltenben Morten über Konrad:
imperatoris & filio, eo tempore Lotharico dı 43 J = 6: n.
anno eodem de duce translatus est in u, a, * le
Sinleitun Rn A und ie ui Bet: ” a — Im
igäial b, ad Greignik an] (o mi
Deimig, IV. ven, 2. 1 ae Beiaßae VI,
192, bie ganze Reihe der. Snalogen File.
Beſchwoͤr. d. Nachf. f. d. Abnigsfohn Konrad. Verjöhnung m. Ottov. Nordheim. 585
fi erwiefen hatte, ift nicht zu fagen. Sicher aber ift, daß Dtto
jest feine zwei Söhne als Geifeln für fih an den König gab —
das wurde in Hersfeld noch befonders beachtet — und darauf der
Bedingungen, unter denen er fich ausgeliefert hatte, entledigt und
aus ber Haft, in der er ſich auf einer Burg des Biſchofs Ruopert
von Bamberg Den freigelafjen wurde. Alsbald gewann er
die volle königliche Gnade; ja, er kam bei Heinrich IV. in folde
Gunft, daß ihn diefer in allen Angelegenheiten, eigenen und öffent-
lihen, vor allen feinen anderen Rathgebern hervorzog: dieje
gänzliche Gefinnunggänderung des bisherigen Führers des jächfiihen
Widerftandes_ war für die Vertheidiger der ſächſiſchen Sade ein
furdtbarer Schlag. Man begreift die Ueberraſchung, welche die—
felben ergriff, fo daß noch fpäter der Geſchichtſchreiber des ſächſiſchen
Krieges, als er dieſe Wandlung fchilderte, fi äußerte: „Den-
jenigen, welchen ber König noch neulich zum gelmmi ften Feinde
hatte, begann er nun alß feinen treueften Rathgeber zu behandeln“ :
— denn nad) feiner Klugheit habe Otto, indem er häufig den Rat!
des Königs beſuchte, es in kurzer Zeit erreicht, daB Heinrich IV.
feinen Rathſchlag vorzugsweife heranzog. Nur durch die Erfindung
der umglaublichfien Vorgänge, die dazwiſchen eingetreten feien,
glaubte man in biefen Kreifen eine jolche Veränderung fi) erklären
zu fönnen 17),
77) Sambert iſt auch hier am einläßlichſten: Otto, deditione absolutus,
tritt bei Heinrich IV. in tantam ſamiliaritaiem. ut omnia deince)
consilie, tam de private quam de re publica, caeteris auriculariis familia-
rius cum eo communicaret. Caeterorum qui se dediderant nec mentio habita
est (l. c.). Daneben erzählt Bruno in eh eine ganze Geichichte, an der ohne
Zweifel wahr ift, daß an Ruobert Otto ala servandus, durd) dieſen aber in
castello guodam . . militibus suis custodiendus übergeben geweſen fei
‘ Zambert, a. 1076, bak auch Bilhof Burchard von Halberftabt dorthin
gegeben war, 247), während alleö Andere, von der ge Otto geplanten
oeeisio nefanda, die buch Hrranlodung des Opfers an den Hof — episcopo
neseiente: doch ift Ruopert ala am Hofe anweſend gedacht — vollführt werben
follte, bie aber mißlang, da Otto — Cum in media nocte a quatuor armatis
inermis ipee ductus Goslariam venisset et illi per curtem ad silvam ten-
dere volnissent ... . — bie Sache errathen hatte, ganz offenbar ein böswillig
refunbenes Gelchichtchen nad; Bruno’ Art ift (dafielbe if fo arg unglaubs
werbig, bafı fogar Derwig, Würdigung von Bruno’ Liber de bello Saxonico,
etc. 31, es offen läßt, ob nicht ein Falſum vorliege, und vollends Gfrörer,
Gregorius VIL, VI, 502, bie „feht umglaublid, ja iappijch flingende Ge:
i ala „eine Erfindnng jächfiicgen Parteipafjes“ verwirft). Dagegen weiß
dann Bruno ebenfalld von Dito: ille, sicut erat vir in omnibus prudens,
consilia regis frequenter accessit, et sapientia sua brevi tempore prome-
reit, ut quiequid ad honorem regis pertineret, eius consilio maxime rex
ipee disponergt., Denique quem anper hahebat hostem saevissimum, cum
nune coepit habere consilistorem fidelissimum (l. c.). Bogeler, Otto von
Nordheim in ben Jahren 1070-1088, 82 u. 83, ſucht das Greigniß diefer An:
näberung Otto’3, der bielleicht — vergl. 79 u. 80 — fchon vorher, durch
Brioatabmachungen, von Heinrich IV. genommen worden fet und möglicherweife
den Frieden von Gpier für den, König zu Wege gebracht habe (Lambert
das gany befimmt an, a. 1076, mo er die Eadıfen zu Otto fagen Täht:
— ‚ guibus ipse ut se dederent vehementissimus auetor fuerit;
586 1025.
ebenfalls hatte aber Xeinrih IV., wenn es ihm gelang,
diefen mächtigen Vertreter des ſächſiſchen Stammes an feiner Seite
feftzubalten, 4 des Einfluſſes deſſelben auf die Sachfen dauernd
u bedienen, vorausgeſetzt, daß Otto ſelbſt dieſe Einwirkung auf
Fine Stammesangehörigen durch feine Gefinnungsänderung nicht
einbüßte, feinen Sieg, wie er duch Waffengewalt und Hinnehmen
der Unterwerfung gewonnen war, erft vollftändig gemacht.
So vergingen die Tage des hohen Kirchenfeftes für Heinrich IV.,
und in Folge der fteigenden Verwidlung der Dinge zwifchen dem
römifhen Stuhl und dem deutſchen Könige ftand, objchon vieler
jedenfalls ftet3 noch von dem Plan erfüllt war, zu der Erlangung
ber Kaiferfrone fo bald wie möglich den Weg nad Rom anzu-
treten, der völlige Abbruch der gegenjeitigen Beziehungen in immer
deutlicherer Weiſe in naher at. In eben diefelbe Zeit fiel
in Rom eine für den Augenblid das völlige Verderben drohende
äußerfte Gefährdung Gregor’3 VII.
Der grimmige Feind des Papftes, der feine Gefinnung ſchon
in den Gemaltthaten des vorhergehenden jahres dargelegt hatte
und dur die damals erfahrene Zurüdweilung in feinem wilden
zu allen Ausfchreitungen geneigten Haſſe nur noch beftärft worden
war, nußte einen ihm günftig feheinenden Umftand aus, um, ganz
unbefümmert um die Heiligfeit der Tage, um die geweihte Stätte,
einen Weberfall gegen Gregor VIL. durchzuführen. Daß ein engerer
Kreis von Einverftandenen in Rom für Cencius zu jeglicher ver-
brecheriſchen That zu Gebote ftand, ftets feines Rufes gewärtig, ift
nicht zu bezweifeln. Dagegen maht das ganze auf einen Schl:
in das Werk gefegte Unternehmen den Eindrud einer durchaus aul
eigene Fauft, nicht etwa auf weit ausgedehnte Vorbereitungen und
Anfnüpfungen hin begonnenen leberrafhung,
Nach; der alten Sitte feierte Gregor VIL die heilige Nacht in
der Kirche Sta. Maria Maggiore am Altare der heiligen Krippe,
jedoch ausnahmsweiſe nur von einer Eleineren Zahl von Geiftlichen
und Laien umgeben, weil ein außergewöhnlich heftiger ftürmifcher
Regen eine größere Zahl von Theilnehmern fern hielt. Eben diefen
Umftand machte fih nun Cencius zu Nuge. Mit einer Schaar
wohl bemaffneter Verſchwörer drang er in das Gotteshaus ein und
warf fi über alle Hinderniſſe hinweg auf den Papft, als berjelbe
eben im ‚Pegriffe ftand, in der Verrichtung ber heiligen Handlung
das Brod zu brechen. Mitten aus derfelben wurbe er in rober
jam dudum opinionem indubiam multorum mentibus insedisse, ideireo
deditionern caeteris tantopere suaserit, ut eorum sanguine regis eibi ani-
mum deplacaret et communi exicio suam ipse salutem mercaretur ... .
roditionis suae mercedem — 245), zu beleuchten und deutet an, baß eben Bruno’s
jeichichtchen zeige, wie ganz —— ben Sachſen die Aenderung in Oitoa
Stellung gelommen fei, jo daß ſich bielelbe einzig aus des Koönige Behärfniß
erflärten, auf biefem Wege den mißglüdten Morbplan vergeffen zu machen.
Meberfall Gregor's VII. durch Gencius u. Befreiung durch die Römer. 587
Weiſe fortgerifjen, aus einer Wunde blutend hinausgeſchleppt; eine
gefährlicher. Verlegung, zu der einer ber wilden Gejellen jhon ben
treih führte, fol nur gleichfam durch ein Wunder verhütet
worben fein. Seiner priefterliden Gewänder beraubt, nur noch noth-
dürftig beffeivet, wurde Gregor VII. auf ein Pferd geſetzt und
auf weitem Wege dur die Stadt nad einem nicht weit vom
Tiber gelegenen feften Haufe des Cencius gebracht. Als mit dem
frühen Morgen die Römer, des Entjegens voll, in den Beſitz ber
Kunde des Gejchehenen gelangten, wußte man noch nicht, ob der
Papſt noch unter den Lebenden ſich befinde. Aber alles Volk
drängte fid) jegt vor dem KHaftorte, dem Thurm bes Frevlers, zu⸗
fammen, und Gencius erfannte, daß er vor folder Uebermacht
feinen Gefangenen nicht feftzuhalten vermöge. So entließ er noth-
gedrungen Gregor VII, welder mit Mühe die unmittelbare Ver-
geltung von dem Kaupte des Reue befennenden Feinde und ben
teuten deſſelben abzuhalten vermochte. Zuerft kehrte der Papft
nad der Kirche zurüd, aus ber ihn Tencius entführt Hatte,
vollendete da den geftörten Gottesdienft und begab fih dann in
den Lateran, um bier das hohe Feſt in gebührender Weife zu be-
geben.
Gencius hatte ſich ſchon in der Nacht nad; dem erften Weih-
nachtstage durch die Flucht mit feinen nächften Angehörigen der
Race entzogen. Die Römer dagegen warfen ſich nun am zweiten
Tage auf feine Befigthümer und die zurüdgelaflene Dienerſchaft.
Der Thurm, welcher Gregor’3 VII. Verhöhnung gefehen hatte,
wurde dem Erbboden gleich gemacht, aud die übrige Habe des
Verbrecher verwüftet, der Anhang und das Gefinde mißhanbelt.
Aber damit war diefer Feind noch nicht entwurzelt. Vielmehr
fagte er "2 von den in bem Augenblid der Noth Gregor VII.
gemachten Zuficherungen los und eröffnete einen Kampf, ber noch
einige Zeit dem Papite zu fehaffen machte. Auch eine Anlehnung
an auswärtige Bundesgenoſſenſchaft war von da an dem römischen
Gegner Gregor’3 VII. geboten. Denn feit der Zeit, wo Heinrich IV.
und Gregor VII. im Gegenfage zu einander fanden, war bie
töniglich gefinnte Partei in Ztalien nothwendigerweiſe mit Cencius
verbündet !7®),
178) Die zum Theil höchſt einläßlichen Berichte italieniſcher und beuticher
Duellen über Gregor’s VIL Gefährdung fallen am meiften nach ber Geite in
dad Gewicht, ob von einer Seite die Vermuthung vorgebradht werde, dad Gr:
igniß in Rom flehe mit den Berechnungen Wibert's, d. h. alfo mittelbar mit
Abfihten Being IV. jelbht, in Berbindung. Bonitho’3 Schilderung,
Lib. VII, ift wohl voranzuftellen, befonderd wegen der genauen Zeitangaben:
in ipsa nocte nativitatis Christi ber Heberfall des aacramenta celebrans, bie
Wegreißung ab altare sanctae Dei genitrieis Marise quod dieitur ad Pre-
sepe — dann (25. December) manc facto die Ginnahme. ber turris quam
Romae habuit mirae fortitudinis (sc. Cencius) durch die belagernden Römer
und Befreiung Gregor’8 VIL, der zum. Zateran —8 — endlich (26.)
sequenti die erecutines Dorgehen der Römer gegen Cencius (I. c.. 665). Kurze
588 1075.
In Rom dagegen mußten der Frevel vom 24. December, die
Art und Weife, in welder am 26. das Volk der Stadt die Unthat
bes Gencius vergolten hatte, die Verbindung des Papftes mit den
Angaben enthalten die Annal. Cavens. (a. 1075), wo aber nur quidam Ro-
mani infideles ald Zhäter — omnes Romani ala Befreier, und zwar eadem
die, genannt find (SS. TI, 189) Arnulf 1. c., Lib. V, c. 6, lennt dagegen
Ceneius, qui propter injuste possessas ecelesiae facultates papae Gregorio
fuerat semper infestus . . . pravo usus conscilio al3 Berüber, bie ecclesia
sanctae Theotocos als Pla der That: Cencius . . . cum gladiis et fustibus
et eonjuratione magna suorum, ense nudo ad capiendum papam violenter
irrupit ecelesiam . . . cumgue per diversa quaesisset, invenit . .. In quem
violenter irruens distrazit ac dilaniavit quamplurimum, impositum equo
suam usque perduxit ad turrim elausum custodiens; bie Seireiung, gekhieht
facto dilueulo, aber unter Anfchluß von: turre dirupts et omni facultate
direpta gleich an Gregor’s VIL. erauäholung (SS. VIII, 30). Won ben Bi:
graphen des Kor if Petrus Pılanus ziemlid) kurz, mit den Ortsangaben:
apud sanctam Mariam Majorem ad Praesepe, fowie domus (Cencii) posita
in loco qui vocatur Parrioni (der Rion Parione, im fühmweftlichen Theil des
alten Marsfeldes, qwileen Pantheon und Ziber), fowie der ausbrüdlichen An-
gabe, dat; Gregor VII. mad; der Beireiung ad ecclesiam in qua captas fait,
indutus solemnibus vestimentis ut mos erat reversus bie angefangene Mefie
vollendete, dann ad palatium caronatus ..... reversus bie ferneren Hand:
ungen vollbradte (: quiequid consuetudinis fuit, celebravit); über die
Execution gegen Gencius Tagt er: domum Ceneũ cum omnibus bonis devasta-
verunt et in terram, contra Domini papae voluntatem, prostraverunt et
homines et mulieres (vergl. dazu Paul von Bernried, c. 53, die durch bie
traditoris soror Augefügten Mithandlungen Gregor’s VII. in der Haft) quam
lurimos deformiter detruncaverunt — atterih, Pontif. Roman. vitag, I,
). Sehr ausführlich if —X Paul von Bernried, der gleich in c. 48 an
das ob. &. 479 u. 480 in n. 46 Mitgetbeilte anfelieht: Compositis itaque huius-
modi demolitionibus, ad tempus quievit (sc. Cincius), exspectans nimiram
opportanitaiem, ut eum (sc. papam) caperet et iniquoram populo ad ne
candum traderet. Dann folgt, cc. 49 bie Erzählung felbft, der durd«
geführten That: Prolapo fere anno (b. h. feit den ©. 479 u. 480 erwähnten Ber
geembeiten), ministri diaboli tempus advenit —, in jehr auögemalter Weife,
jonders unter ſtarler Hervorhebung der conspiratores cum quibus conjura-
verat (sc. Genciu®), mit vielen einzelnen Zügen, 3. B. daf gegen Gewohnheit
ðregor VII. cum parvo clericorum ac laicorum numero nad) Sta. Maria Maggi:
ging: tantum aether aquarum inundationem profuderat, ut ipsum primi
temporie imminere diluvium omnibus videretur, ferner daß Gregor VIL. mur
durd ein Wunder dem Tode entrann: unus educto gladio caput eius abeci
dere voluit ....... percussum tamen in fronte graviterque vulneratum de
ecclesia .. abstraxerunt .... camisia tantum amictum et stols, ut
furem tractum post dorsum cuiusdem sacrilegi posuerunt, dann aud) mit
eingelegten bivecten Reben, in c. 54 des Gencius an Gregor VIL., in c. 55 ber
Antwort bdefielben (I. c., 499 —505), Beno, Gesta Romanae aecclesise
contra Hildebrandum, Lib. I, c. 8, betont Banptfäglih, daß Gregor VI.
fein Wort gegenüber Gencius umd ben Seinigen gebrochen habe: Ceneium,
cui_omnia remiserat, persequi cepit et novem de hominibus Cencii in
atibulis suspendio interfieit ante portam saneti Petri, woran bie ge:
jäffige Erwähnung noch anderer graufamer Handlungen bes Papfted fi an:
fchließt (Libelli de lite, II, 372. Bon beutichen Berichterftattern redet
erflich Sambert von dem Greigniffe, a. 1076, da$ er von einem urbis pre-
fectus Romanae Quintius, ben er eingehender, mit feinen vorangegangenen
Thaten, harakterifict, außgehen Täßt; eigenthümlich if, daß er injecte,
Bolgen bes durch Genciuß begangenen Verbrechens. 589
Römern ungleich fefter geftalten. Gregor's VII. opferbereiter un-
erſchüttert gebliebener Muth hatte ſich erprobt; die Bürgerſchaft
war ihrer Gemeinfamfeit mit der Sache ihres Papſtes mehr, als
ie bis jegt, bewußt geworben; die Nieberwerfung des Gencius und
feines Anhanges in Rom, feine Entfernung aus ber Stadt,
mochte er fi aud no in der Umgebung einige Zeit hindurch
dieta quoque nefas est, in capellos eius (sc. papae) manu den Papft dur
Eeneiuß ergriffen werde ßt, jowie daß, onen "r liei erepuseulo Gencius mn
loren gewelen wäre: nisi ille, mali quod imminebat haud inproyidus, pa]
ittere maturasset, und: Papa interveniente concitatae multitudinis furor
vix et re compressus est (242. Der Annalift von 1075 an fchaltet,
a. 1076, die That des Quintius raptor sacrilegus et pracdo facinorosus, al$
ein Beilpiel der Hanblungamweije der adversarüi insidiatores antichristiani,
ein, welche Gregor VII. fid} zugezogen habe, indem er die Pflichten des guten
Hirten — ovile Christi a lupina rabie undique oculatus sollertissime
muniendo — verjah: — bie Gemottihat fei_post multas insidias gelcjehen,
aber fo, daß, nachdem in Sta. Maria Maggiore die Vikhandlung begonnen worden:
vulneratum (nachher folgt: uno solo, qui papam in caput sacrilegus vulne-
ravit, interfecto, sc. Bei Serförung bes Zhurmes) cepit et in turrim suam
.... cum maximo ludibrio tractum et miserablliter coartatum incar-
ceravit —, erft in dieſem Thurm vollends bie ärgften Bedrohungen folgten:
diu gladio super collum illius furialiter stricto, torvus, minax et omni-
fariam terrificus thesaurum et firmissima sancti Petri castella in beneficia
sibi extorquere non cessavit ab eo; set omnino non potuit; — bie Zers
förung bes Thurmes foigt glei}: domno papa quem jam interfectum puta-
bant inde erepto; von Tencius heißt es: ipso vix interventu papae, cui se
reum dederat, inde vivo propulsato ... . solita papam deluserat vecordia,
quippe in turri sua dum civium suorum tumultum zelumque Dei in se
ardentissimum videret, metuens vitae suae et suorum confessus est ipei
pescatum suum ... . Quod ex toto parvipendens, noctu urbe füga lapsus
evasit. Bernoldi Chron., a. 1076, führt befonberd aus, wie: comprehensum
quidam ex militibus Cintii oceidere destinavit, set cum gladium super
caput eius libraret, nimio terrore correptus corruit . . ., läßt aber, die Zer⸗
förung des Thurmes fogleich folgen: (turris) statim a Romanis penitus dila-
pidatur, et papa prudenter eripitur (SS. V, 281 u. 282, 431 u. 432). Alle
Zeugnifle ftnmen darin überein, daß der Meberfall während der Mehhandlung
der heiligen Nacht (Petrus Pifanus: in confractione Domini corporis super
altare) geſchah. Was die Annahme einer hinter Gencius ftehenden Jnitiative
angeht, jo wird z. 8. burch Gfrörer, Gregorius VII, VII, 490, Heinti IV.
als „der fehle Rüdhalt, auf ben der Grecentier pochte‘, hingeftellt (ähmlid;
lesKndpfler, Eoncilien-Beichichte, 2. Aufl, V, 64: „König Heinrich hatte ohne
jweifel ſchon von dem tüdifchen Plane des Gencius gewußt“), unter völlig entz
fellender Bezugnahme auf die Angabe des Annaliften von 1075 an, daß
Gencius, per omnia morigerus, gegen Gregor VII. per triennium den
Widerfand fortgeſeht habe (l. c., 282), was doch einzig auf die Zeit von Anz
fang 1076, alſo n dem Attentat, bezogen werden barf, von wo au
Henri IV. offener mer des Papfles war (Gfrörer nimmt auch in diefem
zen Zufammenbang bei ſolchen Gonftructionen vom 8. Januar, ald dem
dee Abfaffung des in n. 167 erwähnten Schreibens, J. 4972, den And
gang). Auch gegen Dlaxtens, Die Beſehung des päpftlichen Gtuhls, 203, it mit
Röhnde, Wibert von Ravenna, 27, in n. 9, gany beftimmt feftubalten, daß
vielmehr gerade Bonitho’s, des jonft ſtets fo selifentigen Antlägerd, nicht
abgelegtes Zeugniß fogar gegen einen heimlichen Antheil Wibert’s an der That
ds Gencius |predhe.
590 1075.
behaupten, ftellten eine gewaltige Verſtärkung des Anjehens
Gregor’3 VII. bar.
Noch vor Ablauf des Jahres war aber auch das Leben eines
Mannes zu Ende gegangen, welcher lange Zeit hindurch den größten
Einfluß auf die Handlungen Heinrich's F ausgeübt hatte. Aller⸗
dings war von einer felgen ftärferen Geltung bei weitem nit
mehr fo viel zu verfpüren, als der Tod den lebensmüden unthätig
ggnondenen Zuſchauer von Ereigniffen hinwegnahm, deren legte
enbung ‚gerade ihn aus mehrfachen Urſachen ſchwer getroffen Hatte.
Rorh Am 4. December war nämlih in Cöln Erzbifchof Anno ge-
torben.
Nachdem Anno jhon 1072 den Föniglihen Hof, welchem er
wieder einige Zeit hindurch ſich angeſchloſſen, verlaſſen hatte’’°),
traf er nur noch einmal, im Sommer 1074, innerhalb der Grenzen
feines Sprengel mit Heinrich IV. zufammen; doh war nur mit
Mühe eine ernfthaftere Entzweiung zwiſchen dem Könige und dem
Erzbischof vermieden worden), Cs verfteht ſich, daß von den⸗
jenigen, welde auf Anno’3 Seite ftanden, die gi efamınte Schuld an
dem ſchon länger entftandenen Zerwürfnifje überhaupt einzig dem
Könige zugemehien wurde. Da, wo ber die Gedichte diefer Jahre
ſchreibende Mönd von Hersfeld auf die mechjelnden Beziehungen
zwiſchen Anno und Heinrich IV. einen längeren Rüdblid wicht
erſcheint es ihm ganz begreiflih, daß Anno endlih feinen Ab-
ſchied gänzlih vom königlichen Hofe nahm, er der Warner und
Mahner, welder ſchon längft wegen jo vieler Dinge, die gegen bas,
was gut und billig war, nad) des Königs Befehl oder mit deſſen
Zulafjung jeden Tag in den öffentlichen Angelegenheiten gefähaben,
die bitterften Tabelöworte Habe fallen Laffen; benn er habe erkannt,
daß das Maß der Bosheit voll geworden fei und das im Böen
hartnädig geworbene Gemüth Heinrih’3 IV. weder durch die Zeit,
noch duch bie Vernunft mehr gebefiert werden könne. Mehrere
Jahre läßt Lambert biefen ei —X ichen Kampf des Erzbiſchofs mit
dem Könige dauern, mit jen vielfahen Anſchlägen und Wen-
dungen, wie zumeilen der König, aufgebracht über bie Vorwürfe,
Anno’3 Beſitz mit Feuer und Schwert bedroht, dann aber wieder
denſelben flehentlid mit ben größten Zuficherungen und Ver—
ſprechungen zu befänftigen gefucht habe, bis der iiber, freilich
unter den beftimmteften Sinfehränfun en für den Fall neuer Ab-
weichungen von Neht und Würde, jeinen Beiftand zufagte, wie
dann aber bann aber nad der Herftellung größter Vertraulichkeit, nahezu einer
179) Bergl. ob. ©. 174, fowie zu Lambert’ Angabe, bb Anno anno
pene ante exortum bellum Saxonicum bie Facatio ab exterioribus rei pabli-
ae negocl iis ſich erbeten habe (239), in Excurs I.
) Bergl. S 400-402.
Erzbiſchof Anno's lehte Lebendzeit; Beziehungen zu Heintih IV. 591
Gemeinſchaft in der Regierung, bei wieder eintretender Unordnung
und ber felbftverftändlichen Aeußerung des Abſcheues darüber, der
Bruch neuerdings ein folder geworben fei, daB die ganze Kraft
des Reiches, um Anno’3 Namen zu vertilgen, in Bewegung geſetzt
wurde: fo fei es eben, bei der zunehmenden Bügellofigkeit, dahin
gekommen, daß unter den von Schreden gefeflelten Fürften feiner
mehr muthig genug gewefen fei, auch nur mit einem leifen Worte
bervorzutreten, wenn der König seit und Göttlihes und Menſch⸗
liches ohne Unterſchied vermiſcht habe 181).
Schon ſeit der Einführung der klöſterlichen Ordnung auf dem
Platze der früher vom Pfalzgrafen Heinrich beſeſſenen und an die
Colner Kirche übergebenen fen Anlage hatte Anno ſtets mit Vor⸗
liebe inmitten der dorthin von ihm verpflanzten Mönche, in Sieg-
burg, feine Tage zugebracht. Jetzt war das nach der Rückehr
von dem Antpeil an ben öffentlichen Geſchäften noch mehr, als
bisher, der Fall, und wenn auch Lambert's Ausfage, daß Anno
gerabesı in Siegburg in Nachtwachen und Faften, in Gebeten und
IImofengeben, den Reft feiner Tage Hingebraht, nur im Fall
äußeriter Noth noch das Klofter verlaſſen habe, ficherlich übertrieben
it, fo hing doch fein Herz ohne Zweifel immer mehr an diefer
der Welt entjagenden Auffaſſung bes Lebens !°2),
Ein letztes Mal entfernte fih der Erzbifchof weiter von Cöln
hinweg, als er während der Dauer des Winters von 1074 auf
1075 fi) nad) Saalfeld begab, um den dort von den Mönchen
abgehaltenen geiftliden Webungen beizumohnen; auf dem Rückwege
feierte er das Feſt Mariä Reinigung im Klofter Hersfeld, von wo
jorum geichehenden Dingen die nequam hominum sug}
nes im Betracht fielen my Die Vita Annonie ud, Lib. II, c. 5
die
Arfache, allerdings meh der — bie Anno bedrängten: ut etiam taederet
eum vivere, in das Reich heimſuchenden Wirren, ferner in ber lugenda
semper omnibus aecclesiae membris inter regem et apostolicum contro-
versia mit ihren ſchlimmen Folgen: Grave jam ei erat terrenum omne ...
publ ie frequentationes deelinabat, singularitate delectabatur, assidue
jens, assidue moerens (SS. XI, 495).
16%) Sambert’ Behauptung: nee inde (se. vom Sigebergense mona-
sterium) uspiam, nisi summa forte ac inevitabili necessitate extractus, abs-
eedebat (239) widerfprecen fon, abgeiehen von bem in n. 183 folgenden
geenife, Anno’3 Regeften in ben zwei legten Lebensjahren — vergl. Lindner,
Inno IL, 116 —, wo feine ber Urkunden nad) Simburg als Ausſtellungsori
wei. Immerhin beginnt auch Lib. II, c. I der Vita mit: ultimum agens
annum dilectum sibi montem plus solito frequentabat (498).
592 1075.
die Heimkehr zu Wagen nad) Siegburg fortgefegt wurde !ee). Hier
aber überfiel ihm unerwartet eine jo furchtbare Schwäche, daß die
Hoffnung ſchon aufgegeben war, er vermöge bie Nacht zu über
leben; die in Cöln eintreffende Nachricht fol bei den Gegnern des
Kranken ſchon höhniſche Schadenfreude über ein joldes Ende des
übermüthigen gemaltihätigen Bedrängers hervorgerufen haben.
Schon vor diefem Anfalle glaubten Einzelne, eigenthümliche nur im
halben Bewußtfein auögejprochene Worte von ben Lippen Anno's
vernommen zu haben; jest hörten die durch Abt Expo an das
Krantenlager geftelten drei Mönche weitere mit leifefter Stimme
ehauchte Säge, die treu in Siegburg fefigehatten wurden: „Wehe
der armen Welt, wehe an allen Enden dem Menſchenlooſe von
diefen Leuten, welche Biſchöfe heißen, die mit mir armen Sünder
allerdings Aehnlichteit an den Tag legen, denen aber nur ber
Name, nicht die Lebenshaltung von Prieftern eigen ift“, und al
fie in den ſchwer auffeufzenden Leibenden um Elarere Deutung
drangen, wurde in der von dunkeln erfchredenden Bildern durd-
webten Antwort nur ftet3 wieber der gleiche Klageruf vernommen.
Darauf hatte Anno fir die bei der fich fteigernden Schwäche aus
Cöln herbeigerufenen Spigen der Geiſtlichkeit nur die ſtürmiſch
ausgeiprochene Aufforberung, daß fär bie Ausführung feines
Willens, das Begräbniß in der Klofterficche von Se eforgt
werben möchte. mar befferte ſich wieder das leibliche Anden
aber der Geift Anno's blieb noch länger von einem tief erfchüttern:
ben Gefihte angegriffen, das ber Erkrankung vorangegangen war,
und eine weitere Enthillung, welde ihm in der Faſtenzeit vor
Oſtern zu Theil wurde, übte neuerbings eine große Einwirkung
auf ihn aus. Anno glaubte nämlid im Traume eine Berfammlung
von Biſchöfen zu fehen, deren Namen der Gemährsmann theilweiſe
zu nennen weiß, von Männern, die ber Erzbiſchof entweder noch
en Leben gekannt hatte, ober beren Ruf wenigſiens ihm fiher
fland: — wie zu einem Gerichtstage einberufen, waren fie Alle glei
{hm jelbſt feierlich weiß gekleidet; aber fein eigenes koſtliches Kleid
zeigte ſich durch einen ſchmutzigen Fleck peinlich entftellt, und er
glaubte den Biſchof Arnold von Worms zu hören, wie er ihn deß⸗
wegen von bem ihm bereiteten Sige zurüdwies, freilich mit dem
Trofte für den Weinenden, daß er, wenn er ben led rechtzeitig
abwaſche, nach nicht vielen Tagen in den Kreis dieſer jeligen Väter
werde aufgenommen mwerden?**). Der Vertraute, welchem Anno
189) Sp auffällig Lambert’? Schweigen Mt lautet bie Aueſage ber Vits
Aunonis, Lib. II, c. 24: festum illud quod ypapanti Domini dieitar in
Heresfeldia sollempniter egit (496) allzu beftimmt.
18) Die Vita handelt in c. 24 (496 u. 497) von biejer valida infirmitas;
doch fon von den zwei Zagen dor dem Anfall und vor den während dieſer
Krankheit geſprochenen in directer Rebe eingefchalteten Worten heißt es: 2 non-
aullis q juasi qui sese exceesisset in verbis subinde mirabatur. Als Zeugnis
bafür, daß: Anno memoriam mentis non eam quam ante per longum asse-
qui valuit, führt biefelbe einen Verweis aus Anno’s Bertehr mit Bilcjof Ggilbert
Anno’s torperliche Enttraftung und gemüthliche Beängftigung. 598
am Morgen den Traum mittheilte, foll e8 nun gewagt haben, das
Bild dahin zu deuten, daß die betrübende Entftellung des Feſt⸗
kleides nichts Anderes fei, als das Andenken an das durch die Cölner
Bingen im norbergehenben Jahre dem Erzbifchof zugefügte Unrecht,
die That jener Frevler, denen er im Hinblick auf das göttliche Er-
barmen ſchon längit hätte verzeihen follen: „Diefe Erinnerung
fißt, was s mit gütiger Erlaubniß gefagt haben will, feiter in
Deiner Bruft, als billig ift, und verzehrt Dein Gemüth, gegen
Recht und Biligfeit, mit bitterftem Gram; fie bebedt die übrige
Klarheit Deines heiligften Lebenswandel mit einem gewiſſen pein-
lien Dunkel und verfinftert diefelbe“. Aber auch der Erzähler,
Lambert felbft, gefteht nun hier ein, ba Anno vom Zeugniß feines
Gewiſſens überführt worden fei, jo daß er die Wahrheit des eben
vernommenen Wortes anerfannte und demüthig feine Schuld zu—
ab 12°), Die glüdliche Folge, welche die Erjhütterung dieſes Ein-
rudes bei dem Erzbiihof hatte, war, daß er alsbald Boten nad)
allen Seiten ausſchickte, die fämmtlihen Bürger von Cöln, welche
er zur Vergeltung des Frevels unter dem Banne flüchtig aus der
Stabt vertrieben hatte, zu ſich berief, worauf ihnen am Diterjefte
nicht nur die Gemeinſchaft mit der Kirche, fondern auch ihre Güter
insgefammt, jo weit fie ihnen weggenommen worden waren, gütigft
jurüdgeftellt wurben!®*).
Allein von anderen Seiten her war für Anno neue Beängftigung
mehrfacher Art erwachſen. Zunächſt verftand es ſich von jelbft,
daß die Verſchärfung des Gegenjages zwiſchen Heinrich IV. und
den ſächſiſchen Fürften für den Erzbifchof eine Bebrängniß von
größter Dual werben mußte, in Anbetracht der nahen Verbindung,
in der er fi} zu zwei hauptfächlichen Gegnern des Königs befand;
Erzbifchof Werner von Magdeburg war ja der Bruder, Biſchof
Burchard von Halberftabt der Neffe Anno's. Gleich von Anbeginn
der Reibungen zwiſchen Heinrich IV. und den Sachſen ſtieg der
Verdacht gegen den Erzbiſchof von Cöln, da diefer, ganz abgefehen
von anderen Erwägungen, durch dieſe Bande des Blutes ſich davon
abgehalten fühlte, ernfthafter an den Veranftaltungen zur Züchtigung
von Minden — cum olim ab Egilberto .. . quandam perpetuo dicendam
confessor ei factus accepisset orationem — an. Die au einen baldigen
Zob gedeutete manifesta revelatio — dimidio fere anno priusguam vita
excoderet . . in quadragesima (das widerfpricht freilich der. echem etwa auf den
Juni weifenben Seitangabe) visionem viderat — nahm bie Vita in c. 25 (497)
aus Zambert (240) Herüber, unter Anfügung an die frühere sep imas
diebas geichehene, in c. 24 erzählte reyelatio, deren Wirkung auf Anno fo
groß gewejen war: ad visionis illius majestateın exterritus et extra se factus
erat (496 u. 497). . .
18%) PVergl. in Excurs I die Antwort bes familiaris an Anno, melde
Zambert (240) mittheilt.
3°%) Auch das beruht auf Lambert (240 u. 241), welcher ſchließt: Sie gravis
illa tempestas, quae spiritu diabolico suscitata totam concusserat Colo-
nis, conquievit; pater flios, Ali patrem recognoverunt; archiepiscopus
amaritudine, populus metu et sollicitudine, civitas liberata est solitudine,
Weyer von Anomau, Jahrb. b.dtf. R. unter deiurich IV.u. V. ®b.IL. (88
594 1075.
der Sachſen ſich zu betheiligen. Es konnte aber nicht audbleiben,
daß in Folge defien Anno am Hofe in den Geruch eines Ber
räthers gerieth. Zwar war dann Heinrich IV., als ber große
Kampf gegen den Ungehorfam der Aufftändifchen im Sommer ge
rüftet wurde und der Erzbiſchof, um nicht etwa einer Niederlage,
bei ber feine nächſten Verwandten in verberblider Weife beteiligt
wären, zufehen zu müffen, fi) Urlaub erbat, ohne Schwierigkeit
auf die Gewährung deſſelben eingetreten; wie er ſchon ſeit bem
Beginn des Abfalls der Sachſen mit Mißtrauen gegen die voraus:
gefente meineidige Gefinnung Anno’3 — deſſen förperliches Uebel-
efinden kam nun natürlich noch hinzu — erfüllt war, fo zeigte er fih
zur Verzichtleiftung auf die kriegeriſche Mithülfe des Etzbiſchofs
noch um fo mehr bereit), Aber vollends das Schidjal, das im
Herbft nad) der Unterwerfung der ſächſiſchen Fürften ganz voran auch
Werner und Burchard traf, mußte Anno auf das tieffte Darnieber:
beugen. Doch noch Weiteres, das allerdings auch wieder nur durch
die Nachrichten aus Hersfeld bezeugt ift, fol zum wachſenden
Kummer des Erzbifhofs beigetragen haben. Das war eine Nad:
ftellung zweier in feinem Kaufe in hohem Vertrauen ſtehender
Diener, welche fein Leben bedrohte, dann die Frechheit eines
Anderen, welchen Anno felbft durch eigene Anftrengung für bie
Dienftmannfhaft der Eölner Kirche erworben und aus bejonderer
Zuneigung weit über feinen Geburtsftand mit allen Gütern be-
reichert hatte, der aber jetzt gegen bie Kirchliche Dienftbarkeit fih
erhob und zur argen Schmad des Erzbiſchofs mit gewaltfamen
weltlihem Rechtöverfahren bie Freiheit gewann. Noch ärgerlicher
mußte für Anno ber Verrath eines weiteren Dieners fein, von dem
er hoffte, er habe ihn durch Wohlthaten fich zugethan gemadit.
Diejem hatte er eine fehriftliche Mittheilung an Biſchof Burchard
anvertraut, bie eigend zur größeren Sicherung des Geheimnifjes
ſelbſt auf Wachstafeln aufgezeihnet war; denn er wünfchte den
durch fo heftige Stürme bedrängten Neffen zu tröften und zu unter«
weifen. Aber der Bote muthmaßte aus dieſer umſtändlichen Art
der geheimen Feſthaltung des Gefchriebenen, daß diefelbe etwas
egen König und Reich in ſich berge, und er brachte die Tafeln
—— IV., fo daß dieſer dem Erzbiſchof die Sache als einen
Beweis bes Treubruches vorhielt und von da an, wie der Erzähler
glaubte, noch mehr auf eine Gelegenheit fpähte, ſich bis zum
167) Sambert ſpricht bievon theils bei Anlah der Rüftung: Episcopus
Coloniensis causatus, impium Tore si enlamitals - . . npectator ndemek
vacationem impetraverat, haut gravate hoc concedente rege, eo qu
post_primam defectionem invisum semper eum suspectumque' habuimet,
teile in dem fpäteren zufammenhängenben Abigpnitt über Anno: Primum,
moto bello Saxonico .... Wecel ... et .. . Bucconem tempestas.
involvit gravissimae persecutionis. Contra hos cum non satis impigre regi
toeius Saxonicae gentis exterminium anhelanti opem ferret, nafurae pro-
fecto legibus et camali affectione inhibitus, invisus ei suspectusque ef
eitar, perjurii ac perfidiae insimulatur (225,"239).
Kümmernifie u. Verlufte, lehte ſchwere Krankheit Anno's. 595
Aeußerſten an Anno zu räden!®®). Doch endlich wurde ber Erz⸗
biſchof in dieſem Iegten Sommer auch nod von anderen ihn tief
verwundenden Schlägen getroffen. Schmerzliche Verlufte traten in
dem ihm zumächit ftehenden Kreife von Verwandten und Freunden
ein, zuerit ber Tod eines zärtlich geliebten Sohnes einer Schweiter,
des Knaben Anno, dann derjenige des Prior von Siegburg,
Herimann is).
Noch ein letztes Mal war der Erzbifhof in Siegburg an-
wejend, da er wegen ber boppelten eier des Kirchweihetages und
bes St. Michaels-ieftes, aljo am 29. September, dafeldft rn auf-
hielt; al8 er unter Segenswünjchen für feine Stiftung ſchied,
hatte er abermals in deutlichiter Weiſe auf die Stätte, wo er be
gaben zu fein wünſchte, bingezeigt!”). Dann aber kam die
rankheit, welche den Tod herbeiführen jollte, in heftigfter Weife
zum Ausbruche. Sehr ſchlimme Gejhwüre traten, wie es fcheint,
zuerſt am rechten, dann an beiden Füßen zum Vorſchein, jo daß
allmählich die faulenden Fleiſchtheile abfielen, dur Ablöfung der
Haut, nachdem das — verzehrt war, hie und da bie Knochen,
unter abſcheulichem Anblide, entblößt wurden. Darauf dehnte ſich
das Uebel auch auf bie unteren, dann die oberen Schenkel aus, bis
im Verlauf der neun Wochen ber Verbreitung die Gicht endlih an
den Sig des Lebens trat!?!). Dennoch hatte Anno noch, jo lange
328) Sambert bringt auch biefe Dinge in dem ‚gliden längeren Abſchnitte
(239 u. 240), nach ber Stelle in n. 187, auf welche übrigens zuerft ein in
&renrd I aufgenommener Gap wegen bes Aufftandes der Gölner von 1074
foigt In dem Zufammenhange betreffend den Brief erfept die Vita Annonis,
Lib. II, c. 23, die fonft ganz an Sambert fich anfchliekt, beflen Gap: Quas
ille (sc. litteras rex) deinceps in argumentum lesae fidei archiepiscopo
improperans, necem ei et omnibus quae eius essent ultimum, sı copia
fieret, exterminium machinabatur — dur: Quas ille contra spem suam
aulla videns infidelitatis indicia dare, tamen ad terrendum eum exemplar
earam archiepiscopo misit, ut experimento colligeret, non raram apud se
suorum secretorum proditionem (l. c., 495). Der alius quidam ex ministris
us, quem Coloniensi aecelesiae propria industria ipee adquisierat, quemque
ob hoc indulgentissimo semper aflectu coluerat et bonis omnibus, etiam
ap natales suos, locupletaverat — bei Lambert — ift vielleicht ber in ber Vita,
Lib. IT c. 10, erwähnte unus — sc. einer der de ministris eius nonnulli, quos
afectuosissimis ad omnem libitum eorum ezcoluerat beneficiis — "quasi
liber nec ullis euiquam obnoxius servitiis ... . . fretus firmitate munitionis
miae quam pridem sacer praesul eidem temerario pii gi indulgentia
eonstruzerat (487: deren Lünftige Zerflörung durch die Gölner fagte Anno
ran)
).
18%) Dieſe crebrae mortes carorum suorum (240) führt die Vita, Lib. III,
ce. 1 u. 2, näher aus. Es waren ein gleihnamiger Schwefterjohn, Anno puer
— nepos beati Annonis —, welder nad) der in n. 8 beigefügten nekro—
Logiiden Rotig am 29. Mai flarb, und unus monschorum prioris offieium
inter eos gerens, Herimannus nomine, auf welden Anno eine in c. 3 ent«
haltene, feinen eigenen baldigen Tod anfündigende Rede hält (498 u. 499).
190) Davon erzählt die Vita, Lib. IIT, c. 4 (499 u. 500).
491) Zambert jagt in der ausführlichen Beſchreibung der Krankheit (240)
ausbrüdlich: ulcere pessimo percussus est in utroque pede, Die Vita, c. 5,
dagegen: eum qui podagra dieitur dolorem inremediabiliter in dextro pede
38“
596 1075.
wie möglich, feine geiftlihen Pflichten zu erfüllen, feine Verehrung
vor den Heiligen zu bezeugen lud, und wie er während ber
ganzen Leidenszeit Mönde von Siegburg, auch zuweilen Abt Expo,
an feinem Lager ſah, fo fagte er bejonderd auch dem Prior
Reginhard die bald eintretende Berufung zur Führung des Kloſters
voraus. Aber überhaupt widmete er feinen Eifer noch ben ver-
ſchiedenſten Dingen, und fo beauftragte er am dritten Tage vor
feinem Tode den Grafen Gerlach, daß er bis zum Abend bes
nächſten Tages ben Herzog Gottfried von Niederlothringen — defien
Tod foll er übrigens auch voraußgefagt haben — zum Behuf einer
Unterredung zu ihm bringe, ein Wunſch, der freilich einfach un
erfüllbar war; doch gab er nun wenigſtens dem Grafen den durch
die Auflegung eines Schwures befräftigten Befehl, daß er zu Gott«
fried eile und diefem die Empfehlung der Angelegenheit der Sachſen
jegenüber dem mild erregten Gemüthe des Königs an das Herz
lege, damit Friede und Gnade ben Niedergemorfenen zu Theil
werbe 92). Aber am meiften lag dem Sterbenden im Sinn, dab
fein Wille hinſichtlich der Beſtatiung nicht Durchfreugt werde. Denn
er wußte, wie man fi zu Cöln wieber feiner früheren Verordnung,
zu St. Mariengreden, in der Stadt felbft alfo, begraben zu werben,
erinnerte. Hatte er nah der Erzürmung wegen des trogigen
Sinnes der Cölner feine Verfügung zu Gunften von Siegburg ab-
geändert, jo mochte jegt nach der Verſöhnung mit der Stadt
vieleicht diefer Entſchluß als weniger feftftehend angeieben werben,
fo daß vollends mit der Erfenntniß, daß Änno's Tod bevorftehe,
das Cölner Volk den begehrenswerthen Schag, ber in den Gebeinen
des Erzbifhofs behauptet zu werden vermochte, ſich nicht entgehen
laſſen wollte. Eben deßwegen Iente Anno, al er ſchon dem Ende
nahe war, nochmals feinen Willen zu Tage. Er faßte im einer
legten Antrengung feine ganze Kraft zufammen, ſetzte fich im Bette
aufrecht und beſchwor, nahdem er, zu größerem Nachdruck feiner
Worte, die priefterlihe Stola fi hatte umlegen laſſen, feine Ver⸗
mox ineidit — fie jet die Dauer bes Leidens auf novem circiter septimanae
feft (500). Den Brief, Sudendorf, Registram Il, 34 u. 35, der den dolor
vester maximus durch: palpat infoelix illud uleus näher erflärt, ſchiebt der
Herauägeber dem Abte Erpo, an Anno, zu.
12) Die Vita bringt noch allerlei Einzelheiten: c. 5, daß Anno noch per
ebbomadam .. . die natalis martyris Gereonis (10. October), im ber Kirche
6t. Gereon, bie Meile Ins, c. 7 über die Borausfagung an Reginkard (vergl
in n. 209), ec. 9 mit der Ueberichrift: Quod sellae superpositus obviam
sanctis portaretur (sc. ad matrem aecclesiam), et quomodo in cenum coram
sancto Severino corraerit, c. 11 über weltliche Verfiigungen Anno’s (vergl. in
n. 211), c. 12 über den Auftrag an den comes Gerlachus, possessor
quod Wichinrod_appellant (ein Gerlach de Wikerothe if in Annvs Ur
tunde von 1068, Lacomblet, Urkundenbuc für bie Geſchichte bes Niederrheind,
I, 137, genannt, ein advocatus .... Gerlahus in derjenigen von 1066 —
nad ®b. I, ©. 528, 0.64 —, 1. c., 131), wegen des Herzogs, dem Anno nad:
rühmt: illam semper dilectionem illamgue veritatem, quae duos nos con.
socians unum effecit, u. a. m. (500 ff.)
Anno's Sorge für feine Beftattung in Eiegburg, Tod in Gätn. 597
trauten unter Anrufung des göttlichen Namens, daß fie ihn nirgends
anders, als in Siegburg, möchten beifegen laſſen 10). Aber trog
diefer in einer wichtigen Frage feftgehaltenen Abneigung gegen Cöln
follen in den Stoßfeufzern des Sterbenden auch Gebete für Cöln,
für die ſchon beinahe dem Untergange beftimmte Stadt, gehört
worden fein !94).
So ging in dem Zwieliht de3 Morgens am 4. December
dieſes Leben zu Ende, das wohl erft an den Beginn des Greifen-
alters gereicht hatte. Nicht ganze zwei Jahrzehnte, ſechs Monate
weniger, war Anno an der Spige feines Erzbisthums geweſen !%%),
Ganz gewaltig war die Bewegung, melde auf die Todes:
nadhricht, bei dem Geläute aller Gloden, durch die Bevölkerung
von Cöln ging. Ale Stände und Alter — befonders ift der An-
theil der Frauen hervorgehoben — fühlten ſich ergriffen; aud in
den Synagogen der Juden erhob ſich ſchon am frühen Morgen viel-
[ehe Unruhe; die zahlreichen Gegner, welche der Erzbifchof während
Lebens in ber Stadt gehabt hatte, zogen fih gleiäfal von
den Kundgebungen nit zurüd. So kam es, daß der Darfteller,
welcher fpäter eifrig aus allen erhältlichen Nachrichten das Bild
198) Lambert fagt ausbrüdlid, da Anno feinen Entſchluß betreffend die
sepaltara geändert hatte: offensus temeritate Coloniensium, qua in eum
inaudita rabie debachati fuerant, während er jegt merkte: populum Coloni-
ensem graviter nimis ferre, quod tam desiderabili thesauro defraudandus
guet, amd er jet biee Tepie Behdtigung des Milnd ganz naße dor dem
Todestag: appropinquante die vocationis suse . . jam in extremo spiritu
eonstitutus . . . Faululum resumpto spiritu (241), während bie Vita, c. 8,
augenfcheinlich für die gleiche Beg benheit einen erheblich früheren Beitpuntt ber
Kranfheit annehmen möchte (501).
1%) Nach ber Vita, c. 14, war nad einer Anrufung ber Heiligen der
uf: sauffragetur Coloniae vestrarum intercessionum meritum felix! Anno’
Abkdiedawort (503).
1) Die Vita It 1.c., ben Tod ad crepusculum matutinum . . cum
ingressu lucis. Als den Tag nennt voran bie im Libellus de translatione,
©. 7, erwähnte Intseift ber duae tabulae plumbee, die zu Haupt und Füßen
deß Weftatteten Tagen: | ridie Nonas Decembris . . anno episcopatus sui 21.
(88. XI, sm, ‚oder bie aureae litterae des epitaphium auf der summitas des
tumulus — Vita, c. 19 (609) — in v. 5 u. 6: — Mensibus hoc denis annis
actoque vicenis quarta bris . . . (su hoch gegriffen, ebenfo annis vi-
inti et sernis im Catalogus archiepiscoporum Coloniensium, 88. XXIV,
So, boch eigenthämlicher Weife aud von Giejebredt, ILL, 326, angenommen,
der bie Echägung bes Alterd anfügt, „nicht weit über ſechszig Jahre“). Meberein-
Firmend nennen den Todestag bie nekrologiſchen Eintragungen, fo von Göln
— Domfift und Wariengreden, ſowie St. Gereon (Archiv für die Geſchichte
de Riederrheins, II, 20 u. 58, III, 117, ®öhmer, Fontes rer. German, III,
344), @lab! (. c., III, 362), ebenjo von Mainz und von Lorich (l. c., III,
143 u. 151), von Paderborn (Zeitfchrift für vaterländiiche Geſchichte und Alters
thumz3tunde, des weitfäliichen Vereins, X, 165), von Gt. Michael in Bam)
unter orhebung von juertheilten plurima beneficia (Jafje, Biblioth., V,
579, Bon Geſchichtſchreibern nennen den Todestag — andere Stellen vergl.
ee Inn 42 — era] a, Manalea von St. — ah
: 88. I, — vergl. auch Buchholz, Die Würzburger Chronik,
„Bernoldi Chron. (88. V, 431). u
598 1075.
diefer Tage jammelte, bezeugen zu dürfen meinte, es fei, feit Cöln
ftehe, ein ſolches Leichenbegängniß noch nie gefeiert worden, und ein
ähnliches werde nie wieder folgen. Ganze fieben Tage dauerten
die Aufzüge, und erft am 11. December fand die Beifegung in ber
Klofterkiche zu Siegburg ftatt. Zwar mwagten fi auch nochmals
die Anſprüche der Geiftlihen von St. Mariengreden auf die Grab:
ftätte hervor; aber fie wichen angeſichts der kräftigen Gegen
anftrengungen des Erzdecans Sigewin, des Vicedominus Herimann
— hernach ſollten dieſe, als zweiter und dritter, Anno's Nachfolger
werden —, ſowie des Grafen Gerlach. Unter Theilnahme der
ganzen Geiſtlichkeit — von auswärts find die Biſchöfe Egilbert
von Minden und Friedrih von Münfter genannt — ging fo der
feierlihe Zug durch alle Kirchen bin, bis endlih am legten Tage
nad ber Hinüberführung der Leiche über den Strom der Weg nad
Siegburg angetreten wurde, von wo die Mönde wehklagend ent«
gegenfamen. In der Mitte der Klofterfirhe wurde die Beifepung
vorgenommen, auf deren Stelle bald unter Abt Reginhard's, des
Nahfolger’3 Erpo's, Leitung das Grabmal in funftvoller Arbeit
fi erhob, mit der Infchrift, welche Anno als das neu für die
Welt aufleuchtende Licht verherrlichte"*%). Denn alsbald glaubte
die fromme Andadt, die jeden Tag fogleih um die Ruheſtätte des
Segßifchofe bervortretenden Wirkungen der göttlien Kraft zu ent:
beden, und in dieſen Wundern fah der eifrige Verehrer, welcher
aus Hersfeld dem Verftorbenen feine ausführlide Schilderung
widmete, den ausdrücklichſten Beweis für die Erhebung Anno’3 von
den Menfchen zu den Engeln, aus den ſterblichen Dingen zur Un
fterblichkeit, aber noch mehr die Widerlegung der „Unverfchämtheit
derjenigen, welche noch furz vorher Anno's heiligfte® und, fo weit
es einem Menjchen möglich ift, von aller Verderbniß diefes Lebens
durchaus unbefledtes Dajein mit dem Zahne der Mißgunſt be
zupften und bie föftlihe Perle, welche ſchon feit lange für die
Krone des himmlifhen Königs beftimmt war, durch faljche Gerüchte
zu verdeden fuchten“ 197),
’96) Lambert hebt al? Uınfland bei ber Uebertragung nad Siegburg —
in medio aecclesine sepultus est — neben dem magnum cleri et plebis
studiam vorzüglich den summus matronarum Coloniensium luetus hervor
(241). Aber unendlich viel einläßlicer if bie Vita, die theils in c. 15, theilß
im weiteren ala Descriptio exequiarum überfchriebenen Theile bes Lib. IL,
von c. 16 an, die Dinge beichreibt (503 ff). Die in n. 195 erwähnte Inſchrifi
fagt: In hoc autem sepulchro positus est 3. Idus Decembris regnante
rege quarto Henrico.
191) Sambert’3 im Texte überfehte Worte Meben am Gingange deö längeren
Anno betreffenden Schlußabſchnittes von 1075: Annum hunc multis cladibus
insignem potissimum lugubrem feeit obitus Annonis (ete.); aber am Ediluß
beffeiben heiht e8 wieder: Ubi (ec. in Sigeberg) quottidie per eius interventum
fideliter postulantibus multa prestantur divinae opitulationis benefieis
es 241). Tie Vita fünt in Lib. II faR den ganzen Keft von e.17 an mit
undererzäblungen (508—514: in c. 21 ift Grabildei Giegfrieb von Mainp
Ueberführungb. Beiche u. Beftattungin Siegburg. Sambert’3 Artheil üb. Anno. 599
‚ Allein Lambert's ürbigung der Bedeutung Anno’3 griff nun
hier weit über biefe legte Lebenszeit defjelben zurüd, auf die Jahre
ber Jugend und des Emporfteigens zu höherer Geltung, noch unter
Heinrich III, bi zur Webertragung der Cölner Kirche, da der in
Törperlicer wie in geiftiger Begabung hervorragende, durch priefter-
liche Tugenden und weltliche lagen ausgezeichnete, in der treuen
und mit freimüthiger Wahrhaftigfeit vollzogenen Bejorgung von
Rechtsſachen wohl erprobte, dur Redefertigkeit tüchtige, furz zu
jeglicher Ausübung guter Werke geeignete Geiftlihe vor Anderen,
welche am Hofe weilten, für bie Gefchäfte der Kirche, wie des
Reiches fi empfahl. geil ſah der Verfaffer zugleich gut genug
ein, daß er von einer Darftellung der vielfachen Thätigkeit Anno's
am Hofe Heinrih’3 IV., in den Dingen des Reiches, da abfehen
müffe, aus dem einfadhen Grunde, weil bei ber vielfach maß-
jebenden Betheiligung Anno's an diejen Angelegenheiten eine ſolche
ieberholung einer abermaligen Vorführung ganzer Jahre der
Geſchichte des Königs gleich käme 108).
Was vielmehr der Geſchichtſchreiber an dieſer Stelle geben
wollte, war das Bild, das er ſich von dem Weſen und Wirken des
Kirchenfürſten machte, welcher in ſeinen Augen ſchon jetzt zu ben
als heilig zu baltenden Zeugen des Glaubens und den Vorbildern
Hriftlichen Wandels zählte. Freigebigfeit gegenüber den Armen,
völlige Hingebung in den göttlihen Dingen, große Mäßigung in
den die Menſchen angehenden Sragen, ftrenger Eifer bei Ver—
befjerung der Geſetze, durch feine Rüdficht gebundener Ernſt bei
der Züchtigung der Frevler: das fchienen Lambert die hauptſäch—
lichſten Eigenihaften zu fein, durch welche Anno zu lautem Preife
und hoher Gunft bei dem Volke gelangt ſei. Ganz vorzüglich
glaubt er aber betonen zu müſſen, wie der Erzbifchof die Pflicht,
dem Kaifer zu geben, was des Kaifers ift, mit ber anderen, Gott
u geben, was Gottes ift, zu verbinden mußte. Die Abtöbtung
3 Leibes durch das häufige Faften, die Durchwachung der Nächte
im Gebete, der mit entblößten Füßen und in der Begleitung eines
einzigen Knaben gejchehende Beſuch der Kirchen, oder der herrliche,
erfhütternd auf die Hörer wirkende, Zerknirſchung unter ber
jammernden Menge wedende Vortrag bes Wortes Gottes: fo famen
studio devotionis adveniens, sc. nad) Siegburg, erwähnt). Auch der Annalift
von 1075 an gebenft bes Umftandes: Qui apud Sigebergense monasterium
sepultus, multis revera miraculis inibi sanctissimus claruerat (88. V, 280).
198) Sambert bietet dieſe bis auf Anno’ Anfänge (vergl. Steindorff ⸗
Henri DIL, II, 335 u. 336) zurüdgreifende Schilderung, lehnt bann aber,
aus den gleichen Urfachen, welche hier eine Recapitulation der politifchen —
teit Anno’a unndthig machen, die Behandlung der caetera quae circa rei publi-
cae administrationem vel egit vel passus est, ab: ei quis plenius scire
voluerit, superiora libelli huius revolvat, et singula eo quo gesta sunt
ordine et tempore copiose deseripta inveniet (237, 239).
600 1075.
bei Anno einzelne Aeußerungen der Frömmigfeit zu Tage!”). .
Doch ſchwerer, als dieſe verdienftliden Thaten im Allgemeinen,
mußte, was Anno ganz im Befonderen als Vorſteher feiner Cölner
Kirche geleiftet hatte, in das Gewicht fallen. Lambert meinte da
ſchlechthin fi dahin ausiprehen zu dürfen, daß ganz unzweifel-
baft als allgemein feftftehend gelte, niemals fei, feit Cöln be-
gründet worden, durch eines einzigen Biſchofs Eifer in ſolchem
mfange der Reichthum und der Ruhm der Cölner Kirche ger
wachen. Denn im ganzen Sprengel foll feine geiftliche Ver—
einigung gemwefen fein, welche er bei feinem Tode durch Güter,
durch baulihe Anlagen, durch Zumeifung von Unterftügungen,
durch eine befondere von fih aus gemachte Schenfung nicht be:
reichert hinterlaſſen hätte. Vorzuͤglich jedoch waren es fünf
Stiftungen, welde unter den von Anno begünftigten geiftlichen
Anlagen bervorragten. In Cöln felbft waren durch Anno, ganz
aus eigenen Mitteln, die beiden Collegiatftifter St. Mariengreden
und — außerhalb der Stadtmauer — St. Georg errichtet worden,
und außerdem hatte er für Mönche, wieder aus dem Seinigen, die
Klöfter Siegburg, Seatjeib und Grafſchaft — in der Landſchaft
Weſtfalen — in das Leben gerufen, baulid in der reichſten Weile
außgeftattet, mit den ausgejuchteften Kirchenzierden ausgeſchmüdct
und durch ausgebehnte Güterfchentungen zum genügenden Unter
halte vieler Brüder in Stand gejegt?%). Der Mönd von Herd:
199) Lambert bringt bie erſte Aufzählung der tantae in Christo virtutes
{chon a. 1074 (214), führt dann aber im Anſchluß an den in n. 198 erwähnten
Rüdblid Alles weiter aus (238), beginnend mit der Anerlennung: Coloniensis
nominis majestatem et. secularem n pompam ambiciosius pene quam aliquis
ex precessoribus eius ostentabat ad populum, nec propterea tamen
tum inter tantas oceupationum procellas spiritun unguam relaxabat a
studio divinarım rerum .... et diem quidem in disponendis privatis seu
iblieis negociis, noctem vero totam in opere Dei expendebat. Bon
Eelsictteren ern, bie Auno s Zob erwähnen, preift ber Anno’3 Lebensende in
anbächtiger Ausiührung erhebende Annalift von 1075 an benfelben als fidelis
et prudens Christi Jesu minister, als hilaris multumque liberalis rerum
sibi commissarım in pauperes Christi dispensator, Bernoldi Chron. als
einen Mann mirae sanctitatis, Ekkeh. Chron. univ. als einen ſolchen plenus
sanctitatis meritis (SS. V, 279 u. 280, 431, VI, 201).
2) Diele Nennung ber Beihungen für bie Didcele, bie Aufzählung ber
fünf Stiftungen bietet Lambert (238), dann weiter ausgeführt bie Vita, Lib. I,
ce. 15—17, c. 19 fi., c. 28, worauf in Lib. II, ce. 17 u. 18, no Bauten in
6t. Gereon und in St. Martin in Eöln erwähnt werben (eine Meberfidht von
noch weiteren baulichen Zeitungen will daB in n. 211 erwähnte Buch von
Argib. Müller, 128 u. 129, geben). Wegen Gt. Mariengreven und Et. Guy
vergl. ſchon Bd. I, €. 161, wegen Saalfeld ©. 571, wegen Giegburg €.
u. 529. Die lebhafte Theilnahme, welche Anno für St. Mariengreden hegte,
gs auch daraus hervor, baß dad Memorienbud) bed Stiftes zum 5. ebruar,
. September die Namen von Mutter und Vater des Sriicofs bringt, daß
der zum 31. März genannte Heymo grepositus huius ecelesie ein avunculus
beati Annonis archiepiscopi war —— (chin für bie Geidjichte des Niederrheind,
DI, 50, 52, 51); nach Mooyer’s Notiz in ber Zeitichrift für valerländiſche
Geſchichte und Alterthumatunde des Vereins von Weftfalen, XVII, 168 u. 169,
war diefer Heymo wohl der Morgänger bes 1061 urkundlich als SPropf
Beeiö d. verbienftlichen Taten Aund's — in Coln, u. |. f. — durch Lambert. 601
feld, welcher das Leben in Saalfeld und in Siegburg ſelbſt kennen
elernt hatte, Berfolgte mit befonberer Vorliebe das innige Zu-
Fommenfeben des Erzbiſchofs mit feinen nach den drei Klöftern ge-
braten Mönchen, und er malte, wie es ſchon an anderer Stelle
erwähnt worden ift, aus, wie Anno, feit er in Fruttuaria bie
ſtrenge georbneten löfterlihen Einrichtungen gefehen und Ausüber
diefer möndifchen Zucht zum Vorbilde nah Siegburg, wie nad)
Saalfeld, verfegt hatte, an diefen beiden Orten und ebenfo in
Grafihaft unter den Brüdern in aller Selöferniebrigung weilte
und gleich einem Diener allen Leiftungen fi) unterzog. Aber eben
in Siegburg hielt er ſich in der legten Zeit am Lieb| auf, um
da den Werken der Nachtwache und bes Faftens, der Gehete und
des Almoſenſpendens fich hinzugeben, und gerade diefe Erinnerung
wurde hier treu bewahrt. Noch mach längerer Zeit hielten bie
dortigen Mönche Einzelnheiten aus dem anmuthigen Verkehre feit,
wie berfelbe zwiſchen dem Erzbiſchof und jenem furz vor deſſen
Iegter Erkrankung verftorbenen Siegburger Prior Herimann gemaltet
hatte, wie fie Brüdern glei fih harmlos nedten?%). Lambert
hatte das wahrhafte Gefühl, das er ſich felbit zwar kaum zuge-
Rand, daß Anno, wenn irgend wann, in dieſer Lebensweife, welche
er in Siegburg annahm, ich wie ein Menſch unter Menjchen be-
wegt habe.
Denn allerdings fehlt es keineswegs baneben an Stimmen,
welche die herben Eigenſchaften des eigenwilligen und oft gewaltfam
ndelnden Kirchenfürften aufdeden. In welchem Lichte Anno's
ndenfen in ber fo trefflich gefchriebenen anfhaulichen Erzählung
über das Leiden der Mönche des Kloſters Stablo erſchien, war
ſchon in einem früheren Zufammenhange zu erwähnen. Der Triumph
begeugten Wezel. des Bruders Anno's, des nachherigen Erzbiſchoſs Werner von
Bagdeburg Col, 3b. I, &. 353), aljo ot ber FE bes Stiftes
überhaupt. Weber Grafichaft handelt im citirten Bande ber Zeitichrift, 215 ff.,
Propft K. Botler. Gerade dieſe fünf Stiftungen kehren aud in der in.n. 195
genannten Stelle ber Annalen von Gt. Alban eingehend aufgezählt wieder,
ebenfo bei dem Ynnaliften von 1075 an: aecelesiarum quinque novellaram
industrius et sumptuosus institutor et provisor, dann in Sigeb. Chron.:
parochiam suam rebus et monasteriis a se fundatis ampliavit, inter quas
praeminet cenobium Sigebergense (SS. VI, 368: body if die Gtelle nicht,
wie bort angegeben if, Varianus Gcottus entnommen); in ben Annal. Pathers
brunnene. (ed. Scheffer⸗Boichorſt, 96) und bei Ekkeh. Chron. univ. ift nur
©iegburg — quod ipse construxerat (in ben Annalen: quod ipse a funda-
mentis construzit) — ald Beftattungsplag genannt. 6 fiverhändtich hebt
auch ber in n. 195 citirte Katalog ber — beſonders heraus, wie ſehr
Anno — flos et nova lux totius Germanias — cunctos antecessores suos
in augmentacione Coloniensis ecelesie precessit.
*1) Bergl. fon ob. ©. 6, 92-9. Die Vita ſchildert, Lib. LIT, ce. 2,
bie magna utrique fiducia in alio, familiaritas et dilectio indissolubilis
wilden Anno unb Hermann (498 u. 499). Gin Beifpiel einer @unftbezeugung
noch für ein amberes Klofter enthält die Ungabe des Chron. s. Huberti An-
n., c. 99, grinque marchas argenti moriturus mittens ecclesise nostrae
. VIEL,
602 1075.
des Kloſterheiligen Remaclus über das Zwillingsklofter von Stablo,
Malmeby, war ja zugleih ein Sieg über die Eingriffe des Erz⸗
bifchofs von Cöln gewejen, und fo ift es zu verftehen, wenn ber
Verfaſſer der lebensvollen Schilderung des harten Kampfes Anno
als einen Mann von großer Betriebfamkeit und von ſcharfem
Geifte hinſtellt, der Kug und vermegen zugleich feine Scheu vor
Bagnifjen mehreren rt und vor manderlei Schleihwegen ge
begt habe wenn fie nur feinen ehrgeizigen Herrſchaftsplänen dienlich
waren?) Nicht weniger gut waren die Härte und die Habjucht
Anno’3 aus peinlichen Feist gemachten Erfahrungen ben Mönchen
des Kloſters Brauweiler befannt, wo zwar die von ihn abgelegten
Beweife für die Pflege geiftlider An, elsgenbeiten keineswegs ge-
leugnet, aber ebenjo die nicht felten #7 ar werdende hartnädige
Betonung der eigenen Willkür, vor der gerechten Sache, ihm nady«
gefagt wurde ?os), Aber ber berufenfte Beurtheiler des Cölner
Erzbifhofs mar doch wohl jener ausgezeichnete Schilverer des
Kirchenfürften von Hamburg-Bremen, welder Anno jo unähnlich
war und doch fo vielfach auf gleichen Feldern der Thätigfeit neben
ihm auftrat, Meifter Adam, der in feiner Adalbert gewidmeten
Schilderung Licht und Schatten jo wohl zu unterſcheiben wußte,
Adam unterläßt nicht, einfließen zu laflen, daß Vieles, was Anno
in_geiftlichen und weltlichen Dingen in vortrefflicher Meife aıS«
geführt babe, ihm zu Ohren gefommen fei, daß bie beiven Erz
iſchoöfe, Adalbert, wie Anno, fih als Eluge Männer und als
tüchtig in ber Sorge für den Staat erwiefen; aber er läßt den
einen, den Cölner, dem andern an Glüd und in der ihm eigenen
Gewandtheit weit vorauseilen. So mußte zwiſchen ihnen, ber
fonder3 auch aus den verjchiedenen Beziehungen zu Heinrich IV.,
tödtlicher Haß erwachſen. Denn während Adalbert feinem ganzen
Wefen nad) innig zum Könige neigte, demjelben Treue bis zum
Tobe zu bewahren erklärte, glaubt der Bremer Domherr deſſen
209) Vergl. in Bd. I, ©. 462 ff., fowie an weiteren Stellen, den Aus-
gen bes Sargen bier S. 48 fi. Einige bezeichnende Aeuferungen des
'riumphus 8. Renıacli, Lib. I, find 3. ®., in c. 2: non dubitavit ad se
transferre jus dominationis ausu temerario ..... quia vir erat in-
dustriae acrisque ingenü, ober in c. 3: Nec suberat ei strenuo valentigue
ingenio fidere, quodlibet factu tam esset difficile, quin coeptum posset ad
jaos vellet exitus vir cautissimus lucere ..... non ignavo astu honori
famaeque suae juxta consulens, egit strenue ... . . sub honestae rei occa-
sione (33. XI, 438, 439).
%%) Brunwilar. ınonast. fundatorum actus, c. 32: Anno, qui quamris
sanctae religionis approbatus cultor fuisset, interdum tamen proprii plus
arbitratus quam justiciae cultus tenax, eidem loco nihil pietatis impen-
debat aut affeetus (SS. XIV, 140). Die Vita Wolfhelmi abb. Brunwilar.,
<. 12, handelt aud) von der Sache und fagt von Anno: Adeo tunc vir pru-
dens et sollertissimus — nadjher: vir mentis ingenuae — pravorum fuerat
consiliis cireumventus, nec repente poterat animus ab incoepto revocari;
im Gemiffen geängkigt, wil Anno auf Wolfpelm’s Ermahnung Hin fein Anz
recht an Brauweiler (begangen durch Entreikung des Alatergutes Elotten) gut
madhen, ftirbt aber vor Erfüllung feines Borjahes (SS. XII, 187).
Abweichende Urtheile — in Stablo, Adam's von Bremen — über Anno. 608
Nebenbuhler Anno, den Mann wilden Gemüthes, nit nur der
Verlegung der Treue gegen den Herrſcher anklagen, fondern
geradezu als den beftändigen Dermittler aller zu feiner Zeit be-
jonnenen Verſchwörungen binftellen zu müſſen. Er läßt ihn
lehthin der Habjucht geziehen werben; freilich habe er all das,
mas er zu Haufe oder am Königshofe zufammenjcharren Tonnte,
zur Zierde feiner Kirche angewandt, fo daß Cöln, die ſchon früher
anſehnliche Kirche, fo fehr die größte geworden fei, daß alle Kirchen
des Reiches mit ihr den Vergleich nicht mehr außhielten. Tod
nod ein anderes Mittel der Förderung der Macht zählt Adam für
Anno auf, nämlich die Erhöhung von Verwandten — aus dem be-
ſcheidenen Urfprung des niederen ſchwäbiſchen Adelsgeſchlechtes,
weldem Anno angebörte —, von Freunden, von Kappellanen zu
den erften Ehrenftellen, damit diejelben im Befig diefer ihrer Würden
dann theils ihm bei feinen Unternehmungen Hülfe und Ehre ge
währten, theil® wieder Anderen, Schwäderen ihre Unterftügung
zukommen ließen. Adam will gar nicht alle jo Geförberten an—
führen ; er nennt den Bruber Werner von Magdeburg, den Neffen
Burdard von Halberftadt, den anderen Neffen Konrad, den Er-
wählten von Trier, bei welchem allerdings Anno's Abſicht kläglich
mißrieth, weiter als Freunde Egilbert von Minden und Wilhelm
von Utredt, fowie einen Patriarchen von Aquileja, wahrſcheinlich
Ravenger,“ und einen Biihof von Parma, wohl Eberhard, zu
welchem indeſſen nad) anderweitigen Zeugnifien noch, als Verwandte,
Abt Reginger von Elmangen und eine Nebtiffin zu St. Cäcilia in
Cöln kommen ?%*).
Aber noch weit befjer mußte man in Cöln felbft das wahre
Weſen, die eigentliche Gefinnung des Erzbiſchofs Fennen; nirgends
vermochte insbefondere der heftig hervorbraufende Jähzorn, den ja
aud der eifrige Verehrer Lambert nicht zu leugnen wagte?®), jo
fehr zu wirken, als gegenüber den Einwohnern der Anno’3 Sorge
anvertrauten großen Stabt jelbft, wie bie furchtbaren Ereigniſſe
noch des vorhergehenden Jahres bemwiefen hatten. Dafür hatten
denn auch diefe Ausfchreitungen hinwider wilden Haß gemwedt.
4, be
604 1075.
Noch Jahrzehnte nad Anno's Tode erinnerte man fih in Sieg:
burg an eine Mißhandlung, die Anno einmal nächtlicher Weile
Buch grimmige Feinde, als er frommen Werken nachging, erlitten
babe, und aus des Erzbiſchofs legten Tagen lagen ähnliche An-
deutungen vor, wie die Gegner, auch Geiftlihe darunter, mit
Schadenfreude den Nachrichten von feinen Leiden folgten, mit
ſchlecht verhehltem Dergnügen die Todesbotſchaft vernahmen, ober
aud wieder nad) dem Tode, wie fie ſich fpöttifh ablehnend zu den
aus Siegburg verbreiteten Geſchichten von den bewirkten Wundern
verhielten?%). Zu tief hatte der Haß derjenigen, die Anno's Härte
erfahren hatten, die Stimmung ungünftig gefärbt.
Es ift nicht befannt, wie Heinrich IV. die Kunde vom Tode
Anno’3 aufgenommen hatte. Doc kann nicht bezweifelt werben,
daß bier bei den neuen Zeichen gegenfeitiger Mißftimmung, welche,
nur wohl in übertriebener entftellter Gejtalt, von dem felder
jerichte in das Licht gerüdt find, von einer innigeren Theilnahme
an Anno’ legten Schidjalen feine Rebe fein konnte; nur lag
jedenfalls ein völliger Bruch nicht vor, da fonft der Expbifhof den
Gedanten in Dernünktiger Weife nicht hätte faſſen fönnen, Durch Herzog
Gottfried zur Erleichterung der in Haft liegenden ſächſiſchen Fürften
auf das Gemüth des Königs eine Einwirkung auszuüben. Aber
die ganze Erinnerung Heinrich's IV. an die früheren Zeiten ber
Berührung mit Anno war ja dazu angethan, ein Gefühl der Er-
leichterung in ihm darüber zu erweden, daß eine Yenderung in der
Zeitung des großen nieberrheinifchen Erzbisthums eingetreten de
Von feiner anderen Seite her war dem Anjehen der Töniglü
Würde eine jo ſchwere Wunde gejchlagen worden, wie diejenige ge:
wejen war, bie Anno durch die gewaltſame Entführung des jungen
Heinrich IV. ſich hatte zu Schulden fommen lafien, und hatte dann
aud der Erzbifhof nachher zu mehreren Malen feine große That-
Traft den Reichsgeſchäften gewidmet, der König wird ftet3 im deſſen
Handlungen voran das Walten eigenfüchtiger Berechnungen gefehen
20°) Solche deutliche Zeugnifie Aehen mehrfach in ber Vita Annonis, ber
ſonders Lib. I, c. 11, das betitelt ift: Qualiter quorundam malignorum in-
sidüis nocie qundam pupnis graviter sit aftrogiata, fees Lib. IL c.
über die Wirkung der ©. 592 erwähnten Nachricht von Anno’a fchwerer Cr
trantung: Coloniae.. . hi qui dente mordaci vitam eius insequebantur, risum
omni felle amariorem eibi invicem exeitantes, tali eum vicissitudine dignum
convieiabantur, ut qui super eos tyrannico fastu semper imperitaverat eos
opprimens, ipse, in insanie qua vixit moriens, meritam superbise sune
poenam in ultimis lueret, Lib. III, c. 15: Non tamen ista scribentes (sc.
dom Gindeud der Tobeänachrieht) inseii sumus aut neganns non ex popalo
solum sed de clero plures partim apertam partim absconditam in eius
morte gessisse laeticiam . . . cum constet multos Coloniensium eins
vitam, c. 23: die böhnifche Stage von Annoni sancto solitis criminationibus
insultantes am einen bie Qülfe beb Geiligen Begehrenben: Ouam graribus
walis forsitan eruereris, si reperto viae solatio Sigeberch, unde nova jact-
tantar mirabilis nobis, te reprassentaturus adires (Ic. #71 u. 472, 406,
, 510).
Habd. Gölner gegen Anno. Anno’slepte Beziehungen zu Heinrich IV.,zuRom. 605
jaben, und die Stimmung, welche zehn Jahre vor Anno’ Tode,
ei ber Mündigfeitserflärung, Heinrich IV. erfüllt hatte, wo der
jelbftändig gewordene Züngling den Wunfch gehegt haben fol, an
dem Augüber des ihm unerträglich geworbenen Zwanges für ſich
felbft Rache zu nehmen *”), war, zwar durch die größere Reihe
der Jahre in ihren Weußerungen abgemildert, gewiß in dem
Herrſcher erhalten geliehen. Daß Anno nicht mehr am Leben fei,
mochte Heinrih IV. als eine erwünfchte Ergänzung des über die
Sachſen davongetragenen Sieges erfcheinen.
Doc auch zu der römischen Kirche hatten fi im den legten
Jahren Anno’8 Beziehungen wefentlih verfhlehtert, und das
ſcheint auf den erften Blick um fo auffälliger, wenn ermefien wird,
welche Förderungen die Stellung des Papſtthums, nad der Auf-
fafjung, die Hildebrand gefchaffen, die er ala Gregor VII. betonte,
aus ber Haltung bes Erzbiſchofs von Cöln gewonnen hatte. Die
Preisgebung des von ber Synode zu Bafel ermählten Papftes
Cabalus gegenüber dem in Rom erhobenen Alerander II. war
dadurch geſchehen, daß zuerit durg Anno’3 Neffen Biſchof Burchard
die Entſcheidung für Alexander II. gefallen war, dann durch die
Haltung, die Anno ſelbſt als Vertreter der deutjchen Regierung
auf der Synode zu Mantua eingenommen hatte. Aber nicht nur
war der Erzbifchof deßwegen aus feiner leitenden Stellung in den
beutfhen Angelegenheiten hinweggedrängt worden; aud von Rom
aus folgten einander unfreundlihe Nichtberüdfichtigung vor
gebraten Wunfhes und ſcharf ausgefprodene Vorladung und
Bforderung. Denn Anno war, trog der Schädigung des An-
ſehens des königlichen Thrones gegenüber dem römischen Stuhle,
die er herbeigeführt hatte, doch wieder der ſelbſtbewußte Vertreter
einer der angejehenften deutſchen Kirchen in feinem Verkehre mit
Rom, und ungeachtet der in feinen legten Jahren ftärker erfenn-
baren Hinneigung zu ftrengen religiöfen Uebungen blieb der Erz-
bifchof Läffiger in der vom apoftolifchen Stuhle erwarteten und ge
mwünfchten dienftbereiten Willfährigkeit. So verlor ſich auch wieder
allmählich aus den Urkunden Alexander's II. die Erwähnung ber
1063 Anno ausdrücklich zuerkannten Erzkanzlerwürde, und von
1067 an war biefelbe für Anno und ben erzbifhöflihen Stuhl
von Cöln überhaupt befeitigt. Vollends zwiſchen Gregor VII. und
Anno war das Verhältniß ein, wenigftend im Beginne ber päpft-
lien Regierung, fehr fühles, und ebenfo benugte der Papft noch
einen Anlaß gegenüber Anno’s Nachfolger Hildulf, um in einem
Briefe eine Aeußerung einfließen zu lafjen, welde biefer wenig
freundlihen Stimmung Ausdrud gab. Gregor VII. fchrieb in
ausbrüdlich tadelnden Worten über die Schädigung, die Braumeiler
dur Anno erfahren hatte, und beurtheilte daneben den Ber-
201) Vergl. Bd. I, ©. 404 u. 405, wo allerdings in n. 20 auf Lambert’s
Einfeitigleit Hngewiefen wurde.
606 1075.
florbenen nur als einen Dann, den er zwar fonft allerbii ala
den Bollftreder von vielen guten Dingen kennen gelernt habe*°®).
— Um fo mehr mußte in den Kreiſen, welche fi) Anno während
defien legter Lebenszeit ganz beſonders nahe gerüdt gefühlt hatten,
das Bedürfniß wach bleiben, das Andenken des Kirchenfürſten,
welchem fie fi zu Dank verpflichtet wußten, zu ehren.
Schon wenige Monate nad) Anno’3 Tode wurde eben Regin-
hard, der bigherige Prior, als Abt des Klofters Siegburg ermählt,
und durch ihn fam, freilich erft dreißig Jahre, nachdem Anno aus
dem Leben ausgejchieden war, die Ablaflung einer Lebensbeſchreibun—
des ſchon im Gerude der Heiligkeit ftehenden Erzbiſchofs, Burg
einen Mönch von Siegburg, zur Anregung. Denn trog ber hohen
Verehrung, welche in der Säftung Anr 8 dem Andenken des Gründers
gezollt wurde, war e3 hier ebenfall® nicht unbefannt, daß von
jewiffen Seiten auch jet noch vielfacher Vorwurf gegen jenen er-
Boben werde, wie gewaltfam begehrlih und ungeredt er im Leben
geweſen fei, und jo wollte Reginhard auf diefem Wege dergleichen
Stimmen widerlegen und das Gedächtniß des Erzbifhofs verherr-
lichen ; nicht länger follte, wie es der beauftragte Verfaſſer in der
Vorrede ausſprach, in dem Lande und unter den Menſchen, für
welche Anno gelebt habe, unter welden er geitorben fei, welche
jeden Tag durch feine Wohlthaten erquicdt worden, der Verftorbene
ein Prophet bleiben, der im Vaterlande nichts gelte, obihon an
feinem Grabe die Wunderzeihen fo häufig feien. Der Mönch
kennt gerabegu feinen Anderen, der befjer berufen fei, Anno’3 Lob
zu verbreiten, als feinen Abt, den die Reinheit feiner Ehrerbietung
und die Kenntniß der Thatſachen Ei diefer Aufgabe drängen, dem
aber auch eine folde Achtung zufomme, daß er durch Ir felbft
anderweitig nicht bezeugte Dinge genügend verbürge, und weil der
Verfaffer Anno nit mehr mit eigenen Augen bat jehen können,
muß er gerabanı feinen Auftraggeber ald Gewährämann im umfang-
reichſten Maßitabe für fih in Änſpruch nehmen”).
208) Vergl. über das Erzlanzleramt Breplau, Handbuch der Urkunden
lehre, I 197—199, au 3b. I, ©. 308 (mit n. 4), fowie im Allgemeinen
gindner, Anno II, 90 u. 91, der auch auf das bemerfenswerthe Urtheü
Gregor's VIL, in J. 5043, hinweift: Patratorem quidem multorum bonorum
agnovimus fratrem nostrum Annonem archiepiscopum. Sed tamen in hac
parte (betreffend das Brauweiler entrifiene Gut Glotten: vergl. Bd. I, S. 325
u. 326, fowie vorhin ©. 602, n. 203) ıninime defendendus est, non’ errasse,
dum quod beato Nicolao (se. bem Klofter Brauweiler) praeripuit, sanctae
genitriei Dei (sc. der Gt. Mariengreden-Rirdhe) gratum holocaustum aesti-
mavit (Vita Wolfhelmi, c. 14, 1. c.).
0) Die Vita Annonis jagt von Reginhard — Praefatio: .. . pater
Reginbardus coenobii Sigebergensis amministrator, qui formam seriben-
dorum tradens, ita me, suorum ultimum, huic operi subjugavit, ut, cum
verbis propriis utar, eius omnino sensum sequar (etc.) — Lib. III, e. 7,
ba er, zur Zeit von Anno’s lepter Kraniheit unus ex senioribus . . . ofhcio
prior, hernad post eius (se. Annonis) hine emigrationem paueis mensibus
elapsis, electione fratrum coactus est onus auscipere totius monasterii,
Die Vita Annonis, durch Abt Reginhard don Siegburg veranlaft. 807
Die Lebensbeſchreibung ift in drei Büchern in der Art burd-
geführt, daß die. beiden erften, ohne beftimmtere Ausfcheidung bes
Stoffes unter einander, fih über Anno’3 Wirkſamkeit bis in ben
Anfang des Jahres 1075 verbreiten, das dritte bie legte Lebens⸗
zeit und den Tod, ſowie die Leichenfeier in fi ſchließt. Dabei
if in den weſentlichſten Stüden, welche wirklich werthvolle Nad-
richten bieten, eine meiſt mwörtliche Anlehnung an das Werk des
Möndes von Hersfeld, Lambert, erjichtlich ?'%); erft das dritte Buch
hält fi) davon mehr frei. Allerdings ift ber weit größere Raum
fowie daß biefe Leitung bes Kloſters — hodie — per annos jam 29 dauere
©, 466, u. 501. In Lib. III, c. 19, rühmt die Vita den Fortſchritt
Plofters Giegburg unter Reginharb: Ex rebua quibus tunc sacrı corporis
(ee. Annonis) locus die nociuque plenus inveniebatnr, tanta operatus est
(«. Reginhardus), ut cum, viz numerum 40 monschorum ipso primum
abbas effectus susceperit, in brevi haec eorum paueitas ultra 70 vel
& fratres exurrexerit (509). Doch muß Reginharb noch im gleichen Jahre
1105 geftorben fein, weil am 24. November des Jahres in St. 2975 "Ion
Suono ald Abt genannt if. Die noch 1105 gegen Anno gehende üble Nachrede
hebt die Praefatio hervor: Phariseorum alumpni . . nunc in Annonem
sanctum .... garrientes. ... dicunt: .. homo non ignotae personae fuit,
enius vitam rapinis et iujustieiis servientem quisquis ad aequitatis libram
diligenter inspezerit, quam falsa sint haec (sc. igmenta), suo satis judicio
investigabit, made: Hoc est profesto quod, dicitur: Non st propheta
sine honore nisi in patria sus — (465), und biejelbe if überhaupt beftimmt,
jelden qui, nobis ex utroque latere pngnas insiraunt hosiee u antmanien.
IB der Berfafier der Vita Anno nicht perföntich tannte, ſchiebt er Lib. I,
& 38, ein: qui etsi corpore mecdum viderimus (ec. Annonem) (488). Die
Gtellen, in welchen derfelbe auf feine Quellen, neben Reginhard's Mittheilungen
— vergl. Lib. II, ce. 26: secundum jubentis nobis fidem patris (513) —
derweiñ ps Köpfe in der Ginleitung zur Auägabe, 1. c., 463, n. 8—16,
6. ‚Don eines jüngeren, ungeorudien Vita theit 52, G. Koth_im
Archiv der — — für ältere deuiſche Geſchichtstunde. Xli, 200 217,
rolog und Gapitelüberficht aus einer Darmftädter Handſchriſt mit; dieſelbe
mt fi, doch verfürzend, an bie ältere Vita an, umd if am Ende des
12. Jahrhunderts durch einen Giegburger ober Grafidafter Mönch verfaßt (im
Anhang de3 Gober fiehen Wunder Anno’3, bie zu Bamberg bewirkt wurden,
zum Theil, ala berfelbe dort Scholafter war).
910) Die Auspflüdung aus Lambert erſtredt fi oft über ganze Sapitel
, und am
ministerium Beregiseet, in ascensu graduum satis humili contentus sede
Aiescebat (€ 3
it den Berfaffer find anderntheile bie Gtellen, welde er — Lib. II, c. 21 —
Km eh! a An biß auf das in Erturs I aufgenommene Urtheil, ob
608 - : 1075.
durch eigene Mittheilungen des Verfaſſers ausgefüllt. Doc mit
Ausnahme derjenigen über die Jugendzeit und die legten Lebens
momente feines Helden find diefe Nachrichten ganz überwiegend von
nur äußerft untergeorbnetem Werthe. Eine Menge breit ausge
fponnener Geſchichten und Geſchichtchen jollen als Beweife für bie
Frömmigkeit, die Enthaltung, den priefterlihen Eifer, die Mild-
thätigfeit, aber auch für die Wunderfraft, die Vorausfagungen
Anno’3 dienen, und jo würde diefe Lebensbeſchreibung, deren Ür—
heber den Erzbifhof zumeift danach beurtheilte, wie er fich ben
Mönden von Siegburg und denjenigen feiner anderen Stiftungen
gezeigt und wie viele Weberbleibfel von Leibern Heiliger er er:
worben oder zu höherer Verehrung gebracht habe, für fi allein
von ber Wichtigkeit des gefhilderten Mannes nur eine ſchwache
Vorſtellung geben, mag dabei auch noch fo ſehr die Behauptung
von dem Verfaſſer erhärtet werden, daß, fo weit er fehen kann,
nad dieſem großen echt katholiſchen Manne, dem Vorfämpfer der
Kirche und dem Verfolger der Gemaltthaten, ein ähnlicher Seelen-
birte nicht mehr hervortreten werbe*''). Allerdings ſcheint man
11) Giefebrecht, II, 5. an 577, fagt furg und richtig: „Anno konnte
feinen ſchlechteren Biographen finden‘. Ber Preis des vir magnus (etc.) fieht
Lib. III, c. 4 (499). Einige originellere, doch auch nicht wichtige Angaben
über Anno’3 Veziehungen zu Heinrich IV. find u. a. in Lib. I, e. 16: quo-
tiens curiae necdum praesens adesse nunciabatur, non laicus, non clericus,
non comes, non alius quis potens, non episcopus, non ipse denique rex
exceptus est, qui non habitum suum aliter excoleret, comam aequaret,
gestus quoque euos eo praesente temperaret —, ober in c. 24: quodam
tempore rege pessimis adversum se (sc. Annonem) consiliis inflammato,
pergens ad curiam (sc. Anno)... .rex... . eo veniente quasi divinitus
Impuleus, surgens, osculum pacis ei cum magna dilectione perrexit, aud)
Lib. II, ce 18: Erat regalium obsequiorum in urbe Mogontia_tempore
quodam celebritas agenda, primisque de regno juxta morem ad curiam
evocatis, Anno venerabilis et famosi inter omnes nominis s rege enram
et amministrationem huiusce tripudii tunc acoeperat (474, 477, Y: 9 Zur
Eharatteriftit Anno’3 gehört u. a. ü . III, c. 11: procuratoribus rerum
episcopalium aceitis .. . singulos constrinzit, ut in exsolvendis quae
debebat — nam aeris alievi non exiguae quantitati tenebatar obnoxius —
sine — acceptione pro eo succederent, eandem justae retribu-
tionis fidelitatem ut in christiano et in Judeo custodientes (etc.) (502)
Zwifchen der Berliner Differtation Floto's: De sancto Annone, 1847, bem
bemertenswerthen Vorläufer des fpäteren größeren Wertes des Derfafjers, und
Lindner, Anno I. der Beilige, 1869, ſteht zeitlich Aegidius Müller, Anno IE.
ber Heilige, Erzbiſchof von Köln und breimaliger Reichsverweſer don Deutich«
Land (etc.), Reipzig, 1858. ein ebenfo fonberbares, ala anmaßlic bargebotene®
Wert, weldjem die Vita Annonis als „vorzüglichfte voNftändigfte Quelle“ —
ſcheint, die Lambert, wohl in ben von Reginhard gemachten Vorarbeiten, mit-
unter fogar wörtlich benußt habe, und welder u. a. auch Anno's Wappen
— das der Grafen don Daſſel — mitzutheilen in der Lage iſt: Lindner, 7,
nennt die Schrift gut „eine moberne Auflage der Vita Annonis“. Müler's
unteitiiches Verfahren iſt um fo weniger entſchuldbar ala Mooyer ſchon 1844 im
ber Zeitfcgeift für vaterländiice Geiichte u. Altertjumslunde des Vereins von
Weftfalen, VII, 39 fi. — eine Stammtafel, 65 — in ber jehr beachtenewerthen
Studie: Anno IL. der Heilige, Exybilhof von Köln, feine Gejchlechtäver:
Satmit ‚mb feine geiftlichen Stiftungen — durchaus das Nictige ge
r jatte.
Die Vita Annonis u. das Annolied, Vorſtadien d. Heiligfprehung. 609
aud in Siegburg felbft mit der Leiftung des beauftragten Mönches
nicht zufrieden geweſen zu fein, aber nicht wegen des Inhaltes,
fondern nur um ber Form willen. Denn Abt Reginhard fandte
die Arbeit, noch ehe fie abgeſchloſſen war, an einen ſchrifiſtelleriſchen
Meifter, damit berfelbe die Geftalt des Werkes verbeffere und ihm
äußeren Schmud verleihe. Allein dieſer lehnte in einem aner-
fennenden Antwortichreiben bie zugemwielene Aufgabe aud aus der
Urſache ab, weil er einen verhüllenden Aufpug für unpaffend er-
achtete, wie er das an Beifpielen aus Heiligenleben und Wunder⸗
geſchichten darthat*'?).
Hatte ſchon in dieſer Lebensbefchreibung Anno an vielen
Stellen nit nur die Bezeichnung des Verehrungswürbigen, des
Seligen, fondern geradezu des Heiligen, des Heiligften etranen,
während doch no mehr als zwei Menfchenalter nad jelben
verftrichen, bis bie Heiligiprehung des Erzbiſchofs eintrat, fo heißt
vollends in dem fehönen deutſchen Gebihte, das unter Zugrunde⸗
legung bes in Siegburg entftandenen Werkes, wohl unfraglih an
dieſer gleihen Stätte, kaum allzu lange nad Reginhard's Zeit, ge⸗
poeten wurde, Anno faft durchweg ber Heilige. Freilich nähert
ich ber Dichter nur über große Abfchweifungen hinweg feinem
eigentlichen Stoffe, und auch nachdem er Cöln zuerft erwähnt hat,
die hehre Stadt, welche zu Anno's Verherrlichung diente, wie der
Erzbiſchof, der frömmfte Man, als Richter diefe ſchönſte Burg im
deutſchen Lande erleuchtete, greift er in deren Geſchichte wieder un⸗
endlich weit zurüd, biß er abermals nad) drei und dreißig Biſchöfen
auf Anno gelangen Tann, den viel theuren Mann, welchen Alle, die
Tugend und Wahrheit pflegen wollen, als einen Spiegel anjehen
mögen. Darauf werden, eben im MWefentlihen im Anſchluſſe an
die lateinifche Lebensbeſchteibung, Anno's Verdienfte, feine hohen
Eigenfhaften gepriefen; benn ſelig ftand bie Ei Cöln gehörende
Welt, da fie jolden Biſchofs werth war, jelig aber auch dag Reid,
fo lange der gute Herr de3 Gerichtes pflegte. Aber ihn ſchliff auch
Gott mit manden Beſchwerden, wie der Goldihmid thut, wenn
er eine gute Spange ſchaffen will. Doch wie Anno geftorben war
und er zu Gottes Gegenwart und ben ewigen Gnaben aufftieg, da
zeigte er von oben herab, welches Leben im Himmel fei, und wirkte
tchöne Zeichen bei dem Grabe, in dem man ihn als einen Tobten
212) Der Brief an ben abbas R. et grex dominicus sub eo et cum eo et
secundum eum in vietoriogo monte altissime degens — Subend: i
possunt. Quis n ber: Vita sanctorum et
. . nolunt seculari fuco irtutum pom-
patica verboram opulentia .... . adipe gravantur, unter Beifügung breiten
shetoriichen Beimertes.
Meyer von Anonau, Jahrb. d. dtſch. R. unter Heinri IV. u. V. Bd. II. 39
610 1075.
eborgen zu haben meinte. Mit einem ſolchen einläßlich erzählten
Wunder fließt das Gedicht. Das geſchieht dehhalb, damit die
Menden des reihen Gottes Güte verſtehen; denn — fo beißt es
ſchon im Anfange — Chriftus thut fo mande Zeichen durch den
theuren Dann, den heiligen Biſchof Anno, damit bie Menſchen
vom weltlichen zum ewigen Leben gewiejen werden ?1?).
*12) Daß die Maere von sente Annen zwifchen bie vom Dichter benügte
Vita einestheild und bie Translation und Heiligſprechung, die 1183 geſchah.
andererfeitd fiel und daß derielben die Vita zu Grunde lag — von den Ber
iegungen bes Liedes zur Kaiferhronit if bier nicht zu reden — zeinte be
Tondere gegen Holgmann —- in Bieiffere Germania, Il, 1--48, meldier gambert
von Hersfeld für ben Dichter hielt — Gfrörer, Gregorius VII. VII, 472474,
aber aud) Lindner, 1. c., 2, Rimmten ihm hierin noch bei — €. Kettner, Zeitfchrift
für beutfche Philologie, IX (1878), 257—337. Ohne Sweiid if dem
auch darin beizuftimmen, dak das Annolieb nicht viel Ipäter als 1105, und
zwar in Gdln oder deffen Umgebung, Taum anderswo al8 in Giegburg, entftanb:
nur tann nicht, wie Kettner, 304, will, v. 645: där üffe (sc. zu ) steit
md sin gräf — ala Bewer für eine nothmenbige Entftehung vor 1183 ges
nommen werden, da ja felbfiverftänblid) bie Tranelation bei der Heiligiprehung
(vergl. auch den Libellus de translatione, c. 11: Translatum est de tumulo
corpus ..... et in brevi intra locellum auro et gemmis fulgentem decenter
reconditum, SS. XI, 518) fi nur innerhalb von Siegburg, nicht etwa von
da nad) Göln, vollzog. Ebenſo weift Settner, 1. c., XIX (1888), 321—338, mit
teiftigen Argumenten bie Annahme von WB. Wilmannd — Beiträge zur Ge
Ähichte der älteren deutichen Zitteratur, 11: Meber das Annolied (1886) —
aurüd, daß nämlich eine nicht erhaltene einfachere Vita, die Vorlage der betannten
ita, Quelle des Liedes, dieſes aber 1077 oder 1073 verfaßt ſei; ſehr gut verwein
SHettner ba auf v. 505 u. 506: dä ist nu dere kuoninge wichtüm, dis p&bis
senitstäl (in Bezug auf Mainz), die in Zulammenhang mit den Greigniffen im
Beginn bed Jahres 1106 gebracht werden und als für eine Abfaffung des Liedes
bald nad) der Vita ſprechend aufgeführt find; indefien Hielt feitber auch Boat,
Miltelhochdentſche Litteratur (in 9. Paul, Grundriß, der germaniſchen Philologie,
II, I. 251 ff.), die Gntftehung des Annoliedes ſchon in deu Jahren 1077 bis 1078
fe, unter Anfegung der Vita Annonis — ald einer Ableitung — nad 1105.
Vielmehr ift wohl das Lied kurz nach Abt Reginhard's Tod, auf Abt Gumo’2,
deſſen Rachfolgers, Anregung, in Siegburg entftanden, wie benn Cuono aud in
Regensburg, wohin er 1126 ala Bifchof erwählt wurbe, äpnlichen fchriftfielleriihen
Unternehmungen nicht fern Rand: vergl. die weitere Ausführung der durch
N. Roth, in deffen Ausgabe bes Annoliebes (1847), gebradhten Andeutungen —
über Enifchung bed Liebe? in Girgburg -- Durch Gäröber, Monum. German.
Deutsche Chroniken, I, I 51 (berielbe Rimmt aud, 438, in den „Radıträgn“,
Kettner in der Feſthaltung der Priorität der Vita Annonis vor dem bald nady
1105 verfaßten Xiebe zu). Die für Deutsche Chroniken. I, II, don längere
zit verſprochene neue Ausgabe des Annoliedes — von M. Ködiger — it zur
tunde noch nicht eridjienen.
1076.
Heinrich IV. war noch zu Goslar, nachdem er das Weihnadhts-
feft dort begangen hatte, anweſend. Da kamen nad; den päpft-
lichen Legaten, die ſchon vorher am Hofe eingetroffen waren, auch
jene drei früher durch den König felbit an Gregor VIL. abge
ſchickten Gefandten am Hofe an, mit dem Briefe des Papſtes,
welcher wahrjceinlih am 8. December gefchrieben worden war,
und deſſen weiter binzugefügten geheimen Aufträgen‘), Am
1. Januar eröffneten fie dem Könige ihre Botichaft?).
Aber diefe Mittheilung hatte eine Wirkung, welche alsbald
jeglihe Möglichkeit eines weiteren Verſuches, zwiſchen Papft und
König ein Einverftändniß aufrecht zu erhalten, ausſchloß. Die
Forderung ber Buße, dad Begehren, daß ber Verkehr mit den er»
communicirten Theilnehmern am töniglihen Rathe aufhören, die
Anordnung, daß im Falle der Verſäumniß des für die Bußübung
eſtelten Zieles, der nächſten Faſtenſynode, die in Ausſicht ger
ilten Strafen, Excommunication und Entfernung von ber Re—
ierung, in Kraft treten würden, das waren Zumuthungen, welche
Feind IV., angefihts der im eben abgelaufenen Jahre errungenen
Erfolge, fih nicht gefallen laſſen mollte. Zwar follen nad einer
Nahriht die Geſandten ihren geheimen Auftrag fehr vorſichtig
ausgerichtet haben. Doch fei e8, daß der König mehr heraushörte,
1) Bergl. S. 577-581. u
*) Die fo überrajgende Wirkung ausübende Eröffnung an Heinrich IV.
geſchah an 1. $anuar — Bernoldi Chron.: Quae legatio in octavis Domini
ad regem pervenit (SS. V, 432) —, nicht Icon am Weihnachtöfeit, wie ber
Annalıft von 1075 an: Qui (sc. tres viri religiosi, ete.: vergl. ©. 581n. 170)
Goslariam ad regem circa nativitatem Domini pervenientes (SS. V, 281)
anzunehmen fdjeint. Hier, ebenfo bei Qambert: Aderant preterea Hildebrandi
papae legati denunciantes (ete.) (SS. V, 4), ug augenfheinlid, bie
©. 582 in n. 171 angedeutete Dermengung der päpftlichen Segaten mit den vom "
Iape beauftragten töniglien Gelandten vor. Eine dem Bericht bed Löniglichen
om⸗Gymnafiums zu Dapebung, 1883, beigelegte Abhandlung von Dr. I. Weber
mann, König Heinti IV. im Jahre 1076, if ohne felbftändige Bedeutung.
30 *
612 1076.
fei es, daß die Faſſung der Worte eine ſchärfere war, ald Gregor VII.
das in je: Erwäl nung des Inhaltes derjelben ausſprach, das
fteht feit, daß in königlichen Kundgebungen nachher dem Papfte
zum lauten Vorwurfe gemacht wurde, er habe ausdrüclich Hein-
ri IV. fagen laflen, daß entweder er ſelbſt — ber Papit —
fterben, oder aber daß er dem Könige Leben und Reich entreißen
wolle. So gerieth Heinrich IV. in den heftigiten Zorn und wies
drohend die Gejandten fogleich mit ſchwerer Schmad von ſich Hin-
weg®). Es fann nicht überrafchen, daß ein folder jäher Wechſel
der Stimmung fi in dem Könige vollzogen hatte. In ber vor-
nehmften Rönigepfalz jenes Landes, das er fi) wieder unterworfen
zu haben glaubte, waren ihm von Männern, die ihm zu Dienft
verpflichtet waren, die aber jegt als gehorfame Werkzeuge bes
Bapites fi erwiejen hatten, Dinge mitgetheilt worden, welde ihm
unerträglich waren, welde er am wenigiten jegt, nad dem günftig
gewordenen Verfehre mit Rom, erwartet haben mochte. Allein
wohl noch mehr, ala die Rüdficht auf die ſächſiſchen und deutſchen
Angelegenheiten, mochte der Blick auf Italien, auf die Störungen,
welche Gregor VII. dort entgegenftellen fonnte, Heinri IV. bes
herrfchen und zu weiteren Schritten bewegen. Gegenüber einem
folchen Papfte konnte der Plan der Romjahrt nicht feitgehalten,
von deſſen Händen die Kaiferkrone nicht erhofft werden, und wenn
etwa dem Könige no die am 7. December des abgelaufenen
Jahres durch Gregor VII. gegen Thevald, den von Deutichland
ber neu aufgeftellten ubiichr von Mailand, angefündigten Maß ⸗
regeln befannt geworden waren, mußte ihn vollends die päpitliche
Mahnung erbittern. Denn die gleiche Faftenfynode, von welcher
Thedald’3 Schidjal abhängen ſollie, wurde jegt auch gegen ihn als
Schredmittel vorgeſchoben H.
2) Heinrich s IV. Erregung ſchildern Sambert: Quae legatio regem vehe-
menter permovit, statimque abjeelis cum gravi contnmelia legatis (241)
und der Annalift, zuerft a. 1075: Qui ... juzta quod illis per oboedientiam
inpositum erat, caute nimi: non absque maximo vitar sure perieulo
peregerant. Quos ille non tientia suscipiens . .. ira et indignatione
non medioeri succensus, bann a. 1076: Tandem vero rex, non modico furore
post. discessun virorum pcrmotus (1. c., 281, 282) ganz Anti, während
Gregor VII. in der Kundgebung J. 4999 '— Epist. collectae, Rr. 14 — ih
verhältnigmäßig mild ausdrädte: Qui indigne ferens, se a quoquam repre-
hendi aut corripi (Jaffe, Biblioth. rer. German., II, 538: dod) if dann bie
Stelle: et indignum ducens, ete, auch vom Annaliften ausgenüpt, mozu vergl.
©. 581 n. 170). Was der König ans den Worten der Gejanbten heraus hörte,
fagte ex jelbft, (heils in dem dur; Bruno, De bello Saxon., c. 66, eingeldjal-
teten, unt. ©. 627 folgenden Briefe: in ipsum caput insurgere ansus €8,
mandans quae nosti, seilicet, ul tuis verbis utar, quod aut tu morereris
aut michi animam regnumque tolleres (SS. V, 352), thrile in dem Briefe,
Codex Udalrici, Nr. 49: regno me privare studuit, minitans, regnum et
animam se mihi tollere, quorum neutrum concessit (Jaffe, Biblioth., V, 108:
vergl. unt. bein. 78).
.*) Giefebredit macht, II, 349, darauf aufmerffam, der Umfand, daß ber
König die Eröffnungen von feinen eigenen Oıfanbten, bie, obfehon feine Baffallen,
Oeinrichs IV. Erreg. dep. d. päpfil. Botfchaft; Einl.d. Wormſer Reichsverſamml. 613
So brach die ungeftüme Erregung dur alle Schranken, und
ber König war bereit, zu den äußerften Mitteln zu greifen. Erſtlich
befann er fi feinen Augenblid, dasjenige, was ihm joeben unter
Feſthaltung Geheimniſſes geſagt worden war, entrüſtet wie er
war, feinen verſammelten Räthen unter Aeußerung heftiger Be—
ſchwerden mitzutheilen, wie von gegneriſcher Seite vermuthet wurde,
um dadurch ihre Sache mit der ſeinigen nur um fo feſter zu ver⸗
Inüpfen. Denn außerdem nahm er nun erft recht feinen offenen
Verkehr mit den vom Papſte Gebannten gefliffentlid auf, eine
Handlungsweiſe, welche ihm Teibftveständtig als eine abſichtliche
Hervorhebung feiner Harinäckigkeit und des Ungehorſams gegen-
über den eben erſi vernommenen verbietenden Mahnungen Gregor's VII.
ausgelegt wurde. Ferner aber lud er nah Worms, auf Sonntag,
24. Januar, eine Verſammlung der geiftliden und weltlichen
Hirten des Neiches ein. Was durch dieſelbe vollfttedt werden
ollte, ſchwebte dem von feinen Raihgebern umgebenen Könige
wohl ſchon in Goslar, als er die Aufforderung ausgehen ließ, vor,
nämlich der nad Rom angefagten Synode zuvorzufommen, ſchon
ehe diefelbe einen, wie An befürchten ftand, weitgehenden Beihluß
faffen konnte, alfo die Necdhtsgültigfeit der von dort zu erwarten-
den Schritte durch eigene Mafregeln von vorn herein aufzuheben.
Daß ſehr weit gehende Feindfeligkeiten gegen Gregor VII. aus
den Wormfer Berathungen hervorgehen konnten, war ben auf der
Seite des Papftes Repenben Beobachtern der immer raſcher ſich
entwiclelnden Dinge ſicher nicht verborgen; denn ihr Urtheil über
die nad) ihrer Auffaffung nur aus Simoniften und Gebannten be
Rehenden Umgebung Heintich's IV. war das denkbar ungünftigfte, und
fie fahen voraus, daß diefelbe dahin arbeite, alle Anhänger des
Königs ß ven den Papſt mit ſich zu reißen. Allein ob in des Königs
Eeele je A ſchon gleich ber Plan fertig ftand, daß fein Thron
und feine eigene Sicherheit nicht anders, als durch Gregor’3 VII.
Entfernung, behauptet werden fönnten, daß alfo Mittel und Wege
zu fuchen feien, damit derſelbe nicht länger Papft bleibe, ift doc,
trog ber von einer Seite aufgeftellten Ausſage, nicht gewiß. Wohl
aber Tann nicht bezweifelt werden, daß am Hofe in dieſen der
Verfanmlung zu Worms vorangehenden Tagen durch die au
ſchläge derjenigen, welche von der Faftenfynode und ihren Straf-
erlaffen die ärgfte Bedrohung zu gemärtigen hatten, die Stimmung
eine unerhört angriffsbegierige werden mußte, jo daß in dem Aug-
ſich dazu Hatten brauchen Laffen, hören befam, möge beffen Zorn m
geftei yet — Ranle. Glammelte Werte, LULI, 140 u. 141, weißt in ne
Yriiihen Ausführungen zu Lambert auf bie Beiehungen au ben italienifchen
Bragen hin, umd dazu möchte Rimmen, daß Heinrich IV. in dem erften der in
n. 3 berangezogenen Beirfe ſich geradezu beflagte: longius progrediens, regnum
Italiae pessimis artibus alienare temptasti (sc. Gregor ZN
614 1076.
tauſch Biefer Meinungen auch ber König in feinem Zorn über
Gregor VII. fi in zunehmendem Grabe beſtärkt fühlte®).
Bon Goslar begab ſich Heinrih IV. nad dem Aheine, und
er war felbft in Worms anweſend, als, dreiundzwanzig Tage nad
der Entgegennahme der zerhängnißmollen Eröffnungen, ber mit ber
Synode verbundene Reichstag begann‘). Aus ber Reihe der zahl-
reichen hohen Geiftlichen — auch Nebte waren reichlich vertreten —
find, von Namen der zur Verfammlung gekommenen Inhaber des
biſchöflichen Amtes, diejenigen zweier Erzbifhöfe und von vier-
undzwanzig Bifchöfen befannt. Jene zwei waren Siegfried von
Mainz und Udo von Trier, und aus ihren beiden Erziprengeln
waren, von Mainz Richbert von Verden, Huzmann von Speier,
Wernher von Straßburg, Burchard von Bajel, Otto von Conftanz,
Adalbero von Würzburg, Udalrich von Eichftädt, Hezilo von Hildes-
heim, Immad von Paderborn, aber auffallender Weije auch Burchard
von Halberftadt, den ohne Zweifel fein Wächter Ruopert von Yam-
berg herbeigeführt hatte, von Trier Hermann von Metz und Pibo
von Toul. Der Erzbifhof von Salzburg fehlte, wie e8 feiner Ge—
finnung völlig entſprach; aber Dtto von Regensburg und Ellinhard
von Freifing hatten ſich eingefunden. Ebenſo war Cöln, deſſen
Erzſtuhl noch feine endgültige Beſetzung wieder gewonnen hatte,
nur durch die Sprengelbiſchöfe Wilhelm von Utrecht, Heinrich von
6) Das Vorgehen der König wird von dem Annaliften beurtheilt —: =.
1075: totum quod ipsi secreto in aurem elocuti fuerant (sc. die Geſandten)
„. „ eonvocatis suis consiliatoriis palam fecit enarrari querelosus, ea ut
fertur intentione, ut non solum ipsius, set et suas proprias tanto magis
defendere conarentur cansas, Et mox, quod praeter caetera domnus
apostoliens ei specialiter interdixit, excommunieatis ex studio tunc perri-
caeiter communicavit, non attendens caritatis et longanimitatis illius
paternae tolerantiam, qua salutem et honorem ipeius in gremio sanctae
äecclesiae se amplexurum fore per hos viros sibi fidelissime demandavit,
si resipuerit (ete.: in bem Item ‚bier mitgetheilten Sahe lehnt fich der Autor
wieder — vergl. n. 3 — am Gregor’s VII. Brief an, unb zwar an l. c.,
3. 2-24), a. 1076: rex . .. non solum non resipnit, quin potius ampliork
tergiversatione contra ‚merarius satis perieulose desipuit. Namgue
infausto consilio eum suis inito, plures regni episcopos et prineipes, eos
maxime guos ste voluntati eonsentaneos noverat, apud Wormatiam con»
vocavit (l. c., 281, 282). Zambert ift fürger: omnes qui in regno suo essenc
episcopos et abbates Wormaciae dominica septuagesimae convenire precepit
(&hnlich Bernoldi Chron.: in septuagesima apud Wormaciam colloquio facto —
SS. V, 432 u. 433), doch ſchon mit Angabe des Verhandlungegegenftander (vgl.
dagegen n. 10): tractare cum eis volens, ad deponendum Romanum ponti-
ficem, ei qua sibi via, si qua ratio pateret; in hoc cardine totum verti
ratus salutem suam et regni atabilitatem, si is non esset episcopus (241 ı.
242). Daneben ift Bernold’3 Xeußerung, De damnatione schismaticorum,
Epist. III, c. 7, nad} der S. 580 in n. 169 erwähnten Stelle, von Wichtigteit :
[ainricus rex ... tale consilium a simoniacis sive excommunicatis aecepit,
ut omnes sibi subjectos ab apostolico presule separaret sicque sanctam
‚Romanam synodum deauctorizaret ... ‚Aecepio igitur consilio, ante ean-
lem 5; um in septuagesimam erale colloquium apud Wormaziam
Condixit (Libelli de ie, Kir ge u ”
°) Sambert jagt außbrüdli: Rex statuta die venit Wormaciam (242).
Vereinigung u. Zuſammenſehung d. Wormfer Reichsverſammlung. 615
Lüttich, geebrid von Münfter, Egilbert von Minden, Benno von
Dsnabrüd dargeitellt. Der Vorfteher der Magdeburger Kirche war
fern; dagegen hatten Eberhard von Naumburg und Tiedo von
Brandenburg, welcher allerdings wahrſcheinlich in Bremen weilte”),
fi) eingefunden. Aus Burgund war einzig Bifhof Burchard von
Raufanne, aus Italien Bischof Bruno von Verona anwejend. Da-
Ban dürfte kaum eine größere Zahl weltliher Fürften ſich einge-
nden haben; wenigftens ift einzig Herzog Gottfried von Nieder-
lothringen — er war ohne Zweifel zugleih mit Bifhof Wilhelm
von Utrecht gefommen, bei welchem er das Weihnachtsfeft begangen
hatte®) — als Theilnehmer genannt, wobei aber eine um fo reid-
lichere Einwirfung auf die Verhandlungen ihm wohl mit Recht,
zwar von übelwollender Seite, zugefchrieben wird. Die Leitun—
der Verfammlung der geiftlihen Herren ftand aber bei Erzbifchof
Siegfried, der nochmals bier feine Unbeftändigfeit, indem er durch⸗
aus die Sache des Königs gegen den Papft ergriff, darlegte. Ent-
gegen ber in ben legten Monaten, feit dem Bejuche in Nom, April
de3 vorhergegangenen Jahres, bewieſenen Gefügigfeit, welde zwar
den Forderungen Gregar’3 VII. noch ftet3 nicht genügend erſchienen
war, trat nunmehr Siegfried nohmals, im Bewußtfein der Stellung
des Leiter einer Synode der deutſchen Bifhöfe, dem Papfte ent=
fchieden in den Weg; die Erinnerung an alle erlittene Unbill hatte
den ſchwachen Mann muthig gemadt?).
7 Det, ©. 69 n. 56, daß dieſer Biſchof wahrſcheinlich in Bremen fich
aufhielt. ad num immer die Urſache de3 Wegbleibens Erzbiſchof Liemar’s don
Worms geweſen fein mag — Gielebrecht, IIL, 352: „entzog ſich wohl gefliffentz
lich ber mißlichen Sache”, ober Dehio, Gejdhichte des Erzbistumd Hamburg«
Bremen, II, 8: „ohne Zweifel erfannte er das Goncil als das unfelige Unters
nehmen, dad es war . . . nı wenige teilten mit ihm den Mut, gegen ben
damals im Glüde fiehenben König ihre jelbftänbige Neberzeugung zu wahren” —,
dieſer Tiedo könnte allenfalls gewiffermaßen ein Gtelvertreter Liemar's geweſen
fein. Denn konnte diefen nicht die fich wiederholende Krankheit — vgl. ©. 447 —
wie dor einem Jahre gerade in diefer ungünftigen Jahreszeit — vgl. in dem
1. cn. 4, cititien Qriefe: me toto autumno toto hyeme .. . . prepeditum
— von Worms entfernt gehalten haben?
®) Die Anmwelenheit in Utrecht bezeugt die Kloſterchronik von Et. Hubert,
e. 31: In sequenti sollempnitate dominici natalis dux @odefridus natalitinm
euriam celebravit in magna gloria Trajecti ... . ultima fuit pompa huius
wune ostentationis (SS. VIII, 588), und Diedmann, Gottfried II. ber Budlige,
79 u._80, ſchließt wohl mit Recht auf Verabredung von Maßregeln zum Schuß
von Holland — vergl. nachher bei n. 53 —; dagegen It er zu großes Gewicht
auf die Angabe der weit jüngeren Vita Annonis, Lib. III, ce. 12: in tam
remotas terras, ubi tunc dicebatur consistere dux, aliquem ad eundum et.
redenndum sufficere sub intervallo praeseripti teınporis (SS. XI, 502: vgl.
©. 596, n. 192), um daraus zu entnehmen, dak Gottfried ſchon in den letzten
Tagen Anno's, Anfang December 1075, in Frisiand geweſen fein möchte.
9) Die Namen der geiftlichen Theilnehmer (eigenthümlich if innerhalb der
Reihe, bei als vierter Biſchof, Lange vor feinen fächfiichen Nachbarn, zwiſchen
Meh und Lüttich vorher, Toul nachher, derjenige don erben fteht: doch Ift der
Rome Ricbert für diefen ganz Ausſchlag gebend, alfo nicht etwa an Verdun zu
denen) ergeben fi} aus der in n. 14 erwähnten Kundgebung. Im Allgemeinen
616 1076.
Es ſcheint, daß aud noch in Worms, als die Verfammlung
ſchon zufammengetreten war, bie Verathungen über den einzu-
ſchlagenden Weg fortgefegt wurden. Heinrich IV. war zu einem
feften exe, wie dem von Rom ber drohenden Schlage nicht
nur auszuweichen fei, ſondern derſelbe von vorn herein zur Un-
möglichkeit gemacht werde, nod nicht gefommen, und fogar von
gegnerifcher Seite, wo bed Königs Vorgehen auf das heftigite ver-
worfen wurde, fand das Geftändniß ftatt,- daß er nicht jo ſehr aus
ſich felbft zu der den Kampf ohne gleichen eröffnenden Erklärung
gegen Gregor VIL gelommen jei. Seine _Rathgeber, Simoniften,
Ercommunicirte, fowie zugehörige Genoffen biefer Leute, hatten
reben von ber Zheilnahme an ber Verfammlung Lambert: venerunt etiam
episcopi et abbates amplissimo numero (242), ferner Bernold in der fchon in
n. 5 citirten Streitfchrift, gleich im — an bie dort mitgeigrtte telle:
jao ter regni sui princi] juam plures episcopos liquos suos
Adele v vel pocius indes, —— (ee. ver no ipäter Gesta Trever.
Addit. et Contin., Lib. I, c. 10 (freilich in falſchem Sufammenbang, ala wäre
Gregor’3 VII. Baunfluch dorangegangen, ebenjo unter unmittelbarer Anhängung
ber Brigener Synode von 1080): convocato suae partis episcoporum, abbatum
et aliorum graduum concilio (88. VIII, 183); andere allgemeiner gehaltene
Angaben lauten ganz übertrieben, im Chron. Hildesheim., c. 17: pene omni-
bus Ytalieis et Teutonicis episcopis inauditam et in omni canonum serie
ad palacium eum eyocavit (247). Durch Donizo, V
bie Reitung durch Siegfried hervorgehoben, v. 1274
nimis ille non Christum timuit, B
gorii VIL., e. 66, wo aud; ber Mi
Einwirkungen d. Umgebung auf b. Entſchluß Heinrich's IV. 617
von fi aus die Weberzeugung gewonnen, daß das Strafurtheil
des Papſtes fie fiher treffen werde, falls ber König fich einem
anderen Entſchluſſe zuwenden und in den kirchlichen Angelegenheiten,
welche in der Schwebe lagen, fih dem apoftolifhen Stuhle gehorfam
und hůulfreich erweifen würde. So ließen fie feinen gereizten Stolz
nicht zur Ruhe kommen und verftanden es, duch gefhidt gewählte
Vorſtellungen ihn in feiner Erregung unbeſchwichtigt zu Iaffen und
zu den gemwünjchten ihnen notwendigen Schritten zu bringen.
Heinrih IV. mußte, geftügt auf feine Biſchöfe, in einem an
©regor VII. geriteten, demjelben den Gehorfam auffünbigenden
Schreiben die bigher gegebene Anerkennung als Papft leugnen, fo
daß auf diefe Weiſe, durch die Abfegungserflärung, theild bie zu
befürchtende römifhe Synode, mit ibren zu erwartenden Er-
<communicationäverfügungen, der Vollmacht beraubt und ungültig
würde, theild ber freie Raum für eine Neubefegung des päpftlichen
Stuhles entftände. Auf diefem Wege waren auch die Rathgeber,
jammt dem Könige, von ber Verurtheilung befreit. Nach diefen
Rathſchlägen ging alfo nunmehr Heinrich IV. mit den einberufenen
Bifhöfen gegen Gregor VII. vor, und er gab aud nachher nad)
Rom hin die Verfiherung ab, daß er nicht anders, als nach dem
Autriebe diefer feiner Rathgeber, überhaupt die Verfammlung ein-
berufen habe).
10) Eine wegen ihrer gegen ben König gehegten Gefinnung voran beadhtend:
werthe Duelle, Bernold, De Iamnatione schismaticorum, 1. c., fleht mit ihrem
Zeugniß voran: Qui pene omnes (sc. congregati), aut simoniaci, aut ex-
<ommunicati, aut eorum complices individui, se Romani pontifieis censuram
subituros non dubitabant, si rex resipiscene apostolicae sedi obediret eigue
in aecclesinstieis negotiis debitum adjutorium impendere vellet. (ben biefe
fih durd; Gregor VII. bedroht, fühlenden reverentissimi episcopi, qui nobis
velut duleissima membra uniti sunt, haben nad) dem nach n. 19 folgenden
Briefe Heinrich’ IV. am den Papft die Wormſer Eynobe herbeigefühnt: gene-
ralem conventum omnium_ regui primatum ipsis supplicantibus habui —
wobei eben dieſe Bitten doch im erfter Kinie auf dieſe dem König näher ver-
bundenen Männer zu beziehen find). Quapropter ex regis insolentia occasione
accepta, regi non tam consenserunt, quam iaserunt, ut literas pro-
scriptorias, omnium eorum manibus per subscriptionem roboratas, ad
apostolicam sedem transmitteret, quibus quasi proscripto Romanae sedis
episcopo, eynodus Romana regem excommunicatura nichilominus cassaretur,
sieque ipsi cum rege ab apostolicae sedis censura liberarentur (I. c., 49
*8 icſer ausdrucklichen Ausſage — daneben halte man aber auch Arnulf,
Gesta archiepiecoporum Mediolan., Lib. V, c. 7: quorumdam suorum hor-
tatu contra papam rex erexit sese Gregorium (SS. VIII, 30) — ftehen aller«
dings viele abweichende gegenüber. Gewiliermaßen in der Mitte fteht Bruno.
Er räumt, De bello Saron., c. 65, zuerft ein, baß ber König cum suis de-
septoribus una nad) Worms fam, daß noch Borberathungen ftattfanden: Rex
.. . cum singulis vel binis consilium inivit, qualiter dignam vicem repen-
deret illi contumeliae, quam omnes andieraut Romanum pontificem sibi
fecisse (cte), Cumque multa multis modis dia volutarent, tandem quibus-
dam eorum placuit, ut episcoporum coneilio facto papam qua: ii
cum communi consensu dampnaret, eoque deposito, rex in loco ei
ve suis amicis constitueret, qui omnia quae regi fuissent placita, tota
doluntate perficeret —, unb dann erft folgt: Hoc igitur inito confirmatoque
618 1076.
Aber zur Aerjeärfung des Gegenfages trug ganz vorzüglid
noch der Umftand bei, daß in Worms einer ber heftigften perjöns
lichen Feinde des Papites von Italien her, wo er zulegt bei Thebald
in Mailand ſich aufgehalten zu haben fcheint, ſich eingeftellt hatte.
Der zum dritten Male, wie voll Abſcheues ein eifrig päpftlic ge
finnter Zeuge betont, aus der Kirche ausgeftoßene Cardinal Hugo
der Weiße hatte, nachdem ihm die Befehdung Gregor’3 VI. be
fonder3 an einer wichtigen Stelle, bei den Normannen, nicht in der
gewünfchten Weife gelungen war, jegt als die Stätte jeiner aufs
reizenden Thätigkeit die Umgebung Heinrich's IV. erforen, und den
Rathgebern des Königs mußte die Anmefenheit eines in allen
Winfelzügen wohl erfahrenen Mannes, welcher den Boden in Rom
genau fannte, aber auch feine Scheu trug, zu dem, was er wußte,
eiteres, dad zweddienlich fein mochte, beizufügen, jehr erwünſcht
fein. Denn auf feinem anderen Wege ließ fi beiler eine ftarfe
Einwirkung auf die Entjchlüffe der Verfammlung erzielen, als durch
die Verichterftattung eines hohen römischen Geiltlihen, von weldem
befannt fein mußte, welchen weſentlichen Antheil er an der Er-
hebung Hildebrand’3 auf den päpftlihen Stuhl gehabt hatte. So
wurbe denn Hugo vorgeführt, um feine Ausjagen zu machen,
vieleicht auch Briefe vorzumeifen, die ihm nad einer allerdings
viel jüngeren Ausfage aus Jtalien mitgegeben worden waren. Er
muß weit ausgeholt haben, um die Lebensgeſchichte des Papſtes
darzuftellen, die Lebensweiſe defjelben in das Licht zu rücen. Yon
dem Urfprunge Hilbebrand’3 an verfolgte der Erzähler deſſen
Thaten, verweilte dann beſonders bei der Gefchichte der Wahl, um
zu zeigen, im einer wie verkehrten Weife biefelbe vorgenommen
consilio, fecit omnes suos episcopos convenire, et coegit eos (etc.) (SS. V,
351). Dagegen behaupten andere Darftelungen den von Heinrich IV. felbft une
mittelbar auögeübten Zwang in runden Worten. Der Annalift von 1075 an
firieb: Quos pene omnes (sc. bie in n. 5 aufgeführten Eingelabenen) debitam
heato Petro et apostolicae sedis praesuli Gregorio oboedientiam abnegare
wieder in Anlehnung an Gregor’3 VI. in n. 5 ſchon erwähnten Brief, |. c.,
538 3. 33 u. 539 3. 1) gie . inita in id ipsum conspiratione abre-
nuntiare coegerat (SS. V, 282), allerdings in Uebereinftiimmung mit Ort
gor VII. jelbft, in dieſem Briefe: episcopos pene omnes in Italia, in Teu-
tonieis vero partibus quotquot potuit, circa fidem Christi naufragare fecit,
dum eos ... abnegare aubegit (I. c.). Ganz bejonber® aber murde der König
in den italienifchen Nachrichten fo einfeitig in die Mitte gecüdt: Bonitho, Lib.
ad amienm, Lib. VIL: Mox convocans multitudinem episcoporum non que-
sivit Deum auetorem fidei... domnum ” am .... literis abdicavit suos-
que episcopos subscribere coegit (Jafje, Biblioth., IL, 666), Tonizo, I. &,
v. 12% : Rex ımox hac illac discurrere caepit ad ista .. . Cum (plaribus
‚dversum patrem loquitur reverendum (l. c.), Vita Anselmi ep.
‚ucens., c. 14: inaudita deinde audacia et admirabili superbia sui facinoris
— nec dicendos collegit episcopos in eivitatem Wormatiam, habitoque
eoneiliabulo roeripserunt rimae sedis episcopum, quod a saeculis non
est auditum (SS. XIl, 17), Wido, 1. c.: ubi se apostolicis litteris conventum
idit, diminutionem sui imperii suaeque pecuniae veritus, ad eversionem Ildi-
brandi mentem intendit, qualiter id fierit exquisivit, et ne alicuius momenti
eins excommunicatio haberetur . . . episcopos . . . ut ei maledicerent, im-
peravit (I. c., 536 u. 537).
Vorbringung d. Anklagen gegen Gregor VII. durch Eardinal Hugo. 619
worden fei; aber ganz befonbers bemühte er fi, Gregor VII. un-
glaublihe Schandthaten nachzuſagen, mit welchen —* ſchon vor
feiner Erhebung begonnen habe. Ganz ohne Scham, ohne zu
berüdfi—htigen, daß in Herzog Gottfried der Gemahl ber ohne
Zweifel in das ärgfte Licht geftellten Mathilde zuhöre — Hugo
fonnte freilich über das gänzliche Zerwürfniß der Ehegatten gut
unterrichtet fein —, griff die Schilderung in die Innigften de
siehungen des Papftes ein, um beifen Verbindungen mit den er-
lauten Frauen in das ſchlimmſte Licht zu ftellen und aus den-
felben heraus die heftigften auntlagen zu holen. Aus dem Anhören
der gewandt vorgebradhten Anſchuldigungen wurde der Eindrud ge—
wonnen, Sug babe ſich befliſſen, ein Trauerfpiel auszumalen, das
für die Bilder der Schaubühne brauchbar geweſen wäre. Allein
eben diefe Vermifhung wahrer Mittheilungen mit weit gehenden
Nebertreibungen und gänzlihen Erfindungen war für den Augen-
blid die richtig dienliche Vortragsweiſe. Die Rathgeber des Königs
fanden, was fie ald Beweis für ihr Vorgehen gegen den Papft
haben wollten, beftätigt; Heinrich IV. felbft, der die von Gregor VII.
gegen ihn gefchleuderten Vorwürfe mit folder Empörung abge-
wieſen hatte, mußte eine Genugthuung empfinden, ſolche Ausſagen
zu vernehmen, für die ja der am gnenaueften unterrichtete Kundige
in dem ehemaligen Vertrauten des Papftes jelbft gegeben zu fein
ſchien. Und wenn berjelbe etwa noch die Lage der Dinge in Nom,
in Italien felbft ausführte, wie Gregor VII. durch die Normannen
in Verlegenheit gefegt fei, wie in Rom felbft, auch nad) der Aus—
weifung des Gencius, die Gefahren fortbauerten, jo konnten ſolche
Ausfagen nur noch die Weberzeugung befeftigen, daß eben jetzt
Gregor VII. gefält werden mülje?).
11) Bon Hugo's Eingreifen — vergl, über benfelben zuleht ©. 575 —
wpricht Sambert: Commode quoque conficiendis tantis rebus intervenit qui-
dam ex cardinalibus Romanis Hugo cognomento Blancus . .. deferens
secum de vita et institutione papae scenicis fgmentis consimilem tragediam
(dab das „eine Schrift“ de vita et institutione pac geweſen fei, wie Stein«
ort, Heinvich IIL, IT, 471, annimmt, „aus Wibert’s Feder gefloffen“, wos
Martens, Die Belegung bes päpftlichen Stuhles, 182, vermuthet, ift nicht ger
fagt): scilicet unde oriundus, qualiter ab ineunte astate conversatus, quam
perverso ordine nedem aposfolicam occupaerit, quae, ante episcapatum,
quae post acceptum episcopatum memoratu quogue incredibilin fagieia
commiserit. Huius auctoritatem, tamquam divinitus sibi destinatam, gra-
tiesime amplexati et promptissime secuti .. . (242), ferner Bonitho an der
in n. 10 herangegogenen Stelle: Hugonis Candidi acquiescens consilio (sc. rex)
und Donio, 1. c., v. 1278 fi.: Huc Hugo tunc falsus venit, qui dieitur Albus ...
ter dampnatus .. . junctus et ipsis (ec. ben in Worms Berjammelten) ad-
versus papam fingens mala, laetıficabat corda malignorum, regis simul et
sociorum. Den Inhalt der Ausſagen Hugo’s nihält das in n. 16 erwähnte
Schreiben. Einen Rachhall diejer Dinge findet man bei Lambert, a. 1077,
wo von Mathilde und deren Beziehungen zu Gregor VII. einläßlid; gefprochen
wird, nur daß natürlich der Erzähler das Gerede weit von fich abweift:
Sed apud omnes sanum aliquid sapientes luce elarius constabat, falsa ess»
qune Aicebantur, Iheils im Hinblie auf den Papft, befien tam eximie tam-
620 1076.
So ſprachen die Bischöfe ihr Urtheil gegen Gregor VII. aus.
Diefes jheint zum Inhalte die Ausführung gehabt zu haben, daß
derjelbe nicht Papft fein fünne, daß er die Macht, nach dem Bor:
echte des römischen Stuhles zu binden und zu löfen, nicht inne
abe und auch nicht jemals inne gehabt habe, da fein Leben durch
j0 große Schandthaten und Ver; den befledt worden fei, daß ihm
ala einem in folder Weife Schulbbelafteten der Gehorſam fortan
aufgefünbigt werde; damit war aljo auch ausgeſprochen, daß die
Erhebung Hildebrand’3 zur päpftlichen Würde als eine von Anfang
widerretlihe Handlung hingeſtellt wurde. Aber nicht nur diefe
allgemeine Erklärung wurde aufgeftellt — es ift recht wahrſcheinlich
dor Erzbischof Siegkeied, der ja in ber Reihe der Namen zuerft
fteht, das Verbammungsurtheil abgefaßt hatte —; fondern außer
dieſem von allen Theilnehmern an der Synode mit eigenhänbiger
Unterſchrift befräftigten Aechtungsbriefe mußte noch jeder Einzelne,
damit er gehindert jei, etwa fpäter feine Mitwirkung an der Ab:
fegung des Papſtes zu leugnen, feine eigene Buftimmung Öffentlich
für ſich allein urkundlid) bezeugen. er Wortlaut dieſer ge:
ſonderten Erklärungen, wobei eben jeder in dem eigenhändigen
Schriftſtücke feinen eigenen Namen voranftellen mußte, war: „Sch
—. darauf folgte der Name und die Nennung des Sites des die
Worte niederfhreibenden Biſchofs — verfage dem Hildebrand die
Unterwerfung und den Gehorfam von diefer Stunde ab und ins-
Tünftig, und ich werde ihn von num an weder ald Papſt anfehen,
nod ihn fo benennen“. Ganz befonders diefe jedem Einzelnen zu⸗
gemuthete Lusfagung fol unmittelbar vom Könige aus aufgezwungen
worden fein). Allerdings war ohne Zweifel, wenn das auch nur
que apostolice geführtes Leben, bie signa et prodigia, quae per orationes
papae frequentius fiebant, ben zelus eius ferventissimus pro Deo et pro
ecclesiasticis legibus, theils in Rüdficht darauf, daß Mathilde — in urbe cele-
berrima atque in tanta obsequentium frequentia obscenum aliquid per-
trans — nicht hätte verborgen bleiben können. Lambert führt da die Rede von
iefen Auöfchreitungen, quod die ac nocte impudenter papa in eius volu-
taretur amplexibus, et illa furtivis papae amoribus preoccupata post
amissum conjugem ultra secundas contrahere nuptias detrectaret —, bie
ineeti amoris muspicio, auf bie Tegis fautores et presipue elerici, quibas
ällieita et_contra seita canonum contracta conjugia prohibebat (se. papa),
zurld (257). Diedmann maht, I. c., 80 u. 81, richtig auf den” Gchluß anf
merffam, der aus dem Umftande der Borbringung folder Reben vor Gottfrieb'3
Ohren go werben lann. Der jpäte Zeuge Paul von Bernried bringt,
<. 67, unter Anlehnung an Donigo, nod die Erwähnung von Brieien: fictitiis
euis iteris archiepiscoporum, episcoporum personas repraesentans, —
von hervorgezogenen aliae epistolae sub omnium cardinalium senatus-
que ac populi noinine titulatae, in melden bejonders die postulatio novi
pontificie et abjectio legitimi pastoris geforbet gewelen fein; ebenfo habe
Su die Berfammlung Hingewiefen auf Gregor's VII. bedrängte Lage, bie
multae inimicitiac, quas patiebatur a Nortmannis, a circumjacentibus comi-
tibus, ab ipsis ctiam traditoribus in urbe manentibus (l. c., 511)
„') Als den Inhalt des Urtheiles der Synode nennen Lambert: bie sen-
tentia (damnatio), quod papa esse non possit, nec ullam juxts privilegiam
Romanae sedis ligandi aut solvendi potestatem Habeat vel aliquando
Verurtheilung d. Papfes u. Beträftigung d. üchtung dei. d. Biſchöfe. 621
von einer Heinrich IV. feinbfeligen Stimme hervorgehoben wird,
bei manchen Theilnehmern die Stimmung, als fie jo den Papft als
abgejeht erklärten, eine gebrüdte; jenes Zeugniß will fogar willen,
dab nur diejenigen wenigen Biſchöfe, bie als Urheber des ganzen
Planes von Andang am hervorgetreten waren, mit Ueberzeugung
ihre Namen unterzeichnet, ihre Erklärung ausgeftellt hätten, während
die Mehrzahl einzig in der Angft des Augenblid3 unter dem ob=
waltenden Drude 14 gehandelt habe. Daß ein Bifchof Burchard
von Halberftadt in diefer Zwangslage fid) befand, ift einleuchtend.
Aber ein anderer Bericht will doch nur von zwei Bifchöfen, die er
mit Namen anführt, Abalbero von Würzburg und Hermann von
Met, wiſſen, daß fie einige Zeit gezögert hätten, zu unterfchreiben.
Sie machten geltend, es fei ſehr unangemefjen und wiberftreite dem
kirchlichen Rechte, daß ein Bischof in feiner Abweſenheit und nicht
vor einer allgemeinen Kirchenverfammlung, bazu ohne gejegmäßige
und tauglide Ankläger und Zeugen, ehe nur die ihm vorgeworfenen
Verbrechen bewiefen feien, verurtheilt werde, geſchweige denn ber
Papſt, gegen welchen aud nicht von einem Erzbiichof oder Biſchof
habuerit, qui tantis vitam robrie ac criminibus commaculaverit (242),
dann in allgemeineren Ausdrüs Marianus Geottus (l. c.): ut bannum Ildi-
brandi papae nullus curaret, nec papa esset, oder es ift in fürzefter Feilung
überhaupt nur don Abfegung die Rede, fo in der Würzburger Ehronit: Con-
eilium Wormatiae congregatur, ubi Hiltibrandus papa abdicatur (Aueg.
don Buchholz, 42, wozu — 43 — über die in gereistem Zone gehaltene ab»
weichende Wedaction der Annal. Rosenfeld., SS. XVI, 100), oder von Ges
boriam-tündigung: — Bernoldi Chron.: omnes quos potuit obedientiam
Prpac exhibendam abjurare fecit (se. Heintid IV.), Sigeb. Chron. (a. 1077):
oınnia decreta et facta Hildebrandi papae irrita esse debere . . . eumque
pnpatu abdicandum esse judicant V, 433, VI, 363), Tie Annal.
August. deuten das Geeignih nur an: Discordia fedissima inter papım et
re,em, inter episcopos et duces, inter elericos et laicos. Papa
zelam 'domus Dei respuitur (SS. ÄIL, 129. SBelonders beflimmt r
old, De damnatione schismaticorum, 1. c., von ben literae pr
(vergl. auch ſchon die Stelle in n. 10): post multas Romani pontificis pl
phemias, hoc singuli sua zubseriptione confirmayerant, ut nollent deineeps
aiusmodi criminoso subesse vel aliquam obedientium exhibere (l c., 50).
Bon biefen perſonlichen Bezeugungen des Decretes handelt außerdem vorzüglich
Bruno, c. 65, daß ber König den Zivang ausgeübt: Hildebrando, qui Romanus
pontifex vocaretur et non esset, subjectionem et obedientiam interdicere
— et hoc ut post nullus eorum posset negare, fecit unum quemque eorum
nomine suo pracnotato manu propria abnegationem Hildebrando chartis
singulis inseribere hoc modo Hadfolgend bie im Texte eingerletten Worte).
Achnlich berichtet der Annalit: eique (se. Gregorio) palam unumquemque
ex nomine suo epecialiter scripto inprimis autem sui ipsius pracnotato ...
abrenuntiare coegerat (sc. Deneid IV... Donizo, ber aber bier — vergl.
Bannenborg, Studien zur Gelhichte ber Herzogin Dlatilde von Canoſſa, 20 u.
21 — von der in n. 10 fichenden Stelle Boniiho's — subseribere cocgit —
abhängig if, hat, 1. c., v. 1286: cuncti subseribunt, magis ipsi se maledicunt.
Chen Donizo — vergl. die in n. 9 erwähnten Stellen — weift aud) die Abs
foffung des Nrtheils der Synode Eirgiied zu, und Paul von Vernried, 1. c.,
it das vollends mit ganzer Refimmiheit aus: quod (sc. anathema) Mo-
guntinus hacreticus contra beati Petri vicarium, immo in Dominum et
apostoluın eius, componeret.
622 1076.
eine Anklage angenommen werben könne. Aber Bifhof Wilhelm
von Utrecht, der zu den eifrigften Anhängern Heinrich's IV. zählte,
fuhr beftig auf diefe Widerfpenftigen ein: entweder ſollten fie mit
den Uebrigen zur Qerurtheilung des Papſtes ihre Unterfchrift geben,
ober aber fogleih von dem Könige, dem fie unter Eibſchwur bie
Treue gelobt Hätten, ſich losſagen. So ſchloſſen auch dieſe zwei
Biſchöfe fih an. Wie es ein ſaͤchſiſcher Biſchof, aus dem Mainzer
Exziprengel, Hezilo von Hildesheim, angefangen habe, um fi vor
ſich jelbft zu rechtfertigen und jedenfalls zugleih für die Zukunft
gebedt zu fein, wurde in ber Bisthumschronik feiner Kirche mit
Seruatduung als ein Beweis der ſchlauen Findigfeit hervorgehoben.
Der Biihof fegte nämlich, nachdem auch er in Todesfurdt feinen
Namen gejchrieben hatte, unter denſelben das Zeichen des liegenden
Spießes, mit weldem die Schreiber die Ungültigfeit eines Wortes
anzuzeichnen gewohnt waren, fo daß er aljo erforderlichen Falles
ben Papfte gegenüber auf diefe angedeutete Zurüdziehung der Zu-
ftimmung ſich berufen fonnte!2).
Außerdem wurde aber auch an Gregor VII. ein längeres
Schreiben aufgejegt, in welchem die Biſchöfe ihren Schritt ein-
gehend zu rechtfertigen verſuchten. Unter der Vorausfegung ber
im Aechtungebriefe vollzogenen Abfegung richteten die Vorſteher der
vierundzwanzig deutfchen Kirchen, fowie der einen burgundijchen
und des einen italienifchen Bisthums ihre Kundgebung nur noch
an ben „Bruder Hildebrand“ +).
Im Eingange ihrer Augeinanderfegung warfen die Urheber
s) oim inneren Widerftand beutet Bruno kurz an, 1. c.: Quod (vergl.
in n. 12) quidem pauei fecerunt ex auimo, qui et auctores ipei fuere con-
silio; plures vero litteras quidem abrenunciafionis mortis timore scripserunt.
Das Verhalten Adalbero’3 und Hermann’? — cum caeteri omnes damnationi
eius nihil hesitantes subscriberent —, ebenjo Wilhelm’s Gegendrud erwähnt
Kambert (1. c.), Hezilo’8 Kuuftgrifi — qnod seripserat, ut homo sagacissimi
ingenii, obelo supposito dampnavit — da3 in n. 9 citirte Chron. Hildesheim.
en das fpätere Zeugniß, Sigeb. Chron., mit den Worten: ibi omnes praeter
paucos Hildibrandum abjurant (I. c.), anzudeuten fchiene, daß ſih gewilfe Aus«
nahmen ergeben hätten, fo war das thatläclich nicht ber Fall.
14) Tieſes Schreiben bes Codex Udalrici, Nr. 48 (Jafie, Biblioth., V,
103-106: mit Beifügung der im Codex Udalrici felbft fehlenden Namen ber
Declaranten) war durch Perk, Monum. German., Leg., II, 4446, unter den
Constitutiones Heinrich’ IV. herausgegeben. Doc ift, wie Gie ebrecht, ILL,
354, mit Recht ſcharf heraushebt, diefe epistola quorundam episcoporum mit
den literae proseriptorise von n. 12 feineswegs identilch. Aud) Kambert unters
ſcheidet von der vorher erwähnten mit ben Unterfchriften veriehenen damnatio
ganı richtig die ex nomine omnium qui convenerant episcoporum et ab-
batum (: diefer Ießteren Namen ericheinen freilich nicht im diefer Ar. 48) nach
Rom gerichtelen plenae contumeliarum litterae: quibus denuncietur Romano
pontifiei, ut pontificatu, quem contra ecelesiasticas leges usurpasset, aese
abdicet, sciatque, post eam diem quiequid agat, jubeat, decernat, irritum
haberi U. c.). Aud) Ekkeh. Chron. univ. erwähnt Dielen Brief Rr. 48: epi-
stola post multas culpationes in illum (sc. papam) injectas ita conclusa:
Quia ergo et introitus tuus tantis perjuriis cat iniciatus (etc.), d. h. mit bem
Sählußabjap von Nr. 48 (I. c.).
Einjepüchterung ögernder Bilcöfe. Bifchöfl. Schreiben an „Hildebrand“. 23
der Erklärung einen Blick rückwärts auf die Anfänge der Regierung
des Papftes, den fie he verwarfen. Sie betonen, daß fie
war von Anbeginn gewußt hätten, in einer wie unftatthaften und
Feitlofen Art und Weife Hildebrand gegen Recht und Gefeg mit
der bei ihm gewohnten Anmaßung gleich zuerit ſchon die Leitung
der Kirche an ſich geriffen habe, wollen jedoch noch mit einem ge=
willen ſchonenden Stillſchweigen auf deſſen lajterhaften Eintritt in
das Amt bingeblidt haben, in der Hoffnung nämlich, daß derfelbe
durch die Rechtjchaffenheit und die Tüchtigkeit der nachfolgenden
Regierungszeit gut gemacht und einigermaßen in Vergeffenheit werde
gebracht werden. Aber jegt entiprehe vielmehr, jo wie der vor
liegende bejammernswerthe Zuftand ber allgemeinen Kirche kläglich
zum Himmel ſchreie, den älteren Anfängen ein noch ſchlimmerer
Fortgang der Handlungen und Beſchlüſſe Hildebrand’s. Diefer
handle ganz im Gegenfag zu dem die Vorfchrift des Friedens und
der Liebe in fih enthaltenden Vorbilde des Herrn und Erlöfers:
„Du haft, während Du unheiligen noch niemals vernommenen
Dingen nadjagit, während Du mehr an einem glänzenden, als an
einem guten Namen Dich ergögeft, während Du gemiflerınaßen wie
ein Fahnenträger der Kirchentrennung in unerhörtem Stolze zer:
ftreuend wirkteſt, alle Glieder der Stirhe, die nad) dem Worte des
Apoftel3 vor diefen Deinen Zeiten ein ruhiges und ftilles Leben
führten 1), in übermüthiger Graufamteit und in graufamem Ueber-
inuthe zerfleifet und die Flammen der Zwietracht in der römischen
Kirhe durch die grauenhaften Parteiungen angefacht, welche Du
durch alle Kirchen von Italien, Deutfchland, Frankreich und Spanien
in rafender Thorheit ausgebreitet halt“.
Nach einander wird nun aufgezählt, worin fi) der Papſt ver-
gangen habe. Er hat, fo viel e8 an ihm lag, den Biſchöfen alle
Gewalt entriffen und die ganze Verwaltung ber Kirchengüter ber
Wuth des gemeinen Volles zugetheilt. Es ift jo weit gelommen,
daß niemand mehr Bifchof oder Priefter fein kann, der nicht fein
Amt in unmwürbigfter Schmeichelei von ihm erbettelt hat. Die
ganze Lebendige Einrichtung der Kirche und die vom Apoftel Paulus
fo oft eingefhärfte, ſchön geordnete Vertheilung ihrer Glieder hat
er durch jeine Entſcheidungen kläglich verwirrt. In erſtaunlicher
Weiſe maßt er ſich eine gewiffe neue und nicht gebührende Macht
dadurch an, daß er die dem ganzen Stande der im Biſchofsamte
ſtehenden Brüder geſchuldeten Rechte nieberreißt. Cr behauptet, fo
bald auch nur das bloße Gerücht irgend eines Vergehens eines An-
gehörigen einer Kirche zu ihm gedrungen fei, ganz allein für ſich
oder feinen eigens dafür Beauftragten das ausſchließliche Recht zu
befigen, jenen Fehlbaren zu binden oder zu löfen, jo daß fein
Biſchof weiter diefe Befugniß noch in Händen habe, eine Meinung,
5) Anipielung an Paulus (I. Timoth., II, 2).
624 1076.
von der jeber in den heiligen Schriften Unterrichtete wife, wie ſehr
fie über alle Unvernunft hinausgehe.
Daraus folgern die Silhöf: „Weil wir alfo dafür gehalten
ben, daß es ſchlimmer, als jedes Webel, wäre, wenn die durch
ieſe und andere Deiner vermeijenen Gedanken fo ſchwer in Gefahr
ftehende, nein nahezu vernichtete Kirche Gottes noch länger dulden
würde, fo hat es ung gefallen, daß nad) unfer aller gemeinfchaft-
lien Rathſchluſſe, Dir, was wir bisher verſchwiegen haben, be=
fannt gemadjt werbe, aus welcher Urſache Du theils jegt nicht bem
apoftolifchen Stuhle vorfigen kannſt, theils niemals demjelben haft
vorfigen können“.
Der Brief will im Anfchluffe hieran dem Empfänger ein Er-
eigniß aus ber Zeit Heinrih’3 III. in das Gedächtniß rufen.
Hildebrand habe — wird da ausgeführt — dem verftorbenen Kaiſer
pegenüber durch einen körperlichen Eid ſich verpflichtet, niemals, fo
ange diefer felbft lebe, und ebenfo während der Regierung Hein⸗
rih’3 IV., des jegt in ber Herrſchaft ftehenden Königs, die päpftlihe
Würde anzutreten, oder zuzulaffen, fo weit e8 an ihm läge, daß
ein Anderer dieſelbe empfange, nämlich ohne daß der Vater, fo
lange er am Leben war, ober der Sohn, jo lange er lebe, diejer
Wahl zuftimme und fie anerfenne; und noch heute feien mehrere
Biſchöfe als Zeugen dieſes Eides am Leben, welche das nad Maß-
gabe ihrer Augen und Ohren beftätigen könnten ie). er wird
dem Angerebeten in Crinnerung gebracht, daß er, Hildebrand, in
einem alle, wo einige Cardinäle fi um das Papfttyum bewarben,
aber unter der Bedingung, daß biefe Bewerber dafjelbe thäten, zur
Beſeitigung des ehrgeizigen Streited durch einen Eid die Ver-
pflihtung über ſich genommen habe, niemals jelbft die päpftliche
Würde zu geminnen'?). Jetzt werde er — meinen die Abſender
2%) Diefelbe Anklage auf Meineid hinfichtlich der Heinrich ILL gegebenem
Zufggrum ericheint, wie Mirbt, Die Wahl Gregor’s VII, 15 u. 16, bejonders
, nachweift, zuerft hier in dieſem Schreiben, jo daß bafjelbe aljo die
Quelle ber anderen jean 1, verichieden formulixten Berichte ift. Steindorfi,
welcher, Heinzich ILL, II, 489 f., von ber Frage handelte, wollte, 472 u. 473,
ba3 ®b. I, ©. 11 n. 18, erwähnte Gelbfigeugniß Gregor’ VIL.: ipsum (rc.
einrich IV.) in regem elegimus heranziehen, der Art, daß in Bezug auf ſoiche
ahlhandlung die durch den Wormier Erlah ildebrand zugeichriebene Cided-
Teiftung doch nicht jeglichen Anhaltes in der Wirtlichteit entbehre. Martens, 1. c.,
186 u. 187, verwirft biefe Erklärung, ebenjo Mirbt, 47 (n. 5). Doc macht diefer,
47, überhaupt die Argumente geltend, welche gegen das Begrünbetjein diefer
eiblichen Selbftegclufive Gregor’s VII. ſprechen.
7) Martens, 1. c., 187—189, fellt es als recht wahrſcheinlich Hin, dat
Hier nicht Anderes, al bie Bd. I, ©. 78, mitgetbrilte, von Bonitho zu’ I
erzählte Zufiherung der Gardinäle an Etephan IX., aber in grob verzerter
eife und mit irethümlichen Vorflellungen vermifcht, erſcheint, wi war Hilde⸗
brand damals gar nicht beim Papfte anweienb: vergl. I. c. —, ahnlich Mirbt,
1. c., 48 u. 49, weldyer gerade Hiefür auf Hugo als eine Quelle Hinweißt, von ber
die Wormier Verfammlung annehmen fonnte, fie fei gut unterrichtet. Die Gr-
3ählung der Vita Heinriei IV. imperatoris, e. 6: inventum est, eum Ro-
manam sedem olim abjuratam insedisse, quam iceireo abjuraverit, quia ad
Biſchoſliche Anlagen im Abſageſchreiben an ben Papfl. 625
bes Schreibeng — felbft erkennen, mit welcher Unfträflickeit und
Vorſicht er biefe beiden Eidſchwüre beobachtet habe. Aber auch
noch auf das Papftwahldecret, da3 Nikolaus IT. 1059 aufftellte,
und auf den unter Androhung des kirchlichen Fluches befräftigten
Inhalt defielben, darunter die Erwähnung von Zuftimmung und
Bevollmächtigung des Königs, wird hingewieſen, da ja Hildebrand
felbft derjenige fei, von welchem dieſe Drbnung der Wahl abgefaßt,
ducchgefegt, unterjchrieben worden !°).
Auf eine andere Sache wird nachher abgelenkt. Der Getadelte
erfülle die ganze Kirche mit dem jchwerften Aergerniß durch bie
Art und Weife, wie er mit dem Eheweibe eined Anderen in viel
vertrauterer Weife, als bag nothwendig fei, zufammenlebe und innig
verfehre, jo daß die Ankläger nur aus Schamgefühl weniger aus—
fprehen, als die Sache erfordern würde. Immerhin fei überall
bin die allgemeine Klage gedrungen, daß beim apoftolifhen Stuhle
alle Re eher, alle Beſchluſſe durch Frauen betrieben würden,
kurz daß dur Frauen die Beſorgung der Rechtsangelegenheiten
ber ganzen Welt und der Kirche fid) vollziehe. Dagegen könne
andererfeit3 nicht genug darüber Beſchwerde geführt werben, wie
die Biſchöfe mit Deleibigun en und Schmähungen überhäuft
würden, indem Gregor VII. fie als Hurer und als Söhne von
Amen und fonft in ähnlicher Weife in ber unmürdigften Art
jegeichne.
Das Schreiben wurde mit ber zufammenfaffenden Abſage an
den Papft abgeſchloſſen: „Weil aljo Dein Eintritt in das Amt
mit fo argen Eidbrüchen begonnen worden ift und bie Kirche
Gottes in einem fo ſchweren Ungemadh durch ben in Deinen
Forberum ven liegenden Mißbrauch Gefahr läuft, und weil Du Dein
eben und Deinen Wandel durch e vielfahe Schmach verunehrt
baft, thun wir Dir zu willen, daß wir den Gehorfam, den wir
Dir in feiner Weife verfprohen haben, auch in Zukunft nit
irgenbwie bewahren werben, und weil, wie Du öffentlich verkündigſt,
feiner von ung Dir big zur Stunde als ein Biſchof gegolten hat,
wirft auch Du fortan für feinen von uns als Papft x ten“.
— Das waren die gegen die Gültigfeit der päpftlichen Gewalt
eam, dum archidiaconus esset, adhuc vivente domino suo per ambitionem
aspii voluerit (33. XII, 275) wird von Mirbt, 48, ald mündliche Weiter
bil g der Wormſer Berfion erflätt.
18) Daß bie Angabe: in qua (sc. synodo) 125 episcopi consederant,
tbenfo: buius consilii seu decreti tu ipse auctor et persuasor subserij toraus
fuisti beide ige ganbärbig find, vergl. ab 1, &. 185 n. 31, 197 n. 36.
en Giefebrect, Die Geiehgebung ber römiichen Kirche Münchener —8
‚buch für 1866, 169171), welcher in das Jar 1076 die Entftehung der
hung des Wahldecretes ſehen mollte und in den Worten bed Wormier
riefes; ut nullus umquam papa fieret nisi per electionem cardinalium ....
— Bnmeis — Ne hub on ae aut bie aögeänberte a
J te jer-Boichorft, Die Neuordnung ber Pa} ui
ET 109 u. 110, die richtigen Gegengründe geltend.
Neger von Anonau, Jahrb. d. diſch. Runter Heineig IV. u. V. vd. n. 40
626 1076.
Gregor’3 VII. zur Betonung gebraten Gründe. Bei mehreren,
welche befonders in den Vordergrund geſchoben waren, ift erkennbar,
wie beftimmt Carbinal Hugo auf die Bifchöfe eingewirkt hatte,
mochten fie nun in guten Treuen ober mit eigener Einfiht, wie
wenig glaubwürdig der, wenn er hätte wahrhaft fein wollen,
allerdings trefflih unterrichtete Zeuge fei, ſich ihm angejchlofien
haben. So müſſen die nicht allein gegen die Herzogin Mathilde,
jondern auch gegen ihre Mutter Beatrir und gegen die Kaiferin
Agnes gerichteten Vorwürfe, von denen derjenige einer weitgehen-
den Betheiligung an den Plänen Gregor’3 VII. ja allerdings nicht
ganz unzutreffend war, auf die von dem Gardinal vorgebrachten
Dinge zurüdgeführt werden. Ebenſo werden die Anfchuldigungen,
daß der Papſt gegenüber früheren Zufiherungen, nie nad) der
päpftlihen Würde greifen zu wollen, eibbrüdhig geworden ſei,
Dinge, die jegt erft auf einmal mit folder Beftimmtheit, und doch
keineswegs erwiefen, als Beweiſe gegen Gregor VII. aus ber Zeit
feiner früheren Jahre dargeboten wurden, größeren Theil auf
diefe Quelle geleitet werden können. So war Hugo allerdings
als Glied der Körperſchaft der Cardinäle ſehr wohl in ber Lage,
zu wifien, was für Zufiherungen dem Papſt Stephan IX. aus
diefem Kreiſe heraus kurz vor deſſen Tode gemacht worden waren
— denn hierauf zielt wohl die zweite Meineidsankflage gegen
Gregor VII. ab —; aber die Art, wie im Schreiben der Biſchöfe
diefe wirkliche Thatſache umgedeutet und abgewandelt erjcheint,
während beifpielsweije Hildebrand thatſächlich zur Zeit jener ver:
bindlihen Zufagen gar nicht in Nom anmerend, fondern zur
Kaiferin Agnes nah Deutſchland abgeorbnet gewejen war, beweift,
wie wenig ber Berichterftatter vor der Wormfer Synode mit der
Zehrheit ſchonend umgegangen war. Daß vollends durch Hugo,
ſchon damit deffen großer Antheil an der Wahl des jegt verworfenen
Papſtes bemäntelt werde, die Art und MWeife der Erhebung
Gregor’3 VII. auf den päpftlichen Stuhl in das übelſte Licht ger
ftellt wurde, verftand ſich von felbft.
Doch neben dem größeren Schreiben der verfammelten Biſchöfe
ließ fih auch Heinrih IV. felbft in zwei Briefen aus Worms
hören, in einem Schreiben an den Papft, oder vielmehr, wie er
bier gleichfalls angeredet wird, einfah an Hildebrand gerichtet, und
in einem anderen an die Römer, in defien Zufammenhang jene
andere Kundgebung aufgenommen ift!?).
9) Der Brief an die Römer, mit dem eingefchobenen Schreiben an Hilde
brand, lebt, in c. 65 ſchon angefündigt, in Bruno’ c. 66 (352) und ift aud
Leg., II, 46, mitgetheilt. Dit Mirbt, 1. c., 13 n. 6, wird hier der weitere
burd) Bruno in c. 67 mitgetheilte (Leg., II, 47, abgedrudte) Brief Heinridy's IV.
an Hildebrand von dielen im Januar ausgegangenen Kundgebungen abgetrennt
und erſt fpäter — vergl. ©. 662—664 — nbelt. Dieies Schreiben an bie
Römer zählt zu den Briefen, welche Gundl— Ein Dictator aus der Kanzlei
Kaiſer Heinrichs 1V., 75 u. 76, wozu 82 ff: Die Briefe in ihrem Berhältniß
zu einander —, für den Dictator Adalbero C in Anfpruch nimmt.
Werth der Anfchuldigungen. Heinrich's IV. Abfage an „Hildebrand“. 627
Die von Heinrich IV. eigens an den Papft gerichtete Abfage
hatte folgenden Inhalt:
Heinrich, von Gottes Gnade König, an Hildebrand. Während
ich bis dahin von Dir Handlungen, welche denjenigen eines Vaters
entfprehen, erwartete und Dir in allen Dingen, unter Empfindun,
großen Unwillens von Seite unferer Getreucn, gehorchte, habe io
von Dir den Lohn empfangen, wie er von demjenigen femmen
mußte, welcher der verderblichſte Feind unferes Neiches fein möchte.
Denn nahdem Du zuerft alle ererbte Ehre, welche mir von jenem
Stuhle von Rom gejhuldet wurde, in übermüthigem Wagniß ge-
raubt hatteft, haft Du, indem Du von da noch weiter vorjchritteft,
verfuht, mit den fehlechteften Künften mir die Herrſchaft über
Italien zu entfreniden. Und hiemit nicht zufrieden, haft Du Dich
nicht geſcheut, gegen die verehrungsmürbigften Bischöfe, die gleichjant
wie die liebften Glieder mit und vereinigt find, die Hand auszu=
ſtrecken, und Du haft fie, wie fie jelbft jagen, gegen göttliche und
men ſchliche Rechtsvorſchriften mit den übermüthigften Beleidigungen
und den ſchärfſten Schmähreden heftig angegriffen. Während ich
dieſes Alles mit einer gewiſſen Tuldjamkeit unbeachtet Tieß, haft
Du e3 gewagt, indem Du das nicht für Langmuth, fondern für
Keisheit nahmft, gegen das Haupt jelber Dich zu erheben, indem
u, wie Du weißt, mir eine Botſchaft jagen Ließeft, des Inhaltes,
um Deine Worte zu gebrauchen, daß Du entweder fterben oder mir
Seele und Herrihaft nehmen wollteſt. Da ich dag Urtheil gewann,
daß diefer umerhörte Trotz nicht mit Worten, fondern mit ber
That zurüdgemwielen werben müſſe, habe ich eine allgemeine Ver—
fammlung aller Bischöfe des Reiches, auf ihre eigenen Bitten, ver-
anftaltet?®). Wie num hier Alles, was bis dahin aus Beſorgniß
und aus Ehrfurcht verſchwiegen wurde, zu Tage gebracht worden
war, fo ift durch die wahrhaftigen Ausfagen jener, wie Du fie
aus ihrem Schreiben vernehmen wirft, öffentlich befannt gemacht
worden, daß Du in feiner Weiſe auf dem apoftolifchen Sig ver-
bleiben fönneft. Deren Urtheil pflichtete auch ich bei, weil es
gerecht und beifalgwürdig vor Gott und den Menſchen erichien,
und ich ſpreche Dir alles Recht der päpftlichen Gewalt, das Du zu
befigen jcheineft, ab und befehle Dir, daß Du vom bifchöflichen
Stuhle der Stadt, deren Patriciat mir dur Zutheilung von Gott
und die beſchworene Zuftimmung der Römer gejchuldet wirb??),
berabfteigeft”.
20) Wie biefer allzu beſtimmt Lautende Gap — die Beifügung omnes zu
primates ift von vorn herein übertrieben — zu verſtehen, bie Behauptung einz
auichränten ift, vergl. ©. 617 in n. 10.
21) Martens, 1. c., 268-270, tnüpft an biefe erſte Stelle, wo Heinrich IV.
überhaupt auf ben ihm zuftehenden Patriciat von Rom Bezug nahın, eine Er—
drterung über bie Bebeutung dieſes Titels für Heinrich IV. am (vgl. Bb. I,
€. 226, in n. 58, über eine frühere vereinzelte Erwähnung einer 1061 dem König
dargebotenen Zitulatur des Patriciates, weichen aber Martens von biefem durch
40*
628 1076.
Die Erklärung an Geiftlichfeit und Volk der ganzen Beiligen
römiſchen Kirche, in deren Zufammenhang diefe Ankündigung an
„Hildebrand“ Kingerädt war, lautete, nad) einer kurz einleitenden
Betonung befien, daß bie Treue, für beren Bewahrung der König
den Römern danke, fih unverrüdt darin zeigen müſſe, daß fie
feinen Freunden befreundet, feinen Feinden feindlich immer fein
müßten, folgendermaßen: „Indem wir nämlich zu dieſen Feinden
Hildebrand den Möndy?*) zählen, weden wir &us zur Feindſchaft
gegen ihn auf, weil wir ihn theil® als einen Schädiger und Ber
dränger ber Kirche, theild als einen im Hinterhalte auf dem An-
riff gegen den römiſchen Staat und gegen umfer Rei) liegenden
Seiner antreffen". Dann folgt, als Beweis dafür, das ein-
eſchaltete Schreiben, und danach geht es weiter mit ber DBer-
Merung an die Römer: „Debwegen haben wir ben Inhalt des
Briefes aud) Euch berichtet, damit ſowohl Euch unfer Wille, al
uns, oder vielmehr Gott und uns, Eure Liebe zur Genugthuung
gereiche. Erhebt Euch, Ihr Getreuefte, alfo gegen ihn, und der in
der Treue zuerft Stehende fei ber Erſte in feiner rtheilung !
Doc wir jagen nicht, daß Ihr fein Blut vergießet, da ja für Yon
nad) feiner Abjegung das Leben eine größere Strafe, ala der Tod
ift, fondern, daß Ihr ihn, wenn er etwa nicht von feinem Stuhle
herabfteigen wollte, dazu zwinget, und daß Ihr einen Anderen, der
nad) dem gemeinjhaftlihen Rathſchluß aller Bifhöfe und dem
Eurigen von und erwählt ift, zu dem apoftolifhen Stuhle auf»
nehmet, einen ſolchen, welcher, was jener an Wunden in der
dige geſchlagen hat, zu heilen den Willen und das Vermögen
abe".
Nachdem die weithin treffenden Beſchlüſſe durch die Synode
in Worms gefaßt worden waren, galt «3, deren Inhalt, bie
Schreiben, die, nah Rom gerichtet, ſich darauf bezogen, fo raſch
ben König felbft geltend gemachten Batriciate beftimmt unterjchieben wifſen will).
Der in fuhlt fich nach diefem Briefe als durch Gottes Gnade in nothwen-
iger Weiſe, bei Verpflichtung für die Römer, ihn als ſolchen anzuertennen, bes
ftellter Patricius, jo daß biefe Würbe ihm ala nothwendige Borftufe zum Sailer»
throne — eben auch ide haereditaria dignitas, quae mi ab illa sede debe-
batur, hatte, wie er fich beflagt, ihm ber Dar borenthalten — ericheint und
ex als folcher Gregor VII. zn Niederlegung feines Amtes aufzuforbern fich für
berechtigt Hält. Ganz mit Recht macht dabei Martens auf bie Eee bes Bri⸗
an bie Römer, in weichen eben das in Betracht tommende Schreiben an Hilde
brand eingefchaltet ift, aufmerffam: ut ... alium communi omnium episcopo-
runı ct vestro consilio a nobis electum in apostolicam sedem reeipiatis, um
zu zeigen, daß Heinrich IV. dagegen bei ber Neubefegung deö päpflicen Stußles
vom Patriciate nicht fpricht, denſelben alſo mit einem in Anfpruch genommenen
Genennungeeechte nicht verbindet.
29) Diefe Stelle — ebenfo nad; Infertion des Briefes: Haec series nostrae
spietole ad Hildebrandum monachum — ift von Martens, War Gregor VIL
önd?, nicht angemerkt; doch hat Heinrich IV. nad anderen, I. c., 12, 16—
vergl. 18 — angemerlien Stellen (vergl. unt. bei n. 73 u. 76) Gregor VII. ala
Mönd) betrachtet.
Weitere Tönigliche Erklärungen. Mittheilung d. Beſchlüfſe nad; Italien. 629
wie moöglich, ehe die von Gregor VII. auf die Faſtenzeit ein-
Bat römifhe Synobe fi verfammelte*), nad Italien mit-
zutheilen.
Der Plan, welcher Fa Sa no in Worms gefaßt
worden war, beftand darin, daß durch die Verbindung mit den
Gregor VII. feinbfelig gefinnten Biſchöfen in der Lombardei der
Weg nad Rom geöffnet, dort dur den Aufruf an bie Römer,
welden Heinrich IV. foeben erlafien hatte, ber Boben für die
Neuordnung ber Bejegung des päpitlihen Stuhles bereitet werbe.
Nachdem Geiſtlichteit und Volt von Rom Gregor VII. gezwungen
haben würden, auf feine Würde Verzicht zu leilten, hatten fie, wie
ihnen eben angefündigt wurde, von Seine IV. einen neuen Papſt
entgegengunehmen. rei deutſche Biſchöfe, welche vor ben Anderen
ben Vorrang des Alters hatten, waren beftimmt, auf einer neuen
Verſammlung den bisherigen Papft wegen feiner Frevelthaten, in
einer den kirchlichen Rechte entſprechenden Form, u verurtheilen,
worauf ſogleich an feine Stelle ein dem Könige willfähriger Nad-
folger gejegt würde, und Herzog Gottfried hatte verſprochen, daß
er jelbit diefen neu aufzuftellenden Papft auf feinen Stuhl nad
Rom führen werde, und es hätte ſich, falls einer fpäteren ver-
einzelt ftehenden italienifhen Nachricht geglaubt werben könnte,
ſogar Heinrich IV. jelbft vorgefegt, zum Pfingfifefte denſelben nad
Rom zu bringen. In den dem Könige gegneriſchen ſächſifchen
Kreifen wollte man willen, derſelbe habe, abgejehen von durch ganz
Zialien verbreiteten Schreiben, von großen Gaben und noch größeren
erſprechungen an bie dortigen Fürften, ganz beſonders auch bie
Römer in möglichft großer Zahl durch Geld zu beſtechen gejucht.
Die Träger der nad Rom gerichteten Schreiben waren zu-
nächſt zwei Biſchöfe, treue Anhänger des Königs, welde den gegen
Gregor VII. gerichteten Befhluß mit unterzeichnet hatten, Huzmann
von Speier und Burchard von Bajel. Ohne Zweifel ſogleich nach
Schluß der Wormfer Synode machten fie fi auf den Weg, jeden⸗
fall begleitet von dem ihnen als Schüßer und Führer mitgegebenen
Grafen Eberhard, jenem Vertrauten Heinrih’3, der im Herbfte des
vorhergehenden Jahres als Vertreter der Sache des Königs in
talien ſich aufgehalten und durch engere Anknüpfung mit ben
inden der Pataria ganz beſonders genau die Verhältniffe in der
mbarbei kennen gelernt hatte. Es gelang, in Piacenza eine in
erheblicher Zahl beſuchte Verfammlung aus italienischen Fürften
==) &egen Gfrdrer, 1. c., VII, 510, dem fi) Hefele, 1. c., V, 64, n. 2,
anfdließt, ift mit Diekmann, Gottfrieb III. der Bu Ne au, n. 2, ganz beftimmt
fefzuhalten, daß die Wormfer Synode gar nicht viel über den 24. Januar hinaus
graue ben kann, jedenfalls nicht bis zum 10. ober 12. Februar, einmal da
jonft die Boten, die ja noch in ber Lombarbei fi) aufgielten, nicht veägeiti
Rom erreicht hätten, dann weil — vergl. ©. 614, fowie in n. 9 — Bilde!
Immad, ber am 3. Gebruar flach, ja noch an den Beidlüffen von Worms
beteiligt war.
630 1076.
und Biſchöfen — aller lombardiſchen Biſchöfe nad) einer Nachricht —
zu vereinigen, welche nunmehr in gemeinfamem Beſchluſſe fih für
die Aufhel ung bes Gehorfames gegenüber Gregor VII. insgeſammt
entſchieden. Äusdrücklich wurde in Deutfchland bemerkt, daß biefe
italienischen Biſchöfe noch weiter, als die deutjchen, gegangen jeien.
Denn während diefe nur dur Worte und dur ſchriftliche Er-
Härung fi) von dem Papfte losgeſagt, hätten jene auch durch Ab»
legung einer feierlichen eidlichen Verfiherung ihre Kündigung des
Gehorjams bezeugt. Indem Biſchof Dionyfius, dem Umftande ent»
ſprechend, daß in feiner Stabt die Synode ftattfand, den übrigen
voranging, befräftigten alle Biſchöfe ihre Uebereinftimmung mit
dem Könige und mit dem Ergebniß der Wormfer Beſchlüſſe.
Aber weiter, als bis nach der Lombardei, feßten bie aus
Deutſchland gekommenen Beauftragten ihre Reife nicht fort. Zwar
ſcheint Graf Eberhard nah italienischen Nachrichten, ala ein
„Köberhafen des Teufels“, „ein Erfinder aller Lüge“, wie er bei
den gregorianifch Gefinnten galt, feinen Weg dur Italien fort-
gefegt zu haben, um im Sinne des Königs zu wirken. Es wurde
ihm fogar vorgeworfen , er babe in nerhöcter Anmafung im
Namen Heinrich's IV. Viele, die in Folge des päpftlihen Inter-
dictes von der Begehung kirchlicher Handlungen abgeftanden waren,
dazu gebracht, dieſe Verrichtungen wieder aufzunehmen, indem er,
obſchon felbft von der Kirche durch deren Fluch ausgejchloffen, fie
aus feiner Machtvollkommenheit als mit derfelben ausgejöhnt er-
Härt habe. Dagegen nahmen bie beiden Biſchöfe die ihnen an-
vertrauten Briefe nicht ferner mit fi. Zu deren Ueberbringung
wurde vielmehr ein Geiftlicher aus ber ſchon länger, ala früherer
Sprengel des Cabalus, übel angefehenen Kirche von Barına,
Roland, nebft einem königlichen Minifterialen, beftimmt. Roland
wurde fpäter durch Gregor VII. geradezu beſchuldigt, daß er durch
die Hoffnung auf die Erlangung eines bifhöflihen Sitzes — des⸗
jenigen von Trevifo — ſich zu jo hinterliftiger Botſchaft babe ge—
winnen lafien. So machten ſich die Beiden eilig nah Rom auf,
um Gregor VII. den Willen Heinrich's IV. anzufündigen **).
%) Bon dieſer Botſchaft nad) Italien vedet am einläßlichften ber Annaliſt:
Indeque litteras abrenuntiatorias per duos episcopos, Spirensem et Ba-
siliensem, primum in Italiam prineipibus et episcopis illius patriae, huie
conspirationi associandis, direxit, deinde Romam. Qui mox habito nom
minimo conventu juxta Placentiam, non solum verbis et litteris, set testi-
ficatione jurisjurandi domno papae’ oboedientiam debitam non exhibendam,
utpote qui seab eo pro symonisca heresi damnandos non parum timebant,
communi voto simul omnes deliberabant. Denique litteras huiusmodi
inoboedientiam continentes per legatos, quendam Parmensem canonicum,
et servum quendam regis, gProperanter a Romanam Spodım dirigebant
(282); von weiter gehenden Abfichten ift etwas tiefer die Rede: ut papa.. .
quasi canonice a tribus episcopis qui prae ceteris seniores viderentur prae-
Judicatus, et ob scelera aceusatorie ipsi objeeta damnatus, sede apostolica
qualitercumgue deiceretur, et sic pro eo alius, quem juxta cor suum sibi
morigerum et obsequialem invenirent, ibidem mox supponeretur. Qui tres
Verſammlung in Piacenza u. Aborbnung d. Boten nah Rom. 631
Wie ſchon im Laufe des vorhergehenden Jahres durch Gregor VII.
angefündigt worden war, verfammelte ſich die ausgejchriebene Synode
in der Kirche des Lateran in der erften in die Tage vom 14. bis
jam in ipea conspiratione praenominati .. Dux etiam Gotifridus, qui papam
illic constituendum ad sedem Romanam se perducturum jam regi audacter
promiserat (284: vergl. dazu in n. 27 Donigo's v. 1912). Der Beranfaltung
eines aliud colloquium (neben bem Wormfer) in Longobardia apud Placen-
tiam — baneben: missa legatione ad Romanam ainodum .. . ipsum apostoli-
cum ab apostolica sede contumaciter gsi descendere (sc. Heinrich IV.) —
gedentt auch furz Bernoldi Chron. (83. V, 433). Bon anderen beutichen
uellen berichtet über den König, in feindjeliger Weiſe ohne Zweifel üÜbertreibend,
run, c. 65: Deinde per totam Italiam misit epistolas, magnis donis et
majoribus promissis illius terrae principes in favorem suae partie inclinans.
Itaque nostrates episcopi solummodo seripto, illi renuntiabant etiam jura-
mento. Romanos etiam quam plurimos pecunia corrupit (851), und in
einen der —S zuleht in m. 12 citirten Streitſchriſt entlehnten Zus
Tammenhang feob Dlanegold, Ad Gebehardum, c. 25, den Sap ein: alios in
Longobardiam, Eberhardum videlicet comitem et Huozimannum Nemeten-
sem episcopuun, mittunt omnesque Longobardiae episcopos sedi apostoliere
debitam sı ntequn oblatam obedientiam scismatica temeritate abjurare com-
pellunt (Libelli de lite, I, 358). Aud) in dem Briefe der Kaiferin Agnes an —
Altmann — in Hugonis Flaviniacens. abb. Chron., Lib. II. — ft der Gegenſatz
des Auftretens der Lombarbdifchen Bilcpöfe, zu den beutfchen, betont: archiepiseopi,
Mogentinusomnesque episcopi illius partis miserunt per eosdem legatos litteras,
se deinceps nullam obedientiam exibituros apostolico; hoc idem Langobar-
dorum episcopi Jerejurando deerevernnt (83. VII, 435). In Ztalien bes
jeugen Bonitho, Xib. VII: Interca litere, unitatem ecclesiae scindentes, per
'egatos Romam deferebantur; nam jursio regis urguebat. Qui, venientes
Placentiam, omnes episcopos Longobardos congregaverunt; quibus ex parte
regis im est, ut factum regis confirmarent . ... omnes proprio
oore, Dionisio Placentino episcopo previo, publiee juravere, numguam se
amplius obedientiam prestituros papae. Dehine huius legationis ministrum
ex officina iniquitatis, scilicet Parnensi eivitate, faciunt quendam Rolan-
dum clericum (l. c.), unb Vita Anselmi ep. Lucens, c. 14: Fecit (sc.
‚Htinridh IV.) deinceps legationem in Italiam, eandem affırmans praesump-
tionem_ per” schismaticos sibi complices episcopos. Huius legationis lator
fuit quidam Eberhardus nomine, ‘T'heutonicus natione, filius saeculi, bamus
diaboli, inventor omnis fere mendacii. Hie eircuivit et perambulavit terram,
ut schismatica omnes inficeret ‚sontagione; multos certe, qui propter inter-
dietam domini papae divino ab oflicio cessaverant, ipse interdietus et
vineulo perditionis ligatus inaudita temeritate ac superbia reconciliavit,
et ex parte domini sui regis, ut offieium more priori celebrarent, indixit
ce 1, 17). Arnulf, Geste archiepiscoporum Mediolanens., Lib.'V, c. 7,
jagt in einer allgemeineren Grörterung: cur contra Romanum praesulem
[anati Placentise (sc. episcopi) de ore proprio conjuraverunt? (88. VIII,
30). Mit Melper, Bapit Gregor VII. und die Bifhofewahlen, 219, if anzu:
nehmen, daß die Gelanbten die Verfammlung zu Piacenza ſchon vorher einges
Laden hatten und im Wejentlichen bereit fanden. Dagegen fagt Donigo, Lib. I,
v. 1288 ff., nicht richtig, daß Die Longobardi simoniaci nimis alti, zu weichen
das anathema alabalb berichtet worden ei, Iaeti facti, nad Pavia — ftatt
Piacenza — gefommen fein: raptim omnes concurrunt, regis faciunt quoque
jussum, jurant, subseribunt contra dominumque magistrum; banegen nennt
and er den quidam Rolandus Parmensis clerieus als ben aptus gerulus
literalarum: Mittendos apiecs Romam rex edidit ipse ..... Quos sinodo
coram statuerunt mittere Romam (SS. XII, 377). Goenfo fefte Paul von Berne
rieb, 1. c., irrig die Derfammlung, welje missis etiam in Longobardiam et
Marchiam a latere regis tam nuneiis quam apieibus zu Stande fam, nad)
632 1076.
um 20. Februar fallenden Woche der großen Faftenzeit ?°). Die-
Fee war von einer anfehnlichen Zahl von Bilhöfen und Aebten,
ebenfo von Geiftlihen und Laien befuht, und ohne Zweifel war
bejonder3 das ftäbtiiche Volt von Rom ftarf vertreten. Bei den
hundertundzehn anweſenden Biſchöfen mögen neben ben mittleren
und unteren nt ſachren Italien's Burgund und Frankreich be
theilig geweſen fein ?*).
ie erfte Angelegenheit, welde an die Verſammlung heran-
trat, war die Entgegennahme der Botſchaft, welche Roland als
Beauftragter König Heinrih’3 IV. und der deutſchen Synobe zu
überbringen hatte. Die beiden Träger der gegen Gregor VII. ge
richteten lärungen feinen — einer ausdrücklich lautenden
Nachricht, indem fie ihre Reife von Piacenza ber äußerſt ber
ſchleunigt hatten, noch am Tage vor dem Anfange der Synode
Nom betreten zu haben; es ift auch möglich, daß fie die ihnen an-
vertrauten Briefe ſchon jetzt gleich nach ihrem Eintreffen übergaben,
da der Papft am folgenden Tage, als deren Inhalt öffentlich Fund
Bavia. Ein einzelnes Zeugnik bafür, da ein italieniſcher Biſchof in biefem Jahre zu
a aIV oe hehe \ —— vom 1. November, ae reiben
egors VII. an die tusciſchen Biſchdſe, über Biſchof Rodulf von Siena: hoc in
anno, sine nostra licentia regem excommunicatum adiens, contra omnem
ecelesiasticam auctoritatem eommunicando cum eo, eiusdem excommuni-
cationis laqueum incurrit (Jaffe, Biblioth., II, 252). — Was bie königlichen
Beauftragten Beteifft, fo it Graf Eberhard — zuleht S. 571 ff., mit n. 160 —
durch Gieſebrecht, III, 357, wieder irrig ald „ber alte Graf Eberhard” (sc. von
Nellenburg) aufgefaßt; dagegen hat man mit defien Anmerkungen 1142, denfelben,
ber gar nicht nad) Rom ging, vom servus 8 Annaliften wohl zu unter:
ſcheiden. Roland if in dem Acten der xömt Taftenfynode von 1078, im
ufammenhang mit dieſem übernommenen Auftrage, erwähnt: Rolandum vero
'arvisiensem, qui pro adipiscendo episcopafus honore subdolus factus
legatus, inter regnum et sacerdotium seisma facere non abhorruit, ut a
modo et usque in seculum episcopali careat dignitate, apostolica censura
censemus (l. c., 306).
2) Als die Zeit ber Synode nennen Gregor's VII. eigene Ankündigungen,
J. 4968 (vergl. ©. 576), fomie J. 4970 und 1971 (vergl. bei n. 34), die prima
ebdomada venturan quadragesimae, d. h. alfo ben 14. bis 20. Februar, ebenfo
Zemold in der Epist. apologet. pro Gebbardo Constant. ep., c. 4 (Libelli
de lite, II, 109), während Sambert von der secunda feria secundae ebdomadae
in qt ima ald dem Zage Nas, auf welchen — nach feiner ganz allein
fiehenden Pehauptung — Heinrich IV. citirt gewefen ſei (241), Die Anfegung in
bie erfle Woche if, gegen Gielebredit, III, 359, dazu in ben „Anmerkungen“,
1142 (e8 ift da auf die in n. 55 folgende Angabe des Annaliften, über bie
Gleichzeitigkeit bes Todes Herzog Gottfrieb’2, zu viel Sewiht 83 —X egen
Si nn iger —
R. Goldſchmit, Die Tage von Tribur und Kanofla (Straßl
Vlannheim, 1873), 11, n. 5, mit ben Regesta Pontificum Romanorum, 1,
616 u. 617, und Melper, 1. c., feftzuhalien.
) Die ald Acten ber Synode in das Registr. III, 10a (Jaff, Biblioth.
11, 222—224), eingejhobenen Formeln der Egcommunicationen find bezeichnet ald
in ecclesia domini Salvatoris, guae Oonstantiniana dieitur, ubi interfuit
episcoporum et abbatum atque diversi ordinis clericorum et laicorum copia,
auögelprochen. Bonitho redet von einem consilium omnium episcoporum numero
110 d. c., 667). Sieftbreht macht, III, 1143, barauf, daß biefe Ei wohl nicht
bloß aus Mittel: und Unteritalien herbeigeommen fein Tonnte, aufmerkfam.
Zuſammentritt d. Faſtenſynode. Ausrichtung d. kalchn. Botſchaft be. Roland. 633
gegeben wurde, im Gegenjag zu ber Verfammlung durchaus keine
eberraſchun⸗ geist zu haben ſcheint, fo daß anzunehmen ift, er
Eng den nd t ber an ihn gerichteten Abfagen ſchon gekannt, als
ie öffentlich vorgetragen wurden. ebenfalls aber geſchah dieſe
Veröffentlichung erſt in der Synode felbft.
Am Tage, mit welchem die Synode begann, hatte Gregor VII.
nad der feierlichen Eröffnung vor allen mmejenben feinen Sig
als Leiter der Verhandlungen eingenommen, als Roland und ber
ihn begleitende Mann des Königs in die Mitte der Verfammlun,
gerüge wurben. Darauf famen bie Schreiben des Königs um!
der Bifhöfe, an Hilbebrand, nicht mehr an Gregor VIL., gerichtet,
wohl auch jene einzelnen Abfagen der an der Abjegungserflärung
Detheitigten zur Verlefung, und Roland knüpfte, wohl unmittelbar
on diefe Verfünbigung, noch einige jedenfalls kurze Worte an bie
Synode und an bie Römer, ganz zufolge des erhaltenen Auftrages,
an. Er rief dem Papfte zu, er jolle nad) dem Gebot des Königs
und der Biſchöfe von feinem Stuhle heräbſteigen, deſſen er nicht
würdig fei, da er nicht nad) dem kirchlichen Rechte, ſondern durch
Raub benjelben gewonnen habe. Bon Gregor VII. wandte ſich
Roland weiter an die Carbinäle mit ber Aufforberung, über bie
Berge nad) Deutſchland zu gehen, um von dort aus ben Händen
des Königs, welcher jelbft in kurzem nah Rom kommen werde,
den Tapft Fi empfangen, ber an die Stelle des reißenden Wolfes
zu treten berufen jei; dabei wurde das Pfingftfeft als die Zeit
genannt, wo dieſe Neuordnung der römischen Angelegenheit ſich
vollziehen werde. So hatte der in Piacenza auserlefene Spreder
feinen Auftrag unerſchrocken ausgeführt.
Aber während Gregor VII. ganz unbewegt die Verkündigung
diefer ihm mit den beftigften Schmähungen und Drohworten über-
häufenden Mittheilungen anhörte, zeigte ſich jet, wie ausgezeichnet
richtig die Wirkung diefer Reden auf die Verfanmelten vom Papfte
vorausgefehen worden war. Hatte man in Worms davon ge-
träumt, daß Geiftlichkeit und Volt von Rom ihre Sache von ber-
jenigen Gregor’3 VII. trennen und fi) mit Hingebung von dem
hinweggeworfenen Haupt zu dem von Heinrich IV. zu empfangen:
den Nachfolger hinwenden würden, fo trat zugleich zu Tage, wie
wenig Cardinal Hugo — denn feinen Einflühterungen und offenen
Anklagen war man ja zumeift gefolgt — den Boden in Rom
wirklich kannte, oder wie fehr er aus felbitjüchtigen Abfichten die
von ihm Berathenen irre geführt hatte. Wird vollends, wie es
janz iwahrſcheinlich iſt, angenommen, daß aud jenes Schreiben
inrich's IV. an die Römer hier im Lateran fund gmadt worden
fei, fo war die Antwort berjelben, wie fie num Roland gegeben
wurde, die furdtbarfte Enttäufhung, welche überhaupt gedacht
werben konnte.
Denn kaum hatte Roland ggeictofien, fo brach in der Kirche
ein allgemeiner Sturm aus. Nach einer allerdings erft jüngeren
Radriet fol der Cardinalbifhof Johannes von Porto zuerft mit
634 1076.
ewaltiger Stimme gerufen haben, daß der Sprecher des Königs
reftgenommen werben müſſe, und von ben Laien griff zuerft ber
Präfect Cencius zum Schwerte, in hellem Zorne, wie er war, um
dem Deleidiger des Papites das Leben zu nehmen. Aber aud
andere römiſche Leute, Richter, Ritter, Edle, ſollen raſch, ohne
Nücfiht auf den heiligen Raum, die Waffen gezückt haben, jo daß
die beiden ganz vereinzelt unter lauter Feinden ftehenden Männer
Mithendlungen zu erleiden anfingen und dem ſchlimmſten Ende
ausgefegt zu fein fhienen; man mußte befürchten, daß fie, voran
Roland, Glied für Glied zerfleifcht werden möchten. Da warf ſich
der Papft jelbft mitten in das wilde Getümmel und riß die Ge
fangenen, ſchon Halb todt, aus den Händen der Wüthenden. Nidt
ohne eigene Gefahr dedte er fie mit feinem Leibe und ließ fie dann
in Sicherheit zu feinen Füßen Plag nehmen, worauf endlich mit
Mühe wieder Ruhe hergeftellt werden konnte. Diefer Auftritt muß
ein großartiges Aufjehen erregt haben; denn alle Berichte heben
ihn in nahezu übereinftimmender Weife hervor. Ein oberbeutjcher
Jahrbuchſchreiber hat fogar, während er der Faftenfynode als
ſolcher gar nicht gedachte, c$ für nothwendig gefunden, anzumerfen,
daß zu Rom durch die Anhänger des Papftes Voten des Königs
übel behandelt worden ſeien ?”). D
=”) Bom Auftreten der Löniglichen Beauftragten fagt Sambert: Legati,
ut jussum fuerat, summo conatu iter accelerantes, pridie quam synodus in-
dieta celebraretur, Romam ingressi, litteras tradunt. Tunc caeteram legatio-
nem, sieut in mandatis habebant, verho non minus contumelioso quam
scripto exequuntur. Papa nihil permotus atroeitate nuncii, postera die,
cum clerus et populus ad aynodum frequens confluxisset, in auribus omnium
litteras recitarı fecit (242 u. 243). Bruno, c. 68, berichtet: Quae litterae
(vergl. n. 71, baß Hier zunächft der gerade vorhergeßenbe Brief, in c. 67, aus⸗
geichieben wird) cum domno papae, in basilica Lateranensi sanctae synodo
praesidenti, fuiesent allatae et coram synodo palam reeitatae (aljo am
erften Tage der Synode felbft, nicht pridie), tanta fit in ecclesia commotio, ut
idem legatus, nisi inter apostolici pedes defensionem inyenisset, membratim
laniatus interisset miserabiliter (353), und evenfo beichäftigt fich der Annalift
zumeift mit diefer grohen Aufregung über die gemadjte Eröffnung: Ubi litteris
et mandatis publica in audientia totiua conventus reeitatis (jowohl dieler,
ala ber von Bruno gewählte Ausdrud: allatae läßt im Einklang mit Lambert
jehr wohl die Annahme zu, daß die Schreiben nicht erft vor der Syndde dem
Papſte durdy Roland eingehändigt worden jeien), domno papae inoboedientis
deliberata pronuntiabatur, et ut cathedra descenderet, cui indignus prae-
sideret, ex parte regis ipsi comminatorie satis imperabatur. Quid ibi
tumultus et conclamationis et in legatos illos non ordinatae incursionis
exereverit, noverint illi qui praesto fuerint, Hoc unum sit nostrum inde
dixisse, domnum apostollcum non sine sui ipsius corporis magno satiß
perieulo quam vix eos Romanorum manibus semivivos eripuisse (282),
ähnlid fürzer Bernoldi Chron.: Sed missi eius (sc. Heinridj'3 IV.) turpissime in
sinodo tractati, vix_a Romanis adjuvante papa evaserunt (88. V, 433}
was aber berjelbe Berfaffer in dergulept in n. 12citieten Gtreitfchrift, Epist. IIT, c. 12
mehr ausführt: Unde Romani eives sanctae Romanae aecelesiae dehonesta-
eione merito commoti, legatos omni poena dignissimos arripiunt, et vel
aliquatenus eorum inmanieeimum scelus uleisci voluerunt. Romanus
pontifex, licet a predictis legatis specialiter impeteretur, tamen de manibas
Allgemeiner Ausbruch d. Entrüflung gegen d. Boten; Abbruch d. Sitzung. 685
Wahrſcheinlich wurde bie durch diefe Aufregung immerhin, un
gendiet der naher eingetretenen Beruhigung, in ihrem Gange ge
örte erfte Sigung abgebrochen und erft am folgenden Tage die
Verhandlung neu aufgenommen?). Schon jollen an bemjelben,
Romanorum crudeliter eos afficiencium vix demum eripuit, et sedata turba
factoque silentio eos ad pedes suos sedere fecit (I. c., 51). Auch, daß die
bier fonft nur ganz kurzen Annal. August. bemerten: Romae legati regis a
;pae fautoribus male tractantur (SS. IL, 129), fpricht für dad große Aufe
Fam. v0 die Sache machte. Agnes jchrieb in dem in n. 24 eitielen Briefe:
Legati filli mei regis venerunt in synodum, et coram omnibus dixerunt
apostolico ex parte filii mei, ut eurgeret et dimitteret sedem apostolicam,
quam non canonice sed rapina adeptus esset. Qui statim a Romanis capti
sunt. Bonitho bezeugt, ). c., von Rolanb: Qui, veniens Roman, forte illis
diebus papam in sinodo residentem invenit. Ie, diaboli repletus spiritu,
in media sinodo ex parte regis, laici seilicet hominis, pontificale ei inter-
dixit offieium, eique hreeipit, ut de sede descenderet Dehine cardi-
nalibus precepit, ut ultra montes tenderent et inde pontificem assume-
rent. Venerabilis vero Gregorius secundum boni ri exemplum con-
Vieiatorem suum prius a morte liberavit; dehine, vix sedato tumultu, ayno-
dum cum alacritate celebravit (l. c., 666 u. 667). Die Vita Anselmi ep.
Lucens., c. 15, gedentt auch der Anmelenheit ber nuntii eic audentes latrare:
— Praeeipit dominus noster rex, ut sedem apostolicam, papatum, utpote suum,
dimittas, nec locum bunc sanetnm ultra impedias (88. XIL, 18). Ponizo
führt, 1. ©, v. 1299 ff., nad) einläßlicher Erwähnung des wunderbaren ovum
linae, sculptum gestans in cortice scutum et colubram .... nunquam
ger ante repertum fo fort: Quod dum miratur (sc. ovum: basfelbe ift in die
'ynode gebracht worden), predictus et eece Rolandus in medium venit ...:
Rex jussit terrae, jusserunt pontificesque, ut linquas sedem, quam non es
dignus habere. Romanis cleris mox idem portitor inquit:: (v. 1312) Costes
in pente (Pfingften: vergl. in n. 24) Romam, testor, veniet rex missurus
papam, lupus hie non est quia papa. Sic dum blasphemat, prefectus eum
eupiebat privari vita gladio, commotus in ira. Quod fecisset enim, sed
ei pater almus adhesit, vixque tacens coetus (I. c., 377 u. 378). in uns
verfennbarem Anfchluffe an Donizo erging fi) Paul von Bernvieb einläßlich
über dieſe Vorgänge, cc. 68 u. 69: — Roland beginnt — finito hyınno: facturus
sermones exhortationis omnibus, papa consederat —, fagt aber hier zum
Alena (abweichend von Donizo' Mittheilung): ut ad futuram Pentecosten
sollemnitatem regio conspectui vos repraesentctis, suscepturi de manibus
regis papam et patrem; der Garbinalbilchot Johannes von Porto greift ein:
facto impetu surgens, immensa voce clamavit: Capiatur!, worauf der Aufr
uhr: praefectus, facto impetu cum judieibus, militibus et Romanis nobili-
.. . evaginatis in ipsa ecelesia Salvatoris gladiis.. . omnibus de eius
(se. Rolandi) morte clamantibus, fo daß Gregor VII. toto corpore dieſen
fügt dl. c, 511 u. 512).
>) Sambert und der Annalift Inüpften das in n. 30 unb 29 Folgende
gleih an die in n. 27 erwähnte Leſung der Briefe an, während Bruno, c. 68,
ausbrüdlich erft mit: Sequenti vero die bie ebenfalld in n. 29 erwähnten
Säge anfängt und Bonitho, 1. c., — nach Aufführung des anderweitigen in n. 29
betonten Greigniffee mit den Worten: Sequenti vero die — die Verurtheilung
unter Borausiendung von: Set cum tempus instaret, a inodus solvi debuisset
folgen läßt (667). Allerdings läßt Fr Bernold’3 Streitichrift auf bie in n. 27
mitgetfeilte Etelle folgen: ea quidemracione, ut ipsi audirent (sc. legati),
quid sanceta synodus de huiusmodi scismatica conspiracione in eadem
nodo, ad injuriam ipeius manifestata decerneret, worauf c. 13 fortfährt:
revit igıtur sancta synodus (l. c., 51 u. 52), und Donigo, 1. e, v. 1317
u. 1818, fließt die in n. 29 erwähnte Rede gleidy mit den Worten: caelesti
636 1076.
nad einem allerdings einzig von einem eifrigen italieniſchen An-
hänger Gregor’3 VII. herrührenden Zeugniffe, Papfte auch Er-
Öffnungen von Deutſchland her zugelommen fein, welde, wenn es
wirklich fo, wie dort angegeben ift, mit denfelben ſich verhielt, eine
Ermuthigung ohne gleihen für den Papft bieten mußten. Denn
danach wären Briefe von Biſchöfen eben jet eingelaufen, durch
welde die Schreiber, unter dem Verfprehen, in Zukunft glei
Söhnen allen Gehorfam zu leiften, mit der Bitte um Gnade ihre
Sünde und ihren Irrthum befannt hätten. Mag das thatfählich
ſich fo verhalten haben oder die Sache hier für Gregor VII. zu
günftig dargeftellt worben fein, jedenfalls war derjelbe entfchloffen,
jest gegen Heinrich IV. vorzugehen, ſchon bewegen, weil ber
an der Berfammlung unmittelbar bevorftand. In der Rebe,
welde der ® an die Verfammlung hielt, mag er, wie bie
laubwürbige Inhaltsangabe lautet, nochmals, um den König
0 recht als den Fehlbaren hinzuftellen, daran erinnert haben, wie
in Milde und Nahfiht Mahnungen und Warnungen, Auf-
forderungen — beſonders auch diejenige, die gefangenen ae
aus ber Haft loszulaffen, will er abgeſchickt haben — an Heinrich IV.
jerichtet wurden, wie jedoch nur die Bitterfeit des Hochmuths als
Entgegnung von feiner Seite erfahren worden fei. Andererjeits
ließ der Ka der Verſammlung ältere Synobalbefchlüffe vorlefen,
welche ſich auf dieſen gen bezogen, wo in trogigem Ungehorfam
der Geporfam dem Stellvertreter des Höchſten abgejhworen worben
war. Die Synode follte danach ihr Urtheil über die Schuldigen
fi zu bilden in den Stand gefegt werden’), und wie ohne
Aamine plenus papa beatus ait — an tacens coetus an, ganz wie Paul von Vem ⸗
tied mit: Tandem vix impetrato silentio, dominus papa dixit in c. 70 bie
Erzählung fortfeßt. Gerade dieſe Iehten fpäteren Fedani je fönnen gegen
Bonitho doc) nicht auflommen. Dazu bemerft Hefele, 1. c., V, 71 u. 72, mit
vollem Rechte, mit dem eben beſchwichtigten Zumult habe wohl bie erfte Gipung
geigloffen: „denn ſicherlich wollte Gregor die Sentenz über Heinrich und bie
anderen Häupter bed Frevels nicht 4 Mon ſprechen, um fie nicht als ein Wert
momentaner Hihe jeinen zu lafien“. für die Verlegung bed Berichtes
Roland's und ber Grcommunication auf zwei auf einander folgende Tage macht
auch Goldfämit, 1. c., 12, in n. 5, Argumente geltend.
#) Der Annalift berichtet: Tandem facto silentio, ‚domnns paps, fecit
aynodalia statuta super his inquiri et, reeiteri, qui quasi in medio totins
ecelesiae contumaciter summo post Deum pontifici et suo rectori temere
abjurato, in oboedientiam suam non erubuerant seriptis ex nomine profiteri,
non intelligentes neque timentes (: es folgen die angerufenen Stellen) (282)
Bruno, c. 68, dagegen fagt: Sequenti vero die domnus papa coram ipea
aynodo deelaravit, quotiens et quante mansuetudine regem de magni
eriminibus corripuisset, ut episcopos a captivitate solveret quanta suavitate
Togassct, apostolica auctoritate jussisset, et pro paterna dulcedine quantam
superbiae amaritudinem recepisset (: folgt das Vorgehen gen ben König)
dl. ©.) Bonitho eat auf bielen „folgenden Tag“: litere ab ultramontanis
e}
<piscopis papae delate sunt, quibus se et errasse confitebantur
veniamque implorabant, promittentes se deinceps utpote patri obedientiam
rebituros. Dürfen bamit die von Bruno, c. 65, erwähnten supplices con-
fessionis litterae, don benen ber ſächfiſche Bericht allerdings bie Ankunftögeit in
Gregor's VII. Vorgehen in den Verhandlungen des folgenden Tages. 637
Zweifel beftimmt vorausgefegt wurde, gab die Verfammlung ſo⸗
gleich durch allgemeinen Zuruf, des Inhaltes: die durch den Köniy
äugefügte Schmad dürfe nicht ungerächt bleiben, der Papit folle
gegen den Zäfterer das Gericht auffeflen, dag Schwert gegen ihn
jdn — ihre Zuftimmung zu erkennen. So folgte die Ber-
ndigung der Urtheilsfprüde%).
Rom nicht lennt, zuſammengebracht werben: plures (sc. ber in Worms zur
Unterzeichnung genöthigten Blade . +... imvitos se fecisse per hoc Ortende:
runt, quia cum primum eis itas, apostolico supplices con-
feesionis litteras dirigunt, et se reos ei agnoscunt, sed expurgationem ne-
cessitatis obtendunt (351)? Donizo läßt, v. 1318—1334, ben Papft eine Rede
halten, die Paul von Bernried, cc. 70—74 (l. c., 512—515), noch viel mı
ausführt, „lang, an Bibelftellen reich, aber im Sangen fehr matt”, wie Hefele,
Le, Un. 2, urtheilt, unter Zurüdweifung einer Verwerihung der Rede.
„,_’%) Die Beichläffe ftehen in dem fchon in n. 26 genannten Gtüd de Re-
ro Die Angaben der deutſchen Geſchichtſchreiber über die Beſchlußfaſſung
d: — Bruno, c. 68: Deinde (nad) bem in n. 29 Exzählten) cunctis acela-
is ne talis contumelia remaneret inulta, omnium consilio et consensu
Heinricnm synodali judieio dampnavit, regisque nomine et honore privatum
anathematis gladio percussit (1. c.), dann Zambert, der hier eingehender ift,
boch von ber Abfehung bed Königs ſchweigt (im — Bruno) und un⸗
tihtig Giegfeied’® und der anderen genannten Bilhdfe Sufpenfion zur Gy:
communication verſcharft: et sic cunctis qui convenerant episcopis id fieri
decernentibus, regem excommunicavit, et cum eo archiepiscopum Mogon-
tiaum Sigefridum, episcopum Trajeetensem Willihelmum, episcopum Baben-
‚Ruotbertum; caeteris, qui conspirationis huius partieipes extite-
rant, diem statuit, qua nisi Romae presentati causam dicerent novae
hulus et inusitatee contra sedem apostolicam rebellionis, similem caeteris
excommunicationis sententiam sortirentur. Porro Ottonem Ratisponensem
ggiopum. et Ottonem Constantiensem episcopum (vergl. in n. 34) et
-hardam Losannensem episcopum (excommunicavit). Eberhardum comi-
tem, Uodalricum et alios nonnullos, quibus rex potissimum consiliariis ute-
batur, jam pridem excommunicaverat (943): [die Trennung, bes lehten Sahes,
mit Einfgjiebung eines außgefallenen Berbums escommunicavit — freilich wären
bie Borte: Porro bi Losannensem episcopum beffer ges, nad} Ruotbertum ein«
gelgoben — gefchieht in Nebereinftimmung mit Melher, 1. c., 206 — doch vergl. noch
mn. 34] ver folgt der Annalift, der aber — vergl. n. 32 — ſich ala von
Segor’3 VIL. Worten in bem Briefe J. 4999 abhängig erweiſt, bann Bernoldi
Chron.: Ipeum autem regem, synodo judicante, fidelitate hominum sepno
et communione privavit, et omnes ei ad regnum juratos juramento absolvit.
Ompesque episcopos, qui regi sponte contra papam faverant, officio et
©ommunione priyavit; reliquis autern, qui inviti eidem conspirationi intere-
rant, usque ad festivitatem sancti Petri indutias dedit (SS. V, 433 —: in
der legt in n. 28 citieten Streitſchriſt, c. 13, in ähnlichen Worten etwas
ihrlicher, in dem Heinrich IV. betreffenden Safe: Regem vero post multas
admoniciones resipiscere nolentem, immo huius seismaticae conspiracionis
auctorem, 0 privatum sub anathematis vinculo domnus apostolicus
Ygarit, ut_eidem etiam ante excommunicacionem promisit — I. c., 52).
fand Scottus hat a. 1099 (reip. — irrig — 1077): Papa vero regem cum
suis in quadragesima tribus excommunicavit causis, ob infamiam pecea-
torum suorum, et unitatem suam cum simoniacis, et hanc scisuram eclesiae
inter papam et alios (SS. V, 561), weiter Sigeb. Chron. (a. 1077): Hildi-
brandus imperatorem Heinricum Romae excommunicavit, sub hoc optentu,
ut_primates regni quasi ex causa excommunicato regi eontradicant
(88. VI, 3631._ Die 8. n. 86 citirte in bie Annal. s. Disibodi, a. 1075,
eingefchobene Echrift über den Sachfentrieg erwähnt bie Ercommunication:
638 1076.
Die Verurtheilung Heinrich's IV. geſchah in befonders feier-
licher Weife, unter Einkleidung in ein an ben Apoftelfürjten ge:
richtetes Gebet de3 Papftes®?).
Gregorius VII. . . . querimoniis et elamoribus katholicorum justis adversum
Henrieum et scelerum eius immanitatem auditis, zelo Dei accensus, ron
exconmunicatum pronunciavit, maxime propter symoniam ($$. XVII, 7)—
zu feüh im Zufammenhang der Exeigniffe. Bon ben italienifhen Quellen meldet
3onitho, Lib. VII: Gregorius ... . regem, qui se ex ovibus Christi non
cognovit, prineipemque huius inauditae rebellionis, ercommunicavit et &
regno Dei_judicavit alienum, mit angefügter Tirhenteghtligher und gefcjicht-
licher Ausführung: Quod nec novum quidem nee reprehensibile — und dem
nadjjolgenden Gchlußfage: Et quis nisi mente eaptus ignorat, regiam pote-
statem subjectam esse pontificibus (l. c., 667—670); bie Mailänder Geſchicht ·
führeiber, Arnulf, 1. c., Lib. V, e. 7: Cumque (sc. Gregor VIL) nichil omnino
proficeret (sc. regem diu praestolando ac multis monitis invitando con-
versionem), illum cum suis fautorihus a sanctae ınatris ecelesiae segregavit
(ex-Jcommunicando luminibus, tenore tamen futurae dignaeque conver-
sionis proposito, ınit Anfügung lebhafter Alagen über die infelicia tempora,
imo contra se ipsam pugnare sancta videtur ecelesia, entgegen ber Ordnung:
es ac sacerdotes christos scilicet Christi uniri uno debere consensu
(ete.), und Zanbuli, Hist. Mediolanens., Lib. II, c. 31, freilih in eigen:
thümlicher Einfehiebung des Exeigniffes: parvo moratus teinpore in synodo
prima (d.h. nad) feiner Wahl) et domnae Matildis conseilio sine advocatione
ulla Henricum excommunicavit imperatorem (sc. Gregor VIL), parvissimis
datis induciis, nisi investituras episcopatuuin omniumque abbatiarum ipse
refutaret (SS. VIII, 30, 98). Tonigo, 1. c., v. 1335 ff., läßt zuerft die Epnode
um Popfte Ipreden: Tu pater es patrum: biasphemum contere prarum
— —: Omnibus excelse dignum elamantibus esse, privari regno regem
maledicere nee non, papa dolens vinclis anathematis illico strinxit
praedicetum, cui regnum devetat ipsum (l. c., 378). Auch bier bat Sau
don Verntied’s c. 75 (..c., 515u. 516) nur eine wortreichere Ausführung, 3. 2.
in ber Weußerung ber Eynode contra blasphemum, invasorem, tyrannum,
desertorem. Zn ihrem ſchon in n. 24 eitirten Briefe ſchrieb Agnes: domi
papa omnes qui sponte consenserunt, officio et communione privaı
zu ‚coacti assensum pracbuerunt, usque ad festivitatem sancti Petri inducias
fedit; fillum vero meum regem ob haec et quia excommunicatis communicat,
et quia de sceleribus suis penitentinm agere recusat, regia dignitate pri-
vavit et anathematis gladio pereussit, omnesque qui sibi juraverant jura-
mento absolvit. Gan jonderbar find bie durch Beno, Gesta Romanae aecciesise
contra Hildebrandum, aud hier wicder san den Papft gehäuften Anſchuldi⸗
gunnen, nach welchen einzig der Papft bie Schuld getragen hätte: — Lib. II:
instabat Hildebrandus imperatori, ut eiceret episcopos symoniacos, Im-
perator eredeus quasi ex zelo legis, quasi a throno Dei procedere haec
mandata, sine mora obediebat, sine mora, sine discussione, sine juditiario
ordine episcopos eiciebat ... . . Hildebrandus vero espulsos a rege symo-
nincos relocabat (ete.), Et modico tempore his artibus regia domo pertur-
bata ct pene amicis destituta . . . ex improviso sine legitima accusatione.
sine canonica vocatione, sine judieiario ordine obedientem sibi impera-
torem excommunicavit et regni principes ab eo separavit, an welde
totalen Verdrehungen des Sachverhalte fi in Lib. 1 anfdliekt: Preter
voluntatem et consilium cardivalium, extra ordinem judicandi sacris cano-
nibus determinatum, imperatorem in nulla sinodo” canoniee accusatun.
preeipitanter exeommunicavit, in qua excommunicatione nullus cardinalium
subscripsit (etc.) (Libelli de lite, II, 373 u. 374, 370). J
®ı) Diele in Registr. II, 10a, au lehzter Etelle erwähnte Excommunicatio
Heinriei regis Teutonicorum fteht aud als c. 70 bei Bruno (353 u. 354),
ala c. 76 bei Paul von Bernried (. c., 516).
Heinrichs IV. Verurteilung im Gebete des Papftes. 639
„Heiliger Petrus, Dur Fürft der Apoftel, neige, ich bitte Dich,
Dein Gehör liebevoll zu uns und höre mich, Deinen Knecht, den
Du von Kindheit an genährt und bis zu dieſem Tage aus der
Hand der Ungerechten befreit haft, welche mich wegen der Dir be-
wiejenen Treue gehaßt haben und hafjen. Du bift für mich Zeuge
und mit Dir meine Herrin, die Mutter Gottes, und der heilige
Paulus, Dein Bruder unter allen Heiligen, daß Deine heilige
römiſche Kirche mich gegen meinen Willen zu ihrer Lenkung gezogen
bat, und daß id) es nicht für einen Raub gehalten habe, zu Deinem
Stuhle emporzufteigen, und weit mehr Willens gewejen bin, mein
Leben in der Pilgerſchaft zu fchließen, als Deinen Platz in welt-
licher Schlauheit zum Ruͤhme vor der Menfchheit an mich zu
reißen. Und fomit glaube ih, e8 habe Dir aus Deiner Gnade,
niht wegen meiner Werke gefallen und gefalle Dir, daß das
chriſtliche Volt, das Dir befonders anvertraut ift, mir gehorfam
fei, bejonder8 wegen ber mir für Dich anvertrauten Stellvertretung,
und daß mir um Deinetwillen von Gott die Vollmacht gegeben Hg
zu binden und zu löfen im Himmel und auf der Erde. Demnach
widerfage ich, im Vertrauen auf diefe Zuverfiht, zur Ehre und
Vertheidigung Deiner Kirche, im Namen des allmächtigen Gottes,
Vaters, Sohnes und des heiligen Geiftes, fraft Deiner Macht und
Gewalt, dem König Heinrich, dem Sohne des Kaiſers Heinrid), der
in unerhörtem Uebermuth gegen Deine Kirche fi erhoben hat, die
Leitung des ganzen Reiches der Deutjchen und von Italien, und
Töfe alle Chrilten von dem Bande des Eidſchwurs, den fie ihm ger
leiftet haben ober leiſten werden, und ich unterjage, daß irgend
jemand ihm als einem SKönige diene. Denn es ift billig, daß,
wer die Ehre Deiner Kirche IM vermindern ſucht, jelbft die Ehre
verliere, welche er inne zu haben fcheint. Und weil er es verachtet
bat, wie ein Chrift zu gehorchen, und nicht zum Herrn, den er
verlafjen hat, zurüdgefehrt ift, dadurch, daß er am Verkehr mit
Sreommunicirten theilnahm und viele Ungerechtigkeiten ſich zu
Schulden kommen ließ und meine Mahnungen verſchmähte, die ich
an ihn — Du bift Zeuge — zu feinem Heile richtete, und dadurch
daß er fi von Deiner Kirche trennte, indem er ſich beftrebte, fie
zu zerreißen, fo faßte ich ihn an Deiner Stelle mit dem Bande
des Fluches. Umd fo fehle ich ihn im Vertrauen auf Did, daß
die Völker e3 wiſſen und beftätigen, weil Du Petrus bift und der
Sohn des Iebendigen Gottes auf Deinem Feljen feine Kirche er-
Saut hat und die Pforten der Hölle nichts gegen fie vermögen
werben“.
Auf diefem Wege war bie zwiefahe Aufhebung ber ganzen
bisher gültigen Grundlage der öffentlichen Stellung Heinrih’3 IV.,
des deuiſchen Königs, der eben im Begriffe ftand, zur Einholung
der Taiferlichen Krone nad Rom ſich aufzumadhen, ausgeſprochen.
Erſtlich hatte Gregor VII. das Recht des Königs auf die Herr-
{haft über das deutſche und das italienische Reich aufgehoben, mit
dieſer Abfegung Heintich's IV. die Eide, durch welche die Unter-
640 1076.
thanen dem Herrfcher verbunden gewefen waren, bejeitigt, es ver-
boten, daß ihm diejelben noch ferner Gehorfam und Dienft leifteten.
Erſt hierauf geftügt war bie Ausſcheidung des feiner Rechte be-
raubten Königs aus dem Verbande der Kirche ausgeſprochen
worden ?®). Die eigene Mutter des Verurtheilten, die Kaiferin
b Marten IV. und Gi VI.
eur ins Bea DE 29 So Murat
Bin wert ge — ara, —— 1, %6 To —— —
en Ir je — Al ng war ee nit, ae mg a, td Salis ·
— erfolge, orbehaltene schritt; aunächt frat er mod) in den Hintergrund“
(aud) Gielebrecht, III, wendet fih in ben „Anmerkungen“, 1142 u. 1143. ent»
Ihledem gegen lante). — Was war ber Anett vs Netbeilest — wie die Worte
Gregor’s VII. Rundfehreiben, a Dergl. bei n. 174 — gaı
beutich ſe es ar a ans ben ee ehe lich —& cur sit
athemalis yincal tus et a Teen dignitate depositus (sc. Heinricus
dietus ven), et qua —* Ppopulus quondam eibi subjugatus a vinculo jura-
menti eidem promissi sit absolutus —, nicht Sufpenfion, on ſondern ee Das
erhellt auch aus dem bemertenswerthen, weil aus ber Stimmung
aukın jangenen Briefe der — VI. gan ae Rehenden sec Kai) m, mit imer
Ahnung ber privatio L. au ob. ©.
— 0 privare 1 in — IV. men Worten), Er ieher aus
dem Kram den Gr. in der erneuten Ercommunication gegen
‚eintich IV., Registr. V IL Uri I, gebrandte: in regno, a quo eum in Romana
5 nodo ———— 8* Au, Deinog wurd durch Goldicmit,
m ©, 13 u. 14, bie Be ehängung ı iner einfac ıfion — contradietio
chen Gul
flat der hf Anſe Döllinger, Se der Ki ichte,
m = = — = aut Ina dann — —
men
Irene, X a 218, oniewicer, Ze Befgung 9 päpfiicen &i Bi,
wecher, Geſchichte der deutſchen Königarmahlen, ir n. 1, itet auf daB ente
— daß von Suſpenfion die Rebe fein tonue Dage iR von Gold»
ſchmit. 14 u. 15, zur Verurteilung durch die Gafeniyunhe, hr zutreffend dar-⸗
auf hingewiefen, dab bie weltliche DVerurtheilung zuerſt und dann der Mann
über den König verhängt wird, wie ald zwei getrennte, unter einander in feinem
caufalen Verhältniffe flehende Dinge, wobei es fich nur frage, ob Gregor VII.
| on jeßt in der beftimmten Ba m ganbeite, ur um |päter, wie es wirklich
jehen — vergl. eben Registr. V! ei communionem redı redäidi,
non tamen in regno . SE 1. e. — argumentiren zu fönnen, daß aus
der Aufhebung ve Bannes mod) nicht bie Wiebereinfegung in die Regierung.
folge, oder ob er mehr zufällig und unbewußt bie fonft für natürli ltene
Reihenfolge der Etrafmittel bestffen, Hat. Diele Auffafiung der ıng old
einer felbftändigen Maßregel Gregor’ VII, worauf im Berlanfe die E
commumication in ber Hauptſache bekannt geworben fei, hat auch P. Dehnie
Bericht d. Kaiferin Agnes. Strafverlünbigungen gegen d. Wormfer Synobalen. 641
Agnes, melde ſelbſt dieſer Verwerfung ihres Sohnes dur bie
Synode al3 Zeugin beimohnte und einem eifrig kirchlich gefinnten
deutſchen Biſchofe, Altmann von Paffau, von tiefftem Schmerz er-
fült, nach defien Wunſche über das Geſchehene Bericht erftattete,
fm genau ebenfo ben Gang ber Dinge verfolgt: „Der Herr Papft
jat meinen Sohn, den König, wegen ber von] bemfelben an die
Synode ergangenen gegen ihn gerichteten Erklärung und meil er
mit Ercommunieirten verkehrt und weil er wegen feiner Verbrechen
Buße zu thun verweigert, ber königlichen Würde beraubt und ihn
mit dem Schwerte des Bannfluchs getroffen, und er hat Alle, die
ihm geſchworen hatten, von dem Eide losgebunden“ 20)
Eine weiter folgende rafverfünbigung des Papſtes richtete
15 gegen die geiftlichen Urheber des Beſchluſſes der Wormfer
Synode.
Erzbifhof Siegfried von Mainz wurde verurtheift, von aller
Verrichtung des bijhöflichen Amtes fuspendirt und von der Theil-
nahme an Leib und Blut des Herrn abgetrennt zu fein: „Er hat
verjucht, die Biſchöfe und Aebte des Reiches der Deutſchen von der
heiligen römiſchen Kirche, das will fagen, feiner geiftlichen Mutter,
loszureißen“. Die gleiche Strafe wurde nach dem vorliegenden
Wortlaute des Beſchluſſes auch über die übrigen Bifchöfe verdän t,
welde nad freiem Willen zu diefer Lostrennung zuftimmen! ibre
Unterfchrift gaben und in dieſer Ungerechtigkeit verharren wollen.
Diejenigen aber, welche das nicht freiwillig thaten, follten bis zum
Feſte Petri Kettenfeier — bis zum 1. Auguft — noch Frift ges
winnen und erft dann, wenn fie innerhalb biejer Frift nicht vor
dem römifhen Stuhle, entweber jelbft, oder durch ihre Boten,
Genugthuung geboten haben, vom biſchöflichen Amte ausgeſchloſſen
werben. Doch fteht durch anderweitige Nachricht, neben diefen im
Wortlaute erhaltenen Verhandlungen, durchaus feſt, daß wenigſtens
eild die Einfügung von: et scandalizare induratus
est unitatem sanctae ecelesiae scindere non
expavit, nach dem Worte: seindere). , J
=) Die Anweſenheil der Kaiſerin geht einmal aus dem ſchon in n. 24 er»
wähnten Briefe hervor, befien Eingang die Worte enthält: maximo afficior
merore, quod maximum video aecclesige imminere periculum, filium meum
aimiam verbie stltorum credulo. En guns modo gesta sunt in Romana
in den Erwägungen des U:
in den Gaf: corpus Chri
do, quoniam ut tibi referrem mandasti, referam. Dann jagt der Annalift:
fe omnibus Agnes imperatriz, mater rogis, intererat, culus Animam ipeius
ladius damnationis non parum sauciaverat (283). Aud) Sigeb. Chron, a.
[076, wei wenigflens: Gregorius papa . . . quoscumque potest ab eo (sc.
Sinti IV.) rerbis et seripüs averit; animum etium Agnetis matris ipius
ab eo alienat (SS. VI, 368).
Meyer von Anonau, Jahrb. b. bt. R. unter geinrig IV, u, V. 8b. I. 41
642 1076.
einer der Theilnehmer an der Wormſer Verſammlung, Bichof
Dtto von Conftanz, nunmehr nicht nur vom Amte gelöft, fondern
auch ercommunicirt worben ift. Derfelbe war nämlich ſchon früher,
etwa am Ende des vorhergehenden Jahres, durch Gregor VII. ein
dringlicd gemahnt worben, weil er troß de3 gegen Simonie und
Unfeufchheit gerichteten, ihm ſchon einmal eingeſchärften päpftlichen
Verbotes Kart geblieben war, fiber feinen weiten Sprengel nicht
gehörig gemacht hatte, fo daß er die Zügel der Wolluſt feinen
Geiftlichen frei Tieß, in Folge deffen die mit Weibern Lebenden in
ihren Vergehen verharrten, diejenigen, welche bisher noch niit mit
ſolchen fich eingelaffen hatten, feine Verbote mißachteten. So war
der Biſchof eben auf die Faftenfynode nach Rom vorgeladen, und
in einem zweiten Schreiben war den Geiftlihen und Laien des Con-
ftanzer Sprengel, welche dem chriftlihen Gefeg anhänglich bleiben
wollten, hievon Anzeige gemacht worden, unter ausdrüdlichem Hinweis
darauf, daß der Papft fie ſämmtlich von dem Gehorfam gegen
Bifchof Dtto frei ſpreche, fo Lange als diefer nicht gegen Gott und
die apoftolifhen Gebote feindfelig zu handeln ablafjen wolle. Als
nun deſſen ungeadhtet Dtto wieder in Worms mithandelnd auf
getreten war, ja ſich bier ganz beſonders iropig, wie ihm vor
geworfen wurde, gezeigt hatte — vorzüglich jollte er aud dem
Könige als Urfade feiner von Gregor VII. erlittenen Mab-
regelung einen ganz anderen Grund, al3 den wirklichen, vorgebracht
haben — fonnte bei feinem Wegbleiben von der römijchen Synode
hier allerdings nur die Verurtheilung de3 widerfpenftigen Biſchofs
als nothwendige Folge eintreten ®*).
24) Bergl. bie Stelle Sambert’3, mit ber veränderten Interpunction, Icon
in n. 30. Melper zeigte, 1. c., 205 u. 208, bak; die Briefe Gregor’s VII. an
Viſchof Otto von Gonftanz und an bie cleris laici, majores et minores, in
Constantiensi episcopatu consistentes, christianam legem diligentes (vergl.
in d. 4970: plurimus Constantiensis ecelesiae clerus et populus ‚amplissime
dilatatus), Epist. collectae, Nr. 8 und 9, J. 4970 und oh, (Zaffe, Biblioth.,
II, 528—581), nicht mit dem Herausgeber in ben December 1074, fondern Enbe
1075 angelegt werden müffen (jo auch Löwenfelb, Regesta pontif. Roman.,
2. Aufl., I, 615). Otto’ Ercommunication Meht zum Jahre 1076 ganz fe,
da Bernold, Epistola apologet. pro Gebhardo, c. 4 — vergl. [on n. 25 —
ie ausbrüdlich zur Faftenfgmode anfest: Gregorius papa VII... . Ottonem
'onstantiensem episcopum aynodali judieio officio et communione privavit,
eo quod ipse cum reliquis scismaticis contra apostolicam sedem conspirasse
missis literis se propria subseripfione manifestaverit. In qua conspiratione
idem ipse multo audatius reliquis conspiratoribus contra Romanum ponti-
ficem insanivit eumque apud saecularem principem speciali. aceusatione
eontumaeiter iımpetere presumpsit, videlicet necusans eum, quod episcopali
honore illum privaverit, eo quod Iaicos dampnatorum officia presbyterorum
recipere vel eis obedire probibuerit (vergl. aber vielmehr im Zegt, aus weldher
Ürfadhe Otto wirklich in J. 4970 von Gregor VII. bedroht, auch in J. 4938 —
vergl. &.456 — fchon ermahnt worden war), und ba berjelbe in c. 5 hernach mit
gleiher Beſtimmtheit bie Löfung vom Banne in ben Herbft bes Jahres (vergl.
bei n. 177) verlegt (Libelli de lite, II, 109 u. 110: vergl. zum Ganzen Lade:
wig, Regesta episcoporum Constantiensium, 1, 65). on biefem einen ber
Weitere Urtheile und Beſchlüſſe der Faſtenſynode. 643
k Ebenſo mußte das Urtheil der Synode bie italieniſchen Biſchöfe
treffen.
„Die Biſchöfe der Lombardei haben, mit Verachtung ber
Würde des kirchlichen Rechtes und apoftolifhen Anfehens gegen
ben heiligen Apoftelfürften Petrus durch einen Eid ſich verſchworen“.
So wird über fie Suspenfion vom biſchöflichen Amte und Aus-
ſchluß von ber Gemeinſchaft der Kirche verhängt. Daß ber von
Heinrich IV. beftellte Mailänder Erzbiſchof Thedald, ſchon weil er,
zur Synode vorgeladen, nicht erfchienen war, diefem Spruche vor
allen anderen lombarbifchen Biſchöfen unterlag, war nothwendig;
aber auch biſchof Wibert iſt wegen feiner ohne Zweifel ent-
ſchiedenen Haltung jedenfalls in den Kreis der Verurtheilten mit
gezogen worden®d).
Endlich traf der kirchliche Ausſchluß auch mehrere burgundiſche
und franzöfifche Biſchöfe, Aebte, Grafen, zum Theil wegen Beein-
trädhtigungen der Kirche von Lyon, oder in Beftätigung von
Urtheilen der Legaten Gregor's VII., ganz beſonders der von
Biſchof Hugo von Die nah päpftlichem Auftrage geſchehenen Anz
ordnungen?®).
Bon allgemeinen Angelegenheiten lag wahrſcheinlich der Synode
eine abermalige Einfhärfung der Gebote gegen die Simonie und
wegen des unfeufchen Lebens ber Beiftlichen zur Behandlung vor?”).
— Kaum fonnte aberdie Synobe, nach kurzer Dauer, aus einander
gegangen fein, al3 der Papſt, allen Gläubigen, wie es in ber
Mieberjchrift des Schreibens heißt: „Allen, welche den Wunſch
begen, unter die Schafe gezählt zu werben, welche Chriftus dem
durch Lambert ald ercommunicirt genannten Biſchdfe ift bad alfo ganz parugt;
wie Lambert dazu kam, noch weitere Namen zu nennen (vergl. Delbrüd, Uel
die Glaubwürdigfeit Samberts von Heräfeld, 51 u. 52), ftehe dahin.
%) Die in Begistr. III, 108, folgende Excommunicatio episcoporum
liae nennt feine eingelnen Namen. Mit noch triftigeren Gründen,
ala Martens, Die Beſehung bes päpftliden Stuhls, 201, nimmt aber Köhnde,
Bibert von Ravenna, 29 u. 30, an, dak Wibert, ber wahrſcheinlich auch in
fiacenza betheiligt geweſen war, in dieles Urtheil inbegrirfen erichien, nach
jor’a VII. Worten von ber Eynode von 1078, istr. V, 14a: Tedaldum
dietum archiepiscopum Mediolanensem (vergl. wegen Thedald's 6.576 u. 577) et
Ravennatem Guibertum . . . ab episcopali omnino suspendimus et sacer-
dotali oficio; et olim jam factum anathema super ipsos innovamus
(. e., 905)
N % der anf bie in n. 95 erwähnte, folgenden Excommunicatio epi-
scoporam ultramontanorum geichieht am Ende deſſen: gas Diensis episcopus
in episcopatu Diensi de deeimis et primitiis et ecclesiis fecit, et caetera,
quae in legatione nostra statuit — behätigende Erwähnung.
N) Melger madıt, 1. c., 219, vi auf die Stelle im Annaliften, a. 1078,
aufantlam daß die Faſtenſynode dieſes Jahres die Erwähnung bringt von
Perönfichteiten, qui infra biennium temerarii, pervicaces et incontinentes,
Iesiasticas ordinationes datione peceuniae sibi acquisitas, relictas, et
conenbinas sibi interdietas apostatica praesumptione receperant (308), fo
dab auf ein zwei Jahre früher erfolgtes neues ſcharfes Gebot nach jenen Rich»
tungen geichlofien werden fann. .
4
644 1076.
heiligen Petrus anvertraut hat“, über das Geſchehene feinen Bericht
zu geben ſich befliß; doch ſcheint nach einer Angabe einer beutfchen
Duelle, die den Brief aufnahm, berjelbe vorzüglich nad Deutid-
land beftimmt geweſen zu fein.
Das Schreiben beginnt mit der Anrede Gregor’ VII. an die
Brüder: „Ihr habt die neue und unerhörte Anmaßung vernommen.
Ihr habt die verbrecheriſche Geſchwätzigkeit und Frechheit der
Schismatiker und ber den Namen de3 Heren im heiligen Petrus
Schmähenden vernommen. Ihr habt den Webermuth vernommen,
wie er fih zur Deleidigung und Beſchimpfung de3 heiligen
apoftolifchen Stuhles erhoben hat, von der Art wie Eure Väter
es weber jemals gejehen noch gehört haben, noch wie der Inhalt
der Schriften es lehrt, daß folder einftmal3 von Heiden oder
Kegern emporgeftiegen fei”. In diefem Tone, der Aufforderung
zur Klage über die dem römifchen Stuhle zugefügte Schmach, geht
der Inhalt weiter. Die angerufenen Empfänger der Mahnung
ſollen den Glauben haben, daß durch Jeſus Chriftus dem heiligen
Petrus die Schlüffel des Himmelreiches übergeben find, und den
Wunſch hegen, durch defjen Hand den Eintritt zu den Freuden des
ewigen Lebens zu erhalten, aber eben deßwegen auch nunmehr an
dem Schmerze des Papftes theilnehmen, um ſich diejes zufünftigen
Troftes, diefer himmlischen Krone und Herrlichkeit würdig zu er-
weifen. „Deßmwegen bitten wir Eure Liebe, daß Ihr Eud_ be
ftrebet, inftändig die göttliche Barmherzigkeit anzuflehen, daß fie
entweber die Herzen der Gottlofen zur Reue wende, oder durch die
Vernichtung ihrer verruchten Rathſchlüſſe zeige, wie unfinnig und
thöricht diejenigen find, welche den von Ehriftus begründeten Felſen
umzuftoßen und die von Gott gegebenen Rechte zu verlegen
ſuchen“. Am Schluſſe war dem Schreiben der Wortlaut der auf
der Synode gegen Heinrih IV. ausgeſprochenen Ercommunication
angehängt ®®).
Das Ungewöhnliche, weldes in dem Beſchluſſe der Faſten⸗
ſynode über den König ausgedrüdt war, hatte Gregor VIL. jelbft
dadurch zu erklären geglaubt, daß er die unerhörte Form des vorher
se) Daß Registr. II, 6, J. 4979, bas in ber Reihe zu früh ftcht (I. ch
211 u. 212), hierher zu ziehen ift, erhellt ſchon aus dem Schlußſatze, welcher in
fid) fließt, daß die Eynode unmittelbar vorangegaugen war: Qualiter autem
aut quibus pro causis beatus Petrus anathematis vinculo regem alligaverit,
in cartula, quae huie inelusa est (d. h. in der in.n. 31 erwähnten Excom-
municatio), plane potestis cognoscere. Der Brief fleht auch als c. 69 bei
Bruno, und zwar als litterae in regnum Theutonicorum, die eben gleich nach
ber Synode abgegangen feien, doch ohne ben foeben mitgeiheilten Icpten Eab
53), jerner als c. 77 bei Paul von Vernried (I. c., 517), und ohne Zweifel ift
an der S. 637 in n. 30 begeicgneten Etelle in den Annal. s. Disibodi, dod a.
1075, aud) unter den litterae — quibus katholiei ad resistendum iniguis hereticis
constantiores effecti sunt — diefes Schreiben zu verftehen (SS. XVII, 7); e8 ift
zu beachten, baß Hugo von fHlaviany irrt, wenn cr, Chron., Lib. II, meint,
daß auf Epist. coll., Mr. 14, J. 4999, die Hinweiſung bier in’J. 4979’fid) ber
siehe (SS. VII, 442).
BöpfL. allgem. Berichterftattung. — Heinrich's IV. Maßregeln in Sachſen. 645
gegen ihn felbft durchgeführten Schrittes der Wormfer Verfamm-
fung den Gläubigen einſchärfte.
Von Worms hatte König Heinrich IV., nachdem die Ber-
fammlung zu Ende gegangen war, ſich fogleih wieder auf den
Boden des jähfiichen Landes begeben. Denn wenn er auch wegen
der gegen den Papft zu ergreifenden Mafregeln feine Anftalten
zur dauernden Befeftigung bes über die Sachſen erfochtenen Sieges
unterbrochen hatte, fo wünſchte er doch ganz voran, die Unter
werfung des Volkes, das als in feiner Kraft gefnidt angejehen
wurde, vollftändig zu fihern.
Die Hofhaltung war alsbald nah Goslar zurüdverlegt
worben®®), und von da aus hatte Heinrich IV. feine Anordnungen
zur Zähmung ber Sagen und Thüringer fortgefegt. Neben dem
Beftreben , diejenigen Aufftändifchen, welche noch immer nicht zur
Unterwerfung fi berbeigetafjen hatten, dazu zu zwingen, fie durch
Drohungen zur Mebergabe Herbeizubringen, ſcheint der König ganz
beſonders I Augenmer fortwährend auf die Einrichtung und
Beſetzung fefter Anlagen gerichtet zu haben. Theils die Heritellung
ber Burgen, bie er zur Zerftörung hinzugeben genöthigt gewefen war,
theils die Begründung neuer Pläge an befonders günftigen Stellen
bejchäftigte ihn, und zu den Aufträgen, welche dem Statthalter im
ſächſiſchen Lande, Otio von Nordheim, ertheilt waren, zählte die
mit größtem Fleiß auszuführende Wiedererbauung der Harzburg,
ſowie die Errichtung einer Burg auf dem zunädjft über Goslar
emporfteigenden Steinberg; aber während auf dieſe Weife aller
dings jeder fünftige Widerſtand zur Unmöglichkeit gemacht werben
ſollte, waren gerade ſolche Befehle, nach den früher hemachten Er⸗
fahrungen am beften geeignet, neuen Haß zu mweden*°).
onibus in jus eius venerant, presidium im-
mebat (Angaben wohl zum Theil richtig, doch ficher übertrieben — ähnlich
jrno, c. 60: Cum ergo rex urbes et omnes in Saxonia munitiones suorum
fidelium praesidiis occupasset, et nichil sibi, quominus in Saxonia faceret
euneta quae vellet, putaret obstare — 350) ob. &. 539 u. 540 das fpeciell bon der
Hafenburg Gefagte. Qutreffender ift wohl bie Angabe: eos qui necdum dediti
ierant acerrimis in dies edictis ad deditionem urgebat et misi quantoeius
646 1076.
Während dieſes Aula des Königs in Goslar fand nun
auch der erledigte erzbiihöflihe Stuhl von Cöln feine neue Be-
fegung, und die Art und Weife, in welcher Heinrih IV. hierüber
verfügte und den Nachfolger Anno's nad feinem Gutbünfen aus-
laß, zeigte wieder, wie beftimmt er feinen Willen in folgen An-
gelegenheiten durchzuſetzen verftand.
Schon als der König zur Feier des Weihnachtsfeſtes feinen
Sig zu Goslar gehabt hatte, waren zahlreihe Vertreter von
Geiftlichfeit und Volt von Cöln am Hofe erſchienen, um die Wahl
eines neuen Vorſtehers ihrer Kirche vorzunehmen. Aber der König
Tam ihnen mit einem fertigen Rarfälage entgegen und beftand mit
allem Nachdruck darauf, daß fie Hildulf, einen Geiftlihen des
Stiftes St. Simon und Judas zu Goslar, wählten, den er ihnen
als Erzbiſchof empfahl. Doch derfelbe foll ein Menſch von un-
anfehnliher Erſcheinung, ohne körperliche, wie geiftige Vorzüge,
Hein von Geftalt, mit einem feine Achtung erwedenden Gefichte,
auch niedriger Herkunft geweſen fein, fo daß die Cölner, indem fie
alle_biefe Umftände betonten, nichts von ihm wifjen wollten, wo
es fih um den Anno zu gebenden Nachfolger handle. In Hersfeld
wollte man wifjen, Hildulf fei am ganzen Königlichen Hofe durch
die allgemeine Abneigung jo fehr ein Gegenftand des Hafjes ge=
worden, daß er ſich nicht mehr habe öffentlich zeigen können, ohne
Geſchrei und Spottliedern, ja jogar Steinwürfen und ähnlichen
Mißhandlungen ausgefegt zu fein, als wäre er ein der Nerfolgung
preißgegebene3 Ungeheuer. Indeſſen ließ der König durchaus nicht
nad. So fehr die ganz gereimelte Angabe, daß auf fimoniftifche
Mittel hin die Auswahl Hildulf's gejchehen fei, feinen Glauben
verdient, fo beftimmt war Heinrich IV. gewillt, an Anno's Stelle
nur einen folden Mann nad Cöln zu fegen, auf deſſen Wilfährig-
feit er ganz fih zu verlafjen im Stand war, fo daß die reihen
Mittel diefer Kirche völlig nach feinem Belieben herangezogen
werben fonnten. Zwar war es dem König zur Weihnachtäzeit noch
nicht gelungen, troß langer und vielfacher Verfuche, feinen Willen
durchzuſetzen, jo Bub er die Cölner unverrichteter Sache nad) Haufe
gefdidt hatte, mit ber Weifung, auf Mittfaften, mo möglid mit
eſſerer Ueberlegung, wieder ſich einzuftellen; denn unter feierlichen
Betheuerungen war die Verfierung von ihm abgelegt worden, daß
fie, fo lange er am Leben fein werde, einzig den von ihm Vor—
dederentur, ferro et igne infestari et longius natali solo effugari commina-
batur, wenn aud; gleichfalls viel zu ſehr betont, wie denn eben der ganze Abs
ſchniti in ben Ausbrüden: iram suam ... omni crudelitate explebat —
summo provineialium labore et erumna — multiplicata sunt mala, cala-
mitas et vastitas (aud, fir Thüringen) . . . . supra omnem retro majorum
memoriam bie abfihttiche Steigerung des Tones zeigt. Bon ben Otto gegebenen
Aufträgen ift bei Lambert weiter unten die Rede: dato insuper negocio, ut
castellum Hartesburg et aliud in monte qui dieitur Lapideus, qui proximus
Goslariae imminet, summa ope extrueret (245): ber Steinberg überragt, in
wirklich beherrſchender Lage, ald nächfte Berghöhe Goslar auf der Weftjeite.
Hildulf durch Heinrich IV. als Erzbiſchof den Gölnern aufgenötigt. 647
ehlogenen oder aber gar feinen Anderen zum Erzbiſchof haben
ollten *').
Jetzt hatten nad) jener Einfhärfung des Königs genau zum
bezeichneten Tage — zum 6. März — die Cölner in Goslar fid
zur Abgabe ihrer Stimmen eingefunden, aber nur noch drei Geift-
liche, dazu ganz wenige Vertreter der kriegeriſchen Mannſchaft des
Stiftes; die Anderen waren vol Ürger über die Role, die fie
fpielen jollten, weggeblieben, da fie vorausjahen, daß Heinrich IV.
feinen Willen durchſeten werde. So fam e8, daß der König — jo
wurde erzählt — die Anmwejenden faum nur, in ganz verächtliher
Weife, heranzog, daß fie bloß dem Anjchein nad, dadurch, daß fie
ſchleunig lauten Zuruf anftimmten, fih bem Gejpötte über die
millenloje Art und Meife der Theilnahme, bie ihnen bei der Wahl
thatſächlich Auemubet wurde, zu entziehen vermochten. ebenfalls
ift von verjdhiedenen Seiten übereinftimmend bezeugt, daß Cöln
nur mit großem Mißbehagen feinen neuen Erzbifhof empfing *?).
+1) Die Quelle für dieſes erfimalige Auftreten des Coloniensis clerus et
populus — ad eligendum sibi antistitem — ift Yambert (241), der ala Motiv
des Königs nennt: recolens Annonis archiepiscopi constantiam et invietum
adversum omnes nefarios suos conatus apiritum, consulto tamen ei succes-
sorem ordinari satagebat, cuius facilitate ad omnia quae vellet pro libito
suo abuti posset. Nach |päterer Siegburger Auffaffung ſoll aber doch ſchon
Anno feinen Nachfolger voraus erfannt haben, nach Vita Annonis, Lib. II,
e. 7 wo der Ereilart in Goslar am Hofe anweſend, dem quidam ex latere
regis clericus Hildolfus nomine — familiaritatis intuitu petit, ut codicem
escramentorum qui vulgo misealis dieitur, quem pontifex non parvi decoris
habuerat, suis concederet petitionibus — erwidert: Hac interim postulatione
carebis, donec juri tuo conferatur omne ministerium, quod capellulae meao
elaustris debetur (SS. X1, 486).
) Bon ber definitiven Einfegung Hildulf’8 durch den König vedet wieder
wuerft Sambert: Discessurus Goslaria pridie Nonas Marcii episcopatum Colo-
niensem, sicut a primis obstinato intenderat, Hildolfo dedit. Cleri Colo-
niensis tres tantum, militum etiam paueissimi aderant. Caeteros, ne ad
suffragia ferenda occurrerent, indignitas detinuerat; ipsos qui occurrerant
vix contemptim et summis, ut dici solet, labiis (neben dem bei Sambert in
foldem Zuſammenhang für den Hnig Retö beliebten Worte: contemptim eine
Anfpielung auf Seneca, Epist. X, 3: non a summis labris ista venerunt,
babent hae voces fundamentum), super electione eius consuluit, risui pror-
sus ac ludibrio habendos, si non protinus acclamassent (243). Der Armalift
wild Hildulf auch ald Simoniften Hinftellen: zuerſt a. 1075, wo an Anno’s
Tod angefügt if: Cui quidam Hildulfus Goslariensis canonicus, servus ipee
regi, majestate regia, clero et populo reclamante, vix appositus, et simo-
niace ordinatus, set in proxima sequente Romana synodo ob id et inoboe-
dientiam deponendus, substitutus est (mit Day, Forſchungen zur beutjchen
Sejchichte, XXIL, 511, als fpäterer Zufak aufgufaflen, nur daß nicht von der
Eynode von 1076 die Rede fein fann, da Hildulf am Wormjer Beſchluſſe nicht
beiheiligt war, alfo auch don dem Gynobalentideid im Februar nicht betroffen
wurde), bann’ a. 1076: Coloniensis episcopus, qui symoniace et non per
ostium ascendit, a. 1078: Hildulfus symoniacus ille Coloniensis appositus
(280, 283, 313). Adein fo ungünftig Sambert von bem homo statura pusillus,
vultn despicabilis, genere obscurus, nec animi nec corporis virtutibus quic-
quam tanto sacerdocio dignum pretendens . . . tamquam aliquod antiqui-
tatis monstrum (241) redet, auch Bernoldi Chron. ihn als impar genere et
u
648 1076.
Heinrich IV. war am Tage, wo Hilbulf die Inveftitur erhielt,
ſchon im Degeifie geweſen, von Goslar aufjubrehen, oder er ver-
ließ, nad) anderem Berichte, Goslar gerad&zu an diefem 6. März *).
Als er wegging, fühlte er fi ohne Zweifel im Beſitze der vollen
Herrſchaft über das darniebergeworfene ſächſiſche Land, während in
Wirklichkeit Goslar nachher nie wieder durch feinen Fuß betreten
worden ift. Denn er nahm viele ſächſiſche Geifeln mit fih und
Tieß ausbrüdlich Leute mit dem Auftrage zurüd, aus den ſächſiſchen
Gegenden folde Abgaben einzuziehen, deren Ablieferung dem Volke
als eine Schmälerung der Feeibeit, als. eine Herabjegung des uns
beſchränkten Rechtes an dem Grundbefig erſchien“).
Der König eilte zunächft nach Cöln, weil der Einfegung bes
neuen Erzbiſchofs ftets noch Widerſpruch ſich entgegenzuftellen
drohte. So wollte er felbit an dem Plage auftreten und feinen
Willen zur völligen Durchführung bringen, um jede ftörende Be-
wegung zu befeitigen, und nun ging Hildulf’3 Weihe, welche Biſchof
Wilhelm von Utrecht vollzog, ohne Hinderung vor fih*). Aller
dings fol nad; Zeugniffen, deren Urheber freilich dem König und
noch mehr dem Biſchof äußerft abgeneigt waren, Wilhelm aud
nicht bereitwillig fih dazu herbeigelafien und die Weihe erft ge
eben haben, als ihm die Erfüllung eines eigenen jelbftfüchtigen
Begehrens vom König zugefagt worden war, die Ueberlafjung des
erledigten bifhöflichen Siges von Paderborn an einen Heinrid IV.
durch ihm empfohlenen Verwandten *°).
moribus (5; V, 431) bezeichnet, als Simoniften lagen fie ihn nicht an. Bon
ber Succeſſion als folcher reden ang kurz, in Berbindung mit der Nachricht vom
Zobe des Vorgängers, die Sütticher Annalen (SS. IV, 29, XVI, 639: body hier,
Annal. s. Jacobi, irrig: obiit fatt fit), die Wür, Hunger Ehronit (ed. Bud:
hola, 42), a. 1075, Annal. Patherbrunn. (ed. Särte: ihorft, 96), a. 1075,
Ekkeh. Chron. uniy. (SS. VI, 201). Im Kloſter Brauweiler nahm neben den
Annalen (a. 1075: SS. XVI, 725) aud) bie Vita Wolfhelmi abb. Brunwilar.,
ce. 13, von dem Ereigniß Notiz: domnus Hildolphus non absque Colonien-
sium injuria praesulatus obtinuit insignia (SS. XII, 187), weil, unter ber an:
gerufenen Einmiſchung Heinrich's IV., unter ihm der Streit über Glotten
weiter im
D) sergl. Lamberl's Zeugni in n. 42. Noch beflimmter jagt Bruno,
e. 60: rex ... . transivit a nobis in medio quadragesimae (350), ein Zeuge,
welcher ala Sachſe vielleicht die Sache genauer wiffen fonnte.
4) Bruno fährt, 1. c., fort: obsides multos secum ducens, et apud
nos, qui tributa de regionibus nostris exigerent, relinquens. ®ergl. die in
Excurs II eingerite Stelle ber Annal. Patherbrunn., jonie bei Wait, Deutiche
Verf.-Geilh., VEIT, 388 n. 1, gefammelte weitere Stellen Bruno's betreffend die
tributa, bejonder8 in der in c. 84 eingelcalteten Rede: Retinete manus a
tributis solvendis, retinete possessiones vestras liberas, sicut liberas eas a
vestris parentibus accepistis (363).
#5) Sambert fährt nach der Stelle in n. 42 fort: Et ne quis forte ad-
m (sc. Hildolfum) tumultus sedieione vulgi per dilationem con-
is coneitaretur, statim Coloniam profectus, consecrari eum fecit
ihelmo Trajectensi_episcopo.
4) Sambert, im Anfchluffe an ben Saß von n. 45: cuius consobrino
episcopatuın Poderbrunnensem, ne qua per eum more ordinationi eius
Weggang d. Hofs v. Goslar n. Cöln. Hildulf's Weihe. Tod Biſch. Immad's. 649
Schon am 383. Februar war nämlich Immad von Paderborn
en Nachdem der Biſchof noch fi der Mitwirkung an
er Verurtbeilung Gregor’3 VIL in Worms nicht hatte entziehen
Tonnen — bie ganze Geiftesrihtung Immad's läßt annehmen, daß
er nicht zu den freimilligen Theilnehmern gezählt hatte —, war er
eben zur rechten Zeit zurüdgefehrt, um am Sige feiner feit 1051
dauernden geiftlihen Wirkfamteit fein Leben zu ſchließen. Als
Neffe feines zweiten Vorgänger Meinmwerf war Jmmad auf das
innigfte mit Paderborn, wo er felbft in die Schule gegangen war,
verbunden geweſen. Der Unterricht wurbe durch ihn ar die höchſte
Stufe der Entwidlung gebracht; er fürderte durch Beſorgung von
Abſchriften und durch Schenkungen die Bücherfammlung. Tüchtige
Lehrer wurden mit der Lehre betraut, unter ihnen ein Schüler und
Freund Lanfrank's, Theoderih, welcher eine von ihm verfaßte
Schrift über das Vaterunfer dem Andenken Immad's widmete.
Zwar hatte 1058 eine Feuersbrunſt Paderborn vermüftet; aber
zehn Jahre fpäter konnte die neu erbaute Domlirche geweiht werden.
Durch den Gegenfag, welder den fähfifhen Stamm in den Zmwift
mit Heinrih IV. hineingerifjen hatte, war dann jedenfalls auch
Immad berührt, da er wohl die in der Jugend mit Erzbischof
Anno geſchloſſene Freundſchaft weiter pflegte; doch ift es faum
wahrjheinlih, daß er ſchon von Anbeginn zu den Theilnehmern
am Aufftande gehört hatte *°).
Allein nunmehr wies der König nicht dem Schüglinge Wilhelm's
die Kirche von Paderborn zu. Vielmehr wurde biefelbe, wohl kurz
nachdem für Hildulf die Weihe erzielt worden war, body kaum noch
in Cöln, durch Heinrich IV. an jenen Propft der Kirche von Bam—
berg, Poppo, gegeben, welcher ein Haupturheber der Entfernung
Biſchof Hermann’3 aus ber Leitung des dortigen Bistums ge—
(se. Hildolfi) fieret, promittebat (sc. rex), ebenfo ber Annalift noch ausführ-
tier: episcopatum .. . antea Trajectensis episcopus cnidam suo consan-
guineo a rege dandum pro munere conditionaliter aecepit (ete.) (283).
+7) Den Zod Immad's erwähnen bie Annal. Patherbrunn. (ed. Scheffer-
Boichorft, 97), den Zobestag: III Non. Febr. — vergl. wegen ber Nähe befjelben
on der Wormjer Berfammlung ſchon in n. 9 — das ältefte Tobtenbuch bes boch
Riftes Paderborn, welches Mooyer herausgab, Zeitſchrift für vaterländiſche Ges
dichte u. Allerthumskunde des weftfäliichen Vereine, X (Münfter, 1847), wo,
118 u. 119, nod weitere übereinftimmende nekrologiſche Angaben, von Neuen:
heerie, Abdinghof, Buftorf, angeführt find (dad Necrol. Herisiense gab nachher
&oelt in ber gleichen Zeitfehrift, XXXVI, 2, wo, 44, die Nennung Immab’s,
—*
48) neber Immad redet bie Vita Meinwerci ep. Patherbrunn., ce. 160
(8S. XI, 140). Bergl. auch Steinborfi, Heinrich IIL., 11,149 u. 150, wegen ber
Thätigfeit für die Echule Zul. Evelt, Zur Geldjichte bes Studien: unb Unter:
richtsweſens in ber beutichen und franzöfiichen Kirche des eliten Jahrhunderte,
IL Programm des Paderborner Seminars, 1857), 22 ff., forwie Scheffer-Boichorft,
Annales Patherbrunnenses, 69 u. 70, und wegen der Reubaute bes Doms
3b. I, S. 153 u. 593 n. 28; daf ber Biſchof von Sambert, a. 1073, jedenfalls
an jener Stelle zu früh, ala Zheilnehmer bes fächfiichen Aufftandes genannt if,
vergl. ob. ©. 251 in n. 103,
650 1076.
weſen war. Es mag fein, daß der König, welder außerdem im
jenen Hänbeln Poppo's Thatkraft kennen gelernt hatte, denfelben
aus den noch dauernden Reibungen in Bamberg herausnehmen und
fo zu deren Beruhigung beitragen wollte. och wurde es dem
neuen Biſchof von Seite des paͤpſtlichen Anhanges ſehr verdacht,
daß er gerade jetzt mit Heinrich IV. noch verkehrie und aus deſſen
Hand das Be annahm+°). Außerdem aber wollte man aud
noch wiffen, daß fi der König bei Biſchof Wilhelm durch dieſe
Eniſcheidung ſchadete, fo daß biefer fich enttäufcht gefühlt, nicht
mehr fo mit ganzer Hingebung feinen Dienft geliehen habe °).
Aber eben zu Utrecht, in ber Kirche Wilhelm’s, gedachte jegt
Heinrih IV. das Dfterfeit — am 27. März!) — zu feiern. Denn
eine äußert wichtige Wendung hatte ihn bewogen, nad Nieber-
Iothringen zu kommen.
Am 26. Februar hatte nämlich, dur den unerwartet ein-
jetretenen Tod Herzog Gottfrieb’3, des getreuchen unter den welt-
lichen Fürften, ein umerjeglicher Verluft den König getroffen.
Der Herzog war, wie er von Utrecht Her auf den Ruf
Heinrich's IV. im Januar nah Worms ſich begeben hatted*), als⸗
bald wieder in die gleichen Gegenden zurüdgefehrt; denn es handelte
ſich augenſcheinlich fur ihn darum, die Machtitellung, welde er in
Zambert fagt: Poderbrunnensem vero episcopatum Poppo Baben-
bergensis prepositus optinuit (244: vergl. ©. 467 in n. 31), der Annalif:
Episcopus Paderbrunnensis obiit, cui Poppo praepositus Babenbergensis
non omnino canonice succeseit, quippe a rege jam anathematizato, com-
municans ipei, episcopatum suscepit (l. c.). Die Annal. Patherbrunn. er=
wähnen nur furz die Nachfolge des Poppo Bavenbergensis praepositus. Bergl.
Schaten, Annales Paderbornenses, Ed. alt., I, 410, der auch hopne aus Weſt⸗
falen flammen läßt, über Heinrichs IV. Beweggrund zu deſſen Wahl
5%) Der Annalift jagt: Qui (sc. Wilhelm) adeo delusus, non astitit regi
toto animo, ut prius (l. c.).
sı) St. — — dom 27. März, Worms, für Rüggisberg, jezt K. Bern —
tourbe, ala Fälfpung ſchon Länger erfannt (vergl. Fontes rer. Bernens, I, 334,
die Anmerkung), wieder durch Scheffer-Boichorft, Mittheiluugen des Inftituts
für öflerreichifche Geſchichtsſorſchung (1888), 200 u. 201, Fonie durd Kalle
mann, in einem eigenen Ereuis Jahrbuch für ſchweizeriſche sasihe, IV
(1889), 100—107, behandelt, in dem Sinne, daß eine echte zum 27. März 1074
‚ehörende Urkunde ‚Heinrich IV. eine Interpolation erfuhr, indem ein Hirfaner
Formular — vergl. eine vielfach übereinflimmende Urkunde Heinrichs V. für
&t. Georgen von 1108, St. 3026 — über Cluny nad) dem Priorate Rüggieberg
gelangte unb hier interpolirt wurde, was alfo St. 2788 ala nicht werthlo3 für
die Geſchichtſchteibung erkennen Lafje (doch vergl. 1. c., 108, die von mir gegen
Kallmann erhobene Einwendung, daß bloß feine Begrenzung der Fälihung
zwifchen 1108 und 1115 an; nehmen fe). Yu St. 2788 — 4. April: Actum
Goelari in palatio regio, Hr Kempten bie den Vorfahren Konrad II. und Hein=
rich II. zur _Laft fallende benefitiorum inconsiderata distributio wieber im
Ordnung berftellend — vergl. Brehlau, Konrad IL., I, 200 n. 1, dab biefe kaum
auf eine echte Vorlage zurüdiehrende Fäljchung aus dem Wuniche entfland, bie
1026 durch bie Verleihung des Kloſters an Herzog Ernſt IL. von Schwaben für
baffelbe erwachſene ſchiwere Schädigung rldgängig zu machen, ebenſo Fr. Voigt.
Die Rlofte olitie der faliichen Kailer und Könige mit befonderer Berüdfichtigung
Heinrich’ IV. bis zum Jahre 1077, 52 u. 58.
%) Bexgl. ob. ©. 615.
Poppo Immad's Nachfolger in Paderborn. Herzog Gottjried’3 Ermordung. 651
Folge des mit Biſchof Wilhelm geſchloſſenen Vertrages im Namen
der Utrechter Kirche in den holländiichen Gebieten inne hatte,
egenüber feindlichen Anftrengungen, Verſuchen Robert’3 des Frifen,
IM feinen Stiefjohn, den jungen Grafen Dietrih V., die frühere
Gewalt de3 gräflihen Haufes von Holland herzuftellen, nachdrücklich
zu vertheidigen. Biſchof Wilhelm und ber Herzog waren gleich-
mäßig durch ſolche Verſuche bedroht, welche gegen die von Hein»
rich IV. ſchon feit 1064 zu Gunften von Utrecht getroffenen Ein-
rihtungen ſich richteten; allein es verjtand fi von ſelbſt, daß
Gottfried die Abwehr ganz voran oblag5®). Eben in diejen Ge-
bieten, im Mündungslande der Maas, hielt ſich Gottfried im
Februar neuerdings auf, als ihn die tödtliche Verwundung traf,
die nach kurzer Zeit fein Ende herbeiführte.
Der Herzog hatte, von Utrecht ſeewärts, nahe der Küfte, zu
Vlaerdingen, am nördlichſten Arm der Maas, feine Lagerftätte IE
wählt, als ihn die Hand des Mörders erreichte. v war bei
nädtliher Weile, während ſchon alles im Schlafe lag, aus dem
Haufe gegangen, um ein natürliches Bedürfniß zu verrichten, und
während diejer Zeit ftieß ihm ein Meuchelmörber, welcher auf ihn
gemartet hatte, da8 Schwert von unten her in den Leib; es gelang
em Thäter, die Flucht anzutreten, und er fol die Waffe in der
töbtlihen Wunde fteden gelaffen haben. Ueber die Perſon des
Verbrechers — eine Nachricht, daß es zwei geweſen feien, fteht ver⸗
einzelt — ſchwanken die Angaben, während freilih eine zwar
fpäter zufammengetragene, doch räumlich fehr nahe ftehende Auf-
zeichnung fogar feinen Namen, Gislebert, anzugeben weiß; ein
andere Zeugniß jchiebt den Mord einem Koche zu, und die Mehr-
zahl ſchweigt über die näheren Umftände. Nur das ſcheint ſicher
zu fein, da} giemtich allgemein die Feinde des Seraogß, gegen bie
er zu Felde lag, Robert der Frife und Dietrih V., ber junge
Sohn des Grafen Florentius, Robert’3 rien. als Anftifter
angellagt wurden, und dazu ftimmt beſonders, daß jene holländiſche
Seiöictserzäblung Giglebert fchlehtweg als einen Eigenmann
Dietrih’3 bezeichnet. Wenn eine auch fonft überall —E
italieniſche Nachricht von einer Nachſtellung der eigenen Gemahlin,
Mathilde, gegen den Herzog fabelt, fo ift darauf fein Gewicht Ei
legen. Wohl aber mußte das verzweifelte Mittel einer gewalt⸗
jamen Entfernung bes friegstüchtigen Vorfämpfers ber Utrechter
5*) Bergl. ob. ©. 68. Worum e8 fi für Dietrich V. Hanbelte, zeigt ber
Bericht ber Annal. Egmund., a. 1076, über das nad) Gottfrieb’3 Tod Scan jene:
Theodericus V. filius Florentii comitis, adhuc juvenilis etatis gore pollens,
non diutius est passus paterno regno et hereditate privari; sed congregutis
geibaseumgue potuit, cum vitriei sui Roberti comitis presidio Islemunde
issimum castrum . . . adüt (SS. XVI, 448). Da eben dieſe größeren Ans
Rrengungen erft nach Gottfried’3 Zobe angelegt werden, weilt Diedmann, 1. c.,
8, mit echt Combinationen zurüd, bie Maon von einem eigentlichen Feldzuge
Robert’s syn Gottfried fprechen: hätte foldhe Gefahr beftanden, jo wurde dieſer
laum nad) Worms gegangen fein.
652 1076.
Kirche dem nach der Burüderoberung ber eingebüßten frififchen
Gebiete lüfternen Dietrich den meiften Nuten bringen. Gottfried
vermochte noch zu Schiffe, flußaufwärts nad Utrecht, zu Biſchof
Wilhelm fi) bringen zu laflen; ohne Zweifel hatte er in Boraus-
ficht des nahen Todes, eben um bei dieſem geiftlihen Freunde zu
fterben, diefe Anordnung getroffen‘). Wie lange der Verwundete
noch unter feinen Schmerzen lebte, ift nicht befannt; am 26. Februar
trat der Tod ein?®).
54) Als Zeugniffe ftehen bie lothringiſchen Berichte voran. Das Chron.
. Huberti Andagin. jagt, c. 31: inde (sc. von tredit) descendens Frisiam,
duın apud castrum Flardengis moraretur, per quosdam necessarios Roberti
comitis Flandrensis in secessu per posteriora pereussus interiit (SS. VIIL,
588), bie Annal. Egmund,, a. 1075: Godefridus ‚gibbosus dux secessum petens
Intrinaram ut ventrem Hurgaret graviter et fürpiter a quodam Gisloberte
Theoderiei filii Florentii comitis proprio famulo vulneratus est, et navi
impositus jussu suo Trajectum usque translatus (I. c., 447 u. 448); ebenfo
Iaflen Laurentii Gesta episcoporum' Virdun..c. 7, bie That in Frisia sicarie,
Jocundi Transl. s. Servatii, c. 56, in Fresonia (miserabili morte interfectus
est) .geichehen fein (SS. X, 494, XI, 115); in den Küttier Racjrichten —
Annal. Laubiens. Contin., Annal. s. Jacobi Leodiens., Annal. Leodiens.
Contin. — ift wenigfiend die Art des Atentats gleihmähig bezeugt: insidüs
interimitur — & sicarlis interimitur — sicarius interimit (hier {cpt Sigeb.
Chron. bei: in Fresonia, SS, VI, 363) (SS. IV, 21, XVI, 639, IV, 29).
Zambert hat, mit einem Irrihum über den Plak der That, die eingehendere
Mittheilung: Gozilo dux Lotheringorum, cum esset in confinio Lothe-
ringiae et Flandriae in eivitate quae dicitur Antwerpha, oceisus est per
insidias, ut putabatur, Ruoberti Flandrensis comitis. Cum enim qua-
daın nocte, quiescentibus omnibus, ad necessitatem naturae secessisset,
appositus extra domum spiculator confodit eum per secreta natium, relicto-
que in vulnere ferro, concitus aufugit (243); jet ähnlich berichten der Anna«
lift: a milite quodam ad requisita naturae in secessu sedens de deorsum
vulneratus, infelieiter exspiravit excommunicatus (283), Bernoldi Chron.:
turpiter a quodam coquo per posteriora cum ad necessarium sederet vul-
neratus (433), Bruno, c. 78: Godefridus dux perüit in secretiori cor-
poris parte perfossus saevo mucrone, nee purgatus ultima confessione, nec
munitus sacra communione (361. Auch in $talien wurbe der Tod bes Ge:
mahis der Mathilde berüdjichtigt, durd) Arnulf, 1. c., Lib. V, c.4: Post dies
hos (d.h. nad) Erwähnung der Echlacht bei Homburg) ad secessum residens
dux Gotefredus Gotefredi filius gledio eonfossus interiit, conjuge relicta
Matilda, dur Sandulf, 1. c., Lib. III, c. 31, in völlig fabelhaft entftelter
Weile: Matildis ‚cum antea virgo Gigonem virum prudentissimum
Normandiae dueem maritum duxisset, per paucos annos morata, sese jam
poenitens dominii dominum habere, cum vernula consciliata fidelissima,
ipsum ad eloacam super lacum sedentem per podicem interimi enge cautissime
recit VIII, 29, 98), durch Bonitho, Lib. VII, nur ganz vorübergehend
dc, 67).
5%) Die Zeit dev Derwundung und bed Todes fucht Lambert zu beftimmen:
Vix deinceps septem diebus (ein Brifpiel einer fiebentägigen Frift, das Dieffen-
badjer nicht anmekte) accepto vulneri superstes, 4. Kalendas Martii vita
decessit. Bagegen nennen Annal. Egmund. al den Tag: 5. Kal. Mart. (post
paululum, sc. nad dem Attentat), was auch mit bem von Glouet, Histoire de
erdun, II, 116 n. 1, nad) den Angaben der Begräbnikftätte, mitgetheilten
Zodeötage: quinto Kal. Mart. obiit Godefridus junior, dux et marchic, qui
dedit nobis alodium de Jamars (Gemmatium: bergl. n. 56) Rimmt. Jrrig
it in bem Chron. s. Huberti, c. 32, bie Angabe, daß Biſchof Heinrich, ala er
— vergl. S. 653 — den Leichnam begleitele und dabei erfranfte, a secunda
Lehle Verfügungen Gottfried's; Beifegung in Berbun. 653
Der Sterbende hatte verfügt, daß feine Leiche nach Verdun
gebracht und hier in ber Domkirche beigefegt werde, an der Seite
de3 Grabe feines Vaters, Herzog Gottfried's, und es war zugleich
legtwillig durch ihn die Befigung Jametz an die dortige Kirche ges
ſchenkt worden. Außerdem aber erklärte er feinen gleichnamigen
Neffen, den Sohn feiner Schweſter Ida, der Gemahlin de3 Grafen
Euftad von Boulogne, als feinen Erben, indem er ihn förmlich
als Sohn annahm. Der zweite Sohn feiner Eltern, wurde fo
biefer junge Gottfried, welcher nad ber gleichfalls als Erbgut an-
getretenen Burg Bouillon bezeichnet wurde, auf den Boden von
Rothringen verjegt. Gegenüber der Leiche des Verftorbenen über-
nahm zunächſt Biſchof Heinrih von Lüttih die Erfüllung der
Ehrenpfliät. Nachdem der Körper von Utrecht nach Lüttich ge»
bracht worden war, wo ber Biſchof ihn zur Darlegung feines
Schmerzes um den verlorenen Freund mit Geiftlickeit und Volk
der ganzen Stadt in_feierliher Weife einholte und ehren ließ,
brach der Zug, unter Heinrich's Theilnahme, weiter gegen Verdun
hin auf. Allein unweit St. Hubert, als noch nicht die Hälfte des
Weges feit Lüttich erreicht war, erkrankte der Bifhof unter dem
Eindrude der Trauer, fo daß er fi nad) diefem Klofter bringen
laffen und deſſen Abt Theoderich die weitere Sorge für bie Än—
gelegenheit überlaffen mußte. In Verdun war dann der an Kindes
Statt angenommene Neffe Gottfried’3 jelbft zur Stelle, um die Bei—
fegung in ehrenvoller Weife zu vollziehen °°).
dominica quadragesimae — b. h. vom 21. Februar an — delatus ad ec-
clesiam veati Huberti, donee convalesceret, gewefen fei (I. c.: Diedmann
möchte, 83 n. 1, ftatt II. dominica leſen: IV. dominica, was biefen allerdings
in dieſer Quelle ganz umbegreiflichen Fehler aufheben würde). Allgemeiner laſſen
der Annelift his diebus synodalibus . . . ab illa Wormatiensi conspiratione
.... dum rediret ben Morb —3 — fein och vergl. ©. 632 n. 25), Bernoldi
Chron.: ante medium qua« imae. Daß Gotifried nicht gleich tobt auf
bem Plate blieb, iſt ſicher, und jo find auch Vruno's tenbenzidfe Angaben vom
Mangel einer legten Zröftung zu verwerfen (vergl. auch n. 59).
56) Laurentius ſagt in bem in n. 54 erwähnten Wert, e. 2.: Godefridus
. moriens Gemmatium praedium sui juris Virdunensi ecelesiae, in qua
requieseit, contulit, c. 7: in hac urbe à duce Godefrido tertio quem ex
sorore nepotem sui heredem ille moriens designaverat, juxta patrem honori-
fice sepulto (SS. X, 493, 494), ebenfo Xamberi: Verdunis juxta patrem se-
pultus est (243). Won der Meberbringung der veiche nad; Verdun — corpus,
Sicut vivens disposuerat, Virduni ad sepulturam transferendum — tedt cin»
gehend dad Chron, s. Huberti Andagin., cc. 31 u. 32, wo aud, c. 39: quem
(sc. Godefridum adolescentem) avunculus adhue vivens adoptaverat heredem
sibi (I. ©, 590), die Beziehung au dem Nefien beftätigt wird. Lambert nennt
dieſen jüngeren Gottfried consobrinus Gozelonis ducis, filius Eustachii comitis
(243), wa3 durch den Annalista Saxo, a. 1076, weiter verdeutlicht und aus-
geführt wird: consobrinus predieti Gocelonis seu Godefridi ducis . . . qui
etiam postea Lotharingie ducatum obtinuit. Iste est Godefridus, qui post
annos ferme 20, cunctis que prasederat in precia redactis, cum armata
mauu Hierosolimam profectus, cam expugnavit, ipseque in ea regnavit.
Pater eius fuit comes Eustachius, mater vero Ida, soror predieti Gozelonis
ducis. Fratres eius erant Balduvinus, qui ei in regno Hierosolimitano
654 1076.
Der verftorbene Herzog Gottfried wurde mit jeltener Ein-
flimmigfeit ala ein Mann von vorzüglihen Eigenfhaften, als eine
unter den anderen Fürften weit hervorragende Erſcheinung an-
erfannt. In Hersfeld, mo man jonft diefem hohen Herrn, der in
Worms fo eifrig hervorgetreten war, nicht gut gefinnt fein konnte,
fiel das Urtheil, er ſei eine große Kraft und von entſcheidendem
Einfluffe im deutſchen Reihe geweſen. Der Weisheit und der
reifen Redegabe, der Mäßigung in der ganzen Lebensführung wurde
bier ebenfo große Achtung entgegengebracht, als der äußeren Macht-
füle und der friegerifhen Stärke, die den Herzog zu großen
Dingen befähigten, und dabei wurde das Unanjehnlihe in der
körperlichen Sejgeinung — Gottfried war, wie alle Welt wußte,
Hein von Wuchs und durch einen Höder entftellt — jo ganz über-
fehen, daß er allen übrigen Fürften meit norgenogen wurde. Aber
auch fonft wurde er mit dem Vater, Gottfried dem Bärtigen, der
ein Mann von fo wichtiger Einwirkung gewefen war, ohne jeden Nach⸗
theil vergliden und als ein zwar am Leib ihm wanlae aber an
Beherztheit nicht nachftehender Held gepriefen. Daß er den Sachſen
als der größte Feind ihres Stammes gegolten hatte, war mitteldar
auch nur wieder ein Ausdrud der Schägung bes gefürdhteten
Herrſchers. Ganz befonders fällt aber in das Gewicht, daß in
Kothringen die Klage über diefe hinweggefallene Zierde des Landes
allgemein war. Die Kloſterchronik von St. Hubert rief Gottfried
nah, daß Gerechtigkeit und Friede, welche unter ihm über das
Menfchengebenken der Zeitgenoffen hinaus Fortſchritte gemacht
hatten, in furzem nach feinem Tode wieder in Verfall_geriethen.
So Hein der Herzog am Körper geweſen fei, um fo mehr habe er
successit, et Eustachius comes de Bun (SS. VI, 707). Diefe Abftammung
bezeugt auch die Genealogia regis Karoli, qui vocatus est Magnus, de cuius
prosapia ortus est rex defrdus eiusque frater rex Balduinus: Eustachius
(eomes de Bolonia) accepit uxorem filiam Godefridi dueis, Idam nomine, nobi-
lem genere et moribus, et genuit ex ea tres filios, Eustachium et Godefridum qui.
nunc est dux Lotharingiae, et Balduinum (SS. IX, 301). Die Mutter Ida
ift duch einen Mönch des von ihr gegründeten und bei ihrem 1113 erfolgten
Zobe ald Grabftätte angerlefenen Klofters Waſt bei Bouloqne — Gegenftande
einer Biographie gemastt worden (Acta Sanctorum, Aprilis I, 141 ff.) Zaß
das Alter diefes Neffen Gottiried’3 nicht genau zu beflimmen ift, vergl. jene
meyer, Ekkehardi Uraugiensis abbatis Hierosolymita, 201, in n. 19; feine
Mutter Yda war älter, ald ihr Bruder Gottfried (Vita, c. 1: nativitate prae-
veniens Ida venerabilis) Bilof Heinrich von Lüttich erſcheint im Chron. s
Huberti, c. 32, jeht nach Herzog Gottfeied’s Tode ‘auch in nahem Berhältnik
zu dem Neffen Gotifrieb: junior Godefridus marchio cum illo, qui avunculi
sui destitutus auxilio einsdem episcopi tuebatur patrocinio, und an der do-
miniea in palmis — 20. März — eritattet Gottfried — Morabatur tune . .
sum ill (ee, Heinrico), augenfdkintich nad ber zu Derdum bejorgten Beattung
— in feierliche Weife auf des Biſchofs Veranlaflung ein durch die Bullionensis
violentia St. Hubert entfeembeted Gut — culpam suam suorumque anteces-
sorum humiliter fatens — an das Alofter zurüd (dl. c., 588). Die Beziehung
Gotifried's zu Bouillon hebt Laurentius, 1.c., c. 12, hervor: insignis ille Bullio-
nensium prineipatus . ... feliciter coeptus, in isto Godefrido felicius et
eanctius (sc. dutch den Aufbruch zum Kreuzzug) est finitus (I. c., 498).
Gottfried’? Nachruhm. Kühles Verhältnik z. Mathilde u. Gregor VIL. 655
‚an Kraft des Geiftes, an ausgezeichneter Rechtſchaffenheit die fürft-
lichen Genoffen im Reiche Hinter fi) zurüdgelajlen, fehrieb noch
fpäter in Maastricht der Franzofe Jocundus. In Verbun lobte
man ausdrücklich, daß in den acht Jahren des Herzogthums Gott-
fried den Leuten niemals läftig, ſtets gütig entgegengetreten fei?”).
An einer Stelle freilih, wo unter anderen Umftänden bie
Theilnahme der Lage der Dinge nad) die größte hätte fein follen,
wurde die Nachricht vom Tode Gottfried’3 wohl als eine weſentliche
Erleiterung hingenommen, bei der dem Herzog immer mehr ent
fremdeten Gemahlin Mathilde, bei der Schwiegermutter Beatrix.
Denn je mehr Gottfried feine ganze Thätigfeit und feinen hin—
gebenben Eifer der Sache Seinrie’s IV. widmete, vollends feit er
in Worms theils die Abfage an Gregor VII. gefördert, theils bie
ſchändlichſten Ausfagen über das dem Papfte und feiner eigenen
Gemahlin angedichtete verbrecherifche Verhältniß mit eigenen Ohren
angehört hatte, konnte zwiſchen den Chegatten eine Beziehung
fogar nur von loferer Art nicht mehr fortbeftehen. Seitdem aber
dur den Papft der Kampf gegen den König offen aufgenommen
worden war, mußte Gottfried im Lager ber päpftlihen Partei,
voran für Mathilde jelbft, einfach als ein gefährlicher Gegner er-
ſcheinen, zumal da deſſen anfehnliche Macht fi, wenigitens dem
Namen nad, auch nach Italien erftredte. Die That des Meuchel-
mörders war alfo geradezu eine Hinwegräumung eines ernfthaften
Hindernifjed für bie von Gregor VIL in das Auge gefaßten Pläne.
Aber jo entſchieden Gottfried und Mathilde jet, im Jahre
der Wormſer Verfammlung und der auf bieſelbe antwortenden
Faftenfynode, einander entgegengejeßt erfcheinen, fo kann doch das
87) Meber Gottfried find die Zeugnifle, auch von Heinrich IV. gegnerifchen
Berichterflattern, fat durchaus aan a m
Annal. s. Jacobi Leodiens.: decus Galliae, Laurentii Gesta episcoporum
omnis probitatis erat, ad laudem et gloriam illius gui non est personarum
est illi dl. c.). Aber
inftig, zuerſt fchon a. 1070: prsance quidem
(vergl. au n. 80), a. 1075:
he
:ftellt Gottfried ala militari actu et habitu laudabilis hin (I. c., 141).
656 1976.
nicht während der ganzen Zeit ihrer vermuthlih etwas mehr als
ſechs Jahre dauernden Ehe der Fall geweſen fein. Es iſt erſtlich
als ſehr wahrſcheinlich anzufehen, daß einmal ein Sohn aus diefer
Verbindung am Leben gewejen ift, und fo ſehr durch die zumeift
zwifchen ben Wohnfigen der Ehegatten beftehende große Entfernung,
durch die Verfchiedenheit ihrer Gefinnung eine Erkältung weit
gehendften Grades ſich eingeitellt hatte, jo it doch auch nicht anzu⸗
nehmen, daß zu einer Zeit geradezu eine Trennung der Ehe von
Mathilde, oder von Gregor VII. aus, in Berechnung gezogen
worden ſei. Aber die jeßt ungefähr im breißigften Lebensjahr
ftehende thatkräftige Fürftin war dod) erft, ala Wittwe, indem fie
von der Rückſicht auf den höchſtens um menige Jahre älteren
Gemahl befreit war, nunmehr in den Stand gejegt, Alles,
was fie vermochte, für den Sieg Gregor’3 VII. in Bewegung zu
bringen 5°),
Trotz diefes feindlichen Gegenfages und obſchon man in Rom
den verftorbenen Herzog als einen der beften Vertheidiger de ver-
urtheilten Königs fannte, zeigte Gregor VII. doch gegenüber dem
Andenfen defjelben eine mildere Gefinnung, und fo it aud be
ſtimmt anzunehmen, daß die feindfeligen Aeußerungen von Bericht⸗
erftattern über Gottfried’8 Tod, diefer jei als ein Ercommunicirter
und ohne eine legte Beichte und ohne das heilige Abendmahl un-
58) Bergl. 3b. I, ©. 638 m. 79, daf Ende 1069 als bie wahricheinli
Vermählungszeit des Paares anzunehmen ift, jowie ob. &. 344 u.345, mit n.
Zah Diathilde 1115 bei ihrem Zobe sex deciesque novem vivens annos ger
weſen, aljo etwa 1046 geboren war, opt Donizo: De insigni obitu memorandae
comitissae Mathildis, v. 98 (SS. X, 408). Diedmann beredinet, 1. c., 9, von
Ioa’a Geburtsjahr — etwa 1040 —- auß, ala eineß ber mächfijolgenden
Sabre darauf, dasjenige Goltfried’3 bes Wudligen. Bergl 6. 214 n. 48, dab
Mathilde wohl im Herbft 1071 Lothringen verlieh und von ihrem Gemahi weg
nad Jtalien fich begab, und in dieje Zeit wäre die Geburt des Sohnes gefallen,
welden Diedmann, 17, hopothetiſch den Worten der ©. 56 in n. 37 ermähnten
Drlunbe St. 2742 b entnimmt: ea ratione, ut, si dux (Godefridus) non fuerit
vel filius hereditarius, ab episcopo (Dietwino) requireret beneficium ipss
Gicheldie) vel filius vel file. Allerdings wäre diefes Aind bald nad) der
burt geftorben, und fo tonnte der fpätere Annalista Saxo, a. 1076, von
Gottfried und Weli fagen: sed neuter horum filios ex ea (sc. Machtilde)
suscepit (l. c., 706). Aber jüngere, allerdings gun 1 enhafte und unglaube
mwürdige Berichte — vergl. Diedmann, 18 u. 19 (SS. 380, bringt n. 6
einige derjelben) — ſehen wenigftens äuch ganz beftimmt einen Sohn aus der
Ehe mit Gottfried voraus. Ueber die Iehten Jahre ber Ehe mit Gottfried jogt
Sambext, a. 1077: Haec, vivente adhne viro suo, quandam viduitatis apeciem,
— ab eo spacüi exclusa, pretendehat, cum nec ipsa maritum in
Lutheringiam extra natale solum sequi vellet, et ille . . vix post tereium
vel quastum annum semel marcham Italicam inviseret (257). Entgegen der aud
wieder durch Gfrörer, Gregorius VIL, VI, 808 ff., werhernlichten A faflung der
älteren italienilcen Biographen — vergl. fiorentini, Memorie della gran contesse
Matilda, II, 321 ff. —, daß Mathilde nie eine wirkliche cr geichlofier
habe, ift duch Pannenborg, Stubien zur Geldichte ber Herzogin Matilde vor
Sanofa, 10 (m. 2). 30 (m. 2), die Werthlofigteit des Zeugnifles Donigo’s, der
bie beiden Chen abfichtlich verjehweigt, Hernorgehoben (vergl. Dietmann, 19-21)
Mathilde's, Gregor’3 VII. Berhaltenn. Gottfr. Tode. Der NeffeGottfr.d. Erbe. 657
efühnt geftorben, unrichtig find. Noch im Laufe des duhres
Parich nämli der Papft an Bifchof Hermann von Meg, daß er
für Gottfried’3 Seelenheil Gebete verrihte und häufig bei Gott
feiner gebenfe, und daß er dazu durch Mathilde’3 Bitte be-
wogen werbe°®). Denn fie felbft befannte fi auch nod einige
Yale nachher als Wittwe Gottfried’8 in urkuͤndlichen Er-
Härungen®). Dagegen erwuchs ſehr bald wegen einzelner von
dem angenommenen Sohne Herzog Gottfrieb’3, dem Neffen Gott«
fried, erhobenen Forderungen eine Spannung gegenüber biejem
Erben des verftorbenen Gemahls.
Gottfried war nämlich ganz voran berechtigt, mit feinem Ans
ſpruch auf die Graffchaft Verdun aufzutreten, weil biefe in erblicher
Weife vom Vater zum Sohne bis auf feinen Oheim als Lehen ge-
lommen war. Aber nun wollte Bifchof Theoderich hier eingreifen
und die Gelegenheit benugen, um eine Aenderung eintreten zu
lafjen. Im Cinverftändniß mit Erzbiſchof Manaffes von Reims
und mit Gregor VII. — wenigftens empfing biefer von dem Erz
biihof Bericht — und mit Einwilligung der Mathilde, die dabei
als Wittwe Gottfried’s, aljo in ihrem erblichen Rechte, anerkannt
war, wollte Theoderih dem Rechte des jungen Gottfried ſich ent-
gegenftellen, und fo follte Graf Albert von Namur als Lehens-
träger die Grafſchaft übernehmen *'). Vollends fonnte davon feine
) Vergl. inn. 54 die Stellen des Annaliften und Bruno’s. Gregor's VII.
Registr. IV, 2, J. 5000, vom 25. Auguft, lautet gegen Ende: Gotifredi quon-
dam illius (ec. Mathildae) viri, indubitanter scias, quod frequenter apıd
Deum, lieet peccator, habeam memoriam, quia non me illius inimieitia vel
aliqua impedit vanitas, sed motus fraterna dilectione tus (ec. Hermann)
er Mac ie deprecatione, illius exopto salutem (Jaffe, Biblioth. II,
n 25).
) Die urkundliche Stellen lauten: Matilda ... . comitissa Tuseise ex
genere Longobardorum . . relicta beatae memoriae Gottifredi ducis .. ia
ego ex viri mei qui fait Salicus lege videor vivere Salica, und ähnlich,
von 1078 und 1079 (Cos. della Rena, Della seria degli antichi duchi e
marchesi di Toscana, Il, Matilda sola duchessa e marchesnna, 21—27)
©) Biſchof Theoderich s Vorgehen nad) Herzog Gottfried’3 Tode ſchildern I“
rentii Gesta episcoporum Virdun., c. 7: nisus est ipse episcopus auferre
m urbis comitatum desub jugo Bulloniensis prineipatus, qui nimis ur-
;m oppressisse videbatur. Unde ipsi Godefrido Boloniensi, gi Bullionico
eastro poesesso in ducatum successit (vergl. dagegen n. 66), illum abstulit,
zatus oportunum tempus, quis illi ut minus legittimo duci rex et multi
regni primates armis insurrexerunt, et nobilissimo Alberto Namucensi co-
miti, qui unus erat eins hostium, eundem comitatum beneficavit (: darauf
fol Die Gchilberung des ausbredjenben Kampfes — 1. c., 494). Rach der Urs
tunde des Bilchofs in Mathilde an baflen Handlung betheiligt: annuente ipsius
(se. Godefridi) uxore domna Mathilde, eui haereditario je comitatum Vir-
ginenem reddidi (Satmei, r — Me ae 1 Era Vin,
wiſt geht auch aus dem Briefe des iſchoſs Manaſſes von Reimd an
See YıL, ga u von lavigny, Chron., Li. II, hervor: Vestro, domine,
interventu et obsecratione reddidi dominae Miatildae) marchieae omnia quas
de me suus antecessor tenuit, et ad defe: da eadem consilium meum
&i auzlium, ac receptus meos promirto fdeliter et promis, ot de rejieiendo
Glotefrido?) et comite A(mulfo: Graf von GhHiny?) qniequid ipea quae-
Weyer von Anonau, Jahrb. d. diid. Runter deinrig IV. u. V. ®b. II. 42
658 1076.
Rede jein, daß Gottfried etwa als Erbe bes Oheims in jene
italieniſche Machtſtellung hätte eintreten fönnen, auf welche der
Erblaffer, mochte er allerdings au nur 1073 während feiner An-
wejenheit die Rechte als Herzog und Markgraf wirklich geübt
haben, in der Nachfolge feines Vaters, wie auf Tuscien, fo wohl
auch auf das Herzogthum Spoleto, die Mark Fermo, den Anſpruch
feitgehalten hatte®®).
Ein Gebiet dagegen, welches ohne Zweifel durch den Erben
angetreten wurde, war dasjenige von Antwerpen, eine Grafſchaft,
die ſchon feit der Zeit Heinrih’3 III. die Bezeichnung ciner Mark
führte, in deren Beſitz der Verftorbene neben feinem Herzogthum
gewejen war. Doc hatte der neue Markgraf, welcher nun gerade:
zu nad) diefem Beſitzthum bezeichnet wurde, für dafielbe, um in
den Genuß des Reichslehens zu kommen, dem Könige vierzig Pfund
Goldes zu entrichten. Gerade bei Anlaß dieſer Belehnung hebt
ein Bericht mit Nahdrud die Feftigkeit und den zu kriegeriſcher
Leiſtung ſcharfen Eifer des zwar noch fehr jugendlichen Nachfolgers
hervor). Allein es ließ ſich doch von ihm noch fein jo ernit-
hafter Widerftand, abgeſehen von der hinter der itarfen Stellung
des Oheims weit zurüdbleibenden Macht, erwarten. Wie aljo in
den füdlicher gelegenen Theilen bald der Graf von Namur zu
ſchaffen gab, fo ſank in Frisland durch den Angriff Dietrih's V.
das gebietende Anfehen, das Herzog Gottfried behauptet hatte, gleich⸗
falls dahin **).
Heinri IV. war ohne Zweifel wegen der durch Gottfried's
Tod eingetretenen Erledigung des Herzogthums Niederlothringen
nah Utrecht gekommen, wo er nun die eier des Ofterfeites ber
sierat paralus sum exequi. Ad quae omnia confirmanda diebus sacris
pentecostes cum confratre nostro fideli vestro Tiheoderieo) Virdunensi
episcopo suae eivitati interfui (SS. VIII, 419).
9) Diedmann erörtert, 9I—94, in wie weit Gottfried ber Yudlige die
Bd. I, ©. 32, feftgeftellte Autorität feines Vaters in Itallen feftgehalten hatte.
Jedenfalls ift beacptenswerth, daß Gregor VII. erſt 1078 als terra sancti Petri
die Gebiete marchia Firmans, ducatus Spoletanus, bei Anlaß der Faſten-
fgnode (1. c., 307), nennt.
3) Sambert fagt: Rex... marcham, quae dicitur Antwerpha, Gote
frido . . . impigro et ad rem militarem acerrimo adolescenti tradidit (243),
der Annalift: Cuius (sc. Gottfried’) marcham sororis suae filius aequivocus
illius, 40 libris auri vix emptum a rege possedit (289). Daß Die hier ganz
gerliffentlich zur Verunglimpfung des Königs hervorgehoben Zahlung gar micite
Ungemöhnliches ift, vergl. Waig, Deutfche Ver).-Geig., VLIL, 409 u. 410. Auh
die Annal. s. Jacobi Leodiens. bezeugen: Godetridus filius sororis eius (x
jodefridi) marchio subrogatur (SS. NVI, 639). Taf Gottfried Davon marchio
hieß, zeigen die von Diedmann, 88 n. 1, gefammelten Stellen. Dagrgen findet
die Bezeichnung Mark für die Grafſchaft Antwerpen nicht erft von jept an, wie
Giefebredht, III, 370, betont, ftatt: vergl. Steindorff, Heinrich II., 1, 227 u.
228, Waiß, 1. c., VII, 78 u. 79, womit Diedmann, 88-90, aud) übereinfkimmt,
dab jeden 2 Non 1045 bie Mast Antmerpen beftand.
jergl. in n. 53.
Macjtfiellung Gottfried’ (Mark Antwerpen); Konrad Herzog v. Niederlothr. 659
ging®). Denn, jedenfals A gleihen Zeit, wo an Gottfried, den
Erben des Herzogs, die Mark Antwerpen verliehen wurde, wies
der König feinem eigenen Sohne, dem jungen Konrad, welchen erft
kurzlich, als er noch nicht das zweite Jahr abgejchloffen, die Fürften
als fünftigen König anerkannt hatten, das offen gewordene Herzog-
thum zu. Es war gewagt, die Art und Weife des Vorgehens bei
erledigten Herzogthümern, melde ohne Rückſicht auf etwa geftellte
fürjtlihe Berechnungen einfach eingriff, fo wie fie der faijerlide
Vater, Heinrich III., gehandhabt hatte, wieder hervorzuziehen, zu
dein Zwede auf foldem Wege Theile de3 Reiches unmittelbar vom
töniglihen Haufe abhängig zu machen, zumal jegt bei einem Ge-
biete, für deſſen ohne dies jchwierige Feithaltung der Name eines
Kindes nirgends ausreihte. Aber das fprad eben wieder dafür,
daß der jugendkräftige König feit dem Siege über die Sachſen,
feit dem von der Wormfer Verfammlung erhofften Erfolge fein
Hinderniß im Reihe mehr fürchten zu müfjen meinte. Indeſſen
war die Maßregel geradezu eine bedenkliche, da fie in nothwendiger
Weiſe rings im Neiche die Fürften neuerdings aufregen mußte.
Auch der junge Erbe des geftorbenen Herzogs mochte ſich enttäufcht
fühlen, aud) wenn gar nicht angenommen wird, was, fiherlih un-
wahr, ein heftiger Gegner in feiner in Schwaben gejchriebenen
Geſchichtserzählung Heinrih IV. vorwarf, diefer habe an den ver-
ftorbenen Herzog Gottfried zu Gunften bes Neffen die herzogliche
Gewalt für den Fall der Nachfolge veriprochen und jetzt nachträglich
fein Wort zurüdgezogen und in ungerechter Weife den jungen
Gottfried beraubt ®°).
Allein gerade unter diefen Umftänden mußte jebt auf den
König die Nahriht aus Rom, melde ihn — unleugbar über-
raſchend fpät — erſt hier in Utrecht erreichte, um fo erſchütternder
%) Tiefe Dfterfeier bezeugen Lambert und der Annalift. Bruno, c. 74
fept wenigfiena das bei n. 67 Folgende nach Utrecht.
%) Sambert jagt: Trajeeti . ... ducatum Lotheringiae filio suo Cuon-
rado .. . tradidit (243), und Annal. s. Jacobi Leodieus.: Cuonradus puer
filius Heinriei regis dux substituitur. Die Anfpuldigung beim Annaliften
lautet: ducatu, quem sibi (se. Gottfried dem Neffen) jaın avunculus praesti-
tum ab eo (sc. rege) acquisivit, injuste privatus. Cui filium suum vix
biennem rex praesidere fecit (l. c.), Vergl. ob. ©. 584 wegen Ronrab’s, mo
Fr} die Berättgung der Zumeifung Rieberlothringen’s durch Jocundus, in n. 176.
Da& der König jo unvorfichtig und unreblich zugleich geweſen fei, auf einem fo
aponicien Plage, wie Niederlotheingen war, ein dem teeueflen freunde ger
goes Beriprechen zu brechen, iſt jo ungeheuerlich, daß man dem grimmigen
inde, der das_gegen ginris IV. fihleudert, nicht zu glauben braucht. Wann
gie überdies Herzog Gottfried, der jedenfalls, mitten im Leben ſtehend, feinen
‚od noch nicht vorauegeſehen hatte, der feinen Neffen auch erft auf dem Gterbe-
lager zum Grben einfehte, Diefe Zufiherung wegen des Kerzontgums — bag will
bo: ducatum praestitum a rege fagen — von Heinrich IV. erhalten jollen?
‚brecht, LIT, 370, Anm., vedet zwar nur von „Zweifel“. Girörer, Gre⸗
vun VIL, VII, 517, nimmt begreiflicherweile die „von Berthold in feiner
ronik ergänzten mehreren von Lambert verjchwiegenen Mittelglieder” an.
42*
660 1076.
wirken®”). Alle Befhlüffe der Faſtenſynode, die gegen Heinrich IV.
geſchleuderten Verfluhungen, die Leugnung bes ferneren Anrechtes
bejfelben auf die Leitung des Reiches, die Aufforderung an die
Unterthanen, fih von der Befolgung bes Eides Denujagen: mit
anderen Worten bie ganze Tragweite des in Worms herbeigeführten
Bruches zwiſchen König und Papit, die Folgen deſſelben wurden
auf einen Schlag dem Könige und den ihn in Utrecht umgebenden
Anhängern®) erkennbar.
Die Aufregung, in welche Heinrich IV. bei dem Empfang der
von Rom kommenden Kunde gerieth — es muß glei vor bem
Oftertage gejchehen fein —, war eine ganz ungewöhnliche; aber
auch feine Gefinnungsgenoffen, die Bifhöfe, welhe in Worms mit
ihm gehandelt hatten, und feine Rathgeber waren von heftigfter
Leidenſchaft erfüllt. Gregor VII. wurde auf das lauteite be
ſchimpft: ein Gaufler und Betrüger ſei er, ein Ketzer, Mörder,
Ehebrecher, auf welden der Fluch, den er gegen den König, ben
Sohn des Kaiſers, den Vertheidiger des römiſchen Gemeinmejens,
geworfen habe, zurüdgefchleudert werden müſſe. Der ganze Hof
war von diefen Reden erfüllt, und in gemeinfamem Rathſchluſſe
wurde feftgeftellt, daß Gregor VII., welcher es gewagt habe, ben
Träger der königlichen Gewalt von der Kirche auszuſchließen, unter
Ungültigfeitserflärung feines Fluches, feinerfeits von der Gemein«
{haft der Kirche auszufceiden fei. Das vollzog fi) am 26. März,
am orabend und in der Nacht vor dem Fefte, und zugleich nahm
man in Ausfiht, daß ſogleich am folgenden Tage, an bem hohen
eite jelbft, damit nit das Wolf die Sache von anderer Seite
Öre und ſich deßwegen von dem ercommunicirten König fcheide,
die Mittheilung darüber, mit der negen Hildebrand, wie er hier
nur noch beißen fonnte, zu verfündigenden Verfluhung zu verbinden
fei. Unter den anmejenden Biſchöfen befand fi aud Pibo von
ZToul, und diefem wurde von Heinri IV. jest auferlegt, am
Sonntag dieſe Verkündigung vorzunehmen. Es fol die Annahme
dabei gewaltet haben, Pibo werde nach feiner furchtſamen und un
beftändigen Art ſich der Aufgabe nicht entziehen. Doch berjelbe
war, Ba dem ebenfalls in Utrecht weilenden Biſchof Theoderich
von Verbun und mehreren anderen hohen Geiftlihen, zwar ber
Sache de3 Königs ergeben, ohne aber in folden Fragen, welde
ihnen mit dem kirchlichen Rechte und den Vorſchriften der Kirchen-
väter unvereinbar ſchienen, dieſem folgen zu wollen, und fo entwich
er, weil er nicht offen Widerftand zu leiften wagte, heimlich in der
Naht von Utrecht, zugleih mit Bilhof Theoderich und mit anderen
Genoſſen. Dergeftalt erwuchs am Dftertage eine kleine Ber
zögerung in der Ausführung dieſer öffentlichen Mittheilung im
2) Bruno fagt gen ausbeädtic, e. 74: Legatus vegie rerenms van
regi, qui tunc erat 'rajecti, quod erat excommunicatus indicaret . . (361).
©) Der Annalift redet da von collecti undecumgue illue non parri
suae rebellionis et inoboedientiae complices.
Ankunft d. röm. Nachricht in Utrecht; Verfluch. d. Papftes dch. Biſch. Wilhelm. 661
Gottesbienfte. Indeſſen ließ Biſchof Wilhelm felbft, der außerdem
als berebter Mann wohl dazu paßte, ſich dafür bereit finden. Nad-
dem Heinrich IV. felbft, dadurch daß er, al3 wäre nichts gefchehen,
in vollem königlichem Schmud und mit feierlidem Gefolge in bie
Kirche eintrat, feine Mißachtung ber ihm auferlegten Ausſchließung
von dem Gotteshaufe offen bemiefen hatte, rüftete fih Wilhelm
zur Verrihtung der Mefle, und als das Evangelium verlefen war,
richtete er, indem er an das Lefepult emporftieg, unter der Meſſe
eine Anrede an das Vol, in welder er alsbald auf den ihm ge-
wordenen Auftrag ablenkte. In verächtlich ſpöttiſchen Worten
zeigte er zuerſt an, daß die Excommunication von Rom aus über
den König verhängt worben jei, daß aber dieſe Ausſchließung
durchaus feinen Werth habe, und daran fügte er ſogleich gegen
den Urheber dieſer umgültigen Werurtheilung, als gegen einen
Meineidigen, Ehebrecher, falſchen Papft, die von ihm jelbft und
feinen Mitbifhöfen ausgefprodene Ercommunication, unter An-
beftung heftiger Beihimpfungen?). Allein es machte auf die
9) Die Vorgänge in Utrecht führt einläglich Hugo von Flavigny, Chron.,
Lib, ID, aus, beten‘ einkhlägigen Abl Mir 430) Ion Stengel!
Seſchichte Deuiſchlands unter den fräntiſchen Kaifern, I, 387 (n. 3), hieher zog
Rah einer worfreiien Ehilderung der Wuth bed tyrannus, feiner factiosl,
Het ex fort: Conventus hie apad Ulterius Trajectum habitus est... ..
erat sabbati, et vespere snbbati ipsa nocte dominicae diei illucescente,
in eoncilio malignantium constitutum est et deliberatum, ut in erastino
ad missas in omnium audientia papa excommunicaretur, quia ausus fulsset
regem et dominum suum excommunicare; hieran fließt ſich die Mit-
theilung über Pibo, fowie über Theoderich, und endlich folgt: Solus Wil-
lelmus Trajeetensis inventus est, qui dum hesternam ructat crapulam,
posuit in eoelum os suum, ut Jingua eius in dominum et magistrum suum
maledictionis intoreit jaculum. Rur diefen Antheil Wilhelm’s heben Sambert:
Willehelmus Trajectensis episcopus . . . studio partium regis multa in in-
juriam Romani pontificis omnibus pene diebus solemnibus (alfo in ſehr
— Berallgemeinerung) inter missarum solemnia rabido ore declamabat:
Perjaraın eum, adulterum et peeudoapostolum appellans, et tam a se quam
1 Ceteris episcopis saopenumero escommunicatüm promuncians (244) unb
®runo, c. 74: Willebalmi, urbis episcopi, consilio rex excommunicationem
illam nichili pendit. Episcopus quoque idem timens, ne, si populus haec
audisset, a rege sicut ab excommunicato discederet, inter missas sermonem
faciene ad populam, derisorie, quod rex esset excommnnicatns, indicavit, sed
excommunicationem nichil valere, quibus poterat verbis, utpote fa-
andus homo, confirmavit (361) hervor. Fach der Gtellung des Gaped: Dehine
rex et sui comperto apostolico anathemati fere omnes contradixere, et
omnino injuste et non canonico ordine actum, quiequid tunc in synodo
Romana a tam sacrilego errore actum sit, affırmantes, pro nichilo id pror-
sus habuere. Et hoc regis solummodo complices et fautores (283) hat ber
Annaliſt, da er ihn vor der Nennung Utrecht's ald Aa der Ofterfeier bringt,
nit gewußt, baß Heinrich IV. exft dort die Synobalbeichlüffe vernahm. Auch
Paul von ırieb erwähnt, c. 80, bie Sache, zunädft zur Betonung bes in
n. 70 folgenden horrendum miraculum —: paschalis diei solemnitate cum
regio apparatu et comitatu pompaticac multitudinis ad ecelesiam divinitus
si cläüsam venire nogusquam abhorrait. Juseu itsque regis quidam
episcopus ... .ad missae se praeparavit officium. Tandem periecto evan-
gelio ex more facturus popularem sermonem, pontifex idem pulpitum con-
scendit. Parum autem de tractatu locatus evangelico, statim ad blasphe-
miam papae Gregorii .. . prorupit (. c., 521 u. 522).
662 1078.
überrafiten Zuhörer eine unleugbar erfchredende Einwirkung, als
noch an diefem gleichen hohen Feſttage das Gebäude, in welchem
diefe Handlung vor fi} gegangen war, der Zerftörung anheimfiel
Ein Bligftrahl traf die St. Peters-Stiftskirche, an welcher Biſchof
Wilhelm jelbft mit vieler Hingebung und unter großem Kraft
aufwand gebaut Hatte, und legte dieſelbe ſammt den anftoßenden
für den Empfang des Königs feſtlich geſchmückten Gebäuden in
Ajche. Gerade der Umftand, daß das an diefem gleichen Tage
unter fo außerordentlichen begleitenden Umftänden geſchah, mußte
großen Eindrud hervorbringen. Es wurde leicht, die Auslegung
zu finden, daß der Apoftelfürft jelbft für die Verfpottung des aus
Rom ergangenen Spruchs an dem Biſchof und dem von ihm be
rathenen König Vergeltung fiben wollte”°).
Im höchſten Grade wahrſcheinlich ift es, daß num aber auch
aus Ütreht das neue Schreiben an „Hildebrand, nicht mehr den
Papft, jondern den falihen Mönd“, abaing, welches eine jo
wejentlich gefteigerte Erbitterung Heinrich's IV. genen denſelben,
in einer ganzen Reihe verſchärfter Ausdrücke, gegenüber der früheren
aus Worms abgeſchickten Kundgebung, zeigte‘).
„Heinrich, nicht durch widerredhtlihe Anmaßung, fondern durch
Gottes gerechte Anordnung König“ läßt die Erklärung auögehen
und beginnt diefelbe mit den Worten: „Diefe fo beſchaffene Be
grüßung — es iſt die an Hildebrand gerichtete Anrede — haft Du
me) Hievon reden ber Annalift (derſelbe ſchweigt ſonſt ganz von dieſen Er
eigniflen): 1bi (sc. Trajecti) tune (ec. an Oftern) aecclesia, quam episcopus
jam diu maximis inpensis et studiis construxerat, a Deo et sancto Petro
despecta, igne ultore mirabiliter conflagravit (283) und Paul von Bernried,
1. e.: paschalis diei gaudio nondum finito, subito coelum fragore intonuit,
in quo ignis descendere coelitus visus est, qui omnem illam ecelesiam om-
nesque domos regali receptui praeparatas repente consumsit. Heintid) IV.
felbft, forgte bald (vergl. &. 678 n. 94) für die Trajectensis aecclesia sua (sc.
beati Petri apostoli), quam incendio consumptam nostris peccatis impu-
uando ingemuimus. Es ift die dem Gt. Martind:Dome nahe gegenüber liegende
ir
Brand v. Gt. Peter in Utrecht. Verſchärfte kglche. Abfage an „Hildebrand.“ 663
zu Deiner Schande verdient, der Du an feiner Rangorbnung in
der Kirche vorübergegangen bift, ohne daf Du fie der Beſchimpfung,
nit der Ehre, ber Verfluhung, nicht des Segens, theilhaft ge
macht haft. Damit wir nämlich von Vielem Weuiges und Aus:
erlefenes hervorheben, jo haft Du Dich nicht nur nicht gefcheut, die
Reiter ber beitigen Kirche, das heißt Erzbiſchöfe, Biſchöfe, Priefter,
wie fie in der That Gejalbte des Herrn find, anzurühren; fondern
Du haft fie vielmehr wie Knechte, die nicht willen, was ihr Herr
thut, unter Deine Füße getreten und bei diefer Zertretung Dir
vom Mund des Pöbels Gunft erworben; denn Du urtheilteft, daß
fie Alle nichts wiffen, Dir aber allein Alles bekannt ſei. Diejes
Wiſſen haft Du durchaus niht zur Erbauung, fondern zur Zer-
ftörung zu gebrauchen Dich beitrebt, jo daß wir mit Recht glauben,
der heilige Gregor, defjen Namen Du für Dich angeeignet haft,
babe über Dich eine Verfündigung in den Worten gethan: „In
Folge der Fülle der Untergebenen wird das Herz des Vorgefegten
zumeift zum Webermuth erhoben, und er meint, er wiffe mehr als
Ale, wenn er fieht, daß er mehr als Alle vermöge”.
„Und wir haben zwar biefes alles ausgehalten, während wir
ung beftrebt haben, die Ehre bes apoftolifhen Sitzes zu wahren.
Aber Du haft gedacht, daß unfere Demuth Furcht fei, und deß⸗
halb Did nicht geſcheut, gegen die uns von Gott eingeräumte
tönigliche Macht jelbit Di) aufzubäumen; Du haft gewagt, die
Drohung auszuftoßen, uns diefe Macht wegnehmen zu wollen ?®),
al3 hätten wir von Dir das Reich empfangen, als läge in Deiner
und nicht in Gottes Hand Königsgewalt und Kaiferherrichaft; dieſer
unfer Herr Jeſus Chriftus hat uns zum Königthume, Dich aber
nit zum Priefterthum gerufen.
„Denn auf diefen Stufen bift Du emporgeftiegen; nämlich
durch Arglift Haft Du, was doch das mönchiſche Gelübde verab-
icheut”®), Geld, dur, das Geld Gunft, durch die Gunit das
Schwert, durch dad Schwert den Sit des Friedens erreicht, und
vom Site bes Friedens haft Du den Frieden verſcheucht, indem
Du die Untergebenen gegen die Vorgefegten bewaffnet, indem Du
unjere von Gott berufenen Bijchöfe, Du, der Nichtberufene, ver-
achten gelehrt, indem Du die Amtsverrichtung derjelben über die
Priefter für die Laien angemaßt haft, fo daß biefe diejenigen ab»
jegen und verurtheilen, welche doch dieſe Laien felbft zu deren Be:
lehrung dur die Handauflegung von Seite der Bifhöfe aus der
Hand des Herrn empfangen hatten.
2) Mirbt macht, 13 n. 6, darauf aufmerkjam, daß diefe Worte: regiam
foiestalem „to Dobis auferre ausun cs minari gar nit gen sine Ai
ſezung des Briefe erſt nach der Faftenſynode fprechen, da Heinrich IV. ja den
Hildebrandus jam non apostolicus gar nicht mehr als competenten Richter an«
ſieht, deſſen Handlungen alfo in feinen Augen nur leere „Drohungen“ find.
=) Zu den Worten des Schreibens, in ber Anrede: falso monacho, hier:
quod monachica professio abhominatur — vergl. ob. S. 628 n. 22.
664 1076.
„Auch mich, der id, zwar unwürdig, unter den Gefalbten zur
Königsherrihaft geweiht bin, haft Du angerührt, während dod die
Neberlieferung ber_heiligen Vaͤter die Lehre gegeben hat, daß Gott
allein über einen ſolchen das Urtheil ſprechen fol, und während
durch jene feftgeftellt iſt, daß ein folder für fein Vergehen — außer
wir wären, was nicht gefchehen möge, vom Glauben abgeirrt —,
abgejegt werden bürfe, während ferner die Weisheit ber heiligen
Bildöte fogar Julian den Abtrünnigen nicht fi felbit, ſondern
einzig Gott zur Beurtheilung und zur Abjegung überlaffen hat.
Der wahre Papſt, der jelige Petrus felbft, ruft: „Fürchtet Gott,
ehret den König“. Du aber, der Du Gott nicht fürdteft, verun-
ehrſt mich, der ich durch diefen eingejegt worden bin.
„Deßwegen hat der heilige Paulus, da wo er für den Engel
vom Himmel, wenn er Anderes gerzenigt haben werde, Schonung
nicht bewiefen hat, auch Dich, der Du Anderes auf Erden lehrteft,
nit ausgenommen. Denn er jagt: „Wenn einer, fei es ich jelbft,
fei es auch ein Engel vom Himmel, anders Euch das Evangelium
verfündigt haben wird, al3 dasjenige lautet, was wir ald Evan⸗
gelium verkündet haben, fo foll der Fluch auf ihm liegen”. Du
alfo, durch dieſen Fluch und dur das Urtheil aller unferer
Bifhöfe und das unjerige verdammt, fteige herab, verlafje den in
Anſpruch genommenen apoftolifhen Sig! Ein Anderer fteige auf
den Thron des jeligen Petrus, der durch Feine heilige Satung
feine Gewaltthat zu verhüllen ſuche, fondern die fehlerlofe Lehre
ed jeligen Petrus verfündige! Denn id, Heinrich, Kö ig von
Gottes Gnade, mit allen unferen Bifhöfen, wir jagen Dir: Steige
berab, fteige herab!“
Wie nun in diefem Schreiben wieder auf die Einfegung eines
neuen würdigeren Papftes beftimmt bingewiefen wurde, jo it aud,
nod) bier in Utrecht, eine Reihe weiterer Maßregeln neu in Er
mwägung & ogen worden, auf welche geftügt die unmittelbaren
ferneren arstte gegen ben nicht mehr anerfannten Inhaber der
päpftlihen Gewalt gefchehen follten.
Auf die Zeit des nächſten großen Kirchenfeſtes, Pfingiten
— 15. Mai —, wurde nad) Worms wieder eine große Verſamm⸗
lung angefagt, zu welcher alle Füriten bes Reiches, ganz beſonders
die geiftlihen, eingeladen wurden. Denn hier jollten nun bie ſchon
im Sanuar, gleichfalls in Worms, berathenen unmittelbaren Vor:
bereitungen für den Aufbruch nad Stalien vor fi gehen. Zwar
war, wenn jener italienifhe Bericht, Heinrich IV. habe ſchon zu
Nfingften in Rom eintreffen wollen, richtig ift, jegt allerdings dieſe
Zeitfriſt ſchon verfäumt. Aber man gedadte in Worms über
Gregor VII. wirklich durch jene drei im Alter voranftehenden
giiaöfe, Wilhelm von Utrecht, Altwin von Briren, Eberhard von
Naumburg, in einer den kirchenrechtlichen Anforderungen entſprechen ·
den Weife Gericht halten und ihn wegen ber ihm vorgeworfenen
Verbrechen verurtheilen zu lafien, worauf an feine Stelle fofort ein
dem König gehorfamer Nachfolger gewählt würde. Die Zufage
Heinrich's IV. weitere Abfichten; Ausfchreibung e. Verfammlung nah Worms. 665
Herzog Gottfrieb’3 freilich, diefen neuen Papft nad Rom führen
zu wollen, war jegt nicht mehr zu erfüllen. dugenfoheintich war
nun eben aud in Utreht das Ueberftürzte und Regelloſe, das in
der Wormfer Verurtheilung enthalten gewejen war, doch erkannt
worden. Durch die Anfegung einer längeren Frift war es jet
möglich; gemacht, daß der Angeflagte feine Vorladung eingehändigt
erhielt; es war weiter auf diefem Wege durchführbar, daß Ahge-
fandte der Römer bei der Neuwahl fich betheiligten "*).
Welche Abfiht Heinrich IV. bei der Ausfchreibung ber deutſchen
Kirchenverfammlung hegte, zeigt ein Brief, der an Bifhof Altwin,
einen ber drei bezeichneten geiltlicden Richter, geſchickt wurde 7°).
Nachdem der König in ben einleitenden Sägen feinem aus-
gezeichneien Butrauen zu bem Bifchof beredten Ausdruck gegeben,
ſpricht er jein Anliegen gegenüber demfelben zuerft in allgemeinen
Worien aus. Altwin foll dem Königthum und dem Prieftertfum
polig feine Theilnahme ſchenken: „So wie bis zu biefer Zeit
uch dieſe beiden die Kirche erhöht worden ift, fo wird fie jeßt
gedemüthigt, ach, nach beiden Seiten hin gleichjam zur Wittwe ge-
macht. Denn ein Sinsiger bat, während er für fih bie beiden
angemaßt hat, eben die beiden, Königthum und Prieftertbum, zer-
flört. Aber auch nicht auf dem einen Gebiet hat er Nuten ge
füftet, er, der auf feinem ber beiden zu nützen ben Willen gehabt
und das vermocht hat. Und damit wir Dich nicht länger über den
Namen des Schuldigen in Ungemwißheit lafien, fo vernimm, von
wem wir reden, nämlich von Hildebrand, der zwar der Tracht nah
74) Sambert jagt ganz kurz, indem er zugleich bie Erwähnung der That-
{ade zu fpät in den Irfommenfang (vergl. n. 98) einfhiebt: Missis eircam-
gquaque nunciis, omnes regni principes in pentecosten Wormaciae sibi
oecurrere jussit, quid facto opus esset, communi consilio, ut pretendebat,
deliberaturus (246). Der Annalift dagegen bringt zuerſt die Erwähnung ber
Nüdter Heinri’s IV. na Worms: illie in pentecoste colloquium cum
suis comparibus habiturus (283), bann erft: Colloguium quod apud Wor-
matiam fieri a rege constitutum est, ea condietum est intentione, ut ajunt,
ut papa. illie .. deiceretur, woran das ſchon &. 630 u. 631 in n. 24 Mitgetheilte
ſich anſchlietzt, auch mit der Aufzählung der drei Biichdie und der Erwähnum,
der Rolle Gottfrieb’3 (284). Da nun Gottfried nur in Worms, ganz —e—
in Utrecht das bort herborgehobene Verſprechen gegeben haben tann, ebenfo bie
brei Biſchöſe als jam in ipsa conspiratione (vergl. in n. 55: Wormatiensis
eonepiratio, nämlich bie Fanuar-Berlammlung) Pracnominati bezeichnet find,
10 ift beftimmt anzunehmen, daß in Utrecht nur ſchon in Worms gejchehene
Shaun gen. ©. 629) wieber befeftigt wurden. Vergl. Giejebredht, III,
372, ül Gen eogrumd, jeht eine längere Friſt anzufegen.
?6) Giner ber muncii Zambert’3 (vergl. n. 74) ift in bem Briefe bes Codex
Udalrici, r. 49 (Zaff, 1. c., 106-109, aud Leg., Il, 48 u. 49), bewahrt,
Seen Empfänger A mit Girtbreßt, TI, 1144, in den „Anmertungen“, jeden:
falls auf Biſchof Altıvin von Brigen zu beziehen ift, jo daß eben die beftimmte
Aufforderung in Folge ber vom Annaliften — vergl. n 74 — bezeugten Bes
zeihnung Altıwin’s, darin vorliegt (Juritſch Abalbero, 92 n. 3, ſchloß auf Biſchof
Abalbero von Würzburg). Gundlad) nimmt, 1. c., 7880, aud) dieſen Brief für
Abalbero C in Aniprud), und bejonbera ift der burd) ihm, 78 u. 79, wörtlich ein»
geihaltete erfte Abjag in unverkennbarfler Weife ein Stilmufter dieſes Dictators.
666 1076.
Mönd’*), dem Namen nad) Papft ift, doch nicht in der Eorge
des Hirten, fondern durch die Gemwaltthat des Einbrechers dem
apoitolifhen Stuhle vorfigt und vom Site des allgemeinen Friedens
das Band des einzigen Friedens hinwegwarf“. Diefe Zerreißung
der Einigkeit von Kirde und Neid) wird dann noch weiter aus
gemalt, die ſchwere Schuld bes Anmaßers, ber bie Orbnung Gottes
in den Beziehungen beider zu einander aufgehoben habe, nad:
gemwiefen; ganz beſonders aber führt das Schreiben aud, in bild-
licher Anlehnung an die vom Evangeliften in der Schilderung des
Vorganges am Delberg erwähnten zwei Schwerter, die Beziehung
von Königtfum und Priefterthum, verglichen mit biefen beiden
Schwertern, zuerft ein: „Die Ordnung Gottes hat nicht in einem
einzigen Träger, fondern in zweien die zwei Dinge, Königthum
und Prieſterthum, urſprüngalich beftchen lafjen wollen, ſowie der
Herr unfer Erlöfer felbft bei feinem Leiden bildlich hinfichtlic der
Hinlänglichfeit zweier Echwerter das zu verftehen gegeben hat.
Als nämlich zu ihm gefprohen wurde: „Herr, fiehe bier zwei
Schwerter!" —, antwortete er: „EB ift genug“ 7”), indem er durch
diefe genügende Zweizahl ambeutete, daß das geiftliche und das
weltlihe Echwert in der Kirche zu führen fei, durch welche beiden
alles Schädlihe ausgeſchnitten werden müfe”. Eben dieſe von
Chriftus felbft abgeleitete Ordnung fordert gegenfeitige liebevolle,
ſich unterftügende Dienftleiftung in der Führung der beiden Schwerter,
des priefterlichen und des föniglichen, daß jenes aus dem Gehorjam
gegen den König gebraucht werde, dieſes zur Bezwingung ber
äußeren Feinde Chrifti und zur Feilhaltung aller Menſchen im
Gehorfam gegen das Priefterthum im Inneren diene, ohne irgend
welde Verfümmerung der Ehre des einen durch das andere
Allein Hildebrand — fo heißt es — habe diefe Ordnung durch
feinen Wahnwig zerftört.
Nah diefen allgemeinen Ausführungen betont das Schreiben
die befondere Anklage, um deren willen Viſchof Altwin angerufen
wird: „Nach Hildebrand’3 Urtheil fol feiner Priefter fein dürfen,
der das nicht von heilen Hochmuth erbettelt habe. Auch mid, den
Gott zu dem Reid — nicht aber jenen zum Prieflertfjum — ge
rufen hat, hat er, weil er fah, daß id nad) Gott und nicht nad
ihm regieren wolle, ferner weil er nicht felbft mic) als König beftellt
bat, de3 Reiches zu berauben gefucht, indem er brohte, das Neid
und das Leben mir zu nehmen, wo er body weder das eine, nod
das andere mir gegeben hat“ is). Aber ber König glaubt auch
weitere von Tag zu Tag neu binzufommende ausgeſuchte Ber
76) Bergl. ©. 628 n. 22, fowie die dort citirte Schrift von Dlartenz, 12
u. 13, ba chen die Ericheinung des Garbinals im Orbenegemwande für Freund
und {peind, alfo aud) für Hemrich IV., den Schiuß nahe legte, Hildebrand Fi
eingetleibet worben.
7) Lne., XXIL, 38.
*) Bergl. dieje Stelle ob. ©. 612 in n. 3.
Beinrich's IV. Schreiben an Bifch. Altvin v. Brigen. Hofhaltung in Aachen. 667
ſchimpfungen, die von Rom aus gegen ihn in Gang gefeßt werden,
hervorheben zu follen, und von benjelben ftellt er nod) die eine, die
er neulich in der Behandlung feiner nad) Nom gegangenen Boten
erfahren babe, ganz vorzüglid in das Licht. Diefelben müſſen
nämlih, nachdem allerdings der Papft im Anfang, während der
Sitzung der Faftenfynode, für fie gegenüber angedrohten Mikhand-
tungen fehilgend eingetreten war, nachher zum Behufe heftiger Ver-
folgung durch ihn an die empörten Maſſen überlafien worden fein,
jo daß dieſe die meitgehendften entehrenbften Qualen über fie zu
verhängen vermochten. Nach graufamer Einkerkerung und nad
argen Leiden, welche die Boten in ihrer Entblößung und ber Kälte,
in Hunger und Durft und unter Schlägen im Gefängniß auszu-
halten hatten, Qualen, deren Urheberichaft das Schreiben gerade
wegs dem Papfte zufchiebt, wurden die Beauftragten nämlid) noch
mitten dur die Stadt herumgeführt und vor Aller Augen auf
deſſen Geheiß zum Schaufpiel dargeftellt "°).
So wurde denn Altwin gebeten, Heinrich's IV. und feiner
Mitbiſchöfe Aufforderung nachzukommen und gm Pfingftfefte nach
Worms fih zu begeben, um hier Mehreres, über deſſen Inhalt auf
ein augenſcheinlich beigelegtes, aber nicht erhaltenes Blatt hin»
jewiefen wurde, mit den übrigen Fürften zu vernehmen und zum
leſchluſſe zu führen *0).
— Bon Utrecht begab ſich der König durch Lothringen hin gegen
den Rhein, um bi8 zu Pfingften Worms zu erreihen. Am
21. April weilte er unterwegs in Aachen, wo außer der Königin
Bertha einige geiftlihe Furſten als Begleiter des Hofes bezeugt
find, die Erzbiichöfe Liemar von Hamburg-Bremen und Hildulf
von Cöln, die Biſchöfe Ruopert von Bamberg, Eberhard von
Naumburg, Wilhelm von Utrecht, alfo zwei der zum Gerichte fiber
Gregor VII. Geladenen, welche mit Heinrih IV. auf dem Wege
zum Verfammlungsplage fi) befanden. Heinrich IV. verlieh da
auf die Bitte feines Kappellans, des Propites der Aachener
Marien-Kirche, drei Vogteien über gleich viele Orte an das Stift,
BVerdl. jchon ©. 634. Diefe Behandlung — martyrum exemplo —
ſchildert der Brief: ita ut eundem (sc. Hildebrandum) cum Decio tyranno
insanire et sanctos assare eredas et dieas. Bon biefen Mikhandlungen redet
noch — und es ift ein Zeugniß, wie jehr diefelben Eindrud madten — Anna
Rommena, Alexias, Lib. I, c. 13: ö nanas ... zara raw molsperw eüsüg
— xal alxıoduevog meLregov dnavdganus, elra zul xeipas rag xepu-
las zul Emıxeigus robs rayaag, rüs ur ypallaı Fvog dE roig mraynmas,
xal &llo Ts mooGepyaoKuevog uronererov zur Papßapıxje üßger üneo-
&lavyoy, üpixev' elnov üv xal ryv Ußgv, el u) we zal yuvazela xal Ba-
Ulıxn Emeiyev aldos, woran eine weitere Ausführung, ohne Nennung dieſer
efügten Gchmad;, fid) anfejließt (Corpus scriptorum hist. Byzantin., Anna
'mnena, I, 63).
2%) Bon der angerufenen cartula wirb gejagt: quorum (sc. der plura,
ber Derhandlungsgegenftände) pauen docet; der Bilchof wird gelaben: rogatus
per dilectionem coepiscoporum, monitus per ecelesiae utilitatem, obligatus
per vitae nostrae et regni totius honorem,
668 1076.
deſſen Beziehungen zu Karl dem Großen jegt nad) den legten Vor—
gängen wohl mit ganz ausbrüdlicher Abficht wieder in das Licht
gerüdt wurden ®}).
Allein die Vorausfegungen, welche im Rathe des Königs auf
die Verfammlung zu Worms gejegt worden waren, erfüllten ſich
ke ineswegs.
Von den drei in Ausſicht genommenen geiſtlichen Richtern,
welche nach Heinrich's IV. Meinung durch Hildebrand's Abſetzung
den Platz für einen neuen genehmen Papft offen machen jollten,
wurde Bifhof Wilhelm von Utreht nur ſechs Tage, nahdem er
nochmals an be3 Königs Seite gemweilt hatte, durch einen er-
fchredend unerwartet eintretenden Tod aus dem Leben abgerufen.
In biefem Vertreter bes Reiches gegenüber ben gerade jegt nach
Herzog Gottfried’ 3 Tode kühner das Haupt wieder erhebenden
Trägern des Wiberftandes verlor der König in Niederlothringen
abermals eine der werthvollſten Stützen feiner Regierung, und das
war im Hinblid auf den kaum erft eingetretenen Hinſchied jenes
weltlichen Fürften und Vorkämpfers von doppelter Tragweite für
Heinrih IV. Denn Biihof Wilhelm, welchen auch ein Fühler
denkender Beurtheiler als einen ausgegeichneten Fürften rühmte —
als ganz ausnehmend in weltlicher Wiſſenſchaft erfahren, aber auch
in geiftlichen Dingen nad anderem Zeugniffe wohl zu Haufe, als
dem König in hohem Grabe theuer und von demjelben in allen
hãuslichen und öffentlien Geſchäften ganz voran zu Rathe ge-
zogen und mit ber Stellvertretung beauftragt, doch freilich auch
als von einem allzu groben Hohmuth aufgeblafen —, ein ſolcher
Anhänger mußte gerade in einer jo ſchwierigen Zeit befonder3 am
Hofe vermißt werden. Zwar mag der Biſchof durch die Nicht-
beachtung feiner hinſichtlich der Belegung des Paderborner Biſchofs⸗
ftuhles gehegten Wunſche von Heinrich's IV. Seite einen gewiſſen
Aerger — haben; doch daß er von Zorn erfüllt deßwegen
von dem König abgefallen jei, ift ſchon dadurch als unwahr
widerlegt, daß er ja noch fo kurz vor feinem Tode am Hofe ge-
ſehen wurbe®®).
®1) Der Annalift bezeugt: per Lotharingiam revertitur Wormatiam (283).
St. 2790 iſt wieber, obſchon nicht in der Urfchrift vorhanden, boch als von dem
Bictator Adalbero C_ verfaßt anzufehen, ba, glei dem früheren auf das Stift
bezüglihen Diplom St. 2756, einem Original des Dictator? (vergl. S. 152
n. 75), Karl der Große in der Arenga eingeführt if, und zwar in einer ſolchen
die theils nach diefem Mufter, theils nach St. 2752 gebildet wurbe (Gundlach,
1. e., 26 u. 27: vergl. aud) beſonders 39, 47, noch über einige Agentbüntice
Wendungen der Narratio-Dispofitio). Bertha — et regni et thori socia — ift al
annuens, die Reihe der genannten Geiftlichen cum ceteris regni principibus
suceinentibus als presentes erwähnt. Bon ben „gelöentten tres advocatiae
super tot loca geht bie erſte auf ben in St. 2756 geſchentten Ort Walhorn,
die anderen auf Lonhen (nahe bei Walhorn) und Manbderfeld (auf ber Eifel
füböftlih von Malmeby).
) Wilhelm’s Züchtigfeit ift auch von gegneriſcher Seite anerfannt ges
weſen. Sogar Bruno, ec. 74, nennt ihn sapiens et per omnia vir honestus,
Zod Biſch. Wilhelm’3 v. Ntrecht u. erfchredtender Eindruck biefes Ereigniffer. 669
Biſchof Wilhelm erlag am 27. April einer ohne Bweifel äußerft
raſch verlaufenden, von den quälendften Schmerzen begleiteten
Krankheit. Das Nähere über dieſes Leiden und den Abſchluß des
Lebens ift nicht feftzuftellen. Denn alsbald bemächtigte fi eine
übrigens nicht im Einzelnen zu gleichen Erzählungen führende
Sagenbildung des Ereignifjes. Die Theilnahme Wilhelm's an den
gegen Gregor VII. fh rihtenden Maßregeln war eine fo aus-
geprägte gewefen, daß es nicht fehlen Eonnte, es entftand eine von
n Öegnern bes Königs und des Biſchofs begierig benugte Aus-
legung dieſes fo bald eingetretenen Todesfalles, ald einer zum ab»
(öredenden Beifpiel dienenden unmittelbaren himmliſchen Beſtrafung
des unerhörten gegen ben Papft begangenen Frevels. Einerſeits
wurde die yeitden dem Oſterfeſte und dem Todestage liegende
längere Frift, von einunddreißig Tagen, immer mehr ausgewiſcht,
der Eintritt der Krankheit fhließlic glei an die an dem hohen
Fefttage geichehene, gegen Hildebrand gemorfene Verkündigung an-
gefügt: während des Dießopfers habe, alö der Bifchof feiner Schuld
ewußt den Leib des Herrn nahm, Gottes Race ihn getroffen, fo
daß er im Gefühle, innerlich zu verbrennen, alsbald zurüdgefunten
und geftorben fei. Andere Söitberungen lafjen den Tod nicht jo
raſch eingetreten fein, fonbern entfeglide Qualen vorangehen, in-
mitten deren ber Leidende feiner Umgebung Vefchreibungen der ihm
vor den Augen Rebenben hölliſchen Urheber diefer auf fortgefegte
Martern hinweifenden Pein gegeben haben fol; ebenjo habe er aus
feinen Schmerzen heraus an Heinrich IV. die Botſchaft abgeſchickt,
derfelbe fei, wie er jelbft und alle Theilnehmer an der verübten Gott=
lofigeit, zur ewigen Verdammniß verurtheilt. Bon der Leiche
wurbe behauptet, fie fei lange unbeftattet geblieben und erft nad
geidehener Anfrage laut von Rom gegebenen Befehls, damit nicht
ie Folgen der Verweſung ſich einftellten, ohne Fürbitte begraben
worden. Nach allen diefen fihtlidh von Haß erfüllten entftellenden
Nachrichten, die fi) zum Theil auch widerſprachen — ein ſchwäbiſcher
Beriht will Wilheim's plöglien Tod als die Folge unerhörter
Gefräßigfeit und Völlerei hinftellen —, wird als Thatſache nur
übrig bleiben, daß der Bifhof fehr unerwartet und ohne Zweifel
mit der römifchen Kirche unverjöhnt, unter ber auf ihm laſtenden
Si non esset avaritiae venenis infectus (361). Lambert rühmt ihn ala einen
vir secularibus litteris adprime eruditus, sed fastu nimio inflatus, und jagt:
eo tempore regi admodum carus acceptusque erat, eique rex omnium guse
privatim vel publice agenda erant post se ordinationem delegaverat (242),
während er freilich anderentheild meint: causam contra bonum et
equum obetinato tuebatur (244. Zwar meinte der Annalift: Willihelmus
Trajectensis episcopus regi subiratus declinavit ab eo (283: vergl ©. 650
n. 50); indeſſen ift diefe Fegauptung jedenfalls übertrieben und fteht außerdem
in einem Smeifel_erregenben Sulammenbang (vergl. n. 83). Auch Jocımdus
anerlennt in ber Translatio s Servatii, c. 74, ben Biſchof, den er Flandrensis
genere nennt, als litteris divinie et humanis eruditissimus, inter amicos
Tegis probatissimus (SS. XII, 121).
670 1076.
Ercommunication, aus dem Leben ging. Wie weit jene Aeußerungen
der Reue, der Verzweiflung auf richtige Zeugniffe zurüdgehen, iſt
auch nicht zu jagen. Aus einem ein halbes Jahr fpäter He
ſchriebenen Briefe Gregor's VII. erhellt nur, daß dem Papfte ül
die näheren Umftände des Todes Wilhelm’3 faum nähere Mit-
theilungen gemacht worden find, da er fi anderenfalls ſchwerlich
jo ganz allgemein in feiner Antwort gehalten haben würde).
*%) Da Wilhelm nad) dem ausdrücklichen Zeugniffe der Annal. Egmund.,
a. 1075, 5. Kal. Mai. ftarb (SS. XVI, 448: in'den durch Wattenbadh, Deutich-
lands Geſchichtequellen im Mittelalter, 5. Aufl. II, 455 u. 456, angemerkten
Nirechter Netrologien ift Wilhelm einzig in dein von St. Salvator, auch zu biefem
Zage, genannt, bei Diatthäus, Fundationes et fata ecelesiarum, 85, fowie in
den durch Matthäus, De rebus Ultrajectinis (etc.), herangezogenen’ Angaben
eines Liber memoriarumm major ecelesiae Trajectensis, und zwar wieder zum
felben Zage, mit der Beifügung: in culus memoria dantur tres librae, 191 —
daß er noh am 21. April am Leben war, vergl. bier ©. 667) —, fo if bie
ganze Reihe von Nachrichten hinfällig, welche den Tod gleich an die Feier da
Ofterfeftes beranrüden wollen. Tiefe in ihrer Unglaubwürbigfeit und tenden:
ziöfen Darftellung bon von Delbrüd, Ueber die Glaubwürdigkeit Lamberts
von Heräfeld, 54—56, beleuchteten Ausfagen — Bernoldi Chron. hat dagegen
richtig: subitanea morte .. post pascha, mit Beifügung von: abeque ec-
elesiastica communione (SS. V. 435) —— Aid folgende. Kambert, ber fh mod
etwas meh zurüdhält, hat: Wilhelmus . . . . brevi posteaquam rex exactis
paschalibus“ feriis Trajecto discesserat, repente gravissima egritudine
correptus est. Cumque per acerrimos cruciatus animae ac corporis ur
‚eretur, miserabili ejulatu coram omnibus qui aderant vociferabatur, justo
ei judicio se et presenten vitam amisisse et aeternam, quod regi ad
omnia qune perperam intendisset operam suam summo annisu prebuisset,
atque in spem gratiae eius Romano pontifici, sanctissimo et apostolicarum
virtutum viro, graves contumelias, sciens et prudens iunocenti, irrogasset.
In hanc vocem, ut asserunt, sine communione, sine ulla satisfactione er-
piravit (244). Der Annalift fellt den Biſchof ald ein Opfer feiner ichumpflichen
Wöllerei hin: domum veniens, maximo sibi epularum apparatu fecit studio-
imus ministrari, et sic a mensa, in qua uno die tertio convivatus est,
inprudenter nimis incrapulatus retrabitur, morteque repentina praeventus
est inopinata, miserrime satis defunctus est, anathematis spieulo et ipse
Sugo don Gluny als in inferno sepultus ericienen fein; Bruno mil
nod) wifen: Hac in desperatione defunetus, nullis orationibus Deo recon-
eiliatus, diu jacebat insepultus, donee Romam mittitur, et inde quaesito
eoncilio, ne populus foetore corrumpatur, apostolico jussu sine commen-
dationibus sepelitur (361). Paul von Vernrieb fnipft gleih an die Gtelle
von n. 70 an: Episcopum illum blasphemum subito percussum divina ultio
interemit. Sed antequam vitam penitus exhalaret, ministros suo exitio
Biſchof Altwin’s Gefangenfegung in Schwaben. 671
Aber auch Biſchof Altwin vermogte feinen Vorfag, nah Worms
zu fommen, nicht zur Durchführung zu bringen. Auf dem Wege
von feinem Bifhofsiige nach dem Nheine wurde er von einem
heftigen Gegner des Königs, dem Grafen Hartınann von Dillingen,
welder den von Gregor VII. mit dem Bannfluche getroffenen’
Kirhenfüriten nicht an feinen Beitimmungsort wollte gelangen
laſſen, auf ſchwäbiſchem Boden gefangen genommen und in den
Kerker gebracht **).
Als ein noch unerwünſchterer Umſtand mußte jedoch für
Heinrich IV. hervortreten, daß unter ben oberdeutſchen Herzogen
praeparatos quales essent (er jagt: Video me igneis loris adstrietum, tetris
trahentibus imaginibus . . .), compulsus est dicere (l. c., 522). Wullende
bei Hugo von Flaviguy, Lib. II, if eine eigentliche Sage ausgebildet: cum
hoc (sc. daß in n. 69 Grwähnte) inter sacra missarum peregisset solempnia
. . ubi corpus dominicum male sibi conseius sumpeit, ultio divina mani-
festata est. Percunsus est a Deo plaga insanabili, ita ut cum horrore et
stupore mirabili clamaret: Ardeo, ardeo!, quis corpus quod vivificat, in-
ceudium illi poenamque pariebat . . . mox ut sensit ignem in 89 grassan-
tem, in sede corpore reclinato, dum elamasset: Sancta Maria! miseram
vitam miserabili morte finivit (I. c., 458 u. 459). Jocundus erwähnt, 1. c.,
Wiltzelm's Tod als ein von Gt. Servatius bewirktes Wunder: ille qui novit
omnia anteguam fient, pontificem Trajectum (hier Naastridit; denn von
Wilhelm heißt es: id sibi committi summopere postulans — sc. von Hein ·
tid) IV. —, ut habeat curam beati Servatüi, qui est Trajecti de prepositura)
euntem prevenit, et ne perveniret restitit: invisibili namque plaga percussus, in
medio suorum, ut ajunt, cecidit etexpiravit. In Gregor’ VIL. Brief, Registr. IV,
6, J. 5006, vom 28. October, wird auf eine Anfrage des Bithofs ‚Heinzi von
Lüttich demfelben geantwortet: Quod de causa Willelmi Trajectensis epi-
®copi nos consuluisti, prudentia tua non tam a nobis quam a communi
sanctorum patrum sententia indubitanter expressum addiscere et intelligere
test. Doch werben, nach dem Inhalte dieſer Worte, nur allgemeine Ber
Paltungamakergein dem Frageſteller angegeben, ohne fpecielles Eintreten auf den
vorliegenden all Wilhelm’s, am wenigften darauf, wie berjelbe, ob reuig, oder
nicht, das Leben verlafien Habe: Quodei in illo scismate . . . ipse aut qui-
eunque sus sponte subscripsit, et regi excommunicato scienter communicans,
sine poenitentia et satisfactione discessit vel discesserit, ab illa sanctorum
patrum sententia discrepare non possumus, videlicet. quibus vivis non
eommunicavimus, nec mortuis comnunicare audemus, Sin vero invitus sub-
seripeit et regi excommunicato juxta prohibitionem sanctorum canonum
non communicavit, apostolica auctoritate cum absolvimus (l. e., 250 ı.
31). Immerhin macht Delbrüd, 1. c., 55, richtig geltend, daß ber Fragefteller
taum verfäumt haben würde, ed dem Papfte mitzutheilen, wenn Wilhelm wirt:
lic vor feinem Zode fi reuig erwieſen hätte. .
%) Der Annalift erzählt: Brixiensis in itinere ipso captus a comite
Hartmanno in custodiam et ipse jam ab tolico excommunicatus mittitur
(234). Dielen quidam ditissimus comes opus fennt auch die Contin.
Casuum s. Galli, c. 24, ala vegie Heinrici infestissimus hostis (St. Galler
Mittheil. J. vaterländ. Bei, XVII, s Hartmann ift der von Casus
monast. Petrishus., Lib. I, c. 5 (SS. XX, 629), als Gemahl der Adilheidi
— Tochter bed am 18. Juni 1053 in 8eo'8 IX. Heer, in der Schlacht
Givitate, gefallenen Adilbertus, dem Wintirtura cam omnibus appendiciis
suis gehört halte — erwähnte comes Hartmannus senior de Dilinga, ber
erfte deö Geſchlechtes, welcher als Erbtheil feiner Gemahlin die Kiburg inne hatte.
Beral. zu Dielen genealogiſchen Fragen meine Erörterung, Forſchungen zur
beutichen Geſchichte XIII, 80—86.
672 1076.
eine Abfonderung von feinen Plänen bervorzutreten begann, daß
dabei auch geiftliche Fürften der Nachbarſchaft fg ihnen anſchloſſen. Es
war deutlich, daß daneben ſchon Wirkungen der Maßregeln ſich zeigten,
welche von Gregor VII. auf ber Faſtenſynode und feither gegen
die Bischöfe ergriffen worden waren, die fi im Januar an der
Erklärung von Worms, freiwillig oder gezwungen, betbeiligt hatten.
Wenigſtens ein Schreiben de3 Papites liegt vor, in weldem
er fih an Erzbiſchof Udo von Trier, an die Biſchöfe Theoderich
von Berdun und Hermann von Mek wandte, von melden aller
bings Theoberich nicht zu den in Worms handelnden Bifhöfen ge-
zählt hatte, dagegen in Utrecht anfangs zugegen geweſen war.
Gleich im erften Sage ſprach ſich hier Gregor VII. dahin aus, daß
er zur beftimmten Einſicht gekommen fei, die Empfänger dieſes
feines Briefes hätten zu bem Treiben der Schiömatifer, welche
egen Gott und das Anfehen ber heiligen römischen Kirche ſich er-
n en, nicht aus freien Stüden ihre Zuftimmung erklärt. Aber er
etonte ebenfo beftimmt die Erwartung, daß fie fich beftreben
würden, durch eine entfpredhende Bellerung ihren durch den An-
ſchluß an jene Sache geſchehenen Fehler gut zu machen. ner
wurde der Auftrag ertheilt, an Biſchof Pibo von Toul im Namen
des Papftes unter Androhung der Ercommunication die Ermahnung
zu richten, daß berfelbe, der fi durch Ergreifung der Waffen und
Aufwieglung de3 Königs ſchwer vergangen habe, zum Gehorjam
gegen die römifche Kirche zurüdtehre®). Und dieſe ernithafte,
wenn aud in milden Worten gehaltene päpftlihe Aufforderung
hatte vollften Erfolg. Erzbiſchof Udo machte ſich felbit auf den
Weg nah Rom, wo er ſich ohne allen Zweifel unterwarf und nur
fo viel unter Einlegung ber höchſten Bitten von Gregor VII. al
Erlaubniß zugeftanden erhielt, daß er noch mit Heinrich IV. wenigſtens
Unterrebung halten durfte®°). Biſchof Theoderich dagegen ſchickte eine
Gefandtihaft an den Papft und ließ in beffen Hand, wie er in
einem begleitenden Briefe darlegt, zum Zeichen feines Gehorjams
Ning und Stab zurüdgeben. Freilich fol nad) der Nachricht, welde
hievon vorliegt, biefe Hanblung ber Unterwerfung auch noch unter
dem erjchütternden Eindrude des Todes Bischof Wilhelm's geſchehen
fein, indem Theoderih fi daran erinnerte, daß er noch jo kurz
1%) Registr. TI, 12, J. 4966, befauptet geraden ( pravitati) sciems-
tieorum . . non sponte vos consensisse intelleximus und enthält ald Zadel
nur: Qua in re qualiter resipiscere vos oporteat, cum eandem, quam nos
habemus, fidem et de sanctorum patrum libris scientiam habeatis, omisi-
mus significare; ala Pibo’s Schuld {ft genannt: contra auctoritatem priucipis
apostolorum ad defensionem iniquitatum suarum arma corripere atque
regem sollieitare (I. c., 226 u. 227).
©) Sambert redet, zum 29. uni, von Udo als einem Roma nuper re-
versus . . „ obtendens’. . . sibi, quod ipsum yix summis preeibus extor-
serit, indultam esse colloquendi tantum regis licentiam, nulla preter hacc
in eibo, in potu, in orafione vel in caeteris omnibus communione eius
permissa (246).
Anfänge feindfeliger Einverfländnifie der Fürflen gegen Heinzih IV. 673
vorher zu Utrecht, ohne allerdings auch den legten enticheidenden
Maßregeln beizumohnen, ſich in dem Verkehre mit ercommunicirten
Gegnern Gregor’& VII. bewegt hatte. Der Träger der Botſchaft
brachte dem Biſchof die Verzeihung des Papftes nad) Verdun zurüd,
immerhin mit der Weifung, daß derjelbe erft nach gefchehener
Genugthuung durch den mit der Stellvertretung bes Waplies beauf-
tragten Bifhof Hermann von Meg in die Kirche wieder auf-
gerommen werden fönne. Demnad) jagen fih weber Ubo, noch
heoderich ſchon ganz von Heinrich IV. 108°”), Anders lag dag
eben bei Biſchof Hermann, der fid) völlig auf Gregor's VII. Seite
warf, wie fhon aus diefem von dem Papfte ihm ertheilten Auf»
trage hervorgeht. Er hat denn auch alsbald an jenen weitgehen-
den Verabredungen der gegen den König Widerſtand leiſtenden
Fürften ſich betheiligt. j
Schon um die Ofterzeit nämlich ſcheinen diefe Verjuche, ein
Einverftändniß gegen Heinrich IV. zu erzielen, zu welchem die aus
Rom eingehenden häufigen Nachrichten lebhaft ermuthigten, erfenn-
bar geworben zu jein, und fie nahmen von da an immer rüftigeren
Fortgang. ALS die Urheber folder Verabredungen werden bie
oberbeutichen Herzoge, voran Rudolf von Schwaben, Welf von
Baiern, dann Berchtold genannt; ihmen gejellen ſich noch von geift-
lihen Fürften die Bitdöfe Adalbero von Würzburg und eben
Hermann von Meg zu; ferner erjcheinen der Patriarch von Aquileja,
Eigehard, Erzbiſchof Gebehard von Salzburg, die Biſchöfe Altmann
von Paſſau und Adalbert von Worms, von denen allerdings der
legtere ein Flüchtling aus feinem Bifchofgfige war, mit ihren
Namen als Theilnehmer, während ein weiterer Kreis von Mit-
wiffenden unter den Fürften noch vorhanden geweſen fein ſoll, be—
ſonders von faft allen ſächſiſchen Biſchöfen. ieber wollte man in
Hersfeld von dieſer fi bildenden Verſchwörung bie Gegenftände
der Berathung kennen. Es fei geflagt worben, daß Heinrich IV. feit
dem jächfijchen Kriege ber gleiche, wie vorher, geblieben fei, leichtſinnig,
graufam, in vertraulihem Umgange mit den jchlechteften Menſchen,
Grandi Hug führt als Wirkung des Gindruds von Wilhelm’: Tode an:
p , exeuntibus sibi obviam clericis suis cum crucibus et cereit
moris est, processionem palam interdixerit et excommunicatum se quiß
ad horam cessisset pronunciaverit, satisque tune penituerit in excommuni-
eatione domini papae so factiosis communicasse .. . Quamobrem papae
dimissis nunciis, abbate Rodulfo (se. vom Klofter St. Vannes) cum sociis,
cum se omnipo pro communione illa excommunicatum affırmaret, et ob
id ab officio cessasset, in manu eius per litteras stolam reddidit et anulum.
Et cum se sic ipse dampnaret, purebat tamen regi. Daran jchlieht fi,
was wieder hieher gehören muß, eiwas weiter unten: Reversus inter haec
ab urbe Roma Rodulfus abbas venit Virdunum, et Virdunensi episcopo
eommunionis gratiam a papa reportans, absolutionem domno Mettensi
episcopo impositam, qui vices papae exequebatur, requirendam esse satis-
factione praemisse insinuavit & VII, 459, 461).
Weyervon Anonau, Jahrd.d, dii. R. unter Leinrich IV. u. V. 8. n. 43
674 1076.
oder vielmehr — hieß es — er fei durch dieſen Sieg erit reht
zur Gewalt über Aller Blut gelangt, jo daß er zum Verderben
aller Rechtſchaffenen, unter Begehung jeder Schanbthat, die ihm
einfalle, ungeftraft wüthe, und für fie Alle bleibe jegt fein Schut
mehr übrig, falls fie etwa das Unglüd haben jollten, bei ihm an:
quloben, da er ja — das war bie bei jenem Erzähler feſt begründete
inſicht — gegen feinen Eid und gegen das Wort der Fürſten, die
vor ber Unterwerfung von Spier fi verbürgt, abſcheulich und
geaulom gegen bie ſächſiſchen Fürſten vorgegangen fei. Der ſächſiſche
jerichterftatter bemühte fich, für die Fürſten, voran für die Herzoge
Rudolf und Berchtold, geradezu ein Recht zur Verſchwörung aus
der vorausgejegten Hinterlift des Königs abzuleiten. Derjelbe habe
— und zum Beweiſe, daß das wahr ei, häuft er vier Geſchichtchen
gleih auf einmal, von denen eines mehr, als das andere, den
Stempel der Erfindung an ſich trägt — die beftimmte Abſicht ge
habt, die Führer des fiegreichen Heeres aus dem vorhergehenden
Jahre, ftatt allen Lohnes, gewaltfam aus dem Leben zu räumen,
nachdem in fo unerwünjchter Weije die Schlacht viel zu wenig
zahlreiche Opfer unter ben Fürſten geforbert habe °*).
#*) Bon dieſen Antnüpfungen ſpricht Sambert, unter Aufzählung der fünf
Fürften, der drei Herzoge und zwei Bilchöfe (et alii_plerigue principes), und
jet fie ipso tempore, gleid, nad; Grwähnung ber Ofterfeier: doch bedimt
ih einfach der Durch Tieffenbagher, Yambert von Herefeld als Hiftoriograph, 51.
getenngeichneten bei Verſchwoͤrungen mit Vorliebe gebrauchten Tarfeilungsweile:
convenientes in unum consilia conferebant . . quid facto opus esset, dann
Einfcpaltung von Klagen, welche die Derfammelten ausgetaufcht hätten und wie
fie ungefähr der Zeitlage entfprechen, wonach: Facta est igitur conspiratio non
modica, et magis ac magis in dies roborabatur, wobei bie moralifcje Etärlung
buch den Hinblid auf Gregor’s VIT. Haltung nicht vergeflen wird: en re
maxime omnibus ausum et fidueiam prebente, quod excommunieatum esse
regem a Romano pontifice frequentes ab Italia nuneii quottidie deferebant
243 u. 244). Der Annalift jagt (im Anſchluſſe an die in n. 69 Rehende Etele):
eaeterum guibus mens sanior erat, non ita. Ex quibus quidam episcopi,
patriarcha Aquilegiensis, episcopi Salzburgensis, Pataviensis, Wormatiensis
. ..nec non Wirziburgensis (: diefen allein nennt von benfelben auch Zambert)
et pene omnes Saxoniei, nee non duces Ruodolfas, Berhtoldus, Welf (: fo
au Sambert), et caeterorum regni primatum pars non modica cum apo-
- stolico indubitanter sentiebant, quique conspirationi interesse noluerant
(283). Bruno dagegen ergeht filh, cc. 6062, wo er auf bieje Beziehungen
Heinrich'3 IV. zu Herzog Rudolf zu reden tommt, wieber in ben unglanblihften
Geihjichten, deren er glei; mehrere — c. 61 fängt an: Alio tempore, c. 62:
Tertia vice — an einander hängt, im Anflug an den ©. 648 (vergl. n. 49)
erwähnten Weggang des Königs ans Sachfen: — er beginnt (c. 60) mit: Cum-
que suos fines intrasset et duces eius ceterique mi fortiter in proelio
pugnaverant (sc. gegen die Sachſen) dona triumphalia expectarent, ille
munus quod fere cunctis suis fidelibus largiri solitus erat, etiam nunc in
praemio virtutis dare parabat, dolensque quod ex prineipibus in proelio
non ad votum suum cecidissent, vitam, quam per ignaviam eos serranse
credebat, eis per saevitiam auferri cupiebat, und — dann drei wife
lücte Attentate gegen das Beben des fe 8 an, eines durch eimen Dazu
Fpeinbar gewonnenen unus ex militibus Rodulfi ducis, der die Sache fahlichtidh
Klagen üb. b. Auftreten d. Königs. Verrätheriſche Entlafungen jächl. Gerieln. 675
Aber eben darin lag nun die große Gefahr für Heinrich IV.,
daß diejen Unzufriedenen nichts näher lag, als den Widerftand der
Soden, der faum erft darniedergeftredt zu fein fchien, neu auf
zuwecken.
Gerade auf dieſem Felde ſcheint Biſchof Hermann von Metz
vorangegangen zu ſein. Der König war gegenüber den Sachſen,
wie er annahm, am beften dadurch gefihert, daß er ihre Fürſien,
nachdem fie fih in jeine Gewalt überliefert, an den verſchiedenen
Orten ihrer Haft an die Fürften feines Anhanges zur Obhut über-
geben hatte. Kein ſchwererer Schlag fonnte feine Sache treffen,
als wenn biefe Männer, welche für ihn ebenfo viele Geifeln waren,
ohne jein Willen, zu feiner unmittelbaren Schädigung, von ihren
Bächtern losgelaſſen wurden, was nothwenbiger ife die Luft zur
Auflehnung im jähfiihen Lande neu entzündete. Hierin aber that
Hermann, wie bie Anſicht in Hersfeld obwaltete, ermuthigt durch
die Nachrichten aus Rom, den erjten Schritt und entließ die ihm
anvertrauten Gefangenen, und andere Fürften folgten bald feinem
Beijpiele. Da nah einem ausdrüdliden ſächſiſchen Zeugniffe der
Bilinger Hermann, VaterSbruder des Herzogsjohnes Magnus, und
Graf Dietrich von Katlenburg diejenigen jähliihen Fürften geweſen
find, welche etwas vor den übrigen, aus ihrer Haft befreit, nad
der Heimat zurückkamen, jo müllen dieje eben nad) Meg in Ge
wahrjam gegeben gewejen fein, wenn jo der bortige Bifhof vor den
Anderen ſich über die dem Könige geſchuldete Pflicht hinweggeſetzt
hatte. Aber au2 dem gleichen Grunde ſoll nun auch Heinrid IV.
voran gegen Biſchof Hermann in Zorn entbrannt geweſen fein und
den Plan gehegt Haben, gegen defjen Stadt friegerijh vor-
om Rudolf jelbft mittheilt, das zweite durch einen sagittarius quidaın, dem fich
Rudolf, cum idem dux reginam in manu sua a monasterio duceret, durch
Warnung rechtzeitig entzieht, das britte durch duo regis famuli jannam
cam nudis gladiis obsidentes, gegen welche der Herzog durch eigene Wachſam⸗
teit fi) fchüßt: dixit quod et implevit, quod numquam vellet ulterius ad
regis curiam venire, wonach c. 63 förtfähtt: Eodem vel simili dolo etiam
Bertoldum ducem quaerebat perdere, quia hi duo (sc. dieſer und Rudolf)
magis videbantur elus malitiae obeistere ‘mit der Erweiterung: Et quare
de duobus tantum eius saevitinm commemoro, qui nullum de prineipibus
poesum asserere securum tali periculo? —, worauf eine Geſchichte von ber Ver ⸗
abredung bes cum suis scurris . . in cubiculo weilenden Königs zur Tödtung
der episcopi esterique primates exeubantes in vestibulo, und zwar mittelft
in eubili suo flet aufbewahrter multae secures Iato ferro splendentes, quibus
nec clipeus nec galea resistere poterat virtute aliqun, was Erzbifchof Anno in
Folge der Warnung eines ber zur That Beauftragten Habe hintertreiben fönnen) (350 u.
351) In ſehr bemertenswerther Weile Rellt auch Arnulf, Gesta archiepiscopo-
rum Mediolanens., Lib. V, c. 8, die drei Herzoge voran: Eodem tempore
7 Teutonum illa barbarica, praecipue duces Bertaldus, Rodulfus et
'elfo eum comitibus et episcopis, cognita excommunicatione Romana, &
regio prorsus se subtraxere consortio, in nullo communicantes. Insuper
in multis accusantes eum eriminibus infamia denotabant (SS. VIII, 30).
43°
676 1056.
Ben en für den Treubruch ihres Herm an ihr Rache zu
nehmen ®?).
Jedenfalls ftand ſchon für den König feft, daß die nah Worms
auf Pfingſten ausgejchriebene Verſammlung nicht in der Weiſe ver
anftaltet werden fünme, wie es vorausgejehen worden war. Es
war zwar gelungen, unter ben lombardiſchen Biſchöfen und Aebten
die ausbrüdlifte Erklärung gegen Gregor VIL, al3 Entgegnung
auf den von ber *ajteniynode gejchleuderten kirchlichen ud,
hervorzurufen. Erzbiſchof Wibert hatte fie jämmtlib nah Oñern
in Pavia verjammelt, und bier fpraden fie ihrerjeit3 über
Gregor VII. die Ercommumnication aus”). Die für die Wormſer
Vereinigung in Ausfidt genommenen Maßregeln dagegen waren
nun aud aus dem Grunde nicht durchführbar, weil von den drei
beftellten Urtheilern zwei, Biſchof Wilhelm durch jeinen Tod, Biſchof
Altwin durch feine Einkerferung, in Wegfall gefommen waren und
der nod in Betracht fallende Biſchof, Eberhard von Raumburg
eben weil er der einzige übrige Richter war, nad) dem Wortlaute
des firhlichen Gefeges für die Rechtshandlung gegen Gregor nicht
ausreihte”'). Doch noch andere bedenkliche Entſcheidungen traten
gerade in Worms bereits zu Tage.
%) Lambert ſagt zuerſt (gleich im Auſchluß an die Stelle von n. &
His (sc. durd} die frequentes ab Italia nuncii) animatus Mettensis episcopus
et alii plerique nonnullos ex prineipibus Saxoniae, quos a rege in custodis
habendos susceperant. inscio e in sua liberos redire permiserunt (elö
Diotiw folgt hernoch, 247, für dicke fedissimum exemplum nad) Auficht de
Nönigs: dum privatas suas injurias in regem uleisci vellent, ec. prineipes,
iwa3 zur elades maxima et macula multis seculis non abolenda rei publicae
geworben fei), dann: Inter haec rediens Herimannus, patruus Magni ducis,
et alii plerique ex prineipibus dediticiis. quos, ut predietum est, inconsulto
rege indulgentia eorum a quibus tenebantur deditione abeolverat, inopi-
natum cuncfis gaudium prestiterunt, zulegt: Rex ... ad oppugnandam
Mettenseın urbem exereitum admovere cogitabat, et ab episcopo loei. quod
ereditos custodiae suue prineipes se inconsulto dimisisset, vindietem ex-
petere (244. 245, 246). Aus Bruno, c. 84: Herimannus, patruus Magni
dueis, et Thiedricus de Kathalanburg ... prius aliquanto ceteris venerunt
62). fhloß fchon Floto, Kaifer Heinrich IV. und fein Zeitalter, II, 104, n.,
mit Recht, dab diefe beiden bei Hermann von Mep in Haft geweſen ſeien
Giefebrecht, III, 1144, „Anmerfungen“, if zuzufiimmen, daß Lambert, der eben
der Derfammlungen vom 15. Mai und 29. Juni in einem Athem gedentt (246)
irrig die Anficht zu erweden ſcheint, die Entlafjung fei ſchon längere Zeit vor
Pfingfen_geichehen. Die genauere Zeit Met nicht fehl. Am eheften mochte
wilden Aadyen (21. April: vergl. ©. 667) und Worms (15. Mai) dem König
der Grbanfe, gegen Meh zu ziehen, nahe gelegt gewejen fein.
—R bringt dleſch im Anfang von Lib. VIII: Itali post pasebs
apud Papiam coneilium evocant malignantium, in quo omnes pariter Longo-
bardi episcopi et abbates auctore Guiberto . . excommunicaverunt dom-
num papam senioris Romae (1. c., 670). Aud; Arnulf gedenkt deifen, 1. ©
e. 7, im Anihluß an die Stelle von ©. 631 n. 24, in den Worten: Cur
posten Papine convenientes injustum anathema, imo invalidum sibi con-
<lamaverunt (I. c.).
9) Der Annalift jagt dad: tertius Neapolitanus solus pervenit. Set
nemo Justa legis pracceptum damnatur, uno contra se testimonium di-
cente (2x4).
Erllarung 3. Pavia gegen Gregor VII. Mißlingen d. Wormfer Berfammlung. 677
Zwar waren neben der Königin Bertha die Erzbifhöfe Sieg:
fried von Mainz und Hilbulf von Cöln, die Bifhöfe Ruopert von
Bamberg, dann eben Eberhard von Naumburg und au ſchon ein
Nachfolger Wilhelm’3 von Utrecht, Konrad, an des Königs Seite
zu Worms anwefend, und nad einem Zeugniffe war überhaupt
der Beſuch bei Hofe an biefer Pfingitfeier ganz anfehnlich ®°). Aber
& fehlten bie gleichfalls zur erjammlung geladenen mächtigen
weltligen Fürften, auf deren Erſcheinen felbftverftändfich ein ganz
beſonderes Gewicht von Heinrich IV. gelegt mwurbe, die Herzoge
Rudolf, Welf, Berchtold. Denn fehon waren fie, gemäß jener
yeiiden den Gefinnungsgenofien geſchehenen Verabredung, von dem
orfage geleitet, mit dem vom Papſte und der Kirche aus—
geſchloſſenen Könige, mit beffen Anhängern nit mehr zufammen-
utreffen. In diefem eine offene Ablehnun, Segeugenben Nicht:
eſuch ber Verſammlung war für Heinrich IV. bie Losſagung der
Kräfte, mit denen der Sieg über die Sachen hatte gewonnen werden
können, offen ausgeſprochen. Der Plan, der in Worms hätte
durdgeführt werben follen, war ganz vereitelt ®®),
inrich IV. blieb noch über Pfingften hinaus in Worms,
und eben der Umftand, daß er am 23. Mai aus diefer Stadt zu
Gunſten der Herftellung der abgebrannten St. Peterd: Kirche von Utrecht
ein Gut im Gau Veluwe übertrug, bewies aud, daß inzwiſchen
für diefes durch Wilhelm's Tod verwailte Bisthum ein Nachfolger
) Die Genannten_ find bie summonentes ac rogantes in der in.n. 94
erwähnten Schentung. Die Annal. Patherbrunnenses (ed. Scheffer-Boichorft,
% begeugen: Rex pentecosten Wormatiae celebrat, ubi magnum consilium
tum est.
*2) Lambert fept (vergl. S. 665 in n. 74) bie eben bort eingefügte Stelle
über die Berufung der Pfingfiverfammlung zu ſpat (vollends bie Worte: de
his quae aceiderant in Saxonia gravi nuncio accepto brehen bie Zeitfolge
gena um) in ben ſonſt im Ganzen, wenn auch der Erzähler wohl zu viel von
em Stimmungen und Erwägungen bes Könige wiffen will, als glaubwürdig
gu beuchheilenden Sujammenhang: Rex . . comperto, quod caeteri prin
eollstis per erebra conventicula consilis (in ganz ſchematiſchem Ausdrud:
vernt, Dieffenbacher, 1. c., 57), defectionem meditarentur, hinc ira, hine
sollieitudine in diversa raptatus, cui primum morbo mederetur, anxius
ambigebat. Sed quo ira impellebat inclinatior ..... contra reputans,
turbata re public, dubia fide principum, exhausto superioribus bellis
milite, extremae dementiae esse arduum aliquid precipitanter attemptare,
impetum animi ab temeritate ad pucaciora consilia revocavit (: hier erft
folgt die Stelle von n. 74). Statuta die caeteris amplo satis numero occur-
rentibus. nullus aderat ducum (vergl. n. 88), = quibus rei publicae peri-
culum timebatur, et quorum potissimum auctoritate, si res tranguillae
easent, summam publicorum negociorum disponi oportuerat. Ita conventus
ille principum, cassata voluntate regis, nullum babuit effeetum (246). Der
Annalift fagt zuerft im Anihluß an die Stelle von n. 88): Unde et dehine
a rege vocati, ipsum devitabant, cum propter anathema, tum etiam quod
maxime in illo (sc. papa) confidebant, fpäter bei Srmäßnung, ber Bereitelung
ber Beruetheilung Gregor’ VII: Qui tres episcopi . . . in Dei praedestina-
tione, ne illue (se. Wormatiam) pervenirent, retardati sunt ... . Deo illud
eolloquium sie dissolvente (283. 234).
678 1076.
bejtellt war, eben Biſchof Konrab. Derielbe war bisher Kämmerer
des Erzbisthums Mainz gemefen, hatte aber au mit Heinrid IV.
in engerem Verkehre ſich befunden, und aus dieſem Grunde war er
für feine neue Stellung bejonderd empfohlen. Freilich wurde ge
rügt, daß auch diejer Biſchof in kirchenrechtswidriger Weiſe ge
feiner Kirche gelangt fei, und wirklich war ja für Heinrid IV.
dur die kirchliche Verurtheilung nad Anſicht der Anhänger der
römiſchen Kirche alles Recht zu folden Handlungen verloren ge
jangen. Uebrigens hatte dann Bifchof Konrad ſchon jehr bald in
feinem Bisthumsgebiet gegen die Angriffe des Grafen Dietrich V.
von Holland einen äußerft ſchweren Stand. Bei einem Kampie
um ben fehr feften Platz Jiſſelmonde erlitt Konrad eine arge
Niederlage gegen ben von feinem GStiefvater, dem Grafen Robert,
kriegeriſch unterftüßten jungen Grafen. Die Feftung fiel dem An-
greifer unter blutigem, für den Vertheidiger verluftreihem Kampfe
in bie Sand; ber Bischof, der jelbft in Jiſſelnonde war, wurde ge
fangen genommen. Allerdings erlangte —X ſeine Freiheit
wieder; aber die ſichere Stüte der biſchöflichen Herrſchaft, die in
dem verlorenen Plage gegeben gewejen war, ſank durch deſſen Zer⸗
ftörung völlig dahin’). Es war der deutlichite Beweis dafür, wie
fehr in diefem Theile von Niederlothringen durch Herzog Gott:
fried’3 und Biſchof Wilhelm’3 Tod die Dinge ſich verändert hatten.
Nachdem die nah Worms ausgejchriebene Verfammlung in
ber unerwünfchteften Weije mißglüdt war, jegte jegt Heinrich IV.
*) Dieſe Nachfolge heben beionber® der Annalil: Chuonradus Mogon-
tiensis camerarius, regis communicator sedulus, et episcopatus da ð obe ab
eo non canonice complacatus, successit (284) und Sambert, der auch den Mo-
ntini archiepiscopi eamerarius nadjiolgen läht (244), hervor. Bernoldi
ron.: Cuonradus subrogatur, Annal. Egmund., a. 1075, {predhen bloß vor
ber Zhatiadge der Eucceffion ; doch fügen bie Iegteren, a. 107 , bei, wie der me
Bildyof in den ſchon ©. 651 in n. 53 erwähnten Kämpfen Mitleidender wurde:
Theodericus V. .. . Islemunde, ubi Cuonradum episcopum seiebat esse .-
favillatenus cremavit. In quo prelio oceisi sunt Landbertus praepoeitus
Daventrensis, Vulmarus presbiter Sancti Bonifacii, et Gerloch comes, &
multi alii, ipsoque epiecopo capto et iterum dimisso (SS. V, 483, XVl,
448). Heba, Historia episcoporam Trajectensium, 299, läht Konad, obm
Beweiſe anzuführen, aus Ediwaben abftammen. Tie ſchon ©. 662 in n. 0,
fowie vorhin in n. 9% erwähnte Edjenkung in St. 2792 nennt Konrad ald eo
obnixius quo rectius caeteris succinens, da biefelbe — fie beirifit das
dium Bruoche .. . in pago Velue in comitata Diederici (Bröfenhol) —
in reparationem aecelesise ... . sancto Petro in ta aecclesia com-
busta firmando geie ab; ewiſſe Stileigenthümlichteiten find wieder völlig
Feugniffe Mir bie Mrheberihaft des Dictators Mbalbero C bei bieiem Diplonı
befonbers die Stelle: Christum in sanctis honorare, inter quos coeli jani-
torem, integrae fidei confessorem, sep vel imperüi defensorem, apostoloram
principem, beatum Petrum apostolum in reparanda Trajectensi secclesis
sua placando honorare necessarium duximus. ebenfo: firmando tradidimus,
tradendo firmavimus. Die irrige Anficht, die Lange jehalten war und bad
Diplom verbädtigte, daß es aut Papier geichrieben jei, ifi für bie in Wirllichteit
auf Pergament ftehende Urkunde bejeitigt: vergl. Brehlan, Handbuch ber Ir
tundenlehre, I, 89.
Biſchof Konrad v. Utrecht. Steigende jächf. Mikftimmung, auch gegen Otto. 679
eine neue Zufammenfunft auf den 29. Juni nad) Mainz an. Den
Aufforberungen an die Fürften, fi) daran zu betheiligen, wurden
ſchon dringende Bitten des Königs beigefügt *°).
Aber ganz befonbers im ſächſiſchen Lande nahm nunmehr, etwa
mit der Mitte des Jahres, die Bewegung gegen Heinrich IV. eine
inmer gefährlidere Form an °®).
inrih IV. war ohne Zweifel noch bis zu dieſem Augen-
blide der beftimmten Anficht geweſen, daß von der Seite des unter-
worfenen ſächſiſchen Volkes her eine neue Erſchütterung nicht zu
befürchten jein werde, und nicht zum mindeften wird ſich feine
Zuverfiht auf die mit Otto von Norbheim geſchaffene Verbindung
gegründet haben. Diefer hatte geradezu als Statthalter bes Königs
auf ber Harzburg, welche aljo augenscheinlich ſchon wieder bewohnbar
gemacht worden war, jeinen Sig aufgejhlagen. Die Verwaltung
der öffentlichen Angelegenheiten lag in feinen Händen, und die auch
außerhalb der Harzburg ihm befonders anvertraute Yurgbaute bei
Goslar machte ohne Zweifel Fortihritte”). Aber auch die anderen
Beweiſe föniglicher Machtübung, welche jegt wieder zum großen
Unbehagen de3 Volkes an den Tag getreten waren, wurben von
demjelben ſicherlich, wie das durch ein Zeugniß allerdings von
nicht überall glaubmwürdiger Geltung beftimmt ausgeſprochen ift,
Otio zur Schuld angerechnet. Ueberall — fo wird da ausgemalt —
ſahen jich die Sachſen von den feiten durch die Freunde des Königs
bejegten Plägen her überwacht, in ihrer freien Bewegung, etwa
wenn eine Verjammlung gehalten werben jollte, gehemmt. Die
Ausbeutung der umliegenden Landichaften, die Forderung von Ar-
beiten und Leijtungen gegenüber dem Landvolfe, die Auferlegung
ſchwerer Laften auf die früher von Zinszahlung nicht gebrüdten
freien Güter waren Klagen, welde jchon als Urfahen zu dem
früheren Aufitande mitgewirkt hatten. Aber dazu waren noch
ſchwere und unerſchwingliche Strafgelder für dieſe legte Erhebung
gefommen. Eine allgemeine Stimmung des Kummers und ber Ver-
zweiflung lag über dem Lande.
Ta mußte die Ankunft jchon gleich der eriten ſächſiſchen Fürſten,
bie in den Befig ihrer Freiheit wieber gejegt worden waren und
ihre Rückkehr bewerfftelligt hatten, wie der Anfang der Abwälzung
%) Die Verſchiebung erwähnt Zambert: Iterum in natale sancti Petri
apostoli Mogontiae eos (ec. prineipes) adesse, addieta jam edieto obnixa
süpplicatione, precepit (246). .
*) Die einfehlägigen Duellenftellen, Lambert’ und Brunv’s, find in Gr-
curs I zufammengeftellt und nad; ihrer Glaubwürbigteit beiprochen.
) Otto's Stellung — vergl. ſchon ©. 645 — mirb durch Lambert
folgendermaßen umfchrieben: Otto ..in castello Hartesburg residebat. Huic
rex per totam Saxoniam vices suas et publicarum rerum procurationem
delegaverat, und er läßt gegen Otto durch die Sachſen als Klage vorbringen:
cum... ipse.. . a rege tocius Saxoniae ‚grindipatum acceperit et regiae
erudelitatis carnifex atque omnium quae ferociter rex meditetur ferocior
administer existat (245).
680 1076.
einer ungeheuren Laſt erfeinen. Dur die Wegführung diejer
Dänner in die Verbannung war das Volk gleichjam gefeſſelt worden;
jest fhien die Stunde gefommen zu fein, wo eine Rettung aus den
Leiden ſich öffnete. ö
Eben der Billinger Hermann und Graf Dietrih von Katlen-
burg, welche als die erften heimgefehrt waren, hatten ihre Volls—
genoffen noch ganz gebeugt vorgefunden, gewillt, Alles zu thun,
was von ihnen geforbert würde, auch vom Erbgute den Zins zu ent
richten, und fo konnten es dieſe Leute gar nicht fafjen, als die beiden
Fürften fie davon abmahnten, ihren Muth aufzurichten ſich be:
ftrebten. Zum völligen Staunen ber Verfamntelten, an welde
jene ihre aufmiegelnden Worte richteten, wagten fie es auch, die
vom Könige eingefegten Amtleute, falls fie nicht von der Unter:
drüdung abließen, damit zu bebrohen, daß fie als treulofe Feinde
aus dem Lande weichen müßten.
In Sachſen hatte man ſpäter die Vorftellung, daß die Ent-
laffung der gefangenen Fürften aus ihren Haftorten, ohne Hein:
rich's IV. Wifien, faft für alle Befreiten als die Rückkehr be:
dingt habe, und ohne Zweifel fand das Vorgehen des Biſchofs
Hermann von Meg raſche Nahahmung. Doch war, als die Zeit
der nad Mainz angefegten Verfammlung heranrüdte, noch nidt
die ganze Bahl der ihrem Lande Entfremdeten der Heimat wieder:
gegeben. Immerhin gelang es noch, nur fünf Tage vor ber an
efündigten Vereinigung, am Tage Johannes des Täuferd, einem
er hervorragendften unter den geiftlihen Fürften, allerdings nicht
dur Entlaffung, ſondern dur Flucht, die Freiheit zu erringen.
Biſchof Burchard von Halberftadt war nämlich, feit ihn Biſchof
Ruopert von Bamberg an den Hof des Königs gebracht hatte, dort,
und zwar, wie eine Nachricht behauptet, in äußerſt unmmürbiger
Weife, feitgehalten worden. Jetzt gedachte Heinrih IV., da er
feinen der duͤrch die Webergabe in feine Hand gelegten Feinde
beftiger haßte und zudem den Biſchof als den igertiden Anftifter
und dag Haupt der ganzen Empörung anſah, denfelben — das
Leben habe er dem Priefter doch nicht nehmen wollen, meint ein
dem König äußerft abhold gefinnter Erzähler — wenigfteng mögliit
—S zu machen, und ſo wollte er, daß ſeine Schweſter, die
ungariſche Königin Judith, als fie zu ihrem Gemahle Salomon
au der Donau zurüdreifte, Burchard mitnehme und an einen Ort
bringe, von welhem er nie wieder auf deutſchen Boden zurüdfehren
würde. Das wurde verſprochen, und jo führte man den Biſchof,
mit einem einzigen Kappellan al3 Begleiter, auf ein Schiff, welchem
Judith mit ihrem eigenen Fahrzeuge nadjfolgen wollte. Die Art
und Weiſe, in welcher der Öefangene darauf vom Ufer ber
bairifhen Donau aus glüdli die Flucht nah Halberftadt antrat,
bat nun augenſcheinlich die Gemüther lebhaft beihäftigt, und fo iſt
die Erzählung von dem Entkommen mehrfach überliefert. Die glaub⸗
würbigfte Geitalt der Schilderung ift, daß ein gewiſſer Udalrich, nach
einer zweifelhaften Nachricht ein Lehensträger Burchard's, dieſem einen
Flucht Biſch. Burchard's v. Halberftabt. Uneinigteit d. Mainzer Berfammlung. 681
beutlihen Wink vor Antritt der Reife ertheilt und fi dann felbft
an bie verabredete Stelle, in ein wüſtes Haus am Ufer der Donau,
begeben hatte, um da Vorbereitungen zu treffen. Als Burchard
das bezeichnete Gebäude fah, erbat er fih von den Schiffen bie
Erlaubniß, an das Land fteigen zu dürfen, unter einem glaub-
würdigen Vorwande; er ging mit feinem geiftlichen Begleiter zu
dem Haufe und wurde da buch Udalrich jchnell beritten gemacht
und den Sciffleuten entführt. Mit dem allgemeinften Subel
empfing das ganze Volt den ihm wiedergeſchenkten geiftlichen
Führer. Die Nachricht von der Flucht, welche ganz vernichtend
auf den König wirken mußte, fonnte wohl noch gleich zur Mainzer
Verfammlung eintreffen.
Am 29. Juni — dem Tage der Apoftel Petrus und Paulus —
follte die von dem Pfingftfefte hinweg verfhobene Verfammlung in
Mainz zufammentreten. Doch auch dieſe Veranitaltung brachte
nicht im entfernteften das erhoffte Ergebniß für den König. Trog
aller Bemühungen, die oberdeutichen Herzoge, die anderen fchon in
Worms erwarteten Fürften heranzuziehen, ungeachtet der Bitten fo-
wohl, ala der Befehle, blieben diefelben vom Hofe entfernt. Da-
% en ftellten fich allerdings geiftlihe Fürften ein, neben dem Erz.
hof von Mainz, Eiegfried jelbft, der neue Erzbifhof Hildulf von
Cöln, dann Udo von Trier, fowie viele Andere aus den Anhängern
des Königs. Aber zwifchen diefen ſelbſt brach nun auch Zwiefpalt
aus. Udo war erft fürzli von Rom zurüdgefehrt, und da ihn
von Gregor VII. einzig mit Heinrich IV. ein gewiſſer Verkehr,
auch diefer nur in beſchränktem Umfange, geftattet worden war,
weigerte er ſich auf das entſchiedenſte, mit Siegfried, Hilbulf und
den übrigen Bijchöfen, auf denen, gleich wie auf dem Könige ſelbſt,
ber kirchliche Fluch liege, irgend welche Gemeinfhaft . zu pflegen.
So riß eine Netz tiefer wirfende Scheidung aud im Kreife ber
Heinrih IV. noch treu gebliebenen geiftlihen Fürften ein. Der
eine und andere Biſchof, der vielleicht ſchon in feinen Entſchlüſſen
wanfend geworben war, trennte fich jeßt gleichfalls vom Könige ab,
um nicht an beffen Hofe der Befledung durch den Umgang mit den
Gebannten ausgefegt zu fein, und diefe Reuigen ließen ſich nicht
wieder zurüdrufen. Die anderen dagegen, welche bei Heinrih IV.
ausharrten, warfen auf die Abtrünnigen ihren vollen Zorn und
ſuchten auch den König gegen diefe DVerräther, gegen welche mit
Gewalt vorgegangen werben müfle, zu gewinnen: die Verurteilung
durch den Papſt jei eine rechtswibrige und ungültige gewejen, jo
daß fie nicht beachtet werben dürfe, und Udo, ſowie feine Ge-
finnungsgenofjen, rebeten nicht die Wahrheit, wenn fie das Anſehen
des römiſchen Stuhles zu vertheidigen behaupteten, indem es ſich
für_fie in Wahrheit einzig um einen neuen Vorwand für ihren
Haß gegen den König und für Die Untergrabung ber Reichsverfaſſung
handle. Sebenfalls fehlte es aljo den Beichlüfen der Verſammlung
durhaus an dem Nachdrucke, welcher für eine wirkſame Kraft ber-
jelben nothwendig gewejen wäre. Zwar wurde, was Biſchof Wilhelm
682 1076,
in Utrecht als Wortführer der dort vereinigt geweſenen Biſchöfe
ausgefprochen hatte, wiederholt. Die um Heinrich IV. in Mainz
noch verjammelten Bijchöfe verfündigten, daß der durch die römiſche
Synode ausgeſprochene Bann gegen den König und defien Anhänger
ein unüberlegt und ungerecht gejälltes Urtheil geweſen und deßhalb
als ungültig gering zu ſchaͤtzen und für nichts zu halten fei, und
fie verhängten über Gregor VII. die Ercommunication. Aber dieje
Verurtheilung entbehrte durchaus jener weit größeren Einftimmig-
feit, mit welcher im Beginn des Jahres zu Worms gegen den
Papſt vorgegangen worden war, und von den für die Piingft-
verfammlung in Ausficht genommenen Handlungen, der Erwählung
eines neuen Papites, der Einführung defjelben duch den König
nad Rom, war bei der unginftige Wendung der Dinge im Reihe
nicht mehr zu reden. Heinrih IV. jah ſich von der Stellung, die
er noch kürzlich inne zu haben glaubte, weit zurüdgemorfen.
So entſchloß fid) denn auch der König, zunächſt noch feine
wahre Gefinnung gegen die abtrünnigen Fürſten zurüdzubalten.
Während er in begreifliher Weiſe von heftigen Zorne über ihr
Gebaren erfüllt war, erneuerte er die Verfuche, fie Durch begütigende
Botihaften zu befänftigen, fie doch noch für fi) zu geminnen.
Befonders aber wollte er die noch nicht der Freiheit wieder
gegebenen ſächſiſchen und thüringifchen Zürften jet für ſich jelbft
gewinnen, ba fie für ihn die Urheber einer folhen Beſchwichtigung
der Leidenſchaften werden könnten, jo daß durch fie die im ſächſiſchen
Lande neu entitehende Bewegung geftillt werden möchte. Nach der
Herzfelder Nachricht ſoll er Erzbiihof Werner von Magdeburg,
die Bifhöfe Werner von Merfeburg und Benno von Meißen, den
Bilinger Magnus, den Pfalzgrafen Friedrich und den Reft der noch
nicht seiten aus ihren Haftorten zu ſich berufen haben, um
ihnen in einer Nede zuerft auseinanderzufegen, daß fie zwar bie
Tobesftrafe verdient hätten, daß er aber Verzeihung und Befreiung
ihnen gewähren wolle, unter der Bebingung, daß fie von jegt an
Treue hielten und ihm Hülfe leiften wollten, den geordneten Zu-
ſtand bes Reiches zu bewahren und vorzüglich das aufgehehte
ſächſiſche Wolf wieder zur Ruhe zu bringen, unter Beiſügung
weiterer Verheißungen für den Fall des fünftigen Gehorfams, und
danach — heißt es da weiter — fei wirklich durch dieſe Fürften
dem Könige die Erfüllung feines Begehren eidlich verjproden,
ihnen dagegen die Entlafjung in die Heimat gewährt worden. Aber
der fähfijche Bericht, welcher hier ohne Zweifel glaubwürdiger ift,
ftellt die Sache mehrfach abweihend dar. Nah demjelben hat
vielmehr die Befreiung weit ber größeren Zahl der Gefangenen
einen viel weniger georbneten Verlauf genommen. Allerdings li
nämlid auch nad) diefem anders lautenden Zeugniffe Heinrih IV.
mwenigftens einige der noch nicht frei gewordenen Fürften nad
Mainz fommen, um mit ihnen über ben Preis ihres Loskaufs zu
verhandeln; aber dieſe benugten einen in Mainz ausbregenden
Streit kriegeriſcher Mannſchaften, um fi aus eigener Madt zu
Verſuch d. Entgegentommens durch d. König; Flucht ſächſ. Gefangenerv. Mainz. 683
befreien. Die Leute bes Biſchofs von Bamberg, welche augen»
ſcheinlich ihren Herrn zu der Verfammlung begleitet hatten, in
Allem eine, wie ſchon die ganze legte Zeit des Gegenfages, zwiſchen
dem abgefegten Biihof Hermann und ber Bamberger Geiſtlichkeit,
bewiefen hatte, ſehr eigenwillige und widerſpenſtige Schaar, müſſen
mit ben Mainzer Minifterialen, vielleicht wegen eines zwifchen Erz
bifhof Siegfried und ihrem Biſchof Ruopert entftandenen Zwiſtes,
in Feindſchaft gerathen fein, jo daß fie auch vor Brandlegung in
Mainz nit zurüdjceuten, und dieſe allgemeine Aufregung
beuteten die Gefangenen für fi aus, um über. den Rhein zu jegen
und Tag und Nacht hindurch der ſächſiſchen Heimat zuzueilen,
unter ihnen aud Herzog Ordulf's Wittwe Gertrud, bie Stief-
mutter des Magnus’). Co wären nad biefer Erzählung nicht
jene größere Zahl von Fürften, ſondern bloß zwei Geiſtliche, Erz⸗
bifchof Werner und Biſchoſ Werner von Merjeburg, die Träger
der den Sachſen vom Stönig gemachten Eröffnungen geweſen. Dieje
beiden nämlich hatten, wie der Darfteller, Bruno, das fehr wohl
wiſſen fonnte, e8 verſchmäht, ſich der Flucht ihrer Gefährten anzu=
fließen, da fie, bei aller Abneigung gegen Heinrich IV., doch ihm
gegenüber nicht durch Eidbruch Gott beleidigen wollten. So las
der König eben fie als feine Beauftragten aus und ſchickte fie nad)
dem ſächſiſchen Lande, damit durch ihre in feinem Namen gegebenen
Zufiherungen und Verheißungen der Sturm der Empörung zur
Ruhe käme. Mit folhen Aufträgen gingen fie aus Mainz zu ihren
Landsleuten ab”).
*%) Bruno fügt bei dieſem Vorgange, c. 85, hinzu, daß auch Gertrud,
Wittwe des Herzogs Orbulf, guam lewig (wohl ber wieder ebenfo kurz im
e. 117 ala Retter Heinrichs IV. 1080 aus der Schlacht bei Flarchheim ger
nannte Lothowigus, 378) ante biennium fere ceperat et domino suo Heinrico,
ut ab ea pecuniam extorqueret, god et fecit, adduxerat (363), unter dem
aus Mainz Flüchtigen geweſen fei. Sie ift durch den Annalista Saxo, a. 1076,
in einem Snfaiebiel zu biefer Etelle, ala Magni ducis noverca, ferner a. 1116,
u ihrem Zobesjahr, als ductrix, avis Liuderi ducis, bezeichnet (SS. VI, 710,
54). Witte des 1059 verftorbenen Grafen Friedrich von Kormbad und aus
dieſer Ehe Mutter der Hedwig, Gemahlin des ©. 504 erwähnten Grafen Gebhard,
war fie_ von ihrem zweiten Gemahle Ordulf Mutter des jung verſiorbenen,
3b. I, ©. 359, in n. 101, genannten Bernhard geworden. Vergl. Bernhardi,
Kothar von Supplinburg, 810, wo auch die Bemeisftelen ber Sächfiſchen Welt-
Sronit eingerüdt find. J
) Die Zeugniſſe über dieſe Mainzer Verſammlung ftimmen wenig zu:
fammen. Lambert erzählt: Sed ne tunc quidem (sc. iroß ber in n. 95 ers
wähnten obnixa supplicatio) quiequam eorum (sc. principum) vel suppli-
] preeipieitem omnibus plane ad rebellionis studium
obstinatis. Ipsi qui eonvenerant, feda simultate a se in-
ım fides purior et ad dignitatem rei publicae sen-
tentia pocior, ähnlic —: paulatim se palacio subtrahebant . .et ad regem,
684 1076.
Aber unter den Sachſen war, indem den erften Ankömmlingen,
Hermann und Dietrid) von Katlenburg, immer neue aus der Hait
befreite vornehme Herren gefolgt waren, und vor Allem durd
Biihof Burchard's glüdlich bewerfftelligte Ankunft, die Aufregung
ftetS weiter gejtiegen. Die anfänglihe von jenen zuerſt zurüd:
gefehrten Fürften befämpfte Zaghaftigleit des Volles war ent:
ſchloſſenem Zuthe gewichen. Die Sachſen verbanden ſich unter
einander; ſchon begannen fie, jene königlichen Beſatzungen aus den
Burgen, in welche diejelben ſich wieber eingeniftet hatten, zu ver:
jagen, diefe Pläge ihren früheren Inhabern Aurüchuerfatten, und
ebenfo wiejen fie andere in den Beſitz königlicher Anhänger über:
gebene Güter in die Hand der urſprünglichen Eigenthümer zurüd,
unter Vertreibung der nad) ihrer Anficht unberehtigten Nugnieher.
licet erel issionibus evocati, redire nolebant; wortreich wird daraui ge-
ſchildert, wie die Königafreunde hierüber getobt Hätten, mit Schmähungen über
die Romani pontificis sententia, die wegen ihrer zahlreichen formfehler, pre
eipiti furore poeius quam ratione geiält, nihili estimanda fei, über Mdo umb
bie caeteri, qui cum eo ad evertendum rei publicae statum jam pridem
eonspirassent, daß diefelben nicht fo fehr für das Anfehen bed Papftes, fondern
zur Unterwühlung der töniglihen Macht handelten; anbererfeitd kommt pur
Darflelung, wie zwar Heinrid) IV. — ingenium .. . per se atrox et im-
placabile _ dur diefe Stimmen leicht zum Zorn gereizt worden fei, aber
noch — cum videret, sub optentu religionis principes a se paulatim de-
ficere et destituto jam auziliis imperio vanam esse comminationem, quse
vi facere non posset quibus comminaretur — nad) ben Seitumftänden fh
gerichtet und fich entichlofien habe: iterum atgue iterum aversos prineipum
animos blandis legationibus mitigare (246 u. 247). Im Berichte de Anna:
liſten folgt nad) den Worten: Mogontiae in festivitate apostolorum Petri et
Pauli iterum conveniunt, et ut se uleiscerentur inordinatius et sese ipeis
judieibus damnatos plenius dampnarent, sacrilego motus sui ausu domnum
apostolicum, falsis testimoniis quasi judicatum, temere satis excommuni-
cabant, et quod synodali judicio in regem et ceteros suae confoederationi
partieipes ab apostolico actum est anathema, utpote temerarium injustum
et nullius ponderis, prorsus conculcandum et floeci pendendum, quasi sen-
tentialiter confirmabant — eine mit dem Safe: Non enim attenderant
enutissime, quod apostolicae majestatis reatum ii N i
eumque sedis apostolicae judieium quasi reproba
tractare praesumpserint beginnende und vis zu: Domni autem apostolici est,
suas sententias ratione firmare, si cuiquam in eis quid dubium videatur
oecursare reichende tixchengeſchichtliche Grörternng, welche den Zufammenhang
unterbricht (284 u. 285). Bruno’s auf den Aufenthalt Heinrid’s IV. zu Mainz
begügliche Mittheilungen in c. 85 find in ru I beurtheilt. Lambert’s Ab:
{chnitt zäplt au den buch Ranke, Gefommelte Werte, LULIL, 142 u. 143, fritiid,
behandelten Stüden des Autors. Taß Lambert von der Ercommunication
Gregor’3 VI. nicht {pradj, wird daraus erflärt, Daß da® Augenmerk beijelben
bauptfädlic auf die wieder anebredhenden fächfiichen Irrungen gerichtet war,
fowie daraus, dak man in Heräfeld theils die Sache Gregor's VII. für die
beffere von vorn herein hielt und fo über bie Ainftagen ‚gegen ihn Lieber ſchwieg
theila aber auch dad DVerftändnik, für bie firgjlich-politifchen Fragen nicht beiaß:
das if viel einleuchtender, als Delbrüd’? Vertub, 1. c., 56 u. 57, bieles Hin:
weggehen Lambert’3 über bie Excommunication aus bem Pragma be Autors
au erflären, daß ber König einen beihluhfähigen Reidjstag zu Stande zu bringen
nicht mehr foll die Möglichkeit gehabt Haben (dazu tommt, daß Lambert fon
vorher — vergl. ©. 661 n. 69 — ber in Utredpt geidjehenen Cxcommunication
Erwähnung gethan hatte).
Sachfiſche Kampibereitfejaft. — Lage d. Dinge in Stalien f. Gregor VIL 685
Und ſchon bereiteten fie ſich, nachdem fie jo in ihren Grenzen nad)
ihrem Gutbünfen die Drdnung bergeftellt hatten, zu einer allgemeinen
erfammlung vor, um einen Bund zur Vertheidigung des Landes
zu erneuern und alle Verbächtigen zu zwingen, entweder Sachſen
den Rüden zu wenden oder mit ihnen gemeinfam zu handeln.
Unter ſolchen Umftänden war für bie Friedensbotjchaft der beiden
vom Könige kommenden geiſtlichen Fürften feine Stätte mehr.
Zwar erfüllten fie getreulich ihren Auftrag und redeten den Sadjjen
mit beftem Willen zu, wie Bruno verfihert. Aber die Sachſen
wollten von ſolchen Worten Heinrich's IV., welde doch unwahr
feien, nichts hören, und als die beiden Gejandten zu dem König
mit biefer allerdings ganz abweifenden Antwort ſich wieder begeben
wollten, wurde ihnen angefündigt, daß auch für fie nicht mehr die
Möglichkeit der Rückkehr vorhanden fein werde, wenn fie nochmals
am königlichen Hofe ſich gezeigt haben würden. So fehr hatte bie
Stimmung gegen den König ſich verbittert, daß ſogar Männer von
fo unzweifelhaft ſächſiſch eifriger Gefinnung, wie befonders Erz.
bifchof Werner fi erwieſen hatte, in Verdacht kamen, wenn fie
aud nur äußerlich noch dem König zu dienen fchienen !0%),
Jegt war es nur noch eine Frage kurzer Zeit, bis wann dieſe
gefährlichen ſächſiſchen Aufruhrsgelüfte fi mit den anderen kampf:
ereiten Gegnern Heinrich's IV., in Oberdeutſchland, in Italien,
verbinden würden.
Gregor VII. mußte ſich durch alle Vorgänge jeit ber Faften-
ſynode des Jahres in feinem Auftreten gegen Heinrih IV. zu
weiteren Maßnahmen ermuthigt fühlen. Die aus dem deutſchen
Reiche eintreffenden Nachrichten über die zunehmenden Schwierig-
feiten, welche fi) von allen Seiten gegen ben König erhoben, er-
dienen als eine Beftätigung der Verurtheilung, wie fie gegen ben-
jelben und beffen Anhänger ergangen war. Eine unmittelbare
Handreichung der deutſchen Gegner Heinrich's IV. zu Gregor VIL
hinüber ſchien in einer naheliegenden Zeit ſich ergeben zu können.
Aber auch in Italien hatten wenigftens in einer Richtung bie
Dinge fih in einer für den Papſt günftigeren Weife ſeit dem
legten Jahre gewendet, und er ſelbſt bemühte ſich außerdem auf
das eifrigfte, feine Bundesgenoſſen zu ftärfen, in nachbrüdlicherer
Art um Na zu fammeln.
Die Beziehungen zu ber römiſchen Bevölferung waren un—
zweifelhaft befjere geworben. Der mißglückte Angriff des Cencius
hatte augenſcheinlich auf die Römer einen nachhaltigen Eindrud
gemacht; ebenfo hatte Gregor’8 VII. Haltung auf der Faſtenſynode
30) Bergl. in Excurs I die Beweiſe Bruno’, cc. 84 (am Ende), 86
(am Ende).
684 1076.
Aber unter den Sachſen war, indem den erſten Anfömmlingen,
Hermann und Dietrich von Katlenburg, immer neue aus der Haft
befreite vornehme Herren gefolgt waren, und vor Allem durch
Biſchof Burchard's glücklich bemwerfftelligte Ankunft, die Aufregun
ftet3 weiter geftiegen. Die anfängliche von jenen zuerft zurüd-
gefehrten Fürften befämpfte Zaghaftigfeit des Volkes war ent:
ſchloſſenem Drutbe gewichen. Die Sachſen verbanden fih unter
einander; Thon begannen fie, jene königlichen Befagungen aus den
Burgen, in welche biefelben fich wieder eingeniftet hatten, zu ver-
jagen, dieſe Pläge ihren früheren Inhabern zurüdzuerftatten, und
ebenfo wiefen fie andere in den Beſitz königlicher Anhänger über:
gebene Güter in die Hand der urfjprünglichen Eigenthümer zurüd,
unter Vertreibung ber nad) ihrer Anſicht unberechtigten Nutznießer.
licet crebris jussionibus evocati, redire nolebant; wortreich wird darauf ge:
f&ilbert, wie die Aönigefreunbde Hierüber getobt hätten, mit Gchmähungen über
bie Romani pontifieis sententia, bie wegen ihrer zahireichen formfehler, pre-
ti furore pocius quam ratione gefällt, nihili estimanda fei, über Udo und
bie caeteri, qui cum eo ad evertendum rei publicae statum jam pridem
Sonepirassent, daß biefelben nicht fo fehr für das Anjehen des Papftes, jondern
zur Unterwühlung ber töniglicen Macht handelten; andererſeits fommt zur
Darftelung, wie zwar Heintih IV. — ingenium ... per se atrox et im-
Iacabile — durch dieſe Stimmen leicht zum Zorn gereizt worden fei, aber
Denmod) — cum videret, sub optentu religionis prineipes a se paulatim de-
ficere et destituto jam auzilis imperio vanam esse comminationem, quae
viın facere non posset quibus comminaretur — nad} den Seitumftänden fidh
gerichtet und fich entichloffen habe: iterum stque iterum aversos principum
animos blandis legationibus mitigare (246 u. 247). Im Berichte des Anna:
liften folgt nad) ben Worten: Mogontiae in festivitate apostolorum Petri et
Pauli iterum conveniunt, et ut se uleiscerentur inordinatius et sese ipeis
judicibus damnatos plenius dampnarent, sacrilego motus sui ausu domnum
apostolicam, falsis testimoniis quasi judicatam, temere satis excommuni-
eabant, et quod synodali judicio in regem et ceteroa suae confoederationis
participes ab apostolico actum est anathema, utpote temerarium injustum
et nullius ponderis, prorsus conculcandum et flocei pendendum, quasi sen-
tentialiter confirmabant — eine mit dem Safe: Non enim attenderant
cautissime, quod apostolicae majestatis reatum incurrerint . .. ... qui-
eumque sedis apostolicae judicium quasi reprobabile immutare seu re-
tracfare praesumpserint beginnenbe und bis zu: Domni autem apostolici est,
suas sententias ratione firmare, si cuiquam in eis quid dubium videatur
oecursare reichende tirchengeſchichtliche Erörterung, welche den Zulammenhang
unterbricht (284 u. 285). Bruno's auf den Aufenthalt Heinrich's IV. zu Mainz
begügliche Mittheilungen in c. 85 find in Exxurs I beurtheilt. Lambert's Ab:
{chnitt zählt au ben bucch Ranfe, Gefammelte Werke, LI/LIL, 142 u. 148, fritiic
behandelten Stüden des Autors. Zah Lambert von der Ercommunication
Gregor’3 VII. nicht ſprach, wird daraus erklärt, da das Augenmerk befjelben
hauptfächlich auf bie wieder anebredhenden jächliihen Jrrungen gerichtet war,
fowie daraus, daß man in Heröfeld theils die Sache Gregor’s VII. für die
beffere von born herein hielt und fo über bie Antlagen gegen ihn Lieber ſchwieg,
theil® aber auch das Verftändniß für die firchlidh-politiichen Fragen nicht befag:
das ift viel einleuchtender, als Delbrück's Berfud, 1. c., 56 u. 57, bieles Hin:
weggehen Lambert’3 über die Ercommunication aus dem Pragma bes Autors
zu erfläven, daß der König einen befdlußfähigen Reichätag zu Stande zu bringen
micht mehr foll die Möglichteit gehabt Haben (dazu tommt, daß Lambert icon
vorher — vergl, ©. 661 n. 69 — der im Utredht geichehenen Ercommunication
Erwähnung gethan Hatte).
Sãchſiſche Kampibereitſchaft. — Lage d. Dinge in Stalien j. Gregor VIL 685
Und ſchon bereiteten fie fi, nachdem fie fo in ihren Grenzen nad)
ihrem Gutdünten die Ordnung bergeftellt hatten, zu einer allgemeinen
Verfammlung vor, um einen Bund zur Vertheidigung de3 Landes
zu erneuern und alle Verdächtigen zu zwingen, entweder Sachſen
den Rüden zu wenden oder mit ihnen gemeinfam zu handeln.
Unter ſolchen Umftänden war für die Friedensbotſchaft der beiden
vom Könige kommenden geiftli—hen Fürften feine Stätte mehr.
Zwar erfüllten fie getreulich ihren Auftrag und redeten den Sachſen
mit beftem Willen zu, wie Bruno verfichert. Aber die Sachſen
wollten von ſolchen Worten Heinrich's IV., melde doch unwahr
feien, nichts hören, und als die beiden Gejandten zu dem König
mit diefer allerdings ganz abweifenden Antwort fi) wieder begeben
wollten, wurbe ihnen angefündigt, daß aud für fie nicht mehr bie
Möglichkeit der Rückkehr vorhanden fein werde, wenn fie nochmals
am föniglichen Hofe ſich gezeigt haben würden. So fehr hatte die
Stimmung gegen den König ſich verbittert, daß fogar Männer von
ſo unzweifelhaft fächfiih eifriger Gefinnung, wie beſonders Erz-
bifchof Werner ſich erwieſen hatte, in Verdacht famen, wenn fie
auch nur äußerlich noch dem König zu dienen ſchienen '%%).
Jetzt war ed nur noch eine Frage furzer Zeit, big wann diefe
gefährligen ſächſiſchen Aufruhrsgelüfte fi mit den anderen fampf-
ereiten Gegnern Heinrich's IV., in Oberbeutfchland, in Stalien,
verbinden würden.
Gregor VII. mußte fi durch alle Vorgänge jeit der Faften-
ſynode des im in feinem Auftreten gegen Keinrih IV. zu
weiteren Maßnahmen ermuthigt fühlen. Die aus dem deutſchen
Reiche eintreffenden Nachrichten über die zunehmenden Schwierig-
teiten, welche fi von allen Seiten gegen den König erhoben, er-
dienen als eine Beftätigung der Verurtheilung, wie fie gegen den⸗
jelben und deſſen Anhänger ergangen war. ine unmittelbare
Handreichung ber beutfchen Gegner Heinrich's IV. zu Gregor VII.
hinüber ſchien in einer naheliegenden Zeit ſich ergeben zu können.
Aber auch in Jtalien hatten wenigftens in einer Richtung die
Dinge fi in einer für den Papſt günftigeren Weile feit dem
legten Jahre gewendet, und er felbft bemühte fi außerdem auf
daß eifrigfte, feine Bunbesgenofjen zu ftärfen, in nachdrücklicherer
Art um Ni zu_fammeln.
Die Beziehungen zu der_römifhen Bevölkerung waren uns
zweifelhaft befjere geworben. Der mißglüdte Angriff des Cencius
hatte augenjcheinlich auf die Römer einen nadhaltigen Eindrud
gemacht ; ebenfo hatte Gregor's VII. Haltung auf der Faftenfynode
300) Bergl. in Ereurd I bie Beweiſe Bruno’s, cc. 84 (am Enbe), 86
(am Ende).
686 1076.
auf die Stadt eingewirkt; in unzweideutiger Art war in ber argen
Behandlung der Föniglihen Boten gr Synode von Seite der
Römer bemwiejen, daß wenigftend bei der großen Menge bie
Stimmung eine ausgeprägt Heinrich IV. feindjelige geworden jei.
Allerdingd bielt fid noch der aus Nom vertriebene grimmigfte
Feind des Papftes, Cencius, in der Nähe der Stadt, und der Um-
ftand, daß Nachrichten über deſſen fortgefegten Widerftand gerade
von deutſchen Erzählern geboten werben, bezeugt, daß dieje An-
feindungen nod einige Zeit eine nicht untergeordnete Tragmeite
gehabt haben müfjen. Auch noch nachdem Cencius Rom verlaffen
hatte, war von Gregor VII. der Verſuch gemacht worden, eine
Verjöhnung mit demjelben zu Stande zu bringen, und erft als fi
Cencius völlig abmweijend verhielt, ließ der Papft duch Biſchof
Hubert von Paleftrina gegen denjelben die Ercommunication ver:
Tündigen. Cencius hatte ſich einer fehr feiten Burg nahe bei Rom
bemädhtigt und feßte num von hier aus feine Angriffe fort, wobei
er durch vielerlei Gemwaltthat, Plünderung und Blutvergießen die
Güter der Kirche ſchädigte io1). Deſſen ungeachtet war die Stellung
des Papſtes in Rom jelbft jedenfalls weit mehr gefichert.
Eine Hauptfrage blieb ſtets auch für Gregor VII. das Ver:
bältniß zu den normannifchen Herrſchaften, deren ftaatlihe Ber
feftigung fi unter Beihülfe der römischen Kirche poljogen hatte.
Doch blieb dafjelbe auch in dieſer Zeit, des Ausbrudes des
Kampfes zwifchen der deutichen Königsgewalt und dem Papitthum,
nit nur ein äußerft unſicheres; fondern es hatte fi jogar ver-
ſchlimmert.
Zwar hatte Herzog Robert im abgelaufenen Jahre den Verſuch
Heinrich's IV., eine Verbindung gegen Gregor VII. herbeizuführen,
jehr entſchieden abgelehnt !%%). Dagegen war damals in den Ber
ziehungen der beiden normannifchen Fuͤrſten zu einander, denjenigen
Robert’3 zu dem Fürften Richard von Capua, eine Veränderung
eingetreten, welche dem Papfte ſehr unerwünſcht fein mußte,
101) Die deutſchen Quellen find Lambert: Nee minus ille (ee. Quintias)
militaris audaciae facinora contra faciebat, succendens et everiens omnia
quae poterat de possessionibus Romanae aecelesiae. Ita per multos dies
non sine magno et harum et illarum partium dispendio simultas haec
trahebatur (242) und der Annalit: Dehinc papa datis indutiis eum (m.
Quineium) ad poenitentiam, gaam inposuit, revocavit; ipse autem non
modo apostata in huiusmodi factus est, quin etinm quoddam castellum
firmissimum ibi contiguum occupavit, ubi latrocinando rapinis et sangnine
vietitabat. Unde papa per Praenestinum episcopum fecit eum excommuni-
eatum damnari. Ipse autem regi per omnia mori sic per biennium
rassabatur, Dei contemptor induratus (282). Gregorobius, @eldjichte ber
tabt om, IV, 182 n. 1, vermuthet, das Gaftell fei vielleicht das von Pale-
ftrina felbft gewelen. Da Gregor VII. es im Sommer und Herb wagte, aufer-
halb Rom’s fi aufzuhalten — 25. Juli und 3. September in Laurentum,
25. und 29. Auguft in Tivoli —, tann doch die Störung bes jriedens in der
Gampagna nicht eine allgemeine geweſen fein.
10%) Veroi. ob. ©. 572 u. 578.
Stellung b. Papftes zu Cencius zu d. ſich ausföhrenden Normannenfürften. 687
Noch in der eriten Hälfte des Jahres 1075 hatte Richard nicht
* gezaubert, Gegnern Robert's feine Hülfe zuzumenden. Gegen den
Sog war in Galabrien ein Aufitand ausgebrochen, der deſſen
Anferengungen in Anfprug nahm. Jener zu immer neuen Auf-
lehnungen bereite Abälard, Humfred’8 Sohn, hatte abermals gegen
den Oheim die Waffen erhoben und ſich in der calabrijchen Zelte
San Severina feftgejegt, von der aus Robert's Gebiete durch ihn
heimgefuht wurden, fo daß er durch den Herzog belagert werden
mußte. Dabei war Richard dem Empörer dur Zufendung von
berittener Mannſchaft behilflich gemwejen ’%). Aber nachher machte
diefe eiferfüchtige Feindſchaft beſſeren Gefinnungen Plag. Richard
und Robert müflen zur gleichen Zeit den Wunſch gefühlt Haben,
den Streitigfeiten ein Ende zu ſehen, welche nur den Neidern der
normannifhen Gefammtmadt, und hierunter auch dem Papfte —
biefer hatte fehr gern Richard innerhalb feines Anhangs, geſchieden
von dem ercommunicirten Herzog Robert, gehen —, bienlid) er:
icheinen konnte. Denn Gejandte, welche Richard an Robert mit
Friedensanerbietungen geſchickt hatte, begegneten Boten des Herzogs,
die in ber gleichen Angelegenheit fi zu dem Fürſten begeben
follten. Sehr leicht gelang auf diefem Wege die Verftändigung;
die Abgefandten traten zufammen und ftellten einen Vertragsentwurf
feft, der den Auftraggebern vorgelegt und von denfelben, von dem
Herzog, wie von dem Fürften, in gleicher Weije beftätigt und be—
ſchworen wurde. Darauf traten die beiden Herren ſelbſt zu einer
Unterredung zufammen, und unter dem Beiltand des anweſenden
Abtes Defiberhus von Monte Caffino, deſſen Ziel es ftetS geweſen
war, die zwei Fürften mit einander auszuföhnen, wurde eine fefte
Verbindung und Freundfhaft zwiſchen ihnen aufgerichtet. Sie
gaben fich ihre Eroberungen von beiden Seiten zurüd, ſagten ſich
von ihren bisherigen gegen einander gerichteten Bundeögenofjen los,
ſchwuren, zu Schuß und Trug vereint, fi zu, einer des anderen
Vortheil zu wahren, gegen alle Feinde fi zu unterftügen '%*),
108) Daß bie von Amatu®, L’Ystoire de li Normant, Lib. VII, c. 18 f.,
erzählte Belagerung von San Geverina ber in c. 25 folgenden Belagerung
Galerno’3 voranging, nicht umgekehet, wie das nad Gaufredus Mala:
terra, Lib. III —c. 4: Salernum deditur, hernach cc. 5 u. 6: Comes Ro-
rius Abagelardum apud sanctam Severinam obsidet. Dux sanctam
Severinam recuperat. Castro sancti Agadii dux Al lardum obsidet
(Ruratori, Seript. rer. Italic., V, 576 u. 577) — zu fchli wäre, iſt nicht
ju bezweifeln; — ift mit Baift, Forſchungen zur deutſchen Geichichte, XXIV,
1 n. 392, gegen Sich, 1. c., VII, 312 — fonft enticeidet fi) auch Hirſch
für die Glaubwärbigfeit der zeitlichen Anorbnung bed Amatus — dad von
Amatus, c. 19: Balalarde ... pria ier.... que & lo jor de Pasche
le doie mubvenir & la soe neccessit& (ed. Champollion:zyigeac, 208) in bie
it ber Belagerung von San Geverina gelegte Dfterfeft zu 1075, nicht zu 1076, au
.
ceste cite, lo prince Richart mandoit chevaliers en aide de Bajalarde et
de Gnillerme (1. c., 210).
10) Yaift macht mit Recht, 1. c., 332, gegen bie bei Amatus, c. 29, am
Ende, angehängte Bemertung: Mes il me pert que li message de lo roy
688 1076.
Aber auf diefem Wege war nun freilih auch Richard mit Herzog
Nobert gegen Gregor VII. verbunden. Freilich bezogen fi Die
nädjften Zufiherungen auf die für die zwei neuen YBundesgenofjen
gegenüber den langobardiſchen Fürftenthümern vorliegenden Macht ⸗
fragen. Robert verhieß, mit Reiterei und mit Schiffen dem Fürften
bei der Einnahme von Neapel behülflih fein zu wollen; Richard
dagegen ftellte fi dem Herzog behufs Unterftügung bei der Be—
lagerung von Salerno zur Verfügung. Bejonders dieſe legtere
Zufage war von entjcheidendem Gewichte; denn Salerno lag mehr
im Bereiche des Eroberungsgebietes des Fürften von Capua, als in
demjenigen des Gebietes von Apulien, und Robert felbft hatte noch
gm kürzlich gefürchtet, daß eben in den Streitigfeiten mit Salerno
ichard gegen ihn in das Feld rüden werde !%).
Der Gegenfag zwijchen Herzog Robert und dem Bruber feiner
Gemahlin, dem Fürjten Gifulf von Salerno, war nämlid) in der
legten Zeit weſentlich verfhärft, und zwar aus dem Verhältniffe
heraus, in welches ſich die Amalfitaner zu dem normanniichen
Herzog gefegt hatten. Schon im November 1073 war Robert,
nad dem Tode bes Herzogs Sergius von Amalfi, Herr dieſer
äußerft wichtigen Stadt geworden, und da es Giſulf's eifrigites
Beſtreben fein mußte, eine ſolche gefährliche Feftfegung der nor-
mannifhen Gewalt in feiner nächſten Nähe, da von hier aus
Salerno felbft unmittelbar bedroht war, wieder rüdgängig zu
machen, erwuchs jener Zwift, der mit einem entfheidenden Schlage
endigen mußte, fobald Robert feine ganze Kraft nad) der einen
Seite zu wenden vermochte. Che das möglich wurde, ſuchte der
Herzog durch Unterhandlungen Gifulf hinzuhalten, immer von dem
Gedanken aus, daß wenigftens Amalfi um jeden Preis behauptet
d’Alemaingne fu occasion en part que lo due fist paiz à lo prince Richart
d. e., 217), geltend, daß biefelbe in ihrer Form und in ihrer Stellung, fo lange
nad) c. 27, wo von bem mı ce bie Rebe ift, nicht dem Autor, fondern dem
Meberfeßer zugufchreiben fei. Die Annäherung der beiden normannif
und ihre Verftänbigung erzählt Amatus, cc. 28 u. 29, mit Hervorhebung des
Antheils des Deiberius: et lA fu präsent abb& Desidöre, li quel sempre
estvit prineipe de Par de ces dui (l. c., 216 u. 217); au Gaufredus Malas
terra ſpricht, Lib. III, c. 2, von dem Friedensſchluſſe.
10) Die Abficht Roberts bei dem Sriebenaihluffe, deſſen Grgebniß jept
Amatus, e. 29, klar aus einander: Et lo prince dist de soi me se offri
de soi meisme estre en aide & lo duc de prendre Salerne. Et li due dist
qu’il lui_vouloit donner aide ä lo prince de chevalier et de navie pour
prendre Naples. Et rendirent l'un & l’autre la terre, Iaquelle avoient tolue
'un & Pautre (I. c., 217), in Hinficht auf Robert noch beftimimter Gaufredis
Malaterra, c. 2, der Friebe ſei Durch denfelben geidjlcfien: veritus ne ab ipso
(se. Ricardo prineipe Aversae) Gisulfo adversum se succurreretur .... - i
(uo (se. Ricardo) in sui adjutorium quibusdam pactionibus conducto,
Salernum multis copiis obsessum vadit (l. c., 576). Den Antheil, welchen
—5 an ber Ausföhnung nahm, fellt Hirich, 1. c., VII, 65 u. 66, in
ai J
Bolgen d. Verſohn. Robert’3 u. Richard's f. d. Fürſten Gifulfu. Gregor VIL. 689
werden müfje!%), Erſt die Niederwerfung des Aufſtandes Abälard's
und der Friebensihluß mit Richard hatten dieſe Befreiung von
anderweitigen Schwierigkeiten herbeigeführt, und nun ſah fi
Robert, als er jet im Mai die Belagerung Salerno's eröffnete "7),
jogar durch Richard unterftügt. In der glängendften Weife begann
die Berechnung des Sch 3, ſich zum Träger der ganzen bisherigen
langobardiſchen Madtitellung im Fürſtenthum Salerno aufzu-
ſchwingen, fih zu erfüllen. Auch Hier wieder war Gregor VIL
mitbetroffen, injofern als die Erhaltung der Selbftändigfeit Salerno’3
dem Vortheil der römiſchen Kirche entjprad).
Doch in noch viel empfindlicherer Weife ſchoben nunmehr
Robert und Richard als Verbündete ihre Einwirkungen in der
Richtung gegen Rom hin vor. Nobert von Loritello, der zugleich
mit dem Oheim jhon 1075 durch Gregor VII. aus dem kirchlichen
Verbande ausgejtoßene Neffe Herzog Robert’3, griff den Grafen
Trasmund von Chieti in der firmanifchen Hart mit Erfolg an,
und als ein Heer von zehntaufend Mann zur Befreiung des ges
fangenen Grafen heranrüdte, fol ber junge Held mit nur fünf
hundert Berittenen dafjelbe auf das Haupt geſchlagen und zerftreut
haben, wobei wieder angejehene Gefangene, auch Biſchöfe der Kirchen
der Mark, in feine Gewalt kamen. Jetzt erfüllte Trasmund die
ihm geftellten Bedingungen und nahm als Lehensträger nur einen
Theil des abgetretenen Gebietes von Robert zurüd. Richard's
Sohn Jordan dagegen rückte in das zunächſt an das Beneventaniſche
angrenzende Stück des Herzogthums Spoleto, in das marſiſche
Land, ein und nöthigte hier die Grafen von Amiterno und von
Valva zur Unterwerfung. Dagegen mißlang, duch die Ungunft
der Witterung, die dann aud Mangel an Lebensmitteln zur Folge
hatte, gänzlich eine während zweier Moden von der Belagerun
von Salerno aus, durd Herzog Nobert und den Fürften Nichar!
jelbft, begonnene Unternehmung in der gleichen Richtung. Immer-
108) Zur Kritil der von Amatus, Lib. VII, e. 2 ff, über Gifulf und die
Amalfitaner el vorgebrachten Dinge — das ba über Gifulf ausgefpredhene
Selammturtheil_ betreffend vergl. zu 1077 (in ®b. III) — vergl. Hixih, 1. c.
VIIE, 317 u. 518, fowie Baift, l.c, 334 u. 335, auch Weinreich De conditione
Italiae inferioris Gregorio VII. pontifice, 34 n. 28, wonach YAmalfi ſchon im
November 1073 Robert unterworfen war. Vergl. übrigens ſchon ©. n. 159.
07) Amatus. Lib. VIII, c. 13, läßt bie ruf anzung für les tentes et
tabernacles apres de li mur de Salerne, nad) Kobert’3 Befehl, en lo moiz
de Jung geſchehen c, 241). Dod) iR nach den Annal. Cavens.: Robbertus
dux venit super Salernum pridie Non. Magii und den Annal. Benevent,,
Cod. 1. 2. (a. 1075): Robertus dux perrexit super Salernum quod tenebat
Ifus princeps cognatus suus, et sedit super eum a mense Mngio
HI, 190, 181) der Anfang der Belagerung in den Mai vorzurüden.
d'3 Theilnahme ift beſonders auch durch Petri Chron. mon. Casin.,
Lib, III, c. 45, hervorgehoben: Ex alia parte Richardus princeps rogatu
dueis oceurrens cum diversis bellorum machinis illam (sc. civitatem Saler-
nitanam) obpugnare vehementissime coepit (SS. VII, 735).
Weyer von Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter deinrich IV.u.V. @.Ir. 44
690 1076.
hin war der Erfolg der Normannen in diefen ſchon in Mittelitaliin
liegenden Gebieten, welchen Gregor VII. als eine in feinem Madt-
bereiche gejchehene Schädigung empfand, anfehnlich genug. Gebiets:
erweiterungen und Tributzahlungen waren wieder das Ergebniß
aus dem feden Vorftoß, der dem engen Anſchluß der bisherigen
Nebenbuhler zu Unternehmungen in einer und derfelben Abſicht
bewies !0®).
Allerdings hat e8 Gregor VII. nicht an Verſuchen fehlen
laffen, welche die Gefahr abmwehren follten, und zeitweife muß
wenigitend Herzog Nobert — vom Fürften Richard iſt hier nirgends
die Rede — fich fo gezeigt haben, daß der Papſt gewiſſe Hoffnungen
hinſichtlich feiner hegte.
Am 14. März, aljo im zweiten Monate vor dem Beginn der
Belagerung von Salerno, hatte Gregor VII. an den dem apulijchen
Lande felbit angehörenden Bischof Arnald von Acerenza gejchrieben,
derſelbe möge den Grafen Roger, der nad) dem Segen des apoito:
liſchen Stuhles und nach der Abfolution fich fehne, ohne Verweilen
aufſuchen, um ihn, wenn er Gehorjam für den Papit und chriftlihe
Neue nad; feinem Verſprechen gezeigt habe, von den Sünden los⸗
zuſprechen, und ebenfo die mit ihm gegen die Heiden fechtenden
Krieger, wenn fie das Gleiche gethan haben würden; ferner follte
der Biihof den Grafen ermahnen, daß derjelbe bejonders aud die
Pflege des hriftlihen Namens unter den Ungläubigen zu erweitern
ſich angelegen fein laſſe, damit er e3 verdiene, über jeine Feinde
den Sieg zu gewinnen. Wenn nun Roger auch von jeinem Bruder,
Herzog Robert, zu jprechen anfinge, joll der Biſchof ihm antworten,
daß für alle von Vorfägen der Beſſerung erfüllten Reuigen die
Pforte der Barmherzigkeit bei der römijchen Kirche offen ſtehe, was
zur Folge habe, daß Gregor VII. aud Robert, wenn er wie ein
Sohn gehalten zu fein den Wunſch hege, von der Ercommunication
losiprehen wolle; dagegen ſoll auch Roger mit dem Herzoge nicht
ferner verkehren dürfen, falls diefer fi weigere, das Begehrte zu
leiten. Auch noch nicht lange nachher war der Papit, in einen
108) Bon dieſen Kämpfen rebet Amatus, c. 30 fi., wo in c. 30 ber ſoge⸗
nannte Robert Lanticille, neveu de lo grant duc Robert fein Anderer iR,
ala ber ©. 454 erwähnte Robert von Zoritello. Taf dieſe Angriffe in bie Zeit
nach der Eröffnung der Belagerung von Salerno fielen, zeigt Amatus, Lib.
VIIL e. 21: lo prince s’en vouloit aler en Champsingne pour acquester
la terre de Saint-Pierre, et puiz auvec lo duc furent & la eit& de Saint-
Germain (: einläßliche Schilderung des von Robert gemachten — erftmaligen —
Beſuchs in Monte Caffino). Puiz se irent li seignor et alerent lor voie,
c. 22 (am Ende): Et puiz s’en vindrent ensemble A Salerne, et gardörent
lo chastel (l. c., 247—249). Eben bewegen find bieie Kämpfe in der Maıf
von Gamerino und im Herzogthum Epoleto durch Giefebrecht III, 343 u. 34,
wohl zu früh, icon zum Jahre 1075, erwähnt. Auf diefe Gebiete bezieht ſich
Gregor’3 VII. ipäterer, ſchon ©. 652 in n. 62 angeführter Anälprud: Excom-
municamus omnes Normannos, qui invadere terram sancti Petri laborant.
videlicet marchiam Firmanam, ducatum Spoletanum- Bielleicht hatte and
ber Tod Herzog Gottiried’3 den Normannen Muth gemacht, hier vorzugehen.
Gregor’3 VII. Berfuche d. Ausſohn. m. d. Normannen u. Stellung 3. Mathilde. 691
an einen Anhänger nad Mailand abgeſchickten Schreiben, hoffnungs-
voll, wegen des, wie er meint, nächſtens zum Vortheile der römiſchen
Kirche mit den Normannen zum Äbſchluß zu bringenden Friedens,
in ber Erwartung, daß diejelden zur ficheren und bleibenden Treue
jegenüber dem Heiligen Petrus zurüdgerufen werden fönnten. Wie
— dieſe Wünjche ſich nicht erfüllt Hatten, mußte freilich der
Papſt in einem fpäteren, wieder nad Mailand abgelajfenen Briefe
jelbit anerkennen, wo er das Schriftwort, daß alle, die gottjelig in
Chriſto Jeſu leben wollen, Verfolgung erleiden, auch durch den
Uebermuth der einbrederiihen Normannen, in ben vielfachen
Schädigungen der Güter der Kirche, erwahrt fieht. Freilich trägt
er ji mit der Hoffnung, daß die gottlofen Einbrecher nicht lange
gegen den apojtoliichen Sig im UWebergewichte bleiben werben 10%),
Je weniger in den Beziehungen der römiſchen Kirche zu den
Normannen die gehegten Erwartungen fi erfüllten, je peinlicher
die Wirkungen aus der fiegreihen Ausbreitung der normanniſchen
Baffen in den Gebieten des heiligen Petrus ſich daritellten, um fo
mepe mar Gregor VII. auf jene Bundeögenofjenihaft angewiejen,
welche er ſchon von Anfang an als die fiherite Stüge des Papit-
thums innerhalb Stalien’s kannte, diejenige der Wittwe Herzog
Gottfrieb’3, Mathilde. In einem Briefe an einen beutjchen Ver—
trauten, Biſchof Hermann von Mes, nannte fie der Papft die getrene
Magd des heiligen Petrus, und zugleich deutete er an, daß in
feinem Willen die Entiheidung darüber liege, welche Entſchlüſſe
Mathilde, etwa wegen einer neuen Verehelihung, faffen werdet),
So ganz dürftig in der legten Zeit die Verbindung zwifchen den
in ihren wichtigften Lebenzauffaflungen und ebenfo räumlich weit
von einander getrennten Ehegatten geweſen war, jo hatte fih doch
erſt durch Gottfried’3 Tod, indem jegt auch die legte Rückſicht auf
das Verhalten des fönigstreuen Herzogs hinweggefallen war, die
felbftändige Verfügung über die ganze eigene Macht für Mathilde
jo recht Herausgeftellt. Und indem nun nicht einmal zwei Monate
nad) dem am 26. Februar eingetretenen Tode des Herzogs auch die
10) An den Brief an Biſchof Arnald — Registr. II, 11, J. 4982 —
ſWließt fih — wohl aus dem März oder April — im MIL, 15, J. 4989, die
Anzeige: Normannos verba componendae pacis nobiscum habere, quam
libentissime jam fecissent et beato Petro, quem solummodo dominum et
imperatorem” post Deum habere desiderant, humiliter satisfecissent, si
volantati eorum in quibusdam annueremus; doch hoffe dad der Papft non
cum detrimento, sed cum augmento Romanae eeclesiae näcjftens thun zu
tönnen. In Registr. IV. 7, J. 5007 — vom 31. October — fcht: (dad
Bibelcitat aus 2. ’Timoth. III, 12) bona ecclesiae Normanni multotiens per-
jari conantur auferre ...... Nos tamen sacrilı invasionis eorum nun-
quam erimus consentiendo partieipes ($aff6, Biblioth., II, 225, 229, 251).
110) Regietr. IV, 2 (vom 25. Augut), enthält: De Mathildi vero com-
muni nostra filia et beati Petri fideli ancilla quod vis (sc. Hermann), volo.
Sed in quo statu sit mansura Deo gubernante, adhuc certum non teneo,
worauf die Stelle von &. 657 n. 59 folgt (1. c., 244).
4*
692 1076.
Mutter der Mathilde, Beatrix, die Wittwe Gottfried's des Bärtigen,
am 18. April zu Piſa, wo fie frank gelegen hatte, aus dem Leben
ſchied und dajelbft ihre Ruheſtätte fand, war vollends die that-
kräftige Fürftin in der Wahl ihrer Entſchlüſſe ganz frei geworden.
Allerdings rühmte noch fpäter Donizo in jeinem für Mathilde be
ftimmten Werke Mutter und Tochter zugleih in lauten Worten,
als die glei einem Felfen feiten Stügen bes Papftes, welche zwar
fih bemühten, auch für den ihnen durch Verwandtſchaft nabe
ftehenden König als Vermittlerinnen einzutreten, die aber, als fie
diejen auf dem Abwege mwandelnd erblidten, offen befannten, daß
fie von Gregor VII. nie ſich abtrennen wollten*!!). Doch iſt nicht
zu bezweifeln, daß Mathilde jett, nad) dem Tode der Mutter, ihr
ganzes Denken und Wollen bis zu den äußeriten Anftrengungen
dem Papſte anhein gab. Es it auch gar nicht unwahrſcheinlich,
daß fie glei) ſchon an die römische Kirche jene durch ihre Lage jo
wichtigen Gebiete von Mittelitalien, das Herzogthum Spoleto, die
firmanifche Mark, überwies, Gebiete, welche allerdings durd das
legte Vorrüden der Normannen zum Theil vorweggenommen
waren. Ohne Zweifel konnte Gregor VII. in jeder Hinficht von
der mächtigen Herrin des Hauſes Canofja, welche über die Hülfs
träfte ausgedehnter Landſchaften auf beiden Seiten des Appennin
gebot, die hingebendite Bundesgenoffenihaft erwarten, und in
Deutfchland wußte man von dieſen nahen Beziehungen zwijchen
") Donizo, Vita Mathildis, Lib. I, nennt zuerſt v. 1348 u. 1349 bie
firmae ... comitissae magnae petra quasi, Mathildis et alta Beatrix, einer»
feits (w. 1350 ff.) ala mediatrices ... . et regis — proximus illaram fuerat
quia rex et earum — amicae: Cumque vident regem per devia tendere
semper . ,,,0° ipeo mestae pandebant se satis esse: sed tamen m papa se
non discedere elnmant: dann widmet er c. 20, den Abichluß von Lab. I,
unter dem Titel: De obitu domnae Beatrieis et quomodo Canossa dolet ex
en et do corpore eius, v. 1355 ff., ganz der Beatrig: Pisis egra manens, vita
de presenti bene migrat, octo decemque dies Aprilis . . . Conditur Pisis,
mit einer langgedehnten Ausführung der Klage, dak nicht Canoffa — sordibus
a eunctis munda — der Pak ber Zeftattung fei, jondern eine der urbes . . .
perjurae patrantes erimina plura, Fila mit jeinen monstra marina, bie urbs
paganis, Turelis. Libieis quoque Parthis sordida: Chaldei sua lustrant litora
tetri, aber aud; mit der Celbfttröflung: me (sc. Ganofja) fieri laetam, michi
conservando severam Mathildim, claram dominam (ete.) (SS. XI, 378 u.
FIN. Der Vertattung in Pia gedenkt auch Gregor VIL in Registr. VI, 12,
von 1078: matris suae (sc. Beatrieis) in eadem ecclesia (Pisana) sepultae
de. Den Zobestag — XIII. Kal. Maji — erwähnt aud das Necrol.
cap Lucani (Neues Archiv ber Gefeliſchaft für ältere deutiche Geichichtätunde,
IL, 138; die Annal. Pisani (a. 1077) nennen unrichtig 4. Kal. Madii (SS. XIX,
239, Der jet im Gampofanto von Piſa fiehende fpätrömifche Satkophag
(mit_der Tarflellung der Geichichte don Phädra und Hippolyt), der die Aſche
ber Bea! birgt, trägt als Inſchrift: Quamvis peecatrix sum domna vocata
Beatrix: in tumulo imissa jJaceo quae comitissa. A. D. MLXXVI. Eine
andere Grabichrijt it im Archiv ber Gefellihait für ältere deutſche Geichichts«
kunde, VI, 141, mitgetheilt: A. i. MLXXVI, 14. Kal. Mai ind. 14. Tus-
cie duetrix ltalieque honor inoppumgque nutrix vere dieta Beatrix splen-
didissima lucerua in domo Dei futura diem elausit extremum.
Bunbesgenoffenfcaft b. Mathilde; Tod d. Herzogin Beatrix. 693
dem Papfte und Mathilde in den Gregor VII. zugeneigten Kreijen
fo Vieles, und man dachte fih Mathilde fo jehr als die faſt un
zertrennliche Begleiterin des Papftes, daß man da meinte, fie gegen
ganz Mar Beſchuldigungen, die hieraus entſprangen, jhügen
zu müſſen 2),
So fam es denn auch, daß der Papft bei Anordnungen, die
er traf, die von ihm gewählten Maßregeln geradezu mit Mathilde
in Verbindung ſehte, auch wo es fih um Xeiftungen von anderer
Seite handelte. Al etwa im zweiten Viertel des Jahres aüidef
Heinrich von Trient, niht ohne tadelnde Bemerkung darüber, da|
er auf ein Schreiben des Papſtes noch nicht geantwortet habe, auf-
gemuntert wurbe, bald zu erkennen zu geben, ob er lieber Gott
ober den Menſchen zu gehorchen gedenfe, erhielt er von Gregor VII.
zugleih bie Einladung, nach feinem Vermögen zum Dienfte bes
heiligen Petrus Streitfräfte nad Rom zu fenden, und zwar follte
der Biſchof, wenn er diefe Hülfe abſchide, darüber Mathilde dann
Mittheilung machen, durch deren Beiſiand geleitet der Zuzug ficher
und ohne Hemmniß an feinen Beitimmungsort kommen Eönntet12),
Wie bier ein Hülferuf nad) dem fühlichften Biſchofsſitz des
deutſchen Reichs gegangen war, fo verftand es fi, angeſichts der
feindfeligen Haltung der Biſchöfe der Lombardei, ganz von jelbft,
Gregor VII. mit den neuerdings fid) regenden Patarinern in
Mailand ſich verband. Ein Nitter Namens Wifred muß ſich hier,
indem er an Erlembald’3 Andenken anfnüpfte, an die Spite ge-
ftellt haben, worauf fi bald ein gewiſſer Heinrich, weiter ein
Arderih anſchloſſen, „Getreue des heiligen apoſtoliſchen Sites,
gefegmäßige Söhne der Mailänder Kirche”, wie der Papft fie be
118) Gieſebrecht, III, 365, vermuthet, Mathilde habe wohl jept nach Gott-
fried’8 Tode, das allerdings gm Theil von ben Normannen bejehte Eerzettum
Epoleto und die Mark von Samerino (richtiger die firmaniſche) an Gregor VIE.
übirlaffen, unb allerdings ift der in n. 108 eingeichaltete, 1078 von Gregor VII.
ausgegangene Auäiprud) der erfimalige geltend gemachte Anfpruch auf diefe Ge
biete (vergl. Ficker, Förſchungen zur Reiche: und Nechtägeichichte Staliens, II,
322, 360). Der deutiche Zeuge ift Qambert, a. 1077: Post Gozelonis mortem
Bomani pontifieis lateri pene comes individua adherebat, eumque miro
colebat_ affeetu. Sumque magna pars Italiae (Petri Ch:on. mon. Casin.,
Liv. UI, c. 49, fogt: Liguriam et Tusciam provincias (iregorio papae et
sanctae Romanae ecclesiae devutissime obtulit — SS. VII, 738) eius pare-
ret imperio et omnibus quae prima mortales ducunt supra caeteros terrae
ill Prineipes abundaret (et) (257; vergl. zum Meiteuen ob. ©. 619 u.
620 in v. 11).
115) In Epist. collectae, Nr. 18, J. 4997, von Jaffe (Bibl, 1. c., 534
u. 335: doc) Meht_ ber Brief aud 1. c., V, 109 u. 110, ala Rr. 50 im Codex
Udahriei) in die Monate März bis Juli, von Giefebredht, III, 1143, in den
‚Aumerlungen“, etwa in ben April geftellt, ift ber Zabel der Nachläifigleit im
Antworten beiondere geflüt: cum post synodalem sententiam in Heinricum
regem prolatam dilectio tua minime differre debuerit; der Biſchof, fol ad
servitiuin beati Petri pro posse milites mittere. Giefebredht, III, 364, nimmt
wohl mit Recht an, es fei in ähnlicher Art auch an andere Freunde nah und
fern geſchrieben worden.
694 1076.
grüßte. Zuerft an Wifred allein, ben der Papft als einen muthigen
und tapferen Kämpfer zur Stärkung der Krieger Chrifli und zum
Streite für das Reid Gottes erkannt hat, werden geiftliche Mah—
nungen, Aufmunterungen zum Ausharren, nebft Mittheilungen über
den Stand der Beziehungen zu den Normannen, über diejenigen zu
Heinrich IV., geſchiki. Wifred foll die Treuen zur Feſtigkeit er-
ermahnen, bie Abgefallenen zur Reue bringen , nad; Unterredungen
mit den Getreuen des heiligen Petrus wird hernach Gregor VII.
vollftändiger berichten und für Hülfe forgen können. In dem zweiten
an alle drei patarinijchen Führer gerichteten Schreiben will ſich der
Papſt, neben Andeutungen über die Normannen, binfichtlih des
Gegenfages zum Könige nicht weiter verbreiten, weil fie ja näher
an Deutſchland find und diefe Dinge ihnen nicht verborgen jein
können. Immerhin glaubt er ihnen ſchon verfprehen zu können,
daß die Dinge — ber Brief ift vom 31. October — eine befiere
Wendung nehmen und ihre Erlöfung nahe fei. Befonders rühmt
er, daß, um Thebald, den er nur ganz verächtlich al3 den „britten“
— nad ben zwei anderen gegen Rom Ausſchlagenden, Wido und
Gottfried — Hinftellt, niederzumerfen, Rom die Kraft nit ab»
gehen werde!!4). Um jo mehr aber meint Gregor VIL., ſich über
en Haß, wie einer Anzahl deutfcher, fo ber Iombarbijchen Biſchöfe
beflagen zu müfjen. In einem Briefe an den Patriarchen Domi-
nicus IV. von Grabo, welder den Dank für ein nad Rom ge
richtetes Schreiben enthält, bringt der Papſt die den Patriarchen
befremdende Erſcheinung auch jeinerjeits wieder vor, daß dieſe
Biſchöfe in unfinniger Weife von heftigem Haſſe gegen ihn er-
glühen, während doch fein Gemiflen ihn feiner Schuld, die dazu
den Anlaß gegeben hätte, zeihe, da er ja nur, nach Gottes Bor-
ſchrift und nach derjenigen feiner Vorgänger in der päpftlichen
Würde, fi bemüht habe, fie von ihren Verfehrtheiten abzu=-
bringen "5),
Doch die Hauptfrage für den Papft war und blieb felbfiver-
ftändlich das Verhältniß zu Heinrich IV., und hier hielt Gregor VIL.
114) Registr. II, 15, an Wifredus Mediolanensis miles, und Registr.
IV, 7, an alle drei gerichtet, J. 4989 und 5007, nur ber lehtere, vom 31. Octox
ber, batirt (l. c., 229 u. 230, 251 u. 252), find wegen ber die Normannen bes
rührenden Stellen ſchon in n. 109 erwähnt. Wifred erhält ben Brief, quia
sollieitum te de honore christianae fidei litteris tuis significasti, und dann
wird er gerühmt ala ein folder, quem ad confortandos Christi milites ani-
mum et fortitudinem resumpsisse intelligimus. Im zweiten Briefe lautet
ber Gäluhfap: Et ad tertium superandum non adhue virtus Petro defecit,
qui duos illos priores . ... contra Romanam ecclesiam caleitrantes ab epi-
scopali sede dejecit.
115) Registr. III, 14, J. 4988, ftellt ald Sage des Patriarchen in bem
an Gregor. VII, abgefandten Briefe bin: Longobardi atque nonnulli Teutoni-
corum episcopi in nos (sc. Gregor VII.) insaniendo tam vehementi odio in-
ardeseunt (l. c., 228). Für biejen Patriarchen Dominicns IV. hatte Gregor VII.
Wiedererhebung d. Pataria. Gregor's VIE. Stellung zu Heinrich IV. 695
durchaus feit. Eben in jenem Briefe an Wifred meldete er, daß
von gewiſſen Seiten ſchon vielmals Anruf an ihn gefchehen jei,
zum Zwed, ben Frieden mit dem König herzuftellen. Allein er
habe geantwortet, daß er zwar mit ihm Frieden haben wolle, doch
nur jo, wenn von Heinrich IV. felbft das Streben, mit Gott
Frieden zu haben, gezeigt worden jei, durch Verbefjerung deſſen,
was er zur Gefährdung ber heiligen Kirche und zur Steigerung
feines eigenen Verberbens begangen habe, jo wie ja an ihn ſchon
oft Ermahnung gerichtet worden jei"%). Und in ähnlicher
Weiſe wurde dem Biſchof Heinrih von Trient in dem ſchon er-
wähnten Schreiben fund gerdan, daß die Fällung des ſynodalen
Urteils gegen Heinrich IV. aus dem Eifer für die Gerechtigkeit,
nit aus irgend einer Erregung über erlittene Beleidigung hervor:
gegangen fei, und der Biſchof entſchieden davor gewarnt, etwa
einem in legterer Hinſicht ſich regenden Vorurtheile leichtfinnig zu
lauben. Uebrigens werde ohne Zweifel das Feſt Petri Ketten-
feier -— jenes auf der Faftenfynode den an ber Wormjer Ver—
ſammlung betheiligt geweſenen Biſchöfen gejeßte Ziel — nicht vor
übergehen, ohne daß nad) der Vorftellung Aller — der Papft meint
die, wie er hofft, eben bis zum 1. — ſämmtlich reuig ge⸗
wordenen Biſchöfe — auf das gewiſſeſte kiar geworben ſein werde,
Mh.Feinrich IV. nad geredteiten Urtheil excommunicirt worden
ei u.
Schon dieſe Wendungen in dem etwa der Zeit nach Oſtern
angehörenden Briefe beweiſen, daß Gregor VII. auch Stimmen be—
gegnen mußte, die aus dem deutſchen Reiche herandrangen und ſich
mit demjenigen, was gegen König Heinrich IV. geſchehen war, nicht
einverſtanden erflären konnten. Das Unerhörte der auf der Faften-
ſynode gefaßten Beſchlüſſe hatte Befremden erregt; es fchien
Manchem, welche ganz entjchieden das in Worms son Gregor VII.
Vollzogene verwarfen, doch auch andererſeits von Nom ber eine zu
weit gehende Maßregel in das Werk gejegt worden zu jein. So
ertannte der Papit die Nothwendigfeit, in einer längeren Kund-
gebung, welde er an „alle Biſchöfe, Herzoge, Grafen und übrigen
Getreuen, die im Reiche der Deutjchen den chriſtlichen Glauben
1074 in Registr. II, 39, J. 4913, den Dogen Dominicus und das Volt von
Denedig um Hülfeleiftung — Nos meminimus, Dominicum (IIL.) patriarcham
beatae memoriae, antecessorem huius (se. Dominiei 1V.), robter 'nimiam
egestatem locum deserere voluisse — erſucht (I. c., 152 u. 153). J
116) In dem in.n. 114 erwähnten Briefe: Cum rege quoque Alamanniae
de componenda pace multis jam vieibus quidam aures nostras interpella-
verant (1. c., 229)
113) In dem in n. 113 genannten Echreiben heißt ed: festum beati Petri
Wergl. über die Bedeutung bieles Tages ©. 641) non prius transeundum, quam
in cunetorum notitia certissime clareat, illum (sc. Heinricum regem) justis-
time esse excommunicatam. Gregor VIl. weiß von dem praejudieium, als
hätte er nicht justitine zelo, jondern aliqua commotione injuriae gehandelt,
iR aber von dem Siege feiner Atuftaflung überzeugt: uteunque opinio sese
habeat factumve interpretentur (l. c., 585).
696 1076.
vertheidigen“, richtete, feine ganze Handlungsweiſe zu recht⸗
fertigen s).
Der Papft beganı da mit der Erklärung: „Wir haben gehört,
daß gewiſſe Leute unter Euch über die Ercommunication, melche
wir gegen den König ausgefprodyen haben, im Zweifel jtehen und
danach fragen, ob er gerecht ercommunicirt worden und ob unier
Sprud aus der Machtvollkommenheit der gejegmäßigen Beurtheilung
aud mit derjenigen Weberlegung, welche vorhanden jein mußte,
hervorgegangen jei. Deßwegen haben wir dafür gejorgt, den
Augen und der Erfenntniß Aller, fo gut nad dem Zeugniß unſeres
Gewiſſens wir es der Mahrheit nad) vermocht haben, offen darzu⸗
legen, auf welchem Wege wir dazu gebracht worden find, jenen zu
ercommuniciven, nicht jo fehr mit der Abfiht, die einzelnen Ur:
ſachen, welche ah! nur zu ſehr befannt find, gemifjermaßen durch
unferen Ausruf in die Deffentlichfeit hinauszumerfen, als um den
Meinungen derjenigen Genüge zu thun, welde annehmen, daß wir
das geiftlide Schwert unbejonnen und mehr aus einer Erregung
unſeres Gemüthes, als aus Gottesfurdt und aus dem Eifer der
Gerechtigkeit, ergriffen hätten”.
Erftlih will Gregor VII. an den Umſtand erinnern, daß er
ſchon zur Zeit, wo er noch im Archidiakonate der römiſchen Kirche
28) Diefes Echreiben — Epist. collectae, Rr. 14, J. 4999 (I. c, 535 —
540) — ift von Bruno, c. 72, mitgetheilt, in c. 71 eingeleitet mit den aus bem
Schreiben Gregor's VL. an Biſchẽef Heinrich von Trient (vergl. n. 117) nahezu
wiederkehrenden Worten: domnus apostolicus, ne regem magis injuriae sune
dolore uam zelo justitiae excommunicasse putaretur, has litteras ad
regiones Theutonicas misit, und zwar non longo tempore transacto (sc. nad)
bec Saftenfgnode) (SS. V, 354—356), ferner von Hugo von flavigny. Chron .
Lib. II (SS. VII, 439 u. 440, daneben Benugung einzelner Stellen im Zerte,
424 u. 425, 430), ebenfo von Paul von Bernried, c. 78 (Watterih, 1. c.,
517—521)._Der Inhalt bes Schreiben wurbe durch Döberl zum Gegenftande
ber ſchon €. 640 in.n. 32 erwähnten Abhandlung gemocht, der, 25-.2%, ein
Abruf, mit Eintheilung des hauptfählichen Inhalte in neun Paragraphen,
vorangeht. Die Meinungsverfchiebenheiten, welche den Anfto zu dem Schreiben
des Papftes gaben, hebt auch der Annalift hervor: Diversus sermo inter syno-
diacos de hoc eodem anathemate regis per totum regnum sine intermis-
sione terebatur, justene actum sit an injuste. Verumtamen hoc apud con-
tentiosos maxime, qui non veritati sed contentionibus conati sunt deser-
vire; aut enim ignorabant, aut ex industria dissimulabant. quia duo judi-
eiarii ordines in sacris seripturis colliguntur (: hieran flieht dh ein längerer
Ereurs Lirdienrechtlichen Imhaltes, der weit mehr, als an Bernold’s Apologeticus
für Gregor VII., auf den Day, Forſchungen zur deutichen Geſchichte. XXIL,
513, binmeift, am befien Schrift De damnatione schismaticorum, Epist. I.
e. 5ff, fi anlehnt, wo auch von den duo judiciarii ordines, allerdings ohne
bie vom Annaliften gebrachten Tircengeichichtlichen Beifviele, geiprochen wird),
und weiter am — der Ausführung: Totum itaque corpus seripturarum
sententiis domni apostoliei suffragatur . . . Incassum ergo quidam conten-
tiosi musitabant pro indueiis regi eiusque complieibus non datis, et quod
eos statim excommunicavit, postquam .... . contumaciter inoboedieutiam
suam non alibi nisi in synodo Romana, et haee seripfis et nomine publi-
cata, nimia temeritate professi sunt (235).
Gregors VII. Nechtfertigungeſchreiben an bie Deutichen. 697
ftand, an Heinrich IV., wenn über deſſen Handlungen 9) üble
Berichte eingingen, öfters fhriftlihe und mündliche Mahnungen
babe abgehen lafjen, in Erwägung der nad) Gottes Willen dem:
felben bevorftehenden Faiferlichen Würde und aus Ehrfurcht vor
Heinrich III. und der Kaijerin Agnes, jowie um jenen auf den
richtigen Lebensweg zu bringen. Doch hernach — fo fährt das
Schreiben fort — habe ſich der Papſt nad) feiner Wahl, da der
König an Jahren und an DVerfehrtheit in feinem Gebahren gleich
mäßig gewachjen fei, um jo mehr für verantwortlid) gehalten und aus
diefem Grunde denfelben in jeder Weife um fo eifriger zur Beſſerung
zu bringen gefucht, und wirklich feien von Heinrich IV. öftere er-
gebene Begrüßungen und ein Schreiben, mit Entſchuldigungen und
mit guten Verſprechen einer Aenderung, eingegangen '?%), freilich
ohne daß die That, indem Schuld auf Schuld gehäuft wurde,
dieſen Verfiherungen entſprochen habe. Dann weilt der Inhalt
des Briefes darauf Hin, daß Gregor VII. einige vertraute Genofjen
Heinrich's IV., die ſich mit Simonie befledt hätten, zur Bezeugung
ihrer reumüthigen Gefinnung gerufen und ihnen ein Ziel zur Her⸗
ftellung de3 von ihnen an den Kirhengütern verübten Schadens ge-
jet habe, worauf nad) hartnädiger Mißachtung diefer eingeräumten
Gnadenfrift die Ercommunication erfolgt und der König ermahnt
worben fei, den Gebannten Haus, Antheil am Rath, Gemeinſchaft
zu verfagen !?!). Weiter folgt die Erwähnung eines zweiten unter
119) Die regis actiones über welche eine sinistra et multum inhonesta
fama zu Hildebrand gedrungen fein fol (536), erflärt Döberl, 32, richtig ala
Tirhenpolitifche Handlungen und ben Verkehr mit den durch Alexander II. ge:
mogregelten töniglichen Räthen.
120) Da die nadıfolgende Wendung: iterum ... diresit epistolam (vergl.
n. 122), wie Döberl, 32ff., richtig hervorhebt, erfordert, bak ein erftes Echreiben
Seinzich'e IV. voranging, fo will derielbe in dem Cake: cum saepe nobis de-
votas salutationes et litteras mitteret dad Wort saepe blu zu den — burdh
die Mittelöperfonen, Agnes, Beatrix und Mathilde, Rudolf, beforgten — Ber
grüßungen, nicht zu_litterae heranziehen: dieſe litterae find in drin ©. 269
genannten vor dem 27. Eeptember 1073 durch Gregor VII. empfangenen Briefe
zu erbliden, indem die Angabe: excusans se cum ex aetate, quod fluxa esset
et fragilis, tum quod ab his, in quorum manibus curia erat, multoties male
sibi suasum atque consultum sit, monita nostra de die in diem se prom-
picime suscepturum ...... promisit wirllich im Ganzen jenem Schreiben
jegistr. I, 29a, entipricht. .
»21) Gieſebrecht, III, 1143, in den „Unmerfungen“, machte gegen das Runds
Ähreiben ganz befonders geltend, dab bafjelbe im Widerfpruch mit allen fonftigen
Rarichten behaupte, Gregor VII. habe bie königlichen Räthe ſchon vor dem
Ausbruche der jächfiihen Unruhen gebannt — und allerdings ift die Sache durch
die Stellung in der Aufzählung des Briefes, des Abfapes: Inter haec quosdam
familiares suos(etc.)vor dem mit den Worten: Interim vero, aggravescente contra
regem Sasonum causa (etc.) eröffneten, au 1073 gerüdt —, während doch
nur dad Verfahren von 1075 gemeint fein Lönne: fo ſei der Verlauf des ganzen
Stteites, durch diefe hronologiche Verwirrung, unrichtig entwidelt. Dem gegen:
über macht Döberl, 36-39, geltend, daß es jehr mahe Liege, die Art des Bor«
gehen Gregor’s VII. 1075 — vergl. ©. 452 u. 453 — als auch ſchon 1073 zur Anz
wendung gebracht anzunchmen, da nämlich bie Räthe auf ber Fafienſynode Alerans
698 1076.
würfigen und demuthsvollen Briefes, den der König, als fi die
ſächſiſche Angelegenheit für ihn verſchlimmerte und die Abfalls-
gelüfte im Reiche großen Umfang gewannen, an Gregor VII. ge
ſchidt habe, mit dem Belenntniß, ſich gegen Gott und en heiligen
Petrus ſchwer vergangen zu haben, mit ber Bitte, daß der Papit
den durch den König in den kirchlichen Angelegenheiten gegen Fird-
liches Recht und Beſchlüſſe der heiligen Väter angerihteten Schaden
durch feine Zürforge und feine Machtvollkommenheit zu verbefiern
ſuchen möge, enblid) mit Zufiherung des Gehorfams und der Hülfs-
bereitfchaft'**). Im Folgenden ift die Rede von der Abfendung
ber Legaten Hubert und Gerald an Heinrich IV., die im Jahre
1074 gefchehen war, und c3 wird angeführt, wie der König diejen
Abgejandten gegenüber, indem fie ihn zur Buße ermahnten, die
gleihen Verſprechungen in feierliher Weife wiederholt habe? 122),
Das nächſte Ereigniß, deffen Erwähnung gethan wird, ift der Sieg
Heinrih’s IV. am 9. Juni 1075: „Der König hat für den Eieq,
den er erlangt hat, ſolche Dankjagungen und Opfer dargebracht,
daß er die Gelübde, welche er hinſichtlich jeiner Befferung gemadt
hatte, unverzüglid) brach und, indem er nichts von bem,
verſprochen hatte, beobachtete, die Gebannten in feinen engen Ber
kehr und Umgang wieder aufnahm und die Kirchen in die Der-
wirrung hineinriß, welche er anzurichten gewohnt war” 124).
vera IL. ef a Siminibue sanctae ecelesise separati — mit Anfefung eines
Termins — geweſen jeien, worauf dann nad dem am 21. April eingetzetenen
Tode des Papites erſt der Nachfolger Gregor VII, nad Berjänmmi
Termins, die eigentliche Grcommunicatıon ausgelpeodhen Babe wa nicht die
ber Ennode felbRt, jondern bloß Bonitho -— vergl. ©. 198 n. 20 — über bie
Eynode von 1073 berichten, b farn ja alferbings in der Zuchreibung der Ep
communication an Alerander II. ein Jrrthum vorliegen) Taß die 1073 und
1075 gemahrrgelten Perionen ibentife ſ feien, dafür betont Töberl, 38 n. 1, den
Eat von Registr. IV, 1: Quodsi . . . eorum, qui pro symoniaca heresi jam
per longa tempora (1076 Gefprieben: die Zeit exft Jeit 1075 reicht biefür nicht
aus) excommunieati sunt, consilium vobis (se. omnibus in Christo fratribus)
raetulerit (I. c., 239), und wenigftens für den Grafen Eberhard feht dieſe
entität fo viel ala feit (vergl. ©. 198 u. 4521 ©o werden alfo bie quidam
milires sui, quorum consiliis et machinationibus episcopatus et multa
monasteria, inductis per pretiam lupis pro pastoribas, simoniaca haeresi
foedaverat — und Gregor’» VII. Auftreten gegen diefelben: ad poenitentiam
vocavimus .. ... 3 communione et corpore totlus ecelesiae separarim:
(536 u. in das Jahr 1073 act, werden bürfen, wodurd bie vom Side
drecht gerundenen Schwierigkeiten wegiallen.
#2) Daß ein zweiter Brief: iteram nobis direxit epistolam supplicem
et omni humilitate plenam (537) an Gregor VII. abging, und zwar unter
den bier vom Rapfte genannten IUmfländen (vergl. ſchon &. 292 im n. 187°, if
gewiß, ala eine ridhtige Angabe aufzufaflen, wenn andy da® Edhreiben nicht im
Wortlaute bekannt F 8 ann nicht der von Jaffe, 1. c., 537. n. 1, 88
zogene, ©. 269 erwähnte Brief fein. Bergl eben die citirte n. 187 binfichtlich
der Annahme Döberl's, ber diefen zweiten Brief in dem November 1073 fepen
wollte, babri aber nur die vora te Fächfiiche Gefandticheft am Den Fapit
wergl. S. 339 n. 42) allyu nachdrũdlich in feine Erwägungen himeinzog.
129) Dergl. diefe Stelle des Rrechtiertigungaichreibens ſchen S. 379 mn. 2
20 Beil in der in n. 123 erwähnten Etelle von der £:
Rathe duch die Zegaten nicht geiprocen iR umd ebenjo ba —E
Gregor’3 VII. Rechtfertigungafchreiben an die Deutichen. 699
Mit dem weiteren Theile trat nun der Brief in die Auf-
zählung der Dinge ein, welche feit Ablauf des vergangenen Jahres,
jeit der Serbeiftihrung bes völligen Abbruches ber Bepehungen zum
Könige fih zugetragen hatten. Gregor VII. will da zuerſt — in
furzen Worten — den Inhalt jenes eine legte Wendung bringen-
den Schreibens angeben, welches — ſehr wahrfcheinlih am 8. De-
cember — an Heinrich IV. abgelaffen worden war. Die Abfendung
ſei dur ihm gejchehen, weil er, von tiefem Schmerze über die
Haltung des Königs durchdrungen, doch noch deffen Gemüth habe
prüfen wollen, in dem Wunſche, die apoftolifhe Milde, ftatt der
Strenge, anwenden zu können, und zum Inhalt habe das Schreiben
gehabt: der König möge der gemachten Verſprechungen eingebent
fein und nicht meinen, er fönne Gott betrügen, deſſen Zorn nad
langmüthiger Gebuld um fo ſchwerer treffe, noch verfuchen, feine
Macht zur Verachtung Gottes und zur Schmach des Apoftels Petrus
auszubehnen!?). Dann ift von der Abſendung der drei Getreuen
des Königs, mit Angabe der ihnen aus Rom mitgegebenen münd-
lichen geheimen Aufträge, die Rebe’?°). Auch Gregor VII. ftellt
ſchreiben ber ermeuerten Greommunication berjelben durch bie Faftenfynode von
1075 gar nicht gebenft, fo fällt duch bie Wendung: ut . . . excommunicatos
in suam familiaritatem et communionem reeiperet auf bie Handlungsweife
gumigs IV. das Licht, daß berjelbe die bei der Pönitenz 1074 entlaffenen
äthe noch dem Sachſenkriege wieder aufgenommen habe (vergl. auch Edberl,
39 u. 40). Bielmehr fcheint der König gleich nad) der Fafteniynode 1075 die
Rathe gar nicht von fich entlaffen zu haben. Das muß bejonder? dem Anna-
liften feit 1075 wohl befannt genden fein. Denn nicht nur erzählte er: rex
minime devitavit (sc. consiliarios) — vergl. ©. 452 in n. 7 —; fonbern er
jeftaltete auch in dem dieſem Echreiben Gregor’3 VII. entnommenen Zuſammen-
Sange (vergl. über dieſe Entlehnung ©. 581 n. 170) diefen Satz über bie receptio
excommanicatorum in bie Angabe um: excommunicatis . . . . consiliariis et
familiaribus suis praesumptuosus communicavit (SS. V, 280). YAud; auf ben
Punkt macht Döberl, 40, mit Recht aufmertjam, dat durch die Anmenbung des
Ausdruded continuo (sc. nad; Erlangung der vietoria durd) Heinrich IV.) die
ſchiefe Anficht befördert wird, ala fei der Bruch zwilchen anf und König Icon
glei) auf die Schlacht gefolgt, ſowie daß überhaupt diele receptio— wohl ge»
nauer aeibehaltung — der Ercommunicitten gar nicht bie Urfache zur Abfendung
des nachherigen Ultimatum® des Papftes war, und ebenfo mag man mit ihm,
41, den allgemeinen Sa in Bernoldi Chron., a. 1076 (nahe am Anfanı
His temparibus rex Heinricus per symoniacam heresim sanctam aeclesiam
fedare non cessavit, seilicet pro precio episcopatus, abbatias et alia huit
modi investiendo et inter alia erimina etiam excommunicafis communi-
cando (SS. V, 431) für eine Baraphrafe diejes Abfchnittes des Rechtfertigungd:
ſchreibens nehmen; daß aber Gregor VII, wenn unter der confusio ecclesi-
arum bie Simonie wirklich zu verſtehen ift, einric IV. damit Unrecht that,
hat er jelbft no am 20. Juli bezeugt (vergl. ©. 563).
186) Der Inhalt ber epistolae comminatoriae, des Gehreibend vom
8. December, ift aus ©. 577—579 erfihtlic, weicht aber von dieſer Skizzirung
im Rectiertigungsfchreiben, bie nur die allgemeinen Gebanten bringt, ftart ab.
128) Vergl. bielea wichtigfte Gtüd des Rechtiertigungafgreiben Ichon ob
©. 580. Doc ift ein ein —* Satz nad) de sceleribus, des Inhaltes:
quae quidam horrenda dietu sunt, pluribus autem nota et in multis
partibus divulgate, propter quae cum non excommunicari solum usque ad
Condignam satisfactionem, sd ab oınni honore regni absque spe recupera-
tionis debere destitui, divinarum et humanarım legum testatur et jubet
700 1076.
diefe Sendung ausdrüdlih als die Ausgangsftelle der nachherigen
die Entſcheidung in fi enthaltenden Ereigniſſe hin; denn, wie er
jelbft in feinem Berichte fortfährt, vom Könige wurde mun be:
wiejen, wie ganz und gar er auf jchriftlihe und mündliche
Mahnungen fein Gewicht lege. Weit entfernt davon, fid) zu beſſern
und Buße zu tun, ruͤhte er nicht, bis er fait alle Biſchöfe in
Stalien, in den deutſchen Lanbestheilen jo viele, als er dazu zu
bringen vermochte, zwang, fi) vom Gehorfan und der Ehre, welde
dem heiligen Petrus und dem apoſtoliſchen Sige geſchuldet werben,
Toszujagen '27).
Nach diejer nur ganz kurzen Erwähnung der Vorgänge von
Worms und Piacenza A, in Uebereinftimmung mit dem Snhatt
des auf der römischen Synode gefällten Urtheile®, die Angabe der
Verſchuldungen Heinrih’3 IV., um deren millen derjelbe cr-
communicirt wurde, nämlich des Umganges mit den gebannten
Näthen, der Weigerung der Buße für das jündhafte Leben, des
Verſuches einer Spaltung der Kirche: wegen dieſer Urfachen fei
er, nachdem feine Bosheit den höchften Grad erreicht habe, gebannt
worden 128),
An Ende ehrt der Papft zu den ihm gemachten Vorwürfen,
die ſchon am Eingange erwähnt waren, zurüd: „Wenn demnad
einer geglaubt haben follte, daß dieſes Urtheil_ im ungerechter oder
unvernünftiger Weiſe vorgebracht worden fei, jo mag er, wenn er
ein folder ift, daß er den heiligen Vorſchriften den Sinn des Ver-
ftändnifjes darzubieten den Willen hat, darüber mit ung verhandeln
und, wenn er in Geduld hört, was nicht wir, fondern was bie
göttlihe Machtvollfommenheit lehrt, wie fie verorbnet, was bie
einhellige Stimme ber heiligen Väter entfcheidet, ſich beruhigen“.
Aber Gregor VII. ift feit überzeugt, daß fein die kirchlichen Geſetze
kennender gläubiger Chrift die Rechtmäßigkeit des Spruches ber
ftreiten könne. Endlich wendet er fih an die Empfänger des
Schreibens, welche die Gerechtigkeit Gottes höher, als die Ungnade
des Königs, anfhlagen, und ermahnt fie zur Standhaftigteit.
Uebrigens verliert er auch die Zuverfiht nicht, daß der König noch
auctoritas (538) — ald Etüd der an Heinrich IV. durch die tres religiosi viri, sui
utique fideles gemadjten irtbetung autzufdeiben, twie Döberl, 45 u. 46, barı
tHut, insbeſondere mit bem richtigen Argumente, daß fonft Gregor VIL nachher
inconfequent geworben wäre; denn er würde fo, troß der im „Januar 1076 ber
wieſenen gänglihen Unnachgiebigleit Heinrich s IV., über denjelben thatſachlich
nachher eine mildere Strafe verhängt Haben. Der Sap if eine jeht erft, im Rechte
fetigungsfchreiben, mit unterlaufende „Expectoration Gregor’s*, ala Parentheie
in den Auftrag der drei Abgefandten Hineingeftellt.
27) Aus bdiefem mit den Worten: Verum quanti ipse aut seripta aut
— missa nostra verba fecerit, eius facta deelarant eingeleiteten Ab⸗
ſchnitie (538 u. 539) if in n. 3 (©. 612) eine Stelle mitgetheilt.
.?*) Döberl, 50, zeigt durch Narallelifirung des Textes des Rechtfertigungs-
fbreibend mit demjenigen des Spnobalurtheile (vergl. S. 639), fomie mit
beinjenigen von Registr. IV, 3 (vergl. bei n. 174), dak Gregor VII. ſtets die
leihen Urfachen für die Ercommunication Heinric'3 IV. nannte.
Beurteilung der geſchidten Zufammenftellung bes Schreiben. 701
in fi) gehen werde. So fließt er: „Deßwegen bitten auch wir
unabläſſig Gott für Euch, daß er die Kraft gebe, durch den heiligen
Geift in jeinem Namen beftärkt zu werden, und daß er das Herz
des Königs zur Buße wende, damit auch er felbft einmal erkenne,
daß wir und daß Ihr ihn viel wahrhaftiger lieben, als diejenigen,
welche jegt ihm in feinen ungerechten Handlungen folgen und ihn
begünftigen. Wenn er nun nad) Gottes Eingebung zur Vernunft
zu kommen den Willen gefaßt haben wird, jo wird er, was immer er
gegen uns beginnen mag, dennoch ung jtetS bereit finden, ihn in
die heilige Gemeinſchaft, ſowie es Eure Liebe ihm gerathen haben
wird, wieder aufzunehmen” 12°),
Die Auswahl der in dieſem Rechtfertigungsichreiben Gregor’s VIL.
hervorgehobenen Umſtände bei der Herbeiführung der Excommuni—
cation Heinrich s IV., die Zufammenfügung in dem Schriftftüde ift
mit großer Geſchicklichkeit gemacht. Es it nit am Plage, den
Vorwurf eigentlicher Entftellung gegen den Verfaſſer deſſelben zu
erheben 2%). Indeſſen gleitet doch die Erörterung über gewiſſe
einzelne Glieder der Entwidlung, fo über ben Umftand, daß die
im Jahre 1073 gebannten königlichen Näthe durch die päpftlichen
Legaten 1074 gelöft und wieder in die Umgebung Heinrich's IV.
eingeführt worden waren !®!), oder darüber, daß in Wirklichkeit in
dem am 8. December 1075 an den König abgelafjenen Mahn:
ſchreiben die Mailänder Angelegenheit ganz vorangeftellt gemejen,
völlig hinweg. Ebenſo ift nicht gejagt, daß das Urtheil der Synode
im Februar des Jahres die Antwort auf die im Januar aus
Worms ergangene Abfegung Gregor’s VII. geweien war. Tas
geihah nad) voller Ueberlegung. Der Papit will ja aus rein ſach—
lihen Urfachen, aus Gottesfurcht und aus Eifer für die Geredhtig-
feit, gehandelt haben, al3 er den König verurtheilte, und fo iſt von
dem Gegenfag feiner Perjon zu den Beſchlüſſen von Worms nicht
die Nede, da hieraus von vorn herein der abgewiejene Vorwurf,
aus Leidenfchaft gehandelt zu Haben, Rehmung finden Fönnte.
Ebenfo wollte das Schreiben einzig den Zweifeln betreffend bie
Rechtmäßigkeit der Ercommunication antworten, und fo handelt
deffen ganze Ausführung bloß von diefer geiftlichen Seite der gegen
Heinrich IV. ausgeſprochenen Strafe, nicht aud von den an die—
199) Die Wendung am Schluſſe diefes Abſahes (539 u. 540): semper tamen
nos ad reeipiendum eum in ennelam communionem, proul vestra caritas
nobis consuluerit, paratos inveniet — zieht jehr deutlich die Mitwirkung ber
yeutichen Zürften, am welche das Schreiben ſich richtet, in die Angelegenheit
inein.
130) Gegen Floto's weitgehende Angriffe, welche derfelbe, 1. c., II, 95 (Rote),
gegen das Dlanifet richtet, es enthalte „viele Entftellungen der Wahrheit“,
wandte fi} Heiele, Gonciliengeiichte, V, 83 n. 1, und Gielebrecht, III, 1143,
in den „Anmerkungen“, gab gleichfalls Floto nicht feine Zuftimmung (doc vgl.
n. 121). Zöberl’ in n. 32 genannte Schrift hat das Verbienft, die Bedeutung
des Rechtfertigungsfchreibens in das richtige Licht gerüdt zu haben.
2) Vergl. hierüber n. 124.
702 1076.
jelbe für die Stellung des Königs jih anfnüpfenden Folgen, der
Abjegung, der Aufhebung der Eidesverpflihtung der Unterthanen.
— Aber faum lange nad) dieſer Rechtfertigung der von ihm
vollzogenen Handlungen ließ Gregor VII. — am 25. Juli aus
Zaurentum — eine Kundgebung an noch weiter erftredte Kreije aus⸗
gehen, nämlid an Biſchöfe, Aebte, Priefter, an Herzoge, Fürſten,
Nitter, an Alle, die den chriftlihen Glauben und die Ehre des
heiligen Petrus wahrhaft lieben, im römiſchen Reiche überhaupt.
Was in jenem Schreiben ſchon ausgeſprochen worden war, findet
ſich mit noch größerer Beſtimmtheit wiederholt und bejtätigt'?*).
Der Papit preift hier Gott unter Danffagung dafür, daß er
feine Kirche fortwährend ſchütze und vertheidige, was jih in der
Erweckung der in dem vorangejchicten Gruße angeredeten Einpfänger
des Schreibens, zur Nachfolge im Gehorjam gegen Gott, erweije.
Darauf folgt eine Andeutung der unerhörten von Heinrid) IV. der
Kirche zugefügten Ungerechtigfeiten, des Verfalls, in welchen diefe
durch ihn geworfen ſei. Gregor VII. bezeugt, den König oft ge-
warnt und gemapnt zu haben; aber die Welt und befonders die
Leſer des Schreibens willen, wie ftatt des Guten Böſes von dem-
jelben zurüdgegeben worden jei. Doch es ift die Pflicht des
Bapites, den Böfen zu widerftehen, damit fie zur Vernunft kommen,
und fo fordert er die Angeredeten auf, fi zu bemühen, um Hein:
rich IV. der Hand des Teufel? zu entreißen und zur rechten Buße
aufzufordern, damit er in den Schoß der Kirche, Die er zertrennen
wollte, zurüdgerufen werben könne, jo aber, daß jeder Rüdjall_aus-
geichloffen fei. Wolle aber der König diefen Stimmen fein Gehör
ichenfen, fondern den Rath der wegen ihrer fimonijtiihen Hand-
Iungen Gebannten vorziehen, jo it der Papſt ganz entichloffen,
gemeinfam mit den von ihm angerufenen Anhängern, denen cr
feine Worte hier zufendet, darauf auszugehen und teufteilen, auf
welhem Wege der ſchon nahezu zum Schwanken gebrachten all»
gemeinen Kiche in mannhafter Weife Hülfe gebracht werden könne '*).
Diejenigen unter den Anhängern Heinrich's IV., welde fih von
demſelben abgewendet haben, follen aufgenommen und zur Kirche
128) Daß Registr. IV, 1, J. 4998 (l. c., 238—240), vielmehr, entgegen der
Anordnung Jafje's (und Löwenfeld's), nach Epistolne colleetae, Kr. 14, anzu
fegen ift, hat Döberl, 1. c., 30, nadgewieien. Denn abgejehen von einer ge
willen zuverfihtlichen Derichärfung bed Zones in dem Schreiben an die in
Romano imhabitantes perio — gegenüber der an bie bem regnum Teutoni-
eorum Angehörigen gerigteten Erklärung —, darf der Pafius: Cui (sc. regi)
nos, fraterna dilectione et amore patris et matris eius duct, adhuc in dia-
conatu_positi, admonitionis verba transmisimus (ete.) (239) ala ein Auszug
des Rechtfertigungsichreibene, ala ein Hinweis auf baflelbe, weldes aljo voran»
gegangen jein muß, betrachtet werben.
128) Das ift fo audgebrüdt: di inspirante potentia simul inveniamus
simulque statuamus, ut, Deum homini praeponentes, universali ecciesiae
jam jam pene labenti viriliter suceurramus. Borher war von inanditae
prayitates et diversae iniquitates regis, et utinem christiani et vestri,
Die Rebe.
Gregor’3 VII. Kundgebung an bie Gläubigen im römiſchen Reihe. 703
zurüdgeführt werden. Dagegen ſchärft das Schreiben denen, an
welche «3 ſich richtet, auf das beſtimmieſte ein, daß mit den feine
Neue zeigeuden Biſchöfen und Laien aus des Königs Umgebung
durchaus fein Umgang ftattfinden dürfe; denn dieſe find es, welde
ihre eigene Seele und die des Königs haffen und morden und fid)
nicht ſchämen, das Neid und die Stiche zu verwirren. Aber zu-
glei ruft der Papft wieder Gott zum Zeugen auf, daß Feine welt-
liche Rüdfiht, ſondern nur die Erwägung der Pflicht ihn zu dieſem
Vorgehen gegen verberbte Fürften und gottloje Priefter bewege,
nad der Weberzeugung, daß es beſſer ſei, den fleiſchlichen Tod
durch einen Gewaltherrſcher zu erleiden, als ſtillſchweigend der Ver—
nichtung des hriftlichen Gefeges zuzuftimmen.
No ausdrüdliher, als im Rechtfertigungsſchreiben, iſt alfo
auch Hier wieder die Mitwirkung zahlreicher Kräfte, ganz voran
im deutfchen Reiche, in Anspruch genommen, um Heinrich IV. zur
Kirche zurüdzubringen, den Einfluß feiner Anhänger zu breden und
auch diefe jelbft von ihrem bisherigen Thun abzurufen.
Je beitimmter in folder Weife aus Rom die Mitarbeit deutſcher
Kräfte, aus den Geiftlihen und den Laien, in Anſpruch genommen
wurde, um jo erwünfchter mußte es für Gregor VII. fein, daß
eben zu diefer Zeit durch bejähigte gelehrte Schriftfteller in kirchen⸗
rechtlichen Abhandlungen die von der römifchen Kirche ausgehenden
Forderungen erörtert und empfohlen wurden. Dem Sabre, in
welchem der Bruch zwiſchen Königthum und Papſtthum eintrat, ge
hören Arbeiten an, die bejonders für die in Schwaben den Er-
eigniffen geſchenkte eifrige Aufmerkſamkeit als Zeugniß dienen.
In der Zeit des Biſchofs Rumold weilte als ein Schüler des
bochgepriefenen Lehrers Bernhard’) zu Conftanz ein junger Sohn
eines Prichlers, Bernold; da genoß er den Unterricht deſſelben fo
lange, bis, wohl noch am Ende diefer gleichen biſchöflichen Ne:
gierung, der Weggang des Meijters eintrat’°°). Es ſcheint aber,
1%) Die Beziehungen Bernold’3 zu Bernhard, find mehrfach vom Schüler
felbR bezeugt. Im den Ginleitungsworten der Epist. I in der Schrift De
damnatione schismaticorum fdpreibt Bernold: Domno ac venerando sacer-
doti Bernhardo, doctrina ac moribus adornato ... Bernaldus, und ebenfo
nennt er ihm in dem der Schrift De sacramentis excommunicatorum voran-
geftellten Gruß religiosissimus sacerdos et prudentiseimus preceptor, worauf
folgt: Non enim jam modo ut quondam vestri examinis censuram subire
timemus; set optamus, qui olim manum nostram ferulae vestrae in scolis
multociens subduximus (Libelli de lite, II, 27, 89). Im Chronicon gedachte
Bernolb des Bernhard, a. 1088: Bernhardus Constantienaium wmagister sco-
larım, vir eraditiseimus, in causa sancti Petri ferventissimus, in Saxonia
sub monachica professione migravit ad Dominum, und ebenjo fam er a.
1091 auf Bernhard’ Exhriften zurüd (SS. V, 448, 451 u. 452).
185) Bernold’s Abflammung geht aus Alboin’s Epist. IT in der Schrift
De incontinentia sacerdotum Becher: cum certum sit, te de eodem ... .
Bessato (se. auß der Derbindung eined Prieflerd) case progenitum (1. c., If, 12)
18 Geburtsjahr mocht E. Etrelau, Leben und Werte des Monches Bernolb
794 1076.
daß Bernold hernah bald auch jeinerjeit3 Conitanz verließ und,
zwar innerhalb des Bistums, in dem zu ftetS größerer Einwirkung
auf die öffentliche Stimmung gelangenden Klojter St. Blafien im
Schmwarzwalde feinen Aufenthalt nahm, wo er als Mönd mohl
ſchon gleih von Anfang an eintrat’®°). Ta hatte er auch seit
den eriten Jahren nad) 1070, etwa 1073 und 1074, in dem Vor—
fage, das Geſchichtswerk Hermanns des Zahmen, von Reichenau, un:
mittelbar fortzufegen, jeine Chronif niederzujchreiben angefangen,
in ihren erften Theilen unfelbftändig, im Anſchluß zumal an
mann’3 eigene Arbeit und an die Fortjegung deſſelben, über das
Jahr 1054 hinaus; denn erit von 1074 an ift Die eigene Arbeit
begonnen, bis in das Jahr 1077 mehr noch in der Art, daß die
Ereignifje eines einzelnen Jahres je in einem Zuge nad) einander
aufgezeichnet wurden, hernad) jedoch jo, daß die Niederichrift ohne
Zweifel ganz gleichzeitig mit den Xorgängen geihah?”). Tod
daneben widmete fih Bernold jehr bald mit wachſendem Eifer ber
Bearbeitung von längeren Ausführungen über die Tagesfragen,
welde die Geijter in feiner Umgebung jo lebhaft in Anfprud
nahmen, und hier fand er nun die reichlidhite Gelegenheit, die um—
faſſende Belejenheit in den kirchlichen Schriftwerfen darzulegen,
welde er unzweifelhaft feinem Lehrer Bernhard zu verdanken hatte.
In eine jchriftftellerifche Fehde ließ ſich Bernold ein erites
Mal etwa zu gleicher Zeit — oder kurz danach im Jahre 1075 — ein,
in welcher er feine Aufgabe als Gefchichtöfchreiber zuerft in eigener
Arbeit aufgriff'®*). Er führte fie mit einem an Jahren jedenfalls
von Ct. Blafien (Leipziger Differtation, 1889), 2 u. 3, die Zeit um 1054 jehr
wahrfceinlich. Ebenfo ſcheinen, wie Uffermann, Monumentorum res Alemanni-
cas illustrantium Tom. II, 213, n. 59, hervorhebt, die Worte Bernhard’s
in feiner Epist. I der Schrift De damnatione schismaticorum: gratiam,
uam sepe mibi (o {N fait Ubi jenfale qu len) valefacieni sniari mes
sanctissimo Rumaldo, hodie coelestis aulae domestico, dederas (1. c., IL, 47)
anzubeuten, daß Bernhard vor 1069, dem Zobesjahre Biſchof Rumold's (vergl.
®d. I, ©. 630 u. 631), Gonftanz verlaffen Hatte, um nad) Hildesheim, wo er
wenigftend 1076 weilte (nad) der gleichen Epist. Il: apud sacrosanctam Hil-
denesheimensem ecelesiam, cui ego indignissimus nune servio, 1. c., 44),
Kierfiebetn, wonach Korvei der lehte Aufenthaltsort bes Lehrers wurde (vergl.
Strelau, 4 u. 5).
186) Gegenüber ber allgemeinen, auch durch Wattenbach, Deutſchlands Ger
ſchichtsquellen im Mittelalter, 6. Aufl., II, 57, aufgenommenen Anficht, Bernold fei
erft 1086 Mönd in St. Blafien gemorben, machi Strelau, bejonders aud unter
Betradtung des in ber Chronik behandelten ober aber übergegangenen Stoffes,
5 ff., dorzüglid 37—41, in einem eigenen Grcurfe, geltend, Bernold fei ſchon
nad 1070 nicht mehr in Conftanz geweſen. Thaner weift, Libelli de lite, I,
1 u. 2, bieje HYpothele urlid, ohme fie zu wiberlegen.
197) Vergl. über Bernold als Geſchichtſchreiber ebenfalls als Iehte Zuſammen -
faifung der Ergebnife Etrelau, 71 ff. Die Stelle, wo —8 tändiger
Berichterftatter wird, ift ob. ©. 410, n. 148, angemertt.
19°) Hinfichitich. ber zeitlichen Anſehung der ſechs Briefe — von Bemold
ber erfte, dritte, fünfte, von Alboin der zweite, vierte, ſechſte — der Edirift
Schriftſtelleriſcher Charakter Bernold's; ber Streitbriefwechſel mit Alboin. 705
erheblich älteren Priejter, Namens Alboin, und der Gtreit nahm
in den mit fleigender Grobheit verfaßten Briefen, bie im Wechſel
ber Schreiber auf einander folgen, eine völlig ärgerlihe Form an;
anbererjeitö bewies er durch dieſe Heftigfeit der ausgetaufchten
Aeugerungen, wie ſehr eben die verhandelte Frage die Gemüther
bejchäftigte.
Der Ausgang ber Erörterung lag in einem Geſpräche, das bie
Beiden über den Inhalt des dritten Capitels der Beſchlüſſe der
Kirhenverfammlung von Nikäa gehalten hatten. Die hier ben
Prieftern auferlegte Enthaltfamkfeit in fleifchlihen Dingen hatte
Bernold durchaus betont, Albion dagegen aus der Kirchengeſchichte
Caffiodor’3 die Aeußerung des Biſchofs Paphnutius hervorgehoben,
bie in einem ganz abweichenden Sinne auf dem gleichen Concil
vorgebracht worden fei, wonad) die Priefter mit ihren Eheweibern
ganz freien Umgang pflegen dürften. Beſonders machte Bernold
noch dem Gegner zum Vorwurfe, daß er biefe Forderung bes
Paphnutius fogar den eigentlichen Beſchlüſſen der Kirchenvertamm-
lung beigezählt habe!°°). So erwuchs die Meinungsverſchiedenheit,
welde Bernold ein Mal dazu brachte, dem älteren Gegner vorzu-
werfen, er habe in feinem übel gedrechſelten ſchmähſüchtigen Briefe
nichts bewiefen, und welche auf der anderen Seite wieder Alboin ver-
lodte, Bernold, zu deſſen tieffter Beleidigung, die Abftammung von
feinem priefterlihen Water vorzurüden 4%. Dann verwahrte fi
Alboin jehr ausdrücklich dagegen, im Allgemeinen dafür eingetreten
zu fein, daß den Prieftern Ehefrauen zu geftatten feien. Wohl
aber hielt er das neuerdings von der Faſtenſynode von 1075 aus:
gegangene Verbot der Priefterehe für eine fehr unüberlegte Maß-
regel, die nicht als ein glücklicher Schritt angefehen werben könne,
und unter Einkleivung feiner Ausführungen in ber Erwähnung
älterer firhengefhichtliher Vorgänge wies er darauf hin, was aus
den Ehen von Prieftern werben jolle, die fi) vor dieſen neueften
Verboten verbunden hätten!*). Aber dem gegenüber ftand nun
De incontinentia sacerdotum (Libelli de lite, II, u et ber Herauds
jeber Thaner ganz mit Gtrelau, 24, überein: fie erſtreckt über bie Zeit von
be 1074 bis Anfang — genaner nad) Februar — 1076.
189) Diefe Anfänge ſeht Bernold in Epiat. I, 1. c., 7, aus einander, wo
das capitulum concilii und ba3 capitulum ex ecelesiastica historia quae di-
eitur Tripartita, einander gegentibergeftent werben. Entgegen Strelau's Bes
hauptung, 17, baß der Eölibat der Ausgangspunkt geroeien fei, mat Thaner,
L e., 4, darauf aufmerlfam, daß vielmehr de prohibenda sacerdotum incon-
tinentia, wie Bernold fagt, der sermo begonnen worden war.
140) Bernold ſpricht in Epist. III von ben literse . .. tam male torna-
tae, ber tam malediea, tam illimata epistola, von bem patris peecatum jam
dudum et in ipso patre ner paenitentiam annichilatum (l. c., 18, 16, 15).
») Alboin fast in Epist. IV: neque ta negne aliquis sanae frontis
salva voritate in füciom Confteri potest, quin mo ungusm » >, Proprias
uxores sacerdotibus concessisse audiret ... Propter quam rem vel a te,
vel ab aliquo me notari non vereor, quia sicut sancto Gregorio Sicilianos
diacones ab uxoribus non in tempore prohibitis violenter et inordinate
Weyer von Anonau, Jahrb. d. tig. R. unter deinrich IV.u. V. 80... 45
706 1076.
Bernold ganz auf dem Boden der meuen durch Gregor VII. vor⸗
gebraten Auffaſſung, und er wagte es, unter Hinweis auf die
kürzlich gejchehene göttliche Beltrafung des Biſchofs Heinrich von
Speier, feinen folgenden Brief mit den Worten zu ſchließen: „Das
dir jeht alfamo beſcehe“ +), Da lenkte Alboin, um nicht auch
auf fi die Strafe heranzuziehen, mit einer Andeutung, daß er im
Auftrage eines Anderen bisher aufgetreten ſei, in einem legten
kurzen Briefe ein 142),
— Diefer Streit mit Alboin war eine erftmalige Erprobung
der fhriftitellerifchen Begabung Bernold’3 gewefen, ein Beweis für
die ihm inne wohnende Geſchicklichkeit, die ihm zu Gebote ftehen-
den umfangreichen Kenntniffe in den kirchenrechtlichen Schriften zur
Geltendmahung grundfäglicer Fragen heranzuziehen und zu ge
ftalten. Zu einer ohne jeden Zweifel ihm nod viel würdiger er-
ſcheinenden Aufgabe faßte nunmehr, nach Beendigung jenes geiftigen
Gefehtes, der Schüler Bernhard's feine Kraft zuſammen, als er,
wie faum zu bezweifeln ift, in dieſem Jahre des zwiſchen Papit
und König ausbrehenden Kampfes, feine „Vertheidigungsichrift”
für das Vorgehen Gregor's VII. gegen Simoniften und unenthalt-
ſame Priefter ſchrieb !*).
separari, deteriorem casum timenti, minus plaeuit, et uti Pafnutius ante
consecrationem legitime ductis uxoribus, similiter oecasionem fornicationis
abhorrens, sacerdotes non commisceri contradixit: sie etiam mihi homun-
eulo..nimis ac nimis temeraria nostri temporis prohibitio, non ex omni parte
beats videri potuit (sc. Die Borfchrift der Faftenfpnode von 1075: vgl. 5. 454).
Ebenfo nimmt er danach deutlich auf die patariniihen Ausfhmweifungen Bezug
in den Worten: ille etiam adhuc deteriori anathemati succumbat, qui... .
sacerdotes a secularibus infestari, accusari, arceri, despici, contemni, ab
aecelesiis absque synodali judicio eliminari approbat (I. c., 16, 17).
142) Yergl. zum Schluß von Epist. V (l. c., 26) ob. ©. 483 u. 484.
4) Die Worte von Epist. VI (l. c.): Si non propter Deum omni crea-
ture subjacere deberem . . . bezieht Thaner, 6, auf den ſchon in Epist. II
erwähnten noster senior, Biſchof Dtto von Conftanz (vergl. S. 416 n. 152).
144) Dielen Apologetieus super deereta, quae venerabilis papa Gre-
gorius eiusdem nominis septimus ım Romana synodo promulgavit contra
symoniacos et incontinentes altaris ministros fegte Thaner, Libelli de lite,
IL, 60—88, an dritter Stelle in Bernold's Schriften, nad) den einleitenben
Worten (59) zwifchen 1076 und 1085, doch wohl nicht viel nad) 1076. Dabei
iſt er über eine anbere Anordnung Strelau's, 1. c., 27 u. 28, ſtigſchweigend
hinmweggegangen, welche aber volle Beachtung verdient. Strelau zeigt nämlich,
daß Bernold im Apologeticus, c. 22, von den publici contemptores apostoli-
cae institutionis jagt: Incassum . „ indutias suae damnationis a nostro
apostolico querunt .. . in dubiis enim rebus, licet veris nondum tamen
ublicatis, mecessario conceduntur indutiae (86), daß dann aber demſelben
jebenten getommen fein müffen, jo daß er, mit Adalbert, feinen früheren Vehrer
Bernhard in Epist. I der Echrift De damnatione schismaticorum hierüber
um Auskunft erfucht und dann ber von demſelben geäußerten Auffaijung im
Weientlichen fih anfchlieht (vergl. naher ©. 709-711). Demnach iR, ber
Apologeticus vor den Briefwechfel, wilden Adalbert und Bernold auf ber einen,
Bernhard auf der anderen Seite, zu ftelen. Daß anberenteild ber Briefwechjel
mit Alboin dem Apologeticus voranging, zeigt gl ich der erfte Sak der Gin:
leitung des lepteren: In superioribus epistolis illi nostro, nolit Deus, ne
Bernold's Apologeticus für Gregor’s VI. Vorgehen. 707
Bernold geht in der vorausgejchidten kurzen Einleitung von
dem Gebanfen aus, daß immer noch Leute übrig bleiben, welche
den gefeglichen Vorfchriften des Papftes hartnädig widerſtreben
und dadurch auch Andere zur Verachtung jener Gebote verführen.
Er meint aber, das wäre nicht geihehen, wenn dieſe Bethörten
wüßten, wie wenig oder vielmehr wie durchaus nicht der Papft in
diejen feinen Beſchlüſſen von ben heiligen Vätern abweiche. Deß-
wegen will er dieſe Feitfegungen Gregor’3 VII. mit den kirchen⸗
rechtlichen Schriften vergleihen und deren gegenjeitige Ueberein-
ftimmung kurz und getreu darlegen, wie fie beide aus ber heiligen
Schrift ſelbſt herausgeflofien feien. Den Ausgang nimmt der Ver-
failer dabei von dem Schreiben, in welchem Gregor VII in März
1075 den Bifhof Dtto von Gonftanz von den Beſchlüſſen der
Faſtenſynode jenes Jahres, betreffend Simoniften und unenthaltjame
Prieſter, Mittheilung gemacht hatte!*), und im einer längeren
Reihe von Capiteln wird nun mit Beweiſen einer erftaunlichen
Beleſenheit, melde allerdings auch unehten Stüden ihre Waffen
entlehnt 14°), dargethan, wie völlig der Papit in Uebereinftimmurig
mit allen jenen älteren Vorgängen gehandelt habe, hödjfteng mit
dem Unterjchiede, daß in milderer Weije, mit geringerer Strenge,
al3 durch jene früheren Wächter kirchlichen Rechtes, in dieſen feinen
Verfügungen geurtheilt worden jei!). In jeden alle gelangt
Bernold zu dem Schluffe, daß es fehr ungerecht fei, Gregor VI.
für weit ältere Vorfchriften Vorwürfe zu machen, während cr fih
in der unvermeidlichen Nothmendigkeit befunden habe, denſelben ſich
dein dicam emulo, sed amieissimo (sc. Alboino), satisfacere studui et
capitulum statutis nostri apostoliei contrarium nullatenus attendendum ut-
puta sub anathemate prohibitum evidenter monstravi, ad idelicet, ut
ipee amicus noster se jam non ulterius contentioni, sed amicitise operam
turum mibi rescriberet (60).
145) Vergl. über dieſes Schreiben, J. 4933, dad hier in c. 1 (60 u. 61)
wieder eingefchaltet iR, ob. ©. 456. Bernold zählt hernad) in_c. 5 nodmals
u galt bier Hauptvorfcpriften, die Gregor VII in dem Schreiben gab,
auf (65)
"e) Bon c. 2 an ſehen biefe Grörterungen ein, mit e. 6 |preiell in An-
nüpfung an die durch c. 5 (vergl. u. 145) hervorgehobenen vier Forderungen
vom 1075; beſonders in c. 3: De auctoritate apostolicarım institutionum ift
die Benugung unechter Stüde jehr häufig.
34) Diele größere Milde hebt querft c. 6 hervor: Quod tamen statutum
superior capitulo (sc. das im Beginn diejes Capitels eingeihaltete Stüd aus
den Gomeilöbeihlüfien von Ghaltebon, von 451) mitius liquido probatur, cum
iritmalium offieiorum venditores et tam nefariae negotiationis mediatores
lebita ultione non dampnet, quos tamen predietum capitulum cum ipsis
emptoribus degradandos vel anathematizandos esse decrevit (66). ann
folgen, c. 7 (am Ende), c. 19 (am Ende), c. 21 (67, 83 u. 84, 86), ähnliche
Anıf ngen. Immerhin läßt dazwiſchen in c. 20 Bernold die Frage eins
fliefen: Fortassis autem aliquis dieit, cur noster Gregorius tam contraria
nostrae consuetudini statuta obseryari praeceperit, cur non potius nostram
eonsuetudinem quasi misericordi dissimulatione tolerarit (84): darauf foll
eben dieſes Gapitel die Antwort ertheilen.
45*
708 1076.
anzufchließen, wenn er nicht fich felbft der härteſten Anſchuldigung
ausfegen wollte 1°).
Am Schluffe faßt dann der Verfaffer feine Ueberzeugung noch
in einer Anzahl allgemeiner Säge zujammen, welche gleid viele
Stellen zur Anfnüpfung der von Nom her durch Gregor VIL er-
hobenen Anfprüche darboten.
Nach einander folgen ſich in beftimmteftem Ausdrucke die Aus-
ſprüche über die Vollmacht des römischen Stuhles. — Zuerft heißt
es, daß ber Inhaber des apoſtoliſchen Siges nad) göttlihem Aus-
fprude immer den Vorrang beſeſſen habe und inne haben werde,
jo daß er über die Kirchen der ganzen Welt nicht nur nach ben
alten Einrichtungen, jondern auch nach neuen verfügen könne, wie
eben die Erforberniß der verſchiedenen Zeitumjtände das begehre.
Daran fließen fi weitere Grundfäge ähnlicher Art. Ohne Auf-
ſchub werden folde, die fih der Ordnung der römiſchen Kirche
offenkundig wiberjegen, verurtheilt. Ein einzelner Bifchof hat über
die jeinem Sprengel angehörigen Geiftlihen fein Recht zu urtheilen;
fondern der römiſche Papſt allein kann dag Urtheil jprechen, weil
der apoftolifche Sig, als Angel und Haupt aller Kirchen, von
feinem Anderen al3 dem Herrn beftellt worden ift. Ebenſo hat der
Papſt das Recht, ohne irgend eine vorangehende Synode jolde,
welche eine ungerechte Synode verurteilt hatte, zu löfen und je
nad Nothwendigkeit, ohne daß es einer Synobe bedarf, zu ver
urtheilen, gemäß dem vom Herrn ertheilten Vorrange des heiligen
Petrus. Sein Bischof hat über bie ihm anvertraute Heerde jo viel
Macht, wie der Papſt; denn mag biefer auch den Bereich jeiner
Sorge nad) einzelnen Bisthümern getheilt haben, fo hat er ſich doch
damit der allgemeinen und oberften Vollmacht nicht beraubt, jo daß
er in jeglicher Kirche auch gegen den Willen des Biſchofs jegliches
Ding nad den kirchlichen Vorſchriften anordnen kann. Co hat
irgend ein Untergebener eines Biſchofs dem Papft mehr, als dem
eigenen Biſchof, Gehorfam zu leiften; denn ihn vermag die Rechts:
befugniß des eigenen Biſchofs nicht von ber Verurtheilung durch
den Papft zu befreien, falls er deſſen Befehlen ungehorjam war.
Dagegen vermag der Papft einen folden Angehörigen eines
Sprengels, falls diefer ipm Gehorfam gezeigt hat, von aller Gemalts
famfeit des eigenen Biſchofs auf das leichteſte zu befreien, indem
er ihn der Botmäßigfeit deſſelben gänzlich entzieht, oder dadurch,
daß der betreffende Bifchof durch Werhängung von Tadel oder Be
ftrafung von Seite des Papftes, und zwar aus beflen eigener
Macht, von Begehung von Unrecht zurüdgehalten wird 1).
1%) Das ift im letzten Safe von c. 20 auegelproden, mit ber Wendung:
Satis ergo patet, quam inmerito quidam nostro apostolico pro superioril
statutis (se. diejenigen don 1075) indignentur, und mit der gleichen Reid wieder:
holten Wendung: Indignentur (ete.) greift Bann c. 21 auf analoge ältere lirch
liche Verfügungen zurüd (85 u. 86).
34) Diefe allgemeinen Behauptungen folgen fi in ce. 21-24 (86-88)
Süße des Apologeticus. Briefwechfel Bernold's (Abalbert’3) m. Bernhard. 709
— Für die Beurtheilung Bernold's in biejen erften Jahren
ſchriftſtelleriſcher Thätigkeit fält endlich noch eine zweite Reihe von
Briefen in das Gewicht, wenn auch äußerlich fein eigener Antheil
an denſelben mehr zurüdzutreten ſcheint. Denn diefe Briefe
wurden zwiſchen dem ſchon genannten Lehrer Bernold's, Bernhard,
und den gemeinſchaftlich als Verfaffer ſich nennenden Frageftellern,
Adalbert und Vernold, getauft, und weil Adalbert Bernhard’s
Zehrer gewejen war!°0), verftand es fi von ſelbſt, dab Bernold
Hinter dieſem weit älteren Mitarbeiter, dem Lehrer feines eigenen
Meifters, ehrfürchtig zurüdtrat, obſchon ohne Zweifel bie eigent-
Kane Mesebeeiaft der betreffenden Schriftftüde Vernold zuzumeifen
iſt i
Die Frage, welche Adalbert und Bernold in einem erſten
Briefe — ohne Zweifel nicht lange nad der im Februar abge
haltenen römiſchen Synode '°?) — dem ferne von ihnen, in Hildes-
heim, weilenden Bernhard vorlegten, bezog ſich auf zwei Angelegen-
jeiten, welche eben durch Gregor’3 VII. Entſcheidung auf diefer
rzlich geſchehenen kirchlichen Verfammlung zu allgemeiner Be-
deutung emporgehoben worden waren. Das dabei gefällte Urtheil
des Papftes über die offenkundigen widerfpenftigen Urheber ber in
Worms gegen den apoftolifhen Stuhl ausgefprochenen Verdammung
— dag Hi bie erfte ber beiden Fragen — ſcheint den Schreibern
des Briefes mit den firhlichen Ordnungen ganz im Einflange zu
160) Daß Adalbert Bernharb’s Lehrer geweſen war, geht aus De damnatione
schismaticorum, Bernhard’3 Epist. II, c. 44, hervor: venerande pater ...
0 me infelicem, immo infelieissimo infeliciorem, quod ego olim digitis tuis
probatissimam distillando mirram mihi quid agendum preseribentibus non
obedivi, quod instar aspidis aurdae aurem tuis monitis obduravi (1. c., 46),
Unter bem Adalbortus presbyter et vere monachus im Rekrologium und dem
doctor Adalbertus, facto verboque disertus, jam 30 annis mundo crucifixus
et in fine ad evangelicam perfectionem perduetus, im Chron., a 1079
(Zobeötag: 3. Non. ) (SS. V, 392, 436) ift jedenfalls biefer Lehrer Bern:
hards a verftehen. Daß Bernhard nicht mehr im Bisthum Sonkanz war,
zeigt in Epist. II, ncben in n. 185 aufgenommenen ‚Stelle, noch der Sa in
©. 32: Cum quidam ... et marime apud vos, blandiantur sibi, affırmantes
ge non esse simoniacos (etc.) (4
151) Meber Bernold’3 Autorihaft vergl. Strelau, 1. c., 28 u. 29. Uebrigens
ift Strelau, 29 u. 30, der Anficht, daß die Correſpondenz weder vollftändig,
noch ganz wortgetreu überliefert vorliege, das erfte, weil die voraußzufeßende
Antwort Bernharb's auf Adalbert’s und Bernolb’3 zweiten Brief fehle — nach
dem Ipäteren, zwiſchen 1084 und 1088 verfaßten Schreiben Vernold’3 an Bern:
ar sacramentis excommunicatorum, c. 1, if zu jchließen, aus den
Worten: jam dudum ante multos annos multa ad invicem scripsimus (sc.
de sacramentis excommunicatorum), nec tamen eo tempore aliquam cer-
titudinem invenire potuimus (l. c., 89), daß eben eine Einigung zwiſchen ben
abweichenden Meinungen nicht gewonnen wurde —, das zweite, weil Bernharb’s
Bist, U aus Epist. I Stellen, wie ber Schreiber fagt, wörtli) herauähebt, die
aber in Epist. I fehlen.
158) Bernharb redet in Epist, IL, ce. 36, in ber ©. 376 n. 90 mitgeteilten
Stelle, vom Jahre 1075 ausdrüdlich als hem prior annus, und auch jonft fept
bie ganze Schrift die Faftenfynode von 107
voran
ala vorhergegangene Thalfache
710 1076.
ftehen, und zwar halten fie die Aufftellung eines doppelten er:
fahrens durd den Papft gleichfalls für ganz richtig, daß er nämlich
die offen vorliegenden Vergehen fogleih ohne Aufihub und Ver⸗
anftaltung eines Verhörs zur Strafe zog, dagegen für obſchon
wahre, doch noch nicht offen dargelegte und unzweifelhaft erwiejene
Dinge noch eine Zeitfrift feftfegte, auf melde die Angeklagten fih
zur Verantwortung bereit halten fonnten. Die zweite Sade war
die Austheilung der Sacramente durch Simoniften ober durch von
der Ercommunication betroffene Ptieſter. Ueber dieſe beiden
Gewiflensfragen wünſchten die zwei Verfaſſer des Schreibens Bern-
hard's Anficht zu vernehmen !°°).
Sehr einläßlic) lautete Bernhard's Antwort, die aber einzig
an Adalbert ſich richtete. Nach einem in die ausgeſuchteſten Worte
und Bilder eingefleideten Danke, daß die Anfrage an ihn ergangen
fei, tritt die Entgegnung in ben Inhalt der Fragen ein. So
wie biefelben geftellt worden find, unter Aufwand großer kirchen⸗
rechtlicher Gelehrjamfeit, antwortet der _Gefragte mit Serbeigiefung
einer Fülle von Beifpielen aus den Entjcheidungen von Kirchen
verfanmmlungen und Päpften, aus kirchengeſchichtlichen Vorgängen
überhaupt. Zwar vermeidet er in Hinfiht auf die erfte der auf-
geworfenen Fragen eine ummittelbareren Aufihluß ertheilende Er-
widerung '5), und er tritt dann, ehe er bie zweite Frage an bie
Hand nimmt, auf Dinge ein, deren Berührung ohne Zweifel die
Empfänger des Schreibens in nit erwünjchter Weife überrafchte.
Denn Bernhard erwähnt da die Ausführungen jener Gregor VII.
gegnerifchen Stimmen, welche die Verurtheilungen duch die Synode
nit auf firhliche, jondern auf genattthätige Demeggränbe, ſolche
ber Rachbegierde, nicht der Rüdſicht auf die öffentliche Billigkeit,
zurüdführen, in denfelben eine der Kirche ſchädliche Maßregel ſehen
wollten. Ebenſo wurde jenen Anfchuldigungen Aufnahme hrt,
daß Gregor VII. entgegen eigenen früheren feierlichen Verſiche⸗
rungen, mit Bruch eines Eides, Papft geworden fei, und Die von
diefen Anklägern zur Erhärtung ihrer Ausfagen betonten Säge
wurden ohne alle Scheu angeſchloſſen, obſchon durch Diefelben Schlüfle,
welche ber Restsmirhng der Synodalbeſchlüſſe gänzlich entgegen
ftanden, dem Lejer an die Hand geboten werben. ilich wollte
188) Der volle Zitel ber, 1. c., 27—58, abgebrudten Schrift laute: De
damnacione eorum, qui papam totamque Romanam synodum deanctorizare
temptaverunt, et de sacramentis damnatorum. Die von ben judiciarii ordines
des Papfies getroffenen publiei et contumaces apostolicae sedis proscriptores
in Epist. I —* jelbftverftändlich die Theilnehmer an der Wormſer mlung.
Die zwei Fragen beivegen fi} de judicio domni apostolici und de confectione
sacramentorum a symoniacis seu a quibuslibet excommunicatis usurpato-
rum
= Durch Thaner, 26 u. 27, if dieſe Zurüdhaltung Bernhard’ — vergl.
3. 8. in c. 12: Cum ergo neminem prepropere seu prepostere damnari lex
neiatur necleissicn, probabilite dicimus (39) — weit beffe, ala Dur Strelan,
‚ ertannt.
Streitpuntte in den Briefen Bernold's an Bernhard. 711
der Schreiber am Ende dann doch lieber für ſich, wenn er auch
nicht zu einer vernunftgemäßen Entſcheidung gekommen zu fein er⸗
Härte, den Vorfchriften der Kirche folgen und den römischen Stuhl
als Chrifti Richterſtuhl anerkennen). Erſt hienach ertheilte er
auf die Anfrage wegen der Verwaltung der Sacramente durch
Simoniften und Ercommuniecirte eine volle Antwort. Nach feiner
Anfiht ift ihnen nämlich, jo bald fie offenkundig als ſolche baftehen,
dieſes Recht genommen. Aber allerdings macht er dabei gewiſſe
Unterſchiede und Einſchränkungen, jene eben für erit angellagte,
noch nicht überwiejene Simoniften; die Meinung wird außgejproden,
man müſſe mit noch nicht verurtheilten Angeklagten ſchon deßhalb
im Verkehr bleiben, um durch ſolchen Umgang ſie zu beſſern. Und
nochmals lenkt dabei Bernhard ſehr freimüthig in der Beurtheilung
einer kirchlichen Maßregel ab. Er findet, daß die Verhandlungen
der römifchen Synode von 1075 156) mit den Beichlüffen der Kirchen-
verfammlung von Nikäa im Widerſpruche ftänden 7).
Adalbert und Bernold beantworteten dieſes Gutachten Bern-
hard's in einem weiteren Schreiben. Sie erklären fih mit der Art
und Weife einverftanden, wie berjelbe den Vorrang des römiſchen
Stuhles vor allen Kirchen dargelegt habe, und ebenfo freuen fie
fich, ihm in Hinſicht auf das richterlihe Verfahren faft ganz zu⸗
ftimmen zu Fönnen. Dann aber wird weiter ausgeholt und ein
357) Dieſes ungeſchminkte Urtheil, c. 42, lautet: non possum non recor-
dari syuodi vestrae (vergl. n. 156): quam parum suae professioni prospexit,
cum decretis Nicenae synodi nescio qua fronte contradizit. Solche Satze
hebt Thaner, 27, noch weiter hervor. Liner Tautet u. a.: (c. 3) Sedis huius
sanetae presules a aubjectis moneri_persepe tolerabant, spiritum in eis
extinguere nolebant: demum aecelesiastica lege duce et magistra pocıus
ipsi secundum instituta canonum vivere, quam ex canonicis institutie sub-
jeetos obprimere volebant (29 u. 30).
712 1076.
Rüdblick auf die drei letzten zubre geworfen, wie Gregor VIL in
dieſer ganzen Zeit vielfach fi) bemüht habe, Heinrich IV. zur Be-
zeuung feiner Vergehen einzuladen, diefer aber fi nit habe zur
Vernunft bringen lafjen. Die Erzähler berufen ſich dabei auf die
anz zuverläffige Mittheilung bewährter Männer, welche fogar zum
heil, zwar nur durch leibliche Anmefenheit, nicht im Geifte,
den Beſchlüſſen von Worms beigewohnt hätten, und auf Andere, die
bei der römischen Synode, welche jene Wormfer Beſchlüſſe ver:
dammte, gemwejen fein. So ſchilbern denn da die beiden Verfaſſer
in eingehender Erörterung, wie jene Verfammlung zu Worms
ihre gegen Gregor VII. gehenden Schritte vollzogen habe, wobei
übrigen? die Schuld viel mehr den Eimoniften und den Cr:
communicirten in des Königs Umgebung, als diefem felbit, zuge-
wälzt wird 15°), und fie betonen ausdrücklich die Tragweite de in
Worms gegen den römischen Stuhl gejchehenen Angriffe. Durch
ihre Boten ließen die bajelbft Vereinigten die dort feftgeftellten
iefe am die römiſche Synode bringen und dem Papit unter
ſchändlichen Schmähungen befehlen, er, der nicht geſtanden hatte,
noch irgend eines Vergehens überwiefen worden war, folle, ala wäre
er der gemeinfte unfreie Knecht, vom Stuhle herabfteigen, und dazu
verfünbigten die von Heinrich IV. abgeſchickten Boten deſſen Befehl
an bie römifche Synode, daß dem Papfte weiterer Gehorfam nicht
erwiefen werben folle, ein Befehl, ber gar nicht einmal von einem
römifhen Kaifer, fondern bloß von einem Könige ausging 9).
Darauf aber faßte Gregor VII. auf dieſer römiſchen Synode jene
Beſchlüſſe, welde insbefondere auch über Heinrich IV. jelbft die
Ercommunication verhängten 100), und bie Verfaſſer des Briefes
bezweifeln nicht, es fei ganz unmöglich, daß jemand, welcher das
päpftlihe Schreiben über diefe Angelegenheit in getreulichet Weile
in Betracht gezogen habe, je in Zweifel ziehen könne, ob dieſes
Anathem in Firhenrechtlich gültiger Weife ausgeiprochen worden
jeit), Erſt am Schluffe de3 Briefes wird dann noch Bernharb’s
‚zweite Erörterung, wegen ber Simoniften und ber Ertheilung ber
158) Diele in Epist. II, c. 7, ergähiten Dinge fanden, jo weit fie bie Bor:
gänge von Worms angeben, in ben ©. 580 in n. 169, 614 ff. in.n. 5, 9, 10
— befonderd hier —, 12 eingerüdten Stellen ihre Darftelung. Die Autoren
wollen breviter et fideliter literis commendare . . ., ut ex fidelium virorum
certissima_relacione didieimus (49).
15%) In ce, 8-11 wird der femerarius ausus in feinen Wirkungen weiter,
aud aus hiſtoriſchen Beiſpielen und zumeift Pjeuboifidor entnommenen Stellen,
beleuchtet und dazu hervorgehoben, Gregor VII. habe feine Angreifer oft gebeten, ut
Romae, vel alibi, quo ipse posset venire, in synodo convenirent, et, eo hoc.
libenter concedente, ordinacionem eius, sive conversationem, uteumque
vellent, dumtaxat canonice discuterent (ete.) (50 u. 51).
’°0) Bon ben Vorgängen der römiſchen Synode reden die Stellen in dem
n. 27, 28, 30 (©. 634 ff.).
30) Der Verfaffer ift feiner Sache hier — c. 13 — fo ficher, dab er —
speciali regis causa pretermissa — von c. 14 an auf die allgemeinen Yeuße-
zungen ber sancti patres übergeht (52).
Unterftügung d. Anfprüche Gregor's VIL. dch. Bernold's litterar. Thätigkeit. 713
Sacramente, herangezogen, und da geftehen die Schreiber, in
mehreren Dingen mit_derjelben nicht einverftanden zu fein. Deſſen
ungeachtet erſuchen fie Bernhard gerade aud hierüber um neue
Meinungsäußerung !).
Eine Ermuthigung ohne gleichen mußte für Gregor VII. und
deſſen Rathgeber gegeben fein, wenn ihnen aus einem ber Bis—
thümer, deren Vorfteher im Beginne des Jahres aus Worms in
ber wegwerfendften Weife den Gehorjam für den Papft aufgefündigt
hatten, Neußerungen von folder Art über das Verhäliniß des
römiſchen Stuhles zu den Biſchöfen befannt wurden, wie fie eben
Bernold im Sprengel Bifhof Otto's aufzeichnete. Denn da hieß
es ohne allen Umſchweif: „Ein jeder, welcher Biſchof fein will,
prägt daS feinen Untergebenen ein, daß fie ohne allen Widerſpruch
den Einrichtungen der heiligen Väter gehorfam fein follen, deren
Inhalt die Verkündigung in fi ſchließt, daß von jedermann in
bauptfächlicftem Grade dem apoftoliihen Stuhle Gehorfam geleiftet
werden muß. Wer immer aljo feinem gejegmäßigen Hirten den
ſchuldigen Gehorfam dargeboten hat, ber wird fi auch bemühen,
dem apoftolifhen Herrn ganz in hervorragendfter Weiſe zu ges
horchen. Denn nad dem Ausſpruche der Wahrheit felbft ift der
Jünger nicht über bem Meifter zu ehren. Wenn aber der apoftolifche
Herr mit Recht über den eigenen und gejegmäßigen Hirten gejeßt
wird, wie viel mehr über jenen, der ſich nicht einmal anftrengt, das
zu fein, mas er heißt“ !°®),
In der Mitte des Jahres hatte ſich, dadurch daß durch die
Sachſen zu den Waffen gegriffen worden war, bie Gefahr für ben
von dem Papfte verurtheilten König jähe vergrößert.
Es ift nad) der glaubmwürdigiten, aus dem ſächſiſchen Lande
ſelbſt Dervorgegangenen Berihteritattung nicht zu bezweifeln, daß
erſt die Rückkehr der ſächſiſchen Fürften aus ihren Kaftorten dem
Volke den Muth gegeben hatte, an einen Wiederbeginn des Auf:
ftandes zu denken, den Kampf gegen Heinrich IV. zu eröffnen.
Zwar wurbe in Hersfeld ein einzelner Vorgang, wohl in ftarker
Üebertreibung, hervorgezogen, als die Ausgangsitelle der Empörung
aufgefaßt, und bie ganze Bewegung barauf zurüdgeführt. Es
Hatten nämlich Dietrih und Wilhelm, Angehörige des wettiniſchen
Haufes — Söhne Gero’3, waren fie die Neffen des 1075 ver-
16%) Bon c. 22 am (55) folgt biefe Auseinanberjegung, Wieberholt fteht
am Gnde (58) die Bitte um neue Antwort.
168) Die im Texte ül te Stelle ſteht in c. 24 des Apologeticus (88).
Der Bisarprud Tehı Mat De
714 1076.
ftorbenen Markgrafen Debi '%4) —, von dem jenfeitigen ſlaviſchen
Ufer der Elbe her, wohin fie als Flüchtlinge gegangen waren, einen
kleinen Krieg gegen das fächſiſche Land din zur Schädigung ber
Vertreter und Anhänger bes Königs, in das Merk gejegt, und
nachdem fie dur) Zuzug aus der Heimat ftärfer geworden waren,
wagten fie fi nad dem anfänglichen bloßen Beer ne an
ernltere Zufammenftöße, fo daß wohl eine gewiſſe Ermutbigung in
anftoßenden Landestheilen für die Sachſen daraus erwachjen mochte’)
Aber den eigentlichen Ausſchlag zur Waffenerhebung gegen Hein-
rih IV. gab dod wohl voran der Umſiand, daß der mächtige
ſächſiſche Herr, der bis dahin die Sade des Königs felbft im
Sande vertreten hatte, fi} wieder von ihr ablöfte und Teinen Tolle:
genofjen fih anzunähern Segen, Mit der neuen Gefinnung®
änderung, die in Otto von Nordheim vorging, büßte Heinrich IV.
feine bisherige Machtſtellung im ſächſiſchen Lande endgültig ein.
Nothmwendigerweife müffen die Fürften anfangs gegen Otto
heftig erbittert ‚gereien fein, da fie ihm im feiner Stellung auf
der Sarzburg ala einen Verräther an ihrer Sache anjahen, und
& follen erjt mit Drohungen verbundene Aufforberungen, bie an
ihn gerichtet wurden, an ber Bewegung theilzunehmen, von feiner
ſchichten II, 135, läßt wenigftens bie durch Gero's Söhne gebotene Hülfe ad
„dom Wendenlanbe“ kommen.
Kriegerifche Erhebung b. Sachen, unter Anſchluß Otto's v. Nordheim. 715
Seite dagegen Verſuche, beruhigend einzuwirken, Verſprechungen,
den König zum Entgegenfommen bewegen zu wollen, hin und ber
gegangen fein. Daß aber Otto den Willen hatte, die Sachſen für
ih zu gewinnen, daß er nicht daran dachte, für die Sache Hein-
rich's IV. auszuharren, das bewies er, indem er, zugleich mit der
Abſendung der verfprochenen Botſchaft an den König, von der
Harzburg und dem Steinberg die Bejagungen wegnahm. Wie der
Dtto vortrefflich gewogene Geſchichtsſchreiber in Hersfeld ſich aus-
drüdte: „Otto lebte fortan in gemeinſchaftlichem und brüderlichem
Leben mit den Sachſen“. Der vieldeutige ſächſiſche Fürft hatte
feine neuefte Wandlung vollzogen. Aber noch muß er darüber
hinaus gegenüber Heinrich IV. fi den Anfchein gegeben haben,
eine vermittelnde Stellung einzunehmen, ein Verfahren, durch das
er auch am beiten den Werth feiner Dazwifchenkunft feinen eigenen
Landsleuten begreituich zu machen vermochte. Wenigſtens daraus,
daß Heinrich IV. an Otto die Aufforderung abgehen ließ, fih an
einem gerifien Tage zu einer Zufammenkunft in Saalfeld einzu-
finden, läßt fi erkennen, daß von Seite des Königs noch immer
auf eine gebeihlihe Mitwirkung Dtto’3 gerechnet wurde !°°).
Da aber entjchloß fich Heinrich IV., jelbft auf den Boden des
ſächſiſchen Landes fi zu begeben, zwar nicht auf dem geraden
Wege, worauf anfänglich die Wahl des Plates Saalfeld als Ort
einer Zufammenkunft hinzuweiſen ſchien, fondern durch Böhmen,
von wo er auf der Seite ber thüringifchen Mark einzubringen be
abſichtigte. Die Urſache dieſes Kriegszuges lag nun allerdings
wohl in der ftetS größer gemorbenen Ausdehnung der Unter-
nehmungen der Söhne Gero’; diefelben müffen, dur den Fort-
gan des Abfalls von ber königlichen Sade ermuthigt, immer
hner vorgegangen fein, fo daß fte jchon bald fi in die Lage ge-
ſetzt ſahen, wie von ben Berichterftattern über die nachfolgenden
Greigniffe behauptet wird, mit fiebentaufend leichten Reitern dem
Könige entgegenzutreten. Die Wahl des Weges zum Einbruch,
durch Böhmen, berubte af dem Zutrauen, das Heinrich IV. dem
Herzog Wratiflan entgegenbrachte; außerdem fannte er diefe Gegen-
den, wo er fich zu bewegen gedachte, von bem Kriegszuge bed
vorhergehenden Jahres; endlich mochten wieder Erwägungen maß-
gebend fein, die fi gegen Herzog Boldlav von Polen richteten
tung in i laus in Anſpruch nehmen lönnen, welche aber
Kamin 18 Banket dien hart Oite Uumiber Qelnig TV. Degen
jogeler, Otto von :bheim in ben Fahren
jonders Nigfch, Geichichte des deutichen Bolten, II,
716 1076.
und dazu beſtimmt jein mochten, diefen von einer Ausnügung der
ſächſiſchen Wirren gegen dad Reich abzuſchrecken !*').
Im Juli verließ Heinrich IV. den Rhein, wo er augenſcheinlich
die Königin in Worms zurüdließ !%°), und begab fih an die Donau.
In Regensburg weilte er am 27. des Monates und machte an den
Markgrafen Liupold von Defterreih eine ausgedehnte Schenkung
an Land an der nördlichen Grenze des Marfgebietes. Liupold war
der Sohn des 1075 in der Schlacht bei Homburg gefallenen Mart:
grafen Ernft — dieſer hatte 1074 ganz in ber gleichen Gegend,
wie nunmehr der Sohn, eine königliche Senkung empfangen —,
und es ift nicht zu bezweifeln, daß Liupold alsbald auf den Pater
in der Mark gefolgt war. Daß gerade jetzt Heinrich IV., deſſen
Treue, die er jhon in folcher Ueberweifung des wichtigen Mark:
jebietes anerfannt hatte, wieder belohnte, hing wohl mit der Ab:
för zufammen, Liupold’3 Unterftügung aud zu dem geplanten
Feldzuge zu gewinnen !%°),
Der König begab ſich nämlich, begleitet nur von einer Heinen
Zahl deutſcher Kriegsleute, nach Böhmen, zog hier dem Herzog
Wratiflav mit defien Heere herbei und jeßte den Marſch nad) der
Mark Meißen weiter fort. Es ſcheint, daß dabei die Poraus-
jegung vorhanden war, es werde von Sachſen aus, bei dem Ein:
treffen der föniglihen Truppen in dem Marfgebiete, eine Per:
ſtärkung für diefelben eintreten; wenigftens dürfte wohl Heinri IV.
noch auf eine wirfjame Hülfe von Eeite Otto's von Nordheim fih
Hoffnung gemacht haben, und fo hatte er demielben nad Saaljeld
167) Wie Lambert ber einzige Berichterftatter über bie Erpebitim
Heinrich's IV. durch Böhmen gegen Meißen ift, jo bietet and er allein An:
Deutungen über deren Urſache: se (sc. regem) filiis Geronis comitis, qui im-
peritam multitudinem male auspicato ad arına concitassent, si Deus vota
prosperaret, redditurum quod mererentur (249), und ebenfo nennt er die nad:
träglich in das Feld rüdenden septem milia expeditoram equitum, weldje bie
filii Geronis comitis um fid) vereinigten (250). Wegen ber Analogie der Ber
bältniffe von 1075 vergl. ©. 522.
’68) Das barf aus der Angabe des Annaliften, aus den Beding: ‚don
Tribur, die er nennt, gefchloffen werden: ut... regina inde (sc. von Wormi)
cum suis omnibus e; retur.
10%) Daß St. 27° betrefjenb die LX mansi in es silva in pago
Osterriche in comitatu ipeius (sc. Liapoldi) . . excepto Valchenstein
©. 334 u. 335 über die — Samtung in der gleichen @egend an ben 2
Ernft) —, weldhe ala Tagrsdatum bloß VI. Kalendas enthält, in ben Juli fällt,
iR, mit Stumpf anzunehmen. Dab das Gtüd wieder von Wbalbero U ali
Dictator verfaßt, if, geht befonbers au8 ber eigenthümlichen mehrfachen Ber:
wendung ber gleijen Worte: Quos in servitio nostro tam devote quam debite
orseverare velle videmus, libenter in suis petitionibus eito volumus exau-
ire . . . quia fidelem nobis perseverare credimus, petitionem eius
adjudicayimus. Si quidem petitio eius talis est... . hervor. neber dem
ob des Martgrafen Cm vergl, 6. 505. Rilien, Stinerar Aniter Deinrich IV,
” gig HN nah, ine andenhit Semi N, an ‚er Donau zur
er iung Biſchof Bun ’3 (i . : 24. Juni), wie Bruno, e. 8,
behauptet: Dum Heinricus esset juxta Danubium . .. episcopum Burchardum
commendavit (sc. zur Wegführung) (362), ganz auägefchloffen ift.
Heinrichs IV. Aufbruch nach Regensburg, Böhmen u. d. Markt Meißen. 717
durch den Biſchof Eberhard von Naumburg, welder als Führer
einer Botſchaft auf den Tag des vorher verabredeten Zufanmen-
treffens zu demfelben abgegangen war, jagen laffen, er möge mit
einer jo ftarfen Macht, als er zufammenbringen könne, in der Mark
Meißen zu ihm ftoßen. Dagegen ift wohl kaum zu glauben, daß
der König wirklich angenommen babe, er werbe aud) durch die aus
der Haft entlaffenen jähfiihen und thüringifhen Fürften ein
tößeres Aufgebot zu feinen Gunften zufammenbringen fönnen.
Vielmehr fagte ſich eben jegt, in feiner Biſchof Eberhard ertheilten
Antwort, auch Dtto ganz offen von Heinrich's IV. Sache los, und
ebenfo führte die Betretung des Markgebietes durch das ganz über-
wiegend aus dem böhmiſchen Zuzug beftehende königliche Heer, mit
den durch daſſelbe angerichteten Vermüftungen, gerabezu erit die
allgemeine bewaffnete Erhebung im ſächſiſchen Lande herbei. Ganz
ander als früher — jo hebt die in Hersfeld niebergejchriebene Er-
zählung Diejer Dinge hervor — fei jet das ganze Volf in einheit-
lihem Entſchluſſe vorgegangen, aus eigenem Antriebe, auf eigene
Koften, nicht, unter Leitung, noch auf Befehl der Fürften; im
Gegentheil feien diefe jegt vielmehr, wenn fie etwa hemmend ent-
gegentreten wollten, unter Drohungen mitgeriffen worden. Freilich
vermochten die vielen Taufende, die ſich raſch jammelten, nicht fo
eilig vorwärts zu fommen, jo daß jegt Dietrich und Wilhelm, die
von den fiebentaufend leichten Neitern begleitet geweſen fein follen,
allein die Aufgabe antraten, Heinrich's IV. Heer zu treffen. In
Hersfeld war man der ganz bejtimmten Anfiht, daß der König
verloren und wahrſcheinlich der ganze Strieg raſch beendigt geweſen
wäre, würde nicht dur ein Naturereigniß ein Hemmniß gejchaffen
worden jein: denn das böhmifche Heer habe weder an Bewaffnung
noch an Zahl und Tapferkeit zum Widerſtande ausgereicht, und der
deutfchen Zuzüger feien, in Folge ber Unterlaffung der Anfage der
Heerfahrt, viel zu Wenige geweſen. Da hatten aber ſtarke Regen-
üffe den Fluß Mulde, der ſich zwifchen dem Könige und dem
Feinde befand, zu folder Anſchwellung gebracht, daß die Reiter-
mafjen denjelben nicht zu überfchreiten wagten. Gedeckt durch dieje
Ueberſchwemmung, zog ſich aljo Heinrich IV., fo lange fie ihm
noch Schuß gewährte, nah Böhmen zurüd!7%), Doc noch vor
a 70) Die ganze Geichichte dieſes Zuges beruht, wie jhon in n. 167 geſagt
iR, einzig auf Setebert, 249 u. 250, wo in großer Breite Diefe Dinge vorgebracht
werden. Allerdings if nicht zu leugnen, dab ſich in der Schilderung bee
Einzelnen gegenüber ber gleichfalls nur von Lambert gebrachten Graäblung von
der Gppebition Heinrich's IV. und Wratillav’3 im Jahr 1075 (vgl. ©. !
525) dicljache Analogien ergeben — : der heimlich gehaltene Aufbruch mit nut
wenigen Truppen bier wiederholt (paucissimos secum assumens Teutonici
exercitus milites, caeteris omnino quid moliretur ignorantibus), dort der Vors
wurf der ineptie, ber immoderata presumptio, ber puerilis levitas, der gegen
Heinrich IV. erhoben wird, und hier Lambert’s Mxtheil, Heinrich IV. habe repente,
Plus quam tanto operi expediret fidens nescio an negligens . . . vana spe
elusus gehandelt, der beide Male eingetretene Hägliche Verlauf der Unternehmung.
718 1076.
dem Abzuge aus der Dart war vom Könige zum Lobne für die
bewiejene Treue an Wratijlav, der jchon im vorbergehenden Yabre
die ſächſiſche Oſtmark zugewiejen erhalten hatte, die Hart Meißen
übertragen worden; die Macht des böhmiichen Herzogs wurde alio
dadurd von Heinrid IV. au dafür in Anjprud genommen, das
thüringiſche Diarfgebiet, welches der König jelbit nicht mehr feit-
halten fonnte, zu vertheidigen, und wirklich batte Wratiſlav jchon
od) if dehwegen nicht zu jagen, daß der eine der beiben F BE nicht wird:
lid) geichehen fei; denn unter ähnlichen Berhältniflen werden äh icy Borginze
fid) wiederholt haben. Dagegen if} eine andere Auffaffung, die Lambert im
Geichichte diefer Ereigniffe ineinbeingt, tet umwahrkeinlicd. Dap, ber Fl
nod auf Dito’s Mitwirtung fi Rechnung machte — nuncios ... . duci Ottoni
misit. qui ei dicerent, ut contractis quantascumque posset copiis, sibi in
marcha Misinensi concurreret — iR möglich. Eolte Aber Haid
IV. fo geringe Einfiht in die eigentliche Lage der Dinge in en und hi:
ringen gehabt haben, daß er — fretus his, quos deditioue abeolverat,
eorum auzilio in Saxones, qui se leserant, iram suam idonee ulcisci
posset — die von Lambert Sehanptete ne hinfichtlich ber kürzlich ach
Faufe entlafienen prineipes oniae et Turingiae gehegt hätte: ut ut pres
tae sibi indülgentlae gratiam referentes, cunctos quos valeant ab hominum
perditorum (sc. filiorum Geronis comitis societate dehortentur, et ipsi
al ferenda publieis negociis auzilia designato die et loco armati instructique
presto assint (zum eberfluß tommt Lambert in dieſem Zufammenkang vo
mols, wo er fagen will, hab Heinrich IV. bloß den exercitus Boemiens mi
fi} gehabt habe: cum speraret, ut dietum est, industria Ottonis acc
er allorum, quos deditione gratis absolverat — ete., auf biele Cadhe zuräd)?
Sambert flellt gleich darauf felbft diefe von ihm dem Könige zugeichriebene Er:
wartung auf Hülfe durch bie beneficio suo devineti — und dur‘ Otto — als
vana spes bin, und reinigt daun Otto wieder vom Vorwurſe, daß berfelbe
Seinric IV. Hoffnung täufchte, durch den Umftand, daß derfelbe vehementer
efferatus, quod contra consilium suum rex Saroniam bello rursus impeteret,
gewciem Ki ben in weiter Fr Ma Fern ng bie die Abweilung, die Dtto
ben habe, eing _ e, dab Heim ti assentatores
PH ala ihm, dem —E Boemicus mehr ald dem —— exereitus —
vertraue, mit weiteren allgemeinen Argumentationen Oito's. dafür daß j—
ohne jeden Meineid, Die causa gentis suze, quae justa sit, die feinige Ken
— woran ähnlide Erflärungen der principes fam Saxonise quam Turingiae
bei Lambert fih anfdliegen. Zwilcen hinein wird dann, wieder fo wortreidh
wie möglich, hier die Berfiherung gerüdt, daß jet er — non dubia fide,
vacillantibus animis, ut prius, cum inter spem et metum fluctuarent, sed
unanimi sententia, obstinata contentione — durch die milites principum ein
Rimmig der Entihluß zum bewaffneten Wiberfland gegen den König
worden fei, nunmehr non ductu auspieioque principum ... . neque
principum exbortationibus ut antes, fondern privatis studiis, privatis im-
sis von Geite der omnes simul provineiales, zur Rettung kur jeibfl, der
Sfauen und Rinder von der Anchtiieft, und ziver oder unter heftigen Dro-
‚Dungen gegen die Fürften, wenn biefe —S tut ollten. Go mußte
dergeftalt fchließt dad Weitere an — das Gerücht don Ginbend; in bie Marl
Meißen Alles zu den Waffen bringen. Daß die zufammenfrömenden ‚malte
milia hominum wietlich — Leute aus dm Bolte waren, = 7
don armis atque aliis impedimentis implieita —, zeigt die benfelben —
ber geReilte — der in n. 167 erwäthnten —S equites. Darans dab
de be ein ernfles Hinderniß des Borrüdens bilden tonnte, iR anzunehmen,
der König fei bis in die Gegend etwa von Burzen ober Gilenbun erüdt
jeweien, wo doch erſt die — vereinigte — Mulde eine ſoiche Wal u
Femmenzubringen vermochte.
Räumung Meihen's dd. Hgg. Wratiflav. Gregor's VII. Weifung üb. HeinrichlV. 719
in die Burgen des Meißener Landes Beſatzungen gelegt. Allein
diefer Befig wurde dem Herzog doch wieder entriffen. Unterftügt
durch die Sachſen, rüdte nämlich der junge Markgraf Efbert 1L.,
welchem durch dieſe königliche Verfügung die ihm früher, 1068,
durch Heinrid IV. ſelbſt zugetheilte Mark, troß der verwandtſchaft⸗
lichen Beziehungen, entzogen worden war, fobald die Mulde über-
ſchritten werden fonnte, nach Meißen vor. Alle durch Wratiflav
bejegten Pläge, auch Meißen, wo der königstreue Burggraf Burkhard
durd) den Aufftand ber Bürger der Stabt fiel, wurden zurüd-
genommen und Leute Ekbert's in diefelben gelegt, welche jeden
feindliden Angriff abzuwehren den Auftrag hatten !7?).
Aus Böhmen war Heinrich IV. durch Baiern an den Rhein
zurüdigefehrt, wo er wieder in Worms feinen Sit aufſchlug !"?).
Aber etwa zu der gleichen Zeit, wo in folder Weife durch das
mißlungene Eingreifen Heinrich's IV. in die Mark Meißen der
Widerftand der Sachen erft recht entflammt wurde, begann nun
aud Gregor VII. feine fehr beftimmten Weiſungen hinſichtlich der
Behandlung der Angelegenheit des gebannten und feiner Thron:
seht Dertunig erklärten Königs nach dem deutfchen Reiche hin zu
ertheilen.
Schon am 25. Auguft war aus Tivoli an Biſchof Hermann
von Me eine bezügliche Antwort auf allerlei ausdrücklich geitellte
Fragen abgegangen. Weber des Papſtes körperliches Befinden,
darüber, wie Römer und Normannen demfelben gegenüber ihr Wefen
zeigten, mag ber Vote, der den Brief überbringt, berichten. Auf
die anderen Dinge tritt Gregor VII. ſelbſt einläßlih ein. Wegen
der ercommunicirten Biſchöfe, Prieſter und Laien lautet die Antwort,
diejelben ſeien ohne allen Zweifel ercommunicirt, weil fie mit dem
ercommunicirten König Heinrich, wenn man ihn nod König nennen
darf, in Verkehr ftehen. Von dem Könige jelbft heißt e8, er habe
duch den Umgang mit den wegen Simonie verurtheilten Räthen
den Bann fich jelbft zuzuziehen ſich nicht geſcheut, ſei dann aber
171) Au) das iſt durch Sambert, 250, bezeugt, mit beflimmter Hervor ⸗
bebung defien, dah Eebertus marchio, flius patruelis regis — cuius eadem
marcha erat —, Untedt erlitten habe: mirantibns cunctis, quod regem nec
aetatis nec propinquitatis respectus ab hac injuria revocasset. fyloto’ä
weifel, IL I, ebenfo Biejenigen Rodrohr's Neues Archiv für ſächſiſche Ger
jihte u. Alterthumslunde, VII, 188, n. 34, an ber Thatſache der Ueber⸗
weifung ber Mart an Wratiflav find faum berechtigt. Vergi. auch in dem oben
©. 5% in .n. 92 genannten Programm von Hultid, 11. Rodrohr jog, 1. c., 187
n. 31, den von Bruno, c. 80, erzählten Tod des ob. S. 524 in n. 98 erwähnten
Burkhard wohl zutreffend hier heran.
178) Das bezeugt Lambert, 250, der den König moestus ac penitens, quod
tantos 2 —— expendisset, zurüdgehen läßt. Klian, 1. c., 73,
will, Heinrich IV. fei Ende Auguf in Worms gingeluoften, dann dort geblieben,
was nicht unwahrſcheinlich ift. Giejebrecht, II, 379, jcheint den Aufenthalt in
Regmäburg (vergl. ©. 716) erft hier einfdjalten zu wollen.
720 1076.
eben gleich wenig darüber erröthet, in der angegebenen Weiſe felbit
wieder über Andere den Bann herbeizuziehen. Abermals richtet
ſich ferner der Papſt gegen diejenigen, welche behaupten, es gebühre
[r nicht, daß ein König ercommunicirt werde, und er verbreitet
fi, obſchon er glaubt, daß bei der Albernheit diefer Frageftellung
eine Antwort nicht einmal nothwendig fei, dod unter Hinweis auf
verschiedene geſchichtliche Thatſachen über diefe Angelegenheit. Ein
erſtes Beiſpiel fol dafür in der Vorſchrift des heiligen Petrus bei
der Ordination des heiligen Clemens enthalten fein; allerdings
gehört dieſelbe Pfeudo-Jlidor an. Ein zweites Zeugniß mil
Gregor VII. in der Erflärung des Papſtes Zacharias über die
Entfernung des Königs Childerich III. ſehen. In ähnlicher Weije
ftehen im Regiftrum Gregor’ 1. dahin zielende Grundjäge zu
leſen. Endlich habe ber Deilige Ambrofius in Theodofius nidt
bloß einen König, jondern jogar einen Kaiſer gemaßregelt. Ueber
haupt fei nicht einzufehen, wie Gott, al3 er durd das Wort:
„Weide meine Schafe!” — Petrus feine Kirche übertrug, die
Könige hätte ausnehmen follen, wie denn überhaupt der Kirche,
gleich wie gegenüber Geiftlihen, jo auch gegenüber der Welt an:
gehürenten Männern, die fi durch üble Thaten als Glieder de
ntichriſt herausſtellen, die Strafgemalt zuftehe. Ebenjo menig
Jaben diejenigen Recht, melde die Föniglihe Würde über die
iſchöfliche ftellen zu dürfen meinen, und auch biefür meiß das
Schreiben geſchichtliche Belege hervorzufuchen. Dann aber wendet
fi) der Papft zu ber vorliegenden Sache ſelbſt. Auf den Empfang
von Briefen von Biſchöfen und Herzogen hin geftattet er biejen
Biſchöfen, in feinem Namen Ercommunicirte loszuſprechen, fofern
fie fih vom Umgangs mit dem Könige ferne halten würden. Hin:
ſichtlich Heinrich's IV. aber verbietet er, daß, ehe ihm jelbft durch
genügenbe Zeugniffe deſſen unzweifelhafte Reue und aufrichtige
jenugthuung befannt geworben feien, irgend jemand benfelben vom
Banne löfe; denn er weiß, daß einige deutſche Biſchöfe, aus Furdt
oder menſchlicher Gunft, hiezu den Willen hätten, unter dem Vor⸗
wanbe, duch ihn dazu ermächtigt zu fein. Eingeſchärft wird aber
weiter, baß jegliche Ordination und Weihe durch einen mit bem
ercommunicirten Könige in Verbindung ftehenden Biſchof als Fluch
angefehen werde. Das bier ausführlicher einem einzelnen Biſchof
Anbefohlene wiederholte dann Gregor VIL. vier Tage jpäter, wieder
aus Tivoli, an alle Gläubigen, Geiftlihen und Laien im römifden
Reiche, unter Berufung auf das frühere Rundſchreiben vom
25. Juli, das er ſchon an fie hatte ausgehen laſſen. Der Papit
ftügte ih Bier auf Nachrichten, die ihm darüber zugefommen jeien,
baß ber König fi mit allen Kräften, durch geiftlihe und weltliche
Zwifchenträger, bemühe, zwiſchen dem römiſchen Stuhl und ben
Gläubigen Zwieſpalt zu ſchaffen und mit Hinterlift Täuſchungen
eintreten zu laſſen, und er wollte etwa fi) hieraus ergebenden
Folgen vorbeugen. Es wird eingejdärft, daß ohne Gregor's VII.
Vorwiſſen feine Löfung Heinrich's IV. vom Banne eintrete, dann
Gregor’3 VIL Ertlarungen üb. d. Vorgehen gegen b. gebannten König. 721
aber noch beigefügt, die Empfänger de3 Schreibens möchten ſich
bemühen, bei dem Könige dag Verfprehen und die Sicherheit zu
erlangen, daß er zur Buße und Genugtbuung ſich herbeilafle;
anderentheils aber joe jeber Biſchof fein Bebenfen tragen, im Fall
des Tobes Heinrich IV. die Losfprehung zu ertheilen, welche wahre
Reue und Genugthuung verdiene !’°).
Alein die eigentlih Grumd legenden Erklärungen des Papftes,
nad welchen hierauf das gefammte Vorgehen gegenüber Heinrich IV.
beruht, wurden erft am 3. September, aus Zaurentum, an Bifchöfe,
Herzoge, Grafen, an alle Vertheidiger des chriſtlichen Glaubens
im deutſchen Reiche abgegeben.
„Wenn Ihr das Schreiben, durch welches Heinrich der jo ge
heißene König auf ber heiligen Sqnobe nad dem Ürtheile des
heiligen Geifte8 excommunicirt worden ift, aufmerkjam ermäget,
jo werdet Ihr unzweifelhaft erfennen, was hinſichtlich feiner ges
ſchehen muß. Aus demfelben ift nämlich zu erfehen, weßwegen er
durch die Feffel des Anathems gebunden und von der föniglichen
Würde abgejegt, und daß alles Volk, das ihm einftmals unter
orten Fa) von dem Bande des ihm zugeficherten Eidſchwurs ab»
gelöſt ift.
„Aber weil für und nad) Gottes Zeugniß gegen ihn nicht
weltlicher Uebermuth, noch die eitle Begierde der Welt, fondern die
Beſorgniß um den heiligen Stuhl und um die allgemeine Mutter
Kirche und die kirchliche Zucht der Beweggrund war, ermahnen wir
Eud in dem Herrn Jeſus und bitten Euch als unfere Liebften
Brüder, daß Ihr, wenn er aus ganzem Herzen zu Gott ſich ge—
wendet haben wird, ihn gütig aufnehmen und in Betreff feiner
nit fo ſehr die Gerechtigkeit, welche ihn hindert ji herrſchen,
ſondern das Mitleid, welches viele Verbrechen tilgt, darlegen möget.
Ich bitte Euch, feid eingedenk des menſchlichen Zuftandes und ber
gemeinſchaftlichen Hinfälligkeit, und an Euch fol das fromme und
edle Andenten feines Vaters und feiner Mutter nicht vorübergehen,
deren gleichen in unferem Zeitalter an Befähigung zur Leitung der
kaiſerlichen —S nicht gefunden werben können.
„So wendet aber für jeine Wunden das Del der Milde an,
113) @a3 ſchon ©. 657 (n. 59) u. 691 (n. 110) citiete Schreiben. J. 5000,
jinnt: Multe interrogando a me, valde oecupato, reguiris, et nuneium,
ui me nimis impellat ad sui licenciam, transmittis ff6, Biblioth., II,
1-25), und enge bamit berührt fi} Epist. collectae, Pr. 15, J. 5001, ber
fimmt: omnibus in Christo fratribus, episcopis, abbatibus, sacerdotibus,
dueibus et prineipibus atque militibus, omnibusque christianam fidem et beati
Petri honorem re vera diligentibus, in Romano imperio habitantibus (l. c.,
540 u, 541). @8 Reh da won Heinsif) IY-, quod rex summopere procurei
nos ab invicem sejungere suaque fraude deeipere, modo per, spirituales
modo per seculares personas; der Schlußlah, betreffend den Fall, dab ber Tod
eintrete: non dubitet vestra fraternitas, quam vera penitentia veraque satis-
factio promeretur, absolutionis medieinam impendere — Besicht Ach felöft«
verfändlich bloß auf bie angerebeten Geiftlichen.
Weyer von Anonau, Jahrd. b. dtſch. R. unter Keinrih IV. u. V. Vd. II. 46
722 1076.
damit, nachdem der Wein der Zucht vernadhläiligt worden iit, jeine
Narben nicht, was ferne bleiben möge, noch in ichlimmere Fäulniß
gerathen und die Ehre der heiligen Kirche und des roͤmiſchen
Reiches durch unſere Vernadhläffigung einem großen Verderben
anheimfalle. Die verderbten Rathgeber jollen ferne von ihm ge:
halten werden, die, wegen ihrer fimoniftifchen Kegerei ercommumicirt,
nit erröthet find, ihren Herrn mit ihrem eigenen Ausjag zu be
fleden und, indem fie ihn durch verjchiedene Verbrechen verführten,
zur Zerreißung der heiligen Kirche aufzuftiiten und_zum Zome
gegen Gott und den heiligen Petrus anzutreiben. Solche Ratb-
geber mögen zu ihm herbeigezogen werden, die nicht nur das
einige, fondern ihn lieben und auf allen Wegen Gott über den
weltlichen Vortheil jegen. Nicht länger joll er die heilige Kirche
für eine Magd halten, die ihm unterworfen, jondern für eine
Herrin, die ihm vorgejegt jei. Nicht durch den Geift der Weber
hebung aufgeblajen, vertheidige er die Gewohnheiten des Ucher-
muthes, welche der Freiheit der heiligen Kirche entgegengehend ae:
funden werden; fondern er beobachte die Lehre der heiligen Näter,
in welcher die göttlie Macht bieje zu unferem Heile unter
richtel hat.
„Wenn er uns hinſichtlich dieſer und anderer mit Recht von
ihm zu forbernder Tinge in der Weife, wie es jein muß, ſicher
geftellt haben wird, jo wollen wir jogleidy durch geeignete Boten
von Eurer Seite über Alles benachrichtigt werden, damit in gemein:
famem Rathſchlage unter Gottes Beiltand, was geſchehen müſſe,
jefunden werben kann. Das aber unterjagen wir von Seite des
Peligen Petrus unter allen Umftänden, baß irgend einer von Euch
ihn von der Ercommunication loszujagen fih anmaße, jo lange
bis Ihr, nachdem das, was wir vorher angedeutet haben, uns be-
kannt geworden ift, die Einwilligung de3 heiligen Stuhles und die
wiederholte Antwort empfanget. Weber die verjchiedenen Rath:
ſchlüſſe der Verjchiedenen jtehen wir freilih im Ungewiflen, und
wir haben Verdaht vor der Menfchengunft oder der Furcht.
„Wenn er aber, wie es die Verfündigungen bei Vielen wit ſich
Keingen, was wir nicht wünſchen wollen, nicht jih von Herzen zu
ott gewendet haben wird, jo mag mit Gottes Gunft zur Be
berrf hung des Reiches ein jolher gefunden werden, welcher zu:
fihert, das bier vorher Bemerkte und das Andere, welches für die
Hriftlihe Religion und das Heil des ganzen Reiches nöthig if,
nad) feinen gewifien und unzweifelhaften Verſprechen zu beobachten.
Damit wir jedod biefe Eure Mahl, wenn es je nothwendig iſt,
daß fie geſchehe, durch unjere apoſtoliſche Volimacht bekräftigen
und die neue Ordnung zu unferen Zeiten ſtark machen, fo wie wir
von unferen heiligen Vatern willen, daß e3 geſchehen ift, jo jeiget
uns die Lage, in ber derjenige welchen Eure Wahl trifft, ſich be-
findet, feine Perſon und fein Wejen, fo raſch Ihr fünnet, an, damit
Ihr, indem Ihr in Heiliger und nüglicher Beitrebung einherfchreitet,
durh die Gunft de3 apoftolifhen Stuhls die göttlihe Gnade
Gregor's VII. Willensmeinung; Abordnung von Segaten nad) Deutſchland. 723
um den Segen des jeligen Apoftelfürften Petrus in allen Dingen
verbienet.
Hinſichtlich des Cides jedoch, welder unferer gelichteiten
Tohter, der erhabenen Staiferin Agnes, für den Fall abgelegt
worden ift, daß ihr Sohn vor ihr aus diefem Leben ſcheide, dürft
Ihr außerdem nicht in Zweifel ftehen. Denn wenn fie entweder,
von zu großer Liebe um den Sohn bewogen, der Geredhtigfeit
wiberltünde, ober wenn fie in Unterwerfung unter die Gerechtigkeit
eimwiligte, daß er vom Reich entfernt werde, was babei übrig
bliebe, begreift Ihr jelbft. Das jedoch erfcheint gut, daß, nach dem
bei Euch und überhaupt fiher und feitgeftellt fein wird, daß ihr
Sohn vom Reich weggebracht werbe, über die zur Beherrihung des
Reiches aufgefunbene Perfönlichkeit ber Beirath von ihr und von
und eingeholt wird. Dann wird fie entweder unferm gemeinfamen
Rathſchluß Zuftimmung ertheilen, oder die Machtvolllommenheit
des apoftolifhen Stuhles wird alle Feſſeln, welche der Gerechtigkeit
zu widerſprechen feheinen, befeitigen.
„In Betreff ber Ercommunicirten aber erinnere ich mid, Euch),
die Ihr, wie Susöfen gepiemt, ben hriftlichen Glauben vertheidigt,
ſchon die Erlaubniß gegeben zu haben, fie loszuſprechen, und eben
diefes beftätige ich nod, für den Fall, daß fie in Wahrheit bereut
und demüthig Buße gethan haben werben“ 17%).
— Auf das bejtimmtefte geht Gregor’3 VII. Auffafjung der im
deutſchen Reiche der Entſcheidung fi) nähernden Angelegenheiten
aus diefem Schreiben hervor. Am liebften wollte der Papſt Hein-
rich's IV. Unterwerfung fich vollziehen fehen, worauf dann bie
Zurückführung deffelben in die Herrſchaft eintreten würde. Aber
nur er ſelbſt ſollte, unter Bedingungen, welche dieſe Untergebung
voll darthun würden, die Löfung vom Banne genehmigen, aller-
dings fo, daß eine gemeinjhaftlihe Berathung mit den deutſchen
Empfängern des Schreibens der Beſchlußfaſſung voranginge. Würde
&, gegen Gregor’3 VII. Willen, zu einer Neuwahl für den Königs-
tbron kommen, jo hatte auch bier Gregor VII. fich beftimmte Aus-
kunft über den in Betracht kommenden Nachfolger und feine Be:
käftigung der Wahl vollfommen vorbehalten.
egaten waren in Ausficht genommen, um bieje Willengäuße-
tungen des Papftes gegenüber den Deuiſchen zum Ausbrud zu
bringen und deren Ausführung zu überwachen, und ſchon in ber
Nundgebung vom 29. Auguft hatte Gregor VII. deren Abſendung
angefünbigt 17°). Gr beftellte als ſolche Vertreter de3 römischen
170) Das höchft wichtige Schreiben if Registr. IV, 3, J. 5002 (. e.
— ah —S Kaiſerin Agnes ſchon in ®b. I, S. 15n.
2 joben wurde.
En J. 5001 (vergl. n. 173) ſteht ale Beiehl: ut mullus eum (sc.
regem) praesumat a vinculo anathematis absolvere, quo usque illius satis-
factio et penitentia per idoneos vestros nobis fuerit renunciata, ut simul
decernentes per legatos nostros, quod aequum fuerit ac Deo placitum, omni
fraude remota, apostolica auctoritate statuamus (l. c., 540).
46*
724 1976.
Stuhles den Patriarchen Sigehard von Aquileja, welcher bis 1067,
ehe er den Patriarhat antrat, deutſcher Kanzler Heinrich's IV.
gewejen war, ganz bejonders aber ala feinen eigentlihen Beauf-
tragten den Se Altmann von Pafjau, einen Mann apoftolifhen
Lebenswandels und großer Tugenden in Chriftus, wie ein Geſchichts⸗
ſchreiber den Bilder an dieſer Stelle preift. Altmann erhielt die
Aufgabe der Verföhnung ber zu Buße und Genugthuung erbötigen
Ercommumicirten, nad) den ſchon friiher geſchehenen Ankündigungen,
übertragen. Außerdem erſcheinen aber unter den von Rom abge
jandten Bertrauten auch in ſehr auffälliger Weife einige Laien,
unter ihnen vorzüglid; ein gewiffer Chadoloh, welche in ihrem Auf-
treten fo recht deutlich barlegten, eine wie große Einwirkung die
Anfichten und Forderungen Gregor’s VII. ſchon in meiteren Kreiſen
auf deutſchem Boden gewonnen hatten. Denn dieſe Männer, und
eben voran Chadoloh, hatten freiwillig großen Reichthümern ent
jagt und um Gottes willen ein niebriges ärmliches Leben ermählt,
Chadoloh, nachdem er dem friegerifchen Beruf gewidmet gemeien
war. Gerade fie zeigten, gemäß ber von Gregor VII. ihnen auf:
erlegten Aufgabe — Chaboloh war nad fehwerer Krankheit als
Träger feines Auftrages von Rom abgegangen — die Echeu, mit
einem Fürften ober irgend jemand fonft, der mit Heinrich IV. in
Wort oder That verkehrt hatte, irgend in Berührung zu fommen,
ehe durch Altmann, nad) Ablegung der öffentlichen Buße, die Los:
fagung vom Banne für diefelben gefchehen wäre. Ebenſo vermieden
fie den Umgang mit Allen, die irgendwie bei in der Ehe lebenden
oder fimoniltifchen Prieftern an gottesdienftlihen Handlungen theil-
genommen hatten. Chaboloh machte dann bald vollen Ernft mit
jeiner Weltentfagung, indem er das Mönchskleid annahm, jehr
wahrſcheinlich in St. Blafien, wo er noch innerhalb diefes gleichen
Jahres ftarb 17°),
1°) Bon ben Legaten und ihren Begleitern redet Sambert bei Anlap der
Zriburer Zufammentunft, und zwar nennt er Sigehard und Altmann, lepteren
al vir apostolicae conversationie et magnarum in Christo virtutum, eui
papa vices suas in dispositione ecelesiasticarum causarum delegaverat, ferner
bie Iaiei nonnulli, qui magnis opibas relictis ultro re ad privatam tenuem-
que vitam propter Deum contulerant, auf welde qmeitgenannten Perfönliche
teiten dann wohl fpeciell das Folgende & beziehen ıft: Hi nec prineipi nec
privato cuiquam, qui regi Heinrico dieto vel facto aliquatenus post es-
Communicationem communicassct, communicare volebant, donec publice
professus penitentiam per Altmannum, vicarium Romani pontificis, ana-
themate absolveretur. Pari cautela eorum quoque communionem vitabant,
qui_presbiteris conjugatie vel eis qui ecclesinsticas ordinationes precio
comparaverant in oratione communicassent (252). Hiemit ift zu vergleichen,
1wa8 don den Annal. August. erzählt wird: Sacerdotes a laicis pro conubiis
et ecclesiarum emptione miserabiliter eiciuntur; fas et nefas promiscus
omnia sunt confusa (SS. III, 129). Aehnlic, wie Lambert, berichtet der Annalit
zur Zriburer Berfommlung don ben scdis apostolicae legati — litteris hule
Causae congruisallatis . . ., in quibus etiam nune Pataviensi episcopo vice
eua apostoli apa jam dudum concessa inposuit, ut omnes praeter regem
solum ad satisfactionem dignamque poenitentiam digne venientes canonice
Aufträge an Bild. Altmann u. Chadoloh. Fürftl. Zufammenkunft in Ulm. 725
Jedenfalls waren dieſe Träger der päpftlihen Botſchaft ins-
gefammt, die Legaten und diefe frommen Weltflüchtlinge, wohl
eignet, ganz bejonders bei den oberdeutſchen Stämmen, wo auch
Font ſchon der Boden vorbereitet war, öffentlih die Worte
Gregor's VII. zu verfündigen, über die gerechten Urſachen der
Erxrcommunication, die Heinrich IV. betroffen habe, über die Abfichten,
die der Papft am 3. September aller Welt in Deutfchland verfündigte.
Aber eben aus der von Gregor VII. am 3. September
erlafjenen Kundgebung geht auch hervor, daß man damals im Um-
Treife de3 Papites ſchon von der im deutſchen Reiche gehegten
Abſicht wußte, den abgejegten König auf feinem Throne mittelft
Zeranftaltung einer neuen Wahl durch einen Nachfolger, welcher
dem Papſte genehm wäre, zu erjegen. Diefe Gedanken müffen fi
alfo ſchon feſtgeſetzt haben, mähgen noch Heinrich IV. auf feinem
Kriegszuge im Lande an der Elbe ferne gehalten war.
ndeffen kamen erit etwa im September, und zwar auf
ſchwäbiſchem Boden, zu Ulm, Glieder der dem Könige feindfeligen
Partei — genannt find Sms Rudolf von Schwahen, Sema Welf
von Baiern, Herzog Berchtold von Kärnten, ferner die Biſchöfe
Adalbero von Würzburg und der aus feiner Stadt vertriebene
Adalbert von Wornis — zufammen. Aber auch wenigſtens einer
der Vertreter Gregor’3 VII, Biſchof Altmann, war anmefend, und
er ſprach hier den Biſchof Otto von Gonftanz, welcher gleichfalls
erſchienen, alfo jegt von der Sache des Königs abgefallen war, von
der Ercommunication los, freilich ohne zugleidh denſelben in bie
Verrichtungen des bifchöflichen Amtes zurüdzuverfegen. Zugleich
beſchloſſen jegt die Verjammelten, welche durch die Anwefenheit bes
päpftlihen Legaten fi in ihrem Vorhaben beitärft fühlen mußten,
auf den 16. October in die Nähe des Nheines, vieleiht ſchon
unmittelbar nad) Tribur, eine neue Verfammlung einzuberufen, wo
über die Angelegenheiten endgültige Feftjegungen gejchehen jollten 177).
reconciliaret, illos videlicet qui deinceps in parte sancti Petri stare volu-
issent, worauf noch weiter unten folgt, bie Abfolvirten feien excommunicirt
geweien: ob reatum communionis regis, su quod ipsi ob inoboedientiam
excommunicati sunt, sive quod receperunt missas et offieia sacerdotum ob
incontinentiam vel heresim symoniacam damnatorum (236), woyu dann a.
1077 nod} die in Excur3 VI, n. 6, mitgetheilte Stelle über Sigehard (mit Ex
wähnung des Erzbilchofa Gebehard von Galburg). Wernold, Chron., fpricht
nur von einem der frommen Laien: Frater Kadalaus ex seculari milicia con-
versus ad Opinheimense colloquium legationem papae detulit, quam eidem
multum egrotanti papa in remissionem omnium peccatoram imposuit.
Expleta igitur_legatione, frater Kadalaus suscepto monachi habitu sub
eyangelica perfectione requievit in pace (38. V, 433: vergl. in den Notae
necrol. Bernoldi zum 10. November: Fr. Kadalaus ob., Necrol. Germaniae,
I, 659) Da| dicer Shabaloh Träger des Schreibens J. 5002 geweſen fei, wie
oto, 1. c., II, 114, annimmt, ift ganz abzulehnen. Wegen Gigeharb'3 vergl.
©. 371, 59.
17) Sambert zählt, 250 u. 251, die brei Sa und zwei Bilcöfe, et
alii quos rei publicae calamitas movebat, ald Xheilnehmer an dem zu Hm
726 1076.
Die Fürften, welche in Ulm verjammelt geweſen waren, ließen
in das übı ige Schwaben, nad Baiern, nad) Sachſen, Lothringen,
in das fräntifhe Land die Ankündigung an die dortigen Füriten
ausgehen, mit der nachdrücklichen Empfehlung, alle eigenen Ange
Iegenheiten bintanzufegen, einzig das gemeine Befte zu ermägen.
Aber au die ſächſiſchen Fürſien waren jegt über das, was fie
beabſichtigten, einverftanden. In gemeinſchaftlicher Beratung, unter
Ablegung von Eidfhwüren und Austauſch von Geifeln, jtellten fie,
nad dem Zeugniß des ſächſiſchen Geſchichtsſchreibers, feit, einen
anderen König, welchem Alle gehorfam fein follten, zu ermählen,
ebenfo an Gregor VII. ein Schreiben abzujenden, in welchem berjelbe
gebeten wurbe, entweder jelbft zu erſcheinen, oder durch Abjendung
eines Boten feine Tröftung zu fpenden. Wenn nun das gleiche
ugniß behauptet, daß von den Sachſen, durch Abordnung einer
jeſandiſchaft an die Echwaben, die von Stamm zu Stamm fid
erftredende Verftändigung den Ausgang genommen habe, fo ift das
taum jo wörtlich anzunehmen. Denn es bedurfte nach der Ulmer
Verftändigung faum mehr einer Aufforderung von ſächſiſcher Seite,
um den gegen Heinrich IV. gejchmideten Plan der Ausführung
näher zu bringen. Dagegen ift e8 ganz wahrſcheinlich, daß von der
einen und anderen Seite her Gedanken ähnlicher Art ſich trafen
und einander beftärften, und es wird faum bezweifelt werben können,
daß unter den Sachſen Dtto von Nordheim in leitender Stellung
vorantrat. Die Verabredung fol gefchloffen worden fein, bei ber
Vereinigung der Fürften einen König zu wählen, da nur bie
einträdtige Haltung gegen ben gemeinjamen Feind — felbft-
verftändlih meinten die Sachſen dabei Heinrich IV. — einen
gehaltenen je auf, als befien Beſchlußergebniß er hinftellt: ut omnes, qui-
— en enden Norabrie Torben
convenirent et variis cladibus, quibus per multos jam annos pax ecclesis-
stica turbabatur, tandem aliquando malorum pertesi finem facerent.
Fortfepung der &. 642 n, 34 mitgeteilten Gtelle folgt da in c. 5 ber dort
citirien Streitſchrift Bernold's: Dominus tamen papa multo misericordius
eum (sc. Biſchof Otto) tractavit, quam meruerit; nam misso venerabili Alt-
manno Pataviensi episcopo eidem in subsequenti autumno apnd Ulmam
sub presentia multorum communionem solam absque officio reddidit, quod
tamen ille contra pı tum domini jue ad finem vitae sune non
cessavit usurpare (Libelli de lite, #110, Aug ber Annalift redet von
dieſer Sache: Constantiensis (episcopus) Ulmse (sc. reconciliatus in com-
munionem receptus est), ebenjo a. 1077: episcopus eivitatis (sc. Constantiae)
. . eommunionem, non offeium, ab rom jensi ante Oppine-
it
Iloguium ji it (286, 293)
Constantiendum, L, 85, iR bie Serlammlung in —— —
mit Heyd, Sea ber N von Zähringen, 65 n. 187, wo eine Beweis
al
führung damit verjucht wird, daß Gregor’3 VL. Brief vom 3. September ſoeben
erhaltene Kenntniß der Beſchlufſe von Ulm voransjepen Lafie, „Mitte E
Gerer Die Tage von Tribur und Canofſa, Siſtoriſch- politiſche Blätter, XUIV,
11, 321, nahm aus dem gleichen Grunde bie erfte Hälfte des Monate an);
auch Giefebrecht, III, 384, jept nicht zutreffend die Ernennumg der Legaten
— für Zribur — erft nad) dem Ulmer Tage an.
Abfichten d. Heinrich IV. feindlichen Fürften, auch wegen e. Königawahl. 727
Erfolg verbürge. Nach einer anderen vereinzelten Nachricht foll
freilich vorher eine Zufammenkunft mit Heinrih IV. felbit, zum
Behufe der Auffuchung der Bedingungen einer Ausjöhnung, dur
die Fürjten in Ausficht genommen worden fein, und zwar nad} der
Madenburg, einer auf dem linken Rheinufer in einiger Entfernung
vom Strome gelegenen Burg auf dem Boden des Bisthums
Speier !7°),
78) Ueber bie zwifchen der Ulmer und ber Zriburer Verſammlung Liegens
ben Dinge wird berichtet, von Lambert: Hoc. (sc. bie Beichlüffe von Ulm) Se
viae, hoc Bajoariae, hoc Saxoniae, hoc Lutheringiae, hoc Franeise 'l'euto-
nieae prineipibus denunciarunt (sc. die in Ulm Berfammelten), universos-
que in commune per Deum obtestabantur, ut omni exeusatione relegata,
cuncta privatae rei sollicitudine 'habita, hane singuli communibus
commodis vel estremam operam dependerent (251), vom Annaliften: nad)
einer allgemeinen Einleitung über den Inhalt de anathema, daß principum
regni pars non minima attendens (sc. das Verbot Gregor’3 VIL), saepius
a rege vocati ad eum venire detrectabant, elaborantes diligentissime, ut
zelum Dei secundum seientiam haberent (mit Hinwels auf die Belchläfle des
Concils von Sarbica): Unde regi adhuc indurato metuentes communi«
quia illum neque arguere, neque punire, neque corrigere poterant, ipel
Guis consentire abhorruerant, etudebant, ut opprtuft deritare, Quapropier
aufumnali tempore cum eo optimates regal colloguium ob hulusmodi se
'habituros Parthenopolim fore condixere (286\. Die Angabe Parthenopolis
fehlt in Gobeg 2. 35 in mit Giefebrecht, IIL, 1145, in den „Anmerkungen“,
die Notäiwendigfeit einer Ortöbegeichnung im Sape feftzuhalten und feine Ex:
Härung, die_auf die Madenburg, in ber nördlichen gertetung be3 Wasgen⸗
waldes am Weſtrande der Rheinebene (im heutigen bairiſchen gern jöbezirt
Rheinpfalz), geht, anzunehmen. Vergl, Lehmann, Urlunbliche Geſchichte der
Burgen und Schlöffer der bayeriichen Pfalz, I, 328, dag noch eine fpäte Ins
ichrift von 1549 am Portal der feit der —EE durch bie Franzoſen 1689
in Zrümmern liegenden Burg dieſelbe „Madinburg“ . . . Pfalhgraf — ..
hat mi Maria zu eigen gegeben .. .“ nennt (do) will Lehmann, obſchon
auch er den Namen von „Maideburg“, „Magdenburg“ ableitet, 307, eine ältefte
Kunde von der Burg erfi zu 1176 anerkennen), ebento, daß, worauf Heyd, 1. c.,
n. 188, hinweift, in dem von Giefebrecht, II, 1268—1270, ald Document A,
Nr. 14, mitgetheilten Manifeft Heinrich's V. von 1113 unter dem castrum
beate Marie wahriceinlich wieder die Dadenburg zu verftehen if. Bon
Pflugl-Harttung wurde, Neues Archiv ber —— — für ältere deutſche Ge-
Ichichtetunde, XI, 333 u. 334, verfucht, Parthenopolis entweder ala Partenheim
(weftlich landeinwaͤrts von Oppenheim) zu erklären, oder noch beffer die Orts-
angabe, mit Gober 2, ganz wegzulafien. Das ift abqulehnen: denn eine Ans
jegung etwa einer engeren Verſammlung vor dem 16. October kann ja Ihe
leicht nad) ber Madendurg geſchehen, bann aber dieſe Zufammentunft unterblieben
fein. — Bruno, c. 87, fagt von den Sachſen: Principes nostri simul adunai
juramentis et obeidibus invicem datis unum se confirmant, et ut
invicem firmissime cohaererent, regem cui subjaceant omnes eligere deli-
berant (ige die in Ereurd VI eingeichobene Stelle, innerhalb deren fteht:)
nd eos (sc. Suevos) legatos . . . mittere Somplacnit, ut iterum convenientes
in anum .. . contra comnunem omnibus hostem, uno de se rege facto,
concorditer starent. Domno quoque apostolico litteras miserant, quibus,
ut vel per se vel per nuntium genti pene perditae consolator adesset,
suppliciter oraverunt (363). Doc) ift dieſe einfeitige Zufchiebung der Ynitiative
an die Sachſen durch den fächfiihen Zeugen fehr verdächtig und unmahricheins
li; anberentheils hat Bruno, wie derjelbe ja überhaupt Otto von Nordheim
hier nirgends erwähnt, deffen gewiß ſehr weſentlichen Antheil übergangen.
728 1078.
Jedenfalls war Heinrih IV. ſchon in eitgebenber Weiſe von
den Fürjten und Anhängern verlafien, die im Beginn des Jahres,
mehr oder weniger gezwungen, an jeiner Seite gegen Gregor VII.
vorgegangen waren !’?), und diefer Abfall nahm noch größeren
Umfang an. So verließ jegt auch Erzbifchof Siegfried von Mainz,
der ja ftet3 nach jeder Seite ein unficherer Bundesgenofje geweſen
war, die Sache des Königs, und Andere machten gleich ihm den
gleichen Schritt zu den Fürſten hinüber, von welchen die Auf-
forderung von Ulm a war), Zugleih wurde noch
ein weiterer Verrath an Heinrich IV. verübt, indem wieder Geijeln,
welche einige Fürften im vorhergehenden Jahre dem Könige zur
Sicherung ihrer Treue gefellt hatten, von denjenigen, welchen die:
felben zur Obhut übergeben waren, zurücgegeben wurden. Darunter
befand fich beſonders auch einer der Söhne Dtto’3 von Nordheim,
der ohne Vorwiſſen Heinrich's IV. an ben Vater zurückgeſchickt
wurde, während der König ben anderen feimilig enttieß, wohl in
der. Hoffnung, dadurch vielleicht doch noch den Water bei fidh feit-
halten zu können, ſowie in der Meinung, durch die Geifelichaft des
einen Bruders, von deſſen Freilaffung er jedenfalls noch nichts
wußte, noch genügend fiher geftellt zu Rein 11), Ehen hei der Ent-
laſſung zweier folder Geifeln, der jungen Söhne des Markgrafen
Udo von der jähfijhen Norbmarf und des Markgrafen Dedi von
der Oſtmark, aus der Ehe mit Adela, welde zwar nit durd die
Pflichtvergefienheit ihres Hüter, fondern durch eigene Lift zur
Freiheit gelangt fein follen, Hatte auch wieder Erzbiſchof Siegfried
in einer dem Willen de3 Königs ganz entgegengejegten Weiſe
gehandelt Die beiden Knaben hatten glüdlich nad) abenteuerlichen
tt und nicht weniger fühner Flußfahrt auf dem Main, die ohne
Zweifel ausgefhmüdt erzählt wurde, Mainz erreicht, und von da
Ribſch, 1. c., II, 97, jagt wohl richtig: „Wir dürfen annehmen, daß es Otto von
Nordheim war, defſen gereifter politiicher und kriegeriſcher Erfahrung der Ent:
ſchluß entfprang, Dur, eine Vereinigung ber — des achfiſchen Aufftandes
und ber oberbeutichen Adelsrevolution die Stellung des Königs zu bredyen“.
179) Allgemein ſprechen von biefer bebentlichen Lage des Könige Marianus
Scottus, Chron., a. 1099 (xeip. 1077): Inde (se. aus ber Ercommunication)
causa quasi jusfa primates regni quasi excommunicato eontradieunt regi,
temptantes eum projeeire regno, Bernoldi Chron.: Jam omnes pene prin-
ipes regni a communione Heinrici se sequestrarunt (SS. V, 561, 433)
80) Sambert hebt bie Gefinnungeänderung Siegfried's in anerfennenden
Worten hervor: Qua expectatione (vergl. n. 178) suspensis atque attonitis
omnibus, episcopus Mogontinus et alii quam plures, qui eatenus partes
regis vehementius tuebantur, ab co defecerunt, et adjuncti supradictis prin-
eipibus (sc. den in Ulm verfammelt geweienen) ad meliorandum regni statum
ardentissimo zelo exarserunt (251).
181) Sambert fügt das glei) an und nennt diefen Umſtand einen mirus
atque inopinatus rerum successus, ut quod moliebantur (sc. principes) nullis
jam retardaretur impedimentis; von den Söhnen Otto’ (vergl. wegen ber=
Filben ©. 585) if der eine auäbrüdlid, ala inseio rege durdh denjenigen, qui
& rege servandum susceperat, an ben pater nec epinane zurädgcan auf
gi Pu Pi wegen des Umfanges der Rückgabe von Geifeln im
23 VI,n. 17.
Wadchſender Abfall d. Heinrich IV. Verſammlung der Fürften in Tribur. 729
wurden fie durch Eiegfried, der fie forgfältig unter feinen Schuß
nahın, ihren Eltern zurüdgegeben, unter Sicherung vor Nachſtellungen
aud auf dem Wege zur — 19),
Inzwiſchen war nunmehr die Zeit herangerüdt, auf welde in
Ulm die Verfammlung ber Fürften verabredet worden war. Auf
ſächſiſchem Boden hatte fih ein nicht unanfehnlices Heer ange:
jammelt und nad dem Rheine hin in Aemegung geſetzt 1). Schon
fceint der Vorſchlag, an diefem 16. October in Tribur fih zu
verjammeln, endgültig feitgeftellt worden zu fein. Denn biefer rechts
diesfeit3 vom Fluffe, alfo für die weit überwiegende Zahl der
Anfommenden bequemer liegende Plag wurde jegt die Stätte der
Vereinigung. Da müffen fs auch die Legaten, der Patriarch Sige-
hard, Bifhof Altmann — nad) einer Nachricht ift auch Erzbiſchof
Gebehard von Salzburg mit ihnen eingetroffen — ſchon eingefunden
haben, ehe die Sachſen herankamen, und ebenjo waren die ober:
deutfhen Herren mit ihren Gefolgihaften bereit? am Plage).
Schon war durch Altmann nad dem ihm gegebenen Auftrage ber
Anfang mit der Wiederaufnahme der ſich zur Buße und zur Genug:
thuung meldenden Ercommunicirten in den Verband der Kirche
emacht worden, und Erzbifchof Siegfried von Mainz wird, ent-
ſprechend ber ſchon gefchehenen Wandlung, hierin mit feinem
Triegerifchen Gefolge vorangegangen jein??), Als die ſächſiſchen
Schaaren beranrüdten, follen ihnen der Patriarch und die übrigen
verjammelten Fürften — der ſächſiſche Verichterftatter faßt die
Dberdeutfchen ſchlechtweg als Schwaben zujammen — zur Begrüßung
entgegengezogen jein 1°°).
Unterbeifen war auch der König von Worms, wo er wohl big
dahin geblieben war, näher an Tribur herangefommen, nad) Oppen-
heim. Denn gerade die Wahl des Plages Tribur ſchien in Erinne-
183) Bergl. ob. ©. 512, fowie in Ereurs I die Geichichte der Flucht der
Knaben nad Diaing. Zambert erzählt da dann weiter von Giegfried, daß berjelbe
admodum gratulatus, quod causam prineipum, qui pro communi commodo
arms sumere meditabantur, hac etiam parte impedimentorum liberasset,
suis singulos parentibus cum omni diligentia, ne quis scilicet insidiaretur
ibeunti remisit (252).
10) Bruno, c. 88, läßt die Sachſen non modico exereitu collecto un:
richtig contra vicum qui dieitur Oppenheim, wo auch die übrige Verfammlung
zuſanmengetreten fein ſoll, ftatt nach Zribur, an den Rhein rüden (363).
184) Auch das bezeugt Bruno, 1. e.: quo (se. nadı Oppenhrim, vergl.
n. 183) et patriarcha cum episcopo Pataviensi, pontifieis Romani legato,
<onvenerat, et una Bueyorum non parva multitudo, qui omnes exereltum
Saxonicum dum veniret, expectabant. Der Anmejenheit Gebehard's gedentt
der Reli, = 20 2 W —
) yon freilich dad vom Annaliften (286) zufammengefaßte Berzeichnif
older die Abfolution Suchender gar nicht für alle Kamen act Dctobertage
von 1076 zutrifft — vergl. in. n. 7 zu Greura VI —, fo ift bod) wohl richtig
Siegfried zuerft aufgeführt.
56) Bruno, 1. c., bezeugt das gleichfalls, wenn auch (vergl. in Excurd VI)
mit ganz einfeitiger Fenbeng, Mebrigen® jpricht auch Lambert von prineipes
Sueviae et Saxoniae, von Suevi et Saxones (252, 254).
730 1076.
rung an die im Anfange bes Jahres 1066 durch ihm dajelbit
erlittene Schmach geichehen zu fein, da er zumal für die ſächſiſchen
Fürften eine Ermunterung, den König aus dem fränfifchen Stamme
anzufechten, bot; aber iA war nun Heinrich IV. jeinerfeits ent:
ſchioſſen, jeine Sache nicht ohme Widerftand preiszugeben. Trog
aller Erjhütterungen, welche feine Macht in den legten Monaten
erfahren hatte, glaubte er fi} noch in den Stand gefegt zu fehen,
gegenüber bem Enger von Tribur eine drohende Haltung an der
Spige feiner Anhänger, einer durchaus nicht unanjehnlichen Schaat,
einzunehmen. Es iſt bezeugt, daß Erzbifchof Hildulf von Cöln, die
Biſchöfe Ruopert von Bamberg, Wernher von Straßburg, Burdard
von Bajel, Huzmann von Speier, Burhard von LZaufanne, Eber⸗
hard von Naumburg, Benno von Dsnabrüd, ferner von weltlichen
Rathgebern Udalric von Godesheim, Graf Eberhard, Hartmann ’*”)
bis an das Ende des Dppenheimer Aufenthaltes an des Könii
Seite ausharrten. Schon biejer eine Umftand, de3 Königs Felt:
jegung in Oppenheim, würde die Fürften, welche nach der Madenbur:
fid) verabredet hatten, gehindert haben, dorthin zu gehen, weil
Heinrih IV. ihnen den Weg fperren, den Uebergang über den
Strom verwehren fonnte.
So ftanden in der zweiten Hälfte des October, durch den
Rhein geſchieden, in Oppenheim und Tribur der König mit den
einigen und die Fürjten einander gegenüber. Auch die Fürften
müffen auf der Hut vor Heinrich IV. geweſen fein; denn Erzbiſchof
Siegfried hatte dafür gejorgt, daß alle Schiffe auf dem Rhein,
deren er ſich bemächtigen fonnte, auf das rechte Ufer zufammen
gebracht wurden iss. Allein zwifchen den beiden Lagern begann
nun zunächſt der Austauſch von Unterhandlungen.
Zehn Tage hindurch wurbe, nach ber zuverläffigeren Nachricht,
zwifchen Oppenheim und Tribur die Sache hin und her gejchoben;
erft um ben 1. November kam die Angelegenheit zum Abjchlub.
Aber jo vielerlei über diefe Verhandlungen, ihren Gang, die vor-
gebraten Gründe und Gegenvorftellungen, zum Theil in der wort:
reichſten Schilderung, berichtet ift, jteht von demjenigen, was wirklich
vorging, nur jehr Weniges feft, und auch die eigentlich treibenden
Beweggründe laſſen ſich höchſtens errathen, faum erkennen.
Für die Legaten und die geiftlihen Theilnehmer, durch diefelben
aber auch ferner für dag ganze königsfeindliche Lager ftanden bie
Vorſchriften bindend voran, weldhe Gregor VII. in feinem Schreiben
vom 3. September hinſichtlich der Behandlung der Sade Hein-
387) Diefe Namen nennt Lambert als diejenigen ber excommunicati, quo-
rum antehac opera consiliisque gratissime utebatur (sc. rex}, bie Heinrich IV.
nachher entlafien mußte: omnes castris egredi jubet (254)
168) Diefe Angabe: navigium omne episcopus Mogontinus in eam ri
(ee. das echte, Triburer Ufer) coegerat (254) bringt zivar Lambert in einem
anderen fpäteren Zufammenhang; doch in fie wohl von Anfang an der Sach
Tage angemefien. “
Heinrich IV. in Oppenheim; Verhandlungen zw. ihm u.d. Fürften in Tribur. 731
rich's IV. aufgeftellt hatte. Doch ſcheint immerhin nochmals vor:
gängig die Frage zur Entſcheidung gebracht worden zu fein, ob
der Papſt ben König ercommuniciren könne, ober nicht, ob Hein—
ri IV. nad) Gerechtigkeit ercommunicirt worden fei, oder nicht,
und biejelbe wurde von den Biſchöfen, Aebten und Geiftlichen
bejaht. Aber was befonders die Sachjen herbeizuführen wünſchten,
mar etwas ganz Anderes. Ein neuer König follte anftatt Hein-
rich's IV. erwählt werden, und hierüber begannen bie Auseinander-
fegungen zwiſchen ihnen und den Schwaben. Anderentheil® aber
ist es zweifellos, daß der König von Oppenheim her ſich bemühte,
die für ihm unleidli gewordene Lage zu beijern, einen Weg zu
finden, auf welchem jeine Beziehungen zu dem Papfte und zu den
Fürften geordnet werden konnten.
In diefen Erörterungen muß zwar ein Augenblid eingetreten
jein, wo ber Kampf zwifchen dem Könige und dem fürftlichen
Heere ausbrechen zu jollen ſchien. Aber er wurde nod in
legten Stunde vermieden und ein Ausweg gefunden. Die erfte
Urfache, daß dag möglich wurbe, lag wohl bei den Legaten, denen
e3 überbunden war, dafür zu forgen, daß dem Papfte der Entſcheid
der Angelegenfeit aufgeipart bleibe, was bei einem ausbrechenden
Bürgerkriege, wenn nicht ausgeſchloſſen, jo doch jehr erſchwert
worden wäre. Daneben mußte der König erkennen, daß feine
Anhänger abermals nicht ſolche Entſchloſſenheit aufwieſen, wie er
eben noch gehofft haben mochte. Allerdings die ſchon genannten
hohen Geiftlihen, wahrſcheinlich mit ihren Leuten, hielten auch jegt
bei ihm aus; aber Andere und noch weitere geiftlihe und weltliche
Gefinnungsgenofjen, hohen und geringeren Ranges, welche wußten,
daß Biſchof Altmann als Vertreter Gregor’3 VII. die Vollmacht
babe, ſolche Gebannte, die fih zur Buße verpflichten würden und
Genugthuung verſprächen, freilich mit jelbftveritändlicher Ausnahme
Heinrich's IV., in die Gemeinfchaft der Kirche wieder aufzunehmen,
müffen gerade in diefen Tagen den Erzbiſchof Siegfried nachgeahmt
und fi nad Tribur göwenbst und ihren Frieden mit ber Kirche
gemacht haben. Der König hatte unter feinen Anhängern manche
und darunter ganz anſehnliche Männer eingebüßt. Endlich aber
kann es nicht ander3 geweſen fein, als daß in Tribur felbft die
anfänglich vielleicht ſcheinbar erftellte Eintracht zwijchen Sachſen
und Schwaben in ber Feſtſtellung des für den Thron zu erlefenden
Fürften in die Brüche ging. Der ſächſiſche Berichterftatter über bie
Ereigniffe von Tribur kann zwar nicht gu ausmalen, wie es
ſchon gleich bei der Begrüßung der Sachſen durch die, ihnen
entgegenziehenben Fürften zugegangen ſei, und ift wohl nicht zu
leugnen, daß das erite Zufammentreffen eine ernftere gemüthliche
Bewegung verurfacht hatte — feit bem Schlachttage von Homburg
war ja nicht viel mehr als ein Jahr verftrihen — : jo wirb beſonders
aud dem Sachſen Dtto, dem Schwaben Welf, zwiſchen melden
noch die Streitfrage über das dem einen entriffene, dem anbern
zuertheilte Herzogthum Baiern lag,. der Austaufch des Grußes unter
730 1076.
rung an die im Anfange des Jahres 1066 durch ihn dajelbit
erlittene Schmach geſchehen zu fein, da er zumal für die ſächſiſchen
Fürften eine Ermunterung, den König aus dem fränfifchen Stamme
anzufechten, bot; aber jo war nun Heinrich IV. feinerfeit3 ent-
ſchloſſen, ſeine Sache nicht ohne Widerftand preiszugeben. Trotz
aller Sriöhitterungen, welche feine Macht in den legten Monaten
erfahren hatte, glaubte er ſich noch in den Stand gefegt zu ſehen,
gegenüber dem Lager von Tribur eine drohende Haltung an
Spige feiner Anhänger, einer durchaus nicht unanfehnlihen Schaar,
einzunehmen. Es iſt bezeugt, daß Erzbiſchof Hildulf von Cöln, die
Biſchöfe Ruopert von Bamberg, Wernher von Straßburg, Burdard
von Bajel, Huzınann von Speier, Burchard von Laufanne, Eher
hard von Naumburg, Benno von Osnabrüd, ferner von weltlichen
Rathgebern Udalrich von Godesheim, Graf Eberhard, Hartmann ?°7)
bis an das Ende des Oppenheimer Aufenthaltes an des Königs
Seite ausharrten. Schon diefer eine Umftand, des Königs de
jegung in Oppenheim, würbe die Fürften, welche nad) der Madenbur:
fid) verabredet hatten, gehindert haben, borthin zu gehen, wei
Heinrih IV. ihnen den Weg fperren, den Webergang über den
Strom verwehren konnte.
So ftanden in der zweiten Hälfte des October, burch den
Rhein gefchteden, in Oppenheim und Tribur der König mit ben
Seinigen und die Fürften einander gegenüber. Auch die Fürften
müffen auf ber Hut vor Heinrich IV. geweſen fein; denn Erzbiſchof
Siegfried hatte dafür gelorgt, daß alle Schiffe auf dem Rhein,
deren er fi bemächtigen konnte, auf das rechte Ufer zufammen-
gebracht wurden !*s), Allein zwifchen den beiden Lagern begann
nun zunäft der Austauſch von Unterhandlungen.
Bein Tage hindurch wurde, nach der zuverläffigeren Nacricht,
zwiſchen Oppenheim und Tribur die Sache hin und her geſchoben;
erſt um ben 1. November kam die Angelegenheit zum Abſchluß.
Aber jo vielerlei über diefe Verhandlungen, ihren Gang, die vor
gebraten Gründe und Gegenvorftellungen, zum Theil in der wort:
reichſten Schilberung, berichtet ift, jteht von demjenigen, was wirklich
vorging, nur ſehr Weniges feft, und auch die eigentlich treibenden
Beweggründe laſſen ſich höchſtens errathen, kaum erfennen.
Für die Legaten und die geiſtlichen Theilnehmer, durch dieſelben
aber auch ferner für das ganze königsfeindliche Lager ſianden bie
Vorſchriften bindend voran, welche Gregor VII. in feinem Schreiben
vom 3. September Hinfichtlich ber Behandlung der Sache Hein-
187) Diefe Namen nennt Lambert als diejenigen der excommunicati, quo-
rum antebac opera consiliisque gratissime utebatur (sc. rex), die Heinrich IV.
nachher entlaffen mußte: omnes castris egredi jubet (254).
16%) Diefe Angabe: navigium omne episcopus Mogontinus in eam rij
(ec. das zechte, Zrburer Ufer) Coegerat (354) Bringt Awar Sambert in One
anderen fpäteren Zufammenhang; doch if fie wohl von Anfang an der Sach
Tage angemeffen. *
deinrich IV. in Oppenheim; Verhandlungen zw. ihm u.d. Fürften in Zeibur. 731
rich's IV. aufgeitellt hatte. Dod) ſcheint immerhin nochmals vor:
gängig die Frage zur Entſcheidung gebracht worden zu fein, ob
der Popſt den König ercommuniciren könne, ober nicht, ob Hein—
rich IV. nad) Gerechtigkeit ercommunicirt worden fei, oder nicht,
und dieſelbe wurbe von den Bifhöfen, Nebten und Geiftlichen
bejaht. Aber was beſonders die Sachſen herbeizuführen wünſchien,
war etwas ganz Anderes. Ein neuer König follte anftatt Hein-
rich's IV. erwählt werden, und hierüber begannen die Augeinander-
fegungen zwijchen ihnen und den Schwaben. Anderentheil® aber
ift es zweifellos, daß der Stönig von Oppenheim ber ſich bemühte,
die für ihn unleidlid gewordene Lage zu beffern, einen Weg zu
finden, auf welchen feine Beziehungen zu dem Papfte und zu ben
Fürften geordnet werden konnten.
In diefen Erörterungen muß zwar ein Yugenblid eingetreten
fein, wo der Kampf zwifchen dem Könige und dem fürftlichen
Heere ausbrechen zu jollen ſchien. Aber er wurde noch in der
fegten Stunde vermieden und ein Ausweg gefunden. Die erfte
Urſache, daß das möglich wurde, lag vos! bei den Legaten, denen
e3 überbunden war, dafür zu forgen, daß dem Papſte der Entſcheid
der Angelegenheit aufgeipart bleibe, was bei einem ausbrechenden
Bürgerkriege, wenn nicht ausgefchlofien, fo doch jehr erſchwert
worden wäre. Daneben mußte der König erfennen, daß feine
Anhänger abermals nicht ſolche Entſchloſſenheit aufwiefen, wie er
eben noch gehofft haben mochte. Allerdings die ſchon genannten
hohen Geiftlihen, wahrſcheinlich mit ihren Zeuten, hielten auch jet
bei ihm aus; aber Andere und noch weitere geiftlihe und weltliche
Gefinnungsgenofjen, hohen und geringeren Ranges, welche mußten,
daß Biſchof Altmann als Vertreter Gregor’3 VII. die Vollmacht
habe, ſolche Gebannte, die fih zur Buße verpflichten würden und
Genugthuung verſprãchen, freilich mit felbftveritändlicher Ausnahme
Heinrich's IV., in die Gemeinſchaft der Kirche wieder aufzunehmen,
müffen gerade in diefen Tagen den Erzbifchof Siegfried nachgeahmt
und fi nad Tribur gewendet und ihren Frieden mit ber Kirche
gemadht haben. Der König hatte unter feinen Anhängern mande
und darunter ganz anfehnlihe Männer eingebüßt. Enblid aber
kann es nicht anders genefen fein, als daß in Tribur felbft die
anfänglich vielleicht ſcheinbar erftellte Eintracht zwiſchen Sachſen
und Schwaben in der Feſtſtellung des für den Thron zu erleſenden
Fürften in die Brüche ging. Der ſächſiſche Berichterſtatter über die
Ereigniffe von Tribur kann zwar nicht gm ausmalen, wie es
ſchon glei bei der Begrüßung der Sachſen durch die ihnen
entgegenziehenben Fürften zugegangen jei, und ift wohl nicht zu
leugnen, daß das erfte Zufammentreffen eine ernftere gemüthliche
Bewegung verurſacht hatte — feit dem Schlachttage von Homburg
war ja nicht viel mehr als ein Jahr verftricden — : jo wirb beſonders
auch dem Sachſen Otto, dem Schwaben Welf, zwifchen welden
noch die Streitfrage über das dem einen entriffene, dem andern
zuertheilte Herzogthum Baiern lag,. der Austaufch des Grußes unter
732 1076.
gefliffentlicher Darlegung gegenfeitiger Verſöhnung zugeichrieben,
und die Sachſen jollen allerdings ein getrenntes Lager neben den
Schwaben bezogen haben, aber immerhin jo, daß von einem Lager
das Ohr eine Rede von der anderen Stätte her deutlich vernehmen
konnte. Allein es ift trotz aller gegentheiligen Verſicherungen des
Verherrlichers einer ſächſiſch-ſchwäbiſchen Freundichaft, wie jie ſchon
zu biefer Zeit vorhanden gewejen ſei, gewiß nicht zu bezweifeln,
daß neue Meinungsverfdiebenheiten hervortraten, ganz voran
zwifchen den Häuptern beider Stämme. Mag nun dabei auch nod
die dus: über Baiern mitgefpielt haben, oder nicht, zwiſchen dem
Sadjen Otto und dem Schwaben Rudolf wird der Neid jo mächtig
erwachſen fein, daß auf den ganzen Plan der neuen Bejegung deö
königlichen Throne Verzicht geleiftet wurbe, völlig abgefehen noch
von der Frage, wie ſich Gregor VII. zu einer ſchon jegt vollzogenen
Wahl _verhalten haben würde.
So fam es zur Feitftellung von Forderungen, auf welche jegt
ber König ſich einließ. Eine erfte Bedingung bezog fih auf bie
Stadt Worms und ſchloß eine empfindliche Niederlage der Föniglichen
Sade in fi; denn wenn irgendwo berfelben die treuefte Anhäng-
lichfeit entgegengebracht worden war, fo hatte das von Seite dir
Wormſer Vürgerihaft ftattgefunden, und jet ſollte die königliche
Beſatzung die Stadt verlaffen und Biſchof Adalbert wieber dahin
zurüdfehren. Das kam alsbald zum Vollzuge, und auch die Königin
verließ dieſen ihren bisherigen Aufenthalt3ort und begab ſich an
die Seite ihres Gemahls. Ganz; bejonders aber verſtand fich jegt
Heinrich IV. zur fofort gefchehenden Abfendung eines Schreibens
an Gregor VIL, in welchem er demſelben verſprach, den ſchuldigen
Gehorfam zu leiften, Genugthuung zu geben und die entſprechende
Buße zu en. Der Wortlaut des Schreibens wurde zwiſchen dem
König und den Fürften ſogleich vereinbart, das Schreiben in ihrer
Gegenwart gefigelt. Aber durch diefe Zufage des Gehorſams war
nun alsbald au eine Anzahl weiterer folgerichtiger Handlungen
von Heinrich IV. zugefihert. Er mußte jogleid die von ihm ſiets
noch beibehaltenen ercommunicirten Räthe entlaſſen, und jie gingen
— eben jene vorher aufgezählten geiftlichen und weltlichen Gefährten
— von feiner Seite hinweg; ebenfo mußte er in ben übrigen
Dingen fi, nad; Anerkennung der Gültigkeit des Banns, fo ver-
halten, wie das nad) kirchlichem Rechte für einen Ercommunicirten
feftgeftellt war. Aber nur gegeniiber dem Papfte wollte er jeine
Vergehen büßen, nur mit ihm die Verföhnung herbeiführen.
Aus diefen Abmachungen heraus floffen die zwei Erklärungen,
welche als Ergebnifje der Verhandlungen vorliegen, freilich die eine
augenscheinlich nicht in der Form, wie fie zuerit feftgeftellt worden
mar. Eine Kundgebung an die Fürften lautete: „Weil wir bu
die Cingebung underer Getreuen in Erfahrung gebracht haben, dai
unfere föniglihe Milde gegen den apojtolifchen Stuhl und den
verehrungsmürdigen Vorficher deſſelben, den Herm Papft Gregor,
von Einigen in fchleihender Weiſe fortgeriffen worben fei, hat es
Feſtſtellung der Forderungen u. Lönigliche Erflärungen an Fürften u. Papſt. 733
und gefallen '*°), unfer früheres Urteil nach heilfamem Rathſchluſſe
abzuändern und nad ber Sitte umjerer Vorgänger und Vorfahren
eben biefem geheiligten Stuhle und dem Herrn Papft Gregor, der
demſelben vorzufigen erfannt wird, in allen Dingen ben geſchuldeten
Gehorfam zu bewahren und, falls etwas Srnfleres gegen ihn in
dreifter Weiſe gethan worden ift, in zureichender Genustbuun das
mit ihm beizulegen. Wir wollen aber, daß audy Ihr, durch dag
Zeifpiel unferer Herrlichkeit ermahnt, nicht anfteht, dem Heiligen
Petrus und deſſen Stellvertreter die feierlide Genugthuung zu
leiften, und daß Alle, welche fid) durch defjen Bann gebunden wiſſen,
fich beftreben, durch ihn, nämlich den Herrn Papſt Gregor, in feier-
licher Weife gelöft zu werden“. Mit diefer Verkündigung hatte
Heinrich IV. Alles zurüdgenommen, was im Januar in Korns
und feither durch ihn gegen Gregor VII. geſchehen war. Aber
in dem ung vorliegenden Wortlaute der anderen an Gregor VII.
ſelbſt ſich vichtenden, in Verbindung mit den Fürften feitgeftellten
Zufiherung muß fo, wie er ſich ung zeigt, gegenüber ber erſten
Ausfertigung eine Aenderung vorgegangen fein. Der Inhalt ftelt
ſich jegt folgendermaßen dar: "ermabnt durch den Rath unferer
Getreuen, verſpreche ich dem apoftoliichen Stuhle und Dir, Papſt
Gregor, in Allem den ſchuldigen Gehorfam zu leiften, und ich werde
jorgen, durch demüthige Genugthuung Alles zu verbeffern, was zur
Verringerung eben biefes Stuhles oder Deiner Ehre durch ung
entjtanden " Weil aber über ung gewiſſe ſchwerwiegende Dinge
zur Sprache gebracht werden, welche ich gegen denjelben Stuhl und
der Dir geſchuldeten Ehrfurcht zumider begangen haben fol, fo
werde ich diefe zur angemefjenen Zeit entweder durch den Beweis
der Unſchuld und mit Gottes Beiftand tilgen, oder dann endlich
bierfür die zureichende Buße germ über mich nehmen. Aber es
ziemt auch, Deiner Heiligfeit dasjenige nicht zu verhehlen, was als
verbreitetes Gerücht über Dich der Kirche Aergerniß bereitet, ſondern
daß, inden auch dieſer Etein des Anftoßes aus dem öffentlichen
Gewifjen entfernt ift, die allgemeine Ruhe wie ber Kirche, jo des
Reiches durch Deine Weisheit befeftigt werde“. Nach einer Nach-
richt ſollte, jedenfalls durch Erzbiſchof Udo von Trier, der als
Träger des föniglihen Schreibens erlefen war, außerdem nod die
dringende Bitte des Königs ausdrüdlic in Rom vorgebradht werben,
daß diejer, zum Zweck der Verſöhnung mit Gregor VII., felbft
nah Rom kommen dürfe. Doch als nachher Udo nah Nom kam,
da ftellte fi, als in-Anmwefenheit von Gejandten der Fürften das
Schreiben, weldes er bradte, zur Verleſung fam, heraus, daß
defien Inhalt der Form, die in Tribur in Gegenwart ber Reiche»
180) Dieſer fonderbar gemunbene Gap von Cod. Udalriei, Nr. 53, lautet:
Quia, mansuetudini nostrae contra sedem apostolicam eiusque venerandum
praesulem domnum Gregorium papam ab aliquibus subreptum esse, fidelium
nostrorum suggestione recognovimus, placuit nobis ($affe, Biblioth., V, 111).
734 1076.
fürjten feftgejegt und bejigelt worden war, nicht mehr entjpradh;
die Boten derfelben bezeugten und betheuerten, das Schreiben jei
gefälſcht und ftellenweile abgeändert worden. Wirklich Hatte Hein-
rich IV. wahrſcheinlich eine Stelle, welche den Gedanken in fih
enthielt, daß die Fürften ſich zwiſchen ihn und Gregor VIL Hinein-
drängen könnten, ausgelafjen. Allein aud) der Schlußjag, mit feiner
anne Wendung gegen Gregor VII., zeigt deutlich, dab
jich der Abjender des Schreibens, im Augenblide der ſchließlichen
Geftaltung diefes dem Papfte gegebenen Verfprehens, wieder frei
in feinen Bewegungen fühlte, jo daß er e3 wagen durfte, fein
Selbitgefühl al3 König gegenüber bem Urheber der Ercommunication
wieder fo nachdrüclich Derauzzutehren 100),
In Tribur fegten die Fürften ihre Berathungen aud) noch über
bie Feltfegung diefer gegenüber dem Könige aufgeftellten Bedingungen
fort. Sie verpflichteten fi danach eidlih unter einander, ber
Patriarch voran, daß fie Heinrich IV. ferner nicht mehr zum König
haben wollten, wenn er durch eigene Schuld nicht bis zum Jahres:
tage der Fällung des Bannes von dem Fluche losgeſprochen ſei.
Ferner verſprachen fie fich wechjelfeitig Schug, für den Fall, dab
der König fi rächen und ihnen Schaden zufügen wolle — es
wurde bemerkt, daß mandje auch durch Verjäumniß von Gruß und
Vorftellung ihn erzürnt haben möchten —, da leicht Schaden für
den einen ober anderen daraus entftehen könne. Endlich wurde von
den Fürften beichloffen, auch vun ihrer Seite aus an den Papit
zuverläffige Botſchaft zu fenden, damit in aller Eile in Rom die
geleiebenen Verhandlungen befannt würden und damit eimer zu
efücchtenden Hinterlift Heinrich's IV. vorgebeugt werben möchte.
Außerdem ſollte der Papit flehentlich gebeten werben, jelbit nad)
dem beutjchen Neiche zu kommen und den Streit zu entfcheiden.
Es ift wahrideinlih, daß ſchon in Tribur die Zeit und der Ort
einer ſolchen Zufammenktunft mit Gregor VII. unter den Fürften
ausgemacht worden, daB von Augsburg und dem Tage Mariä
Reinigung des nächſten Jahres ſchon die Rede war. ebenfalls
aber mußte bie ganze Feſtſetzung Gregor VII. überlaſſen bleiben.
. 1%) Wenn Bonitho, Lib. VII, ſchreibt: Interea mittunt (sc. ultramon-
tani_prineipes) Romam Trevirensem gpi Opa, ut papam ultra montes
gpud Augustam duceret ($aff6, Biblioth., Il, 671), fo ift das gegenüber ber
usfage des Annaliften nicht zu beachten, welcher meldet, dah durch lido rex ..
litteras ..... quas tamen deinceps ipse clam alteravit et ad libitum suum
mutavit . . — papae praesentandas transmisit, womit nachher noch
äu vergleichen if: Trevirensis archiepiscopus cum regiae legationis litterie
.. . papam salutavit, litteras adulteratas ipsi praesentavit. Quas ille nisi
coram legatis optimatum regni recitari sibi noluit, ut ipsi testes recitationis
adessent, qui et earum compositionis et emissionis scioli asstiterant. Post-
quam igitur recitatae sunt, legati materiam longe aliam, quam quae in
praesentia primatum regni composita et sigillata fuit, recognoseentes, non
eandem set alteratam et per loca mutatam fuisse, per dominum Deum
liberrime protestati sunt (286, 287).
Tepte fürftl. Verabrebungen u. Einladung an Gregor VII. Ergebniſſe. 735
Danach trennten fi die Fürften, faum in jehr fiegesfreudiger
Stimmung, wie ſchon der Umſtand verräth, daß fie fich voraus«
fihtliden Angriffen des Königs gegenüber gegenfeitig verficherten,
fo daß fie aljo denfelben noch für muthig und wehrfräftig genug
ielten, um ſolche Vergeltung zu beginnen. Diejenigen, welche ge-
mmen waren, um den Thron meu zu bejegen, hatten nichts
erreicht, und gewonnen war zunächſt einzig die Rückkehr des ver-
triebenen Adalbert nad Worms. Der König aher hatte ganz vor:
züglich das erzielt, daß feine Angelegenheit nur zwifchen Gregor VII.
und ihm felbit zur Entſcheidung tag Der ſächſiſche Berichterſtatter
ſagt, ſchon habe Heinrich IV. 2 aller Eile feine Vorbereitungen in
das Werk gejegt, um felbft nad Rom zu gehen und bier durch
eine würbige Buße von der Milde des Papftes die Losfagung aus
ben Banden des Banned zu gewinnen. Allerdings war daneben
anfangs der König am feinem neuen Aufenthaltsort — zu Speier
— noch nah den in Tribur feftgeftellten Verabredungen einer
gewiſſen Auffiht von Seite der Reichsfürſten unterworfen, in feinen
Entſchlüſſen, abgefehen davon, daß er nad) der Unterwerfung unter
Gregor VII. das Leben eines Büßenden zu führen hatte, einige
Zeit hindurch nicht frei. Aber dieje Abhängigkeit von den Fürften
bat fich jedenfalls ſchon bald verringert, als die Verfammlung zu
Tribur aus einander gegangen war, und der König begann, Schritte
anzubahnen, deren Auzäfibrung die Berechnungen der Fürften
gänzlich zerreißen mußte!?
Daß Gregor VII. zunächit mit dem Ausgange ber Verhandlungen
zwiſchen Heinrich IV. und dem Triburer Zürftentage zufrieden war,
iſt wohl nicht zu bezweifeln.
Noch am 31. October hatte der Papit ſich in feinem Schreiben
an Wifred und die anderen getreuen Söhne der Mailänder Kirche
über fein Verhältniß zum Könige, das damals in der Schwebe lag,
ausgeſprochen. Er wußte, daß die Verſchwörung des Königs und
der Keger von katholiſch gefinnten Biſchöfen und Herzogen und
vielen anderen Angehörigen des deutſchen Landes offen befämpft
werde, und fuhr fort: „Yu einer fo großen Zahl find die Getreuen
ber römiſchen Kirche angeftiegen, daß fie, wenn der König nicht zur
Genugthuung ſich herbeiläßt, offen ankündigen, einen anderen König
zu erwählen. Wir haben ihnen, falls bie Gerechtigkeit bewahrt
— — al zu begünftigen, und wir werden unfer Verſprechen
er Halt ten”
m) Bet, zu biefer Ausführung der Ereigniffe von —— und Oppen-
Beim, jonberö von bei —F bei Gieſebrecht, TIL, 385—392, u
—5* —— ber Lambert Be act a ftart abmeih, gene V
#0 die Quellenftellen und Deren it geb acht find.
92) Vergl. in bem ſchon Linn —— citirten Briefe, wo neg über
rich IV. getlagt rg — cum Heinrico, rege eorum,
Ph aa —S religione moliuntur evortere (Iaffe, —
736 1076.
Dann liefen nad) dem Ausgang der Triburer Verhandlungen
die Nachrichten über die Feitfegungen, welche daraus hervorgegangen
waren, bei dem PBapfte ein. Die erften Mittheilungen können jolde,
die von dem Legaten Bischof Altmann unter der Verpflichtung der
Buße in die Kirche wieder aufgenommen worden waren — als
ſolche werden die Biſchöfe Pibo von Toul und Huzmann von Speier
genannt — nad Ron gebracht haben; denn diejen war es bei
ihrem Gehorjam auferlegt worden, ſich fofort zum Papſte zu begeben
und ſich vor bemfelben bußfertig und gehorfam zu zeigen. Uebrigens
wurden bieje Biſchöfe nach ihrer Losfprehung in Klöfter zur
Prüfung ihrer Unterwürfigfeit einzeln eingejhloffen und, nachdem
die Kaiſerin Agnes fie nicht ohne Mühe frei gemacht, in die Heimat,
jedoch ohne Wiedereinfegung in ihr Amt, entlafjen !%).
Exit erheblich fpäter vermochte Erzbiſchof Udo, als Träger
jener von dem Könige ausgefertigten Erklärung, in Rom ſich ein-
zuftellen. Zwar war er den von Altınann aufgenommenen Büßenden
alsbald dahin gefolgt; aber cr hatte das Mifgefchid gehabt, auf
dem Wege dem eifrigen Gegner der Pataria, Biihof Dionyfiug von
Viacenza, in die Hand zu fallen, der ihm nicht eher geftattete, feine
Reife jortzufegen, als bis von Heinrich IV. aus Speier ein Schreiben
einlief, in welchem diefe Freilaſſung anbefohlen wurde. Doch
nachdem Udo das Schreiben des Königs vorgelegt hatte, erhoben
ſich jene ſchon erwähnten Zweifel an der Richtigkeit des Inhalte,
und umfonft juchte er denfelben zu vertheidigen. Man nöthigte
ihn, die Fälfhung aujugehehen, feitich ohne daß er fich felbit zu
deren Urheberſchaft befannte. Gregor VII. und die Kaiferin Agnes
— heißt es — feien geihmäßig in ihrem Vertrauen auf die Auf-
richtigkeit Heinrich’ IV. durch diefen Vorgang neuerdings er-
ſchütiert worden '%*).
198) Giejebrecht, III, 393, ſchließt wohl mit Recht, daß die vom Annaliften
Genannten — Tullensis episcopus, nec non pariter Nemetensis mox cum
multis aliis, quibus hoc per oboedientiam a Pataviensi episcopo impositum
est, Romam pervenientes — bie erfien Träger von Nachrichten für Gregor VIL
gewefen feien; der Annalift erwähnt dann deren Schidfal: Quos ille (sc. papa) ca-
nonice reconciliatos, eorum oboedientiam aliquamdiu probando in mona-
steria alia quaedam custodiaria solos eos fecit incarcerari, donec impera-
trieis interventu vix inde reducti, absque ordine non concesso, solius J
tia communionis repatriare permissi sunt (287). Huyımann if} einer ber
Biſchoſe, die bis zuleht bei Heinrich IV. aushielten vg . 6. 780); mit Pibo
zeigte fi) Gregor VII. in dem ©. 672 herangezogenen Briefe jehr unzufrieden,
und ebenfo Lie er am 25. Auguft in J. 5000 dem Erzbildjof 1Ibo beiehlen, ut
Tullensi epiecopo, ne se intromittat de abbatieea monasterii Montis Roma-
riei, interdicat (1. c., 244)
194) Vergl. die Audfage des Annaliften in nm. 190 betrefiend Udo’3 Aufs
treten in Rom. Derjelbe fügt bann fort: Sic Trevirensis archiepiscopus,
guamquam in primis litteras defendere incepisset, postremo tamen con-
vietus ab eis et rememoratus, fraudulentiam non suam set cuius nesciret
alterius, in litteris publice eonfessus est. Ita omnia regis oboe-
dientiae, uam littera mendax, non cordis veritas protulit, commenta simula-
toria et deceptionum plenissima, cum imperatrice pariter domnus apostoli-
Ankunft b. Nachrichten d. Tribur in Rom, bef.d. königl. dch. Erzbiſchof Abo. 737
Daß die Boten der deutſchen Fürften ſchon vor Udo in Rom
eingetroffen waren, geht aus deren Anweſenheit bei der Vorlefung
des königlichen Schreibens hervor. Sie nahmen die Antwort des
Papſtes an ihre Auftragge er zurüd, welde in ähnlicher Weife,
wie das Schreiben vom 3. September, an bie weitelten Kreife im
deutſchen Reiche ſich richtete, jo aber, daß zwei verſchieden Lautende
Kundgebungen augenſcheinlich ganz kurz nad) einander nach Deutſch⸗
land abgelafjen wurden !”).
Diele in das deutſche Reich erlaffenen Verfündigungen des päpft-
lichen Willens enthielten in fi eine weit gehende Veränderung der
foeben noch vorhanden gewejenen Lage der Dinge. Heinrich IV.
glaubte nach der Genehmigung der Dppenheimer Anerbietungen
durch die in Tribur anwefenden Vertreter des Papſtes es erreicht
zu haben, daß er mit Gregor VII, unmittelbar unter Hinweg⸗
ſchiebung einer Einwirkung der Fürften, feinen Frieden jchließen
Tönne, und er bereitete in dieſem Sinne feine Schritte auf den
Beginn des nächſten Jahres vor. Statt defien griff nun der Papft
— leider läßt fi) nicht erkennen, was ihn zulegt zu diefer anderen
Gefinnung hierüber brachte — auf die Beziehungen zu den Fürften
gerabewegs zurüd, und er nahm jeme ihm entgegengebradhte Ein-
ladung nad Deutſchland an.
Im erften Schreiben kündigte nämlich der Papft an, daß er
beſchloſſen habe, unter Hintanfegung des Rathes beinahe aller feiner
Getreuen, in das deutſche Reich ſich zu begeben und feine Abreife
dahin fo zu beichleunigen, daß er am 8. Januar des folgenden
Jahres zu Mantua jein werde, in dem Vorfage, im Vertrauen auf
eus Tigilanter deprehenderat (287). ®onitho, Lib. VIII, verzichtet auf eine
lange Beichreibung betreffend Udo: quomodo apud Placentiam eius (sc. regis)
ealliditate captus fuerit, et non ante liberatus, quam eius littere a Spira
Placentino episcopo, ut dimitteretur, delatae fuissent (I. c., 671); fo fam
Udo, obidjon er nad; dem Unnaliften e vestigio . . . festinus nimis Pibo und
Huzmann folgte, erſi viel fpäter an. Daß übrigens Gregor VIL in feinem nad
den Vorgängen von Ganofja verfaßten reiben, J. 5017, felbft anerfannte,
supplices legatos mit Zuficherungen: per omnia se satisfacturum Deo et
sancto gar ac nobis — von Heinrich IV. empfangen zu haben, vergl. in
196) Die Ueberidhriften der Briefe, Epist. collectae, Rr. 17 und 18, J. 5013
unb 5014 (l. c., 542—544), finb derjenigen von J. 5002 in ber Hauptfadhe ent«
rechend, body im erſten mit Beifügung der archiepiscopl, ber majores atque
minores, im gweiten mit derjenigen außerdem ber abbates und marchiones.
Paul von Bernried, ber beide Schreiben in c. 83 hinter einander bringt (1. c.,
523 u. 524), unterfcheibet fie nicht beflimmter bon einander; er läht fie (c. 82)
geichrieben fein, um eine Wnzettelung Heinrid’ IV. zu burdhfeengen: diefer
wollte vom Papfte erzwingen, ut eum ad se Romam venire permitteret, ea
utique intentione, ut tanto facilius papam fallere posset, quanto pauciores
regni principes jam saepius astutias eius perpessi discutiendae eius cansae
interessent; da habe ber Darf, ut prineipes FopaYerant, beichlofien, ad con-
dietum diem (sc. nad; Augsburg) zu kommen (doch vergl. in Excurs VI), und
die zivei Briefe abgehen lafien. DaB diefelben in ben Movember oder December
Br noch das lehlere — anzufegen find, ift mit Jaff's Einreihung anzu-
nehmen.
Weyer von Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter Heinrig IV.u.V. Bd... 47
738 1076.
die erprobte Treue feiner deutihen Anhänger auch alles Schwere,
ſogar die Vergiegung feines Blutes, für die Freiheit der Kirche und
das Heil des Reiches auf fi zu nehmen. Dagegen erwartet er
von den Empfängern diejes jeines Schreibens, dab jie für feine
Aufnahme und feinen Dienft diejenigen vorher unterrichten, deren
Vermögen und Pflicht dafür in Betracht fallen. Ebenjo jollen jie
für die VBefeftigung des Friedens in ihren Landestheilen forgen,
damit nichts den Abfichten de3 Papftes hindernd entgegenzutreten
vermöge. In dem zweiten Schreiben dagegen hebt Gregor VII.
noch ftärfer hervor, daß er gegen Willen und Rath der Römer
feinen Aufbrud) bewertitellige, und er wendet fih auf das nad-
drüdlichite an jeine geliebteften Brüder, fie möchten dafür forgen,
daß er unter Gottes Beiftand zu ihnen gelangen und ihnen in
Allem nüglich fein könne 19°).
Ganz ſicher ftellte aljo hier Gregor VII. jeinen eigenen Auf-
brud nad) Deutſchland in Ausfiht. Der durch Erzbiihof Udo
ihm gemachte Vorſchlag des Königs, den Beſuch deflelben zum
Behufe der Verföhnung in Rom entgegenzunehmen, war abgemwiejen.
Zwar nannte der Papit in dem Schreiben felbjt gegenüber den
angeredeten deutſchen Fürften und übrigen Getreuen nicht Ort und
Zeit einer Zufammenkunft, ebenſo nicht? Näheres über den Gegen:
ftand der Berathung. Bloß ein Pla in Oberitalien iſt als ein
folder, der berührt werden joll, genannt. Augenſcheinlich war aljo
von einer Feititelung des Einzelnen für die Zufammenkunft mit
den Deutfchen vorher noch nicht die Rede geweien, höchſtens ein
Vorſchlag, der Augsburg und das Felt Mariä Reinigung genannt
haben mochte, gemacht worden. Aber jet fcheint Gregor VII. den
jeine Ankunft in Deutſchland anfündigenden Boten die Ueberbringung
der Einberufung nad Augsburg auf den 2. Februar aufgetragen
zu haben, und zwar fo, daß auch Heinrich IV. nunmehr die Ein-
ladung erhielt”). Die Dinge hatten, infolge der jo eingetretenen
196) Die Andeutung von J. 5013: Quot et quantas colluctationes cum
nunciis regis habuerimus, et quibus rationibus dietis eorum obviaverimus
.. - . latores (litterarum) plenius indicabunt — geht vielleicht auf die Ent»
jüllung betreffend das durch Udo gebrachte Echreiben. Zu J. 5014 flimmt bie
Ingabe des bier gut unterrichteten Lambert, a. 1077: invitis Romanis prin-
cipibus et propter incertum rei eventum iter illud dissuadentibus habe
Gregor VII. Rom verlafien (256). Dagegen if auf die in einem micht fehr
glaubwürdigen Zufammenhange ftehenden Worte bed Annaliften (vergl. in n. 199),
ab bie Römer und Gregor's VII. Rathgeber tantis muneribus corrupti et
sie indi
ji sibi (sc. regi) astitores effecti geworben feien, fein grokes Ge:
wicht wu Iegen. J
9) Der Annaliſt präciſirt neben dem Inhalt der von ihm erwähnten
Briefe: in quibus plurimum pro ducatu suo, pro caeteris necessariis et pro
ce ‚psos — ut aportuit, diligenter praemonuerat — ganz bes
timmt die Weilungen Grenor’s u: .. ut in wtia i pri.
matum apud Augustam Vindelicam M Fr audiendus N reconeiliandus Abi
oceurreret (sc. res), apostolica auctoritate praeceperat, et illo se venturum
ad eos circa festivitatem Ypapanti, si Dominus voluerit, firmissime satis
per utriusque partis legatos ipsis remandavit. Bon ben fürftlichen Boten
Päpfl. Kundgebungen u. Aufbruch v. Rom. Königl. Aufenthalt in Speier. 739
unmittelbaren Anknüpfung des Papites mit den Fürften, für ben
Künig eine neuerbing unerwünfchte Wendung genommen. In wie
weit diefelbe der üblen Einwirkung zuzuſchreiben war, melde aus
den angebrachten Abänderungen in dem königlichen Schreiben
erwuchs, ift, wie ſchon gejagt, nicht feitzuftellen. Doch ift e3 ganz
nahe liegend, daß Gregor’s VII. Vorjag, die Verföhnung mit
Heinrich IV., wie fie derjelbe angeboten hatte, ohne anderweitige
Dermittlung zu vollziegen, durch diefe unerwünſchte Wahrnehmung,
die man in Rom gemacht hatte, wankend geworden war. ebenfalls
war es eine arge Störung des von Heinrich IV. gefaßten Planes,
wenn er demnach den Papit nicht mehr in Rom zu treffen die
Hoffnung haben konnte.
Denn ohne Zweifel verließ der Papſt Rom nicht lange nad
dem zweiten feiner Briefe, um fi auf den Weg zunächſt nad)
Dberitalien zu begeben. Bis zum 28. December war er big
Florenz gekommen !°®),
Von Oppenheim war Heinrich IV., wohl ala noch die Fürften
in Tribur beifammen waren, aljo am Ausgang des October, nach
Speier übergefiedelt, wo er nun anfangs, nad) Entlafjung der
Ercommunicirten aus feiner Umgebung, fih mit fleinem Gefolge
wie ein Büßender hielt; die ihm von den Füriten zur Seite ge-
‚ebenen Bürgen meilten um ihn, und von den Biſchöfen war einzig
Biicot Theoderih von Verdun an feiner Seite. Doch nit allzu
fange duldete der Sinn des Königs dieje Schranken. Als nad
dem 1. November die Verfammlung zu Tribur fi) aufgelöft hatte,
ftreifte er allmählich die Feſſeln, welche man ihm hatte anlegen
wollen, ab. Anbererjeit3 jcheinen ihm aber aud die noch unter
den Fürften felbft in Tribur gejchehenen DVerabredungen nad) und
nad) befannt geworden zu fein, und fo fammelte er unter ber
Hand wieber feine Rathgeber um ſich, bejtrebt, ſich ficher zu ſtellen
gegen die Ränfe, welche ihn zu erdrüden drohten, in forgfältiger
Erwägung der ihm von anderer Seite entgegengebrahten Meinungen.
Schon durfte auch ein italienischer Fürſt, Markgraf Otbert, der,
als Gegner der Pataria unter dem Banne liegend, wohl Aufträge
feiner Fönigstreuen Standesgenofien und lombardiſchen Anhänger
überhaupt heranbrachte, es wagen, ſich beim Könige zu zeigen; ſehr
heit es dann: laetanter patriam suam tanti hospitis adventum praeconando
reviserant (287). Lambert dagegen läßt, a. 1077, in Gemäßheit feiner Dar:
Melung der Triburer Vorgänge (vergl. rcurs VI) ben Papft |chon don Oppen-
heim her de fagt er falfch) brieflich aufgefordert fein, ut in purificatione sanctac
Mariae ad discuciendam causam regis Augustae occurreret (256).
Rach J. 5015 war Gregor VII. an diefem Tage in Florenz. Doch
sieht Jafle dabei Knpothetifch aud) die Audfage der Vita Anselmi ep. Lucensis,
ec. 8, beran: Accidit igitur, ut eandem ad civitatem (sc. Lucanam) sanctissi-
mus papa Gregorius VII. veniret (SS. XII, 15), dafür, daß bei Diefem Anlaffe
Lucca möchte berührt worden fein. .
47
740 1076.
reich beſchenkt kehrte er nach Italien zurüd, ohne jedoch die ihm
jedenfalls überbundenen Meldungen in der Heimath ausrichten zu
fönnen, da er noch auf deutſchem Boden eines plöglichen Todes
ftarb. Aber der König hielt jedenfalls trogdem feinen Vorſatz, den
er in dem Schreiben an Gregor VII ausgeſprochen, durchaus feft,
felbft zu dem Papfte fih zu begeben, durch die Leiftung der noth-
wendigen Genugthuung und Buße von demfelben die Losſprechung
vom Banne zu gewinnen; benn nur auf biefe Weiſe vermodte er
ja die zu befürchtende unmittelbare Anfnüpfung ber Fürften mit
dein römischen Stuhl, welche über fein Haupt hinweggehen würde,
zu verhindern. Daß ber König diejes Haupterforberniß der Ver:
föhnung mit dem Papfte als das Ziel feiner ganzen Vorbereitungen
bei dem beabfichtigten Aufbruche nach Italien im Sinne hatte, das
dürfte am fiherften aus der Handlungsweiſe eines unzweifelhaft
ſtreng kirchlich gefinnten Vertreters der geiftlichen Forderungen hervor-
gehen, die während dieſes Aufenthaltes in Speier für den König
eine Beltärfung feines Entfchlufjes geworden fein muß. Hein:
rich's IV. Taufpathe und väterliher Freund, Abt Hugo von Cluny,
ſcheute nämlich nicht die Berührung mit dem Excommunicirten;
was bei dem Beſuche des Abtes am königlichen Hofe zwifchen ihnen
über die beabfihtigte Unterrebung mit Gregor VII. noch näher
verhandelt wurde, ift nicht befannt, al gewiß nur das anzu-
nehmen, daß Hugo den König in feinem Vorhaben noch befeftigte.
Dann aber eilte der Abt nach Italien und fam noch rechtzeitig zu
dem Papſte, ehe derjelbe Rom verließ. Doc jchon hatte eben
Gregor VII. durch die feither geſchehene Annäherung an die fürft-
lien Gegner des Königs defien Wunſch, in Nom die Ausjöhnung
erzielen zu können, unmöglich gemacht, und Hugo mußte, wenn er
nur Gregor VII. bei deſſen Weggange von Rom ſich follte an:
ſchließen dürfen, noch wegen feines Verkehrs mit Heinri IV. fih
losſprechen lafjen 18)
109) Ueber Heinrichſs IV. Aufenthalt in Speicr vergl. ſchon, hinfichttich
der für dem König, vorliegenden Bedingungen, in Excurs VI. Lambert fährt
fort: Rex certo sciens, omnem snaın in eo verli salutem, si ante anniver-
sariam diem excommunicatione absolveretur, nec satis tutum suis rationibus
existimans, ut expectato intra Gallias Romaui pontificis adventu, sie infesto
judiei, sie obstinatis accusatoribus causam addiceret ventilandam (dieje Ex»
wägung Lambert's beruht auf ber irrigen Hereinziehung dieſer Frage in bie
Punkte der Triburer Feſtſetzungen zwiſchen König und Fürſten; vergl. in Er⸗
curs VI, wo Lambert'3 eigene Diele Behauptung aufhebende Stelle, a. 1077,
256, herangejogen if), optimum factu sibi judicavit Pro eo tum statu rerum
suarum, ut in Gallias proficiscenti Romano pontifici intra Italiam occurreret
et anathematis absolutionem quoquo posset modo impetrare conaretur ;
hac impetrata, caeteram rebus difficultatem facile adimendam, eum colloqui
prineipibus ct conferre consilia et fidem amicorum in adversis implorare
nulla deinceps vetaret religio (254 u. 255: banadı folgt die in Ercurs I bes
hanbelte Stelle über bie von Lambert ausgenalte Häglice Lage Heinzid's IV.
in Speier). Der Annalift räumt auedrüdlih ein, der König habe, nad ans
fänglider Zebenemweile more poenitentium, und zwar cam tutoribus et actori-
bus, qui a primatibus regni ipsi deputati sunt, fih frei zu madjen begonnen:
Heinrichs IV. Borbereit. 3. Weggang nad) Italien; Beihülfe Abt Hugo’. 741
Heinrich IV. dagegen verließ einige Tage vor dem Weihnachts-
fefte, begleitet von Königin Bertha und dem noch feine drei Jahre
zählenden Sohne Konrad, Speier und begab ſich auf den Weg nad
Dehine ob conjurationem principum (vergl. in Excurs VI die betreffende Aus-
fage) suspicans in se contorquendas perfidiem et versutias illorum supplan-
tatorias, recollectis undique consiliariis suis, placitum optimatum suorum
temerarius postposuit, et sic ne regno privaretur, toto industrius et atten-
tissimus ingenio, omnifaria suorum scrutinia et consilia conferendo dili-
gentisrime se Praemunivit, Dann wird die Geſchichte der Botſchaften nr}
tom, beſonders Ubo’3, derjenigen der Fürften, ihre Abfertigung durch Gregor VI
eingefjoben und fortgeiahren: Rex longe alia intentione cordatus, dum papae
propositum (se. ben Aufbruch nad) Deuticland) comperisset, oceurrere ipsi
ante quam nostras partes intraret, summa consultationum _sollertissimus
industrie moliebatur, woran verſchiedene Erwägungen, die der König angeftellt
haben fol — freilid fo, daß er — stultissime satıs -- gemeint habe: papam,
metu, minis et blanditiis Romanorum convietum, morigerum sibi (per omnia
effectum) ... pium sibi, adversariis autem suis severissimum deinceps fore
— fi anſchliehen: nämlich entweder Gregor VII. durch eine möglich große
jerworbene Zruppenzahl zu ſchrecken und zur Flucht zu möthigen, ober durch Be-
jung der Römer und ber übrigen Rathgeber defſeiben ihn zur Erfüllung ber
miglichen Wünfche zu zwingen, ober dag, wenn das nicht gelänge, eben biefe
zömilden Gehülfen des Könige mit biefem felbft dahin wirkten: ut ilico eum
injuriatum cathedra depellerent et alium juxta cor regis pro eo substituerent,
et sic in imperium ab illo electus et ordinatus, una cum uxore sua in patriam
loriosus remearet. Dann lentt der Zufammenhang nochmals in bie Begeben-
Briten zu Speier zurüd: His et altis non perpaucis, ut fama fuit, consiliari-
mähnten tutores et actores) qualitereumque opprimere et se suum ad libitum
ab eis omnino liberare. ©) q
marchio, nomine Opertus, de Longobardia tune temporis adveniens —
summopere illum (sc. regem) prae ceteris confortavit — nod) in Gpeier bei
af
Speier dieſe else Abestegen und danach feine Maßregeln wählen Tonnte.
dem Sachverhalte eutſprachen. Daß bei Heinrich IV. Biſchof Theoderich von
Berdun anweſend war, nad) Lambert, a. 1077, vir constantissimse erga regem
dei (257), jagt eben berjelbe: ibi (sc. zu Gpeier) solo Verdunensi erincope
.... contentus babe Heinrich IV. Leben follen (254). Otbert zählte ohne Zwei
zu dem durch Breßlau, Ronrab II., 1, 414 ff, behandelten Haufe ber Otbertiner
ober Eftenier und war zu Heinrich IV. ala ein Abgeorbneter der antipatarinifchen
Partei gelommen; der ſchon S. 25 erwähnte Albert Azzo II. von Efte, ben
Lambert kurz nachher, a. 1077, ala einen ber von Heinzich IV. angerufenen
Bermittler bei Gregor VII. nennt (258, 259), gehörte bem gleichen Geſchiechte
an. Wegen Hugo’s Thätigteit bei Heinrich IV. vergl. ſchon in Excurd VI, dat
fie nicht nad) Zribur gefallen fein fanı. Da nun aber nad dem Annaliften,
a. 1077, Hugo unzweifelhaft kurz vor ben Ereignifien in Ganofja mit Heinrich IV.
zu thun hatte: abbas Cloniacensis .... . et ipse cum papa nuper ob
communicationem Romae reconcili (289), fo ift eine Berührung besfelben
mit dem König ganz feftftehend, und es ift ſehr wahricheinlich, daß fie mit
742 1076.
Burgund ?°%), Denn von einer Benugung ber näheren vom Rhein
aufwärts nad; Italien führenden Straßen fonnte feine Rebe jein,
weil die Herzoge Rudolf, Welf und Berchtold diefelben bewacht
hielten und befonder8 durch die ſchon vorher gejchehene Bejegung
der jogenannten Klaufen — dabei ift gewiß ganz voran an den
Paß an der Etſch am Ausgang der Straße von Trient gegen
Verona zu denken, welche Gregor VII, von Mantua ber kommend,
zurüdfegen mußte — dem Könige den Ausgang nach Oberitalien
verſchloſſen ?en). In Befangon wurde das Weihnachtsfeſt gefeiert,
da bier Graf Wilhelm von Burgund, als Verwandter — die
Raiferin Agnes und der Graf waren gleichmäßig Enfelfinder des
Grafen Dtto Wilhelm von Burgund —, Aufnahme bot, zugleich
durch feine anfehnlihe Macht eine werthuolle Bundesgenoſſenſchaft
für den fo ſchwer angefochtenen König*®). Doch nur ganz fur
Gfrörer, Gregorius VIL, VII, 574, und Floto; 1. c., II, 122, nad) Speier zu
feben ift. Vogeler, Otto von Nordheim, 94 n. 1, wirft als Bermuthung hin,
bak vielleiht Hugo derjenige gewelen fei, ber Heinrich IV. exfi zur Fahet nad)
Ganoffa veranlaßte. Goldihmit, Die Tage von Zribur und Kanofla, 26 u. 27,
Achafit fich unnüß eine Schiwierigfeit, indem er fagt, Heintich IV. werde, che er
weitere Entfeplüfle fahte, erft im Erfahrung gebradjt haben müffen, dap der
Bapit auf jeine Bitte nicht eingebe, was vor dem erflen Drittel bes December
nicht möglich geweſen ſei, jo dak dann die Zeit für eine Reife Hugo’s nad) Rom
might mehr auegereicht Hätte. Tas iR aber nicht anzunehmen nöthig, ba Hein-
rich IV. jedenfalls zur Reife zu Gregor VII. von Anjang in Speier entichloffen gewweſen
war. Bemertenswerth ift gerabe deßhalb, wie in einigen ganz kurzen Annalenflelen
einzic’3 IV. Abficht aufgefakt ericheint, mit befimmter Erwähnung von Rom ald
iel: Annal. s. Michaelis Babenberg., ebenfo Ekkeh. Chron. univ., wo es heißt:
rex Romam humiliter utpote veniam ab apostolico postulaturus, inimieis non
sperantibus, tetendit, dann allgemeiner die fogenannten Annal. Ottenbur., a. 1077:
leinrico rege in Italiam profecto ad satisfaciendum papae, Annal. Ein-
sidlens. mit Nennung Oberitalien's: Longobardiam properans, enblidh jehr
beftimmt Arnulf, Gesta archiepiscoporum Mediolanens., Lib. V, c. 8: Cui
(ec. Gregor VII.) festinanter occurrit Heinricus, declinans statutum in patris
gua eolloqnium (SS. V, 9, VI, 201 — V, 7, III, 146 — VIII, 30)
20) Zambert jet dieſen Aufbrud cum uxore et filio parvulo an auf
paucis ante natalem Domini diebus (255).
201) Dielen Grund zur Ablentung in Burgundiam — relicto recto itinere
— nennt Zambert, a. 1077, daß bie Hergoge omnes viae omnesque aditus,
qui,ad Italiam mittunt, quos Yulgato nomine elasas vocant, Dun appositi
custodes beſeht hatten: ut nulla illic ei (sc. regi) copia transeundi fieret
d. e Daß auf die Straße an ber Etſch beionders die Bezeichnung clausse
angewandt wurbe, vergl. Dehlmann, Die Alpenpäfle im Mittelalter, Je
ke Kanoeherifche Geſchichte IV, 214 ff. Dem auch zu 1077 in n. 5, bi
;regor VII in einem Briefe mit clusae dieſe Veroneſer laufe meinte. J
202) Die Weipnachtäfeier erwähnen Lambert, 1. c., jowohl, ala der Annalift
(288): beide a. 1077, lepterer mit ber Beifügung: uno ibidem (sc. Bizantii)
vix die commoratus (Zambert: Exacta solemnitate natalis Domini profectus
inde), quomodocumque. Des Grafen Wilhelm (vergl. fon Mb. I, ©. 568,
wo in n. 38 fCon Kallmann’s Hier in Betracht fallende Abhandlung citirt iR)
gedentt_ bloß Kambert, al des avunculus matris sune (sc. ber Agne) . . + -
cuius in illis locis amplissimae et florentissimae opes erant, unb der Auf⸗
nahme it een Kaorten: Rex ... satie Kane Bo, sua tum salamitate
susceptus et habitus; wegen der berman! aftli iehungen vi megen
bes Vater? Wilhelm's, Rainald, —E — I 25 (e ift
Heinrich IV. in Burgund. — Schwächungd. deutſch. Anfehens. Tod Kg. Svend’3.3743
kann der Aufenthalt am gräflichen Hofe gedauert haben — für den
26. December ſcheint derjelbe zwar mod) beftätigt zu fein?) —;
alsbald wurde wieber aufgebrodhen und bie Straße nad) der Ahone
hin gewäßlt.
So war Heinrich IV. in der ungünftigften Jahreszeit auf dem
- Wege zu Gregor VII, um da durd die Darlegung völliger
Unterwerfung fein ganzes Vorgehen gegen Rom endgültig als Fehl-
tritt und Jrrthum zu erklären. Aber zur gleichen Zeit ander die
deutſchen Fürften, durch die Handreichung des Papites neuerdings
in ihrem Plane ſicher geworben, bereit, benjelben bei fi) auf ihrem
eigenen Boden zu empfangen und, wo möglich, fih mit ihm zum
Verderben des Königs enbgiitig zu verftändigen.
Es war jelbftverftändlih, daß das dem Anfehen bes Reiches
nad außen zum ſchwerſten Schaden gereichte.
Das zeigte ſich beſonders nad) drei Seiten hin, mo entweder
Kaiſer Heinrich IIL., oder auch noch Heinrich IV. jelbft, zeitweiſe
die allernahhaltigften Einwirkungen ausgeübt hatten.
König Svend war am 2E. April des Jahres geftorben ?°*).
Zwar erjhien er in der legten Zeit feines Lebens in feiner Ver-
bindung mit Heinrich IV.; aber ebenjo wenig fdeint er, trog der
mehrfadgen dringlihen Aufforberungen?®), den Werfehr mit
Gregor VII. aufgenommen zu haben. Noch weniger jedoch ift
irgend welche Berührung bes dänifchen Reiches bei Anlaß des
Thronwechſels mit dem deutſchen Herrſcher erfichtlih. Dagegen
verging gar feine lange Zwifchenzeit, bis Gregor VII. auch an
Spend’s Sohn und Nachfolger, König Harald Hein, fi wandte?%®%),
Im Dften des deutſchen Reiches dauerte die eingezwängte Lage
bes Schwagers Heinrich's IV., des aus Ungarn gebrängten Königs
anz die gleiche Perfönlichteit, wie der Graf, der bei Steinbarff, I, 157 n. 1,
en 2, 218, 219 ala Reginold, Keginolf aufgeführt erfcheint), fowie wegen
der Raiferin Agnes, ala der Enkelin Otto Wilhelms, 1. c., I, 154.
20) Daß Heinrich IV. wahrfcheinlich nod am 26. in Belangen war, er:
heilt aus St. 27958, da die Datirung einer Notiz über Güterbetätigung:
tempore Henrici imperatoris Alamannorum, qui Bisantionis proximo nati-
vıtati Domini mansit die — bod) wohl Hieher zu 1076 gehört.
20) Den Zobeötag des Könige nennt dad Necrologium Lundense:
IV. Kal. Maji Anniversarius Suenonis Magni, regis eristianissimi, cuius in-
dustria Dania in octo episcopatus divies, est (etc.) (Rangebet, Scriptores rer.
Danicarum medii aevi, Tu, 444), womit Alnothus in der Vita s. Canuti regis,
c. 3, übereinflimmt (l. c.. 339, mozu 340, Anmerfung n, wo abmeidenbe ün-
jaben verglichen werden, beſonbers bes Liber daticus Roskeldensis: VII. Id.
jaji Obiit Sueno Magnus rex Danorum filius Estridis reginae ......
qui ecclesiam Roskildensem in multis dotavit, 1. c., 266, mit ber Bemerkung,
Diefer 9. Mai fei wohl ald Begräbnißtag anzujehen).
205) Bergl. ©. 444- 556 u. 557.
6. , 3
20%) Dergl. bei 1077 (b. III) wegen des Schreibens Gregor's VII, vom
6. Rovember 1077, J. 5054.
744 1076.
Salomon, fort. Zwar fann aus dem Umftande, daß im Sommer
bes Jahres Heinrich's IV. Schwefter, die Königin Judith, es wagte,
ihren bisherigen Aufenthalt, den Hof des Bruders, zu verlajien
und auf der Donau die Reife zu ihrem Gemahl, in die von dem⸗
felben feitgehaltenen Grenzftrihe Ungarn’s, anzutreten — ihr jollte
Biſchof Burdard von Halberftadt, um ihn aus dem beutichen Reiche
zu entfernen, mitgegeben werden — vielleiht ein Schluß gethan
werden, daß ſich Salomon etwas ficherer, als bisher, fühlte; benn
fonft würde er faum den Aufbruch der Königin veranlaßt haben *%°).
Ebenſo ift vieleicht die muthmaßlihe Anweſenheit des Markgrafen
Liupold von Defterreich bei Heinrid IV. in Regensburg Ende Juli
auf gemwiffe auch gegen Ungarn gehende Verabrebungen zu be:
zieben?®). Allein der ganz mißlungene Feldzug durch Böhmen
nad) der Mark Meißen bin hat jedenfall® zur Herabfegung des
Anſehens des deutſchen Thrones nad Ungarn Hin beigetragen, und
vollends Heinrih’3 IV. Erniedrigung durch die feit dem Herbite
eingetretenen Ereigniffe ſcheint bis zum Ende des Jahres der Anſtoß
zu dem Verſuche geworden zu fein, auf Unfoften der noch übrig
jebliebenen Geltung des deutſchen Reiches in Ungarn eine Aus-
nung zwifchen König Geifa und dem vertriebenen Herrſcher
Salomon herbeizuführen. Am Weihnachtsfeſte foll durch geiftlichen
Einfluß Geifa zu dem Verſprechen gebracht worden fein, mit
Salomon auf dem Fuße einen Vertrag zu fchließen, daß er felbft
war den königlichen Titel beibehalte, doch ſich auf fein früheres
Vergogliches Gebiet zurüdziehe, Salomon dagegen zwei Drittel des
Neiches wieder erlange. Freilich wäre auf diefe Weife ber von
Salomon bis dahin im Gegenjag zu Geifa behauptete wichtige
Grenzbezirk gegen das deutſche Reich zum ungariſchen Lande wieder
herangezogen worden; doch anbererjeit3 traten, als jegt die Ver
banbdlungen eröffnet werben follten, auch unter den Ungarn jelbft
ſehr ernfte verfchiebenartige Bedenken der Abmachung in den ”
weil dadurch auf die Länge eine Löſung bes Königreichs in Theil«
ftaaten hätte eintreten müſſen, und ſchließlich ift der ganze Plan
unerfüllt geblieben ?%®).
907) Zambert fagte in bem in Excurs I wegen der Flucht Biſchof Burchard's
behandelten Zufammenhange: Erat ipso tempore apud regem soror eius, uxor
Salomonis regis Ungariorum, quam maritus regno expulsus, dum in armis
et procinctu esset, nusquam tueius quam apud fratrem manere judicaverat,
donec reeuperato, si fieri posset, regno, in jocunditate i conjugio
lieeret. Cumque post multum jam teınpus ad maritum in finibus Ungariae
commorantem redire pararet .. . . (247), jo baf; man nah dem Inhalt des
vorhergehenden Safe annehmen möchte, die Situation habe jegt ala eine etwas
befier —5 — galten, da Salomon feine Gemahlin wieber zu fich kommen fie.
ergl. ©. 716.
20%) Da® Chron. Dubnic., teip. Chron. Budense, c. 109 (damit im
Einllange die Bilderdiromit, c. 61), erzählt dieſe Dinge, von der zu Ezelhard
an bem hohen Feſte durch den archiepiscopus Desiderius ergriffenen Jnitiative,
worauf Geifa geftanben habe: se peccasse, qui reguum legittime coronati
regis occupaverat, wonad) auf ben vorgeſchlagenen Bedingungen mit Salomon
Ungarifche Berhältniffe. Herzog Boleſlav's Königaweihe in Polen. 745
Endlich führte der Abſchluß des Jahres aud in der Welt
der flavifhen Völker eine gegen Heinrich IV. gerichtete Ent-
ſcheidung herbei.
Der alte Gegenjat zwiſchen dem böhmischen und dem polnifchen
Herzog war in ben legten Jahren noch mehr verſchärft, ganz be
jonders dadurch, daß ſich Herzog Wratiſlav als der hingebende
Bundesgenoſſe Heinrich's IV. gegen die Sachſen zur Verfügung
ſtellte, freilich nicht ohne dabei Vortheile für feine eigene Macht-
ftellung zu erlangen. Während der König noch 1073 den Willen
gehabt hatte, jenen umfaſſenden EIKE ven Herzog Bolejlav von
Polen zu leiten, der dann durch den Ausbruch der ſächſiſchen Er-
bebung auf die Dauer ganz unmöglich wurde?!%), war 1075 der
Lohn für Wratiflav’s Hüffeleiftung die ſächſiſche Oftmarf, in diefem
Sahre die Mark Meißen geweien. Allerdings konnte dann dieje
legtere gegenüber dem jungen Markgrafen Elbert nicht behauptet
werben, und es ift nicht zu bezweifeln, daß mit dem Verluſi diejer
Stellung an der Elbe auch die nörblih am die Meißener Mark
anftoßende Oftmark dur Wratiflan preisgegeben werden mußte ?"?).
Um fo eifriger beutete jegt Herzog Boleflav, der ald unmittelbarer
Nachbar diejer Gebiete von der Schwähung de3 Anfehens Hein:
rich's IV. den beften Vortheil 309, diefe Sachlage aus. Er griff
in kühner Weife auf das Vorbild feines Urgroßvaterd Bolejlav
Chabry zurüd und erhöhte, wie diefer 1025 gethan hatte*"*), aus
eigener —— ſeine herzogliche Fi königlichen Ge
walt. Am Weihnachtsfeſte ſetzte er fi die Krone auf und ließ
fi) dur die anwefenden Biſchöfe ala König weihen.
Diefer Vorgang fcheint, als er im deutfchen Reiche befannt
wurde, nicht geringen Eindrud gemacht zu haben, und die Be
trachtungen, welche der Geſchichtsſchreiber in Hersfeld an das Ereig-
niß anfnüpfte, dürften jo ziemlich der allgemeinen Auffaffung
entſprechende gemwejen fein. Es wird da zuerft ausgeführt, wie der
Herzog ber Polen viele Jahre hindurch ſich zu den deutſchen Königen
in einem tributären Verhältniß befunden habe, wie fein Reich ſchon
vormal3 durch die Tapferkeit der Deutſchen unterworfen und zur
ite, 1058—
lacht Hein»
746 1076.
Provinz umgewandelt worden fei, während jet der Webermüthige
die innere Zerreißung des beutfchen Neiches fih zu Nutzen made.
Dann hebt der die Klage führende Berichteritatter hervor, daß die
Fürften, denen die Würde des Neiches am Herzen lag, von ber
Kunde tief berührt worden feien. Sie zürnten auf einander —
meint er —, daß fie durch ihren innerlihen Zwift und indem fie
gegen ihre eigenen Eingeweide voll von Haß wütheten und ſich
zerfleifchten, die Macht der Barbaren jo ſehr fich verftärfen ließen,
daß jest auch Boleſlav zur Schande deö deutſchen Reiches, gegen
Gejege und Nechte der Vorfahren, in folder Weife anmaßend ſich
habe zeigen dürfen *12),
218) Die polnifchen Quellen reden nur ganz kurz von dem Zorgange, Annal.
Cracov. vetusti, a. 1077: Bolezlaus secundus coronatus est (SS. XIX, 578,
gan ähnlich ann 588 in den Annal. capit. Oracov., Annal. Oracov. compi-
jati, 622 u. 623 in den Annal. Polonorum). %emerfenawerth iR, baß bie
Chronicae Polonorum, Lib. I, cc. 22-30, von dieſem Bolezlavus dietus
Largus von vorn herein, gleich mit dem Beginn feiner Nadjfolge, ald von einem
rex — Polonorum regnum rexit — ſprechen (SS. IX, 439442). In Deut:
land handeln Bernoldi Chron., a. 1077: Dux Bolonorum se in regem coro-
navit (SS. V, 433), befonderd aber Zambert, a. 1077 (255), jehr eingehend von
der Sache, als einer Folge der inneren Löfung im beutfchen Reihe: propteres
quod prineiper Teutonicos cerneret (sc. dux Polenorum) domesticis seditio-
nibus occupatos nequaquam ad inferenda exteris gentibus arma vacare,
bie parallel gehe dem Umftanbe, ut jam tercio dux Boemicus regnum Teutoni-
cum ferro et igne populabandus peragrasset. Yu Rambert’s Angabe, Bolellad
fei a XV episcopis geweiht worden, machte Krauſe — in einer Note zu ber
Ausgabe, 255, aufgenommen — bie richtige Bemerkung, e3 jei wohl quingue
zu lefen, da Polen damals kaum mehr Bilhöfe zählte, als fünf.
1077.
In den erften Tagen des Jahres überfchritt der Papſt Gregor VIL.
in der Abficht, wie er angekündigt hatte, zum 8. Januar in Dantua
fi einzufinden?), den Appennin, jedenfalls in Anbetracht der auch
für Stalien ſehr harten Bejchaffenheit bes Winters, nicht ohne
größere Beſchwerden?). Doch ift nicht zu bezweifeln — denn auf
eiden Seiten des Gebirges fonnte er feinen Weg über Gebiets-
theile wählen, die feiner eifrigen Bundesgenoffin Mathilde unter:
worfen waren —, daß in jeder Weife die Reife Erleichterung erfuhr.
Allein wohl ehe der Webergang über ben Bo vollzogen worden war?),
erhielt der Papft Mittheilungen darüber, daß die Fortjegung ber
Reiſe ernſten Sömierigfeiten begegnen fönnte, weil Heinrid IV.
von Burgund ber auf den Boden von Italien erſchienen ſei. So
wandte fih Gregor VII. wieder dem Appennin zu, um auf dem
am Norbrande des Gebirges vorgelagerten feften Stammſchloſſe
Mathilde's, Canofja, Zuflucht zu juhen‘.FNah feinem eigenen
Dergl. ©. 737.
5) Lib, ad ami
iffi
a Lib. VIIL, hebt hervor, daß Gregor VII.
icultate itineris — biemps enim gravissima tunc ingruebat
— fi — audh über bad Apennini jugum — begab (Jaffe, Biblioth., II, 672).
®) Das ift wohl daraus zu ſchliehen, daß der Papft ſich nad) Ganofja be
gab. Au Mantun war ja eine Graſſchaft des Haufes Ganofja, und in biejer
durch ihre Lage feften Stadt wäre Gregor VIL. gleichfalls geihüt geweien.
+) Bon italienijchen Deugniffen ſprechen von Gregor’ VIL. Reife Arnulf,
Gesta archiepiscoporum Mediolan., Lib. V, c. 8: Cumque exiret ab Urbe
Papa profeeturus Alamaniam, Matildae fretus juvamine, venit Italiam,
cumque moraretur ibidem, multis ab ea cumulatur honoribus ac hominibus —
darauf folgt über Ganoffa: Fuerat comitissae opidum Canossa nomine multis
moenibus ac loei natura circumgusque munitum, inexpugnabile revers
praesidium (8S. VIII, 30 u. 31), ®onitho, 1. c.: venerabilis Gregorius pacis
gratia .. . Au tendebat .... mox Canusium, tutissimum excellen-
üssimae Matilde castrum, intravit, jowie Donigo, Vita Mathildis, Lib. II,
v. 58 ff., dod) in gang eigenthümlich irriger Einkleibung der Ereigniffe, ald habe
ber rex dampnatus — Quocirca regem statuunt contempnere recte, ni redeat,
papae pacem studeat revocare; non aliter se rex noscens regnare valere —
3u feiner consobrina Matbilde geidjict, ut ipen conscilium caperet, quo papa
748 1077.
Zeugniffe und ebenjo nach einer deutſchen Nachricht hatte er ver-
geblich auf das Eintreffen des von den deutſchen Fürften ihm zu:
gelagten Geleites, zu dem Herzog, der ihm an ber Klauſe — an
der Eti oberhalb Verona — hätte entgegenfommen follen, ge:
wartet; denn die Fürften follen, als fie erfuhren, Heinrich IV. fei nad
Stalien aufgebroden, nicht mehr den Muth, die Verabredung zu
erfülen, die verſprochenen Geleitsleute dem Papfte zukommen zu
laſſen, gehabt haben, weil fie Nachſtellungen für diefelben fürchteten *).
Aber auch gegen Gregor VII. fonnten von den königlich gefinnten
Gegnern der Patariner Bewegungen in das Werk gefegt werben,
und jo fühlte fi eben ganz voran Mathilde aufgefordert, dem
Gefährbeten hinter den Mauern ihrer Burg Aufnahme zu bieten.
Heinrich IV. zog bei Genf über die Rhone, und es ift wahr:
ſcheinlich, daß ihm ſchon —— auf dem Wege von Genf landein⸗
wärts die Markgräfin Adelheid von Turin, die Mutter feiner Ge:
e. 16: 8 J
don dile lathild
quae con
'anusinum castellum
fegeiehten Tage, fondern vom verabrebeten Zufammentreffen in ber
rüdwärts zu rechnen: Gotbiämit, Die Zage von Tribur und Kanoffa, 33, faßt
his temporibus prae multis — quod et nos quidem eredimus — diffieul-
tatibus ducatum nobis obviam mitti non posse, nec aliunde copiam ad vos
Gregors VIL. Rüdzug nach Ganoffa. Heinrich's IV. Reife bis zum Hochgebirge. 749
mahlin, der Königin Bertha, mit ihrem Sohne Amadeus entgegen-
kam. Als Wittwe des Grafen Otto von Savoyen ftand fie auch
auf ber biesfeitigen Abdachung bes Hochgebirge in ftarfer Stellung,
und der König hatte wohl abſichtlich den Dep durch ihr Gebiet
gewählt, weil auf ber anderen Seite, gegen Italien, aud) der Ab-
ftieg auf ihrem Boden hemerfftelligt werben fonnte. Doch mußte
er millen, daß ſowohl Adelheid, als Amadeus zur Sache
Gregor's VII. hielten — wenigitens hatte derjelbe 1073 und 1074
in ſehr günftigen Ausprüden über fie, Mutter, wie Sohn, fi ge-
äußert —, und auch fonft feheint «8, daß die thatkräftige Mark-
gif jegt, ihrem Schwiegerfohne gegenüber ihre eigenfüchtigen
zünſche nicht zurüdhielt. Denn fie ſoll zwar Heinrich IV. und
jeinen Begleitern — unter benfelben fah fie ihre Tochter und den
Entel — ehrenvolle Aufnahme bereitet haben; doch daran ſchloß
fie das ausdrüdlihe Begehren weitgehender Entſchädigung für ihre
zu gemwährende Unterftügung, bis auf fünf Bisthümer in Stalien,
die an ihr Gebiet grenzten, wie es heißt, als Entgelt ihres Ge:
leites, und wenigftens eine mit allen Einfünften jehr gut ausge-
ftattete Abtheilung burgundifchen Landes ſoll fie erhalten haben.
Denn mochten auch in Heinrich's IV. Umgebung Stimmen dagegen
laut geworben fein und hatte der König jelbft den Preis für diejes
Geleit unerträglich gefunden, fo war er doch in einer Zmwangslage,
welche einen andern Entſchluß nicht zuließ®).
ise. zu ben angerebeten Deutſchen) transeundi haberemus (Jafje, Bibliotb., IT,
257), heil der Annalift: papa . . . illic (se. an dem in n. 4 erörterten locus),
juxta quod disposuerant (sc. optimates), itineris sui_ductores desideran-
tiesimus expectavit. Set frustra. Nam postquam Theutonici principes
fügam regis ..... ultra Alpes compererant, insidiarum et inpugnationum
illius non ım metuentes molimina et incursiones, occurrere neque
ducatum condietum exhibere papae, quamvis inviti et nolentes, omnino
desiverant (288).
*) Bon Heinrich’ IV. Bortiebung der Reife zum Webergang über das
Gebirge ſpricht beſonders Lambert: profectus inde (sc. von Bejangon, nad) ber
;ier des Weihnachtsfefter), cum in locum qui Civis dieitur, venisset, obviam
buit socram suam filiumque eius Amedeum nomine, quorum in illis
ionibus et auctoritas elarissima et possessiones ampliesimae et nomen
celeberrimum erat. Hi venientem honorifice susceperunt; transitum tamen
per terminos suos alias ei concedere nolebant, nisi quinque Italiae epis-
copatus, possessionibus suis contiguos, eis redimendi itineris precium traderet:
daran flieht id) die Ausführung, wie unerträglich, aber unabweisbar dieje
Bedingung für dem Aönig, trok der Mikbilligung von omnes consilinrii, ger
weſen ei, bie bann eine Einigung über Abtretung einer provintia quaedam
Burgundiae bonis omnibus locupletissima — vix et aegre — gelang (255
5) Der Annalift fagt nur: Genovae Rodano transito (288). Durch bie
i Annales, in ben Seriptores rer. German.,
neue Sanbausgabe der Lam;
von Holber-Ggger, 285, it flatt: Cinis die Ramensform Civis in ben Text
gelebt. €o fällt jeht die von Giefebrecht, III, 1147, in ben „Anmerkungen“,
vorgebradte Erilärung — Chene bei Gent — weg, und die Muihmaßung von
n. 2 zur betreffenden Stelle, eö Liege eine Berberbniß des Namens Jais, d. h.
Ger, vor, if fehr anipregend. &o würde demnach Lambert den Ichten vor
Meberfchreitung der Rhone bei Genf berührten Ort aufgeführt haben. Adelheid ift
750 1077.
Doch die größten Schwierigfeiten begannen erit mit der An-
näherung an den zurüdzulegenden Bergpaß — es war wohl obne
Zweifel der Mont Cenis —, als es galt, den Einwirkungen einer
ganz ungewöhnlichen Kälte zum Trog, den Uebergang nad) Jtalien
zu ſuchen. Denn in viel höherem Grade, ala da3 jonjt gewöhnlich
war, hatte eine wahrhaft erihredende Kälte mit dem Beginn des
Winters, ſchon gleid, im Anfang des Monates November, einge-
ſetzt. Ein außerordentlich itarfer Schneefall ging voran, und bereits
vom 11. November an war ber Rhein zugefroren, und die Strenge
des Froſtes hielt dermaßen an, daß noch im fünften Monat danadı,
fajt bis in den Anfang des April, der jeititebende Strom für Fußß⸗
gänger gangbar blieb, und das Gleiche geſchah bei mehreren weiteren
großen Strömen. Doch dieſe empfindliche stälte war bleibend auch
in Jtalien vorhanden, jo daß der Po, gleih anderen Flüfen,
gleichfalls von Eis bededt war und dieje fette Dede den Reijenden
als Verkehrsweg diente‘). Es verfteht jih, daß der Uebergang
dureh Gregor VIL. in Registr. 1,37, J. 4509, als filia karissima angerebet, Bahder
Papft wife: te sacrin locis et eorum religioeis habitatiben on
yoluntate ferre subeidium, ebenfo Amadeus in Registr. I. 46, J. —e als
in dem Papfie als sancti Petri fidelis befannter Fürft ( 6.343) DES) genannt
gere, Biblioth,, 11, 55 u. 56. 65) Da des al jene tausı ala bie
ndicaft Chablais zu erflären ift, vergl. fon ©. 7 in m. 15; @frdrer, Grer
orius Nu, VI, 368, , ‚im * ſer bie 5 Sei IV. aan keiner
utter Agnes ererbte Landichaft Bugeh geweirn; Git Anzeiger für fchtweizerifche
Geichichte, V, 141, Iclicht auf die Tarentaike, deren Gomitat biöher der berti
ergbiichöflichen Kirche zufland und über deren Grwerbung dur das
aus eine andere Radrict nicht vorliege. ndeffen if überhaupt Frloto, Kutter
ineich IV., IL, 123***, zugugeben, BE biefe ganze Ana feige Kr
bertrieben lautet.
?) Diefe Schilderung des Winters von 1076 auf 1077 beruht auf Nach
richten Zambert', a. 1076 — der Rhein geftoren a festivitate saneti Martini
. pene usque ad Kalendas Aprilis, der Art: ut... plerisque in_loeis
Yineta, ezsiecatis frigore radicibas, omnino arescerent” 55), und bed Anna:
liften, a. 1076, der dieie hiemps aspera et nivosa algori vi continuata aut:
dehnt a colloquio usque ad colloquium, näm! wi Tag zu Zribur (nm
1. November zu Ende) bis zu dem don Forchheim (15. März) (237) Roc viele
weitere Zeugniffe handeln kürzer ober länger von biefen Din mgen, 1 viele mit nahe ·
u unter einander übereinhimmrnben Zeitangaben, fo Annal. Patherbrunnens.
ed. Edheffer:Boichorft, 97: 26. Rovember bis 19. März “ den Eu eo el aller
#lüffe), Bernoldi Chron.: 31. October bis 26. März
Mitte November bis zum Hrühlings: Serrineciam, "An non mm ma}.
13. November bi? März, Annal. August.: 1. Rovember bis nach 1. April
(mit eifügung: tanta deinde terrae frugum sterilitas, ut etiam semen
deesset), Hagen ‚Chron, Lib. I: erft vom 7. December an, bi8 1. Mär
Annal. s. Columbae Senonens.: 1. Rovember bis Mitte März (mit Bemerkung
über defectio tritici), Balduv. Ninov. Chron., body a. 1078: dom 1. Rovember
ae letaniam majorem, mit weiteren Ausführungen: tanta vis... ut
iebus natalis vel quadragerime divina in ecelesiis non fierent, nisi plarimo
igne accenso carbonibusque congestis, et quem calor ignis hine coquendo
ezurebat, illine frigus tolerare non poterat. Perieruntque bestie, volucres
et — ein n paschn 1 gi sereno —* 8 sole estnabat, umbram in-
een © 6 8. V, 483, VI. 368, V, 18.
Do VI, 21a Lion, 106. KV. seh, — gang frzze Grwäßnungen,
Winterlich ſchwierige Ueberwindung des Alpenüberganger. 751
über einen Paß des Hochgebirges jetzt ganz unſägliche Beſchwerden
und Gefahren bot.
Allerdings iſt nun die Ausmalung dieſer Mühſeligkeiten, welche
durch eine aus Deutſchland gebotene Schilderung vorgebracht iſt,
wohl mit allzu reichlichen Farben ausgeſtattet. Es wird da im
Einzelnen erzaͤhlt, wie mit geworbenen Eingeborenen als kundigen
ührern zuerſt die Höhe erreicht worden ſei, daß aber dann erſt
eim Abwärtsſteigen das Schlimmſte folgte: — auch die Männer
fommen nur übel vorwärts; vollends die Königin fanıı mit ihren
Frauen kaum von der Stelle gebracht werden, nur dadurch, daß
man fie auf Ochſenhäute fegt und jo zu Thale zieht; die Pferde
gehen trog getroffener Vorrichtungen bis auf wenige zu Grunde,
und fo werben noch andere Züge hinzugefügt. Aber, jo abenteuerlich
dieſe Dinge zum Theil fi ausnehmen, bei der ganzen Beſchaffen⸗
heit von Jahreszeit und Gegend kann fih überhaupt die Zurüd-
legung des Pafjes nicht in einer weſentlich abmeichenden Weiſe
vollzogen haben, und aud durch einen anderen Bericht iſt geradezu
bezeugt, der Weg zu Thale fei mehr mit Kriechen, als mit Hinab-
fteigen zurüdgelegt worden‘). Uebrigens können der Wanderer
wie in dee Würzburger Chronif, cd. Buchholz, 43, Annal. Mosomag. (SS. III,
161), u. a. m. Bemerfenswerth ift no in der Vita Theoderici abb. Anda-
gin., c. 26: Galliarum maximi fluvii Rodanus, Ligeris et Rhenus, et Ger-
maniae Alba, Viscla et Danubius, in Italia etiam Tiberis et rex Huviorum
8 invii, bominibus, equis, asinis
Eridanus, gelu et frigore concreti, nı ,
et plaustris visi sunt similes terrae pervii (SS. XI, 52). Aus Stalin fagt
Donizo, Vita Mathildis, Lib. IT, v. 15 u. 106: Solitoque nivem mage fri,
per niı magnum Janus dabat hoc et in anno (SS. XII, 382).
®) Diefe ganze hoc) belebte Schilderung, welche eine gewiſſe Berühmtheit
erlangt hat, ift wieder ein Weweis ber. Srjäblungstunft Zambert’s (256). Rad
einer Darflellung ber Beihaffenheit der montes . .. in inmensum porreeti
& Jene mon
Werbung der quidam ex indigenie locorum periti et preruptis Alpium
jugis assueti und von deren Hülfeleiftung auf dem preceps montis latus ..
glaciali frigore lubrieum, wo bie Männer cin;ig nune manibus et pedibus
tando, nunc ductorum suorum humeris innitendo, interdum quoque
titubante per lubricam gressu cadendo et longius volutando Hinunter ge-
langen, endlid, der Beridl über bie mühfelige VBorwärtäbewegung der rauen
— bonm coriis impositae —, jotwie des Werluftes an Pferden. Doc) bezeugt
auch der Annalift ausdrüdlich von Heinrich IV.: Alpes asperrimo vix scan-
dens reptansgus ifinerg (236). Rodsahe mei, Korihungen zur deutichen Ger
ſchichte V 574, völlig nad, da Lamberi Hier an die Schilderung des
Hannibal:Zuges, bei Livius, Lib. XXI, die er ie jelbfiverftändlich kannte, ſich
wohl ohne Zweifel erinnerte, ba aber feine A hängt von jenem Berichte
viel zu gering it, ala daf bacauf Hin ein negatives Licht auf die Hiftoriiche
Treue Lamberi’3 an dieſer Stelle geworfen werden könnte, während Goldicmit,
Le, 83 n. 4, eben beöbalb in Lambert’ Bericht Zweifel jehte. Rodrohr weift
aud darauf hin, daß Lambert von feiner Wallfahrt nad Jeruſalem her die
Wildheit des Gebirges im Winter, freilich nicht in den Alpen, aber auf bem
Bege nad) Gonftantinopel — Weihnactäfeier 1058 in Serbien: in civitate
Marouwa .. . in confinio eita Ungariorum et Bulgariorum (160) — tennen
Sehad 1 (mcg 10 enfad en =
jahr] iz ſchweigerij je, III, 225-227, IV, ein! an —⸗
geht auch aus der Nennung von Zurin (vergl. n. 14) hervor.
752 1077.
nicht wenige geweſen jein; denn außer Heinrich IV., der Königin
Bertha, dem Königsfnaben und dem nächften Gefolge mit der
Dienerſchaft müflen noch weitere Anhänger und Rathgeber, in nicht
ganz geringer Zahl, fi zugleih nad Italien begeben haben ?).
Der König Hatte fih zur Fahrt nad Italien gerüftet, feine
Vorbereitungen befchleunigt, um jeden Preis fi zum Uebergange
über das Gebirge den Zugang erfauft und endlich unter den ärgften
Beſchwerden den Abftieg nady dem jenfeitigen Gebiete durchgeführt,
um jo raſch wie möglih die von ihm verjprocdene Genugthuung
dem Bapite zu geben, die nothmendige Buße zu thun und dadurd,
die Wiederaufnahme in den Verband ber Kirche zu gewinnen. Das
war das Biel, nad) welchem Heinrich IV. ftrebte, und dafür, daf
er noch auf dem Wege zu Gregor VII. Billigung dieſes feines
Vorfages ſogar an Stellen fand, wo die Gefinnung dem Papfte zu-
gewandt war, erſchien auch wieder der Umftand als Zeugniß, daß
die Mutter der Königin, die Markgräfin Adelheid, den beſchwer-
lichen Weg nicht ſcheute, ſondern augenfcheinlich gleich nach der
Zufammenfunft mit ihrem Schwiegerfohne gleichfalls zu Gregor VII.
ſich aufmachte, um dort die Bitten de3 Königs um Löfung vom
Banne zu unterftügen). Daß daneben die Kunde von den An—
Tnüpfungen ber deutfchen Fürften mit dem Papfte, ebenjo von den
Verabredungen, welche jene noch vor dem Weggange von Tribur,
Ende October, unter ſich feftgeftellt hatten, Heinrich IV. zu Obren ge-
fommen fein mußte, war jedenfall® eine weitere Urſache für die
raſche Durchflihrung ber Reiſe geweſen. Dabei ift es jehr wahr-
ſcheinlich, daß der König, der feit dem Weihnachtsfeſte faſt unauf-
haltſam feinen Weg fortjegte, von Gregor’3 VII. Sntfernung von
Rom nodh feine ſichere, vielleicht fogar noch feine Nachricht befaß,
baß er, biß er Stalien jelbft betrat, noch die Hoffnung feftgehalten
hatte, Gregor VII. in Rom jelbft fih unterwerfen Du gönnen.
Denn aud andere von der Ercommunication getroffene Bußfertige,
die nad der Losſprechung ſich jehnten, eilten ja zu dieſer gleichen
a jeber auf feinem eigenen Wege, gejondert vom Könige, nad
Stalien, um vor Gregor VII ſich zu ftelen!?), Hätte man in
Deutichland allgemein gewußt, daß der Papft ſchon in nächfter Zeit
diesſeits der Alpen zu fehen fein werde, fo hätten ficherlich mande
Ercommunicirte gezögert, in folder Jahreszeit, zumal wo nod
andere Gefahren drohten, die Reife durchzuführen. Anderentheils
) Während Lambert ftets fo Ipricht, baj ineih IV. mit nur ge
geringfügigem Gefolge zu reifen (et, jagt en Heinrich ve
&ssumpta uzore et filio, nec non toto snorum comitatu et apparatu, ut
antea jam deliberatum est, nach Stalien aufgebrodjen (288). Indehen gedentt
auch Zambert wenigftens der begleitenden consiliarüi (vergl. n. 6).
10) Vergl. nadiher ©. 758. .
11) Rambert hebt das, ſchon a. 1076, hervor: Similiter quoque caeteri
excommunicati obtinendae eicius absolutionis studio ardentissime iter ac-
celerabant in Italiam, nec tamen in societatem itineris regem admittere,
principum vel pocius Romani pontificis metu absterriti, paciebantur (255).
Heineidh'3 IV. Abſicht bei ber Reife; gegenteil, Anficht d. italien. Anhänger. 758
aber find jedenfalls auch die deutſchen Fürften, welche den Papft
in Augsburg zu jehen hofften, durch u Königs Et heinen In
Stalien Peinlich betroffen gewejen'®). Es jdheint, daß die Er-
eigniffe, wie fie in folder Weife im Beginn des Jahres ſich heraus-
ftellten — Heinrich's IV. Anwefenheit in Italien, Gregor’3 VII
Abreife von Rom und Ueberſchreiiung des Appennin —, gegen=
ſeitig als Ueberrafhungen für den einen und anderen Theil ſich
erwieſen.
Dazu kam nun aber für Heinrich IV., daß in ganz noth—
wendiger Weiſe ſeine Anhänger in der Lombardei, als er in ihren
Städten erſchien, durchaus von feinen Abſichten abweichende Auf»
faſſungen an ſein Eintreffen anknüpften. Dieſe grimmigen Gegner
der Pataria, die bei den jo heftigen Gegenſäden, welche ſchon
längft ihre ganze Denkweiſe beherrichten, in Gregor VII. nur das
Haupt ihrer Todfeinde erblicdten, konnten ſich gar nicht denfen, daß
die Abfiht des Königs, auf den ihre Hoffnung längit gefegt war,
danach gerichtet jein könne, in unterwürfiger Form von dem Papfte
al3 dem Haupte der Kirche die Wiederaufnahme in deren Schoß
zu erringen. Sie vermodten einzig ber gorftelling Raum zu geben,
daß Heinrich IV. jegt die früher geſchehenen Ankündigungen wahr
machen werde. Gern glaubten fie dem Gerüchte, der König ſei
gelommen, um feinem gerechten Zorn gegen den Papft freien Lauf
zu laflen, denjelben abzujegen, jo daß auch jie für die ihnen zuges
fügte Schmah Rache nehmen könnten.
So ftrömten denn die geiftliden und weltlichen Großen um
Heinrich IV. zufammen, bezeugten ihm die einem Könige gebühren-
den Ehren, und in wenigen Tagen ftand ihm eine anjehnliche
Heeresmacht zu Gebote"). Vom Bisthum Turin ber, in defjen
Gebiet Heinrich IV. zunächſt herniebergeftiegen war, hatte er noch,
wie e3 jcheint umerfannt, ohne Aufjehen zu erregen, Vercelli er-
reihen fönnen; aber von da an floß ihm diefe Menge von An—⸗
hängern zu, und in Pavia befand er fi in der Lage, wenn er
jemerkten Stelle von ber ii
fürtiva. Dem Könige zeit feinbfelig Iauten die Worte Bernold'3, Chron.:
Heinricus rex dietus, ropfine causae diffidens et iccirco generalem audi«
tiam subterfugiens,
rineii
ef bi
Tüten
2) Das hat Lambert ganz richtig auögeführt (256), wenn auch ber intra
paucos dies infinitae multitudinis ... . congregatus exercitus etwas hoch ger
griffen erfcheint, bejonder daß dieſe certatim um ben König zufammenftrömens
den omnes Italiae episcopi et comites [on ab exordio regni eins semper desi-
derantes adventum eius in Italiam gewejen ſeien (vergl. hernach wieder, 261,
die Ausbrüde über Heinrich IV.: tam dia expectatus, tam anxie desideratus),
jept aber am Ziel ihrer Hoffnungen zu fein meinten: quia fama vulgaverat,
ad deponendum papam ferocibus eum (sc. regem) animis properare.
Meyer von Anonau, Jahrb. d. diſch. R. unter gelnrig IV.u. V. Sd. u. 48
754 1077.
wollte, mit offener Feindſeligkeit den Papſt zu bebrohen '*).
Gregor VII. war eben aus Vercelli, in einer von dort eingelaufenen
Meldung, durch den dortigen Biſchof Gregor, Heinrih'3 IV.
italienifhen Kanzler, der na einer italienifchen Nachricht beſtimmt
gewejen fein joll, den Papft über die Alpen nad Augsburg zu be-
gleiten, gewarnt und dazu gebracht worden, hinter den Mauern
von Canofja Zuflucht zu ſuchen 1*).
Der König dagegen hatte gegenüber feinen Anhängern noth:
wendig die Nbficht, die ihm jet nad Italien geführt hatte, klar
zu legen. Er fuchte ihnen begreiflich zu machen, daß es jegt darım
zu thun fei, über den gegen ihn felbit und gegen fie widerrechtlich
verhängten Bann mit dem Papfte zu verhandeln, dieſen dahin zu
bringen, daß berjelbe aufgehoben werde. Es mag fein, daß, wie
eine dem Könige ganz abgeneigte deutſche Erzählung behauptet,
die Lombarden Heinrich IV. das zu thun noch fortgejegt wider:
riethen, und es iſt bei der Stimmung berjelben recht wahrjcheinlich,
daß fie dem Könige begreiflich zu machen juchten, auch wenn er gegen:
über Gregor VI. das Unerläglihe nad) feinem jet feitftehenden
Entſchluſſe gethan haben werde, bleibe die Gefahr für ihn und für
fie felbft ganz umvermindert, und es werde fi) ſchließlich doch
darum handeln müſſen, König und Rei von der jo gefährlichen
Einwirtung Gregor3 VII. endgültig zu befreien. Doch zunächſt
drang jest der König mit feiner Auffaliung, der angefichts ber
Zwangslage auch die Abgeneigteften Recht geben mußten, durch ’*),
und danach wählte er nunmehr feine nächſten Schritte.
14) Der Annalift bietet, nebft Bonitho, Anhaltspunfte jür den Weg Hein:
rich's IV. Yener jagt: festinus Longobardiam per Taurinensem episcopatum
intravit. Inde collectis undecnmque quos potuit Tieinum perveniens, ex-
eommunicatorum quoque turbam episcoporum ad se undique eontrasit (288),
beutet aber dabei in um ereher Weile an, der König habe die Bilchdfe, die do
au? freien Stüden zu ihm kamen, um fid; gefammelt. Dieler nennt, 1. c., die
Swichenftation Vercelli in dem Bufammenhange: Rex derepente, narvi pen-
dens sacramentum (vergl. in Gzcurs VI), Italiam intravit. Et sunt, qui
dieunt, eum pontificem incautum voluisse capere. Quod satis videtur veri-
simile. Nam Gregorius Vercellensis episcopus, eius vero cancellarias .. .
audivit, eum in Vercellensi occulte devenisse eivitate (l. c., 672).
18) Eben Bonitho fagt dad: Gregorius . . . cui, ut papam duceret ultra
montes, a Rrineipibus fuerat imperatum, postquam Apennini transierat
jugum — regorius) ... . dum papae nunciasset (se. das Eintreffen Hein:
Hirs IV. in Vereil), mox Canusum . . . intravit (I. €. Allgemeiner Deidt
Sambert fi aus: papa, dum in Gallias properaret, ex insperato audiens,
regem jam esse intra Italiem .... (vergl. in n. 4) divertit (257), ‚ober
— viel ungenauer — Bruno, c. 89: ecce nuntiatur apostolico, Heinricum
cum magno exercitu Italiam intrasse, et si i montes, sicut volebat,
transcendisset (sc. Gregor VIL), alium papam illum constituere velle (364.
Gregor VIL felbft fagte in bem in m. 5 erwähnten Briefe, nicht, wie er die
Nachricht von Heinrich's IV. Ankunft erhalten habe: Interim vero, regem
adventare, certe (ba3 will wohl fagen: vorher erft gerüchtweife) coguovimus.
3) Der Annalift verbreitet fidh ausfühzlich über diefe Erörterungen, die
hin und her gegangen feien, freilich mit Verbächtigung einer aufrichtigen Ger
finnung bes Königs: quasi causam illorum (sc. episcoporum) defensoria
Mittheil. in Pavia üb. Heinrich's IV. Plan. Gefangenfep. deuticher Bild. 755
Inzwiſchen hatte Gregor VII. auf Canoſſa ſchon angefangen,
die nach Italien gekommenen Ercommunicirten zur Buße zu sieben.
Zwar nicht allen Geiftlihen und Laien, die auf folde Weije von
Deutſchland her ſich auf den Weg gemacht, war es gelungen, ben-
ſelben glüdlich zu vollenden. So war einer ber — welchen
Heinrich IV. nach den in Oppenheim angenommenen Bedingungen
von feiner Seite entlaſſen hatte, Ruopert von Bamberg, auf der
Reife von Herzog Welf von Baiern innerhalb der Grenzen diejes
Landes gefangen genommen worden; zwar fol der Herzog die unter
dem Eoftbaren Gepäd des Biſchofs vorgefundenen biſchöflichen Ge-
mwänder und den übrigen kirchlichen Chmud an die Kirche von
Bamberg ganz unverjehrt wieder zugewiefen haben, während er da—
egen Ruopert'3 Eigenthum völlig wegnahm und diefen jelbft vom
eihnachtäfefte bis tief in den Äuguſt hinein in einer jehr feften
Burg forgfältig in Gewahrfam hielt. Aber auch Bischof Theoderich
von Verdun, der nicht zu den von ber kirchlich gefinnten Partei jo
ſehr fcheel angefehenen Getreuen des Königs zählte und noch zu-
legt, geradezu mit Einwilligung ber in Tribur tagenden Fürften,
ala degleier Heinrich's IV. in Speier fih aufgehalten Hatte,
wurde jegt von einem ähnlichen Schidjal betroffen. Theoderich
hatte dem König auf deifen Reife nah Italien zu folgen ben
Willen gehabt, wurde jedoch ſchon in Schwaben durch den Grafen
Adalbert aus deſſen Burg Calw ergriffen, feiner Zurüftungen zu
der langen Abwejenheit beraubt und lange Zeit feitgehalten; nicht
eher wurde er entlajjen, als bis er fi) durch ein in der zube-
mefjenen Größe nicht abzumeifendes Löjegeld und cinen Eid, weder
mit geiftlichen, nod) mit weltlichen Waffen Rache nehmen zu wollen,
quomodoeumque praemuniturus majestate, papam alloquendum non modo
ob sui ipsius, et potius ob illorum ab eo perscrutandam tam injuriosi
anathematis sententiam, nimis artificiosus ipsis praedixit; zwar follen bie
Bilchdfe dem Könige zuerft abgerathen haben, dem von ihnen auf feinen Befehl
ala aögeieht erflärten Papfte nody den Namen eines Apoftolicus zu ertheilen,
bann der Meinung deweſen fein — guoniam quidem illum (se. Heinrich
IV.) tam inevitabilis necessitatis constringeret articulus —, e3 fei geratben:
ipei nd temps osdere ot morigerari, alfo eine diepensatoria ct tam, sibi
necessaria illius (sc. papae) allocutio zu geben; bann aber follen dieſeiben
weiter den Rath extpeilt Daten, dahin zu arbeiten, quomodo se et totum
num & tam sacrilego homine funditus liberaret, da fonft Heinrich IV. fell
umb alle feine Anhänger bei Gregor’ VII. versutissima apostolicae almae
nominationis et hereticae usurpationis vecordia et majestas bod) noch ber»
Ioren fein würben (288). Giefebrecht, III, 1147, gab in den „Anmerkungen“
eine ganz ricptige Exkiärung diefer Stelle. Bruno, c. 90, faht, wenn er anch
aus der Entfernung und dem Koͤnige abgeneigt urtheilt, im Ganzen die Sach-
Tage richtig auf u. 365). Zwar läßt er unrictig den König — per
Italiam vagans loco, sed magis animo — in feinen Entihlüffen unficher fein,
was noch weiter ausgeführt wird, und dann folgt ala Schluß: Quamvis autem
utroque modo (sc. ob er nicht vom Bann gelöft würde, oder ob er, wenn er
fidh teile, von Gregor VII. doc) wegen der Größe feiner Schuld das Reich ab
geipzodjen erhalten oder im Falle des Ungehorfams mit doppelter Strafe bedroht
werben follte) se perditum et periturum non dubitaret, tamen illaın partem,
in qua aliquid spei esse putabat, elegit.
48*
756 1077.
frei gemacht Hatte!?). Dagegen itellten fih nun eben jene er-
communicirten Bifchöfe und Laien, welche dur Heinrih IV. vom
Hofe entlaffen worden waren und glüdlih durch die von den
Fürften bewacht gehaltenen Zugänge nad) Italien zu gelangen ver-
mocht hatten, zu Canofja vor dem Papfte und erbaten von ihm
flehentlich, mit nadten Füßen und in wollenen Gemändern auf dem
bloßen Leibe, Vergebung der geſchehenen Auflehnung und Los—
fprehung vom Bann. Gregor VII. verfagte ihnen, wenn fie auf»
richtig reuig ſeien, die Barmherzigkeit nicht, forderte aber, daß fie
bereitwillig jede kirchliche Zuchtigung über fih nähmen, und als
fie das thim zu wollen ſich bereit erklärten, wurde angeorbnet, daß
die Bischöfe einzeln, von einander abgefondert und unter Ab-
ſchneidung jeglichen Verkehres, eingeſchloſſen und nur Abends mit
Speife und Trank in geringem Umfang erquidt werden follten,
während ben Laien je nach Alter und Kräften angemefjene Buße-
leiftungen auferlegt wurden. Nachdem der Papſt dieſe Prüfung
über einige Tage bin erftredt hatte, berief er fie jämmtlich zu fich,
unter Ertheilung gelinden Verweiſes für das Gejchehene und mit
der Ermahnung, in Zukunft Nehnliches zu vermeiden, und befreite
fie darauf vom Banne. Do 9 ſie weggingen, ſchärfte er ihnen noch
wiederholt ein, mit Heinrich IV., ehe er bie ſchuldige Genugthuung
geleiftet haben werde, nicht in Gemeinfchaft zu treten, noch weniger
etwa ihm zuzuftimmen, wenn er neue Störungen ber ftaatlichen
Ordnung und des kirchlichen Friedens beabfihtigen würde; dagegen
ſollten fie, um ihm zur Buße zuzureben und ihn auf die rechte
Bahn zurüdzulenfen, mit ihm zu ſprechen die Erlaubniß haben !°).
Daneben aber war Gregor VII. zunächſt in der Entſcheidung
der hauptſächlichſten für ihn vorliegenden Angelegenheit, eben gegen-
über dem Könige felbit, darauf angewiefen, zu warten, wie ſich der-
jelbe zu der Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen ſtellen
werde. Denn nah den Nachrichten, die über die Friegerifhen An-
exbietungen der Lombarden einliefen, konnte ja ebenjo gut ber
Verfuh eines Angriffe von Seite Xeinrih’3 IV. in Ausfiht
ſtehen 1). Außerdem aber jehildert ein Bericht, wie der Papft feine
ganze Sorge auf den Heran geworfen habe und demfelben Tag und
17) Lambert nennt beibe Fälle (257); bie Gefangenfdjaft Ruopert’3 dauerte
ad festivitatem sancti Bartholomei apostoli. Ueber Graf Adalbert vergl.
zulept ©. 526 u. 527. \ .
38) Lambert ſpricht da ausbrüdlid; von ben caeteri episcopi et laici,
quos papa excommunicaverat quosque rex huius rei gratia a Iatere suo,
extrema necessitate compulsus, amoverat und die glüdlid) — elusis custodibus,
qui clusas (vergl. ©. 712 u. 201) obsidebant — in Italiam illesi pervene-
runt, und ſchildert eingehend in allerlei erbaulichen Wendungen die Handlungs:
weile des Papftes (257 u. 258).
) Lambert: expectare volens, donec consilium adventus eius (sc. regis)
diligentius exploraret, utrum seilicet veniam admissi postulare, an inju-
riam excommunicationis suae militari ınanu persequi plenus animorum
adveniret (257).
Gregor's anfängl. Ungewißheit; Loeſprechung deutſcher Ercommunicirter. 757
Nacht mit Gebeten in Thränen angelegen fei, daß er ihn hierin, in
der Sache Heinrich's IV., wo eine Kirhenverfammlung die wichtige
Frage entſcheiden follte, mit feinem himmliſchen Lichte erleuchten
möchte°). Freilih war zunächſt durch den von der treuen Bundes»
genoffin Mathilde verfprochenen Schuß eine werthvolle Dedung ge-
geben, und die jtarfen, wenigſtens auf eine gewiſſe Strede brei-
fahen Mauern ber ſchon durch ihre Lage auf vereinzelter Kuppe
ausgezeichnet vertheidigungsfähigen Burg Canofja boten hin—
reichende Sicherheit, jo daß von einer Weberrumpelung gar feine
Rede fein konnte ?).
Do nunmehr enthülte fi auch den Augen des Papftes die
eigentlide Willensmeinung des Königs, der Wunſch, durch bie
Leiſtung der geforderten Genugthuung die Wiedervereinigung mit
der Kirche und damit die freie Bewegung zurüdzuerlangen. Sehr
wahrſcheinlich von der zunächft an Tanoſſa liegenden Stadt an
20) Der Annalift führt das fer geflifſentlich aus, mit ber, Siuftheung;
regis iter et .consiliariorum eius sibi nec non sanctae aecclesiae non mul-
tum lesse considerans (sc. Gregor VII.) quippe qui Longobardos, quos
rebelles Deo sibique reperit, non parum rebelliores reddiderit, quique
Theutonum gentes omnino inter se scismate non modico discordes, quid de
tam vecordi homine agerent, mirabiliter irritatas sollieitaverit, et totum
undique regnum non mediocriter perturbaverit (289).
21) Die Burg Ganoffa, in gerader Linie zwanzig Kilometer Edwemic von
Reggio entfernt, welche in ihrer Lage noch heute Donizo's Verſe. Lib. I, v. 120
u. 121: Prospieiens nudam silicem me stare Canossam, in rum ca-
strum me suscepit comes Atto (I. c., 355), ala richtig Hinftelt — vergl. au;
in n. 4 die Zeugniffe über die feftigleit ber Anlage, fomwie vambert's Angabe
von bem castellum triplici muro septum (259), bie fi übrigens wohl nur
auf bie Weffeite bezieht, wo am Auffieg innere und äußere Eingänge geweſen
jein mühlen (vergl. day Pannenborg, Studien
jatilde von Ganoffa, 22, ber in der Regation au
‚elfen, der aus einer gewölbten, zwifchen tief ei
genden jöhe einzeln fich erhebt, innerhalb dev
gegen bie Poebene hin fich vorlagernden Berggri
ausgedehnten Raum ber von Nord nad) Süd in
ben Kuppe nehmen die Refte der Burg völlig ein
Berges ließ nur auf der Weftjeite einen in der G
wohl noch mehr beengten, recht ſchmalen Zugang
Beftimmtheit der ehemalige Burgeingang an dern
ertennen. Im September 1880 durch die italieni
grabungen ergaben in ber füböftlichen Ede bie S—
zu — zwei Treppen an beide Seiten des Hal
ber zwei frei fehenden Säulen iſt ſammt Capit
Nördlich von der Rappelle ift eine Babanlage dı
befimmten Gindrud des Feften und Uneinnehmbaren "ie Anlage macht, jo
wenig flimmen Iandläufige, etwa durdy moderne maleriihe Darfiellungen des
Actes von 1077 erwedte Vorftellungen zu ben äußerft beichräntten räumlichen
Berhältniffen, vornehmlich am Burgthore. Giejebredt’3 Vermuthung, III, 398,
bie — übrigens feineämege ‚aahlzeiche — bäuerliche Umwohnerſchaſt werbe felten ber
Ereigniffe von 1077 gebenten, ift jedoch nicht richtig, da vielmehr die erſte Ans
zede an den Beſucher fich auf diefe Singe von „ereige und Gegorio bezieht.
Geradegu finnlos übertrieben find die von Floto, 1. c, II, 126, n., aufge
mommenen Bevölterungäzahlen für die nächſte Umgebung ber Icon längft zer-
Flörten Burg.
758 1077.
der ämilifhen Straße, von Reggio, aus??) eröffnete Heinrich IV.
Verhandlungen mit Gregor VII, und nebit der Herrin der Burg,
Mathilde, und der inzwiſchen eingetroffenen Markgräfin Adelheid,
welchen beiden, al3 der nahen Verwandten und als der Schwieger-
mutter des Könige, die Vermittlung zuerft nahe gelegt fein mußte,
betheiligte ſich Abt Hugo von Gluny, der ben Fapft begleitet
hatte, als Pathe beindh's IV., ferner noch Markgraf Albert
Azzo II., der Vater des Herzogs Welt, dann der Eohn Adelheid’,
Amadeus — andere mitwirfende italieniihe Fürften find nit mit
Namen angeführt — an ſolchen Verſuchen zur Herbeiführung einer
gerfähnung. Indem forgfältig diefe Unterhandlungen vor ben
fugen der Lombarden, die in Reggio weilten, jo viel als möglich
verbedt wurden, gingen die Botſchaften hin und ber. Dann jcheint
ein Ort zwiſchen Canoſſa und dem bisherigen Aufenthaltsorte
Heinrih’3 IV. zur Abhaltung von weiteren Beſprechungen aus-
gewählt worden zu fein, und dorthin war ber König gefolgt **).
#) Floto, 1. c., II, 15, fließt das aus Donigo, 1. e. Lib. I, v. 117
Rn 118, welde bie urbs ina als den Pla nennen, qua stabat turba
m maligen pontificum (sc. mbarben), valde metuentes hanc fore pacem
(1. e., 382).
) Kambert, ber Annalift, Donigo Rimmen im Wejenllichen in der Edilde-
zung be des äufern "Ganges ber verfuchten Vermittlung überein. Der exfte jagt:
rex Heinricus Mathildam comitissam ad colloquium evocarit,
— preeibus ac promissionibus oneratam ad papam transmisit, et cum
ea socrum suam fillumque eius, Azzonem etiam marchionem (vergl. über
dieſen S. 25) et abbatem Cloniacensem et alios nonnullos ex primis Italiae
Bas ipibus, quorum auctoritatem magni apud eum momenti esse non am-
bat Kl der Annalift Deginnt mit: Tandem rex accepto suorum salubri
anilio meilio prorsusque deposito, priori, uem in papam jam malitiooo
vecors et odiosus exeogitavit studio, interventu et auxilio praecii
nas Mahthildis marchiönisae, socrus suae Adelheidae itidem ——
et abbatis Cluniacensis, qui et Dos 5 cum papa ... advenerat, nec non
omnium quoscumque suse attrahere poterat, papam conrenire eique
per omnia subdi, cedere, o et consentire proposuit. Eaque ine:
tione, quamquam inter —e * qualitereumgue
missis ante se ob adducendos ad se tos interventores. naht,
ipse ad castellum (sc. Eanofja) paulatim eos subsecutus est.
ranter ad condictum locum regi occarrentes . . . und läht fehliehlich Rigm:
Hos_confestim e vestigio rex subsecutus (er, Der alerbings viel jüngere
Donigo nennt von v. 76 an zuerſt Mathilde, dann plures sapientes, inter
Eu abbas Hugo Cluniscensis hic astat; ; dann * 85 fl. temmt Ei
blung: Pacis sermones tractabant j eumgue di
Teint Donige bie brei Tage ber ec no machen, v1 1, —
Be — vergl. in Erxcurs VII — hineingezogen zu haben) starent pro pace
loquentes, et pax non esset, rex atque recedere vellet, capı sanct
idem rex Nicholai, in qua lacrimans oravit Hugonem, ut
pro pace sus fidejussor sibi fiat; Hugo weift ihn, ebenio bie hittende 3 Bathilde
ab, worauf Heinrich IV. 68 —8 fleht — poplitibus flexis —, mit den
Borten am Schlufſe Consobrina valens, fac me benedicere, vade! — eine
Fer welde das Gar VII von Tab. III zu SS XII, 366, barftellt, mit der
Unterfrift: Rex rogat abbatem, Mathildim supplicat atque —, worauf v.
8 u. 9: Ipeaque surrexit ique spopondit et exit ascendens sursum
gelte k Na tappelle unter! der Burg), stetit ac rex ipse deorsum
Berhanblungen; Buße d. Kgs. in Canofſa; päpftl. Bericht üb. db. Vorgang. 759
Aber ſchließlich mußte auf Canoſſa jelbft die Sache zur Ent-
fheidung gelangen. Heinrich IV. fam nun A ohne eine
weitere Antwort oder eine Einladung des Papftes, mochte auch noch
jo viel vorher verhandelt worden fein, abzuwarten — ber Verlauf
dieſer fiher ergebnißlos gebliebenen Verhandlungen liegt im
Dunkeln — auf die Burg hinauf, begleitet von einigen anderen
die Löjung wünfchenden Ercommunicirten, und jet erfüllte er in
dem das Mitleid wach rufenden Gewande des Büßers bei der ganzen
Einwirkung der Winterfälte, an einem erften Tage — es war
wahrſcheinlich der 25. Januar —, und als ſich troß allen Flehens
die verjhloffenen Pforten nicht öffnen wollten, an dem folgenden
und dem zweitnächſten Tage, indem er mit den anderen Einlaß er-
bittenden Reuigen ausharrte, innerhalb der äußeren Mauern vor
dem eigentlihen Burgthore jtehend, die kirchliche Vorſchrift des
Genugthuung bringenden Gehorjams. Aber dabei hatte er durch
die freiwillige Ergreifung der Unterwerfung, welche die Löſung
nad fi ziehen mußte, den nothwendigen Vorjprung vor dem nun=
mehr zur Losſprechung gezwungenen Papſte gewonnen, und in Folge
der Geſchicklichkeit des raſchen Entſchluſſes war zu erwarten, daß
neue allzu harte Bedingungen, welche etwa zugemuthet werben
ſollten, glüdlih aus dem Felde gejchlagen feien**).
Gregor VII. ſelbſt hat in feinen Worten, die er in den Bericht
nad Deutfchland einſchaltete, in unmiderlegbarer Klarheit das Ge-
ſchehene einfach niedergelegt: „Da verharrte er“ — heißt es von
Heinrih IV. — „drei Tage hindurch vor dem Thore der Burg
nad Ablegung alles königlichen Schmudes, in kläglichem Aufzuge,
nämlich unbeſchuht und in ein Wollengewand gehült, und er
hörte nicht eher auf, mit vielem Weinen die Hülfe und die Tröftung
des apoftolifchen Erbarmens anzuflehen, als bis er Alle, welche da
zugegen waren und zu denen jenes Gerücht gelangte, zu fo großer
Milde und Barmherzigkeit des Mitgefühls benng, daß fie für ihn
mit vielen Bitten und Thränen eintraten und Ale wenigftens
über die ungemohnte Härte unferes Sinnes fi wunderten, Einige
aber laut riefen, daß in uns nicht der Ernſt ber apoftolifchen
Strenge, fondern gemifjermaßen die Graufamfeit tyranniſcher Wild-
beit zu Tage trete”. Geradezu räumte der Papft ein, „durch die
Eindringlickeit der Neuchezeugung des Königs und die jo mächtige
Fürbitte aller zur Stele Anweſenden endlich überwunden worden
zu fein“.
Daß Gregor VII. anerkannte, der königliche Büßer habe durch
jeine unterwürfige Haltung die Verzeihung verdient, bie noth—
2%) Vergl. Hierzu in Ercurs VII, dah Kambert’3 Behauptungen, mögen
aud, Verhandlungen, bie ohne Ziel blieben, vorbergegangen fein, von geflelten
Bedingungen Gregors VII, gegenüber den einfachen Morten des Annalifien:
Tex. , ad usgue portam’castlli gragceps et adhuc inopinatus, et absque
responso apostolico einsque verbo Invitatorio . .. acoessit (289) ganz außer
Betracht fallen.
760 1077.
wendige Genugthuung_geleiftet, war das Ergebniß ber Bitten,
welche von feinen nächſten Vertrauten, von ben beiden fürſtlichen
Frauen, Mathilde und Adelheid, von Abt Hugo von Eluny an
ihn gerichtet wurden. Er fonnte fi nicht länger weigen, und
am 28. Januar wurden die Bedingungen aufgefegt, unter welchen
die Wiederaufnahme Heinrich's IV. in die Kirche geſchehen follte.
€3 war ein Sicherheitseid, durch deifen Beſchwörung von Seite
der königlichen Vertreter fi der Papſt für fi felbit, ſowie in
feinen Beziehungen zu den deutſchen Fürſien zu decken hoffte.
Nach den Sägen dieſer Zufiherung verſprach der König dem
Papſte drei Dinge. Hinfihtlih der Klagen, welche von den Fürften
und anderen Angehörigen des deutſchen Reiches erhoben wurden,
verpflichtete er ji), innerhalb einer Zeitfrift, welche Papſt Gregor VII.
feititellen werde, entweder nach deſſen Urtheil dem Rechte Genüge
zu thun oder nad) deſſen Rath fi zu vergleihen. Ferner follte,
wenn fi dann ein Hinderniß, für ihn oder für den Papft, ent-
gegengelett haben würde, nad) deſſen Entfernung, die gleihe Ber-
inblichkeit fertgauern, fo daß der König wieder zum Vollzug der
Bedingung bereit fei. Endlih wurde dem Papfte, falls er über
die Hochgebirge der Alpen oder jonft wohin reifen wollte, von
Seite Heinrih’3 IV. und der ihm Unterwürfigen Sicherheit er-
teilt, für Leib und Leben und vor Gefangenjhaft, für und
Rückweg und Aufenthalt, ebenfo für deſſen Begleiter oder Boten,
die von ihm kommen oder zu ihm gehen, und auch fonft verbürgte
ber König, daß nichts gegen des Papites Ehre geihehen dürfe, daß
er jelbft im Falle einer Schädigung befjelben in guten Treuen nad
feinem Vermögen Beiftand bieten werde.
In eigenthümlicher Weife werden in dieſen Zufiherungen, die
fi Gregor VII. vom Könige geben ließ, Fragen wichtiger Art,
die ganz bejonders zum Bruce zwiſchen Heinrih IV. und dem
Tape den Anftoß gegeben hatten, theil® nur geftreift, theil3 ganz
unerwähnt gelaffen. Wenn auch der zwiſchen dem Könige und den
beutfchen Fürſten ſchwebenden Streitfragen und der Mittel und
Wege, wie fie zur Ordnung gebracht werden fönnen, gedacht wird,
jo ſchweigt dod der erite Sag des Sicherheitzeides völlig von der
Verfammlung, zu der Gregor VII. eben jegt nach Augsburg ſich
auf den Weg gemacht hatte, und nur ganz allgemein ift von einem
Zeitraum, der bei fich ergebender Nothwendigkeit ſpäter auch wieder
neu bemefjen werden fann, hernach von einer möglichermeife von
Gregor VII. nad Deutſchland anzutretenden Reife gefprochen.
Xollends von dem ſchon 1075 in Gregor’3 VII. Plänen hervor-
getretenen Verbot der Inveftitur oder von ben für beide Theile jo
beſonders maßgebenden verwidelten Fragen wegen der Beſetzung
des erzbiihöflihen Stuhles von Mailand ift mit feinem Worte
geredet. Es wird erfichtlih, daß Gregor VII. nicht durch dieje
Hervorziehung folder Schwierigkeiten die Ausföhnung von neuem
fraglich machen wollte.
Das Werk war von Seite Gregor's VII. durch die zwei
Teftftellung d. Bebingungen; Losſprechung Heinrich's IV. u. and. Gebannter. 761
Sardinalbifhöfe Hubert von Paleftrina und Gerald von Ditia,
welde Heinrich IV. ſchon von früher aus ihren Legationzaufträgen
Tannte, ferner durch je zwei Carbinalpriefter und Cardinaldiakone
und einen Subdiafon, von derjenigen Heinrich's IV. durch Erz
bifhof Liemar von Bremen, feinen Kanzler Biihof Gregor von
Vercelli, ferner durch Bischof Benno von Dsnabrüd und alt Hugo
von Cluny und viele nicht genannte edle Männer zu Stande ge-
bracht worden. Gregor VII. ließ von einer Forderung ab, die
neue Schwierigkeiten hätte nach ſich ziehen können, daß nämlich der
König jelbft den Eid in die Hände der Unterhändler — nad) einer
Nachricht wäre aud die Kaiferin Agnes auf Canoſſa erwartet ges
mwejen — abzulegen habe; denn Heinrich IV. wollte in feiner
Eigenſchaft als König fi zu einem neuen perſönlichen Eidſchwure
nicht berbeilafjen. 0 begnügte fi der Papft damit, daß das
Verſprechen duch bie zwei Biſchöfe, Gregor und Benno, abgelegt
wurde; weitere Bejtätigungen gejchahen durch Abt Hugo, der wegen
feines Mönchagelübbes, ohne einen Schwur abzulegen, fein Wort
zum Pfande a ferner durch die Eide der fürſtlichen Ver—
mittlerinnen Mathilde und Adelheid, weiterer betheiligter Fürften,
geiftlihen und weltlichen Standes, darunter des Markgrafen Albert
A330 II., die auf heiligen Reliquien abgelegt wurden.
Exit nach diefem Abſchluſſe der nothwendigen vorangehenden
Maßregeln ließ jegt Gregor VII. die innere Pforte der Burg auf-
fliegen und den König, jedenfall auch die anderen Gebannten,
die mit diefem auf dem erlöfenden Augenblick gehartt hatten,
eintreten. Heinrich IV. hatte fein Ziel erreiht, nad) dem er feit
dem Tage von Oppenheim geirebt, um befien willen er alle Be-
ſchwerden und Gefahren überwunden hatte. Aber ebenfo ift es
wohl begreiflid, daß der Eindrud alles beffen, was unmittelbar
vorangegangen war, ber freiwillig übernommenen und durchgeführten
Selbfterniedrigung, in vollftem Umfange der äußeren Geftalt der
Dinge, der au auf den Körper eines Fräftigen jungen Mannes
notwendiger Weife gefhehenen Einwirkung der unter jo quälen-
den Verhältniffen, der Jahreszeit, der Witterung, angetretenen Buß⸗
Handlung, fih aud in Gemüthlier Hinfiht bei dem Könige fühlbar
madte. Es fann nicht überrajchen, wenn erzählt wird, die gegen-
feitige Begrüßung des Königs und des Papftes fei unter fließen-
den Thränen gefchehen; denn auch Gregor VII. vermochte fi einer
heftigen Bewegung nicht zu entziehen, als er, nad) dreitägigem mit
ſich jelbft geführten Kampfe, ſich entſchloſſen hatte, den König vor
fih zu lafien, und jegt den Sohn Heinrich’ III. und ber in den
legten Jahren ihm jo nahe gridten frommen Kaiferin, in dem
Gewande des Büßers, in der Beichte jeiner Verſchuldungen unter
würfig zu Boden geftredt vor fi ſah.
Gregor VII. redete in beweglichen Morten, die auf die Wieber-
aufnahme ber Gebannten und ihre Tröftung fi bezogen, den
König und feine Begleiter an, und nahm fie fo, mit ber paͤpſtlichen
Verzeihung und Ertheilung des Segens, förmlich in die hriftliche
762 1077.
Gemeinfhaft wieder auf. Dann wurden fie in die Kappelle ber
Burg geführt, und hier ertheilte der Papit, nachdem er das ger
wöhnliche Gebet über die vom Banne Gelöften geſprochen hatte,
Heinrih IV. und ebenfo dem Erzbiſchof Liemar, den Biſchöfen
Wernher von Straßburg, Burchard von Laufanne, Burchard von
Bajel, Eberhard von Naumburg, jowie den übrigen Großen den
feierlichen Friedenskuß. Daran las Gregor VII. die Mefje und
bezeugte bei der Communion dur die Darreihung der gemeihten
Hoftie an den König, der fie hinnahm und genoß, abermals die
hergeftellte Vereinigung deſſelben mit der Kirche. Nach dem Ende
des Gottesdienftes feßten fi Beide an den gleichen Tiſch zur Er-
quidung durch eine Mahlzeit, wonach der König nad dem Dant-
gebete entlafjen zu werden wünjchte. Nochmals jhärfte der Papit
in wenigen mahnenden Worten ein, daß Heinrich IV. den gelobten
Gehorfam bewahren, feinen Eid heilig halten möge, und bejonders
warnte er auf das bringendfte vor dem Verfehr mit den ex—
communicirten lombardiſchen Anhängern — nur die nöthigen
Dienftleiftungen follte Heinrich IV., jo lange er im lombarbifchen
Lande weilte, von denfelben entgegennehmen dürfen —; dann
ſchied der König mit feinen weltlichen Begleitern, unter apoſtoliſcher
Erlaubniß und vom Segen des Papftes begleitet.
Wie ein eifriger Anhänger des Papites jpäter jchrieb, war
vom König Heinrih IV. eine „unerhörte Erniedrigung“ vor dem
Papſte bewielen worden. Aber es trat zu Tage, daß die leiden-
ihaftlid dem König abgeneigten, päpſtlich gelinnten Kreife in
Deutſchland, voran jedenfalls in den oberdeutſchen Landen, ferner
der Heinrich IV. gegneriſchen Herzoge, welche den Papft in Augs-
burg hatten erwarten wollen, mit diefem Verlaufe der Dinge auf
Canoſſa nicht zufrieden waren. Der Erfolg dieſer in der äußeren
Form fo_tief herabmwürdigenden Unterwerfung des Königs unter
den Papſt war doch nach dieſer Auffafjung ein viel zu geringer.
Daß jegt ohne allen Zweifel nad) der Köfung vom Banne Heinrich IV.
wieder als vom Papite anerkannter König regierte, daß ihm vie
Regierungsreihte und die Ehren und Auszeihnungen bes Herrſchers
rückhaltslos zurüdgegeben waren, empörte diefe Gemüther, und es
entitanden Gerüchte, daß noch Weiteres in Canofja vorgegangen
fei, Erzählungen, welche, je weiter von Stalien entfernt, um fo be-
ftimmter geglaubt, aufgezeichnet, weiter ausgeihmüdt wurden.
Neben den durch den Sicherungseid für Heinrich IV. feſtſtehenden
Verpflichtungen follten noch weitere, jehr peinliche, die Regierungd-
gewalt darniederhaltende, jogar aufhebende Forderungen bes Papites
aufgeftellt, vom König angenommen worden fein. Taß in der
Abendmahlsfeier auf Canofia die völlige Verföhnung zwifhen Papft
und König geſchloſſen worden fei, mollte man vollends nicht
glauben. Dem König, welchem jo entjeglihe Dinge als Verbrechen
nachgeredet worden waren, jollte es nicht gelungen fein, dieje volle
Wiederaufnahme unter die rechtgläubigen Glieder der Kirche zu
Heinrich's IV. Entlaffung. Zeitgenöffifhe ſalſche und wahre Urtheile. 763
jewinnen. So mwurbe erft, noch befcheidener, behauptet, der König
Habe es abgelehnt, die Hoftie zu genießen, ba er de3 Empfanges
derfelben nicht würdig fei; aber nachher ging die geichäftige Er—
findung noch weiter und vergaß vollends, daß zur firdlicen Gültig-
keit der Löfung vom Banne der Vollzug der Communion im Abend»
mahle unentbehrlih war, und eine eifrig gregorianiſch gefinnte Er-
zählung machte den Papft felbft zum Veranſtalter eines freveln
Gottesgerihtes, im Abendmahle, an heiliger Stätte, ohne daß be—
dat wurde, wie völlig diefe ganze Gregor VII. zugefchriebene
Handlung der Sachlage, wie fie am 28. Januar gemwejen war,
widerſprach ?°).
Aber unter den treueften Anhängern des Königs erhielt ſich
auf ber anderen Seite ebenjo beftimmt die Auffafjung, welche gleich
nad der Losfprehung vom Banne Heinrich IV. jelbit aus den Er—
eigniffen davongetragen haben muß, und diefer dem wahren Sadj-
verhalt entſprechenden Darftellung öffnete der hochbegabte Verfaſſer
des alsbald nach Kaifer Heinrich's IV. Tode entworfenen Lebens-
bildes einen Raum in feinem Buche, unter Anfügung einer lebhaft
gehaltenen, feine Weberzeugung ausbrüdenden Erörterung.
Nach einer gedrängten Ueberfiht der Ereigniffe von 1076 ehr
Die Lebensgeſchichie des Kaifers folgendermaßen fort: „Darauf faßte
der König, al3 er feine Sache in der Bebrängniß jah, einen ebenjo
verborgenen als flug überlegten Entſchluß und machte fih plöglich
und unvermuthet auf den Weg, um dem Papfte zu begegnen, und
durch diefe eine That vollführte er deren zweie: er empfing nämlich
einerjeit3 die Losfagung vom Banne, und er jchnitt anderentheils
die von ihm beargmwöhnte Zufammenfunft des Papftes mit feinen
Feinden ab, indem er felbft dazwiſchentrat. Hinſichtlich der ihm
ugemefjenen Schuld gab er geringfügige Antwort, weil er ver-
cherte, er habe auf die Anfchuldigung feiner Feinde, auch wenn
fie wahr gewefen wäre, feinen Beſcheid zu ertheilen. Was hat es
Euch geholfen, fo vorgegangen zu fein, daß er mit dem Banne
verftridt würde, da er vom Banne gelöft in Fraftvoller Weife jeine
Macht gebrauht? Was hat es Euch gefrommt, ihn über erlogene
Verbrechen zur Rebe geitellt zu haben, da er Eure Anklage mit
leiter Antwort, wie der Wind den Staub, zerftrent hat? Welche
Thorheit vielmehr hat Euch gegen Euren König und Leiter ber
Welt bewaffnet? Nichts nügt, nichts leiftet Eure verſchworene Bo3-
heit. Denjenigen, welden Gottes Sand im Reiche befeitigt hat,
wird der Ewige nicht herabftürzen können. Wo ift die Treue, die
Ihr ihm geſchworen habt? Weßwegen habt Ihr die Wohlthaten,
die er mit föniglicher Freigebigfeit auf Euch übertrug, vergefien ?”
Nach weiteren ingbefondere an die Biſchöfe gerichteten Mahnungen
ſchließt die Ausführung, indem fie auf die Thatſachen von 1077
2%) Bergl. hierzu Excurs VII.
764 1077.
urüdgreift: „So fehrte der König von dem Papfte, nachdem er
Hart der Verfluhung den Segen empfangen hatte, zurüd“ *°).
Die am 28. Januar auf Canoſſa durchgeführte Verjöhnun
ſchien den Frieden zwifchen Gregor VII. und dem Könige, na:
dem entfchiedenen Willen beider Theile, feftgeftellt zu haben. Aber
bald jollte es fi} erweifen, daß die fachlichen Gegenfäge viel ftärfer
waren, als der Wille der zwei leitenden Männer. Thatſächlich ift
die Veilegung des in ganz unausweichlicher Weife raſch zu neuer
Schärfe ſich erhebenden Streites nur die fürzefte Zeit hindurch be—
wahrt geblieben.
Heinrih IV. mußte vorausfehen, als er Canofja verließ, dab
feine Gregor VII. feindfelig gefinnten Anhänger in der Lombardei,
voran bie antipatarinifch denkenden Biſchöfe, nur mit argem Un—
willen, mit nicht verminderter Streitluft auf den Beſuch bei dem
Bapfte hinblidten, daß fie äußerft argwöhniſch, vol Beſorgniß für
ihre Stellung, die Möglichkeit eines mit Gregor VII. abgeſchloſſenen
Friedens erwogen ??). Deffen ungeachtet fehrte der König nad
Feggio zu ihnen zurüd®), Doch noch ehe nur Heinrih IV.
Canoſſa verlafen hatte, fol ſchon der Papft den Biſchof Eberhard
von Naumburg ebenfalls nad; Reggio vorausgefhidt haben, mit
der Abficht, durch denjelben die Stimmung der Ercommunicirten
zu beihmwichtigen, fie für die Annahme der Löfung vom Banne ge-
neigter zu machen, damit auf biefe Weife einer abermaligen Ge-
fäprdung des kaum erft in die Kirche zurüdgeführten Königs vor-
gebeugt werde ?°).
*) Vita Heinrici IV. imperatoris, cc. 3 u. 4 (SS. XII, 273). Rur im
Vorübergehen fei bierneben baran erinnert, wie ſeltſam Heyd’s Auffafiung, Ge:
fehichte der Herzoge von Zähringen, 70, verglichen mit dieſen Aeußerungen des
Biographen fi auanimmt: „Heinrich'3 einfeitige Befangenheit hat das Unglaubs
liche gethan. fpäter, ais der Ruf der Canofſaſchmach durch bie Lande er:
lungen war und aus ber Deutſchen Munde zu dem Könige zurüdicholl, erſt da
hat ihm unldſchlich auf ber Seele gebrannt, wozu er in ber Bußthränenmwelt
bes mathildifhen Schlofies fich verftanden“.
%) Meber die Stimmung ber lombardiſchen Biſchdfe gegenüber ben Ab-
wmadungen von Ganofja urtheilen Arnulf, Gesta archiepiscoporum Medio-
lanens., Lib. V, c. 8: invitis episcopis ac in lite manentibus (SS. VIII, 31),
— Donizo, Vita Mathildis, nach ber in n. 22 mitgetheilten Stelle, ganz
ähnlich.
) Bergl. n. 22.
9) Lambert nennt ald Zwed der — ante eum (sc. regem) geichehenen —
Sendung bes Bilhofs: ut eos, qui ei (sc. ragi) excommunicato, priusquam
anathemate absolveretur, indi :nter communicaverant, vice sua excom-
municatione absolveret, benigne precavens, ne quam denuo tae
communionis maculam contraheret (260). Doch macht Gieſebrecht, II, 1152,
mit Recht darauf aufmerkfam, daß nach den Worten bed Briefes Gregor’s VIL,
Epist. eolleetae, Nr. 20 (vergl. bei n. 56), der Papft nicht jo unbedingt bie
Abfolution angeboten haben Tann, ſowie daß e3, nad) dem Annaliflen (vergl.
in Excurs VID), Heinrich IV. erlaubt war, Hofbicnfte von den Ercommunicirten
anzunehmen, jo daß alfo die Nothwenbigkeit für ben Papft nicht vorlag, über:
Schwierigl. d. Bewahrung d. Vertrages bei d. Abneigung d. fglchn. Anhänger. 765
Allein die lombardiſchen Gegner Gregor's VII. waren jeden⸗
falls, wenigſtens der weit größeren Zahl nach, weit davon entfernt,
eine ſolche ihnen entgegengeitredte Hand zur Herftellung bes Friedens
anzunehmen. Viehnehr ſcheint es, daß die von Canofja nad
Reggio gebrachten Nachrichten übel aufgenommen worden waren.
Wenn aud eine fehr anfchauliche Schilderung der entftandenen
Aufregung, wie ber König den ärgften Vorwürfen wegen feiner
Unterwerfung ausgeſetzt gewefen fei, und noch weitere Ausmalungen
ähnlicher Art nicht als glaubwürdig angenommen werden fünnen,
fo ift es doch anberentheil® ganz wahrſcheinlich, daß bei den
italienifhen Anhängern Heinrich's IV., welche fo lange auf deſſen
Eintreffen in ihrer Mitte, al3 auf dasjenige eines Führers, eines
Beſiegers der Patariner, gehofft hatten, die Form der Losfagung
vom Banne, wie fie auf Canofja gewonnen worden war, recht un=
günftig wirkte. Die anfängliche hingebende Begeifterung, mit ber
man den König zuerft begrüßt hatte, mag noch mehr abgenommen,
die Zahl der Anhänger im föniglichen Soflager weiter ſich gelichtet
haben; auch in der Art, wie dem Könige die Aufnahme in den
Städten weniger glänzend entgegengebradht, wie ihm und feinen Leuten
mande jhuldige Dienftleiftung verweigert wurde, trat wohl biefe
unfreundlicher gewordene Gefinnung hervor. Doc mochte ſich der
König durd) diefe Wahrnehmungen kaum ſehr anfechten lafjen?®).
Heinrih IV. Tieß ſich in diefen Wochen nad) ber Läfung vom
Banne die Wahrung der Töniglihen Gerechtſame und Einkünfte,
die Entſcheidung gerichtlicher Fragen angelegen fein, theils in
eigener Mitwirkung bei in feiner Gegenwart gehaltenen Gerichts-
figungen, theil® durch Entfendung Beauftragter, die feine Stelle
im Hofgerichte zu vertreten hatten. Won Reggio hinweg muß
Heinrich IV. zunächſt am Po aufwärts gezogen fein®!). Wenigftens
Haupt den Verkehr des Königs mit biefen durch bie Abfendung bes Biſchofs erſt
au ermöglichen. Holder-Eager, 1. c, 298 n. 3, will vielmehr den Bildiof ala
Abgefandten des Königs, freilich dann mit ganz anderem Auftrage, aufgefaht
wiſſen.
%o) Lambert lahzt die Aufregung der Itali aus Cherharb’s Auftrag und
gegen ihn gerichtet entflanden fein: vehemens ira et indignatio — Fremere
Omnes et saevire verbis ac manibus ceperunt, apostolicae legationi irri-
soriis exelamationibus obstrepere, convieia et maledicta, utcumque tur-
ssima furor suggessisset, irrogare (260). Ueber bie nachher folgenden den
Bilden in den Dunb gelegten Beichwerben und bie daran angetnüpften Bes
hauptungen Lambert's vergl, in Excurs I. . PR
#) Donigo, 1. c., erzählt v. 125 f.: Rexque die sexto remeavit Bibie-
nellum, corde dolo pleno, cum plena ınente veneno. Pastor (sc. Gregor VIL)
felle carens ad eum descendit ab arce . .. mox est comitissa sequuta.
Callidus at multa rex papae dixit, et ultra Eridanum fluvium, commune
cupit fieri tune colloquium; laudet quod papa, Mathildis et optat. Cur
hoe rex malit, ignorant hi duo clari. Mantua re vera placito subdique
timebat. Rex equidem frustra transivit primitus undam Eridani, tractans
cum paueis tradere papam, nec non, si quiret, comitiesam traderet idem.
Hoc seelus infandum complere putat placitando. Cuncta videns Christus
fieri vetuit scelus istud. Eridanum presul Mathildie et optima secum
766 1077.
weilte er ſelbſt am 17. Februar zu Piacenza, als die Gerichts—
verfammlung, in Anmefenheit der Biſchöfe Gregor von Vercelli,
des italieniihen Kanzlers, Wilhelm von Pavia, Kunibert von
Turin, de3 Grafen Eberhard und anderer Grafen und Herren, die
als Hofrichter handelten, gehalten wurde; daſelbſt wurde die vom
Könige ſelbſt unterfertigte Schugurkunde für die dortige Kirche
aufgeftellt. Dann aber fam Heinrich IV. nad Verona, wo er am
4. März dem iſtriſchen Biſchof Aldemann die Rechte und Güter
feiner Kirche Parenzo beftätigte und aufßerben dem Grafen
Ragimbald von Trevifo die Beftätigung von Rechten und Befigungen
gab, ebenfo den Bewohnern von Lazije am Gardajee Freiheiten und
Rechte verlieh, und gleichfalls hielten Beauftragte des Königs,
unter ihnen der Sanzler Gregor, außerdem aber auch Biſchof
Benno von Osnabrüd, Gerihtsfigungen zu Verona ab?*). Inter
transivit, sperans pacem componere veram. Ad domiusm claram multis
oculis oculatam nuncius advenit, qui secretum patefeeit regis Heinriei,
qui papam tradere dieit. Hoc abi cognovit pradene hera, mox eito movit
seque suos, fortes peciit cum presule montes. Insidiae fractae regis sunt
et patefactae; papam, Mathildim rex ulterins neque vidit (1.c., 389) Diele
Zulammentunft zu Sianello (bei Quattro Gaflella,, nördlich von Ganoffa am
Wusläufe des "appeumin gen Dir Gbene hi seen, Kbwelich
pril
von Reggio: Gregor VII. Hielt fi) dajelbt Ende März und Anfang
auf, nad) Jafje, Kegesta pontificum Romanorum, I, 621 u. 622) unterliegt
ſehr ftarfen Zweifeln, wenn auch Giefebrecht, zwar gleichfalls mit gewiſſer Ein«
fgjräntung, IU, 1158, in den „Anmerkungen“, dafür eintritt. Gchon Kipfius,
Zur Geichichte Papft Gregor’s VII, in der Zeiticjrift für die Hiftorifche Lheos
Togie, XXIX, 278 u. 279, Teqmeifelte wor nicht die Zulammenkunft in
Bianello, wohl aber Heinrich's IV. verrätheriiche Abfichten; Hefele, Goncilien-
geichichte, V, 101, äußert auch Bedenken, ob an Donizo’s Rechricht je etwas
wahr jei. Biel entichiedener leugnet Köhnde, Wibert von Ravenna, 2, gerade:
u au dad Zufammentreffen: „Die ganz unglaubwürbige Erzählung foll nur
jatbildes Klugheit in da8 gebührende Licht jepen". Die völlige Berwerfumg
der Donizoicen Behauptung it wohl am gerathenften. Denn es ift nit ein«
ufehen, wie Gregor VII. und Mathilde, welde die auch nad dem 28. Januar
Fortdauernde Unperföhnlichteit, die hakerfüllte Gefinnung der Lombarbifcen
Bilhdfe fennen mußten und bei der Nahbaridjaft von Reggio die geradezu
noch gefteigerte zornige Stimmung ber bort Verſammelten wohl vernehmen
Tonnten, eö für gerathen gehalten hätten, ſchon ſegs Tage nachher den fidheren
Zufluchtsort zu verlaffen, fid in die Nähe von Neggio zu begeben, wo aller
dings Nachflellungen weit eher zu befürdten geweſen wären. Ebenſo ſpricht
ber Umftand, dak Heintih IV. -- nad n. 32 — fehon zu Anfang März in
Verona genannt ift, nicht dafür, daß er Anfang Februar nach Mantua, hernach
nady Piacenza, barauf twieder nach Verona und zulegt abermals nad Pavia
gegangen jei (vergl. Kilian, Itinerar Kaifer Heinrichs IV., 76—78). In ben
egeften Gregor’a VII. ift denn aud, 1. c., 620, diefeß zum 3. Februar anger
fegte Ereigni gar nicht aufgenommen.
8) Zu den Worten Sambert’s, 261, über ben König: Cum Italiam pera-
graret, ut his, qui oppresei fuerant calumniamve paciebantur, regio more
Justa faceret . . . bringt da8 von Fider, Forihungen zur Reiche» und Rechter
—* te Stalins, I, 324, hervorgehobene actum, der Gerichtafikung vom
10. März in Verona, bie Biihof Benno von Osnabrüd und Biſchof Otto von
Novara abhielten, fowie derjenigen vom 14., am gleichen Orte, des Kanzlerd
Biſchof Gregor von Vercelli und des Mifjus UNirich — beide Verhandlungen
Heinrich's IV. Hojhaltung und Regierungsausübung in Oberitalien. 767
ben lombardiſchen geiftlihen Fürften, die an Heinrih’s IV. Hofe
fi in dieſen Wochen befanden, war wahrjheinlih auch ſchon Exz-
biſchof Wibert?°); eine deutſche Nachricht ſetzt eine ganze Anzahl
deuticher und burgundifcher Begleiter für die Dauer in das Fönig-
liche Gefolge, neben Erzbiihof Liemar die Biſchöfe Eberhard von
Naumburg, Benno von Osnabrüd, Burchard von Laufanne, Burchard
von Bafel, daneben aud Laien, Udalrich von Gobesheim, den
Grafen Eberhard, Berthold und fat alle Anderen aus jenen
Genoffen Heinrih’3 IV., welche in Oppenheim von deſſen Eeite
hatten weichen müſſen, jegt aber nach Löfung von dem Banne ſich
zu dem gleichfalls mit der Kirche verſöhnten Könige zurüd-
begaben?*). Für die in Piacenza zugebrachte Zeit ift die Anmefen-
heit der Kaiferin Agnes, welde, wie erwähnt, ſchon auf Canoſſa
erwartet gemwejen fein foll, bezeugt; der gregorianiſch gefinnte
betrafen ben Schuß ber Geiftlichen der Kirche und bes Bisthums Padua —,
Beweiſe, wenn es auch nicht ficher ift, ob der Stönig felbft babei anweſend war
(Muratori, Antiquitates Italiae, Il, 945—948). Dagegen feht für ben
4. März die Anweienheit Heinrich's IV. in Verona durch St. 2798, welches
Stüd Gieſebrecht. III, 1154, ohne Grund verdächtigte — es if faft wörtlich
eine Wiederholung von Otto’ 11. St. 848, von 983 — völlig feft, und
Brehlau’3 Erörterung, Mittheilungen bes Imfituts für öfterreichiiche Senihte-
forſchung, VI, 125, erlaubt. aud St. 2801 und 2801a, für ben Grafen Ragim-
bald von Zrevifo — betreffend deſſen Befigungen in ber eigenen Graficaft,
fowie in den Grafichaften Padua, Vicenza, Ceneda — und für die Bewohner
von Auyife — mit ausgedehnten Rechten, 3. ®. qualinus in nullo nostri regni
loco teloneum aut ripaticum darent neque ullam angariam aut vectigalia
facerent, .... . et ut habeant potestatem piscandi in toto lacu nostro
Benaco, sicut ab antiquis eorum temporibus (vergl. Brehlau, Konrad IL.,
II, 196, n. 6) —, ohne Zagebatum, beide dem Actum nad) Verona angehörend,
Won Hierher in ben März, jedenfalls aber vor St. 2799 und 2799a — vom
3. April — zu fellen. Denn St. 2798, 2801 und 2801a — St. 2797 fällt ale
Blacitum bier aus ber Reihe — nennen gleicher Weiſe ben Grztangler in der
Recognittonggeile nicht, während in St. 2799, 2799a, 2800 Gregor vice domni
Hitolfi Coloniensis archiepiscopi et archicancellarii recognogeirt. Die
morirung des Erztkanzlers in den Urkunden vom März — und barum ger
ren fie alle zufammen —, zeigt, da aud Hilbulf in feinem Anfchluß an
Heincich IV. zweifelhaft geworden fein muß, worauf erft im April, nagbem
die Nachricht don der Loſung vom Banne bei ihm gewirkt haben mochie, er
fich wieder dem Stönige genähert hätte, ober daß man wenigfiens bei dem in
Italien weilenden Stönige es im April für angezeigt hielt, eine ſolche Unter:
iwerfung des Crabifhofs vorauszulegen. St. 2797, vom 17. Gebruar, zeigt
Heinrich IV. — ad justitias faciendas ac deliberandas, mit ihm die Ger
nannten und weitere judices sacri palatii thätig in vie publica suburbii,
zur Auffiellung des bannus super archipresbiterum et awocatum suum ...
et a parte ecclesiae super res, quae sunt juris canonicae ecclesiae et
sancti Antonini (ete.). R
38) Bar in Wibert urlundlich erft für den nad) St. 2799 zum 3. April
hatizten, ufenthalt in Pavia, durch St. 2800, bezeugt (vergl. Köhnde, 1. c., 31,
mit n. 2)
=) Sambert nennt biefe Namen derjenigen, qui . . . unanimiter ad eum
(ee. regem) eonfuxerunt, et ei deinceps peregrinationis eius individui
comites adherebant (262). Der unter bem laiei zulept erwähnte Berhtoldus
if vielleicht ber durch Brumo, c. 81, als Bruder des Liupoid von Mereburg
genannte Bertholdus regis consiliarius (62). Bergl. ©. 77, n. 65.
768 1077.
Berichterſtatter, welcher Heinrih IV. gerade für die Zeit des
Aufenthaltes in Pincenza geheime Anzettelungen gegen Gregor VII.
zuſchreibt, meinte, daß der König durch die Gegenwart der frommen
Mutter dabei in Furcht gejegt worden jei®°).
Nichts konnte indefjen für die Bewahrung der auf Canoſſa
geſchloſſenen Ausföhnung des Königs mit dem Papfte gefäbrliger
fein, als das neue Erwaden der erbitterten Zwifte in großen
lombardiſchen Städten, wie fie ſich an den Gegenfag zwiſchen
Patarinern und königlich Gefinnten anfnüpften. Doch ſchon gleich
Hi dem 28. Januar müffen dieſe Bewegungen neu begonnen
aben ®°),
In Mailand ſelbſt trat eine eigenthümlide, für die Sache
Heinrih’8 IV. ungünftig wirfende Wandelung zu Tage. Aud von
ſolchen Seiten, die bisher gegenüber der Petarinifeen Bewegung
fih zurüdgehalten hatten, gejchah jetzt die Annäherung an
Gregor VII. Jener als Geſchichtſchreiber bethätigte Geiltliche
Arnulf, der in feiner jo trefflih tlaren und wohl geordneten
Schilderung mitten in allem ‘Getriebe inneren Kampfes ſich eine
ruhige nüchterne Anjhauung der Dinge behauptet hatte, ließ ſich
jetzt auch noch in hohen Jahren, als einer der Voten der Stadt,
zu dem Papfte abordnen, um gegenüber denfelben die Unterwerfung
Mailand’3 unter die römijchen Gebote bezeugen zu helfen. Die
Mailänder Geiftlichfeit löſte fih von dem durch Heinrich IV. ihr
gegebenen Erzbiſchof Thedald ab; die Stabt bat Gregor VII. um
die Losfagung von den Folgen ihres Anſchluſſes an das Geſchöpf
bes Könige. Arnulf geiteht, jet ſeinerſeits ebenfalls für das
rühere Abbitte gethan, für die Zukunft Unterwerfung gelobt zu
jaben??). Darauf jandte der Papit fogleih als feine Vertreter
zwei feiner vertrauteften Biſchöfe, Anfelm von Lucca und Gerald
von Dftia, nah Mailand, um den Reuigen die Verzeihung über-
bringen zu laffen. Die Boten fanden bie freudigſie Aufnahme
durch die ganze Stabtbevölferung, und während ber drei Tage
Bonitho, 1. c., ſchließt an bie in Excurs I mitgetheilte Gtelle über
Heinrich's IV. Auſchläge an: Sicque faciebat per omne tempus, quo Pla-
centiae demoratus est, maxime metuens preentiam matris suae religiosis-
simae imperatrieis, que forte ibi aderat (l. c., 673).
a3 ift aus der übereinftimmend genauen zeitlichen Angabe theilß im
der Vita Anselmi ep. Lucens, c. 17: infra quindecim, ut opinor, dies . . -
impediti sunt (sc. Anfelm und Gerald) a militibus illius (se. Heinxichs IV.)
theils bei Bernold zu fchließen, Chron.: Hoc juramentum (ec. von ;offa)
nee quindecim dies observavit (sc. Heinrich I’ 3 pls venerabilibus epis-
copis, Geraldo Ostiensi et Anselmo Lucensi (SS. XII, 18, V, 433).
._,®) Arnulf fagt, 1. c., Lib. V, c. 9: Recessit a compositis, cum se sen-
tiret Mediolanensium populus Tedaldi praesulis societate culpabilem, dirina
prohibente lege communicari excommunicato. Missis domno papae legatis
solutionem implorant. Cui legationi ipse ego interfui, de praeteritis satis-
faciens, in futuro castigari promittens. Daß Arnulf im höheren Alter ger
weien fein muß, geht aus Lib. II, c. 1, hervor, wo er von 1018 beginnenden
Greigniffen fagte: nune ea quae Ipsi videndo cognovimus, ex habundant
eructare studeamus (l. c., 31, 11). .
Mailand's Anflug an Gregor VII; Gefangenfegung päpftl. Legaten. 769
ihrer Anwefenheit hielten fie an die um fie zufammenftrömenben
tger ihre Predigten, jpendeten Allen den Segen und Losſprechung
von den kirchlichen Strafen. Umfonft zeigte Thebald feine Abjicht,
das Volk zu feinen Gunften aufzuftaheln und neuen Kampf anzu-
fahen; er mußte fein Unvermögen anerfennen®®). Dagegen wurde
die Stinnmung eine andere, als fi bie beiden Biſchöfe nach der
von Gregor VII. erhaltenen Meifung aud in bie anderen fom-
bardifchen Städte begaben. Denn wieder zeigte Bischof Dionyfius
von Piacenza dur die That feine heftige Abneigung gegen Alles,
was mit ber Pataria zufammenhing. Er legte die Hand an bie
römischen Beauftragten, und wenn auch Anjelm, als ein Ein-
heimiſcher und von anfehnlicher Geburt, alsbald frei fam, fo wurde
dagegen Gerald, ber als ein Deutjcher wohl doppelt gehaßt war,
auf eine Burg des Biſchofs geichleppt und bier gefangen gelegt.
Alle diefe Dinge aber waren geſchehen, als kaum zwei Wochen nad
den Vorgängen auf Canofja vorbeigegangen waren®®).
€3 war ganz nothwendig, daß dieſe Gemwaltthat des Konigtih
efinnten Bildofs dem Könige felbft angerechnet wurde *), und jo
fand er mit einem Begehren, bas er, eben aus Piacenza, der Stadt
des Dionyfius, wo er, wie ſchon erwähnt, nachweisbar am
17. Februar fi aufhielt, an Gregor VII. gerichtet zu haben
ſcheint, bei demfelben fein Gehör. Zeinrich IV. wünjchte nämlich
— allerdings reden in auffälliger Weife gerade die zunaͤchſt ftehen-
den lombardiſchen Berichterftatter nicht davon —, daß zur völligen
®2) Arnulf, I.c., erwähnt als Ergebniß des Auftretens der beiben Bifchdie:
laetata est civitas universa. Qui toto illo triduo confluentibus ad eos civi-
bus divina praedicantes eloquia, cunctos absolventes, benedicunt universos
— und Inüpft daran die Bemerkung über Thedald's Niederlage (I. c., 31). Die
Vita Anselmi, c. 17, nennt gleicfals Anfelm und Gerald (l. c.), der Annalift
dagegen neben Gerald irrig, ftatt Anfelm’3, ben episcopus Praenestinus ald
einen ber pro necessitate et regimine sanctae aecclesiae thätigen Boten (290).
” Das Schidjal der Beiden ift übereinffimmend erzählt in der Vita An-
selmi, 1. c., io freilid — vergl. n. 86 — Dionyfins nicht genannt ift, während
Anfelm felbftverftänblich Hervorttitt: Anselmum nequagnam ausi sunt tangere,
quoniam indigene fuit, et nobilis prosapia — bod) will dann berfelbe, zwar
umfonft, si posset, pro fratre (sc. Gerald, deflen Echieial er theilen will) suam
ipeius aniınam ponere, was dem erfailer zu andächtigen Ausführungen An-
laß bietet —, ferner durch den Annaliften, der Ticinum et caeterae illarum
partium eivitates als Ziel ber Segaten — non sine fructu — fennt und fie
a Placentino antiopiscopo perjuro et anathematizato ergriffen werben Läht,
wobei wieber irrig Praenestinus paulo post dimittitur, mährend be Anbern
Scidfjal fi hart geftaltet: in quoddam castellum incarceratus transmittitur
d. €.) ganz kurz und dadurch für Anfelm ungenau von Bernold (vergl. n. 36).
Auch Gregor VII. jelbft nennt in istr. V, 7, bloß Geraldus Ostiensis epis-
copus als captus . .. . in Longol dl. e., 295).
40) Das zeigt beſonders die Vita Anselmi, 1. c., welche an ben Gap:
Itaqgue ad priora iteram regreditur consilia (sc. Heinrid) IV.), ad excom-
municatorum perversa conventicula, et quod jurejurando promiserat, brevi
tempore observabat — mit Nam den nächften anfelieht, nach weldyem dur)
bie milites illius (vergl. n. 36) die beiden Bildöfe im ihrer Thätigteit untere
brochen wurden.
Mener von Anomau, Jahrb. d. diſch. R. unter deinrich IV. u. V. vd. u. 49
770 1077.
Belräftigung feiner Aufnahme in die kirchliche Gemeinſchaft auch
[eine Krönung, wie er gejagt haben foll, nach dem gejeglidhen Ge:
rauche der Lombarden, ftattfinde, wahrjheinlih zu Pavia, und er
ſchickte zu diefem Behufe eine Geſandtſchaft an ben Papft ab. Da
er einfah, daß es unſchicklich fei, diefe Handlung durch einen er-
communieirten geiftlihen Fürften vornehmen zu laffen, erjuchte er
Gregor VII., falls diefer aus eben diefem Grunde den Erzbiſchof
von Mailand oder den Biſchof von Pavia davon ausjchließe, dic
Befugniß auch irgend einem anderen Bifhof zu übertragen. Allein
ber Papſt ließ ſich hierzu nicht herbei, und er ergriff dafür den ihm
durch den Eingriff des Biſchofs Dionyfius dargebotenen Grund.
Durch die Gefangenhaltung des Cardinals Biſchof Gerald war die
dritte Bedingung de3 auf Canofja gejchloffenen Vertrages ohne
allen Zweifel verlegt. Denn ber König fam dem Gefangenen nicht
zu Hülfe — ob aus eigenem Entſchluſſe, oder weil er es nicht
wägte, in Piacenza dem fonft fo dienftbereiten Biſchof entgegen:
zutreten, fei dahin geftellt —, und fo hatte er fein dem Papite ge-
gebenes Wort fhon nicht erfüllt. So erklärte diejer, daß er — er
wandte das Bild des gefangenen Apoftelfürften an — fo ange
feine Erlaubniß ertheilen werde, als Petrus in Ketten liege. Um
fo mehr konnte jegt auch Heinrich IV. nicht nachgeben, und er
half mit feinem Worte der Fürſprache dem eingeferferten Biſchof
von Oſtia. Erſt einige Zeit hernach, als die Kaiferin Agnes und
Mathilde fi deſſelben thatkräftig annahmen, wurde die Frei-
lafjung verfügt. Doc jest war es zu fpät. Andere Dinge hatten
fih inzwiſchen zur Vermehrung des Mißverhältniſſes zwiſchen
dent IV. und dem Papft hinzugefügt. Die Krönung fand nicht
at +").
Eine Fülle von Umftänden, Dinge, an welden der König
4) Der Annolift fagt, nach Erwähnung der Abführung des Bikhors
Gerald (vergl. n. 39): Ubi (sc. in castello) cum aliquamdiu in vinculis tene-
retur et rex cum suis avaritiae lucris quolibet artificiosus ingenio insistere
niteretur . . . . sacramenti quod fecerat pro lcgatis apostolicis adjuvandis
rorsus oblitus, nullam vel in verbi unius saltem auziliaria inpensiuncula
ipsi compassionem exhibuit (May, dorichungen zur beutichen Geichichte, XXI,
519, nimmt in biefem Eahe, ber nicht Yulammengehörendes in vereinigt,
wohl richtig bie Einfchiebung eines fremden Beſtandiheils an). Set cum Papiae
vellet juxta ritum legis Longobardorum coronari, missis ad papam pro
huiusmodi danda licentia interventoribus, responsum datum est eis, ut
quamdiu Petrus esset in vinculis. non haberet in hac re licentiam apostoli-
cae auctoritatis. Set neque sic ipsius auxilium extorquere ab eo poterat.
Tandem vero imperatrice et domna Mahthilda adjuvantibus, de carcere
nonnullo tempore probatus relazabatur (l. c.). Erf Paul von Bernried,
©. 86, gedachte dann wieder dieſer Sache, daß Heinrich IV. durch eine Gefandt-
fdjaft ben Papft bat, ut vel eum semel apud sanctum Johannem in Moytia
per episcopos Papiensem et Mediolanensem more priorum regum coronari
permitteret, vel, si hoc nollet fieri per hui li episcopos utpote ex-
communicatos, saltem hoc privilegium apostolica auctoritate cuilibet epis-
copo eoncederet exequendum, ob hoc maxime appetens coronari, ut cum
communione etiam regnum a Romano pontifice videretur ie —
Abfchlag durch Gregor VII, aus allgemeineren Erwägungen — Rex igitur es
Abſchlag d. lombardiſchen Rrönung Heinrich’ IV.; Schärfung b. Gegenfapes. 771
theilweife nur mittelbar, vielfach wohl gar nicht die Schuld trug,
hatten dazu beigetragen, in kurzen Wochen die Zweifel zu beftärfen,
ob die Abmachungen von Ganofja haltbar fein würben*). Der
deutſche König, dem e3 oblag, auf dem Boden der Lombardei die
Nechte des Reiches zu wahren, konnte Schritte nicht vermeiden, die
ihn alsbald im Lichte neuer Feindſchaft gegen die römiſche Kirche
erfheinen ließen. In den Städten, wo ein Erlembald als Vor-
kämpfer ber päpftlihen Forderungen geftritten hatte und gefallen
war, zeigten ſich Kirchliche und ftantlihe Machtfragen jo untrennbar
in einander verſchlungen, daß aud ein weniger lebhaft denkender
und bandelnder Mann, al3 ber junge Herrſcher, neue Reibungen
nicht hätte vermeiden können. Auf den Kampfitätten ber Pataria
gab es feinen dauernden Frieden.
Gregor VII. war dur das Erfcheinen des büßenden Königs
vor den Thoren von Ganofja genöthigt worden, von der Durd=
führung feiner Abſicht, ſich nad Augsburg zu den deutſchen Fürften
zu begeben, abzulaffen und Heinrich IV. die Ausföhnung mit der
Kirche zuzugeftehen. Allein e3 verfteht fih durchaus, daß er damit
den Gedanken, bei einer Aenderung der Verhältnifje dennoch jene
enge Verbindung mit den deutſchen Gegnern Heinrich's IV. herzu-
ftellen, nicht aufgab, und jede Verſchärfung des Gegenfages gegen-
über dem in die italienifhen Dinge verwidelten König mußte jolde
Pläne weiter fördern.
Zunãchſt hatte der Papft, jedenfalls gleich nach dem Abſchluſſe
der auf Canoſſa gefchehenen Verhandlungen, an alle Erzbiſchöfe,
Biſchöfe, Herzoge, Grafen und übrigen Fürften des Reiches ber
Deuiſchen, welche den riftlihen Glauben vertheidigen, jenen Bericht
über die Vorgänge auf der Burg der Mathilde gerichtet, welcher
die hauptſächlichſien Aufſchlüſſe Air die Erfenntniß diefes ganzen
Vice quanguam simulata obedientia, apud Moytiam zegalia insignia non
usurpavit (Watterich, Pontif. Roman. vitae, I, 525 u. 528). Sirteicht, In,
1153, macht mit Recht gegen Floto's Behauptung, Kaifer Heinrich IV., II, 140,
Daß die Krönung fat funden habe, den lepten Saß dieler Stelle geltend.
Bruno fdeint in den Worten von c. 90: Imponit capiti aureum diadema, et
in corde retinet ferro fortius anathema (365), wenn er nicht blok um des
Neimens willen ein Wortipiel wagte, angenommen zu haben, die Krönung fei
gacoem (wäre dann in ferrum eine Anfpielung auf die „eiferne Krone“ zu er-
den? — deren Name gu nad Waih Deutſche Vern beſh VI, 172, n. 1,
Freilich erft im 13. Jahrhundert genannt fein). .
a astheile über folche Heinrich IV. zugeichriebene Sinnesänderung finden
fid} bei Bruno, c. 90: Excommunicatorum communioni miscetur, et a sancto-
rum communione miser ille llitur. Nunc feeit omnibus manifestum,
quia non verum esset, quod dixit, ‚glas se amare regnum coeleste quam
terrenum. Quod si parımper in obedientia permansisset, et regnum nunc
terrenum cum pace teneret, et quandoque coeleste sine fine arus
sceiperet, mas nun bei dem Ungehorfam Beides auägeihlofien fei (I. c.), in
ben Annal. Einsidlens. (a. 1076): Quam (se. obedientiam) dum implere obli-
Viseitur, denuo discidium inter ipsum et papam renaseitur (88. III, 146).
49*
772 1077.
Ereigniffe in fi enthält. Gregor VIL. wollte dieſen deutſchen
Anhängern, weil fie aus Liebe zur Gerechtigkeit zugleih mit ihm
die gemeinſchaftliche Sache und Gefahr im Kampfe des chriſtlichen
Kriegsdienites für ſich angenommen hatten, als Beweis feiner reinen
Liebe aus einander fegen, wie bie reumüthige Unterwerfung bes
Königs und die Ertheilung der Losſprechung an denjelben vorge
jangen jeien. Zuerſt wird ba erörtert, auf welche Weile es ge
ommen fei, daß er nicht felbft, fo wie er gewünſchi, zu ihnen habe
kommen fönnen: „Qon einem nit geringen Kummer find wir da
bedrängt worden, darüber was für eine Mafregel wir am eheften
wählen ſollten“. Dann folgt die Schilderung, wie Heinrich IV.
feinen Weg nad Italien bewerkftelligt habe, was dem Erſcheinen
des Könige auf Canofja voranging; vorzüglich aber ſchließt fich die
ſchon im Wortlaute hier mitgetheilte Erzählung der Begebenheit
de3 28. Januar, nebit dem Hinmeife auf den in einer Beilage ge
geboren Inhalt der Zuficderungen des Königs, im Weiteren an.
och gleich ſchon jegt fährt am Ende diefer Kundgebung der Papit
folgendermaßen fort: „Nach all dem wünfdhen wir, um Alles für
den Frieden der Kirche und die Eintracht im Reihe, fo wie wir
ſchon lange es erjehnt hatten, noch vollftändiger mit Gottes Hülfe
pafjend einrichten zu können, bei der erften gegebenen Gelegenheit
in Euer Land hinüberzugehen. Denn wir wollen, daß Eure Liebe
das unzweifelhaft wife, daß, wie Ihr das au in den ſchriftlich
beigelegten königlichen Zufiherungen erkennen fönnt, die Angelegen-
heit des ganzen Gejchäftes in der Art noch eine ſchwebende ift, daß
ſowohl unfere Ankunft, als die Einmüthigfeit Eurer Rathichlüfle
im böchften Grade nothwendig zu fein feinen. Deßwegen beftrebet
Euch, in der Treue, in der Ar von Anfang fandet, und in der
Liebe zur Gerechtigkeit Alle zu verharren, da Ihr wiſſet, daß wir
dem Könige nicht in anderer Weife verpflichtet find, ald durch münd-
lic) gegebenes Wort — fo wie das bei mir Gewohnheit ift —. ſowie
daß wir ihm nur in fo weit Hoffnung eingeräumt haben, als wir
ihn in Hinfiht auf fein Heil und feine Ehre, entweder auf dem
Boden der Gerechtigkeit, oder der Barmherzigkeit, ohne Gefahr für
unfere und für feine Seele, zu unterftügen vermögen“ *°). In beut-
42) Das Schreiben Registr. IV, 12, iR ſhon in n. 5 und 15 herangezogen,
beſonders in Excurs VII ale die Hauptquelle für bie Ereigniffe von Sanafla ge
würdigt. Berg. die Hauptfelle ob. ©. 759; die Gtelle im legten Abjap üi
bie bloß mündliche Verpflichtung Gregors VII lautet: nos non aliter regi
obligatos esse, nisi quod puro sermone, sicut michi mos est (in den daramf
folgenden Worten will Giefebrecht, bei weldem, III, 1149, biefelben in ger
perrtem Drude hervorgehoben find, mehr fuchen, als fie in ihrer ſehr allge-
meinen — und zugleich gewundenen — Form wohl enthalten, nämlich ein „Ber-
iprechen“, das Fi die Veurtheilung der Sachlage ſehr wichtig jei. Bon der
Abfıht eines Aufbruchs nad Deutihland handelt dann wieder v. 18,
J. 5021, vom 1. März, an Erzbiſchof Rodulf von Tours, wo es
partes tegni Teutonicorum, prout destinavimus, hoc in tempore transieri-
mus (l. c., 260).
Ucherbringung d. päpflichen Kundgebung an bie Deutſchen durch Rapoto. 773
licheren Worten hätte allerdings der Papſt feine deutfchen Anhänger
nit darüber beruhigen können, daß troß der Abmahungen in
Canoffa zwifchen ihnen die Beziehungen unverändert geblieben jeien und
daß jehr leicht Verhältniſſe eintreten fönnten, die es ihm erlauben
würden, jene gegenüber Heinrih IV. aufgeftellten Bedingungen als
hinfällig erſcheinen Ei laſſen. Durch einen getreuen Diener Kapoto,
wahrſcheinlich bdenfelben, der als einer der Voten des Papftes die
verhängnißvollen Aufträge Ende 1075 an Heinrih IV. nad; Goslar
mitgenommen hatte, ließ Gregor VII. das Schreiben nach Deutfch-
land tragen, unter Beifügung mündlicher Aufträge, in melden er
Hr l EN Wanſchen der Fürften noch weiter entgegenzufommen
uchte “).
Fur ſich ſelbſt hielt es Gregor VII. für angemeffen, zunãchſt
in Canoſſa und deſſen nächſter Umgebung zu bleiben“s). Won bier
aus gejhahen die Verhandlungen, welde nach dem Weggange des
Königs nothwendig wurden. Leider ift gerade aus dem nachfolgenden
Monat, dem Februar, nur ſehr wenig über die Thätigkeit des
Papſtes befannt**); aber jene Abweifung des Begehren: Hein-
+) Mit Giefebrecht, LIT, 1154, ift anzunehmen, daß Gregor VII. in Epist.
collectae, Rt. 20, J. 5019 (1. c., 545—547), in ber Wendung: per filium nostrum
Rapotonem, quem ad vos misimus auf bieje Kundgebung nad Deutfhland
fich bezog, daß die Worte: Nos itaque, sicut vobis mandavimus, vestrae
Voluntati atque consiliis in omnibus secandum beneplacitum Dei satis-
facere copientes .... . . münbdlid) dem Voten mitgegebene Aufträge anbeuten.
Der Bote iſt wohl der ſchon ©. 580 in n. 168 erwähnte, von bem gleich:
namigen Grafen zu untericheidende Kapoto, der num ganz in papfilichen Dienft
übergetreten fein muß.
4) Sambert jagt: Adhuc ille (sc. Gregor VII.) in Canusio et aliis eirca
firmissimis munitionibus se continebat (282). J. 5018, vom 31. Januar, if
nur allgemein in ‚Longobardia datirt. Dann fehlt es an batirten Schreiben
des Papftes bis zum I. März und 4. März, von welchen Tagen Registı. IV,
13, dann 14 unb 15, J. 5021, uni , in Longobardia in loco, qui
dieitar Carpineta — d. 5. aus Garpineti, fübfübölic, von Ganoffa, tiefer in den
Apyennin binein, gelegen — gegeben find. Bon einer Gunſterweiſung Gre—
gs VI. für die Canusina aecclesia, beftehend in einer carta libertatis, rebet
onizo, Lib. II, v. 176—179 (l. c., 383).
4%) Der Annalift fährt nach dem in Ercurs VII behandelten längeren Abs
ichnitte fort: episcopos . ..... papa jussit illie incarcerari, prout eibi bene
complacuit. Insuper pactum sacramenti euiusdam , qua a familiaribus
regie papae adhuc persolvendum restiterat, ab eis fiendum exigebatur.
Quod ipsi contentiosa quadam di longe aliter quam conderetur,
pervertere conantes sese reatu perju: a papa capiendos dum metu-
erant, ne omnino ipsi jurarent. modis omnibus cavillosi diffugerant. Ex
quibus Augustensis episcopus abeque licentia noctu inde clandestina
non reconciliatus evaserat. Sic in primo pacto, quod ad invicem statu-
erant, papam artificiose delusum et deceptum mendaces abierant (290).
May feht, 1. c., 517, im diefe Erzählung fehr Marke Zweifel. Erflich Benträgt
Fi die Einterferung der Wifchöfe nicht mit der von Lambert erzählten, ob.
©. 764 als glaubwürdig ‚angenommenen Sendung des Biſchofs von Naumburg
ala Abgefandter Gregor 11. nad) Reggio; dann fiimmt die Mittheilung
davon, dak von den familiares regis — das können nur Liemar unb die
weiteren vier 6. 762 genannten Biſchofe geweſen fein — eine Gibesleiftung ge:
fordert, jeboch abgelehnt worden fei, fehr fchlecht zu dem beffer bezengten Bor
774 1077.
rich's IV. wegen der Krönung fällt in diefe Wochen, und auch fonft
beftand fortgefeßter Verkehr zwiſchen dem Löniglichen Hofe und
Gregor VII. Doch der eigentliche Inhalt diefer Sendungen
fi augenfcheinlich ſtets deutlicher auf die eine Hauptfrage, bie
ziehungen des Papftes zu den deutſchen Fürften.
Die Dinge hatten ſich ja da, ſchon ſeit Gregor VIL Rom
verlaffen hatte, in eigenthümlicher Weife, unter raſchen Wechſeln,
ſtets wieber verſchoben.
— Der ſchwäbiſche Berichterſtatter, welcher den Verlauf dieſet
Entwicklung am beſten zu beurtheilen vermochte, hatte noch am
Ende des abgelaufenen Jahres Zeugniß dafür abgelegt, wie bie
Botſchaft der freudig von Rom aurhägelemmenen deutſchen Abge-
fandten von deren Auftraggebern, den Großen bes deutſchen Reiches,
aufgenommen worden ſei. Die Fürften entnahmen, unter lebhaften
ggenfeitigen Glüdwünjhen, aus dem inhalt der mitgebradhten
iefe, daß Gregor VII. in Ausfiht fielle, um das Feit Mari
Reinigung in Augsburg eintreffen zu wollen, und fie nahmen ſich
vor, mit dem töhten Eifer Alles darauf Hin vorzubereiten, damit
die weiſen Abfichten des Papftes, für die Herftellung des Anſehens
der Kirche, die Wieberaufrichtung des Gehorfams, erreicht würden *").
Darauf aber trat die befannte Hinderung de3 ganzen Planes dur
das Erfcheinen Heinrich's IV. in Italien ein, und wieder fchildert
der gleiche Erzähler, wie die Fürften faum nur im Stande gemejen
feien, angefiht3 der zahlreichen drohenden Gefahren dem Papfe
nad Canofja Bericht zukommen zu lafjen, daß es ihnen einfach nicht
möglich fei, nur bis zu der Stelle, wo er vor feinem Rüdzuge auf
die Burg geweilt hatte, nad Stalien vorzubringen; aber zugleid
glaubt der Bericht beifügen zu können, Gregor VII. habe es zwar
ſehr peinlich empfunden, umfonft fo weit gelommen zu fein, daneben
aber die Hoffnung nicht aufgegeben, dennoch bei ſich ergebender
günftiger Gelegenheit ſeinen Vorſatz zu erfüllen, nach Deutſchland
gelangen zu können). Aber der Papſt hatte doch ganz und gar
n I richtig, der
FE elle! De Kane
Vertrage gelegen habe, einen Rüdichluß geihan und fo Biel
48) Rad der Stelle in n. 5 fährt der Annalift fort: Set dum illi (sc.
Theutonici prineipes) tot obstantibus pericnlis se ad eum (sc. papam) ne-
Vertehr d. Papftes mit d. Furſten feit Ende 1076. Ulmer Fürftenverfammlung. 775
nicht ſich darüber die Nugen verſchloſſen, daß es gerade bie Fürften
im entſcheidenden Augenblide, als er des Geleites, das ihn über
die Alpen führen follte, harrte, an Geiftesgegenwart und Muth
hatten fehlen laſſen, und er ſprach es ihnen noch nachher ganz un-
ummwunbden in dem an Züriten und Volk des beutfchen Reiches ge-
richteten Schreiben aus: „Gegen den Willen fat aller unferer
Getreuen, mit Ausnahme ber theuerften und treueften Tochter des
feligen Petrus, nämli der Mathilde, haben wir den Weg zu Euch
nit nur mitten unter vielen Unbequemlichteiten, fondern auch von
Gefahren angetreten. Und gewiß hätten wir zu Euch gelangen
tönnen, wenn wir von Eurer Eeite zu der Zeit, an dem rte, wo
es feitgeftellt war, das Geleit gehabt hätten. Weil aber für den
nad Stalien eilenden König eben aus biefer Hemmung unjerer
Abreife die Gelegenheit ſich ergab, zu ung zu gelangen, Baben wir
ihn, befiegt durch feine Erniebrigung und die Darlegung vielfadher
Neue, von der Feſſel des Anathems gelöft, in die Gnade der Ge:
meinſchaft ihn wieder aufgenommen“ *). In unverkennbarer Weife
maß der Papft feinen deutſchen Bundesgenofien, die ihn erft ein-
geladen, dann im Stich ‚gelaen hatten, die Schuld an ber auf
Eanofja erlittenen Niederlage feiner Pläne zu.
Die Kunde von dem organg auf Canoſſa bewies darauf den
Fürften, was die Folge des iBlingens der Augsburger Verfamm-
lung gewejen ſei. Aber obſchon durch die Herftellung der Be—
ziehungen zwiſchen Papft und König jegliche Ausſicht auf die Fort-
jegung der geplanten Anfechtung der Krone Heinrich's IV. zerftört
zu fein fchien, gaben doch die heftigften Gegner deſſelben ihr Vor⸗
haben noch nicht auf. Vielleicht in der Mitte des Monates, an
deſſen Anfang die mißglüdte Vereinigung mit Gregor VII. — am
2. Februar — hätte gefchehen follen, cat fi ein Heiner Kreis von
Fürften in Ulm — der hohe Schnee, die empfindliche Kälte dauerten
noch fort und erſchwerten den Verkehr — ; genannt find Erzbifchof
Siegfried, der nunmehr wieder in diefem Lager den erſten Rang
einnahm, die Biſchöfe Adalbero von Würzburg und Hermann von
Mes, dann bie Herzoge Rudolf, Welf, Berchtold, während beſonders
den Sachſen die Theilnahme verwehrt war und ihnen der Inhalt
der Berathungen durch Votſchaft mitgetheilt werben mußte. Es
wurde beſchloſſen, daß am 18. März zu Forchheim eine neue Ver-
ſammlung ftattfinden folle, zu welder nun die Fürften allgemein,
durch Ausfendung von Briefen und Boten nad) Lothringen, Sachſen,
juam venire posse ipai vix remandarent, tune ipee, quia frustra venerit
ha. moleste nimie Terens, sot tamen posten. ad Theutonicas partes so
gpalitercamgue pro necessitate sanctee aecelesiae pervenire posse non
8, istic (sc. auf Ganofia) huiusmodi occasione aliquanto tempore
morari disposuit (288 u. 289) aa .
+9) Diele Worte flehen in dem ben Brief an bie dilectissimi in Christo
fratres et filli archiepiscopi (ete.) cum omni popalo regni Thenthonicorum
christianam fidem et religionem defendentes — Epist. collectae, Nr. 20 —
eröffnenden Rüdblide (1. c., 545).
776 1077.
Baiern, auf das dringendfte eingeladen werben jolten, damit dort
über die fir das Reich feftzufegenden Maßregeln berathen und
Beſchluß gefaßt werden könnte. Eine in Italien über diefe vor-
bereitenden Schritte aufgezeichnete Nachricht meldet jöon ganz be:
ftimmt, daß die genannten drei Herzoge mit den übrigen Fürften
ſchon gleih auf die Wahl eines neuen Königs ihr Augenmerk
gelenkt hätten, weil Heinrih IV. aus vielen Ürſachen der Krone
ummülzbig gemorben ſei ꝰo). Ohne Zweifel war aber auch fchon den
in Ulm Verfammelten der Bericht des Papftes, den derjelbe feinen
Getreuen nach Deutjchland von Canoſſa aus zugeihidt hatte, be
Tannt, und fo ließen fie ſogleich, durch eben denſelben Rapoto, der
von Italien gekommen war, eine Botſchaft von ihrer Seite an
Gregor VII. zurüdgehen, um auch ihn von ihren Abfichten zu unter-
richten, ihm zu bitten, feine Eräftige Mitwirkung bei ihrem Vor-
haben eintreten zu laffen. Daß es dabei jhon auf den eigenen
Antheil des Papſtes abgefehen war und daß jet in Forchheim ſich
erfüllen ſollte, was zu Augsburg nicht hatte gejchehen können, ift
50) Der Annalift fagt vom Tage von Ulm. dem er post natalem Do-
mini anfept, er fei veranlaßt worden, postquam regni primates perfidiam
regis et pacti quod ad Oppinheim actum est infractionem, fugam illias et
reconciliationem simulatoriam et euneta per Longobardiam eius molimina
artificiosa compererant, aber nur von pauci prae hiemis nivosae et frigoris
nimietate asperrima impediti befucht, jo daß eben zu den prineipes et epis-
copi der drei genannten Stämme litterae et legati abgehen müjlen, mit der
Einladung nad) Fordpheim zum 13. März (291). Lambert nennt Ulm nicht,
läßt aber die Berfammlung aus ben jeche namentlid) auf erüßeten und aus
ali plerique ex prineipibus Teutonieis beflehen — daf biele Hebertreibung
der Zahl nicht mit Delbrüd, Meber die Glaubwürdigkeit Lamberts von Herd
feld, 69 u. 70, ala „Parteiübertreibung“ aufzufafien ift, hebt Dieffenbadger,
Deutiche Zeitfchrift für Geidichtömifienfchaft, VI, 355, hervor, ber biele tppilche
Wendung — von ber überaus zahlreichen Verfammlung — als Lambert eigen»
thümlich nadweit — : e® wir beichloffen, daf zum 19. März nach Forchheim
bie Zulommenfunft der prineipes Saxoniae et omnes, quibuscumque res
publica curae foret, angciagt werbe, mit Drroorhebung der Erwägung: cum
per absentiam regis tranquillis rebus tempus oportunum deliberationibus
et consultationibus nacti fuissent (262). Paul von Bernried läht, c. 88,
ten in Suevis zu Ulm ftattfindenden conventus der principes regui — ne se
deinceps ab illo (sc. rege) ludificari vel potius pristina eius calliditate
perielitari permitterent, sed suae saluti in legitimi prineipis eleetione pro-
viderent — ben auf den IV. (ftatt IIL) Idus Martii auegeſchriebenen
gerabezu 'ad novi regis electionem — ber Annalift und Lambert umschreiben
den Swed in allgemeinen Worten — verfünbigen (. c., 526). üi
Arnulf, Lib. V, c. 9, hat wohl dieſe VBerfammlung im Auge: Interea duces
Teutoniei (es ift auf die in c. 8 genannten, Berchtold, Rudolf, Welf, Berug
genommen), comites et episcopi illis in partibus de sua inter se ipsos con-
cordia ac statu segni, novi quaque regis electione cottidie tractare non
cessant, asserentes Heinricum multis ex causis disdemate indignum (l. c.,
31). Als die Zeit der Nlmer Verſammlung ift — vergl. Gieſebrecht. III, 426
u. 427, beſonders auch amd, Geſchichte der Herzoge von Zähringen, 70, n. 204
— etiva bie Mitte deö Februar anzunehmen. Auf Forchheim. den fo wichtigen
Bei en —8 — ae, Er De Biihet ir eu
auf den Plaß jerfammlung gegriffen werben, da Bil (vergl
©. 755) ale Gefangener feines freien Willens beraubt mar.
Mittheil. b. Ulmer Abrede a. d. Papft. Hzg. Rubolf’a Botſchaft an Heinrich IV. 777
nad) einer eigenen bald darauf gefchehenen Andeutung Gregor's VII.
anzunehmen 5").
Jedenfalls trat aber nun ſogleich fehon Herzog Rubolf in
führender Stellung unter feinen geſinnungsgleichen fürftlihen Ge-
nofjen hervor. Im Herbſte des legten Jahres hatte er es erlebt,
wie bie auf den Tag von Tribur gefegten Hoffnungen, daß es
gelingen werbe, Heinrich IV. vom Throne zu ftoßen, ganz beſonders
ur des Königs aus nächſter Nähe, von Oppenheim her, bewert-
ftelligte Einwirkungen, zu Nichte gemacht worden waren. Jet follte
etwas Aehnliches verhütet werben, und fo ungern gewiß auch von
feiner Seite die un Heinrich's IV. in Italien gejchehen war,
es hatte jet doch etwas Vortheilhaftes, wenn ſich der König durch
bie ihn zumeift beſchäftigenden italieniichen Angelegenheiten veran-
laßt 5 zunächſt von einer Rückkehr nad Deutſchland abzufehen,
fo daß die Dinge in Forchheim, jo wie fie vorbereitet waren, uns
eſtört fih zu entwideln vermöchten. So griff nun Rudolf diefe
Hagen in entſchiedener Weife auf; daß dabei die wahren Abfichten
verſchleiert wurden, entſprach dem Plane, auf deffen Erfüllung der
ſchwaͤbiſche Herzog bewußt Iosfteuerte.
Nach der bier zumeift in Betracht fallenden ſchwäbiſchen Er-
gähtung ließ der Herzog, allerdings, wie es heißt, nad) dem Rath
er übrigen Fürften des Neiches, durch Napoto dem Könige fagen,
er möge, ftatt jelbft mach Deutichland zu fommen, entweder den
Papſt oder aber die Kaiferin Agnes dahin vorauzfenden, und zwar
unter dem Vorwande, daß auf diefe Weife, durch deren Vermittlung,
die Sorge für eine würdige und im Frieden fich vollziehende Auf-
nahme Feiner felbft getroffen werden könne“?). Darauf begab
5) Der Annalift läßt von Ulm — durch die Berfammelten: ütpote qui
larimum anziati undecumque se praemuniri quaeritant — an Gregor VII.
Interne sapplices et sollicitudinum instantium plenae abgehen, mıt Anzeige
des colloguium condietum et sune voluntatis propositum: eins super haec,
ut in omnibus illorum causis oportuerit, consilium, auctoritstem, auxilium
nec non litteras huiusmodi indices cum legatis ipsius, ad se quantotius ab
eo dirigi humillime rogitabant (291). Lambert will noch mehr willen, daß
die verjammelten Fürſten Gregor VII., da er nicht nach Augsburg habe tommen
tunen, geradezu gebeten hätten: ut... . . saltem in Forecheim statuta die
presto ense satageret et sedandis bellorum civilium tempestatibus . ... .
lici moderaminis gubernaculum adhiberet (262), und daß er fi hierin
nicht irrt, beftätigt Gregor VII. jelbft in den Worten bed in n. 44 und 49
erwähnten Briefes: vestra consilia expectantes, tandem per filium nostrum
Rapotonem .... hoc vos velle et postulare cognovimus: si quo modo ad
vestras transire possimus (l. c., 546). j
5%) Der Annalit läht Rudolf cum consilio caeterorum regni prineipum
einen Boien an Heinrich IV. jenben — postquam rege vere reconcilistum
audierat —, mit ber nimis obnixe et dignanter auegeſprochenen Bitte: ne
ipse omnino in Theutonicas partes veniret, prius quam aut papam sive
imperatricem illuc praemitteret, qui ipsi dignam susceptionem et paci-
ficam stadiose praepararent (291); Rapoto ber Bote war, geht aus n. 51
— vergl. Ban in n. 53, daß Gregor VII. ab eodem legato beſucht wurde —
hervor. Sieſebrecht, III, 428, macht mit Recht darauf aufmerkjam, Rubolj habe
jeht die Perfonen eingeladen, deren Zufimmung zu einer Reuwahl Gregor VII.
778 1077.
fih der Bote zu Gregor VII, um ihm feine Aufträge zu
eröffnen >).
Der Papft trat ſogleich in jo weit auf ben ihm gebradten
Vorſchlag ein, daß er an Heinrich IV. eine Geſandtſchaft abgehen
ließ. Er gab auch von feiner Seite dem König Kenntniß von der
Ausfehreibung der Verfammlung nad Forchheim, mit der beitimmten
Anzeige, daß er felbft nach Deutſchland ſich zu begeben gedenke und
dabei im Sinne habe, das Ganze nur nad) dem Rathe und mit
dem Beiftande Heinrih’3 IV. zu betreiben. Es war, wie er ſelbſt
leich darauf berichtete, fein Wunſch, durch biefe feine Boten mit
einrich IV. die Sage feitzuftellen und zuzurüften. Es verſteht fh
von jelbft, daß es ſich dabei um das fichere Geleit handelte, deſſen
Beforgung ja von dem Könige in den eidlich auf Canoſſa jeftge
ſetzten Aufihjerungen verjprochen worden wart).
Außerdem jedoch ließ nunmehr der Papft, in ben legten Tagen
des Februar, eine aus dem Cardinaldiafon Bernhard und Bernhard,
dem Abte von St. Victor in Marfeille, zufammengefegte Aborbnung
nad Deutſchland abgehen 5), welder er ein an die geiſtlichen und
weltlichen Fürften und an dag deutfche Volk gerichtetes Schreiben
mitgab. In deſſen Eingang ſchilderte Gregor VII. in_einem ge
drängten Rüdblid, indem er ſich dabei auf frühere Briefe und
mündliche Botſchaften berief, kurz die Greigniffe, welche bie Vor⸗
gänge von Ganofja eingeleitet hatten, und dabei erfparte er den
felbft früher als wünſchenswerth bezeichnet habe (vergl. ©. 723), Na ber
Analogie ähnlicher früherer Fälle zu en Hätte Kubolf wohl die Hand:
reihung ber Kaiferin Agnes allein für feine Pläne vorgezogen (vergl. die in
den enten Jahren vorgelommenen engeren Berührungen zwilchen Rudolf und
ber Kalſerin S. 160 ff., 280 fj., 383). Daß Rapoto wirklich bei Heinrich IV.
vorſprach, ift mit Giefebrecht, III, 1154, gewiß gegen die Anzweifelung bei Floto,
1. c, I, 142, ala zutreffend anzunehmen.
s*) Der Annalift fährt gleich fort: papa, ab eodem legato conventus
et invitatus.
) Neber das Verhalten Gregor's VII. zunähft nad Empfang ber Bot
Schaft Kudol’3 und der übrigen Fürften fagt der Popft felbfl in feinem Schreiben,
Epist. collectae, Nr. 20, J. 5019: id ipsum (nämlid) cum regis consilio et
jatorio ager, bie Angelegenheit deö ad partes vestras transire .... . id
ut cautius fieri poseit) per nuncios vestros cum rege statuere atque coaptare
operam damus (l. c.), unb ähnlich bezeugt der Ynnalit: Ad hoc (ur er
Hung des in n. 52 genannten Begehrens Rudolf's) sane papa ... . sese para-
tissimum exhibuerat, set non nisi accepta ab ipso rege pacis et fidei
seeuritate jurejurando sibi contestata (l. c.)
56) Von dierer Sendung reden mit Nennung der Segaten Lambert, ber
ben Abt Bernhard einen vir eximise conversationis et multarum in
Christo virtutum nennt (263), und Paul von Bernried, c. 90, ber auch den
leichen als fere sexcentorum monachorum pater hervorhebt und den *
doctor quidam, nomine Christianus, nachher Bifhof von Averfa und
eine opus eximium gegen Berengar von Tours, ala Begleiter bes Abtes er
wähnt (l. c. 527). Dagegen fennt der Annalift old Träger der litterae com-
monitoriae — Domnus apostolicus, ut est non minimae compassionis et
benignitatis, juxta quae ipsi (sc. bie Nlmer Berfammlung) tam desiderabant,
toto sollertiseimus conatu dignanter peregerat — bie Legaten nur ihre
Rang, nicht ihren Namen nad) (291).
Papfil. Botſchaft an Heinrich IV. Abſendung päpfl. Legaten n. Deutichland. 779
Empfängern des Schreibens jenen Vorwurf nicht, daß fie durch die
von ihnen verfäumte Darreihung bes Geleites, als es fi um
feinen Weg von Italien nad Augsburg gehanbelt habe, den ganzen
Verlauf der im Januar geſchehenen Dinge verſchuldet hätten.
Eenmerpin flgte er für fie die berubigenbe Zuſicherung bei, daß
durch ihn in den gegenüber Heinrich IV. ausgemachten Bedingungen
nur, was er al3 zur Sicherftellung und zur Ehre Aller unter ihnen
zuträglich erachtet habe, feitgefegt worben ſei. Dann geht der Papft
auf die lombardifchen Bifhöfe über, welde mit orten lauten
Bedauerns, heftigen Tabels, als hartnädige Anfechter und, fo viel
an ihnen liege, Abbreder der Kirche Chrifti bingeftellt werben: bie
Abermüthigen und von Bosheit erfüllten Anfechtungen dieſes ihres
Berufes, Säulen der Stiche zu bilden, ganz fi) entjchlagenden
Biſchöſe haben fich noch gefteigert, ſeit fie erfannten, daß die Haupt-
entſcheidung in ber ganzen Angelegenheit auf die Zufammenkunft
mit den beutfchen Fürften aufgejpart fei und daß fie es nicht ver-
mocht hatten, für ihre Verſchuldungen bie Losfprehung, mit der
Straflofigfeit, wie fie gehofit, für fi zu erlangen. Doc auch vom
Könige weiß Gregor VII. nicht? Gutes zu melden: „Was ben
König angeht, fo können wir nicht jehr und darüber freuen, daß
er in den Dingen, die er ung verjproden hat, aufrihtig und ge-
horſam Sinhergegangen Fir umal da infolge feiner gegenwärtigen
Anmwefenheit ja die Sch eötehen gegen und und ben oofolifeen
Sig mehr Verwegenbeit, ala, wie das gemäß ber verübten Frevel⸗
that der Fall fein follte, Scheu, darlegen Darauf geht der Papft
auf die Abfendung des Rapoto, als Bote nad Deutihland, auf
deſſen Rüdkehr mit der erlangten Antwort über; er verfidhert, dabei
auf die Räthe ber deutfchen Fürften ftet3 gewartet zu haben. Ebenfo
ift erzählt, wie jeßt wegen bes Geleites an Heinrih IV. Botſchaft
geihidt worden jei, doch mit der Beifügung, daß Antwort noch
nicht eingelaufen fei, was zwar der Papit entfchuldigend anführen
u dürfen meint: „Wir haben vor der Abfendung dieſer Gefandt-
‘haft — es ift eben diejenige, welche dieſes Schreiben nach Deutfch-
land mitnahm — nicht vorauszuerfennen vermodht, in welcher Ge-
finnung der König mit uns und mit Euch in dieſer Sade
übereinftimmen dürfte, weil er nämlich jegt weit von uns entfernt
war; aber wir werben nicht verfäumen, das Euch bald anzutündigen,
fobald wir zur Kunde davon gelangt find“. Als feine Willens-
meinung läßt enbli Gregor VII. erfennen, daß er, fei es mit
Einwilligung des Königs, fei es gegen deſſen Willen, falls es ge
ſchehen kann, zum Vehuf des gemeinen Beten zu den Deutſchen
fih hinbegeben will und, follte das nicht erfüüllbar fein, ſich vorjegt,
in Abwejenheit von der Verfammlung wenigſtens feine flehentlichen
Gebete an Gott zu richten, daß er zum Beften ber Kirche die Segen
der Verfammelten ftärke, ihre Treue befeftige, in Allem ihre Be—
ſchlüſſe und Thaten leite. it den dringlichſten Ermahnungen zum
Ausharren ſchließt der Brief, und am Ende findet fi bloß noch
780 1077.
angedeutet, daß der Papft den unzweifelhaft verläßlichen Boten noch
mündliche Aufträge über das Schreiben hinaus mitgegeben habe®*).
Alein kaum waren diefe Beauftragten abgegangen, fo traf,
am Tage nad) ihrer Abreife, am 1. März, ber ſchwäbiſche Graf
Manegold_ von Veringen bei Gregor VII. ein. Einer der aus—
geſprochenſten eifrigen Anhänger ber Sache Gregor's VII, ſcheint
ih Manegold ebenjo fehr durch feine Abſtammung, als durch dieſe
jeine Gefinnung für den Auftrag, der ihm ertheilt war, empfohlen
zu haben. Eines der zahlreichen Kinder bed aus dem Kaufe des
Grafen des Eritgaues ftammenden Wolferad, war Manegold ein
augenfcheinlih jüngerer Bruder des 1054 verftorbenen ehrwürdigen
Lehrers de3 Kloſters Neihenau, Hermann’3 des Lahmen, und noch
von biefem jelbft in die Denkart eingeführt worden, al3 deren Be
fenner er jegt vor dem Papſte hervortrat®”). Der Graf beftätigte
5) Dad Schreiben J. 5019 (1. c., 545—547) muß vor ben 1. März fallen,
wie Paul von Bernried — vergl. n. 57 — deutlich barthut (8 verfleht fih,
daß die Angabe Yafee, 1. c., 545, „1076“, nur auf einem Drudfehler beruht)
Degen bes Einganges vergl. Ihon ©. 775; die Gchlußwendung Lautet da: de
cetero nichil secum (sc. cum rege) statuentes, nisi quod ad cautelam et
honorem omnium vestrum fore putavimus. Die im Safe betreffend die
Longobardorum episcopi erwähnte totius negocii summa ad communem
conventum et prudentige vestrae consultationem reservata ift jelofiverfländ:
lid} die erft mac Augsburg, jeht nad) Forchheim in Ausfiht genommene du
fammentunit. Wenn Wernold, Chron., fagt: papa missis legatis principil
regni declarevit, se parum profecisse, in eo quod illum in communionem
receperit, cum omnes symoniaci vel excommunicati non minus tune
foverentur ab eo quam godem (SS. V, 433), fo if das wohl eine Bezug
nahme auf den Heinrich IV. tadelnden Sap des Sireibend Der folgende sah
wegen Rapoto, beginnt mit: Inter hec vestra consilia expectantes (etc.);
der Eah: quohiam rex a nobis longe distabat paht zu der noch für dem
17. Februar bezeugten Anweſenheit Heinrid's IV. in Piacenza (vergl. &. 766)
Der Annalıf bringt, bei Anlak des Sorchhrimer Tages (292), eine kurze Inhalte»
angabe diefer litterae apostolicae in praesentiarum reeitatae, bejonders mit
der eigenthümliden Wendung über Heinrich IV.: quoniam Longobardos, quos
inoboedientes sati invenerat, inoboedientissimos et ex malis pessimos
reddiderit.
8%) Den Maunegoldus comes, magnus amator veritatis, und feine
Sendung erwähnt Paul von Bernried, e 89, und c. 91 bringt eine eingehendere
Würdigung biees fidelis apostolicae institutionis sectator et propagator
dl. c., 526—528), beſonders auch über die Beziehungen zu Hermann: a sapien-
tissimo fratre suo, Herimanno videlicet Contracto, in omni obseervantia
christianae religionis ad unguein informatus. Meber die Gliern bietet Her:
mann jelbft. Chron., a. 1009, Austunft: — Wolferadus comes Hiltrudem,
Piligrini et Berhtradae filiam, uxorem duzit, ex qua me Herinianno
annumerato, 15 liberos groseanit, ebenjo Berthold in der vorausgeſchicten
Schilverung Hermann's (SS. V, 119, 267. Daß das Geicledt — dem Paul
von Vernrieb bier ausbrüdlid auch den 973 verflorbenen Siſchof Udalrich von
Augsburg beijählt: Manegoldus . . ex generosa et religiosa beati Odalrici
Augustensis episcopi genealogia procreatus (528) — in ben Generationen
vor Manegold nod nad) Althaufen fih nannte, während dieſer fchon von
Ortlieb, Zwifaltens. Chron., Lib. I, c. 12, ais comes de Veringin brzridjwet
wird, vergl. Chr. Fr. Gtälin, znintembesgilihe Geidhichte, I, 554 (im ben Notae
Jsnenses, Württembergiiche Geichichtäquellen, IV, 36, beißt aber a. 1042 fogar
Manegold’3 Ankunft b. Gregor VI. u. Abgang, m. Garbinal Gregor, zumKönig. 781
Gregor VII., daß die beutfchen Fürften damit umgingen, einen
anderen König aufzuftellen °°).
Sogleich entſchloß ſich demnach der Papſt zur Abjendung eines
weiteren Legaten, nämlich des Cardinaldiakons Gregor, dem ſich
Graf Manegold anſchließen jollte, hinter den joeben erit abgefertigten
Boten her. Doch wurden Gregor und Manegold beauftragt, zuerft
noch zu Heinrich IV. zu gehen, um das ſchon vorher bemjelben
vorgelegte Erſuchen wegen des Geleites zu wiederholen. Es follte,
ehe an die Fürften eine neue Mittheilung abginge, feftgeftellt fein,
ob der König die gewünfchte Sicherheit geben wolle und, zur Ent-
ſcheidung der ihn felbft betreffenden Angelegenheit, es dem Papfte
möglich zu machen gedenfe, den Uebergang nad) dem deutſchen Ge—
biete durchzuführen. Zugleich wurde alsbald angeordnet, daß, falls
der König das Zugeftändniß ablehne, der Legat zum Papft zurüd-
zukehren habe. Ein erjchredendes Wunderzeihen fol ſich begeben
haben, al3 Gregor VIl. dem Garbinaldiafon den Auftrag gab und
defien Tragweite außeinanderjegte, ſoweit fie Einräumung oder Ver-
mweigerung ber Sicherung durch den König betrefie, dadurch daß
nämlich drei Finger feiner rechten Hand plöglich bis zur Mitte ſich
mit Blut gefärbt zeigten‘). Und wenn aus biefer Erſcheinung
ſchon Graf Wolferad, Gemahl der Hiltruba, comes de Veringen). Daß Mane:
old am Zage nad) dem Abgange der priores legati bei Gregor VII. eintraf,
fat Paul von Bernried fowohl in c. ®: Alteraodie, post dimissionem lega-
toram Manegoldus ... . advenit, ald in c. 90: priores legati ... . qui una
tantum die prius, quam comes advenisset, ab apostolico missi fuerant. Als
Lag der Anmweienheit — außerdem noch des Prieftere Exkinbert cum aliis quam
pluribus — fteht in c.89 der 1. März, in capite jejunii; dak — vergl. ©. 773
2.45 — das Zulammentreffen nicht in opido Canusii geſche jein ann,
[enden die, Seräbtung, hier eine falſche Bermuthung enthält, hat Giefebrecht,
II, 1154, hervorgehoben.
5%) Diefe Nachricht — de novo rege constituendo — fchreibt Paul, c. 89,
megold zu.
se) Diele Sendung Gregor’3, des Romanae ecclesine diaconus (c. 90:
eum comite), an ben Stönig bringt Paul, c. 89, ebenfo dad miraculum, bei
den Worten de Papfies: se quasi pro indicio huiusmodi securitatem
exegisee, caius securitatis exhibitio, illum in regnum restitni posse praesa-
giret, sicut einsdem secaritatis denegatio hoc eum ex Jivino judicio non
sse denotaret. Gielebrect fclieht wohl richtig. 1. c., n. 1, da biefer ganze
halt der c. Bf. bei Paul aus einer Art officielee Schrift geflofien fei,
Welche Rudolf’ Wahl vechtiertigen folte. Rambert dagegen legte in dleſe Ger
fanbiichaft bes Papfles an Heintich IV. — durd) unus ex cardinalibus epis-
eopis (to: nicht richtig) Romanae aecclesiae, Gregorius nomine, et alii quos
ei negocio idoneos arbitrabatur, foll fie geſchehen fein: bie vorherige in J. 5019
erwähnte Anfrage wegen des Geleites übergeht Lambert — weit mehr hinein.
Gregor VII. toll Icon vorher durch frequens fama gewarnt worben fein, ber
König fei anderır Ginnesart geworden und trage fi, unter Verachtung der
Bebingungen von Ganofja, mit feindfeligen Gedanten: ut leges ecclesiasticas
mana militari debellaret —: doch habe er mun deſſen ungeachtet — acceptis
litteris (vergl. n. 51) — eben Heinrich IV. fagen lafien: tempus esse, ut promissa
compleret, mit der Anzeige von der nad) Yrorhheim zum 18. Mära angelogten
fürflichen Bereinigung —: veniret ergo, ut pollicitus sit, et crimine, qui
782 1077.
fünftiges Blutvergießen abgeleitet werben wollte, jo ſchien wirklich
der Ausgang der Sendung an Heinrich IV. alsbald ſolchen düfteren
Vorausfegungen Recht zu geben. Denn der König ſchlug es ab,
die gewünfchte Sicherung dem Papfte zu geben; auch der Wunſch
der Fürften, den ihm Rapoto überbradt hatte, daß durch eine
vorauszufchidende geeignete Perjönlichkeit Fürforge für feinen eigenen
künftigen Empfang getroffen werde, wurde nicht erfüllt Es mag
fein, daß Lambert zum Theil wenigſtens das Richtige traf, ald er
ausführte, Heinrih IV. habe zur Begründung feines Abſchlages bie
Erklärung abgegeben, er fönne jegt unmöglih, mo er zum erften
Male in Stalien weile und viele und wichtige Staatsgeſchäfte ihn
in Anſpruch nähmen, fo ſchnell und unverrichteter Sache wieder
weggehen, und außerdem ftehe der Tag, welcher für die Forchheimer
Verſammlung gewählt worden fei, viel zu mahe bevor, als daß er,
auch — von allen anderen Hinderniſſen, bei aller Schnellig⸗
keit der Roſſe, nod dahin gelangen fünnte*‘). Denn allerdings
ſcheint er zunächft auf die Pläne der deutfchen Fürften ein geringeres
Gewicht gelegt und der Annahme gelebt zu haben, es fi nichts
Ernſthaftes zu erwarten, fo lange der Papſt Italien nicht verlafien
babe, und ohne Zweifel füllten zunächft die Angelegenheiten Italien's
die großen Schwierigkeiten, denen er bier, bei den Anhängern, wie
bei den Seinen, begegnete, feine ganze Zeit aus und zogen feine
Blicke von den jenfeitigen Dingen zunädjft ab. Ganz dem Auftrage
entſprechend, Tehrte Gregor ſogleich nach Empfang dieſer abmeijenden
Antwort vom Föniglihen Hofe zum Papfte zurüd; Manegold de
innocens, ut ipse asserat, a calumniatoribus suis impetitus sit, se cognitore
et judiee presidente responderet, multum rebus suis salutique et apud
Deum et apud homines collaturus, si aeeclesiam scandalis, rem publi
bellis civilibus, ee ipsum fedissimae existimationis macula Äberamt;
presertim cum ea die, discussis sinodice quae adversum eum afferantur
causis, vel recepturus esset um, vel sine omni deinceps retractatione
amissurus (262). Ohne Zweifel hat hier wieder Sambert allerlei, wovon er fih
vorftellte, eö hätte berichtet werben können, während biejer Inhalt ber Botiheit
vielfach thatſaͤchlich ausgeichloffen war, in ben Zext hinein gelegt. Außerdem
feßt Sambert unrichtig dieſe Ablendung des Segaten Gregor — fammt befien
idtehr vom Könige— vor den Abgang ber beiben Legaten, Ramens Berudarb,
nad veutſchland Dehnide, Die Maßnahmen Gregor’s VIL gegen Heinrich, IV.
während ber Jahre 1076 bis 1080, hebt, 44 u. 45, gegen @ielebredt, 1. c-
mit Recht hervor, daß diejer unrichtiger Weife am Lambert den Vorwurf aus
ſpreche er laſſe in feiner Schilderung Gregor VII. die Aufforderung zu einem
gemeinfchaftlichen Aufbruche, mit Heinzich IV., nad; Deuticpland, an den Rönig
richten: Zambert läßt hiervon nichts hören.
%) Baul fagt, c. 90, nur gang fürz: rex securitatem, quam paps
postulabat, facere eontemsit, und der Annalift fmüpft an die Stelle von
n. 54: Rex legationem pervicaeiter dedii atus, nec papae securitatem,
negue oportunae praemissionis (vergl. n. 52) dignatus est peragere poste-
Jatnem (291). Sambert will eben wiffen, was Heinrich IV. — dissimulatis
medioeriter his quae animo agitabat, respondit .... . legatos dimisit —
ald Urſache, daß er in Forchheim nicht erfcheinen Tonne, angegeben habe (262)
Rule. Wbreif.d.PApfl. Vorſchlage. PApRI. Gtellg..GorcheimerBerfammi. 788
jegen beeilte fih, zu dem nun nächſtens beginnenden Forchheimer
— je ſich zu begeben *t).
De die Art und Weife, wie jegt Gregor VII. den Dingen,
welche fi in Forchheim vollziehen folten, ren freien Lauf ließ,
war weit davon entfernt, eine in ſich Mar abgefchloffene Bemeſſung
der Sachlage, ebenſo wenig eine Schägung der Tragweite der weiter
folgenden Entwidlung aufsumeifen. Wie von Anfang an, feit dem
Aufbruche von Rom, die Beziehungen zwifchen dem Bapft und ben
deutſchen Fürften den größten Schwankungen ausgefegt waren und
wie e3 nicht gelungen war, eine völlig abgeflärte Stellung
Gregor’3 VII. zu den fürftlichen Plänen herbeizuführen, fo dauerte
jegt dieſes undeutlihe Verhältnig zwiſchen beiden Theilen fort.
Der Papft Tonnte fi darauf berufen, durch Heinrih’3 IV. Abſchlag
fei es ihm unmöglih gemacht, felbft zu Forchheim die Dinge im
erein mit ben Füriten zu leiten; aber die Form, in der ſich dort
die Wahlangelegenheit Rudolf’3 vollzog, ließ, ganz abgejehen davon,
daß in Folge der bei der Verſammlung vorauszufehenden Ent-
ſcheidung die Gegnerſchaft Heinrich's IV. zur früheren Gemaltigfeit
emporwuchs, das Verhältniß Gregor's VII. zu allen diefen Fragen
als eine ſolche erſcheinen, welche nicht den Wünfchen des Papftes,
die maßgebende Stellung innerhalb berjelben einzunehmen, am
wenigften nad) feiner eigenen Auffaſſung, zu entſprechen vermochte*?).
Die beiden Vertreter Gregor’3 VII. auf der Forchheimer Ver-
fammlung, Cardinaldiafon Bernhard und Abt Bernhard von St.
Victor, hatten neben dem ihnen mitgegebenen Schreiben, in welchem
jedoch offen gelaffen worden war, ob der Papſt felbft werde den
Berathungen beimohnen und bei den Beſchlüſſen mitwirken können,
mündliche Aufträge mitgegeben befommen. Nach ber noch zur Zeit
ihrer Abfendung vorliegenden Befchaffenheit der Frage, ob Gregor VII.
in Forchheim eintreffen werde, oder nicht, war es ihnen anbefohlen,
zu jagen, es liege allerdings im Willen Gregor’3 VII., daß eine
Entideidung über das Mei, in Hinficht auf die Wahl eines neuen
Königs, verſchoben werde, bis ber Papſt felbft einzutreffen vermocht
habe; doc war dem jogleich beigefügt, das gelte nur, wenn dag
ohne Gefahr geſchehen fönne, weil der Papit es nicht über ſich
bringe, endgültige Vorſchrift hierüber zu geben, damit es ihm nicht
mit Recht zum Vorwurfe gemacht werde, wenn vielleicht aus ſolchem
*) Das fagt Paul, c. 9. Das in c. 89 angebeutete vorausgeſehene
Greigniß: ei rex nollet concedere (ec. securitatem) iwar mit feiner Solge:
it papa, ut legatus ad se rediret nec prineipes cum aliqua dilatione
4 anfgefaßt, ala eine „Schautelpolitit*: „einmal in Gang gebracht, lieh fie
FM gätlich bejeitigt“ . . . . „Den Papft aber hat es von feiner grokanti em
inli
eeigeirehe hineingezogen*.
784 1077.
Aufjchube eine Gefahr für den Stand bes Reiches eintrete: denn
die Sorge für das Reid; Tiege in der Entſcheidung der ZFürften,
welche die öffentlichen Dinge in ihren Händen halten und am beiten
den Schaden oder den Nuten bes ganzen Reiches voraus beftimmen
önnten, und da werde der Papft einen Widerſpruch nicht erheben.
So war allerdings, ohne daß e3 beftimmt ausgefprochen war, die
Auswahl der Mafregein, die zum Wohle des Reiches zu ergreifen
wären, in das Ermefjen der Fürften gelegt, da jegt mit dem Tage
de3 Zufammentrittes der Verſammlung, am 13. März, die Riht-
anmejenheit des Papftes durchaus feftftand. Ohne daß es fid aus
drüdli irgendwo gejagt fand, mochten dennoch die Verjammelten
aufrihtig im Sinne des Papſtes zu handeln meinen, als fie
fi) jest von Heinrich IV. endgültig losſagten und den Herzog von
Schwaben al? König ermählten®). Vielleicht glaubten fie,
-) Die Entjſcheidung über die Stellung Gregor’3 VII zu ber im Zorchheim
zu Ende geführten Sache liegt darin, was alö Inhalt der hier ©. ze
deuteten mündlichen Aufträge der beiden Segaten Bernhard — im J. 509:
Piura vobis per scripta misissemus .. . in ore (nunciorum, quibus indabi-
tanter credere potestis), quidquid in epistola minus continetur ei pro vobis
vel ad vos cor nostrum habet, posuimus (vergl. ©. 779 u. 780) — anzunehmen if.
Den wichtigfen Anhalt zur Ertenntniß dieler Dinge bietet Paul von Beranied,
zuerſt c. 88: Papa ad colloquiam Topatos direxit, gi principes rogarent,
ut dispositionem regni usque in adventum eins differrent. si hoc. sine
perieulo fieri posse sperarent; noluit sane eis hec ex definito praecipere.
ne sibi jure imputari posset, si quod pericnlum statns regni ex illa dilatione
ineurrisset, dann dem entſprechend in_c. 93 (nad) Ginfchiebung eines zum Theil
wörtlich ans J. 5019 entnommenen Gapes): Ad hoc — ajebant (sc. legati,
u Forchheim) — eum (sc. Gregor VIl.) petere, ut novi regis electionem,
je qua audierat, usque in adventum eius different, si hoc rine periculo
fieri posse perpenderent, und wieber c. 94 Die Antwort der Legaten am
nächfien Tage: sibi quidem optimum videri, si regis constitutionem, juxta
eoram legationem, in adventum domini papae sine periculo difterre po_ent;
caeterum provisionem regni non tam in eorum consilio, quam in prmcipum
arbitrio sitam esee, qui rempublicam in manibus tenerent ac totius gi
damnum sive proficaum optime praenossent (1. c., 526, 529 ı. 530) Te
Annalift jagt auch, daß die Kegaten zu Fordheim suae legationis commoni-
torium nicht verichiwiegen, des analis: ut si quolibet suae cautionis arlißieio
posset fieri, isto (sc. Heinrich IV.) adhuc aliguamdiu qualitercumgue sosten-
tato, alium sibi regem nequaquam eonstituerent: alioguin ipei, quia multo
melius suae neceseitatis expertum non ignorarcut periculum, quodeumgue
sibi optimum prae caeteris judicarent, apostalico non contradicente pera-
gerent (292). Hefele, Gonciliengef;ichte, V, 103 n. 2, wendet fich mit Recht
gegen Zipfins, ber, Zeitfehrift für Die hiftorifche Theologie, XXIX, 282,
fagte. Gregor VII. habe die Fürften im ihrem Plane, SHeincich TV. *5
beflärten wollen; bagrgen widerlegt Giefebrecht, III, 1154, Fag den deges
eineö anonyınen ‚Sppanenten,, Hrhorile-politiche Blätter für das fathalikhe
Deutfchland, LVIIT, 24 u. 245, alioquin zu erflären durd; „in anderen An:
gelegenheiten des Reiches“, fo dab da die Rönigemwahl gar nicht in Betracht fale,
während e8 einzig auf den Fall fidh beziehen fan, dat bie Rönigewahl wicht
verhindert werden tönne. Brumo berichtet in ziemlich allgemeinen Worten,
©. 91: Aderat (sc. zu ffordheim) etiam legatus (itrig iR nur dom einem
einzigen die Rede) apostolici. qui cuncta quae de regno nostrates utiliter
lisponerent, apostolicae sublimitatis auctoritdte firmaret (365). Lambert’
Darfiellung der Aufträge (262 u. 263) endlich iR ganz unglaubwürdig. ErRlich
Unflare Stellung Gregor’3 VII. zu d. Fürften u. Rubolf’3 Mönigewahl. 785
jan aus dem durch die Legaten zur öffentlichen Verlefung ge-
rachten Schreiben Gregor’3 VII. eine Aufforderung unmittelbar
hiegu entnehmen zu dürfen, wenn fie die freilich nur allgemein ge—
haltenen Worte vernahmen: „Ihr aber verharret im Vorfage, die
Gerechtigkeit zu vertheidigen, den Jhr für den Namen Chrilti und
die ewige Vergeltung gefaßt habt, fo baß Ihr, durch Gottes Gabe,
zu ber Krone bes fo heiligen, Gott fo wohlgefälligen Kampfes zu
gelangen vermöget“ °). Aber davon konnte nunmehr ebenfalls
feine Rede fein, daß Gregor VIL, wie er ſich das vorgeſetzt hatte,
wie es ihm von Deutfhland aus ala Abficht deutlich zugefchrieben
wurbe, duͤrch eine ausdrücklich feinen Willen darlegende Mitwirkung
u dem in nothwendiger Weife neu im deutjchen Reich fich heraus—
ellenden Gegenfage eine klare Stellung gewonnen hätte. Das Er-
eigniß der Wahl Rudolf’3, das den großen Kampf zwiſchen dem
rechtmäßigen Inhaber des Thrones und dem Führer der abgefallenen
Fürften erft recht herauf beſchwor, beruhte auf einer Erklärung der
päpftlichen Willensmeinung, welche ganz verfhiedenartiger Deutung
unterworfen zu werben vermochte.
An diefer Stelle bricht zugleich eine Erzählung ab, die aller-
dings noch gerade in ihrer legten Mittheilung den Eindrud einer
minderwerthigen geſchichtlichen Quelle neu zurüdläßt, mit der fi
aber, zumal für die deutſchen Dinge, an Fülle des Stoffes feine
zeitgenöffiihe Schilderung vergleichen fann.
Lambert ſchloß mit der Erwähnung der päpftlichen nach Forch-
heim abgegangenen Geſandtſchaft feine Darftelung ab. „Wir
iR nad) ©. 779 Gregor VII, als er bie Legaten abgehen lieh, noch ohne
Antwort don Heinrich IV., aljo ganz und gar nicht certior jam factus de
immutatione animi (sc. Heinrid’3 IV.), und zweitens hat Lambert ganz aus
fi erfonnen, was die Segaten ais Hinderungegrund der Reife nos der jeim
angeben ſollen — benn ſchon vorher, 262, würde über Gregor VII. berichtet:
dispositum habens, non prius Romam regredi, quam confecto itinere, quod
instituerat (sc. zu den deutlichen Fücften), si Deo propieio conatum sequeretur
tus, pacem aecclesiae Dei reddidisset — , nämlich einmal: domni Heinriei
(vergl. Hiezu Delbräd, 1. c., 70 u. 71) ntia ita eircumventum, ita
Oımmes, per quas transitus esse pofuisset, itinerum anguslias preoccupatas,
ut nee tuto in Germaniam progredi nec tuto Romam regredi valeat, dann
die Ermahnung, bie Zürften möchten für einftweilen jelbft für die res et regnum
corum nad beiem Bermögen Sorge tragen: donec, si Dous veli, ndempta
itineris dificultate, ipse venire, et collatis in medium consiliis, quid
utilitati, quid honestati omnium, quid paci ecelesiasticae expediat, secundum
ecelesiasticas l decernere possit. Die Berjchliegung der Päfle ift ba
einfache ftiliftiiche Begenftüct zu der ©. 742, n. 201, beiprochenen, durch die Furſten
im Winter vorher wirklich gegen den König vollzogenen Sperrung, und dab
jegt nichts der Art geſchah und ala Klage gegen Heinrich IV. vorlag, zeigt
or’3 VII. Schreiben J. 5051, wo er am 30. September gegen den König
ala an ſchuldigung bloß Berhaftungen von Legaten durch Getrene defielben als
Amfta ara iren weiß, der einen Eindruch in bie Zuficherungen auf
ja 6.
%) Die Worte ſtehen gegen ben Schluß des zweitlehten Abſahes des ©. 778 ff.
behandelten Schreibens J. 5019 (1. c., 546 u. 547).
Neger von Anonau, Jahrd. b. dtſch. A. unter Heinrig IV. u. V. 8b. II. 50)
m
786 1077.
fegen, indem wir nad ber Art eines in Trägheit verfallenen
Dichters nunmehr am Ende des Werkes ermatten und durch die
Maſſe des überaus großen Stoffes überwältigt jind, der, wie es
ſcheint, genügend in die Länge gezogenen Schrift bier endlich den
Schluß, damit, wenn etwa einem nad ung beliebt haben wird, die
Hand an die Bejchreibung des übrigen Theils diefer Geſchichte geben
zu lafien, er von ber Srmäblun Rudolf's als König den zu:
treffenden Anfang ber Thätigfeit des Schreibens nehmen mag“ °°).
Diefe Worte finden fih am Ausgange des Werkes aufgezeichnet,
das ohne Zweifel eben nah der Wahl Rudolf's in Hersfeld ge:
ſchrieben worden ift. Hartwig, der Abt des Klofter, war — nad)
feiner. Haltung in der von Lambert jelbit 8 hilderten Zeit zu
ſchließen — ein treuer in feiner Anhänglichleit an Heinri IV.
nicht erfehütterter Vertreter der Föniglichen Sache, dem andererſeits
vom Könige felbft Vertrauen entgegengebracht wurbe. Noch fpäter
bewies das Heinrih IV., indem er 1085 dem Abte den erzbijchöf-
lien Stuhl von Magdeburg zuwies. Aber auch das Klofter ala
ſolches ſcheint fi auf der Seite Heinrih’3 IV. in dem großen ſich
herausbildenden Gegenfage gehalten zu haben, und es 8 fein Ber
weiß für einen Wechjel der Anhängerjhaft gegeben. So wird
Hersfeld auch jet angeſichts der Wahl des Gegenfönigs Heinrich IV.
treu geblieben fein, und demnach ift e3 auffällig, daß ein in den
Mauern Hersfeld's gefchriebenes Geſchichtswerk gerade dieſes Er-
eigniß der Wahl Rudolf's dadurch, daß es mit deiien Erwähnung
abbricht, als einen beſonders hervorhebenswerthen und maßgebenden
Vorgang bezeichnet.
Zambert war unter Abt Meginher — im Jahre 1058 — in
Hersfeld Mönch geworben, und wahrfcheinlich leitete er, nachdem
er von einer gleich nachher angetretenen Pilgerreife nach dem heiligen
Lande zurüdgelehrt war, die Schule bes Klofterd. Bon der 1eb-
bafteften Theilnahme an den Angelegenheiten Hersfeld's erfüllt,
wandte er feinen ferifitellerifchen Fleiß Gegenftänden zu, welche mit
defien Geſchichte in Berührung ftanden. Angefeuert durch die von
Dtloh verfaßte Lebensbefchreibung des Stifters von Fulda, des heiligen
Bonifacius, Tieß Lambert auf diefe vorbildliche Arbeit ein geididt
geiöriebenes Lebensbild des Nachfolger des Bonifacius als Erz:
iſchof von Mainz, des Gründers von Hersfeld, Lullus, folgen.
Al darauf 1072 nad) dem Rüdtritte des Abtes Ruothard die
Führung des Kloſters an Hartwig übergegangen war, brachte Lambert
fehr wahrſcheinlich ganz bald nad) einander zwei weitere Schriften
zur Hersfelder Geſchichte hervor. Denn bie Vermuthung ift fehr
zutreffend, daß jenes für ung verlorene Gebit, von dem Lambert
5) Die Worte jhließen fi} an bie legte in n. 63 mitgetheilte Stelle der
Erzählung Sambert'3 unmittelbar an (263). Nach der Notiz Simſon's Neues
Archiv ber Gefellihaft für ältere deutſche Gefdjichtötunde, I, 449 u. 450, folgte
Zambert der Wendung des Sulpicius Severus, in der Vita s. Martini: finem
liber postulat...... «quia nos ut inertes poetae extremo in opere neclegentes,
vieti materiae mole succumbimus. B
Abſchluß d. Lambert'ſchen Wertes. Lambert’3 Geſchichtſchreibung. 787
al von einer durch ihn gemachten Schöpfung einmal ſprach, die
Thüringer Fehntftreitigfeiten des Kloſters, in der dem Verfaſſer
eigenthümlichen Auffafjung der Sache, behandelte, und danach ent-
fand 1074, furz nad) ber am 2. Februar gefchehenen Aufrihtung
bes Gerftunger {Friedens und vor dem amı 9. Juni eingetretenen
Tode bes zur Ruhe gilesten Abtes Ruothard, nach des Abtes Hartwig
Aufforderung das Büchlein über die Stiftung der Hersfelder Kirche,
von welchem aber bloß die Vorrede und der Anfang des erften Buches
und fehr viel fpäter gemachte dürftige Auszüge aus dem Reſte der
erften_ und aus ber zweiten Abtheilung des Werkes erhalten find.
Der formal Boah eſchickte Schriftiteler hatte ſchon in jeinem
Leben des Lullus bewieſen, daß er gewillt fei, mit ganzer Kraft
für eine von ihm als die Sache Hersfeld’3 erfaßte Angelegenheit
einzutreten, daneben freilich auch, daß ihm wenig daran liege, in
folhem Falle fehr frei mit feinem Stoffe umzugehen und, wenn es
paſſend ſchien, die Dinge ganz nach einer anderen Seite hinüber-
zuwenden. In ähnlicher Weife ging nunmehr wieder Lambert in
manchem Stüde in feinen Jahrbüchern vor, die er in ber hievor
berührten Weife bis in das Jahr 1077 führte.
Es muß in Hersfeld Mönche gegeben haben — denn es ift
kaum anzunehmen, daß Lambert ganz allein geftanden fei —, welche
die Veurtheilung der Lage des Reiches, wie ihr Abt Hartwig fie
begte, nicht theilten. Nach einer Aeußerung, die ſich bei der Be-
urtheilung eines königlichen Höflings eingejchoben findet, fonnte es
Lambert diefem längit verftorbenen Herrn noch immer nicht ver-
geilen, daß diefer fi) einmal ſpöttiſch darüber ausgeſprochen hatte,
er verdiene fi Lohn bein Könige, wenn er deſſen Mönche zu Faften
und Gebete bringe und fie — jo fagte er — gegen ihren Willen
zu jolden Werken der Enthaltjamkeit nöthige, und zwar knüpfte jene
als für die Mönde fo peinlih dur den Geſchichtſchreiber be-
Hagte Wendung an die Entziehung eines von Heinrich IV. zu
Gunften diefes Grafen zugewiefenen Hofes an. Unzmweifelhaft hatte
nun wirklich Hersfeld Auerdem bei jeiner Zage nahe den Grenzen
des heſſiſchen Landes gegen Thüringen, wegen jeiner zahlreichen
Befigungen in Thüringen ſelbſt, zur Zeit des großen Gegenjages
zwiſchen dem Könige und den ſächſiſch-thüringiſchen Aufftändifchen
manches Unerwünſchte erfahren müfjen, und diefe Dinge gruben
ſich feſt in das Gedächtniß des Erzähler: und feiner Gefinnungs-
genofjen ein.
Doch zugleich wurden in dem an einer großen Straße liegen:
den Klofter dein Mönche und feinen Freunden auch in großer Fülle
Berichte und Gerüchte zugetragen, die über die Dinge der Zeit hin
und ber gingen und geglaubt wurden. Die rege Einbildungsfraft
des feiner Erzählungsfunft vertrauenben Scriftielers wirkte dabei
eifrig mit, und beitimmte Vorftellungen, die gerne feitgehaltenen
Auffaffungen entſprachen, beftärkten ſich unvertilglih. Wo die
Kunde nicht ausreichte, verficherte man fi, daS Geheime auch über
Saden zu willen, die ſonſt in weiteren Kreifen unbekannt bleiben
50*
788 1077.
mußten. Und je vereinzelter fi die Gruppe und ihr Sprecher im
Klofter wußten, um fo mehr befeftigte fi wohl die Luft am Fabu-
liren, das Wichtigthun mit den Geheimnifjen, ohne daß es viel
ausmachte, wenn zwiſchen den einzelnen Stüden der Thatſachen und
der Annahmen die Wiberſprüche Berausfahen, oder wenn bie nit
zu beantwortende Frage erhoben wurde, wie denn das Willen von
ganz fernab liegenden Vorgängen, in Italien und fonft, habe ge
wonnen werden fönnen. Aber biefe behauptete Kunde war gewiß
auch vielfach Gemeingut mit Gleichgefinnten außerhalb, bie gleid:
falls nit gern zweifelten, wenn ihren Auffaflungen Erwünſchtes
zu ihren Obren kam.
Denn ganz ausgeprägt ftand jegt dieſes Lager auf der Seite
derjenigen, bie bes Königs Gegner waren, mochte e3 nun Papft
Gregor VII. fein, oder die deutfchen Fürften, die fi) dem Haupte
des Reiches entgegengeftellt hatten, oder das troßige ſächfiſche
Volk und deſſen Verbündete.
Wenn nun alfo Lambert nah Empfang der Nachricht, der
Herzog von Schwaben fei als König gegen Seinrig IV. ermählt
worden, ſich daran machte, alle die ihm zu Gebote ftehenden Nad:
richten, in immer breiter werbendem Fluffe der Daritellung, un:
gelichtet, jo wie er bie Lage bes Reiches verftand und wie er die
ihm gewordene Kunde zu beherrſchen meinte, aufzuzeichnen, fo ift
es allerdings recht leicht möglich, daß er nicht ohne Äbſicht hanbelte.
Er mochte feinem Abte und ber Mehrzahl der Klofterbrüder zu
zeigen verſuchen, daß es fi jo und nicht anders verhalte, wie er
und wie die Seinigen die Sachlage veritanden, daß nämlid die
Wahl Rudolf’3 an Heinrich's IV. Stelle den rechten Ausgang für
eine künftige Entwidlung der geſchichtlichen Dinge biete °°).
66) Vergl. bie Beweiſe für das hier zufammengefahte Urtheil in Ercurs I,
m, vn Yen fe fi bier zuf gefaßt theil in Gxe
Gxrreurfe
Bains Google
Ercurs I.
Zur Frage der Glaubwürdigkeit der Erzählung des
Lambert von Hersfeld — Lambert if nicht der Verfafler des
Carmen de bello Saxonico.
Es if allgemein ‚augegeben, daß eine Eritifche Würdigung ber aus Hersfeld
dargebotenen Geichichtaquelle mit der Unterfuhung: „Ueber die Annalen des
Zambertus von Herafelb“ einfept, welche Rante 1854 in bem Vortrag: „Zur
Kritit frankiſch· deutſcher Reichdannaliften“ — wieber abgebrudt in ben Sämmt-
Lichen Werten, LULII, 125 ff. — vorlegte!), Nach einer allgemein gehaltenen
Einführung wird an acht einzeln Herauögehobenen Stellen der Erzählung Lam-
bert’s, beſonders in ben legten Jahresberichten, die Glaubwürbii —2 bes Autors,
vorgtgtich bei ber Beleuchtung der Berhältnifie in_geiftlichen fragen, ala eine
welfelhaſte hingeftellt. Lambert wird ba als ein Heinrich IV. heſtig haffender
ichterftatter erfannt, deſſen Parteigefichtepumft durchgefühlt wird, neben „aller
Bewunderung für die fehriftftelleriichen Gaben“. Daneben hebt Rante hervor,
daß Lambert’ Buch auch dazu angelegt worben fei, um die Wahl eines Gegen«
tönigs gg, Heinrich IV. zu rechtfertigen. Auf alle biefe Erörterungen ift hier
an den betreffenden Stellen Bezug genommen 2).
Seit 1872 num aber ift gerade Lambert's Werk zum Gegenfland einer
Reihe kleinerer felbftändiger Schriften gemacht worben.
792 Excurs L
Zuerft kam bie Göttinger Differtation von J. A. Lefarth (1872), Lam-
bert don Heröfeld, ein Beitrag zu feiner Gritit. Als Zwed der, wie ange:
nommen wird, im Eommer 1077 übernommenen Ausarbeitung ift gleichfalls die
fd betont, die ungweifelhafte Aeatmäi keit der joeben erft geichehenen Wahl
Rubolf’3 darzuthun. Lambert wird aufge ah ala ein Zeuge, der nie für Hein
rich IV. eünkiger gefinnt gewejen ſei, dem das Recht der — gegen den:
felben — alio beſonders das ber Sachſen — als unanfechtbar gegolten, ber ſich
aber bemüht habe, gerecht zu fein und unbefangen Günſtiges aud von unbe
liebten, Ungünftiges von verehrten Perjönlichkeiten, wenn nothiwendig, zu fagen.
Nach Hervorhebung von fee Gontroveröpuntten entſcheidet Sefarth, Lambert
biete für_die Zeit don 1072/1073 bis 1076 die umfangreichfte und aud; zuver-
läffigfte Zuelle, die wir befipen,
Ganz enigegengejept®) lautete 1873 das Urtheil H. Delbrüd’z, Ueber die
Glaubwürdigkeit amberts von Hersfeld. Der Krititer gebt hier bavon aus,
daß e3 Sambert an dem hiſtoriſchen und dem praltiſchen Verftändniffe für die
vor feinen Augen fi vollzichenden Vorgänge gejehlt habe, daß er Innerhalb
der ihn beherrſchenden. aber ſich wiberipredjenden Gefichtspunkte überhaupt un
fähig gewejen fei, fid über bie Parteien zu erheben; freilic ae außerdem noch
eine Reihe perjönlicher Erfahrungen, welche Lambert als Dönd, von Hersfeld
durch die Hanblungsweife Heinrich’8 IV. machen mußte, dazu beigetragen, ihn
jegen den König Feindietig u ftimmen. So glaubt Delbrüd ein fürmliches
* ramm ber Geſchichiſchreibung Lambert's feſtſtellen zu können. Dieſer ver⸗
abſcheut die Perſon nicht die Sache des Königs; dagegen iſt ihm Gregor's VII.
Auſpruch auf die lirgliche Weltberrichait nicht an ſich ſondern erſt durch deſſen
Bündniß mit ben deutſchen Fürſten eine feftftehende Sache, da für ihn die
bindende fürſtliche Mitwirkung an der königlichen Regierung als reichsrechtliche
Nothmwendigteit feffteht*). Dieies Programm habe Lambert neben thatfächlichen
Sntfellungen und faljeen Angaben aud) durch Ailiftifche Sunftftüde durchführen
wollen, und nad der Durcprüfung in 38 Einzelpuntten gelangt bie Unter
fußung zu dem Schluſſe, daß Lambert als ein „bämifcher Lügner“ anzufehen jei®).
. Meyer glaubte in feiner Königaberger Differtation (1877), Lambert
von Heräfeld ala Quelle zur Deutichen Geſchichte in ben Jahren 1069—1077,
fd) nad) Delbrüd die Aufgabe ſehen zu jollen, die von Diefem zu jehr zerpflädte
arftellung Lambert's wieder als ein Sans au betrachten, beſonders weil bie
in fi zulammenhängenbe ya lung plöplich zu einem Ergebnifie führe, das
ber gan ven vorhergehenden Reihe erzählter Thatſachen geradezu wideripreche.
Im efenttichen im Anſchluß an Telbrüd durchgeht die Differtation Kambert’s
Zert in dem herborgehobenen neun lehten Jahresabſchnitten und kommt babei
zum Cchluffe, daß Lambert einen ihm überlieferten tendenzids gefärbten Stoff
Dragmattich und rhetoriſch zu einer glänzenden Darftellung, doch in tendenziöſer
eife, verarbeitet habe.
€. Ausfeld wieß in feiner Marburger Differtation, Lambert von Here:
feld und der Zehntftreit zwilcden Mainz, Hersfeld und Thüringen, 1879, bie
jänzlicde Unbrauchbarkeit der Abjchnitte Lambert’ über die ftet® wieder mit
Dortiete von ihm hervorgezogenen ihuringiſchen Zehntangelegenheiten nad.
Ebenfo it Bogeler’3 sntinge: Di jertation, Otto von Rorbheim in ben
Jahren 1070 bis 1083, 1880, im Weſentlichen nichts Anderes, als eine durch⸗
gängige Polemik gegen die Mittheilungen Lambert’.
3) Ehon Lindner, Anno 11. der Seilige, Hatte übrigens 1869, gleid) in ber Gin
Yetung, 2 Be ann Im Merlaufe Bü —X berimmfefle gamberl's Antoritkt en
4) Durd) bie Sie Differtation F. Opln's, Xönigtum und Zaı i
Being That der ——— —V — er I mitne 103 Tpedet
— die ganze Beide bon (ürftenfseumdligen Sen er f..
meiß Denelfen in neliem Umfange Dieter ben Färklien Beirath, ala nicht zu umgebende
, um zur ‚m ol
geiehtiße Rörnerigaft, dem — Seite Helle en Bärif fer:
jr
pecie gegen Delbrüd will je in_ber Bebe
abe Sifertation von 6. Ousener (däri@. * —
er
1818:
rädtich gelagt fein mag, nicht eine Difiertation) ri
— Kamberis von Qersfetd. Gle fördert Die Große
Glaubwurdigkeit ber Erzahlung de3 Lambert von Hersfeld. 798
Dur R. Wagemann wurde in ber Rofloder Differtation, Die Sachſen⸗
kriege Railer (1) Heintic'3 IV., 1882, ſehr eingehend Sambert’3 Glaubwiürbigteit
erdttert. Bar meint aud) er, in Cambert einen in feinem Parteitanbpuntt
völlig befangenen und geradezu einfeitigen Schriftfteller erfennen zu follen; allein
bem gegenüber fchließt er fich — in ſehr weitgehender Weile in ber Aus:
Mr fine hemas den Auffaffungen deffelben an.
Fiſger, dagegen ift in einer gleihfalld in Roftod 1882 erfchienenen
Differtation, Die Glaubwürbigeit des Lambert von Hersfeld, auf Grund einer
abermaligen unndtbig breit angelegten Durchprüf "g des ganzen Materials
wieder zur Folgerung aplangt, daß eine parteiifche Darflellung vorliege, und
zwar um wedte ber Rechtfertigung der Königewahl Rudolf.
. Martens hatte 1887 in feinen „Eritiihen Betrachtungen“ — Hein-
rich IV. und Gregor VII. nach der Schilderung von Rantes Weltgeihichte —
mei —X Gelegenheit, Lambert als den erfigenannten unter ben „antiheinricia⸗
niſchen Tenbenzichreibern“ zu Tennzeichnen.
R. Kubo fette ſich 1890 in der Hallenfer Diſſertation, Beiträge zur Kritik
Lawberts von ield, die Aufgabe, zu zeigen, wie Bambert, der one Zweifel
ſehr unguverläffige Geſchichtſchreider zu feinen Jrethümern gekommen jei; benn'
er vermag weder ein eigentliches Programm für Lambert dorauszuſehen, mod)
in ihm den wiffentlichen Lügner zu erkennen. Wohl aber erjcheint ihm Sam-
bert’3 Wert ala ein faft unauflögli Gewebe von Wahrheit und Dichtun:
theila ſchon durch den tendenzidjen Charakter ber durch ihn empfangenen ms
richten, theila in Folge feiner perfönlichen parteilichen innung, bann aber
auch wegen mangelnder Befähigung, ganz beſonders zu einer ausreichenden Be-
gründung der Thatjaen®). Ghbenjo nt Kubo die Hochſchahung ber noch
don Ranfe betonten geichidten Diction, die ja unleugbar äußerlich vorliegt, durch
ben [don von Sicher, 112 ff., begonnenen Nachweis formelgafter Darftellung
häufig wieberfehrender Situationen wejentlic ein.
Bon J. Dieffenbader if an zwei Stellen, erſtlich in ber Heidelberger
Diflertation, Sambert von Hersfeld als Hiftoriograph — Ein Beitrag zu feiner
itit, 1890, datauf in der Deutſchen Zeiiſchrift für Geichichtwifienichaft, VI.,
301 ff., 1891, Lambert's Geichichtireibung behandelt worden. An der exften
Stelle wird die eben erwähnte Eigenthümlichteit Sambert’3, für eigenartige Bor:
‚änge fi) ein beflimmtes Bild, ein Schema zu geftalten und dieſes dann in der
Erdplung an den betreffenden Gielen, 4.8. für Derlammlungen, für Bere
Itwörungen, u. f. k immer wieder anzuwenden, durch Hereinziehung der durch
older-Egger ald Arbeit Ramberl's nachgewieienen Vita Lulli archiepiscopi
[ogontini noch weiter erflärt und bamit der Verbacht einer ungenauen Kennt»
niß Lambert's in dieſen typiſch angelegten Abſchnitten feines Textes geftügt. In
ber Abhandlung „Zur Hiltoriographie Lamberi's von Hersfeld“ fuchte danach
Dieffenbad;er, an dem zweitgenannten Orte, zuerft an einer Reihe von Beifpielen
darzuthun, wie gering die Befähigung des Geſchichtſchreibers geweien fei, in dem
ihm mangelhaft gugeitagenen Materiale durch feine Eombinationen ben wahren
‚actor zu entbeden, wie es ihm unmöglich war, bie eigentliche Debeutung der
inge zu verfiehen, wie befcpräntt er ſich in ber Auffafn wichtiger Dinge
igte; doch trägt nicht Sambert allein die Sant an diefen Mängeln, da der
ersfelder Kloftertlatich”), bie Einwirkung ber Mitbrüder ihn vielfach beftimmt
jaben. Dagegen vermag Dieffenbacher an Delbrüd’3 Beurtheilung Lambert's
ala eines tembenziöfen Geichichtsfäljchers nicht zu glauben.
Wattenbac ift aud) in ber neueften, ſechſien Auflage feines Wertes, IL,
105—107, der Anficht treu geblieben, dah es nicht gerathen ſei, Lambert zu den
ganz einfeitigen Tendenzſchrifiſtellern zu ftellen.
9,Den yiätioen Gefihtspuntt, dab Lambert bielfab om Einelnen Hebenb nebanten,
los gearbeitet habe, an au don Bflugf- arttung, Rened Urin ber Gejellihaft für
ältere deutliche Gelljichtätunde, XIIT. 339-341, 1888 aus. Die fehr beactensiwerige Abhand-
Ing Die&mann’s, im Yahred-Berint der Gtäbtifden Höheren Lönteriäule zu Wiek-
baden, 1838.89. Qeinfic) IV. — ber Berfuß einer Gharakterfgilberung Im nroßen Algen —.
'& faft Burhpängig eine Zritit Sambert’s, dem 12 m. I „Ihönrennerif—e Zweizlngig-
*
Beral. di ıteeffende erftmalige nadbrädlihe Sinweifung auf biefen Um«
u Se ae.
794 Excurs 1.
Freilich iſt jedoch auf ber anderen Eeite Giefebrecht, noch in ber lehten
fünften Auflage, von feiner von Anfang an Sambert zugeiheilten weitgehenden
Serhafchtigung nicht abgewichen, die ex da, III, 1036, wieber auäfpridt: „Dom
Jahre 1069 an Babe i mie Bambertd Darftelung borzugaweife angeidhloffen,
wenn nicht erhebliche Bedenken beftimmt zu ergründen waren“, wozu in n. 1:
„Mir fcheint dies das einzige Mittel, die Darftellung der Geſchichte der Jahre
1069 bis 1076 vor Willlür zu fchühen“®).
Die dur) Holber«-Egger 1894 in den Seriptores rerum Germanicorum
bargebotene Edition der Lamperti?) monachi Hersfeldensis opera umfaßt zum
erften Dale alle jchriftfleleriichen Leiſtungen — bie Vita Lulli num vermehrt um
die Gapitel 23—27, welde Holber-Ggger noch in feiner erflen Auägabe,
SS. XV, I, 132 ff. nicht bieten fonnte —, fo dah erft dieſe neue Auegabe mit
ihrem vollftändigen Gommentar bie Grundlage für bie Keuntniß des Autors
ganz barbietet. Tie Anusführungen, welche theils in der Praefatio ber —32 —
teils in der Abhandlung — Studien zu Lambert von Herefeld — im
Archiv der Gejeuſchaft für ältere deutie Geichichtätunbe, Sr 141 ff, 369
durch Holder-Egger niedergelegt finb'9), bieten insbeſondere FR eine auf ein
iehenber Unterfuchung der Hersfelder Verhältniſſe beruhende Ertlärung ber Ab
t, von der aus Lambert 1077 fein Wert fchrieb und vielleicht ſchon zu Ende
beachte, ehe er wiſſen fonnte, daß Gregor VII. feine Ankündigung, nad) Deutkh:
land zu kommen, in dieſem Jahre nicht mehr zur Ausführung zu bringen ver
mochte; bamit find die Annalen als ein In einem Guß verfahtes Buch erklärt.
gina Reit Salbe -Gpger da Wert in bie engfte Beziehung zu Rubal
nigawahl, als einen Verſuch Lambert's, in dem auf ber Eeite Genvidys I.
chenden Klofter, zu defien Abt Hartwig er ſchon 1074, bei Nieberfchreibung feines
Libellus de institutione Herveldensis ecelesiae, fi) auf iemid geipanntem
Ike befanb, die Rechtmäßigkeit der Abſehung König Heinrichs IV., der Wahl
ubolj’3 darzuthun und in Hersjeld für die Sache des Gegentöniga zu werben!')
Indem Holder-Egger don ber Benrtheilung ber Arbeitsweile Sambert’s in der
Vita Lulli den Außgang nimmt 2), zeigt er fich in ber Werthfchägung der
Sambert’ichen Racrihten ganz verneinend!?) und glaubt bejonders in der Schil:
berung des Gegenfaßes Heintich’3 IV. zu den Sadien geradezu Bruno’s Wit:
theilungen, lroh der offenen Feindſeligieit des Gewährmannes gegenüber bem
Könige, den Vorzug geben zu follen.
un 7 ten ge ie
aucı die Ehatiacten Telöf ald riitig anerfennen muß. Ran darf and niät aud den
feßen, daß fein erfied nnd bornehmfted Beftreben auf Ihöne Yorm geht”.
. "* 13) Im ber Pracfatio zur Wuögabe, ALY-L, IR DaB folgende Urtheit ufammengefaft:
si omnia demis quse Lampertus commentus est, quae pervertit adulteravitgue, qı J
extulit depraravitque, restant tamen molta, qune bene comperta habuit, quse vere retnlit,
Sredenda sunt, ut ea quae de regis itineribus, qua de multis regni prineipibus memoriae Ire-
dit, ——
Glaubwürdigkeit ber Erzählung des Lambert von Heräfelb. 795
Im Folgenden foll einerſeits auf eine Reihe von Hinweilen, betrefend bie
Glaubwärbigteit Yambert’3, aufmerkſam gemacht werden, welche fidy in ben An⸗
ngen don Bd. I, fowie dieſes Bandes zerftreut finden. Andererjeits wird
eine größere Zahl von Beweisführungen nachgebracht, welche bort, zum Behufe
tlafung dev Anmerkungen, verihoben worden find.
— Für die Beurtheilung Sambert'3 fällt ganz voran die Stellung in Betracht,
melde ex ala Monch feines Klofter# einnahm, der Eifer für die Behauptung ber
Rechte defielben, jo wie er fie auffaßte, der Anfechtungen, wie fie nad) feiner
Meinung über Heröfeld ergingen. Er fchent fa nicht, auch über die Zeitung
des Klofterd ſchärfer Lautende Urtheile einzuflechten'*) Perſonlichkeilen, von
welchen er aunimmt, daß Heräfeld du ihre Handiungsweiſe gelitten babe,
werben im oft gerabezu leibenfchaftlicher Weiſe beurtheilt, und fo ae nod auf
ben Biſchof Burdard I. von Halberftabt ein ſehr ungünftiges Licht zurüd.
Denn dieſer ift nad) Lambert’3 Meinung in ber Angelegenheit ber ſachfiſchen
Zehnten Hersfeld f jdlich geweſen i). Aber vollends fir die Frage ber Ber
rechtigung Hersfelb’3 in der Angelegenheit der thüringifhen Zehnten ıft Lambert
von einer Auffafjung erfüllt, welche ihn völlig beherricht und dazu bringt, bie
Sa ber Zehnten überall poranguellen und aud in Dinge hineinzubringen,
if
10 Bergt. BB 1 6, in 1m 21, BIS. 178m. 100 Metbelte Aber mbt
Nuothard; dad tihle Verhältnig Lamberr’s zu Mbt Hartwig hat Helden» Egger, Reuch
Ardib. XIx. 205 f.. nahaeimielen.
Auffafluny
p Sambert
"616 2. 18,
weitere Gr«
db oxigendas
t 045 der
über. Die
sinnert febe
Mögtiätelt
I. CD. de
meßmen feL
796 Excurs I.
dictionis et sententiarum pondere, postremo quaqua possent ratione et
consilio optinerent, quamgnaı „piert we eorum id quod rex moliebatur
vehementissime improbarent. Sed ne libere quod sentiebant eloquerentar,
et regis terrore et privata archiepiscopi amieicia inhibebantur.
Hatte der König um fid) armatorum copias non modicas, quibus eos, si qui
forte negocium interturbare conerentur, militari manu coherceret. ie
Thüringer aber jehten ihre Hoffnung Darauf, da für fie das gleiche Redhta-
verhältnig, wie für die in ihrem Lande reich mit Beſitz auögeftatteten Klöfter
Fulda und Heräfeld, orfanden fei?®), Wirklich wurden nun auch die Mebte
diefer Mlöfer zuerft um Abgabe biefer Zehnten angelproden; aber fie wieſen Die
umuthung unter Betonung ihrer alten Rechte und der Verhältniſſe der früheren
eiten ab!®}. Siegfried jedoch ſetzte ein atrox responsum entgegen: die frühere
tachficht önne nicht mehr beftchen®0); die Dinge hätten fi) ganz verändert:
Proinde esse eis aut ab unitate aecclesine lendum aut legibus aecclesiae
aequanimiter adquiescendum. Da bitten die Aebte den Erzbiſchof, wenn dann
für fie fein Schup mehr vorliegen follte — nicht in Romani pontificis auctori-
tate, nit in Karoli aliorumque imperatorum privilegiis, nicht in precesso-
rum eius Mogontinorum pontifieum indulgenti fo möge er doch zulafien:
ipsarum saltem decimarum eam partitionem fieri, quam et canonum scita
equam judicassent, et caeterae per orbem terrarum aecclesine usitatann
haberent, scilicet ut quarta parte ipse pro suo suorumque missorum servicio
contentus, tres reliquas portiones aecelesiis, quibus antiquitus attitulatae
fuissent, permitteret. Aber wieder jhlägt Siegfried Alles abe So vergeht
ein erſter und ein zweiter Tag, umd noch ift der Ausgang zweifelhaft. Schon
ſcheint e8 möglid): ut Turingi, improbata sinodo, sedem apostolicam appella-
rent. Seht erft greift der König sub attestatione nominis divini in die Sache
ein: se in eum, si quis id presumpsisset, capitali sententia animadversaram
et omnia quae eius essent usque ad internitionem dissipaturum, clademque
eius diei multis postea seculis non abolendam. &o geräth der Abt vom
Heräfeld in Angft und überläkt bie Vermittlung in dem Gtreite an den König;
diefer flellt nach langer Berathung die ob. ©. 189 gegebene Uebrreinfunft aı
Nach der jo geicjehenen Unterwerfung des Abte von Heräfeld verzidhten die
Xhüringer — omni spe adeinpta, eo quod in illius prudentia et eloguentia
lurimum fiduciae sibi posuissent — auf allen weiteren Widerftand: decimas
in reliquum absque retractatione professi sunt. Dagegen ſeht der Abt
von Fulda fein Widerftreben noch einige Tage fort; doc) er vermag weder bie
Gnade des Königs zurüdzugewinnen, noch die Erlaubniß zur Abreife zu erzielen,
und jo muß, auch er der communis sententia beitreten — non tam consilio
am imperio et metu regis —, jo dab auch für ihn die ©. 189 gebradite
Berhändigung feftgeftelt wird. Der König weiß wohl, daß das Geſchehene dem
Bapfe mikfallen würbe, und fo Legt er bei Gefahr de DVerfuftes jeiner Gnade
beiden Aebien auf: ut neque per se ipsos neque per nuneium neque alio
uovis modo pro insimulanda sinodo apostolicam sedem interpellarent
(8S. V, 192 u. 193).
Schon durch Ausfelb wurde in der ob. ©. 792 erwähnten Schrift, 60 ff.,
biefe Ausführung Sambert’3 über die Zehntftreitigteiten zutreffend beleuchtet, und
neueſtens iſt dieſer Abſchnitt durch Holder-Egger, Neues Archiv, XIX, 185 ff.,
wieder zum Gegenftand einer Unterfuhung gemacht worden. &in erfter Einwand
gegen Kambert ft, daher, wenn no geilen Seins IV. unb Giegfried ein
geheimer Vertrag beftanden hätte, eben wegen dieſer Geheimhaltung feine Kunde
davon haben fonnte. Ferner räumt ja Lambert, indem er dem Könige bie Aufe
forberung an Siegfried zufchzeibt, die Zehnten von den Thüringen gu forbern,
jelbft ein — freilich ohne e2 ſeinerſeits als richtig zuzugeben —, ber König und
mit dieſem weitere Kreife hätten bie von Mainz erhobene Zehntenforberung als
berechtigt angefehen; fonderbar wiberfpricht fich babei Lambert in ber zuerft ges
18) Bergl, die Gtelle in Bd. I, ©. 658.
19) Bergl. 1..c.
%) Bergl. &. 659 n. 13 ein Gtüd biefer Rebe.
21 Ginen Ga aus dem nfange ber Antwort enthält S. 650 n. 17.
Glaubtoürdigteit der Grzäßlung des Sambert von Heräfell. 797
ebenen Herborhebung eine? magnus grex unb ber darauf folgenden Erwähnung
Go nur vier Biichöfen, welche außerdem hernach im Laufe der Unterhandlungen
gar nicht mehr als mithandelnd genannt find. Vorzüglich kann aber aud) von
einer Jutereſſengemeinſchaft der Klöfter, welche Zehntrechte in Thüringen hatten,
unb ber Thüringer ſelbſt, welche Zehntfreiheit genofien haben follen und dieſe
mac, Lambert fefthalten wollten, nur jehr jchwer die Rebe jein, jo daß bei ben
ungleichen, auf verfchiedenen Rechtägründen beruhenden Dertfeibinungsargumenten
gn unmöglich Sieg ober Niederlage beiber Theile gegenüber Dkainz in gleicher
eife fich darzuftellen vermochte. In dem von Lambert vorgebradhten Gang
ber Verhandlungen paßt bie ganze gegenüber den Aebten Siegfried in den Mund
gelegte Antwort: seilicet ‚Pigeessores suos sua aetate pro suo arbitratu
aecclesiae Dei moderatos fuisse (ete.) ganz und gar nicht ald Entgegnung an
die Aebte, fonbern einzig und allein als jolde an die Thüringer felbft, mogegen
binwiber die Antwort der Aebte gar fein auf Siegfried's Rede bezügliches Wort
enthält. Ebenſo fteht Lambert's Berfierung, daß mit Heräfelb's Unterwerfung
auch für die Thüringer die Hoffnung iolden fei, auf fehr ſchwachen Füßen,
ba wohl anzunehmen if, ber Abt von Hersfeld habe ſich auf ber Eynode mit
ber Bertheidigung der eigenen Sache begnügt. Lambert hat auch von irgend
einem Vertrage, den die — er. ſelbſt geſchloſſen hätten, gar nicht geſprochen
fondern ſich mr kurz geäußert, daß bie Shit er ihre Verpflichtung zugaben®®).
Zambert hat eben das, was fich auf die Heräfelber und daneben auf die Fulber
terefien und damit auf einen Bruchtheil von Einwohnern bes thüringiichen
nbeö bezog, don feiner einfeitigen Auffaffung aus ohne alle Schen, unter
Aufbauſchung zu einer großen Angelegenheit, auf das gejammte Thüringen aus -
jebehnt. — Zu dieſen Gehestapuntten tommt aber noch beſonders die bei Lam⸗
Bert bemertbare ganz unmdgliche Verquidung biefer thuͤringiſchen Angelegenheit
mit der jächfifchen Streitfrage®®), und vollends bie von Holder-Egger begründete
Erklärung der Stellung Bambert’s zu Abt Hartwig läht nun das Urtheil des
jlerd über die Handlungamiife Yeines Abtes auf der Synode in einem noch
beutlicheren Lichte erjcheinen. Daß Hartwig ald ein sub jugum missus aus
ben Berhanblungen Herbortrat, wie Sambert ih) ausbrüdt, if nach, de Gr-
jählerd Auffafſung bie Urſache des üblen Ausganges ber ganzen Frage”). End:
hi ift die gefiflentligge Hervorhebung bes Umftandes, Heinrich IV. habe Kom
ganz ohne Senntnig der Verhandlungen der Synode Lafjen wollen*), daraus
I erfläxren, baß Lambert fehr gerne ein Einfhreiten des Papftes gegen bie ihm
jelbft ala jo ungerecht erfcheinenden fynobalen Berfügungen gefehen hätte und
fi} ärgerte, nichts hievon zu vernehmen **).
E3) Mnhtetd wendet RG, O7.n- 1, argen eine Reihe non Mußführungen, @febsere,
Sregorhuß VII, II, %R, wo bet'anbtet if, eB felen don ben beiden Mebten Borfäläge äber
lang bed’ Thhringer Achntioelend“ Ita Wgemeinen demat Imorben, mie Denn Üfzbrer
m mmenhang Überhaupt jı fonderbarften Behauı ‚m fid) derfteigt, fo
DE, König . . .. . . fehreitet Jeßt ungeleut zur Errichtung eines
berd auch don Delbräl. 1. c., 81, Kerborgehoben, ebenfo, daß
ber dom ber Nennung der m zu berjenigen ber Zehnten überleltende Gag: Veram ne
manifestas tirannidis notarel: ‚contra innocentes atıue in reanum proprium tam barbara cru-
delitate grassaretor (192) ebanten gang erfordere. Qeincig IV. habe gemünfat, bie
Enkringer, mößten NG in das Untet \hen, bamit er fie mit einem Eheine bed Mediteh
une,
798 Ercurs I.
Neben biejer für den Haushalt von Hersjeld in Lambert’ö Augen ie
en Frage der Zehnten fühlte — Kal durch Schäbigungen em-
Kite enile je er für das Ai heben we Dei
bes hei Grafen Wernher ift, Ye Ehnbert ten Ramen mit einer
von Hersfeld erlittenen Einbuße in Berbindung brachte, ein jehr dunkle, und
er fonnte es bemfelben nicht verzeihen, daß er Mpöttifdh gelagt Habe, ee fi
Iobenöwerth, wenn ber König feine Mönde buch Anwendung uam An
Racjelungen gegen ihren Willen aufwede und zum Faften und erreiche
inge. Ebenjo trug es Bambert dem König nad, daß beffen Herrin an bie
Denn im Anfang bes Jahres 1074 größere laftungen Hersfeld ge
bracht Hatte?)
Doch Sambert gab nicht bloß ala Monch ſeines Kloſters, nach der
dieſer wirthichaftlichen Fe feiner Mihftimmung Ausdrnd; Ionen ehe
aud; völlig in der Auffaflung, dab ba3 Urtheil des Möndyes am die öffentlichen
Dinge überhaupt anzulegen fei fi Allein gerade als Mönch von Heräfelb —
— in einer eigenthümlichen Zwifchenfellung zwiſchen verſchiedens
feiner Zeit geltenden Auffaffjungen bes Lebens und der Drbnung eines AI
feines Drdensheiligen. ©o finden fid) in feinem Buche eigentpümliche Drtheile
ber bie Verpflichtungen bes Röndhthums.
Lambert zählte ganz zu jenen firengen Beurtheilern der argen Ausſchrei⸗
tungen, wie fie hier und ba Ye Wöncenamen ‚zur äußerfien Unehre gereihin,
von welchen er in ber Perfon des „Geldgaudes” Ruotbert einen Vertreter micht
gm branbmarten zu können meinte?) Er gab ganz beſtimmt zu, daß folde
[bwendung von ben göttlichen Dingen, ſolche einjeitige Betonumg von Gelb und
Gewinn Beradptung bes Möndthums erwede*"), und ab mich genug tonnte er and:
malen, wie biefe Yaliejen Möndye bemüht feien, die Fürflen um Abteien und
Bisthämer zu quälen, durch Schmeidelei und reihen Geldaufwand darum fh
zu ‚bewerben, wie fie fogar um geringe Aemter goldene Berge verfpraden und
Weit mehr boten, ald Die Bertäufer * forbern wagten; Echäpe des Kröius mb
Zantalus ſchienen auf Männer gel Häuft zu EA die nad ihrem Gelübde arm
waren, ober es wenigſtens fein follten. en glaubte Lambert, das Wort
des Paulus vom Sauerteig, der bie gan, Sina bes Brobed verborben hatte,
auf das Monchthum anwenden zu mil 8 denn er ſah das Mißtrauen des
Volles über alle Mönche verbreitet, jo dab der ganze Stand als fich umter
einanber agmlich angejeßen wurde: ita ut omnes similes estimaremur, nee
esse in nobis putaretur, qui faceret bonum, non esse usgue ad unum (189)
So fei e3 gefommen — agt Lambert —, daß bie Fürſten des Keiches, wenn
fie a Säule des gatttihen Dienftes neu bilden wollten, Mönche von jenfeits
ber Alpen beriefen, die bisherigen einheimiichen Inſaſſen aber, die ſich den von
dort her neu gebrachten Ei tungen nicht freiwillig zu fügen Bermohten, it
Eimpf aus den Mauern der Klöfter hinauswarfen, und Ivo die Mönche Alt
Ordnung noch blieben, galten fie beim Bolte nichts mehr, weil diefes ſteis y
Unbelannte und Reue anflaune: nit ala Menſchen, jondern als Engel, nicht
Sefäimmter gbmelienb R& verhalten Bärten, uud gbenfe Kabt feine En
Innabme zu, daß dad) dieleiht, — 9— Worten, bie Berträge
Nlöftern auch für Die Thüringer im x
Hätten Mes Samberte Hufdan der 6A)
Bader, In Teiner Difiertation, En 10-108,
bie rc ber Daı
Bet ımbelnben NH €
gen ber Gähädigungen
, ba8 ort Nume
om he
"IR Don Biefen puctdomonneht bie Rebe. von bem Pr an: Et revera ma
er nostralee monachos despeetionem effundero ridebatur (188 1. 18%.
br
Glaubwürdigkeit der Erzählung des Lambert von Hersfeld. 799
ald Fleifh, fondern ala Geift hätten biefe neuen Antömmlinge gegolten®!). Doch
waren noch mehr die Vornehmen biefer Knfiht, fo baß fi von ihnen aus das
Mißtranen zu den gewöhnlichen Leuten auäbreitete. Es jei oft borgelommen,
baß dreißig, vierzig, fünfzig Mönche der älteren Zucht, warn jene neuen Mönche
lamen, aus ben Klöftern davongingen, weil fie von Furcht eelint Arrgerniß an
dem frengeren Leben nahmen?®). Aber eben Sambert ſelbſt konnte troß eigener
durch vierzehn Wochen fortgefegter Prüfung biefer neuen Einrichtungen, theild
in Saab, heile in Sirgbung, miät ie Nebeyeugung gelangen, bap bij
Ordnung der älteren bisher in Hersfeld feftgehaltenen vorzuziehen jei.
meinte gefunden zu haben, baß die Heräfelder Gewohnheiten mit der Regel des
Snbensgeünberd fer aufammenfiimmten, fobald man biefe nur in enger
alter Weife nad} ber Neberliejerung der Väter beobachte, und mit recht fühlen
Worten ſpricht er vom Joche der neuen Einrichtung“, weichem er fein Klofter
nicht unterwerfen wollte?) —
Diefe möndifche Gefinnung Lamber Teilen
feiner Erzählung, wo von Berlhrungen 3 vie Rebe
, au wo folde nicht auf Herzfelb ıı tommt
Bildef Heilo von, Gilesheim bei der je mit
ben Döncen von Fulda nicht gut weg gen ihm
Partei nimmt), Aber noch weiteren ie etwa
einen Zabel an?s), ganz abgeichen von jtoßen
Segenſahes auf Heinticy’3 IV. Seite fch elche er
die volle Schale feines Zornes ausgoß. 3ambert
— jchlecht wegtommen, zählt dor welcher
fi der Erzähler in einer ganz bejonder e.
€3 if durch HoldersCgger fehr rid ambert
gu der Bamberger Kirche ehr hin. _ _ >. _ eicht an
jener Echule feine Bildung empfangen haben kann, bah möglicher Weife feine
Yerehramg für Erzbiſchof Ann auf Unterricht zurüdging, ben er von Anno in
Bamberger Zeit empfangen hatte. Ebenſo erſcheint bei bieler Annahme
bie auögegeichnete dem Andenken bes Biſchofs Gunther geipendete Liebe noch be»
greiflicher?*). Aber um fo mehr verfolgte nun Lambert den Nachfolger Gunther's
in feiner Erzählung, da er ihn für eine unwürdige Perfönlichteit anſah.
.
31) Pambert felt diefe Rage — mad) ber Ginleitung: Quo in tempore ot ego lu
(Met Eihgbung: verät, ob. 6. Bis a, 100) ren conforre cam dis (. Den bon ferne eine
getroffenen Sönden) de ordine et Uisciplina menasterinlis vitao, co quod magna quasdam et
Aedara de li ralgi oplaione jacterenlur = ber Grörterung boran: Deniqus ... . mot,
quos usu noverant, nibili estimabant — (187 u. 188).
22) Sambert’s bejeiduenbe Gälußfolgerung, betreffend folde Mönche der älteren Ord
nung, if: ut ‚sacias ducerent de salute anim: seculo periclitari quam supra virium
Amarım mensuram vim facere regno caeloram (188). Gin Beifbiel hiebon tdeilt er Teldft, a.
1075, mit: prioribus monachis, quos ex Sancto Maximino asciverat (sc. Anno, nad) Giegburg),
quoniam in borum (sc. ber Mönde aus fruttuaria: vergl. ob. &. 93 u. 601) instituta con-
esdere noluerant, honorifice in locum suum rer (8).
33) Diefe für Lambert fehr bezeichnenden Geländniffe Reben a. 107;
Imaärerti, nostras quam illorum consucludines regulse sancti Benedicii mel
bei Bene»
3 Gtifters
d baß dad
Yv,©. 64
; —
—Ræee
die in der
en Würde
ob. ©. ©
Runde in
Rr Bifpof
800 Sen 1.
Die Geſchichte der Abjegung des Biſchofs Hermann von Bam
berg nimmt einen anfehnlihen Raum in Aniprud. Sie ift zu 1075 augebracht
(219—223), nachdem aber ſchon vorher von bem Biſchof geſprochen worden war.
— Zuerft hatte Zambert ſchon zu 1065 in der Bb. I, ©. 456 n. 113, beurtheilten
Beile Hermann’s Eintritt in das Bisthum als eine durch die Verwandten des
abweienden Bewerbers beforgte coemptio geſchildert (171. Tann wurde Her
mann wieder zu 1070 erwähnt, bei Anlag feiner Citation nah Rom (vergl.
ob. ©. 4 n. 9), und zu 1074 Bieß es von bem Biſchof, Gregor VII. habe ihn
bis zu geichehener Verantwortung von den gotterbienftlichen Berrichtungen für
einmal enthoben, als einen ber Bifchdfe unb Nebte, qui sacros gradus precio
tredemissen (216). Darauf erft folgt diefe jo ungewöhnlich einlaßliche Mittheilung
im Jahreöbericht von 1075. — Lambert beginnt hier mit der Klage, daB zu
dieſer Zeit die Bamberger Kirche von einem grave scandalum getroffen worben
fei, und führt im Anſchluſſe daran die Vertreibung der Chorherren der Kirche
St. Jakob und ihre Griegung durch Mönche aus dem Gt. Michaels-Kloſter 2‘)
aus, ein Vorgehen bes Biſchoſs, welches großes Auffehen, auch bei ben Geift ⸗
Lipen der Domkirdhe, erregt und Seftige ejchwerben herborgerufen habe. Die
Bitten ber deſchadiglen Kieriter finden weder bei bem Bildhofe, nod) anderätno
Gehör?®), und fo wenden fie fid) nach Rom, wo zugleich mit ihnen eine Ab-
ordnung ber gelammten Bamberger Geiflichteit erfcjeint. Hier finden fi nun
alle gegen Hermann vorgebrachten Beichwerden in langer Reihe aufgezählt: er
it per symoniacam heresim et ingentium pecuniarum profusionem Bijchof
erworden ??) und hat fich bei Gregot's VII. Borgänger 0) durch einen fall
& gereinigt. Aber Verunglimpfungen aller Art Ndliehen fih an: Hermann
fei, expers omnino litterarum, in den Befih jeines geifllichen Amtes contra
sacros canones gelangt, habe fich ſchon vorher zu Dtainz‘!) durch euncta capi-
talia crimina atque omne probrorum genus hervorgeihan und fei auch ala
Biſchof, zum größten Schaden ber Abteien und Kirchen feines Sprengel, ein
QAusüber der pecuniaria atque usuraria ars, qua a puero sit institutus, ge⸗
blieben. Dann fährt die Erzählung fort, Gregor VII. habe, nachdem er fchon
längft dem Biſchof den Dienft am Altare unterfagte, fogleih den Bann gegen
ihn auögelprodhen: ea ex causa, quod de gravissimis eriminibus jam olım
accusatus et, ut causam diceret, crebro per biennium Romam evocatus
venire gpntempeisset — und außerdem die Zurüderftattung der Kirche St. Jakob
befohlen, zugleich dem Bamberger Klerus jchriftlich tundgegeben, daß er fi
aller Gemäinhbaft mit Hermann enthalten follte, und daß dieſer, wenn er amı
vieleicht wieder in bie uͤrchliche Gemeinfchaft werde aufgenommen werben, bı
jedenfalls fein Bistum nie zurüderhalten werde. Nach Ankunft diefer Bo!
au Bamberg verheimlicht die Geiftlichteit zunächft nod) diefe päpflliche Weifung;
man läßt nur an Hermann melden, er folle ala Simonift und ala ein zur
geitung eines Bistums jeglicher Bildungeauaweife Entbehrender aus Bamberg
fich entfernen. Als auf didle Eröffnung Hin, und nachdem vollends ein junger
Geiftlicher eine weitere Beleidigung Hinzugefügt Hatte“), der Bilchof in heftige
Aufregung geräth und harte Rede und Gegenrebe fällt, treten die von Rom ger
tommenen Boten erft mit bem Uberbrachten Schreiben und münbli &
Hlärungen im Namen des Papfte hervor. Diele lebendig ausgemalte Schtlberung
wirb mit dem Safe geichloffen: Ibi primum episcopus circumventum se fraude
3 Der € * rogis et omrit ineipum regni id
er Gap: Cierici . ... . rogis_et omnlam prineipam sures quottidiana pre-
— —— int Grjätlungte
weile Samberts,
) Das iR mod) in einem anberen Zufammenfange hier =. 1075 wieberholt: recens
eremplum Habenbergeneis episcopl quem pridie (sc. am 30. Rovember: wergl es)
viderant non aliam ob causam ot episcopatu privatım et communione, quam quod ad sacrum
‚ordinem illieita largicione aditam sibi afertasect (20 m. 287).
40) Samperl nennt biz Den unrißtigen Bapf.; aput predocesorem eins Nieelaum papem
(68 if bie ob. 6. 4 ermägnte Gitation bucc) Mlepander I),
AD Diele Dinweifung auf bie Mogontina eiritas — in qua autritas sit — Rinmmt zu
1, 6.457 n. 118, Gefagte
Die von Lamberk In Dirceter Rebe ein efügte naverſchämtheit bed adolascens
begibt A wieder Darauf, den angerebeten Zildei ala ignaras omnino Iiktararam Bin«
Glaubwürdigkeit der Erzählung de Lambert von Heräfeld. 801
elericorum suorum advertit. Unficer geworben durch bie Hartnädigen Forde ⸗
zungen feiner Geiftlichen, daß ex zurucktrete und fich entferne, wendet fi) nuns
mehr Hermann an Erzbiſchof Siegfried: ad... . fi um sibi amicum,
quem multis sepe beneficiis privatim et publice sibi devinzisset, quigue
Omniam, quae in adgnirendo vel administrando episcopatu gessisset, conscus
sibi particepeque extitisset. Siegfried erfüllt Hermann’s Bitte und erſcheint
alabald, um ber Bamberger Geiftlichteit zuzureden, bak fie fich wenigftend dor
ihm zur Unterfuhung und fciedrichterlichen Entfcheidung der Sache Herbeilaffen
möchte. Aber bie Bamberger übertragen ihre Vorwürfe alsbald aud auf den
em iſchof, unter ben heftigſten Schmähungen, die päpftliche Grcommunication
hätte auf ihn gleichfalls ausgedehnt werben follen: qui hominem omnibus
probris infamatum et nihil in moribus, nihil in seientia dignum sacerdocio
afferentem per symoniacam heresim episcopum ordinasset ..... cum actus
eins omnemque vitae institueionem, tamquam qui in laribus suis diu
familiarissime obversatus sit, optime cognovisset et omnibus quae in
coemendo episcopatu acta sint medius ipse atque intimus interfuisset. So
entflieht fi —5 — — ne quid pro amico suo intactum intemptatumgne
relinqueret —, vun mit Hermann nad) Rom zu gehen, um ben ft durch
Gelb ober durch Bitten zu erweidhen; aber unterwegs ändert ex einen Befdtuß,
fo daß er felbft mit wenigen Begleitern nad) Rom eilt und Hermann in extrin-
seeis aecelosiae Babenbergensis possessionibus feine Rüdtehr erwarten läht.
Doch Siegfrieb findet in Rom aud für eine Perſon nur mit Mühe Zulafjung
bei Gregor VIL., ba ihm vorgeworfen : quod Babenbergensem episcopum
per symoniacam heresim sciens ordinasset, ber Art, baf er beinahe felbft in
Die gleiche Gefahr, wie Hermann, geräth. Siegfried wirb mit dem Befehl ent-
Taffen, fi aller Gemeinfhaft mit Hermann zu enthalten, bie päpfliche Gy:
communication gegen benfelben allen deutſchen Fürſten bekannt zu machen, bei
it ehe & Bamberg einen anderen Biſchof zu en.
ice 4
erfter günftiger Gel
Darauf hin emtjchliei ermanrı — conductis qui causam suam apud
sedem apostolicam dicendi arte tuerentur —, in eigener Berfon fid) nach Rom
m begeben. ber das geichieht ohme jeglichen Grfolg*®). KHermann erfauft fich
urch alle Flehentlichen Biiten, durch, das Verſprechen, gleich nad) feiner Rüd«
tehr in ein Alofter zu gehen, einzig bie Sosfprechung vom Banne. Zwar bäumen
ich nach Hermann's Rüdtehr in fein Bisthum feine Lehensleute — milites
quibus se multa largieione admodum popularem acceptumque fecerat
en bie romiſche —E auf und ermuthigen ihm durch die Zuſagen ihrer
itfepereittitligeit, gegen den päpftlicgen Befehl, für vier bis fünf Wochen
nad) Bamberg jelbfi zurüdzufehren und wenigftend bie Außere Derwaltung wieder
zu übernehmen, unter Hervorhebung bes Umftandes, daß ber Bann nicht in
ianoniſcher Weiſe verfündigt worden fei; fo bleibt während diefer ganzen Zeit
aller Gotteedient in Bamberg aufgehoben. Den übrigen Zgeil des Jahres ver-
lebt dann Hermann, geftüßt anf den Schuß ber Lehensleute, auf ben auswärtigen
Behgungen ber Bamberger Nirche. Doc; auf) Geinzic) IV. hält fih von aller
Gemeinigaft mit Hermann fern). — Roc; einmal kommt bann Sambert etwas
weiter unten im gleichen Jahresberichte, ba, wo von der neuen Beſehung bes
Bamberger Biſchoffihes gerebet wird, auf bieje fühle Haltung bes Königs zur
Sache Hermann’3 zurüd. Er hebt hervor, ber König habe Hermann preiögegeben,
während ein anberes Dorgehen au erwarten gewelen war, weil Heruann fi
dem Könige ftets dienftwillig erwieſen Hatte: Cum rogi in pace et in bello,
tranqnilla sen turbata re publica
zatis in eo caeteris regni princ
commodissime affuisset, et scandali-
Ban, 'olas ille nunganm scandalizatus
48) Un Bonltho, Liv, ad amicum, Lib. VII, Täßt Sermann bi nad) Rom Tommen,
und qwar unzictiger Meile im Jahre 1074 — Monitho etäntt daB Geeigniß (Post pancos
Toro dies) gleich) im Kinfelufle an Die ob, ©. 982, n. O4, mitgetbrilte Stelle —- und ferner
mit irriger Mofivirung: causa suscipiendi pallii; bann fährt er fort: quem litierae rogis
anticipaverunt, quibus papao sienificatum est, se, quorandam malignantium fraude docoptum, I
por pecuniam episcopatum tradidisse. Quod ut quesitum est et ita invontum, prefatus Her-
Taunus ab episcopatn depoeitun vet (Safe, Biliokt. I, 658).
10, R mum alfo au) dur Lambert aukdrädtid anerkannt: vergl. {hon 06.
©.00, 0.3.
Meper von®nonau, Jaheb. d. diſch. R. unter Heinrich IV.u.V. Bb.ir. 51
802 Excurs I.
faieaet, sed in cunetis quae ei accidissent calamitatibus popdus diei et
aestus cum eo inconcussa fide portasset. Die un wird ausgeſprochen.
rich IV. Gabe babei eine beliminte Rebenabfiht gehe t #, nämlich dureh foldhe
fügigfeit in anderen Dingen bei dem Papfte einen Vorſprung zu erreichen:
intendens, ut per hulus (sc. Sermann’3) dejeetionem via sibi patefieret ad
Wormaciensem episcopum ®) et alios nonnullos, quibus in ultionem
defectionis jam pridem summa ope calumniam struere sentiebatur (236)
jenüber diejer Schilderung der Dinge burdh Lambert Läht fid) aus anber-
weitig erhaltenen Farin eine Zrühing au bie ag bin völlig
durch been, —W iberall ob. ©. 95 377, 439 u. 440,
453, 461-472, 540—544, 563, im Mich ar Sr Actenftüde, die ——
der "Bamberger Angelegenheiten gebracht worben‘*, Verglichen mit biefen
gebniffen, fielit fich was Lambert mittheilt, — ala bie Seſchichte heran
wie fie durch bie Bamberger, cleriei nad Lambert's eigenen Worten ber Welt
mitgeteilt worden war: vitae institutionisgue lugubrem tragediam toto
mundi huius theatro decantandam vulgaverant 03 €3 ift eine Sufammen«
foflung bes Hörenfagens über die Sache, wie daffelbe von Bamberg ber, ans
ceife ber dortigen Geiftlichteit, Lambert zulam umd von ihm mach feiner
Der überarbeitet wurbe. Dafür, daß die ganze Erzählung nicht in Gerefelb
In Tage trat, jondern Lambert von a, her vermittelt wurde — aller:
Inge and baun der Stoff, weil aud Ex — Siegfried dabei in ein un-
günftiges Licht get werden fonnte, in * jeld Leichte Aufnahme — ſpricht
ein beftimmter Umfand. Das ift bie in diefem einzelnen je ganz ausnahınd«
weife ungünftige Beleuchtung des Möndihums in der Benrtheilung ber Ein
— ng der Mönde an ber Gtelle von Kanonitern in Bamberg. —
ſambert N an einer Stelle, togri in ber Vorſtellung der Weltgeiflichen gegı
über dem — Grſuehen. daß, bie Ronche — tamquam honestior et sub] or
rtio co1 Christi — mnigere Anhänger Gottes fein (220). Aber der Tert
etont bi en beftimmt, bei & an zwei Stelle, ben Vorzug, dem bie vor»
— vor Der Ginlehung ber Mönche, gelbe Nebetzegung de Ri 6. Yatob
an bie Kanonifer gehabt habe*’). Das find eben in Baı unter den bortigen
Domherren und ben vertriebenen Chorherren von St. 35 Aberhaupt inner
halb der Weltgeiftlichteit, herumgebotene Meinungen, welche Lambert hier auf⸗
nahm, augenſcheinlich ohne zu beachten, baß er als Mönd; bergeftalt gegen
feinen eigenen Stand ſchreibe. Wohl mur um fo gefffetlicer, deihlam ur
Kigenen anne, flocht er bewegen bie Betrachtung ein, daß 1 at ——
in Fol: Mi Lage nahe am Bamberger Dom, welche ex freili
überfe Mönche überhaupt als Bewohner viel weniger pol 9 FH —
— "as aber Liegt auf ber Hand, daß das Bild Dermanne ala ee e
eines fimoniftifcjen Bilofe in Hersleld ueht {chtwarg gemalt geiweien jein mı
wenn ein fo ausgeſpru er Begünftiger des Vönche 8 — monasticae con-
versationis mundicia delectatus in toto e] a suo, si fieri posset, hanc
solam esse vitam cupiebat (220) — jo übel bei Lambert —— tomnte.
Außerdem aber hat Lambert hier an einer einzigen Stelle zu 1075 Greigniffe
unierſchiedslos en eben it, welche über eine Tängere Zeit Yin fh aut.
breiteten. Ebenſo ift mie weifeln, daß bie von Lambert fo breit ans»
jeführte Angelegenheit her che 6. Zatob nur ein einzelner von mehreren
Ki von Ungehörigteit in Hermann’s Verwaltung bes Bisthums geweſen iſt.
jährend hier Lambert — volltommen ber Wahrheit entſprechend: wohl ſchon
erzt, über Bifcor Adalbert don Wormä ob. &. 24 u.
Ki eher biefe Fragen Yet R. Beyer, Berl m Kr Yoraian —— XXI,
592-555, wozu burbereitende Grdrierungen, XXI, ebemn {ft neuefend dur
ee der est in der Audgabe, 209-: 310. Burdand alt Fed jem Aeetangen
eglett
An einem Orte Heißt eb, Qermann, babe Bei ber Griehung ber Ranoniter hun
die Mine e zelo qui nön secandum scheallam gebanbeit, und gleis batanf
die in Bamberg Herborgelteiene Anfiät aufgenommen: non tam monarhin sb! (ee
Babanbergens) opas seyn quaem cleici (230) In einer singefäalieten Rebe Si Gem *
Bilgof Hermann, der Begünfliger der. Ming: Set et. HiharlirBlofers, al) non tan onater
religionis quam subdolus simmlator Hingeftellt (221).
Glaubwürbigleit dec Erzählung bes Lambert von Hersfeld. 803
feit Oftern 1074 fi Heinvih IV. von Biſchof ‚mann zurück⸗) — bie
Gtellung bes — zu & Fa er Yankee eit rechtfertigt, hat er das
jegen Getegenheit, abermals den Erzbiſchof von Mainz anzutlagen. Denn aller:
Binge war Giegfeied mit Hermanns Ecpuld fo fchr verknüpft, dab er Jin Ein
geränbnib über Hermann’3 fimonififches Vergehen, am 12. April 1075, bie
erſchuldung Hermann’3 dor dem Papfle und den verfammelten Carbinälen und
Bilchöfen offen erwies). — Als Ganzes ift dieſe in ſich ſcheinbar mwohlgefügte
Erzählung der Bamberger Vorgänge ein deutliches Zeugniß für bie Torgto je, um
“ Ergeindung völliger Wahrheit nicht fi fümmernde Anlage des Bambert«
jen .
— Bei ber Beurtheilung des Berhältnifie, in welches fi) Lambert in
feiner Seisiatichreibung zu König Heintich IV. ſtellte, erſcheint es hier wohl
geraten, feine Werthſchaͤzung von Perjönlichkeiten aus der engeren ober weiteren
Imgebung des Königs vorauszunehmen, weil hievon gan weſentlich ein Licht,
ki H ae ober zum Nachtheil, auf die Perfon des Königs felbft in jedem Falle
trahlte.
” Unter denjenigen Mitlebenden, für welde Lambert bie höcjfte Verehrung
Batte sählte, wie fon erwähnt, Exzbifchof Anno von Cöln, und fo if es natür-
ich, daß biefer überall ganz voran auägehoben wirb. Go ift benn gerade hier
eine ganze Anzayl Fragen noch genauer zu beleuchten °°).
Sambert wäre eine 1072 für Anno neu wieder gejhaffene
Leitende Stellung am königlihen Hofe anzunehmen, nachdem durch ben
Lob Erzbiſchof Adalbert’3 eine Lüce eingetreten war. Lambert leitet dieſe Er⸗
ihlung damit ein, dab dad Volk mit Vorftellungen beim Könige hervorgetreten
i, pro injuriis et calamitatibus, wobei bie von Sambert mit Vorliebe gewählte
eihenfolge — innocentes . ... . . pupilli et viduae ...... . monasteria et
aecclesie ſich einftellt. So bittet Heinrich IV. — permotus tandem vel
ipsa rci acerbitate vel proclamantium importunitate, annitentibus in hoc ipsum
eunetis regni prineipibus — den Erzbifhof: ut post se rerum publicarum
administrationem suseiperet. Anno widerfteht lange: partim memoria vete-
rum injuriarum, partim quia homo totus in Deum suspensus divinis quam
secularibus negociis implicari maluisset. Voch er fan der unanimitas postu-
Jaatiam fh nicht entgiehm: privatum commodum publico postposuit. Yeht
tritt eine wunderbare Aenderung zum Befleren ein: Tum primum res publica
in pristinam statum dignitatemque reformari coepit, frenaque injecta sunt
vaganfi usque ad id tempas licentise; da gelten wieder — Lambert jceint
aus dem Einzelnen kurzweg auf das Allgemeine gejchlofien zu haben (vergl.
42) Bergl, ob. 6,400 m; 195, mit ber Beridtigung ber don Veder gegebenen Dattrung
49) Bergl. od. ©. 403 u. 464. Bener bemühte IR A00]
Runde von der fmonitifen Grmerbung bed Bisthumd hard Kermann i
nah au das {hfeld berbreitete Gerücht, erit di
entitanl IV. bie
e
51%
804 Excurs I.
©. 152, n. 74) — volle Handhabung ber Gerechtigkeit, ſtreugſte Züchtigung bes
ber Unterbrüdung ber Armen ſchuldig erfundenen Reichen, kn ber ala
Schlupfwintel von Nebelthätern dienenden Burgen, Feffelung auch der rei
und ber Abflammung nad beruorragenoften Verbrecher, und das Alles durch
Anno: ut profeeto ambigeres, pontificali eum an regio nomine d’gniorem
jadicares. Auch in dem jchon tief geſunkenen Könige wedt Anno in Ener
Zeit wieder die väterliche Tugend und dad Weſen ber Ahnen (189 u. 190),
Zambert verwidelt fih hier fon in bie eigenthümlichften Wiberfprüche
barüber, wie Lange diejer herrliche Zuftand, weldjer augenidjeinlich mit der Ofterz
gi begonnen Haben foll (vergl. ob. ©. 151), geaurıt habe. Dern, a. 1073,
ertt Lambert zum Weihnachtsfefte von 1072: Ibi — b. h. zu Bamberg
(vergl. ©. 174) — quoque Coloniensis archiepiscopus, offensus his quae
plurima preter aequum et bonum fiebant in palacio®®), petit a rege vaca-
tionem deinceps dari sibi ab rerum publicarım administratione . . . Quod
rex haut dificulter annuit (192): danach hätte aljo das Werhältnig etwa drei
Vierteljahre gedauert. Allein in Anno’ Charafteriftit, a. 1075, Heißt e® arıö-
brüdli: Ad ultimum archiepiscopus . . . anno pene ante exortum bellum
Saxonicum petiit vacationem deinceps sibi dari ab exterioribus rei publicae
negociis; et sic impetrato commeatu . . . (239), fo baß alio die Bejorgung
ber Geichäfte nur etwa bis in ben Juli 1072, aljo ungefähr während eines
Dierteljahres, fi erſtrekt hätte. Daß in diefem falle von einer großen jegens:
ichen Tätigkeit feine Rebe fein konnte, Liegt auf ber Hand. Aber überhaupt
if Lambert'3 ganze Darſtellung der Sache nur ein Ausfluß feiner perfönlichen
gefliffentlichen Verehrung für den Erzbiſchof von Eöln’®), ferner aber eine uns
itreffende otgezung aus einer gleich zu 1072 vorausgeſchickten irrigen Annahme.
Bi ſchon ob. ©. 145 (n. 62) hervorgehoben wurbe, war Abalbert'3 Stellung
neben Heinrich IV. in dieſer legten Zeit bes Erzbiſchofs durch Lambert weient:
Li überfhägt worden, zu einer Höhe des Einflufles emporgehoben, wie ein
folcher neben dem vom Bewußtjein feiner Stellung burchbrungenen jungen Könige
in dem früher gegebenen Umſange nicht mehr möglih war. Tieſe jeine uns
richtige Schablone Überteug nun Zambert, da er ber Anficht war, Adalbert’s
leer geworbener Platz ſei alabald ähnlic) ausgefüllt worben, einfach auf Anno’+). —
Eine ganz ungemöhnlic eingehende Iebrmövolle Edjilderung, weiche viel
für Sambert’s Erzählungaweile Eigenthümliches enthält, iR diejenige Der großen
Eölner Erhebung vom Jahre 1074. Da kaum zu bezweifeln tft, dab
Lambert ben unmittelbaren Anlaß zum Ausbruche ber Unzufriedenheit der Bürger
jegen den Erzbiſchof richtig bezeichnete, ift der Verlauf des Greignifies im ber
— ob. ©. 392 ff. Lambert nadjerzäßlt. Dagegen, überbietet fid gerade
Diefes Stüd des Bamberffchen Werkes in der Form der Ausführung an rheto-
riſcher Ueberfülle So heißt es 3. B. von dem Eindrude ber Witgeibing bes
Geſchehenen auf die per provinciam zerftreuten Hörer: exhorruit omnis popu-
lus novitatem rei, atroeitatem sceleris, spectaculum humanarım rerum,
quod vir tantarum in Christo virtutum tam indigna perpeti Deo aspiciente
potuisset . . . . Exelamant omnes (se. populares) ad suam magis injuriam
pertinere violatam pontificalis nominis majestateın et mori sibi satius esse,
jam ut tantum flagieium suoram temporum inultum patiantur, und die
ereitwilligfeit berfelben, für Anno einzufehen, wird in der ausbrüdlicjften
1073, rex tauyuam sereriasimo Ppedagego liberatus stalim in omnia gene:
Se TR SRNNTOMTETRERE TEE item so dedi (102. Tab eine, Wie daB andere,
'o plöglie Veriäleäterung, fehen fi) an Glaub-
Pochie Yon Bäraten? Qulber-Eapre basrarn
jeräjtold’8 don Kärnten. —*8* en
u, 8 Worte auf bie Neuwahi 2 woteh in
‚Mellung erfüllt war, daS Alles von Wırno's Willen
-107 erwähnte Angabe beB Libellus über Munc’s
„173, fi ii Lambert lie ielt
ER ET Hanna anlchhenn and ebenfe
51) Das nothiwenbige Gegenftül ift dann, daß bei Anno’ Weggang vom Hefe, a.
ra fagiciorum raptis
Glaubwürdigkeit ber Erzählung be3 Lambert von Hersfeld. 805
Weiſe arägemalt: multa hominum milia dieto eieius concurrunt, nullo, qui
aetatem arma ferre posset tam religiosam miliciam detreetante; con-
globatique in unum rogant archiepiscopum et cunctantem vi impellunt,
ut ad recuperandam eivitatem quantocius festinet: se pro eo dimicaturos
(ete.: nech weitere hingebende Bufrerungen ſchließen fi an) (214). Aehnlich
anögeiponnen find die erbaulichen Dantesworte und Ermahnungen, mit welchen
jernady Anno die nicht mehr nothiwenbige weitere Hülfeleiftung der provinciales
ih verbat; satis Be opera eorum usum et evidens tulisse documentum,
quid animi pastorem, filii erga patrem gererent; asperrimam
megocii multa eorum virtute exactam esse; cactera quae restent
facile jam privata ac domestica manu posse confici (ete.: barauf die Er⸗
mahnung, nad) Haufe zurüdzufehren) (214 u. 215). Ebenſo find ſchon vorher
bie bereit® im Zerte, doch in nothwendiger Verkürzung, gebrachten Auftritte
wie die Aufftändifchen den nad) dem Dome geretteten Erzbiſchof fuchen und bal
Alles verwühen, wie Anno’s Flucht brwertfielligt wied. Le bie Menge nachher
doch noch in das Gotteshaus jelbit einbricht und ben Gefuchten nicht mehr zu
finden vermag, fit gpgober Auſchaulichteit und wahrem Erzählertalent vorge:
führt. — Uber die Neigung, gewiffe Einwirkungen vom königlichen Hofe her
aufzufpüren, den König als den Echuldigen Bingufteilen, hat num Sambert auch
ter wieber dazu gebracht, allerlei einfließen zu Lafien, was in der vorgebrachten
‚orm als glaubwürdig nicht anzunehmen ift. So heißt es jchon gleich in den
einleitenden Worten, die zu erzählenbe res digna omnium bonorum misera-
tione et lacrimis fei allerdings vielleicht aus der levitas vulgi, vieleicht aber
aud) durd} bie factio eorum qui vicem regis in archiepiscopum uleisei capie-
bant entftanden, unb daran Inüpft Lamberi die Vermuthung, das Vorbild der
Bürger von Worms habe die Gölner nach fid) gezogen: Id magis venit in sus-
icionem, quod (: hier fteht die ob. S. 295 in n. 191 aufgenommene Stelle)
lonienses pessimum exemplum emulati sam quoque devocionem insigni
aliquo facinore regi gratificare vellent (211), eine Behauptung, welche kurz
barauf mit mod; größerer Entichiedenheit und in weiterer Ausdehnung wieder-
Holt wird, daß bie Cölner die Gewaltthat der Wormfer neuerdings an ihrem
eigenen geifllichen Stadtherrn darlegen wollten, nur noch in ftärterer Weile:
cum ipsi multitudine, opibus armisque instructiores sint, dedignantur, quod
inferiores estimentur audacia et archiepiscopum tirannico sibi fastu imperi-
tantem tamdiu muliebriter patiantur ... . . und: vulgus intem) —
nee jam archiepiscopum urbe expellere sicut Wormaciensee, sed per omnes
eruciatus trucidare, si copia detur, conspirat (212). Hernad; follen bie Auf-
rührer dem Könige durch juvenes inpigri die Boiſchaft zugeſchigt haben, er folle
tommen unb die nad) Anno’3 Vertreibung frei gewordene Stabt befepen: in
eo verti salutem eivitatis et ipsius utilitatem maximam, ut grandia molien-
tem de vindicanda injuria sua archiepiscopum antieipare conetur (214).
ier find alfo überall bie Gölner die Anftifter der weitgehendften, gewaltfamften
äne, und fie fuchen Heinrich IV. erfi nachträglich hineinzuziehen. Doch es
entipricht ganz der fi fleigernden, innerhalb verfchiedener Abjcmitte de eigenen
Bertes (#3 mpberfperöpenben Schilberungsweiſe Lambert'3, daß er jpäter, a. 1075,
in ber Charatteriftit Anno’ noch weiter geht unb gerabezu hi ich IV. jelbft
ala ben Urheber des Verfuches, Anno zu vernichten, anfhuldigt. Denn nad
dieſer Stelle ſoll ber König, weil fi Anno in ber ſachfiſchen frage nicht dienft:
bereit genug erweiſen molte, ben Erzbiſchof ala einen invisus suspectusque
angefejen haben: perjurii ac perfidiae insimnlatur; eives Colonienses, quibus
paulo ante unice carus seceptusane fuerat, ad interficiendum eum donis
ac Promissionibus sollieitantur (239). — Eine fernere Eigenthümlichteit dieſes
Gtüdes des Textes ift, daß hier Lambert feiner pragmaliſchen Darlegung auch
eigenthümlich Vegenbaritch miraculdfe Züge einflocht. Dahin gehören fon die
Borausſagungen be3 Greignifies, die presagia, wie fie in bem somnium eines
m Palmjonntag nad Cöln gelommenen peregrinus gegeben geweſen fein
Pilm (215)99). Geener aber joll Anno felbft Ton am Bormittage bes 23. April
Fi
S
55) Der in biefen fammenhang verwobene interrentus Georgli martiris geht jeben-
a ee a inet eh Genraßäiehe ju Anno and Jum ganzen Greignifie.
806 Ercurs I.
nad; der Meſſe in der ©}. Georgskirche gleichfalls presagio quodam futuro-
un a neseius ipse PR rer Be Rommnde angetünbigt
Hab cum sermonem faceret ad populum ... . contestatus fuerat au-
lientibus quod civitas diabolo in potestatem tradita esset et pı
diem peritara, nisi jamjam impendentem iram Dei per penitentiam in-
flectere maturarent (212) Alein fein Geringerer, als ein demon . . .. galeatns,
loricatus, igneo muerone terribiliter fulgurans nec ulli quam sibi similior,
alfo der Fürft der Hölle felbft, foll im Kampfgetümmel als talium furiarum
incentor, und zwar militari quodam classico anführenb, gefehen worden fein,
bis er, mitten im Anflurme auf die Pforten der erzbilchörlichen Pfalz, ben
Augen der ihm folgenden Rafenden plöplic entihwand (212 u. 213)%%, — Exchr
bemertenswerth ift ferner, in wie auffälliger Weife fi Lambert in der Beur-
tHeilung der Handlungeweife des Exzbilchojs windet. Zuerft räumt er jelbf ein,
baß Anno’3 glei) anfangs Hervortretender Jähzorn, indem ber Grzbiichof harte
Worte fallen ließ, die Sache veriglimmerte, wie ob. ©. 392, m. IL, zeigt.
Dann läßt er dur die multitudo quae eirca episcopum erat den Bormurf
ergeben: quod, dum inmoderatius clementiam ostentando popularis fieri
vellet, nefarios homines ad audenda nequiora huius sceleris impunitate
animaret (214). Ganz befonder3 jebod) mochte Lambert den Lefer im Unflaren
darüber laffen, ob die ob. ©. 397 erwähnten fhredlichen Etrafen von Anno
jelbft. verhängt worden feien, oder nicht (215). Aber fpäter, a. 1075, er
den familiaris quidam, weldem Anno feinen erſchredenden Traum mittheilt,
ganz offen zum Erabildjof jagen: Macula haec vesti tue illita . . . est...
memoria injuriae eivium fuorum .... quibus te divinae pietatis respectu
jam olim oportuerat admissi huius veniam dedisse (240). In der Edilde-
zung der Cölner Vorgänge jelbft räumt Lambert ein, baf nach der Herftellung
ber Ruhe in der Stadt zuerft die episcopi milites Handeln, fid) bewaffnen, in
jäufer laufen, plündern, Gefangene machen, jo daß auch er jelbft nicht umhim
ann, zu geftehen: prorsus, ut veritati vel coacto asssentiamur, multo fero-
‚ quam tanti pontifieis existimationi competeret, justae ultionis nego-
m exsequuntur; allerdings foll das geichehen fein: inscio, ut plurimi asserunt,
atque inconsulto archiepiseo) Daran ſchlietzt fi die Ueberleitung:
Sed gravior morbus acriori Indigebat antidoto, und «3 folgt die Reihe graue
famer Gingelftrafen. Freilich ift Hier nirgends gejagt, daß der Erabilchof die
Strafen ansgeſprochen habe, fo daß eine gutwillige Interpretation aud hier
nod) die episcopi milites ala thätig heranziehen Lönnte (215). Doc ift es un:
möglich, daß Anno diefen Straien fern land, wie benn deren Natur, namentlich
die Buße am Vermögen, dafür jpricht, daß fie nicht von einer raubenben Rotte
ausgingen, ſondern von Rechts wegen im Gerichte verhängt worden fein müfjen®’L
Anno fann gegenüber biefen Dingen durchaus nicht fein Borwiffen gehabt Haben.
Da alle diefe Behauptungen im höchſten Grabe fubjectiv und unglaubs
würdig find’®), ift ſchon im Bisherigen angedeutet. Aber ferner ericheint es
erfilich ala ganz unwahrigeinlich, ba Heinrich IV., wenn er wirklich einen ver«
ıtis multotiens af , önscientiam ab hac tyrannide immunem, quippe calus
nee oflel, nec wol LE Enaam an, a logie aecuieslantitee Jura vindietam sugrum ii
s, Siffertation, 76, 117, macht and auf tppifdhe Mnflänge in der &r-
ühtung „nufmertum;, fo IL Die Bine a0 —— —S
en Do ınd bafelbft Hauften, be fang
Det Varaburg bush Die ifigen Bauern 1eor Byaha IO. > a er nere
Glaubwürdigkeit der Grzählung des Lambert von Heräfeld. 807
brecherifchen Plan gem, Anno angezettelt Hätte, ben Angriff auf die geweihte
jon des Erzbiſchoſs genau in bie gleiche heilige Feſtwoche gelegt haben wiirde,
in ber er mit ben Segaten Gregor's VI. zufammenzutzeffen gedachte, dah er
ferner zu ber Zeit, wo bie Eölner auf fein Gingreifen gehoft haben wilrden,
fh an duch Boten vom Rheine ſchwer erreichbare, von Göln weit entfernte
Orte begeben hätte. Dann aber if die Analogie von Worms durch Lambert
allerdings aus nahe Liegenben Gründen herangezogen worben, ba der Bambert
ganz vorzüglich beihäftigende Wormjer all mit bem Gölner Ereigniß alabald
verglichen werben konnte, und barauf war es zur Erſtellung einer urfächlichen
Verbindung beider Thatſachen nicht mehr weit. Allein thatjähli if ja in
Göln bie Bewegung stigfepnett ohne alle Vorbereitung — jo blieb fie aud) er=
iolglos — aus einer rein örtlichen Urſache heraußgewachien, ohne daB, babei das
Borbild einer anderen, das noch recht entfernten Stadt nothwendig geweſen
wäre?) Auch Lambert ſelbſt trägt zur eigenen Widerlegung bier wieder bei,
indem er jagt: Ad patrandum quod nefarie machinabantur casus idoneam
attulit occasionem (211), woburd) ja, zwar unter jubjectiver Vorausſetung eines
vorher gehegten Planes, der zufällige Ausbruch ganz zugegeben ift. Daneben
freilich hat Xambert one allen —— wie er Siegburg derſönlich kannie, wie
er Cdiner Mönde in Saalfeld tennen gelernt hatte°%), von Eöln gute Anhalts-
unete zur Beurtheilung der allgemeinen dortigen Verhältniſſe, Ponie einzelne
tachrichten empfangen Lnnenst). —
Die nah dem Gölner Ereigniffe folgenden Auseinanderfegungen
awifchen Heinrich IV. und Erabifcnf Anno fehen, wie fie, wieber einzig
durch Lambert, berichtet werden, in engem Zufammenbange mit ber Beleuchtung,
meldje Lambert den Gölner Ereigniffen zu Theil werden läßt. Wenn der König
aunädft, multum spirans irarum et comminationis in archiepiscopum Colo-
niensem, von, Mainz rheinabtwärtd aufgebrochen fein fofl, fo meint der Erzähler,
das fei eben im Zufammenhange mit dem vorher durch ihn angegebenen Grunde
bes Aufbruches Heinrichs IV. bon der Donau*?) geihehen, aus ber Annahme
jeraus, daß bei Anno ein proditae rei publicae crimen vorliege. So muß
ich nach diefer Auffafjung der Erzbiſchof zuerft durch Boten rechtfertigen, über
bie — verleumderiih — gegen ihn erhobene Anklage, welche von den Urhebern
bes Gölner Aufruhrs, qui... . nune ad opprimendum eum, quoniam armis
non possent, mendaciis grassarentur, auögegangen fei: falsam omnino ac
scenicis figmentis similem esse fabulam, quam in eum emuli sui compo-
suissent ....... Se non ita rationis expertem vel communis commodi negli-
'ntem eäse, ut in ultionem privatae injuriae patriam suam barbaris pro-
dere velit, nec ea levitate a puero vitam instituisse, ut quisquam sanım
aliquid sapiens tam inepta de se suspicari possit: hie erhebt alfo Sambert
den Anfprud darauf, den Inhalt der erzbiihöflichen Meldung zu fennen. Ebens
jo will er willen, ak Heinrich IV. nach Empfang beö sncramentum von Geite
inno’3 fich dafür ausgeiprochen habe, freilich nicht in aufrichtiger Gefinnung:
Caetera quae delata iuerant ..... . se veteri amieieiae ac pontificali nomini
condonare nec pro jure suo expostulare vellest. Vollends in ber Erzählung
vom Auftreten des Königs in Göln geht Lambert wieder von der Vorauzfeung
auß, baß Heinrich IV. den Aufruhr gegen Anno angeftiftet habe. Heinrie
eröffnet die gerichtliche Verhandlung: sperans Ber, accusationem eorum,
archiepiscopus s propler injurias suas poena affecerat, occasionem sibi futu -
ram, ut eum sedieione concitata rursus civitate exturbaret, ober er will wenig⸗
van ug) Audh Gefebeeät, I, 904, rAdt „dab Beitplel der Mormfer“ diel gu ſehr im
0) Beral. ob. ©. 92 u. 98...
1) Gin oläee Singefüre Fun IR 3. 2, Die Gervorhedung ber Bergenbung ber ery:
— Weinvorrätüe: yiaa In alatinos uras am ope congeate (IB). Derpl, am
6 I, @: 109, 395, n. 117. Zaß e8 dagegen nicht gerathen if, auf geivifien Angaben der-
fefungsgeiiäuline Etähe aulaubauen, berat, 6, 50, m. 11.
rat. ©. 359 u, 390, mit ben Angaben Cambert# in n. 108. —
68) Die hier gebrauäpte Wendung, Daf Heinrich IV. non extincto, sed interim cohibito
furore maß Ghtn 109, IR in eimaß anderen Motten genau —
brachten —2 neie Denuog ubslf gegenüber ber Simmm bes Rönigh in einem
ätulläjen alle iheinbarer Ausfögnung gebegt Habe (bergl. ob. ©. 168, n. DB).
H
responsi veritate ac sententiarum —— — —
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ber Rönig ad alıa — ——e— Eden = ei
wahrfdjeinli} — imperioea quadam ancioritate u
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Haben, wat Beibes Anno mit erg ” * Sk
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35 ber panı 3 Vie
13 in fehr
viel, all, Mbalbert v ‚Bremen, der 9
= R at: BE a in ce is
im Abchluß des —— von 1063 redet Lambert von ber Er-
ringun der a FH en Skellung er Adalbert am känig-
en Hofe. je an bie 3b. 1, ©. 334, n. 52, mitgetheilte ei
t 8 von a! ie sepius eelloguendo, obsequendo efiam atque
assentando ita sibi regem brevi devinzerat, ut, caeteris episcopis posthabitis,
totus in eum inclinaretur, et ipse in regno vom! pene monarchiam
ER videretur; als zweiter wird gleich neben ihm ber ſchon vorhin
6. 18 betprodene Graf Wernher bingefelt. Dann aber inbet fch bab Walter
jeiben noch näher ‚auägemalt: duo pro rege imperitabant;,
eniscopatus et abbatiae, ab his quiequid ecelesiasticarım, quiequid pe
larium dignitatum es Smebatur: Nec alia cuiquam, licet ‚ndustrio a
io viro, spes adipiscendi honoris ullius erat, quam ut hos
zu Pprofusione Pecanfaram suarum redemisset. Dana wendet —
—X eigentlichen Stoffe, ber ihm am Herzen liegt, zu: Et ab episcopis qui-
dem et dueibus metu magis quam religione temperabant. In abbates vero,
quod hi injuriae obviam ire non poterant, tote libertate grassabantur, illud
pre se ferentes, nihil minus regem in hos juris ac potestatis habere quam
—
aber Sao
ER BR Ban Ber ae
en Sarten (ob.
tgl. ob. ©. ‘
67j Bet. B3 © 1
Glaubwürbdigleit ber Erzählung des Lambert von Hersfeld. 809
in villieos suos vel in alios quoslibet regalis fisci dispensatores. Zuerft —
To heißt Ss — geifien Adalbert und Wernher auf bie predia monasteriorum
— fautoribus rout libitum erat, distribuebant —, und danach fuchten
fe bie Alöfler Du lufwälzung von Belaftungen zu erbrüden: quod reliquum
erat, crebra ium serviciorum exactione usque ad feces ultimas ex-
hauriebant®®). Dann aber wuchs ihnen ber Muth in ber — wie bie ®b. I,
©. 466, n. 133, mitgetheilte Stelle e8 auälpricht, und fie verfügten über bie Mlöfter
, and zut Beſchwigtigung und zum Bortheil anderer nen Hier folgt
bie Auf yählung, deren Ginzelnheiten in ®b. I zu 1065 au bringen waren, wobei
bie ie Gärten ve rein nur ala Empfangende herbortreten: Premensis archiepi: opus
persuaso rege dat Coloniensi archiepiscopo (ete.. on biefer all
gemeinen —ãe wendet ſich darauf Lamberi einer ridicula fabula zı
welcdye Abalbert aungehedtt babe, ut totam tirannidi suae vacantem Teddeset
Corbeiensem abbatiam. Da wird erzählt, ber Erzbiſchof habe am Hofe Nach⸗
zichten auägeftreut, der Biſchof von Pola in Iſtrien fei geftorben, worauf ſich
ber Kinig habe bereden Io jen, den Abt von Korvei ala Nachfolger für Pola zu
ernennen; aber während ber Abt ſchon zur Reife fih vorbereitete, jei durch Bot⸗
[haft aus Jtalien die wahre Kunde u ee daß jener Biſchofsſtuhl über«
It gar nicht erledigt fei. Indem fo ber Eh et ‚ala Zeit üger Kälerlich
und verädtli wurde, Habe fi Herzog Otto don Baiern — divino epiritu
animatus — in jeder Weile mit and jrößter Unftrengung bemüht, Ehre
umb Würde dem Slofter Anrvei und defen Abte unverlept zu erhalten. We
Tiches folgt über die von Adalbert gemachten Anftrengungen, cum in monaste-
rum Laurense eatellites archiepiscopi venissent nunciantes, quod regia
donatione locus ipee in jus potestatemque archiepiscopi concessisset, Ju
rentque, ut abbas ei constituto loco non pigritaretur oecurrere: biefe Boten
feien ſchin⸗ A zurücgeichict worden. So ſandte der König eine zweite Bot:
83 am Gehorſam zu fordern, daß der Abt entjage und das Klofier verlafie.
ſoch ber Abt vernahm ben —* ben bie Geſandten bringen follten, jchon
Be und traf jeine Maßregeln. ie Boten ließen fidh bei rer —— auf
den PR Zag vertröften, unb ala fie bann ee, fanden fie feinen
ſchen mehr vor, dem de ifren Auftrag ausrichten Tonnten, weil ber Abt in
bazwifchen Tiegenden . aus einigen en sn a Tone —ã
—— war und auch alle Koftbarkeiten ber Kirche geborgen hatte:
—F ni PR mul an Yin us —X —— inf fe ——
—— egeriſch und du: e Mai —eS en Seue des
on guet, um Abalbert von weiteren Angriffen abzuhalten, eine Burg
u.
onen davon, daß biefe Dinge, wie ſchon Bd. I, ©. 461, n. 122,
geat wurde, um zwei Jahre zu früh erzählt werben, ba fie zu 1065 ehdren‘ N)
it eine % ide ung der Wahrheit barin, daß Adalbert als einzi er
—* altfamteiten gegen bie Kloſter hingeftellt und ber zwiſchen gei
He ie weltlichen Fürften geichehene ei ei I Hanbel ala Geſammil ei
iegen wirb. ‚Bean & tto, den Lam oc noch wenigſtens ala
en bes Kloflerz Ni eraltaich ut ift deffen ungen tet dur in
nur als ber ebel bingebenbe unb ad prohibendum tantum nefas .
conatibus Sircamanaque explieitis fi anftrengende Retter ber greißeit | vs
Klofterd Korve —S Voͤllends den Dingen, welche von Adalbert's Hand»
—— gegenüber Korvei und Lorſch behauptet werben, klebt unverkennbar
—X Beigt, gi
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—V 5 Ex 20 ri em FR N
ap: — be, lim m an
uiwelfungen BY ri 1068 qufammenzuftslien. Dann aber begeht
ert, da med de 1..c. Gebrierten jeben-
* rane der — ber Ecgenkung don —E an
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Ir —— Rd em Kafang bes Jahr⸗ 3
weidjer übrigens auf Ereigaiffe von 1063 zeädgeeift, eine Ausführung
über bie von Adalbert gewollte banernde Hofhaltung bes Bänigs
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#2) Benat. bla 88,1, © 167, 488, n. 174, and) ia Grand I.
— Pia Ein a
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Glaubwürbigteit ber Erzählung bes Lambert von Heräfeld. 811
Lamberts Glaubwürdigkeit iſt bier außerſt gering. Erftens verweilte ber
Hof nacdgewieiener Maßen — vergl. Bb. I, ©. & Y 482 — im November
‚und December nicht in Goslar, fondern in Korbei, um dann nad) Mainz (vergl.
©. 486) aufzubrechen. Ferner war ber König in den leiten Dkonaten don 104
teineßtwegd vom Umgange mit ben Fuürften ganz fern gehalten. Ebenfo beweift
bie Darftellung der Chronik von Lorſch über —A — —65— Anſtrengungen
gegen dieſes Klofter auch noch im Beginn des Jahres 1066, dat Adalbert von
einer Bebrohung feiner Stellung nichts gewußt oder auch nur geahnt haben
Tann. Die anderweitigen in der Hauptfache unter fi) übereinftimmenden glaub:
würdigen Nachrichten über ben Verlauf des Reichätages au Zribur fließen bie
Mögligteit aus, daß fid) die zur Kataftrophe Abalbert’3 führenden Dinge in
ber von Lambert dorgebrachten Weiſe eingeleitet haben ?*),
— Sehr verſchiedenartig ift die Stellung, welche Lambert gegenüber dem Erz ⸗
biſchof Siegfried von Mainz einnimmt: eine Ungleicpartigleit, die mit bem
mwechielvolien Weſen dieſes gentiöen rürften jelbft im nothwendigen Zufammen:
hang feht. Deſſen Schwanten in ben giehungen zu Heinrich IV, und weiter bie
in Sersteld felbft zeitweife fehr gereizte Stimmung gegen ben Erzbiſchof, welchem
weitgehende Se abigung bed Nloſters vorgeworfen wirb: all bas läßt bie übers
zafcher ge ſchiebungen in ber Beurtheilung Giegfrieb’3 durch Lambert bes
greiflic ‚einen.
ie Erfurter Synode von 1073 ift ſchon ob. S. 795—797 beurtheilt worben.
Eine Erzählung zu 1073 handelt über eine aezehung Erzbiſchof
Siegfried’3 in Erfurt buch bie Thüringer. Dieſe follen nad; Zam-
bert in Folge ihres Einverfländnifies mit ber jächfiichen Bewegung ben Erz—
biſchof angefallen — adorti — haben: in communem sententiam concedere
urgebant nee prius regionibus illis excedere passi sunt, donec datis obsi-
aibus fidem suam firmaret, nihil se adversum eos armis aut consilio moli-
tarum (200). Allein bie fhon ob. &. 266 in.n. 133 erörterte eigene Neußerung
Siegfried’ in einem Berichte an Papft Gregor VIL, in weldem fi Siegfried
lagenb an den Papft wendet, redet vielmehr von den Zehnten ald dem weſent-
lichſten Punkte, der gegenüber ben Zbteingern vorliege. ebenfalls ift aud,
angefichts der tiefen Exbitterung, welche aus bem Briefe Siegfried's an ben Papı
gegen er den Thüringern —F ausipricht, ganz ausgeſchloſſen, daß etwa ber Exz-
iſchof mit ihnen gegen ben König verbunden geimeien jei, wie Lambert andeuten
zu wollen fcheint (gegenüber ben jächfifchen fyürfien war dagegen bie Eachlage
emäß dem oben ©. 238, n. 86, eingerüdten Sahe Lambert's wohl eine andere).
& jenthümlich ift dagegen, daß Lambert, wo er gleich vor dieſer bier hervor—
gehobenen Stelle ber Abteien Fulda und Heräfeld gebentt (200), über das vor⸗
jüglih aud für fein Klofter ſehr empfindliche Ausbleiben ber thüringifchen
Schnten nicht |pricht, obſchon er nachher noch in dieſem Jahresberichte darauf
äurüdtommt, und zwar nicht ohne dann dabei auf ben sönig in, dieſer Sache
neuerdings ein übles Licht zu werfen: dolente rege, quod,
ü jeratius inbiaret, pene regnum cum vita amisisset (206).
Noch ein Ereigniß aus dem geisen Jahre 1073 fällt in die Entwidlm,
bes Gegenfages zwiichen Heinrich IV. und den Sachſen. Das find die dur
Erzbilhof Siegfried zu Korvei am 24. Auguf 1073 mit ben
Sadjen geführten Berhandlungen, welche Lambert eingehend vorbringt.
Seinrich IV. — videns conjurationem magis magisque in dies convalescere
Copiasque hostium augeri, conterritus etiam damno castellorum suorum,
quorum alia jam capta, alia summo molimine oppugnari audiebat — foll
dum decimis
VIII, 428 0. 8, hielt, bı
genau sreißtehben Cara
ei
tt —
fact . regnum eriperent: 159) borgebri
t niät au Tegen. Ganz trifige Eintoenbungen nen x
Deree Eältberung, bringt and Mentiind, entf he Gelhihte unter ben jädfihen und
Jeltihen Railern (Biblintpet deuucher Geiiäte, IM), 523 n. 2.
810 Excurs L
bie em! ef. r Briten Geſchwaͤhes an. Die Sache ber Mönde at,
FA jofe in den im Heräfelb elle Beten —
allen ber Bi te Angreifer tritt jelbft in bie ihm in a Zee ge
‚alle unb fich jämt als Unterliegender aurüdziehen Es if
En ganz der gleiche Aufbau in den beiben Geaichtien ———
iſt der fe ette Erfolg — das bleibt wahr — an beiden Drten dem Gr; a
Abalbert een gegangen, woneben auch bie Pi Her der Burg den
Sorfcher milites richtig if. Allein e& waren grofe Gegenfäße, welche berurf
daß Adalbert feine Sache verlor, HR ſolchẽ tleinliche elende Erſcheinungen, pr
deren Vorbringung Lambert fich ex;
In ähnlicher Weife finder nr am Anfang des Jahresberichtes don 1066,
welcher übrigens auch auf Ereigniffe von 1065 Bin eine Ausführung
über die von Adalbert gewollte dauernde Hofh alfung des Königs
u Goslarundbiebarangfidergebende Not Bee Blende 31V. EN
ad) Lambert fol Adalbert ben Hof beſonders auch für das Weihnachisfeſt 1065
in der genannten Pfalz tamquam stativis castris feft Fergeh alten haben, unb *
habe die Abneigung gegen den fteten Aufenthalt bes Königs im Sande —
den Sachſen iſt natürlich gemeint — gewedt, jo daß ion \ jet nur —ES
und in nit ausreichendem Amfange die Einkünfte zur teitung ber —
Haltung geliefert worben fein: Rex... . sumptus habens regiae m:
multum impares. Nam preter Dauca, use ex reditibus
bant, vel quae abbates coacticio famulatu ministrabant, caetera omnia in
quottidianos usus eius quottidianis impensis emebantur. Das foll aus allge
meinem Haſſe gegen Adalbert’3 Eigenfucht geichehen fein, welder den König
durchaus nur in Sachſen, unter feiner perlönlichen Einwirkung, Halten —
(le in alias regni partes regem abducere nolebat): omnes ..... . et ipsi
@&. 5. doch wohl die Hachber erwähnten principes regni) ergo consueta
servicia detractabant. Erſt ala die gegneriichen Veranftaltungen der Erabitähte
Siegfried und Anno in Goslar bekannt geworben feien, habe endli * —2
— alfo erſt nad) dem Weihnachtsfeſte — ſchleunigſt an den Rhein
Perlato Goslariam atrocis rei nuncio, rex ad statutam diem, sc. ve —
olloquium, eoneitus properabat”®). Rambert behauptet nämlich, daß die heben
Eat — jam adulta conspiratione — eigenmächtig in den Gang der Re-
gierung Sen, und jene Verfammlung — diem gen« collo-
quii omnibus indixere regni prineipibus, ut Triburiam eonvenientes Pre-
mensem archiepiscopum, communem omnium hostem, communibus omnes
studis oppugnarent regique denuneiarent aut regno ei cedendum esse aut
familiaritate et amicicia Premensis archiepiscopi defungendum (171 u. 172).
70) Mebzigenb Tann, für bie Bber, ben She diritatis culusdam Transa] cni
nomen gr — ehe ——— *
—
— dalmay Prixienais. ——— ‚Cimanus,
Vorceienets. Ambrosies Pergamenen
Huc Vosuniinus o| Uodalricas Papi
)- Ei . —
— Yen Ron) ri, a, a Gh ingelögiesene — —5
jutreten, wenn Re ed ia F ——
ed (vergl. Bo.
ROTE ren 480, D. ge, 483, n. 174, auch in Excurs X,
1} San Ber zu des Grafen Weruher, in jener einfeitigen Anffafung,
et 6. 198 bie Rebe var.
Glaubwurdigkeit ber Erzählung des Lambert von Hersfeld. 811
Lambert’3 Glaubwürdigkeit iſt hier außerſt geing- Erſtens verweilte der
Hof nachgewiejener Maßen — vergl. Bb. I, ©. 481 u. 482 — im November
‚und December nicht in Goslar, fondern in Korvei, um dann nach Mainz mt
©. 486) aufzubrechen. ferner war der König in den lehten Vtonaten von 10
teineßwegö vom Umgange mit ben Fürften gm fern gehalten. Ebenjo beweift
die Darftellung der Chronit don Lorſch über Adalbert’s Parigepte Anftrengungen
gegen biejes Klofter auch noch im Beginn des Jahres 1066, baß Adalbert von
einer Bedrohung feiner Stellung nichts gewußt oder auch nur geahnt haben
Tann. Die anderweitigen in der Hauptſache unter fich übereinftimmenden glaub:
würdigen Nachrichten über ben Verlauf des Reichslages zu Zribur ſchließen bie
Roolichteit aus, daß fich die zur Kataftzophe Adalbert’3 führenden Dinge in
der don Lambert vorgebrachten Meiie eingeleitet haben +),
, „— Sehr verfhiedenartig ift bie Stellung, welche Lambert gegenüber dem Erz ⸗
biſchof Siegfried von Mainz einnimmt: eine Ungleichartigleit, bie mit bem
wechſelpoll en Weſen dieſes — ürſten ſelbſt im nothwendigen Zufammen-
hang ſteht. Defien Schwanten in ben gehungn au Heinrich IV. und weiter bie
in Serateid jelbft zeitweife jehr gereigte Stimmung gegen ben Erzbiſchof, welchem
weitgehende © aoigung des Nloſters vorgeworfen wird: all das läht bie über»
raſchenden Verichiebungen in ber Beuribeilung Siegfried's durch Lambert bes
greiflich erſcheinen.
ie Erfurter Synode von 1078 iſt ſchon ob. S. 795—797 beurtheilt worben.
Eine Erzählung zu 1073 handelt über eine an Erzbiſchof
Siegfriedes in Ergurt durch die Thüringer. Diele ſollen nad) Lam-
bert in Folge ihres Einverftändniffes mit der jächfiihen Bewegung dem Erz⸗
biſchof angefallen — adorti — haben: in communem sententiam concedere
‚ebant nee prius regionibus illis excedere passi sunt, donec datis obsi-
dibus fiden suam firmaret, nihil se adversum eos armis aut consilio moli-
turum (200). Allein bie ſchon ob. ©. 266 inn. 183 erörterte eigene Aeußerung
Siegfried's in einem Berichte an Papft Gregor VIL, in welchem fi) Siegfried
Hagend an ben Papft wendet, redel vielmehr von den Zehnten ald dem weſent-
lihften Punkte, ber gegemüber den hingen vorliege. Jedenfalls ift auch,
angefichts ber tiefen Exbitterung, welde aus dem Briefe Siegfrieb's an ben Papft
enüber ben Thüringer fih ausfpricht, ganz aus —* baß eiwa der Erz
—& mit ihnen gegen den König verbunden —8 ſei, wie Lambert andeuten
zu wollen ſcheint (gegenüber den ſächſiſchen rfıen war dagegen bie Sachlage
gi dem oben ©. 238, n. 86, eingerüdten Sahe Lambert's wohl eine andere).
igenthümlich ift dagegen, bag Lambert, wo er glei) vor dieſer hier hervor⸗
gehobenen Stelle ber Abteien Fulda und Hersfeld gebentt (200), über das vor -
jüglih auch für fein Klofier fehr empfindliche Ausbleiben der thüringiſchen
$ imten nicht fpricht, obſchon er nachher noch in biefem Jahresberichte darauf
zurädtommt, und zwar nicht ohne dann babe auf ben König in biefer Sache
neuerdings ein übles Licht zu werfen: dolente rege, quod, dum deeimis
immoderatius inbiaret, pene regnum cum vita amisisset (206).
Roch ein Ereigniß aus dem leisen Jahre 1073 fällt in die Entwidlun;
bes Gegenſahes zwiſchen Heinrich IV. und den Sachſen. Das find bie bur
Grabilhof Siegfried gu Rorvei am 24. Auguft 1073 mit den
Sadjen geführten Berhandlungen, welche Lambert eingehend vorbringt.
‚Heintih IV. — videns conjurationem magis magisque in dies convalescere
©opiasque hostium augeri, conterritus etiam damno castellorum suorum,
quoram alia jam capta, alia summo molimine oppugnari andiebat — foll
74) Bergl. Db. I, ©. 488 f. Waih, Deutie Derf..@eiä. VIII, 428 n. 3,
Fl bung her Gieieians ah ne Mohtene od The genen send
‚ham. Sambert’9 Racricht über die elgenmäätige Berufung Di
Eeite für annehmbar. Was andererfeits
hielt, durch
——
——
— jhon nad
in Zribur wiederholte Srobumg
I auf Biele In ldon . 1087 el
Teen enpenat: 159) vorgebradte
iriftige Einwendungen gegen Same
— Sclatale unter ben jächfärn und
an, 523 n. 2.
812 Excurs I.
die Erzbifchöfe Siegfried und Anno gebeten haben, mit ben Sachen eine
fammenkunft zu halten und babei An irgend welcher Bei D jerung zu ſchaf
Nah diefem dem Könige ausbrüdlich zugeidriebenen —TE....
rogavit — hätten bie beiden Grzbiidöfe bie ſachſiſchen gyürften einer Su
fammentunft behufs Verhandlung de communi commodo in das Hofer Rosi
auf ben 24. Auguft aufgefordert. Zwar kam nunmehr Anno jelbft nit: camı
nescio an per industriam remoratus —, jdidte bagegen Boten mit der de
fiderung, er werbe allen für das gemeine Befte gefaßten Beihläffen bereitwillig
aufimmen. Dagegen berfanbelte Giefei fee Sfrig mit den Salem; sedulo
nitebatur pacare eos regique reconciliare. + follen nun diefe hier —
preter vulgatas ubique injurias suas, quibus ab eo vehementer attriti füerant
auch noch beſonders die Scheußlichteiten über unnatürliche Lafter des Königs,
bie eine weitere Regierung befielben zur Unmöglichteit madjten, vorg
haben’). Nadı Langen Derhandlungen jei entidhieden worden, bierundzmanzig
Geifeln, die ge von ſachfiſcher, die andere von töniglicer Seite, aufzuftellem,
unter deren Berbürgung ber gegenfeitigen Sicherheit bie jächfifchen Fürften bereit
fein wollten, zu einer Unterredbung mit ben übrigen Fürſten des Reiches zu
fammenzutreten, bamit durch deren Urtgeilafpruch bie gegen den König vorge
brachten Anflagen erörtert und zur Entſcheibung gebracht werden könnten; auch
Heinrich IV. bürfe, wenn es zuträglich fcheine, zugegen fein und, falls er das
vermöchte, die ihm zur Echuld gelegten Verbrechen von fi abweiſen. Der Zug
für bie Auswechfelung „ber je zwölf Geifeln folte ber 13. September, der Ort
diejes Borganges ber thüringiſche Play Homburg an ber Unftrut fein. Al
Stätte ber Vereinigung ber fyürften wurde Gerflungen an ber thüringikd
heffiſchen Grenze, ald Zag ber 20. October ausgemacht. Wie bad num aber dem
‚Könige mügetbeitt jei, follen deſſen Anhänger die Bedingung: ut ipse Saxonibus
ro se obsides daret — mit ber föniglie Würde ganz unbereinbar gefunden
Daten, fo da die Bedingung abgemwiefen wurde. So jeien Siegfried und Immo
allerdings am 13. September nach Homburg gegangen, und durch fie fei ba er-
Iangt worben, daß von beiden Eeiten auf die Stellung der Geiſeln Berzicht ger
Teiflet wurde: ut... . . ipsi (sc. episcopi) tantum pro firmanda fidem
suam interponerent et hoc pignore venturis Pr eolloquiam principibus
omnem periculi metum adimerent (201 u. 202).
Diefe Erzählung Lambert's fleht in fonderbarem Wiberfpruch_mit den
glaubwürdigen Mittheilungen über Heinrich's IV. Haltung nad) dem —R
von bee Harzburg, mit anderen Worten — benn dieſe Mittheilungen
Lambert jelbft — mit ben vorangehenden Abſchnitten bes eigenen ‚töimerteh.
Ra der Darftellung von ob. ©. 255—257 war Heintid) IV. durchaus Willens,
nit mit den Sachſen zu verhandeln, fondern im Gegentheil ihnen ben vollem
Ernſt gu zeigen, und zu biefem Zwede glaubte er bi? zum 5. October durch bie
verftärkte fürftliche Heeresrüflung in ben Stand erh u fein. Dazu fimmt
aber durchaus nicht, daß er bie beiden Erzbiſchöſe ut Haben fol, auf ben
24. Auguß eine Außeinanberfehung mit bem Sachfen anzubahnen, zumal and
nicht wegen ber zeitlichen Verhältniffe, da ja eine auf biejen ‚gegebene Bei:
fung — unb ice fol zu gleicher Zeit an ben in Erfurt weilenden Siegfried,
an ben Höchft wahrſcheinlich in Göln anmeienden Arno abgegangen jein! —
durch a IV. mitten in ben Aufesgungen ber Fluchtreiie ober gar mod
früher hätte gan werben müfjen”%). So ift denn überhaupt Lambert’s Auf
faffung, daß Siegfried — und Anno — im Auftrage des Könige Dante
verneinen?‘) Zamit nimmt indeffen natürlic) auch, was don ber Art und Wei
der Werwerfung ber Korveier Beiehlüffe von Heinrich’ IV. Geite gejagt wir,
15) Berat. (dom Bb.1, &, GIB u. 614m. 14, Aber biefe don Mruno nu Vorliebe ak
alten Dinge, ebenfo nadhher in ErrurB TIL.
10) Gilebrsän Ric) Im des 5. flag, IT, 282, bie fen Hier eingefäattste Ben
muthung, Qelneid IV. babe „meh nad) von ber Haraburg aus“ Giegfried und Anne anh
ET) Gindner., Unno IL, 77 u. 79, nahm zwar bie Mnzufung der Grpitäpfe dur ber
König immerhin nod an. Doch Wogeler, Otto von Rorbeim, 58-55, zeigte, Ichom aub ben
eitangeben, bie Unmdeitäteit ber Mofiorung Bamberts wid Meike ch ala gena Tagl
n 2 mentunft dom Adni ngen {el. Herman *
54 oieh nahbriatih darauf bi, Daß und ang Weiden Agenfäig.fgen Urfadrn Eier
Glaubwürdigkeit ber Erzählung des Lambert von Heräfeld. 813
eine andere Geftalt an; denn ber König mußte gegenüber einer nicht von ihm
lbft veranlaßten Fefiſtellung von Bedingungen ie viel freier fein. Immerhin
Id jeboch Lamberis ‚angaben über die vage der Zufammentünfte, über deren
Dertlichteiten jo ausbrüdlich und befiimmt, daß ber Thatfache biefer Verſamm-
Lungen bie Glaubwürbigteit nicht abgefprochen werben darf; nur muß ſich eben bie
Code weientlich anders verhalten meer, ala Lambert das glaublich machen will.
Endlich iſt nicht zu überfehen, dak Sirgfrieb an diefem 24. Auguft jedenfalls
amter der Einwirkung dringender Umftände handelte. Nimmt man an, die oben
©. 264 erwähnte Tretenburger Berfammlung babe ſogieich nach der auf den
10. Auguft anzufegenden Flucht Heinrich s IV. von ber Bargburg Rattgefunden,
und dann fei ſogleich ber Angriff ber Thüringer auf ben in Erfurt fi aufs
haltenden Erzbiſchof Siegfried erfolgt und biejer veranlaßt worden, Thüringen
au verlafien — vergl. ©. 253 ff., 264 fi. —, fo tann Giegfeied felbR ganz un«
möglich erheblich vor dem 24. Auguft in Korvei eingetroffen fein, fo Gar alſo
das Zuſanimentreffen mit den ſächfiſchen Fürſten nicht von lange her vorbereitet
gewelen fein kann und aud Anno ſchwerlich eingeladen geweſen war”®) Bei
den Beziehungen Otto’ von Nordheim zu Sorvei — vergl, Bb. I, ©. 479 —
Kiegt es nahe, anzunehmen, daß in erfter Linie dieſer Führer des jächfiichen Auf
ftande mit Sirgfrieh in Korvei zufammengetzoffen jet. —
ine weitere an den Ramen Siegfeieb's fid) anfnüpfende Behauptung Ram
Berta iR bie Derfündigung bes Bannes dur ben Grabildn] von
Mainz gegen die thüringifchen Fürften nah der Schlacht bei
Homburg, welche fi in Sambert’3 Erzählung alsbald am bie ohne Zweifel
im allem Weſentlichen zutreffende und glaubwürbige Schlachtſchilderung anſchlieht.
Lambert Beingt Togteich von dem Boden der Wahrjcheinlichteit fich entfernende
übertriebene Angaben, ausgehend von ber oben ©. 505 erwähnten Trauer ber
Krieger des Löniglichen Here über die große Zahl der Gefallenen, daß da haud
obecurae mussitationes hin unb hergingen: quod maximo sui piacolo, minimo
rei pubilcae emolimento manus suas innoxiae plebis sanguine polluissent.
Das habe den König ängftli gemacht, daß der gute Wille jeiner Krieger von
ba an fehlen möchte: ne miles in irritum fusi tanti sanguinis penitens reli-
gionis optentn deinceps miliciam detrectaret, quam sine peccato et gravi
offensa Dei administrare non posset, und dieſer pessima res habe Erzbiſchof
Siegfried ein pessimum remedium geboten, nad) einer Bexathichlagung mit
ei familiares regis, welde hier wieder die Schuld tragen müffen. hnter
Berufung darauf: a Romano pontifice sibi, hoc issum esse, ut absque
legittimis induciis, absque legittima discussione, Be uo sibi occurreret, eos
justo anathemate ab aecclesia reeideret, habe Siegfried plöplich öffentlich
ortretend die principes Turingiae, ohne daß irgendwie die borbereitenben
jwitte nach dem kirchlichen Rechte ordnungagemäß gethan waren, geftüßt auf
eine preceps sententia, von ber firchlichen Gemeinfchaft ausgeſchloſſen, mit ber
Erllärung, der Grund dazu Liege in Dem ob. ©. 411 u. 412 erzählten zu Erfurt
eingetretenen Vorgange des Jahres 1074. Hiebei iR Lambert der Anficht, dab
& Siegfried zum Vorwurf gemadt werden fonnte, dak er, und zwar contra
canonum seita, gegen miseri homines tam inexplicabilibus negociis ad pre-
sens impliciti Pergrgangen fei, dazu tam iniquo tempore, nämlid: quando
tantis undique bellorum procellis jactati non causis dicendis vacare, sed
vitam suam fuga vel armis servare necesse haberent, und er meint, dab
Jeberniann des Erzbiſchofs wahre Abficht habe ertennen können, keine anbere
ala: ut exercitus regis promptior deinceps fidentiorque adversum eos bellum
gereret, de quorum oceisione, si post excommunicationem oceisi fuissent,
lich bai
& auf biefe
'ante, Mel gelaldte ‚VII, 236 n. 237, bier Lam
— —— im. ,
78) Zie Rennun Anno’s beruht biellei uc_twieber auf einem Rädiäluffe Lambert's
ans bem Greignifie vom Januar 1074 (vergl. im n. 77).
814 Grund I
putaret se nec peccatis obnoxium fore nec poenis, quas leges ecclesiasticae
stataunt homieidis (228).
Schon Delbrüd, 4648, Hat in dieſer Ausführung Lambert’3 einen Be
weiß ber Abneigung beifelben gen Erzbiſchof Siegfried und dem Fr biejem
Wege gemasten Verſuch einer Verkleinerung bed Könige erblidt. Zunih *
mit Delbrüd hier ein a emaliger empfindlicher Selbfiwiderſpruch Lambert’3 zu
erfennen; benn dieſer hat zu 1074 — vergl. ©. 413 — erzäßlt, — Giegteie
die Störer ber Erfurter Synode ade an allen Feſttagen sub episcopali
banno zur Buße aufgerufen Habe’°). Ebenſo if aber aud) mit ganzer Schärfe
gegenüber Sambert feftzubalten, wie wenig es dem Könige, ber die Gadjien gauz
voran und nur daneben die Thüringer befämpfte, ber nun alsbald durch sh ji:
Kingen m weiter nag dem ſächfiſchen Gebiete 320g, dienen fonnte, wenn in bieler
Weile Erzbiſchof Siegfried einen Be bes thlieingifchen Woltes mit fird-
licher Behrafung maßregelte®0). Ferner ift auch nicht zu überfehen, baß der
Er zbiſchof, wenn er fo gehandelt haben wiirde, fi) kaum dazu geeignet hätte, I
ber äctten Zeit mach der Schlacht, wie das beftimmt bezeugt ift — vergl. ob.
©. 508 fi. —, ald Vermittler von Seite ber Feinde des Königs angerufen und
in gleicher Weiſe von Heinrich IV. felbft gebraucht zu werden?t). —
Andere einzelne Stellen zeigen gleichfalls bie Abneigung Sambert’3 gegen
den Erzbiſcho den Mainz, jo die Aeußeru — über Siegfrieb’3 Abdankunges
elüfte: vergl. ©. 5, n. 10, 170, n. 102, bann aber ganz beſonders die
Mhon exörterten Suskihzangen über die Be egung en Giegfrieb’s zu den Zehnt⸗
angelegenpeiten in Thüringen — wozu auı Deraf, ob ob. ©. 412, n. 149 — und
über die KR sprarate Begünftigung des Biſchofs Hermann von Bamberg
buch den Exabtichof.
— Borzüglid) fallen aud) die Abtheilungen der Lambert'ſchen Erzählung in
das Gewicht, die a auf Fälle beziel in welden —S imonie zu
Zage trat oder vorhanden zu fein ſchien, und wo ber Tadel anſcheinend auf
die Mitwirkung des — ausgedehnt werden fonnte.
Da fteht die Angelegenheit des Gonftanzer Bisthums voran, und Hier Hat
bie über bie Sade bes Siſchofs Karl von Conſtanz entſcheidende
Mainzer Synode von 1071 bie größte Bedeutung. Lambert ſchildert in
79) Dort Al eb: ad penitentiam evocavit (219) — bier nun: nec caronice ad sinodum
erocati nee. es ve
Bloto, 1,428 n., ebenfo rg rd 1. €. 88. seen die Glaubw!
keit biefer Nee ünbejeugien Sei gegen Gat bier mieber ——8*
4244, „feine en! ungen mn Snbentunnen F* ert’d“ entdedt, melde zeigen
er an au, inie font {af überail, mitten in’s Geuer bi einlah, Std ee it gem
ns: feinen bedite“. Gbenfo ot
bi jen, Bu allerbings war an jener fri
‚dab, Ballım Burdarbe — derat, Bo. "
tigen. Seht beingt er ——
Beineie IV. und den @naftns geihehenen Greigei]
©foratus in Halberstatensem opiscopum, pro eo quod |
Saxones dedition| consentirent — Darauf ausgegangen
militari manu non potuerat ..... . episcopatu eum del
— intentans ei crimen cr eu de causa, quod con
Indo aan ‚spopondisset, instructam aciem dux ip
Be ee —— * are Habe
Sneiliam enden Kantate eranuit“
en daß bie Worlahn
abgelehen davon, t
a — eines folc
ie erwähnte Im Deiober gehaltene Ernche don — get Ir
Glaubwürbigfeit der Erzählung bes Sambert von Hersfeld. 815
biefem Abſchnitte Heinrich s IV. Antheil an den Vorgängen durchaus nach ber
Unfihht, der König habe die eigenfüchtige Th ‚gehabt, Karl mit allen Mitteln
im der zugewiefenen Stellung zu |hüßen, und fich vorgefegt, in Zewy zu dieſem
Behufe einzu⸗ — Nah Lambert’s Erzählung wohnt Heinrich IV. von An-
mn den Mainzer Verhandlungen bei: Cum statuta die in sinodo cum
episcopin assedisset, sc. rex....... — und get gegenüber den Gonftanger
lichen zu Gunften bes befignicien Viſchoſs Karl ein: rex, quantum salva
verecundia, poterat, dedita opera nitebatur et modo ohjeeta purgare, modo
pondus objectorum, quae non poterat purgare, callidis sermonibus cona-
tur attenuare, plerumgue etiam instantium ac perurgentium procacitatem
verbis durioribus corripiebat ac frontis impudentiam opposita auctoritatis
sune majestate refringere temptabat. Darüber follen awei Zage vergangen
in. Doch zuleht behält Karl Unrecht, und der König muß felbft den Bil ei
ftab aus befjen Händen zurüdempfangen. Dabei ift wieder Heinrich IV. felbit
‚Hauptbetpeiligter: Cumgue acensatorum constantiam nec veritate responsionis
nec arte dietionis eludere posset ... . probatis quae objecta fuerant crimini- „
bus... . Verbis tamen exquisitissimis mesticiam eius (sc. Karoli: nad
NRüdgabe de baculus episcopalis) consolabatur, promittens, quod, dum pri-
mum ii oportanmm ieret, benigna vice hanc calamitatem ei compensaret
u
Durd die Acta aynodi Moguntinae, im Codex Udalriei, Nr. 37, läßt
ic) die Bngtaubwiirbig leit dieſer Darftellung unmittelbar beweifen. Am erften
je wurde überhaupt in bie Gonftanzer Sache noch gar nicht eigentlich einges
treten. Dom 16. Auguft, dem zweiten Situngstage, beißt es da: Illud vero,
quod maxime in cause fuit, de Constantiensi apposito, inter fratres studiose
ventilatur. Sed iterum interveniente principis mandato, in sequentem
diem procrastinatur, agentibus internunciis, ut sacerdotes Domini a con-
stantige suse rigore ad regiam se inflecterent voluntatem, aliis vero in-
stantibus, ut designatus ille male usurpatum sponte dimitteret honorem —,
und ähnlich fagt Ezbiſchof Siegfried in feinem nachher verfaßten Briefe (Nr. 38
bes Codex Udalriei): Illud ... dilationibus protractum est ıtibus inter-
nunciis, alüis . aliis vero instantibus .. . . (in faft —* Ausdrude).
Gang blnbeis aber zeigen bie Acta in ihrem Berichte über ben 17. Auguft
ein von Lambert vöNig abweichende Bild der Dinge. Gott hat Großes gethan:
ita temperavit animum principis, ita mitigavit eum ad verba sanciae ex-
hortationis, ut nulla juvenili moveretur acerbitate et, quod in potestatibus
dificile est, nulla sacerdotes insolenti lederet responsione — multum tamen
se excusans, worauf bie ſchon ob. ©. 82 mitgerbeiten Worte Heinrid’a IV.
folgen. Set erft betheiligte ſich der König an der Synode: Hac autem salubri
sermoeinatione cum sacerdotibus — nad) Nr. 38 waren es omnes quotquot
aderamı iscopi — habita, cum eis venit in concilium. Aber es ift von
irgend einem Eingreifen Heinri'3 IV. in bie Verhandlungen nicht bie Rede;
& heißt nur noch, daß der König aus den Händen bes Defignirten bie Zeichen
ber Inveſtitur zurüdnahm. Ca ift alſo auf bie hier von Bambert g ebene
—— der Vorgänge der Se, der bie Acta wiberfprechen und die aus
einer vorhergefaßten beftimmten orfeung herborging, et zu_leiften®®).
Rante, Sämmtliche Werte LULI, 136, urtheilt, Lambert habe über bie Thatſachen
feine genaue Runde gehabt, was fogar ala ein Beweis jubjertiver Eprlichteit an»
gejehen werben bürfte2®). —
82) 68 tommt nod) hinzu, bat
©0 m. 61, das bei Sambert beliebte She
u
Cs iR ein Berlud), apolsgetiih für Karl einzutreten und bie @laubiwärdigteit der Acta zu
A va — Han Miderfprutj ftehenden, von Yambert bargebotenen
Zulammenhang berangiehen au Bnnen. Go if ber Baß ber Acta; ntram Ist (c- Mat licerat
8 excusare advorsus accusationom Istorum, weldjer nur den ob. ©. 83 gegebenen Ginn haben
816 Ercurs I.
Ein Zufammenhang, in weldem fi) Lambert völlig gehen läßt und in
meitgebenbfte Weile auegeiprochenfter Leidenſchaft freien Kaum gönnt, if bie
auf die Erwähnung beö freiwilligen Rüdtrittes des Abtes Meginwarb — vergl.
ob. ©. 33 — folgende ihlung über Abt Ruotbert von Reichenan,
ben von Anfang an unter unglimpfungen eingeführten, bier ſchon in n. 28
erwähnten Nummularius ober pseudomonachus, dicam expressius vi doloris
impulsus, is angelus Satanae transfiguratus in angelum Iucis. Das Bild
bes Lambert perſonlich verhaßten Möndjes wird zu einer eigentlichen Frahe ver-
errt. Ruotbert ericeint ſchon in ber Zeit, wo er noch in feinem Klofter zu
jamberg einfacher Mönd war, ala ein auf die ſchmuhigſte Meile durch Geld»
gelhäfte wuchern fich bereidjernber Mann: infinitam sibi pecuniam conaverat,
welcher außerdem überal. Hin in ängfiliher Grwartung feufzte, ob nicht ein
Biſchof oder Abt ftürbe, und fo für ihn ein Pla offen würde. Eudlich geflattete
ihm feine Ungebuld feine längere Zurüdhaltung mehr, und da fol er am Hofe
ben Verſuch emaät haben, den Abt Widerab von Fulda zu verdrängen und
fi an deſſen Stelle felbft fegen zu Taflen: — preter occulta munera, quibus
auriculariorum favor redimendns erat, jol er da dem Aönige centum pondo
auri verſprochen haben, jo daß nur ber Widerſtand Weniger, benen bie fix:
lichen Gefete über dem Gelbe fanden, Ruotbert’3 Abficht vor Heinrich's IV.
Angeficht durchtreuzen Tonnten. Dagegen habe nun eben nad Meginwarb’s
Nüdtritt — protinus — fi) Ruotbert um die Nachfolge in Reichenau beworben:
annumeratis in erariam regis mille pondo argenti purissimi, um
electionis ostium, sed per simoniacae hereseos cuniculum einzutreten. {preilid)
gelang ihm das nicht nad) feinem Willen. Lambert meint, Ruotbert jei gar
nicht nach bem Alofter gefommen: Advocatus Augiensis monasterii®*), post-
quam pecuniarium hune abbatem advenire comperit et, quanta largicione
aditum sibi in ovile Christi lupus rapax patefecisset, audivit, missa obviam
legatione denunciavit ei sub interminatione salutis propriae, ne intra
possessiones Augiensis monasterii presumeret accedere, alioquin occunsarum
se et armata manu vindicaturum in libertatem, yuos ipse tam caro merei -
monio emisset in servitutem —: darüber erfchridt Ruotbert aufs Höchfte, ſchon
wegen be3 Verluſtes der auf die Sache verwendeten Gelder; er will zunächkt
die Angelegenheit auf einen Kampf antommen lafſen, hört aber von ben Seinigen,
uf das über ihre Kräfte gehen würde, und fo verfügt er fich tief niebergeichlagen
auf bie Befihungen feines Bruder, um den Ausgang ber Sache abzuwarten.
Aber biefe Reichenauer Frage hat für Lambert augenfcheinfich eine weitere, über
Nuotbert’3 Perfönlichteit weit hinausreichende Bedeuiung. Denn nad; feiner
Anfiht ift überhaupt die sancta et angelica monachorum professio burch
Ruotbert geldänbet: ut monachi nostris temporibns atque in his regionibus
non innocentia estimentur atque integritate vitae, sed quantitate i
nec queratur in abbatibus eligendis, quis dignius preesse, sed quis carius
abbatiam possit emere. Ruotbert ift die Urſache — proprio huius invento,
novo atque infausto huius aucupio —, baß eine abicenliche Gewohnheit fi
einfdlih: ut abbatiae publice venales prostituantur in palacio, nce quis-
quam tanti venales proponere queat, quin protinus emptorem inveniat,
monachis inter se non de observantin regulae zelo bono, sed de questibus
et usuris zelo amaro contendentibus. So fann es auch nicht ala auffallend
kann, in einer für Rust gänfigen Zeile geisanbt (einen Jorihum Beper's betenctete fürn
6.8i, n. 74). ud Lefartg wollte, 48-55, Sambert' .
ri@8 IV. mit den Acta bereinbaren; allein der Derfudh, gabe über bem König:
Primum et secundum diem in hoc negoci —* ‚Acta in @iı
Teen, if niet gelungen. Ba, Eledfeled 1.160
er Miehe aber Tel in Biefe Konuflege Son 10T nad ER
Ir auf deu Baden ber
Bere Weide Aa ont Teühete len Beh Elreien,
alß 08 Heinrich IV. nodh während ber Dauer der Synode, bit i engen.
ri IV. ” „
Seaenbemäungen, ‚sufammengetteten iäre, ber Verfammlun ir; u Aa semaht
m
im
We, ühre Derhanblungen, zu niäte em.
) Sn der ob. ©. iönten Uefunbe de& Abted Gagehard ift 1075 für
Reidenau lezil advocatus gı ıt: dergl. Brandi, Quellen und [hungen zur Geidiäte
ber @btet Beichena: Notitise fundationis ot traditionum des
&
gumet Sorgen ne tannte Griveiterer ber tieineren Anlage jum größeren
Glaubwürbigteit der Erzählung des Lambert von Heräfeld. 817
erfcheinen, daß im St. Michaels-Rlofter zu Bamberg, das Ruotbert verlieh, um
Reichenau anzutreten, die jhlimmften Zuftände her: [hten; Lambert ‚gedentt ber
fratres, quos prior ille abbas — eben Ruotbert — suis, hoc est mercato-
rise atque usurariae artis, disciplinis inatituerat et quasi filios pater in
vitam moresque suos pedibus, ut dicitur, ire docuerat: — freilich jeien dann
biefe vor Ruotbert’s Rethfolger Eitebert — Gorziensis linae 85) monachus
— fogleich, „wie Blätter, die vom Winde fortgeriffen werben“, zerftoben. Diefe
Beleuchtung "der fimoniftifchen Umtriebe in den Kloͤſtern Ichien Sambert eines
eigenen Buches würdig zu fein: haec ut digne defleri int, pro magnitu-
dine sus et proprio volumine et prolixiore opus habent tragedia; aber er
begnügt fi Die mit ber ausführlichen Geörterung der Reichenauer Frage, jo
wie Re Ve ‚om darzufiellen ſcheint (183 u. 184)8°).
Rad} den jhen ob. &. 44 u. 45 gegebenen Yugeinanberfepungen iR Sams
bert's Schilderung des Vorganges gegenüber ben beſſeren Zeugniffen nicht fefte
zubalten, Ohne alle Frage ift Ruotbert’3 Treiben mahlos weitgehend auägemalt:
eigen ſchon die außer aller Möglichkeit ftehenden Höhen ber erwähnten
Sen) fjummen. So gewiß ferner aud) in diefem Falle die jebung be3 Königs
als der Beftechung offen ftehend herbortritt, jo ganz unwahr sel ich iſt Ruck,
bert’3 Verſprechen — ober gar eine Geldzumwendung — am ben König (vi
©. 45,n. 11). Ebenſo ift nach diefer hier citivten n. 11 gar nicht zu beameife or
baß, entgegen Lambert's Verficherung, Ruotbert wirklich felbft nach Reichenau
gefommen ift. Andererſeits aber fteht ganz ficher fi —9 der Fall Ruotbert’s
gabs Auffehen Bu Denn au die Annal. Ältah. maj. holen bei der
ung der Zöfung Ruotbert'3 von Reichenau, a. 1071, zu einem Excurje
aus: Hacc autem Deo teste non scribimus studio detrahendi, sed quia con-
fidimus hoc aliquibus fore ad exemplum cavendi, ne quis deceptus frivola
spe huius mundanae exaltstionis et sibi per heresim Deo odibilem mercetur
intollerabile dedeeus turpissimae dejectionis et in futuro penas perpetuae
dampnationis (SS. XXI, 823). —
och gegenüber anderen hohen Geiftlichen gereicht es bei Lambert's Beuct!
lung nicht, zum Bortheile, wenn fie auf des Königs Seite flanden®”). Fr
noch ungleich mehr war Lambert den weltlichen Rathgebern des Könige abges
neigt, umb theila gegen die Träger einzelner Namen, theile im Allgemeinen
Teiht er biefen Gefinnungen Ausdrud 9).
— Ein hievon vönig abweichendes Licht fällt auf jene Hohen Herren bes
weltlichen Adeis, welche eben nach Lambert's Auffofjung in ungerechter Weiſe
aus dem Vertrauen und dem engeren Rathe bes Könige bei Ceite gefchoben
worben find.
oe — In ven
cut modestiam ullam serra-
Iontem in templo Dei et extollen-
senlon., 11, 4)! Abbates et mo-
—*8— oa non pndor nominie
a ipsam ‚terroret reoens exemplam Baben-
ia’ opiscopt len —e— * Ei dinge formt nun hie Qeineid IV,
Weil Defer’bandn: Vicrum hapudentiem rer vehementianime, ul dignum erat, Unieiktus = und
Bas it Tebr Depreiffi, da in Diefem Yale —————
erlefeu wurde: rex.. .. dirino, aß creditur, apiritn actu« (236 u.
37 Bas gilt Befonber® bom Bilcof von Atreät: veral 0b. ©. 009, n. 82, #70, n. 83,
yon Bilcof Ruopert bon Bamberg. 6.542 n.125, Dagegen Tann & dert 56 ct umbin,
Aber Gabitihof Siemar den Ramburg. "Bienen ja akıkıa ausgulpreßen: (and in
einer Sambert unermünjäten Angelegenheit hat biefer — &-3, n. 8 — Gemars Inttative
Eänt
er Sr, hierüber befonders ob. &. 1 153 u. 154 (mit n. 77), 825, n. 22,
n.a.m. Don braf Wernher war (gen In Diem Gfeurle gu preien; befonderg haßte
ferner Sambert den Ndalrih von Gobehheim, melden er fogar nad — 250 — in die nicht
eis slanbimkrbig annehmbaten Bedingungen von Ganafia (erg. in Grace vn. a Ion
flog.
Meder von Knonau, Jahrb. d. dtſch. R. unter Heinrich IV. m. V. Bd. n.
—— 70 Bei
ieitar Deus aut quod, co)
818 Ercurs I.
Dieſe Angelegenheit betrifft bie von Lambert behauptete Maßr egelung
Herzog Berhtold’3 von Kärnten burh ben König am Weib:
nadtöfen 1072, welde daB widerrechtliche Verfahren Heinrich’s IV. gegm
einen Herzog darlegen fol. Lambert erzählt da, a. 1073, vom Könige: ducatum
sine legittima discussione absenti (sc. Berhtoldo) abstulit et Marcwardo
euidam Bropingquo suo tradidit (192), und weiter bringt ex zum Aufenthalte
Heinrich's IV. im Sommer 1073 auf ber Harzburg: Casu quoque nuper ad-
Venerat, nescio quid privatae causae acturus in palacio, Bertoldus dux
quondaın Carentinorum. Huie rex quam sanctis obtestacionibus se purga-
bat, quod ducatum eius nulli alii tradidisset; sed Marcwardum private
presumptione fides alienos invasisse, nee ei quicquam de jure suo propterea
Imninutum esse, si suo injussu, sine consulto prineipum honores publicos
homo. ineptissimus temerasset. Ille licet haec fieta esse seiret et regis
maliciam non tam voluntate quam fortunae violentia correctam esse. tamen
suscepit satigfactionem, promisitque operam suam rei publicae utilitatibus
nusquam defuturam as.
Das Mittel zur Berichtigung bringt die Nachricht der durchaus glaub-
würbigen Annal. Altah, maj., a. 1073, da ſich am 24. März (Palmjonntag)
— ale zwifchen ben beiden von Lambert hervorgehobenen Zeitpunften — der
König wie mit Herzog Rudolf, fo aud) mit Berchtold — Berhtoldus dux —
verföhnt Habe). Der bairiige Monch Lannte aljo Berchtold noch nad) dem
eitpuntte, in welchem biefer nach Lambert abgeieft fein follte, im Befihe da
ergogsamtes, und außer Lambert tebet überhaupt Teine Quelle von einer folden
Abfehung, die fich zumal noch in ganz außerorbentlichen Formen vollzogen haben
jollte*°). Lambert’s Darfellung Pe den König mit einem Bor) belaften
und ihn in dem Harzburger Vorfall nit nur al? unwahr hanbelnd, fondern
aud als in einem Lächerlichen Lichte fteherb hervortreten iafſen. Der Erzähler
ſcheint auf einer falfchen Borftellung zu fußen und das Beſtreben gehabt zu
haben, fi} ben ircthümlich erfaßten Vorgang jelbft u ertlären. Es war ihm
u Ohren Setommen, baß Berchtold thatlächlih durch Markward ber fchon immer
ehe zweifelhaften Machtftellung in Särnten beraubt worden fi, und fo "6
ex in ben Bamberger Weihnachtsaufenthalt*) die Ablehung, Durch welche ex
bie Berehtold’s Amtätitel nicht mehr emtipredjende Sachlage erklärte, und da,
wo er nadher Berchtolb’8 Zufommentteffen mit Heinrich IV. zu erwähnen hatte,
ericjien ihm die dem Könige in den Mund gelegte Entjgulbigung notäiwenbig®L
89) Bergt. Ion in BD, 1, 6, 470,.n. 100, ferner aber beionbera ob. & 10,.m Bi li
n. 30, 21, 0. 3, 2, n. 35, 26, n. 41 u. 27, n. 42, (wo Melf als @ei io’ übel Wege
fommt), fon 6 Sm Snfiluh an Otto findet der Bilinger Maga 6.82%
%) ob. ©, 670, n. 97, wogegen 6. 718, n. 110.
9) Bergl. hier 6. 155 den Anfang einer derartigen Beadıtunn, aber aus |
— 04 u 05, ba Sambert einen zu Rubots Belahen Dienenben analagen
— her genen ben Rönin erhobenen Auflage nlät berbradts,
2) Der Deräone von Bähringen, 43, beameiklt
ohne fißtlidien Grund, gegenüber dem bairifchen Annaliften Bereptold'S perfänlide Anmelem
heit in RN) bt.
i
a8 discassione, bie
ex and) ganı R— vergl 6.18,
2.81 — für
ig nicht wirfiid ente
Ipremende &
95) # 6 Deibräd,
3 u. 8i, da ext eben bad Kuh
bes 5 Ihatfache wieder-
[örteb. De \veriieft, nadber
ae ——
—*8 —**
Abpandlun, mg, ald Artte von
Hafen Golgerungen. ° ” -
Glaubwürdigkeit der Erzählung bes Lambert von Heräfeld. 819
— Der Gegenſatz Heinrich s IV. zu den Suchſen ift einer derjenigen Gegen-
fände, weiche Sambert zumeift beicjäffigten, und jo bringt er auf biefem Felde
eine Reihe eigenthümlicher Behauptungen.
Die Angaben Sambert’3 über bie Urſach en ber fähfiihen Erhebung
werben ‚hernadh in Excars III einer in ſich abgefchlofienen Unterfuchung unter«
worfen®). Aber mit biefen Anfängen dis Strieges fteht nod eine weitere Be:
hauptung Lambert's im Zufammenhang. Das ift bie, a. 1073, gebrachte Ans-
age über durd ben König gegen die Sachſen in Bewegung ger
fepte auswärtige Angriffe. ZuerR — heißt &8 ba — Habe Heinze IV.
ben Liutigen, ber gen Saxonibus infestissima, wegen beren bie Sachſen fi
Fon vorher den Erlaß bes Feldzuges gegen Polen erbeten haben follten®‘),
Boten geicidt und die gröhten Geldzahlungen verjprochen, zu dem Siwede, bad
Bolt zum Kriege gegen die Sachſen aufzumiegeln: asserens eos nunc intestinis
simultatibus occupatos facili externorum bellorum impulsu posse usque ad
internieionem deleri. Aber die Sachſen erhalten davon Stunde und fdjiden
gleichfalls Boten zu den Liutizen, welde noch viel mehr Geld verſprechen, da⸗
gen für den all wirklich eintretenden Angriffs bie lärkfte Gegenwehr in
usficht flellen: se utrique hosti, si ea necessitas incumbat, et multitudine
et virtute militum posse sufficere. So gerathen bie Barbaren felbit dur
bie fich entgegenflehenden Ainerbietungen hinter einander. Aufruhr und heftiges
Gemegel®®) entfichen zmiidhen den Kiutigen, und bie Gefahr ift — deinceps
multis diebus — von den Sachſen abgelentt, dadurch, daß ihre Grenzfeinde ım
jolchem inneren Kriege von Angriffen mad) außen abgehalten find. ferner aber
of jet Nönig Svend, be3 Vertrages mit Heinrich IV..*®) eingebent, gegen Sachien
Dorgegangen fein: cum exereitu navali applicnit ad Saxoniam, et tractis per
long® terrarum spacia navibus in fluvium, qui administrando negocio opor-
tunus videbatur, igne et ferro regionem infestare parabat. Doch dabei follen
bie bänifchen Krieger des Dienftes ia geweigert haben, mit dem Hinweiſe: quod
sibi, quotiens externorum hostium inenrsionibus quaterentur, Saxones pro
muro fuerint, nee ullis unquam, cum facultas suppeteret, lacessierint in-
nie ebenſo a in Befürchtung einer von ſächſiſcher Seite zu erwartenden
jergeltung. So habe Gvend, da feine Leute das unter ſich und öffentlich viel
im Munde führten: ne in eo discrimine a milite desertus ludibrio_fieret
hostibus -—, befohlen, die Schiffe zurüdzuziehen, und ohme irgend welche Schäbi«
gung das fähftiche Sand wieder geräumt: Ita tantus ille bellici apparatus fervor
impune deflagravit (202).
Gänzlid) unficpere Gerüchte find hier mit theilweife völlig aus ber Luft
gegriffenen Ausmalungen 10°) niebergelegt. Das Hauptargument gegen bie Glaub»
würbigteit beider Gelhihten bildet ber Umftand, dak Bruno, der am fleigigften
über alle wirklichen oder mur vermeintlichen Günden des Adnigs gegen dad
jach fiſche Bolt Bud) führte, fein Wort davon zu erzählen weiß!) Denn Bruno
96) Dort {ft auch
tigen Gefiät&punkt zu 1
A
a . 24 ausdrädtid) barauf Hingewielen, daß Lambert einen wide
N eft au 1076 nadıbringt,
97) Meber biefe Behauptung Sambert’ö vergl. ob. ©. 245 u. 246.
malte milia hominam nad} dem Beridhte, weißen Lambert gehört haben will,
gm ee ‚hört in die Reihe läcerlier Zahlenäbertreibungen (vergl. Dieflenbadher,
erie
*
90) Lambert geräih bier in Widerſpruch mit fi) ſetbn. Während er nad) ©. 74 in
2.82 dab — geheim Gehhdhene 1 eollonnten Qeine[d IV, mit Evers uir —Aã—
—
pridem cam rege (ec. Heinrich IV.) pactionis — eine ungleich Tängere Zeit als
bazwilgen Liegend dermutben. J
100) Gin Wnalogon zu der Giillderung, welche den Graäbler befonbers reigen Tonnte,
dab fi& nämlih aefäßrlide yelnde unter einander [eLDR auftelben, Dietet, gleihland aus
dem ıı1. Jahrhundert, der Apnlic erfindungsreiche St. Galler Güronift @ftehart I\., in
feiner @efichte don den Gatacenen unb Ungarn, welche ih elf jur {rende ded buraun,
— —
—
TON) Wber Bfedter, 1. ©. VIT, 3, weſh. auch Daß wieber aut u erflären. Das tanzen
‚Dinge, Die im Berborgenen
Kaufende don Siutizen gelten
tBeilungen erhielt: ir einer
‚Xambert, ben ber gr
teanens iwärbigte".
52*
820 Excurẽ I.
Hatte in e. 20 don dem Gchwure Svend's, Heinrich IV. zu Sand und zu Waffe
mit allen Kräften gegen alle Ge namentlid gegen die Sachſen, zu helfen,
eingehenb geiprocen: van; © ©. 74, n. 62 —, und in c. 32 fam er nadjer auj
die elementia Dei zu {predien, Buß ie pagani semper nobis infesti im Winter
1073 auf 1074 den FroR, aller eh und Gümpfe nicht gegen die Gachfen ber
nupt hätten, jondern ruhig im Sande geblisben feien — Gott befahl ihnen: intra
proprios fines quiescere —, und da wäre ann beien Orlen durdhand ber ber ge
gielens Plaf geweien, vom biefen Dingen zu fprechen, wenn fie ge
Ganz beionders ift die Geicjichte von den über Sand gezogenen bänifchen an
— Delbrüd, 77, n. 2, wies darauf hin und a weitere Unmwahricheinlichteiten
im aleichen "Zulammengange — im höchflen Grabe abenteuerlich, und Lambert
jcheint fih bier an eine bei Regino gelefene Gefchichte erinnert zu haben,
Immerhin ift es nicht ganz auögeidloffen, dah Lambert eine unklare Kunde von
inneren Kriegen der weiter ÖRlih in grökerer Entfernung von den Keichegrenzen
figenden flavifchen Bölfern befommen hätte: denn zwilden ben Pommern und
Herzog Bolejlav von Polen waren Annie im A welche die Chronicae
Polonorum, Lib. I, c. 25 (SS. IX en, {al nämlich biefe Dinge
zeitlich hieher gezogen werben ei — wäre e8 aber auch deuf-
bar, dab don Lintigifcjer, wie von dänifcher Geite der fächfifhe Auffland gegen
einzich IV. durch fleinere Abtheilungen zu eigenmächtigen Gtreifgügen über bie
enge ‚benut wochen wäre, wobei dan das @eriht bid nad) Heraield hin
lolche Dinge gehörig vergeökert hätte. —
In dem Abidnitt über bie Gerftunger Berhanblungen zwiiden
den fürftligen Vertretern Heinrich's IV. und den fjädiiider
Fürften im October 1073 bringt Lambert ebenfalls eigentbümliche —&e
uerſt ſollen bie Sachſen — die nichtsſagende, ob. ©. 257, n. gelennzeichnete
'hrafe: pedibus provolati fommt vor — in äuberfter, Anton bohengfat ie
anderen (gürften um Gottes Billen beigworen haben: ut ad ventilandam cansam
suam intenti cognitores et justi judices adessent nec perpenderent. quan-
tum quamque in re publica inusitatum opus aggressi esent. sed quae
Perg an ‚a4, hase —e— rg Pan die Außeinander:
über die agepunf fte ge 'abei ver! nun der Erzähler nur
ganz —8 audeutend: die Fürften — heibt es — Fe Erfasmen und Schreden
gerathen, fo daß fie erflärten, bie Sachſen feien micht dehwegen anzuflogen:
pro libertate sus, —* — pro liberis arma sumpeissent, vid-
mehr dafür: quod intollerabiles contumelias muliebri pacientia tamdia
supportassent. Rad; der bei Lambert beliebten Zeitdauer — toto triduo —
wird die Zeit der Beramhung begrenzt. Tann aber will ber Autor einen ger
heimen Rathichluß tennen, der aus den Grörterungen der Rathichlagenden ein:
flimmig hervorgegangen fei: Id tamen haut temere pablicari placuit, donee,
rege per occasionem pacis in remotiores partes Partes regni al abducto, cum caeteris
regni prineipibus consilium hoc communicarent !%) —, nämlich: ut repro-
ve, Tahunt, 2800: Ri
* A trahant — 01. Jun.
Bieler Zeit keiegeriide Abhcter —
wird dert a
"iiejeiben Vieimehe denen, esta
Glaubwürdigleit der Erzäglung bes Lambert von Hersfeld. 821
bato rege alium, qui gubernando regno idoneus esset, eligerent. Der öffent:
lich fund zu gebende und in folge defien auch befannt gemachte Beſchluß ſei
gewejen: ut Saxones regi pro admisse in eum atque in rem publicam teme-
ritate satisfactionem congruam proponerent, rex autem eis et facti impuni-
tatem et injuriarum, quibus ad defectionem eos coegisse insimulabatur, de
caetero securitatem sub jurejurando promitteret; zu diefem Behufe fei das
Weihnachtsfeſt, welches der König in Göln zubringen werde, ald bie Zeit zum
Abfchluß der Angelegenheiten feftgeftellt worden. Aber zugleich wirb die Meinung
ausgeſprochen, Herzog Rudolf würde ſchon hier zu Gerftungen ohne Verzug als
König erhoben worden fein'%%), hätte ex nicht beharrlich widerftrebt, unter eid-
licher Derfigerung: nunquam se in hoc consensurum, nisi a cunctis princi-
pibus 'eonventu habito, sine nota perurü, integra existimatione sua, id
facere posse decerneretur (202 u. 1),
Gegenüber dieſen Angaben Lambert’s über die in Serfungen gerdehenen
Dinge?6?) fleht der Bericht des Carmen de bello Saxonico, Lib. IL, v. 6 ff.
Ss NV, 1223 u. 1224), ganz voran!) Allerdings verfteht der Dichter bie
inge völlig von feiner Auffaffung des Verhältnifies zwifchen dem Könige und
dem jächfifhen Volle aus, jo wie baffelbe 1075 nad) dem gewonnenen Siege
vorlag. Es erfceint ihm ald unerträglich, daß dieſe gens fera Saxonum je:
mals dem Könige Bebingungen vorgefhrieben haben follte, und fo wendet er die
Dinge allerdings mehrfach in dad Gegentheil hinüber. Er theilt dem Konige,
welhem vom Yuguft 1073 an in ben folgenden Monaten ein Heer ftets fehlte,
ein ſolches zu (v. 1 ff.)10%); er Täßt alfo auch denfelben mit diefem Heere gegen bie
: at wel sibi constituendi regis polastatem facerent, vel ipsi, quoniam et diynitate et malti-
riores essent, qu ine vollent, Saxonibos sufragium ferentibas, eligerent et
‚pubican. uniaf hominls Irnarin ad eatremam usgne Tastitatem
of Giegfeieb in ber Gintabung als Bined der Werlammlung
A "Raodolfam ducem regem, contitneret (200).
{n_ber Darfellung ber einleitenden Greignifie zur
ea Rabatt abe ben König zum Sample auf.
a ja Sambert nur an Biefe Vorgänge
inzunehmen if: „in einem früheren Jahre” —
1orin erga rogem stadiis abstergere cupidissime
©. VII, %, säumt bier ein, daß befonbers bie Iehten Gäße
‚um gläupig aufgenammeren Bericteb ‚auf Eiranben ge,
ka Stantägeheimnifie, welde Lambert mitzutgelten hat, Lähmt
ie Hand,
Giefebreät Bielt bi äulegt — 11, 286 u. 287, dazu 1185 u. 1136 — Lambe
— an dor — SL, Son: une Dir
‚utäth anderes atß eine
jener,
822 Excurs 1.
Sadjien rüden. Bon den Sachſen wird gelagt, daß fie — Eins (se. regis) ut
vertan gen audi Ile profinguum, Sklep er, spem quszei he are
salutis (v. 6 u. 7) — ad regia castra Boten jhidten — legatos . . . ducenos,
ut cunetis regni primis sun nuncia ferrent (v. 8 u. 9) —; dieie Fe um
mehr —— — neben ben primi militiae regis comitesque ducesque pon-
tificesque pii, welchen Die das E hulpbetenntniß enthaltende unterwi Rebe
in v. 13— 25 gilt, aud den König im Lager, weil diefer — nad des Ber
faffers Vorfiellung — um feinen Preis von der Etätte der Berhendlung ents
fernt fein bari, wie das doch wirklich, ba er zur Zeit in Würzburg weilte, der
‚all war. Alöbald leitet dann der Dichter zu ben Berhandlungen, wie Fe that
fachlich in Gerflungen fattfanden, hinüber: — den legati geben die primates
einen exiten Beicheid (v. 26 f.): de colloquio simul illis ense locum dandum,
si rex permittere vellet; der Aönig, dem feine Fürften fogleid) —
madjen, willigt ein, und jept erfolgt gleich der Zufammentritt der
primi eomitesque ducesque mit den Gadjen — conveniunt juncti —
aequore campi (v. 33) —, ber Zag zu Gerftungen, welche Dertlichteit zwar ber
Diäten nit nennt. Erfl ‘von da an betritt man mit ihm wieder einen —
eſchichtlichen Boden, indem von v. 34 an Folgenbes erzählt wird. Die
Endfm bringen über den König fehr viele Magen vor und ichen auf dieſe
Beile die Unierhändler auf ihre Seite hinüber: compositis dolis (veral. khem
v. 31 vom Könige: oee doli nihil esse ratus) sic tere potentes ex
sequo, ceptum Quo qmisaue probaret eorum. jo baf Diele zu jmeirki id
verpflichten, erftlid) Heinri IV. Pan zu_bringen, daß er den Eaı
den Vätern ererbte Recht zurüdgebe und ihmen verzeibe, zweitend im Selle euer
Weigerung des Königs dielem feine Wajfenunterflügungen gegen bie Carhien za
leihen: si nollet, se justa petentibus haud nocituros (v. 341). Ter Zither
zeigt ſich hierüber auf das hödhfle empört: quibus indueti primates
illi genti eonsensum tunc prebuerint scelerosum, hoc alias patefit —; bed
geht ex dann von v. 45 an: Nune garat ire viam directo tramite coeptam
— in möglidjft allgemein gehaltenen orten über die nächffolgenden —
Hinweg!!0), mit dem deutlichen Beftreben, wie daſſelbe wieder dem Plan des Ge:
dichtes entiprach, ai jegt folgenden dem stönige nicht günftigen Ereigniffe nicht
au Dringen. Das geidießt in den van v. 51 an, 1224 u. 1225, folgenben hetign
Zabelöworten gegen die Sachſen, gegen die eflera gens, welder die Fı
gelegt wird, was ihr die veteris sollertia frandis nunmehr genüßt ——
befonbers —— dohni ſcher Ausführung des Gefichtepunftes: An prestat
multis multos, an vincere paucis? —, inbem ja bie Eadjien ebem —— jene
betrügerifche Handlung für den König den im Eiege einer fleinen —X
eine große Nenge liegenden Erfolg herbeigeführt Hatten. Bermittelt
efungen gleitet der Tichter über die unerwünfchten Folgen bes Gears —
Hin
ie Compilatio Sanblasiana hat die fehr beflimmte Hervorhebung bei
von den Sachſen in Gerftungen dargebotenen Genugthuungsverfprechens: prae-
venientes eum (sc. regem) Sazones, satisfactionem illi, si justicias majorum
worum is concederet, unanimiter promittebant: baran — fich das bad ob.
in n. 178 gefenngeichnete Ginichiebfel, in welchem über bie — Hier irrig
— Würzburg verlegten — Verhandlungen erzählt wird, e3 fei nach vielem und
unerträglichen Rlagen der Sachſen über erlittenes Unrecht "nichts weiter geicheben,
nisi quoıl dedignanter regi falsam denuo satisfactionem !t}) in natali Domini
iR, Bean Milte wistig isbt im Oeaber
——
inffaftung des Berhälinifies zu dem
haben.
Aion v. 100:
uitean et arlia, non ma fortenae enbjecit calla muperbas, malnit in pancie
nam
tie tanto caraisse triumy —— ——
er
fen wit Diefer Exb
er int war, bei bie Eamicı
Ieldung merig einberRanben Waren. anderen ), dab fe. ehem aus biriem Grunde.
eder Dom ihe frei maden weiten und ihre Suimmung bau ‚erein wit rail
Glaubwürbigfeit ber Erzählung des Lambert von Heräfeld. 823
se facturos juxta quorundam episcoporum et ducum consilium condixerant
E etäpt auf die Echähung bicer glaubwkebigern 0
auf die ung dieſer glaubwürbdigeren Quellenzeugniffe ift bie
ob. in den Zert, ©. Bi, gelebte Auffaffung der Secian fe im Deioer
gegeben, in der Weile, dab eben die von Lambert behauptete Sonderung von
öffentlichen unb von geheimen Beichlüfien bes Gerfiunger Tages abgelehnt wird.
Im Qulammenpange mit der Vorftellung, die fi) Lambert hinfichtlich des
Zages zu Öerftungen gemacht hatte, fteht weiter deſſen Ausſage über die Zu:
fammentunft Siegfried’s und Anno's mit den Sachſen zu Korbei
im Januar 1074. Das Ereigniß iſt ald wirklich geihehen anzunehmen, und
ſchon ob. ©. 309 if, was von den Verhandlungen ala glaubwürdig erſcheint,
vermwerthet. Dagegen fährt dann Lambert weiter fort, indem er heftige Bor«
— der Biſchoͤfe augen die Sachſen ausführt: quod, dum deliberando et
modo colloquia, modo indueias expetendo tempus tererent, et regi auda-
ciam auzissent et sibi maximas commodıtates vindicandae libertatis corru-
pissent; proinde recederent nec sibi ultra verbis pacifieis in dolo illuderent;
se in eum locum progressos esse, ubi jam non muliebribus colloquiis, sed
militaribus armis res expedienda sit. Danad) folgt eine gewifle Beihwichtie
gung!!®), andererfeit aber die Anfegung des Friplarer Tages: ut... .. con-
venirent ibique communicato cum caeteris regni prineipibus consilio perieli-
tanti rei publicae rectorem, qui omnibus placuisset, constituerent. Zroß«
bem aber hält es Lambert für möglich, daß, daneben nod) an den König die
Boticajt abgefertigt fei: ut, si ita sibi expedire judicaret, die statuta presto
adesset et jus suum non per epistolas aut per internuneios, sed presens
ipse viva voce expostularet (206). Diefe Nehauptungen vertragen ſich durchan⸗
nicht mit den wirklichen Thatfaden!!‘). —
Während die von Lambert gegebene Auffafjung des am 2. ebruar 1074
eihloffenen Fricdens don Gerftungen fid im Welentlichen ala richtig heraus-
1229), entipricht dagegen feine Darftellung des Verhaltens Heinrich’ 3 IV.
im Srühjahr 1074 zu Goslar, Hinjigtlid) der bevorfichenden Er+
füllung der vertragögemäß zugefagten Rieberlegung der Burgen,
nicht überall dem wahren Sachverhalte. Schon gleich Anfangs iſt der Vorwand,
unter welchem Heinrich IV. für die Räumung ber Burgen dinch ihre biöherigen
Bejagungen inducise begehrt haben foll (vergl. ob. ©. 329 n. 29), jehr —ã
haft, weil er einem früher von Lambert jelbft ſehr nachdrüdlich hervorgehobenen
Umftande, ber für biefe Burgen galt, wiberfpricht — vergl. ob. &. 298 n. 196
— , und auch nod angenommen, daß wirklich große Vorräthe auf den Burgen
jelegen hätten, wäre es nicht denkbar, daß die Sachſen, welchen jo viel an der
äumung der Burgen gelegen jein mußte, fi) mit ſolcher Begründung eines
112) Aud Bruno, c. 20, bietet awar Teinen Bericht Über die Gerfunger Derhand-
lungen Woßl aber Muhkunft über ben in Gerflungen gefaßten Beihtuß. eine äckenuer,
iusque
nt (ec. Sacones,
‚vero calpa sus
si se vellet audire,
*
riam existaret, nec eoı
A iefen Morten.
913, von ber Ähnlichen Leiben!haftligen Grhigung
»iseopus et panci admodum, qui aanum aliquid aaple-
iger entfhieden Boneler, @ — ex inbet, der Inhalt
Yefonbere ausbrädlid und mit guten Argumenten
alt den dazu — Roten, befonders &. 398:
eingerüdten Gele aud) die Zehnten wieder falfd)
inguigeen geefen, agegen fnß Dann ferket De
8809, nn ebene dab ©.307.
824 Excurs I.
Aufſchubes zufrieden gegeben und nicht die Forderung erhoben hätten, baf die
Beſahungen ſogleich dieſe Magazine mit fich fortnehmen follten. Immerhin habe
diefe Bergögesung anfangs nicht ſehr ſtark eingewirkt: Nec Saxones magnopere
eurabant bas inducias, quamyis non minimum haberent snspeetas, cum in
potestatem suam redactum seirent communi sententiae non posse refragari
(se. regem). Um fo mehr ſollen nun bie juvencs qui in Hartesburg fuerant,
juique propter res bene gestas in magna ajud eum sdmiratione habe-
tar, auf ben Adnig eingewirkt haben (vevgl. ob. &. 329), welcher — malis
assuetus animus et per aetatem gloriae militaris avidus — jet anderen
Sinnes geworden fei: animus .. . . reformabatur ad ingenium suum at
ad rigorem pristinum, factigne jam non mediocriter penitebat. Die Gadj
mahnen den König an bie Erfüllung der Zufage: cepit rursum callidis respon-
sionibus tergiversari et petere, ut ad conventum principum vegmi commu-
nemque audientiam res integra differretur, quatenus eorum judicio de sin-
gulis, quod honori, quod utilitati rei publicae conduceret, statueretur. &o
wird auf den 10. März mit Einwilligung ber Sachſen eine allgemeine Reiche
verfammlung — ausbrüdlidy ben principes de toto regno — nad) Goslar aus⸗
gelärieen; doch nad; Kambert, der allein für alle biefe Nachrichten verantwort:
ich if, erſcheint am bezeichneten Tage Niemand von den übrigen Fürften, mo«
rauf Sachſen und Thüringer, bei ihrer eidlichen Verpflichtung auigeboten, fidy im
ungeheurer Menge aus dem ganzen Sande fammeln und bei Goslar lagern.
Gejandte gehen an den König, um mit ihm über die Bedingungen zu verhandeln,
unter wels zwiſchen beiden Zheilen der Vertrag — eben derjenige don Ger
flungen — fefgeftellt worden war. Drei Tage hindurch —, wieder bie beliebte
getan — foll verhandelt worden fein und Heinrich IV. wieder alle —
lichen Ausflüchte Pu haben, theils Bitten und Drohungen, anberenthei
verichiebenartige Wendungen. Als das Weſentlichſte and für Heinrich IV. fe:
ut, caeteris omnibus juxta condietum manentibus, sola castella, quae summis
impensis ad munimentum regni extruxisset, sibi condonarentur. His scilicet
vis facilem ducebat caeterarım rerum jacturam, eo quod speraret sein
hie, uteumque res cecidissent, semper refugium habiturum et perpetuns &
Saxonibus eius, quam nunc intulissent, confumeliae poenas exacturum. Auf
biefem Borfage habe fih der Adnig in feiner Hartnädigfeit ganz feftgeieht; da
aber ſei die Schredensbotichaft eingetroffen, dab die Sachſen unter Nebergehi
ber Unterhändler ſich rüfteten, durch bewaffneten Einbruch nad der —X
elbſt das Recht zu ſchaffen um micht mehr die Erfüllung des Verſprochenen zu
ehren, vielmehr eine völlige Ummälzung herbeizuiühren: ei (sc. regi) vale-
facto, regem, quem deinceps belli ducem habeant, constituere. Yept jollen
fogar bie Trruchen unter ben töniglichen Anhängern, Liemar, die Biſchöfe vom
Naumburg und Danabrüd, andere, die von den Sachſen wegen ihres Anſchlufſes
an Die nigliche Gadhe f—hon Bieles gelitten Hatten — effugati, possessionibus
mudati, pluribus ignominiis deformati —, Heinrich IV. einftimmig und in
fänbig beichiworen haben, wenn nicht um feiner jelbft willen, jo doch aus Rüd-
fiht auf ihr Elend nadyjugeben, da auch fie ſonſt von ihm fi) trennen müßten:
Ausführungen, welche Lambert mit beutlichem Behagen rhetoriſch in die Breite
ieht. Da fei ber König, noch während biefer Worte, durch bie Erkenntniß der
Eröhe ber Geiahr darüber belehrt worden: Saxones jam armata multitudine
atrium palacii replesse et ad vim faciendam paratos inconditis motibas
perstrepere —, und er habe gadhgegeben. Einerjeitö fol nun nad) Zambert
— ex greift dabei auf feine ob. ©. n. 19, charafterifirte Angabe zurüd —
für Otto don Nordheim — duci . ducatum Bajoariae reposeenti —
Genugthuung innerhalb eines Jahres nad) dem Gpruche der Fürſten, anderen:
theild das Verſprechen vom Könige gegeben worden fein, alle Burgen ohne Verzug
nieberzulegen, doch unter der Bebingung, daß die in ber Zeit feiner Regierung
durch Sachſen und Thüringer geihaffenen Anlagen in gleicher Weile von biefen
ſelbſt bejeitigt würden !'%); weiter folte Alles, was in Gerftungen ausgemacht
iworben ivar, durch ben König zur Erfüllung gebracht werden es u. 210),
116) Eben biefe weitere neu beigefügte Bebingung, tie fie einerfeits bem forderuden
Volte, anbererfeits aber aud dem Ri ie feion, als —E der Gielung ee rk:
Glaubwürdigkeit ber Erzählung be Lambert von Heräfeld. 825
Der ſachfiſche Zeuge Bruno Hat dieſe Dinge in c. 88 behandelt, und
babei flimmt er in einer weſentlichen Frage allerdings mit Sambert überein,
darin nämlich, daß ed dem Könige jehr darum zu thun war, feine Burgen uns
verfehrt zu erhalten: sui non oblitus, coepit occasiones quaerere, ne, sicut
romiserat, deberet in praesenti castella sua destruere. od) werben nun
ter fogleich die Sähfiichen Fürfen ala mitfduldig erklärt: Quem (sc. regem)
cum moras nectere quidam prineipes nostri viderent, volentes ei placere,
sagserunt ut illud castellum majus (sc. die Harzburg), quod manere volebat,
alicni de principibus Saxonige quasi in deditionem traderet, donec populi
furor, qui tunc vehementer ardebat, aliquantum tepesceret et tunc castellum,
sieut volebat, integrum permaneret. Das Bolt aber war ganz entgegen:
gelfter Anfiht: populus at äirereiur, vehementer instabat; quod, nis
ieret, se statim ab integro rebellem fore elamabat. Darauf jugt Bruno
Sanrichs IV. Derlegenbeit zu Ichilbern, Da et — paene solus in medio exer-
Gita deprehensus — für den fall eines Angriffes der Gadjien fid) nicht ver«
theibigen und — septus undigque saevis hostibus — aud, nicht entfliehen
Tonnte. Der König mußte nicht, was er thun follte; denn weber wollte ex
feine fee Burg zerflöct fehen, nod) einem ber Fürften fie überantworten, da er
zu feinem Butrauen hatte, noch endlich durch gänzliche Bermweigerung der Be
gehren des Volles dieſes neuerdings zum Kriege reizen, da er bei Gewaltan-
wendung ber größten Gefährdung ausgeießt fein mußte. So jei er auf eine
iR verfallen, dab nämlich nur eine Iheinbare Zerfiörung der Harzburg ftatt-
finde: quibusdam de suis antiquis familiaribus oecnlte praecepit, ut eius
tanfum propugnaculum summatim deponerent, et cum populus hoc viso
totum sperans casurum discederet, illi a diruendo cessarent, et sic paueis
ruinis restauratis, integrum sicut volebat ‚Permaneret, (340). Diefe letzte Pach ⸗
right ift nur die Meberleitung zu der nachfolgenden Erzählung von der völligen
ZerRdrung der Harzburg bar das Tädfiide Bolt, melde Bruno mögliähft
abzumildern juchte, wobei er aber die Singe — vergl. ob. ©. 333 u. , im
n. 36 — mehrjad) ganz unmahr darfellt. a j
Zambert fucht fein thatfächliches Nichtwifien in diefen Dingen hier durch
eine um fo größere Fülle der Darftellung, welche beftimmten zum voraus bei
ihm feftehemden Geftctöpunften entipredhen follte, zu verbeden. Dazu Lommt
noch, daß aud) hier wieder eine Reihe iypiſcher Wendungen ſich in dem Abs
ſchnitte einfelt 7). —
er Wolfgmaflen gegen bie Qarabucg herd
1 deine SR an a ti
ufbrud mad ber Röninäpfalz eriheint alı
Yorrae munitioner, praster uniguns urbea ad
&& iracundi pecioris commotione tarbida
1
Garatterii
labricis responstonibus eludero.
826 Ercurs L
Sehr eingehend hat Lambert bie legten dem großen friegeriicen
Zujammenfoß don 1075 zwiſchen Heinrich IV. und den Eadien
dDorangehenden Ereigniffe behandelt. Im Auſchlufſe an die ob. S. 415 in
n. 152 berausgehobene Stelle fährt die Erzählung zunächſt fort: Quod (sc. den
Bunfd, an den Sachſen Rade zu nehmen) tamen anno jam integro quam
mazime dissimulaverat (sc. rex), adeo ut prineipes Saxonise, quotiens ad
eum venissent, magnifice susciperet et abeentes pacifica sepenumero
a en mandata Fer BR Sam aber Fe Zambert erſ
nac infhiebung anderer dazwiſ erzählter Dinge glei mit Erwähnung
ber Ofterfeier den Faden wieder auf: Quo dum ad salatändum eum (sc. regem)
quidam ex principibus Saroniae pergere institnisseut, misei obviam eis legat
lenuncisverunt, ut ocius in sua redirent, alioguin haud tuto visuros eme
facierm regis, quem post tam graves contumelias digna adhuc satisfactione
non placassent. Ibi imo malum,, quod cervicibus impendebat, adrerte
rant. Doc Heinvid) IV. it — omnibus quae bello administrando necessaria
erant aflatim provisis jam et instructie — [_jon gang fertig zum Striege und
jagt bereit den Zag der Bereinigung ber friegeriichen Kräfte an. Zugleich aber
Ihidt er Boten an die zur Berathung zahlreich nad) Goslar zufammengefommenen
Sachſen mit ber Eröffnung, daß er die Beleidigungen und Gefahren, welche er
von ihnen erfahren habe, nicht vergefien hätte, freilich ohne die Schuld allen
Sachſen beimefien zu wollen: paucos fuisse principes, qui imperitam multi-
tudinem et naturali levitate semper novarum rerum avidam hac rabie in-
flammassent; ab his coneitatae sedicionis et turbatae rei publicae poenam
sc, quoniam legibus non potuerit, armata manu exacturum. Proinde rogare
se eaeteros et sub interminatione gratiae suae precipere, ne hostes pabli-
«os armis aut opibus tueantur; si obediant, veniam se eis dare veteris
eulpae, quod tam inusitati facinoris socii partieipesque antehac extitissent;
sin autem, excusationem deinceps non habituros esse peccati, quod seientes
Drgmonitigne admisissent. Den Sachſen wird dann, in Ginfügung direeter
'ebe, eine lange Antwort in ben Mund gelegt, welche mit der Ausfage beginnt:
Gratissimam habemus legationem —: wollen bie ſachſiſchen Fürken Hein»
rich IV. nidt Genugthuung Leiften, fo gedenten die Sachſen mit jgarfen Mitteln
— eos sine mora vel captop et in vineula conjectos eis (sc. regis) ess-
mini reservabimus vel, in favillam redactis omnibus quae ad eos pertinent,
Saxonia procul effugabimus — gegen fie Borzugehen; find dagegen jene zur
Reinigung von ihrer Schuld und zur Sühne bereit, jo bitten die Sadien,
ber König mög nicht, ehe ein Öffentliches Verhör vor den übrigen Fürften und
eine gefegliche Verhandlung Rattgefunden habe, gegen bie Angetlagten einen Ent:
icheid treffen, der ſich jür feine Ehre nicht zieme, vielmehr eine regelrechte, den
Ordnungen des Hofgerihtes entiprechende Unterjuhung und Urtheilsſprechung
eintreten Laffen; ift jedoch enblidh eine Gühne angefichts des Zornes dee Königs
auẽ geſchloffen und von ihm nur zu erwarten, ”} ex das Blut ber Fürflen ior-
bere, jo gebenfen fich die Sachen von dieſen nicht zu trennen, fondern ftellen
die Bitte, gleiche Strafe für die Fürften und für fie jelbft zu verhängen, wenn
gemeinjcaftliche Berzeihung und wenn Sühne nicht erhältlich jeien. Gbenjo
— heißt e8 weiter — erllärten die von ii IV. ganz vorzüglich angellag-
ten ſachſiſchen Fürften, daß fie fich in ihrem Gewiſſen hinſichilich des im ab»
gelaufenen Jahre Geſchehenen unbeſchwert fühlten, indem fie meder den Frieden
von Gerftungen irgendwie verleht, mod; an ben auf ber Harzburg verübten
revelthaten irgend einen Antheil gehabt Hätten; vielmehr Tegten fie ihre Bereit:
[haft dar, auf jede von den übrigen Fürfien gebildete ingung bin ihre Une
guid darzuthun, ebenfo die auf ber Harzburg zerflörte Kirche prächtiger und
mit {chönerer Zierde Herzuftellen, für ANlee, was von dem beihörten Bolte te
lich begangen fei, vielfältigen Exiag gu Leiflen und au Alem Hinzu für die
Wiebererlangung ber Lniglihen Gnade an Gold, Gilber, Gütern bereitwillig
Opfer zu bringen; ja — D Ichließt diefe Antwort — die Fürften wollten jogar
von allem mit Gewalt zu leiftenden Wiberftande ablafjen, ſich bem einzichenden
Könige barfuß ftellen und mit gebeugtem Naden je Spruch, aud wenn
Gaubwürbigleit der Erzählung bes Lambert von Herzjeld, 827
er aus rnigem, Gemütye komme, Hinnehmen!!®), Wie durch die zurücgehenden
Boten des Königs, fo liehen fie Durch ihre eigenen Beauftragten die Antwort
jenden: ‚Aber Heinrich IV. geftattete nicht, daß fie vor fein Antlig kamen, ſon⸗
en ließ ihnen anbeuten, fie möchten fid) entfernen, weil er fonft mit idnigiichem
Strafurtdeile gegen fie einſchreiten müfle, als Pi foldhe, welche, unter dem
Vorwand einer Gefandtiaft, Lügen unter dad Volt aueftreuten und die Fürfien
aufmwiegelten, feinen Kriegezug böswillig Hinderten. Neue Gefandte, die an Stelle
dieſer Zurüdgewiefenen zum Könige ſich begaben, fanden fein befieres Gehör,
und alö einer von ihnen, durch Ausnügung der Unftände, unverſehens vor dem
Könige erichien und feinen Auftrag auszurichten begann, wurbe er jogleich heftig
zurüdgemielen, fo daß er — ab Udalrico quodam regio satellite in erastinum
servandus abductus vel pocius abreptus — faum lebend davon fam. Tarauf
wandten fi) die Sachfen wieberholt!!?) an bie Fürften, welche auf Heinrich's IV.
Seite Aunden, und zwar hat nun dabei Rambert ganz beftimmt die Sache jo
aufgefaßt, baf es möglid) geworben ſei, diefe töniglich gefinnten Fürften an früher
gemadjte Zulagen ausbrüdli; zu erinnern: fidem implorant, federis quod
pepigissent, admonent, obtestanturque per Deum, per cuius nomen in unins
eiusdemque miliciae sacramenta jurassent, ut assint perielitantibus, et sicut
ins gerendo bello favorem suum, ita nunc reparandae paci, quoniam eos
li peniteat, auxilium consiliumgue suum non subtrahant. Aber Alles
bleibt vergeblich. Heinrich IV. Hat fih — durd) feine prudentia, qua supra
aetatem suam mirum in modum callebat — von allen Fürften das eibliche
Verſprechen geben laffen, daß fie ohne Anfrage bei ihm Geſandſchaſten der Sachſen
nicht annehmen, die Sachen weder öffentlich mit Waffen, noch im Geheimen
mit Rath unterftügen, mod, bei ihm Bitten für fie einlegen wollten: donec se
acceptao ab eis ignominiae maculam digna animadversione eluisse ipse
(ec. rex) judex testisque fateretur. So finden bie Sachſen, wohin fie ſich auch
wenden, guirgends Hülfe: omnia obfirmata, implicata, impedita repererunt
(223 u. 224).
Die ganze Grundlage, welche Lambert biefen Ereigniſſen leiht, ift die Bor-
fiellung, die Sagſen ſeien, um ben unter allen Umfänden zum Kriege ent ·
iohehen Zorn des König? zu entwaffnen, fich jeglicher Bebingung, weicht ihnen
von Hrinrih IV. werde geflellt werben, zu unterwerfen bereit. Dagegen fteht
nad no'3 ausdrücklichem Zeugniffe fe, daß die Sachſen zwar bereit waren,
inzich'3 IV. Gnabe zu fuchen, aber nur unter befiimmt aufgeftellten Ein ⸗
jränfungen 12%). Ebenſo ift gewiß zutreffend, wenn Bruno die von Geite ber
Sachſen angeftellte Bemühung, durch Abſendung von Boten bem Kriege vorzus
beugen, vor bie fönigliche Botichaft an die Sachſen rüdt, im Gegenjage zu Lam⸗
bext, ber die ſächſiſchen Friedenẽgeſandten erſt nachfolgen (äf Dan di offenbar
wirb dur ben von Bruno ala c. 48 aufgenommenen Brie i Werner’
Zambert’3 Behauptung widerlegt, daß fi unter den Fürften, deren Lieferung
rich IV. verlangt, eben aud; Werner befunden habe'?1), Ganz unwahr-
inlich if endlich, daß, wie Lambert will, die Sachſen erft in ber Ofterzeit
die ihmen drohende Gefahr hätten bemerkt haben jollen. Lambert zeigt ſich wieder
von der Luſt erfüllt, ein beftimmtes von vorn herein ala vorhanden durch ihn
gerade BVerhältniß ausgumalen: es ift der fchroffe Gegenfah von Dergeltungg:
uft des beleidigen Königs und von Geneigtheit der im Bewußtfein il
drohten Stellung zu voller Unterwerfung entichlofienen Sachen. Dabei läßt
fi Einiges aus Lambert und aus Bruno zufammenteimen, jo, was über ben
Verkehr zwiſchen Heinrich IV. und den jächfiihen Fürften dort — 219 — unb
bier in c. 37 gejagt ift, oder ber Vorgang hinfichilich bes durch Udalrich ges
828 Ercurs I.
maßregelten Boten — 224 — und bie durch Bruno in c. 44 bargeftellte Ecene:
ebenfo lann die Berathung der Sachſen wirklich, wie Lambert will, in Gola
Ratigefunden haben. ebenfalls aber ift bier ein Plag, wo der Hohe Werth der
duch, Bruno gebotenen Auseinanderfegungen gegenüber Lambert’? Ausführungen
au Zage tritt!) —
Ggmtgümlice Behauptungen Sambert’s finden fid) auch noch in den Anı
jaben über dad Verhalten der Gadien glei vor der Shladt vom
$ Juni. Sadfen und Thüringer follen häufige Zujammenkünfte veranfaltet
haben !22), und in einer jehr breiten und inhaltalofen Darlegung will Lambert
wiffen, e8 fei der Weihluß gefaßt worden: a Deo sibi deinceps querendum
esse subsidium, qui solus tam obstinatam regis ferocitatem emollire et rem
implicitam expedire queat. Run folgt eine jehr anfchaufiche Schilderung davon,
wie durch gen, Sacjen und Thüringen bin Yußübungen veranftaltet worden
fein: Jubent, ut... .. depositis cultioribus indumentis, sacco et laneis
vestiantur, cibo et potu statutis diebus abstineant, sumptus in pauperes
pro sua quisque re familiari conferant et per aecelesias nudis pedibus dis-
currentes Deum communi lamentatione deprecentur, zu dem Ywede, Gott
um feine Gunft zu beftürmen. Am Zage der Sammlung des königlichen Herres
folte diejenige der Sachſen und Thüringer flattfinden: ut... . ipei in loco
ui dieitur Lupezen sex milibus ab eis disparati castra locarent; aber dann
Hätte zunächft abermald ein Verſuch zur Erhaltung des Friedens Rattzufinden:
ut... et iterum atque iterum repetitis supplicationibus aures eins ei
ineipum eius obtundentes, ai evincerent, gratias Deo; erft in lepter Linie
Fin Kampf gedacht worden: sin autem, in eodem loco venientem (sc. regem)
restolati, collatis signis equissimo judici Deo rem committerent. Da follm
Botihaften ber Siutigen und der Polen eingetroffen fein, mit Verheigungen,
friegerifche Hülfe in größtem Umfange nach Sachſen bringen zu wollen oder
in feſten Lagern Lie Wache contra Danos et alias gentes, quas vulgatum
erat ad irruptionem Saxonise a rege sollicitatas esse — zu übernehmen.
Das foll zur Folge gehabt haben, daß die Sachſen paululum recreatis animis
digressi wieder die ganze Zeit, usque ad diem coadunandi exereitus,
ihren abermald ganz ausführlich aufgezählten religidfen Nebungen widmen:
placandum Deum. Aber aud) bas bleibt vergeblich (224 u. 225).
Diefe Behauptungen, welche eine kriegeriſche Rüftung ber Sachſen joft ganz
verſchweigen, nehmen fich jonderbar einfeitig aus; fie follen ſichtlich wieder bie
unerfhöpltiche Friedensfeligteit und Unterwerfungsbereiti—aft der Eadjfen aut:
malen!*). Doppelter Berdadht entſteht Hier gegen Lambert, da Bruno von
biejen Dingen durchaus nidhla weiß und, indem er bie Ariegävorbereitung ala
jelbfiverfländlid, vorausfehte, in c. 46 gleich zur Barftellung der Schladht vom
9. Juni übergeht. Der Annalift von 1075 an bietet zwar in der Hauptlahe
auch nur ongemeine Ausfagen, weiß aber doch voran von Kampfbegier der
Sachſen und Thüringer zu (beeigen: sin autem, potius pro vita, pro patris,
gegeben.
129) Dieffenbagger, Differtation, 57, findet da im den Morten: crebra.. .. . oouren-
ticula faciunt, quid facto opas sit, consulunt — abermalß den bei Zambert ganz gewohnten
Zvons der Grgänfungen (ür Berfämdrungen angemendt.
se 1 Deral, Deibeng, ai. Bapsgen wolle Qubo, 24 u. 25. annehmen, dem Bände
Jet bie Andf&reidung don Bußtagen bedentend mictiger erijienen, fo Daß er Re ungebährl
in den Vordergrund rüdte.
Glaubwundigleit ber Graählung des Lambert von Heräfel. 829
proque suis omnibus inordinata hac regis coactione pugnando innocenter
oecumberent, quam se ipsos abeque culpa intoleraßilfter diseruciandos,
eumque suis omnibus, ut antea solebant, regi suisque militibus diripiendos
et mancipandos inprudenter contraderent (SS. V, 278). Ganz befonder? aber
wiberfpriht das Carmen de bello Saxonico, Lib. III, v. 94—100, biefer
Vor ſteilung von zurüdhaltender Gefinnung des jächfiichen Volles: Talia Saxones
&x fama percipienten, abeumpti ügmenta prius fraudesque dolosgus, cogansar
tandem nunc se defendere belle. Emittunt equites strietis mucronibus
acres per totam patriam vulgi coneire catervas omnes ad bellum, seque
et sus geemgue tuendum. Concita plebs rerum mox ardet amore novarum
(SS. XV, 1230 u. 1231)'%5), Bollends die Vlitiheilungen über die Gejandt:
haften ber fremden Vdiker find nur Wiederholungen jvielender Phantafie, in
etwas anderer Richtung, ald bie ob. S. 819 u. 820 behandelten geweien find. —
. „An eigenthümlichen inneren Widerjprüchen leidet und ebenjo mit Bruno's
Mittheilungen nicht vereinbar ift, was Lambert über bie Verhandlungen
ganinis IV. mit den Sachſen in der Zwiſchenzeit zwiſchen der
chlacht vom 9. Juni und der Auflöfung bes tönigl Ben Demes
vorbringt. Gleich der erſte Gap dieſes Zufammenhanges: Rex assiduss ad
prineipes Saroniae legationes tum suo, tum prineipum suorum nomine
lestinabat, hortans eos, ut se dederent atque in clementia eius poeius quam
in armis suie, quae semel infelieiter temptassent, spem sibi deineeps pone-
rent — mwedt die Ichhafteften Bebenten gegen feinen Inhalt. Pi) IV., der
fiegesftolz das jheinbar unterworfene Land in jeder Ichäriften —8— und
einzig, befen volle Unterwerfung erwartet, fol in einer jolden Weile, welche
aus durch bie drei von Bruno mitgetheilten Briefe Erzbilchot Werner's??%)
gan, ausgeſchloffen ift, fich entgegenfommend erwiefen haben: das ift nicht dent«
ec), Lambert weint nun, daß zwar die fächfiihen Fürften in Erlenniniß
des umauslöfeplichen Haffeß bes Adnige c$ für unmöglich gehalten Hätten: ut
ei (sc. regi) preeipitanter sanguinis ui jus potestatemque facerent, cuius
iram tantis ante expeditionem supplicationibus mitigare nequivissent. Die
barauf folgenden Säge: Verſichetungen der Fürſten: se pacem quam bellum,
elementiam eius quam indignationem semper maluisse, et eam si alio precio
ine redimere potuissent, nunquam ad haec extrema
;peı que processuros fuisse — Berjprechungen für den Fall,
bag ent Heinzich IV. nad) der Schlacht Erbarmen beweiſe: se hoc gratanter
amplecti et oblitteratis a corde suo omnibus malis, quibus in eos iram
odiumque suum explesset, deinceps ei fidos devotosgue futuros — ftimmen
im Ganzen zu den Briefen. Aber der Schluß, ber ſich übrigens wieder gm
in den beliebten typiichen Wendungen ergeht, verheikt für den all: si hoc
aliter quam per deditionem fieri non posset — ben Entſchluß, lieber im
offenen Rampfe zu fterben. Dein ungeadtet follen — ad ultimum — auf bes
Königs Beiehl Erzbifhei Giegfrieb!%®) und einige andere Fürften zu den fächfie
125) Eben diefe ganz abweidhenbe Muffafjung des Diähters, welder von ben durch
Sambert Biß zus Unteiblicfeit anägemolten Puktbungen fein Mark weik, If eine Der nad
behdtiänen Überlegungen der Bannenborg’Icen Onpoidee über bie Jdent tät der utoren
eider Werte.
120) Mlerdinge R aud, in ben vom Bruno mitgetbeitten Yelzjen niät überafi die
gleiie Gefinnung erigtlic. Won der in c. 48 herbortretenden ob, &. 500 erwähnten Ber
teitwiligteit, Aa dem Urtbeilsiprud der FA: fügen, Riät inc; 51 die Sufißerung
twefentlih ab, welde in den Worten: tamen de facienda pace consil is acquies-
io vesirae pietatl
eimus, si eam firri posse sine majore damno Maram partiam princij in
aliquem locam, quo nos tuti pussimus occurrere, veniant, nosque sua sapient nun
simus edoceant, ia quicquid eis placuerit, dummodo nobis vel posteris nostris nom noceat,
noster consensus coucorditer implebit (+47) enthalten ift.
125) Qteyu fommt nad, Daß Cambert tarz Gernad — berg ab. &. 5m.
unfetgerißtig entfäicden leugnet, Dab, Deinria IV. fd nad mstaflung dei
Brieden geneigt qereint habe. und da fol er, als er im Befige feiner vollen
auı fole Verhandlungen fic) eingeloflen haben?
12%) Gerade, daß hier wieder Erabilciof Siegfried bei Lambert herdortsitt, berrichrt
das ‚ihtrauen nsaen biefe »usführung. Wieder erigeint der iu Seräfeld fo übel angeiehene
— von Dainy als Träger einer m:plingenden Borfeaft, in deren Aufrichtiglelt fogar
ber Grgähler, wo cr den Inhalt der Mittheilungen bringt, Ameifel fehen Läht. In dem ob.
©. 51 m. 53 erwähnten, eiwa im Juli oder Nuguf geiäriehenen Briefe Siegfried’ an
880 Ercurs I.
ſchen Furſten gegangen fein, um münblic mit ihnen zu verhandeln. Da bringt
Bambert breite Bortellungen, welche bieje Abgeordneten gemacht haben fol,
ut... .nec se gentemque suam obstinata desperatione omnino perditum
irent, unter Einfegung ihrer eigenen Bürgfchaft dafür: quod, si se ultro de-
didissent, aut eadem die aut brevissimo post tempore deditione absolvendi
essent, salvis sibi dignitatibus, beneficiis, prediis et aliis facultatibus suis.
Allein in ebenfo wortreicher Fülle wird die Ablehnung der Sadjen, die ſich auf
deren neuefte Erfahrungen ftüßt, ausgeführt, wobei es nicht an höhnifcher Bezug:
nahme auf bie verhrikene fides der Unterhändler jehlt: fidem suam....
am in campis Turingise luce clarius multo suo incommodo A
fuissent (229). Zie ganze lebhafte Auseinanderfegung follte eben nur wieder
zedhtfertigen, daß die & fen, die ja Met nur ben Grieden gewollt Hätten, jeft
neuerdings mothgedrungen ala defixi in sententia persistentes erichienen. —
Abermals ſtehen ausführliche Nahrichten bei Lambert über die Berhält:
nilfe bei den Sadien und Zhüringern vor dem königlichen
erbffeldzuge und der Unterwerfung 1075. Zuerfi will der Erzähler
ein anjcauliches Bild der unficher gewordenen Stimmung ber Feinde bes Königs
geben, ihre® Echwanens inter spem et metum, inter pacem et bellum, inter
comminationes et supplicationes, vario curarum aestu —, wobei wieder Die
bei Lambert jo beliebten crebra conventicula abgehalten werden. Ginige ſollen
gerathen haben, Altes, was in Sachſen und Thüringen noch übrig fei, gegen:
über ber Verfolgungsmuth des Königs jelbft auszubrennen und über die
auszumwondern, Andere, die Lıutizen heranzuziehen: ut . barbaro mili
adversus barbarım atque implacabilem hostem uterentur, noch Andere, bei
ber verzweifelten Lage der Waffen Schuß an Ichwer zugänglichen Dertlichteiten
— ut castella, quae rex per Turingiam et Saxoniam dirui jusserat, in-
staurarent — au fuchen, jo lange, bis der Unwille des Königs dorübergegangen
fei. Aber das Volt ift ganz verzweifelt und fampfunluflig; es Legt fid) nur noch
auf Bitten und will aud Schmähliches und Graufames eher erdulden, alö
fechten. xXiefem Streben, nad) weldem in unrühmlicher Weile von der alten
Zapferfeit abgemichen würde, ſtehen die Fürſten gegenüber: principes, quibus
primum auctoribus ea rabies inarserat; fie flellen bie Fepenttiche Bitte:
ut. . nee optime cepta (bieje rhetoriiche Wendung fleht zur erlittenen
Niederlage in argem Biteiprud) fedissime nunc desererent, und fie wollen
bie erfahrene Befiegung aus ber fehlenden Oberanführerichaft ala ber wahr
Urfadje ertlären, fo daß Alleö werde anberd werden, wenn dieſem Mangel abge:
holen werde, nämlich durch das einzige Mittel, si regem sibi crearent et in
eius verba jurarent se pro patris, pro conjugibus, pro liberis, pro legibas,
pro libertate sus usque ad mortem militaturos esse. &o feien unter der:
artigen Beratungen mehrmals viele Tage nuplos vergangen — es find wieder
iypilge Zahlen: Yieben, dann fieben verdoppelt —: incertiores semper quam
venerant domum revertebantur .... . propter acceptne cladis recentem
memoriam nihil racionibus suis satis tutum, satis firmum putabant (23.
— Nachher tritt Zambert auf bie Verhandlungen zwiſchen Heinrich IV. und den
Aufftändifchen ein. ALS Auftrag ber drei aus dem bei Rordhaufen aufge
fchlagenen fächfifchen Lager an den König nach Gerftungen abgehenden Boten
wird bie Aufforderung an ben König genannt: ut a latere suo principes, ns
vellet, ad eos transmitteret; paratos se, collato cum eis consilio, omnil
quae justa sint promptissime aesensum prebere. ber der König weift das
zuerſt ab, unter Betonung des Umftandes, daß die Sammlung feines Heeres —
rineipes sui de tam remotis regni partibus — zur Enti—heidung durch bad
hwert, nicht ad sententias dicendas, geſchehen jei; ala er dann durch bie
Bitten der Boten — vix et aegre — zur Ginwilligung gebracht worden fi,
habe fich feiner der Fürſten zur Nebernahme ber Aufgabe bereit finden Iaflen
wollen, in ber Befürchtung, entweder durch ein gelindes Verfahren gegenüber
ben Sachen bei dem Könige in Verdacht zu fommen, oder aber von den Cadin
VII. it von der obstinatio der Gaı fen uud Zeezezg bie Rebe; aber ber sata
gema
or,
feat"fein Yort babon. Daher [eIöR nenerbings wicher Griährun a
ein Umftand, ber ja feine Ausführung nod; wefentlid erhärtet haben wärbe.
Glaubwürbigkeit der Erzählung bes Lambert von Herafeld. 831
fie die Mrfache der Waffenergreifung durd; die Sadfen nicht Jen mibsiigten
. fähen; aber fie
b
bello, quam ut in exiliis et carceribus ritu pecudum ven Aidieulum
jelandten dringende
und her. Wieder bricht bei ben Sachſen die Kampfluft durch, da der Treue des
Königs nicht zu trauen fei; doch Herzog Gottfried und feine Begleiter bleiben
jeft, brechen den ferocientis multitudinis tumultus durch milde und fcharfe
ittel, beiwören: non salutis, non libertatis, non prediorum, non beneh-
eiorum, non caeterae suppellectilis sune ullam eos jacturam sensuros,
postquam faciem regis et regni majestateın momentanea satisfactione magni-
icassent, statim deditione absolvendos et patriae libertatique, in nullis
imminuto sibi condicionis suae statu, restituendos esse. Seht geben bie
jahren Fürften nad}, ganz beſonders auch in Folge der Erwägung, daß fich
er Rrieg — plebe jsin olim tedio affecta et pacis recuperandae cupi-
jenbadher Hat gerade biefe Stelle, weldie wieder eine gewöhntiihe fjematifcie
Beitangabe in fi enthält, nit angemertt. Daß noMmalige Qin« uud Herreifen don Boten
debn Meilen {n gerader Linie aus einander liegenbeu Orten, Gerftungen und
130) Unter dem inmane facinus — nachher in den Worten ber —J— novum
ıltis retro secnlie inauditam facinus —, daß die Eadıfen dur bie irte bes Königs
ungen mehansen haben follen, Ift jebenfans die That der Kirjenfänbung auf der Harz-
a .
832 Excurs L
dissima13!) — länger nicht hinziehen lafſe. Rach nochmaligen longae delibera-
tiones 132) Aimmen“ die Fürften — ae rad atque ae suspiria ab imis
trahentes ‚Yisceribus —- zur deditio, mit, dem er
regisque clementiam propriae salutis periculo experiri. ni
if nad Eintreffen diefer Nachricht ein — Jubel, den Lambert ———
ermeuerter Wendung feiert: man glaubt, ohne Aufammentzeffen im Sampfe, jept
eine, verglichen mit der Schlacht vom 9. Juni — ber durch die vieti ben
vietores veruriachte Iuctuosa clades — omni triumpho illustrior, omnibus
spolüis opimior victoria gewonnen zu haben (234 u. 5. Darauf folgt gleich
die Schilderung der Unterwerfung bei Epier.
Gegenüber der an erfler Stelle — von 233 — mitgetheilten Ausiage Lam-⸗
berrs lautet bag Urtheil Bruno’ in c. 54: Econtra Sasones magno jam peri-
eulo facti pradentes, cum non minore venerunt exercitu, jam non sicut
antea terga daturi. sed fortiter pro sua libertate pugnaturi, ita ut
eam vel uxilio firmiter retinerent, vel cum vita simul amitterent —
[FH abweit und das Gleiche iſt der Fall, wenn mitgetheilt wird, das tdnig⸗
e
‚Heer ſei nicht fo kampfbereit geweſen, quia non, sicut audierat, inbelles
esse Saxones expertus fuerat (348). Doch entipricht bier die Mit-
theifung des ſachfiſchen Berichterftatters, welde die Stimmung ber Sachſen fo
feiegaluftig fein läßt, allzu wenig dem fchlichlichen Autgange, To baß diejenige
Zambert’s als bie glaubwürdigere anzunehmen ift — Mit den Ausſagen
bert’3 über die Berhandlungen find zunächft diejenigen des Annaliften von 1075
an zu vergleichen. Derielbe behauptet zuerft, in Antnüpfung an bie ob. S. 529
in n. 99 mitgetheilte Gtelle, daß Heinrich IV. in der Herbfizeit aufgebrochen
fei: comminatorio simul et promissorio sermoeinio, in weldem er — fogar
sub jurejurando, ut ajunt — für bie Zulunft auf den Fall det Gehoramz
hin alles Gute verſprochen habe, während für ben Fall forigeießter Wider
penftigfeit die fchredlichften Drohungen ausgeſprochen worden ſeien. Diefe minze
et promissa — in utramque partem per suaviloquos, illices et corruptores
internuntios astutissime viritim disseminata — machen die Eachien gegen:
über dem Könige vertrauenzfelig: — regi etiam ob tot injurias illis illatas
quasi dolorem simulanti poenitentialem, und zwar ganz beionders: cam
ieter haec, ut ajunt, ipsis ex parte illius sanetissime clam jurata sunt,
Inprimis exoptata vitae securitas, pacis fideique non fietae foedus inviola-
bile, justitiarum legumque paternarum suarum plenaria libertas, si ei dum-
taxat absque omni palam conditione, in hoc eum honorificantes, ad deditio-
nem pervenire non dubitarent. Es folgen bann noch von Seite Heinrich's IV.
huiusmodi plures tam fidei veritatique simillimae promissoriae assertiones,
und jekt wirft der suasus praesumpfibilis, welder von Gxybifdof Eiegiried,
Bilhof Embrifo, Herzog Goltfrieb et caeteri, qui prorsus nisi summa necessi-
tate coartati illis bello detrectarent congredi — auögeht, auf die Sachen:
sese complices —* gta condictum promissorum ad deditionem pariter
contulerant (SS. V, 279). Die fiherfien Aufjlüffe könnte Bruno bieten, wenn
ex nicht gerade hier, c. 54, fich fo ſehr kurz gehalten hätte. Denn im Auſchluß
an bie ob. ©. 528 in n. 98 mitgetheilte, von ber gejonderten Haltung ber
oberdeutfchen Herzoge handelnde Stelle rebet Bruno zuerft von einem geheimen
Rothichlage zwiſchen Fürſien ber königlichen und ber jächfiichen Partei: accepte
dataque fide ad secretum consilium prineipes ex utraque parte convene-
völlige Rampfeilbe
Sadı!
132) In feinem Grzählunggeifer bebacte Lambert befonberd, indem er hier flet don
Reuen, and über bie drei Lage binauß, bie Dagmilcen vertreihenbe Zeit betonte: Tandem
placnft mitti . . . . quingue — Sepe itum ac veditum est. Sepv Saxonen . . . . espediri
(ete.) conclamarerant — post longas dellberafiones, post multas tergiversationes . . , „ tandem
dedition! eonsenserunt — Durdaus niät, daß oil Bas in ben ienigen Tagen, auf bie Teite
Rechnung führen Lönnte, gar feinen P lab gehabt hätte.
Glaubwürdigkeit ber Erzählung des Lambert von Heräfeld. 833
rant —, was alfo mit ben ‚Radrihten Zambert’3 und des Annaliften von ben
Zerhandlungen zwiidhen beiden Lagern nicht zufammenftimmt; demgemaß follen
die Fürſten des Löniglicen Anhanges — genauer illi, d. h. hier Rudolf und
Berchtold — ben Sachſen — nostris — unter Einlegung ihrer verbürgenden
Zulage — in sun fide — veriprodien haben: quod si se sponte tradendo
regi vellent honorem facere et tota Saxonia quieta staret in pace, et. ipsi
nec in dura nec in longa forent captivitate. Außerdem ift Bruno — fama
testante — auch zu Ohren gelommen: quod rex suis ji principibus, ut
si hoc ad honorem suum perficerent, in —— proximi omnes
ad sus cum pace et gratia sua dimitteret. t. vertrauen — manu fidei
illis (hier find es die prineipes auf Heinzidy's IV. Geite überhaupt) accepta
— bie Sadjlen -- omnes episcopi nostri, duces, comites, ceterique majores
— bielen Zufiherungen und entfliehen fi zur Mebergabe'#®). Co Hält fich
Bruno, der die Dinge, wie fie wirllich geihyehen waren, fichet gewußt hat, in
iu pa ma Stilfhweigen, das nur Andeutungen bietet, ein Hörenfagen
enthält. Sambert und der Annalift von 1075 an geben, voran der erfte,
breit ausgeführte Erzählungen, redneriſche Wendungen, um ihr Nichtwiien zu
verbeden. Das Wahriceinlichfte ift, daß diejenigen, welche für Heinrich IV. die
Derpandlung führten, einzig die von Bruno erwähnte Zufiherung über bie nec
dura nec longa captivitas gaben, der Mönig aber urhaug freie Hand
offen Tieß!*). — Eben für dieſe Auffaffung, daß Heinrich IV. freie Hand für fi
behalten wollte, ſcheint auch ber Bericht der Vita Heinrici IV. imperatoris, c. 3,
au . Rad einer jehr allgemein gehaltenen Söilberung der Niederlage
der Sadjjen im Sommer heißt es da zuerfl: non tamen ad deditionem cogi
tuerunt. Dann folgt vom Könige: Iterum cum inde digressus, reparato
brevi exercitu eos invaderet, diffidentes viribus suis, utpote in priori
bello gravissime contusis, quod saluti proximum erat, se dedidere, sperantes
regem sola deditione Sontentum, gratiam suam facile donaturum. Sed
longe praeter evenit (SS. XI, 272). Das will bod nichts Anderes
fagen, ala daß Alles auf die Entfcheidung gende IV. antam, ob er Gnabe
extheilen wollte, oder nicht, daf aber die Enticeidung ganz von ihm abhing,
Fi gl hernach geſchah, jehr gegen die Erwartung der Betheiligten fich
jerauöftellte. —
Ein eigenthümlich das Gepräge der Lambert'ſchen Erzaͤhlungsweiſe tragen ⸗
ber Abjcnitt!%) iſt 3. Darftelung des Wiederausbruches der at
{den Bewegung und der damit in Verbindung Rebenden Greig«
niffe. Zuerft führt Lambert die Sachſen ala unter fcwerem Drude liegende
Befiegte ein, und zwar läßt er diefen Zuftand von dem Augenblide: deportatis
in exilium prineipibus suis an beginnen: tedio et merore tabescebant, nec
ealamitatis ullam usquam patebat efugium. Die Ausführung über Die Bes
Ichaffenheit ber erduldeten Leiden gleicht im hohen Grabe derjenigen ber Früher,
au 1073, aufgegählten Urfadjen de& fächfifdhen Aufftander, wie fie in Treurs I
gegeben if. & find die amici regis per montes ct colles dis) „welche
eine jede freie Bewegung hindern, dann bie von ihnen ausgehenden Bedrüdungen:
quottidie ex agris et villis predas agebant, tributa regioni difficillima im-
ja a. 1076 — ihre Gryählung der Serbeiführun
— Aıänge an bruno Oben I de
Rudolf an dem Greignifle. &6 wird gelagt, daß
bem 9. Juni) effocıi, ben Krieg er
Ians vis consilium propter
ptaram, gnod
er ednung gef
Bes Hebergabe ber Gadlen miät ohne
erborhebung, deb Unteild ded Derzogs
Eadjien, ferocioren ex lamı
Pace et eoncordiam, ut In potestatem
nichil eis noceret. &ie folgen feinem Kathe.
Ermmt, geifjieht, Die Hebergabe: prineipen Sazonım In potestatem elus m dederant, und jmar
von Geile der bier ob. ©. 89 m. 534 nag Cambert# Hugabe Genannten’- Werner, Burdarb,
Otto, Magnus —, bayu nad) bardı Udo marcı \tos omnes rec rastodiri prascepik
Darens nun, ap ubalf „nal ei conaiium ded Adejassor extiterat, auf dab tiefe
AA vercht Fädl, eafeht Selen Bern oeaen ben Bönig, mb ber Kart taicht dann hie
dia Rubotfs Erorbung ara Graratinig en (ss, KV, Puh),
184) Bergt. audh Delbrüd, 49 u. 50, Bageler, Ti-70, &. Meper, 41-48, Diekmann,
185) Demlelben wandte auch Delbräd, 57-61, feine Aufmertfamteit zu.
Meyer von Knonau, Jahrd. d.dif. R. unter Heinrich IV. u. V. Bd. un. 58
834 Excurs I.
ponebant'*), castella sua summo provincialium labore et impensis comma-
niebant. Neu if natürlich die lepte Beihwerde: graves prorsus atque in-
explicabiles pristinae rebellionis poenas exigebant. Tann aber Iweift
Sambert auf bie beiden —ãa— —— Kon Grafen be exe, u a elsben
inbegism ber gegen Hein! . jehenden Umwälzung im jär
Hinzuftellen #4 ah Sie find ihrer Bewegung frei Ei tem; —S
ultra Albim fluvium rant, ibique rei eventum prestolabantur — und
erheben fich aus anfänglichen Freibeuterthum — contractis ex sui similium
numero aliquantis copiis, rapto sibi victum querere ceperunt — zu Kämpim
ger bie regis exactores; jo erwäcjft nach den erſten glücklichen Salägen iht
ager zu einem Sammelplatz für die milites principum qui relegati fuerant.
für ingenui omnes, qui necdum dediti fuerant, jo baf bald eine große Menge
fie unferfügt und ie ha genügend geflärft ad apertam vim et publicas con-
Greseiones fühlen, baß auch die provinciales ihre volle Bereitmwilligkeit
ithülfet37) zufagen (244 u. 245), — Nunmehr kommen Hermann und bie
anderen erſien Befreiten zurück ies) und mit dieſem Glüdsfalle — dem evidens
documentum respieientis eos misericordiae Dei — hört bie ganze biäherige
Zurhdfaltung auf. Sept beginnen aud) im fächfifcyen Sanbe felbft Unternehmungen
der armata Juventus; alle Töniglichen Burgen gehen traf! — alia deditione,
alia militari manu — an die Feinde über, unter Entlaflung der unverlehten
Belapungen, nachdem ihnen bie Beute abgenommen ift und fie die Verficherung
gegeben haben, nicht mehr feindfelig in das Land zu kommen. Die amici regis
dagegen mb quieumgue communibus negociis operam suam spondere nolnissent
werben aller Habe beraubt und jämmtlidy aus Dem Bande gejagt (245). — Fur
befien nimmt Otto von Norbheim als Statthalter des Königs eine Gtellung
im Sande!®°) ein, mit welder die Sachſen rechnen müfſen. Sie ſchigen alio
Boten an ihn ab, unb Lambert weiß nun, in großer Breite, den Auf mits
utheilen, den diefe auszurichten haben. Otto wird auf das jchwerfte ange
nt, als verrätheriiher Urheber der zu Spier vollzogenen Unterwerfung
ver Fürften und ala Gehülfe Heinrich's IV. ad eversionem ‚gentie suge, old
befien teräfnecht, und wie die Ausbrüde weiter Lauten, welche bie Gtellung
im jähfifchen Lande, die ihm zum Lohne für die durchgeführte Rolle gegeben ift,
begeichnen follen. Otto wird ermahnt, ſich jet eines Befjeren zu erinnern: Bene
igitur famae et honori suo consulat, si tantae infamiae maculam claro ali-
quo erga patriam suam beneficio purgare conetur et genti sune patriam
libertatemque armis recuperare cupienti auxilio concurrat — und ganz be
ſonders mittelft Auffuchung eines genügenden Rathſchlufſes für bie ereptio prin-
cipum feine Mitwirkung eintreten zu Lafien; im entgegengejegten falle, wenn
er nicht freiwillig biefen Mahnungen folgt, wird ihm angebroht, es würde —
ihm ala gegen einen patriae proditor, communium castrorum desertor, @e
malt gebraucht, er felbft nad; Zerftörung alles feines Befikthumes aus Sad
derjagt werden. Die Antwort, welche Lambert dem fo zur Rebe geftellten
in den Mund legt: obnixe eos per Deum obtestabatur, ut micius
je agerent — enthält im weiteren Berlaufe wieber eine ganze Anzahl von
enbuingen, wie fie dem Erzähler geläufig find. ſobald er auf die fächftiche An:
jelegenheit zu ſprechen fommt!%). Der kurze Inhalt berfelben ift, ex wolle jo
Port zum Könige fenben und biefem ben Fat geben: ut prineipes deditione
absolvat, castella quae metu rebellionis pristinae extruxerit, diruat, genti
Saxonum libertatem, leges ac jura majorum . . . . restituat, unb er ei Gans
Heinrich IV. diefem Rathe nich folge, Tchenfallg Bereit, bie communie' patriae
Parentumque suorum causa bis zum Iekten Athemzuge zu vertheibigen')
190) Bergt. Bruno, c. 84; naite hersäitatem yoriram tivtarlam facere — „ Biete
menus & tributis solvendis, retinete possessiones vestras liberas, sicut liberas ens a veatris
an) DIE beiihke ende i rin (ete.) honesta morte
jebte Wendung: sscins_ pro patrin (etc, am...
omai merte trinirem am are Le Sirhenseer hite wiehe.
* ——
. au adper, Difertatton, 88.
141) Oiemit it and) bie nadıker bei Bambert folgende Ausführung, betreffend Otte,
iu vergleihen: sciens genti ——** se Sana reellen 10 Maik jew drıpore apıd
Glaubwürdigkeit ber Erzählung des Lambert von Heräfeld. 835
Rach Entlaffung ber jächfiichen Boten führt num Otto die Bejapungen von ben
ihm anvertrauten feften Plägen hinweg: communem deinceps cum Saxonibus
ac socialem vitam agebat; gleich tigt er, wie er beriprochen, eine Gejandt-
ſchaft an den Rönig ab, einen gravis nuncius, der ben König ſehr empfinblid,
trifft (245 u. 246). — An biejer Stelle ſchiebt Lambert bie Erwähnung ber er»
folglos ausgeſchriebenen Berfammlung zu Worms und ebenfo diejenige der eben-
jet nicht mit dem erwarteten Grfolge gefrönten, auf den 29. Juni ausgeſchrie ·
ven Verſammlung zu Mainz ein!*®), und erft nachher fährt er fort, die ſach-
schen Dinge zu verfolgen, und zwar in der Weile, daß er verjucht, bie durch
ie dorangegangenen Ereigniſſe herbeigeführte Stimmung Heinrich’ IV. zu
ſchildern. In diefem Bilde der Gemüthöverfaflung des Königs heißt ed: Nec
tamen, quod dietu mirum sit, tanta hac rerum asperitate, tanta ingruentium
periculorum mole evinei poterat, ut, unde potissimum haec flamma invidiae
et odii adversum eum exarserat, principes Saxoniae deditione absolveret,
Qauin immo conterritus recenti exemplo eorum, qui plerosque ex ipsis s6
inconsulto dimiserant, residuis qui adhuc in custodia tenebantur, omnem
adhiberi diligentiam jubebat, ne elaberentur. Heinrich IV. ermahnt alfo
wieberholt die Wächter biefer in Haft liegenden fächliichen Geiſeln. das Beifpiel
jemigen jächfiichen Fürfien, welche die ihnen Anvertrauten eigenmächtig ents
Iaften hatten, nicht au befolgen: ut memores beneficiorum suorum, memores
jarisjurandi, quo sibi fidem suam firmassent, traditos custodiae suae inte-
merata fide, donee reposcerontur, servarent. Aber — omnibus quidem in-
fensus, omnium, ut videbatur, sanguinis avidus — war Zuůnrig 1V. gegen
Biſchof Burchard don Halberflabt von einem inexorabile odium erfüllt: nisi
pontificalis nominis reverentia et fides principum, quae in deditione inter-
cesserat, obstarent, vitam eius per omnes cruciatus extorsisset. &o Hatte
Damit IV. den Biſchof zuerſt dem Biſchof Ruopert in der Abficht, dab biefer
jeine unmilde Gefinnung gegen Burchard zum Augbrude bringe, übergeben. Dann
aber habe — jagt Lambert — die Derlehung Burchard's in die Nähe Hein-
rich's IV. flattgefunden, aus dem gewiffen Argwohn: ne forte subrepente
hanc moram negligentia aliquid in eo (sc. Burchard) vis vel fraus hostilis
operaretur, wobei freilich die Erzählung eine Motivirung binzufügt, welche ganz
ausgeichlofien eridpeint'*®); hier am Hofe fei der Biſchof nunc inter camerarios
suos, nune inter cocos et coguinaram spureieias indignissimo loco gehalten
worden, fo lange bis ein andereß tam feralibus odiis competens exilium ge:
Funden fein würde Da glaubte der König, als feine Schwefter Judith zu ihrem
Gemahle, König Salomon, zurüdtehrte, dieſe Gelegenheit auserleſen zu follen,
damit die Schwefter ala die Ferönlictet, quae crudelitatis huius munere fun-
ır, den Biſchof an einen Ort brächte, von wo er nie nach Deutichland zurück-
ehren Lönnte. So geidieht es: Annuit illa petenti (sc. Subith dem königlichen
Bruber), et navi impositum cum hominibus suis premieit, ipsa paucie post
diebus, cum profectioni suae necessaria ordinasset, insecutura precedentem.
Und jept ergeht fid Sambert in der vollen Zuft des Ergähfene, durch weldhe
Beranftaltung eö Yurcharb durch feinen miles quidam Vodalriens nomine, multis
in Bajoaria poseessionibus predives, regi quoque adprime carus et accep-
tus14e), gelungen fei, zu enitommen.’ Udalri; {ol Burdarb zuerft das über
diefen ——
erebris legationfbus egerat, ut, belli seminarium jraramque cansas amovoret, legen ac
;onibus rata manere
in a0 tiranni esse distantlam, quod
te logibus ac more majoram mode-
dee Best
a a lnar I Hhoras Ale ou Den Lnioticen Def’ aebreiht mechet wähtens
ie ertifie Gntlafiung fädflier Gärften aus ihren — erft nachher begann
836 Ercurs J.
an ber Tonau brgütert fei, fo daß Burdard, ſobald das Sgiff jene Sam
erreicht haben werde, die Echiffälente häufiger erſuchen möge, ihn an das Land
lafien zu wollen: obtenta vel refrigerandi vel alius cuiusvis necessitatis
occasione, quae modo tali artificio idonee patroeinaretur. Surhard Handelt
und fchügt ein Lörperliches Unmohljein vor, fo daß ihn die Schiffer in folder
eiſe in der bezeichneten Gtrede diter®_an das Land Reigen Laffen!*s). Jept
wirb eine Kirche am Ufer fichtbar, und Burchard begiebt vs zur Tarbringung
bes Mebopferd — e8 ift gerade beati Johannis baptistae nativitas —, indem
ex bie arffemannthaft mitführt, dorthin; darauf umzingelt Udalrich bie Kirche,
it des Biſchofs Gepäd aus dem Schiffe holen und entführt den ganz Ueber
tafchten ihren Anbefohlenen auf dem bereit gehaltenen beften Pierde in die nahe
gelegene Burg. Nachdem Burcard einige Tage hier bei Übalrich geblieben if,
zeift er in weltlicher Kleidung nad) Sachſen: desperantibus jam reditum eius
Saxonibus repente, tamquam ab inferis divus emergens, restitutus est
(247 u. 248). — Doch mod) eine andere, ähnlich lebendig und anſchaulich aus
jemalte Fluchtgeſchichte Täßt Lambert ein wenig gie folgen. Die beiden jungm
Eine bes Markgrafen Udo und der Adela, ber Wittwe Dedi's, lagen ala Seien
bei einem föniglichen Minifterialen Eberhard !+°), der feine munitio nicht allzu
weit vom Main — Celeri cursu transmisso nemore ad Moinem perveniunt
-- gehabt geben muß; ber verantwortliche Beauifichtigende hat Die beftimmte
töniglice ZWeifung: vel propter tanti generis claritatem vel propter actatis
infirmae compassionem —, ut eos indulgentissime nutriret. Ra dieſer An-
ordnung umb auf Bitie der Eltern, die den Wädhtern häufig lleine Geichente
fenben, dürfen die Knaben mit ihren Alterögenofien au außerhalb bes frftrm
ſlahes fpielen oder fogar den Minifterialen in ben auf, bie Jagd
leiten. Durch die Gewohnheit wird die Sorgiamfeit der Bewachung ringe
Ichläfert; bie Knaben beginnen an Flucht zu denten: Ceperant igitur, ubicam-
que tempus et locum secreciorem nacti fuerant, sermones conserere, patriae
Pparentumgue recordari, peregrinationis molestias deplorare et, ut pro salute
sua aliquid Deo auspice conarentur, mutuis se suasionibus ineitare. Eo
entziehen fie ſich eines Tages den duch das Getümmel der Jagd in Anſpruch
genommenen Wächtern und fpornen ihre Pferde zu fchleuniger Flucht, quocum-
que impefus equos ferebat ......, nec in certum aliquem locum regionis
ignari, An den Diain gelangt, veranlaflen fit — clamides suas, quibus vestie-
bantur, guoniam aliud in promptu non erat, evectionis precium oflerunt —,
einen Fiſcher, dem fie in feinem Kahne trefien, fie nach Mainz zu bringen.
Diefer ift willfährig, dedit auch bie Flüchtlinge, um fie vor dem An eeholgern zu
verfteden, mit dem Beräthe zu. Dabei iſt ein ganz ſagenhaſt dichterifher Zug
ber Erzählung beigemifcht: Equi eorum, transito amne, in ulteriore ripa juxta
navicalam mirum in modum moderato gradu decurrebant, ita ut cum eunte
navicula pariter irent, cum subsistente pariter subsisterent. Bratis pecoribus
140) Sambert Hat bier Die Groäßtung ausgepatit
(au na@her Tolgt In der Längeren Gele über Dir en — hntee heben
— Fin beieiünenber Gab, ber fo reit Den Gohn über bie eingetretene End,
ge bazftellen fol: Episcopum episcopalis ministerli munia aocclesine Halberstadensi, cal ordi-
regrediebatar, eb:
gone, porauszufeht
ag gefallen) — ein ge
Kübler Rice. — *
berg, ober" ben Grafen Di
Zambert nit bon einem einfaı
266, n. 2, imo Giellen gel
146) Bergl. ob. ©. 518, n. 81.
Glaubwürdigkeit der Erzählung des Lambert von Heräfelb. 837
humanas inesse animas erederes!*), In Mainz verbergen fi) die Flucht⸗
linge in einem am fer gelegenen Haufe, gewinnen aber den Hausheren fir
ie Sache unter, — auf Erzbiſchof Siegfeied: se archiepiscopo
re conjunetissimos bamit jener aus Rüdficht auf den Erzbil hot
and ihre übeigen Verwandten ——— an Eberhard will, ba ec den Zus
fluchtäort der Knaben erfahren, das Haus erflürmen oder gar mit Feuer ans
fteden. Die Städter, dur: das Schaufpiel_gefeflelt, nehmen Partei für ober
wiber, jo daß Siegfried den bei ihm zum Beſuche anweſenden Grafen Konrad
von Zügelburg ausjhidt, der mit Hülfe von Bewaffneten Eberhard jhmachvoll
Be u naben in Empfang nimmt und fie bem aut Iberliefert
u.
Die erfte Blut, des Biſchofs Burchard, 24. Juni, fiel zeitlich vor die
Berfammlung zu Mainz, 29. Juni. Dennoch "erwähnt ae a Gran
(247 u. 248) erft nad; der Mainzer Berfammlung 8 einrich IV. ſoll num,
mad) Sambert, infolge ber Rachticht von der Flucht des Syn _ , ubi
gestae rei nuneium accepit, graviter et iniquo nimis animo ferebat tantos
<onatus suos in irritum cessisse, prereptam sibi tantarum contumeliarum
vindietam — jehr in Aufregung und Schreden verjegt worden fein, und wieber
jucht ber Darfteller die in der Seele des Königs geſchehenden Erwägungen en einzeln
feftguftellen. Diefe mögen etwa den beichriebenen Bang genommen
da Erſcheinen in Sachſen fast t die —— lammen ber Mr neu
an; die übrigen Theilnehmer an ber Unterwerfung zu Spier werben in ahnlicher
Weile, gegen des Königs Willen, bie Freiheit wieder zu gewinnen fuchen. Dennoch
wählt der König einen anberen als ben bisher betretenen Weg. Gr entichließt
fi: sapienti certe usus consilio, quoniam constet omne regnum nulla vi,
aulla le eieius domestica atque intestins simultate labefactatum
corruere — zu | dem Mittel: Saxones, quos extranei totiens —X tatos non
vicerant, suis jam armis, suis parat expugnare viribus —: fo läßt er den
Erzbilchof Berner von Magdel eburg, bie Silaafe Werner von Derjeburg, Benno
von Meißen, den Billinger Magnus, den Pfalzgrafen Friedrich !*®), ferner omnes
Saxoniae et Turingiae principes, qui adhuc in deditione tenebantur, aus ber
Verbannung zurüdtufen und empfängt fie in gnädiger Weile. Lambert will
erfahren Haben, wie der König die Befreiten angerebet habe — dieje freilich
wiflen: eum haec ficta loqui ... et necessitate magis quam pietate genuinum
animi rigorem larasse —: er tönnte juxta palatinas leges bie Zobesftrafe
über fie verhängen, wolle aber Verzeihung üben und als einzigen Preis für ihre
Seeung verlangen, daß fie ihm zur Erhaltung der Ordnung im Reiche treue
Hülfe leifteten und gan ma befonders jene Unzudeftifter — homines faetiosi —
im Zaume zu halten beiftünden, qui gentem Saxonicam simplicem et malarım
artium nesciam intestinis quottidie dissensionibus inquietent; würben fie
147) H
jetroffen.
mbert an
geben N il
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befindiid iı
Be *
©. 583
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jo war der &
artissima custodia detineretar of” nan
;0st annum et dimidium, recepta rogis
erftifiung
—A ats orig
wi Ei AR ale eincid D De Dr In Sorte —— (vergl. ob. dd iso) — ger
er
atia, repalrl
838 Excurs L
das thum, jo werbe er fie ala feine erften Freunde anfehen, auch bei Gelegenbeit
Fa ai Da — Heißt ed weiter — chen bie Angeredeten — bie Be:
Pre ingen — impunitatis amore, troß jener inneren —
—— durch eidüiche ‚Zuficherung und werben auf dieje Beil | frei
commeatu in sun singuli cum gaudio revertuntur. Darauf geftüßt, —
iept Heinzich IV., quod eorum (sc. quos deditione abeolverat) auzilio in
Serones, qui se leserant, iram suam idonee uleisci posset, und fo hält ex
eine nad} Saalfeld, quatenus eommunlter habite diseussione, quid facto opus
esset, deliberarent.. angelegte Zujammentunft mit Otto von Nordheim, der en
mahnt hatte: ut turbatis rebus in Saxonia mature consuleret, nicht ab,
fondern inacht fie u (248 u. 249).
Die © jerthes biejer zahlreichen längeren Stellen erwächt
theils aus Rn jem ia 'bft, ſowie aus ihrer Dergleihung mit anderen Abtheilungen
bes Sambert’jchen Textes, theils u ganz vorzüglich aus ihrer Zufammenftellung
mit ben 1 Seugnifien des Sachſen Bruno.
jüt Sambert ift und bleibt eine Hauptausgangätelle der ganzen neuer
dings ontretenben fächfifchen —e ver Bor organg bei Spier — tempe-
stuosum illud deditionis naufragium imlich in der von ihm von
Anfang an vorgebrachten Beurtheilung. Fr 7 der Beweggrund der Söhne Gero’s
zu ihrer Angelt an pn Betrachtung: non aliud actum deditione prineipum
quam proditam e esse libertatem patrise totamque gentem Saxonum,
quo rex sem] Intenderat, in servitutem ed sub Jugum redactam (245),
und nachher Geht 3 wieder ausbrüdli, die deditio fi bie die Angelegenheit ge:
wejen, unde potissimum haec flamma invidiae et odii adversum eum (sc.
regem) exarserat (247); durch alle biefe Abichnitte geht die Hierauf gurüd:
weiiende Auffaflung. Die Wiedererlangung ber Freiheit a die Fürfen,
welche bis dahin in Haft geweſen waren, auf verfdiebenen Wegen, auch in der
Weiſe, daß, wie Lambert will, durch den König eine neue Hinterlift, der Ber:
lichtung der Freigewordenen gegen die eigenen fächfiichen homines factioai, in,
moendiin tommt, muß aljo auf die Eon den Rärfften Einfluß aus:
Aber bad Gerhalten des Königs in biefer Sache wird num durch Sambert in
widerſpruchsdoiler Weije vorgebradht 50). Sobald namlich ie Hera — *
und & tann ſich die Sache I wohl verhalten haben —
29. Juni von ber fünf Zage vorher geicehenen tacıin Burch Hung ‚ie
Kenntmif — fo heben fich Lamberl's Behauptungen — aut: Ki
fommen jang, 247, ber geig ef die Erwähnung der Wormjer Berfammlung
ich anſchließt — vergl. hie 5 Nec tamen, quod dietu mirum sit et)
— und — über RI N. fi ändernden Entihlug nah
harb’3 Befreiung — vergl, bj ter 6.837: Rex ubi gestae rei nuncium Becepit
(ete.) — vertragen ſich nicht mit einander. Man mul fogar annehmen, die
Einberufung der I jenannten zur Freilaffung kommenden fyürften, des ſGoß
— amd ber Anderen, habe gerabe nad; Mainz, wo der König fich aufhielt,
tgefunben.
inderentheila fehen der Glaubwürbigkeit ber fo geſchidt und Lebhaft er-
ählten Befeinnasgel ichten, derjenigen Burchard's und derjenigen der fürftlichen
Ruaben jo wie Lambert fie vorbringt, wenigftens ficherlich der zweiten,
een im Wege. Dan möchte jogar bei deren Leſung bier ala
nit bloß Lambert in das Auge foflen: ſondern, md für bie Flucht her
Knaben auf ihren geſchwinden treuen Roffen, ben Schluß thun, hier habe ein
Singen und Sagen aus dem Wolfe, dad fich bes Stoffes bemächtigte, zu Grunde
gelegen.
Sazu tommt nun Bruno’ abweichende Schilderung. Allerdings if bieier
für Greigniffe, welche dem ſochſiſchen Yoden ferner Liegen, mehrfach fchlechter
unterrichtet; aber für eigentlich jächfilche Dinge ift ex, mo ii wilber Haß ihn
ze baran Binberte, da8 Wahre zu berichten, ber dor ben Anderen anzubörende
ige.
Bruno nimmt nad) einer Abſchweifung — non aberrando sed sponte
deriando, in ce. 74—81, über die miserae mortes, welche bei Anhängern
10 Das hob ſchon Delbräd, 58, herbor.
Glaubwürdigkeit ber Erzählung des Sambert von Hersfeld. 839
Heinrichs IV. Kingetreten fein — mit c. 82 daß iter inceptum wieder auf,
wit ber comperta legatio pontificis et excommunicatio sive depositio Hein-
riei regie. pt follen omnes qui nostros captivos habebant, weil fie Hein:
IV. — cum rex non esset — Gehorjam nicht mehr (outteten — borber,
fo lange er König war, konnten bie jähfiichen Frag fein Mitleid finden —,
alle bieje fyürften — omnes eos — ohne Hein IV. Borwifien, ohne Ent:
gelt, nad ‚Baule entlafien haben (862)"51) he in c. 83 nimmt Bruno —
ad Dei laudem et ad omnium miserorum consolstionem — Burchard's Be-
Feng vn (862.
jeber bie ande der Befreiung des Biſchofs hat Bruno unzweifelhaft
aus dem Kreiſe Burchard's son viel richtigere, unmittelbarere Nachrichten ems
fangen, old Lambert!5%). Auch nad Bruno ſoll Burdarb auf der Donau an
jeinen —— gebracht werden, und jener Othelricus quidam wird ihm
möglich. Doc muß Burhard nicht erft durch dieſen das Nähere erfahren: cum
episcopus prassensisset (sc. jein bevorflehendes Schidfal), amicos . wit
omnes pro Dei nomine, quatenus de sua cogitarent ereptione, worauf |
rich ihn auf eine quaedam domus deserta non longe a littore a a
macht, wo er Rettung finden werde. Burchard's Einfhiffung — cum uno
capellano — geſchieht; der Biſchof paßt darf auf die ihm angegebene Stelle;
bet bem Haufe bittet er bie Schiffer, quatenus ventrem levando persolvat
debita naturae, ihn an Ins Sand zu ſehen, was fie ihm gm, feinem Begleiter
win! ihr geftalten. — an das Haus; Übalri aufeme und ——
alten führt Gen Biſchof, bei Zage ubenb, bei bei vr EA eilend, nach
alberhabt. Der Jubel ift allgemein: Etiam gi cum rius odio habuerunt,
en jagt gaudentesque encurrerunt. AU dad ift viel wahriceinlicher
unb natürlicher, als Lambert’3 breitſpurige Mebertreibungen in den Ginzels
umftänden!®). Dagegen läßt Bruno irrig die Sache geiehen, dum Heinrieus
esset jurta Danubium, und ebenjo hat Bruno, während er, gleid) Lambert, ben
Bifhot — leniter — vorausfahren läßt und m ein anderes Schiff cum
gurgite currens velociter laut feiner Seaäbtung 1 folgen ſoll, als Gebieter diefes
Aachfolgenben — nfigen Wächter aan z Malt der Rdnigin
EN) _ ahl — similiter (sc. Heinrich IV.) ab Ungrise
0 dep — quia temporibus illis vigel AR regum — genannt:
—— laßt den — Burchard vorausfahren / donec ipse cum
—** . . insequater. dierm iR Sander’? &r-
lung beffer Segen
Big Brno erzählt te in c. 84, daß ed Anlaß zu großer Freude gab, als
die Furften — omnes paene simul — zurüdke Be Voch ift noch keineswegs,
wie Zambert glauben madjen will - vergl. hier — eine qeöbere Bewegung
durch die Söhne Gero's im Gange: Invenerunt tar prene plebem congrega-
151) Bon bielen faanihen pen Sıben auch noch folgende € Silien: die durch Sche ffer ·
* 1076 Saxoniae d ca
Beidorft Bien enen —— —8 en: —
— A ER instincta Hildibrandi papae
"bie in Die An e volan-
—*
— Coram geracio cum
, dus episcopum manu adprehensum sibi adtraxit,
5 Ne Benuun; ef Tel
die
Battung Dilos dor de Sehne eh
840 Excurs I.
tam (sc. prineipes nostri reversi), exigi tributa a praedis snis persolvenda,
jam libertatis spe retinendae de) elta, quae 'idberetur cunchs facturam.
jermann der Billinger und Graf ih von Satlenburg'55) müflen erſt —
die eine von Bruno gebrachte Rede ift ihnen in den Mund gelegt — das Bolt
eigentlich aufrütteln — obstupefactis omnibus —, die fautores iniquitatis be
drohen, damit fie von ber —E abſtehen möchten, dadurch, daß, fie eut
weder getreulich mit den Sachſen für die Freiheit firitten ober aber alẽbald ala
meineibige deinde das jähfifche Sand verliehen. Zeht erſt tritt die Ermannumg
ein: eives confortati, pristina virtute recepta, in unanimitatem facile ooales-
eunt, und eö folgen die Vertreibungen der Befapungn Heinrid'3 IV. ab omni-
bus castellis — illis ea quorum fuerant libera restituunt —, die Zuräd-
erftattung dee durch Heinrich IV. weggenommenen und an jeine Anhänger ge
gebenen Befigungen an bie uejezünglihen Inhaber. Tag und Ort für eine
Berfammlung, abi concordiam ad defensionem patriae renovaturi conveniant,
et eos in quibus infidelitatis suspicio resideret, aut a finibus suis exire,
aut secum fideliter convenire compellant, werben auegemacht (362 u. 363)
— geht (io fährt c. 85 fort) geräth Heincid) IV. in Gäjreden. Gr geht nad
Mainz — bier Inüpft nunmehr Bruno an bie Ereignifie der Berfammlung vom
29. Juni an — und läßt quidam de residuis adhuc captivis vor fid) führen:
cum ei de pretio, q00 Se rodimerent ut dimitteretur, egit. „Da enltei
Sit, qmiigen bem teisgeiien Gefolge bes Grgtilhofe Eieghried und demjenigen
aus dem Bamberger Biathum; ein Brand bridjt durch Die Squid der Bams
berger 15°) aus, fo daß wegen der Gefahr für die ganze Stadt oder den größten
Theil derjelben die Aufmerkiamteit Heinrich’ IV. und der Mainzer in Auſpruch
genommen ift; das benußen die umbewachten Gefangenen und jepen auf einem
aufgefundenen Schiff über den Rhein, um in bie Heimat zu entfliehen (363). —
Im c. 86 endlich werden Berfuhe Heinrich‘? — exrex heißt er jeßt hier
bei Bruno — geichildert, mit Milde aufzutreten, wie Bruno «8 aufiakt: pelli-
ciam nunc ovinam cogitavit induere, ut ostensione pietatis et justitise
deeiperet, quos crudelitate violenta superare non posset, Heinrich YV. wit
Boten mit eg feiner guten Gefinnung, mit Berfpregungen aller Art ab-
u
gehen Laffen. uno meint: nullum, qui hanc legationem portare
sumeret , inveni ia de suis quoque eum nullus, quod ore emisit, in
corde habere credebat, nec aliquis dubitavit, quin si quis Saxonibus
jam exasperatis hoc nuntium falsitatis afferret, pro falsis promissis poenas
veraciter daret. Eo wählt nun Heinrich IV. den Erzbilchof Werner und den
Biſchof Werner von Merfcburg, ba dieſe zwei, augenfcheinlic bei dem im c. 85
geidilderten Aulak in Mainz, bei ihm zurüdgeblieben waren: cum poesent
invito rege sicnt alii repatriare, nolebant, quia in illo licet impio, Deum,
& quo esi omnis potestas, offendere timebant; Vruno fügt bei: sed de eorum
reversione nichil eis dixit (sc. Heintid,LV.)1?). Die beiden Gejandten richten
cum tota voluntate ihren Auftrag an die Sachſen aus; ater dieſe weiien die
Anerbietungen ab: Saxones, cognitis tot eius (sc. Heinrich's IV.) mendaciis,
haec quoque promissa veneno falsitatis infecta non dubitabant, und fit
laffen die Beauftragten Heinrich's IV. gar nicht zu dieſem zurüdtehren: Cum-
155) Bergl. ob. ©. 680.
Stimmung der Bamberger Minifieriafen, melde von auderex
wird — man bente an die Gonflicte äwifden Giegfried und
— Breißgebung ber Gace bed Bildofs. ebenio am bie EB:
ı Seincig IV., auß der gleihen Urlabe — if ein foldeh
de ‚der Seute Gom Bamberg ganz unb gar nit Aberraihend.
ix Sambert’4 Yußfage don ber feda simultas jwild) an
) bann fehr leicht. bei der allgemeinen Wufregung, as
*
el be
alle srl ba
ber beiden fädiffden geil»
Glaubwürdigkeit der Erzählung des Kambert von Hersſeld. 841
je vellent episcopi eorum responss reportare, jussi sunt unum e duobus
Algere, aut ke — stare, aut huc nulngnam posthae redire (363).
Rach diefer Iehten gewiß zuderläffigen Nachricht Bruno’s waren alfo bl:
bie beiden genannten fächigen Bürften die Träger ber entgegentommenden ——
lichen Botſchaft geweſen, nicht die zahlreicheren von Lambert — vergl. hier
&. 837 — genannten hohen jächfiihen Herren. Nach Bruno fteht es ferner feft,
daß die beiden Beauftragten aus Mainz, um ben 29. Juni, abgefertigt worden
find, ganz fo, wie zu Päliegen ft, Lambert habe dad von ihm borausgelepte
Königliche Griedendanerbieten, das eine größere Zahl von Boten vermittelt habe,
von Mainz aus Fi jehen Lafien (vergl. ob. ©. 682). Doch die Sachſen lehnen
nad; dem ausbrüdlichen Zeugniffe Bruno’s Diele von Heinrich IV. gemachten
Anerbietungen ab. So kommt der König darauf, wieder an andere Maßregeln
u benfen. Wbermald will er den Kampf wagen, um ben gefährlichen Wider»
Ran au erftiden, unb zwar, wie 1075, mit böhmilcher Hülfe. Das ift num aber
ein Ereigniß, welches wieder einzig Lambert erzählt 15%).
— Bür die Beurtheilung der Geſchichte Heiurich's IV. fallen defien’Beziehuns
en vr zömijchen Eurie’5%), und bier ganz voran zu Papft Gregor VIL., auch bei
:ambert weientlich in Betracht.
Gleich ſchon die anfänglien Beziehungen Heinrich's IV. zu
®or VIE. nad) beifen pt find dutch Bambert in einer fonft nirgends
bargebotenen Erzählungsweife aufgefabt. Nach Erwähnung des Todes Alerander’s IL.
Heißt es: Cui Romanı protinus inconsulto rege successorem elegerunt Hilde-
brandum, virum sacris litteris eruditissimum et in tote aecclesia tempore
quogne priorum pontifium omni virtutum genere celeberrimum. über
angeficht des neuen Papfted — quoniam zelo Dei ferventissimus erat — ge:
tathen die deutſchen Biihöfe — episcopi Galliarum — in große Beunruhigung:
ne vir vehementis ingenii et acris erga Deum fidei distrietius eos pro
negligentiis suis wandoque digeuteret. Sie dringen alio mit Bitten in
Henri IV.: ut dectionem, quae eius injussu facts fuerat, irritam fore
lecerneret, weil bei nicht vechtzeitigem Einſchreiten auch er jelbft in empfinb»
licherer Weile gejhädigt werden lönnte. So ſchict ber König jogleich von feiner
Seite den Grafen Eberhard '*°) ab, qui Romanos proceres conveniens, causam
ab eis sciseitaretur, quare preter consuetudinem majorum rege inconsulto
Romanae aecclesiae pontificem ordinassent, ipsumgne, ei Non idonee satis-
faceret, illieite accepta dignitate abdicare se preeiperct. Gherharb wird von
Hildebrand gütig aufgenommen und eröffnet demelben feinen Auftrag. Hildes
brand entgegnet: se Deo teste honoris huius apicem nunguam per ambitionem
affectasse, sed electum se a Romanis et violenter sibi impoesitam fuisse
ecclesiastici regiminis necessitatem; cogi tamen nullo modo potuisse, ut ordi-
nari se permitteret, donec in electionem suam tam regem quam principes
Teutonici regni consensisse certa legatione cognosceret; hac ratione distu-
lisse adhuc ordinationem suam et sine dubio dilaturum, donee sibi volun-
tateın regis certus inde veniens nuneius intimaret. Seine IV. nimmt
diefe Genugthuung gerne an und ſtimmt freudig dazu, daß die Weihe vorge:
842 Excurs I.
"nommen wabe: das ſei 1074 in purificatione sanctee Marise (2. ebruar)
em
— Radricht zählt zu dem ſchon durch Rante in feiner Kritit Lambert’s,
c., 136 u. 197, „Dervosgehobenen Stellen. Die bort betonte iretgümlice
ern ve Rowmani proceres, bie ja am 22. il, bei Gregor’s VIL
jar [nicht bei] getvefen waren, — Lambert einfi —E ein,
— früher ge bt hatte, bei ben, Basen Ritolaus’
ve Romani primores — vergl. ®b. I, &. 675,
363 n. en _ Bauten —E u müflen. — mad te Kante auf
bie ganz unmögliche Behauptung au! jam, daß fi ©: . unterwürfig
einer Zumuihung get H bite, wie hier Sambert eine fol — den Papft
angenommen werben li falſch ift bie Weihe zu dem viel zu ſpat Liegen:
ben Zeitpuntte angejekt: a janfe zeigt_mit Recht, dak Lambert eine folde
längere Friſt nothen! ds hatte, um alle Zwildenbegebenheiten, von dem Gin-
treffen ber erften Wahlnachricht bei Heinrich An m endlich u Aım
Ent Rüdantwort des Königs, unterbringen zu fönnen. Doch au
bung bed Grafen Eberhard muß, was Rante noch offen Ten, dis ala —
Deich met, — da e8 unmöglich if, dab Heinri
Die berhard einen der exft ga fürzlih noch dur —F dem
Banne_getroffenen königlichen Rathe an Gregor VII. nad) Rom abgeſchidt habe.
Ohne Zweifel zog Lambert ierthümlich die für das Jahr 1075 buch Bonitho
te erbtenbung Eberharb’3, ala eines koniglichen Boten nach Jialien, in
ben bier vorli en Zufammenhang hinein!®t),
Die von Xambert gebrachte Bartelung, ge Gelandtfihaft inrid’a IV.
nad Rom, der übrigens auch Gieſebrecht I, in ingen“, 1129
u. 1190, die Glaubwürbi a abi Beet Bu 3 Aa für eime „Fäl
— . "Bambert’3 168) ertlärt zu werben. Denn dieſe ganze Erzählung ent:
eben ber Vorftellung Sambert”, daß die gufimmung bes beutjchen Bonigs
das ganz notwendige Requifit für die one iBigteit einer Bapfimcht Ne *
—5— leitete Rante bie auffaflung, welche die Perſon Gregor’s V]
ıgiäte — Angelegenheit ambert erjährt, von ber. —ãã F
e in gewiſſen Bellen in Deutichand
ie dem neuen Don je eine Mäbigung
—8 die Gregor VII. ithatſachlich ferne la
Baus, die Dinge möchten N ma feinen
Saäplung aus!) Man mbert’;
— och iſt eat nicht zu ü
feiner gregorianifchen Parteinahme in dem IC L
bas von ihm jupponirte Redht des Mönigd — consuetudo majorum — als biö
gu einem gewiflen Grabe zur Geltung gebracht wifien wollte, Daneben jedoch ben
mangelhaft gebliebenen Gang der Wahl Bregor’s VII. als nadjträglich geredt-
fertigt binzuftellen wünfchte!%4), —
161) Eihon fyloto, IT, 6 n., hat
BE 2,6, N 20). ung Siel
ber „| Bi
— t Bet ee Term Bat ie
ig GIAE luäte @; Ruppel, Die Mahl 3 eger'b VIL., 15-18.
8-71 (bier ter Benugung bed er dem 16. Jahrhunde — en Onnphrind
Sarzinlad), Sauber Beriht wieber nufert zu erjalten. Gen Rubpfler in
82 der ob. ©. % $ Senannien Hbban| .
mdlang, 51 Sea,
egen Rellie Tan Gandronifitäe Griaiat A,
jentinb
EM Vans
Inter ben Kaiſern Deinrid III. KR eindi IV. 172— a Täßt üb.
BEE STE ib
en DE
Glaubwürdigkeit der Erzählung des Lambert von Heräfelb. 843
Die Geſchichte ber wspeanung ber päpfllichen Legaten mit Hein»
rich IV. in Nürnberg (215 u. 216) zeigt ebenfalls verſchiedene Abweichungen
von ben übrigen Berichten. Zunachſt werden bie beiben eigentlichen Legaten mit
den brei weiteren ob. ©. 377 genannten Perjönlichkeiten, welche jene nur bes
eiteten, alö missi a Romano pontifice indgejammt unrichtig zufammengeredhnet.
ier ift, da ja ber König gar nicht vom Wanne getroffen geweien war, bie
Ingabe ganz unzutreffenb: Nec tamen cum sermonem Communicare
sepius rogati consenserunt, donec secundum ecelesiasticas leges penitentiam
essus per judieium eoram austhemate absolveretur!®), Während bann
18 über die & veranftaltende Synode von Lambert Mitgeiheilte im Ganzen
— vergl. ob. ©. 379—381 — dem wahren Sachverhalte entipricht, ift wieder
für bie Zeit nad Oftern 1074, was eingeſchoben erwähnt folgt: Romanus
tifex jam hac de causa (sc. wegen Simonie) Babenbergensem epi-
8copum . ab omni divino ofueio enderat, donec coram venientes
injustum sibi_erimen hereseos digna satisfactione purgarent —, nadh dem
ob. ©. 373—375 Geſagten entſchieden nicht annehmbar. Vollends erſcheint ala
eine ganz mäßige Bemertung deö Grzählers, bie aber auf einer in Heräfelb
berumgebotenen und aud von Anderen getheilten Anficht beruhen modhte!®e),
die in bem Gage: Et rex quidem cupide hoc (sc. das im vorhergehenben Gabe
Ausgeſprochene) volebat odio Wormaciensis episcopi et quorundam aliorum,
mi eum bello Saxonico offenderant, quos hac calumnia involvendos et
igmitatie suae detrimenta passuros spe certissima presum t — ent:
Haltene Anfidht. € ift hier eine einfach unmöglicye Einfic —* t dem Könige
bi a To ade 1 zom
borne herein au inrichs IV. eigener Auffafung entiprechen; bie bus es
—V —A Lniglicpen Bortheile
am allerwenigften übereinftimmen, und Heinrich IV. mußte fich fagen, a
interpretabantur fo teäit Deutlid) die
In ——
ud no auf Paul von Vernried, Vite Gregorii VII. c. 62 (Watterid,
. 500) Bingumeifen.
it befonbers auch; Daß fonberbare, durg Lambert ben Legaten zu
derbor fie mit bemjenigen, welden
werden da bie am
jany bemertenäiwerth, inle er,
Snenehen Bemätter” in Lambert Hier den Durädringer der ber-
844 Gum L
verta Ybe sie Iulommentuuit Heinridh’3 IV. mit Gregor V IL eni
Ganoifa 1077 ig find, it in Greurs VII u m
einlärli ii über Die Etimmung
örtern. ſchli⸗ ſich
und bie db oem der Sram FIT feinbieligen en
e imri nad) beiien slntion ani
ng itteibar umb biefe find hier .
Streme necamiste oommanis commodi raione feine (m. rn
= —— ah IV 5
das ıhın und ifam mrachgte Yachten Tonnen: nune ao omnchus ara
ias eius concl
lusissent inimiei. liberatus. Wit Mühe gelingt es, die
im Etice bei dem Aufwande der mothwendigen Lieferungen, jet ihm bei feinen
*
— — —» 6. 550 jur Behenblung.
Glaubwürbigteit der Erzählung bed Lambert von Hersfeld. 845
jetem durch Italien Sähmirrigteiten entgegegen — nec in civitates eum re-
cipiebant, nec’cum faculis et faustis acelamationibus, ut prioribus regibus
eonsueverant, obviam ei procedebant, sed foris in suburbanis loeis castris
positis commorari jubebatur —, ftellt ihn abermals in den alimenta quibus
exereitus sustentaretur, Fr) deren geringe, nur bem nothwendigften Bebürfniffe
entiprecende Darbietung Verlegenheiten gegenüber, und Wachen werden an den
Seldern und Dörfern zur Abwehr von —E ber föniglichen Begleiter aufs
gefellt. Gegen Heinzich IV. fol aversis oculis, infestis mentibus passim per
omnes angulos gemurrt worden fein. unter Einmiſchung von Klagen über feine
levitas et ineptia, feine socordia, baß durch ihn den periclitantis Italiae cala-
mitates Hoffnung und Hülfe nicht gebracht worden feien. Zarauf habe der
König, im Eopreden hirrüber — sero penitens, quod incognitae gentis in-
ex] prius fidei temere se credidisset et Teutonieis finibus excedendo
hostem mutasset, non evasisset — auf Berföhnung mit ben Stalienern, ala
daB einzige Auskunftsmittel, gelonnen. Der Weg dazu war: ut initum cum
Romano pontifice fedus abrumperet et inde reparandae concordiae inicium
faceret, unde fuerat orta discordia. Der König zieht mit feinen anderen
ggeommunieisten Näthen bejonders auch den Udalrich von Godesheim in feine
traulichteit zurüd 73); er häuft unaufhörlid, in der Berfammlung ber Fürften
Beldulbigungen ber ärgfien Art auf den Papfi, als auf ben Urheber aller Um-
t nd Stürme der legten Zeit in Staat und in Kirche; er ermahnt fie
indgejammt, fi unter feiner Zeitung an dem Papfle zu räden. Go ftteift
Heinrich IV. in voller Seidenidjaft und Ungebunbenheit die condiciones omnes
et universa ecclesiasticarım legum vincula, quibus ille eum aı lica
auetoritate in salutem obstrinxerat, ab. Auf biejeiZBeife geftaltet fid) bie abge:
Fa Semmung ber Italiener gegen den König wieber in das Gegentheil um
—
Die Vergleichung anderer Zeugniſſe mit dieſen Mittheilungen ſtellt heraus,
daß Bruno, c. 90, wenn auch viel kürzer, etwas Aehnliches bringt, wenn er
erzählt: — Heinrich IV. habe nad) der Rüdtehr von Ganofja?!’?) angefangen: eus
(se. suos, zu denen ex von Eanofja zurüdtam) a suo convivio separars, was
deren Sinn gegen ihn umgeiwanbelt habe: magnum coeperunt tumultum facere,
dicentes ei, quia si eos, quorum sapientia et virtute obtinuisset hactenus
regnum, nunc a se repelleret, apostolicus ei nec illud reddere nec aliud
acquirere potuisset. Das gefaltet des Königs Ginn um: His et alüs talibus
verbis animus eius immutatur, et ad consueta, Pravo pravorumque consilio,
reyertitur (365). Dagegen wußte Bonitho, Lib. VII, obſchon er den Ereig:
niffen ja fo viel näher fand, nit von einer Tolaien GEntzweiung Er
inrich IV. und ben Lombarben. Vielmehr jagt er, der Rdnig habe ich nach
der Loeprechung vom Banne satis in facie devotus atque obediens gepıe
erwielen; doch fei dieſe Haltung nur fcheinbar vorgezeigt worden: Nam diebus
ab omnium Longobardorum episcoporum se consortio sequestrabat, repu-
dians eos utpote excommunicatos. Noctibus eorum nefs juiescens
consiliis illud mente tractabat, quod tea rei monstravit eventus (672
u. 673). Allerdings jet Bonitho biefe Vorgänge nach Piacenza, wo fich des
71) Eben beihalb J Bambert dı t, 250, bie Rı Mbalridh’s und bi
übrigen ————
wergl. in Ggcurh VII). ——
—M ellangẽeweil bert⸗ bi ‚wi jeto-
itägen Bien — — —
ge gegenabeutieh:
inelpibus . . .
pierigue ex pr Ipibus
alimenta, quibus exereitus snstentaretur, eb ub
ij modica et viz necessitatem .... e1-
Pleatis....... ministrabant 1
173) Ansbrüdii jeißt es: roversus ad suoe. And bas jt gegen Sambert’$ Un-
ws 4 der — — berfeiben
——
injasei in aus | ita ut frequentior In dies ad enm (sc. regem)
| multifado confueret
„ sumptus exercitul copfosiores minl-
N
846 Excurs I.
ig nicht gleich in den erflen Tagen, es dem Weggang von Ganofja, fonbern
Ren — a m Ei t ihr efli nt ——
mbert's Schiiderung mit ihren geflif
angenommen werben Tann 17%), ji) on — nahe rer
jene in Deutichland verl —X gregorianifche Em a — Fe Sad
Inge aurhäguführen iR, Die nad) Gpcans VIE für bie Geyüblung der
in Eanofja überhaupt maßgebend geworden iſt. Doch iſt gerade jet ea des
Rambert’ichen Xerteö, wo der Vertragsbruch des Königs gegenüber dem Bapfte
ais das unicum presidium zur Rettung Hewnric’ö IV., X eine defſen Haltung
teöötfertigende Ervägın aus des Königs Sinn Heraus, aufgefaßt erfcheint, mit
einer Tenbenziöfen eig chtsfalſchung — in —— u ka
Anberentheile iann Bonitho’3 Behauptung, Heinrich IV. habe 08 bei
mit ben Lombarden in verftohlener Weile vertehrt, ni a — 5 *
seit bie in — ee Aue Se 27 een me peꝑ m
der Ir behufs Empfan, nothwendigen ei nin
dem Kin, Au) ber Verſicherung des Annaliften von 1075 an öffentl ers
war
— 68 ift ſchon im Biäherigen auf eine Längere Reihe von Stellen Hingumeien
ac em eweien, an melden % Sambert fener Abneigung gegen Seinrich IV.
Yan gab, organ en, bie er vorzubringen hatte, eine Wendung zu Um
gunften des Königs verlieh.
Da erzählen von Anfang an geflifientliche Ausführungen über bad Beben
in ber Ehe — F IV. und über die Königin Bertha in). Das Auftreten
in ber gerichtlich blung gegen Otto von Rorbheim oder das Berhalten
egenüber Decaog 3 Rudolf f von Schwaben werden mit mgünftigen en Zügen age
Aakterre), Aber auch gegenüber an eigenen Leuten ſoll Ar
wiffen gemacht haben, He unter Umftänden preiözugeben?”°).
Eingehendere Betrachtung verbient aber die von Lambert über Regenger’s
Antlage gegen Heinrich IV, 1078, du Kar Erzählung. Regenger —
quidam qui lateri eins (sc. regis) jam di iliarissime —E erat
— teitt bei Lambert plöplich hervor incertum aliorum instinetu an pri-
vato in eum odio suseitatus — und bringt bei den Herzogen Rubolf jund
Berchtold gegen Heinrich IV. bie hier in Direter Rebe mitgetheilte Anklage zu
Zage. Dana wären neben Begenger auch alii plerique, quos pessimae
inachinationis suse rex idoneos fore administros speraverat aufgefladelt ge-
welen, zu Würzburg gegen jene zwei Fürften und gg asien regal Prineipes
bei fidh barbietender guter Gelegenheit einen — a ‚unternehmen.
Regen er allein — caeteri quidem satis im;
wi dagegen geweigert, ja noch gröhere — — ———
ber Sache beim Könige geniacht haben: quantum obluctari ee Pd
tiae audebam, dehortari eum (sc. regem) conabar a proposito —, freilich
ohne Erfolg: Quapropter tanta in me incanduit indignatione, ut a contubernio
suo, quo me hactenus caeteris familiarius perfruitum optime nostis
—* me — nis
174) Bergt. ob. €. 7.
175) Aud ein Rame water dan RR mit Qeturiß IV. ad ln faciendas ac dali-
residentes in
{prißt gegen Rambrrt’ Beseuatin. Gin ‚ir —— ante
——— za Neten 1%: —A —*8* ——
üon Dem Rragle ker Den * Bi
Sei taum Phi
It, aber au
1003 on za
di wieber
HE
. um aweiten
Dergl. ob. &. 260, in n. 120, Betzefend Die eventuelle —— der Size
Burger int
Glaubwürbigteit der Erzählung bes Sambert von Hersfeld. 847
ieulum imminens penetralibus pro] excedendo declinassem. Diefe
Kegauplung belegt ber Ankläger zu größerer Sicherheit durch Nennung be
Ortes und der Mitwifenden —: et si rex inficiaretur, paratum se ait cum
ipeo, si id leges paterentur, vel cum quovis homine conserta manu rem
iyino judieio committere. Als die Ausfage eine® homo haut obscuri no-
minis in palacio et apud suos inviolatae existimationis macht die Anſchul -
bigumg Eindrud, zumal da auch ſchon gegen andere Fürften ähnliche
rderiſche Nachftellung durch den König gerüftet worden fei und diefer im Rufe
ſtehe rere feiner Dertrauten getöbtet zu haben. Go ſagen bie beiden Herzoge
bi Boten ben Eid der Treue und Unterwerfung dem Könige auf, weil er
zu gegen fe die Treue gebrochen habe: Proinde, nisi objecta diluisset,
nullam deinceps a se vel in tranguillis rebus fidem vel in perturbatis
auxilium sperare debere. Heinrich IV. beflagt fich im heftigen Unwillen vor
dem Bolte ſogleich über Rudolf: qui ut invadendi vegei occasionem inveniret,
cum verum sibi crimen impingere non posset, falsis suspieionibus et arte
compositis rumoribus impeteret et obruere conaretur innocentiam suam ; in
Directer Rebe fagt der König unter Anderem: neglecta interim regii nominis
jestate, cum ipso duce Ruodolfo congressus detegam cuniculos fictae
hulus criminationis qua maliciam suam palliare conatur. Aber Udalrieus
de Cosheim !%°), auch einer derjenigen, die als Mitwiffer genannt wurden, fucht
ben König burdy milde Worte zu berubigen, mit ber Bitte, fid) nicht für etwas,
was der föniglichen Hoheit zumwiberginge, verbindlich machen zu wollen: se
(ee. Udalrieum) melius multoque rectius cum Regingero vel cum quolibet
homine collata manu et suam et ipsius innocentiam asserturum ; er begiebt
14 zu Rudolf und kündigt feine Bereitfchaft an: quocumque modo ipse equum
Jjudicasset, mendacium — ri refellere. Aber Rudolf nimmt weder an,
noch lehnt er ab; er erklärt vielmehr, bie Entſcheidung ber übrigen arten abs
warten zu wollen. Sambert jehließt mit dem Urtheile, daß Heinti) IV. nad)
Negenöburg gelommen fei: omnibus invisus, omnibus suspectus, nec ipse jam
cuiquam hominum satis fidei habens, cum hi quoque, quos intima familia-
ritate sibi devinzerat, ad primam ingruentis tempestatis nubeculam a se
defecissent (203 u. 204).
abflegend. Kurz if da in die Compilatio Sanblasiana, a. 1073, eingefchobene,
fon ob. &. 292, in n. 187, beiprodene Stüd: unus quidam de consilieriis
180) Bei Bruno, c. 56, heißt bie gleihe Perjönlicteit Othelrirus de Godasheim, mit
dem Bertipiele: a3 agnomen habebat, quia voro ax
odio Dei venerst ots feit querft mad Gchivaben, bann
betreffende Ort „ niöt
eften bei den mehreren
jermerbin iR, wegen bed
Orten ng
Godesbaz, bie bi
Bere Het
aiate. XÄIT, 496, and) als ein
bie riätigere.
en zur Deut
848 Eccurs 1.
En be — luß. der Hier beſprochenen Stelle, a. 1073, erweiß, ganz u
bet hatte, in recht Hleinlauten Worten einge : =
qui ad supi. contra Uodalricum de Cosheim proposnerat,
ante paucos dies ineundae con; üonis ici d
orrenda morte interüt (207), und bei den vorauszuſe Br ri der
cne für
ben Schiwierigfeiten, gewinnen zu fönnen meinen mochte. — für bie
bes Thatjählichen ift bie Compilatio jedenfalls zu Grunde zu legen und
mancherlei Ausihmud, den Lambert barbietet, jo auf bie directen Heben, jelbft«
verftänblich Berzicht zu Leiflen. Dazu tommt noch bie unleugbar. d
gewiffe Wiederholung ſtiliſtiſcher und inhaltlicher Wendungen im dieſer Schilde
rung gegenüber ber — dom Morbdanſchlage Egino's aa, was allerdings bei
ben mehrfach Ach wiederholenben Umftänben ber beiden Depebenbeiten nabe lag
Seeilic, if Lambert bei der Erzählung diefes zweiten Anfchlages fihtlid, bemüht
jervefen, weniger Leibenfchaft in die Worte zu legen, ala das a. 1070 bei jmer
Iheren Tarftellung ber Fall war!“) Gr deutet auch immerhin leiſe an, dab
ex möglicher Weife bie Befchuldigung fogar jelbft für ungereditfeztigt Halten Lönnte.
it dieſer Regenger ſchen — fteht auch noch die Darſtellung der
allein durch Lambert erzählten Oppenheimer Zuſain mentunft Hein:
Br IV. mit ben ürften (204 u. 205) in Verbindung. Dieſes familiare
eolloquium foll fid der König ala Gunft — multis precibus . ... vir et
aegre — errungen haben. Wie die folgenden Vergleichungspunkte zeigen, find
ber Bericht über dieſe Verhandlung und bie ebenjalls, a. 1073, weiter vorme
ebene Erzählung über die Zulammenkunft Heinrid"® IV. mit ben Gürften zu
Eine einander unverfennbar ähnlich:
(199) (204 u. 205)
Rex miseis nunciis mandavit, ut.... | rex legatos mittens ... . . extorsit,
sibi occurrerent ut sibi .... oceurrerent
Quo cum venissent, pedibus eorum | Quo dum . . . venissent, pedibus
provolutus orabat eorum provolutussuppliciterorabet
Der König ſchildert die Sachen: imme- | ut memores justi judieis Dei, me-
mores jurisjurandi, immemores , imores sacramenti, quo 8e.... obli
benefieiörum, quibus eos....sibi ' gassent
obligasset J
Sambert verfichert, daß nur datis utrimque obeidibus propter periculi sus-
ieionem die Zujammenkunft überhaupt zu Stande gelommen fei, und zeigt
ann weiter eine unleugbar tenbenziöfe Haltung, wie er Heinric’& IV. Unter
würfigleit, die hart tadeinde Antwort der vom Könige angeflehten Furſten er ·
wãhnt Der König joll zur Erhärtung der Bitte: ut... . fidem sibi serra-
rent in adversis — ein erni⸗drigendes Geftänbniß feiner Bergehen abgelegt
haben: Si quid antehac excessisset, juvenilibus animis et aetati in vicrum
'ronae veniam darent, mit beflimmten angeiclofienen Verſprechungen für bie
ufunft: deinceps et malo correctum et annorum sensusque maturitate
Wlefebreät, TI, 288 m. 289, bie ji
ner, Mnne 11,81. Boneler, 00,
- Halten wollte. Send 1.c.
mia IV. uub ben Detne Ei
in ganz unangebradter
Be als H ie berbriefte
‚Dorgeiäwebt
dergi
Glaubwürdigkeit der Erzählung des Lambert von Hersfeld. 849
roboratum quae parvuli sint evacuaturum, unb was für weitere Verſprechungen
noch) genannt find!) Die Fürften follen den König an bie eh Sage
und an Regenger’3 Anllage — qui (sc. rex).... elanculo carnifices mortem-
que preparasset —, erinnert und gelagt haben, daß er —E Treue von
ihnen verlange, da er — jelbſt nie, weder Gott, noch den Menichen, gehalten
. © hip fei die Aufforderung an den König ergangen: Sin aliquid
aberet obtendere (sc. rex) ant per quorundam factionem falsis crimini
se impetitum putaret, sineret Udalricum de Cosheim, sicut professus fuisee‘
manum conferre cum Regingero, ut, si vicisset, eos deinceps fidos sib
obnoxiosque sine omni inperpetuum contradietione haberet. Libenter rex
suscepit condicionem.
ier ift die Stellung des Königs mehrfach in einer ganz unmöglichen Weile
aufgefaßt. Denn durch den Anfaluk der Wormfer mußte ſich Heinrich IV. fo
mejentlich geftärft fühlen, dab eine derartige Unterwürfigkeit als ausgeichloffen
ericeinen muß. ijerner widerſpricht fi) Lambert in der hier gegebenen (rs
mwähnung des egenger’ichen Zweitampfes gegenüber dem vorher hier behandelten
Zufammenhange!"s), Denn die aan des Zweilampfes war nach Xambert
auerft vom Rönie erhoben geweien, fo daß es hier nicht richtig if, wenn gejagt
wird, Heinrich IV. habe biejen von den Fürſten gebraten Vorſchiag aus derem
inden entgegengenommen; wenn ihm wirklich die Vörſchläge der Fürften zu
enheim in der geichilderten Weife entgegengebracht worden wären, wärde er die
Borderung als fein eigenes urfprüngliches Begehren wieder orgehlt haben. —
Eine bier ſchon in früherem "ulammenbange — vergl. ©. 810 — als uns
glaubwürdig zurüdgemielene Ausführung Lambert’3 tehrt in ähnlicher Weile an
gegebener Stelle noch mehrmals wieder. Es ift das in ganz beweglichen Worten
ðorgebrachte Bild einer Nothlage, in welde ber König mit feiner
Hofhaltung gebracht ift, und awar a. 1074, a. 1076, a. 1077; dabei
geht Kambert jedes Mal von der Anjicht aus, oder bie Meinung fteht wenigftend
ım Hintergrunde, der König habe durch fein Verhalten dieje Verlegenheiten jelbft
verfhuldet. — Die erfte derartige Schilderung bezieht fi) auf die Weihnachts
zeit 1073 und die Hofhaltung, wie fie während derſelben zu Worms ftatifand;
die düftere Ausmalung Lambert's ift ſchon ob. ©. 307, in n. 1, beurtheilt. Die
ahnliche Auffafjung einer zweiten föniglichen Leidenszeit fteht im Zufammens
hange mit dem in Excurs VI gewürbdigten längeren Abichnitte Lamberi’3 und
etrifft den Aufenthalt Heinrich’ IV. zu Gpeier, Ende 1076. G& diente
gs hier Lambert's Auffaſſung, die Lage des Königs am Ausgange dieſes
(ufenthaltes ala eine ganz fläglice Hinzuftellen. 6& heißt da: Rex. ...
Spirensi urbe discedens ..... nec quisquam ex omnibus Teutonieis vir
ingenuus comitatus est regno excedentem preter unum et ipsum nec genere
nee opibus conspicuum. Cumque impensis tam longi itineris egeret multisque
supplicaret, quibus incolumi re publica sepenumero profuerat, pauci ad-
modum erant, qui vel veterum benefieiorum memoria vel presenti huma-
narum rerum spectaculo permoti necessitateın eius aliquatenus relevarent.
Eo miseriarum et calamitatis ex summa gloria summisque opibus repente
ırvenerat (255). Hier liegen die allerwelentlicften Mebertreibungen vor; der.
dm Gott, der über dem (sihten Rönige List, fol (o vet, Hebostesten
nz beionderd aber war ja Heinrie . nad dem Annaliften von 1075 an
gerade in diefer Zeit der vorgeblichen Nothlage im Stande, reiche Geſchenke aus:
gutbeilen — vergl. dad ob. S. 739 u. 740 über ben Martgrafen Otbert (magni-
ice ab eo — sc. rege — donatus) Gefagte —, und andererfeit brad) dameis
105] Belle man, Biefe$ Gänbenbetenntniß, annehmen, fe, Zännte
Annal. Wolssembarg.,, ob. ©. 308, in n. 1, borgebradte Beripreden bes
— ja allerdings durchaus nicht Gronologiid fizirt, aud erft au 1074
jerange20:
jen werden.
ve Auf diefen Wideriprud machte Telbräd, 38 n. 39, aufmerffam.
181) Bergl. hiezu aud; den a. 1077 in die Gcilderung der age Heinrid’ IV. gegen
über der Schwiegermutter Adelheid und bem Schwager Amadeus von Sadoyen eingeichobenen
©aß: Ita indignatio Domini non solum sacramentis et frequentibus beneficiis sibi obnozios, sed
etlam amicos et_genere propinguos ab eo averterat (256). Tahin gehört weiter die ob. &. 152
2. 9 beleuchtete Behauptung Lambert, Keinriäj1V. fel ur mit ganz geringfägigem &
nad) Jtolien gegangen.
Meyer von Anonau, Jahrb. d. diſch. W. unter Deinrich Iv.u.v. IL.@d. 54
850 Grui L.
Biſchof Ruopert von Bamberg, mit anderen Worten einer ber treneften Anhänger
des Königs, mit wahren Reichthümern — vergl. ob. S. 755 — nad Ftalien
auf, fo daß alſo ber König unmöglich fo hülflos gewejen fein ann. Ebenſo
tehren =. 1077, in der Darftellung der Bage Qeinzid6 I . nach ben dn
von Ganofja, abermals ähnliche Füge ber Hervorhebung einer erlafjenheit
Könige, wie hier ſchon auf ©. u. 845 auögeführt wurbe, wieber _
Die Stimmung, in ber fi) Lambert gegenüber dem Könige bei ber
Schilderung des Gegenjaes zu den Sachſen überhaupt befand, tritt fo recht
deutlich in jener Auslaflung über die 1073 Heinrich IV. möglich geworbene
Flucht von der — au ie, baß ed für den ga Berlauf der Dinge
beffer geweſen wäre, wenn die ſachſiſchen Wächter die Wege von der Burg forg:
jamer bewahrt haben würden!®), umb ebenjo leiht der @ejdichtichreiber im
leihen Jahresberichte der Hoffnung der königlichen Feinde angefichts der ſchweren
Gehrantung des Königs ſehr beftimmten Ausdrud, es Lnnte durch den Zob
Heinti’3 IV. die Grledigung des Thrones eintreten!®). Gine peinliche Ueber
tafjung fpiegelt fi) in der Hervorhebung des Umftandes ab, bak Heinrich IV.
fi nad_dem längeren Aufenthalte in Wormd, den Bambert tlich genug
mit den Worten: ipse intra, muros Wormaeise inerti ocio toı ‚bat (207)
tenngeichnen möchte, im Beginne des ‘Jahres 1074 zu neuen Rükı en fich ers
06191). Allein es Hiehe hier nochmals die ganze Geſchichte des a chen Auf:
indes wiederholen, wenn auf alle angemerkten ungünfligen Urtheile Zambert’s
über bie Haltung des Königs aufmerkſam gemacht werben follte.
Stets aber gehen daneben ähnliche Bemerkungen des ihler® über mehr
nebenjächliche Ereignifie. So kennt Sambert für Heinrich's IV. Unternehmung
nad Ungarn Nom ganz voran — Erwägungen des Konigs !",. jo
fol 1075 der angefündigte Krieg em Ingarn Burhaus nur ein Borwand ge
weſen fein’), und den an die Stelle des Ungarnkrieges tretenden Zug in die
Mart — tann a en ln, zn 4 Je in ot ber
interneymung gegen bie fen — in ungän eife dazfiellen
Vollends Aber die Zeit, welche den la König Heinrich IV.
und Gregor VII. brachte, von Anfang 1076 an, trägt Samberts Silderung
gleich von Anbeginn den Charakter ee Abneigum, en ben König.
Dabin zählt ſchon gleich die den geheimen Aufträgen Gregor's VIL, welche den
Boten an ben König gegeben worden feien, verliehene Wendung, ebenfo bie hier
eingeichobene Aeußerung, dem in Godlar anwejenden Könige Jei die zu veran-
tende Reichöverjammlung im Welentlichen mißglüdt!%). Daß ber Lob bes
Biſchofs Wildelm don Utrecht ala die Züchtigung eines hauptfächlichen Theil:
nehmers an der Wormſer Keichöverfammlung jcharf hervorgehoben wird, war
hie ſchon ©. 817, in.n. 87, anzudeuten!®). Wie völlig von Lambert's Dar
ung der Ereignifje von Zribur und Oppenheim abge werben
muß, wird in Excurs VI zu zeigen fein. Ganz zuleht fchliekt noch Bambert’s
Bud mit der unglaubwürdigen Faktın der durch Heinrich IV. an bie Ber
ſammlung nach Forchheim gegebenen Aufträge").
Unleugbar ift eine Reihe ber von Lamberi gebotenen Aufftellungen von
bem Gedanten, der ben Erzähler beherrichte, auögegangen, dab Semi . nicht
mehr bes Thrones würdig erjcheine, baf ein Anderer, der fich befler zur fü
zung eigne, ala König zu erwählen ſei, und babei ſchwebie ihm ohne Zweil
am Deibräd, 04, mielen (dan auf Die a, 1078 gebraten Neben
m bin. mpadger, Ülfertatten, 108 u. 10), Deutiäe Bei
Ste aud) auf wörtlie Antlänge sivilen Dielen derfaiebenen
von 1066 (171 u. 178), anfmerffam.
‚ inn. 107.
» m. 190.
®. 312, in n. 5, 818, n. 12, 325, u. 22.
c über bie Rätung jum ariege bringen n. 185 u. 6.416,
2. 00.
5. 528, n. 98, 524, n. 98 (b jeint Bruns v
feite, in lege Vortheifpaften Kiste), 6 Fr I ”
2.
‚2. 100, 588, n. 174.
Wilhelm Bemerkur IL 0b. 6.648, m. 6.
‚ Boilbelm orriäte Bemertung dergl. ob. 6. 648, n. 46
Glaubwürdigkeit der Erzählung des Lambert von Heräfeld. 851
nad} ber Art des bem Werte gegebenen Abſchlufſes zu vermuthen, Herzog Rubolf
von Schwaben vor 1),
Aber damit ift noch keineswegs gelagt, daß das ganze Wert aus einer
einheitlichen Abficht heraus in ber Weiſe aufgebaut worben jei, daß defien Der-
fafier bewußt an allen Stellen, wo ihm Abweicht von der Wahrheit nach⸗
gewwiefen werden kann ober wo ſolche wenigftens im hohen Grade wahiſcheinlich
if, die Dinge fo gewandt habe, daß fie — das wäre doc) als bie durchgängige
Abficht Hinzuftellen — gegen Heinrich IV. und gegen ba8, mas biejer ald König
wollte und was ihm bienlich war, Lauteten.
Lambert war ohne Zmeifel ein vielfach wohlgeſchulter Schriftfteller, ein
auögebreitet belefener Mann !®), und er it ſich als ein ausgezeichnet ges
wanbter Erzaͤhler, nicht verlegen um Auadıntt aux Hereinziehung don Motiv
virungen, dem e3 zum wahrhaflen Dergnügen ‚gereichte, recht auszumalen und ſich
in Wendungen ber Rede zu ergehen”) (ben defivegen würde er, wenn ed
ihm darum zu thun geweien wäre, ein ın geichlofienes Ganzes zur Beweid«
fügrung für ein feſtſtehendes Ziel, mit gewollten, fidh gegenſeitig Müpenden und
'enben Ausführungen im Sujammenhange, zu ſchaffen — vorauögeiept, man
bürfte ihm das wohl über feine — 525— ———— folgen
N
Foftematiichen Aufgebung der Wahrheit ‚eiben —, eifel die zahle
zeichen Mrepenge Con fo Kr Feröümern?) a nieden —
welche fich ber ihm nachweiſen lafſen. Gerade in d en Gichgehen»
Iafien und bem rhetorifirenden Plaudern, wobei er fic h wiederholte
Anbringung ähnlicder Wendungen über Lüden des 2 eg au helfen
fucyt #08), geichehen ihm foldhe Selbftwiberlegungen, voller Lügner
wohl vermieden haben würbe?%®).
198) QatenGgger bat, gu feiner ibe, auf eine Reihe derartiger Gtellen Sam-
bert’s aufmeflam gemast: fo 218, n. 1, 3,34, n. 4, 308, n. 8.
tel weiterem Umfange nad, als man daB bisher fehen zu Ehunen glaubte,
wire, Qulde« Enger Inder locationum memorabilium comparatarım cam velaribun, 300 f.,
ab baribun.
ni —
bier an Bei
100 (da Jo
8 — bah
Nobert don Wlandern
fat; bagegen fehlt e&
——
Trier begeiä r
64, 248, FR *. 101
—
—
len
P- eigenen Lerteh b_die
jen gu e fommen.
bon Bamberg. &: 18, m. 91
842 Grms L
“nommen werde: das ſei 1074 in purificatione sanctae Mariae (2. februar)
geichehen (194). or 3
ai Rachricht zählt zu den jchon durch Rante in feiner Kritik Lambert’s,
L c., 136 u. 137, berborgehobenen Stellen. Die dort betonte irethümlice
Serpprbebung der Romani proceres, bie ja am 22. April bei Gregot's VII.
jahl gar |nicht beiheiligt geweſen waren, — Lambert einf behtwegen ein,
ba er Ion früher geglaubt hatte, bei den Wahlen Ritolaus’ II. und in:
ber’s L., dieſen ani princij Romani primores — vergl. Bd. I, ©. 675,
368 n. 11 en gu — en Ebenjo m te Bunte, a
jang unmögliche Behauptung aufmertam, baf or VII. um!
— En gefügt hätte, wie bier Lambert He rl durch den Bapt
angenommen werben läßt. Ganz faljch ift bie Weihe zu dem viel zu jpät liegen⸗
ben Zeitpunfte angeleht; aber Rante zeigt mit Recht, daß Lambert eine folche
längere Frift mothwendig hatte, um alle Zwildhenbegebenheiten, von dem Ein-
treffen der erften Wahlnachricht bei Heinrich IV. bis zu der endlich nach Rom
goragten Rüdantwort des Könige, unterbringen zu können. Doch aud die
dung des Grafen Eberhard muß, was Ranfe noch offen lieh, ald unannehm-
bar bezeichnet werden, ba es unmöglich if, daß Heinrich IV. in ber Perſon
dieſes Eberhard einen der erft An türzlich noch důrch Alerander II. mit dem
Banne getroffenen töniglichen Räthe an Gregor VII. n m abgeichidt habe.
Ohne Zweifel zog Lambert irrthümlich die Mir das Jahr 1075 burdy Bonitho
bezeugte Abjenbun: ee als eines töniglichen Boten nad) Jtalien, in
ben bier vorliegenden Zuſammenhang hinein?*).
Die von Kambert gebrachte ‚Darfelung, einer Geſandtſchaft Heinrich's IV.
nad) Rom, der übrigens auch Gieſebrecht, II, in den „Anmerkungen“, 1129
u. 1180, die Glaubwürbdigfeit abſprach, braucht noch nicht für eine „Bäl«
jung“ Sambert’31%%) erflärt [n werben. Denn bieje ganze Grzählumg ent
ſprach eben der Vorftellung Lambert’3, daß die Zuftimmung des deutichen Königs
das ganz nothwenbige Requifit für die Rechtmäßigkeit einer Papftwahl fei, und
edenfo Teitete Ranke bie Muffaffung, weiche bie Berfon Gergora VL. in ber
Gefdjichte biefer Angelegenheit bei Kambert erfährt, von der, Borauafehung ab,
welche in gewiflen Kreifen in, Deutſchland
nämli dem neuen Papfte eine Mäßigung
wurbe, die Gregor VII. thatfächlich ferne Io
Wunſch die Dinge möchten fich nach feinen
ber Erzählung aus!°%). Man darf Lambert
erkennen. Doc if andererſeits nicht zu i
feiner gregorianiſchen Parteinahme in dem 1C . B 35
a3 don ihm ſupponirte Recht des Rönigs — consuetudo majorum — als bis
zu einem gewillen Grade zur Geltung gebracht wifjen wollte, Daneben jedoch den
mangelhaft gebliebenen Gang der Wahl Gregor's VII. ala nachträglich geredit-
fertigt Binzuftellen wünfgte?%), —
"169 Mit wenig Glaa fute &. Ruppel, Die Wahl Bapft Gregors VIL., 15-19,
GEH (er auch, unter Benuhung deB er Dem 16. Sabehunderd angehftsnben Danphrind
Banpintub), Sambert's Beriät mieber nufseit zu erfütten. pente veribei, ter in
an en SEE EEE une
“llentind dee a Bin harlene &ie Belehung bes päpfliäen Gruhler
inter ben Rallern Geinzid III. und Meinziä IV., 172-175, läßt über bie Mittheilungen
— eine "Ahpige Gühe don Bäger- ausgegaffen Tel “
Glaubwürdigkeit ber Erzählung bes Lambert von Heräfeld. 848
Die Geſchichte der —A ber päpſtlichen Legaten mit Hein—
rich IV. in Nürnberg (215 u. 216) zeigt ebenfalls verſchiedene Abweichungen
von den übrigen Berichten. Zunachſt werben bie beiden eigentlichen Legalen mit
ben brei weiteren ob. ©. 377 genannten Perfönlicheiten, welche jene nur bes
eiteten, als missi a Romano pontifice inägefammt unrichtig zufammengerechnet.
ter ift, da ja ber König Ki nicht dom Banne getroffen geweſen war, bie
Ingabe ganz unzutreffend: Nec tamen cum e Bermonem communicare
— rogati consenserunt, donec secundum ecclesiasticas leges penitentiam
Piofenmus ger judieium eorum anathemate absolveretur!®s), Während dann
8 über die e veranftaltende Synode von Lambert Ditgetheilte im Ganzen
— vergl. ob. S. 379-881 — dem wahren Sadverhalte entſpricht, if wieder
für die Zeit nad Oftern 1074, was eingeichoben erwähnt folgt: Romanus
pontifex . jam hac de causa (sc. wegen Simonie) Babenbergensem epi-
scopum ab omni divino oftieio suspenderat, done coram venientes
injustum sibi erimen hereseos digna satisfactione pı t —, nad) dem
ob. ©. 373-875 Belagten entfchieden nicht annehmbar. Dollends ericheint als
eine ganz müßige Bemerkung des Exzählers, die aber auf einer in Hersfeid
herumgebotenen und auch von Anderen getheilten Anficht beruhen mochteies),
bie in bem Gage: Et rex quidem cupide hoc (sc. das im borhergehenbert Safe
Ausgeſprochene) volebat odio Wormaciensis episcopi et quorune aliorum,
gi eum bello Saxonico offenderant, quos hac calumnia involvendos et
ignitatis suae detrimenta passuros spe certissima presumpserat — ent»
—X it dem Könige
vorne herein auch Heinrich's IV. eigener Auffafjung entiprechen; die durch Les
gaten des Bapfı herbeizuführende Eynode fonnte mit dem föni lien Vortheile
am allerwenigften übereinflimmen, und Heinrich IV. mußte fi) fagen, at
durch Sambert nicht anzunehmen, ber durch Bonitho gegebenen?) ber Vorzug
au ſchenten eej —
105) 1
u. 70), aus d
Gebannten tı
in ob. ©. 37
m
Bert, Barlay.
arlegt.
N 107) Daneben I aut mod aufPanl ven Bernried, Vita Grogori VII, c. 62 (Eatteric,
Pontif. Roman. vitae. 1, m.
. vitae. 1, 508) hinzuweifen.
108) Mante hebt. Deionber® auc DaR fonderbars, bush Lambert den Sgaten zu:
eärtebene Benchmen berbor. baß fie mit demjenigen. melden fe umfimmen, foüten zu
ehren Ai melgerten. Dagegen werben da bie, am Ehlufie dea Mblänities Rebenben,
ob. , im m 0%, eingei@alisten Worte gampert» nit riätg pa ber Grrage wegen ber
— Auslöhnung, oder Richtausföhnung mi or VL. — Hera
Gab geht dielmehr auf bie Angelegenheit der Veranflaltung der Ennode
— VLLOEN SI: den Dep nenefet Be — — — J
€, VIL, 8, ttoß der „neneten Bemätler" in Sam ier den.
— dep Mittel,
844 Excurs I.
In einem wie hohen Grabe Außerft beftimmt Tautende Mitteilungen Sam:
bert's über die Zufammentunft Heinrich’3 IV. mit Gregor YII. auf
Ganofja 1077 durchaus unglaubwürdig find, ift in Excurs VIL zu ex
Örtern. ven ſchließen fich eintaptiche Irtpeungen über die Stimmung
unb bie Abſichten der Gregor VII. feindfeligen Sombarden gegen:
über Heinrich IV. nad deſſen Abjolution auf Ganoffa, an jenen
Zertabihnitt unmittelbar an, und biefe find bier zu behandeln. (leid, nad
Erwähnung der ob. ©. 764 anı egeten Abfendung bes Biel Gberharb von
Naumburg nach Neggio führt Sambert zunächft in che vedfeliger ABeile and,
über welde Tinge fid) die verfammelten Jtaliener beklagt und was für Trohungen
fie vorgebracht haben follten. Sie follen gefagt haben, baß fie fein ic
den Banniprudy des aus reichlichen Urſachen von allen italieniichen Biſchöfen
egcommunicixten Papftes legten, daß fie aber auch der Anficht jeien, Heinrich IV.
yabı ungebührlid) gehandelt und feinen Ruhm, das Anlı der Ricche,
ſürde des Staates durch bie Unterwerfung unter Gregor VIL herabgebradt
unb preiögegeben damit, daß er, nur auf die eigene Rettung bedacht, durch diejen
feinen Sonderfrieden mit dem allgemeinen Feinde fie, welche dem Papfte Kräntungen
augefügt hätten, int mitten in ber Verwirrung verlafien habe: Haec potissi-
mum_principes Ätalins jactando et. passim per populum, serendo
i odium brevi conflaverant. Ans der jo erwadhienen sedicio ſei der Han
enffanden: ut abdieato patre qui ultro regni faseibus indignum se effecisset,
filium eius, licet impubem adhuc et regni negociis inmaturum, regem sibı
facerent et cum eo Romam profecti papam alium eligerent, per quem et
ipse protinus imperator consecraretur, et omnia papae huius apostatici
gesta cassarentur. Der König vernimmt die Rahrid über bie tam molesta
conspiratio und endet eilig, was von Fürſten bei ihm fich befindet, zur Be:
zubigung der aufgerenten Menge ab’°%). In jeder Weife foll begreiflich gemacht
werden, baß der König nicht anders habe handeln können: nee Teutonicis
prineipibus, gui sibi per calumniam regnum eripere dedita opera machina-
rentur, nec Romano pontifici, qui ad evertendum statum sanctae aecclesise
spiritunli gladio circümguaque fülguraret, aliter saitiei potuisse, quam
ut ante statutam diem excommunicatione absolveretur; Die Aufgeregten
möchten fich zufrieden geben und ſich von der Annahme losmachen, daB: quod
estrema necessitate compulsus communis commodi ratione fecisset (sc. rex)
— ihnen zum Schimpf gelhehen fei; im Gegentheil werde Seineig IV. jegt erft
das ihm und ihnen zugefügte Andeil rachen fönnen: nune se omnibus angustiis,
wibus vias eius conclusissent inimici, liberatus. Wit Mühe gelingt e8, die
eichwichtigung durchzuführen: compresso pocius quam extincto .... incendio;
dennoch verlaffen viele der Fürften zornig das Hoflager und fehren ohne Urlaub
nad Haufe zurüd, während die Mebrigen ihren Unmillen zwar einftweilen ver
bergen, bem Könige aber doch nicht die rechte Ehre eriweifen!!‘). Man läßt ihn
im Stiche bei dem Aufwande der nothwendigen Bieferungen, jet ihm bei feinen
Glaubwürdigkeit ber Erzählung bes Lambert von Herdfeld. 845
ten durch Italien Echwierigkeiten entgegegen — nec in civitates eum re-
Era nec cum faculis — acclamationibus, ut prioribus regibus
consueverant, obviam ei procedebant, sed foris in suburbanis loeis castris
positis commorari jubebatur —, ftellt ihn abermals in den alimenta quibus
exercitus sustentaretur, durch beren geringe, nur bem nothmenbigften Bebürfniffe
eutſprechende Darbietung Berlegendeiten gegenüber, und Wachen werden an ben
Feldern und Dörfern zur Abwehr von Gelbfthülfe ber föniglichen Begleiter auf
geftellt. Gegen Heinzich LV. foll aversis oculis, infestis mentibus paasim per
omnes angulos gemurrt worben fein, unter Einmiſchung von Sagen über feine
levitas et ineptia, feine socordia, daß durch ihn den periclitantis Italiae cala-
mitates Hoffnung und Hülfe nicht gebracht worden fein. Darauf habe der
König, im Echreden hierüber — sero penitens, quod iucognitae gentis in-
expertae prius fidei temere se credidisset et Teutonieis finibus excedendo
hostem mutasset, non evasisset — auf Berföhnung mit den Stalienern, ala
das einzige Außlunftsmittel, gefonnen. Der Meg dazu war: ut initum cum
Romano pontifice fedus abrumperet et inde reparandae concordiae inieium
t, unde fuerat orta discordie. Der König zieht mit feinen anderen
Die Bergleihung anderer Zeugniffe mit diefen Mittheilungen teilt heraus,
daß Bruno, c. 90, wenn auch viel kürzer, etwas Aehnliches bringt, wenn er
erzählt: — Heinrich IV. habe nach der Rüdkehr von Canofja angefangen: eos
(sc. suos, zu benen er von Ganofja zurüdfam) a suo convivio Beparars, was
eren Sinn gegen ihn umgewandelt Habe: magnum coeperunt tumultum facere,
dieentes ei, quia si eos, quorum sapientia et virtute obtinuisset hactenus
regnum, nunc a se repelleret, apostolicus ei nec illud reddere nee aliud
scquirere potuisset. Das geflaltet deö Königs Sinn um: His et alüis talibus
verbie animus eius immutatur, et ad consueta, pravo pravorumque consilio,
reyertitur (365). Dagegen wußte Bonitho, Lib. VII, obigen er den Ereig:
niflen ja fo viel näher fland, nicht? von einer ſolchen Entzweiung zwiſchen
aid IV. und den Lombarden. Bielmehr jagt er, ber Rönig habe [ nach
ber Losſprechung vom Banne satis in facie devotus atque obediens gepee
erwielen; doch ſei biefe „Saltung nur ſcheinbar vorgezeigt worden: Nam diebus
ab omnium Longobardoram episcoporum se consortio seuestrabat, repu-
dians eos utpote excommunicatos. Noctibus eorum nefariis acquiescens
consilüis illud mente tractabat, quod postea rei monstravit eventus (672
u. 673). Allerdings jet Bonitho Gide jorgänge nach Piacenza, wo ſich der
171) Gen De te aud Sambert Dorber, 290, bie Rı Mbateli'8 und der
übrigen Watägeder Im Jahalis ber anf Ganefta beidkorentn Berbflihtuhgen an aufnehmen
ne Samberti begeläänend, wie er mit rhe
28 te Darfeflungsei 2 , wi it chet«
eigen Minein —E HB Ole Kelen Banden Dee dienen und ber arhubeeten
Cadjlage gegenäberjielt:
... njasei ita at frequentior In dies ad
wide⸗ injussi in aus 1 Sb Aaguentior In dies ad cum (sc rogem)
samptas ererial copisioren mial-
ar
alimente, quibus exereitus sustentaretur, eb, ub.
ipsa modica et viz nocessilatem .... ex-
plentia ..... ministrabant ı
: rerersus ad auos. ı be jt Lambert’) Un
ws; BED bereiben
ſachticht mmen habe.
846 Ercurs I.
hafäldung nicht in Uebeneinfimmung zu, bring.
2 üeuptung, Geinrid LY. Habe ch te
mit den Lombarben in verftohlener Weiſe vi ehrt, nicht richtig fin, De einers
— 63 ift ſchon im Bisherigen auf eine Längere Reihe von Stellen hinzumeilen
bie enheit geweſen, an welchen Lambert jeiner Abneigung gegen Heinrich IV.
— A geb, —— bie er vorzubringen hatte, eine ng zu Un
8 Könige verlieh.
“ Da erzählen von Anfang an geflifientliche Ausführungen über das Leben
in ber Ehe Heinrich’ IV. und über die Rönigin Bertha). Das Auftreten
in bex gerichtlichen Verhandlung gegen Otto von Rorbheim oder dad Berhalten
jegenüber Herzog Rudolf von Schwaben werden mit ungünfligen Zügen auge
— ‚Aber auch gegenüber den eigenen Leuten ſoll der König — kein
wiſſen gemacht haben, fie unter Umftänben preiszugeben i).
Eingehendere Setradptung verdient aber die von Sambert über Regenger’s
Antlage gegen Heinrich IV, 1073, bargebotene Erzählung. Regenger —
quidam qui lateri eius (sc. regis) jam din familiarissime obversatus Kerat
— tritt bei Lambert plößlich hervor —: incertum aliorum instinctu an pri-
yato in oum odio suseitatus — unb bringt bei den Herzogen Rudolf jund
Berchtold gegen Heinrich IV. die hier in Directer Rebe mitgeiheilte Anklage zu
Zage. Danach wären neben Regener aud alii plerique, quos pessimae
machinationis suae rex idoneos fore administros speraverat aufgeflachelt ge:
weien, zu Würzburg gegen jene zwei Fürſten und gegen caeteri regni principes
bei fich bdarbietender guter Gelegenheit einen — zu unternehmen.
Regen ‚er allein — caeteri quidem satis impigre susceperunt nı jum —
wil —X geweigert, ja noch größere Öinfirengungen behuf Dechätung
ber Sade beim Könige gemacht haben: quantum obluctari obstinatae senten-
tiae audebam, dehortari eum (sc. regem) conabar a proposito —, freilid;
be Erfolg: Quapropter tanta in me incanduit indignatione, ut a contnbernio
suo, quo me hactenus caeteris familiarius perfruitum optime nostis,
profinus me amoveret et jugulandum apparitoribus snis objecisset, nis
174) Beral ob. ©. 709.
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©. 102.0. ve,
179) . ob. ©. .
Burger Wi —X ob. S. 260, in n. 120, betreffend bie ebentuelle Aufopferung ber Line»
Glaubwürdigkeit der Erzählung des Bambert von Heräfeld. 847
pegealım imminens penetralibus propere excedendo declinassem. Diefe
eheuptung belegt der Anfläger zu größerer Sicherheit durch Nennung bes
und ber Mitwifienden —: et si rex inficiaretur, paratum se ait cum
ipeo, si id leges paterentur, vel cum guovis homine conserta manu rem
livino judicio committere. Als die Ausſage eines homo haut obscuri no-
minis in palacio et apud suos inviolatae existimationia macht die Anfant-
igumg oben Eindrud, zumal dba auch ſchon gegen andere Fürften ähnliche
xriſche Rachftellung durch den König gerüftet worden ſei und dieſer im Auf
fiche, mehrere feiner Bertrauten getöbtet zu Haben. So jagen bie beiden Herzoge
— Boten den Eid der Treue und Unterwerfung bem ‚Rbnige auf, weil er
au ven fie bie Treue gebrochen habe: Proinde, nisi objecta diluisset,
mullam deinceps a se vel in tranguilis rebus fdem vel in perturbatis
auxilium s} debere. Heinrich IV. beflagt fich im heftigen Unwillen vor
dem Bolte Pogleich über Rudolf: qui ut invadendi zegni occasionem inveniret,
cum verum sibi crimen impingere non posset, falsis suspicionibus et arte
compositis rumoribus impeteret et obruere conaretur innocentiam suam; in
Directer Rebe fagt, der König unter Anderem: neglecta interim regii nominis
majestate, cum ipso duce Ruodolfo congressus detegam euniculos fietae
hulus criminationis qua maliciam suam palliare conatur. Aber Udalricus
de Cosheim 3°), auch einer derjenigen, die ala Mitwiſſer genannt wurden, fucht
ben König durch milde Worte zu beruhigen, mit ber Witte, ſich nicht für etivas,
was ber föniglichen Hoheit zumwiderginge, verbindlich machen zu wollen: se
(sc. Udalrieum) melius multoque rectius cum Regingero vel cum quolibet
homine collata manu et suam et ipaius innocentiam asserturum ; ex begiebt
fich zu Rudolf und kündigt feine Beretfäaft an: quocumque modo ipse equum
judicasset, mendacium ger refellere. Aber Rubolf nimmt weder an,
noch lehnt er ab; er erflärt vielmehr, die Entſcheidung der Übrigen Arten abs
warten zu wollen. Sambert fehliegt mit dem Urtheile, daß Heinti) IV. nad)
Regenäburg gelommen fei: omnibus invisus, omnibus euspectus, nec ipse jam
cuiquam hominum aatis fidei habens, cum hi quoque, quos intima familia-
ritate sibi devinzerat, ad primam ingruentis tempestatis nubeculam a se
defeeissent (203 u. 204).
Gegenüber dieſer eigentlich dramatiſch wirkenden Erzählung des phantafie-
reichen umd bichterifch begabten Gchilderers lauten die anderen Zeugniffe fehr
abftechend. Kurz ift das in Die Compilatio Sanblasiana, a. 1073, eingefhobene,
ſchon ob. ©. 292, in n. 187, beſprochene Stüd: unus quidam de conailiariis
regis discedens ab eo publicavit et accusavit eum apud duces praedietos !#1),
quod cum eo seilicet et cum aliis suis intimis consilium jam factum haberet,
quod omnes quomodocumque interficeret; et se ipsum destinatum et maxi.
mis praemiis coactum esse in id ipsum facinus, palm protestatus est.
Unde maxima discordia inter regem et principes effecta est (276). Diele
ausdrüdliche Nachricht von anderer Seite behätigt allerdings die durch Lambert
einläßlicher vorgebrachte Thatſache. Daß — Bruno dieſe ganz fbergeht,
ift durchaus nicht — etwa mit R. Dewig, Wurdi, ung von Brumo’3 Liber de
bello Saxonico im Vergleich mit den Annalen Samberts von Hersſeld (Offen»
burger Programm, 1881), 24, n. 37, weil Bruno, c. 56, den präjumptiven
Regenger'3 im Gotteögerichte Tenne, wobei er der Sache hätte gebenten müflen —
al ein Argument gegen die Wahrheit des von Lambert — und der Compilatio
— Berichteten aufzufaſſen. € ift bielmehn Ihr einleuchtend, daß Bruno feinem
Plane gemäß dieſes ganz mißlungenen Mittelö, dem Könige zu ſchaden, gar
nicht gebenkt; benn aud) Lam hat ja nachher, a. 1074, nachdem er zuvor,
56, heißt bie gleidhe Perjönliäteit Okhelricus de Godesheim, mit
timorem penitus abjecerat, Godeshaz agnomen habebat, quia vero ex
to, 1, 47, fepte biefe Dertliäifeit wert nad & ben, dann
m bie HBefer, 100 aber ber betreffende Ort Godelhelm, nicht
rer, Lo. {T, 87 u. 8, wohl am beten bei ben mehreren
leihen ie ‚Heimat hbateig’h offen Tübt. Qmmerbin IR, wegen beb
BE ae Tan ou
181) en je mweilung: ai, jem zus J
— —
848 Gem I
wie ber ber hier socyenen Stelle, a. 1073, erweiß, ganz gegem Hein-
I. h ed Heinlanten Borten
——
———
dies is dirissimo demone **
morte ini mei OT nah ER ben done Beziehungen ber.
Wärften zu Wegenger'3 Borgefen war biefe ingelegenheit eine für
Iruno recht wibrige Erinnerung, bie er nicht aufzufrifchen ge te Am wahre
Bi ift, daß die en Ri feet a, 53.* ge
i —* ie Kriege! *
Ba das im Aufl flande I ſach Sou fon
mandjerlei — Sander a fo auf die birecten Reden, —
seat Zi Berzicht zu Leiten. ar tommt noch die unleugbar vi ie
— ei über ve — Heinrich's IV. mit ben an ar zu
(199) (204 u. 205)
Rex missis nunciis mandavit, ut.... | rex Ik atos extorsit,
sibi occurrerent | ut all . oecurrerent
Quo cum venisent, pedibus eorum | Quo dum - . . venissent, pedibus
eorum provolutussuppliciterorabat
Der König ſchildert bie Sachſen: imme- | ut memores justi judicis Dei, me-
mores jurigjurandi, immemores ; mores sacramentl, quo se... obli-
benefieiorum, quibus eos... .. sibi | gassent
obligasset i
Sambert verfihert, daß nur datis utrimque obsidibus propter periculi u
pleionem, bie Zufammentunft überhaupt zu Stande gefommen fei, und zeigt
ann weiter eine unleugbar tendenziöfe Haltung, wie er Heinrichs IV. u
würfigleit, die hart tadelnde Antwort der vom Könige angeflehten ürften er-
wähnt. Der König foll zur Erhärtung der Bitte: ut. . ... fidem sibi serra-
rent in adversis — ein erniedrigended Geflänbniß einer Bergehen abgelegt
Haben: Si quid antehac exceseisset, juvenilibus animis et aetati in vieium
'onae veniam darent, mit beftimmten angejchlofienen Verſprechungen für bie
Sata: deinceps et malo correetum et annorum sensusque maturitate
Provolutus orabat
er Kt FH TR
230 3100 erwähnten, bel Enbendatf —
Gum iu dein, bab
en‘
eb
ein anderer Gatfala| —
Be md yu maden bee u * RER
er, Difertai
Das räı
iurede 8 DE Bas riumt + erbräd, 88, ein, ber, Dr n 75, nochmals auf das Greiguiß zu
Slaubwürbigteit der Erzählung des Zambert von Heräfeld. 849
roboratum quae ‚parvali sint evacuaturum, und was für weitere Verſprechunt
nod) genannt find‘; Die Fürften follen den König an die Fe aan
und an Regenger’ö Anklage — qui (sc. rex).... clanculo carnifices mortem-
que preparasset —, erinnert und gejagt haben, daß er vergeblich Treue von
ihnen verlange, ba er ſolche jelbf nie, weder Gott, noch den Denen, gehalten
abe. Echliehlich ſei die Aufforderung an dem König ergangen: Sin aliquid
aberet obtendere (sc. rex) aut per quorundam factionem falsis criminil
se impetitum putaret, sineret Udalricum de Cosheim, sicut professus fuisse
manum conferre cum Regingero, ut, si vieisset, eos deinceps fidos sibi
obnoxiosque sine omni inperpetuum contradictione haberet. Libenter rex
suscepit Silben a choach
ier iſt die Stellung des Königs mehrfach in einer ganz unmöglichen Weiſe
aufgefaßt. Denn durch den Anfchlub der Mormfer mußte fidh Fr IV. fo
weientlidh geftärtt fühlen, daß eine deraxtige Unteriwürfigteit als ausgeidjloffen
inen muß. Ferner widerfpricht ſich Lambert in der hier gegebenen Er⸗
wähnung des jenger’ichen Zweitampfes gegenüber dem vorher bier behandelten
Zufammenhange?"°), Denn die Forberung des Zweilampfes war nad) Xambert
Juerſt vom Könige erhoben geweien, jo daß es hier nicht richtig if, wenn gejagt
wird, Heinrich IV. habe diem von den Furſten gebrachten Vorſchiag aus deren
inden entgegengenommen; wenn ihm wirklich die Vorſchlage der Fürften zu
enheim in der geichilderten Weiſe entgegengebradht worden wären, würde ex die
Forderung ais fein eigenes urfprüngliches Begehren wieder Beronrgeolt Hab. —
ine hier ſchon in feüherem Sulommenbange — vergl. ©. 810 — ala uns
glaubwürdig zurũdgewieſene Ausführung Lambert's tehrt in ähnlicher Weile an
gegebener Stelle noch mehrmals wieder. Es ift das in ganz beweglichen Worten
vorgebrahte Bild einer Nothlage, in welche der König mit feiner
Hofhaltung gebracht if, und zwar a. 1074, a. 1076, a. 1077; dabei
geht Lambert jedes Mal von der Anficht aus, oder bie Meinung fteht wenigftens
ım Hintergrunde, der König habe durch fein Verhalten dieſe Berlegenheiten jelbft
verfchuldet. — Die erfte derartige Schilderung Bey fi auf die Weihnachtd«
zeit 1073 und bie Hofhaltung, wie fie während derfelben zu Worms ftattfand;
die düftere Ausmalung Lambert's ift fon ob. ©. 307, in n. 1, beurtheilt. Die
ähnliche Auffafjung einer zweiten föniglichen Leidenszeit fieht im Zufammens
Hange mit dem in Excurs VI gemürbigten längeren Abſchnitie Lamberr’3 und
vetrifft den Aufenthalt Heinrich's IV. zu Speier, Ende 1076. 8 diente
game bier Lambert's Auffafjung, die Lage des Königs am Ausgange dieſes
jufenthaltes ala eine ganz fläglihe Hinzuftellen. &s heikt da: Rex... ..
Spirensi urbe discedens ...... nec quisguam ex omnibus Teutonieis vir
ingenuus comitatus est regno excedentem preter unum etipsum nec. pnere
nee opibus conspieuum. Cumque impensis tam longi itineris egeret multisgue
supplicaet, quibus incolumi re publica sepenumero profuerat, pauci ad-
modum erant, qui vel veterum beneficiorum memoria vel presenti huma-
narum rerum spectaculo permoti neceseitateın eius aliquatenus relevarent.
Eo miseriarum et calamitatis ex summa gloria summisque opibus repente
renerat (255). Hier liegen die allerweientlichften Mebertreibungen vor; der
orn Gottes der über bem fchlechten Könige Liegt, foll fo recht hervortrelen 187).
& beionder aber war ja Heincic IV. nach dem Annalifien von 1075 an
gerade in diefer Zeit der vorgeblichen Nothlage im Stande, reiche Gefchente aus»
qutbeilen — vergl. das ob. ©. 739 u. 740 über den Markgrafen Otbert (magni-
ice ab eo — sc. rege — donatus) Gefagte —, und andererfeitd brad) damals
185) Wollte man diefes Gändenbefenntniß annehmen, fo Lönnte etwa daß don den
Annal. Weissemburg., ob. ©. 308, tn n. 1, jebrahte DVeripreden bei 2 romisit
Penllntium. das elersinge durchaus nicht niit Asırt, and erfi In 1074 angeeht IR.
ıngejogen werben.
u) Auf bielen Wiberiprud) machte Telbräf, 38 u. 39, aufmerlfam.
151
Aber der Ghwiegermutter Adelheid und bem Güwager Amadeus von Badoyen eingefgpbenen
— Ita indignatio Domini non solum sacramentis et freqnentibus beneflciis sibi obnozies, sed
amicon Ft enere propinauos ab eo arerterai (20). @abin gehdet weiter bie
n. 9 befenghlete Behauptung Sanderts. Henri IV. fel nur mit ganz geringfägit
mad; Jralien gegangen.
Meyer von Anonau, Jahrb. d. diſch. M. unter deinrich Iv.u.V. I.@b. 54
850 Excurs I.
Biſchof Ruopert von Bamberg, mit anderen Worten Kine der treueften Anl
bes Königs, mit wahren Reihthümern — l. ob. ©. 755 — nad Stalien
auf, fo dah aljo ber König unmöglich jo hül Salon, geweſen — lann. Ebenſo
tehren @. 1077, in der Daı lung ber ‚Bage Deineidy6 IV: m den Borgängen
von Ganofja, abermals ähnliche Yüge ber er ung einer Berlaffenheit
Königs, wie hier ſchon auf ©. 844 u. 845 ausgeführt wurbe, wieder!) —
‚Die —— in De > Same Bedeu dem wi bei ber
ih genug
mi ie Perlen ipse intra muros Wormaciae — oeio —J 207)
en "al als dir te bes für
Fr a GE Ei —
aber gehen banı Aa Bemerkungen TE: nötere über mehr
nei — igifle. & ee für —ã— —
m} voran je Erwägungen m
I 1078 der . inbis Mean A a is
don Anbeginn den, neh —e ter Abneigu: y an König.
Ic bei en Gegen '® VIL, welche den
Boten an den ranig gegeben worden —5 uf ie Wendun: ebenjo bie hier
eingeſchobene Aeuferung, dem in Goslar anweſenden Könige Gi bie zu veran-
tende Reichöverfammlung im Wejentlichen mißglüdt!%) Daß ber Zob bes
Biſchofs Wilhelm von Atueit ala die a eines hauptſachlichen Theil⸗
nehmers am ber Wormſer Reichäverfammlung fcharf hervorgehoben wird, war
hier ſchon &. 817, in.n. 87, judenten 1%), EA völlig von Sambert’s ‚Dar:
ftellung ber Ereigniffe von Zribur und Oppenheim abgejehen ii
muß, wird in Ercurs VI zu zeigen fein. Ganz t jchließt noch —
Bud) mit ber — ber durch Heintich IV. an bie Ber
fammlung no Forchhei jebenen Aufträge”).
Unleugbar ift eine AA ber von Sambert gebotenen Aufftellungen —
dem Gedanten, ber ben Erzaͤhier beherrichte, ausgegangen, daß —*
mehr des Thrones würdig ericheine, daß ein Anderer, De
zung eigne, ala König zu erwählen fei, und babei A ihm one 3
) Sisto, II, 123, dann Aelbehe, 54 wiefen 16 He m anf bie 2,1076 e geraten neben
— 8*
—— und Dnm din. BE nadız eutiche Beit«
c. örtliche Ankld
* Ph * ” —— in eat
12, 325, n.
ber bie Whnung inm kriege bringen n. 185 u. 6.416,
92, 524, n. 98 (di it Beuus
nee Verlieaen & et vom
a
196) ibere
“ Kine war Pr gi au Bemerkung vergl. ob. 6.008, a. 4
Glaubwürdigteit der Erzählung des Sambert von Heräfeld. 851
nad) der Art des dem Werke gegebenen Abichluffes zu vermuthen, Herzog Rubolf
von Schwaben vor!)
Aber damit ift noch feinehege geſagt, da das ganze Werk aus einer
eiuheitlichen Abſicht heraus in der Weiſe aufgebaut worden ſei, bak befien Ver—
fafler bewußt an allen Stellen, wo ihm Abweihung von ber Wahrheit nach⸗
jeiwiefen werden kann oder wo ſolche wenigftens im hohen Grabe wahricheinlich
iR, die Dinge fo gewandt habe, daß fie — das wäre doch ala die burchgängige
Abficht Hinzuftellen — gegen Heinrich IV. und gegen dad, was dieſer als König
wollte und was ihm dienlich war, Lauteten.
Sambert war ohne Zweifel ein vielfach wohlgeiculter Schriftfleller, ein
auögebreitet belejener Mann!?), und er zeigt ſich ala ein, ausgezeichnet ges
wandter Grzähler, nicht ver 9 von Moli⸗
virungen, dem ed zum wahr talen und ſich
in Wendungen der Rede zu ex, wenn ed
ihm darum zu thun geneln jur Beweis-
Ihrung für ein feftftehendes tügenden und
enden Ausführungen im gelegt, man
dürfte ihm da8 wohl über fe ı einer foldhen
Toftematifchen Aufhebung der eifel die zahle
zeichen Widerſpruche, von fo nieben haben,
welde fi) bei ihm nachwe m Sichsehen ⸗
— und be * en b —
nbringung ähnli en! veg_ au belien
— —— ihm ſol — voller Lügner
wohl vermieden haben würde?%®).
2 . ii M the bi ie
ae ————
2. 168, 298, n. 106. 412. 0. 19. u. a. m.
2) 8
ERST —
—8*
S. ob 4, n.
Broceß gegen OH
852 Ercurs I.
als Vorauzfepung, daß bie Bloferaei te erft mad) der Zeit der Gutftehung
mehreren Muswege von ber Harzburg, ©.
h Panne in Oburt en
auf dem Dege nad Ja Sn die)
imo Lambert im Befihe don neheimen Ra
eben ‚Behauptet., * der bej —
boron — widerlegen Tiek; mit aber if
Wahrheit.
20h Bannenborg mil, mit bielem @elbftaeugni
ierte Bi ie
handelt habe, den Mers beB Carmen, Lib.
Lambert ift nicht ber Berfafier des Carmen de bello Saxonico. 858
63 beftanb die Abficht, an diefer Stelle noch in einer einläßliceren Aus:
a Bir —E ber aamnenbarg Km Annahme barqulegem, Das il
am nad) den allerneu: rührungen Holder-Egger’s, Neues Archiv, XI
., durchaus —E—e I {R Gier einfad) auf jene Abhandlung verwiefen
ai 3 Schon vorher hatte auch der gleiche Kritiker, 1. c., 211, die u
auf die frage nad) dem weſentlichen Inhalte des verlorenen "Gedichten,
fi) Lambert in der Klofiergeſchichte beruft, —E 2b — — die
Zehntftreitigleiten des Klofters Hersfeld werde behandelt
—— der Derion des Dichters des Carmen de Kg Saxonico ftellt
Bee eg ‚Egger wieder feft, daß er ein Weltgeiftlicher geweſen fein mühe, der am
Bi ichen oder an einem fürfllichen Hofe lebte. er war der Verſa Mer Ihn
—ä Gründen ein Oberdeuticher, hör —X einlich ein Schwal
wohl einer ber jungen Beute dieſes Sammy, mig fo gerne an HR
heranzog und beförderte. —— IV. . wird — en auch an das Stift
St. und — Br it haben, Fi fo erklärt —9 die genaue
Kenntniß des Dichters Über die bei — ar deſchehenden Dinge »ve)
(dergl. ob. ©. 8 fei bi bi len
Bee ger BEe Bean ER Senke
. 325, gebradite Dar-
— ‚don ihm bertaßt fet,
derr@gger entichieben ab-
bi
bengt habe, IR in Debereinfiimn
Juieifen.
die Bermutl "8, 11, 427, daß ber
nad Reel. Alle Eileen Wapatiıg. Kane} ter {ei far vefonen
Ercurs I.
Die Vorgänge bei den Slaven im nordalbingifhen Lande
aqa nach dem Tode ersiraof Aalbert’s.
bi Ss wa ale it —* Be , ich. —
jener u. 0. il us jem
ig ab und it erſt: Nam eodem
Speer et . incensa et bis — est. i vietores totam
Em deinoeps habuerunt in saa ditione, beilatoribusgne oceisis
liegt alfo eine —— Beranlaffun;
vreht R PR AU, 166 u. 171, wo bie —X über
wie die Abodriten Hamburg überfallen und
taz gefprochen: Hanc (sc. filiam regis Danorum)
PRRNE Ad —— MICH. sadıra ar hei Mer au Das laden
Vorgänge bei ben Slaven nach bem Tode Erzbiſchof Adalbert a. 855
lium a Saxonum principibus, eibus pater eius devotus semper et fidelis
extiterat®, Gr Andet Hier ‚Hülfe:
beneficiis gratiam, int pro eo prelium, multoque expeditionum
fatigio restituerunt eum in locum suum: doch fei Butue’s Macht
ring geblieben‘). Dann folgt Magnus dem Dertorbenen Bater ald
statimque in ipso principatus sui exordio ad subnervandos Selayorum re-
belles animum et vires intendit, exacuente eum ad id Butue filio Gode-
scalei. Doc unter Eruto wiberjeßen fi die Slaven und treiben Butue aus
bem Sande, zerflören jeine Burgen: Videns autem se prineipatu extorrem
it ad ducem Magnum, qui tune forte Lunen] "degebat. In langen
Reden beiprechen Pi bie Beiden mit einander. Magnus kann zunächft nicht
ſelbſt eingreifen: Porro dies auptiarum ad presens ducem vetabat —; aber
ex beripricht Beiftand: sed dabo tibi los, St ios, Holzatos atque
tmarchos. Butue eilt jept mit den Zapferfien ber Barden über bie
in terram Wagirorum; Magnus bietet das nordalbingiiche Sand zum Zuzuge
für Butue auf. Inzwiſchen hat Butue mit jehahundert Mann Hin —
die Warnung nicht achtend, daß bie Burg nur offen gelafien worben ſei, um il
ineinzuloden. ieflich if er ſchon am nädhften je von ſehr gebt chen
jaaren von Slaven einge jen. In änferft eingehender Erzähl ung folgt
nun, wie auf die Runde vom meint bie von Magnus aufgebotenen nordalbingi»
fchen Zölter um Entfa forteilen, ad rivulum qui dieitur Suale — der
Schwale bei Reumünfter — quique disterminat Saxones a Selavis Halt
machen und einen der jlavifchen Sprache kundigen Späher vorausfenden, der fich
aber von dem Plön belagernden Gruto beftechen Läbt und überall Verrath übt,
jo daß die Aufgebotenen nicht weiter gegen Plön vorrüden. Darauf (c. 26)
men Butue und feine Beute heraus und geben ihre Waffen ab. Doch Gruto
brigt an ihmen ben Vertrag, ala eine angelegene Grau aus der Burg fie anflagt,
die daſelbſt zurüt fienen Ehefrauen ber Belagerer ſchändlich mißhandelt zu
Haben. Butue und alle feine Leute werben getödtet. Truto aber wurbe mun
mächtig nicht nur über daB ganze Land der Glaven, ſondern aud über bad
ganze norbalbingijche Sacjienvolt, defien drei Abteilungen ihm gegenüber fich
sur Binspflicht befennen muhten.
Bebelind unterwarf in einer feiner fo fleißigen Anterfucjungen — Roten
Kiigen Geidichtichreibern des beutichen Mittelalters, I, 180-187 — aud) die
Benge ver Zeit des Todes Butue’s einer Prüfung, ai dabei jedoch gratis
von der Anjegung bes Zobes des Herzogs Ordulf zu 1071 aus. Er rüdte alfo
das Hülfsgeluh Butue's bei Magnus zeithen ben 28. März und Pfingfien —
12. Juni_oder einen der nachfolgenden Zage — 1071, zwiſchen Ordulf's Todestag
und die Ergebung des Magnus in die Haft Kimi '3 IV.d), Ta nun Butue’s
tag nad} dem Necrologium ınonast. s. Michaelis der 8. Auguft ift: VI. 1d.
Aug. obiit Bitti comes et Godeschalei filius (Roten, III, 57 u. 58), fo fehte
Ey Any das Blntbab bei Plön auf den 8. Auguft 1071. Ebenſo jänt für ihn
2) Bergl. Bb. I, ©. 520.
bee Gt
li Gode lei, qui suam in duce
ii og die Gtele
De
eich /t’B, e& möchte 1009 diefe
RE IRB N
8 mit dem Gelbzug Deinridhs
Reben. jegen bie Elutigen im Zufammen-
el rngt. 00. 6. 00.
856 Excurs II.
die Plünderung von Hamburg in Erzbiſchof Abalbert’3 legtes Regierungsjahr,
amifchen 15. April 1071 und den Zodektag, 16. März 1072. Gehe gut Iheint
natürlich bie von Helmold erwähnte Hochzeit des ragmuß mit Sophie, welde
Bebefind wohl richtig in ben Mai oder Juni 1071 ftellt, hier hinein zu pafien.
R euchtete in dem ob. ©. 71, n. 60, genannten Programm, 7
age
terfannt feftftehenden tiachen widerſprechenden Wittheilung ber Chron.
Slavoram — io ia tab ex das ae de Plöner Creigı het ala Men:
zum Ausflerben bes lubiſchen Fürftenhaufes (Göttinger Differt., 1880), 31 ff.,
bie ne Einerfeits führt er aus dem Inhalte bei 25 —X
Slaven beifühn i ® J geweſen fei, ei
ride Hinme auf Bie'Sekunft Ah auhallen Arbe; Adenfat ht
Ercurs II.
Ueber die Urfahen des ſächſiſchen Aufftandes.
. „Bei ber Erörterung ber Urſachen des ſachſiſchen Aufftanbes feit 1073 ſtehen
die dur Sambert, in ben Annales Hersfeldenses, gebrachten Nachrichien
fo ganz voran, baß es ſich empfiehlt, Hier von ber fonft in Ereurs I durch⸗
geführten Prüfung de3 Juhaltes dieſes Werkes die einfclägigen Mittheilungen
ganz abzutzennen und Diejelben abgefonbert mit ben anderen Berichten ber zeit:
gendifif Eeſchichtſchreibung zu vergleichen. R
3u 1073 ft zuerſt von dem Burgenbanten des Könige, als von einer Urs
jache ber Unzufriedenheit, die Rebe: Montes omnes colliculosque Saxonise et
Turingiae — das ift von born herein zu beachten, daß Thuͤringen hier mit
einbezogen ericjeint — castellis munitissimis extruxit presidiumque imposuit.
Quil cum vicetui necessaria minus sufficerent, permisit, ut ex proximis
villie et agris hostili more predas agerent et ad ipsa castella munienda
<ircumquaque manentes rent et impensas affatim convectare et per
se ipeos servili manu desudare (192). &benfo folgt furz hernach, nod im
gleichen Jahresberichte, eine breitere Ausmalung deilen, was von denen, qui in
castelis erant, grgen ben populus Saxoniae et Turingiae ſchwer geiündigt
wurde: Omnia quae in villis et agris erant in dies eruptione facta diripie-
bant, tributa et vectigalia silvarım et camporum importabilia exigebant;
— ganz beſonders bemerfenäwerth ift aber, daß jeht auch die Zehnten, welde
Hinmwider mit Sachſen nichts zu thun haben, wieder herangen en werden: et
lerumque sub pretextu decimarum totos aimul greges abigebant. Weiter
Fieht fih als Schuldbelaftung dieſer Beſatzungen an: Nöthigung, aud für
plerique honesto loco nati et re familiari florentissimi, au Snedhteädienft
(vilium maneipioram ritu servire) — ichandlich entehrende Mißhandlungen von
Frauen und Zöctern (wovon nonnullae vi in castella sua raptae et....
impudicisime habitae) — gngen einen Mloge Gührenben, velut qui grayam
injuriam regi fecisset, foforliges Einſchreiten mit Seflelung und Langwieriger
Feieyung (nee inde — se. e vinculis — exire poterat, nisi toeius suppellectilis
suse distractione vitam salutemgue suam redemisset) —; bei allen diefen
Beſchwerden ift vom Könige troß der vielen Klagen (gewaltig voll find bier die
Ausdrüde: ex omnibus locis catervatim quottidie) nur ſchmahliche Zurüd-
weifung (wieder mit Betonung der gar nicht hieher gehörenden Zehnten in ben
dem König zugeichriebenen Worten: ista eos pro injusta decimarum reten-
tione pati ..... . qui legibus ecelesiasticie sponte nollent adquiescere) zu
erwarten (194). Freilich vermag dann Lambert für biefe ſammtlichen mit Iche
bi in Burgen überbauten Berge und Hügel” Sachſen's und Thüringen’
bloß die Meine Zahl von fieben castella, quae ipse, postquam pater eius
decesserat, extruxit (sc. Heinrich IV.), quae tamen ad presens memoriae
858 &rans DIL
ER Be Ba a ee er Een id
— ———
voran: ut quae ad eversionem
16 ie der Harzburg 28
Ichrieben if, quorum oppressionem singulis moutibus
—— — ut aquas nostras bibere et
Boden Fre mmpaere ——
suis, publice vietimas, prostitueret — umb: eastella, quae in per
nieiem nostram 3 diraat (198) Im Jannır
1074 Recht wieder unter den — —— ut castella. ad
ppressionem per Saxoniam extruserat, sine
DE —
sus omnia sine dilatione destrueret (210)
natalium suorum, ut ipso verbo serviliter *ᷣ
de reditibus suis fiscalia sibi obsequia impenderent. Contradicentes,
qui majestatem regiam violassent, totis regni viribas i et de regno
proturbare minabatur. Darans die fih in jammenfünften ver:
finigenben principes Saxoniae, & ible fich um bie Gefahr: acceptam &
jondtichaft um Anfang Auguft, für den König werben
e: eo tamen modo, quo i atgue in libero imperio natos
been Berficherung, daß der —— geſchworene
calumniam restituat . . ei
primis te temporibus statuta rata atque inviolata In&nere einat )
Ein jermerer von Lambert dire Klagepuntt ift zuerſt bei der Gefanbt«
haft Anfang Auguſt 1073 in der Forderung erwähnt: ut — int
Saxon, in qun jan a pnero residens ocio ataue ignayia pene emarenimet,
sui partes inviseret (196). Dann erſcheint derfelbe le
Wieder in Bin Id Ag jerebe vor der Harzburg: nos solos sibi peculialiter elegerat,
33 rauch I
‚ber Auwendi 5 Ulmenı Ber
ya : I —
. aecelestis et monasteriis, viduis ot erphanis,
Ueber bie Urſachen bes ſaͤchfiſchen Aufftandes. 859
quos secundum prophetae elogium (Amos, I, 3) in plaustris ferreis tritu-
raret, grorım regionibus post initam semel principatum nunguam excederet
(197). Die Jannar-Boftulate von 1074 haben: ut totam in sola Saxonie aetatem
inerti oeio deditus non transigat, sed interdum Goslaria decedens, regnum
suum .... circueat (208).
Ebenfo und noch ausbrüdlicder gehen auf des Königs perfönliches Ver ⸗
halten bie Beichwerden, welche Lambert die Anfang Auguft 1073 auftretende
Geſandtſchaft nod; weiter vorbringen läßt: ut vilissimos homines, quorum
comsilio seque remque publicam preeipitem dedisset*), de palacio eiceret
et regni ia regni principibus, quibus ea competerent, curanda atque
administranda permitteret — ferner: ut abdicato grege concubinarum .. .
reginam ... conjugali loco haberet et ——
ieioram probra, quibus dignitatem regiam adolescens infamaverat, nune
saltem maturato sensu et aetate abdicaret (196 u. 197). Auf das legte —
Frevel des Königs, die befonbers in Sachen geſchehen fein follen — geht aud) wieder
auß ber Stlagerede bei der Harzburger Belagerung: quorum terram — quod
omnium gquae pasei sumus gravissimum dueimas — inauditis adinventionibus
nee christiano ore nominandis criminibus incestaret (198)°). Die Forderungen
von 1074 enthalten am Schlufſe: ut ... regiam dignitatem, quam nomine
preferat, regalium morum et operum claritate exornet (208).
Neben dieſen tiefer liegenden Gründen bietet Lambert auch noch mehrere
Kaeranlafluugen, von welchen er annimmt, daß fie zum Auebruche des Aufftandes
Zum Theil find diefe Anftöße zur Erhebung perfönlicher Art; Otto von
Nordheim und der Billinger Hermann werden ba erwähnt, welche beide, ber
fonbers natürlich dex zweite, durch bie Gefangenhaltung des Magnus gegen dem
König Kingenommmen waren (195). Auf prineipes Saxonise, quil sine
legittima discussione bona sua ademerat (sc. rex), geht im Begehren von
Anfang Auguft 1073: ut... . secundum principum suorum jurisdictionem
satisfaceret (196), auf Otto fpeciell_ber unit dom Januar 1074: ut duci
Ottoni . . . ducatum Bajoariae reddat (208).
Sachliche Berhältnifie follen jedoch außerdem gerade 1073 ſelbſt wejentlich
mitgewirkt haben. Der Polenkrieg ſoll gar nichts weiter ald ein Vorwand ge-
weien fein: sub occasione Polenorum volebat in Saxoniam exercitum ducere
et deletis usque ad internicionem Saxonibus loco eorum gentem Suevorum
constituere; außerdem follten noch weitere fremde Feinde ben Sachſen vom
Könige erwedt werben, freilich zunächft insgeheim, jo der Dänenkönig: ut in
conficiendis rebus, quas animo bat (sc. rex), auxilio sibi foret, ei se
Saxonibus ex uno latere bellum inferente, ipse eos ex alio latere adoriretur.
1a ipsum alien qui Saxoniae contigui erant, regibus et gentibus injungit
(195, 194 u. 195).
Da3 Carmen de bello Saxonico (SS. XV, 1218 ff.) fellt fi} von
vorn herein, indem e8 (Lib. I, v. 2) die Saxonum gens ald sus (sc. regis)
Jura megans behandelt, auf einen entgegengefeßten, bem Könige geneigten Stand»
Puntt.
ben Snabenjahren Heinrich's IV. herrſchte Unorbnung im ſachfiſchen
voite gern ESTER imperiis nee, habebat jura im Mö Yon
Im vero nee iniquum segregat aequo (v. 11 f- mit weiterer Ausführung);
aber mit der Mündigfeit des Königs wurde Recht und jlichteit hergeftellt
(v. 20 9. Soiche Zügelung trug das übermüthige Volt ſchwer: multum
4) Bergt. hiezu bie fon
welde om bie Be —
echte Benberung Aber Tamibiläe un:
a — En:
Aeblung In Eaien IS ———— ——— oh,
abftoßend unb ausicließri erwies: — prineipibus, solos circa se Buevos lue
'habebat, ex his sibi auricularios a secretis, ex his tam familiarium quam puplicorum negocioram
procuratores inatituebat.
5) Tiefe Einge —X in ben Rorveier Berhanbinngen vom Auguſt 1078 wieber, unter
bem grares cansae, melde die Gadjfen Yorbraßiten: gulbas probarent, eum sine magna chri-
(0 Sihr Abati Lnuten ann wieher, » 78-64 (1320), Die Ausführungen Daräber, wie
“ — —
— digresso rege don ber Oariburg. Auguft 1078) — abermals bie —E eingerifien jet.
860 Excurs II.
timens, ne poena sequatur tot malefacta sui, studuit contraria sep; vi
atque dolis — Hinc belli causae veniunt sub imagine recti (v. 25— —
Die Beſchwerden, welche — 1073 — der Dichter durch tres oratores in
deren Rede an den König (v. 38 ff.) bringen [äßt, verbreiten fich über Hinderungen
der indigenae von Geite fremder: prohibent silvis communibus uti. pascna
praeripiunt, abigunt armenta jue, heredes circumveniunt, vi
tollunt, omnibus atque modis 5 ab bie ı injuria nobis — und gipfeln
Begehren: Leges redde tuis ablataque patria jura (v. 48) (I. c.. Een
des nunmehr bervortiretenden Widerftandes der Sachſen läßt jet Heinrich
sex castella (v. 75) art m ( u.
Die — im October 107: ingen — borgebradjten Alagen beziehen
fi auf das dem Bolfe entril Ime —A echt; der — fol dazu ermahnt
werben: his ut jus patrium reddat (Lib. II, v. 40) (1224)
Bei ber Aufftachelung der Sadıen zum Kriege 1 den König, 1075,
Iautet die anfeuernbe Rede: quam sit turpe jugum servile pati dominorum
ingenuos (Lib. III, v. 120 u. 121) (1231).
In viel höherem Grade fält Bruno in Betracht, wenn auch allerdings
von vorn herein bei der ausgeſprochenen Parteiftellung des Autor des Liber
. ball 5 rl eine vorfichtige Aufnahme der dargereichten Mittheilungen
geboten erfcheint.
Bruno legt die Beſchwerden gen Barzie IV. in den Mund Otto’s von
Rorbheim, welder 1073 zu Worme ie in c. 25 mitgetheilte Rede gehalten
haben fol. Der Redner will aufzählen: calamitates et contumeliae, quss
singillatim vobis omnibus rex noster jam per multa tempora fecit, magnse
et intolerabiles, welchen nad multo majores get graviores [0 en follen. —
nennt ex die castella fortia — in locis naturs munitis plurima construzit
... . DON contra paganos, qui nostram terram quae sibi confinis est totam
vastaverunt, fabricata, sed in medio terrae nostrae, ubi nemo ei
bella cogitabat inferre, tanto molimine munita?). Tieje Burgen het
die Rede fort — Beben ihren beffimmten Zwed: ex parte plurimi estis experti,
et. nisi misericordia Dei vestraque virtus prohibuerit, eito omnes experie-
mini — ibi suorum fidelium multitudinem non modicam universis armorum
generibus instructam collocavit; die Slam, fd erfihtlih: Bona vestra,
qui juxta manetis, vobis invitis in ipsa castella deportantur; filiabus vestris
et uzoribus pro sua libidine, gen ae sbutuntor; vestros pervos st
Jümenta, quiequid volunt, sibi servire praeci pn; immo et vos ji
liberis humeris vestris quaelibet onera, licet foeda, portare compel nt?)
Doch noch viel Aergeres joll zu befürchten fliehen, wenn einmal die Burgen per
totam terram nostram gebaut, beießt, auögerüftet jein werben: tune non
amplius jam bona vestra particulafim diripiet; sed niveren quae possi-
detis, vobis simul eripiet, et hominibus advenis vestra bona largiens, vos
ipsos, liberos et ingenuos, ignotorum hominum servos praecipiet esse?).
ie weich IV.) in desertie
Seel caleile Aoricare, qua
forest.
* Tores regno firmamen!
eastel] lera quam fortis esse laborabat. Beatus * alas beatus esset, si munitionen
vuden Contra ‚paganos erexisset (SS. V,
8) Bergl. abermals ſchon in c. 16: Postquam rero prassidia in ipsis castellis collocata
coeperant in circuitu sui prasdationen agere, non zuos labore+ in smos usus ee liberes
kanine ad open errüe canpalan, Ze vi nreren ah biefe Stele
oe — —F
* — 7 die Geha jauptete Abl
iR, ale Biefüz doran, in
primum, qui la „art, portend
lere " prassumpserunt. Inndebantar, anerelan —
gi Ted a castellis A en mali patiebant Illaesi vero du: —*
»bant, tyrannidi vires in se 12 tribacbant. Kan ab
Me Al — ——
er mehrfa: * huten en Mi
Dr — denen En ale
;omines vol mobiles —
ber Rede, über das —— geben in
Weiter Ra anl
— ft, Ned Sal ee
ke, judem n cas ae: ES ana en weitere Gilt A rs
Ueber die Urſachen des fächfilchen Aufftander. " 861
Ein zu wagender Wiberftand geht gegen Heinrich IV.: non contra regem, sed
— infestum meae libertstie am Hei (SS. V, 33719).
Auf Otto’8 Aufforderung follen dann perfönliche Klagen von Anweſenden
vorgebracht worden fein, welde c. 26 aufzäßlt. Bon benfelben berühren fich
diejenige Dtto'3 wegen Baieen und — nicht fo beflimmt — des Bilingers Her-
mann, megen der hier fpeciell auf Lüneburg bezogenen Schädigung feines Haufe,
mit Samber!
Sept folgen bie vor ber har burg gegenüber den Boten des Königs an-
gebraten ſachfiſchen Begehren in c. 27: fie faffen fih in dem einen Wunfche
N fammen, ut castella, quae non ad munitionem regni sed ad destructionem
ricaverat, vellet destruere (338). Die für bie Verhandlungen Ende Januar
1074 gefeiten Bedingungen — in c. 31 — lauten tella sua destrueret,
nee alterius ea restauraret; depraedationes amplius in sua terra nullas
exerceret; in Sazonia Saxanum consilio cunets disponenda disponeret,
nullumque extraneae gentis hominem suis rebus #gendis consiliatorem ad-
mitteret (340)"'),
Don anal höherem Werthe aber ift der in c. 42 dem u eingefügte
Brief Erabiichof Werner’s don Magdeburg und ber übrigen geiftliden, wie der
weltlichen Fürften Sachſen's, an Erzbiſchof Siegfried, weil diejes Actenftüd die
Nllogepuntte inägefammt nach einander aufführt. Zuerſt wird Heinrich ange
ſchuldigt, daß er jeit feiner jelbftändigen Regierung immer fein Streben bewies:
nos insolito more opprimere, bona nostra nobis eripere suisque familiaribus
leceptus, regi ‚jegmode, — —
— ————— Mcetur (341 . 44: Rodulfus — = Saronibus cum rege subito
somponiti non Oblts (6: bergt. {aon ob..&. 1 Inn. 99, Senn IR Inc 67 Ja 100.
et don Reue der Gohwaben wegen bed graulamen Bruded beb antiquum foedus bie
Wibe'" ebenfe Don Wünfäen ber Gadlen, do riorande oodere (09), nd emdti fit sin,
EI Bruno gur boßen freude gereiät, Rubolf's Ani N
cones ot Suori concordıter el 10r8 jaiat nah ——
Vie Beer Boten an bie Gätaben mit ber &i —— nk atrinsane
populi virtute eonjuncta, omnes sibi bi foederari
nolenten dira beiloram tribulat!
862 Excurs III,
ea contradere, non ob aliam cnlpam, nisi’guia illi domi parum vel nichil
habebant et terram nostram fructuosam videbant —; daran fehließt fich die
Wiederholung der lage über die fortiseima castella, die dort eingelagerten
armati non pauei, qui nos aut servi i servire eompellerent aut liber-
tatem defendere volentes oceiderent; ein weiterer Gaß jaßt bie Leiden und
ſchmählichen Schädigungen: in nostris corporibus, in nostris uxoribus, in nostris
possessionibus nogmal furz zufammen (349).
Mit Bruno wetteifert an Gehäffigfeit gegen Heinrich IV. die in bie
Annales sancti Disibodi, a. ni —E in Sachſen verfaßte
Schrift über den Sadjfentrieg'*).
Als Urfache der gravis atque feralis discordia in regno Theutonico,
inter regem Henricum et principes Saxoniae, if genannt: Rex Henrieus
omnes nes servituti subicere cogitabat; ala Ei a biefem nicht Leicht
äu_ erreichenben Siele wählte er: prius principes honoribus ac dignitatibus
suis despoliare, et sic reliquos provinciae populos sub dominio subj
Darauf baut der König dad castrum munitum auf dem Zerge Hattisberg, ge-
mannt Hattesburg. ac) Vollendung bieler Anlage —- et secundum volun-
tatem suam omnibus ibidem negotüis regni dispoeitis — fehreitet er zur That
umb entfeßt borerft Otto feines Herzogthums Baiern’?). Rad) biefem foll Hein-
rich IV. von einer hohen Stelle der Harzburg aus die elegantia patrise
undique bene possessa überblidt und gefprodhen haben: Saxonia regio pulcher-
rima, sed servi nequissimi — habitatores videlicet illo praenotans obprobrio;
barauf Hin flachelt Otto, der dad Wort unglaublich fewer aufnahm, die prin-
cipes Saxoniae auf: rebellare omnem simul feeit provineiam; eine Geſchichte
nad Bruno's Geihmad, von der ſcheußlichen — den König per concubi-
narios, id est hereticos, Sereigfüßuten Schändung einer unica et dilecta
Domini sponsa, folgt darauf; ebenfo habe fich derfelbe mit Simonie befledt,
per iniqua contrariaque fidei katholicae commereia. &o hatten denn wegen
biejer umerhörten revel Heinrichs IV. katholiei viri, per id temporis in
ecclesig constituti, Botſchaft nad Rom — und zwar noch an Aleranber II.
— gefdiet, um tam litteris quam viva voce über bie übeln Zuftände im
—X Reiche, ganz beſonders in Folge der fimoniſtiſchen Handlungen, Klagen
vorzubringen. Dann geht bie Erzählung glei Au Belagerung und Einnahme
der — urg über und bringt erſt nad; derſeiben Gregor’ VIL Nachfolge
SS. XV, 6 u. 7). 68 ift hier deutlich vielfach die Reihenfolge der Begeben»
jeiten durch einander geſchoben; ebenfo leidet die Glaubwürdigkeit unter dem gegen
den König Bervortretenden Hafle-
Zie Annales Altahenses majores breden in ihrem Texte mit
bem Jahre 1073 ab, bringen aber in dieſem legten Saprsberiäte noch eine
Ausführung über bie Begiehungen Heinrich's IV. zu den Sachſen.
as hier fteht die Anlage ber Burgen ala Urſache des Zwiftes durchaus
voran. Es heißt vom Könige: Captus nescimus qua locorum dileetione in
silva quae Harz dieitur, urbes multas jam dudum ce; edificare. Sed
quia in vieino ipearum urbium praedia pauca vel nulla habebat, illi, qui
civitates custodiebant, propter inopiam vietualium praedas semper facie-
bant de substanciis provincialium. Si quis vero curtem adisset haec lamen-
tari contumeliis affectus videbatur expelli Cumque malum hoc cresceret
de die in diem ..... lures Saxonici principes illo (sc. nad) Goslar: am
29. Juni) devenere, si finem his malis possent impetrare (88. XX, 824).
Alle weiteren Quellen halten ſich meift nur fehr kurz.
Die Compilatio Sanblasiana Bat on zu 1072: Rex multa sibi
munitissima castella construxit in partibus Saxoniae et Thoringise, et
plures sibi munitiones injuste usurpavit, unde multorum animos contra
&e exeitavit, daran anfnüpfend zu 1075: Tota Thoringin et Saxonia regt
Heinrico rebellant propter praedictas munitiones et alia multa, quae contra
voluntatem eiusdem populi rex in eorum regione insolenter fecerat et
12) Vergl. Wattenbadi, Deutfhlands Geſchichtaquellen im Mittelalter, II. 77, 396.
1 Be een en. niäldquelen im “
Ueber die Urſachen des ſachfiſchen Aufftandes. 863
inconsulte, et quae ipsi diutius acquanimiter pati et sustinere non poterant
«SS. V, Sie ) pe u Pa Br
Die Annales Patherbrunnenses, in der Herflellung buch Scheffers
Boichorſt, führen, a. 1073, bie Derfhmörung ber Sachſen gegen Heinrich IV. auf
den Grund zurüd: ia injuste ab eis tributum exigebat (95: vergl. Annal.
Yburgens., 8$. XVI, 486).
Wenig fallen Ettehard’3 Angaben, Chronicon universale, in Betragt.
BWie-BucHolz, Ettehard von Aura, I, 53, aus einander jegt, führte Ettehard die
in der Würzburger Ghronit — in ber Reftitution durch Buchholz, 40 — zu
1068, alfo zu einem allzu frühen Datum, gegebene Notiz: Saxones indigne
tractati!) — meiter aus, zum gleichen Jahre, in allgemeinen Wendungen,
unter Antnüpfung einer Schilderung der Auefchreitungen de jugendlichen Königs
überhaupt. 8 Heißt ba: Heinricns rex adolescentiae usus libertate, Saxoniam
solam ex omni Romano imperio eoepit incolere, prineipes despicere, nobiles
‚obprimere, inferiores, susto| , venatui, lusibus ceterisque huiusmodi exer-
eitüs plus quam —* faciendis, ut incusatus est, operam dare, filias
illustrium quibuslibet obscnre natis conjugare, privata presidia, nimirum
potentibus regni non satis fidens, instituere. His discordiae seminariis
Contigit regi quam plurimos insidiatores tam vitae quam regni succrescere.
Zwar fchräntt dann Ettehard jelbft alabald fein jcharfes Urtheil über den
König — cum maturitatis necdum plene attigisset annos — ein und fagt,
daß Manche ſtatt Heinrich's IV. Erzbiſchof Adalbert beſchuldigt hätten, quod eius
consilio haee omnia ageret (SS. VI, 199). Zu 1072 und 1073 folgen bann
jeradezu unrichtige Angaben. Zuerſt verlegt der Autor ſchon in das ee der
Gebe m Jahre weitihichtige von Dtto von Nordheim ausgehende Anzettelungen
— mit Seabitet Siegfried von Deing, ‚den Biichöfen bett von Worms,
Adalbero von Würzburg, Erzbiſchof Gebehard von Salzburg und mehreren ans
deren Kirchenfürften —, welde aud in Antnüpfungen er Rom Hin fi aus-
geſprochen haben follen!*), ala deren folge er hinftellt: Quorum insidiis rex
territus, Sazonia cessit (eben von der Vorftellung ausgehend, Heinrich IV. Babe
ohne Unterbrecinng in Sachſen fich —A et in aliis regni partibus
agendis rebus institit. Zu 1073 dann fteht eigenthümlich mißverftänblid:
Saxones adieiunt etiam presidia multa construere — necdum enim plures
habebat Saronia munitiones —, insuper castella, quae rex dudum aedi-
ficaverat, funditus evertunt (200)!®).
Rod) einige andere Mittheilungen lafſen fi) am beften nur ganz neben⸗
ſachlich anführen '").
Die vi Teidenbe Ueberficht dieſer fämmtlicden hier zufammengeftellten
Quellenzeugniffe lehrt, daß übereinftimmend einige gewiffe Hauptllagen hervor⸗
treten.
;tonit, 41, ben Gag: Conjarant prineipes regni contra
rogem om zu {072.
‚mit Denjentgen ber Anal, s; Dinbodi — vergl,
»5.8 15 jebt. Zuge je bat er, 60 u. 61, mit
Regt I. Brief 3. 4818 (vergl. 6. ‘00 u. 301) Die
ai nad Rom hin bemerffeiigten Anfnäpfung der
2
oderant
immo tota Saronia quasi vir unus recensit ab co 2). Im
a. 1078, Rebt u.
864 Excurs II.
Ganz voran werben die feften Burgen und die aus denſelben durch deren
Belagungen geihehenen Gewaltthaten, zum Theil gegen Recht und Eigenthum, zum
Theil gegen Perfonen verübt, als Haupt beſchwerde gegen den König angeführt.
Daran jchliegen fi) bie Anjchuldigungen gegen Heinrich IV., ex gehe darauf
aus, bie alten Freiheiten und Rechtsanfprüche der Sachſen zu beidneiben. ja
u befeitigen, neue Abgaben einzufordern, oder, was noch Yolimmer fei, die
sacjfen in das Ei der Knechtichaft zu beugen unb im Bufammenhang damit
ide ynbabe, eute feines Gefolges in den Genuß der eingezogenen Güter zu
gen. Bon perjönlide Beziehungen betreffenden ingen inden fi die
heilnahme am Edjidjale des Sitingil Haufed, beſonders des gefangen
Tiegenden Magnus, ferner die der Perſdulichteit Otto’s von Norbheim, de eine
vom König ungerecht verfolgten Fürften fähfiichen Stammes, geſchentte Auf:
mertfamfeit beftätigt.
Dagegen bleibt eine Reihe von Nachrichten aus den überreihlichen Mit:
theilungen Zambert’3 übrig, welche von anderer Geite, beſonders von Bruno,
nirgends unterflüßt werden.
Gerade bier, wo Lambert beſonders breit fidh gehen laßt, findet fidh für
die Beobachtung, daß ber Erzähler gern getiffer fchematiicher Anordnung
bedient, eine nachdrũgliche Anwendung. Nach zwei Gefihtäpuntten, einem Außer:
lichen im Aufbau der Reben und einem inhaltlichen, find die den Gefandten
ober Unterhändlern in den Mund gelegten rheioriſchen Ausführungen angeorbnet.
Bon den inhaltlichen Punkten ehren die einen mehrfach in ben Reden wieder,
während andere nad) Willfür nur vereinzelt zur Anwendung gelangen !®), Jedenfalls
iſt &8 durchaus nicht geftattet, etwa ein einzelnes Argument, welches nur Lambert
— Bruno dagen nicht — enthält, unter Hinweis auf Lambert mit größerem Nad;-
drude hervorzuheben und zur —* der Sachlage zu verwenden!?), Go
allen die Beziehungen der Sachſen auf Heinrich's IV. Belöntihe Haltung, bie
intlagen gegenüber feinem fittlichen Leben und feinem Verhältnifie zur Königin
Bertha, welche ja aud zu eigenen Mittheilungen Lambert’e durchaus nicht
fimmen 2°), völlig hinweg; ebenjo wenig find die forderungen, denen Lambert
eredten Ausbrud verleiht. daß Heinrich IV. auch außerhalb Eadjien’3 feinen
Wohnfig wählen möge, angeſichts der thatfächlichen Verhältniffe feftzuhalten *i).
Unendliche Übertreibungen Mirden vielfach in Lambert’3 Vlittheilungen, jo voran
in ber Behauptung, daß „alle Berge und Hügel“ in Sachſen und Thüringen
mit Burgen gelrönt geweien fein. Geradezu unfinnig if die Angabe, daß der
König einen allgemeinen Reichäfrieg gegen. Polen angelünbigt habe, um dann
principam constupraro et in hulnscemodi, fseinoribns modum non, babere. Has, ignominias
Ueber bie Urſachen bes ſachſiſchen Aufftandes. 865
mit ben aufgebotenen SHerreöfzäften bie Sachſen zu erdrüden; denn dadurch
hätte er es ja nur erreicht, daß dieſes Bolt, das er zu vernichten gedachte,
infolge des überall verfünbigten Aufgebots gleichfalls bewaffnet geweſen wäre,
fo daß von einer Durchführung der heimtädiichen Abficht feine Rebe hätte jein
lönnen*?). Giner der Wi rüche, im welche fi) der Erzähler Lambert in
dieſer igng ber Arſachen des ſachſiſchen Aufftandes verwigelt, iſt auch
noch die Art und Weile, wie er, der fieis wegen feiner Vorfiellung von ber
Tragweite der Zehntenfrage die Thüringer zumeift heranzieht, diefelben auf den
Boden der gleihmähigen Berhältniffe mit den Sachſen rüct und die gleichen
Mishandlungen und Reizungen, wie auf bie Sachſen, jo auf die Thüringer aus«
gehen laßt, dann aber doch zugeben muß, daß die Sacjfen vorangingen und erft
nachträglich die Thüringer ald ein gleichfalle in Aufruhr zu bringendes Bolt
nad) fi) zogen®®),
Anderntheild darf aber vielleicht ferner die ſcharfe Sonderung zwilchen dem
yulgus Saxoniae einen, den Jächfifchen gürften anderen Theils, wie de aud von
Sambert an einer |päteren Stelle, ala von Anfang vorhanden, zugegeben war *),
wenn fie auch erft mit ber Zerflörung der Harzburg 1074 fchärfer Dernortent,
mod) auf gerifie äußerliche Ürjachen, der Rotblage der unteren Abtheilungen der
Bevölterung, welche jeit dem ungewöhnlich harten Winter von 1073 auf 1074
noch ſcharfer fich fühlbar machte, zurüdgeführt werden, auf Erfdeinungen,
welche —* auch von Anfang an zur Gereigtheit der fächfifchen, fowie der
thüringifchen bäuerlichen Bevölterung erhöhten Anftoß bieten mochten ®).
Bon ben neuerdings mehrfach angeftellten Verſuchen, bie eigentlichen re
ſachen bes jächfiichen Aufftandes in das Licht zu rüden, if ohne Zweifel ber»
jenige von Waih, Deutiche Derfafjungägeichichte, VIII, 428431, trog aller
Kürze als der zutzeffendfte anzufehen, % daß oben ©. 226 ff. im Weientlichen
im Unſchluß an dieje Auseinanderfegung die Darflellung durchgeführt ift?*).
2 Ibrüd, 34, rtſam.
A—
possent gentes itarent. Protii
Borlliampetero’et rigaro (etc) 100), Daß Dat Ad Io berbielt
ben gem der Ealen gegen bie Burgen Ion ausgebroden fein
ob. ©. in 12
)
*
de in wele ME a. 1016 don Bambert gaöträgtia gebraßte
1073 — bas fääkiae Bott — valsan — calliie
m Kampf gegen Geinrih IV. eingetreten jel. ,
718,
it, baf
"Reyer von @nonen, Jadeb.d. difä. R. unter Heinrich Iv.n.V. 11.0. 55
866 Excurs II.
din Würbigungen dieſer Berhältnifie, fo Da 6
Deut aba unter Be Brätiäen Balem, 1, 5 y ' age der Ha
jadje einfad an Lambert und Bruno alı —S—
qichts ſchreiber dieſer nur ein Parteimann if, 3 doch jeder richten, bie
einander vortrefflich ergänzen“, wie eben Stengel, n. 1, fagt. to, ee
Heinzic IV. und fein Zeitalter, 1, 372—880, möchte bie ganze Tädhfiiche
magun ig aus den Beftrebungen der Fürften, hier aljo inäbefonbere der
ſachfiſ von der Seitung durch das Köuigthum frei zu maden, erflären:
das jädhfifche Volt habe Burg bi ie Burgen Teineswegs fo gelidien. wie bie Rebellen
upteten — „Der Lärın über Heinrich’ —— iR eitel Wind“ —, der rt,
dafielbe wenig Grund hatte, auf Rebellion au finnen: „es foflete ven Shen
Mühe, es in Bewegung zu fegen*, wie denn auch Diefe feibt nicht durch
liche Leiden, ſondern nur durch Berorgniffe angetrieben worden jeien*");
Don ben Shronifien fagt der Autor nicht mt Um: ra (380-383), fie ſeien ie
ges ein „jonderbares Gemiſch wiberjpre Anfichten? zu Tage
jörbere
In dem zweiten Urtifel der aus dem Radhlaffe ‚von Rikich Be
janblung: Dad beutiche Reich und Heinrich “ a a age
(188 ) 20 202 fj., fowie in de von Matthäi PR jebemer ran N
. Aufl., 74 ff, if im Sulommenhange ie mit der durch ben
Een ſer ne IV. angenommenen allgemeinen Bolitil im Reiche aud bas
limit hie ir chen Bande einer ſehr intereffanten Berüdfichtigung unter:
fen. ri Rn hier in der „Reuorganifation des Löniglichen
un der — ng jerwaltung“ ben „Brennpuntt des Sampjes“. Der Ge
Hanke, „von der_föniglichen Dienftmannfgajt jelbft entworien und mit aller
Energie in Angriff genommen“, befand für Sachſen und Thüringen in der „Her:
fellung und durchaus nenen ZWeiterbilbung der Bertwaltung ber alten ottomifchen
falgen am ar und in Thüringen“, „verbunden mit ber Anlage einer ganzen
a Brno mit {hwäbilcden Belapungen belegt wurden“. Dabei
geinzid IV. zum heil wenigften® nur auf Leiftungen, bie in Gadhien
— veeptögültig geweien waren; allerdings hatten gartetige Beeinträch.
— der loniglichen Rechte während ber ——— — Rattgefunden,, umb
get es fih um „herfellung ber gı —R aterefen der 38
haltung“, Freilich follte eine noch A 'achtertweiterung ber föniy
t. aus ber nen genommenen © Stellung am Harz nad; dem Fine: bes Fe
& ner Umgebung fi} ergeben. ben bie neu Üebenbe ng
Minifteriolität war, wie e3 fdjien, „Herr der Situation” — ent den Zogen
Otto’3 1. hatten bie a des bentfcpen Reiches wohl noch nie fo im
Laienhänden gelegen —: jo wurde ein aller Ausficht nach erfolgreicher
en bie fä hie Unabhäng jteit beabfichtigt. Rum aber tritt „eine fühn ent«
Mieten: und ſiche auschereile jenbe Perfönlichteit”, welche es verfteht, „bie der
jehrheit nach unficheren und ſchwantenden Fürften aus ihrer Haltungslofen
BVerlaffenheit zu einem —D Entichlufie jortzureißen“, in bie Aübemg einer
Bewegung ein, welche ihre Kraft nur dem „erfinbungsreichen ſachfiſchen Staats,
mann und Boltsführer” verdanft, eben Dito von Rorbheim. Der Aufftand ift nicht
bie
PEST: Bu" ya ——— AR
9 Suffafiung. ale fi
— * Ft Sin em Ecuh dei [7
dient; bie 8* Iebig-
“ die * —— un * * ge
oe Mena en Z. ‚jet. De and) Gfrörer, an
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N, ——— MELLE jaltehı 1 Deuz dam
Ueber die Urſachen des jächfiihen Aufftandes. 867
aus einer allgemeinen Voltsbewegung Hernorgegangen; ſondern Otto war ca,
ber „in ber elften Stunbe alle feinen und kühnen Berechnungen des Löniglichen
ER durch das feit Jahrhunderten unerhörte Mittel eines allgemeinen Tach jem
ot Benfon otes zerrik“. Er überraidhte die Gegner, indem eö ihm gelang, „jo
roße Mafien jo Anett vor den ſachſiſchen Burgen zu verfammeln und bie Gin-
Pallehung berjelben durch ſolche lee Aufgebote für ſehr Lange Zeit
aufrecht zu erhalten“. — In ber Geſchichie des Deutjchen Boltes“ betont Ripich
bejonderd nod, daß eine „unerwartete Wendung“ in des Könige Abfichten —
Riyſch nimmt augenfeinlich für beren Eintreten etwa die Fahre 1071 und
1072 an — in dem fähfiichen Stamm ängftliche Gefühle zu erweden anfing: —
‚hatte er biöher den neuen Anlagen wie einem unüberlegten Jugendplan mit
fpöttifgger Inbifferenz oder gar mit wirklich zufimmendem Aniereffe gegenüber
geftanden“ — im Hinblick auf den ſtets feſtgehaltenen Gedanken des alten
nationalen Slaventrieges —, jo „jah er na nun plöglich durch einen Gompleg
koniglicher Befigungen und Rüftungen von feinen Radbarn getrennt, in feiner
Unabhängigteit aufs ernftlichfte bedroht“, durch einen Plan, ben Rißſch wieder
einfad auf „bie Gründung eines fehten königlichen Refibenzgebietes” — Goslar —
äurhdführen will®).
Beſonders war endlich das Thema des Sadjenaufftandes in ben leßten
zehn mehrfach ber Gegenfiand kleiner Arbeiten, in benen aber bie gleichartigen
Örterungen vielfach bis zur Gemüdung ftets wieder erjdeinen®e).
A. Zwei, Die Gründe des Sachſentrieges unter Heinrich IV. (Königsberger
Differt., 1881), hebt, 27 ff., beſonders 30 u. 31, bie Ausnahmeftellung hervor,
welde ſich Sadſen Hinfihtlic feiner Gefege und Abgaben bewahrt Habe (ähnli
das Vorrecht betreffend die Zehnten bei ben Zhfeingern), jo daß eben das Bol
Diefe befonders bei Sambert fletd genannten von Vätern ererbten Rechte
gegen Heinrich's IV. Verſuche einer Befeitigung feſthalten wollte, alfo die Frei⸗
Bat om — regalis®') ober freie Fiſcherei, wo bisher ein Regal nicht bes
ftanden habe.
3 Wagemann, Die Sachſentriege Kaiſer geinihs IV. (Roftoder Differt.,
1882), ‚geht, feld von bem Vorjape geleitet, Bımbert’s Darftellung mi
gegen Änfechtungen zu {pügen®®), 18 ff., auf biefe ragen näher ein. Heinri
55*
868 Excurs III.
iſchen je &
ihm
— —78 — en Ach ‚zuge en fein —; Konrad II. und
Krongut ahrend
—A— Throne Sie — — — geltend BE ganz
jonberö weil Heinrü g auch font Such ‘2 Väffen er] ee u
He
m een — bes Kon Drbulf.
FE Deinen en, aus ef fo biel mit —5 — hervorgeht, daß
die Empörung des jä ide F
ES helin Die Deladen des Sadeneuffanh id IY. (Br
in, Die ee taufftanbes gegen Heinri 0.
gun des Victoria⸗Gymnaſ. zu Burg, 1888), ftellte, g is Borgeben
in Sachſen in Parallele mit ben Bekergein, welde er Konrad IL gegenüber
Baiern glaubte zufchreiben zu dürfen, im Sinne einer Schwädjung der herzog.
lien Gewalt, mit beftimmter Richtung gegen bie Fürften, welde Löniglide
Güter an 173 gun Hatten, auch in der Errichtung ne der öniglichen gegenüber
dem fürftlichen nrgen, hann aber überhaupt zur Wiedergewinnung vergefiener
te, verlorenen Befiges, jo dab bann auch das gejammte Bolt fih in den
Far erungen bed Fiscus betroffen fühlte.
Hahn, Neber die Gründe bes Sadjientrieges unter —S IV. (18. Bros
gramm des ftäbtiichen Gymnafiums zu Dramburg, 1885) N tee, ws gar
vielfach gm, en, r richtenden Ausführung einerjeits, 3 u. 4,
rien ben interefien ber allerbing® in Er "Beile Er
ufämbifdien ini En —T— Stande und dem Volie zeiten fr
bie gewecfelten Vorwürfe die Trennung verriethen: fo fein urgen, alı
Bafis der Operationen bes Königs gegen bie Fürſten, dem Volte nicht bare
ihre Erbauung, erft durch bie von da aus eintretenden Ausfchreitungen eim
Gegenftand der Haffeß geworben —; bie Lage fei für ben Adnig mögliche Bünfig
geweſen, um ein grobe Ziel zu erreichen, da Magnus gewifiermaßen ala Geiſe
in _defien Hand lag; dann aber habe ber Unmwille über die Weigerung, ben
Billinger freizulafien, die Fürften aufpebenät, worauf durch materielle Schä-
Ken un alerlei Verhehung auch das Volk zur Erhebung gebracht worden
ei (20 u.
R. Zieffenbach, Die Gtreitfeage zwiſchen König Heinrich IV. und den
an ini I. Jahresbericht 1885/6 über das Königliche oilpelmd- Spmnafium
önigäberg i. Pr.), nimmt den Ausgang wieder von ben, wie zugegeben wirb,
Sivar nicht fortwährenben, doch ſehr überwiegenden Aufenthalten Heinri’3 IV.
in Goslar und deffen Umgebung, welche überaus belaftenb gewirkt haben follen,
fo daß die Fiscalgüter auf bie Dauer ben Anforberungen nit entiprachen®®)
2) Zieflenbag beaon N Da no ut Die fehere, don HRatıpäi Selb naher in feinem
1889 erfhlenenen, vor! SR —— zurädgn
— — bie —— "Sie — er —
nee hu werben
Sehken ber Beneis für —e lang der Ballen De ———
allen 1085 N) De, * ee defen Gturg — geliefert geiscien
—* ie F uiötiger ıng bei Berzeiänifieh — —* 1068 — Ge diefe Sade auf am
Ueber die Urſachen des ſaͤchſiſchen Aufftandes. 869
und —— An auf den Gedanken kam, verlorene Krongüter, Pelonben bie in
rigleitägeit entfrembeten, wieber hei Herbeigubeingen (8-7). Ganz be-
ana hehe ber König babei ber Reichsminiſterialen bedient (8 u. 3.. und
fo ſei er, — on Buchſtaben bed Geſehes, mit Güterconfiscationen vergisangen,
die bapn ben Kern der in Wormäleben geäußerten Klagen bildeten (12).
erwarteten Wiberftande der Großen follte durch bie Errichtung von feften Burgen
vosgeben t werden (13), wobei aber erft bie in bie fertig echeflten Burgen ger
Tegt jogungen, mit ihren Begehren unb Gewaltthaten, die Wurzel des
— enthielten (14); Kr litten doch nur bie Gegenden um die nr
En en an 673 Der Ant) zum Ausbruch der Bewegung aber Tag
tem (16 u.
Ercurs IV.
Die königlichen Burgen in Sachſen und Thüringen.
Aus Cxcuxs IL. geht hervor, da immer wieder unter ben Hauptbejchwerben
sen —2— IV. das Vorhandenſein der Burgen in bie erfie — a Aber
mit dieſer ftarfen Betonung, mit der bei Lambert beliebten Hervorhebung, dab
„alle Berge und Si mit Yurgen befegt worben, dab von „allen Seien“
Klagen über bad Zreiben der Behunge eingelaufen jeien, will es doch nicht
flimmen, daß dann Lambert, a. 1073, ala castella, quae ipse (sc. Heinrich IV.)
postquam pater eius decesserat, extruzit, quae tamen ad presens memorise
oceurrunt, doc nur fieben dem Namen nach aufführt (SS. V. 200)*).
Auf die Zeit, in welcher die Anlage der Burgen begann, wirft ein ge
wifies Licht die Angabe, bie Bruno, De bello Saxonico, c. 16, einfließen läkt:
haec castellorum diversis in locis constructio primo nostratibus puerilis
iudus videbatur, quia nondum eius intentio mala cognoscebatur .... ea
fieri, nichil adhue periculi timentes, cum jam possent, non prohibebant ...
ex hoc eum (sc. ) fore contra nationes exteras bellicosum quasi divi-
nantes (SS. V, 3 De kann fich ſehr leicht anf die Kämpfe gegen die
Liutizen, im Winter 1067 anf 1068 und wieder im Winter 1068 auf 1069,
beziehen, zumal da der oftfäliiche Biſchof Burchard II. ja ber Führer des erften
Kriegazuges geweſen war?), Tab Biſchof Benno II. von Dsnabräd ale Bau⸗
tundiger ganz weientlid, bei ber Trrichtung der Zurgen eintrat, ift Durch defien
Lebenẽ beſchreibung bezeugt, wie die ſchon in Bd. I, ©. 581 u. 582, n. 66, mit-
geibeilte Stelle von c. 11 darlegt?). Bür die Harzburg menigftund ift eine git
liche Angabe vorhanden, welde notwendiger Weile erfordert, daß ſchon vor
betreffenden Jahre ein gewiffer Abfchluß der Anlage fertig geworden fei: das if
Die Löniglichen Burgen in Sachſen und Thüringen. 871
vom Kine auerlejmen Karl ala pr ositus‘).
Für die Geſchichte bes fädjfi —— iſt es wichtig, die
Lage der von —— genannten Burgen, ders auch unter einander, ger
nauer s fefuflellen
— lamen die &. 230 u. 231 beleuchteten Umſtände zus
fammen, um diefelbe zu jener Wichtigleit zu erheben, bie ihr von allen Seiten
tanben wische®). PN Pläge der Abrigen uxgen find, fo viel fich durch⸗
läßt, in neuefter 3, in ſehr forgfi Harı Beife, unter Erkundigung auch
Bine — gt Rule Orrän I — —
il eine; on Glaien jene militäril
za — X ar h Er 1800) Kan: be —* I und
wi [8 ihrer weſenilich n 5
— * —F on den, 1 jo och fe Frage alß i fung er ge:
Die — ie auf ſachſiſchem Boden liegende —A — Bi Ks: barzhurg abge
Kira — ich bie Kinsign, welche bad Carmen, Li leimenbure,
aeaburg, aus ber Reihe der sex castella anti oninine firma
(. 75) namentlich anführt, if bie ah von ben Annal. Altah. maj. erwähnte
Kein , an dem norböftlichen Rande des Harzgebirges, —æe* unweit
tag gelegen®), wo Köftler nörblich don der leipnamigen Hriſchaft,
872 Excurs IV.
wiſchen ben dem Harz vorgelagerten Hügeln auf einem einzeln flehenden, in
jeinem legten ile ziemlich Al emporftrebenden Kegel die allerdings fpärlichen
Nefte der Burg fand, die durch ihre beherrſchende Lage gegenüber ber Umgebung
fi fehr wohl zu ihrem Zwed empjohlen haben muß (l. c., XAXV, 24)
Lambert's Sassenstein ift die Burg Sadjjenftein, bei Sachſa, auf der Süb-
feite bes Harzes, deren Stelle noch heute auf brei Seiten buch ‚angeengenbe feile
jerflüftete raltfeinwände eine Eicherung dor Angriffen aufweift (I. c., 25) Güb-
wehtlih vom Sachſenſtein folgt Asenberg — jet jenburg — bei Groß:
Bodungen, auf einer vereinzelten fteil abfallenden Höhe mit bebeutender Ober ·
fläche, auf welder bie eigentliche Burg wohl bie norböfliche Ede einnahm
d. e., 25 u. 26). Cüböfilih von dieſer Feftungsanlage Hinwider ſchioß
Spatenberg an, in der Hainleite jüblih von Sondershauſen, auf den nordweſi.
lichen Ausläufern des Poffen, des hochſten Punktes des Hainleite-Gebirges, wegen
der größeren Fernficht und in ber ftärkeren Vereinzelung zur Beherrſchung des
mörblich vorliegenden Thales der Wipper gut gelegen (l. c., 26)
Dagegen find Wigantestein, bas nicht mit Giebichenftein an der Saale
(bei Halle) zu identifieiren if”), und Moseburg kaum nachzuweiſen. Die Ber:
Iepund ber legtgenannten Burg nach bem norbweftlich von Eiſenach Liegenden
of — dur Schumacher, Vermifchte Nachrichten zur jächfiichen Geicjichte,
Zweite Sammlung, 28 ff. — wies Profefior Stein (vi efle3 Anmerkung
gu Geicichtfehreibern der beutfchen Vorzeit, XI. Jahık., VL, 2. Aufl, 138 n. 1)
ab, weil die Beichaffenheit diejes Berges für eine Burg ganz ungeeignet fei, und
die durch Hefie felbit da gebrachte Bermuthung — Mosburg bei Rotterobe im
Schmaltaldiichen, alſo fübweklid vom Zhüringerwald — hat nach Köfller,
1. c., 22 u. 23, wegen ber eingezwängten Lage in einer ziemlich engen Schlucht,
ohne größeres Beobadhtungägebiet, gleichfalls viel gegen Im, abgejehen von der
goben Entfernung von bem deblicern Burgen; dazu fommt noch, daß biele
osburg fchon auf feäntiichem Boden, nicht mehr in Ahüringen, (ax End:
Lid) fügt Sambert mod, Vokenroht an, da# Friderici palatini comitis grivejen
fei, diefem aber durch — IV. entriffen wurde. Hier dachte Gieſebrecht III,
166, an Bolterode im Eichatelb”), während Köfler, 22, im Einverfländniffe mit
‚Hefte, 1. c., n.6, den Ort Volkenroda norböftlich von Müblhaufen, in der Gotha:
ſchen Enclave zwifchen preußiichem und fürſtlich Schwarzburg'ſchem Gebiete,
Vokenroht erflären möchte, nachdem er die Stelle der dortigen, allerdings in
einer herrſchenden Lage befindlichen alten Brfefinung unterfucht hatte. Immer
hin bürfte es ſchwer fein, Hier ein ganz endgültiges Urtheil au ſprechen; doch
ſpricht für BVoltenroda noch ber Umftand, daß einerfritd Bruno, 1. c., c. 26,
vom Pialzgrafen Friedrich ſagt, bderielbe habe fih bellagt: quia beneficium
quod de batin Heroldefelde megnum habuerit, injasta sibi Jussione magis
latum, centum mansis agrorum a rege redimere volebat, nec valebat
1. e., 338), anbererfeit: dal nacı Zambert, a. 1074, fein Anderer, ald ber abbas
'erveldensis bie Königin Bertha consentientibus Turingis aus bem castellum
Vokenrot — paucis ante diebus ceptum fuerat obsideri — nach Hersfeld
abholte (206), und da Heräfeld nad} ber Aufgäbtung ber Höfterlichen ungen.
bei Ph. Hafner, Die Reiheabtei Hersfeld bis zur Mitte bes 13. Jahrhunderte,
71, auch ganz nahe bei Volkenroda, in Körner, begütert war).
Die loniglichen Burgen in Sachſen und Thüringen. 873
In einer durchaus Zuftimmung verbienenben Art und Weife beleuchtet
gan un ſtrategiſchen Grunbgedanten“ ber gefammten Anlage im Zur
fammenhange.
Durch die Gruppe Harzburg-Heimburg follte der Norbfuß des Harzgebirges
geficert, jollte Biſchof Mes . von alberhabt mit Otto re Bechhem
— nördlih vom Harz — don dem pfalzgräflich jächfi (gen Sande füdöftlih von
demſelben getrennt werben. Die zweite Gruppe, bie thüringiihe: Sachſenſtein ⸗
jenburg: Spatenberg, bedrohte einen Feind, ber etwa fon den an fd eine
ibewanb bildenden Harz zurüdgelegt hätte, und trennte wieder bie Rorde
heim’ichen Gebiete weſtlich von den pfalggräflicgen öftli. Voltenroda, wenn
das bei Körner Liegenbe, norböftlich vom Öberlaufe ber Unftrut, anzunehmen ift,
ſollte vieleicht Por der Mittelpunkt eines weiteren Syflemes werden — übrigend
Liegt es näher fühmeftlich von Spatenberg, als die nordweſtlich gehende Diftanz
von Spaten! nad Hafenburg it —; ebenfo konnte ein von der Werra über
den Hainich Thüringen betretendes Heer des Königs im Quellgebiet der Unfteut
1 vortrefflich unter dem Schuge von Boltenroda concenteiren. In biefen Res
fuftaten gipfelt, 1. c., 27, Köflers Unterfuung.
Ercurs V.
Der Verlauf der Schlacht bei Homburg, 9. Iuni 1075.
Sur die Kenntniß, ber dem kriegeriſchen Ereignifie don 1075 ummittelber
vorangehenden Begebenheiten, ſowie Didenige von ber Schlacht darf, nach
den ſchon ob. ©. 455 2 [8 ©. 497, in n. 59 und 65, mitgetheilten Mrgu-
menten, der Bericht Sam rer dorangeflellt werben. Denn ejehen davon,
deß der kri — Vorgang fich keine zehn Meilen vr feld zutung, iR
on — der Analogie von — (vergl. ©. 546) — cn bab
annſchaft von Hersfeld an ber Schlacht bei! Tyan ® Ai alfo Mit-
Yale aus befter Quelle empfangen tonnte (
fr fung wbert fast, indem nd einer don iöm ki jerhft Fr 7% 5* Ab
meifung — ad ceptum, digressi gumus, redeamus — zur Saı em
8 Juni zu Sreibingen.) "zurldgelehrt it, Heinrich IV. jänäch Explore explora-
tores: speculari exereitum Saronum — auägelanbt, ide einen Bericht zurüd
brachten, der ben König und bie Seinigen in ihrer Kampfiuſt beftärten mußten),
Bir die Erwägungen rei, welche der Erzähler Yo Anhörung bes einge
‚achten Berichtes den König und bie Seinigen anftellen läßt, iſt bie Berant-
wortung ihm allein zu überlaffen®). gamresin ift es geftattet, argauehun,
daß wirklich das Ergebniß von ſolchen Meberlegungen: ut ante exerci
mitterent, quam legati Saxonum pacem postulaturi venirent — ber Ent:
f&luß Heintich's IV. war, fon die prima — d. d. nod am 8. Juni — in
\
vorent (wur).
Der Berlauf der Schlacht bei Homburg, 9. Juni 1075. 875
ber Richtung gegen FH harte e Bager aufzubrechen: venit in Elenen. Bom 9.
dann — sequenti die — „—,Precipitato nimium gradu. dnorum
pene dierum iter confe FH De in Besinge astra posuit, jjon haud multo
intervallo von bem Feinde — (b. h. etwa noch we Dielen ——
Ailein bie Grkäötfung made fh gelenb (erhanais Tas
fogar — — —— — der Ruhe Hin; Hinz das Ber DR Te
bie Orl Drug: .. —— dispersi. Da bewog Herzog Kun
lectus, auf bem der Aiıc, zubhte — Heins
kunden mit, ber Nachricht von ber fortgejeßten Sorg-
H ei Yes ), jo daß — ambo se tentorio „Proripiune — bie noth-
wendigen Befehle al) wurden. Die Aufftellung erfolgt — dato ad
10 —, der legiones, jedes Mal seorsum durch bie singuli duces. Aus be:
fimmten "Urfachen — quia nee situs loci nec multitudo paciebatur, ut uno
'e tempore omnibus una fieret manus conserendi copia — geſchah
Nr au tellung des Heeres nicht in einer Reihe, ſondern in Abtheilungen Hinter
einanber, jo daß ber Kampf prima scie, nad) dem peculiare Suevorum privi-
legium®), den Schwaben oblag, mit der Derpflichtung für bie Nebrigen, ut
propter assistentes pugnantibus, prout res posceret, auxilio concurrerent”),
ber San
Po) gumbert nennt als Inhalt biefeh Werpeßtes: (Suerie) ab antiguls Jam dba go
akum est. at In-omni expediline regis Tentoniei ipi exereitum preosdere et primi committere,
debeant, ähnlich, ber Annalifi vor 1075 an; dueibus Alamannorum et Bajoariorum eum co
suis belli ei lex abet Al ‚ ante so praemissia (sc. a
876 . Ercurs V.
dab Geinic IV. aber in.guinta Iegione, ber lecisimi „ . jurenen, war: —
ulatim servatis ordinibus ad castra Saxonum procedunt. Die Sachſen.
— unrichtige Vorausſetzungen — sibi stultissime persuaserant — bier neuer-
dings zur Erörterung tommen, tönnen wirtlid überralcht werden: erft durch die
Anzeichen bed Anmarjches der Königlichen — caelum pulvere obtenebratum
(im Anflug daran geipreizte Ausführungen über ben exercitus . . innumera-
bilis) werden fie aufm nertjam, daß der Feind gemillt fei: jam. .. . ad ipea
castra opprimenda, nisi —— —— eitato paululum gradu pro] properare,
was aljo nothmwendig in ſich fchliekt, ein haare Lager auf dem rechten
Unfteut-fer lag und durch die Königlichen emenso quod in medio erat spacio
fogleih unmittelbar behrodt werden konnte. Im anſqhaulicher Weile wi am
ausgeführt. wie fi) die Bedrohten aufraffen, jammeln, rüften: singuli ...
accurrunt ... —8 prorampunt, freilich durchaus nicht Alle, (dom deb«
wegen, weil qı plurimi etiam trans fluvium Unstrut longius metati
ß hi alfo am —E Aller, hinter dem Flußlaufe) viel zu fpät nur irgend eine
unbe erhielten. Ueberhaupt eeieh, gar nichts, quod militaris diseiplinae
solemnitas exigebat: — Repentinus regis adventus omnia ‚verterat.
Immerhin gehen nun die Sachen ihrerſeits — cum in globum densissimum tumul-
tuaria se statione atipassent — zum n Üngrifie über: summo nisu preeipites ferun-
tur in adversarios, haud procul ab Hoenburg. Der erfle Stoß trifft die Schwaben,
welche, unfähig: impetum sustinere vel ad horam®) —, loco moti jamque
pedem retro ferentes, durch erzog Self und die Baiern unterftügt werden
Tuußten; denn nadjbem den öniglichen bie Waffen zertrümmert waren —
Prima certaminis procella hastas et lanceas consumpsit —, griffen bie
Sachſen zu der Kampfweile, in der fie xRee waren: Reliquam parcem ES
dis, qua pugnandi arte plurimum excellit miles Saronicas, peragant,
eineti singuli duobus vel tribus gladiis; in dieſem Kampfabignitte —
tddtliche Verwunbdung des Martgrafen Ernft, ſowie ber Tod der erwähnten
ſchwabiſchen Grafen und weiterer Opfer aus ben beiden Stämmen?), jerner bie
Gefährdung Herzog Rubolf'3, amderntheils der von Lambert bejouders hervor-
gehobene Antheil Dito’3 don Nordheim!) angemerkt. Schon hat der Kampf
a media die usque in horam nonam!!) A ortgeiponnen; die Schwaben und
Baiern, duo duorum regnorum exereitus, find bis bahin ſchon fo weit gebracht,
ut... terga verterent; dem Konige — aehterihe, Meldungen zu, über die
selus suorum in extremo site —: da breijen plößlid} ex uno latere Graf
jermann, ex alio latere bie Bamberger hervor (signa inferunt). Dann greifen
erzog Wratiflan und Herzog Gottteied, augenfceinlich erft an Ieter Gtelle —
zul prius perielitantium in prelio legationibus et sapplicatiosibas fati-
. uterque —, in den Kampf ein: suas uterque co) ae
a eursum equis, inmittit. So geichieht die Wendung in ber
aller Anftrengungen Otto's, die Sachſen zu halten: Non ultra a, 2*
multitudinis sustinere poterant; paulatimque cedentes . ..... tandem versis
frenis omnes diversas in partes aufugerunt. Damit beginnt” ie Verfolgung,
wobei im tönigliien Heere jept ommes legiones confusis ordiniban; omnes
etiam plebei ac rustiei, qui castrorum usibus servilem operam depende-
bant, Babel aufmachen, und gwar, wie übrigens fetbfoeränbtich, au Bee —
equos calcaribus enecant —, über bie weiteften Streden hin — latissimos
campos dieto eitius transvolant ....... per miliaria duo vel tria eircum-
Ben, LI, 2, aurädfüßsen, geht aber zu weit, da menigfend ein wirtiiger Kaflang
urhaus fe
9 hora hp ‚hier feinenfalig wörttiß au nehmen, alß Imfang einge Stunde,
9) Roc |päter folat, 235, 6 der Unterwerfung ber Gadjlen Im Deröft, die
gm, n Art benbe Angabe Über Die priha vongraster altnkke pons unlbnsuorhke ur
ariae Juminibus.
10) Diele Wbfämit, über dab Dergatten dep Di Derriitungen junleid eineh
miles und eineb optimus dux erfülenden Gührer, IR nun unjweifelbaft. Amar mıt mefenttid
—S —B Ausführung, Catilina, LX, 3 nadgeigrieben (vergl. zu Holber-öggerd
ode,
91} @iefebredt, It, 1198, erflärt Die hora nona jebenfalis affein et aus ber dor
dem möndtläen Mtor In das Muge gelahlen —
don zwei bi4 drei Uhr, bis zur Weiper.
Der Verlauf ber Schlacht bei Homburg, 9. Juni 1075. 877
guaque —, mit, gewaltigen Ehaten ber Beriitung:9. Imar bie prineipes
:Oniae et nobiles, preter duos mediocri loco natos — enttommen alle'®),
aus verichiedenen rſachen worunter die equorum velocitas. Tagegen bad
vulgus pedestre, dad — congressis equitibus — im Lager geblieben, alfo gar
nicht zum Schlagen gelommen war, wird in der graufamflen und verächtlidhfen
Beife niedergemacht? auch auf der Flucht in da8 Lager hineingeworfene Theil ⸗
nehmer der — — fügientes, cum in castra tamquam illie latibulum
habituri se recepissent. — wurben bei deſſen Einnahme wieder hinauägetrieben.
Sinen ſehr großen Tbeil der getöbteten Feinde hat aber aud) die Unftrut ver-
felungen. Erft die Nacht macht dem Morden ein Ende. In dem gewonnenen
und geplünderten Lager haben die Sieger die gewaltigfle Bente — eiborum
affluentia, auri et argenfi vestinmgue preciosarum multitudo — gefunden.
Die zweite eintabtiche Darftellung bietet das auf das reichlicfte in Ent»
Tegnumg aus Berg, fi) bemegenbe Carmen de bello Sazonico, Lib. Ill,
v. 127208 (SS. XV, 1231 1233)'%), in mweldem ſchon vorher, v. 57—90,
die ©. 497 erwähnte Aufzählung der einzelnen Abtheilungen des föniglichen
Heeres gegeben iR%). Die eigentliche Schilderung der Rampfvorgänge beginnt
mit ber Heberichreitung der Unftrut durch die Sachſen, alöbald nach ber Ber-
Einigung ihres Heeres, und zwar durch die Geſammtheit: cunctae transportantur
vada turmae Auminis Unstardi. Sogleich erfennen fie, anfangs nod; etwas
vorrüdend, bie Annäherung der Königlichen: Ecce vident nigras glomerari
pulvere nubes . .. . Paulum progressi longe splendescere cernunt aeratas
acies erectaque signa volare. Anfangs rigtihfe — der Rüdzug in durd)
bie Unftrut eichmitten: nec transire fuga poterant vada fluminis alti —,
12) Diefes Gemegel if zum Theil gewiß in übertriebenen Werten gefätldert: quia
comeitafus angulis eqaorum pulvis ocalis prospectum, rabus discrimen eripuerat, ut haud facilo
burd; bie Röniglihen borgebradit haben, was feinesiwegs ber Gall ift —, behilft fi} Bannen-
borg mit der Grflärung, daß in den Mnnalen „Beritigungen“ zu dem Carmen gegeben
rex) exciri totina robo
v. 94 f.:_Talia Saxone
37-4, im Ggeurs Bl
vom 9. uni in biefer
jeißen , g' en ge
waben und Batern
wtiihen Abthellun
äftliheren vom obere
* —*
orec III, 1188 u. 11
bhauptung, 42 m. 43, @
878 Exeurd V.
entjchließen fie fich zur Schlacht fich aufzuftellen: cunctas phalanges . . . dis-
a Pordine ares. ——— innt: — erſter Angriff dich, bie
waben und Baiern auf bie dichte Aufftellung (praecurrunt celeres primique
feruntur ad hostes... densos rapiuntur in hostes... parant medios iter . .
per hostee), unter ſehr breiter Aunemalung ber Rampfarbeit (v. 143—166, babei
v. 159_ff. der Verſuch der ſächfiſchen Gegenwehr: audent obniti, ete.), und zwar
unter Hervorhebung der Anmwenbung fomohl der hastae unb tela, ald dee ensis
und der gladii durch die Königlichen — entſcheidendes Eingreifen bes Königs
feton (fortis subito rex irruit agmine Be & medion m Fr PR it
a facie is. . en et omne) — t der jen un!
wobei nur ber Wartet der dichten Sansolten bad Sole Berberben —
tamen in caecis multi ceeidere tenebris — fern hält (immerhin große Zahl
von Opfern der Berfolgung: Milia multa cadunt hostili vulnere nullo tacta) —
jahlreiche Todeafälle unter den inätigen durch Ertrinken in der ben Weg ver-
Wpertenden Unftrut (in v. 186— — wieber in breiter Zeichnung — : humana
cadavera — milia multa — pontes nostris praebebant transire volentibus
ultra) — Weiterführung ber Verfolgung durch Herzog Gottfried weithin ringe
herum (unter Benugung dieſer Zeihhenbrüde: Sic transportatus cum turmis ....
‚ostes ex undis servatos irruit armis) — Wufhdren bes Morbens mit Beginn
der Nacht — Blünberung des Lagers und ber Leichen der Gefallenen durch bie
Böhmen (mit befonderer ähnung ber plurima carpenta ferentia vietam).
Unter den mehrfachen jehr deutlichen Abweichüngen von der Saahlmg
Zambert’s fehl hier ganz voran, baß eine Hauptgeundlage ber Hersfelder Rad:
richten, nämlich die Unterlafjung aller Vorfichtsmagregeln von ſächſiſcher Seite
pen bie ms Kol Grunde für ben König gelungene Neberrafhung!*), nicht
orgehoben find.
Er De bello Saxonico, c. 46, enthält die der ſachſiſchen, fönigs-
feindlichen Auffaffung entfprecenbe Darftellung (SS. V, 345).
Zuerh bi rißnet Bruno — glei) Sambert — als den Pak der posi
castra — V. den Ort Beı ‚ dann aber als denjenigen bes ſächfi ⸗
fen Sagerd eine Stelle circa Nechilstedi. Im Folgenden mußte e3 nun bas
Beftreben des Fürſprechers der fächfiichen Sache fein, das Mif lingen des kriege ·
riſchen Zufammentreffens moglichſt in einer die Sachſen entſchuldigenden dem
König belaftenden Weile auszulegen, und aus dieſer Abficht if bie den Din
iegebene Wendung zu erflären. Die Sachſen Lagern fid), in ber Hoffnung, ohne
Kampf davon zu fommen: dum rex 608 ad concilium vocet, expectant, camgne
verba quibus suos accusatos (vergl. ©. 491. n. 55) volebant expurgare is-
ponerent —; allein Heinrich IV. läßt durch einen erften Boten melden,
€, gewillt: non verbis sed ferro disputare, auf den folgenden Tag den Kaı
anfege, welcher Melbung ſogleich eine zweite folgt, mit ber Anfage ber vollendeten
Thaſſacht: regem cum toto exereitu adventare. &o votiziegt ch Gottes Wille
an den Sadfen: nisi Deus ibi superbiam nostram humiliare decrevisset,
paucissimi nostri totum exercitum illum in fu; vertisgent. Die Sachſen
möüffen die Wahrheit bes Gemeldeten, nad anfänglicher Anzweifelung, aner-
Iennen, fo daß fie, ohne Rathichlag und Schlachtordnung, alles dasjenige er
fahren: quod x improvise deprensi solent facere: —- vom bez Geile ber
wenigen Muthigen und Gerüfteten hinweg jagen bie mehreren Muthlofen und
Ungerüfteten in die Fluct!"). Dann aber meint Bruno verächtlic von dem
Rönigliyen: Postremi illorum neseientes, quod nostrorum pars major fügae
se dedisset, coeperunt et ipsi fugae praesidia quserere!®) Dagegen weih
v. 151: Non indutes
m nicht mehr Zeit gehabt
16) Pannenborg, 1.
artus lorica fidelis aufmeı
hätten, IR Talk joriela corpora
antun poitrent Co Wictiä, em Kamp
m poterant rei nam vol ifloram gai fageranl = om
Ha beein, ih and Schmegen, Naubmwärdig, da augeniäeintich ——
fand, Dagegen DaB ehne ai poden
5 Bay ee Yaßber überraft und bernidtet wurde, aljo gar wat jum tagen tam.
das piekmehe Die print (Ded Gargon), Die Dara Der Bufa Ki ‚Eden beritieien Gadlen
ei Im men),
eeiählterien Gahlhben un Guleen“ 0 den Öulauimenprali mit ben en Gallen
1. 140, macht
ährenb naı
muı
—8
Der Verlauf der Schlacht bei Homburg, 9. Juni 1075. 879
auch er von der tanta pulveris commotio zu berichten, fo baß nicht au fehen
war, wen bie Rämpf trafen: ut cuiquam vix inter civem et hostem
sset esse discretio!?); und in, biefem ‚Zufammenhang wird Herzog Rubolf’8
jerwunbung durch den consobrinus suus erwähnt. Dann wird ausdrüdlic
bezeugt, baß das saevissimum proelium dennoch brevissimo tempore peractum
gewelen jei. Mit Ruhmrebigfeit — nostri numero quam pauci quam virtute
multi — Hebt bamad) aud) der Gadle ben Gebranc) ber Jähfilden Wale —
ipei hostes numquam tantos ietus gladiorum se fatebantur audisse — her«
vor, und er gefleht nur in verhüften Worten, daß auch der Fämpfende Theil
bes fächfifchen Heered fich endlich zur Flucht gewandt habe: postquam se a suis
desertos esse viderunt, et ipsi multos occidendo fatigati fuerunt, ex paucis
pauciores, paulatim se a periculo subtraxerunt. Der König hat den Gieg
cum multa suorum ruina — nochmals in c. 47: cum multo suorum cruore
— behalten, nämlidy mit bem Berluft von oeto primates, welche Bruno ald
non minus ipso rege nobiles anſchlagen möchte, während die Sachſen neben
dem Grafen Gevehardus — ex summis prineipibus — mur nod zwei ex
mediis verloren hätten. Als Tag nennt bie vorliegende Textform Bruno’3 uns
richtig: Idus Junii, doch daneben dem richtigen Wonentag: feria tertia, fo dab
wohl vor Idus die V. auögefallen ift.
Der Annalift von 1075 an (SS. V, 278 u. FR it der Schlacht»
ſchilderung auch eine Beurtheilung der Sachlage voraus, welde die Sachſen ala
ihr Recht ſuchende Beeinträchtigte hinftellt. Heinrich IV. ift von der Mbficht
erfüllt: nisi absque omni conditione huiusmodi sese reos in illius manus
dedissent (sc. Saxones et Thuringi), qui honor suus esset, omnino satis-
factionem illorum recipere nollet, sin autem, bello cum his potius decertaret,
jo usque ad libitum suum reos in se perduellionis victo subigeret, eine
rberung, welche die Sachſen und Thüringer in einer queruls satıs procla-
matio abgewielen haben follen®). Yeht rüftet Heinrich IV. ben Heberfall, nad)
einem laut der Anfict bes Annaliften mit ben Reichöfürften minus salubriter
gehegten Rathichlag, um mit ben acies castrorum armis officiose instructae
Zuborzufommen: prior in e0s ez inproviso appetendos artificiosus ordinaverat
(sc. acies), Auch der Annalift ftellt, wie fon in n. 6 gegigt wurbe, die
Schwaben und Baiern voran, fo daß ber König fie ante se caute vorausſchickt,
während er ſelbſt fi im Hintertuflen hält: ipse se retro cum suis electiesimis
illis (sc. Schwaben und Baiern) fore praesidio et adjutorio prudenter satis
destinaverat. Die Gadjfen fin überfallen — viso de repente hostium in-
cursu bellaciam . . . stupidi et non injuste perterriti —, nicht mehr au ge
orbneter Rüftung und Aufftellung fähig, leiten aber doch Widerſtand. Der
Annalift läßt den Angriff von den Schwaben auögehen: bellum a nostratibus
audenter inceptum, den von beiben Seiten jehr Sartnädigen Kampf aliquam-
diu dauern, bis die Sachſen gegenüber ben bellantes utpote ad pugnam omni-
mode instrueti nicht mehr Stand halten, fondern fich zur Flucht wenden. Die
aufame Verfolgung geht ferme ad duo miliaris, unter dem Beiftand Gott«
— und Wraliſlav's ab utroque latere. Als zahlen nennt der Annalit
ala Gefallene der Sachſen ad octo ferme milia, nebft einer größeren Zahl —
plures — Berwunbeter und taum durd die Flucht Gereiteter, ala reis des
blutigen Sieges der Königlichen plus quam mille quingenti.
880 Excurs V.
Endlich ift noch das Stüd der in bie Annal. s. Disibodi eit ibenen
Schrift — der Schluß des oe an
om 1075,
bemertenäwerth (SS. XVII, 7). Rad) bemfelben waren die Sachſen triegäbereit:
Henricus ...... Saxoniam hostili animo intrare conatur; quod audien!
Saxones econtra se pra« it ei oceurrere, um ihn nicht nach Thüringen
Serinplaffen (ob patrio lbortaten ad intritim Thuringiae, an ber Haft
consederunt: non enim dederunt spacium, ut intraret provinciam eorum).
Belonderd bemertenswerth, im Weſentlichen mit Lambert zufammenftimmend*'),
iR daB über den Anfang der Ecladht Gefagte: Saxonibus super latitudinem
terrae diffusis et jam castra hora nona metantibus, Speculatores Heorici,
considerato exercifu, venerunt ad dominum suum, mentiendo dicentes,
Sazones se prae sd pugnam. Quod audiens profinus suos praepit
armari , et confestim irruit super ignaros et imparatos. Saxonibus vero,
quamris sero, tamen ferociter ad arma confagientibns . . . .: fo entfleht bie
pugna validissima, zu deren Außmalung auch der Steg super occisorum cada-
vera, über ben Fluß hinüber, gehört. Rubolf, exereitum ducens, wird
gerühmt: strennuissime dimicavit. Von den innumerabiles in praelio
corruentes werben Gebharb — pater Lutgeri ... . . qui etiam paucis diebus
ante hoc praelium natus fuit, — von bem anberen Heere Gruft (cum aliis
multis) genannt. Heintich aber foll eine vice vietoria, lieet cum dolo ac-
quisita, gehabt haben. Als Zag iR aud) der 9. Juni aufgeführt.
Alle anderen Zeugnilfe ind weit fürzer.
Borunzuftellen if die aus ſächſiſchem Lande ſtammende annaliftifche Angabe
ber Annal. Patherbrunnenses, ed. Scheffer:Boichorft, 96, des Inhaltes: Expe-
ditio regis secunda et proelium juxta fuvium Unstruoti?®) V. Id. Jun. In
quo ex parte regis Ernost marchio Bajoariorum et Eberhardus et Heinricus
comites caesi sunt; ex parte Saxonum Gebehardus comes cecidit (vergl.
Necrol. monast. a. Michaelis, zu Süneburg: V. Id. Jun. Gevehardus comes
et oceisus, bei Webelind, Noten Fr sinigen Geichichtäfchreibern bes deutfchen
Mittelalters, II, 43). Weitere annaliftiſche Angaben fin al. Weissem-
.ı Heinrieus sex universam regni sui contraxi , ingentem
scilicet exereitum, et juxta Unstrot fluvium bellum intulit Saxonibus; ibi
multis milibus utrimgue interemptis, rex tandem victor effectus est —
Annal. August.: Saxonica gens infida et rebellis a rege et a Ruodolfo
duce prosternitur, fugatur; plurimi ex nostis interfieiuntur —, Annal
Einsidj.: Prima pugna Heinriei regis cum Saxonibus sub Ruodolfo et
Welfhardo ducibus adhuc sibi faventibus, ubi Ernist marchio et Heinricus
et Eberhard de Nellenburch interierunt (SS. III, 72, 128, 146). Die Würz-
burger Ehronit, in der Refitution durch Buchholz, hat: Bellum juxta Unstruot
eommittitur V. Id. Junii contra Heinricum regem, ubi multi potentes ex
utraque parte ceciderunt et Saxones fugam inierunt (42). Durch Ekkeh.
Chron. univ. {ft eine weientlie Erweiterung gebracht: Heinricus rex, manu
valida tam ex Alemannia quam Bajoaria et Germania atque Boemia con-
gregata, Saxoncs petit, eisque juxta Unstruot fuvium congreditur, et non
modica strage utrimque peracta, tandem vietoria potitus revertitur. Ibi
Ruodolfus dux Alemanniae arque Burgundiae, qui postes regnum invasit
(in D, E flatt beffen: tenuit), fortiter cum suis pro rege dimicasse notatus
est (SS. VI, 201). In den Annal. Mellic., fowie ben verwandten Öferreicgülchen
Annalen, die aber theilweife daneben auch noch des Todes des Gebe jus
ter Lotharii postea imperatoris gebenten, ift auf den Zod des Marfgrafen
ft da8 Saupigewicht gelegt, dort: Ernust marchio oceisus est in Saxonia
in bello juxta duvium qui dieitur Unstruoth, feria 3., V. Id. Jun., quod
fuit primum bellum Heinriei regis (SS. IX, 499 — bort in n. 17 bie über-
einftimmende Angabe de? Necrol. Mellie., — ferner 568, 576, 773), ur
genannt) Nur ift die hora nona bier für einen Vorgang dor dem Beginn ber Gdiladht
2) ud} in den fogenannten Annal. Ottenbur. (SS. V, D,
Beral. auf Meiller, Regeften zur Geiäichte der Markgrafen unl
*
2) bon jun d ie
Deferreiät aus dem Daufe Babenberge 10. Den ob ©: 506 genannten, don Kam
Der Berlauf der Schlacht bei, Homburg, 9. Juni 1075. 881
äußert kurz find Bernoldi Chron.: Rex . . . exereitum in Saxoniam promovit,
in qua erpeditione innumerabilis multitudo V. Id. Jun. juxta Aumen nomine
Unstruot ütrimque ceciderunt (SS. V, 481 — dazu vergleiche im Necrologium
gum oleihen Tage: Magna cedes fakta ost apud Sazones, 1, c, 392) un
b. Chron.: Heinricus imperator Saxones gravissimo prelio vineit (SS.
J
Auch der Liber de Unitate eceles. conserv., Lib. II, c. 16, nimmt auf
bie Schlacht. wegen Rubolf’s, Bezug. €3 heißt: Ruodolfi . . . praecipue opera
. .. vieti sunt Saxones, cum primum coepissent contra regem Henrichum
rebellare, licet majorem exereitus jacturam acceperint vietores quam victi %);
bann wird dieſes primum regis enrich praelitum contra Saxones nad Ort
— in Thuringia — und Jahr und Zag, V. Id. Jun., näher bezeichnet, Nubolf
modhmala als defensor imperii atque hostis Saxonum hervorgehoben (Libelli
de lite, Il, 232).
od) im, folgenden Jahrhundert verweilten Otto von Freifing, Chron.,
Lib. VI, c. 34: Rex ex omnibus regni visceribus contractis copiis, Saxones
bello petit, commissoque juxta fluvium Unstruot praelio, caesisque ex utra-
que parte multis (Gebhard und Ernſt nachher bil ders emamd), eruenta
tandem victoria regi ceseit, und die Casus monast. Pofrish us., Lib. II, c. 3235),
bei der Schladt. Die Inpteren ſeben zwar diefelbe irrig zu 1074, find aber
fonft gut unterrichtet: Heinricus rex congregato exereitu Saxoniam sibi
rebellantem hostiliter intravit et apud aquss Unstruot cum eis pugnavit
eosque devicit, multisque occisis et plurimis fugatis . . . vietoriam adeptus
est non suo merito, set, ut credimus, Deo felicem Romanam rem publicam
honorante. In hoc beilo cum rege ‚fuerunt duces, Snevorum, Hunde
rex et Welf atque Bertholfus®*), quamvis ei suspecti essent; bann
iolgt noch die Erwähnung bes Todes des Markgrafen Ernſt und der duo filü
‚berhardi comitis de Nellinburch, qui Shafhusense monasterium fundavit
(SS. XX, 246, 646). Auch die ‚Balder Chronik fpricht von der Schlacht:
Irritans Saxones semel occurrit eis Negilsteden die sabbathi (sc. rex); facta
autem pace usque post diem dominicum, ipsa die consilio unius suorum
prineipis Saxonibus nichil mali suspieantibus manu armata, fraudulenter in-
ermes oecupans pactam fidem violavit ipsosque tune vieit (SS. XVI, 70)
9.3 In alien richtete ſich die Aufmerkjamteit gleichfalls auf die Schlacht vom
. Juni.
Arnulf und Landulf zogen beide den Vorgang in ihre Erzählung hinein,
zwar der erfte mit einer gewifien Ablehnung: lis acerrima valde (inter regem
et Saxones), cuius ratio non eat nostro discutienda Jedieio. Er jagt, Gesta
archiepiscoporum Mediolanene., Lib. V, c. 3: gens illa admodum ferocissima
in rebellionem prorumpit apertam sub Öttone duce, adeo ut facta con-
ione partis utriusque plus quam XX milia hominum referantur oceisa.
3 tamen Heinrico vietoria. Ganz eigenthümlich hat Landulf, Historia
Mediolanens., Lib. III, c. 31, die Ereigniffe von 1075 2°) und 1080, der Schlacht
8 A
Mae Me
Vie Drrclufame Abzefe den ©, 182 Keipronen bie bemäißt. daß
Derchtoid in Rubı je, war). Kärntner
Unfgebote unter jefehl: achte
gel
uf zwei Tage deribeilten riefenhaften Sladt: prasilum
nec an ‘ ‚auribus andivi, ne aliquis at: interfuit
bei Homburg and; wit im Sinne hatte, zeipt Die Wendung:
in ingressu Saroniae castris consedentibus univernis Imperator
sederst, ebenfe diell je Griwähnung eine? Ginbrud# in Ga@jen: imperator per qualtuor
dies intrans cum furore Saxoniam, omnes quos habere potuit, tam mares quam feminas, muti-
lando detruncarit.
Meper von@nonau, Jahrb. d. diſch. R. unter Heinrich IV.u.V. Bb.1. 56
882 Excurs V.
“ N Pont, fo daß fein Bericht Hiftorifch ganz werihlos ift (8S.
Bonitho verhehlt auch Hier in ve Au ganz ‚autreffeuben 5 ilberung feine
Bun gegen den kant, nicht , amicum Saxonibus
intravit rex Be: in a —ã— et —— gravi
habens secum eximium ducem Rodulfum et ducem Guelfonem et preclarum
ducem Gotefridum, nobilissimae Matilde conjugem, et ducem T'heodericum
et innumerabilem marchionum et comitum multitudinem. Qui de
Saxones inparatos invadunt et, —5 cruentissimam, tamen ‚are
vietorum; mam in ille pagna 'ex 5 milia homines cecidisse
referautur ... . vietor infecto negocio . De Biblioth., II, 665 u. 666).
Als bie Oertlichteit der Schlacht hat nach der Angabe Lambert’s, die vor«
anzuftellen if, die nachte Umgebung des Plaed Homburg, den der gleiche Autor
fon a. 1073 gen jatte, EN gelten) Die = hfen Pr — — uf
item arice gegen Hei nur bie Unftrut, Fi t aber ben ft
Lupniß erreicht. "Sie! 84 iger müſſen an der Unftrut aufgeſchlagen —
— eines, wahrſcheinlich das — bezogene, aber auch noch am 9. Juni bes
nußte, Uints, — vom Flufſe das von Bruno genannte, bei jelftedt,
dem nicht ganze fünf Silometer ditlich von Sangenfalza liegenden Dorfe, eine
Zagerftätte, an die wohl auch bei Sambert'3 trans fluvium Unstrut
metati zu benfen ift, das zweite dagegen, weldes am 9. Juni als mit bem Biel:
punfte des Angriffes ber Königlichen beſonders verbunden in Betracht fiel, vedhts,
jenfeits, bei Homburg, entweder auf ber Höhe dieled Plogeb feLöf, oder gleich
nörblich davon, dom Abhange der Homburg den Namen Site em Höhe bis an
die Unfteut, alfo im Zhalgrunde zunächft üblich vom Städtchen Mag
und zwei bis drei Kilometer nörblich von Langen!
Homburg war wohl, ehe es ala kirchliche m bervortritt, ein Blog
von anderweitiger Bereutung; denn derſelbe ericheint 016 eastrum, euria, eurtis,
latium, auch als villicatio, villa bezeichnet. In einer Urkunde der der Gertrud,
ochter Kaifer Lothar's und Gemahlin Herzog Heinrich's des Stolgen, jagt bie
felbe 1142 von ihrer Großmutter, der Diutter ber Raiferin Richenza und Schweſter
des Markgrafen Ebert II. von Meiken — ber Gerdrudis avia mea®) —, bak
fie die ecelesia beati Christofferi in fundo suo Homburgk sita mit dere
Ichiedenen Schentungen, 3. B. au mit Grundbeſihz in villa Salczaha, außftattete.
Da war nun eben ein — oſter entſtanden, vielleicht im Zulammenhang
mit dem ‚Seeignig von 1075 m Erinnerung an ben Grafen Gebhard,
Water Lothar's, ber möglicher Seife in Homburg begraben war uni für im
deffen Gemahlin Fer eine Stiftung in das Leben gerufen hatte. Aber ſchon
1136 erjegte Exgbi dalbert I. von Mainz dieſe Nonnen in bem monaste-
rium, quod in Knaller & progenitoribus gloriosissimi Romanoram im
toris’ augusti Lotharii secundi institutum est, wegen Berfalla ber —X
Zucht, duch, mine, Benedictiner⸗ Ordens. 1544 wurde das aufgehobene Kle
durt "Heraog Morip an die Stadt Langenſalza verfauft, 1545 die bauliche An:
lage niedergerifien, Stein und Holz nad ber Stadt gebracht und anderweitig
verwendet; 1705 wurde auch nod) der übrig gebliebene Kirchlhurm —e—
So Reben” jept am Fuß der Höhe, noch mit den alten Fundamenten und Kellern,
2) 8
—A— bei SE muß, da, 3 von bemfelben auß bie Beieriätent auf dem
Homburger ‚Gelbe bi sagten, ——
nen, der bormehmen Rämpfer Weiß De von ben Biänbernben a e auri et
ar vestiumque preeioearam fen fein, neben — alwar wohl
Be — ——— ———
—— an er Bafie den Dertel Dienen See | wat wahriäeizlich bes
—— ion BB. 6.54, 5 8. — She mer fe Gemahtin
PER: Khan — — De he
Der Verlauf ber Schlacht bei Homburg, 9. Juni 1075. 883
Nordrande bes Homburger Feides, fanden fi) vom Kloſter, wenigftens bis An:
fang des 19. Jahrhunderts, noch einzelne Mauern am oberen Rande bed
Böhmengarten® und unter der Erbe auf dem Feldftücke Viehhofei
Der triegeriiche Zufammenftoß der beiden Heere, voran der Schwaben und
Baiern gg bie berittenen Sat und Thüringer, muß nun auf dem Homs
burger Feld, auf der jüblich von Homburg gegen bie Straße Großgottern-Bangen»
falza und die Stadt Bangenjalza felbft ſich erſtreckenden Fläche, geichehen jein.
Dadurch, daß bie Schwaben und Baiern, infolge der Kriegaluft Rubolf’a, m
ber in Anipruch genommenen Ehre des Vorftreiters, ald die zuerft fertig Gerüftes
ten, von bem Lager bei Behringen als bie Exften aufgebrochen waren, die anderen
Abtheilungen des Töniglichen Heeres dagegen erſt fid fertig machen mußten und
Hierauf bie ziemlich zwei Dieilen betragende Strede nachfolgten®?), entfland ſehr
natürlich jene anfängliche Verlegenheit der vorangeeilten Kämpfer, denen bann
der König, durch Boten benacjrichtigt, mittelft Rachſendungen aus den hinter
ben Schwaben unb Baiern folgenden, —— aber noch vor dem Könige ſelbft
zeitenden Echaaren ‚Hüte Deeiaffte ) Denn es ift nicht zu — in, daß
Heinrich IV., für den legten etwa noihwendigen Fall feine auserleſene Schaat
auffparend, und um nicht im Getümmel, bei dem aufgewirbelten Staube, bie
Meberficht zu verlieren, ſich bei ber hinterſten Abtheilung hielt, alfo wohl, ente
gegen ber Verfiherung des Carmen, erfi ald des Weſeniliche gethan war, auf
dem eigentlichen Schlachtfelde erſchien. Sobald nämlich die Sachen gezwungen
waren, fi) vom Nordrande bed Homburger Feldes ben nicht jehr hohen, aber
siemlich jähen Wang gegen die Ünfteut Hin treiben zu laffen, war ihre Sade
de halten. Die Berittenen gingen in die
einzig bie As Benny genannt „ber Böhmen“, unb auf der Höhe, am
nidt m ucht; bas bei Homburg
Tiegende Lager mit den darin Gebliebenen war verloren; über die Unftrut hinaus
ıg — rings herum, eben wohl aud gegen Nägelftebt und bad bortige Rager
ubautwärte — bie Berfolgunget)
Die den glaubwürdigen Quellenangaben am beften entjprechenbe —
vollftändigfe und tiaſte Darftellung der Schiagt bietet ohne Zweifel Biel
je:
breit, Geſchichte ber deutichen Kaiferzeit, III, 318—315®%). Indeflen gab feit-
vn Rh ber ſchon X Me: (&. 871) Gmamter an lkungte) eine
EStiaätfeide, geindt werben, aß wie
Eee a ee BE She
ee Ser
aaten
ber „berbt
Gerber!
19, bemeil
fo tonnten le aber
u en, im Gebräuge
er babe feine Gieflung bei ber
überwadien und Re nBihigenfall
jenen don dem Theil des fäcflihen Heeres,
en en tage, al ana uobn ben
3) en das jt eingehend
VERS Safe viel gu Ieht an Des Carmen anfätieht ——
N ea Der an Del'mab Geile wodi orienttri Merfafler eine
#)L. e..
Blonftigge fügte. 56*
884 Ercurs V.
Ei ber Höl men. unb der u Er:
boranı Recogn: irn Feindes u
Sambert’s befiimmte Wusloge, er am 9. Junt geihehen — Ser
durch Rabolf 6 ohne AS — ieberholt worden war —, während fie Icon
ben 8., für bas ıbe Herr, Yom Ahnig angeerbnet
ERTL ESENEN
nen — in Xert und Plan — vorgeführt wird, zwar ald Beweis befür, wie bie
Ercurs VI.
Die Verhandlungen von Tribur und Oppenheim 1076.
Als Nachrichten über bie Verhandlungen und Bel — die im Oetober
1076 ſtattfanden, bieten fi die nedtolgenden Quellenftellen bar.
Sambert berichtet (SS. V, 252—254) bejonders einläßlig.
je Fürften von Schwaben und Sachſen find nad Verabredung am feft-
gefegten Tage — 16. October!) — in fehr großer ‚Baht, nad Zeibur ſuſammen⸗
goume, unter Anmeienheit auch von poͤpſilichen Legaten, es Datracdı chen
& Po und — Biſchofs Altmann. Die Fürften waren —ãX mentibus
ntlejloffen: ad summovendum & negoeiis regni regem Heinricum et. alium,
I quem communis eleetio consensisset, ereandum, die Vertreter bed Papfteß
beauftragt: ut palam omnibus Gallias contestarentur, justis de causis
exeommunicatum see regem Heinrieum st ad eligendum älium apostalic
consensus et auctoritatis sul pollicerentur. &ieben Tage dindurch
wurbe berathiclagt?), bad ganze eben einen ys IV. von ber zarten Jugend
an durcgenommen, unter Hervorhebung dee ſchon Längft gegen ihn erhobenen
Borwürfe?), unter Aufzählung einer langen Reihe beredt ausgeführter Anfchuls
bigungen, ala deren Ergebniß wieber Henborgetreten jei: tantarım calamitatum
886 Sans VI.
unicum ae singulare zuperense remediam, ut quantoeins, amoto eo, alius
rex crearetur, qui tamdıa terminos suos 6 ti licentise frena iniceret
et mundi vacillantis ruinam subjectis humeris sustentaret. Heinrich IV.
bagegen weilte -- contractis in unum suse is assertoribus — jenjeitd des
Rene in Oppenheim, von wo er täglich häufige Voten ſchickte, mit den beflen
Berfprechungen, den bringendſten Borftellungen, die wieber nad ber Art bes
Autord auögefponnen find; ber König foll fo weit gegangen fein, daß er zu⸗
gefichert habe: ultro se jure suo cedere eisque gubernandi disponendique
pro suo arbitratu toeius regni jus potestatemgue facere, dummodo equo
animo paterentur sola regii nominis regiique cultus rata sibi manere in-
signia, quae semel legittime accepta sine summa omnium eorum ignominia
amittere non Hosen, außerdem mit der Erklärung der Bereitwilligkeit — quod-
si verba sus diflieilius admitterent, magnificis promissionibus totiens elusi
— durch irgend welche gemünfehte Eide und Geijeln Sicherheit zu geben. Als
Antwort der in Zribur Berfammelten fteht eine längere directe Rebe, beginnend
mit den orten: Nulla jam supersunt argumenta, quibus totiens re cognita
atque spectata fides eins probari ultra vel obligari valeat: ber König foll
don ben inanium imentorum cuniculi bei ihnen, bie nicht unbejonnen,
[onen in äußerfler Roth nach vergeblichen Anftrengungen jeglicher Art zu den
eten Maßregeln griffen, nichts mehr erwarten, weil es nun nad ben vom
Eonfte ausgegangenen Erklärungen bie größte Thorheit wäre, bei ber günftigen
achlage das groke Wert — quod jam diu premeditatum sit, ut agatur —
nicht zu vollenden: Quapropter .... .. immobiliter animo fixum tenemus,
ut absque ulla dilatione virum nobis provideamus, qui precedat nos et
prelietur bellum Domini ad expugnandam et destruendam omnem cuius-
Randhait, und Icon ſchien fi} von beiden Geiten ber Res Hi ad msgnum
folgenden Morgen
und ;
geltend Entlafjung bes Ss: brittens Rüdzug_in bie Stabt Epeier, in der
fcheibung feiner Sache nicht in königlichen Prunk, nicht mit ten gewöhnlichen
2 ae {+ zeige; viertens Abführung der Bi ng
aus Worms und Zurüdftellung der Stabt an Biichof Adall unter Eibihwur
und Geifelftellung dafür, ba berielbe in Sutunft von ben Vürgern nichts zu
fürchten haben werde —; follte ber Rönig eine dieſer Bedingungen nicht erfüllen,
ten Grörterun [. bi
Firm —S—— eye
tiger Geihihtiäreiber, 1, 62-65, Ioe b
jambert berborgezogene, hier unr leiter forig
Die Verhandlungen von Zribur und Oppenheim 1076. 887
fo wird augefünbigt: tum se omni culpa, omni jurisjurandi religione, omni
perfidiae infamia liberatos, non expectato ulteriüs Romani pontihieis judicio,
quid rei publicae expediat, communi consilio visuros. Heinrich IV., froh,
der Gelahr des Augenblics — aligua quantumvis feda condicione — ente
gden zu lonnen, rach hereitwitigß, in allen Ding Gehorſam. Er entließ
ime egcommumnicirten Rathgeber; er befahl durch Abfendung von Boten ber
Bormjer Belagung, bie Stabt zu räumen und Adalbert Plah zu machen; bie
ahlreich ihm zur Hülfe berbeigeeilten übrigen Anhänger entlieh er; er jelb
Begab fi nach Epeier: Ibi intra terminos et leges, quas principes preserip-
serant, aliquanto tempore mediocriter vitam moresque cohibebat. Die
Kür — Sueyi et Saxones — bagenen ſchicten vor dem Aubeinanbesgehen
ſoten nad) Rom, qui papam rei gestae ordinem edocerent enixeque flagi-
tarent, ut sedandis per Gallias tantis bellorum civilium tempestatibus ipse
statuta die suam non dedignaretur prestare presentiam.
Der Annalift von 1075 an fnüpft in feiner Erzählung (SS. V, 286
u. 287) an das ©. 727 gebrachte Ereigniß, bie —— einer Untere
zebung ber Fürflen nad ber Madenburg, mit dem Programm: ubi quid agen-
dum super tam grandi negotio foret, communi consilio possent diffinire, et
ubi_ipgs regi ct domino auo commonito ei ad poenitentiam converse et
reconciliato, liceret serrire — unmittelbar an, mit den Worten: Postquam illue
non militaribus copiis convenere®), rex cum suis assentatoribus
eitra Reuum apud Oppinheim villam cum non mediocri suae confoedera-
tionis eoetu, adhortatu et suasu minax et animosus consedit. &o blieben
die Fürften auf der anderen Flußſeite und traten in Berathungen ein, wobei
auch Segaten Gregor's VII. zugegen find; diejelben haben, bejonders Altınann®),
den brieflichen Auftrag, alle zur Genugihuung und Buße fi verpflichtenden
und zum Anihluß an den Papft geneigten Gebannten, mit einziger Ausnahme
—5— IV, wieder aufzunehmen. Zehn Tage vergehen über ben bier im
jange befindlichen Angelegenheiten — der Annalift rechnet bazu beſonders auch
bie von den Begaten betriebenen Wieberaufnahmen Gebannter in die Kirche —, und
ber König wird milderen Sinne, in Erwägung: tot et tantos?) apostolieae
digmitati humiliter cessisse, jue regem alium pro se constituendum
deliberasse; er giebt fih den Anſchein — simulavit dem Papft und den
Fichten in allen forderungen nachgeben zu wollen. Bedingungen lauten:
gabe von Worms an ben Bilchof, ang ber Königin und ihres Setotge
1# diefer Stabt, Rüdgabe ter Geiſein an die ed
sachien, gänzliche Trennung
often im der Richt die Maben-
en da Rip Ionen der aßelg am Mich in
jinberte, zu erreichen, jo ba fie
srchlepiscops Jura
se colloqulam per-
jeiastican oorrectioni et. christi-
imas stnduit, et... .
‚et repugnantibus gladic
i sol
rico nec non ennctis Deo et sancto Petro inoboedientibus
piti minaz maltam et horrendus virlter undlgue obetiterat (205). Bebnlid 1
cha. a apostolici, maximus auctor abjurationis extiterat Hein
jbiihet Siegfried lite, jbifhof Ude, bie
ni Can Berbunı Hrlarig dor ehkie, Sri
Utent, Yugmann, ‚don Epeier, Burdjard von Bajel h
f
her don
der Griwähl
‚mit der Beifägung: su om —, abbales p
ube, ala nesoneisulIn commanlonem regt m
at
te
di
eineidh IV 17, Mote, und Mad, Gorfhungen gut beutihen Gelhiäte, XX)
Dielen ha," daß der Annaiift —E8 Ei ange Haken *
©. 62 u. 018 Zheoberidh früher abf
1do if ıich einem venerabilis archiepiscopus
— ie Rede, den Hermann von Dep auf-
bern (sc. ®ibo). ne so intromittat de abatinsa monasterli Montis
el, interdieat i ecam (se, Qermann), In Iritam ducat
(Affe, Biblieth, . 1077, bie Berfdhnung ZWernber'®
bern begengt Lambert
—
dal
tambert — Dergl.
& ir Burgard und Qugmann DW auleht bei
ei
888 Gears VL
fo daß die Antwort des Papfles und die Berjöhnung mit demielben abgewartet
werde. t ber König an bie Ex
fülung diefer Bedingungen. &r fhidt zwar —X iſchof do ein Screibe⸗
— nad) Rom, nad der eftiegung irſten
Augen verfiegelt: aber baffelbe if fpäler * durch ihm gefälfcht und mach
ut scilicet Romam ei ad papam reconciliando pervenire liceret. ‚Die Süzen
dagegen fciden gleichfalls als zuverläffige Gejanbte eilig foldye, bie dem
Hanslungen, beigewohnt hatten, nad) Rom, um jeber 9 eutgı .
und laden Gregor VII. ein, felbR nad Deuticland zu fommen und den Gtreit
zu ſchlichten fie aus einander gehen — am 1. Rovember war die Unter
‚dung beenbigt —, treffen fie, um Heinrich IV. nod; mehr im Gehorjam feftzu:
halten unter ander ene bindende Berabredung (conjurabant): ut si —
saa ultra anıum excommunicatus perduraret, ipsi eum ulterius
regem non
haberent. Gbenfi iti⸗ aus t dem
König ben jehr Ye Fr — — und au Ahn geichen
u haben, erzürnt hatten. Go geht die Berjammlung aus einander.
hi — S868. V, Er läßt den Unterhandlungen einen Act ber
fen € N recenti
&i vellet implere cuneta quac ei uostrates facienda proponunt. Birke Be
fa angejodhten Habe, und Pittpeilung berielben an bie Garhjen nebft nadhberiger
jebingungen — die dritte durch eilige Borbereitung gm Aufbrudhe —
9) Dierdurä) zeigt Bruno, baj die
were
terunt ad Rhenum contra vicam qui dicitur Oppenbeim, quo et patriarche
St una Sueroram non parra multitudo (etc.), (0 daß anjunchurn wäre.
en Berfemmlungdort and auf daß Life Ufer gefent
10) Bruno fügt bei: episcopi plus aliis in hoc egerunt, quia juramentum in likteris
etlam serrarerant.
Die Verhandlungen vor. Zribur und Oppenheim 1076. 889
unb Geringeren ben Schwur ab: ut nisi Heinricus quartus, Hein-
fick imperatoris filius, in Februsrii mensis initio a banno per apostolicum
absolutus fuisset, nun.quam amplins ullo ingenio suo rex eorum nee
appellarstur nee esset. Dann jenden fie einen Boten an Gregor VII. mit der
inladung auf den Anfang Februar 1077 nad) Augeburg: ut causa diligenter
examinata coram omnibus, vel eum solveret, wel eo fortius adhuc ligato,
alium sibi cum ipsins consensu quaererent, qui regnare seiret.
‚_ Bernolb, Cbronicon, berichtet btoß gang furz, daf im October zu Oppen«
im, unter Anweſenheit einer päpftlichen Legation, von ben Reihefürften eine
ihr I Omen) Fer iv oguium ... se en da —
ibi (gu enheim) — Hein '. in beftimmte eife ver ich auf
Mariä Reinigung des nädjften Jahres in Augsburg dor Gregor Wi zu ftellen:
nam et Ale lomnum apostolicum ipse nm prineipibus regni invitavit
(SS. V, 433).
Andere Nachrichten deutichen Urſprungs fallen noch weniger in Betracht.
In den Annal. August. Meht: Colloquiam regis et ducum in Oppen-
heim ”... . Consilium papae et ducum contra imperstorem (SS. III, 19,
in ben Annal. Einsidlens.: in Oppinheim (irig) placito habito, iter ab ipso
«ec. Heinrich defecerunt (sc. die Herzoge Rudolt, Welf) (SS. II, 146), in den
Annal. Patherbrunn.: Prineipes totius regni in Thribure (in den fogenannten
Annal. Ottenbur. untictig: in villa Oppenheim, SS. V, 7) colloquium
babuerunt et regi omne servitium abdicabant in Oppenheim cum suis
lenti, nisi se solveret ab excommunicatione papae et, ut deceret, in
omnibus obediret (ed. Scheffer· Boichorft. 96‘, in Ekkeh. Chron. univ. (mit
falfcher Zeitangabe): circa 18 Kal. Oetobr. colloquium maximum apud
Oppenheim factum est, ubi pene totius regni prineipes, sed masime
Saxonum et Alemannorum, subjectioni regis renunciabant, causam preten-
dentes, quod a duobus jam apostolicis vocatus ad eatisfactionem non venisset,
et pro hoc contemptu sententiam excomınunicationis in Romana synodo a
papa accepisset, cum ipse tamen inauditus et abaens fuisset (SS. VI, 201)1?).
Aus Italien bietet Bonitho, Lib. VII (Zafje, Biblioth., II, 670 u.
671), eine Hittheilung über die Berfammlung der ultramontani prineipes 13).
Bonitho läßt diejelben die Frage der Beurtheilung unterwerjen: utrumne papa
vegem Posset excommonicare nec ne, vel, utrum juste excommunicatus esset
vel non. Legem enim suam nolebant destruere, qua perscriptum est: ut,
si quis ante annum et diem ab excommunicatione non fuerit solutus, omni
careat dignitatis bonore, worauf von den prudentissimi regni episcopi,
ubbates et cleriei beidjloffen wirb: regem a papa posse excommunicari, et
um Foei et Dioseori imitationem juste esse excommunicatum. ferner
aber berichtet Bonitho von einem Eide der Herzoge Rudolf, Welf, Throderich
«(von Oberlothringen) und der Reichabifchöfe: ut si rex eorum vellet acquies-
cere consilio, papam ultra montes ante anni eirculum ducerent, qui eum
abeque malo ingenio a vinculo excommunicationis absolveret, wogegen bie
töniglicden Bertreter — regis agentes — geſchworen haben follen (dato sacra-
mento proprio ore), daB reis IV. zurüdgesogen von ber Regierung das
Urteil abwarten werbe, endlich wieder Alle gemeinjam: se, si rex sacramentum
datum observare voluisset, expeditionem cum eo facturos in Italiam et, eo
imperiali dignitate sublimato, Normannos aggressuros, et Apuliam et Ca-
11) Was Paul
cam logatis apostolicaı
@t resipiscoret, matis fi \
Protsstati unt. Hac | it postmodam apparuit, se
Pen oma st Cosi ıbeditaram promiait; Dan
folgt die Grwägnung ‚ und gmar fo, dab ed daß
um ber Särften
condli rogaret rex), quatenus
ibidem causam eins it poseet, moneben and bie
‚ürften felbft eine eiptet hätten (Watterid,
nenne Die Zeit der viel fräßer
ngeldidt ı die
fallenden, eos (m. ven Worten: Dum hasc in
Italia gererentur diede
890 Gras VI.
labriam ab illorum dominatu liberaturos; quodsi peccatis suis exigentibus
sacramentum datum irritum m „feet, nanquam eum amplius pro domino
ue pro suscepturos
ned r Gegenüber diefen fo ungenügenben, Lütenvollen, fidh wi
richten i fy & fehr ſchwer, ja im manden Dingen unmöglich, ”
wirklich in Zribur und Oppenheim geidjehen feı. .
Gegen die Annehmbarteit ber bei allem ıhum fo — Mit:
theilnngen Sambert'8 wandte ich ſchon —X — 35 —*
148—146, ba theils die Angaben, melde die volle
flimmung Gregor’3 VII. mit den Fürften und bie Bollmachten *
treffen, mit dem S. 721 ff. gebrachten Schreiben Gregor's VIL und Pr
fungen za Übereinfkimmen. anberentheilg Gene bie enticheidende voran:
ob bie Excommunication mit ihren Folgen von born herein als
oh an; gen fei, oder nicht, als von Anfang an sbormadht inftellt 14).
Ye die Glauhiwürbigteit Lombrrtö dom Heräfeld, 61-64, deit einer.
ER in den langen Reben und Gegenargumenten bes Königs Tab ber Fürften
Widerfpräde auf, dab Seine IV. — nad) den Worten der Fürften: morum
suorum emendationem . . pollieitus, womit die ‚gorangegangene Stelle:
Rex .. . pollicens omnium quae eos (sc. prineipes) ofenderant in reliquum
emendationem zufammenzuhalten it — anerfannt hätte, was er body ſieis bes
fimmt len — daß die Anklagen gegen feine Lebensführung wahr feien, und
anderent! eh t er hervor, wie Lambert den nad; dem Annaliften, Bruno,
Bonithe, nur durch die Fürflen unter einanber beichiworenen Buntt, Heinrich Iv.
fei bei Nichterreichung der Losſprechung als ent nicht mehr zu anertennen,
gerabezu als eine ber gegenjeitig zwil önig und ben fyärften an«
genommenen Bedingungen aufgenommen Ha
iberhaupt die von Lambert und den amberen Autoren anfı Item
Yan ungen. betrifft, fo hat hier Goldſchmit, Die Zage von Zribur und Kanoffa,
Bat fehr wahı (heintich — — einig ‚die Uebergabe von Borms an
baten ein Punkt, der ud wit Oppenheimer Tag aus durch
ben König it ak ala — —A — anzunehmen iſt t) zn
anderen Foatlaen o& dagegen Lambert auß deren Vorhandenfein nad) den
Ereignifien — —8 diefelben in den Bedingungen genannt geweſen feien, jo
für eine Zumeifung des Aufenthaltes in Speier'®), für die Auflöfung des Heeree
none nen
— re
jenſatz zu dieſen mel a un het ter,
— — ersten, Bei ie ke bi
eini und Sera vu. —E ber Echilberung don Ranle’s ala —* 35-8, hebt
das SER ‚berber.
16) jetoiß bemertenäiwertb, baß Sambert ſelbſt na, — em Sate.
auf ben Abi Bun den Bertauf Der gelemmten Sridurer gen folgt,
Biete ii ee don Mo :gebnih fir Die —— bern den! Bnori et Sarones,
— —e— ———— um reddiderant, lseti
Hing aber Gotolämit in feiner Kayweiun org Denn and der Munelift
fast, 83 (ine ber — für — url +2 19er k teen. s
—— pi prineipam) Interim — iur an Se
he ‚det bem gleichen Mutor: Nex . , . Spirae cam tutoribns et actori —
depntati munt, alla amdin more —— — Be, iR, damit
ni
See über den Epeiter Anfenfhetl borgebrant E73 Wert. ©. 10. Di —X
Die Verhandlungen von Zribur und Oppenheim 1076. 891
fe das bei einem @ebannten jelöftverftänbliche Verbot des Betretens von Kirchen,
iz andere Dinge, die auß dem gelobten Gehorfam gegen ben Papft entiprangen.
Zehnlich if bie vom Annalıher gebrachte Bedingung, der Auälieferung ber
jeln an die Sachſen, auszuſchliehen, weil ja zur Zeit ber Berdanblungen die:
jelben — wenigftens wohl in überwiegender Zahl — fchon frei waren!?). Doch
auch andere von Lambert gebrachte Hauptftüde ber zwiſchen bem König und
ben Furſten gemachten efiftellungen find ganz unhaltbar. Daß auf Lichtmeß
1077 nach Augeburg die Entſcheidung durch ben Papft in der angegebeneu Weiſe
feßgeieht worden fei, wo boc bie Einwilligung Gregor's VIL noch gar nicht
vor] rag: iſt ausgeſchloffen; hochfiens kdnnen zu Zribur unter den Fürften gewiffe
Berabrebungen, über Zeit und Ort, ſchon ftattgefunden Haben, zum Behuf eines
Vorſchlages an Gregor VII, der ja mod; Ende 1076 nur in ganz allgemeinen
Worten bon feiner Reife nach Deuiſchland ſchrieb. Endlich aber ift durch Barren-
trapp, Hiftorifche Zeitſchrift. XLVIL, 401 n. 3, in ben überhaupt hoͤchſt bemertena«
werthen kurzen Ausführungen über Sambert in ber Abhandlung: Zur Geſchichte
ber deutſchen Kaiferzeit, auf eine falſche Angabe Zambert’3 und zugleich ‚auf den
Umftand hingewieſen worden, daß Bambert durch eine fpätere Angabe dabei
felbft widerſpricht. Es ift das die Behauptung, daß Heinrich IV. zu Oppenheim
babe anerfennen müflen, für immer die Krone verwirkt zu Haben, wenn er nicht
vor dem Jahrestag feiner Excommunication die Loſung vom Bann gewänne.
Allein Sambert jagt ſcibſt, a 1077: Sed dies anniversarius, quo rex in ex-
communicationem devenerat, e vicino imminens nullas accelerandi itineris
moras patiebatur, quia, nisi ante eam diem anathemate absolveretur, de-
eretum noverat communi principum sententia, ut et causa in um
eecidisset, et regnum sine ullo deinceps restitutionis remedio amisisset (256),
und dad fimmt ja gang zu dem Annaliftien, zu Bruno und Bonitho, welche
bie Fürften allein unter he das als Abrebe feftftellen Lafien — beim Annaliften:
antequam ab invicem discoderent, conjurabent —, daß geinid IV. inner
halb des erſten Jahres vom Banne gelöft fein müfje?®). Vollends unglaub«
würdig ift noch, was Lambert, a. 1077, von Beichgeichen) zu fagen weiß, welche
über diefe frage hanbelten: ut, si ante hanc diem excommunicatione non
abeolvatur, deinceps juxta palatinas leges indignus regio honore habea-
tar (258).
Eine Hauptfrage bleibt, was bie Urſache davon geweſen fei, da es doch
no v einer Verftändigung zwiſchen Heinrich IV. und ben Fürften fam, daß
diefe legteren ihren Plan der Reumahl nicht ausführten.
Ohne Zweifel ift Hier voranzuftellen, daß bie Borfchriften Gregor's VII. vom
3. September für die geintigen ilnehmer an ben Berhandlungen, und bamit
aud für die Fürften, bindend geblieben find?%). Aber baneben fpielten auch
anbere Triebjedern, über been Wirkfamfeit allerdings keine der Quellen irgendwie
Har ſich ausfpricht.
li in : ber König allmähliä dir läftigen Ueber»
Krrrg a a ———
ibe, 274, n. 1, anf bi ‚Grwäl
I OO —
it [A aud bier eine ber gewohnten Uebertreibungen bei bemfelben,
un ohne Reit von ben Geifeln, im ber Gejammiheit, zedet, nit ansgeilofien. Bergl.
f&teben betont.
892 Excurs VI.
Gieſebrecht, III, in den „Anmerkungen“, 1145 u. 1146, legte ein —
Gewicht auf, bie allerdings jeht interefiante Gtelle bes Ma; länder Seſchichis·
ſchreibers Arnulf, Geste arcl ;porum Mediolanens., Lib. V,c.8 —
— —8 — fi an die ©. iepecope n. 88 gebradhte an —: Interim’ eonsilio
sanctiseimi Cluniacensis abbatis, Agnetis quoque regise matris, nec non
sapientissimae Matildae statuitur generale colloquium inter ipsos regem
“ a A pacis ac justitiae causa (SS. VIII, 30) So führt @iejebrecht
fi, Hugo geraden ala dem Vermittler in die awilchen Zribur umd
—e— geführten Verhandlungen ein, ae auch — anf bie Aus⸗
fage des Annaliften, a. 1077, betreffend Hu, is communi-
<ationem Romae reconciliatus” (289). Allein —E Futage ft doch fo all»
emein gehalten, und bie auch in Aufzäl ung ber mitwirfenden hervorragenderen
Gerfnt teten nicht eben Targen deutfi uellen fchreiten fo ganz mit Still-
— über die doch ſchwer u übergehende Betheiligung bes Abtes von Cluny
Bine, de daß “ nicht gerathen ift, Bis vpotheſe aufsunchmen®"),
er ‚Sürftentag zu bur im Jahre 1076 — — Zeit ·
ſchrift von di 149° wolle da 2a jern der Abfichten der Fürften, eine
neue König stahl u Tribur Herbeizuführen, darauf zurüdleiten, daß Otto von
Nordheim —* feine Anfprüde auf bas Herzogthum ZBaiern gegen Bei
jeftgehalten habe. och hat dieſe auf eine Sam ümlidhe Interpretation Bruno’
[ger Ausfagen ſich ügende Annahme feinen Beifall gefunden*?)
Pi eine viel zutreffendere Fährte leitet Bogen u don Nordheim, 95
in feiner Kritit der Erzählung Bruno’s.
an ki iR in feiner Schilderung abermals ganz ſachſiſcher Parteimann,
fo 3. B., wenn er ganz allein, und gewiß nicht Haie behauptet, ‚Heinrid IV.
jei u. a. aud) verpflichtet worden, ut mox_litteras seribi faceret, in quibus
se fateretur injuste Saxones afflixisse. Mber ganz beſonders geht er wieder
von jenem ſchon in ur II, n. 11 (©. 861), gefenngeichneten, ebenſo um⸗
biftorifchen, ala hartnädig von ihm feftgehaltenen Braga der urfprünglichen
Gemeinihaft von Sachſen und Schwaben aus. Gleich in c. 87 ging in bem
Sage: Prineipes nostri ..... . cum audissent, — Suevos tam crudeliter
antiquum foedus infregisee poenituit, ad eos legatos de renovando foedere
mittere complacuit; ut iterum convenientes in unum, inimieitiarum acerbi-
tatem multa dilectionis suavitate superarent, et invicem sibi donantes,
contra communem omnibus hostem, uno de se facto, concorditer
starent (363)%°) eine neue u Dora, dieſer von bem Geſchichts ſchreiber befannten
Meberzeugung voraus. (b folgten barauf in c. 88 die pacis os-
cula....non sine ner — welche die facti ex hostibus amiei unter fi
taufghten®“), die Höfligjfeit: Saxones ex Suevis, Suevi ex Saxonibus unum
Die Verhandlungen von Zribur und Oppenheim 1076. 893
quemlibet volebant eligere (ec. regem). Denn zwei Male fagt Bruno nad
einander: electo, propter quod ex utraque parte convenerant, novo rege,
bann: Cum j issent de rege constituendo sermones conferre —, da,
die Kdnigawahl ber Zwe der Zulammentunft geweien fei. Und nadher auf
einmal ſchweigt er gang davon, nachdem er fich jelbft Abkürzung der Erzählung
auferlegt: Ut igitar stilus velociter currat, humilitatem poenitentis accep-
turos se promittunt ea condicione, ai vellet implere cuneta quae ei nostrates
facienda proponunt. Bruno ift hier über etwas, das ihm und dem ſachfiſchen
Volle unerwünfct war, raſch Hinweggegangen, über den Zwift zwiichen feinem
Stammeägenoffen Otto und dem rain abſichtlich von ihm hier ganz mit Gtill-
chweigen übergangenen Schwaben Rudolf, der es nicht zur Einigung fommen
'ieß, jogar wenn aud in Rüdfiht auf Gregor's VII. Willen eine Neubefegung
bes Zhroneß zuläffig geweien wäre. Dieſer Zmift ließ aber auch jedenfalls eine
folge Schwädung der Fürften zurüd, daß fie fich jelbft Heinrich IV. entgegens
Tommenber zeigten. Um fo geflifientlicher aber verfichert Bruno am Ende von
©. 88 wieder: His omnibus ibi peractis, exereitus uterque cum multa caritate
dividitur, et uterque tripudians et Deo laudes cantans ad sua revertitur®®).
In einer jehr der Beachtung würdigen furzen Abhandlung if durch
Jaroſiav Boll, Der Fürflentag zu Zribur und Oppenheim (1076), Diittheilungen
des Inſtituts für dfierreichiſche Geſchichts ſorſchung, II, 399, die Frage des
Werthes der ‚len gleichfalls gegen Bambeat m" bier aber ganz beſonders für
ben Annaliften entiieden worden. Es ift nicht zu bezweifeln, daß dieſer Autor
allein in jeinen Nachrichten zu den Schreiben bes Stönigs, den einzigen Docus
menten der gaı Verhandlungen, in beiriebigenber Weife ſich ftellt. Es find
bie im Codex Udalriei ald Nr. 52 und 53 ftehenden Stüde: erftlich die Pro-
missio Heinrici regis, quam fecit Hildebrando papae, qui et Gregorius,
gweitens die Kundgebung Heintidh"s IV. an bie archiepiscopi et episcoi, luces,
marchiones, comites et cuiuscunque dignitatis ordo?”), von welchen Schreiben
das erfte nad) feinem Hauptinhalte in kurzem Auszuge von dem Annaliften ge:
Tennzeichnet if. Aber eben dieſe Promissio Heinrici regis if dad Echreiben,
von welchem der Annalift erzählt: litteras . . . sigillatas . tamen deinceps
ipse (sc. rex) clam alteravit et ad libitum suum mutavit, und dieſe Aender ⸗
ven ‚nüflen fi befonders in der Beifügung des dritten Abſahes herauägeftellt
en 39),
Ad bie beften Nachrichten, bie über die Verhandlungen und deren Abihluß
fi) darbieten, fielen fi) demnach diejenigen des Annaliften Heraus.
iclhe ropee, mudire. Da, ber Rnig, in Mainz gemejen
bin fir Bruns’s ungenügende Yenntniß ber Dinge ber
aud) ganz furge Ouelennadgrihten bie Verhandlungen
en.
>) Ma mdlung Aber Bruno, Forfjungen zur beutien Ge»
{state AlV, 857-360, aud biefen —S — und url Ki F — Beust,
rei in ie einbfeligem Ginne ver-
brebe._an Werth ilef unter demjenigen Sambert'b, ganz bejonderb aber unter dem Knnar
&rcurs VI.
Die Vorgänge auf Canoſſa 1077.
Als Hauptquelle für dasjenige, was auf Ganofja zwiſchen Gregor VIL
unb Heinich IV. geichehen war, dient der alabald an omnes archiepiscopi,
episeopi, duces, comites cacterique prineipes eg Teutonicorum christianam
fidem defendentes erlafene Beriht Gregor’3 VIL— IV, 12, J. 5017
(Jaffe, Biblioth. IL, 256—258). Er wollte ba melden, qualiterrex, humilistus
ad poenitentiam, absolutionis veniam impetraverit, et quomodo tote causa
post introitum eius in Italiam huc uäque dedueta sit .
Bon ber Erwähnung ber durch Heinrich IV., ſchon priusquam intrasset
Italiam, durch supplices legati zum voraus gegebenen Sufderungm: per omnia
se satisfacturum et sancto Petro ac nobis —: et, ad emendationem
vitae suae omnem se servaturum oboedientiam, repromisit, dummodo apud
nos absolutionis et apostolicae benedictionis gratiam impetrare mereretur!)
— geht Gregor VII. mertwürdig raſch jogleih, unter durchaus allgemeiner An«
deutung von Zwilchenfällen: Quod cum diu multis consultationibus differentes
aeriter eum 2 auis exceseibus mon et pi B nuneios redar-
'eremus, auf die Vorgänge in onofſa über: tandem per semet ipsum,
Sieht hostile aut temeranım ostentans, ad oppidum Canusi, in quo mo-
rati sumus, cum paueis advenit (sc. rex) Bann ſchildert Gregor VIL um:
mittelbar anfchließend die Bußbanblung: Ibi per tridaum ante portam castri,
deposito omne regio cultu, miserabiliter, utpote discalciatus et laneis in-
dutus, persistene, non prius cum multo fletu apostolicae ionis auxi-
lium et consolationem implorare destitit, quam omnes, qui ibi aderant et
ad quos rumor ille pervenit, ad tantam pietatem et compassionis miseri-
Cordam movit, ut pro eo multis precibus et lacrimis intercedentes omnes
quidem insolitam nostrae meı duritiam mirarentur, nonnulli vero, in
nobis non apostolicae severitat ge itatem sed quasi tyrannicae feritatis
eradelitatem esse, clamarent, Ueber bie Berjöhnung mit Heinrich IV. wird
dann furz berichtet: Denique instantia compunctionis eius et tanta omnium
qui ibi aderant supplicatione devieti, tandem eum, relaxato anathematis
vinculo, in communionis gratiam et sinum sanctae matris ecclesiae rece-
pimus, acceptis ab eo secritatibus ... Quaram etiam confirmationem per
manus abbatis Cluniacı et filiaram nostrarum Mathildis et comitissae
Adelaiae et aliorum principum, episcoporum et laicorum, qui nobis ad hoc
atiles visi sunt, recepimus. .
1) Bergl, and) ©. 786 n. 194. Doß bei biefen legati Hetwrid‘s IV. niit etiva an eine
oeite Wefanb! f berjenii il do" , ü
Dane on Krlir'unb Kanone so'n © Galigleden Angenommen werden. — © 0 ont
Die Vorgänge auf Ganoffa 1077. 895
Diefe securitates, Registr. IV, 12 a (l. c., 258 u. 259)%), find naı
Gcegor’3 VIL. eigenen Zeugniffen, Registr. V, 7, J. 5051: sacramentum, qı
rex Heinrieus nobis per fideles suos quoedam fecit, data quidem propria
manu sus in manum abbatis Cluniacensis, und Registr. 14 a: ie
Heinricus juramento ge duos episcopos michi promisit (I. c., 295, 402),
nicht aus Heinrich's IV. eigenem Munde, ſondern in feinem Namen durch die
©. 761 genannten geiftlihen Gehülfen und Yeugen ausgeſprochen worden.
Deeierlei Dinge wurben da zugefichert: — erfllih: de murmuratione et dissen-
sione — se. der geiflihen und weltlichen Fürften und anderen Angehörigen
de8 deutſchen Reicjed — infra terminum, quem domnus papa Gregorius con-
stituerit, aut justitiam secundum judieium eius aut concordiam secundum
eonsilium eius faciam —, zweiten: transacto (sc. certo impedimento, daB
fi vapft oder König in den ftellen fönnte) ad peragendum idem paratus
ero —, brittend: si domnus papa Gregorius ultra montes seu ad alias partes
terrarum ire voluerit, securus erit ex mei parte et eorum, quos constringere
tero, ab omni Iaesione vitae et membrorum eius seu captione — tam
ipse quam qui in eius conductu et comitatu fuerint seu qui ab illo mittun-
tar vel ad eum de quibuseumque terrarum partibus venerint — in eundo
et ibi morando seu inde redeundo, neque aliud aliquod impedimentum
habebit ex meo consensu, quod contra honorem suum sit, et si quis ei
fecerit, cum bona fide secundum posse meum illum adjuvabo.
„Reben diefen unmittelbaren Zeugnifien ftehen theilweife ſehr ausführliche
hiſtoriographiſche Mittheilungen.
Sambert iR aud) hier wieber befonders reichlich in feiner Berichterftattung
260).
Zuerft will der Erzähler, im Anſchluſſe an die ©. 758 n. 28 ‚mitgeibeitte
Stelle, Mandes aus den Verhandlungen, welche durch die von Heinrich IV. ans
gerufenen Vermittler gingen, wiffen. Da der König gebeten haben joll, Gregor VII.
möge ihn des Bannes entlebigen und nicht den Antlagen der deutfhen Bürften
blinden Glauben ſchenken, Habe dieler geantwortet: incongruum valde esse et
ab ecclesiasticis legibus omnino alienum, ut ahsentibus accusatoribus causa
accusati ventilaretur; quin immo, si innocentiae suae confideret, omni timoris
scrupulo liberatus, statuto die in Augustam, quo caeteri principes convenire
statuissent, fidueialiter occurreret®); se illic, discussis utrarumque partium
allegationibns, nec odio nec gratis ab jure ad injuriam devolvendum, t
juxta leges ecclesiasticas quam rectissimam possit de singulis sententiam
Aaturam esse. Da Hätten Heinrich’s IV. Bürfprecher geantwortet, biejer werde
fich niemals dem Urtheile des von ihm ohne allen Rüdhalt anerfannten Richters,
Gregor’s VII., zu entziehen fucen: sed e vicino jam urgere diem anni-
versarium, quo excommunicatus fuisset, et principes regni hac expeetatione
suspensos attentosque anxie rei eventum prestolari, ut, si ante hanc diem
896 Ereurs VII.
excommunicatione non absolvatur, deincepe juxta palatinas leges‘) indignus
regio honore habeatur, nec ultra pro asserenda innocentia sua audientiam
mereatur; daher bitte Heinrich IV. nur für einmal — interim — abfolvixt zu
werden: responsurus ex integro ... . omnibus, quae accusatores eius obje-
eissent, criminibus, wann und wo Gregor VII. wolle, wonach dann, nach
Gregor's VII. Enticheidung, Beibehaltung oder — im falle ber Beruribeilung
_ Belur des Reiches für ihn (equo animo) eintreten werde, und zwar all ba,
tamquam nihil hac conventione in u Ganofja) actum sit Gregor VII.
Täßt fi) jet nur mach längerem erfand endlich dazu berbei®), — Hein⸗
rich IV. zum Zeichen ſeiner wahrhaften Reue Krone und übrige Abzeichen ber
Aönigeherrihaft an ihm Übergebe und erfläre, nach ber begangenen trofigen
Zhat von jept an bed Löniglicen Ramens und der Ehre unmerib zu fein. Das
iheint den Vertretern des Königs hart, worauf Gregor VII. ſich zu einer
inen Milderung faum erbitten läßt: ut comminus veniret, et si veram
admiseis penitudinem gereret, culpam, quam sedi apostolicae contumeliam
irrogando contraxerat, sedis apostolicae decretis nune obediendo expiaret.
En tommt der Rönig: ut jussum fuerat, und ſieht an drei Tagen — ın dem
mnten Aufzuge, di ‚ejunus & mane usque ad vesperam —, und zwar
ganz allein: — foris derelicto omni comitata suo —, intra secundam muro-
rum ambitum receptus, um die Romani pontificis sententia zu erwarten.
Endlich am vierten Zage wird er vor Gregor VII. Dorgelaffen und post multas
u jenem zuge ber gerichtlichen Anterfuung: viertens für bie gleiche Zeit")
en!
erzicht auf ben Gebrauch; königlichen und öffentlichen Gutes mit Auänahme ber
Einforderun, dee für ben eigenen und ben Lebensunterhalt der Eeinigen nöthigen
Kieferungen Air Var
weiteren Gehörd, nebft völliger a der Fürften für die Neuwahl eines
Könige. Jet nimmt Heinri IV. Alles an: Gratanter rex accepit condi-
eiones, et servaturum se omnia quam sanctissimis poterat assertionibus
promittebat®). Aber zur Erzielung der Glaubwürdigkeit müffen Abt Hugo,
N}
5
12, bon
[? in der folgenden
2 iberlegen te de olsıaen
ram . . . suspensa ost nebft den oocuritates in feinem
8. 368 — Bermeribet hal
ien anderen
jeinri a1.
m ertbeilt.
Kane
uberb 254, aub
en ‚mac Sambert vom Könige gu ınb der fyärften angenommenen
ingen, welme Seinrid IV., wie bier diejenigen Gregor VII., gern angenommen
tulatue Admodum .; gromptissime per omia obedienliam poliestar, (254).
ganz riätig, baß Sambert den Papft im gang unmärbigem Lidte erfpelnen
artend fi
Die Vorgänge auf Eanofia 1077. 897
biefer ala Mönch zwar ohne Eibſchwur, bie Bifchöfe von Raumburg und Vercelli,
Marigraf Albert Weir und die übrigen ve men ürften unter Ablegung
von auf bie ine von Heiligen für ben König verpflichten.
Auf die Abfolutien felbft folgt die feierliche Abhaltung der dur
ben Papft®): confecta sacra 0] jone, regem cum caetera, quae juens
aderat, multitndine ad altare evocarit, preferensque manu corpus domini-
eum, und jept Iegt Sambert Gregor VII. eine längere Rede in ben Mund, in
ber unter Pe) auf bie früher vom Könige dem Papft zur Schuld gelegten
Berbrechen Heinrich IV. aufgefordert wird, durch den Genuß des Leibes bes
Her mit dem Vapfie in ein Gottesgericht einzutreten: ecce corpus do-
minicum, quod sumpturus ero, in experimentum mihi hodie fiat innocentiae
meae, ut omnipotens Deus suo me hodie judieio vel absolvat objeeti eriminis
icione, si innocens sum, vel subitanea interimat morte, si reus. Darauf
er Unnalift unterſcheidet fid ſehr weientlich in feiner Eryäblung (289
u. 290) vom Werichte Lambert's. Nach einer in einen Schleier gehüllten Ares
zung über die (ehten Berhanblungen: interventores ....... eam causam pro
labant et sollerti
qua convenerant, diu inter se multifario sermone veı
eonsnltatione omnimodis secum pensabant; set nescio quos in ea dolosos,
simulatorios pollieitationum amfractus suspicioso plurimum exploratu dili-
‚genter notaverant, quos papae huiusmodi causarım ex multo Jam tempore
et usu cottidiano revera experientissimo pro simplieibus et satis superque
veracibus apportare metuerant. Attamen mox, quia sic. necessitas expostu-
labat, remeantes, quiequid illud fuerit quod fucatum et perfidum aestima-
bant, totum papae seriatim plenaria veritate enarrabant. ber diefen
interventores folgt nun — confestim e vestigio — ber #önig, jelbft,
Ppraeceps et adhuc inopinatus, et absque responso apostolico eiusque
verbo invitatorio, und zwar cum suis excommunicatis, vor dad Thor der
Burg und bittet — pulsando satis ... . obnixe — um Gina. Im Buher⸗
gewand — frigorosus — harıt er. in ben dritten Tag und hat fo, nad)
des Annaliften Anfit: multis probationum et temptationum serutiniis distrie-
tissime examinatus et oboediens, quantum ad humanum spectat judicium
inventus .... lacrimosus, auf die christianse communionis et apostolicae
Yafe, zala Dioßer Gefßältstährer ober igent Dez Fäsflen“, Gfrdrerrsiti Hat, regorinavir,
YIL, 581 u. 'funden. daß zu ber „Kan ritates, ine!
„unträgliche Mertgeicen bes Bofalleneides des Yehnsmannes in die Hände beb Beniord“
ün fd) trägen, zur
Artitel im Gingelnen muttdeile,
9 yür
dem Umfang der Rappelle jeder Kaum (vergl, 6, 1b, m. 20).
10) Martens. “
He wörtiihe Anfid:
gebrachte Berichte, ten
iörtlicge Nebereinftimmung IN aber, gegenüber dem in n. 8 angemertien bielfaden @leid-
Hlange. bedeutend geringer.
in) Gieebre erhebt, U, 1148 . 1149, gegen Marlenb, 48-49, ben Ginmand, dak
nicht, wie Wartend fagt, daB generale ium der Teutonici principss ald eine in —8
ia jaltende Berfammlung von Lambert angenommen werde. Dab if allerdings nigt
aelagt, aber dod wohl gedadıt.
Meyer von Anonan, Jabıb b.btfä.R. unter Heinrif IV.u.V. Bb.il. 57
898 Exxurs VIL
reconciliationis gratia, ut est consuetudo poenitentium, gewartet. ber
Gregor VII. if mißtrauifd und zögert: post multas WVB senten-
tiosas collationes vix ad hoc pertractatus est, ut si jurejurando has,
ibi nune pro utilitate et —e— ‚sanctae aecclesiae impositurus esset, —
dientiae et satisfactionis conditiones aut ipse per se, aut per. eos quos sibi
nominaret testes, confirmare promptissimus adveniret, et insuper fidem
huius sacramenti in posterum firmiseime observandi in manus interventoram
illorum, qui praceto fuerant, nec non imperatrieis quae necdum aderat,
dare et hoc pactum sie foederare consentiret, in christianam tantum
communionem eum reeipere non recusaret. Seinrich IV. und — Berater
di
iſchoöſe von Naumburg und Vercelli — ter alios os
langen Hei magno —— Auore plorans — und die anderen
mieten — — non — similiter plorantes — Zutritt bei Gregor VIL,
Fe age jemeinen Zhränen, auch des Bapftes — et miserabili conquassatus —:
rimarum ab utraque parte enarraret —,
Socauf durch) Gregor VIL Mit Bee Anzehe Die Aderuufuuhne In de die Rice,
nad) Ertl teilung von Verzeihnn Segen, vollzogen wird. Rad) Sprechung
bes gewöhnlichen Gebetes und lu bes Friedenskufſes an u König, an
Erzbiſchof Licinar, fowie an die Biſchoſe von Straßburg, Baufanne, Bajel und
Naumburg und die übrigen Großen, lieſt ber Papft die Mefie. Bei der Com:
munion zuft er Heineih IV. vor unb bietet ihm die Hoftie, do umfonft:
partieipatione rex se indignum fore contestans, incommunicatus
wozu der Annalift beifügt: Unde mox apostolicus quasi quoddam indiciam
inpuritatis et quasi testimonium latentis in eo euiuslibet ‚ Spiritu
revelante, non inprudenter ca apiebet, et at, St meguaguem se verborum eius —
deinceps totum ex toto cred t. Tann jegen fid) Papft und
adnig u einem Mahle an den —A— Ziſch. Nach dem Dantgebete, und als
IV. bezüglic, der motötwenbigen 3 Dinge: oboedientia promissa, fides
N sacramentum non violandum, perfe nitentia, nee non cavendum
Longobardorum anathema (indeffen mit ver infhräntung, daß der König im
itinere Longobardico servitium necessarium von jeinen Anhängern annehmen
bürfe) — ermahnt worben, wird berfelbe unter dem apoftolifchen Segen mit den
Seinigen entlafien, mit Ausnahme ber Bilchöfe.
Bon Staiemfchen Zeiten fallen zwei färker in Betracht.
Sonitho, Lib. VIII, der im vorh henden Zufammenhange Hein-
ri IV. die Ihlimmften Wolter gegen Gregor ufchrieb, denen diefer durch
die Zuflucht in Canoſſa glüdlih entgangen RX T fahrt fort, daß der König
— videns sua machinamenta propalata — jept, omni prout videbatur dı depoeita
ferocitate eolumbina indutus simplieitate, nad; Ganoffa gefommen fei.
gelang ihm, per aliquot dies super nives et glacies discaleiatns Keime
perdurans, die Tauſchung gegenüßer omnes minus sapientes, und er erlangt
12) Rleine Wbweihungen, gie aber nicht vom Gebantengange ber Secaritates eigemtlidh
A entfernen, And eingig folgende "
Secaritates Unnelift,
Ian frainum; Heitius, sündocamaun ia if am
constituerit, aul Justitlam secandum judieium | mum papı
eins aut @acordian diem scundam consillum sius | dam epacam cum —— en, Fe
faclam uch Ge. Tnpedimons) 24 | candum Jade nal mlisralee As 1.
peragendum dem Paratus ero niret (erft an den 3 gefegt:)
sorrare festinaret.
18) Bergl. &. 754 n. 15.
Die Vorgänge auf Ganofia 1077. 899
bon Gregor VII. — quamvis non eius ignorante versutias — Die gewünfete
Abfolution, mit ber Ertheilung der Gommunion: sacramento dominico media-
tore in ipsa missarum celebritate ..... divinae mensae .... fecit (sc. Gre-
rius) esse participem. Der aut habe den König amgerehet, baß ihm die
—* zum Heil gereiche, wenn ex ſich wahrhaftig nad) Seele und Leib erniebrigt
ibe und ihn ald rechtmäßigen Bapft, fich jelbft ald excommunicirt anerfenne
und überzeugt fei, ba er durch dieſes Sacrament abfolvirt werben könne, daß
aber im Gegentheil die Hoftie ihm zum Verderben gereiche: ut inde post buc-
cellam intraret in illum satanas'*). Dem folgte das convivium commune,
und barauf wurde Heinrich IV. und allen vom Banne Abiolvixten anbefohlen, fih
vor dem Verkehr mit Grcommunicitten zu hüten. Die Behauptung Einiger, dev
König habe auch hier bem Darft vitam et membrum et suum honorem jwören
müflen, will &onitho nicht beflätigen: Ego vero, quod ignoro, omnino non
affırmo (Jaffe, Biblioth., LI, 672).
Obſchon erheblich nad; den Greignifien von 1077 geſchrieben, Hat doch auı
der Bericht des Bi se als derjenige eines Localen Zeugen für den 3303
von Canoſſa, das Recht auf Beachiung In der Vita Mathildis, Lib. II, c. 1,
find v. 100—116 dem Greignifien vor dem Zulammentreffen und diefem felbft
getwibmet (SS. XII, 381 u. 382). Die Bermittlerin Mathilde wendet ſich nad)
der Unterredung mit dem Könige!®) wieder an Gregor VII.: Alloguitur papam
de regis fine reclamans. hr glaubt der Papft, doch mit der Bedingung: ut
juret ... . ipse rex illi, sedi Romanse sitque fidelis, und ber König ftellt fig:
Prassal quaeque velit Gregorius, hoc sibi fecit rex retro seriptus .. . .
Ante suam faciem conceseit papa venire regem, cum plantis nudis a frigore
captis, und zwar: ante dies septem quam finem Janus haberet (auch mit
Erwähnung der flärleren Kälte in v. 105 u. 106: Solitoque nivem mage
igus per nimium magnum Janus dabat). Seinric IV. fleht, in eruce se
jactans, um Abfolution, und der Papft, videns flenteni, erbarmt fich: bene-
dixit eum, pacem tribuit, sibi demum missam cantavit, corpus dedit
et deitatis; er fpeift mit dem König und entläßt ihn: postquam juravit. Dann
geht Heinrich IV. nach Reggio, wo die lombardiſchen Biſchdfe weilen.
Alle anderen Berichte fommen nur in untergeorbneterer Weile zur Geltung.
Bon den italienifchen Quellen jagt Arnulj, Gesta archiepiscoporum
Mediolanens., Lib. V, e. 8: Ubi (sc. zu Ganoffa) praesidente apostolico rex
nudis incedens pedibus, humi prostratus, post multas lacrymas promeruit
veniam, suorum juramenta fidelium pacte confirmans, sub conditione
justitiae faciendae, unter befonderer Hervorhebung des Antheild der Mathilde
an ber Berfänbigung: Sic Matildae magna Ir lentia consolidata sunt pacis
eorum foedera (SS. VIII, 31). Bei Petrus, Chron. monast. Casin., Lib. III,
€. 49, heit e8: Caesar . . . ut cum pontifice pacisceretur, intravit Italiam:
&& jolgt die Dreitägige Buhübung — pacem exposcebat, et hoc per se, hoc
per prineipes imperii, hoc per familiares apostolici postulabat. Pacis tenor
istius modi fait, ut si quid commissi ab utrague parte factum esset, solveretur;
demum vero caesar more antecessorum suorum Romano pontifici fideli-
tatem!6) faceret (SS. VII, 738).
Bon den Geſchichtsſchreibern Gregor's VII. Hat Petrus Pifanus ganz ein-
fad) Registr. IV, 12, wörtlid} egcerpivt und daran bas Jugjurandum des Königs
angelhloffen, Paul von Bernried ebenfo den Brief Gregor's VIL., doch ohne
Berfügung des Gides, ausgeichrieben (Watterich, Pontif. Roman. vitae, I, 296
u ‚ 9% u. 525). Daß Beno, Gesta Romanae aecclesiae contra Hilde-
brandum, Lib. II, c. 1, diefen Zufammenhang ausnufte, um bad Schlimmfte über
14) Das bier folgende; Quid plara? I eine bet Bonitte fo häufige Eenbu
Lib. VIII olleiw außerbem nod drei ab
Slots. Rallır Heincig IV. und fein Britalen, IT 159, n., anunehmen,
au biefer Gtee etwaß Beionderd gu bedeuten habe: es deine anzubenten,
an einem Buntte angelangt IR, den er nit näßer berühren mag“.
. 158 n.
15) Berg] 158 n. 28,
Beide |, Reneh Archiv für Ältere beutjche Gefhiätäfunbe, XYIIL, 173,
—5 — EINER ei — HELLEN *
pl fer.
daß saeilian
Se iaten je Geranf\i feiöRbonbenJunjurandum —
57*
0 Gears VIL
Da len m Ian & erherlan Tonfeniönen farm eyneten
si quis tam audacter abusus est potestate ligandi et solr.
iele werden hier eingeichoben) — c. 2: Hildebrandus non solum jesine
conturbavit pacem, sed etism aecclesiasticam scidit unitatem et wsice fidei
vestem inconsutilem, dum caesarem et episcopos communicantes cacsari
jeditiario ordine excommunicabat et tercio gradu eommunicantes eis
ab excommunieatione nova pietate excipiebat, hoiusmodi artibus et
regi subducere, et sibi allicere festinabat (Libeit de lite, II, 374 u. 375)
— biefe in. eigenthümli weigung der begleitenden Bi :
Rex... cum omni suseipitur a papa in io, primo ex consil
ducum repudiatus; postea a banno abeolvitur, honorifice tractatur, ba Annal.
Einsidlens. (a. 1076): Heinrieus rex . ... . obedientiam
lacavit, Sigeb. Chron.: ij oceurrens il tori in ia
Hab falsa egm peace Abeolrit (BE. LI], 129, 146, VL, 363, —e
brunnens. er ... ab Bildebrando exolutionem banni ‚promuerit, ita ut,
regali sublimitate deposita, publicam ageret poenitentiam (ed. Scheifer-
Boichorſt, 97). Eigenthümlich R der Bericht des Marianus Scottus, Chron...
a. 1100, teip. 1078 (Rec. alt., a. 1101): Heinrieus rex et lltibrandus papa con-
venientes mense Martio in Longobardia, rex a papa solutionem banni
(Rec. alt.: si oboediret), papa vero sedem apostoli a rege (Rer. alt.:
omni consensu et sine contradietione regis) accepit (SS. V, 561, veip. XII, 79).
Bruno, e. 9, führt zunähft, in furzer Nennung der Bubhandlung, an,
worin ber vom König erwähnte befiere Theil!?) beftanden habe. Heinrich IV.
verfihert: se plus amare regnum eoeleste quam terrenum, et ideo poeni-
tentiam, quameanque sibi vellet imponere, se humiliter suscepturum.
Gregor VII. — de tanti viri tanta humilitate Iaetatus — befichlt, den fönig:
Hihen Eimud nicht eher, ala bis er e8 erlaube, wieder aufzunehmen und bie
Grcommunicirten im Umgang zu vermeiden. Beides verfpridht der König: ab-
solutus bac lege dimittitur, unb er wird lebhaft ermahnt, nicht unwahr vor
&ott zu werben: quia si promissa non impleverit, non solum priora vincala
non auferantur, sed etiam alia strietiora superaddantur (365)
Giteharb, Chron. univ., a. 1076, begnügt fid) einfach mit einem Auäzuge
von Registr. IV, 12, und ge von Flavigny ftellt ebenjo nur biejes Sa;reiben,
dann den Eid Heinrich's IV., aber weiter noch ein zweites päpftliches Schreiben,
ist. collectae, Fr. 20, 3. 5019, in ben Zext (8S. VI, 201 u. 202, VII,
5 u. 446)
_ Während noch Stenzel, Geſchichte Deutſchlands unter ben Fränkiſchen
Raifern, I, 407— 411, ganz an Lambert’3 Tarftellung der Aorgänge fich an
geſchloſſen und daraus den Anlak genommen hatte, Gregor's VIL. Handlumgs:
weife ala ein „Wert einer teuilifchen Bolitif, bie alles Heilige, wie ber Böfe jelbR,
verfucht“, aufgufaſſen, und mährenb ebenfo Floto, Katler Heinrich IV. und fein
Zeitalter, II, 183 (n.) — vergl. hier in n. 14 — wenigfiens noch das Gottee-
gericht durch das Abendmahl gläubig hinnahm, if jegt volle Einftimmigteit
erzielt, daß eine kritiſch gültige Erzählung der Vorgänge zu Canoſſa fi nur
auf die von Gregor VII. felbft mitgetheilten Thatfachen ftügen tünne, dag von
einer Bentgung ber Lamberl’ichen Ausimüdungen und Beitügungen gänzlich
asarlhen erden müffe. Mebrigens hatte Doch auch ſchon Luben, — ber
tan am — IX, in ben „Anmerkungen“, 579 -581, Sambert’8 Glaubwürbig:
feit hier. beftritten.
a) Wergl. €. 755 n. 16.
Die Vorgänge auf Ganofja 1077. 901
Durch Ranke wurde — Sammiliche Werte, LULII, 146—148 — zwar
die Mitteilung der Bedingungen, wie fie Sambert als vom König gegenüber
dem Papfte übernommen vorbringt, gänzlich verworfen; dagegen meinte er bort
nod) Sambert ald „über die Vorfälle in Ganofja gerade deſonders gut unter»
richtet“ hinſtell en zu bürfen, alfo auch die Geſchichte von bem Gottesurtheil im
Abendmahle annehmen zu follen!®), Auch Giejebrecht jagte fih hier — II,
398-402, wozu 1147—1149, in ben „Anmerkungen“ — von Bambert’s Autori«
tät im Wejentlicden Los, mit Fl der Abendmahlehandlung. Dab_Delbrüd,
Ueber die Glaubwürdigkeit Sambertd von Hersfeld, 64—67, hier Lambert's
Widerlegung leicht fiel, liegt auf der Hanb 19),
Die Unglaubmwürdigfeit der auch noch in bes Annaliften Erzählung liegenden
Behauptung, von der Abweiſung der dargebotenen Hoftie durch den König, war
ſchon don Dölinger, Lehrbud; der Kirchengeichichte, IL, 145 ff., bingeftellt worben,
weil einzig ber wirkliche Empfang des Leibes des Heren dem Derganae ber Lois
jprechung vom Banne als einer facramentalen Abjolution wirklich entfpricht:
auf dad engfte ift bamit nach dem Grundſahe ber katholiſchen Kirche der Empfang
ber Communion verfnäpft. In ähnlichen uafüringen ſpricht — Knopfier,
Hiſtoriſch · politiſche Blätter für bad Latholiiche Deutſchiand XCIV, 381 ji _
in ber gortfegung der ©. 892 n. 21 genannten Abhandlung —, über diefe
ing, gleichfal® in ſcharfer Abweiſung der Lambert'ſchen Gonftructionen und
der Anfiht des Annaliften in ber Abendmahlageichichte, au, und dieſen Aus -
Führungen entfpricht ber betreffende Abfchnitt von ge Eonciliengeihichte, V,
0 #1.) Zwei Abhandlungen, welche fi) im Beionderen mit dem Greigniß
von Ganoffa beicäftigen, lauten in ihrem Urtheile aud gegen Lambert und,
abgeſt von der Behandlung der einen Stelle der Abendmahlsfrage, für den
Annaliften. Es find R. Soldihmite gerade in biefem Theile beſonders beachtens.
werthe Gtraßburger Differtation, Die Zage von Zribur und Ganofla (1373),
35 ff., und Fr. Braun, Die Zage von Ganofa unter Heinrich IV., II (Programm
Königl. Gymnafiums gu; Marbung, 1514), 10, 33-25, eine Zulammen«
faffende Veurtheilung des Greigniffes verſucht wird 29).
902 Excurs VII
Audmalung bed Gotteögerichtes vollends Sambert dieſe Geſchichte von bem Abends
mahl auf Canofja in ihre Erzählungen hinein.
Doc einzelne Quellenftellen fügen noch weitere, in ben Yanuartagen von
1077 in Ganofa nicht vorhanden geweſene Borftellungen und Umflände hinzu.
Bernoid, Chronicon, jagt von Heinrich IV.: apostolico ad condietum
diem Augustam tendenti ante purificationem sanctae Marise Canusii ob-
viavit. Übi et ab eo per inanditae humiliationis simulationem, uteumgne
tuit, non regni, set commnnionis tantum concessionem vix demum ex-
Forsit, dato tamen prius sacramento, ut de objectis criminibus ad judieium
papae satisfaceret, nec papae vel alieni eius fideli usquam eunti vel rede-
unti aliquam molestiam inferri consentiret (88. V, 433). Da if zu —2
Mittheilungen über das in Canoſſa Feſtgeſehte beigefügt, daß —2 IV. nicht
in den —— der ‚Hereihergemalt wieder eingeieht worden fei. Aehnlich wird
in ber Vita Anselmi ep. Lucens., c. 16, über ben König behauptet: humi-
liatus usque ad pedes eins (sc. Gregor’s VIL.), et facta securitate domino
papao per sacramenta, prout ipse dignatus est praecii ‚ praesentibus
episcopis et abbatibus atque comitissa Mathilda et Adeletia aliisque pluri-
, tertia demum die est abeolutus; verumtamen in regnum non est
restitutus (SS. XII, 18)%).
Daß das Auffafiungen find, welde mit ben ungen von Ganofja
durchaus nicht übereinftimmen, beweijen eigene rufen jregor’a VII. —
in istr. IV, 12., im Wortlaut des Eides, ber für Heinrich IV. — rex —
abgelegt wurde, zeigt der Umftanb, dak 1077 Gregor VII. den König nach ber
Abjolution ala folgen anerkannte, daß er nichts bawider hatte, wenn berfelbe
feine ganze Gewalt wirber auazuüben begann. Es if mit vollem Recht darauf
hingewieſen worben, daß es einfach unfinnig wäre, wenn fi Gregor VII. von
einem Könige, ben er nicht ald König anjah, hätte für ſich und feine Beauf-
tragten Sicherheit aufagen lafien 25).
Diefe umgewandelten Anfichten über bie getitife Tragweite ber Abjolution
von 1077 find erft in Gregor's VIL eigenen Worten in ben Acten des römilchen
Toncils von 1080 auögeiprodien: Quem (sc. Heinricum, quem dicunt regem)
ego videns humiliatum, multis ab eo promissionibus acceptis de suae vitae
emendatione, solam ei communionem reddidi; non tamen in regno, a quo
eum in Romana synodo deposueram, instauravi; nec fidelitatem omnium.
qui sibi juraverant vel erant juraturi, a qua omnes absolvi in eadem synodo,
ut sibi servaretur, praecepi (Jaffe, Biblioth., II, 402)2%).
i
r
:
Die Vorgänge auf Ganofja 1077. 908
— a3 die Vorgänge von Ganoffa betrifft, jo iR, bis auf bie mehrfach
betonte einzelne Stelle, dem Annaliften, daneben auch Bonitho und Don! J
den felbinvernandliqh ganz voran ſtehenden eigenen Zeugnifſen Gregor's V]
— zu fohenten.
Ueberfidt
ber in ben Exxurſen 1, IH—VIL eingehend beiprochenen Stellen
ber Annalen Rambert’3 (mit Angabe der Geitenzahlen in SS. V und in
Solder· Egger s Lamperti Annales).
1062. SS. V, 162 u. 163 (H.-E., 80) | 1073. 203u. 20 (166168) 846—848
©. 808 n. 50 204 (168)
2. (168) 821 n. 104
1068. 166 u. 167 (88-91) 808-810 204 u.205(169u.170) 848—849
1066. 171u.172(100u.101) 810-811 206 (172) a1
1070. 179 (118) 865 n. 25 | 1074. 206 (178 u. 174) 823
1071. 189u.184(127u. 128) 816- 817 206 (174) 872
185 u.186 (191) 814-815 207 (174) 848
1er ses 180 m.21 208 (17 858
(182) 208 (177 u. 178) 858, 859
ie 188 (192.198) 7061.29 209u.210(181—183) 823-825
189 (139) 798, 799 n. 98 210 (183) 858
1072. 1891. 190 (194. 135) 808-804 211 (185 u. 186) 805
1078. 192 (140) 818 211 (186) 807
192 (140) 804 212 (187) 805
192 (140) 84 n.51 212 (187 u.188) 805806
192 (140 u. 141) 857 212 u. 218 (188) 806
iu ietiai an 795-797 214 (190) 805
194 (145 u. 146) 841-842 214 um w.19) 804-805
194 146) 8 214 (191) 806
194 (147) 214 u. 215 (192) 805
195 AT 148u.140) 858, 3 215 (192) 806
196 (15 8, 859 215 (193) 8
197 (158) 859 215 u.216 (198 u. 194)
197 (158) 818 216m 2170051) —
197 u. 198 (154 u.155) 858, | 1075. 219 (208 826
858-859 210 e0s-210) 0,
198 (154 u.155) 858, 859 2-—
199 (158) 865 n. 23 223u.224(210—218) 3-88
200 (159) 811 24u. 295 (219-215) 828-829
200 (159 u. 160) 857858, — 874 - 877
870-878 26 (217) 821 n. 105
01 (162) 859 n.5
iu. D2c6ı 108) 8IL-813
202 (163 u. 164)
%2n. 08 166) 20-88
8
J
R
<
5
ben 1077 bi8 1080 di afoige be 8 bg
— S Haren Se ai ——
' und Wubelf fämebte. h hiefe
ie —* —— —A——
ein! IL juaodam ornamenta,
—— —F —— agu 8 Bee abstinere 3 arbitrli al jempus
—— — — — —— ar
— PN ‚ Mad sacramentum quo
testimonfam occlesiasticae liationis communicatar). —ã — Dan hr
wieberholt wird (Libelli 0 lite, II, 191 m. 199, 229 u. 280).
H
1
H
Neberficht der citirten Stellen aus Lambert.
904
1075. 233 (232—234) 830, 832
234 (234 u. 235) —
Fr a 28) 831—833
u. 240) Pen
FH 3
236 u. ana 817 A
236 u. 237 (41) 800.n.39
238 (244) 798 n. 28
238 (45) - 799 n. 32
238 (245) ° 799 n. 33
239 (246) 304
239 35 J
1076. PH .245(259u. u
838, 839— Fe
45 (26)
Pre (261 1.262) u
1076.
1077.
AT. 248(264—288) 835836, ,
A8u.249(268 u.289) I,
249 (270) 84 n. 141
49 (270 u. 271) 885 n.3
251.252 (274—276) BE,
252—254 (276—283) 885—887,
890-893, 896 n. 8
255 (289 u.284) 849-850
258 (286) 849 n. 187
256 (286)
258—260 (290-298) 891, 895
897, 90-903
200202208301) 44-846,
Ercurs VID.
Ueber die durch Perk als Bertholdi Annales edirte
Geſchichtsquelle.
einſtimmung vorhanden, daß Bernold vielmehr von Berthold abhängig —X
0]
Annales von Berk zum Abdruck Ar wurde, if eine Vermiſchung verſchieden ·
er den he auf die in den legten Decennien vorgebrachten
es
730732, al Chroniei Herimanni Continuatio codiels Sangallensis, auctore,
ut videtur, Bertholdo neu zum Abbrude gebracht wurde. Dis oetjehung
fegt im Jahre 1054 mit dem Tode Hermann’ ein und reiht bis in das jr 1066,
wo bie Handſchrift in der 3b. I, ©. 510 n. 31, erwähnten Weife plöglic ab-
gebrochen haben muß, fo daß anzunehmen if, Bertholb's Arbeit habe erheblich
weiter fid) erfivedt. Wenn auch diefer Test — von SS. XII — gewiffen Ab»
fürzungen, gegenüber Bertholb’s urfprünglicher Arbeit, unterworfen zu fein
In hen Serigleren rerum Oermasiceram, ber gungen — BB. Y,
— ıgenägenb ebirten — Waterialien, gefäßtaufbie Ergebnifje ber neueRen
ei@unpen, wi jeeft bantenäiwerth, em notgwendigeh DH au ber Ihönen
ie
nenen Sambı 17 —
* — Burke nüßerigen Dieulfen hıry Battenbad, Deutfälanbb
an.
*
m im Mittelalter, II, etebeeht. 11.1067, Teemee Deonbers
Felen von Gleelan, Sehen’ un’ Wrkle beh Wiinger Bernslh’ vor &. Diafen,
906 Excurs VII.
Meint, fo if man doch berät, it ihn ala Bertholdi Annales ſchlechthin
enzulegen und ala ſolche zu
ber Compilation von "ei. Blajien — von 1066 an (88. V,
273 D- — ftedt nun dieſe weitere fortiegung Berthold’s, ald ein Belanbtheil,
il a le gun Genie Grabe von a —
em ohne mehr von einer Age im Als
jermeinen ais Eigenthum Berthold’ — Berthol Kom _ ar Rebe fein
innte‘) Bielmehr finden Ai in biefer Compilation nen derartigen Berthold
eichriebenen Nachrichten®) andere, die in old räegufihen fi finb*) oder
ie aus noch weiteren 5 en — verichied: Berfaller — genommen —
fein müflen Einzi le dureh a “in beflen Notiz in den Borfchun
ur ul en Geſchi he. Xau, 497 fi, und durch May, in befien dort ne
— Unterfuchun 1. e., 501 fi. —, eingefehlagenen je, der &b-
jedes einzel * 8, wobei „allerdings bem fubjectiven chl mancher
& —8 Bleibt, , wie Waiß fi ausbrüdt, ann hier dor oegegengen werben.
— Aber mit dem Jahre 1075 wird nun das Verhältniß ein ganz
inberes.
Erlich bören mit biefem > Jahre die noch bei den 3 esberichten von 1073
Behandlung der ——
Kun — zu müfjen glaubte, betreffen fo "ehren 5 und
eben fo naturmothwenbig in gleichen Worten anszubrüdenden Dinge, dal
Tolche Jdentitäten kein band mehr zu legen
weitens aber wird innerhalb d ganzen aioifdhen ben Jahren 1066 und
1080 Tiegenden Zulammenhangs der Compilation von Et. Blafin bie Dar:
ſtellungsweiſe des Wertes en eine fo völlig abgeänderte, daß man fih
auch fonft gezwungen fieht, bi im Anfang von 1075 einen Ginjchmitt zu
madgen®), einem anderen Berfafler zu Juppanicen®),
9) Hab Dölige Berfähiebenbeit in
und et m Fa — —* — Kal: an, Er Bla rin anderes
Ueber bie durch Perh als Bertholdi Annales ebirte Geidjichläquelle. 907
Schon bie Hier in Bd. IL zur Behandlung gebraten Abſchnitte von 1075,
1076 und Anfang des Jahres 1077 zeigen zur — iefen völlig abweichenden
Charalter des Werkes.
Wenn die Schilderung bis zum Jahr 1074 eingeſchloſſen mit Recht --
gewiffe Einfchiebfel zum Theil abgerechnet — als eine einfadje, Elare, beutliche,
im Ganzen eben Berthold’s Geifte entiprechende gewürdigt wurde, jo ericheint
von 1075 an ſchon eine völlig abweichende —ãe— breit ausgeſponnen,
gefucht in den Wendungen. ganz überladen und dadurch ſchwer verflänblich
ober wenigftend dem Sefer recht unerquidlich®\ Ferner tritt gleich eine aller«
dings noch immer mehr fleigernde Gereiztheit ber Stimmung gegen Heinz
rich IV. zu Zage, welche allmählich zur ausgeſprochenen Königsfeindlichteit erwächft
und bie arfellung ar eigentlichften Parteifdhrift ſtempeltiij. Danı fehlt es,
wie in ber Gompilation bie 1074, nicht an Gmtlehnungen und Gintebiebungen,
welche ben Gang ber Erzäglung unterbredien, wie Stellen aus Briefen Gregor's VIL,
aus Gtreitichriften !?).
Benn nun alfo hier für diefen Zheil der mit Unrecht fogenannten Ber-
tholdi Annales bie Bezeichnung gewählt iſt: Ghronift, Annalift von 1075
an, fo will biefelbe nicht für mehr, ale für eine durch bie Noth herbeie
geführte Auskunft, auegeben. Gie foll nur ganz beftimmt die durchaus anders
kartete, aber ohne Zweifel gleichfons auf IAmäbilchem Boden geicpriebene Ab:
Heilung von 1075 an ſcharf don dem früheren fonbern'®).
Nachtrãge und Berichtigungen.
©. 88 n. 89 fehe in 3. 2: n. 37 u. 66.
©. 91 3. 12 (im Zexte) ſtehe Lorſch, ftatt vorch.
©. 96 n. 105. Rach der wohl von Schwarzadh flammenden Beifügung zu
Ekkeh. Chron. univ., a. 1075, SS. VI, 201, n. 2*, if der Zobeötag
Eltehart'3 vielmehr der 25. November (vergl. au; ©. 544, n. 128).
©. 97 n. 108 fiehe in 8. 3_v. u.: 1874, Ratt 1074.
©. € —— — f mei aeriäten des Codex, Alte
aufgenommene
xaeichichte des an an
ſichie, Beilage zum Evangelift
En 4. Jahrgang, 1889, Rr. 7),
nbergifche Kirchengeichichte, 68 u.
ein jelbftändiges ter Hirfau
itreichung der burch Interpolation
totig ber Heräfelder Annalen zu
ere beutjche Geichichtäkunde, XIX,
en Bierteljahröheften für Landes ·
38, richtet Thudihum, 227—239,
785 ala „gefäljchte Urkunde“, wos
[., 255 ff. Einwände ober wenige
wenn auch freilich Schäfer das
ala Nachbildung erklärt, welde
— _ zunehmen jei, eben biefe Inter:
polation fei Zwed ber Raiitdung gewefen. Doch vergl. anderentgeile
den Umftand der textlichen Yerührung des Annaliften von 1075 an mit
St. 2785, ben ©. 527 n. 97 bervorhebt. Ebenſo hält Brehlau, nach brief:
licher Mittheilung Stälin’s, St. 2785 für unverbächtig.
©. 121 n. 8. Lambert irrt, wenn er den König bie ganze Faſtenzeit in Goslar
bringen Läht (vergl. deffen eigene Angabe: &. 151 n. 71 — Holber-@gger,
[uögabe Samberts, 134 n. 2).
©. 168 n. 99. Holders@gger, Neues Archiv, XIX, 571574, führt aus, daß
wegen ber bis zum Zobe Erzbiſchof Siegfried s 1084 und bis zu dem %
gange der ‚Hielauer Mönde Auguſt 1 ſehr unfreundlichen aeaiehungen
t
gi hen be Hartwig ud Hafum, en ae a no Augufl 085 feinen
u I,
fiber Örönce mad Gefangen Kaldie nn OH Ok
©. 181. O. Pit, Damianis mit mit Hildebrand, Stimmen aus Maria-
Soad, XLI, 281 f., 400 ff., 508 ff., Teugnet einen Gegenfaß ober wenignd
eine tiefere Mibfimmung zwilden Petrus und Hilbebrand; Heine, vı
[RR Miverfländnifie feien ohne alle Rechtfertigung zu Gegenfägen und
eindſchaften aufgebaufcht worden.
Rachträge und Berichtigungen. J 909
8. von Heinemann, Geſchichte der Normannen in Unteritalien
ien, I (1894), 228, mit Ynm. 34 (392 u. 388), Ipricht fid) über
Robert’3 zefervirten Antheil an Gicilien übereinfimmend aus.
6.205 n. 32. Knöpfler, Katholit, LXXI, I, 352—865, wenbet fi) gegen Mirbt, in
Bertpeibigung ber Echtheit des Commentarius electionis, jowie der Gültig«
teit des Volzuges der Wahl Sergore VII überhaupt. Zu dem Berichte
Beno’s vergl. Joſ. Schniger, Die Romanae ecclesise des Kardinals
Beno und anbere Streitichriften ber [hismatifchen Kardindle wider Gregor VII.
(Hiftoriiche Abhandlungen aus dem Münchener Seminar, II), 1892, 29 fi.
of. Greving, Bauld don Bernrieb Vita Gregor VIL. papae (Kirchen:
chichtlice Studien, II, D, 1898, vertheidigt gleichfalls, 32 n. 2, bie
heit bes Wahlprotokolls. of. Fangen Selsi te der Römifchen Kirche
von Gregor VIL. bis Innocenz III. (1898), will, 3 (vergl. 4, n. 2), daB
„noch vorhandene Wahlprotofoll“ als zu dem Zwede der ſcheinbaren Im
Bennlation der Nachfolge Hildebrand’s ala ft „bereitd entworfen”
wiffen.
©. 338 n. 86. Eine Nennung Anno’? an erfter Stelle — dann Siegfried,
zithet Burchard von Halberftadt, Werner von Magdeburg et omnes prin-
cipes Saxoniae: sc. favebant apostolico — jhieben aud; Annal. Btadens.,
a. 1074 (SS. XVI, 316) ein.
©. 242 on. 9. Holder:Egger’? Ausgabe Lambert’, 152 n. 5, will die Vesart
Holeinesleve be3 Annal. Saxo, 33. VI, 699, in ben Xert Bruno’s
anfepen, Ein Dorf Holleben liegt fübweftlih von Halle, Iints an der
Saale, höchftens drei Meilen in öftlicher Rihtun von Wormöleben.
©. 266 n. 138. Holber:Egger, Neues Ardiv, XV, 188, zieht u den von Sams
bert erwähnten Zumuthungen ber Thüringer an Hersfeld die allgemein
lautende Stelle des Prologus zum Libellus de institutione Hersveldensis
ecelesiae heran: suggestioni eorum (sc. der praedones, qui ei — Herd»
feld ibil religu fecerunt praeter parietes et saxa), pravae con-
licae atque ecelesiasticae paei contraire, aasentiri
spirationi, rei pul
riculosum ducimus (8S. V, 197).
3 8. von Heinemann, 1. c., 254, mit Anm. 40 (390), weiſt auch auf
Antnüpfungen der Aufftändifchen mit Byzanz hin.
314 n. 6. en Köhne's Zurüdführung des Zollprivilegiums auf die
Kaufmannsgenofjeniaft richteten fih ©. von Below, Der Urſprung
ber deutſchen Gtadtverfafjung (1892), 6, n. 4, fowie Schaube, Zur Ents
Rehung ber Stadtverfaflung von Worms, Speier und Mainz (Wiflenfchaftl.
Beilage zum Yahreöberichte bes angel, Gymnafiums zu Ct. Elifabeth in
Breslau, 1892), 28 m. 108, 54 n. 219, dab der Vortheil allen Einwohner-
clafſen der Stadt zugefommen jei, wie vorher 1073 bie Erhebung Sen
Biſchof Adalbert von den Männern ausgegangen war, welche thatjächlich
ie jeinde der Vollfreien führten, Pr eren Mitwirkung die Beamten
der Stabt, Burggraf, Schultheik, Zöllner, Münzmeifter, angewiefen waren,
wenn nicht gar diefe Beamten damald an der Vertreibung des Biſchofs
Fi, beteiligt Hatten. Bergl. auch Hegel’3 Beni für dentität der Ber
griffe mereator und burgensis, Neues Archiv, XVII, 218—221.
349 n. 55. Greving, 1. c., 35, n. 1, will wieder die Synobalbeichlüffe von
1075 Hieber zu 1 4 ziehen, ebenfo Langen, 1. c., 38, n. 2.
373 n. 88. ibert irrt wieder, wenn er bie ganze aftenzeit nennt, da
ja ber 22. März nad Fritzlar fällt (S. an, m jchon in Bamberg
gefeiert wurde (vergl. — Auẽ gabe Lambert'3, 183 n. 4).
©. 410 ff. Holder-Enger, Ausgabe Kambert’3, 200 n. 1, wollte, da das Keuſch ⸗
heitagebot erfi 1075 in Deutfchland verbreitet worden fei, biefe Borgänge
auf die nagher ©. 570 angeführte Mainzer Synode vom Oktober 1075
verlegen. Dog vergl. ©. 40 u, 491, 498, 438 über Icon 1074 in ber
Eölibatsvorihrift nach Deutſchland ergangene Mahnungen.
©. 495 n. 58. Greving, 1. c., 37 n. 1, ht zutreffend aus, daß der Adrefiat
von Registr. II, 11 — Ädalbertus comes — weit eher Graf MAbalbert
von Galw fein wird, zumal das Schreiben ala wahrſcheinlicheres Datum
nad Paul don Bernried, c. 40, XI. Kal. Nov. trägt.
910 j Nachtrage unb Berichtigungen.
aa an
@
te, ir von „ — nicht zu een —— möchte Holder-
er, mach Unterjuhung der „wortidilleenden Darftellung auf ihren ſach⸗
Kom Inhalt“ iger ven Werih der Schladticpilderung weit unter Kante’?
ırtheilung anfchlagen.
525. Holber=lögger, Ausgabe Sambert’3, 232 n. 3, möchte den bier ger
nannten Grafen Boto a dem ©. 299 erwähnten Bodo il entificiren.
584. Derſelbe nimmt, n. 38-5, Ruobener für den ©. 21 genannten
Grafen Ruotger, den er — Grafen von Bilftein (an der Werra) auffakt,
Siggo für einen Grafen von Käfernburg, Berenger für ben durch bie Hist.
. prineip. Thuringise, c. 4 (SS. XXI ), gemähnten Grafen
Berenger von Sangerhaufen, Got op Ge Grafen Bud bes tigen.
549 n. 16. 9%. von Döllinger, Das Papftthum (1892), hielt, 381 n. 27,
auch noch Gregor's VII. Autorſchaft bes — feft.
565 n. 154. Zangen, 1. c., 53, n. 1, macht Grünbe geltend, bie für Bei⸗
behaltung der Zedart aberant in Registr. II, 7, ſprechen.
587 n. I Zu Beno’3 Schilderung bes Meberfalles vergl. S ben Le,
FAR Beſonders eingehend handelt Breoing, 1. 0.6.4148, über bie Mit:
ungen des Paul von Bernried betreffend Cencius (44 n. 8 erklärt ben
ame Pet ala F3 Baticanlä Deich), —
n. ergi Breving, über Paul's Ausſo⸗ Setzen Sue u.
Si, en Ausführungen, 64ff., über ber Maul
er rom:
640 n. 32, 3. iehe „war duch“, ftatt „ward durch“.
640 n. 32. "3. don Döllinger, Das Papfittum, 383 n. 38, 384 n. 37,
ſpricht auf das entfchiedenfte don ber Depoftion bes Könige, und auch
ingen, 1. c., 60, n. 2, nimmt bie 6 jenen Gr der Abfegung Heinrichs IV.
an. "&benfo Hihrt Greving, Egruxs über die Stage der Abe
— des Königs mit ber an ein, & — für 1076 nur von eine
bfegung die Rede fein. . Rampi ‚Heinrichs IV.
Gregor? VIL 1080—1084 — En 1898), Hält in den ”
Örterungen, $ 1, 155—157, Sons IL Synodalurtheil nur für Suſpen ·
fion, bie aber von —8 — IV. deutſchen Feinden ala Abfegung au; t
worden jei, jo daß der Papft fi aus Gründen, politifcher Zme
mit dem Schreiben vom 9. September (vergl. ©. 721 ff.) diele Auslegung
—D — habe. Auch eine mir nicht befannt gewordene, Yahreöberichte der
ie — XV, II, 58, aufgeführte Münfterer Differtation von
Die al bfepun, beutfcher Könige durch dem Papft, fol wieder
dafür ten fein, dab 1076 — Suſpenfion verhängt wirrde, bie Abe
gene erft 1080 zur Verkündigung fam.
Greving’3 Bemerkungen, 1. c., 71, n. 6, find hinfällig, ba er nicht
beadhtete, dab ja nicht der Utredhter Dom abbrannte.
. 687. Dafür, dab, wie Lamprecht, Deutfche Geichichte, II, 332, fagt, die Ber«
föhnung Robert” und Ricard’s aus Berhandlungen hervor — * 9
die, Heinrich IV. begonnen habe, Liegt fein Beweis vor.
gem, 1. e., 279, vergl. die in n. 104 erwähnte Bemertung ER
7 n. 108.’ 8. von Heinemann, 1. c., Anm. 41 (91), fept gleichfalls den
don San Severina Ende 1075 oder Anfang 1078 an.
. 690 (n. 108). Auch 8. von Heinemann ordnet, I. c., 281, ben Angriff des
Robert von Zoritello tl 1076 ein.
. 749 (n. 6). Holder-Egger, Neues Archiv, XIX, 539 u. 540, bringt neue
Argumente gegen die Annehmbarteit der Lambert'ſchen Gefchichte von der
Gebietsabtrefung an Abelfeid. Einzig darf auf den Punkt, dak der Mark«
gräfin eine ſolche igenmiipige Harther; eezigtet taum zuzutrauen jei, 48
grobe ee rg it geleat me ‚legt werben. ‚Cie fo energiiche Frau. wie Abelheib
—_ wäre möi ie je auch im —
ee, bie org * —S— — mes Guöqubenten.
Eine Werthichägung vom „ethifi ſegriffe der Ehre“ aus, die fi
Nachtraͤge und Berichtigungen. . xı
yon en allein zuläffigen Würdigung des jniffes — aus ber wirklichen
achlage be Januar 1077 — völlig ae, — für den Vorgang von
ae u: jangen, 1. c., 73 n. 1 (in deren 8. 5 muß aber der unver-
fändliche
. 773. Greving, Registr.
die beiden ten Bernhard eat a laſſen, nicht durch Rapoto,
ben er für den „Grafen“ Rapoto he
. 773 n. 45. Als die Gunſibeweiſun ung — VII. für die Canusina aec-
olesia, d. h. das Gt. Apolloniug-Rlofter, berlen „manch Donizo var ift bie
durch Holder · Egger, Neues Archiv, XVIL,
Neifeberichte erwähnte Bulle des Bapftes: Data
ers VIE und yuar 1077, IL Idr Febr., anzufehen.
785. Eine aufammenfaffen enbe Würdigung der ganzen mobernen, beſonders
aud ber franzöfiihen Bearbeitungen und Beurtheilungen bes Sehens Gre:
Tv or’3 VII ih au 1085 in einem ixje folgen.
794 n. 10. Die Iefte Abtheilung don older-Egger's Stubien, Neue U iD,
XIX, 507-574, fonnte, Info je ber abermals Bewielnen großen Gefi
teit des Berfaffers, im Rad) genden noch te benüßt werben.
. 819 u. 820. Die ba — on Lambertſchen Nachrichten über den ge:
planten dänifchen ur — Angriff anal Er auı X ablehnend
—S——— Neues Archiv, 20h. En edung bed An:
Icheines, als Habe die Zulammentu * mit — Svend
1073 ſtattgefunden Fan ex eine bewußte Zäufchung des Leſers um bie
DVerderbniß des Königs nach Anno's Weggang von ben Reicjsgeichäften
neuerding® auszuführen.
. 889 u. 890 (n. ah 892. Sander, 1. c., weißt in ben Erörterungen, Er
157—159, Genuth 3 Angabe über da3 Zuftandelommen des Triburer Abe
tommens gleichfalls don Ger Hand, möchte dagegen Bonitho's Behauptung
über die don den fFürften wegen des Feldzuges gegen die Rormannen eins
2 jangene Verpflichtung um fo flärker betonen: eben das Verſprechen an
jer im Intereſſe Gregor's VII. Tiegenden Heerfahrt theilzunehmen, {pr
Air den —F Antheil, den die paͤpftlichen Legaien an den Grin
madun; in nahmen.
. 891 (n. Sreving, 1. c., 77 ff, mödte bie Exiftenz des „beutichen Ge
ſehes —R geftügt auf die Ausfagen Bonitho's von der lex zus,
welche die Deutlen ürhten aufrecht erhalten wiſſen wollten (vergl. S. 889),
und des Paul von Bernrieb, c. 85, von ber lex Teutonicorum — se prae-
düs et beneficiis privandos esse . . . ei sub excommanicatione inte-
grum annum permanerent (@atterid), Pontif. Roman. vitae, I, 525) —,
mährend ns nur vom ber binbenben Abrede ber Fürften unter einanber
ie Rebe
. 894 ff. — Holder-Egger iſt, Neues Archiv, XIX, 57-568, der ganze
Canofſa · Vorgang, unter —R an die Kritik des ‚nad, der. ganzen
Ziefe feiner 3 ftigleit“ nochmals bargeftellten Lambert, einer mehr
I ganz neue Auffafjungen enthaltenden Unterjudung unterbreitet worben.
beſonders ftellt babei der Kritifer Donigo’3 Bericht, und zwar unter
Per ne Heranziehung der ©. 758 n. 23 vorauögehend al etvennten
Verſe (85—99) zu der hier für den Borgang felbft allein in Anſpruch
nommenen Stelle von ©. 899, völi en Vordergrund, zu dem r
bie bisher allgemein fefgehaltene Auf taffung be der Be Gros VI über
den König: per tridaum ante portam castri
persistens 894) unter Abſchwächung des dari —* —ã
ee _ au hubeben. Zumeit zent Bi.) jer Srtlärungameile
em! ab gegenüber der eigenen Ausjage japfteß:
eustri auf die Mobificete Anı ade des Chron. monast. Casin., a. DU,
e. 49: ante pontificis —— ni tunc in unam Matildae munitiseimam .
arcem se contulerat — Märteres Gewicht gelegt wird.
dem italienifchen
in villa Bundena,
AG1? 918
Bains Google